t(^^@'^ i^ *-• 1^ ,1 * / « ^ ^^ ■-- ^*s^ - - ■ • %>- '- , '«l""" '"''l-*. . \ -v 1^ ^ i l# .:,V% r- t.-v; rf* '»''■.■v-^ 54 ,ÄJkB..i'^ ?^^' Die Vereinigten Staaten von Amerika. Von Dr. Friedrich Ratzel, Professor der Geographie an der Universität zu Leipzig. Zweiter Band. Politische und Wirtschafts-Geographie. Zweite Auflage. MiiiKrliCiii. I>riirk mimI N'crljitr von R. Olilenbourg. 1893. Politische Geographie der Yereinigten Staaten von Amerika unter besonderer Berücksichtigunor der natürlichen Bedingungen nnd wirtschaftlichen Verhältnisse. Von Dr. Friedricli Ratzel, Professor der Geographie an der Universität zu Leipzig. Zweite Auflage. Mit einer Kulturkarte und 16 Kärtchen und Plänen im Text. München. Druck und Verlag von R. Oldenbourg. 1893. STACK ANNEX Vorwort. Jjiese neue Auflage ist ein neues Buch geworden. Es ist sozusagen keine Zeile auf der anderen geblieben. Das Land und das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika haben seit dem Jahre 1870, auf dessen Census die erste Auflage sich hauptsäch- lich zu stützen hatte, sehr grofse Veränderungen erfahren. Und aufserdem sind nicht einmal die Grundgedanken der Arbeit noch ganz die alten. Die Beschäftigung mit der allgemeinen politischen Geographie hat mich gelehrt, den Konstanten der politischen Geographie: Lage, Peripherie und Raum, einen gröfseren Wert beizulegen und sie sind also viel ausführücher dargestellt wor- den. Ihre gründliche Erörterung ist gerade bei diesem jungen Lande geboten. Die praktischen Lehren , die uns die V. St. von Amerika erteilen können, liegen in der freieren, mit gröfseren Mitteln bewirkten Entfaltung unserer eigenen politischen und Kulturgedanken. Kein Problem ihrer Geographie übertrifft da- her das des Raumes an praktischer Bedeutung für unser politi- sches und wirtschaftliches Leben. Dem Staatsgebiet als Raum ist nicht blofs ein besonderes Kapitel gewidmet, es kehrt auch der Raum in jedem Kapitel in seinen Wirkungen auf das kör- perliche Dasein und den Geist der Bevölkerung, ihre wirtschaft- liche Thätigkeit und politische Bethätigung wieder. Was die Peripherie, also die Küste und die Grenze anbetrifft, so beweisen die V. St. klar, dafs der Peripherie mit der Ausfüllung und Aus- 451059 VI Vorwort. nütziing des von ilir umschlossenen Raumes immer gröfsere Funktionen übertragen werden, die sich in der Peripherie immer mehr verdichten und summieren und deren Wert erhöhen. Die Erfahrung, dafs \nchtige Stellen der Grenzen der V. St. auf ver- breiteten europäischen und amerikanischen Karten falsch gezeichnet sind, bestärkte mich noch in dem Wunsch, eine eingehende Dar- stellung der Peripherie zu versuchen. Bei der Betrachtung eines so weiten Gebietes, wo nur der kleinste Teil dessen, was möglich ist, auch fertig, das Meiste erst im Werden ist oder gar noch im Schlummer liegt, verliert man gar zu leicht den Mafsstab für das Wirkliche. Die Bürger der V. St. selbst gehen mit dem Beispiel der Überschätzung voran, der bei Anderen den Gegensatz der Unterbietung hervorruft und das Greifbarste ist am Ende nur die Verwirrung des Urteiles. Eine politische Geographie der V. St. hat zunächst glücklicherweise gar nichts mit den Zukunftsbildern zu thun. Die tellurischen Thatsachen auf dem Grunde der politischen und wirtschaftlichen Erscheinungen festzustellen und zu beschrei- ben, das ist ilire unzweifelhafte erste Aufgabe, auf die die Beschrei- bung der Gröfse, Lage und Gestalt dieser Erscheinungen folgt. Die Beziehung zu jenen Schlüssen liegt nur darin, dafs sie ihnen den sicheren Boden festhält und zugleich die vorhandenen Entwickelungen so genau wie möglich umgrenzt. Die politische Geographie ist auch angewandte Ethnographie. Sie sucht neben der Beschreibung des Landes die des Volkes in womöglich gleicher Ausführlichkeit und Genauigkeit zu geben. Die Tiefe, Maimigfaltigkeit uud Beweglichkeit der Erscheinungen fordert aber dafür eine besondere Art von Darstellung, die sich v(»ii der der beschreibenden Naturwissenschaften in der Richtung auf die scliildcnidc I^eschreibung entfernt. Einige hierher ge- liorigc rroblcnic dei' llassenpolitik lassen si(;h geographisch fundieren und gewinnen dann sofort an Deutlichkeit und Be- greifli<;hkeit. Ich liabe mir besondere Mühe gegeben, das Neger- jiroldcni klar liinznstellen, nni so in(!hr, als die Tliatsache, dafs IJry'-e in .'^einc.in grofsen, luitzlichen jauche »The American Com- inonweHlth« es einfach bei Seite gelassen hat, mir immer den lOindruck ni<'lit Ijjofs einer Bresche, sondern des Mangels einer Vorwort. VU ganzen Wand in seinem Baue macht. Die Aufgabe der politi- schen Geographie kann es nicht sein, die Bevölkerungsstatistik eines Landes zu reproduzieren, sondern vermittelst der statisti- schen Zahlen das Volk als einen lebendigen Körper zu verstehen und dessen Bewegungen auf seinem Boden zu erkennen. Durch die statistischen Zahlen hindurch, die in einem solchen Werke aus praktischen Gründen in gröfserem Mafse geboten werden müssen als eigentlich die Geographie bedarf, sollen die geographi- schen Bedingungen und Beziehungen gleichsam durchscheinen. Die diesem Band beigeheftete Kulturkarte, deren Erklärung auf einem besonderen Blatt gegeben ist, wird hoffentlich das geographi- sche Verständnis der statistischen Zahlen erleichtern. — Für die IMitteilungen der Census Bulletins, des Grundmaterials dieses Bandes, die ich bis No. 352 benützen konnte, habe ich Herrn Robert C. Porter in Washington, Superintendent und Herrn Henry Gannett, Geograph des U. S. Census zu danken, für die Zugänglichmachung unveröffentlichter Küstenlängen Herrn T. C. Mendenhall, in Washington, Superintendent des U. S. Coast und Geodetic Survey. Seitens der Smithsonian Institution, des Geological Survey of the Rocky Mt. Region und des Bureau of Ethnography, hatte ich mich, wie seit Jahren, des freundlichsten Entgegenkommens zu erfreuen. Besonderen Dank bin ich den Herren Albert S. Gatschet und W. D. Dali schuldig. Über dunkle Punkte der Negerfrage halfen mir Mifs Ellen C. Semple in Louisville und Dr. G. W. Gage, derzeit in Leipzig, Erkundi- gungen einziehen und unterstützten mich durch Zusendung seltener Litteratur. Den Professoren Dr. Emerton in Cambridge Mass., Dr. Richard M. S m ith in Columbia College, New York, und Dr. Henry Clay Stanclift in Evanston bei Chicago habe ich für freund- liche Auskünfte über die Reste der Indianer in Neu-England, über die Ein- und Auswanderungs-Statistik und über eine schwierige Stelle in der Nordgrenze der V. St. zu danken. Für Angaben über die Missionsthätigkeit der Nordamerikaner bin ich den Herren Pastor Dr, Warneck in Rothenschirmbach und Missionsdirektor Dr. V. Schwartz in Leipzig verbunden. Mein verehrter Freund Her- mann Hof mann, Bibliothekar des Vereins für Erdkunde zu VTTT Vorwort. Leipzig, vemaittelte mir amtliche russische Mitteilungen über den Handel der V. St. mit dem asiatischen Rufsland. Herrn Hofrat Perthes in Gotha habe ich für die Überlassung -svdchtiger Litte- ratur und Herrn Dr. Potthast, Bibliothekar des deutschen Reichstags, für freundliches Entgegenkommen bei der Benützung der Bibliothek des Deutschen Reichstags zu danken. Neben dem Gedanken, den wissenschaftlichen Wert des Buches nach allen Richtungen zu erhöhen, trieb mich zu dieser zweiten Auflage der Wunsch, die grofse transatlantische Republik dem Verständnis und Urteil der Deutschen noch näher zu bringen. Das Buch ist also nicht blofs für Geographen und deren Fach- verwandte, sondern für Alle bestimmt, die diesem Land ein ein- gehendes Studium widmen wollen. Ich habe es immer als einen grofsen Vorzug der Engländer empfunden, dafs sie die V. St. von Amerika mit der behaghchen Vertrautheit Nächstverwandter beurteilen. So nahe können wir nicht heran-, wohl aber zu einem klareren Blick und einem vielleicht sachlicheren Urteil kommen. Beide sind jedem notwendig, der die wirtschaftlichen und ])olitischen F^ntwickelungen der Gegenwart überhaupt verstehen will. Es läfst sich sogar behaupten, dafs heute an dem Verständnis für das, was in Nordamerika vor sich geht und sich vorbereitet, das politisclie Verständnis eines Volkes überhaupt sich messen lasse. Wir müssen dafür sorgen, dafs Deutschland, das aus seiner Kenntnis der V. St. schon viel Nutzen gezogen hat, in dieser Kenntnis von keinem Volke übertroffen werde. Wenn das Buch etwas dazu beiträgt, wird meine Mühe belohnt sein. Leipzig, den 14. Juni 1893. Friedrich Ratzel. Inhalts -Verzeichnis. Einleitung: Thatsachen und Wirkungen des Bodens. I. Lage. Nordamerika und die Vereinigten Staaten 3. Arktische und westindische Beziehungen 5. Die Interkontinentale Eisenbahn 7. Der Vergleich mit Europa 8. Die Lage zu den Meeren 9. Atlantische und pacifische Einflüsse 11. Seemachtstellung 12. Die Atlantische Seite 13. Ihr Übergewicht 14. Die Golfseite 16. Die nordatlantischen AVestseen 18. Die pacifische Seite 20. Die Vereinigten Staaten als pacifische Kulturmacht 22. Die Eismeerseite und Alaska 24. Die Vereinigten Staaten als Durchgangsland 26. Der mittelameri- kanische Kanal 27. Die Sicherheit der Lage 28. Die Inseln 29. IL Die Peripherie: Grenzen and Küsten. Die Peripherie im Verhältnis zur Lage und Gröfse der V. St. 32. Annäherung an Naturgrenzen 33. Länge der Peripherie 36. Bevorzugte Ge- biete in der Peripherie 37. Das Zusammentreffen der Landgrenzen und Küsten 43. Übergreifende Rechte 44. Verlauf und Veränderungen der Gren- zen 51. Indianergrenzen 46. Einige Bemerkungen über die inneren Gren- zen 48. Die Küsten 61. Küstenlänge und Küstenentwickelung 64. Die Küsten- und Hafengebiete 69. Küsteulandschaften 77. Küstenverände- rungen 81. III. Der Raum. Das Areal 82. Kontinentale Gröfse 84. Vergleich mit anderen konti- nentalen Staaten 86. Europa in amerikanischer Perspektive 88. Kein ameri- kanisches Gleichgewicht 92. Innere Wirkungen 93. Gröfse und Zerfall 95. Die PoUtik der grofsen Räume 96. Überlegenheit der Raumvorstellungen in der wirtschaftlichen und politischen Expansion 98. Der Raum in Geist und Charakter des Nordamerikaners 100. Die Gröfsenverhältnisse der Staaten und Territorien 103. Anhang: Das Wachstum der Vereinigten Staaten. X Inhalts-Verzeichnis. IV. Der Boden. Die grofsen Züge der Bodengestalt 121. Die Anlage zum Verkehr und das Übergewicht der horizontalen Entfernungen 122. Das Flufsnetz 123. Die Alleghanies als Schranke 127. Wege und Pässe im Hochland des Westens 129. Die Bodengestalt und die Verteilung der Bevölkerung 131. Gebirgsvölker 133. Bodenschätze in Erzen und Fruchtbarkeit 134. V. Klima. Pflanzen- nnd Thierwelt. KUmatische Mannigfaltigkeit der Vereinigten Staaten 142. Entschei- dende Bedeutung der nordsüdlichen und ostwestlichen Klimagrenzen 143. Verschiedene Stärke dieser Unterschiede 145. Die Wirkungsweise des Kü- raas 147. ^littelbare und unmittelbare Wirkungen 150. Bevölkerungstypen 151. KUmatische Krankheiten 153. — Die natürliche Ausstattung Nordamerikas mit nützlichen und schädlichen Pflanzen und Tieren lö4. VI. Die Natur nnd die Volksseele. Erster Abschnitt. Die Rassen und Stämme. VII. Die Rassenproblenie. In der Mehrheit der Rassen liegt ein tiefer Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten und Europa 179. Bedeutung der Rassenfragen 181. Die siiziale Schichtung und geographische Sonderung 182. Allmähliche Umgestal- tung der politischen Ideale 184. Wirkungen auf die innere Entwickelung und nach aufsen 185. VIII. Die Indianer. Die voreuropäischen Bewohner Nordamerikas 188. Pacifische Bezieh- ungen und .Abgeschlossenheit gegen atlantische Einflüsse 189. Rassen- und Cliaraktoriiiorkmale 190. (Gruppen und Völker 194. Ethnographisches 197. Schwachen der sozialen und politischen Organisation , die den Weifsen das Kindrini,'eu erleichtert 204. Statistik der Indianer in den Vereinigten Staaten 208. Ihr Rückgang an Gebiet und Zahl 210. Mischlinge 216. Die Bezieh- ungen zwischen Indianern und Woilsen und die Indianerpolitik 218. Die Reservationen und das Indianerterritoriuin 224. 1\. Die Weilsen oder die Europäo-Anierikaner. Die Abstaniiuiin;r der AVeifsen Nordamerikas 235. Das angebhche AiigelsachHcntnni 2.3(). Die Stamniesan^'clKirigkeit der Einwanderer 237. Der Europilo-Atnerikan(!r 238. Die amerikanische Nationalität 243. Die Stellung der I>eiitHchen in den V. St. 247. Die Verändciinig der Rasse durch Ein- wandoning 250. lOini^«' Bemerkungen über die deutschen, französischen und Hpaniscben Element«! 253. Die Jnrlen 259. X. Die Neger. F''ntwickelnng der Sklaverei in den Vereinigten Staaten 261. Ihr Cha- raku-r 26M. Zahl un.l Verbreitunj,' fler Neger 269. Ihre Allgegenwart 270. Inhalts-Verzeichnis. XI Verdichtungen in den nördUchen Südstaaten 271. Wachstum, Geburten und Sterblichkeit 272. Beziehung zu der Zunahme der weifsen Bevölkerung und der weifsen Einwanderung 277. Geographische Verbreitung der Neger in den Vereinigten Staaten 278. »The Black Belt« und die Afrikanisierung des äufsersten Südens 280. Die Neger frage 281. Der freie Neger 283. Seine politischen Rechte 284. Seine Erziehungsfähigkeit 284. Schulen und Cha- rakterbildung 286. Geistige Stagnation 287. Wirtschaftliche Zustände und Fortschritte 288. Entwickelung des Südens seit 1860 289. Grundbesitz der Neger 291. Die Mulatten 293. XI. Die Chinesen. Zweiter Abschnitt. Die Bevölkerung. Ihre Verbreitung und ilir Wachstum. XII. Die Volkszalil und ihre geographische Verteilung. Das Heranwachsen der heutigen Volkszahl 301. Die Dichtigkeit 303. Das besiedelte Land 305. Ost- und Westgebiete der Volksdichte 306. Leere Stel- len 309. Ein eigener Typus der Volksverteilung in den V. St. 311. Der Be- völkerungsmittelpunkt 313. XIII. Städte und andere Siedelnngen. Stadt und Land 315. Die ländhchen Siedelungen 316. Die Stadt 320. Städtische und ländliche Bevölkerung 324. Die Wohnungen 325. Städte- verwaltung 327. Die Bevölkerung 329. Die Grofsstädte 331. Die Verbreitung der Städte 336. Städtegruppen 389. XIV. Das innere Wachstnm der Bevölkerung. Das innere und das äufsere Wachstum 344. Das Verhältnis der Ge- schlechter 245. Die Gröfse der Familien 345. Geburten und Todesfälle 346. Geographische Verbreitung einiger Krankheiten 352. Selbstmorde 353. Der Alters-Aufbau der Bevölkerung 353. XV. Die Einwanderung. Die Gröfse der Einwanderung seit 1790 und ihr Beitrag zum Wachs- tum der V. St. 355. Allgemeine Bedeutung der Einwanderung für die Bevöl- kerung der V. St. 357. Umschwung der Eiuwanderungspolitik 359. Verschie- dener Wert der Einwanderer 361. Die Berufe der Einwanderer 363. Die Ver- teilung der Einwanderer 364. XVI, Die innere Wanderung. Das Wandern der Einwanderer ins Innere 366. Der Wandertrieb der Einheimischen 366. Quellen und Strafsen der inneren Wanderung: Neu- England und Virginien 367. Andere Bewegungen 370. Gebiete des Rück- gangs im Osten und Westen 371. Die Auswanderung aus den V. St. 373. XTT Inhalts-Verzeichnis. Dritter Abschnitt. Wi rtschaftsgeograph ie. XVII. Die Landwirtschaft. Die natürhchen Bedingungen 377. Das Ostgebiet 378. Der dürre Westen 382. Das Grenzgebiet zwischen Ost und West 387. Die Zukunft des Steppenlandes 388. Oasen und Abstufungen 391. Die künstliche Bewässe- rung 393. Artesische Brunnen 397. Sociale und politische Folgen der künst- lichen Bewässerung 398. Das pacifische Gebiet 400. Die landwirtschaftlichen Regionen 401. Landwirtschaft und Volksdichte 406. Der Ackerbau 408. Verbreitungsgebiete der wichtigsten Kulturpflanzen 408. Amerikanische Me- thoden des Ackerbaues 412. Die Urbarmachung 414. Das Wandern nach Westen 418. Farmer und Pflanzer 424. Farmen und Grundbesitz 430. Ge- schichtliches 438. Der Mais 442. Der Weizen und andere Getreide 444. Wurzel- und Hülsenfrüchte 446. Die Baumwolle und andere Faserpflanzen 447. Zucker 449. Tabak, Hopfen, Indigo 451. Die Obstbäume 453. Wein- bau 455. Beeren 456. Wiesenbau 457. Gartenbau und Blumenzucht 458. Die Viehzucht 459. Das Verhältnis zwischen Ackerbau und Viehzucht 459. Rancher und Farmer 461. Entwickelung der Viehzucht 463. Rinder 463. Pferde 464. Schafe 465. Schweine 466. Der Hund 468. Seiden- und Bienen- zucht 468. XVIII. Dift Wälder und ihre Ausbeutung. Verbreitung der Wälder in dem Geljict der V. St. 469. Iln-e Verteilung libor die einzelnen Staaten 471. Neuanpflanzungen von Wäldern 473. An- fänge von Forstschutz und Waldwirtschaft 474. AValdverwüstung und Wald- brände 475. Die wiclitigsten Nutzhölzer 477. Der Holzverbrauch und Holz- handel 478. XIX. Miiieralreiclituni und Bergbau. N'i'rbreitung und Entwickelung 479. (Geschichtliches 480. Rückwirkung auf die Bevölkerung 481. Die Miners und Prospectors 483. Mining Excite- iMonts 485. Betrieb des Bergbaues 485. Eisen 486. Die grofsen Eisenerz- Kegionen und i«- Anfänge .''»09. Zunkkdrängung durch das Mutterland 510. Auf- Hchwung seil der politischen Selbständigkeit 511. Heutiger Stand 512. Der Betrieb 512. Arbeitskräfte, Maschinenarbeit, Werkzeuge 513. Der Erfindungs- und UntcTtKhmuiigHgi'iHt öl.'l Patentr- 513. Kredit 515. Leben und Stellung Inhalts -Verzeichnis. Xm der Arbeiter 516. Die Hauptzweige der Gewerbthätigkeit : Textilindustrien 518. Metallindustrien und Maschinenbau 520. Landwirtschaftliche Geräte 522. Lederverarbeitung 523. Waffen 525. Uhren 526. Chemische Lidustrien 526. Brauereien 526. Keramik 527. Vervielfältigende Industrien 528. XXI. Verkehrswege und Verkehrsmittel. Anfänge 529. Periode der Kanalbauten und Gallatins Entwurf 530. Erie-Kanal 531. Die Eisenbahn-Aera 532. Wettkampf zwischen Kanälen und Eisenbahnen 533. Eisenbahnmonopole 534. Die natürlichen Grund- linien des Verkehres 535. Die Verkehrsgebiete 538. Die Natur strafsen des Inneren 538. Die schiffbaren Flüsse 539. Mississippi 540. Ohio 542. S. Lorenz 543. Hudson 544. Kleinere schiffbare Flüsse von Bedeutung 544. Die Binnenseen 546. Die Kanäle 546. Kanäle und Eisenbahnen 547. Das Kanalsystem von New York, Pennsylvanien, New Jersey, des Ohio und Mississippi 548. Kanäle in den Süd- und Weststaaten 551. Die Eisen- bahnen 555. Statistik 556. Eisenbahngebiete 559. Aufzählung der grofsen Linien und Complexe 560. Besonderheiten im Bau und Betrieb 564. Strafsen und Brücken 567. Strafseneisenbahnen 570. Post und Telegraphen 571. XXII. Der Handel nnd Seeverkehr. Geschichtliches 573. Hauptgegenstände der Einfuhr und der Aus- fuhr 575. Betrag des Gesamthandels der Haupthandelsgebiete mit den V. St. 576. Die Beziehungen zu den Ländern des s amerikanischen Systems« in Amerika und im Stillen Ocean 578. Der kanadische Dirrchgangshandel 582. Der mexikanische Landhandel 583. Verbreitung des kaufmännischen Sinnes 584. Der Storekeeper 584. Rückwirkung des Handels auf die Bevölkerung 585. Trusts 586. Bankerotte 587. Banken und Versicherungswesen 588. Rhederei und Schiffsverkehr 589. Die Seefischerei 591. Der Walfischfang 593. Vierter Abschnitt. Staat und Gemeinden. Kirche und Scliule. Geistiges Leben, Die Gesellschaft. XXIII. Der Staat nnd die Gemeinden. Die Verfassung 598. Union und Einzelstaaten 598. Der Kongrefs 599. Der Präsident 600. Die Bundesgerichte 600. Die Verwaltung 601. Staatsamt 601. Einige Bemerkungen über auswärtige Politik 602. Inlandamt 607. Schatz- amt 608. ÖfEenthche Schuld 608. Geld 609. Mafse und Gewichte 609. Das Kriegsamt 610. Armee 610. Marineamt 613. Flotte und Küstenverteidigung 613. Die Einzelstaaten 614. Gruppierimg 615. PoUtische Rolle und Partiku- larismus 618. Ihre Gesetzgebung 621. Gemeinden 622. Town und Couuty 623. Die Städte 624. Das pohtische Leben 625. Die pohtische Anlage 625. Die Parteien 628. Die Wahlen 629. Korruption 632. Flagge und Wappen 636. XXIV. Die Kirche. Religiöse Anlagen 637. Kirche und Staat 638. Eigentümlichkeiten des religiösen Lebens in den V. St. 639. Wohlthätigkeit 640. Temperenz 643. XR'^ Inhalts -Verzeiclmis. Statistik der Religionsgesellschaften 644. Die Hochkivche 644. Die Kongre- gationalisten 644. Die Presbyterianer 645. Die Methodisten 645. Die Bap- tisten 645. Die Lutheraner und Deutsch-Reformierten 646. Die Römisch- KathoUschen 647. Die Juden und andere 648. XXV. Das geistige Leben. Hemmungen und Förderungen 650. Der koloniale Typus des geistigen Lebens 651. Notwendige Mängel 652. Vorzüge 653. Begabung 654. Die Unterrichtsanstalten 655. Der Lerntrieb bezeichnend für die Nord- amerikaner 656. Aufwand für die Schulen 657. Staatliche Fürsorge 658. Die Volksschule 650. Der Lehrerstand 660. Die Mittelschulen und Colleges 661. Die Fachschulen 667. Die Bibliotheken 668. Öffentüche Vorträge 669. D i e Wissenschaf tspf lege 671. Wert der amerikanischen Wissenschaft 671. Ihre Entwickolung 672. Franklin und Rittenhaus 672. Die Surveys 674. Die Geographie und Geologie 675. Die Naturwissenschaften 676. Die Medizin 678. Andere Wissenschaften 678. Wissenschaftliche Körperschaften 680. Litter atur 682. Abhängigkeit von der englischen 683. Eigentümlich- keiten 684. Dichter 684. Geschichtschreiber, Redner u. A. 685. Kunst 689. Die Presse 691. XXVI. Das Volk und die Gesellschaft. Geistige Merkmale 698. Die Frühreife und das Altern 699. Freier und gebundener Geist 700. Volksstimmimg 701. Geistige Bereitschaft, Beweglich- keit, Reiselust, Liebe zum eigenen Herd 701. Die Ermüdung im Äufseren 701. Die Höflichkeit und Frauenverehrung 703. Die Frau 704. Sittlichkeit 705. Zurücktreten der Sinnlichkeit 708. Lockere Auffassung der Ehe 708. Die Famili(f 708. Die Familie und die Erziehung 710. Disciplin 719. Die Jugend des Volkes 712. Die drei Kulturzonen 712. Die Gesellschaft des Westens 713. Die Amerikamüden 715 Optimismus und Überhebuug 716. Der Kultus der Sachen 718. Die gesellschaftliche Gleichheit 718. Die Unterschiede des Besitzes 720. Die Armen 723. Aristokratie 723. Gleichartigkeit der Sitten 724. Einfluf» von New York 724. Die Kulturlandschaft 725. Erklärung der Kulturkarte 731 Register 733 Verzeichnis der Kärtchen und Abbildungen. Seite Fig. 1. Die Südwestgrenze und die Süd-Pacifikbalin 38 > 2. Die Nordostgrenze im unteren S. CroLx und der Fundy Bay . 43 j 8. Die Grenze im S. Lorenz (westlicher Teü) 53 » 4. » » » » (östlicher Teil) 54 » 5. » » > Huronensee 55 j 6. » » vor dem Eintritt in S. Marys River 56 » 7. Westende der Grenze im oberen See 57 » 8. Die Grenze im Haro-Kanal 59 » 9. Die Höhenverteilung der Bevölkerung 132 > 10. Jagd- und Fischereigeräte nordamerikanischer Indianer . . . 198 » 11. Waffen und Jagdgeräte nordamerikanischer Indianer .... 199 » 12. Die Gebiete der stärksten deutschen Bevölkerung im Jahre 1880 (nach Engelbrecht) 255 » 13. Wanderung des Bevölkerungsmittelpunktes von 1790 bis 1890 314 » 14. Washington 333 » 15. Die Städtegruppe am Unteren Hudson und das Gebiet der gröfsten Bevölkerungsverdichtung zwischen Hudson und Potomac 335 » 16. Die Städtegruppe an der Bucht von San Francisco und das Gebiet gröfster Bevölkerungsverdichtung am StiUen Ocean 341 Geld, Mafse und Gewichte der Vereinigten Staaten. 1 Dollar zu 100 Cts. = 4,19 R. M. 1 Hundredweight zu 112 Pfd. = 101,6 kg. 1 Bushel zu 6 Pecks = 35,23 1. 1 GaUon zu 8 Pints = 3,78 1. (Neue G. = 4,54 1.) 1 Yard zu 3 Fufs = 0,91 m. 1 Statute Mile zu 1760 Yards = 1,61 km. 1 Square Mile zu 640 Acres :=: 2,59 qkm. Einleitung. Thatsachen und Wirkungen des Bodens. Katzel, Die V. St. von Amerika. I. Lage. Nordamerika und die Vereinigten Staaten 3. Arktische und westindische Beziehungen 5. Die Interkontinentale Eisenbahn 7. Der Vergleich mit Europa 8. Die Lage zu den Meeren 9. Atlantische und pacifische Ein- flüsse 11. SeemachtstcUung 12. Die Atlantische Seite 13. Ihr Übergewicht 14. Die Golfseite 16. Die nordatlantischen Westseen 18. Die pacifische Seite 20. Die Vereinigten Staaten als pacifische Kulturmacht 22. Die Eismeerseite und Alaska 24. Die Vereinigten Staaten als Durchgangsland 26. Der mittel- amerikanische Kanal 27. Die Sicherheit der Lage 28. Die Insehi 29. Nordamerika und die Vereinigten Staaten. Junge Länder kennen keine Abschlielsung vom Meere, sie pflegen vielmehi- vom Meere landeinwärts zu wachsen, und womöglich so weit, bis sie wieder dem Meer begegnen. Wie die anderen Staaten Nordamerikas und mehrere Südamerikas, erstrecken sich auch die V. St. von Ocean zu Ocean. Ihr räumliches Wachstum erfüllte die Verheilsung in den ältesten Charters aus dem 17. Jahrhundert, wo ein Streifen durch das ganze Festland von Meer zu Meer an- gewiesen wurde ^). Das Gebiet der V. St. bildet einen Streifen von dreimal so grofser Erstreckung zwischen den Meridianen als den Parallelen, dessen Nord- und Landgrenze in die INIitte des Kontinentes trifft, so dafs es mit der Südhälfte des nordamerikaui- schen Kontinentes zusammenfällt. Dadurch wird ihm die drei- fache Meeresbegrenzung durch den Atlantischen Ocean im Osten, den Pacifischen im Westen, den Golf von Mexiko im Süden zu 1) Vgl. die Patente, auf denen die Kolonien von Plymouth und Massa- chusetts, der Keim der Union beruhen. Bancroft, Histoxy of the United States I. Kap. VIII. 4 Nordamerika und die V. St. teil, die dem Verkehre drei offene Seiten schaift. Die Staaten 0. von den Alleghanies werden entsprechend als atlantische, die w. vom Felsengebirge, als pacifische, und die s. von Arkansas und Tennessee als Golfstaaten bezeichnet. Für die Vertreter der Lehre von zwei Tj^en der Kontinente, die bezeichnenderweise besonders in Nordamerika Vertreter gefunden hat, steht Nordamerika in der Mitte z^N-ischen dem schmalen inselarmen und dem breiten und vielgegliederten, dem südamerikanischen und dem asiatischen Typus. So lest sich denn der vierten Seite, der nördlichen, der breiteste Teil des nach Norden immer mehr sich ausbreitenden Nordamerikas an, das nach Norden tief in das arktische Gebiet mit den ihm vorgelagerten Inseln sich erstreckt. W. von der bis 52° n. B. herein- ragenden Hudsonsbai liegt das nördliche Land ungebrochen von der Grenze bis zum 70. " und jenseits zieht bis über 80 ° der Polararchipel Nordamerikas; ö. von der Hudsonsbai erstreckt sich die 25000 Q.-M. grofse Halbinsel Labrador bis C2 0n. B. und weiter zieht bis nahe an 85° die grofse Insel Grönland. Eine tiefe Verschiedenheit des Klimas nicht nur, sondern des Bodens zwi- schen alter und neuer Welt führt auf diese Beziehungen zur Arktis zurück. Amerika war in viel gröfserem Mafse Boden eiszeitlicher Vergletschung als Europa. Alles Land n. vom Susquehanna und mehr als die Hälfte der Staaten n. vom Ohio trägt die Spuren dieses Einflusses in Gestalt und Bewässerung, stofflicher Zusammen- setzung und Fruchtbarkeit. Die Südhälfte Nordamerikas verschmälert sich nach Süden l)ereits im Gebiet der V. St. so, dafs die Entfernung der nördlich- sten Punkte am Atlantischen und Stillen Ocean zu der der süd- lichsten sicli wie 11:9 verhält. Die Verbreiterung macht sich al)er besondci's auf der Ostseite geltend. Die pacifischen Endpunkte der Canadian und IJnion Pacilicbahn fallen fast in denselben Meridian, S. John, der atlantisclie Ausgangspunkt der ersteren, liegt 8 Grade östlicher als New York. In dem ganzen Erdteil ^) 1) Nordairierikü wird in dicöeni Buclio ininior uIh l'hdtcil Ix^zeichnct. Nonlarncrika Htcht in ., um dem (Jolfstrom zu entgehen und iMis dci- Zone der Westwinde in das Gebiet der Cyklone zu kommen. i>iilni hiufen sie Gefahr, zwischen die Eisberge zu geraten, die 1; \'n\. die ZiiHiinunenstclInntr der Selnviorij^'keiten dcH Scgelschiffahrt von oiiropUiHchen Hilfen nach di n iiordaiiieiikaniHoh(ui n. vom C. Ilattoran im Sc-irelliaiidlmcli für doti .XtlanÜHclien Ocean. llcranKf^'oirehon von der Deutschen Sccwarte. Hamburg 1885. 8. 375 f. Die Seewege nach Nordamerika. H der Labradorstrom fast das ganze Jahr, besonders aber vom An- fang des Winters bis zum Ende des Sommers füln-t. Noch immer beträgt die mittlere Dauer der Segelschiffahrt über den Atlantischen Ozean nach New York von der Höhe von C. Lizard oder den Orkney-Inseln gerechnet (nacli 212 Reisen, die in der deutschen Seewarte verglichen wurden) 43,4 Tage. Noch heute gewinnen die von Europa nach den südlichen atlantischen und Golfhäfen fahrenden Segler möglichst früh den Passat, den sie möglichst spät verlassen. Auch für sie bildet die «Durchstechung» des Golfstromes, wenn sie nach den Häfen s. von C. Hatteras be- stimmt sind, eine Schwierigkeit und nicht minder die Passierung der Floridastrafse. Dampfer erreichen New Orleans von Bremen aus in 22 Tagen. Für die ostwärts segelnden Schiffe häufen sich dafür die Vorteile für das ganze atlantische und Golfgebiet der V. St. : Westliche Winde, Benutzung des Golfstroms, ^''ermeidung der Eisberge und Nebelregion und allgemeine Beständigkeit der Witterung, da die Fahrt sich in der Richtung der barometrischen Depressionen bewegt. Seit 1891 sind für die Dampfer des Nord- deutschen Lloyd folgende Wege festgelegt: Ausgehend -wird vom 15. Januar bis 14. Juli der 49. Meridian in 42° 30', vom 15. Juli bis 14. Januar in 46*^ geschnitten und von da an direkt auf Sandy Hook gesteuert ; heimkehrend wird vom 15. Januar bis 14. Juli der 49. Meridian in 41° 40', vom 15. Juli bis 14. Januar der 45. ^le- ridian in 46° 30' geschnitten. Die Schiffahrt des nördlichen Stillen Oceans ist, mit den Worten des Pacific Directory »leicht und einfach«. Besonders in der amerikanischen Hälfte wird sie in westlicher Richtung durch die Passate, in östlicher in höheren Breiten durch die vorwiegend westlichen Winde begünstigt; die in der Westhälfte durch ihre Verschiebungen störenden Monsune bleiben auf die Nachbarscliaft der asiatischen Küste beschränkt. Die östlichen Winde, deren Nord- grenze bei ungefähr 30° liegt, nützen besonders bei den Fahrten nach den Sandwich-Inseln, Australien und dem südlichen China. Bei der Fahrt nach den japanischen und nordchinesischen Häfen nelunen die Segelschiffe nördlicheren Kurs, um den kalifornischen Strom und die Zone der nordwestlichen Winde zu umgehen. J2 Die Seemacht. Segelschiffe machen den Weg von chmesischen Häfen nach S. Francisco durchschnitthch in 59 , von Honolnlu in 23 , von Austrahen in 75 bis 80 Tagen, die kürzesten Reisen von Hong- kong dauern 35, von Schanghai 34, von Honoküu 11, von Austrahen 57 Tage. Die V. St. haben die oceanischen Forderungen ihrer konti- nentalen Stellung so gut erkannt, daXs sie als Seemacht vor allen anderen Grofsmächten, aufser England, gehen. Ihre Reederei hat besonders in den letzten Jahrzehnten durch den Bürgerkrieg, durch die Schutzzölle auf Eisen und Stahl, und infolge der zu- nehmenden Inanspruchnahme der jungen Männer durch die In- dustrie Rückscliwankungen erfahren. Aber ihre Handelsflotte mifst heute auf den zwei Oceanen 3221000 T. und auf den Seen 1 155000 T. Das ist eine Flotte, welche die Summe der norwegischen, deutschen, französischen, der di'ei grösften europäischen Seemächte nach England, noch um eine V4 Million T. hinter sich läfst. Seit 1888 ist sie merklich im Wachsen. Die Thatsache, dafs noch immer weniger als V4 des Schiffsverkehrs in den Häfen der V. St. (nach dem Tonnengehalt) sich unter der Flagge der V. St. bewegt, eröffnet dieser ein weites Feld der Wettbewerbung. Die hohe Stelle, welche die Seeleute der V. St. im nördlichen und südlichen Eismeer behaupten, wo alle anderen Konkurrenten aufser den Engländern zurückgeschritten sind , die gewaltigen Leistungen des Schiffsbaues und der Schiffsführung im Bürger- krieg — die Kriegsflotte der V. St., die beim Ausbruch des Bürger- krieges 92 Schiffe zählte, war 1865 auf 694 Schiffe gebracht — und endHch die grofse Entwickehmg ilu-er Seen- und Stromflotten gebni die Siclierlicit, dafs es nicht ;in den Kräften zur Aus- nutzung einer Drei Ocean-Lage mangelt. Heute wird eifrig an der Hebung dw Kriegsflotte gearbeitet, die den ersten Krieg iiiich dem für die Unabhängigkeit, den mit den Barbareskonstaaten, durchgefochten und 1812, sowie im l^ürgerkrieg Hervorragendes geleistet iiat. 1890 stand sie an Gesclnilz- und Mannsehafisziilil etwa der Österreich-Ungarns gleich. Zwar sehen manche l'oUtiker der V. St. in deni ,,Navalism" mir eine trnnsiitlnntische Spielart des euro|(äiHc]>en Militarisnuis. ICs machen sieh auch biiuien- Die atlantische Seite. 13 ländische Einflüsse gegen die maritimen geltend. Der Nachweis, dafs die Kriegsflotte notwendig zum Schutz einer entsprechenden Handelsflotte, bietet die einzige Handhabe, um die Binnenstaaten zu Opfern für die Flotte und Küstenbefestigungen zu veranlassen. Aber die Durchbrechung der mittelamerikanischen Landschranke wird zu ihren Gunsten in derselben Richtung wirksam sein. Es wäre kurzsichtig, in der Förderung der Seemachtstellung der V. St. etwas anderes erblicken zu wollen , als die Verwirklichung der Vorteile einer oceanischen Lage, die kein anderer Staat von kontinentaler GröCse besitzt, d. h. eine geschichtliche Notwendigkeit. Die atlantische Seite ist die geschichtlich wichtigste Nord- amerikas und ganz besonders der V. St. Wie könnte es anders sein, da sie, ,,the Europe-fronting Shore", dem eigentlich geschichtlichen Erdteil der neuen Zeit, Europa, gegenüber hegt, da von Europa die Entdeckung, Eroberung, Kolonisation Amerikas ausgegangen sind und von dort aus die politische Herrschaft über Amerika erstreckt wurde, die in Trünunern und Resten noch geübt whd? Im Vergleich mit den kolonialen Anpflanzungen auf den pacifischen und Golfgestaden sind die atlantischen in Nordamerika herrlich gediehen, haben alle jene mit der Zeit in ihren Schatten auf- genommen ; denn sie wurden nicht blols einmal gepflanzt, sondern dann auch kräftig weiter genährt und gefördert. Die V. St. sind eine atlantische Schöpfung. Die ältesten, volkreichsten und verkehrs- reichsten Kolonien und Staaten Nordamerikas liegen noch heute am atlantischen Rande, die gröfsten und reichsten Städte, die hervor- ragenden politischen und geistigen Mittelpunkte findet man auf diesem Gestade, das die Natur selbst für den Verkehr mit Europa gestaltet zu haben scheint. Besonders aber liegen die V. St. dem in jeder Hinsicht fort- geschrittensten Lande Europas gegenüber. Ihr eigener rascher Fortschritt ist ein Produkt der innigen Berührung mit dem Lande , dessen durcli insulare Lage und Abschlielsung begünstigte Frühreife allein den schein- baren Widerspruch der frühen Reife auch des kontinentalen Tochter- landes erklärt. In der Praxis ^ie der Theorie ist England das grofse Muster und Beispiel. Trotz aller fremden Einwanderungen ist der angelsächsische und keltische Typus der Kultur unzweifelhaft und wird bleiben, so lange die Wettbewerbung auf Kinder Europas beschränkt 14 Dnsi atlantische Übergewicht. bleibt. Das Übergewicht der deutschen Einwanderung ist daneben erst eine junge Thatsache. Für den Handel der V. St. ist Grofsbiitan- uien mit Iiiand ein vom übrigen Europa weit verschiedenes, den ganzen übrigen Kontinent aufwiegendes Land. Es wii'd hundertmal genannt bis Deutschland oder Franla-eich einmal. Die südeuropäischen Länder treten aber ganz in den Hintergrund. Heute wie vor 300 Jahren schneiden ihre bevorzugten Verkehrshnien die Parallelen des Atlantik in denselben M'inkeln, deren Scheitel nach dem Antillenmeere hegen, während 15 und 20 Grade weiter n. die Linien des nord- und mitteleuropäischen Verkehi's zwischen Portland und Baltünore das Land treffen. Der Verlauf der östlichen und westlichen Küstenliuien des Atlantischen Oceans begünstigt diesen Verkehr. Eine Linie von der Mitte der einen zur Mitte der andern, die hier den 35.. dort den 40. Breitegrad berührt, bezeichnet die Neigung dieser Lage und versinnlicht das Übergewicht der atlantischen Seite. In der Breite der V. St. drängt der Atlantische Ocean nach Westen und erreicht seinen westlichsten Punkt in der Bucht von Savannah, deren Meri- dian von der Küste von Ecuador an im Stillen Ocean liegt. Die atlantische Seite der V. St. ragt also w^eiter nach Süden als die pacitische und fällt entschiedener nach Westen zurück, so dafs der nördlichste Punkt an der atlantischen Küste der V. St. 15 Längen- grade über den südlichsten vorspringt. Für die Schiffahrt be- deutet dies, dafs die Fahrzeiten vom europäischen Rand des Atlantischen Oceans nach den nördlichen Häfen der V. St. kürzer sind als nach den südhchen. Ein Dampfer fährt von Liverpool iincli Pfti'tland (Maine) fast einen Tag weniger als nach New York, III id nach Jialtiniore vier Tage längci' als nach Quebec. Alle un- mittelbar vom nördlichen Europa ausgehenden Versuche zau- Ent- deckung Nordamerikas fanden den Kontinent bei jenen nördlichen VorHprüngeu, vor allem l)ei Neufundland, Labrador, Neuschottland. Indessen ist es nicht l)lors die liLumliclie Annäherung an Europa, «lic diesem Ausladen der Küste nach Nordosten hin einen so bedeutenden lOinlhifs verleiht, sondern mehi- noch die Thatsache, rlufs die Seh nie, (he von l<'uro])a nach der Ostküste Nordamerikas fahren, den Allanlisehen Oeejin in hoher Ureite schneiden — Helbsi (he iwKth liaJIinK.re hestin)mten SehiffV; verfolgen bis 70° W. Jj. densell)cn Weg wie die nach New York und gehen ol't Einflufs der atlantischen Lage auf die jungen V. St. 15 bis in Sicht von C Race — , und auch darum liegen die nörd- Hchen Häfen der atlantischen Küste der V. St. gut für den Ver- kehr mit Europa. Die atlantische Küste von Nordamerika ist überhaupt "für diesen Verkehr vor allen anderen Teilen der Neuen Welt in hohem Grade begünstigt. Sehen "wir von Grönland ab, das nie mit dem übrigen Amerika gebend und nehmend so eng verbunden war wie mit Europa, so ist C. Race auf Neufundland der Europa am nächsten gelegene Punkt Amerikas, und wir sehen von hier die Küsten- linie gleichsam in drei grofsen Stufen südwestwärts zurückfallen, die durch C. Breton, C. Cod, C. Hatteras bezeichnet sind; s. von C. Hatteras schneidet das Meer in flachem Bogen in das Land ein, aber Florida, die Halbinsel, mit der es sich wieder gegen Osten ausbiegt, bleibt weit hinter der nördlichen Küste zurück. Sehen wir vom hochentwdckelten Verkehr unserer Tage zurück, so waren die jungen V. St., \\de sie aus dem Unabhängigkeitskriege 1783 hervorgingen, eine rein atlantische Macht. Sie rückten an den Golf und den Stillen Ocean mit der Erwerbung von Louisiana 1803 und Kaliforniens 1848. Die Lage am Atlantischen Ocean war vom tiefsten Einflufs auf die Entwickelung gerade des jungen Gemeinwesens. »Durch den Ocean nicht nur von dem Mutter- lande, sondern von der ganzen alten Kulturwelt getrennt und auf einen Kontinent mit noch ungemessenen Grenzen gestellt, den die Natur in jeder Beziehung auf das verschwenderischste ausgestattet, mufste ihnen der Gedanke frühe nahe treten, dafs sie berufen seien, hier in der That eine , Neue AVeit' zu schaffen^)«. Dieser Ocean begünstigie durchaus nicht die Anfänge des Ver- kehrs, er verspätete den Eintritt Nordamerikas in den Kieis der atlantischen Geschichte und schuf eine Isolation, die zu ihrer Zeit wohlthätig war. In der Lage zu den beiden grofsen Oceanen war es geschrieben, dafs Amerika erst spät den seefahrenden Völkern arischen und semitischen Stammes sich erschliefsen werde. 