I EN UNTERSUCHUNGEN ZUR NATURLEHRE DES MENSCHEN UND DER THIERE HERAUSGEGEBEN VoN en JAC. MOLESCHOTT. JAHRGANG 18860. VII BAND. ERSTES HEFT. 2 Mit Abbildungen. # GIESSEN, 1860. FERBER’SCHE UNIVERSITÄTS - BUCHHANDLUNG. ; (EMIL ROTH.) Ale zwei Monate a ein Heft zum Preise von 25 Sgr,. oder Fl. 1 30 Kr, — en. 6 Hefte bilden einen Band oder Jahrgang. ww Kae BR de BE EN Ve La PR er ER: u Ba N N } prcy 175 AR: Dis . u E LA; ENTE AN Lug < - “ Me k j s B* DH. De x u I ie .— INH n 1 T n y Mr ER des ersten Heften 6, 5 a > A u { 2 , f Fr, N Br AR ARTEN I. Ueber die an seblich „saure „Reaction „des Muskel BEBorE Reyniona® er dns Durch ’ II. Beiträge zur Kenntniss des Winterschlaf ‚der x Malen De a 3 U MEERE, Fir pr . i <19.25 —2310 mal eine Secunde, oder im Gan- zen 38.5 Minuten lang, mit Erfolg mittelbar tetanisirt wurde, was eine bei weitem grössere Summe von Zusammenziehungen vorstellt, als sie bei einer anderen mir bekannten Art mittelbar zu tetanisiren erzielt wird. Versagt endlich der Muskel vom Rückenmark aus weitere Zuckun- gen, so wird er mit dem der anderen Seite, der gar nicht gezuckt hat, ausgeschnitten, wobei er die Durchschneidung des N. tibialis leicht noch mit Zuckung beantwortet, und die Reaction seines Querschnittes geprüft. Man findet dieselbe meist deutlich sauer, während ich kaum zu sagen brauche, dass der Querschnitt des anderen Muskels noch die übliche neutrale, zum Alkalischen sich hinneigende Reaction zeigt. Dies Ergebniss ist um so auffallender, als sich merkwürdigerweise stets der tetanisirte Muskel als der bei weitem blutreichere zeigt. Man kann den Frosch am Leben erhalten, um sich davon zu überzeugen, wie er nach kurzer Zeit und, trotz der unterbundenen Bauchaorta, auch noch am folgenden Tage die Muskeln des gleichfalls tetanisirten Oberschen- kels ganz gut beherrscht. = Die Bauchaorta unterband ich bei diesen Versuchen in der Ab- sieht zu verhindern, dass nicht das stets erneute alkalische Blut die in dem Muskel entwickelte Säure sättige, und etwa in Gestalt fleisch- milchsauren Natron’s fortführe. Ich habe einige Versuche angestellt, welehe zu beweisen scheinen, dass diese Vorsicht nicht ganz überflüs- sig war. Als ich nämlich denselben Versuch ohne Unterbindung wie- derholte, gab sich ein weit kleinerer Unterschied zwischen der Reac- tion des ruhigen und der des tetanisirten Muskels zu erkennen. Als ch sodann beide Nerven unversehrt liess, und statt der Aorta die eine A. iliaca commamis unterband, zuckten die Muskeln der Seite, wo nicht unterbunden war, länger und stärker als die der anderen, und erschienen verhältnissmässig blutleer. Nichtsdestoweniger gaben sie keine deutliche Zeichen der Säurung, während die Muskeln der an- 30 deren Seite, wo unterbunden war, obschon von Blute strotzend und folglich viel reicher an Alkali, entschieden sauer gefunden wurden. Zerschneidet man einem Frosch, dessen Aorta unterbunden ward, den einen Ischiadnerven, vergiftet dann den Frosch mit Strychnin, und vergleicht die Reaction der beiden Gastroknemien, so findet man dieselbe auf beiden Seiten neutral, obschon die des tetanisirten aller- dings etwas mehr zum Sauren neigt. Der mangelhafte Erfolg. dieses Versuches rührt wohl davon her, dass dabei die Summe der Zusammen- ziehungen eine zu kleine bleibt, als dass eine bemerkbare Spur von Säure im Muskel aufgehäuft werden könnte. So bleibt also die Säurung des Muskels durch Tetanus beim Frosche stets eine ziemlich zarte Erscheinung, deren Nachweis mit nicht geringen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Anders ist es beim Kaninchen. Hier gelingt auf das leichteste und sicherste der zuletzt beschriebene Versuch, dessen Ergebniss am Frosch so gut wie ver- neinend ist. Zerschneidet man einem Kaninchen den Ischiadnerven der einen Seite, vergiftet dasselbe mit Strychnin, und schneidet un- mittelbar nach oder besser noch während dem letzten Krampfanfalle die Wadenmuskeln beider Seiten aus, so findet man die ruhigen neu- tral, die tetanisirten auf's entschiedenste sauer, so dass blaues Lackmus- papier bei längerer Berührung mit deren Querschnitt zwiebelroth ge- färbt wird. Ebenso verhalten sich alle anderen am Strychninkrampf betheiligten Skeletmuskeln. Ich weiss nieht recht, warum derselbe Versuch am Hunde keinen ebenso günstigen Erfolg liefert. Ich fand in mehreren Fällen die ruhigen Muskeln alkalisch, die tetanisirten neutral. Allerdings also neigt die Reaction der letzteren mehr zum Sauren als die der ersteren, und vielleicht erscheint sie nur deshalb nicht sauer, weil die Reaction der ruhigen Muskeln hier eine mehr ausgesprochen alkalische ist, so dass der Punkt, von dem aus die Muskeln sich bei der Zusammen- ziehung der sauren Reaction nähern, im Hunde ein weiter davon ent- fernter ist, als im Kaninchen. Man kann diesem Versuch am Kaninchen noch eine andere Ge- stalt geben. Das Thier wird auf dem Bauche liegend festgebunden, in Schulter- und Lendengegend eine Hautfalte in die Höhe gehoben, Sl mit dem Scalpell durchstossen, und auf dem zur Führung dienenden Scalpellstiel ein Streifen Zinkblech von etwa 15"" Breite hindurchge- führt, an dessen eines Ende ein Draht gelöthet ist. Damit bei Be- wegungen des Thieres die Blechstreifen nicht wieder herausgleiten, knickt man das freie Ende derselben hakenförmig über die Hautbrücke um, unter der der Streifen fortgeht. Diese Art, der Wirbelsäule eines Kaninchens Elektroden anzulegen, möchte der von Hrn. Pflüger in seinem Buche über das Hemmungsnervensystem der Gedärme empfoh- lenen vorzuziehen sein. Die beiden Zinkstreifen werden mit den Enden der secundären Rolle des Magnetelektromotors verknüpft. Oeffnet man, bei passendem Abstande beider Rollen, den Schlüssel, so verfällt das Thier in Tetanus. Der Kopf wird zurückgebogen, die Pupille erwei- tert wegen Erregung der Ciliospinal-Gegend des Rückenmarkes, nicht selten schreit das Thier kläglich, endlich der ganze Körper geräth, wegen der Unterbrochenheit auch der scheinbar stetigsten Muskelzu- sammenziehung, in ein so heftiges und rasches Zittern, dass dadurch ein tiefer musikalischer Ton entsteht. Ich habe dies zuerst in den eben erwähnten Versuchen des Hrn. Pflüger zu beobachten Gelegen- heit gehabt, als derselbe, um das von ihm im Rückenmark vorausge- setzte Centralorgan der Nn. splanchnici zu reizen, Kaninchen in ähn- licher Art vom Rückenmark aus tetanisirte. Musikalisch bestimmt habe ich jenen Ton nicht, es ist aber nicht zu bezweifeln, und gewiss bec- merkenswerth, dass derselbe dem Ton des Magnetelektromotors bedeu- tend an Höhe nachsteht. Bei fortgesetztem Tetanisiren wird, unstrei- tig wegen des Krampfes der Athemmuskeln, das Blut des Kaninchens schwarz, und es kann leicht geschehen, dass Einem das Thier unter der Hand stirbt. Ein Stück Muskel aus einem solchen Kaninchen ausgeschnitten findet man sauer. Hat man auf der einen Seite den Ischiadnerven zerschnitten, so kann die neutrale Reaction der davon versorgten und in Ruhe gebliebenen Muskeln wie in den vorigen Versuchen zur Con- trole dienen. Dies ist nun nichts weiter als eine Bestätigung des mit Strychninvergiftung erhaltenen Ergebnisses. Allein die neue Versuchs- weise hat vor jener das voraus, dass man dabei das Thier am Leben erhalten kann, und so Gelegenheit hat, eine Frage vom höchsten In- 32 teresse zu beantworten, nämlich die, was aus der in Folge des Tetanus im Muskel entwiekelten Säure werde. Ich habe hierüber erst einen Versuch, aber mit recht günstigem Erfolge, angestellt. Nachdem ich nämlich ein Kaninchen so lange und so stark tetanisirt hatte, als es mög- lich war ohne dasselbe zu tödten, schnitt ich ein Stück Muskelfleisch aus dem einen Oberschenkel aus, und fand dasselbe angegebenermassen lebhaft sauer. Darauf wurde die Wunde zugenäht, und dem Kanin- chen Ruhe gegönnt. Die ersten zwei Stunden lag es in tiefster Er- mattung auf der Seite, und war ganz kalt anzufühlen; dann erholte es sich allmählig, setzte sich auf und fing wieder an zu fressen. Nach etwa fünf Stunden wurde die Wunde wieder geöffnet, und ein neues Stück Muskelfleisch ausgeschnitten, welches sich nicht mehr sauer ver- hielt. Abermals wurde die Wunde zugenäht, und das Thier zu wei- teren Versuchen aufgehoben. Ein paar Tage darauf prüfte ich an demselben vergiftete Pfeile der Jakuns (Mintras) von Malacca, die mir Hr. Fedor Jagor von dort zuzusenden die Güte gehabt hatte. Es erfolgte Tetanus und Tod, wie nach Strychninvergiftung. Ein drittes ausgeschnittenes Muskelstück erwies sich jetzt wieder deutlich sauer. Aus diesem Versuche ergiebt sich mit Gewissheit, dass wenige Stun- den hinreichen, um die auch im ungewöhnlichsten Maasse in den Mus- keln durch Anstrengung, erzeugte Säure unmerklich zu machen. Ich habe aber Grund anzunehmen, dass bei unversehrtem Kreislauf ein sehr viel kleinerer Zeitraum, vielleicht schon von wenigen Minuten, dazu ausreicht. Da das Herz während des Lebens unablässig eine gewaltige me- chanische Arbeit leistet; da bereits anderweitige Spuren eines beson- ders regen Stoffwechsels darin gefunden wurden, als da sind Kreatin in ungewöhnlicher Menge, Inosit, Hypoxanthin; da, wie ich bemerkt habe, Braeonnot’s Analyse des Ochsenherzens von Berzelius’ Analyse anderer Muskeln desselben Thieres hinsichtlich des Verhält- nisses des alkoholischen und wässrigen Auszuges in dem Sinne ab- weicht, wie es nach den Beobachtungen des Hrn. Helmholtz zu er- warten stand; endlich da schon 1828 Hr. ©. Aug. Sigm. Schultze das Herz unter allen Muskeln am stärksten sauer gefunden zu haben glaubte: so versuchte ich, ob vielleicht das noch leistungsfähige Herz 33 eine saure Reaction geben würde. Beim Frosch, bei der Taube, dem Ochsen, Kaninchen und Meerschweinchen traf dies indess nicht zu. Nur dass das Herz, trotz seiner grossen Blutfülle, die ihm stets eine deut- liche alkalische Reaction verlieh, früher als andere Muskeln sauer zu werden schien. Hr. Kühne schrieb mir aus Paris, er habe frische Herzen von Hunden und Katzen sauer gefunden, die Hr. Claude Bernard zu seinen Versuchen verwandt hatte. Ich dachte mir, dass diese Herzen vielleicht deshalb sauer gewesen seien, weil sie während der Viviseetion vor Angst und Wuth heftiger als sonst geklopft hat- ten. Ich zerschnitt also einem starken männlichen Kaninchen beide Vagi, um sein Herz in ungewöhnlich heftige Bewegung zu versetzen. Das Thier starb unter den gewöhnlichen Zufällen bereits nach 22 Stun- den, als ich gerade anders beschäftigt war. Doch traf ich, als ich sehr kurze Zeit darauf die Brusthöhle öffnete, das Herz noch für mechanischen Reiz empfänglich an. Die Reaction desselben war aber die gewöhnliche ziemlich ausgesprochen alkalische. Die rothen Flecken, welche durch Tetanus gesäuerte Muskeln auf blauem Lackmuspapier machen, sind von dauernder Beschaffenheit, und die Siedhitze vermag über die dergestalt in den Muskeln entwickelte Säure eben so wenig wie über die auf anderem Wege freigewordene (S. oben S. 21). Die saure Reaction der angestrengten Muskeln rührt folglich weder her von der nach Angabe der Hrn. Matteucci und Valentin reichlicher darin entwickelten Kohlensäure, noch von sau- rem phosphorsaurem Kali. Dass Fleischmilchsäure die Ursache der- selben sei, wird noch dadurch wahrscheinlich gemacht, dass Berze- lius, wie er im Jahr 1841 Hrn. Lehmann in Schweden erzählt hat, aus den Muskeln gehetzten Wildes eine auffallend grosse Menge Milchsäure erhielt, während die Muskeln partiell gelähmter Extremi- täten ihm weniger als sonst davon zu enthalten schienen t). ') Dies ist, wie mir Hr. Lehmann brieflich mitzutheilen die Güte hatte, der Ursprung der in sein Lehrbuch der physiologischen Chemie Bd. I. Leipzig 1850, 5. 103 aufgenommenen Angabe, („Berzelius glaubt sich überzeugt zu haben, dass „ein Muskel desto mehr Milchsäure enthält, je mehr er vorher angestrengt worden „ist“) welche von dort vermuthlich in Hrn. Ludwig'’s und Hrn. Schlossber- ger's Werke übergegangen ist. Berzelius selber scheint jene Beobachtung nir- gends veröffentlicht zu haben. MOLESCHOTT Untersuchungen VII 3 34 Ueber die Entstehungsart der Fleischmilchsäure bei der Zusam- menziehung wird es weise sein, sich zunächst jeder Muthmassung zu enthalten. Nur die Widerlegung einer Ansicht darüber, welche viel- leicht auftauchen könnte, halte ich für zweckmässig. Wir haben oben den Beweis geführt, dass die Gerinnung des Muskelfaserstoffes unabhängig von der Säurung des Muskels stattfinden könne. Die gegenwärtigen Versuche scheinen nun auch umgekehrt zu zeigen, dass die Säurung des Muskels ohne die Gerinnung des Mus- kelfaserstoffes stattfinden könne. Es könnte aber der Zweifel ausge- sprochen werden, ob wirklich die Säurung des Muskels durch Tetanus von der durch das Absterben, oder durch die Gerinnung des Muskel- faserstoffes, herbeigeführten wesentlich verschieden sei. Man könnte sagen, dass in Folge der heftigen Muskelanstrengung vielleicht ein Theil der Muskelbündel wirklich absterbe, todtenstarr und sauer werde, während ein anderer allerdings noch leistungsfähig sei. So komme der Anschein der Säurung des noch lebenden Muskels zu Stande. Wenn dann den Muskeln Ruhe gegönnt werde, löse das arterielle Blut die Starre jener abgestorbenen Bündel und wiederbelebe sie, wie in den bekannten Versuchen der Hrn. Brown-Sequard und Stannius. Diese Meinung ist unhaltbar. Erstens würde es irrig sein, sich die tetanisirten Muskeln, an denen wir saure Reaction nachgewiesen haben, in dem Maasse erschöpft vorzustellen, dass einzelne Primitiv- oder secundäre Bündel derselben mit sofortigem Absterben bedroht wären. Ich will nicht läugnen, dass sich dies im Anfang meiner Versuche ein- oder das anderemal zugetragen habe, besonders als ich dieselben noch allein am Frosch anstellte und zuletzt, um schlagendere Wirkungen zu erhalten, die Muskeln unmittelbar reizte. Obschon auch hier, wie ge- sagt, sogar die zerschnittenen Muskeln nach kurzer Ruhe wieder leistungs- fähig erschienen (S. oben S. 30). Allein bei mittelbarer Reizung vom Rückenmark aus, sei's durch den elektrischen Strom, sei’s durch Strych- nin, ist wirklich von einer so gefahrdrohenden Erschöpfung des Mus- kels selber die Rede nicht. Die sauer reagirenden Muskeln z. B. eines durch Strychnin getödteten Kaninchens zucken noch beim Durchschnei- den des Nerven, vollends antworten sie noch leicht, kräftig, und, so- weit sich dies beurtheilen lässt, in ganzer Ausdehnung auf jeden un- 35 mittelbar angebrachten elektrischen, ja mechanischen Reiz. Solche Muskeln erschöpft zu nennen, würde in der That keinen Sinn haben. Uebrigens ist der rothe Fleck, den der Querschnitt eines tetanisirten Kaninchenmuskels auf blauem oder violettem Grunde macht, ganz ein- farbig und frei von jeder Einmischung des Grundes, wie sie unstreiiig stattfinden würde, wenn die saure Reaction nur einzelnen besonders an- gestrengten Muskelbündeln zukäme. Sollte hienach noch ein Zweifel sein daran, dass die Säurung der tetanisirten Muskeln nicht auf diese Art erklärt werden könne, so würde derselbe vor einer neuerdings von Hrn. Kühne ermittelten wichtigen Thatsache weichen müssen. Hr. Kühne schreibt mir aus Paris vom 5. Februar d. J., es sei ihm gelungen sich auf das bestimm- teste zu überzeugen, dass die Lösung der Todtenstarre durch das ar- terielle Blut in dem Versuch von Stannius und Brown-Se&quard nur dann eintrete, wenn die Muskeln nicht bereits in Folge der Er- starrung sauer geworden seien. Damit verliert der hier bekämpfte Ein- wand gegen unsere Versuche vollends den Boden, da er geräde auf der Möglichkeit fusst, dass die in Folge übermässiger Anstrengung ab- gestorbenen, erstarrten und gesäuerten Bündel durch das arterielle Blut wiederbelebt würden. Die Beobachtung des Hrn. Kühne dürfte übrigens eine andere Muthmassung ähnlicher Art in nieht minder bedenklichem Licht er- scheinen lassen, zu der man jetzt hier leicht geführt wird. Sie besteht in der Umkehr der bekannten Ansicht, wonach die Todten- starre eine letzte dauernde Zusammenziehung sein sollte. Es würde nämlich danach vielmehr jede Zusammenziehung mit einer Gerinnung einer gewissen Menge flüssigen Muskelfaserstoffes verknüpft sein, welche ihrerseits nicht ohne Säurebildung einherschreiten würde, wobei man noch der die Zusammenziehung begleitenden Temperaturerhöhung einen begünstigenden Einfluss zuschreiben könnte, welche in den eigent- lichen Heerden des Moleeularvorganges ja eine viel beträchtlichere sein mag, als sie sich für die Gesammtheit der Muskelmasse darstellt. Auch diese Hypothese würde zuletzt nothwendig der Auflösbarkeit des be- reits gesäuerten Gerinnsels durch das arterielle Blut bedürfen, und also, 3» 36 wenn man nicht noch weitere Vermuthungen hinzufügen will, gleich- falls durch jene Beobachtung beseitigt sein. Leichter als von der Entstehung der Säure bei der Zusammen- ziehung, wird man wohl dazu gelangen sich einen Begriff zu machen von den Schicksalen, denen die einmal gebildete Säure unterliegt. Wir haben gesehen, dass die Säure sehr bald wieder unmerklich wird. Das natürlichste ist wohl, sich zu denken, dass das alkalische Blut dieselbe aus den Primitivbündeln in Gestalt fleischmilehsauren Natrons aus- wasche, während Kohlensäure frei werde. Ob das fleischmilchsaure Natron im Blute zu kohlensaurem Natron und anderen Producten ver- brannt werde, oder ob dasselbe als solches im Harn erscheinen könne, ist eine Frage, die zu weiteren Untersuchungen auffordert. Obschon von den Chemikern die Gegenwart milchsaurer Salze und freier Milch- säure im Harne heutzutage im Allgemeimen bezweifelt wird, ist es doch schwer, sich jetzt hier nicht zu erinnern, dass einst Hr. Lehmann die Menge der von ihm als Milchsäure angesprochenen Substanz im Harn nach körperlichen Anstrengungen vermehrt gefunden hatte. Der Säurung der Muskeln bei heftigen Krämpfen wegen ist es rathsam, wenn man bei warmblütigen Thieren sich von der neutralen, beziehlich alkalischen Reaction der ruhigen Muskeln überzeugen will, die Thiere mit Curara zu vergiften. In der That gelang es mir nur durch diesen Kunstgriff, beim Huhne, welches geköpft erst nach un- endlichem Geflatter stirbt, die Muskeln neutral zu finden, da sie sonst eine mehr oder weniger entschieden säuerliche Reaction anzunehmen pflegen. Hierin liegt ein neuer Erklärungsgrund dafür, dass die Che- miker über die Reaction der frischen Muskeln so lange haben können in Täuschung befangen sein. Es ist denkbar dass dieser oder jener in der That Versuche am frischgetödteten Thier angestellt und die Mus- keln, wegen der meist den Todeskampf begleitenden Krämpfe, sauer angetroffen habe. So ist es jetzt auch denkbar, dass die von Hrn. Siegmund beobachtete saure Beschaffenheit des Uterus- Auszuges von den Wehen herrührte, die vor dem Tode stattgefunden hatten. Schliesslich würde uns übrig bleiben, einen Blick zu werfen auf Hrn. v. Liebig’s Hypothese über den Ursprung des Muskelstromes. Da die Muskeln, so lange sie einen elektrischen Strom entwiekeln, 37 keine Säure in ihrem Inneren enthalten, so versteht es sich von selbst, dass in dem Sinne, wie Hr. v. Liebig es wollte, von seiner Hypo- these die Rede nicht mehr sein kann; um so mehr, als ich mich überzeugt habe, dass Nerven und Muskeln eines mit Zuckerwasser ausgespritzten Froschbeines alle gewohnten elektrischen Wirkungen zeigen. Nichtsdestoweniger knüpfen sich an eine genauere Erwägung dieses Gegenstandes mancherlei nicht unwichtige Fragen, die ich bei einer späteren Gelegenheit und in einer besonderen Abhandlung zu erörtern gedenke !). !) Die Literatur zur gegenwärtigen Abhandlung findet sich möglichst vollständig in meiner Habilitationsschrift: De Fibrae muscularis Reaetione, ut Chemieis visa est, acida. Berolini. Prostat apuıd Georgium Reimer. 1859. 4°. zusammenge- stell. Einen Punkt daraus kann ich nicht umhin, auch an dieser Stelle noch zu besprechen. In der dritten Auflage seiner chemischen Briefe, Heidelberg 1851, S. 551 sagt Hr. v. Liebig: „Die freie Säure der Fleischbrühe scheint erst in Folge einer „Veränderung zu entstehen, welche ausnehmend rasch nach dem Tode eintritt, oder „durch das Kochen bewirkt wird; die Muskeln frisch getödteter Thiere, vor dem „Eintreten der Todtenstarre, färben blaues Lackmuspapier nicht roth.“ (Vergl. Che- mische Briefe, vierte Auflage, Leipzig und Heidelberg 1859. Bd. II, S.134; — Leh- mann, Zoochemie u. s. w. 1858. S. 488.) Dieser Ausspruch, welcher in so voll- kommenem Widerspruch mit der Ansicht steht, die Hr. v. Liebig wenige Jahre zuvor fester als je begründet zu haben glaubte, und welcher deshalb in seinem Munde für diejenigen, die der Geschichte dieser Angelegenheit gefolgt waren, etwas sehr Ueberraschendes haben musste, wird durch Anführung keines Beobachters und kei- ner eigenen Erfahrung unterstützt. Hr. v. Liebig hat es somit mir überlassen, zu erzählen, wie er zu jener neuen Einsicht gelangt ist. Als mein Freund, Hr. Georg v. Liebig, sich im Jahr 1850 in Berlin aufhielt, theilte ich ihm meine Versuche über die neutrale Reaction der frischen Muskeln mit. Nach seiner Rückkehr nach Giessen, stellten die Hrn. v. Liebig, Vater und Sohn, in Gemeinschaft mit Hrn. Th. L. Bischoff, Versuche an, durch die sie von der Richtigkeit meiner Behaup- tung überzeugt wurden. Ein Bericht darüber von Hrn. Georg v. Liebig, vom 1. Mai 1851 gezeichnet, liegt mir vor. Ich hatte indessen schon am 20. December; 1850 der physikalischen Gesellschaft hieselbst eine Mittheilung gemacht, in der ich zeigte, dass leistungsfähige Muskeln, söwohl im natürlichen Zustande, als nachdem sie mit Zuckerwasser ausgespritzt wurden, neutrale Reaction besitzen, und dass sie zur Zeit des Erstarrens, durch Eintauchen in lauwarmes Wasser, endlich durch an- haltende heftige Zusammenziehungen sauer werden. Diese Mittheilung ist nicht ge- druckt erschienen, sondern gemäss den Statuten der Gesellschaft von den Hrn. Krö- nig und Wiedemann als Beamten derselben unterschrieben und untersiegelt zu 38 den Acten gelegt worden (Vergl. die Fortschritte der Physik in den Jahren 1850 und 1851. Dargestellt von der physikalischen Gesellschaft zu Berlin. VI. und VII. Jahrgang. Redigirtt von Dr. A. Krönig und Prof. Dr. W. Beetz. Berlin 1855. S. VID). Dass Hr. v. Liebig nicht richtig vermuthet hat, die Säurung der Muskeln trete ausnehmend rasch nach dem Tode ein, oder werde durch das Kochen bewirkt, ergiebt sich aus dem oben S. 11—17 Gesagten. II. Beiträge zur Kenntniss des Winterschlafes der Murmelthiere. Von G. Valentin. Neunte Abtheilung. 8.17. Herzschlag und Athembewegungen. Alle Mittel, welche die Abzählung der Herzschläge in dem un- versehrten Thiere möglich machen, fodern Nebenbedingungen, die den tiefen Winterschlaf stören. Untersucht man zur Frühjahrszeit die eben erwachten und in hohem Grade abgemagerten Murmel- thiere, so kann man bisweilen den Puls der gemeinschaftlichen Halsschlagader unmittelbar sehen. Die in der vierten Abtheilung Tabelle A und B verzeichneten Werthe der auf die Minute kommen- den Mengen der Carotidenschläge wurden auf diese Art gewonnen. Man bemerkt aber nie das Klopfen der Arterie in früheren Perioden und sieht es auch später nicht, wenn eine irgend beträchtliche Fett- lage unter der Haut vorhanden ist. Da die fest schlafenden Murmel- thiere kreisförmig eingerollt liegen, so dass die Carotidengegend nicht frei bleibt, so muss man die Tiefe des Winterschlafes stören, um den Beobachtungsort zur Anschauung zu bringen. Dieser Uebelstand wiederholt sich bei der Auseultation der Herz- schläge oder der Pulsation irgend einer im unversehrten Thiere zu- gänglichen Schlagader. Will man das Ohr an die Herzgegend unmit- telbar legen, so ist man genöthigt, das Thier gewaltsam zu strecken, 40 und ein Röchelgeräusch oder häufigere Athemzüge benachrichtigen bald, dass der Schlaf immer leiser und leiser wird. Der Gebrauch des Hörrohres gestattet eine minder eingreifende Behandlung, stört aber auch meist in merklicher Weise. Die nothwendige Fixation des Thieres und das Andrücken des Hohlkegels an die Brustwand führen binnen Kurzem den tiefsten Winterschlaf in den ruhigen und diesen in den leisen ’) über, so wie man seine Untersuchungen irgend län- gere Zeit fortsetzt. Es ereignete sich, dass eine kaum 5 Minuten anhaltende Beobachtung. das ruhig schlafende Geschöpf dermassen auf- geregt hatte, dass ich es am folgenden Tage schlaftrunken oder voll- kommen wach fand. Bediente ich mich des mit zwei Kautschuckröhren für beide Ohren versehenen Stethoskopes '), das ich in der Herzgegend anlegte, so konnte ich unter günstigen Bedingungen den Doppelton des Herzens des leise schlafenden Thieres hören. Es kam aber in anderen Fällen vor, dass ich Minuten lang vergeblich lauschte, wenn das Murmelthier ruhig schlief. Obgleich die Möglichkeit eines so anhaltenden Stillstandes des Her- zens offen bleibt, so können doch diese negativen Erfahrungen denselben nicht beweisen, weil irgend schwache Pulsationen dem Öhre leicht entgehen. Ich habe daher auch diese Beobachtungsart zu keinen scharfen Zahlenangaben benutzt. Noch unsicherer wäre gewesen, die Menge der Herzstösse durch das Anlegen des Fingers bestimmen zu wollen. Die Explorationsnadel bildet unter diesen Verhältnissen das ver- hältnissmässig beste, Auskunftsmittel. Die zu ihrer Einführung nöthige Streckung oder wenigstens der unvermeidliche Reiz eines Einstiches einer sehr langen Nadel und das Verweilen derselben im Herzen er- höhen unzweifelhaft die Zahl der auf die Zeiteinheit kommenden Puls- schläge. Die Werthe der günstigsten Beobachtungen werden daher das natürliche Minimum nicht erreichen. Man muss sich übrigens bei diesen Untersuchungen hüten, die Athmungsexeursionen der Nadel mit den dureh den Herzschlag bedingten zu verwechseln. Es kann auch 1) Diese Untersuchungen Bd. II. S. 292. 2) C. Groux Fissura Sterni congenita.. Hamburg. 1859. 4. Plate VIH. 41 vorkommen, dass die Athembewegungen die Nadel nach und nach aus dem Herzen herausziehen. Allein abgesehen von diesen Uebelständen, vor denen man sich leicht schützt, bildet die Explorationsnadel ein - sehr bequemes Hilfsmittel, weil es Schärfe mit relativer Unschädlich- keit vortheilhaft verbindet. Ich habe oft so dicke Nadeln in das Herz gestochen, dass eine nicht unbedeutende Blutung sogleich oder nach der Entfernung des Instrumentes zum Vorschein kam. Thiere, welche mehr als 10 Mal solchen Eingriffen zu verschiedenen Zeiten ausgesetzt wurden, erwachten im Frühjahre, als wenn Nichts vorgegangen wäre. Ich sah den Winterschlaf fortdauern, während die Nadel mehr als 24 Stunden im Herzen haftete. Arbeitet man an ruhig schlafenden Geschöpfen, so bemerkt man, dass der Knopf der Nadel einen Bogen beschreibt und in seine frühere Lage zurückgekehrt kürzere oder längere Zeit ruhig bleibt. Diese Intermissionen können eine oder mehrere Minuten in sehr glücklichen, freilich seltenen Fällen dauern. Wir dürfen daher den Schluss ziehen, dass das Herz, das höchstens ein oder wenige Male in der Minute bei ruhigem Schlafe klopft, seine Schläge mehrere Minuten lang in dem höchsten Erstarrungsgrade aussetzen kann. Es kommt häufig vor, dass die Nadel eine Reihe von Pulsen, die verhältnissmässig rasch aufeinander folgen, anzeigt und dann für län- gere Zeit still steht. Der Herzschlag verhält sich daher hier oft wie in dem absterbenden Herzen wacher Geschöpfe. Jene Pausenzeiten verkürzen sich um so mehr, je leiser der Schlaf wird. Ich habe auch den Knopf der Nadel mittelst eines eigenthümlichen Zwischenapparates an den Sphygmographen von Vierordt befestigt und so die Zahl der Herzschläge am Kymographion aufschreiben lassen. Man überzeugt sich hierbei, dass die auf dem Papiere verzeichneten Hebungen und Senkungen und die abgezählten Mengen der Pulsationen gleich bleiben. Die durch die Trägheit bedingten Nachschwingungen des Hebels können in der Regel vermieden werden. Die Curven bil- deten aber keinen so genauen Ausdruck der Zeitgrössen der einzelnen Momente des Herzschlages, dass sie sich in ‘dieser Hinsicht mit Sicher- heit verwerthen liessen. Projieirte man die Spitzen derselben auf die 42 Zeitabseisse, so fiel das der Systole gehörende Stück kleiner aus, als das, welches der Diastole entsprach. Eine Reihe von Versuchen beschäftigte sich mit dem gegenseitigen Verhältnisse der Zahlen der Herzschläge und der Athemzüge. Ich setzte hierbei hin und wieder die Prüfung Stunden lang fort. I. Ein altes Murmelthier von 2,635 Kilogramm Körpergewicht, das seit Anfang December geschlafen hatte und den 8. Januar unter- sucht wurde, athmete 8 Mal in 4 Minuten, als man die Nadel einführte. Unmittelbar darauf fand sich : Auf die Zeiteinheit der Zeit Minute kommende Zahl Zen wu hart Tanker a den Er PIE Bemerkungen. Stunde. a PEN Athemzüge. auß: 50 22 5 4,4 10 || 54 24 4 6,0 11 58 | 20 4 5,0 6 | 20 5 4,0 10 29 7 bis 8 | 4,1 bis 3,6 |Manche Schäge schein- 12 bar dikrotisch. 15 36 10 bis 11 | 3,6 bis 3,3 [Temperatur im Mast- darm 7°%4 C. '| 47 19 6 3,2 Einzelne scheinbar di- krotische Schläge. 51 21 6 3,5 Bisweilen Stillstand der 2\ Nadel während mehre- rer Secunden, besonders bei tiefem Einathmen. Is9 | = 6 3,7 3 22 5 4,4 Athemzüge von sehr ungleicher Intensität und Dauer. 3 7 21 _ _ Die Nadel steht hin und - wieder still. 43 Zeit Auf die Zeiteinheit der Minute — kommende Zahl der Zahl der Herzschläge Benerkungen! = ES | nn _ | auf einen Athemzug. 5 E Herzschläge, uns Zee ke ei ee a RAR) 4 |In den ersten 15 Se- \ Das Thier war zwi- cund. 3 Herzschläge, schen 3 U. 13 M. daun 20 Secunden und 4 U. 4 M. mit Ruhe und hierauf 8| 3 3,67 der Nadel im Herzen Herzschläge in 25 fester eingeschlafen, Secunden. so dass man endlich keine Athmung mehr um AU, 2 bis 3 M. bemerkt hatte. 8 [4 Herzschläge in 20 Secunden, dann 10 Secunden Ruhe, und| 3 4 hierauf 8 Herzschläge in 30 Secunden. 12 |Von Zeit zu Zeit 2 Das Athmen ruhte im £ bis 3 Schläge nach| — Anfange gänzlich. längern Pausen. Dann wiederholte sich mehrere Male, dass zuerst 2 bis 3 Herzschläge und un- mittelbar darauf ein Athemzug_ eintraten. 13 |Ruhe in den ersten 5 Secunden, dann 5 Herzschläge in 25 Secunden „ hierauf|3 bis 4 ungefähr 10 Secun- den Ruhe und end- lich 4 Herzschläge in 20 Secunden. 7 39 7 5,8 Unregelmässige 5 Athemzüge. 10 46 7 6,6 12 47 8 5,9 l 44 Zeit Stunde. Minute. Am fol-/ genden; Tage 15 32 33 10 35 37 39 47 51 11 3 12 | 8 b | Auf die Zeiteinheit der Minute kommende . Zahl der Herz- Athem- schläge. z— 54 46 49 52 "55 64 67 90 72 züge. 11 13 16 18 19 21 23 28 37 39 Zahl der Herz- schläge auf einen Athemzug. 4,9 2,9 27 2,7 2,7 2,8 2,4 24 1,8 Bemerkungen. Die Nadel im Herzen geblieben. Wärme der Rachenhöhle 13°,0 C. und des Mast- darmes 8°1 C. Das Thier macht jetzt und in der Folgezeit anhaltende Kaubewe- gungen und knirscht mit den Zähnen. N Das Thier im Erwachen. Die Athmung rasch und pfeifend. Die Bündel des Schläfenmuskels in anhaltender zitternder Bewegung. Völlig wach. Die Nadel war 25'/, Stunden im Herzen stecken geblieben. Das rasche Athmen das zuletzt eintrat, wich von den gewöhnlichen Ver- hältnissen sichtlich ab. Das Murmelthier fiel dann durch seine Körper- bewegungen vom Tische herunter, stach sich dabei die Nadel 3 bis 4 Üentimeter tiefer ein, schnappte mehrere Male mit tiefen Athem- bewegungen nach Luft, bekam leichte Zuckungen, lag einige Zeit mit 45 offenen Augen, aber rasch athmend da und wurde zwei Stunden später todt gefunden, nachdem es vorher Harn entleert hatte. H. Ein junges Murmelthier von 810,8 Grm., das seit Ende No- vember eingeschlafen war und sich den 14. Januar in tiefer Erstarrung befand , lieferte an diesem Tage: Auf die Minute kommende Zahl der] Zahl der Herz- —m U. Ischläge auf einen Bemerkungen. Herzschläge. Athemzüge. Athemzug. 10 — — _ 18 2 9 _ 16 3 5,3 Ay 14 2 7 & 20 6 3,3 Eine halbe Stunde nach- dem die Nadel m das Herz gestochen worden. Die Herzschläge setzten bisweilen aus. Die zuletzt erwähnten 6 Athemzüge folgten nicht unmittelbar aufeinander. Man hatte viel- mehr zuerst 4 successive, dann eine Pause von 10 Secunden, hierauf wieder 2 und endlich von Neuem Ruhe während der letzten 10 Se- eunden der Minute. Das Thier war nach diesem Eingriffe in den nächsten 24 Stun- den nieht erwacht. Ich fand es am folgenden Tage in derselben Lage, in welche ich es unmittelbar nach der Untersuchung gebracht hatte. Es gelang mir dann, die Insektennadel einzustechen, ohne dass eine Athembewegung eingriff. Ich sah keine Bewegung in den ersten 10 bis 15 Secunden. Zwei Herzschläge, von denen jeder ungefähr 10 Secunden dauerte, kamen später zum Vorschein. Ich zählte nach einigen Minuten 7 Herzschläge, bemerkte dagegen im Anfange keinen und in der Folge nur einen bis zwei Athemzüge in der Minute, Ich liess nun das Thier mit der Nadel im Herzen. Sie ruhte häufig eine Zeit lang gänzlich, bewegte sich oft einige Seeunden, nach- dem ich nahe gekommen war oder sanft die Umgebung erschüttert hatte. Nicht selten gingen einzelne Herzschläge während der Athem- pause dem folgenden Einathmen voran. Es zeigte sich aber auch in anderen Fällen das Gegentheil. 7.2 46 Man konnte Anfangs nur 2 bis 3 Herzschläge in der Minute wahrnehmen, während 1, höchstens 2, bisweilen auch gar kein Athem- zug innerhalb der gleichen Zeitdauer auftrat. Später fanden sich 2 Herzschläge und 1 Athemzug, hierauf noch 3 Herzschläge und wieder 1 Athemzug innerhalb 60 Secunden. Der letzte Herzschlag fiel immer in die Zeit des Athmens. Es kam in der Folge vor, dass 4 bis 5 Herzschläge, aber nur 1 Athemzug auf die Minute fielen. Wurde der Ballen des rechten Vorderbeines mit concentrirter Schwefelsäure betupft, so zeigten sich 8 Herzschläge und 1 Athemzug in der darauf folgenden Minute. Das Thier war wiederum fester nach diesen Versuchen einge- schlafen und hatte bloss 0,3 Grm. an Körpergewicht innerhalb der nächsten 24 Stunden verloren. Ich führte die Insektennadel am fol- genden Tage von Neuem ein. Sie blieb vollkommen ruhig in den ersten 10 bis 20 Seeunden und zeigte hierauf zwei Herzschläge an, denen zwei Athemzüge auf der Stelle folgten. Das Herz klopfte 1”), Minuten später 6 Mal während 45 Secunden. Dann folgte ein Athemzug, während dessen die Explorationsnadel keine Schwankung darbot. Dieses rührt in der Regel davon her, dass die Excursion der Athembewegung der Herzschwankung der Nadel entgegenwirkt. Man darf daher hieraus nicht auf die Ruhe der Kam- mern zurückschliessen. Ein Herzschlag kam in den letzten 15 Se- eunden der Minute nach. Neun Minuten später zeigten sich zuerst zwei unmittelbar aufein- ander folgende Herzschläge. Dann erschien eine Pause von 20 Secunden, nach ihr ein Herzschlag, hierauf ein Athemzug und endlich noch der Anfang eines Herzschlages vor dem Schlusse der Minute. Die Zahl der durch Pausen unterbrochenen Pulsationen stieg in der Folge auf 5 in der Minute. Die längste eingeschaltete Ruhezeit glich 20 Se- eunden. Das Thier hatte indessen keinen einzigen bemerkbaren Athemzug gemacht. Ich liess es nun 26 Minuten lang ruhen. Die Nadel zeigte hier- auf keinen Herzschlag während einer ganzen Minute an. Man kann natürlich nicht entscheiden, ob nicht dennoch eine äusserst schwache Herzbewegung, die nicht die Nadel verrücken konnte, vorhanden ah 47 war. Die Athmungsverhältnisse machen es sogar wahrscheinlich, dass das Herz nicht gänzlich ruhte. Alle Spur von Athembewegungen fehlte in den ersten 20 Secunden. Dann folgte eine sehr leise Ein- und Ausathmung, hierauf Ruhe während 30 Secunden und endlich wieder ein schwacher Athemzug. Zwei Insektennadeln wurden in die Tiefe des Halses, da, wo der linke herumschweifende Nerv verläuft, eingestochen. Ihre, der Längsachse des Halses parallele Entfernung betrug ungefähr drei Centimeter. Die eine Nadel blieb in fortwährender Verbindung mit einem thätigen Magnetelektromotor, die andere dagegen wurde zur Schliessung benutzt. Die unipolare Wirkung hatte keinen Einfluss auf den Herzschlag oder die Athmung, die andere Elektrode mochte isolirt sein oder nicht. ‘War der Kreis durch die zweite Elektrode geschlossen, so folgte sogleich ein von einem Rasselgeräusche begleiteter tiefer Athemzug. Bald darauf griffen zwei langsame Herzschläge ein. Dann trat an- haltender Stillstand auf, so dass weder Herzschlag noch Athmung im Laufe einer ganzen Minute, während welcher der Magnetelektromotor wirkte, zum Vorschein kam. Ich wiederholte den Versuch, nachdem ich das Thier ungefähr 5 Minuten inRuhe gelassen hatte. Der tiefe schnarchende Athemzug kehrte auf der Stelle wieder. Man hatte in der Minnte unmittelbar nach der Unterbrechung des Kreises 8 durch längere Pausen wech- selseitig geschiedene Herzschläge. {Eine zweite Athembewegung folgte nach. Nun wurde das Thier absichtlich noch mehr aufgeregt, so dass 9 Minuten nach dem letzten Versuche 15 Herzschläge und 5 Athem- züge auf die Minute kamen. So wie ich dann die Vagusgegend mit dem Elektromotor reizte, athmete das Thier zwei Mal hinter einander pfeifend, krümmte den Rumpf und bewegte die Beine ziemlich lebhaft. Die in das Herz gestochene Nadel stand so lange still, als die elektrischen Schläge durchgingen. Ich zählte in der Minute 16 Herzschlüge und 5 Athemzüge unmittelbar nach der Unterbrechung der Verbindung. Die dreimalige Wiederholung des gleichen Wechselversuches führte zu denselben Ergebnissen. Die rasselnde Einatlımung und der 48 Stillstand des Herzschlages traten immer ein. Der Letztere überdauerte die Wirkung der galvanischen Ströme um einige Secunden. Das Thier blieb nun 9 Minuten lang sich selbst überlassen. Der durch den Schluss des Kreises erzeugte Stillstand des Herzens hielt jetzt noch 10 Secunden nach der Oeffnung an. Man zählte hierauf 18 Herzschläge für die Minute. Dieser Werth war zwei Minuten später auf 21 gestiegen. Das Murmelthier athmete zugleich 5 bis 6 Mal in 60 Secunden. Die dann eingeleitete Galvanisation führte zur Ruhe des Herzens. Sie über- dauerte die elektrische Reizung um 5 bis 10 Secunden. Das Thier athmete nicht bloss am Beginne der Stromeswirkung tiefer ein, son- dern bewegte auch mit Lebhaftigkeit die Beine, als wenn es aufstehen wollte. Ich zählte unmittelbar darauf 40 Herzschläge und 14 Athem- züge für 120 Secunden. Ich führte jetzt zur Gegenprobe die eine Elektrode in den Mast- darm und stach die mit der anderen verbundene Nadel in den rechten Oberarm. Dieser zog sich sogleich zusammen. Allgemeine Körper- bewegungen folgten bald nach. Das Herz aber liess sich in seinem Schlage nicht stören. Die erstarrten Murmelthiere pflegen sonst unter dem Einflusse der elektrischen Reizung aufzuwachen. Das Exemplar, mit dem wir uns hier beschäftigen, machte eine Ausnahme hiervon. Obgleich ich noch später eine Versuchsreihe über den Einfluss des Galvanismus auf die Grösse der Pupille anstellte, war doch das Thier während der Beobachtung nicht erwacht und sogar wieder eine Stunde später fest eingeschlafen. Es lag nach einer Reihe von Tagen halbtrunken und mit ge- schlossenen Augen da, regte sich nach der Einwirkung äusserer Reize und suchte sich dann selbst aufzustellen. Wir hatten mit einem Worte den Zustand, der dem automatischen völligen Erwachen, um Roth und Harn zu entleeren, vorangeht. Benutzte ich dann das Murmel- thier zur Untersuchung des Herzschlages mittelst der Explorations- nadel, so fand ich : 49 Auf die Minute kommende Zenkdertlerz bi st Bapage. schläge auf einen| Bemerkungen. Herzschläge. schlage. | Anemztg Athemzüge. Athemzug. 52. | 10. 5.2. ee ö Mr Hin und wieder 33. = 7% aussetzend. 31. | 12. 2,7. Als das Thier am folgenden Tage wieder eingeschlafen war, zeigte sich : Auf die Minute kommende ZA ckRIIBTE Zahl der Tr Herzschläge. Athemzüge. schläge auf einen] Bemerkungen. Athemzug. 4 bis 8 Seeunden 6. 2 3. Ruhe zwischen je zwei Herzschlägen. 1 bis 2 Minuten 9. 1. 9. nach Einführung der Nadel. Nachdem sie eine 6. 1. 6. Viertelstunde im Herzen gesteckt hatte. Nachdem sie sich 6. 1. 6. seit einer halben Stunde im Herzen befand. Man sah bisweilen in der Zwischenzeit einzelne schwach wellige Bewegungen der Bauchhaut statt der gewöhnlichen tiefen Athem- züge. Die Nadel war in diesen Versuchen so gestellt, dass sie eine schiefe Lage bei jedem stärkeren Athemzuge einnehmen musste. Wäh- rend diese Lagenveränderung nach grösseren Pausen langsam eingriff, zeigte sie eine weit raschere Pendelbewegung in Folge des Herzschlages. Man bemerkte zugleich, dass ein ziemlich schneller Doppelschlag am o ’ Ende einer jeden Athmungsverrückung eintrat. J 8 8 MOLESCHOTT , Untersuchungen VL. 4 50 Ich wählte einige Wochen später einen Zeitpunkt, in welchem sich das Murmelthier in tiefster Wintererstarrung befand und liess die Explorationsnadel von 3 Uhr 4 Min. bis 4 Uhr 15 Min. im Herzen stecken. Der feste Schlaf wurde hierdurch nicht sichtlich gestört. Es ergab sich : Auf die Minute kommende Auf ei j Zahl’ der Be: Secunde. Minute, a kommende Herzschläge. | fere Athem-| Zahl der züge. Herzschläge. 3. B3 4. 2 2. 3% 9: 4. 1 4. 3. 24. 3. 1 3. 3. 39. 2. 1 2: 3. 54. 3. 0 — 4. 9: 3. ) — 4. 12. 4. 1 sehr schwacher 4 Athemzug. Die Nadelbewegung, die einem Herzschlage entsprach, war in der Regel im Anfange langsam. Dann folgte eine rasche Ortsverän- derung längs einer Curve von doppelter Krümmung. Eine langsame Rückbewegung beschloss das Ganze. Da die Nadel immer in der Spitzengegend des Herzens steckte, so schien die erste Verrückung von der Systole der Vorhöfe oder des obersten Kammertheiles, die zweite von der verhältnissmässig schnelleren Zusammenziehung der gan- zen Ventrikularmasse und die dritte von der langsameren Diastole her- zurühren. Die Grösse der Zwischenpausen, während darin die Nadel gänzlich ruhte, betrug 5 bis 20 Secunden. Die Athemzüge blieben oft sehr lange aus. Man hatte z. B. eine ergiebige Athmung um 3 Uhr 52 Min. und hierauf Ruhe bis 4 Uhr 2 Min., wo eine schwache Einathmung begann. Eine zweite Pause dauerte von Neuem bis 4 Uhr 121/, Min. Nun griff ein ziemlich tiefer Athemzug ein. Dann traten wieder Pausen von 10 Minuten im Maximum auf. Bei grosser Auf- merksamkeit kam es mir hin und wieder vor, als wenn sich eine äus- serst schwache wellenförmige Bewegung der Bauchdecken einschaltete. Sie war aber so unbedeutend, dass ich ihre Existenz nieht mit Sicher- heit verbürgen kann. 51 Als sich das Thier am folgenden Tage im tiefsten Winterschlafe befand, machte die Nadel erst 3'/, Minuten, nachdem sie in das Herz gestochen worden, die erste Bewegung. Man hatte dann unmittelbar darauf: Auf ei Auf die Minute kommende Re Pau Minute. SA ER kommende Herzschläge. | Athemzüge. Zahl der F Herzschläge. 2. 52. 5 0. “ a) 5. 4. 2, 2, 3. 10. 3, 1. 3, Ich führte einige Wochen später die Explorationsnadel um 3 Uhr 5 Minuten in das Herz ein, nachdem das Murmelthier 3 Tage lang sehr fest und den folgenden Tag etwas leiser geschlafen hatte. Stunde. Minute. 3 10 3 20. 3 30 3 40. Auf die Minute kommende Zahl der Ten Herzschläge. Athemzüge. 0. Ein Athemzug unmittelbar vor dem An- fange und ein zweiter 15 Secunden nach dem Ende der Minute. 1 kaum merklicher. 0. Auf einen Athemzug kommende Zahl der Herzschläge. Bemerkungen. Pausen der Herzschläge von 4 bis 13 Secunden. Herzpausen von 5 bis 15 Secunden. Herzpausen von 10 Secunden, 4 * 52 mm nn an 0 m nn nn nn nn m nn Auf die Minute kommende | Auf einen Athemzug Stunde. Minute. SS RENT kommende |Bemerkungen, ; 4 Zahl der Herzschläge. | Athemzüge. HESschlaee ge. Erst 4 Minuten später ein schwacher 3. 50. 5% 0. — Athemzug. Herzpausen von 10 Secunden. 4 3 ar 0 = Dauer der Herzschläge 5 abe bis 8 Seeunden 4. 10. 5. D: und Dauer der Pausen 3 bis 20 Secunden. 4. 42. 4. 1 4. -— sehr schwacher. Da diese an zwei Thieren angestellten Versuchsreihen die Haupt- punkte, die mir im Ganzen durch Beobachtungen an noch anderen Exemplaren klar geworden, beispielsweise belegen können, so wollen wir jetzt nur noch die Athembewegungen selbst näher in's Auge fassen. Ein fest schlafendes Murmelthier athmet längere Zeit gar nicht und macht hierauf eine tiefe Eimnathmung, wie man sie häufig an Thie- ren, die im Sterben liegen, wahrnehmen kann. Ist die Intensität der Erstarrung sehr gross, so kann man das Thier von einer Höhe von mehr als einem Meter auf einen harten Boden fallen lassen, so dass Extra- vasate entstehen, ein Knochen bricht u. dgl., ohne dass nothwendiger Weise ein Athemzug nachfolgt. Hat aber der Winterschlaf nicht den höchsten Grad semer Stärke erreicht, so führt fast jede lebhafte äussere Erregung früher oder später zu einer tiefen Athembewegung. Diese erscheint und wiederholt sich um so leichter, je weniger tief der Schlaf ist. Die öftere Rückkehr selbst steht aber der Intensität der Erstarrung entgegen. Wir sehen deshalb häufig, dass allmälig an Frequenz zunehmende Athemzüge dem völligen Erwachen Stunden lang vorangehen. Thiere, die eine Operation während der Erstarrung aus- 53 gehalten haben, werden daher nach einiger Zeit aufgeweckt 1). War der Schlaf von Anfang an intensiver und erreichte die Häufigkeit der Athembewegungen keinen hohen Grad, so kann sich der Sturm nach wenigen Stunden legen, so dass die tiefe Erstarrung ohne eingrei- fendes Erwachen wiederkehrt. Es kommt, wie erwähnt, ausnahmsweise vor, dass man nur ein anhaltendes wellenartiges Wogen der Bauchdecken bemerkt, oder dass dieses einer tiefen Einathmung vorangeht. Es ist möglich, dass auch nicht sicher merkbare Spuren derselben Erscheinung in den sehr langen Pausen der Athembewegungen während der höchsten Erstarrungs- grade hin und wieder auftreten. Ich habe die Athembewegungen in ähnlicher Art, wie die Herz- schläge am Kymographion aufschreiben lassen. Projieirte ich dann die der Einathmung und die der Ausathmung entsprechenden Linien auf die Zeitabseisse, so bliebe die Zahl der Fälle, in denen der grössere ‘Werth der Exspiration zukam, hinter denen, in welchen er der Inspira- tion angehörte, beträchtlich zurück. Diese Curven bezogen sich aber auf den leisen Winterschlaf. Das Verhältniss der Dauer der Einath- mung zu der der Ausathmung glich 1,8:1 im Maximum und 0,8:1 im Minimum. Wer übrigens die bedeutenden Fehlerquellen solcher Aufzeichnungen kennt, wird kein Gewicht den durch sie gewonnenen Zahlen beilegen und sich mit dem allgemeinen Ergebnisse begnügen, dass meist während des Winterschlafes die Einathmung länger, als die Ausathmung anhält. Die Gesammtmenge der Erfahrungen lehrte: 1) dass die Auscultation kein sicheres und von Störungen des Winterschlafes freies Hülfsmittel für die Erforschung der Zahl der Herzschläge abgiebt. 2) Man kann eine Explorationsnadel in den Spitzentheil der Kam- mern erstarrter Murmelthiere stechen, ohne dass diese erwachen. Es kommt vor, dass die Nadel erst mehrere Minuten (bis 31/,) nach ihrer Einführung den ersten Herzschlag anzeigt, so dass sie selbst nicht sogleich anregend wirkt. Eben so wenig bildet ein Athemzug 1) Diese Untersuchungen Band V. S. 270. 54 die nothwendige Folge des Eingriffe. Murmelthiere können mehr als 24 Stunden eine Nadel im Herzen tragen, ohne dass sie hierdurch geweckt werden. Man hat sogar Fälle, in denen der Schlaf im Laufe der Zeit fester wurde und deshalb die Menge der Herzschläge und der Athemzüge allmälig abnahm, z. B. von 21 Pulsen auf 9 bis 12 oder von 5 auf 3 in der Minute. 3) Urtheilt man nach der Anzeige der Nadelbewegungen, so dauert ein Herzschlag im tiefsten Winterschlafe länger, als während der leisen Erstarrung oder im wachen Zustande. Man hatte z. B. für die Zeitgrösse eines jeden Herzschlages ungefähr 10 Secunden bei 7 Herzschlägen und 1 bis 20 Athemzügen in der Minute, 5 bis 8 Secunden bei 5 Herzschlägen und keiner tieferen Athembewegung, 4 Seeunden bei 15 und ein anderes Mal 3,5 Secunden bei 17, dann 0,85 Secunden bei 70, endlich 0,7 bis 0,8 bei 74 bis 84 Pulsschlä- gen und 26 bis 36 Athemzügen für die Minute. Die beiden letzte- ren Werthe beziehen sich auf den vollkommen wachen Zustand. Obgleich hiernach die Dauer der Herzschläge mit der Abnahme der auf die Zeiteinheit kommenden Menge derselben im Allgemeinen wächst, so stehen doch beide Grössen in keinem einfachen gegen- seitigen Verhältnisse. 4) Bezieht man die Systole der Kammern auf die Formverände- rung aus der Gestalt der Ruhe in die des Maximums der Zusam- menziehung und die Diastole auf die vollständige Rückkehr aus jener in diese, so deuten die Bewegungen der Explorationsnadel und die am Kymographion aufgeschriebenen Curven an, dass bei den sparsameren Herzschlägen, die in dem tiefen oder dem ruhigen Schlafe auftreten, die Zeit der Systole kürzer, als die der Diastole ausfällt. 5) Dikrotische Schläge scheinen bisweilen, doch im Ganzen ge- nommen selten nach Einführung der Nadel, bei tieferem und leiserem Schlafe vorzukommen. 6) Der Herzschlag kann, nach der Anzeige der Explorations- nadel, mehrere Minuten lang in dem tiefsten Winterschlafe ausblei- ben. Es ist natürlich unentschieden, ob dann die Bewegungen 59 gänzlich mangeln oder so unbedeutend (und gleichsam peristaltisch ?) waren, dass sie keine Ortsveränderung des Nadelknopfes herbei- führten. 7) Es kommt vor, dass sich'die Nadel ruhig hält, wenn eine sicht- liche tiefe Einathmung während der höchsten Erstarrungsgrade auftritt. Diese Erscheinung rührt nicht von dem Ausbleiben der Herzthätig- keit, sondern von der Interferenz der Bewegungsrichtungen her, welche der Herzschlag und die Athembewegungen der Nadel zu er- theilen suchen. 8) Erschütterungen des Tisches, auf dem das tief schlafende Mur- melthier ruht, oder Benetzung der Fusssohlen mit Schwefelsäure kön- nen die Zahl der Herzschläge merklich vergrössern. 9) Die Herzschläge und die Athemzüge beantworten die Tetani- sation der Halsvagi auch während des tiefen Winterschlafes. Man hat zuerst eine oder mehrere, mit Rasselgeräuschen verbundene Athem- bewegungen, dann ein paar Herzschläge, wenn sie früher fehlten und endlich fortwährenden Stillstand des Herzens und der Athmung während der ganzen eine Minute überdauernden Zeit, in welcher die elektrischen Schläge einen oder beide herumschweifende Nerven treffen. Die Ruhe des Herzens kann eine merkliche Zeit länger, als die Nervenerregung anhalten. Diese braucht nicht nothwendiger Weise später die Zahl der Herzschläge und der Athemzüge wesent- lich zu vergrössern, wenn selbst die volle Wirkung der elektrischen Reizung eine Minute lang durchgegriffen hat. Gegenversuche lehren, dass alle diese Erfolge von dem Einflusse des Vagus, nicht aber von Stromesschleifen, die bis zum Herzen reichen, herrühren. Der lange Stillstand der beiden wichtigen Körperthätigkeiten stört nieht immer die Fortdauer des tiefen Winterschlafes. 10) Der Herzschlag und die Athemzüge zeigen nicht die gegen- seitige Abhängigkeit, die man von vorn herein erwarten dürfte. Liegt das Thier in tiefem Erstarren, so kann die Explorationsnadel bis 6 Herzschläge in der Minute angeben, ohne dass indessen eine sicht- liche Athembewegung eingreift. Man findet, dass dann oft die Ath- mung Minuten lang stockt, hierauf mehrere Herzschläge rasch auf einander folgen und eine Athembewegung unmittelbar hernach zum 56 Vorschein kommt, so dass hier der Wechsel der noch nicht wieder durch- greifend erfrischten Blutmasse die Respiration anregt. Es kommen aber auch die umgekehrten Fälle und zwar im Ganzen häufiger vor. Die Athmung beginnt das Spiel und die Herzthätigkeit folgt nach, unge- fähr wie wir bei der Einleitung der künstlichen Respiration häufig sehen. Fast immer tritt ein Herzschlag am Ende eines Athem- zuges auf. 11. Das gegenseitige Verhältniss der auf die Zeiteinheit zurück- geführten Werthe der Mengen der Herzschläge und der Athemzüge kann keine einfachen Beziehungen unter diesen Verhältnissen andeu- ten. Der tiefe Schlaf bietet oft den Fall dar, dass man 1 bis 6 Herzschläge und keinen Athemzug in der Minute bemerkt. Hat man aber beide Thätigkeiten innerhalb einer solchen Zeiteinheit, so kann die Durchschnittszabl der auf einen Athemzug kommenden Herz- schläge zwischen 1,8 und 9 liegen, ohne dass sich aus diesen Grössen auf den Zustand des Thieres zurückschliessen liesse. Wir finden z. B. das Maximum 9 einerseits in ziemlich tiefem Schlafe bei 9 Herz- schlägen und einer Athembewegung und anderseits bei leiser Erstar- rung mit 18 Pulsen und 2 Athmungen. Das Minimum 1,8 entsprach dem völlig wachen Zustande im Frühjahr, wenn das Herz den Werth 72 und die Respiration 39 darbot. Da aber die tiefe Erstarrung häufig den Fall zeigt, dass das Thier zwei Herzschläge und eine Athembe- wegung in der Minute liefert, so kommen wir fast zu dem gleichen Ergebnisse unter den ganz entgegengesetzten Nebenbedingungen. 12) Die Einathmung dauert in der Regel in den höheren Erstarrungsgraden länger, als die Ausathmung. Man hat dann meist eine kürzere oder längere Ruhezeit zwischen je zwei Athem- zügen. Es kommt jedoch auch vor, dass mehrere der letzteren un- mittelbar auf einander folgen, ehe eine Pause von beträchtlicherer Zeitgrösse eintritt. Sehr schwache wellenförmige Bewegungen der Bauchdecken können in tiefstem Winterschlafe auftreten. Sie zeigen sich auch bei leisen Erstarrungsgraden unter regelwidrigen Verhält- nissen, in gesunden Thieren dagegen nur ausnahmsweise. Alle merk- lichen Athembewegungen beiderlei Art können mehr als 10 Minuten während der höchsten Erstarrungsgrade ausbleiben, 57 8. 18. Arterieller Blutdruck. Um die Thiere dem hier nöthigen lebensgefährlichen Eingriffe erst nach anderweitiger Benutzung auszusetzen, stellte ich diese Versuche anı Schlusse der Winterschlafszeit an Exemplaren an, die noch eine beträchtliche Fettmenge besassen, mithin nicht durch den langen Nahrungsmangel bedeutend heruntergekommen waren. Die Operation stört natürlich die Tiefe der Erstarrung in hohem Grade. Man muss daher zufrieden sein, wenn man die Grösse des arteriellen Blutdruckes während des ruhigen oder leisen Schlafes bestimmen kann. Ich. legte die gemeinschaftliche Halsschlagader an einer Seite rasch bloss und brachte drei Unterbindungsfäden in möglichst beträcht- lichen wechselseitigen Entfernungen an. Die unterste wurde auf einem Unterbindungsröllchen von Filtrirpapier, wie ich es früher schon bei Kaninchen gebrauchte und überhaupt für kleinere Thiere statt der hier leicht einreissenden Klemmpincetten empfehlen kann, zugeschnürt. Man schlitzte dann die Schlagader in der Mitte auf, führte die geknöpfte Kanüle ein die man später mit dem Manometer in Verbindung brachte, und benutzte die mittlere Ligatur zur Befestigung des Rohres. Nun wurde das Röllchen der unteren Unterbindung herausgezogen und so der Eintritt des Blutes in das System der Zwischenröhren möglich gemacht. Die Lösung von unterkohlensaurem Natron ward nur in der ersten Beobachtung lauwarm, sonst hingegen kalt angewendet. Glückt der Versuch, so verliert das Thier nur ein paar Tropfen Blutes bis zur Zeit, wo diese Flüssigkeit in die mit dem Manometer zusammenhängenden Hohlröhren eintritt. Die schwache Gerinnbarkeit des Blutes gestattet eine sehr lange Beobachtungsdauer. I. Das mit E bezeichnete Murmelthier der siebenten Abtheilung dieser Beiträge diente zu einer doppelten Prüfung. Die zwei Tage später vorgenommene Leichenöffnung lehrte, dass noch verhältniss- mässig viel Fett in der Bauchhöhle vorhanden war. Die Fortsetz- ungen der Winterschlafdrüse gingen zu beiden Seiten der Wirbelsäule längs der ganzen Brusthöhle hinab, obgleich der Versuch den 16, 58 April angestellt wurde. Das Körpergewicht hatte den Tag vorher 1,639 Kilogram ausgemacht. Das Thier bewegte sich hin und wieder während der Operation und nach derselben, öffnete aber nie die Augen und kam aus dem Zustande des leisen Schlafes nicht heraus. Das Maximum der beobachteten Blutspannung betrug 53 Mm. Quecksilber. Die systolische Hebung glich 2 bis 8 Mm. Eine nachträgliche Blutung zwang die Prüfung aufzugeben. Das Murmelthier wog nur noch 1,600 Kilogram 21/, Stun- den nach dem Anfange des Versuches. Nachdem die Blutung durch neue Unterbindungen bewältigt und das Halstheil der linken sympathischen Nerven durchschnitten worden, nähte man die Halswunde zu. Das Murmelthier kam aus seinem lei- sen Schlafzustande nicht heraus, athmete aber mit Schleimrasseln. I. Ich fand es am folgenden Tage, 17'/, Stunden nach dem Ver- suche, ungefähr in demselben Zustande, wie unmittelbar nach dem Zunähen der Halswunde. Es lag in leisem Schlafe oder Schlaftaumel eingerollt da, hielt die Augenliedspalte geschlossen, streckte die Beine asymmetrisch und stand nur mit Mühe und für kurze Zeit, wenn man es auf den Boden setzte, ging aber nicht weiter und öffnete auch nicht die Augenliedspalte. Bedenkt man, dass andere Murmelthiere, an denen ich kleinere Operationen gemacht hatte, immer vollkommen erwacht am folgenden Tage gefunden wurden, so kommt man zu der Vermuthung, dass der vorangegangene Blutverlust die Abweichung im vorliegenden Falle herbeigeführt hatte. Der Manometerversuch, den ich dann anstellte, gelang so vollstän- dig, dass die Quecksilbersäule des Blutkraftmessers, die Schwan- kungen des arteriellen Blutdruckes 661/, Minuten ununterbrochen und zwar bis zum letzten Herzschlage des Thieres angab. Nur der ohne Krämpfe eingetretene Tod unterbrach die Beobachtung, Man sah noch zuletzt keine Spur von Gerinnung in der Flüssigkeitsmasse, die zwischen der Halsschlagader und dem Quecksilberspiegel des abstei- genden Manometerschenkels eingeschaltet war. Die systolischen Hebungen wichen nur in engen Grenzen wäh- rend der ganzen Versuchsdauer ab. Desto stärker waren die Unter- schiede, welche die tiefen Ein- und Ausathmungen herbeiführten. Sie #6 59 konnten noch bis weniger als 2 Minuten vor dem Tode verfolgt wer- den. Die Fehlergrenzen der Ablesung betrugen + 0,25 Mm., folglich + 0,5 für den berechneten Blutdruk. Man hatte: Beobachtungszeit. Blutdruck der gemeinschaft- = lichen Halsschlagader in Mm. Quecksilber. Zahl der IE a 1 systolischen zu ee ae | Ungefährer | Hebungen in Bemerkuugen. ne u % UNE“ | Werth der | 15 Secunden. schwankung lisch oder Druck a IESTEN | überhaupt. NE | 9 20 70 == — — 21 74 bis 106 1,5 ai De 23 88 bis 100 1,5 ai] N ee 1,5 ALL em! 9 25 86 bis 106 | 1,5 bis 2,0 ar _ 27 85 bis 90 A, — a 29 84 bis 88 | 1,6 bis 1,8 N u 31 84 bis 92 1,5 = = 33 92 bis 116 | 1,0 bis 1,6 ei & 34/, |86 bis 102 — — u 35 aa, € a — 36 84 bis 88 er — En 361), LS RE RL a 37 85,5 bis 92 22 1 2 ae 4 371), | 72 bis 86 1,5 Ei e: 38 a Eh 1 2 39 58 bis 60 1,5 A m 393/, e m BE id Mu 4 56 bis 57 1,5 Pe). ADa al 64 1,5 _- - 60 Beobachtungszeit. Blutdruck der gemeinschaft- —————— —— | lichen Halsschlagader in Mm. Quecksilber. Zahl der G d f systolischen schwenkung, |. stholischen 13 Boenupeni oder Druck Se - überhaupt. eigung. B Sinkt 86 43 63 bis 86 1,5 18 = Sn 44 58 1,5 — während 60 5 1 58bis66| 4,5 — |\62bis68 Nm. 46 62 bis 86 1,5 — während 32. 47 ? systolischen la 57 bis 86 — == Hebungen. 51 = = 15 = 521/, bis 54) 62 bis 88 | 1,0 bis 2,0 == a 54), |88bis10| — — 11100 während 551/, 6 | 15 3 60systolisch. | 2 Hebungen. 57 80 1 bis 1,5 — = a ce ee N 56 bis 82 1,5 2. en n ” ährend 51 21), ni 31/,| 40 bis 82 — ER Herzschläge 51), 33 10bisl5 | — ne 6 33 bis 48 = — — 61), = B- 12 aus 7 24 1,5 — 2 LP — — 12 — 81/, 37 — _ — 9, 40 1,5 = en 11 34 _ — Le 17, | — _ 11 rn os — nn m nn sen Beobachtungszeit. Blutdruck des gemeinschaft- -— —— | lichen Halsschlagader in ! Mm. Quecksilber. Zahl der ee Be systolischen Beinerkungen Stunde. Minute. Athmungs- Fonelehrer Hebungen I ET HNBEN: schwankung | vstolischen 15 Secunden oder Druck SeeR | überhaupt. Steigung. a ER lan Te rt 13 | 30 = = ed, ABl, aan 1,5 14 ai 141), | 27 a ER >® 15 Inch 1,5 12 == 16 26 1,5 u en 161/, 25 — —_ 1627, 25 1,5 12 — 171), 30 _ > Hu 18 26 | 1,5 seit >. 19 — — 12 | en: 19%/, 22 | — | ee as 191), _ HORSE si 20 | 19 1,0 bis 1,4 | = | — 201, =. 1 allge ine 21 | 20 1,0 — | Bin 22 \ 19 weniger als 1,0 _ | ei er Nor | vi 24); a; — 12 — 25 | 10 1,0 e un 261/, 1 bis 2 _— 2a IK 261), — 1,0 bis 1,5 3 Ruhiger Tod | 97 BE er u des Thieres. Die im Verhältniss zu den (Gesammtwerthen grösseren Paral- laxenfehler und die durch die Trägheit des Quecksilbers bedingten Störungen machen die für die systolische Hebung gefundenen Zahlen unzuverlässiger, als die übrigen verzeichneten Druckwerthe. Man sieht aber dessenungeachtet, dass die systolischen Hebungen während des 62 grössten Theiles der Versuchszeit ziemlich beständig blieben und nur in den letzten Lebensaugenblicken vorherrschend kleiner erschienen, jedoch selbst dann noch für Augenblicke bis zur früheren Höhe emporgingen. Die fortwährende Abnahme der absoluten Druckgrössen während des allmäligen Absterbens des Thieres ergiebt sich aus der Tabelle ohne Weiteres. Die Spannung betrug zuletzt nur 10 und am Ende sogar nur 1 bis 2 Mm., zum Beweise, das der Drucküberschuss des Schlag- aderblutes durch Ausgleichung mit den Druckgrössen des Inhaltes der Haargefässe und der Blutadern allmälig verloren geht, wenn nicht die rasch folgenden kräftigen Herzschläge die nöthige Ergänzung möglich machen. Die zuletzt verzeichneten Werthe beantworten die Frage der sogenannten Spannung des ruhenden Blutes. III. Ein Murmelthier von 2,6 Kilogr. Körpergewicht, das noch bedeutende Fettmassen enthielt, wurde zu einem Manometerversuch in der letzten Hälfte des Märzes benutzt, um die Druckeurven mittelst des Kymographions aufschreiben zu lassen. Man arbeitete an der rechten gemeinschaftlichen Halsschlagader. Es bestätigte sich auch hier, was schon bei den frühern Versuchen bemerkt worden. Ich verfolgte die Erscheinungen 24 Minuten lang und unterbrach hierauf die Beobachtung nur aus äusseren Gründen. Das Blut, das dann zur Canüle hervor- trat und später in der Tiefe der Wunde ausfloss, war noch vollkommen flüssig und hellroth. Das Thier befand sich im festen Schlafe, es erwachte weder während der Operation, noch zur Zeit, als das Mano- meter spielte, und endlich nicht, nachdem die Halswunde zugeheftet worden, und athmete nach längeren Pausen tief ein. Nachdem ich die Verbindung mit dem Manometer um 2 Uhr 50 bis 51 Minuten hergestellt hatte, zeigte sich: Zeit. Grösste Spannung in Tr nn Stunde. Minute, Millimeter Quecksilber 2 51 72 2 54 106 2 57 86 S 63 Zeit. Grösste Spannung in ee Millimeter Quecksilber. 2 59 71 3 1 63 3 9 32 3 14 16 Obgleich zuletzt der Druckwerth so tief heruntergegangen war und das Thier nachher eine bedeutende Blutmenge durch das Abglei- ten eines Unterbindungsfadens verloren hatte, so krümmte es sich doch eine Viertelstunde nachher nach äusseren Erregungen sehr leb- haft, athmete von Zeit zu Zeit tief ein, lag aber sonst immer schlaf- trunken da. Dieser Zustand hielt bis Abends nach 9 Uhr an. Das Murmelthier war am folgenden Morgen erwacht, richtete sich, wenn man es reizte, auf und pfiff auf das Lebhafteste, athmete aber sonst mit Rasselgeräusch. Fig. I. giebt eine Probe der Pulscurven, die ich erhalten habe. Der Cylinder des Kymographion brauchte 150 Secunden, um sich ein Mal um seine Achse zu drehen. Die Peripherie seines Querschnitts- kreises oder die Gesammtlänge der Zeitabseisse betrug 180 Millimeter. Da die Curven nach einer auf Pausepapier durchgezeichneten Skizze in dem Holzschnitte wiedergegeben worden, mithin die natür- liche Grösse haben, so können alle Maasswerthe der hier mitgetheil- ten Abbildung vom Leser entnommen und verwerthet werden. Die Pfeile zeigen die Richtung, in welcher die Curven aufge- schrieben werden, so dass a, c, e, g und £ die entsprechenden Anfänge und 2, d, £5 h, k die Enden bezeichnen. cd und ef sind unmittelbare Fortsetzungen einer und derselben Curve, daher sich d an e unmit- telbar anschliesst. Die beigeschriebenen Zahlen 6, 10 und 18 geben die in Minuten ausgedrückte Zeit an, die seit dem Anfange des Ver- suches bis zum Augenblicke des Aufzeichnens der Curve verflossen war. Das Herzschlug 8 bis 9 Mal in 15 Seeunden, als ab, und 9 bis 10 Mal, als cd und cf angeschrieben werden. 3 > => 65 Die Curven bestätigen, dass die Grösse der systolischen Hebungen so ziemlich gleich blieb, so lange nicht der Blutdruck allzutief gesunken war. Ihr absoluter Werth oder die doppelte Höhe der aus der Abbildung sich ergebenden Senkrechten, die von dem höchsten Punkte nach der Zeitabseisse gezogen wird, beträgt hier 5 bis 6 Mm. Viele Linien zeigten die in ik hervorgehobene Eigen- thümlichkeit, dass sich ein nahezu wagerechter Abschnitt nm zwi- schen dem Maximum der systolischen Hebung und dem Beginne der diastolischen Abflachung einschaltete, als wenn die höchste Spannung eine Zeit lang mit ziemlicher Beständigkeit ihrer Grösse angehalten hätte. Ob man aber hier eines der vielen Trugbilder solcher Curven- zeichnungen vor sich hatte, bleibt dahingestellt. Man sieht in fast allen Abschnitten von ab, cd und ef, dass die systolische Hebung in der Regel kürzer als die diastolische Senkung dauerte, Fälle, in denen diese fast das Doppelte der für die Erstere nöthigen Zeit in Anspruch nahm, gehörten nieht zu den Seltenheiten. Der Unterschied, ob das Thier ruhig liegt oder nach längeren Pausen tief athmet, verräth sich auch sogleich in den Curven des arteriellen Blutdruckes, weil dieser stossweise von Zeit zu Zeit in die Höhe geht. Man hat solche ausgezeichnete Stellen in op, gr, st. Wollte man auch die Athmung und den Blutdruck gleichzeitig auf- schreiben lassen, so würde man immer noch keinen sicheren Auf- schluss über den zeitlichen Anfangspunkt der einzelnen Athmungsaete und ihre Beziehung zur Blutspannung erhalten. Die blosse Betrach- tung der Bluteurven dagegen reicht allein schon hin, eine bemerkens- werthe Eigenthümlichkeit nachzuweisen. Wir wissen, dass die Ein- athmung den arteriellen Blutdruck der wachen Geschöpfe herabsetzt und die Ausathmung ihn erhöht. Da die Curven in der Richtung der hinzugezeichneten Pfeile angeschrieben wurden, so liesse sich er- warten, dass eine bedeutende Abnahme des Druckes vor der Erhöhung auftreten werde. Dieses ist zwischen r und e gar nicht der Fall. pw und ty dagegen stimmen darin überein, dass die Senkung geringer ausfällt und weit kürzere Zeit dauert, als die Athmungshebung po und st. Man kann sich diese Erscheinung, wie ich glaube, ziemlich einfach erklären. NOLESCHOTT, Untersuchungen VIL. 5 66 Bedenken wir, dass die Athemzüge erst nach längeren Ruhe- pausen eingreifen, so werden sie auf den Blutdruck in doppelter Hinsicht wirken. Die Mechanik der Brusterweiterung erniedrigt ihn. Der von Neuem eingeleitete Erfrischungsact des Blutes dagegen wird die Kammerverkürzung kräftiger machen und so die Blutspannung der Schlagadern vergrössern, wie man ja auch bei dem Absterben des Herzens nach der Einleitung der künstlichen Athmung sehen kann. Wir haben also zwei einander entgegenarbeitende Einflüsse, deren Resultante von dem Grössenwerthe jedes Einzelnen abhängt. Wirkt das erfrischte Blut sogleich kräftiger auf das Herz, so entspricht dieses den Verhältnissen, welche die Curven anzeigen. Die Stär- kung der Herzthätigkeit wird in cd rascher als in ab und ef durch- gegriffen haben, Hält man diese Anschauungsweise fest, so folgt, dass wir nicht nothwendig p, », t mit dem Anfange der Ausathmung zusammenfallen lassen dürfen. Es ist möglich, dass die Krafterhöhung der Herzthä- tigkeit eine absolute Erhöhung des Blutdruckes schon während der Einathmung herbeiführt. Hat die gesammte Athembewegung aufge- hört und bleibt die Spannung höher, als sie vor derselben war, wie es svu im Vergleich zu ey zeigt, so hat man hierin einen unmittel- baren Beweis, dass die Erfrischung der Blutmasse die Heızthätigkeit nachhaltig kräftigte. Vergleichen wir die Curvenstücke op und st unter einander, so sehen wir in dem letzteren auf das Deutliehste, wie die allmälige Druckvergrösserung der diastolischen Senkung entgegenwirkt, eine Erscheinung, die sich ja auch in den Blutdruckeurven wacher Thiere oft genug verräth. Der bei y befindliche Abschnitt ist die Resultante der diastolischen Abnahme und des Sinkens der Blutspannung, die jetzt in dem gleichen Sinne eingreifen. Der Theil «aß dagegen zeigt uns ,. wie die Combination des Beginnes der Abnahme des Druckes mit den verschiedenen Momenten der Herzthätigkeit gleichsam nur ein geringes Schwanken um eine hohe Gleichgewichtslage für kurze Zeit herbeiführte. Die Curve gh versinnlicht das Absterben der Herzthätigkeit, als der arterielle Blutdruck bis auf 32 Mm. gesunken war. Man sieht 67 D die Folgen der einzelnen schwachen Stösse und einer tiefen Athem- bewegung. Ein waches Siäugethier, das eine solche Curve geliefert hätte, wäre in wenigen Minuten todt gewesen. Obgleich sogar zuletzt der Blutdruck auf 16 Mm. heruntergegangen war, so lebte doch das Thier, wie schon erwähnt, am folgenden Tage und pfiff, dass man es weit hören konnte. Es starb erst 48 Stunden später. Wir sehen aus diesen Beobachtungen : 1) dass die anhaltend flüssige Beschaffenheit, welche das Blut der Murmelthiere am Ende der Erstarrungszeit darbietet, die lange Dauer der mit dem Blutkraftmesser anzustellenden Beobachtungen in hohem Grade begünstigt. Man kann auf diese Art die Werthe der arteriellen Blutspannung länger, als eine Stunde und zwar bis zum letzten Augenblicke des Lebens verfolgen. 2. Der diesen Beobachtungen vorangehende operative Eingriff stört natürlich die Tiefe der Erstärrung, so dass man sich mit dem Studium der leisen Schlafzustäinde begnügen muss. Diese lehrten, dass die Spannung des Blutes in der gemeinschaftlichen Halsschlag- ader bedeutend geringer, als in wachen (Greschöpfen von gleicher Grösse ist. Wir haben 53 Millimeter Quecksilber als Minimalzahl. Da nun die Druckgrössen mit der Vermehrung der Menge der Herz- schläge und der Athemzüge unter sonst nicht ungünstigen Einflüssen steigen, so werden wir schli ass sie noch weit kleiner in dem tiefsten Erstarrungszustande 5 eibt in diesem der Herzschlag Minuten lang aus, so ist Zeit orhanden, dass sich der Ueber- schussdruck des Schlagaderblutes mit der Spannung der anderen Blut- massen grösstentheils ausgleicht. Ein später eingreifender Herzschlag wird aber nieht im Stande sein, die ganze Höhe der Spannung, die wir in wachen 'Thieren finden, sogleich herbeizuführen. Wir dürfen daher erwarten, dass der tiefe Winterschlaf unmittelbar nach den seltenen Herzschlägen Druckwerthe des Arterienblutes darbietet, welche die hohen Drucke wacher Geschöpfe nicht erreichen, und dass die Spannungsgrösse mit der Zeit abnimmt, bis eine neue Kammerzusam- menziehung auftritt. 3. Die leisen Schlafzustände, die Anfangs 70 bis 72 Mm. als Spannungsgrössen des Carotidenblutes darboten, zeigten systolische 5* 68 Hebungen von 2 bis 6 Millimeter Quecksilber. Die einmal vorhan- denen Werthe von 2 bis 3,6 Mm. in dem einen und von 5 bis 6 Mm. in dem anderen Thiere, blieben so ziemlich gleich während der ganzen Versuchsdauer. Nur die letzten Lebenszeiten lieferten vorherrschend niedere Werthe. Die schwächsten Herzschläge gaben aber noch 2 bis 3 Millimeter. 4. Die absoluten Grössen der Blutdrucke sanken bedeutend im Laufe der Versuchszeit. Das erste Thier, welches mit 70 Millimeter begann und später ein Maximum von 116 Millimeter darbot, zeigte eine fortwährende Abnahme bis zum Eintritte des Todes. Nachdem sich ein Druck von 10 Mm. längere Zeit erhalten hatte, bemerkte man nur eine Spannung von 1 bis 2 Mm., ehe die drei letzten Herz- schläge auftraten. Wir sehen hieraus, dass der arterielle Blutdruck mit der Abnahme der Kraft des Herzens bis auf eine geringe Grösse herabgeht. Die sogenannte Spannung des ruhenden Blutes kann daher höchstens einen solchen Minimalwerth darbieten. Ebenso sanken allmälig die Druckgrössen des zweiten Thieres von. 72 durch 106 auf 16 Millimeter. 5. Ein waches Säugethier, dessen Blutdruck zu dieser letzteren Grösse herabgekommen, würde in kurzer Zeit gestorben sein. Das Murmelthier dagegen, das überdies eine bedeutende Blutmenge durch mehr als 6 Stunden im cht und noch so kräftig, dass ebhafteste pfift, ein Beweis von Lebenszähigkeit, wie sie andere SR elkiöre kaum besitzen. 6. Bietet das erstarrte Geschöpf nur einzelne tiefe durch lange Pausenzeiten geschiedene Athemzüge dar, so sieht man auch den Absolutwerth des arteriellen Blutdruckes stossweise emporgehen. Die Grösse dieser Athmungsschwankungen betrug 32 bis 42 Millimeter unter günstigeren Verhältnissen. Die erstere Zahl zeigte sich Anfangs bei einem absoluten Werthe von 74 Millimeter, der also auf 106 Mm. stieg und das Maximum sogar bei 40 Mm., die auf 82 Mm, empor- gingen. Man sieht hieraus, dass der beträchtlichste Umfang der Ath- mungsschwankung bei einem schon kleinen absoluten Druckwerthe vorkam. 69 7. Die aufgeschriebenen Curven lehren, dass die tiefe Einath- mung nicht mit einer entsprechenden Abnahme des arteriellen Blut- druckes verbunden ist, dass sie sogar bald von einer Erhöhung des- selben begleitet sein kann. Man vermag sich diese, den gewöhnlichen Verhältnissen der wachen Geschöpfe entgegengesetzte Erscheinung leicht zu erklären, wenn man annimmt, dass die Erscheinung des Blutes sogleich das Herz kräftigt und dieses Moment die herabsetzenden Wirkungen des negativen Einathmungsdruckes mehr als ausgleicht. 8. So lange die Herzschläge langsamer bleiben, dauert die sy- stolische Hebung kürzer als die diastolische Hebung. Die Letztere nahm häufig das Doppelte der Zeit in Anspruch. Es kam vor, dass die diese beiden Erscheinungen wiedergebende Curve nicht spitz nach oben zu auslief, sondern einen wagerechten Abschnitt darbot, der einer Zeit gleichbleibenden Druckes entsprechen würde, wenn nicht ein unbemerkter störender Nebenumstand ein Trugbild erzeugt hat. 9. Die durch einen tiefen Athemzug bedingte Druckerhöhung kann theilweise nach dem Aufhören desselben eine Zeit lang zurück- bleiben. Man hat aber auch den Fall, dass die Spannung sogleich zu ihrer früheren Grösse abfällt oder sogar tiefer, als sie vorher war heruntergeht. IM. Darf man Urin, in welchem der Zucker quantitativ bestimmt werden soll, vorher mit Bleiessig ausfällen ? Von Prof. Ernst Brücke !). In einem Aufsatze über die Glykosurie der Wöchnerinnen, der am 15. Mai 1858 in Wittelshöfer's medieinischer Wochenschrift erschien, habe ich ein Verfahren angegeben, den Zucker im Urin mittelst Bleiessig und Ammoniak aufzusuchen. Es besteht im Wesent- lichen darin, dass ich den Harn erst mit einer concentrirten Lösung von Bleizucker ausfälle, dann dem Filtrat Bleiessig so lange zusetze, als noch ein Niederschlag entsteht, wieder filtrire und endlich mit Ammoniak fälle. Mit diesem letzten ın zıem iederschlage, der sich in Kalı- lösung, besonders in der Wärme icher Menge löst, stelle ich er - und Wismuthprobe an, oder ich entweder direct die Kali-, Kup zerseize ihn erst mittelst einer kalten wässerigen Lösung von Oxal- säure, filtrire und benutze “dann das Filtrat zu den anzustellenden Proben. Das Letztere ist im Allgemeinen vorzuziehen und ich habe nur deshalb die Proben auch mit der alkalischen Lösung des Nieder- schlages selbst angestellt, um mich zu überzeugen, dass der Zucker bereits fertig gebildet darin enthalten ist, und nicht etwa durch Ein- wirkung der Oxalsäure auf Schunk’s indigobildende Substanz entsteht. In diesem Aufsatze heisst es unter anderm: „Ich fand, dass auch bis- !) Aus den Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der ‘Wiener Akademie der Wissenschaften, vom Herrn Verfasser mitgetheilt. 7 weilen schon der durch basisch essigsaures Bleioxyd ohne Zusatz von Ammoniak hervorgebrachte Niederschlag zuekerhaltig. ist.“ Ferner habe ich in der Zeitschrift der Gesellschaft der Aerzte zu Wien unter dem 20. September 1858 einen Aufsatz über Harnzucker- proben abdrucken lassen, in dem ich auch eine Methode zur quan- titativren Bestimmung des Zuckers angab. Da, wo von der Vorberei- tung des Urins für die letztere gehandelt wird, heisst es: „Fehling hat vorgeschlagen, den Harn vor Anstellung der Kupferprobe mit- telst Bleiessig auszufällen, aber dies Verfahren ist unbrauchbar, denn ich habe mich oftmals überzeugt, dass dabei auch ein grösserer oder geringerer Bruchtheil des Harnzuckers mit niedergeschlagen wird.“ Ich glaube diese meine Angabe der Empfehlung eines ausgezeichneten Chemikers gegenüber näher begründen zu müssen. Wenn ich mich nur darauf stützte, dass aus jenem Niederschlage Lösungen erhalten werden können, die sich, mit Kali gekocht, tiefer gelb färben und kleine Mengen von Kupferoxyd und Wismuthoxyd redueiren, so könnte man leicht glauben, dass dies eben nicht durch Zucker, sondern durch irgend eine oder mehrere andere Substanzen geschehe; ich habe aber, wie ich sogleich zeigen werde, andere und schlagendere Thatsachen in Händen. Ich fällte den Urin eines diabetischen trirter Bleizuckerlösung, dann das Filtrat essigsaurem Blei. Der Niederschlag liess ausgekochtem, nur unvollständig auswaschen, indem die Flüssigkeit nach einiger Zeit trüb durch’s Filtrtum ging. Mit Kochsalzlösung dagegen liess er sich so weit auswaschen, dass die klar abtropfende Flüssigkeit mit Kali versetzt und gekocht zwar noch gelblich gefärbt wurde, aber sehr bald wieder vollständig erblasste, eine Erscheinung die, wie Bödeker in seinem Aufsatze über das Alkapton (Henle’s und Pfeufer's Zeitschrift für rationelle Mediein VII, 127) mit Recht bemerkt, anzeigt, dass nur Spuren von Zucker vorhanden sind, indem bei grösseren Zuckermengen die gelbe oder braune Farbe erhalten bleibt. Ich schüttete nun den Niederschlag in eine Schale und fügte unter fleissigem Umrühren nach und nach so viel von einer kalten annes zuerst mit concen- de a & er Lösung von basisch mit Wasser, auch mit 72 wässerigen Lösung von Oxalsäure hinzu, dass eine filtrirte Probe durch weiteren Zusatz von Oxalsäure nicht mehr gefällt wurde. Dann filtrirte ich das Ganze. Das Filtrat färbte sich beim Kochen mit Kalı braun und redu- eirte so grosse Mengen Kupfer- und Wismuthoxyd, wie dies nie beobachtet wird, wenn man dieselbe Procedur mit dem Urine eines gesunden Mannes vornimmt. Schon hieraus musste man schliessen, dass der Niederschlag Zucker enthalten habe, wenn man nicht annehmen wollte, dass im Urin des betreffenden Kranken ausser dem Zucker noch eine zweite Substanz, die alle jene Reactionen mit dem Zucker theilte, in ungewöhnlicher Menge angehäuft sei, eine Annahme, die sicher keine grosse Wahr- scheinlichkeit für sich hatte. Eine zweite Urinportion desselben diabetischen Mannes wurde in derselben Weise erst mit Bleizuckerlösung ausgefällt und dann das Filtrat mit Bleiessig niedergeschlagen. Das so erhaltene Präcipitat wurde zuerst auf dem Filtrum mit destillirtem Wasser gewaschen, bis die abtropfende Flüssigkeit trüb erschien, dann wickelte ich es in mehrfache Lagen von Fliesspapier ein, das erneuert wurde, so oft es durchfeuchtet war, endlich brachte ich das Ganze in eine starke Schraubenpresse und presste es trocken ab. Von dem so be Bleiniederschlage nahm ich zwei gleich grosse Proben; die eine rührte ich mit destillirtem Wasser an, die andere mit demselben Volum einer verdünnten Lösung von Oxalsäure. In letzterer wurde deutlich die Zerlegung der gelblich weissen Blei- verbindung in schneeweisses oxalsaures Bleioxyd und in sich lösende Stoffe beobachtet, welche die Flüssigkeit gelblich färbten. Diese Flüssigkeit bräunte sich mit Kali und war stark redueirend, das von der andern Probe abfiltrirte Wasser aber zeigte nur schwache Zucker- reactionen. Das Resultat dieses Versuches entsprach also ganz dem vorhergehenden. Nun zerlegte ich den ganzen Rest der Bleiverbindung durch Oxalsäurelösung, filtrirte, sättigte das Filtrat durch feinvertheilten kohlensauren Kalk, der durch Fällung einer Chlorcaleiumlösung mit kohlensaurem Natron erhalten war, filtrirte und füllte das Filtrat mit 73 Hefe vermischt, in eine Schrötter'sche Gaseprouvette '), in der es lebhaft zu gähren begann, während eine andere Gaseprouveite, mit derselben Hefe und destillirtem Wasser gefüllt, keinerlei Gährungs- - erscheinung bemerken liess. Der zu diesen Versuchen angewendete Bleiessig war bereitet dureh Schütteln einer Bleizuckerlösung mit gepulverter Bleiglätte. Der Bleizueker war vorher unkrystallisirt, die Glätte mit Ammoniak ausgezogen, aber dann längere Zeit an der Luft getrocknet, um alles Ammoniak verdunsten zu lassen. Dieser Bleiessig brachte in einer wäs- serigen Lösung von reinem aus Stärke bereitetem Traubenzucker nicht die geringste Fällung hervor und eben so wenig in einer Lösung von Zucker, den ich früher aus dem Urin eines andern diabetischen Mannes dargestellt hatte. Da somit das Reagens an dem erhaltenen Resultate sicher un- schuldig war, so existirten nur noch zwei Möglichkeiten : entweder im Harn existirte irgend eine Substanz, durch welche die Fällung des Zuckers vermittelt wurde, oder es existirte neben gewöhnlichem Harnzucker in dem untersuchten Urine noch ein anderer Zucker, der !) Die vom Herrn Verfasser oben erwähnte Gaseprouvette ist wie die neben- stehende Figur zeigt gestaltet. Vor dem Gebrauche wird die Röhre und die an ihrem unteren Ende angebrachte elförmige Erweiterung, bei ver- ticaler Stellung der erstere! a bis « mit der anzuwen- denden Flüssigkeit gefüllt. Der Inhalt dieser Erweiterung muss so gross sein, dass die Flüssigkeit in derselben von « bis b steigt, wenn die Röhre mit Gas gefüllt wird. Die Axe des schief stehenden Theiles ist gegen die Röhre unter 45 Grad geneigt, damit die Flüssigkeit bei verticaler Stellung der Röhre das Gas stets absperrt. Die Zeiehnung stellt die Gaseprouyette in '/, der Grösse dar, in welcher sie zum gewöhnlichen Ge- brauch am bequemsten ist; dieselbe kann jedoch in beliebigen Dimensionen ausgeführt werden. Ueber die mannigfaltigen Anwendungen, welche die, wie ich glaube, mit Recht „Gase- prouvette* benannte Vorrichtung bei den Arbeiten mit Gasen findet, etwas anzufüh- ren, ist wohl kaum nothwendig. Erwähnt sei hier nur, dass dieselbe in sehr vielen Fällen eine pneumatische Wanne ganz entbehrlich macht, zumal da sie die unmit- telbare Anwendung jeder Art von Flüssigkeit gestattet und daher zur Prüfung der Absorption der sich während einer Operation entwickelnden Gase sehr nützlich ist. Bei einigem Gebrauch findet man die Gaseprouvette bald so unentbehrlich wie die gewöhnliche. Schrötter, 4 durch Bleiessig auch ohne Zusatz von Ammoniak gefällt wurde. Um zu untersuchen, ob das Erstere der Fall sei, versetzte ich den Urin eines gesunden Mannes, der keine ungewöhnlichen redu- eirenden Eigenschaften zeigte, mit einer reichlichen Menge von aus Stärke bereitetem Traubenzucker und behandelte ihn dann ganz wie ich im letzten Versuche den Urin des diabetischen Mannes behandelt hatte. Das Resultat war ganz dasselbe; auch hier erhielt ich nicht allein Bräunung mit Kali und überreichliche Reduction von Wismuth- oxyd und Kupferoxyd, sondern auch lebhafte Gährung. Es ist also im Harn eine Substanz vorhanden, welche die Fäl- lung des Zuckers durch Bleiessig vermittelt. Es lag nicht im direeten Wege meiner Arbeit, zu untersuchen, welcher der Harnbestandtheile diese Wirkung ausübe; ich wünschte vielmehr im Interesse der praktischen Seite unserer Frage zunächst darzuthun, dass auch aus dem Urin gesunder Individuen durch Blei- essig Zucker gefällt werden kann, ohne dass man Ammoniak hin- zufügt. Ich fällte deshalb den Urin eines und desselben gesunden Mannes täglich erst mit Bleizuckerlösung, dann das Filtrat mit Bleiessig. Dieser Urin hatte sich bald mehr, bald weniger redueirend gezeigt, gehörte aber im Durchschnitt unter denen, welche ich von gesunden Männern untersucht habe, zu den stärker redueirenden. Die durch Bleiessig erzeugten Niederschläge wurden gesammelt, in Fliesspapier gewickelt, das oft erneuert wurde, und dann unter der Schraubenpresse trocken abgepresst. Der vom anhängenden Papier befreite Kuchen wurde zerbröckelt und in der Reibschale zuerst mit etwas destillirtem Wasser gröblich zerrieben; dann fügte ich von einer concentrirten kalten Lösung von Oxalsäure unter stetem Reiben und Umrühren so lange hinzu, bis das Filtrat einer Probe durch weiteren Zusatz von Oxal- säure nicht mehr getrübt wurde. Hierauf wurde das Ganze filtrirt, das Filtrat vorsichtig mit kohlensaurem Natron gesättigt, mit Essig- säure angesäuert und von etwa 1000 rasch bis auf 200 Kubikeenti- meter eingekocht. Nachdem die Flüssigkeit erkaltet war, mischte ich sie mit 1080 Kubikeentimeter eines Weingeistes, der 94 Volumpro- cent Alkohol von 0'7954 Dichte (bei 12° R.) enthielt. Nachdem sich 75 aus dem wohlgeschüttelten Gemische das oxalsaure Natron abgesetzt hatte, wurde filtrirt und dem Filtrat eine weingeistige Kalilösung erst bis zur beginnenden Trübung zugesetzt, dann in kleinen Por- tionen weiter, so lange die Trübung noch deutlich zunahm. Hierauf wurde das,Ganze in einen kalten Raum gebracht. Es dauerte 48 Stunden, bis sich die Flüssigkeit vollständig geklärt hatte. Ich goss sie dann vom ausgeschiedenen Zuckerkali ab, zerlegte letzteres mittelst einer verdünnten Oxalsäurelösung, sättigte mit feinvertheiltem kohlen- saurem Kalk, fügte so viel Weingeist hinzu, dass in der Mischung auf einen Theil Wasser etwa vier Theile Alkohol kamen, und filtrirte. Das Filtrat säuerte ich mit Essigsäure an und dampfte es dann auf dem Wasserbade bis zur Trockenheit ab. Der Rückstand gab, in wenig Wasser aufgelöst, eine stark redueirende Flüssigkeit, die, mit Hefe vermischt und in einem kleinen Reagirglase von wenig mehr als 4 Kubikeentimeter Inhalt über Quecksilber abgesperrt, bei einer Tem- peratur von 23° Öelsius zu gähren begann. Man konnte von Zeit zu Zeit beobachten, wie die mit Gas beladenen Hefenflöckchen zur Kuppe hinaufstiegen, und das Gas, welches sich hier in Gestalt eines aus kleineren und grösseren Bläschen gemischten Schaumes ansammelte, wurde später von einer hineingebrachten Kalikugel bis auf eine Blase von etwa 2—3 Kubikmillimeter Inhalt absorbirt. In einem anderen Rengirglase, in dem eine Portion derselben Hefe mit destillirtem Wasser in derselben Quecksilberwanne abgesperrt war, hatte keine Gasentwicklung stattgefunden. Es ist hiermit zugleich der Anforderung Genüge geleistet, das Vorkommen von Zucker im Urin gesunder Männer durch Alkohol- gährung nachzuweisen, ‘Wo es sich übrigens nur hierum handelt, thut man besser mit dem Niederschlage zu arbeiten, der nach dem Ausfällen mit Bleiessig in dem Filtrate durch Ammoniak bewirkt wird. Ich hatte die vom Bleiessig- Niederschlage abfiltrirte Flüssigkeit gesammelt, indem ich sie in der Kälte aufbewahrte und nachdem ich etwa 10 Liter zusammen hatte, fällte ich sie mit Ammoniak, wusch das Präeipitat anfangs auf dem Filtrum mit kaltem destillirtem Wasser, um den Ammoniakgehalt etwas zu vermindern, und brachte es dann 76 in die Luft hinaus, wo es in der Winterkälte gefror. Nun wickelte ich es in mehrfache Lagen von Filtrirpapier, das von Zeit zu Zeit erneuert wurde, bis der Inhalt troeken war. Hierauf zersetzte ich die Bleiverbindung ganz auf dieselbe Weise, wie ich es oben beschrieben habe, mittelst Oxalsäure, filtrirte, sättigte mit fein vertheiltem koh- lensaurem Kalk, filtrirte wieder, säuerte einen Theil des Filtrats mit Essigsäure an, dampfte zur Trockene ab, und löste den Rückstand in wenig Wasser wieder auf. Einen Theil der so erhaltenen Flüssigkeit verwendete ich zu den gewöhnlichen Zuckerproben; sie bräunte sich mit Kali und redueirte reichlich Wismuthoxyd und Kupferoxyd. Einen anderen Theil verwendete ich zur Gährungsprobe. Es wurden 21% Kubikeentimeter mit Hefe vermischt in einem kleinen Reagirglase über Quecksilber abgesperrt; es war Nachmittags und als ich am Abende den Versuch wieder sah, hatte die Gährung bereits begonnen, am anderen Tage ging sie fort und nach 42 Stunden betrug die ange- sammelte Gasmenge an Volum ein Sechstheil von dem der Flüssigkeit, also etwa 4147 Kubikmillimeter. Eine nun eingeführte Kalikugel ab- sorbirte sie bis auf eine Blase von etwa drei Kubikmillimeter Inhalt. Der Rückstand betrug also weniger als 1 Volumprocent des Gases, nach der obigen ungefähren Schätzung ®/, Procent. Während des Versuches hatte die Temperatur den Tag über zwischen 20 und 24° Celsius geschwankt, war aber des Nachts noch unter die erstere Zahl gesunken. In einem anderen Oylinder, der in derselben Quecksilber- wanne umgestürzt und mit destillirtem Wasser und einer Portion der- selben Hefe angefüllt war, hatte sich während der ganzen Dauer des Versuches kein Gas entwickelt. Ich hatte hier also unzweifelhafte und regelmässige Gährung erhalten, ohne vorher Zuckerkali darzustellen, wodurch eine wesentliche Ersparung an Zeit und Material erzielt wird. Beim Arbeiten mit dem Niederschlage, der sofort auf Hinzufügung des Bleiessigs zu dem mit Bleizucker ausgefällten Harn entsteht, ist mir dies mit dem Urin desselben gesunden Mannes nicht gelungen. IV. Bestätigung der dem Pankreas eigenthümlichen, kräftigen Wirk- samkeit bei der Verdauung der slickstoffhaltigen Nahrungsstolfe durch Versuche mit natürlichem Bauchspeichel. Vergleich des alten Verfahrens, bei welchem eine Fistel angelegt wurde, mit dem der Infusion. Kritik. Von Lucian Corvisart. % Geschichtliches. Man erstaunt über die Unwissenheit, in der uns bis vor wenigen Jahren die alte Wissenschaft liess, über Alles was die Verdauung betrifft. Jetzt, da man die Magenverdauung bis in kleine Einzelnheiten kennt, fällt es schwer zu glauben, dass der Magensaft erst seit 90 Jahren entdeckt wurde. Wenn man nun aber sich zu der zweiten Verdauung wendet, so findet man, dass die alte Wissenschaft uns hier noch unwissender liess, als bei der ersten. Trotz der anatomischen Entdeckungen von Wirsung, von de Graaf, von Santorini, war die Wissenschaft noch vor 20 Jahren über die Wirksamkeit des Pankreas so unwissend, wie zu Hipp o- krates Zeiten. In Frankreich z. B. glaubte eine mit Recht hoch angesehene Eneyelopädie der medieinischen Wissenschaften 78 (Dietionnaire de medeeine, in 30 Bänden) ihm eine hohe Gunst zu erweisen, ja sogar eine gewagte Hypothese aufzustellen, indem sie der Physiologie dieses Organs folgende drei Zeilen widmete : Das Pankreas sondert eine fadenziehende Flüssigkeit ab, ähnlich dem Speichel, die sich in das Duodenum ergiesst und deren Verwendung mit der Verdauung zusammenhängt. Bd. 23, p. 67. Wie zu Hippokrates Zeiten herrschte vollständige Unwissenheit, bis sich plötzlich ein neues Organ physiologisch offenbarte, das sich heute zum ebenbürtigen Nebenbuhler des Magens aufwirft, und von seinem ersten Auftreten an darauf ausging, die zweite Verdauung zu beherrschen. Valentin (1844) zieht den pankreatischen Safı aus dem Pankreas und löst ihn auf vermittelst der Infusion der Drüse in Wasser; er erkennt und zeigt, dass dieser Saft die Stärke der Nahrungsmittel schnell in Glucose verwandelt; Sandras und Bouchardat (1845) stellen ihre Versuche an und erklären ebenfalls, dass der pankreatische Saft die stärkmehlartigen Stoffe der Nahrungsmittel verdaut. Auch Eberle (1834) zieht durch Wasseraufguss den pankreatischen Saft aus der Drüse und meldet, dass er die fetten Nahrungsstoffe emulgirt. Er schreibt: der pankreatische Saft habe die Aufgabe, die Fette zu emulgiren um sie durch Absorption in den Ohylus überzuführen. Zehn Jahre später bestätigt Bernard durch neue und werthvolle Untersuchungen diese Entdeckung. Endlich erklären 1836 Purkinje und Pappenheim (vielleicht ging ihnen derselbe Eberle voraus), dass sie durch den Aufguss des Pankreas einen Theil des Saftes aus der Drüse ausziehen konnten, und dieser künstlich erhaltene pankreatische Saft löse die eiweissartigen Nahrungsstoffe selbst auf. Welche Veränderung in der Physiologie der zweiten Ver- dauung: Ich werde mich hier nur mit der Ergänzung des Studiums über das Pankreas beschäftigen. Man weiss, dass drei Arten von Nahrungsstoften nöthig sind; die stärkmehlartigen, die fetten und die stiekstoffhaltigen oder die eiweiss- artigen. 79 Die Nahrungsmittel unterhalten indessen das Leben nur indem sie durch die Verdauung umgewandelt werden. Jene drei Arten von Nahrungsstoffen werden aber verschieden leicht verdaut. Die fetten Nahrungsstoffe erleiden mit der geringsten Schwierigkeit die Veränderungen, welche die Verdauung in ihnen hervorrufen muss; in der That reicht es hin, dass sie fein vertheilt, mit einem Worte emulgirt werden; die Galle, der pankreatische Saft, die einfachen chemischen Alkalien können, wenn die Verdauungssäfte fehlen, dies Ziel erreichen. Auch liegen, wenn Krankheiten des Pankreas den Tod herbei- führen, ganz andere Ursachen zu Grunde, als die mangelhafte Emul- girung oder Vertheilung der fetten Nahrungsstoffe. Um dem Organismus zu dienen, müssen ihrerseits die stärkmehl- artigen Nahrungsstoffe durch die Verdauung in Dextrin und Zucker verwandelt werden, aber auch diese Verdauung ist so einfach, dass sie fast nie fehlschlägt. Der Gebrauch des gebackenen und gerösteten Brodes ist deshalb so verbreitet, weil er dem Menschen stärkmehlartige Nahrungsstofle künstlich verdaut liefert, so dass Dextrin und Zucker als solche zur Absorption dargeboten werden ). Die Verdauung der fetten und stärkmehlartigen Nahrungsstoffe ist mit einem Worte sehr einfach, die Siedhitze, die Chemie sind beinahe eben so mächtig sie auszuführen, als die Kräfte des thierischen Haushalts. Viel höher steht die Verdauung der stickstoffhaltigen Nah- rungsstoffe, Die Verdauung dieser Nahrungsstoffe ist daher nicht allein einem grossen und kräftigen Werkzeug, dem Magen, sondern auch dem Pankreas anvertraut. Wenn wirklich das Pankreas auf einen sehr hohen Rang in dem ') Die Kranken, denen Tisanen mit Zucker, Honig oder dergl. mehr verordnet werden, wenden nur ein einfaches Verfahren der künstlichen Verdauung an. Dieser Gegenstand soll seiner Zeit erörtert werden. 80 thierischen Haushalte Anspruch machen darf, so ist das nicht weil es die Fette emulgirt, oder weil es das Stärkmehl in Zucker umwandelt, denn diese Aufgaben werden von der Küche und den ihr entsprungenen industriellen Handgriffen mehr als sattsam gelöst, sondern weil es, nach unserer‘ Erkenntniss dazu berufen ist, den stiekstoffhaltigen Nahrungsstoffen die Verdauung zu sichern, selbst wenn unter mancherlei Einflüssen der Magen sich hierzu unzureichend odeı unfähig zeigen sollte. Wir werden auf dem Wege des Versuches binnen Kurzem dar- thun, wie eng und unzertrennlich, durch Gesetze der nebengeordneten Verrichtung, das Pankreas für die bezeichnete wichtige Aufgabe mit seinem organischen Vorgänger verknüpft ist. Wir haben davon im vorigen Jahre eine vorläufige Ankündigung gegeben 1). Purkinje und Pappenheim stellten 1836 nach ihren Er- fahrungen die unerwartete Ansicht auf, dass der pankreatische Saft, welcher durch Aufguss aus der Drüse gewonnen worden, die eiweiss- artigen Stoffe löse; Spallanzani hatte keine grössere Entdeckung gemacht. Diese deutschen Forscher hatten zwar nur in sehr wenigen Worten von dieser Erscheinung gesprochen. Wie indess alle Wahrheiten nur mit Mühe sich Bahn brechen, so sprachen auch über diese die meisten Physiologen ein Verdammungs- urtheil, das 20 Jahre währte. Zu dieser Zeit ward das Studium der Bauchspeicheldrüse durch Bernard wieder aufgenommen, und obgleich er die Rolle dieses Organs, besonders in der Verdauung der neutralen Fette, wohl berücksichtigte, so verfehlte er doch nicht durch häufig wiederholte Bestätigungen, die von Purkinje und Pappenheim aufgestellte Ansicht zu unterstützen, so dass ihre bescheidenen aber festen Aussprüche in diesem neuen Werke ver- dunkelt werden. 1. Sonderbare Ansicht über eine Fäulniss erzeugende Kraft des Pankreas. Die Siedhitze, der Magensaft, die Galle werden sehr unnöthig gegen diese eingebildete Kraft aufgerufen. Während er schr kräftig die Entdeckung der beiden deutschen 1) A. a. ©. Sur la digestion panerdatique intestinale. Gazette hebd. 1859. T. VI. p. 456 und T. VI. p. 442. 81 Physiologen unterstützte und oft wiederholte, dass die Bauchspeichel- drüse die stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe auflöse, so untergrub doch sonderbarer Weise derselbe Forscher diese Entdeckung in ebenso hohem Grade, durch eine Reihe von Rückzügen. So wenig festen Fuss hatte in dieser Beziehung die Wissenschaft für ihn gefasst, und so sehr widersprachen sich die beobachteten Thatsachen ! So kam es, dass Bernard, nachdem er die Rolle des Pankreas als eine physiologische anerkannt hatte, es für seine Anschauung ausgab, dass die stickstoffhaltigen Stoffe sich in dem pankreatischen Safte nur durch Fäulniss auflösen, sehr rasch, wenn sie roh sind, weniger schnell, wenn sie gekocht sind. (Bernard memoire sur le Pancrdas p. 129 1. 29). Derselhe Schriftsteller bediente sich, als wenn er sich deutlicher ausdrücken wollte, fortwährend solcher Aeusserungen, die nicht an die Idee eines physiologischen Verdauungsvorgangs erinnerten, sondern mit allem Nachdruck an die Vorstellung einer freiwilligen Zersetzung, einer Fäulniss, (c'est une sorte de dissolution) (loc. eit. p. 129). „(e ramollissement se transforme en une veritable putrefaction“ (loe. eit. p. 129). „En resume, le sue panerdatique, quand il agit seul sur les sub- stances alimentaires, les modifie de maniere A entraöner leur d&compo- position spontanee“ (loc. eit. p. 139). Kann folgendes den mindesten Zweifel lassen über die herrschende Ansicht Bernard's: „on a remarque que la decompisition putride etait d’autant plus rapide que le sue panereatique &ait plus normal“ Bernard. ler. s. les prop. phys. des liquides de l’economie T. II. p. 400. annde 1858. Mit einem Worte, wie es noch besser die erste Citation dieses Schriftstellers sagt: „illes putrefie ! Aber diese Auffassung stand in zu grellem Widerspruch mit der von Purkinje undPappenheim, die man angenommen hatte, Indem dieser Widerspruch schon beim Durchlesen weniger Seiten zu Tage kommt, konnte er sich in seiner Nacktheit nicht behaupten. Von nun an, obgleich Bernard fortfuhr durch Worte die Wirkung des Pankreas in seiner Schrift nachdrücklich zu betonen , gereichte in der That all das, was zum Schein beigebracht wurde, um diese Driüse von ihrer Fäulniss erregenden Wirksamkeit zu erheben, nur MOLESCHOTT, Untersuchungen, VII, 6 82 dazu, die wirklich physiologische Verrichtung des Pankreas für die stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe einzuschränken. So erstaunt die Thatsache, dass Casein und Kleber im pankre- atischen Safte nicht faulen, und dies wird als ungewöhnlich betrachtet. Bernardsagt: „La caseine et le gluten presentent une exception remarquable en ce que ces matieres se dissolvent ordinairement sans se putrefier 1).“ (loe. eit. p. 129). So wurde es nothwendig für den pankreatischen Saft, dem aus- drücklich oder stillschweigend die Fähigkeit einer wirklich physiolo- gischen Verdauung abgesprochen wurde, eine mächtige Nachhülfe in Anspruch zu nehmen. Zunächst sollte die Zubereitung der Nahrungsmittel dem pankrea- tischen Safte zu Hülfe kommen. Der Verfasser sagt: „Mais si nous examinons l’action du sue pancreatique sur les tissus animaux ou les matieres albuminoides apres qu’ils sont euits, les phenomenes sont bien differents.“ (loc. cit. p. 130), Der pankreatische Saft, sagt Bernard, nachdem er auf's Neue von dessen Fäulniss erregender Wirksamkeit gesprochen hat, gewinnt die Fähigkeit, stickstoffhaltige Stoffe ohne Fäulniss zu verdauen unter der Bedingung, dass die betreffenden Nahrungsmittel gekocht sind. (a. a. O. p. 129 1. 20). Nächst der Zubereitung wurde alsbald der Magensaft dem Bauch- speichel als Gehülfe zugesellt und der Verfasser wiederholt an vielen Stellen, dass der Bauchspeichel die stickstoffhaltigen Körper auflöst, vorausgesetzt, dass die letzteren die vorbereitende Einwirkung des Magensaftes erlitten hatten. Schliesslich begnügt sich Bernard nicht damit, der Galle die von Pappenheim richtig erkannte und sehr wichtige Rolle zuzuschreiben, dass sie alle Wirkung des Magensaftes aufhebt, so dass die Magen- verdauung im Dünndarm nicht fortschreiten kann; sondern indem er immer weniger der eigenthümlichen Thätigkeit des Bauchspeichels traut, ruft er noch einen dritten Gehülfen an, der dem pankreatischen Safte neue Eigenschaften ertheilen soll. „Le sue intestinal (compose de bile 1) Diese Ausnahme ward selbst bald darauf eingegrenzt, statt Käsestoff und Kleber sind diese beiden Stoffe nur im gekochten Zustande gemeint. (p. 130). 83 et de suc panerdatique) dissout les alimens azotes en suivant une marche differente de la putröfaction proprement dite qui a lieu dans le sue panereatique seul; cette propriät6 est düe a la presence de la bile“ a. a. O. p. 139. 1. 27. Der Verfasser hat es überdies klar herausgesagt: Nous ne voulons pas dire, nous le r&petons & dessein, que le suc paner6atique soit lagent d’une digestion complete de toutes ces substances, il ne peut agir eonvenablement sur elles qu’ apres que le suc gastrique ou la bile les ont pr&alablement modifiees, preparees(C. Bernard, memoire sur le Pan- er&as. p. 145 und noch a. a. ©. p. 139 1. 40 „La bile intervient positi- vement pour communiquer & ce liquide des proprietes speeiales.“ Thatsächlich hat also Bernard allmälig seine erste Ansicht, welche im Einklang mit der Entdeckung von Purkinje und Pappenheim einer eigenthümlichen und unmittelbaren Wirkung des Bauchspeichels günstig war, umgewandelt und sich nach und nach eine ganz neue, schnurstracks entgegengesetzte Meinung erworben, nach welcher er dem Bauchspeichel nichts weiter zugesteht, als eine zersetzende, ja nach seinem öfters wiederholten Ausdruck, Fäulniss erregende Kraft. Ohne Küche, ohne Magensaft, ohne Galle wird der Bauchspeichel von Bernard der Fähigkeit verlustig erklärt, eine verdauende Ein- wirkung, einen rein physiologischen Einfluss auf die Nahrungsstoffe auszuüben. Ein Jahr nach der Veröffentlichung der Abhandlung, der die obigen Anführungen entnommen sind, schrieb Bernard nach seinen Vorträgen ein anderes Werk !) nieder, in welchem er inmitten ver- schiedener Zweifel sich zu dem Ausspruch entschliesst, dass das Gemenge der Galle mit dem Bauchspeichel eine Flüssigkeit hervorbringt, welche der Mischung besondere Eigenschaften verdankt. (T. H. p. 442). Und gleichsam um einen bündigen Ausdruck für seine Meinung zu geben schrieb er: „action que le sue pancreatique ewerce sur les matieres azotees ne parait pas tre ume action qui bw soit propre.“ Ö.Bernard lec. de phys. 1856. T. II. p. 441 1. 30). Wenn man sich an das Vorhergehende hält, dann sieht man, dass die Schwankung in den Ansichten des Verfassers so weit geht, dass 1) ©. Bernard, lecons de physiologie. 1856. 6* 84 dieselben von ihm verfassten Schriften den Vertheidigern der Entdeckung Purkinje'sundPappenheim’s antworten können: „Ich habe Euch des Bestimmtesten unterstützt, ich habe vor Euch die verdauende Einwirkung des Pankreas auf die stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe proelamirt;“ sie könnten dann mit gleichem Rechte auch den Gegnern dieser Rolle des Pankreas sagen: „Ihr habt ganz Recht; ich habe seit lange behauptet, dass dem Pankreas keine eigenthümliche Verdauungskraft inne wohnt; wo es immer eine solche besitzt, wird dieselbe durch die Mischung mit der Galle hervorgebracht; es wirkt überdies nur auf gekochte Nahrungsmittel ein und auf solche, welche vorläufig durch den Magensaft verdaut oder zur Verdauung vorbereitet wurden; habe ich nieht über- dies gesagt, dass der Bauchspeichel nur dadurch die Nahrungsstoffe auflöst, dass er sie m Fäulniss überführt ? So stand die Frage !) als ich meine erste Abhandlung veröffent- lichte : sur ume fonction peu connue du panereas. Paris 1857. 1858. Zu der Entdeckung Purkinje’s und Pappenheim's lieferte ich einige wichtige Erweiterungen , und, wie ich glaube, eine unbedingte Bestätigung. Durch eine erste Versuchsreihe bewies ich, dass wenn bei lebenden Thieren das Duodenum an beiden Enden unterbunden worden ist und zugleich alle Galle durch vorläufiges Auswaschen und Unterbindung des Gallengangs entfernt wurde, der in dieses Darmstück ergossene Bauchspeichel eine ansehnliche Menge eiweissartiger Nahrungsstoffe auflöst und verdaut. 1) Später und bevor meine Abhandlung einer Commission des Instituts übergeben wurde, der Bernard angehörte, verliess er sogar noch vollständiger die Anschauungs- weise von Purkinjeu. Pappenheim, welche seit zwei Jahren die meinige geworden war und schrieb „(1° Lesuc pancr£atique mis en contact avec de l’albumine d’oeuf euit, de la caseine retirde du lait par l’acide acetique, et du gluten, a entraine la decom- position putride de toutes ces substamces; excepte la caseine qui conservait au mdlange, une reaction acide on a remarque que la decomposition putride etait d’autant plus rapide que le suc pamerdatique etait plus normal*). 2° L’addition de la bile n’a empeche dans auceume experience la putr@faction. C. Bernard. Lecons sur la pro- priete physiol. de liquides de l’&conomie. T. II. p. 400 lecon du 18. Juin 1858. *) Also konnten das Kochen und die Galle, zwei ehemals so mächtige Unter- stützungsmittel des Bauchspeichels, diesen letzteren nicht mehr verhindern die Nah- rungsmittel in Fäulniss zu versetzen und diese Fäulniss würde um so rascher bewirkt, je normaler der Bauchspeichel ist. 85 Ich zeigte, dass man in diesem Falle niemals in dem verdauten Erzeugniss, das in dem Duodenum enthalten ist, irgend eine Spur von Fäulniss finden kann, weder im Augenblick des Todes, noch mehrere Stunden nachher, dass die Wirkung der Verdauung nicht aufhört, wenn man statt gekochter Nahrungsmittel durchaus rohe Nahrung einführt; dass eine vollständige Verdauung Statt findet nicht nur wenn man stickstoffhaltige Substanzen nimmt, welche der Magen nicht vorbereitet hat, sondern auch solche die niemals mit dem Magen in Berührung kamen, indem man sie direct von aussen in den Zwölffingerdarm einbrachte. Nachdem ich diese erste Reihe von Erfahrungen mit jedem Nah- rungsstof in dem Duodenum lebender Hunde gemacht hatte, nahm ich eine zweite vor. Ich wiederholte dazu mit denselben Nahruggiäigßten dieselben Erfahrungen, zuerst an dem pankreatischen Saft, der in das Duodenum ergossen und mit der Darmschleimhaut und ihren Drüsen in Berührung gekommen war; sodann aber zum Vergleich an dem durch Auf- guss aus der Drüse selbst gewonnenen pankreatischen Saft, welcher dem zu Folge keinerlei noch so schwache Berührung erlitten hatte, weder mit dem Magen- oder Darmsaft, noch mit der Galle. Mit grosser Schnelligkeit löste und verwandelte dieser pankre- atische Saft alle Nahrungsmittel, gekochte und rohe, mit denen er auf das Wasserbad gebracht wurde, und zwar jedes Mal ohne irgend Fäulniss zu erzeugen. Eine dritte Versuchsreihe, welche man in dem gleichen Werke finden wird, bei der der wirksame Stoff (das Pankreatin) aus dem Aufguss des Pankreas ausgezogen und durch Alkohol von fremden Stoffen befreit worden war, ergab genau die nämlichen Proben von eigener verdauender Wirkung, unabhängig von der Siedhitze, der Galle oder dem Magensafte und sehr verschieden von der Fäulniss. Ich glaubte die Frage weiter geführt zu haben, ich hoffte durch genaue, scharf ausgedrückte Ergebnisse, Physiologen wie Frerichs, Bidder und Schmidt und viele Andere, welche in dieser Bezie- hung das Pankreas aufgegeben hatten, wieder zu gewinnen. 86 Ich werde nicht an die Meinung Funke's über meine Arbeit?) er- innern, noch an die Verneinungen von Kefersteinund Hallwachs 2) bei denen ein falscher Ausgangspunkt der Grund ihres Irrthums 3) war. Auch Brinton?) will ich nieht besprechen, noch die lange experimen- telle Arbeit von Meissner 5), deren Ergebnisse nach seinen Ausdrücken die vollkommene Bestätigung der meinigen liefern, ebenso wenig die ebenfalls beistimmenden Erfahrungen von Schiff, denn dies Alles würde viele Seiten ausfüllen. Ich hatte Veranlassung mir Glück zu wünschen, dass tüchtige und als solche angesehene Schriftsteller die Riehtigkeit von dem, was ich geschrieben hatte, anerkannten, allein in meiner Abhandlung vom Jahre 1857 war die Wahrheit nicht weniger vollständig enthalten und jetzt schreiben wir 1860. Ich kann nicht eben einen grossen Fortschritt darin sehen, wenn man sich ak nur mit einem von 30 in meiner Arbeit auf- gestellten Sätzen beschäftigt hat, ohne mehr als eine Bestätigung davon zu finden. Ich hoffe also auf eine vollständigere Experimentalkritik, allein sehon jetzt gilt es einen Fortschritt zur Geltung zu bringen und zwar über zwei Punkte: „1° Hat der pankreatische Saft, der durch eine Fistel aus der Drüse ausfliesst, dieselbe verdauende Wirkung wie der, welcher durch Infusion gewonnen wird? „2° Welche von beiden Methoden ist die bessere, um zu den ent- scheidendsten Resultaten zu gelangen?“ Die Versuche, auf welche meine erste Abhandlung sich stützte, diejenigen, welche zu verschiedenen Zeiten vor den Herren Kühne, Snellen,Milne-Edwards,Flourens, Philippeaux, Vulpian und Bernard selber wiederholt worden sind, wurden allemal mit Hülfe von Infusionen des Drüsengewebes vorgenommen. 1) Schmidt's Jahrbücher 1858. Januar N. I. p. 21 bis 25. 2) Göttinger Nachrichten 14. August 1858. 3) Schmidt’s Jahrbücher. 1859. Bd. 102.p. 244 und Medieinischer Verein 1859. T. III. p. 149. 4) The Dublin quarterly journ. of med. science, aug. 1859. und Journal de physiol. de Brown-S&quard.T.I. p. 672 und the Dublin quart. journal ofmed. sc. 1860. p. 66. 5) Zeitschrift für Rat. Med, v, Henle und Pfeufer. 1859. 3. Reihe Bd, VIII, 87 Die Versuche dagegen, welche Bernard zu den uns bekannten abweichenden Ergebnissen geführt haben, waren nach dem etwas ab- geänderten Verfahren von de Graaf angestellt. Es blieb also für diejenigen, deren Ueberzeugung ich bekämpfte, ein letzter Ausweg übrig: sie konnten behaupten, dass die Verschie- denheit der Resultate von einer Verschiedenheit des Versuchsverfahrens herrühre, und dass die Methode mit Anlegung einer Fistel den Vor- zug verdiene. Während das Infusionsverfahren darin besteht, dass der pankrea- tische Saft, der während des Lebens im Herzen der Drüse gebildet ward, mit Wasser ausgewaschen oder aufgelöst wird, worin nach meiner Meinung der Vorzug dieser Methode liegt, geht man bei Anlegung einer Fistel darauf aus, durch ein in einen der Ausführungsgänge eingebundenes Röhrchen, den Saft der nach der Operation aus der Drüse fliesst, unmittelbar aufzufangen. Den Saft aus dem Ausführungs sgang zu schöpfen ist offenbar gut: allein sich auf den Saft ı verlassen, welcher in einer operirten Drüse gebildet wird, scheint mir ein missliches Beginnen, worüber ich für jetzt rasch hinweggehe, Jedenfalls muss man zugeben, dass man mit Recht oder mit Unrecht ohne Weiteres ein günstiges Vorurtheil für das Fistelverfahren gewinnt, wobei man Gelegenheit hat, den Bauchspeichel während des Lebens tropfenweise ausfliessen zu sehen; ja es scheint, als habe man auf diese Weise in der That den Bauchspeichel im natürlichen Zustande. Auch ohne vorausgegangene Widersprüche war es eine Nothwendigkeit die Frage auf dieses bevorzugte Gebiet zu verpflanzen; dies that ich in Gegenwart derselben Gelehrten mit Ausnahme der Herren Kühne, Snellen und Schiff, die abwesend waren. Ich stellte mir also aufs Neue folgende Fragen: Ist es wahr, dass der Bauchspeichel ohne irgend eine Spur von Galle die Nahrungs- stoffe in Fäulniss versetzt oder sie verdaut? Ist es wahr oder falsch, dass er nur dann wirkt, wenn die Nahrungsstoffe entweder durch Siedhitze, oder durch den Magensaft, oder durch die Galle vorbereitet worden sind? Und ich stellte die Antwort dem durch die Fistel gewonnenen Bauchspeichel anheim. Die Anwendung genau desselben Verfahrens, welchesBernard gewählt hatte, hätte indessen ohne Zweifel 88 zu dem gleichen Ergebniss führen müssen, denn das, was dieser Schriftsteller sagte, war jedenfalls das, was er gesehen hatte. Ich musste also darauf ausgehen seine Methode zu verbessern und durfte mir den Vortheil eines wichtigen Gesetzes nicht entgehen lassen, das ich im März 1) und Juli 2) 1859 ausgesprochen habe. Ich werde die Entdeckung, die Entwicklung und die Folgen dieses Gesetzes zum Gegenstand einer späteren Abhandlung machen, deren zweiter Theil aus einer bestätigenden Experimentalarbeit bestehen wird, welche ich in den Öctoberferien. 1859 mit Herm Professor Schiff ausführte. In Folge meiner Erfahrungen, die 1857—1858 mit dem Infusions- verfahren gemacht wurden, erkannte ich in der That dass zwei Reihen von Ergebnissen sich dem Beobachter darbieten können; bisweilen zeigte sich die Infusion eines ganzen Pankreas d. h. der ganze Ferment- inhalt der Drüse zum Verdauen ungeeignet; so dass, wenn man ihn mit den Nahrungsstoffen auf das Wasserbad setzt, nur die faulige Zer- setzung der bemerkt werden kann. Diese wichtige Reihe verneinender Ergebnisse erklärt die Wider- sprüche der deutschen Schriftsteller und die schwankende Unsicherheit in Bernard’s Ansichten über die Fäulniss. Nun geht aber aus den Versuchen, die ich angestellt habe, hervor, dass jene negativen Ergebnisse sich auf die Fälle beziehen in welchen 1) Schmidt's Jahrb. Bd. 102. N. 5. p. 244 und l’union medicale T. III. p. 149 geben die Formel für die Stunden. 2) In der Gazette hebdomodaire de medeeine 1859 T. VI. p. 156 kündigte ich an, dass ich auseinandersetzen würde: wie das Pankreas sich nicht mit pankreatischem Ferment erfüllt, wenn die Verdauung und Magenpeptone fehlen; wie eine rein sym- pathische Wirkung des Magens auf das Pankreas unvermögend ist, die Erzeugung eines ächten pankreatischen Saftes hervorzurufen, ebenso gut wie die Aufsaugung oder die Erzeugung von Darmpeptonen, und wenn sienoch so gross sind, dies nicht vermögen. Die Formel betonte den obersten Grundsatz des Gesetzes, nämlich die Nothwendigkeit einer Fortbewegung der Magenpeptone, damit sich das Pankreas mit pankrea- tischem Ferment erfülle, und sie drängte die sympathische oder Nervenerregung in den Hintergrund, welche man immer in den Vordergrund gestellt hatte; denn die Magenpeptone sind unentbehrlich, so zwar, dass ohne sie das Pankreas wirkungslos und das Nervensystem ohne Angriffspunkt wäre. 89 man das Pankreas von Thieren nimmt, welche die 4. Stunde der Magenverdauung noch nicht erreicht oder die 9. überschritten haben, oder auch von solchen die nüchtern sind. Ich habe erkannt, dass die Bauehspeicheldrüse vor und nach den angegebenen Zeiten entweder noch zu arm an Ferment ist, um eine erhebliche Verdauungskraft zu entfalten, oder aber, dass sie erschöpft ist. Der vollständigste Er- schöpfungszustand besteht zwischen der 9. und 15. Stunde der Ver- ‚dauung; will man das Pankreas möglichst unwirksam haben, dann muss man es zu dieser Zeit den Thieren entnehmen 1). II. Der durch die Fistel ausgeflossene Bauchspeichel verdaut, wenn er methodisch angewandt wird, die eiweissartigen Nahrungsstoffe mit grosser Energie durch eine ihm eigenthümlich inwohnende Kraft, ohne Hülfe von Galle, von Magensaft oder Siedhitze. In der andern Versuchsreihe fallen dagegen die E gebnisse von Purkinjeund Pappenheim ganz so aus, wie ich sie bestätigt gefun- den habe; um sie zu erzielen, muss man das Pankreas nach der fünften und vor der achten Stunde der Magenverdauung nehmen. Zu dieser Zeit und namentlich um die sechste und siebente Stunde enthält das Pankreas in seinem Gewebe die grösste Menge des pankreatischen Ferments. Man wird begreifen, welches Vertrauen man in diese Resultate setzen darf, wenn ich sage, dass ich die Eigenschaften und die Menge des Saftes weder nach der Klebrigkeit und Dichtigkeit, noch nach der chemischen Analyse beurtheilte, weil diese Hülfsmittel in der Physiologie trügerisch sind, sondern einzig und allein nach der Verdauungskraft, d. h. nach der absoluten Menge verdauter Nahrungsstoffe. Ein ganzes Pankreas, welches um die 6. bis 7. Stunde aus dem Thier herausgenommen und infundirt wird, verdaut mit Leichtigkeit 50, ja sogar bis zu 75 Gramm stickstoffhaltiger Nahrungsstoffe. 1) Ich werde später zeigen, dass man diesen Zeitpunkt durch gewisse Bedingungen um eine bis zwei Stunden verfrühen oder verspäten kann, 90 Wird es dagegen um die 9., 10., 15. Stunde genommen, dann verdaut es kaum 10 Gramm. Dies ist das Kriterium, dessen wir uns bedient haben, dies ist las Gesetz, welches wir mit aller Bestimmtheit beim Hunde ausge- sprochen fanden, und wornach ich immer mit Sicherheit vorhersagen konnte, zu welcher Zeit nach dem Tode ich den Aufguss des Pankreas am reichsten an Ferment finden würde. Demgemäss brachte ich eben dieses Gesetz in Anwendung, um unter seiner Leitung mit einem Schlage und ohne alles Herumtappen die Stunde für Anlegung der Fistel so zu wählen, dass ich einen wirk- samen Bauchspeichel gewinnen musste. Bernard’s Verfahren besteht nach den meisten der von ihm beschriebenen Versuche, was die Wahl der Zeit betrifft, darin, dass er um die 1. bis 2. Stunde der Verdauung das Röhrchen in den Ausführungsgang einbringt. Hätte ich dieselbe Stunde gewählt, so hätte ich dadurch gewissermassen alle Bedingungen zu einem ungünstigen Erfolg zusammengehäuft. Wir haben erkannt, dass das pankreatische Ferment in dem Drüsen- gewebe das Maximum seiner Menge und seiner Leistungsfähigkeit nicht erreicht, so lange die Magenverdauung nicht in regelmässiger Weise bis zur sechsten Stunde nach der Mahlzeit vorgeschritten ist. Wollte man also die Fistel schon eine bis zwei Stunden nach der Mahlzeit anlegen, so hiesse dies sich der Gefahr aussetzen, durch den verursachten Schmerz die kaum begonnene Magenverdauung zu hemmen, und damit zugleich die Entwickelung des Bauchspeichels aufzuhalten. Gleichviel ob der Ausfluss des Bauchspeichels gleich nach der Operation fehlt oder ob ein noch so klebriger Saft in noch so grosser Menge ausfliesst, kann der Bauchspeichel sich weniger vollkommen, weniger reich an ächtem Ferment und weniger wirksam zeigen, als wenn die Operation zu einer späteren und günstigeren Stunde vorgenommen worden war. Durch Bernard’s Verfahren ist es nicht unmöglich einen nicht ganz entwickelten Saft zu sammeln, der keine Einwirkung auf die stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe ausübt, welches auch immer seine andern Eigenschaften sein mögen, und hierin liegt vielleicht der Grund 91 der widerspreehenden Beobachtungen, welche dieser Schriftsteller angestellt hat. Was mich betrifft, so sah ich darauf, dass in dem Augenblick, in welchem ich die Fistel anlegte, bereits möglichst viel normaler, physiologisch entwickelter Bauchspeichel in der Drüse vor der Operation vorhanden war; ich operirte die Thiere um die 5. bis 6. Stunde nach der Mahlzeit, und das Röhrchen wurde nicht früher in den Ausführungs- gang der Drüse eingebracht. Man sieht, dass unter diesen Umständen für mich wenig daran lag, dass die Magenverdauung gestört wurde; denn um die 6. Stunde ist ihre Aufgabe grösstentheils gelöst, die Magenverdauung ist beendigt, und ich bin überzeugt, dass, wenn der Bauchspeichel ausfliesst, dies zu einer Zeit geschehen wird, zu welcher die Drüse am reichsten ist an gehörig entwickeltem und zwar bereits vor der Operation entwickeltem Ferment, mit andern Worten, in möglichst physiologischen Zustande. a In den von. mir unternommenen Öperationer ... darauf an, dass der bereits entwickelte Saft sogleich ausfloss. In vielen Fällen geschah es, trotz grosser Geschwindigkeit bei der Operation, dass der Ausfluss erst 6—12—24 Stunden nachher begann, als ob die Absonderung während dieser Zeit pathologisch aufgehalten gewesen wäre; von nun an konnte ich kaum den Eigenschaften dieses Saftes vertrauen, da er nur so langsam erhalten worden war, so spät nach der Operation ausfloss und vielleicht sogar unter dem störenden Einfluss derselben gebildet wurde. Viel glücklicher war ich bei einer hinreichenden Zahl anderer Fälle; der Ausfluss begann sogleich, auf die Weise erhielt ich allen Saft, der von der Drüse während der zwei Stunden nach der Operation gebildet wurde, in den Stunden, welche genau mit der Zeit der höchsten Vollkommenheit der pankreatischen Verrichtung zusammenfielen (der 6. und 7. Stunde nach dem Mahle). Ich konnte so eine hübsche Zahl von Erfahrungen gewinnen, denengkeine Bürgschaft wissenschaft- licher Genauigkeit fehlte. Aus ihrer Mitte werde ich folgende Erfahrung anführen, die wohl geeignet war, zu entscheiden, ob die verdauenden Eigenschaften, I} 92 welche ich dem durch das Infusionsverfahren ausgezogenen Saft zuer- kannte, auch in dem durch die Fistel erhaltenen Safte sich finden. Bei einem jungen Hund mittlerer Grösse wurde nach der 5. Stunde nach einer Mahlzeit die pankreatische Fistel angelegt; während der folgenden 21/, Stunden (der 6. und 7. der Verdauung) flossen 45 Gramm pankreatischen Saftes aus. Dieser war durchsichtig, syrupartig, alkalisch, durch die Hitze gerinnbar; doch gingen wir nicht auf diese Eigenschaften aus, Es galt vielmehr ihn zu benützen um folgende zwei Fragen zu beantworten: 1° Ist es wahr, dass ohne eine Spur von Galle, dieser pankreatische Saft die stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe in Fäulniss versetzt oder sie verdaut ? 2° Ist es wahr oder falsch, dass er nur dann von Wirkung ist, wenn die Nahrungsstoffe durch die Siedhitze, durch den Magensaft oder die Galle vorbereitet sind ? Zu diesem besonderen Zweck wurden die 45 Gramm Bauchspeichel eine Stunde nach der Gewinnung in drei Portionen von je 15. Gramm vertheilt. Der erste Theil wurde mit 5 Gramm frischen Faserstoffs vermischt. Der zweiten Portion wurde als Nahrungsmittel der 10. Theil eines rohen feinzerschnittenen und mit kalten Wasser erschöpften Pankreas zugesetzt. Die dritte Portion ward mit 5 Gramm gekochten Hühnereiweisses versetzt. Keiner Probe ward eine Spur von Galle hinzugefügt- Man trug Sorge, dass die Eier vor und nach dem Kochen vollkommen frisch und geruchlos waren; der rohe Faserstoff von einem Kalbe und das Pankreas waren zu grösserer Sicherheit dem Körper nur wenige Stunden vor dem Versuch entnommen worden, Die drei Gefässe mit diesen Proben künstlicher Verdauung wurden schnell auf ein Wasserbad gelwracht, welches beständig auf 42 Grad C. erhalten wurde; alle Viertelstunden wurden ausserdem die Gefässe tüchtig geschüttelt. Es wurde Folgendes beobachtet: 93 Nach zwei Stunden waren die 5 Gramm Faserstoff vollständig ‘ vergangen, gelöst, verdaut, ohne jede Spur von Fäulniss. Nach vier Stunden war das Eiweiss des dritten Gefässes zerfallen, erweicht und zum grössten Theile gelöst, und zwar auch dies ohne jeglichen Anschein einer fauligen Zersetzung. Nach Verfluss von 8 Stunden zeigte die Probe des Bauchspeichels in welche der 10. Theil eines rohen Pankreas gebracht war, keine Spur mehr von diesem Organ. Das Pankreas war durch den Bauchspeichel verdaut worden; es war mit einem Worte mitsammt dem Bindegewebe durch Selbstver- dauung verschwunden. 4 Es wäre schlechterdings unmöglich gewesen in irgend einem dieser Fälle auch nur eine Spur von Fäulniss zu entdecken, die Auflösung in Abrede zu stellen oder die Wirkung irgend emem fremden Hülfs- mittel zuzuschreiben. Und die Versuche wurden in dem Laboratorium des Herrn Flourens, des beständigen Seeretairs der Academie, in Gegenwart der Herren Milne-Edwards, Rayer, Philippeaux, Vulpian und Bernard selbst angestellt. Bei den übrigen Ver- suchen verhielt sich die Sache ganz gleich. Durch Versuche, die mit Hülfe natürlichen und reinen Bauchspeichels angestelltwurden, fand die Frage also ihre Beantwortung wieder in dem gleichen Sinn, den ich Bernard entgegen behaupte. Die Wirkung des Bauchspeichels ist ihm eigenthümlieh, sie vollzieht sich ohne Galle und hat doch auch unter diesen Umständen nichts mit der Fäulniss gemein. Da nun auf der andern Seite die so verdauten Nahrungsstoffe vorher weder mit dem Magen, noch mit Galle in Berührung gewesen waren; da der Faserstoff und das Pankreas, die angewendet wurden, roh waren und vorher keinerlei Zubereitung erfuhren, so muss offenbar auch die zweite Frage folgender Weise beantwortet werden: Es ist falsch, dass der Bauchspeichel auf die Nahrungsstoffe nur dann einwirken soll, wenn sie vorher entweder durch’ Siedhitze, durch Magensaft oder Galle vorbereitet worden sind. £ Aber diese auf dem Versuchsweg gewonnenen Antworten, sind keine anderen, als diejenigen, zu welchen uns im Jahre 1857 die Versuche geführt hatten, welche entweder mit pankreatischem Saft angestellt 94 wurden, der durch einen Aufguss der Drüse erhalten wurde, oder mit dem wirksamen Stoff, der durch Alkohol von den fremdartigen Be- standtheilen getrennt worden war. IV. Fehlerquellen, welche in allen diesen Untersuchungen zu vermeiden sind. Obwohl diese Versuche, welche oft wiederholt wurden, durch- ihr Ergebniss sehr deutlich sprechen, halte ich es doch nicht für unnütz zu erörtern, wie die Beobachter aus Versehen Bedingungen wählen können, unter welchen der pankreatische Saft die ihm eigenthümliche Wirkung nicht entfaltet; solehe Bedingungen traf wahrscheinlich auch Herr Terebizki !) einer meiner Gegner. Ich hoffe, dass dadurch unfruchtbare und heikle Controversen vermieden werden sollen. Wenn der Bauchspeichel von seiner regelmässigen Wirksamkeit, welche ganz physiologisch ist, abweichen soll, so dass er eine Zersetzung, der Nahrungsstoffe hervorbringt und sie nur unter Fäulnisserscheinungen auflöst, ist es nöthig, dass eine der fünf nachstehenden Bedingungen erfüllt sei. ; 1° Die angewandten Nahrungsstoffe sind schon vorher in Fäulniss übergegangen, wenn man z. B. alte verdorbene Eier oder zwei Tage alten Faserstoff nimmt. Ich werde nicht lange über diesen ersten Fall reden, obwohl ich überzeugt bin, dass die meisten Forscher weniger Sorgfalt darauf ver- wenden, dafür zu sorgen, dass die Nahrungsmittel, welche sie bei ihren Versuchen anwenden, gehörig frisch sind, als sie es thun würden, wenn die betreffenden Nahrungsmittel zu ihrem Mahle dienen sollten. 2° Der Bauchspeichel, wenn auch an sich regelmässig und tauglich, wird nicht an demselben Tage zur Untersuchung verwandt, an dem er gewonnen wurde. Wie kann man bei einer gesunden physiologischen Anschauungs- weise vergessen, dass der Bauchspeichel in dem thierischen Haushalt an dem Tage selbst und zwar gleichin den ersten Stunden, nachdem er in den Zwölffingerdarm ergossen wurde, noch seine verdauende Kraft entfaltet ? 3° Man verlängert die Verdauung auf dem Wasserbade allzusehr über den Zeitraum eines physiologischen Vorgangs hinaus. Auch hier 1) Juang. Thes. 1859. 95 muss der gesunde Menschenverstand bestimmte und zwar ganz fertige Regeln vorschreiben. Wenn man sich erinnern will, dass der Magen die ihm anvertrauten Nahrungsstoffe sehr lange behält, dass seine ana- tomische Structur einen wahren Behälter aus ihm macht, dass es dem von ihm abgesonderten Safte eignet, so langsam auf die Nahrungsmittel zu wirken, dass diese selbst nach 6, 10, 12 Stunden häufig noch erkennbar sind, dann begreift man, dass es dem Physiologen gestattet sein muss, künstliche Verdauungsversuche mit dem Magensaft auf dem Wasserbade 12, 15, 18 Stunden fortzusetzen. Vergegenwärtigt man sich aber, dass das Duodenum, obwohl es schr muskulös ist, keine verschliessbare untere Mündung besitzt, dass es einem raschen Durchgang der Nahrungsmittel keinerlei Hindernisse entgegensetzt, dass es gar keinen Behälter darstellt, der sich mit dem grossen Blindsack des Magens vergleichen liesse, dass es kein Mittel hat die Nahrungsmittel in seiner Höhle aufzuhalten als einige Biegungen und eine leicht aufsteigende Lage eines seiner Theile; wenn man andererseits bedenkt, dass man beinahe niemals, zu welcher Stunde nach der Mahlzeit es auch sein möge, die Nahrungsmittel in erkennbarer Form in diesem Organe antrifit, obwohl sie doch in solcher Gestalt hineingelangen, wenn man hinzufügt, dass schon der grössere Theil derselben durch Absorption darin verschwunden ist, ohne Zeit gehabt zu haben in das Jejunun überzugehen; dann erkennt man wie schnell die Pankreasverdauung während des Lebens vor sich geht. Dies geht so weit, dass man nur wenig zugiebt, wenn man behauptet, dass die Pankreasverdauung 5—6 Mal rascher vor sich geht als die des Magens. Der gesunde physiologische Sinn erheischt also gebieterisch, dass die künstlichen Verdauungsversuche mit Bauchspeichel, die auf dem Wasserbad in Glasgefässen angestellt werden, auch 5—6 Mal kürzere Zeit fortgesetzt werden, als wenn man mit Magensaft arbeitet. Die Vollkommenheit der Pankreasverdauung hängt in der That weit mehr von der vollkommenen Beschaffenheit des Saftes, als von seiner verlängerten Einwirkung auf die Nahrungsmittel ab; es liegt im Wesen des pankreatischen Saftes, wenn er wirklich normal ist, dass er seine Wirkung rasch entfaltet. Man muss sich einprägen, dass man einen unphysiologischen Versuch anstellt, wenn man im Allgemeinen 96 Verdauungsversuche mit dem Bauchspeichel länger als drei bis sechs Stunden auf dem Wasserbade hält. Die kurze Dauer, welche für die Vollendung der Pankreasverdauung erfordert wird, ist inzwischen für jeden Nahrungsstoff verschieden. Nach meinen Versuchen kann ich sagen, dass ein Bauchspeichel von mittlerer Wirksamkeit, welcher sehr genau auf einer zwischen 42 und 45° liegenden Wärme erhalten wird, wenn man ihn alle Viertelstunden mit dem Nahrungsstoff schüttelt, in zwei bis längstens drei Stunden alles Lösliche von Faserstoff auflöst, dass er in vier bis fünf Stunden geronnenes Eiweiss auflösen kann, und dass man in diesem Augenblicke in der Regel die Untersuchung unterbrechen muss, falls man nicht hinter der Wahrheit zurückbleiben will. 4° Eine vierte Bedingung kann, obwohl seltener, in den Verdauungs- proben mit Bauchspeichel Fäulniss hervorrufen; dies geschieht nämlich, wenn die Menge der Nahrungsstoffe in einem sehr grossen Uebermaass im Vergleich zur Wirksamkeit des Bauchspeichels angewandt wird, so zwar, dass man um einen Fortschritt in der Verdauung zu erzwingen, die Mischungen länger als gut ist, auf dem Wasserbade hält, d. h. mehr als 3 oder 4 Stunden für den Faserstoff, mehr als 5. oder 6 für Eiweiss, und so fort. Der nachfolgende Versuch mag zum Belege des Gesagten dienen. Einem jungen Jagdhund, der 16 bis 18 Kilogramm wog, wurde 5 Stunden nach der Mahlzeit eine Bauchspeichelfistel angelegt; der in den zwei darauf folgenden Stunden (in der 6. und 7.) aufgefangene Saft belief sich auf die Mengesvon 30 Gramm. Ich vertheilte die 30 Gramm des Saftes in drei gleich grosse, unter sich vergleichbare Portionen; dann fügte ich zu jeder gekochtes Eiweiss, aber in verschiedener Menge, wie folgt: Die erste Probe enthielt 5 Gramm Eiweiss (die Hälfte vom Gewicht des Bauchspeichels). . Die zweite enthielt 10 Gramm Eiweiss (das Gewicht des Bauch- speichels). Die dritte 15 Gramm Eiweiss (anderthalb Mal das Gewicht des Bauchspeichels). 97 Die drei Gefässe wurden in das Wasserbad gebracht, alle Viertel- stunden geschüttelt, dann nach Ablauf der dritten Stunde untersucht. In dem dritten Gefäss, welches ein grosses Uebermaass an Eiweiss enthielt, hatte dieses durch Auflösung in Folge der Verdauung etwa !/, seines Volums verloren. In dem zweiten zeigten die noch übrig gebliebenen Stücke von ge- ronnenem Eiweiss stark abgerundete Ecken, die Stücke waren an Zahl vermindert, und die kleine Masse welche übrig geblieben war, zeigte eine breiige Beschaffenheit; der grösste Theil des Eiweisses war wirklich gelöst. Was das erste Gefäss anbelangt, in welchem der Nahrungsstoft in der geringsten Menge vertreten war, so zeigte dies mit Ausnahme von 2—3 durchsichtigen gummiähnlichen Körnchen, welche weniger gross als Hirsekörner waren, keine Spur von Eiweiss mehr; offenbar hatte ich in diesem letzten Falle zu wenig Eiweiss angewandt, und der pankreatische Saft wäre im Stande gewesen, eine grössere Menge zu verdauen. In keinem der drei Gefässe fand sich nach Verfluss der dritten Stunde irgend eine Spur- von Fäulniss, es war im jeder Hinsicht eine durch Verdauung bewirkte Auflösung. Ich fuhr fort. Ich brachte die drei Gefässe wieder in das Wasserbad und liess sie noch zwei Stunden darin. Um die fünfte Stunde untersuchte ich die drei Gefässe, sie waren noch immer geruchlos, d. h. sie hatten nur den Geruch, welcher dem Bauchspeichel eigen ist, wenn er aus der Drüse abfliesst. In dem zweiten Gefässe war das Niveau des Eiweisses noch mehr gesunken, es waren gewiss 3/, davon (6 Gramm) aufgelöst worden. In dem dritten Gefäss hatte sich die Verdauung gleichfalls fort- gesetzt. Aber die Zunahme der Auflösung während dieser beiden letzten Stunden war schwach genug gewesen, um zu zeigen, dass die physio- logische Grenze der verdauenden Wirkung beinahe erreicht worden war. In jedem andern Versuche hätte ich angesichts dieses stationären Zustands um so lieber die Untersuchung abgebrochen, da die Rechnung ergab, dass die in nur zwei Stunden gewonnenen 30 Gramm Bauch- Speichel beinahe 20 Gramm Eiweiss verdaut hatten. Bemerken wir aufs Neue, dass, obwohl zu jener 5. Stunde die MOLESCHOTT Untersuchungen VIL, 7 98 höchste Verdauungswirkung erzielt war, die drei Gefässe dennoch gar keinen Fäulnissgeruch entwickelten. Da es mein Zweck war zu untersuchen, ob es wahr ist, dass ein grosser Ueberfluss der zu verdauenden Nahrungsstoffe bei einem etwas verlängerten Aufenthalt im Wasserbad im Stande ist einen gewissen Grad von Fäulniss zu veranlassen, so setzte ich aufs Neue das dritte Gefäss in's Wasserbad, worin ich es zwei weitere Stunden liess. Alsdann, nachdem also die 7. Stunde des Aufenthaltes im Wasserbad beendigt war, konnte man offenbar schon eimen deutlichen Geruch der beginnenden Fäulniss wahrnehmen. Aus dieser Thatsache und aus anderen, die ich oben mitgetheilt habe, geht hervor, dass man bei Anstellung physiologischer Verdauungs- versuche mit dem Bauchspeichel die zu verdauenden Nahrungsstofte nur in mittlerer Menge zufügen muss !), indem man dafür sorgt, dass man die erlaubte Grenze lieber nicht erreicht, als dass man sie über- schreitet. Ich rathe dringend, dass man, wenn es die Temperatur und die seit dem Auffangen des Bauchspeichels verflossene Zeit erlauben 2), immer einige vorläufige Versuche anstelle, m welchen man für em gegebenes Gewicht desselben Saftes stufenweise unterschiedene Mengen des Nahrungsstoffs zusetzt; man geht dann bei Anstellung der endgültigen Versuche viel sicherer zu Werk. 1) Man weiss, dass ieh in allen meinen Versuchen die Menge des ausgeflossenen Saftes, dessen Klebrigkeit, das etwaige Verhältniss zwischen dem Gewicht oder dem Volumen der verdauten Nahrungsstoffe und demjenigen des in Anwendung gezogenen Bauchspeichels unberücksichtigt lasse, da ich alle diese Anzeichen für unphysiologisch halte. Es kommt mir einzig und allein auf die absolute Menge des Nahrungsstoffs an, welche der in einer ganzen Drüse enthaltene oder während eines vollständigen Verdauungszeitraums ausgeflossene Bauchspeichel auflöst und verdaut. Dieses Kenn- zeichen ist das einzige, das den Beobachter nicht täuscht. 2) Bei einer Temperatur von 15° C. darf der Bauchspeichel nicht länger als 6 Stunden unbenutzt bleiben, nachdem er aus dem Ausführungsgang abgeflossen ist. Wenn gleich nach der Gewinnung der Bauehspeichel auf einer unter 5° C. liegenden Temperatur erhalten wird, dann kann man 12 Stunden warten; unter diesen Umständen hat man Zeit ein oder zwei vorläufige Versuchsreihen zu unternehmen. Jedenfalls muss man wiederholte Temperaturwechsel vermeiden, 99 So wie man einmal zu dem Zeitpunkt gelangt ist, in welchem die von Stunde zu Stunde erfolgenden Veränderungen stationär bleiben, muss man aufhören und nicht durch eine missverstandene Ausdauer Gefahr laufen einen physiologischen Versuch in einen Fäulnissversuch zu verwandeln. 