1) V. Holst, Verfassung und Demokratie der V. St. 1873. I. 3! Nur im Hinblick auf diese Entwickelungsstufe hat der Satz Ernst K a p p s Gültig- keit: »Die grofse EepubUk ist ein oceanisches Fahrzeug ohne historischen BaUast«. Vgl. AUg. Erdkunde 1868 S. 601. It) Geschichtliche Beziehungen der atlantischen und pacifischen Seite. Der inselarme, stürmische Nordatlantische Ocean, mit seinen westhchen Winden und Strömungen bildete einst eine Schranke zwischen Amerika und Europa. Unzweifelliaft war Amerika leichter von Westen als von. Osten her zu erreichen, und die früheren Landungen vor den normannischen, die zu keinem grofsen Ergebnis führten, dürften alle auf dieser Seite gemacht worden sehi. Aber auf dieser Seite hatte die Alte Welt für die Weiterent^ickelung unendlich weniger, und besonders im Norden, zu bieten als auf der atlantischen. Auch schliefsen die Kordilleren das innere Land in dem Mafse stärker ab, als es vom Stillen Ocean lier leichter zu erreichen ist, und wenn sie nicht unübersteigbar sind, luden sie nicht ein und zwangen die Einwandernden, sich zu zerstreuen. Der am atlantischen Ufer Landende findet breite Wege ins Innere geöffnet. Im Verhältnis zu den beiden grofsen Ozeanen und damit in der Stellung zur ganzen bewohnten Welt, bedeutet die euro- päische Entdeckung Amerikas eine gänzliche Verschiebung. Bis 1492 stand Amerika mit seiner Menschheit am Ostrande der bewohnten Welt, bildete den Orient der Ökumene, mit welcher der Stille Ocean es verband ; der Atlantische aber gähnte wie eine Kluft zwischen Amerika und dem Westrand der Ökumene in i'An'opa und Afrika. Die normannischen Grönland- und Vinland- fahrten überfuhren sie, überbrückten sie aber nicht. Seit 1492 zog die Kolonisation einen Faden um den andern über den Atlantischen Ocean, alle frisch und lebensfähig, während die alten Verbindungen über den Stillen Ocean abstarben und ver- gessen wurden. Die zunehmende Einwanderung hat in den ersten Jahrhunderten fast nur transatlantische Beziehungen gekannt und gekräftigt, und kein Land hat mehr getlian, Amerika vom Ostraiifl ))iH zum Westrand der Ökumene hinüberzuziehen als die V. St., die atlantischste oder europäischste aller Kolonien. Das Vonh-iugen an den Stillen Ocean luid die Verdrängung, fast Ver- nichtung <\iy (iniriv liste, die fast rechtwinklig aufeinander Die Golf Seite. 17 treffen und dazu noch durch die gerade am Winkel des Zusammen- treffens vorspringende Halbinsel Florida mit ihren Riffen aus- einander gehalten werden, ist ein weiterer bedeutsamer Zug in den allgemeinen Umrifs- und Lage Verhältnissen. Die scharfe Ecke bei Florida wird eine Thatsache von tellurischer Bedeutung durch die Wirkung, die sie auf den Warmwasserstrom des mexikanischen Meerbusens ausübt, der erst durch die Zusammendrängung in der Floridastraf se zum »Flufs im Meere« wird. Im politischen und Verkehrssinne bezeichnet sie den Wendepunkt in der bisher nach Osten, zu Europa gekehrten Lage. Durch den mittelmeerischen Einschnitt des Golfes wird eine Südküste geschaffen, durch die Nordamerika nach der mittel- und südamerikanischen Seite auf- geschlossen und um so entschiedener hingewiesen wird, als das ganze Mississippibecken nach derselben Seite geneigt ist. Dem Handel und Verkehr mit au [serhalb dieses Kreises gelegenen Ländern ist dagegen die eingeschlossene Lage dieses Golfes weniger günstig — Galveston wird von Bremen erst in 23 Tagen erreicht — und die unmittelbar vom Innern nach der atlantischen Küste führenden Eisenbahnlinien bringen einen grofsen Teil der Waren, von der natürlichen Straf se des Mississippi weg, den atlantischen Häfen zu. Aber der Wert des Golfes von Mexiko für Nordamerika ist noch lange nicht voll erkannt und ausgenutzt. Die Stagnation des Südens, die Vernachlässigung der Wasserstrafse des Mississippi, das starke Übergewicht des Nordens, der Mangel des interoceani- schen Kanals sind einige Gründe der langsamen Entwdckelung dieser Gestade. Texas, der einzige Südstaat mit grofser Einwan- derung und fast westhcher Energie der Ausbeutung, geht aber mit raschen Schritten vorwärts, und der Südwesten folgt ihm, für den der Golf: der nächste Weg zum Atlantischen '(3cean ist. Von San Francisco nach New Orleans ist der Schienenweg drei Viertel so lang wie nach New York. Im Besitze von Florida haben die V. St. nur eine Hälfte des Einganges zum Golf von Mexiko inne, die nördliche; Cuba beherrscht die andere. Auch der vorgeschobene Punkt Key- West liegt noch n. von der Floridastrafse. Cuba schliefst aber zugleich zwischen San Antonio und C. Catoche den zweiten Eingang. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 2 j[3 T>ie uordatlantisehen Westseen. Um Ciiba fülireu also beide Seewege in den Golf. Zugleich führt an Ciiba längsweise vorbei der Weg von den atlantischen nach den Golfliäfen der V. St. Wenn also bald nach der Erwer- bung Floridas (1823) J e f f e r s o n an Monroe schrieb : » Die Hin- 7Aifügung Cubas zu unserem Bunde ist genau, was wir brauchen, um unsere nationale Macht bis zur Grenze ihrer äufsersten Inter- essen abzurunden« ^), so begreifen wir, am Vorabend der Aus- führung eines internationalen Kanales, die ganze Wichtigkeit dieser Insel. Ihre Erwerbung würde zusammen mit der Vollen- dung dieses grofsen Werkes die Beherrschung des Antillenmeeres durch Nordamerika bedeuten. Die Stellung Englands auf den Bahamas wäre umgangen. Wirtschaftlich bildet ja die Perle der Antillen, die den gröfsten Teil ihrer Erzeugnisse an die V. St. absetzt, fast schon einen Stern im Sternenbanner. Für den Dampfer- verkehr Hegt Havana 7 Stunden von Key -West, weniger als 60 von der Mississippi-Mündung und 6G Stunden - — durch die neue Eisenbahnverbindimg über 'ram])a — von Washington. Die nordatlantischen Westseen. Wie Europa vom hohen Xoi'(lcii durch die üstHclic W'rläugerung des Atlantischen Oceans l)is zum I'^iimischen Meerbusen getrennt ist, so das östliche Nord- amerika (hucli zwei westliche Ausläufer des Atlantischen Oceans. Den einen bildet in der geographischen Breite der Ostsee die Iludsonstrafse mit der Hudsonsbay, den andern der St. Lorenz- strom mit den Grofsen Seen. Für die V. St. kommt der zweite kleinere Einsejniiit zunächst fast allein in Betracht, da die Er- schliel'sung direkter Wege zur Hudsonsbay der Zukunft angehört. Der St. Loi-enzstrom mündet bei Quebec in eine grofse Meeres- bucht, und sein kurzer Lauf vom Ontario bis hierher gleicht einem inselreielicii V\(>\(\ (vgl. Fig. 2). Verkehrsgeographisch ist die Veri)indung der fiinlTach gegliederten Gruppe der canadischen Seen mit dem Atlantiscthen Ocean durch künstli(;he Wasserbauten zu einer so leichten und ausgiebigen gewoi'den, dal's man sie den 1; .1 (! f fci-Ho 11 'h t!i)iM]il('1(> AV'orkM. VIII. j). ;](X). iMii^clieiidcro Ikv incrkiinKen üIht Cnlm liiulot iiiaii in .Mel:ui},^eK |)oliti(|U('H et i)liil()S()i)lii(]Uos f'xtr. «Ich .MemoircH et i\r Iji ('()ncs|Miii(laiic(! de 'l'liom. .FcITcrHoii. l'arin 1833, 'I' II p. :u;. Die gi-ofsen Seen und die Ostsee. J9 Verkehrsmöglichkeiten nach fast als Meereseinschnitt betrachten könnte. Von Duluth am Oberen See bis Belle Isle an der Labradorküste zieht eine über 4000 km lange durchaus schiffbare Kette von Seen, Kanälen und Flüssen an und vor der Nordgrenze der V. St. hin. Die neuen Schiffahrtskanäle am Sault Ste. Marie und Niagara werden die oceanische Erschliefsung der Grossen Seen noch verstärken. Und schon spricht man von der Vergröfse- rung des Eriekanals für oceanische Fahrzeuge. Dafs die schmälste Stelle der V. St. zwischen dem Golf und der Seenregion liegt, wo- durch zwischen dem Eriesee und der Appalachen-Bucht die Breite auf 1350 km reduziert wird, trägt zum Werte beider Wasser- ränder bei. »Hundertvierunddreifsig Längengrade liegen zwischen Poti am Ostrande des Schwarzen Meeres und Duluth am Westende des Oberen Sees. Die Linie, die durch den Atlantischen Ocean diese Endpunkte der Mittelmeere beider Hemisphären verbindet, übertrifft also ein Drittel des Erdumfangs und auf diesem Wasser- wege kann ein Schiff von dem Herzen des einen Kontinentes bis zu dem des anderen vordringen.« Diese Einleitungsworte einer neuen Schrift über den Verkehr auf den Grofsen Seen ') zeichnen die grofse Auffassung, die man in den V. St. von der Rolle dieser Seen hegi. Bei diesem Vergleiche ist allerdings der Unterschied der Gröfse zu betonen, denn das Mittelmeer um- schhefst die Fläche der Grofsen Seen sechsmal. Aber allerdings breiten auch sie wie ein vielgliedriges Mittelmeer im Innern Nord- amerikas sich aus , den ^'^e^kehr zwischen den angrenzenden Ländern nicht nur, sondern zwischen der Ost- und Westhälfte des Kontinentes fördernd und belebend und durch einen allerdings langen, aber sichern Weg mit dem Atlantischen Ocean verbindend. Den Vergleich mit der Ostsee legen die erdgeschichtliche Erwägung, die Gröfse, Gestalt und Klima näher als den mit dem Mittehneer. Aber die auf diese Gruppe von Seen hingewdesenen Landräume, sind im Falle Amerikas gröfser und reicher. Immerhin bietet Chicagos Entwickelung als die der ersten und herrschenden Stadt 1) Cushman K. Davis (Senator füi- Minnesota), Our Lake Commerce and Ways to the Sea 1891. 2* 20 Die pacifische Seite. an diesen Gestaden zwanglos Analogien mit der vorauseilenden Lübecks in der Blütezeit der Hansa, das ebenfalls den Verkehr in einen Südwinkel seiner Ostsee znsannnenzog. Für die Ent-s\dckelung der V. St. ist das Heranreichen an den oberen und mittleren St. Lorenz und der ungemein günstige Verlauf der Seengrenze, der ihnen den ISIichigansee mit der Mackinaw-Strafse ganz und vom Oberen See den gröfsten und besten Teil, sowie gleichen oder über überwiegenden Anteil an all' den wichtigen Wasser- verbindungen im Seengebiet zuweist, von unschätzbarem Werte. Schon heute ist der Warenverkehr durch den St. Marys -Flufs grösser als der durch den Suezkanal. Die pacifische Seite. Die pacifische Küste der V. St. er- <)ffnet in der Breite von 16 Graden einen Zugang zu dem gröfsten Meer der Erde, von dem William H. Seward voraus- sagte, dafs auf ihm sich die gröfste Entwickelung der Menschheit vollziehen werde. Dazu kommt die Küste von Alaska zwischen 54° 40' n. B. und 141° w. L., die am Eiskap sich ähnlich zur Nord- und Eismeerküste wie die Atlantische in Florida zur Süd- und (iolfküste umbiegt. Jene entbehrt der reichen Gliederung der atlantischen. Der eigentümlich regelmäfsigen Auswölbung nach dem Stillen Ocean ist nicht dieselbe Bedeutung zuzumessen, wie jener Ausladung der atlantischen Küste; C. Mendocino liegt 8° weiter w. als der am weitesten nach Osten zurückreichende Punkt der kalifornischen Südküste, San Diego. Aber es wird das Klima k'.ililniiiiens l)estiiiiint durch das Zurücktreten seiner Küste von dl r I'xiiilinmg mit dem warmen Strom von Westen. Audi ist es l'ür di(! Metropole dieses Gebietes, San Francisco, nicht ohne Wiclitigkeit, dafs es durch seine Lage so nahe dem Scheitel dieser \'(ti\v.'cii in den pacifisclien (telneten, an Va- f(>rschnii)jr de» Mawaiisclien Archipels wird seit (icii ersten Arlx'itcii vdu Dana und anderen Mitj^liedern der Will<('s - ICxix'dition in den drciisiuci- .laiiren vnn den \'. St. aus IcMintl lictriclK-n. Zen^niis djitiu- sind ii. a. die Mdiio- ^Ma|)liicn Duttons ast Snrv(^y ül)er die (lezeiten an den Küsten dioBOB ArehipelH. Bedeutung des Stillen Oceans für die V. St. 23 energisch zu verfechten sei in Asien me die Monroe-Doktrin in Amerika. Was die Monroe-Doktrin am atlantischen Rande nicht verschaffen wird, das kann in der Tliat einer klugen pacifischen Pohtik nicht versagt bleiben : der vorwaltende Einfluls auf einem groi'sen Ocean und über ihn hinweg auf den Nachbar- kontinent. Japan und China sind bis jetzt nicht die Staaten, die ein Gegengewicht gegen diese aufstrebende pacifische Macht zu bilden vermöchten. Es wird mit Bewufstsein gesucht ; schon 1881 sprach B 1 a i n e als Staatssekretär von Hawaii als einem Glied des »amerikanischen Systems«. Vor den europäischen Mächten aber, die Einflufs auf die ostasiatischen Angelegenheiten nehmen, haben die V. St. ihre Nachbarschaft als Anwohner desselben Meeres voraus. Dieselbe ist zwar eine entfernte, aber der Seeweg von San Francisco nach Yokohama ist um 30 Tage kürzer als der von London. In Europa vergifst man über der atlantischen Seite, die man vor Augen hat, die pacifische der V.-St. , die von Jahr zu Jahr an Bedeutung zunimmt. Ich erinnere an die Frage des interoceani- schen Kanals, die man in Frankreich ganz falsch wäe eine europäische aufgefafst hat. Wenn es sich für unsere Mächte darum handelt, auf kürzerem Wege als bisher in den Stillen Ocean zu gelangen, so sind jene von vornherein schon da. Nicht umsonst haben sie mit so zäher Beharrlichkeit ihren Weg an das «Weltmeer der Zukunft» gesucht, den einzigen Eroberungskrieg, den ihre Ge- schichte kennt, den gegen Mexiko, um dieses Ziel gewagt und noch einen gefährlicheren dazu gegen England wegen Oregons beinahe hervorgerufen. Die V. St. verdanken es der starken Vertretung, welche sie für ihre Interessen am Stillen Ocean, seitdem das erste neuengländische Schiff (1792) in den Columbia ein- gelaufen, besonders aber seit der Erwerbung Kaliforniens (1848) und Alaskas (1867) geschaffen haben, wenn sie mit verhältnis- mäfsiger Ruhe der Entwickelung des Isthmuskanals folgen konnten. Sie lirauchen nicht zu fürchten , durch einen zu langen Umweg von der Teilnahme am Handel und Verkehr mit den pacifischen Küstenländern Amerikas und mit Ostasien ausgeschlossen zu werden. Sie können es nun den Kalif orniern und den Bürgern der 24 Die Eismeerseite. aiitblüheiiden jungen Staaten Oregon und Washington überlassen, ihre wirtschaftHchen Interessen dort zu wahren. Für diese sind die Entfernungen sowohl nach den süd- und mittelamerikanischen als den ostasiatischen Gestaden natürlicherweise um sehr viel günstiger als für irgend eine europäische Macht. Von San Fran- cisco nach Acapulco sind es 7, nach Panama 13, nach Callao 22, nach Honolulu 9, nach Yokohama 18 — 20, nach Auckland 27, nach Hongkong 32 Tage. Dagegen sind es von Hamburg über Montevideo nach Valparaiso im günstigen Fall 50 — 54 Tage, öfters 2 Monate und von Hamburg nach Yokohama durch den Kanal von Suez 40 — 45 Tage. Der Unterschied liegt auf der Hand. Nach den Samoa-Inseln kommt von San Francisco ein Dampfer in 18 — 20 Tagen, während er von Wilhelmshafen aus das Dreifaclic braucht. Die Eismeerseite. Die Bedeutung des Stillen Oceans für die V. St. wird noch dadurcli erhöht , dal's ilinen die Westseite der Beringsstrafse gehört, wodurch sie Mitbesitzer des Einganges in das Eismeer geworden sind. Die Erwerbung Alaskas hat die V. St. politisch ans nördliche Eismeer vorrücken lassen, um dessen Erforschung sie sich durch eine Reihe von grofsen und zum Teil ergebnisreichen Expeditionen verdient gemacht haben. Ihre Eis- mcerküste erstreckt sich vom C. Prince of Wales bis Demarcation i'oint. Das Reclit der ersten Entdeckung besitzen sie auf die Gebiete n. des Smithsundes, Grinnoll-Land und Grant-La]id auf der west- lichen'), und Washington-Land auf der östlichen oder grönländischen Seite und was wir von Grönland lieute n. vom 82.° kennen, ver- danken wir viel mehr den Expeditionen von Lock wo od und Peary als den vorangegangenen englischen. I^benso sind die n. voll den Neusibirischen gelegenen Jeannette-Tnsolii durch anicri- kanisclie I'jXpeditioncn entdeckt worden. Im iintarklisclicn (Jebiet^) 1; Der rrioritiltsstroit zwiBchcn der Dv lluvcjrsclicu (iiiiuiclI-J<]xpccn mit d(wi JOngläiidern den Knlini der Entdeckung von H.-Sliefliuid zu teihui. Au(;h l'aliner, der seiiKUi Namen in der Anl- arctis verewigt hat, war Ainerikanei". Die Interessen der V. St. in der Arctis. 25 verrlankt man der U. S. Exploring Expedition Wilkes' wertvolle Entdeckungen an den Rändern der antarktischen Länder. Die V. St. stehen in einem engen Verkehr mit Grönland, der sich allerdings fast nur auf die Ausfuhr von Kryolit (1890/91 für 95,495 D.) beschränkt. Ihre Teilnahme am Walfischfang mit 71 Fahrzeugen steht (mit 17 231 T.) nur hinter der Englands zurück und ergab 1890/91 953 000 D. An der Küste des Tschuktschenlandes und Kamschatkas entfalten die Amerikaner eine ausgedehnte Handels- thätigkeit. Die Japaner sagen, der Walfisch führte die Amerikaner an unsere Küsten, und die Vorrechte der amerikanischen Walfisch- fäuger im Archipel von Hawaii haben die Erwerbung der Flotten- station am Pearl R. vorbereitet. Unter den Grenzmächten des Arktis haben sich also die V. St. die gröfsten wirtschaftlichen Interessen im nördlichen Eismeer zu sichern gewufst und wetteifern heute, seitdem Englands letzte Nordpolar-Expedition 1876 zurückgekehrt ist, nur mit den Nach- kommen der alten Nordmänner in seiner Erforschung. In der räumlich engen Verbindung Nordamerikas mit den Ländern der Arktis ist dieses bedeutende Hervortreten der V. St. als arktische Macht geographisch begründet. Auch aus diesem Grunde ist die Erwerbung Alaskas , diese vielunterschätzte, zu würdigen , die besonders auch im Vergleich mit der leichtherzigen Abtretung durch den früheren Besitzer Beachtung verdient. Sie sicherte den V. St. nicht nur eine mächtigere Stellung unter den pacifischen Mächten überhaupt, sondern sie engte zugleich auf der einen Seite den enghschen Kolonialbesitz in dieser Region ein, während sie auf der andern Seite Rufsland ganz aus den amerikanischen Angelegenheiten hinausschob und zugleich von dem Drucke, den dasselbe von Norden her auf Japan übt, die Hälfte abnahm. Aufser einem grofsen Landstrich, dessen natürliche Hilfsquellen nicht so ganz gering sind, wde man es sich in Russland vor- stellte, hat die Union durch die Erwerbung Alaskas breiteren Fufs am Stillen Ocean und am nördlichen Eismeer gewonnen und ilu^en Einflufs bis nach Japan hin verstärkt. Einem Volk, das überhaupt noch etwas zu geben hat und das nicht gewillt ist, seine günstigen Geschicke zu verschlafen, mochten ein paar 26 Die V. 8t. als Durchcrangsland. Millionen D. dafür nicht zu viel erscheinen. Es ist ein Beweis der Schwäche Rufslands als Kulturmacht im Stillen Ocean, dafs es so weit zurückwich vor der jugendlichen Unternehmungslust der V. St., die in diesem Handel mehr Weltmachtberuf bezeugten als jenes. An dieser Stelle betonen wir indessen am meisten die damit gewonnene Fufsfassung am Eismeer. In Alteuropa be- zeichnete man gleichzeitig die arktischen Gefilde als materiell un- lohnend und sogar wissenschaftlich uninteressant. Die Arbeiten, die heute die Männer von Nantucket, Barnstable etc. n. von der Beringsstrafse verrichten, fielen vor 200 Jahren unseren Insel- friesen bei Spitzbergen zu. Es ist nicht zu leugnen, dafs seit 100 Jahren die amerikanischen Interessen in beiden Eismeeren gewachsen, die europäischen zurückgegangen sind. Die Vereinigten Staaten als Durchgangsland. Durch ilire Lage an den l)eiden gröfsten Oceanen der Erde drängt sich den \\ St. das gröfste Interesse an jeder Frage des interoceanischen Verkehrs auf. Sie sind Durchgangsland. Wenn auch diese Funktion nicht konzentriert wie in Mittelamerika erscheint, so umschliefst doch schon die Geschichte ihrer Entdeckung einen Teil der Geschichte der nordwestlichen Durchfahrt, mit der sicher in einem früheren Jahrhundert die V. St. sich auf das Eifrigste be- schäftigt hal)en würden. Ihre grofsen atlantlisch-pazi fischen Eisen- l)ahn- und Telegraphenlinien besorgen einen Teil desselben Welt- verkela's zwischen der Ost- und Westhalbkugel, den ein inter- oceanischer Kanal auf den engen Raum einiger Meilen zusammen- drängen wilD). Ist dieser interozeanische Verkehr noch nicht von ähnlicher politischer Wichtigkeit wie der über l^ritisch-Noi'danierika nach dem Stillen Gcean für England mit seinen in beiden Oceanen weitzerstreuten Besitzungen — das Kabel Vancouver-Hawaii- 1 .\iirli der ntliiiitiscli jiacilisclie Schid'svcikclir um dasC. Ilooni (aint- licli<- Sclircihwcisc^ in <\on V. St. ist C. iloni ist hcliiichtlich. 1S;>0/91 liefen aiiH jiacilisciicn Hilfen der V. St. 14, ans atlantischen ()2 Sclntfe ans, um diesen VVcK zu niaclien, mit znsanmien 132000 t. l)al)ei ialiriMi die Sejj:olschilfc von nO" s. U. l)is San I'ranttisco durcliselinittlicli 54 Ta«j:o. N'on den atiantisciien Hilfen der V. St. nacli San Francisco reclinote man vur 20 .lalncii I.SO Taj,a', lioute 128; die Hclinellsten l-'aluten l)leil)en wenii;- unter 1(K) '{'a^icn ; die sclinell.Ht<;ti Fahrten von Liverj I nach S. l'ianciscn (hinein IOC) 'i\ige. Der mittelamerikanische Kanal. 27 Australien wurde besonders wegen des Vorteils empfohlen, den es als zweite Verbindung mit Australien neben der über Indien biete — so ist doch seine Entwickelung nicht abzusehen. Seit der Er- bauung der Panama-Eisenbahn durch Amerikaner war der Weg S. Francisco-New-York über den Isthmus auf 20 Tage reduziert. Die seit 70 Jahren in den V. St. immer von Neuem erwogenen Pläne zur Durchstechung der mittelamerikanischen Landenge sind das Ergebnis der Konzentration aller Versuche kurzer Wege in den Stillen Ocean, die vergebens von der nordwestlichen Durch- fahrt bis C. Hoorn gemacht worden waren, auf den engen Raum weniger Meilen. Die den Panamakanal geplant haben, hätten sich sagen können, dafs nur dieses Durchgangsland, das bisher alle atlantisch-pacifischen Eisenbahnen, ausgenommen die letzte, die Canadian Pacific, gebaut hat, berufen und auch veranlafst sei, den interoceanischen Kanal zu bauen. Der mittelamerikanische Kanal bedeutet einen grofsen Schritt nach dem durch die Natur und die Geschichte nahe gelegten Übergewicht Nordamerikas über Südamerika und ün Stillen Ocean. Der 50. Kon- gress inkori^orierte 1889 die »Nicaragua Maritmie Canal Company«, die auf Grund der letzten Messungen Menocals und ameiikanischer Schiäsofliziere unter Peary den Kanal in der Länge von 169 e. M., wovon 56,5 im See, 84,5 im San Juan- und 28 im Schleusenkanal (mit 6 Schleusen nach Ai't der in St. Marys FluXs und am Niagara an- gewandten) von Greytown bis Brite bauen will. Durch Vermittelung der Regierung der V. St. hat sie wertvolle Konzessionen von Nicai'agua und Costarica erlangt. Die Kosten werden auf 85, die Einnahmen bei einem Verkehr von 7 Mill. T. auf 8 MüL D. geschätzt. Die grüfsten SchAvierigkeiten erwartet man an beiden Enden des Kanals'); auf der altlantischen Seite sind die Vorarbeiten so weit gefördert, dafs Sehiife von über 4 m Tiefgang in Gre}i;own einlaufen. Beide grofse poKtische Parteien der Umon haben sich für den Kanal ausgesprochen. Neben der Abkürzung des 23000 km langen Weges um das C. Hoorn und dem 1) Über die Eigenschaft der San Juan del Xorte-Mündung spricht sich eingehend Henry Mitchell aus in dem wenig bekannt gewordenen Report of an Inspeetion of the terminal Points of the proposed Canals throiigh Nicaragua etc. im Bericht des Coast and Geodetic Survey für 1874 S. 135 bis 147. Die beste Zusammenfassung der amerikanischen Berichte und Auf- fassungen findet man bei Lindley, M. Keasby, der Nicaracugua-Kanal (Abh. a. d. Staatswissensch. Seminar zu Strafsburg) 1893. 28 Sicherheit der Lage. dadurch erleichterten Austausch zmschen den pacifischen und atlanti- schen Staaten der Union, zwischen diesen und 8üd- und Mittel- amerika, some Ostasien und Austrahen, stehen gleichberechtigt die püütischen Folgen. Em früherer Vertrag von 1884, der den Bau des Kanals durch die V. St. angenommen hatte, wurde allerdings 1885 vom Prä.sidenten Cleveland zm-ückgezogen , da die V. St. durch ihn Land- besitzer in Mittelamerika und zugleich mit der Verteidigung der Selb- stänchgkeit von Nicaragua und Costarica belastet worden sein würden. Diese Ziu'ückziehung bedeutet aber nur eine Hinausschiebung der pohtischen Folgen, die unvermeidlich sind. Senator Sherman hat sie in die geographische Vorstellung gefaXst, dals die getrennten Küsten- linien am Atlantischen und Stillen Ocean durch diesen Kanal zu Einer werden. Andere sprechen davon, dafs che MoiTfoe-Lehre, bisher Theorie, nun zimi ersten Male in die Praxis übergeführt werde, damit nicht eine europäische ]Macht eine Stellung gemnne »ch'ohender als Gibraltar und lästiger als Canada«. Für che Entwickelung der allgemeinen Seemacht- stellung der V. St. wii'd der Kanal f olgem'eich sein , während Europa und im allgemeinen der Atlantische Ocean, das spezifisch europäische Meer, verHeren würden. Wir würden ein ebenso grolses Gewicht auf che Schaffung eines neuen Bandes zum Zusammenhalt der atlantischen und pacifisclien Hälfte der Union legen, das alle anderen an Stärke übertreffen wird. Dals die Regierung sich einen Eintiuls, älmhch wie die enghsche mi Suezkanal, durch Aktienbesitz sichern werde, wird bestimmt vorausgesagt, Avie denn überhaupt erst das neue Übergewicht Englands am Suezkanal und in Ägypten die Überzeugung in weiteren Kreisen der V. St. befestigt hat , dafs der mittelamerikanische Kanal der Zukunft nur unter dem Einflufs Amerikas, das in tUesem Falle gleichbedeutend mit den V. St., stehen dürfe. Übrigens Helsen schon 1874 die V. St. durcli den Assistenten des Coast Survey, Prof. David- son, den Suezkanal, besonders auf die Verhältnisse an seinen Mün- dungen, prüfen. Siclici'lie i t der Lage.. Diese ist für die V. St. minder wichtig als für jeden europäisclicn Staat. Wir werden sehen, dafs die Landgrenzen vom rein ])()litisclien Stan(l})unkte aus gute, weil in(')glichst kurze Girenzen sind, mit Ausnahme weniger Strecken. Aber nicht diesen Landgrenzen liegen die festen Plätzen gegenüber, von denen bei einem Angriif von aufsen lier am meisten zu rüiclilcn wäi'e. Die V. St. würden nur zur See und von den Seen her in gerälnlicher Weise angegriften werden kcMinen. Ihre gnifsten Städte und reichsten liandscliarten liegen an den Küsten. i^in Uericht des (Jliief of l^^ngiueers über Die Inseln. 29 Küstenverteidigung für 1876/77 hebt hervor, dafs eine feindliche Flotte die Küste der V. St. von Halifax aus in 36, von Havanna in 6 und von Victoria (Vancouver) in 69 Stunden zu erreichen vermöchte. Die Sicherheit der V. St. liegt solcher gefährlichen Nachbarschaft gegenüber in dem Übergewicht ihrer Gebiets- ausdehnung, ihrer Bevölkerungszahl, der Intelligenz, Tüchtigkeit und Wohlhabenheit ihrer Bevölkerung, die ihnen ein moralisches Gewicht in Amerika verleihen, wie es in Europa keinem einzelnen Staate vor allen anderen zukommt. Dieses Machtübergewicht könnte die Neigung zu noch weiterer Ausbreitung begünstigen, die sowohl C'anada als Mexiko und C\iba gegenüber bei einem Teile der Bevölkerung verbreitet ist. Es ist aber zu erwarten, dafs die viel näher liegenden und ohne Zweifel immer brennender werdenden Fragen des inneren Zusammenhanges die Gefahr einer Hinausrückung der jetzigen im ganzen so günstigen Grenzen zur Genüge erkennjen lassen werden. Der Vorzug der geschlos- senen Lage auf der ganzen Südhälfte Nordamerikas kann durch keine Gebietserweiterung gesteigert werden, aber jede mrd den inneren Zusammenhang schwächen, ohne den ein Staat von solcher Ausdehnung die Fähigkeit verliert, sich zu erhalten. Die Inseln. Die Lage der Y. St. ist auch darin ausgesprochen kontinental, dafs das Land inselarm ist, keine einzige von den grofsen Inseln Nordamerikas und überhaupt keine weit aufsen- liegende Insel besitzt. Auch die gröfsten Inseln des Gebietes sind nur Küsteninseln. Suchen wir mit einer Linie die über das Fest- land hinaushegenden Teile des Gebietes der V. St. zu umfassen, so entfernen mr uns kaum von der kontinentalen Grenze; so gering ist die Grölse und die Za*hl der Insehi. Die Küsten der V. St. sind in der Nähe inselarm, und was ferner hegt, gehört anderen Mächten. Nur Alaska mit mehr als 80000 qkm, also einem Siebzehntel seiner Fläche, in Inseln, ist inseh-eich. Ln Nordwest, Nordost und Südost schneidet die Grenze gerade dort durch, wo die insulare Entwickelung einsetzt: Vancouver, C. Breton, die Bahama sind englisch, Cuba spanisch. Grofse Inseln gehören überhaupt nicht zum Gebiete der V. St., und auch' wenn wir die OTofsen Nehrungs-Inseln s. von C. Hatteras und im Golf mit- 30 Die Inseln. messen, erlialten vär knapp ein Tausendstel des Areals in Inseln. An der atlantischen Küste tritt nur Long Island (2620 qkm) in einer Gröfse hervor, die nicht in der gewaltigen Landmasse verschwindet. Alle anderen Liseln sind zu klein und liegen zu nahe beim Fest- land, um selbständig hervorzutreten. Sie sind auch iln-er Ent- wickeking nach nur halb selbständig, denn wie sie hier als Inseln und dort als Nehrungshalbmseln auftreten, gehen sie auch zeitüch aus einer in die andere Form über. Unter den weUengepcitschten, ähnlich unseren friesischen Inseln landverlierenden »Wracks von Inseln« vor der neuenglündischen Küste, für die der Neuengländer den provinziellen Ausdruck »thrums« hat, sind die s. vom C. Cod liegenden Gruppen von Nantucket (170 qkm) und Martha 's Vineyard (mit den EHzabeth-Inseln 320 qkm) als Sitze einer höchst tüchtigen Seemannsbevölkerung bedeutend. Die Inseln von Rhode Island und Long Island gehören zu den bevöl- kertsten Inseln der Erde. Manhattan, die Insel New-Yorks, in der Mündung des Hudson, und das ungemein zerklüftete S m i t h - E i 1 a n d in der Chesapeake-Bay, bezeugen, wie auch hier bei der ersten Besiede- lung die Inseln eine wichtige Rolle spielten. Der 200 jährige Grenzstreit z^Wschen Vhginia und Maryland um dieses vom 38. Breitegrad mitten dun-hgesclmittenc Eiland ist erst in unseren Tagen entschieden worden. An der Küste Südcarohnas liegen die baumwollberühmten Sea Islands s. vom Santee-Flufs. Ihre Oberfläche beträgt ca. 2200 qkm. Zwischen und hinter ilnien liegt ein Streifen Salzmarsch, der fast dic^selbe Fläche bedeckt, das Land des Reisbaus. Beide sind heute fast nur noch von Negern bewohnt. Über die militärische Wichtigkeit den- Küsteninseln von Nordcarolina und der Küstenstrecke Beaufort-Savannah und ihrer Inseln s. das nächste Kapitel. Die Keys, die vom C. Fk)rida bis zu dm Tortugas ziehen, sind echte KoraUeninseln. Auf Key West haben der \'(.'i'kehr der Fkjiidastnü'se, der Schmuggel und die Befestigungen eine ik'völkerung von 18000') zwsamnunigeführt. Die Golfküste hat ciitsprccliend ihrem durchaus flachen Charakter zahlreiche Küsten- und Mülldungsinseln, die bis jetzt meist unbewohnt oder mindestens nicht ausgenutzt sind. Die niedrige Sandinsel Ship Island ist durch ihre Lage 11. \iiii den Mississi))pi-Miindun<^('n geschichtlich bedeutend als der wielitige Punkt, an dem die Nordstaaten im Si)ätjahr 18()1 zuerst wieder im (iolf Fufs fafsten. Die breiten Nehrungsinseln der Küste von Texas, bisher wenig bewobnt und ])eachtet, sind durch ihre Lage zwi- .'^elien <]em ^b•(^ und den ])rciten, teilweise auch verhältnisinäfsig tiefen l) inm (iPHt, '.»«(K), iilHo H2"A) mehr in einem Jnhr/elmt. Das Streben nach insularer Ansbroituno'. 31 Lagunen bestimmt, mehr als ein Galveston dereinst zu tragen. Die vulkanischen Eilande von der südkaüfürnischen Küste sind in indiani- scher Zeit wohl bevölkerter gewesen. Heute ist ihr Wert zunächst noch gering. Die seit der Grenzberichtigung von 1873 zweifellos den V. St. gehörigen San Juan de Fuca-Inseln (zusammen mit den vor Admii'ality Inlet hegenden Whidbey und Camano 2300 qkm) er- warten bei vortrefflicher Lage und günstigster Küstengestalt eine grofse Entwickelung. In der Armut des Gebietes der V. St. an Inseln der offenen See wiederholt sich im grolsen eine Eigenschaft Deutsclilands und Frankreichs. Es ist die geographische Erscheinungsweise der gleichen geschichtlichen Thatsache: Die Entwickelung des grofsen transatlantischen und dieser kleinen europäischen Staaten vollzog sich im Kampfe mit den grolsen Mächten Westeuropas. Die Stel- lung Englands auf den Bahamas, Bermudas, den Inseln der Fundy Bay und auf Vancouver entspricht der auf den Kanalinseln und (einst) auf Helgoland. An drei wichtigen Stellen wird also der Zugang zu der Küste der V. St. durch Inseln in fremdem Besitze beherrscht. Eine kontinentale Macht ist gegen das Festland zu- rück- und vom Meere abgedrängt. Die Hartnäckigkeit, mit der die V. St. um die paar ärmlichen Eilande in der St. Croix- Mün- dung und im Haro-Kanal stritten und das Streben nach insularen Fufsfassungen auf den kleinen Antillen, an der Küste von Nica- ragua und San Domingo, auf den Aleuten, im Hawaiischen und Sanioa- Archipel entspringt dem Gefühl der Eingeengtheit. Für das weite Land ist seine oceanische Sphäre zu eng. Nicht blofs aus den Kriegen mit England, auch aus dem Bürgerkrieg kennen die Nord- amerikaner die Gefahr, die von so nahe gelegenen Stationen wie Bermuda oder Nassau ihrem Seehandel und ihren Küsten droht. Wie schwach der unvergleichlichen Lage Cubas gegenüber ihre Stellung an der Floridastrafse, haben wir gesehen. Auch zwischen den am weitesten nach Westen reichenden Gliedern der Bahama-Gruppe, Bemini- und Gun-Inseln, Southwest Point der grolsen Bahama- Inseln, die den (3strand der Floridastrafse bilden, und dem West- rand liegt nicht ein voller Meridiangrad ; die gerade Entfernung zwischen jenen und C. Florida beträgt nicht ganz 90 km. IL Die Peripherie: Grenzen und Küsten. Die Peripherie im Verhältnis ziir Lage und Gröfse der Vereinigten Staaten 32. Annäherung an Naturgrenzen 33. Länge der Peripherie 36. Bevorzugte Ge- biete in der Peripherie 37. Das Zusammentreffen der Landgrenzen und Küsten 43. Übergreifende Rechte 44. — Verlauf und Veränderungen der Grenzen 51. — Indianergrenzen 46. Einige Bemerkungen über die inneren Grenzen 48. — Die Küsten 61. Küstenlänge und Küstenentwiekelung 64. Die Küsten- und Hafengebiete 69. Küstenlandschaften 77. Küstenvei'ände- rungen 81. Die Peripherie im Verhältnis zur Lage und Gröfse. Auch die Grenzen der V. St. zeigen die Gunst der Lage und dazu die Wirkung einer dem Staate voraneilenden höchst kolonisations- laliigen Bevölkerung mit nahezu ungehemmter Ausbreitung ül)er ehi Land von kontinentaler Gröfse. Sie sind in gröl'ster Ausdehnung ganz natürlich, nämlich an den beiden grofsen Meeren. Wo sie auf dem Lande ziehen, vermeiden sie fast alle überflüssigen Ki-ünnnungen. Sie werden dadurch nicht natür- licher, aber im Vergleich zu dem weiten Areal, das sie zu um- fassen haben, sind sie sehr kurz. In der Kürze liegt unter den N^'rliältnisscn der V. St. der gröl'ste \''orteil. ¥A\\ so junges und ras(!h wachsendes Land fafst die Grenzen nicht als etwas geschieh t- licli G(!ge))(>nes auf, sondern sieht darin mn- ein zeitweiliges Ab- kommen. Wenn die (Treiizlinie des 49. Tiirallcls den unteren l»'cdiirl'nis einer NatürKche Grenzen. 33 grofsen, ins Ungewisse hinein verlegten Sonderling^). Sie gleicht darin den Grenzen der Einzelstaaten, die — man denke an die Grenze zwischen Dakota und Montana — mit Bewulstsein die natür- lichen Objekte zerteilen, an die bei uns die Grenzen Anlehnung suchen würden. Das Schutzmotiv und die im Laufe eines langen, hin- und herschwankenden geschichtlichen Prozesses festgelegte Linie fehlen in diesen Grenzen beide. Wenn doch ein Teil der Landgrenzen der V. St. natürliche Berechtigung hat, so liegt der Grund in einer andern Sphäre, nämlich in den Ausgangspunkten und der Richtung der geschichtlichen Bewegungen, die an dieser Grenze oder in ihrer Nähe Halt machten. Ein Blick auf eine Vegetationskarte des nordamerikanischen Kontinentes lälst er- kennen , dafs die Nordgrenze des mexikanischen Vegetations- gebietes wenig s. von der politischen Südgrenze der V. St. gezeichnet wird, und auf einer Höhenkarte sieht man diese politische Grenze das Depressionsgebiet durchziehen, das zwischen dem Gila und Rio Grande die eigentlich nordamerikanischen von den mexikani- schen Gliedern der grofsen Gebirgskette der Kordilleren trennt, eine der bedeutsamsten Erscheinungen in der Oberflächengestal- tung Nordamerikas. Die Jahres-Isothermen von 15° und 18 °C. sind gleichfalls in der Gegend dieser Grenze zu ziehen. Man kann sie als eine Naturgrenze in kontinentalem Stile, nämlich ein Grenzgebiet weitverbreiteter natürlicher Unterschiede bezeichnen ^). 1) Die Anwendung von Breitegraden zu Grenzbestimmungen ist in der Geschichte Nordamerikas üblich seit 1620 Jacob I. der Plymouthgesellschaft das Land zwischen 48 und 40° »durch das ganze Festland« zuwies. So wurden später Connecticut, Carolina u. a. begrenzt. George Bancroft stellt das Historische dieser Methode der Grenzziehung ausführhch dar in der »Denk- schrift über den Kanal von Haro als Grenzlinie der V. St. von Amerika« (1871). Über die übliche Auffassung und Bestimmung der Breitegrade als Grenze hat James T. G a r d i n e r , der Vorstand des New York State Survey in seinem Bericht für 1880 (Albany 1881) S. 10 f. interessante Mitteilungen gemacht. 2) Diese Grenze ist übrigens von Anfang an mit Rücksicht auf den eigentümüchen Charakter des von ihr durchschnittenen Landes gezogen wor- den; man wollte eine Naturgrenze. »Die Grenze ist gut«, sagt Major Emory, der Grenzkommissar der V. St., »und wenn die V. St. entschlossen sind, der Expansionskraft ihrer Institutionen und ihres Volkes zu widerstehen, die mir unvermeidlich zu sein scheint, und sich Grenzen zu setzen, ehe sie die Land- Katzel, Die V. St. von Amerika. 