5° Dieser letztere Fall kann ferner eintreten: A. Wenn der behufs der Versuche gewonnene Bauchspeichel von einem kranken Thiere abstammt. B. Wenn er eiterig ist. ©. Wenn er erst 6, 12, 24 Stunden oder mehrere Tage nach Em- legung des Röhrcehens gewonnen war; denn die unvermeidliche Reizung, welche in diesem Falle gegeben ist, hat dann alle Zeit gehabt, um eine regelwidrige Absonderung zu bewirken. D. Wenn die Absonderung durch das Röhrchen bald nach der Operation aufhörte und erst 6, 12 oder 24 Stunden nachher wiederkehrte ; man hat es dann sehr wahrscheinlich mit einer krankhaften Absonderung zu thun. Dies sind die 5 ungünstigen Bedingungen, welche wenn sie nicht sorgfältig vermieden werden, den Beobachter verführen, dem Bauchspeichel eine Verrichtung abzusprechen, die er besitzt. V. Vergleich zwischen dem alten Fistelverfahren und dem der Infusion. ‚Jeder physiologische Versuch ist eine Art von Analyse, bei welcher man eine, zwei oder mehrere gewöhnliche Bedingungen einer Erscheinung entfernt, um die wahre Ursache dieser letzteren zu ermitteln. So unterbindet man z. B. die Arterien oder die Venen, um zu wissen ob die Absorption durch die Lymphgefässe erfolgt Die Kunst des Physiologen besteht darin, unter den Verrichtungen oder den physiologischen Bedingungen richtig zu wählen, 1° diejenigen, welche er entfernen will, 2° diejenigen, für die es am wichtigsten ist, dass man sie unversehrt erhalte, so zwar, dass mit Ausnahme des für die Untersuchung Unerlässlichen der physiologische Zustand auf keine Weise beeinträchtigt werde; 3° endlich die so geführten Untersuchungen 7, 100 hinlänglich abzuändern, um die untersuchte Verrichtung in ihrem ganzen physiologischen Umfang kennen zu lernen. Gelingt dies nicht, dann sinken die Wahrnehmungen zu einer blossen Curiosität herab, und es bleibt unmöglich die eingreifende Be. deutung der Verrichtung im thierischen Haushalt zu bestimmen oder den Grad von Wichtigkeit ihrer Wiederherstellung für das thierische Leben zu beurtheilen 1). Wenn der Physiolog eine Bauchspeichelfistel anlegt, muss er 1° den Uebergang des pankreatischen Saftes in den Darm verhindern, um diese Flüssigkeit rein und unvermischt mit Galle, Darmsaft u. s. w. zu gewinnen; 2° die Bauchspeicheldrüse und deren Verrichtung vor jedem Einfluss behüten, der den physiologischen Zustand derselben beeinträchtigen könnte; denn ohne diese Vorsichtsmaassregel könnten die durch den Versuch herbeigeführten pathologischen Störungen die Oberhand gewinnen, so dass die physiologische Ursache der Erschei- nungen in den Hintergrund träte und veränderliche, rein zufällige Ergebnisse die regelmässigen Erscheinungen des physiologischen Lebens verdrängten; 3° endlich die verschiedenen Eigenthümlichkeiten der Pankreasabsonderung erforschen, sie nach dem Grade ihres Nutzens ordnen und vor allen Dingen ihre Gesammtwirksamkeit ermitteln, d. h. die Summe der Nahrungsstoffe, welche der Bauchspeichel während jeder Verdauungsperiode zu bewältigen im Stande ist. Erfüllt das Fistelverfahren a priori diese drei Bedingungen ? 1° Die erste ist vollkommen verwirklicht, denn die Gegenwart eines Röhrchens im Ausführungsgang, welches den Saft nach aussen leitet, verhütet in der That jede Berührung mit Magensaft, Darmsaft, Galle und Chymus. 1) Für diejenigen, die etwa in Abrede stellen möchten, dass es von so grossem Belang sei, diese Grade zu kennen, stelle ich folgende Fragen auf: Hat der Ring- finger für den physiologischen Zustand des Menschen als Greiforgan dieselbe Wich- tigkeit wie der Daumen? Wird man darauf ausgehen müssen, eine gewöhnliche Entzündung der Bindehaut des Auges ebenso kräftig zu behandeln, wie eine Ent- zündung der Hirnhäute? Wird das Leben ebenso gefährdet durch eine Verstopfung des Ausführungsganges der Ohrspeicheldrüse, wie durch eine Verschliessung des Pylorus oder den Mangel von Magensaft, Galle oder Bauchspeichel ? 101 2° Die zweite Bedingung, welche darin besteht, jeden möglichen störenden Einfluss von der Verrichtung der Drüse fern zu halten, muss aber gleichfalls gegeben sein, und darauf bezieht sich die zweite Frage, die wir jetzt beantworten wollen. Man weiss, dass bei dem in Rede stehenden Verfahren das Pankreas durch eine Oeffnung in der Bauchwand hervorgezogen wird, dass man mit dem schneidenden Werkzeug eine Oeffnung in dem Ausführungsgang anlegt zwischen Duodenum und Pankreas, wegen der Kürze des Kanales von beiden nur wenige Millimeter entfernt, dass man schliesslich das Röhrchen dauernd in dem Ausführungsgang befestigt. Nun unterliegt es aber keinem Zweifel, dass diese nothwendiger Weise in so grosser Nähe der Drüse angebrachte Verletzung für die Erhaltung der Drüsen- verrichtung bedenklicher scheint, als wenn die Natur es gestattet hätte, die Wunde viel weiter von dem Organ, dessen Verrichtung unversehrt bleiben soll, anzulegen. Zu diesem Uebelstand, der sich auf die Wunde bezieht, kommt noch, immer a priori, ein zweiter, welcher von der Anwesenheit und dem verlängerten Aufenthalt des Röhrchens in dem Ausführungsgang in grosser Nähe des Pankreas herzuleiten ist. Die vollständige Unschäd- lichkeit der Magencanüle, die Jahre lang in der Magenfistel verweilen kann, ohne die Gesundheit der betreffenden Thiere im Geringsten zu schädigen, hat vielleicht irre geführt, als sie die Anwendung des Pankreas- röhrchens veranlasste, nicht sowohl für Untersuchungen, wie sie die Graaf aus blosser Neugierde anstellte, wofür sie sich rechtfertigen lässt, sondern für sehr wichtige und genaue, ächt physiologische For- schungen. A priori hat man vielleicht zu sehr vergessen, dass eine und dieselbe Operation ganz verschiedene pathologische Folgen mit sich führen kann, je nach dem Organ, an welchem sie vorgenommen wird. Um die einfachste Operation als Beispiel zu nehmen, will ich nur hinweisen auf die vollständige Unschädlichkeit der Arterienunterbindung, wenn sie mit den häufigen und bisweilen furchtbaren Zufällen verglichen wird, welche die Unterbindung der Venen bedingt. Es kommt also wesentlich darauf an, die Versuchsweisen vollständig nach der Beschaffen- heit der Organe abzuändern. Hat doch jedes Organ seine eigene Be- 102 stimmung und seine eigenthümliche Empfindlichkeit; das Auge nimmt ein Sandkorn anders auf, als der Mund, und das Pankreas gewöhnt sich keineswegs nach Art des Magens an Fisteln. Dieser Unterschied ist so eingreifend, dass Röhrchen, die in Pankreasfisteln eingebracht werden, statt wie die in den Magen eingeführten Jahre lang zu ver- weilen, nach einigen Tagen oder Wochen herausfallen. Eine Canüle ist ohne Zweifel ein fremder Körper, aber wie viel fremde Körper vermag nicht der Magen zu beherbergen! Kümmert er sich um Speisen und Getränke, um Pillen und Kerne, die man ihm täglich einverleibt? Liegt es nicht an diesem physiologischen Verhal- ten, an diesem glücklichen Umstande dass es möglich war, ohne nachthei- lige Folgen Magenfisteln anzulegen und dieselben 2—3 ganze Jahre bei Thieren zu erhalten, und dass diesem Versuchsverfahren ein so hoher Werth beigelegt werden kann? Ist es dagegen nicht durchaus un- physiologisch, wenn ein Röhrchen in dem Ausführungsgange der Bauchspeicheldrüse verweilt? Warum ist letzterer so dünn, so kurz, warum verläuft er in den Wänden des Zwölffingerdarms, warum ist er durch seine schräg abgeschnittene Mündung von allen Seiten vor dem Eindringen fremder Körper geschützt ? Die Empfindlichkeit der Bauchspeicheldrüse, welche den Physio- logen so bekannt ist, ist so gross, dass sie nur etwas länger an der Luft zu liegen und mit den Fingern gerieben zu werden braucht, um die Secretion zu verderben. Genügt dies nicht, um zu beweisen, dass es weder rationell, noch vorsichtig ist, an seinem Ausführungsgang zu operiren und ein Röhrchen darin zu lassen, dass nur wenige Millimeter vom Drüsengewebe entfernt ist ? Wenn die Anlegung einer Bauchspeichelfistel die Vorwürfe nicht verdient, welche wir soeben a priori erhoben, dann müssen wir jedenfalls nach der Operation die Absonderung gleiehförmig erfolgen sehen, das heisst, mit der Regelmässigkeit, die das Merkmal eines physiologischen Zustandes ist, Wir wollen nacheinander die Menge und die Beschaffenheit des Saftes untersuchen. Ich will annehmen, dass man zehn Operationen nacheinander anstellt, dass sie von geübten Händen schnelle ausgeführt werden, 103 Allsogleich wird ein Punkt auffallen, nämlich eine ausserordentliche Unbeständigkeit der Ergebnisse. A. Bald sieht man den Saft ausfliessen, während der Verdauung sich vermehren, nach ihr an Menge abnehmen, so dass während des darauf folgenden Nüchternseins nur sehr wenig abgesondert wird. Man trifft diesen Fall nur ein oder höchstens zwei Mal unter zehn, es ist eine seltene und verhältnissmässig glückliche Ausnahme. B. Ein anderes Mal fliesst der Saft aus, vermehrt sich, aber ver- mehrt sich unaufhörlich, von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag, bis er eiterig wird und das Röhrchen ausfällt oder das Thier stirbt. Dies begegnet etwa drei Mal unter zehn Fällen. C. In anderen Fällen hört der Ausfluss des Saftes, der sich im Augenblick der Operation einstellte, plötzlich auf, obwohl das Röhrchen wegsamı ist. Dies trifit vier bis fünf Mal unter zehn Fällen zu. Die Stockung des Ausflusses dauert ?/,, 1, 2, 3, bis 4 Stunden. Später beginnt der Saft wieder zu fliessen, aber gewöhnlich findet nach einigen Stunden eine krankhaft vermehrte, unaufhaltsame Absonderung statt, oder der Saft wird eiterig. Die Erfahrung lehrt also, dass das Fistelverfahren die zweite Bedingung nicht erfüllt; die Wunde und der fremde Körper, welche sich beide der Drüse so nahe befinden, haben in der Regel zur Folge, dass die Verriehtung der Drüse nicht unversehrt bleibt; wir machen indess darauf aufmerksam, dass unsere Kritik einstweilen nur die Menge des Saftes betrifft, wir werden uns später mit seinen Eigenschaften beschäftigen. Ist man denn aber wenigstens sicher, dass in den Fällen, in welchen gar kein, ein mässiger oder ein reichlicher Ausfluss durch das Röhrchen stattfindet, auch die Absonderung der Drüse richtig, mässig oder reichlich ist? Giebt der sichtbare Abfluss einen Maassstab für die Gesammtabsonderung ? Wäre dem so, dann könnte man die Fehlerquellen, welche von der pathologischen Thätigkeit nach der Operation herrühren, dadurch vermeiden, dass man unter den zehn Operationen nur die beiden benützte, welche durch einen unmittelbaren und dem Anschein nach gehörigen Erguss von Bauchspeichel am wenigsten bedenkliche Folgen mitbringen ; 104 man würde die acht anderen verwerfen, weil sie ein mit Fehlerquellen behaftetes, unreines Material darbieten. Unglücklicher Weise würde auch dieser Ausweg eine Täuschung veranlassen. Es ist unmöglich nach dem sichtbaren Erguss von Bauch- speichel die allgemeine Absonderungsthätigkeit des Pankreas zu beur- theilen. Denn die Drüse hat zwei Ausführungsgänge, die mit einander anastomosiren; der eine, den man nicht sieht, wird durch die Operation gar nicht behelligt, er ist nicht verwundet worden, führt keine Canüle, öffnet sich frei in den Darm; der andere, aus dem man den Saft abfliessen sieht, ward verwundet, angeschnitten, seine Wände sind vielleicht durch den fremden Körper, die Canüle, gereizt; abgesehen davon, dass das Kaliber dieses Ausführungsganges sicherlich durch das Werkzeug geschmälert wird, kann er krampfhaft zusammengezogen sein, von zufälligen Klappenbildungen, Falten und dgl. gar nicht zu reden. Auf der andern Seite kann dieser Ausführungsgang durch eine Schwächung oder Lähmung seiner Wände erweitert sein, und man hat dann dem Anschein nach einen veränderten, bald mässigen, bald reichlichen Abfluss durch das Röhrchen, ohne dass in Wirklichkeit die Gesammtthätigkeit der Drüse die geringste Veränderung erfahren hat. Ausserdem muss man, wenn reichlich Bauchspeichel durch das Röhrehen abfliesst, die Frage aufwerfen, ob dies einer Reizung der Drüse zuzuschreiben ist, die etwa mit dem pathologischen Thränenfluss zu vergleichen wäre, der in Folge eines unter die Augenlieder ge- rathenen Sandkornes entsteht, oder aber einer regelmässigen Verrichtung des Pankreas, wie sie durch die Verdauung allein herbeigeführt wird, ohne dass eine durch das Röhrchen bewirkte pathologische Reizung im Spiele wäre. Um aber auf unsern Gegenstand zurückzukommen, müssen wir darauf aufmerksam machen, dass, wenn in einem gegebenen Falle ein reichlicher, in einem anderen ein spärlicher Abfluss von Bauchspeichel stattfindet, bei der Abwesenheit jeder Anzeige über den Erguss, der durch den zweiten Ausführungsgang erfolgt, unmöglich bestimmt werden kann, in welchem von beiden Fällen der Gesammtabfluss, d. h. die allgemeine Thätigkeit der Drüse am besten erhalten war. Wenn aber dasFistelverfahren nicht dazu geeignet ist, die Verrichtung 105 der Drüse quantitativ ganz unversehrt zu erhalten, so ist es andererseits auch ungeeignet darüber zu belehren, in welchem Maasse die Quantität von der Regel abweicht, denn der sichtbare Abfluss steht in gar keinem Verhältniss zum unsichtbaren oder allgemeinen. Und gerade ein solehes Verhältniss müsste durchaus bekannt sein, um über das Maass von Vertrauen urtheilen zu können, das man in die Unschädlichkeit des Verfahrens setzen dürfte. 20. Wenn man nicht mehr nach der Menge des abgesonderten Saftes fragt, sondern nach seinen Eigenschaften, so haben wir zu ermitteln, ob das, was man in Erfahrung bringt, die Befürchtungen rechtfertigt, welche die Anlegung einer Pankreasfistel a priori erweckt. Nun zeichnen sich aber die Folgen der Operation durch eine ausserordentliche Veränderlichkeit aus. Diese Veränderlichkeit betrifft viel weniger die Alkalinität, die Gerinnbarkeit, die physiologische Thätigkeit des Emulgirens der Fette und der Zuckerbildung aus Stärk- mehl, als das specifische Gewicht und den Einfluss auf die eiweissartigen Nahrungsstoffe. Wie könnte es auch anders sein ? Vor dem Nachweis, den ich mit Hülfe von Infusionen entdeckt habe, und den das Fistel- verfahren selbst bestätigt hat, wusste man nicht, dass das Bauchspeichel- ferment, welches die stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe zu verdauen vermag, sehr verschieden ist, je nachdem der Magen angefüllt ist (wo man es vorfindet), oder aber im Zustande des Nüchternseins (wo es fehlt), dass es fortwährend in Menge schwankt, indem es zunimmt von der ersten bis zur 6. Stunde an, wo es sehr reichlich gebildet wird, um wieder bis zur 9. Stunde abzunehmen, zu welcher es erschöpft ist. Es würde also genügen, dass die aufgefangenen Flüssigkeiten zu verschiedenen Stunden in der Drüse gebildet wären, damit daraus eine ausserordentliche Unbeständigkeit in jener physiologischen Wirksamkeit hervorginge. Diejenigen, welche die Sache am wenigsten genau nahmen (mochten sie nun alle günstigen Fülle gesehen haben oder nicht) sprachen sich dafür aus, dass der Bauchspeichel die stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe nicht verdaute, Die genauesten Beobachter mussten sich bald dafür, bald dagegen erklären, indem sie immer Widersprechendes erfuhren. 106 Jetzt ist Licht über diesen Punkt verbreitet, die Ursache jener Unbeständigkeit ist erkannt und kann vermieden werden, Die zu untersuchenden Drüsen müssen zu einer bestimmten und eigenen Stunde gewählt werden. Es bleibt nun noch die Unbeständigkeit übrig, die in dem Fistel- verfahren selbst begründet ist. Wenn man sich erinnert, dass oftmals die Absonderung des Bauchspeichels statt mit der Magenverdauung zu wachsen und abzunehmen, gleich nach der Operation beständig zunimmt und zwar von Tag zu Tag in der Weise, dass der Saft am 2. oder 3. Tage eiterig ist: dann kann man nicht in Abrede stellen, dass die Operation und das Röhrchen eine tiefe Veränderung in den Eigen- schaften des Bauchspeichels hervorgerufen haben. Aber längst bevor der Saft eiterig wurde und damit das Aeusserste eines pathologischen Zustandes eintrat, war die Absonderung verändert. ‘Wann hat diese auch nur leichte Veränderung begonnen ? In welehem Augenblick? Welches Merkmal muss dem gewonnenen Saft für phy- siologische Untersuchungen das Vertrauen entziehen ? Und wenn nach der Operation die Absonderung, die im Gange war, plötzlich stockt, um sich erst 2 oder 3 Stunden später wieder einzustellen, darf der alsdann aufgefangene Saft trotz dieser tiefen Störung in der Absonderung dennoch benutzt werden ? Kann er zu phy- siologischen Entdeckungen führen, muss er nicht vielmehr dazu verleiten als physiologische Ergebnisse anzusehen, was nur durch die krankhafte Absonderung erworbene positive oder negative Eigenschaften sind ? Haben die Wunde und das Röhrchen in der Nähe der Drüse nur eine der Erscheinungen des Absonderungsvorganges verändert und nicht zugleich die andere ? Leider weiss man, dass eine solche Trennung in der Natur nur selten sich ereignet; wenn die Absonderung einer Drüse in ihrer Menge beeinträchtigt wird, dann ist die grösste Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass das Gleichgewicht iiberhaupt gestört und dass die Eigenschaften des abgesonderten Saftes verdorben werden. In der That giebt es bei jeder Drüsenverrichtung zweierlei zu unterscheiden. Zunächst handelt es sich um eine innere Bildungs- thätigkeit, einen langsamen verwickelten Ernährungsvorgang, durch 107 welchen die Drüse feste und gelöste Stoffe bildet, die ihr eigenthüm- lich sind und eine bestimmte Rolle im thierischen Haushalt spielen. Für die Bauchspeicheldrüse ist das Pankreasferment die Frucht dieses Ernährungsvorgangs. Die zweite Thätigkeit zeigt eine grössere Geschwindigkeit, sie ist weniger ein Ernährungsvorgang als ein Mechanismus, woraus der Zu- fHuss eines wässerigen Saftes, die Verdünnung, Auflösung und Abson- derung der vorhin bezeichneten Stoffe hervorgeht. Wenn nun die Absonderung !/,, 1, 2, 3, 4 Stunden stockt, dauert dann die bildende Thätigkeit regelmässig fort, oder drückt ihr der pathologische Einfluss der Operation sein Gepräge auf? Wenn unter diesem letzten Einfluss die zweite Erscheinung durch einen übermässigen Erguss beweist, dass sie Noth leidet, widersteht dann die Bildungs- thätigkeit der schädlichen Einwirkung des Versuchs ? Man begreift, dass im Anfang des reichlichen Zuflusses das Ferment, welches in der Drüse schon vor der krankhaften Reizung physiologisch gebildet war, vielleicht in einem sehr verdünnten Zustande abgesondert wird, ohne jedoch verändert zu sein, und dass der im Anfang übermässige Erguss, wenn auch in einem geschwächten Grade alle Eigenschaften des regelrechten Saftes bestehen lässt. Muss aber durch jene Reizung, durch jenen verlängerten Abfluss nicht eine tiefe Erschöpfung und eine wirkliche Verderbniss der Drüsen- ernährung entstehen? Und wann beginnt diese Erschöpfung oder Verderbniss ? Wie viel unbekannte Grössen, wie viel Zweifel bringt jene Operation mit sich, die ganz ausdrücklich jene zweite Bedingung; erfüllen sollte, dass die zu untersuchende Verrichtung vor jeder Störung zu behüten sei. Es kann nicht schwer fallen, auf einige dieser Bedenken zu antworten. Freilich, wird man sagen, mag die Operation in der Regel die Drüse krank machen, allein man muss für die Untersuchung eben nur normalen unversehrten Saft benützen. Der Rath wäre schon gut, aber wie soll man ihm folgen ? Allerdings wird man, wenn dieser Saft alle bekannten Eigenschaften zeigt, sich auf ihn verlassen können und sich jeden Verdachtes entschlagen dürfen. Wenn aber alle diese Eigenschaften nicht bekannt sind, wie soll man denn entscheiden ? Wie sollte man 108 jenen unzuverlässig erkannten Bauchspeichel, dessen Eigenschaften man prüfen soll, bevor man ihn als Zeugen zulässt, benutzen können, um neue Eigenschaften desselben zu entdecken? Welchen Werth könnte sein Zeugniss haben, wenn von einer streitigen Eigenschaft die Rede ist? Eben diese Ungewissheit hat die Beobachter, welche dem Fistel- verfahren trauten, zu jenen wiedersprechenden Aussagen geführt, auf welche wir hingewiesen haben; in der That stiessen sie bald auf nor- male, bald auf krankhafte Absonderungen, und ihre Versuche mussten daher Wiedersprechendes ergeben. Eben diese Unsicherheit hat es verhindert, dass das Fistelverfahren, welches 200 Jahre früher als das der Infusion in Anwendung gebracht ward, die Entdeckungen anbahnte, welche das letztere verwirklieht hat. 3° Ist das Fistelverfahren, als Hülfsmittel der Untersuchung, ge- eignet die dritte Bedingung zu erfüllen, dass man vermittelst desselben die gesammte Verdauungskraft des Pankreas, die Summe der Nahrungs- stoffe, welche der Bauchspeichel während jeden Verdauungszeitraumes zu bewältigen hat, erforschen solle? ! Man weiss auf das Genaueste, wie viel Nahrungsstoffe ein ein- zelner Mensch täglich aufnimmt; allerdings verändert sich die Zahl ein wenig, je nach den individuellen Verhältnissen, allein die Durch- schnittszahl ist so wahr und sicher, dass man sie, wie der Versuch des Bestinmtesten nachgewiesen hat, benützen kann, um zu bestim- men, wie viel Nahrung man jedem Soldaten geben muss, damit er sich wohl und kräftig befinde. Wenn die Menge der erforderlichen Nahrungsstoffe so fest steht, dann kann es keinem Zweifel unterliegen, dass auch die mittlere Ver- dauungskraft, welche dem Organismus zur Verfügung steht, den ein- zelnen Nahrungsstoffen gegenüber eine bestimmte Grösse darstellt. Jene Verdauungskraft hängt, wie man weiss, zum grösseren Theile) 1) Die Küchenzubereitung, das Kauen, die mächtigen Bewegungen des Magens und der Gedärme, welche die Nahrungsmittel zertheilen, die Nahrungsstoffe mit den Verdauungssäften mischen, fortwährend die Berührungsoberfläche erneuern, sodann die Absorption selbst, welche zu dieser Erneuerung beiträgt, sind mächtige Hülfs- mittel um die ganze Energie jener Säfte zu entwickeln. 109 von den Fermenten des Speichels, des Magensaftes, des Bauchspeichels, der Galle und des Darmsaftes ab. Nichts mehr zu wissen, als dass jedes dieser Fermente diesen oder jenen Nahrungsstoff verdaut, wäre eine müssige Weisheit. Ist es nicht viel wichtiger und nützlicher zu wissen, 1° wie viel sie unter physiologischen Verhältnissen verdauen, 2° auf dem Versuchs- weg zu ermitteln, um wie viel jene Verdauungskraft bei pathologischen Störungen für jeden Saft abnimmt, damit sich endlich ein Mal die Mediein aus ihrer tiefen Unwissenheit über diese verschiedenen Punkte zu einer rationellen Diätetik erhebe, welche den Gebrechen oder Er- fordernissen der verschiedenen pathologischen Zustände Rechnung trägt. Das Verfahren einiger Physiologen ist in dieser Beziehung wahr- haft sonderbar. Es giebt deren, die, wenn sie einen Saft aus dem Magen schöpfen oder eine Flüssigkeit vor sich haben, die durch den Stenon’schen oder Wharton’schen Gang ausgeflossen ist, ermitteln, dass der eine sauer, der andre alkalisch reagirt, und daran den Magensaft und den Bauchspeichel erkennen, als wenn die Verrichtung, welche diese im thierischen Haushalt erfüllen, darin bestände, alkalisch oder sauer zu sein! Andere, die weiter vorgeschritten sind, nehmen eine beliebige Menge Magensaft, ohne dessen Menge im Vergleich zu der bei einer Mahlzeit stattfindenden Gesammtabsonderung zu kennen, sie nehmen eine beliebige Menge von einem stickstoffhaltigen Nahrungsstoft, sehen dass dieser letztere sich auflöst, und erklären darnach den Magensaft für normal, als wenn es genügte, wenn der Magensaft etwa bei jeder Mahlzeit Yo Pfund des stickstoffhaltigen Nahrungsstoffs verdaute, um ihm eine normale Funetion zuschreiben zu dürfen! Andere wieder sehen durch einen Ausführungsgang des Pankreas Bauchspeichel abfliessen, sie finden ihn diekflüssig und sehen, dass er eine seinem (Gewicht gleichkommende Menge Oel emulgirt, und erklä- ren darnach, dass der Bauchspeichel normal ist und das Pankreas seine regelrechte Thätigkeit entfaltet. Als wenn es genügte, dass das Pan- kreas überhaupt absondert, und wäre es nur der hundertste T'heil von der Menge, welche es absondern soll, damit der Bauchspeichel normal und die Drüsenverrichtung unversehrt sei. 110 Man muss die Verdauungssäfte weder nach ihren physischen und chemischen Merkmalen, noch nach ihrer Dichtigkeit, noch nach ihrer Menge beurtheilen, sondern ausschliesslich nach dem Gesammtmaass ihrer verdauenden Wirksamkeit. Um dieses Maass festzustellen, wird es nicht genügen zu finden, dass ein diekflüssiger Saft viel Nahrungsstoff verdaut, man muss ferner wissen, wie viel von jenem Saft geliefert wurde, nicht etwa in einer Stunde, sondern in einem gesammten Verdauungszeitraum; die absolute Menge von Nahrungsstoff, welche der während eines solchen Zeitraums ge- lieferte Saft verdaut, wird in der That ein richtiges Maass abgeben für die Unversehrtheit, die Kraft oder die Schwäche der Verrichtung. Wenn man so verführt, wird man bald gewahren,, dass sehr wenig darauf ankommt,,ob der Saft diekflüssig ist, wenn er im Gan- zen genommen weniger wirksam war, weniger reichlich oder nur wäh- rend einer kurzen Zeit abgesondert wurde; dass wenig darauf ankommt, ob er reichlich ausfloss, wenn er im Ganzen während eines Verdau- ungszeitraumes ein kleineres Gewicht von Nahrungsstoff verdaut hat, weil er von vornherein weniger wirksam war. Vermeidet man diese Irrthümer, dann wird man zu festen Durch- schnittszahlen gelangen, wie ich deren nach dem Beispiel mehrer deutscher Physiologen selbst gewonnen habe. Unter dieser Bedingung wird jeder unter denselben Umständen unternommene Versuch gleiche Resultate ergeben, so lange der physiologische Zustand erhalten ist. Nach diesen Erläuterungen kann ich mit einem Worte zeigen, dass das Fistelverfahren die dritte Bedingung auf keine Weise erfüllt. In der That entweicht durch dieses Verfahren ein Theil des Bauch- speichels auf unsichtbare Weise durch den zweiten Ausführungsgang in den Darm; man weiss niemals, wie gross die Wirksamkeit und Menge dieses Antheils ist; es ist somit unmöglich zu wissen, wie viel Saft die Drüse in einer Stunde, in zwei Stunden oder während eines ganzen Verdauungszeitraumes geliefert hat; folglich kann niemals die Gesammtmenge stickstoffhaltigen Nahrungsstoffs gewürdigt werden, welche das Pankreas während des Verdauungszeitraums bewältigen kann; d.h. aber der wahre und vollständige Stand der Verrichtungen, den der physiologische Versuch ermitteln sollte, bleibt unbekannt. 111 Um schliesslich einen letzten Einblick in die Mangelhaftigkeit des Fistelverfahrens zu gewähren, will ich bemerken, dass man, wenn zehn Versuche gemacht werden und nach jedem die Menge von Nah- rungsstoff bestimmt wird, welche all’ der gewonnene Saft verdaut, niemals vergleichbare Ergebnisse erhalten wird, mag man auch noch so viel Bauchspeichel aufgefangen haben, oder irgend ein beliebiges Verhältniss zwischen dem durch das Röhrchen aufgefangenen und dem in den Darm entwichenen Saft angenommen haben. Das Merkmal des ge- hörig untersuchten und vollkommen erkannten physiologischen Zustandes ist aber gerade Beständigkeit und Bestimmtheit. Aus diesem Gesichtspunkt würde sich das Infusionsverfahren als ganz vorwurfsfrei darbieten ; die damit gewonnenen Resultate sind, alles Uebrige gleichgesetzt (und diese Bedingung ist leicht zu erfüllen), beständig; so darf ich behaupten, dass jedes Pankreas, welches einem Hunde, der regelmässig, physio- logisch zur 6. Stunde nach einem reichlichen gemischten Mahle ange- langt ist, mit Wasser in zwei Stunden oder selbst in einer Viertel- stunde eine Infusion giebt, welche in 4-6 Stunden das bestimmte Ge- wicht von 35—50 Gramm geronnenen Eiweisses zu verdauen vermag. So ist also um die 6. Stunde der physiologische Zustand für die Wirk- samkeit des in der Drüse enthaltenen Bauchspeichels gegeben, und jene Zahlen lehren die Grenzen der dabei obwaltenden Schwankungen kennen. Obgleich nun nach meiner Ansieht dieses Verfahren die Anlegung einer Fistel unendlich übertrifft, so ist es doch nicht frei von allen Bedenken. Wir wollen diese Bedenken erörtern, indem wir immer festhalten an den drei Bedingungen, welche für jede wahrhaft physiologische Untersuchung der Bauchspeichelverrichtung als unerlässlich erkannt wurden. 1% Für diejenigen, die annehmen, dass selbst die rein physisch-che- mischen Vorgänge des Lebens mit dem Tode allsogleich aufhören, muss das Infusionsverfahren in Wegfall kommen, und dies ist der schlimmste Einwurf von allen ! Wenn dieses Verfahren zur Anwendung kommt, sind das Thier und seine Bauchspeicheldrüse todt, der Bauchspeichel ist todt! Dieser harte Einwurf ist einigermassen aus der Luft gegriffen ; die Zusammenziehung der Muskeln, durch welche die Bewegung der 112 Finger hervorgebracht wird, ist ein physischer Akt; das Thier stirbt, der Muskel ist todt; er muss alle Fähigkeit der Zusammenziehung verloren haben, wenn der Einwurf gegen den Zustand von Leben oder Tod begründet ist. Ich reize mit einer Nadel, mit einem elektrischen Strom, der Muskel zieht sich zusammen, der Finger bewegt sich. Hat er also aufgehört todt zu sein ? Keineswegs. Aber die physische Eigenschaft der Contractilität, die dem Muskel vermöge des Lebens zukommt, hat den Tod überlebt. Betrachten wir chemische Vorgänge. Ein Thier befindet sich inmitten der Magenverdauung;; der Magen- saft ist abgesondert, er ist im Zuge durch einen chemischen Vorgang die Nahrungsstoffe im Magen aufzulösen, in diesem Augenblicke wird das Thier getödtet, der Magensaft ist todt. Der Magensaft muss alle chemische Wirkung eingebüsst haben, wenn dieselben Kritiker Recht behalten sollen. Wer aber wüsste nicht, dass es genügt, alsdann den Mageninhalt herauszunehmen und ihn bei der Wärme des lebenden Körpers in's Wasserbad zu bringen, damit der Auflösungsvorgang sich fortsetze als wenn er sich noch im lebenden Körper ereignete, so zwar, dass die Verdauung der Nahrungsstoffe zu Ende geführt wird ? Wer sollte verkennen, dass die Eigenschaft, welche das Leben dem Magensafte ertheilt hat, nach dem Tode fortbestand ? Würde das Pepsin im Stande sein der T'herapie einen einzigen Dienst zu erweisen, wenn die chemische Eigenschaft, die ihm während des Lebens innewohnte, im Augenblick des Todes verloren ginge ? Sollten denn die skeptischen Gelehrten, von denen ich rede, ver- gessen haben, dass in Fällen, in welchen das physiologische Leben dureh die Hinrichtung plötzlich aufhört, der Magensaft eine so grosse Wirksamkeit behauptet, dass er die Magenwände wie einen Nahrungs- stoff angreift und sie im Leichnam durch Selbstverdauung auflöst. Was kann man mehr verlangen ? Diese durch den Magensaft oder das Pepsin noch nach dem Tode bewirkte Verdauung der stickstoff- haltigen Nahrungsstoffe giebt nicht nur eine Auflösung mit all’ den chemischen Merkmalen, welche die Verdauung im lebenden Magen 113 mit sich bringt, sondern die organoleptischen Merkmale, welche der Untersuchung des Harns nach Einspritzung in die Venen entnommen werden, haben diese Aehnlichkeit vervollständigt (Vgl. unsere Abhand- lung vom Jahre 1854 sur les alimens et les nutrimens. Paris bei Labe 1854) Als Hauptbeweis werden wir aber in einer mit Schiff gemein- schaftlich unternommenen Arbeit auf ein Organ hinweisen, dessen Ver- richtung sich nieht nachahmen lässt, das aber aufhört zu functioniren, wenn man die Verdauungsthätigkeit des Magensaftes aufhebt, und von Neuem kräftig, bestimmt und sicher thätig wird, wenn man ihm die Erzeugnisse der Magenverdauung darbringt, nicht etwa diejenigen, die während des Lebens bereitet wurden, sondern die Produkte, die durch eine nach dem Tode vollzogene Verdauung entstanden sind. Man wird sich nicht darüber wundern, wenn der Bauchspeichel ganz so wie der Magensaft, den Einwürfen, die man dem Zu- stande des Todes entnommen hat, zum Trotz, falls er im Augenblick des Todes aus der Drüse bezogen wird, ziemlich lange seine verdau- ende Wirksamkeit beibehält, und wenn diese letztere genau dieselbe ist, wie diejenige, welche er entfaltet, wenn er sich in das Duodenum lebender Thiere ergiesst. Ausserdem wollen wir darauf aufmerksam machen, dass jene Ein- würfe, welche man vom Zustande des Todes hernimmt, um sie gegen die Infusion der Drüse zu benutzen und dem Fistelverfahren den Vorzug zu ertheilen, dem Zwecke ihrer Vertreter schnurstracks entgegenlaufen. Wenn der Bauchspeichel in der That alle seine chemisch-physio- logischen Eigenschaften in demselben Augenblicke, in welchem er dem Leben entzogen ‚wird, verlöre, wie sollte er sie dann nicht verlieren, sowie er beim Fistelverfahren aus dem Körper ausfliesst und in einem Gefässe aufbewahrt wird? Sollte er sie durch das Infusionsverfahren verlieren, weil man ihn lieber, als in einem Gefässe in dem noch warmen, man möchte sagen klopfenden Gewebe der Drüse aufbe- wahrt hat ? 2° Man hat noch einen andern Einwurf gegen das Infusionsver- fahren erhoben. Derselbe besteht darin, dass man von vorn herein alle Ergebnisse zurückweist, die mit dem Infusionsverfahren gewonnen MOLESCHOTT, Untersuchungen, VI. 8 114 sind, weil das Wasser aus der Drüse nicht nur das Pankreasferment sondern auch verschiedene Blutbestandtheile auswäscht. Wir antworten darauf mit der Frage, welcher Versuchsweise in der Physiologie ein geringeres Desideratum, ein kleinerer Uebelstand anklebt ? Etwa der Durchschneidung eines Nerven, wenn man die Eigen- schaften des Nervensystems erforscht, oder der Unterbindung einer Arterie, um eine Frage über den Kreislauf zu erledigen? Oder hat beim Studium der Verdauung ‚die Anwesenheit eines Röhrehens in einer Wunde des Bauches oder des Bauchspeichelganges weniger auf sich? Sollte jene kleine Blutmenge, welche den stickstoffhaltigen Nahrungsstoffen gegenüber gar keine Verdauungskraft besitzt, dem pankreatischen Saft der Drüse eine Eigenschaft ertheilen, die ihm nicht von vorn herein zukäime? Und auf der andern Seite, wenn jene kleine Blutmenge im Stande wäre, die Eigenschaften des aus der Drüse bezogenen Bauchspeichelsaftes zu verändern, könnte dann dieser ohne Veränderung zu erleiden, frisches Fleisch verdauen, worin doch jenes verhängnissvolle Blut vorhanden ist? Wenn also gar keine Be- rührung den Bauchspeichel in der Drüse hat verändern können, so wird die erste Bedingung durch das Infusionsverfahren erfüllt, zwar nicht so gut, aber eben so wesentlich wie durch das Fistelverfahren. Der Vorzug, den die Infusion vor dem Fistelverfahren ver- dient, beruht hauptsächlich auf der vollständigen Erfüllung der zwei- ten Bedingung, denn während der operative Eingriff bei der Fistel die Verrichtung der Drüse ganz oder theilweise durch einen erzeugten Reizzustand in Unordnung bringt und durch den zweiten Ausführungs- gang unvermerkt die Bestandtheile entwischen lässt, an denen man bestimmen könnte, ob die Verrichtung in Wirklichkeit unversehrt und normal ist, wird bei dem Infusionsverfahren die Drüse inmitten des vollkommensten physiologischen Zustandes ergriffen und in der Drüse das Verdauungsferment, welches in ihrem Innern zu einer gegebenen Stunde nach der Mahlzeit entwickelt ist. Der physiologische Zustand ist so beständig, dass Versuche, die unter gleichen Umständen angestellt werden, auf sichere Weise ähn- liche Resultate ergeben; wenn eine der Bedingungen verändert wird, so entsteht jedes Mal ein verschiedenes Resultat, aber beständig in 115 seiner Verschiedenheit. Ueberdies sind alle Ergebnisse immer unter sich vergleichbar, wenn nur die ganze Drüse — und dieser Punkt ist wesentlich — genonmen worden ist. Um eine Vorstellung von dieser. Beständigkeit zu geben, wollen wir nur in kurzen Sätzen unsere Erfahrungen mittheilen, so leicht ist es die Versuche zu wiederholen. Wir haben in aller Strenge beobachtet, dass die Bauchspeichel- drüse, wenn sie um die 6. bis 7. Stunde nach der Mahlzeit genom- men wird, den Bauchspeichel immer in grösserer Menge liefert als zu jeder anderen Stunde; in der That verdaut der Aufguss zu jener Zeit immer die grösste Menge von Nahrungsstoft. Als wir alle Infusionen, die aus einer grossen Zahl von Bauch- speicheldrüsen gewonnen wurden, mit einander verglichen, fanden wir, dass diese Fermentmenge innerhalb der Grenzen, in welchen sich physiologische Vergleichungen bewegen, immer ähnlich ist für Bauch- speicheldrüsen, welche um die 6. Stunde aus dem Thier genommen wurden, d. h. es wurde durch dieselbe die gleiche Menge Nahrungs- stoff verdaut. Wir haben diese Menge für gekochtes Eiweiss z. B. mit ziemlicher Genauigkeit zu 35—50 Gramm bestimmen können. Indem wir die Eiweissmenge berücksichtigen, welche durch den Aufguss eines Pankreas aufgelöst ward, das wir zur 6. Stunde dem Thier entnahmen, haben wir Bauchspeicheldrüsen eine Stunde nach der Mahlzeit angewendet und ermittelt, dass dieselben nur wenig Fer- ment enthielten und nur eine kleine Menge Eiweiss verdauten. Mit Pankreasaufgüssen, welche in der 2., 3., 4., 6., 7. Stunde bereitet wurden, konnten wir mit der Wage in der Hand bestimmen, dass die Verdauungskraft, d. h. die Menge des verdauten Nahrungs- stofls bis zur achten Stunde stieg. Wir haben ermittelt, wie dies vor langer Zeit bereits mitgetheilt wurde, dass der grösste Reichthum der Bauchspeicheldrüse im ent- wickelten Ferment sich um die 5. bis 7. Stunde vorfindet. Seitdem haben wir bestimmt, dass im Gegensatz hierzu die voll- ständigste Erschöpfung um die 10 bis 12 Stunde nach der Mahlzeit besteht. Um diese Zeit verdaut der Aufguss eines ganzen Pankreas kaum 10 Gramm Eiweiss, so zwar, dass man um das Pankreas unwirksam zu 116 finden, man nur die 10 bis12 Stunde nach einem mässigen Mahle zu wählen braucht. Später, vor der 15 Stunde in dem Maasse, in dem sich das Fasten verlängert, bildet sich auch ohne frische Mahlzeit gleichsam zum Vor- rath ein wenig Ferment in der Drüse; dieser Vorrath ist allerdings gering, aber er könnte unachtsame Beobachter irre führen. (Ich habe auf eine ähnliche Erscheinung für den Magen bei einer verlängerten Enthaltsamkeit hingewiesen. Man wird diese Angabe in Longet's Physiologie finden, erste Ausgabe, Bd. I. p. 185). Der bezeichnete Vorrath, der bisweilen in der ersten Stunde nach der Mahlzeit abgesondert wird, ist hinsichtlich seiner Menge durchaus nicht mit dem Reichthum zu vergleichen, den das Pankreas um die 5., 6., 7., 8., Stunde der Magenverdauung zeigt. Auf den ersten Blick wird man glauben, dass eine Unzahl von Vorsiehtsmassregeln erfordert wird, um die verschiedenen, aber in ihrer Verschiedenheit beständigen Resultate zu erzielen, die ich soeben aufgeführt habe, da so viel unbeständige Factoren bei den Thieren mitspielen. Wenn man aber den Weg des Versuches einschlägt, dann wird man finden, vorausgesetzt 1°, dass dieselbe Thierart, der Hund, gewählt wird, 2°, dass das Alter der Hunde zwischen 2 und 5 Jahren liegt, 3°, dass das Gewicht der Hunde nur zwischen 12 und 16 Kilo- gramm schwankt, 4°, dass jedes Thier dieselbe reichliche Menge von Nahrungsmitteln erhält, 5°, dass die Beschaffenheit der Nahrungs- mittel für alle Thiere die gleiche ist, d. h. ein Gemenge von gekochtem Fleisch, vonBrod u. Fleischbrühe, welche die Nahrung befeuch- tet, nicht überschwemmt, dass die Thiere weder bei noch nach dem Mahle saufen, noch selbst im den fünf Stunden, welche dem Mahle vorangehen, 6°, dass dieser Mahlzeit um 15 bis 20 Stunden ein leich- tes, nur aus etwas Brod und Fleischbrühe bestehendes Mahl voraus- geht, dass man dieselben Resultate erhält, wie ich. 7°, es braucht nicht hervorgehoben zu werden, dass das Pankreas im Augenblick des Todes benutzt werden muss (ich ziehe die Durchschneidung des ver- längerten Marks behufs der Tödtung andern Methoden vor). Man muss das Pankreas gleichmässig und fein mit der Scheere zerschneiden, und, welches auch das Gewicht der Bauchspeicheldrüsen sein möge, jede 117 für sich in eine gleiche Wassermenge bringen, bei der gleichen Tem- peratur und während gleich langer Zeit damit alle Umstände vergleich- bar seien. 8° Man muss das Verdauungsgemisch und die künstliche Verdauung gleichfalls zu derselben Zeit einrichten. Ich kann versichern, dass unter Beachtung dieser gleichmässigen Bedingungen, die leichten Schwankungen in der Gesundheit, dem Alter, dem Gewicht des Körpers oder der Bauchspeicheldrüse, nur sehr ge- ringe Abweichungen in den Resultaten hervorbringen. Ich habe gefunden, dass es für die Bauchspeicheldrüse eines Hun- des ziemlich gleichgültig ist, ob man den Aufguss mit 100, 200, oder 250 Gramm Wasser bereitet; 200 Gramm scheint mir eine gute mitt- lere Menge. Nichts übt einen grösseren Einfluss auf die Verschiedenheit der Resultate als der verschiedene Zustand der Magenverdauung. So be- wirkte die reichliche Menge, die Festigkeit, der flüssige Zustand der Nahrung, die Beschaffenheit der letzteren, ein verlängerter Aufenthalt der verdauten Nahrungsmittel im Magen, wie ich dies später mitthei- len werde, eine Veränderung in dem Reichthum und der Wirksam- keit des Bauchspeichelfermentes in den verschiedenen Stunden der Verdauung. Hieraus ergiebt sich, dass das Infusionsverfahren, wenn es unter den gleichmässigen Bedingungen angewendet wird, auf welche ich oben hinwies, ein weites Feld für physiologische Untersuchungen eröffnen kann, indem man je ein Glied unter den Faetoren des Ver- suches verändert; man wird auf diesem Wege dazu gelangen wissen- schaftlieh all’ die verschiedenen Einflüsse zu bestimmen, welche vor- theilhaft oder schädlich auf die Bildung des Bauchspeichels und die Verdauungskraft des Pankreas einwirken. Man wird ausserdem schen, wie die mit Hülfe der Infusion zu jeder Stunde für das Pankreas ermittelte Verdauungskraft es gestattet hat, ziemlich genau die Menge frischer stiekstoffhaltiger Nahrungs- mittel zu bestimmen, welche ein Hund von ungefähr 15 Kilogramm vermittelst des Bauchspeichels in einem Verdauungszeitraum zu bewäl- tigen vermag; diese Menge beträgt 200 bis 300 Gramm. Man weiss, dass das mittlere Kostmaass des Menschen 500 Gramm frischer stick- stoffhaltiger Nahrungsmittel ausmacht. 118 Man sehe: 1° Sur une fonetion peu connue du pancrdas. 1 u. 8. 123 P. par L. Corvisart bei V. Masson 1858. 2° Contribution A l’&tude de Panereas par L. Corvisart (union medicale T. III. p. 149) 1859. 3° Sur la digestion panerdatique et intestinale par L. Corvisart (Gazette hebd. T. VI. P. 456. 442) 1859. 4° Reponse & Brinton (Dubl. Quart. journ. of. med. se. et jour- nal de physiologie de Brown Sequard) 1860. V. Ueber nicht polarisirbare Electroden. Von E. du Bois- Reymond '). Jedem, der der Entwickelung der Elektrophysiologie während der letzten Jahrzehende gefolgt ist, sind die Schwierigkeiten bekannt, welche die sogenannte Polarisation der Elektroden den elektrophysio- logischen Untersuchungen in den Weg legt: sei's dass es sich darum handele, elektrische Ströme von den thierischen Theilen dergestalt in den Multiplicatorkreis abzuleiten, dass ihre Stärke bestimmt werden kann, sei’s dass umgekehrt Ströme von beständiger und gemessener Stärke den thierischen Theilen zugeführt werden sollen. Um so grösseres Interesse musste daher im Jahr 1854 Herrn Jules Regnauld’s Angabe erwecken, dass es ihm gelungen sei, unpolarisirbare Elektroden dadurch herzustellen, dass er Platten aus reinem, mehrmals destillirtem Zink in reine, neutrale schwefelsaure Zinkoxydlösung von der Concentration tauchte, bei der sie das Maximum ihres Leitvermögens besitzt 2). Die Unpolarisirbarkeit dieser Combination #) Mitgetheilt vom Herrn Verfasser aus den Monatsberichten der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 30. Juni 1859. j 2) Nach Hrn. E. Becquerel theilen salpetersaures Kupfer und schwefelsaures xyd, und vermuthlich die sehr löslichen oder gar zerfliesslichen Salze überhaupt, eigen der Schwefelsäure und einiger anderen Säuren, dass das Leitvermögen h wässerigen Lösungen bezogen auf den Procentgehalt ein Maximum zeigt. Das _ Leitvermögen einer gesättigten schwefelsauren Zinklösung von 1.4410 Dichte bei —_ MOLESCHOTT, Untersuchungen VII, 9 j 120 erklärte Hr. Regnauld aus dem Umstande, „dass, da die elektroly- tischen Wirkungen darin die chemische Natur der Elektrodenplatten unverändert lassen, die von fremdartigen Ablagerungen herrührenden entgegengesetzten Spannungen sich nicht entwickeln können“. Er fügte hinzu dass die Zinkplatten, nachdem sie einige Zeit in der Lösung verweilt hatten, (ob zum Kreise geschlosen, oder nicht, wird nicht gesagt) im Allgemeinen gleichartig an seinem Multiplicator erschienen, der, wie man aus anderen Versuchen schliessen kann, eine hinreichende Empfindlichkeit für den Muskelstrom besass.. Dennoch ward es, wie es scheint, manchmal nöthig, auf die Unschädlichmachung eines übrig bleibenden beständigen Unterschiedes der beiden Platten bedacht zu sein. Dies gelang Herrn Regnauld, in seinen schätzbaren Versuchen über die absolute Stärke des Muskelstromarmes im Multiplicator unter verschiedenen Umständen, beiläufig den ersten messenden Versuchen in diesem Gebiete, mit Hülfe einer in entgegengesetztem Sinne in den Kreis eingeführten thermoölektrischen Kupfer - Wismuth -Kette, deren eine Löthstelle auf 0°, die andere auf der erforderlichen Tem- peratur erhalten wurde 2). Zwei Jahre darauf machte Hr. Matteucei ähnliche Angaben, Er empfahl als ganz unpolarisirbare Combination Platten aus destillirtem Zink, oder auch aus verquicktem gewalzten Zink in einer neutralen gesät- ' tigten schwefelsauren Zinkoxydlösung. Man bringe, sagt er, an dem einen Ende der Multiplicatornadel eine Hemmung an, welche die Nadel verhindert, nach der einen Seite auszuschlagen, und sende durch den Multiplicator den Strom mehrerer nach Art einer Säule angeordneter 14.°40 ©. verhielt sich in Hrn. Beoquerel’s Versuchen zu dem derselben Lösung, wenn sie bis zum doppelten und vierfachen Volum verdünnt wurde :: 5.77 : 7.13: 5.43. (Für Silber = 100 000 000. S. Annales de Chimie et de Physique etc. 1846. 3me Ser. t. XVII. p. 280 et suiv.; — p. 289%). Hr. Becquerel und Hr. Regnauld sagen nicht, bei welchem Grade der Verdünnung das Maximum stattfinde. Hr. de la Rive aber, indem er Hrn. Becquerel's Beobachtungen anführt, giebt an, dass dies bei der Verdoppelung des Volums der gesättigten Lösung der Fall sei (Traite | a'Blectrieite ete. t. II. Paris 1856. p. 56). | 2) Comptes rendus etc. 15 Mai 1854. t. NXXVIIL p. 891 ;* — I'Institut. vol. XXI. No. 1067. p. 206;* — Cosmos. Revue eneyclopedique etc. par M. l’Abb6& Moigno. t. IV. p. 599.* 121 Wadenmuskeln vom Frosch in der Richtung in der die Nadel gehemmt ist. Nach wenigen Augenblicken entferne man die Säule und schliesse den Kreis zwischen den Bäuschen, (die Hr. Matteucci nämlich jetzt nach meinem Vorgange anwendet). Dabei bleibe die Nadel völlig unbewegt, zum Zeichen, dass keine Ladung stattgefunden habe 1). Das Jahr darauf kam Hr. Matteucei auf diesen Gegenstand zurück, indem er diesmal nur verquiekte Zinkplatten in gesättigter schwefelsaurer Zinkoxydlösung oder Chblorcaleiumlösung als un- polarisirbare Combination empfahl. Dabei rühmte er namentlich die grosse beständige Ablenkung, die der Muskelstrom bei Ableitung mittels soleher Elektroden erzeuge. Mit Platinplatten in Kochsalzlösung als Elektroden bringt ein Gastroknemius oder halber Oberschenkel vom Frosch an dem Multiplicator von 24000 Windungen, den er sich nach dem Vorbilde des meinigen hat bauen lassen, einen Ausschlag von 30 bis 40° hervor, der binnen wenigen Secunden nur 2—1° beständiger Ablenkung hinterlässt. Mit verquiektem Zink in Zinklösung hingegen erbielt er, nachdem die Platten gleichartig geworden, einen Ausschlag von 90° und eine beständige Ablenkung von 70—80°, welche sehr langsam abnahm. Entfernte er den Muskel und brachte er, sobald die Nadel sich berubigt hatte, (in Ermangelung eines Schliessungs- bausches) die Zuleitungsbäusche zur Berührung, so gab sich keine Spur von Ladung kund 2). Mir mussten diese Angaben sehr bedenklich erscheinen. Zwar ist es von vorn herein nicht so unwahrscheinlich, dass Zink in Zink- lösung eine sehr geringe Ladungsfähigkeit besitze. Allerdings nicht aus dem Grunde, aus dem Hr. Regnauld die vollkommene Unpo- larisirbarkeit dieser Combination ableiten zu können meint. Hrn. Reg- nauld's Betrachtung passt ebensogut auf jedes andere Metall in einer Lösung eines Salzes desselben Metalls, woraus sich letzteres gut gal- vanoplastisch niederschlägt, oder, wie man der Kürze halber sagen kann, auf alle galvanoplastischen Combinationen. In der That pflegt N) Comptes rendus etc. 28 Juillet 1856. t. XXIII. p. 234;* — Ibid. 1 Decembre. p- 1054;* 1’Institut. 1856. t. XXIV. No, 1178. p. 267.* 2) Philosophical Transactions ete. For the Year 1857 P. I. p. 131. 132%, 9* 122 man auch an die Unpolarisirbarkeit solcher Combinationen ganz allgemein zu glauben 1), und ich selber habe deshalb früher die Anwendung von Kupferelektroden in schwefelsaurer Kupferoxydlösung, von Silberelek- troden in Cyansilberkaliumlösung zur Ableitung der thierisch-elektrischen Ströme vorgeschlagen 2). Allem Hr. Helmholtz fand, dass diese Combinationen noch immer ein Maass von Polarisation zulassen, welches keine sicheren Strombestimmungen erlaubt.?). Möglicherweise könnte nun beim Zink dieser Rest von Polarisation besonders klein ausfallen wegen der geringen Condensationsfähigkeit für Gase, welche die Ober- fläche der positiven Metalle besitzt. Demgemäss hatte ich selber schon bei verschiedenen Gelegenheiten, wo mir die Polarisation besonders lästig war, die jetzt von Hrn. Regnauld empfohlene Combination, Zink in schwefelsaurer Zinkoxydlösung, wirklich versucht, mit dem Unter- schiede allerdings, dass ich mich des im Handel vorkommenden Materials bediente. Ich verband die Zinkelektroden in Zinklösung erst mit einer Grove’schen Kette, dann durch eine Wippe plötzlich mit dem so- genannten Museums-Multiplicator, dessen Nadel 12 schlug. Es geschah, im Sinne negativer Ladung, ein Ausschlag bis auf 20°, während bei Anwendung von Platin in Kochsalzlösung die Nadel an die Hemmung geworfen wurde 4). Ich konnte mich demnach nicht bewogen finden, für gewöhnlich meine zwar höchst polarisirbaren, aber auch der höchsten Gleichartigkeit fähigen Platinelektroden gegen weniger polarisirbare, aber in Bezug auf Gleichartigkeit durchaus unzuverlässige Zinkelektroden zu vertauschen. Hr. Regnauld hatte sich freilich chemisch reinen Materials bedient, zum Beweise der Unpolarisirbarkeit der von ihm empfohlenen Combination, aber keinen Versuch mitgetheil. Was Hrn. Matteucci’s Angaben betrifft, so war es einmal a priori wohl sehr wenig wahrscheinlich, dass das verquickte Zink in Zinklösung unpolarisirbar sei, da man 1) Vergl. z. B. E. Becquerel, Annales de Chimie et de Physique. 3$me Serie. 1846. t. XVII. p. 271%; — 1847. t. XX. p. 68*. 2) Untersuchungen über thierische Elektrieität. Berlin 1848. Bd. I. S. 243. 3) Untersuchungen u. s. w. Bd. II. Abth. I. S. 149. % Untersuchungen u. s. w. Bd. II. Abth. I. S. 409. 123 nicht begreift, wie die an der Oberfläche liegenden Quecksilbertheilchen nicht mit dem daran ausgeschiedenen Wasserstoff elektromotorisch wirken sollten. Wie sodann Zink in Chlorcaleiumlösung eine unpo- larisirbare Combination abgeben könne, ist gar nicht zu verstehen. Hrn. Matteucci’s Versuche endlich sind bei weitem nicht strenge genug, um darauf eine Behauptung von so grosser praktischer Wich’ tigkeit für den Fortsehritt der Wissenschaft zu gründen, wie die des Daseins einer wirklich unpolarisirbaren Combination. Erstens besass sein Multiplicator, obschon von 24000 Windungen, nur eine sehr mässige Empfindlichkeit. Bei uns führt ein mit Längs- und Querschnitt aufgelegter Ischiadnerv vom Frosch die Nadel eines solchen Multipli- cators an die Hemmung, und hält sie beständig auf 40—50°. Einen Ausschlag, wie Hr. Matteucci ihn an seinem Multiplicator von 24000 Windungen bei Ableitung des Muskelstromes mit Zinkelektroden in Zinklösung erhält, bekomme ich an meinem alten Multiplieator für den Muskelstrom von nur 4650 Windungen mit Platinelektroden in Kochsalzlösung 1). Dann aber ist an seiner Versuchsweise auszusetzen,, dass während der Zeit, die nothwendig ist, um die Nadel auf Null zu bringen und den thierischen Erreger durch einen unwirksamen feuchten Leiter zu ersetzen, die während der Dauer des Stromes vorhandene Polarisation bereits unmerklich geworden sein kann. Bei dem, übrigens von Hrn. Faraday herrührenden Kunstgriff ?2), die Nadel einseitig zu hemmen, wird zwar dieser Zeitverlust vermieden. Dafür tritt jedoch der Verdacht ein, dass die Nadel an der Hemmung geklebt, oder dass sich, in Folge des Abhebens der Glocke beim Anbringen der Hemmung, die Gleichgewichtslage der Nadel während des Versuches im Sinne des ursprünglichen Stromes yerrückt habe, oder endlich dass die Hem- mung zu weit im Sinne der Ladung verschoben worden sei. ‚Wie dem auch sei, ich durfte natürlich nicht anstehen, die Angaben 1) Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1843. Bd. LVIII. S. 2; — Untersuchungen u. 8. w. Bd. I. S. 464 ff.; — Bd. II. 1. Abth. S. 492. 2) Experimental Researches in Electrieity. Reprinted from the Philosophical Transactions. vol. I. Second Edition. London 1849. Series IX. Dec. 1834. p. 332. 333. No. 1087. p. 338. No. 1103. „Blocking the needle,; — Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1835. Bd. XXXV.S. 428. 436.* 124 der Hın. Regnauld und Matteucci einer Prüfung von solcher Schärfe zu unterwerfen, wie die Bedeutung des Gegenstandes sie er- heischt. Ich theile in dem Folgenden das, wie ich glaube, nicht unwichtige, jedenfalls überraschende Ergebniss meiner Untersuchung mit. Ich bemerke übrigens hinsichtlich der Art, wie dieselbe geführt ist, dass ich dabei weniger vom Standpunkte des Physikers ausging, der die Polarisation um ihrer selbst willen erforscht, als von dem des Elektrophysiologen, dem es zunächst nur darauf ankommt, sich für seine besonderen Zwecke gewisse Kenntnisse und Hülfsmittel zu ver- schaffen. Aus diesem Grunde wird man manche Frage, die sich hier zur Beantwortung darbot, unerledigt, ja unberührt finden. Ich begann damit einige Vorversuche mit käuflichem Zinkdraht in käuflicher Zinklösung !) anzustellen. Die Drähte hatten 0.5"= Durch- messer, und wurden, damit sie ja gleichartig sein sollten, so geschnitten, dass die beiden zum Eintauchen bestimmten Enden im Draht aneinander- stiessen. Sie wurden geputzt, indem ich sie an dem zum Einklemmen bestimmten Ende mit einer Zange fasste, und sie durch feines Sand- papier hindurchzog, bis sie überall eine gleichmässig blanke Oberfläche zeigten. Dies liess sich am leichtesten erkennen, indem ich das freie Ende in Schwingungen versetzte. Sodann zog "ich die Drähte so oft durch die Falten eines reinen Linnentuches bis sie keinen schwarzen Strich mehr hinterliessen. In diesem Zustand eingetaucht, verhielten sie sich am Muskel-Multiplieator meist leidlich gleichartig. Am Nerven- Multiplieator hingegen war kaum etwas damit anzufangen. Es gehörte eine übermenschliche Geduld dazu, um abzuwarten, dass die hier noch stets beträchtlicher Wirkungen fähigen und dabei im höchsten Grade wandelbaren Ungleichartigkeiten der Drähte einmal in einer glücklichen Stunde eine Beobachtung erlaubten. Die Nadel wurde dadurch bald auf dieser, bald auf jener Seite des Nullpunktes oft auf 20—25° be- ständiger Ablenkung gehalten, oder sie wanderte langsamer oder schneller über den Nullpunkt fort zwischen diesen Grenzen hin und her, so dass 1) Mit Zinklögung ist vor der Hand stets gesättigte schwefelsaure Zinkoxydlösung gemeint. Die käufliche Lösung ist die des Zincum sulphurieum Pharm. Bor. (nicht des venale). 125 an Compensiren dieser der Grösse und Richtung nach völlig unbestän- digen Wirkungen durch eine in den Kreis eingeführte elektromotorische Kraft auch nicht füglich zu denken war, Die geringste Erschütterung eines der beiden Drähte, auch wenn dabei die Benetzung‘ neuer Punkte der Oberfläche vermieden war, machte den erschütterten Draht negativ gegen den anderen, wie mir schon von früherher bekannt war 1). Ueberhaupt aber schien es, als ob hier das Geschlossenhalten der eingetauchten Drähte zum Kreise, wodurch ursprünglich ungleichartige Platindrähte bald nahe oder ganz gleichartig werden, nicht nur wenig nutzte, was sich aus der vergleichsweise geringen Ladungsfähigkeit erklärt, sondern sogar schädlich wirkte. Streifen von Zinkblech statt der Drühte angewandt erwiesen sich vollends als unbrauchbar. Was die Ladungsfähigkeit anlangt, so gelangen mir mit diesen Elektroden zwar sehr leicht ähnliche Proben wie die, durch welche Hr. Matteucei die Unpolarisirbarkeit des destillirten oder verquickten Zinks in Zinklösung bewiesen zu haben glaubt. Also z. B. liess ich den Muskel 5‘ lang die mit Zinklösung getränkten, mit Eiweisshäutchen bekleideten Bäusche mit Längs- und Querschnitt berühren, hob ihn dann ab, brachte die Nadel mittelst des Beruhigungsstäbchens auf Null, was kaum länger dauert, als eine halbe Schwingung, und legte den Schlie- ssungsbausch auf, so gab sich keine Spur von Ladung zu erkennen. Man würde sich also für gewöhnlich, wenn es sich bloss darum handelte die Ladung nicht zu sehen, zu Versuchen am. Muskel-Multiplieator der käuflichen Zinkdrähte in käuflicher Zinklösung bedienen können. Dass aber dennoch diese Combination nicht unpolarisirbar sei, zeigte sich sofort als ich die Zinkdrähte ein paar Secunden lang mit einer Grove’schen Kette, dann durch Umlegung einer Wippe schnell mit dem Muskel-Multiplicator verband. Jetzt erfolgte, wie es nach jenen älteren, oben S. 121 angeführten Versuchen nicht anders zu erwarten war, ein heftiger Ausschlag im Sinne negativer Ladung. Und es ward mir nicht schwer, denselben Erfolg auch mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes wahrnehmbar zu machen, indem ich der Wippe eine 1) 8. diese Zeitschrift Bd. IV. 1858, 8. 9-11. 126 solche Einriehtung gab, dass die Schliessung des Multiplicatorkreises möglichst rasch auf die Oeffnung des Keitenkreises folgte. Die Ströme erzeugte ich theils mit Hülfe einer Säure-Alkali-Kette, da ich damals noch nicht auf die Anwendung des Prineips der Nebenschliessung zur Erzeugung passend abgestufter Ströme bei thierisch- elektrischen Ver- suchen verfallen war; theils diente mir dazu der Muskelstrom selber. Ich brachte nämlich zwischen den Zinkdrähten, als Nebenschliessung zum Multiplicator, noch eine metallische Leitung an, deren Widerstand gegen den des Multiplicators verschwand, so dass die Nadel auf Null blieb. In dem Augenblick nachdem ich den Muskel entfernt hatte, öffnete eine eigenthümlich gebaute Wippe diese Nebenschliessung und drückte unmittelbar darauf den Schliessungsbausch auf die Zuleitungs- bäusche. Unter diesen Umständen erhielt ich am Nerven-Multiplicator eine zwar sehr kleine, aber deutliche Spur von Ladung. Man bemerkt leicht, dass die zum Multiplicator angebrachte Nebenschliessung mir hier denselben Dienst leistete, wie Hrn. Matteucci die einseitige Hemmung der Multiplicatornadel, jedoch ohne dieselben Bedenken nach sich zu ziehen. Wurden noch schwächere Ströme angewandt, so gelang es auch mit Hülfe dieser Vorkehrungen nicht, deutliche Spuren negativer Po- larisation wahrzunehmen. Hingegen gab sich, bei lange dauernder Schliessung solcher Ströme, die sonderbare Erscheinung einer positiven Polarisation kund, welche schon früher von Hın. Beetz und Hrn. Martens an Eisen in verdünnter Schwefelsäure und von mir selber an verquiektem Zink in Brunnenwasser beobachtet wurde !). So be- ständig war hier diese Erscheinung, dass ich zu der Vorstellung geführt wurde, die Polarisation des Zinks in Zinklösung sei bei schwachen Strömen positiv, über eine gewisse Stromstärke hinaus negativ. Die positive Polarisation bei schwachen Strömen würde erklären, warum bei dieser Combination das Geschlossenhalten der Elektroden zum Kreise, statt die Gleichartigkeit zu befördern, dieselbe vielmehr gefährde. Der ursprünglich vorhandene Strom würde sich selber allmälig durch 1) Untersuchungen u. s. w. Bd. I. S. 236. 610. 127 positive Polarisation verstärken, statt sich durch negative Polarisation zu schwächen. Dadurch dass ich unter denselben Umständen, wo Hrn. Matteucci reines und verquicktes Zink in Zinklösung keine Ladung gaben, auch mit unreinem keine erhielt, während ich unter besseren Bedingungen mit diesem letzteren allerdings Ladung beobachtete, musste mir die angebliche Unpolarisirbarkeit des reinen und des verquickten Zinkes natürlich doppelt verdächtig werden. Ich beharrte indess, der Wich- tigkeit der Sache halber, in meinem Entschluss, derselben auf den Grund zu gehen; und glücklicherweise bot sich mir die Gelegenheit, dies auf einen viel vollkommneren Wege, als dem bisher betretenen zu versuchen. Durch die Güte meines Freundes Werner Siemens stand mir nämlich die von diesem in Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1857. Bd. CH. S. 70 ff. beschriebene und Taf. I. Fig. 1—3 ebendaselbst abgebildete automatische Wippe zu Gebot, welche für die Erforschung solcher Ladungserscheinungen, die nach einer kurze Zeit dauernden Durchströmung hinterbleiben, sehr geeignet ist, da sie Wirkungen wahrzunehmen gestattet, welche ihrer Kleinheit halber bei einmaliger Einwirkung auf die Nadel völlig spurlos vorübergehen. Ich muss diese Wippe hier als bekannt voraussetzen. Der Plan, nach dem ich verfuhr, war folgender. Der Schieber der Wippe sollte, indem er sich an die eine der Anschlagschrauben m’ und n‘ (S. die angeführte Figur) anlegte, den ursprünglichen Strom durch die auf ihre Ladungsfähigkeit zu prüfenden Elektroden hindurchlasssen. Indem er sich an die andere der beiden Schrauben anlegte, sollte er der Ladung Gelegenheit zur Abgleichung im secundären Strome geben. Beide Kreise, der primäre | und der secundäre, sollten gleichen Widerstand haben, und vergleichbare Bussolen enthalten. Es sollten die beständigen Ablenkungen bestimmt werden, in denen die beiden Bussolnadeln gehalten würden durch die sich in gleichen, sehr kurzen Zwischenräumen wiederholenden gleichen, sehr kurzen Stösse beziehlich des secundären und des primären Stromes. Das Verhältniss beider (auf eine und dieselbe Einheit zurückgeführten) Ablenkungen $:P=« kann man als den Polarisationsco@ffhieienten der betreffenden Combination für die durch den Mechanismus der Siemens’schen Wippe bedingten Zeitverhältnisse bezeichnen, und 128 aus der Vergleichung der Polarisationscoffieienten verschiedener Com- binationen einen Schluss auf deren vergleichsweise Ladungsfähigkeit ziehen. Bei der Ausführung dieses Planes handelte cs sich natürlich zu- nächst darum, die Anwendung der beiden vergleichbaren Bussolen zu umgehen. Das Mittel dazu bestand darin, nur eine Bussole zu beobachten, diese aber abwechselnd in den seeundären und primären Kreis einzuschalten. Als Bussole wendete ich die von Hrn. Wiedemann mit Hrn. W. Weber’s Stahlspiegel und dämpfender Kupferhülse verschene Lamont'sche Bussole 1) mit verschiebbaren Gewinden an, wie sie Hr. Sauerwald hierselbst in gewohnter Vollkommenheit anfertigt. Die Entfernung der Scale vom Spiegel betrug 2285"". Das Rollenpaar, dessen ich mich bediente, hat 12000 Windungen eines ganz feinen Kupferdrahtes, und die Bussole zeigt mit demselben, wenn beide Rollen über der Kupferhülse zusammengeschoben sind, ohne dass dem Spiegel etwas von seiner Richtkraft genommen wird, eine Empfindlichkeit, welche sich der des Nerven-Multiplicators nähert, indem dieser, zwei seiner Grade auf einen Scalentheil gerechnet, innerhalb der ersten 55° allerdings die grössere relative, und innerhalb der ersten 65° die grössere absolute Empfindlichkeit besitzt, darüber hinaus jedoch der Bussole mehr und mehr nachsteht. Leider schwang der Spiegel etwas zu schnell, so dass er die kleinen Unvollkommenheiten im Gange der Wippe nicht hinlänglich durch seıne Trägheit ausglich, sondern bei starken Strömen in fortwährenden kleinen Schwankungen blieb, aus deren Beobachtung auf die wahrscheinliche Gleichgewichtslage des Spiegels geschlossen werden musste. Da die Bussole einen sehr bedeutenden Widerstand darbietet, so leuchtet ein, dass es nicht genügte, dieselbe einfach abwechselnd in beide Kreise einzuschalten. In dem Fall, dass die Bussole sich im primären Kreise befand, wäre der primäre Strom geschwächt, hingegen die Entladung der Elektroden begünstigt gewesen; im anderen Falle 1) Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1853. Bd. LXXXVII. S. 230;* — Bd. LXXXIX. S. 504. Anmerk.* 129 wäre der primäre Strom stärker gewesen, und der Polarisationsstrom hätte einen sehr grossen Widerstand zu überwinden gehabt. Um diesem Uebelstande vorzubeugen, mass ich an einem Siemens-Halske'schen Rheostat, wie sich derselbe in dem oben angeführten Aufsatz des Hın. Siemens S. 75 beschrieben, Taf. I. Fig. 4. abgebildet findet, mittelst des Wheatstone’schen Stromnetzes einen Widerstand gleich dem der Bussole ab, und traf eine solche Anordnung, dass jedesmal, wenn sich die Bussole in dem einen Kreise befand, dieser Widerstand nämlich 80 Meilen Telegraphendraht, in den anderen Kreis einge- schaltet war. 130 Die vorhergehende Figur ist bestimmt, eine Uebersicht der Ein- richtung des Versuches zu geben. Um sich darin zurechtzufinden, sehe man zuerst von den punktirten einfachen Linien ab. Dieselben kom- men erst später in Betracht. E, E' sind die auf ihre Ladungsfähigkeit zu prüfenden Elektroden. k' ist der Schieber der Siemens’schen Wippe, der während der Ruhe der Wippe durch die Feder wider den leitenden Anschlag m‘ gedrückt wird, während des Ganges, unter dem abwechselnden Einfluss der Feder und des Elektromagnets, bald m‘, bald den gegenüberliegenden, ebenfalls leitenden, Anschlag n’ trifft 1), und beziehlich an jedem so lange liegen bleibt, bis der Hebel seinen Hub in der anderen Richtung nahe vollendet hat. B ist die Bussole, Rh der an Widerstand derselben gleiche Rheo- stat. D ist eine Daniell’sche oder Grove’sche Kette grösserer Art, für deren Beständigkeit stets die äusserste Sorgfalt getragen wurde. Von derselben wurde durch Nebenschliessung der ursprüngliche Strom in folgender Art abgeleitet. NS ist ein gleich einer Claviersaite auf einem Brett ausgespannter Messingdraht von 1.75”” Durchmesser und beiläufig 1.6” Länge Dieser Draht heisst der Nebenschliessungsdraht. Das Ende $ des Nebenschliessungsdrahtes steht durch einen Schlüssel S in Verbindung mit der Kette sowohl als mit den Elektroden. Hier also spaltet sich, bei geschlossenem Schlüssel 8, wie man in der Figur sieht, der Strom, und geht zum Theil durch den Nebenschliessungs- draht, zum Theil durch die Elektroden weiter. Auf dem Wege zu den Elektroden trifft er auf einen Pohl’schen Stromwender (,, der dem Stromzweig zwischen den Elektroden die passende Richtung in Bezug auf eine schon bestehende Ungleichartigkeit giebt, also z. B., wenn negative Polarisation erwartet wird, die Richtung jener Ungleich- artigkeit. In der Figur ist eine solche Lage der Wippe des Strom- wenders angenommen, dass der Stromzweig geradesweges weiter zur Elektrode E' geht. Auch ist hier noch ein Schlüssel 8, eingeschaltet, der jenen Stromzweig nach Belieben herstellt oder unterbricht, Aus !) Die Bezeichnungen k', m’ und n‘ sind der leichteren Vergleichung halber aus Hrn. Siemens’ Beschreibung seiner Wippe beibehalten. S. a. a. O, 131 den Rlektroden kehrt der Stromzweig, nachdem er andere Theile der Vorrichtung durchlaufen hat, durch die Leitung aßyö zurück, um sich bei ö wieder mit dem Hauptstrome zu vereinigen. Das Ende ö des Drahtes (, ö ist beweglich am Nebenschliessungsdrahte, so dass man zwischen 8 und ö ein beliebiges Stück des Nebenschliessungsdrahtes aufnehmen kann. Die Folge davon ist begreiflich, dass der Stromzweig zwischen den Elektroden verschiedene Stärke erlangt. Der Neben- schliessungsdraht ist so gewählt, dass man mittels der Verschiebung von ö leicht Ströme von der Ordnung des Muskelstromes erzeugen kann. Beim Oeffnen des Schlüssels $ aber fällt die Nebenschliessung ganz fort, und der Strom der Kette D gelangt ungeschwächt zu dem Elektrodenpaar. Selbst in diesem Falle aber, kann man annehmen, bleiben die Widerstände des primären und des secundären Kreises einander hinlänglich gleich, da der Widerstand der Kette D gegen den der Bussole oder des Rheostats und der Ladungszelle nicht in Betracht kommt. C, und (, sind zwei Pohl’sche Stromwender ohne Kreuz, und, wie die ihre Wippen verbindende punktirte Doppellinie anzeigen soll, mit gekuppelten Wippen. Diese Anordnung ist derselben Dienste fähig, welche die neuerdings von Hın. Wild beschriebene Wippe leistet 1). Die Doppelwippe C, (, war es, die, wie man leicht ver- steht, wenn sie nach rechts in der Figur umgelegt war, den ursprüng- lichen Strom durch die Bussole und den secundären durch den Rheo- stat liess, wenn nach links, die umgekehrten Verbindungen herstellte. Der Stromwender mit Kreuz C, bewirkt, dass man ahwechselnd die Contactstelle m’ in den Kreis des ursprünglichen, die n‘ in den des secundären Stromes aufnehmen könne, und umgekehrt. S, ist ein Schlüssel, welcher in den den beiden Kreisen, dem primären und dem secundären, gemeinsamen Theil der Leitung eingeschaltet, in jedem Augenblick die Nichtveränderung des Nullpunktes zu eontroliren erlaubt, Endlich MM’ stellt den Elektromagnet der Siemens’schen Wippe, @ 1) DieNeumann’sche Methode zur Bestimmung der Polarisation und des Ueber- gangswiderstandes, nebst einer Modifikation derselben. Vierteljahrsschrift der natur- forschenden Gesellschaft in Zürich. 2. Jahrgang. 1857. S. 213.* 132 die zugehörige Gangkette, bestehend aus zwei Grove’schen Elementen grösserer Art, $; den Schlüssel vor, der die Wippe in Gang und in Ruhe setzt. Sendet man einen beständigen Strom durch die eine oder die andere der beiden Contactstellen m‘ und n’ der im Gange begriffenen Siemens’schen Wippe, so bleibt ein gewisser Bruchtheil der Strom- stärke übrig, den man als den Coeffieienten der bezüglichen Contact- stelle bezeichnen kann. Die Wippe arbeitet um so vollkommener, je gleicher und je grösser zugleich die beiden Ooöffieienten sind. Im besten Zustande der Wippe unterscheiden sich die beiden Coöffieienten um keinen in Betracht kommenden Bruchtheil ihrer Grösse von ein- ander, und zwar erreichen sie dabei den Werth von = Es stellt sich aber die Nothwendigkeit heraus, die Co&fheienten mit Leichtigkeit öfter revidiren zu können, und kleine Veränderungen derselben, die sich aus unbekannten Gründen dann und wann einfinden, durch etwas veränderte Spannung der Federn (Vergl. die Beschreibung der Wippe a. a. O.) zu berichtigen. Zu dieser Revision diente die in der Figur durch die punktirten einfachen Linien angedeutete Anordnung. C,, C;, C, sind Stromwender ohne Kreuz. Die Wippen von (, und C, sind gekuppelt. Wird die Doppelwippe CO; C, von E’, E, ß nach bf, b, e umgelegt, und die Wippe des Stromwenders (©, ausgehoben, so geht der von dem Nebenschliessungsdraht abgeleitete Stromzweig statt durch die Elektroden E, E’ durch die Bussole, und, je nach der Lage der Wippe ©, durch die eine oder die andere Contactstelle. War die Siemens’sche Wippe gut im Stande, so durfte der Spiegel das schnelle Umlegen der Wippe €, nur durch ein Zucken nach der Ruhelage hin beantworten. Ausserdem wurden, zu grösserer Sicherheit, die Versuche stets so angestellt, dass jede Oontactstelle einmal in den primären und ein- mal in den seeundären Kreis eingeschaltet wurde. Dies gab zwei Paar Ablesungen, P,„, S,, und Pan Sn” Da aber auch noch die Richtung des primären Stromes durch das Elektrodenpaar umgekehrt wurde, so setzte sich schliesslich jede Bestimmung des Polarisationsco&ffieien- ten in dem oben $. 126 angegebenen Sinne aus acht Ablesungen zy 133 sammen, welche den acht möglichen Combinationen der beiden Lagen der Doppelwippe C, (3, der Wippe C,, und der C, entsprachen. Sollte die Polarisation nach längerer Dauer "des ursprünglichen Stromes beobachtet werden, so brachte ich mittelst des Schlüssels S; die Siemens’sche Wippe in Ruhe, und legte die Doppelwippe 0, Q; nach oben, die Wippe C, aber nach unten in der Figur um, wodurch die Bussole und die Contactstelle m’, gegen welche die Feder den Schieber drückt, in den secundären Kreis geriethen. Dann fixirte ich durch einen Keil den Hebel der Siemens’schen Wippe in der Lage, die ilım der Elektromagnet zu extheilen strebt, und hielt so, bei ge- öffnetem secundären Kreise, den primären Kreis dauernd geschlossen. Wurde im gegebenen Augenblick der Keil fortgezogen, so fiel der Hebel, der Feder gehorchend, vom Magnet ab, gleich als wäre dieser durch Oeffnen seiner Gangketie entmagnetet worden, nur, da kein magnetischer Rückstand den Fall verzögerte, noch geschwinder, und führte zuletzt mit grosser und stets gleicher Geschwindigkeit den Schieber in die Lage über, wo er den secundären Kreis schloss. Diese Beobachtungsweise der Ladung soll zum Unterschied von der erstbe- schriebenen, zu der die Siemens’sche Wippe eigentlich allein bestimmt ist, die zweite heissen. Als dritte endlich gelte die selten angewandte Versuchsweise, wobei die Ladung im primären Kreise selber nach Aufhören des ursprünglichen Stromes beobachtet wurde. Hiezu ge- nügte es, bei ruhender Wippe und bei Gegenwart der Bussole im primären Kreise, im gegebenen Augenblick einen in dem Hauptkreis DNS der Kette selbst angebrachten Schlüssel zu öffnen. Bemerkt zu werden verdient noch, dass ich es zur Erleichterung des Vergleiches der primären und secundären Wirkung bequem ge- funden hatte, die Leitungen, wie es sich aus der Figur ergiebt, so anzuordnen, dass negative Ladung im secundären Kreise den Spiegel in derselben Richtung ablenkte, wie der ursprüngliche Strom. Ich begann damit zuzusehen, wie sich die Ladung einiger in Ansehung ihrer Polarisirbarkeit bereits besser gekannten Combinationen an meiner Vorrichtung gestalten würde. Wo es nicht ausdrücklich anders bemerkt ist, hatten die auf ihre Ladungsfähigkeit zu prüfenden 134 Elektroden die Form von Drähten von 0.5=m Durchmesser und tauchten bei 1m Abstand von einander 2°® tief in die Flüssigkeit. (4) Platin in verdümnter Schwefelsäure (SO, H:HO :: 1:5 dem Volum nach). Die elektromagnetischen Wirkungen des primären und des secundären Stromes ergaben sich als völlig gleich, so dass rasches Umlegen der Doppelwippe (©, C,, oder Vertauschen beider Wirkungen mit einander an der Bussole, sich im Fernrohr nur durch ein Zucken des Spiegels nach der Ruhelage hin bemerklich machte. a (8. oben S. 126) war also hier — 1. In Uebereinstimmung damit sah man, bei der dritten Beobachtungsweise, den primären Strom beim Schliessen des Schlüssels $, augenblicklich bis auf einen sehr kleinen Bruchtheil verschwinden, und beim Oeffnen des im Hauptkreise befindlichen ‚Schlüssels, auch nach kürzester Frist, einen negativen Ausschlag von sehr nahe gleicher Grösse mit dem primären erfolgen. Die Gleichheit der primären und secundären Wirkung hörte übrigens, wie sich nach den bekannten Gesetzen der Polarisation erwarten liess, auf, wenn die Stärke des primären Stromes eine gewisse Grenze überschritt. Schon bei Anwendung eines einzigen, nicht durch Nebenschliessung geschwächten Daniell's fing die primäre Wirkung zu überwiegen an; bei fünf Daniell’schen Gliedern war a nur noch etwa — 1/,, wozu noch kommt, dass jetzt der secundäre Kreis dem primären an Widerstand bedeutend nachstehen musste. Platinplatten, die sich in 1°” Absiand 2 Quadratcentimeter be- netzter Oberfläche zukehrten, zeigten ganz dieselben Erscheinungen. (2) Platin in gesättigter Kochsalzlösung. Drähte und Platten. Ganz dieselben Erscheinungen. (3) Platin in rauchender Salpetersäure. Diese Combination gilt allgemein für unpolarisirbar, und ich selber habe früher einen Versuch beschrieben, der dies zu beweisen scheint. Die durch den Sirom einer Grove'schen Kette, in deren Kreis Platinelektroden in rauchender Salpetersäure eingeschaltet waren, in beständiger Ablenkung gehaltene Nadel zeigte keinen merklichen positiven Ausschlag, als der Strom in dem Elektrodenpaar mittels einer Wippe so rasch wie möglich um- 135 gekehrt wurde !); eine Beobachtungsweise der Ladungen, die wir im Gefolge der bereits früher aufgezählten hier beiläufig noch als die vierte bezeichnen können. Hr. Pflüger hat neuerdings bei Wieder- holung dieses Versuches, unter denselben Umständen nur 1° Ausschlag beobachtet, wo Kupferelektroden in schwefelsaurer Kupferoxydlösung 20% Ausschlag gaben 2). Indessen ist nicht zu übersehen erstens, dass bei dieser Versuchsweise die Empfindlichkeit der Nadel nothwendig vermindert ist, selbst wenn man sich, wie Hr. Pflüger that, in den empfindlichen Breiten der Theilung hält; zweitens, dass, in meinem Falle bestimmt, in Hrn. Pflüger’s Falle höchst wahrscheinlich, Elek- troden von grösserer Oberfläche angewendet wurden. Mit Drähten als Elektroden zeigt die Siemens’sche Wippe, dass diese Combination noch einen gewissen und zwar gar nicht so geringen Grad von Ladungs- fähigkeit besitzt. Ich bemerke dass die Säure tief braunroth gefärbt war, stark rauchte, und bei 26.90 C. 1.49 Dichte besass.. Dennoch war mit Strömen von der Stärke des Muskelstromes « — = geschwächtem Daniell — = Auch als ganz einfach die oben S. 132 als zweite bezeichnete Versuchsweise mit einem solchen Daniell und 2‘ Durchströmung in’s Werk gesetzt wurde, erfolgte ein Ausschlag von 40 Scalentheilen. Da in dieser Combination der Wasserstoff an der negativen Elektrode auf Kosten der Salpetersäure oxydirt wird, so hat man sich vermuthlich zu denken, dass diese Polarisation von der elektromotorischen Wechselwirkung des Platins und des Sauer- stoffs an der positiven Elektrode herrührt, welche das Platin noch negativer mache, als es schon durch die Berührung mit den hohen ÖOxydationsstufen des Stickstoffs wird. 4) Silber in gesättigter salpetersaurer Silberowydlösung. Auch diese für unpolarisirbar geltende Combination liess an der Siemens'- schen Wippe unter Umständen bedeutende Ladungen hervortreten, bot aber noch ausserdem eine sehr merkwürdige Erscheinung dar. Ich mit un- !) Untersuchungen u. s. w. Bd. II. Abth. I. S. 379. 2) Untersuchungen über die Physiologie des Elektrotonus. Berlin 1859 S. 449. 450.* MOLESCHOTT , Untersuchungen VII. 10 136 fand nämlich mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes « — n- a: ein Maass der Ladungsfähigkeit etwa so als ob gar keine Vorkehrung zur Beseitigung der Ladung wäre getroffen worden. Hin- gegen mit ungeschwächtem Daniell ward « nur = u - gefunden. Dies rührte nicht allein davon her, dass die Stärke des Polarisations- stromes überhaupt langsamer wächst als die ursprüngliche Stromstärke. Sondern indem ich bei arbeitender Wippe die secundäre Wirkung dauernd beobachtete, während ich die Länge der Nebenschliessung zwischen 8 und ö stetig wachsen liess, zeigte sich’s, dass die absolute Grösse der seeundären Wirkung in Bezug auf die primäre Stromstärke ein Maximum habe, Ich ziehe vor, mich jeder Aeusserung über die muthmaassliche Ursache dieser Erscheinung zu enthalten, erlaube mir aber, dieselbe der Aufmerksamkeit derjenigen zu empfehlen, welche die Elektrolyse zum Gegenstand ihrer Untersuchungen machen. 5) Kupferdrähte in verdünnter Schwefelsäure von der unter (1) angegebenen ÜOoncentration waren zu ungleichartig, um einigermassen genauere Beobachtungen zu gestatten. Als sie nur mit den Spitzen eintauchten, gelangen einige Ablesungen, wonach bei Strömen von der Ordnung des Muskelstromes « hier etwa — sein würde. Pr 1.5 6) Kupferelektroden in schwefelsaurer Kupferoxydlösung verhiel- ten sich auch nur selten gleichartig genug für meinen Zweck. Es zeigte sich, dass mit dieser Combination die Polarisation für Ströme von der angegebenen Ordnung an der Siemens’schen Wippe fast unmerklich war. Sie ward erst messbar, als die ganze Länge des Nebenschliessungsdrahtes in den primären Kreis aufgenommen worden = Nicht erheblich kleiner fiel « bei Anwendung eines ungeschwächten Daniell’s aus. Während demnach bei der oben S. 134 als vierten bezeichneten Beobachtungsweise Kupfer in Kupferlösung viel stärkere Ladung giebt, war. Unter diesen Umständen bestimmte ich « zu höchstens als Platin in Salpetersäure, übertrifft an der Siemens’schen Wippe die secundäre Wirkung der letzteren Combination die der ersteren um etwa das Fünffache; ein Widerspruch zwischen den Ergebnissen beider Methoden, auf den wir unten werden zurückzukommen haben, der 137 | aber immerhin hier schon dienen kann zu zeigen, dass die gewöhn- lichen Beobachtungsweisen nicht ausreichen, wenn es sich darum han- delt, einer Combination die Ladungsfähigkeit abzusprechen, sondern dass man in dieser Beziehung mindestens noch eine Vorrichtung nach Art der Siemens’schen Wippe zu befragen habe. 7) Käufliches Zink in käuflicher Zinklösung. In der That lehrt denn auch die Siemens’sche Wippe sofort, dass diese Combination nicht allein, den oben S.124 berichteten Erfahrungen entgegen, durch Ströme von der Ordnung des Muskelstromes Ladung im gewöhnlichen, negativen Sinn annimmt, sondern dass diese Ladung sogar, unter übrigens gleichen Umständen, die des Kupfers in Kupferlösung ganz ungeheuer übertrifft. a nämlich ward hier, so genau als die Ungleich- artigkeiten es gestatteten, zu n_. > ja einmal zu Be bestimmt. _— also relativ sehr viel kleiner, jedoch nicht, wie beim Silber in Silberlösung, auch absolut kleiner als mit den schwachen Strömen. Mit dem Strome des ungeschwächten Daniell’'s war « nur = Es fragte sich nun natürlicherweise vor Allem wie es komme, dass ich früher bei langer Schliessung schwacher Ströme durch die Zink- elektroden positive, mit starken Strömen aber negative Polarisation beobachtet habe. Die Wiederholung des Versuches an der Bussole, statt am Multiplicator, liess vermöge der geringen Schwingungsdauer des Spiegels einen Umstand hervortreten, welcher den Schlüssel hierzu gab. Es zeigte sich nämlich, bei der zweiten Beobachtungsweise, zuerst ®tets ein kleiner negativer Ausschlag, von etwa einem Sealentheil, und dann erst wurde der Spiegel im Sinn der positiven Polarisation abge- lenkt. Das unreine Zink in Zinklösung besitzt also wohl beide Arten von Polarisation zu gleicher Zeit, die gewöhnliche negative, und die unregelmässige positive, so dass man in Wahrheit stets nur den Un- terschied beider zu sehen bekommt. Die beiden Polarisationen befolgen aber in Bezug auf ihr Wachsthum mit der Dauer des ursprünglichen Stromes und auf ihre Abnahme nach dem Aufhören desselben ein ver- “schiedenes Gesetz, wie dies in der Figur vorgestellt ist. Die Abseissen 10 * 138 0t bedeuten die Zeiten, die ausgezogenen Curven gehören der nega- tiven, die punktirten Curven der positiven Polarisation an. Die nega- tive Polarisation wächst mit der Dauer der Schliessung bis zu einer gewissen Grenze rascher als die positive, nimmt aber auch nach Unter- brechung des primären Stromes schneller ab. Wird dieser daher, wie es in der Siemens’schen Wippe der Fall ist, bereits nach sehr kür- ! zer Zeit, z. B. bei , unterbrochen, so erhält man eine durch den schraffirten Flächenraum abt“ gemessene, rein negative, secundäre Wir- kung. Wird dagegen die Kette erst bei t“ geöffnet, so fällt die se- eundäre Wirkung doppelsinnig aus, indem ein kleiner negativer Vor- schlag, gemessen durch cde, der grösseren positiven Hauptwirkung- vorangcht, die durch et!Yt vorgestellt wird. Ja es scheint, obwohl es mir nicht gelang diesen Zustand künstlich herbeizuführen, dass bei fortgesetzter Schliessung eines Stromes von gewisser Schwäche die positive Polarisation die negative sogar an Grösse übertreffen kann, so dass die beiden Curven zuletzt einander schneiden. Man würde sonst # nicht verstehen, wie Zinkelektroden in Zinklösung durch Geschlossen- stehen zur Kette ungleichartiger statt gleichartiger werden können. Ausserdem findet allem Anschein nach auch noch eine verschiedene Abhängigkeit der beiden Arten von Polarisation von der Stärke des’ ursprünglichen Stromes statt, der Art, dass die positive Polarisation viel langsamer mit der Stromstärke wächst. So wird es erklärlich, dass bei grösserer Stärke des ursprünglichen Stromes, bei Anwendung z. B. eines ungeschwächten Daniell’s, die positive Polarisation nicht beobachtet wird. Die unregelmässigen Wirkungen, welche nach Ab- gleichung der starken negativen Polarisation in diesem Falle meist hinterbleiben, gestatten keine sichere Aussage darüber, ob die positive Polarisation dabei noch spurweise wahrnehmbar sei oder nicht. Wie dem auch sei, hält man zunächst nur die Empfänglichkeit 139 des unreinen Ziuks in Zinklösung für die gewöhnliche, bei weitem wichtigere negative Ladung im Auge, so haben wir also gefunden, dass diese Combination kaum weniger polarisirbar ist als Kupfer in verdünnter Schwefelsäure. Es ist danach wohl hinlänglich klar, dass Elektroden, welche, bei der gewöhnlichen Art der Untersuchung, wie sie von Hrn. Matteucei in's Werk gesetzt wurde, gar keine, und bei den oben von uns angewandten, schon etwas schärferen Prüfungen nur eine äusserst schwache Spur von Ladung wahrnehmen lassen, dennoch in sehr hohem Grade ladungsfähig sein können; und nicht minder klar, nach diesen Vorgängen, dass die Untersuchung über das dem reinen oder verquickten Zink in Zinklösung zukommende Maass von Polari- sation völlig von vorn anzufangen habe. 8) Reines Zink in reiner Zinklösung. Das reine Zink, dessen ich mich bediente, hatte Hr. Apotheker Voigt die Güte gehabt, durch wiederholte Destillation darzustellen. Zuletzt war dasselbe, was besser wäre vermieden worden, in einer eisernen Höllenstein- form, obschon allerdings bei möglichst niedriger Temperatur, in Stan- gen gegossen worden. Aus einem Theile dieser Stangen wurden in einer Form aus sogenanntem Blaustein (worin zinnerne Soldaten ge- gossen werden), später, da der Blaustein, obschon vorgewärmt, ab- splitterte, in einer Gypsform, Platten von 25"" Breite und 60=m Länge gegossen. Allein ich musste auf den Gebrauch so grosser Platten verzichten, weil es schlechterdings unmöglich war, mit den Ungleich- arligkeiten derselben fertig zu werden. Ich brach daher die an den Stangen haftenden flügelförmigen Lappen, welche sich durch das Eindringen des geschmolzenen Metalls zwischen beide Hälften der Form gebildet hatten, in schmale Leistehen, und schabte deren Ober- fläche mit der scharfen Kante einer gesprungenen Glasscheibe rein. möglichst reinen Zinkoberflächen tauchte ich in gesättigte reine wefelsaure Zinkoxydlösung, die ich Hrn. Heinrich Rose ver- d kte. Auch so liess die Gleichartigkeit viel zu wünschen übrig, jedoch war sie genügend, um gute Beobachtungen an der Sie- mens’schen Wippe zu gestatten. Es zeigt sich aber, mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes, negative Polarisation eben so stark, wie beim käuflichen Zinkdraht, welche eben so schnell als 140 dort mit der wachsenden Stärke der Ströme abnahm. Mit den _. mit den stärk- sten, die der Nebenschliessungsdraht bei Anwendung eines Daniell’s schwächsten Strömen nämlich fand ih 2 = zuliess, = nr mit dem ungeschwächten Strom des Daniell's aber == Auch hier überzeugte ich mich davon, dass die absolute Grösse der seeundären Wirkung nicht, wie beim Silber, ein Maximum in Bezug auf die Stromstärke besitzt. nur noch — Dagegen war bei dem reinen Zink im Gegensatz zum käuflichen keine deutliche Spur von positiver Polarisation zu bemerken. Bei der zweiten Beobachtungsweise gab sich nach langem Schlusse der primären Kette unter denselben Umständen, wo das unreine Zink die doppelsinnige Polarisation zeigt, nur eine lebhafte und nachhal- tige negative Wirkung kund. Es war danach klar, dass die positive Polarisation nicht dem Zink selber, sondern einer Verunreinigung desselben angehöre, und zwar wahrscheinlich dem Eisen, da nämlich das Eisen bisher das einzige bekannte Metall ist, welches positive Polarisation besitzt. Doch ist unter den Flüssigkeiten, in denen Hr. Beetz diese Er- scheinung beobachtete, schwefelsaure Zinkoxydlösung nicht genannt, die zu prüfen er keinen Grund hatte. Ich versuchte deshalb, wie sich Eisenelektroden in dieser Flüssigkeit verhalten. 9) Eisen in Zinklösung. Ich fand, dass zwei Stücke Ilsenburger Eisendraht darin sehr gut gleichartig wurden; dass sie an der Sie- mens’schen Wippe, mit Strömen von der Ordnung des Muskelstro- e wre : ı 1 B mes, starke negative Polarisation zeigten (a = -——; 74); dass sie aber bei der zweiten Beobachtungsweise nach langer Durchströmung genau wie das unreine Zink einen doppelsinnigen Ausschlag gaben, zuerst einen deutlichen negativen Vorschlag, dann eine lang anhal- tende positive Wirkung. Die chemische Analyse des unreinen Zinkdrahtes, die Hr. Hein rich Rose die Güte hatte, in seinem Laboratorium ausführen zu lassen, wies denn auch in demselben eine gewisse Menge Eisen nach. 141 Auch das destillirte Zink ward bei derselben Gelegenheit nicht ganz frei von dieser Verunreinigung gefunden. Möglich, dass diese Ver- unreinigungen es waren, von welchen auch die negative Polarisation meines destillirten Zinks herrührte. Möglich, dass Hrn. Matteucci's Zink einen Grad der Reinheit besass, bei dem es auch an meinen Vorrichtungen keine negative Polarisation gezeigt haben würde. In- dessen fehlt der chemische Beweis für jene Reinheit, so gut wie der physikalische für diese Nichtladungsfähigkeit, und was jene Möglich- keiten in hohem Grade unwahrscheinlich macht, ist"der Umstand, dass sich in meinen Versuchen zwischen der Empfänglichkeit des käuflichen und der des gereinigten Zinks in Zinklösung für die nega- tive Ladung gar kein Unterschied ergeben hat. Wie dem auch sei, bei der ungemeinen Schwierigkeit, sich Zink in diesem Zustande vollkommener Reinheit zu verschaffen, würde den Elektrophysiologen mit dem Vorschlage des Hrn. Jules Regnauld nicht geholfen sein, da sie immer erst der Siemens’schen Wippe bedürfen würden, um sich zu überzeugen, dass ihre Zinkelektroden nicht ladungsfähig seien, und es in dieser Ungewissheit viel beque- mer für sie sein würde, sich des käuflichen Kupfers in käuflicher Kupferlösung zu bedienen, welche Combination, nach meinen Ver- suchen, eine ohne Vergleich kleinere Ladungsfähigkeit besitzt, als jedenfalls schon sehr sorgfältig gereinigtes Zink. Vielleicht würde die galvanoplastische Darstellung des Zinks ein Mittel abgeben, sich ein minder ladungsfähiges Metall zu verschaffen, als das meinige war. Ich habe keine Veranlassung mehr gehabt, die- sen Versuch anzustellen, auch nicht mich um chemisch noch besser gereinigtes Zink zu bemühen, da die folgenden Ergebnisse diese Be- mühungen von dem praktischen Standpunkte aus, den ich erwähnter- maassen hier einnahm, als überflüssig erscheinen liessen. 10) Verquicktes Zink in Zinklösung. Ich ging nun nämlich auch noch, und zwar, wie ich schon oben S. 121. 122 andeutete, mit sehr geringen Erwartungen, an die Untersuchung der Ladungsfähigkeit des verquickten Zinks in Zinklösung. Wie gross war mein Er- staunen, als ich zunächst fand, dass zwei beliebige Stücke. Zink auf beliebige Art reichlich verquiekt, sich in Zinklösung nicht allein an 142 der Bussole, sondern sogar am Nerven-Multiplicator absolut gleich- artig verhielten. Zuerst reinigte ich die Zinkdrähte oder Bleche sorgfältig mit Sandpapier, verquickte sie mit reinem Quecksilber mit- tels chemisch reiner Schwefelsäure, und tauchte sie in die chemisch reine Zinklösung. Dann dreister werdend erkannte ich Schritt für Schritt, dass alle diese Vorsichtsmaassregeln unnütz seien, und dass zwei beliebige Stücke ganz gemeinen Zinkbleehes, wie es zu Klemp- nerarbeiten gebraucht wird, mit altem schmierigem Quecksilber und roher Salzsäure verquickt, mit Wasser abgespült und mit Fliesspapier abgetrocknet, sich in käuflicher Zinklösung bei einer benetzten Ober-- fläche von mehreren Quadratzollen nach wenigen Augenblicken am Nerven-Multiplicator absolut gleichartig verhalten. So vollkommen ist diese Gleichartigkeit, dass ich, ehe ich mich an den Anblick gewöhnt hatte, immer in Versuchung kam zu prüfen, ob denn auch der Kreis wirklich geschlossen sei, da beim Schliessen und Oeffnen desselben durchaus keine Spur von Bewegung, sei's des Spiegels, sei's der Na- del, bemerklich wurde, nicht anders als ob der Kreis entweder an einer zweiten Stelle offen oder rein metallisch gewesen wäre. Mit wie geringer Sorgfalt diese Gleichartigkeit erzielt werde, die das Beste weit hinter sich lässt, was nach meiner Vorschrift mit allem Fleiss zubereitete Platinelektroden leisten, geht wohl am deutlichsten aus folgendem Versuch hervor. Aus einer Daniell’schen Säule griff ich auf’s Geradewohl zwei Zinkeylinder von beiläufig 33"= Durch- messer heraus, von denen, wie sich ergab, der eine schon mehrmals, der andere noch nicht gebraucht worden war, und tauchte dieselben, nachdem sie, um an dem gebrauchten Cylinder etwa haftendes Kupfer zu entfernen, mit Wasser abgespült und mit Fliesspapier abgetrock- net worden waren, einander mögliehst nahe 50%” tief in Zinklösung, wobei also die benetzte Oberfläche jedes Cylinders über 50 Quadrat centimeter betrug. Es erfolgte zwar im ersten Augenblick ein ziem- lich starker Ausschlag am Nerven-Multiplicator, sehr bald aber kam auch hier die Nadel absolut auf Null, und blieb daselbst, auch wenn der Kreis minutenlang geöffnet und dann wieder geschlossen wurde. Die Abgleichung dieser im Anfang vorhandenen Ungleichartig- keiten beruht demnach, wie die Folge noch deutlicher lehren wird, 143 nicht auf Polarisation, wie die Abgleichung der Platinelektroden in Kochsalzlösung, welche bis zu einem gewissen Grade deshalb stets nur eine scheinbare ist. Die Abgleichung des etwa beim ersten Ein- tauchen sich kundgebenden Unterschiedes findet denn auch hier eben- sowohl bei offenem wie bei geschlossenem Kreise Statt. Die so un- begreiflich leicht erreichte vollkommene Gleichartigkeit wird eben so leicht, ohne alle besonderen Vorsichtsmaassregeln, in's Unbegrenzte erhalten. Zwar beobachtet man am Nerven-Multiplicator, wenn von zwei verquickten Zinkplatten die eine um die andere tiefer in die Zinklösung getaucht wird, jedesmal bei Benetzung neuer Punkte der einen Platte einen Ausschlag von wenigen Graden, der diese Platte als negativ gegen die andere 'anzeigt, und etwas stärker negativ wird von zweien verquickten Zinkelektroden, die man zwischen den mit Zinklösung benetzten Fingern beider Hände hält, diejenige, auf welche man einen Druck ausübt oder ausüben lässt 1). Dies ist aber auch Alles, was hier noch von den zahlreichen Umständen übrig ist, wo- durch sonst gleichartige Elektroden ungleichartig werden. Man kann die eine der beiden Platten, nachdem sie einmal vollständig be- netzt worden, an die Luft heben und wieder eintauchen, man kann sie in der Zinklösung schütteln, wie man will, sie zwischen den La- gen eines mit Zinklösung getränkten Bausches drücken 2): das Gleich- gewicht am Nerven-Multiplicator wird nicht gestört. Das Wasser der Zinklösung verdunstet, Krystalle schliessen in der Flüssigkeit an den Platten an oder bekleiden dieselben über deren Spiegel, und nach Wochen findet man die Platten in der zurückbleibenden nichtleiten- den Krytallmasse eingewachsen, ohne dass während dieser ganzen Zeit die Nadel den Nullpunkt auch nur um eınen Grad verlassen hätte. Diese, ich wiederhole es, jede Vorstellung übersteigende Gleich- artigkeit findet in ganz gleicher Weise Statt, ob die beiden Zinkplatten ersteben verquickt seien und die Tropfen flüssigen Amalgams noch daran herunterfliessen; ob sie seit Wochen in den krystallinischen Zustand 1) Vergl. diese Zeitschrift, a. a. O., 8. 1 fi. 2) Vergl. ebendaselbst, S. 6. 144 übergegangen seien; endlich gar, was wohl als das Wunderbarste erscheint, ob die eine derselben sich in dem einen, die andere in dem anderen dieser Zustände befinde. Sehon durch diese Eigenschaft einer unübertroffenen mit leichte- ster Mühe zu erzielenden und zu erhaltenden Gleichartigkeit würde diese Combination, wie ich nicht zu bemerken brauche, eine höchst werthvolle Bereicherung nicht bloss des elektrophysiologischen, sondern des galvanischen Apparates überhaupt sein. Allein meine Ueber- raschung steigerte sich noch, als ich nun ferner fand, dass die mit Hülfe der Siemens’schen Wippe bestimmte Ladungsfähigkeit dieser Combination in der That verschwindend klein, jedenfalls unvergleich- lieh kleiner sei, als die irgend einer anderen bisher bekannten Com- bination. Mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes liess die Wippe keine Spur davon erkennen. Noch als bei verminderter Em- pfindlichkeit der Bussole und Anwendung eines ungeschwächten Da- niell’s, P,,, P, etwa 300 Scalentheile betrugen, waren 8, Sn. schlech- terdings nicht wahrnehmbar, d. h. dieselben betrugen ganz gewiss nicht 0.2, ja schwerlich 0.1 Sealentheil. Ich fahndete darauf mit- tels eines Verfahrens, bei dem mir auch eine so kleine Spur von Ladung nicht entgehen konnte, nämlich indem ich, bei arbeitender Wippe und geschlossenem secundären Kreise, in dem die Bussole be- findlich war, das Auge am Fernrohr, den primären Kreis mittels des Schlüssels 8, abwechselnd öffnete und schloss, oder gar den primären Strom zwischen den Elektroden mittels des Stromwenders C, ab und zu umkehrte.e Erst als ich die Nebenschliessung fortliess, und mit beiden Rollen im Abstand von Omm eine Grove’sche Kette grösserer Art als Quell des primären Stromes benutzte, erschien ne- gative Ladung der Zinkdrähte in bestimmbarer Grösse, nämlich etwa 1.2 Scalentheil betragend. Die primäre entsprechende Wirkung, mit nur einer Rolle in 400mn Abstand beobachtet, während die andere an einer anderen Stelle des Kreises eingeschaltet war, betrug 120 Scalentheile. Die Wirkung einer Rolle bei 100” verhält sich zu der bei Orm Abstand :: 1:26.85. Daraus ergiebt sich 1.2 1 “7 2x26.85<120 5370° 145 Diese Zahl wird sich, für den vorliegenden Fall, nicht weit von der Wahrheit entfernen, Indessen soll sie vorzugsweise dazu dienen, eine Vorstellung von der Ordnung der Grösse zu geben, um die es sich hier handelt. Denn erstens lag aus mancherlei Gründen die Messung einer so kleinen Ablenkung an der Grenze meiner Beobachtungs- mittel, zweitens schien der Werth von a Schwankungen unterworfen zu sein, da ich es einigemal nicht unbeträchtlich grösser (1/3000), an- deremale aber auch wieder sehr viel kleiner gefunden habe, so dass die seeundäre Wirkung der Grove'schen Kette bei voller Empfind- lichkeit der Bussole ganz unmerklich war. Nimmt man an, dass mir 0.2 Scalentheil secundärer Wirkung entgangen seien, so konnte doch «a in diesen Fällen nicht viel grösser als ?/,oo0 sein. Ich glaube be- reits mit Bestimmtheit sagen zu können, dass diese Schwankungen von dem Zustande der verquickten Zinkfläche so abhangen, dass die grösse- ren Werthe von « schon öfter gebrauchten, die kleinsten frisch, oder von Neuem verquickten Drähten zukommen. Als die Drähte durch Platten ersetzt wurden, die einander 6—7 Quadratcentimeter benetzter Oberfläche zukehrten, wurde die secun- däre Wirkung, selbst mit ungeschwächtem Strom der Grove’schen Kette und bei voller Empfindlichkeit der Bussole, unter allen Um- ständen ganz unwahrnehmbar. Am Nerven-Multiplicator erfolgten mit den Drähten durch die secundäre Wirkung eines Daniell’s 4°, durch die zweier 7° beständi- ger Ablenkung. Bei Anwendung der zweiten Beobachtungsweise mit einem Da- niell und 5‘ Durchströmung erfolgten mit den Drähten an der Bussole bei voller Empfindlichkeit derselben etwa 5 Scalentheile Ausschlag im Sinne negativer Ladung. Mit den Platten betrug unter denselben Umständen der Ausschlag keinen ganzen Scalentheil, und als ich die Daniell'sche Kette durch eine fürtfgliederige Grove'sche Säule er- setzte, auch nur 3.5 Scalentheile. Erst als aus dem primären Kreise der Widerstand entfernt wurde, der darin zu dem Zweck angebracht war, den Gesammtwiderstand des primären und des secundären Krei- ses gleich zu machen (8. oben S. 128), wurden deutlichere Wirkun- gen erhalten, 146 Die Verquiekung vernichtet also, kann man sagen, die bedeu- tende negative Ladungsfähigkeit des Zinks in Zinklösung. Aber auch die positive Ladungsfähigkeit dieser Combination ist dadurch beinahe gänzlich aufgehoben. Nach 15—20‘ langer Durchströmung mit Strö- men von der Ordnung des Muskelstromes erfolgte höchstens ein hal- ber Sealentheil Ausschlag im positiven Sinne. 11) Verquicktes Zink in Chlorcaleiumlösung. Ehe wir än diese Thatsachen weitere Folgerungen knüpfen, sollen noch einige andere Punkte beleuchtet werden. Hr. Matteucei führt verquicktes Zink in Chlorcaleiumlösung als eine seinen Erfahrungen nach eben so un- polarisirbare Combination wie das verquickte Zink in Zinklösung an. Es ist nicht leicht zu verstehen, wie er zu diesem Ausspruch gelangt ist, der theoretisch nichts für sich hat, und von dessen Unrichtigkeit es leicht ist, sich im Versuch zu überzeugen. Erstens verhalten die verquickten Zinkelektroden in gesättigter Chlorcaleiumlösung sich sehr schlecht gleichartig. Für's zweite fand ich a für diese Com- bination mit primären Strömen von der Ordnung des Muskelstromes Drittens warf bei der zweiten Beobachtungsweise, nach we- 41 nigen Minuten Durchströmung mit dem Strom des ungeschwächten Daniell’s, die secundäre Wirkung das Bild der Scale aus dem Ge- sichtsfelde. Positive Polarisation war bei dieser Combination nicht wahrnehmbar. 12) Verquicktes Zink im Chlorzinklösung verhält sich dagegen nahe, aber, wie mir schien, doch nicht ganz so gleichartig, wie. in schwefelsaurer Zinkoxydlösung. Die Chlorzinklösung enthielt noch ungelöstes Chlorzink, und stellte eine syrupöse Flüssigkeit von 2.008 Diehte bei 27° C. dar. Die etwas geringere Gleichartigkeit. rührt vielleicht daher, dass die Lösung sich an der Oberfläche durch Was- ser verdünnt, welches ‚sie aus der Atmosphäre anzieht. Jedenfalls scheint aber die Ladungsfähigkeit dieser Combination nieht grösser zu sein, als die des Zinks in der schwefelsauren Lösung, denn auch hier wurde an der Siemens’schen Wippe die Ladung erst merklich, als ich Drähte im primären Kreise dem Strom eines ungeschwächten Daniell's aussetzte, und die seeundäre Wirkung bei voller Empfind- 147 lichkeit der Bussole beobachtete. Auf dieselbe Art, wie dies oben - ; auf den Un- 5815 terschied zwischen diesem Werthe, und dem in der schwefelsauren Lösung gewonnenen , ist natürlich nichts zu geben. Auf positive Po- larisation nach langer Schliessung schwacher Ströme konnte hier we- gen der geringeren Gleichartigkeit nicht mit derselben Schärfe, wie bei der schwefelsauren Lösung geprüft werden; indessen kann davon S. 143 beschrieben wurde, bestimmte ich dabei a zu höchstens eine ganz unbedeutende Spur zugegen sein. Die gesättigte Chlorzinklösung leitete beiläufig nach meinen Versuchen dreimal schlech- ter als die schwefelsaure Lösung bei gleicher Temperatur. Verdün- nung mit dem gleichen Volum Wassers erhöhte aber ihr Leitvermö- gen auf das Fünffache, so dass sie nun um zwei Drittel besser als die gesättigte und aueh noch um ein Drittel besser als die ebenso verdünnte schwefelsaure Lösung leitete. Diese Wahrnehmung ist geeignet, uns daran zu erinnern, dass Hr. Jules Regnauld das reine Zink nicht in gesättigter, sondern in so verdünnter Zinklösung als unpolarisirbar empfohlen hat, dass die Lösung das Maximum ihres Leitvermögens besitze (s. oben 8. 118). ÖObschon, wie bemerkt, Hr. Regnauld seine Aussage durch keine Versuche gestützt hat, und obschon es höchst unwahrscheinlich war, dass die Verdünnung der Zinklösung bis zu jener Grenze die La- dungsfähigkeit der Combination aufheben solle, so habe ich doch nicht unterlassen, auch hierüber noch den Versuch zu befragen, in- dem ich Hrn. de la Rive’s Angabe zu Grunde legte, wonach das Maximum des Leitvermögens der Zinklösung bei Verdünnung dersel- ben mit dem gleichen Volum Wassers eintritt. Ich prüfte demge- mäss noch (13—16) reines Zink in reiner, käufliches, reines und ver- quicktes Zink in käuflicher Zinklösung von der angegebenen Verdün- mung. Das verquickte Zink — es wurden in beiden Flüssigkeiten dieselben Drähte benutzt — lieferte ein etwas grösseres « als in der gesättigten Lösung. Dagegen fand ich allerdings, was sehr sonder- bar ist, dass mit dem reinen und käuflichen Zink in der verdünnten käuflichen Lösung « erheblich kleiner ausfiel, als unmittelbar vor- und nachher mit denselben Elektroden in der gesättigten Lösung. Indes- sen blieb « hier noch immer bedeutend grösser als mit Kupfer in 148 Kupferlösung; und mit dem reinen Zink in der verdünnten reinen Lösung betrug es, bei schwachen Strömen, sogar i/.. Der Wider- spruch zwischen unseren Ergebnissen und der Behauptung des Hrn. Regnauld beruht also nicht darauf, dass wir uns bisher stets der gesättigten Zinklösung bedient haben. (19—24) Verquicktes Zink in verdünnter Schwefelsäure, in Serum von Pferdeblut, in Brunnenwasser und in destillirtem Wasser. Da ich früher gerade bei Anwendung verquickter Zinkelektroden auf die räthselhafte Erscheinung positiver Ladung gestossen war, so ver- suchte ich, um diese Beobachtung zu erneuern, noch die in der Auf- schrift genannten Combinationen. Serum hatte ich unter die mit dem verquickten Zink zu prüfenden Flüssigkeiten aufgenommen, um zu erfahren, wie sich letzteres bei unmittelbarer Berührung mit den thie- rischen Theilen, z. B. beim Ueberbrücken zweier daraus gebildeten Elektroden mit einem Nerven, in Bezug auf Gleichartigkeit und La- dungsfähigkeit verhalten würde. Es zeigten sich in der verdünnten Schwefelsäure, dem Serum und dem Brunnenwasser aber so unge- heure Ungleichartigkeiten der verquickten Zinkdrähte, und von solcher Unbeständigkeit zugleich, dass jede feinere Beobachtung der Ladung dadurch unmöglich gemacht wurde. Bei der leisesten Erschütterung sah man die Scale pfeilschnell im Gesichtsfelde hin- und herschies- sen 1). In diesen drei Flüssigkeiten wurde deshalb nur die gewöhn- liche oder negative Ladung beobachtet. Bei Brunnenwasser konnte auch kein annähernder Werth von a gewonnen werden. Bei der verdünnten Schwefelsäure gelang es einmal, « zu etwa 1/,,, zu bestim- men. Sehr viel grösser schien « im Serum zu sein, denn ich erhielt mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes Quotienten wie 3 nn. und bei der zweiten Beobachtungsweise warf die secundäre Wirkung des ungeschwächten Daniell's nach 5‘ Durchströmung das Bild der Scale aus dem Gesichtsfelde Ganz ähnliche Werthe von « lieferten Kupferdrähte im Pferdeserum; mit Platindrähten war « auch 1) Verquicktes Zink in verdünnter Schwefelsäure wird nach Hrn. Poggen- dorff durch Schütteln negativ. Vergl. diese Berichte, 1854, S. 297, 149 hier = 1. Was nun die positive Ladung des verquiekten Zinks be- trifft, so nahmen im destillirten Wasser die Ungleichartigkeiten eine etwas mildere Gestalt an, und es zeigte sich mit einem Daniell an der Siemens’schen Wippe folgende merkwürdige Erscheinung. Beim Schliessen des Schlüssels $,, während die Bussole im secundären Kreise beobachtet wurde, entstand zuerst ein Ausschlag im Sinne ne- gativer Ladung. Darauf fingen positive Ladungen sich zu entwickeln an, dergestalt, dass die seeundäre Wirkung durch Null hindurch ihr Zeichen wechselte, wobei das sonst negative, hier positiv gewordene a zu etwa 3/,, bestimmt wurde. Wurde dann $, geöffnet, so nahm, trotz dem Aufhören des primären Stromes, anfangs noch die positive seeundäre Wirkung an Stärke zu; unstreitig, und in Uebereinstim- mung mit dem, was wir oben S. 136 über die gleichzeitige positive und negative Ladung des käuflichen Zinks in eben solcher Zinklösung angenommen haben, weil die schneller entstehende, aber auch schnel- ler vergehende negative Ladung jetzt fortfiel, die sich während der Dauer des primären Stromes von der secundären Wirkung im positi- ven’ Sinne abgezogen hatte. Bei der zweiten Beobachtungsweise wurde leicht sehr starke positive Ladung beobachtet, die im Falle schwacher Ströme ganz rein zur Erscheinung kam, während im Fall eines un- geschwächten Daniell's dem positiven Hauptausschlage ein negativer Vorschlag vorausging. Wir kehren nun zum verquickten Zink in den Zinklösungen zu- rück. Zu der unschätzbaren Gleichartigkeit, die wir an diesen Com- binationen zu rühmen gefunden haben, gesellt sich also, nach den Versuchen an der Siemens’schen Wippe, auch noch eine bei weitem geringere Ladungsfähigkeit, als die irgend einer anderen bekannten Combination. Es ist leicht, sich von demselben Ergebniss noch auf eine andere Art zu überzeugen. Man lässt zuerst den primären Strom im nämlichen Kreise nach einander durch die Zinkzelle und durch die damit zu vergleichende Combination gehen, und setzt dann plötz- lich die beiden letzteren einander im Multiplicatorkreise dergestalt entgegen, dass die Richtung des Ausschlages anzeigt, welcher von beiden Combinationen die grössere secundär-elektromotorische Kraft zukomme. In Ermangelung der eigens von Hrn. Poggendorff hierzu 150 angegebenen Wippe !) gelingt dies leicht mittels einer Doppelwippe, wie sie S. 128 in C, (,, C, C, angedeutet ist. Ich stellte dergestalt folgende Vergleiche an. 1) Verquickte Zinkdrähte in gesättigter käuflicher schwefelsaurer Zink-, und Kupferdrähte in schwefelsaurer Kupferoxydlösung. Nach- dem der Strom eines ungeschwächten Daniell’s 1—2’ hindurchgeschickt worden, erfolgte an der Bussole, bei voller Empfindlichkeit derselben, ein kräftiger Ausschlag im Sinne der negativen Ladung der Kupfer- zelle.e Mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes sah ich an- fänglich zu meinem nicht geringen Befremden einen kleinen Ausschlag (2—3 Scalentheile) im Sinne negativer Ladung der Zinkzelle erschei- nen. Bei näherer Untersuchung; zeigte sich indess, dass, wie es nach den oben $. 143, 144 beschriebenen Versuchen nicht anders sein konnte, die Polarisation der Zinkzelle schlechterdings unmerklich war, dass aber die Kupferzelle unter diesen Umständen eine geringe Spur positiver Polarisation besass, welche den Anschein überwiegender ne- gativer Ladung der Zinkzelle bewirkt hatte. 2) Kupferzelle wie vorher, und reines Zink in gesättigter reiner schwefelsaurer Zinkoxydlösung. Mit Strömen von der Ordnung des Muskelstromes wurde nichts deutliches wahrgenommen, indem die Un- gleichartigkeiten sich feineren Wahrnehmungen widersetzten. Mit dem Strom des ungeschwächten Daniell’s erfolgte ein ansehnlicher -Aus-- schlag im Sinne negativer Ladung der Zinkzelle. 3) Kupferzelle wie vorher, und Silberdrähte in Silberlösung wie oben S. 134. Bei schwachen Strömen hat die Silberzelle ein sehr be- deutendes, bei starken die Kupferzelle ein geringes Uebergewicht. Nach den oben bestimmten Werthen von « für die Silberzelle hätte Letzteres nicht der Fall sein sollen. 4) Kupferzelle wie vorher, und Platindrähte in rauchender Sal- petersäure wie oben 8. 133. Erfolg wie beim vorigen Versuch. Mit schwachen Strömen überwiegt die Platin-Salpetersäure-, mit starken die Kupferzelle, 1) Annalen u. s. w. 1844. Bd. LXI. S 612. * 151 ‘Wie man sieht, spricht auch diese Beobachtungsreihe dafür, dass das verquickte Zink in Zinklösung die am wenigsten ladungsfähige Combination sei. Was aber die beiden letzten Versuche betrifft, so giebt sich darin abermals ein Widerspruch kund, gleich dem bereits oben S.460 bemerkten, zwischen dem an der Siemens’schen Wippe gewonnenen Ergebniss und dem des gewöhnlichen Verfahrens, die Ladung durch Umlegen der Wippe eines Stromwenders zu beobach- ten. Auf doppelte Art kann man die Erklärung dieses Widerspruchs versuchen. ß Entweder nämlich braucht die Kupferladung längere Zeit, un sich zu entwickeln, und dies ist der Grund, weshalb «a an der Sie- mens’schen Wippe für das Kupfer kleiner ausfällt als für die beiden anderen Combinationen. Oder die Kupferladung ist nachhaltiger als die dieser letzteren, so dass, wenn der Wechsel der Verbindungen mittels der Wippe eines Stromwenders, d. h. verhältnissmässig ziem- lich langsam, geschieht, die Ladung des Silbers in Silberlösung, des Platins in Salpetersäure, schon Zeit gehabt hat, sich zu zerstreuen, während sie zur Zeit, wo die Siemens’sche Wippe den secundären Kreis nach Oeffnung des primären schliesst, in der T'hat die des Kupfers übertrifft. Beide Voraussetzungen lassen, ohne Hinzunahme weiterer Muthmaassungen, unerklärt, weshalb der Erfolg mit den schwachen Strömen ein verschiedener sei von dem mit den starken Strömen beobachteten. Weder hierauf, noch auf die Frage, welche von beiden Annah- men der Wirklichkeit entspreche, wollen wir indess näher eingehen. Uns interessirt an dem in Rede stehenden Verhalten vorzugsweise das Licht, welches dasselbe auf den Werth des bisher von uns zur Bestimmung der Ladungsfähigkeit der Combinationen angewandten Verfahrens zu werfen geeignet ist. Man sieht, dass wir aus der Grösse, in der die Ladung nach Aufhören des primären Stromes er- scheint, keinen sicheren Schluss auf die Ladungsfähigkeit einer Com- bination machen können. Ein ähnliches Verhältniss, wie zwischen der Ladung der galvanoplastischen Kupfereombination und der des Platins in Salpetersäure, könnte zwischen der des verquiekten Zinks in Zink- lösung, und der der galvanoplastischen Kupfereombination, stattfinden, MOLESCHOTT Untersuchungen. VII. 11 152 Zwar schliessen die bei der zweiten Beobachtungsweise und auch so eben bei der Entgegensetzung der Zink- und Kupferzelle nach län- gerer Durchströmung gemachten Wahrnehmungen die Möglichkeit aus, dass das verquickte Zink in Zinklösung an der Siemens’schen Wippe deshalb ein so kleines « geliefert habe, weil die Polarisation desselben wegen der kurzen, durch den Gang der Wippe bedingten Schliessung des primären Stromes nicht Zeit gehabt habe, sich zu entwickeln. Sehr wohl denkbar wäre es dagegen wegen der geringeren Fähigkeit der positiven Metalle, Gase an ihrer Oberfläche zu verdichten (vergl. oben S. 122), dass die Ladung des verquiekten Zinks im Zinklösung bedeutend flüchtiger wäre, als die des Kupfers in Kupferlösung, und dass darauf der erstaunlich kleine Werth von a bei ersterem beruht habe. Mit einem Worte, den Curven, in denen während des Schlusses der primären Kette die Polarisation bis zu einer gewissen Grenze wächst, um nach Oeffnung der Kette wieder abzufallen, sei’s dass der seeundäre Kreis offen bleibe, oder nach kürzerer oder längerer Zeit geschlossen werde, diesen Curven darf bei verschiedenen Combinatio- nen gewiss nicht ohne Weiteres ein gleiches Gesetz untergelegt wer- den. Ich kann nicht umhin, in der Nichtberücksichtigung dieses Um- standes einen gewichtigen Einwurf gegen den von Hrn. Wild (s. oben S. 131 Anm.) veröffentlichten Vorschlag zur gesondertenBestimmung der Polarisation und des Uebergangswiderstandes zu erblicken, wo- nach zuerst die durch Polarisation und Uebergangswiderstand gemein- schaftlich bewirkte Stromschwächung in eine Gleichung gebracht, und dann daraus die Polarisation mit Hülfe eines Werthes eliminirt wer- den soll, der aus Beobachtung derselben nach Oeffnung des primären Kreises hervorgeht. Ich weiss sehr wohl, dass die Polarisation nach dem Oeffnen des primären Kreises, so lange der seeundäre Kreis nicht geschlossen ist, bei weitem langsamer sinkt, als nachdem dies gesche- hen. Oeffnet man den Hauptkreis einer Kette, in deren Nebenleitung, wie in unserer ersten Figur, Platinelektroden in verdünnter Schwe- felsäure oder Kochsalzlösung eingeschaltet sind, auf wenige Augen- blicke, wobei der seeundäre Kreis geschlossen bleibt, und die Ladung sich abgleichen kann, so geht der durch die Ladung geschwächte 153 Strom der Kette sofort wieder zeitweise bedeutend in die Höhe. Dies ist nicht der Fall, mit anderen Worten, die Polarisation bleibt ver- hältnissmässig unverändert, wenn man statt des Hauptkreises die Ne- benleitung selber eben so lange öffnet, weil nun der Ladung zwar wie vorher der sie auf steter Höhe erhaltende primäre Strom entzo- gen, allein diesmal keine Gelegenheit zur Abgleichung gegeben ist. Nichtsdestoweniger muss ich darauf bestehen, dass, bis nicht für jeden einzelnen Fall das Gegentheil erwiesen ist, keine andere Be- stimmung der Polarisation oder der Ladungsfähigkeit einer Combina- tion Vertrauen verdient, als solche die während der Dauer des pri- mären Stromes in dessen Kreise selber gemacht, oder wenigstens mit Hülfe von dergleichen Beobachtungen controlirt sind. Es bleibt uns also schliesslich übrig, auch noch auf diese Art die Unpolarisirbarkeit unserer Combination darzuthun. Ich hatte einen parallelepipedischen Trog aus gefirnisstem Eichenholz von 125®r Länge, 53"= Breite und 40”m Tiefe, in dessen Wände und Boden, che die- selben zum Troge zusammengefügt wurden, in Ebenen senkrecht auf die Längsrichtung des Troges und in 15.6"m Abstand von einander, neun 5”"= tiefe Sägeschnitte angebracht waren. Diese dienten dazu, Bleche aufzunehmen, welche sich alsdann als Zwischenplatten auf der Bahn eines den Trog der Länge nach durchfliessenden Stromes ein- geschaltet fanden, indem die Leitung durch die im Falz um das Blech herum übrigbleibende capillare Flüssigkeitsschicht nicht in Betracht kam. Dieser Trog wurde 5"” hoch mit gesättigter schwefelsaurer Zinkoxydlösung gefüllt, und mit zwei verquiekten Zinkblechen als Elektroden in den beiden äussersten Falzen, in den Kreis einer Grove'schen Kette und der Bussole gebracht. Während das Bild der Scale im Fernrohr beobachtet wurde, schob ich nach einander verquiekte Zinkbleche auch in die sieben übrigen Falze. Da die Flüssigkeitssäule im Troge dabei nicht allein um 5"” verkürzt wurde (so viel betrug die Gesammtdicke der sieben Bleche, deren Wider- stand vernachlässigt werden kann), sondern zugleich, wegen der durch die Bleche verdrängten Flüssigkeit, an Querschnitt zunahm, so nahm der Widerstand des Troges durch das Einsenken der sieben Bleche um t/, ab. Ich hatte aber, hierauf rechnend, einen so bedeutenden 11+ 154 metallischen Widerstand in den Kreis eingeführt, dass eine Verkür- zung des Troges um ?/,, wie sie die Folge des Versenkens der äusser- sten, als Elektroden dienenden Bleche in zwei einander zunächst be- findliche Falze war, den Widerstand des Kreises nur um 1/jgg, das Einsenken der sieben Bleche denselben folglich nur um 1/44, vermin- derte. Bei einer Ablenkung von 150 Scalentheilen musste also die durch Verminderung des Widerstandes beim Einsenken der Bleche erzeugte Vermehrung der Stromstärke unter 0.1 Scalentheil bleiben, und es hätte mir nicht entgehen können, wenn die sieben Bleche, deren jedes ein Elektrodenpaar von nur 2.65 Quadratcentimeter Ober- fläche vorstellte, durch eine der des primären Stromes entgegengesetzte elektromotorische Kraft, eine Verkleinerung der Ablenkung auch nur um 0.2, oder eine Schwächung des Stromes um 1/;9, d. h. also jedes Blech eine Schwächung um etwa 1/.jgo, hervorgebracht hätten. Ich konnte aber mit dem Strome der zwar nieht durch Nebenschliessung, wohl aber durch die eingeführten Widerstände sehr geschwächten Gr o- ve’schen Kette nichts der Art wahrnehmen. Mit sehr schwachen Strömen traten beim Einsenken und Herausnehmen jeder einzelnen Platte Spuren von Wirkung, bald in der einen, bald in der anderen Richtung auf, die aber sichtlich nicht auf Polarisation, sondern auf leichter Ungleich- artigkeit der beiden Seiten der Platten beruhten. Da bei dieser Versuchsweise die Oberfläche der Elektroden, ob- schon im Vergleich zu der, die man in thierisch-elektrischen Ver- suchen anwenden kann, nur klein, mit Rücksicht auf den Zweck, die Ladungsfähigkeit zu prüfen, immerhin eine grosse zu nennen war, so änderte ich die Anordnung noch in folgender Art ab, wobei ich zwar eine beliebig kleine Oberfläche, jedoch nur noch ein Elektrodenpaar anwenden konnte. In den Kreis einer zweigliederigen Grove’schen Säule und der Bussole wurden zwei verquickte Zinkbleche eingeschaltet, die in zwei Gefässe A und B mit derselben Zinklösung, wie oben, tauchten. A und B waren durch ein 250"" langes zweimal rechtwinklich gebo- genes, mit derselben Lösung gefülltes Thermometerrohr verbunden. Neben B stand ein drittes ähnliches Gefäss © mit Zinklösung. In B und ( tauchten verquiekte Zinkdrähte von 0.5"m Durchmesser 5m 155 tief, also mit einer Oberfläche von 7—8 Quadratmillimetern, ein. Die- selben waren metallisch verbunden und stellten das plötzlich in den Kreis einzuführende Elektrodenpaar vor. Die Einführung geschah einfach so, dass das Thermometerrohr, während sein eines Ende in A stecken blieb, mit seinem anderen Ende aus B in C übertragen wurde. Natürlich verschwand unter diesen Umständen jeder andere Widerstand im Kreise, auch der etwaige Uebergangswiderstand, gegen den des capillaren Flüssigkeitsfadens im Thermometerrohr, und die Einführung des Gefässes C liess demnach auch zuerst die Stromstärke durchaus unverändert. Jedoch durfte dabei das Rohr nicht mit den Fingern angefasst werden, sondern es ward nothwendig, es mittels einer Handhabe zu bewegen, weil die durch die Finger bewirkte ge- ringe Temperaturerhöhung des Rohres wegen des dadurch vermin- derten Widerstandes des Flüssigkeitsfadens sofort einen Ausschlag um mehrere Scalentheile hervorbrachte, so dass man sich einer solchen Vorrichtung als eines höchst empfindlichen 'Thermoskops bedienen könnte. Wenn aber C' eine Zeit lang im Kreise gewesen war und dann plötzlich wieder durch Zurückführung des entsprechenden Endes des Thermometerrohrs nach B davon ausgeschlossen wurde, fand aller- dings in einigen Fällen eine geringe Vermehrung der Stromstärke statt, die sich jedoch höchstens auf 1/34, belief. Mit frisch verquiekten Drähten aber habe ich auch gesehen, dass bei über 200 Scalentheilen Ablenkung der Faden sich genau an derselben Stelle der Scale wie- der einfand, die er mit dem Elektrodenpaar im Kreise zuletzt inne hatte. Die Stromstärke war in diesem Versuche trotz der bedeuten- den elektromotorischen Kraft, wegen des ungeheuren Widerstandes, nicht viel grösser, als die des Muskelstromes. Mit Zinklösung, die mit einem gleichen Volum Wassers verdünnt worden war, gaben frisch verquickte Zinkdrähte, die in gesättigter Lösung keine Spur von Schwächung erzeugt hatten, etwa 1/,,0 Strom- abnahme. Dies scheint zwar mit dem zu stimmen, was wir ‘an der Siemens’schen Wippe mit dem verquickten Zink in verdünnter Zink- lösung beobachtet haben (s. oben S. 147), doch möchte ich vor der Hand nichts darauf geben. Wie dem auch sei, man sieht, dass sich auf diesem Wege, wie mit der Siemens’schen Wippe, die Ladung 156 des verquickten Zinks in schwefelsaurer Zinkoxydlösung im günstig- sten Falle nur eben spurweise darthun lässt. Als aber die verquiekten Zinkdrähte durch Elektroden aus reinem Zink ersetzt wurden, betrug die Stromschwächung mit der gesättigten Lösung 1/,,, mit der verdünnten, gleichfalls in Uebereinstimmung mit dem an der Siemens’schen Wippe Wahrgenommenen (s. oben 8. 147) sogar op: Jetzt wiederholte ich dieselben Versuche, sowohl die eben be- schriebenen, als den mit dem Trog voll Zwischenplatten, mit Kupfer- elektroden in Kupferlösung. Der Versuch im Troge konnte indess wegen der Ungleichartigkeiten der Platten nur mit so starken Strö- men angestellt werden, dass gegen die denselben zu Grunde liegende elektromotorische Kraft die jener Ungleichartigkeiten verschwand. Es ergab sich, dass bei dieser Art der Prüfung das Kupfer in Kupfer- lösung ungefähr dasselbe höchst geringe Maass von Polarisirbarkeit zeigte, wie zuweilen das verquickte Zink in Zinklösung. Im Troge war die Polarisation unwahrnehmbar, mit einem Paar Drahtelektroden betrug sie ungefähr 1/;gg, Es hat also, wenn man von den so eben erwähnten Fällen absieht, wo das frisch verquickte Zink durchaus keine bemerkbare Stromschwächung bewirkte, in der That den An- schein, als ob an der Siemens’schen und an der Poggendorff- schen Wippe die Polarisation des Kupfers die des verquickten Zinks nur deshalb übertroffen habe, weil erstere minder flüchtig sei. In- dessen ist es doch unmöglich, dass die elektromotorische Gegenkraft des Kupfers in Kupferlösung während der Dauer des primären Stromes nur etwa 1/,., betrage, und nach dem Aufhören desselben an der Siemens’schen Wippe eine Wirkung erzeuge, der im Mittel eine elektromotorische Kraft von 1/j,,, wegen der sofort beginnenden Ab- gleichung anfangs also noch eine viel bedeutendere, zu Grunde liegen muss. ‚Ich vermuthe deshalb, dass die oben 8. 150 bemerkte positive Polarisation des Kupfers in Kupferlösung sich hier in der Weise ein- gemischt habe, dass die wahrgenommene Wirkung nur der Unter- schied der negativen und der positiven Ladung war, während an der Siemens’'schen Wippe, ganz wie es bei dem käuflichen Zink der 157 Fall ist (s. oben S. 137. 138), allein die negative Ladung zur Er- scheinung kommt. Nach alledem kann keine Frage mehr sein, welcher Combination wir, um bei thierisch-elektrischen und bei Reizversuchen die Polari- sation zu vermeiden, den Vorzug zu geben haben werden. Von denı reinen Zink in Zinklösung kann begreiflich dabei die Rede nicht mehr sein. Was das Kupfer in Kupferlösung betrifft, so wird bei Anwen- dung grösserer Elektrodenflichen dessen Polarisation zwar auch un- merklich, bei kleineren hat sie sich uns, im geschlossenen primären Kreise, als von gleicher Ordnung mit der des nicht mehr ganz frisch verquiekten Zinks gezeigt. Abgesehen indess von der Unsicherheit die noch über diesem letzteren Ergebniss schwebt, versteht es sich doch von selbst, dass dem verquiekten Zink in Zinklösung der Vor- zug gebührt wegen jener wunderbaren Gleichartigkeit, wodurch sich diese Uombination vor allen anderen auszeichnet. Wir haben uns bis jetzt ausschliesslich mit der Beseitigung der an der Grenze der metallischen Multiplieatorenden und der zuleiten- den Flüssigkeit auftretenden elektromotorischen Gegenkraft beschäf- tigt. Es könnte scheinen, als ob nun auch noch der Uebergangs- widerstand eine eben so sorgfältige Berücksichtigung verlange. In- dessen ist zu erwägen, dass erstens der Uebergangswiderstand im Allgemeinen mit der Polarisation gleichen Schritt hält, so dass beide gleichzeitig unmerklich werden dürften; zweitens, dass dieser Wider- stand gegen den der Muskeln, vollends der Nerven, der Biweiss- häutchen, der übrigen flüssigen Theile des Kreises, endlich des Multi- plicatorgewindes, bei Reizversuchen der Pflüger'schen Eiweissröh- ren 1), nothwendig verschwinden müsse. Worauf die Gleichartigkeit des verquickten Zinks in Zinklösung beruhe, weiss ich nich. Wo Hr. Faraday von dem von Kemp erfundenen und so wichtig gewordenen Kunstgriff handelt, die Zink- platten der galvanischen Ketten durch Verquickung vor dem örtlichen Angriff der Säure zu schützen, sagt er: „lt is probable that the 1) Untersuchungen über die Physiologie des Electrotonus. Berlin 1859. 8.98. 1. * 158 „mercury acts by bringing the surface, in consequence of its Auidity, „into one uniform condition, and preventing those differences in „Character between one spot and another which are necessary for the „formation of the minute voltaie eireuits referred to. If any difference „does exist at the first moment, with regard to the proportion of zine „and mereury, at one spot on the surface, as compared with another, „that spot having the least mercury is first acted on, and, by solution „of the zine, is soon placed in the same condition as the other parts, „and the whole plate rendered superficially uniform.“ 1). Diese sinn- reiche Betrachtung passt aber schwerlich ‚auf unseren Fall. Zugege- ben, dass in den angewandten Zinklösungen jene Ausgleichung der mit verschiedenen Mengen Zinks und Quecksilbers behafteten Stellen noch möglich sei, würde doch zu erinnern sein, dass gerade in ver- dünnter Schwefelsäure verquickte Zinkelektroden ungeheure Ungleich- artigkeiten offenbaren ; dass man leicht an ihrer Oberfläche Ungleich- artigkeiten mittels Jäger's Verfahren (durch aufgelegtes, mit de- - stillirtem Wasser befeuchtetes Lakmuspapier) entdecke 2); endlich dass, wie oben S. 143. 144 berichtet wurde, verquickte Zinkplatten unter Umständen gleichartig erscheinen, wo Zink und Quecksilber ganz gewiss nicht gleichförmig an ihrer Oberfläche vertbeilt sind. Zwei Quecksilberkuppen unter verdünnter Schwefelsäure als Elektro- den benutzt, liessen bedeutende Ungleichartigkeiten hervortreten, Ebensowenig weiss ich über die Ursache der Unpolarisirbarkeit unserer Combination etwas beizubringen. Wie wenig zu erwarten dies Verhalten von vorn herein war, habe ich schon oben 8. 122. 123 angedeutet. Da es dennoch stattfindet, so muss man sich vielleicht denken, dass die Quecksilbertheilchen als solche nicht mehr in elek- tromotorische Wechselwirkung mit dem Wasserstoff zu treten ver- mögen, sondern nur als Bestandtheile der Atomgruppen von Zink- amalgam. Quecksilber unter verdünnter Schwefelsäure gab an der 1) Experimental Researches in Electricity. Reprinted from the Philosophical Transactions ete. London 1839. Vol. I. p. 304. Ser. VIII. 1834. No. 1000; * — Poggendorff’s Annalen u. s. w. 1835. Bd. XXXV. S. 238, * ?) Untersuchungen u. s. w. Bd. I. S. 613, 159 Siemens’schen Wippe a = — Es ist also nicht daran zu den- ken, dass die geringe Ladungsfähigkeit des verquickten Zinks von der Flüssigkeit der Oberfläche herrühre, vollends nicht, da bereits krystallinisch gewordenes Amalgam dieselbe Eigenschaft zeigt. Ver- quicktes Zink verhält sich nach J. W. Ritter’s Entdeckung positiv gegen nicht verquicktes ?), und mag deshalb mit Wasserstoff weniger stark elektromotorisch wirken, Wenn dies aber auch, was schwerlich der Fall ist, die Vernichtung der so bedeutenden negativen Ladungs- fähigkeit des rohen Zinks durch die Verquiekung ausreichend erklärte, so bliebe noch immer das Räthsel übrig, wie auch die an und für sich so geheimnissvolle, positive Polarisirbarkeit zugleich ein Ende nehmen könne. Es ist klar, dass zum Verständniss dieser Vorgänge ein sehr viel eingehenderes Studium desselben erforderlich wäre. Es müsste die Polarisation jeder einzelnen Elektrode, die Abhängigkeit der Gleich- artigkeit und Polarisıtion von der Concentration der Lösung inner- halb weiterer Grenzen, der Einfluss der Verquiekung auf Gleichartig- keit und Polarisation anderer Metalle und vieles Andere erforscht sein, ehe man daran denken könnte, hier zur Einsicht zu gelangen. Es lag, wie gesagt, nicht in meinem Plane, mich mit der Lösung solcher Aufgaben zu befassen, sondern ich durfte nunmehr durch Auffindung einer unpolarisirbaren und überdies von Natur gleichartigen Combi- nation mein Ziel für erreicht, ja meine Wünsche für übertroffen halten. Die thierisch-elektrischen und die Reizversuche werden von nun an eine andere Gestalt annehmen. Jenes Heer von Schwierigkeiten, welches, wenigstens am Neıven-Multiplicator, stets noch aus Ungleich- artigkeiten auch der am sorgfältigsten behandelten Platinplatten er- wächst, und gegen welches ich in früherer Zeit so manchen qual- vollen Tag vergeblich gestritten, hatte ich nun freilich schon längst dadurch zu besiegen gelernt, dass ich den Multiplicatorkreis zur Ne- benschliessung einer Daniell’schen Kette in der Art machte, wie dies oben 8. 129. 130 für den die Elektroden enthaltenden Kreis vorge- stellt ist, und jeder auftauchenden Ungleichartigkeit sofort mit einer ') Gilbert’s Annalen der Physik. 1804. Bd. XVI. S. 303 fi, * 160 gleichen und entgegengesetzten, dem Daniell mittels einer passenden Länge des Nebenschliessungsdrahtes entlehnten, elektromotorischen Kraft begegnete. Allein viel besser wird es sein, ohne alle Vorbe- reitung, Vorsichtsmaassregel und Hülfsvorrichtung, ohne Waschen, Ausglühen, Einhüllen in den Fliesspapiermantel, Firnissen, Ge- schlossenstehenlassen, Compensiren u. s. w., in jedem Augenblick über völlig gleichartige und unter allen Umständen auch gleichartig bleibende Elektroden zu gebieten, die man sich noch dazu, da sie keinen in Betracht kommenden Geldwerth haben, in beliebiger An- zahl verschaffen kann. Man braucht die Zuleitungsgefässe nicht mehr zum Kreise geschlossen, ja nicht einmal mehr zusammengesetzt zu halten, sondern man hat nur dafür zu sorgen, dass in der Zwischen- zeit der Versuche die Lösung in den Biuschen nicht kıystallisire. Die ganze Vorrichtung wird übrigens jetzt passend dahin abzuändern sein, dass die Zuleitungsgefässe selber aus Zink gegossen, auswendig lackirt, inwendig verquickt, zur Isolirung auf ein paar Glasstreifen gekittet, und unmittelbar mit der Klemmschraube zur Aufnahme der Multiplicatorenden versehen werden. Ich habe zur Anfertigung die- ser neuen Zuleitungsgefässe bereits die Einleitung. getroffen. Von dieser Seite also werden nun die bisher so beschwerlichen tbierisch-elektrischen Versuche plötzlich zu den leichtesten, die es ge- ben kann. Aber durch den Fortfall der Polarisation in irgend in Be- tracht kommenden Maasse wird jetzt zugleich eine Menge von Versuchen möglich gemacht, auf deren Ausführung man früher zu verzichten hatte, und eine Menge anderer nimmt eine einfachere Ge- stalt an, in der sich der den thierischeu Erregern zukommende Antheil an der Erscheinung klarer ausspricht als bisher. Der Vorschlag des Hrn. Beins, bei den thierisch-elektrischen Versuchen einen Depola- risator nach Art der von Hın. Beequerel d. V. angegebenen an- zuwenden 1), ist nun überflüssig gemacht. Mit den absolut gleich- 1) Verhandeling over de Galvanische Polarisatie met betrekking tot de Leer der dierlijke Electrieiteit, etc. Groningen 1858. * — Van Deen, Vergelijking tusschen het door H. Beins uitgevonden werktuig tot onderzoek van dierlijke 161 artigen, unpolarisirbaren verquiekten Zinkelektroden zur Ableitung; mit dem Prineip der Nebenleitung zur Erzeugung auf's Feinste abge- stufter elektromotorischer Kräfte jeder Ordnung; endlich mit der Spiegelbussole, die, bei gleicher Empfindlichkeit mit dem Nerven- Multiplicator (s. oben $. 128) keiner schwierigen und vergänglichen Graduirung mehr bedarf: steht jetzt nichts mehr in diesem Gebiete der Ausführung messender Versuche entgegen, und eine neue Bahn wichtiger Untersuchungen ist eröffnet. Die Erfahrung hat noch zu lehren, welcher Zinklösung bei den thierisch-elektrischen Versuchen der Vorzug zu geben sei. Die ge- sättigte Chlorzinklösung dürfte, wegen ihrer Wassergier, ihres gerin- gen Leitvermögens, vorzüglich aber deshalb von vorn herein zu ver- werfen sein, weil sie nach den Angaben des Hrn. F. Schulze in Rostock, und der Hın. Barreswil und Rilliet, auf die Cellulose der Biäusche ähnlich wie Schwefelsäure wirken, d. h. dieselbe auf- lösen würde. Ob nieht auch verdünnte Chlorzinklösung bei monate- langer Berührung zuletzt die Consistenz des Papiers zu beeinträchti- gen vermöge, ist noch unbekannt. Jedenfalls richtet sich unter diesen Umständen die Aufmerksamkeit zunächst mehr auf die schwefelsaure Zinkoxydlösung, und es würde sich nur noch fragen, ob die gesättigte oder die mit dem gleichen Volum Wassers verdünnte Lösung für den Gebrauch die bessere sei. Für die Anwendung der letzteren wiirde sprechen, dass sie er- stens die thierischen Theile minder heftig anätzen würde, und dass sie zweitens besser leitet. In der That erscheint das schlechte Leitvermögen der Zinklösun- gen überhaupt 1) hier zuerst als kein ganz ungewichtiger Uebelstand. Electriciteit en den tot hetzelfde doel gebezigden toestel van E. du Bois-Rey- mond. * (Separat-Abdruck.) — Vergl. Becquerel in Annales de Chimie et de Physique. 3me Serie. 1854. T. XLII. p. 389 et suiv. * 7) Journal für praktische Chemie. 1852. Bd. LVI. S. 58. * ?) Nach Hrn. E. Becquerel*(s. oben $. 119. Anm.) leitet nämlich gesättigte Na Ol lösung besser als Bee BO sung nn ee te ee em 162 Zwar nicht so sehr wegen der dadurch bedingten Vermehrung des Widerstandes des Multiplicatorkreises. Denn durch den Fortfall der Polarisation wird doch die Stärke wenigstens der dauernden Wirkung der thierisch-elektrischen Ströme im Multiplicatorkreise sehr erhöht sein. Allein erstens kann man, wie ich gefunden habe, nun nicht mehr durch einen neben dem Muskel über die Zuleitungsbäusche ge- brückten Schliessungsbausch den Muskelstrom im Multiplicator zum Verschwinden bringen, oder, wie ich es nenne, abblenden, was in vie- len Fällen ein nützlicher Kunstgriff ist. Zweitens besitzt Fliesspapier mit Kupferlösung getränkt, wegen des geringen Leitungsvermögens derselben, ein gewisses, wenn auch sehr kleines Maass innerer Po- larisirbarkeit 1). Unzweifelhaft wird ihm dasselbe auch mit den Zink- lösungen zustehen. Inzwischen wird man sich, was das Abblenden des Stromes be- trifft, nunmehr dazu, anstatt des Schliessungsbausches, einer ver- quiekten Zinkplatte bedienen können. In Ansehung des zweiten Punk- tes ist nicht zu vergessen, dass, um am Nerven-Multiplicator Spuren der inneren Polarisation mit Kupferlösung getränkten Fliesspapieres wahrzunehmen, balkenförmige Bäusche von viel grösserer Länge und viel kleinerem Querschnitt als Zuleitungsbäusche sie darbieten 2), dem Strom einer dreissiggliederigen Grove’schen Säule ausgesetzt wurden. Die innere Polarisation dürfte folglich hier unmerklich sein. Ohnehin wird man, bei Anwendung auch der mit verdünnter Zinklösung getränkten Bäu- sche, die gleichfalls innerlich polarisirbaren Eiweisshäutehen nicht ent- behren können. Sollen auch diese Spuren nicht dem thierischen Er- reger angehöriger inneren Ladung aus dem Kreise verbannt werden, gesättigte Zn SO,lösung . er N c 5.46 mal „ alraın und HO aad. Vol.nach . » .... .. 442 „ = „a4 ee u EN te. . Ba Ehen. „4 76 2 PER ZEREEnEE E n nn n Bude ur“ ” (für Zn Cl mit Zugrundelegung meiner oben S. 147 angeführten Bestimmung). 1) S. diese Zeitschrift Bd. IV. 1858. S. 162. 2) Ebendas. S. 151. 163 so bleibt nichts übrig, als eine Einrichtung, ähnlich den von Hrn. Pflüger angegebenen Eiweissröhren, die in ihrer jetzigen Gestalt für die Ableitung der thierisch-elektrischen Ströme einen viel zu grossen Widerstand haben. Und selbst alsdann wird man noch nicht aller Ladung ausserhalb des thierischen Erregers ledig sein, da an der Grenze der Zinklösung und des Eiweisses unzweifelhaft eine, wenn auch ihrer Richtung und Grösse nach noch nicht erforschte Polarisation stattfindet 1). Da nun zudenı der Unterschied zwischen dem Leitvermögen der gesättigten und der verdünnten Lösung auch nur klein ist, so wird natürlich Alles darauf ankommen, ob die letztere gleich der ersteren dauernd und sicher den Vortheil der vollkommenen Gleichartigkeit der ableitenden Vorrichtung gewähre. Hierüber zu urtheilen bin ich nach meinen jetzigen Erfahrungen noch nicht im Stande. Thatsache ist nur, dass von zwei verquickten Zinkplatten, deren eine in gesättigter, die andere in verdünnter Lösung steht, während ein mit verdünnter Lösung gefülltes, mit Goldschlägerhaut überbundenes Schliessungsrohr die Verbindung herstellt, die letztere sich so stark positiv gegen die erstere zeigt, dass die Nadel des Nerven-Multiplicators dadurch dauernd an der Hemmung gehalten wird. Danach ist zu besorgen, dass auch schon solche Unterschiede in der Concentration der in beiden Zulei- tungsgefässen enthaltenen Lösungen, wie sie sich im Laufe der Ver- suche einstellen können, bereits merklich elektromotorisch wirken dürf- ten. In diesem Falle würde natürlich, trotz ihrem geringeren Leit- vermögen, der gesättigten Lösung der Vorzug zu schenken sein, welche nur durch Verdünnung, wozu keine Gelegenheit ist, nieht aber durch Verdunstung, ungleichartig werden kann. Jenen Uebelstand, der bei der gesättigten Kochsalzlösung so lästig fällt, nämlich das Efflo- resciren des Salzes 2), hat man hier nicht zu fürchten, da einmal, 1) 8. ebendaselbst S. 144. 2) Mit Kochsalz ist hier das käufliche Salz der K. Preussischen Salinen ge- meint, wie es vor der Erbohrung der Stassfurter Steinsalzlager im Handel vorkam. Hr. Prof. Funke hat mir mitgetheilt, dass nach seinen Erfahrungen bei thierisch- 164 wie bemerkt, nicht mehr nöthig sein wird, die Vorrichtung dauernd zusammengesetzi zu halten, und da für's zweite die gesättigte schwe- felsaure Zinkoxydlösung sehr viel weniger als die Kochsalzlösung effloreseirt. elektrischen Versuchen, die nach meiner Vorschrift angestellt wurden, chemisch reine Chlornatriumlösung jene lästige Erschemung nicht zeigiee Wie sich Lösung des Stassfurter Steinsalzes in dieser Beziehung verhalte, weiss ich noch nicht. VI. Ueber die Muskelfasern der Mollusken. Ein Beitrag zur vergleichenden Structur und Entwicklungs-Lehre des Muskelgewebes. Von Dr. Theodor Margo, Docenten der Histologie und s. Professor an der k. k. Universität zu Pest !). (Mit 1 Tafel). Die von mir über die Bildung und den feineren Bau der Muskel- fasern angestellten vergleichenden Untersuchungen ?) haben Resultate geliefert, welche bei der unstreitig hohen Wiehtigkeit des Gegenstandes mein Interesse in der Folge um so mehr erregen mussten, als sich daraus für das Verständniss des Muskelgewebes manche neue und bis jetzt unbekannte Gesichtspunkte ergeben hatten. Es ist mir nämlich gelungen durch eine Reihe von Beobachtungen zu zeigen, dass die Bildungsstätten der Fleischsubstanz eigenthümlich metamorphosirte Zellengebilde (Sareoplasten) sind, und dass der con- tractile Inhalt des Sarcolemma aus der Verschmelzung der Sarcoplasten hervorgehe. Dieser Bildungsmodus wurde nicht nur an verschiedenen Wirbelthieren und am Menschen, sondern auch an Inseeten und Oru- staceen beobachtet. 1) Aus den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften, vom Herrn Verfasser mitgetheilt. 2) Neue Untersuchungen über die Entwickelung, das Wachsthum, die Neubil- dung und den feineren Bau der Muskelfasern. Diese Zeitschrift Bd. VI. 166 Seit jener Zeit habe ich diesen Gegenstand auch an verschiedenen Mollusken vorgenommen und meine früheren Beobachtungen auch an diesen Thieren vollkommen bestätigt gefunden. Es wurde hierbei dieselbe Untersuchungsmethode in Anwendung gebracht, die ich bereits bei meinen früheren Untersuchungen als die zweckentsprechendste befunden. Die möglichst lebensfrischen Thiere wurden in Alkohol ertränkt, und nachdem sie einige Zeit darin gelegen hatten, der Präparation unterworfen und in sehr diluirter Lösung von doppeltehromsaurem Kali aufbewahrt. Durch die Güte der Herren Professoren E.Brücke undK. Wedl fand ich mich in der Lage eine Anzahl von verschiedenen Mollusken (Acephalen, Gasteropoden und Cephalopoden) genauer studiren zu kön- nen; andererseits aber lieferten mir die in grosser Menge um Pest vor- kommenden Anodonten zu diesem Zwecke ein eben so reichliches als treffliches Material. Möge es mir nun gestattet sein hier das, was sich bei diesen Untersuchungen sowohl über die eigenthümlichen Structurverhältnisse der in Frage stehenden Muskelfasern der Mollusken, wie auch über ihre Bildung und ihr Wachsthum mir ergeben hat, im Folgenden mit- zutheilen. I Struetur der Muskelfasern. Was zunächst die feineren Structurverhältnisse der Muskel-Elemente von Mollusken anbelangt, so haben wohl die meisten Forscher bis jetzt nur glatte oder homogene Muskelfasern bei diesen Thieren angenommen. So sollen nach R. Wagner's Untersuchungen !) bei allen Ce- phalopoden, Gasteropoden, gehäusigen Acephalen und Aseidien durch- gängig „Muskelfasern ohne Querstreifen“ vorkommen. Auch Reichert?) sah sowohl in dem Mantel der Mollusken, wie im Darm, so wie in den Schliessmuskeln der Bivalven „nur ungestreifte Muskelfasern“, und erwähnt nur der einzigen Ausnahme von der Regel, dass bei Turbo rugosus einige kleine vom Mantel zum Schlundkopfe gehende Muskeln aus quergestreiften Muskelbündeln gebildet sind. 1) J. Müller’s Handbuch der Physiologie des Menschen. 1835, 2. Bd., 1. Ab- theil., 8. 318. 2) Jahresbericht, in Müller’s Archiv. 1841, S. 285. . 167 R. Owen 1) drückt sich über die Structur der Muskelfasern bei den Mollusken folgendermaassen aus: „the voluntary muscular fibre of the molluseous animals is distinguished from that of the Articulate and Vertebrate animals by the absence of the transverse striae.“ W. Bowman, dem wir sonst über die Histologie der Muskeln nicht wenig zu verdanken haben, scheint sich mit den Muskelfasern der Mollusken nicht näher befasst zu haben; wahrscheinlich jedoch hat derselbe auch bei diesen, wie auch bei anderen niederen Thieren, da und dort, wiewohl nicht ganz deutliche Querstreifen gesehen, wie dies aus folgender Stelle seiner Beschreibung ersichtlich ist: „But in the lower animals, we find, that the distincetive characters of the two va- rieties begin to merge in to one another and be lost. The transverse stripes grow irregular, not parallel, interrupted; a fibre at one part will possess them, at another part will be without them“ 2). Einige nähere Angaben über diesen Gegenstand finden sich bei Eschricht, Lebert und Robin, Leydig, Kölliker, H. Mül- ler, Semper 3) und Gegenbauer. D. F. Eschricht'’s ?) Untersuchungen beziehen sich bloss auf Molluskoiden, namentlich Salpen, bei denen er die Muskelfasern deut- lich quergestreift fand, besonders an alten Weingeistexemplaren deut- licher, als vielleicht bei irgend einem Wirbelthiere oder Artieulaten. H. Lebert und Ch. Robin) haben ferner im Fusse von Pecten und Pagurus streblonyx, so wie im Magen von Aphrodite, C. Gegen- bauer #) am Retractor oculi bei verschiedenen Helieinen und bei 1) Art. „Mollusca“, in Todd’s Cyclopaedia of Anatomy and Physiology. Vol. II. 1847, p. 365. 2) Art. „Muscle“ in Todd's Cyclopaedia of Anatomy and Physiology. Vol. III. 1847, p. 519. 2) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. VII. Bd., 1856, S. 345 u. £. 4) Müller's Archiv 1841, S.42. Das dänische Original „Anatomisk-physiologiske Undersögelser over Salperne, Kjöbenhavn 1840. 4. Taf. 5“ stand mir leider nicht zu Gebote. %) Kurze Notiz über allgemeine vergleichende Anatomie niederer Thiere. Müller's Archiv. 1846, 8. 127. ®) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Landgasteropoden. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. TIL. Bd., 1851, 8. 383. MOLESCHOTT, Untersuchungen, VIE, 12 168 Limaz, H. Müller 1) in den Kiemenherzen der Cephalopoden, Kölli- ker ?) bei einigen Mollusken, Leydig an Cephalopoden 3) (Sepiole und Loligo) und im Schlundkopfe und Herzen der Paludina vivipara u) Muskelfasern mit mehr oder weniger deutlicher Querstreifenbildung; wahrgenommen. Aus ihrer Beschreibung lässt sich jedoch mit Sicher- heit nicht entnehmen, welcher Art die an den Muskelfasern der Mol- lusken beobachteten Querstreifen waren. Die meisten scheinen dieselben eher für Runzelungen der Oberfläche, als für wirkliche Querstreifen — den höheren Thieren analog — zu betrachten, wie dies G. Meiss- ner 5) neuerer Zeit von den musculösen Faserzellen im contrahirten Zustande und von Hessling ®) auch von den Muskelfasern der La- mellibranchiaten zu behaupten geneigt sind. Ich habe bereits gezeigt, dass wirkliche Querstreifen auch an den Elementen der organischen Muskeln vorkommen, wo sie ebenso wie bei den quergestreiften Muskelfasern durch die in Querreihen gelagerten sarcous elements in der homogenen Grundsubstanz erzeugt werden ?). In der vorliegenden Abhandlung, soll nun ausführlich dargelegt werden, dass dies auch bei den Muskelfasern der Mollusken der Fall ist, und dass die Querstreifenbildung bei Lietzteren durch dieselben bedingenden Momente, wie bei Wirbelthieren und Articulaten, hervor- gerufen wird. Untersucht man die Muskelfasern aus den Schliessmuskeln voll- kommen ausgewachsener Anodonten (A. cygnea, A. anatina), nachdem man sie nach der oben angegebenen Methode behandelt und sorgfältig 1) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. V. Bd., 1853, S. 345. 2) Würzburger Verhaudlung, Bd. VIII, S. 109. 3) Kleinere Mittheilungen zur thierischen Gewebelehre; Müller’s Archiv, 1854, S. 304. 4) Ueber Paludino vivipara. In Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. II. Bd., 1850, S. 191. 5) Henle und Pfeufer's Zeitschr. für rat. Med. Reihe III, Bd. II, S. 316. 6) Canstatt’s Jahresbericht für 1858, S. 234. 7) Neue Untersuchungen über die Entwickelung u. s. w. — Separatabdruck aus dem XXXVI. Bd. der Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften. 1859, S. 18 und 19, 169 isolirt hat, bei 200maliger Vergrösserung, so überzeugt man sich bald, dass dieselben in Bezug auf ihre Dieke oder Breite, Gestalt und Be- sehaffenheit des contractilen Inhaltes verschieden sein können. Die Breite derselben schwankt von 0:0070 bis 0:0105 Millim., ja 0'0108 Millim. — Die Gestalt ist eine mehr minder abgeplattet cylindrische, oder auch ganz eylindrische, wie dies an Querschnitten getrockneter _ Muskeln, nachdem sie durch Anfeuchtung ihre ursprüngliche Gestalt wieder erlangt haben, noch leichter zu sehen ist (Fig. 4). Gewöhnlich _ aber zeigen dann die Durchschnitte einzelner Muskelfasern durch gegenseitigen Druck eine mehr weniger polygonale Gestalt. Mehrere solche Muskelfasern, zu 12—20 und darüber, liegen neben einander und bilden primäre Bündel, die mit einer Hülle von Binde- substanz versehen sind. Diese Bündel gruppiren sich dann noch zu secundären und tertiären Bündeln, deren Hüllen wieder von einer ent- sprechend mächtigeren Schiehte von Bindesubstanz gebildet werden. Dass die primären Bündel stets eine wenn auch sehr dünne, kaum wahrnehmbare Hülle von Bindesubstanz besitzen, davon kann man sich in zweifelhaften Fällen nach Zusatz von etwas Essigsäure oder Oxal- säure vollkommen überzeugen, indem die aufquellenden Hüllen dadurch - deutlicher zum Vorschein kommen und so ihre Gegenwart auch dem minder Geübten verrathen. Was die Endigung dieser Muskelfasern, deren Länge eine sehr verschiedene sein kann, anlangt, so finde ich, dass dieselben entweder allmälig verjüngt mit einer einfachen, abgerundeten Spitze enden, oder sie sind an einem Ende mehr verbreitert, oder endlich theilen sich die- selben gegen das eine Ende hin in 2—3 und mehr Zacken (Fig. 15, b), die nicht selten in sehr feine sehnenartige Fasern auszu- laufen scheinen. Mitunter bemerkt man an diesen Muskelfasern auch einzelne seitliche Fortsätze von verschiedener Länge, die mit der Achse der Muskelfaser stets einen schiefen Winkel bilden und nicht selten sich in zwei noch kleinere knospenartige Aeste theilen (Fig. 2). Betrachtet man jede einzelne Muskelfaser genauer und mit stär- keren Vergrösserungen, so fallen dem Beobachter gleich ihre verschie- denen Structurverhältnisse auf, mit welchen wir uns hier etwas mehr beschäftigen wollen. 12% 170 Einige, namentlich die feinsten Muskelfasern, scheinen gar kein Sarcolemma zu besitzen, wenigstens lässt sich dieses weder durch Rea- gentien, noch durch Druck oder andere Hülfsmittel mit Gewissheit nach- weisen. Diese Muskelfasern sind gewöhnlich einfach, nie getheilt, ver- laufen oft sanft gebogen und geschwungen und zeigen meist ein gleich- mässiges glänzendes homogenes Ansehen. Ihr Inhalt lässt aber bei sehr starker Vergrösserung und günstiger Beleuchtung dicht neben einander liegende starklichtbrechende Pünktchen oder sehr kleine Körn- chen erkennen (wahrscheinlich sehr kleine Disdiaklastengruppen), da und dort sieht man auch Kerne, meist ovale, mit einem Kermkörper- chen durchseheinen, gewöhnlich jedoch zeigen sich diese erst nach Zusatz von Essigsäure deutlicher. Ausser diesen Muskelfasern giebt es innerhalb desselben Bündels auch solche, die neben grösserer Breite, deutlicherem Sareolemma, auch ganz deutliche Querstreifung zeigen. Schon bei einer 200maligen Ver- grösserung (eines Powell und Lealand’schen Mikroskopes) war ich im Stande diese den quergestreiften Muskelfasern höherer Thiere ganz analogen Muskelelemente zu erkennen (Fig. 1a, b, 5). Bei 360— 525maliger Vergrösserung konnte ich (wie auch Prof. E. Brücke, dem ich die Präparate vorlegte) die volle Ueberzeugung gewinnen, dass die Querstreifen durch parallele Querreihen von sarcous elements er- zeugt werden, und dass hier von einem Irrthume oder einer etwaigen Verwechselung derselben mit Runzelungen der Oberfläche durchaus keine Rede sein kann. Es kommen zwar bei Muskelfasern der Mollusken nicht selten Faltungen oder Runzelungen vor, so dass die Muskelfaser dann das Bild eines ziekzackförmig gefalteten Bandes oder eine Reihe von wellenförmig verlaufenden Bergen und Thälern auf der Oberfläche zeigt. Diese Bilder jedoch sind von den eben genannten echten Quer- streifen nicht schwer zu unterscheiden. Fig. 2 A, stellt eine quergestreifte Muskelfaser dar aus dem Scha- lenschliesser der Anodonta bei 360maliger Vergrösserung. Die contractile "Substanz sieht man hier zusammengesetzt aus den geformten runden sarcous elements und der homogenen Grundsub- stanz, in welcher erstere eingebettet sind. Die sarcous elements er- scheinen in regelmässigen, parallelen und zur Längsachse der Muskel- 171 faser senkrechten Reihen neben einander gelagert, mit deutlichen Oon- touren begrenzt und durch Zwischenräume von homogener Substanz von einander getrennt. Diese sind nach der Länge der Muskelfaser meist breiter als nach der Quere, doch können nach dem verschiedenen Zustande oder Grade der Contraction, in welchem sich die Muskelfaser im Augenblicke des Absterbens befand, in dieser Beziehung sehr grosse Verschiedenheiten obwalten. Von der Richtigkeit dieser Erscheinung überzeugt man sich noch mehr bei 525maliger Vergrösserung und guter Beleuchtung, wo dann die ganz deutlich eontourirten sarcous elements durch homogene Zwi- schenräume von einander getrennt erscheinen (Fig. 2.B). Nicht immer jedoch lassen sich die einzelnen sarcous elements so deutlich zur Anschauung bringen, denn sehr häufig sind die seitlichen Zwischenräume so schmal, dass sich die sarcous elements nach der Quere einander zu berühren scheinen. Die physikalischen und chemischen Eigenschaften der zweierlei Substanzen anlangend, stimmen diese mit den bei höheren Thieren bereits von Prof. E. Brücke !) und mir 2) beobachteten vollkommen überein. Die sarcous elements erscheinen nämlich stark lichtbrechend und von gelblicher Färbung, während die Zwischensubstanz nur wenig licehtbrechend und farblos oder schwach grauweiss ist. Ueberdies be- sitzen erstere eine doppeltbrechende Eigenschaft, die homogene Grund- substanz aber ist stets isotrop oder einfachlichtbrechend, wie dies von Prof. E. Brücke zuerst an den Muskelfasern der Artieulaten und Wirbelthiere nachgewiesen wurde. 'Wendet man zur Untersuchung dieser optischen Verhältnisse bei den Muskelfasern der Anodonta polarisirtes Licht an, so zeigen sich #) Untersuchungen über den Bau der Muskelfasern mit Hilfe des polarisirten Lichtes. Mit 2 Tafeln. Wien 1858. — Separatabdruck aus dem XV. Bde. der Denk- schriften der mathern.-naturw. Olasse der kais. Akademie der Wissenschaften. 2) Neue Untersuchungen über die Entwickelung u. 8. w. Separatabdruck aus dem XXXVI. Bd. der Sitzungsberichte der mathem.,-naturw. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften, 1859. 172 bei gekreuzter Stellung der Polarisationsebenen zweier Nicols abwech- selnd lichte und dunkle Streifen; erstere entsprechen den doppeltbre- chenden sarcous elements, letztere der homogenen Zwischensubstanz, welche als einfach lichtbrechend hier dunkel erscheinen muss im dun- keln Sehfelde. Aus dem charakteristischen optischen Verhalten dieser Muskelfasern liess sich ferner annehmen, dass dieselben im farbigen polarisirten Lichte ähnliche, aber durch die Verschiedenheit der Farben viel schönere und deutlicher wahrzunehmende Erscheinungen zeigen werden. Durch die Güte meines Freundes, Herrn Prof. J. Czermak, wurde ich in die Lage versetzt zu diesem Zwecke ein dem Pesther physiologischen In- stitute gehöriges Mikroskop von Smith und Beck mit zwei Nicols und einem Selenitplättchen 1) benutzen zu können. Nachdem ich nun das Selenitplättchen unter die Objeetplatte geschoben hatte, konnte ich mit: Leichtigkeit wahrnehmen, wie die einzelnen anisotropen sarcous elements bei gekreuzten Prismen blau gefärbt erschienen, während die isotrope Zwischensubstanz die durch das Selenitplättchen erzeugte pur- purrothe Farbe des Sehfeldes hatte. Diese interessante Erscheinung stimmte übrigens vollkommen mit der von Prof. E. Brücke an Muskelfasern von Inseeten, Schlangen, Eidechsen und Menschen zuerst entdeckten und beschriebenen überein. Das auf obige Weise erhaltene Bild schien mir ganz ähnlich der von Prof. E. Brücke (a. a. O. Taf. I. Fig. 1) gegebenen farbigen Ab- bildung der Muskelfasern von Hydrophilus piceus, nur dass die sarcous elements in der Muskelfaser der Anodonta sich als gleichmässig runde kleine Körperchen darboten. Aus dem Grunde hielt ieh es auch nicht für nöthig, dieselben in einem besonderen farbigen Bilde darstellen zu lassen. Ich muss hier noch eines Umstandes gedenken, der zur näheren Kenntniss der feineren Structurverhältnisse der Muskelfasern nicht wenig beitragen dürfte. Nicht selten finden sich bei Anodonta Muskelfasern, die bei 200maliger Vergrösserung stellenweise nur quergestreift er- 1) Plätichen aus Gypsspath, 173 scheinen, während der übrige Theil ganz homogen zu sein scheint. Betrachtet man jedoch solche Muskelfasern bei stärkeren Vergrösse- rungen (525mal und darüber), so lassen sich an den quergestreiften Stellen regelmässig in Querreihen an einander gelagerte sarcous ele- ments erkennen, während an den früher homogen erscheinenden Stellen der Muskelfaser nun sehr kleine stark lichtbrechende Körnchen mehr zerstreut und ohne besonderer Ordnung in der homogenen Grundsub- stanz wahrgenommen werden. Fig. 3 giebt die Abbildung einer "solchen Muskelfaser bei 525maliger Vergrösserung; bei a sind die sarcorıe elements grösser und in parallelen Querreihen an einander ge- lagert, bei b sieht man die ganz kleinen Körperchen dicht neben ein- ander und ohne besonderer Ordnung in der homogenen Grundsubstanz ; a entspricht der bei schwacher Vergrösserung quergestreiften und b der homogen erscheinenden Stelle. Die kleinen Körperchen (bei b) sind überdies in Aether vollkommen unlöslich und verhalten sich auch sonst ganz ähnlich den grösseren sarcous elements (a), so dass sie wohl auch hinsichtlich ihrer physiologischen Bedeutung mit einander über- einstimmen dürften. Alles dies zusammengenommen spricht aber offenbar für die Rich- tigkeit der von Prof. E. Brücke 1) zuerst ausgesprochenen und von mir ?) bereits auf histogenetischem Wege bestätigten und adoptirten Ansicht, der zufolge die einzelnen sarcous elements nicht selbst einfache Körperchen von bestimmter Grösse und Gestalt, sondern Gruppen sehr kleiner doppeltbrechender Molecule (Disdiaklasten) repräsentiren. In a (Fig. 3) hätten wir demnach grössere und regelmässig an einander gelagerte, in » wahrscheinlich kleinere und in der homogenen Grund- substanz zerstreut liegende Disdiaklastengruppen. Endlich muss ich hier noch erwähnen, dass ich zu meinen Unter- suchungen auch Querschnitte benutzte, die ich mir aus dem vorher getrockneten Schliessmuskel verfertigte.e Ich habe in meiner für die Denkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften bestimmten Ab- handlung 3) alle jene Schwierigkeiten, denen die Untersuchung der yA NA... 0.8. 15. N 174 Muskelfasern an Querschnitten unterliegt, anzugeben versucht, und will hier jenen wichtigen Moment nochmals hervorheben, der wohl die Hauptursache sein mag, wesshalb an Querschnitten die Umrisse der einzelnen sarcous elements nie so deutlich erscheinen als bei seitlicher Lage der Muskelfasern. Es ist nämlich das von Prof. E Brücke 1) angegebene Verhalten der sarcous elements, wonach diese, bei parallel zu ihrer Achse durchgehenden Lichtstrahlen keine Spur von doppelter Brechung zeigen, indem diese Achse zugleich die optische Achse der doppeltbrechenden positiv einachsigen sarcous elements ist. Auf diese Weise ist es erklärlich, wie dieselben sarcous elements, die bei mehr minder senkrecht zur Achse durchfallendem Lichte sich durch ihre doppelt lichtbrechende Eigenschaft so sehr auszeichnen, an Querschnitten diese Eigenschaft zum Theile oder auch ganz einbüssen, wodurch eben optisch die Unterscheidung derselben von den homogenen einfach lichtbrechen- den Grundsubstanz eine sehr schwierige werden kann. Berücksichtigt man nun diese Eigenschaft der doppeltbrechenden sarcous elements, so darf es wohl nicht befremden, wenn an Quer- schnitten die Umrisse der sarcous elements sich nicht so deutlich her- vorheben, oder wenn diese in manchen Fällen auch gänzlich vermisst werden. Nichtsdestoweniger gelang es mir an einigen gut gelungenen Querschnitten die sarcous elements selbst zur Anschauung zu bringen (Fig. 4a). Ich überzeugte mich ferner, dass durch Zusatz von dil. Oxalsäure oder Essigsäure gewöhnlich die Umrisse der sarcous elements selbst an solchen Querschnitten deutlicher erscheinen, die vorher ein ganz ho- mogenes Aussehen hatten. Dieses lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass durch genannte Säuren ein Aufquellen der Muskelsubstanz und dadurch eine Vergrösserung der Querschnittsfläche, dann auch eine Auflösung der homogenen, vorher geronnenen Grundsubstanz der todten- starren Muskelfaser bewirkt wird, wodurch die einzelnen dieht neben einander liegenden und den Säuren mehr widerstehenden sarcous ele- und den feineren Bau der Muskelfasern, von Dr. T. Margo, mit V Tafeln, welche demnächst im Drucke erscheinen dürften» ) A. 0.0.84. 175 ments sich in dem verflüssigten homogenen Inhalte mehr von einander entfernen und wohl auch ihre ursprüngliche Lage und Stellung ihrer optischen Achse ändern. War demnach die Richtung der einfallenden Lichtstrahlen vorher eine zur optischen Achse parallele, so müssen bei veränderter Stellung der letzteren die Lichtstrahlen unter einem grösse- ren oder kleineren Winkel zur Achse die sarcous elements durchwan- deln und letztere so durch ihre doppeltbrechende Eigenschaft deutlicher sichtbar werden. Die Muskelfasern aus dem Fusse der Anodonta stimmen in Betreff ihres Aussehens mit den eben beschriebenen Elementen der Schliess- muskeln überein, mit dem Unterschiede, dass dieselben einen noch mehr geschwungenen und gebogenen Verlauf haben, häufiger Thei- lungen darbieten und wobl auch mit einander anastomosiren. Die der Herzwandung entnommenen Muskelelemente hingegen hatten mehr das Aussehen von museulösen Faserzellen, die mit ihren Spitzen schief über einander gelagert, kleinere durch Bindesubstanz und elastische Fasern netzförmig mit einander verbundene Bündelchen bilden. Im Innern dieser Faserzellen lässt sich nicht selten ein rund- lich-ovaler Kern mit einem Kernkörperchen erkennen. Ihr Inhalt besteht aus kleinen Körnchen, -die den sarcous elements der übrigen Muskelfasern entsprechen, wofür theils die physikalischen und chemi- schen Eigenschaften derselben, theils ihre bei vielen Faserzellen ganz regelmässige Lagerung in parallelen Querreihen (wodurch dann eine (@uerstreifung entsteht) zu sprechen scheinen. Von den Üephalopoden hatte ich Gelegenheit die Musculatur des Octopus näher zu untersuchen. Die Elemente derselben sind Muskel- fasern von verschiedener Dicke und verschiedenem Aussehen. Die ‚feineren Muskelfasern haben eine Dicke von 0:0035 bis 0:0062 Millim. und erscheinen, entweder ganz homogen (zumeist die feinsten), stark liehtbrechend und von gelblicher Farbe, oder es ist längs der Achse derselben ein mit farbloser homogener und wenig lichtbrechender Sub- stanz ausgefüllter Hohlraum zu unterscheiden, der rings herum mit einer peripheren dünnen Schichte von stark lichtbrechender, gelblicher 176 contraetiler Substanz begrenzt wird (Rindensubstanz). Im centralen Hohlraume dieser Muskelfasern finden sich überdies nicht selten da und dort einzelne zurückgebliebene Kernbläschen in dem sonst ganz homo- genen Inhalte; während in der peripheren Schichte sich selbst durch die stärksten Vergrösserungen keine Sonderung in sarcous elements erkennen lässt, obschon sie sich durch ihre gelbliche Farbe und starkes Lichtbrechungsvermögen von dem übrigen Inhalte besonders auszeichnet. Ausser diesen dünneren Muskelfasern giebt es aber auch dickere, von 0:0080—0:01410 Millim. im Durchmesser. An diesen lässt sich ein Sareolemma mit Sicherheit nachweisen und der contractile Inhalt zeigt im Ganzen zweierlei Aggregationsweisen : entweder besteht derselbe durch die ganze Breite der Muskelfaser ats deutlich wahrnehmbaren sarcous elements, die in regelmässigen, senkrecht oder schief zur Achse stehenden Reihen in der homogenen einfach lichtbrechenden Grund- substanz eingebettet sind (Fig. 7a); oder es erscheint im Inhalte der Muskelfaser eine Sonderung in die sogenannte Rinden- und Achsen- (oder Mark-) Substanz, wie sie Leydig!) an der Muskelfaser der Sepiola und Loligo beschrieben hat. Hinsichtlich der Beschaffen- heit der Rindensubstanz stimme ich jedoch mit der Aussage dieses Autors, der die Rindensubstanz „stets homogen“ und nur die Mark- substanz körnig sah, nicht überein. Schon bei einer 360maligen, noch deutlicher aber bei 525maliger Vergrösserung sehe ich die Rindensub- stanz quergestreift, und die Querstreifen (die nicht selten etwas schief zur Achse der Muskelfaser verlaufen) bedingt durch wahre sarcous elements, welche in der homogenen Grundsubstanz dicht an einander gelagert sind (Fig. 7b, b). Was die Achsensubstanz anbelangt, so erscheint mir diese als ein von der Rindensubstanz rings herum begrenzter Hohlraum, der meist der ganzen Länge nach im Innern der Muskelfaser verläuft und ge- wöhnlich 4/,—2/, ihrer Breite ausmacht, mitunter aber stellenweise durch die bis zur Achse sieh erstreckende Rindenschicht unterbrochen wird. Der Hohlraum enthält eine homogene Substanz und kleine runde Körnchen, die darin in grösserer oder geringerer Entfernung von ein- 4) Müller’s Archiv 1854, S. 303. re 177 ander theils in regelmässigen Querreihen geordnet, theils zerstreut und ohne besondere Ordnung liegen (Fig. 7 b, 5). Da und dort bemerkt man im Hohlraume auch kernartige Gebilde mit einem Kernkörper- chen in ihrem Innern, Untersucht man diese Muskelfasern mit Hülfe des farbigen polari- sirten Lichtes nach der oben angegebenen Methode, so bemerkt man an günstigen Stellen bei gekreuzten Prismen, nicht nur die dicht an einander gelagerten Fleischkörnchen in der Rindenschicht, sondern auch die Körnchen der Ausfüllsubstanz längs der Achse in einer andern Farbe als die homogene Zwischensubstanz, diese aber erscheint stets in der Farbe des Sehfeldes. Von Gasteropoden untersuchte ich die Muskeln von Aplysia, Murex und einigen Helieinen. Die Muskelfasern aus dem Mantel der Aplysia (A. depilans) schliessen sich in Betreff ihres Baues denen der Cephalopoden am mei- sten an. Auch hier giebt es dünnere, 0:0024—0:0040 Millim. breite, fast ganz homogen aussehende Muskelfasern, und dickere, 0:0050—0:00823 Millim. breite, mit einer deutlichen Sonderung in Rinden- und Mark- substanz. Erstere (Rindensubstanz) ist häufig fein punktirt oder gra- nulirt, mitunter auch längsgestreift, seltener ganz homogen. Letztere (Marksubstanz) zeigt in Querreihen gelagerte, oder zerstreut liegende, glänzende Körnchen längs der Achse (Fig. 9 a). Bei vielen lässt sich ein deutliches zartes Sarcolemma erkennen; was besonders dann gelingt, wenn sich dasselbe in Gestalt eines zarten Saumes um den contractilen gelblichen Inhalt abgehoben hat. Manche der dickeren Muskelfasern sieht man mit kegelförmig abgerundeten oder zackigen Spitzen in eine Sehne übergehen, und es fehlen auch solche Bilder nicht, wo ein und dasselbe Sehnenband, das bei starker Vergrösserung sich wie ein Bündel feiner Bindegewebsfibrillen ausnahm, an seinen beiden Enden unmittelbar in das Sarcolemma zweier Muskelfasern über- zugehen schien (Fig. 9c, d, d). Die Muskelfasern der Helicinen (vom Mantel, Fuss, Herz u. s. w.) sind bereits von Ö. Gegenbauer 1) genau beschrieben worden. Es }) Beitrüge zur Entwickelungsgeschichte der Landgasteropoden; in Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, III. Bd., 1851, 8. 383, 178 sind nämlich meist dünnere und dickere Cylinder, die oft mehr weniger abgeplattet aussehen und einen geschwungenen Verlauf haben. Die dünneren sind 0:0016—0:0042 Millim. breit, gelblich glänzend und ganz homogen, die diekeren 0'0050 bis 00080 Millim., deren contractiler Inhalt in der Regel aus feinkörniger gelblicher, stark lichtbreehender Substanz besteht. Die Körnchen dieser Substanz stehen so dieht neben einander, dass man ihre Umrisse nieht deutlich unterscheiden kann. An einigen Muskelfasern lässt sich eine Querstreifenbildung wahrneh- men, wie sie bereits ©. Gegenbauer constant an den Muskelfasern des M. retractor oculi bei verschiedenen Helieinen und Zimax, F. Ley- dig !) im Schlundkopfe und im Herzen der Paludina viwipara beob- achtet hatten. Doch muss ich hier gleich erwähnen, dass meine an Helieinen gemachten Beobachtungen mit den Angaben des letzteren Forschers nicht ganz übereinstimmen. Dieser unterscheidet nämlich bei Paludina vivipara Muskelfasern mit einer hellen, homogenen Rinden- substanz und einem feinkörnigen Inhalt (a. a. ©. Taf. XII, Fig. 43 und Fig. 44). Ich habe an diekeren Muskelfasern der Helieinen (Helix nemoralis, H. ericetorum, H. pomatia) höchst selten einen Unterschied zwischen Rinden- und Achsensubstanz gefunden. Der Inhalt derselben erscheint vielmehr durch die ganze Dieke der Muskelfaser als eine fein- körnige gelbliche, stark liehtbrechende Substanz. Stellenweise und nur bei starken Vergrösserungen lassen sich die Umrisse dieser feinen Körnchen aus dem Inhalte erkennen, und können, wiewohl seltener, in Querreihen dicht an einander gelagert, selbst eine Querstreifenbil- dung erzeugen. Am häufigsten jedoch findet man diese Körnchen oder sarcous elements ohne besonderer Ordnung und so dicht an einander, dass der ganze Inhalt als eine feinkörnige, oder homogene stark licht- brechende Masse erscheint (Fig. 10 a). Bei Murex: sind die Muskelfasern den eben beschriebenen sehr ähnlich, auch ihre Dieke scheint nicht sehr abweichend von der der Helieinen. Nur das scheint bemerkenswerth, dass hier die Bildung eines Hohlraumes längs der Achse vieler Muskelfasern häufiger vor- kommt als bei Helicinen. 1) Weber Paludina vivipara. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. II. Bd., 1850, 8. 152 und 191. — Taf. XII, Fig. 1 und 25, b. 179 il. Bildung und Wachstham der Muskelfasern. Untersucht man die ersten Anlagen der Schalenschliesser bei 0:3—0:5 Milliin. grossen Jungen von Anodonta, die man aus den Kiemen des Mutterthiers herausgenommen und lebend in Weingeist ertränkt hatte, nach der oben angegebenen Weise, so bemerkt man, dass die noch ganz kleinen gelblichen Muskelmassen aus lauter an einander ge- lagerten, noch leicht isolirbaren rundlichen, oder länglichen, eylindri- schen, spindelförmigen oder rhombischen Zellen bestehen. Die rund- lichen Zellen messen 0:008—0-010 Millim. im Durchmesser; die läng- lichen sind 0:0400—0:0170 Millim. lang, und in der Mitte gewöhnlich 0:0050—0:0080 Millim. breit. Dieselben bergen in ihrem Innern meist einen runden oder elliptischen Kern, der aber in dem stark lichtbre- chenden Inhalt nicht so leicht wahrzunehmen ist. ‘Wenn man mit Hülfe der Nadeln die embryonalen Muskelmassen möglichst fein zerzupft, so begegnet man immer noch solchen Zellen, die reihenweise an einander gelagert, sich mit ihren Spitzen gegen- seitig berühren und nach Art der Faserzellen mit einander zusammen- hängen. Bei weiter fortgeschrittener Entwickelung sehen diese Elemente mehr verlängert aus, und verschmelzen hie und da allmälig mit ein- ander, so dass später an der früheren Berührungsstelle zweier Zellen- spitzen die Verschmelzung kaum durch die Spur einer Einschnürung angedeutet wird. Bei 2—5 Centimeter langen Anodonten war es mir möglich, nicht nur das Wachsthum durch Anfügung von neuen Zellen, die sich durch Theilung vermehrten, sondern auch die Bildung von ganz neuen Mus- kelfasern, zwischen den schon gebildeten, auf dieselbe Weise zu con- statiren. Dieser Bildungsmodus stimmt mit dem von mir an Insecten, Cru- staceen, Wirbelthieren und Menschen bereits beobachteten vollkommen überein 1). ') Neue Untersuchungen über (lie Entwickelung, das Wachsthum, die Neubildung und den feineren Bau der Muskelfasern. Auszug in den Sitzungsberichten der mathem.- naturw. Olasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. XXXVI, 8. 219, 180 Fig. 5, stellt einige Muskelbündel vom Schalenschliesser einer noch im Wachsthum begriffenen Anodonta cygnea bei 200maliger Vergrösserung dar. Bei a, a, a, a sieht man einzelne mehr isolirte Sarcoplasten; 5 ein Sarcoplast am Ende einer in die Länge wachsenden Muskelfaser; bei ce bemerkt man ganze Reihen von neben und über einander gelagerten Sareoplasten, die durch die Präparation theilweise aus ihrer ursprünglichen Lage gebracht worden sind; d fertige Mus- kellaser mit sich bildenden seitlichen Fortsätzen oder Aesten aus Sarcoplasten. Bei stärkerer Vergrösserung lässt sich der Inhalt der Sarcoplasten etwas genauer studiren. Die jüngsten, kleinsten, zellenförmigen Sar- eoplasten unterscheiden sich bald von den übrigen Zellen durch ihren glänzenden Kern, so wie durch den stark lichtbrechenden, gelblichen Inhalt, der bei schwacher Vergrösserung homogen aussieht, bei einer 525maligen Vergrösserung aber im Innern einzelne runde, lichtbre- chende Körnehen (sarcous elements) in der Nähe der Wandung er- kennen lässt (Fig. 6a, b). Die grösseren, reiferen Sarcoplasten sind entweder spindel- und rhombenförmig, oder auch Cylindern mit abgerundeten Spitzen ähnlich, und enthalten in ihrem sonst homogenen Inhalte eine grössere Anzahl von stark lichtbrechenden Körnchen (Fig. 6c, g, f), Auch hier begegnet man oft Sarco- plasten mit einem oder zwei bläschenförmigen Kernen, doch giebt es auch solche, denen der Kern zu fehlen scheint. Der contractile In- halt scheint anfangs nur auf der inneren Fläche der Zellen abgelagert, wo er eine mehr oder weniger dicke Schichte, die einen centralen Hohlraum begrenzt, bilder kann (Fig. 6 e). Später füllt der contraetile Inhalt den ganzen inneren Raum vollkommen aus, wobei auch die Zellenmembran innigst mit dem metamorphosirten Inhalte verwächst. In einigen Sarcoplasten lassen sich auch reihenweise angeordnete sar- cous elements erkennen, wodurch eine Spur von Querstreifenbildung hervorgerufen wird (Fig. 6 %). Ihr Verhalten gegen Reagentien ist dem der Sarcoplasten anderer Thiere ganz analog. Die noch jungen Sarcoplasten der Anodonta cygnea messen 0-0080—0:0106 Millim., ihr Kernbläschen meist 0:0020 Millim. Was 181 die reiferen Sareoplasten anbelangt, so kann ihre Länge und Breite eine sehr verschiedene sein. Die Länge schwankt zwischen 0:0102 Millim. und 0:0504 Millim.; die mittlere Länge zwischen diesen zwei Extremen (0:0200—0:0300 Millim.) scheint jedoch am allerhäufigsten vorzukommen. Eben so finde ich das Verhältniss der Breite zur Länge als ein sehr schwankendes, nämlich wie 1:2:5, oder wie 1:4, 1 :6. ja1:8und1:9. Aehnliche Erscheinungen der Entwickelung und des Wachsthums der Muskelfasern habe ich auch im Mantel und den Armen des Oecto- ‚pus beobachtet; nur dass die ausgewachsenen Sarcoplasten etwas andere, den Muskelfasern dieser Thiere ganz entsprechende Structurverhält- nisse darbieten. Fig. 8, zeigt einige im der Anbildung begriffene Muskelfasern aus dem Mantel dieses Thieres bei 360maliger Vergrösse- rung. Wir sehen hier die Muskelfasern zum Theile noch aus geson- derten Elementen (Sarcoplasten) bestehen (Fig. 8b, b, ce), die, reihen- weise an einander gelagert, sich mit ihren Spitzen gegenseitig decken und wohl auch mit einander zu einer Muskelfaser verschmolzen sind. Zwischen diesen Elementen verlaufen feine, wahrscheinlich elastische Fasern (Fig. 8d, d). "Wendet man eine 525malige Vergrösserung an, so erscheint der Inhalt der noch jungen Sarcoplasten stark liehtbrechend und fein punk- tirt. Die Punktirung wird, wie man sich bei guter Beleuchtung leicht überzeugen kann, durch stark lichtbrechende Pünktchen oder Körnchen erzeugt, die nahe der Wandung so dieht an einander gelagert sind, dass sie sich gegenseitig zu berühren scheinen (Fig. 7e). An den grösseren, cylindrischen oder spindelförmigen Sarcoplasten lassen sich häufig, wie bei gebildeten Muskelfasern dieser Thiere, zweierlei Schichten, eine Rinden- und eine Oentralschichte deutlich erkennen (Fig. 7d). Die Structurverhältnisse dieser zwei Schichten des Inhaltes sind denen der ausgebildeten Muskelfasern dieser Thiere ganz analog. Auch die Grössenverhältnisse dieser Sarcoplasten fand ich denen der Anodonta ganz ähnlieh. Die rundlichen, kleinen Sarcoplasten des Octopus messen nämlich 0:0080—0:0100 Millim. und ihr Kern meist 0:0025—0:0030 Millim. — Die Länge der cylindrischen oder spindel 182 förmigen varürt zwischen 0:0105 Millim. und 0:0503 Millim., und ihr grösster Quermesser verhält sich zur Längsachse am häufigsten wie 1:5. Eben so habe ich im Mantel und im Fusse noch junger Aplysien zwischen den übrigen Muskelfasern an einander gereihte Sarcoplasten gefunden, und zwar in verschiedenem Grade der Verschmelzung. Die jüngeren Formen waren runde kernhaltige Zellen mit meist homo- genem Inhalte, 0:0050—0:0080 Millim. gross; die reiferen, spindel- förmigen im Mittel 0:0050 Millim. breit und 3- bis 5mal so lang (Fig. 9 f). Ganz ähnliche Verhältnisse zeigen die Sarcoplasten der von mir untersuchten anderen Gasteropoden, namentlich die von Murex und einigen Helieinen (Fig. 10c, ce). Mit diesen an Acephalen und Cephalophoren von mir gewonnenen Resultaten lassen sich die von ©. Gegenbauer an Helicmen, von F. Leydig an Paludina, von Lacaze-Duthiers bei Dentalium gemachten Beobachtungen über die Entwickelung der Muskelfasern ziemlich leicht in Einklang bringen. C. Gegenbauer 1) sah die erste Anbildung der Muskeln aus Bündeln von reihenweise hinter einander gelagerten elliptischen Zellen bestehen; die von ihm gegebene Schilderung der weiteren Meiamor- phosen, so wie der später eintretenden Verschmelzung dieser Zellen zu einer ganzen Muskelfaser trifft mit der meinigen ziemlich zusammen. Nur darin weichen meine Beobachtungen von den seinigen ab, dass ich bei Helieinen so wie bei allen anderen von mir bis jetzt unter- suchten Thieren die an einander gereihten Sarcoplasten constant mit ihren Spitzen sich decken sah, und nicht so wie Gegenbauer (a. a. O. Taf. X, Fig. 4a) dieselben abbildet. Wahrscheinlich ist es ferner, dass das Sarcolemma, eben so wie bei den Muskelfasern anderer Thiere nieht der Verschmelzung von Zellenmembranen ihr Dasein verdanke, sondern sich aus der Bindesubstanz in Gestalt eines elastischen Begren- zungshäutchens heranbilde 2). 1) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Landgasteropoden. Zeitschrift für wiss. Zoologie. III. Bd., S. 383. 2) Siehe meine Abhandlung: Neue Untersuchungen über die Entwickelung, das Wachsthum u. s. w. im VI. Bde. dieser Zeitschrift. 183 Auch Leydig 1) lässt die Muskelfasern der Paludina aus der Verschmelzung einer Reihe von Zellen hervorgehen. H. Lacaze-Duthiers 2) hat ebenfalls die Bildung der Muskel- fasern bei Jungen von Dentalium aus rosenkranzartig (disposes en cha- pelet) an einander gereihten Zellen (globules microscopiques) beobachtet. Kölliker 3) hingegen betrachtet die Muskelelemente der Mol- "lusken (Cephalopoden, Pulmonaten, Acephalen) als Faserzellen, deren Länge und Breite bald wenig, bald bedeutend varüren soll, und glaubt dass auch die Muskelfasern der Articulaten und Wirbelthiere nichts als kolossale Faserzellen seien 2). Es ist allerdings eine Thatsache, die sich nicht leugnen lässt, dass bei Erabryonen, und zum Theile auch bei jungen Mollusken die Muskeln aus Faserzellen ähnlichen Ge- bilden oder Sarcoplasten bestehen, doch ist als eben so sicher und erwiesen anzunehmen, dass die anfangs neben und hinter einander ge- lagerten Sarcoplasten später an vielen Stellen des Körpers mit einander zu grösseren Üonplexen verwachsen, und von einer homogenen oder fibrillären elastischen Hülle umschlossen, die Muskelfasern bilden, wie solche in den Schliessmuskeln, im Mantel und im Fusse der Acephalen, Gasteropoden, so wie im Mantel und den Armen der Cephalopoden von mir und Anderen beobachtet wurde. An anderen Stellen hingegen, wie z. B. im Herzen der Mollus- ken, verbleiben die Sarcoplasten Zeitlebens als vollkommen von ein- ander getrennte Elemente, in welchem Falle sie dann mit den mus- eulösen Faserzellen höherer Thiere allerdings übereinstimmen. 1) A. a. O. S. 192. 2) Histoire de l’organisation et du d&veloppement du Dentale. Annales des sciences naturelles. T. VII. Nr. 4. 1854. p. 232 u. £. #) Grosse Verbreitung contractiler Faserzellen bei Wirbellosen. Würzburg. Ver- handlung. Bd. VIII, S. 109. % Kölliker's Handbuch der Gewebelehre. 3. Aufl. S. 200; ebenso Zeitschrift für wissenschaft. Zoologie, Bd. IX, S. 139. MOLBSCHOTT, Untersuchungen. VII 13 184 Schluss. Wenn wir die Resultate unserer Beobachtungen zusammenfassen, so erhellt aus Obigem: 1) Dass bei Mollusken zwischen den anderen Muskelfasern auch wirklich quergestreifte vorkommen, und das! 2) die Bildung der Querstreifen hier eben so wie bei höheren Thieren durch die doppeltbrechenden sarcous elements, welche in regelmässigen Reihen oder Schichten parallel neben einander in der ho- mogenen einfach brechenden Grundsubstanz gelagert sind, bedingt wird ; 3) die sarcous elements sind (hier wie überall) nicht feste Körperchen oder Bläschen von constanter Grösse und Gestalt, sondern ° dieselben werden durch Gruppen oder Häufchen sehr kleiner doppelt- i brechender Molekeln (Disdiaklasten) gebildet. 4) Brücke's Theorie über den Bau der Muskelfasern kann auch für die Muskelfasern der Mollusken als die einzig richtige betrachtet werden. Demnach beruht das verschiedene Ansehen derselben blos auf der verschiedenen Art der Vertheilung der Disdiaklasten (je nachdem ' diese entweder gleichmässig vertheilt, oder in Häufchen von verschie- dener Grösse, Gestalt, und in grösserer oder geringerer Entfernung gruppirt, in regelmässigen Reihen und Schichten, oder zerstreut und ohne besondere Ordnung in der homogenen isotropen Grumdsubstanz liegen). | 5) Die Fleischsubstanz ist auch bei Mollusken das Product der Sar- coplasten, aus welchen die embryonalen Muskelfasern anfangs ganz allein bestehen. 6) Bei erwachsenen Thieren sind die Sarcoplasten entweder voll- kommen mit einander verschmolzen zu einem grösseren Ganzen (Muskel- fasern des Schalenschliessers, des Mantels, des Fusses u. s. w.), oder sie bleiben Zeitlebens als getrennte Elemente zurück (Herz, Darm). 7) Das Wachsthum der Muskelfasern geschieht durch Anfügung von neuen Sarcoplasten, welche sich wahrscheinlich durch Theilung vermehren. Schliesslich erlaube ich mir noch einige die Muskelfasern betref- fende allgemeine Betrachtungen hier folgen zu lassen. 185 Bekanntlich hat Kölliker in neuester Zeit den Versuch gemacht, auf Grundlage seiner Beobachtungen und nach dem Vorgange Lebert's und Remak’s, alle Muskelfasern, die schlichten sowohl wie die ge- streiften, auf den einfachen Typus der Faserzelle zurückzuführen, in- dem er die quergestreifte Muskelfaser der Wirbelthiere und Articulaten für ungemein verlängerte Faserzellen betrachtet, deren Zellenmembran zum Sarcolemma und der Inhalt quergestreift wird. Abgesehen davon, dass es a priori nicht sehr wahrscheinlich ist, dass thierische Zellen von solcher physiologischen Dignität, wie es die Muskelzellen sind, zu so riesigen Dimensionen anwachsen können, haben wir, wie dies Eingangs bereits erwähnt wurde, durch zahlreiche ver- gleichende Beobachtungen an verschiedenen Thieren gezeigt, dass die Muskelsubstanz überhaupt aus eigenthümlich umgewandelten Zellen, sogenannten Sarcoplasien entstehe, und dass die quergestreifte Muskel- faser nie durch die einfache Verlängerung einer Zelle, sondern auf ganz andere Weise gebildet wir. Während nämlich der contraetile Inhalt des Sarcolemma der Verschmelzung von einfachen oder mehr- fachen Sarcoplastenreihen sein Dasein verdankt, entsteht das Sarcolemma selbst aus der Bindesubstanz in Gestalt eines elastischen Begrenzungs- häutchens. Die Sarcoplasten treten in embryonalem Zustande stets als geson- derte Elemente auf, welche später, unter einander verschmolzen, die verschiedenen Arten von Muskelfasern bilden. So entstehen die ein- fachen nicht ramifieirten Muskelfasern oder Muskelcylinder dadurch, das mehrere in einfachen oder mehrfachen Reihen mit einander ver- schmolzene Sarcoplasten von einer elastischen Hülle umschlossen wer- den. In anderen Fällen hingegen, z. B. im Herzfleisch und in der Zunge der Wirbelthiere, im Darmkanale der Artieulaten, können die- selben mit ihren Fortsätzen verwachsend, baumförmig ramificirte, oder anastomosirende und netzförmig verbundene Muskelfasern bilden; in einigen Organen höherer Thiere wieder, wie im Darmkanal in der Harnblase, in den Gefässwandungen und Geschlechtsapparaten, bleiben sie Zeitlebens von einander getrennt und erscheinen mit ihrem mehr weni- ger umgewandelten oder auch geschwundenen Kern als sogenannte con- tractile Faserzellen. Dies scheint auch bei vielen niederen Thieren, z.B, 13* 186 im Herzen der Mollusken , im Darmkanal mancher Crustaceen (Bran- chipus, Estheria) stattzufinden, wo die Musculatur ebenfalls aus selbst- ständig gebliebenen, mehr weniger quergestreiften Sarcoplasten besteht. Was die feineren Structurverhältnisse der Muskelsubstanz anbe- langt, so ist diese stets aus zweierlei, physikalisch, chemisch und wahr- scheinlich auch physiologisch verschiedenen Stoffen zusammengesetzt. Der eine von diesen besteht auch im lebenden, contractionsfähigen Muskel aus kleinen, geformten, festen oder festweichen, doppeltbre- chenden, durch den Muskelfarbstoff eigenthümlich gefärbten Molekeln (Disdiaklasten), der andere ist eine ganz farblose, homogene, einfach lichtbrechende und im Leben flüssige, gerinnbare Substanz 1), in welcher die ersteren durch ihre verschiedenartige Vertheilung, Gruppirung, An- ordnung und Menge das so verschiedene Ansehen der Muskelelemente bedingen. Von diesem Gesichtspunkte aus lässt sich auch der eigen- thümliche Aggregatzustand der lebenden Muskelsubstanz erklären. Wir haben bereits in einer früheren Abhandlung gezeigt, dass auch bei Wirbelthieren an' sogenannten musculösen Faserzellen wirk- liche Querstreifenbildungen vorkommen können, welche Thatsache aller- dings nicht so vereinzelt steht, wenn man in Erwägung nimmt, dass schon andere Beobachter den Faserzellen ähnliche quergestreifte mus- ceulöse Gebilde beschrieben haben, so z. B. Reichert im Darme und Magen von Cyprinus tinca, und im Darmkanale der Articulaten, Leydig im Bulbus arteriosus des Landsalamanders, Purkinje, Kölliker und von Hessling im Herzen der Wiedcerkäuer unter dem Endocardium u.s.w.— DieSarcoplasten der höheren Thiere stimmen jedoch vor ihrer Verschmelzung, sowohl hinsichtlich ihrer Gestalt als auch ihrer übrigen Eigenschaften, mit den hier angeführten musceulösen Elementen voll- kommen überein. — Es müssen daher die Sarcoplasten als die gemein- schaftlichen Ausgangspunkte für die verschiedenen Muskelelemente be- trachtet werden, so dass schliesslich auf histogenetischem Wege folgende natürliche Olassification des Muskelgewebes sich ergiebt: 1) Siehe Dr.. W. Kühne: Ueber die gerinnbare Substanz der Muskeln. Auszug aus dem Monatsberichte der k. Akademie der Wiss. zu Berlin. Sitzung der physik.- mathem. Classe. 4. Juli 1859. S. 493. 187 A. Einfaches Muskelgewebe, aus selbstständig gebliebenen Sarcopla- sten bestehend. Hierher gehören die musculösen Faserzellen in den organischen Muskeln der höheren Thiere, die Muskelzellen im Darme einiger Articulaten, im Herzen und im Darme der Mollusken u. s. w. B. Zusammengesetztes Muskelgewebe, aus mit einander verschmolzenen und von einer gemeinschaftlichen elastischen Hülle (Sarcolemma) begrenzten Sarcoplasten, sogenannten Muskelcylindern. 1. Einfache, nicht verästelte Muskelcylinder, a) dünnere, aus einfachen Reihen von Sarcoplasten ; b) dickere, aus mehrfachen Reihen entstanden und mit meh- reren Kernen im Innern des Querschnitts. 2. Verüsielte und netzförmig verbumdene Muskeleylinder. Erklärung der Abbildungen, (Fig. 1—6 Muskelelemente aus dem Schliessmuskel der Anodonta). — Fig. 7—8 Muskelelemente von Octopus vulgaris. — Fig. 9 von Aplysia depilans. — Fig. 10 von Helix ericetorum). Fig. 1. Ein Bündel von Muskelfasern bei 200maliger Vergrösserung. a) Dickere Muskelfaser mit wahren Querstreifen. b, b) Zwei eben solche quergestreifte Muskelfasern mit 2—3 zackenförmigen Fortsätzen an einem Ende derselben. e) Dünnere, mehr homogene Muskelfasern. Fig. 2. Quergestreifte Muskelfaser mit seitlichem Fortsatze aus dem Schliessmuskel der Anodonta, bei stärkerer Vergrösserung. A. 360mal vergrössert. Die Querstreifung wird durch kleine, kugelrunde, gelbliche, doppeltbrechende Körperchen (sarcous elements) erzeugt, welche in parallelen und zur Achse der Muskelfaser senkrechten Reihen in der übrigens homogenen, farblosen, einfachbrechenden Grundsubstanz dicht neben einander gelagert sind; auch in dem seitlichen, dichoto- misch sich theilenden Fortsatze der Muskelfaser sind sarcous elements sichtbar. B. Dieselbe Muskelfaser bei 525maligor Vergrösserung. Fig. 3. Muskelfaser aus dem Schliessmuskel der Anodonta, 525mal vergrössert. — In a sind die doppeltbrechenden Molekeln — Disdiaklasten — in Gestalt von sarcous elements in regelmässigen Querreihen gehäuft, wodurch dieser Theil 188 der Muskelfaser deutlich quergestreift erscheint. In 5 sind kleinere Gruppen von Disdiaklasten im homogenen isotropen Inhalte ohne besondere Ordnung eingebettet, was diesem Theile der Muskelfaser ein punktirtes, nicht quer- gestreiftes Ansehen verleiht. Fig. 4. Querschnitt aus dem getrockneten Schliessmuskel der Anodonia, 360mal ver- grössert. a) Querschnitt der Muskelfasern; die sarcous elements erscheinen als runde deutlich contourirte Körnchen innerhalb des Sarcolemma. b) Primäre Muskelbündel im Querschnitt mit einer Hülle von Binde- substanz. Fig. 5. Muskelfasern der Anodonta in der Entwickelung und Wachsthum begriffen, bei 200maliger Vergrösserung. a, a, a, a) Sarcoplasten mit einem Kernbläschen im Innern. 6) Sarcoplast am Ende einer an Länge zunehmenden Muskelfaser. c) Ein Strang aus an einander gefügten Sarcoplasten, die im Begriffe sind zu Muskelfasern mit einander zu verschmelzen. d) Muskelfaser mit seitlich anhängenden spindelförmigen Sarcoplasten. Fig. 6. Mehrere isolirte Sarcoplasten aus dem Schliessmuskel einer Anodonta cygnea, auf verschiedener Entwickelungsstufe; 360mal vergrössert. a) Rundlich-ovale, noch unreife Sarcoplasten mit deutlicher Zellenmem- bran, zum Theil differenzirtem Inhalte und kleinem bläschenartigen Kern. b) Ein solcher an einem Ende in einen Fortsatz auswachsender Sarcoplast. c) Zu Cylinderspindeln vollkommen ausgewachsene Sarcoplasten. d, d) Kermbläschen im Innern der Sarcoplasten. e) Ein Sarcoplast mit einem centralen Hohlraum und bloss auf der inneren Zellenwand abgelagerter contractiler Substanz. f) Zwei seitlich mit einander zum Theil schon verschmolzene Sarcoplasten. 9) Mehrere mit einander zusammenhängende Sarcoplasten, wovon zwei mit ihren Spitzen an einander gefügt. k) Cylindrischer Sarcoplast mit reihenweise angeordneten sarcous elements im Inhalte und einer Spur von Querstreifenbildung. Fig. 7. Muskelelemente aus dem Mantel eines jungen Octopus vulgaris, bei 525maliger Vergrösserung. a) Vollkommen entwickelte Muskelfaser, deren Inhalt durch die ganze Dicke aus homogener Grundsubstanz und darin reihenweise eingebet- teten sarcous elements besteht; letztere sind nach unten zu grösser und deutlicher contourirt, gegen das verjüngte Ende hin aber kleiner und dichter an einander gelagert. Die Reihen der sarcous elements verlaufen nicht ganz senkrecht, sondern mehr schief zur Achse der Muskelfaser, wodurch diese ein gestreiftes Ansehen hat. b, b) Enden zweier dickerer, gestreifter Muskelfasern mit zweierlei Schichten des Inhaltes. In der Rindenschicht sind die kleineren sarcous elements reihenweise in der homogenen Grundsubstanz eingebettet, und die Mark- schichte erscheint als ein centraler Hohlraum, der mit homogener Sub- 189 stanz und zerstreuten oder reihenweise an einander gelagerten runden Körnchen ausgefüllt ist. c) Junge Sarcoplasten mit Kernbläschen und bereits differenzirtem Inhalte. d) Zwei ausgewachsene Sarcoplasten mit deutlicher Rinden- und Mark- schichte, von denen der eine im Innern ein Kernbläschen f birgt. Fig. 8. In Entwickelung und Wachsthum begriffene Muskelfasern von einem noch jungen Octopus, 360mal vergrössert. a) Vollkommen gebildete Muskelfaser mit Rinden - und Markschichte. b, 5) Sarcoplasten am Ende der Muskelfasern. c) Zwei mit einander verschmelzende Sarcoplasten. d, d) Elastische Fasern, die zwischen den an einander gefügten Sarcoplasten verlaufen. f, /) Sarcolemma mit Kernen und Fasern, welches an einer Stelle in die Sehne überzugehen scheint. Fig. 9. Muskelfasern und Sarcoplasten von einer Aplysia, bei 360maliger Vergrösse- rung. a) Muskelfaser mit Rinden- und Markschichte. 5) Elastische Fasern und Bindesubstanz mit Kernen. c) Sehne, die an ihren beiden Enden mit den Muskelfasern dd sich ver- bindet. f, f) Sarcoplasten auf verschiedener Entwickelungsstufe, zum Theil in Ver- schmelzung begriffen. Fig. 10. Muskelelemente aus dem Mantel einer jungen Helix, 360mal vergrössert. a) Vollkommen gebildete dickere Muskelfasern mit feinkörnigem Inhalte. 5b) Membran, aus Bindesubstanz bestehend, mit feinen parallelen, wahr- scheinlich durch die Contraction der Muskelfasern erzeugten Faltenbil- dungen, und einzelnen elastischen Fasern. e, c) Sarcoplasten zwischen den schon gebildeten Muskelfasern auf verschie- dener Entwickelungsstufe. d) Dünnere Muskelfasern mit ganz homogen scheinendem Inhalte. vl. Ueber die Eiweisskörper des Bindegewebes. Von Dr. Alexander Rollett, Assistent bei der physiologischen Lehrkanzel der Wiener Universität 1). Bei meinen Untersuchungen über das Bindegewebe 2) stiess ich auf einen Körper, der mittelst Kalkwasser oder Barytwasser aus jenem Gewebe extrahirt und aus den alkalischen Lösungen durch Zusatz von Säuren abgeschieden werden konnte. Derselbe gab mit Salpetersäure gekocht die Xanthoproteinsäure-Reaction. Um etwas Näheres über diese Substanz zu erfahren, nahm ich den Gegenstand gelegentlich einer Beschäftigung mit den albuminoiden Substanzen wieder auf. ‘Wenn ich die folgenden Untersuchungen und ihr spärliches Resultat hier mittheile, so geschieht dies, weil bei der anerkannten Schwierig- keit, in Wasser unlösliche Eiweisskörper von einander zu unterscheiden, selbst die einfachste Erfahrung nicht werthlos ist, wenn man bedenkt, welche Wichtigkeit die Erkenntniss jener Körper und ihrer nächsten Verwandten für die Erforschung der Entwicklung des Wachsthums und des Stoffwechsels der einzelnen Gewebe hat. Das Materiale für meine Untersuchungen lieferten ganz frische Pferdesehnen,, die ich jedesmal den vier Extremitäten eines kurz t) Aus den Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften, vom Hrn. Verfasser mitgetheilt, ?) Diese Untersuchungen, Bd. VI, S. 8, 9. 191 vorher geschlachteten Thieres entnahm. Die Beine waren allemal hart über der Hand- und Fusswurzel abgenommen. Die Sehnen wurden sorgfältig auspräparirt und einzeln auf einer Glasplatte mit Scheere und Pincette gereinigt, zuletzt noch überdies mit einem scharfen, flach aufgelegten Messer in langen Zügen abge- schält, bis rundum nur eigentliche Sehnensubstanz frei zu Tage lag. Bei dieser Reinigung wurde durchaus nicht ökonomisch zu Werke ge- gangen und daher eine grosse Menge von Sehnensubstanz verloren, dagegen tauschte man aber die Gewähr ein, dass das gefässreiche lockere Bindegewebe vollständigst entfernt war. Die gereinigten Sehnen wurden der Quere nach in dünne Stücke geschnitten und diese zunächst in einem Cylinderglase mit so viel destillirtem Wasser übergossen, dass die damit abgerührten Sehnen- stücke eben bedeckt wurden. Nach 24stündigem Stehen wurde die Flüssigkeit abgegossen und die Sehnen in einem Leinenbeutel unter einer starken Presse scharf abgepresst, die so erhaltenen Flüssigkeitsmengen vereinigt, filtrirt und der Untersuchung auf Eiweisskörper unterzogen. Die Flüssigkeit reagirte neutral, hatte einen schwachen Stich in’s Gelbe und opalisirte ein klein wenig. Beim Kochen trübte sie sich in sehr geringem Grade. Die ent- standene Trübung konnte selbst durch sehr feines Filtrirpapier nicht aus der Flüssigkeit abgeschieden werden, auch nicht, wenn man vorher Kochsalz- oder Salmiaklösung hinzufügte. Beim Abdampfen bildet das Wasserextraet der Sehnen auf der Oberfläche eine zusammenhängende Haut. Eine andere Portion dieses Extractes wurde auf das Verhalten gegen Säuren geprüft. Essigsäure, dreibasische Phosphorsäure, verdünnte Salz- oder Salpetersäure erzeugten eine ziemlich bedeutende Fällung, welche zwar nicht sofort in der überschüssig hinzugefügten Säure gelöst wurde, wohl aber, wenn der Niederschlag auf dem Filtrum gesam- melt, einige Male gewaschen und dann zwischen Filtrirpapier abge- presst wurde. Die saure Lösung wurde von Ferroeyankalium gefällt. Die stark mit Wasser verdünnte Flüssigkeit wird durch Säurezusatz 192 getrübt. Die Trübung schwindet bei fortgesetztem Zusatz wieder, um in der sauren Flüssigkeit durch Ferrocyankalium abermals zu er- scheinen. Starker Weingeist in grossem Ueberschuss erzeugt in der Flüssig- keit eine Fällung. Fügt man zu einer Portion der Flüssigkeit nur etwa das gleiche Volumen starken Weingeistes, so fällt Aether aus diesem Gemisch einen sich gut absetzenden Niederschlag. Dieser kann auf einem Filter gesammelt, mit ätherhaltigem Weingeist gewaschen und zwi- schen Filtrirpapier abgepresst werden. Der Niederschlag löst sich dann leicht wieder in Wasser auf. Die Lösung zeigt gegen Säuren dasselbe Verhalten, wie die ursprüng- liche Flüssigkeit; nur ist der auf Säurezusatz herausfallende Nieder- schlag jetzt im geringsten Säureüberschuss sofort wieder löslich. ‘Wurde der Niederschlag durch längere Zeit der atmosphärischen Luft ausgesetzt und an derselben getrocknet, so ist er in Wasser schwer löslich geworden. Beim Einäschern liefert er eine alkalisch reagirende Asche, welche sich grösstentheils in Wasser löst. Ein Tropfen der Lösung im Oehr des Platindrahtes der Oxyda- tionsflamme ausgesetzt, färbt dieselbe gelb». Auch nach Hinzufügen von Weingeist zur wässerigen Aschenlösung kann durch Platinchlorid kein Kali nachgewiesen werden. In dem Wasserextraet der Sehnen findet sich also dem oben Mitgetheilten zu Folge eine geringe Menge gewöhnlichen löslichen Eiweisses neben einer beträchtlicheren Menge von fällbarem Eiweiss, und dieses letztere ist wahrscheinlich an Alkali gebunden in der Flüssigkeit vorhanden ; wenigstens stimmt das Verhalten des mit Wein- geist und Aether erhaltenen Niederschlages vollkommen mit den von Lieberkühn 1) beschriebenen Reactionen des auf gleiche Weise gefällten Kalialbuminates überen. Auf eine Reihe von Erscheinun- gen, welche an dem mit sehr verdünnten Säuren vorsichtig ange- 1) Poggendorff's Annalen. Bd. 86, p. 126. 193 säuerten Wasserextract der Sehnen wahrzunehmen ist, werde ich an einem andern Orte zurückkommen. Mit den angeführten Eiweisskörpern ist die Zahl derjenigen er- schöpft, welche in den Parenchymsäften überhaupt vorkommen. M.o- leschott 2) und Funke ?) haben schon vor einiger Zeit angege- ben, dass sie, der erstere im Bindegewebe, der letztere in der Hornhaut, auf einen Körper gestossen, ‘welcher die Reactionen des Casein aufwies. Ich gehe jetzt zu der in Kalkwasser löslichen Substanz der Seh- nen über. Die Anwesenheit der vorerwähnten Eiweisskörper macht es noth- wendig, die Sehnen, ehe man sie der Kalkwasserbehandlung unter- wirft, so viel wie möglich von den in destillirtem Wasser löslichen Substanzen zu reinigen. Durch wiederholte Infusion und Kneten der Sehnen mit kaltem Wasser gelingt dies ziemlich gut. ‚Man kann sich durch Zusatz von Ferrocyankalium zum angesäuerten Waschwasser von dem Fortgang des Auswaschens überzeugen. Um die Sehnen vor Fäulniss zu schützen, ist diese Operation thunlichst schnell und in der Kälte auszuführen. Zuerst presst man die Sehnen noch einmal ab und übergiesst sie hierauf in einem Cy- linderglase mit Kalkwasser in derselben Weise wie zu Anfang mit destillirtem Wasser. ö Um die atmosphärische Luft möglichst abzuhalten, drücke man auf den mit Talg bestrichenen Rand des Oylinders eine Glasplatte. Nach 48 Stunden hat sich das Kalkwasser mit der darin lös- lichen Substanz bereits so weit gesättigt, dass es von den Sehnen abgegossen und die so erhaltene Flüssigkeit in Arbeit genommen werden kann. Verdünnte Salz- oder Salpetersäure (0.1 0/,) und verdünnte Essig- säure, welche etwa 2—3 Grm. Essigsäurehydrat im Litre enthält, fällen daraus einen weissen flockigen Niederschlag, der sich, wenn 2) Physiologie des Stoffwechsels ete. Erlangen 1851, pag. 367 und Journal für praktische Chemie. Bd. 55, pag. 241. 9) Lehrbuch der Physiologie. 2. Aufl. Bd. II. pag. 160. 194 man die genannten Säuren in geringem Ueberschuss hinzufügt, leicht und gut absetzt. Dieser Niederschlag ist in einem weiter hinzugefügten, auch sehr grossen Ueberschuss jener verdünnten Säuren unlöslich. Werden die Niederschläge auf Filtern gesammelt, gut ausgewa- schen und hierauf wieder mit den entsprechenden verdünnten Säuren infundirt, so löst sich selbst nach wochenlangem Stehen nichts in jenen Säuren auf. In kochender concentrirter Salpetersäure löst sich die aus dem Kalkwasser abgeschiedene Substanz unter Gelbfärbung der Flüssig- keit auf. Setzt man zur wieder erkalteten Lösung Ammoniak, so färbt sich dieselbe tief orangegelb. In coneentrirter Salzsäure löst sich die Substanz auf und die erhaltene Flüssigkeit färbt sich beim Stehen an der Luft allmä- lig violett. Lässt man Stücke derselben sich mit Zuckerwasser infiltriren und befeuchtet sie hierauf mit Schwefelsäure, so färben sich dieselben an der Luft in verschiedenen Nuancen roth, purpur bis dunkelviolett. Nachdem ich die Eigenschaften der in Rede stehenden Substanz so weit festgestellt hatte, machte ich es mir zur Aufgabe, zu untersuchen, ob ich sie nicht durch stärkere Säuregrade als die anfangs angewen- deten in saure durch Ferroeyankalium fällbare Lösung bringen könne. Ich versuchte dies mit variablen Verdünnungsgraden von Salz- säure und mit concentrirter Essigsäure. Es gelang niemals. Ich will aber die dabei gemachten Wahrnehmungen hier an- führen. Aus dem Kalkwasser wurde die Substanz vorerst mit 0.4procen- tiger Chlorwasserstoffsäure abgeschieden. Wie schon bemerkt, setzt sich dieselbe, wenn man einen geringen Säureüberschuss hinzufügt, nach einiger Zeit auf den Boden des Gefässes ab. Die über dem Bodensatz stehende trübe Flüssigkeitsschiehte wurde nun vorsichtig abgegossen. Sie liess sich durch Filtriren vollkommen klären, und der auf dem Filter bleibende Rückstand erwies sich als der letzte Rest der ihrer grössten Masse nach durch Absetzen ge- wonnenen Substanz. 195 Die letztere wurde nun durch Decantation mit destillirtem Wasser gereinigt, so lange bis in dem abgegossenen Waschwasser durch oxal- saures Ammoniak kein Kalk und durch Silberlösung kein Ohlorwasser- stoff mehr nachweisbar. Die so gereinigte Substanz ist aschenfrei, in Wasser, Alkohol und Aether unlöslich. Eine ziemlich bedeutende Menge derselben verbrennt auf dem Platinblech, den bekannten Geruch angebrannter Federn verbreitend, zu einer voluminösen Kohle, welche beim weiteren Glühen fast spurlos verschwindet. Es wurden nun annähernd gleiche Portionen der noch feuchten Substanz mit Chlorwasserstoffsäure von dem Procentgehalt 0.1—0.5, 1, 5, 10 und 20 behandelt. Der letztere Säuregrad wirkte, wie concentrirte Salzsäure über- haupt, d. h. er löste die Substanz allsogleich auf, und die so entstan- dene Lösung färbte sich nach einiger Zeit violett. Ferrocyankalium erzeugt in derselben keine Fällung. Die Säuregrade von 10 nach abwärts lösten zu gleichen Mengen über den einzelnen Portionen jener Substanz vertheilt, auch in grossem Ueberschuss dieselbe nicht ‚vollkommen auf, weder bei gewöhnlicher Temperatur, noch beim Erhitzen. Trennt man nach einiger Zeit die Flüssigkeit durch Filtration von dem Niederschlage wieder ab und untersucht das Filtrat mit Ferroeyankalium, so findet man nirgends einen durch dieses Reagens fällbaren Körper. Concentrirte Essigsäure macht die auf oben angeführte Weise aus dem Kalkwasser gefällte und dann gereinigte Substanz zunächst etwas durchscheinend, in einem grossen Ueberschuss wird sie beim Schütteln fein vertheilt, so dass man selbst durch sehr dichtes Filtrir- papier nur ein mehr oder weniger getrübtes Filtrat gewinnen kann. Kocht man in einen Kölbehen die unsere Substanz im fein ver- theilten Zustande enthaltende Essigsäure, so ballt sich jene zu etwas grösseren Theilchen zusammen, und man kann jetzt durch sehr feines Filtrirpapier ein klares Filtrat gewinnen, welches auf Zusatz eines Tropfens einer gelben Blutlaugensalzlösung nur äusserst schwach opalisirend wird. Der ungelöste Rückstand giebt mit concentrirter Sal- 196 petersäure und Salzsäure dieselben Reactionen, wie die ursprüngliche Substanz. Die Eigenschaft, durch Essigsäure in der beschriebenen Weise verändert zu werden, besitzt die Substanz nur im frisch gefällten Zu- stande; wurde sie einmal auf dem Filter gesammelt, gewaschen, dem Zutritt der atmosphärischen Luft ausgesetzt und abgepresst, so kann man condentrirte Essigsäure lange Zeit darüber stehen lassen, ohne eine Veränderung zu bemerken. Nach dem Vorbergehenden ist es auch erklärlich, warum man, wenn man unsere Substanz durch Essig- säure aus dem Kalkwasser gewinnen will, sich einer verdünnten Essigsäure bedienen muss. Man bekommt nur im letzteren Falle einen gut abfiltrirbaren , Niederschlag neben einem klaren Filtrat. Als ich mir die Aufgabe stelite, den durch Kalkwasser aus dem Bindegewebe extrahirbaren Körper zu bestimmen, dachte ich auch daran, sein Verhalten gegen Verdauungs-Flüssigkeit zu prüfen. Es hat ja mein verehrter Lehrer erst kürzlich nachgewiesen 1), welche Wichtigkeit die primären Verdauungsprodukte der Eiweiss- körper für deren chemische Diagnose besitzen. Das oben beschrie- bene Verhalten unserer Substanz gegen Säuren beschränkte meine Erwartungen gar bald, und ich kann in der That nur berichten, dass der Körper von Verdauungsflüssigkeit angegriffen wird. Er wurde zum Zwecke der bezüglichen Versuche mit CIH vom Säuregrad 1 aus dem Kalkwasser gefällt, mit derselben Säure gewa- schen, und hierauf in Verdauungsflüssigkeit vom Säuregrad 1 2), de- ren verdauende Wirkung nebenher durch Fibrinfloeken oder Stücke von coagulirtem Eiweiss geprüft wurde, eingetragen. Die Verdauung wurde bei gewöhnlicher Zimmertemperatur vor- genommen. Sie erfolgt sehr langsam und allmälig und führt nie zur vollständigen Lösung der in Angriff genommenen Substanz. Aber man bemerkt nach einiger Zeit sehr gut, wie sich hart über dem am Boden des Gefässes befindlichen Verdauungsobject eine opalisirende 1) Beiträge zur Lehre von der Verdauung. Diese Untersuchungen, Bd. VI. 2) Brücke a. o. a. O. pag. 481. 197 Schichte ausbildet, deren Niveau in beständiger Hebung begriffen ist, während gleichzeitig das Volum des Körpers sichtlich zusammen- schmilzt. Alle diese Erscheinungen fehlen in einem gleichzeitig aufge- stellten, nur CIH vom Säuregrad 1 und unsern Körper enthaltenden Controlglase. Die später mit Ammoniak neutralisirten Verdauungsproben erga- ben weder ein deutliches Neutralisationspräeipitat, noch auch gerann die neutralisirte Flüssigkeit beim Kochen. In Kali und Natronlauge, in Ammoniak, in Kalk- und Baryt- wasser ist der aus dem Kalkwasser gefällte und gereinigte Körper sehr leicht löslich. Speeieller auf ihre Reactionen wurde die Lösung in Kali un- tersucht. Wenn man die hinlänglich gereinigte Substanz in Wasser auf- schwemmt, und nun mit einem in Kalilauge getauchten Glasstab um- rührt, so löst sich sogleich ein beträchtlicher Theil der Substanz auf. Wiederholt man nach einiger Zeit den Zusatz von Kali auf dieselbe Weise und je nach der Menge der aufgewendeten Substanz, so lange bis nur mehr ein kleiner Theil die lösende Wirkung des Kali noch nicht erfahren hat, so erhält man durch Filtration eine vollkommen neutral reagirende Lösung. Essigsäure, dreibasische Phosphorsäure, verdünnte Salz- und Salpetersäure fällen daraus den im Ueberschuss genannter Säuren unlösliehen Körper wieder. Derselbe verhält sich in jeder Beziehung eben so wie vor seiner Lösung in Kali. Weingeist erzeugt einen Niederschlag, der sich bald in Flocken absetzt. Derselbe ist in Wasser wieder löslich, die so erhaltene Lö- sung zeigt dieselben Reactionen, wie die ursprüngliche Flüssigkeit. Sublimatlösung bewirkt’keine Fällung. Gerbsäure eine geringe Trübung. Mehr als in dem bis jetzt Mitgetheilten angegeben wurde, konnte ich für den aus dem Kalkwasser gefällten Körper nicht feststellen. Es geht aber aus den angeführten Beobachtungen hervor, dass in den Sehnen ein in Wasser unlöslicher Körper vorhanden ist, der durch Kalkwasser, sei es mit, sei es ohne Veränderung seiner Eigen- 198 schaften, aus den Sehnen extrahirt werden kann, und dass dieser Körper eine Reihe von Uebereinstimmungen mit den Eiweisskörpern darbietet. Um zu eruiren, ob er einem der bekannten in Wasser unlös- liehen Eiweisskörper entstamme oder nicht, ist es nothwendig, das Verhalten jener Körper zum Kalkwasser in Betracht zu ziehen. Blutfibrin lösst sich nach einiger Zeit in Kalkwasser auf. Ber- zelius giebt an !), dass es mit Kalkerde eine in Wasser lösliche Verbindung bildet. Dasselbe giebt er auch vom Eiweiss an?). Er sagt, dass letzteres von Kalkwasser bis zu einer so vollständigen Sättigung aufgelöst wird, dass alle alkalische Reaction verschwindet, oder dass sie, wenn sie durch die angewendete Menge Albumin nicht verschwindet, durch ein paar Tropfen verdünnter Essigsäure wegge- nommen werden kann, bevor sich etwas Albumin niederschlägt. Be- reitet man sich durch Auflösen von Fibrin in Kalkwasser oder durch Mischung von Hühnereiweiss mit Kalkwasser die genannten löslichen Verbindungen, so überzeugt man sich leicht von dem nach Ber- zelius beschriebenen Sachverhalt. Wendet man, um den überschüssigen Kalk zu entfernen, ver- dünnte Weinsteinsäure an, so kann man von dem entstandenen Nie- derschlag eine vollkommen neutrale Lösung der Albuminkalkverbin- Jung abfiltriren. Man setzt zu dem Ende vorsichtig mit dem Glasstabe zu einer im Ueberschuss von Kalkwasser bewirkten Lösung von Fibrin oder Albumin verdünnte Weinsteinsäure, so lange bis die Flüssigkeit eben neutral reagirt, lässt durch längere Zeit ruhig stehen und filtrirt hierauf von dem entstandenen Niederschlage ab. Man erhält ein Filtrat, in welchem durch Essigsäure, verdünnte Salz- und Salpetersäure eine im geringsten Säureüberschuss vollkom- men lösliche Fällung entsteht. In der sauren Lösung derselben be- wirkt Ferrocyankalium einen Niederschlag. Wird der durch Säuren erzeugte Niederschlag gewaschen und {) Lehrbuch der Chemie. Bd. 9. 3. Aufl. pag. 57. 2) I. e. pag. 40. 199 zwischen Filtrirpapier abgepresst, so lösst er sich in der geringsten Menge Kalilauge auf. Die gewonnene Lösung verhält sich gegen Säuren und gegen Alkohol und Aether der Lösung von Kalialbuminat vollkommen entsprechend. Bei der Behandlung des Fibrin und Albumin tritt also derselbe Atomecomplex auf: fällbares Eiweiss in Verbindung mit Kalkerde, der im Kalialbuminat an Kali gebunden ist. Eiweissniederschläge, welche ich mir auf verschiedene Weise aus Hühnereiweiss durch Zusammenwirken von Mittelsalzen und Säu- ren erzeugt hatte, erwiesen sich, auch wenn sie durch längeres Aus- waschen und Liegen an der Luft in Wasser ziemlich schwer löslich geworden waren, als leicht löslich in Kalkwasser, und die alkalische Lösung zeigte alle für das Fibrin und Albumin unter denselben Ver- hältnissen angegebenen Eigenschaften. Ganz allgemein gesagt‘, ändert also das Kalkwasser Albumin und Fibrin in fällbares Eiweiss (Mulder’s Protein) ab. Weitere Abän- derungen bringt es wenigstens in den hier in Betracht kommenden Zeiträumen nicht zu Stande. Brücke's Pseudofibrin, ein Körper, bei dessen Darstellung 1) das dazu verwendete Eiweiss schon durch Kali die Abänderung in fällbares Eiweiss erlitten hat, zerfällt in ähnlicher Weise unter dem Einfluss des Kalkwassers, wie das Fibrin. Die erhaltene Lösung unterscheidet sich in Nichts von einer Lösung des Fibrin oder Albu- min in Kalkwasser. Ein dem Fibrin analoger, in Wasser unlöslicher Eiweisskörper kann also in den Sehnen nicht vorhanden sein, denn dann müsste sich der durch Kalkwasser extrahirte Körper mit fällbarem Eiweiss identisch erweisen, was nicht der Fall ist. James Drummond) erklärt in einer Abhandlung, in welcher er die Entwicklung des Bindegewebes eben so beschreibt und abbil- det, wie dies Baur später gethan gethan hat, die grösste Masse des !) Ueber die Ursache der Gerinnung des Blutes. Virchow's Archiv, Bd. III. p. 393. 2) Researches into the mode of Development of the Tissues in the Mammalian Embryo. The monthly Journal of medical science. Vol. XV. Edinburgh 1852. pag. 357. u. d. f. MOLESCHOTT Untersuchungen vn, 14 200 embryonalen noch keinen Leim gebenden Bindegewebes ohne weiteres für identisch mit dem Fibrin. Seine durch einige Versuche unterstützten Angaben scheinen mir aber mit Berücksichtigung der für die entwickelten Sehnen vorliegen- den Thatsachen einer weiteren Prüfung bedürftig. ' Eben so wenig als mit dem Fibrin kann die in Wasser unlös- liche, durch Kalkwasser extrahirbare Substanz der Sehnen mit dem beim Verdinnen des Blutserums oder des Hühnereiweisses mit Wasser herausfallenden Körper identisch sein. Panum’s sogenanntes Serumceasein ist allerdings in Kalkwasser leicht löslich; hätten wir es aber in unserem Falle damit zu thun, so müsste sich jene Substanz auch mit Kochsalz oder Salmiaklösung aus dem Bindegewebe extrahiren lassen, was nicht der Fall ist. Um be- weisende Versuche anzustellen, ist es notihwendig, auf folgende Weise zu verfahren. Nachdem die Sehnen, wie oben angeführt, mit destillirtem Wasser möglichst gereinigt, theile man sie in drei Portionen. Die eine wird mit destillirtem Wasser, eine zweite mit Kochsalzlösung und die dritte mit Kalkwasser infundirt. Nach 48stündigem Stehen weist das Kalkwasser eine grosse Menge durch Säuren fällbarer Substanz aus, die Kochsalzlösung hingegen ent- hält entweder keine Spur oder doch nur eine sehr geringe Menge einer durch Essigsäure fällbaren Substanz. Findet man das Letztere, so nehme man jetzt eine Probe des über der ersten Portion der Sehnen stehenden destillirten Wassers, säure an und versetze mit Ferroeyankalium. Man wird sich überzeugen, dass in das destillirte Wasser dann annähernd eben so viel albuminoide Substanz noch übergegangen ist, als aus der Kochsalzlösung durch Zusammenwirken von Salz und Säure gefällt wurde. Man hat dann eben nicht lange genug mit destillirtem Wasser gereinigt; und die letzten Reste der in Wasser löslichen Eiweiss- körper des Bindegewebes sind in die Kochsalzlösung übergegangen. Wäscht man die mit Kochsalzlösung behandelten ‚Sehnen hinter- 201 her wieder aus und infundirt sie jetzt mit Kalkwasser, so nimmt dieses nun erst jene in Wasser unlösliche Substanz aus denselben auf. Uebrigens wurden die eben verzeichneten Versuche nur der Voll- ständigkeit halber hier angeführt, weil aus denselben zugleich das Verhalten unseres Körpers zu Salzlösungen ersichtlich wird. Directe Versuche mit dem aus Hühnereiweiss durch Verdünnen mit Wasser abgeschiedenen und gut ausgewaschenen Eiweisskörper ergaben, wie bei der Natur desselben nicht anders zu erwarten, dass er sich gegen Kalkwasser eben so verhält, wie Fibrin und gelöstes Albumin. Von dem in Wasser unlöslichen sogenannten reinen Casein ha- ben Scherer 1) und Rochleder 2) gezeigt, dass es mit Kali, Na- tron oder Kalk Lösungen mit den für Caseinlösungen characteristischen Reactionen gibt, Nachdem eine Vergleichung der fraglichen Substanz des Binde- gewebes mit den in Wasser unlöslichen Eiweisskörpern zu dem Re- sultate geführt, dass sie mit keinem derselben identisch sein kann, sind noch zwei, den Proteinkörpern sehr nahe stehende Substanzen übrig, welche die Unlöslichkeit in Wasser mit der fraglichen Substanz gemein haben: das Proteinbioxyd und das Muein. Als Panum den von ihm Serumcasein genannten Eiweissnieder- schlag auf reine Identität mit den bekannten, in Wasser unlöslichen Eiweiskörpern untersuchte, schrieb er 3), dass es eine missliche Sache sei, von einem bis dahin unbekannten Eiweisskörper zu behaupten, er sei nicht Proteinbioxyd, so lange man eben die letztere Substanz nicht besser kennt als dies jetzt der Fall ist. Ich finde mich in keiner anderen Lage. Nebst der Unlöslichkeit in Wasser sagt man dem Proteinbioxyd noch mit ziemlicher Uebereinstimmung die Löslichkeit in erwärmter Essigsäure nach, Diese Eigenschaft mangelt unserer Substanz. Was das Muein (Schleimstoff) betrifft, so ist Folgendes zu bemerken, 1) Annalen der Chemie und Pharmacie. Bd. 40, 2) Ebendaselbst, Bd. 45. # Virchow's Archiv. Bd. III. 202 Wenn man die Beschreibungen des also genannten Körpers bei Berzelius !), Simon 29), Scherer 3), Frerichs %), Leh- mann 5), nachliest, so findet man, dass sich aus den einzelnen Angaben dieser Autoren eine auf unsere Körper passende Beschrei- bung abstrahiren liesse. Im Ganzen stimmt aber die Beschreibung der einzelnen Autoren so wenig überein, dass daraus nicht zu entnehmen ist, ob das, was man Schleimkörper nannte, in allen Fällen ein und dieselbe Substanz gewesen ist. Die Würdigung dieser Thatsache ist der Grund, warum ich nicht gleich anfangs bei dem doch wenig erklärenden Hinweis auf den so- genannten Schleimkörper stehen blieb, sondern vorerst noch die übri- gen in Wasser unlöslichen Proteinkörper auszuschliessen suchte. Zum Schlusse noch einige praktische Bemerkungen. Es wurde in der vorliegenden Abhandlung die Anwesenheit einer bisher wenig beachteten Substanz im Bindegewebe dargethan, welche künftig namentlich bei Untersuchungen über die chemische Constitu- tion des Bindegewebes in seinen verschiedenen Entwicklungsstadien zu berücksichtigen sein dürfte. Auch für die vergleichende Analyse des Bindegewebes und des Leimes ist der Nachweis jenes Körpers von einiger Bedeutung. Man hat bisher aus der Uebereinstimmung der procentischen Zusammen- setzung des mit Wasser, Alkohol und Aether gereinigten Bindegewe- bes mit der procentischen Zusammensetzung des Leimes geschlossen, dass sich das Bindegewebe ohne Veränderung seiner Zusammensetzung zu Leim auflöse. Berücksichtigt man die Anwesenheit der früher abgehandelten Substanz im Bindegewebe, so folgt, dass man durch obigen Schluss 1) L. ce. pag. 535. E 2) Handbuch der angewandten medizinischen Chemie. Berlin 1940. Bd. I. pag. 49 — und Bd. II, 1842, pag. 303. ‘ 3) Annal. der Chemie, Bd. 57, pag. 198. 4) Handwörterbuch der Physiol., Bd. III, 1. pag. 463 u. d. f. 5) Lehrb. d. physiol. Chemie. Bd. II. pag. 365. 203 nur ausspricht: „dess die Analyse des Bindegewebes nur in sehr weiter Fehlergrenze das Richtige trifft.“ Diese Folgerung hat schon Ludwig !) gezogen. Das Verhalten unserer Substanz zum Kalkwasser giebt wenigstens ein Mittel an die Hand, das Bindegewebe von fremden Substanzen besser, als dies bis jetzt der Fall war, zu reinigen. In letzterer Be- ziehung ist es merkwürdig, wie die Praxis der Gerber schon im Alter- thume sich des Kalkens der Häute bediente, um dieselben vor der Gerbung zu reinigen. Endlich glaube ich mich gerechtfertigt zu haben, gegen einen freilich @ priori gemachten Vorwurf Baur’s2), als hätte ich den ganz allgemein in den Parenchymsäften vorkommenden Eiweisskörpern im Bindegewebe eine besondere Bedeutung angedichtet. 1) Lehrbuch der Physiologie. 2. Aufl. Bd. II. pag. 252, 2) Ueber die fibrilläre Beschaffenheit der Bindesubstanz. Reichert und du Bois Archiv. 1859. Says, da R - ae be F Marg$o ee a na vn. Der Klauenschlauch des Schafes (sog. Klauendrüse. sinus eutaneus Klein). Histologisch untersucht in dem physiologischen Institute der k. k Universität zu Pest. Von Dr. Coloman Balogh, prov. Assistenten der Lehrkanzel der Physiologie 1). (Mit 1 Tafel). Das Organ, welches ich beschreibe, ist dem Genus Omis und (apra eigenthümlich und kommt an allen vier Extremitäten vor; ausserdem ist dasselbe nach der mündlichen Mittheilung des Herrn Professors Brühl an den zwei hinteren Extremitäten des Cervus ca- ‚preolus vorhanden. Das Makroskopische des Klauenschlauches wurde bereits von F. Klein in der „Dissertatio de sinu eutaneo ungularum ovis et caprae“ (Berol. 1830. cum tab.) beschrieben. Ich werde mich also hiebei nur kurz aufhalten. y Auf der Dorsalfläche des Fusses, dort wo die Basaltheile der ersten Phalangen mit dem Metatarsusknochen artieuliren, fängt die Haut an zwischen die beiden genannten Knochen sieh einzusenken, welche Einsenkung nach unten zu immer mehr zunimmt, so dass sie . PBR . . 1) Aus den Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Wiener Academie der Wissenschaften, vom Herrn Verfasser mitgetheilt. MOLESCHOTT Untersuchungen VL, 15 206 an der Grenze, wo die Klauen ihren Anfang nehmen, gewöhnlich eine Tiefe von 18 Millim. erreicht. In dieser Furche, in der Gegend, welche den Gelenken zwischen den beiden ersten und zweiten Pha- langen entspricht, findet sich in einer Tiefe von 8 Millim. eine rund- liche Oeffnung (Fig. 1,a) von 2—2:5 Millim. Durchmesser; aus ihr ragt immer ein Büschel von Haaren heraus und sie ist mit einer fettartigen, halbflüssigen Materie angefüllt. Diese Oeffnung führt in einen blind endigenden Schlauch, welcher hakenförmig geknickt ist, und zwischen den beiden Zehen durch lockeres Bindegewebe fixirt wird. Der schräg von vorn und oben nach hinten und unten abstei- gende Theil (Fig. 1,6) des Schlauches ist drehrund und hat einen Durchmesser von 3:5 Millim., ‘eine Länge von circa 18 Millim. — Der knapp über diesem in entgegengesetzter Richtung und etwas steiler aufsteigende Theil des Schlauches (Fig. 1,d) erweitert sich von. der knieförmigen Umbiegungsstelle (Fig. 1,c) an bis zu 7.333 Millim. Durchmesser, verjüngt sich aber gegen sein blindes, in fett- reiches Bindegewebe (Fig. 1,e) eingehülltes Ende allmälig wieder bis zu 425 Millim. Durchmesser und hat eine Länge von eirca 16:5 Millim. | Wenn man einen bis an die Klauen enthäuteten Fuss von hinten her betrachtet, so sicht man ein grosses Stück des blasenartig erwei- terten aufsteigenden Theiles (Fig. 2,«) des 'Schlauches in dem drei- eckigen Raum zwischen den Zehen hervorragen. Der Schlauch liegt also so, dass er durch die Zehen etwas zusammengepresst werden kann. Wird auf der hinteren Seite des enthäuteten Fusses das Binde- gewebe und die oberflächliche Faseie entfernt, so fallen die Zweige des 125 Millim. starken Tarsalnerven (Fig. 2,e) und der gleich- namigen Arterie (Fig. 2, f) ins Auge. Von den Verzweigungen der Tarsalarterie tritt keine von den Seiten oder von hinten her direet zu dem Klauenschlauch; sondern es kommt ein unpaarer feiner Zweig von vorn und unten, d. h. von der Dorsalhaut des Fusses her, zu dem genannten Organ;, derselbe spaltet sich in der Nähe der Ausmün- dungsöffnung des Klauenschlauches in zwei Zweigehen von je 0:5 Millim. Dicke. Das eine von ihnen steigt in der Umhüllungsschicht von unten her auf die obere Fläche des Anfangsstückes des abstei- 207 genden Theiles des Schlauches, um sich daselbst zu verzweigen; das andere begiebt sich ebenfalls in der Umhüllungsschicht an der unteren Fläche des absteigenden Theiles zu dem aufsteigenden Theil des Schlauches und verästelt sich daselbst und führt somit einem weit grösseren. Theile unseres Organes das Blut zu. Die Verästelungen dieser Arterien lösen sich in der Umhüllungsschicht zu langgezogenen weitmaschigen Capillarnetzen auf, zum Theil treten sie zu den Drüsen- knäuelehen des Klauenschlauches und umspinnen dieselben mit einem Capillarnetze (Fig. 3), dessen Maschenräume 0:023—0:238 Millim weit sind. Die Dicke der Capillaren beträgt an gut gelungenen Injeetionspräparaten 0:009—0:023 Millim. Die kleinen zwischen den Drüsen verlaufenden Arterienästehen werden von je zwei Venen be- gleitet und messen 0:030—0:041 Millim. Die Talgdrüsen der Haar- bälge des Klauenschlauches sind von Uapillarnetzen umspannt, welche noch weitmaschiger sind, als jene der eigenthümlichen Drüsenknäuelchen des Klauenschlauches. Die Nerven für den Klauenschlauch kommen von der Dorsalhaut des Fusses auf demselben Wege wie die Arterien heran, und begleiten dieselben als dünne, bis vier Nervenfibrillen von 0:010—0:006 Millim. Dieke führende, Zweigehen. Die einzelnen, doppelt eontourirten Nervenfibrillen treten dann zwischen die Windungen der Drüsenknäuelchen, wo sie sich durch dichotomische Theilungen in feine Aestchen auflösen und »in den Wandungen der Drüsenröhrchen verlieren. Die Nerventheilungen habe ich an Präparaten, welche 24 Stunden hindurch in fünffach verdünntem Holzessig macerirt waren, beobachtet. — Das Eintreten der Nervenfibrille in die Wandungen der Drüsenröhrehen sah ich an Objeeten, welche einen Tag in 10pro- centiger Salpetersäurelösung gelegen hatten. Auch an Chromsäure- Präparaten habe ich die Nervenvertheilung studirt. Untersucht man den Klauenschlauch auf seine Schichtungsver- hältnisse von aussen her, so kann man eine ziemlich feste, ein wenig durchscheinende Membran im Zusammenhange vom Sehlauche los- trennen, welche sich auch in der Umgebung der Ausmündungsöffnung desselben nach unten zu in einer Länge von 21 Millim. (also bis zu den Klauen herab) und in einer Breite von 15 Millim. (auf die beiden Seiten symmetrisch vertheilt) von der Dorsalhaut des Fusses lospräpariren 1. 208 lässt, — ich nenne diese Membran die äussere Umhüllungs- schicht. Hierauf folgt eine zweite Membran, die innere Umhül- lungsschicht, welche zwar noch dünner, aber fester als die vorige und mit dem Schlauche nur lose verbunden ist. Sie erstreckt sich ebenfalls auf die angegebene Strecke der Dorsalhaut, welche ich, da sie sich zwischen die Zehen einsenkt, die Furchenhaut nennen will. Ueber die angegebene Strecke hinaus verschmelzen beide Schichten untrennbar in dem Unterhautbindegewebe. Der auf diese Weise rein präparirte Klauenschlauch hat sammt der gleichförmig entblössten Furchenhaut ein körniges Aussehen und eine ockergelbe Farbe. Die einzelnen Körner messen 0'75 bis 1'5 Millim. und sind durch schmale, weissliche Zwischenräume von einander getrennt. Diese gelbliche Drüsenlage ist im frischen Zustande von der darauf folgenden weisslichen Lederhaut nicht im Zusammen- hange loszutrennen; man kann dieselbe zwar an in verdünntem Holz- essig längere Zeit macerirten Objeeten in grösseren Fetzen abstreifen, doch zerfällt sie dabei leicht in eine körnige Masse. Wenn man den bis auf die Drüsenschicht von aussen her rein präparirten Klauen- schlauch aufschneidet, sieht man an der Schnittfläche seiner Wandung zwei durch ihre Färbung deutlich verschiedene Schichten, welche auch an Durchschnitten der Furchenhaut zu erkennen sind. Die äussere (untere) dieser Schichten ist gelblich, die,innere (obere) aber weisslich. Die erstere ist an dem aufsteigenden Theile des Klauenschlauches, wo die ganze Wandung 2-25 Millim. Dicke hat, 1-75 Millim. dick; an dem absteigenden Theile, dessen Wandung 1'75 Millim. diek ist, aber nur 0:75 Millim.; eben so viel beträgt ihre Dicke an der 3:25 Millim. dieken Furchenhaut. Die übrige 3 Millim. dieke Haut des Fusses lässt an senkrechten Durchschnitten eine solche Schiehtung und Färbung nicht erkennen. E Die Innenfläche des Klauenschlauches, welcher in seiner ganzen Ausbreitung eine Länge von. 40 Millim. und eine Breite von 10:5 Millim. (an dem absteigenden Theile) — 14:75 Millim. (in der Mitte des aufsteigenden Theiles) hat, ist weiss und mit gelblichweissen, etwa 9 Millim. langen Haaren besetzt. Der cerumenartige Inhalt desselben besteht aus einer durchsichtigen, dieken, fettig anzufühlenden, an der 209 Luft sich milchartig trübenden Flüssigkeit, welche bald zu einer horn- artigen, durchsichtigen, hie und da rissig werdenden Masse vertrocknet. Sie ist bei älteren Thieren mit ausgefallenen, meist im Zerfall begrif- fenen Haaren reichlich vermengt. ‘ Wenn man den Inhalt des Klauenschlauches mikroskopisch be- trachtet, nimmt man folgende Formelemente wahr: grössere und kleinere Bruchstücke von ausgefallenen Haaren, welche in Folge einer Maceration durch die in der Schlauchhöhle befindliche Flüssigkeit an dem dieken Ende besenförmig sich spalten, und endlich in ihre Ele- mente zerfallen, wie ich das aus den vollkommen isolirten und in grosser Menge vorhandenen Faserzellen der Rindensubstanz des Haares (Fig. 4) folgerte; ferner Epidermisschüppchen theils mit, theils ohne Kern; dann Talgzellen (Fig. 5,«a) bis zu einer Grösse von 0'020 Millim., Fettkörner (Fig. 5,5) von 0'004 Millim. Grösse bis zur un- messbaren Kleinheit und endlich in geringer Menge rhombische Tafeln (Fig. 6), die nach Zusatz von Aether verschwinden. Der Inhalt des Klauenschlauches reagirt schwach sauer und nur der geringere Theil davon wird durch Aether gelöst. Die ungelöste Menge wird durch Salpetersäure gelb gefärbt. Wenn man die ganze Masse trocknet und hernach erhitzt, verbrennt sie unter Blasenbildung und einem üblen Geruch mit Hinterlassung einer schwarzen Kohle. Es scheint das Seeret des Klauenschlauches mehr eiweissartige Ver- bindungen als Fett zu enthalten, was sich daraus erklären dürfte, dass die schweissdrüsenartig geformten, eigenthümlichen Klauenschlauch- drüschen die Talgdrüse an Zahl und Grösse überwiegen; denn aus der Thatsache, dass das in den ersteren enthaltene Seeret durch Sal- petersäure gelb gefärbt und die zwischen den kernartigen Elementen desselben vorhandene körnige Masse durch Essigsäure aufgehellt wird, halte ich für erlaubt anzunehmen, dass dieselben ein vorwiegend protein- haltiges Product liefern, während die Talgdrüsen eine fettige Materie absondern. Die letzteren werden auch nach einer mehrtägigen Mace- ration in zehnfach verdünnter Salpetersäure, wobei die ganze Drüsen- lage des Klauenschlauches intensiv gelb wird, kaum gelb gefärbt. Ueber den Zweck des Seeretes konnte ich zu keinem positiven Resultat kommen. Ich glaube aber nicht zu irren, wenn ich annehme, 210 dass dasselbe nicht ausschliesslich deswegen da ist, um als Schmiere für die Klauen und für die in der Umgebung befindliche Haut zu dienen, denn wie wäre sonst der Umstand zu erklären, dass der (ervus capreolus nur an den hinteren Extremitäten den Klauenschlauch besitzt, während die Haut, Haare und Klauen an allen vier Extremitäten gleiche Eigenschaften haben ? An feinen senkrechten Längsschnitten des Klauenschlauches erkennt man (zunächst nach innen gegen das Lumen) die Epidermis (Fig. 7, a, b), welche genau die Erhebungen und Vertiefungen, welche die Papillarsehieht macht, wiedergiebt. Die Epidermis zerfällt in eine im Mittel 0:045 Millim. dicke Hornlage (@) und in die 0:038 Millim. dicke Malpighische Schicht (b). Hierauf kommt die Papillar- schicht (Fig 7, c) von 0'742—0-866 Millim. Dicke. Die darauf folgende Drüsenlage (d) misst 0:750—1'742 Millim. Nach aussen schliessen sich dann die Umhüllungsschichten (e) an, welche zusammen eine Dieke von 0.133—0:666 Millim. haben. Sie sind nur bei stärkeren Vergrösserungen von einander getrennt wahrzunehmen. Die innere besteht aus vorzüglich querverlaufenden dichten, elastischen Netzen (Fig. 8) und ist ärmer an Bindegewebe als die äussere, wo nur weitmaschigere elastische Netze vorkommen. Die Stärke der elas- tischen Fasern beträgt in den Umhüllungsschichten 0:002—0:007 Millim. Das Gewebe dieser Schichten wird bei älteren Thieren durch aus Fett- zellen gebildete Inseln (Fig. 7, 0) von 0:047—0:333 Millim. Dicke und 0.390—2:095 Millim. Breite auseinander gedrängt. Die Fettzellen haben 0:041 bis 0:085 Millim. im Durchmesser. Die Hornlage der Öberhaut (Fig. 7, a) besteht aus mehreren Reihen übereinander geschichteter Hornzellen, von denen die obe- ren platt, mit körnigem Inhalt und mehr oder minder deutlichem Kern (Fig. 9). Sie haben im Mittel 0:019 Millim. Flächendurchmesser. Weiter nach unten gegen die Malpighische Schicht werden sie grösser (0:031 Millim.) und dicker (0'006 Millim.). Ihr Inhalt ist körnig, lässt aber einen länglichen wohlerhaltenen Kern von 0'008 Millim. Länge und 0:0055 Millim. Dicke deutlich durchschimmern. Die Form der letzt- beschriebenen Zellen ist von oben her gesehen unregelmässig eckig (Fig. 10, 5), von den Seiten her betrachtet aber spindelförmig (Fig. 10, a). 211 Die Malpighische Schicht (Fig. 7, 5) besteht an der Grenze der Papillarschicht aus einer Reihe vertiealstehender, säulenförmiger Zellen (Fig. 11, a), deren senkrechter Durchmesser 0'011 Millim. be- trägt, während der horizontale 0:006 Millim. ist. Ihr Inhalt ist sehr feinkörnig und schliesst einen rundlichen Kern von 0:004 Millim. Durch- messer ein. Die übrigen, gegen die Hornlage zu gelagerten Zellen (Fig. 11, 5) sind polygonal mit mehr oder weniger abgestumpften Ecken. Sie sind 0:008— 0:015 Millim. gross und haben 0:004—0:0026 Millim. grosse Kerne. Die Zellen dev Malpighischen Schicht sind in vertiealer Richtung etwa in dreizehn Reihen vorhanden. Die Papillarschicht (Fig. 7, c) besteht aus einem dichten Gefüge von Bindegewebsfibrillen, welchen feine elastische Fasern, die weitmaschige Netze bilden, beigemischt sind. Die Papillen (Fig 7, f) bestehen aus zum Theil formlosem Bindegewebe und wenigen der Länge nach verlaufenden elastischen Fasern. Sie sind bald fach und breit, bald hoch und schmal, bald büschelförmig zusammengesetzt. Ihre Höhe wechselt von 0'028—0'219 Millim., ihre Breite von 0:019 —0:076 Millim. Ich schätzte die Gesammtzahl der an der Innenfläche des Klauenschlauches, also auf einem Flächenraume von etwa 480 Quadrat-Millim. vorkommenden Papillen auf 1014. Sie stehen in querer Richtung dichter beisammen als in der Längsrichtung. Die Haare (Fig. 7, %), welche auf der Innenseite der Schlauch- haut hervorsprossen, sind in sehr schräger Richtung eingepflanzt und kehren ihre Spitzen der Oeffnung des Schlauches zu. Ihre Anzahl inag beiläufig 700 betragen. Wegen ihrer schrägen Einpflanzung be- kommt man von ihnen und ihren Bälgen auf senkrechten Querschnitten der Schlauehwand oft sehr hübsche Durchschnitte zu sehen. Sie haben im Mittel eine Dicke von 0:042—0-085 Millim. und stecken in Bälgen, welche gewöhnlich eine Länge von 2:308 Millim. und eine Dicke von 04123—0:22S Millim. haben. In die Haarbälge münden in der Nähe des Stratum Malpighii 2—4 Talgdrüsen (Fig. 7, g) von 0:113—0:209 Millim. Länge und 0:047 bis 0:100 Millim. Breite. Sie sind gewöhnlich so dunkel, dass man nur ihre runden OUontouren beobachten kann; bei Jungen Thieren aber sind sie hell genug, um bei starken Vergrösse- rungen die dureh ihre Wandung durchscheinenden , unregelmässig 212 eckigen, mit einem feinkörnigen Inhalt und einer Andeutung von Kernen versehenen Auskleidungszellen (Fig. 12, @) deutlich zu zeigen. Die Wandung der Talgdrüsen besteht aus einer membrana propria und über dieser aus einer 0:0145 Millim. dieken Faserhülle (Fig. 12, D. Die blass bräunlichgelbe Drüsenlage (Fig. 7, d) besteht aus etwa 550 einzelnen Drüsenknäuelchen (Fig. 7, e) von 0:219 bis 0:476 Millim. Dieke, 0:752—1:006 Millim. Länge und 0:57 bis 1:057 Millim. Breite, welche der Länge nach in Zwischenräumen von 0:104-—0.2 Millim., der Quere nach in Zwischenräiumen von 0:028—0:076 Millim. in's Bindegewebe eingebettet sind; auf einen ganzen Umkreis eines Querschnittes des Schlauches kommen ihrer etwa dreizehn. Die Knäuel sind umsponnen von einem ziemlich engmaschigen Netz von feinen ela- stischen Fasern, welche mit denen der Umhüllungschichten in Verbindung stehen und sich mit den Bindegewebsfibrillen auch zwischen die einzelnen Windungen hinein begeben und dieselben zusammenhalten helfen. Ein derartiger Knäuel besteht aus einem blindendigenden Schlauch (Fig .13, a) von 0:092 Millim. Dicke, welcher nicht ungetheilt bleibt, wie man das an in verdünntem Holzessig macerirten, mit Nadeln zerzupften Präparaten am besten beobachtet. Die Aestchen der Drüsenröhrchen (Fig. 13, b) endigen ebenfalls blind und haben dieselben Durchmesser wie diese. Das ausführende Ende des aufgeknäuelten Drüsenröhrchens geht gerade oder schräg (Fig 7, m) nach aufwärts und durchbohrt, sich triehterförmig erweiternd, einfach die Epidermis (Fig. 7, n). Die Mündungen dieser Drüsenknäuelchen oder Poren stehen auf der Innenfläche des Klauenschlauches 0'8—1'33 Millim. von einander entfernt. Die 0:004—0:005 Millim. dicke Wand (Fig. 13, ce; Fig. 14, a; Fig. 16, «) der einzelnen Drüsenröhrchen besteht aus einer structur- losen, nach Maceration in verdünntem Holzessig oder 10procentiger Salpetersäurelösung leicht darstellbaren membrana propria (Fig. 15, a), welche äusserlich mit mehrfachen Schichten von eontraetilen Faser- zellen belegt ist, deren Verlauf oberflächlich längs (Fig. 17), dann schräg oder spiralig, innen aber quer gerichtet ist. Die einzelnen Faserzellen 0:090—0:019 Millim. lang, 0:0035—0-007 Millim. breit, mit Kernen von 0:0149—0:025 Millim. Länge, 0:0008 bis 0:0016 Millim. 213 Breite, habe ich aus Objeeten, welche in verdünnter Salpetersäure, Chromsäure und in diluirtem Holzessig macerirt worden waren, isolirt dargestellt (Fig. 18; Fig. 19; Fig. 20). Die Muskellage ist mit einem weitmaschigen, spiralig geordneten Netze (Fig. 21, a) von 0.0027 —0:0043 Millim. dieken, stark lichtbrechenden und scharf contourirten Fasern, welche jedoch nach Essigsäurezusatz undeutlich werden, überzogen. Inwendig ist die membrana propria mit einer einfachen Lage von polygonalen, säulenförmigen, kernhaltigen Zellen von 0:009 bis 0.012 Millim. Breite und 0:017—-0:020 Millim. Höhe ausgekleidet. Ihre Abgrenzung von einander ist im frischen Zustande und mit Wasser versetzt verwaschen (Fig. 16, e) und sie zeigen einen durchweg körnigen Inhalt; nach Zusatz von Essigsäure hellt sich aber derselbe auf und man erkennt nun die schönsten hexagonalen Formen (Fig. 14, b) und je einen rundlichen, feinkörnigen Kern (Fig. 14, c) von 0:008 Millim. Durchmesser. Die Zellen sind gewöhnlich farblos, manchmal aber zeigen sie einen schwachen Stich in’s Gelbliche; die Kerne sind dunkel schattirt. Am schönsten treten die beschriebenen Zellen nach 20stün- diger Maceration in fünffach verdünntem Holzessig hervor. Fig. 15 sind in dieser Weise gewonnene Präparate bei verschiedenen Einstel- lungen des Focus abgebildet. Unter (B) sind diejenigen im Focus, welche die das Deckglas berührende Wand der Drüsenröhrehen über- ziehen, bei (4) sind solehe, welche in der Halbirungsebene liegen, zu sehen, (() aber stellt diejenigen vor, welche die das Objeetglas berührende Wand der Drüsenröhrehen bedecken. Durch Maceration in verdünnter Salpetersäure werden sie gelb gefärbt und ihre Contouren werden sehr deutlich, die Kerne sind dann aber nieht zu beobachten. Das innerhalb der Zellenauskleidung übrig bleibende Lumen der Drüsenröhrchen misst im Lichten 0'042—0:060 Millim. und ist mit einem Inhalte, welcher gegen die Auskleidungszellen zu aus kernartigen Gebilden (Fig. 16, c), gegen die Axe zu aber aus einer körnigen Masse besteht, dermaassen ausgefüllt, dass in der Axe nur eine Andeutung von freiem Raum übrig bleibt. Es glückte mir an mit Wasser versetzten Prä- paraten, welche ich von ganz frischen Objeeten nahm, den besprochenen Inhalt unter dem Mikroskop, indem ich auf das Deckglas einen schwachen Druck ausübte, aus den Drüsenröhrchen herauszudrücken. Er bestand 214 aus neben einander 5 rundlich länglichen, kernartigen, farb- losen Gebilden (Fig. 22, a) von 0:004—0:008 Millin. Grösse und körnigem Inhalte, und einer formlosen, körnigen Masse (Fig. 22, b). Die Epithelialzellen blieben hiebei im Drüsenröhrehen unversehrt zurück, wie ich das nachher durch Essigsäurezusatz deutlich sah. Die ausge- drückten kernartigen Gebilde wurden durch Essigsäure nicht verändert, während die sie zusammenhaltende körnige Masse, welche wohl ohne Zweifel in Folge einer Umwandlung und Verflüssigung derselben entsteht, durchsichtiger wird. Salpetersäure färbt das Secret der be- sprochenen Drüsenröhrehen gelb, und dieses dürfte somit zum Theil aus eiweissartigen Verbindungen bestehen. Ich war mit meiner Arbeit bereits am Ende, als mir bekannt wurde, dass Ercolani den Klauenschlauch des Schafes untersucht, und die Resultate seiner Untersuchung im „Giornale di Veterinaria“ Bd. II. (Turin 1953) publieirt hatte. Das Original war mir nicht zugänglich. Aus dem Repertorium der Thierheilkunde von Professor Hering, 16. Jahrgang (Stuttgart 1855), Seite 83—84, Art.: „Ueber die Hautdrüsen“ von Ercolani, weiss ich aber, dass er die knäuel- artig gewundenen Drüschen für Schweissdrüsen, welche an der inneren Oberfläche des Klauenschlauches münden, ansieht und ihre gelbe Farbe von der von ihnen secernirten Flüssigkeit herleitet. Die bisherige Meinung der Autoren, dass der Klauenschlauch hauptsächlich Talgdrüsen enthalte, hat Ercolani mit Recht als irrig erkannt. Wenn derselbe aber die gewundenen Drüsenknäuelchen als Schweissdrüsen bezeichnet, so kann ich ihm nur insofern beistimmen, als die fraglichen Drüschen sich nur hinsichtlich ihrer Form wie vergrösserte Schweissdrüsen verhalten, während sie ihre funetionelle Bedeutung und die Beschaffenheit ihres Seeretes den Cerumendrüs- chen des menschlichen Gehörganges, welche überdies gleichfalls formell mit den Schweissdrüsen übereinstimmen. viel verwandter erscheinen lässt.* Auf die Angabe endlich, dass ihre gelbe Färbung von der seeernirten Flüssigkeit herrührt, habe ich das zu bemerken: dass ich den Inhalt der Drüsenröhrchen wie den des Klauenschlauches überhaupt immer farblos fand. Die gelbe Farbe, welehe die Drüsenknäuelchen unstreitig darbieten, leite ich von den Zellen her, die eine schwach 215 gelbe Farbe darbieten und hiedurch, indem das Lieht mehrere Schichten derselben durchsetzt, die obgenannte Färbung bedingen. Die Furchenhaut zeigt nur darin eine Differenz von der Wandung des Klauenschlauches, dass die Papillarschicht an Dicke bedeutend zunimmt und die Haare dicht gedrängt neben einander stehen. Jetzt werfe ich noch einen Blick auf die Haut der Metatarsal- gegend, um die daselbst vorhandenen Verhältnisse an einem Längs- schnitt ganz kurz zu beschreiben, Die Gesammtdicke beträgt bis 3 Millim. Die Epidermis erlangt eine Dicke von 0'181 Millim., während die Malpighische Schicht nur 0:028 Millim. misst. Die Papillarsebicht, 1'966 Millim. dick, hat wenige Papillen, welche nieht über 0:030 Millim. hoch sind; sie wird vorzüglich aus elastischem Gewebe gebildet und beherbergt sehr viel neben und über einander stehende Haarbälge von 1'033 Millim. Höhe und 0'133 Millim. Dicke, aus denen Haare von 0:066 Millim. Dicke herausragen. In die Haar- bälge münden gewöhnlich zwei Talgdrüsen von 0'088 Millim. Länge und 0:033 Millim. Breite. Zwischen den Haarbälgen befinden sich in Zwischenräumen von 0'366 Millim. die Schweissdrüschen von 0800 Millim. Höhe und 0'333 Millim. Breite. Die Schweissdrüsenröhrehen selbst haben eine Dicke von 0'075 Millim. Ihre Farbe ist weisslich. In histologischer Beziehung unterscheiden sie sich nicht von den gleichge- formten Gebilden des Klauenschlauches, wohl aber bezüglich ihres Inhaltes, da ich in ihnen nie Formelemente wahrnahm. Sie münden an der Haut- oberfläche mit trichterartig erweiterten Oeftnungen. Die Ausführungs- gänge sind gerade. Auf die Papillarschicht folgt die reticuläre Schicht der Uutis; sie besteht aus weitmaschigen elastischen Netzen, deren Maschen- räume durch Bindegewebe, welches vorwiegend vorhanden ist, durchsetzt werden. Durch balkenartige Züge, welehe von dem tewtus subeutaneus ausgehen und wie dieser reicher an elastischem Gewebe sind, wird sie in Abschnitte getheilt. Die retieuläre Schicht der Cutis misst 0'776 Millim., während der textus subeutaneus 0:933 Millim. dick ist. Nach dem Gesagten ist der Klauenschlauch eine Fortsetzung der Uutis, wobei die Hornlage der Epidermis dünner, die Malpighische Schicht aber dieker wird, die Haare an Zahl ab-, ihre Talgdrüsen aber an Miächtigkeit zunehmen, die Schweissdrüssen in ihrer Function eigen- 216 thiimlich modifieirt und auch grösser werden. Die reticuläre Schicht der Cutis wird hiebei reicher an elastischen Elementen und geht in die innere Umhüllungsschieht über, während der tewtus subeutaneus zu der äusseren Umhüllungsschicht sich verdichtet. Inwiefern J. Gene in seinen „Observations sur quelques parti- eularites organiques du Ohamois et des Moutons (Mem. di Torino. vol. 37. 1854. p. 195) den Gegenstand, welchen ich behandelte, berührt, und was R. R. Livingston davon in dem Artikel: „On the exeretory duct of the feet of sheep“ (Transactions of the society of New-York. P. II., p. 140) beschreibt, ist mir nicht bekannt, da mir die genannten Schriften nicht zugänglich waren. Fig. 1. = 11. 12. 217 Erklärung der Abbildungen. Der Klauenschlauch nach Wegnahme von einer Zehe von der Seite her betrachtet; a die Ausmündungsöffnung, b der absteigende Theil. ce die knie- förmige Umbiegungsstelle, e der aufsteigende Theil desselben; e ein Häufchen, welches vorzüglich aus Fettzellen und dann aus Bindegewebe besteht. Hälfte der natürlichen Grösse. . Der Klauenschlauch nach Wegnahme der Haut in seiner natürlichen Lage zwischen den beiden Zehen von hinten her betrachtet; @« die untere und hintere Hälfte des aufsteigenden Theiles des Klauenschlauches, 5 die zweiten Phalangen, ce ein rundes sehniges Band, welches die Köpfe der zweiten Phalange zusammenhält, d die ersten Phalangen, e ein festes sehniges Band, f die Tarsalarterie, g der Tarsalnerv. Hälfte der natürlichen Grösse. . Ein Capillargefässnetz, welches ein Drüsenknäuelchen umspinnt. 60malige Vergrösserung. . Faserzellen der Rindensubstanz des Haares aus dem Inhalte des Klauen- schlauches, 250malige Vergrösserung. . a Talgzellen, 5 Fettkörnehen. Rhombische Tafeln, aus dem Inhalte des Klauenschlauches. 250m. Vergr. . Längsschnitt der Wandung des Klauenschlauches; a Hornlage der Epidermis, b Malpighische Schicht derselben, ce Papillarschicht der Drüsenlage, e die Umhüllungsschiehten, / Cutispapillen, g Talgdrüsen, A äussere Wurzelscheide, i innere Wurzelscheide des Haarbalges, k Haarschaft, 7 Drüsenknäuelehen, m Ausführungsgang der Drüsenröhrchen, n Ausmündungsöffnung derselben, o Inseln, welche aus Fettzellen bestehen. 20malige Vergrösserung. Ein elastisches Fasernetz aus der inneren Umhüllungsschieht. 450malige Vergrösserung. . Zellen aus dem oberen Theile der Hornlage und Zellen aus dem unteren Theile der Hornlage; a von der Seite, 5 von oben hier betrachtet. 250malige Vergrösserung. Zellen der Malpighischen Schicht; @ nächst der Papillarschicht, 5 gegen die Hornlage zu. 250malige Vergrösserung. Das Endstück einer Talgdrüse; @ die durchscheinenden Ausgleichungszellen, b die Vaserhülle derselben. 60malige Vergrösserung. 218 ” 13. 14. ıkip 16. Ein Stück von einem Drüsenröhrchen; a der Stamm, 5 die Verästelungen, ce die Wandung desselben. 50malige Vergrösserung. Ein Stück von einem Drüsenröhrehen mit Essigsäure versetzt; a die Wan- dung mit Kernen, 5 die Auskleidungszellen mit Kernen (ec). 300malige Ver- grösserung. Stücke von einem Drüsenröhrchen nach Maceration in Holzessig; A ein gebogenes Stück desselben; bei dieser Einstellung sind die Auskleidungszellen, welche in einem Längssehnitte des Drüsenröhrehens liegen, in ihrem vertiealen Durchmesser, (b) im Focus, D ein blindendigendes Stück von einem Drüsen- röhrehen mit der Membrana propria (a), die Zellen, (%) der Drüsenröhrchen- Wandung, welche das Deckglas berührt, im Focus eingestellt, während bei © diejenigen Zellen im Focus eingestellt sind, welche die das Objectglas berührende Wandung des Drüsenröhrchens überziehen. « Membrana propria, b die von der Membrana propria sich loslösende musculöse Zelle der Drüsen- röhrehenwandung. 250malige Vergrösserung. Ein Drüsenröhrchen im Querschnitte betrachtet; a die Wandung mit Kernen (), e die Auskleidungszellen, ce der Inhalt, d das Lumen desselben. Frisches Öbjeet. Das Präparat mit Wasser versetzt. 250malige Vergrösserung. . Ein Drüsenröhrchenstück mit Essigsäure versetzt, wobei die musculösen Ele- mente sichtbar werden. 250malige Vergrösserung. . Contractile Faserzellen nach Behandlung mit Chromsäure. . Dieselben durch Salpetersäuremaceration, und . solehe nach Einwirkung von Holzessig gewonnen. 250malige Vergrösserung, . Das die museulöse Hülle des Drüsenröhrchens iberziehende Fasernetz a. 300malige Vergrösserung. . Inhalt der Drüsenröhrchen; @ kernartige Elemente derselben mit der sie zusammenhaltenden Masse (6). IX. Zur Würdigung der physiolog. Wirkung der Sitzbäder. Rückbemerkungen an Herrn Dr. Boecker, auf dessen Antikritik (diese Zeitschr. Bd. VI). Von Dr. L. Lehmann, Badearzt in Bad Oeynhausen. Nur wenige Zeilen will ich noch zum Schutze des von mir für wahr Gehaltenen gegen die letzten Acusserungen B’s, die physiol. Wir- kung der Sitzbäder betreffend, schreiben, da die Angelegenheit selbst nun hinreichend spruchreif den Sachverständigen erscheinen dürfte. Damit nicht durch Stillschweigen das gegen meine Sitzbadversuche Vorge- brachte gleichsam anerkannt scheine, nehme ich nochmals das Wort. Seit einem Jahre bereits wird zwischen Herrn B. und mir die Frage ventilirt : „Haben Sitzbäder die Wirkung, den Urin und gewisse Urin- „bestandtheile eines Badenden, weleber fastet, für die dem Bade „folgende Stunde zu vermehren ? Meine Arbeit über diese Frage behauptet es für meinen Körper; Herr B. bestreitet mir das Recht dazu. Er stützt sich bei dieser Kritik zunächst auf eigne Versuche, und dann auf Prüfung meiner Zahlen. — _ Die B’sche Kritik ist von mir einer schr eingehenden, und wie ich glaube, durchaus beseitigenden Prüfung unterzogen worden. In- 220 dessen hat Herr B. gegen dieselbe neuerdings, wenn auch nicht gerade neue Einwürfe gemacht, welche ich, soweit sie die oben formulirte Frage betreffen, nochmals beleuchten werde. Indem ich beim Leser die Kenntniss unserer vorhergegangenen Discussion voraussetze, werde ich mich nur an die letzten B’schen Bemerkungen halten und höchstens, wo das Verständniss es erfordert, auf das Frühere andeutungsweise zurückkommen. Herr B. kämpft in dieser Sache nicht allein. Vielmehr erscheint er überall auf der Arena in Begleitung des Herın Prof. Radicke. Ich muss also auch diesem Rede und Antwort stehen, was ich um so lieber thue, als ich mit herzlichem Dank die Objeetivität und die wissen- schaftliche Ruhe anerkenne, mit welcher derselbe seine Kritik übt. Ich muss ferner mit noch grösserem Danke anerkennen, dass Prof. Radicke mit seiner populären Darstellung des Einflusses, welchen die Mathematik auf Verwerthung unserer Zahlen haben muss, unseren Studien einen Dienst erwiesen hat. Herr Prof. Radicke hat die strenge Forderung, welche seine erste Arbeit über diesen Gegenstand enthält, dass nämlich die Differenz arithmetischer Mittel grösser sein müsse, als die Summe der mittleren Schwankungen der zu vergleichenden Reihen, bereits gemildert. Ich habe nun keine Scheu zu bekennen, dass ich nicht sachverständig genug bin, einzusehen, mit welchem Rechte und Grunde eine einmal hingestellte, wissenschaftliche Forderung gemildert werden könne. Ich traue aber Herrn. R. zu, sich des Grundes dafür bewusst zu sein. Meine ausgesprochene Ansicht in Bezug auf den Einfluss der Mathematik zur Verwerthung unserer Reihen scheint mir auch jetzt noch nach Durchlesung des R’schen Urtheils darüber wohl begründet. Ich übergehe hier mit Absicht jede specifisch mathematische Diseussion, auf die betreffende Abhandlung verweisend, und glaube um so mehr von einer weiteren Auseinandersetzung Abstand nehmen zu dürfen, als“ die oben formulirte Frage, um deren Beantwortung es sich hier handelt, nicht wesentlich mehr damit in Verbindung tritt. Folgende Punkte der R’schen „Notiz“ sind es indessen, auf welche ich die Aufmerksamkeit der Leser mit besonderem Nachdruck leite: 1) S. 3. die aufgestellte Regel ist „keine rein mathematische, sondern enthält ein willkürliches Element“ „Die Willkürlichkeit dieses Ele- 221 mentes hat aber keine andere Wirkung, als dass die Grenze der Brauch- barkeit des gezogenen Resultates einer kleinen Verschiebung vor- oder Raum lasss an: 2) „Es war bereits“, sagt R. S. 5 ferner, „in der That eine solche Willkür von mir, als ich Se es solle im Minimum der Mittel- unterschied (statt die vollen Schwankungen) die (wirklich geringeren) mittleren Schwankungen übertreffen. ....... 3) Ferner sagt der Vf. ibid.: „Es ist wahr, dass ich sehr streng verfahren bin, und dass ich einen ziemlich bedeutenden Betrag des ‚Mittelunterschiedes in m. Regel gefordert habe... . u. s. w. Aus diesen Sätzen lässt sich also eonstatiren. dass die von R. den Aerzten mitgetheilten Regeln zur Verwerthung erhaltener Zahlen nicht absoluten, den mathematischen Wahrheiten zukommenden Werth be- sitzen sollen, sondern das Maass der Wahrscheinlichkeit richtig be- zeichnen, welches R. an aus Zahlenreihen zu ziehenden Resultaten anlegt. Ich bin nun selbst der Ansicht, dass alles nach den Regeln des Herrn R. Gemessene einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit beanspruchen darf. Indessen wird es auch vieles sehr Wahrscheinliche geben, was jenen Regeln nicht völlig entspricht. — Die Kritik R’s. (Anmerkung S. 6) über einen von mir gebrauchten Vergleich, um die häufig bestehende bürgerliche Wahrscheinlichkeit gegenüber seinen aufgestellten Regeln zu veranschaulichen, verliert im Ansehluss hieran sofort ihre Spitze, wenn die 3 vorletzten Zeilen weg- genommen werden, in denen von zufälligen Conjuncturen die Rede ist, welche ich in meinem Vergleiche mit „durch eine bekannte Ab- änderung alterivte Geschäftsführung“ bezeichnete, so dass von zufälligen Conjuneturen, welche ein Kaufmann auch gewiss erkannt haben würde, nicht die Rede ist. Freilich wäre der Mann in meinem Vergleiche ein Kaufmann. Bei Verwerthung unserer Zahlen wünsche ich aber auch Physiologen. Herr R. mag allerdings ein vortrefflicher Physio- loge, wenn auch nur als Dilettant sein. Was hindert uns, dies von vorn herein anzunehmen ! Aber seine bei seiner Regeleomposition auf- gestellten Hypothesen sind und bleiben physiol. unerwiesen. Z. B. sind die Annahmen von „Perioden“ in unsern Ausscheidungen, wo sich also innerhalb unbestimmter Zeiträume die Quantitäten derselben auf- MOLESCHOTT Untersuchungen VI, 10 222 steigend und absteigend, in gewisser Symmetrie unterscheiden sollen, wo ferner „Störungen sämmtlich oder mit grossem Uebergewiecht nach derselben Richtung, hinwirken“, oder in 2 verglichenen Reihen in ent- gegengesetzter Richtung ausschlagen“, Annahmen, welche meines Wissens in der Natur nicht beobachtet worden sind. Wir sehen Minima und Maxima der Ausscheidungen, beim Harn z. B., auftreten und zwar in unmittelbar aufeinander folgenden Tagen; ebenso gleich- mässige Quantitäten, ohne dass irgend Regelmässigkeit dabei hätte beobachtet werden können. Dies alles weiss Herr R., als Physiolog, und doch giebt derselbe als Mathematiker bei Begründung seiner Re- geln diese nicht auf Beobachtung beruhende Motivirung. Noch bemerke ich, dass meine Ansicht, wie man Zahlenresultate aus unsern Reihen gewinnen könne doch wohl von R. nicht richtig bezeichnet wird (S.5). „D. L. z.B. hält sich schon von der Mitwir- kung des Agens überzeugt, wenn der Unterschied grösser ist, als die mittlere Schwankung einer einzigen der beiden Reihen (wenigstens kommt seine Meinung nahezu darauf hinaus“). Ich will aber gar nicht die Mittel- Unterschiede vergleichen, sondern einer möglichst vollständigen Reihe eine unvollständige entgegenstellen. In dieser unvollständigen sollen die Mehrzahl der einzelnen Grössen selbst, nicht das Mittel ausserhalb M + u liegen, wenn der Schluss gerechtfertigt sein soll. Ich bitte ferner noch zu constatiren, was Herrn B. gegenüber nützlich ist, dass die mit R’s. Angaben nicht congruirenden Zablen- resultate „unter der Rubrik wahrscheinlich, aber noch nicht genügend gesichert“ aufbewahrt werden dürfen. Prof. R. ist der Lehrer, Hr. Dr. B. der Lernende in der Mathe- matik. Es geschieht nicht selten, dass Letztere in ihren Behauptungen weiter gehen und mehr wagen, als ihre Meister. So ging es auch Herrn Dr. B. In seiner ersten, in dieser Zeitschr. (Bd. VI) publi- eirten Kritik meiner Sitzbadearbeit, sagt er z. B. (S. 73): Er könne mit Ausnahme meiner Schlüsse über Verhalten des Pulses und des Körpergewichtes meinen übrigen Schlussfolgerungen 223 nicht beitreten. „Auch die Gründe habe ich angegeben. Sie sind unwandelbaren mathematischen, von R. lichtvoll entwickelten Gesetzen entnommen. Will L. diese nicht anerkennen, so muss er andere Ge- setze der Wahrscheinlichkeit mathematisch begründen und die beste- henden widerlegen. ..... . . ‘Wenn L. weniger strenge Anforderungen an die Verwerthung der Zahlen stellt, als ich, so kann ich nichts dagegen machen.“ Achnlich spricht sich Hr. B. an verschiedenen Stellen seiner Arbeit aus (z. B. Bd. ALL: 11). Herr B. wird aber zugeben müssen, dass die Ansichten R’s, wie er selbst in seinem dankenswerthen Aufsatze sagt, ein willkürliches Element enthielten, wodurch die Grenzen der Wahrscheinlichkeit so eng gesteckt wurden, dass Ändere so gut, wie ich, gerechten Anstoss daran nahmen. R. räumt dies heute selbst ein und nimmt eine „be- dingte Brauchbarkeit“ von Zahlenresultaten an, wenn M—M, grösser ist als E+ Mr, 2 Hieraus möge Herr B. erkennen, dass, wenn auch die mathema- tischen Gesetze unwandelbar, doch die Ansichten eines Mathematikers es nicht zu sein brauchen. Mit der nun gemachten Concession (Oester- len’s Zeitschr. f. Hyg. ewd. Statist. u. Sanitätsp. 1859, Bd. 1, 92—95) sind die Resultate meiner Sitzbadearbeit überall auch nach R’s. Ansicht wenigstens „bedingt brauchbar.“ Da Erlenmeier's Versuche ähnliche Resultate, wie die meinigen ergaben, so möchte damit die Bestätigung der bei mir noch nicht genügend wahrscheinlichen Daten gemacht worden sein. — Die Lamp e’'schen Zahlen sind durchaus, soweit sie die Uringrössen betreffen, eine Bestätigung meiner eigenen. Ich behaupte die Urinver- mehrung bei mir nach einem Sitzbade für etwa eine Stunde nachher. Bei Lampe sind alle Zahlen der Urinmenge während der ersten 2 Morgenstunden nach dem Sitzbade grösser, als die betreffenden ohne das Sitzbad. Dabei ist allerdings die kleinste Sitzbadurinmenge 536 OOtm. — der grössten Normalurinmenge 560 CCtm. gesetzt worden, eine Vernachlässigung, welche bei Quantitäten, wie die hier uns interessirenden, erlaubt sein dürfte. Ich frage nun nochmals, ob hier nicht mit grosser Wahrschein- 10.* 224 lichkeit eine Vermehrung beim Sitzbade stattfand. — Ich fühle mich berechtigt, die Lampe'schen Zahlen für Harnmengen als eine Bestü- tigung meiner Resultate zu betrachten, und folglich auch nach R.'scher Ansicht die früher nur „bedingte“ Brauchbarkeit meiner Resultate fortan ohne dieses epitheton ornans aufzuführen. — Die B’schen Zahlenreihen selbst entsprechen trotz der von B. cor- rigirten einen Ausstellung von mir doch durch den Umstand den R’schen Anforderungen nicht, dass die einzelnen Zahlen um viel mehr als 10 pCt. des arithm. Mittels sich unterscheiden. Gelegentlich dieser Correctur bin ich veranlasst, Herrn B. auch mit einer, wenn auch vielleicht nieht so wichtigen auf dem physiolo- gischen Gebiete zu dienen. Ich habe nämlich monirt, dass Herr B. bei seinen Versuchen während der Sitzbadereihe grössere Körperbewe- gungen machte und diese Tage nicht lieber des Bewegungseinflusses wegen ausschied. Darauf lese ich nun seine Entgegnung also: „Dass ich die beiden Versuche, in welchen ich mir stärkere Be- wegungen nach dem Sitzbade machte, nicht ausgeschieden habe, beruht darauf, dass wir, nach den bisherigen, wenn auch nicht entscheidenden Versuchen, Ursache haben, eine die Ausscheidungen vermehrende Wirkung der stärkeren Körperbewegung anzunehmen“ u. s. w. B. sagt also, dass er nur zu meinen Gunsten gewissermässen die stärkere Bewegung in der Sitzbadereihe habe einwirken lassen, da die Aus- scheidung ja noch grösser als sonst, also für die Riehtung und den Sinn meiner Schlüsse günstig einwirken musste. Nun kann zwar Niemand fordern, dass Herr B. des Dr. Speck und meine Arbeiten über Einfluss der ermüdenden Körperbewegung (Arch. .d. V. f. gem. Arb. Bd. IV. H. 4) hätte lesen sollen, da die- selben zur Zeit, als Herr B. dieses schrieb, wahrscheinlich noch nicht publieirt waren. Indessen lieset man in den meisten Handbüchern der Physiologie, so wie in Lehmann’s Handbuch der physiol. Chemie (II, 404), dass Körperbewegung gerade die Menge des in 24 Stunden auszuscheidenden Urines vermindert. Meine Erfahrung. bestätigt wenigstens, dass nicht einmal Vermeh- rung, wohl. aber häufig Verminderung der Urinmenge nach starker Bewegung constatirt werden konnte. — Bei Speck trat constant 225 Urinverminderung ein. — Auch die Vermehrung des Harnstoffs ete. im Urin nach starker Bewegung war nicht jedesmal vorhanden, wohl aber bei mir auffallend geringe Quantitäten. Chlornatrium war nicht selten im Urin vermindert. Also dürfte es doch wünschenswerth gewesen sein, die zwei Ver- suchstage von den übrigen schon der Urinmenge wegen zu scheiden. — Ich muss ferner meine Behauptung, dass die B’schen Zahlen mit den meinigen nicht vergleichbar seien, noch aus folgendem, neuen Grunde aufrecht erhalten. Nehme Herr B. einen Augenblick mit mir willkürlich an, dass ein Sitzbad die Urinmengen constant um 50 CC. für die erste Stunde nach dem Bade vermehre. Wenn bei vollständiger Inanitiation und bei stünd- licher Harnmengenbestimmung diese Vermehrung sehr deutlich wahr- nehmbar sein wird — wie z. B. bei mir, wo ohne Sitzbad stündlich nieht weniger als 23, nicht mehr als 67 CC. Urin entleert worden ist — so wird diese Vermehrung auf das Leichteste unbemerkt bleiben, wenn durch reichliches Getränk (1000 CC.) die Harnmengen beträcht- lich ausfallen und obendrein nieht stündlich, sondern 3stündlich be- stimmt worden sind. Bei B. fallen die Normalharnmengen zwischen 260 und 700. Wie sollte bei solehen Quantitäten mit so beträchtlicher Schwankung selbst eine constante Vermehrung von 50 CC. bemerklich sein. Schüttet man eine Flasche Wein in einen Brunnen, so wird das Wasser diese Vermehrung nieht verrathen, wohl aber, wenn man sie in ein Waschbecken güsse. — Bei Lampe ist doch wenigstens die 2stündige Urinquantität angegeben worden; und in diesen Angaben liegt das den meinigen durchaus analoge Resultat. — Was die Harnstof!- und Chlornatrium-Mengen betrifit, so wüsste ich nichts Neues für deren Vermehrung hinzuzufügen und halte ich diese]be für meine Person genügend bewiesen. Selbst nach der R'schen strengen Ansicht würden meine für Harnstoff erhaltenen Zahlen (Arch. d. V. IV. 1) eine Vermehrung nahezu beweisen, da die Mitteldifferenz 3,3, die Schwankungssumme in beiden Reihen 3,77, also nur wenig höher ist. — Dass auch in solch einem Falle Prof. R. bei Boecker'- schen Zahlen gnädig verfuhr, darüber vergleiche man Wunderl-. Arch. a. a. 0. 1858, II, 2, 8. 193 (Kualigehalt bei Sassaparilla von 226 Boecker, in welchem Falle auch die Mitteldifferenz nicht genau so gross ist, als die Schwankungssumme, und Herr R. doch den Schluss gelten lässt) ferner ibid. S. 194 (Zucker), woselbst die Rechnung nur nach willkürlicher Ausschliessung der hohen Ziffer 27,8 in der Zucker- reihe stimmt. Auch dafür, dass Prof. R. bei B’s. Zahlen weiter aus- einander liegende Versuchstage ebenfalls für seine Ausrechnung gelten lässt, finden sich Beispiele: ibid. S. 194 und 195. Indessen hat ja Prof. R. neuerdings concedirt, dass, wenn die Schwankungssumme, durch 2 dividirt, von der Mitteldifferenz über- troffen werde, bedingungsweise ein Schluss berechtigt sei. Dividire ich 3,77 durch 2, so ist der Quotient 1,885 und meine Mitteldifferenz liegt nahezu doppelt so hoch. Bevor ich schliesse, möchte ich die Leser noch bitten, von fol- genden Aeusserungen des Herın B. Akt zu nehmen: „Allein, was wird höchstens dadurch bewiesen oder wahrschein- lieh gemacht? Offenb. nicht, dass d. Sitzb. d. Ausscheidungen ver- mehre, sondern wahrscheinl. nur eine vollständ. Entleerung des in d. Blase schon befindl., ausgeschied. Urins bewirkt.“ 2) „Kein Mensch wird behaupten, dass L. in s. Vers. f. Sitzb. nicht mehr Urin ausgeschieden habe, als ohne dasselbe; allein er bleibt den Beweis schuldig, dass diese Mehrausgabe dem Sitzbade zugeschrie- ben werden müsse.“ Aa: A lso, hier haben wir nun unsere Differenz! Anfänglich unserer Disputation musste ich meinen, Herr B. fände keine Urinvermehrung bei mir nach Sitzbädern. Jetzt findet er eine solche wohl, indessen soll ich beweisen, dass die Sitzbäder die Vermehrung herbeigeführt haben. Das heisst doch die Sache von einem andern Ende anfassen ! Ueber Erklärungen für Thatsachen kann man streiten, wenn nur erst die letzteren unbestritten sind. Stehe ich hier nicht ganz da, wo jeder Naturforscher steht, der abgeänderte Bedingungen in erkennbaren Wirkungen mit anderen, bekannten Bedingungen und ihren Wir- kungen vergleicht ? Er setzt die abgeänderte Wirkung auf Rechnung der bekannten Abänderung; und gerade so verfahre ich, verfährt auch Herr Dr. B., wenn er auf Einwirkung dieses oder jenes Agens zu schliessen sich erlaubt. Ich kann mich daher nicht genüg wundern, 227 dass mein verehrter Freund B., zugebend, dass ich mehr Urin nach dem Sitzbade ausgeschieden habe, nun den Beweis dafür will, dass auch das Sitzbad die Ursache davon war. — Aber versuche ich selbst diese Forderung! Denn die B’sche, die Urinvermehrung nach meinen Sitzbädern betreffende Erklärung ist gar zu wenig motivirt. Dieselbe würde noch einen Schein von Berechti- gung haben, wenn ich nur ein Sitzbad an einem Morgen genommen hätte. Da ich aber zwei und drei Sitzbäder nahm und nach jedem eine deutliche Urinvermehrung erfolgen sah, so müsste, — die B’sche Erklärung angenommen, — nach dem ersten Sitzbade die Blase nicht vollständig, nach denı zweiten ebenfalls nicht vollständig entleert worden sein; und es bliebe auch noch fraglich, ob es das dritte Mal dem Sitzbade vollkommen gelungen wäre, dieses Organ zur gänzlichen Contraction zu bringen. — Und doch konnte in meinem 15. Ver- suche noch in der fünften Inanitiationsstunde nach dem zweiten Sitz- bade 153 Urin erscheinen, während 67 das höchste normale Ergeb- niss ist. — Mein zwölfter Versuch bekämpft geradezu die B’sche Erklärung (a. a. OÖ. S. 536). Am Ende des Sitzbades, 8 h 30 m ist die Urin- menge 42,5, kleiner selbst, als die der vorhergehenden Stunde (59,7). Aber eine Stunde nach Aufhören des Sitzbades 9 h 30 m fällt die Urinmenge 90,8. — Was ferner schlagend die B’sche Erklärung bekämpft, ist die Betrachtung des Badeurins. Sollte die B’sche Erklärung nämlich nur einigermassen wahrscheinlich klingen, so müsste der Badeurin, weil länger in der Blase verweilend, concentrirter noch, als der bereits entleerte sein oder — um das Wenigste nur zu behaupten — so müsste der länger in der Blase verweilende Urin doch ebenso eoncentrirt, als der früher ohne Sitzbadzwang Belassene sein. Wie aber zeigte sich der Badeurin ? Derselbe war bei mir immer wasserhell, enthielt Farb- stoff nur im diluirtesten Maasse, und besass schwankendes, aber immer auftall 'inges spec. a Wie verträgt sich dies Verhalten mit de en Erklärung 2 Ich halte mich also berechtigt, diese B’sche Art die Sache an- zuschauen, unmotivirt zu nennen und hoffe auf Ilerrn B’s. Zustimmung. 228 B. bleibt noch immer bei seiner Rüge, dass meine Versuche an „zu weit von einander liegenden“ Tagen angestellt seien, würde aber» wie ich ihn verstehe (S. 2) nicht tadeln, wenn solche Versuche nicht an „unmittelbar aufeinander folgenden“ Tagen angestellt worden wären. — Die Begründung dieser eigenthümlichen Forderung beruht auf einer, zunächst durch Prof. Radieke auf rein speceulativem Wege auf das Erfahrungsgebiet übertragenen Theorie von „Perioden“, „kürzeren“, „längeren“ und „vollen“, innerhalb welcher die (uantitäten des Harnes sich bewegen sollen, trotzdem, so viel mir bekannt, die Physiologie bis heute davon keine Notiz hat. Schon oben Herrn Prof. R. gegen- über machte ich darauf aufmerksam und wiederhole hier dies dem Herrn B. gegenüber. Das „willkürliche Element“, welches übrigens Herr Prof. R. so offen und gerechtfertigt seinen Lesern darlegte, tritt bei meinem ver- ehrten Freunde B. vielleicht unbewusster Weise ebenfalls auf, so dass ich darauf aufmerksam zu machen mich veranlasst sehe. — Herr B. tadelt nämlich, dass meine Versuche an zu „weit auseinander liegen- den“ Tagen angestellt worden sind, während er hinzufügt, die Ab- wesenheit der „unmittelbaren“ Folge, welche ihr Bedenkliches habe, nicht getadelt zu haben. —- Also unmittelbar brauchen die Tage nicht zu folgen; aber welche Intervalle dürfen dazwischen liegen? Das sagt uns Herr B. nicht. Hier liegt das „willkürliche Element“ des Herrn B.! Entweder müssen die Tage, meine ich, unmittelbar auf einander folgen, oder ein paar Tage mehr oder weniger zwischen ihnen können nicht betont werden. (Meine betreffenden Sitzbadver- suche liegen nämlich sämmtlich zwischen dem 15. Juli 1853 — und dem 17. Novbr. 1853, und zwar 3 im Juli, 4 im August, 3 im Sep- tember, 4 im Oktober, 2 im Noyember). Endlich bemerke ich noch gegen eine Adnotation B's. (S. 3), dass, wenn meine die stündliche Urinquantität bei Inanitiation bezeich- nenden Zahlen aus den Jahren 1853, 55 und 56 eine Abnahme, wie er meint, wirklich bezeichneten, dies für meine Sitzbadversuche nur um so sprechender sein würde. Denn es würde damit Nein. licher, dass mein Körper wohl nieht befähigt wäre, unter Inanitiation solche Grössen Urins, wie bei den Sitzbädern erscheinen, auszuschei- 229 den. Die Sache würde für B’s Ansicht, wenn auch nicht viel be- weisen, so doch anzuführen sein, wenn die Zahlen ein Steigen erkennen liessen, z. B. die stündliche Urinquanitität im J. 1856 sich auch nur einmal auf 90 gehoben haben würde. Hiermit sind die wesentlichsten Punkte der B’schen Antikritik berücksichtigt. Unwesentlichere Dinge habe ich der Sache wegen gern übersehen. Ich scheide nochmals mit der Anerkennung sowohl für meinen Freund B., als auch für Herrn Prof. R., dass ihre Pole- mik wesentlich dazu beitragen wird, bei Verwerthung der Zahlen künftig vorsichtiger zu sen, als wir es alle vielleicht gewesen sind. Gleichzeitig aber warne ich wiederholt vor dem zu weit gehenden Skeptieismus, der das Gute und Richtige ebenfalls bemängelt und an- nagt. Ich bin von der Wahrheit meiner Sitzbaderesultate so sehr über- zeugt, dass ich es nur der Wissenschaft wegen bedauern muss, wenn irgend Jemand auf die Auctorität eines so fleissigen und strebsamen Forschers hin, wie Herr B. ist, an derselben zweifeln sollte. Schon macht die B’sche Ansicht, gleichsam als Negation der Meinigen — trotzdem dieselbe gar nicht so aufgefasst werden darf — durch die Tagesliteratur der Aerzte die Runde (Siehe d. Klin. 1859, Med. Neuigk. 19. Nov. 1859, S. 366). Möchte es den betreffenden Journalen ge- fallen, auch auf die meiner Ansicht zur Stütze gereichenden Gründe aufmerksam zu machen, damit unsere Angelegenheit wenigstens in suspenso bleibe! Wir dürfen ja bald B’s. Inanitiationsversuche mit stündlichen Urinangaben — so wenigstens hoffe ich sein gegebenes Versprechen verstehen zu dürfen — erwarten ! — — — X. Ueber Lösungsgemenge aus Kali-Albuminat "und phosphor- sauren Alkalisalzen. Von Dr. Alexander Rollett, Assistenten bei der physiologischen Lehrkanzel der Wiener Universität (1). Das Kali-Albuminat spielt eine wichtige Rolle in Rücksicht auf die Anschauungen, welche uns die neuere Forschung über die ver- schiedenen Eiweisskörper eröffnet hat. Scherer und Lieberkühn haben zuerst an dem aus gewöhn- lichen Eiweiss gewonnenen Kali-Albuminat Reactionen nachgewiesen, welche bis dahin nur den Oaseinlösungen zugeschrieben wurden. Eine Thatsache, an welche sich jetzt schon sehr merkwürdige (Gegenstücke angereiht haben. ! So der von Vintschgau gelieferte Nachweis der Identität von Albumin und Globulin ; so wie die von Brücke in seiner Abhand- lung über die Blutgerinnung beschriebene Beobachtung, dass man die ganze Masse des sonst sich freiwillig abscheidenden Fibrin aus noch flüssigem Blutplasma auch in Form des durch Hitze coagulirten Ei- weisses erhalten kann. Lieberkühn fand aber neben den vielen Uebereinstimmungen, welche sich zwischen Kali-Albuminat und Caseinlösungen zeigten, auch 1) Aus den Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften, vom Herrn Verfasser mitgetheilt. 231 noch einige Abweichungen und liess sich besonders durch das Ver- halten des Kali-Albuminates gegen Lab bestimmen, sein Albuminat für etwas vom Casein verschiedenes zu halten. Skreeczka hat, wie bekannt, gerade diesen letzten und wich- tigsten Unterscheidungsgrund durch seine Versuche ausgetilgt. In neuester Zeit hat jedoch F. Hoppe !) wieder mit vieler Ge- nauigkeit auf einige kleine Differenzen zwischen dem Casein in der Milch und den Kali-Albuminatlösungen aufmerksam gemacht und hält es für gerathen, auf diese hin doch noch einen sehr wesentlichen Un- terschied zwischen beiden Substanzen anzunehmen. Für die Beurtheilung der namentlich von dem letzteren Autor geltend gemachten Unterschiede mögen die nun folgenden Versuche einen Beitrag liefern. Versetzt man eine Lösung von nach Lieberkühn’s Vor schrjfigö) bereiteten Kali-Albuminat mit einer grösseren oder geringeren Menge einer gesättigten Lösung von gewöhnlichem phosphorsauren Kali (PO,, 2 KÖ, HO) oder Natron (PO,, 2 NaO, HO), so kann man an diesem Gemenge die folgenden Reactionen wahrnehmen. Essigsäure, Milchsäure, dreibasische Phosphorsäure, verdünnte Salz- und Salpetersäure erzeugen, bis zu einem gewissen Grade zugesetzt, einen flockigen, im weiter zugefügten Ueberschuss der genannten Säuren leicht und vollkommen löslichen Niederschlag. Die so erhal- tene saure Lösung wird durch Ferrocyankalium gefällt. Kurz Alles verhält sich gerade so, als ob man eine Lösung von Kali- Albuminat ohne die oben angeführte Beimengung untersuchen würde. Ich bemerkte früher, dass die Säuren bis zu einem gewissen Grade unserem Gemenge zugesetzt werden müssen, um Reactionen wie die beschriebenen an demselben wahrzunehmen. Denn eine ganz andere Reihe von Erscheinungen tritt ein, wenn man jenem Gemenge schr vorsichtig die betreffenden Säuren zusetzt. Prüft man, während man von Zeit zu Zeit einen Tropfen ver- dünnter Säure mit dem Glasstabe zufliessen lässt, die Reaction jenes 1) Virchow's Archiv Baer. pag. 418. 