3 34 Natürliche Grenzen. Von der Nordgreiize kann nicht dasselbe gesagt werden. In fast geometrisch regehnälsiger Halbierung des Kontinents von einem Rande bis zum andern schneidet sie in der westlichen Hälfte auch manche Naturverhältnisse in einer mit Naturgrenzen schwer vereinbaren Folgerichtigkeit. Nur der Umstand, dafs diese Grenze in so weiter Erstreckung durchaus im Sinn der geographischen Breite gezogen ist — dem im allgemeinen auch der Verlauf der Isothermen und der Vegetationsgrenzen folgt — , läfst sie nicht bedeutungslos in natürlicher Beziehung erscheinen. Sie scheidet allerdings in einer allgemeinen Weise die gemäfsigteren von den kälteren Teilen Nordamerikas und erinnert dabei durch ihr Ansteigen von der atlantischen zur pacifischen Küste an den entsprechenden Grundzug der Isothermen. Die Laubwälder des Ostens, die hohen Nadelhölzer des Westens, die Prärien des Innern, alle gehen nicht weit über den 49. Breitegrad hinaus. Aber vielleicht zeichnet nichts, so deutlich wenigstens, die Annäherung auch der Nordgrenze der V. St. an gewisse Naturgrenzen als die enge von Barien erreicht haben, so wird man wahrscheinlich vergebens auf dem ganzen Kontinente eine Grenzlinie suchen, die besser für diesen Zweck geeignet wäre. Es ist ein Glück, dafs zwei Völker, die in Gesetzen, Glauben, Sitten und Bedüi-fnissen so sehr verschieden sind, von einander durch Grenzen getrennt werden, welche gleichzeitig grofse Unterscliiede in der Naturbeschaf- fonhoit des Landes l)ezeichnen.« Weiterhin sagt lOmory: »Ich beobachtete birgsniasse zu i)assieren vermöchte. Dieses Motiv hat seine Geltung erst viel später bewiesen, als die letzte der jetzt bcstelK'iidfii I';ni(icl>;diiicii, ilic HüdliclK!, ilnrcli diese Senke geführt wurde. Wachstum und Verbesserung der Grenzen. 35 Thatsache , dafs sowohl am östliclien als am westlichen Ende dieser Grenze die Fjord- und Schärenbildungen, diese Küstenform von hervorragend klimatischer Bedeutung nur eben über sie hereinrageu. Die klimatischen Bedingungen ihrer Bildung sind also s. von der heutigen Nordgrenze der V. St., mit Ausnahme eines schmalen Striches, in den die Küste von Neuengland und der Puget-Sund fallen, nicht mehr vorhanden. Die östliche Hälfte der Nordgrenze ist fast durchaus Wassergrenze, die in Flüssen und Seen verläuft. Das Wachstum der V. St. hat eine fortschreitende Ver- besserung der Grenze dadurch hervorgebracht, dafs es nicht eher Halt machte, als bis es an der natürlichsten aller Grenzen, dem Meeresrand, oder an den grofsen Seen und Flüssen angelangt war, an Stellen, wo die Natur selbst, und nicht blofs eine künst- hche politische Schöpfung ihrem Staate entgegentrat. Natürliche Grenzen wurden mit natürlicheren vertauscht, so im Vordringen vom Mississippi nach Osten der Pearl-Flufs gegen den Perdido — um diesen, der heute die Westgrenze von Florida bildet, drehte sich seit der Erwerbung Louisianas der Streit zwischen den V. St. und Spanien; jene behaupteten, dafs Louisiana sich bis zum Perdido erstrecke, dieses wollte den Pearl-Flufs als Westgrenze von Florida behaupten — und dieser gegen das IMeer. Und so beim Vordringen vom Mississippi gegen Westen erst der Sabine-Flufs , dann der von Texas 1836 , von den V. St. 1848 als Grenze gegen Mexiko gewonnene Rio Grande, die vorteilhafteste Linie, die im Südwesten zu finden war und ist. Diese letzte der grofsen Landgrenzhnien konnte sich nur an den beträchtlichsten Strom des Südwestens, den Rio Grande , lehnen. Das sind alles Grenzen , die dieses Land sich selbst als die seiner heutigen Entwickelung gemäfsesten frei bestimmt hat. Die die Grenzen der kontinentalen Mächte Europas bestimmende und in den launenhaftesten Verlauf zwängende Anpassung eines späteren Staatenwachstums, das auf ein früheres trifft, nach dem es nun also seine Grenzen zu modeln hat, tritt uns nur im äufsersten Nordosten entgegen. Der Gegensatz zwischen der östlichen und westlichen Hälfte der Nordgrenze der V. St. ist sehr bezeichnend flu- die verschiedenen 3* 36 Länge der Peripherie. Wirkungen der Berührung mit politisch organisierten und unorgani- sierten Gebieten. Soweit Kanada in den Umrissen fertig war, hatten die jungen V. St. seine Grenze zugleich als die üirige anzunehmen. Dalier die mit dem ganzen übrigen Grenzverlauf der V. St. so wenig übereinstimmende Unregelniäfsigkeit der Nordostgrenze mit ihrer An- lehnung an so kleine Motive, wie der S. Croix-Fluls, S. Johns- und Francis-Fluls ii. s. av., und besonders ilirem tiefen Hinabsinken nach Süden — alles im scharfen Gegensatz zu der Linie des 49. Parallels, die bei der Mündung des Ramy-Flufs den Wäldersee verläfst und ein- förmig hinüber bis zm* San Juan de Fuca-Strafse zieht. Auch der Längenunterschied der beiden Abschnitte — es sind 3611 km von der Passamoquoddy-Bai bis zum Westufer des Wäldersees, 2000 km auf dem 49. Parallel — , deren Gradentfernungen fast gleich sind , zeigt, wie unamerikanisch dieser nordösthche Grenzabschnitt ist, den noch nicht, wie den mexikanischen, ein glückhcher Krieg vereinfachte, und der noch viel weniger den Eindruck der atlantischen und pacifischen Grenzen des jungen Landes macht, ohne jede hemmende Konkurrenz bis zu den entferntesten und besten Naturgrenzen ausgedehnt zu sein'). Auf einen ähnhchen Unterschied wies jüngst Romero Robledo in seinen halboffiziellen Berichten über den panamerikanischen KongreCs hin'), wo er erzählt, wie dem Vorschlage der V. St., alle Grenzfragen durch Schiedsspruch zu erledigen, besonders Mexiko mit dem Hinweis auf die Ungleichwertigkeit der Grenzen entgegengetreten sei, deren Re- gulierung in dem dünnbevölkerten Südamerika zwischen Ländern gleicher Sprache, ReHgion und Gewohnheiten sehr leicht sei, während viel folgenreicher jede Grenzstreitigkeit zwischen den V. St. luid Mexiko sein rnüsso. Länge der Peripherie. Die Landgrenze der V. St. ist 8480 km (52G0 engl. M.)^) lang, die Küste*) 7 070 km (4390 engl. M.). In 1) Sehr bezeichnend sagt J. D. Wliitney: Um nahezu alles wert- vollste Land von Nordamerika in die Grenzen der V. St. einzuscliliefsen, \viird(! OS notwendig sein, die Grenze dos 49. Breitengrades vom Wäldersee ostvvilrts bis zu dem Punkte fortzuführen, wo sie den St. Loronzstrom schneiden würde. The United States 1889 S. 5. Sie würde nur (>l)eu d(>n Mtiridungsgolf dieses Stromes am Nordrand troffen, (\or also in soiii{>r ganzen .\usdehniing in das (Jebiet der V. 8t. fiele. 2) In der North American Review 1891. 8) Nach einer von .Dr. C. Förster im hiesigen K. Geographischen Seminar für micl) ausgc^führten Messung. 4) Nach Mitteilungen aus dem U. S. Coast Survey. Näheres über Küsten- länge und -gliodorung s. o. S. 64. Mit der Landgrenze ist hier die Küsten- linie mit -Ausschhirs der k!<'ineii liiichten, Inscjln, 1 lalhiiiseln /,iis:iniineriu'estellt, Bevorzugte Grenzstrecken. 37 der ganzen Peripherie von 15 550 km sind Küste nnd Landgrenze, da sie sich wie 1:1,2 verhalten, praktisch einander fast gleich- zusetzen. Zählen wir die Grenze von S. Lorenz und den Grofsen Seen als Wassergrenze zur Küste, so erhalten wir . gegen 6532 km Landgrenze 9019 km Wassergrenze. Das Areal der V. St. (ohne Alaska) zu 7,8 Mill. qkm (3 024880 engl. Q. M.) angenommen, kommen auf 1 km der Peripherie fast genau 504 qkm Oberfläche. Der Vorzug der grofsen und geschlossenen Fläche macht sich hier in grofsartigem Mafse geltend. Vergleichen wir euro- päische Areale, so finden wir, dafs in Deutschland auf 1 qkm 7 km, in der Schweiz 24 km Grenze kommen. Das Areal auf 1 km Grenzlänge ist also über 20 mal so grofs in den V. St. als in der Schweiz. Von der Grenze der V. St. entfallen auf die nordöstliche Strecke von der atlantischen Küste bis zum S. Loreuz- strom 1013 km, von da bis zum Westufer des Oberen Sees 1949 km, von da bis zum westlichen Ende des Wäldersees 649, von da bis zum Stillen Ocean (Grenze des 49. Parallel) 2000 km. Die Südgrenze ixdfst vom Golf von Mexiko an, so lange sie im Rio Grande verläuft, 1745, von El Paso bis zum Stillen Ocean 1125 km. Über die Verteilung der Küstenlänge s. u. S. 65. Beide Elemente der Peripherie stehen un günstigsten Verhältnis: Eine möglichst einfache Grenze am Land gegen die politische Nach- barschaft und eine reich ent-^dckelte gegen die Nachbarin Natur am Meer. Bevorzugte Grenzstrecken. In der weiten Peripherie von 15550 km ist nicht jede Grenzstrecke der andern gleich an politi- scher Bedeutung. Wir haben gesehen, wde schon in der Form eine Verschiedenartigkeit der Entwickelung sich ausprägt, und wie ein- zelne Abschnitte in der Lage bevorzugt sind. Im allgemeinen wird die Nordgrenze politisch und wirtschaftlich wichtiger sein als die Südgrenze, und von ihr wird wieder die Osthälfte weit vor der Westhälfte stehen. 39 Mill. D. von der Ausfuhr der V. St. gehen nach der Dominion, 14 nach Mexiko, 130 Eisenbahnen führen (\. h. die General Coast Line, deren Charakter dem einer politischen Grenze von grofsem Stil ähnlich ist. 451059 38 Bevorzusrte Greuzstrecken. auf und gror.senteils über die nördliche Landgrenze, 6 auf und über die südliche. Aber nach der Menge der Eisenbahnen gemessen , übertrifft der Verkehr ö. von Duluth um das zwölffache den w. vom Westende des Oberen Sees. Gegen die Seen und den oberen S. Lorenz drängen immer dichtere Bevölkerungen zusanmien , die der dort verlaufenden Grenze zunehmend mehr Wert und Bedeutung verleihen. Auf einer Karte des Wachstums der Bevölkerung der V. St. in dem Jahrzehnt 1880/90 zieht von der Halbinsel Michigan bis zum Puget-Sund Fig. 1. Dio .Sü(lwost-Grenze''nn(l dio Süd-Pacificbahiri : 10000000. eine ununterbrochene Zone sehr starker Zunnahme an" der Grenze liin. Die durch Verdichtung der Bevölkerung oder des Verkehrs bevorzugten Grenzstellen sind sonst nirgends an den Landgrenzen, fast immer nur an den Küsten zu suchen. Bei jenen nuifs man beachten, dafs es an den Landgrenzen Stellen gibt, gegen die hin die B(!völkerung von aufsen her sich früher oder rascher ent- wickoll hat, als die der V. St. Am auffallendsten hebt sich das fast unbewohnte nördliclie Maine von dem angrenzenden Neubraun- Hcliweig ab, docli ist dies eine grofse Ausnahme von rein gcsdiiclit- lichor I>r'grüii(liiiig. Gerade die l^evölkerungsverbriiituiig ;in der Kanadische Grenzbeziehungen. 39 Grenze gibt fast überall Zeugnis von dem Drängen von innen nach der Peripherie. Ja, es liegt darin etwas Bezeichnendes für die Ent- wickelung der V. St. und weist auf wichtige Entwickelungswege der Zukunft hin. Die daraus hervorgehende Neigung zur Ein- beziehung der jenseit der Grenze gelegenen Gebiete in das eigene Verkehrsgebiet durch die Ausdehnung des Eisenbahnetzes ist zwar am energischsten im Südwesten zur Geltung gekommen, wo be- sonders die Linie nach Guajanas (Fig. 1) mchtig zu werden ver- spricht; aber im Norden werden immer mehr Wege gebaut in engster Verbindung mit den peripherischen Bevölkerungsverdichtungen der V. St. nach jenseit der Grenze gelegenen Auslafspunkten. Hier überragt längst durch Dichte der Bevölkerung und des Verkehrs das Unionsgebiet das kanadische. Das Mifs Verhältnis z^-ischen der ostwestlichen und nordsüdlichen Ausdehnung und die natürliche Veranlagung der V. St. zum Verkehr in nördlicher und südlicher Richtung w^rd über die Nordgrenze hinausführen. Von den zwei mächtigsten Landschaften des Nordens der V. St. , am Oberen Mississippi und Oberen See laufen schon zwei Flufs- und Seen- verbindungen auf den Winnipeg in der Richtung der Hudsonsbai zusammen, an der, wenigstens von canadischer Seite, Churchill eine grofse Zukunft als Hafenplatz prophezeit mrd. Ander- seits ziehen die Grofsstädte südlich von der Nordgrenze, besonders Chicago, Detroit und Buffalo immer mehr vom Verkehr Britisch- Nordamerikas an sich. Was aber von östlichen Gebieten w. von den Nord-Alleghanies liegt, ist auf den S. Lorenzstrom an- gewiesen. Daz waschen entwickeln sich Erie- und Huronensee immer mehr zu einem, beiden Ländern gemeinsamen, in beider Peripherie gelegenen, beide wirtschaftlich verbindenden Verkehrsorganismus, in dem aber die Literessen der V. St. weit vorwiegen. Bei der Jugendlichkeit beider hier in Frage kommenden Staaten ist es kaumi zweifelhaft, dafs so bedeutende peripherische Erscheinungen Grenzverschiebungen mit der Zeit herbeiführen werden. Im FaU Kanadas ist oft darauf hingewiesen worden, wie die lange Berührungslinie , die von so vielen Wasser- und Schienenwegen gekreuzt wiixl und die Ergänzung, welche die Erzeugnisse beider Gebiete Jedem einzelnen von ihnen bieten, die Übereinstimmung einer grofsen Anzahl von Interessen so stark machen , dafs das Dazwischentreten 40 Peripherische Verkehrsorgane. einer dritten , 800 g. M. entfernten , unter ganz anderen Bedingungen lebenden Macht nur zu Mifsverständnissen zwischen den Nachbarn führen könne. Man sagt in Washington : GeschäftHch ist Grofsbritan- nien für Kanada gerade so fremd wie die V. St. In den kanadischen Zolleinnahmen erschienen beide 1889 ün Verhältnis wie 5:4, was nicht blofs zeigt, wie die V. St. und Canada geschäfthch eng verbunden sind, sondern zugleich, wie wenig Grofsbritanniens poHtischer Vorzug sich ins Wirtschaftüche übersetzt. In der ZoUinie wiU man nur noch das ]Nßttel sehen, um Kanada angesichts der überquellenden und über- greifenden Entwickelung der V. St. selbständig zu erhalten. In einem Lande, dessen Wachstum von aufsen nach innen vorgeschritten ist, fügt sich die geschichtliche Bedeutung der Peri- pherie zur gegenwärtigen. In ganz Amerika wirkt jene bis heute nach. Alle- die grofsen Organe des Verkehrs liegen an den Küsten und Grenzen und damit fast alle Grofsstädte. In den V. St. liegen von den Städten mit mehr als 200000 E. New York mit Brooklyn, Philadelphia, Boston, Baltimore, Washington an der atlantischen Küste, New Orleans an der des Golfs , San Francisco an der pacifischen, Chicago, Cleveland, Buffalo und Detroit an der Seen- grenze. Nur St. Louis, Cincinnati und Pittsburgh sind in dieser Reihe Binnenstädte. So wie die Dichtekarte das Bild eines Ringes dichter Bevölkerung um ein dünn bewohntes Innere gewährt, zeigt auch die Städtekarte die gröl'sten und zahlreichsten Städte in oder nahe der Peripherie. Und wenn man das Arteriennetz des Verkehrslebens betrachtet, gew^ahrt man eine ungemein grofse Ungleichartigkeit in der Zuteilung an die peripherischen End- und Knotenpunkte. Das nördhche Maine ist das eisenbahn- und wegärmste Land im ganzen Osten der V. St. Fast alle Eisenbahnen liegen s. vom 45." n. B. und führen nur kleine Strecken von der Küste einwärts. Neubraun- schweig und Quebec, die beiden Grenzprovinzen, sind besser versehen. Eine Linie der Canadian Pacific begleitet von Madawaska Settlement an den St. Johns-Fhifs auf der Seite von Neubraunschweig, mündet in St. Andrews an der Küste und gibt von Ilopkin eine Sackbahn ab üb(;r Ft. Fairlield nach Presque Isle, weiter s. eine andere von Wood- stock nach Hcnilton. Ein Zweig derselben Linie geht in Neulmiun- Hcliwoig bei Mc. vVdani Jnnction ab, tritt bei St. Croix auf den Boden von Maine, wo er sich in Mattawamkeag mit der Maine Central Eisen- bahn v(!rbindct; beim See Megantic verläfst sie Maine wieder. Als ein Die Verkehrswege an den atlantischen, Golf- nnd Rüdwest-Grenzen. 41 Zweig derselben Linie erscheint die kurze Linie Calais-Princeton. Von Rockland an beginnt die hart an der Küste entlang führende Linie Boston and Maine. Als Endpunkte gröf serer Linien sind an der Küste von' Maine zu nennen : Bangor-Frenchman's Bay, Belfast, Rockland, Brunswick, Portland, in New Hampshii'e Portsmouth, in Massachusetts Newburyport, Boston, Plymouth, Provincetown, Chatham, Falmouth, New Bedf ord ; in Rhode Island Newport, Providence und Narragansett ; in Connecticut Norwich-New London, New Haven, Bridgeport; in New York New York, Sag Harbor und Greenport (beide auf Long Island) ; in New Jersey Jersey City, Perth Amboy, New Brunswick, Sandy Hook, Atlantic City, Cape May Point; in Pennsylvanien Philadelphia; in Delaware \\"ilmington ; in Maryland Baltünore, Ha^'re (Port Deposit) ; iin Bundescüstrikt Washington; in Virginien Alexandria, Newport, Portsmouth; in Nord-Carohna Beaufort, Wilmington; in Süd-CaroUna Georgetown, Charleston, Port Royal ; in Georgia Savannah nnd Bruns- wick, in Florida Jacksonville, Port Orange, Titusville, Tampa, Cedar Keys, Pensacola; in Alabama Mobile; in INIississippi Scranton; in Louisiana New Orleans; in Texas Sabine Pass, Galveston, Brazos, Aransas, Corpus Christi, BroAvnsville. Die mexikanische Landgrenze überschreitet die von Corpus Christi kommende Mexican National bei Ft. Mac Intosh-Laredo in der Rich- tung auf Monterey; von San Antonio aus führt die Mexican Inter- national bei Eagle Pass (gegenüber Porfirio Diaz) über die Grenze nach Sabinas ; von dem Knotenpunkt des mittleren Texas, Fort Worth führt die Texas Pacific nach El Paso, voll da die Mexican Central über Chihuahua nach Mexiko; die Linie, die von Ft. Hancock an Grenz- bahn, geht als Süd-Pacificbahn in derselben Eigenschaft durch das südliche Arizona bis Ft. Yuma an der mexikanischen Grenze. Bei Benson mündet die von Guaymas kommende nordmexikanische Linie ein, die bei Nogales die Grenze überschreitet (Fig. 1). Die Süd-Pacific- bahn tiifft in Los Angeles mit der südkalif ornischen zusammen, die bei San Diego an das Meer und die Grenze herantritt. Von da bis Sa. Barbara, wo eine kleine Lücke durch die Sierra di S. Raffael gebildet wütI, und bis Uklah in Nordkalifornien wird die kalifornische Küste von einer, in der Gegend von San Francisco von mehreren Eisenbahnlinien be- gleitet, die nun mit der ganz Oregon durchziehenden Linie Redding Cal.-Portland Or. verbunden ist; bei Kalama überschreitet diese den unteren Columbia und verbindet sich mit dem bereits sehr entwickelten Netz von Washington. In Oregon tritt die Columbia-Linie bei Kalama am nächsten ans Meer. Auch der Hafen von Yaquima ist mit der Längsbahn verbunden. Aber in dem reichgeghederten Washington sind schon die Häfen von Willapa, Gray, Olymi^ia, Tacoma, Seattle und New Whatcom Endpunkte des Eisenbahnnetzes, das über Cleai- 42 I^ie Verkehrswege der Nordgrenze. Brook und Blaine die jenseit der Grenze liegenden Vancouver und Westminster erreicht. Die den St. Johus-Flufs ' in Maine begleitende Bahn überschreitet tue Grenze bei Edmundston und führt nach Riviere du Loup (Quebec) an der S. Lorenzbucht, die Canadian Pacific führt über Boundary Me. nach Cookshire (Quebec), wo sie mit der aus New Hampshire kommen- den Maine Central sich vereinigt, die bei Hereford die Grenze über- schreitet. Unter den Linien, die aus Vermont nach der Provinz Quebec führen, sind tue des Connecticut-Thaies, die beitlen von New- port ausgehentlen und tlen Memphremagogsee umfassenden mid tlie drei von Sheldon Junction ausgehenden die bedeutendsten. In Swan- ton Junction teilt sich die am Ostufer des Champlamsees hinführende Linie in eine bei Highgate Springs Verm. über die Grenze führende und die den nörtUichen Champlainsee überschreitende Doppellinie, die längs der Grenze nach Rousses Point N. Y. führt. Den Nordrand von New York schneiden 3 Linien an der Landgrenze gegen Quebec, 5 am S. Lorenz, 12 am Ontaiio, 4 am Niagara, 16 am Erie, wovon 12 in Buffalo. Die wichtigsten Übergangspunkte sind Oghdensburg, Morris- to^^•n, Watertown, Oswego, Rochester, Niagara, Buffalo, Dunkh'k; Pennsylvania sendet 3 Linien an den Eriesee, deren wichtigste End- punkte Erie und Girarti, Ohio 22, von denen 2 in Ashtabula, 7 in Cleveland, 2 in Sandusky, 2 in Port Chnton, 10 in Toledo aus- münden. Von Buffalo bis Cleveland laufen 2 Linien hart am Ufer hin, ebenso wieder von Toledo bis Detroit. Auch die Halbinsel Miclügan wird fast auf allen Seiten von einer am Gestade hinlaufentlen Eisen- bahn umgürtet, in der 42 Linien aus dem Innern auslaufen, von tlenen Monroe 2, Detroit 5 (und 4 aus Ontario), Pt. Hm-on 3, Bay City 5, Mackinaw 2 (und 1 aus der Nordhalbinsel), Manistee 4, Muskegon 4, Benton Ilarbour 3 aufnimmt. Auf der Nordhalbinsel von Michigan ist natürüch Sault Ste. Marie mit 3 Linien der wichtigste Punkt; der nördhchte Eisenbahnpunkt ist Allouez auf der Halbinsel Kee- wcnaw. Wichtigere Randi)unkte sind noch ]\[ar(pi('tte (4 Eb.) untl Ontonagon. Am Ufer von Wisconsin erreichen den Huronensee lOEisen- l>;iliiien, wovon 5 in Ashland, 5 in Superior City ausmünden. Von Duluth führt über Wabegan am Oberen See und über Long Lake eine Bai in, die in Kürze (he Grenze erreicht haben wird. Aber nur eine einzige überschreitet che Grenze, die Great Noillu rn, die auf der rcflitcM Seite des Red River-Thales nach S. Vincent gegenüber Pem- bina führt, wo sie mit (k-m in Nord-Dakota dem linken Ufer des Red River folgenden Z\vcig der Nord ]'acili(-l>;iliii zusaniniciitrilTt. Beide führen nach W'iiiiiiix-g weiter, tue westliclic nimmt hei Morris (Manitoba) iio<-h eine westliche von (Viifton Diik. komniende Linie auf. So über- schreiten hier in kui'zer l'jitlcrnung voneinander 3 Linien die Grenze Die Landgrenzen an der Küste. 43 von Manitoba. Erst in der -westlichen Hälfte von Montana folgt dann eine weitere Linie, die bei Shelby Junction die Nord-Pacificbahn verläfst, bei Sweet Grass die Grenze überschreitet und bei Dunmore (Assini- boina) in die kanadische Pacificbahn mündet. Ein Zweig, den in Idaho die Nord-Pacific am Kutench-FMs nach Norden sendet, tritt bis auf einige Meilen an die Grenze heran, ebenso eine Linie, die im östHchen Wasliington dem oberen Columbiathal bis Little Dalles folgt. Das Zusammentreffen der Landgrenzen mit den Küsten. Zu den wichtigsten Punkten im A^'erlauf der Grenzen gehören die Berührungen einer Landgrenze mit dem Aleere. Zwei politische Fig. 2. Die Nordost-Grenze im untern S. Croix und der Fundy-Bay. Gebiete treffen mit einem Gebiete der Natur zusammen an einer Stelle, die durch die Auflösung des Landes in Halbinseln und Lasein, durch Flufsmündungen u. a. ohnehin mit besonderen Eigen- schaften ausgestattet ist. Leicht treten hier Abbiegungen der Küstenhnie und vielleicht sogar L^nsicherheiten über ihren Verlauf 44 übergreifende Rechte. bis zum offenen Meere auf. Die V. St. besitzen solche Punkte am Atlantischen und am Stillen Ocean und am Golf von Mexiko. Die Nordgrenze bildet am Stillen und am Atlantischen Ocean je eine politisch wichtige Stelle bei ihrem Herantreten ans Meer. An die eine hat der Konflikt über den Haro-Kanal sich geknüpft, der beim Grenzverlauf (s. o. S. 58) besprochen ist; die andere war der Gegen- stand der Meinungsverschiedenheiten zwischen den V. St. und England über die Inseln in der Mündimg des St. Croix (s. Fig. 2 u. S. 51). Der für das Atlantische Ende der Nordgrenze der V. St. ent- scheidende nordsüdliche Verlauf, den die Grenze von dem Punkte einliält, bei dem sie den St. Jolms-Flufs verläfst, um mehr als einen Breitegrad meridional, dann an das Westufer des Sohoodic- (oder Grand-)Sees und des St. Groix-Flusses gelehnt, nach dem Meere zu ziehen, bedeutet eine Schwächung. Indem sie sich dann durch die Küsteninseln zwischen East Port auf der Seite von Maine und St. Andrews auf der von Neu-Braunschweig windet, läfst sie alle gröfseren Inseln auf der Seite von Neu-Braunschweig, so dafs das I^ild der Vorlagerung einer Inselkette vor die Küste der V. St. ent- steht. Dieses Merkmal der Zurückdrängung ist aber dem ganzen absteigenden östlichen Ast der Nordgrenze von Grand Falls an eigen. Es ist auch nur ein Fall der allgemeinen Thatsache der nach dem Festlande zu verschobenen Lage der V. St. , den wir am ScIihiFs des vorigen Kapitels erwähnten. Übergreifende Rechte. Die Rechte fremder Mächte in dem Gebiet der V. St. sind zusammengeschmolzen. Sie beschränken sich licnto wesentlich auf die I^evvohncr Britisch-Nordamerikas. Die wichtigste Befugnis dürfte sein, dafs ihnen die Schiffahrt auf dem Michigansee ebenso wie den Bürgern der V. St. offensteht, und dafs sie die Kanäle der V. St. im Gebiet der Grofsen Seen l'iri beuulzcn. Dasselbe, zuerst im Vertrag von 1842 für die Kanäle bei l>;iiiili;irt iiiid den ivong Sault-Insclu, im Detroit-Flufs und See St. Ciair ausges[)roch(!ne, dann 1854 erweiterte Recht steht den Bürgern der V. Si. auf den Kanälen der englischen Seite der (irofsen Seen zu. Nach einem Übereinkommen von 1817 be- schränken sich die V. St. ebenso wie England darauf, nicht mehr als je ein J\ricgssclii(T auf dem Oiit-ai'io und ( 'li;un[)!aiusce und übergreifende Rechte. Die Fischerei an der Canadischen Küste. 45 je zwei auf den »Oberen Seen« zu unterhalten. Auf dem St. John steht, soweit er Grenze, die Schiffahrt beiden Teilen unter gleichen Bedingungen zu , und die Erzeugnisse der Wälder an diesem Flusse sollen in Neu-Braunschweig wie solche der eigenen Provinz oder des eigenen Staates behandelt werden, sofern sie nach den V. St. gehen. Mexico hat das Recht der freien Schiffahrt auf dem Colorado sich bewahrt. Dasselbe Recht auf dem Columbia ist für England seit der Zurückweisung seiner Ansprüche auf Oregon wertlos geworden. Und auch das Recht, an den Küsten der V. St. bis 36° n. B. unter gleichen Bedingungen wie die Bürger der V. St. zu fischen, bedeutet praktisch fast nichts. Ganz anders ist es mit dem entsprechenden Recht der Amerikaner, au der atlantischen Küste von Britisch-Nordamerika zu fischen. Der Friedensvertrag von 1783 hatte das Recht der Amerikaner auf den Fischfang an der britisch-nordamerikanischen Küste in dem ganzen Umfang, wir er bisher geübt worden, aus- gesprochen. Endlose Zwistigkeiten zwangen zu einer genauen Bestimmung. Daher erteilte ein Vertrag zwischen den V. St. und England (am 20. Oktober 1818 in London abgeschlossen) den Bürgern beider gleiche Rechte des Fischfangs an der Süd-, West- und Nordküste von Neufundland und von Mt. Joly an der Süd- küste von Labrador bis n. von der Strafse von Belle Isle, soweit nicht die Rechte der Hudsonsbay - Gesellschaft in Frage kamen. Gleichzeitig wurde den Bürgern der V. St. das Recht eingeräumt, an den unbesiedelten Strichen der Südküste von Neufundland Fische zu trocknen. 1854 wurde dieser Vertrag auf die »Sea- coasts and shores, and the bays, harbors and creeks of Canada, New Brunswick, Nova Scotia, Prince Edward's Island and of tlie several Islands thereunto adjacent« ohne Beschränkung in den Entfernungen vom Ufer ausgedehnt. Der Vertrag von Washington von 1871 bestätigte die Bestimmungen der früheren, beseitigte aber nicht die Schwierigkeiten, zu denen sie Anlafs gegeben hatten. 1881 bezahlte England 15000 £ für Schaden, der in Fortune und Aspee Bay amerikanischen Fischern zugefügt worden. Besonders machte auch die Vorbehaltung der Süfswasserfischerei an den Flufsmündungen Schwierigkeiten. Einige Vorteile der spanischen 46 Übergreifende Eechte. Die Beringsmeer-Frage. und russischen Schiffahrt in den Häfen des Golfes, bezw. des Stillen Oceans, die in älteren Verträgen ausbedungen waren, sind erloschen. Im Vertrag von Guadalupe Hidalgo ist auf die Ver- hinderung und Bestrafung der Indianereinfälle durch die V. St. ausdrücklich hingewiesen. Eine 1882 geschlossene und 1885 ver- längerte Übereinkunft gestattet den Truppen beider Teile die Ver- folgung der Indianer in die wüsten Grenzgebiete des Nachbarlandes. Einer eigentümlichen Auffassung des Gebietes sind die Schwierigkeiten im Beringsmeer entsprungen. 1891 wurde ein Versuch gemacht, gelegentlich eines im Repräsentantenhaus vor- geschlagenen Gesetzes über die Lachsfischerei in Alaska , die Bestimmungen über die Beaufsichtigung der Robbenjäger auf das ganze Beringsmeer innerhalb der Grenzen der russischen Ab- tretung vom 30. März 1867 auszudehnen. Dasselbe wurde seit 1886 praktisch versucht. Im Senat erfuhr aber dieser Versuch »ein Meer, gröfser als das Mittelmeer und mit 450 engl. M. Thor- öffnung« zum Mare clausuni zu machen, Widerspruch. Die Frage empfing einen üblen Beigeschmack durch das Interesse der Alaska Commercial Company an der Fernhaltung jeder fremden Wett- bewerbung. Die Wegnahme englischer Schifte im Sommer 1889 geschah durchaus aufserhnlh der gesetzlichen Grenze (1 Marine League = ^k deutsche geogr. M.). Diese war festgelialten worden in den Vorschriften von 1868 über die Jagd der Pelzrobbe an den Küsten von Alaska oder »in tlie waters thereof«. Rufsland, das seine Seehunds-Inselh an der asiatischen Küste, die weniger Beute und minder Avertvolle liefern, stets gegen fremde Jäger streng geschützt hat^), erklärte, dafs es keine anderen Reclite abgetreten Iiabe , als ilnn selbst nach dem Völkerrecht gehört hätten , und })ezcichnete den Anspruch der V. St. auf das Beringsmeer als 1 ml »('gründet. Die Indianergrenzen und inneren Grenzen, l'ür die Geschichte der Wcifscji in den V. St. ist die 'l'liatsache von der gröfsten Be- deutung, daLs sie mit d(!m schärferen, von den Römern her aus- gebildeten Grenzbegriff den viel breiteren und unsicheren Vorstel- 1 hie Koiiiiiiimilfiirs [iisclii siml Sliitioii l'ür zwei Kncirsscliilt'c. • Indianergrenzen. 47 hingen der Indianerstäninie von den Grenzen gegenübertraten. Die Grenzöden und -wildnisse, welche die Stämme von einander trennten^), erleichterten den Weilsen die Festsetzung auf scheinbar herrenlosem Boden und die Einschiebung zwischen die Stämme. Sie nahmen die Unbequemlichkeit in den Kauf, unsichere An- sprüche auf Gebiete von zweifelhafter Ausdehnung zu erwerben — man behauptet, die V. St. hätten das Gebiet des Staates Illinois in 14 Indianerverträgen doppelt und dreifach gekauft — waren aber sicher, dafs Völker, die über die Grenzen ihrer Ge- biete nicht im klaren waren, auch nicht den festen Halt am Boden besitzen konnten, den festbestimmte Grenzen gewähren. Die Wesenlosigkeit der Grenzbegriffe der Indianer spricht sich auch darin aus, dafs wir in den Grenzen der Staaten, welche die Weifsen auf altem Indianerboden begründeten, so selten die Reste alter Stammesgrenzen finden. Wo heute im Champlainsee die Grenze z-^dschen New York und ^^ermont zieht, sonderten sich einst auch die Irokesen und Huronen, und Vermont entstand in der Grenz Wildnis zwischen Neuengland und Neufrankreich, über deren Besitz später New York und New Hampshire sich stritten, während der Staat sich selbständig bildete. Es läuft also hier eine alte geschichthche Linie zwischen neueren Gebilden hin. Auch einige Strecken der Grenzen zwischen Wisconsin und Minne- sota liegen in Gebieten, die einst Winnebago und Monomoni schie- den. Aber dafs eine so wichtige Naturgrenze, wie der Arkansas bei der Bildung des gleichnamigen Gebietes zu gunsten geometri- scher Parallelgrenzen aufgegeben wurde, bezeichnet die Regel. Natürlich hat die dadurch entstandene Zerfällung der Stämme in mehrere Bruchstücke ihren EinfluTs auf die Geschicke der Stämme geübt. Die Teilung der Apaches zwischen den V. St. und Mexiko und dort wieder zwischen Texas, Neu-Mexiko und Arizona hat diesem räuberischen Stamm die Möglichkeit gegeben, sich mancher gerechten Strafe zu entziehen , sie hat aber auch seinen Zusani- 1) Diese Einrichtung ist von Lewis Morgan u. A. , besonders auch von Engels zu rasch verallgemeinert worden. Einige Nachweise habe ich jn »Die allgemeinen geographischen Grenzen und die politische Grenze« in den Mitth. der K. Ö. Gesellschaft der Wissenschaften (1892) gegeben. 48 Innere Grenzen. menhang gelockert und wird seinen Untergang beschleunigen. Die tiefgehende Verschiedenheit in der Auffassung der Grenzen hat nicht blofs im Anfang des Zusammentreffens der beiden Rassen schädliche Folgen für den schwächeren Teil gehabt, sie bildet bis heute eine Ursache der Mifsverständnisse und Streitig- keiten, die immer von neuem nur diesem zum Nachteil aus- schlagen. Einer der häufigsten Anlässe der Indianerkriege ist die Unzufriedenheit mit den Grenzen, die in einer für die Indianer unverständlichen Weise gezogen, und daher von diesen bei jeder Gelegenheit wie Ketten gebrochen werden. Die ungesetzliche Überschreitung der viereckigen Reservationsgrenze beginnt den Indianerkrieg, die zwangsweise Zurückführung der in den Treffen mit Truppen der V. St. nicht Umgekommenen und nicht den Mühen der Märsche Erlegenen schliefst ihn ab. Das verhängnis- volle Auseinandergehen beider Auffassungen der Grenzen hat von Anfang an eines von den Giften gebildet, welche die Wunde des Rassenstreites, die Todeswunde des Indianers offen halten. Die inneren Grenzen. Wer einen Blick auf die Karte der V. St. wirft und mit Staunen das geometrische Netz der Staaten- und Territoriengrenzen erblickt, mag in diesQn geraden Linien und rechten Winkeln den Ausdruck des absoluten Triumphes des Staatsbegriffs der Einwanderer über den der Indianer sehen. Denn deren Grenzen sind weggewischt, wo sie je waren. In den Grenzen von heute spricht sich nicht, wie in Europa, die Über- einkunft mit den Grenzen von gestern aus. Auf den einzigen Fall solclier Anpassung haben wir S. 36 hingewiesen. Die Anpassungen an die Natur sind selbstverständlich häufiger. Bei den Wasser- grenzen wui'dc nach bekannten Grundsätzen in Flüssen der Thal- weg, in Seen die Mittellinie angenommen, und eigens ausgesprochen, dafs dic^ Inseln immer nach doi- Seite fallen solltcMi, nach der die derart gezogene Grenze sie weise. Nur die amerikanisch-spanische Gi'enze am Sabine River wurde 1811) am Wcstufcr gezogen, und alle Inseln im Sabine, Rio Roxo und Arkansas den V. St. zu- gewiesen, inis(;hcn Kominissarc ausnut/lcn. Diese Grenz/icliung war eigent- lich sclion "IfT crsic, ri)cr!j,iirr in das Icxüniscjic (icbicl, dem l)e- Innere Grenzen. 49 kanntlich bald stärkere gefolgt sind. Über den Rio Grande, Colorado und Gila wurde zT\dsclien den V. St. und Mexiko vereinbart, dafs die in die tiefste Rinne gelegte Grenze auch dann an bestimmter Stelle bleiben solle, wenn jene seichter oder trocken werden sollte. Nur die albnählichen Wirkungen der Erosion und Anscliwennnung sollten die Macht haben, die Grenze zu verlegen^). Mit zwei Ausnahmen sind alle Staaten und Gebiete der Union durch Breitegrade begrenzt, die auf die Parallelstreifen der alten Charters oder Patente zurückführen oder ihnen nachgebildet wurden. Auf der Schwelle der neuen Staatenbildungen im Ohio- und Seen- gebiet konnte man die junge Republik zwischen den Alleghanies und dem Mississippi als eine Reihe von parallelen Streifen zeichnen , in denen die später an die V. St. codierten Land- ansprüche von Massachusetts, Connecticut, \^irginia, Nord- und Süd-Carolina und Georgia räumliche Gestalt annahmen^). Sogar der für einen Teil der Nordostgrenze unbequem mafsgebende 45. Breitegrad war schon im ersten Cliarter von 1606, unter dem englische Kolonien in Nordamerika angepflanzt wurden, als Nord- grenze angenommen, ohne Rücksicht auf Acadie, als die Süd- grenze noch bei 34° gezogen wurde Auf ungenaue Bezeichnungen der End- oder Schneidepunkte solcher geraden Grenzlinien führten mehre schwere Grenzstreite zurück, besonders wenn die Grenz- verträge noch von unrichtigen geographischen Vorstellungen aus- gingen. Noch gröfsere Verwirrung haben unrichtige geographische Grundlagen bei der Abgrenzung der Territorien und Staaten an- gerichtet. Ohio verdankt seine nördliche Ausdehnung einer 1) »Thi'ough the slow and gradual erosion and deposit of alluvium«. Nouveau Eecueil des Trait^s (Stoerk) n. Serie Xm. p. 673. In Wäldern wnrden 30 engl. F. breite Durchschlage vorgenommen. Eine Reihe von Zweifebi fülirt darauf ziu-ück, dafs früher nur die Bäume angeschlagen wurden waren. Bei der Grenzverbesserung von 1843/46 zwischen Alaine und Xeu-Braun- schweig konnte man sich doch noch teilweise an die Narben der ersten Grenzbezeichnung von 1771 halten. 2) Die vollständigste Darstellung dieser Veränderungen findet man in Justin Winsor's Xarrative and Critical History of America Vol. VII. Ap- pendix : Territorial Acquisitions and Divisions (Boston 1888). Ein interessantes und eingehend behandeltes Einzelbeispiel hefert die Entwicklungsgescliichte von Tennessee in Pheldans History of Tennessee. Xew York 1888. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 4 50 Grenzstreitigkeiten. schlechten Karte , Michigan , dadurch nach Norden geschoben, entschädigte sich mit der Nordhalbinsel. Dazu kamen die mal's- losen Landansprüche der alten Staaten, die den Grundzug der älteren Grenzstreitigkeiten bildeten und 1781 das Zustande- kommen des Bundes zu hindern drohten. Auf Grund ihrer Charters beanspruchten Virginia, New York und Massachusetts alles Land z^\'ischen Kanada und Louisiana. Die damals und später bestimmten Grenzen der Staaten des Innern stehen noch nicht überall fest. Die Grenze des 42. Breitegrades zwischen dem DelaAvare - Flufs und dem Eriesee wurde durch New York und Pennsylvanien erst 1877 genau bestimmt, 1786 war sie nur an einigen Punkten festgelegt worden^). Am interessantesten ist die Geschichte des pennsylvanischen »Erie triangle«, den New York und Massachusetts beanspruchten, bis die Union ihn an Pennsylvanien verkaufte , damit dieses einen Zugang zum Erie gewmne. Seitdem ein U. S. Geodetical Survey besteht, bildet die Bestimmung von Staatengrenzen eine beträchtliche Aufgabe, zu der fast alljährlich Vermesser abkommandiert werden. Der »Pfannenstiel« von Westvirginien ist erst auf diese Art vom Streit befreit worden. Natürlich hat überhaupt Westvirginien grofse Schwierigkeiten bei der genauen Abgrenzung gemacht, da es als jüngster gleichsam sich einschob zwischen die greisen Staaten Virginia, Pennsylvania und die mittelalten Kentucky und Ohio. Es zeigte sich dabei, wie viel noch an den Staatengrenzen zweifelhaft ist. Es wird noch immer mehr Streitigkeiten geben. Da die ersten Festsetzungen zu allgemein, mit Bewufstsein provisorisch getroffen worden sind , kommt mit der fortschreitenden Bevölke- rung und Wissenschaft in jedem Staat allgemach das Bedürfnis unzweifelhaft sicherer Grenzen. Es fehlt auch niclit an äufseren Gründen, die es zu rascherer Reife zu bringen streben. Dazu gehört bei den Gebirgsstaaten des Westens das Bedürfnis der In-igatiou, über die Wasserquellen des Staates frei zu verfügen, welche die (irenze oft rücksiclitslos von ihi'ou natürlichen Bächen, 1) Eiiif^clifixl IxTicIitt'l in «Iciii uiiillit'licii Kci)()il uf {.\w l'>(iun. Die ersten Grenzbestimmungen. 