2) Ueber Albumin und Oasein. Poggendorff's Annalen Bd. 86. p. 118, 232 Gemenges mit gut bereitetem blauen Lackmuspapier, so sieht man, dass lange bevor auch nur die Spur einer bleibenden Trübung einge- treten ist, die Reaction eine saure wird, dass diese bei erneuertem Säurezusatz fortwährend zunimmt, bis endlich zuerst ein schwaches Opalisiren erscheint, welches bei weiterer Ansäuerung allmälig stärker wird, und zuletzt zu einer bleibenden Trübung und zur Ausfällung des in der Flüssigkeit enthaltenen Eiweisskörpers führt, der seinerseits wieder in dem geringsten Säureüberschuss leicht löslich ist. In jenen Stadien, in welchen die Flüssigkeit schon lange vor der Ausfällung des Eiweisskörpers stark saure Reaction angenommen hat, bewirkt ein Zusatz von Ferrocyankalium kemerlei Fällung. Die saure Lösung, welche man erhält, wenn man den schon ausgefällten Niederschlag durch neuen Säurezusatz wieder verschwin- den macht, giebt aber, wie schon früher angemerkt wurde, mit Ferro- cyankalium einen reichlichen Niederschlag. Ich muss jetzt noch einer weiteren Eigenthümlichkeit der in Rede stehenden Lösungsgemenge erwähnen. Es kommt diese zur Beobachtung, (Gremenges in dem Moment innehält, wo die der eigentlichen Aus- wenn man mit der successiven Ansäuerung eines solchen fällung des Eiweisskörpers vorhergehende Opalescenz in der Flüssig- keit sieh deutlich bemerkbar macht. Man kann hier begreiflicher Weise wieder zwischen niedrigeren und höheren Opalescenzgraden unterscheiden. Hat man durch den Säurezusatz eben eine ganz geringe Opales- cenz zu Wege gebracht, so kann man die Flüssigkeit bei gewöhnlicher Zimmertemperatur längere Zeit hinstellen, ohne eine Veränderung zu bemerken; erwärmt man sie dagegen im Wasserbade, so vermehrt sich die Trübung. Hat man durch den anfänglichen Säurezusatz schon eine etwas stärkere Opalescenz hervorgebracht, so kann man auch solehe Flüssig- keiten bei gewöhnlicher Zimmertemperatur bewahren, ohne weitere Veränderungen zu beobachten ; so wie man sie aber erwärmt, erfolgt bei verhältnissmässig niederen Temperatufßgäden , 35 oder 40 Grad C., : DE N 5 eine bedeutende Zunahme der Trübung, und diese steigert sich bei 2920 235 weiterem Erwärmen fortwährend, ohne dass es auch, wenn man bis auf 100 Grad ©. erhitzt, zu einer vollständigen Ausfällung des Ei- weisskörpers käme, letztere kann erst durch erneuerten Säurezusatz bewirkt werden. Man kann nun, indem man den anfänglichen Säurezusatz vor- siehtig höher und höher greift, mehr oder weniger trübe Flüssigkeiten erzeugen, deren Trübung beim ruhigen Stehen auch ohne weiteren Säurezusatz entweder schon bei gewöhnlicher Temperatur, in höherem Grade aber beim Erwärmen sich vermehrt, bis man endlich bei der zur vollständigen Ausfällung des Eiweisskörpers nöthigen Säuremenge anlangt. Diese Versuche gelingen mit Milchsäure und Essigsäure besonders gut. Ich habe sie darum so Ausführlich heschrieben, weil ich das Ver- halten des mit phosphorsauren Alkalien vermengten Kali-Albuminats bald für die Erklärung gewisser Erscheinungen zu verwerthen ge- denke, welche man an der Milch beobachtet, während dieselbe in der sauren Gährung begriffen ist, also der Milchsäuregehalt derselben einen stetigen Zuwachs erfährt. Man kann die mitgetheilten Versuche vielfach variiren, je nach- dem man concentrirtere oder verdünntere Lösungen von Kali-Albu- minat anwendet und je nachdem man diese mit mehr oder weniger des phorphorsauren Salzes mengt. Das Wesentliche der Erscheinungen bleibt immer dasselbe; die Anwesenheit der phosphorsauren Alkalien in einer Kali-Albuminat- lösung verhindert bis zu einem gewissen Grade die Fällung des in dem Albuminat vorhandenen Eiweisskörpers dureh Säuren und man erhält Lackmus röthende Kali-Albuminatlösungen, welche erst auf weiteren Säurezusatz den bekannten im Säureüberschuss wieder lös- lichen Niederschlag absetzen. Die Untersuchungen von Lieberkühn haben für das Kali-Al- buminat die Formel O,,H,,N.0,5S5; + KO ergeben !) und man weiss, dass beim Zusatz einer Säure diese Verbindung zerlegt wird, und N038 dass einerseits der in Wasser unlösliche Eiweisskörper O7,H;; NL. e. p. 423. 234 sich abscheidet, andererseits aber das Kalisalz der zur Fällung ver- wendeten Säure sich bildet. Verbindungen von der Form PO,,2KO, HO und PO,, 2NaO, HO verhindern aber, wie oben gezeigt wurde, den Fortgang dieser Zersetzung. Es frägt sich nun, ob man den in diesem Falle eintretenden chemischen Process nach den dabei thätigen Verwandtschaftsäusserun- gen, sowie es in der Chemie üblich ist, schematisiren kann ? Man hat, um diese Frage zu beantworten, das Folgende in Be- tracht zu ziehen. 1. Man setze zu einer Kali-Albuminatlösung nur so viel Essig- säure, Milchsäure, dreibasische Phosphorsäure, verdünnte Chlorwasser- stoff- oder Salpetersäure als eben hinreicht, um den in Wasser unlös- lichen Eiweisskörper daraus abzuscheiden. Tropft man nun vorsichtig eine verdünnte Lösung von phosphor- saurem Kali oder Natron zu, so löst sich der ganze Niederschlag sogleich wieder auf. Die Lösung reagirt, wenn man jeden Ueber- schuss der phosphorsauren Salze vermieden hat, sauer und ist durch Blutlaugensalz nicht fällbar. Ganz ungezwungen wird man den hier stattfindenden Process durch die Annahme erklären, dass ein Atom KO oder NaO aus dem phosphorsauren Salz ausgetreten und sich mit dem Atomcomplex des fällbaren Eiweisses zu löslichem Albuminat verbunden hat, während das phosphorsaure Kali oder Natron sich unter Aufnahme von einem Atom Wasser in ein saures Salz ver- wandelt haben. 2. Man mische den oben angeführten freien Säuren so lange phosphorsaures Kali oder Natron zu, bis eine Probe vollkommen neu- tral reagirender Kali-Albuminatlösung durch einen Tropfen jener Mi- schung eben nicht mehr gefällt wird. Mit diesem sauer reagirenden (Gemenge kann man nun Lösungen von Kali-Albuminat in allen Verhältnissen mischen. Es entsteht weder vorübergehend, noch bleibend eine Fällung, und man erhält saure, durch gelbes Blutlaugensalz nicht fällbare Kali- Albuminat- lösungen. 235 Kurz, Lösungen, welche sich den nach 1 dargestellten vollkom- men gleich verhalten. 3. Man versetze, wie dies im Eingang zu dieser Abhandlung angegeben wurde, eine Lösung von Kali-Albuminat mit phosphor- saurem Kali oder Natron. Ein solches Gemenge nimnit bei vorsichti- gem Säurezusatz saure Reaction an, ehe noch irgend eine Präceipitation erfolgt und man erhält auch hier wieder saure, durch Blutlaugensalz nicht fällbare Kali-Albuminat enthaltende Lösungen. Ob nun in diesem Falle das Kali-Albuminat durch die Säure zer- legt wird, das ausgefällte Eiweiss sich aber sogleich wieder in dem vorhandenen phosphorsauren Salze auflöst, oder ob sich zuerst aus diesem letzteren und der zugesetzten Säure das in 2. beschriebene das Kali-Albuminat nicht füllende Gemenge herstellt, oder ob beide Processe neben einander hergehen, sind bis jetzt unentscheidbare Fragen. Es ist sogar denkbar, dass der Process für verschiedene Säuren ein verschiedener ist. Diese Auseinandersetzung wurde hier gegeben, weil sich wohl in unserem Falle bessere Anhaltspunkte bieten, für die Erklärung der Veränderungen, welche die Zumischung von Salzen in den Reactionen einer Kali-Albuminatlösung hervorbringt, als dies z. B. der Fall ist für die Veränderungen, die in den Reactionen einer Ei- weisslösung nach Zumischung von Chloralkalien und anderen Salzen bervortreten ?). Ich gehe nun zur Anwendung der an unserem Lösungsgemenge gemachten Erfahrungen über. An einer mit phosphorsauren Alkalien gemengten Kali-Albuminatlösung lässt sich fast alles das wahrnehmen. was Lieberkühn und F. Hoppe, als dem Casein in der Milch eigenthümlich, beschreiben. Ich werde die betreffenden Stellen aus Lieberkühn’'s und F, Hoppe’s Abhandlungen hier anführen; die Uebereinstimmungen mit den früher beschriebenen Reactionen eines Lösungsgemenges aus Kali-Albuminat und phosphorsauren Alkalisalzen werden sich von selbst ergeben. ) Melsens, Journal für praktische Chemie, Bd. 54. p. 390 und Panum, Virchow’s Archiv, Bd. II. 236 Aus der ersteren Sehrift nur das Folgende 1): „Lehmann führt an, dass Essigsäure in der Milch der Kühe sowohl als anderer T'hiere nicht selten eine geringe Fällung bewirke, ein eigentliches Coagulum sich aber erst beim Kochen ausscheide. Bei den Unter- suchungen der Kuhmilch ist mir diese Erscheinung bis jetzt nicht vorgekommen, nur so viel steht fest, dass das Caseinkali bei Zusatz von Essigsäure oder Milchsiure in nicht zu grossem Ueber- schuss durch Erhitzen gerinnt, und dass die frische Milch, wenn sie durch wenig Essigsäure nur theilweise eoagulirt, stets einen stärkeren Niederschlag absetzt, wenn man sie zugleich kocht; wurde sie nicht gekocht, sondern von Neuem Essigsäure in genügender Menge hin- zugefügt, so gerann sie auch dann vollständiger.“ Lieberkühn glaubt das letztere Verhalten nur von einer nicht an Alkali gebunde- nen Moldifiecation des Uaseins herleiten zu können, da das an Alkali gebundene sich im Ueberschuss der Säure sogleich wieder auflöst. Bei F. Hoppe heisst es 2): „Obwohl die Achnlichkeit des Casein und Alkali-Albuminates allerdings sehr bedeutend ist und alle bis jetzt für das Casein allein angegebenen Reactionen auch dem Alkali-Albuminat zukommen, so scheint doch ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen beiden Stoffen noch zu bestehen. Es ist kein seltener Fall, wie Schlossberger's Untersuchungen gezeigt haben, dass die ganz frisch von gesunden Kühen gemolkene Milch schwach, aber doch deutlich sauer reagirt, und bei der von mir untersuchten Milch war dies fast ohne Ausnahme der Fall, unmöglich könnte nun in einer solchen sauren Milch, deren freie Säure keine Kohlensäure ist, Alkali-Albuminat existiren, und es müsste für diese Fälle ange- nommen werden, dass die freie Säure selbst das Albumin in Lösung erhielte; aber auch dies ‚ist nicht möglich. Lässt man alkalisch gemolkene Milch einige Stunden bei gewöhnlicher Temperatur stehen, so wird sie neutral, endlich schwach sauer, ohne dass sich weder spontan noch beim Kochen der Milch in neutraler oder beim Beginn der sauren Reaction ein Niederschlag bildete, erst bei weiterer Zu- 1) L. c. p. 305. ®) L. e. p- 418. 237 nahme des Säuregrades treten derartige Niederschläge eın. Wird eine Lösung von Kali-Albuminat aber vorsichtig neutralisirt, so tritt stets ein Niederschlag ein, der erst bei reiehlicherem Zusatz einer Säure sich wieder auflöst. So unbedeutend dieser Unterschied beider Stoffe zu sein scheint, so ist er doch hinreichend, um die alte Trennung derselben aufrecht zu erhalten.“ F. Hoppe’s Folgerungen musste man als richtig anerkennen, so lange man eben nicht wusste, dass die Reaetionen einer Kali-Albuminat- lösung durch Zumengung von phosphorsauren Alkalisalzen so ver- ändert werden können, dass sie mit den Reactionen des Casein in der Milch wieder vollkommen übereinstimmen. Wollte man künftig eine Trennung beider Substanzen auf Hopp e's Gründe hin aufrecht erhalten, so müsste erst nachgewiesen werden, dass sich eine vollkommen reine Oaseinlösung in der von jenem Autor beschriebenen Weise von einer reinen Lösung von Kali-Albuminat unterscheidet. Das Casein, wie es in der Milch vorhanden ist, findet sich gemengt mit den Salzen der Milch und ist aller Wahrscheinlich- keit nach mit dem Kali-Albuminat in unserem Lösungsgemenge zu vergleichen. Nach direeten Bestimmungen beziffert sich für die Frauen- milchasche nach Wildenstein f) der Procentgehalt an Phosphor- säure auf 19.41, an Kalium auf 31.59, an Natrium auf 4.21; für die Kuhmilchasche nach R. Weber an Phosphorsäure auf 29.13, an Kalium auf 24.71, an Natrium auf 6.38. Es lässt sich aber gar kein Grund gegen die Annahme anführen, dass in der Milch bestimmte Antheile jener Säure und bestimmte Antheile der Oxyde des Kalium und Natrium zu jenen Salzen mit einander verbunden waren, welche gerade den im Eingange beschrie- benen, verändernd wirkenden Einfluss auf die Reactionen einer Kali- Albuminatlösung ausüben. Ich hätte die Frage über die Gegenwart phosphorsaurer Alkalien in der Milch nicht weiter erörtert, denn es ist eine bekannte Sache, 1) Journal für praktische Chemie Bd. 58. p. 30. MOLESCHOTT, Untersuchungen. VII, 17 238 dass, wenn in einer Flüssigkeit einmal mehrere an Säuren und Basen verschiedene Salze aufgelöst sind, man bis jetzt nicht im Stande ist, die der Wirklichkeit entsprechende Zusammensetzung mit Sicherheit zu ermitteln. Directe Analysen ergeben aber für die Milch an Säuren: Phos- phorsiäure, Schwefelsäure, Chlor und Spuren von Kieselsäure; an Basen: Kali, Natron, Kalk, Magnesia und Eisenoxyd. Zu welchen Salzen man die Säuren und Basen auf einander berechnet, ist in hohem Grade von der Willkür des Chemikers abhängig. Dass ich dennoch bei diesem Gegenstande verweile, geschieht, weil ich bei Haidlen ?) die Angabe finde, es sei in der Milch keine Phosphorsäure an Alkalien gebunden, da die alkalischen Erden hinreichen, um die gefundene Phosphorsäure gerade zu sättigen, und weil Scherer in dem Artikel „Milch“ in R. Wagner's Hand- wörterbuch der Physiologie ?2) es als gegensätzlich anführt, dass Haidlen nur phosphorsauren Kalk, phosphorsaure Magnesia und phosphorsaures Eisenoxyd, Chlorkalium, Chlornatrium und Natron als Mineralbestandtheile der Milch angiebt, während Berzelius auch noch phosphorsaures Kali und Natron, sowie freien Kalk und Talk gefunden hätte. Das Lehrreichste, was über die mineralischen Bestandtheile orga- nischer Körper vorliegt, ist eine Reihe von Abhandlungen H. Roses?) und einiger seiner Schüler. Aus denselben geht aber klar hervor, dass wir noch weit davon entfernt sind, uns über die Art und Weise, wie die Aschenbestand- theile organischer Körper ursprünglich in diesen vorhanden waren, eine klare Vorstellung zu machen, ja dass wir sogar nur bei ganz besonders sorgfältigen Methoden der Aschenbereitung und Analyse die Gewähr haben, alle mineralischen Bestandtheile ungeschmälert aus den organischen Substanzen zu erhalten. 1) Annal. der Chemie und Pharmaeie, Bd. 45. 2) Bd. II. 3) Poggendorff’s Annal. Bd. 70. p. 449, Bd. 76, p. 305, Bd. 79, p. 398, Bd. 80, p. 108, Bd. 81, p. 91 und 402. 239 Gerade in einer dieser Abhandlungen, die das grösste Zutrauen verdienen, finde ich über die von R. Weber ausgeführte Aschen- analyse der Kuhmilch Folgendes verzeichnet 1): „Die Milch wurde, ohne vorher abgerahmt zu werden, bei ge- linder Temperatur abgedampft und die trockene Masse verkohlt. Der dritte Theil der verkohlten Masse von 15 Quart Milch wurde zur Untersuchung angewandt. Wässriger Auszug. Das Auswaschen der verkohlten Masse erforderte eine ausser- ordentlich lange Zeit und eine unglaubliche Menge Wasser, bis die abfiltrirte Flüssigkeit auf Platinblech verdampft, keinen Rückstand mehr hinterliess und durch salpetersaures Silberoxyd nicht mehr getrübt wurde. Die erhaltenen Flüssigkeiten zur Trockne abgedampft, gaben einen Rückstand von 7.125 Gramm. Dieser war folgendermaassen zusammengesetzt ; Ghlorkalum r.. ...0.%.. ALLA Chloroatrium.. . .. ...-. 1383 IN A RL Phosphorsäure °. . . . . 725 Schwefelsäure . . . .... 047 Konlensaure nn re 99.62 Chlorwasserstoffsaurer Auszug. Bei Behandlung der durch Wasser ausgelaugten Masse mit Ohlorwasserstoflsäure konnte keine Entwicklung von Kohlensäure wahrgenommen werden. Die Bestandtheile im sauren Auszuge waren folgende: Poggendorff’s Annal. Bd. 76, p. 390 und 391. “ BB p ı* 240 Kalten TUR: ı te OR INOtrOnIge le have, ed Kalkerde, au en So) IN@oesia pe. Te eh Eisenoxyd. . .. 2.2.2030 Phosphorsäure ... . . . 41.26 100.00 Die Chlorwasserstoffsäure hatte also nur phosphorsaure Salze aufgelöst.“ 1). Nach dieser letzten Beobachtung erscheint aber die Annahme phosphorsaurer Alkalien in der Milch nieht mehr ganz so willkür- lich als die Behauptung, es seien keine solchen in derselben enthalten. Ich werde jetzt noch einen Einwurf, der gegen meine Darlegung gemacht werden könnte, näher beleuchten. F. Hoppe hat in seiner schon angezogenen Arbeit 2) über die Milch zu beweisen gesucht, dass die saure Reaction frischer, noch ungeronnener Milch von freier Milchsäure herrührt. Er nimmt damit die ältere Ansicht von Berzelius gegen eine Behauptung Lehmann’s in Schutz. Der Letztere hatte nämlich die Ansicht ausgesprochen, dass die saure Reaction gesunder Milch in vielen Fällen von saurem phosphorsauren Natron herrühren möge. Hoppe 3) versetzte 400 Kubik-Centim. frischer Milch mit über- schüssigem Alkohol, rührte durcheinander und filtrirte. Das Filtrat wurde auf dem Wasserbade bei mässiger Wärme auf ein kleines Volum verdunstet, der Rückstand mit Aether unter häufigem Umschütteln stehen gelassen, das reine Aetherextract wurde abgegossen, der Aether verdunstet und der saure Rückstand untersucht. Es fand sich Milchsäure, aber keine Phosphorsäure darin vor. Man könnte nun in Zweifel ziehen, dass in dieser Beziehung zwischen der frischen sauer reagirenden Milch und unserem Lösungsgemenge, 1) Es folgt dann noch die Analyse der durch Verbrennung der Kohle erhalte- nen Asche. 241 wenn dasselbe eben durch Zusatz einer Säure noch vor dem Er- scheinen eines Niederschlages sauer geworden ist, eine Uebereinstim- mung besteht. Theoretisch lässt sich die Frage, ob die Milchsäure frei oder gebunden in der frischen Milch enthalten sei, eben so wenig bejahend als verneinend beantworten, da wir eben keine ausreichende Theorie der Verwandtschaftserscheinungen besitzen. Ich werde aber zeigen, dass man auf dem Wege des Versuches für unser angesäuertes Lösungsgemenge zu ganz ähnlichen Resultaten gelangt, wie sie Hoppe für die frische sauer reagirende Milch er- halten hat, aus welchen er aber folgern zu müssen glaubt, dass freie Milchsäure die saure Reaction der frischen Milch bedinge. Ich mischte einer Quantität mässig concentrirter Milchsäure so lange phosphorsaures Natron zu, bis eine vollkommen neutral reagi- rende Kali-Albuminatlösung durch das so erhaltene saure Gemenge nicht mehr gefällt wurde. Nun fügte ich zu dieser Mischung starken Alkohol im Ueber- schuss, es entstand eine milchige Trübung, indem sich diekflüssige Tropfen abschieden 1), welche sich nach einiger Zeit auf den Boden und die Wände des Gefässes niederschlugen. Die alkoholische Flüssig- keit wurde jetzt in ein Filter abgegossen. Das erhaltene Filtrat wurde auf dem Wasserbade zu einem kleinen Volum verdunstet. Der Rückstand reagirte stark sauer, er wurde mit Aether übergossen und unter häufigem Umschütteln durch 24 Stunden stehen gelassen, die ätherische Lösung rein abgegossen und der nach Verdunsten des Aethers erhaltene saure Rückstand auf Milch- und Phosphorsäure untersucht, Wurde eine Portion davon mit etwas kohlensaurem Zinkoxyd gemischt in einem Uhrglase über der Weingeistlampe erwärmt, so entstand ein Aufbrausen, das kohlensaure Zinkoxyd löste sich dabei auf, und beim weiteren Eindunsten schieden sich Krystalle aus, welche unter dem Mikroskop die Form des milchsauren Zinkoxydes deutlich 1) Siehe Achnliches auch bei Graham-Otto: Ausführliches Lehrbuch der Chemie. 3. Aufl., Bd. IT, Abtheil. 2, p. 231. 242 erkennen liessen. Mit kohlensaurem Kalk gab die saure Flüssigkeit ebenfalls ein Aufbrausen und es schieden sich Krystalle, welche mit milchsaurem Kalk übereinstimmten, ab. Die eine der in unserer Mi- schung vorhandenen Säuren war also im Aetherextract ganz unzwei- felhaft enthalten. Die Prüfung auf Phosphorsäure ergab aber ein entgegengesetztes Resultat, weder konnte phosphorsaure Ammoniak-Magnesia daraus in bemerklicher Menge abgeschieden werden, noch auch phosphorsaures Molybdänsäure-Ammon 1), obwohl ich meine dazu verwendeten Rea- gentien so empfindlich machte, dass ich selbst in den äussersten Ver- dünnungsgraden phosphorsaurer Salzlösungen die Phosphorsäure noch deutlich erkennen konnte. Ich habe den beschriebenen Versuch einige Male und immer mit demselben Erfolg wiederholt. In Hoppe’s Fall und in dem von mir mitgetheilten haben die- selben Proceduren zu demselben Resultate geführt. Es findet also auch in dieser Beziehung eine Uebereinstimmung zwischen der frischen sauer reagirenden Milch und unserem Lösungs- gemenge Statt. Zum Schlusse muss ich noch anführen, dass auch der im Wasser- extract der Pferdesehnen enthaltene, durch Säuren fällbare Eiweiss- körper ein dem Kali-Albuminat in unserem Lösungsgemenge ent- sprechendes Verhalten zeigt. Ich versprach schon in meiner Abhandlung über die Eiweiss- körper des Bindegewebes ?) auf eine Reihe von Erscheinungen zurück- zukommen, welche das Wasserextract der Sehnen beim vorsichtigen Ansäuern darbietet. Es sind dies eben keine anderen als die, welche unser Lösungsgemenge beim vorsichtigen Ansäuern ebenfalls darbietet. 1) Im letzteren Falle entstand eine kaum merkliche Trübung, welche sich aber nicht auf die charakteristischen gelben krystallinischen Körnchen zurückführen liess. 2) Vgl. diese Untersuchungen Bd. VII, S. 190 und folg. X. Beiträge zur näheren Kenntniss der morphologischen Elemente des Nervensystems. Von Ludwig Mauthner !). Gerlach's Karmin- Infiltration, deren ich mich bei meinen Un- tersuchungen über das Central-Nervensystem, namentlich das der Fische 2) bediene, verschaffte mir über die Elemente des Nerven- systems, die Ganglienkugel und die Nervenfaser, neue und interessante Aufschlüsse. Gerlach 3) und Stilling ?) haben über die Einwirkung des Farbstoffes auf Nervenfaser und Ganglienkugel ausführlichere, aber zum Theile widersprechende Angaben gemacht. Während Gerlach fand, dass von den Theilen der Nervenzelle das Kernkörperchen am inten- sivsten, nach ihm der Kern und am wenigsten das Zellenparenchym gefärbt wird, überzeugte sich Stilling, dass solche Färbungsdiffe- 1) Vorläufige Mittheilung des Herrn Verfassers aus den Sitzungsberichten der mathematisch - naturwissenschaftlichen Klasse der Wiener Akademie der Wissen- schaften. 2) 8. Lud. Mauthner, Untersuchungen über den Bau des Rückenmarkes der Fische, Sitzungsberichte der kais. Akademie, 7. Jünner 1859. 9) Mikroskopische Studien 1858. 4) Neue Untersuchungen über den Bau des Rückenmarkes, 5. Lig. 1859. 244 renzen zwischen den einzelnen Bestandtheilen der Zelle nicht existiren, ja dass Kern und Kernkörperchen sogar ungefärbt bleiben können, während sich der Inhalt gefärbt zeigt. Gerlach giebt an, dass der Axeneylinder der Nervenfasern nur schr wenig vom Farbstoffe alterirt wird; Stilling erklärt, dass derselbe tiefroth gefärbt werde Ger- lach sagt, dass die Färbung der Zellenfortsätze von der Zelle aus fortschreite; Stilling leugnet es. Gerlach giebt an, dass langes Erhärten der Nerventheile in Chromsäure die Aufnahmsfähigkeit für Farbstoff mindert; Stilling konnte dies nicht finden. In den beiden letzten Punkten, nämlich dass die Färbung der Zellenfortsätze von der Zelle aus fortschreite, und dass langes Erhärten in Chromsäure die Empfänglichkeit für die Aufnahme des Farbstoffes herabsetze, muss ich mit Gerlach übereinstimmen. ‘Im Hinblick auf die verschiedenen Angaben der beiden genannten Forscher über die Färbung der einzelnen Bestandtheile der Nerven-Elemente ist zu be- merken, dass sich diese, zum Theile wenigstens, daraus erklären lassen, dass Gerlach und Stilling verschiedene Arten von Ganglienkugeln und verschiedene Nervenfasern untersucht haben, und beide den Fehler begingen, ihre an bestimmten Ganglienkugeln und Nervenfasern ge- wonnenen Resultate zu verallgemeinern. Nach meinen hier vorliegenden Untersuchungen nämlich kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sich verschiedene, bestimmte Ganglienkugeln gegen Karmin in einer ver- schiedenen und bestimmten Weise verhalten, und dass auch die Ein- wirkung des Farbstoffes auf die Theile der Nervenfaser nicht bei allen Nervenfasern eine gleiche ist. Was zunächst die Ganglienkugeln anlangt, so giebt es nach mei- nen Erfahrungen : x Erstens solche Ganglienkugeln, deren Inhalt, Kern und Kern- körperchen gefärbt wird, und zwar so, dass die Färbung des ersteren am intensivsten, die des letzteren am schwächsten ist (Gerlach). Es kann ferner Inhalt, Kern und Kernkörperchen gefärbt sein, und zwar der Inhalt intensiver als der Kern, das Kernkörperchen tiefer als der Inhalt. Es kann weiter der Kern ungefärbt sein, Inhalt und Kernkör- perchen gefärbt letzteres tiefer als ersterer. 245 Es kann endlich der Inhalt der Zelle gänzlich ungefärbt sein bei gefärbten Kerngebilden. Dieses constante verschiedene Verhalten der einzelnen Bestand- theile verschiedener Nervenzellen gegen Karmin führt zur Aufstellung einer auf sicherer Basis ruhenden Difterential- Diagnose der Ganglien- kugeln. Die bisherigen Eintheilungen der Ganglienkugeln nach ihrer Form (in runde, spindelförmige, sternförmige), in Rücksicht auf ihre Fort- sätze (in selbstständige und in solche mit blassen Fortsätzen, wie sie Kölliker noch 1859 giebt 1), nach ihrer Grösse (in motorische, Empfindungs- und sympathische Zellen (Jaceubowitsch) 2), nach der Anwesenheit oder Abwesenheit der Scheiden, nach deren Beschaf- ° fenheit (M. Schultze) 3), nach ihrer Pigmentirung u. s.f. sind einer- seits an und für sich nicht hinlänglich begründet, besitzen aber ande- rerseits deshalb keinen allzugrossen Werth, weil sie auf die Be- schaffenheit der wesentlichen Bestandtheile der Nervenzelle, des Inhalts, Kernes und Kernkörperchens keine Rücksicht nehmen. Nur jene Ein- theilung der Nervenzellen kann sich voraussichtlich eine dauernde Be- rechtigung verschaffen, welche sich auf die verschiedenen Eigenschaften eben der einzelnen wesentlichen Bestandtheile der Zelle stützt, vor- ausgesetzt, dass zwischen verschiedenen Nervenzellen wirklich in dieser Hinsicht auffallende und constante Differenzen existiren. Das Medium, durch dessen Hülfe diese Verschiedenheiten hervortreten, ist das kar- minsaure Ammoniak. Um auf die Färbung der Nerven-Elemente eine Differentialdia- gnose derselben zu stützen, war es vor allem nöthig, das centrale und periphere Nervensystem eines und desselben Thieres zu durchforschen. Ich habe deshalb das Nervensystem des Hechtes in dieser Hinsicht untersucht, ausserdem noch die peripheren Ganglien des Kalbes, Ka- ninchens, der Taube, des Frosches, der Schildkröte, der Forelle auf Karmin - Präparaten studirt. 1) Handbuch der Gewebelehre des Menschen, 1859, pag. 95 u. 281. 2) Mittheilungen über die feinere Structur des Gehirnes und Rückenmarkes, 1857, pag. 2. 9) Observationes de retinae structura penitiori, 1859, pag. 22. 246 Im Central-Nervensysteme des Hechtes kenne ich vier wesentlich von einander verschiedene Arten von Nervenzellen, welche sich durch ihr Vorkommen an bestimmten Stellen und durch ihr verschiedenartiges Verhalten gegen Karmin auszeichnen. Es kommen 1) Nervenzellen vor, welche sich gegen Karmin so verhalten, dass sich Inhalt, Kern und Kernkörperchen färben, und zwar so, dass das Kernkörperchen am intensivsten gefärbt erscheint, während sich der Kern. weniger intensiv, und der Inhalt am schwäch- sten färbt. Der Kern dieser Zellen erscheint nicht als eine Blase mit eingeschlossenem Inhalte, sondern als ein dicht gefügtes Gebilde. Diese Zellen finden sich nur in den Vorderhörnern des Rückenmarkes, so wie in den Fortsetzungen derselben in die medulla oblongata und in dem Hirnstamm. 2) Ganglienkugeln, deren sämmtlich gefärbte Bestandtheile in Bezug auf ihre Färbungsintensität sich so verhalten, dass der Reihe nach das Kernkörperchen, dann der Inhalt und zuletzt der Kern kommt. Der Kern stellt eine Blase mit eingeschlossenem körnigen Inhalte dar. Sie finden sich weniger zahlreich als die sub 1 angeführten in den Vorderhörnern des Rückenmarkes und bilden ferner ausschliesslich die Nervenzellenzone des kleinen Gehürnes. 3) Nervenzellen, deren Kern sich in Karmin nicht färbt, während Kernkörperchen und Inhalt gefärbt werden. Zu dieser ausgezeichneten Art von Ganglienkugeln gehören nur allein jene, welche im obersten Theile des Rückenmarkes in der centralen grauen Substanz neben und hinter dem Üentraleanale auftreten, und sich in das verlängerte Mark und den Hirnstamm fortsetzen. Ich habe diese Zellengruppe zuerst beschrieben 1). 4) Nervenzellen, deren Inhalt gegen die Aufnahme des Farbstoffes vollkommen unempfänglich ist, während der Kern sich roth färbt. Ein eigentliches Kernkörperchen habe ich bei diesen Zellen nieht wahr- genommen. Diese Zellen finden sich im Rückenmarke des Hechtes gar nicht vor, sondern nur im Gehirne desselben, und zwar gehören sämmt- liche Ganglienkugeln, welche die Grosshirnhemisphären zusammensetzen, zu dieser Gruppe. 1) Ir ce. pag. 34, V. 1. 247 Die Ganglienkugeln des Hechtes, welche sich im Trigeminus- und Vagusganglion finden, haben einen weissen Kern (ähnlich den sub 3 im Rückenmarke angeführten). Mannigfache Gründe bewegen mich zur Erklärung, dass für das Central-Nervensystem des Hechtes die (sub 1 angeführten) Ganglien- kugeln mit gefärbtem dichtgefügtem Kerne zur Bewegungssphäre, die (sub 3 beschriebenen) mit ungefärbtem Kerne versehenen Zellen zur Empfindungssphäre des Rückenmarkes in inniger Beziehung stehen, und dass den Ganglienkugeln mit ungefärbtem Inhalte Vermittlung psychi- scher Thätigkeiten zuzuschreiben ist. Die peripherischen Ganglienkugeln der verschiedenen von mir untersuchten Thiere bieten mannigfache, theils auffallendere, theils geringere Verschiedenheiten in ihrem Verhalten gegen Karmin dar. In Betreff der Zellenfortsätze im Rückenmarke des Hechtes habe ich zu bemerken ; “ dass ihre Anzahl die von Owsjannikow angegebene über- steigt 1: dass ich weder Anastomosen der Nervenzellen derselben Rücken- markshälfte (wie beim Menschen), noch auch Anastomosen der Zellen in den entgegengesetzten Rückenmarkshälften jemals beobachtet habe ; dass ein Theil der Zellenfortsätze getheilt oder ungetheilt die Peripherie des Rückenmarkes erreicht, ein anderer Theil in Nerven- primitivfasern der vorderen und hinteren Wurzel und in Längsfasern des Riickenmarkes übergeht ; dass dieser Uebergang in der Art bewerkstelligt wird, dass die Scheide, welche als Fortsetzung der Nervenzellenscheide den Fortsatz eng umschliesst, von demselben sich abhebt, und zwischen Scheide und Zellenfortsatz, der nun zum Axeneylinder der Nervenfaser wird, das Mark auftritt. Ich habe hinzuzufügen, dass der Zellenfortsatz, welcher in der Regel eine wahre Fortsetzung des Zelleninhaltes ist, in seltenen Fällen aus dem Kerne der Zelle entspringt. Ich habe sowohl aus dem Kerne einer weissen Zelle im Grosshirne des Hechtes, als auch aus 1) Siehe L. Mauthner, ]. c. pag. 35, 4. 248 Kernen zweier Ganglienkugeln aus dem Vagusganglion des Kalbes Fort- sätze entspringen gesehen. Von den Resultaten, die ich über den feinsten Bau der Nerven- zelle, wie er sich auf Chromsäure-Karminpräparaten bei stärksten und besten Vergrösserungen darbietet, gewonnen habe, will ich folgende hervorheben : Die Scheiden der centralen Nervenzellen, so wie die inneren Scheiden peripherer Ganglienkugeln sind strueturlose, bei starken Vergrösserungen meistens eine Doppeleontour darbietende Membra- nen. Die Scheiden der ceentralen Zellen färben sich, wie ich ge- gen Stilling bemerken muss, in Karmin roth; nur gewisse innere Scheiden peripherer Ganglienkugeln bleiben ungefärbt. Der Inhalt der Nervenzellen bietet bei den stärksten Vergrösse- rungen eine dreifache Elementarstructur dar. Er zeigt entweder auch bei der schärfsten Beobachtung keine Spur einer inneren Structur, und erscheint demgemäss als eine gleichartige Masse, oder er bietet eine körnige Textur dar, und zwar gehören die Körner, die ihn zusammensetzen, einerseits zu den feinsten ihrer Art, sind als Elemen- tarmoleeule zu betrachten, oder sie sind von grösseren messbaren, wenn auch immer noch ausserordentlich kleinen Dimensionen. Der'Kern der Nervenzelle ist entweder ein dicht gefügtes Ge- bilde, oder er stellt eine Blase mit mehr oder weniger dieker (eine einfache oder eine Doppeleontour darbietender) strueturloser Wandung dar. In ihrem Innern ist diese Kernblase, ausser dass sie ein oder zwei Kernkörperchen enthält, entweder mit sich roth färbenden Kör- nern dicht angefüllt, oder es stellt ihr Inhalt eine gleichartige, structurlose, in Karmin sich nicht fürbende Masse dar, in welcher bald gar keine, oder nur sehr wenige, bald eine grössere Menge sich mehr oder weniger roth färbender Körner und Bläschen, auch anscheinend faserartige Gebilde (Reihen von Elementarkörnehen) sicht- bar sind. Einen doppelten Kern in Einer Ganglienkugel habe ich ein ein- ziges Mal geschen. Das Kernkörperchen ist entweder ein äusserst dieht gefügtes, aus einer centralen und peripheren Scehiehte bestehendes Gebilde, oder 249 es ist ein Bläschen, welches dann in seinem Innern noch einen ‚fünften, bläschenförmigen Bestandtheil der Ganglienzelle, welchen ich Nueleololus, des Kernkörperchens Kern, nennen will, einschliesst. Der Nueleololus ist ein in Karmin sich roth färbendes, 1/4s00- 2/1500 Milli- meter im Durchmesser haltendes Gebilde. In höchst seltenen Fällen finden sich zwei Kernkörperchen in Einem Kerne. Die einzelnen Theile der Nervenzelle stehen weder unter ein- ander, noch mit der Umgebung in einer innigen anatomischen Verbindung. Ueber den Bau der Nervenfaser kann mit Sicherheit Folgendes gelten: Die Hülle der Nervenfasern, welche sich bei allen, auch den Fasern des Centralorgans findet, ist entweder eine structurlose, oder eine aus feinsten Bindegewebsfasern zusammengesetzte Membran. Das Nervenmark stellt entweder eine vollkommen gleichartige Masse dar, oder es zeigen sich in demselben concentrische Schich- tungen. Man beobachtet nämlich nicht selten im Nervenmarke dunkle krumme Linien, welehe grössere oder kleinere Segmente von mit der äusseren Peripherie der Nervenfaser mehr oder weniger concentrischen Kreislinien darstellen, niemals aber radiär verlaufen. Nur in seltenen Fällen entsprechen diese krummen Linien einem ®$anzen geschlosse- nen Kreisumfange. Gewöhnlich lassen sie sich durch einen Quadran- ten oder die Hälfte eines Kreises verfolgen. Diese dunkeln Linien nun sind der Ausdruck der Schichtung des Markes, eben nach der Richtung dieser Linien hin. Der Axeneylinder, der wesentliehste T'heil der Nervenfaser, weil er allein (wie man sich am Fischrückenmarke und Fischhirne über- zeugen kann) mit dem Parenchyme der Nervenzelle in Verbindung steht, besteht aus zwei in einander steekenden Cylindern , von denen der innere solide Cylinder sich in Karmin tiefer färbt, als der ihn umgebende Hohleylinder. Die Theile der Nervenfaser stehen weder unter einander, noch mit der Umgebung in inniger anatomischer Verbindung. In Betreff der Färbung der einzelnen Bestandtheile der Nerven- faser in Karmin habe ich noch hinzuzufügen : 250 Die Scheide, sowohl centraler, als peripherer Nervenfasern färbt sich, wie ich gegen Stilling und Jacubowitsch !) bemerken muss, in Karmin roth. Das Nervenmark widersteht nieht gänzlich dem Einflusse des Farb- stoffes, wie Gerlach angiebt, sondern es wird nach langer Einwir- kung des Farbstoffes endlich schwach roth gefärbt. Das Mark bestimmter Nervenfasern fürbt sich in Karmin früher als das anderer Fasern. Der Achseneylinder wird schliesslich in Karmin tiefroth gefärbt, allein es giebt Nervenfasern, deren Achseneylinder der Einwirkung. des Farbstoffes viel länger widersteht, als der Achseneylinder anderer Fasern. 1) Sitzungsberichte der Pariser Akädemie, 11. Oct. 1858. XI. Ueber die Längenverhältnisse der Skelettmuskelfasern. Aus der Inauguralabhandlung des Hrn. Dr. Gubler mitgetheilt von A. Fick. Im Jahre 1851 hat Eduard Weber mehrere Reihen von Mes- sungen der Muskelfaserlängen des Menschen bekannt gemacht und die- selben verglichen mit dem Bewegungsumfang der Gelenke, welche von der betreffenden Muskelfaser übersprungen werden. Er kommt zu dem Resultate, dass sich ein annähernd constantes Verhältniss zwischen diesen beiden Grössen zeigt. Die Sache lässt sich so ausdrücken : Die grösste Länge, zu welcher eine Muskelfaser vermöge des Bewegungs- umfanges der von ihr und ihren Sehnenfasern übersprungenen Gelenke gedehnt werden kann, ist allemal ungefähr das Doppelte von der kür- zesten Entfernung ihrer Enden 1), welche der gedachte Bewegungs- umfang zulässt. In den Tabellen Weber's wird übrigens statt des soeben definirten Verhältnisses numerisch dargestellt das Verhältniss der grössten Länge zu der Differenz zwischen der grössten und klein- sten. Der Mittelwerth des Verhältnisses für ganze Muskelgruppen schwankt zwischen den Grenzen 1 : 0,47 und 1 : 0,62. In einzelnen Fällen erreicht es jedoch ziemlich abweichende Werthe bis zu 1:0,89. Weber stellt dies Ergebniss einfach als eine anatomische Thatsache hin und lässt jeden Versuch dieselbe physiologisch zu erklären bei 1) Die Enden der Muskelfaser sind da, wo sie in Sehnenfasern übergeht. 252 Seite. Es scheint mir dass ein solcher Erklärungsversuch doch gewagt werden könnte, wenn man eine gar nicht allzu’kühne Hülfsannahme zulassen will. Bedenkt man, wie häufig und stark arbeitende Muskeln dieker werden, wenig gebrauchte abmagern, gänzlich an der Zusammen- ziehung verhinderte sogar vollständig entarten, so kann man nicht zweifeln, dass die Ernährung der Muskelfaser durch ihre Function mitbedingt ist. Man wird noch ferner sagen können, dass nicht nur der Wechsel des erregten und ruhenden Zustandes zur normalen Er- nährung nothwendig ist, sondern, dass auch eine wirkliche Verände- rung der Länge in Folge dieses Wechsels stattfinden muss. Ich möchte nun diese allgemein anerkannten Wahrheiten vermu- thungsweise näher so bestimmen : Die Masse, die ein Muskel in einem gegebenen Augenblicke hat, ist abhängig von der Arbeit, welche er bis zu diesem Augenblicke geleistet hat, dergestalt, dass die Masse mit wachsender Arbeit wächst (jedoch keineswegs etwa proportional) und zwar entsprechen den beiden Faetoren der Arbeit Kraft und Weg, die beiden Factoren der Massenzunahme Dickenwachsthum und Längenwachsthum. Wächst die Arbeit dadurch, dass die Kraft, mit der er gespannt ist, häufig gross wird, so befördert das die Diekenzunahme. Wächst die Arbeit dadurch, dass häufig — wenn auch nicht so grosse — Span- nungen durch sehr grosse Wegstrecken hindurch ausgeübt werden, d.h. während sehr ausgiebiger Contractionen dauern, so wächst die Länge der Muskelfasern. In letzterer Beziehung scheint eine numerischen Ausdrucks fähige Gesetzlichkeit zu herrschen. Sie ist vielleicht fol- gendermaassen auszusprechen. Sei eine Muskelfaser, im Allgemeinen an beiden Enden in Sehnenfasern auslaufend, ausgespannt zwischen zwei Punkten, die abwechselnd von einander abstehen, um die Ent- fernung d im Minimum und D im Maximum. Von diesen Entfernungen macht in beiden Fällen die Summe der sehnigen Enden, sie heisse <, dasselbe Stück aus und die Dehnung und Zusammenziehung fällt bloss auf den muskulösen Antheill. Es wird nun allemal, wenn sich der Wechsel zwischen den Entfernungen d und D oft genug wiederholt hat, die Schnenlänge < sich so herausgestellt haben, dass sich zwischen der grössten und kleinsten Muskelfaserläinge D — s und d — s ein für alle Muskelfasern constantes Verhältniss m ergiebt, dass also 253 D-—-s 3 a," ist. Man darf sogar schon bestimmt vermuthen, dass — Ss s en 2 oder s—2d-—D. Die natürliche Länge der ruhenden Muskelfaser steht dann sehr wahrscheinlich auch noch zu D — s und mithin zud —s 2 der numerische Werth von m ist, man hätte also in einem für alle gültigen constanten Verhältnisse. Dieses lassen wir indessen ganz bei Seite, da ich zunächst keine Möglichkeit sehe, die natürliche Länge der ruhenden Muskelfaser im lebenden oder todten Menschen zu bestimmen. Wäre im Anfang also z. B. für eine ge- dachte Muskelfaser die Summe der sehnigen Enden =2 > 2 d—D 1 d— 2 Entfernung der Befestigungspunkte zwischen den Werthen d und D dies und folglich > 2 so könnte bei andauerndem Wechsel der Verhältniss nicht bestehen. Die Muskelfaser würde bei dieser verhältniss- mässig ausgiebigen Dehnung und Verkürzung überkräftig ernährt werden und würde auf Kosten ihrer Sehnenenden in die Länge wachsen, bis diese letzteren zusammengenommen —=s —?2 d— D geworden wären. Dann wäre Ernährung und Zusammenziehung im Gleichgewicht, wel- ches sich während des ganzen folgenden Lebens erhielte. Wäre um- gekehrt im Anfang die Summe der sehnigen Enden — os <2?d—D, so würde der muskulöse Theil der Faser bei jeder Zusammenziehung nicht auf die Hälfte seiner grössten Länge kommen und deshalb die Ernährung schwächer werden. Von den Enden würde dieser Theil anfangen zu veröden und in sehniges Gewebe sich zu verwandeln, bis die Summe der sehnigen Anhänge von s auf den normalen Werth s gewachsen wäre, wo dann wiederum das Gleichgewicht zwischen Zusammenziehung und’ Ernährung hergestellt wäre. Die Uynhee, in der Fassung. wie sie soeben gegeben ‚und er- läutert wurde, lässt sich natürlich niemals in der Erfahrung bewähren, da die einfachen Voraussetzungen derselben niemals verwirklicht sind. Es giebt keinen Muskel, dessen Ursprung und Ansatz gerade zwischen zwei bestimmten Entfernungen d und D regelmässig wechselt. Wir können aber jetzt von dem gewonnenen Gesichtspunkte aus der Wirk- lichkeit uns annähern. Wenn überhaupt das hingestellte Prineip richtig MOLESCHOTT, Untersuchungen, VII, 18 254 ist, so wird es auch so zu formuliren sein, dass die Voraussetzungen wenigstens einigermaassen den wirklichen Verhältnissen entsprechen. In der That wir brauchen nur an die Stelle der zwei ausschliesslich vorausgesetzten Entfernungen zwischen den Befestigungspunkten die- jenigen beiden extremen (maximale und minimale) Entfernungen der- selben zu setzen, welche vorwiegend häufig vorkommen. Diese beiden Grössen sind für jeden Muskel wenigstens in gewisse Grenzen einzu- schliessen und man darf wohl vermuthen, dass sie für die Ernährung des Muskels von besonderer Wichtigkeit sind und dass es wenig Ein- Aluss darauf hat, ob hin und wieder einmal die Verkürzung nicht ganz das Minimum und die Dehnung nicht ganz das Maximum erreicht, oder ob ganz ausnahmsweise auch einmal das durchschnittliche Minimum und das Maximum überschritten werden. Die beiden soeben definirten Grössen werden offenbar für die Skelettmuskeln im Allgemeinen nahe zusammentreffen mit zwei der Messung leicht zugänglichen Grössen, nämlich mit dem Maximum und dem Minimum der Entfernung zwischen den beiden Befestigungspunkten der Muskelfaser, welche vermöge des Bewegungsumfanges der von ihr übersprungenen Gelenke möglich sind. Auf dies Maximum und Mini- mum beziehen sich die eingangs angezogenen Messungen Weber's, welche für alle Skelettmuskeln durchgeführt sind. Weber fand, dass bei allen das Verhältniss des Maximums zur Differenz von Maximum und Minimum oder zur Verkürzung wenig von dem Verhältniss 1: 0,5 abweicht. In der Uebereinstimmung des Verhältnisses sehe ich nun eine erste Bestätigung der hier aufgestellten Hypothese. Eine weitere Stütze für dieselbe scheint mir aber gerade in dem Sinne der einzelnen Abweichungen vom normalen Verhältnisse zu liegen. Weber fand nämlich bei fast allen Muskeln, welche mehr als ein Gelenk über- springen, das Verhältniss zwischen Maximum und Verkürzung kleiner !) als 1 : 0,5 bis zu 1 : 0,89. Ich glaube nicht, dass der einzige Grund für diese ausserordentliche 1) Ich verstehe hier unter Grösse eines Verhältnisses den absoluten Werth des Quotienten, welcher wie das Verhältniss bezeichnet wird, so dass also von den beiden Verhältnissen 1 : 0,55 und 1 : 0,89 das zweite kleiner zu nennen ist. 255 Abweichung der von Weber angegebene ist. Er will sie für eine zum weitaus grössten Theil bloss scheinbare gelten lassen, indem er hervor- hebt, dass die Anwesenheit mehrerer Gelenke zwischen den Punkten, deren grösster und kleinster Abstand zu messen ist, die Unsicherheit der Messung vermehrt. Ich glaube — ohne diesen Factor in Abrede stellen zu wollen — dass wirklich die grösste mögliche Entfernung der Befestigungs- punkte zu der grössten möglichen Verkürzung bei mehrgelenkigen Muskeln in einem kleineren Verhältniss als bei eingelenkigen steht, und glaube, dass dies im Sinne der vorhin erörterten Annahme gar nicht anders zu erwarten ist. In der That denken wir uns die Stel- lung der Gelenke ganz von einander unabhängig zufällig (was freilich nicht streng richtig ist), so ist die Wahrscheilichkeit, dass zwei von einem Muskel übersprungene Gelenke gleichzeitig diejenigen Stellungen haben, welche dem Muskel das mögliche Maximum oder Minimum der Länge vorschreiben, ausserordentlich viel kleiner als dass ein Gelenk die betreffende Stellung hat. Die grösste messbare Dehnung und die grösste messbare Verkürzung wird also bei mehrgelenkigen Muskeln im Leben schr selten vorkommen. Sie können daher nicht diejenigen Grössen sein, welche vermöge des Ernährungsmechanismus in dem gesetzlichen Verhältnisse stehen sollten. Ist z. B. L jene grösste, 1 jene kleinste Länge eines zweigelenkigen Muskels, so ist sicher L ver- mindert um eine gewisse freilich auch nicht annäherungsweise angebbare Grösse & das in Wirklichkeit häufigst vorkommende Maximum der Länge und ebenso | vermehrt um eine gewisse andere Grösse w’ das häufigst vorkommende Minimum, diese aber hätten nach unserer Annahme in dem gesetzlichen Verhältnisse zu stehen, d. h. es müsste nach der Weber’schen Bezeichnungsweise des Verhältnisses sein L— w: (L — 0) — + vw) =1:05. Wenn diese Proportion wirklich gilt, so ist offenbar L : L— | kleiner als 1 : 0,5 und kann den von Weber beobachteten Grenzwerth 1 : 0,89 wohl erreichen, wenn nur o und w‘ die nöthigen Werthe haben, d. h. wenn nur in der Regel ‚die wirkliche Dehnung und Verkürzung des Muskels gehörig weit hinter der möglichen zurückbleibt. Es liegt nahe, noch manche andere an unsere Annahme sich an- schliessende Folgerungen mit Messungen zu vergleichen, die Weber 18 * 256 unterlassen oder wenn er vielleicht einzelne derselben ausführte, wenig- stens nicht mitgetheilt hat, da er eben nicht den Gedankengang ver- folgte, auf dem wir uns hier befinden. Ich veranlasste daher meinen jungen Freund, Hrn. Dr. Gubler, einige derartige Messungsreihen mit mir vorzunehmen und zum Gegenstande seiner Inauguraldissertation zu machen, aus welcher ich das Folgende mittheile. Wir haben zunächst noch einige Messungen Sanz in der W eber'- schen Weise angestellt, die also bloss die Bedeutung haben, das Ma- terial zu vermehren. Es war uns insofern wünschenswerth, daWeber bloss Messungen von 2 Individuen anführt und möglicherweise ziemlich bedeutende individuelle Schwankungen des in Rede stehenden Verhält- nisses erwartet werden konnten. In der That wichen die Resultate unserer Messungen, die sieh übrigens auf einige Muskeln der obern Extremität beschränken, dafür aber auf mehrere Individuen ausgedehnt wurden, nicht unbeträchtlich von den Weber'schen ab. Namentlich fanden wir das Verhältniss zwischen maximaler Länge und Verkürzung regelmässig noch viel kleiner bei den mehrgelenkigen Muskeln. Folgende sind einige der beobachteten Werthe: Verhältniss zwischen Bezeichnung grösster Länge und des Muskels Verkürzung 04 (Biceps Cap. longum . . . . . . .. 1:08 Es \Trieeps Gap. longum ge. Per Sea EIER as Plexor. Carpı radialist. .. ..7.00. 7200. 18210195 + \Flexor pollieis longus, kürzestes Bündel 1 : 0,96 B. Teiceps Caput longum . .,. .. DR OBR G’\iBieeps Gapubibreve Sur I. 1: 0,82 | Triceps Cap. longum Mn}: 1: 0,82 R P & D. Triceps" Gap. longumla nn. 2. 1 : 0,83 Biceps Cap. longum . 1: 0,85 Bieeps Gap> breyereg 2... cn. ee Von besonderem Interesse für die uns gegenwärtig beschäftigende Betrachtungsweise der Sache war nun aber eine genauere Durchmu-. sterung einzelner Muskeln. Die verschiedenen Fasern oder Bündel eines und desselben Muskels stehen unter ganz gleichen Bedingungen. Man darf wohl in den meisten Fällen annehmen, dass sie stets sämmt- 257 lich mit gleicher Energie von den Nerven aus erregt werden. Ihre Vergleichung untereinander muss daher zu weit schlagenderen Resul- taten führen, als die Vergleichung von Bündeln, die ganz verschie- denen Muskeln angehören , deren einer vielleicht im Leben nur selten seinen Verkürzungsumfang erschöpft, während der andere dies häufig that. Denken wir uns zunächst einen Muskel, der an beiden Enden mit einem verhältnissmässig dünnen Sehnenstrang sich ansetzt an eine kleine Knochenfläche, welche für eine erste Annäherung als Punkt gelten kann, so ist klar, dass alle Fasern dieses Muskels beim Ueber- gang vom Maximum zum Minimum der Entfernung zwischen Ursprungs- und Ansatzpunkt um gleich viel absolute Längeneinheiten verkürzt werden. Ebenso werden sie auch bei jeder andern Veränderung der Ent- fernung zwischen Ursprung und Ansatz sämmtlich um dieselbe Anzahl von Längeneinheiten verkürzt. Wenn also unser Prineip richtig ist, so müssen bei jedem Muskel mit punktuellem Ansatz und Ursprung alle Fasern schliesslich genau gleich lang sein. Diese Folgerung ist unab- hängig davon, welches Verhältniss zwischen Muskelfaserlänge und Ver- kürzung die Ernährung vorschreibt, wenn sie nur überhaupt ein solches vorschreibt. Unsere Messungen haben nun die soeben gezogene Fol- gerung in überraschender Weise bestätigt, wie die in nachstehender Tabelle verzeichneten Zahlen zeigen, wenn man bedenkt, dass der Uebergang der Muskelbündel in die Sehne doch kein so ganz be- stimmter Punkt ist. Muskelname Maximale Länge verschiedener Bündel Leiche A. Biceps Cap. breve 195, 192, 183, 192, 183, 186. Trieeps Cap. longum 137, 126, 430, 133, 131. Leiche C. Triceps, langer Kopf 137, 119,137, 141, 125, 137, 148, 137, 144, 136. Leiche D. Trieeps Cap. longum, eine Hälfte 185, 185, 180, 180, 179, 174, 173, 181. Ich bemerke zu diesen Tabellen noch, dass ursprünglieh nicht die Muskelbündellängen selbst gemessen worden sind, sondern nach ge- höriger Spaltung derselben die daran gehefteten Schnenenden. Die Vorzüge dieses Verfahrens leuchten ohne weiteres ein. 258 Die Gleichheit der Faserlänge bei den aufgeführten Muskeln ist um so mehr auffallend, da sie auf den ersten Anblick keineswegs den Eindruck machen. Ist nun umgekehrt ein Muskel am einen oder an beiden Enden an ein grösseres Flächenstück oder längs einer längeren Linie befestigt, dann darf im Allgemeinen eine sehr merklich ungleiche Länge seiner Fasern erwartet werden. Sei beispielsweise der Ansatz eines bestimmten Muskels ein Punkt a, sein Ursprung aber eine ausgedehnte Linie, deren beide Enden b und ce heissen mögen. Bei einer gewissen Stellung des Gelenkes werden die Entfernungen ab und ae im Allgemeinen ungleich sein, ebenso werden sie auch bei einer andern Stellung des Gelenkes, in welcher die Lage des Ansatzpunktes a‘ heissen möge, ungleich sein. Die Differenz ab — a’b wäre nun die Verkürzung der einen ac— ae der andern Grenzfaser. Beide Differenzen werden wieder im Allge- meinen ungleich sein. Ebenso auch für jede beliebige dritte Lage des Gelenkes ab — a”b und ac — ac, wo die dritte Lage des Ansatzes mit a’ bezeichnet ist. Wären a und a’ die beiden extremen Lagen des Ansatzpunktes, so sind die beiden Grössen ab — a’b und ae —.a/e der Messung leicht zugänglich, sowie auch die entsprechenden Grössen für jedes zwischen den äussersten Grenzen gelegene Muskelbündel. Diese Grössen müssen nun aber, wenn unser Princip richtig ist, weit genauer in demselben Verhältnisse wie ab und ac stehen, als dies für Muskelbündel zu erwarten ist, die verschiedenen Muskeln angehören. Im gegenwärtigen Falle nämlich wissen wir gewiss, dass die Faser ac während des ganzen Lebens genau ebenso oft zu der Länge a’e ge- langt, als die Faser ab zur Länge ab. Von verschiedenen Muskeln können wir dagegen nicht behaupten, dass beide gleich oft von grösst- möglicher auf kleinstmögliche Länge gekommen sind. Schalten wir also zwischen die beiden Grenzbündel noch beliebig viele ein, welche an den zwischen b und ce gelegenen Punkten «a, ß, y, etc. entspringen, so muss mit einer besonderen ‚Genauigkeit die Proportionalität in die Augen springen. b:b—-ab= ua: -— un: - dB—=ay:ıay — al „u... mac: ac — ale. Als besonders günstiges Objekt zur Prüfung dieser Betrachtung 259 erschien uns der supinator longus. Er wurde deshalb an verschiedenen Individuen durchgemessen. Freilich zeigte sich die Uebereinstimmung der Verhältnisse nieht in der soeben vorausgesagten Weise, aber die Abweichungen sind, zusammengehalten mit der besonderen Lagerungs- weise dieses Muskels, derart, dass sie vielmehr eine Bestätigung als eine Entkräftung unserer Betrachtung ausmachen. Es zeigte nämlich das Verhältniss der Länge bei gestrecktem Vorderarm zur Verkürzung, welche die Faser bei möglichst weit gehender Biegung des Vorder- armes und zicht vollständiger Supination erleidet, folgende Werthe: Leiche B Leiche D 1: 0,78 1: 0,7 12:20774 1.7.0573 1:70,25 1: 0,73 1: 0,74 1 : 0,72 1 : 0,68 1 : 0,69 1: 0,57 1 : 0,64. Die einzelnen Bündel, auf welche sich diese Verhältnisse beziehen, sind der Länge nach geordnet, so dass ein Bündel in der Reihe um so höher oben steht, je länger es ist oder je höher oben am humerus sein Ursprung liegt. ‚Je näher eine Faser des supinator longus dem oberen Ende des Ursprunges liegt, um so grösser zeigt sich also ihre Verkürzung. Dies ist aber nur scheinbar, denn die hoch oben entspringenden Bündel des fraglichen Muskels kommen während des Lebens niemals in die Lage, in welcher wir an der Leiche ihre kürzeste Faserlänge messen mussten. Sie sind nämlich bei extremer Biegung des Vorderarmes entschieden nicht gerade ausgestreekt, zwischen Ursprung und Ansatz vielmehr durch die einspringende Hautfalte an der Beugeseite des Ellenbogen- gelenkes gekrümmt oder gekniekt. Hierüber kann für Niemanden ein Zweifel bestehen, der einmal den gebogenen Arm eines Lebenden ver- gliehen hat mit dem gebogenen Arm einer Leiche, an welchem der Supinator longus frei präparirt und zwischen Ursprung und Ansatz gerade ausgestreckt ist. Die wahre kürzeste Länge einer Supinator- faser im Leben weicht von der in der Leiche messbaren um so mehr ab, je höher ‚diese Faser im Ursprung liegt. Wenn also das Ver- 260 hältniss zwischen der wahren Verkürzung und der grössten Länge für alle Supinatorfasern constant ist, so muss das an der Leiche messbare Verhältniss von einem Bündel zum andern abnehmen, je höher wir im Ursprunge aufsteigen. Die oben gefundene Variation des Verhältnisses in dem angezeigten Sinne, wo der längsten Faser das kleinste Ver- hältniss 1: 0,77 (und 1: 0,78), der kürzesten Faser das grösste 1 : 0,64 (und resp. 1:0,57) zukam, kann demnach die zu beweisende Annahme nicht erschüttern, vielmehr bekräftigen. Es mögen nun noch einige andere Beispiele von Muskeln folgen, deren einzelne Fasern bei einer Stellungsänderung der Glieder um ungleiche Grössen verkürzt werden und die nach unserer Annahme gerade darum ungleich lange Fasern haben. Am Flexor pollieis longus der Leiche A werden folgende Ver- hältnisse der maximalen Länge zur Verkürzung gefunden : 1: 0,75 1: 0,73 1: 0,87 1: 0,93 1: 0,96. Jede folgende Zahl gilt für eine Faser, welche kürzer ist, als die zur vorhergehenden Zahl gehörige. Hier nimmt also das Verhältniss vom Werthe 1 : 0,75 bis zum Werthe 1 : 0,96 ab, statt wie beim Supinator zuzunehmen, indem wir von der längsten zur kürzesten Faser übergehen. Das ist wiederum ganz im Sinne unserer Hypothese, denn beim Fl, pollieis weichen offenbar die in der Leiche messbaren Grössen von den während des Lebens maassgebenden am meisten für die kür- zesten Fasern ab. Insbesondere ist wohl für diese das während des Lebens erreichbare Minimum der Länge bei weitem nicht so klein, als es in der Leiche erscheint, wo man zu seiner Bestimmung, um über- haupt etwas Bestimmtes zu haben, die betreffende Ansatzsehnenfaser in eine gerade Linie ausspannt, die auf den Ursprungspunkt zielt. Dies wird aber ‚während des Lebens kaum möglich sein, vielmehr wird immer bei der Fils neiieich des Muskels die Sehne durch die längeren. Fasern so gespannt sein, dass die kürzeren Fasern mehr oder weniger schräg daran anstossen. 261 Ein anderer hierher gehöriger Muskel ist der extensor carpi ra- dialis longus. Das Verhältniss zwischen maximaler Länge und Ver- kürzung fand sich in der Leiche A bei der längsten Faser = 1 : 0,79, bei der kürzesten — 1 : 0,77. In der Leiche B wurde für mehrere Bündel dieses Muskels das Verhältniss bestimmt und die Werthe ge- funden: 1 : 0,67; 1 : 0,55; 1: 0,55: 1: 0,68; 1: 0,70. Diese Werthe weichen zwar nicht unbeträchtlich von einander ab, aber es ist in den Abweichungen keine Gesetzlichkeit wie beim Fl. pollieis und beim Supinator wahrzunehmen. Sie werden daher in ihrer Regellosigkeit ganz einfach Ungenauigkeiten in der Messung zuzuschreiben sein, welche hier ganz besonders gross sein konnten, weil sich stellenweise unregel- mässig vertheilte Sehnen-Streifen sehr tief in den Muskel hinein- erstrecken. Es mögen noch die maximalen Längen der soeben betrachteten Muskelbündel Platz finden, damit der Gegensatz gegen die oben mit- getheilten Messungen an Muskeln mit punktuellen Insertionen recht scharf hervortritt. Leiche A Leiche BR Leiche D a Du | u — Fl. poll. Ext. carp. rad. Ext. carp. rad. Supinator Supinator longus longus longus longus longus 77 130 147 274 251 83 57 133 260 237 75 _ 65 227 213 70 — 79 212 187 68 — = 142 164 en we 54 147 145 Ba & m 147 L, Während bei jenen Muskeln die Faserlängen um nicht viel mehr als %/,, differirten, differirten sie hier unter Umständen um mehr als 1/, des grössten Werthes. Man kann bei den mitgetheilten Zahlen noch beachten, dass sie sämmtlich dem von Weber aufgestellten Normalverhältnisse nicht sehr fern liegen. Wir haben ferner Messungen der Muskelfaserlängen an ungebo- renen Früchten und sehr jungen Säuglingen angestellt und das in Rede 262 stehende Verhältniss zwischen grösster Länge und grösster Verkürzung bestimmt. Das Interesse dieser Bestimmungen für die Prüfung unserer Hypothese wird aus folgender Betrachtung erhellen. Man darf anneh- men, dass die Bewegungen des Fötus im Uterus sehr beschränkten Umfanges sind und dass namentlich wohl so gut wie nie die von der Gelenkeinrichtung gesteckte Grenze auf der einen oder andern Seite wirklich erreicht wird. Nehmen wir nun die Leiche eines Fötus und strecken ein Glied soweit wie möglich, messen die Länge einer Beuge- muskelfaser, so ergiebt sich eine Länge L, welche dieselbe bis dahin während des Lebens niemals erreicht hat. Beugen wir nun das Glied soweit es das Gelenk erlaubt, messen wieder, so erhalten wir eine zweite Länge I] (< L), bis zu welcher sich die Faser während des Lebens niemals verkürzt hat. Sind unsere Voraussetzungen richtig, so muss bei dem Fötus die wirklich während des Lebens häufig er- reichte grösste Länge L — d zu der wirklich häufig vorgekommenen grössten Verkürzung (L— 6) — (1 + 8°) in dem normalen durch die Ernährung bedingten Verhältnisse stehen und wenn dies in der That 1:0,5 ist, so muss seim(L— 8: L— 8 —1— ö& —=1:0,5). Es ist nun freilich gar nicht a. wie man jemals die Grössen L — 6 und L—8—1-—ö‘einer Bestimmung zugänglich machen könnte, aber es ist sicher, wenn diese Proportion zwischen den vor der Hand unbe- kannten Grössen gilt, so muss das Verhältniss L : 1, welches der Messung zugänglich ist, kleiner sein als 1 : 0,5. Es ist ferner mehr als wahrscheinlich, dass sich das letztere Verhältniss nach der Geburt rasch dem für den Erwachsenen normalen Verhältnisse nähern müsse. Es beginnen ja mit der Geburt die Bewegungen immer umfangreicher zu werden und die von den Gelenken selbst gesteckten Grenzen nach der einen und der andern Seite immer öfter zu erreichen. Wenn es sich also herausstellt, dass das messbare Verhältniss L:1 beim Fötus am kleinsten, beim Neugeborenen schon etwas grösser, bei Säuglingen noch grösser ist, kurz, wenn es mit zunehmendem Alter stetig wächst, um allmälig (wahrscheinlich sehr bald nach der Geburt) den für den Erwachsenen normalen Werth zu erreichen: so dürfen wir dies als eine neue Bestätigung unserer Annahme ansehen, dass jenes Verhältniss nicht im organischen Bildungsplan unmittelbar, 263 sondern in den Gesetzen der Muskelernährung begründet ist. Die stetige Zunahme des Verhältnisses zeigt sich nun in unseren Bestim- mungen allerdings nicht sehr umfangreich, aber doch unzweideutig, wie aus folgender Zusammenstellung einiger Ergebnisse zu erschen ist. Jede Zahl in der Tabelle ist das Mittel aus allen ein Gelenk über- springenden Muskelbündeln !) der am genannten Individuum bestimm- ten Verhältnisse zwischen maximaler Länge und Verkürzung. monatlicher Fötus . . . 7,4.-:0,64 Bei der Geburt gestorbenes Kind. 1: 0,60 Kind von 19 Wochen a0 Kind von 31 Wochn . . er Erwachsener (Leiche C und D) 1: 0,53. Die stetige Zunahme des Verhältnisses gegen den Zustand des Erwachsenen hin ist unverkennbar, wenn auch die Stetigkeit durch den Werth beim Kinde von 19 Wochen unterbrochen erscheint. Die Zunahme des Verhältnisses wird noch auffallender, wenn die W eber- schen Messungen mitberücksichtigt werden, aus denen das Ver- hältniss für ein Gelenk überspringende Muskelbündel zu 1 : 0,46 im Mittel hervorging. Weit auffälliger ist die Abnahme des Verhältnisses bei mehrere Gelenke überspringenden Muskeln, aber freilich lassen sich hier die Grössen nicht in eine so schöne Reihe ordnen. Das war übrigens auch nieht zu erwarten, weil hier die Grösse ] bei ungeborenen Früchten und Neugeborenen meist der Null sehr nahe lag und daher der kleinste Fehler in den der Natur der Sache nach sehr unsichern Messungen grosse Schwankungen im Werthe des Verhältnisses bedingen musste, Die beiden Enden eines mehrere Gelenke überspringenden Muskelbün- dels, z. B. eines Bündels vom Biceps, lassen sich bei einem Fötus mei- stens ganz übereinander hinziehen, so dass die mögliche kleinste Länge einen negativen Werth hat. Das Verhältniss zwischen grösster Länge und Verkürzung wäre hier also sogar (rein mathematisch betrachtet) kleiner als 4 : 1. Dies kann uns durchaus nicht verwundern, da beim Fötus voraussichtlich noch weniger als beim Geborenen alle vom Muskel !) Sie gehörten dem brachialis internus und den kurzen Köpfen des Triceps an. 264 übersprungenen Gelenke gleichzeitig in die Lage kommen, dass der Muskel die möglichst kleine Länge bekommt. Für die zweigelenkigen Muskeln des Fötus sind mit andern Worten die unbestimmbaren Grössen d und ö‘ der obigen Betrachtung jedenfalls sehr gross, so dass das Verhältniss L:L— 1 eben sehr weit von demjenigen abweichen muss, welches gleich 1 : 0,5 gefunden werden sollte. In den nachstehend zusammengestellten Bestimmungen ist allemal das Verhältniss — 1:1 gesetzt, wenn die Enden übereinander geschoben werden konnten, also l eigentlich negativ hätte gerechnet werden müssen. Verhält- ni Verhält- ehe) Se Verhältniss im Mittel dener aller Bündel Bündel 1 En Trieeps, |1:1,00 Biceps Bi d 1:41.00 langer \. . des Fr lanser Könf 1.:0.85 LEDER SU 23 KopMdeste.r: wach" Sen De Neugebo- \1 : 1,00 Neuge- |. . senen Kurzer Kopf 1 :0,66. renen. [1:14,00 , an A 1:0,90 SacH Die allerschlagendste Bestätigung könnte natürlich die hier ver- tretene Ansicht durch pathologische Beobachtung und Experimente an Thieren finden. Ich werde solche anstellen, sobald ich Material und Zeit dazu finden werde. XI. Ueber den Einfluss der Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck. Von Dr. Einbrodt aus Moskau t). (Mit 1 Tafel und 1 Holzschnitt.) Eine Reihe von Versuchen, die ich auf Herrn Professor Lu d- wig's Vorschlag 2) in dessen Laboratorium anstellte, führte zu That- sachen und Anschauungen, die zur nähern Würdigung des Einflusses der Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck einige neue Anhaltspunkte bieten. Die gewonnenen Ergebnisse erlaube ich mir daher im Nachfolgenden mitzutheilen. Unter dem Einflusse des Athmens erleiden die Schlagfolge des Herzens und die Spannung des Blutes eine Veränderung, die bis jetzt ) Aus den Sitzungsberichten der mathematisch -naturwissenschaftlichen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften, vom Herrn Verfasser mitgetheilt. 2) Zwei Bestimmungsgründe liessen es räthlich erscheinen, das schon früher von mir behandelte Thema von Neuem aufzunehmen. Zuerst der Wunsch die Erklärung der Erscheinungen, die mir vor mehr als 12 Jahren nicht gelungen war, auf Grund- lage des heutigen Standes der Wissenschaft zu versuchen; nächst dem aber hatte ich mich durch einige vorläufige Versuche überzeugt, dass ich in meiner früheren Arbeit die an und für sich richtigen Thatsachen nicht richtig verknüpft hatte, und dass namentlich bei der Vergleichung der Puls- und Athemeurven ein Fehler untergelaufen war. — Unter diesen Umständen musste ich es Herrn Dr. Einbrodt grossen Dank wissen, als er sich entschloss den Gegenstand von Neuem und zwar in ausgedehn- toster Weise zu bearbeiten, Ludwig. 266 weder eine richtige Deutung, noch eine genügende Erklärung erfah- ren hat. Es ist bekannt, dass die Veränderung in der Spannung des Blutes den beschleunigenden Kräften zugeschrieben wird, die durch die Athembewegungen dem Herzen und den grossen Blutgefässen mit- getheilt werden, und dass die veränderte Schlagfolge des Herzens mit einem veränderten Erregungszustande der N. vagi in Beziehung ge- dacht wird. Im der Blutvertheilung ist von Ed. Weber !) und Donders 2) ein neues Element zur richtigen Beurtheilung der uns beschäftigenden Frage angedeutet, aber nicht genügend ausgebeutet worden. . Die Erscheinungen, die durch die Athembewegungen eine Aende- rung erleiden und bei der Frage über den Einfluss des Athmens zu- nächst in Betracht kommen, entziehen sich einer genauen Analyse, weil sie alle aus verschiedenen und dabei immer wechselnden Ele- menten zusammengesetzt sind, in ihrem Auftreten daher nie als ein- fache zur Beobachtung gelangen; so ist bekanntlich die Schlagfolge des Herzens eine aus vielen Grundelementen abgeleitete: denn es wirken auf dieselbe die Reizbarkeit des Herzens (seiner Muskeln, Nerven und motorischen Centra), der Erregungszustand des verlängerten Markes und der N. vagi, die in so grossen Breiten wechselnde Blutfülle des Thieres, die Temperatur des in’s Herz einströmenden Blutes u. s. w. Ebenso ist die Spannung des Blutes eine wechselnde, je nach der dem Herzen zu Gebote stehenden Blutmasse, nach den Widerständen in den Capillaren, nach dem Antheil, der von den entwickelten Herz- kräften dem Blute zu Gute kommt, ete.” Die Athembewegungen selbst üben auf die vorhin genannten Verhältnisse und namentlich auf die Blutvertheilung und den Zufluss von Blut zum Herzen, selbst an einem und demselben Thiere, einen verschieden grossen Einfluss aus, je nach der Tiefe und Dauer ihrer einzelnen Acte, und bei verschiedenen Thieren selbst bei gleicher Tiefe und Dauer dieser letzten je nach besondern eonstitutionellen Verhältnissen. 1) Leipziger Berichte 1850, I, p. 29. 2) Zeitschr. f. rat. Medizin. N.F. Bd. III, 1853, p.287 und Bd. IV, 1854, p. 241 und Nederl. Lancet. D. V, p. 364. 267 Es ist also klar, dass, wenn man den Einfluss der Athembewe- gungen näher verfolgen will, man so viel als immer thunlich sie in ihrem Einflusse verstärken, ihnen das Uebergewicht zu verschaffen suchen muss über die sie störenden und in ihrer Wirkung beeinträch- tigenden Momente. Der erste und ihnen als solehen zukommende Einfluss der Athem- bewegungen ist aber derjenige, dass sie die im der Brusthöhle gele- genen Organe, je nach ihren verschiedenen Acten und je nach der verschiedenen Tiefe und Dauer derselben, unter verschiedene Spannung versetzen. Ist es möglich, die unter dem Einflusse des normalen Re- spirationsactes eintretenden Spannungsunterschiede und ihre weiteren Folgen während längerer Zeit künstlich nachzuahmen und willkürlich zu steigern, dabei aber auf die verschiedenen angedeuteten Elemente (Blutfülle des Herzens, Erregungszustand der N. vagi ete.) einen di- reeten Einfluss auszuüben, so ist damit zugleich auch die Hoffnung in Aussicht gestellt, in das Wesen des zu erforschenden Einflusses näher einzudringen. Bis zu einem gewissen Grade kann nun die künstliche Erzeugung des Respirationsdruckes, des positiven Ausathmungs- als auch des negativen Einathmungsdruckes, wirklich bewerkstelligt wer- den 2), und die erste Aufgabe, die mir bei näherer Ueberlegsung der uns beschäftigenden Frage entgegentrat, bestand also darin, einen ver- schieden starken Respirationsdruck (positiven sowohl als negativen) künstlich herbeizuführen und seine Wirkungen auf Herzschlag und Blutdruck, unter verschieden abzuändernden Verhältnissen , möglichst genau zu verfolgen. Ist dieser Einfluss des künstlich erhöhten Respirationsdruckes scharf und genau aufzufassen, so ergiebt sich dann die zweite Aufgabe — den Einfluss des gewöhnlichen Athmens durch direete Beobachtung so genau als möglich festzustellen und die beim erhöhten Respirations- drucke gewonnenen Thatsachen mit den beobachteten Anschauungen in Einklang zu bringen. 1) Die Erzeugung künstlicher Respirationsdrucke an Thieren ist schon von Don- ders versucht, aber nicht weiter verfolgt worden. 268 I. Indem wir jetzt zur Besprechung der eingeschlagenen Verfah- rungsarten und der durch sie gewonnenen Thatsachen übergehen, fassen wir zunächst den positiven Respirationsdruck in's Auge. A. Positive Drücke lassen sich künstlich leicht erzeugen, wenn die mit dem Lungenraum des Thieres communieirende Luft unter er- höhte Spannung gebracht wird. Dieser Anforderung wurde in meinen Versuchen folgendermassen entsprochen. In eine grosse, etwa 16 Litres fassende Glasflasche (siehe die Tafel I) war durch den Hals derselben eine ungefähr 2 Meter hohe und 15 Millim. breite Glasröhre, die fast bis auf den Boden der Flasche reichte, luftdicht eingekittet; durch einen Kautschuckschlauch stand das obere Ende der Röhre mit einer Handpumpe in Verbindung, mit- telst deren Wasser in die Röhre eingepumpt und die Luft im Behälter unter beliebig hohen Druck gebracht werden konnte; zur Entleerung des angesammelten Wassers diente ein in die Flasche dicht am Boden eingefügter Hahn, zur Erneuerung der durch das Athmen verdorbenen Luft eine in den Hals der Flasche eingelassene und mit einem Hahn zu verschliessende Glasröhre. Die unter erhöhte Spannung versetzte Luft wurde dem Thiere durch ein gebogenes Glasrohr zugeleitet, wel- ches einerseits in den Luftbehälter ausmündete, andererseits aber durch einen Kautschuckschlauch mit einer in der Trachea des Thieres befe- stigten Glascanüle in Verbindung gebracht wurde; dieses Zuleitungs- rohr besass einen Hahn mit anderthalbfacher Bohrung, wodurch es möglich wurde, das Thier durch eine einfache Drehung des Hahns entweder unter erhöhtem Drucke oder frei in die Atmosphäre athmen zu lassen. "Zur Verzeichnung der Respirationsbewegungen brauchte ich den schon früher beschriebenen Fühlhebel 1), dessen Klammer mit dem Brustkorb an verschiedenen Stellen in Verbindung gebracht wurde. Zur Ausmessung des mittlern, auf gewöhnliche Weise an der Arteria Carotis verzeichneten Blutdruckes diente ein Wetli’sches Planimeter. 1) Diese Zeitschrift, Bd. VI, S. 537, 538. . 269 Zu den Versuchen wurden Hunde verwendet, die in der Mehrzahl der Fälle durch Opiumtinetur betäubt waren. Fragen wir vor Allem, inwieweit der durch unser Verfahren her- beigeführte Zustand mit dem bei der gewöhnlichen Ausathmung- statt- findenden übereinkommt, so müssen wir zunächst die grosse Analogie hervorheben, die unsere Versuche mit erhöhtem künstlichen + RD!) zu dem bekannten Experimente bieten, das zuerst von Ed. Weber über den Ausathmungsdruck bei gehindertem Luftaustritte angestellt wurde, es aber der nachfolgenden Darstellung überlassen, diese Ana- logie in ihre Einzelheiten zu verfolgen. Bei näherer Ueberlegung ergiebt sich, dass der dureh unser Ver- fahren gesetzte Zustand der Brusthöhle und der in ihr gelagerten Organe in seinen Grundbedingungen mit demjenigen übereinstimmt, der durch den gewöhnlichen Exspirationsdruck bedingt wird, indem durch beide, freilich auf ganz verschiedenen Wegen, eine Verdichtung der in den Lungen enthaltenen Luft und eine Zunahme der auf den Brusteingeweiden lastenden Spannung herbeigeführt wird; dass aber zwischen beiden, schon ganz abgesehen von dem sehr wichtigen Un- terschiede in der Gradation der gesetzten Veränderungen, die bei dem kinstlich gesteigerten + RD ihren höchsten Werth erreichen können, auch einige andere nicht unwesentliche Unterschiede bestehen. So wird durch unser Verfahren der Uebergang des Blutes aus der einen Herzhälfte in die andere in Folge der grossen Ausdehnung der Lungen nach Poiseuille's 2) Versuchen erschwert werden müssen; so wird die Aorta eine Dehnung und ihre Räumlichkeit eine Zunahme erfah- ren; so werden die Venen an der oberen Apertur des Brustkastens mehr oder weniger gedrückt und verschlossen werden, lauter Umstände, die der gewöhnliche Athmungsdruck nicht in seinem Gefolge hat. Die Autopsie von Hunden, die unter dem Einflusse eines beste- henden hohen + RD zu Grunde gehen, zeigt einen Zustand der Brust und Baucheingeweide, wie er während des Lebens sonst wohl nie vor- kommt. Die Lungen erfahren eine ungemein grosse Ausdehnung, wobei nothwendig ein Druck auf das Herz und die grossen Gefässe 1) + RD = positiver Respirationsdruck. ?) Comptes rendus. T. 41. MOLESCHOTT, Untersuchungen VII, 19 270 ausgeübt wird und namentlich die grösseren Venen an der oberen Apertur des Brustkastens zusammengedrückt werden; das Diaphragma wird in die Bauchhöhle hinein gedrückt und ist sehr stark gefaltet; die Leber wird unter die Hypochondrien gedrängt, ihr unterer Rand erstreckt sich bis unter die Stelle, die der Vorhaut entspricht. Alle in der Brusthöhle enthaltenen Organe sind äusserst blutleer, die Leber dagegen und die Nieren weisen einen bedeutenden Blutreiehthum vor; aus dem mit den grossen Gefässen abgebundenen Herzen gewann ich an einem Hunde eine Quantität Blut, die sich nach eimer annähernden Schätzung: (die Gesammtmasse des Blutes zu 7%/, des Körpergewichtes angenommen) nur als der zwanzigste Theil der gesammten Blutmasse erwies. Indem wir zu den beobachteten Wirkungen des künstlichen + RD übergehen, wobei wir beobachtete Thatsachen und Erklärungsversuche in natürlicher Verknüpfung neben einander stellen, unterscheiden wir diese Wirkungen, je nachdem sie im Beginn der Ausübung des + RD, während der Dauer seines Bestehens oder endlich in der Zeit nach Aufhebung desselben zur Beobachtung gelangen. 1. Während der + RD von Null bis zu seinem Maximum ansteigt, wirkt er auf das in der Brust enthaltene Blut als beschleunigende Kraft, die sich zum Herzdruck addirt; diese Wirkung spricht sich in unseren Versuchen darin aus, dass die mittlere Spannung des Blutes im arte- riellen System im ersten Momente des ausgeübten + RD regelmässig einen Zuwachs erleidet, der zwar verschieden gross ausfallen kann und sich in seiner Grösse nach der Stärke des RD richtet, immer aber nur so lange besteht, als der RD im Ansteigen bis zu dem ihm im ein- zelnen Falle zukommenden Maximum begriffen ist. Die unten beige- fügte Tabelle I enthält für die ausgesprochene Behauptung die nöthigen Zahlenbelege (Versuche Nr. 15, 32, 41 der Tabelle). 2. Während seines dauernden Bestehens erzeugt der + RD Wir- kungen, die von den eben erwähnten schr abweichen und im Allge- meinen sich nach der Grösse des RD richten. Die beobachteten Wirkumgen des bestehenden + RD waren folgende: a) Der + RD erschwert die Athembewegungen und hebt sie bei genügender Grösse vollständig auf. 271 Bei einem möglichst geringen + RD (etwa bei 10 Millim. Hg) erfahren die Athembewegungen nur insofern eine Veränderung, als sie. wenn auch unbedeutend , erschwert werden. Nimmt der + RD zu (etwa von 10 bis 20 Millim. Hg), so werden die Athembewegungen mühsam und es verändert sich zugleich ihr Rhythmus, die Inspiration erfolgt rasch und ist eine ausserordentlich kurze, die Exspiration dagegen wird sehr mühsam und nimmt eine viel längere Zeit in An- spruch; der Exspiration folgt in der Regel eine lang anhaltende Pause. Bei noch weiterer Steigerung des + RD (über 20 Millim. Hg) bleiben die Athembewegungen längere Zeit hindurch vollständig aus, und zwar ist dieses eine ganz regelmässige eonstante Erscheinung; zuweilen kehren sie auch wieder bei fortdauerndem + RD, aber immer nur wenn dieser letztere unter der Höhe von 35 Millim. Hg bleibt und auch dann erscheinen sie nur nach längeren Zwischenräumen; nach jeder mehr weniger tiefen Inspiration folgt eine längere Pause. Das Ausbleiben der Athembewegungen kann sehr lange anhalten; ich habe in sehr zahlreichen Fällen die Athembewegung während mehrerer Minuten ausbleiben sehen. Die Erklärung dieser Erscheinungen liegt nahe. Ein schwacher + RD kann in den Athembewegungen keine grosse Veränderung be- wirken; die auf der Luft lastende Wassersäule hat nur eine geringe Höhe und kann daher bei einigermassen gesteigerter Anstrengung ge- hoben werden; es wird daher das Thier, um den nöthigen Luftaus- tausch zu ermöglichen, nur einer grössern Anstrengung bedürfen, als beim Athmen im freien Luftraum. Bei höherem + RD wird die In- spiration verhältnissmässig noch leicht erfolgen können, da sie bis zu einem gewissen Grade durch die auf der Luft lastende Spannung un- terstützt wird; es wird, so zu sagen, Luft in die Lunge eingepresst; bei der Exspiration dagegen muss diese Spannung überwunden werden und dazu bedarf es schon einer bedeutenden Contraetions-Anstrengung von Seiten der Exspiratoren, deren Thätigkeit noch unterstützt wird durch die in Folge der Ausdehnung wachsenden elastischen Kräfte der Lungen. Ist die Exspiration vollendet, so gewinnt natürlich die auf der Luft liegende Spannung die Oberhand, und es müssen daher kurze und leicht erfolgende Inspirationen mit mühsamen und lange ur 272 anhaltenden Exspirationen abwechseln, ganz in Uebereinstimmung mit der Wahrnehmung. Erreicht der + RD einen noch höhern Werth, so überwindet er die elastische Gegenwirkung der Lungen, und das Zusammenziehungsbestreben der Exspirationsmuskeln dehnt die Lunge und den Brustkorb bedeutend aus und macht jeden Luftaustausch un- möglich; mit einem Worte, beim hohen + RD bleiben die Athem- bewegungen vollkommen aus. Das beim mässigen + RD zuweilen zu beobachtende Wieder- erscheinen der Athembewegungen ist wahrscheinlich die Folge der Zunahme, welche die Contractionsfähigkeit und Reizbarkeit der Ex- spirationsmuskeln während der anhaltenden Ruhe erfährt; sie äussert sich in der Bewerkstelligung einer Exspiration, auf welche wiederum in Folge der Luftspannung eine Inspiration folgt, nach deren Ablauf die Athembewegungen wieder ausbleiben. Besteht ein mässiger + RD während längerer Zeit, so kann sich natürlich dieser Vorgang mehrere Male wiederholen. Es ist besonders zu betonen, dass während der Ausübung eines + RD die Athembewegungen sehr lange, mehrere Minuten lang aus- bleiben können, ohne auf das Thier einen nachtheiligen Einfluss zu äussern und ohne Erstickungsnoth herbeizuführen. Die Ursache dieser interessanten Erscheinung muss wohl in dem Umstande gesucht wer- den, dass in Folge des + RD die Luft dem Thiere verdichtet zuge- führt wird und, wie wir weiter unten sehen werden, eine bedeutende Anhäufung von Blut im Gehirn bewirkt; dadurch wird, wenn man sich so ausdrücken kann, ein Vorrath von Sauerstoff dem verlängerten Marke geboten, und es fehlt daher die Ursache zur Erregung der automatischen Respirationsorgane; durch die Versuche mit dem nega- tiven Respirationsdrucke wird diese Anschauung wesentlich unterstützt. Aus einem andern Grunde noch verdient das Ausbleiben der Athembewegungen unsere Beachtung: es ist dies nämlich der einzige Fall, in Folge dessen man Blutdruckeurven erhält, die von dem Ein- flusse der Respiration vollkommen frei sind, in denen jeder Herzschlag dem vorhergehenden und nachfolgenden gleich ist und der Blutdruck nur diejenigen Schwankungen zeigt, die von den Zusammenziehungen des Herzens abhängig sind. 273 b) Der positive Respirationsdruck erschwert den Zufluss des Blutes zum Herzen, mindert den Nutzeffect des Herzens und setzt die Span- nung des Blutes im Aortensysteme herab. Dieser Einfluss steht dem + RD in Folge einer zweifachen Wir- kung zu, einmal nämlich werden das Herz und die grossen Gefässe unter höhere Spannung versetzt, wodurch die Entfernung des in der Brusthöhle vorhandenen Blutes begünstigt, das genügende Nachströmen dagegen erschwert wird; zweitens aber wirkt der hohe + RD auch mechanisch, indem durch die sich übermässig aufblasenden Lungen das Herz und die grossen Gefässe, namentlich die nachgiebigen Venen, zusammengedrückt werden, wodurch wiederum der Eintritt neuen Blutes in's Herz erschwert wird. Die zuerst genannte Wirkung, d. h. die erhöhte Spannung, unter welche die in der Brusthöhle an der üussern Lungenoberfläche gela- gerten Organe in Folge eines + AD versetzt werden, ist der direeten Messung zugänglich; ich wählte dazu, aus leicht einleuchtenden Grün- den, den rechten Vorhof, in den ich durch die Vena jugularis ex- terna hindurch einen elastischen Katheter einführte; während .des Be- stehens eines + RD von 125 Millim. Hg stieg die Spannung des Blutes im rechten Vorhof, die vor Ausübung des RD 45 Millim. Hg betrug, auf 30:6 Millim. Hg und kehrte nach dessen Aufhebung nur sehr allmälig nahezu auf ihren frühern Werth zurück, — ein genü- gender Beweis, wie bedeutend die durch die Athmung gesetzten Span- aungsunterschiede unter Umständen werden können. Die zweite mechanische Wirkung + RD, die Zusammendrückung des Herzens gınd der grossen Gefässe, wird durch die Autopsie hin- länglich bestätigt. R Die gemeinschaftliche Folge dieser doppelten Wirkungsweise des + ED ist also eine Minderung der Blutfüllung des Herzens und folg- lieh auch eine Minderung seines Nutzeffeetes und spricht sich in unseren Versuchen darin aus, dass während der Dauer des bestehenden + RD der mittlere Blutdruck im Aortensysteme bei fortdauerndem Herzschlage eine Abnahme erleidet, die Spannung des Venenblutes dagegen durch Stauung gesteigert wird. Im Allgemeinen kann behauptet werden, dass die Abnahme, die 274 der arterielle Blutdruck erfährt, zu der Grösse des ausgeübten + RD im Verhältniss steht; sie ist schon bei einer geringen Höhe des RD genügend ausgesprochen, erreicht aber einen um desto höhern Werth, je weiter der Druck gesteigert wird, und kann dann eine ungemein bedeutende werden; so habe ich Fälle beobachtet, wo der arterielle Blutdruck bis auf ein Zehntel seines ursprünglichen Werthes herabsank. Dieses Absinken des arteriellen Blutdruckes zum Herzen ist also eine Folge der durch den gehinderten Rückfluss des Blutes zum Herzen bedingten geringern oder grössern Blutleere der Arterien; so lange aber diese letztere keinen zu hohen Grad erreicht. so lange überhaupt anstatt des Abfliessenden noch etwas Blut in’s Herz nachströmen kann, so lange bleiben auch die Zusammenziehungen des Herzens für den Blutdruck wirksam, d.h. in der Blutdruckeurve sichtbar; erreicht da- gegen in Folge des steigenden + RD die Blutleere der Arterien einen bedeutenden Grad, so vermögen die Zusammenziehungen des Herzens den geringen Blutinhalt im Arteriensystem nicht mehr in genügende Spannung zu versetzen; es verschwindet jetzt in der Blutdruckeurve der Ausdruck der Herzschläge, trotz ihres Fortbestehens, und der Blutdruck wird nun horizontal verzeichnet. Es muss hervorgehoben werden, dass diese für unsere Versuche mit dem + RD so charakte- ristische Erscheinung der horizontalen Aufzeichnung des arteriellen Blutdruckes unter Umständen ungewöhnlich lange andauern kann; so finden sich in der beigefügten Tabelle Fälle verzeichnet, wo der Blut- druck im Laufe von mehr als zwei Minuten horizontal verzeichnet wurde (Versuche Nr.37 und 423, Tabelle T). Ich hebe hier nur noch besonders hervor, dass ich mich bei dieser Erscheinung won dem Fort- bestehen ‚der Bewegungen des Herzens mittelst in’s Herz eingestochener Nadeln überzeugt habe. L i Dass die Abnahme, die der arterielle Blutdruck erfährt, und sein horizontales Verzeichnen bei fortbestehendem Herzschlage ihre Erklä- rung in der eintretenden Blutleere der Arterien finden muss, kann noch auf einem andern Wege bestätigt werden; führt man nämlich, wie ich den Versuch am Hunde angestellt habe, in den rechten Vorhof durch die V, jugularis externa hindurch einen Katheter ein, an dessen Ende eine feine Blase (die Harnblase eines Kaninchens) aufgebunden 275 ist, und versucht es, die Blase durch den hohlen Katheter hindurch im rechten Vorhof aufzublasen, so wird man genau dieselben Erschei- nungen wie für den + RD beobachten; auch hier erfährt der arterielle Blutdruck mit wachsenden Aufblasen eine steigende Abnahme; auch hier wird diese dem Herzschlage entsprechende Exeursion der Druck- eurve schwach und klein, auch hier endlich wird bei genügendem Aufblasen der Blutdruck horizontal verzeichnet und sogar Herzstill- stand erzeugt; diese Thatsachen können nicht auffallen, da sie eine naheliegende Erklärung zulassen. Durch das Aufblasen werden näm- lich die Venenmündungen verlegt (wie ich mich durch Autopsie über- zeugt habe) und das Einströmen des Blutes in's Herz gehemmt, resp. aufgehoben, also Blutleere im arteriellen Systeme erzeugt; auch hier wird also der Nutzeffeet des Herzens gemindert, und diese Minderung sprieht sich auch hier in dem Absinken der Excursionen der einzelnen Herzschläge und des mittleın Blutdruckes aus. Der mittlere Blutdruck im Arteriensystem erfährt bei bestehen- dem + ED nicht selten Veränderungen, die theils mit den Athem- bewegungen zusammenhängen und in diesen ihre Erklärung finden, theils aber, durch andere Umstände herbeigeführt, unabhängig davon auftreten. Wenn bei bestebendem + RD die vorher ausgebliebenen Athem- bewegungen sich wieder einstellen, so ändert sich momentan auch der Werth der Blutspannung; sowie eine Inspiration eintritt, erfährt der Blutdruck einen Zuwachs, wobei auch die Zahl der Herzschläge vermehrt wird; in der Mehrzahl der Fälle erreicht jedoch der Blut- druck seinen ursprünglichen Werth dabei nicht; wurde vorhin der Blutdruck horizontal verzeichnet, so werden nun während der Zu- nahme des Blutdruckes auch die Herzschliäge in der Blutdruckeurve wieder sichtbar, In der weitaus grössten Mehrzahl der Fälle dauert jedoch dieses Ansteigen des Blutdruckes nicht lange; ist die Inspira- tion vorüber, so sinkt auch der Blutdruck, unter gleichzeitiger Ab- nahme der Zahl der Herzschläge, nahezu zu seinem frühern Wertlhe zurück, um unter Umständen wieder horizontal verzeichnet zu werden. Eine Inspiration kann aber, bei bestehendem KD, wie wir gesehen haben, mehrere Mal auftreten, und dem entsprechend steigt auch der 276 Blutdruck jedesmal an. Die Tabelle enthält für diese Beobachtung genügende Zahlenbelege (Versuche Nr. 10, 18, 26 der Tabelle I). Der Grund für diese Erscheinung ist leicht einzusehen; durch die auftretende Inspiration wird das Finströmen von Blut in’s Herz, wenn auch vorübergehend, wieder ermöglicht, und es werden daher in dem nachfolgenden Zeitmomente die Arterien wieder mit Blut ver- sehen; die Füllung und Spannung erfährt also eine rasche und be- deutende Steigerung. Auf die Ursache der Zunahme der Zahl der Herzschläge komme ich an einer andern Stelle zu sprechen. Aber diese Reihe von Vorgängen kann nicht. lange anhalten, nach vollbrachter In- spiration bleiben die Athembewegungen bei fortbestehendem + RD wie- der aus, das abfliessende Blut wird nicht genügend durch neuzuströmen- des ersetzt, die Blutleere der Arterien macht sich von Neuem geltend. Aber selbst, wenn bei hohem + ED keine Athembewegungen eintreten, so wird doch zuweilen für den Blutdruck (und Herzschlag) dieselbe Reihe von Erscheinungen wahrgenommen und zwar entweder in Folge von Bewegungen der Gliedmassen und des Kopfes und Zu- sammenziehungen der Bauchmuskeln oder scheinbar spontan, ohne äusserlich wahrnehmbare Ursache (Versuche Nr. 11, 19, 43 der Ta- belle I). Diese Erscheinung fällt in ihrem Grunde mit der oben erwähnten zusammen. Was dort die Inspiration bewerkstelligte, das leistet hier der durch die Bewegungen eingeleitete Druck auf die Venen oder die in den Venen in Folge der Aufstauung bis zu einem gewissen Grade gesteigerte Spannung; alle diese Einflüsse werden nämlich nur dadurch wirksam, dass sie eine vorübergehende Füllung des Herzens (resp. der Arterien) ermöglichen. Durch die Bewegungen der Glied- massen, durch Contractionsanstrengungen der Bauchmuskeln wird nämlich mehr oder weniger der Verschluss der Venen aufgehoben und das Blut in’s Herz wieder eingepresst, oder es steigt (so müssen wir die spontane Blutdruckerhöhung erklären) die Spannung in den Venen in Folge der Stauung allmälig bis zu dem Grade an, dass sie end- lich den Verschluss der Venenmündungen überwindet und eine be- stimmte Quantität Blut, die für den Strom wieder nutzbar gemacht wird, in's Herz einpresst. — Aber auch hier, wie nach eingetretener Inspiration , kann das Steigen des Blutdruckes nicht lange anhalten ; 277 der auf die Venen durch Bewegungen oder Bauchpresse ausgeübte Druck ist immer nur vorübergehend und in Folge der theilweisen Entleerung des Blutes aus den Venen sinkt auch die Spannung in ihnen; es wird daher jede Ursache zum weitern Einströmen von Blut in's Herz aufgehoben, die Arterien entleeren sich wieder des ihnen zugeführten Blutes, und ihr Inhalt konımt dadurch neuerdings unter geringere Spannung. Neue Bewegung, neue Stauung des Blutes und Steigerung des Druckes in den Venen kann den Vorgang nach einer gewissen Zeit wieder hervorrufen, und es kann daher die Steigerung des arteriellen Blutdruckes im Laufe des Versuches nach längeren oder kürzeren Zwischenräumen periodisch wiederkehren. Dass die hier versuchte Deutung der spontanen Steigerung des Blutdruckes bei bestehendem + RD die richtige ist, beweist ein sehr einfacher Versuch; wird nämlich während der Dauer eines + RD, wenn der Blutdruck gesunken ist oder selbst horizontal verzeichnet wird, die Ursache der Erscheinung nachgeahmt, d.h. ein Druck mit der Hand auf die Halsvenen oder auf den Bauch ausgeübt, so erscheint sofort eine Steigerung des Blutdruckes, die mit einer Zunahme der Frequenz der Herzschläge im Zusammenhange auftritt (Versuche Nr. 44, 45 der Tabelle I). Wir haben oben gesehen, dass der hohe + RD in Folge einer zweifachen Wirkungsweise die Zufuhr des Blutes zum Herzen mehr oder weniger erschwert und aufhebt, das Blut in den Venen staut und dessen Spannung daher vermehrt. Es ist aus theoretischen Gründen ohne Weiteres klar und bedarf wohl kaum des Beweises, dass der bestehende hohe + RD eine Zunahme in der Spannung des Venen- blutes nothwendig zur Folge haben muss; ich habe mich aber zum Ueberfluss auch von dieser Thatsache durch directe Messung des Venen- druckes überzeugt. Lässt man den Druck in der V. jugularis externa graphisch verzeichnen und übt dabei einen hohen + RD aus, so wird man regelmässig finden, dass während der Dauer desselben die Span- nung in der Vene eine bedeutende Zunahme erfährt, die so lange anhält, als der + RD selbst, und nach dessen Lösung wieder ausge- glichen wird. So fand ich, um ein Beispiel anzuführen, in einem Versuche während der Ausübung eines + RD von 65 Millim. Hg eine 278 Erhöhung des Venendruckes von 2-7 Millim. Hg auf 11:7 Millim. Hg, also mehr als um das Vierfache; in einem andern Versuche bei einem + RD von 125 Millim. Hg stieg während der Dauer desselben die Spannung in der Vene von ihrem ursprünglichen Werthe von 45 Millim. Hg auf 17-4 Millim. Hg. c) Der positive Respirationsdruck verändert die Schlagfolge des Herzens und zwar auf doppelte Weise, indem er einmal eine directe Herzreizung erzeugt und zweitens eine Vagusreizung bedingt. Bei bestehendem + RD verhalten sich die Herzschläge sehr ver- schieden, wie es ein Blick auf die beigefügte Tab. I leicht lehren wird. In der Mehrzahl der Fälle erleidet die Zahl der Herzschläge während der Dauer eines niedrigen oder mässigen + RD (etwa bis 30 oder 40 Millim. Hg) eine Abnahme, die Herzschläge werden sel- tener; es kommen aber auch Fälle vor, wo die Zahl der Herzschläge keinerlei Veränderung erfährt oder selbst eine sehr geringe Zunahme beobachtet wird; doch sind die beiden letzten Fälle immer selten im Vergleiche zum ersten. Steigt der + RD höher, so nimmt die Zahl der Herzschläge meist zu, doch kommen auch hier, wenn auch nur sehr selten, Ausnahmen vor. Erreicht endlich der + RD seinen höch- sten Werth, so übt er wieder einen mindernden Einfluss auf die Zahl der Herzschläge, wobei aber wiederum Ausnahmen vorkommen können, und bewirkt endlich sogar Stillstand des Herzens (Versuche 31, 32, 40, 41, 42 der Tabelle I). Von dem wirklichen Eintreten eines Stillstandes der Herzbewe- gung, was für den Menschen z.B. von Vierordt !) geleugnet wird habe ich mich mit Hülfe des schon erwähnten Fühlhebels sowohl als auch mittelst direct in's Herz eingestossener Nadeln auf das Sorg- fältigste überzeugt. Der Stillstand des Herzens kann ziemlich lange anhalten; so habe ich ihn in mehreren Fällen über 30 Secunden lang dauern gesehen ; es kann sich aber auch bei fortdauerndem + RD nach kürzerer oder längerer Zeit der Herzschlag wieder einstellen; nur bei sehr hohem 1) Grundriss der Physiologie des Menschen. I. Th. p. 104, Anmerkung. 279 + RD verharrt das Herz gewöhnlich so lange in Stillstand, als der Druck fortbesteht. Ueberlegt man etwas näher das soeben besprochene Verhalten in der Zahl der Herzschläge bei bestehendem + RD, so wird ohne Weiteres klar, dass man es hier nicht mit einem einfachen Einflusse zu thun hat, und man gelangt, indem man die Bedingungen näher analysirt, zu der Ueberzeugung, dass der + RD, wie wir es schon oben vorgreifend ausgesprochen, nach zwei Richtungen hin wirksam ist, indem er 1. eine directe Herzreizung einleitet und 2. eine Vagus- reizung bedingt. Nimmt man diese beiden Wirkungen des + RD als wirklich bestehend an, so lässt sich aus ihrer gegenseitigen Wechsel- wirkung, unter Berücksichtigung der Thatsachen, die über die gleich- zeitige Reizung des Herzens und des N. vagus mit Inductionsströmen bekannt geworden sind t), das so verschiedene Verhalten in der Zahl der Herzschläge bei bestehendem + RD unschwer ableiten. Fassen wir daher die Gründe etwas näher in's Auge, die unsere Annahme zu unterstützen scheinen. Für eine unmittelbare Herzreizung sprechen mehrere Umstände und zunächst schon die mechanische Wirkung des + RD, in Folge derer die Lungen bedeutend aufgetrieben werden und auf das Herz einen Druck ausüben müssen; es stimmt mit dieser Anschauung die Thatsache, dass eine Zunahme in der Zahl der Herzschläge (als Folge einer Herzreizung) nur äusserst selten während des Bestehens eines geringen I RD beobachtet wird, fast constant dagegen auftritt, wenn der + ED einen höhern Werth erlangt, denn der Druck, den das Herz durch die Lungen erfährt, kann im ersten Falle nicht beträcht- lich sein und daher keine Reizung bedingen, nimmt aber zu bei stei- gendem ED. Es spricht zweitens für unsere Anschauung die schon oben er- wähnte Erfahrung, dass die Zahl der Herzschläge augenblicklich und bedeutend vermehrt wird, wenn bei bestehendem RD Blut in’s Herz eingestossen wird, sei es in Folge einer eingetretenen Inspiration oder der bis zu einem gewissen Grade gesteigerten Spannung in den Venen 1) Diese Zeitschrift, Bd. VI, 8. 545. 2530 oder endlich in Folge von Druck auf den Bauch und die Halsvenen, von Gliederbewegungen etc. In allen diesen Fällen befindet sich das Herz in einem Zustande, in Folge dessen es durch neu eintretende Blutmassen gereizt werden muss; wenn nämlich die Hemmung, welche der + RD dem Blute ausserhalb der Brust entgegensetzt, durch An- stauung oder durch Muskelbewegung, oder endlich durch mechanischen Gegendruck überwunden wird, so geht das Blut mit Pressung in's Herz ein und dasselbe erfolgt nach eingetretener Inspiration, denn das Blut langt jetzt unter hoher Spannung an; nun wird das Herz von innen und aussen, durch Blut und Lunge gedrückt, es muss also eine lebhafte Bewegung eingeleitet werden; gerade wie auch das lebende Herz, wenn es zwischen den Fingern gedrückt wird, schneller schlägt. Drittens kann zu Gunsten einer direeten Herzreizung die nicht selten von mir beobachtete Erscheinung angeführt werden, dass dem Stillstande des Herzens nicht immer eine Verlangsamung der Herz- schläge vorangeht, sondern dass zuweilen, so zu sagen, ein Ueber- springen stattfindet von frequentem Herzschlag zu vollkommenem Still- stand der Herzbewegung. Die angeführten Wahrnehmungen scheinen unsere Annahme einer unmittelbaren Herzreizung zu rechtfertigen, und ich möchte nur her- vorheben, dass der Druck der Lunge auf die äussere Oberfläche des Herzens wahrscheinlich mehr als begünstigendes Moment betrachtet werden muss, während die wahre Ursache der Reizung auf der AM. Oberfläche des Herzens stattfindet und sich aus dem mit Pressung einströmenden Blute ableitet. Der erhöhte + RD bedingt aber auch Vagusreizung, welche, wenn kein directer Reiz auf das Herz wirkt, eine Verlangsamung der Herz- bewegung einleitet. Mit dieser Anschauung steht zunächst die Thatsache in Ueber- einstimmung, dass die Verlangsamung der Herzschläge bei bestehendem + RD vorzugsweise bei niedrigen Druck eintritt, der das Einströmen von Blut in den Brustkasten nicht aufhebt; hier kann die Vagusrei- zung aus einem doppelten Grunde sich geltend machen, einmal näm- lich, weil bei niederem Drucke die Zusammendrückung des Herzens 2 281 durch die Lungen nicht bedeutend werden kann, und dann, weil die Ursache zur unmittelbaren Herzreizung von der innern Oberfläche des Herzens aus wegfällt, nämlich das unter hohem Druck einströmende Blut. Ebenso spricht für unsere Anschauung die Erfahrung, dass die Verlangsamung der Herzbewegung auch bei sehr hohem + RD auf- tritt, welcher alles Zuströmen zum Herzen hemmt; hier wird freilich auf die äussere Oberfläche des Herzens durch die unmässig ausge- dehnten Lungen schon ein stärkerer Druck ausgeübt; wahrscheinlich wird er aber, wie wir schon erwähnt, für sich allein keine genügende Reizung des Herzens einleiten können, und da der Zufluss des Blutes zum Herzen vollkommen aufgehoben ist und durch die oben genannten Bedingungen nicht mehr hergestellt wird, so fehlt hier die direete Herzreizung. Es spricht zweitens für uns der bei hohem + RD nicht selten eintretende Herzstillstand ; freilich erreicht bei gehemmter Herzbewe- gung die die Vagusreizung bedingende Ursache (die wir sogleich kennen lernen werden) nicht ihr Maximum, aber dieses wird durch das Fehlen der direeten Herzreizung wiederum eompensirt. Viertens kann hier angeführt werden, dass wenn bei bestehen- dem + RD in Folge früher besprochener Umstände eine bestimmte Quantität Blut von Neuem in’s Herz anlangt und der Blutdruck dann unter Eintritt beschleunigter Herzbewegungen steigt, die Herzschläge alsbald wieder verlangsamt werden und der Blutdruck wieder eine Abnahme erfährt. Endlich findet hier auch die Beobachtung ihren Platz, dass, wenn nach Lösung eines hohen + RD der Blutstrom wieder unter grosser Spannung zu fliessen beginnt, die Herzschläge, wie weiter unten ge- zeigt den soll, fast jedesmal verlangsamt werden. Wenn schon durch wichtige und zahlreiche Thatsachen die An- nahme einer Vagusreizung gefordert wird, so wird sie durch den direeten Versuch, durch den Erfolg der Vagusdurchschneidung ausser allen Zweifel gestellt. Durchschneidet man am Hunde beide N. vagi und lässt ihn darauf unter hohem + RD athmen, so bleiben alle son- stigen Erscheinungen und Wirkungen des + RD genau dieselben, aber die Herzschläge erleiden nunmehr keine Verlangsamung und 282 selbst der höchstmöglich gesteigerte Druck vermag keinen Herzstll- stand mehr heibeizuführen. Ich habe diesen Versuch oft wiederholt namentlich in denjenigen Fällen, wo ich vor der Durchschneidung einen ausgezeichneten Stillstand beobachtet und erhielt dabei constant dasselbe Resultat. Durch die vorhergehende Betrachtung glaube ich also dargelegt zu haben, dass der + RD eine Vagusreizung bedingt, zu der sich unter Umständen, die der Analyse mehr oder weniger zugänglich sind, noch eine. direete Herzreizung hinzugesellt. Aus ihrer beider- seitigen Wirkung, aus dem wechselnden Ueberwiegen der einen oder der andern, mag dieses von zufälligen Bedingungen des Versuches oder von constitutionellen Bedingungen des Organismus abhängen, erklärt sich dann ungezwungen der im Versuch so verschieden auf- tretende Einfluss des + RD auf die Schlagfolge des Herzens. Wir müssen es jetzt versuchen, dem Grunde des veränderten Erregungszustandes der N. vagi näher nachzugehen. d) Der positive Respirationsdruck erzeugt Hirndruck. Das Blut, dessen Einströmen in’s Herz in Folge des + RD ge- hemmt und sogar aufgehoben wird, sammelt sich in den grösseren Venen an und bedingt daselbst eine Stauung, die der Messung zu- gänglich ist; in Folge des so behinderten Abflusses des Blutes aus den oberen Körpermassen muss eine Stauung des Blutes vorzugs- weise in den Kopfvenen eintreten; die Schwellung der Hals- und Gesichtsvenen giebt schon ein Zeugniss davon, der direete Versuch bestätigt dieses auf das Vollkommenste und erhebt eine Ueberfüllung der venösen Sinus der harten Hirnhaut mit Blut über allen Zweifel. Bei diesen Versuchen verfuhr ich auf die Art, dass ich beim Hunde in der Mittellinie des Schädels zwischen beiden Musculi here, ziemlich dieht vor der erista oceipitalis externa, eine kleine (ungefähr 11/, Millim. breite) Oeffnung mittelst eines Bohrers anbrachte, in dieselbe eine mit einer Schraubenwindung versehene und genau pas- sende Canüle einschraubte und diese letztere mittelst eines kurzen Kautschukschlauches mit einer gebogenen Glasröhre von entsprechen- der Weite in Verbindung brachte, die bis zu einer gewissen Höhe mit Wasser gefüllt war. — Der Eintritt einer kleinen Quantität Luft 283 in die Schädelhöhle konnte hierbei natürlich nieht vermieden werden, hatte aber für unsere Zwecke keine weitere Bedeutung. Mittelst einer stumpf zugespitzten Nadel wurde durch die Canüle hindurch, ohne Beschädigung der Hirnsubstanz, in den Sinus longitudinalis der har- ten Hirnbaut eine feine Oeffnung gemacht, wovon ich mich jedesmal durch Autopsie überzeugte; die in der Röhre befindliche Wassersäule führte unter dem Einflusse der Respirationsbewegungen und des Herz schlages die bekannten Schwankungen aus. Wurde nun der Stand des Wassers in der Röhre notirt, während das Thier frei in die Luft athmete, und darauf durch Schliessen des Hahns rasch en + RD ausgeübt, so stieg auch (wenn nur während der Operation kein zu starker Blutverlust eingetreten war) momentan mit der Einführung des + RD das Wasser in der Röhre, erhielt sich während der gan- zen Dauer seiner Ausübung auf derselben Höhe und sank nach Auf- hebung desselben auf seine frühere Höhe zurück. Um ein Beispiel anzuführen, so stieg es in einem meiner Versuche bei einem + RD von 30 Millim. Hg um 20 Millim, in einem andern, bei einem + RD von 66 Millim. 4g um 40 Millim. Besonders hervorzuheben ist die Wahrnehmung, dass dieses Resultat schon bei niederm + RD ein- tritt. Die Autopsie von Hunden, die im Folge hohen und auffallen- den + ED zu Grunde gehen, bietet auch eine Bestätigung unserer Voraussetzung; es finden sich nämlich immer eine Ueberfüllung der Hirngefässe mit Blut und unter Umständen selbst capillare Blutergüsse in die Hirnsubstanz. Die Versuche endlich, die man mit dem + RD an sich selbst anstellen kann, lehren wiederum dasselbe, denn sie bieten alle Er- scheinungen einer ausgesprochenen Congestion nach dem Kopfe dar. Fragt man, unter welehen Umständen dieser Hirndruck am gröss- ten sein und am längsten anhalten wird, so lässt hier der Versuch im Stiche, aber aus theoretischen Gründen lässt sich aussagen, dass dieses der Fall sein wird — 1. wenn der Zufluss von Blut unter hohem Drucke geschieht, ohne dass der Abfluss erleichtert ist, sei es, dass dieses durch die eingetretenen und nicht sogleich zu beseiti- genden Hemmungen im Capillarsystem oder durch den noch beste- henden + ED bestimmt wird; 2. wenn durch Bewegungen der 234 unteren Körpertheile oder durch Druck auf den Bauch wieder Blut in’s Herz getrieben wird, während es aus dem Kopf am Abfliessen gehindert ist. Dieser Hirndruck ist es nun, auf den der veränderte Erregungs- zustand der N. vagi bezogen werden muss und der uns zu der An- nahme zwingt, dass die Ursache der Erregung der N. vagi an deren centrale Ursprungssiellen in das verlüngerte Mark zu verlegen ist. Dafür spricht 1. der Umstand, dass, wenn die Reizung am Herzende der N. vagi vorhanden wäre, die Verlangsamung der Herzschlage auch nach der Vagusdurchschneidung fortdauern müsste; 2. zeigt aber auch der direete Versuch, dass die Stauung des Blutes, resp. der dadurch ausgeübte Druck, nicht aber Sauerstoffmangel oder der wenn auch faetisch vergebliche Versuch zur Athembewegung die Ursache der Vagusreizung ist. Wird nämlieh bei bestehendem + RD und dadurch verlangsamter Herzbewegung ein Aderlass aus einer das Hirnblut aufnehmende Venen bewerkstelligt (was ich an der Vena jugularis externa that), so wird sofort der Ilerzschlag beschleu- nigt, wobei auch der Blutdruck in d. a. carotis eine Steigerung erfährt; schnürt man die geöffnete Vene wieder zu, so tritt auch wiederum Verlangsamung der Herzschläge unter Abnahme des arte- riellen Blutdruckes ein (Versuch Nr. 46, 4748 der Tabelle I). Das hier eintretende Steigen des arteriellen Blutdruckes erklärt sich daraus, dass durch die Herzbewegung das etwa vorhandene Blut wieder nutz- bar gemacht wird. 3) Die Erscheinungen, welche eintreten, wenn der + RD von seinen. Maximum wieder auf Null herabgesunken, bieten wenig Cha- rakteristisches, denn sie bestehen im Allgemeinen nur in einer länger oder kürzer dauernden Nachwirkung und einer darauf folgenden Aus- gleichung derjenigen Einflüsse, die der + RD während seines Be- stehens bedingt hatte. Die Athembewegungen stellen sich auch. nach Aufhebung des + RD wieder ein und zwar sofort, wenn der Druck ein mässiger war (bis etwa 25 bis 30 Millim Hg), wobei sie frequenter und tiefer werden, oder erst eine geraume Zeit nachher, wenn der Druck bedeutend war; je höher der + RD steigt, um so später kehren auch die Athem- 285 bewegungen nach dessen Lösung wieder. Waren bei niedrigem + RD die Athembewegungen gar nicht ausgeblieben, so erleiden sie nach Aufhebung desselben nur insofern eine Veränderung, als sie jetzt an Tiefe und Frequenz zunehmen. — Der Umstand, dass nach einem hohen + RD die Athembewegungen noch längere Zeit hindurch aus- bleiben, muss wahrscheinlich auf Rechnung einer Veränderung ge- setzt werden, die der Erregungszustand der automatischen Respira- tionsorgane erfahren hat, und wird durch Ermüdung der Respirations- muskeln und die durch übermässige Ausdehnung der Lunge be- dingte Abnahme ihrer elastischen Kräfte (?) wohl wesentlich unter- stützt. _ Der arterielle Blutdruck steigt nach Aufhebung des + RD in der weitaus grössten Mehrzahl der Fälle rasch und bedeutend an, denn das in's Herz aus den Venen ankommende Blut langt unter hoher Span- nung an und wird für den Strom sogleich nutzbar gemacht. Diese Steigerung des Blutdruckes hält aber in der Regel nicht lange an und im weiteren Verlaufe der Zeit kehrt der Blutdruck nach einigen Schwan- kungen nahezu zu seinem ursprünglichen Werthe zurück, denn dieses Steigen kann ja nur so lange anhalten als die höhere Spannung in den Venen anhält und diese letztere wird unter gewöhnlichen Um- ständen durch das nun ermöglichte Einströmen von Blut in’s Herz ziemlich rasch ausgeglichen; genau lässt sich natürlich die Dauer des Ansteigens ıt voraus bestimmen, eben so wenig. voraussagen, ob nach Aufhebung des + RD der Blutdruck schliesslich zu seiner frü- heren Höhe zurückkehren wird oder dieselbe längere Zeit hindurch übersteigen oder endlich auch unter derselben zurück bleiben wird; im Versuche kommen alle drei Fälle ziemlich gleich oft zum Vorschein; natürlich wird hier Alles darauf ankommen, wie rasch im einzelnen Falle die Spannung in den Venen ausgeglichen wird und wie sich das Verhältniss des weiteren Zuflusses von Blut zum Abflusse gestattet. Das Verhalten des Blutdruckes nach Aufhebung des + RD er- fährt fast constant eine Modification, wenn dieser letztere einen sehr bedeutenden Werth erhält (etwa über 75 bis 150 Millim. Zg.), in diesem Falle nämlich steigt der Blutdruck. nieht sogleich wieder an, MOLESCHOTT , Untersuchungen VII, 20 286 sondern behauptet sich auf seiner früheren Höhe oder erfährt selbst in extremen Fällen ein weiteres Sinken, um nach einer bestimmten, in verschiedenen Fällen variablen, aber im Ganzen kurzen Zeit in ge- wohnter Weise anzusteigen (Versuche Nr. 21, 22 der Tabelle I). Wie schon angeführt, gilt genau dasselbe für die Athembewegungen, auch sie bleiben nach Lösung eines sehr bedeutenden + RD eine Zeit lang noch aus; hier muss nun hervorgehoben werden, dass diese beiden Erscheinungen immer Hand in Hand gehen und dass der Blutdruck sofort zu steigen beginnt, wenn die Respirationsbewegungen sich wie- der einstellen. In dem Ausbleiben der Athembewegungen und der dadurch bedingten ungenügenden Zufuhr von Blut findet also die für den Blutdruck hervorgehobene Erscheinung ihre Erklärung. Die erhöhte Spannung in den Venen wird nach Aufhebung des + RD mehr oder weniger rasch ausgeglichen, aber auch hier wie- derum findet dasselbe Statt wie für den Arteriendruck; auch hier näm- lich erfolgt nach Lösung eines sehr hohen + RD die Abnahme des Venendruckes nicht momentan, sondern erst einige Zeit später und all- mälig; so habe ich zuweilen nach einigen Secunden eine geringe Nachwirkung, daher eine im Vergleich zur urspünglichen etwas höhere Spannung ceonstatiren können; im Allgemeinen kann jedoch ausgesagt werden, dass der Venendruck eher, als derjenige in den Arterien, zu seiner früheren Höhe zurückkehrt. Die Herzschläge sind nach Aufhebung des + RD fast ohne Aus- nahme gross, stark und sehr selten; unter mehr als 100 Fällen habe ich nur einige wenige beobachtet (die auch alle als interessante Be- sonderheiten in die Tabelle I aufgenommen sind — Nr. 7, 9, 11, 12, 14, 17), in welchen nach Lösung des + RD frequenter Herzschl notirt worden ist, und noch muss dabei erwähnt werden, dass es ge- rade diejenigen Fälle waren, wo auch während der Dauer des + RD die Zahl der Herzschläge eine Zunahme erfahren hatte. In der über- wiegenden Mehrzahl der Fälle tritt aber immer eine Verlangsamung des Herzschlages ein; sie macht sich schon bei einem geringen + RD geltend, wächst aber im Ganzen mit steigendem Drucke, unter Um- ständen kann sie eine sehr bedeutende werden; so finden sich in der 287 Tabelle Fälle verzeichnet, wo die Zahl der Herzschläge vor Ausübung des + ED sich zu derjenigen nach Aufhebung desselben wie 1 zu 0:41 und 1 zu 0:38 verhielt. —- Nach Aufhebung des + RD hält. diese Verlangsamung des Herzschlages noch eine gewisse Zeit an, wird aber allmälig immer schwächer und schwächer, bis schliesslich die Zahl der Herzschläge zu ihrem früheren Werthe zurückkehrt. Diese all- mälige Ausgleichung der Nachwirkung geschieht in manchen Fällen so stetig und progressiv, dass sie sehr deutlich in der Blutdruckeurve mit den Augen verfolgt werden kann; ausgezeichnete Beispiele bieten die Versuche Nr. 33 I, 34 und 43 der Tabelle I. Es wird wohl nach dem früher Gesagten nicht auffallen, wenn wir diese Verlangsamung des Herzschlages als Nachwirkung der bestandenen Vagusreizung auf- fassen. Dass diese sich vorzugsweise geltend macht, während die bei bestehendem + RD auch auftretende unmittelbare Herzreizung nach Aufhebung des Druckes nur äusserst selten zur Wirkung gelangt, fin- det die nöthige Begründung in dem Umstand, dass die Ursache der Vagusreizung, der Hirndruck nämlich, auch nach Lösung des + ED, wie wir sogleich erfahren werden, einige Zeit bestehen bleibt, wäh- rend dieses für die unmittelbare Herzreizung nicht der Fall ist. Be- stätigt wird diese Annahme durch den Erfolg der Vagusdurchschnei- dung, wo die Verlangsamung des Herzschlages auch nach Aufhebung des + RD absolut fehlt. Was schliesslich die Stauung des Blutes in den Hirnvenen betrifft, so muss hier der Umstand hervorgehoben v ‚ dass nach einem bedeutenden + RD die Ausgleichung dieser Veränderung auch nur sehr allmälig erfolgt , was wahrscheinlich Hemmungen im Capillarsystem zuzuschreiben ist, dass dagegen diese Ausgleichung sofort eintritt, sowie eine Inspiration sich einstellt, die den Abfluss von Blut aus dem Kopfe begünstigt. Der künstlich erzeugte + RD wird von Hunden lange Zeit hin- - durch ohne nachtheiligen Einfluss ertragen und zwar sowohl das lange Bestehen desselben als auch die während einer längeren Zeit fortge- setzte wiederholte Ausübung; ein Zeugniss davon geben die Versuche Nr. 37, 42, 44, 45, 46, 48 unserer Tabelle I, wo die Dauer eines ein- 20 % 288 mal ausgeübten + RD mehr als 2 Minuten betrug, wobei noch ausser- dem zu berücksichtigen ist, dass die den Lungen zugeführte Luft wäh- rend dieser Zeit nicht erneuert wurde, und die Versuche Nr. 1—16, die alle an emem und demselben Hunde in der angeführten Reihen- folge im Laufe von 3—4 Stunden gewonnen sind. Erwähnen muss ich aber, dass nach zu lange fortgesetzter Aus- übung eines übermässig gesteigerten + RD zuweilen, namentlich bei heruntergekommenen Hunden, sich Anfälle von Krämpfen einstellen, die meist periodisch nach längeren oder kürzeren Zwischenräumen wiederkehren; aber selbst diese lassen sich durch länger anhaltende Ruhe fast immer beseitigen. Ihr Ursprung ist wahrscheinlich in der beobachteten Stauung des Blutes in den Centraltheilen des Nerven- systems zu suchen; das Wie ihrer Entstehung bleibt natürlich voll- kommen dunkel. Endlich kann man selbst den Tod des Thieres durch den + RD herbeiführen, aber dieses gelingt nur, wenn ein ungemein hoher + RD während sehr langer Zeit, namentlich bei kleinen und elenden Hunden ausgeübt wird; ob der Tod in Folge des Stillstandes der Herzbewe- gung oder wegen der schliesslich sich einstellenden Athemnoth aus Sauerstoffmangel erfolgt, mag dahingestellt bleiben. Auch an mir selbst habe ich die Versuche über die Wirkung des + RD angestellt, theils um die subjeetiven Erscheinungen kennen zu lernen, theils aber eu die an Hunden gewonnenen Erfahrungen direet am Menschen zu prüfen. Dabei wurde die Nase zugehalten und die Tracheacanüle mit dem Munde möglichst genau umschlossen; ein Gehülfe prüfte den Puls an der Arteria radialis und sorgt die Herstellung des + RD. Die Erscheinungen, die dabei auftraten, waren constant und standen nahezu im Einklange mit den am Hunde wahr- genommenen. Bei schwachem Drucke gelang es, die Athembewegungen durch starke Anstrengung der Exspirationsmuskeln mühsam zu unter- halten; bei einem höhern + RD trat ein peinliches Gefühl von Be- klemmung ein, das zu gewaltsamen, aber bei hohem Drucke durchaus fruchtlosen Ausathmungsversuchen zwang; mit steigendem Drucke ent- stand Röthe und Schwellung des Gesichtes und Halses, die Augen 289 thränten und traten hervor, es stellte sich Ohrensausen ein, kurz alle Erscheinungen einer ausgesprochenen Congestion nach dem Kopfe; bei längerer Dauer des Versuches entstand sogar Schmerz in der Hinter- hauptgegend. Was den Puls betrifit, so glaube ich bemerkt zu haben, dass bei niederm + RD eine Zunahme der Zahl der Herzschläge ein- trat, die bei steigendem Drucke einer Verlangsamung der Pulsschläge wich, also ein von der bei Hunden gemachten Wahrnehmung etwas verschiedenes Verhalten; doch will ich auf diesen Umstand keinen be- sondern Werth gelegt wissen, da die Zählung der Pulsschläge nicht mittelst der graphischen Methode, sondern bloss durch den tastenden Finger geschah. Bei einem hohen + RD wurden die Pulsschläge äusserst schwach und konnten schliesslich nicht mehr wahrgenommen werden; ob wirklicher Herzstillstand eintrat, ist hier schwer zu entscheiden. Diese Versuche bieten eine mögliche Erklärungsweise für die Mei- nungsdifferenz, die in Betreff der Zahl der Pulsschläge zwischen Ed. Weber und Donders besteht. Nach Lösung des + RD war der Puls ohne Ausnahme gross, selten und stark, was auch Donders 1) für seine Versuche hervorhebt. Trotz aller Willensanstrengung war es einem hohen + RD wegen des peinlichen Gefühles der Beklemmung und Athemnoth unmöglich, diese interessanten Versuche lange Zeit fortzusetzen. Die Versuche mit dem + RD bieten, ganz abgesehen von ihrem /erth für die richtige Auffassung des Einflusses der Athembewegun- & auch insofern einiges Interesse, als sie die von Brunner) aus- geführten Messungen der Spannung des ruhenden Blutes bestätigen; durch den hohen + RD werden nämlich die dazu erforderlichen Be- dingungen — Stillstand der Bewegungen des Herzens, des Brustkastens und der Gliedmassen — unter Beihülfe der Opiumbetäubung wirklich erzeugt und zwar, für den unerlässlichen Stillstand der Respirations- NL, c. p. 245. ?) Ueber die mittlere Spannung im Gefüsssystem. Zürich 1854. 290 bewegungen wenigstens, leichter und sicherer als durch das von Brun- ner eingeschlagene Verfahren. Unter diesen Bedingungen stellten sich nun in meinen Versuchen für den absoluten Werth des Blutdruckes Zahlen heraus, die zwar von einander bei verschiedenen Hunden nicht unbeträchtlich abweichen, aber mit den von Brunner gefundenen eine auffallende Uebereinstimmung darboten. Es liegt für unsere Zwecke zu weit, hier darauf näher einzugehen; es genügt, darauf hin- gewiesen zu haben. Legen wir uns schliesslich die Frage vor, welche von den beob- achteten Wirkungen des + RD für unsere Aufgabe besonders wichtig zu sein scheinen, so müssen wir, unter Hinweisung auf die spätere Begründung, drei Wirkungen des + RD, als maassgebend für die rich- tige Beurtheilung des Einflusses der Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck, besonders hervorheben — zuerst die beschleunigende Kraft, die der + RD während seines Ansteigens ausübt, dann den während der Dauer des + RD auftretenden erschwerten Rückfluss des Blutes zum Herzen und die dadurch bedingte Abnahme des Nutz- effeetes des Herzens und der Spannung im Athemsysteme und endlich die Stauung des Blutes in den Venen und Üapillaren des Gehirns und die daraus resultirende Vagusreizung. Die nachstehende Tabelle enthält die nöthigen Zahlenbelege fr die bis dahin aufgestellten Behauptungen, die Versuche sind in ihr bei jedem einzelnen Hunde in derjenigen Reihenfolge ausgeführt, in wel- cher sie gewonnen wurden; die Grösse des + RD, die durch die Höhe der auf der Luft lastenden Wassersäule bedingt ist und in den Ver- suchen durch Ablesen des Standes dieser letzteren an der graduirten Glasröhre bestimmt wurde, ist in der Tabelle auf Mill. Hg reducirt. Das "Unsichtbarwerden der Pulsschläge in der Blutdruckeurve, d h. das horinzontale Verzeichnen des Blutdruckes ist durch „horizontal“ ausgedrückt. In den Bemerkungen bedeutet RBw—Respirationsbewe- gungen, HSchl—Herzschlag, HSt—Herzstillstand. 291 Bei Gebrauch der Tabelle ist endlich zu berücksichtigen, dass, wenn die in der Abhandlung als Besonderheiten bezeichneten Fälle in der Tabelle verhältnissmässig oft vorkommen, dieses dem Umstande bei- zumessen ist, dass des beschränkten Raumes wegen weniger als die Hälfte der wirklich angestellten Versuche in die Tabelle aufgenommen wurde, so dass für die constant auftretenden Fälle nur einige Beispiele gewählt worden sind, während gerade die Ausnahmsfälle, als interes- sante Belege für die Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, nahezu alle in der Tabelle ihren Platz gefunden haben. 292 Nr, des Versuchsthieres -_ Nr. des Versuches - 11 12 Höhe des RD in Mm. Hg - - 11 18 33 | 62 74 Dauer des RD in Se- cunden 17:6 Vor Ausübung des RD Blut- Mm, in 30 Secunden Zahl der Herzschl druck Mittlerer 105°9 118:3 110:7 108:0 45 128-4 Während der Dauer des Zeit nach Beginn des RD ın Secunden. 79 Von 9:3 bis 258 | Unmittelbar 47 | von 47 bis 22-8 Unmittelbar Be {Von 5:2 bis 21-4 80 14:0 \Von 0 bis ) E) 80 n Unmittelbar 6.0 Von 60 bis 22:8 Von 0 bis 60 |, 60 „ 193 Von 0 bis 7:3 east >86 ) 86, 214 19:0 ( Von 0 bis 93 10:0 | „ 10:0 bis 17-6 Tabelle für den posi- RD Blut- in Mm, Herzschl. vor d RD=1 Verhältnisszahl d. druck Z Zahl der Herzschl, in 30 Secunden Mittlerer 106 | 0:81 | 82:3 34| 0-26 | 81:0 110| 0:91 | 9621 100 | 0:90) 90 | 0-81 101-7 40 \ 0:36) 70 | 0:88 85 1os| 117-2 75| 0-93 60| 1-00. | 110-7 81:0 50 090|| 1133 45| 100 | — = A0 842| 1-86 5233| 1.151 11201 65 50 1-18 0:90 50 | 0:86 1:72 1:55 100 90 55 | 1:10 95| 1-72 |1125 sol ı1 | — horizontal 76:3 109| 242 | — | 7 1414435 59115 Ze 109 | 219) Verhältnisszahl d. Blutdruckes vor dem RD=1 0:98 0:97 1:00 0:96 tiven Respirationsdruck. Nach Aufhebung des RD Zeit nach Aufhebung des RD in Secunden. Unmittelbar 7:0 Von 0 bis 80 »„ 80 „ 100 50 Von 0 bis 11-0 Zu Ende d. Versuch. Von 0 bis 3-5 Zu Ende d. Versuch. Unmittelbar Zu Ende d. Versuch. Zahl der Herzschl. in 30 Secunden _ = 3} Oo Ps o er an Verhältnisszahl d. Herzschl. vor d. RD Blut- in Mm. druck Hg Mittlerer Verhältnisszahl d. 1 Blutdruckes vor dem RD 293 Bemerkungen Fortdauer der RBw. während des RD. Fortdauer der RBw. 1 Das Steigen des Blutdruckes war hier Folge einer Inspiration. Fortdauer der RBw. Fortdauer der RBw. Fortd. d. RBw. b. veränd. Rhythmus. Erschwerte Fortdauer der RBw. bei sehr verändertem Rhythmus. Erschwerte Fortdauer der RBw. bei verändertem Rhythmus. 2 Während der Inspiration. 3 Während der Exspiration. Ausbleiben der RBw. während der Dauer des RD. Ausbleiben der RBw. Ausbleiben der RBw. 4 Während dieser Zeit fand eine Inspiration Statt. Ausbleiben der RBw. und horizon- tales Verzeichnen d. Blutdruckes bei fortbestehendem Herzschlage. 5 Ist eine sog. spontane Erhebung. Ausbleiben der RBw. 294 B ES & Vor Ausb hune Während der Dauer des RD 3.8.8 = SEEN SaugE: 3:9=: EN 1, 2a: |== 13,7, E alas 3 Pi Zeit nach Beginn des RD| 53 Ss” u u. Salz x EN zo .- = san = =uR Eultels za le ; sols8l | 52 ER 2 = = sE 3 38, in Secunden =3 ERR 5°_ 33: £ = 3 = 3? ses 3” Salz Sie galz 2 Ti Unmittelbar | 5a| 100 | — | — 13| 96.| 22:5 | 54) 1331 | 12-0 136 | 2:51 | 694 | 0-52 Von 0 bis 62 | 54| 1:08 . 14| 118 | 17-6 50; 1102 »„ 62 „ 102 | horizontal 378 | 0:34 . „ 102 „ 176 |118| 236 Von 0 bis 44 | 50 | 1-11 | 110.6 | 1:08 \ #4 „ 65| —| — | 819 | 0:80 15| 26| 143 45, 1017 2 65 k 10:7 | 1001| 2:22 re Di | „ 107 „ 143 | 54| 1:20 |110:2 | 1:08 Von 0 bis 55 | 54| 1:20 _ _ : h ee elle = 72:0 | 0:65 16| 37 14-3 45) 1097 23 ers n 143 | 118 | 2:62 =, .c | ' 143 —| — 1/1044 | 095 11 17 29 10-4 65, 90:0 — 56 | 0:86 52:4 | 0:58 Von 0 bis 75 | 50] 1:00 — — 7:3 —| — 62:0 | 0:71 nn „aa Balder 142 — _ 89:3 | 1:03 18) 18 49-3 50/ 86:6 „ 142 „ 174] 62| 1:24 _ —_ „4174 „ 1832] 90| 1-80 | 97:6 | 1-12 „183 „ 2693| 43| 0.86 | 58:9 | 0:67 n„ 269 „ 3494| 8a| 168 | — | — „ 349 „ 4935) 65 | 1:30 92:0 | 1:06 Von 0 bis 11-2 | 31| 0:66 _ _ ; | ge: „ 11:2 „ 23-3 | horizontal | 43:2| 0:43 19| 51| 443 | 47) 987 |) ® 233 > 3246| 84] 1-78 |1369 | 1.38 „ 321 „ 443 | 28| 0:59 | 73:8 | 0:74) 20| 70|) 20:3 $112) 1440 _ horizontal | 28:8 | 0:20 21| 80) 11:2 125 1278 _ horizontal 540 | 0:42 174 47 | 0:50 14-4 | 0:22 I 48 horizontal 18:9 | 0:30 II |22| 66 94 629 _ | II 4-9 horizontal 19.8 | 0:31 | 295 Nach Aufhebung des RD Blut- Mm, Zeit nach Aufhebung des Bemerkungen RD in Secunden. Herzschl, vor d Verhältnisszahl d. Blutdruckes vor dem RAD=1 RD=1 Verhältnisszahl d. druck in Hg Zahl der Herzschl. in 30 Secunden Mittlerer Ausbleiben der RBw. und horizon- Zu Ende d. Versuch.| 54| 1:00 | 131-6 0:98) tales Verzeichnen d. Blutdruckes. (Ausbleiben der RBw. und horızon- (Von 0 bis 38 63 | 1:26 : f 102.8 | 0 93] tales Verzeichnen d. Blutdruckes. n 38 „ Ende 54 | 1:08 Mühsame u. unvollkommene Fort- _ ı 45 | 1:00 | 117-2 | 1:13 dauer der RBw. 1 Fällt auf eine Inspiration. Unmittelbar N EN) Von 0 bis 69 | 45 | 1:00 _ — ) [Ausbleiben der RBw. Vor Ende 37 | 0:82 | 1102 | 1:00 Von 0 bis 30 | 96| 1-47 711 Das Ausbleiben aerinByn Zu Ende ı 65| 1:00 | 794 | 0:88 Ausbleiben der RBw., die sich | während der Dauer des RD Von 0 bis 48 50 | 1:00 | 100:0 | 1-46) ], new weder neinatellen. » #8 „ Ende | 56| 1-10 | 891 | 1:02 p £ 3 Exspiration. 4 Inspiration. 5 Exspiration. Unmittelbar 25 | 0:53 Ausbleiben der RBw., Fortbeste- er TE hen der Herzschl. Zu Ende d. Versuch.) 37 | 0:80 | 133-2 E, 6 Ohne eingetretene Inspiration. Ausbleiben der RBw. Beide N. vagi Br 112] 1:00 |1448 | 1.00 durchschnitten; kein HSt. f f Ausbleiben der RBw. ee 125 1:00) HR =) Beide N. vagi durchschnitten; kein HSt. —_ 52 | 055 40:5 | 0:64 | |9”6 nach Lös. erfolgt neuer Schluss. _ ı 44 | 0:46 483 | 076 |14”1 nach Lös. wieder neuer Schluss. r } Ausbl. der RBw., die sich sogleich Dasyelbar 5 01 656 | 1:04 nach Aufhebung des RD. wieder \ einstellen. Fortdauer d. HSc.lh 296 FA > [I = © Vor Ausübun; & 5 = 2 or An abLa Während der Dauer des RD =2|2= = =.| 88 @s|37 |38 |=5 2 Fe == 55 = — ©. = [=] {=} ER 7 Ss ıou Fi rn Eulreie sn 2: s:| EBEN | ES Se] u sı 8 3 = Zeit nach Beginn des RD| 53 Bi: = 25 2 |2| 8 5 mie 2: | 22r = 2° Di; S ‚sulte Er abe Be lseltez Eu Serena Belege EEE © 57 - eo =Z Für ın ecunden 2 =nS . =23 = ale Ss le Zar es | re IE ae 23 ZE2| 258 =3:| s2aRX | 2S8 | 55 ae le Ss” le» = E I 10:2) 47 | 0:61 19:8 | 0:28 23| 74 76, 70:8 = II 11:0\ 58 | 0:76 19:8 | 0:28 24| 7| 243 46) 540 — 46 | 1:00 53:1 | 0:98 IV |25| 14| 252 60) 46:2 = 60 | 1:00 356 | 077 »„ 45 „ 108 | horizontal 360 | 0:73) „ 108 „ 2521| 60 | 1:13 49:7 | 1:01 26| 21| 252 53) 49:0 je 0 bis 45 | 66 | 1:24 »„ 72 „ 166 | horizontal | 25:2 | 0-42 ” 466 . 2642| 33 | 0.62 | 494 | 083 Von O0 bis 72 | 50 | 0:94 _ 27| 37| 26:4 53| 593 | 36 | 1:00 _ horizontal 23-4 40 horizontal 1:00 — _ 19-8 | 0:37 VonO bis 45 40 | 0:87 —_ n | a et) horizontal 19:8 | 0:38 | 3al111| 201 | 33) 467 Wr ae a5, Bone) asien ” ” Unmittelbar — — 11095 | 1:20 | Währ. d. übr. Dauer| — En 549 | 0:68 horizontal | 14:4 | 0:20 horizontal 19:9 Nach Aufhebung des RD 297 PIE: 38 Elze: ||=- Zeit nach Aufhebung des| 5 2 ui" 1 Kat os e RD in 30 Secunden | 33 | 3:2! | &x - .I=sSSS | Z2> =2| s=a8& | 358 S = = = 61) 0:80 | 57:3 Unmittelbar 58 | 0:76 62:7 _ 76 | 1:00 67.2 —_ 40 | 0:87 47:3 _ 46 | 0:76 56-9 Unmittelbar \ 46 | 0:86 557 Zu Ende | 53 | 1:00 53:0 Von 0 bis 45 46 | 0:86 | 77-6 » 45 „ Ende 33 | 0:62) Von 0 bis 3-2 horizontal 23-4 n 32 „ Ende 36 | 1:00 98-5 Von 0 bis 30 horizontal 19-8 Unmittelbar darauf\ 33 | 0:82 82-7 Zu Ende —| — 49:9 16:2 468 bis 42 horizontal Ende 26 | 0-56 bis 69 n„ 69 „ horizontal 21: Ende 33 ) 1:00 728 Unmittelbar —| — Zu Ende ı — _ Von 0 bis 15,3 | 61| 0:58 „153 „ 204 | 76| 072[ 2 „ 204 „ 255 | 88| 0:83 mi = 1255 32.6 | 106 | 1:00 Unmittelbar 4483| 0:41 477 Bemerkungen Blutdruckes vor dem RD= | Verhältnisszahl d. das noch einige Zeit nach Auf- hebung des RD anhält. Fortdauer der HSchl. Ausbleiben der Athembewegungen, 094 per zweite Schluss geschah nach Lösung des ersten. 0:89 fFortdauer d. RBw. 1-23 [Ausbleiben u. Wiederkehr d. RBw. Ausbleiben und theilweise Wieder- 1:13 kehr d. RBw. 1:08 \ [Fortdauer der HSchl. ! Bezieht sich auf eine Inspiration. Ausbleiben und theilweise Wieder- N kehr der RBw. / Fortdauer der HSchl. 2 Fällt auf eine Inspiration. 0:38 JAusbleiben der RBw. 1:59 |Fortdauer der HSchl. vn Ausbleiben der RBw. 038 Fortdauer der HSchl. Ausbleiben der RBw. Fortdauer der HSchl. Ausbleiben der RBw. Stillstand des Herzens. Ausbleiben der RBw. Stillstand des Herzens. Ausbleiben d. RBw., das noch eine ie lang die Lösung des RD erdauert; Fortdauer des Herz- schl., der während des horizon- talen Verzeichnens des Blutdruckes schwach und selten ist. 32"6 nach Lösung neuer Schluss. 0:75 # Der Versuch wurde abgebrochen, ehe die Nachwirkung für die \| Herzschl. ausgeglichen war, 0:70 298 r. des Versuchsthieres < - Nr. des Versuches 34 36 Höhe des RD in Mm. Hg 59 70 I jr w Vor Ausübung des RD Während der Dauer des RD Zahl der Herzschl, in 30 Secunden je.) u sehr häufig Mittlerer 127-5 136-1 142-2 109 8 85:3 78:5 75:6 | 122-4 {Von 9-4 bis 2:13:8 Zeit nach Beginn des RD in Secunden Herzschl, vor d. RD=1 Zahl der Herzschl in 30 Secunden Verhältnisszahl d. —_ horizontal | _ horizontal — horizontal — horizontal Von 15-8 bis 2'119] horizontal Von 40 bis 43:7 herizontal horizontal horizontal Unmittelbar Später während d, rızontal ganzen Dauer ie horizontal Blut- in Mm. Mittlerer druck 15:3 252 Verhältnisszahl d, Blutdruckes vor dem RD=1 2 > ic} 0-11 0:18 0:38 0:21 1:04 0:39 Von O0 bis145 | 58| 0-65 „ 145 „195 | 64) 073 „ 19-5 „ Ende {| 88 | 1-00 124 | 1:00 Unmittelbar 52 Unmittelbar Zu Ende 30 | 0:60 0 50 horizontal 40 | 50 30:0 Von bis n n Von 640 bis 72-0 Nach 72-0 wie vor 26 | Von 0 bis 12-4 horizontal Nach 12 24 | 1:001 | Zu Ende 36 | 1:50, Von 0 his 18:0 Nach 180 Zu Ende horizontal ‚ 106 | ' 212 > 91- „ 42 „ 144 | 47| 043 || 917 2 4144. 479 | 52) 048 | 135-2 0, 27:88 0811| 4n4 „ 27, 100| 52| 048| |: 10-0 - Ende| 58 | 0:53 | 1268 Schluss Nach Aufhebung des RD Salze DE =5 Sales | - ES5| 57 Sl Zeit nach Aufhebung des) © 3 ein = 5%q s®|®8ı|5; EEE RD in Secunden |=3 =8o 38_ =: =2 | 52% | 338 | 523 NS = [3 = 30:0 „ 640 äusserst langsame Herzschl., die von grossen Pausen unterbrochen werden ? 1:05 299 Bemerkungen Ausbleiben d. RBw., Fortdauer d. Herzschl., der schwach ist und sehr selten. 1 Hier erst.traten d. RBw. wieder ein. Ausbleiben der RBw. Herzst., der zuweilen von einer Zusammenziehung unterbrochen wird. 47:9 nach Lösung des ersten Schlusses erfolgt neuer Schluss. Ausbleiben der RBw. Beide Vagi durchschnitten ; Herzst. kein Ausbleiben der RBw. Fortdauer des Herzschl. Ausbleiben der RBw. Fortdauer eines schwachen Herzschl. Ausbleiben der RBw. Herzst., der zuweilen durch schwa- che unregelmässige Herzschl. un- terbrochen wird. Während dieser Zeit traten vier grosse Pausen im Herzschl. ein, von denen die erste 1”.8 dauerte, die zweite 1”.5, die dritte 5”.2 und die vierte 5.4. [7 Ausbleiben der RBw. Stillstand des Herzens. Ausbleiben der RBw. Stillstand des Herzens. Ausbleiben der RBw. Stillstand des Herzens. 300 Vor Ausübung „ des RD Während der Dauer des RD Blut- Blut- in Mm. Zeit nach Beginn des RD des Versuches in Secunden Dauer des RD in Se- cunden Verhältnisszahl d. Blutdruckes vor in 30 Secunden Herzschl. vor d. Nr. Verhältnisszahl d. druck Hg RD Nr. des Versuchsthieres Höhe des RD in Mm. Hg Zahl der Herzschl. Mittlerer Zahl der Herzschl. in 30 Secunden Mittlerer 0 bis 44 44 „ 88 ee = S-b5vr-an® WUISOSOOUSco bis 26°4 o | & or „ 70.41 bis 11:0 0:88 el zontal 30:5? 1:93 1:12 2:56 1:00 68 | 69 | 0:69 11:9 | horizontal 15:35] 225 | 2:25 29-2 | horizontal bis 11-3 | 88 | 0:83 „ 36'7 | horizontal „ 106°26| 100 | 0:94 Nach Aufhebung des RD 301 s Blut- in Mm. Zeit nach Aufhebung des RD in Secunden in 30 Secu druck Hg = zZ = S B3 = = z K » Zahl der Herzschl.| Mittlerer Von o bis 64 ” Zu Ende Von 0 bis 8:5 2585 „ Ende 1379 MOLESCHOTT, Untersuchungen. VIl, » nisszahl d. Blutdruckes vor dem RD=1 Verhä 1:20 1:00 0:88 Bemerkungen Ausbleiben der RBw. Fortdauer des Herzschl. Das Steigen des Blutdruckes und die Zunahme in der Zahl der Herzschl. erscheinen hier spon- tan, d. h. unabhängig von In- spiration oder Druck auf die Venen etc. 1 Es wird während dieser Zeit ein Druck auf die Halsvenen und den Bauch ausgeübt. 2 Während dieser Zeit wird auf) die Halsvenen und den Bauch gedrückt. Ausbleiben der RBw. % Von 15:8 bis 45: ‘5 nach Beginn Vena jugularis ewterna dextra bewerkstelligt. 4 Hier traten sehr stürmische RBw. auf. Ausbleiben der RBw. > Während dieser Zeit wird die Vena jugularis externa dezxtra geöffnet. Ausbleiben der RBw. ® Während dieser Zeit wird die Vena jugularis externa dextra geöffnet. 2a 302 Wir gehen jetzt über zu dem B. negativen Respirationsdruck. Ein negativer Druck auf der inneren Lungenoberfläche kann, ebenso wie der positive, sehr leicht künstlich erzeugt werden, und zwar wenn eine unter niederer Spannung stehende Luft mit dem Lungenraum des Thieres in Communication gesetzt wird. Ich be- nutzte dazu den schon oben beschriebenen Apparat, der folgender- maassen modifieirt wurde. Der Luftbehälter, in den jetzt eine kurze Röhre bloss unter den Hals reichte, wurde bei freiem Luftzutritt bis zu einer gewissen Höhe mit Wasser gefüllt und darauf mittelst einer Rolle in die Höhe gehoben und beliebig hoch fixirt; mit dem am Boden der Flasche befindlichen Hahn war eine lange Abzugsröhre durch Kautschuck verbunden, deren unteres Ende unter Wasser stand; war nun durch Drehung des Hahns die Abzugsröhre mit Wasser gefüllt, so wurde der Luft der Eintritt in die Glasflasche verwehrt, und nun konnte durch Auslassen von Wasser und Ein- stellung der Flasche auf verschiedene Höhen eine sehr bedeutende und beliebig abzuwechselnde Verdünnung der Luft erzielt werden; ein mit der Flasche in Communication gesetztes Manometer erlaubte die Grösse der Luftverdünnung oder, wie wir es gleich nennen wollen, die Höhe des — RD 1) direet abzulesen. Die Zuführung der Luft zu den Lungen geschah auf dieselbe Weise, wie beim + RD. Fragen wir auch hier zunächst, inwiefern die niederen Drucke, die man auf der inneren Lungenoberfläche erzeugt, mit denjenigen übereinstimmen, die durch die gewöhnliche Inspirationsbewegung be- dingt sind, so muss auch hier hervorgehoben werden, dass die den beiden Vorgängen gemeinsame Wirkung, die Druckerniedrigung auf der innern Lungenoberfläche und auf die Brusteingeweide, durch den künstlichen — RD in einem viel höheren Maasse erzeugt wird, als dieses jemals durch eine Inspiration, selbst die tiefstmögliche, herbeigeführt werden kann. Aber wie beim positiven,- so besteht auch beim — RD ein we- sentlicher Unterschied, der darin liest, dass die Brusteingeweide in 1) — RD = negativer Respirationsdruck. 3083 Folge des künstlichen — RD gegen die Brustwand gezogen und ge- drückt werden. Setzt man voraus (und wir werden sehen, dass man für hohe negative Drücke diese Annahme zu machen berechtigt ist), dass der Unterschied, der zwischen dem Drucke auf der Brustwand und dem auf der innern Lungenoberfläche besteht, ein unveränder- lieher ist, so ist die genannte Wirkung leicht ersichtlich; die Lunge nämlich ist beim künstlichen — RD zusammengefallen und ihre Saug- kraft sehr vermindert, der von der Brustwand umschlossene Raum dagegen auf ein kleineres Volum zusammengedrückt als dasjenige, welches er bei der elastischen Gleichgewichtslage der Brustwand ein- nehmen würde; es muss daher die Brustwand ihrem elastischen Gleichgewichte zuzustreben suchen und demnach einen ziehenden Ein- Muss auf die Brusteingeweide ausüben. Unter der obigen Voraus- setzung eines constanten Druckunterschiedes kann aber keine Luft in die Lunge dringen, das Herz dagegen wird von den Körpervenen gespeist, die unter dem normalen Luftdrucke stehen; es muss daher das Herz und die in der Brusthöhle gelegenen grossen Gefässe in Folge des anlangenden Blutes anschwellen; in dem Maasse nun, wie das Blut nachströmt, wird die Brustwand und namentlich der dem Herzen anliegende Theil derselben ihrer Gleichgewichtslage zustreben, und dadurch werden auch die anderen Wandtheile wieder abgespannt. Es wird daher der von der Brustwand umschlossene Raum bei jedem Einströmen von Blut erweitert, bei jedem Abströmen dagegen zu- sammengedrückt werden. Es fragt sich nun, ob das Blut gehörig nachdringen kann, oder ob es daran dadurch gehindert wird, dass i nen an ihrer Eintrittsstelle indie Brust durch den ziehenden uss der Brustwand zusammengedrückt werden. An der Vena va inferior ist dieses, wie die Section lehrt, nieht der Fall, da das k in die Brust empor gehobene Zwerchfell das Foramen ‚quadri- laterum aus einander zerrt; die am lebenden Thiere blossgelegten Venae jugulares sieht man zwar unmittelbar am Eingange in die Brust bei jeder Inspiration etwas zusammenfallen, aber sich ebenso auch ieder rasch öffnen, sowie Blut von oben nachströmt; man wird sich aher von der Wahrheit nicht weit entfernen, wenn man einen uernden, an Grösse aber während der verschiedenen Respirations- j 21 * 304 acte wechselnden Strom durch die Venen annimmt — und zwar in Folge des Unterschiedes, der zwischen dem äussern Luftdrucke und dem in der Brusthöhle vorhandenen besteht. Wir unterscheiden die Wirkungen, die der — RD auf die Athem- bewegungen und auf den Blutstrom äussert. 