51 die nach ihnen dürsten, absehneidet. Die Grenze zwischen Nevada und Kahfornien, die schon einmal eine starke Veränderung- erfahren hat, mrd auf der Sierra Nevada nicht immer so un- billig für jenen der Irrigation bedürftigsten Staat gezogen bleiben können. Hoffentlich werden aber diese Grenzstreite nicht so lange dauern, wie der zwischen Virginia und Maryland über die Lage der Grenze auf Smith' s Island in der Chesapeake-Bay, wobei Urkunden von 1685 und 1693 herangezogen wurden. Er ist erst in unseren Tagen durch einen Beamten des Geodetical Survey geschlichtet worden. Aber es werden immer neue auftauchen. Manche Gerade wird sich noch krümmen und sogar schlängeln, mancher rechte Winkel sich noch runden müssen. Verlauf und Veränderungen der Grenze. Die erste offi- zielle Grundlage für die Zeichnung der Grenzen der V. St. bildete der Friedensvertrag von 1873 mit England, in dem in kaum oberflächlich bekannten Strichen die Grenze an wichtigen Stellen so ungenau an- gegeben war, dafs schon bald Streitigkeiten ausbrachen. Nach diesem Vertrage sollte die Grenze im Osten gebildet werden durch eine Linie mitten im S. Croix von seiner Mündung in die Fundy Bay bis zu seiner Quelle und von dieser bis zu dem Hochland, das die Zuflüsse des S. Lorenz — damals noch River Loquois or Cataraqm und erst 1822 bezeichnet als »now caUed St. Lawrence« — von denen des Atlantischen Oceans scheidet. »Die atlantische Seegrenze schliefst alle Inseln ein, welche 20 Leagues von dem Ufer der V. St. entfernt liegen, und liegt zwischen Linien, die geradeaus ostwärts von den Punkten gezogen werden, in welchen die Grenzen gegen Nova Scotia auf der einen, und Ost-Florida auf der anderen Seite die Fundy Bay, bzw. den Atlantischen Ocean berühren, mit Ausnahme solcher Inseln, die jetzt oder früher innerhalb der Grenzen der Provinz Nova Scotia gelegen sind oder wai'en.« Schon im Vertrage von Gent wurde eme Koinmission nieder- gesetzt, um die Streithagen über gewisse Inseln in der Mündung des S. Croix und hn S. Lorenz zu schlichten. Aber erst 1817 wurde be- stimmt, dafs die Inseln Moose, DucUey und Frederick in der Passa- moquoddy-Bucht der V. St., aUe anderen aber unter denen das von den V. St. zäh beanspruchte Grand Menan besonders genannt ist, Eng- land gehören*) (Fig. 2 S. 43). Und 1842 worde folgender Verlauf fest- gesetzt'') : Von der Bucht steigt die Grenze den St. Croix-Fluls aufwärts 1) Martens, Nouveau Recueil des Traitös Va. (Suppl.) p. 399. 2) Murliard, Recueil des Ti-ait(§s UI (1842j. p. 456. 4* 52 Diß Nordgreuze. bis zu seiner Quelle, von dieser gerade nach Norden bis zum St. John- Fluls, in diesem bis zm- Mündung des Francis, in diesem zum Ausflufs des Sees Pohenagamuk, von da sw. in gerader Linie zu einem Punkte an dem nordwestüclien Zweige des St. John, der 10 engl. M. in gerader Linie entfernt von dem Hauptzweig des St. John angenonmien wird; von da wieder in gerader Linie in s. 10" westhcher Richtung bis zu dem Punkte, wo der Pai-allelkreis 46" 25' den südwesthchen Zweig des St. John schneidet, dann s. diesem Zweige entlang bis zu seiner Quelle auf der Portage Metjaniett und auf der Wasserscheide zwischen St. Lo- renz und Ocean bis zur Quelle eines der Arme des Connecticut (Hall R.) und an demselben hinab bis zum 45. Breitegrad, wo 1774 die Grenze zwischen Kanada auf der einen, New York und Vermont auf der andern Seite abgesteckt wurde, und diesem entlang bis zum St. Lorenz. 1843 wurde die Grenze zwischen Maine und Neubraunschweig zum ersten Mal genau vermessen, wobei u. a. die Zuteilung der Inseln im S. Johns R. je nach der Lage zum Thalweg, der als Grenze angenommen wurde, be- stimmt wurde. Ein Zweifel entstand nur bei La Septieme und wurde nach dem Übergewicht des Grundbesitzes der Amerikaner für die V. St. ent- schieden '). Eine Triangulation des S. Croix und der Seen in seinem oberen Gebiet ist seit Ende der 80er Jahre im Gang, die natürlich der Grenze zu gute konmit. Das ist entschieden der für die V. St. ungün- stigste Teil der ganzen Grenze. Nach dem Vertrag von 1783 verhef die Nordgrenze von der nordwestlichen Quelle des Connecticut aus in diesem Flusse bis zum 45." n. B., dann auf diesem Breitegrad geradeaus w. bis zum Iroquois oder Cataraqui und in dessen Mitte bis zum Ontario-See. Von da ging sie durch die Mitte dieses Sees und die Wasserverbindung zwischen ihm und dem Erie-See, durch die Mitte des Erie-Sees, bis sie die Wasserverbindung desselben mit dem Huronen-See erreichte , durch die Mitte dieses bis zu seiner Wasserverbindung mit dem Oberen See, durch diesen n. von den Liseln I. Royale und I. Phüippeaux zum Long See, durch dessen Mitte und die Mitte der Wasserverbindung zwischen ihm und dem Lake of the Woods bis zu dem letzteren und in diesem bis zu seinem nordwestlichsten Punkte ; von da geradeaus w. zum Mississii)pi und in der Mitte dieses Stromes südwärts bis che Linie den 31." n. Br. schneidet. Im östlichen Abschnitt ist (Ue Grenze durch den sechsten Artikel des Vertrags von Gent vom 24. Dezember 1814 näher bcstinnnt wor- den. Die Einzellieiten waren voUkonnnen unklai- — selbst darüber 1) Die Aufzählung dioner Inseln iiacli ihrer Zugehörigkeit bei IJeitHlot, A coinplete Collection of the Treatieö and ConventionH XIV (1880; i». G70. Ostgrenze, Grenze im S. Lorenz und den Grofsen Seen. 53 bestand keine Übereinstimmung, welcher in die Fundy-Bay mündende Fliifs der St. Croix sei — bis zu der Deklaration der Grenzkonmiissäre vom 18. Juni 1822, die von den V. St. und England angenommen wui'de ; seitdem ist die Grenze, von einzelnen Veränderungen abgesehen, unverändert geblieben. Die Grenze hn Oberen See ist immer so Oaitariö / See ixilhidcll?- Fig. 3. Grenze im S. Lorenz 1 : 750 000, westlicher Teil. geblieben, wie sie 1783 festgesetzt worden war*). Von der Mündung des Regis verläuft im St. Lorenz die Grenze (Fig. 3 und 4) zwischen den an dieser Stelle liegenden Inseln so , dafs nur Cornwall- und Shiks- Inseln bei Ontaiio bleiben und ähnhch biegt sie bei fast allen Inseln dieses Stromes von der INIittellinie nach Norden aus, so dafs alle gröfseren Inseln, Gooseneck, GaUop, WeUs, Grindstone an das Gebiet 1) Die wichtige Grenzerklärung von 1822 steht bei Härtens Nouveau Recueü des Traitös VI. 1. p. 154. 54 Grenze in den Grofsen Seen. der V. St. fallen, während die gröfste von allen, Wolfe, der Dominion angehört. Die Grenze tritt zwischen ihr und C. Vincent in den See, wobei natürhch die Inseln in Sackett Harbour l:)ei den V. St. bleiben. Wer den Wortlaut dieser Grenzbestimmungen mit den grofsen Karten (1:80000) des St. Lorenz von 45"*n. B. aufwärts des Survey of the N. and X.-W. Lakes vergleicht, stöfst auf eine ganze Anzahl von Un- klarheiten, die sich aufwärts von der Long Sault-Insel in Namen und Lage so häufen , dafs man diese Grenzstrecke Ins in die Mitte des Ontariosees als die an zweifelhaften Stellen reichste des ganzen Landes bezeichnen mufs. Fig. 4. Grenze im 8. Lorenz 1 : 750000, östlicher Teil. Auf den Grofsen Seen ist die Grenze nur dort genauer fest- gelegt, wo sie zu gunsten von Inseln von der mittleren Linie ab- weicht, (he sonst festgehalten wird. Natürlich ist der Verlauf in jedem der Kanäle, welche die Seen verlanden, von hervorragender Wichtigkeit. Diese kurzen Grenza})schnitte im Niagara, Detroit, St. Clair und St. Mary gehciren aucli wegen des Verkehres zu den bedeu- tendsten Strecken in der ganzen Grenze. Der Outario verläfst die (Jrenze so, dafs Grand-Inseln und das kleine Inselehen an ihrem Süd- \V(!Htrand auf ,'1. die ol)en angcführto Denkschrift George Bau er ofts von 1871, die iil)('rhaii|it von AV'ert für die Geschichte der Grenzen der V. St. ist, und dazu Peter m a n ii h Karte, Taf. IV in den Geographischen Mitteilungen 1873, dcH S. Juan Mild Ilaro-Arcliipels mit den Grenzen nach britisclier und anieri- kanlHchcr AiiftiiHHUiig. Das rei('liHte Material über diesen (irenzstreit gab im Jk'ginii Heines \Vi(>derauflchenH (he Regierung der V. St. in dem Buche The NorthwoHt lUduidürv. Discussion of the Water Boundary (iuestion. Geogra- phica! Memoir of tln! Islands in Disijute etc. Washington. Die Grenze im Haro-Kanal. 59 \ q " jj^ rMttJoi^^ir-^ zugestimmt hatten , um die Zersehneidimg der Vancouvers-Tiipeln zu vemieiden. So wurde denn auch durch Schiedsspruch unseres Kaisers Wilhekn 1872 die (Irenze in den dieser Insel näheren Haro-Kanal gelegt, wodurch der San Juan-Ai'chipel den V. St. zufiel. Nach der Entscheidung unseres Kaisers 'wurde 1873 dm'ch eine amerikanisch- englische Kommission die neue Grenze auf einer Karte niedergelegt, die nach den englischen Aufnahmen von K el et t und Richards 1847 und 1858—62 gezeich- net war. Die Lhiie geht von der Westseite vom Point Roberts in den Kanal bis 123« 19' 15" w. L. , geht dann ca. 15 g. M. 50" ö. und biegt dann mitten zwischen den Inseln Patos und Satura s. Zwischen den Inseln Stewart und Mo- resby und später Dis- covery und San Juan erreicht sie den »Fak- way« der San Juan de Fuca Strafse in 48" 17' n. und 123" 14' 40" w. und dm'chlauft sie mitten zwischen den Punkten Beechey Head, Sherring- ham und BoniUa Point auf Vancouver und Ton- gue Point, Pillar Point und dem Leuchthaus von Tatuch Island auf der Seite von Washington. Gerade diese in jeder Hinsicht -n-ichtige Grenzstrecke ist merkwürdiger- weise auf unseren Karten höchhchst vernachläfsigt (Fig. 8). Ich begnüge mich, die richtige Zeichnung, wie sie schon von Peter mann im 1873er Bande der Geographischen Mitteilungen Taf. IV gegeben ist, hier einzusetzen. Schade, dafs der Mafsstab so klein sein miifs. Auf vielen von unseren Karten ist selbst das abgeschnitteneEnde bei Point Roberts übersehen. Und doch ist schon auf der Karte Washington Sound and Approaches des U. S. Coast Sm-vey von 1866 die Grenze bei Fig. 8. Die Grenze im Haro-Kanal, 1:1000000. 60 I^ie Grenze im Haro-Kanal. Boundarv Blufl: (80 — 100' hoch) durchgezogen, und der dahinter hegen- den Bucht der Name Boundary Bay begelegt. Dieser Abschnitt, eine mihtärisch mchtige Stellung, ist vom Schiedsspruch nicht betroffen. Die Südgrenze ist im östlichen Golf von Mexiko die alte Grenze, die das bevölkerte, reiche Cuba von den menschenarmen und kaum beachteten Floridas scliied. Sie läfst die Bajos de los Roques bei Cuba und nimmt als südhchste der Caj^os oder Keys von Florida die Riffgruppe der Dry Rocks an. Die Abtretung der beiden Floridas durch Spanien (1819) umfalste alle Inseln »adjacentes, dependantes des chtes provinces« •), und weitere Grenzbestimmungen haben nicht statt- gefunden. Im Sinn dieser Bestimmung sclihefst sich an die Halbinsel Florida, die mit den Dry Tortugas in 83" w. L. endigetide Insel- und Riifkette an, zu der Key West samt den Pine Islands und Bahia Honda gehört. Darüber hinaus hegt der tiefe Abfall zur Rinne der Florida- straf se, an deren südhchem Rande die Salt Key Bank auf der cubani- schen Seite auftaucht. Ihr vorgeschobenstes Riff ist Elbow Key unter 24" n. B. Die nördhche Fortsetzung dieser Rinne trennt die west- Hchsten Gheder der Bahamas, die Inseln Bemini und Gun, vom Ost- rand Floridas. Louisiana hatte niemals feste Grenzen gehabt. Frankreich be- griff unter Louisiana alles Land, das bewässert wird von den Zuflüssen des Mississippi und gab diese Kolonie an die V. St., so wie es sie von Spanien erhalten. Nun war zunächst die Grenze zwischen Louisiana und der neuspanischen Provinz Texas von jeher strittig gewesen. Die Spanier besafsen Texas thatsächhch, aber die Franzosen hefsen ihre Ansprüche darauf nicht fahren. Beide Nationen hatten Ansiedelungen an diesem Teüe des Golfes von Mexiko gegründet, die später teilweise verfielen, aber nach den Anschauungen der Zeit Besitzrechte erzeugten. Als Louisiana an die V. St. abgetreten worden war , kam man von beiden Seiten überein, den Sabine R. nicht zu überschreiten , und die V. St. hefsen zunächst alles Land w. vom Meridian von Natchitotches unvermessen hegen. Nach den späteren Konflikten zwischen den V. St. und Mexiko wurde dieser Streitpunkt entschieden durch den Vertrag von (Juadalui)e Hidalgo (2. Februar 1848), der, ergänzt durch den Ankniil' eines Striches von 27 500 engl. Q.-M. (Gadsden Purchase 18Ö3;, den Rio Grande und che Güa-Depression zur Grenze zwisclien den V. St. und Mexiko macht (Fig. 1 u. S. 33). Die Südwest grenze ist in dem Vertrag von Guadalupe Hidalgo (2. Feljruar 1848) so l'estgesetzt, dafs sie drei Leguas von der tiefsten Mündung des Rio Grande im Golf von Mexiko beginnt und in der Mitte des Flusses bis zur Südgrenze von Neumexiko verlauft, 1) Martcns Nouveau Recueil V. p. 330. Der Wert der Küste. Q\ der sie bis zum »ersten Arm« des Güa und diesem Flusse bis zur Mündung in den Colorado folgt. Von der Mitte der Mündung ^au-de eine gerade Linie bis eine SeemeUe s. von San Diego am StUlen Ocean gezogen. Die Grenzberichtigung von 1853 (s. o. S. 33) hat den Abschnitt vom Colorado w. unverändert gelassen; ö. von diesem Flufs aber ist die Grenze so weit nach Süden gerückt, dafs fast das ganze Becken des Güa nun zu den V. St. gehört. Die Küste. Das merk^^^rdige Band voll hybrider Erschei- nungen zwischen Land und Meer, den grofsten Gegensätzen an der Erdoberfläche, wendet ein Antlitz nach aufsen und eines nach mnen und ist ein selbständiges Wesen in sich selbst. So haben wir es auch in den Beziehungen zu erfassen, in die der Mensch zu ihm tritt. Für die nach Nordamerika w^andernden Europäer w^ar die Seeseite der Küste zuerst die wichtigste. Von ihrer Auf- geschlossenheit hing ihr Eindringen in das Land ab, ihre Gestalt bestimmte die ersten Siedelungen. Dann wairde ihre Gelegenheit für Anbau und Ausbreitung von Bedeutung. Ll'nd als die Ein- wanderer sich vermehrten und weiterwanderten, mufsten die Wege in Betracht kommen, die von der Küste ins Innere führen. Hatten sie sich festgesetzt und begannen sie, dem Boden mehr Früchte abzuringen, als sie brauchten, so war die Seeseite unter dem Ge- sichtspunkte des Verkehrs nach aulseu zu nützen, der bei der natürlichen Abhängigkeit junger Kolonien vom Mutterland beson- ders wichtig ist. Die meisten gedeihen nur, wenn die am neuen Ufer angeknüpften Verbindungsfäden nicht zu früh abreifsen. Später wurde dieser Verkehr immer wichtiger, je tiefer die An- siedler ins Land eindrangen, und je gröfsere Flächen sie in Be- nutzung nalunen. Dabei ergab es sich immer, dafs wo die Vorzüge der Innen- und Aufsenseite zusammentrafen, d. h. wo an einer Küste mit starker GHederung eine Stelle auftrat, die den inneren Verkehr begünstigte, der auserwälilte Punkt einer raschen Ent- wickelung lag. Deswegen blühten die ersten Siedelungen an oder in den Flufsmündungen auf. L^nd bis heute zeigen die beiden grofsten Handelsstädte am atlantischen und pacifischen Rand, New York und San Francisco, die erstaunhch grofse Wirkung dieser Vereinigung. New York und San Francisco gleichen einan- der darin, dafs sie durch diese Kombination der äufseren Zugang- ß2 Förderliche Wirkungen der Küsten. lichkeit und inneren Ersehlossenheit einzige Stellen am Atlantischen und Stillen Ocean einnehmen. New York lehrt zugleich den dritten Vorzug kennen, dafs die Küste in sich eine möglichst günstige Lage zu geschützter Ansiedelung bietet, wie hier auf der Insel Manhattan. Der Hafen, die Insel, der Hudson, das Aufsen, die Küste, das Innen: das sind die Pfeiler der Gröfse von New York. Die äufsere Zugänglichkeit oder Aufgeschlossenheit einer Küste hängt von der Tiefe und der Gestalt ab. Der Bau des Landes wirkt auf die Küste hinaus. Flache Küsten sind in der Regel schwerer zugänglich als steile. Die atlantische und Golf- küste der V. St. können im allgemeinen als flach , die pacifische mufs als Steilküste aufgefal'st werden. Hier findet der LandfalP) 70 bis 80 See-M. von der Küste über einer Tiefe von 200 Faden statt, dort nähert sich das Schiff mit der Sonde dem Land, das oft erst erbhckt wird, wenn der Kiel den Grund berührt. Am Stillen Ocean gibt es an der Küste der V. St. Stellen, wo Berge 1500 m Höhe 5 km von der Küste erreichen ; aber auf der atlanti- schen Seite hegt ö. vom C. Cod die 200. Fadenlinie 5 Grade ent- fernt und die grofse Tiefe des nordatlantischen Kessels beginnt erst 9 Grade ö. von Sandy Hook. Die Küstenformen ändern aber sehr viel an diesen allgemeinen Verhältnissen. Durch zahlreiche und zum Teil tiefe Einschnitte ist die atlantische Küste so weit aus- gezeichnet, als die Felsengrundlage der nördliclien Alleghanies unmittelljar an das Meer herantritt. Auch weiter im Süden ist sie trotz drohender Untiefen und wandernder Schlammbänke noch besser aufgeschlossen als die pacifische s. vom Columbia. Und dazu kommt, dafs der Küstenstreifen eines seichten Meeres natur- gemäfs breiter ist, also der Siedehmg und Ausbeutung mehr Raum und Selbständigkeit gewährt. Wir liaben die aufs Meer hinausweisenden erziehenden und anregenden Wirkungen der Küsten noch nicht genannt. Sie werden im allgemeinen überschätzt und hier in Nordamerika konnten sie bei den übers stürmischste Meer gekonunenen Euro- ]>ä(!ni nichts iiKilii- Ix-wirken. Auch an Neck« auf der Kiisteukarte zeigt die niluligkeit halsartiger Verengungen an. Die Verschiiiilleniiig auf weniger als OOO Yards zwischen dem nördlichen Rhode Island unrl dcrr Küste von Fall II., wo zwei Brücken Rhode Island ans Fest- land binden, iUulert daran nichts, denn dahinter folgt Mt. Hope-Bay. Es fehlen trotz der Verschlammung nicht grülHcre Tiefen im Hintergrund. Chesapeake-Bai. 71 dem Räume zweier Meridiangrade in nördlicher Richtung in das Land ein, aus dem sie die zwei Halbinsehi von New Jersey und Delaware abschneiden. Bieten sie auch nicht so zahlreiche Hafenbuchten wie die nördhchere Küste und keine grolsen Tiefen, so führen sie doch einen gröfseren Verkehr aus weiterem Umkreis auf beschränkte Punkte zu- sammen, und wir finden in jeder einzelnen eine grolse Hauptstadt des atlantischen Verkehrs. Die nördhchste cüeser Buchten, die des Hudson oder von New York, scheint am wenigsten tief einzudringen, sie misst vom Eingang bei Sandy Hook bis zur Batterv von New York oder der Südspitze der Insel Manhattan nm* 30 km zwischen Nord und Süd und ist nicht ganz so breit von demselben Punkte bis Perth Amboy zwischen Ost und West. Aber sie ist durch die Vorlagerung von Long Island, der letzten der grolsen Inseln der Nordostküste, und dm'ch Staten-Island geschützt, und es führt ihr der fjordähnhche, tiefe Hudsonfluls samt seinem natürlichen Nebenflüsse Mohawk und seinem künsthchen, dem Erie-Kanal, den Verkehr aus Norden und Westen durch die merkwürdigste Lücke im Alleghaniessystem zu, das in seinem ganzen Zuge von Alabama bis Maine nur dieser KüstensteUe gegenüber solche Gunst zeigt. Die Länge der Delaware-Bay von C. Henlopen bis Philadelphia beträgt mehr als das Doppelte von der der Bay des Hudson, aber sie ist weit offen und erst wo der SchuyLkiU in den sich erweiternden Delaware-Flufs mündet, sind Schutz und Tiefe der Bildung des grolsen Hafens von Philadelphia günstig, der aber vom Meere viel weiter ent- fernt als New York und durch ungünstiges Fahrwasser getrennt ist, dabei auch viel weniger günstige Hinterlandverbindungen hat. An der Chesapeake-Bay , die sich 154 See-M. weit parallel mit dem Atlantischen Ocean nordwärts in das Küstenland hineinzieht, tritt an die Stelle der Inseln schützend eine Halbinsel, welche die ganze Küstenentwickelung ins Innere di'ängt. Sie bietet dem offenen Meere eine fast ungebrochene Dünenlinie dar, während sie auf der Innenseite dm'ch unzähhge, viel verzweigte Buchten durchbrochen ist; so deckt sie, wie eme breite Nehrmig, den Reichtum der Küstenentwickelung von Maryland und Virginien. Das ist die Virginian Sea der ersten Ansiedler, die nach der schwierigen Sand- und Sumpfküste s. von C. Charles mit Freude die tiefe Bucht begrüfsten. In sie münden Susquehanna, Potomac, und mit breiten Ästuarien Rappahannok, York und James. Grolse Halbinseln trennen diese Mündungen. Die zwischen York und James ist die Halbinsel Vh-ginien im engeren Sinn, »The Peninsula«, die erstbesiedelte, doren central gelegener Hauptort Wilharas- burg lange_ die Hauptstadt der Kolonie war. Die Halbinsel Yorktown ist berühmt im Unabhängigkeits- wie im Bürgerkrieg, dort durch Corn- wallis' entscheidende Waffenstreckung, hier dm"ch Lee 's Sieg in der 72 Chesapeake-Bay. siebentägigen Schlacht. Wh* begegnen in diesem »many shaped, lobed, gashed, notched and sea penetrated« Land der Halbinseln einer un- gemein reichen GUederiing (s. o. S. 65). Der Umrilsreichtnm der neun Halbinseln wird von Beschreiben! Virginiens über den des Peloponnes gestellt'). Aber es fehlt die liefe jenes ägäischen Felsenbeckens. Balti- more hat nur eine schmale Zufahrt, deren Tiefe für die grofsen- See- dampfer kün.-^tlich erhalten ^rä'd; den Hafen hat aber wahrscheinhch schon der erste Erforscher der Chesapeake-Bay, Smith, gekannt. Der Potomac, dessen 50 km breite Mündung die ersten Ansiedler vor allem in Erstaunen setzte, in den bis Washington die Flut emporsteigt, AvLrd bald unterhalb Washington bei Alexandrien zum breiten und tiefen, schiffbaren Meeresarm: der Untere Potomac. Eine Anzahl von Zuflüssen des Unteren Potomac schneidet tief in seine Ufer ein, indem jeder wieder ein kleines Ästuar für sich bildet, und das ganze Land unterhalb Aquia Creek ist ein Gemisch von Meeresarmen, Sand- flächen und Sümpfen. Gewöhnlich wird die schon sehr breite Wasser- fläche unterhalb Mathias Point dem Meere zugerechnet. Stürme treiben in diesen Ästuarien das Wasser hoch über die nnttlere Fluthöhe; in Alexandrien stieg der Potomgic 1877 4 F. 2 Z. darüber. Die Lage von Wasliington an dem stumpfen FluXswinkel, 80 km von Harpers Ferry^, 65 von Aquia Creek, zieht Vorteü aus dieser Nachbarschaft. An der südlichen atlantischen Küste erstrecken sich ausgedehnte Lagunen, wahre Binnenmeere, deren reiche Umrifsformen in der amtUchen Zahl von 5400 km für die Küstenentwickelui ig zwischen dem Potomac und dem Rio Grande nicht zum Ausdruck gelangen. Ein schmaler Sandstreifen treimt zunächst den Pamlico-Sund vom offenen Meere, der also eine Lagune, aber mit so tiefem Wasser ist, dafs fast überall tiefgehende Schiffe hingelangen können. Zahlreiche Inseln erheben sich in diesem kloinen Randmeer, die gröfste Roanoke so, dasg sie es in den eigenthchen Pamhco-Sund im Süden und den Albemarle-Sund im Norden theilt. Westhch von ihr führt der einzig für grofse Schiffe gaiigl)are Weg durch den Croaton-Kanal. Den Scheitel der geb(jgencn Nelu'ung bildet das C. Hatteras, s. von welchem einer der scliwierigen Eingänge, die an mehreren Stellen die Nehrung durch- schiieidcMi, denselben Namen trägt. Weitere Eingänge in den Pamlico- Sund sind s. von Hatteras (){;racokc Inlet, n. die drei nebeneinander liegenden Oregon-, New- und Loggerhead liilct. Noch vor der Cliesapeake-Bay wurde 1584 diese Küste von den lOngländern genauer untersuclit. An ihr, der Küste der „Hundert Liseln" (Nord-Carolina) liefsen auf Roanoke und Croatan die ersten Ansiedler sich nieder, ehe ly >Ihr Iv'cicliliirn ;iii riiiriCsliiiicii wird vrnn l'olopoiiiH'H nicht iil)ortroffen, ja h'ifr (jibt oh iifini Morciis.- I lotcliciw«, Virginia. Südliche atlantische Küste. 73 Raleigh die Kolonie in die Chesapeake-Bay verlegte. Die Inseln sind heute öder als damals, nur von „pilots and wreckers" bewohnt. Die Küste von Süd-Carolina, deren einfache Länge vom Sa- vannah bis zum Little R. 300 km beträgt, ist im Norden längs der Long Bay eine einfache Sandküste, aber von der Winyan-Bay s. ist sie dui'ch ein Labyrinth von Kanälen in eine grofse Zahl von flachen, sanfligen, halb überschwemmten Inseln zerlegt, die, klein und niedrig bis Charleston, nach Süden rasch an Zahl und Gröfse zunehmen, auch an Höhe von 3 auf 7 m (über Flut) wachsen , bis sie ihr Maximmii am Broad R. erreichen, wo sie in 3- bis 4 f acher Reihe das Land umsäumen. Das sind die eigentlichen Sea Isauds, die eine der feinsten Baumwollensorten erzeugen, während die Mündungssümpfe der zahh'eichen Flüsse Pflanzungen des berühmten Karolina-Reises tragen. Zwischen diesen Inseln und dem Festlande hegen Sunde und Ästuare , unter denen Nord-Edisto , S. Helena , Port Royal , Tybee und Warsaw die hervorragendsten sind, die gleichsam als fünfgUecbige Kette am Lande sich hinschhngen. Hinter einigen Inseln erweitert sich (las Küstenmeer zwischen Charleston und Savannah zu dem prächtigen Hafen Port Royal, an dessen Eingang Hilton Head vorspringt, und in dem die Inselgruppe von S. Helena zwischen Port Royal und Port S. Helena hegt, die bei der Eroberung von Beaufort') 1861 eine RoUe spielte. Vor dem Emgang zu Port Royal hegt eine bogen- förmige Sandbank, über che der Weg durch ein wattenmeerähnliches Gewirr von Bänken und Kanälen zwischen den Inseln Hilton Head und St. Phihpp schwierig ins Innere führt. Nördhch folgt die Insel Edisto, jenseit deren das breite Ästuar des gleichnaixiigen Flusses gegen Charleston hinzieht. An die Gruppe von S. Helena schhefst sich eine ganze Reihe ähnhcher Inseln an, unter denen die vor dem Savannah-Flufs am rechten Ufer gelegene Insel Tybee als Trägerin eines Leuchttm*ms und Beherrscherin des Thores von Savannah wichtig ist. Der tiefe Eingang Warsaw liilet trennt sie von der gleich- namigen Inselgruj)pe weiter im Süden. An der Lagunenküste kehren immer dieselben Eigenschaften meder: Glatter bUmrifs aufsen, reiche Gliederung durch ungestörte Anschwemmung bis zur Versumpfung innen, die tiefen Stellen des Haffes oder der Lagune durch seichte Canäle von der tiefen See getrennt. Daher immer die gleiche Aufgabe, füi' den Verkehr diese Kanäle zu vertiefen durch Baggerung oder durch Verliüigerung ihrer Ufer vermittelst in die See hinausgebauter Eindämmung. Daher auch günstigere Verhältnisse an den Lagunen des offenen Oceans, als an 1) Port Royal und Beaufort erinnern an die Hugenotten-Niederlassungen, die 1562 an diesen Gestaden gegründet wurden. 74 r)ie Riffktiste von Florida. denen der Golfküste. Denn die schwachen Gezeiten des Golfes von Mexiko genügen nicht, um die zur Freihaltung dieser Mündungskanäle nötige Stromkraft zu erzeugen , gestatten viehiiehr die Anhäufung ungeheurer Bänke von Flugsand oder weichem Schlamm , die von den heftigen Südstüi-men gegen das Land getrieben werden. Und dazu kommt in aUen Holzdämmen s. vom 30." die Zerstörungsarbeit des Bohr- wurms in jeghcher Holzart in tropischem Mafsstab. Einen merkwürdigen Beweis flu- die Entwickelungsfähigkeit dieser Küste hefert der Auf- schwung des südhchen Hafens von Georgia, Brunswick, der un- bedeutend war , bis 1880 die Vertiefung der Zufahrt von 3 auf 5 m begonnen wurde. Seine Bevölkerung ist von 3000 auf 12000, seine Ausfuhr von BaumwoUe von 4000 auf 200000, von Holz von 37000 auf 100000 gestiegen. Der Hafen von Charleston ist das Muster eines Hafens an der südatlantischen Lagunenküste. Ein weites Becken mit ziemlich schmalem Eingang, hinter dem die Insel des Fort Sumter hegt, und den Cummings Point und Fort Moultrie von beiden Seiten her einengen. Vor tüesem Eingang erstreckt sich enie mehr als 1 g. M. lange Sandbank, an deren Südende der Haupteingang hegt, während sich zwischen dem Nordende und der Küste drei für kleinere Fahr- zeuge offene j-Passes« befinden. Der Bürgerkrieg hat gezeigt, wie leicht dieser Hafen zu verteidigen war; er bot trotz der nordstaathchen Blockade den Blockadebrechern den besten Schutz. Die Riffküste von Florida. Die schöne Doppelkurve der südhchen atlantischen Küste der V. St. bricht bei der Miamimündung, n. von C. Florida ab, setzt sich aber in der 380 km langen Bogenlinie von Riffen und Keys fort, die an derselben Stelle zuerst auftreten und bis zum Westende der Tortugas ziehen. Die Keys bilden eine innere Linie, die auXsen in der Entfernung von 8 bis 10 km von einem Riffgürtel begleitet wird, der 80 km früher abbricht. Zwischen beiden gibt es schiffbares Wasser, während zwischen den Keys und der Halbinsel das Meer seicht ist. Besonders ist die Florida-Ba}^ seicht. Auf einer Linie vom Westende der Tortugas bis C!. Romano findet man kein tieferes Wasser als 20 Faden. Dagegen fällt hart auf ser- halb der Keys der Boden scharf ab. Bei C. Florida liegt die 100 Faden-Linie nur 11 km vom Land. In der Florida-Strafse hat zwJHclien Kuba und dem Riff bogen auf einer Breite von nicht über ino km der Verkehr zwischen dem Golf und Antillenmeer und dem offenen Ocean seine Wege zu suchen, die durch den Golfstrom, Beinen Gegenstrom und starke öi-tliclic (iezeitcn-Strömungen höchst unsicher gemacht werden. Kapitän Hunt l)eginnt seine Monographie dieses Gebietes, mit den Worten*): »The Florida Rcef is the great 1) On thc Origin, Growth, Substnicturo and Clironolofiy of the Florida Roef. U. H. Coast .Survey. Report f. 1H()2 p. 241. Die Golfktiste. 75 American danger to navigation«. Nach der einzigen zahlenmäfsigen Angabe, die ich kenne, strandeten auf den Floridaiiffen 1844 — 1846 jährlich 37, 1854 — 56 (bei fast gleich gebliebenem Verkehr) 35 Schiffe*). Die Golfküste. Wenn wir den Hafen von Key West mit seinen 8 bis 10 m tiefen Einfahrten und Ankerplätzen verlassen haben, treffen wir- von Tampa an diuch Cedar Keys, Appalachicola etc. bis zur Mündung des Rio Grande immer nur Einfahrten von geringer Tiefe und höchstens gröfsere Tiefen hinter den nie fehlenden Sand- oder Schlammbänken. Auf der im äufseren Verlauf 3000 km langen Golf- küste liegen zwischen C. Sable und dem Rio Grande eine ganze Reihe von Häfen, wie Key West, Charlotte, Tampa, Appolachicola und Pensacola — angeblich der beste aller Golfhäfen — in Florida, in Albama Mobile, in Mississippi Biloxi, in Eouisiana New Orleans, in Texas Sabine Pafs, Galveston, Aransas Pafs und Brazos S. Jago. Durch seinen Strom und seine centrale Lage ist New Orleans der bedeutendste. Mobile schien einst in Wettbewerbung mit ihm zu treten ; aber der Eingang durch den Hauptkanal in die grofse Mobile- Bay ist nicht einmal so tief wie der künsthch vertiefte Südpafs des Mississippi. Der Bericht der drei Militär-Ingenieure, die im Auftrage des Kongresses 1889 an der westhchen Golfküste die Stelle für einen für die gröfsten Oceandampfer zugänglichen Hafen aussuchen sollten, entschied für Galveston, das durch seine Lagune, in der 350 ha unter 8 m, erhebhche Strecken unter 10 m liegen, einen grofsen natürlichen Vorteil hat. Und doch ist Galveston ein echter Golfhafen, den vor allem die Schwierigkeit der Einfahrt kennzeichnet, gerade wie New Orleans mit seinen durch beständig wechselnde Schlammbänke ver- barrikadierten »Pässen«. Dieses grofsartige Innenbecken ist durch eine schmale Sandinsel vom Golf getrennt. Der Haupteingang zwischen dem Ostende der Insel Galveston und dem Westende der Halbinsel BoUvar ist 2 400 m breit und kaum über 3 m tief und hat am Ein- und Ausgang vorgelagerte Bänke. Die Aufgabe ist also, durch künst- liche Dämme die äufsere Tiefe mit der der Lagune zu verbinden und den Gezeitenstrom so zu reguheren, dafs die beiden Mündungen oifen gehalten werden. Wie neben New York sich Chicago steht, wh'd ein westhcherer Hafen sich neben New Orleans aufschwingen. Darauf drängt der texanische Verkehr hin. Besonders aber der Südwesten sucht natür- Hch nach anderen Auslässen am Golf als New Orleans. Schon Galveston liegt 580 km näher mit der Eisenbahn bei San Diego als bei New Orleans. Auch für Mexiko und Centralamerika hegt Gal- 1) U. S. Coast Survey. Report f. 1858 p. 270. 76 Die pacifische Küste. veston günstig. ^Vl^er vielleicht Avird ein grolser Hafen noch weiter westhch in nicht ferner Zeit entstehen. Wo der Corpus Christi- Pafs den südwestüchen Ausgang der gleichnamigen tiefen Bucht bildet, die tiefes Wasser hat, deren Kanal aber eng und an beiden Enden versandet ist, baut gegenwärtig bei der Padre-Insel, die den Pafs begrenzt, eine Gesellschaft unter Ermächtigung, die der Kongrefs 1890 erteilte, emen Hafen im äufseren tiefen Wasser, der sjoäter dui'ch einen Viadukt mit der Insel verbunden werden soll. Mit der Corpus Christi-Bay hängt A r a n s a s - B a y zusammen, an deren gleichnamigem Ausgang seit 1879 che Regierungs Ingenieure bauten. Die Arbeiten schritten gegen Tiiebsand und Teredo so langsam fort, dafs sie auf- gegeben wurden, 1890 erhielt auch hier eine Privatgesellschaft die Er- mächtigung, innerhalb 5 Jahren einen Kanal von 20 F. Tiefe zu bauen. Langsamer yvivd der Hafen auf der Grenze zwischen Louisiana und Texas, im Sabin e-Pass vorschreiten, dem Auslafs des zwischen Texas und Louisiana gelegenen gleichnamigen seichten Sees; der Kanal ist 7 engl. M. lang und hat vor seiner Mündung eine grofse Bank aus weichem Schlamm, an deren Vertiefung durch die Verlängerung der Ufer des Kanals durch künsthche Dämme seit Jahren mit langsamem Erfolg gearbeitet wird. In der Mündung des Rio Grande liegt eine Bank von 5 engl. F., hinter der 19 engl. F. Ankergrund bei Bagdad sind. Die Länge der Küste der V. St. am Stillen Ocean haben Avii- oben angegeben. Nach einer früheren allgemeinen Schätzung ') sollten von dieser Länge 35 "/o auf Kalifornien, 9 auf Oregon, 56 auf Washington entfallen. Kaliforniens Küste hegt zwischen 32" 32' und 42", die Oregons zwischen 42 und 46" 12', Washington nimmt den Rest bis 49" in Anspruch. Im Vergleich mit der meridionalen Erstreckung ist die Küste von Washington mehr als fünfmal reicher gegliedert als die Kahforniens und zehnmal reicher als die Oregons. Es wiederholt sich also hier das Verhältnis der nord- und süd- ätlantischen Küste, wenn auch schwächer, da auf der pacifischen Seite die Fjordbildung, (he die reiche Gliederung mit sich brhigt, erst hi höherer Breite einsetzt. S. von 46" n. B. folgt die Küste des Stillen Oceans keinem andern Gesetze als dem des Baues des aus grolser Thihe rasch zu grofsen Tiefen (s. o. S. 62) abfallenden Landes. Sic macht, wo sie in das Gebiet der V. St. fällt, keine Ausnahme von der Inselarmut, die im allgemeinen den ])acilischen Osten auszeichnet. Sie ist durchaus Steilküste, der nur an einigen Stellen Dünen- und Flach- iiferstrecken eingeschaltet sind. Ihre wenigen Inseln sind demnach gcbii'gig, und zwar fast durchaus vulkanisch. An tler südkahfornischen 1 In ('<. I»;i viil so ti s l'nciCic Directory von 1862. Oio fj;oiijuie Ver- mcHsung ist am iiordliclKüi Teil dieser Küste noch im Gang. Küstenlandschaften. 77 Küste liegen die einen, im Norden die anderen, die Mitte ist inselleer. Die Bucht von San Francisco mit dem Goldenen Thor ist an dieser Küste der grölste, beste und bestgelegene, von der Natur zum Sitz des Emporium bestimmte Hafen. N. und s. von hier gibt es noch in einer ganzen Anzahl von kleineren natürhchen Felsenbecken vorzügliche Häfen ohne Hinterlandsverbindung. Nur San Diego und Los Angeles sind durch die Güa-Depression verhältnismäsig leichter von Osten zu erreichen. An der Oregon-Küste wiegt der flache Strand vor. Die Colmnbia-Mündung ist für grolse Seeschiffe un- zugänghch. Dagegen bieten die vielzerklüfteten Admkahty Inlet und Pudget Sund im äufsersten Nordwesten genug günstige Örthchkeiten für gute Häfen, denen nur die Bevölkerungs- und Produktenmassen bisher fehlten. Dort sind Tacoma und Seattle heute aufblühende Seeplätze. Der seit 1886 thätige Survey der San Juan de Fuca- Strafse hebt aufserdem Port Angelos als guten, gegen Oststürme ge- schützten Hafen hervor. Die pacitische Nordwestecke zeigt in Fjorden, Strafsen und Inseln eine mächtigere Entfaltung als das atlantische Fjordgebiet. Die oceanische Aufgeschlossenheit kann nicht gröfser gedacht werden und der Beruf zm- Seeschüfalii-t ist nii-gends so aus- gesprochen. Die mit Foulweather Bluff wenig s. von 48" endigende Great Peninsula ist das geghedertste Stück Land innerhalb der Grenzen der V. St. zwischen Hoods Canal im Westen und Possession Sund und seinen südlichen Verlängerungen im Osten, die mit schmalen, vielgewundenen, selten über 3 km breiten Kanäle sie so zerschneiden, daXs sie an mehi-eren Stellen auf weniger als 5 km eingeschnüi't ist. Sechs gröfsere Inseln Hegen rings um sie. Andere Kanäle zerschneiden das Land in sücUicher vmd östhcher Richtung, und die phantastisch gefoi-mte Insel Wideley sowie die San Juan-Gruppe setzen che Gestalt der Great Peninsula nach Norden fort. LTnd die 50 Faden-Linie reicht bis in den Hintergrund. Küstenlandschafien. Die Höhe über dem Meere und die Art der Verbindung mit dem Meere verleihen der Küste die Merk- male, die ein eigentümliches Stück Erdboden aus ihr machen. An ungegliederten Steilküsten, wie der gröfste Teil der kalifornischen, kann kein selbständiges Küstenland entstehen, wohl aber, wo das Meer mit vielen Armen eingreift und zerteilt, ^ne im Puget Sund und in kleinerem Malse in Maine. Gegliederte Flachküsten er zeugen dagegen die breitesten Küstenländer. In den V. St. beginnen sie mit Long Island und w'erclen nach Süden und am Golf immer breiter. Delaware fällt ganz in diesen Streif, und man kann schon die Hälfte von Virginien als Küstenlandschaft bezeichnen. Und 78 Küstenlandschafteu. davon ist ein Viertel Tidewater Land, von dem nur ein kleiner Teil der flachen Wasserscheiden zmschen den Astuarien über 30 m liegt; V20 des virgmisehen Bodens liegt unter Fluthöhe. Es ist in 9 gröfsere und zahlreiche kleinere Halbinseln zerteilt. Die Halbinseln von Jamestown mit der ältesten Niederlassung in Vir- giiiien und die von Yorktown kriegerischen Andenkens gehören zu den geschichtlichen Stätten der V. St. Die Ansiedler, die alle die alten virginischen Städte wie Fredericksburg, Richmond, Alexandria an der oberen Flutgrenze gründeten, hatten damit 10 — 15 deutsche M. geraden Weges zwischen sich und das Meer gelegt. Dieses Land beherrschten sie schon früh, da ihr tiefes Eindringen es gleichsam umgangen hatte ; und als sie so sich den Rücken gedeckt hatten , strebten sie tiefer ins Innere vor. Ähnlich schlofs das Einlaufen der eigens für sie organisierten nordstaatlichen Laiidungstiotten in diese »inneren Meere« sowohl im Pamlico- und Albemarle-Sund, als weiter südlich an der Küste von Süd-Carolina weite Gebiete vom Meere ab. An der nörd- hchen atlantischen Küste, wo ein so breites und eigenartiges Küstenland nicht vorkommt, übertrugen die Ansiedler dessen Funktion auf die Inseln und Halbinseln , die von Natur selb- ständigsten aller Küstenländer. Manhattan, auf dem New York entstanden ist, Rhode Island und seine Schwesterinseln in der Narragansett - Bay , die Halbinsel des südlichen Massachusetts wetteiferten mit Virginien. Nicht so reich in sich, boten sie leichteren Zugang zum Meer, und der beschränkte Raum zwang früh zur Ausbreitung nach dem Innern. Die Versuche ähnlicher Festsetzungen auf den Inseln von Maine hatten weniger Erfolg, da hier der Boden noch ärmer als in Neuengland. Aber der besondere Vorzug der reichgcgliederten Fjord -Küste des Nord- ostens, herrliche Wälder zu besitzen, die bis an das Meer herab- steigen, begünstigte den Bau hölzerner Schiffe. Auf dieser Grund- lage ist an dieser Küste Schiffsbau, Reederei, Fischerei und Holz- ausfuhr an zahlreichen kleineren Küstenplätzen herangewachsen. I);is /iirücktrcten des Ackerbaues scluifft eine schmale Kultui-- landschaft von finnischem Typus. Da ergibt sich ilcnn iiuc.li ein ganz anderes Verhältnis der Das atlantische Küstenland. 