1. Wirkungen des negativen Respirationsdruckes auf die Athem- bewegungen. Die Verdünnung der Luft, die zur Bewerkstelligung des — RD erforderlich ist, erzeugt sehr bald Sauerstoffmangel und ruft damit Athembewegungen hervor, nie sieht man daher einen Stillstand der Athembewegungen eintreten ; dieses ist einer der Hauptunterschiede, die zwischen dem + und — RD bestehen; dort sahen wir unter der mechanischen Wirkung des + RD die Athembewegungen ausbleiben und diesen Stillstand der Respiration, in Folge der Zufuhr einer ver- dichteten Luft, mitunter lange fortbestehen, ohne Athemnoth herbei- zuführen; hier dagegen tritt wegen des Sauerstoffmangels ein Still- stand der Athembewegungen niemals ein, die Respiration besteht wäh- rend der ganzen Dauer des — RD fort, erleidet aber insofern eine Veränderung, als es jetzt die Inspiration ist (beim + RD war es die Exspiration), die nur mit grosser Mühe und unter bedeutender Con- tractionsanstrengung der Inspiratoren vollbracht werden kann, da zu ihrer Bewerkstelligung der auf der Brustwand lastende höhere Druck überwunden werden muss. Wenn der Unterschied im innern und äussern Luftdrucke nicht allzu gross ist (etwa bis 50 Mm. Hg), so wird auch noch durch die Brustbewegungen ein Luftweehsel east erreicht er dagegen einen grössern Werth, so bleibt das Manometer, welches zur Messung der Spannung des Luftraums dient, in den die Lunge mündet, unverändert, es verändert sich also auch die Capa- eität der Lungenhöhle nicht; aber es ändert sich bei den Respira- tionsbewegungen die Form des Brustkastens und vielleicht auch der Binnenraum desselben; die knöchernen Theile der wahren Rippen nämlich heben sich und ihr Zwischenraum wird erweitert, zugleich” aber biegen sich die knorpeligen Theile in den Brustraum hinein und die weichen Bauchdecken werden in den Brustraum hinein gezogen; 305 denkt man sich einen Querschnitt durch die Brust angelegt, so würde er bei der Inspiration etwa die Form annehmen, wie sie die getüpfelte Fig. 2. Contour in der beistehenden Zeichnung (Fig. 2.) versinnlicht. Wenn sich bei diesen Be- wegungen der Binnenraum der Brust wirklich . ändert, was mit Sicherheit nicht zu entschei- { den ist, so könnte dieses nur mit Hülfe des “ nachströmenden und ausfliessenden Blutes ge- schehen. Jedenfalls aber werden durch die Be- wegungen und die durch sie bedingte Form- änderung des Thorax die in der Brusthöhle enthaltenen Weichtheile einen Druck oder eine Zerrung erleiden müssen; es könnten z. B. möglicher Weise die Vorhöfe des Herzens oder die Venen zusammen- gepresst und die Ventrikel aus einander gezerrt werden, oder es könnte auch das Umgekehrte stattfinden. Wirkungen des negativen Respirationsdruckes auf den Blutstrom. Der negative Druck äussert, ebenso wie der positive, einen Ein- fluss sowohl auf den Blutdruck als auch auf die Schlagfolge des Herzens. 1. Auf den Blutdruck erlangt der — RD einen Einfluss auf doppelte Weise — durch die beschleunigenden Wirkungen der Brust- bewegungen und durch die Blutüberfüllung des Herzens. Die beschleunigenden Wirkungen der Brustbewegungen treten beim künstlichen — RD sehr deutlich hervor und richten sich in der Grösse ihres Einflusses nach der Grösse des Unterschiedes zwischen innerem und äusserem Luftdrucke, nach dem Umfange der Brust- änderung und nach der Anfüllung des Herzens mit Blut. Je grösser der Unterschied zwischen der äussern und innern Spannung wird, um so weniger umfangreich freilich werden die Bewegungen, die über- haupt noch nach innen hin ausgeführt werden können, aber von der andern Seite wird gerade dadurch eine günstige Bedingung gestellt, denn da dann die Lungenhöhle unveränderlich wird und der Druckunter- schied constant, so wird auch das Herz am meisten mit Blut gefüllt, und es kann daher auch jeder von der Brustwandung ausgeführte 306 Stoss jetzt am wirksamsten werden. Dem entsprechend zeigt auch die Messung in der Arteria Carotis, dass sich jede Brustbewegung im Blutdruck deutlich ausprägt, und zwar steigt mit jeder Exspira- tion der Druck von seinem niedern Werthe ungemein beträchtlich an (siehe die Maxima für den Blutdruck in den Versuchen Nr. 11 und 12 der Tabelle II) und um desto mehr, je grösser der Druckunter- schied der äussern und innern Luft ist, und sinkt bei jeder Inspira- tion wieder herab. Aber auch der Mittelwerth des Blutdruckes erleidet bei einem bedeutenden — EKD eine sehr grosse Steigerung (Versuche Nr. 5, 6, 7, 9, 41, 12 der Tabelle I), deren Grund in der durch den nega- tiven Druck bedingten Ueberfüllung des Herzens mit Blut zu suchen ist; dadurch nämlich wird es ja möglich, dass durch jeden Herzstoss viel Blut ausgetrieben und die Spannung entsprechend erhöht wird. Die Existenz der angezogenen Blutüberfüllung des Herzens und der grossen Gefässe,. die schon aus theoretischen Gründen nicht geleugnet werden kann, wird durch die Autopsie ausser allen Zweifel gesetzt; lässt man einen Hund unter hohem — RD zu Grunde gehen und nimmt seine Section vor, so findet man, wenn vor Eröffnung der Brusthöhle die Venen an der“ obern Apertur der Brust und die Vena cava inferior unter dem Zwerchfell unterbunden werden, eine ungemein bedeutende Blutüberfüllung des Herzens und der grossen Gefisse; um über ihre Grösse ein Urtheil zu gewinnen, sammelte ich das aus dem Herzen abfliessende Blut, bestimmte durch Wägung seine Quantität und berechnete aus dem gefundenen Gewichte des Blutes und dem des Körpers die Gesammtmasse des Blutes; es stellte sich heraus, dass das im Herzen und den grossen Gefässen ange- staute Blut annähernd den siebenten Theil der Gesammtmasse des Blutes ausmachte, eine gewiss sehr hohe Zahl, wenn man sie mit derjenigen zusammenhält, die für den + RD auf dieselbe Weise ge- wonnen wurde 1). Im ersten Momente nach dem Einführen eines 1) Aus dem Seetionsbefunde wäre noch anzuführen, dass man die Lungen sehr zusammengefallen findet, das Zwerchfell gespannt und in die Brusthöhle hineinge- trieben, die Baucheingeweide, ausser der Y. cava inferior und der Vena portarum 307 grossen Druckunterschiedes findet noch ein sehr unbedeutendes Sinken des Blutdruckes Statt, was wohl damit zusammenhängt, dass die Blutanfüllung noch nieht genügend ist und der druckmindernde Ein- fAluss der Spannungsabnahme daher prävalirt, aber alsbald steigt dann der Blutdruck an, trotz der langsamen Herzschläge, und noch bedeu- tender wird dieses Steigen, wenn die N. vagi durchschnitten sind. Bei der Ausübung eines niedern — RD findet man auch eine sehr geringe Abnahme des mittlern Blutdruckes in den Arterien (Versuche Nr. 2, 3, 4 der Tab. II), was wohl mit den langsamen Herzschlägen zusammenhängt; diese Annahme würde wahrscheinlich ihre Erledigung finden, wenn man einen niedern — RD nach einer Vagusdurchschneidung ausüben würde; leider ist der Versuch von mir für einen niedern — RD nicht angestellt worden. Nach Aufhebung des hohen — RD steigt der Blutdruck in der ersten Zeit immer sehr hoch, wahrscheinlich in Folge dessen, dass die Blutüberfüllung der Brust noch eine Zeit lang bestehen bleibt, während der das Steigen des mittleren Blutdruckes mindernde Ein- fluss des Spannungsunterschiedes aufhört; es fällt ja dann der Grund für das rasche Absinken des Blutdfuckes bei jeder Inspiration weg, und es tritt jetzt das Gegentheil auf, das Steigen und Sinken des Blutdruckes erfolgt dann, wie beim gewöhnlichen Athmen, d.h. es steigt der Blutdruck mit jeder Inspiration (wie wir es hier schon vorgreifend erwähnen müssen) und sinkt mit jeder Exspiration. 2. Die Schlagfolge des Herzens erleidet insofern eine Verände- rung, als der Herzschlag während der Ausübung eines — RD in überwiegender Mehrzahl der Fälle verlangsamt wird und zwar im Allgemeinen um so mehr, je höher der Druckunterschied in der Luft steigt (Versuche Nr. 1, 2, 3, 4, 6,7,8, 9 der Tab. II). Es kommen aber auch, wenn auch nur selten, Fälle vor, wo diese Verlangsamung im ersten Momente fehlt (Nr. 5 und 8), oder wo sogar eine geringe Zunahme in der Frequenz der Herzschläge beobachtet wird (Nr. 10 und 11); diesen letzten Fall habe ich nur bei sehr hohem — RD gesehen und die Zunahme ist überhaupt eine sehr unbedeutende, 2 £ ‚prochen blutleer. In einem Falle sah ich ein bedeutendes Lungenoedem und Anhäufung von Schaum in der Trachea. 308 Für die Verlangsamung des Herzschlages können zwei Ursachen angegeben werden; — 1. eine Vagusreizung im Beginne des Ver- suches, die durch die Folgen der Vagusdurchschneidung auch hier bewiesen wird, aber nie den Grad erreicht, den sie beim + RD be- sitzt, und 2. eine beginnende Herzlähmung bei andauerndem Aufent- halte in verdünnter Luft. Die Ursachen der Vagusreizung liegen hier nicht klar in dem Grade vor Augen, wie es bei dem + RD der Fall war, doch steht diese Annahme durchaus in keinem Widerspruche mit der Existenz einer Vagusreizung beim + RD, was sich leicht ergiebt, wenn man die Unterschiede überlegt, die beide Drücke für die Ursprünge der N. vagi zur Folge haben müssen. Gesucht kann der Grund der Va- gusreizung werden — 1. in dem Sauerstoffmangel des verlängerten Markes, was durch die in den Respirationsbewegungen hervorgebrachte Veränderung unterstützt wird; 2. der möglichen Miterregung durch die heftigen Athmungsanstrengungen; 3. in den ungemein bedeuten- den Variationen des Druckes bei den Athembewegungen. Unterstützt wird diese letzte Annahme durch die Wahrnehmung, dass nach Auf- hebung des Druckunterschiedes” der bis dahin langsame Herzschlag erst dann eine Beschleunigung erfährt, wenn die Athembewegungen sich wieder beruhigen. Die zuweilen auftretende geringe Beschleunigung des Herzschla- ges ist wohl dem raschen und bedeutenden Einströmen von Blut zu- zuschreiben, wodurch das Herz, wenn es sonst erregbar ist, zu leb- hafteren Bewegungen veranlasst wird; es kann daher auch beim — RD eine directe Herzreizung herbeigeführt werden, doch erreicht sie nie- mals einen solchen Grad, um trotz der bestehenden Vagusreizung zur ausgesprochenen Wirkung zu gelangen, wie wir es beim + RD ge- schen haben. Wenn nun, trotz der bestehenden Vagusreizung, niemals beim — RD ein Herzstillstand erfolgt, so wird dieses wahrscheinlich der Schwäche der Vagusreizung und dem entgegengesetzten Einflusse der Herzreizung einerseits und noch mehr der constanten Ueberfüllung des Herzens mit Blut zuzuschreiben sein. Nach Durchschneidung der N. vagi erfährt der Herzschlag auch 309 durch — RD keine Verändeni ‘wenn der Druck nicht zu lange ausgeübt wird; geschieht das letztere, so wird auch hier der Herz- schlag verlangsamt. Diese Verlangsamung steht mit dem Sauerstoff- mangel in inniger Beziehung, was durch die Wahrnehmung unter- stützt wird, dass das Blut nach lange anhaltendem — RD in den blossgelegten Arterien dunkler gefärbt erscheint. Aus den an mir selbst angestellten Versuchen ist hier nur soviel anzuführen, dass die Athembewegungen dabei bestehen blieben, we- nigstens bei niedern Drücken, aber die Inspiration ausserordentlich mühsam und beschwerlich wurde und bei hohem Druckunterschiede gar nicht mehr bewerkstelligt werden konnte, und dass überhaupt die Versuche mit dem — RD während einer noch viel kürzern Zeit ertragen werden als die mit dem + RD. Dieser Umstand, dass nämlich der künstlich gesetzte — RD so schlecht ertragen wird, setzt auch den Versuchen an Hunden Hin- dernisse in den Weg, und ihm ist es beizumessen, wenn man hier nicht zu so scharfen Resultaten gelangt, wie bei + RD; es treten hier mehr störende Momente auf, es bleiben die Bewegungen der Brust und ihr störender Einfluss, es tritt sehr bald Sauerstoffmangel und Athemnoth ein, es erscheinen sogar Erstickungsanfälle u. s. w. ‘Werfen wir endlich auch hier die Frage auf, welche von den beobachteten Wirkungen des — RD, als für den Einfluss des nor- malen Athmens maassgebend, besonders hervorzuheben sind, so lässt sich, unter Berufung auf die spätere Begründung, wenn man von den beschleunigenden Wirkungen der Brustbewegungen absicht, die unter normalen Verhältnissen nie einen so hohen Einfluss gewinnen, nur auf die Blutüberfüllung des Herzens und die dadurch bedingte Zunahme des Blutdruckes hinweisen. Ich lasse auch hier eine Tabelle folgen, die die nöthigen Zahlen- belege enthält. 310 dHy wap 10a soypnapınygq ‘p [gezssiugjegaaA Li ze De) a - — = 65H yonıp Aal apug * “ 9.9 ii in nm [Ze 0] am Or. a > yponıp a919[mı uepunoag ur GH uopunoag ur JH r=qau ypszıaf ‘p IyezsstupggioA sap Zungayjny yoeu jıaz -[yoszıag ıap Iyez ‘p IgezssrunpytoA ‘p [qezssturpeuana [goszıog ap [yezZ uapunoag 0g ur uwapunaag 0g ur op “soyonıpınıq aıp adryoszuon T=qau wop a0a ww ur Ind I =dadu weap 40A ‚ww ur rad "p 104 “ “ uoAf\ “ “ sap uurdog yozu yiarz I | 9-807|89 Ka GL uoA \ Be} Rn yonıp EERCIETTITN uapunaag og u | q>szıag a9p gez ww ur Ind qY sap Jungaygny yoen AT sap ıoneq 19p puaayem "yonapsuoneudsoy uaAnesou up nz affoge], pi au op Zuugnsny 104 wo [ig rorlerı] 808 2 & n 15 Gr) uapuno -ag ur (7 Soap aonuq SH u ur c7Y sap oyoH soyonsaaa sop AN EN saıoryjsyonsiay sap 311 sw] \ 5 "wp 8-FFz wmwxen] Ssaj1yoegoa ! orr [ser | — | — - leer mr a lieger) Kaaingkler dw PEz — Saypnapınıg Sop 'xey sarajejoag 9% |O-IPT | 20 | 8 I 12T | r161 \z8:0 | 8% 19 “ 287 © |\9-Trrlee | c-r9 |carirr Ir%T | Or 2.87 Ssıq 0 uor & e= 00-7 | ze |apug “ zer “I _ >= 00-7 | @E DT 7 u [| a : 817 | 8E | zer sg 0 won Hr | 98 | Bra 0 moi |ee | FE |oSTlor| mm 87-7 10.027 | #80 | ve |epug “ ger © | e 1°:0 | ££ 0.77 * gr "|! 287 2608 | 820 | oc | 8er sa 0 wonlf Pr | 299 020 | cr | 861 a 0 uoajjZrrrr9 | ocs (zurie |u 820 |08 | ger © Bor © | EP = E _ |}28:0 | 6 Io ee 16:0 | 007 la er Se ul — sorf ger Ir Is 00-F | 601| 9:9 sıq 0 uoa \ c9.0 | 89 |opuqg “ 9.66 “ \oe0 6° | 9:68 : 0.88 Be rL0 | 9€ [0 2 ZT m .0.| og | 088 © 9:98 : : 6er Lu |9086 | oc on van er le er Nee |sor| ann los |. 60 | TE | 86“ er“ \ v0 | 22 9.9 sıq 0 uor 12:0 | 2% | zer sıq 0 uoy/ - 1-4 - S - F4 - S F7 S = 12 se: |anE 533 == ser | 232 | SF |SE ssz sel sr |E || © see Ra | 155 | CH wapunaog ur du Be | #3 [258 | 88 uopunaog ur u »3 |&e| 25 ala SE le Bas, „BEE aa ER) Te M ma 5 $- a e = sap Sungayyny yoeu az] m & 5 233 s® sop uuıdog yowu rar CH 23 ° Ss |z 1 „.eE| se| SE|&3 SE| zu | Sr5 ER zwilEdlee | 22 [8 Sel 55 | enIBE Igel FELTESIRE BelaEl - |2|r|E — C} 3 .eı mr A sap Sungayyny pen AT SOp Aonuly op puaayuay Fe ea 3 312 I. Indem wir im Vorhergehenden zu der Ueberzeugung gelangt sind, dass die künstlich gesetzten Drücke in ihren Grundbedingungen dem gewöhnlichen Ein- und Ausathmungsdrucke entsprechen, aber eine viel höhere Gradation der Erscheinungen bewirken, haben wir den ersten Theil unserer Aufgabe gelöst, und gehen daher jetzt zum zweiten über — nämlich zur Feststellung des Einflusses der normalen Athembewegungen. Dieses wird uns um so mehr zur Pflicht, als die aus den obigen Versuchen gewonnenen Thatsachen mit gangbaren Annahmen über den Einfluss des normalen Athmens, die ich hier nicht wieder- zugeben brauche, im Widerspruche stehen. — Es liegt uns also ob, diese Annahmen noch einmal zu prüfen, und, falls sie sich bestätigen sollten, dem Grunde des beobachteten Widerspruches nachzugehen. Um den Einfluss der Respiration auf Herzschlag und Blutdruck möglichst genau verfolgen zu können, verfuhr ich auf die Art, dass ich die Athembewegungen sowohl als auch den Blutdruck an einem und demselben Thiere gleichzeitig graphisch verzeichnen liess und die einander in der Zeit entsprechenden Stücke der gewonnenen Cur- ven mit einander verglich, wobei als Ausgangspunkte der Vergleichung nach Volkmann’s bekannter Art gewonnene Schlusszeichen dienten. Zur Vergleichung der Athembewegungen bei unveränderter Stimm- ritze diente theils wiederum der Fühlhebel, theils geschah dieses aber auf eine andere Weise: in das eine Nasenloch des Thieres wurde nämlich eine Glasröhre von entsprechender Weite eingeführt und daselbst mittelst einer eigenen Vorrichtung, deren Beschreibung hier kein Interesse haben würde, fixirt; durch einen mit Wasser gefüllten Kautschuckschlauch stand diese Röhre mit einem kleinen leichten Ma- nometer in Verbindung, dessen Schwimmer die durch das Athmen erzeugten Schwankungen im Luftdrucke an der Kymographiontrommel verzeichnete. Ich bemerke zugleich ausdrücklich, dass beide Ver- fahrungsarten genau übereinstimmende Resultate geliefert haben, 313 Zu den Versuchen wurden stets Hunde verwendet, da diese Thiere alle möglichen Verhältnisse der Athmungsbreiten darbieten, und da wegen der Beweglichkeit ihres Brustkastens die Brusteinge- weide starke Volums- und Druckänderungen erfahren können. Die Hunde wurden vor dem Versuche nicht narkotisirt, da mir aus eige- ner Erfahrung nur zu wohl bekannt war, wie gross die Veränderung im Respirationsrhythmus ist, die durch das Opium eingeleitet werden kann. Die Aufzeichnung des Blutdruckes geschah an der Arteria Carotis oder cruralis in bekannter Weise. Eine genaue Vergleichung der auf diese Art gewonnenen Puls- und Respirationscurven ergab nun für die Abhängigkeit des Heız- schlages und des Blutdruckes von den Athembewegungen folgende Thatsachen. Wir unterscheiden dabei folgende drei Fälle : 1. Die Athembewegungen sind wenig umfangreich und erfolgen rasch nach einander, wobei die Zahl der Herzschläge eine geringere sein kann als die Zahl der Athembewegungen, oder sie auch bis fast um das Doppelte überireffen kann. In diesem Falle kommt es zu keinem deutlich ausgesprochenen Einflusse der Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck. Aber, wie schon Ludwig !) angiebt, bleibt dieses nur so lange bestehen, als die Zahl der Respirationen keine Aenderung erleidet und der Einfluss der einzelnen Respirations- acte wird sogleich wahrnehmbar, wenn die Athembewegungen an Zahl abnehmen oder an Tiefe und Ausgiebigkeit gewinnen. Als Beispiel diene die Figur 3. 2. Die Athembewegungen sind umfangreich und erfolgen lang- sam, namentlich die Exspiration, während die Inspiration ziemlich rasch vollendet wird, aber tief ist; jeder einzelne Act der Respira- tionsbewegung besitzt die Dauer mehrerer Herzschläge und die Zahl dieser letzteren ist keine zu beschleunigte. Dieses ist ein Fall, der bei Hunden am häufigsten vorkommt. — Unter diesen Bedin- gungen verhalten sich die Erscheinungen beobachtungsgemäss folgen- dermaassen. 1) Müller's Archiv 1857, pag. 146. 314 a) Während der Inspiration wird die Zahl der Herzschläge vermehrt, was besonders zu Ende der Inspirationsbewegung deutlich hervortritt. Die Beschleunigung der Herzschläge während der Einathmung ist bei Hunden unter den genannten Bedingungen eine fast regelmässige Erscheinung und nicht selten so sehr ausgesprochen, dass sie auch ohne feinere Hülfsmittel durch blosses Auflegen der Hand auf die Brust in der Herzgegend gut constatirt werden kann; — fehlen die vorhin genannten Bedingungen, so fehlt auch diese Er- scheinung, nie ist aber von mir beim Hunde eine Verlangsamung der Herzschläge während der Dauer einer Inspiration beobachtet worden. Der Blutdruck erfährt während der Einathmung eine Zunahme, die allmälig, aber stetig erfolgt, d. h. jeder neue Herzschlag trifft eine höhere Spannung als der vorhergehende. Diese Steigerung des Blutdruckes fällt jedoch in ihrem Anfange nicht genau mit dem Ein- tritte der Inspiration zusammen, sondern erfolgt erst während ihrer Dauer; im ersten Beginn der Einathmung sinkt der Blutdruck noch etwas unter den Werth herab, den er in der Ausathmungspause be- sass; ebenso erreicht aber auch das Steigen des Blutdruckes mit der vollendeten Inspiration sein Ende noch nicht, sondern überdauert sie noch auf einen gewissen Zeitraum, mit andern Worten: der höchste Punkt eines Pulseurvenstückes, das einer ganzen Respirationsbewegung entspricht, fällt nieht auf die Zeit der Inspiration. b) Während der Exspiration erleidet die Zahl der Herzschläge eine Verlangsamung, die, im Beginn der Ausathmung noch nicht aus- gesprochen, im Verlaufe derselben deutlich auftritt. Der Blutdruck wird im Beginne der Exspiration rasch bis zu dem ihm im einzelnen Falle zukommenden Maximalwerthe gesteigert, erleidet aber darauf im weiteren Verlaufe der Exspiration eine Abnahme, indem jetzt jeder neue Herzschlag eine geringere Spannung antrifft, als der vorhergehende. ce) Die Exspirationspause verändert die Zeit der Herzschläge und den mittleren Blutdruck nahezu nicht. Im Allgemeinen gestaltet sich also der Gang der Pulseurve wäh- rend einer Respirationsbewegung, wenn der Einfluss dieser letzteren deutlich ausgesprochen ist, so dass der mittlere Blutdruck im ersten 315 Momente der Inspiration eine geringe Abnahme erfährt, unmittelbar darauf aber allmälig und stetig ansteigt, wobei der Herzschlag be- schleunigt wird; das Steigen des Blutdruckes dauert auch noch zu Anfang der Exspiration fort und erreicht in dieser Zeit den höchsten Punkt; darauf folgt zuweilen (nieht immer) eine längere Pause in den Zusammenziehungen des Herzens, wobei der Blutdruck natürlich tief absinkt; immer dagegen tritt im weiteren Verlaufe der Exspiration eine Abnahme des Blutdruckes ein, wobei zugleich die Herzschläge selten werden. In der darauf folgenden Ausathmungspause ändert sich in der Regel weder Herzschlag noch Blutdruck. In seltenen Fällen fehlt die Veränderung in der Schlagfolge des Herzens, aber die Zu- und Abnahme des Blutdruckes ist darum nicht weniger deutlich ausgesprochen. Als Belege für die aufgestellten Behauptungen mögen die Figuren 4, 5, 6 auf der Tafel dienen. 3. Die Respirationsbewegungen sind tief und langsam, die Herz- schlaggeschwindigkeit dagegen sehr bedeutend. Dieser Fall tritt con- stant nach Vagusdurchschneidung ein. Die Veränderungen in der Schlagfolge des Herzens fallen dann weg, die Zahl der Herzschläge bleibt sich während In- und Exspiration vollkommen gleich, die Ver- änderungen im Blutdrucke bleiben dagegen bestehen oder treten sogar noch reiner hervor. Wiederum lasse ich ein Paar Beispiele folgen, siehe die Tafel Figuren 7 und 8. Hierher gehört auch der bei Ludwig !) Taf. XIII, Fig. 23 A abgebildete Fall. "Wie leicht ersichtlich, stehen die soeben vorgebrachten That- sachen im Einklange mit den Ergebnissen der Versuche über künst- lich gesetzte hohe Respirationsdrücke ; es sei uns erlaubt, diese Ueber- einstimmung in wenigen Worten hervorzuheben. Im Beginn der Ausübung eines — EKD erfährt der Blutdruck eine geringe Abnahme, im Beginn der Inspiration fanden wir dasselbe; aber hier wie dort ist diese Erscheinung wenig ausgesprochen; im weiteren Verlaufe des E t. u) L. [73 316 bestehenden hohen — RD tritt eine bedeutende Steigerung des arte- riellen Blutdruckes ein, im Verlaufe der Inspiration findet auch eine Zunahme desselben Statt; durch den hohen + RD erhält der Blut- druck während des ersten Zeitmomentes einen Zuwachs, die begin- nende Exspiration leistet dasselbe, während der Dauer seines Beste- hens mindert der hohe + RD die Spannung im arteriellen Systeme und macht den Blutdruck sinken; im Verlaufe der Exspiration kehrt dieselbe Erscheinung wieder; während der Dauer des hohen + RD nimmt die Zahl der Herzschläge ab, die Exspiration bedingt dasselbe. Zugleich ergeben sich aber auch einige Unterschiede. — Der + RD erzeugt zuweilen eine Zunahme in der Zahl der Herzschläge, die Ex- spiration thut dieses nie; — der hohe — RD verlangsamt in den meisten Fällen den Herzschlag und bewirkt nach jedem Ansteigen auch ein Absinken des Blutdruckes, die Inspiration mehrt die Fre- quenz der Herzschläge und bewirkt ein stetiges Ansteigen des Blutdruckes. ‚Andererseits stehen aber die von uns dargelegten Thatsachen über den Einfluss des Athmens theilweise im Widerspruche mit den bisher allgemein üblichen Annahmen, denn wir haben ja gefunden, dass die Erhöhung des Blutdruckes nur im Beginne der Exspiration stattfindet und im weiteren Verlaufe derselben einer Abnahme weicht, während gelehrt wird, dass der Blutdruck während der ganzen Dauer der Exspiration zunimmt; ferner dass die Zahl der Herzschläge wäh- rend der Exspiration abnimmt, im Laufe der Inspiration dagegen zunimmt, während angenommen wird, dass die Exspiration den Herzschlag beschleunigt, die Inspiration verlangsamt; dass im Laufe der Inspiration eine Zunahme des Blutdruckes stattfindet, während man bisher glaubte, dass die Inspiration den Mittelwerth der Blut- spannung herabsetzt. Wir müssen es daher jetzt versuchen, den Bedingungen der beobachteten Thatsachen näher nachzuforschen, den "Widerspruch auf- zuheben und die Ursachen der Analogie und der Unterschiede zwi- schen gewöhnlichem Athmen und künstlich erzeugtem hohen Respi- rationsdrucke zu begründen. 317 1. Veränderungen in der Schlagfolge des Herzens. Der Grund für die unter dem Einfluss des Athmens eintretende Veränderung in der Schlagfolge des Herzens, namentlich für die Verlangsamung derselben während der Ausathmung, muss in einem veränderten Erregungszustande der Nerzi vagi und zwar ihrer cen- tralen Ursprungsstellen gesucht werden; diese Annahme wird gefor- dert durch den constanten Erfolg der Vagusdurchschneidung, die immer und unter allen Umständen ein Ausbleiben dieser Veränderung während des Athmens zur Folge hat. Beim + RD haben wir uns überzeugt, dass die Vagusreizung dem in ihrem Gefolge auftretenden Hirndrucke ihren Ursprung verdankt. Beim gewöhnlichen Ausathmen muss derselbe Grund für die Vagusreizung, wenn auch in einem viel niederen Grade angenommen werden; unter dem Einflusse der Ex- spiration wird ja das Zurückströmen des Blutes, wie schon lange be- kannt, erschwert und es erfolgt daher eine grössere Anhäufung von Blut in den Oapillaren und Venen des Gehirns und in Folge dessen eine Erregung der centralen Vagusfasern; unserstützt wird unsere Annahme durch die bekannte Thatsache, dass das Gehirn während der Exspi- ration eine geringe Erhebung erleidet, und durch die Wahrnehmung von Berlin 1), dass das Gehirn hoch stehen bleibt, wenn Luft in die Lunge mit grosser Kraft geblasen wird. Es spricht dafür weiter die von uns gemachte Erfahrung, dass schon ein sehr geringer + RD einen deutlich ausgesprochenen Hirndruck erzeugt, und die schon früher betonte Wahrnehmung, dass der Hirndruck die Lösung des + RD überdauert, nach eingetretener Inspiration dagegen rasch aus- geglichen wird. Während der Inspiration nun fliesst das Blut leicht und rasch in die Brusthöhle zurück, das Gehirn wird vom über- schüssig angehäuften Blute befreit und sinkt zurück; es fällt somit die Ursache der Vagusreizung weg, die Herzschläge werden wieder frequenter. Mit dieser Anschauung stimmt auch die Zeit des Auftretens der besprochenen Veränderung; die Beschleunigung des Herzschlages f) Citirt bei Donders, 1. ce. pag. 311, Bd. III. MOLESCHOTT, Untersuchungen, VII, 22 318 nämlich fällt nicht auf den Beginn der Inspiration, die Verlangsa- mung nicht auf den Eintritt der Exspiration, ‚sondern beide treten erst im Laufe der Athembewegung hervor und erlangen ihren gröss- ten Werth während der Höhepunkte der In- und Exspiration, wo die weiteren Folgen derselben für die Vertheilung des Blutes schon Zeit hatten, sich zu entwiekeln oder auszugleichen. Das Frequenterwerden des- Herzschlages, das wir als Folge einer unmittelbaren Herzreizung bei bedeutendem, aber nicht allzu hohem + RD auftreten sahen, findet bei der normalen Ausathmung niemals Statt, denn die Bedingungen, die dort für diese Erscheinung ange- führt werden, werden durch die normale Athmung nicht gesetzt, das Herz wird nicht zusammengedrückt, das Blut wird in’s Herz nicht mit Pressung eingeführt. Ebenso sahen wir beim hohen — RD eine Vagusreizung Platz greifen und eine Verlangsamung der Herz- schläge sich einstellen; auch für diese fehlen bei der normalen Einathmung alle Ursachen und der Herzschlag wird daher nie verlangsamt. ® Für die Erklärung der Beschleunigung der Herzschläge wäh- rend der Inspiration könnte ausser dem Nachlasse der Vaguserregung auch noch eine unmittelbare Herzreizung in Folge des in bedeuten- den Massen zuströmenden Blutes in Anspruch genommen werden; doch liegt dazu kein zwingender Grund vor, da die Masse des Blu- tes und die Kraft seines Einströmens bei der Einathmung jedenfalls geringer sein werden, als bei sehr hohem — RD. Das Ausbleiben einer Veränderung in der Schlagfolge des Herzens nach der Durch- schneidung der N. vagi widerspricht nieht der immerhin möglichen Annahme einer direeten Herzreizung, denn wenn auch dann keine Zunahme in der Zahl der Herzschläge bei der Inspiration stattfindet, so ist dieses einfach eine Folge der schon nach Durchschneidung ungemein grossen Geschwindigkeit des Herzschlages, die nicht wohl eine noch weitere Steigerung derselben zulässt. Es ist ohne Weiteres klar, dass auf die Herzschlagänderung während der Athembewegungen die Nachgiebigkeit des Brustkastens sowohl als auch die verschiedene Tiefe und Dauer der einzelnen Re- spirationsacte einerseits, die constitutionelle Einrichtung des verlän- 319 gerten Markes und die verschiedene Erregbarkeit der N. vagi von der andern Seite einen maassgebenden Einfluss ausüben werden. Man könnte demnach versucht sein, ein bestimmtes Verhältniss zwi- schen den Eigenschaften der Athembewegungen und der Herzschlags- änderung aufzustellen, aber ein solches Vorhaben kann auf eine all- gemeine (Gültigkeit keinen Anspruch haben, denn 1) wird selbst die gleiche Bewegung der Brustwand bei verschiedenen Individuen weder zu einer gleichen Strömung des Blutes im Kopfe, noch zu einem gleich grossen Einströmen von Blut in’s Herz führen; 2) wird auch die bei verschiedenen Individuen in so grossen Breiten wechselnde Blutmenge eine wichtige Rolle dabei übernehmen, und 3) endlich ist auch das Verhältniss zwischen der Reizbarkeit der Vaguswur- zeln und derjenigen des Herzens bei verschiedenen Individuen sehr verschieden. Im Allgemeinen kann daher nur soviel ausgesagt werden, dass die Herzschlagsänderung, die unter Umständen sogar fehlen oder "wenig ausgesprochen sein kann, bei verschiedenen Tierarten sowohl als auch bei verschiedenen Individuen derselben Art je nach dem Vorwiegen oder Fehlen der vorhin genannten Bedingungen eine ver- schiedene Grösse sein wird, und im Ganzen um so grösser, je nach- giebiger die Brustwand ist und je langsamer und tiefer die Athem- bewegungen erfolgen. Bedauern muss ich es, dass es mir nicht ver- gönnt war, diese Versuche auch auf andere T'hiere als Hunde auszudehnen. In welcher Grösse die besprochene Aenderung in der Schlag- folge des Herzens auch für den Menschen ihre Anwendung findet, müssen wir dahingestellt lassen, aber erwähnen muss ich, dass ich sie auch am Menschen beobachtet habe und dabei eine Zunahme der Zahl der Herzschläge während der Inspiration und eine Abnahme während der Exspiration gefunden; an mir selbst fehlt diese Erschei- nung vollständig, und die Zahl der Herzschläge bleibt selbst während möglichst tiefer In- und Exspiration genau dieselbe. 320 2. Veränderungen im Blutdruck. “ Für die Veränderungen, die der Blutdruck während der Athem- bewegungen erleidet, bestehen zwei Ursachen: 1) die beschleunigen- den Kräfte, die die Bewegungen der Brustwand ausüben und 2) die am Herzen hervorgebrachte Füllung mit Blut. Als begünstigendes Mo- ment kann auch die veränderte Schlagfolge des Herzens angeführt werden. Die beschleunigenden Kräfte, die durch die Brustbewegungen erzeugt werden, hängen von dem Druckunterschiede der Luft auf der äussern und innern Lungenoberfläche ab und machen ihren Ein- fluss namentlich beim Beginne der In- und Exspiration geltend, wäh- rend der Einfluss der Blutfüllung mehr im weiteren Verlaufe ‘der Respirationsbewegungen hervortritt. Durch die Einathmung werden das Herz und die grossen Ge- fässe, die an der äussern Lungenoberfläche liegen, unter geringe Spannung versetzt, und dem entsprechend sinkt auch im Beginne der Inspiration, wenn sie nur nicht eine zu kurze ist, der mittlere Blutdruck um ein Geringes unter den Werth herab, der ihm wäh- rend der vorhergehenden Ausathmungspause zukam. Analog dieser Erscheinung sahen wir auch beim — RD im ersten Momente meist eine Abnahme des Blutdruckes erfolgen. Aber diese Abnahme kann bei der Inspiration nicht lange anhalten; in Folge des gesetzten Spannungsunterschiedes strömt eine bedeutende Quantität Blut dem Herzen zu, und wird durch das erregbare Herz sofort für den Strom nutzbar gemacht; der Inhalt des arteriellen Systems wird dadurch unter höhere Spannung versetzt, und dieses spricht sich darin aus, dass im weitern Laufe der Inspiration der arterielle Blutdruck eine Zunahme erfährt; da sich nun die Füllung des Herzens und folglich auch die der Arterien so lange erhält, als die Inspiration selbst, so erfährt auch der Blutdruck während der ganzen Dauer der Inspira- tion keine Abnahme mehr. Der hohe — RD bewirkt dieselbe Füllung; am Herzen und dem entsprechend sahen wir auch dort eine Steige- rung des mittlern Blutdruckes während der Dauer seines Bestehens auftreten. — Wie man sieht, wird also der erste druckerniedrigende 321 Einfluss der verminderten Spannung im weitern Verlaufe der In- spiration durch die Anfüllung des Herzens mit Blut nicht nur in seiner Wirkung gehemmt und beeinträchtigt, sondern auch factisch aufgehoben. Diese Thatsache, die sich aus dem Vergleiche der Puls- und Respirationseurven ergiebt, wird auch schon durch theoretische Erwägungen wahrscheinlich gemacht, denn die Abnahme, die die Spannung auf der äussern Lungenoberfläche erfährt, ist bei einer gewöhnlichen Inspiration nicht bedeutend und genügt selbst bei sehr hohem — RD, wie wir gesehen haben, nur um auf jedes Steigen ein Sinken folgen zu lassen, nicht aber um den Einfluss des Blut- zuflusses ganz aufzuwiegen und eine dauernde Erniedrigung des mitt- lern Blutdruckes herbeizuführen; die Füllung des Herzens dagegen wird selbst durch eine gewöhnliche Einathmung in genügendem Maasse hervorgebracht, besonders wenn man die grosse Flächen- ausdehnung der Venen in Anschlag bringt und den Umstand be- rücksichtigt, dass auch der Abfluss aus den Arterien während der In- spiration im Vergleiche mit dem während der Exspiration ein gerin- gerer ist; daher kann hier auch die Zunahme des Blutdruckes eine stetige sein. Stellt sich nun nach Ablauf der Inspiration die Exspiration ein, so summiren sich in ihrem Beginne zwei Einflüsse, um den Blutdruck rasch bis zur bedeutendsten Höhe ansteigen zu lassen : die beschleuni- gende Kraft der Brustbewegung, die aus der Zunahme der auf den Brusteingeweiden lastenden Spannung hervorgeht und die vorher be- standene Blutanfüllung des Herzens, die jetzt erst allmälig zur Aus- gleichung gelangt. Der Wirkung dieser beiden Einflüsse, namentlich aber des erstern ist das beobachtete Steigen des Blutdruckes im Be- gione der Ausathmung beizumessen; dem entsprechend haben wir auch beim-+ KD gesehen, dass er die Spannung des Blutes vermehrt, wenn er von Null bis zu seinem Maximum ansteigt. Aber im wei- tern Verlaufe der Exspiration wird der Abfluss des Blutes aus dem Herzen und Arterien begünstigt, das genügende Nachströmen aus den Venen dagegen erschwert, der Nutzeffeet des Herzens wird da- durch herabgesetzt, der Inhalt des arteriellen Systems unter geringere Spannung gebracht; der drucksteigernde Einfluss der erhöhten Span- 322 nung wird im Verlaufe der Exspiration durch die eintretende Blut- leere der Arterien aufgewogen und vernichtet, daher das beobachtete regelmässige Sinken des Blutdruckes während der Ausathmung;; ebenso sahen wir auch beim künstlichen + RD selbst bei einem verhältnissmässig niedrigen, den Blutdruck im arteriellen Systeme, trotz der erhöhten Spannungszunahme, in Folge des gehemmten Rückflusses des Blutes zum Herzen eine Abnahme erleiden, die um so grösser wurde, je höher der + RD stieg, und den Blutdruck bei einem gewissen Grade der Blutleere, trotz des fortbestehenden Herz- schlags, horizontal verzeichnet werden. — Die durch die Exspiration bedingte geringere Blutfüllung des Herzens und der Arterien hält aber während der ganzen Dauer der Ausathmung an, und dem ent- sprechend, haben wir auch nie im weitern Laufe der Exspiration*eine Steigerung des Blutdruckes beobachtet. Ausser den beiden Elementen, die wir bisher zur Erklärung der Veränderungen im Blutdrucke beim Athmen benutzt haben, könnte als drittes Element, das den beiden ersten jedenfalls aber an Wirk- samkeit nachsteht, die Veränderung in der Herzschlagsgeschwindig- keit angeführt werden; ihr Einfluss spricht sich darin aus, dass in denjenigen Fällen, wo sie deutlich ausgesprochen auftritt, das An- steigen während der Inspiration und das Absteigen während der Exspiration viel rascher geschieht als in denjenigen Fällen, wo die Herzschlagsänderung fehlt. Dagegen kann aber das wirkliche Be- stehen und wechselnde Ueberwiegen der beiden ersten Elemente gerade in diesen letztern Fällen, z. B. nach Vagusdurchschneidung, reiner beobachtet werden, einerseits weil nın die Veränderungen in der Schlagfolge des Herzens vollkommen ausbleiben und die Exeur- sionen der Herzschläge und des Blutdruckes geringer werden, das Ueberwiegen der Blutfüllung über den Spannungsunterschied oder viee versa daher nicht mehr so schnell erfolgt, andererseits aber, weil in Folge der Vagusdurchsehneidung die Athembewegungen selbst tiefer und langsamer werden und daher einen grössern Einfluss erlangen können, namentlich aber bedeutendere Spannungsunter- schiede setzen. h Dass bei Beurtheilung des Einflusses der Athembewegungen auf 323 den Blutstrom die Berücksichtigung der durch das Athmen gesetzten Spannungsunterschiede allein, wie es bisher gethan worden, nicht ausreicht, und man daher auch ihre weiteren Folgen zur Erklärung der beobachteten Thatsachen mit benutzen muss, wie ich es hier ver- sucht habe, beweist der schon längst bekannte Umstand, dass die Spannungs-Zu- und Abnahme in der Brusthöhle und im Gefässinhalt nie die eleiche Grösse erreichen und, wie wir jetzt gefunden, nicht einmal im ganzen Laufe der einzelnen Athemacte einander parallel gehen. Es ist nach dem Vorhergehenden klar, dass der Gesammteinfluss der Athembewegungen eine grosse Abhängigkeit zeigen wird von den eonstitutionellen Einrichtungen des verlängerten Markes und der ver- schiedenen Erregbarkeit der N. vagi; wenn z. B. die Reizbarkeit der Vagi gross ist, die automatischen Erreger der Respiration aber unbe- deutend und die Athembewegungen daher einander nicht rasch folgen, so gewinnen die Athembewegungen auf Herzschlag und Blutdruck einen grossen Einfluss, und alle Folgen desselben prägen sich dann, unter sonst gleichbleibenden Umständen, am deutlichsten aus. Ist dagegen die Vagusreizung gering, theils weil seine Reizbarkeit unbe- deutend ist, und theils auch, weil die automatisch auf ihn wirkenden Erregungsmittel niedrig sind, so sind die Veränderungen in der Puls- eurve nur abhängig von den beschleunigenden Wirkungen des Brust- kastens und von der Blutfüllung des Herzens, und das An- und Ab- steigen erfolgt nicht mehr so rasch, wie im ersten Falle; endlich kann aber die Reizbarkeit der Vagi zugleich mit den automatischen Reizen beträchtlich sein; dann spricht sich der Einfluss des Atlımens am wenigsten aus; die Inspiration kann dann nur unbedeutend be- schleunigen, die Exspiration nur unbedeutend verlangsamen, und die Zu- und Abnahme im Blutdrucke ist keine ausgesprochene, da die Exeursion jedes einzelnen Herzschlages immer grösses ist, weil in Folge der langen Pausen sich immer genügend Blut sammeln kann. Die mitgetheilten Versuche geben noch zu folgenden Bemerkun- gen Veranlassung. 324 1) Sie bestätigen die Annahme eines Tonus der N. vagi, wenn nämlich dieser Ausdruck nur im Sinne einer in kurzen Zwischen- räumen periodisch wiederkehrenden Reizung gebraucht wird, und verlegen die Ursache desselben in die durch die Ein- und Ausath- mung ungleich gemachte Vertheilung des Blutes im Gehirne und verlängerten Marke. Dadurch lassen sie uns zugleich den Einfluss der constitutionellen Blutmenge auf den Herzschlag besser einsehen und erklären namentlich den bei Verblutung oder Blutleere überhaupt gewöhnlich eintretenden frequenten Herzschlag. 2) Sie lehren uns die Möglichkeit kennen, den Blutdruck ohne Blutentziehung oder Einspritzung nach Belieben sinken oder steigen zu lassen, und zwar in solchen Grenzen, wie dieses durch kein an- deres Mittel hervorgebracht werden kann, und geben uns daher zur richtigen Schätzung von plötzlichen und bedeutenden Aenderungen im Werthe des Blutdruckes einen neuen Maassstab an die Hand. Freilich behält diese Wahrnehmung nur ein beschränktes Interesse, denn sie kann wegen der zugleich eingeführten grossen Störungen keine Anwendung in der praktischen Physiologie finden; dagegen bietet der oben beschriebene Versuch des Einführens einer Blase in den rechten Vorhof, bei genügender Vorsicht in der Anwendung, ein gutes Mittel an die Hand, den Blutdruck bedeutend und dauernd herabzusetzen. 3) Sie geben uns endlich eine Bestätigung der Brunner'schen Beobachtungen und erlauben die Frage über die Spannung des ruhen- den Blutes weiter zu verfolgen. Durch die mitgetheilten Beobachtungen und die aus ihnen ab- geleiteten Anschauungen glauben wir ein besseres Verständniss des Ein- flusses der Athembewegungen auf den Kreislauf angebahnt zu haben; aber da wir uns nicht verhehlen, wie überaus Vieles in diesem Gebiete der Physiologie noch geleistet werden muss, so enthalten wir uns für den Augenblick aller auch jetzt schon möglichen Folgerungen, und betrachten die vorliegende Untersuchung nur als eine Vorarbeit, die in Folge der erlangten sichern Einsicht in die Grundelemente der Frage ein weiteres Vordringen wesentlich unterstützen wird. —orr —— XIV. Ueber einige Punkte, betreffend den Bau des Haarbalgs und der Haare der menschlichen Kopfhaut. Von P. Chapuis und Jae. Moleschott. Mit einer Tafel. Einleitung. Der Haarbalg der menschlichen Haut ist von Kölliker 1) und Reissner 2) in den wichtigsten Punkten so gründlich beschrieben worden, dass nachfolgende Untersucher sich keine reiche Achrenlese versprechen dürfen. Trotzdem ist auch hier noch mancherlei zu thun übrig geblieben. Denn einmal sind Kölliker und Reissner nicht überall mit einander einverstanden, — wir erinneren zum Beispiel an das obere Ende der inneren Wurzelscheide oder an die Frage, ob ein Fortsatz der Papille in das Mark hinaufragt —, und zum Ande- ren hat Kölliker einzelne Punkte mit anerkennenswerther Vorsicht unentschieden gelassen, z. B. die Natur der dunkelrandigen Elemente ) Kölliker, mikroskopische Anatomie, Bd. II, erste Hälfte, Leipzig 1850, 5. 124 und folg., und in seinem Handbuch der Gewebelehre des Menschen, 3. Aufl., Leipzig 1859, S. 138 und folg. 2) Reissner, Beiträge zur Kenntniss der Haare des Menschen und der Süugethiere, Breslau 1854, 5. 86 und folg. und 8. 96 und folg. MOLESCHOTT, Untersuchungen VII, 23 we zZ 326 r in der mittleren Schicht des Haarbalgs oder den Ort, wo die Glas- haut beginnt und aufhört. Schwerlich hätten indess diese Zweifel und jene Widersprüche uns dazu vermocht, uns einlässlicher mit dem Haarbalg zu beschäfti- gen, wenn nicht eine neue und in der That sehr bequeme Unter- suchungsweise es hätte einladend erscheinen lassen, diejenigen Punkte, welche als ausgemacht gelten, einer erneuten Prüfung zu unterwer- fen und bei der Gelegenheit wo möglich die obwaltenden Streitfragen zu lösen. Virchow hat irgendwo mit Recht die Forderung betont, dass alle Methoden der Untersuchung zu demselben Endziel führen müssen, wenn dieses letztere als der wahre Ausdruck für die Natur eines Gewebes gelten soll. Wir erlauben uns von dieser Wahrheit für unseren Fall die vielleicht etwas nüchtern lautende Anwendung, dass man ein Ding von allen Seiten betrachtet haben muss, wenn man eine wirklich befriedigende Darstellung von seinem Bau und seinem Gefüge haben will. Um rasch zur Sache zu kommen, wir sind der Meinung, dass man die Methode der Querschnitte, die seit ihrer glücklichen Ver- werthung durch Henle und Stadelmann für so manche Gewebe die besten Früchte getragen hat, für den Haarbalg nicht grundsätz- lich genug zu Rathe zog. Am meisten hat dies neuerdings Leydig für den Haarbalg von Thieren gethan !). Uns wurde die Anwen- dung dieses Verfahrens besonders dadurch erleichtert, dass, wie einer yon, uns schon früher hervorgehoben ?), Hautriemen, die län- gere Zeit in Moleschott's starker Essigsäuremischung gelegen ha- ben, wenn sie nachher getrocknet worden, sich zur Anfertigung von Schnitten in jeglicher Richtung schr bequem eignen. Führt man solche Schnitte parallel und senkrecht zur Oberfläche der Haut und lässt man dieselben darauf in starker Essigsäuremischung wieder auf- weichen, dann kann man leicht eine Reihe von Präparaten zusammen- stellen, die über die meisten Punkte den Haarbalg betreffend befrie- digenden Aufschluss geben. 1) Vergl. Leydig’'s Abhandlung in dem Archiv von Reichert und Du Bois- Reymond Jahrgang 1859. ?) Moleschott in dieser Zeitschrift, Bd. VI, S. 398. 327 1. Der Haarbalg im engeren Sinne. Gerlach giebt die Länge des Haarbalgs zu 2,25 bis 5,625 Mm. an !). Es ist aber an der betreffenden Stelle nicht näher bezeichnet, auf welche Oertlichkeit sich jene Maasse beziehen. Nach unseren Messungen schwankt die Länge der Haarbälge in der Kopfhaut zwi- schen 2,7 und 3,8 Mm. Das Mittel aus zehn Messungen ergab 3,3 Mm. Die Dicke, die sich an den Querschnitten genau bestimmen liess, ist je nach der Höhe, in der sie gemessen wird, sehr verschieden. In der Nähe der Mündung an der Oberhaut ist der Haarbalg am dünnsten, am dieksten dagegen zwischen dem Ansatz des Gänsehaut- muskels und dem Gipfel der Papille. Unweit der Oberhaut schwankt der Durchmesser zwischen 0,07 und 0,23 Mm., und 26 Messungen ergeben als Durchschnittszahl 0,153 Mm. Zwischen dem Ansatz des Muskels dagegen und dem oberen Ende der Papille ist das Mittel aus 37 Messungen 0,3 Mm.; die Grenzwerthe waren 0,25 bis 0,35 Mm. Noch weiter nach unten verjüngt sich der Haarbalg wieder. Dreizehn Messungen an Querschnitten, in welchen die Papille selbst getroffen war, führten zu 0,228 Mm. als Meiel, zu 0,135 Mm. als Minimum, und 0,3 als Maximum. Untersucht man unversehrte Haarbälge, die ganz isolirt sind, so sieht man deutlich, dass der Haarbalg nicht etwa, wie es in vielen Beschreibungen und Zeichnungen ausgedrückt ist, kolbenförmig, son- dern verjüngt endigt (s. Figur 2). Wir fanden an solchen Haar- bälgen den Durchmesser dieht über der Papille 0,29 bis 0,30, in mittlerer Höhe der Papille 0,27 bis 0,30, und unterhalb der Papille 0,12 bis 0,16 Mm. Im Allgemeinen lässt sich die Form des Haarbalgs zwar als eylindris ınen, auf dem Querschnitt erscheint er jedoch, zu- mal in aszunteren Dritttheil, häufig elliptisch. Wir haben in 1) Gerlach, Handbuch der allgemeinen und speeiellen Gewebelehre, 2. Aufl., Mainz 1854, 8. 542. Vergl. Kölliker, mikroskopische Anatomie, Bd. II, erste Hälfte, S. 124. 23* 328 solchen Fällen die kleine Achse mit der grossen verglichen und fan- den für Querschnitte aus der Höhe der Papille als Ergebniss von je fünf Messungen ein mittleres Verhältniss von 7 : 8, aus der Gegend zwischen Papille und Muskelansatz als Ergebniss von je dreizehn Messungen 29 ii 32, also so ziemlich dasselbe Verhältniss in ver- schiedener Höhe von der Papille bis zum Ansatz des Haarbalgmus- kels. Oberhalb der Einmündung der Talgdrüsen gegen die Oberhaut hin liefert der Haarbalg selten elliptische Querschnitte, in einzelnen Fällen freilich solche, in denen die kleine und grosse Achse mehr von einander abweichen, als im den tieferen Theilen des Haarbalgs. Je drei Messungen solch elliptischer Querschnitte führten für die bei- den Achsen zu dem Verhältniss 13 : 16 Aus diesen Messungen folgt, dass der Haarbalg zwar sehr oft ziemlich vollkommen eylindrisch, in seinem unteren Drittel jedoch nicht selten und bisweilen auch in den höheren Theilen mehr oder weniger platt gedrückt ist, so dass sein Querschnitt nicht eine kreisrunde, sondern eine elliptische Figur darbietet. Oberhalb der Einmündung der Talgdrüsen sind die Haarbälge viel dünner als unter dem Ansatze der Haarbalgmuskeln, aber von dem Gipfel der Papille nach abwärts verjüngt sich der Follikel so rasch, dass sein @Querdurchmesser an dem unteren Ende eben so klein oder gar klei- ner ıst als der in der Nähe der Oberhaut unweit der freien Mündung. Kurzum, der Haarbalg der menschlichen Kopfhaut endigt mit einer abgerundeten Spitze, und es ist wohl von einer Uebertragung der be- kannten Endigungsweise der Haarwurzel auf den Follikel herzuleiten, dass man auch dem letzteren durch Wort und Zeichnung mehrfach ein kolbenförmiges Ende zuertheilt hat. Seit Kölliker’s Untersuchungen weiss man, dass der eigent- liche Haarbalg aus drei Schichten besteht, einer Fe Ele- mente der Längsachse des Balgs parallel sind, einer mittleren, die aus kreisförmig um den Balg herum verlnutanen Bestandtheilen zu- sammengesetzt ist, und einer inneren structurlosen Glashaut. Die äussere Schicht des Haarbalgs ist ihrer qualitativen Zusam- mensetzung nach von Kölliker richtig beschrieben worden. Wenn aber Kölliker behauptet, diese äussere Haut sei die dickste der 329 drei Lagen des Haarbalges !), so kann dies nur auf einer Schätzung beruhen, die an Längsansichten des unversehrten Haarbalgs vor- genommen wurde Die Scheidung der drei Lagen des eigent- liehen Haarbalgs ist am deutlichsten zwischen dem Ansatz des Muskels und der Papille. Wir haben eine Anzahl Querschnitte benützt, um die Dicke der äusseren Schicht des Haarbalgs mit derjenigen der mittleren messend zu vergleichen. Das Mittel von je 21 Messungen ergab für die äussere Schicht des Haarbalgs eine Dicke von 0,02, für die mittlere von 0,031 Mm. Man würde aber die Dicke der äusseren Schicht entschieden überschätzen, wenn man aus diesen Zahlen folgern wollte, dass sie sich zu derjenigen der mittleren Lage des Haarbalgs durchschnittlich wie 2:3 verhalte. Um nämlich jene vergleichenden Messungen vor- nehmen zu können, mussten Durchschnitte mit gut entwickelter äusserer Schicht förmlich gesucht werden; in sehr vielen Fällen ist die äussere Lage so dünn, dass sie gar keine sichere Messung gestattet. Ausnahmsweise freilich kann die äussere Lage des Haarbalgs die Dicke der mittleren erreichen oder gar übertreffen. Unter 21 vergleichen- den Messungen fanden wir einmal beide gleich dick (0,017 Mm.), einmal die äussere dicker (0,05 Mm.) als die mittlere (0,04 Mm.). Abgesehen von diesen Ausnahmen schwankt die Dicke der mittleren Schicht zwischen 0,015 und 0,043, die der äusseren zwischen 0,007 und 0,037 Mm. Also ist die mittlere Schicht der Regel nach die stärkste des Haarbalgs. Was ihr Gewebe anbelangt, so besteht sie aus gewöhnlichem Bindegewebe mit jungen elastischen Fasern. Die Fältchen des Binde- gewebes und die elastischen Fasern verlaufen alle in der Richtung von Kreisen oder Kreisabschnitten um den Haarbalg. Glatte Mus- kelfasern sind jenen Elementen nicht beigemiseht, so schr man auch beim Anbliek der Oberfläche eines unversehrten Haarbalgs an deren stäbehenförmige Kerne erinnert wird. Der. eine von uns hat noch vor Kurzem die Frage, ob es sich hier um glatte Muskelfasern 1) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre, 3. Aufl., 1859, 8. 138. 330 handle, mit Kölliker unentschieden gelassen 1), unsere Querschnitte haben uns aber jetzt befriedigende Auskunft gegeben. Die bei der Längsansicht des Haarbalgs an Kerne erinnernden Gebilde verhalten sich sowohl der Form als den chemischen Eigenschaften nach wie elastische Fasern. Sie sind dunkelrandig, stark zugespitzt, ihr Ver- lauf ist ziemlich geschwungen, sie enthalten keine Kerne, sind auch in ihrer Mitte viel schmäler als glatte Muskelfasern und zeigen eine sehr verschiedene Länge. Auch die kleinsten, die in der Grösse etwa grossen Kernen glatter Muskelfasern entsprechen könn- ten, sind an beiden Enden deutlich zugespitzt, und es läge nahe, sie als Bindegewebskörperchen anzusprechen, wenn sie nicht eben kern- los wären. Wir stellen deshalb die in Rede stehenden Bildungen auf die Linie junger elastischer Fasern. Sie widerstehen verdünnter Kalilauge (10 %,), in welcher die glatten Muskelfasern sich rasch lösen. Wir haben wiederholt die Haarbälge mit 32,5- oder 35pro- centiger Kalilauge behandelt, die nach Moleschott's Erfahrun- gen 2) ein so ausgezeichnetes Mittel ist, um glatte Muskelfasern zu isoliren, allein niemals treten dieselben in der mittleren Schicht des Haarbalgs zum Vorschein, während sie in Bruchstücken von Gänse- hautmuskeln, die in den untersuchten Hautschnitten vorhanden waren, deutlich erschienen. Der Grund, warum die elastischen Fasern bei der Längsansicht des Haarbalgs an Kerne glatter Muskelfasern erin- nern, liegt in ihrem geschwungenen Verlauf, der es mit sich bringt, dass man, auf die Fläche des unversehrten Haarbalgs sehend, immer nur ein Bruckstück der kleinen elastischen Faser in der richtigen Focaldistanz hat, während sich dieselbe auf Querschnitten in ihrer ganzen Ausdehnung übersehen lässt. Der jetzt erledigte Zweifel wäre gewiss nie entstanden, wenn man die betreffenden Gebilde zu- erst auf Querschnitten des Haarbalgs gesehen hätte (Fig. 5, e. Fig. 7). Die elastischen Fäserchen in der mittleren Schicht des Haarbalgs, die nahezu in ihrer ganzen Ausdehnung in Ebenen liegen, welche 1) Moleschott, diese Zeitschrift, Bd. VI, S. 400. Vgl. Kölliker, Hand- buch, 3. Auflage, S. 139. 2) Vergl. diese Zeitschrift, Bd. VI, 8. 384. 331 senkrecht auf der Achse des Haarbalgs stehen, messen in ihrer Breite 0,0016 bis 0,0022 Mm., in ihrer Länge von 0,01 bis 0,06 Mm. Die kleinsten sind viel häufiger als die grössten, ziemlich häufig aber Fasern von 0,025 bis 0,04 Mm. An dem innern Rand der mittleren Schicht des Haarbalgs be- merkt man auf Quersehnitten nicht selten einen ziemlich scharf abge- setzten Saum, der bald punktirt oder schwachkörnig, bald dagegen in der Richtung von Radien des Haarbalgs schraffirt erscheint 1). Als wir dieses Saumes, der etwas breiter als die Glashaut zu sein pflegt, . zuerst ansichtig wurden, dachten wir daran, wir könnten es mit Bruchstücken der umgeschlagenen Glashaut zu thun haben. Diese Auffassung wurde aber dadurch widerlegt, dass wir öfters ganz deut- lich den fraglichen Saum rings um die Glashaut verlaufen sahen. Er gehört zur mittleren Schicht des Haarbalgs, in welche er oft allmä- lig übergeht. Wegen dieses letzteren Verhaltens und weil er nicht beständig ist, kann dieser Saum nicht etwa als der Ausdruck einer besonderen Schicht des Haarbalgs angesehen werden. Zwischen den einzelnen elastischen Fäserchen bleibt ein ziem- licher Abstand frei, der nur von Bindestoff ausgefüllt ist; denkt man ‘sich aber von dem Mittelpunkt des Haares nach dem Umfang des Querschnitis eines Iaarbalgs Radien gezogen, dann kommen auf jeden Radius gewöhnlich zwei bis drei, bisweilen aber auch vier und selbst fünf elastische Fasern. Man darf also nicht mit Kölliker behaup- ten, dass die mittlere Lage des Haarbalgs aus einer „einfachen“ Lage querlaufender Fasern bestehe 2). Alle diese Angaben beziehen sich vorzugsweise auf denjenigen Theil des Haarbalgs, welcher zwischen dem Gipfel der Papille und dem Ansatze des Haarbalgmuskels begrenzt ist. Nach Kölliker soll sich die mittlere Faserhaut vom Grunde des Haarbalges nur bis in die Gegend, wo die Talgdrüsen einmünden, erstrecken 3). Wir 1) Vergl. die Abbildung eines Querschnitts vom Haarbalg in Moleschott's physiologischem Skizzenbuch , Fig. 14. 2) Handbuch der Gewebelehre, 3. Auflage, S. 138. 9) Ebendaselbst. 332 können dies nicht unbedingt unterschreiben. Querschnitte aus den oberflächlichsten Hautschichten, da wo die innere Wurzelscheide des Haares fehlt, zeigen um die Fortsetzung der äusseren Wurzelscheide herum sehr häufig deutlich im Kreise verlaufende Bindegewebsfältchen, denen kleine elastische Fasern eingewebt sind, in ihrer Richtung gleichfalls dem Umfang des Haarbalgs entsprechend (Fig.4 e). Aller- dings geht diese aus eirculairen Elementen bestehende Schicht ohne deutliche Grenze in die umgebende Lederhaut über, die sich durch Netze elastischer Fasern kennzeichnet. Aber in der nächsten Umge- bung der allein übrig gebliebenen äusseren Wurzelscheide sind noch _ Elemente vorhanden, deren Richtung sie als Fortsetzung der mittle- ren Lage des Haarbalgs ausweist. In anderen Fällen findet man freilich um die Wurzelscheide herum einen körnigen Streifen, welcher nur als der Durchschnitt der aus längsfaltigem Bindegewebe beste- henden äusseren Lage des Haarbalgs gedeutet werden kann. Bei der Längsansicht des unversehrten Haarbalgs sieht man dieses längsfaltige Bindegewebe im Umkreise des Haarbalges in einzelnen Bündeln aus- einander fahren, um sich in die umgebende Lederhaut zu verlieren. Hiernach kann also in dem Theil des Haarbalgs, der oberhalb der Einmündung der Talgdrüsen liegt, entweder die äussere längs- faltige oder die mittlere kreisfaltige Lage des Haarbalgs fehlen. In dem Bereich des Malpighi’schen Schleimnetzes fehlen natürlich beide; das Haar ist hier nur von der äusseren Wurzelscheide umschlossen, der Haarbalg im engeren Sinne hat aufgehört zu bestehen, weil er nur durch die Lederhaut gebildet wird. Die Papille, die sich auf dem Grunde des Haarbalgs erhebt, ist nicht als ein Fortsatz von dessen Wand zu betrachten, son- dern als ein Aufsatz, der aus ganz anderen Formbestandtheilen zusammengesetzt ist, obwohl sie sehr fest mit der mittleren Schicht des Haarbalgs zusammenhängt. Die Gestalt der Papille ist von den meisten Beobachtern mehr errathen als deutlich beobachtet worden. Henle sagt, dass er die Gestalt nicht genau ermitteln konnte, „da beim Abreissen des Haares fast immer der untere „Theil des Haarknopfes um die Pulpa sitzen bleibt. Indess lässt „sie sich einigermassen auch durch den Haarknopf erkennen, welcher, 339 „so weit er die Pulpa umgiebt, heller ist, als an den höheren Stellen. „Darnach scheint die Pulpa kurz und kegelförmig zu sein !).“ Die Bezeichnung kegelförmig ist ganz richtig, in Henle’s Abbildung ist jedoch die Papille, die er-Pulpa nennt, viel zu niedrig gezeichnet. Unrichtig ist die Form der Papille in Kölliker’s Abbildungen 2), so dass man nur annehmen kann, dass dieser sonst ebenso glück- liche als sorgfältige Beobachter die Papille nie ganz frei und unver- sehrt gesehen hat. Dennoch sagt Kölliker in seiner mikroskopi- schen Anatomie, S. 125, 127: Die Haarpapille „ist schwer zu er- „forschen, denn ihre Isolirung ist gänzlich dem Zufalle unterworfen, „doch ist es mir beim Ausziehen der Haare aus isolirten Haarbäl- „gen in mehreren Fällen gelungen, sie ganz unversehrt im Grunde „des leeren Balges zu treffen, und einmal habe ich selbst beim Aus- „ziehen eines Haares den vorher dieht über ihr abgeschnittenen Balg „so umzustülpen vermocht, dass die Papille nach dem Abreissen des „Haares ganz frei zu Tage lag....... „Ueberall, wo ich der „Haarpapille deutlich ansichtig wurde, zeigte sich mir dieselbe als „eine grosse, schöne, ei- oder pilzförnige Papille, die durch einen „Stiel mit der Bindegewebslage des Balges zusammenhing.“ Nach der einen der Kölliker’schen Abbildungen, die sich auch in dem kleineren Handbuch befindet, hätte er die Papille verkehrt - eiförmig, nach der andern ellipsoidisch gesehen. Diese Form besitzt aber die Papille in der Kopfhaut des Menschen nach unseren Erfahrungen nie- mals. Dazu bestätigen Kölliker's Maassangaben den Verdacht, dass er keine ganze Papille völlig frei vor sich gehabt habe. An einem weissen Kopfhaar fand er die Länge der Papille 1/,,“, die Breite 4/50“, also doppelt so breit, als lang, während in Wirklichkeit die Länge das Doppelte von dem Durchmesser an der breitesten Stelle beträgt. Man könnte an einen Druckfehler glauben, wenn nicht das kleinere Handbuch (S. 139) und die mikroskopische Anatomie (S. 127) dieselben Zahlen brächten. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass es ) Henle, allgemeine Anatomie, 8. 302. 2) Kölliker, mikroskopische Anatomie, Bd. II, erste Hälfte, Taf. Il, Fig. 1, 2, und Handbuch der Gewebelehre des Menschen, S. 130, Fig. 66. 334 sich um einen Schreibfehler handelt, denn die Zahl, welche Kölli- ker für die Breite angiebt, passt ganz gut zu dem Durchmesser an der breitesten Stelle. Um diese Angabe vor jedem Zweifel zu sichern, theilen wir die Messungen, die wir an frei liegenden Papillen im unversehrten Haarbalg gemacht haben, in folgender Tabelle mit. Maasse der Papille des Haarbalgs in der Kopfhaut des Menschen (Millimetermaass). Durchmesser | Durchmesser | Durchmesser nes am Ursprung. | in der Mitte. | am Gipfel. 0,290 0.090 0,145 0,020 0,200 0,055 0,085 0,010 0,195 0,060 0,090 0,010 0,190 0,050 0,120 0,017 0,220 0,060 0,125 0,007 0,180 0,060 0,090 0,015 0,240 0,050 0,060 0,050 0,170 0,060 0,085 0,003 0,235 0,060 0,125 0,015. Hiernach ist die mittlere Länge der Papille 0,213 Mm., der Durchmesser an der dieksten Stelle 0,103, also durehschnittlich nahezu halb so gross. Kölliker fand die Breite zu 0,113 Mm., was sich nicht weit von unserem Mittel entfernt, dagegen die Länge wenig mehr als ein Viertel der wirklichen Länge. Ja Kölliker’s Zahl für die Länge der Papille (0,056 Mm.) ist kaum ein Drittel von un- serem Minimum (0,17 Mm.). Daraus geht denn wohl mit Bestimmt- heit hervor, dass Kölliker keine unversehrte Papille gemessen haben kann. Eine ganz richtige Abbildung der Papille hat Reissner gege- ben (a. a. ©. Taf. II, Fig. 9, c.), aber, wenn wir anders seine Er- klärung der Abbildungen richtig deuten, von Ovis Aries. Die dort gezeichnete Form passt indess recht gut auch für den Menschen (vergl. die Figur 3 unserer Tafel bei e). Wie der eine von uns 335 schon früher angegeben 1), die Gestalt der Papille in Haarbälgen aus der menschlichen Kopfhaut ist im Allgemeinen kegelförmig, an der Basis da, wo der Kegel vom Grunde des Haarbalgs emporsteigt, ein wenig verjüngt, aber nie gestielt. Der Gipfel des Kegels ist im Allgemeinen spitz, selten abgestutzt. An der Basis schwankt der Durchmesser der Papille zwischen 0,050 und 0,090 Mm. Das Mittel von 9 Messungen ergab 0,061 Mm. An der dicksten Stelle, die übrigens nicht genau in der Mitte, sondern etwas tiefer liegt (vergl. Fig. 3), sind die äussersten Maasse für den Durchmesser 0,060 und 0,145, das Mittel von 9 Messungen 0,103 Mm. Der Gipfel des spitzen oder abgestumpften Kegels misst im Durchmesser 0,003 bis 0,050, als Mittel aus 9 Messungen 0,016 Mm. Wir würden an der Richtigkeit des Maximums zweifeln, wenn es sich dabei nicht um eine der längsten Papillen (0,24 Mm.) gehan- delt hätte. Was endlich die Länge der Papille betrifft, sie schwankt zwi- schen 0,17 und 0,29 Mm:, Mittel aus.9 Messungen 0,213, also reich- lich 1/. Mm., oder reichlich 1/,, von der mittleren Länge des ge- sammten Haarbalgs. Der Querschnitt der Papille ist nicht selten sehr schön kreis- rund, in anderen Fällen und zwar namentlich an der dieksten Stelle elliptisch. Im Allgemeinen schwankte der Durchmesser der Papille auf Quersehnitten gemessen zwischen 0,030 und 0,110, was mit den Messungen an unversehrten Papillen befriedigend übereinstimmt. In denjenigen Papillen, deren Querschnitte deutlich eHiptisch waren, schwankte die kleine Achse zwischen 0,030 und 0,090, Mittel aus 6 Messungen 0,062 Mm., die grosse Achse mass 0,05 bis 0,11, im Durchschnitt 0,087 Mm. Das mittlere Verhältniss zwischen kleiner und grosser Achse elliptischer Querschnitte der Papille wäre also an- 1) Vergl. diese Zeitschrift, Bd. IV, S. 120. Vergl. auch die neuesten Mitthei- lungen von Leydig in dem Archiv von Reichert und Du Bois-Reymond, 1859, S. 724. Die Beschreibung, welche Leydig dort nach Untersuchungen an Tbieren giebt, stimmt ganz zu der von uns beim Menschen beobachteten Form. 336 nähernd 5 : 7. Für viele Fälle ist daher der Vergleich der Papille mit einer Zwiebel treffender als der mit der Kegelform, und es wie- derholt sich demnach an der Papille die leichte Abplattung, die oben (S. 327, 328) dem ganzen Haarbalg zugeschrieben wurde. Es kommt aber die Abplattung an der Papille bisweilen auch dann vor, wenn der Querschnitt des Haarbalgs sehr vollkommen kreisrund ist. Unterhalb der Papille ist die Wand des lHaarbalgs etwas ver- diekt, und eben diese verdickte Stelle ist das verjüngte Ende des Haar- balgs. Die Dicke der Wand des eigentlichen Haurbalgs beträgt in der Höhe der Papille 0,02 bis 0,03 Mm., während sie unter der Basis der Papille 0,09 bis 0,11 Mm. misst. Dieser unterste Theil der Haarbalgwand ist reich an Kemen und elastischen Fäserchen. Am Grunde isolirter Haarbälge hängen öfters Blutgefässchen, die um Eine Stufe höher entwickelt sind als structurlose Capillaren und vielleicht in die Papille eindringen, obwohl es uns bisher nicht gelang, im Innern derselben die Haargefässe wahrzunehmen. Von einem Fortsatz der Papille, welcher höher als der Haar- kolben (so nennen wir Henle’s Haarknopf) in die Haarwurzel hinauf- reichte, haben wir nie etwas gesehen. Und- doch haben wir Dutzende ganz frei liegender Papillen in Haarbälgen gemustert, die nicht der leisesten Zerrung unterworfen worden. Wir bedienten uns nämlich nur solcher Papillen zur Untersuchung, welche durch Maceration von Kopfhautriemen in Moleschott’s starker Essigsäuremischung frei geworden waren, ohne dass wir auf mechanischen Wege irgend etwas damit vorgenommen hätten. In dem physiologischen Laboratorium der Züricher Hochschule werden solehe Hautriemen nun schon über drei Jahre in starker Essigsäuremischung aufbewahrt, und es genügt von Zeit zu Zeit, die Flüssigkeit abzugiessen und sorgfältig zu durch- suchen, um die unteren Enden zahlreicher Haarbälge auf's Schönste isolirt sammeln zu können. Ein Theil dieser Haarbalgstücke, die nicht selten beinahe halb so lang sind, wie der ganze Haarbalg, zeigt den Haarkolben in der natürlichen Lage und dessen Höhlung von der Papille ausgefüllt, ein anderer Theil bietet Einem die angenehme Ueberraschung, dass sich der Haarkolben nicht bloss vollständig von der Papille abgehoben, sondern sogar eine Strecke weit davon ent- > 337 fernt hat. Die Papille liegt vollkommen frei, oder sie ist nur! von einigen rundlichen Zellen bedeckt, welche den vom Haarkolben losge- lösten und dessen Weg vom Gipfel der Papille nach oben bezeichnenden jungen Haarzellen durchaus ähnlich sehen. Was in diesen Fällen die Papillen frei gemacht hat, ist offenbar eine Aufquellung des Haarkolbens, von dem sich einzelne Zellen, zum Theil in Gruppen. verbunden, ab- gelöst haben. Der in einiger Entfernung von der Papille liegende Haarkolben zeigt bisweilen Spalten, deren wir bis zu vier beobachten konnten, bisweilen nicht. Ueberhaupt hat man Gelegenheit, die Abhebung des Haarkol- bens von der Papille, welche jenen wie ein über das Gesicht herab- gezogener Hut bedeckt, in den verschiedensten Uebergängen zu sehen. Zu dem Ende verschmähe man ja nicht,‘ die ziemlich häufig in der bezeichneten Flüssigkeit herumschwimmenden kleinen Bruch- stiicke, die sich durch einen braunschwarzen Fleck als die blinden Enden von Haarbälgen ausweisen. Erkennt man unter der dieksten Stelle jenes Flecks mit unbewaffneten Auge noch einen weissen An- hang, so wird man unter dem Mikroskop sehr oft den unversehrten Grund eines Haarbalgs finden. Nun kommt es vor, dass der Kolben noch in der Abhebung von der Papille begriffen ist, und zwar hängt er dann nicht selten gerade über deren grösstem Umfang fest, wobei jene keulenförmig verdiekten Bilder auftreten, wie sie Kölliker gezeichnet hat. Oder das untere Ende des Kolbens bis zu dem gröss- ten Umfang der Papille hinauf ist sitzen geblieben, die Papille kranz- förmig umgebend, und der obere Theil ist abgerissen und weit genug entfernt, um das spitze obere Ende der Papille vollkommen frei dem Beobachter darzubieten. Kurzum, das Verhältniss des Haarkolbens zur Papille lässt sich prächtig erforschen, ohne Nadel oder Messer zu rühren. Ueber das Gewebe der Papille wird man sehr leicht aufgeklärt, wenn man dieselbe ganz isolirt, wie man sie sich aus Präparaten, die durch starke Essigsäuremischung aufgeweicht sind, leicht ver- schaffen kann, mit starker Essigsäure oder 35procentiger Kalilauge behandelt. Man findet dann, dass die Papille nicht aus Bindegewebe 338 besteht, sondern, entgegen der Behauptung Kölliker’s 1), aus rund- lich-vieleckigen Zellen, die dicht zusammengedrängt sind, deutliche Kerne nebst einem blassen, feinkörnigen Inhalt besitzen, und 0,01 bis 0,019, durchschnittlich 0,013 Mm. messen. Ausser diesen Zellen, die man besonders schön an Querschnitten der Papillen beobachten kann, haben wir einzelne elliptische Kerne gesehen, welche an die Kerne von Haargefässen erinnerten. Isolirte Haargefässe vermochten wir nicht darzustellen. Dunkelrandige Nervenfasern sahen wir einmal zu dem blinden, verjüngten Ende des Haarbalgs herantreten, ohne deren Fort- setzung in die Papille verfolgen zu können. Auch Leydig hat vergeblich darnach gesucht ?). „Von Nervenfasern“, sagt Leydig, „sah ich niemals auch je die geringste Spur in der Papille (Pulpa) „der Tasthaare, weder bei den ceolossalen Formen der Robbe, noch „bei irgend einem anderen Säuger.* Auf den Querschnitten der Papille sind wir so wenig Nerven als Haargefässen begegnet. Die von Kölliker richtig beschriebene Glashaut ist ein aus- zeichnendes Merkmal für die untere Hälfte des Haarbalgs. Sie erhebt sich vom Grunde desselben bis in die Gegend der Talgdrüsen, welche ungefähr das mittlere Dritttheil des Haarbalgs einnehmen, so jedoch, dass die untere Grenze dieses Drittels von dem untersten Lappen der Talgdrüse in der Reger nicht erreicht, die obere Grenze dage- gen von dem Ausführungsgang gewöhnlich überschritten wird (Fig. 1). Dass die Glashaut, wie Dalzell lehrt 3), an der Papille aufsteigen, und, wie sie sonst die innere Oberfläche des eigentlichen Haarbalgs bekleidet, auch die Papille umhüllen sollte, davon haben wir nie eine Andeutung gesehen, weder an Querschnitten, in denen die Papille scharf vom Haarkolben begrenzt war, noch an ganz nackt zu Tage liegen- den unversehrten Papillen. Nach unseren Messungen ist die Glashaut übrigens beträchtlich dicker, als Kölliker sie gefunden hat, was wohl daher rühren mag, 1) Kölliker, Handbuch, 3. Auflage, S. 139. ö 2) Leydig, a. a. O., S. 726. 3) Wir kennen diese Angabe nur nach dem Citat bei Kölliker, Handbuch der Gewebelehre, 3. Auflage, S. 139, 339 dass Kölliker sie am unverletzten Haarbalge zu messen suchte, während wir Querschnitte dazu benutzten (Fig. 5, 6, d). Unsere Messungen ergeben als äusserste Grenzen 0,003 und 0,01, als Mittel aus 9 Messungen 0,006 Mm. Nach Kölliker sollte sie nur 0,0022 bis 0,0034, selten bis 0,0045 Mm. messen, wornach also Kölliker's Maximum unser Mittel nicht erreichen würde. Es ist aber wohl nieht zu bezweifeln, dass sich eine sichere Messung einer so feinen Haut nur an Querschnitten ausführen lässt. Es mag übrigens nicht unerwähnt bleiben, dass zwar so ziemlich jeder Flächenschnitt, der unterhalb der Muskelansätze an den Haarbälgen von der Kopfhaut gewonnen wurde, einzelne Follikel zeigt, an denen die Glashaut deutlich siehtbar ist, dass sie aber in vielen andern nicht erkannt werden kann. Ueber die Haarbalgmuskeln haben wir den bekannten Angaben wenig beizufügen 1). Wir haben indess die Messungen der isolirten Fasern dieser Muskeln vervielfältigt und als Grenzwerthe 0,11 und 0,26, als Mittel aus 11 Messungen 0,167 Mm. gefunden. Die Kerne massen von 0,012 bis 0,020, nach 12 Messungen durchschnittlich 0,016 Mm. (Fig. 8). Wenn man einen Haarbalgmuskel aus dem umgebenden Binde- gewebe ganz herauspräparivt und ihn dann durch 30- bis 3aprocentige Kalilauge möglichst vollständig zerlegt, dann findet man, dass das Bündel glatter Muskelfasern ziemlich viele elastische Fasern in semem Innern birgt. Diese Fasern sind kaum halb so breit, wie die Mus- kelfasern, überall gleich breit, verästelt, netzförmig unter einander verbunden, und sie bleiben ungelöst, wenn man die Kalilauge mit Wasser verdünnt. Ohne Zweifel ist es der Anwesenheit dieser ela- stischen Fasern zuzuschreiben, dass die glatten Muskelfasern aus den 1) Vergl. Kölliker, Handbuch der Gewebelehre, 3. Auflage, S. 102, 103. Moleschott in dieser Zeitschrift, Bd. VI, S. 401. Seitdem durch unsere Unter- suchungen ermittelt ward, dass die mittlere Haut des Haarbalgs keine Muskelfasern besitzt, möchte es passend sein, an dem Namen Haarbalgmuskeln festzuhalten, zumal da die Erzeugung der Gänsehaut mehr eine secundäre Function dieser Mus- keln darstellt und ihre gewöhnliche Thätigkeit, wie Moleschott es früher angab, darin besteht, die Entleerung des Talgs in die Haarbälge zu befördern. 340 Haarbalgmuskeln, ähnlich wie aus der Wand der menschlichen Lun- genbläschen, besonders schwer zu isoliren sind. Jedenfalls ist es eine eigenthümliche Einrichtung, dass die Haarbalgmuskeln ihre An- tagonisten in ihrem Innern beherbergen, eine Thatsache, die dazu beiträgt, zu erklären, warum die Gänsehaut sich verhältnissmässig selten entwickelt. Der Ansatz des Haarbalgmuskels bezeichnet ungefähr die obere Grenze des untersten Drittels des Haarbalgs; meist liegt sein unteres Ende ein wenig höher als diese Stelle, dieht unter dem untersten Lappen der Talgdrüse. 2. Die Wurzelscheiden. Auf die Glashaut folgt in der unteren Hälfte des Haarbalgs die sogenannte äussere Wurzelscheide (Fig. 1. d, 2. e, 4. d,5.c). Sie ist eine unmittelbare Fortsetzung der Malpighi'schen Schleimschicht, so dass sie das Haar bis an die Durchtrittsstelle durch die eigentliche Hornschieht der Oberhaut begleitet. Dagegen reicht sie nicht bis auf den Grund des Haarbalgs. Sie verjüngt sich vielmehr, von der oberen Grenze des unteren Sechstels des Haarbalgs an, ziemlich rasch, um schliesslich ganz aufzuhören, so zwar, dass der Haarkolben in einer Ausdehnung von etwa !/, Mm. der äusseren Wurzelscheide ganz ent- behrt (Fig. 2). Gewöhnlich lässt man die äussere Wurzelscheide die Haarwurzel bis auf den Grund des Haarbalgs begleiten. Kölliker sagt 1): „Im Grunde des Haarbalges hängt die äussere Scheide, in- „dem ihre Zellen gleichmässig und werden, continuirlich und ohne „Abgrenzung mit den rundlichen Zellen der Haarzwiebel, die die „Haarpapille überziehen, zusammen.“ Und später: „Die äussere „Wurzelscheide läuft nach unten ohne Ausnahme in eine ganz schmale „Lamelle aus.“ In seinen Abbildungen und namentlich in der Fig. 1 der zweiten Tafel seiner mikroskopischen Anatomie lässt Kölliker die äussere Wurzelscheide mässig breit, aus drei Zellenreihen, bezie- hungsweise einer dreifachen Zellenschicht bestehend, jedenfalls noch 1) Handbuch, 3. Auflage, S. 140. 341 unter das untere Ende der inneren Wurzelscheide hinabreichen. Reissner dagegen (auf seiner zweiten Tafel, Fig. 10) zeichnet das Verhältniss beider Scheiden (eines thierischen Haarbalgs ?) ungefähr so, wie wir es beim Menschen gefunden haben, das heisst, er lässt die innere Wurzelscheide bis an das unterste Ende des Haarkolbens reichen, vor ihrem Ende nur mässig verjüngt, während die äussere Scheide schon oberhalb des eigentlichen Haarkolbens aufhört. Bei der Deutliehkeit und Bestimmtheit, mit welcher Kölliker's Abbildungen das gerade Gegentheil lehren, haben wir uns veranlasst gefunden, diesem Punkt eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wir haben also an 16, mit ihrem unteren Drittel völlig isolirten, Haarbälgen die Länge desjenigen Theils der Haarwurzel gemessen, an welchem die äussere Wurzelscheide fehlt. Diese Länge schwankt zwischen 0,160 und 0,370 Mm., das Mittel der 16 Messungen beträgt 0,258 Mm. Da nun die Höhe der Papille durchschnittlich nur 1/, und höchstens 0,3 Mm. misst, so ergiebt sich aus unseren Messungen, dass die äussere Wurzelscheide der Regel nach nicht bis zum Gipfel der Papille niedersteigt, sondern oberhalb der Papille endigt. Es entging uns nicht, dass man häufig eine dunkle Linie an dem äusseren Rande der inneren Wurzelscheide ziemlich weit herab an dem unteren Ende des Haarkolbens verfolgen kann, und wir haben deshalb mehre Präparate mit 10procentiger Kalilauge behandelt, um zu ermitteln, ob etwa die charakteristischen Zellen der äusseren Wurzel- scheide, wenn auch vielleicht nur in einer einfachen Schicht, die innere Wurzelscheide bis an ihr unteres Ende begleiten. Bevor wir jedoch unseren bezüglichen Befund mittheilen, wollen wir die Grössenver- hältnisse der Zellen für beide Wurzelscheiden etwas genauer erör- tern; über ihre Formverhältnisse haben wir den Kölliker'schen Be- schreibungen nichts beizufügen. Die länglichen und mit ihrem längsten Durchmesser der Achse des Haares parallel gerichteten Zellen der inneren Wurzelscheide messen ach unseren Beobachtungen in ihrer Länge 0,027—0,047 Mm., im Mitte 10,037, isolirt an der breitesten Stelle 0,010 bis 0,017, im Mittel 0,012; im Zusammenhang, das heisst in der natürlichen Lage auf (Juerschnitten gemessen, beträgt ihr Durchmesser in der Rich- MOLESCHOTT, Untersuchungen. VL. 2 342 tung eines Radius des Haarbalgs 0,005 bis 0,010 und als Mittel aus 20 Messungen 0,007, in der Richtung der Peripherie fanden wir ge- nau dieselben Zahlen für Maximum, Minimum und Mittel. Die Zellen der äusseren Wurzelscheide sind bekanntlich nicht länglich, sondern unregelmässig vieleckig-rundlich. Wir haben auf Querschnitten ihre Durchmesser in radialer und peripherischer Rich- tung genau verglichen. Der radiale Durchmesser ist verschieden, je nachdem man die innerste oder die äusserste Zellenreihe in’s Auge fasst. Der radiale Durchmesser für die Zellen der innersten Reihe schwankt zwischen 0,002 und 0,007, und 20 Messungen ergaben als Mittel 0,004 Mm. Für die Zellen der äussersten Reihe dagegen fanden wir den radialen Durchmesser 0,007 bis 0,011 und durchschnittlich 0,009 Mm. Der Durchmesser in peripherischer Richtung schwankt dagegen, ohne Unterschied der mehr nach innen oder mehr nach aussen liegenden Zellenschichten, zwischen 0,005 und 0,01 Mm., und das Mittel beträgt 0,007 Mm. In peripherischer Richtung haben also die Zellen der inneren und äusseren Wurzelscheide gleiche Durchmesser. In radialer Rich- tung sind die innersten Zellen der äusseren Wurzelscheide abgeplattet, die äussersten dagegen etwas verlängert, wie denn Letzteres von Kölliker bereits ganz richtig angedeutet wurde 1). Die innersten Zellen der äusseren Wurzelscheide bleiben im radialen Durchmesser hinter den Zellen der inneren Wurzelscheide (durchschnittlich um 0,003 Mm.) zurück, während die äussersten Zellen der äusseren Wurzelscheide in gleicher Richtung die der inneren Scheide ein we- nig (durehschnittlich um 0,002 Mm.) übertreffen. Kurzum die Zellen der äusseren Wurzelscheide, welche der inne- ren aufliegen, sind in radialer Richtung abgeplattet, und wir haben 1) Kölliker, 3. Auflage, 8. 140. „Im Bau entspricht dieselbe (die äussere Wurzelscheide) vollkommen der Malpighi’schen Schicht, selbst darin, dass ihre äussersten Zellen ..... senkrecht stehen“, und genauer in der mikroskopischen Anatomie, S. 129: „Die äusserste Lage derselben ..... scheint fast ohne Ausnahme länglich zu sein, mit länglichen Kernen, wie dies auch in der untersten Schicht des Stratum Malpighi der Oberhaut Regel ist, und mit ihrem grösseren Durchmesser senkrecht auf die Längsachse des Haares zu stehen.“ 343 uns überzeugt, dass die äussere Wurzelscheide mit einer einfachen Reihe solch abgeplatteter Zellen meist schon oberhalb der Papille endigt. Die Untersuchung an Querschnitten hat dieses Ergebniss, das an unversehrten Haarbälgen gewonnen wurde, vollkommen be- stätig. Hat man die Querschnitte so tief geführt, dass die Papille selbst getroffen ward (vergl. Fig. 6), dann findet man nur ausnahms- weise noch eine Andeutung der äusseren Wurzelscheide, und Regel ist es, dass auf den dunklen Ring, den der Haarkolben um den Durchschnitt der Papille bildet, nur die innere Wurzelscheide und dann gleich die Glashaut des Haarbalgs folgt. Die äussere Wurzelscheide nimmt also ihren Ursprung unweit und oberhalb der Papillenspitze. Sie beginnt sehr dünn (0,004 Mm.) mit einer einfachen Zellenlage, nimmt nach oben allmälig an Dicke zu, so dass wir sie in dem unteren Drittel des Haarbalgs nach einander die Dieke von 0,017, 0,027, 0,037 durchlaufen und an der oberen Grenze des bezeichneten Drittels die Dieke von 0,07 Mm. erreichen sehen. In der Gegend des Muskelansatzes misst die äussere Wurzelscheide 0,04 bis 0,07, durchschnittlich 0,05 Mm., und in dem oberen Drittel des Haarbalgs verjüngt sie sich wieder, so dass sie jenseits des obe- ren Endes der inneren Wurzelscheide 0,015 bis 0,06, und durch- schnittlich nur noch 0,03 Mm. misst. Während nämlich die äussere Wurzelscheide nicht ganz bis zum Grunde des Haarbalgs hinabreicht, steigt die innere Wurzelscheide nicht ganz bis zur Mündung hinauf, und zwar fehlt die innere Wur- zelscheide in viel weiterer Ausdehnung als die äussere, diese nämlich nur etwa dem untersten Dreizehntel, jene dem oberen Drittel des Haarbalgs.. Wir müssen in diesem Punkte durchaus Kölliker gegen Reissner !) beistimmen. Es lässt sich nicht etwa eine ganz eng bestimmte Grenze für die innere Wurzelscheide nach oben an- geben, wir sahen sie aber nie tiefer aufhören als die unterste Aus- stülpung der Talgdrüsen hinabreicht, und nie höher als bis zur Ein- 1) Kölliker, mikroskopische Anatomie, S. 129, Reissner, a. a. O,, B. 113, 114. 4* 344 mündung des Ausführungsgangs der Talgdrüsen hinaufsteigen. Da nun die Zellen der äusseren Wurzelscheide sich als Epithel in den Ausführungsgang der Talgdrüsen erstreeken, muss natürlich das von den letzteren abgesonderte Fett zwischen die in dem oberen Drittel des Haarbalgs allein vorhandene äussere Wurzelscheide und das Haar eindringen. Man findet daher an flachen Schnitten der Lederhaut, die unweit der Oberhaut gewonnen worden, nicht selten Bilder, wie unsere Figur 4 eins darstellt, in denen auf das Haar nach aussen eine Fettschicht folgt, die in zwei zusammenfliessenden Halbmonden das Haar umgiebt, um diese Fettschicht liegt die äussere Wurzel- scheide und dann der Haarbalg. Nach unten verändern die Zellen der inneren Wurzelscheide all- mälig ihren Charakter, sie werden weniger länglich, bekommen kurze wurstförmige Kerne, runden sich allmälig ab und sind schliesslich einzeln nicht mehr von den Zellen des Haarkolbens zu unterscheiden. Wohl aber kennzeichnet sich die innere Wurzelscheide an allen Quer- schnitten, die inmitten des dunkelbraunen Haarkolbens die graue Scheibe «er Papille enthalten, als ein heller Saum, der, 0,01 bis 0,02 Mm. diek, den Haarkolben umkreist (Fig. 6). Weiter nach oben besteht die innere Wurzelscheide fast überall aus einer dreifachen Schicht der ihr eigenthümlichen, länglichen Zellen. Daraus erklärt sich, dass die Dieke der inneren Wurzel- seheide so viel beständiger ist als die der äusseren; wir fanden sie auf Querschnitten gleich 0,010 bis 0,037, als Mittel 0,022 Mm. Da die Dicke der Zellen der inneren Wurzelscheide durchschnittlich 0,007 Mm. beträgt (S. oben S. 342), so stimmt die mittlere Dieke der ganzen Scheide sehr gut zu einer dreifachen Zellenschicht. Das obere Ende der inneren Wurzelscheide bezeichnet Kölliker als „scharf abgeschnitten.“ Er sagt aber an einer späteren Stelle 1), dass sie mit einem gezackten Rande endet, welcher durch dıe einzel- nen mehr oder weniger vorragenden Zellen gebildet wird. Wir kön- nen diese letztere Auffassung nur bestätigen, indem wir uns durch die Ansicht unverschrter Haarbälge überzeugten, dass die innere 1) Handbuch, 3. Auflage. S. 141. 345 Wurzelscheide mit breiten unregelmässigen Zacken aufhört, welehe den freien Enden der Zellen entsprechen. Am seitlichen Rande, ne- ben dem Haar, hört die innere Wurzelscheide mit einer schräg ab- geschnittenen, nach oben gerichteten Spitze auf, was wohl darauf hindeutet, dass nicht alle drei Zellenschichten der inneren Wurzel- scheide genau gleich hoch hinaufreichen (Fig. 1, e‘). Von Löchern oder Spalten zeigt die innere Wurzelscheide an unversehrten Präparaten, die aus der starken Essigsäuremischung kommen, gewöhlich keine Spur. Sehr häufig hat es den Anschein, als wenn zwischen der inne- ren und der äusseren Wurzelscheide noch eine mittlere angenommen werden müsste, indem man die innere Scheide auf Querschnitten von einem Reif umgeben findet, welcher heller ist als seine Umgebung und ungefähr so diek wie die Glashaut. Dieser helle Reif ist aber nur ein Theil der äusseren Wurzelscheide, der durch ihre inneren Reihen abgeplatteter Zellen gebildet wird. Offenbar handelt es sich hier um eine Andeutung des Unterschieds zwischen einer Schleim- schicht und einer Hornschicht, der in der Oberhaut so deutlich aus- geprägt ist. 3. Das Haar. Um die bekannten Elemente des Haarschafts jeden Augenblick mit Leichtigkeit isoliren zu können, giebt es schwerlich ein beque- meres Mittel als mehrmonatliches Einweichen in kaustischem Ammo- niak. In dem physiologischen Laboratorium der Züricher Hochschule werden ursprünglich rothbraune Barthaare seit anderthalb Jahr in Liquor Ammonii caustiei aufbewahrt. Die Haare sind ganz weiss und undurchsiehtig geworden, zerfallen aber mit Leichtigkeit in ihre Elemente. Von den Öberhautplättchen ist gar nichts Neues zu berichten. Sie erscheinen, je nachdem das Ammoniak nur wenige Wochen oder wenige Monate auf die Haare eingewirkt hat, in wellenförmigen, schraffirten Säumen neben der Rinde oder aber in zierlicher Weise abgehoben und nach unten umgerollt, ganz so, wie es der Eine von uns früher als eine Folge der Behandlung mit 2- bis 5procentiger 346 Kalilauge beschrieben hat 1). Selbst nach anderthalbjähriger Mace- ration in Ammoniak blieben die Oberhautschuppen durchaus platt, ohne alle Andeutung einer Aufquellung zu Zellen, so dass man bei- nahe ‘daran verzweifeln möchte, dass eine solche durch die Einwir- kung von Alkalien zu erzielen sei. Kopfhaare, die über ein Jahr in 1/„procentiger Kalilauge aufbewahrt wurden, zeigen die Oberhaut- schuppen prachtvoll, in Dornen und Schuppen von der fest zusammen- hängenden Rinde abgelöst, aber die Schuppen sind Plättehen geblie- ben und nicht in Zellen zurückverwandelt (Fig. 9, Fig. 12). Die Rindenplättchen des Haares sind ausserordentlich leicht an den Haaren zu studiren, die anderthalb Jahr in Ammoniak gelegen haben. Wenn man die Haare ein wenig zerzupft, oder sie auch nur einem geringen Druck des Deckgläschens aussetzt, so findet man leicht zahlreiche Rindenplättchen, die auf ihrer breiten Fläche auf- liegen. Diese erscheinen unregelmässig rautenförmig. Der eine spitze Winkel ist in eine ziemlich lange Spitze ausgezogen, und diejenige der beiden kleineren Seiten, welche diesem spitzen Winkel nicht anliegt, also dem gegenüberliegenden spitzen Winkel angehört, ist nicht gerade, sondern aus zwei bis vier ungleich langen, spitzen Zacken zusammengesetzt (Fig. 10, b). Sehr häufig findet man in diesen Rindenplättchen einen deutlichen Kern, der einen kleinen, mässig dicken Cylinder darstellt oder ellipsoidisch ist. In der Länge messen die Rindenplättehen 0,05 bis 0,09, durch- schnittlich 0,07 Mm., in ihrer Breite 0,01 bis 0,028, durchschnitt- lich 0,018 Mm., in ihrer Dicke 0,004 bis 0,01, im Mittel 0,007 Mm. Sie sind also etwa viermal so lang als breit und reichlich 21/, mal so breit als dick. Sie sind mit ihren breiten Flächen viel fester zusammengekittet als mit den schmalen, und da die schmalen Flächen im Umfang der Rinde liegen oder ihr parallel sind, die breiten Flächen dagegen den Radien entsprechen, so kann man die Rinde leichter in der Richtung der Peripherie als in radialer Richtung zerlegen. Darum bekommt 1) Moleschott, in dieser Zeitschrift, Bd. IV, 8. 115, 116. 347 ch kürzerer Einwirkung des Aramoniaks so leicht zusammen- de Gruppen von Rindenplättehen, die sich alle von der schma- eite darbieten, und weil mehr solche auf einer schmalen Fläche ruhende Rindenplättehen der Reihe nach auf einander folgen, so ha- ben jene Gruppen ein faseriges Ansehen, das man desto leichter eine Zeit lang für den letzten Ausdruck der elementaren Struetur der Rinde halten konnte, da an den Enden der Gruppen gewöhnlich einzelne Plättchen wie Faserspitzen vorragen. Aus den Barthaaren, die anderthalb Jahr in ätzendem Ammoniak gelegen hatten. konnten wir die Markzellen in beliebiger Anzahl iso- liren. Die Grundgestalt derselben ist ein unregelmässiges Polyöder mit abgerundeten Ecken, das aber die verschiedensten Abwandlungen erleidet. Sie erscheinen daher unter dem Mikroskop bald rundlich, bald unregelmässig elliptisch, vieleckig, keilförmig, birmförmig, fla- schenförmig, an einer Ecke in eine kurze Spitze ausgezogen, oder auch mit mehren kurzen zackigen Spitzen besetzt (Fig. 11) 1). In der Regel enthalten die Zellen trotz der lange fortgesetzten Einwir- kung des Ammoniaks deutliche Kerne, die bisweilen ziemlich regel- mässig kugelförmig sind, häufig aber unregelmässige Gestalten zei- gen, die sich noch am ersten auf die Eiform zurückführen liessen. Günstig gelegene Kerne lassen in ihrem Inneren ein Kernkörperchen wahrnehmen. Ausser dem Kern enthalten die Zellen gewöhnlich einige, drei, vier, sechs und mehr glänzende Körperchen, die den Kernen an Grösse nachstehen, und eine feinkörnige Masse. Die Durchmesser der Markzellen schwanken von 0,02 bis 0,07 Mm.; das Mittel aus unseren Messungen ist 0,04 Mm. In den läng- lichen Markzellen verhält sich der grössere Durchmesser zum kleine- ren durehschnittlich wie 0,050 : 0,036 Mm., also etwa wie 10 : 7. Während die Rindenplättchen mit ihrem längsten Durchmesser zur Achse des Haarschafts immer parallel und die Oberhautplättchen senkrecht zu derselben gerichtet sind, ist die Lagerung der Mark- 1) Vergl. Moleschott, Physiologisches Skizzenbuch : Der Hornpanzer des Menschen, Fig. 8, S. 190. 348 zellen ganz unregelmässig. Um sich davon zu überzeugen, man am besten Haare, die nur ein Paar Wochen in Ammoniak legen haben. An diesen treten schon die Markzellen mit ihren U rissen durch die noch hinlänglich durchsichtige Rinde deutlich her- vor, und man findet von den länglichen Zellen bald den längeren, bald den kürzeren Durchmesser in der Richtung der Haarachse. Der letztere Fall ist jedoch der häufigere. Daraus, dass man sowohl in den Markzellen, wie in den Rin- denplättchen der in Ammoniak völlig aufgeweichten Haare so häufig Kerne findet, geht hervor, dass diese dem Ammoniak besser wider- stehen als die Kerne der Nagelplättchen. Denn schon wenn die Nagelplättehen in Ammoniak zu polyödrischen Zellen aufgequollen sind, fehlen die Kerne in der Regel oder es sind nur noch Trümmer derselben zu sehen 1). Für den unteren angeschwollenen Theil der Haarwurzel halten wir gerne an dem schon von Anderen gebrauchten Namen Haarkol- ben fest, weil diese Bezeichnung das richtigste Bild erweckt von der Gestalt, die dieser Theil besitzt. Die Papille ist gleichsam ein Zapfen, der durch den Boden in den Kolben hineingesteckt ist, und die Wan- dung des Kolkens so dick, dass zwischen ihr und der Papille kein freier Raum übrig bleibt, ganz ähnlich wie die Höhle einer Himbeere von dem weissen schwammigen Stengelzapfen ausgefüllt ist. In der Gegend, wo die Papille einen Durchmesser von 0,05 bis 0,075 Mm. besitzt, misst der Durchmesser des Kolbens, auf Quer- schnitten gemessen, 0,13 bis 0,185, im Mittel 0,16 Mm. Der Ring, den die eigentliche Haarsubstanz — ohne die innere Wurzelscheide! — um die Papille in der bezeichneten Höhe bildet, hat eine Dicke von 0,03 bis 0,06, durchschnittlich 0,047 Mm. Die Zellen des Haarkolbens lassen bis zur Spitze der Papille hinauf ‘keine Unterscheidung zu. Sie sind ziemlich regelmässig kugel- förmig, mit Kernen versehen, dunkler als die Zellen der Papille (vergl. S. 338) und noch nicht halb so gross. Ihr Durchmesser schwankt nämlich zwischen 0,004 und 0,008, das Mittel ist 0,006 Mm. 1) Vergl. Moleschott, in dieser Zeitschrift, Bd. IV, 8. 112. 349 Kölliker behauptet von der Haarwurzel, dass sie immer gerade sei 1); es darf aber nur heissen, dass sie in der Regel gerade ist. Wir haben in manchen Fällen die Haarwurzel mitsammt dem Haar- balg über dem Kolben geknickt gefunden und zwar in Schnitten, die senkrecht zur Hautfläche geführt waren und den unversehrten Haarbalg in natürlicher Lage enthielten. Immerhin bildet diese Knickung eine seltene Ausnahnıe. 1) Handbuch, 3. Auflage, S. 130. 350 Erklärung der Abbildungen. Alle Figuren beziehen sich auf Haare des Menschen, die des Haarbalgs auf Kopfhaar, die des Haarschafts auf Barthaar. Fig. 9 und 10a sind von Herrn Otto Oesterlen, Fig. 8, 10b und Fig. 12 von Herrn Moleschott nach der Natur gezeichnet, alle übrigen von Herrn Chapuis von Bonfol bei Porrentruy. Fig. 1. Kopfhaar mit seinem Balg in natürlicher Lage. a. Haarschaft, b. Haarwurzel. Innere Wurzelscheide, ihr Ende bei c!. Er) Aeussere Wurzelscheide. e. Uebergang der äusseren Wurzelscheide in das Malpighi’sche Schleimnetz, f. Haarbalg. g. Haarbalgmuskel. h. Talgdrüse. i. Oberhaut. kk. Lederhaut. 1. Fettzellgewebe, Fig. 2. Isolirter Haarbalg. a. Haar. b. Innere Wurzelscheide, Aeussere Wurzelscheide. Glashaut des Haarbalgs. Mittlere Haut des Haarbalgs. Aeussere Haut des Haarbalgs. Haarkolben. Durchschimmernde Papille. eam,y,p ms Fig. 3. a 2 m? 351 Isolirter Haarbalg, in welchem sich der Haarkolben vollständig von der Papille entfernt hat. Haarkolben. Innere Wurzelscheide. . Mittlere Haut des Haarbalgs. Aeussere Haut des Haarbalgs. e. Freiliegende Papille. Fig. 4. Fig. 5. Sen mo me Fig. 6. mR me ma.oe tale I u 2 Querschnitt durch Haar und Haarbalg in der Nähe der Oberhaut. Haar. Mark. Fettschicht zwischen Haar und äusserer Wurzelscheide. Aeussere Wurzelscheide. Mittlere Schicht des Haarbalgs. Querschnitt durch Haar und Haarbalg aus der Nähe der Insertion des Haarbalgmuskels. Haar. Innere Wurzelscheide, Aeussere Wurzelscheide. Glashaut. Mittlere Schieht des Haarbalgs. Aeussere Schicht des Haarbalgs. Querschnitt durch den Haarkolben, die Papille und den Haarbalg. Papille. Haarkolben. Innere Wurzelscheide. Glashaut. Mittlere Schicht des Haarbalgs. Aeussere Schicht des Haarbalgs. Elastische Fasern der mittleren Schicht des Haarbalgs. Glatte Muskelfasern eines Haarbalgmuskels. Haarschaft. Mark. Rinde, Oberhäutchen, 352 Fig. 10. Rindenplättchen des Haarschafts, a. auf einer ihrer schmalen Flächen, b. auf einer ihrer breiten Flächen aufliegend. Figur 11. Markzellen. Figur 12. Oberhautschuppen des Haarschafts. Fig. 1—8 sind nach Präparaten angefertigt, die über 2 Jahre in Moleschott's starker Essigsäuremischung gelegen hatten. Die Barthaare, nach welchen Fig. 9—12 gezeichnet wurden, waren mehre Monate in Liquor ammonii caustici eingeweicht. Zürich, 22. August 1860. XV. Kleine Mittheilungen aus dem k. k. physiologischen Institute in Pesth. Von Professor J. Czermak 1). 1. Um einem sehr zahlreichen Auditorium den Rhythmus und die Frequenz der Athemzüge, und den Einfluss der N. vagi auf dieselben bequem zu demonstriren, bediene ich mich eines mit gefärbtem Gummi- wasser gefüllten Manometers, dessen kürzerer Schenkel mit einem als Luftreservoir dienenden Glaskolben in Verbindung steht, durch den die In- und Exspirationsluft des dem Versuche unterworfenen Thieres streicht. Zunächst wird dem Thiere die Trachea eröffnet und eine Canüle eingebunden, sodann wird an die Canüle ein diekwandiges Kautschuckrohr gesteckt, welches die Verbindung mit dem Glaskol- ben herstellt. Mit jeder In- und Exspiration steigt und sinkt nun — Allen sichtbar — die gefärbte Flüssig- keit in den Schenkeln des Mano- meters. Der beigedruckte Holzschnitt versinnlicht den kleinen Apparat. K ein mittelgrosser Glaskolben, mit einem Kork verschlossen, durch welchen drei Glasröhren gesteckt sind. Die mittlere derselben, welche 1) Aus den Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften, vom Hrn. Verfasser mitgetheilt. 354 nahe bis an den Boden des Kolbens reicht, communieirt mit der At- mosphäre, an die beiden kleineren, links und rechts, sind diekwan- dige Kautschuckröhren gesteckt, von denen die eine mit dem Mano- meter (M), die andere mit der in die Trachea einzubindenden Canüle (©) in Verbindung steht. Wenn in Folge der Vagusdurchschneidung die Regelmässigkeit, die Frequenz und die Celerität der Athemzüge abnehmen, so kann es trotz der grösseren Tiefe derselben dazu kommen, dass die Schwan- kungen des Manometers zu gering ausfallen, um aus grösserer Ent- fernung deutlich gesehen zu werden, weil die Luft des Glaskolbens zu langsam aus- und eingepumpt wird, um eine hinreichende Druck- difterenz zu setzen. Dann braucht man aber nur die Oeffnung der mittleren Röhre, durch welche die Atmosphäre ein- und austritt, zu verengern oder zu verschliessen, um sofort wieder ausgiebige Schwankungen am Ma- nometer entstehen zu sehen. Würde das Luftreservoir hinreichend gross genommen, so könnte die Communication mit der Atmosphäre durch die mittlere Röhre ganz wegbleiben, und das mit einem Schwim- mer versehene Manometer sehr genaue Aufzeichnungen der Athem- bewegungen auf einem Kymographium entwerfen. Statt des abgebildeten Apparates habe ich übrigens zu demselben demonstrativen Zwecke an die in der Trachea eingebundene Canüle ein Pfeifchen befestigt, welches bei jeder Exspiration des Thieres einen Ton von sich gab, und auf diese Weise die Frequenz der Athemzüge dem ganzen Auditorium zu Gehör gebracht. Es versteht sich von selbst, dass das Pfeifehen leicht ansprechen muss und weder ein zu enges noch ein zu weites Lumen haben darf. Beiläufig sei hier erwähnt, dass ich in einem am 17. l. M. auf die beschriebene Weise angestellten Versuche ausnahmsweise sehr abweichende Resultate über den Einfluss der Vagi auf die Frequenz der Athemzüge erhalten habe. Das grosse trächtige Kaninchen machte einige Zeit, nachdem es auf dem Vivisectionsbrette befestigt worden war, 64 Athemzüge in der Minute. Nach Vollendung der Trache- otomie und Einbindung der Canüle wurde statt der gewöhnlichen Vermehrung, eine Verminderung der Athemzüge (56, später nur 32 355 in der Minute) beobachtet. Nach Durchschneidung beider Vagi am Halse, wurde der Rhythmus der Athmungsbewegungen zwar wie ge- wöhnlich etwas unregelmässig, dagegen fand nicht nur keine Ver- minderung der Frequenz, sondern, anfänglich wenigstens, eine Ver- mehrung (44 in der Minute) Statt. 2. Zur Versinnlichung der Druckverhältnisse im Thorax hat Donders bekanntlich einen eigenen Apparat angegeben (vergl. Lehrb. pag. 403). Ich habe diesen Apparat etwas vereinfacht und glaube durch die Mittheilung dieser Modification vielleicht manchem Lehrer der Physiologie einen trotz seiner Einfachheit nicht unwillkommenen Beitrag zur leichten Herstellung eines anschaulichen Collegium-Expe- rimentes zu liefern, Ich benütze zu diesem Zwecke denselben Kolben mit den drei luftdieht durch den Kork hindurchgesteckten Glasröhren, welcher, wie oben erwähnt, als Luftreservoir bei den Athmungsversuchen dient. Das untere Ende der mittleren Röhre (1) wird in die Trachea einer sammt dem Herzen und den grossen Gefässen ausgeschnittenen Ka- ninchenlunge eingebunden. Diese wird dann sammt dem Herzen durch den Hals des Kolbens in dessen bauchige Erweiterung, wo sie Raum hat, sich auszudehnen, hinabgeschoben und die Oeffnung des Kolbens mit dem Korke luftdicht verschlossen. Das Glasgefäss, in welchem nun die Lungen hängen, enthält Luft, nieht aber die Pleurahöhle. „Dies bedingt jedoch“, wie Donders in der Beschreibung seines Apparates a. a. O. mit Recht hervorhebt, „keinen wesentlichen Unterschied ; denn der Druck in einer geschlos- senen Höhle muss nach der Spannung gemessen werden, welcher die Luft in einer solehen Höhle ausgesetzt ist.“ Mit diesem einfachen Apparate, zu welchem noch zwei mit ge- färbtem Wasser gefüllte Manometer gehören, lassen sich folgende Sätze demonstriren : a) dass die Lungen ihrer Ausdehnung und Lufterfüllung einen be- deutenden Widerstand entgegensetzen ; b) dass die ausgedehnten Lungen einen beträchtlichen Druck auf die in denselben emgeschlossene Luft ausüben ; ec) dass die Innenfläche der Brust und die extrapulmonalen Organe © er En bi 356 in Folge der Retracetilität der elastischen Lungen einem niedri- geren Drucke unterliegen (Donders). Ada). Man befestige sowohl an die "mittlere (1) als an die kleine Röhre rechts (2) durch diekwandige Kautschuckröhren je ein Manometer und sauge durch die Röhre links (3) die Luft zwischen Kolben und Lungenoberfläche heraus. In beiden Manometern wird die Flüssigkeit im kurzen Schenkel steigen, weil der Druck im Kol- ben nun nicht mehr eine ganze Atmosphäre beträgt. Der Manometer, welcher mit dem Raume zwischen Lunge und Glaswand ecommunieirt, wird jedoch eine weit beträchtlichere Druck- differenz anzeigen, als jener, welcher mit der Lunge in Verbindung steht. Würden die Lungen ihrer Ausdehnung keinen Widerstand entgegensetzen (der übrigens, wie sich zeigen lässt, mit der Ausdeh- nung derselben mehr und mehr wächst), so müssten beide Manometer offenbar dieselbe Druckdifferenz anzeigen. Der Unterschied der beiden Druckdifferenzen kommt eben auf Rechnung des elastischen Widerstandes der Lungen. Ad b). Saugt man dureh die Röhre (3), während die Röhre (2) zugehalten wird, die Luft aus dem Kolben, so dringt die atmosphä- rische Luft dureh die mittlere Röhre (1) in die Lungen ein und dehnt dieselben aus. Wird nun ein Manometer mit der Röhre (1) in Verbindung ge- setzt und hierauf, wenn das Gleichgewicht hergestellt ist, der ver- schliessende Finger von der Röhre (2) entfernt, sö steigt die Flüs- sigkeit im längeren Schenkel des Manometers, indem die Lunge ihrer Gleichgewichtslage zustrebt und dureh ihre elastische Zusammenzie- hung die in ihr enthaltene Luft zusammendrückt. Ad e). Befestigt man das Manometer an die Röhre (2) und bläst die Lunge durch die mittlere Röhre (1) langsam auf, so wird ein Theil der im Kolben enthaltenen Luft durch die offene Röhre (3) austreten, ohne dass das Gleichgewicht im Manometer gestört wird, jedenfalls stellt sich dasselbe alsbald her, wenn die Lunge in einem bestimmten Grade der Ausdehnung erhalten wird. Schliesst man nun die Röhre (3) durch den aufgelegten Finger luftdieht ab und entfernt die Lippen von der Röhre, durch welche man die Lunge x ” vi 357 aufgeblasen, so steigt die Flüssigkeit in dem kurzen Schenkel des Manometers augenblicklich sehr bedeutend. Die Spannung der Luft im Kolben beträgt nämlich nun nicht mehr eine ganze Atmosphäre, indem die elastische Retractilität der ausgedehnten Lungen einen Theil des atmosphärischen Druckes trägt. In dem Raume zwischen Glaswand und Lunge, welcher dem extrapulmonalen Raum des Thorax entspricht, befindet sich bei dieser Anordnung des Versuches, gerade wie in der Natur, das Herz mit den grossen Gefässen. Jenes und diese stehen somit unter demselben geringeren Drucke, wie die Innenfläche der Brust (Glaswand). Bindet man das untere Ende der Röhre (2) in eine der grossen Venen ein, so kann man die aspirirende Wirkung der Lungenretracti- lität auf den venösen Kreislauf ad oculos demonstriren, 3. Zur Befestigung der Kaninchen für Vivisectionen bediene ich mich eines länglich-viereckigen Brettes, in welchem nahe am Rande 7 Bohrungen in dieser Sr Anordnung angebracht sind, in denen Gei- genwirbel ähnliche Holzstücke stecken, die durch seitliche Stellschrau- ben fixirt werden können. An jedem dieser Wirbel ist ein starker, mit einer zuziehbaren Schlinge endender Bindfaden befestigt, der durch die Drehung des Wirbels aufzuwickeln und beliebig zu ver- kürzen ist. Die Schlingen der sechspaarigen Fäden werden um die Gelenke der vier Extremitäten und um die Basis der Ohren fest zu- gezogen. Die einfache Schlinge des siebenten Fadens, welcher an dem unpaaren Wirbel in der Mitte der schmalen oberen Seite des Brettes befestigt ist, kommt hinter die Schneidezähne des Oberkiefers (bei Katzen hinter die Eckzähne) zu liegen, so dass man den Hals des Thieres nach Bedürfniss strecken und über ein untergelegtes Kissen spannen kann. Dieses Visiseetionsbrett empfiehlt sich so sehr durch Billigkeit und Bequemlichkeit, dass ich es mir nicht versagen konnte, dasselbe hiermit jedem Experimentator zu empfehlen. 4. Hr. Balogh, stud. med., hat sich, auf meine Veranlassung, mit einer Nachuntersuchung der interessanten, in Brücke's Laboratorium gemachten Entdeckungen von Brettauer und Steinach über die Struetur der hyalinen Säume der Epithelialzellen der Darmschleimhaut MOLESCHOTT , Untersuchungen VII, 25 358 bei Kaninchen, Hunden und Ascariden zu beschäftigen begonnen und dürfte seiner Zeit selbst hierüber berichten. Vorläufig mag nur erwähnt werden, dass wir die Angaben von Br. und St. bereits in einigen wesentlichen Punkten vollkommen be- stätigen konnten; namentlich: 1. die wechselnde Dicke der Säume (obschon ohne eine ausnahmslose Beziehung zu gewissen physiologi- schen Zuständen des Darmes), und 2. ihre deutliche Zusammensetzung aus stäbehenförmigen, isolirbaren Körperchen, welche durch ihre regel- mässige Aneinanderreihung Porenkanäle vortäuschen. Bei Ascaris vom Schwein wurden diese Verhältnisse ausserordentlich leicht und schon bei geringerer Vergrösserung sehr deutlich gesehen. Von der Leichtigkeit aus dem Ascaridendarm gute Präparate zu bekommen, hatten mich Br. und St. schon im vorigenWinter überzeugt. 5. Mein Assistent, Herr Basslinger, bemerkte vor einigen Wochen an der (Cardia eines ausgeschnittenen Kaninchenmagens schr eigenthümliche rhythmische Zusammenziehungen, welche mich in ge- wisser Beziehung an die von Leuekart, Lereboullet.u. A. bei Insekten, Krebsen und Räderthierchen beobachteten rhythmischen Bewegungen am Verdauungsapparat erinnerten. Diese Bewegungen oder Pulsationen der Cardia fehlen häufig ganz, zuweilen treten sie jedoch sehr energisch auf und dauern, mehr oder weniger regelmässig ıhythmisch, längere Zeit an. Mechanische Reizung der Cardia löst dieselben zuweilen noch schr leicht aus, wenn dieselben nicht mehr von selbst eintreten, auch das Zusammen- drücken des Magens, wodurch der Speisebrei gegen die Cardia ge- drängt wird, thut dies. Am unausgeschnittenen Magen treten ähnliche Einziehungen der Cardia, wie sie am ausgeschnittenen Magen zuweilen automatisch und ıhythmisch zu Stande kommen, mit jeder Schlingbewegung auf. Am schönsten und längsten wurden bisher diese eigenthümlichen und mannigfachen Bewegungen der Cardia an ausgeschnittenen ge- füllten Mägen von Kaninchen beobachtet, die in voller Verdauung und Resorption begriffen waren. Weitere Beobachtungen sollen die Bedingungen für das Zustande- kommen der spontanen Pulsationen der Cardia des Kaninchenmagens feststellen. XVl. Rhythmische Zusammenziehungen an der Cardia des Kanin- chenmagens (Cardiapuls). Von J. Basslinger, Assistent der physiologischen Lehrkanzel in Pesth 1). Ich habe, wie Herr Professor Czermak bereits mitzutheilen die Güte hatte 2), rhythmische (pulsähnliche) Bewegungen an der Oardia des Kaninchenmagens beobachtet. Da diese Erscheinung bei den zahl- reichen’ Viviseetionen in unserm physiologischen Institute seither der Gegenstand beständiger Aufmerksamkeit gewesen ist, so will ich am ‚Jahresschlusse das reichlich vorliegende Material vorläufig zusammen- fassen. Wenn man am aufgeblasenen oder durch seinen Speiseinhalt gespannten Kaninchenmagen die dem Zwerchfall zugekehrte Fläche (die kleine Curvatur) näher in’s Auge fasst, so sieht man ‘beiläufig in der Mitte des Magens, also nach rechts von dem mächtig nach auf- wärts ragenden Fundus einen kuppelförmig nach oben gewölbten Theil, in dessen Mitte sich der Oesophagus mit einer kleinen Erwei- 1) Aus den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften, vom Herrn Verfasser mitgetheilt. 2) Kleine Mittheilungen aus dem k. k. physiologischen Institute in Pesth. Im vorliegenden Bande dieser Zeitschrift S. 358. 25 * 360 terung einsenkt. Wir wollen diese Wölbung von elliptischem Quer- schnitt, deren lange Achse mit dem Querdurchmesser des Magens zusammenfällt, die „Cardiakuppe“, jene geringe Erweiterung des Oesophagus die „Oesophaguswurzel“ (bulbus oesophagi) nennen. Auf sie folgt, durch eine geringere Ausbuchtung und ein darauf folgendes flaches Stück der Magenwand getrennt, die durch ihre Diekwandigkeit ausgezeichnete „Pyloruskuppe.“ Oeffnen wir nun an einem in voller Verdauung begriffenen Ka- ninchen rasch die Bauchhöhle, schneiden den Magen heraus, so dass ein 2 bis 3 Linien langes Stück des Oesophagus daran erhalten bleibt und lassen ihn ruhig auf einer Unterlage liegen. Der Magen bleibt um seinen Inhalt meist fest und gleichmässig eontrahirt, nur der Oeso- phagusstumpf macht gewöhnlich gewisse drehende oder seitliche Be- wegungen, die wir gleich näher beschreiben wollen. Nach kurzer Zeit (1/, bis 2 Minuten) bemerkt man aber die Erscheinung, dass die Cardiakuppe, der rings um den Oesophagus sich aufwölbende kuppel- förmige Theil, mit einer gewissen Vehemenz sich abplattet und tief gegen die Höhle des Magens einzieht, als ob die Oesophaguswurzel sich gleich- sam in den Magen hinein schöbe. Diese Bewegung, wobei die Cardia- kuppe wie ein Pumpenstempel auf den Mageninhalt drückt, erfolgt bald senkrecht nach abwärts, bald mehr mit Neigung nach der einen oder andern (rechten oder linken) Seite, ganz gewöhnlich ist damit auch eine Drehung des Oesophagusstumpfes um seine Längsachse ver- bunden. Hierauf wird der eingezogene Cardiatheil wieder in seine Gleichgewichtslage zurückgeschnellt und zwar gleichfalls mit einer ge- wissen Vehemenz (activ? passiv? ?), so dass allenfalls eine hingehaltene Borste dadurch gebogen wird. Wir wollen diese Erscheinung, die im Beginn meist schwächer, später an Intensität zunehmend, nun in un- regelmässigem Rhythmus durch längere Zeit wiederkehrt, als „Cardial- puls“ bezeichnen. Der Oesophagus ist dabei durch eine ganz beson- dere (und wie es scheint, unabhängige?) Beweglichkeit ausgezeichnet, indem er gewöhnlich unausgesetzt ziemlich rasche seitliche (pendelnde) Bewegungen ausführt, so dass er mit seinem abgeschnittenen Ende gleichsam herumtastet (besonders in den Zwischenpausen sehr deutlich), oder er kann auch gestreckt werden, oder es treten im Bulbus sehr 361 rasche selbständige vom Cardiapuls ganz unabhängige Pulsationen auf, in seltenen Fällen sieht man ihn ganz schlaff herabhängen, während der Cardiatheil seine tiefen Einziehungen ausführt. Der übrige Magen bleibt entweder gleichmissig um seinen Inhalt eontrahirt oder es wälzt sich, als Fortsetzung der Oardiaeinziehung, eine peristaltische Woge gegen den Pylorus hin, die aber dann immer an der kleinen Curvatur am deutlichsten ausgedrückt ist. Dabei scheint die (ardiamündung ‚fest verschlossen zu sein, denn es fliesst durch sie nichts aus. (Nur später, wenn die Reizbarkeit bereits erschöpft wird, und besonders bei flüssigerem Mageninhalte, sieht man zuweilen etwas austreten; dagegen ist es nicht ganz selten, dass man durch den Pylorus etwas Magen- inhalt austreten sieht.) Zuweilen geht sehr regelmässig der Einziehung der Cardiakuppe eine Zusammenziehung der Kreisfasern des Oesopha- gus, zuweilen jedem Cardiapuls ein schwacher Ruck am Pylorus voraus. Dasselbe Phänomen, das wir am ausgeschnittenen Magen jetzt kennen gelernt haben, bemerkt man häufig (obwohl seltener), wenn man den Magen einfach blosslegt. Also wenn man die Bauchhöhle eröffnet und den kleinen unmittelbar die Cardia deekenden Leberlappen nach Ablösung seiner Peritonealfalte mit einem Scalpellhefte sorg- fältig zurückbiegt, natürlich ohne den Magen weiter zu berühren, so kann man die Cardia frei übersehen und sieht häufig Bewegungen, welehe den vorher beschriebenen in ihrer Erscheinungsform ganz ähn- lich sind 1). Dass dabei der Magen gleichzeitig die respiratorischen Bewegungen des Zwerchfells mitmacht, wird Niemanden in Irrthum führen. Es ist übrigens zu bemerken, dass am ausgeschnittenen Magen die Oardiabewegungen weit sicherer und weit intensiver entstehen als am einfach blossgelegten, und dass sie meistel dann, wenn sie am blossgelegten nicht auftreten, durch's Ausschneiden hervorgerufen werden. Die cardiale Einziehung, die unter der früher genannten Bedin- gung spontan auftrat, ist ein integrirender Theil jedes Schlingacts, 1) Es versteht sich von selbst, dass ich auf diese Form weiter kein Gewicht lege, da sie, wie wir gleich sehen werden, eben so gut eine Reihe spontaner Be- wegungen als leerer Schlingacte sein kann. 362 d.h. die Form, in der der in den Magen hineinverlaufende Schlingaet sich abschliesst, ist eine einzelne solche Niederdrückung des Cardia- theils. Man kann sich davon leicht überzeugen, wenn man das Thier, während man die Cardia beobachtet, zu Schlingbewegungen nöthigt (z. B. indem man durch einen Gehülfen mittelst der Spritzflasche etwas Wasser in die Mundhöhle blasen lässt). Es ist, wie wenn beim Schlingaet der Oesophagus gleichsam in den Magen hineingeschlungen würde. Vor wenig Tagen (16. Juli) machte ich die überraschende Beobachtung, dass, wenn einzelne solche Schlingbewegungen hervor- gerufen wurden, der Bulbus oesophagi (während die Cardia selbst ganz ruhig blieb) sehr kleine und ausserordentlich rasche pulsatori- sche Regungen zeigte (ähnlich den raschen Bewegungen des Kanin- chenherzens). Die spontane Bewegung des ausgeschnittenen Magens ist, wenn sie zuweilen nicht oder nicht mehr auftritt, durch Reize hervorzurufen. Und zwar sowohl durch mechanische Reize (Berührung mit der Pin- zette, seitliches Zusammendrücken des Magens), als ganz besonders durch den unterbrochenen Inductionsstrom des Du Bois’schen Magnet- Elektromotors. Hat man eine Weile gereizt, so erfolgen dann häufig wieder spontane Bewegungen. Nach dem bekannten Versuche, dass das ausgeschnittene und still gestandene Herz in Wasser von 37° wieder zu schlagen beginnt !), wurde auch der Magen, der freilich sehr bald erkaltet, in laues Wasser gelegt. Jedoch nur in Einem Falle (23. März), da ein solcher Magen sehr zahlreiche und intensive Pulsationen gezeigt hatte, traten, als er 15 Minuten nach dem Aus- schneiden in laues Wasser kam, drei starke spontane Oontractionen auf, und zwar (wie die später anzuführenden Zahlen erweisen) mit etwas rascherem Rhythmus als vorher. In den beiden anderen Fällen wurde durchaus keine spontane Üontraction angeregt, obgleich die 1) Beiläufig will ich hier erwähnen, dass dieser von Budge (Wagner’s Hand- wörterbuch, III. Band) beschriebene Versuch schon Albrecht von Haller be- kannt war, der ihm in seinen „Anfangsgründen der Physiologie des menschlichen Körpers“ (aus dem Lateinischen übersetzt von Joh. Samuel Haller, 1759, I. Bd., S. 892) einen eigenen Abschnitt widmet. 363 Reizbarkeit erhalten blieb, so dass wir in den 5 Minuten, da er im Wasser lag, 7 Cardia-Einziehungen auf Reiz auszulösen im Stande waren. Es wurden diese Bewegungen bisher nur an Thieren mit speise- gefülltem Magen (im Zustande der Verdauung) beobachtet; war das Thier hungernd oder der Mageninhalt abnorm flüssig und reichlich mit Gas gemischt, so trat in der Regel kein Cardiapuls ein, sondern allenfalls gewisse pendelnde oder drehende Bewegungen des Oeso- phagus, oder doch nur ganz wenige und schwache Pulsationen, doch waren sie auf mechanischen Reiz immer einzeln hervorzurufen. So wurde (am 21. März) am ausgeschnittenen Magen eines weiblichen seit mehr als 24 Stunden hungernden Kaninchens fast gar kein Uardia- puls beobachtet, sondern nur jene Pendelbewegungen des Oesophagus. — Wurde indessen das Thier gefüttert, so sind die Cardiapulse des ausgeschnittenen Kaninchenmagens ein sehr constant auftretendes Phä- nomen, und ich habe sie in der letzteren Zeit in keinem Falle mehr vermisst. Es giebt zwar allerdings auch negative Fälle, wo der Magen gleichsam in einen torpiden Zustand versunken erscheint und ohne Spur der spontanen Bewegung abstirbt. Aber unter unseren aufge- zeichneten Fällen sind das fast immer solche, wo zugleich andere evi- dente Unregelmässigkeiten nachzuweisen waren. So trat (17. März) an einem trächtigen Kaninchen, dem vorher beide Vagi am Halse durchschnitten wurden, durchaus kein Cardiapuls auf. Es ist dies aber dasselbe Thier, das Herr Professor Czermak wegen der Un- regelmässigkeit seiner Respirationserscheinungen in jenen „Mittheilungen“ erwähnt (die Respiration stieg nach beiderseitiger Vagusdurchschneidung auf 44). -Ein zweiter direet negativer Fall begegnete uns am 22. März. Es war ein grosses trächtiges Weibchen; Darm leer, Chylus- gefässe nicht injieirt, der Magen schlaff, äusserlich an einer eircum- seripten Stelle mit Exsudat bedeckt, flüssiger mit Speisen gemengter Inhalt und sehr viel Gas, nach dessen Entleerung er beträchtlich col- labirte, u. s. w. Ueber Beginn, Zahl, Rhythmus und Andauer der Bewegungen will ich, nach den vorliegenden Zeitmessungen, im Allgemeinen nur angeben, dass sie in der Regel 1/,—2 Minuten nach dem Ausschneiden 364 beginnen, nach 15—30 Minuten erlöschen, und dass ihre Zahl in der ersten Zeit gewöhnlich grösser ist, später werden sie intensiver und nehmen dafür an Zahl ab. Das Nähere mögen die folgenden Bei- spiele zeigen, die ich aus der grossen Zahl der aufgezeichneten Beob- achtungen als die exquisiteren aushebe: a) Kleines weibliches Kaninchen (23. März). Magen ausgeschnitten 10h 55m 57 58 59 17 °0 o oovomnu w 1 1 11 85 28 | | 1 | schwächere Cardiapulse, dazwischen immer pen- delnde Bewegungen des Oesophagusstumpfes. starke Cardia-Contraetionen, denen immer eine Zusammenziehung der Kreisfasern des Oesophagus voranging, und zwar diesmal mit besonderer Regelmässigkeit. sehr intensive Cardia-Contractionen. in HO von 32° R. eingelegt. noch drei starke Cardia-Contractionen, und zwar mit etwas rascherem Rhythmus als vorher. Es waren also im Ganzen 32 Pulsationen erfolgt, 16 schwächere und hierauf 16 stärkere, das Phänomen hatte nach Ausschneidung des Magens über 16 Minuten angedauert, durch laues Wasser sich be- schleunigt. 365 b) Kleines männliches vorher gefüttertes Kaninchen (30. März). Bauchhöhle geöffnet 12h 11m 10 E Ei | Cardia - Einziehungen vor Ausschneidung des 14 18 \ Magens. Magen ausgeschnitten — 16 12 von 16 40 bis 1740 | von 17m 40s bis 18 40 7 Cardia-Einziehungen. Dann einzelne Cardia-Ein- ziehungen um: 18 45 14 Cardia-Bewegungen. 19 30 21 38 22 38 24 0 Ende des Versuches 30 50. c, d, e) An einem weiblichen Kaninchen mit prachtvoller Chylus- Injeetion und gut gefülltem Magen (6. Mai) trat schon 10 Secunden nach dem Ausschneiden der erste Cardiapuls auf, und es waren deren je in der Minute: 7, 3, 1, 2, 2, 2, 2, 2. Hier ging jedem Cardiapuls sehr regelmässig eine Contraction des Pylorus voraus. — Ein grosses trächtiges Kaninchen nach Durchschneidung beider Vagi am Halse (15. März) gab in 2" 53* 9 Pulse, und zwar in Zwischenräumen von: 0, 15, 20, 25, 7, 13, 20, 53,20 Seeunden. — An einem kleinen männ- lichen Kaninchen (14. März) wurden durch 5 Minuten je 4, 3, 2, 2,2 Pulsationen in der Minute gezählt. Es sind die pulsirenden Bewegungen der Cardia bisher ausschliess- lich an Kaninchen beobachtet worden. Es liegen vier Versuche an Hunden vor, aber niemals zeigte sich eine Spur davon, selbst nicht nach Einspritzung von Reizmitteln in den ausgeschnittenen Magen oder nach vorheriger Verabreichung von Brechmitteln.. So hatte ich (3. April), um den Einfluss der Brechmittel auf die Magencontraction und speciell den etwa dadurch angeregten Cardiapuls am Hunde zu studiren, einem saugenden Hündcehen etwa 4 Drachmen eines ziemlich eoncentrirten Infus. Ipecaeuanhae (ex drachm. 3 — une. 3) durch den Oesophagus eingespritzt und als nach !/, Stunde der erste Brech- anfall eintrat, die Bauchhöhle rasch geöffnet. Im Einklang mit Ma- gendie's bekannten Beobachtungen blieb das Erbrechen absolut si- stirt; es zeigte sich aber auch hier kein Cardiapuls, vielmehr lag der 366 Magen schlaff und erweitert da, ausser dass über seine vordere Fläche manchmal eine geringe wellenförmige Bewegung verlief. Auch nach- her am ausgeschnittenen Magen wurde nichts bemerkt. Gleiches nega- tives Resultat an einem Zeisig. Nur an einer Katze bekam ich einmal die Andeutung eines Cardiapulses. Bezüglich des Ursächlichen dieser Bewegungen lässt sich so viel mit Sicherheit sagen, dass die motorischen Erreger nicht in der Vagus- bahn liegen, da sie gerade dann am schönsten und intensivsten auf- treten, wenn der Magen herausgenommen ist. Die hier wahrschein- lich zu suchenden Ganglien, deren besondere Vertheilung, die etwaige Gegenwart eines Hemmungsnervensystems müssen den Gegenstand künftiger Untersuchungen bilden. XV. Kleine Mittheilungen aus dem k. k. physiologischen Institute in Pesth. Von Prof. J. Czermak !). (Zweite Reihe.) 1. In der ersten Reihe von „Mittheilungen aus dem k. k. phy- siologischen Institute in Pesth“ 2) habe ich sub 1 angegeben, dass ich mich eines mit gefürbtem Wasser gefüllten Manometers bediene, um einem zahlreichen Auditorium den Rhythmus und die Frequenz der Athemzüge und den Einfluss der Nn. vagi auf dieselben zu demonstriren. Nachträglich bemerke ich hiezu, dass ich dem gefärbten Wasser stets so viel Gummi arabieum oder Zucker oder Glycerin zusetze, dass die Flüssigkeit mässig dieklich wird und stärker am Glase ad- härirt, weil die eigenen Schwankungen der leichtflüssigen reinen Wassersäule grosse Unrichtigkeiten in die Beobachtung einführen. Hat man hingegen den richtigen Grad von Zähflüssigkeit ge- troffen, so wird man sich überzeugen, dass die Schwankungen im Manometer Frequenz und Rhythmus der Athemzüge so genau wieder- geben, dass es sich lohnen würde, dieselben graphisch zu fixiren. 2. Ueber den Einfluss der Vagusdurchschneidung auf die Lage des Herzens. 1) Aus den Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften, vom Herrn Verfasser mitgetheilt. 2) Im vorliegenden Bande dieser Zeitschrift, 8. 353. 368 Die Akupunetur des Herzens ist bekanntlich ein sehr geeignetes Verfahren, um gewisse Verhältnisse des Herzschlages anschaulich zu machen. Stösst man bei Kaninchen eine Nadel durch einen Inter- eostalraum, in welchem man den Herzstoss deutlich fühlt, bis in’s Herz, so macht das äussere Nadelende in vergrössertem Maassstab und in entgegengesetzter Richtung alle Bewegungen und Lagenverände- rungen mit, welche der angestochene Herzpunkt gegen den Punkt der Thoraxwand ausführt, in dem die Nadel steckt. Ich habe nun wiederholt die Beobachtung gemacht, dass sich die Neigung der idealen ruhenden Mittellinie, um welche die Nadel oseillirt, alsbald merklich ändert, wenn man beide Vagi am Halse durchschneidet, und zwar habe ich mehrfach gesehen, dass die ruhende Mittellinie, wenn sie im Beginn des Versuches senkrecht auf der Tho- raxwand stand, kurze Zeit nach der Vagusdurchschneidung — beson- ders wenn einige tiefe krampfhafte Respirationsbewegungen eingetreten waren — eine deutliche Neigung gegen den Kopf des Thieres be- kam, so dass der obere Winkel zwischen ihr und der Thoraxwand spitziger, der untere stumpfer wurde. Aus dieser veränderten Neigung der oscillirenden Nadel ist auf eine solche Lagenveränderung des angestochenen Herzpunktes gegen den durchstochenen Punkt der Thoraxwand in Folge der aufgeho- benen Vaguswirkung zu schliessen, dass der erstere gegen den letzteren nach abwärts rückt. Da die Vagi sowohl auf die Herz- als auf die Athmungsbewe- gungen Einfluss haben, so wage ich es vorläufig noch nicht, einen Versuch zur Erklärung dieser auffallenden Erscheinung und ihres eigentlichen Zusammenhanges mit der Aufhebung der Vaguswirkung zu machen. 3. Ueber die Wirkung des Atropins auf die Iris, Dass das Atro- pin den sphineter üridis lähmt, wird mit Recht allgemein als bewiesen betrachtet; ob das Atropin hingegen auf den dilatator pupillae ver- kürzend wirkt, wird jedoch — obgleich durch de Ruiter’s 1) Ex- perimente und manche anderen Beobachtungen sehr wahrscheinlich 1) De actione Atropae Belladonnae in iridem. Diss. Utrecht. 1853. 369 gemacht — so lange bezweifelt werden können, als hiefür nicht un- zweideutigere Beweise beigebracht sind, denn bisher. De Ruiter sagt ]. c. pag. 34: „Unum tantum experimentum irritationem dilata- „toris vero similem reddere videtur. Nimirum irritatione galvanica ad „oeulum animalis viventis applieata, contractionem utriusque musculi „iridis effici constat, praeponderante museulo sphinetere, ita ut pu- „pillae contraetio sequatur. Aliquantum temporis post mortem, dimi- „nuta sphineteris magis qjuam dilatatoris irvitabilitate, irritationem gal- „vanicam dilatatio sequi potest. Ita saepissime fit in eunieulis. My- „driatico autem applicato, margo semper sat notabilis iridis superest. „Si hoc in statu contractio tantum normalis adesset musculi dilatatoris, „major etiam hujus contractio, pupillae dilatationem augens, expeetanda „foret e stimulo galvanieo applieato. Quae quum non sequatur in „eunieulo vivo, videtur sola instillatione belladonnae jam maximum „eontraetionis gradum attigisse musculus dilatator.“ Hiergegen ist jedoch einzuwenden, dass der Dilatator, sowie der Sphineter durch das Atropin möglicher Weise seine Erregbarkeit ein- gebüsst haben konnte, und dass nur deshalb keine Erweiterung der Pupille erfolgte, als der elektrische Reiz applieirt wurde, und nicht, weil der Dilatator durch das Atropin in sein Verkürzungsmaximum versetzt wurde! Ferner hätte, um jenen Schluss bindender, zu machen, wenig- stens durch Messungen an einem und demselben Auge oder durch Mittelzahlen der Beweis geliefert worden sein müssen, dass die Pu- pillenweite durch die Atropininstillation ihr Maximum erreicht. Um die vorliegende Frage, welche in mehrfacher Beziehung wichtig und interessant erscheint, einer entscheidenden Lösung ent- gegen zu führen, verfiel ich auf den Gedanken, bei eben getödteten Kaninchen nach rascher Entfernung der Cornea den sphincter iridis ganz auszuschneiden und die nur noch aus den Elementen des Stro- ma's und des Dilatators bestehende Iris der direeten Einwirkung des Atropins auszusetzen, denn trat unter diesen Umständen die gewohnte Atropinwirkung auf die Pupille dennoch ein, so konnte sie nur als auf einer activen Oontraction des Dilatators beruhend angesehen wer- den, wenn man sie nicht etwa gar für eine (noch viel paradoxere) passive Quellungserscheinung erklären wollte, 370 Diesen Gedanken hat zwar schon Kölliker 1) ausgeführt, um den directen experimentellen Beweis zu liefern, „dass die Iris radiäre Muskelfasern besitzt und dass dieselben auf eine Reizung des Sympa- thieus sich eontrahiren.“ Auch hat er schon versucht den Dilatator unter diesen Umständen durch Atropin in Action zu versetzen — bis dahin jedoch ohme Erfolg. Durch dieses negative Resultat Kölliker’s liess ich mich jedoch nicht abschreeken, abermals: diesen Weg, welcher jedenfalls der ebenste und geradeste ist, einzuschlagen, indem Kölliker nur an 3 Kaninchen experimentirte und wahrscheinlich die Atropininstillation erst nach Beendigung der ihn zunächst beschäftigenden elektrischen Reizversuche vornahm, ohne vielleicht die etwa langsam eintretende Zusammenziehung des Dilatators hinreichend lange Zeit abzuwarten. Vielleicht auch war die Erregbarkeit des Dilatators schon erschöpft. Um ganz sicher zu gehen, ordnete ich die Versuche, welche ich vor Kurzem in dieser Richtung gemeinschaftlich mit meinem Freunde Dr. Hirschler und mit meinem Assistenten Dr. Balogh anstellte, folgendermaassen an. Zuerst wurden die Kaninchen (meist Albino’s) mit einem hacken- artigen Messer auf einen Hieb decapitirt; dann wurde der abgeschla- gene Kopf — nachdem die Haut gespalten und das Schädeldach in der Medianlinie durchsägt war — mit jenem hackenartigen Messer halbirt; endlich wurden beiderseits die Cornea und der sphincter iridis gänzlich- abgetragen und die Durchmesser der ausgeschnittenen Pupillen mit dem Zirkel direet gemessen. Diese Vorbereitungen bemühten wir uns durch Theilung der Arbeit mit möglichster Raschheit in wenigen Minuten zu beenden, so dass die fertig hergerichteten Kopfhälften noch deutlich warm an- zufühlen waren, als auf das eine Auge — und es wurde absichtlich meist jenes Auge gewählt, dessen ausgeschnittene Pupille zufällig etwas kleiner ausgefallen war — eine starke Atropinlösung (2 Gran schwefelsaures Atropin auf 1 Drachme destillirtes Wasser), und gleich- zeitig auf das andere reines destillirtes Wasser gebracht wurde. 1) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, 1855, Bd. VI, pag. 143. 371 Diese letztere Anordnung — nämlich : in das andere ganz gleich vorgerichtete Auge bloss destillirtes Wasser zu bringen, hielt ich für nöthig, um beide Augen bis auf das Atropin, welches in destillirtem Wasser gelöst ist, genau unter dieselben Bedingungen zu bringen, damit das bloss mit destillirtem Wasser überströmte Auge einen Maass- stab abgeben könnte, bis zu welchem Durchmesser sich die des Sphineters beraubte Pupille in Folge der einfachen passiven Retraeti- lität des Dilatators erweitert. In mässigen Zwischenräumen wurden immer wieder neue Portio- nen der Flüssigkeiten auf die Augen gebracht, so dass eine Schichte derselben Iris und Linse stets bedeckte und das Vertrocknen und Verkleben der Theile hinderte. Von Zeit zu Zeit wurden die Pupillendurehmesser mit dem Zir- kel bestimmt. Nach der Decapitation waren beide Pupillen, wie bekannt, meist stark verengt und bei Albinokaninchen kann man die Breite des Sphineters ziemlich deutlich von blossem Auge sehen, so dass es un- schwer gelang, denselben vollständig abzutragen. Nichtsdestoweni- ger habe ich nachträglich den ausgeschnittenen natürlichen Pupillar- rand, als auch die zurückgebliebene Iris — nach Behandlung mit verdünnter Essigsäure — genau mikroskopisch untersucht, um mich über das Gelingen der totalen Ausschneidung des Sphineters zu vergewissern. Nach der Ausschneidung des Sphincters, auch wenn sie nicht ganz vollständig gelungen ist, werden -die Durchmesser der Pupille sofort beträchtlich grösser und nehmen auch in dem bloss mit destil- lirtem Wasser behandelten Auge noch längere Zeit hernach ganz all- mälig zu, während die Iris an Breite abnimmt. In dem Auge, welches mit Atropinlösung befeuchtet wird, neh- men die Durchmesser der Pupille jedoch nicht nur beträchtlich rascher zu — besonders auffallend ist diese raschere Zunahme, wenn sie, wie meistens geschieht, in einem der schrägen Durchmesser auftritt, — sondern erreichen auch constant eine schon dem blossen Auge merk- liche bedeutendere Grösse als in dem mit purem destillirten Wasser behandelten Auge. 372 Hierzu kommt noch, dass die Iris des mit Atropin behandelten Auges nicht nur bald merklich weniger durchscheinend wird, sondern auch an ihrer vorderen Fläche gewölbter erscheint, was entschieden auf eine Verdichtung und Verkürzung der nach Kölliker an der hinteren Irisfläche liegenden Radialfasern hindeutet. Endlich gleichen sich die Zacken und Unregelmässigkeiten der ausgeschnittenen Pupille in dem mit Atropin behandelten Auge viel vollständiger aus und runden sich viel gleichmässiger ab, als in dem anderen Auge, wo der scharf bleibende künstliche Pupillarrand jede Zacke, jede gerade Schnittlinie zu derselben Zeit noch deutlich erkennen lässt. Diese constanten und auffallenden Differenzen in den Pupillen und Irides beider Augen blieben wesentlich ungeändert, auch wenn wir die Kopfhälften hernach 12 Stunden lang, natürlich jede in einem besonderem (Gefässe, in destillirtem Wasser liegen liessen. Diese Differenzen finden nun ihre natürliche Erklärung offenbar nur darin, dass in dem mit Atropin behandelten Auge nebst der elasti- schen Retraetilität der vom spannenden Zuge des Sphincters befreiten Iriselemente, überdies noch eine active Zusammenziehung in radiärer Richtung sich geltend macht, welehe wohl nur als eine direete Ver- kürzung des noch reizbaren Dilatators, in Folge der Atropinwirkung, welche paradoxer Weise den aus fast identischen Elementen (vergl. Kölliker) gewebten Sphincter lähmt und erschlafft, aufgefasst wer- den kann, wenn man nicht etwa an eine passive Quellungserscheinung denken will. Es unterliegt aber nun wenigstens keinem Zweifel mehr, dass die Pupillenerweiterung nach Atropininstillation auch im Leben nicht bloss auf einer Erschlaffung und Lähmung des Sphincters und auf der Retraetilität des Dilatators in Folge seines Tonus und seiner Elastieität, sondern zugleich auch auf einer durch die Atropinwirkung bedingten Verkürzung der Iris in radiärer Richtung beruht. Schliesslich theile ich zwei unserer Versuche in extenso als Be- leg mit, bei welchem die nachträgliche mikroskopische Unsersuchung, der Iris auch nicht die Spur eines Sphincterrestes am Pupillarrande auffinden liess. 373 A. Mittelgrosses Albinokaninchen, um 10h 13m decapitirt, der Kopf halbirt, Cornea und Sphineter beiderseits ausgeschnitten; Vorbereitungen beendet um 10h 18", Pupillendurchmesser in Millim. Rechtes Auge Linkes Auge Zeit schräg von schräg von vorn und vorn und vertical horizontal oben nach vertical horizontal oben nach hinten und hinten und unten | unten U 10h 18m 70 7:3 _ 77 7:5 _ 10 19 Atropin instillirt Wasser instillirt Heftige Zuckungen in den Heftige Zuckungen in den Kaumuskeln Kaumuskeln 74 80 9:0 30 80 _ 10 26 9:0 8:9 9:0 8:0 82 80 10 31 Iris milchig getrübt, wulstig Iris durchscheinend, flach, A dünn 10 36 I:0 91 9:4 85 85 8.4 1130 3.1 9-5 9:5 8:5 8:5 8-5 12 - 9-5 9-5 9-5 8:5 8-5 — 9 Abd. 9:5 9-5 9-5 85 85 _ Ueber Nacht wurden beide Kopfhäliten in destillirtes Wasser gelegt % Früh | 90 90 I 85 | 85 _ Kleines Albinokaninchen um 10h 45” decapitirt, der Kopf halbirt, Cornea und Sphineter beiderseits ausgeschnitten; Vorbereitungen beendet um 10h Sim, Pupillardurchmesser in Millim. Rechtes Auge Linkes Auge schräg !) schräg!) vertical horizontal — vertical horizontal | _——_. h. v. h. v. <= EL EEE VE VER) VE EEE EEE RER 10% 52m 74 5 |rs|ro| 75 7 |76| 76 10 53 Atropin instillirt Wasser instillirt 11 10 80 80 | 80 | 80 76 75 | 7°6 | 78 11 21 Iris getrübt, wulstig Iris durchscheinend, flach 1130 80 8:0 — | — 76 7:6 —|— 3 — 80 80 —_ | — 7:6 7-6 —|— Des ander. Tags Die Nacht über lagen beide Augen in destillirtem Wasser 9b — Früh 80 80 | — Ze l 72 7.2 | Ar us 1) schräg b. — schräger Duxshpekee von hinten und oben nach vorn und unten, schräg v. — - - vorn. = . - hinten „, „ MOLESCHOTT, Untersuchungen VII, 26 N XV. Kleine Mittheilungen aus dem k. k. physiologischen Institute in Pesth. Von Pröf. J. Czermak !). (Dritte Reihe.) 1. (Fortsetzung) Ueber die Wirkung des Atropin auf die Iris. Aus unseren in der zweiten Reihe 2) dieser Mittheilungen veröffent- lichten Versuchen hatte sich ganz unzweideutig ergeben, dass die Erweiterung der Pupille nach Atropininstillation nicht bloss mittelbar auf der Lähmung und Erschlaffung des Sphineters beruht, sondern dass sich die Iris zugleich auch unmittelbar in Folge der speeifischen Atropinwirkung in radiärer Richtung stärker zusammenzieht, als es der einfachen KRetrachlität entspricht, welche den unveränderten oder nur mit Wasser befeuchteten Iriselementen vermöge ihres Tonus und ihrer Elasticität zukommt. Diese neue Thatsache, durch unsere Versuche als sichergestellt vorausgesetzt, entsteht nun die weitere Frage, auf welche Art das Atropin diese Zusammenziehung in radiärer Richtung bewirkt. 1) Aus den Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften, vom Herrn Verfasser mitgetheilt. 2) Im vorliegenden Bande dieser Zeitschrift, S. 372. EEE ERRANG 3759 Ich habe mich schon a. a. OÖ. dahin ausgesprochen, dass man wohl nur annehmen könne, dass das Atropin, wie schon de Ruiter nachzuweisen bemüht war, den noch reizbaren dilatator iridis direct zur Zusammenziehung veranlasse, indem man ja kaum an, eine bloss passive Quellungserscheinung, behufs der Erklärung jener Thatsache, denken dürfe. Ich stützte mich hierbei besonders auf die Beobachtung, dass die Iris, deren Sphineter ganz ausgeschnitten ist, in dem mit Atropin behandelten Auge nicht nur weniger durchscheinend wird, sondern auch an ihrer vorderen Fläche stärker gewölbt (gewulstet) erscheint, als jene in dem mit reinem destillirten HO behandelten Auge, was entschieden auf eine active Oontraction des Dilatators hindeutet. Niehtsdestoweniger könnte man dieser einfachsten und am näch- sten liegenden Deutung der thatsächlichen Erscheinungen entgegen- halten, wie es doch zu paradox sei, dass das Atropin lähmend auf den Sphineter und zugleich erregend auf den gleichfalls aus con- traetilen Faserzellen bestehenden Dilatator wirken solle, — und ferner, wie sich Alles eben so gut erklären liesse, wenn man nur die ganz unverfängliche Annahme machen wolle, dass sich nach der Atropin- instillation, in Folge einer ganz passiven Quellungserscheinung die Elastieität der Iriselemente, z. B. des Stroma’s oder des Dilatators, in der Art ändern würde, dass sich entweder die Widerstände, welehe auch nach der gänzlichen Ausschneidung des Sphincters, der ein- fuchen Retraetilität des Dilatators entgegenwirken, beträchtlich min- dern, oder dass die Kraft der Retraetilität des Dilatators zunimmt. Öbsehon die hypothetische Vorstellung von solchen passiven Quellungserscheinungen nieht ohne weiteres “als unstatthaft von der Hand zu weisen ist, so wird man doch wenig geneigt sein, dieselbe in ihrer ganzen Ausdehnung zu adoptiren, wenn man bedenkt, dass die Atropinwirkung nur so lange Zeit nach dem Tode noch in ge- wohnter Weise eintritt, als der Dilatator seine Reizbarkeit bewahrt haben kann. Ich habe hierüber eine besondere Versuchsreihe angestellt, in- dem ich die Präparation und Behandlung der abgeschlagenen Ka- 26% 376 ninchenköpfe, ganz in der früher beschriebenen Weise erst 1, 3, 6, 12, 24 Stunden nach der Decapitation vorgenommen habe. Es zeigte sich hierbei, dass die aus meiner vorigen Mittheilung bekannten Atropinwirkungen auf die ihres Sphincters beraubte Iris nur bei dem 1 Stunde nach der Decapitation untersuchten Kaninchen unzweideutig erkennbar waren, während bei den übrigen 3, 6, 12, 24 Stunden nach dem Tode untersuchten Augen keine entschiedene Atropinwirkung beobachtet werden konnte. Die Pupille erweiterte sich zwar in allen Fällen nach Ausschnei- dung des Sphineters allmälig ziemlich bedeutend, allein — mit Aus- nahme des 4 Stunde nach dem Tode untersuchten Falles — wurde die Pupille des mit Atropin behandelten Auges weder weiter als die des mit reinem HO behandelten Auges, noch geschah die Erweite- rung rascher. Auch die übrigen (bei den möglichst kurze Zeit nach der Deca- pitation angestellten Versuchen) beobachteten ceonstanten Verschieden- heiten im Ausschen des künstlichen, durch die Entfernung des Sphineters ausgeschnittenen Pupillenrandes und der Iris selbst, wa- ren nur in dem einen Falle einigermaassen ausgeprägt. Um in dieser Beziehung ganz sicher zu gehen, habe ich sämmt- liche Objecte dieser Versuchsreihe meinem Freunde Dr. Hirschler, welcher diesmal verhindert war, sich an den Versuchen selbst zu betheiligen und daher als ganz unbefangen betrachtet werden konnte, vorgelegt, damit er durch die blosse Besichtigung herausfinde, welche Augen mit Atropin und welehe mit blossem Wasser behandelt wor- den waren. Bei dem 1 Stunde nach dem Tode untersuchten Kaninchen be- zeichnete er augenblicklich und mit voller Entschiedenheit richtig das mit Atropin behandelte Auge. In allen übrigen Fällen machte er hingegen schwankende und meist unrichtige Angaben, weil er nur auf gut Glück rathen konnte. Hiermit ist nun zwar die Reizung des Dilatators durch Atropin nicht streng erwiesen, man darf dieselbe aber wohl mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als die begründetste Erklärung der bekannten That- sachen annehmen. 377 Alles wohlerwogen, komme ich zu dem Schluss, dass das Atropin in die Reihe der chemischen Muskelreize zu stellen, und seine specifische Wirkung auf die Iris wesentlich von diesem Standpunkt aus zu erklären ist. Um sich übrigens das Paradoxe der anscheinend ganz entgegen- gesetzten Atropinwirkung auf wesentlich identische Muskelbündel, wie Sphineter und dilatator iridis einigermaassen zurechtlegen zu können, möchte wohl vor Allem daran zu erinnern sein, dass die Elemente des Sphineters, nach Kölliker’s richtiger Angabe, denn doch — abgesehen von ihrer gröberen Anordnung — selbst in histo- logischer Beziehung, sowohl hinsichtlich ihres Habitus als hinsicht- lich ihrer leichteren Darstellbarkeit, mancherlei Abweichendes von jenen des Dilatators erkennen lassen, und ferner dass die chemischen Muskelreize mit der Erregung die Erregbarkeit vorübergehend oder bleibend vernichten. Es wäre nämlich hiernach eine nur graduell verschiedene, keine entgegengesetzte Wirkung des Atropin auf Sphineter und dilatator iridis ganz gut denkbar, indem ja die der Lähmung durch Atropin voraus- gehende Erregung der Faserzellen des Sphineters möglicher Weise ungleich schwächer und kürzer als beim Dilatator ausfallen könnte, und nur deshalb nicht zu beobachten wäre! — 2. Reizversuche an halbirten Kaninchenköpfen. Das Decapitiren von Kaninchen mit einem grossen hackenartigen Messer und das Halbiren derselben mit diesem Instrument, welches nach Spaltung der Haut und Durchsägung des Schädeldaches in der Säge- linie eingesetzt und durehgeschlagen wird, geht so rasch von Statten und ist so einfach, dass die Vorbereitungen zu Reizversuchen über gewisse Hirnnerven durch diese Manipulation sehr wesentlich abge- kürzt und erleichtert werden. Man kann auf diese Weise recht instructive Collegien-Versuche anstellen und desbalb erlaube ich mir den Gegenstand hier zur Sprache zu bringen. Abgesehen von der Erregung der motorischen Nervenbahnen, unter denen besonders die des N. hypoglossus sehr präeis und ver- 378 hältnissmässig lange Zeit nach dem Tode anspricht, ist es mir auch gelungen, den Ludwig’schen Speichelversuch an der Parotis anzu- stellen und das Thränendrüsen-Seeret auf Reizung des Trigeminus- stammes zu reichlicherem Abfluss zu vermögen. a) Der von Ludwig in seinen berühmten physiologischen Expe- rimentaleursen seit langer Zeit an der Parotis des Kaninchens de- monstrirte Speichelversuch besteht bekanntlich darin, dass man am lebenden Thier zunächst die beiden (arot. intern. unterbindet, um die späteren Blutungen zu mindern, sodann den Schädel eröffnet, enthirnt und den N. facialis im meatus audit. intern. mit Induetionsströmen reizt. Vorher ist der duetus Stenonianus blossgelegt und angeschnitten worden. Drückt man nun ein Stückchen rothes Lackmuspapier an die eröffnete Stelle an, so entsteht auf demselben ein während der Fa- eialis-Reizung sich vergrössernder blauer Fleck durch den aufgesaugten stark alkalischen Speichel. Dieser Versuch gelingt, wie gesagt, noch ganz gut an einer so eben von dem übrigen Thiere getrennten Kopfhälfte, was um so bemerkenswerther ist, als hier die Seceretion des Speichels durch Rei- zung des N. facialis eingeleitet wird, während in dieser Drüse die Bluteireulation und der Blutdruck gänzlich aufgehört haben. Die aus dem angeschnittenen ductus Stenonianus in Folge der Facialis-Reizung zu Tage tretenden Speicheltropfen sind übrigens ein wirklicher Beweis für die secretorische Thätigkeit der Parotis und nicht etwa durch Druck auf die Drüse oder den Duetus mechanisch ausgepresst, denn dazu ist die an und für sich allerdings sehr geringe Speichelmenge doch zu gross und dann entbehrt die Parotis selbst angeblich aller Muskelfasern und ist durchaus nicht so gelagert, dass sie nicht vor einer Compression durch die bei der Facialis-Reizung in tetanische Contraction gerathenden Müskeln geschützt werden könnte. b) Bei Gelegenheit des beschriebenen Speichelversuches war ein- mal zufällig bemerkt worden, dass das rothe Lackmuspapier an der Stelle, wo es die Augenliedspalte berührte, einen nassen blauen Fleck bekam, was nur auf eine Vermehrung der Feuchtigkeit im Sacke der Conjunetiva in Folge der Reizung der Nerven bezogen werden konnte. Wir schoben deshalb bei späteren Versuchen ein zusammenge- 379 legtes Stückchen rothes Lackmuspapier unter das obere Augenlied in den hinteren, äusseren Augenwinkel und sahen nun auf Reizung des Stammes des Nervus Trigeminus einen rasch wachsenden blauen Fleck von ausfliessenden Thränen entstehen. Auch glauben wir bemerkt zu haben, dass die Menge des Secretes der Conjunetiva und der im vor- deren, inneren Augenwinkel am unteren Rande des Niekknorpels mün- denden Harder’schen Drüse einigermaassen zunahm. Das Secret der Harder’schen Drüse ist, beiläufig bemerkt, eine milchige Flüssigkeit, welche zahllose zitternde Fettmoleeule führt und alkalisch reagirt. Die Ausführungsgänge der herauspräparirten Harder’schen Drüse erschienen überaus zierlich mit dieser weissen Flüssigkeit injieirt. XIX. Ueber die Unempfindlichkeit der Cerebrospinalcentra für elektrische Reize. Von I. van Deen. Ich habe früher bewiesen, dass das Rückenmark für fremde Reize unempfindlich ist, damals aber nur die mechanischen und chemischen Reize berücksichtigt 1). Spätere Versuche haben mich gelehrt, dass dasselbe auch für elektrische Reize gilt, und ich werde überdies be- weisen, dass die Unempfindlichkeit sich auch auf das verlängerte Mark und die verschiedenen Hirntheile erstreckt. Auch hier liefern die Frösche das geeignetste Versuchsmaterial. Ich habe aber ausserdem an Kaninchen experimentirt, und obgleich Säugethiere zu diesen Versuchen durchaus nicht so geeignet sind, erhielt ich eine vollkommene Bestätigung der an Fröschen gewonne- nen Resultate. Man kann die Versuche sowohl mit Bezug auf die Fortpflanzung der Bewegung, wie mit Bezug auf die Fortpflanzung der Empfindung 1) Van der Hoeven en De Vriese, Tijdschrift voor natuurlijke Geschie- denis en Physiologie, DJ. XI. St. I, 1841; Heije’s Archief voor Geneeskunde, DI. U, bl. 414; Froriep’'s Neue Notizen Bd. XXV, p. 323—327; Oppen- heim, Zeitschrift für die gesammte Medicin, 1843, Tom. XXII, Ned. Tijdschrift voor Geneeskunde, 1859, p. 292; Moleschott, Unters. zur Naturlehre des Men- schen und der Thiere, Bd. VI, S. 297 und folg. 381 anstellen. Thut man das Erstere, will man nämlich untersuchen, ob die elektrische Wirkung durch ein Nervencentrum zu entfernten mo- torischen Nerven fortgepflanzt wird, deren centrale und peripherische Verbindung unversehrt ist, die noch mit dem Rückenmark und den Muskeln verbunden sind, dann kann man am Rückenmark, am ver- längerten Mark und am Hirn experimentiren. In der Hauptsache bleiben sich die Resultate gleich, es wird nämlich weder durch das Rückenmark, noch durch das verlängerte Mark, noch durch das Hirn der elektrische Reiz nach den genannten entfernten Nerven fortge- pflanzt, ebensowenig wie die mechanischen und chemischen Reize; nur die Nervenfasern werden affieirt, die in das Bereich der Elek- troden fallen. Untersucht man den elektrischen Einfluss auf die Empfindung oder auf die Fähigkeit, Reflexbewegungen hervorzurufen, dann wird man finden, dass die Nervencentra diese Wirkung nicht haben für sensible Nerven, die an einer von den angewandten Elektroden ent- fernten Stelle mit der Peripherie und dem Centrum noch zusammen- hängt. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Unter- suchung, zumal mit Rücksicht auf die Empfindung, nur an dem Rücken- mark vorgenommen werden kann, weil im Hirn und im verlängerten Mark (nach meiner Ueberzeugung wenigstens) der Sitz der Empfin- dung liegt, und wenn die Nerven dieser Theile durchschnitten sind, kann von Zeichen der Empfindung nicht die Rede sein, welche das Thier (der Frosch) sonst mit verschiedenen Theilen des Kopfes zu erkennen giebt 1). Bevor ich zur Beschreibung der angestellten Versuche schreite. muss ich ein historisches Faetum in Erinnerung bringen, dass nämlich Matteucei 2) schon im Jahr 1844 auf die Unempfindlichkeit des grossen und kleinen Gehirns für elektrische Reize aufmerksam gemacht hat, und dass nach ihm E. Weber dieselbe Erfahrung hinsichtlich /) Wie man weiss, verräth der Frosch den Schmerz, indem er die Augen zu- petzt, und bisweilen auch, indem er den Kopf etwas nach vorne biegt. 2) ©. Matteucci,» TraitE des phenomenes electro-physiques des animaux, Paris 1843, p. 242. 382 des grossen Gehirns gemacht hat. Jener hat seine Versuche an Ka- ninchen angestellt, und zwar mit einem starken constanten Strom, dieser an Fröschen mit dem indueirten Strom. Matteucei erzählt nämlich, dass ein Kaninchen, dessen grosses und kleines Gehirn er in die Kette eines constanten Stromes einschaltete, sich nicht bewegte und nur eine geringe Muskelwirkung am Kopfe zeigte, dass dagegen, sowie die Elektroden auf die Vierhügel und auf die Grosshirnschenkel angewandt wurden, das Thier vor Schmerz schrie und heftige teta- nische Muskelzuckungen im ganzen Körper entstanden. Weber sah bei Anwendung der Electrieität auf das grosse Gehirn eines Frosches durchaus keine Muskelzusammenziehung, wohl aber, wenn er die Vier- hügel elektrisirte, wobei nicht Starrkrampf, sondern Wechselkrämpfe entstanden. — Diese Versuche habe ich wiederholt und zwar mit ganz gleichem Ergebniss, sowohl wenn ich den constanten Strom (wie Matteucei an Kaninchen), wie wenn ich den indueirten an- wandte; letzterer durfte aber nicht gar zu stark sein, weil ich dann auf dieselben Hindernisse stiess, wie bei den später zu erwähnenden Versuchen 1). | Die Ursache, weshalb die beiden genannten Gelehrten die elek- trische Reizung des grossen und kleinen Gehirns erfolglos fanden, wird durch die von mir angestellten Versuche klar gemacht; sie liegt ein- fach darin, dass hier die Wurzeln der sensiblen und motorischen Ner- ven, obwohl nicht durchschnitten, ausserhalb des Bereiches der Elek- troden oder hinlänglich weit davon entfernt waren, während dies nicht der Fall ist, wenn man die Vierhügel beim Frosch und beim Kanin- chen oder beim letzteren die Grosshirnschenkel in die Kette aufnimmt 2). Die Versuche, die ich jetzt beschreiben werde, sind mit con- stanten und inducirten elektrischen Strömen angestellt, die meist un- )E. Weber, Muskelbewegung; Handwörterbuch der Physiologie von R. Wagner, Band III, Abtheil. II, Braunschweig 1846, S. 16. ?) Wenn die Frösche durch eine allzulange Gefangenschaft sehr geschwächt sind (so dass die Reizbarkeit des Nervensystems — durch Mangel an Nahrung — zu sehr erhöht ist), dann entsteht bei der Reizung der Vierhügel gewöhnlich Starrkrampf. 383 mittelbar, bisweilen auch — um die Ströme zu schwächen — mittel- bar (durch Wasser) angewandt wurden. Versuche, durch melche bewiesen wird, dass "die auf das Hirn, das verlängerte Mark und das Rückenmark angewandte Electrieität nicht auf‘ diejenigen motorischen Nerven fortgepflanzt wird, welche noch (mittelst des Rückenmarks) mit den Centraltheilen zusammen- hängen, wenn die gereizie Stelle von den genannten Nerven eini- germaassen entfernt ist. Mit andern Worten: Versuche, durch welche beniesen wird, dass das Gehirn, das verlängerte Mark und das Rückenmark für sich nicht im Stande sind, die Elektrieität in centrifugaler Richtung fortzupflanzen. Versuche an Fröschen. Man öffne von hintenher den ganzen Wirbelkanal oder wenig- stens die vorderen drei Viertel und die Schädelhöhle, lege das Rücken- mark nebst dem verlängerten Mark und das Gehirn bloss, schneide sodann alle Nervenwurzeln, sensible wie motorische, durch — mit Ausnahme deren der vier letzten Rückenmarksnerven, welche für die Hinterfüsse bestimmt sind. Man verfahre bei der letzten Operation, nämlich bei dem Durchscheiden der Nerven, mit grosser Vorsicht, indem man eine feine spitze Scheere zwischen den seitlichen Theilen des Riückenmarks, des verlängerten Marks und des Gehirns auf der einen Seite und der Innenfläche des Wirbelkanals und der Schädel- höhle auf der andern schneidend fortführt. Sodann hebe man die ent- blössten und von ihren Nervenverbindungen getrennten Centraltheile aus der geöffneten Höhle mit einer feinen Pincette auf (oder, was noch besser ist, mit dem flachen Heft eines sehr feinen Scalpells), und schneide die Verbindungen durch, welche durch die Membranen zwi- schen den Oentraltheilen und ihren Höhlen noch etwa vorhanden sind. Darauf ist es am zweckmässigsten, alle Körpertheile, soweit die Cen- traltheile von den Nervenverbindungen abgelöst sind, wegzuschneiden, und den hierdurch von allen Umgebungen befreiten obern Theil der Nervencentra auf eine Glasplatte zu legen, während der unterste Theil 354 des Thieres auf dem Tisch liegen bleibt; auch kann man, was noch besser ist, das ganze Präparat auf eine grössere Glastafel oder auf einen Teller legen. Sehr vortheilhaft ist es, wenn man die Oentral- theile auf einer schiefen Ebene etwas höher legt, und zwar so, dass die noch etwa darin vorhandene Flüssigkeit nicht dem Rückenmark entlang abwärts, nach den untern Körpertheilen fliesst. Man erreicht dies, indem man sie auf ein umgekehrtes Uhrglas oder Porzellan- schälehen legt. Um das Präparat zu versinnlichen, füge ich die untenstehende Figur bei. Obwohl die Nervencentra hinlänglich bekannt sind, will ich — was vielleicht für manche Leser nicht ganz überflüssig sein dürfte — hier dennoch ihre verschiedenen Abschnitte, soweit sie an dem Präparate sichtbar sind, bezeichnen : A) grosses Gehirn, B) Vier- hügel, ©) kleines Gehirn, D) verlängertes Mark, F) Rückenmark 1). Fig. 1. 1) Auch die Nervenenden der dicht am Rückenmark abgeschnittenen Wurzeln sind am Präparat sichtbar; sie sind aber hier nicht abgebildet, weil der Holz- schneider von mir entfernt wohnt, und ich ihm mündlich nicht angeben konnte, wo die Nervenenden anzubringen waren. Ich ersuche den Leser, die in dieser Ab- handlung mitgetheilten Figuren als schematische zu betrachten. Die Verbindungs- weise des Rückenmarks mit den untern Körpertheilen ist auch nicht ganz der Natur getreu dargestellt. 385 Um die Leitung der Elektrieität durch Blut oder andere Flüssig- keiten, die das Rückenmark und die übrigen Centraltheile umgeben, zu verhüten, ist es am besten, durch Fliesspapier oder ein Stückchen Schwamm die Feuchtigkeit vorsichtig zu entfernen. Nachdem dies Alles geschehen, iüberzeuge man sich, dass die centrale und peripherische Verbindung der untersten (hintersten) vier Nervenpaare, welche die Hinterfüsse versehen, noch unversehrt erhal- ten ist, indem man prüft, ob die normale Reflexbewegung durch leise Berührung in diesen Füssen noch hervorgerufen wird. Bei allen Versuchen, die ich angestellt habe, war Letzteres noch mehre Stunden nach dem Versuch der Fall, ja bisweilen noch am folgenden Tage, wenn nämlich die Thiere sehr kräftig waren. Es kommt hier hauptsächlich darauf an, dass man beim Oeffnen des Rückenmarkskanals die Centraltheile nicht verletzt oder drückt, na- mentlich nicht an derjenigen Stelle, wo die Nervenverbindung un- versehrt bleiben muss; sonst läihmt man den Körpertheil, der seinen Nerven aus den verletzten oder gedrückten Centraltheilen erhält. In der Regel dauert indess diese Lähmung nur eine verhältnissmässig kurze Zeit; denn wenn die Verletzung nicht gar zu bedeutend ist, erho- len sich die Theile bald t). Unmittelbare Anwendung des constanten elektrischen Stroms. Nach der beschriebenen Vorbereitung bringe man die beiden Elektroden einer elektrischen Batterie (ich benutze dazu eine ziemlich starke Batterie von Bunsen) auf das grosse Gehirn, die Vierhügel, das kleine Gehirn, das verlängerte Mark und auf den obersten Theil des Rückenmarks, und man wird in der Regel beim Schliessen und Oefinen der Kette, möge dies in der Quere oder in der Längs- 1) Ich habe hierauf schon früher bei verschiedenen Gelegenheiten aufmerksam gemacht, und ein Jeder, der häufig den Rückenmarkskanal bei Fröschen öffnet, ist jetzt mit dieser Vorsichtsmaassregel vertraut ; ich rufe sie hier in das Gedächtniss zurlick für die weniger Geübten, die etwa Lust haben möchten, diese Versuche zu wiederholen. 386 richtung. Statt finden, keine Bewegung beobachten in dem hintersten Theil des Körpers, dessen Nerven noch mit dem Rückenmark zusammenhängen. Das ist namentlich der Fall, wenn man das Gehirn ?), die Vier- hügel, das kleine Gehirn und den grössten Theil des verlängerten Markes zwischen die Elektroden nimmt; verschiebt man aber die letz- tern nach dem untersten Theil des verlängerten Markes und dem obersten des Rückenmarkes, dann beobachtet man bisweilen beim Schliessen und Oeffnen der Kette einige leise Muskelzuckungen, namentlich in den untersten Muskeln des Bauches und in denen der Füsse. Diese Bewegungen finden eher Statt, wenn die (motorischen) Vorderstränge, als wenn die (sensiblen) Hinterstränge des bezeich- neten Rückenmarkstheils dem constanten Strome unterworfen worden. Nach meiner Meinung ist dies dadurch zu erklären, dass einige Fa- sern der nicht durchschnittenen Nervenwurzeln (d h. also der Wur- zeln der vier letzten Rückenmarksnerven) sich mit der vorderen weissen Substanz von hinten nach vornen (von unten nach oben) be- geben und sich noch in derselben befinden (noch nicht in die graue Substanz eingetreten sind) an der Stelle, wo an der Grenze des ver- längerten Marks und des Rückenmarks die Blektrieität zur Anwen- dung kommt. Wenn also beim Schliessen und Oeffnen der Kette eine geringfügige Bewegung entsteht, so geschieht dies durch directe elektrische Reizung der Nervenfasern, die dem einen oder dem andern nicht durchschnittenen Nerven der Hinterfüsse angehören, — mit andern Worten: ein Theil der Nerven wird hier unmittelbar von der Elektrieität getroffen. — Dass dieser Theil (die Anzahl der Nervenfasern) sehr gering sein muss, geht daraus hervor, 1) dass nur wenige Muskeln an der Bewegung betheiligt sind, 2) dass chemische und mechanische Reize, die keine Erschütterung veranlassen, nicht im Stande sind, solche Bewegungen zu erzeugen. Was hier mitgetheilt wurde, kann die Unempfindlichkeit der Nervencentra für Elektrieitit keineswegs zweifelhaft machen, es be- 1) Wie dies von Weber und Matteucei bereits beobachtet wurde. Siehe oben. 387 stätigt sie vielmehr, denn wenn die Centraltheile nach Art der Ner- ven auf elektrische Reize reagirten, dann müsste bei deren Anwen- dung eine ausgedehnte Bewegung in den noch mit dem untersten (hintersten) Theil des Rückenmarks durch die Nerven verbundenen Muskeln entstehen. Die angeführten Thatsachen erklären eine andere physiologische Erfahrung, die ich bereits in den Jahren 1839 t) und 1841 2) ge- macht habe, und deren Richtigkeit erst in der allerneuesten Zeit 7) anerkannt worden ist, dass nämlich, obwohl die graue Substanz das Mittel ist, durch welches die Eindrücke von und nach dem Gehirn fortgepflanzt werden, der Wille nichtsdestoweniger auch durch die meisse vordere Substanz geleitet werden kann. Den wichtigsten Be- weis dafür habe ich durch folgenden Versuch geliefert, schneidet man das Rückenmark an seinem obersten Theil, gerade unter der Spitze des vierten Ventrikels, bis auf einige wenige Nervenfasern der weissen Vordersubstanz, ganz durch, dann wird das Thier, falls es in einer bestimmten Lage gehalten wird 3), noch schwache willkürliche Bewe- gungen mit den Hinterfüssen und zwar hauptsächlich und zunächst mit den Zehen ausführen können, welche durch jene wenigen unversehr- ten Fasern vermittelt werden. Wird ein anderer Theil des Rücken- marks auf dieselbe Weise durchschnitten, dann kann diese Erschei- nung nicht hervorgebracht werden, — das Thier ist dann nieht im Stande, willkürliche Bewegungen mit den unterhalb der operirten Stelle liegenden Theilen vorzunehmen. Nimmt man nun an, wie dies der oben mitgetheilte Versuch mit elektrischer Reizung fordert, dass einzelne Fasern der motorischen 1) Nadere ontdekkingen over de eigenschappen van het ruggemerg, bijzonder over den daarin gevonden zenuwomloop. Leiden 1839. 2) Traitös et d&couvertes sur la Physiologie de la mo&lle Epiniere, Leide 1841, p- 69 et 71. Heije’s Archief, DI. I. Froriep’s Neue Notizen, Bd. XXIV. +) Sehiff, Physiologie des Nervensystems, 1859, S. 279 und 280. hier mit dem Daumen und dem Zeigefinger unter 9 Wenn man nämlich das T der Achselhöhle so fasst, dass die Hinterfüsse herabhängen, und den Kopf mit der andern Hand reizt. Wenn das Thier lag, konnte ich keine willkürliche Bewegung in den hinter dem operirten Rückenmark liegenden Theilen beobachten. 388 Wurzeln, die zu den Nerven der Hinterfüsse gehören, so hoch mit den weissen Vordersträngen des Rückenmarks hinauf (mach vorne steigen) und zugleich oberflächlich liegen, dann versteht man auch, wie das ganze Rückenmark mit Ausnahme der angeführten oberfläch- lich liegenden Nervenfasern durchschnitten werden kann, ohne dass die willkürliche Bewegung der Hinterfüsse gänzlich aufgehoben wird; die unversehrt gebliebene weisse Substanz, welche die Willensimpulse fortpflanzt, verdankt diese Fähigkeit den Nervenfasern der motorischen Wurzeln, die durch sie hindurchgehen, — aus denen sie besteht, oder welche sie in sich enthält. Mittelbare Anwendung des constanten Stromes. Bringt man das oben beschriebene Präparat nur mit dem grössten vordern Abschnitt der Nervencentra in ein Schälchen (oder grosses Uhrglas) mit Wasser, während die übrigen Theile des Präparats ausserhalb des Wassers eine etwas erhöhte Lage haben; bringt man darauf die Elektroden der eonstanten Kette in das Wasser, dann wird beim Schliessen und beim Oeffnen keine Muskelzuckung erscheinen ; eben so wenig, wenn die Elektroden in der Nähe als wenn sie in der Entfernung der Nervencentra gehalten werden. — Vergleicht man die Resultate dieses Versuchs mit demjenigen, welches man bekommt, wenn man die Hinterfüsse des Präparats in das Wasser bringt und dann die Kette schliesst und öffnet, oder wenn man den Versuch mit einem im Wasser liegenden Nerven anstellt, der noch mit einem Muskel zusammenhängt, dann wird man gestehen müssen, dass hier- durch die Unempfindlichkeit der Nervencentra für elektrische Reize durchaus bestätigt wird, indem ja die Nerven einen so hohen Grad von Empfindlichkeit dafür besitzen. Anwendung des indueirten Stromes. Der indueirte Strom kann mittelbar und unmittelbar auf die frü- her beschriebene Weise angewandt werden. Ich benutze dazu die oben erwähnte Bunsen’sche Batterie mit Du Bois Reymond’s Schlittenapparat, und zwar auf verschiedene Weise, bald mit dem Bündel der Eisenstäbehen, bald ohne dasselbe (auch bei geringerem 389 und grösserem Abstand der sogenannten secundären von der primären Rolle). Diese Versuche sind viel schwieriger anzustellen, als die mit dem constanten Strom, und zwar wegen der grossen Spannung der indueirten elektrischen Strömung und wegen der Schwierigkeit, die Centraltheile von umgebender Flüssigkeit freizuhalten, indem die letz- tere den elektrischen Reiz den Muskeln zuleitet. Es hat sich meist her- ausgestellt, dass die Richtung, welche man den Centraltheilen giebt, das Gelingen des Versuches mitbedingt. Ich habe mich nämlich am besten dabei befunden, den Central- theilen eine geneigte Lage zu geben, so dass das Gehirn mehr nach unten und der mit den Körpertheilen noch verbundene hintere Ab- schnitt des Rückenmarks mehr nach oben liegt. Dies wird sehr leicht dadurch erzielt, dass man das Präparat auf ein umgekehrtes Abdampf- schälchen so legt, dass der hintere Theil des Körpers den höchsten Platz einnimmt und die Oentraltheile geneigt nach unten liegen. Der Versuch gelingt nun am besten, wenn man das Bündel Eisenstäbchen hinwegnimmt und die secundäre Rolle von der primären entfernt, zumal wenn man eine starke Batterie anwendet. Dass bei der mittelbaren Reizung durch inducirte Ströme die geneigte Lage der» Centraltheile erforderlich ist, wird wohl keiner nähern Erörterung bedürfen, denn bei einer anderen Lage ist der Versuch nicht anzustellen. Unter Berücksichtigung aller Vorsichtsmaassregeln liefern die Ver- suche mit dem indueirten Strom ganz dieselben Ergebnisse, ‚wie die mit dem constanten. Weder das Rückenmark, noch das verlängerte Mark, noch das Gehirn sind im Stande, den elektrischen Reiz auf entfernte Nervenwurzeln, die mit dem Rückenmark verbunden sind, fortzupflanzen. Auch an Fröschen, die vorher mit Strychnin vergiftet waren, habe ich elektrische Reizversuche angestellt. Zu dem Ende habe ich erst die Rückenmarks- und Schädelhöhle von hinten her geöffnet und die Centraltheile blossgelegt, darauf ein wenig von einer sehr verdünnten Stryehninlösung in die Wunde des Thiers gebracht, welches sodann auf einem Teller unter eine Glas- glocke gelegt wurde. Sobald die tetanischen Erscheinungen sich MOLESCHOTT, Untersuchungen. VII, PL 390 kräftig in allen Körpertheilen gezeigt hatten, durchschnitt ich sämmt- liche Nervenwurzeln mit Ausnahme derjenigen der vier Nerven, welche für die Hinterfüsse bestimmt sind. — Darauf machte ich aus dem Thier ein Präparat, wie Figur 1 es andeutet. Bei diesem Präparat waren jedoch die Hinterfüsse nicht in einer gehobenen, sondern in einer gestreckten Haltung, wie sie bei tetanisirten Fröschen noch ausser der Zeit des Paroxismus stets beobachtet wird. — Schaltete ich nun das Gehirn, die Vierhügel, das kleine Gehirn, das verlän- gerte Mark und den obersten Theil des Rückenmarks in den con- stanten oder nieht zu stark indueirten elektrischen Strom ein, dann stimmte der Erfolg ganz mit dem oben beschriebenen überein; eben- sowenig wie dort an dem nicht tetanisirten Frosche wurde hier an dem tetanisirten eine Bewegung in den Hinterfüssen durch den elek- trischen Reiz erzeugt. Versuche an Kaninchen. Auch das Rückenmark von Kaninchen habe ich dem elektrischen Reiz unterworfen, nachdem ich das frische Rückenmark eines unmit- telbar vorher durch Erstiekung oder auf eine andere Weise rasch getödteten Thieres in der Halsgegend nebst den auf beiden Seiten vorhandenen Nervenwurzeln, mit Ausnahme der für die Hinterfüsse bestimmten, durehschnitten hatte. — Weder constante, noch indueirte Ströme, nicht ein Mal sehr starke, erzeugten eine Bewegung in den Hinterfüssen, während dieselbe wohl entstand, wenn die Nerven der elektrischen Reizung (zumal dem inducirten Strome) ausgesetzt wurden. Versuche, dureh welche bewiesen wird, dass die auf das Rücken- mark emgewandie Elektrieilät sich nicht nach dem Gehirn, dem verlängerten Mark oder den sensiblen Nerven fortpflanzt, wenn sie auf einen Abschnitt des Rückenmarks einmwirkt, welcher von den ge- nannten Theilen einigermaassen entfernt ist, mit andern Worten : Versuche, durch welche bewiesen wird, dass das Rückenmark für sich nicht im Stande ist, den elektrischen Reiz centripetal fortzupflanzen. Die hierher gehörigen Versuche habe ich nur an Fröschen an- 391 gestellt. Das dazu erforderliche Präparat verfertige ich auf dieselbe Weise, wie ich es beschrieben habe, als ich voriges Jahr die Un- fähigkeit des Rückenmarks, mechanische und chemische Reize centri- petal zu leiten, bewies 1). — Ich habe nämlich, sowie in den erwähn- ten Versuchen den untersten Theil des Rückenmarks blossgelegt, sodann das Thier so präparirt, dass nichts übrig blieb, als der vor- derste Theil des Körpers mit den beiden Vorderfüssen, die Wirbel- säule und das darin befindliche von unten her blossgelegte Rücken- mark, während alle Nerven (mit Ausnahme der für die Vorderfüsse bestimmten) dicht am Rückenmark abgeschnitten wurden. Bringt man nun den blossgelegten untern Abschnitt des Rücken- marks mittelbar in die Kette des constanten Stromes, dann wird man beobachten, dass das Thier durchaus nichts davon empfindet. Um noch deutlicher die Unempfindlichkeit der Centraltheile für den elektrischen Reiz herauszustellen, habe ich diesen Versuch wie- derholt, nachdem ich von dem Präparate auch noch den Kopf hinter dem Trommelfell weggeschnitten hatte. 1) Siehe diese Untersuchungen, Bd. VI, S. 297 u. folg. 392 Fig. 3. \ Der auf das hintere Ende des Rückenmarks einwirkende con- stante Strom rief in den zur Reflexbewegung noch erregbaren Vor- derfüssen diese Bewegung nicht hervor, gleichviel, ob der Strom mittelbar oder unmittelbar angewandt wurde. Dass die Erregbarkeit der Centraltheile, an denen ich die oben beschriebenen Versuche an- stellte, keinesweges aufgehoben war, davon habe ich mich öfters nach Ablauf der Versuche überzeugt, indem ich die erwähnten Theile in die Kette des Multiplieators einschaltete. Auch will ich noch bemer- ken, dass die Versuche an sehr kräftigen und weniger kräftigen Thieren angestellt wurden, und zwar immer mit demselben Erfolg. Da ich nun bewiesen habe, dass die Nervencentra für mecha- nische, chemische und elektrische Reize durchaus unempfindlich sind, verliert Alles, was man früher über die Sensibilität der Centraltheile vorgebracht hat, seinen Werth. Wo man eine solche beobachtet, muss sie den Reizen zugeschrieben werden, welche auf die Nerven und von den Nerven aus auf die Oentraltheile wirken. Die Central- theile reagiren nur auf organische Einflüsse, welche von andern Cen- traltheilen oder von den Nerven aus auf sie einwirken, während auch gewisse Zustände des Bluts einen unmittelbaren Einfluss auf die Centraltheile ausüben können, wie ich dies für die auzomatische Be- wegung nachgewiesen habe !). 1) Vergl. diese Untersuchungen, Bd. VI, S. 305, 306. IX. Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Tastsinnes. Aus der Inauguralabhandlung des Dr. Arnold Wunderli auszugsweise mitgetheilt Die Temperaturempfindungen und die Berührungsempfindungen sind für das gemeine Bewusstsein so verschieden, dass man von vorn herein geneigt sein wird, jede für eine besondere Empfindungs- qualität zu erklären. Eine besondere Empfindungsqualität ist aber sonst immer an eine besondere Nervenbahn geknüpft, welche auf jeden beliebigen Reiz mechanischen, elektrischen, thermischen ete. mit dieser Empfindungsqualität — in ihrer specifischen Energie, wie man sich auszudrücken pflegt — antwortet. Wenn in diesem Sinne Temperatur- und Berührungsempfindungen qualitativ verschieden sein sollten, so müssten an jeder empfindlichen Hautstelle zwei Nervenbahnen endigen und die eine mit der speeifischen Energie der Berührungsempfindung, die andere mit der specifischen Energie der Temperaturempfindung begabt sein. Es müsste ferner die eine mit einem peripherischen Werkzeug versehen sein, welches Reizung durch Temperaturänderung, die andere mit einem solehen, welches Reizung durch eine Berührung vollständig unmöglich macht. Denn wären auch jene verschieden begab- ten Fasern vorhanden, aber die Erregung beider durch die beiden Reiz- 394 arten möglich, so würde man bei jeder Berührung und bei jeder Temperaturänderung beide Empfindungsarten nebeneinander haben, indem beide Fasern denselben Reiz, jede in ihrer speeifischen Energie beantworten würden. Diese Annahme ist in der That bisweilen in der Wissenschaft aufgetaucht. Weber lässt es in seiner klassi- schen Abhandlung über den Tastsinn dahingestellt, ob nicht: wenig- stens verschiedene peripherische Werkzeuge zur Aufnahme der Be- rührungseindrücke und Temperatureindrücke anzunehmen seien. Seine subjeetive Meinung geht zwar dahin, dass die Aufnahme beider Ar- ten von Eindrücken durch dieselben Werkzeuge geschehe, und dass folgeweise auch die Leitung derselben zum Centralorgan von dersel- ben Gattung von Nervenfasern vermittelt werde. In den neueren überraschend fruchtbaren mikroskopischen Unter- suchungen über das Tastorgan besonders von Meissner und Krause findet diese Meinung nur Bestärkung. In der That überall, wo man Nerven in den oberflächlichen Hautschichten hat endigen sehen, sah man sie in gleichartigen Gebilden und in derselben Weise endigen, nämlich in jenen ellipsoidischen Bläschen, die in ihrer einfachsten Gestalt als „Endkolben“, in etwas reicherer Entfaltung als „Tast- körperchen“ bezeichnet werden. Zweierlei Endigungsweisen von spe- eifischer Verschiedenheit dicht neben einander, wie sie jene oben an- gedeutete Hypothese fordern würde, hat man nirgends aufgefunden. Die so durch Vertiefung der anatomischen Kenntniss immer ver- grösserte Schwierigkeit der Erklärung, wie dieselbe Nervenfaser ganz verschieden geartete Empfindungen dem Centralorgan übermittelt, liess zuletzt Zweifel in mir entstehen, ob denn Temperaturempfindungen und Berührungsempfindungen wirklich so wesentlich verschieden seien, wie sie dem unmittelbaren Bewusstsein erscheinen. Versuchen, dachte ich, kann man es immerhin einmal, ob nicht möglicherweise Berührungs- eindrücke und Temperatureindrücke einander zum Verwechseln ähn- lich gemacht werden können. Und in der That, das Versuchen war nicht vergeblich. So befremdend es klingen mag: Man kann Tem- peratunreize und Berührumgsreize verwechseln. Temperaturempfindung und Berührungsempfindung sind also nicht im Element und Wesen verschieden. 395 Ich theile nachstehend das Wichtigste von den Versuchsreihen mit, die. ich in Gemeinschaft mit meinem jungen Freund und Schüler, Herrn Arnold Wunderli, anstellte, und welche derselbe in sei- ner Jnauguralabhandlung beschrieben hat. Wir haben verschiedene Körperstellen geprüft und zwar in folgender Weise. Den Reiz such- ten wir auf eine recht kleine Hautstelle einzuschränken. Es wurde zu dem Ende ein Hautstück mit einem schlechten Wärmeleiter be- deekt und darin ein kleines Loch angebracht. Zuerst dachten wir als Bedeckung eingetrocknetes Collodium zu verwenden. Doch ist dies durchaus ungeeignet wegen der zu starken Zusammenziehung. Am besten dient einfach starkes Papier, ‘das man möglichst faltenlos an die zu untersuchende Hautstelle leicht andrückt. Die Oeffnung darin, durch welche der Reiz wirkte, hatte verschiedene Grössen bis zu 5 Mm. Durchmesser an Hautstellen mit wenig entwickeltem Orts- sinne. Als Reize der einen Art dienten leichte Berührungen mit ver- schiedenartigen Körpern, mit einem Pinsel, mit einer Baumwollen- flocke, mit einem zugespitzten Holzstäbehen. Da alle diese Körper sehr schlechte Wärmeleiter und noch dazu ihre Temperatur von der Hauttemperatur nieht sehr verschieden war, so konnte keine Nerven- reizung durch Temperaturveränderung eintreten. Um andererseits Temperaturreiz hervorzubringen, diente ein in die Nähe der unbe- deckt gelassenen Hautstelle gebrachtes erwärmtes Metallstückchen, dessen Wärmestrahlung die Temperatur derselben erhöhte. Die dem Versuch unterworfene Person wurde nun in der einen und der andern Weise in unregelmässiger Aufeinanderfolge gereizt und musste mit ab- gewandten Augen angeben, ob der Reiz eine Berührung oder eine Temperaturerhöhung gewesen sei. Es versteht sich wohl von selbst, dass niemals der Reiz bis zur Schmerzhaftigkeit gesteigert wurde, denn das ist ja eine längst anerkannte T'hatsache, dass im Schmerz durch (Gefühlsnervenerregung die qualitativen Verschiedenheiten ver- schwinden. Folgendes sind die Resultate der in der beschriebenen Weise an- gestellten Versuchsreihen. Lag die gereizte Hautstelle in der vola manus (et digitorum) oder im Gesichte, so täuschte sich die dem Ver- such unterworfene Person niemals über die Art des angebrachten 396 Reizes, die unbedeckt gelassene Hautstelle mochte noch so klein ge- nommen werden. Zweitens wurde der Handrücken untersucht. Hier kamen schon Täuschungen vor. Der eine von uns machte in einer Reihe von 60 Reizungen 4 Mal, der andere in einer Reihe von 45 Reizungen 2 Mal falsche Angaben. Jedesmal (wie auch in allen fol- genden Fällen) ging der Irrthum dahin, dass der Untersuchte be- hauptete, berührt worden zu sein, während in Wirklichkeit ein Wär- mereiz gewirkt hatte. Es ist noch zu bemerken, dass unter den Rei- zungen jeder Reihe etwas weniger als die Hälfte Wärmereizungen waren. Ebenso häufig kamen Täuschungen vor auf der Streckseite des Oberarms, beim einen 3 Täuschungen auf 48 Versuche, beim andern eine auf 31 Versuche. Am ganzen Unterarm und auf der Beugeseite des Oberarms haben wir keine Täuschung beobachtet, haben übrigens für diese Hautstellen auch keine sehr ausgedehnten Versuchsreihen unternommen. Auffallend zahlreich werden die Täu- schungen am Rücken. Hier — seitwärts von der Brustwirbelsäule — ergab eine Reihe von 11 Versuchen 8 Täuschungen (im oben ange- zeigten Sinne) und beim Andern 4 Täuschungen auf 19 Versuche. Ueber den Lendwirbeldornfortsätzen irrte der Eine bei 29 Reizungen 6 Mal, der Andere bei den ersten 7 Reizungen schon 4 Mal, daher die Reihe gar nicht weiter fortgesetzt wurde. Dass wir überhaupt die Versuchsreihen nieht in's Ungemessene ausgedehnt haben, daraus wird man uns hoffentlich keinen Vorwurf machen. Ist doch eigent- lich eine einzige ganz unzweifelhafte, entschiedene Täuschung aus- reichend, die Nichtidentität der beiden Empfindungsarten zu widerlegen. Es kann hiergegen nicht etwa geltend gemacht werden, dass man ja auch Gefühlseindrücke auf der Zunge mit Geschmackseindrücken ver- wechsele, obwohl Geschmack und Gefühl sicher verschiedene Sinnes- energieen seien. Die Verwechselung liegt in der That hier nur im Sprachgebrauch, nicht in der Sache. Denn wenn Jemand z. B. einen stechenden „Geschmack“ zu haben angiebt, ohne dass vielleicht über- haupt eine Faser des eigentlichen Geschmacksnerven in Erregung ist, so bedient er sich nur eines ungenauen Ausdruckes.. Er wird nie- mals stechend mit bitter verwechseln — obwohl beide Eindrücke mög- licherweise durch dieselbe Substanz hervorgebracht werden könnten. 397 Zu den obigen Versuchen muss noch bemerkt werden, dass unter den nicht als Täuschungen gezählten Fällen viele waren, wo der Untersuchte angab, nieht über die Empfindungsqualität im Klaren zu sein, zuletzt aber doch den Reiz richtig bezeichnete — vielleicht bloss durch Zufall. Die mitgetheilten Versuche dürften wohl eine wesentliche Stütze für diejenige Theorie der verschiedenen Wahrnehmungen im Bereiche des Gefühlssinnes abgeben, welche sich Jedem aufdrängt, der die allgemeinen Principien der Nervenphysiologie auf die über die Ge- fühlsorgane bekannten “anatomischen Thatsachen anwendet. Ich will diese Theorie im Folgenden noch kurz entwickeln und hervorheben, wie die mitgetheilten sowohl negativen als positiven Versuchsergeb- nisse dieselbe bestätigen. Wir gehen von der Voraussetzung aus: alle Gefühlsnervenfasern sind mit gleicher specifischer Energie begabt, welche eben Gefühl schlechthin genannt werden mag. In anderen Worten heisst dies: Wenn irgend eine Gefühlsnervenfaser von irgend einem Reiz irgendwo in den Erregungszustand versetzt wird, so hat die Seele eine elemen- tare Empfindung — sie mag ein Gefühlselement genannt werden — welche keine qualitativen Unterschiede zulässt. Mag also eine im Finger endigende oder eine im Bein endigende Faser in den Erre- gungszustand versetzt werden durch Wärmereiz oder durch elektri- schen oder durch jeden beliebigen andern, mag der Reiz an der Pe- ripherie, mag er im Verlaufe der Faser angebracht sein — allemal entsteht in der Seele einfach ein Gefühlselement, welches qualitativ im einen Falle wie im andern beschaffen ist *). Dagegen können zwei Gefühlselemente quantitativ verschieden sein, je nachdem die ihnen zu Grunde liegenden Erregungszustände der Nervenfasern stär- ker oder schwächer sind. #, Lotze nimmt bekanntlich für die von verschiedenen Gefühlsfasern ge- lieferten Empfindungs@lemente eine qualitative Verschiedenheit in Anspruch und gründet darauf den Ortssinn, _ Indessen wird er selbst gewiss zugeben, dass diese Verschiedenheit jedenfalls nicht zu vergleichen ist mit der Verschieden- heit zwischen Lichtempfindung und Schallempfindung und von Verschiedenheiten dieser Gattung ist hier die Rede. MOLESCHOTT, Untersuchungen, VI, 28 4 398 Die Gefühlsnervenfasern bilden, ehe sie die Peripherie erreichen, Plexus. Jede derselben theilt sich und endet in einer Anzahl von Endorganen, die in einem gewissen mehr oder weniger grossen Raume vertheilt liegen. In demselben Raume liegen allemal auch Endorgane von verschiedenen andern Gefühlsnervenfasern. Ueberdies haben wir zwei Systeme von solchen Endorganen, unmittelbar unter der Epider- mis die Endkolben (Tastkörperchen), tiefer im subeutanen Gewebe die Vater’schen Körperchen. In diesen anatomischen Einriehtungen zusammengehalten mit der quantitativen Abstufung der Gefühlsele- mente haben wir nun — glaube ich — das Material zur Bildung der scheinbar qualitativ verschiedenen Eindrücke des Berührungsgefühles, des Temperaturgefühles und des Druckgefühles. In der That wirkt irgend ein Reiz, sei es Temperaturveränderung, sei es Berührung (d. h. ein sehr leiser Druck), sei es ein stärkerer Druck auf die Haut ein, so werden regelmässig viele Nervenfasern in den Erregungszustand kommen. Eine wirkliche Gefühlswahrneh- mung wird also regelmässig aus vielen Gefühlselementen zusammen- gesetzt sein. Im Allgemeinen werden auch diese Gefühlselemente von ungleicher Stärke sein. Die bestimmte räumliche Nebeneinanderord- nung stärkerer und schwächerer Gefühlselemente prägt num — glaube ich — den zusammengesetzten Wahrnehmungen den bestimmten Cha- rakter auf. So würde die Seele vermöge der Erfahrung auf Anwe- senheit eines Druckes im engeren Sinne schliessen, sobald die Wahr- nehmung zusammengesetzt ist aus stärkeren Erregungen im oberfläch- lichen System und aus schwächeren Erregungen im tieferen System der Gefühlsnervenfasern. Durch Temperaturänderung und Berührung kön- nen nur Fasern des oberflächlichsten Systems in Erregung kommen. Daher fehlen diese beiden Empfindungsarten an Narben, wo das ober- flächliche Hautgewebe mit den Endkolben der Nerven zerstört ist, während daselbst das Druckgefühl erhalten ist. Der Unterschied zwi- schen Temperaturgefühlen und Berührungsgefühlen wird aber ebenso wieder bedingt durch die Verschiedenheit in der räunflichen Anordnung der Intensitätsabstufung der Erregungen, welche vielen Nervenfasern des oberflächlichen Systems zu Theil werden wegen der verschiedenen Verbreitungsart der beiden Reize. Ich kann nach den bisherigen Ver- 399 suchen nicht angeben, welche bestimmte Anordnung der Reizabstufung durch eine Temperaturänderung der Haut, und welche durch eine Berührung derselben hervorgebracht wird. Dass aber diese Anord- nung bei den beiden Reizarten im Allgemeinen einen ganz verschie- denen Charakter zeigen wird, liegt auf der Hand. Man kann wohl auch von vornherein allerlei Vermuthungen darüber begründen. Eine Temperaturänderung wird wahrscheinlich eine mehr allmälige Ab- stufung der Erregungsstärken in benachbarten Nervenfasern bedingen, als eine Berührung, die vielleicht immer einzelne an vertieften Stellen der Haut endigende Nervenfasern ganz unerregt lässt. Ich will übri- gens auf diese Vermuthung, sowie auf noch andere, die sich aufstellen liessen, einstweilen kein Gewicht legen. Man kann auch, ohne von dem bestimmten Hergange eine Vorstellung zu unterstellen, aus un- seren Voraussetzungen den Schluss ziehen: Je weniger Nervenfasern von dem Reize überhaupt betroffen werden, um so weniger charak- teristisch kann der Unterschied in der Abstufung der Erregungszustände sein, um so wahrscheinlicher wird es also, dass eine Temperatur- empfindung einer Berührungsempfindung ähnlich wird, um so leichter kann sich daher die Seele über die Natur des äusseren Reizes täu- schen. Gelingt es sogar, nur eine einzige Faser in den Erregungszustand zu bringen, so ist der Seele nach unseren Voraussetzungen überhaupt jede Möglichkeit abgeschnitten, zu beurtheilen, wodurch die Erregung hervorgebracht wurde. Wir haben daher in unsern Versuchen gestrebt, den Reiz auf eine möglichst kleine Hautstelle zu beschränken. An den Fingern aber und im Gesicht, wo die Verbreitungsbezirke so überaus klein sind und die Endorgane so dieht gedrängt liegen, wird die räumlich beschränkteste Reizung immer noch eine grosse Anzahl von Nerven- fasern erregen. Daher sich hier der Charakter der räumlichen Ab- stufung der Erregungsstärken nicht leicht verwischen wird. In der That haben wir in unsern Versuchen an diesen Körperstellen auch nie eine Täuschung erfuhren. Die Täuschungen nahmen an Zahl zu beim Uebergange zu andern Körperstellen in demselben Verhältnisse, wie dabei der Ortssinn, d. h. der Nervenfaserreichthum abnahm. Das ist aber ganz im Sinne der hier vertretenen Annahme über das 400 r Wesen des Unterschiedes zwischen Temperaturgefühl und Berüh- rungsgefühl. Am Rücken war eigentlich, wie schon. oben angedeutet wurde, gar kein sicheres Urtheil mehr möglich, ob die räumlich beschränkte Reizung durch Wärme oder Berührung hervorgebracht war. Die Fälle von richtigen Angaben waren vielleicht nur Fälle richtigen Rathens, worüber spätere ausgedehntere Versuchsreihen, nach den Prineipien der Wahrscheinlichkeitsrechnung verwerthet, bestimmten Aufschluss geben könnten. Vielleicht wird eben am Rücken von dem örtlichen Reize jedesmal nur eine oder doch nur eine sehr geringe Zahl von Fasern betroffen. XXI. Untersuchungen über den Einfluss der Vagus-Reizung auf die Häufigkeit des Herzschlags. Von Jac. Moleschott '). l. Einleitende historische Bemerkung. Nur wenige Thatsachen im Gebiete der Nervenphysiologie haben, sogleich als sie bekannt wurden, eine so grosse Aufmerksamkeit er- regt, wie die von E. Weber und J. Budge im Jahre 1845 ent- deckte, dass es eine Art giebt, den Vagus zu reizen, bei welcher alsbald das Herz zum Stillstand gezwungen wird. Die Angabe, dass der Vagus unter der Einwirkung hinlänglich starker Wechselströme diesen Einfluss auf das Herz ausübt, wurde zuerst von Weber ver- öffentlicht, von Budge, der seinerseits die Entdeckung selbständig a u #) Diese Arbeit wurde in den Herbstferien des Jahres 1860 mit den Herren E. Hufschmid von Nesseln! (Aargau) und Otto Oesterlen von Stuttgart begonnen, und nachdem Herr Oesterlen zum Beginn des Winter-Semesters nach Tübingen abgereist war, mit den Herren Hufschmid, A. Gascard von Koppen- hagen, BR. Nauwerck von Berlin und B. Schlatter von Schaffhausen fortgesetzt. Ich erfülle die angenehmste Lehrerpflicht, indem ich den genannten Herren öffentlich danke für den unermüdlichen Eifer und die rege Theilnahme, womit sie mich bei Anstellung der Versuche unterstützt haben. MOLESCHOTT, Untersuchungen, VII, 28 Kr 402 gemacht hatte, sogleich genauer und richtiger umschrieben, und die Thatsache wurde dann sehr bald das Besitzthum nicht nur der expe- rimentirenden Physiologen, sondern der gesammten medieinischen Welt, weil es kaum einen interessanteren Versuch giebt, der sich sicherer für physiologische Vorlesungen verwerthen liesse, als eben eine solche elektrische Reizung des Vagus, bei welcher das Herz auf eine Zeit lang zu schlagen aufhört. Zu der Zeit, als de Weber-Budge'sche Entdeckung bekannt ward, huldigte man ziemlich allgemein der Ansicht, dass der Sym- pathieus das Herz mit motorischen Fasern versorge, und es war da- her ein sehr natürlicher Ausdruck der damals in der Physiologie noch so mächtigen teleologischen Methode, dass man im ersten Jubel den wichtigen Fund unter das Dach einer Formel brachte, welche nichts mehr und nichts weniger aussprach, als die Lehre, dass es nicht bloss Bewegung vermittelnde, sondern auch Bewegung verhin- dernde Nerven gebe: der Sympathieus sei der Bewegungsnerve des Herzens, der Vagus dessen Zügelnerv. Ist nun mit dieser Formel unsre Kenntnis von dem Ver- hältniss der Nerven zur Herzbewegung wirklich in Sicherheit gebracht, oder ist sie nur ein dürftiges Nothdach, das man je eher, je lieber durch ein besseres ersetzen sollte? Man mag die Stimmen, welche die erste Hälfte dieser Frage bejahen, zählen oder wägen, — in beiden Fällen wird man zugeben, dass die Behauptung, der Vagus sei der „Hemmungsnerv“ des Herzens, den Schutz einer sehr gewaltigen Autorität geniesst. Der Gegensatz, den man zwischen Vagus und Sympathieus hin- sichtlich ihrer Bedeutung für das Herz gemacht hat, muss zunächst auffallen, da die Frage, ob Reizung des sympathischen Nerven die Thätigkeit des Herzens anregt oder lähmt, bisher auf so verschiedene Weise beantwortet ward, dass eine Entscheidung nur als eine Ab- stimmung für oder wider die betreffenden Gewährsmänner anzusehen ist. Aber auch die ausgedehnte Anerkennung, deren sich die dem Vagus zuertheilte Hemmungsrolle erfreut, muss gerechtes Erstaunen erwecken, da Schiff schon im Jahre 1849 darauf hingewiesen hat, dass gelinde Reizung des herumschweifenden Nerven die Häufigkeit “ 403 der Herzschläge vermehrt, während der Herzschlag nur dann seltner wird oder ganz aufhört, wenn erschöpfende Reize zur Anwendung kommen; und das Erstaunen wächst, wenn man weiss, dass ein so erfahrener Forscher, wie Schiff, mehrfach auf seinen Ausspruch zu- rückgekommen ist '). Mir war es bei Vorlesungsversuchen mehrfach begegnet, dass elektrische Reizung des Vagus entweder keinen Stillstand des Herzens hervorrief oder gar den Herzschlag häufiger machte, während Still- stand eintrat, wenn die Reizung öfter wiederholt, oder durch stär- kere Wechselströme eingeleitet wurde. Seitdem hat Pflüger die Angabe Schiff’s, dass schwache Reizung des Vagus die Häufigkeit des Herzschlags vermehrt, bestrit- ten 2). Pflüger’s Angriff gegen Schiff’s Erfahrungen fand mehr- fach Unterstützung. Und von anderen Seiten fährt man fort, auf dem Satze, dass der Vagus des Herzens Zügelnerve ist, weiter zu bauen, als wenn es sich hier um einen Zweifel nicht mehr handelte. Pflüger hat sich durch seine Untersuchungen über den Elek- trotonus einen hervorragenden Platz unter den deutschen Physiologen errungen, und auf der anderen Seite hat Schiff über einen Schatz von Erfahrungen zu verfügen, wie er wohl nur sehr selten zwei oder drei anderen Forschern zusammengenommen zu Gebote steht; ich fühlte mich daher dringend veranlasst, mir eine breitere Grundlage von eigenen Versuchen zu verschaffen, um mein Scherflein dazu bei- zutragen, einen Punkt, der für jeden Arzt eine so ausserordentliche Wichtigkeit besitzt, in's Reine zu bringen. Diese Abhandlung ist dazu bestimmt, meine Erfahrungen darin ederzulegen; in einer anderen, die bald nachfolgen wird, will ich e Theorie der Vaguswirkung erörtern. 1) Siehe Schiff, Archiv für physiologische Heilkunde, Jahrgang VIII, S. 211 d folg.; Lehrbuch der Physiologie des Nervensystems, Lahr, 1858, S. 417; diese ntersuchungen Bd. VI, S. 201 und folg. 2) Pflüger, Archiv für Anatomie und Physiologie, von Reichert und Du ois-Reymond, Jahrgang 1859, S. 17—19. 28 * M - 404 II. Elektrische Reizversuche. 1. Methode. Wenn man auf elektrischem Wege durch Reizung des herum- schweifenden Nerven vermehrte Häufigkeit des Herzschlags erzielen will, dann kommt es vor allen Dingen darauf an, dass man es in seiner Hand habe, eine sichere Abstufung des Reizes zu bewirken. Um dies bei Fröschen zu erreichen, bedarf es nur des Schlittenappa- rats von Du Bois-Reymond, da man bei Anwendung eines ein- zigen Daniell’schen oder selbst Grove’schen Elements, durch blosses Auseinanderschieben der Rollen eine hinlängliche Abschwä- chung des Reizes hervorbringen kann. Anders bei Kaninchen. Hier ist es nothwendig, selbst wenn die einander zugewendeten Flächen der primären und der secundären Rolle bis auf 28 Centimeter von einander entfernt sind, eine fernere Schwächung der eingeleiteten Wechselströme durch das Prineip der Nebenschliessung zu vermitteln. Zu dem Ende bediente ich mich eines Rheostaten aus der Werk- statt der Herren Siemens und Halske in Berlin. Derselbe ist so eingerichtet, dass man damit einen beliebigen Widerstand von 1 bis 10,000 Einheiten in den Stromkreis einschalten kann, die Einheit gleich 1 Meter Quecksilber von 4 M. M. Querschnitt. Der Apparat besteht nämlich aus zwei Haupttheilen, a) aus sechszehn Rollen von Neusilberdraht, deren Widerstand 1, 2, 2, 5, 10, 10, 20, 50, 100, 100, 200, 500, 1000, 1000, 2000, 5000 Einhei- ten entspricht, und b) aus einem Commutator, welcher mit den Draht- rollen leitend verbunden ist. Die Drahtrollen befinden sich in einem Kasten von Mahagoniholz, und auf diesem Kasten ist der Commuta- tor angeschraubt 1). 1) Ich verdanke die Zeichnungen des Rheostaten den Herren Siemens und Halske selbst, die denselben eine kurze Beschreibung beifügten, an welche ich mich im Text gehalten habe, nur so viel erweiternd als es für Leser, denen der Apparat nicht vorliegt, nöthig schien. Der Preis des Rheostaten ist 50 Thlr. 405 P" Fig. 1 stellt den Rheostaten in oberer, Fig 2 in Seiten-, Fig. 3 in unterer Ansicht dar, nachdem die untergeschraubte Bodenplatte entfernt ist. Aus Fig. 1 ist die Construction des Commutators zu ersehen. Er besteht aus zwei Metallschienen, deren jede in neun Theile getheilt ist. Die einander zugekehrten Enden der Theilstücke, welche einan- der nirgends berühren, enthalten einen bogenförmigen Ausschnitt, und die Ausschnitte der benachbarten Schienenabtheilungen stehen ein- ander so gegenüber, dass sie mitsammt der Lücke, die zwischen den Schienenstücken übrig bleibt, einen eylindrischen Hohlraum umfassen, in welchem ein messingener Stöpsel passt, der mit einer elfenbeiner- nen Handhabe versehen ist. Es sind 16 Stöpsellöcher und ebenso viele Stöpsel da. Stecken die Stöpsel in den Löchern, dann sind die Schienenabtheilungen, unter einander leitend verbunden, und die Schiene S verbindet die beiden Hauptschienen mit einander. An jedem Schie- nentheil ist eine Schraube befestigt, mit welcher die Drahtenden der im Innern des Kastens liegenden Rollen festgeklemmt sind. Zwischen je zwei dieser Schrauben ist also eine Rolle eingespannt, welche alle- mal einen solchen Widerstand hat, wie die Zahl vor dem Stöpselloch angiebt. Wenn nun die Klemmschrauben A und B die zu- und ab- leitenden Drähte aufnehmen, dann wird, so lange die sämmtlichen Stöpsel in den zugehörigen Löchern stecken, nur ein schr geringer Widerstand in den Stromkreis eingeschaltet, da die Schienen bei einem grossen Querschnitt eine geringe Länge besitzen. Entfernt man da- gegen einen oder mehre Stöpsel, dann sind so viel Einheiten Wider- stand eingeschaltet, wie die Summe derjenigen Zahlen angiebt, welche vor den Stöpsellöchern stehen, in denen keine Stöpsel stecken. Der Commutator ist, wie Fig. 1 ergiebt, so eingerichtet, dass zwischen den 2mal 9 Schienenstücken 2mal 8 Widerstandsrollen an- gebracht werden können. Die Aufstellung und Verbindung dieser Rollen unter sich sowohl, wie mit dem Commutator, erhellt aus Fig. 3, in welcher die punktirten Linien die Enden der Drahtrollen, die ausgezogenen die Verbindungen mit den Klemmschrauben des Commutators angeben. Es sind also zum Beispiel die Enden der Rollen von 5000 und 2000 Einheiten in dem Punkte a’ an einen % 406 starken Kupferdraht K gelöthet, welcher wiederum in b‘ an der ent- sprechenden Stelle des Commutators befestigt ist. Ein Gleiches ist bei a? b2 der Fall, u. s. w. Ein Blick auf die Zahlen n Fig 1 lehrt, dass dieselbe Anzahl von Einheitssummen gegeben ist, wie in den Gewichten bei einer Wage, und eine kurze Ueberlegung genügt, um einzusehen, dass man durch richtige Combination dieser Zahlen jede beliebige Anzahl Widerstandseinheiten von 4 bis 10,000 einschalten kann. Ueberall, wo Angaben über den Widerstand in der Neben- schliessung, zu machen sind, wird dies einfach durch Anführung einer Zahl geschehen, welche nach der obigen Auseinandersetzung Meter Quecksilber von 1 M. M. Querschnitt bedeutet. War der Rheostat mit allen Stöpseln eingeschaltet, dann soll dies durch „vollkommene Nebenschliessung“ angegeben werden. Die Nebenschliessung wurde bei Anwendung der Inductionsreize immer in den seeundären Kreis aufgenommen. Je weniger Widerstandseinheiten als Nebenschliessung eingeschaltet waren, desto schwächer war natürlich die Reizung. Ebenso ist eine Verständigung nöthig über die Bezeichnung des Rollenabstandes, bei welchem die Reizung vorgenommen wurde. Wenn die einander zugewandten Flächen der beiden Drahtrollen am Schlit- ten einander berühren, dann ist offenbar ihr Abstand gleich Null. Von Null an wurde die Bahn, auf welcher die secundäre Drahtrolle hin- und hergeschoben werden kann, nach beiden Seiten in Centimeter eingetheilt, deren Zahlen mit dem Pluszeichen aufgeführt werden sollen, wenn die secundäre Rolle von der primären entfernt ward, mit dem Minuszeichen, wenn die Rollen mehr oder weniger weit über einander geschoben waren. Bei — 81/, C. M. deckte die secundäre Rolle die primäre ganz. Als Elektroden, die den elektrischen Strom dem Vagus zuführten, dienten Platindrähte, welche auf Glasplättehen von der Form eines sehr spitzwinkligen Dreiecks aufgekittet waren mittelst eines geschmol- zenen Gemenges von 2 Gewichtstheilen Colophonium und 1 Theil gelbes Wachs. Diese Form der Glasplatten, die für Kaninchen und Frösche verschiedene Dimensionen hatten, gestattete es leicht, die Elektroden unter den Nerven zu schieben, und weil die Platindrähte . 407 auf der Glasplatte in der Nähe der Seitenränder verliefen, also von der Spitze des Dreiecks nach dessen Basis divergirten, so genügte eine Verschiebung des Plättehens, um den Elektrodenabstand grösser oder kleiner zu machen. War das Elektrodenplättchen unter den Nerven gebracht, dann wurde ein trocknes Kautschuckröhrehen über die Spitze desselben geschoben, um zu verhüten, dass es bei unvor- hergesehenen Bewegungen des Thiers unter dem Nerven wesglitt. An der Basis des dreieckigen Glasplättchens waren die Platindrähte mit versilberten Schnüren (Pfeifenkordel) verbunden, die, mit kleinen Stücken enger Glasröhren bedeckt, immer von einander isolirt blie- ben und mittelst Kupferstifte in die Quecksilbernäpfehen tauchten, welche die Elektroden der secundären Rolle des Schlittenapparats aufnahmen. Die galvanische Vorrichtung, welche den Hammer des In- ductionsapparats in Bewegung setzte, war meistens ein Daniell’sches Element, das in seinem Thontrog mit Schwefelsäure 20 %, oder 10 %,, bisweilen auch nur mit Wasser geladen war. In anderen Fällen wurde 1 Grove’sches Element benutzt, das Platin von starker Salpeter- säure, das Zink von 2Oprocentiger Schwefelsäure umspült. Weil die Kaninchen sehr schreckhaft sind, so musste ich sie, um reine Resultate zu erzielen, an das Geräusch des schwingenden Ham- mers gewöhnen. Mit wenigen Ausnahmen, bei denen dies ausdrück- lich bemerkt werden soll, wurde daher der Inductionsapparat wäh- rend der ganzen Versuchsdauer in Thätigkeit erhalten. Vor der Rei- zung tauchten nur die Drahtstifte des Elektrodenplättehens und die Drähte des Rheostaten in die Quecksilbernäpfehen, die zur sicheren Fü 3 der Drähte mit Korken verschlossen waren, durch welche enge lasröhren in das Quecksilber führten. Die Drahtenden der secundären Rolle wurden erst dann in die Quecksilbernäpfchen ge- taucht, wenn die Reizung beginnen sollte. Die Pulsfrequenz der Kaninchen ist so gross, dass ihre Zählung r eine unermüdliche Aufmerksanikeit erfordert. Um diese zu sichern, zählte vom Augenblick, wo ich das Zeichen gab, einer der Ge- hülfen von 1 bis 10, dann löste ihn der andere ab, der gleichfalls 1,2, 3 u. s. w (nicht eilf, zwölf, dreizehn) zählte und, wenn er bei ® 2 408 10 angekommen war, 20 sagte, dann wieder der erste: 1, 2, 3 u. s. w., bis 30 u. s. f£ — immer laut, so dass jeder Irrthum von den nicht zählenden Gehülfen sogleich berichtigt wurde. Derjenige, der die Wechselströme in den Nerven einzuleiten hatte, war vom Zählen dispensirt. War das Ende einer Minute erreicht, dann gab ich mit dem Worte Null das Signal zu einer neuen Zählung, die allemal von demjenigen begonnen ward, der zuletzt nicht mit Zählen beschäftigt war. Bei den Kaninchen wurden die Herzschläge nach Schiff’s Me- tlode 1) mittelst einer in das Herz gesteckten Insektennadel gezählt, an welcher ein leichter mit rother Seide umsponnener Draht als Zeiger befestigt war. Bei den Fröschen, deren Herz ohnehin bloss lag, wurde der Herzschlag unmittelbar beobachtet. Die Nerven wurden durch ein Gemenge von Hühnereiweiss mit 3 bis 5 Raumtheilen Wasser feucht erhalten. 2. Versuche an Kaninchen. Ä Versuchsthier A. Am 23. August 1860 wurde einem Kaninchen der rechte Vagus blossgelegt, und ohne vorherige Durchschneidung zu Reizversuchen benutzt. Bevor die im Versuchsplan liegenden Reizversuche begannen, wurde vermittelst eines Grove’schen Elementes bei einem Rollenab- stand von — 81/, ©. M. dreimal Stillstand des Herzens erzeugt. Darauf begannen die eigentlichen Versuche. Die Reizung wurde nur alle drei Minuten wiederholt, und die Wechselströme mit einzel- nen Ausnahmen dadurch eingeleitet, dass das galvanische Element, welches den Hammer des Induetionsapparats in Bewegung setzte, ge- schlossen ward. Erst bei dieser Versuchsreihe wurde meine Aufmerk- samkeit durch Hrn. Hufschmid darauf geleitet, dass das Thier beim Schliessen der Rolle über das Geräusch des Hammers zu erschrecken schien. Deshalb blieb ein Paar Mal der Inductionsapparat auch wäh- rend der dem Nerven vergönnten Ruhe in Thätigkeit, und die Rei- 1) Schiff, Experimentelle Untersuchungen über die Nerven des Herzens, Archiv für physiologische Heilkunde, Jahrgang VIII (1849), S. 174. 409 zung wurde also durch das Schliessen der secundären Strombahn ver- mittelt. Diese Versuche sind dadurch ausgezeichnet, dass dem Worte Ruhe in Klammern die Angabe: „mit Geräusch“ beigesetzt ist. Die römischen Zahlen I, I, III, IV bedeuten ein- für allemal erstes, zweites, drittes, viertes Viertel der Minute, und die darunter stehenden Zahlen die Herzschläge, welche während der Minute fort- laufend gezählt wurden. Auf meiner Uhr sind die beiden ersten Quadranten, die der Secundenzeiger zu durchlaufen hat, etwas kleiner als der dritte und vierte. Da aber die Zählung immer bei 0 begann, so sind die unter einander stehenden Zahlen direet mit einander zu vergleichen. \ In der Rubrik: „Elektrodenabstand“ ist die Länge des durch die Wechselströme erregten Nervenstücks angegeben. Tabelle. I. 58 | ne rg Rollen Neben Elektroden Be 85 | sche Vor- Se 1 5 Sr Frei = Hz a Der abstand. |schliessung.| abstand. ur I | IL |HLIIV. =’3 | richtung. Nerven. Aa 1 Ruhe |51| 99146195 1 Daniell 2 Imit Wasser'28 C.M. 1 Meter| 10M.M. [Reizung |56|110|165/220 3 Ruhe [551071571210 4 3 n wi, > Reizung \561110/167 1222 5 Ruhe /55/107/1571210 6 5 5 34 5 Reizung |55/109/163 220 7 Ruhe 153)100|151/200 8 a er Ar, 5 Reizung |57[111|167|/222 9 n_ Ruhe [5411041152/204 10 > B 1027, n Reizung |55/110/162,220 11 le husch) 541105/154/208 12 | Ruhe |47| 92]138185 13 A 3 20:0; e Reizung |57[109|161|216 14 Ruhe [47| 971150/202 15 2 = 1007 . Reizung 55111/171235 16 ’ Ruhe 151|102/456\209 17 5 = 150 „ x Reizung |5111071165/223 18 (miterkusch] 50 101 156 212 19 2 zw. 1200 „ " Reizung |52]108|166|223 4 410 Hierauf wurde mit einem Grove’schen Element bei einem Rollenabstand von — 81/, ©. M. gereizt, wodurch Stillstand des Her- zens hervorgebracht ward. Jede Reizung bewirkte also eine erhebliche Frequenzvermehrung, die im Minimum (No. 5 auf 6) 10, und im Maximum (14 auf 15) 33 Schläge in der Minute betrug. Im letztgenannten Fall ergab sich eine Vermehrung von 202 auf 235 Schläge, was also einer Zunahme um beinahe 1/, der ursprünglichen Zahl gleich kommt. Versuchsthjier B. Am 24. October, Vormittags 11 Uhr, wurde ein weisses Ka- ninchen auf das Vivisectionsbrett gespannt. Vor Anstellung der Reizversuche und vor der Blosslegung des Vagus wurden einige Zählungen angestellt, um die Wirkung des Geräusches zu beobachten. Als einmal die auf die Reizung bezüg- liche Beobachtungsreihe begonnen hatte (von No. 10 an), bestand das Geräusch allemal auch während der Ruhe des Nerven ununter- brochen fort, Iranbreilile au So| | = 5 Galvani- Bollen Neben- |Elektro- | Zustand 28 Zeit. |sche Vor- Eee, schlies- den- i des I.| H. |IIL\IV. 3 2 richtung. sung. ER Nerven. Aa | 1 |11h. 6) Vor der Operation Zube one 1551110/1681225 N a B Bun mis 152[108[162|218 | Pur u Buhe ohne 15111041161 [221 » 1%! Rechter Vagus blossgelegt. 4| „19 Gerausen |01| — 187/246 5 | „ 26/1 Grove| 0 0 10 M. M.|Reizung | 0 6:| 2020 Buhe onne /46| 931149 200 2: he mit 511104 161206 Sa r | Se Gereusen 53 1071166 222 I | „ 30 säure 109,28 C.M.| 0 » Reizung ‚51/103/161 214 10414, nad 7 ae ir 1521104|161 215 11°). „ac, > ee Reizung 51104158214 411 CE) 23 Galvani- Neben- Zustand 6} B= Zeit. aa Rollen- :._ |Elektro- Ak ES ee Be ge ind Nerven. a TuHHLIV- Zr 12 |11h.48° Ruhe [50]101|155|208 13 | „ R 5 10Met.| „ Reizung |51/106|165[/225 14 | „50: Ruhe /50/101)157|212 y 5211041160/216 AGAl= ;#h8! ” 5 Dee 5 Reizung |51/106|164 221 A717 259, Ruhe 51103/158212 18 |12h. 9 E 541107|158/209 AyaıT „40/ 2 P 20 „ 5 Reizung |51/106]158/211 20 | „48 Ruhe 41) 86129170 21 „19 J ” 42| 9011391184 22 | „20° F 43| 8911371182 23 | „.30' 5 46| 91/141 189 2a 2591! 5 n 25, " Reizung |45| 94147201 20 |, 32° Ruhe 47| 96145195 26 | „33 7 46| 951145192 2 | z,04 - ” Bas 5 Reizung [46] 99[152|202 28 | „Boll Ruhe 150/110/161 212 1 Daniell, Schwefels. | 3 29 | „ 36°) 10% 5 P 5, Reizung |52]110/166,221 30 I; ı,,97° : Ruhe [49103/156206 31 38° - 5011001153207 32 |, 39 Be > 5 5 Reizung |51/104[161 219 33 | „ 40' Ruhe 150/100/151[/204 34 | „ 41'/1 Grove — 81/,| 0 = Reizung | 0 Aus dieser Tabelle ergiebt sich, dass Reizung bei einem Rollen- abstand von 28 ©. M. ohne Nebenschliessung zu stark (No. 9), und eine solche mit vollkommener Nebenschliessung zu schwach war (No. 11). Auch eine Reizung, bei welcher nur 5 Widerstandsein- heiten als Nebenschliessung eingeschaltet waren, liess noch zu wenig vom elektrischen Strom durch den Nerven abfliessen, um eine erheb- liche Frequenzvermehrung zu bewirken (Nr. 15, 16). Bei einer Ne- benschliessung mit 25 und mit 35 Widerstandseinheiten wurde die Zahl der Pulsschläge um 9 (No. 29) bis 17 (No. 13) in der Minute vermehrt. No. 19, bei einer Einschaltung von 20 Widerstandsein- heiten, zeigt nur eine sehr geringe Zunahme. 412 Geht man die Beobachtungen No. 20 bis 33 durch, so findet man, dass in Folge der von Zeit zu Zeit wiederholten Reizung die Frequenz, die bei No. 20 während einer Ruhe von 8 Minuten um 41 Sehläge gesunken war, sich auch während der Ruhe auf einer mittleren Höhe behauptet. Endlich lehrt diese Versuchsreihe, dass man nur zweifelhafte Resultate zu erwarten hat, wenn man die Reizung nur eine halbe oder gar nur eine Viertelsminute fortsetzt; siehe No. 13, 16, 24, 27, 29, 32. Nachdem die obige Versuchsreihe abgeschlossen war, wurde bei demselben Thier der linke Vagus blossgelegt und dicht unter dem oberen Halsganglion des Sympathieus durchschnitten; das periphe- rische Ende des Nerven ward nun zu Reizversuchen benutzt. a bie, 1 lest Pe Fe Galvani- Rollen en Elektro- | Zustand 1.\1r. mv Od | Zeit. he Vor-| 0 | schlies- | den- d ne IP V. E e=) j. Fichtnnil a anne Gr! Neryaht ! 28 | | LESEHDLERBREE LI ES Hrnuhhl aB ENGE al 1 me Al ben Mel. mg S a 1 |12h.45° Ruhe |49| 99|147|196 1 Daniell itSchwe- 2 | „ 46"kas. 10.0, 28C.M.|50 Met.1OM.M. Reizung |501101|1561214 are Al Ruhe 1491100154209 auler As | A „ Reizung [511103|1611216 og! Ruhe /55112)166/220 6717 „Sog 141005 » Reizung |59. 11811731230 Also auch die Reizung des vom Centrum getrennten Nerven- stammes vermehrte jedes Mal die Häufigkeit der Herzschläge. Die Beobachtungen No. 3 und 5 lassen eine erhebliche Nachwirkung der Reizung erkennen. Um so sprechender ist die vermehrte Frequenz, welche dennoch jede neue Anwendung des Reizes hervorbrachte. Gegen die unmittelbar vorangehende Ruhe betrug die Zunahme 7 (No. 4) bis 18 (No. 2) Schläge in der Minute. Der Erfolg war also ebenso gross wie bei der Reizung des unversehrten linken Va- gus. 413 Hierdurch wird für diesen Fall die Annahme einer Reflexwir- kung, welche in dem Hirn-Rückenmarksstamme zu Stande käme, aus- geschlossen. Versuchsthier C. 31. October 1860. Einem weissen Kaninchen wurde der rechte Vagus blossgelegt; die Reizung erfolgte zunächst am unversehrten Stamm. Tate IMAV. 2 | ; 3 #. KEEES Rollen- Neben- |Elektro- | Zustand | j Be Zeit. Vorrich- /abstand. BE a T Bea 1. ILL] IV. E B | tung. sung. jabstand. | Nerven. 1 |11h.10° Ruhe | 39 |78121|163 2| „ 11‘/1Grove 28C.M.|20 Met.\12M.M.| Reizg. | 39 |79 121|163 Sn, 12 | Ruhe | 42 183 1130176 4| „Ai 5 1 z Reizg. | 41 185 1132]179 Bl) „14 3 e „ s 44 |90 1138183 715. | Ruhe | 39 |78 1191162 Me 10) , u 2 = Reizg. | 44 |89 1137[181 SE 47% Ruhe | 39 |79 |122)164 Ne Pag TU man „ 2; 5 Reizg. | 43 188 135/183 40. 19 Ruhe | 39 |81 11241167 11| „24 > 34 169 11081147 Jetzt wurden beide Vagi hoch oben am Halse durehschnitten, und eine halbe Minute nach der Durchschneidung des linken Vagus die Zählung fortgesetzt. 12 11h.307| Ruhe | 40 [83 11281173 137, .32 a 43 188 1136/1183 14]. „ 34. 5 411/,184 1291 1731/, Aa „ 36° # 39 [81 11251168 Reizg. 16) „ 37’\1Grove)28C.M.| 2 Met. |8M.M. | links | 41 |85 11301176 . \ Pe | Ruhe | 41 18411291172 un. 41’ ” 39 [81 11241169 Nun wurden die Rollen übereinander geschoben, die gereizte Strecke mass 10 M. M., durch die Reizung (ohne Nebenschliessung) wurde auf der Stelle Herzstillstand hervorgebracht. Als die Kette 414 geöffnet ward, schlug das Herz wieder wie zuvor. Es wurde wieder auf dieselbe Weise Herzstillstand erzeugt und die Kette geschlossen gehalten, bis das Herz wieder anfing ordentlich zu schlagen, dann — bei unverrückten Elektroden — wieder geschlossen, und nun schlug das Herz fort, als wäre nichts geschehen. Darauf wurde das Elek- trodenplättchen nach der Peripherie des Nerven vorgeschoben, und darauf zwang dieselbe Reizung das Herz sogleich zum Stillstand. Bei Anwendung des Grove’schen Elements erschien in der obigen Versuchsreihe bei einer Nebenschliessung mit 20 Widerstands- einheiten die Reizung schon zu stark (No. 2). Da ferner in No. 3 während der Ruhe die Frequenz zunahm, könnte man daran zweifeln, ob die verhältnissmässig geringe Fre- quenzvermehrung in No. 4 und 5, bei Einschaltung Eines Meters in der Nebenschliessung, als eine Folge der Reizung anzusehen sei; der Zweifel wird aber beseitigt, wenn man sieht, dass m No. 6 die Zahl der Herzschläge in der Minute, in welcher die Reizung aufgehoben war, von 183 auf 162 sank, um sogleich bei Wiedereinleitung der Wechselströme sieh wieder auf 181 zu erheben, worauf sich das Sin- ken, Steigen und Sinken entsprechend der Ruhe, Reizung und Ruhe mit derselben Deutlichkeit wiederholte. Die höchste Frequenzzunahme betrug 19 Schläge in der Minute. Auf die Durchschneidung beider Vagi erfolgte zwar im Vergleich zu der in No. 11 während der Ruhe angestellten Zählung ein Häu- figerwerden des Herzschlags um 26 bis 36 Schläge (No. 12, 13), aber dann nahm die Frequenz wieder ab, um sich auf einer Stufe zu erhalten (170 im Mittel), welche die Zahl der Pulsschläge während der Ruhe vor Durchschneidung der Vagi (166 im Mittel), wenn man von dem extremen Fall in No. 11 absieht, nur wenig übertraf. Die. in No. 16 angestellte Reizung brachte sogleich eine Zunahme von 8 Schlägen in der Minute hervor. VersmutehsthierD. Tarbiellie "V. 415 1. November 1860. Ein schwarzes Kaninchen auf dem Vivi- sectionsbrett lieferte nach Einsenkung der Zeigernadel in das Herz vor jedem anderweitigen operativen Eingriff : J 8 Zeit. 11h, 5 Dale | De n Dann wurden beide Vagi mit einer scharfen Scheere durcehschnitten und eine halbe Minute darauf die Herzschläge gezählt : Nummer der DI] Beobachtung. w 4 11h. 19 ae 6|, Zul... 25° BEP. 126. | 1 |Iind 16 | 98 50 [101 46 | 94} 39 | 80 40 | 82 42 | 85 43 | 88 421/,| 864 III. 14877, 153 146 123 127 131 137 133 167 173 176 187 179 Von hier an wurde das peripherische Ende des rechten Vagus zu Reizversuchen benutzt. Su ze Galvani- Rolle: Neben- |Elektro-| Zustand Pie) Zeit. |sche Vor- land schlies- | den- des TA CI, 5 3 richtung. ") sung. [abstand.| Nerven. = AR | 9 IITh. 30 Ruhe 14217,18677, 1 Daniell ım.Schwe- 10 | „ 31'|fels.200/,128 C. M.| 50 Met.|8,5M.M.| Reizung |43 |% 1|, 32 2 „ 2 „ n 47 |95 22:\', 33° Ruhe [421/587 1, 35 3 40 |82 |. 3 » 2 Iss n |: © , ka » | Reizung |42. |88 „40 E 1 Far [50 |» 4° n . 45 192 19 | „ 42 Ruhe /42 |86 20 |,» 43‘ n 42 187 ir, 44 42 185 Ble a ; SA 0OR: » Reizung 42. |87 23|,„ 46° Ruhe |42 |87 24, 47° | u = 43 189 s 133 138 1431/ 134 129 134 132 136 137 141 132 133 131 133 133 132 416 1 re Galvani-| Rollen. | Neben- [Elektro-) Zustand E 3 Zeit. |\sche Vor- ahstand schlies- | den- des I. | m. | Im. | IV. ge richtung. "| sung, jabstand.| Nerven, STE ORBTORB SE 1, 2LERSBEREBER IE BE RE. 25 |11 h. 48° Ruhe 44 | 89 | 131 | 176 1 Daniell m.Schwe- 26 | „ 49’ |fels. 200/,|28 C. M.| 20 Met.|8,5M.M.| Reizung | 45 | 93 | 137 | 186 | x 10 „ n £ 45 | 94 | 136 | 185 asıl® ei 2 5% H i 48 | 94 | 140 | 187 | c ae N : 45 | 92 | 135 | 182 Sonn Sl n Du N x 45 | 90 | 135 | 183 u el Ruhe 43 | 89 | 130 | 177 Baul.n 56‘ = 43 | 89 | 133 ! 181 33 12h. 2 e 43 | 87 | 132 | 179 34 !, 3’ n —81/2C.M. 0 = Reizung | 0 Diese Versuchsreihe bestätigt die Folgerungen, welche aus den früheren Tabellen abgeleitet wurden. Eine Einschaltung von 100 Widerstandseinheiten als Nebenschliessung brachte noch eine Zunahme um 4 Schläge in der Minute hervor (No. 22). Die höchste Zunahme in der ersten Minute, in welcher gereizt wurde, im Vergleich zur vor- hergehenden Ruhe betrug 10 Herzschläge (No. 26); sie liess sich aber durch fortgesetzte Reizung bis auf 14 treiben (Nr. 11). Sehr bemerkenswerth ist, dass auf die Durchschneidung beider Vagi statt einer vermehrten Frequenz eine verminderte Häufigkeit der Herzbewegungen sich einstellte (No. 4 bis 33); ja selbst während der Reizungen wurde nicht einmal mehr dieselbe Zahl von Herzschlägen erreicht, welche vor der Durchschneidung beider Vagi bestand a Versuchsthier E. Durch die Versuche, die in den Tabellen III bis V mitgetheilt sind, ist zwar schon bewiesen, dass die vermehrte Frequenz des Herzschlags auch durch Reizung des vom verlängerten Mark getrenn- ten Vagus bewirkt werden kann; dadurch ist aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass dennoch auch die Reizung des centralen Stumpfs den Herzschlag häufiger machen könnte. In diesem Falle müsste man dem Vagus ausser der direeten Einwirkung auf das Herz Pr Y 417 auch eine refleetorische, in den grossen Centralheerden vermittelte zuschreiben. Zur Prüfung dieser Frage wurde am 5. November 1860 einem weissen Kaninchen der linke Vagus unten am Halse durchschnitten, und das centrale Ende zwischen die Elektroden genonimen, während der rechte Vagus unversehrt war. uarbyerl-lle IV Sa = 8 Galvani- Rollen- rbaz Plekeo Aaetpd | 28 it. - chlies- en- es Ir FE Se a Bu Re abstand. | Nerven. a Zr 1 |11h.10° Ruhe [41 |8341130|175 2|, 12 -, 44 \88 [132/174 au „13° n n 38 |79 1121164 4|„ 15 5 40 81 [11251168 1 Daniell 5| „ 46-200, 28C.M. 10 Met.\11M.M. Reizung |4o |82 1281173 Bil, AU Ruhe /404/83 1127171 7 „ 23°Der Nerv mit Eiweiss befeuchtet P 43 89 136/184 1 Daniell mitSchwe- n 8| „ 24fels. 20 %/,28C.M.|20 Met.|14M.M. Reizung 41 |86 134/181 9 | „; 25° Ruhe 42 |86 1134181 10| „ 26‘ 5 43 87 11341181 2 ) ) Dr » [Reizung 43 [88 14136180 12, 28 Ruhe |44 |88 |135/182 Aus diesen Zahlen lässt sich nur folgern, dass die Reizung des eentralen Stumpfs des linken Vagus, obgleich der rechte Vagus un- versehrt mit den Centraltheilen zusammenhing, keine Frequenzvermeh- rung erzeugte. Es ist also keine Reflexwirkung im Spiel, wenn Rei- zung des undurchschnittenen Vagus den Herzschlag häufiger macht. Dasselbe Thier wurde noch zu Reizversuchen am rechten Va- gus benutzt. Der Nerv war nicht durchschnitten. MOLESCHOTT, Untersuchungen VII. 29 418 Braubaenl INesizuvacn 5% | en E Galvani- Rollen Neben- | Elektro- | Zustand | 23 Zeit. [sche Vor- ee schlies- den- des I. |IL|III.\IV. 8 < richtung. sung. abstand. | Nerven. | Aa 1 |12h.35° Ruhe |41/841127]171 1 ran hwefel- 2| „ 36-nr0200128C.M.| konnen 19 M.M.| Reizung 1401811261170 3|„ 3% u 5 1 Meter 5 5 41/821125,168 4| „ 38 = 5 Dr -, 2 391801123|168 ln: Er n + Dr n + 391831127[171 el... a0: AA e „. aalsalı29lı75 Zul Al SE BL EEn, x » laelselıaılı77 8|„ 4 n 5 bar, 4 5 42/861132]180 9|,„ 49 n 5 d0zE, 5 n 4590/1371184 10|, | „ 2 S0Pf, > „ \aslszlıaalıso 11 |, 45° Ruhe )40/82|1271171 42: | ,040, n > 1025, “ Reizung |41/84|129|173 PETE 1 OR RFITER 2 „. _lalsslıs2lırs 14| „ 48 5 5 40 „ - > 431881351182 LE Nr 1 „a0, „ „ laalsslısılıra ln EIHMTADE:, ; „ . 4algolıa71ı84 1a od‘ 5 n AUF, 5 5 45/90|1381187 1418| „ 52° Ruhe [41/86'11331181 490,944 5 43/871131,179 20 | „ 58' = 421861132]180 In diesem Fall war eine Reizung, bei welcher nur 1 bis 3 Meter Widerstand in der Nebenschliessung angewandt wurden, zu schwach, und bei einer Einschaltung von 50 Widerstandseinheiten (No. 15) schien die Reizung bereits zu stark zu werden. Durch ein allmäliges Ansteigen von 4 bis 10 Widerstandseinhei- ten (No. 6 bis 9) stieg die Häufigkeit des Pulses um 13, durch das Ansteigen von 10 auf 40 Widerstandseinheiten wurde sie um 16 Schläge in der Minute vermehrt. Aus den Zählungen No. 18 bis 20 ergiebt sich eine deutliche Nachwirkung des Reizes, denn nachdem mit Unterbrechung Einer Minute im Ganzen 15 Minuten lang gereizt worden war, sank die 419 Frequenz zwar um 6 bis 8 Schläge gegen diejenige, welche während der Reizung bestand, sie lag aber 7 Minuten lang um 8 bis 10 Schläge höher als während der Ruhe zu Anfang und in der Mitte der Reizung (No. 1 und 11)., Das allmälige Ansteigen der Pulsfrequenz, während die Stärke der Reizung allmälig wuchs, das plötzliche Sinken der Frequenz beim Aufhören der Reizung ist der sicherste Beweis, dass jeder Verdacht einer zufälligen Wirkung hier völlig grundlos wäre. Als die Nebenschliessung entfernt und die Rollen über einander geschoben waren, ward das Herz durch Einleitung der starken Wech- selströme sogleich zum Stillstand gezwungen. Verswchsthier F. 6. November 1860. Bei einem grauen Kaninchen, dessen linker Vagus zu anderweitigem Zweck mehrfach stark gereizt worden war, wurde der rechte Vagus blossgelegt, und durch dessen Reizung die folgende Beobachtungsreihe gewonnen. Tabelle VI 5» 5 E Galvani- Roll Neben- | Elektro- | Zustand FE Zeit. sche Vor- et schlies- den- des 1. I. IH. IV. 52 richtung. "| sung. | abstand. | Nerven. | zZ | | 1 |12h.16° Ruhe |37771113[145 1 Daniell m, Schwe- 2 | „ 417°fels. 20 0/5 28C.M. 10Meter|19 M.M.| Reizung 37781120162 Ba 18° Ruhe ‚38791122164 een 19 e 40 82127173 120: 5 40,82,127|173 6|,„ 21 5 '41/85/131[173 Bein. 22. = - Reizung 43 871331179 8|, 2% a6. 2 „ _a1lssl133lası Gleich die erste Reizung vermehrte die Häufigkeit der Herzbe- wegungen um 47 Schläge in der Minute (No. 2). Dann wurde auch in der Ruhe eine bedeutende Nachwirkung beobachtet (No. 3—6), da sich aber in 3 auf einander folgenden Minuten die Frequenz auf 20 420 gleicher Höhe hielt (No. 4-6), wurde von neuem gereizt und so- gleich wieder eine Zunahme von 6—8 Schlägen hervorgebracht. Nach der letzten Reizung verschied das Thier unter heftigen teta- nischen Zuckungen mit furchtbarem Trismus. In No. 2 liegt wieder ein Beispiel vor, in welchem die Fre- quenzzunahme erst in der zweiten Hälfte der Minute deutlich wurde. Viensuchsthilez.,G 16. November 1860, Albino-Kaninchen, kräftiges Thier. Der linke Vagus wurde unversehrt auf die Elektroden gebracht. DEsapresllTewR: EF, = & N Galvani- Rollen Neben. Elektro- | Zustand 23| Zeit. [sche Vor-| ystand, | schlies- den- des I. | I. \IIL|IV. E42 richtung. sung. | abstand. | Nerven. za 4 |11h.12° Ruhe |—| — [147[198 Zain Klo n 46| 94/143/196 a a ” 47| 94| — 1194 4, lo! > —| 94)140/190 1 Daniell m. Schwe-| 5| „ 16’liels. 10. %,28C.M.|5 Met.|11 M.M.|Reizung |48| 95|146/200 6 1% n „ 2 - 48| 981152]207 Tal 5:5484 = ” 2 2 5 50/1031158|214 8, 19: - > n e ” 51/100]161|216 9. >..20% 5 5) n 5 r 52/101)158]214 10) 950214 5 „ 12 = 521041162220 1417| 5m221 5, n 2 , 5 52,107)163|222 12.| „ 23° n z 5 1 5 —1109)169|228 13 | „ 24 z - n - % —|111|171 232! 1414| „ 25 5) 5 5 5 &4 50/102]157|210 451 191526/ n » 6% ” n 50/102]1581217 16 | „ 2% n n > > 2 50/103[159/216 als | ee 5 5 % " R 51/106|1631222 IS 2% 2 7 5 4 > 51/103/161)218 19:,172.30! 5 ” 3 n 5 51/105)160|212 20 | „ 31° D n P n 5 —| 91/148[208 21 | „ 32! n n 7 5 ” 50/103)1601216 22 | „ 33° > » 4 ” > 511103'159]214 > LG) pls CR) = ® Galvami- | Koen- Neben- | Elektro. | Zustand 2.3 eit. |sche Vor- ies- en- T E2 richtung. abstand. Fe ÄRzEr, EN AP OT TS. TV z8 1 Daniell p m. Schwe- 23 |11h.34 teils. 10 %,|28C.M.| 7 Met.|11 M.M. Reizung 49| 971147195 ZALN, * 35° n = 8, u = 47| 971150)202 25 | „ 36° 5 » n = 5 45| 95/149|204 26| „3% 5 u 5 = 5 50102 154|210 27.| „ 38 5 = n N Fr 481001155211 28| „ 39 = - 2 a 5 48/1001155|211 29 | „ 40° 5 5 n 6 5 51,105/161/218 30 | „ 4° ) = » - = —104/163)218 Bar. 5 5 R „lag! — 458\216 32 m43N > = n = 5 51/104/160|216 33 | „ 44 5 5; 407, = = 50) 1031158\216 34 „ 45' u P n 5 5 54104/156207 35|, 46 „ x # S „ Taz| 9711491203 sl. ar) , 2 5 £ » I50| 981151l202 Hier wurde 7|, #8 „ » „ » » 44! 76 !| Interbrochen 38 n 49 P » vollkommen „ n 49 101 146|212 39 52,50' „ = n 5 c 501103 156/211 40, 50) . £ r # ” las 1011154207 4 oz en 5 4, u ” 501021156 210 42| „ 53 a s n n ” 50 101/152) 204 43 | „ 54 = = - n n 50 101/156/210 Aal, 55) , ” £ 3 € » 15111041157|207 9, 56° = = Bye, 5, = 501041160) 217 46| „ 57° - ” n n 5 49| — 11511204 47|,58 , BEN BCE f » Isıl1031159|216 48| „ 59 = n „ ei 5 —100/151/206 49 12h. s as ? "15010311601 216 Bo. 17 5 - n ” 4) 50104/160218 Bl. , j 4 a 7 15111051162|249 Bau 9 ” = y = 5 51/106/162]221 Bo, 4 R = = R P 51| 82] 96] 1261 7 u N „ n vollkommen P 5 43) 95/146) 200 BB ie 6 5 „ 2 5 » 47, 97150206 Bin le, x x „149 1100|153|205 =, + a 5 z - 14710011541210 N $ . i 7 14911001152)209 |, 10 , 4 3 $ - 150l404|156|211 422 GR") = E 5 Gehanıe Rollen: Un ma eg Er Sr it. [sche - chlies- - es ES is en nn a ebaland! Nerven. a ae 1 Daniell 60 12h.14 eis. 1007 28C.M. | ixonnen) 14 M.M. [Reizung [5011031591215 61.074121 5 n n =, 5 5011041159214 62 | „ 13% > 5 5 e = 5111041591215 63 | „ 14 Ruhe \--11051157.212 64 | „ 15° J 5 5 Met. » |Reizung 50/101 156/210 6565|, 16| , n + 5 x 5111041581243 66 | „ 19 5 5 - 5 4 51/1103/157/212 67 | „ 18 5 5 5 5 2 4911031157216 68| „ 19% = - = r 5 — 106/161 1218 69 | „ 20 h 5 e 5 5 501103159216 TON, 1247 5 ’ 5 S n — 110711641223 A|, 22 5 . 5 S » 5311071641223 Ra 5. Ra, 5 % " > 50104/160217 73| „ 24 “ e 5 . 5 521107164223 74| „ 25° 3 5 5, A a 521071631221 75| „ 26‘ 5 5 a : 5 5111071631223 76 | „ 324 Ruhe |46| 941441194 Tl nz,Ld8 = , en z Reizung |47| 9611461198 78|, 3A , 5 ERlalyn a 46| 951144194 Als die Nebenschliessung entfernt war, brauchte die secundäre Rolle der primären nur auf 14 ©. M. genähert zu werden, um Still- stand hervorzubringen. Während der ersten 4 Minuten, in denen der Nerv von jeder Reizung verschont blieb, ergab sich eine deutliche und beinahe stetige Abnahme in der Häufigkeit der Herzbewegung (No. 1—4). Mit dem Beginn der Reizung, bei einer Einschaltung von 5 Widerstandsein- heiten, steigt die Frequenz sogleich um 10 Schläge (No. 5), und dann während 8 Minuten regelmässig und beinahe ganz stetig weiter, im Ganzen von 190 (No. 4) bis auf 232 (No. 13). Es wurde also eine Vermehrung der Herzschläge bis um 42 Schläge oder ?/, der ur- sprünglichen Frequenz in der Minute beobachtet. Dann sank die Häufigkeit des Herzschlags plötzlich um 22 Schläge in der Minute, 423 während die Stärke der Reizung gleich blieb (No. 14), aber durch verstärkte Reizung (Einschaltung von 6—7 Widerstandseinheiten) konnte sie wieder um 12 Schläge vermehrt werden (No. 19). Erst nachdem diese stärkere Reizung 8 Minuten lang angedauert hatte, nahm die Frequenz wieder, und zwar plötzlich um 19 Schläge ab (No. 22 auf 23), um bei einer neuen Verstärkung der Reizung all- mälig wieder um 23 Schläge zuzunehmen (No. 24 bis 29). Fünf Minuten lang hielt sich dann die Häufigkeit des Herzschlags auf gleicher Höhe, 218 bis 216 Schläge in der Minute. Als aber bei No. 33 in der Nebenschliessung 10 Widerstandseinheiten eingeschaltet worden waren, begann die Frequenz zu sinken, und bei No, 37 be- trug die Abnahme schon in der ersten Hälfte der Minute 22 Schläge gegen die unmittelbar vorausgegangene halbe Minute. Darum wurde die Reizung während einer halben Minute unterbrochen. Schon eine so schwache Reizung, wie sie bei vollkommener Nebenschliessung stattfindet, brachte nun eine bedeutende Frequenzvermehrung hervor, die sich auch bei mässig verstärkter Reizung erhielt (No. 38 bis 52), so dass die Zahl der Herzschläge um 31 über die letzte Zählung in der Ruhe gesteigert werden konnte. ‚Jetzt zeigte indess der durch mehrfache Reizung schon etwas ermüdete Nerv ein schr merkwürdiges Verhalten. Während im An- fang der Versuchsreihe bei einer Einschaltung von 5 Widerstands- einheiten die Frequenz des Herzschlags 9. Minuten lang stieg bei gleich bleibender Stärke der eingeleiteten Wechselströme, schlug jetzt bei fortgesetzter schwächerer Reizung die Zunahme viel schneller in eine relative Abnahme um. Als bei No, 45 statt 4 nur 3 Wider- standseinheiten in die Nebenschliessung aufgenommen wurden, stieg die Frequenz des Pulses in der ersten Minute von 207 auf 217, fiel aber gleich in der zweiten Minute auf 204. Der Reiz wurde daher noch mehr geschwächt, statt 3 nur 2 Widerstandseinheiten einge- schaltet, der Puls stieg wieder auf 216 (No. 47), fiel aber gleich in der zweiten Minute auf 206. Nun liess ich nur eine Widerstands- einheit in dem Kreise der Nebenschliessung, und diese Reizung wurde länger vertragen, denn die Häufigkeit des Pulses stieg während 4 Minuten von 206 bis auf 221. Dann aber (No. 53) erfolgte ein 424 ebenso bedeutender Umschlag, wie in No. 37, die Frequenz sank plötzlich von 221 auf 126. Diesmal wurde die Reizung nicht unterbrochen, sondern nur so viel als möglich, durch Anwendung der vollkommenen Neben- schliessung, geschwächt. Das Herz that gleich in der ersten Minute wieder 200 Schläge, ja die Frequenz stieg in 6 weiteren Minuten sogar auf 215, hielt sich 3 Minuten lang auf dieser Höhe, sank auch während der Ruhe Einer Minute nur auf 212, und konnte darauf durch eine Reizung von derselben Stärke, wie zu Anfang der Ver- suchsreihe (No. 5—14), welche 12 Minuten lang fortgesetzt ward, wieder auf 223 erhoben und erhalten werden (No. 64 bis 75). So wie die Reizung aufgehoben ward, sank der Puls um 29 Schläge (No. 76), und durch eine schwächere Reizung, mit Einschal- tung von 2 Widerstandseinheiten, wurde hieran nur wenig geändert; d. h. in der ersten Minute ergab sich nur eine Frequenzzunahme von 4 Schlägen, ‘und in der zweiten war die Häufigkeit nur gleich der- jenigen, die in der Ruhe bestand. Hier hört nun aller Zweifel auf. Eine mässige, immerhin schwache Reizung des Vagus bringt, während sie mehre Minuten lang fortgesetzt wird, eine bedeutend vermehrte Frequenz des Herzschlags hervor. Aber schliesslich ermüdet der Nerv, und der Herzschlag wird viel seltner. Eine ganz kurze Erholung macht ihn in der früheren Weise der Ein- wirkung des Reizes wieder zugänglich; dauert aber die Ruhe nur eine halbe Minute lang, dann äussert sich der ermüdete Zustand noch dadurch, dass selbst bei einer schwächeren Reizung die vermehrte Häufigkeit, welche sie Anfangs bewirkt, sich kürzere Zeit behauptet. Sie lässt sich indess wiederholt durch weitere Abschwächung des Rei- zes auf's Neue hervorrufen. Aber selbst eine sehr schwache Reizung (Einschaltung von nur 1 Widerstandseinheit in der Nebenschliessung) erreicht bei dem so ermüdeten Nerven in einigen Minuten das Ende der die Häufigkeit des Herzschlags steigernden Wirkung. Und dennoch, man braucht die Reizung nur noch weiter zu schwächen (vollkommene Nebenschliessung), dann geht die Frequenz wieder in die Höhe, und nun genügt eine Ruhezeit von einer Mi- 425 nute, um auch eine stärkere Reizung (mit 5 Widerstandseinheiten in der Nebenschliessung) wieder ausgezeichnet wirksam zu machen. Lässt man dann dem Nerven plötzlich Ruhe, dann sinkt die Fre- quenz sogleich bedeutend. Es ist also jede Möglichkeit abgeschnitten zu sagen, dass nach einer Reizung, welche stark genug war, um den Herzschlag seltener zu machen, eine schwächere Reizung ihn nur deshalb wieder häufi- ger macht, weil die schwache Reizung gar nicht wirkt. Wie wäre es sonst möglich, dass die Frequenz in der Ruhe noch geringer, um 29 Schläge in Einer Minute geringer würde ? Versuchsthier H. Am 20. November 1860 lag der linke Vagus eines Kaninchens um 411 Uhr 10 Minuten auf den Elektroden. Teasbre lllFezex:, Ex =3 Galvani- | p,11 Neben. |Elektro-| Zustand Be 87) Zeit. |sche Vor-| | schlies- | den- | des |I.| II. |IIL|IV. &£ richtung. |@bstand. sun abstand.| Nerven BemEN 28 B- & ei x kungen. 1 111h.14° Ruhe /45| 91/141/190 2 ung! - 45| 91/139) 188 3| , "145! 90/143|196 4| „ %' - 46| 941143/194 1 Daniel], 5| „ 21°S03100/28C.M.| 5Meter|12M.M.|Reizung 44) 91/141|191 Bla 22 7 2 r „ _az| 931143|192 Aa ä An 3 7 laa| 92|142)191 Buesagll ee 2 " [45] 93 — 1192 ERTL Sy 4 ” 46] 951146|199 | „20 ” x : £ ” [50] 991151205 Bi 5.27: °% Y y £ ” 111001152207 2 1 ge £ = 2 " las| 99|152!205 Ba 5 ö 5 7 [49110011491 199) zuekungen 0) > “ 2 £ ” 146] 941143)194 : 2 Me 5 i i 2 I! 96[ 1471200 BR : s P " I4z| 97|150)202 az „38 7 N E k 7 |47! 97)1481200 1 Ma: | a Ir £ " 47] 961147\198 49.| „35 , ENTE E W "|! 941145198 20 „ 30° n n n ” & 45) 94] — |196 au „a7, „ 00 „ 2 >» la5l — I1aal194 > u [>r) Sa sg Galvani- \Royjen. | Neben- |Elektro- Zustand ae &3| Zeit. |sche Vor-) putang,| schlies- | den- | des |1.|IL mLlıv.| „50° E23 riehtung. |” 0@| sung. 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DD 45) 92142192 5 n > 5 - „ 44) 90,139/189 6| 1 n ” 1500 „ n ” 44| — 141/191 97. | nel » = 5 - » 46) 941451195 5858| „ 14 » " 2000 „ 5 D 46| 96 146,199 Sl lo n > = a » 146, 95/146 198 60/7, 267 » 5 4000 „ P n 45) 93/143|192 (a I ” = “ = n 46 93/142,191 62! „ 18 n F n = ” 45| 941146 199 6317 5, 1 » - 4500 „ 5 „ 47, 99/154|210 64| „ 20: ” n 5 n » |—| 8811361183 65| „2% = A 4900 „ = n 46| 94/143\195 66| „ 22° n n a n » 46| 95'146|197 BI» 234 ” 5 5000 „ n ) 50/100 /153/209 68| » 24 n „ 7000 „ n n 49/101|155|211 er no) < =s Galvani- | poyı Neben- |Elektro-| Zustand m &©| Zeit. [sche Vor- | ° | schlies- | den- des |I.| IL. |IILILV. BE richtung, |abstand. g bstand.|Nerven BRuez &3 | ung. sung. [abstand.|Ne h Kongen; zE 5 1 Daniell, 69 |11h, 25°/SO3 10 0/,/28 C. M.|7000 Met.|12 M.M. Reizung 51/101/154/205 20) =, 26): „ ; 3 „1, "jaz| 9611481200 malen. n27.| ©. 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Erst als 20 Widerstandseinheiten in der Nebenschliessung eingeschaltet waren, nahm die Häufigkeit der Herzbewegung bis um 13 Schläge — von 194 bis auf 207 — zu (No. 4 und No. 41). Aber bei fortgesetzter Reizung sank die Fre- quenz wieder bis auf 194, selbst als 40, 90 und 100 Widerstands- einheiten in der Nebenschliessung aufgenommen waren. Dann stieg sie wieder bei Einschaltung von 150 Einheiten (No. 22), und nun zeigte sich 3 Minuten lang eine deutliche Nachwirkung, während vollkom- 428 mene Nebenschliessung angewandt war (No. 23, 24) und während der Ruhe (No. 25). Allein bei fortgesetzter Ruhe sank der Puls in 6 Minuten wieder von 210 auf 181 Schläge (No. 25 bis 30), einmal sogar auf 160 (No. 29), aber in dieser Minute hatte das Thier Zuekungen, die sehr häufig von einer plötzlichen Abnahme der Fre- quenz begleitet sind (vgl. No. 13). Als sich die gesunkene Frequenz auf 181 hielt (No. 31), wurde wieder jene Reizstärke angewandt, die sich im ersten Theil der Ver- suchsreihe als die erfolgreichste bewährt hatte (Einschaltung von 150 Widerstandseinheiten). Sogleich stieg die Zahl der Herzbewegungen um 13 in der Minute (No. 32) und bald um 17. Auf dieser Höhe blieb die Frequenz 3 Minuten lang (No. 34—36). Es wurde daher die Reizung allmälig verstärkt, und als 800 Widerstandseinheiten ein- geschaltet waren, stieg der Puls auf 214 in der Minute (No. 49), was gegen die Ruhe (No. 30, 31) eine Zunahme von 33 Schlägen oder beinahe ?/, der Frequenz in der Ruhe ergiebt. So lange nur 800 Widerstandseinheiten eingeschaltet waren, blieb die Häufigkeit des Herzschlags nahezu gleich, 214 bis 210 (No. 49 bis 52). Bei Einschaltung von 1000 Widerstandseinheiten sank sie bis auf 189 (No. 53 bis 55). Bei 1500 und 2000 Einheiten stieg sie wieder etwas (No. 56 bis 59), um bei 4000 Einheiten auf's Neue vor- übergehend zu sinken (No. 60 und 61). Aber es stellt sich in No. 62 von Neuem Zunahme ein, von 191 bis auf 199, und sie erreicht 210, als die Reizung durch Einschaltung von 4500 Einheiten noch mehr verstärkt wurde. Dann geht sie zwar plötzlich auf 183 herunter, aber eine noch weitere Verstärkung der Reizung, die sich nicht auf die Einschaltung einer grösseren Zahl von Widerstandseinheiten be- schränkte, sondern mit einer Verminderung des Rollenabstands ver- bunden ward, erhöhte die Frequenz, wenn auch mit kleinen Schwan- kungen, bis nach 12 Minuten, bei einem Rollenabstand von 24 C. M. und einer Nebenschliessung von 9000 Meter das Maximum von 218 erreicht ward (No. 76), das sich von der Frequenz in der Ruhe (181) um 37 Schläge unterscheidet. Erst als bei gleich bleibender Nebenschliessung die seeundäre Rolle der primären bis auf + 8 C. M. genähert war, sank die 429 Frequenz plötzlich bis auf 164, und durch weiteres Heranrücken an die primäre Rolle um 1 ©. M. bis auf 108 (No. 84, 85). Dieses Sin- ken erfolgt ausserordentlich viel unregelmässiger als das Steigen wäh- rend einer hinlänglich schwachen Reizung vor sich geht, wie sich deutlich herausstellt, wenn man die Zahlen, welche in No. 84 und 85 auf die einzelnen Viertelsminuten kommen, unter einander schreibt : erstes Viertel 33 zweites „ 40 drittes „ 48 viertes „ 43 fünftes „ 22 sechstes „ 35 siebentes „ 38 achtes „ 13. Gerade diese Unregelmässigkeit spricht für eine Ermüdung des Ner- ven, welche durch die lange fortgesetzte und allmälig verstärkte Rei- zung hervorgebracht ward. Nun wurde der Abstand der Rollen wieder auf 28 ©. M. ver- grössert (No. 86) und in den darauf folgenden Minuten auch die Ne- benschliessung wieder von 9000 auf 5 Einheiten reducirt. Gleich steigt die Frequenz von 108 auf 197 und stetig weiter bis auf 209 (No. 89). Als darauf nur noch Eine Einheit in der Nebenschliessung ge- lassen wurde, sank die Frequenz allmälig bis auf 196 (No. 90—92). Nun wurde die Reizung aufgehoben. Die Frequenz sank gleich bis auf 187 (No. 93, 94). Als sie in No. 95 darauf stehen blieb, wurde wieder mit der zuletzt angewandten Stärke gereizt: Zunahme der Frequenz bis um 23 Sehläge in der Minute (No. 96—97). Dann Ruhe: Abnahme um ebenso viel (No. 98, 99). Man kann also den elektrischen Reiz allmälig verstärken, bis der Herzschlag seltner wird, als er es vor Beginn der Reizung war; reizt man nun noch stärker, dann sinkt die Frequenz noch mehr und 430 zwar stossweise. Schwache Reize heben dann, auch ohne zwischen- geschobene Ruhezeit, die Frequenz wieder über ihre Anfangsgrösse, aber der Nerv wird jetzt rascher ermüdet. In der Ruhe nimmt die Frequenz wieder ab bis zur Anfangsgrösse. Schwache Reizung hebt sie dann wieder bedeutend und rasch, und eben so rasch und bedeutend drückt die Ruhe sie wieder hinunter. Diese Versuchsreihe ist also eine vollkommene Bestätigung der an dem Kaninchen G gewonnenen, und um so mehr werth, da sie bei ganz anderen Reizungsgraden erhalten ist. Auch hier kann man nicht sagen, der starke Reiz habe eben durch die ihm speeifische Reizwir- kung die Frequenz herabgedrückt, und die Abschwächung des Rei- zes habe deshalb wieder vermehrte Frequenz bewirkt, weil der Reiz unwirksam geworden sei. Denn 1) ist die Frequenz während der schwachen Reizung grösser als sie während der Ruhe war, ehe die Reizung begann, und 2) sinkt die Frequenz sogleich zu ihrer anfäng- lichen Grösse, wenn man die Reizung unterbricht, um durch das Einleiten der Wechselströme gleich wieder zu steigen. Versuchsthier. I 28. November 1860. An einem weissen Kaninchen sollte ver- sucht werden, wie hoch sich die Frequenzvermehrung des Herzschlags durch eine allmälig verstärkte Reizung des Vagus steigern lässt. Zu dem Ende wurde mit Einschaltung Einer Widerstandseinheit begon- nen und jede halbe (beziehungsweise ganze) Minute eine Einheit mehr in die Nebenschliessung aufgenommen; wenn in der Rubrik: „Ne- benschliessung“ zwei Zahlen stehen, dann bezieht sich die eine auf die erste und die zweite auf die andere Hälfte der Minute. Um 141 Uhr 22‘ lag der Nerv auf den Elektroden. Mare TER: 431 Fe Galvani- a N Elektro- | Zustand E23] 7 ne abstand. |schliessung. | stand. | Nersen. |7 | | |IV- ze i - 1 |11h.27° Ruhe |46| 9141/1371185 2128! „ 46| 92\140/188 31,129 > 45| 93140/1188 4| ,„ 30. » las! „ 11451194 5| „ 30 » la9| 9511481198 BR 32! ” 43| 90.138185 7|, 39 „ lasl solı34l179 Bir ef Daniell & Eee 1 ’ Schwefel- 9| „ 35‘/säure 19/,280.M.| 1.2 Met.|22 MM. Reizung |46| 9311411191 10|, 36) > Fl RT „._laz| gal141lı91 37, lee: 03 „ las| 92|138)187 12.1‘, 38 n = dee > e: 47| 941411190 Se Brno , „ . lası 9311391187 14| „ 40' r 11.12 > ei Fr 46) 93)142]190 45|, 4 » „ 13.14 „ 5 » las! 9411431192 i6|l , 42 „. SIE N. » laz| 9511441194 17| „ 43° „ = 47:18: 4, ” 5 47| 9611451194 18| „ 44 D » 141920 „ R 5 46| 9411431191 19|, 5) , ‚aale2 , |, 2 las| 9911481196 201,4 „ Re - 150110111501200 1 2 a 25 „ d » 15111001149|197 22| „ 48 D PEm26:21. 7, r ” 49\ 99/150/199 23 \:,. 49 ” „2829 „ 5 5 5141/1021151 [201 24|, 50 , 30 ,| 5 " 152]103|153|204 Bo, 91° ” m32.33 „ 5 > 52|1041155/206 26|, 52 „ EEE I51l103]155|205 27|, 53 , un 136:97°° ; älmule, ” —[511103!155[207 28|, 54 „ A > 1531105[156|207 29), 551) , mADA . | » . 153I1051156/209 30| , 56| » EC a " 153[105!156[209 311, 57° r „ 4445 „ ” 5 5311061591211 321, 58) „ RAT, „unbe y » 551081161215 3311, 59) , ro — I5alroglısı[214 34| 2 D » 40051 -, FR e 54|108[161/216 BI. 17 D n 1092.53 -,„ + = 54/108[162/216 BB | „2 n „15455 „ 4 5 5511121164|218 [4 E E 5 Galvani- al "Nehen- Elektro- | Zustand | E3| ze ec Vor sand Jenesung na, | cn, || 1 [REN za 5 al ee nun ll a Er rn a lee an nn nn 1 Daniell, Schwefel- | _ e 37 12h. 3/säure 100/, 28C.M.|56.57Met.|22M.M.| Reizung 55111165 219! 3838|, 4 5 n 1\58:09#, Fi 5 55/111|165|219;, BR) L > „ 60.61 „ 5 5 55/1091160209 40|,„ 6 = 7 61 „ = ” 49\ 99/14491199 Aue, 7 ” En gg, F ” 51) 9711471196 4242|, & 7 n de?: rn en 51/100,1491197 433|,„ 9 4 n der z » 47| 9511431190 44| „ 10‘ Ruhe |50| 9811431185 45| „ 11° 5 47) 9411481184 46 | „ 12° > 46| 93/138182 47| „ 1% =) 46| 9311391185 48| „ 14 ” 44| 911138.185 491 e4.215% ” 46| 941143191 50| „ 16 = 48| 961145195 57 > 49|1001150.199 52| „ 18 - —| 99[147.197 530% = 5010011501198 54| „.20' - 49| 981431190 Bee el „ |Reizung ‚49/1001151|203 56. .„. 22° n n n 5 53105/159210 52 „229° n n n ” n 53/106)1581211 58| „ 24 Ruhe 151/102[151/194 59 | „ ‚25° er 46| 92|138/186 So wie die Reizung begann (No. 9), nahm die Häufigkeit des Herzschlags deutlich zu. Aber erst von No. 21 an, als 25 Wider- standseinheiten in die Nebenschliessung aufgenommen waren, erhob sich die Frequenz beinahe stetig weiter mit zunehmender Stärke des Reizes, bis in No. 37 mit 219 Schlägen in der Minute das Maximum erreicht ward, welches um 40 Schläge höher lag als die Frequenz in den beiden letzten Minuten der Ruhe: 179 (No. 7, 8). Dieses Maxi- mum entspricht sehr nahe dem in Tabelle IX, Nr. 13 (S. 420) beobachteten, es beträgt auch hier ?/, der ursprünglichen, vor der Reizung beobachteten Frequenz. Auf dieser Höhe blieb die Häufigkeit des Herzschlags auch wäh- 433 rend der folgenden Minute. Nun waren 59 Widerstandseinheiten in der Nebenschliessung eingeschaltet. Wie aber die Reizung noch stär- ker genommen ward, fiel die. Frequenz, und das Sinken behauptete sich auch als die Reizung bedeutend geschwächt ward (bis auf die Anwendung einer einzigen Widerstandseinheit). Indess eine vollstän- dige Ruhe von 11 Minuten genügte, um eine Reizung bei 5 Widerstands- einheiten wieder erfolgreich zu machen, so dass in Zeit von 3 Minu- ten die Frequenz wieder um 21 Schläge in der Minute zunahm. Während 2 Minuten darauf folgender Ruhe sank sie wieder um 25 (No. 55 bis 59). Versuchsthier K. 21. November 1860. Bei einem kräftigen grauen Kaninchen wurde der linke Vagus blossgelegt. Tabelle XI. 5% | Br: Galvani- Rou Neben- |Elektro- | Zustand | | 23 Zeit. sche Vor- a. schlies- | den- des T.. | LIE ERTEHRVZ E = richtung. sung. [abstand. | Nerven. 2 1 /11h.20' Ruhe [40] 82/126 170 Ai, 21. „ [41] 831251169 1 Daniell, Schwefel - 3| „ 22 lsäure 100, 10C.M.| 0 -|5M.M.|Reizung |40| 83 1127/1473 Al, 23! n 5, - n 5 41| 84 1131177 31, 24 „, Due n n a 40| 83 1125167 Bi. 25, „ Al; i R »..|sal 68 |109| 151 ra . |, x . „..\39| 78 |118l160 22 5 x ».. [73 113154 91, 28 n DIR? - - „ 35| 73 1112/4137 291, „11.200, 5 % » 22146) 74100 Be „ |i,;, E L » ..|30| 67 11031440 an. 3) „ ki. 5 h ».. |851 65 | 95127 mi 32 , 1 k i »...\29| 64 1100437 dA, 99° ” ala 5 5 = 34| 69 1106, 140 15 |.» 34 - Hisrg = 5 es 34\ 69 1105 135 a6 „ 35’ . 025 rn = = 32| 67 1104 142 a7 | „ 36° = —1,„ 5 n & 25) 49 |.72) 98 ae, 129% he 5 „ 2ol a0| sıl 83 MOLESCHOTT, Untersuchungen VII, 30 434 © & > Galvani- Rollen Neben- |Elektro- | Zustand 33 Zeit. |sche Vor- ana, schlies- | den- | des 1. \ IL |III.|IV. E23 richtung. sung. abstand. | Nerven. Ze | 1 Daniell 19 11.38 ln To, —3C.M.| 0 |5 M.M. Reizung 14|26| 44| 67 20 739% 5 —4 „ 5 7 = 19| 38| 60) 83 2a, 7AQ% 4 —) , = - 5 19| 40 | 62| 86 22 | ,„ 4' en —6 „ 5 ” > 20) 40 | 63] 87 23 | „ AR! e —7, n 5 - 20, 44 | 67| 87 24 | „ 49 = —8 ,„ n 7 n —|31| 51| 73 25 | „ 4 5 5 7 7 24| 47 | 72) 98 N a Er De et: h = »..|26|53| 79]104 27 | „ 46'j1 Grove n n % ) 241 47 | 731100 Die Reizung war hier von Anfang zu stark gegriffen, um eine erhebliche Frequenzzunahme der Herzbewegung zu erwarten. Es ward aber durch diese Reihe die lehrreiche Thatsache ermittelt, dass bei einem allmäligen Anschwellen der Reizstärke die Zahl der Puls- schläge zwar bedeutend sinkt, dass man aber mit dem Vagus in Ströme von einer Stärke, die sonst auf der Stelle das Herz zum Still- stand zwingen, hineinschleichen kann, ohne dass die Herzbewegung aufhört. 3. Versuche an Fröschen. In Schiff’s Versuchen liegt ein so reiches und mannigfaltiges Material vor, um eine vermehrte Frequenz des Herzschlags bei Frö- schen als Folge einer gehörig abgeschwächten Vagus-Reizung zu er- weisen, dass eine Mittheilung neuer Versuche am Frosch sich nur dadurch rechtfertigen lässt, dass diese Versuche zum Theil nach an- dern Methoden ausgeführt wurden und deshalb um so mehr geeignet sein dürften, Schiff’s Angaben, die von Einigen überhört, von An- deren bestritten wurden, in ihr gutes Recht einzusetzen. Das Fol- gende dient also zur Bestätigung und Erweiterung der Schift'schen Angabe, dass man durch eine richtig abgestufte Vagus-Reizung den Herzschlag der Frösche häufiger machen kann. Bevor ich die einzelnen Versuche mittheile, muss ausdrücklich 435 ° bemerkt werden, dass ich beim Frosch, wie beim Kaninchen, immer an lebenden Thieren experimentirt habe. Nur die Rana esculenta, auf welche sich die Tabelle XIII bezieht, war vorher geköpft worden. In der Regel braucht die Reizung nicht durch Nebenschliessung geschwächt zu werden, um die Häufigkeit des Herzschlags zu ver- mehren. In einzelnen Fällen habe ich zwar auch bei Anwendung der allerschwächsten Ströme die Frequenz zunehmen sehen, aber der Frosch bedarf im Allgemeinen einer viel stärkeren Reizung als das Kaninchen, und sichere Erfolge habe ich erst dann bei Fröschen er- zielt, als ich den Rheostaten wegliess und mit dem Schlittenapparat in ähnlicher Weise reizte, wie Schiff es gethan. Ich habe indess niemals die Eisenstäbechen aus der primären Rolle entfernt. Versuchsthier a 24. Aug. 1860. Rana esculenta. Nachdem das Thier geköpft war, wurden die beiden Vagi von dem verlängerten Mark getrennt, und darauf der linke Vagus mit allen Aesten auf das Elektroden- plättehen gebracht. Tuaap.er lie UT = ad vw. RAD BWUm E: = vani- | Zustand | ie Galvani, Name | Aka Zahl der EZ ul ehe |.Bollen: ‚| schlies- | den- des area E orrich- | abstand. Be End schläge in 52 tung. 5; “| Nerven. |" Minute. Au 11 h.30' Ruhe 15 . 314 = 14 32' ” 14 „ 33 5 15 1 Daniell A » 34'\mit Wasser385 C.M.| 0 |3-4m.m.| Reizung 16 n 35° Ruhe 14 n 36’ n 14 30 > 14 „ 5 5 Reizung 14 n 38 Ruhe 13 2394 ii 13 „ 40° u 25, - - Reizung 14 „ 41 Ruhe 14 13| „ 42 = 14 30 * > o e2 Nummer der Beobachtung. Zeit. n n BJ » 3 33 33% S B 3 SS 3% 12h. SZISINIONESTESES IT SEN 44 45' 46' 47! 481 49. 50‘ 51. 52! 53° 54 55‘ 56' 57 58° 99 1’ 21 3 4 5 6' 7 8 g9 10' 11° 12° 13° 14 15° 4 6' 17° 18° s Zustand Gelkenik Ron Neben- | Elektro- Ta: on EL =. t Es schlies- den- des De = | abeland. | sung. | abstand. NR 1 Daniell e 14 |14 h. 43’ |mit Wasser|28 ©.M.| youständig |3—4 M.M.| Reizung Ruhe 2 5 3 1 Met. 5 Reizung Ruhe 2 = = 2, 5 Reizung Ruhe 4 ei „ 3, s Reizung Ruhe B B Beer 5 Reizung Ruhe n 2 eyes | Yon ER ’ Reizung Ruhe 2 n 34,5 ” n n ” Reizung Ruhe ” n Reizung n » Ruhe 4 R 3 30 5 Reizung Ruhe » 1 Daniell m. Schwefels. 4 20 9/, 5 ES 5 Reizung Ruhe % & A A, 5 Reizung Ruhe 2 » „ 5,7 = Reizung Ruhe n > er eu ven Ver Te | 19 Zahl der Herz- schläge in 1/4 Minute. 16 13 14 15 13 _ 13 15 12 14 14 13 15 14 13 12 13 12 11 13! 13 13 14 14 13 13 13 13 13 13 12 12 13 129 12 Ki 130 12 12 437 8 = Galvani- | Zustand | Zahl der SE| zeit sche Rollen- I 2 u a Herz- = ir Vorrich- | abstand. | Fe ies b 2 2 d es schläge in 52 tung. ung: en Nerven. |s Minute. za i | 1 Daniell | it Schwe- 51 12 h.20”|jcis. 20 0, [34,5CM.| 10 Met.Ia_4 mar | Reizung | 13 52| „21 Ruhe 13 53 22! 12 1 er e 5 „I ,„ [Reizung | 13 5| „24 Ruhe 12 56 25’ 12 Br % ee, A Rezung| 43 DB „27 Ruhe 13 59 28' 12 co, 2 , 0°, | 5. lRezuiel.ı Me 61 | ,„ 30 > 25 SET 5 ” 13 2>;-3# Ruhe 14 63| „ 32° Fi > SU ” Reizung 134 64| „ 33% Ruhe 131 65| „ 34 = n 100 „ 5 Reizung 14 66 | „ 35 Ruhe 13 om *; 136° “ 5 200 „ 5 Reizung 141 a 5 £ 300 ,„ 5 y 144 6 „38 - = 500 „ = e 15 u | Ruhe 14 In dieser Versuchsreihe wurde 22 Mal die Reizung eingeleitet und zwar 4 Mal mit dem Erfolg, dass die Frequenz in 4 Viertel Minute um 2 Schläge zunahm, 1 Mal um 11/,, 11 Mal um 1, 1 Mal um 1/,, 4 Mal um O0 und 1 Mal um — 1/,. Unter den 4 erfolglosen Reizungen war offenbar 1 Mal (No. 8) die Reizung zu stark. Es geht also mit aller Bestimmtheit aus dieser Versuchsreihe hervor, dass eine schwache Vagus-Reizung die Frequenz des Herzschlags auch beim Frosche zu steigern vermag. Das Maximum — Zunahme von 11 auf 13, also um 2/, der ursprünglichen Frequenz — wurde hier bei einer sehr schwachen Reizung beobachtet (No. 32). 438 Von nun an wurden die Versuche ohne alle Nebenschliessung angestellt. Versuchsthier > 21. December 1860. Rana temporaria. Nur der R. cardiacus wurde über das Elektrodenplättchen geschoben. Um 11 Uhr 10 Mi- nuten war alles vorbereitet. Tabelle XW. > g Galvani- Elektro- Zustand : Zeit. | Yorrich- | abstand. u 0 I. | D.\IILIIV. E 3 tung. a Nerven. Am 1 11 h. 16° Ruhe 112 [221|321143 2| „ım „ln Ieı |3221434 3 let ® 102121 |322/44 4 19) 2 11 |22 |34 |45 5| „20 „2 I23 Isa ja54 Bi 0 » 12 I234134 [45 % » 22/1 Grove 28 C. M./3—-4m.m.| Reizung 1121124 |35 |46 8 n 28l Ruhe 112 [231/34 |46 9) „24 » . mala2ıl33 [45 10 De „ . 1241/23135 47 1| „26 „ I12"I23"|34 |a53 12 2 DU „ 13 |24 |354|47 13 „ 28 „ ‚121124 |36 |474 14 „eg S 12 |24 136 1474 15 30 30 , ” Reizung 12 |241|36 48 16 aa Ruhe ,114|23 |35 |461 17 32: S & = Reizung |13 |251136 49 18 m33! Ruhe [12 |24 |35 1464 19 „ 34 »„ 13 125 |36 1474 20 Msn! » 12 [24 |354\461 21 „ 36‘ »„. 112 24 |36 47 22 a » 411l23 [3441452 23 ss , P: - Reizung |13 |25 |36 |49 24 2a Ruhe 11 |23 341146 25 „ 40 » 12 124 135 147 26 „ 4’ „. 112 1233/34 [46 27 Fi BU, 4 Reizung |13 |25 |37 |49 28 „ 43° Ruhe [111|23 |35 46 29 Pr. 7 U BR BUN, ” Reizung |13 |241|36 |48 | | 439 Zustand | 5 & © 3 Galyanı- Elektro- | 32] Zeit | yorimcı] anetana...| den des. |. I. | IL. |IL|IV. = abstand. 2 Z8 5. | Nerven. | 30 11 h. 45° Ruhe [114/231/341/46 31 Ab: a 121124 |35 |47 32 „49 ” 121124 |36 |471 33 2. 00: ’ 11423 |34 |45 34 „ 511 Grove |27 C.M. [3 _4um.u.| Reizung |124|24 |36 |48 35 Dan? Ruhe [11 |22 |34 |45 36 a n Du > Reizung 112 |2341351]47 37 a Beh n 271.26 „ > 5 114122 |334|45 38 u, Ruhe 1101/23 |341146 39 56% " 114123135 |461 40 Pa „ 12 |24 |352|47 41 te " 12 |2341|35 |47 42 od! n 26 - = Reizung |12 |23 |35 |48 43 12 h. , 30 n 2 . 111123 |341|46} 44 aaa Ruhe |11+1221|34 [46 45 u: n 1141221|341|46 46 a! 5 26 5 3 Reizung 112 124 |354]474 47 a Ruhe 110122 |334/45 48 ed = 25 5 £ Reizung |12 |24 |354|471 49 yr6l Ruhe 1104122 |33 |444 50 Be ” 24 5 r Reizung |124,24 |36 [49 51 Situß! Ruhe [114/23 |34 |46 52 ie! E 12 |221|34 |45 Die Tabelle erklärt sich selbst. Das Maximum der Zunahme ist in No. 50 beobachtet, von 44,5 auf 49 Schläge, also um 4,5 Schläge oder wenig über 1/,, der Frequenz, wie sie in der vorausgehenden Ruhe bestand. Versuchsthier ei), 26. Dee. Bei einer Rana temporaria wurde ein Vagus blossgelegt. 1) Diese Versuchsreihe verdanke ich den Herren Hufschmid und Gascard, 440 Tabelle XV. CE) se] Galvani- Blektro- Zustand SEN 5 Zee N „den- „| des 41. I. IE JTIENV. 52 tung. San Nervens Aa 1 12 h. 15/4 Grove |—81C.M.\3—-4Mm.m.| Reizung | O 2 > 20% Ruhe |12123 |35 1471 3 BR 5 20 „ e Reizung | 13 25 | 38 151 4 22. Ruhe |12 1234| 36 |48 5 23: = 187, 5 Reizung | 14 |27 |39 1521 6 „24 Ruhe |12|23 |34 |461 Versuchsthier di). 27. Dec. 1860. Einer Rana temporaria wurde der linke Vagus blossgelegt. Mianbise- li] te, XS E E Galyani- Elektro- A | | | zu | ie | zen | Pant | an Ir [m jom or. P=} anal abstand. x ie & Nerven. za | 1 110 h. 1‘1 Grove |—81C.M.|3_4u.m.|Reizung | 0 2 Sen Ruhe | 8 115 1212274 3 5 > 61112 191/262 4 en 5 7 114 122 |29 5 Hal 5 7 1131121 |274 6 u > 20°, = Reizung | 8 1153/21 24 7 Br Ruhe | 5 114118 125 8 Fuaricch „ — [11418 |26 9 N) 3 LBer > Reizung | 8 116 |24 132 10 ld! > en E N 71115 |23 [31 11 a Ruhe | 7 [14 |21 |28 12 ae! A Te = Reizung | 8 [164/24 |33 13 la Ruhe | 7115 123 314 14 Fig Vi „ 71131120129 15 „1% 5) So = Reizung | 94119 |28 |364 ! 416 „ M6! Ruhe | 84|171|26 |35 1) Versuche von den Herren Gascard und Hufschmid. 441 5© Ä 5 8 Wa Rollen- Elektro- Ara HE Zeit. | Vorrich- | abstand. Ren a des I. DL. |II.|IV. 5 Fi kun: “ | Nerven. [-*] 17 110 h. 17° Ruhe | 8 116 | — 34 18 „ 18/1 Grove |25 ©. M.|3—4M.M. Reizung |10 191/284/384 19 eh - Ruhe | 9 119 \28 1374 20 20" en 91119 |28 1374 21 2. = 911181127 |364 22 na! S 2 ER n Reizung ‚10 |19 2841374 23 a Ruhe | 94118 |271|364 24 „ 24 PB 10 |181|26 |344 25 ni2n! 5 DI, n Reizung 110 1181/27 |36 26 „26! 5 23,26 „ 5 n 71115 |21 |264 27 u! Ruhe | 6 |124/181/26 28 8 a4 7 ı14 |21 |28 29 2.29! 5 ZI. Er 5 Reizung | 9 171126 |35 30 290! Ruhe | 9 118 |27 [364 31 na a 9 ‚184/27 |36 32 „ 320 „ 5 7 Reizung 110 119 [2741364 33 any " R = E 9 18 127 |36 34 34 Ruhe | 81/17 |26 [35 35 Bash) > 91118427 35 36 86! : 8116425 |33 37 Bed " Pa = Reizung | 91119 [2741364 38 238° ” E e = 9 18 [271/364 39 Per} Ruhe | 9 118 |27 1354 40 „. 40' ® 8111711261135 41 a! e 81.171|26 |35 42 „ud! R > - Reizung | 91j1841274|364 43 BinAg! P vr 4 A 91119 1271136 44 „ 44 Ruhe | 8 174.26 135 45 As! # 8 18 |264136 46 „ 46’ 5 0 2 Reizung | 0 In dieser Versuchsreihe ist offenbar in Folge wiederholter Rei- zung der Herzschlag bleibend häufiger geworden. Die Reizung bei einem Rollenabstand von 20 ©. M. war noch etwas zu stark, um Frequenzvermehrung zu bewirken (No. 6). Sonst hat jede Reizung die Frequenz gegen die vorhergehende Ruhe gesteigert. Das Maxi- mum ist in No. 15 beobachtet, wo die Frequenz von 29 auf 361/, 442 Schläge stieg, also um 71/, Schläge in der Minute oder um reichlich 1/), der Häufigkeit während der Ruhe. Versuchsthier « 18. December 1860. Einer Kana temporaria, für deren linken Vagus die richtige Stärke des elektrischen Reizes nicht zur rechten Zeit gefunden ward, wurde rechts der Vagus blossgelegt, und darauf das Elektrodenplättchen unter den Ramus cardiacus gebracht. EMS TE BAND: GE = B Galvani- Blektro- Zustand | zu | van [am | se | a Ir Feclanle. 8.0 abstand. 38 tung. Nerven. a: 14 112 h. 56‘ Ruhe | 11 21 |31 | 40 2| „ 5%!1 Grove |36 ©. M.|3—4M.M. [Reizung | 10 |21 |32 | 44 3 58° Ruhe | 11 |20 |37| 35 4 59/ P n = Reizung| 919 |29| 38 5, Ach Ruhe | 8,1723] 30 6u| 95 44 n R a Reizung| 8/14 |24| 34 Taler ar 12% : n 5 5 1021 |31 | 42 SHlens 3 Ruhe | 9/20 |30) 40 ge s 9,19 |29 | 40 Diese Reihe verdient ein besonderes Interesse dadurch, dass in den ersten 5 Minuten die Frequenz ohne Reizung stetig sank (No. 1, 3, 5), von 40 auf 35 und 30 Schläge in der Minute, während trotz- dem jede Reizung eine vermehrte Häufigkeit des Herzschlags her- vorbrachte; ja, eine Reizung, die 2 Minuten lang fortdauerte, stei- gerte die Zahl der in einer Minute erfolgenden Herzbewegungen von 30 auf 42 (No. 5 bis 7). Das ergiebt eine Zunahme von 12 Schlä- gen oder von 2/, der Frequenz, welehe in der vorhergehenden Ruhe. beobachtet wurde. Und diese Reizung hatte eine solche Nachwir- kung, dass in der Ruhe nachher (No. 8, 9) wieder die ursprüngliche Frequenz bestand. Hier liegt ein Maximalwerth der Steigerung vor, welcher den bei Kaninchen durch elektrische Reizung hervorgebrachten [?/,, siehe 443 S. 422] bedeutend übertrifft. Auch in Schiff’s reichen Tabellen habe ich keine gleich bedeutende relative Zunahme gefunden. S. 231 des VI. Bandes dieser Untersuchungen findet sich in der Tabelle rechts ein Fall verzeichnet, in welchem eine Reizung mit einem mög- lichst schwachen Elemente, welches eben noch hinreichte, die Feder in Bewegung zu setzen (a. a. O. S. 211, Note), bei einem Rollen- abstand von 12,3 C. M. !), eine Zunahme von 711/, auf 91 Schläge hervorbrachte. Dies giebt allerdings eine absolute Vermehrung um 19,5 Schläge, aber nur eine relative Zunahme von 3/,, der Frequenz in der unmittelbar vorausgehenden Ruhe. Versuchsthier f 13. December 1860. Der linke Vagus (R. laryngeus et R. inte- stinalis) einer Kana temporaria lag auf den Elektroden. Tabelle Xvm. SH # | zE Galranı | > en. | Neben- | Elektro-| Zustand : E3| “= | Vorich- stand. | "ner lanetand. | Normen. | 7 | TV E#} tung. za 1 |12h.25‘ Ruhe | 9 118 |27 136 2|, 26 „..\9 Iis |27 [354 3| „ 27/1 Grove|28C.M.| 2Mmt.\3--4m.m. Reizung | 9 |18 |27 136 Bo , r | der »„ I 9 18 \27 36 Be. 29 = 71200208 N 3 9 18 27 |36 6| „ 30‘ u » 17002 „ n ” 9 18 127 36 2 PR 1 Ma ZeN ur) s » | 93/203 313/414 8| „ 32 Ruhe /10 |20 30 \40 9| „ 33% „..).94119 |28 |38 10| , 34 » 19 Jasy\2s [374 11| , 35 [9 hsılas |374 N) Schiff mass den Abstand der Rollen nach Wiener Zoll. Ich habe bei der Reduction auf die hier gewählte Bezeichnungsweise den Wiener Zoll zu 2,6 C. M. angenommen, und nachher die Länge der secundären Rolle (8,5 C. M. an meinem Schlittenapparat) abgezogen, weil Schiff „den Abstand beider Rollen vom vorderen Rande einer jeden an gemessen“ hat, A. a. O. 8.211. 8x 2,6 — 8,5 = 12,3. 444 Hier war die Reizung zu schwach, so lange eine Neben- schliessung bestand, und so habe ich es in mehreren Versuchen, de- ren Mittheilung werthlos wäre, gefunden. Darauf gründet sich mein Ausspruch, dass im Allgemeinen der Vagus beim Frosch stärker als beim Kaninchen gereizt werden muss, wenn man den Herzschlag häufiger machen will (vgl. oben S. 404 und 435). Es will dies um so mehr sagen, da der dünne Frosch-Vagus schon bei gleicher Strom- stärke viel dichteren Strömen ausgesetzt wird als der so viel dickere Nerv beim Kaninchen. Sowie die Nebenschliessung weggelassen wurde, nahm die Fre- quenz um 51/, Schläge (2/,;, der ursprünglichen) zu. Aber auch hier ergab sich, dass die Reizung sehr wirksam sein kann, ohne dass dies bereits in der ersten Viertelsminute deutlich hervorzutreten braucht. Irre ich nicht, dann erklärt sich das negative Ergebniss, welches Pflüger öfters (nicht immer!) erhalten hat, daraus, dass er bald zu schwach (bei allzugrossem Rollenabstand) und bald zu kurz (nur eine Viertelsminute) reizte. Jedenfalls ist ihm die erforderliche Abstufung, nicht gelungen, und Schiff hat ganz richtig auseinandergesetzt, warum sie ihm nicht gelingen konnte. Ein Forscher, der seine Gaben so schön be- urkundet hat, wie Pflüger in seinen Untersuchungen über den Elek- trotonus, durch welche unstreitig, seit Du Bois-Reymond's Arbeiten, die wichtigsten Thatsachen auf dem Gebiet der thierischen Elektrici- tätslehre aufgedeckt wurden, wird nicht anstehen, auch in dieser Sache die Wahrheit zu erkennen, wenn er die Methoden anwendet, deren Auffindung mir durch seine Einführung des Rheostats bei ähn- lichen Studien wesentlich erleichtert worden ist. So weit schlossen wir uns für den Frosch an Schiff's Arbeit an, und ich betone hier noch einmal, dass wir die von ihm entdeck- ten Thatsachen durchweg bestätigt fanden. In manchen Fällen hatte ich schon früher wiederholt gesehen, dass man auch durch eine Reizung des Laryngeus allein, je nach der Stärke des Reizes und je nachdem der Nervenast mehr oder weniger ermüdet ist, verminderte oder vermehrte Frequenz des Herz- 445 schlags erzeugen kann. Leider hatte damals die schwebende Frage noch nicht die Wichtigkeit für mich, welche sie heute besitzt, und systematische Zählungen wurden daher nicht vorgenommen. Dies ge- schah daher jetzt bei mehren Fröschen. Die folgenden Versuchsreihen, in welchen durch Reizung eines Vagus-Astes, der nicht zum Herzen geht, die Frequenz des Herz- schlags gesteigert wurde, werde ich an eine von Du Bois-Reymond gewählte Bezeichnung („paradoxe Zuckung“) mich anschliessend, als paradoxe Frequenzvermehrung bezeichnen. Da eine Reizung des centralen Vagusendes keine ver- mehrte Frequenz des Herzschlags zur Folge hat, so lässt sich die durch Reizung des Laryngeus hervorgebrachte (auch nach peripheri- scher Durchschneidung des Astes zu erzielende) nur durch eine se- eundäre, elektrotonische Reizung der im Vagusstamme nach dem Her- zen verlaufenden Fasern erklären. Versuchsthier g. 13. December 1860. Rana temporaria. Links der Laryngeus (ohne peripherisch durchschnitten zu sein) auf den Elektroden. Tabelle XRK Ss | =5 Galvani- a a Zuskand 53] Zeit. | yorrich- | abetana, | ‚den- des | L/IT. |IIL|IV. E2 re abstand. a8 | Sg Nerven. A 41 112 h. 41’ Ruhe | 9 |18 [271364 2 a Al n 9 \18 [271/361 3 Sa = 5 91181/271136 4 1 F 9,118 12731354 5 „ 451 Grove |—84C0.M.|3-4 m.u.|Reizung|10$|21 | neun 6 u: Ab! e Oi " e 104/21 |32 |42 7 a Ruhe /10 |19 |30 |384 8 „ee AB! E 10 118 |26 |324 Es wurde also durch Reizung des Laryngeus allein, und zwar durch eine starke Reizung, wie sie am Cardiacus oder am Vagus 446 selbst unfehlbar Stillstand des Herzens hervorgebracht hätte, eine Steigerung der Frequenz bewirkt, von 351/, auf 42 Schläge, oder um reichlich 2/,; der ursprünglichen Frequenz. Versuchsthier A 14. December 1860. Rana temporaria. Linker Laryngeus, nicht peripherisch durchschnitten. agbre, LilTezXERE 5 8 ee Elektro: Zustand FE Zeit. | Yorrich- | abstand. en des | 1. IL. [MLI/IV. E 2 tung. nee Nerven. za 41 |11 h. 22° Ruhe |11 |23 [34 45 2 ud, ” 11 223134 |45 3 2a 2 114/221|34 |454 4 „ 251 Grove |—81C.M.|3-4M.M.|Reizung |12 124 |35 |46 5 n 26! Ruhe | 9 1191/30 |41 6 U LEHE 5 5 Reizung |12 |234|341|45 7 RB! Ruhe [10 |20 |31 |414 8 RE 5 > Reizung |12 |23 |34 |441 9 30: Ruhe 10421 |33 [431 10 SR e 12 |234[35 [45 11 ee 11 122 |33 |44 12 Kr ocl 5 11 1221/34 |45 13 34 » 11 22 [331144 14 as ; 11 j221|33 143 Jede Reizung des Laryngeus vermehrte die Frequenz des Herz- schlags, und zwar einmal (No. 6) gleich in der ersten Viertelsminute von 9 auf 12, also um 1/, der Frequenz, die in der Ruhe bestand. Mer suchsitchier), 21. December 1860. 32‘ blossgelegt. kana temporaria. Laryngeus um 12 h Teaubrer lelre RXT: RS > S[< 3 = Galvani- a Elektro Zustand Se: ? sch ollen- E53 re Vorrich- abstand. a ae: I. ‚I. HIV. 82 tung. Nerven. | za 1 112 h. 34° Ruhe [13 [251/38 [50 2 „WBd‘ A 12 |241|371|481 3 „ 361 Grove 0 3-4 M.M.|Reizung |13 |244| — | — 4 PER: Ruhe 12 |25 |371\50 Ele. 38° „ 12 |242|37° \49 6 39: . +2C.M. 5 Reizung |13 |26 |381,51 7 „ 40° Ruhe 1121|25 |37 49 8 lc ©. +4 „ » [Reizung |13 |26 [38451 9 „ 42 Ruhe 113 |25 |37 [49 10 „ 43° A 12125 |37 |49 11 „ 4 0.+1, Reizung |13 |241|36 |48 2| ,4 Zar, „12 I25 13731504 13 AT: Ruhe | 6 17 29 |401 14 „ 48 - 1 n Reizung 13 |251|37 |50 15 „49 Ruhe |— 251138 |49 16 E50: F 111|24 |36 |48 Erst als die Rollen über einander geschoben waren, ergab sich die stärkste Zunahme der Frequenz (No. 12, 14). Wie bei der pa- radoxen Zuckung, so ist zur Hervorbringung der paradoxen Fre- buenzvermehrung eine starke Reizung erforderlich. Nerrissucchsthuer /e Itana temporaria. Laryngeus, peripherisch durchschnitten, cen- trales Ende gereizt. Tab e Lilo xx | Zustand. & 8 Galvani- Elektro- E35] Zeit | yomich- | abmana. | „dm, | de Injımjeliv. -e abstand. = tung. Nerven. A 1 12 h. 46‘ J Ruhe |11 |22 [33 |44 2 A an”! —84C.M. 3-4 M.M.|Reizung |114|23 \341|46 3 „ 48 Ruhe 11 \224,33 |45 4 „ 49 11 |2241333]441 5 „ 50 | „ In 12141323144 N > [eo] FR) 5 Galvani- Zustand Pr: Zeit Be Rollen- ee da 1. |. \ILIIV 85 Sir: Vorrich- abstand. b er e 2 : \ E 88 BR abstand. 28 8 Nerven. 6 12 h. 51° Ruhe [10122 |33 |44 7 92 Be. 5 102/21411312]421 8| ,„ 534] Daniclt mit | _830,M.|3-4 M.M. |Reizung |12 |23 |334]444 9 04 r 5 n e 12 |23 |34 |45 10 on Ruhe [11 |22 |33 [44 1| „56 „ 114l23 |33 |444 2| „5% „ jne2l231[34 [45 Obgleich die Frequenzvermehrung gegen die zuletzt vorausge- gangene Ruhe in No. 2 nur 1/,, und in No. 9 nur 1/7 betrug, ist doch unzweifelhaft in dieser Versuchsreihe die vermehrte Häufigkeit des Pulses als eine Wirkung der Reizung zu deuten. Während der Ruhe sank die Frequenz in 5 Minuten allmälig von 46 auf 421/, (siehe No. 3 bis 7); dann bewirkt die Reizung sogleich wieder ver- mehrte Frequenz, die sich während der zweiten Minute, in welcher die Reizung fortgesetzt ward, behauptet (No. 8, 9), und diese län- ger fortgesetzte Reizung hatte, wie so oft, eine deutliche Nachwir- kung (No. 10—12). Ich habe in einzelnen Fällen beobachtet, dass ein Herz, welches stillstand, durch eine schwache elektrische Reizung wieder zu pulsi- ren begann. Beim Kaninchen wurde dies nur ein einziges Mal gesehen, und da es öfters fruchtlos versucht ward, das nicht mehr pulsirende Herz durch Reizung des Vagus wieder in Thätigkeit zu versetzen, obwohl directe Reizung des Herzens noch eine oder mehre regelmässige Zusammenziehungen zur Folge hatte, so muss man wohl schliessen, dass der Vagus in der Regel früher abstirbt als das Herz. Wenn man bei einem erschöpften Frosche durch eine starke Va- gusreizung (1 Daniell mit SO3 20 ®%/,, Rollenabstand — 8!/, ©. M.) einen lange anhaltenden Herzstillstand erzeugt, einen Stillstand, wel- cher die Reizung lange überdauert, dann beginnt die Pulsation so- 449 gleich auf's Neue, wenn man mit schwachen Wechselströmen (Rollen- abstand 35 C. M.) den Vagus reizt. Ist der Puls bei Fröschen, denen viel zugemuthet wurde, sehr selten und unregelmässig geworden, dann kann durch eine passende Vagusreizung sogleich wieder ein Herzschlag von mittlerer Frequenz und. grosser Regelmässigkeit hervorgerufen werden. Die folgende Tabelle enthält ein lehrreiches Beispiel dieser Art: Tabelle XXI. E = Galvani- Elektro- Zustand BE zei | voach ‚| anetane, den. | as 17. [Tr Im IV. E2 tung. abstand,. IS 23 erven. ai} RETTEN BR Te 1 112 h. 35° Ruhe | 2 122|3|5 2| „ 36/4 Bill 6 ©. M. 3-4 M.M.|Reizung | 61|49 1302141 A +5 » » »„ _1os| 21 32 142 Zweimal habe ich bei einem Kaninchen, dessen Vagus stark und wiederholt gereizt worden war, an dem blossliegenden Herzen, die Kammersystole in zwei deutlichen Absätzen erfolgen sehen, einen sehr ausgebildeten pulsus dierotus darstellend; in anderen Fällen wurde die "Erscheinung vermisst. Es handelt sich dabei nicht um jene Form "der Z ammenziehung, die man unter ähnlichen Umständen am Frosch- oft genug beobachtet, bei ‚welcher verschiedene Theile der mer sich ungleichzeitig verkürzen, sondern um eine Zusammen- ziehung der ganzen Kammer, die vor ihrem Ende, in unvollkomme- ner Systole, eine Pause macht und dann erst sich vollendet. III. Mechanische Reizversuche. Gleich der erste Versuch, der an einem Kaninchen gemacht wurde, gab ein durchaus befriedigendes Resultat, die Aussage Schiff’s bestätigend 1) und im Einklang mit den Ergebnissen der elektrischen Reizung. Bi sind die mechanischen Reizversuche schwieriger . 7 Di %) Schiff, Lehrbuch der Physiologie, $. 417 und diese Untersuchungen, Bad. VI, 8. 232. : MOLESCHOTT, Untersuchungen. vu, 31 450 anzustellen als die elektrischen, weil eine so sıchere Abstufung des Reizes nicht hervorgebracht werden kann. Durch eine allmälige Deh- nung lässt sich inzwischen ein Erfolg erzielen, der nichts zu wün- schen übrig lässt. Versuchjsthier L 7. November 1860. Um 11 h 13° waren bei einem Kaninchen beide Vagi blossgelegt worden. Unter jeden der beiden war ein sei- dener Faden geführt, und mit diesen Fäden wurden die Nerven wie- der in die Wunde gebracht. Die Nerven waren nicht durehschnitten. Tabelle XV 8 g Art Zustand =3 Zeit, der des Ts 01. [DIT.\DVE 5 3 Reizung. Nerven, 41 111 h. 14 . Ruhe | 3978 1120 2 Ela = 43 | 87 1132 3| „16 „- |a2|85|129 a Ra „14831128 Unter jeden Nerven wurde ein 5 „ 18 Glasplatte RE u, “Reizung 45 |92 1142 6 „ag a 47 | 93 1138 7 n 24 Ruhe | 41 |83 1128 8 nR29, E 41 |83 1128 9 „ 32 Bewegung der Glasplättchen . . Reizung 4999 1146 10 „34 Ruhe | 47/93 1141 Zartes Bürsten beider Nerven mit 11 » 36“leinem en nad ae Reizung 46.| 99 1145 12 BB Ruhe | 46 | 92 [141 13 n 738! v 46 | 94 145 14 0! - 44 |91 1141 15 „ 40 » 44 |92 1143 16 „ 4 ” 44 1891138 17 „ 3% E 43 |90 1137 18| ,„ Mr „.. |43]89 |136 19.17 5.45 „. Las [87 j133 Druck mit drei passend gekrümm- F 20 » 46fltem Eisendrähten . . 2... . Reizung | 48 | 98 1142 21 na . Ruhe | 4797 1144194 22 „ 48 5 47 |99 |146119 3 1 Art Zustand ge Zeit. der des I. | H. |IO.|IV. 5 2 Reizung. Nerven. m! 23 m h. 49! Ruhe |50 |101)149|197 24 oi 50! 5 49 1101/1491196 25 ra H 49 |101/149|196 26 „+ 92" n 49 11001147195 27 MER - 50 11021150200 28 „ 94 n 44 | 911141/192 29 2.90% & 46 | 951471199 30 Pu56s > 46 | 9611451197 31 Ah = 49 | 9811501205 32 tell ” 46 | 94.144194 33 12h. 2 = 46 | 951481199 34 et 5 47 | 9611471199 35 n 4'| Starkes Bürsten beider Nerven ER 48 | 911141194 Be 6 Ruhe |45 | 911138189 37 er ” 47 | 96146197 Die Vagi mit Fäden umschlun- gen, welche nicht angezogen wur- El, ee une ik Reizung |50:101|154!005 39 ec Ruhe |49 | 991511204 40 a > 48 | 991511204 Ba u. 14! > 49 1102.156/210 42 | „12 »..|49 | 991150,204 a ehe dein img |48 | 9914521208 4 „AA! Ruhe |48 | 99 150/204 Zuschnüren der Fäden, starke 45 M5! img Fe Thiers ni eh ehe ae 47 | 8811381191 46 | „ 16°) Anziehen der Fäden . . . .|Reizung |50 | 991511205 4 FT‘ Ruhe [45 | 95147200 48|° „418 5 46 | 951146199 49 | , 49| Starkes Kneipen mit der Pincetto| „Aerke |43 | 901391188 In No. 8 bewirkte eine gelinde mechanische Reizung eine Fre- quenzzunahme um 19, in No. 9 um 22, in No. 11 um 9 Schläge in Minute. Nach jeder dieser Reizungen nahm die Frequenz wieder . In No. 20 von Neuem ein Häufigerwerden des Pulses um 10 ‚ und dann eine bedeutende Nachwirkung von No. 21 bis 34. Als hierauf stark gereizt wurde, nahm die Zahl der Herzschläge 31% vr 452 um 5 in der Minute ab (No. 35), sank in der nächsten Ruheminute eelinde noch tiefer, um sich dann wieder zu heben, was durch eine g Reizung (No. 38) noch befördert wurde (No. 38, 43). Starke Reizung brachte in No. 45 und No. 49 ein Sinken der Frequenz hervor. Versuchsthier M. 42. November 1860. Bei einem Albinokaninchen wurde der linke Vagus frei präparirt, und ein langer Seidenfaden darunter her- geführt. Die beiden Enden des Fadens wurden über einen Glasstab geleitet, ein kleines Häkchen daran gebunden und hieran verschie- dene Gewichte gehängt. Die Erfolge, welche die hierdurch bewirkte gelindere oder stärkere Dehnung hervorbrachte, finden sich in Tybelle XXV S® Gewicht, Zustand Ee “ durch welehes die = I en Dehnung hervorgebracht 5 1. [DL |HLIIV ce | wurde. Nerven. | t |11 h. 50° Ruhe |50 1011156210 2 SL - 52 1107/1164221 3 „er DR: 5 49 100,155 210 4 AnlodL Y 50 110511621219 5 5A “ 52 14105/161216 64, 55° 5,9 Gramm Reizung. | 61 |119 1771234 7 ale Ruhe |53 1081165222 | 8 Far RE 52 10811671225 | 9 nn sBL R 51 1105|160/217 1012 h. 2 a 51 11041161217 | al Si P Reizung | 54 110 167227 12 nd! Ruhe |47 | 97]152]207 13 Saıdı E '51 1106/1641222 1a ” _|52 1071165220 15 BALL: 3 Gramm Reizung | 53 40811631220 ge 16 NS) = » 153 1106 1601217) 17r Rh ei Ruhe |52 1061163219 18 Ba (ON % 52 11061611210 19 Pl R 52 [10711661224 20 42] - 51 110711631220 453 28 Gewicht, | Zustand Ba a durch welches die TV E: kr Dehnung hervorgebracht aan TE ULM = 3 wurde, Nerven, | I 21 2 h. 13] 0,7 Gramm [Reizung | 51 1osl16ol212 22 Tan „18:57, 5 50 | 99/148 200 23 Rs I} Ruhe | 51 [106/161 220 24 = W16,320)2%. Reizung | 48 | 95)144 190 25 » 107,36 ; 36 | 75123168 Bun, 18 Ruhe |40| 77/123 .174 27 19! Ä 43 | 881137187 Schwache Dehnung hat also die Frequenz um 10 bis 18 Schläge in der Minute vermehrt (No. 11 und No. 6); sie wurde durch 5,9 Gramm bewirkt. zu viel (No. 22)- Zwei Gramm war zu wenig (No. 15), 8,5 Gramm Und eine starke Dehnung (26 bis 36 Gramm) drückte die Frequenz um 30 bis 52 Schläge herunter (No. 24, 25). Bei demselben Kaninchen wurde auch der rechte Vagus zu mecha- nischen Reizversuchen durch dasselbe Verfahren benützt. Tabelle Xu. >] E35 Gewicht, | 5 Zeit durch welches die | le 1. \n.|m.\ıv 53 ; Dehnung bewirkt N a : i Sy = wurde. er 1 |12 h. 42° Ruhe |45 | 96]146]194 2 BRAD! > 45 | 93[143[193 3 „ 44 5,9 Gramm Reizung | 48 10111561211 4 n.45' u n 50 | 971151|208 5 et Ruhe |46 | 96/148/200 6 BT ” 44 | 93/144|196 7 „50 n 48 | 9811511203 .8 E54 P Reizung |50 [1101/1561212 a DR Ruhe |48| 96144|196 1 enabp I 47 | 971147|197 11 „ 54 = Reizung | 50 11001157211 12 o55| Ruhe [46 | 951451200 1310 „ 56| s 49 [101/151 200 414). „57 36 Gramm Reizung | 48 110011531207 15 | k 58 50 ce 5 50 110411541207 16 550! Ruhe |48 | 961461197 454 Es wurde in dieser Versuchsreihe viermal gereizt, jedesmal be- wirkte die Reizung eine erhöhte Frequenz, und jedesmal wurde der Herzschlag sogleich in der darauf folgenden Ruhe seltener. Die Zunahme der Häufigkeit betrug 7 bis 18 Schläge in der Minute, 1/39 bis 1/,, der Frequenz, die in der Ruhe bestand. IV. Chemische Reizversuche. 41. Versuche an Kaninchen. Versuchsthier N. 14. November 1860. Der linke Vagus eines grauen Kaninchens wurde, ohne durchschnitten zu sein, auf ein Glasplättchen gelegt. Als Nervenreiz wurde rasches Austrocknen benützt, das dadurch er- zielt wurde, dass zu beiden Seiten neben den Nerven grosse Chlor- caleiumstücke gelegt wurden. Diese wurden so oft entfernt und durch andere ersetzt, als sieh nur der geringste Anflug von Feuchtigkeit zeigte, so dass niemals ein Tropfen auf die Glasplatte floss. Wie die Reizung aufgehoben werden sollte, wurde das Chlor- caleium ganz entfernt, die Glasplatte, ohne sie zu verrücken, neben dem Nerven sorgfältig gereinigt, und darauf der Nerv mit einem Ge- menge von 4 Raumtheil Hühnereiweiss mit 10 Raumtheilen Wasser, welches auf 300 ©. erwärmt war, reichlich benetzt. Dabei wurde jede mechanische Reizung auf’s Sorgfältigste vermieden. Tabelle XXVu. — Zustand =} 83 | Zeit des LT. | en & u) Nerven. LT: Ruhe 4 | 8 | 127 | 172 “ 2 » n 41 81 | 126 |, 171 3 5 Reizung; 40 | 83 | 127 | 173 4 5 y 40 | 84 | 130 | 174 5 . L |. Js 6 x 4 —| 86 | 131°) 497 7 h 2 4 | 84 | 130 | 177 8 » 7 42 | 86 | 132 | 179 455 a Zustand E2 | Zeit. des IHREN ALE | TV. *heresondere 28 Na emerkungen. 2 9 11 h. 35%) Reizung | 44 | 88 | 135 | 183 10. | ;,,36/ h 44 | 88 | 136 | ısa 11 „37 - 43 | 88 | 136 | 184 12.| „38 ö 43 | 87 | 135 | 182 13 „39 s 42 | 87 | 134 | 182 14 „ 40 e 44 | 90 | 138 | 186 15 „Mm £ 44 | 89 | 137 | 187 16 „ 42 r 45 | 91 | 139 | 188 17 „43 R 44 | 91 | 141 | 190 | „MM F 46 | 93 | 143 | 194 19 „45 n 46 | — | 185 | 196 20 „ 46‘ R 45 | 93 | 144 | 196 21 „ 4% 8 47 | 97 | 148 | 202 22 „48 e 46 | 95 | 147 | 199 23 „ 49 n 46 | 97 | 147 | 200 24 „ 50. x 46 | 95 | 148 | 201 5 „51 Ruhe 48 | 99 | 149 | 200 26| „5% : 47 | 96 | 148 | 200 27 So! R 48 96 | 144 | 195 | Zuckungen. 28 „ 54 r 43 | 9 | 14 | 191 29 „ 55° & 45 | 93 | 142 | 192 30| „56 £ 4.)92 | — |-188 31 „ 57 5 43 | 90 | 136 | 185 32 „ 58 E 45 | 91 | 139 | 186 33 „ 59 x 43 | s6 | 131 | 178 34 112 h. 3 43 | 87 | 134 | 181 7 Me | % 39| so | — | 16 Das fortschreitende Austrocknen steigerte also die Häufigkeit des Herzschlags allmälig und sehr stetig von 171 bis auf 202 (No. 21), also um 31 Schläge in der Minute oder um 2/,, der ur- sprünglichen Frequenz in der Ruhe. Da sich die Frequenz in No. 22 bis 24 sehr nahezu auf dieser Höhe hielt, begann nach Ablauf der 50. Minute nach 11 h das Befeuchten, und hierdurch wurde die Fre- quenz in Zeit von 11 Minuten wieder von 200 auf 165 Schläge in der Minute heruntergebracht. Darauf wurde der rechte Vagus desselben Kaninchens dem glei- chen Verfahren unterworfen. ” _ .- 456 ra bre ll ’e® XXVI, = 5 Zustand = = * esondere 5 E Zeit. = des I. I. Ju Rt IV. Bemerkungen. zZ erven, 1 NS RZ Ruhe | 44 89 | 136 | 182 2 nu 3 43 86 | 133 | 180 | 3 »„. %| Reizung 43 87. | 133 | 181 4 210% e 43 83 | 135 | 182 5 ae u = 43 87 | 134 | 181 6 dl F 43 87 | 136 | 184 7 „ul R 43 88 | 136 | 184 8 tl e 43 89 | 137 | 185 9 Aa & 44 | 90 | 138 | 487 10 16% ä 45 91 | 142 | 192 11 rl > 47 96 | 146 | 196 12 eh H 46 94 | 145 | 198 13 sag & 47 96 | 147 | 199 14 „201 e 47 97 | 147 | 198 15 ! B 47 96 | 149 | 201 16 „22! # 47 97 | 147 | 198 17 2a Ruhe 46 | 92 | 142 | 190 | Zuckungen 18 Be Ei 44 | 90 | 141 . 191 19 208 E _ 90 | 139 | 187 20 „ 26’ P 46 93 | 142 | 191 21 rl" y — 92 | 414 | 19 22 n„ 28 r 44 | 93 | 141 | 191 23 „ 29 F 44. | 92 | 140 | 189 24 er sill ä 45 91 | 138 | 187 25 „ol 5 43 87 | 132 | 180 Durch das allmälige Austrocknen wächst die Häufigkeit der Herz- bewegungen in 13 Minuten von 180 auf 201 (No. 15), und in Folge der Befeuchtung nimmt sie allmälig wieder bis um 18 Schläge in der Minute ab (vgl. No. 16 und No. 25), und zwar. in einem Zeitraum von 9 Minuten. Versuchsthier O. 13. November 1860. Kaninchen. Linker Vagus. Behufs der chemischen Reizung wird der Nerv, der zuvor undurchschnitten auf ein Glasplättehen gebracht war, mit einer Kochsalzlösung befeuchtet, welche durch Vermischung von 1 Raumtheil gesättigter Lösung mit 457 3 Raumtheilen destillirten Wassers erhalten war. Um die Reizung aufzuheben, ward der Nerv, nachdem die Kochsalzlösung vom Glas- plättchen mittelst eines Schwämmchens entfernt war, mit destillirtem Wasser ausgewaschen. Dann ward die Reizung wiederholt und darauf die Ruhe wiederhergestellt, indem der Nerv, nach Entfernung der Kochsalzlösung, möglichst weit nach der Peripherie hin durch- schnitten und darauf das ganze blossliegende Stück des Nerven aus- geschnitten wurde. Die einzelnen Akte sind in der Tabelle genau verzeichnet. Tabelle XXR. ge 5 Behandlung | Zustand £ E’o Zeit. des des T. | H. |IIL|IV. el H N Nerven! Bemerkungen. 