79 Bevölkerung /Aiin Küstenland. Es entwickelt sich eine besondere Küstenbevölkerung. Die Bewohner der rauhen, vielgegHederten Neuengland-Küste sind am meisten thätig in der Hochseefischerei und dem Walfischfang, und ihr Anteil an der Reederei ist ver- hältnismäfsig sehr grols. Von 86 nordamerikanischen Segel- scliiffen, die 1889 in den pacifischen Häfen der V. St. verkehrten, stammten 50 aus Maine, 16 aus Massachusetts und 20 aus New York. In den mittleren Staaten geht die Küstenbevölkerung in der der grofsen Städte des Küstenlandes unter. Wo das Küsten- land nach Süden zu anfängt, breiter zu werden, nimmt mit den versumpften Stellen ^) auch die Ungesundheit zu, daher schon in der Zeit der Sklaverei die Neger in immer gröfserer Zahl hier angesiedelt wurden, wo sie heute an manchen Stellen 90% aus- machen. Aber erst die Zeit des KJiieges, in der sie hierher flohen, und darauf folgend die der Freizügigkeit hat die Neger mit solcher Vorhebe sich ansammeln lassen, dafs die Grenze zwischen festem Land und Küstenland auch zugleich eine Rassengrenze zu werden strebt. Fügt man liinzu die Ansammlungen Fremd- geborener, die im Küstenstrich besonders in grofsen Städten sitzen bleiben, wozu die Chinesen am pacifischen, die Irläuder und neuerdings Italiener am atlantischen Rande neigen, so ergibt sich ein ganzer Rand fremder Rassen und Völker den zwei Meeren entlang. Ein nach Süden breiter werdender, am Golf die grölste Breite erreichender Streifen tiefen, sumpfigen, von Dünen eingehegten, zum Teil von der Flut überschwemmten Landes zieht von der Mündung des Hudson bis zu der des Rio Grande. Dies ist von allen Küsten- 'landschaften der V. St. die ausgedehnteste , eigentümlichste und zur selbständigsten Stellung berufene. Gannett weist ihr über 220000 qkm (84140 engl. Q.-M.) und 1 809 000 Einwohner zu, die grofsenteüs Neger sind. Sie erreicht ihi-e grölste Ausdehnung in Nord-CaroKna, Florida und Louisiana. EinzeLae Erhebungen aus diesen Marschen von 40 bis 50 m wie die High Islands von Galveston, die niecüigeren Pine Barrens von Süd-CaroHna, bewaldet, mit SüfswasserqueUen ausgestattet, sind wie Oasen. Das ist das Reich der Taxodien, Sumpfwacholder, Bambusse, 1) Vgl. Bd. I dieses Werkes S. 266 und 488 f., wo diese Küstentietläuder eingehend beschrieben werden. 80 Das atlantische Küstenland. iUligatoren, aber auch der schönen Chamaerops Pahnetto, der Kohl- pabne, die selten über 10 engl. M. landeinwärts geht. Die Lebens- eiche steigt hier herab, die langstapelige Baumwolle gedeiht auf den sandigen Wölbungen der Sea Islands, der Reis in den Marschen. Unter der überAvältigenden Menge von Negern wohnen ein paar arme Weifse als Fischer, Jäger, Holzfäller, »Püots and Wreckers«. Eigentümliche Kulturlandschaften haben sich um die grofsen Lagunen und vor den Küstenkanälen des Südens auf Nehrungen und Inseln entmckelt. Der lebhafte und leichte Verkehr in diesen Binnengewässern hatte Jahr- zehnte hindm'ch, selbst in dem rascher fortschreitenden Texas, den ötrafsenbau hintangehalten. An ihi-en Ufern hatte sich früh ein reges Leben entfaltet, das von dem des Binnenlandes nicht blofs nach Art und Richtung verschieden, sondern auch räumhch getrennt war. Im Bürgerkiieg entwickelten sich demgemäfs hier Plätze wichtiger und ganz eigentünihcher Aktionen (Einnahme von Beaufort, Besetzung der Insel Roanoke u. a.), deren Ausgang mitbestinmiend für das Schicksal der binnenländischen Teüe, besonders der beiden CaroHnas war. Er- innern wü' uns auf der andern Seite, dafs die volkreichste Stadt ^•on Texas, Galveston, auf einer solchen Nehrung zwischen Meer und La- gune, und dafs New Orleans zwar 25 deutsche M. vom GoH, aber noch 1 m unter Hochwasser liegt. Im altbesiedelten Loiüsiana ist Bäton- Rouge die erste Stadt auf höherem Grunde. Neben diesem über 5000 km langen Streifen Wasser- und Zwitterland, der ein grofses eigentümliches Naturreich ist, sind die Landschaften, die an der nördlichen atlantischen und der paciüschen Küste hervortreten , nur einzelne vom Meere bevor- zugte Stellen. Vielfach ist unter son.st gleichen Verhältnissen die Bevölkerung an der Küste dichter als im Imiern. Wenn inan die Bevölkerung der V. St. nach der Meereshöhe ordnet, lebten (1890) 10387000, also fast genau ein Sechstel, unter 100 0. F. ^). Die 4^2 Millionen New Yorks und Brooklyns, Phila- delphias, Bostons und Baltimores zeigen, wie gern gerade dieser Ik-uchteil der Bevölkerung sich konzentriert. Die Küstenbevölke- rung braucht keine selbständige Jjandscliaft, um sich zu entwickeln, es genügt, ein Ilafon oder eine JJafeiigru])pe, um Millionen an- zuziehen und im schwierigsten Gelände zur Ansiedelung zu bringen. Ol) sie nun al)er auch nicht in ausgedehnten Sitzen die Küste eiiiiicliincn , der Küste und üii'cn l^j'nllüssen gehören 1; (iaiiiictl im ('(^iisiiH I'.ulU'tiii. Die Häfen. 81 sie an. Die meisten Entmckelungen dieser Art gehören zu den ältesten und älteren des Landes. Nur die Anfänge San Franciscos gehen blols bis 1769 zurück. Aber auf jungfräulichem Boden hat am Puget Sund eine neue auf dem reichst gegliederten Küstenland begonnen, das zugleich die Anlage zur Städtebildung in grofsem Mafse besitzt. Die Häfen. Was die ersten Ansiedler neben dem Boden für ihre ersten Hütten und Fruchtäcker am nötigsten brauchten, waren möglichst sichere Häfen, und die fanden sie, denn die atlantische oder Ostküste gehört zu den hafenreichsten, die man kennt, und zwar vorzüglich in ihrem nördlichen Teil bis zum C. Hatteras. Portland, Boston und New York sind von Natur grofsartige Häfen, und so zahlreich sind die kleineren, dafs an für den grofsen Ver- kehr in Betracht kommenden Hafenplätzen die atlantische Küste 55, die des Golfes 11 und die pacifische 6 zählt. Mit den von der Küstenschiffahrt und Fischerei benutzten ist die Gesamtzahl auf mehr als 500 zu erhöhen. A Table of Depths for the Harbors on the Coasts of the United State in Report of the U. S. Coast Survey f. 1883 führt allein für die Küste von der Nordgrenze bis New York über 100 gröfsere und kleinere Buchten und Ein- gänge auf, und unter diesen zälilen einzelne wieder zahlreiche Nebenzweige, so die östliche und westliche Penobscot-Bay allein 120 Coves, Harbors, Reeden an oder z^\'iscllen kleinen Inseln, un- gerechnet den Penobscot-Flufs und die sonstigen einzelnen Anker- plätze, die diese Liste aufführt. Gröfseren Schiffen zugängliche Verbindungen gibt sie z^dschen beiden Buchten dieser Bay und ihnen und der Blue Hill-Bucht 75. Küstenveränderungen. Die Veränderungen der Küste, deren Thatsächliches im I. Band S. 154 f. berichtet ist, haben in wenig Fällen den Menschen in Mitleidenschaft gezogen. In dem weiten Lande mied dieser die gefährdeten Stellen. Nur an der früh besiedelten C. Cod-Bucht und auf den benachbarten »Wracks« von Inseln, — von 1845 bis zu dem Resurvey im Jahre 1889 hat Martha' s Vineyard an einigen Stellen 30 bis 40 m verloren — die der Volksmund in Neuengland »Thrums« nennt, sind auch Wohnstätten in den Wellen verschwunden. An der Golfküste ist Ratzel, Die V. St. von Amerika. 6 82 Küstenveränderiingen. der centrale vorspringende Teil bedroht. Last-Isle bei New Or- leans wurden 1856 von den Wellen verschlungen, Grande Terre und Grande Isle verheren jährlich Boden. Die ähnlich wie an unserer Nordseeküste hinter erhöhten Düuenwällen tief Hegenden Marschländer Carolinas sind auch heute nur zu Vio bebaut. Viel mehr empfinden die Menschen das Wachstum als den Rückgang des Landes. Die Ablagerungen in der Delaware-Bay, deren Ma- terial sowohl durch die Ufererosion als durch die Schwemmstoffe der Flüsse geliefert wird, hat in den letzten 40 Jahren beträcht- liche Veränderungen hervorgebracht. Eine eigene U. S. Advisory Commission ist für die Verbesserung der Zufahrt zum Hafen von Philadelphia eingesetzt. Wir werden von der schweren, aber erfolg- reichen Öffnung der verschlammten Zufahrt nach New Orleans zu sprechen haben. Alle Golfhäfen sind derselben Gefahr ausgesetzt. In der C. Cod-Bucht ist der historisch berühmte Hafen von New Plymouth am Eingang nur noch halb so tief wie zur Zeit Cham- plain's, der ihn 1605 besuchte, und der Pilgerväter, die 1621 hier landeten ^). 1) Zu der Bd. I S. 154 f. angegebenen Litteratur füge noch die authen- tische Zusammenstellung von Landverluston an der' neuengländischen Küste bei Henry Mitchell, Physical Hydrography of the Golf of Maine in Report U. S. Coast and Geodetic Survey f. 1879 p. 176. f. in. Der Raum. Das Areal 82. Kontinentale Gröfse 84. Vergleich mit anderen kontinentalen Staaten 86. Europa in amerikanischer Perspektive 88. Kein Amerikanisches Gleichgewicht 92. Gröfse und Zerfall 95. Die Pohtik der grofsen Räume 96. Überlegenheit der Raumvorstellungen in der wirtschaftUchen und pohtischen Expansion 98. Innere Wirkungen 93. Der Raum in Geist und Charakter des Nordamerikaners 100. Die Gröfsenverhältnisse der Staaten und Territorien 103. Anhang: Das politische Wachstum der Vereinigten Staaten. Der Flächenraum der Vereinigten Staaten. Auf die amt- lichen Zusammenstellungen über den Flächenraum der V. St., die mit den Ergebnissen des Census alle 10 Jahre veröffentlicht werden^), stützen sich alle Arealangaben unserer geographischen und statistischen Werke. Nach ilmen setzte sich die Gesamtzahl von 3567000 engl. Q,-M. (9212300 qkm) folgendermafsen zu- sammen : Staaten und Gebiete, einschl. des Indianergebietes . . 3024880 engl. Q.-M. 7 834130 qkm Alaska 531400 » » 1376300 » Küstengewässer 2) .... 720 » » 1 830 » 3556980 » » 9212260 » ^) 1) Für den Census von 1890 hat Henry Gannett die Areas of States and Counties im Census Bulletin No. 21 veröffentlicht. Wir folgen hier seinen Angaben , wiewohl sie an manchen Punkten der Kritik offenstehen. \'gl. Wagner und Supan, Die Bevölkerung der Erde \TII (1891) p. 205. 2) Delaware-Bay 620, Raritan-Bay und Untere New York-Bay 100. 3) 167 400 geogr. Q.-M. 6* 84 Der Flächenrautn. Dieses Areal ist für die politische Geographie nicht vollständig und für die Anthropogeographie nicht beschränkt genug. Es ist eine gemischte Gröfse, die nicht unverändert angenommen werden kann. Man sieht nicht ein, warum der politische Flächenraum die drei Buchten einschliefst und die Chesapeake-Bay bei Seite läfst, in der die Grenze zwischen Virginien und Maryland läuft, und die zmschen C. Charles und C. Henry politisch ein geschlossenes Meer ist. Ebensowenig versteht man die Nichtaufnahme der Grofsen Seen, soweit sie zu den V. St. gehören. Die Grenzver- träge und andere Verträge, in denen z. B. der Michigansee den Britisch-Nordamerikanern zu freier Schiffahrt geöffnet ist, lassen keinen Zweifel , dafs die V. St. die Wasserfläche dieser Seen, so- weit sie in ihren Grenzen liegen, und das ist zu fast drei Vier- teilen, als ihr Gebiet betrachten. Das bringt 75176 engl. Q.-M. (195458 qkm)^) zu der obigen Summe hinzu. Dagegen sind für die anthropogeographische Betrachtung nicht bloCs diese Wasserflächen, sondern auch die 55600 engl. Q.-M. (144600 qkm) der Seen, Lagunen, Sümpfe und Flüsse abzuziehen, die der Census aussondert. Die Wasserflächen von Alaska sind nicht ausgemessen, im Innern zum Teil überhaupt nicht bekannt. Während war also für alle Untersuchungen über Volksdichte u. dgl. für die V. St. im eigentlichen Sinn (also ohne Alaska) ein anthropogeo- graphisches Areal von 7 638 645 qkm vorauszusetzen haben, erhöht es sich als pohtisches Areal mindestens um die Beträge für Alaska, den amerikanischen Anteil an den Grofsen Seen und den Küsten- gewässern, also auf (rund) 9410000 qkm. Kontinentale Gröfse. Von den V. St. von Amerika sprechend, scheine ich von einem Lande zu reden, wie Deutschland oder Frankreich, einem politischen Gebilde mit einer gemeinsamen Regierung, Vertretung, Flotte, Armee u. s. w., das eine bestimmte Lage und Gröfse einnimmt und besitzt, und dessen Betrachtung Teil einer geographischen Betrachtung des Erdteils, dem es an- gehört, und 'J'eil von dessen pohtisclier Geograpliie sei. Diese 1) Nach (;iiior Ausiiicv Spaziergang um die Welt« (I. S. 329) wieder ausgeprägt, der sonst feinere Beobachtungen enthält. 92 Kein amerikanisches Gleichgewicht. breitnng und Verbindung, die das Land bietet, will das Volk als Rasse isoliert bleiben. Diese folgenreiche Thatsache gehört zu denen, welche die übliche, nur den Raum anstaunende Betrachtung übersieht. Kein amerikanisches Gleichgewicht. Von einem amerikani- schen Gleichgewicht kann nicht die Rede sein. Es gibt nur ein europäisches Gleichgewicht. Nur Europas Natur und Geschichte ist so geartet, dafs es eine Anzahl von nach Grölse, Bevölkerungs- zahl, Reichtum und vor allem Kulturhöhe ähnlicher oder über- einstimmender Staaten entwickeln konnte. Neben der natürlichen Gliederung des Körpers Europas ist es die langsame Entwickelung, die im Hin- und Herwogen und in unerschöpflichem Nehmen und Geben Mächte geschaffen hat, die, wie Deutschland und Frankreich, selbst im Flächeninhalt nur um 1% differieren. In Nordamerika haben wir dagegen die unvergleichlich rasche Entwickelung, die alle anderen Bildungen in diesem Erdteile heute nur wie Ansätze erscheinen läfst. Und dazu kommt die natürliche Begünstigung, denn die ganze Osthälfte der V. St. ist ein Land der glücklichen Mitte und ebenso Kahfornien. Daher' an Stelle des Gleichgewichts in der Neuen Welt das Übergewicht tritt, das die V. St. an die Spitze aller Staaten der Neuen Welt stellt, und das diese um so mehr w^ollen müssen, da es eine zweite mächtige Grundlage in der Rassenüberlegenheit Nordamerikas hat. Dem Flächenraum nach stehen die V. St. an der Spitze aller politischen Gebilde Amerikas. Lst die Distanz klein , die sie in dieser Beziehung von Britisch-Nordamerika und Brasilien trennt, so hindert der gewaltige Abstand in der Nutzbarkeit oder der bis heute erreichten Ausnutzung dieses Raimies, wie er sich in der Bevölkerungszahl und der wirtschaftlichen Leistung ausspricht, sie als gleichwertig zu l)etrachten. Die V. St. sind viermal so dicht als Brasilien und zwölfmal so dicht als I^ritisch-Nordamcrika bevölkert, dessen Auslulir den 10. Teil der Ausfuhr der V. St. be- trägt, während die Brasiliens den 0. Teil ausmacht. Bilden wir aus Argentinien, Mexiko, Bolivia , Venezuela und Bern eine zweite Gru])pe politischer Räume von 50000 bis 200Ö0 Q.-M., so erhalten wir unzusanmienliängende Räume, deren Summe hinter der der V.St. um 12% zurücl\'('lt uns den Angeln hel)en, in jedem Falle hisclien wir das I.irlit unserer eigenen aus. Amos Fish er, cit. bei AVinsor VU. «. 547. 2) Die gröfse Raumauffassung in der l'nlitik haben die Amerikaner wahrscheinlich in diesem Falle zuerst vnn den Franzosen gelernt. Als die Franzosen iiacli Illinois vordrangen, nni den nbcren Mississi]>|)i zu gewinnen, war dci- Horizont der Kolonisten am atlantisclicn Kandc nocli sehr eng. Die wirtschaftliche und poUtische Expansion. 97 auch die Wirtschaft gewöhnte sich an die Grofsräumigkeit. Die Nordamerikaner wirtschaften bis heute wie Besitzer, die ihre grofsen Güter mit wenigen Kräften und daher nicht erschöpfend, aber schwamgvoll, und daher mit raschem Erfolge bearbeiten und ausbeuten. Sie lassen viel einstweilen noch hegen, nehmen nur die ergiebigsten Strecken vor, gewinnen aber dabei viel mehr und mit leichterer Mühe als andere, die auf engen, viel durchwühlten Boden ein viel gröfseres Mafs von Emsigkeit verwenden. Das ist das System, auf dem vor allem das unerhörte Wachstum der Weizen- und Baumwollenernten beruht. Die politischen und Tvirt- schaftlichen Bedürfnisse zeugten aber ineinandergreifend einst jene expansive Politik, die den nach Baumwollenland hungrigen Süd- staaten den grofsen Einflufs einräumte, den sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als die Hauptträger der Expansion in Nordamerika besafsen. Die expansive Pohtik hat am Stillen Ocean und am Golf einstweilen ihre Grenze gefunden, die ex- pansive Wirtschaft arbeitet weiter, und noch heute verschwindet die Wirkung der langsam zunehmenden Intensität und der damit wachsenden Durchschnittserträgnisse besonders in den Export- früchten hinter der Erweiterung der Anbauflächen. Die Frage der nordamerikanischen Konkurrenz mit Europa auf dem Gebiet der Land^^^rtschaft ist noch heute wesentlich Raumfrage. Sering bezeichnet es als eine Hauptaufgabe seines Berichtes über die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas, festzustellen, wie- viel Raum noch in Nordamerika zur Kolonisation vorhanden ist, und unter welchen Bedingungen die bebaute Fläche weiterhin aus- gedehnt werden kann^). Als Träger beider Expansionen sind die Menschen von entsprechender Beweglichkeit, »essentiellement ex- pansive, comme un liquide, que rien ne retient«, wie es in einer Geschichte des durch grofsartige Beispiele heroischer Raumbewäl- tigung ausgezeichneten Bürgerkrieges von 1861 — 1864 heifst^). 1) Die landwirtschaftUehe Konkurrenz Nordamerikas in Gegenwart und Zukunft 1887 S. 62. Wir versuchen, diese Frage, die heute von der der landwirtschaftüchen MögUchkeiten des fernen Westens abhängig ist, im Kapitel über die Landwirtschaft zu beantworten. 2) Comte de Paris, Histoire de la Guerre Civile. I. p. 632. 8ie nutzten schon in ihrem Unabhängigkeitskrieg die weiten Räume aus, denen gegen- Ratzel, Die V. St. von Amerika. « 98 Die wirtschaftliche Vorbereitung der politischen Expansion. Diese Verbindung von -wirtschaftlicher und poHtischer Expansion wird nicht immer an den Grenzen von 1848 Halt machen. Sie hat die zwei grölsten Thatsachen der Geschichte des europäisierten Amerikas, den kontinentalen Staat der Union und dessen mrtschafthche Weltstellung erzeugt. Das sind die ameri- kanischen Erscheinungen, mit denen Europa zu rechnen hat. Dafs aber die ^Aärtschaftliche Weltstellung der V. St. gleichsam als vorausgeworfener Schatten der ganzen Gröfse jener Grofsmacht der westlichen Welt uns zuerst erreicht, befremdet niemand, der mit den Gesetzen der geschichtlichen Entwdckelung vertraut ist. Die längst vorhandene und noch immer wachsende wirtschaftliche Überlegenheit der Nordamerikaner über alle ihre Nachbarn und der darauf begründete Einflufs werden sich immer mehr ausbreiten. Schon jetzt findet das Kapital in den Eisenbahnbauten des eigenen Landes keine genügende Anlage mehr, und die zu erwartende Ära des Eisenbahnbaues mit Mitteln der V. St. in Mittel- und Süd- amerika wird grofse politische Erfolge haben. Schon überflügeln die nordamerikanischen Linien in Mexiko die englischen : Mexiko erhält ein von den V. St. aus geschaffenes und geleitetes Eisenbahn- netz. Die Panama-Eisenbahn, die transandinischen Bahnen in Peru und vor allem der Interoceanische Kanal durch eine der Landengen Mittelamerikas bilden starke Fädcu eines grofsen Verkehrsnetzes, längs dessen Linien nach unabänderlichen Gesetzen der politische Einflufs nach allen Teilen Mittel- und Südamerikas seine Wege finden wird. Auch künftig werden Gebietsvergrüfserungen der V. St. der Gefahr und Arbeit der Einwanderung und Ansiedler nach- folgen. In Streitfällen werden, wie einst in Texas und Oregon, diese privaten Besitzergreifungen die schönsten Verträge durchlöchern. Die V. St. stellen sich mit ihrer grofsen wirtschaftlichen lOxpansion, die auf allen Wegen der politischen immer weit vor- über die von den EngliUidcrn Ijel'olgtc Taktik der BcHetzung d(!r »Städte keinen Vorteil brachte, da jene die Verbindungen in der Hand behielten. In dem zw(!iten Krieg 1812 — 1814 hielten nich die JOnglilnder ganz in der Peripherie. Der verwegene Marsch M on tgoinerys und Arnolds 1778 mit 4200 J\ hin n zur Eroberung Kanadas durch die menschenleeren Wälder und iSümpfe, über grofse Klüfse und Seen, im Herbst und Winter war eine hervorragen«! energi- sche Leistung, ein Vorläufer des SIki niaiisciicn Zuges nach Atlanta. Die Raumgröfse im Volksgeist. 99 angeschritteii ist, unmittelbar neben England. Ihre Politik macht den Eindruck des Wohlgenährten, Widerstandsfähigen, denn sie zieht die kräftige Nahrung aus den materiellen Interessen. Die phantastische Pohtik romanischer Völker, die umgekehrt verfähi't. hat im Kampf damit ümner den kürzeren gezogen. Nicht blofs Spanien ist zurückgedrängt, auch Frankreich hat seine Niederlagen in Kanada und Louisiana, Mexiko und Pa- nama in ähnlichen Kämpfen erfahren. Sie hatten einzelne her- vorragende Leute, die aber üximer Offiziere ohne Armee blieben. Die pohtischen Aktionen der V. St. bereitete vor oder begleitete die Arbeit der einzelnen, sei es des Ansiedlers oder Kaufmanns, des Entdeckers oder Erforschers. Es hegt darin ein Zug von Kraft, etwas Echtes und Nachhaltiges. An dem Felüen dieses Rückhaltes kamen andere, politisch oft besser begründete An- sprüche, in der Oregonfrage selbst Englands, zu Schaden. Die Raumgröfse im Volli^ Einförmigkeit als Entwickelungsstiife. die sich nicht ohne weiteres von ihren Umgebungen modeln läfst. Wenn die Indianer Nordamerikas einförmig Maaren von der Hudsonsbay bis zum C. Hoorn, so liegt das mehr an ihrer Kulturstufe als am Lande. Auch Europa beherbergte vor Jahr- tausenden eine einförmige dünne Bevölkerung von wandernden Hirten- und Kriegerstämmen. Der Vergleich mit China hinkt. So gut man nicht glaubt, dals Nordamerika der Schauplatz einer mitten in ihrem Entwickelungsgang plötzlich stille stehenden Halbkultur zu werden bestimmt sei, so wenig ist anzunehmen, dals das neue Volk Nordamerikas je den herdenhaften Charakter •des alten am Hoangho und Yangtsze annehmen werde. Übrigens schwebt jede Spekulation auf die zu erwartende Ein- und Gleich- förmigkeit der Nordamerikaner in der Luft, so lange wir neben den Angelsachsen gegen 8 Mill. Angehörige dreier nicht kau- kasischer Rassen in sehr verschiedener geographischer Verbreitung das Gebiet der Union bewohnen sehen. Eine andere Sache ist die neue Erscheinung , dafs ein gleichsprachiges und im ganzen gleiche Sitten und Anschauungen hegendes Volk sich rasch über ein so weites zusammenhängendes Wohngebiet verbreitet hat. Aber damit hat die Natur des Landes zunächst nichts zu thun. Die geistige Einförmigkeit, die in der Gleichheit der Ideale beruht, hängt enger mit der Weite der Räume zusammen. Diese Gleichartigkeit ist der Abdruck der grofsartigen Einfachheit einer raschen Ausbreitung eines Volkes und einer Kulturform. Die Mannigfaltigkeit braucht Zeit und Ruhe. Aber in den V. St. hat die Einförmigkeit ihren höchsten J*unkt wohl überschritten. In der ersten Zeit seines Auftretens auf fremdem Boden ist ein Volk immer reiner, zeigt in schärferen Zügen seine eigenste Natur, die mit den Jahren und Jahrhunderten sicli aus- einanderlegen und abstufen. Der Noi'damerikaner hat mit fort- schreitendem Wachstvnii immer mehr den Neuengländer, den Yankee im eigentliclicn Sinne abgestreift, und Boston ist nicht mein- die einzige geistige i^tniclite des Landes wie vor 40 Jahren. Neues Inldct vr)rzüglich im Westen sich langsam heran, und der weite Iiiiniii wird Sonderentwickelungen günstiger Averden, je mehr das Land sidi niiffüllt. Die Neigung für das Grofsräumigc. 103 Nicht alle Eigenschaften eines neuen Landes führen sich gleich rasch in das Eigentum der Bewohner über. Allen voran geht die wirtschaftüche Entwickelung, der rasch die poütische Sicherung folgt. Das geistige Leben dagegen wird zuerst nur in beschiiinkten Gebieten die günstigen Bedingungen seiner Entfaltung finden und, indem es von diesen aus den Bedürfnissen eines so weiten Gebietes dienen mufs, naturgemäfs in die Breite gehen und einförmig werden. Wir werden in der That finden, dals die geistigen Ausstrahlungspunkte Nordamerikas alle auf der atlantischen Seite und zwar vorwiegend im Nordosten, den Neu-England-Staaten und New York hegen. Litteratur, Kunst und Wissenschaft tragen aUe über ganz Nordamerika hin einen neuengländischen Charakter. Auch wenn der Westen selbständiger her- vorgetreten sein whd, werden die Volksideale den Zug behalten, den ein Liebimgswort bezeichnet »grand« , das man viel öfter in Amerika als in England vernimmt. In der phantastischen Rhetorik der »4^" of July-Speeches« wird die Nordgrenze in die Am-ora boreahs, die Ost- grenze in die aufgehende Sonne, die Südgrenze in den unbekannten Ocean verlegt, und ein humoristischer Redner dehnt die Westgrenze bis zum jüngsten Gericht aus. Auf »Parochial Geographers« wird mit Verachtung herabgesehen. Das ist nur Überflug der mit Vorhebe in grolsen Vorstellungen schwelgenden Gedanken. Emerson denkt bei jenen Worten (s. o. S. 100) jedenfaUs an andere Gröfsen, weniger körperhche, die aber freüich aus dem Körperhchen des Raumes herauswachsen müssen. In einem Lande, das arm an Geschichte und Denkmalen, ist das Monumentale das räumhch Grofse, dem die Weite des Gebietes entgegenkommt. An ihm erbaut man sich. Das Grofs- artige wird also in der Raumwelt gesucht und gefunden. Das Impo- santeste an dem Anbhck der grofsen Weltstadt am Hudson ist die riesenhafte Brücke über einen Arm des Hudsonflusses, den East River, die 1220 m lang und von 83 m über Fluthöhe hohen Pfeilern an Stahl tkahtseilen so aufgehängt ist, dafs sie 41 m über dem Wasser schwebt. Eme neuerchngs besprochene Hudsonbrücke zwischen New York und Jersey City würde noch einmal so lang werden. Einige noch gröfsere Mississippi-Brücken, die vier Eisenbahnhnien, die den Kontinent von Meer zu Meer durchqueren, das grofsartige Eisenbahn- netz (1891 171000 km, fast das Fünffache des Erdumfanges), die Handelsflotte, die nur der Grofsbritanniens nachsteht, sind die Dinge, auf die Nordamerika stolz ist. Selbst in Washington bewundert man die Stadt der »magnificent dimensions«. Die Gröfsenverhältnisse der Staaten und Territorien. Da die einzelnen Staaten und Territorien weder nach aufseu selbständig hervortreten, noch von Zollgrenzen umgeben sind, 104 Die Gröfsenverhältnisso der Staaten und Territorien. trägt ihre Raumgrörse bei einem allgemeinen Überblick nur zu der des Ganzen bei, wie sehr sie auch durch die Bevölkerungs- zahl auf das innere Leben des Bundesstaates wirkt. New York mit 127 000 qkm und 6 Mill. Einwohnern, der gröfste unter allen älteren Staaten und der volkreichste überhaupt, spielt dadurch und durch den Besitz der Metropole Amerikas eine entscheidende Rolle in der Politik. Dals unter den sechs Neuenglandstaaten kein einziger die Mittelstaaten an Gröfse erreicht — der gröfste, Maine , ist dreiviertel so grofs wie New York , hat aber nur den neunten Teil seiner Bevölkerung — , begünstigte lange das Über- gewicht, das mit jeder Wahl sich stärker auf New Yorks Seite neigte , seitdem Massachusetts und Virginien es verloren hatten. Aber allmähüch kommen die gröfseren Räume der Staaten des Westens ins Spiel, und es wird im Norden sich die Verschiebung nach Westen vollenden, die im Süden durch das Übergewicht des gröfsten Staates der Union, Texas, herbeigeführt wird. Die V. St. sind das Erzeugnis eines Wachstums vom Ostrand Nordamerikas nach Westen, und die Zunahme der Gröfse der Staaten und Gebiete in dieser Richtung zeigt auch im einzelnen das Wachstum des Strebens nach Raumbeherrschung, das dem Ganzen zu Grunde liegt. Ordnen wir die Staaten nach der Gröfse (s. Anmerkung S. 105), so bilden die zwölf kleinsten eine Reihe zwischen 180 und 85 570 qkm den atlantischen Rand entlang, die von Maine bis Süd-Carolina reicht und West- Virginien, das erst 1861 von Virginien getrennte, mit einschliefst; nur New York, Penn- sylvania, Nord-Carolina, Virginia, (jeorgia und Florida gehören in eine mittlere Gruppe, die zwischen 94000 und 154000 die gröfste, dem Durchschnitt der Staatengröfse am nächsten liegende Anzahl von Staaten umfafst und eine zweite breitere Reihe im Innern bildet und aufser den genannten den ganzen alten Westen bis Iowa und Wisconsin und dem neuen Süden l)is zum Mississippi, sowie Arkansas umschhelst. l^^ine dritte Reihe bilden die w. unmittelbar angrenzenden jungen Prärie- und Steppenstaaten Missouri, Kansas, Nebraska, die beiden Dakota, Minnesota und das ferne Washington, zwischen 180000 und 216000; und wieder um eine Stufe west- licher und IkiIkt zwischen 220000 und 270000 die vierte, die Gröfsenreihe der Staaten der Union. 105 nördlichen Hochlandstaaten des Westens von Colorado, durch Wyoming, Idaho, Utah, Oregon. Endlich folgen als gröfste Texas, Kalifornien, Montana, Neumexiko, Arizona und Nevada, die entweder aus dem kulturlich wertlosesten, dünnst bewohnten Wüstenboden geschnitten sind oder, wie die beiden letzteren, die mit europäischen Grofsstaaten zu vergleichen sind, als vorhandene Gebilde aus dem spanischen Schatze von kaum benutzten Ländern übernommen wurden. Vereinzelt stehen das zur Aufteilung be- stimmte Indianergebiet und das neue Territorium Oklahoma. Niimnt man sie und den nur als Bannmeile der Bundeshauptstadt Washington zu verstehenden District of Columbia aus, so liegt der Durchschnitt der Grölse der Einzelstaaten bei 164000 qkm. In Anmerkung. Gröfsenreihe der Staaten und Gebiete. Engl. Q.M qkm Engl. Q.M. qkm 1. District of Columbia 70 180 26. Arkansas 53850 139470 2. Rhode Island 1250 3 240 27. Iowa 56025 145 100 3. Delaware 1960 5310 28. Wisconsin 56 040 145 140 4. Connecticut 4990 12 925 29. Illinois 56 650 146 72ü 5. New Jersey 7815 20240 30. Florida 58 680 151 980 6. Massachusetts 8315 21540 31. Michigan 58 915 152585 7. New Hampshire 9305 24100 32. Georgia 59475 144030 8. Vermont 9 565 24 770 33. Washington 69180 179170 9. Maryland 12210 31620 34. Missouri 69415 179 780 10. West ^'irginia 24 780 64180 35. Nord Dakota 70 795 183350 11. Süd CaroHna 30570 79170 36. Nebraska 77 510 200740 12. Indianer-Gebiet 31400 81300 37. Süd Dakota 77 650 201110 13. Maine 33040 85 570 38. Kansas 82080 212580 14. Indiana 36350 94140 39. Minnesota 83365 215 910 15. Oklahoma 39030 101 080 40. Idaho 84800 219620 16- Kentucky 40400 104630 41. Utah 84970 220060 17. Ohio 4106U 106 340 42. Oregon 96030 248 710 18. Tennessee 42050 108 910 43. Wyoming 97 890 253530 19. Virginia 42450 109 940 44. Colorado 103 925 269 150 20. Pennsylvania 45 215 117 100 45. Nevada 110700 286 700 21. Mississippi 46 810 121 230 46. Arizona 113020 292 710 22. Louisiana 48420 126 180 47. Neu Mexiko 122580 317470 23. New York 49170 127 350 48. Oregon 146080 378 330 24. Nordcarolina 52250 135 320 49. Kalifornien 158360 410 140 25. Alabama 52250 135 32C 50. Texas 265 780 688340 3025 600 7 834130 Die ( Areale sind mit Einschlufs der Wasserflächen, aber ohne Küstengewässer gegeben. 106 1*16 Gebietsentwickelung der Vereinigten Staaten. der Zunahme der Staatengröfse von Osten nach Westen Hegt die Thatsache der kleinen Anfänge am atlantischen Rande und der immer ausgreifenderen l^mfassung l)eim Fortschreiten der Land- nahme bis zum Stillen Ocean. Zum Teil liegt auch das natür- liche Motiv des Schlechterwerdens des Bodens in derselben Richtung und der dünneren Bevölkerungen, die immer weniger Widerstand zu setzen vermochten. Die natürliche Gliederung macht sich dagegen in der Staatengröfse nur durch die Anlehnung an einige Küstenformen des atlantischen Randes geltend. Der Westen will durch die Raumgröfse seiner Gebiete Alter und Reichtum der älteren Staaten aufwiegen. Bereits sieht man dort auf die alten kleinen Räume herab. Wenn Oregon, Washington und Idaho als ein Komplex bezeichnet w^erden, der mehr als doppelt so grofs als Grofsbritannien und Irland, wird wohl jetzt noch hinzugefügt, dafs er 30 mal so grofs als Massachusetts. Dem Westerling traut man zu, dafs er in Sachen des Reiches wie in seinem Staate die weiten kühnen Auffassungen vertrete. Für die grofse Zukunft sieht man zuversichtlicher auf die Leute, die Chicago, Denver, Atlanta gebaut haben, als auf den Bürger des kosmopolitischen New York, des verständigen Boston, des fried- samen Philadelphia, die man als fertige geschichtliche Gröfsen behandelt. Das Gebiet der V. St. von Amerika ist hauptsächlich von zwei Stellen aus gewachsen, die im Beginn des 17. Jahrhunderts Stätten erfolgreicher Kolonisation geworden waren : Virginien und Neu-England. Zu dieser Zeit hatten zwar schon lange vorher andere Nationen in Nordamerika Fufs gefafst, besonders die Spanier und Franzosen in Florida und Carolina, diese kräftiger auch in Kanada, die Spanier mit dauerndem Erfolg endlich von Mexiko und dem Stillen Ocean aus in Kalifornien, Texas und Neumexiko. Alle diese Kolonien blieben aber früher Aveit hinter jenen englischen zurück, deren Wachstum sie innerhalb 2'/« Jahrhunderten unifalste und verschlang. England trat an der atlantischen Küste, auf die es durch die Entdeckungen der Cabot, Venetianer in englischen Diensten, seit 1497 ein Anrecht herleitete, zwischen beiden ein, indem es seit 1584 ernstliche, wieder- holte Versuche machte, eine Kolonie am S. Jamcs-Flufs zu gründen, l(j07 wurde eine bald wieder aufgegebene Niederlassung am Sadahoc im heutigen Maine und 1G20 bei egi'ei(lich, dafs eine so tief in die Rechte von MilHonen Menschen einsclineidende Einri(;htung eine unabsehbare Menge von Konflikten erzeugen mulste, sobald an ihr gerüttelt wurde, oder sie auclj nur bewegt wurde zu dem Ikhufe, sie fester einzupflanzen. Sie war ein ungemein breitvvurzelnder liaum, der droht, einen ganzen Die Gebietsentwickelung der Vereinigten Staaten. 1I5 Berghang zu Thal gleiten zu lassen, sobald man seine Wurzeln an- tastet. Der Abschlufs heftiger Streitigkeiten durch ein Kompromils, ein immer wiederkehrender Zug in den Kämpfen um die Sklaverei, j)i'ägt die Hilflosigkeit der PoHtiker des Nordens gegenüber einer Frage aus, die viele von ihnen weder mit ihrem pohtisphen Verstände, noch mit ilu'em einfachen menschüchen Gewissen bisher vollständig bewältigt hatten, von der man aber zunächst so viel wenigstens verstand, dafs sie nicht gelöst werden könne ohne die Zerreifsung der Union. Dieses richtige Gefühl überwog alle unklaren Bedenken. Auf diesem Stand- punkte war es vollständig unmöghch, eine Pohtik zu verfolgen, die weitsichtig die in der weiteren Entwickelung dieser Institution gele- genen Gefahren beschwor. Die Ent^vlckelung der Hilf squellen des Landes warf wii'tschaftliche Fragen auf, in denen dieselben geographischen Scheidungen von Norden und Osten gegen Süden und Westen auftraten. Eine von ihnen, die Tariffrage , hat neben der Sklavenfrage walu'scheinhch am meisten dazu beigetragen, die Risse zu erweitern. Die Notwencügkeit der In- ternal Improvements , Verkehrsbauten an Kanälen, Wegen, Flüssen und Küsten, Häfen u. dgl. konnte natürhch nicht bestritten werden in einem so weit ausgedehnten Lande, dessen Kulturmögüchkeiten und dessen pohtische Macht nur entfaltet werden konnten nach Über- windung der grofsen Räume, welche die Bewohner von einander trennten. Aber im Süden, wo der unvollkommene Stand des ganzen Wirtschaftslebens derartige Hilfsmittel entbehrlicher erscheinen liefs, entwickelte sich auf Grund der alten Staatenrechtsbegriffe die Op- position gegen das Recht der Centralregierung zur Ausführung öffent- licher Arbeiten innner mehr, allerdings mit der von der Macht der Thatsachen auferlegten Inkonsequenz, dafs man es für Hafen- und Flufslauf Verbesserungen , die man brauchen konnte , unter der Hand eher zugeben wollte, als für- Strafsen, deren man eher entraten zu können glaubte. In dem Kriege von 1812 — 1814 nötigte die Finanznot zu aufser- gewöhnhchen ZoUerhöhungen und die Industrie der Neuengland- Staaten erfuhr dadurch und durch die Unterbrechung des Verkehrs mit Europa, die der Krieg bewirkte, eine starke Förderung. Als der Verkehr wieder auflebte, fand sich die Reederei durch die hohen Warenzülle belästigt. Von 1820 an wurde die Tariffrage nicht mehr- von der Tagesordnung abgesetzt infolge der nicht rastenden Agitation für Schutzzölle seitens des sich immer mehr der Industrie zuwenden- den Nordens. Auch dieser Streit hat sich regioneil zugespitzt, denn die Pflanzerstaaten standen wie ein Mann für Freihandel, da sie aufser ihren grofsen Stapelartikeln für die Ausfuhr nichts erzeugten und für den gröfsten Teil der Gewerbserzeugnisse, teilweise sogar der 8* 116 Die Gebietsentwickelung der Vereinigten Staaten. Nahrungsmittel, die sie verbrauchten, auf Europa oder den Norden angewiesen waren. Der Westen stand ihnen fast eben so einig darin zur Seite, während dagegen im Norden auch in den Reedereistaaten der Schutzzoll an Anhang gewami. So wurden auch Freihandel und Schutzzoll regionelle Schlagworte. In den Beziehungen zu den amerikanischen Schwesterrepubhken, die nach der Verjagung der SjDanier vom Festlande sich in gröf serer Zahl in ]\Iittel- und Südamerika gebüdet hatten, trat das Über- gewicht der südlichen Interessen in äulseren Fragen hervor. In grofsen Angelegenheiten, die keine provinzielle Auffassung vertragen, wie die Unterstützung der neuen südamerikanischen Republiken, wur- den unklugerweise diese Interessen vorgeschoben. Wider die Teil- nahme an einem panamerikanischen Kongresse in Panama 1825 wurde gegen Monroe und Clay geltend gemacht, dals die V. St. nicht mit Staaten zusammen tagen könnten, die Neger zu Generalen und Mulatten zu Senatoren hätten, und deren Grundsätze hinsichthch der Rassenverschiedenheiten denen der V. St. entgegengesetzt seien. Man wies aus demselben Grunde jeden diplomatischen Verkehr mit Hayti zurück. In den Verhandlungen über den Fanama-Kongrels konnte sogar klar ausgesprochen werden, dafs eine Eroberung Cubas durch England oder Franki'eich für die V. St. weniger gefährhch scheinen könne, als eine Negerrepublik nach dem Muster von Hayti. Die aus- wärtige Pohtik der Gesamtheit der V. St. soUte also von der Rücksicht auf die Sklaverei im Süden bestimmt sein. Die nach innen wie aufsen in so hohem Grade folgenreiche Pohtik der V. St. gegenüber Mexiko war in erster Lime von dieser Rücksicht eingegeben. Man kann aller- dings nicht leugnen, dafs der breite Raum, den die Sldavenhalter für ihre den Boden aussaugende Plantagenwirtschaft immer von neuem fordern mulsten, zugleich von dem Ausdehnungstrieb geheischt wurde, der dem ganzen jugendkräftigen, unternehmenden Volke eigen ist. In irgend einer Form würde, man kann nicht zweifeln, die pacifische Hälfte Nordamerikas doch den V. St. zugefallen sein. Schon aus wirt- schaftlichen Gründen würde sich das als notwendig erwiesen haben, da die ^Mexikaner sich aufser Stande zeigten, ilire weiten Gebiete zu entwickeln, sie aber auch nicht von dem Einllufs der Nordamerikaner freihalten konnten. Seit 1821 wohnten Amerikaner in Texas und immer melir drängten nach. Während Mexiko die Sldaverei aufgehoben hatte, machten die Einwanderer aus den Südstaaten Texas zuni Sklavenstaat. 1835 unterzeichneten in Bahia oder Gohad 90 Nordamerikaner eine Unabhätigigkcitserklärurig. 18;JG wurden die Mexikaner in der Schlacht bei San lacinto geschlagen, und die tcxanische Unabhängigkeit ge- wonnen. Texas gab sich nun eine Verfassung nach dem Muster der Sklavenstaaten und suchte um Aufnahme in den Bund nach. Es Die Gebietsentwickelung der Vereinigten Staaten. 117 wurde zuerst abgewiesen und bKeb der »Lone Star State« bis 1845, wo es der Union 825000 qkm neues Gebiet brachte. Neben der Texas-Frage bewegte eine zweite territoriale Frage dieses Jahrzehnt. Das Gebiet von Oregon an der nördlichen pacifischen Küste wurde von England und den V. St. aus Gründen in Anspruch genommen, die auf beiden Seiten nicht stai'k waren. Die amerikanische Ein- wanderung wmxle von den dreifsiger Jahren an immer stärker, und man wünschte Oregon als Territorium zu organisieren. Endhch wurde durch einen Vertrag von 1846 nach vielem Kriegsgeschrei die Grenz- linie der V. St. bis zum Meere auf dem 49." verlängert. Es war ein Zuwachs von 300000 qkm. Über spätere Grenzstreitigkeiten in diesem Gebiet s. o. S. 58. Die Aufnahme von Texas führte zu dem ersten Eroberungs- kriege der V. St. gegen einen ebenbürtigen Staat. Von der Partei der Regierung wurde die Eroberung des »Grolsen Westens« als das letzte Ziel des zu führenden Krieges offen hingestellt; von den entgegengesetzten Parteien wurde der Krieg und sein Ziel eben so offen bekämpft. Indessen wai*en diese zur Zeit vöUig machtlos, und das um so mehr, als auch viele Männer aulserhalb der Parteien ein grofses Interesse der pohtischen und wirtschafthchen Entwickelung des Landes in der Ausdehnung bis zum Stülen Ocean erbhckten. Die Erfahrungen der seitdem verflossenen Jahrzehnte haben dieser Ansicht Recht gegeben. Hier wie auf anderen Punkten wurde die nach Er- oberung und Erweiterung strebende PoHtik der Südländer das Werk- zeug zur Herbeiführung von Zuständen, die nach der Natui* der m Frage kommenden Länder und Völker sich notwendig so gestalten mufsten. Die texanisch-mexikanischen Angelegenheiten nahmen einen raschen Verlauf. Im Kiiege 1846/67 wurden Neumexiko, Kalifornien und ein grofser Teil vom eigenthchen Mexiko erobert und im Frieden von Guadalupe Hidalgo erwarben die V. St. alle mexikanischen Ge- biete ö. von Rio Grande und n. von Chüiuahua und Sonora, die bis zur heutigen Grenze 1853 durch den Gadsden Purchase ausgedehnt wurden ; der Landzuwachs behef sich auf 1 350 000 qkm Die inneren Kämpfe der folgenden Jahre drehten sich hauptsächlich um die Frage der Einführung oder Nichteinführung der Sklaverei in diese gewaltigen Länderkomplexe. Schon 1849 trat Kalifornien als Staat, der die Sklaverei ausschloXs, ein. Als Entgelt für die Zulassung Kaliforniens und für die Freiheit der Wahl: ob freier oder Sklavenstaat, die Neu-Mexiko und Utah gelassen werden soUte, gewähi-te der Norden ein Ausheferungs und Jagdgesetz gegen flüchtige Sklaven, das der Sklaverei die Weihe einer nationalen Einrichtung verleihen sollte. Kansas wurde 1859 erst nach erbitterten Kämpfen zwischen Freiboden- und Sklavereimännern 118 Die Gebietsentwickeluns: der Vereinigten Staaten. als Staat aufgenommen. Die in dieselbe Zeit fallenden Versuche, neue Gebiete in Cuba, Nicaragua und San Domingo zu gewinnen, blieben erfolglos. Dagegen wuchs die Zahl und der Einflufs der freien Staaten besonders diu'ch die rasche Zunahme des Nordwestens zusehends. Als nach der Präsidentenwahl von 1860 Süd-Carohna sich durch ver- schiedene gegen die Bundesgesetze verstofsende Akte von der Union lossagte und die übrigen SMavenstaaten zu einem Konvente einlud, der am 8. Februar 1861 zunächst aus Süd-Carohna, Georgia, Florida, Alabama, ^lississippi, Louisiana und Texas (he Konföderirten Staaten von Ameiika bUdete, traten Nord-Carohna und Arkansas sofort, Vir- ginien, Tennessee, Missouri und Kentucky binnen kurzem bei. Nur Delaware und Maiyland blieben fern, jenes durch seine Kleinheit und nördhche Lage, dieses durch seine Lage im Rücken der Bundeshaupt- stadt auTscr stände, dem Norden entgegenzutreten. Als Missouri und Kentucky kurz nach Beginn des Krieges wieder abfielen, bheben also 11 Staaten in der Konföderation. Die Motive der Secession legten das Hauptgewicht auf die Handelspbhtik und che centrahsierende Tendenz des Nordens. Der Kampf gegen die Sklaverei gehört einem späteren Abschnitt des Bürgerkrieges an, dessen Schauplatz im Beginn die Grenzstaaten Älarylaiid, Virginien, Tennessee waren; die Entscheidung fiel nach vierjährigen Kämpfen am Mississippi, in Georgia und bei Richmond. Eine grofse Betrachtung aus geographischem Gesichtspunkt wird als die eingreifenden Veränderungen, die der Bürgerkrieg hervorbrachte, bezeichnen: die Schwächung des bisher die ganze innere Geschichte der Union bestimmenden regioneUen Gegensatzes zwischen Norden und Süden; die Aufhebung der Sklaverei; die Erteilung der pohti- schen Rechte an die Farbigen, wodurch nahezu 1 Mill. neuer Wähler geschaffen wurde; die Erhöhung des Ansehens der Union nach aufsen und innen durch k(msec|uente und energische Führung des Krieges und der diplomatischen Verhandlungen und damit Kräftigung des Nationalbewufstseins. Der Verlust von 800000 INIenschenleben durch Tod und Krankheiten ist durch Einwanderung rasch gedeckt worden, die trotz der nahezu vier Kriegsjahre im Jahrzent 1861 — 70 2\'a MiU. betrug. Mitten in der unruhigen Zeit des Wiederaufbaus der Union, der (hn-ch eine stehende Armee von 70000 Mann in den Südstaaten gestützt werden mufste, hatte noch 1865 die Unionsregierung die Zurückziehung der französischen Truppen aus Mexiko erzwungen. 1867 erwarb sie für 7 200000 D. die russischen Besitzungen im nord- amerikanisclien Amerika, die als Territorium Alaska der Union angegliedert wurden. Nach amerikanischer Berechnung sind damit gegen 1 5000000 qkm neues Gebiet gewonnen. Pläne zur Erwerbung der däiiisfhon Anfillrn und S. Doniingos wurden vom Kongrefs Die Gehietsentwickelnng der Vereiniorten Staaten. 119 abgewiesen. England mulste sich bequemen, für den Nordstaaten wäh- rend des Bürgerkrieges durch in engHschen Häfen ausgerüstete Kaper- schiffe zugefügten Schaden einen Ersatz von 15 Mill. D. zu geben. Die Frage der Grenze in der Fuca-Strafse wurde in demselben Jahre (1872) durch den zum Schiedsrichter gerufenen Deutschen Kaiser zu gunsten der V. St. entschieden. Grofse Werke des Friedens, wie die 1862 begonnene erste Pacific- Bahn , die schon 1869 New-York mit San Francisco verband , die Neueröffnung der Mississii^pi-Mündungen für die grofse Schiffahrt 1875, der gewaltige Fortschritt des Eisenbahnbaues überhaupt, der 1872 seinen Höhepunkt erreichte, — che fünf Jahre 1871 — 1875 vermehrten die Länge der Eisenbahnhnien um 60*'/o ; 1891 zählte man 275000 km — , das allgemeine Aufblühen der wirtschafthchen Anlagen beförderten alle die Neubefestigung des Bundes. Nach dem Kriege erreiclite die Ein- wanderung eine Höhe wie nie vorher; in den fünf Jahren 1871 — 1875 stieg sie auf 1 740 380. Wie nun erst die Kulturerwerbung des Westens durch Besiedelung und wii'tschaftlichc Ausbeutung mit Hufe der neuen Eisenbahnen, die heute vier atlantisch-pacifische Verbindungen hergestellt haben, sich vollzogen, wii-d in jedem der folgenden Ab- schnitte hervortreten. Die Steigerung aller Kräfte hat sich in der Pohtik einstweilen nur in einer Reihe von Akten geäufseri, deren Grundzug das Bestreben ist, die alten europäischen Einflüsse zurück- zudrängen und dafür neue amerikanische und pacifische Beziehungen ' zu schaffen. Die Erschwerung der Einwanderung, Verbot der Ein- wanderung der Chinesen für zehn Jahre [1882] und weitere Gesetze gleicher Richtung [1888] ; Verbot der Einwanderung von Verbrechern, Wahn- und Blödsinnigen, und öffentHcher Unterstützung Bedürftiger [1882] ; Verbot der Einwanderung von Kontraktarbeitern [1885], die Erschwerung der Einfuhr (Mc Kinley-Bill) 1890 und der Schaffung neuer europäischer Interessen, ferner in Süd- und Mittelameiika ge- gehören alle in diese Reihe. Zu diesen Erscheinungen gehören der panamerikanische Kongrefs in Washington 1890, che Opposition gegen den Bau des Panama-Kanals durch Franzosen, und die Neuaufnahme des Planes des Nicaraguakanales, die Versuche, bevorzugte Stellungen im Handelsverkehr mit amerikanischen und pacifischen Staaten zu er- langen, das Verbot der Fischerei und des Robbenschlags durch Fremde in der Berings-See. Blicken wir auf den merkwürdigen Wachstumsprozefs dieses kontinentalen Staates ziu-ück, so tritt uns der Beginn auf der Eiuropa zugewandten Seite als natürhche Folge seiner Entstehung als Ab- leger Europas entgegen. Anfänghch beschränkt dm-ch das Ostgebii'ge 120 Die Gebietsentwickelung der Vereinigten Staaten. aiif den in vielen natürlichen Beziehungen ausgezeichneten Strich zwischen dem Meere und den Alleghanies, zugleich geschützt und in dieser Beschränkung in anderthalb Jahrhunderten in Ackerbau, Han- del und besonders auch Seefahrt Kräfte sammelnd und den nationalen Charakter des heutigen Amerikanertums entwickelnd, greift mit der Unabhängigkeit der junge Staat über die Alleghanies hinüber und wächst in den sog. alten Westen hinein. 30 Jahre später folgt be- reits die Erwerbung des ]\[ississippi-Landes. Da durch ein merkwür- diges Geschick der ganze Westen keine Kolonie hatte in kräftiger Selbständigkeit aufblühen sehen, und da am Stillen Ocean die Spanier ebenso träge von Süden, wie die Russen von Norden sich heran- geschoben hatten, war der Weg zur Erwerbung der ganzen Südhälfte des Kontinentes von Meer zu Meer frei und das Auftreten als über- ragende pacifische Macht folgte naturgemäfs. Der gröfste Ocean, der frei ist von den Resten alter Abhängigkeit, die die amerikanische Sphäre auf der atlantischen Seite einengen, erscheint der neuen Generation der V. St. als der Schauplatz eines neuen Abschnittes der Geschichte, in dem die V. St. die leitende Rolle spielen werden. IV. Der Boden. Die grofsen Züge der Bodengestalt 121. Die Anlage zum Verkehr und das Übergewicht der horizontalen Entfernungen 122. Das Flufsnetz 123. Die Alleghanies als Schranke 127. Wege und Pässe im Hochland des Westens 129. Die Bodengestalt und die Verteilung der Bevölkerung 131. Gebirgsvölker 133. Bodenschätze in Erzen und Fruchtbarkeit 134. Die grofsen Züge der Bodengestalt. Bodenbau und Be- wässerung sind in Nordamerika massig und in grofsem Stile »large, simple and easily comprehensible« (Shaler) angelegt. Hier ist es leichter, die grofsen Züge des Landes zu erfassen, als die kleineren Unterschiede der untereinander sehr ähnlichen Land- schaften zu finden: das Gegenteil der Erfahrung, die man in dem auf Auseinanderhalten angelegten Europa macht. Darum sind schon lange die Vorstellungen von dem Baue Nordamerikas durch eine grofsartige Einfachheit ausgezeichnet, und der Auf- fassung, dafs das ganze Land ein grofses Thal sei, die A. de Tocqueville sogar näher zu begründen sucht ^), begegnet man bei Vielen, die über Nordamerika geschrieben haben. Sie konnte bis auf den heutigen Tag bestehen bleiben. Der atlantische Ab- hang, der pacifische Abhang, die zwei Längsgebirge und zmschen ilmen »das Grofse Thal« des Mississippi, das bleiben die Elemente unserer Vorstellung von dem Aufbau der V. St., auch wenn wir noch andere »grofse Thäler« im Alleghanysystem oder zwischen der Sierra Nevada und dem pacifischen Küstengebirge unter- 1) La Dömoeratie en Amörique I. p. 21. 122 r>i6 Anlage zum Verkehr. scheiden. ') Sie siud in den amtlichen Gebranch übergegangen. Im Census werden sie in der Darstellung der Verteilung der Be- völkerung verwendet. Der Census weist nach , dafs 1890 im Mississippi - Becken , das T o c q u e v i 1 1 e als den grofsartigsten Wohnplatz bezeichnete , den Gott dem Menschen geschaffen, 27,4 Millionen, also 43% der Bevölkerung der V. St. lebten, im ganzen Golfgebiete 52,7 , auf der atlantischen Abdachung 32,3, auf der pacitischen 3,4, an den Grofsen Seen und ihren Zuflüssen 11,2, und im gi'ofsen Becken 0,4% der Bevölkerung. Die Anlage zum Verkehr. In dem ganzen Lande östlich von den Felsengebirgen überwiegt die Anlage zur Verbind- ung weit die Tendenz auf Sonderung. Darin und zugleich in ihrer Vereinigung mit der Isolierung nach aufsen liegt der Gegen- satz zur alten Welt, welche die innere Gliederung mit der Fülle äufserer Beziehungen vereinigt. Die Natur hat groi'se durch- gehende Wege gewiesen. Und sie durchziehen weite Gebiete, die auch bei schwierigeren Verbindungen mit der Macht ihrer einheit- Hchen Natur zusammenstreben mui'sten. Man vergleiche Europa, von dessen Kern und Rumpf grofse un(j wichtige Gebiete wie die Pyrenäen-, Apenninen- und Balkanhalbinsel, die Britischen Inseln und Skandinavien abgeschlossen sind. Im Gebiete der V. St. ist kein ähnlicher Fall zu verzeichnen mit Ausnahme der Absonde- rung aller nach dem Stillen Meere zu gelegenen Staaten und Territorien durch Gebirg , Hochebenen und Steppen. Und wohin sollten die Sondergebiete sich neigen, wenn sie auseinander- strebten? Kein Afrika und Asien, wie in Europa, übt aus gröfster Nähe seine Anziehung ; zwischen den beiden gröfsten Meeren sind sie aufeinander angewiesen. Im atlantischen Tief- und Hügelland, 1) Solche allgemeine Versinnlichnngen dürfen natürlich nicht z\i sehr iiiH Einzelne gehen ohne mit dem wissenschaftlichen Streben nach Schärfe der V^^rstellungen in Konflikt zu geraten. Noch 1835 konnte M. Ciie valier aus wirtschaftlichem Gesichtspunkte die V. St. mit einem zweilungigen Or- ganismus vergleichen (Lettres sur l'Am^rique d. N. 11. 32), dessen Wirbel- Hilule die Alleghanies, dessen TTauptkontouren Mississippi und Atlantischer Ocean und dessen Atemtiffnungen N(!w York und New C)rleaiis seien. Das ist (diensowold mrihsclig als ungenau. Heute kciinitc man sie nur noch etwa unter dem r.ildc cincs üusammengosetzten Organisnnis auffassen. Der Verkehr im Mississippibecken. ^23 das von New Jersey bis Florida einheitlich bedingt ist durch das Verhältnis der Alleghanies zum Meer, finden die Längslinien des Verkehres so wenig Hindernisse, dafs man den Schnellverkehr Havana — New York über Tampa heute in fast gerader Linie leitet. Ein gleich grofses Gebiet, von 80000 Q.-M., wie von den Felsen- gebirgen, dem Golf von Mexiko und dem Atlantischen Meere begrenzte, ist mit solchen Verkehrsbedingungen in Europa, Asien und Afrika nicht zu linden. Nur Südamerika ist zwischen den Anden und dem Atlantischen Ocean ähnlich günstig für den Yev- kehr geartet. Wie weit der Verkehr eines Landes durch die Natur des Bodens begünstigt wird, messen wir an der Anlage seiner Wege. Je gerader, d. h. je kürzer die Hauptadern des Verkehrs laufen, desto günstiger mufs der Boden für sie liegen. Verfolgen \nr die Linien zwischen den Alleghanies und den Westgebirgen, sie haben oft einen fast geometrischen Verlauf, die Paciticbahnen entfernen sich, nachdem sie einmal das Alleghany-Gebirge durch- messen haben, auf weiten .Strecken erstaunlich wenig von der kürzesten Verbindung zweier Punkte und wo, wie bei der Linie Savannah — El Paso jenes Hindernis nicht mehr in Frage kommt, da haben wir eine fast ideale Verbindung. Ahnlich sind die sie kreuzenden grofsen Meridionallinien Chicago — New Orleans und Cincinnati — Mobile. Die Dampfer des Mississippi gehen einerseits auf dem Mis- souri bis über die Mündung des Yellowstone hinaus, man kann also sagen bis zum Fufse des Felsengebirges, andererseits gelangen sie im Ohio bis nach Pittsburg, also bis in das Herz der Alleghanies. Die leichteste Verbindung über dieses Gebirg nach dem Atlanti- schen Ocean überschreitet in der Mohawksenke nur die Höhe von 54 m und steigt dann in den Hudson hinab, der unter Albany schiffbar wie ein Meeresarm wird. Kein Gebirge Deutschlands oder Frankreichs zeigt bei solcher Höhe eine so tiefe Lücke. Sechs Schienenstränge und ein Kanal machen diese Senke zu der Strafse des lebhaftesten Verkehres in ganz Amerika. Ebenso ist die Verbindung des Mississippi mit ctem Michigan-See über einen fast flachen Landrücken weg, ohne alle Schwderigkeiten. Ein Kanal verbindet in dieser Richtung schon längst das System des 224 I^^i" Verkehr im Mississippibecken. Mssissippi mit dem des St. Lorenz, so dals man sagen kann, dafs die Osthälfte dieses ganzen Abschnitts eigenthch wie eine Insel auf allen Seiten vom Wasser umgeben ist — vom Atlantischen Ocean im Osten, vom Golf von Mexiko im Süden, vom Mississippi im Westen, von dem »Süfswasser-Binnenmeer« der Grofsen Seen und dem St. Lorenz im Norden. Kleinere Seeschiffe kommen bis nach Chicago und Dampfer von 2000 T. gehören zu den gewöhnlichen Erscheinungen auf dem Mississippi. Die Hauptader ist aber der Mississippi. Die Schiffbarkeit der Hauptarme dieses Stromes reicht bis in die Alleghanies, die aus Süd, Ost und West grofse Flüsse, teils dem Ohio, teils dem Mississippi selbst zusenden — Kentucky, Tennessee, Cumberland gehören zu den Lebensadern des Landes — bis an den Fufs des Felsengebirges und bis nahe an die Nordgreuze der Union. Mit dem Ohio und Missouri zu- sammen bildet er zwei grofse Grundlinien des Verkehres, eine nord-südhche und eine west-östliche, die sich bei St. Louis fast in rechtem Winkel schneiden. Dieses vierfache Zusammentreffen zwischen St. Louis und Cairo schafft eine der geschichtlich be- rufensten Stellen im Inneren des weiten Gebietes. Der Illinois, kanalisiert bis zum Michigan-See, bringt bei St. Louis die Verbin- dung mit den Grofsen Seen hinzu. Mit allen seinen Nebenflüssen zusammen hat man ihm eine Schiffbarkeit von 25000 km zu- geschrieben. Wenn irgend ein Strom, so verdient es dieser, die Lebensader des Landes zu heifsen, das er bewässert. Zwar ist ihm für jetzt durch das überwiegende Bedürfnis nach möglichst raschem Verkehr und Umsatz noch nicht die grofsartige Funk- tion zugefallen, für die er zweifellos bestimmt ist. Der Warenzug nach der atlantischen Küste hat es sogar vorgezogen, in einer Reilie von direkten west-östlichen Eisenbahnen die Alleghanies zu überschreiten, statt den Stromweg nach dem Golf von Mexiko auf- zusuchen. Indessen hat die Natur in diesem Stromsystem zu günstige Bedingungen geschaffen, als dafs der Verkehr nicht zu ihrer Ausnützung zurückkeliren sollte, unter dem Bedürfnis billi- gerer Beförderung oder durcli technische Vervollkommnungen.^) 1) 1892 bildete sich in S. Louis Mo. eine Mississippi River and Ocean Navigation Co., die mit doppelkieligen Dampfern Fahrten zwischen S. Louis Der Flufsverkehi-. 125 Die grörseren texanischen Flüsse, die man noch in dieses Gebiet rechnen kann , sind so wenig schiffbar , daf s sie wenig ins Ge- wicht fallen. Nur der Trinity R. (Galveston) bietet etwas günsti- gere Verhältnisse und im Rio Grande sind Dampfer bis zur Pecos- Mündung gegangen; aber die Mündungen von allen diesen Ge- wässern neigen zu einer Verschlammung , die sie von der See her schwer zugänghch macht. — Auch im Kiiege schuf der Flulsreiehtum diesem Lande eine Geschichte eigener Art. Die greisen uatürhchen Grundlinien des Ver- kehres verloren im Kiiege nicht ihre Wii'ksamkeit, die Erleichterung des Verkehres kam auch den Bewegungen und der Versorgung der Armeen zu gute; aber nun kommen auch der »Schutz und die Hem- mung ins Spiel. Die grofse Eigentümhchkeit des Bürgerkrieges hegt in der Verbindung der Land- und FluLskämpfe; die Versorgung der Armeen durch Transportflotten von Flufsdampfern, die Bombardements der Uferplätze durch Kriegsschiffe, Schiffskämpfe auf den Flüssen sind nie vorher in solchem Mafse vorgekommen. INIitten in den grofsen Hin- und Herzügen der Armeen schafft die Unmöghchkeit , sich weit von den Flüssen zu entfernen, eine Reihe von festen Linien. Und daher fiel zuletzt die Entscheidung dort, wo die drei Flufsschiffahrts- und Eisenbahngebiete des einstigen Kiiegsschauplatzes zusammentreffen, das atlantische, das des Ohio und des Tennessee; da lag der entschei- dende Punkt, die emzige Linie der Verbindung zwischen allen dreien, Atlanta-Chattanooga. Daher die Bedeutung Atlantas in den Feldzugs- jahren 1864/65. Im einzelnen aber gewannen beim Mangel an Strom- engen und -schnellen leichte Erhebungen der Ufer, die den Strom beherrschten, die gröfste Bedeutung. Dafs im Bürgerkrieg die Nach- richten über die Wasserhöhen des Tennessee u. a. zu den wichtigsten Nachrichten vom Kiiegsschauplatz gehörten, erinnert daran, dafs An- schwellungen, besonders in der niederschlagsreichen Alleghany-Region, Flüsse in km'zer Zeit um 20 m steigen machen, und das Gebiet der Schiff alnt plötzhch und in gewaltigem ]\lalse sich erweitern lassen. Dafs in der Gröfse der Höhen- und Formverschiedenheiten des Bodens das Mafs der Wasserkräfte gegeben ist, vnid sich einst in der Verteilung der Industrien über das Land zm* Geltung brmgeii. luid den Golfhäfen eröffnen wollte. Für Dampfer von 1000 T. sollte der Tiefgang von 8 F. im Flusse auf 18 F. im Golf durch Niederlassen eines zweiten Kieles erhöht werden und man glaubte, die Entfernung von nahezu 500 geogr. M. zwischen 8. Louis und Veracruz in sieben Tagen zurücklegen zu können. 226 I^i^ Wegsamkeit des Steppenlandes. Auch auf dem Wege vom Mississippi westwärts liegen nicht in der Bodengestalt die Schwierigkeiten, denen in der Zeit der Auswandererkarawanen nach Kalifornien und Oregon zahlreiche Opfer fielen. Bilden doch die Thäler des Missouri, des Platte R. und des Arkansas ebensoviel natürliche Bahnen, an die zuerst die Auswandererstrafsen und später die Eisenbahnen sich an- schlössen. Sie füliren bis hart an das Gebirge hin oder in das- selbe hinein. Die von Westen her in den Mississippi und Missouri mündenden Flüsse erscheinen in einem allgemeinen Überblick als unschiffbar, aber ihre Rinnen sind naturgewiesene Wege. Kansas, Nebraska und die Dakotas sind daher fast ganz nur »Eisenbahnstaaten« . Die Entfernungen und die Dürre sind hier die Feinde und darin hegt auch die Sonderung zwdschen dem Mississippibecken und dem fernen Westen. Wer vom Mississippi an durch 15 Me- ridiane die schiefe Ebene bis zum Gebirgsfufs ansteigt, sieht den Pflanzenwuchs ärmer und kleiner werden und befindet sich end- lich inmitten der Steppenebene der Plains. Mit dem 105.® steht er über 1 500 m mitten im wüstenhaftesten Gebiete , das diesseits des Gebirges zu finden ist, wo Sandflächen und Salzwiesen aus der dürren grauen Steppe auftauchen. Man hat in der Umgebung der Nordliälfte des Kaspisees und in der westlichen und südlichen Mongolei, bevölkerten und zinn Teil oasenhaft wohlbebauten, aber steppenhaften Gegenden, die Parallele gesucht für diese Region, in die die Kultur seit dem Bau der Pacificbahnen energisch, aber mühsam und zerstreut und nicht ohne Rück- schläge vordringt. Das Leben nimmt hier einen nomadischen Charakter an. Die Rinder- und Schafherden der »Ranchers« machen weite Wege von einem Futter- oder Wasserplatz zum andern. Es kommt vor, dafs sie in einigen Wochen von Oregon l)is New Mexiko ziehen und ihre Hirten leben unter Zelten oder in bedeckten Erdgruben. Im nalien Gebirge konmit in beschränkten Gebieten dmvli das Zusammentreffen einer gröfseren Zahl von Kämmen und (iipFeln die alpine Natur mit dauerndem Firn, beständig IHelscndem Wasser und einer Vegetation, die hoher Lage und zureichender Feuchtigkeit entspricht, zum Durclibruch. Die Gebirgsschranken. J27 Aber die Sandmiste des Pecos und des S. Luis-Flusses im nörd- lichen Neu-Mexjko, die Laramie Plains, die Sage Desert im Gebiet der Missouri-Quellen und all die zahlreichen ähnlichen Gebiete, dem Plateau, der breiten Basis des Gebirges, die überall hervor- tritt, angehörig, sind viel bezeichnender für den allgemeinen Natur- charakter des westlichen Hochlandes als die Föhren wälder, Firn- flecken, kleinen Gletscher oder Alpenmatten der Park-Range oder Windriver-Gruppe. Die Gebirgsschranken. Die Bodengestalt der V. St. wird bei uns häufig auf ihre sondernden Wirkungen angesehen, wenn man von der Ansicht ausgeht, dafs auch sie, dem Beispiel Alt- Europas folgend, notwendig einmal in eine Anzahl von selbständigen politischen Existenzen zerfallen müfsten, die, wie bei uns, besonders von der Bodengestaltung und den grofsen Flufsläufen bestimmt würden. Man trägt da Erfahrungen des europäischen Lebens, das die Vorteile der Sonderung kennt, auf Amerika über, wo die Notwendigkeit der Zusammenfassung erkannt ist. Dem politischen Geographen drängen sich solche Betrachtungen nicht in erster Linie auf. Die Neue Welt ist in so vielen Beziehungen mit Er- folg neuernd aufgetreten, dafs vielleicht auch das vermeintliche Gesetz der notwendigen Zerfällung grofser Staaten im Laufe ihres Wachstums von ihnen nicht überall erfüllt werden wird. Völker, deren Jugend in die Zeit des Verkehres mit Dampf und Elektrizität fällt, geniefsen jedenfalls eine einigendere Erziehung, als unsere europäischen Staateugründer. Noch überwiegt das Bestreben auf Exi)ansion jedes andere. Es liegt ein geographisches Versehen in dem Schlufs von kleinen auf grofse Räume. Man vergifst, dafs, auf die weite Fläche verteilt, die Schwierigkeiten der verti- kalen Erhebungen sich in demselben Mafse vermindern werden, wie die der horizontalen Distanzen zunehmen. Nicht in der Übersteigung von Schranken, sondern in der Bewältigung von Entfernungen liegen hier die grofsen Aufgaben und diese nehmen gleichsam jene in sich auf. Vom atlantischen Rande bis wo bei 1800 m der Fufs des Felsengebirges auf der Steppenhochebene rulit, hat sich die Ausbjieitung der Völker und die Staatenbildung immer nur kurze Zeit gehennnt gesehen. So wie einst die nörd- 128 I^i^ geschichtliche Bedeutung der AUeghanies. liehen Algonkin, trotz des Keiles der Irokesen, vom Ocean bis zum Hochgebirge salsen, wohnen heute die Weifseu und berühren sich erst im Gebirge mit freien Resten der Indianer. Die AUeghanies boten der gescliichtlichen Bewegung keine Fels- oder Eiswüsten, nur Wälder; ihre Oberfläche ist bewohnbar und nutzbar und an einigen Stellen ist die Überschreitung oder Umgehung der Erhebungen erleichtert. So wie der innere Bau und die Physio- gnomie dieses Gebü'ges an den Jm-a erinnern, gemahnen auch die um die Längsfalten sich schlängelnden Übergänge und die breiten Hoch- thäler an das schweizerisch-französische Grenzgebirge. Nur als die Bewaldung ununterbrochen über sie wegzog, nm* von den schmalen 'Wüd- und Indianerpfaden durchzogen, waren sie ein ernstes Hinder- nis durch ihre breite Masse , nie durch die Höhe ihrer Erhebung. Sie sind aber mit ihrer Meridiam-ichtung keine Khmascheide, üire beiden Abhänge sind den Einflüssen von Süden und Norden gleich zugänghch und nm- durch die unmittelbaren Whkungen der Erhebung gewinnt das Gebirge klimatische Eigentümüchkeit. Die gröfste und zusammenhängende mittlere Erhebung hat auch im vorigen Jahr- hundert, verstärkt diuch den unterholzreichen unabsehbaren Wald für ein mächtiges Hemmnis gegolten. In ihrem Schutze haben die Kolonien von Vii'ginia und den Cai-ohnas sich ruhiger entwickeln können, da die Indianerstämnie am Ostabhang der AUeghames klein waren. Aber dieses Waldgebii-ge von 500 km Breite und 4 mal so grofser Länge hat auch die Konzentration der Ansiedler auf das Küsten- land, üire maritime Entwickelung und üuen Wohlstand gefördert. Der grofse politische Wert des S. Lorenz und Mississippi lag in der Schwierigkeit, dii-ektere Wege vom atlantischen Ocean ins Innere zu flnden. Washington und Jeöerson erkamiten in den ersten Jahren der Union die Gefahr der Ablenkung des westlichen Handels in che Seen oder den Mississippi und legten in der Potomac-Kompagnie (1784) früh den Keim zu den grofsen Weg- und Kanalbauten, die im Anfang unseres Jahrhunderts die Alleghaniesschranke überwandt. In den letzten zwei Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts flössen die Ströme der Ansiedler doppelt rasch, fast ungehemmt durch die oberen Thäler des l'otomac und Mobawk , auf den Westabhang Innüber und den Oliio und Kentucky hinab in das weit offene Mississipi^ibecken. Das zeitliche Eintreten und die Richtungen dieser Züge bestimmte der Bau des (jebirges, das von Virginien aus im Shenandoahthal am leichtesten zu überschreiten war. Daher das frühe Übergewicht Virginiens. Der Mohawkweg konnte, teils der Indianer wegen, erst später so gangbar gemacht werden, zeigte aber dann den grofsen Vorteil seiner tiefen Senke, im Verhältnis der Gangbarkeit der Mohawksenke und der Der Verkehr über die Westgebirge. 129 Schwierigkeit der Gebü'gswände von Pennsylvanien und Westvirginien drang dort die Kolonisation rascher vor und blieb hier zui'ück. Später trat der wichtige Pafs des Cumberland Gap., über den die Bahn nach Knoxville Tenn. führt, und auf dem che Gebiete von Virginien, Nord- Carohna und Tennessee zusammenstofsen, hervor. Die schmale Wasser- scheide zwischen Ocean und Golf, auf der die Quellflüsse des Savannah mit denen des Hiawassie und Tennessee sich gleichsam vei-flechten, legte auch den Gedanken eines Kanales über die S.-AUeghanies durch Rabun Gap (Süd-Carohna) nahe. In kleinem Mafse haben an dieser Stelle Ableitungen aus dem oberen Tennessee in den oberen Savannah stattgefunden. Die gröfste aus diesen Ungleichheiten hervorgehende Erscheinung ist sicherhch die frühe Besiedelung des Ohio- und süd- lichen Seengebietes, die den Westen, der jetzt der alte genannt wird, schnell über den Süden hinauswachsen hels. Im Hochland des Westens treten uns durchaus grölsere Verhältnisse entgegen. Aber es liegt auch hier mehr sondernde Kraft in den Hochebenenwüsten als im Gebirgsbau selbst. Die Pässe der Gebirgsbahnen des Westens lassen sich mit denen der Alpen vergleichen: Evans-Pafs 2360, Süd-Pafs 2290, Lewis and Glarkes-Pafs 1880, Flathead-Pafs 2320. Vom mittleren Missouri her führt durch das Quellgebiet des Platte-Flufses der von Fre- mont entdeckte Pals, der von grofsem Nutzen für die West- wanderer war, die seit Ende der dreifsiger Jahre nach Oregon strebten und die Sicherung des Besitzes dieses Gebietes für die V. St. erleichterten. Durch das Gebirge hindurch ist von der Natur am deutlichsten der nördlichere Weg über den Lewis and Clarkes-Pals von dem Missouri- ins Columbia-Thal vorgezeichnet. Weiter im Süden folgt die erste Pacifikbahn einer Oasenkette, deren Hauptpunkte durch den Evans-Pafs, den grofsen Salzsee, den Humbold-Flufs und den Suminit-Pafs bezeichnet werden. Endlich führen noch weiter im vSüden aus dem Thal des oberen Rio Grande, von Santa Fe und El Paso ab, zwei von Natur gang- bare Straf sen in südw^estlicher Richtung nach dem unteren Colo- rado. Innerhalb der grofsen Erhebnngsmasse des Westens kann als Milderung der natürlichen Verkehrsschwierigkeiten die starke Vertretung der Hochebenen bezeichnet werden und das vorzügHch in dem Gebiete zwischen Columbia und Colorado. Aber gerade auf ihnen breitet sich die Wüste in ihrer menschenfeindlichsten Katzel, Die V. St. von Amoriku. " 130 r)<^r Verkehr ülier die Westgebirge. Gestalt aus. lu der südlichen Hälfte des Colorado-Gebietes schafft dagegen die überwiegende Canonform der Thäler ein tief- und steil- zerschnittenes Gebiet mit den ungünstigsten Bedingungen für allen Aveitergehenden Verkehr, und zwischen diesem Teile und dem Stillen >\Ieer ist die Mohave- Wüste ein durch ihre Wasserarmut schwer begehbares Gebiet, durch das aber dennoch die Eisenbahn zwischen Süd-Kalifornien und dem Colorado-Gebiet führt. Dafür ist der Colorado trotz seiner Wasserarmut durch seine schmale und steile llialbildung für die Schiffahrt in grofser Länge geeignet. Viel wechselnder und einflufsreicher als einzelne Einschnitte sind die horizontalen Dimensionen, auf deren Breite man noch den Mangel menschlicher Wohnstätten projizieren mufs, um die Schwierigkeiten des Verkehres über diese Erhebung, die 10 mal breiter als die Alpen, zu verstehen. Bestimmen wir die Erhebungen über 1500 m als eigentliches Gebirge, so liegt dessen breite Masse in den 10 Parallelen zwischen 33 und 43°. Im Süden haben wir die Auflösung in Mesas und Vulkangruppen, zwischen denen die Süd-Pacitikbalm ihren Weg sucht, im Norden den tiefen Einschnitt der nördlichen Missouri-Arme und des Columbia, welcher der Nord- Pacifikbahn Wege öffnet, die nur den fünften Teil so weit wie die der Central-Pacifikbahn durch eigentliches Gebirge führen. Die nächsten Jahrzehnte werden diese Verbindungen sich vermehren, und damit den Wert der nördlichen und südlichen Einschnürungen des Gebirges sich ungeahnt steigern sehen. Die langsame Ent- wickelung der paciHschen Gestadeländer wird in den Verkehrs- schwierigkeiten gesucht. Daher die Hoffnung, durch die Lösung von Verkehrsproblemen das Tempo zu beschleunigen. Die wach- sende Welle des Verkehres wird nun voraussichtlich durch die nördHchen Striche sich innncr breiter ergiel'sen, in denen eine dichtere Bevölkerung als im ül)rigen Gebirgsland sich entwickelt, vnid denen das oceanisch aufgeschlossenste Land, der V. St. am Stillen Ocean, Washington, mit den leichtesten Wegen zum Meere winkl Das übei'iill sidi durchdrängende Element der Hochebene vorniiiKlert die (IclälJe, vermehrt aber auch Dürre, Ode und Menscheniuiiiul. Die Gebirge senden die Schmelzwässer ihrer Schneefälle und i'^irnflecken — nur wenige und kleine Gletscher Die Verteilung- der Bevölkernno; in Hfihenzonen. 13 1 läfst die Trockenheit des Klimas aufkommen — herab, aber ihre Macht reicht nicht weit in die wüstenhafte Hochebene und ganze Staaten ^-ie Nevada bleiben wesentlich Wüste. Ein besonderes Gebiet unter den pacifischen bildet Kalifornien mit seinen zwischen Sierra und Küstengebirge eingeschalteten langen und breiten Thalbecken des San Joaquin und Sacramento. Diese Flüsse sind in erheblichem Mafse schiffbar und ihre Tlial- niederungen bieten eine fast hindernislose Naturstrafse vom Süd- ende des Cascadengebirges bis zum Fufse des Tejon-Pafses. Da- gegen erschwert der rauhe Gebirgscliarakter Nord- Kaliforniens den Verkehr mit Oregon, dem selbst heute nur eine einzige Eisen- bahn zur Verfügung steht. Der Columbia ist wegen seiner Strom- schnellen nicht höher als 180 km von der Mündung schiffbar. Zu den grofsen Plänen zur Hebung des Westens gehört daher ein Kanal um die »Dalles« des Columbia und auch ein anderer zur Verbindung des Washington-Sees mit Puget-Sund. Die Verteilung der Bevöll(erung in Höhenzonen. Da ungün- stige klimatische Verhältnisse in Nordamerika mit der gröfsten Massenerhebung zusammenfallen, kommt die "Wirkung der Höhe in der Volksverteilung nicht rein zum Ausdruck. Aufserdem liegen die gröfsten und ausgedehntesten Höhen im Westen fern von den Ausgangspunkten der Entwickelung der V. St. und erst seit wenigen Jahrzehnten ist die westwärts schreitende Welle der Bevölkerung bis zu ihnen vorgedrungen. Es liegen also mehr klimatische und geschichtliche als Gründe der Höhenverhältnisse darin, dafs drei Viertel der Bevölkerung unter 1000 engl. F. , und nahezu 990/0 unter 5000 engl. F. leben. In der Thatsache, dafs 16,6 "/o unter 100 F. leben, und dafs diese Zahl seit einem Vierteljahrhundert sich kaum geändert hat, während zwischen 100 und 500 22,1, zwischen 500 und 1000 38,2 "/o und zi- schen 1000 und 1500 F- 15 % leben , spricht sich die Gröfse und der langsame Fortschritt der Ausnutzung der dünnbewuhnten Tiefland- striche am südatlantischen und Golfgestade und die teilweise auch in den Geßundheitsverhältnissen begründete Bevorzugung der »Piedmont- Region« am Fufse des Gebirges') deutlich aus. Dafs unter diesen Zahlen 1) Fall Line bezeichnet an der südatlantischen Küste die Grenze zwi- schen der Felsregion der AUeghanies und dem Schweniniland ; das Hügel- land an dieser Grenze ist die Piedniont-Regiun. 132 Die Verteihing der Bevölkerung in Höhenzonen. nur die für 1000 bis 1500 F. eine erhebliche Vermehrung seit 1870 zeigt, läfst die Zunahme der Kultm- auf den westhclien Prärien er- kennen, die vorwiegend in diese Höhe fallen. Das Gleiche gilt für die Zunahme auf 3,7% der Bewohner der Stufe 1500 bis 2000, und auf 1,8 "/o derer von 2000 bis 3000 F., denn in diesen Stufen liegen hauptsächhch die Grenzstriche zwischen Prärie und Steppe. Wenn i:.F. = i I i i i i I = i 1 1 c c s c s O U5 3 C 05 05 S 5 J , / \ / \ a s a 9 a u 9 / \ / , ^ \ / / \ \ / / \\ / _; ■ \ ' \ \ / / ,'■ \\\ / / / ,.' \\\ / , / \ \\ \ > / / / : \ / \ \\ \ \ \V ^* \j ,.\, "-■-v~5s •===5? —.