4114 H. 18 Ruhe |43 | 88 123|168 : „19 e 41 | 82 124/169 n 20' 5 39 | 80 121/166 Befeuchtung mit a 4 » 21’la. Kochsalzlösung| Reizung |41 | 86 1311179 5 ae e 5 36 | 80.127.176) Zuckungen 6 28! = 40 | 90,138|185 7 „ 24 F 43 | 88.136|184 8 us & 43, 88.138190 9 n 26‘ A 5 46 94.144195 10 a 2 - 48 | 95 146/197 Ausw. i 11 | „ 32ldesilin. Wasel » 147 9511491204 12 00 2 e 51 | — 11641225 13 2.34. » 5 55 11151751231 14 y. 39/ Ruhe [51 1105161209 15 „236° 5 53 1105/161'207 16 Br ” 49 11011571210 2001, 38 5 — 1100151206 BR, 939° 3 48 | 97.148198 Bu, „., 40 5 44 | 93,143/194 20 a R 45 | 91141/190| Zuckungen 21 „ 42! y 46 | 95.146/199 ” ° a y 45 | 94,144/195 2 „ 44 je 46 | 94.144195 ‚Befeuchtun it 24 |, 45/la. Kochsalziösung| Reizung |45 | 94|1461198 25 erst ® 5 47 971491200 = Behandlung | Zustand 83 | Zeit. des des 1. 11. |M.|IV. Da = ii) | Nerven. Nerven. ABIREn: Befeuc! i 26 11 h. 47'la. nenne Reizung | 50 | 99 1521204 27 „ 48 ’ 49 | 9811501205 28 „ 49 & 50.11041160|247 29| „50 - 50 11011156210 30 „51 N 50 [10211457214 31 en 53‘| Ausschneidung Aa a des Nerven Ruhe 48 | 97 149 301 lu 32 „ 54 n 48 | 98|150|205 33 „ 55° g 49 | 9911511203 34 „ 56’ n: 48 |1001153|206 Unter der Einwirkung des Kochsalzes stieg zunächst die Fre- quenz' von 166 (No. 3) auf 197 (No. 10). Nach Allem, was durch die bisherigen Versuche ermittelt wurde, wird es aber als gerechtfer- tigt erscheinen, dass ich auch den Zustand des Nerven in No. 11 bis 43 als den der Reizung bezeichne. Ist doch gar nicht anders an- zunehmen, als dass anfangs die Befeuchtung des Nerven mit destillir- tem Wasser nur die fortschreitende Diffusion des in den Nerven ein- gedrungenen Chlornatriums 'beförderte. Das Maximum des Reizerfol- ges ist also erst in No. 13 mit 231 Schlägen in der Minute erreicht. Es ist dies die höchste Zunahme, die ich überhaupt bis jetzt durch Reizung des Vagus in der Häufigkeit der Herzschläge beim Kanin- chen hervorbrachte: 65 Schläge oder ?/, der, Frequenz in der Ruhe. Nach und nach sank dann die Pulsfrequenz in Zeit von 6 Mi- nuten wieder auf 194 (um 37 Schläge), und hielt sich auf dieser nie- drigen Höhe mit geringen Schwankungen (No. 19 bis 23). Die nie- derste Zahl 190 wurde zugleich mit Zuckungen beobachtet. Durch Behandlung mit der Kochsalzlösung wurde dann auf's Neue die Frequenz um 22 Schläge gesteigert (217 in No. 28), um in der Ruhe wieder zu sinken (No. 31 bis 34). Bei demselben Kaninchen wurde nun noch der Vagus rechter Seite zu gleichen Versuchen verwendet. Tabelle XXX. 459 be] &3 Zeit. er 42h. 3! IRA ET, al: | 6.288 71.29 8| , 10 9| „a 10 rl 1) „1% 2| „1 13) „15 14| „16 5) „47 16| „48 1727| „49 18) , 20 19 Rot 20 ner: 21 Ro! 22 A 23| „25 4 „26 25| „am 26| 1.28 27 29! 28 „20 29 „Bl Bl 0 | „3% 32| ..34 33| , 35 Behandlung des Nerven. Befeuchtung mit Kochsalzlösung 7 2 Ein möglichst grosses Stück des Nerven weggeschnitten Zustand des Nerven. Ruhe n SYS MS AMY N MN Reizung, ” EEE ee (zu [e} Ss I. 97 100 103 102 106 98 105 104 100 106 100 103 103 108 109 105 110 107 111 107 111 107 107 105 108 104 106 105 106 101 106 100 Il. 149 155 159 156 152 160 156 160 153 161 153 158 158 167 167 164 169 164 170 163 170 163 164 160 167 162 162 161 164 156 163 IV. 203 209 207 210 219 208 217 209 218 208 216 207 214 217 226 225 220 228 220 232 219 229 220 221 216 227 219 220 219 222 211 221 206 Besondere Bemerkungen. Zuckungen Zuckungen Zuckungen Der absolute Werth der Frequenzzunahme ist zwar in dieser Versuchsreihe nieht gross. Unter dem Eindruck der Kochsalzlösung allein beträgt sie gegen die letzte Zählung in der Ruhe (Nr. 13: 460 214) nur 14 Schläge (Nr. 18: 228). Aber der Gang, den die Fre- quenz einhält, ist eine glänzende Bestätigung des Ergebnisses der vorigen chemischen Reizversuche.e. Von Nr. 4 bis Nr. 13 macht sich sehr deutlich eine zweigliedrige Periode bemerkbar. . Zahl der Herzschläge in 1‘. No. 4 und 5 210 219 SE; 208 217 RR 209 218 „10 „AM 208 216 „12 „43 207 214. Ohne Reizung hätte man nach dem bisherigen Gang erwarten dür- fen, dass in No. 14 der Herzschlag wieder seltener geworden wäre. Statt dessen wird er häufiger, und die Periode verwischt sich, denn das Sinken in No. 19 war von Zuckungen begleitet. In der Ruhe nimmt die Frequenz wieder ab, wenn auch nicht beträchtlich, trotzdem dass nun beide Vagi durchschnitten sind, und die Periode wird wieder mehr oder weniger deutlich: Zahl der Herzschläge in 1‘. No. 21 und 22 219 229 PP 220 221 Da. 26 216 a27 ul AR nu RB 219 220 (Zuekungen) | 219 222 rat 32 211 221. 7 Das Minimum in der Ruhe nach der Reizung, welches freilich von Zuckungen begleitet war (No. 33: 206 Schläge), ist beinahe gleich dem Minimum vor der Reizung (No. 1: 203). Die höchste Frequenz (No. 20: 232 Schläge) wurde am Ende der Kochsalzreizung bei der Ausschneidung des zweiten Vagus beobachtet. 2) Versuche an Fröschen. Versuchsthier ki. 28. December 1860. Rana temporaria. Der rechte Vagus um 10 h 10 blossgelegt. Reizung mit 1 Grove bei einem Rollenabstand 1) Diese Beobachtungsreihe verdanke ich den Herren Gascard und Hufschmid, N En 461 von — 81/, C. M. erzeugte Stillstand des Herzens. Die Reizung ge- schah durch Befeuchten mit der S. 456, 457 angegebenen Kochsalz- lösung. Tabelle XXL ki = Behandlung des SE yape E2| Zeit. des TE SEES ETTT.RV. E23 j Nerven. z& Nerven. 1 10 h. 15° Ruhe «| 8,1 15) | 23 | 31 2 a6! = 8 | 154 | 24 | 313 3 Fe 5 8 |16 |24 | 32 Befeuchtung mit 4 „ 18| Kochsalzlösung | Reizung | 81 | 17 |25 | 33 5 19, = 5 gEE Sr 27 36 6 20: x 5 971,181 127. 136 7 mel: 5 " 9771837771272 17362 8 n 22! > 5 97. A82 7287| 37 9 „ 23‘| Abwaschung mit HO.| Ruhe | 9 | 172 |26 | 35 10 „ 24 = . So 1072102671095 11 8! E 3 9 |18 | 28 | 36 12 „ 26‘ S . 9 118 127 | 364 In No. 8 wurde eine Frequenzzunahme um 5 Schläge erreicht, von 32 auf 37, also um 2/,, der Frequenz in der Ruhe. Versuchsthier 2. 27. December 1860. KRana temporaria. Rechter Vagus. Be- hufs der chemischen Reizung wurde Froschgalle benützt. Um? h 10‘ war, bevor die Zählungen begannen, durch elektrische Reizung (1 Grove, Rollenabstand — 81/, ©. M.) Stillstand hervorgebracht wor- den. Um die Reizung aufzuheben, wurde der Nerv so nahe als mög- lich dem Herzen abgeschnitten. 1) Von den Herren Gascard und Hufschmid. Tabelle XXX 5 Behandl a Zustand E3| Zeit er, is | LIT | mL |W. 5 Nerven. za Nerven, 1|2.h. 16‘ Ruhe 9 18 27 36 2| „m R 9 119 | 284 | 374 3) „48 £ 9, 181 | 271 | 363 4 „ 19°) Befeuchtung mit Galle | Reizung |10 | 19 281 | 38 5| „20 s x 94 | 184 | 28 | 38 6 Fer 4 5 11 21 30 40 | „a i 10 |20 | 30 |-404 8 7 28! Abschneidung des Nerven Ruhe tt) 194 30 401 9| „25 a 114 | 21 |-31. 142 10| „26 » s 10 |20 | 304 | 4 11 n 28 = 10 20 304 | 40: Unter der Einwirkung der Galle allein stieg die Häufigkeit des Herzschlags von 361/, auf 401/,, also um 4 Schläge oder !/, der ur- sprünglichen Frequenz. In No. 8 bis 11 wirkte entweder die Durch- schneidung selbst als Reiz oder die Gallenreizung entfaltete eine Nachwirkung. Versuchsthier e 18. December 1860. Dieselbe Rana temporaria, welche zu elek- trischen Reizversuchen gedient hatte (Tabelle XVII, S. 442), gab einen noch viel auffallenderen Erfolg als die Vagi mit Galle gereizt wurden. Bevor dies geschah, war das Herz sehr erschöpft, die Zusammenzie- hungen sehr unregelmässig und selten, höchstens 20 in der Minute, leider aber wurde vor der ersten Reizung mit Galle die Zählung in der Ruhe versäumt. „> =} [2% Tabelle XXXIL in 3 | Behandlung des Zn E ä Zeit. a des ii 101 II. IV zB Nerven. Befeuchtung des rech-| 4 \4 h. 13//ten Vagus mit Galle| Reizung | 1141| 21 | 31 |.42 2 „14 - ’ 10 20 | 29 | 40 Durchschneidung des 3 „ 15° rechten 'Vagus Ruhe bolcdd 15 | 18 Befeuchtung des lin- £ F 4 „ 16‘|ken Vagus mit Galle| Reizung |10 | 21 | 31 | 40 Durchschneidung des 3 lg! linken Vagus Ruhe |10 | 18° 27 | 35 6 De ateh r 5. AO 19 Hier wurde also in No. 4 eine Frequenzzunahme um mehr als das Doppelte beobachtet. In der Hoffnung, die ich nach diesen Beobachtungen fasste, dass die Froschgalle für den Vagus ein sehr sieheres und mächtiges Reiz- mittel sein würde, sah ich mich bei späteren Versuchen getäuscht. Ich habe mehre Male auf den noch gar nicht mit künstlichen Reiz- mitteln angegriffenen Vagus Froschgalle ohne allen Erfolg angewandt. Vielleicht ist dies durch eine verschiedene Zusammensetzung der Galle unter verschiedenen Umständen zu erklären. V. Thermische Reizversuche. Versuchsthier P. 15. November 1860. Graues Kaninchen. » Die thermische Reizung bestand darin, dass eine zum Rothglühen erhitzte Platinplatte dem auf einer Glasplatte liegenden Nerven bis auf wenige Millimeter genähert wurde. Ich wählte eine Platinplatte, weil die rasche Abkühlung derselben der Aufgabe einer Nervenrei- zung, die darin besteht, die Mischung oder den Molecularzustand des Nerven in kurzer Zeit erheblichen Schwankungen auszusetzen, vor- trefflich entsprach. Nach je 4 Viertelminute wurde statt der abge- kühlten Platinplatte eine andere rothglühende dem Nerven genähert. Während der Ruhezeit wurde der Nerv fleissig mit Eiweisslösung befeuchtet. 464 Um die Platinplatten — Elektrodenplatten, wie sie von Du Bois- Reymond für die Versuche am Multiplieator eingeführt wurden — bequem handhaben zu können, waren sie in grosse Korke eingeklemmt. Tabelle XXXIV. TFT = E 5 Zu Besondere E € Zeit. a Es S D. , IM. | IV. Bemerkungen. E22) E Zi 1 11 h. 54| Ruhe 55 | 105 | — | 241 2 mb 5 58 | 115 | — | 238 3 56‘ 5 56 | — | 175 | 238 4 add 5 55 | 118 | 182 | 244 5 a 5 56 | 114 | 176 | 239 6 09: 5 58 | 117 | 180 | 242 712 h. R 59 | 120 | 180 | .242 8 „» 4‘) Reizung | 60 | 120 | 187 .| 251 Yu 424 Ruhe 60 | 121 | 186 | 249 10 Des e — | 111 | 169 | 227 Zuckungen 11 ee E) 53 | 107 | 165 | 223 12 a, ” 55 | 110 | 170 | 228 13 „16% “ — | 110 | 170 | 228 14 ZA = 50 | 107 | 166 | 224 15 » ..8] Reizung | 59 | 410 | 181 | 244! 16 eg Ruhe 56 | 114 | 174 | 235 17 „10: > 54 | 109 | 167 | 224 18 a A 53 | 110 | 171 | 234 19 pl 5 54 | 4112 | 172 | 233 20 ler P 54 | 110 | 168 | 227 21 „ 14| Reizung | 55 | 111 | 172 | 233 22 „e 10H = 56 | 4117 | 178 | 243 23 „ 16} = 57 | 117 | 178 | 241 24 „ 1417| Ruhe 56 | 114 | 175 | 235 25 Bi) & 54 | 4411 | 171 17229 26 19 5 57 | 112 | 173 | 234 27 „ 20° 5 56 | 111 | 171 | 227 23 „22! R 55 | — | 160 | 220 29 Pr “ 53 | 108 | 167 | 226 30 „ 24 5 51 | 105 | 161 | 220 31 »„ 25/| Reizung | 53 | 110 | 170 | 234 32 » 26) Ruhe 53 | 110 | 169 | 231 33 A Y 56 | 4112 | 170 | 231 465 os = Zustand a ALS, TEEN anaetnuneen. 58 Nerven. Zi 34 [12 h. 28, Ruhe —.| 114 | 174 | 235 35| » 29 » EN | Tea 36 „ 30° " 5614113 | — | 233 3a, 1,531: £ 53 | 111 | 168 | 229 38 „ 32° = 53 | 110 | 167 | 226 39) „33% B 54 | 111 | 169 | 228 40 „ 34 = 53 | 111 | 4169 | 227 4 „ 35 & 53 | 109 | 166 | 224 N, 36 , 52 | 107 | 165 | 223 Viermal wurde die thermische Reizung angewandt, und jedesmal war der Erfolg eine deutliche Vermehrung der Frequenz des Herz- schlags. Die grösste Zunahme wurde in No. 15 beobachtet, von 224 auf 244, also um 20 Schläge oder !/,, der Frequenz in der Ruhe. Einmal wurde die Reizung 3 Minuten lang fortgesetzt, und zwar mit dem Erfolg, dass die Frequenz 2 Minuten lang stieg, um sich in der dritten Minute sehr nahe der am Ende der zweiten erstiegenen Höhe zu behaupten (No. 21 bis 23). In allen vier Fällen hatte die thermische Reizung eine deutliche Nachwirkung (No. 9, No. 16, No. 24, No. 32—36); dann aber sank die Frequenz während der Ruhe bedeutend von 251 bis auf 224, von 244 bis auf 227, von 243 bis auf 220, von 234 bis auf 223. Versuchsthier mi 27. December 1860. Rana temporaria. Um 2 h 42 wurde der linke Vagus blossgelegt, um 2 h 44° durch starke elektrische Rei- zung Stillstand des Herzens erzeugt. 1) Versuchsreihe von den Herren G ascard und Hufschmid. MOLESCHOTT, Untersuchungen. VL. 32 > [e2] [> Tuaxb,e Ile. oRRXV: = = Behandlung Zustand | Bu Zeit. des des II II. IV 2 Nerven, Nerven. za 1| 2 h. 48 Ruhe 9 18 | 27 36 Erwärmung mit glü- 2 „ 49'| hendem Platindraht [Reizung | 9 18 | 271 | 374 3) + 5.508 B R 94 | 19 | 29. | 38 al. u „140 | 192°) 29 | 39 5 32% 5 5 10 | 20 | 30 | 40 6% u Ruhe | 8ı | 17 | 27 | 364 7| 5 54% E 9 | ı8ı | 274 | 36 8 „ 90| 5 10 19 28 | 36 Durch thermische Reizung wurde also auch beim Frosch die Fre- quenz von 36 auf 40 Schläge in der Minute erhoben (No. 1 bis 5), d. h. um 1/, der Frequenz, wie sie in der Ruhe bestand. In der Ruhe nahm die Häufigkeit der Herzbewegung plötzlich wieder ab und blieb auf 36 stehen (No. 6—8). VI. Schluss. Nach diesen Versuchsreihen steht die Thatsache fest, dass eine Reizung des Vagus, die weder zu schwach, noch zu stark ist, die aber nach den herkömmlichen Vorstellungen immerhin als eine schwache bezeichnet werden muss, die Häufigkeit des Herzschlags vermehrt, während eine starke Reizung die Herzbewegungen seltner macht, und wenn sie sehr stark ist, oder einen schon vielfach in Anspruch ge- nommenen Nerven trifft, das Herz zum Stillstand bringt. Sonach halte ich mich für berechtigt, es mit allem Nachdruck auszusprechen, dass, wer immer die Frequenzzunahme durch Vagusreizung nicht ent- stehen sah, nicht den richtigen Grad der Reizung getroffen hat; die- sen Grad aber in Zukunft zu treffen, ist nunmehr eine Aufgabe, die mit Berücksichtigung: der oben beschriebenen Methoden von jedem geübten Experimentator leicht gelöst werden kann. . 467 Indem ich mit dieser Abhandlung nur das Thatsächliche geben wollte und die auf eine ausgedehnte Versuchsreihe gestützten theo- retischen Erörterungen für eine zweite Abhandlung verspare, erlaube ich mir einstweilen die Hauptergebnisse der hier niedergelegten Stu- dien zusammenzustellen. 1. Schwache keize des Vagus vermehren die Frequenz des Herzschlags. Das Maximum, welches bei Kaninchen beobachtet wurde, war eine Zunahme um 65 Schläge in der Minute, von 166 auf 231, oder um 2/, der Frequenz in der Ruhe. Bei Fröschen wurde ein noch wiel höheres Maximum der Zunahme *- x erreicht, nämlich eine Steigerung von 18 auf 40 Schläge in der Minute, also um reichlich das Doppelte der Häufigkeit, mit welcher das Herz schlug, als kein Reiz auf den Vagus wirkte. 2. Es wird nicht bloss durch elektrische Reizung des Vagus der Herzschlag häufiger, sondern ebenso entschieden durch mechanische, chemische und thermische. 3. Unter den mechanischen Reizumgen wirkt die Dehnung am sichersten, weil sie sich durch Anwendumg verschiedener Gewichte am leichtesten abstufen lässt. Aber auch Reibung und Druck wurden mit Erfolg angewandt. Das Maximum der Frequenzzumahme durch mechanische Reizung betrug bei einem Kaninchen 22 Schläge in der Minute (171 auf 193), oder etwas über i/, der Frequenz in der Ruhe. 4. Als chemische Reizmittel wurden verdünnte Kochsalzlösung, Froschgalle und rasches Austrocknen des Vagus angewandt. Die Maximalwerthe, die unter 1 aufgeführt wurden, sind auf chemischem Wege erzielt worden, beim Kaninchen durch Kochsalzlösung, beim Frosche durch Froschgalle. 5. Thermische Reizung erzeugte beim Kaninchen eine Zunahme von 224 auf 244, also um 20 Schläge oder beinahe ?/,,, beim Frosche von 36 auf 40, also um 4 Schläge oder i/, der Frequenz in der vor- angehenden Ruhezeit. 6. Elektrische Reizung vermochte beim Kaninchen die Häufigkeit 468 des Herzschlags von 190 auf 232, also um 42 Schläge (2/5), beim Frosche von 30 auf 42, also um 12 Schläge (2/;) zu erheben. 7. Um eine Frequenzvermehrung des Herzschlags beim Frosche hervorzurufen, ist im Allgemeinen eine stärkere Reizung nöthig als beim Kaninchen. ö. Beim Frosche wird der Herzschlag nicht bloss häufiger, wenn man den R. cardiacus oder den Stamm des Vagus reizt, sondern auch wenn nur der Laryngeus mit Wechselströmen gereizt wird (elektrotoni- sche oder paradoxe Frequenzvermehrung). Die paradoxe Frequenzver- mehrung setzt eine stärkere Reizung voraus als die gewöhnliche. 9. Die Reizung des Vagus vermehrt die Häufigkeit des Herzschlags uch, wenn man sie nach Durchschneidung des Nerven auf das peri- ‚pherische Ende einwirken lässt. Die Frequenzzunahme kann also nicht als eine nur im Üerebrospinalcentrum bewirkte Reflexerscheinung ange- sehen werden. Eine im Hirn-Rückenmarksstamm erzeugte Reflexwirkung ist über- haupt auch nicht einmal theilweise dabei im Spiel, denn wenn man das centrale Ende des durchschnittenen Vagus reizt, wird der Herz- schlag nicht häufiger. } 10. Die Reizung muss oft länger als 1), und nicht selten länger als 1/, Minute fortgesetzt werden, wenn‘ die Frequenzzunahme sich deut- lich herausstellen soll. 11. In vielen Fällen hat die Reizung eine erhebliche Nachwirkung zur Folge. 12. Pulsus dierotus kann eine Folge starker und längere Zeit an- haltender Vagusreizung sein, nach welcher die Herzkammern sich in ihrer Totalität in zwei Absätzen verkürzen. Mühlberg bei Mühlheim (Thurgau), 1. Januar 1861. XXI. Erläuterung zu einigen Bemerkungen des Herrn Dr. Lehmann, gemacht in seinen in dieser Zeitschrift (Bd. VII) enthaltenen Notizen „zur Würdigung der physiologischen Wirkung der Sitzbäder.“ Von Prof. Radicke. Herr Dr. Lehmann hat in einer in Moleschott’s Unter- „suchungen Bd. VII enthaltenen Entgegnung auf einige Einwürfe, welche Hr. Dr. Böcker gegen seine Arbeit „über die Wirkung der Sitzbäder“ ausgestellt hatte — auch meiner mehrfach, und zwar in einer Weise erwähnt, welche zu irrigen Auffassungen meiner Be- hauptungen und Aeusserungen über die Beurtheilung der, aus phy- siologischen und pharmakodynamischen Versuchsreihen gezogenen Re- sultate veranlassen, und insbesondere Zweifel an der Bündigkeit der von mir aufgestellten Regeln erwecken könnte. Ich darf daher im In- teresse der Sache nicht unterlassen, hier einige Erläuterungen über die fragliche Sache zu geben. Es sind vornehmlich drei Punkte, die Hr. Dr. L. hervorhebt. 1. Zuerst behauptet derselbe mit Bezugnahme auf meine in dieser Zeitschrift (Bd. VI) enthaltene Nachschrift zu meinem in Roser’s Archiv (1858 p. 145) veröffentlichten Aufsatze „über arithmetische Mittel“, dass ich meine Ansichten geändert, resp, gemildert hätte, und fügt hinzu, er sei nicht sachverständig genug, um einzusehen, 470 mit welchem Rechte und Grunde eine einmal hingestellte wissenschaft- liche Forderung gemildert werden könne; er traue mir aber zu, mich des Grundes bewusst zu sein. Dieser Ausspruch des Dr. L. beruht offenbar auf einem Missver- ständniss, denn von den beiden Regeln, welche respective der Haupt- Aufsatz und die Nachschrift giebt, und von denen die letzte eine Ab- änderung oder Abmilderung der ersten sein soll, betrifft die eine einen anderen Fall als die andere. — Beide Regeln allerdings beziehen sich auf die Frage, unter welchen Bedingungen man einen Schluss als sicher begründet ansehen könne, der auf dem Unterschiede der Mittel- werthe zweier parallelen Beobachtungsreihen beruht; allein die Vor- aussetzungen sind verschieden. Im Haupt-Aufsatze ist nämlich nur eine Doppelreihe als Grundlage des Schlusses vorausgesetzt, wäh- rend in der Nachschrift mehrere Doppelreihen von gleichstimmiger Mitteldifferenz angenommen werden. Es bedarf aber gewiss keiner besonderen Sachkenntniss, um einzusehen, dass man strengere Anfor- derungen machen muss für einen Satz, der als wahr angenommen werden soll, wenn derselbe auf nur eine Versuchsreihe gestützt wird, als wenn auf ihn mehrere, von einander unabhängige, Versuchsrei- hen hinleiten. Uebrigens ist im Haupt-Aufsatz selbst schon die ver- meintliche Milderung angedeutet, indem dort (p. 180) gelegentlich die Bemerkung gemacht wird, dass man, wenn die Beobachtungsrei- hen den Anforderungen nicht vollkommen genügen, die Resultate nur unter dem Vorbehalte gelten lassen dürfe, dass andere Systeme von Beobachtungen von mindestens gleicher Berechtigung dieselben be- stätigen. — Ferner ist an einer anderen Stelle (a. a. O. p. 181) auf das Zutreffen noch einer anderen Bedingung, welche eine Milderung gestatten würde, hingewiesen, nämlich der Bedingung, “dass deut- liche Schwankungen von kurzer Periode vorhanden seien — und sonach hat nach meinen eigenen Worten im ersten Aufsatze die Mei- nung durchaus nicht gewesen sein können, dass die Antwort auf die gestellte Frage keine Modification erleiden dürfe, wenn die Grundbe- dingungen sich modifieiren, respective eine grössere Bestimmtheit erhalten. 2. Der zweite Punkt ist, dass Hr. Dr. L. auf den von mir offen 471 eingestandenen Umstand, dass in meiner Regel eines der bestimmenden Elemente ein willkürliches sei — ein zu grosses Gewicht legt, und sich und Andere darauf hin für berechtigt hält, die Anforderungen für eine genügende Sicherheit eines Resultats bedeutend herunter zu stimmen. Dass man der Natur der Sache nach eine Regel von absoluter Geltung nieht verlangen könne, habe ich schon im ersten $ des er- sten Aufsatzes (a. a. O. p. 145 u. 146) erklärt, uud der Grund da- von ist nieht schwer einzusehen, da schon das Wort „genügend“ in der Frage eine Unbestimmtheit involvirt. — Es vermag Niemand (wenn ich mich eines Vergleichs bedienen darf) in dem Regenbogen die Grenze zwischen zwei auf einander folgenden Farben, z. B. zwi- schen Grün und Gelb, anzugeben, und wenn man ein Bedürfniss hat, eine scharfe Grenze zwischen beiden Farben festgestellt zu sehen, so muss man sich über eine genau bestimmbare Stelle vereinbaren. Die Willkür bei der Wahl dieser Stelle ist aber beschränkt, weil sie in dem Raume liegen muss, der weder schon entschieden gelb, noch schon entschieden grün ist. — Ganz ähnlich ist es hier. Wenn von zwei Versuchsreihen, bei deren einer ausser anderen mehr oder weniger unbekannten Umständen, deren Fernhaltung man nicht in seiner Gewalt hat, ein bestimmter Umstand A gewirkt hat, die eine Reihe ein grösseres Mittel giebt als die zweite: so ist die Grenze, wo die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Grösser-Sein des Mittels ganz oder zum Theil vom Umstande A herrühre — gross genug zu wer- den anfängt, um auf das Resultat mit Sicherheit weiterbauen zu kön- nen, der Natur nach ebenso unbestimmt, wie die Grenze zwischen den Regenbogenfarben. Und wenn demunerachtet die Festsetzung einer bestimmten Grenze wünschenswerth ist, um ein- für allemal sofort eine Scheidung zwischen sicheren und unsicheren Resultaten treffen zu können, so muss eine solche willkürlich festgestellt wer- den — natürlich aber innerhalb des Spielraumes, wo die Unsicher- heit noch keine entsehiedene ist. Es fragt sich nun, ob dieser Spielraum wirklich, wie Dr. L. zu glauben scheint, so gross ist, dass die (Grenze, welche ich in meiner Regel vorgeschlagen habe, um ein Nennenswerthes zu verschieben, erlaubt erscheint. Es ist diese Grenze da hingelegt, wo der Mittel- 472 unterschied die Summe der mittleren Schwankungen der beiden Rei- hen erreicht, und in meinem ersten Aufsatze habe ich darauf hinge- deutet, dass die Unsicherheit noch zu gross sein würde, wenn man die Grenze soweit zurückschieben wollte, bis der Mittelunterschied die Summe der sogenannten wahrscheinlichen Schwankungen (welche etwa zwei Dritttheile der mittleren Schwankungen betragen) erreicht. Statt weitere theoretische Gründe dafür zu entwickeln, wird es für den Nicht-Mathematiker überzeugender und besser in die Augen fal- lend sein, wenn ich einen Beleg für die Leichtigkeit des Irrthums aus der Erfahrung nehme. Die Harnstoffmengen in der 87tägigen Beobachtungsreihe von Kaupp (a. a. O. p. 196) sind unzweifelhaft in. keinem sichtlichen Maasse abhängig von der Menge des eingenommenen Kochsalzes, und letzteres abgerechnet, hat Kaupp mit grosser Scrupulosität einen Tag wie den andern gelebt, so dass man die ganze Reihe als eine durch- weg unter denselben Umständen angestellte ansehen kann. Vergleichen wir nun aus derselben die ersten 20 Tage mit den zweiten 20 Tagen, so bekommen wir respective die Mittelwerthe 35,98 und 33,36, und die mitt- lere Schwankung ist in jeder der beiden Gruppen von Tagen 1,60; mit- hin ist der Mittelunterschied (2,62) kleiner als die Summe der mittleren Schwankungen d. h. kleiner, als 3,20, aber grösser als die Summe der wahrscheinlichen Schwankungen (d. h. grösser als 2,13). Hätte Kaupp nun noch in den zweiten 20 Tagen täglich einen Stoft A zu sich genom- men, von dem man wüsste, dass er gar keinen Einfluss auf die Menge des ausgeschiedenen Harnstoffs hätte, so würden die übrigen Zahlen un- geändert geblieben sein, und man hätte nach meiner Regel ganz rich- tig geschlossen, dass sich aus den Beobachtungen eine Wirkung des A nicht mit genügender Sicherheit erkennen lasse, während man irrthümlich dem Stoffe A eine vermindernde Wirkung hätte zuschreiben müssen, wenn man die Summe der wahrscheinlichen Schwankungen als die Grenze der Sicherheit des Resultats angenommen hätte. Wenn man nun aber bei Annahme dieser letzten Grenze schon da auf Irrthümer kommen kann, wo man es mit Reihen von 20 (sehr sorgfältig angestell- ten) Beobachtungen zu thun hat, wie leicht muss man erst dem Irr- thume bei Reihen von 6 und 8 Beobachtungen, wie man sie so häufig 473 für ausreichend hält, ausgesetzt sein !— Es würde hiernach sogar sehr misslich sein, wenn man in der That die Grenze verschieben wollte, sie näher nach der Summe der wahrscheinlichen als nach der Summe der mittleren Schwankungen hinzurücken. Die Verschiebung würde also jedenfalls weniger als !/, der Schwankungssumme betragen müs- sen — was gewiss nicht der Rede werth ist, und immer nur auf Ko- sten der Sicherheit geschehen könnte. Es giebt aber noch einen Grund, aus welchem man bei der Be- stimmung der Grenze den Resultaten eher eine zu hohe, als eine zu geringe Wahrscheinlichkeit zu vindieiren hat. Wenn nämlich meh- rere Resultate, die nicht absolut, sondern nur wahrscheinlich richtig sind, zu einem neuen Resultate vereinigt werden, so ist die Wahr- scheinlichkeit, dass letzteres richtig sei, geringer, als die eines jeden der ersteren, und zwar kann sich dies so steigern, dass ein Satz, der aus mehreren, für sich ziemlich wahrscheinlichen Sätzen abgeleitet ist, sogar unwahrscheinlich wird. » Um dies in Zahlen deutlich zu machen, muss ich die Definition dessen, was der Mathematiker Wahrscheinlichkeit, oder besser Wahr- scheinlichkeits-Maass nennt, voranschicken. Die mathematische Wahrscheinlichkeit eines Umstandes oder eines Ereignisses für einen gegebenen Fall ist ein Zahlenverhältniss, und zwar das Verhältniss der Zahl der Fälle, in der bei der Vergleichung einer grossen Zahl von Fällen, jener Umstand oder jenes Ereigniss einzutreten pflegt zu der Zahl der überhaupt verglichenen Fälle. Tritt demnach z. B. unter je 10 Fällen durchschnittlich ein Er- eigniss E dreimal ein, so ist die mathematische Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei einer Reihe von Fällen gerade der erste Fall einer denen ist, in denen das Ereigniss E stattfindet — gleich 3/9. t ferner die mathematische Wahrscheinlichkeit, dass beim ersten mit einem Würfel die Seite mit den 4 Augen oben falle, gleich i/;, weil von den 6 Würfelseiten jede der 5 anderen eben so leicht nach oben fallen kann, und in der That bei einer sehr grossen An- zahl von 6 Würfen, wirklich eben so oft nach oben zu fallen pflegt, wie die Seite mit den 4 Augen. Im ‘gemeinen Leben dagegen nennt man das Ereignis E nur 474 ‚ dann wahrscheinlich, wenn es eher zu erwarten steht, dass es eintritt, als dass es nicht eintrete, also wenn es unter je 100 Fällen durehsehnitt- lich öfter als 50mal vorkommt, oder mit andern Worten: wenn die mathematische Wahrscheinlichkeit grösser als 5%/,gn, d- h. grösser als 1/, ist. Somit heisst zuweilen im gemeinen Leben ein Ereigniss sehr unwahrscheinlich, welches der Mathematiker wahrscheinlich nennt — aber allerdings von einem sehr geringen Wahrscheinlichkeitsgrade. Liegen z. B. in einer Urne 100 Loose mit den Nummern von 1 bis 100, so wird man es mit Recht für höchst unwahrscheinlich er- klären, dass man beim ersten Zuge eine vorausbestimmte Nummer, etwa die Nummer 26 treffe, während der Mathematiker sagt, das Treffen der Nummer 26 habe die Wahrscheinlichkeit 1/4gg, Trügen dagegen alle Loose die Nummer 26, so würde die Wahrscheinlich- keit des Treffens 100/,,, sein, so dass die Wahrscheinlichkeit vom Werthe Eins zusammenfällt mit der Gewissheit des Eintretens des Er- eignisses. ®Nehmen wir jetzt beispielsweise an, es habe das Resultat, dass das Grösser-Sein des Mittels der einen der beiden oben gedach- ten Beobachtungsreihen ganz oder theilweise dem Umstande A zuzu- schreiben sei — in einem besonderen Falle die Wahrscheinlichkeit 7/;o, so wäre dieselbe merklich grösser als 1/,, also im bürgerlichen Sinne genommen, schon ziemlich bedeutend, und die Mehrzahl der jetzigen physiologischen Experimentatoren würde gewiss mit grosser Genug- thuung das Resultat als begründet verwenden. Ebenso sicher aber würde sie wieder davon abstehen, wenn sie sich den Sinn dieses Wahrscheinlichkeitsgrades recht klar machte. Es will diese Zahl nämlich Folgendet sagen: Wenn man eine unbestimmte (aber grosse) Zahl Versuchs-Doppelreihen angestellt hätte für ebenso viele verschie- dene Agentien B, €, D ete, welche alle ein nicht mehr und nicht weniger begründetes Resultat gegeben, wie die erste Doppelreihe in Bezug auf das Agens A, so würde man — dieses Resultat als wahr annehmend, unter 10 Malen durchschnittlich 3 Mal irren. In der That, welches Vertrauen könnte man zu einer Wissenschaft haben, von der man voraus wüsste, dass von 10 ihrer Aussprüche durch- schnittlich drei irrig wären? *) — Wenn es nun an sich schon höchst *) Erlaubte man sich nicht, auf Resultate, deren Wahrscheinlichkeit kein 475 bedenklich ist, solche Resultate zuzulassen, so zeigt sich ihre Gefähr- lichkeit recht auffallend erst dann, wenn man mehrere derselben com- binirt. Es ist nämlich ein Fundamentalsatz der Wahrscheinlichkeits- rechnung, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Satz, der auf mehre- ren Hypothesen beruht, gleich ist dem Produkte der Wahrscheinlich- keiten der Hypothesen. Ein Satz daher, welcher auf zwei Resultaten von der Wahrscheinliehkeit 7/;, (die nicht denselben Gegenstand be- treffen) sich stützt, würde nur die Wahrschemlichkeit ?7/,, x 7/0 oder 49/00 haben, also sich schon im Anfange des Gebietes der (bürger- lichen) Unwahrscheinlichkeit befinden. Ein Satz ferner, der durch Combination von drei Resultaten, welche die noch höhere Wahrschein- lichkeit 3/, haben, gewonnen wird, würde die Wahrscheinlichkeit 3/, > 3/, = 3/, — 27/;, erhalten, also noch unwahrscheinlicher sein. Selbst bei einer Wahrscheinlichkeit des Einzel-Resultats von %/, würde eine Combination von zweien und dreien erst eine geringe Wahrscheinlich- keit, nämlich respective die Wahrscheinlichkeit 0,64 und 0,512 liefern. Es ist sonach offenbar, dass die oben besprochene Grenze für die Sicher- heit eines Resultats so zu wählen ist, dass sie einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit entspricht, wenn man nicht soll scheuen müssen, die Einzel-Resultate zur Gewinnung allgemeinerer Resultate zu com- biniren, und ich kann daher nur empfehlen, das oben angebotene Ge- schenk von einem Sechstel nicht anzunehmen. 3. Der dritte Punkt betrifft den mit Spötteleien versetzten Vor- wurf, dass ich mich in meinen Diseussionen und Begründungen auf viel höheres Maas, als das oben angeführte, hat, Theorien zu gründen, so würde sich am Ende auch nichts einwenden lassen, wenn man solche in die Wissenschaft aufnähme — aber nur mit der nothwendigen Restrietion, dass sie nur ziemlich wahrscheinliche, d, h. keine unzweifelhaft fest stehende, sondern der Bestätigung noeh bedürfende Resultate seien. Aber eine solche Restrietion habe ich noch in keiner der verschiedenen Abhandlungen, die ich bisher durchgesehen, gefunden, umd wo einmal das Wort wahrscheinlich gebraucht wurde, war es bald wieder ver- gessen, und das schliessliche Resultat bei der weiteren Vernutzung stillschweigend in die Kategorie der durch Versuche begründeten Wahrheiten gebracht, — In den allermeisten Fällen aber hat man Resultate von weit geringerer Wahrscheinlichkeit und selbst von einer, wenig von Null emitedenen Wahrscheinlichkeit, mit dem Anspruch auf Berechtigung hingestellt. 476 Erscheinungen stütze, die physiologisch’ unbegründet seien, Hr. Dr. L. sagt nämlich p. 3: „Bei Verwerthung unserer Zahlen wünsche „ich aber auch Physiologen. Herr Radicke mag allerdings ein vor- „trefflicher Physiologe, wenn auch nur als Dilettant, sen. Was „hindert uns, dies von vorn herein anzunehmen! Aber seine bei „seiner Regelcomposition aufgestellten Hypothesen sind und bleiben „physiologisch unerwiesen. Z. B. sind die Annahmen von „„Perioden«“ „in unseren Ausscheidungen, wo sich also innerhalb unbestimmter Zeit- „räume die Quantitäten derselben aufsteigend und absteigend in ge- „wisser Symmetrie unterscheiden sollen, wo ferner „„Störungen sämmt- „lich oder mit _ grossem Hehezericht, nach derselben Richtung hin- „wirken“« oder „„ın 2 verglichenen Reihen i in entgegengesetzter Rich- „tung ausschlagen «%, Annahmen, welche meines Wissens in der Na- „tur nicht beobachtet worden sind. Wir sehen Minima und Maxima „der Ausscheidungen beim Harn z.B. auftreten, und zwar in unmittel- „bar auf einander folgenden Tagen; ebenso gleichmässige Quantitäten, „ohne dass irgend Regelmässigkeit dabei hätte beobachtet werden „können. Dies alles weiss Hr.R. als Physiologe, und doch giebt der- „selbe als Mathematiker bei Begründung seiner Regeln diese nicht auf „Beobachtung beruhende Motivirung“, und an einer spätern Stelle p- 10 heisst es bei Gelegenheit des ihm widerfahrenen Tadels, dass in einer seiner Versuchsreihen die Beobachtungen in weit von einan- der getrennten Tagen stattgefunden hätten: „Die Begründung dieser „eigenthümlichen Forderung beruht auf einer, zunächst durch Prof. „Radieke auf rein speculativem Wege auf das Erfahrungsgebiet „übertragenen Theorie von Perioden...., trotzdem, soviel mir be- „kannt, die Physiologie bis heute davon keine Notiz hat.“ Hiergegen ist einfach 1) zu bemerken, dass Hr. Dr. L. in völli- gem Irrthume ist, wenn er behauptet, die Begründung meiner Regeln stände mit dem Vorhandensein von Perioden in irgendwelehem Zu- sammenhange. In meiner Abhandlung enthält nämlich der &. 7 die Entwicklung meiner Regeln, und von Perioden wird erst in 8. 8 ge- sprochen, indem vornehmlich gezeigt wird, wie ‘sich etwaige Perio- den und etwaige unperiodische Störungen in den suecessiven Mitteln manifestiren würden. Erst später, nachdem für gewisse Ausscheidun- 477 gen das wirkliche Vorhandensein einer kurzen Periode vollständig nachgewiesen worden, wird aus der Berücksichtigung derselben nicht eine Untersuchumgsregel abgeleitet, sondern eine Vorsichtsmassregel em- pfohlen — nämlich die Regel, die Beobachtungen an unmittelbar auf einander folgenden Tagen und möglichst in gerader Anzahl anzu- stellen. Unrichtigkeiten und Irrthümer können doch wohl aus solcher Vorsichtsmassregel nicht entstehen! — Zweitens: Sieht Hr. Dr. L. nicht, dass er in den citirten Worten in einem Athem zwei direkt sich widersprechende Dinge ausspricht? Er leugnet Perioden und nicht-periodische Störungen, während er gleich darauf von ab- wechselnden Maximis und Minimis und von stellenweisem stationären Fortschreiten spricht. Sieht er nicht ein, dass, wenn sowohl Perio- den als unperiodische Störungen fortfallen, Schwankungen überhaupt unmöglich sind, also auch keine Maxima und Minima mehr erschei- nen können? Denn was heisst es anders, als die unperiodischen Stö- rung leugnen, wenn man bestreitet, dass sie theilweise nach einerlei Richtung, oder in verschiedenen Reihen, nach entgegengesetzten Rich- tungen hin ausschlagen können. Sind einmal Störungen da, und be- streitet man nicht, dass gleichzeitig zwei oder mehr Störungsursachen wirken können, so ist es auch unvermeidlich, dass die stärkeren zu Zeiten nach derselben Richtung hinfallen. Was sollman also dazu sagen, wenn Hr. L. dafür noch in den physiologischen Büchern einregistrirte Beweise verlangt? Will er indessen für seine Person extra Beobach- tungen dafür haben, so darf er nur z. B. die 87tägige Kaupp’sche Reihe für den Harnstoff ansehen, in der sich offenbar eine Cumula- tion von Störungen über einen grossen Theil des Mai erstreckt. Eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so starke Cumulation scheint Ende Mai und Anfang Juni, aber nach entgegengesetzter Richtung statt- gefunden zu haben. Hätte also Kaupp eine Reihe Beobachtungen im Anfange des Mai, die Gegenreihe Ende Mai angestellt, so hätte man ein Beispiel zweier Reihen gehabt, in welchen die Störungen stark nach entgegengesetzten Seiten ausschlagen. — Drittens ist Hr, Dr. L. im Irrthum, wenn er behauptet, ich hätte das Vorhandensein von Perioden auf speculativem Wege erschlossen, und die Physiologie wisse nichts davon. Meine Annahme von Perioden beruht allerdings 478 auf physiologischen Thatsachen. Die S7tägige Kaupp’sche Beobach- tungsreihe, welche wegen ihrer Ausdehnung und der auf ihre An- stellung verwendeten Sorgfalt für das Studium der Schwankungen unschätzbar ist und noch keinen Rivalen erhalten hat — giebt unwi- derleglich zu erkennen, dass für den Harnstoff bei hinlänglich gleich- artiger Lebensweise eine zweitägige Periode existirt — wofern es Hrn. L. hier zur Begründung einer physiologischen Thatsache genügt, mehr als 40 Perioden hintereinander vor Augen zu schen. Hat Hr. Dr. L. diese Perioden, wie es nach den obigen Worten, von „Maximis und Minimis“ fast den Schein hat, nicht erkennen können : so würde er einen sehr schlechten Meteorologen abgegeben haben, denn von den, durch Störungen viel mehr verwischten magnetischen und barometrischen Perioden hätte er dann noch viel weniger gesehen. — Die zweitägige Harnstoff-Periode habe ich nachgehend mehr oder weniger deutlich in allen darauf hin verglichenen Beobachtungsreihen anderer Autoren wieder erkannt. Ohne Zweifel hat diese Periode auch mit der in der Pathologie vielfach vorkommenden zweitägigen Periode einen inneren Zusammenhang. Auch Spuren von grösseren Perioden, wenn auch nicht so deutliche, zeigt die Kaupp’sche Reihe. Will aber Hr. L. Zeugnisse von Physiologen von Fach, so darf ich unter andern nur auf Schweig *) hinweisen, welcher für die Harnsäure eine 6tägige und eine 4wöchentliche Periode gefunden hat. Ich selber habe frei- lich noch keine Gelegenheit genommen, zu untersuchen, ob dieser Fund scharf genug begründet ist; aber für Hrn. Dr. L. wird der Name eines Physiologen von Fach als Autorität wohl genügen, zu- mal da es hier nur darauf ankommt, zu zeigen, dass wirklich die Physiologen etwas von Perioden wissen und schon lange gewusst ha- ben. Ferner darf ich hinweisen auf die Perioden in der Kohlensäure- Ausscheidung, welche von Vierordt (Physiologie des Athmens, Carlsruhe 1846) und von Böcker (Beiträge zur Heilkunde, Bd. TI). aufgefunden wurden. *) Schweig, Untersuchungen über periodische Vorgänge etc. Carlsruhe 1843. Roser’s Archiv 1844 und 1845. 479 Wenn aber auch Hr. Dr. L. nicht speciell genug mit der physiolo- gischen Literatur bekannt ist, so ‚wird er doch sich erinnern, dass die Menstruation der Frauen, sowie das Fliessen der Hämorrhoiden bei den Männern uralte bekannte periodische Ausscheidungs-Phäno- mene sind, und es wäre gewiss sehr zu verwundern, wenn dieselben nieht auch auf andere Ausscheidungen, namentlich auf die des Urins zurückwirken sollten. Aber angenommen, dieser Schluss wäre wie- der zu speculativ, und ignorirten wir die Thatsachen für die consta- tirten periodischen Urinausscheidungen, so müsste doch der blosse Nachweis der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit solcher Perioden, der in der Hindeutung auf anderweite periodische Lebensprocesse liegt, für einen vorsichtigen Beobachter hinreichen, ihn bei der An- stellung seiner Versuche darauf Rücksicht nehmen zu lassen. Und dies ist es ja eben, worauf es hier lediglich ankommt — zu zeigen, dass Hr. Dr. L. wirklich in seinen Sitzbade-Versuchen die Vorsichts- massregel verletzt hat, dieselben hinter einander anzustellen. Man könnte sich gegen ihn auf ihn selber berufen, da er sonst immer bei seinen Versuchen mit löblicher Umsicht alles zu vermeiden gesucht hat, was das Resultat „möglicher Weise“ hätte trüben können. Schliesslich noch ein paar kurze Bemerkungen : Hr. Dr. L. macht mir (p. 7) wieder den Vorwurf der Parteilich- keit zu Gunsten Böcker’scher Zahlen, indem er 1) anführt, dass ich einmal ein Böcker’sches Resultat habe durchgehen lassen, ob- gleich die Mitteldifferenz nicht genau die Schwankungssumme erreicht habe. Dieser Vorwurf erledigt sich durch die obige Erörterung, dass eine scharfe Grenze für die Zulässigkeit eines Resultats nieht existire, und ein so unbedeutendes Abweichen, wie das fragliche (welches übrigens weit geringer als das oben erwähnte Sechstel ist), nicht aus einem guten Resultate plötzlich ein schlechtes machen könne. — Zwei- tens wird mir vorgeworfen, dass ich bei den Böcker'schen Zucker- Versuchen nur durch Ausschliessung einer der beobachteten Zahlen die Uebereinstimmung mit der Regel hervorgebracht hätte. Diesen Vorwurf, der mir schon einmal gemacht worden ist, habe ich an einer andern Stelle schon zurückgewiesen. Die zurückgewiesene Zahl weicht so auffällig von allen übrigen beobachteten Zahlen ab, dass 480 sich gar nicht zweifeln lässt, es’habe ein Schreibfehler oder ein star- kes Versehen in der Beobachtung oder Berechnung stattgefunden. Es würde daher eine grosse Unvorsichtigkeit gewesen sein, wenn ich die so evident falsche Zahl mit berücksichtigt hätte. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, dass ich es durchaus nicht billigen kann, wenn Hr. Dr. Lehmann, sich hierauf berufend, in seinen Zahlen unbe- quem hohe und unbequem niedrige Zahlen fortwirft.. Nur evident falsche Zahlen dürfen übergangen werden! Drittens wird mir vor- geworfen, dass ich dem Dr. Böcker bei seinen Alkohol-Versuchen die Trennung der Beobachtungstage, die bei ihm selber getadelt worden sei, habe durchgehen lassen. Darauf ist zu erwiedern, dass bei Böcker's Versuchen der Mittelunterschied um ein Erhebliches selbst die Summe der Schwankungs-Maxima übertraf, also das Resultat so günstig war, dass das Bedenken gegen die Trennung der Tage sein Gewicht wirk- lich verlieren musste; während bei Dr. L. (mit Ausnahme des aner- kannten Einflusses auf das Körpergewicht) der Mittelunterschied überall merklich hinter der Summe der erheblich geringeren mittleren Schwan- kungen zurückblieb. Endlich habe ich Hrn. Dr. L. in Bezug auf seinen Vergleich mit dem Kaufmanne (p. 3) zu antworten, dass ich allerdings nicht wusste, dass es kaufmännische Geschäftsführungen gebe, bei denen keine zu fällige Conjunkturen vorkommen. Fehlt es aber an zufälligen Con- junkturen, so fehlt es auch an Schwankungen, und fehlt es an Schwan- kungen, so fehlt das Tertium comparationis, d. h. dann passt sein Ver- gleich nieht mehr. Soeben, als ich nach Vollendung vorstehender Bemerkungen Ge- legenheit nahm, Etwas in meiner Nachschrift aus dem Bande VI nachzusehen, fiel mir eine Stelle in die Augen, welche beweist, dass Hr. Dr. Lehmann, wenn er den Sinn meiner Worte nicht etwa absichtlich verdreht hat, die betreffenden Stellen der Nachschrift, die er anzugreifen unternommen hat, schon beim Niederschreiben seines Angriffs theilweise wieder ganz aus dem Gedächtniss verloren haben musste. Es heisst nämlich dort Seite 4, von der „Cumulation der Störungen“ und von dem „Ausschlagen cumulirter Schwankungen nach entgegengesetzten Richtungen“ nieht, dass sie an dem Aufbau 481 meiner Regel Antheil hätten, sondern im Gegentheil, dass vorausge- setzt worden sei, dass dergleichen in den zu prüfenden Reihen nicht vorkämen. — Uebrigens wird Hr. Dr. L., wenn er sich die Mühe nimmt, jene meine Nachschrift noch einmal zu lesen, manche seiner Ausstellungen gegen diese Arbeit von selbst widerlegt finden. MOLESCHOTT, Untersuchungen. VII, 38 XXI. Erwiderung auf Herrn Dr. Lehmann’s Rückbemerkungen: „Zur Würdigung der physiologischen Wirkung der Sitzbäder“, im VII. Bde. No. IX. dieser Zeitschrift. Von Dr. Böcker, Kreisphysikus, Arzt an der Wasserheilanstalt in Godesberg etc. in Bonn. Nach jahrelangem Streite finde ich endlich, dass Herrn Leh- mann sogar der streitige Punkt noch im Unklaren ist! Er sagt a.a. O.S. 1: „Seit einem Jahre bereits wird zwischen Hrn. B. und mir die Frage ventilirt: „Haben Sitzbäder die Wirkung, den Urin und gewisse Urinbestandtheile eines Badenden, welcher fastet, für die dem Bade folgende Stunde zu vermehren ?“ und S. 8.: „Also hier haben wir nun unsere Differenz! Anfänglich unserer Disputa- tion musste ich meinen, Hr. B. fände keine Urinvermehrung bei mir nach Sitzbädern. Jetzt findet er eine solche wohl, indessen soll ich beweisen, dass die Sitzbäder die Vermehrung herbeigeführt haben.“ — Vielleicht begreift Lehmann den Unterschied nicht, und erlaube ich mir noch, um die L.'sche Verwirrung zu ordnen, zu bemerken, dass Lehmann glaubt, ich hätte nur widerstritten, dass beim Fastenden durch das Sitzbad der Urin in der ersten Stunde nach dem Bade ver- mehrt werde, und gleichzeitig sagt, ich hätte ihm die Vermehrung 483 des Urins nach den Sitzbädern abstreiten wollen. Das Eine ist doch verschieden vom Andern?! Man lese in Lehmann’s ursprünglicher Arbeit die aufgestellten Thesen, und man wird finden, dass er den Sitzbädern nicht allein bei Fastenden, sondern auch überhaupt eine den Urin und den Harnstoff vermehrende Wirkung zuschrieb, und daraus die therapeutische Wirkung ableiten und erklären wollte. Dies ist der Punkt, wogegen ich stritt, und ich muss mich in der That wundern, dass Lehmann dies bisher noch nicht eingesehen hat und sich einbildet, er habe meine Kritik seiner Arbeit durch eine sehr ein- gehende Prüfung durchaus beseitigt. Ich begreife in der That nicht, wie man etwas prüfen und. beseitigen könne, wenn man nicht einmal den eigentlichen Angelpunkt der Streitfrage scharf aufgefasst hat. Indem ich den Leser auf die in meiner Arbeit über Sitzbäderwirkung, angeführten eignen Worte Lehmann’s (s. die Zeitschr. Bd. VI, S. 51 u. 52, Thesen 1, 3, 4, 5 u. 6 u. eod. 1. S. 75, Zeile 4 von oben bis S. 76 ad finem) aufmerksam mache und nachzulesen bitte, füge ich noch hinzu, dass ich in meiner Antikritik Bd. VI S. 11 d. Zeitschrift ausdrücklich gesagt habe: „Die von mir zu entscheidende Frage war nicht die: wirkt das Sitzbad bei Inanition vermehrend auf die Ausscheidungen, sondern wirkt es auf die Ausscheidungen (resp. in den ersten 3 Stunden), oder nicht?“ Deutlicher konnte ich doch niemals meine Streitfrage stellen, die Lehmann dem Leser neuer- dings ganz entstellt und dadurch den Leser irre zu leiten Veranlas- sung gegeben hat. — ‘Wenn ich untersuchen wollte, ob L’s so allgemein hingestellte sog. Resultate richtig seien, so musste ich unter andern, als unter den Bedingungen arbeiten, unter welchen L. seine Versuche anstellte; dies war der Grund, warum ich keine Inanitionsversuche machte, aber in allen Versuchen die Bedingungen gleich sein liess (was die vermehrte Bewegung anbetrifft, so davon weiter unten). Meine Zah- len fielen anders aus, als die von L., folglich durften seine Schlüsse keine allgemeine Geltung beanspruchen, wenn es zwar möglich war, dass diese immerhin richtig sein konnten. Eine strenge Prüfung sei- ner Zahlen ergab, dass die für seine Person aus den Zahlen gezoge- nen Schlüsse nicht hinreichend mathematisch bewiesen waren. In sei- 484 nen Rückbemerkungen will mir L. sogar einen Widerspruch vorwer- fen, denn ich soll einmal gesagt haben, aus seinen Versuchen ginge hervor, dass das Sitzbad die Urinmenge vermehre, ein anderes Mal, dass dies nieht geschehe, und will diesen Widerspruch beweisen durch meinen früher ausgesprochenen Satz: „Kein Mensch wird behaupten, dass L. in s. Vers. mit Sitzbad nicht mehr ausgeschieden habe, als ohne dasselbe; allein er bleibt den Beweis schuldig, dass diese Mehr- ausgabe dem Sitzbade zugeschrieben werden müsse.“ S. 8. Hierauf folgt denn die oben angeführte Stelle von L. — Wenn ich gesagt habe, dass die Summe der Harnmengen, welche in einzelnen Tagen ohne Sitzbad erhalten wurden, geringer gewesen, als in den Ver- suchstagen mit Sitzbad, so folgt daraus noch lange nicht der Be- weis, dass diese Mehrausgabe nur dem Sitzbade zuzuschreiben sei; und ich habe ja im Nachsatze Hrn. L. zur Führung dieses Beweises aufgefordert. Da ich glaube, dass Prof. R. und ich dem Hrn. L. und jedem einsichtsvollen Leser die Gründe hinreichend entwickelt haben, ich aber sehe, dass L. mich dennoch nicht verstanden hat, so will ich versuchen, ihm die Sache in elementarster Weise so deutlich wie möglich zu machen. Lehmann wolle einmal die Tabelle IV. in meiner Sarsaparille- arbeit nachsehen. Herr Dr. Groos machte Inanitionsversuche mit und ohne Sarsaparille, beide Reihen unter ganz gleichen Bedingun- gen. Nun wolle Lehmann beide Reihen in 2 gleiche Hälften thei- len, so erhält er für die erste Hälfte der Normalversuche 8876, für die zweite 9710 C. ©., in der ersten Hälfte der Sarsaparilleversuche : 8616, in der zweiten Hälfte 10361 C. C. Urin, als Summe von 6 Tagen. Die Differenzen sind grösser als in Lehmann’s Sitzbade- versuchen. Wollte man so leicht mit den Zahlen verfahren, wie L. in seinen Sitzbadeversuchen es thut, so würde man, im Falle in der anderen Hälfte beider Versuchsreihen irgend eine Bedingung zufällig eingewirkt hätte, sagen, diese ist es, welche die Veränderung hervor- gerufen hat, obgleich eine richtige Verwerthung der Zahlen, wie Ra- dicke sie uns gelehrt hat, beweist, dass solche Schlüsse unrichtig sind. Wer willleugnen, dass 10361 mehr ist als 8616, aber es ist unmöglich, das causale Verhältniss zu irgend einer bestimmten Bedingung genau 485 nachzuweisen. Man wird doch nicht behaupten wollen, im Normal- zustande ist der Urin in den ersten 6 Versuchen durch den Normal- zustand vermehrt, in den letzten vermindert, denn das wäre ein voll- kommener Blödsinn. Möge doch L. daraus, dass ein Mathematiker, wie Radicke, den aus seinen Versuchen gezogenen Schlüssen nicht beistimmt, seine Versuche nur für bedingt brauchbar hält und mei- nen Schlüssen in jeder Beziehung beitritt, erkennen, dass seine Be- hauptungen über die urin- und harnstoffvermehrende Wirkung des Sitzbades nieht hinreichend gestützt, sondern sehr wackelig sind. Wollte ich auch einen Augenblick zugeben, dass durch das (also nicht bloss „nach“ dem) Sitzbad die Urinmenge in der ersten hal- ben oder auch ganzen Stunde nach demselben vermehrt sei, und das nur bei strengem Fasten, bei Inanition, um mitL. zu reden, so würde das nicht hinreichen, um die therapeutische Wirkung des Sitzbades durch die Urinvermehrung zu erklären; denn die Kranken, welche wir be- handeln, lassen sich einen solchen Inanitionszustand schwerlich ge- fallen, und werden beim Sitzbadegebrauche oft recht gut wieder besser, und was würde denn die Selbstqual der Inanition viel helfen, wenn eine Stunde nachher die Wirkung wieder verschwunden und äqui- librirt ist? Bekanntlich wirkt die Inanition oft sehr ungleichmässig, und dazu kommt noch der, von Radicke gerügte Missstand, dass die Lehmann’schen Versuche vom Juli (also vom Sommer) bis zum November (Winter) auseinander liegen. Um seine Thesen zu stützen, und die aus meinen Sitzbadever- suchen gezogenen Schlüsse in den Augen der Leser zu diskreditiren, befolgt Hr. L. eine höchst bemerkenswerthe Methode. In den Nor- malversuchen ohne Sitzbad bewegte ich mich in Rolandseck von der Wasserheilanstalt bis zur Ruine und wieder zurück. Diese Bewegung dauerte 15 Minuten (9 Minuten den Berg hinauf und 6 Minuten her- unter). In den 10 Sitzbadeversuchstagen musste ich auf dem Roder- berge in dem Hause des dort wohnenden Gutsbesitzers 2mal einen Krankenbesuch machen. Die Wohnung des Kranken erreichte ich von der Rolandsecker Anstalt aus in 25 Minuten (bergauf) und kehrte in 20 Minuten zurück; mithin war die Bewegung, bei der ich in * gelinde Transpiration kam, in jedem Versuche um 30 Minuten grösser, 486 Nun sagt Hr. Lehmann in Oeynhausen, dass in Lehmann’s (in Jena) Handbuch der physiolog. Chemie zu lesen sei, dass Körperbe- wegung die Menge des Urins vermindert. Dann sollen seine Erfah- rungen beweisen, dass nicht einmal Vermehrung, wohl aber häufig Ver- minderung der Urinmenge nach starker Bewegung constatirt werden konnte. „Bei Speck“, so fährt L. fort, „trat eunstant Urinverminderung ein. Auch die Vermehrung des Harnstoffs ete. im Urin nach starker Bewegung war nicht jedesmal vorhanden, wohl aber bei mir auffal- lend geringe Quantitäten.“ Was will nun Hr. L. mit diesen Citaten sagen? Ein Zweifaches. Ich war nämlich früher der Meinung, dass grössere Körperbewegung auch die Urinmenge vermehre, und schloss, dass, wenn ich die vermehrte Körperbewegung nicht gehabt hätte, nun die Urinmenge in den Sitzbadeversuchen noch mehr vermindert erscheinen würde. Diesen freilich unrichtigen Schluss will Lehmann beseitigen, und dann im Hintergrunde den Leser durch seine (L. Leh- mann’s) ©. G. Lehmann’s und Speck’s Autorität indueiren, an- zunehmen, ‘dass Bewegung die Urinmenge vermindere, so zwar, dass, wenn ich die beiden Versuche mit stärkerer Bewegung ausgeschieden hätte, num ein zu seinen Gunsten sprechendes Resultat herausgekommen sein würde. Prüfen wir also den Werth dieser drei Autoritäten !! Wer sich die Mühe geben will, die C. G. Lehmann'schen sogen. „Erfahrungen“ nachzulesen, wird gewiss den Schluss nicht gerecht- fertigt finden, dass die Körperbewegung die Urinmenge vermindere und den Harnstoff vermehre (vom Harnstoff später). Da aber Leh- mann mir die C. G. Lehmann’schen Versuche entgegenhält und mich dadurch corrigiren will, so hätte man mindestens erwarten sol- len, dass Hr. L. Lehmann (in Rehme) den ©. G. Lehmann’- (in Jena) schen Satz selber für wahr halte. L. Lehmann sagt aber im IV. Bde, 4. Hefte S. 496 des Archivs von Vogel, Nasse und Beneke: „Der oben eitirte, hier einschlägige Satz in den Hand- büchern von Lehmann und Simon“ (auf den sich ©. G. Leh- mann wieder stützt) „müsste also sehr beschränkt werden, wenn er Geltung behalten soll. Nicht alle Menschen erfahren gleichmässig oder in demselben Sinne die Wirkung der ermüdenden Körperbewe- gung, den Urin zu vermindern, und dieselben Menschen erfahren die- 487 selbe ebenfalls nicht in gleichem Grade zu jeder Zeit.“ Also hier ge- steht L. Lehmann der C. G. Lehmann’schen Behauptung keine allgemeine Gültigkeit zu, und diese müsste sie besitzen, wenn sie auch auf meine Versuche Anwendung finden sollte. A. a. O. führt L. Leh- mann eine Versuchsreihe an, aus welcher er schliesst: „Bei dieser Versuchsperson ist eine Abnahme der Harnmenge bei ermüdender Körperbewegung durchaus nicht wahrzunehmen.“ Und ferner eod. l.: „Ueberblicken wir sämmtliche Beobachtungen für Beantwortung der über diesem Kapitel stehenden Frage, so ist die Antwort nur eine wahrscheinliche, keine sichere und mathematisch zu begründende. In- dessen ist doch das mit Sicherheit zu erkennen, dass körperliche, ermüdende Bewegung nicht alle Menschen gleichmässig affıcirt. Bei den Versuchspersonen I, III und V scheint eine geringere Menge Harnes bei Bewegung entleert worden zu sein, indessen fehlt bei II und IV jeder Anhalt für dieselbe Annahme.“ Also es scheint Hrn. Lehm. die Verminderung des Harns bei Bewegung nur so zu sein, gewiss ist sie nicht, und zwei andere Versuchsreihen entbehren jeden Anhalts für dieselbe Annahme. Was berechtigt um’s Himmels Willen Hrn. L. zu der Annahme, dass die unbedeutende Mehrbewegung von 1/, Stunde, die gewiss nicht ermüdend war, bei mir die Urinmenge vermindert habe? Sehen wir uns deshalb meine Sitzbadeversuche in Moleschott’s Unters. Bd. VI. S. 54 näher an! In den Sitzbade- versuchen mit nicht ermüdender, unbedeutend vermehrter Bewegung schied ich in 3 Stunden 512 und 594 ©. ©. Urin aus, an mehreren anderen Sitzbadetagen mit geringerer Körperbewegung 365, 340, 278, 458 ©. ©., das Mittel aus 10 Versuchen war 470 C. C., also blei- ben die Sitzbadeversuche mit vermehrter Körperbewegung noch an- sehnlich über dem Mittel. Geht hieraus nun hervor, dass die stärkere Bewegung urinvermindernd gewirkt habe? Oder, woraus will L. beweisen, dass, wenn ich mich nicht stärker bewegt hätte, nun die Urinmenge grösser gewesen sein würde? Aus Speck’s Versuchen etwa? Betrachten wir sie näher! — Aus der ersten und zweiten Reihe folgt, dass die Versuchsperson von Speck bei sturker Anstren- gung und darnach folgender grosser Ermüdung, starkem Schweisse und 6stümdigem Gehen weniger Urin ausschied, als wenn sie gänzlich un- 488 thätig war. — Dadurch, dass ich in zwei Fällen eine halbe Stunde weiter ging, wurde ich nicht ermüdet, schwitzte nicht, sondern tran- spirirte nur gelinde, und so sieht Hr. L., dass Speck’s Versuche auf die Resultate meiner Sitzbadeversuche gar nicht anwendbar sind; denn es müsste doch zuerst bewiesen werden, dass eine unbedeu- tende Bewegung von 1/, Stunde Dauer schon den Urin vermindere. So wie man die Bedingungen verändert, treten wieder andere Resul- tate hervor. Speck verminderte bei der 4ten und 5ten Versuchs- reihe die Nahrung etwas, so dass die Versuchsperson in beiden Rei- hen etwas weniger Fleisch bekam, unter übrigens gleichen Bedingun- gen. Nun ist die urinvermindernde Wirkung der starken Bewegung nicht nur nicht sichtbar, sondern sogar nicht wahrscheinlich. Wenn zwar Speck glaubt, auch hier eine urinvermindernde Wirkung wahr- genommen zu haben, so wird wohl Jeder, der mit Zahlen umzuge- hen versteht, wissen, dass sich Speck in einem Irrthume befindet, und zwar um so mehr, da er nur 5 und 5 Versuche einander gegen- überstellt. Lehmann wird endlich zugeben, dass die Heranziehung von Speck’s Versuchen auf meine Sitzbadeversuche nicht passt, und wenn er glaubt, dass bei seinen Versuchen über die Wirkung star- ker, ermüdender Körperbewegung auf den Stoffwechsel bei den Ver- suchspersonen I, III und V es scheine, dass durch die Bewegung der Urin vermindert worden, so kann ich auch diesen seinen Schluss nicht billigen. Versuchsperson I (H. Lehmann selbst) schied nach 8stün- diger Bewegung zu Fuss 1410, bei 74stündiger 1566 C.C. Urin, bei Ruhe in derselben Zeit und unter gleichen Bedingungen 1390 und 1353 ©. C., bei 3stündigem Graben 1335 C. C., bei Ruhe 1375 C. C. Urin aus; bei der Versuchsperson III finden wir bei Ruhe 871, 1044, 1063 ©. ©., bei starker Anstrengung 1539, 1561, 1118 C. C. Urin, Versuchsperson V endlich liefert in der Ruhe 613, 630, bei mehrstündigem Laufen und Gehen auf der Ebene 761, 689, 649 C. C. Urin. So lange in den Zahlenreihen Lehmann’s von 5 bis 9 Versuchen noch 3 und 3 soleher Versuchszahlen aus den entsprechenden Reihen einander gegenübergestellt werden können, ist ein solcher Schluss, wie L. ihn macht, durchaus nicht zulässig, und wenn er die Radicke'sche Anleitung, befolgt hätte, so würde er zu solchen ungegründeten Schlüs- 489 sen nicht gekommen sein Aber Hr. L. hat, wie es scheint, die Ar- beit des Hın. Radicke nicht richtig aufgefasst. Er (Hr. L.) sagt in seiner Preisarbeit S. 487 a. a. O.: „Sollen die von Radicke in klarer Weise entwickelten Ansichten über die Bedeutung und den Werth arithmetischer Mittel auch für die hierher gehörigen Arbeiten Gesetzeskraft beanspruchen dürfen ? Bereits haben berechtigte Stim- men diese Frage, wenn sie schlechthin gestellt wird, verneint. Auch ich trage kein Bedenken, mich diesem Votum aus der Erfahrung an- zuschliessen, dass eine genügend lange Reihe von Tagen mit gleichen Bedingungen für einen Menschen als Versuchsperson nicht wohl ge- geben werden kann. Tellurische und atmosphärische Einflüsse, Er- lebnisse des Menschen, Berufsarbeiten, unvermeidliche Störungen, die durch Besuch, durch Anregung, durch Gemüthsaffekte wirken, wer- den eine nie festzubestimmende Einwirkungsgrösse darstellen, welche die Festsetzung der geltenden Regel in streng mathematischem Sinne unmöglich erscheinen lassen.“ Sonderbar! (Gerade, weil alle diese von Lehm. genannten Einflüsse, so viele Störungen auf den gleich- mässigen Gang des Lebens des Menschen einwirken, gerade deshalb sind Zahlen, resp. die Mittelwerthe aus denselben, die wir bei unsern Versuchen erhalten, unsicher, und der mathematische Caleul zeigt ein- fach und klar, wie weit die Unsicherheit geht, wann wir erst Wahr- scheinlichkeit oder Gewissheit anzunehmen haben, und wann und unter welchen Bedingungen sich Unsicherheiten zeigen und wo nicht. Wä- ren diese Störungen nicht vorhanden und überall die Bedingungen, unter welchen wir arbeiten, ganz gleich, so brauchten wir den höhern mathematischen Caleul der Wahrscheinliehkeitsrechnung nicht, wir könnten dann einfach, wie „die bereehtigten Stimmen“ es schon ge- than und noch thun, die Mittelwerthe zusammenstellen und Schlüsse auf ein Mehr oder Weniger ziehen. (Gerade die Gründe, weshalb Lehmann die Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die von uns in physiologischer Weise gewonnenen Zahlen verwirft, sind es, welche die Anwendung jener gebietet, sofern wir wissenschaftlich richtige Resultate gewinnen wollen. Ich möchte nun gerne noch erfahren, was denn das für berech- tigte Stimmen sind, deren Votum Hr. Lehmann sich anschliesst. MOLESCHOTT, Untersuchungen, VIl. 3 490 Ich kenne nur zwei, welche Radicke gegenüber getreten, aber von diesem mit dem Gewichte der entscheidendsten Gründe zurechtge- wiesen und vernichtet worden sind, nämlich Beneke und Vierordt, und Hrn. Lehmann wird es nicht entgangen sein, dass Dr. Ueber- weg die „Logiker der Thatsachen“ lächerlich gemacht hat. Ferner möchte ich gerne erfahren, ob Lehmann im Ernste glaubt, dass, weil sich bei Speck’s Versuchsperson eine Verminde- rung der Urin- und Harnstoff-Menge zeigte, nun daraus abgeleitet werden dürfe, dass die Körperbewegung (sei es auch nur ein Plus von einer halben Stunde) den Urin vermehre ? besonders wenn er selbst bei mehreren Personen solche Wirkungen nicht findet ? Und wenn nun Lehmann nicht ganz Unrecht hat, dass ich die beiden Sitzbadeversuche mit vermehrter Bewegung: hätte ausschei- den sollen, so würde, wie schon aus obigem Calcul hervorgeht, der Mittelwerth erst recht gegen Lehmann und zu meinen Gunsten sprechen. Das arithmetische Mittel würde in den Sitzbadeversuchen jedenfalls kleiner werden. Daraus, dass nicht mit Sicherheit eine urinvermehrende Wirkung der Sitzbäder erschlossen werden darf, folgt noch nicht, dass sie wirkungslos sind, vielmehr ist das Sitzbad ein kräftiges, unschätzbares Heilmittel. Dass durch das Sitzbad in der ersten halben bis ganzen Stunde die Urinmenge vermehrt werden kann, ist zwar von Lehmann nicht bewiesen, aber für seine Person unter näher angegebenen Bedin- gungen, Fasten etc. nicht ganz unwahrscheinlich und schon einigermassen dadurch erklärlich, dass die Verdunstung des Wassers durch die Haut vom Blute aus durch das kalte Wasser vermindert wird, und nur die Nieren in stärkere Thätigkeit gerathen, die nachlässt, sowie die Haut wieder besser secerniren kann. Ein solehes Hin- und Herwogen der Blutmasse, von der Haut zu den Nieren, und umgekehrt, kann schr bedeutende Heilwirkungen hervorbringen, aber wissenschaftlich erklären können wir sie nicht. Doch ich will diese Reflexionen unterdrücken, weil sich unser Streit nie um die Frage bewegt hat, ob beim Fastenden, und namentlich bei der Person des Hrn. Lehmann, in der ersten, oder zweiten, oder dritten halben Stunde nach dem Sitzbade, dieses den Urin vermehre oder nicht. Wenn ich früher hoffte, derartige Con- 491 trolversuche mit Fasten etc. bald anstellen und veröffentlichen zu kön- nen, so bemerke ich, dass auch in dieser Beziehung die -wissenschaft- liche Welt nicht zu sanguinische Hoffnungen haben möge, da ich mit solchen Versuchen warten will, bis das Exsudat, welches ich vor eini- gen Monaten im linken Pleurasacke bekommen habe, gänzlich ge- schwunden sein wird. Wenn sich Lehmann auf die Lampe ’schen Versuche, als die Resultate der seinigen bestätigend, beruft, so ist er sicher im Irr- thum, denn die Lamp e’schen Versuche berechtigen weder zu einem Sehlusse für, noch gegen Lehmann. Dann sollen Erlenmeyer's ähnliche Versuchsresultate die seini- gen bestätigen, meint Lehmann. Ich schliesse daraus, dass Leh- mann die Arbeit Erlenmeyer's über das Sitzbad nicht, oder nur flüchtig gelesen hat. Sie findet sich in dem Correspondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und gerichtliche Psychologie No. 2. S. 9 u. 10. Hr. Lehmann wird a. a. O. erkennen können, dass Erlenmeyer keinen einzigen Versuch über die Einwirkung des Sitzbades auf die Urinausscheidung mitgetheilt hat und bloss bemerkt: „b) Eine zweite Erscheinung, die sehr rasch eintritt, ist die vermehrte Ausscheidung des Urins, der auch ein höheres specifisches Ge- wicht zeigt als an den Tagen, wo nicht gebadet wird. Wenn wir auch annehmen, dass die grössere Menge des Urins auf Kosten des resorbirten Wassers zu bringen ist, so kann doch die vermehrte Aus- scheidung fester Substanzen, welche das Ariometer nachweist, nur auf Rechnung des vermehrten Stoffunisatzes im Organismus gebracht werden.“ „c) Der Stuhlgang wird ebenfalls vermehrt.“ Erlen- meyer spricht hier von vermehrter Ausscheidung des Urins, die sehr rasch eintreten soll. Dies scheint nichts Anderes zu bedeuten, als dass der in der Blase vorhandene Urin durch den Reiz des kalten Wassers rasch und vollständiger vermehrt ausgeschieden oder ausgetrieben werde, Von einer vermehrten Urinbereitung in den Nieren, wie Lehmann glaubt, sagt Erlenmeyer nichts. Dieser scheint bei seinen Kran- ken einige Beobachtungen ohne Wägung oder Messung des Harns, und ohne Vergleichung des Normalzustandes angestellt und so unge- fähr die Harnmenge geschätzt zu haben. Nach dem obigen Citat 492 scheint Erlenmeyer geglaubt zu haben, dass das Sitzbad an den Tagen, an welchen es genommen worden, die Urinausscheidung ver- mehre und das spec. Gewicht des Harns erhöhe.e Das stimmt doch mit den Lehmann’schen Versuchen gar nicht, und Lehm. hat auch über diese Frage gar keine Versuche angestellt. Dass das Sitzbad den Stuhlgang; nicht vermehrt, weiss Jeder, der als Arzt an Wasser- heilanstalten wirkt. Hätte Erlenmeyer über die Urin- und Stuhl- ausleerung genaue Beobachtungen gemacht, er würde sie sieher ebenso in Zahlen ausgedrückt haben, als die vorhergehenden Versuche über Erhöhung der Temperatur des Badewassers, den Puls, die Athem- züge, die Sensibilität. Wenn ein Beobachter solche Behauptungen hinstellt, ohne sie durch Einzelversuche dargelegt und bewiesen zu haben, so sind sie für mich fast so gut, wie gar nicht vorhanden, d. h. die Behauptungen können wahr sein, aber auch ebensogut unwahr; man kann vorläufig mit ihnen nichts anfangen. Und nun will uns Lehmann glauben machen, dass wir Beide seit einem Jahre die Frage ventilirt hätten: „ob die Sitzbäder den Urin und gewisse Urinbestandtheile eines Badenden, welcher fastet, für die dem Bade folgende Stunde vermehre. Hat Erlenmeyer bei Fastenden solche Versuche angestellt? will Erlenm. seine vermehrte Urinaus- scheidung auf die dem Bade folgende Stunde beschränkt wissen ? Habe ich jemals mit Hrn. Lehm. die von ihm vorgespiegelte Frage jahrelang ventilirt? Wo es geschehen, geschah es nur beiläufig. XXIV. Untersuchungen über die Absonderung des Harnstoffs und deren Verhältniss zum Stoffwechsel. Von Carl Vogt. Die nachfolgenden Untersuchungen enthalten keine neuen That- sachen, keine neuen Versuche, keine eigenen Messungen und Wägun- gen. Es würde mir zu solchen sowohl an Zeit als an Gelegenheit fehlen. Ich glaube sogar, dass, wenn mir beide zu Gebote ständen, ich sie doch kaum zu solchen Untersuchungen benutzen würde, indem ich, nur zu sehr die Unzulängliehkeit der eigenen Kraft fühlend, meine Bestrebungen anderen Vorwürfen zuwenden würde. Ich biete also nur Untersuchungen , die auf den von Anderen gewonnenen Thatsachen fussen. - Unter diesen verdienten vor Allen die von Dr. Voit gewonnenen Resultate die eingehendste Berücksichtigung. Es sind dieselben in dem gehaltvollen Buche „die Gesetze der Ernährung des Fleischfressers durch „neue Untersuchungen festgestellt von Dr. Bischoff und Dr. Voit“ aufgezeichnet. (Gehaltvoll darf ich in der That dies Buch nennen, in so weit sein Inhalt Hrn. Dr. V oit angehört, der allein alle Wägun- gen, Messungen, Analysen, Fütterungen ete, ausgeführt hat. Die Be- sprechung, Berechnung und Feststellung der Resultate wird dagegen . MOLESCHOTT , Untersuchungen. VII, 34 De ? 494 von beiden Verfassern gemeinschaftlich beansprucht und gleicht sogar der früheren, von Hrn. Bischoff bei dem „Harnstoff als Mass des Stoffwechsels“ benützten Art und Weise, so auffallend in der Form, dass wir diesem letzteren den wesentlichsten Antheil daran zuschreiben möch- ten. — Der Beitrag des Hrn. V oit gehört in der That zu dem Werth- vollsten, was wir in der physiologischen Literatur besitzen — das Er- gebniss der gemeinschaftlichen Arbeit hingegen dürfte leicht ein dia- metral entgegengesetztes Urtheil rechtfertigen. Vielleicht könnte indess nach Ausscheidung des Gemeinschaftlichen, Hrn. B. noch das Verdienst der Dressur des Hundes als specielles Eigenthum zufallen. Wenn die nachfolgenden Untersuchungen sich vorzugsweise an das genannte Buch, an den Vortrag des Hrn. Bischoff vom 4.Juni 1860 in der baierischen Akademie der Wissenschaften und an die „Untersuchungen über den Einfluss des Kochsalzes, des Kaffee’s und der Muskelbewegungen auf den Stoffwechsel von Dr. ©. Voit“ an- lehnen, so geschah dies mehr, um einen greifbaren Faden in dem La- byrinthe zu haben,“als um innerer Ursachen willen. Indem ich kritisch forschend dem von den Verfassern betretenen Wege folgte, wollte ich zugleich einer ganzen Richtung entgegentreten, welche seit einiger Zeit sich mehr und mehr in der Wissenschaft breit zu machen sucht und sich alle Mühe gibt, den Sehenden die Augen auszustechen, um nach dem alten Spriehworte, dass unter Blinden der einäugige König, die eigene Kurzsichtigkeit in den Vorderrang zu heben. Es spuckt hier eine neuere Phase der selig verstorbenen Natur- philosophie, welche die Natur nach aprioristischen, „mit dem geistigen Auge geschauten“ Sätze modeln und sie in das enge Procrustes-Bette dieser Philosophie einzwängen wollte. Man sollte wohl kaum glauben, dass der alte Wilbrand aus Giessen, dessen Polaritätstheorie mit magnetischem Indifferenzpunkt noch meine ersten Studienjahre beschäf- tigte, so lebenszäh wäre, um noch nach seinem Tode in seinem ehe- maligen Nachfolger herumzuspucken und als Klopfgeist die Aufspei- cherung der Electrieität als Bewegungskraft des Thierkörpers aus dieser neuen Incarnation heraus zu verkünden. Ich habe damit wohl diese verderbliche Richtung zur ‚Genüge bezeichnet. Sie ist es, die ich einmal in recht sichtbarem Beispiel 495 an der Hüfte fassen und in der ganzen Trostlosigkeit ihres Beginnens Jedermann vor Augen stellen wollte. Nordpol, Südpol, magnetischer Indifferenzpunkt — das war das Schiboleth der Wilbrand’schen Naturphilosophie; — Fleisch, Fett, Wasser, Wärme, Bewegung, Eleetri- eität — das sind die sechs Ecken des physiologischen Dreieinigkeits- zeichens, aus dem der Thierkörper jetzt in München construirt wird. Dies Beispiel aber musste ich wählen, weil nirgends mehr wie hier, der Beweis geliefert werden kann, auf welch’ unselige Weise Jahre lange treue Arbeit, von dem Untergeordneten geleistet, durch die Dazwischenkunft des Höhergestellten jammervoll verhunzt und ver- unstaltet werden kann. Aber noch mehr bezweckte ich mit dieser Arbeit, nämlich eine Protestation, eine mehrfache Protestation. Eine Protestation gegen jene Verfahrungsweise, die mit unbekannten und unbestimmten Grössen und Werthen spielt, als seien dieselben nur dazu da, um die Taxe derjenigen Werthe voll zu machen, welche es den Herren beliebt hat, zu bestimmen — eine Protestation gegen den mathematischen Unsinn der aus zwei unbekannten Grössen nicht nur eine dritte unbekannte berechnen will, sondern sich sogar anmasst, aus unbekannten Grössen heraus eine dritte, bekannte corrigiren zu wollen. Oder ist etwa das Verfahren, welches uns seit Jahren vorge- führt wird, ein Anderes? In den früheren Untersuchungen von Hrn. Bischoff „der Harnstoff als Mass des Stoffwechsels“ musste der Hund kohlensaures Ammoniak ausathmen, um hypothetische Rechnungen zum Klappen zu bringen — in den jetzigen darf er nicht einmal stinken, indem dadurch Stickstoff verloren gehen könnte, der doch sämmtlich als Harnstoff ausgeschieden werden muss! So wird mit der unbekann- ten und unbestimmten Grösse der Perspiration umgegangen ! Damit nicht genug, will man aus dem Gewichte der Nahrung, des gesoffenen Wassers, des gelassenen Harns und Kothes und der Menge des Harnstoffes nicht nur die Menge des zersetzten Körperfleisches, son- dern auch diejenige der ausgeathmeten Kohlensäure und Wassers, jede für sich, berechnen — eine reine mathematische Unmöglichkeit, zu deren Zurückweisung es wahrlich keines Radicke bedarf. Ja noch mehr; — man corrigirt mittelst der aus unmöglichen Rechnungen hervor- 34* 496 gegangenen Faeits die wirklich constatirten materiellen Thatsachen, wie z. B. die Einnahme und kommt so zu dem Resultat, dass ein Hund, der nur Zucker gefressen hat, als Einnahme Fleisch und Fett berech- net erhält. Also eine erste Protestation gegen das mathematische Unver- ständniss. Aber eine zweite nicht minder energische Protestation gegen das dietatorische Imponiren, das mit kategorischem Imperativ in die Wis- senschaft hinein Sätze befiehlt, die später erst bewiesen werden sollen ; gegen dieses moderne Papstthum, das die Glaubenssätze dem versam- melten Coneil nicht zur Prüfung unterwirft, sondern zur Annahme an den Kopf wirft, mit dem herrischen Befehl, wer nicht annehmen wolle, möge sich aus dem Tempel hinausscheeren! Und wenn noch der eine und derselbe Satz „vollkommen unerschüttert uns entweder einfach wiederholt“ oder durch neue Beweise unterstützt würde! Wenn aber heute weiss und morgen schwarz denselben Satz unterstützen soll, so ist es eine bedenkliche Sache um den Glauben, obgleich alle Wege nach Rom führen. Frühere Proposition: Ein Drittel des in der Nahrung aufgenommenen Stickstoffes fehlt in dem Harnstoff — Absgeleiteter Glaubenssatz: Also ist der Harnstoff nur das Produkt des Umsatzes. Neuere Proposition: Aller Stickstoff der Nahrung erscheint im Harn- stoff — Abgeleiteter Glaubenssatz: Also ist der Harnstoff nur das Produkt des Umsatzes. Frühere Proposition: Der geleistete Kraftaufwand entspricht der Menge des Harnstoffes — Abgeleiteter Glaubenssatz: Also ist der Harnstof! nur das Produkt des Umsatzes. Neuere Proposition : Der geleistete Kraftaufwand entspricht nicht der Menge des Harnstoffes — Abgeleiteter Glaubenssatz: Also ist der Harnstoff nur das Produkt des Umsatzes! 497 Und wer das nicht glaubt, der „enthalte sich aller Untersuchungen der Art!“ Ich habe mich, wie die vorliegende Abhandlung zeigt, durch die Drohung nicht abhalten lassen. Es ist wesentlich Kritik, die ich ausübe und ich gestehe es, scharfe und hoffentlich einschneidende Kritik. Aber sie war nothwendig, um dem progressiv zunehmenden Uebel zu steuern. Man häuft Zahlen auf Zahlen, ohne sich darum zu kümmern, ob diese Zahlen auch richtig sein können. Aus diesen, auf wenigstens bestreitbarer, meistens sogar nachweislich falscher Grundlage gewon- nenen Zahlen zieht man noch mittelst obenein mathematisch falscher Methoden Resultate, die also nothwendig unrichtig sein müssen. Man nimmt rein hypothetische Sätze und Erklärungen als positiv erwiesene ‘Wahrheiten an, flicht diese in das unrichtige Gewebe ein und produ- eirt. endlich einen Schillertaffet, der in allen Farben spielen kann, je nachdem man ihn betrachtet. Das proklamirt man dann keck als wis- senschaftliches Resultat, als wissenschaftlich festgestellte Grundfarbe. Ein Beispiel zu dieser letzteren Behauptung. „Bei der Ernäh- „rung der Nerven und Muskeln, sagt Hr. Bischoff in seinem Vor- „trage, entwickelt sich ununterbrochene Electrieität, durch welche die, " „wie Du Bois gezeigt hat, bipolaren elektrischen Molekule der Mus- „keln und Nerven in einer bestimmten Stellung erhalten werden.“ Wo hat Du Bois die Molekule gezeigt? Wo die elektrischen Mole- kule? Wo die bipolaren elektrischen Molekule? Wahrlich nirgends! Du Bois hat mit grossem Scharfsinn elektrische Phänomene nach- gewiesen, Ströme, Spannungen, Schwankungen — diese Phänomene hat er gezeigt und die bleiben in der Wissenschaft, denn sie sind ge- wonnene Thatsachen. Zur Erklärung dieser Thatsachen nun nimmt er hypothetisch Molekule an, die bipolar elektrisch seien und sucht durch diese Annahme die beobachteten Erscheinungen mit den übrigen elektrischen Erscheinungen in Einklang zu bringen. Die Existenz dieser Molekule ist also nicht gezeigt, sie ist nur wahrscheinlich gemacht durch eine Hypothese, die durch andere Beobachtungen bestätigt oder umgeworfen werden kann und deren Wahrscheinlichkeit von dem — ganzen Stande der Wissenschaft abhängt. 498 Mit all’ diesen Dingen blendet man aber diejenigen, welche die Zeit nicht haben, oder die Mühe nicht nehmen wollen, der Sache auf den Grund zu gehen. Man pflanzt so einen Wust von Unkraut und endlich fordert es herkulische Kräfte, um dieses Unkraut auszurotten und mit der Wurzel zu vertilgen. Dies die Gründe, warum ich die vorliegende Arbeit unternahm. Wenn die Ueberzeugung von dem Unverstande, den ich bekämpfe, mit jedem Schritte wuchs, so wuchs zugleich das Bedauern, dass so schöne Mittel in Hände gefallen, sind, die sie grossentheils nicht zu gebrauchen verstehen und der innere Groll darüber, dass der Un- verstand den Charakter des Befehls zum Köhlerglauben annimmt. Ich stehe also auch hier auf dem alten Standpunkte und fechte unter der alten Fahne: Opposition gegen den Unverstand! Opposition gegen die Autorität ! Die Untersuchungsmethode und deren Fehler. Der zur Untersuchung bestimmte Hund wird täglich einmal, „nach- dem er Harn und Koth entleert hat, auf einer guten Deeimalwage gewogen.“ Wie weit die Genauigkeit dieser Wage geht, ist nirgends ange- geben. Sie kann aber nach den vorliegenden Tabellen nicht bis auf Gramme gehen, denn die Gewichtsangaben erstrecken sich nur auf Dekagramme. Es ist also zu vermuthen, dass die Dekagramme noch zum Theil abgeschätzt und in den Fehlergränzen der Wage einge- schlossen sind, dass also die Fehler, gering geschätzt, auf 40 Gramm herüber und hinüber schwanken können. Das macht, bei einem höchsten Körpergewicht von 40 Kilo, eine Fehlergränze von zwei Tausendtheilen im Körpergewicht, eine Grösse, die bei Kothentleerungen von 40 Gr. und weniger allerdings bedeutend in das Gewicht fällt. „Das Futter wird auf einer Tellerwage gewogen, die noch ein Decigramm genau angibt.“ „Wasser und Harn werden nach Kubikcentimeter gemessen.“ „Das specifische Gewicht des Harns wird mit einem genauen Aräometer gemessen.“ 499 „Der Harnstoff wird nach der Liebig’schen Titrirmethode be- stimmt.“ . Das sind die Operationen, die zur Bestimmung der Einnahme und Ausgabe des Körpers vorgenommen werden. Die Ausgaben der Perspiration werden nicht direkt bestimmt, sondern aus dem Unterschiede der Einnahmen und Ausgaben und des Körpergewichts berechnet. Da die Faktoren bedeutend schwanken, so muss auch das Resul- tat dieser Subtraction in bedeutenden Gränzen schwanken. Die Per- spiration wird aber als direkt gefundene Grösse behandelt. Hierin liegt schon, wie man sieht, eine bedeutende Fehlerquelle. Eine zweite findet sich im Kothe. Die Abgabe desselben ist ausserordentlich unregelmässig und je von der verschiedenen Nahrung abhängig. Bei Fleisch-, Fleisch- und Fettfütterung z. B. vergehen oft 5—6 Tage je zwischen zwei Kothentlee- rungen — bei Brodfütterung erfolgt eine solche fast alle Tage. | Um nun den Einfluss dieses verschiedenartigen Verhaltens auf die Bestimmung des Körpergewichts möglichst zu eliminiren, bedienen sich die Verfasser einiger höchst willkührlicher Mittel. Gewiss die einzige Verfahrungsart, um zum Ziele zu gelangen, hätte darin bestan- den, die Versuchsreihen so in die Länge zu dehnen, dass die Unregel- mässigkeiten sich möglichst ausgeglichen hätten. Dies ist indessen fast niemals geschehen. Wir erhalten eine Menge von Tabellen über einen Tag, zwei oder drei Tage, die absolut unbrauchbar zu jeder Art von Schlussfolgerung sind, eben weil die Zustände, welche man untersucht und auf die man seine Schlüsse be- gründet, ihrer Kürze wegen gemischte Zustände sind. Die Verfasser erkennen dies selbst an, indem sie Kothentleerun- gen, welche am dritten, ja fünften oder sechsten Tage einer Versuchs- reihe eintreten, entweder ganz oder zur Hälfte, zu einem Drittel u. 5. w., je nachdem es ihnen in den Kram passt, noch zur vorgängi- gen Fütterungsreihe zählen. Fast in jeder Parabase begegnen wir Phrasen wie der folgenden: „von den am 25. (dem dritten und letz- ten Tage der Versuchsreihe) gelassenen 238,8 Koth kommen 213,5 Grm. nach ihrer Beschaffenheit auf die vorausgegangene Fütterung und 500 gehen also vom Anfangsgewichte ab.“ Warum gerade 213,5 und nicht 205 oder irgend eine beliebige Zahl, ‚ist durchaus nicht abzu- sehen — denn, wenn wir auch die Geschicklichkeit der „Sortirung in Koth“ den Hrn. B. und V. nicht in Abrede stellen wollen, so müssen wir doch geradezu sagen, dass eine bis auf einen halben Gramm aus- gespitzte Sortirung einer Menge von 239 Gramm Koth in Fett- und Fleischkoth einerseits und Zucker- und Fleischkoth andererseits eine wirkliche Spielerei scheint. So wird S. 158 eine sechstägige Tabelle über Fleisch- und Zuckerfütterung gegeben, während welcher der Hund gar keinen Koth entleerte — erst am 8. Tage entleert er 213 Koth. Davon werden brevi manu 100 Gr. auf eine vorausgegangene Fleischfütterung, 172 auf die zu betrachtende Reihe und 41 Gr. auf die derselben nachfolgende gerechnet — doch gewiss eine Willkühr- lichkeit, deren Rechtfertigung schwer zu finden wäre. Ganz eben so geschieht es mit den Endgewichten. Bald wird dem Hund so und so viel Koth gerechnet, „den er noch im Leibe hatte“ — irgend eine beliebige Zahl — bald auch nicht, je nachdem es ge- rade in die vorzunehmende Rechnung passt, je nachdem der Hund ab- oder zugenommen haben soll. Hat der Hund abgenommen, soll er aber der Theorie zufolge zu- genommen haben, so wird ihm der erste, zuweilen selbst noch der zweite, während der Versuchsreihe gelassene Kothhaufen vom Anfangs- gewichte abgezogen und am Ende ihm noch eine beliebige Quantität Koth in den Darm gepfropft, mit welcher er zusehen kann, wie er sielos wird. Durch eine willkührliche Operation wird also das Anfangsgewicht auf eine imaginäre Grösse herabgesetzt, das Endgewicht um eine eben- falls willkührliche Grösse vermehrt und so das Resultat gefälscht und oft sogar in’s gerade Gegentheil verkehrt. Vielleicht möchten mir die Verfasser einwenden, dass sie aus ihren zahlreichen Versuchen eine Mittelzahl für den Kothdebit bei verschie- denen Fütterungsarten gefunden hätten. Wenn aber der Koth bis auf acht Tage hinaus zu einer vorigen Futterreihe gehören kann, wie sie selbst annehmen, so ist kaqum eine ihrer Futterreihen lange genug, um acht Tage Einfluss am Anfange und acht Tage Restanz nach dem Ende zu balaneiren und auf eine 501 verschwindende Grösse herabzudrücken. Wenn sie also wirklich Mit- telzahlen bereehnet haben, so sind dieselben wieder aus Mischzahlen - ausgezogen und müssen desshalb falsch sein. Noch mehr. Es wird dem Hunde der Anfangskoth und der im Darme verbleibende Endkoth als solcher in feuchtem Zustande berechnet. Nun variürt aber der Gehalt des Kothes an Wasser ausserordentlich, nach der Angabe der Verfasser selbst. Brodkoth enthält 17,72 bis 27,68 Procent feste Theile; Fleischkoth 29,71 bis 49,77; Fleisch- und Fettkoth 29,00 bis 63,08; Fleisch- und Zuckerkoth 18,72 bis 31,71 Procent. Wenn nun nach einer Fleisch- und Fettfütterung der Hund noch 200 Gr. Koth im Leibe haben soll, die ihm berechnet werden, wer sagt uns, was das für Koth war, von 29 oder von 63 Procent? Und wenn nun gar aus dieser hypothetischen Menge von Koth, von welcher Br nicht weiss, enthält sie 58 oder 126 Gr. feste Stoffe, nach einer Ä ebenfalls nicht fehlerfreien Mittelzahl (wie wir später beweisen wer- den) ein bis auf Millieramme ausgespitzter Stickstoffgehalt berechnet und als gefundene Grösse in Rechnung gebracht wird — wer kann dann behaupten, dass das Resultat überhaupt einigen Anspruch auf Richtigkeit machen könne ? Was wir eben von dem Kothe sagten, gilt für die sämmtlichen Untersuchungsreihen der Verfasser. Mit Ausnahme einiger wenigen, 2. B. derjenigen über Brod, sind die meisten Tabellen zu wirklichen # Schlüssen vollkommen unbrauchbar, indem sie zu kurz sind, um die- Jjenigen Erscheinungen und Resultate zu eliminiren, die auf einer vor- f gängigen F ütterungsreihe beruhen. Der Koth ist in der That nur das sichtbare Zeichen des Hineinspielens einer vorgängigen Futterreihe in diejenige, welche untersucht wird. Die Verfasser gestehen selbst zu, dass eine Sekretion in dem Darme stattfinden und diese viel zur Kothmenge beitragen muss. Wenn man nun acht Tage nach einer - Fütterung den derselben zugehörigen Koth noch so gut unterscheiden kann, dass man ihn bis auf ein halbes Gramm in dem Gemenge aus- zuscheiden fähig ist, so ist es auch klar, dass diese acht Tage noch unter dem Einflusse der vorigen Fütterung stehen, dass in Folge die- ses Einflusses noch die Zusammensetzung des Blutes, das die Sekretion liefert, und die Sekretion selbst eine speeifische Beschaffenheit haben .. y 502 müssen, welche sie dem Nahrungsmittel verdanken und dem Kothe mit- theilen ; dass also jeder Versuch und jede Rechnung, welche sich auf solchen Mischzustand bezieht, schon an und für sich unrichtig sein muss. Es müsste auch ohne den in dem Kothe liegenden Beweis Jeder- mann von vorne herein klar sein, dass sich dieses wirklich so verhält, dass die Fütterungsperiode eines Tages nicht mit diesem Tage abge- schlossen ist, sondern in folgende Tage hineinspielt. Nennen wir, um kurz sein zu können, den mit Brod gefütterten Hund —- Brodhund —, den mit Fleisch gefütterten — Fleischhund—, so ist es klar, dass der Hund, der 14 Tage Brodhund war, nicht unmittelbar mit dem 15. Tage, wo er Fleisch erhält, auch Fleischhund wird, sondern dass er während noch unbestimmter Zeit, vielleicht während mehr als acht Tagen, ein veränderliches Gemenge darstellt, in welchem der Brod- hund immer mehr ab-, der Fleischhund immer mehr zunimmt. Nichts desto weniger beziehen die Hrn. V. und B. ihre Beobachtungen und Rechnungen von dem Augenblicke der Nahrungsänderung an auf eine einheitliche Grösse, auf den Brod- oder Fleischhund und berechnen alle ihre Tabellen und Resultate von dem Augenblicke an, wo eine neue Fütterungsreihe anfängt. Und doch hätten ihre eigenen Hungertabellen, wo der Harnstoff- debit in den ersten Tagen verhältnissmässig viel grösser ist, als in den späteren Tagen, sie darüber belehren können, dass ein solches Ver- hältniss besteht! Und doch dämmert Hrn. Voit, wo er allein arbeitet, die Erkenntniss desselben auf, indem er eine Reihe mit täglichem‘ Wechsel von Ruhe und Bewegung selbst als nicht vorwurfsfrei ver- lässt und bei einer zweiten Hungerreihe „den ersten Tag abrechnet, wo wegen des vorhergehenden guten Fressens noch mehr Eiweiss sich umsetzte.* (Untersuchungen etc. S. 183.) Merkwürdiger Weise ist nirgends von den Verfassern auch nur, der Versuch gemacht worden, auf irgend eine Weise den Einfluss der Nahrung auf folgende Tage festzustellen. Der Hunger ist hiezu, wie man leicht sieht, nicht ganz geeignet, indem durch gänzliche Entziehung der Nahrung allzuschnell abnorme Verhältnisse und Krankheitserschei- nungen auftreten, welche das Resultat trüben. Man sollte aber denken, 503 dass ein reineres Resultat erzielt werden könnte, wenn nach längerer Fleischfütterung, durch welche der Harnstoffdebit auf sein relatives Maximum gebracht wäre, nun unmittelbar eine längere Fütterungs- periode von stickstofflosen Nahrungsmitteln, z. B. in Fett gebackener Stärke oder ähnlichen Dingen erfolgte, die in Bezug auf die stickstoff- haltigen Gewebe dem Hunger gleich küme. In der ganzen von Okt. 1857 bis Juli 1859 dauernden Versuchszeit finde ich aber nicht einen Versuch, eine solehe Bestimmung anzustreben — stets wird der Hund wie ein einfaches Wesen betrachtet, das von 24 zu 24 Stunden die Bilanz zwischen Ein- und Ausgabe vollständig regelt, die Kasse stürzt und in derselben keinen rothen Heller zum Münzwechsel für den näch- sten Tag übrig lässt. Indem ich dieses niederschreibe, blättere ich in der von Dr. Voit allein ausgearbeiteten Abhandlung über das Kochsalz, die meinem Zwecke ferner liegt und finde, dass derselbe, hinsichtlich des Koch- salzes ganz auf dasselbe Resultat gelangt — bei Zuthat von Kochsalz zur Nahrung sinkt „erst am achten Tage“ nach dem Aufhören der Zuthat die im Harn ausgeschiedene Kochsalzmenge auf ihr Nor- malmass zurück — also auch hier, bei Kochsalzfütterung, ein Hinein- spielen der vorgängigen Fütterungsperiode auf wenigstens die ganze folgende Woche. Und was für Koth und Kochsalz wahr ist, soll für Eiweiss nicht wahr sein?! Wir resumiren uns also dahin, dass alle Versuchsreihen, welche kürzer als acht Tage sind, ganz gewiss völlig unbrauchbar sind und dass alle Berechnungen, in welche diese ersten acht Tage längerer Ver- suchsreihen mit in den Kreis der Berechnung gezogen sind, nothwen- dig ebenfalls durchaus falsch und unbrauchbar sein müssen. Nicht minder behaupten wir, dass die Körperwägungen zu bedeu- tende Fehlergränzen zeigen und dass die sogenannte Berücksichtigung des Kothes, durch Einführung rein willkührlicher Faktoren, ebenfalls eine bedeutende Fehlerquelle, sowohl für die Bestimmung des Körper- gewichtes, als für die übrige Berechnung in sich schliesst. Dass aber dadurch die quantitative Bestimmung der Perspiration, die nur als De- fieit der übrigen, unrichtigen Faktoren berechnet, nicht direkt bestimmt wird, ebenfalls unrichtig werden muss, liegt auf der Hand. 504 Der nächste Zweck, den die Verfasser und wir hier im Auge haben, ist die Bestimmung des Ernährungskreislaufes der stickstoffhal- tigen Körpersubstanzen. Zu diesem Endzwecke werden die stickstoff- haltigen Nahrungsmittel analysirt und ihr Stickstoff festgestellt; dann die Menge des ausgeschiedenen Harnstoffes bestimmt, dessen Zusammen- setZung bekannt ist und endlich der Stickstoffgehalt des Kothes be- stimmt. Aus dem Stickstoffgehalt der Nahrungsmitel wird die Menge von Fleisch berechnet, die aus den Nahrungsmitteln gebildet worden sein soll — aus dem Stickstoffe des Harnes und Kothes wird die Menge von Fleisch bestimmt, welches zersetzt worden sein soll. Stimmen beide Zahlen nicht, so hilft man sich durch Rechnung. Hat der Hund mehr Stickstoff durch Harn und Koth entleert, so be- rechnet man aus diesem Stickstoffüberschusse die Fleischmenge, welcher er entsprochen haben könnte und sagt: der Hund hat x Fleisch von seinem eignen zugesetzt. Ist das Umgekehrte der Fall, so berechnet man aus dem Stickstoffüberschusse der Nahrungsmittel die Fleischmenge, welche diesem Ueberschuss entsprechen könnte und sagt: der Hund hat x Fleisch angesetzt. Entspricht der supponirte Abgang oder Ansatz von Fleisch dem Körpergewichte nicht, so ergänzt man das Fehlende durch Fett und Wasser, wenn Fettbildner in den Nahrungsmitteln waren, durch Wasser allein, wenn keine Fettbildner eingenommen wurden. Da alle diese hypothetischen Ansätze und Abnahmen auf Kosten der als Deficit berechneten Perspirationsgrösse geschehen, so wird diese auf's Neue durch beträchtliche Fehler affieirt und also gänzlich werth- los gemacht. Ich will nun beweisen, dass das angegebene Verfahren der Stick- stoffbestimmungen in Nahrung und Koth ebenfalls die beträchtlichsten Fehlerquellen in sich schliesst und zu Resultaten führen muss, welchen gegenüber die grösste Vorsicht geboten ist. Wir trauen Hrn. Voit alle mögliche Uebung und Sicherheit im Analysiren zu, wir zweifeln nicht, dass seine Analysen so vollkommen sind, als nur irgend möglich — aber nichts desto weniger behaupten wir, dass auch bei der genauesten Methode und bei der grössten Sicherheit eine einmalige Elementar-Analyse eines so sehr in seiner Zusammen- 2 505 setzung wechselnden Materiales, wie organische Substanzen überhaupt ‘sind, niemals ein zuverlässiges Resultat geben kann. Nanientlich hinsichtlich der verwickelten Stickstoffbestimmungen ist dies der Fall, wie jeder, der mit solchen Arbeiten nur irgend vertraut ist, ohne wei- tere Beweise zugestehen wird. Nun finden sich aber gerade für den Koth, der so sehr in seinen Bestandtheilen je nach der Nahrung wechselt, fast überall nur einfache Analysen für die Bestimmung des Stickstoffgehaltes — mit Ausnahme des Fleischkothes, für welchen zwei Analysen gemacht worden sind, die eine Differenz von 0,11 im Stickstoffgehalte zeigen. Für Fleisch- und Leimkoth, Fleisch- und Stärkekoth, Fleisch- und Zuckerkoth, Brod- koth, Leim- und Fettkoth ist stets nur eine Analyse gemacht worden und mit so sonderbarem Resultat noch obenein, dass Fleisch- und Zuckerkoth mehr Stickstoff enthält (7,290/,) als Fleischkoth (6,470/, im Mittel) oder Fleisch- und Leimkoth (6,69%/,); während begreiflich Brod- koth (2,920%/,) Leim- und Fettkoth (3,02%), Fleisch- und Stärkekoth (4,380/,) sehr zurückstehen. Wie dem’aber auch sei, so sehen wir für verschiedene Zustände und Mengungen eines thierischen Produktes, des Kothes, dessen Ge- halt an festen Theilen bei verschiedener Ernährung zwischen 10,93 und 63,08 Procent wechseln kann, und dessen feste Theile von 2,92 bis 7,92 Procent Stickstoff enthalten können, oft nur eine einzige Äna- Iyse für den Stickstoffgehalt gemacht, während doch Jedermann weiss, dass zur Feststellung des Stiekstoffgehaltes einer genauen definirten Substanz, wie z. B. einer organischen Base oder Säure, Reihen von Analysen gehören. - Man wird uns vielleicht einwenden, dass die Hrn.B. und V. eine ungewöhnliche Geschicklichkeit im Sortiren des Hundekothes besitzen und dass desshalb die Analysen auch stets auf eine genau definirte rt von Koth fielen. “ Wir bemerken hierzu nur folgendes: die Fleisch- und Zuekerkoth- Analyse fällt, ihrem Datum nach, an das Ende einer sechstägigen Fut- terreihe, die mit steigenden Zuckermengen gemacht wurde, 100, 150, 250, 350 Gr., wurden zuletzt nur zwei Tage vor der Entleerung ge- geben. Die Brodkoth- Analyse fällt auf den fünften Tag der Futter- 506 reihe; die Fleisch- und Leimkoth-Analyse auf den achten Tag einer Reihe mit absteigenden Quantitäten Fleisch (2000 und 200 Gr.) und . aufsteigenden Quantitäten Leim (200 und 300 Gr.) — wie ist es also möglich, hier zu behaupten, dass der analysirte Koth in der That eine bestimmte auf die Berechnung der ganzen Reihe anwendbare Zusam- mensetzung gehabt habe, da die Factoren, die den Koth erzeugten, von Tag zu Tag varürten? x Ein Beispiel mag die Sache erläutern. Nehmen wir an, nach einer Fütterung mit Fleisch habe der Hund noch 100 Gr. Koth im Leibe, die in Rechnung gebracht werden sollen. Es kann Fleischkoth von 29,71%), oder von 49,770/, festen Theilen sein, die 6,41%/, oder 6,520/, Stickstoff enthalten — die 100 Gr. können also 1,90 Gr. oder auch 3,25 Gr. Stickstoff entsprechen — immerhin eine so bedeutende Differenz, dass alle Berechnungen, in welche irgendwelche Berück- sichtigung von Koth einspielt, an einer bedeutenden Fehlerquelle leiden. Mit denselben Fehlerquellen sind die Bestimmungen der Nahrungs- stoffe behaftet. Der Hund wurde 41 Tage mit Brod gefüttert, von dem er nach Belieben frass. Wir wissen nicht, war es Brod mit oder ohne Rinde — da die Rinde des Brodes, je nach dem Grade des Backens ein sehr verschiedenes Dicken-Verhältniss zum Brode hat, also eine sehr variable Grösse ist und viel weniger Wasser enthält als die Krume, so nehmen wir zur Erleichterung der Verfasser an, der Hund habe nur Krume erhalten. Aber auch deren Gehalt an fester Substanz wechselt von 53,30 zu 54,09. Da aber der Hund während dieser Zeit 31,608,2 Gr. Brod gefressen hat, so wissen wir nicht, ob er 16847 oder 17097 Gr. feste Substanz in den Magen bekommen hat und da die Stickstoffanalysen zwischen 2,27 und 2,46°/, variiren, so könnte auch hier die Stickstoffmenge zwischen 383,63 Gr. und 420,59 Gr. schwanken, also eine Differenz von 9%/, zeigen. Die festen, durch den Koth abgegangenen Stoffe lassen sich in dieser Reihe gar nicht be- stimmen, denn bei den vier Analysen auf Wassergehalt, die gemacht worden sind, steigt die proportionelle Menge des Wassers im Kothe beständig, wenn auch nicht gleichmässig, so dass der am 10. Oktober entleerte Koth 27,68 Procent, der am 30. Okt. entleerte dagegen 17,72 Procent feste Stoffe enthält. Aus solchen Analysen eine Mittelzahl 507 zu nehmen, geht doch wahrlich um so weniger, als vom 30. Okt. bis zum 9. Nov., wo die Reihe aufhörte, also während 10 Tagen, inner- halb welcher die Wassermenge im Koth wahrscheinlich stets zunahm, keine Kothanalyse mehr gemacht wurde. Welche bedeutende Differenz aber dieser Unterschied von 10%, Wassergehalt in Koth bei einer Totalmenge yon mehr als 9 Kilo Koth machen müsse, liegt auf der Hand. Dasselbe gilt vom Fleische. Hr. Dr. V oit hat Stunden damit zuge- bracht, das Fleisch selbst zu erlesen, von Fett und Sehnen zu befreien „und sehr sorgfältig, zu präpariren. Wir zweifeln keinen Augenblick r) daran, dass auf diese Weise das zur Nahrung gereichte frische Kuh- so rein als möglich war. Aber behaupten zu wollen, dass dies > Kuhfleisch stets denselben Stickstoffgehalt hatte, scheint uns doch zu weit getrieben. Wenn ein Thier, je nach der Ernährung, Wasser ansetzt oder nicht, so muss auch das Fleisch, je nach der Fütterung, wässe- iger oder trockener sein. Die Maple eines Körpers haben nicht - die gleiche Elementarzusammensetzung, je nachdem sie gearbeitet haben ‚oder nicht, je nachdem das Thier behandelt worden ist vor dem Tode "und beim Schlachten, je nachdem mehr oder minder Blut in den Mus- kelgefässen zurückgeblieben ist u. s. w. j Auch ist Kuhfleisch kein Hundefleisch und es ist nicht wahr- scheinlich, dass der Hund beim Fressen von Kuhfleisch auch Kulfleisch ansetzt. v kn Nichts desto weniger ist 14,119), Stickstoff die unveränderliche „Grösse für sämmtliches Fleisch und wird diese Grösse unentwegt bei we und Abrechnungen in Anschlag gebracht. Aus dem Stick- ‘der Nahrungsmittel wird die entsprechende Menge um-, an- und abgesctztes Fleisch berechnet, aus dem Stickstoffe des Harns und Ko- ‚Ahes ebenfalls die dem Stickstoffgehalt entsprechende Menge Fleisch des | Be. we: a” “ „Es hehe aus dem (esagten hervor, dass die zu den Berechnungen > benutzten analytischen Grundzahlen nicht so weit festgestellt sind, um “bedeutender Fehlergränzen enthoben zu sein; dass demnach die- nicht mit Sicherheit zur Berechnung von Vorgängen innerhalb 508 des Körpers benutzt werden können; dass alle weiteren, in zweiter oder dritter Linie aus den direkten Mass- und Gewichtbestimmungen gewonnenen Resultate, wie z. B. über die Perspiration, nothwendig in noch höherem Grade von diesen Fehlern behaftet sein müssen; dass also die ganze Methode der Beobachtungen nicht denjenigen Grad von Sicherheit besitzt, den sie zur Berechnung der verwickelten Vorgänge haben müsste. Wer aber physikalisch’ genaue Resultate bringen will, der muss auch physikalisch genaue und tadellose Untersuchungsmetho- den an der Hand haben. Die Controll - Rechnung. „Wir haben glücklicher Weise eine doppelte Controlle in Anwen- „dung bringen können“ und „die grosse Genugthuung gehabt, dass „die auf so ganz verschiedenen Wegen gewonnenen Zahlen in der „Regel nur um wenige, 5—6 Gr. für den Tag von einander differiren.“ So sagen die Verfasser — untersuchen wir, welche Garantie der Rich- tigkeit diese sogenannten Controllen bieten. : Die eine Controlle besteht „in der Berechnung der nach dem ge- fundenen und berechneten Versuch entwickelten Wärmemenge, die das Thier gebildet hat.“ Es wurde diese Wärmemenge nicht direkt be= - stimmt, sondern aus der hypothetisch durch Berechnung gefundenen Kohlen- und Wasserstoffmenge der hypothetisch corrigirten Einnahme nach den Favre- und Silbermann’schen Zahlen berechnet. Die Verfasser gestehen nun selbst zu, dass diese Zahlen „sehr zweifelhaft“ sind und dass es „geradezu falsch ist“ die Verbrennungs- wärme zusammengesetzter Substanzen einfach nach ihrem Kohlen- und Wasserstoffgehalt zu berechnen. Nichts desto weniger wirdalso ein zweifel- * haftes Mass wissentlich in falscher Weise angewandt und — den-+ noch die Controlle riehtig befunden! Freilich bis auf einige 100,000 Wärmeeinheiten für 24 Stunden mehr oder weniger kömmt es den Verfassern dabei nicht an. ; - Wir glauben uns der Kritik einer solchen Controlle nieht weiter unterziehen zu sollen. Geräth es, so gibt es eine Pfeife, sagen bei 509 uns die Jungen, wenn sie Weidenpfeifen im Frühjahre machen. Wenn ein Geometer, der mit einer notorisch falschen Messkette im Ziekzack über Berg und Thal misst, zufällig im Resultat mit demjenigen über- einstimmt der mit genauem Instrumente nach riehtiger Methode ge- messen hat, so ist das keine Controlle, sondern es hat eben ein blindes Huhn ein Korn gefunden. Auch läuft diese sogenannte Wärme- Controlle nur als höhere wissenschaftliche Verbrämung an dem Saume des übrigen Inhaltes her und wir glauben gern, dass die Verfasser sie wohlfeil geben. a "Betrachten wir nun die zweite Controllrechnung, so ergibt sich zu- ‚erst, dass dasjenige, was die Verfasser Controllreehnung nennen, im Gegentheile das thatsächliche Resultat der Wägungen enthält, die so- genannte Einnahme- und Ausgabe-Rechnung dagegen der Versuch einer von denselben Thatsachen ausgehenden hypothetisehen Controll- rechnung ist. EN ER In die sogenannte Controllrechnung wird nämlich eingetragen: das durch Wägung und Messung constatirte Gewicht der aufgenom- menen Nahrung und Wassers; die ebenso constatirte Gewichtszunahme oder Abnahme des Körpers, das Mass und Gewicht der sichtbaren Ausscheidungen, Harn und Koth. Zieht man die Ausgaben von den Einnahmen ab, so erhält man das Gewicht der unsichtbaren Ausgaben durch Haut und Lungen. Diese sogenannte Controllrechnung ist also in ihrem ersten Theile der reine Ausdruck der durch Mass und Wage gewonnenen That- sachen — sie ist die Buchung im Journal, um mich eines kaufmänni- schen Ausdruckes zu bedienen. — Sie enthält aber auch einzig die gewonnenen Thatsachen — denn dasjenige, was die Verfasser die Rech- nung nennen, enthält nieht auf anderem Wege gewonnene Thatsachen, nicht in anderer Weise erhaltene Resultate, sondern ist nur eine Aus- prägung derselben Thatsachen in anderer Redeweise. Eine andere Aus- drucksweise ist aber keine Controlle. Die Höhe des Grimselpasses über dem Meere wird nicht dadurch eontrollirt, dass ich einmal sage: Der Grimselpass ist 6600 Fuss hoch — und daneben setze: Wir bewei- sen dies dadurch, dass das Meeresniveau 6600 Fuss unter dem Grim- selpasse sich befindet. — Die auf barometrischem Wege gefundene MOLESCHOTT, Untersuchungen. VII. 35 510 Höhe wird eontrollirt, wenn trigonometrische Messung damit überein- stimmt, wenn zwei auf verschiedenem Wege gemachte Messungen gleiche Resultate geben. Es liegt uns ob, dem Leser die Selbsttäuschung der Verfasser über den Werth ihrer Controllrechnungen klar zu beweisen. Das Recept zu dem ganzen Verfahren ist äusserst einfach. Man berechnet aus dem bekannten Stickstoffgehalte der Nahrungs- mittel die Einnahme an Stickstoff. Man berechnet aus dem bekannten Stickstoffgehalte der sichtbaren Ausgaben, Harn und Koth, die Ausgabe an Stickstoff. Man balaneirt beide Zahlen durch Fleisch des Körpers von be- kanntem Stickstoffgehalte. Ist die Stickstoff-Ausgabe geringer als die Einnahme, so hat der Hund eine aus dem N zu berechnende Fleischmenge angesetzt. Ist die Ausgabe grösser als die Einnahme, so hat der Hund eine entsprechende Fleischmenge zugesetzt. Durch diese Operation der Balaneirung des Stickstoffes haben wir, da nur mit-Fleisch gerechnet wird, eine rein hypothetische Menge von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff als Elemente der von uns berechneten Fleisch-Abnahme oder Zunahme erhalten. Wir sind vollkommen befugt, diese Zahlen hypothetische zu nen- nen, weil der Körper auch andere stickstoffhaltige Substanzen besitzt, als Fleisch und diese auch umgesetzt sein wollen, weil ferner im Harn nicht nur Harnstoff enthalten ist, sondern auch andere stickstoffhaltige Substan- zen und weil endlich durchaus keine Garantie vorhanden ist, dass nicht auch Stickstoff namentlich durch die Haut ausgeschieden wird. Es ist aber klar, dass bei der B.-V.'schen Methode aller auf andere Weise als durch Harnstoff und Koth ausgeschiedener Stickstoff als angesetztes Fleisch berechnet wird. Die aus der Balaneirung des Stickstoffes hervorgehenden Zahlen für C, H und O des um-, an- oder zugesetzten hypothetischen Fleisches werden nichts desto weniger als faetische Ergebnisse in Rechnung gebracht. Man geht nun ganz in der obigen Weise an die Balancirung des Kohlenstoffes und Wasserstoffes. 511 Hiezu dient das kohlenstoffreiche Fett und das kohlenstofflose Wasser. Braucht man in der Rechnung Kohlenstoff, so holt man Fett her- bei — der Wasserstoff wiegt so wenig, dass seine Menge die Rechnung kaum trübt und der Sauerstoff trabt neben her. Hat man zu viel Kohlenstoff, so verbrennt man Fett und schleppt Wasser herbei, das dem Hund ansetzt und womit man den Brand löscht. Hat man so nach einander Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff durch Fleisch, Fett und Wasser in beliebigen Mengen balaneirt, so muss die Rechnung stimmen. Man müsste der allergewöhnlichsten Ge- schicklichkeit im Rechnen entbehren, wenn die Rechnung nicht klappte, wie eine Faust auf’s Auge. Ich will durch einige Beispiele diesen Nachweis erhärten. Es ist leicht nachzuweisen, dass man für Fleisch jede beliebige stickstoffhaltige Substanz, für Fett jede beliebige kohlenstoffhaltige, stickstofflose Sub- stanz substituiren kann, ohne das Resultat der Controllrechnung zu trüben. Man kann zu diesem Rechnungsspiele (denn anders ist es nichts) eine jede beliebige Bischoff-Voit’sche Tabelle nehmen und braucht häufig nur einige Worte zu ändern. Um den Unwerth, man darf sogar sagen, das bodenlose Unverständniss der Controlle der Ver- fasser recht in das Licht zu stellen, werde ich im Folgenden die Bi- schoff-V oit’schen mit tragischem Ernste vorgetragenen Rechnungen neben meine absichtlichen Blödsinns - Berechnungen setzen. Auf wel- cher Seite der tragische Blödsinn sich finde, wird sich dann sofort er- geben. Ich behaupte also, dass der während 41 Tagen mit Brod gefüt- terte Hund (zweite Tabelle S. 210) gar kein Fleisch, sondern nur Leim umsetzte. Meine Zahlen für Leim ete. sind von Bischoff-Voit selbst entnommen und mein ganzes sonstiges Räsonnement wird den Verfassern so genau entsprechen, dass ich kaum einige Worte zu ändern brauche. 3 * 512 Bischoff-Voit 8. 211. „Nach dieser 41tägigen Fütterung, wo der Hund stets so viel „erhielt als er fressen wollte, hatte er um 593 Grm. abgenommen. In- „dessen gehen vom Anfangsgewicht des Kothes noch 93,5 Grm. und „vom Endgewicht 33,3 Grm. ab, wonach sich die wirkliche Abnahme „auf 531 Grm. beläuft. Dieser Gewichtsverlust war dem Hund kaum „anzusehen und er erschien ganz gut genährt und war sehr munter. „Indessen enthielten die 31608,2 Grm. gefressenen Brodes 16957,8 Grm. „feste Theile und 14650,4 Grm. Wasser und in jenen 405,29 Grm. N. „Die entleerten 1008,31 Grm. Ur. enthielten aber 470,58 N. Die ausge- „schiedenen 9121,3Grm. Koth 2099,28Grm. feste Theile mit 61,00Grm.N. „Im Ganzen gab der Hund also 531,67 Grm. N. ab, also 126,38 Grm. „N. mehr, als er in der Nahrung erhielt, welche 3717 Grm. Fleisch „entsprechen, die er also von seinem Körper abgab. Da er aber nur „um 531 Grm. leichter wurde, so setzte er statt des Fleisches 3186 Grm. „Wasser an, da an Fett nicht zu denken ist und wir erhalten demnach „folgende Rechnung.“ Einnahme. | Wasser | N. | C. | H, | O. 31608,2 Brod 14650,40 406,29 7700,54 1093,78 7059,53 3717Grm.Fleisch| 2821,20 126,38 465,37 64,30 191,43 30507 — 3186 Wasser 27321,00 44792,60 | 531,67 | 8165,91 | 1158,75 | 7250,95 Ausgabe. Wasser | N. | ©. | H. | O. 24766 Cm. Harn.| 27711,50 | 470,58 | 201,66 67,16 269,92 9121,3 Koth 7029,02 61,09 | 991,53 137,88 754,89 | 3475052 | 531,67 | 1193,19 | 205,03 | 1023,81 Es bleiben also für Haut und Lungen: | Wasser | c. | H. | 0. l 10052,08 6972,72 955,05 | 6227,14 954,61 H =| 8577,45 18629,53 ö. 513 Die Controllrechnung stellt sich folgendermassen:: Der Hund verzehrte an Brod ... . 31608 Er, sofayasser N 30507 Er verlor an Gewicht ....... 590 | Zusammen: 62705 Dagegen entleerte er in Cm. Harn . . . 29259 ION RS. ae = 0 ae 9181 Es bleiben also für Haut und Lungen . 24265 Während unsere Rechnung ergibt: 24207. Differenz — 58 Grm. Ich. „Nach dieser 4ltägigen Fütterung, wo der Hund stets so viel „erhielt als er fressen wollte, hatte er um 593 Grm. abgenommen. In- „dessen gehen vom Anfangsgewicht des Kothes noch 93,5 Grm. und „vom Endgewicht 33,3 Grm. ab, wonach sich die wirkliche Abnahme „auf 531 Grm. beläuft. Dieser Gewichtsverlust war dem Hund kaum „anzusehen und er erschien ganz gut genährt und war sehr munter. „Indessen enthielten die 31608,2 Grm. gefressenen Brodes 16957,8 Grm. „feste Theile und 14650,4 Grm. Wasser und in jenen 405,29 Grm. N. „Die entleerten 1008,31 Grm. Ur. enthielten aber 470,58 N. Die ausge- „schiedenen 9121,3 Grm. Koth 2099,28Grm. feste Theile mit 61,00Grm.N. „Im Ganzen gab der Hund alse 531,67 Grm. N. ab, also 126,38 Grm. „N. mehr, als erin der Nahrung erhielt, welehe 730 Grm. Leim ent- „sprechen, die er also von seinem Körper abgab. Da er aber nur um „531 Grm. leichter wurde, so setzte er statt des Leimes 199 Grm. „Wasser an, da an Fett nicht zu denken ist und wir erhalten demnach „folgende Rechnung.“ Einnahme. |" Wasser | 8. | C. H. 0. 31608,2 Brod 14650,40 405,29 7700,54 1093,78 7059,53 730 Leim 126,38 365,00 47,45 183,30 30507 — 199 Wasser 30308 | 44958,40 | 531,67 8065,54 1140,13 7232,83 514 Ausgabe. Wasser N] C. | H. 96: 24766 Cm. Harn 27711,50 470,58 201,66 67,16 269,92 9121,3 Koth 7029,02 61,09 991,53 | 137,88 754,89 | 34750,52 531,67 | 119,19 | 205,08 | 1023,81 Es bleiben also für Haut und Lungen: | Wasser | [63 | H. | 0. | 10217,78 6872,35 935,10 6209,02 | 935,10 H = 8415,23 | . 18633,11 Die Controllrechnung stellt sich folgendermassen: Der Hund verzehrte an Brod ... . 31608 Eir.ISoFE Wasser 30507 Er verlor an Gewicht ....... 590 Zusammen: 62705 Dagegen entleerte er in C. m. Harn . . 29259 LEG U DR RR EBEN A 9181 38440 Es bleiben also für Haut und Lungen . 24265 Während meine Rechnung ergibt: 24234,35. Differenz = 31 Grm. Ich habe also mit genauer Benützung der Bischoff-Voit schen Zahlen und durch Anwendung der Controllrechnung der Verfasser selbst bewiesen, dass diese irrten, dass der Hund nicht Fleisch, sondern Leim umsetzte und der Beweis für die Richtigkeit meiner Behauptung liegt eben darin, dass meine Rechnung noch weit genauer stimmt als die ihrige, indem sie eine um die Hälfte geringere Differenz zeigt. Da Haare und Nägel etwa gleichen procentigen Stickstoffgehalt haben, wie Leim, (Leim = 17,31; Haare — 17,14; Nägel = 16,90), so kann jeder meiner Leser sich das Vergnügen machen, durch dieselbe Con- trollreehnung wie oben nachzuweisen, dass der Hund vor der Brod- fütterungsperiode sich in Trauer befand, deshalb nach der Weise der alten Juden sich Haare, Nägel und Bart wachsen liess und durch Be- 515 harrlichkeit und innere Freude (er war sehr munter, sagen die Ver- fasser selbst) es in der That dazu brachte, während dieser Periode etwa anderthalb Pfund dieser in der Trauerperiode gewachsenen Stoffe wieder los zu werden und durch innere Metämorphose aufzuzehren. ‚Wem es aber nicht gefällt, dass die Herren Verfasser in dieser Weise durch ihre eigene Controllreehnung geleimt werden oder Haare lassen, der versuche einmal die Rechnung auf Leucin, das ja jetzt ohnedem überall im Körper herumspuckt (Leuein — CO. 54,96; N. 10,68; H. 9,92; O. 24,44) und er wird noch glänzendere Resultate finden. Rechnung und Oontrollrechnung stimmen bis auf 1 Gramm! Ein Vier- undzwanzigtausendtheil Differenz! Unerhört! Die Astronomie ist Nichts dagegen. Wer diese Rechnung ausführt, wird nicht nur, wie die Ver- fasser „die Genugthung haben, die auf so verschiedenen Wegen ge- wonnenen Zahlen nur um 5—6 Grm. differiren zu sehen“, er wird viel- mehr die ungeheure Genugthuung haben, die auf so verschiedenen Wegen gewonnenen Zahlen nur um 1/,, Grm. per Tag differiren zu schen — eine Differenz, die vielleicht bei Anwendung von noch mehr De- zimalstellen (5 oder 7 statt 2 die ich anwandte) und von Logarithmen auf ein grösseres Minimum geschwunden und sich in vollständige Uebereinstimmung aufgelöst hätte! Wir würden unseren Beweis der vollständigen Werthlosigkeit der Bisehoff-Voit’schen Controllrechnungen verfehlt glauben, wenn wir nicht durch ein anderes Beispiel erläuterten, dass man zur Ba- laneirung des Stickstoffes jede beliebige, auch nicht im Thierkörper vorkommende Stickstoffverbindung nehmen kann. Wir wählen, um eine Versuchsreihe zu haben, wo der Hund an Gewicht zunahm, die sechste Tabelle über Fleisch- und Fettfütterung S. 112 und beweisen, dass der Hund in sieben Tagen beinahe ein Pfund Strychnin im Körper ansetzte. Der Hund bekam in sieben Tagen 12600 Grm. Fleisch, 1750 Grm. Fett, 1757 Grm. Wasser — in der Diseussion der Versuchsreihe er- läutern die Verfasser, dass er 28,77 Grm. N. weniger ausgab, als er in seiner Nahrung erhielt und 1745 Grm. zunahm. Sie rechnen auf Ansatz von Fleisch, Fett und Wasser — wir rechnen, mit ihren Grund- zahlen, auf Ansatz von Strychnin, Fett und Wasser. Die 28,77 Grm. N. entsprechen 483,53 Grm. Strychnin (100 Strychnin = C 77,16; N 516 5,95; H 6,72; O 10,11) die der Hund ansetzte. Da die Gewichtszu- nahme 1715 Grm. betrug, so setzte er noch Fett und Wasser 1231 Grm. an. Wir rechnen 764 Wasser und 470,47 Fett. Einnahme. | Wasser | N. | C. | H. | O. 12600 Grm. Fleisch| 9563,40 428,70 | 1577,52 217,98 648,90 — 483,53 Strychnin f) 28,77 373,07 32,49 48,36 399,63 1204,45 185,49 | 600,54 1279,53 Fett 0 f) 1010,83 140,75 | 127,95 1757—761 Wasser 996 | l 10559,40 | 399,63 | 2214,28 326,14 | 728,51 Zieht man von unseren so erhaltenen Resultaten die von Bischoff Voit S. 143 unten gegebenen Zahlen der sichtbaren Ausgabe ab, so findet man für die Summe der durch Haut und Lungen gemachten Ausgabe 5509,53 Grm. Die Bischoff-V oit’sche Controllreehnung ergibt dafür (S. 114) 5519,00 Grm. Differenz — 10 Grm. in sieben Tagen — während die Bischoff-V oit’schen Controllen oft um mehr als 6 Grm. in einem Tag differiren. Wir sehen in dieser, mit B.-V.'schen Zahlen ausgeführten, so ge- nauen Berechnung und Controlle eine wahre Bereicherung der Wissen- schaft. Der Hund setzt Stryehnin an! Ohne Zweifel ist dieses’ an- gesetzte Strychnin die Ursache der wackelnden Bewegungen der Fleisch- fresser in Menagerieen — das angesetzte Strychnin erregt tetanische Zuckungen, Krämpfe, Wackelbewegungen. Man sieht — die zweite Controlle ist eine Gaukelei, ein unhalt- bares Hirngespinnst. Es fehlt also jede Controlle. Einnahme und Ausgabe. Wie aus dem bisher Gesagten hervorgeht, begründen sich die Bischoff-Voit’schen Rechnungen und Controllen auf die Construe- tion eines idealen Hundes, der aus Fleisch, Fett und Wasser zusam- mengesetzt ist. Andere Substanzen besitzt der Hund nieht — Häute, Knochen, Blut, Drüsen — alles das existirt in dem idealen Hunde gar 517 nicht oder setzt sich wenigstens nicht um. Das Recept zur Bildung eines solchen Hundes ist leicht: Nimm Fleisch — ein bestimmtes Ge- wicht; Fett — quantum satis; Wasser — ad libitum und der B.-V.’'sche Hund ist fertig. Fleisch, Fett und Wasser sind wenigstens die einzi- gen Posten in der fietiven Einnahme-Rechnung; die günstigste Unter- stellung, die man für die Verfasser also machen kann, ist die, dass sie bei einem erwachsenen Hunde alle übrigen Substanzen ohne Ausnahme als durchaus unwandelbar ansehen und demnach bei dem Stoffwechsel ‚durchaus nicht in Rechnung bringen. Nach den B.-V.'schen Rech- nungen kann der Hund kein verlorenes Haar ersetzen, keinen Nagel wachsen lassen — diese Theile enthalten Stickstoff — aller durch die Nahrungsmittel eingenommene Stickstoff wird aber zum Umsatz von Fleisch verwendet oder der Ueberschuss zum Ansatz von Fleisch be- nutzt — für andere Stoffe bleibt gar kein Atom, kein Gewichtstheil von Stickstoff übrig. Fleisch ist gewissermassen die Stickstoffmünze, mit welcher die Kasse des Organismus gemacht wird. Es bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung, wie sehr eine solche Grundlage der Berechnung der Natur widerspricht. Oder ist es nöthig, nachzuweisen, dass auch die anderen stickstoffhaltigen Substanzen des Körpers und nicht nur das Fleisch, leben, sich umsetzen, sich abnutzen, sich erneuern? Sollen wir noch beweisen, dass diese stickstoffhaltigen Gewebe nicht nur ein todtes Gerüste sind, an welchem lebendes Fleisch, Fett und Wasser aufgehängt sind und im Wirbeltanz der Metamor- phose sich drehen, während das Gerüste unbewegt im Mittelpunkte steht ? Man begreift leicht, wie die Verfasser auf diese so gänzlich schiefe Grundlage gekommen sind. Ihr Grundgedanke ist, dass der Umsatz durch Arbeit bedingt wird — da nun Arbeit hauptsächlich durch Muskelzusammenziehung geleistet wird, so lag es eben nahe, auch nur die Muskeln für den Umsatz in Anspruch zu nehmen. Ein anderer Grund für die Bevorzugung des Fleisches lässt sich gar nicht denken — das Privilegium des Fleisches, welches uns hier von München aus ge- predigt wird, hat nur in der Arbeit seine Basis. Wie sehr falsch diese Grundlage aber sei, geht aus den späteren Untersuchungen der Verfasser selbst hervor — worauf wir später zurückkommen werden, 518 Wenn aber die Grundlage, worauf die Berechnungen sich stützen, durchaus falsch ist, wenn es durchaus unzulässig ist, Fleisch für alle übri- gen stickstoffhaltigen, Fett für alle kohlenstoffhaltigen Substanzen zu substitutiren, so ist es auch von vorne herein klar, dass die Berech- nungen alle falsch sein müssen und dass alle Controllen, welche mit den falschen Rechnungen stimmen, ebenfalls nichtrichtig sein können. Das Uebereinstimmen der sogenannten Controllen mit den sogenannten Einnahme- und Ausgabe-Rechnungen hätte also die Verfasser schon daran mahnen müssen, dass ihr Weg ein falscher sei. Die Reduction aller Einnahme auf Fleisch, Fett und Wasser ist also unzulässig, — falsch; — die Einnahmerechnung demnach ge- fälscht. Ganz ebenso geht es mit der Ausgabe und der darauf bezüglichen Rechnung. "Mit Ausnahme des Kothes wird alle Stiekstoff-Ausgabe auf Harn- stoff redueirt. Der Hundsharn darf keinen andern stickstoffhaltigen Körper enthalten, weder Harnsäure, noch Ammoniaksalze — der Harn- stoff ist Alleinherrscher und absoluter Führer der auszugebenden Stick- stoffmenge. Nach veralteten Grundsätzen des römischen Rechtes wird das principale pro toto gesetzt und nun frisch darauf hinein gerechnet, eontrollirt und richtig befunden. Wenn aber die Rechnungen und Controllen sich bis auf Gewichtsmengen zuspitzen, die selbst noch in- nerhalb der gewöhnlichen Wägungs- oder Beobachtungsfehler fallen — so dürfen doch gewiss diese Nebenquellen des Stickstoffabzuges nicht ausser Acht gelassen werden. Aber sind denn die Ausgabequellen des Stickstoffs durch Harn und Koth gänzlich erschöpft? Geben Haut und Lungen keinen Stick- stoff ab ? Es lässt sich dies vor der Hand weder bejahen noch verneinen, denn wir besitzen keine Untersuchungen über den Hund. Aber dies berechtigt doch zu keiner absoluten Verneinung, wie die Verfasser es thun, indem sie für Haut und Lungen nur Kohlenstoff- und Wasser- stoffausgabe in Rechnung bringen. Wollen wir aus Analogie schlies- sen, so besitzen wir Angaben über den Schweiss und die Hautaus- dünstung des Menschen, welche allerdings eine Stickstoffausgabe durch 519 die Haut statuiren. Nun weiss ich freilich sehr wohl, dass eine Hunds- haut keine Menschenhaut ist und dass, allgemeiner Behauptung der Jäger zu Folge, der Hund nicht durch die Haut, sondern durch die Zunge schwitzt, und ich verwahre mich ausdrücklich dagegen, als wollte ich eine solche Stickstoffausgabe durch Haut oder Lungen wirk- lich behaupten. Die Analogie spricht nur dafür, dass sie möglich sei und einige weitere Beobachtungen lassen die Wahrscheinlichkeit vermuthen. Alle Hunde haben einen höchst unangenehmen Geruch, der nur bei strenger Reinlichkeit und häufigem Baden und Kämmen verringert wird. Der Geruch eines Hundestalles, auch wenn er von eben so wohl dressirten Hunden bewohnt wird, wie der B.-V.'sche Versuchshund und weder von Urin noch Koth beschmutzt ist, kann nur einem begeisterten Jäger erträglich erscheinen. Bei früheren Versuchen mit übermässiger Fleischfütterung constatirte Herr Bischoff selber unerträglichen, aashaften Gestank. Sollten da nicht flüchtige Stickstoffverbindungen, Brenzöleoder Ammoniak eineRolle spielen? In seiner Kritik des B.-V.’schen Werkes stellt Hr. Beneke die Ver- muthung auf, es möchte dieser Geruch vielleicht auf flüchtigen Fett- säuren beruhen. Versuche und Untersuchungen sind nicht gemacht — nur so viel weiss man, dass der Geruch da ist und gewiss nicht von Eleetrieität herrührt. Dann muss ich noch bemerken, dass Einer mei- ner Freunde häufig, nicht nur bei Hunden, sondern sogar auch bei Kaninchen, die Bildung von Nebeln an einem mit Säuren befeuchteten Glasstabe beobachtet hat, den man den Thieren beim Ausathmen vor die Nase hält und dass es leicht ist, durch die so empfindliche Probe mit Hämatoxylin nachzuweisen, dass die Athmungsgase in der That meistens etwas Ammoniak enthalten. Viel wird’s freilich nicht sein in gewöhnlichen Umständen — aber eine Spur kann man fast immer constatiren. Ich wiederhole es, diese verschiedenen Umstände können bis jetzt nur einen Fingerzeig dafür geben, dass durch Haut und Lungen eine Stickstoff-Ausscheidung Statt finden könne, dass dieselbe vielleicht nur bei gewisser, überschüssiger Stickstoffzufuhr in wägbarer Menge Statt finde; sie berechtigen aber jedenfalls zum Zweifel und in keiner Weise zu aprioristischer Beseitigung und Verneinung. 520 Wenn nun die Einnahme jedenfalls, die Ausgabe vielleicht falsch berechnet ist, was ist dann von der Rechnung selbst zu halten? ' Vom Standpunkte der Buchhaltung des Körpers aus (und die ganze Einnahme- und Ausgabe-Rechnung ist nichts anders als eine Buchhal- haltung mit Soll und Haben) ist übrigens die ganze Einnahme-Rech- nung nur eine rein fietive und unzulässige. Der Hund hat Fleisch, Fett, Zucker, Stärke, Brod gefressen — man sollte nun erwarten, diese Stoffe in der Einnahme-Rechnung zu finden — Gott bewahre! Der Hund hat nur Fleisch und Fett eingenommen — in der Rech- nung figurirt nur Fett und Fleisch, die aus den anderen Stoffen hypothetisch herausgerechnet sind! Der Kaufmann, der statt Kaffee Thee, statt Zueker Stärke, statt Tabak Nussblätter buchen und diese falsche Buchung damit rechtfertigen wollte, dass man ja auch statt Kaffee Thee trinken könne und dass die Schuljungen heimlich statt des verbotenen Tabaks Nussblätter rauchen, würde ohne Zweifel der betrügerischen Buchführung beschuldigt werden — die Ver- fasser dagegen treten mit einer solchen falschen Buchung kühn vor das physiologische Publikum und glauben Einnahme und Ausgabe stehen in dem schönsten Einklange ! Die gesammte Perspirationsmenge ist, wie oben bemerkt, durch die Differenz zwischen den gewogenen Einnahmen und Ausgaben ge- funden, also ein Ergebniss der unmittelbaren Wägung und Beobach- tung. Aber diese Ausgabe stellt Alles durch Haut und Lungen Aus- geschiedene dar, Kohlensäure und Wasser ganz gewiss, vielleicht auch, wie oben bemerkt, flüchtige stickstoff- oder kohlenstoffhaltige Substanzen. Abstrahiren wir von diesen, so stellt die Differenz die Gesammtmenge der perspirirten Kohlensäure und Wasser dar. Das wirkliche Ver- hältniss zwischen beiden ist niemals bestimmt worden — es ist nirgends direkt beobachtet worden — es soll künftig erst mit dem Petten- kofer’schen Athem-Ofen constatirt werden. Einstweilen suchen die Verfasser dieses gegenseitige Verhältniss zwischen Kohlensäure und Wasser der Perspiration aus der oben charakterisirten, halsbrechenden Rechnung über Einnahme und Ausgabe zu construiren. Man hätte erwarten sollen, dass die Zahlen für diese Ergebnisse der Perspiration ziemlich gleichmässig ausfallen müssten. Denn nach 521 der Versicherung der Verfasser befand sich der Hund immer unter annähernd gleichen Bedingungen der Bewegung und Temperatur — es konnten also diese Factoren keinen bedeutenden Einfluss auf das Quantum der Perspirationsprodukte ausüben. Dagegen wurde die Nahrung in Stoff und Menge vielfach variirt und musste diese also den wesentlichsten Einfluss auf die Respiration üben. Wir können die Verfasser nieht der Inconsequenz zeihen als könn- ten sie annehmen, die aus dem Blute bei der Athmung abgeschiedene Kohlensäure und Wasser entständen durch direete Verbrennung der aus der Nahrung entnommenen stickstofflosen Substanzen im Blute, obgleich sie zu solchem Schlusse einige Lust zu verspüren scheinen — wir müssen wohl mit ihnen folgerecht schliessen, dass diese Parias des Körpers ebenso behandelt werden, wie die hochgebornen Stick- stoffsubstanzen, die einen umständlichen Umsatz erlangen. Man muss also glauben, dass, je fetter der Hund und je schwerer er ist, je mehr er frisst und besonders je mehr kohlenstoffhaltige Substanzen, Fett- bildner er frisst, desto mehr Fett auch verbrannt, desto mehr Kohlen- säure gebildet werde. Gleicher Schluss für das Wasser. Was erge- ben uns aber die B.-V.'schen Tabellen? Wir suchen die Maxima und Minima. auf. ger „. Bei ungenügender Ernährung, also bei abnehmendem Körperge- wichte, wo aber der Hund sehr gut genährt ist-und 40,5 Kilo wiegt, entbindet derHund nur 77,6Grm. Wasser in 24 Stunden durch Haut und Lungen, also nicht ganz zwei Gr. Wasser (1,9 Grm.) per Kilo Körpergewicht in 24 Stunden. Dabei frisst der Hund nur Trauben- zucker (S. 180). Ebenfalls bei abnehmendem Körpergewichte, wo der Hund weni- ger gut genährt ist und 35,1 Kilo im Mittel wiegt, entbindet aber der Hund durch Haut und Lungen die ungeheure Menge von 899,66 Grm. Wasser in 24 Stunden, also 26 Grm. per Kilo Körpergewicht in 24 Stunden. Dabei frisst der Hund Fett und Leim (S. 238). Bei zunehmendem Körpergewicht, wo der Hund etwa das gleiche Mittelgewicht hat (34,92 Kil.), findet sich der geringste Wasserdebit mit 262,36 Grm. in 24 Stunden, also 7,5 Grm. per Kilo Körperge- wicht. Dabei frisst der Hund Fleisch (S. 64.) 522 Ebenfalls bei zunehmendem Körpergewicht, wo der Hund sehr wohl genährt ist und 29,64 Kilo wiegt, entbindet er 715,22 Grm. Wasser in 23 Stunden, also 18 Grm. per Kilo Körpergewicht. Dabei frisst der Hund Fleisch und Fett (S. 112). Die Schwankungen des ausgeathmeten Wassers gehen also bei abnebmendem Körpergewichte von 1,9 Grm. bis 26 Grm. — bei zunehmen- dem Körpergewichte von 7,5 bis 18 Grm. per Kilo Körpergewicht. Die Kohlenstoffberechnungen zeigen ähnliche Schwankungen, wenn gleich geringer, da, wie oben bemerkt, der Kohlenstoff eher balaneirt wird, als der Wasserstoff. Minimum bei abnehmendem Körpergewicht. 111,87 C. bei 28,7 K. Mittelgewicht. 4 Kilo gibt 4,25 C. in 24 Stunden. Nahrung: Fleisch und Zucker (S. 155). Maximum bei Abnahme. 228,51 C. bei 33,5 K. Mittelgewicht. 1 Kilo gibt 8,08 ©. in 24 Stunden. Nahrung: nur Fleisch (S. 93). Minimum bei Zunahme. 112,36 ©. bei 36,9 K. Mittelgewicht. 1 Kilo gibt 3,74 ©. Der Hund frisst Leim und Fleisch (S. 226). Maximum bei Zunahme. 400,78 C. bei 34,75 K. Mittelgewicht. 1 Kilo gibt 12,46 ©. Der Hund frisst Fett und Fleisch (S. 117). Resultat: Man kann, den B.-V.'schen Annahmen zufolge, das Quan- tum des durch die Athmung oder Perspiration zu entbindenden Koh- lenstoffes bei Beibehaltung aller übrigen Bedingungen einzig und allein durch Aenderung der Nahrung um mehr als das dreifache steigern — das Quantum des auszuathmenden Wassers sogar auf das zehnfache erhöhen. So Etwas nennt man exakte Wissenschaft! Grundsätze und Schlussfolgerungen. „Der Ausgangspunkt aller hieher gehörigen empirischen Beweise liegt in der bekannten Thatsache, dass der Harnstoff auch beim Hun- gern bis zum letzten Augenblicke gebildet wird,“ „Hier kann und wird esdoch Niemanden einfallen anzunehmen, dass der gebildete Harnstoff zum Theil auf Kosten des Eiweisses im Blute, 523 zum andern Theil auf Kosten des Umsatzes der stickstoffhaltigen Kör- perbestandtheile gebildet worden sei!“ (Warum nicht?) „Der Harnstoff ist nur ein Umsetzungsproducet der stickstoffhalti- gen Körperbestandtheile, nie ein blosses Oxydationsproduet des Ei- weisses im Blute.* „Wir haben weder früher noch jetzt behauptet, dass das gesammte Eiweiss der Nahrung stets vollständig organisirt werde, d. h. in eine bestimmte organische Form übergehe. Es ist sehr wohl möglich und selbst wahrscheinlich, dass ... . auch das Eiweiss theilweise nur in flüs- siger Form die Organe durchsetzt und die entsprechenden Verände- rungen erfährt, ohne selbst feste Substanz geworden zu sein. Es ist nicht nöthig, den Uebergang der Blutbestandtheile in die festen ge- formten Körperbestandtheile zu postuliren, um dennoch ihre Umsetzung in den Organen als erste Bedingung der Bildung des Harnstofis zu postuliren.“ Das mögen etwa die Hauptsätze sein, um welche sich die Ver- fasser drehen. Der Harnstoff kann nicht aus den Nahrungsmitteln gebildet wer- den, weil er auch beim Hungern gebildet wird. Wir sparen diesen Satz auf später auf. Der Harnstoff kann nicht aus dem Eiweiss (sagen wir aus den stickstoffhaltigen Bestandtheilen, denn bekanntlich ist das Blut keine blosse Eiweisslösung) des Blutes gebildet werden, weil ..... hier stehen in der That, wie man zu sagen pflegt, die Ochsen am Berge . . . weil flüssiges Eiweiss nicht zu Harnstoff umgesetzt werden kann? — be- wahre, dem widersprechen ja die Verfasser selbst! ..... weil... . der Hund beim Hungern kein Blut hat? — kann auch nicht richtig sein, er müsste sonst gleich sterben — weil... weil... ja, am Ende finden wir keinen anderen Grund, als weil es die Herren B. und V. so haben wollen! sie volo, sic jubeo. Untersuchen wir zuerst einmal den Hunger. Das Thier war stets in denselben Verhältnissen, leistete also dieselbe mechanische Arbeit in willkührlicher Bewegung, dieselbe Arbeit in innerem Umsatz der Theile, da es keine Nahrung zu bewältigen hatte, Es fand sich in dem Leben des Tieres kein äusseres Moment, welches in den ver- 524 schiedenen Hungerperioden eine verschiedene Bethätigung des Stoff- wechsels verlangt oder bedingt hätte. Das Kraftmoment des Lebens, wenn ich mich so ausdrücken darf, war also in den verschiedenen Hun- gerperioden gleich — man müsste also erwarten, dass beim Hunger auch stets derselbe Umsatz per Kilo Körpergewicht Statt haben müsste oder, da der Harnstoff das Mass des Stoffwechsels ist, dass beim Hun- ger Tag für Tag die gleiche proportionelle Quantität Harnstoff abge- sondert werden müsste. Sehen wir nach, was die B.-V.’'schen Hungertabellen uns lehren. Es sind zwei Tabellen über einen Hungertag (4 und 5) eine über drei Tage (2), eine über sechs Tage (1) eine über sieben Tage (3). Wir nehmen eine einfache Reduction vor, indem wir die Menge Harnstoff bestimmen, die 4 Kilo Hund in 24 Stunden debitirt. Tab. Nr. 1. 2. 3. 4. 5. Erster Hungertag ... 0,72 Grm... 0,52 ... 0,92 ... 0,34 ... 0,14. Zweiter 13 ZT en e..210,38 Dritter ER =. 0100ER, 210/497 71:3:7,0:42 Vierter 5 a A a Veukdenint 0,38 Fünfter ei BR L0)V DIE HERRN NEE ER. 0,33 ; Sechster > EIS 0,33 u a ee '0,32 x." Maximum des Umsatzes —=: 0,92... . 2 Minimum „ 6 — 0,1& Also um mehr als das Sechsfache verschiedener Umsatz bei glei- chen äusseren Arbeits- und Lebensbedingungen. Betrachten wir die vorgängigen Fütterungsverhältnisse, so lösen sich grösstentheils die Räthsel. Vor Beginn der dritten Tabelle war der Hund übermässig mit Fleisch und Fett während 14 Tagen gefüttert worden, er war auf dem Maximum seines Körpergewichts angekommen. Er entleert nun in den ersten Tagen bedeutende Mengen Harnstoff, bis er auf eine fast sta- tionäre Verlustgrösse in den drei letzten Tagen angekommen ist. Vor Beginn der ersten Tabelle war der Hund reichlich, aber nicht übermässig mit Fleisch gefüttert worden. Sein Anfangsgewicht war 7 Kilo leichter als im Beginn der dritten Tabelle. Er entleert ver- 925 hältnissmässig viel Harnstoff in den ersten vier Tagen, mehr als der schwere Hund in Tab. 3. Erster entleert in den ersten vier Tagen 2,77 Grm. per Kilo — der weniger schwere, auch mit Fleisch gefüt- terte 2,83 Grm. Der ungenügend ernährte Hund der zweiten Tabelle, der schon länger in Abnahme bei ungenügender Fleischfütterung stand, varürt nur wenig in seinem Debit, der während drei Tagen kaum sinkt. Wir sollten denken, die Schlüsse, die sich aus dieser einfachen Betrachtung der Thatsachen ergeben, liegen auf der Hand. Die That- sachen weisen auf eine constante Quelle des Harnstoffes hin, die beim Hungern um so deutlicher hervortritt, je länger dasselbe dauert und die in dem Umsatze der Gewebe ohne Zweifel zu suchen ist, und auf eine höchst veränderliche Quelle, die in der Nahrung, in dem im Darme befindlichen Speisebrei, in dem Blute zu suchen ist. Koth kommt in den drei Hungerreihen nur einmal vor und zwar in der dritten, wo übermässige Fütterung vorausging — der von der Fütterung noch in den Därmen zurickbleibende Nahbrungsrest wird also wohl zuerst bis auf den letzten Rest zur Speisung der Maschine verwendet. Warum auch nicht die stickstoffhaltigen Bestandtheile des Blutes, in welche Be- standtheile doch der Speisebrei, so weit er Stickstoffsubstanzen enthält, umgewandelt werden muss ? Wir sehen also gerade in den Hungertabellen den Beweis einer doppelten Harnstoffquelle, welche von den Verfassern so leichthin ohne Discussion, ohne Gegenbeweis über Bord geworfen wird. Die Tabellen über einen Hungertag sind begreiflicher Weise gar ' nieht ernsthaft zu benutzen. Die aus den vorherigen Fütterungen nach- wirkenden Verhältnisse bieten zu grosse Chancen der Veränderlich- keit dar, eben weil dann noch die veränderliche Quelle aus Nahrung und Blut die constante aus dem Umsatz weit übersprudelt. Die Ver- faseer, welche dies nicht anerkennen wollen, kommen deshalb auch zu den sonderbarsten Schlussfolgerungen. Man muss, um hievon sich zu überzeugen, die Parabase zum Hungertag Tab. 5, S. 54 und 55 lesen. Der Hund war schr schwer, beinahe 40 Kilo, am 17. März ) 1858 — seit Januar war er mit ungemein grossen Quantitäten Fleisch und Fett überfüttert, zwei Tage vor dem OEE nur mit Wett ge- MOLESCHOTT , Untersuchungen. VII, 36 526 füttert worden. Nun producirt er am ersten Hungertage, wo er sich den Magen verdorben hatte und dadurch schon in Abnahme war, eine unendlich kleine Menge Harnstoff. In den anderen Hungerreihen pro- dueirt er, wie wir sehen, sogar sechsmal mehr Harnstoff. „Es muss „damals ein viel grösserer Verbrauch an Kraftstattgefunden haben, erklä- „ren die Verfasser. Aus den äusseren Verhältnissen ist dieser Unter- „schied gar nicht abzuleiten. Der Hund lag beidemal in seinem Käfig „in denselben Verhältnissen. Wir müssen also schliessen, dass die zu „bewegende Masse an Blut und Plasma in der That in jenen ersten „Fällen, wo der Hund fleischreich war, ansehnlich viel, 2—3mal (wir „könnten sagen sechsmal) grösser war als bei dem fettreichen Thiere, „obgleich das Totalgewicht dazu keinen näheren Anhalt gibt.“ So schreiben die Verfasser mit der grössten Gemüthsruhe und vergessen, dass sie wenige Seiten vorher eine Tabelle gegeben haben (S. 50), wo der Hund noch um ein Pfund schwerer gewesen war, wo er ebenfalls mit übermässigen Mengen Fleisch und Fett gefüttert wor- den war und wo das ebenso fettreiche Thier 6mal mehr Harnstoff ab- geschieden hat in dem ersten Hungertage! Die Menge des Fettes war doch gewiss nicht grösser in dem 39 Kilo schweren Thiere, das mit Fett und Fleisch gefüttert worden war und nur in den zwei letzten Tagen ein Pfund Fett erhalten hatte, als bei dem 40 Kilo schweren Thiere, das vorher 10 Tage lang fast 1 Kilo Fleisch und dann 8 Tage lang noch zu dieser Fleischration täglich ?