■■■--;— Tssssm. -,-^,w^ sSEsna Bevölkerung v. 1890 Bev.von 1830 Bev. von 1870. FiK. '.t. Die Höhenverteilnn^- der BeA-ölkernns'. :iuf den vier Stufen von 30(X) bis 7000 0,(50, 0,47, 0,78, 0,25 7o wohnen, so konmit darin (Ue Lage der wenigst bewässerbaren Stej)|»cii und Wüsten zwischen 4000 und 5000 und der grosse Wasser- reiclituni der nächsthöheren Stufe, welche die am Fufs der (Jebirge heraustretenden Flüsse und Quellen umfafst, sowie (He liohe Lage der Gold- und Silberbergwerke in den Westgebirgen zum Ausdruck. Nur (Hcscn gehören endlich i\\v (),:M) über 7(XK) F. an. 1870 lebten über 2(KK) F. 2,2, 18i)0 4,3"/..; ob dieses urs])rünglich vom b\Tgl)au bedingte Iliiiiiufsteigen si(^h noch lang(> fortsetzen wird, hängt von der Aus- dehnung der künsthchen Bewässerung al). Ein Hlick aul' eine Dichiiokcitskarto der lieviUkcrung der V^ St. läfst die L!,i'olsen orogniphisclieii Ursaclien unolei(;lier Ver- teihing in «hcscni so einrach ücbauten Lande deutlich erkeinien. Gebirgsvölker. ] ;J3 Die Aiihäut'img findet man an den Küsten, in den Flulstliäiern, in der fruchtbaren Zone des lohnendsten Ackerbaues zwischen 43 und o7 ° n. B. , an den Gebirgsrändern ; die geringe Dichtigkeit in den Gebirgen ■ — ■ der Zug der Alleghanies vom Alabama bis zum St. C'roix tritt so klar wie auf einer Höhenschichtenkarte hervor — in den nordischen Urwaldgebieten von Maine, Michigan und Minnesota, die teilweise noch leer sind, in den Sümpfen des Südens und den Steppen und Wüsten des fernen Westens. Und schon glaubt man vorauszusehen, wie dereinst ein Gürtel dichtester Bevölkerung von Boston und New York durch die Mohawk- Senke über Chicago zum Mississippi-Thal und in diesem abwärts bis zum Golf von Mexiko ziehen wird. Dieser Gürtel wird die Höhe von 200 m fast an keiner Stelle überschreiten. Gebirgsvölker. Langsam zieht sich mit zunehmender Verdich- tung die .Bevölkerung in die Gebirge, rascher im Westen, wo die Vorzüge des feuchteren Höhenklimas entscheidend in die Wage fallen, als im Osten, wo der gebirgigste unter den älteren Staaten, New Hampshire, in den letzten Jahrzehnten seine Thäler veröden sah. Nur die Längsthäler der mittleren Alleghanies, durch die einst die belebtesten Wege vom atlantischen Rand in die Thäler des Kentucky und ^Mississippi führten, sind seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts in der Besiedelung innner mehr fortgeschritten. Die meisten E^inwanderer kamen aus Tiefländei'u , besonders die enghschen, und mieden die Gebirge. Noch hat sich kein achtes Gebirgsvolk ]ierausgebildet. Nur im fernen Südwesten wohnen an den Wänden und Schluchten der Mesas von Neumexiko und Arizona kleine Indianergruppen »C'liö'dwellers« , deren P^xistenz engst mit dem Gebirge verknüpft ist. Die Entwdckelung von Bevölkerungen, wie des Schwarz waldes oder des bayerischen Waldes (»die Waldler«) oder der schottischen Hochlande wird erst kommen. Auch die Anfänge alpiner Viehzucht im nördlichen Felsengebirge sind erst klein. Die herrlichen W^aldgebirge im nördlichen Maine und Wisconsin gehören einstweilen noch zu den weifsen Flecken auf der Bevölkerungskarte der V. St. Die durch Einfachheit und Rauhheit ausgezeichnete Bevölkerung der »Lumbermen« zieht sich meistens vor dem Winter aus dem Walde zurück. Die J34 I^iß Bodenschätze. Bergleute, die in den Hochthälern von Colorado pder Moiitcina in 3000 ni wohnen, haften noch seltener an die Scholle. Nnr in einem Teile des Ostens und zwar im Süden der Alleghanies, hat eine Gebirgsbewohnerschaft eine grofse geschichtliche Aufgabe in der Entmckelung der V. St. gelöst, die ihr eben aus der Natur ihrer AVohnstätten erwachsen ist. Die Sklaverei ging überall mit Tabak und Baumwolle. In den Südstaaten hat sie Halt gemacht vor jenen Höhen, die halb Virginia und Nord-Carolina und beträcht- liche Teile von Süd-Carolina, Georgia und Alabama, Tennessee und Kentucky erfüllen. Hier herrschte der kleine Farmer, wie im Norden, und es gab manche Grafschaft, wo ein Neger eine Seltenheit Avar. Als die Trennung zwischen Nord und Süd sich voll- zog, wohnte in diesem breiten Hochlandstreifen eine mit wenig Negern gemischte Bevölkerung, ein Vierteil der weifsen Bevöl- kerung des Südens , die geringe Sympathien für die Sklaverei und die Losreissung hatte und aus deren Mitte , besonders in West-Virginien, Kentucky und Tennessee, Scharen von Kämpfern in die Lager des Nordens zogen. Die Sache des Südens wurde nicht nur durcli die Zerlegung des Kriegsschauplatzes in zwei Hälften durch die Alleghanies geschwächt, sondern ebensosehr durch den Keil einer unsüdlichen Bevölkerung, die in diesem Gebirge sich bis ins Herz der Konföderation zog. Den Weifsen der Alleglianiehöhen ist vor allem die Erhaltung Kentuckys und West-Virginiens beim Norden zu danken. Und heute haben am wenigsten von der Über- liandnahme der Neger diejenigen Südstaaten zu fürchten, deren Boden zu einem grofsen iPeile gebirgig ist. Die Schätze des Bodens und die Fruchtbarlüclite dieses Bodens zu einer reichen Kultursaat, die das junge Land mit ])lühenden Städten und Anstalten der Bildung und Woliltliätigkeit sich bedecken liefs. Die natürlicljc Frucht])arkeit des atlantischen Gebietes ist vi*'l geringer. \\\\ Norden tritt das eisschuttbesätc Gebirg un- mittel})ar ans Meer. In Neu-England ist vielleicht nur ein Drittel Die Fruchtl)arkeit des Bodens. 130 des Bodens dem Ackerbau ziigänglieh. Dichter als im alten Germanien bedecken die erratischen Blöcke und Schuttwälle das Erdreich. Von Ncav Jersey an entwickelt sich das Tiefland und damit die Fruchtbarkeit selbständig. Von Virginien an fehlt der Eisschutt, und es beginnt das fruchtbare Flach- und Hügellaiul, das durch zwei Jahrhunderte die Stätte des grofsen Tabak-, Baumwoll- und Reisbaues des »alten Südens«, die Heimat der Sklaverei , aber auch der begabten , hochsinnigen PHanzer- aristokratie war. Der Boden Nordamerikas ö. von den Alleghanies hat einen tiefgehenden Einflufs auf die Entwickelung der atlanti- schen Kolonien in den ersten anderthalb Jahrhunderten geübt. Der harte, steinreiche Glacialbodeu n. vom Susquehanna und Ohio gehört zu den schwerst zu bearbeitenden. Xathanael Shaler schätzt, dafs ein* Acre neuengländischen Bodens durchschnittlich einen Monat für Lichtung und Beseitigung des Unterholzes und einen zur Beseitigung der erratischen Blöcke und Steine brauchte. Die Lichtung schritt daher im nördlichen Teil der V. St. sehr langsam voran und da bis ungefähr 1800 der leichter zu behan- delnde Boden nur in Maryland und Virginia in Angriff genommen war, finden ^viY die Geringfügigkeit des Exportes landmrtschaft- lieher Erzeugnisse in dieser Zeit ebenso natürlich wie ihr plötz- liches Anschwellen nach der Ausbreitung der Kultur in das Ohio- Becken. Das Übergewicht des dem Landbau viel zugänglicheren Südens ging von dieser Zeit an rasch auf den Westen über. Die frühesten Ansiedelungen in Neu-England stehen bezeichnender- weise alle auf dem armen, aber von Felsen freien Alluvialboden der Küsten- und Flufsterrassen, der für den ersten Anbau geringere Schwierigkeiten bot ^). Als Europa noch in dem Zustande dichter Bewaldung war, in dem die Einwanderer des 16. und 17. Jahrhunderts Nord- amerika fanden, war es sumpfreicher. Der Mangel an Mooren, Sümpfen und Sumpfwäldern im höheren Land, abgesehen von Maine und dem östlichen Canada, wo über 20000 qkm Sümpfe anzunehmen sind, ist als ein Vorzug des atlantischen Nordamerika zu betrachten. Nur an den Küsten sind Sümpfe in ausgedehntem 1) Vgl. die interessante Einleitung Shalers zu Bd. IV der Winsorschen Narrative and Critical Historv of America. 1^0 Der Ackerboden des Steppenlandes. Mafse vorhanden (s. S. 79) und haben in Süd-Carohna und (Georgia wirtschafthche Bedeutung als lieisländer gewonnen. Aus einem sumpfreicheren Lande würden die Indianer weniger rasch ver- drängt worden sein. Der Seminolenkrieg war der gröfste Sumpf- krieg, der in den Evergiades, den sumpfigen Urwäldern Süd- tioridas , die spärlichen Indianerdörfer auf den »Hummocks«^) zwischen den schmalen unregelmäfsigen Wasserläufen aufsuchte und erst nach 18 Jahren bcAvältigte. Und noch heute leben in jenen Süm}>fen unabhängige Reste der Indianer, die einzigen im ganzen südlichen atlantischen Gebiet. Westlich vom 98.° w. L. dominieren die klimatischen Ein- flüsse. Der Boden zeigt seine Fruchtbarkeit nur wo künstliche Bewässerung möglich ist, diese aber hängt in grofsem Mafse von der Erhebung ab, die reichere Niederschläge bedingt und jenseits 3000 m sie in fester Form einen Teil des Jahres erhält. Die Berge des südlichen Idaho mit Gipfeln von 3300 m inid darüber liefern nur Bäche, deren Wasser am Ende der trockenen Zeit rasch abnimmt und in vielen Fällen verschwindet, während die Firnfelder von Wyoming und ('olorado ihre Wasservorräte nie ganz verflüssigen. In reich gegliederten Gebirgen sind diese An- sannnlungen festen Wassers verbreiteter als in massigen und in Thälern mit breiten Sohlen können sie in ausgedelmterem Mafse verwertet werden als in tiefen Rinnen. Nirgends hängt der Mensch so von Ein/,ellieiten des Bodenbaues ab, wie im trockenen Westei). Grofse Stauwerke und Kanäle werden der Bewässerung noch weite Gebiete erschli eisen, aber die verfügbaren Wassermengen sind be- schiänkt. Der Bericht des Secretary of tlie Intcrior für 1890/91 nimmt 120 Mill. Acres — acht Neuntel der Fläche des Deutschen Reiches — gegenwärtig wüst liegenden Landes als bevvässerbar in Aussicht: immer nur ein Fünftel des Stcppenlandes, das ein Drittel der Fläche der V. St. einninunt. Diese 120 Mill. Acres (•nts|)rechen in der Ausdehnung Pennsylvnnien, Ohio, Indiana und lihnois. (V\c licntc IT) .Mill. Iju\\()hn('r unischhersen , die nach mittelen ropäiHchem Mafsstabe si(;h verdreifachen kr)inien. Minder <»ptiinistiscli(! Sei lät/jn igen gelnngen n\n- zurllält'te dieser Fläclie^). Ij S. 15(1. 1 dicHes Werkes S. l;;'.>. 2; S.u. die Kiiileitung zum X\'J.l. Kapitel Landwirtscliiii't«. Schätzung- der Fruchtbarkeit. \4.\ Den grölsteu Raum bieten noch die Hügelländer und Thäler am West-Fufs des grofsen Hochlandes von Oregon bis Washington. Besonders in der nörtllichen Hälfte ist sowohl die Ausdehnung des anbaufähigen Landes als die Menge der Niederschläge beträchtlicher. Eine Abschätzung des höchsten Mafses von Ertrag des Bodens der V. St. ist nicht durchzAiführen. Wir wissen nicht, wie viel jetzt brach liegender Boden noch irgend einer Verwertung zugeführt werden kann. Deutschlands Boden wird wolil mindestens zwanzis Mal so intensiv ausgenutzt nach allen Richtungen hin als der der V. St. Eine fast zwölf Mal so dichte Bevölkerung hat von ihm den grölsten Teil ihrer Nahrung und viele Rohstoffe zu gewinnen. Das erstreckt sich nicht blofs auf den Ackerbau, sondern in sehr beträchtlichem Mafse auch auf die Viehzucht — ich erinnere daran, dafs es in den nordamerikanischen Gebirgen trotz ihrer trefflichen Alpenweiden, die besonders n. vom 40. Parallel denen unserer Alpen ähnhch sind, nur Anfänge von Alpenwirtschaft gibt, dafs man statt der Forstwirtschaft die Waldverwüstung ausübt und dafs die Verwertung kahler Landstriche und dürrer Gebirgshänge für Schaf- und Ziegenzucht, die in den trockeneren Gebirgsgegenden Europas eine so grofse Rolle spielt, erst beginnt. Nicht blofs die künst- liche Bewässerung wird neue Acker- und Gartenländer schaffen. Austrocknungen von Sümpfen und Eindeichungen von Küsten- strecken, die von der Flut bedeckt werden, haben bisher nur in geringem Mafse stattgefunden; wo es geschah, waren es höher- gelegene Marschländer an Flüssen oder geschützten Buchten, die besonders im Süden für bestimmte Früchte trocken gelegt wur- den. Es bezeichnet einen ganz neuen Abschnitt in der Geschichte der Beziehungen zwischen Boden und Volk der V. St. , dafs in dem letzten Jahrzehnt eine Reihe von Plänen für die Austrock- nung und Kultur von Küsten- und ßinnenlandsümpfen — selbst die Tule-Sümpfe im jungen Kalifornien gehören schon dazu — ■ vorgeschlagen und erwogen wurde und in den Anfängen der Aus- , fuhrung stehen. Vor allem werden noch vor dem Schlufs des Jahrhunderts im dürren Westen die Arbeiten zur Stauung und Verteilung des Wassers grofse Dimensionen angenommen haben, und zum Teil von Bundeswegen ausgeführt sein. V. Klima. Pflanzen- und Tierv\elt. Klimatische ^lannigfaltigkeit der Vereinigten Staaten 142. Entscheidende Be- deutung der nordsüdUchen und ostwestlichen Klimagrenzen 143. Verschiedene Stärke dieser Unterschiede 145. Die Wirkungsweise des Klimas 147. Mittell)are und unmittelbare Wirkungen 150. Bevölkerungstypen 151. Klimatische Krank- heiten 158. — Die natürliche Ausstattung Nordamerikas mit nützlichen und schädlichen Pflanzen und Tieren 154. Mannigfaltige läiikcn, .l*ishing-banks, die in geringer Insekten. 169 Entfernung von der Küste auf der ganzen Strecke zAvischeu Nord- Carolina und Florida auftreten. Insekten. Es seien nur die verbreitetsten unter den schäd- lichen genannt. Von Käfern wird ein Curculio den Blüten und Früchten der eingefülirten Pflaumenarten so schädhch , dafs manchenorts die Zucht derselben aufgegeben werden mufste. Ein etwas dunkler gefärbter Gattungsgenosse des Maikäfers wird von Jahr zu Jahr in den besiedelten Strichen zahlreicher und durch seine dem Engerling völlig gleiche Larve den Wiesen, Kartoffel- und Rübenäckern gefährlicher. Der in dieselbe Sippschaft ge- hörige Coloradokäfer (Doryphora decemhneata ) ist seit einigen Jahren auch bei uns zur Genüge bekannt geworden. Den Zucker- rohr-, Kürbis- und Melonenpflanzungen wird ein kleiner schwarz- und gelbgestreifter Rüsselkäfer verderblich. Die schädlichen Forst- insekten kennt man noch nicht alle, aber sicherlich richten Bohr- larven von Holzkäfern unter den Nadelhölzern grofse Verwüstun- gen an. Der Cutworm, die Raupe eines Nachtschmetterlings, mrd den jungen Maispflanzungen gefährlich und der Cottonworm, die Raupe der Motte Aletia argillacea, richtet jährlich für Millio- nen Schaden in den Baumwollpflanzungen an. Die Heuschrecken sind der Schrecken der Prärie- und Steppenfarmer. Ihre Scharen sind so grofs und gefräfsig, wie in AVestasien oder Nordafrika. Die Hessenfliege ist der gröfste Feind des jungen Weizens. Mos- kitos u. a. Stechfliegen, besonders die Black Flies, sind in dem wasserreichen Lande mit heifsen Sonunern eine grol'se Landplage^). Stubenfliegen, Flöhe, Wanzen fehlen nicht. Man behauptet in Amerika, mit dem Fortschreiten der Kultur habe auch die Menge des Ungeziefers zugenommen. Glücklicherweise gilt diese Regel auch für einige insektenfressende Vögel, die man zu hegen und zu vermehren sucht. 1) In dem Bericht über eine Grenzvermessnng lesen wir : Wogen der Menge der Black Flies haben die Arbeiten des Geodetic iSurvey in den wald- reichen Gebieten am S. Crcix-Flufs erst Mitte Juü begonnen werden können. Yl. Die Natur und die Volksseele. Das Verhältnis der Nordamerikaner zu ihrer Natur ist be- sonders eng. Je jünger ein Volk ist, desto grölser steht ilim die Natur gegenüber, in der es weiter verteilt und vereinzelt wohnt. Die Berührungspunkte mit der Natur sind um so zahlreicher, je weniger sich die Menschen untereinander berühren. Die wirt- schaftliche Ausbeutung hat nun noch einen wahren Kultus der Naturschätze hervorgerufen, der bei Vielen die breite Grundlage dessen ist, was sie Vaterlandsliebe nennen. Von der Bewunderung und dem tiefen Einfluls der Raumgröfse ist schon gesprochen. Bei einem ^^olke, das einer jungfräulichen Natur noch so nahe ist, das von so mächtigen Szenen umgeben und in viel entschie- denerer Weise von seiner Naturumgebung abhängig ist als jedes in der Kultur ältere und dichter wohnende Volk, müssen nicht blofs die grofsen unmittelbaren Einwirkungen der Natur auf das Wirtschaftsleben vorausgesetzt werden, von denen wir viel zu sagen lia))en wurden; wir werden vielmehr dem Einfiufs dieser Natur auch auf dem geistigen Gebiet begegnen, l^^s fehlt trotz der vorwaltenden Einförmigkeit langer Linien, der (^liarakteristischen l^rofile der weiten Räume, nicht an grofsen Naturszenen, die einen tiefen l'>iii disfigured banks, repulsive scenery« u. s. w. ausgestattet ist') liefert den glänzenden Beweis für eine grofse Auffassung der Natur- schönheit und ihrer Bedeutung für ein Volk. In Massachusetts hat sich 1891 eine Gesellscliaft gebildet, deren vom Staat anerkannter Zweck ist »to hold as trustees and to maintain for the pubHc benefit beautiful and historical places and tracts of land«. Diese Bewegung greift immer Aveiter. Möchten die abgesonderten Landesteile nur nicht dem Schicksal der Indianer-Reservationen verfallen, deren Zweck ein noch viel edlerer war und an denen der Verkehr und der Landdurst rastlos und erfolgreich nagten und nagen. — In der Naturliebe öffnet sich eine ganz neue Seite der Volks- seele. Dieses Vermächtnis der angelsächsischen Ahnen ist unge- schmälert überkommen. Es liegt etwas Gesundes und Heilsames darin. Die geistige Eingewöhnung in dem neuen Lande und die seelische Verbindung mit ihm, das Einleben im höheren Sinn ist durch sie erleichtert worden. Die von der Ausbeutung der jung- fi'äulichen Naturschätze in grofsartigem Stil unzertrennliche rohe Verwüstung und Verschwendung wird gemildert. Manchem deut- schen Einwanderer erwacht der Natursinn erst (Irül)cn und er verkennt dann die lioimische Natur, die er nie so gekannt. Alle grol'scn Dichter und Schriftsteller Nordamerikas stehen der -Natur nahe. Coo])er, Emerson, Hawtliornc, J^ryant sind be- sondtn-H ausgezeichnet als Naturschüderer oder tiefsinnige poetische Dolmetscher der Naturgelicimnisse. Über allen steht aber Thoreau, 1) SiK-cial liciiort of New York State Survey on llic rn>servation of the .Scenory of Niagara FaÜH. Albaiiy 1880. Naturschilderung. 173 der Eremit und feurige Apostel der Natur und natürlichen Einfachheit. James Russell Lowell, einer der vollendetsten Gelehrten auf dem Utterarischen Gebiet und der feinste Essa\dst Amerikas, war ein ebenso grofser Naturfreund und hat in seinen Aufzeichnungen über neueng- ländische Vögel eine Fülle feiner Natm-beobachtungen niedergelegt. Auch ihm verflüchtigte sich angesichts der Natm* alles Geistige »in einen grünen Gedanken im Grün gedacht«. Zu seinen schönsten Wer- ken gehört die Schilderung »My Garden Acquaintances«. »]Moosehead Journal« geht in der Beschreibung der Gebirgs- und Waldeinsamkeit in den Spm^en Thoreaus. Derselbe Sinn prägt sich aber auch in den minder bedeutenden Litteraturwerken und in der Tageslitteratm- aus'). Wir kennen m der deutschen Litteratur kein Werkchen, das vergleichbar wäre an Vertiefung den 16 Briefen »Om- Ti-ees« (Salem 1891) von J. Robinson, in denen mit feinem Sinn die Bäume in den Umgebungen und Strafsen des alten Salem beschrieben werden. Jede Generation der Dichter und Schriftsteller der V. St. hat ihre bevorzugten 1) Die Besprechung dieser Verhältnisse hat, trotzdem sie offen hegen, selbst bei wissenschafthchen Schriftstellern wahre Blüten von Oberfläclihch- keit hervorspriefsen lassen. »Und in der That, mir scheint, sagt z. B. B. V. C o 1 1 a , dafs dieser Mangel an landschafthcher Romantik bereits seinen Einflufs auf den Charakter der erst seit wenigen Jahrhunderten Eingewan- derten ausgeübt hat, die, fast von aller Romantik absehend, sich auf einer durchaus praktischen Bahn bewegen. Keine genufsreiche Schwärmerei zieht sie ab von den ernstgenommenen Geschäften des Lebens, zu denen dort auch die Jagd gehört. Wer reist in Nordamerika zum reinen Vergnügen? Der Ursprung des bezeichnenden Wahlspruches »go a head« hegt tief in der Natur des Landes begründet« (Deutschlands Boden 1854 II. 50). Soviel Worte, soviel Schiefheiten ! Dagegen haben einige deutsche und französische Schrift- steller, welche über nordamerikanische Litteratur schrieben, dem starken Vor- walten des Naturgefühles verständnisvoll Rechnung getragen, am meisten Spielhagen in seinen »Vermischten Schriften« (1868), A. Strodtmann in der Einleitung zur »Amerikanischen Anthologie« (1870) und Philaretes C h a s 1 e 8 in seinen »;6tudes sur la littörature et les moeurs des Anglo-Ameri- cains« (1851 S. 291). Der Kenner der nordamerikanischen Litteratur wird eher den Eindruck eines zu tiefen, oft fast krankhaften Naturgefühles, eines zu weit überschattenden Hereinragens der äufseren Natur empfangen als des Gegen- teils, und zwar nicht nur aus den bedeutenden, sondern mehr noch aus den 10000 unbedeutenden Dichtern, welche die im Übrigen so materiellen Zwecken gewidmeten Spalten nordamerikanischer Zeitungen in einer bei uns unbe- kannten Ausdehnung misicher machen. Übrigens scheint es Tocqueville zu sein, der die Fabel von dem Mangel an Natursinn bei den Nordamerikanern zuerst in Kurs gebracht. »La Democratie en Amerique« enthält Bd. II Kap. 17 und 18 in dieser Richtung AufsteUungen, die bei diesem feinen Kopf und dieser Sachkennerschaft Staunen erwecken. 174 Die Xatur im geistigen Leben der Nordamerikaner. Scliilderer der »Oiitdoor World«. Heute werden die Schriften von J. Burroughs und C. C. Abbot am meisten gelesen*). Auch in der Wissenschaft vrivd, wohl nach englischem und schottischem Muster, die »Scenery« verständnisvoll gewürdigt. Beweis dafür ist ein Buch ■^\ie Haydens The Great West (1880), das hauptsächhch bestimmt war, die grolsartige Landschaft dem grofsen Pubhkum zu zeigen und in cüeser Beziehung heilsam gewkkt hat. Es ist wohl auch bezeich- nend, dafs die beste Geographie der V. St. aus amerikanischer Feder, J. D. Whitneys United States (1889) einen Abschnitt »Scenographical« enthält, den ^vvc in den europäischen Geograplrien in der Regel ver- missen. Der Mangel einer alten Geschichte iind ihrer Denkmäler ist natürlich ein Grund der Verehrung, die man der Natur ent- gegenbringt. Erst seit dem Bürgerkrieg schwebt über hundert Örtlichkeiten des Ostens und alten Südwestens der geschichtliche Plauch. Man sucht einen Ersatz. Und da sind die alten Ulmen und Ahorne Neuenglands, die Riesensykonioren des Ohiothaies und die Mammuthcedern der Sierra älter als die älteste Spur europäischer Geschichte in Nordamerika. Von dieser selbst heute noch vielfach jungfräulichen Natur hebt sich alles viel kleiner ab. Es braucht dazu nicht der überwältigenden Naturbilder des Niagara oder Mississippi, der neuengländischen Felsenküste oder der dunklen Alleghanies-Urwälder, überhaupt nicht dessen, was man mi landläufigem Sinne schöne oder grofse Natur nennt. Daran ist Europa allerdings reicher als Nordamerika; wenigstens sind seine Schönheiten mannigfaltiger und räumlich konzentrierter (vgl. die Landschaftlichen Schilderungen Bd. 1 S. 429). Es genügt jedoch vollkommen, dafs noch sehr viel ungezälmite und un- verdorbene Natur vorhanden sei, an die ein Geist sich an- schliefsen kann, der von menschlichem Treiben allein sich nicht ausfüllen lassen will. Und daran fehlt es gewifs nicht. Eine anziehende Natururngebung gehört notwendig zur harmonischen Ausbildung des Geistes eines Volkes. Diese Annahme wird gegen- über einem rastlos thätigen Volke wie den Amerikanern doppelt berechtigt. Das intensive Ruhcbodin lnis ist, ebenso wie die rastlose 1) Von .T. BiirrongbH '/,. B. The Wako Rnbin, Winter RunHliine, Fresli Ficldw, von C C. Abbot Wanteland VVanderingH nnd Upland and Meadow. Wirkung der Xaturerscheiniingen auf den .Geist. 175 Arbeit, ein Zug im nordamerikanischen Leben. Auch für die Er- füllung dieses Bedürfnisses ist in den V. St. gesorgt. Dem Gebiete der V. St. fehlen ganz jene gewaltigen, un- berechenbaren Naturerscheinungen, denen man einen grofsen Einflufs auf die Entwickelung der rehgiösen. Gefühle und des Aberglaubens zuschreibt, wie die Tausende hinraffenden Vulkan- ausbrüche und heftigen Erdbeben, die oft wiederkehrenden Über- schwemmungen. Wenn also Buckle sagt: »In den aufsereuropäi- sehen Kulturländern war die ganze Natur verschworen, um die Phantasie zu erhöhen und den ^"erstand zu schwächen«, so gilt dies nicht auch von Nordamerika, das vielmehr zu jenen gehört, wo die »Naturerscheinungen darauf hinzielen, die Phantasie zu beschränken, den Verstand hingegen kühn zu machen und so den Menschen mit Vertrauen auf seine eigenen Hilfsmittel zu er- füllen«. Entschieden thätige Vulkane besitzen die V. St. nur in dem fernen Alaska, das doch nur als Kolonie gelten kann. Eine Region häufiger starker Erdbeben ist Kalifornien mit den an- grenzenden Teilen von Arizona und Nevada. Aber die bekannten Erdbeben von Neumadrid und Charleston erinnern daran, dafs der Osten von ihnen nicht frei ist. Die gefürchteten Tornados der Süd- und Weststaaten erreichen zwar nicht die Heftigkeit der tropi- schen Wirbelstürme, treten aber verheerender auf als in Europa. Kleinere Überschwemmungen sind häufig, angeblich in vielen Gegenden, z. B. in Neuengland, jetzt noch häufiger als früher. Da aber mi Osten die hohen schneereichen Gebirge und die starken Gefälle mangeln, welche die Flüsse der Alpen, PjTenäen, des Himalaya so gefähi-lich machen und im Westen der Wasserreich- tum nicht grofs genug ist, so sind die Hunderte von Quadratmeilen bedeckenden Überschwemmungen des unteren Mississippi die ge- fährlichsten. Sie kommen aber weder mit bestürzender Geschwin- digkeit, noch vereinigen sie sich mit plötzHch hereinbrechenden Sturmfluten. Die grofse Erscheinung der in Strömen sich hinauf- wälzenden Bore kennt keiner der Ströme dieses Gebietes. Die Feuersbrünste, welche die an Holzhäusern reichen amerikani- schen Städte mehr als die europäischen heimsuchen, werden auch in den Wäldern und auf den Steppen durch die Trockenlieit und 176 Wirkung der Naturerscheinungen auf den Geist. die langandauernden Wärmeperioden des Klimas begünstigt. Die Wald- und Präriebrände sind groLsartige Erscheinungen , werden aber nur in seltenen Fällen dem Menschen gefährlich. Das gröfste und unabweisbarste Übel, mit dem die Natur eines Teiles des Landes behaftet ist, das gelbe Fieber, könnte wenigstens ge- mildert werden durch Gesundheitseinrichtungen in den Städten des Südens. Eine dichte Abschliefsung gegen Westindien ist nicht denkbar. Aber selbst mit dieser in kurzen Zwischenräumen meder- kehrenden Seuche gehört das Gebiet der V. St. im Ganzen zu den glücklichen Regionen, deren Natur einen mafs vollen Charak- ter zeigt und den mittleren Grad von Thätigkeit entfaltet, der ebenso fern von der Starrheit des Eises als dem Überschwall der Tropen bleibt. Die Natur Europas hat dieses selbe glück- liche Mals, das man mit grolsem Recht als die Vorbedingung einer stetigen und dauerhaften Kulturentwickelung betrachtet. In Nordamerika ist nur ein grofser Teil des steppenhaften Westens mit seinem extremen Klima von ihm ausgeschlossen. Auch kann man behaupten, dafs, was die geringe Entwickelung der Geistesrichtungen betrifft, die von jenen Erscheinungen begünstigt werden sollen, wie Aberglaube, scheue, gedrückte, unternehmungslose Gemütsstimmung, Schwanken zwischen Ex- tremen, der Geist des Nordamerikaners auf derselben Höhe steht wie der des Europäers. Gerade die Fähigkeit, die Natur durch Wissenschaft zu überwinden , hat der Nordamerikaner früh bewiesen. Benjamin Franklin und die Erfindung des Blitzableiters ! Ohne Beispiel steht in der (jeschichte die seit Jahrzehnten in grolsem Stil arbeitende Untersuchung des Bodens und Klimas des südlichen Nordamerika, die selbst ein so schwie- riges, schon räumlich unbewältigbar scheinendes Problem, wie die Bewässerung des dürren Westens, auf wissenschaftliche Grundzüge zurückzul'ühreu beginnt. Erster Abschnitt Die Rassen und Stämme. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 12 VII. Die ßassenprobleme. In der Mehrheit der Rassen hegt ein tiefer Unterschied zwischen den Ver- einigten Staaten und Europa 179. Bedeutung der Rassenfi-agen 181. Die soziale Schichtung und geographisclie Sonderung 182. Alhnäliliclie Umgestal- tung der politischen Ideale 184. Wirkungen auf die innere Entwickelung und nach aufsen 185. Wer die V. St. als ein Land darstellt , das Europa gleicht oder in jedem Falle, wo es anders ist, überragt, der hat jedenfalls die 7470000 Neger und Mulatten, 249000 Indianer und 109500 Chinesen und Japaner vergessen, die 13 % der Gesamtbevölkerung ausmachen. Wie ist es möglich, den tiefen Unterschied zu über- sehen zwischen Europa, dessen Bevölkerung fast ganz nur der einzigen weifsen Rasse angehört, und Nordamerika, mit seinen grofsen Minderheiten aus drei anderen Rassen, die grofsen geo- graphisch wohl umschriebenen Gebieten eine ganz andere Ent- wickelung anweisen als je Europa erleben konnte? Ist doch durch zwei Jahrhunderte die äufsere Geschichte Nordamerikas die Geschichte der Rassenkämpfe, in denen der einstige Besitzer des Landes , der rote Mann , ausgerottet und nach Westen ver- drängt wurde, und entfachte sich doch der verheerendste und gefährlichste aller inneren Kriege, den die Neue Welt gesehen, um die Anwesenheit der Negersklaven auf dem Boden Nord- amerikas. Und endlich haben wir in unseren Tagen aus der Chinesenfrage eine vollständige Umkehr der in den V. St. bisher über Einwanderung herrschenden Ansichten sich entwickeln sehen. Wir stehen erst am Anfang der Rückwirkungen, die diese Umkehr 12* J30 Neue Entwickelunsen und Aussichten noch mehr auf Europa als auf Asien üben wird. 'Sie wird aber sicherhch nicht hier stehen bleiben, sondern »wenn die nordameri- kanische Demokratie ihr Verhältnis zu anderen Rassen ordnen wird , wird sie sich gezwungen sehen , ihre politischen Theorien mit neuen Thatsachen in Einklang zu bringen. Sie wird hoffent- lich an der Wahrheit in der Lehre von der Gleichheit der Menschen festhalten, in der Anwendung ihr aber gewisse Be- schränkungen auferlegen» ^). Nach der Verdrängung und Ver- nichtung der Indianer, der Negersklaverei, der Hemmung der chinesischen Einwanderung werden wir auch noch der Entwicke- lung eines neuen Verhältnisses zwischen Weifsen und Negern beiwohnen , das die Form der Sklaverei vermeidet , aber das Wesen der Unterordnung, der gesellschaftlichen Schichtung nach Rassen beibehält. Wir beklagen in Europa die Länder, durch deren Völker die doch nur seichten Furchen der nationalen Gegensätze ziehen und bewundern das glückliche Land im Westen, in dem, kaum dafs die Frage der Negersklaverei durch einen furchtbaren Krieg gelöst war, die Chinesenfrage nach Repressions- gesetzen rief, während als chronisches Leiden die Lidianer-Mifs- handlung immerfort an der Seele des Landes frifst. Deutsche und Tschechen, Magyaren und Romanen, Italiener und Serben werden auch in Zukunft, wie dereinst, ruhig miteinander leben können, sogar ihrer Verschmelzung stehen nur Vorurteile entgegen. Die drei Gruppen der »Farbigen« in den V. St. sind duicli l^luts- unterschicde getrennt, deren Verwiscliung nur möglich wäre, wenn die weifse Bevölkerung tief herabstiege. Die Rassenmischungen sind nach allgemeinem Urteile heute im ganzen seltener als je. Der Auffassung, dal's die gemischten Rassen die kräftigsten, leistungsfähigsten seien, stehen die echten Anglo- Amerikaner zweifelnd gegenüber, demi sie sehen die Ergebnisse der Mischung mit Indianern und Negern und die drohende Einwanderung aus östlicJK'ii IjändciMi l'jur()i>iis. Das notgedi'ungcnc räuniliclu' Zu- Sinnhicnn'ii-kcn inid die l'ininnzipation linhcn bei W^cilscn und 1) Ti'u'H en ihres Volkes umgaben, seine; Uneinigkeit, die vielfache Überlegenheit (\vj- Weifsen, die Verdeiblitiikeit gewisser eing(!wurzelter auf ilie Volkszalil ilcr Imliiiiicr in Nn Tlüitsailicn, die allcrdiiiKS iiKiiiclmial in sicli Hi-lhst rülircnd genug Hiiid.< Gruppen und Völker der Indianer. 195 atlantischen Küste bis ziun 34.* n. Br. herab wohnend, über- trafen sie alle anderen Stämme durch üu-e weite Verbreitung. Die Europäer trafen mit ihnen von der S. Lorenzbucht bis zui* Chesapeake- Bay zusanmaen. Die Keime der V. St. sind in Neuengland, am Hudson und in Virginien in ihrem Gebiete gelegt woi'den. Ihre wichtigsten Ost-Stämme s. vom S. Lorenz waren: Älicmac, Etchemin und Abenaki, [Neuschottland, Neubraunschweig, Maine]. Massachusett, Naragansett und Mohican, [Neuengiand - Staaten]. Chinnakok und Montauk, [Long Island] . Minsi und D dawaren, [sw. vom Hudson R.]. Nanticoken, [Chesapeake Bay]. Powhattan, [Virginien]. Pampticu, [N. Karohna]. Die Nordstämme : Knistenaux, [zwischen dem Mississippi und der Hud- sons-Bay]. Kries, [n. von den Grofsen Seen]. Algonquhi, [Ottawa R.J, Tschippewäh oder Ojibwäh, [n. und w. vom Oberen See]. Pota- wattamie, [Michigan-See]. Missiosigie, [n. vom Ontärio-See]. Meno- monie [Green Bay]. Miami, Piankishaw, Ilhncns, [ö. vom Mississippi]. Saukie, Foxes, Kickapu. [am INIississippi zwischen 40 und 45" n. Br.]. Shawnie, [ain Cumberland R.] Blackfeet oder Satsika, [am Saskatchewan und in Montana]. Cheyenne, [Platte R.]. — Inselartig umschlossen wohnten z^vischen den Algonkinstämmen im 17. Jahrhundert von Montreal bis zum Miami die Hur on -Irokesen, mit den Hauptstämmen Huronen (Waiandot), Tionontate, Attiwandaronk, [Kanada] die fünf Nationen: Seneca, Onondaga, Mohawk, Oneida, Cayuga, [Staat New York]. Die Tuscarora safsen . früher weiter s. und schlössen sich 1714/15 den fünf Nationen nach einem unglück- lichen Kriege an. Erie [Ohio]. Comastoga, [am unteren Susquehanna] . Meherrin, NottoAväh, [Virginien]. Für die ersten anderthalb Jahr- hunderte der Kolonien, aus denen die V. St. und Kanada erwachsen sind, war die Feindschaft zwischen den starken Irokesen des Hudson- gebietes und den zersphtterten Algonkinstämmen rings umher von gröfster Bedeutung. Sie erleichterte den Europäern die Fufsfassung unter den letzteren. Später helsen sich die Huronen von den Franzosen, (.üe Ii'okesen (iaa engeren Sinn) von den Engländern in ihre Kämpfe ziehen und spielten in dem kanadischen Grenzkrieg eine gewisse RoHe. Beide wm-den dadurch so geschwächt, dafs che Weifsen daraufhin ihre grofsen Vorstöfse westwärts mit Erfolg beginnen konnten. Auch die Tscher okie, früher in den südhchen AUeghanies, jetzt ün In- dianergebiet, sind entfernte Verwandte der Iroke.-^en. Die Gruppe der Chahta-Muskokie umfafst zwischen den Süd- AUeghanies und dem Golf die Tschoctah und Tschickasah, einst in Georgia, die Muskokie zu denen die Kriek und Seminolen, einst in Florida und Georgia, die Yamassie in Südcarolina, die Appalachen an der gleichnamigen Bucht und die Koschatta am Red R. gehören. Die meisten von diesen Stämmen sind zersphttert oder in das Indianergebiet übergeführt. 18* ;[96 Gruppen und Völker der Indianer. Von den Tinne oder Athapaska, die vom Westufer der Hud- sons-Bay quer durch den Kontinent bis zur pacifischen Küste wohnen, gehören in unser Gebiet die Tlatskanai und Kwalhioqua, an der Mündung des Columbia, die Umpqua an der pacifischen Küste 43" n. Breite, die Hupa an der pacifischen Küste 41" n. Breite, die Wylackie s. vom Trinity, die Kenai oder Tnaina in Süd- und West-Alaska. Die südlich- sten Tinne sind Apache und Navajos. Dakota oder Sioux vom Mississippi w. bis zum Felsengel )irge und vom oberen Missouri waren die mächtigsten Gruppen im Präriegebiet. Die wichtigsten Stämme waren: Sioux. Winnebago (Ochungaras). Iowa. Punka (Oponkas). Missom-i. Osages. Kansas. Otu. Mandan. Minitari (Hidatsa). Upsaroka (Grows). Tutelos, [0. Kanada]. Quapaw, am Zusammenfluls des Ai-- kansas und Mississippi. Arkansas. Shoshone (Schlangen-Indianer), im Felsengebh'ge, besonders im Quellgebiet des Missouri w. vom Snake Fl. Utah, [Utah und Colorado]. Pa-Ute, [am oberen Colo- rado]. Kiz (Tobikher), auf Missionen in Süd-Kalifornien. Kechi, [San Luis Rey (Kalifornien)]. Comanchen, Kaiowäh. [Teils im Indianerterr., teils auf dem Llano Estacado von Texas.] Moqui in den Pueblos n. vom Colorado Chiquito (Ark.)]. Arapahu, [Montana, heute grofsen- teils im Indianerterr.]. Selish, [von Montana und Idaho bis zum Stillen Meer]. Shushwap. Flatheads. Skitsuisuish (Coeurs d'Alene). Piskwaus. ClaUam. Lvunmi. Simiamu. Kt)welitsk. Sanghus. Sahaptin, [zwischen Shoshone und Selish am mittleren Columbia und unteren Sknake R.]. Sahaptin (Nez Perces). Walawala (mit den Dialekten der Yakama, Palü, Khkatat, Tairtla und Warm-Spring-Indians). Unter den Südwest-Stämmen sind zu nennen die Queres, [Acoma, S. Domingo u. a. Pueblos (Neu-Mex.). — Pueblos im engeren Sinn, [Isleta, Jemes, Taos, Tehua (Neu-Mex.)]. — Tonkawa, [Ft. Griffin (Texas)] . — Caddo, [Red R. des Süden und ö. Texas]. — Adaye (Adaize) und Chetimachas [n. vom unteren Red R. (Louis.)]. — Attacapa, [zwschen Red R. und Golf]. — Natchez, [am östhchen Ufer des unteren Mississippi]. Unter den zahbeichen Stämmen des pacifischen Gebietes sind die bedeutendsten die Ah t- Stämme. SquaUyamisch, [NisquaUy R.], Tschhiuk, [von der Columbia-Mündung bis zu den Grandes Dalles]. Wayilatpu (Cayuse), Mtdeles, [N. Oregon]. — Kitunaha (Flatbows), [s. vom Kutenay oder Flatbow Fl.]. — Kalai)uya, [am östhchen Ufer des Willamette]. — Klamath, [am Klamath, j(itzt Klamath -Reservation (43" n. Breite)]. Klamath oder Lutuann. Modoc. Shasta. Palaiks, [Pit R.]. Totutune, Yakon, [Küste von Oregon]. Tahlewah, [unterer Klamath]. Weits{)ek, [Einmüiulung des Trinity in den Klamath]. Ehnek, [Salnion. (ZuHufs des Klamath)]. — Diggers (Stanunesname un- bekannt), [am oberen Sacramento]. — Pon)o, [Küstenstrich zwischen Ei'l und Russiaii R. (Cal.)l. — Talatui, [am cistlichen Ufer des unteren Ethnographische Merkmale. 197 Sacraniento]. — Pujiini, Secumnes, Tsamak und andere Stämme am Westufer des Sacramento und am Feather Fl.]. — S. Raphael, [Bucht von S. Francisco (38" n. Breite)]. — Mutsun, (Rumsien, Achastlian), [Mission S. Juan Bautista, am Salinas R. in S. Carlos (Cal.)] . — Telame (Tatsche), [Mission S. Antonio bei Monterey (Cal.)]. — La Soledad, [gleichnamige Mission 35" n. Breite (Cal.)]. — S. Miguel, [gleichnamige Mission bei La Soledad]. — S. Luis Oinsbo, [Küstensaum unter 35" 40' . Angesiedelt]. — Kasuä, [Mission Sa. Barbara (Cal.)]. — Santa Cruz, [gleichnamige Insel (Call]. Zuni, [gleichnamige Pueblos (Neu-Mex.)]. Ethnographische Merkmale. Die Europäer fanden in den Indianern Völker, die in vielen Künsten des praktischen Lebens hinter ilmen zurückstanden. Sie lernten von ihnen den Maisbau, den Tabakbau, die Bereitung des Ahornzuckers , das Lichten des Waldes durch »Girdling« und anderes minder Wichtige. Auch ist manche Ansiedelung der neu Eingewanderten im ersten Winter durch den Maisvorrat der Indianer vor Hunger bewahrt worden. Aber die Indianer waren doch in den Augen der Em'opäer arme und zmaickgebliebene Leute. An- sanmilung von Besitz, die Grundlage jeder höheren Entwickelung der materiellen Kultur, fand in sehr geringem Mafse statt. Sie hatten nur Anfänge von Geld, ihr Verkehr und Handel war unentwickelt, und damit fehlten ilmen auch die Städte. Viele Schätze ihres Bodens kannten und nutzten sie gar nicht. Sie gewannen kein MetaU aus Erzen, sondern da wo sie es gediegen fanden, bearbeiteten sie es wie einen vortrefflichen Stein. Sie waren aber in der Verarbei- tung des Steines so weit fortgeschritten, dafs man einige \-on ihren Waffen und Geräten mit dem Vollendetsten aus der prähistorischen Zeit Em'opas vergleichen kann. Sie hatten geschhifene Steinäxte von mannigfaltigeren Formen als Nordeuropa einst besafs, und den Feuer- stein bearbeiteten sie mit Meisterschaft. Der Tomahawk war in früherer Zeit eine oft mächtige Steinaxt (man kennt Exemplare von 30 cm Länge), die in einen gespaltenen oder von Natur gegabelten Stock ein- gesetzt wurde ; gewöhnhch trug er eine ringsum laufende Rinne behufs leichterer Befestigung. Man hat sogar Steintom?diawks von gebogener Spatenform gefunden. Das berühmte Skalpmesser, früher aus Feuer- stein, war später ein rohes Metzgermesser europäischen oder amerika- nischen Fabrikats. Aber im Mangel des Eisens und der Feuergewehre lag eine grofse Schwäche der Indianer, die bei der Bedeutung der Jagd in ihrem Leben und den unaufhörlichen und immer weitergreifenden Kriegen mit den Weifsen verhängnisvoll wurde. Bogen und Speer kamen, trotzdem jener, ganz nahe verwandt mit dem asiatischen, kunstvoll gebaut ist, gegen die Waffen der Europäer auf die Dauer nicht auf. 198 Ethnographische. [I'iK. 10. Ktlinograpliisclie rarallolen und Vor- j.'loi(lir,» (187H^ aiisfuhrlicli l)ie all;,'enieinen jieoj;rai)hisch(Mi < Frenzen nnd die politische Grenze« (Bcnüciite d. K. S. Ges. d. Wissenschaften, Leipzifj 1892) zu geben versucht. 