/, Kilo Fett erhalten hatte! Das 40 Kilo schwere Thier hatte doch gewiss nicht sechsmal so viel Fleisch im Leibe, als das 39 Kilo schwere — das eine war doch ge- wiss nicht nur Fetisack, das andere nur Fleischsack! Es war ja der- selbe Hund und der Unterschied im Gewichte nur 1/59! Um eine Grundlage zur Beurtheilung der Fütterungsreihen zu gewinnen, habe ich nun folgende Tabelle aus den B.-V.’schen aus- gezogen. Der Koth hat den Verfassern viele Schwierigkeiten gemacht und man muss die durch das ganze Buch durchziehenden Künsteleien , mit Brodkoth, Fleischkoth ete, ansehen, um sich zu überzeugen, welche Mühe sie in der That hatten, den Koth so zu kneten, dass er in die doch so nachgiebige Form ihrer Controllrechnungen passte. Besonders in sehr kurzen Fütterungsperioden ist diese Künstelei 927 in’s Weite getrieben und kann niemals zutreffen, da, wie oben schon auseinandergesetzt, dies Einspielen der vorgängigen Fütterungsperiode zu complieirte und verwickelte Verhältnisse hervorruft. Ich habe also bei der nachfolgenden Tabelle, wo es auf Körpergewichte und deren Feststellung gar nicht ankam, von den B.-V.'schen Tabellen, welche auf eine verschiedenartige, vorgängige Fütterungsperiode folgen, die Anfangstage, in welche diese verschiedene Fütterung mit ihrem Koth hineinspielt, nicht aufgenommen, sondern nur solche Tage, wo der Effekt dieser vorgängigen Fütterung vorüber gegangen scheint. Bei gleichartigen Fütterungen mit wechselnden Mengen desselben Nahrungs- mittels berechnete ich zuweilen Mittelzahlen der Menge für 24 Stunden. Ich trug nun in eine entsprechende Oolumne die Menge des wirk- lich abgesonderten Harnstoftes ein, wie sie von den Verfassern als ge- messen angegeben wird, auf 24 Stunden berechnet: In die daneben stehende Columne trug ich die nach den Voit’- schen Analysen aus dem Stickstoffgehalte der Nahrungsmittel berech- nete entsprechende Harnstoffmenge ein, welche das Thier also aus den Nahrungsmitteln hätte bereiten können, die es also hätte debitiren müs- sen, wenn der Harnstoff direkt nur aus den von den Nahrungsmitteln entnommenen Stickstoff-Substanzen des Blutes bereitet worden wäre. Ich nenne dies den berechneten Harnstoff. Endlich in der letzten Columne bemerkte ich, ob das Thier wäh- rend der Fütterungsreihe ab- oder zugenommen habe. a6* gas quo * dyr-au- RL ur mz., 4 Dzeasa nz“ gen“ nz wu®eN AR gas En Re qw = ger == ge uyen aguoryeIg Enge nz 5 ze 2% ea nz uyeN "U9SunyTaWwag 528 98 "og "ar #71 7 98 “er 879 "gg sol 6°, ar 1227 “cr yosume] aoou -yo9aagr BUCT 08% | 067 ERST 08 | 927 BET G2r | 921 ST 00% | 927 Mg 008 | 91. 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Einige Schwankungen zeigen sich nur bei reiner Fleischnahrung. Hier nahm der Hund in einem Falle, bei übermässiger Fleischnahrung, (Nr. 1) zu, obgleich der berechnete Harnstoff etwas weniger betrug, als der abgesonderte; in einem anderen Falle (Nr. 6) blieb er etwa stationär, während er in fünf Fällen abnahm. Aber auch bei reiner Fleischnahrung nahm der Hund niemals ab, wenn der berechnete Harn- stoff mehr betrug, als der abgesonderte. Ganz aus diesem Gesetze heraus springt die Fütterung mit Fleisch und Leim, mit dem unglücklichen Leim, der den Verfassern ohnedem viel Mühe macht. Nimmt man an, dass der gesammte Leim assimilirt, zu Fleisch umgewandelt und ein entsprechendes Quantum Fleisch zersetzt und als Harnstoff ausgeführt werde, berechnet man also auch das dem Leim entsprechende Harnstoffqguantum, so nimmt das Thier ab, trotzdem, dass der berechnete Harnstoff den abgesonderten um ein Bedeutendes über- trifft. 7 Berechnet man dagegen nur das der Fleischnahrung entsprechende Harnstoffquantum, so nimmt das Thier ab und tritt unter das ge- wöhnliche Verhältniss, indem dann der abgesonderte Harnstoff den be- rechneten weit übertrifft. Es scheinen uns diese Resultate schlagend genug um zu beweisen dass die B.-V.'schen Grundsätze entschieden falsch sind. Bisher konnte man glauben, dass der Körper Substanz aufnehme, um die Abnutzung, zu ersetzen, dass das Thier esse, um den Abgang zu decken; dass es um so mehr aufnehmen müsse, je mehr es ver- 531 brauche und um so weniger bedürfe, je weniger Stoff es verzehre; dass der Mensch esse, um zu leben. Die Herren B. und V. kehren den Spiess um. Der Körper muss Substanz zerstören, um aufnehmen zu können; je mehr er aufnimmt, } um so mehr muss er abnutzen; je mehr er isst, desto mehr muss er essen; er lebt um zu essen. Wehe dem Unglücklichen, der einmal mehr isst, als er braucht; — er braucht mehr Kraft um es zu bewäl- tigen; er ist in einen Strudel hineingerissen, der ihn unrettbar zur Fresserei, zur Völlerei, zum Untergang durch Ueberfülle hinabzieht! Denn der Körper muss ja um so mehr abnutzen, je mehr er einnimmt und wenn er durch Ueberschuss ansetzt, so muss dieser Ansatz wieder arbeiten und wieder grösseren Umsatz erzeugen. Um die Metamorphose aller stickstoffhaltigen Nahrungsstoffe in Fleisch und den Umsatz dieses Fleisches zu retten, mussten die Ver- fasser schon eine bedeutende Üoncession machen und ein ideales, flüs- siges Fleisch eonstruiren, wie dies aus dem obigen Satze hervorgeht, wonach das Eiweiss keine Form anzunehmen, sondern nur aus dem Blute herauszutreten braucht, um umgesetzt werden zu können. Nach- dem man, um einem Nahrungsbedürfnisse zu genügen, einen idealen Hund aus Fleisch, Fett und Wasser gebaut hat, erzeugt man noch flüssiges, ungeformtes Fleisch und macht den Hund zu einem aus Sar- kode bestehenden kolossalen Infusorium! In der That ist auch die Forderung zu stark, welche die Verfas- ser machen, dass ein Hund heute, nur aus dem Grunde, weil er viel gefressen hat, in 24 Stunden 2 Kilo Muskelfleisch zerstören und ebenso wieder aufbauen soll, also ein remue-menage von 4 Kilo Fleisch, von dem 10. Theile seines ganzen Körpers, vornehmen soll zur Strafe für eine gute Mahlzeit, während er zu anderer Zeit bei einem „frohmüthi- gen 24stündigen Fasten“ nach dem Ausdrucke des Gesundheitspro- pheten ‚Ernst Mahner, nur 80 Grm. Fleisch, also 50mal we- niger umzubauen braucht! Dürfte das nicht ein Fingerzeig sein, dass ein grundgütiger Gott die Sache weise eingerichtet hat? Wie gesagt, die Zumuthung war zu stark! Denn rechnen wir nur, dass das Fleisch eines Hundes die Hälfte seines Körpergewichts beträgt, so bekommen wir als Resultat der B.-V.’schen Ansicht, dass 532 ein Hund von 40 Kilo bei einer Nahrung von 2 Kilo täglich in zehn Tagen seine ganze Muskulatur einreissen müsste, um sie in derselben Zeit wieder aufzubauen ! Solehen Schlüssen haben nun die Verfasser durch die Erfindung, des flüssigen Fleisches glücklich vorgebeugt. „Es spricht sehr gegen „die Wahrscheinlichkeit, dass die Bedingungen zur Darstellung, des „Harnstoffes aus dem Eiweiss im Blute gegeben sind, wo höchstens „die Bedingungen zu einem einfachen Oxydationsprocess vorhan- „den sind.“ Woher das die Verfasser wissen, ist uns unbekannt — uns scheint es, als sei es mehr als verwegen, einer so mannigfachen und chemisch so wenig. bekannten Flüssigkeit, wie das Blut, gegenüber behaupten zu wollen, dass dort nur „einfache Oxydationsprocesse“ existiren können. Aber gesetzt auch, das wäre so der Fall, so stehen wir hier plötz- lich vor einem noch grösseren Wunder. Kaum ist das Eiweiss aus den Capillargefässen heraus, kaum „durchsetzt es in flüssiger Form die Organe“ so hat es die Fähigkeit, sich in Harnstoff umzusetzen. Es braucht nicht „fest und geformt“ zu werden, es braucht nur aus dem Blute heraus zu kommen, um fähig zu werden, an den Symposien Sr. Majestät Harnstoff I. Theil zu nehmen. Im plebeischen Blutstrom, der Alles aufnimmt, ist es unfähig, an der Umsetzung, Theil zu nehmen — sobald es seinen Austritt genommen, wird es hoffähig! Warum das so ist? Weil eben im Blute nichts vorgehen darf! Und warum nicht? Ja weil der Harnstoff das Mass des umgesetzten Fleisches ist! Woher wissen Sie das? „Von Wissen ist dabei frei- lich nicht die Rede“, sagen die Verfasser. Ein wahres Wort! Betrachten wir aber die obengegebene, aus den B.-V.’schen Zahlen selbst entnommene Tabelle, so sehen wir, dass die Mittelzahl, bei wel- cher abgesonderter und berechneter Harnstoff sich so ziemlich balan- ciren und der Hund etwa stationär bleibt, je nach den verschiedenen Nahrungsmitteln sehr verschieden ist. Bei reiner Fleischnahrung, ist sie am höchsten, sinkt bei Fleisch und Fett, Fleisch und Zucker, Fleisch, Fett und Stärke und am meisten bei Brod — mit anderen Worten, diese Gleichgewichtszahl nimmt um so mehr zu, je stickstoffreicher die Nahrung, ist. 533 Es sollte uns dünken, als läge hierin ein überzeugender Beweis für die Richtigkeit der Annahme einer doppelten Harnstoffquelle. Die constante, aus dem Umsatze der Gewebe sprudelnde liefert, wie es scheint, nur eine verhältnissmässig geringe Menge Harnstoff — die weit grössere Menge wird unmittelbar aus den Stickstoffsubstanzen des Blutes gebildet. Je mehr Substanzen dieser Art zugeführt werden, desto mehr Harnstoff wird abgeschieden, bis endlich eine Grenze ein- tritt, wo das höchste Mass der Harnstoffbildung im Blute erreicht ist. Wollte man die B.-V.'sche Erklärung annehmen, so müsste der Hund um so mehr umsetzen, jemehr er frisst und um so mehr innere Arbeit leisten, da ja die Harnstoffsekretion im Verhältniss zur inneren Arbeit steht und deren Product ist. Der Hund, ein Fleischfresser, müsste demnach um so mehr innere Arbeit leisten, je adäquater seiner Natur das Futter ist — er müsste etwa 4mal mehr Kraft aufwenden, um Fleisch, auf das ihn die Natur angewiesen hat, bewältigen zu kön- nen, als er nöthig hätte, um Brod zu verdauen, das ihm die Civili- sation gegen seine Natur aufdringt. Kurz, wir kämen wirklich zu dem Schlusse, den der fromme Rougemont vortrug, dass der Hund anfänglich Pflanzenfresser gewesen sei, dass ihm aber zur Strafe seiner Sünden nach dem Sündenfalle die Fleischzähne gewachsen seien, welche eigentlich mit seiner innersten Natur in Widerspruch ständen! Der Glaubenssatz und seine Begründung. „Die Basis unserer und aller Untersuchungen auf diesem Wege „bilden bis jetzt die beiden Sätze, dass einmal der Harnstoff nur ein „Umsetzungsproduet der stickstoffhaltigen Körperbestandtheile, nie „blosses Oxydationsproduet des Eiweisses im Blute ist und zweitens, „dass aller Stickstoff der umgesetzten Körperbestandtheile wenigstens „zum bei weitem grössten Theile und etwa unter Berücksichtigung des „Stickstoffes in den Fäces, als Harnstoff ausgeschieden wird. Wer diese „beiden Sätze nicht anerkennt, und wo sie nicht fest gestellt sind, der „mag sich aller Untersuchungen dieser Art enthalten.“ Wenn man diesen Satz, allgemeiner gefasst, mit grossen Buch- 994 staben über dem Thorbogen des Münchener physiologischen Instituts oder sonst da, wo Herr Bischoff als wissenschaftlicher Papst herrscht, befestigte, nähme sich das nicht gut aus? Wef unsere Sätze nicht anerkennt, mag sich aller Untersuchungen enthalten ! Aus der Untersuchung soll also nieht der Satz hervorgehen, son- dern der Satz muss anerkannt werden, ehe man die Untersuchung be- ginnt! Niemand darf katholische Theologie treiben, der den durch Pius IX. sanetionirten Satz der unbefleckten Empfängniss der Mutter der heili- gen Jungfrau nicht anerkennt; Niemand darf Physiologie treiben, der nicht zum Bischoff’schen umgesetzten Harnstoff schwört. Bisher war der Gang der exacten und physikalischen Wissen- schaften ein anderer. Man legte sich eine Frage vor — man unter- suchte — man fand ein Resultat: das, sagte man dann, habe ich gefun- den — wer davon nicht überzeugt ist, der lese mein Buch, mache meine Versuche nach, verbessere ihre Fehler, wenn welche sind, oder bestätige mein Resultat ! Herr Bischoff macht es wie der Papst. Das, sagt er, ist mein Satz. Wer ihn nicht glaubt, der enthalte sich jeder Untersuchung — er ist ein Ketzer! Wer Untersuchungen machen will, der glaube vor- her! Der Ketzer aber — anathema sit! In einem Punkte hat der Schreiber dieses Satzes (und nur Herr Bischoff kann dies sein) vollkommen Recht: Wer den Satz nicht glaubt, der wird auch in alle Ewigkeit durch die B.-V.’schen Sätze nicht überzeugt werden — so gut wie der Ketzer, der an die Par- thenogenese unter Menschen nicht glaubt, auch von dem Satze Pius IX. sich nicht bekehren wird lassen. Hoffentlich aber wird sich noch ein Echo in den deutschen wis- senschaftlichen Wäldern finden, wenn man die Stimme gegen solches Gebahren erhebt. Die Tendenz zu demselben gibt sich überall von Zeit zu Zeit kund. Es gibt unter den Naturforschern, wie unter allen übrigen Menschenkindern, unfreie Creaturen, die ihre eigene Unfreiheit in die Wissenschaft übertragen und dort durch ihre Stellung imponiren und 535 befehlen möchten. Ihnen gilt das Resultat nicht als solches, sondern nur in so weit, als es von der Autorität gedeckt wird und so wie sie vor einer höher stehenden Autorität sich beugen, so verlangen sie, dass ringsum Alles schweige und sich vor ihrem Ausspruche neige. In allen Zweigen der Wissenschaft haben diese Päpste unendlichen Schaden gestiftet, indem sie jede Bestrebung in einer von ihnen nicht gebilligten Richtung nicht nur nicht unterstützten, sondern verfolgten und die Betreffenden, soweit es in ihren Kräften stand, zu zwingen "suchten, sich „aller Untersuchungen der Art zu enthalten.“ Es ist meines Berufes nicht, mich viel darum zukümmern, ob Hr. B. und V. Hunde füttern und wiegen. Vielleicht hätte ich ihre Re- sultate ohne tiefer eingehende Kritik, stillschweigend hingenommen und geblendet durch die langen Versuchsreihen, das Resultat acceptirt, ohne den Weg zu untersuchen, auf dem es gewonnen wurde. Haben dies ja doch auch andere gethan, die durch Stellung und Beschäftigung weit mehr als ich, auf Kritik angewiesen waren. Aber als ich diesen Satz las, in welchem mir der Glaube von vorne herein aufgebürdet werden sollte, als ich hier ersah, wie sich der wissenschaftliche Papismus wieder aufblähte, da empörte sich das Bewusstsein, dass wir auch ohne Glau- ben noch Untersuchungen machen dürfen und dass wir in der Wis- senschaft keiner infalliblen Autorität unterworfen sind. Ich sagte mir, dass derjenige, der selbst nicht in der Stellung ist, Untersuchungen zu machen, doch das Recht hat, den Massstab der Kritik an den Un- tersuchungen Anderer zu üben. Man befiehlt dir, zu glauben, sagte ich zu mir — lass sehen, ob du musst! Und je mehr ich sah, desto weniger musste ich. Ich sah sogleich, dass die Rechnungen auf jenes berühmte Rechen- Exempel hinausliefen, welches Arago einst den Candidaten zur poly- technischen Schule vorlegte. Die Länge des Kieles, der Tonnengehalt des Schiffes, die Höhe des Mastbaumes sind bekannt — wie alt ist der Capitän? — Einige setzten sich hin und rechneten, dass ihnen der Schweiss von der Stirne troff — Andere warfen den Kopf in die Höhe und erklärten, die Frage sei stupid. Diese nahm Arago auf. Ich glaube im Vorstehenden den Beweis geliefert zu haben, dass die Herren B. und V. eine Frage berechnet haben, die der Arago- 536 schen ähnlich sieht, wie ein Ei dem andern. Ich habe den Beweis geliefert, dass ihre Frage jede Antwort zulässt, also keiner Anwort fähig ist. Es ist nicht möglich, aus der Bestimmung der Einnahmen, der greifbaren Ausgaben und des Körpergewichts die relative Menge der Perspirations-Produkte und den innern Stoffwechsel zu berechnen. Anderes aber, als obige drei Factoren haben die Hrn. B. und V. nicht bestimmt. Die vermittelnden Glaubenssätze, durch welche die Verfasser zu dem ketzer-verdammenden Hauptsatze gekommen sind, lassen sich nun folgendermassen resumiren. „Das Fett und die ihm verwandten organischen Marterien dienen zuletzt, bei ihrer Umsetzung, nur zur Wärmebildung.“ „Es ist unmöglich, dass der Sauerstoff allein die Umsetzung der stiekstoffhaltigen Marterien bewirkt.“ „Die Umsetzung der stickstoffhaltigen Marterien bringt die Bewe- gungskraft hervor, welche zu jenen (inneren) Bewegungen nöthig ist, die bei der Auflösung, Resorption, Cireulation und Athmung der Nah- rungsmittel und des Blutes erforderlich sind.“ „Die willkührlichen , durch die Nerven bedingten Bewegungen gehen ebenfalls aus dem Umsatze der stickstoffhaltigen Substanzen her- vor. Wenn die zu den umunterbrochenen inneren Bewegungen nöthige Kraft nicht mangeln soll, so muss die Umsetzung der betreffenden Kör- perbestandtheile, also auch der Verbrauch derselben oder des Ersatz- materials, um eben so viel gesteigert werden. Alle diese Glaubenssätze aus der „Harnstoff-Bibel“ sind ebenso wenig bewiesen, als der Satz, dass der Teufel umhergehe, wie ein brüllender Löwe und suche, wen er verschlinge. Sie gehen nicht als zwingende Schlussfolgerung aus den gewonnenen Resultaten hervor — sie sind im Gegentheile apioristische Axiome, die gar nieht bewiesen, sondern geglaubt werden sollen. Aber sie sind nichts desto weniger die vermittelnden Uebergänge zu dem letzten Ketzersatze und wer sie nicht annimmt, kann auch diesen letzteren nicht glauben. Wer an die unbefleckte Empfängniss der Mutter glaubt, muss auch an diejenige der Jungfrau selbst glauben. Bewegung, (innere und äussere) ist das Produet der Umsetzung 537 der stickstoffhaltigen, Harnstoff liefernden Substanzen. Bei gleich blei- bender innerer Bewegung muss äussere willkührliche Bewegung mehr Umsatz bedingen, mehr Harnstoff erzeugen, mehr Ersatz in den Nah- rungsmitteln verlangen. Nur wenn dieses wahr ist, kann auch der Satz wahr sein, dass der Harnstoff nur ein Umsetzungsproduet der stickstoffhaltigen Körperbestandtheile ist. Der B.-V.'sche Versuchshund blieb aber stets in denselben äusseren Verhältnissen. Er machte einen Tag, wie den andern etwa dieselben Bewegungen, brauchte dazu etwa gleich viel Kraft, gleich viel Stick- stoff, gleich viel Harnstoff. Der Satz, mit dem das ganze Gebäude steht oder fällt, steht unbewiesen da. Aber Bischoff befiehlt: Glaub’ Physiologe oder stirb! Der Sturz der neuen Harnstoff-Religion durch ihre eigenen Jünger. Der Glaubenssatz, dass Arbeit den Umsatz und damit die Harn- stoffbildung vermehre, ist, wie wir oben sahen, der Eckpfeiler, auf dem der Tempel der neuen Religion steht. Kein Schatten eines Beweises liess sich für diesen Satz finden — den positiven Autoren die man ci- tirt, stehen ebenso viel negative entgegen, die keine Vermehrung nach Muskelbewegung gefunden haben wollen. Aber das Thier muss bei Arbeit mehr Harnstoff absondern. „Kind“, sagte ein Geheimer Medieinalrath zu einem kranken Mäd- chen, „Kind, du hast wohl kalte Füsse, wenn du dich zu Bette legst ?“ Kalte Füsse — nein! „Besinn’ dich, du hast gewiss kalte Füsse!“ Aber gewiss nicht, Herr Medieinalrath! „Dummes Ding! Du musst kalte Füsse haben,“ donnerte der Me- dieinalrath und gab ihr eine Ohrfeige. Nero! sagten die Hrn. Bischoff und Voit zu ihrem Hunde, Nero, du musst mehr Harnstoff absondern ! Und sie sperrten ihn in ein Laufrad, liessen ihn darin Arbeit ver- richten, bedeutende Arbeit, sehr bedeutende Arbeit, liessen ihn hun- gern, mässig und viel fressen und ceontrollirten, Der Hund aber war hartnäckig und halsstarrig. Die Verfasser 538 kamen „zu dem ganz unerwarteten und überraschenden Resultat“, dass der Hund bei der Arbeit nicht mehr Harnstoff absonderte, als beim Faullenzen und Hr. Bischoff zeigte dies am 9. Juni 1860 der stau- nenden Akademie der Wissenschaften in München an. Triumphirend — denn unterdessen hatte Hr. Dr. Voit „das „Räthsel der Ermüdung und Erschöpfung bei einer Arbeit gelöst.“ Vielleicht hätte Hr. Bischoff besser gethan, hier jene reservatio anzubringen, die so schön auf S. 32 der Einleitung der Harnstoffbibel gegeben ist, dass wir nicht umhin können, sie hier zu wiederholen. Wir zweifeln zwar nicht, dass es Hunde gibt, bei welchen dieses „nicht der Fall ist, sondern bei welchen wirklich ein Theil des Harn- „stoffes sich noch im Blute oder in der Harnblase umsetzt und so ver- „loren geht. Es ist möglich, dass dieses bei anderen Thieren, viel- „leicht selbst bei Menschen immer der Fall ist.“ Wenn es also Hunde gibt, die das Unmögliche möglich machen, wenn es Hunde gibt, die Harnstoff im Blut umsetzen und andere, die es nicht thun — warum sollte es nicht Hunde geben, die bei Arbeit mehr Harnstoff produeiren und andere, die es nieht thun? Kann es nicht Hunde geben, die gläubig sind im Punkte des Umsatzes und ungläubig im Punkte der Arbeit? Nero kann den Glauben an den Harnstoff-Umsatz bis zum Fanatismus treiben, aber in Beziehung auf Arbeit ein heimlicher Sectirer und Faulheitsträppeler *) sein! Aber Nero ist nun einmal der Normalhund, der Hund aller Hunde — also muss die Religion auf andere Weise gestützt werden. Die ganze Bibel ist durch das infame Laufrad aufgehoben, zerrissen, in die Winde zerstreut worden — Samiel hilf! Wenn man eine Religion nicht mehr auf andere Weise halten kann, so schiebt man ihr einige Wunder unter den Dreifuss und setzt dabei: Credo, guia absurdum ! Hr. Dr. Voit hat die Wunderfahne gestickt und der Bischoff der neuen Religion, ein Tedeum singend, dieselbe in Procession dem Münchener Capitel vorgetragen. Das Wunder heisst: Bleetrieität. In der Medicin heisst's Magne- tismus, Mesmerismus, Somnambulismus, Spiritualismus, Humeismus. *) In Bern nennt das Volk die Pietisten „Gottesträppeler.* 539 In der Physiologie heisst es jetzt Eleetrieität und löst nach Hrn. Bischoff’s Versicherung „das letzte Räthsel.* In der That, da die willkührliche Bewegungskraft nicht aus dem Umsatz der Muskelsubstanz fliessen kann, da dieser Umsatz Harnstoff absondern müsste und der Harnstoff nicht kommen will, so muss eine andere Kraft gesucht werden. Die Wärme kann sich nicht im thierischen Körper in Bewegungs- effekte umsetzen. Das Fett wäre ja in diesem Falle die bewegende Substanz, da das Fett die Wärme liefert. Es müsste ein Thier um so mehr arbeiten können, je fetter es ist. - Also: Eine Kraft, eine Kraft! Ein physiologischer Lehrstuhl für eine Kraft! Hr. Bischoff und Hr. Voit „sehen sich im Thierkörper nach anderen Kraftquellen“ um, stumm, ringsum! Anfangs sehen sie Nichts. Dann aber geht es ihnen wie dem königlich preussischen Hauptmann bei der Musterung: da hinten sehe ich Einen, den ich nicht sehe! Sie sehen die Electrieität ! Wir glauben, es könnte auch das Licht sein, das im Innern des Körpers eingeschlossene, unsichtbare Licht, welches vielleicht zu Be- wegungseffecten umgesetzt werden könnte, während es jetzt doch nur dazu verwandt wird, heimliche Curven im Thierkörper zu photogra- phiren, die beständig durch den Umsatz wieder ausgewischt werden. Wärme setzt sich in Licht um — warum sollte sich nicht Licht und besonders unsichtbares, „sich in sich selbst verzehrendes zur Erhaltung der Stellung der Molekule verbrauchtes“ Licht in Bewegung umsetzen ? Bevor freilich diese unsere lichte Theorie „durch Massbestimmungen bestätigt werden kann, müssten das Licht- Aequivalent des Eiweisses und das mechanische Aequivalent des Lichtes genauer festgestellt sein, wozu uns Physik und Chemie augenblicklich eben so wenig Aussicht gewähren“ als sie Hrn. Bischoff zur „Feststellung des elektrischen Aequivalentes des Eiweisses und des mechanischen Aequivalentes der Eleetrieität bieten.“ Wir bleiben also bei der Eleectrieität. Nach der Theorie des Hrn. Voit, die nach Hrn. Bischoff das Räthsel löst, entwickelt sich bei der Ernährung der Nerven und Mus- 540 keln ununterbrochen Eleetrieität, die bei Erregung sich in Bewegung umsetzt. In den Nerven tritt diese Erregung nicht äusserlich sichtbar hervor — in den Muskeln äussert sie sich durch mechanische Zusam- menziehung. Diese Electrieität speichert sich auf. Wird ein Thier schlecht er- nährt, so speichert es wenig, wird es gut ernährt, so speichert es viel auf. Das Electrieitätsmagazin kann verbraucht werden, „ohne dass im „Momente seiner Verwendung eine Umsetzung der Muskel und Ner- „vensubstanz erforderlich ist.“ Geschieht dies, ist das Magazin erschöpft, so ist auch das Thier erschöpft und ermüdet, es muss so lange warten, bis das Magazin wie- der gefüllt ist. Die Lösung des Räthsels liegt also in der Herstellung eines Elee- trieitäts--Magazins. Wir können uns nun nicht mehr wundern, warum bei gut genährten Katzen die Haare im Dunkeln Funken geben beim Streicheln; — das Magazin ist überfüllt. Das Kameel trägt nach dem Studentenliede ein Fass im Bauch daher — der Mensch einen mit Eleetrieität gefüllten Harzkuchen. Die Nerven sind der Fuchssehwanz, womit der Kuchen gepeitscht wird. Das Thier muss fressen, um durch’ den Stoffwechsel die verwend- bare Electrieität wieder zu ersetzen, das Magazin zu füllen. Wir essen also nicht um Stoff zu erhalten, sondern um Eleetri- eität anzusetzen. Ein mit Siegellack und seidenen Lappen gespeister Mensch müsste eine fürchterliche Thätigkeit entwickeln. Essen steigert den Stoffumsatz, steigert die Eleetricitäts-Entwick- lung, überfüllt am Ende das Magazin. Ein ruhender Mensch, der isst, begeht das Verbrechen einer Luxusconsumtion von Electri- eität. So hätten denn die Herren B. und V. jene schändliche Luxus- eonsumtion die sie in Gestalt von Eiweiss mit einem Fusstritte zur Thüre hinausgeworfen haben, als Electrieität wieder zum Fenster hin- eingeschoben ! Ein gewisser Vorrath von Electrieität ist immer vorhanden. Der Verbrauch dieser Electrieität zu Bewegungen darf nicht grösser sein 541 als der Vorrath und die Erzeugung. Ist er grösser, so tritt die Un- möglichkeit zu Bewegungen ein. “ Da der Vorrath vorhanden ist, so kann in der Zeit eine Arbeit durch seinen Verbrauch geleistet werden, ohne dass gesteigerte Elec- trieitätsentwicklung, d. h. Fleischumsatz nöthig ist. Das sind die Hauptsätze dieser neuen „Theorie, welche ebenso „wohl mit den alten Thatsachen der Erfahrung als mit den Ergebnissen „sorgfältiger experimenteller Forschung in dem besten Einklange steht „und also wohlbegründet erachtet werden kann.“ Die neue Eleetrieitäts- Theorie wird auf Du Bois-Reymond’s ruhenden Nerven- und Muskelstrom basirt und gewissermassen, als ein Ausfluss jener „ausgezeichneten Untersuchungen“ bezeichnet, mit denen man bisher eigentlich nichts Rechtes anzufangen wusste. Es wird ohne Zweifel Hr. Du Bois äusserst schmeichelhaft sein, zu erfahren, dass es der Herren B. und V. bedurfte, um seine Resultate erst recht an- wendbar zu machen. Es wird wohl vielen Physiologen gehen, wie den Franzosen, als Hr. Strosslmayr, wenn ich nieht irre, ein Concert in Paris geben wollte. Kein Mensch konnte den Namen aussprechen; — Kein Mensch ging in das Concert des unnennbaren Virtuosen. Auf dem zweiten Concertzettel stand: StrossIm®#yr (prononcez: Richard). Alle Welt ging in das Concert des Hrn. Riehard. Eleetrieität ist gedruckt — prononcez: Eiweiss und Alles ist klar. Wir wollen die Uebersetzung versuchen. Nach unserer Annahme werden bei der Einährung Eiweisskörper der Nahrung entnommen. Ein Theil dieser Eiweisskörper wird zum Umsatz der (gewebe benutzt, ein anderer Theil speichert sich im Blute auf. Wird ein Thier schlecht ernährt, so speichert es wenig, wird es gut ernährt, so speichert es viel auf. Dies Eiweissmagazin kann in Harnstoff umgesetzt werden, ohne dass dazu eine Umsetzung der Muskel- und Nervensubstanz erforder- lich ist. Bewegt sich das Thier, so setzt sieh mehr Muskelfleisch um und erzeugt mehr Harnstoff. Der Verlust wird durch die Eiweisskörper des Blutes gedeckt, die Fleisch-Ansatz erzeugen. MOLESCHOTT, Untersuchungen. VIEL 37 542 - Ist der Verbrauch grösser als die Deckung, so ist das Thier er- schöpft und ermüdet; — es myss so lange warten , bis sein Verlust gedeckt ist. Das Thier muss also fressen, um durch den Stoffwechsel die ab- genutzte Substanz zu decken. Ein gewisser Vorrath von Eiweisskörpern im Blute ist immer vor- handen. Durch seinen Verbrauch zum Ersatz kann in der Zeit eine Arbeit geleistet werden, ohne dass deshalb gleich neue Zufuhr nö- thig. ist. Und so weiter mit Grazie in infinitum ! Es ist ein alter Satz in den exacten Wissenschaften, dass eine unnöthige Hypothese auch unnütz und werthlos ist. Wir bewiesen oben, dass aus den B.-V.’schen Untersuchungen selbst die Annahme einer doppelten Harnstoffquelle mit zwingender Nothwendigkeit hervorgeht. Man braucht nur diese anzunehmen und . die Räthsel sind ohne den deus ex machina electrica vollkommen gelöst. Aber ehe die Verfasser dieses annehmen, stürzen sie lieber ihr ganzes Gebäude um. Wir können ihnen das nicht verwehren — es gehört ihnen allen — kein Mensch sonst hat Theil daran. „Machet es damit, wie Ihr wollt, Jungfer, die Sache ist Euer,“ sagte der Präsi- dent des Chorgerichts. Eine Frage aber können wir nicht unterdrücken, ‚Den Hrn. B. und V. zu Folge entspricht die Menge des Harn- stoffes genau der Menge des Umsatzes. Der Umsatz entspricht genau der Kraft, welche zur Bewältigung der Nahrungsmittel nöthig_ ist. Wenn der Hund 1 Kilo Fleisch frisst, so muss er dafür 1 Kilo seines Körperfleisches zersetzen, um aus diesem die genau entsprechende Menge Harnstoff zu erzeugen und durch den Umsatz die entsprechende Kraft zu den inneren Bewegungen zu entwickeln. Wenn das richtig ist, so fragt man mit Recht: Wo kommt denn die Aufspeicherung von Electrieität her? Die in Muskeln und Nerven beständig erzeugte Electrieität wird doch nur durch den beständigen Umsatz erzeugt. Da aber, den Ver- fassern zu Folge, der Umsatz der innern Bewegungskraft gleich ist, 543 so muss sich ja alle durch den Umsatz erzeugte Electrieität beständig in innere Bewegung umsetzen. Es kann also niehts davon aufgespei- chert werden, denn was erzeugt wird, muss sogleich in Bewegung umgesetzt werden und diese wird als innere Bewegung verbraucht, so dass nichts davon übrig bleibt. Wäre dies nicht, so könnte die Nah- rung nicht bewältigt werden. Die innere Bewegung müsste also sistirt werden, so lange die Electrieität zu willkührlicher Bewegung verwandt wird. Dass dies nicht der Fall i ‚Ist, dass im Gegentheile willkührliche Bewegung auch die vegetative Bewegung, Athmen, Herzschlag ete. vermehrt, weiss jedes Kind. w Entweder müsste also die Eleetrieität für die innere Bewegung ein anderes mechanisches Aequivalent haben, als die für willkührliche, oder es müsste die innere Bewegung nicht aus Umsetzung von Elec- trieität entstehen, also total anderer Natur sein. Oder endlich müsste der Fundamentalsatz falsch sein, und der Harnstoff nicht nur ein Umsetzungsproduet der Gewebe, sondern auch der direkten Umsetzung der durch die Nahrung gelieferten Eiweiss- körper im Blute sein. ' So schlägt denn auch hier wieder die Theorie der Rlectrieitäts- speichen den eigenen Resultaten in's Gesicht und führt mit verzweifel- ter Consequenz direet zu dem Satze den man bekiimpfen zu müssen glaubte. „Immer entsprach die ausgeschiedene Harnstoffmenge dem Pro- dukt aus der sich umsetzenden Masse des Thieres und der in der Nahrung gebotenen Menge Eiweiss.“ „So lange das Thier lebt, wird eine gewisse Arbeit in seinem Kör- per verrichtet, die sich zum Mindesten in zahlreichen inneren Bewe- gungsphänomenen kund gibt, bei denen eine gewisse Kraft verbraucht wird. Wo soll sie herkommen? Sie kann allein in Verbrauch seiner stickstoffhaltigen Körpertheile frei werden und das Product der Um- setzung letzterer ist eben der Harnstoff.“ „Kaum hatte der Hund Fleisch angesetzt, so vermehrte sich als- bald die Menge des Harnstoffes wieder, weil sich nun die sich um- setzende Körpermasse des Thieres vergrössert hatte.“ 37*+ 544 Wer die drei Sätze mit einer Aufspeicherung von Kraft (Electri- eität — Kraft — Bewegung) zusammenreimen kann, hat wahrlich aus Häckerling Gold schon gemacht. Herstellung der Harnstoff - Religion jjurch den Ungläubigen. „Durch sehr bedeutende Arbeit wird die Harnstoffabscheidung weder beim Hungern, noch bei genügender Bleischuafihug, vermehrt.“ So lautete der Satz, mit welchem Hr. Bischoff i in Folge der neuen Untersuchungen des Hrn. Dr. Voit das Funda ent des Tem- pels umstürzte und welchen er in der Sitzung der Akademie be- gründete. Wir mussten glauben, um so mehr, als dieser Satz dem früher befohlenen diametral entgegen stand. Unterdessen kamen uns die „Untersuchungen über den Einfluss „des Kochsalzes, des Kaffees und der Muskelbewegungen auf den Stoff- „wechsel von Dr. C. Voit“ zu* Wir stürzten darauf zu, wie der "Hungernde auf ein frisches Bröd® chen — wir verschlangen mit den Augen den 3. Abschnitt „Wirkung der Bewegung“, wo wir die gewogenen und gemessenen Resultate der Versuche fanden, wir sahen die Reihen auf und ab, ab und auf, hin und her, her und hin — es wurde uns weich zu Muthe wie in einem Fröbel’schen Kindergarten — aber mein Himmel! Die Zahlen sa- gen ja das gerade Gegentheil! Wahrlich so ist's, es ist wirklich so! Da steht es geschrieben ! Arbeit befördert die Harnstoff-Absonderung. Wir wollen diese freche Behauptung aus den V oit’schen Zahlen nachweisen. Voit liess den Hund zweimal hungern, einmal 5 Tage, das zweite Mal 9 Tage, nach gewöhnlicher Futterperiode. Beidemal war er etwa gleich schwer. In der ersten Reihe faullenzte ‘der Hund am 1., 3. und 5. Tage, arbeitete am 2. und 4.; — in der zweiten arbeitete er am 4., 5. und 6. Tage, ruhte aber an den übrigen. Sodann wurde der Hund während 23 Tagen mit je 1500 Grm. 545 Fleisch gefüttert und zweimal, vom 11. bis 13. und vom 17. bis 19. im Laufrade zur Arbeit angehalten, das erste Mal bei vollem, das an- dere Mal bei leerem Magen. Diese vier Versuchsreihen berechnet nun Hr. Voit selbst folgen- dermassen:: Harnstoff im Mittel. „(Ohne Lanten 1...» 14,3 Differenz a ngereib2, \ eristanten ee 16,6 Ohne Laufen ...... 11,9 (eorrigirte Mittelzahl 10,88) Zweite Hungerreihe Mit Laufen ....... A232 20.2. 0A Ohne Laufen ...... 10,9 2 Ohne Laufen ...... 109,8 ER re Ben Le 172...2.74 ee 109,9 Zweite Futterreihe Mit-Laufen wie w..0 114,1... + 3,5 mit leerem Magen ! Ohne Laufen ...... 110,6. Obgleich die Differenz auch beim Hungern in die Augen sprin- gend ist, so setze ich dieselbe von der ersten Hungerreihe nicht hier an, weil, wie Hr. V oit selbst zugesteht, diese Reihe in sich fehlerhaft ist. Die zweite Hungerreihe ist aber einer Discussion werth, da sie in drei gleichmässige Perioden von drei Tagen zerfällt. Rechnet man, wie auch Hr. V’oit selbst sagt, den ersten Tag wegen der vorigen hineinspielenden Futterperiode ab, so erhält man die corrigirte Mittelzahl 10,88 — also 1,45 Grm. Harnstoff für den Tag Arbeit mehr. Das scheint wohl eine sehr geringe Zahl — die Vermehrung ist aber doch bedeutend, denn sie beträgt 13 Procent; — 10,88 : 12,33 — 100,0 : 113,3. Da aber beim Hungern das Körpergewicht und mit ihm die ab- gesonderte Harnstoffimenge stets abnimmt, so könnte man auch durch Interpolation annähernd die Harnstoffmenge berechnen, welche das Thier ohne Arbeit in den drei mittleren Hungertagen hätte geben sollen — man fände dann die Zahl 11,4 die eine Differenz von 0,9 Grm. ergeben würde. Wollte man endlich die während jeder ' Periode eonstatirte Gewichtsabnahme mit dem Harnstoffquantum in Zusammen- hang bringen, so ergeben sich folgende Zahlen. 546 Gewichtsabnahme Harnstoffmenge Verhältniss Obne#Banfen = 21a. 229... AI ‚- 100 : 2,31 Mit ME N 12,3 100 : 3,84 N DIET 100 : 3,20. Wie man also auch die Sache ansehen mag, es findet eine Ver- mehrung der Harnstoffproduetion durch die Arbeit statt, die nach Hrn. Voit's eigener Angabe, beim Hungern etwa 13 Procent beträgt. Bei vollem Magen beträgt die Differenz 7,4 Grm. Die Proportion ist 109,8 : 117,2 also wie 100 : 106,7. Bei leerem Magen 110,6 : 114,1 — 100 : 103,1. Bei genügendem Fressen ist also die proportionelle Harnstoft-Ver- mehrung geringer als beim Hungern — bei leerem Magen geringer als bei vollem. Die Stufenfolge ist 13,3; 6,7; 3,1 Procent. Vermehrung ist also in jedem Falle vorhanden. Wie aber erklärt sich Hr. Voit die Sache? „Ich hatte mir gedacht, es müsste wenigstens beim Hunger, wo „gerade nur das Aeusserste an Eiweiss zersetzt wird, nicht mehr Kraft „ausser der Wärme verfügbar werden als unumgänglich für die Bedürf- „nisse des Lebens während der Ruhe nothwendig ist und deshalb bei „einer weiteren körperlichen Anstrengung von einer die mechanischen „übrigen Bewegungen im Körper übertreffenden Grösse viel mehr, „doppelt und dreifach so viel Eiweiss der Zersetzung anheimfallen. Dem „war aber nicht so, beim Hunger ist die Differenz kaum nachweisbar, „bei reichlicher Fleischnahrung nur unbedeutend grösser.“ Durch die einfache Zurückführung auf gleiche Verhältnisszahlen sieht man, dass dieser letztere Satz entschieden falsch ist — die durch die Arbeit bedingte Harnstoffvermehrung ist beim Hunger verhältniss- mässig bedeutend grösser als bei genügender Nahrung. Mit vollem Rechte sieht Hr. V oit seine „bisherigen Anschauun- gen über den Stoffverbrauch bei der Arbeit tief erschüttert.“ Statt aber dieselben in ihren Grundlagen anders zu gestalten, statt darüber nachzudenken, ob nicht der Glaubenssatz, dass der Harn- stoff nur vom Umsatze der Gewebe herrühre, „tief erschüttert“ sei, lässt Hr. Voit diesen unangetastet stehen und sucht nun zuerst nach- zuweisen, dass die bei der Arbeit „beobachtete geringe Vermehrung . 547 des Eiweissumsatzes nicht in der Arbeit, sondern in etwas Anderem ihre Quelle hat.“ Das Andere besteht nun in Wasserverdunstung durch Haut und Lungen, Wassersaufen, verstärkter Herz-und Athembewegungete. Als ob Alles dies nicht Folge der Arbeitsleistung wäre. Wenn Hr. Voit sagt der Hund zersetzte mehr Eiweiss, weil er mehr athmete, so ist es doch klar, dass er mehr athmete, weil er mehr arbeitete — dass er also mehr zersetzte, weil er mehr arbeitete, dass also die Vermeh- rung des Eiweissumsatzes in der Arbeit ihre Quelle hat. Oder athmet der Versuchshund etwa eine Viertelstunde bevor er in’s Laufrad geht stärker, um den Herzschlag und die Verdunstung zu bethätigen und sich die Lungen voll Luft zu pumpen, wie die Maikäfer, wenn sie fliegen wollen ? So kommt denn Hr. Voit durch eine Reihe von falschen Sehlüs- sen zu dem mit seinen Zahlen in direktem Widerspruche stehenden Satze: „Es wird nach starker Arbeit in 24 Stunden nicht mehr Ei- „weiss zum Zustandekommen der Arbeit zersetzt, wie in der Ruhe auch — „dies ist eine unbestreitbare Thatsache.“ Die Herren B. und V. haben das unbestreitbare Unglück, stets aus ihren unbestreitbaren Thatsachen die bestreitbarsten Schlüsse zu ziehen und stets das Gegentheil von dem zu behaupten, was der gesunde Menschenverstand daraus folgern muss. Wenn die unbestreitbare Thatsache richtig ist, so hat Hr. Voit allerdings Recht, wenn er behauptet, dass seine bisherigen Anschauun- gen völlig umgestürzt sind. Nichts desto weniger hält er die Anschauung fest, dass der Harn- stoff-Debit dem Muskelfleischverbrauch entspricht: „Unser Hund“, sagt er 8. 225, „hätte bei 1500 Grm. Fleischverbrauch keinesfalls vielmehr Radumgänge hervorgebracht, als er gethan hat, trotzdem treffen wir beim Hungern mit 200 Grm. Fleischumsatz beinahe ebenso viel Lei- stung.“ " Und er vergisst, dass durch Nichts und am Wenigsten durch ihn selbst, erwiesen ist, dass der 4500 Grm. Fleisch fressende Hund auch wirklich 1500 Grm. seines Körperfleisches umsetzt oder dass der hun- gernde Hund 200 Grm. seines Körperfleisches aufbraucht. Er vergisst, L 548 dass er selbst sogar später durch allerlei Betrachtungen, auf die wir nicht weiter eingehen wollen, zu der Behauptung gelangt, „dass nicht viel Eiweiss dazu gehört, um grosse mechanische Leistungen hervor- zubringen“, er vergisst, dass ein Thier Blut hat im Hunger und im genährten Zustande und dass in diesem Blute auch Eiweiss und Fa- serstoff und manche stickstoffhaltige Substanz sich noch befindet. So kommen denn jene tollen Sprünge der Phantasie, mit welchen. dem so jugendlichen Füllen des Stoffwechsels das Kreuz vollends ein- geritten wird, bis endlich das arme, zu Tode gehetzte Thier auf allen Vieren in den grossen elektrischen Stall sich hineinrettet — In den grossen Unsinns-Stall, Der bewohnt von Professoren. Wir können hier nicht umhin, darauf hinzudeuten, wie harmonisch sich die Widersprüche, welche das Schifflein des Harnstoffes unter der Steuerung der Hrn. B. und V. so bedenklich rüttelten, lösen, sobald man ihren Fundamentalsatz aufgibt und eine doppelte Harnstoffquelle annimmt, im Umsatz der Gewebe und im direkten Umsatz der im Blut existirenden stiekstoffhaltigen Substanzen. Die Umsatzquelle aus dem Fleische und den übrigen Geweben des Körpers ist die geringere, wie wir schon aus den früheren Versuchsreihen darthaten — sie wird gesteigert durch Arbeit und zwar, wie wir sahen, in nicht geringem Masse, da sie nach dreitägigem Hungern sich um 13 Procent wenig- stens erhöhte. — Wir sind indessen weit entfernt, behaupten zu wol- len, dass die nach dreitägigem Hungern abgesonderte Harnstoffmenge wirklich nur das Produkt des Umsatzes der stickstoffhaltigen Gewebe darstellt — wir vermuthen sogar, dass auch in dieser Menge noch zwei Grössen enthalten sind, die grössere freilich aus dem Umsatze der Ge- webe, die kleinere aus dem direkten Umsatz der Blutbestandtheile. Wir wiesen oben aus den Kothmanipulationen der Hrn. B. und V., aus den Kochsalzversuchen des Hrn. V. und seinen eigenen Worten nach, dass eine Fütterungsperiode noch wenigstens acht Tage lang nach ihrem Aufhören ihren Einfluss in der Oekonomie des Thieres geltend macht — ist es zu viel, anzunehmen, dass dieser Einfluss auch beim Hungern wenigstens eben so lange anhält? Es kann also selbst wäh- rend längeren Hungers noch immer durch directe Umbildung der 4 549 stickstofihaltigen Blutbestandtheile Harnstoff erzeugt und der durch Umsatz der Gewebe gebildeten Harnstoffmenge zugesetzt werden. Die Versuche geben begreiflicher Weise gar keinen Anhaltspunkt um entscheiden zu können, welches das Verhältniss zwischen den bei- den Faktoren des Harnstoffdebits an einem gegebenen Hungertage sei. Um dies Verhältniss nur annähernd bestimmen zu können, müss- ten uns viele Hungerreihen vorliegen, je nach verschiedenen länger dauernden Fütterungsperioden angestellt — so viele, dass durch die Zahl derselben die zufälligen Schwankungen auf ein Miniraum’ redu- eirt wären — wodurch man dann die Möglichkeit hätte, den Einfluss der vorgängigen Fütterungsperiode auf den Hunger mit grösserer Be- stimmtheit festzustellen. Erst wenn man solche Hungerreihen ohne Arbeit in grösster Zahl besässe, erst dann wäre es möglich, auch den Einfluss der Arbeit mit grösserer Bestimmmtheit festzustellen. Auch hier müssten aber noch viele Beobachtungen angestellt wer- den, um zu erörtern, ob die Arbeit nicht noch auf mehrere Tage hin- aus nachwirkt und den Umsatz, somit die Harnstoffbildung erhöht. Die Wahrscheinlichkeit spricht gewiss für diesen Umstand — gewiss darf man von vorne herein erwarten, dass mit dem Aufhören der Arbeit die Steigerung des Harnstoffdebits nicht augenblicklich aufhört, son- dern dass sie erst allmählich verschwindet, indem einerseits, wie ja auch die Respiration beweist, der Umsatz erst nach und nach wieder zum Normalmass zurückkehrt und anderseits der Harnstoff auch erst allmählig aus dem Blute abgesondert wird. Betrachten wir von diesen Gesichtspunkten aus die einzige ratio- nelle Hungerreihe mit Arbeit, die wir durch Dr. Voit besitzen, näm- lich die zweite, so ergiebt sich Folgendes. Körpergewicht. Abnahme. Wasser. Harnstoff. Arbeit. 33260 0 13,851 32630 630 0 11,554 32010 620 368 10,165 31640 370, 688 12,201 * 31340 300 328 12,155 + 30860 480 565 12,633 er 30610 250 88 11,304 30220 390 113 10,750 29870 350 175 10,628 29590 280 550 Während der ersten drei Ruhetage soff der Hund im Ganzen 368 Grm. Wasser, während der letzten 375 Grm., also fast gleichviel — er soff dagegen in den drei Arbeitstagen 1581 Grm., also mehr als viermal mehr — ein Beweis wie sehr die Athmung und damit das Bedürfniss nach Wasser zur Sättigung der Athemluft gesteigert war. Trotz dieser bedeutenden Wasserabnahme nimmt das Körpergewicht nur um wenig mehr ab während der drei Arbeitstage, nämlich um 1090 Grm. als während der folgenden drei Ruhetage, wo es um 1020 Grm. abnimmt. Der grössere Harnstoffdebit zeigt uns einen grösseren Umsatz der stickstoffhaltigen Körpergewebe an. Da wir nicht wissen, wie viel Kohlensäure und Wasser durch die Perspiration entfernt worden, indem dies Verhältniss trotz aller Con- trollen, wie oben nachgewiesen, nicht zu ermitteln ist, so können wir auch nicht wissen, wie viel des gesoffenen ‘Wassers am Ende der Ar- beit noch im Körper zurückgehalten war und wie viel Fleisch wirk- lich an der Umsetzung Antheil genommen. Aber wir können annähernde, wahrscheinliche Data erhalten. Am 9. Hungertage war der absolute Harnstoffdebit, trotz des sehr bedeu- tend abgenommenen Körpergewichtes, noch immer grösser, als am dritten Hungertage. Das Körpergewicht betrug am Anfange des drit- ten Hungertages 32010 Grm., der Debit von Harnstoff 10,165 Grm. 1 Kilo Hund debitirte also 3,17 Grm. Harnstoff. Wollte man dies Verhältniss als Massstab annehmen, so hätte am 9. Tage, wo der Hund nur noch 29870 Grm. Anfangsgewicht besass, derselbe nur 9,485 Grm. Harnstoff debitiren dürfen, während er in der That 10,628 Grm. de- bitirte, d. h. 3,56 Grm. Harnstoff per Kilo Körpergewicht. Am ersten Arbeitstage wog er aber 31640 Grm. und debitirte 12,201 Grm. Harn- stoff, also 3,81 Grm. per Kilo Körpergewicht. Man kann also aus dieser Betrachtung schliessen, dass die Arbeit die Harnstoffbildung vermehrte und noch am dritten Tage nach ihrem Aufhören ihre Nach- wirkung spüren liess. & Ich wiederhole es: ich weiss, dass diese Zahlen unrichtig sind indem ich nur die Anfangsgewichte des Körpers an dem Tage nahm und auch das Wasser nicht in Rechnung brachte — aber das letztere Moment könnte den Unterschied der Debitzahlen nur noch erhöhen, 551 < indem doch kein Mensch wird behaupten wollen, dass der Hund gar noch Fleisch oder Fett ansetzte, während er nur Wasser erhielt. Aber essollen diese Zahlen auch nur als Nachweis derWahrscheinlichkeit dienen, die ausden V.’schen Zahlen freilich nicht vollgültig bewiesen werden kann, dass die Arbeit den Umsatz so bethätigte, dass noch drei’ Tage nachher sowohl der absolute, als der proportionelle Harnstoffdebit grösser war, als vor der Arbeit im Beginn der Hungerperiode. Betrachten wir nun von der Grundlage der doppelten Harnstoff- quelle aus die beiden Fütterungsreihen mit Arbeit, die in eine zusammen- fallen, so fällt es leicht, die von Hrn. Voit so betonte, scheinbar ge- ringe Vermehrung des Harnstoffdebits bei genügender Ernährung zu erklären. Der Hund ist beim Beginn der Versuchsreihe, wo er täglich 1500 Grm. Fleisch enthält, etwa gleich schwer, wie beim Beginne des Hun- gers, hat also etwa gleichviel organisirtes Körperfleisch. Nehmen wir ferner an, der Harnstoffdebit des dritten Hungertages sei der Normalausdruck des Umsatzes dieser Quantität Körperfleisch — mit anderen Worten, der zwischen 32 und 33 Kilo schwere Hund de- bitire normal zwischen 10,15 und 10,36 Grm. Harnstoff 1). Er debitirt aber in Folge der stickstoffreichen ‘Nahrung 10mal mehr Harnstoff, denn das mittlere Körpergewicht während der 17 Ruhetage beträgt 32447 Grm. und der mittlere Harnstoffdebit 105,730 Grm. Harnstoff. Geht man von der obigen Grundzahl aus, so besteht diese Menge aus zwei Factoren, aus dem durch Umsatz der Gewebe gewonnenen Harnstoff, den wir, um einen kurzen Ausdruck zu haben, den Fleisch- harnstoff nennen wollen, und aus dem durch direeten Umsatz der Blut- bestandtheile gewonnenen Harnstoff, den wir den Blutharnstoff nennen wollen. \ N) Ich wiederhole hier, dass diese Zahlen unrichtig sind, dass der am dritten Hungertage debitirte Harnstoff noch immer das Resultat zweier Faktoren ist, dass also die Normalzahl des Harnstoffdebits für den Umsatz des Fleisches eines 32 Kilo schweren Hundes, aller Wahrscheinlichkeit zu Folge, geringer ist, als die angenommene Zahl, in welcher sich noch eine unbestimmbare Menge Blut-Harnstoff befindet, ” 552 DS Da der Hund 32,5 Kilo wiegt, so beträgt der Fleischharnstoft 10,3 Grm. — der Blutharnstoff 95,43 Grm. Die Arbeit beschlägt direct nur die kleinere Quelle, diejenige, aus welcher der Fleischharnstoff stammt. Ist es nun nicht klar, dass diese Quelle durch die Arbeit um 20, 30, 50 Procent gesteigert werden kann und dass diese Steigerung nichts desto weniger, eben der verhältnissmässigen Geringfügigkeit der Quelle wegen, in das Bereich der täglichen Schwankungen fallen kann ? Hr. Dr. Voit braucht sogar unsere Ansicht nieht im mindesten zu theilen und kann dennoch die geringe Vermehrung aus eigenen Theorieen zu erklären. Er braucht dazu nur auf die ihm zur Hälfte gehörige Erfindung des „flüssigen Fleisches“ zurückzugreifen. Dies oben charakterisirte flüssige Fleisch, das aus den Nahrungsmitteln her- vorgeht und mit dem Fleisch nur die Umsatzfähigkeit, nicht aber die Organisation gemein hat, dies flüssige Fleisch arbeitet ja nicht, zieht sich nicht zusammen, vollbringt keine mechanische Thätigkeit, verwen- det keine Kraft — die Vermehrung des Umsatzes kann also bei Ar- beit nicht dies flüssige Fleisch, sondern nur das organsirte betreffen, das auch beim Hunger einzig betroffen wird. Seine eigene Bemer- kung, dass der Hund beim Hungern fast eben so viel Radumgänge geleistet hatte, als bei geniigender Fütterung, hätte ihn dazu bringen müssen zu bedenken, dass auch nur das beim Hungern vorhandene Körperfleisch bei der Arbeit direkt interessirt sein könne. Wir kommen also nothgedrungen zu dem Schlusse, dass die durch Arbeit bedingte Harnstoffvermehrung bei starker Fleischnahrung so sehr verdeckt werden kann, dass sie innerhalb der Grenzen der ge- wöhnlichen Schwankungen fällt. Aber Herr Voit hat, wie wir oben sahen, in der That die Ver- mehrung constatirt — die Vermehrung ist grösser als im Hunger- zustande, bedeutend grösser bei leerem, weniger bedeutend ‚bei vollem Magen. Bei vollem Magen sind die Eiweisskörper der Nahrung im Ma- gen, bei leerem Magen sind sie im Blute. Die Beobachtungsreihen des Hrn. Voit beweisen also, dass auch - | 553 die Harnstoffvermehrung durch Arbeit bei genügender Fütterung eine doppelte Quelle hat — den vermehrten Umsatz der arbeitenden Ge- webe und den durch vermehrte Sauerstoffzufuhr vermehrten Umsatz im Blute. Wenn in der That die doppelte Quelle existirt, so muss auch die Menge des Blutharnstoffes bei vermehrter Athmung zunehmen, in- dem mehr Sauerstoff in das Blut eingeführt wird. Je mehr Eiweiss- körper aber im Blute sind, desto bedeutender wird auch diese Ver- mehrung; sein. ch bestehe nochmals darauf, dass alle diese Sätze durchaus nicht als erwiesen betrachtet werden können und dass ich mir über ihren Werth durchaus keine Illusion mache. Es bedarf zur Darstellung der Vorgänge noch hundert Mal mehr Untersuchungen, als die paar ma- geren Reihen, die Hr. V oit zur Unterstützung seiner ungeheuerlichen Elektrieitätshypothese geliefert hat. Es bedarf zuvor, wie Hr. Voit auch selbst fühlt, der Wiederholung sämmtlicher Versuchsreihen über Fütterung mit gleichzeitiger Bestimmung der Perspirationsproducte, zu welchen Hr. V. jetzt schreiten will mittelst des Pettenkofer'schen Zugofen-Apparates. Es werden diese Versuche, man kann dies mit apodietischer Gewissheit voraussagen, den ganzen Oontrollrechnungen und dem wirklich frevlen Spiele, dasman mit der Bereehnnng und Specifieation der Perspiration in den B.-V.'schen Versuchen getrieben hat, eben so sicher den Hals brechen, als die paar Versuche, die Hr. V. über die ‚Wirkung der Bewegung gemacht hat, der B.-V.’schen Kraft- Theorie den Hals gebrochen haben. : Man kann fragen, warum Versuche veröffentlicht werden, deren Ungenügen man selbst einsieht und deren mühsam errechnete und er-hypothetisirte Resultate man stets wieder selbst umstürzen muss? — ‘Es gibt Chemiker, sagte mir einst eine Autorität in diesem Fache, welche die Abhandlung schon publieiren, wenn der Tiegel mit den Resultaten noch im Feuer steht. Der Tiegel steht wohl im Petten- kofer’schen Athem-Ofen. Zum Schlusse kann ich nicht umhin, noch eine Stelle anzuführen, womit Hr. V. die von B.-V. so gewaltig niedergeworfene Luxuscon- sumtion ebenfalls wieder von der Erde aufhebt. „An der Hand unserer „Ernährungsuntersuchung ist man im Stande die Wahl der Nahrungs- 554 „mittel für einen thätigen oder unthätigen Körper zu treffen. Man hat „je nach der verlangten Leistung mehr oder weniger Eiweiss zu rei- „chen, so viel, dass der Körper bei der Arbeit frisch und tüchtig bleibt. „Den Rest der Wärme deckt man besser durch Fett und Kohlen- : „hydrate als durch einen Ueberschuss an Fleisch. Ist der Körper aber „unthätig, so ist ihm ein Theil des bei der Arbeit eingenommenen „Fleisches Luxus und darf man denselben durch Fett oder hen „hydrate ersetzen.“ Will ich also einen Spaziergang machen, so muss ich Ba essen. Habe ich das gethan, mache aber den Spaziergang, nicht, son- dern bleibe ich zu Hause auf dem Sopha liegen und mache ein Mit- tagsschläfchen, so habe ich eine Luxuseonsumtion begangen und muss zur Strafe dafür innere Arbeit leisten. Der Herr giebt's den Seinen im Schlafe. Schluss Und das Resultat dieser unserer Untersuchungen ? Wir müssen uns wohl damit begnügen, es nur als ein negatives bezeichnen zu können. b Aber auch das hat seinen Werth. Falsche Resultate, innerlich hohle Schlüsse, gänzlich verkehrte Folgerungen zurückgewiesen zu haben, kann auch für Etwas gelten, zumal wenn der ganze Wust mit soleher Wucht in die Hallen der Wissenschaft geschleudert worden, dass die Thüren dem gewaltigen Anprall wichen. Wir haben nachgewiesen, dass die Untersuchungsmethoden nicht fehlerfrei, die Resultate nicht unumstösslich, die Rechnungen falsch, die Oontrollen absurd und die Folgerungen unlogisch sind. Keiner der Sätze, die mit so vieler Wichtigkeit als höchst merk- würdige und unantastbare wissenschaftliche Wahrheiten, sogar in po- litischen Blättern, wie z. B. der Allgemeinen Zeitung ausposaunt wur- den, hat sich als haltbar bewiesen. Die Hrn. Bischoff und Voit haben die Gesetze der Ernährung des Fleischfressers nicht festgestellt — sie haben nicht bewiesen, dass der Harnstoff nur das Product des 595 Umsatzes des Fleisches sei — nicht bewiesen, dass Arbeit die Harn- stoff-Absonderung; nicht vermehre — nicht bewiesen, dass Eleetrieität die Kraftquelle des thierischen Körpers sei. Nur Eines glaube ich positiv nachgewiesen zu haben, nämlich das, dass überhaupt auf diesem Wege die Frage nicht beantwortet werden könne; dass andere besser begründete, länger fortgesetzte Ver- suche nothwendig sind, um annehmbare Schlussfolgerungen zu ge- statten. Ich bin weit entfernt, behaupten zu wollen, dass das Gegentheil von dem, was die Hrn. B. und V. statuiren, nun wirklich wahr sei — ich bescheide mich viel eher mit der völligen Unzulänglichkeit des Gegebenen und mit der Hoffnung auf Besseres und Vollständigeres. Aber so viel darf ich doch sagen, dass das Gegentheil wahrscheinlich geworden und dass man seine Bestätigung aus den zukünftigen Ver- suchen, wo vor allen Dingen auch die unsichtbaren Ausgaben zugleich mit den sichtbaren Einnahmen und Ausgaben direkt bestimmt werden müssen, eher hoffen darf. Erst dann wird auch die wahrhaft bewun- dernswerthe Arbeit, die Hr. Voit in Analysen, Mass- und Gewichts- bestimmungen geliefert hat, zu ihrer wahren Anerkennung gelangen können, während jetzt nur zu bedauern ist, dass solche Perlen in sol- ches Messing und Tomback gefasst wurden. Zum Sehlusse aber kann ich mir das kleine Geständniss nicht versagen, dass ich einen gewaltigen Respekt vor Herkules bekommen habe. Musste ich doch mehr als einen Tag daran setzen, un nur einen kleinen Hundezwinger auszufegen ! Genf, im December 1860. XXV. Das Epithelium der Darmzotten in verschiedenen Resorptions- zuständen. Von Dr. Coloman Balogh, \ Assistenten am physiologischen Institute der Pesther Universität. Nachdem Henle (Allgemeine Anatomie pag. 239) einerseits, dann Gruby und Delafond (Comptes rendus de l’Acad. 1843) anderseits entdeckten, dass über der Basalfläche der Epithelialzellen der Dünndarm- zotten eine homogene Schicht liege, wurde dieser Befund erst später durch Kölliker (Mikroskopische Anatomie, 11. 2. Hälfte, pag. 166), Donders (Nederl. Lancet, 3. serie, II. pag. 548) und Brücke (Denk- schriften der k. Akademie VI. Bd. pag. 101 ff.) gewürdigt. Ihre Deutung war verschieden. Kölliker meinte, dass dieselbe der Zwi- schenraum sei, weleher in Folge einer Endosmose durch die Tren- nung und Entfernung der Basalwınd von dem Zellen-Inhalt entsteht. Donders hielt sie für die verdickte Zellenhülle, und Brücke, indem er die Gegenwart einer verdickten Membran an der resorbirenden Fläche der Darm-Epithelialzellen von physiologischen Standpunkte ausgehend läugnete, war der Meinung, dass die erwähnten Zellen an ihrer Grund- fläche einer Zellenwand entbehren und die homogene Schicht der her- ausragende Theil des aufgequollenen schleimigen Zellen-Inhaältes sei. Bald nach diesen Mittheilungen nahmen Funke (Zeitschrift,für wis- senschaftliche Zoologie VII. Bd. 1855, pag. 322) und Kölliker (Ver- handlungen der Würzburger phys. med. Gesellschaft VI. und VII. Bd.) gleichzeitig und von einander unabhängig wahr, dass jene homogene Basalschicht fein und dicht mit der Längsachse der Zellen parallel ge- streift sei. Funke enthielt sieh vorläufig einer Deutung dieser Strei- 557 fung, während nach Kölliker die Streifen für den optischen Aus- druck von feinen Kanälchen anzusehen wären, welche die verdickte Zellen- wand durchziehen. Donders (Untersuch. z. Naturl. d. Men. u. d. Th. "II. Bd. pag. 102) schloss sich dieser Deutung an, während Mole- schott (Unters. z. Naturl. d. Men. u. d. Thiere Bd. Il.) der Brücke'- schen Anschauung sich hinneigte. Nach solchen Präcedentien machten Brettauer und Steinach, Brücke's Schüler, diesen Gegenstand zu ihren Studien und die Resultate ihrer Untersuchungen veröffent- lichten sie unter dem Titel: Untersuchungen über das Cylinderepithe- lium der Darmzotten und seine Beziehung zur Fettresorption (Sitzungs- erichte der Wiener Akademie der Wissenschaften 1857 Bd. XXIII. pag. 303, diese Untersuchungen Bd. IH. S. 173). Nach ihnen wird die Basalschieht der Zottenepithelialzellen aus feinen Stäbchen zusam- mengesetzt, die pallisadenartig knapp neben einander gelagert und die Streifen als die Berührungslinien von je zwei solcher Stäbehen anzu- sehen sind. Sie nahmen ferner wahr, dass jene Basalschicht mit dem Zellen-Inhalt fester zusammenhänge als mit der Zellenhülle, indem nach Maceration von Darmzotten in phosphorsaurem Natron Präparate gewonnen werden können, in denen neben inhaltlosen Zellenhüllen der ausgetretene Zellen-Inhalt an der Basis mit der homogenen Schicht, deren Stäbehen bürstenförmig von einander abstehen, zu sehen ist Dann machten sie noch die Beobachtung, dass die Streifung der Basal- schicht nicht bis zu dem fein granulirten Zellen-Inhalte reiche, sondern von diesem durch eine feine, stark lichtbrechende Zone (Fig. 12—13. b.) getrennt sei. Endlich bemerkten sie, dass die Basalschicht eine wech- selnde Dicke habe und sagten, dass der Diekenwechsel mit der Fett- resorption in Beziehung gebracht werden könne, indem sie sahen, dass die Basalschicht während der Fettresorption dünner, bei hungernden Thieren aber dicker erscheine. Beiläufig zu dieser Zeit, in weleher Brettauer und Steinach "ihre Untersüchungen mittheilten, veröffentlichte auch Wittich (Bei. träge zur Frage der Fettresorption, Archiv für pathol. Anat. ete. Bd. XI. pag. 37) seine diesen Gegenstand betreffenden Erfahrungen und nicht nur, dass er keine Streifungen an der Basalschicht erwähnt, son- dern er behauptet sogar, dass nicht einmal die Basalschichten je zweier MOLESCHOTT,, Untersuchungen VII. 38 558 neben einander stehenden Zellen von einander getrennt erscheinen, indem jene von mehreren Epithelialzellen einzusammenstehendes Ganze, also ein membranöses Gebilde darstellen. Auf diese Annahme sich stützend, be- hauptet er, dass die Basalschicht nicht zur histologischen Structur der Epithelialzellen der Darmzotten gehöre, sondern eine Leichen-Erschei- nung darstelle. Ferner meint er, dass die besprochenen Epithelial- zellen an ihrer Basis offen seien. Heidenhain (die Absorptionswege des Fettes. 1. Darmepithe- lium. Untersuchungen z. Naturl. d. Men. u. d. Th. IV. Bd. 1858) schliesst sich bezüglich der Structur der Basalschicht und des nähern Zusammenhanges der letztern mit dem Zellen-Inhalte der Ansicht von Brettauer und Steinach an, während O. Funke (Lehrbuch der Physiologie, 2. Aufl. 1858, 3. Aufl. 1860) zu Köllikers Meinung tritt und zur Kräftigung des Vorhandenseins von Kanälen in der Ba- salschicht führt er per analogiam die Beobachtungen von J. Müller (Archiv 1854. pag. 185) Leuckart (Verh. d. Würzb. phys. med. Ges. VII. Bd. 193) und Kölliker (Untersuchungen zur vergleich. Gewebelehre pag. 37) über die Porenkanälchen auf. J. Müller be- obachtete solche in der Eihülle der Fische, Leuckart in den Epider- misschuppen des Ammocoetes, und Kölliker bei den verschiedensten Thieren und“zwar so in den Epithelialzellen des Darmes wie in den verschiedensten Organen. Lambl (Prager Vierteljahrsschrift für die praktische Heilkunde, F | 61. Bd. 11. pag. 1859, dann Wiener medieinische Wochenschrift 1859 389. Spalte ete.) läugnet gänzlich die Streifung der Basalschicht und zum Beweise seiner Auffassung führt er noch die gleichen Beobach- ' tungen von Vlacovich aus Padova und von Amici aus Florenz’ } auf. Ferner behauptet er, dass die Basalschicht nur ein Saum sei, welcher an die Basalkanten der Epithelialzellen befestigt zur Bildung eines ober der Zellenzahl gelagerten gegen die Darmhöhle zu offenen Napfes beiträgt. » Ausser den Auesehlien,,; haben in ı dieser Richtung. meines Wis- VIM.239) und Friedreich ee für pathol. Anat. xv. Bd. 535. pag. Einiges über die Structur des Oylinder- und Flimmer-Epitheliums) 559 gearbeitet, und der letztere fand, dass die Streifen der Basalschicht der Darmepithelialzellen eontinuirlich durch den Zellen-Inhalt bis zu dem spitzen Ende derselben fortgesetzt zu werden scheinen. Beinahe vor zwei Jahren begann ich die fragliche feinere Struc- tur der Epithelialzellen der Darmzotten in Folge einer Aufforderung meines hochgeehrten Lehrers, J. N. Czermäk, zu studiren. Die benutzten Thiere, Kaninchen, wurden auch anderweitig verwendet, und so konnte ich kein reines Resultat erzielen. So viel glaubte ich aber behaupten zu können, dass die Basalschicht aus pallisadenartig neben einander ge- stellten Stäbehen bestehe, welche bürstenförmig von einander abstehen können; ich nahm auch den Dickenwechsel der Basalschicht wahr, be_ züglich der Factoren dieser Veränderungen konnte ich aber für Brett- auer und Steinach nicht mitstimmen, indem ich ihnen entgegen- gesetzt öfters beobachtete, dass während der Fettresorption die Basal- schicht dick und gestreift, und zur Zeit des Hungerns ungestreift und ganz dünn sei. Ueber diesen Befund, dessen Bedeutung ich damals noch nicht ahnte, berichtete J. N. Ozermäk (Kleine Mittheilungen etc. Sitzungsberichte der Wiener Akademie d. Wissensch. XXXV. Bd. 1859. 419. pag. und in dem vorliegenden Bande dieser Untersuchungen). Seit dieser Zeit beschäftigte ich mich nieht mit diesem Gegenstand bis zum Monat November des vergangenen Jahres, wann ich von den folgenden Aus- gangspunkten ausschreitend eine Reihe von Untersuchungen anstellte. Diejenigen, welche über diesen Gegenstand vor mir oder mit mir zu gleicher Zeit arbeiteten, untersuchten theils von frischen Objecten, theils von Leichnamen genommene Präparate. Den letzteren werde ich meine Aufmerksamkeit weiter unten zuwenden, und die ersteren betreffend muss ich bemerken, dass sie die gefütterten Thiere beinahe immer zu einer Zeit, d. h. 6—7 Stunden nach der Fütterung tödteten, während sie das Trinken dem blossen Willen der hungernden Thiere überliessen. r Ich untersuchte das Epithelium der Darmzotten in den verschie- densten Zuständen der Resorption und liess die hungernden Thiere entweder vollständig dursten oder brachte das Wasser durch Ein- \ spritzung in ihre Darmhöhle, indem ich beobachtete, dass hungernde Kaninchen, welche ich benutzte, dasselbe kaum berühren, Ferner 33% 560 bewirkte ich, dass entweder blosse Speisen oder blosses Getränk auf- genommen ward, oder wenn die beiden gegeben wurden, dass ihre Aufnahme gesondert in verschiedenen Zeiten geschah. Die Thiere, an welchen ich meine Untersuchungen vollführte, waren, wie schon erwähnt, Kaninchen, und die Einspritzung der Flüs- sigkeiten in ihre Darmhöhle wurde entweder durch den Oesophagus vollbracht, oder geschah dieselbe direet in den Dünndarm. In bei- den Fällen war das Thier zweckmässig auf dem Rücken gelagert. Wenn ich die Speiseröhre benutzte, brachte ich in sie einen Kautschuck- schlauch, in welchen das Endröhrchen einer messingenen Spritze von 9 Cem. Inhalt hineinpasste. Die Einspritzung geschah räsch, damit die Respiration durch den in der Speiseröhre befindlichen Kautschuck- schlauch nicht gefährdet werde. Die eingespritzte Flüssigkeit war zwischen 36—38 ° O. temperirt. Nach der Einspritzung wurde das Thier in einen grossen, oben offenen Verschlag gegeben, welcher sich in einem geräumigen, gut gelüfteten Zimmer befand, dessen Tempera- tur zwischen 10—15 ° ©. schwankte. Bei der direeten Einspritzung in den Dünndarm machte ich an der Linea alba einen durch die ganze Dicke der Bauchwand gehen- den Längsschnitt von 3Cm. Länge undzog durch diese Wunde ein Stück des Jejunums heraus. In das Jejunum machte ich nur einen so gros- sen Schnitt, dass ich durch diesen das Endröhrchen der Spritze, wel- ches 5 Mill. im Durchmesser hatte, hineinführen konnte. Das End- röhrchen war conusförmig und das über dasselbe gezogene Darmstück wurde durch einen sanften Druck fixirt. Die Einspritzung geschah so gegen den Magen, wie gegen den Mastdarm zu. Die Ränder der Darmwunde wurden durch Knopfnähte sorgfältig vereinigt. Bei die- ser Vereinigung waren die Peritonealtheile einander zugewendet. Nach- her reponirte ich den Dünndarm und schloss die Wunde der Bauch- wand ebenfalls mittelst Knopfnähte. Die Nachbehandlung war die- selbe, als bei der Benutzung des Oesophagus beschrieben wurde. Die Thiere fühlten sich ziemlich wohl, und bei dem bis24 Stunden am Le- ben gebliebenen vernarbte die Hautwunde in solchem Grade, dass zur Wiedereröffnung derselben das Messer angewendet werden musste. Die Vernarbung der Muskeln war nicht soweit vorgeschritten. Die 561 Ränder der Darmwände waren ziemlich fest verklebt und in ihrer Um- gebung zeigte sich nur eine schwache Blutinjection. Nachdem ich mich überzeugte, dass die Wirkungen im Wesen übereinstimmen, wenn ich den einen oder den andern Ort zur Ein- spritzung wähle und nur in der Intensität eine Verschiedenheit wahr- nehmbar sei, je nachdem die Speiseröhre oder der Dünndarm gewählt wurde, benutzte ich mit Ausnahme von drei Fällen immer den Oeso- phagus. . Die Präparate von Darmzotten nahm ich Anfangs von lebenden Thieren, nachdem ich aber mich davon überzeugte, dass die Eigen- schaften der Epithelialzellen augenscheinlich noch nicht alterirt wer- den, wenn von dem Tode bis zur Untersuchung etwa zwei Stunden verstreichen, tödtete ich die Thiere, damit sie von den Schmerzen ver- schont bleiben sollten, durch einen Stich in die medulla oblongata. Die mikroskopischen Präparate, wo es besonders nicht erwähnt ist, wurden bloss in der Darmflüssigkeit untersucht. Meine Untersuchungen beschränken sich auf22 Kaninchen, welche noch jung und so ziemlich von gleichem Alter waren. Die Befunde sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. 562 | "egggois -um wIOyUeI[ZIop ‘yımya3 zues urou [7 A040] uauIay u ‘garınoyuoo op yarynapun uayjez aosse Ay UN = “UTILEN. 2900'0)-Tero nd Tagan “Puwosgpm uopungg F7 TAN 1oq orm|gponsed uray |-Feyos joyunp erp|z raq om | *aapey yru _ awqyyaısun woy -uofzaap yrınzad uMuloy79 T] uou IOH ISATeyurug]) -[9Zıop ! uaygaosem uoyas -I9A UINOFUOD -I9A YoryoraL yoıp -uappaz ap *yıqı ssıom aosse y pun "URL 0700°0|-Feyos aopyunp uoL|apeıy mad] Jeuwasyam uopung pz | 7 Ir an toq erm| ypausoä uraz |-jpzrerroygdgr orp| -urıes ur | “open gu = Sryuruaoz uadruloy wap pun Fyoryospes zeqyyoısun uIoyy yoanpury -B] I9p uayos 29p pım ‘Frog wopunyg pZ -IMZ 9ZuaIK) y91p -U19F IBMIBQUJIUT ZSunzyradsurg 109p uw yors "ung 2700°0\Tımoyuoo FIeyos -IaSse MM A9p purjoq any | HBunyreyg |mpusuoyosyaımp asse Mm 104 aytoduny -uopfaz a9p | euyo yyoıyos |ssepq uam ua] uogqorged |sayarıpsop ag] sep | mopung g , |wumnespwseg aop| -jeseg orp |-Tozperroggudgy orp| Ae0] uosradg suyo | "wu gr SE m sunougdap | ur or] Uoyozued ns se 59] -uoyoz sop | usıop ‘uorjoz op osspjpon) | Osstuymyıaa Bi | © S lu Zunyaouuy ae Bis ormquopez |-erroypdgraep| uorjozerppyndg | -snfÄyg -sdunIyeN heınıda -asıadg aap uoa| E E op unespesegg | Fyoryospeseg | Aap sungen ara od en aypam Yroz ara] 5 Re) ar 291 1° od Pr sndeyd -0890 Jun 20p MO u © a uez opuome] 563 yyıaıysa3 ! 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Die Kaninchen von Nr. 6 und 22 dienten erst nach 48stündigem Hungern und Dursten als Unter- suchungsobjecte. Bei jedem der aufgeführten 5 Befunde war die Basalschicht der Epithelialzellen der Darmzotten bedeutend dick, indem sie 0,0052 mass; ferner glichen alle einander in der dunklen Sehattirung und den scharf ausgeprägten Contouren derselben Zellen; endlich war der Basalsaum (Fig. 3 b) der Zellenhülle immer dort sichtbar, wo die Streifen der Basalschieht aufhörten oder aufgehört haben würden. In diesen gemein- schaftlichen Eigenschaften übereinstimmend, wichen sie in den fol- genden von einander ab. Bei den Nummern 4, 5, 15 war die Basal- schicht zwar undeutlich , aber doch wahrnehmbar gestreift, wäh- rend bei den Zahlen 6 und 22 nicht einmal die Spur einer Streifung vorhanden war. In den beiden letzteren Fällen waren auch die Zel- lenkerne (3 Fig d.) deutlich contourirt sichtbar, während sie in den vorerst erwähnten Fällen nicht wahrgenommen werden konnten. Und die Thatsache, dass die Streifen der Basalschicht während des Hun- gerns erst undeutlich werden (Nr. 4, 5, 16), später aber gänzlich schwinden (Nr. 6, 22), und wenn sie einmal verschwunden sindgdurch Fettaufnahme wieder erscheinen (Nr. 13), deute ich dahin, dass die- selben nicht präformirt seien, möge man sie nun entweder als optischen Ausdruck von feinen Kanälchen (Kölliker, Funke) oder als die Berührungslinien von kleinen Stäbchen (Brettauer und Steinach, Heidenhain) betrachten. Auf den Einwurf, dass die Unsichtbar- keit der Streifen nach längerem Hungern davon herrühren könnte, dass die einzelnen Stäbchen inniger gegen einander sich drückten, kann ich entgegnen, dass die Basalschicht von isolirten Epithelialzellen auch dann homogen blieb und keine Zusammensetzung von Stäbchen zeigte, wenn die Darmzotten von hungernden Thieren nach Brett- auer und Steinach’s Angabe längere Zeit hindurch in 5%/,ger phosphorsaurer Natronlösung macerirt und die von solchen Objeeten 567 verfertigten Präparate unter dem Deckglas gedrückt wurden, in einem solehen Fall dehnte sich die Basalschicht aus (Fig. 12 a) ohne eine Neigung zum Zerfallen zu zeigen. Die Kaninchen von Nr. 2und 3 genossen reichlich von den ihnen dargereichten Speisen, und obwohl das letztere kein Wasser bekam, kann es mit dem ersteren füglich in einer Reihe erwähnt werden, da die Darmzotten und deren Elemente in den beiden Fällen nicht wesent- lich von einander unterschieden waren. Die Basalschicht (Fig. 1 a) war fein und sehr auffallend gestreift, und in dem Innern der Epithelialzellen konnte man sehr feine Fetttröpfchen (Fig. 1 e) in überaus grosser Menge wahrnehmen. An frischen Objeeten war der Zellenkern nicht sichtbar, derselbe trat aber sehr deutlich hervor, wenn die Darmzotten in 50/,ger phosphorsaurer Natronlösung gelegen hatten. In der Fig. 12 unter B ist eine, nach solcher Präparation gewonnene Epithelialzelle abgezeichnet, dieselbe zeigt das bürstenförmige Zerfallen seiner Basal- schicht in Stäbchen sehr deutlich. Ferner war die Streifung bei den Nummern 7 und 13 schön deutlich sichtbar. Bei beiden diesen Thiere wurde eine Fettinjeetion vorgenommen und zwar bei Nr. 7 nach der gewöhnlichen Kaninchenfütterung (mit Hafer, Heu), bei Nr. 13 aber nach 48stündigem Hungern; das Endresultat war in bei- den Fällen dasselbe, was bezeigt, dass die Fettresorption nieht an die Streifen, oder besser gesagt nicht an das Vorhandensein von Kanälchen oder Grenzlinien von feinen Stäbchen gebunden ist, sondern entgegen- gesetzt, die Bildung der Streifung der Basalschicht ist mit der Fett- resorption eng verbunden. Die Befunde von Nr.6 und 22 zeigen es, dass die Basalschicht nach 48stündigem Hungern ganz homogen wird, und da in dem Falle Nr. 43 obwohl die F etteinspritzung bei einem vorher 48 Stunden hindurch hungernden Thier vorgenommen wurde, dennoch eine besonders deutlich markirte, sehr feine Streifung bemerk- bar wurde, ist man darauf hingewiesen die Streifenbildung mit der Fettauf- nahme in die innigste Beziehung zu bringen, da das Thier zu einem anderen aufsaugbaren Stoffe nicht gelangen konnte, Mit Fett vollkom- men gefüllte Zellenaggregate sind in den Figuren 4, 5, 6, zu beobach- ten, wo die Zellencontouren vollständig unsichtbar sind und die Basal- schieht ist von deutlichen Streifen durchsetzt, Wenn man solche 568 Zotten in 50/,ger phosphorsaurer Natronlösung durch 6 Stunden ma- eerirt hat (neben der Temperatur von 200C.) können sich Epithelial- zellen, wie in der Figur 13 abgebildet sind, dem Anblicke darbieten. In Moleschott's starker Essigsäuremischung (1 Volum Alkohol, 1 Vol. Essigsäure, 2 Vol. Wasser) verlieren die Epithelialzellen an Volum, wie das jene in der Fig. 15 zeigen, wo aber der Zellenkern deutlich hervortritt. Die Objecte, welche die Figuren 13 und 15 zeigen, dann diejenigen von 4, 5, 6 sind von demselben Thiere genommen, und den in letzteren wahrnehmbaren Streifen entsprechend kann man in den Fig. 13, 15 den Zerfall der Basalschieht in Stäbehen beobachten. Dass die Aufsaugung des Wassers und der Wasserlösungen keine Streifenbildung hervorbringt, zeigen die Befunde unter den Nummern 1, 11, 12 und 21. Dem Thiere von Nr. 1, 41 und 12 wurde bloss Wasser injieirt, während demjenigen von Nr. 21 eine 30/,ge Koch- salzlösung eingespritzt wurde. Das Thier von Nr. 1 hungerte vor der Wassereinspritzung 24 Stunden hindurch, nach welcher Zeit ich mit Wahr- scheinlichkeit annehmen konnte, dass die Streifung der Basalschicht ver- schwand, und nach derWasserinjection tödtete ich dasselbe in der 6. Stunde, also in der Zeit, in welcher nach Fettinjection die Streifung der Basal- schicht erscheint. Zu der Nr. 1 gehört die Figur 7 wo der Basalsaum un- gestreift ist. Die Kaninchen von den Nummern 11, 12 und 21 lebten nach der Einspritzung noch 24 Stunden, während welcher Zeit sie weder assen noch tranken. Wenn so viel Fett injieirt wird, als sieWasser bekamen, ist dieStrei- fung zu der erwähnten Zeit noch nicht so ganz spurlos verschwunden, wie das bei ihnen der Fall war. Zu der Nummer 11 gehört Fig. 9. Das Wasser hindert aber nicht die Streifenbildung der Basal- schicht, wie das aus dem Befund Nr. 9 zu ersehen ist. Das Thier genoss Nahrungsmittel, welche Fett in reichlicher Menge enthielten, und die Wasserinjeetion geschah unmittelbar nach der Speiseaufnahme. Die Tödtung erfolgte in der sechsten Stunde nach der Wassereinspritz- ung und der Speiseaufnahme, also zu der Zeit, in welcher man hoffen durfte, die Basalschiceht deutlich gestreift zu sehen. Ich wurde in mei- ner Erwartung nicht getäuscht, wie das aus der Fig. 8 ersichtlich ist. Nach dem Gesagten muss ich das Wasser, möge dasselbe rein sein oder lösliche Substanzen enthalten, als neutral bei der Entstehung 569 der Streifen ansehen, und dieselben bloss aus der Fettresorption er- klären. Bevor ich aber den Versuch mache, meine Idee hierüber zu entwickeln, möge es erlaubt sein, das Verhältniss, in welchem die Ba- salschiceht zu der Epithelial-Darmzelle steht, zu berühren. ER Die Epithelialzellen des Dünndarms sind, wie bekannt, conus- förmig. Ihre Basis ist gegen die Darmhöhle zu gerichtet, während ihre Spitze in die Darmschleimhaut vertieft ist. In den Figuren 12 B., 13, 14 und 15 sind mehrere von ihnen abgebildet. Ihr spitzes Ende läuft in eine längliche dünne Röhre aus, welche sich dendritisch mehrfach verzweigt (Fig. 14—15), und diese Zweige stehen mit den Bindegewebskörperchen der Darmzotten in Verbindung (Heidenhain), die Basis der Epithelialzellen wird durch die bald homogene, bald ge- streifte Basalschicht gebildet, welche derjenige Theil des Zelleninhaltes ist, der durch eine gegen die Basis zu offene Zellenhülle herausragt; dass die Basalschieht mit dem Zelleninhalte zusammenhänge, wurde theils durch Brettauer und Steinach, theilsaber durch Heiden- 'hain beobachtet, und ich hatte von der Wahrheit dieser Beobachtun- "gen dureh Autopsie mich überzeugt. Es geschieht, dass die Basalschicht von dem Zelleninhalte sich trennt, wie dieses in der Fig. 14 zu sehen ist, in welcher der Zellen- inhalt, sammt dem Kern, noch im Innern der Zelle sich befindet. Das Präparat wurde von einer Darmzotte genommen, welche durch 6 Stun- den in 5°/;ger phosphorsaurer Natronlösung gelegen ist. Der bei Fig. 14. a sichtbare, dünne Saum ist stark glänzend, 0,005 Mill. breit und umgiebt die Basalkanten der Zellenhülle, mit welcher derselbe in- nig zusammenhängt auch dann, wenn der Zelleninhalt den Innenraum der Epithelialzelle verlässt (Fig. 16 A). Nach dem Gesagten ist also die helle Zone, welche öfters zwischen der Basalschicht und dem kör- nigen Inhalte zu sehen ist, weder mit dem einen noch mit dem andern von ihnen verbunden, sondern gehört der Zellenhülle an. Jetzt betrachte ich den höchst wahrscheinlichen Vorgang der Strei- fenbildung der Basalschicht. Bei der Fettresorption müssen die folgenden Factoren als wesent- lich eingreifend betrachtet werden: 1) Die in dem Höhlerfysteme der Darmzotten befindliche Säfte- 570 masse steht zeitweilig unter einem geringeren Drucke als der Dünn- darm-Inhalt. 2) Zwischen der Substanz der Basalschicht und des Inhaltes der Darmepithelialzellen ist eine physikalische Affinität vorhanden. Der Bedingung unter 1 wird einerseits durch die Muskulatur der Darmzotten und anderseits durch die Muskeln der Darmwandung ge- nug gethan. Es wird nämlich durch die Zusammenziehung der be- treffenden Muskeln unter andern auch aus dem Lymphcanalsysteme der Darmzotten die darin befindliche Siftemasse ausgepresst. In dem nächstfolgenden Augenblick hört die Muskelcontraetion, und der dadurch bewirkte Druck auf, wodurch die Spannung der Flüssig- keiten in dem erwähnten Lymphkanalsysteme und so auch in dem Hohlnetze der Bindegewebskörperchen, die mit ihnen höchst wahr- scheinlich zusamımenöffnen, beinahe bis zu O herabsinkt. Das so entleerte Röhrensystem kann von den grösseren Chylusgefässen her we- gen der Richtung der Lymphgefüssklappen nicht ausgefüllt werden, dieses ist auch von dem Zottenparenchym her nicht möglich, indem dasselbe mit dem Röhrennetze gleichzeitig entleert wurde und so bleibt nur der Darmhöhleninhalt übrig, welcher in der That unter einem grösseren Drucke steht als die Säftemasse der Darmzotten. In der Darmhöhle nämlich sind Gase in reichlicher Menge vorhanden, welche durch die Muskeleontraetionen während dem motus peristalticus comprimirt wer- den, und so wird der über dem Darmhöhleninhalt lastende Druck er- höht, wonach derselbe in eine grössere Spannung geräth, welcher Um- stand die Differenz zwischen der Spannung des Darminhaltes und der Zottenflüssigkeit noch steigert, und diese Spannungsdifferenz zeichnet den Weg der aufsaugenden Flüssigkeit von der Darmhöhle zu dem Röhrensysteme der Darmzotten vor. y Die zur Aufsaugung geeigneten Flüssigkeiten der Darmhöhle müs- sen in zwei grossen Gruppen gesondert betrachtet werden. Zu der einen gehören die Wasserlösungen und zu der andern die Fette. Zwi- schen den Stoffen der beiden Gruppen ist ein physikalischer Gegen- satz vorhanden, da sie sich mit einander nicht mischen, wonach ihre Aufsaugung auf einem und demselben Weg zu gleicher Zeit nicht möglich ist. So wird man gezwungen fon a ‚priori zwei besondere 571 Wege für die Stoffe beider Gruppen anzunehmen. Und wenn ich an- nehme, dass zwischen den Fetten einerseits, dann zwischen der Basal- schicht und dem Inhalte der Epithelialzellen anderseits eine physika- lische Affinität vorhanden sei, so bezeichnete ich bereits den Weg, den die Fette bei ihrer Resorption durch die Darmzotten verfolgen, und damit schloss ich gleichzeitig die Möglichkeit aus, dass die Wasser- lösungen dieselbe Bahn einschlagen können, Davon, dass der Resorp- tionsweg für die Fette durch die Basalschicht und den Zelleninhalt gehe, kann man sich, wann immer, ziemlich leicht überzeugen, was für die vorangegangene Theorie die Grunderseheinung bietet. Die Fette werden in sehr fein vertheiltem Zustande resorbirt, und da der alkalisch reagirende Darminhalt Albumin immer enthält, möge dasselbe von den Speisen oder: von den Darmseereten herrühren, wird man nicht irren, wenn man annimmt, dass die Fetttröpfehen schon im Beginne ihrer Aufsaugung mit einer Haptogenmembran umhüllt sind, und die Re- sorption solcher kugelförnigen Bläschen kann ich nur in der folgenden Weise auftassen. Die Fetttröpfehen bewegen sich von der Darmhöhle, wo sie einem bedeutenderen Drucke ausgesetzt sind an die Stelle des geringeren Druckes, nämlich in das Lymphkanalsystem der Darmzot- ten, da dieser Weg in Folge der physikalischen Affinität zwischen den Fetten und dem Zelleninhalte möglich ist. Die Bahn, entlang welcher die Fetttröpfehen den Zelleninhalt durchsetzen kann auf die Zellen- basis nur senkrecht, also mit der Längsaxe der eonischen Epithelial- zellen parallel sein, ein Seitenweg ist nicht möglich, da in dieser Rieh- tung die Niehtzusammendrückbarkeit der Nachbarfetttröpfchen überwun- den werden müsste, und der hiezu nöthige Kraftaufwand wird von keiner (Quelle gegeben. Die Wege, welche so die durchdringenden Fetttröpfchen anbahnen sind an der Basalschicht als feine Streifen bemerkbar, welche in diesem Zustande nichts anderesals feine Kanälchen sein können. F ried- reich sah diese Streifen bis zu dem spitzen Ende der Epithelialzellen dureh den feinkörnigenInhaltderselben sich fortsetzen und obschon mir nicht gegönnt war, dieselbe Beobachtung zu machen, musste ich von theore- tischem Standpunkte aus seine Beobachtung als wahr ansehen; dass die Streifung des Zelleninhaltes gewöhnlich nicht gesehen wird, kann durch die wenig durchscheinende Zellenhülle, die auch den Zellen- 572 = kern nicht durchscheinen lässt, verursacht werden. Den besprochenen Kanälchen entsprechend kann die Zerspaltung der Basalschicht in Stäb- chen vor sich gehen, wozu manchmal (etwa in der sechsten Stunde der Fettresorption) schon die blosse Isolation der Epithelialzellen ge- nügt. Wenn die Kanälchen einmal gebildet sind, dann haben die nächst- folgenden Fetttröpfehen einen bereits angebahnten Weg, welcher immer um so mehr schwindet, je weiter die Zeit von der nächst vorangegan- genen Fettresorption entfernt ist, und dem Deutlichkeitsgrade der Strei- fen entsprechend sind die Brettauer-Steinach’schen Stäbchen der Basalschicht mehr weniger leicht darzustellen. Die Entfernung zwischen je zwei Streifen der Basalschicht wird durch die Grösse der eindringenden Nachbarfetttröpfehen gegeben, diese nämlich dringen mit demjenigen Punkte ein, zu welchen die Ba- salfläche der Epithelialzelle als eine Tangente sich verhält, und die Entfernung dieser Tangentialpunkte von je zwei benachbarten Fett- tröpfehen sind, wenn die letzteren einander berühren, der Summe ihrer Radien gleich gross. Diese Entfernungen behalten. die genannten Strei- fen während ihrem ganzen Verlaufe, da ein seitliches Ausweichen der Fetttröpfehen, wie schon bemerkt wurde, unmöglich ist. Wenn die Epithelialzellen der Darmzotten in vollem Resorptions- zustande untersucht werden, ist die Basalschicht in verschiedener Dicke durch die Fetitröpfehen (Fig. 4—6) eingenommen, und so ist ein ver- schieden dieker Theil derselben zu beobachten. In Fig. 4 ist nur eine sehr dünne Zone der Basalschicht wahrnehmbar, diese Zone wird gegen die Schleimhaut zu durch eine unregelmässige Grenze, welche der An- fangsreihe der Fetttröpfehen entspricht, abgeschnitten. In Fig. 5 ist an Nachbartheilen zu beobachten, dass an einer Stelle die ganze Ba- salschicht von Fetttröpfchen frei blieb, während sie an andern von ihnen beinahe ganz oder in mehr weniger starker Dicke eingenommen wird; in Fig. 6 ist die Basalschicht überall von feinen Fetttröpfehen bereits gänzlich frei geworden. In allen drei Fällen war die sichtbare Basal- schicht gestreift, und darüber, dass die Fetttröpfehen wirklich in den Epithelialzellen, respective in der Basalschicht, und nicht ober- oder unterbalb der untersuchten Zellen Platz nahmen, liess der Umstand keinen Zweifel übrig, dass, wenn ich das Object bewegte, die Fett- 573 tröpfehen unbeweglich in den Zellen immer dieselbe Stelle, in welcher sie während dem unbewegten Zustande waren, behielten. Wenn also Brettauer und Steinach die Basalschicht während der Fettresorp- tion als dünn beobachteten, haben sie ein Bild, wie in Fig. 4 vor den Augen gehabt, und wenn ich zur Zeit der Fettaufsaugung auch eine dicke Basalschicht sah, war das beobachtete Bild dem in Fig. 6 ab- gezeichneten gleich. Sonach wird das Widersprechende unserer Be- obachtungen dadurch ausgeglichen, dass sie die Basalschicht im An- fange der Fettresorption betrachteten, während ich solche auch gegen das Ende derselben zu Gesicht bekam. Und nach dem Beschriebenen muss die Phänomenenreihe, welche die aufgesaugten Fetttröpfchen in der Basalschicht verursachen, folgendermassen ausgedrückt werden: im An- fange der Fettresorption wird die Basalschicht durch Fetttröpfchen ganz eingenommen und dann ist sie unsichtbar; bei dem weiteren Gange derselben werden mehr weniger dicke Zonen frei von densel- ben Fetttröpfehen, und gegen das Ende der Fettaufsaugung ist schon die ganze schön gestreifte Basalschicht vollkommen frei von Fetttröpf- chen, welche sich zu dieser Zeit bereits gegen den Zelleninhalt ge- zogen hatten. Der Weg für die aufgesaugten Fetttröpfehen führt durch die End- fortsätze (Fig. 14 d. Fig. 15 e) der Epithelialzellen der Darmzotten in die Bindegewebskörperchen der letzteren und diesen Zusammenhang, welchen zuerst Heidenhain besprach, kann ich durch Autopsie als vorhanden bezeichnen. Auf die weiteren Wege der aufgesaug- ten Fette werde ich in einer besondern Abhandlung zurückkommen. Nachdem ich den Resorptionsweg für die Fette so bezeichnete und die Ansicht aussprach, dass die Wasserlösungen mit ihnen auf einem Weg nicht fortgeführt werden können, ward ich bei der Er- forschung des Resorptionsweges der letzteren durch die folgenden Thatsachen geleitet. Den Thieren von Nr. 1, 8, 9, 40, 11, 12 wurde destillirtes Was- ser eingespritzt und die Tödtung wurde zu verschiedenen Zeiten nach der Einspritzung vorgenommen, so bei dem Thier 8 nach Verlauf von anderthalb Stunden und bei 40 in der 3. Stunde nach der Wasser- " injeetion. Die Untersuchung geschah gleich nach der Tödtung und in MOLESCHOTT, Untersuchungen. VII: 39 574 den beiden letzterwähnten Fällen waren die Epithelialzellen der Darm- zotten sehr hell und eine Basalschicht nicht wahrnehmbar, aber man konnte im optischen Durchschnitt die Darmzotte mit einer ganz dünnen glänzenden Zone (Fig. 2 a) umgeben sehen. Diese Zone ist von der blassen Basalschicht wesentlich verschieden und glich in jeder Be- ziehung dem Basalsaume der Zellenhülle, welcher in den Figuren 14 und 16 A an vereinzelten Zellen sichtbar ist, und so resultirt jene Zone aus den neben einander stehenden Hüllensäumen der Epithelial- zellen. In den Figuren 1, 2, 7, 9, ist die erwähnte stark glänzende Zone (b) zwischen der Bacalbehzäht und dem körnigen Zelleninhalt zu sehen, sie ist aber hier weniger glänzend und erfordert eine genauere Aufmerksamkeit, um sie wahrzunehmen, — so der geringere Glanz, wie die schwerere Wahrnehmbarkeit werden erklärlich, wenn man bedenkt, dass die Lichtstrahlen die ganze Zellendicke passiren müssen, ehe sie zu dem abgezeichneten Basalsaum gelangen. An vereinzelten Epithelialzellen kann man von der glänzenden Eigenschaft des Basal- saumes (Fig. 14, 16, a, 12-13 b) im Vergleich mit der blassen Ba- salschicht (12—13 a) sich am besten überzeugen. In Fig. 14 befindet sich der Zelleninhalt noch in der Zellenhülle, bei Fig. 16 ist aber die letztere leer. In Fig. 16. B. hat sich der Basalsaum von der Zellen- hülle getrennt, die Basis derletzteren ist nur durch einen dunklen, ein- fachen Kreis gegeben, während die abgetrennten Basalsäume neben der leeren Zellenhülle (Fig. 16 C) zu sehen sind. Diese Objeete erhielt ich von Darmzotten, welche 6—10 Stunden hindurch in 50%/,ger phos- phorsaurer Natronlösung gelegen hatten. Bei den Thieren von Nr.,1, 9 wurde die Untersuchung in der 6. und von Nr. 11, 12 in der 24. Stunde nach der Wasserinjeetion vorgenommen und in allen vier Fällen war die Basalschicht (Figur 7—9 a) in ihrer ganzen Dicke sichtbar und unter ihr befand sich die vorher beschriebene Basalzone (Fig. ”—9 b), die Befunde von 14-16 deuten also dahin, dass während der Wasseraufsaugung die Zellen- hülle aufquillt und sich über die Basalschicht zieht, wesswegen die Summe der Zellensäume die Darmzotte als eine glänzende Zone um- giebt; wenn aber die Wasseraufsaugung vollendet ist, nimmt die Zellen- hülle ihre vorige Ausdehnung zurück, zieht sich von der Basalschicht * 575 herab, und die Zone der Hüllensäume nimmt ihren Platz unter der Ba- salschicht ein. Bei dem Befunde Nr. 14, zu welchem die Fig. 10 ge- hört, war zu gleicher Zeit Fett- und Wasserresorption vorhanden. Zuerst wurde Schweineschmalz injieirt und 3 Stunden darauf destillirtes Wasser. Nach der Wasserinjeetion wurde in der vierten Stunde die Untersuchung vorgenommen. Die Chylusgefässe waren dick und weisslich, die in den Epithelialzellen der Darmzotten befindlichen feinen Fetttröpfehen schimmerten mit verwaschenen Contouren durch die auf- gequollenen Zellenhüllen, die Basalschieht (Fig. 10 b), welche in die- ser Zeit der Fettresorption in ihrer ganzen Dicke sehr deutlich sicht- bar ist, war nur undeutlich durch die über sie gezogene Zellenhülle zu sehen, und dieZone der Hüllensäume (Fig. 10 a) umgab die Darm- zotte. Dass die Fetttröpfehen undeutlich eontourirt waren, ist wegen der stärkeren Aufquellung der Zellenhüllen erklärlich, und dass die Basal- schicht durch dieselben durchschimmerte, zeigt, dass ihre Aufquellung in geringerem Grade statt fand als bei Nr. 8 (Fig.2), was wegen der längeren Zeit, die von der Wassereinspritzung bis zur Untersuchung verstrich, erklärbar ist. Die Befunde von 17—21 wurden nach Injection einer Wasser- lösung , die 30%/, von reinem Kochsalz enthielt, erhalten. Das Thier Nr. 17 genoss vor der Einspritzung reichlich von den dargereichten Speisen und wurde in der dritten Stunde nach der Injeetion unter- sucht. Die Basalschicht war bloss durch die aufgequollene Zellenhülle undeutlich sichtbar, und die Zone der Zellensäume bildete die äusserste Grenze der Darmzotte. Die Thiere Nr. 18—419 hungerten 24 Stun- den vor der Wassereinspritzung, und nach dieser wurden sie in der zweiten Stunde zur Untersuchung getödtet. Der Befund war derselbe, welcher bei Nr. 17 beschrieben wurde und die Figur 10 gehört ihnen an, — in dieser ist a, die Zone der Zellensäume, b die Basalschicht, welche undeutlich durchschimmert und e der Zellenkörper. Dem Ka- ninchen Nr. 20 injieirte ich erst Schweineschmalz in den Darm, und in der vierten Stunde nach der Fettinjeetion 20 Grm. von der schon erwähnten Kochsalzlösung, — 1 Stunde nach der Einspritzung des letztgenannten Stoffes untersuchte ich das Thier. Das Resultat war dasselbe, welches ich bei dem Thier Nr. 14 oben bereits beschrieb. 9 % 576 Das Thier 21 wurde gerade so vorbereitet wie das Kaninchen Nr. 20, nach der Kochsalzeinspritzung hungerte es aber 24 Stunden hindurch und dann erst nahm ich die Untersuchung vor. Das Resultat war dem- jenigen 'gleich, welehes ich bei hungerndem Thiere sah und unter Nr. 5 bereits beschrieb. Wenn man die Wirkung des destillirten Wassers auf die Epithe- lialzellen der Darmzotten mit derjenigen der benutzten Kochsalzlösung vergleicht, so gewinnt man das Resultat, dass die beiden Stoffe auf die behandelten Gebilde in gleicher Weise wirken und dass also bei der Betrachtung der beiden Agentien in ihrer Beziehung zu den Epithelial- zellen von einem und demselben Standpunkte ausgegangen werden kann. Bei den Nummern 8, 10, 14, 15, 17 ist die Zone der Zellen- säume an der äussersten Grenze der Darmzotte beobachtet worden, wie das die Fig. 2, 11, 12, a im optischen Durchsehnitt zeigen, ferner ist in allen diesen Fällen der Zelleninhalt viel weniger sichtbar als unter anderen Umständen, obschon das Epithelium hell erscheint. Sonach muss angenommen werden, dass in Folge der Aufsaugung des Wassers und der Wasserlösungen die Hüllen der Darmepithelialzellen in solchem Grade anschwellen, dass wegen ihrer Dicke der Zellen- inhalt nur undeutlich gesehen werden kann, und ferner, dass, indem die- selben über die Basalschicht sich schieben, ihr Basalsaum zur äussersten Grenze der Darmzotte wird; wenn aber die Wasseraufsaugung zu Ende ist, zieht sich die Zellenhülle von der Basalschicht zurück und ihr Basalsaum lagert sich zwischen die letztere und den Zelleninhalt. Nachdem ich fand, dass die Fettaufsaugung durch den Zellenin- halt, die Wasserresorption aber durch die Zellenhülle geschehe, blieb es zu untersuchen, ob die Aufnahme beider Stoffe zu einer und der- selben Zeit vor sich gehe. Zu diesem Zwecke machte ich die Ver- suche Nr. 14, 15, 21, zu welchen Fig. 10 gehört. Erst wurde Schweineschmalz injieirt und 3—4 Stunden darauf destillirtes Was- ser. Nach der Wassereinspritzung in der ersten bis vierten Stunde un- tersuchte ich die Darmzotten und konnte so die Phänomene der Fett- wie die der Wasseraufsaugung neben einander beobachten. Die Zone der Hüllensäume (Fig. 10 a) bildete die äusserste Grenze der Darm- 577 . zotte; die Basalschicht (Fig. 10 b) konnte nur undeutlich durch die aufgequollene Zellenhülle betrachtet werden, und durch die letztere schimmerten auch die Fetttröpfehen (Fig. 10 e) des Zelleninhaltes nur mit verschwommenen Contouren durch. Das Vorhandensein von Fett- tröpfehen in dem Zelleninhalt deutet auf eine Fettaufsaugung, während die übrigen Phänomene die Wasserresorption kennzeichnen. Aus den Lageveränderungen, welche der Saum der Zellenhülle in den verschiedenen Resorptionsstadien erlitt, ist der Gegensatz zwi- schen Brettauer, Steinach und mir zu erklären: Brettauer und Steinach beobachteten nämlich, dass bei hungernden Thieren die Basalschicht dick sei, während ich auch solche Thiere nach dem Hungern zu Gesicht bekam, bei welchen dieselbe nur ganz dünn erschien. Diese in einander stossenden Wahrnehmungen lassen sich begreifen, weil sie nur solche Thiere benutzten, denen zwar keine Speisen gegeben wurden, aber deren freiem Willen das Trinken über- lassen wurde, also höchst wahrscheinlich gar nieht oder nur unbedeu- tend tranken, — und in solchen Fällen konnten sie nur eine breite Basalschicht zu Gesichte bekommen, da ich aber Thiere entweder gleich nach Wassertrinken ‘oder nach Einspritzung derselben unter- suchte, musste ich die helle, glänzende Zone der Hüllensäume an der äussersten Zottengrenze anstatt der Basalschicht beobachten , und die- ser Umstand ist in der That so trügerisch, dass man geneigt wird jene Zone als eine verdünnte Basalschicht anzusehen, wenn man aber die Veränderungen, welche die Wasserresorption in ihren Phasen an dem Zottenepithelium hervorbringt, genau verfolgt, gelangt man zu dem "beschriebenen Resultate. Sonach ist der periodenweise hervortretende Dickenwechsel der Basalschieht nur ein Trugbild, wie ich das theil- weise bei der Fettresorption, theilweise aber jetzt bei der Wasseraufsau- gung dargethan zu haben glaube. Der Hüllensaum umgiebt den vieleckigen Basalrand der Epithelial- zellen der Darmzotten und in dem Falle, wenn nach Abtrennung der Basalschicht, mehrere mit einander noch zusammenhängende Epithelial- zellen an ihrer Basis betrachtet werden, muss ein glänzendes Netz mit vieleckigen Maschenräumen beobachtet werden, und.+dieses Bild hat Lamb] (Prager Vierteljahrschrift, 3. Tafel, 8. Fig. D) abgezeichnet 578 . mit der Deutung, dass jenes aus den Säumen der Epithelialzellen (aus der Basalschicht) resultirt, da derselbe nieht auf der ganzen Zel- lenbasis liegt, sondern bloss den Basalrand der Zellen umgiebt; dem- nach nahm er auch an, dass über der Zellenbasis ein Napf sich be- findet, dessen Wandungen der Zellensaum (Basalschicht) bildet. In- dem er so den Saum der Zellenhüllen mit der Basalschicht ver- tauschte, konnte er auch keine Streifen wahrnehmen. Hiernach ist es nicht zu verwundern, dass er von Andern so abweichende Resultate erhielt. Und nach seinen Zeichnungen und seiner Beschreibung muss ich glau- ben, dass er die Basalschicht gar nicht sah, welche an den krankhaft veränderten Objeeten und noch dazu nach dem Tode zu der Zeit, wo Leichenöffnungen vorgenommen werden , bereits untergegangen sind. Zum Schluss fasse ich die Resultate meiner Untersuchungen in die folgenden Punkte kurz zusammen. 4) Die Basalschicht der Epithelialzellen der Darmzotten ist ur- sprünglich nicht gestreift. Die Streifung entsteht in Folge der Fett- resorption und sie ist der optische Ausdruck von feinen Kanälen, durch welche die Fetttröpfehen ihren Weg nahmen und welchen ent- sprechend die Basalschicht in Stäbchen auseinander weichen kann. 2) Der Diekenwechsel der Basalschicht is nur scheinbar, weil a) das Dünnerwerden durch die Fettresorption bedingt werden kann, indem ein Theil derselben durch Fetttröpfehen eingenommen wird, während der andere davon frei bleibt; und b)kann während der Was- serresorption die über die Basalschicht vorgeschobene Zone der Zellen- säume als eine verdünnte Basalschicht mit dieser vertauscht werden. 3) Der Weg für die resorbirenden Wasserlösungen geht durch die Hülle der Epithelialzellen, während die Aufsaugungsbahn für die Fett- tröpfehen durch den Inhalt der Epithelialzellen der Darmzotten geht. 7—9. 12—14. ” Erklärung der Figuren. Frische Epitheliumstücke der Darmzotten in Darmflüssigkeit unter- sucht. Nach reichlicher Futteraufnahme in der 24. Stunde untersucht; a die Basalschicht der Darmzellen; b die Zone der Hüllensäume der Epi- thelialzellen; e Epithelialzellen. Nach Wasserinjeetion in der 1,; Stunde; a die Zone der Hüllensäume der Epithelialzellen. Nach 48stündigem Hungern; a Basalschicht; b Zone der Hüllen- säume der Epithelialzellen; e Epithelialzellen; d Zellenkern. 6 Stunden nach Fetteinspritzung; a Basalschicht der Epitheliallage; b Fetttröpfchen. 6 Stunden nach Wassereinspritzung. Das Thier hungerte vor der Wasserinjection. 6 Stunden nach der Wassereinspritzung. Das 'Thier nahm vor der Wasserinjection eine reichliche Nahrungsmenge auf, 24 Stunden nach der Injection des Wassers. a die Basalschicht; b die Zone der Zellensäume. 3 Stunden nach der Fettinjection wurde Wasser eingespritzt, und hier- auf erfolgte in der 4. Stunde die Untersuchung; a die Zone der Zel- lensäume; b die durch die Zellenhülle Bieshscheigzil Bisalschicht; e die Epithelialzellen. 2 Stunden nach der Einspritzung von 30/oger Kochsalzlösung: a, b, ec wie bei 10. Isolirte Epithelialzellen der Darmzotten nach 6stündiger Maceration in 50/yger phosphorsaurer Natronlösung. A, von einem 48 Stunden lang hungernden Thier; B, von einem ge- sättigten Thier; a, b, c, d wie bei 3. Nach Fettinjeetion: a, b, c wie bei 3, a Hüllensaum der Epithelialzelle, b Epithelialzelle; c Zellenkern, d Endfortsatz. . Epithelialzellen der Darmzotten nach 6stündiger Maceration in Mole- schott’s starker Essigsäuremischung; a Basalschicht; b Hüllensaum der Epithelialzelle; ce Epithelialzelle; d Zellenkern; e Endfortsatz. Zellenhüllen nach Maceration der Darmzotten in 50/yger phosphor- saurer Natronlösung; A Zellenhüllen mit Basalsaum a, B ohne Ba- salsaum; c Basalsaum der a des Zottenepitheliums. XXVI. Ueber die zeitlichen Verhältnisse, welche bei der elektrischen Erregung der Nerven in’s Spiel kommen. Von Albert von Bezold''). Die ausgezeichneten Arbeiten Pflüger’s über die Physiologie des Elektrotonus haben ein neues Licht auf die gesammte Lehre von der elektrischen Erregung der Nerven geworfen. Ausgehend von Gesichts- punkten, welche mit diesen neuen Anschauungen innig verknüpft sind, habe ich unternommen, die zeitlichen Verhältnisse, welche bei der Ner- venerregung durch den elektrischen Strom in's Spiel kommen, einer genaueren und eingehenden Analyse zu unterziehen. Eine Zergliede- rung der hierbei in Betracht kommenden Fragen musste, so war meine Ansicht, einen sicheren Prüfstein abgeben für einige der von Pflü- ger aufgestellten Hypothesen über die elektrische Nervenerregung. In der That wird eine gründliche Darlegung, der Modificationen, welche der zeitliche Verlauf der Reizung und der Fortpflanzung der Reizung im Nerven unter dem Einflusse gewisser Abänderungen in der Art und Weise der elektrischen Erregung erfährt, eine wesent- liche Erweiterung und Ergänzung der Grundlagen bilden, auf denen fussend wir eine vorläufige Erklärung jenes verwickelten Heeres von Erscheinungen aufbauen, die, seit dem Entstehen der Reizphysiologie unter dem Namen des Zuckungsgesetzes zusammengefasst, bis vor Kur- zem eben so viele zusammenhangslose Räthsel für den Physiologen waren. 1) Mitgetheilt vom Herrn Verfasser aus den Monatsberichten der Kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 22. November 1860. 582 Ich habe nämlich die Grösse des Zeitintervalles, welches zwischen Reizung des motorischen Nerven und dem Beginn der dadurch erzeug- ten Muskelzuckung verfliesst, in ihrer Abhängigkeit von verschiedenen Bedingungen der elektrischen Erregung genau zu bestimmen gesucht, und hier vorläufig die einfachsten Fälle zergliedert, in welchen die Schliessung oder die Oeffnung eines Kettenstromes durch den sonst unveränderten Nerven als Erregungsmittel dienten. Die Ergebnisse dieser theils an einem ursprünglichen Helmholtz’schen, theils an einem neuen, von du Bois-Reymond veränderten Myographion an- gestellten Versuche erlaube ich mir hier in ihren Hauptzügen mitzu- theilen. Reizt man einen motorischen Nerven durch Schliessung oder Oeff- nung von Kettenströmen, die bald in aufsteigender, bald in abstei- gender Richtung den Nerven durchfliessen, so ist, bei unveränderter Lage der dem Muskel näheren Elektrode der reizenden Kette, die Zeit, die nöthig ist, damit die Erregung sich durch den Nerven fortpflanze und die erste Spur von Muskelcontraktion hervorrufe, bei einem und demselben Muskel nicht gleich, sondern diese Zeit ist abhängig von der Richtung, von der Dichte der als Erregungsmittel dienenden Ströme, von dem Umstande ferner, ob die Schliessung oder die Oeff- nung des Stromes die Erregung bewirkten, im letzteren Falle auch von der Schliessungsdauer; sie ist endlich abhängig von der Länge der intrapolaren, myopolaren und centropolaren Nervenstrecke. 8.1. Schliessung des absteigenden Stromes. Vergleicht man die Muskelzuckungen, die durch Schliessung eines im Nerven absteigenden Kettenstromes hervorgebracht werden, ihrem zeitlichen Verlaufe nach mit jenen, die erzeugt werden durch einen Oeffnungsinduetionsschlag, welcher in der Gegend der unteren Elek- trode den Nerven trifft, so ergiebt sich Folgendes: 1. Bei geringer Entfernung der beiden Elektroden der reizenden Kette von einander (3"") verfliesst zwischen dem Augenblick der Reizung und dem Eintritt der Zuckung genau das gleiche Zeit- intervall in beiden Fällen der elektrischen Erregung. Es ist hier- 983 bei gleichgültig, ob die Dichtigkeit des im Nerven geschlossenen absteigenden Stromes gross oder gering sei, es ist ferner gleich- gültig, ob die Entfernung der gereizten Nervenstrecke vom Mus- kel gross oder klein sei; immer vorausgesetzt, dass die Zuckun- gen in allen Fällen die Höhe von einfachen Maximalzuckungen erreichen. 2. Wächst, in dem Falle der Schliessung des absteigenden Stromes, die Entfernung beider Elektroden von einander (bis zu 5—6°n) so vergrössert sich jenes Zeitintervall nach Reizung durch die Schliessung sehr schwacher absteigender Ströme. Diese Ver- zögerung, welche der Eintritt der Zuckung erleidet, wächst mit der Länge der intrapolaren Strecke, nimmt ab mit wachsen- der Dichtigkeit des im Nerven fliessenden Stromes, und verschwindet vollständig, sobald der Strom eine gewisse Dichtigkeit im Nerven erreicht hat und überschreitet. Das bisher beobachtete Maximum der erwähnten Verzögerung. be- trug 0,0035 Secunden bei 41/,°” Abstand beider Elektroden, während die Fortpflanzung der Reizung durch dieselbe Strecke unter übrigens gleichen Umständen 0,0016 Secunden betrug. ER » Schliessung des aufsteigenden Stromes. Vergleicht man, in ähnlicher Weise, wie dies beim absteigenden Strom geschah, die durch Schliessung eines im Nerven aufsteigenden Stromes erzeugten Zuckungen mit den durch Oeffnungsinductionsschläge hervorgebrachten, so zeigt sich folgendes : 3. Bei sehr geringer Entfernung beider Elektroden (3"”) hängt die Grösse des zwischen dem Augenblick der Schliessung und dem Beginn der Zuckung verstreichenden Zeitintervalles von der Dich- tigkeit des erregenden Stromes ab. Sind die Ströme, die durch den Nerven geschlossen werden, sehr schwach, so ist keine Ver- zögerung im Eintritt der Zuckung wahrzunehmen, Bei wach- sender Stromdichte tritt eine mit der Diehtigkeit des Stromes zunehmende Vergrösserung des Zeitintervalles zwischen Schlies- sung und Beginn der Zuckung auf, und, wenn diese continuir- 584 lich zunehmende Verzögerung des Zuckungseintrittes eine ge- wisse Grösse erreicht hat, so ist hiermit die Grenze für den Ein- tritt der Zuckung nach Schliessung des aufsteigenden Stromes überhaupt gegeben. 4. Bei grösserer gegenseitiger Entfernung der Elektroden des con- stanten Stromes (4—6°®) erscheint bereits bei sehr geringer Dichte des erregenden Stromes eine beträchtliche Vergrösserung des zwischen Reizung und Zuckung verfliessenden Zeitintervalles. Diese Verzögerung nimmt mit wachsender Stromdichte rasch ab, verschwindet bei einer gewissen Stromdichte beinahe ganz, und wächst bei weiterer Zunahme der Stromdichte wieder continuir- lich bis zu einer gewissen Grösse, welche zugleich die Grenze für den Eintritt der Zuckungen überhaupt bezeichnet. Beobachtetes Maximum der Verzögerung: 0,009—0,010 Secunden. es Oeffnung des aufsteigenden Stromes. Verfährt man wie unter $. 1. und 2. angegeben, mit dem Unter- schiede, dass in dem einen Falle die Oeffnung eines im Nerven flies- senden aufsteigenden Stromes, im anderen Falle ein immer in der Gegend der unteren Elektrode einwirkender Oeffnungsinductionsschlag, den Reiz bilden, so treten folgende Erscheinungen auf. 5. Ist die Entfernung beider Elektroden von einander sehr gering (3”m), so ist das Zeitintervall zwischen Reizung und Beginn der Contraction in beiden Fällen nieht merkbar verschieden, mag der Strom, dessen Oeffnung den Reiz bewirkte, schwach oder stark sein, mag derselbe Strom vor seiner Oeffnung 1 Secunde oder 15 Minuten den Nerven durchströmt haben. 6. Ist die Entfernung beider Elektroden von einander beträchtlich (4—6°”), so tritt unter gewissen Umständen bei der Reizung durch Oeffnung, des aufsteigenden Stromes eine sehr beträchtliche Verzögerung der Zuckung ein. Die Grösse dieser Verzögerung ist am bedeutendsten, im Falle die Dichtigkeit der Ströme im Nerven, deren Oeffnung den Reiz bildete, sehr gering ist, sie nimmt schnell ab mit Zunahme der Stromdichte, und verschwindet bei einer ge- 585 wissen Grösse dieser letzteren und jenseits derselben vollständig. Sie scheint ferner mit wachsender Schliessungsdauer anfangs zu- zunehmen und dann zu sinken. Als Maximum dieser Verzögerung habe ich gefunden 0,0229 Se- ‘eunden. 8.4. Oeffnung des absteigenden Stromes. Ist das Erregungsmittel in dem einen Falle die Oeftnung eines im Nerven fliessenden absteigenden Stromes, im anderen Falle ein an der unteren Elektrode angebrachter Oeffnungsinductionsschlag, so er- giebt sich durch vergleichende Messungen Folgendes: 7. Die Zuckungen, welche nach der Oeffnung eines im Nerven ab- steigend fliessenden Stromes eintreten, erscheinen vom Augen- blick der Reizung an gerechnet, immer später, als jene, die er- zeugt sind durch einen Inductionsschlag an der dem Muskel nähe- ren Elektrode. 8. Die Grösse dieser hier in allen Fällen wahrnehmbaren Verzöge- rung hängt ab von der Dichtigkeit der im Nerven geschlossen gewesenen Ströme, von der Dauer der Schliessung dieser Ströme, von der Grösse der intrapolaren, myopolaren und centropolaren Strecke. 9. Variirt man, bei gleichen übrigen Umständen, die Dauer der Schliessung des Stromes unmittelbar vor seiner Oeffnung, und betrachtet man die Grösse der Verzögerung des Zuckungsein- trittes als Funetion der Schliessungsdauer, so dass man die Dauer der Schliessung als Abeisse und die Verzögerungswerthe als die zugehörigen Ordinaten aufträgt, so erhält man eine Curve, deren Ördinaten Anfangs abnehmen, dann wachsen, dann wieder abneh- men, endlich continuirlich zunehmen, bis nach einer gewissen Schliessungsdauer überhaupt keine Zuckung bei der Oeffnung des absteigenden Stromes mehr eintritt. 10. Betrachtet man, unter übrigens gleichen Bedingungen, die Grösse dieser Verzögerung als Function der Stromdicehte und ver- fährt wie unter 9. angegeben, so ergiebt sich eine Curve, deren 5986 11. 12. 13. 14. 15. Ordinaten Anfangs abnehmen, dann wieder zunehmen (oft unend- lich gross werden, so dass eine Discontinuität der Curve eintritt), dann wieder abnehmen und zuletzt continuirlich zunehmen, bis die Ordinaten plötzlich unendlich werden, d.h. bis keine Zuekung mehr eintritt. Der genauere Verlauf jeder einzelnen dieser beiden Curven wech- selt, je nachdem bei variirender Schliessungsdauer die Strom- dichte gross oder gering ist, und umgekehrt. Auf die Gestalt dieser beiden Curven ist ferner die Grösse der myopolaren, intrapolaren und centropolaren Nervenstrecke von Einfluss. Im Allgemeinen übt die Vergrösserung der myopolaren Strecke einen vergrössernden Einfluss auf die Werthe der Verzöge- rungen. Ausserdem haben individuelle Zustände der dem Versuch unter- worfenen Nerven einen entschiedenen Einfluss auf den Gang der beschriebenen Abhängigkeitsverhältnisse. Die bisher beobachteten absoluten Werthe der Verzögerungen schwanken zwischen 0,00075 und 0,0248 Secunden, während im Mittel, 0,00175 Secunden erforderlich sind für die Fortpflanzung der Erregung in 45"” Nerv. $. 5. Oeffnungsinductionsschläge. Vergleicht man zwei Zuckungen (Maximalzuckungen), deren eine durch einen Oeffnungsinductionsschlag durch den ganzen Ner- ven, deren andere durch einen Oeffnungsinductionschlag in einer kurzen Nervenstrecke an der untern Elektrode erzeugt ist, so tritt die erste Zuckung, im Falle der Oeffnungsinductionsschlag; so schwach als möglich war, um das Maximum der Zuckungen zu erzeugen, constant später, vom Augenblick der Reizung an gerechnet, ein als die zweite Zuckung; und es ist, als ob im ersten Falle eine Erregung bloss in der Nähe der oberen Elektrode stattgefunden habe. Verstärkt man im ersten Falle die Induc- tionsschläge, so vermindern sich diese Zeitdifferenzen, bis sie bei 987 einer gewissen Stärke des Induetionsschlages und darüber hinaus ganz verschwinden. S. 6. Schlussfolgerungen. 1. Bei Erregungen langer Nervenstrecken durch schwache elektrische Reize werden bloss die vom Muskel entfernten Theile des Nerven in den Erregungszustand versetzt, gleichgültig, welcher Art die elektrische Erregung auch sei. Corollar zu der von Pflüger zuerst hervorgehobenen Curve der Erregbarkeit am Nerven. Aus den Versuchen mit kurzen Nervenstrecken und stärkeren Strömen ergiebt sich Folgendes: 2. Bei der Schliessung, eines hinlänglich starken elektrischen Stro- mes geschieht die Erregung des Nerven in der Gegend der ne- ‘ gativen Elektrode, d. h. da wo während der Dauer der Schlies- sung der positive Strom aus dem Nerven austritt; da, wo der positive Strom die Bahn des Nerven betritt, geschieht keine Er- regung. 3. Bei der Oeffnung eines im Nerven fliessenden constanten Stro- mes geschieht eine Erregung des Nerven in der Gegend der po- sitiven Elektrode, und nicht in der Gegend der negativen Elek- trode. Es ist demnach, wie ich glaube, durch die vorstehenden Versuche der erste umfassende und eindeutige Beweis geliefert für den zuerst von Pflüger aufgestellten Satz, dass der Eintritt des Nerven in den Zustand des Katelektrotonus, und der Austritt aus dem Zustand des Anelektrotonus mit Erregung des Nerven verknüpft seien, dass dagegen der Eintritt in den Zustand des Anelektrotonus, und der Austritt aus dem Zustand des Katelektrotonus keine Erregung bedingen. 4. Die Nervenstrecken, welche in den Zustand des Katelektrotonus und des Anelektrotonus versetzt werden, gerathen hierdurch un- mittelbar in einen Zustand, in welchem sie die Fortpflanzung des Reizes langsamer besorgen als im normalen Zustande, in allen den Fällen, wo dieser Uebergang nicht selbst die Erre- gung ist. 588 5. Die Erregung des Nerven, gleichgültig ob sie durch Eintritt in 6. den Zustand des Katelektrotonus, oder durch den Austritt aus dem Zustand des Anelektrotonus erzeugt ist, pflanzt sich durch eine vorher normale Nervenstrecke genau mit derselben Schnellig- keit fort, wenn auch die erzeugenden Ströme an Stärke sehr wechseln, wenn nur in allen Fällen die Zuckungen Maximal- zuckungen sind. Die Verlangsamung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Er- regung, welche durch den Eintritt des Nerven in den Zustand des Anelektrotonus herbeigeführt wird, wächst mit wachsender Stromdichte und geht über in eine vollkommene Aufhebung. der Leitungsfähigkeit des Nerven, für einen von oben kommenden Reiz. 7. Die Nervenstrecken, welche unmittelbar vorher im Zustande des Katelektrotonus oder in dem des Anelektrotonus sich befanden, gerathen unmittelbar nach Aufhebung desselben in einen Zustand sehr beträchtlicher Unfähigkeit Erregungen fortzupflanzen, welche Unfähigkeit dann allerdings nicht wahrnehmbar ist, im Falle der Austritt aus dem Anelektrotonus an der untern Elektrode selbst schon Reizung bewirkt. 8. Geschieht, wie dies bei der Oeffinung des absteigenden Stromes der Fall ist, der Austritt aus dem Zustande des Katelektrotonus zwischen Reiz und Muskel, so hängt es einerseits von der Stärke des vorher bestandenen Katelektrotonus, andererseits von der Stärke der oberhalb dieser Stelle durch den Austritt aus dem Zustande des Anelektrotonus bewirkten Reizung ab, ob die Er- regung früher oder später oder gar nicht zum Muskel gelangt. Immer hat in diesem Falle die Erregung ein Hinderniss zu über- winden, und dieses Hinderniss wird von stärkeren Erregungen leichter und schneller, von schwächeren langsamer und schwie- riger oder gar nicht überwunden. Man muss annehmen, dass mit der Schliessungsdauer und mit der Stromdichte die Grösse des Hindernisses Anfangs langsamer, dann schneller, dann wieder langsamer und endlich bedeutend schneller als die Grösse der Erregung wächst. Bei dieser Annahme erklären sich die Curven, 589 welche die Abhängigkeit der Verzögerung. des Zuckungseintrittes von der Stromdichte und der Schliessungsdauer des vorher im Nerven fliessenden absteigenden Stromes ausdrücken, auf einfache und ungezwungene Art. Man sieht endlich ein, dass die mitgetheilten Thatsachen im Verein mit den von Pflüger vorgetragenen eine sichere Grundlage bilden für die Erklärung der Erscheinungen, welche beim Zuckungsgesetze auftreten. Die Grenze der Genauigkeit, welche bei den vorliegenden Unter- suchungen eingehalten werden konnte, ist 0,0005 Secunden, welche Zeitgrösse der Länge einer Linie von 1/,m" auf dem Zeichencylinder entsprach. # MOLESCHOTT, Untersuchungen VII. XXVN. Ueber einige Zeitverhältnisse, welche bei der directen elek- trischen Erregung des Muskels in’s Spiel kommen. Von Albert von Bezold !). 1. Erregt man lange gleichförmige, parallelfaserige Muskeln von Fröschen, die mit Curare vergiftet sind, dadurch dass man einen entweder aufsteigenden oder absteigenden elektrischen Strom zu einer gegebenen Zeit plötzlich durch dieselben schliesst, und ver- gleicht man die Zeiträume der latenten Reizung dieser Schlies- sungszuckungen mit der Dauer der latenten Reizung von gleich hohen Zuckungen, die durch einen den Muskel durchfahrenden Oeffnungsinductionsschlag erzeugt sind, so findet man, auch wenn in beiden Fällen Maximalzuckungen erzeugt sind, dass im ersten Falle (d. h. bei der Schliessungszuckung) die Zeit der latenten Reizung im Allgemeinen grösser ist, als im zweiten Falle (Zuckung durch den Induetionsschlag). Die Verzögerung , welche demnach der Eintritt der Schliessungszuckung darbietet, ist um so grösser, je geringer die Dichtigkeit des Stromes ist, dessen Schliessung im Muskel den Reiz bildete. Diese Verzögerung verschwindet voll- ständig bei einer bestimmten allerdings sehr beträchtlichen Dich- tigkeit des Stromes im Muskel. In den bisher angestellten Versuchen verschwand der Zeitunter- 1) Mitgetheilt vom Herrn Verfasser aus den Monatsberichten der Kgl. Preuss, Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 5. December 1860. I 591 schied erst, wenn der volle Strom einer siebengliedrigen Grove’schen Säule der kleineren Art durch den Muskel (einen der Adductoren des Oberschenkels) geschlossen ward. Als Maximum des Zeitunterschieds ergab sich eine Grösse, welche die Grösse des Zeitraumes der latenten Reizung bei Induetionszuekungen um ein Geringes übertraf, so dass also das Stadium der latenten Reizung in diesen Fällen mehr als das Doppelte von dem normalen Stadium der latenten Reizung betrug. 2. Geschieht die Erregung, im ersten Falle, statt durch Schliessung durch die Oeffnung eines im Muskel fliessenden auf- oder abstei- genden Stromes, im zweiten Falle durch einen Oeffnungsindue- tionsschlag, so zeigt sich Folgendes: das Stadium der latenten Reizung dauert in dem ersten Falle im Durchschnitt beträchtlich länger als im zweiten Falle, es kann die sechsfache Dauer von dem normalen Stadium der latenten Reizung erreichen. Diese Verzögerung nimmt ab mit der Zunahme der Dichtigkeit des Stromes, dessen Oeffnung den Reiz bildete, und sie verschwin- det erst bei einer sehr beträchtlichen Stromesdichte (Strom von 14 Grove’schen Elementen durch einen der Adductoren des Oberschen- kels) vollständig. Diese Verzögerung nimmt ferner, aber in sehr ge- ringem Maasse ab mit Zunahme der Schliessungsdauer unmittelbar vor der als Reiz dienenden Oeffnung. Die Dauer der Schliessung, um welche es sich hier handelte, schwankt von 10 Secunden bis zu einer Stunde. Ausser dieser Verlängerung des Stadiums der latenten Rei- zung zeigen die Oeffnungszuekungen durchgängig eine bedeutende Ver- zögerung im ganzen zeitlichen Verlaufe der Verkürzung. Es ist für die, beschriebenen Erscheinungen gleichgültig, welche Richtung der Strom im Muskel hat, falls nur der letztere keine beträchtliche Un- regelmässigkeit im Baue darbietet, so dass die Dichtigkeit des Stromes an verschiedenen Strecken des Muskels nahezu dieselbe ist. 3. Die Thatsachen,, welche hier vorliegen, veranlassten mich fol- gende Versuche einzurichten: Ich befestigte dünne parallelfaserige Muskeln (M. sartorius) von vergifteten Fröschen an dem Pflüger’schen, oder an dem von du Bois-Reymond modifieirten zeitmessenden Myogra- phion in der Weise, dass dieselben in einer der Mitte näheren 40% 592 Stelle ihres Verlaufes gut fixirt waren, so dass eine Contraction, die an dem einen Ende auftrat, den anderen Theil, wenn er sich nicht selbst eontrahirte, nicht im Geringsten bewegte. Das eine der freien Enden, das Ende A, wurde nun über Kork gelegt und hier an zwei Stellen in Verbindung mit zwei Enden einer Kette gebracht, so dass, wenn der Strom in den Muskel brach, die Be- wegung der elektrischen Flüssigkeit parallel mit der Richtung der Muskelprimitivbündel erfolgte. Das andere Ende, das Ende B, befand sich durch einen gläsernen Haken in Verbindung mit dem Schreibapparate eines der beiden Myographien. Das Ende B stellte demnach den sich contrahirenden Muskel, die intrapolare Strecke am Ende A dagegen (welche immer in dem oberen Ende des Sartorius bestand, welches Ende nach Kühne nervenfrei ist) den direct, ohne Dazwischenkunft der Nerven elektrisch erregten Theil des Muskels dar, so dass Ende A für die zu beobachtenden Zuckungen des Endes B gewisser- maassen den zuckungerregenden Nerven darstellte. Ich schloss nun oder öffnete durch die intrapolare Strecke schwache Ströme, von denen ich mich überzeugte, dass sie nur den intrapolaren Theil direct erregten, bald in aufsteigender, bald in absteigender Richtung und suchte zu erfahren, in welcher Beziehung die Contractionen des extrapolaren Theiles, (insbesondere Ende B) zu der auf den intrapolaren Theil des Muskels ausgeübten Er- regung (die sich in allen Fällen natürlich als Contraetion kund- gab) ständen. Es ergaben sich hierbei folgende nicht unwich- tige Thatsachen: t a) Die Schliessung schwacher aufsteigender Ströme (positiver Pol in der Nähe des Fixationspunktes) erzeugt bei frischen Mus- keln immer eine Zuckung sowohl des intrapolaren als des ex- trapolaren Theiles. Dagegen wird mit der Zeit die Schlies- sungszuckung des aufsteigenden Stromes in der extrapolaren Strecke schwächer, je mehr der Muskel sich von dem Zustand, der dem des normalen Lebens am nächsten ist, entfernt, und hört kurze Zeit nach Herausnahme des Muskels ganz auf, wenn auch der intrapolare Theil noch immer lebhaft zuckt. ri 993 b) Die Oeffnung des aufsteigenden Stromes erzeugt keine Zuk- kung im extrapolaren Theil, falls der Strom sehr schwach ist. Bei Zunahme der Stromstärke und mit Zunahme der Schlies- sungsdauer erscheint die Oeffnungszuckung auch im extrapo- laren Theile und wächst mit Stromstärke und Schliessungs- dauer innerhalb gewisser Grenzen continuirlich an. Sie wird noch erhalten, wenn auch die Schliessungszuckung des auf- steigenden Stromes schon aufgehört hat. ce) Die Schliessung des absteigenden Stromes erzeugt schr leicht Zuckung auch im extrapolaren Theile; die Stärke dieser Zuk- kung wächst mit Stärke des Stromes und diese Zuckung ist diejenige, welche, wenn auch Schliessung und Oeff- nung des aufsteigenden Stromes keine Zuckung im Theile B mehr bewirken, noch längere Zeit ziemlich kräftig fortfährt zu erscheinen. d) Die Oeffnung des absteigenden Stromes erzeugt in höchst sel- tenen Fällen und bloss unter sehr günstigen Bedingungen (mäs- sige Stromstärke, sehr kurze Schliessungsdauer und sehr fri- scher Muskel) im extrapolaren Theile Zuckung. In den mei- sten Fällen zuckt bloss der intrapolare Theil. e) Die von a bis d beschriebenen Erscheinungen bilden demnach das wahre Zuckungsgesetz des Muskels ohne Bei- hülfe der Nerven 4. Untersucht man nun, mit Hülfe des zeitmessenden Myographions, die Zeiten, welche verfliessen vom Augenblick des Einbrechens der Ströme in den intrapolaren Theil vom Ende A bis zu dem Augenblick, wo die erste Spur von Contraction in dem extrapo- laren Theile B auftritt und vergleicht man diese Zeiträume in zwei Fällen, d. h. wenn in einem Falle ein absteigender, im an- deren Falle ein gleich starker aufsteigender Strom durch den Theil A geschlossen werden , so findet sich, dass immer dieser Zeitraum im ersten Falle grösser ist als im letzteren, und zwar beträgt der hier auftretende Zeitunterschied meist mehr, als nach Aeby (Reichert’s unddu Bois-Reymond’s Archiv II. Bd. S. 253) der Zeitraum beträgt, den die Fortpflanzung der Er- 594 regung durch ein Stück Muskel von der Länge der intrapolaren Strecke gebrauchen würde. Diese Zeitunterschiede wachsen fer- ner mit der Zeit, welche seit der Präparation des Muskels ver- flossen ist, und werden schliesslich unendlich gross, d. h. die Schliessungszuckung des aufsteigenden Stromes im extrapolaren Theil bleibt aus, während die Schliessungszuekung des absteigen- den Stromes noch fortbesteht. Es ist mir bis jetzt nicht gelungen, die zeitlichen Verhältnisse im Eintritte der Oeffnungszuckungen bei auf- und absteigendem Strome zu vergleichen, da nur unter den günstigsten Bedingungen, welehe am zeitmessenden Myographion herzustellen fast unmöglich ist, eine Oeff- nungszuckung des absteigenden Stromes in der extrapolaren Strecke auftritt. 1» 2. 3. Ich schliesse aus den vorstehenden Thatsachen folgendes: Das Zuckungsgesetz für den Muskel ohne Betheiligung des Ner- ven ist durchaus analog dem Zuckungsgesetze, welches auftritt bei elektrischer Erregung der Nerven allein. Der elektrische Strom versetzt die Primitivmuskelbündel im Au- genblick der Schliessung nur in der Gegend des negativen Poles in den Zustand der Erregung, am positiven Pole dagegen in einen Zustand, in welchem sie die Erregung langsamer leiten und bei hinlänglicher Stärke des Stromes gar nicht mehr zu lei- ten im Stande sind. Bei der Oeffnung des elektrischen Stromes gerathen nur diejeni- gen Theile des Muskels, welche sich in der Nähe der positiven Elektrode während der Dauer der Schliessung befinden, in den Zustand der Erregung; diejenigen Theile dagegen, welche wäh- rend der Schliessung sich an der negativen Elektrode befanden, gerathen nach der Oeffnung in einen Zustand, der für die Fort- pflanzung des Reizes äusserst hinderlich ist. . Die Schnelligkeit, mit welcher die Muskeltheilchen in den Zu- stand der Erregung übergehen, ist abhängig von der Stärke der Ströme, von dem Umstand ferner ob die Erregung durch den Eintritt in den Zustand am negativen Pol oder durch den Aus- tritt aus dem Zustande am positiven Pol herbeigeführt wurde. XXVM. ‘ Ueber das Jacobson’sche Organ des Schafes. Von Dr. Coloman Balogh. Assistenten am physiologischen Institute der Pesther Universität !), Ich erlaube mir hier die hauptsächlichsten Resultate einer soeben beendeten grösseren Arbeit über das Jacobson’sche Organ und die Kegio olfactoria des Schafes in Kürze mitzutheilen. Es sind folgende: 1. Die gefäss- und nervenreiche Schleimhaut, welche die Knor- pelkapsel des Jacobson 'schen Organs auskleidet, ist nach aussen und oben am dicksten und bildet daselbst eine in das Lumen der Röhre vorspringende wulstförmige Längserhebung, wodurch nach innen und oben eine tiefe, nach aussen aber eine seichte Furche ent- steht. 2. Die Drüsen des Jacobson’schen Organs kommen aus- schliesslich in der erwähnten wulstartigen Längserhebung der Schleimhaut vor, und münden mit ihren schräg von oben und hinten nach unten und vorn gerichteten Ausführungsgängen auf dem Grunde der beiden Furchen, welche den Drüsenwulst begrenzen. 3. In dem drüsenlosen Theile der Schleimhaut verlaufen zahlreiche Bündel von Olfactoriusfasern, welche auch einzelne doppelt eontourirte Trigeminusröhren enthalten. 1) Aus den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften, vom Hrn. Verfasser mitgetheilt. 996 4. Zwischen den Drüsen sind nur ganz dünne Bündelehen von dunkel eontourirten Nervenröhren vorhanden, deren Neurilema verhält- nissmässig sehr diek ist. Olfactoriusfasern finden sich daselbst sehr wenige. | 5. Die Schleimhaut des Jacobson ’schen Organs besitzt ein Flim- merepithelium, welches scharf begrenzt an der Mündung des Jacob- son’schen Organs aufhört und im Stenson’schen Gang durch ein geschichtetes Pflasterepithelium ersetzt wird. 6. Das Epithelium des Jacobson’schen Organs wird durch zweierlei Zellen constituirt. Die von der einen Art sind Flimmer- zellen, welche deutliche Flimmerbewegung zeigen. Die anderen, ner- vöse Endapparate (Riechstäbehen), welche mit jenen der Regio olfactoria vollkommen übereinstimmen, und an ihrer Endfläche, wie diese, zwei spitze Körperchen (Riechhärchen) tragen. 7. Die Flimmerzellen stehen durch ihre nach unten gerichteten Fortsätze mit den elastischen Elementen der Schleimhaut in Ver- bindung. 8. Die nervösen Elemente der Epithelialschicht (Riechstäbchen) hängen durch ihre Fortsätze, welche spindelförmige , kernhaltige An- schwellungen zeigen, mit den Olfaetoriusröhren zusammen und bilden deren peripherische Endigungen. 9. Die Riechstäbehen sind vorzüglich an der drüsenlosen Sehlaigt: hautpartie vorhanden, wiewohl sie auch an den übrigen Theilen nicht ganz fehlen. 10. Die Regio olfactoria des Schafes ist stets mit einer Schichte von dieklichem Schleim überzogen und zeigt niemals Flimmerbewe- gung, auch sieht man nichts von Flimmerhärchen und Riechhärchen an der Oberfläche. Wenn jedoch jene Schleimschicht durch Maceration in der Moleschott’schen starken Essigsäuremischung entfernt ist, kann man sich überzeugen, dass die Epithelialschicht aus Epithelial- zellen, welche wie die Flimmerzellen mit Härchen besetzt sind, und aus Riechstäbehen, welche je zwei Riechhärchen tragen, besteht. 11. Das Pigment der, Zellen, der Bowmann’schen Drüsen, wel- ches die gelbe Färbung der Regio olfactoria verursacht, scheint fetti- 597 ger Natur zu sein und kann durch Maceration in der Moleschott'- schen starken Essigsäuremischung ausgezogen werden. | 12. Eine Vergleichung des feinen Baues der Schleimhaut der Re- gio olfactoria mit jenem der Schleimhaut des Jacobson’schen Or- gans ergiebt: a) Dass beide Schleimhäute sowohl von Olfactorius- als Trigemi- nusfasern versorgt werden. b) Dass die Epithelialschicht beider Schleimhäute aus Flimmer- zellen und Riechstäbchen zusammengesetzt wird, mit dem Unterschiede jedoch, dass diese Elemente an der Regio olfactoria etwas grösser sind als im Jaeobson’schen Organ, und dass die Flimmerzellen im Jaeobson’schen Organe eine deutliche Flimmerbewegung zeigen, während die mit denselben sonst völlig identischen Zellen an der Regio olfactoria keine Flimmerbewegung erkennen lassen. c) Die Bowmann'’'schen Drüsen der Regio olfactoria finden sich in der ganzen Fläche so ziemlich gleichmässig. vertheilt. Die Drüsen im Jacobson’schen Organe kommen nur im Drü- senwulste vor und münden ausschliesslich in Grunde jener Furchen, welehe zu beiden Seiten des Drüsenwulstes vorhanden sind. d) Die Zellen der Drüsen der Regio olfactoria sind röthlich-gelb pigmentirt, jene des Jacobson ’schen Organs hingegen farblos. 13. Bei der grossen und wesentlichen Uebereinstimmung des Baues beider Schleimhäute muss somit vom anatomischen Stand- punkte aus das Jacobson'sche Organ entschieden für en Geruchs- organ erklärt werden. a er de “ Druck der Brühl’schen Un -Buch- & ‚Steindruckerei (Fr. Chr. Pietsch) in Giessen Moleschott, Vagus-Reizung. IH An. 5 De] 1, 870. m; Tırh.Anstv I Kopıd ‚Tranktun ME: = En BERN fo Baloslı. Fig1Y. \Melatars f |! ul \ N MN 4 nah 230m FIG Frg.6 2 By Na! a 1.) . a RS ® u, 43 y [ | [ 20m. 230 som A S00m Fry20 l / 219.22 - a 230m RR, 730 m 300 m Fig 2 Metaturs. A Waılcz ) / 250m 730m 250m ölm rg 20 250m ig2V 230m “ auguralabhandlung des Hrn, * Gubler. mitgetheilt von A. Dick u e v . r} I r des siebenten Bandes. Be Fr » vs Seite - IL Ueber die angeblich saure Rost Muskelfleisches. Von E. du Bois-Reymond .... Ns 1 RN II. Beiträge zur Kenntniss des Winterschlafes ade Fe ere Von HG. Valentin ... Er 39 II. Darf man Urin, in delsthi ER Dicker na Deatidn Een Un soll, vorher mit Bleiessig ausfällen ? Von Proi. Ernst Brücke 70 IV. Bestätigung der dem an eas eigenthümlichen kräftigen Wirksamkeit bei der Verdauung d« stickstoffhaltigen Nahrun sstoffe durch Versuche mit natürlichem Bauchspeichel. — Vergleich ‘des alten Verfahrens, a bei welchem eine Fistel angelegt wurde, mit dem der Infusion. ra Kritik. Von Lucian Corvisart . . . a 77 . NE "Ueber nicht polarisirbare Elektroden. VongErau, Bois-Reymond 119 > WI. Ueber die Muskelfasern der Mollusken. Ein Beitrag 2 zur vergleichenden - . Structur und Entwicklungs-Lehre des Muskelgewebes. "Von Dr. ©, Theodor Margo . . . ER A165 WO. Ueber die Eiweisskörper ae Biden Von Dr. Alexander Tag FRollet..T. * ET "ODE er Der Klauenschlauch des Schafes Ra Klndendriisäht ode eutaneus ar j lein). Histologisch untersucht in dem physiologischen Institute - 7 ‚der k. k. Universität zu Pesth. Von Dr. Coloman Balogh . . 205 IX. Zur Würdigung der‘ physiol. Wirkung der Sitzbäder. Rückbemer- kungen an Herrn Dr, Böcker, auf dessen Antikritik (diese Zeit- schrift Bd. VL.) Von Dr. L. Lehmann. . . en . 219 X. Ueber Lösungsgemenge aus Kali-Albuminat und. HRsihaglähren Alkali. Egalzen. Von Dr. Alexander Rollet. .*. .... . 230 x. Beiträge zur näheren Kenntnis ‚der morphologischen Een au Nervensystems. Von Ludwig Mauthner.: ,.. . 243 XU. Ueber. die Längenverhältnisse_ der Sköfkttmuskelfasern, ba 8 Er 251 XXI XXL. XXI. XXIV. XXV, XXVI XXVI. XXVIH. Ueber den Einfluss der Athembewegungen auf Herzschlag und Blut- druck. Von Dr. Einbrodt i Ueber einige Punkte, betreffend den Bau a en Ei Her Haste der menschlichen Kopfhaut. Von P.Chapuis und Jac. Moleschott Kleine Mittheilungen aus dem k. k. physiologischen Institute in Pesth. (Erste Reihe). Von Professor J. Czermak. Rhythmische Zusammenziehungen an der Cardia des Kaninchenmagens (Cardiapuls). Von J. Basslinger . . . BL Kleine Mittheilungen aus dem k. k. yo eeen Institute in Pesth, (Zweite Reihe). Von Professor J. Czermak . ...x. Kleine Mittheilungen aus dem k. k, physiologischen Institute in Pesth. (Dritte Reihe). Von Professor J. Czermak .... 5 Ueber die Unempfindlichkeit der Cerebrospinaleentra für elektrische Reize. Von J. van Deen. Experimentelle Beiträge zur Bifsiologie des Taskinnen Aus Her Inauguralabhandlung des Dr. Arnold Wunderli auszugsweise mit- getheilt von A. Fick. Ze B Untersuchungen über den Einfluss. FR Yan eine En die Häufg- keit des Herzschlag. Von Jac. Moleschott 6,0% Erläuterung zu einigen Bemerkungen des Hrn. Dr. TE gemacht in seinen in dieser Zeitschrift (Bd. VII) enthaltenen Notizen „zur Würdigung der physiologischen Wirkung der Sitzbäder.“ © Von Professor Radicke nr NEN 1 On ER Erwiderung auf, Herrn Dr. Lehmann’'s Rückbemerkungen: „Zur Würdigung. der physiologischen Wirkung der Sitzbäder“, im VII. Bde. Nr. IX dieser Zeitschrift. Von Dr. Böcker R Untersuehungen über die Absonderung des Harnsiöfia. un Meren Verhältniss zum Stoffwechsel. Von Carl Vogt AR, Das Epithelium der Darmzotten in verschiedenen Besorpiibngeusiändkn, Von Dr. Coloman Balogh, Assistenten am physiol. Institute der Pesther Universität . . . - . were PEN Ueber die zeitlichen Verhältnisse, Br "bei ir len Erre- gung der Nerven in’s Spiel kommen. Von Albert von Bezold Ueber einige Zeitverhältnisse, welche bei der direeten elektrischen Erregung des Muskels in’s-Spiel kommen. Von Albert von Bezold Ueber das Jacobson’sche Organ des Schafes. Von Dr. Coloman Balogh, Assistenten am physiol. Institute der Pesther Universität J- Seite . 265 325 . 353 359 367 374 . 380 393 . 401 . 469 . 482 493 a RR u‘ or 2 j Br N un ETUI DIESER, Han j\ ; [3 =; | LLLDISEN Be a IL EEIge ET EN & ‚fr ; 1; I; ti " - & b r ' > er Par o Er RR TR RAT. a Di Ba FIT Sur. MR da ad ni Sam c „ } In meinem Verlage ist soeben erschienen und durch alle Buch- handlungen zu erhalten : i Portrait von Jac. Moleschott. Photographie. gr. 4. 20 Sgr. oder fl. 1. 12 kr. Ferner ist erschienen : Eursiplogie Nahrunzsmitteh Ein Handbuch ' der Er Diatetik von Jac. Moleschott. Zweite völlig umgearbeitete Auflage. e I Lex.-Form. geh. Rthlr. 4. 15 Sgr. oder fl. 8. 6 kr. Giessen. FERBER’sche Universitäts- Buchhandlung. (Emil Roth.) f In gleichem Verlage sind erschienen: Beiträge vergleichenden und experimentellen Geburtskunde Dr. Ferd. Ad. Kehrer. Heft 1. Zusammenziehung des weibl. Genitalcanals. Mit ateln. ze. er er N » 2. Vergl. Physiologie der Geburt des Menschen und ; der Säugethbiere. Mit 5 Tafeln . . 2 .>8 — >» 3. Pelikologische Studien. Mit 2 Tafeln . . . "4 — >» 4. Entzündung und Fieber erregende Wirkung der Lochien, Untersuchungen über den physio- logischen Milchfluss der Stillenden. Mit 1 Tafel En TR 4. 50. > 5. Versuche zur Erzeugung difformer Becken . . >» 4, 50. 6. Ueber die Bedingungen des respiratorischen Luft- eintritts in den Darmcanal. Mit 5 Tafeln » 3. — Obige 6 Hefte vereinigt in einem Band, als I. Bd. der Beiträge, M. 27. ‚ Te EEE EN A ; . “ "Beiträge Anatomie und Physiologie x j von N Prof. Dr. €. Eckhard. _ IE. IH: Band a M. 10. W.1.M.5. W.2M3 MW3M 6. 1.4.3. v.2..m; 6. V1.1.M.2,50. 91.2.0 4 v3 Ma VII 1. M. 4. VI. 2:M.3. vVI.,3.M.4. VII. 1.2. M..8. VM% =” “ — —og— nie €. F. Winter’sche Buchdruckerei in Darmstadt. . x ’ Ten ee SI nn 3