2 VAuc Indianerstatistik gibt es erst seit 1850. 1847 bewilligte der Koiigrds /HIN (srsten Male eine Summe von 5000 D., um das Indian Depart- ment in ^Representative Population«, welche die Sklaven nicht mit umfafste. Die indianische Bevölkerung der V. St. wurde 1890 zu 249 273 angegeben. Der vorige Census (1880) hatte noch 322 534 verzeichnet, so dafs wir einem Ausfall von 73 261 oder 22,7% gegenüberstehen. Wenn man aber die Ergebnisse der dazwischen vom Indianeramt vorgenommenen Zählungen und die Zahlen der früheren Zählungen vergleicht, will diese starke Abnahme in nur 10 Jahren nicht plausibel scheinen. Sie ist sicherlich nicht, wie es zu geschehen pflegt, allein auf das Aussterben zurückzuführen, sondern sie birgt auch eine nicht geringe Zahl von Mischlingen, die später zu den Weifsen gerechnet wurden. Und an kritischen Bemerkungen über die Zahlen früherer Indianerzählungen fehlt es kaum in einem einzigen der Berichte des Indianer-Kommissars^). Die Zählung von 1890 wies 32567 Indianer mit Bürger- recht nach. Es sind die keinem gröfsereu Stamme mehr an- gehörenden, die man als Bürger der V. St. von dem Augen- blicke betrachtet, dafs sie sich von ihrer Stammesverbindung los- gelöst haben. Wenn auch die Mehrzahl von ihnen keine Steuer bezahlt, so werden sie doch bei den Zählungen den Non taxed Indians, die in ihren Stammesverbindungen auf den Reservationen leben, die ihnen die Regierung eingeräumt hat, als Bürger gegen- überstellt, von denen Steuern erhoben werden würden, im Falle sie im Besitz steuerbarer Dinge sich befänden. Ihnen schliefsen sich die ebenfalls ins Bürgerrecht aufgenommenen 8278 Pueblos von Neumexiko an. Auf Reservationen oder in Schulen, in beiden Fällen unter Aufsicht des ludianeramtes , befanden ' sich 133 382. Im Indianer -Territorium befanden sich die sog. fünf civilisierten Stämme, 64871 und unter ihnen wohnend noch 1418 fremde Indianer. Die Reste der sechs Nationen und verschiedene kleinere Stämme in New York zählten 5304, die Reste der Ost- Tscherokie in Nord-Carolina 2885. Mit 568 in Kriegsgefangenschaft 1) Vgl. z. B. den für 1890 S. 253. Über die Schwierigkeit der Zähhino- s. die Angabe des Agenten der Lower Brul^s im Bericht für 1877, S. 435. Ratzol, Pie V. St. von Amerika. 14 210 T)pr Rückgang an Znhl und Gebiet. und Gefängnissen befindlichen Indianern gibt dies 249 273. In Alaska wohnen 13 795 Indianer, 1568 Mischlinge und die Zahl der Eskimo schätzt man auf 8400. Man erhält also in runder Summe 273000 als die Zahl der jetzt unter der Herrschaft der V. St. lebenden Glieder der amerikanischen Rasse. Der Rückgang an Zahl und Gebiet. Die Indianer traten nur der ersten Generation der Einwanderer mit überwältigenden Zahlen gegenüber. Wahrscheinlich standen schon am Ende des 17. Jahrhunderts alle Indianer ö. des Mississippi an Zahl hinter den Weifsen zurück. Würde man Bancrofts Annahme begründen können, dafs 1600 in diesem Gebiet nur 180000 Indianer ge- sessen hätten, so wären sie schon früher von den rasch sich ver- mehrenden Einwanderern übertroffen worden. Das Maximum be- trüge 1 V2 — 2 Mill. , die wir erhalten würden, wenn wir die der Kulturstufe entsprechende Dichtigkeit von etwa 0,5 auf 1 qkm unter Berücksichtigung der unbewohnbaren Gebiete voraussetzten. Aber es bestanden grofse Lücken zwischen den Stämmen, auf Grenz Wildnisse und unbewohnte Jagdgründe fiel bei manchen wohl die Hälfte des Bodens. Gerade in Gebieten, die sich den Weifsen als ungemein fruchtbar erwiesen, haben die ersten An- k(>mmlinge Tausende von Quadratmeilen menschenleer gefunden. Das Problem : Wieviel Indianer lebten in diesem Gebiete, ehe es von den Weifsen betreten wurde? ist unhisbar, denn die Berichte der ersten Entdecker und Ansiedler, an die wir uns halten müfsten, sind ihrer Natur nach aufserordentlich unzuverlässig. Sie übertreiben in der Regel, denn sie sehen nur kleine bevölkertere oder vorüber- gehend besuchtere Teile eines grofsen Gebietes, wogegen die menschen- leeren Urwälder und Steppen vorerst von ihnen unbesucht bleiben. Wenn sie später ins Innere vordringen, ist bereits das Glei(^hgewicht der Naturvölker gestört, sie haben sich zurückgezogen, oder sich des Handels wegen angehäuft, oder es sind Kämpfe zwischen den beiden ausgebrochen u. s. f. Kurz , es dürfte kein schwierigeres Problem der Viilkerkunde geben, als die Abscliätzung der Zahl von Natur- völkern in einem gröfseren (Jcbiete*). Auch in Nordamerika stehen allen Schlüssen über das Zurückgehen der Indianer an Zahl und 1^ l>t. <'ol. (i. Mallcry luit ans der Littevatiir einc^ Anzalil dieser S(-hatzungen lieraiisg(^h(»hen, d(U"en Unzuverlilssigkeit au^enriUlig ist. l'roe. .\iji. Aasueiatiun Advanc. of Seience. ^.ashviiic 1M77. p. 34U. Überschätzungon. 211 Macht, die Unsicherheit älterer und neuerer Nachiichteu über die Volks- zahlen ilirer Stämme entgegen M. Noch in neuerer Zeit sind ganz un- vollkommene Schätzungen veröffenthcht worden. Das Indian Committee des Kepräsentantenhauses gab 1834 die Zahl der Seminolen zu 5000 an, während Präsident Jackson ün darauffolgenden Jahr sie auf 2000, und der Kiiegsseki'etäi- auf 3500 veranschlagte. Der Indian Report 187G gibt 2553 von diesem Stamme im Indianergebiet an, während 475 in den Everglades von Florida leben, und andere nach dem Rio Grande ausgewandert sind. Im U. S. Census füi" 1870 werden die Indianer von Alaska auf 70000 geschätzt, während W. H. DaU im ersten Band der Contributions to N. American Ethnology') nicht mehr als 25700 zusammenzählte. Die erste sorgfältige Schätzung aller Indianer der V. St., die Ende der 40er Jahre von Schoolcraft ausgeführt ward, kam zu 383 229 und auXserdem zu »25 bis 35000 in bisher unerforschten Regionen«. Eine sehr einfluEsreiche Ursache von Täuschungen ü])er die Volkszahl der wüden Indianer hegt in der Unbeständigkeit der Be- nennungen, die sie sich selbst, und der Wülkürhchkeit derer, die andere ihnen geben. Powell und IngaUs bemerken, dals der Name Pah-Ute von den Incüanern blofs auf den am ]\Iud Creek lebenden Stamm angewandt werde, während die anderen von den Weilsen so genannten Paviotsu genannt werden und eine von der der Pah-Ute sehr verschiedene Sprache sprechen, che der der Bannock nahe ver- wandt oder vielleicht sogar gleich ist. Offenbar würde man unrecht thun, alle Indianer, die Pah-Ute genannt werden, auf dieselbe Reser- vation zu bringen. Mc Kenney und HaU zählen in ihrer »History of the Indian Tribes of N. America« 272 Namen auf, die in den älteren Werken In dianer stammen beigelegt werden, deren wahi'e Träger aber nicht mehr zu ermitteln sind. Hierher gehört auch die Verschmelzung oder Aufsaugung der Stämme, deren Namen damit natürhch ver- schwunden sind. Die Reste der Natchez sind in den Kriek, die On- tagami m den Kickapu, the Hitchiti in den Muskoki aufgegangen. Die Uinta der gleichnamigen Reservation setzen sich zusammen aus Utah, Suivüit, Yampa, Pahvant und echten Uinta*). Es gab auch pohtische Gründe, um die Zahl der Indianer zu übertreiben. Den hochtrabenden Ausdruck Nationen oder Völker legten ihnen z. B. ihre Alliierten bei, me J. F. Cooper von den Ii-oquois sagt: »Sie bestanden aus den Stämmen, oder wie ihre Alliierten sich auszudrücken liebten, um ihre Wichtigkeit zu steigern, aus den Nationen der Mohawks etc.«^) 1) U. S. Geogr. and Geol. Survey of the Eocky Mts. Region. 187G. 2) Vgl. auch Proc. Am. Assoc. Advanc. of Science. Nashville 1877. p. 553. 3) The Pioneers Kap. VII. 14* 212 Überschätzungen. Die besonnenste Erörterung über die Zahl der Indianer von Nord- amerika zur Zeit ihrer ersten häutigeren und innigeren Berührungen mit Europäern tindet man bei G. Bancroft'), der für die Zeit des ersten und zweiten Drittels des 17. Jahrhunderts in dem Gebiete ö. des Mississippi und s. des S. Lorenz und der Grolsen Seen nicht viel unter 180000 annimmt. Bancrofts Auliassung der Lage der Li dianer in jener Zeit neigt eher zu geringeren als grölseren Zahlen. Weite Ge- biete smd von den Europäern, (he sie unter den ersten besuchten, als Einöden besclirieben worden, so Vermont, der Nordwesten von Massachusetts, New Hampshii'e. Marquette sah keinen Menschen und nicht einmal eine Fulsspur in dem ganzen weiten Gebiete zAvischen der Portage des Fox und dem Wisconsin und Des Moines-Fl. Auch die gebii'gigen Teile der Carolinas scheinen menschenleer gewesen zu sein, ehe die von den Tscherokie aus Kentucky vertriebenen Shawnie sich dort niederhefsen. Auf alten Karten wird das Tiefland von Florida l)is ^Mobile als menschenleer bezeichnet. Das salzreiche Ken- tucky wai* der Wildpark der Tscherokie und in den ersten Jahrzehnten unseres Jalu'hunderts fanden die ersten Erforscher der Steppen jenseit des 38. Längengrades auf Gebieten von der Gröfse Deutschlands nur wenige tausend Büffeljäger (vgl. o. S. 208). Ebendarum waren verhält- nismäfsig kleine Stämme weit verbreitet. Die fünf Nationen, die kaum mehr als 10000 Krieger zählen konnten, streiften von der Hudsons- Bay bis zu den (JaroHnas und vom Kennebec zum Tennessee. Herr W. H. Dali, der die Freundhchkeit hatte, mii- seine der breiteren Be- gründung und der Veröfl'entUchung in hohem Grade würdigen Ansichten über diese Frage darzulegen , wendet sich hauptsächlich gegen die schematische Anschauung, die ganz Nordamerika als Gebiet einer ein- zigen Kultur auffafst, während mehrere, mindestens drei verschiedene Abstufungen in dem einheitlichen Grundtypus alt-in (hanischen Ijebens unterschieden werden müssen, welchen auch verschiedene Dichtigkeits- grade der Bevölkerung entsprechen. Als allgemeine Gründe der ver- liältnismäfsig dümieji Bevölkerung süid besonders zu beachten die bei der ünvollkommenheit der Ackerbauwerkzeuge unvermeidliche Be- schränkung des Ackerbaues und damit aller daran sich knüpfenden höheren Entwickelung auf die natürhche Lichtungen an den Flufsufern und auf gelegentliche kahle Höhenrücken, die Einschränkung der Wohn- sitze durch wirkliche oder mögliche Feindsehgkeiten der Nachbarn, die Beschränkung des Verkehrs, der grofsenteils zu Boot auf Flüssen und Seen sich bewegte, da alle Lasttiere fehlten. Was die wandernden Jäger- stämme anbelangt, so folgten diese den jahreszeitlichen Zügen des L llisiory of tlic Uniled SuK;« l'.oAou lö'lO. JJI. 253. Die Ei'scheinungen des Rückgangs. • 213 Wildes und der Fische und beuteten besonders Büffel und Elkliirsch aus. Sie konnten die trockenen Prärien und wüsten Ebenen des Westens nur an den Rändern betreten, hatten auch, so lange der Büffel die Waldregion bewohnte, keinen Anlals dazu. Erst die Einführung des Pferdes hat sie in diese Gebiete vordringen lassen. Auch wenn die Zahl der ursprünglichen Bewohner Nord- amerikas gar nicht überschätzt wird, bleibt ihr Rückgang eine grofse traurige Wahrheit. Er ist keine Eigentümlichkeit der Indianer. Sie teilen nur das Schicksal der Australier, Maori, Hottentotten u. a. Sehen wir von den schwer zu bestimmenden Zahlen ab , so finden wir in den V. St. die Indianer heute auf den dreifsigsten Teil des Landes, das sie einst besafsen, zurückge- gangen, und selbst dieser ärmliche Rest schwindet von .Jahr zu Jahr mehr zusammen. Aus fruchtbaren Gebieten , wo sie zu gröfseren Zahlen anwachsen sollten, sind sie vertrieben, in ungast- liche Winkel zurückgedrängt, ihre gröfste Menge aber befindet sich dort, wo die Hilfsquellen am ärmlichsten, unregelmäfsigsten fliefsen^). Der 98. Meridian teilt die V. St. in eine fruchtbare Ost- und eine vorwiegend steppenhafte Westhälfte, dort waren bei der ersten Zählung die Indianer ungefähr zehnmal weniger zahl- reich, während die Weifsen umgekehrt hier ^/2 Mih., dort 23 Mill. zählten. In Kanada hat vor lU .Jahren derselbe Prozefs in den neuen Nordwest-Territorien begonnen, wo 1881 in den Anfängen der Besiedelung 2,3 Indianer und 0,6 Weifse und Mischlinge auf 1 Q.-M. lebten, während die Zahlen schon 1885 sich in 2,2 und 3 verändert hatten. Dafs den Indianern eine rätselhafte Neigung zu Krankheiten innewohnt, die sie fi'ühzeitig sterben lassen oder ihre Vermehrungs- kraft schwächen, belegt jeder Bericht der 56 Indianer-Kommissare. Die SterbefäUe sind auch bei den unter Regierungsaufsicht lebenden, mit Ärzten, I>ebensmitteln und Schulen versehenen Indianern in der 1) Schon dem flüchtig Reisenden gibt es zu denken, dafs man auf dem Wege von der atlantischen nach der pacifisclien Seite des Kontinents (^New York — S. Francisco) Tausende von Kilometern reisen kann, ohne einem Indianer zu begegnen. Die Hauptarterie des Westens zieht in ihre Nähe Amerikaner, Deutsche, Neger, Chingsen, nur die Indianer l)leiben ihr fern, ebenso wie sie in den grEs ist eine beklagenswerte Thatsache , dafs eine grofse Zahl der erwachsenen Indianer so sehr von venerischen Krankheiten inficiert sind, dafs sie sich mcht fortzupflanzen vermögen. Da viele alte Leute darunter sind, die wegsterben, nehmen sie rasch an Zahl ab.« Auf dieser Reservation lebten 1876 952, 1875 aber 1144, 126 waren weggezogen. 1891 werden nur noch 564 gezählt ! Auch Rheumatismus und Lungen- schmndsucht werden als häufige Todesm-sachen genannt. Die Berichte des Indianerkomraissars bezeichnen die häutigen Erkrankungen der indianischen Kinder als eines der Hindernisse ihres Unterrichtes. Die 1887 veröffentHchte Sterbefallstatistik weist als häufigste Todesursache der Indianer Schwindsucht (287 p. 1000!), Durchfall, Masern, Unfälle und Verletzungen vor. Entsprechend lauten die Berichte der Agentur- ärzte , die 1891 unter 12;)2 Todesfällen 456 an Schwindsucht ver- zeichnen. An Masern sterben bei den Weifsen 12, bei den Negern 24, bei den Indianern 62 von 1000. Als allgemeine Sterbüchkeits- zitfer gibt der X. Census nach (unvollständigen) Angaben von Major P(jwell und einer Anzahl von Indianeragenten 23,6 p. 1000 an, die sich in WirkHchkeit auf 30 erheben dürften 3). Diese Thatsachen und Ziffern heifsen so viel, wie: die Indianer sterben aus, soweit sie sich nicht der Civülsation so weit genähert \j Es geht aus (lein Boricht nicht hervor, ob aucti die traurigste aller Zahlen der IndianerRtatistik : Indians killed by Indiana 30, by White« 36!^, mit in ^'2 liesuldete Arzte dem Indian Service an. Auch für Pockenimpfung ist Sorge getragen. 216 Mischlinge. geuufs (s. u. S. 228) steht hier iu erster Linie. Aber die ganze Stelhmg der Indianer ist der Zunahme nicht günstig. Sie sind weit zerstreut, von einander getrennt, ihre alten Stammesverbände zerrissen, die Möglichkeit des Lebens von den Gaben der Natur, vorzüghch durch Jagd, wird immer mehr beschränkt, die Mehr- zahl lebt von der Gnade der Weifsen , und die Ohnmacht der wenigen tausend Unabhängigen ist so grofs, dafs jeder Versuch, den Weifsen entgegenzutreten, seit lange immer mit einer blutigen Niederlage geendigt hat. Die Indianer haben, mit einem Worte, aufgehört, ein thätiges Element in der Geschichte des Landes zu sein, das sie einst allein besafsen. Mischlinge. Verbindungen zwischen Indianern und Weifsen waren im Anfang der Kolonisation in Nordamerika nicht selten. Pocahontas, das indianische Weib Rolfes, ist eine geschichtliche Gröfse. Vielleicht ist die ganze Inselkolonie Roanoke in den Indianern des Pamlico-Sundes aufgegangen, die eine dahin deutende Überlieferung besitzen. Die späteren Generationen der Ein- gewanderten , die den Indianern fast immer nur feindlich gegen- überstanden, betrachteten solche Verbindungen mit Mifsf allen. Die Abneigung gegen Vermischung mit den Indianern zeigte sich hier zum ersten Male als ein hervortretendes Merkmal der germanischen, insonderheit angelsächsischen Kolonisation im Gegensatz zur roma- nischen. Welcher Unterschied zwischen Nord- und Süd- oder Mittel-Amerika in dieser Beziehung: Dort in den V. St. noch nicht '/40 der Bevölkerung, hier die Hälfte oder noch mehr aus Mischlingen bestehend I Die Mischung, die doch mit der Zeit in den kleinen, rings von Weifsen umschlossenen Resten der Indianer un- vermeidlich wurde, vermochte nicht wie in Kanada oder Mexiko die Indianer im ganzen zu heben. Die soziale Stellung und Bedeutung der Indianer-Mischlinge regelt sich auch in den V. St. nach dem allgemeinen ethnographischen Gesetz, das den Misch- lingen ihre Stellung auf der mütterlichen Seite, d. h. auf der der niedi'igeren Rasse anweist. So sind besonders die im Osten ver- l)lieljenen Roste der Irokesen und Algonkin mit dem Blute der Weifsen und der Neger gleichsam durchtränkt und werden sich langsam in die nächst nmg('benc r I h i n s im (.'aiiadiaii Institntc 21. Januar ISJ^I. i Romanische und germanische Indianerpolitik. 219 ihu bekehren und schützen, sich mit ihm vermischen, während die germanischen ihn von vornherein schärfer den Gegensatz zwischen Civiüsation und Naturleben fühlen lassen, um ihn bald zu ver- achten und zurückzustofsen. Dort hat sich die Kluft zwischen Weifsen und Indianern allmählich ausgefüllt, während hier die Gegensätze mit ungemilderter Schärfe auf einander stofsen. Dort Erhaltung der Indianer, freilich durch Herabsteigen des Europäers, hier starres Festhalten an seiner Kulturhöhe und infolgedessen notwendiges Zurückdräugen und Herabdrücken des Indianers. Dieser Gegensatz hängt zum Teil zusammen mit der Art der Einwanderung, die bei den Angehörigen germanischer Stämme vorwiegend in Familien, bei denen romanischer mehr durch ein- zelne jüngere Männer sich vollzog. Auf französischer Seite fiel auch die Neigung zur Vermischung ins Gewicht und der ange- borene geringere Thätigkeitstrieb , der nicht so scharf auf die Eingeborenen eindrang, bei den Spaniern der Schutz der mäch- tigen Geistlichkeit. Unter diesen milderen Einflüssen hatten sich in Florida die Indianer frei erhalten, bildete sich in Kanada die Mischlingsrasse der Bois-brules. während in Texas, Neu- Mexiko , Arizona und Kalifornien die bekehrten Indianer in den Missionen von geistlichen Vätern zu einem friedlichen, geschützten , wenig fördernden Leben angeleitet wurden. In den engHschen Kolonien verbreitete sich dagegen durch un- unterbrochene Feindseligkeiten Abneigung und Hafs. Die Ge- schichte der Beziehungsn zwischen Puritanern und Indianern ist von 1 640 an wenig anderes als Krieg , der von friedlichen Intervallen unterbrochen ist, dafür aber wieder zeitweise, wie in dem blutigen Krieg mit König Philipp, zu verheerender Flamme auflodert. Bei der weiten Verbreitung, die puritanische Ideen späterhin in Nordamerika fanden, ist dieses V^erhältnis von Be- deutung. Der Hafs, Ausflufs energischen Charakters und harten Gemüts , den später die Indianerkämpfe in dem Westen ver- breiteten, ist in Neuengland entsprungen. Man kann hier die Ge- schichte jedes Territoriums und jedes Staates in zwei Haupt- abschnitte teilen: der erste ist mit Indianerkämpfen gefüllt, und der zweite beginnt in dem Moment, wo die Indianer dezimiert sind 220 Indianerkriege. imd das streitige Gebiet verlassen. Die Ansiedler rücken ihnen nach und in wenigen Jahrzehnten vollzieht sich derselbe Prozefs eine Strecke weiter westlich. Virginien hatte schon zu Raleighs Zeit Kämpfe mit den Indianern erlebt, in New York brachen 1642 Feindseligkeiten aus, die Karolinas hatten 1712 ihren Krieg mit den Tuscarora, in Pennsylvanien konnte Penn 's milde Politik den Frieden nur 60 Jahre erhalten. Man kann ungefähr die Ostgrenze des heutigen Kolorado, Neu-Mexiko und Texas, allgemein ge- sprochen den 100. Längengrad, als die Grenze betrachten, wo anglo- und hispano-amerikanische Indianer-Politik um das Jahr der ersten genauen Indianer-Zählung 1848 sich berührten, und man findet, dafs in diesem Jahre östlich von hier ca. 36000, westlich dagegen und in dem hierhergehörigen Texas über 350000 Indianer lebten. Von jenen waren 500, von diesen 234000 halbcivilisiert, der Rest wild. Wenn Zahlen sprechen, thun sie es hier. Um das Bild zu vollenden, darf man nicht verschweigen, dafs gleichzeitig ö. von dieser Linie 23 Mill Europäer eine blühende Kultur entwickelt hatten, während w. davon nicht mehr als V2 Mill. auf einer Kultur- stufe lebten, die über der der Indianer oft nur unmerklich erhaben war. Angesichts dieser Thatsache i.st es nicht übertrieben, zu sagen, es stehe das Gedeihen der Indianer in einem umgekehrten Ver- hältnis zu dem der Weifsen, und scheine das eine das andere auszuschliefsen. Nach den selbständigen Kriegen folgten die Kämpfe an der Seite europäischer Truppen. Es ist ein schlechtes Zeugnis für die politische Einsicht der Indianer, dafs sie sich in jedem Krieg der Europäer verleiten liefsen, Partei zu nehmen. Der siebenjährige Krieg an den kanadischen Grenzen schwächte ihren stärksten Stammesbund, den der Irokesen, für immer. Der durch Versprechungen dci- lOiigländor zum Losbrechen bewogene bedeutende Schawanuh-HiiuptlingTecumseh führte 1811 vmd 1812 den letzten grofsen Iiidianerkrieg, der wie alle früheren unglücklich für die roten Männer verlief. Tecumseh fiel Iftl;]. Die lolgenden Kriege, wenn sie auch einige Male noch bis in das Herz der V. St. Schrecken verbreiteten, offenbarten doch im Ausgang immer die Schwäche der Indianer. Im Süden wurde duicli die Seniinolenkriege 1817 — 20 und 1835 — 42 der liest indianiscluii' Unal)liängigkeit in den Sümpfen Floridas erstickt, im Nordwesten drängte der nach dem anführenden indianischen Iläupt- Indianerkriege. 221 ling genannte Black-Hawk-Krieg die Indianer über den oberen Mississippi dem Westen zu. Der letzte Seminolenkrieg in Florida war überhaupt der letzte Krieg, in dem nordamerikanische Indianer mit einer solchen Zähigkeit den Kampf mit ihren Gegnern durchführten, dafs ihr Wider- stand eine Spur gelassen hat in der Geschichte des Landes. Aber seitdem die Indianer auf ihrem langsamen Rückzug den Mississippi überschritten haben, hat es nur noch kleine Parteigängerkämpfe gegeben. Es kam nie mehr zu einer kräftigen Vereinigung der Stämme. Die seitherigen Schicksale der Indianer wiederholen immer dieselbe Geschichte: Eindringen der Weifsen in ihre Gebiete, Kämpfe, die zuletzt immer unglücklich verlaufen, Verträge, die sie schlielsen , ohne ihren Inhalt zu kennen ^) , und gegen die sie sich daijn auflehnen, Vertreibung nach mehr im Westen oder Süden gelegenen Wohnsitzen. Die sog. ludianerkriege dieses Zeit- raumes (Modoc-Krieg 1873, Nez Perces-Krieg 1877) sind nur noch Guerilla-Episoden. Der Ursprung manches sog. Indianerkrieges ist seitdem oft mehr in der Furcht der Weifsen als der Gefähr- lichkeit der Indianer zu suchen gewesen-). Das Erstaunliche ist, dafs die Indianer nicht entmutigt wurden durch die zahlreichen fehlgeschlagenen Versuche, sondern immer von neuem sich erhoben. Weder Niederlagen nocli friedliche Fortschritte der Weifsen haben sie zurückhalten können, immer von neuem ihren ganzen Besitz in Waffen und »War-ponies« anzulegen. Seit 1884 hat man 1) Der Krieg mit den Nez Percös, der 1877 und 1878 den ganzen Nordwesten in Aufregung versetzte, hatte seinen letzten Grund in einem Vertrag, der 1863 von einer Hälfte des Stammes gegen den Willen der an- deren eingegangen war , und durch den das Waillowa-Thal an die V. St.- Regierung abgetreten wurde. Die unwillige Hälfte blieb in dem Thal und die Regierung bestätigte noch 1871 ihr Recht auf dasselbe. 2) Im Frülihng 1873 mufste eine Sonderkommission, der Major J. W. Powell angehörte, rasch nach Salt Lake City reisen, um die Gründe zu untersuchen, die die dortigen Weifsen einen allgemeinen Indianerkrieg fürchten lielsen. Sie fand die Verstimmung der Weifsen gegen die Indianer sehr grofs , vorzüglich infolge des Modoc - Krieges , und fast ebenso grofs ihre Furcht vor indianischen Überfällen ; aber ihre Erhebungen unter den Indianern jener Gegend bewiesen ihnen, »dafs die Befürchtungen der weifsen Ansiedler grundlos, und die Didianer selbst noch viel mehr von Furcht besessen waren als die Weifsen«. Viele Indianer waren sogar aus Furcht in die Berge geflohen. (Report Special Commission on the Condition of the Utes etc. 1873.) 222 VerMetzungen. neun Indianerkriege in den V. St. erlebt. Neun Jahre nachdem die Cheyenne, Kaiowäh und Comanchen aus dem Indianerterri- torium ausgebrochen waren, und ihre Gefangenen aus Florida zurückgekehrt waren, beschritten sie von neuem den Kriegs- pfad, und die Öioux liefseu sich 1867 in Minnesota nicht von einem neuen Kriege abhalten, nachdem sie 1862 besiegt, und dreifsig ihrer Führer gehängt worden waren. Die zwangsweise Versetzung auf Reservationen hat den Widerstand nur dann brechen können, wenn sie jede Rückkehr in die heimischen Ge- filde abschnitt. Diese Versetzungen waren aber oft gleichbedeutend mit der Vernichtung. Als General Crook die Apaches in einer Reihe von Feldzügen 1871 — 1875 unterworfen hatte, wurden 1876 die Chiricahim mid Warm- queUen-Apaches mit anderen auf der San Carlos-Reservation vereinigt, aber jene brachen 1881 aus und Hohen über die mexikanische Grenze. Von (Jruok eingeholt, wurden ihrer 500 als Gefangene nach der Re- servation zurückgebracht. 1885 brachen neuerdings 134 nach Mexiko aus, wurden aber ebenfalls zurückgebracht, und 76 wurden im Fort Marion, Florida, eingesperrt. Die bürgerlichen Behörden von Arizona wehrten sich gegen die Rückkehr anderer Angehöriger des Stammes, denen der mit ilner Unterwerfung betraute General Miles eine Reser- vation versj)rochen hatte, welche die Centrakegierung mcht genehmigte. Um aUen Schwierigkeiten zu entgehen, die besonders von den Zeitungen Arizonas vergröfsert wurden, entschlofs man sich endlich, friedliche wie kiiegcrische Güeder des Stammes, fast 500, nach Marion zu schalfen, wo in kurzer Zeit der vierte Teü gestorben war. Von 498, die 1886 in- terniert wurden, waren 20 auf dem Kriegspfad gewesen, die anderen mufsten die Sünden dieser wenigen mitbüfsen, und der ganze Stamm wurde so dem Untergange zugefühi-t. Die Beziehungen nehmen immer erst einen friedlicheren Cha- rakter an, wenn die Indianer durch Not und Hunger herabgedrückt und durch Verträge und xMachtentfaltuug eingeengt sind. Dann erst fangen Schule und Kirche an, ihre Wirksamkeit zu entfalten, die roten Leute vertauschen den »blanket« (Wolldecke) mit dem »Citizens dress'< , durch dessen Annahme sie ein äulserliches Zeugnis für ihren Wunsch ablegen, der CiviHsation sich an- zuschlicfsen, und mit der Zeit werden sie durch Htaatsgesetze zu 'Korporationen erklärt und erhalten das Stimmrecht. So ist Die neue Indianerpolitik. Schulen. 223 heute die Lage der meisten Indianer im Osten ^). Auch für den Westen lauten die Berichte insofern günstiger, als die Auffassung auch dort immer mehr Boden gewinnt, der Indianer sei allmäh- Hch in die Gesellschaft der Weilsen und ihr Bürgertum überzu- führen. Zwar fühlen sich einzelne Staaten durch die grofse Zahl ihrer Indianer belastet. Von Kolorado , das heute nur 2000 In- dianer besitzt, heilst es im amtlichen Indianer-Bericht für 1890, es sei viel glücklicher als andere, wie Minnesota, Wisconsin, Montana, die drei- bis fünfmal soviel haben; aber alle bemühen sich, ihre Indianer fest anzusiedeln und heranzubilden. Die Indianer von New York, Michigan, Iowa und die 65000 der »Five civilized Tribes« stehen heute nur nominell unter Regierungsaufsicht, während unter der Wirkung des Land-in-Severalty Law (s. u. S. 229) von .1887, das Land als Privateigentum zuweist'''), aUjähriich mehrere Hundert Nez Perces, Santie, Sioux, Sisseton u. a. aus den Reservationen ausscheiden und selbständig werden. Für die indianische Jugend hat die Regierung 63 bessere Schulen (sog. Boarding Schools) und 106 einfache Schulen (Day Schools) auf den Reservationen und 11 Training Schools be- gründet, in denen neben dem Schulunterricht praktische Fertig- keiten, besonders Landwirtschaft gelehrt werden. Die gröfste von diesen ist die zu Carlisle Pa. , wo 1890 sich 700 Schüler be- fanden. 1891 wurden 20000 Indianerknaben und -mädchen als Besucher der Schulen genannt, in denen sie im Englischen unterrichtet und zugleich mit Patriotismus geimpft werden^). In der Richtung der neueren Indianerpohtik der V. St. liegt die Erschliefsung der allgemeinen Volksschule für indianische Kinder, die seit einigen Jahren angestrebt wird. Einigen Religionsgesell- schaften sind Mittel zur Unterstützung ihrer Unterweisung india 1) Vgl. den Akt des Staates Nord-Carolina vom 11. März 1889 über die Inkorporierung der östlichen Tscherokie. Report of the Commissioner of Indian AfEairs 1890. I. S. 80. 2) Die ersten Zuweisungen (AUotments) von Land als Privateigentum fanden 1869 in Wisconsin statt. 3) Ein besonderer Abschnitt des amtüchen Indianerberichtes für 1890 zeigt unter dem Titel >Inculcation of Patriotism«, wie den jungen Indianern gelehrt wird, dais ihre weilsen Mitbürger ihi-e Freunde seien. 224 I^iß Reservationen. nischer Kinder zugewiesen; sie beliefen sich 1891 auf 570000 D., wovon 363000 D. der römisch-kathoHschen Kirche zukamen, die ohne Zweifel die besten Ergebnisse in ihren Indianerschulen er- zielt. Die gesamten Ausgaben, die aufserdem von der Regierung der V. St. für Indianerschulen verwendet werden, erreichten 1891 1842 770 D. Der gewaltthätige Zug in der Indianer-Politik ist nicht zu be- schönigen. Da er eine Folge der Kulturbewegung ist, die das Land der Ausbeutung und dem Besitze der Weifsen sichern will, kann nicht gerade dieser Zug der Regierung zur Last gelegt werden. MiUiouen von Bürgern der V. St. arbeiteten am Untergang der Indianer mit, die meisten unwillkürlich, einem dunkeln Verhängnis folgend, das sie in den Dienst eines grofsen Ausbreitungs- und Ausbeutungsorganismus stellt. Der Schatten aber , den dieser Prozefs wirft, fällt auf das ganze Volk, das ihn empfindet und die ganze Indianerfrage als eine grofse Unbequemlichkeit ansieht. Als die Westliche Post (St. Louis) schrieb: »Wie viele Generationen noch, und es wird keine Indianerstämme mehr geben, und nie- lüand wird sich mehr über die Indianerfrage den Kopf zu zer- brechen brauchen«, hörte man den Stofsseufzer aus beschwerter Brust. Ein chronisches Übel ist die Indianerfrage geworden, das an der Selbstzufriedenheit des Volkes frilst und an die Ge- wissen pocht, also höchst lästig ist. Die Reservationen. In der Indianerfrage hegt von Anfang an die ganze Landfrage. Das Land mulste den Indianern abgenommen werden, ehe es von den Weifsen bebaut und be- siedelt werden konnte. Der Wunsch, Land zu erwerben, ist die tiefere Ursache fast aller Indianerkriege, und die Verdrängung vom heimathchen Boden das traurig sichere Zeichen des Rück- ganges auch dort, wo die Statistik keine Abnahme nachweist. Nach dem Golddurst ist der Landhunger das stärkste Motiv gewesen, das die Weifsen nach der Neuen Welt trieb, und der Wunsch, einen und den andern zu befriedigen, hat das gröfste Unglück über die Indianer gebracht. ]')er Landhunger wirkte aber viel verderblicher, weil er dem Indianer den l^)odcn entzog, .nil" dem seine Existenz, sei es als Jäger oder Ackei-bauer, beruhte. Die Laudpolitik und die Indiiuior. 225 Die äulsere Geschichte der nordamerikanischen Indianer ist seit 300 Jahren die Zusammendrängung von grofsen auf kleine und von guten auf schlechte Gebiete, die innere Geschichte die daraus hervorgehende Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen. Die gewaltsame Entziehung des Mutterbodens schwacher Völker ist die schlagendste Form der Verdrängung und der Herab- drückung. Kein anderes Gut kann ersetzen, was ihnen damit genommen wird. Die beweglicheren Werte der höheren Kultur gereichen der niederen zum Schaden. Es klingt sehr schlecht, wenn von den amerikanischen Politikern den Indianern die Sum- men vorgerechnet werden, die sie empfangen haben, denn gerade diese Zuwendungen sind es, die schädlich gewirkt haben *). Keiner von den mächtigen Stämmen befindet sich noch im Besitz des Gebietes, das er bei der Ankunft der Weifsen innegehabt, er hat aber auch fast nichts von dem behalten , was er einst dafür an (jeld und Gut empfing. Über das Recht der Indianer auf ihr Land herrschten in den ersten zwei Jahrhunderten verschiedene Ansichten. Staatsrechtlich wurden die Stämme in dem politisch beanspruchten Gebiet als »Domestic dependent AlHes« aufgefafst. Damit war aber nicht die Anschauung Vieler zu vereinigen, dafs die Schenkungen der Charters und Patente eine schrankenlose Verfügung über das Land der Indianer bedeuteten. Penn und Genossen nahmen jeden Streifen Land von den Indianern nur gegen Entschädi- gung. Diese Ansicht wurde im 18. Jahrhundert die herrschende, und die damals gebildeten Staaten haben fast ihr ganzes Gebiet durch wiederholte Käufe von den Indianern erworben. Unter dem Recht der Krone, das durch Entdeckung oder in wenig Fällen durch Eroberung erworben war, erkannten sie ein »Right of Occu- pancy«, das durch freiwillige Abtretung und nur an den Staat aufgegeben werden konnte. Georgia kaufte so von den Kriek 1802, 1805, 1814, 1818, 1821, 1826 und 1827 allmählich alles Land w. vom Okonie. Die Frage , ob in dem neuen Gemeinwesen 1) Der Sekretär des Innern rechnete ISitl einer Sioux-Gesandtschaft in Washington mit grofsen Worten \or, dafs ihr Volk bis zum Jahre 1884 42000000 jf von der Eegierung erhalten habe! Hiitzcl, Die V. St. von Amerikii. 15 226 Reservationen. der Bund oder die Einzelstaateu die Nachfolger der Indianer seien, wurde durch Abtretung der Ansprüche der Staaten an den Bund in den einzelnen Fällen gelöst. Die für das romanische Amerika folgenreiche Schenkung des Papstes ist hier natür- lich nicht als ein Grund des Besitzes angenommen worden und damit fiel auch ihre Wirkung auf die Behandlung der Ein- geborenen weg. Nachdem öfter die Kolonien einzelnen Indianergruppen ab- gegrenzte und unverletzliche Gebiete angewiesen hatten, mufste auch der Bund gegenüber dem wachsenden Landhunger seiner weifsen Bevölkerung sein Augenmerk darauf richten, die Indianer in abgegrenzten Bezirken zu sammeln , die er ihnen im Tausch gegen ihr Land anwies. Die Weifsen sollten vor Störung ihrer Arbeit und ihres Erwerbes, die Indianer vor Ausbeutung und Vergewaltigung geschützt werden. Nach diesem System, dessen Idee richtig und wohlwollend, dessen Ausführung aber hart und ungerecht war ^), ist heute die gröfsere Zahl der im Gebiet der V. St. lebenden Indianer teils im Indian Territory , teils auf an- deren Reservationen untergebracht. Als Notwendigkeit mufste die Regierung dieses System von dem Augenblicke an auffassen, wo kein freier unbegrenzter Westen mehr vorhanden, sondern so- gar die üferländer des Stillen Meeres der weifsen Einwanderung- geöffnet waren. Dafs diese Isolirung auch bei der aufmerksam- sten Durchführung nur für eine verhältnismäfsig kurze Zeit mög- lich war, versteht sich von selbst bei der unwiderstehlichen Gewalt, mit der der Weifse in alle Winkel des weiten Landes vor- dringt. Bereits ist die grölste Reservation, das Indian Territory, von Stralsen und Eisenbahnen der Weifsen durchzogen, zerstückt, 1) Nur in ungewöhnlichen Füllen ergriften sie selbst die Initiative, um auf eine Reservation zu konnnen. So gaben 1873 die Seuarit, ein Stamm der Ute, den Wunsch zu erkennen, auf eine Reservation gebracht zu werden. »Sie gaben an, dafs ihr Volk in den letzten Jahren sehr rasch wegsterbe, so dals sie an Zahl stark zurückgegangen seien, und dafs sie erschreckt seien durch eine Krankheit, \' tho Jndians. (Tho Nation 15. Jan. 1891.) 2j Man lese die ZengiHHHO ilor Gonoralo llurncy, I'iko, llnwkins in diT Xortli Aiucricaii l:evi(^\v 1891. I^<1. 152 S. Wi n. I'. 3) The Nation 5. Februar 1891. auf ileii Ke^sel•vationel1. 229 hidiaiier gemacht, und ich werde auch keiner werden (Äufserung Sitting BuH's gegen General Miles). Die schlechtgewählte Reser- vation wirkt wie ein Gefängnis oder schlimmer, weil sie selbst nicht die Erhaltung des Lebens gewährt. Die Mifs jähre 1888 und 1889 veranlafsten eine Menge von weifsen Ansiedlern, die Steppenländer zu verlassen, die Indianer mulsten bei ihren ver- dorrten, unergiebigen Feldern ausharren, da ihnen keine Erlaubnis gegeben ward , ihre Stellung zu ändern ; und so kommt die auf- gezwungene Trägheit zur natürlichen. Es ist ein grofser Fortschritt, dafs jetzt die Regierung selbst die Reservationen verkleinert oder zusammenlegt, indem sie die fort- geschrittenen Indianer zu Eigenthümern von 160 Acres Land unter der Bedingung der Nichtveräufserung in den nächsten 25 Jahren macht. 1890 gab es 172 Reservationen. Die 22 kleinen Gebiete der Missionsindianer in Kalifornien und die 19 Pueblos in Neu- Mexiko pflegen als je ein Gebiet aufgefafst zu werden, wo man dann 133 Reservationen zählt. Diese Reservationen nmfassen 490000 qkm, ein Gebiet etwa so grofs wie Frankreich, und auf ihnen wohnen in runder Summe 250 000 Indianer. Diese im Ver- hältnis zu ihrer Bevölkerung gewaltige Fläche schrumpft rasch ein. Allein 1889 wurden 13 Mill. Acres an den Bund abgetreten, und über die Abtretung von weiteren 4,5 Mill. schwebten Ver- handlungen. Das bedeutet eine Abnahme des Indianerlandes um fast ein Siebentel. Der gröfste Teil dieser Abtretung umfafst Gebiete der Sioux in S. Dacota und der Chippewäh. So wird man fortfahren bis auf den Rest von 40000000 Acres, der den Indianern einstweilen bleiben soll. Die Indianerpolitik und das Indianerterritorium. Die jetzige Indianerpolitik wurde von der Regierung der V. St. , die alle Indianer-Angelegenheiten sich vorbehalten hatte, 1786 durch die Gründung eines besonderen Amtes unter dem Kriegsministerium eingeleitet, und zwei Superintendenten für die Indianer n. und s. vom Ohio aufgestellt. Diese sollten die Indianer durch gerechte Behandlung ruhig zu halten und sie vor Übergriffen der Ansiedler zu schützen suchen. Das Avar der Übergang von der Politik, die in den Indianern unabhängige Völker sah, zu der, die sie von nun 230 "^^^ Indiauer-Territovium. au vormundschaftlich als »Wards of the Nation« behandelte. »Schools and Justice, Good Faith, and Humanity to the Indians« forderte die Ordiuance für die Errichtung des Nordwest-Terri- toriums und nach ihr noch viele Gesetze. Aber wo lag es in der Macht der Regierung, den breiten Strom der Westwanderer zu dämmen, deren Bestrebungen immer den Lebensinteressen der Indianer feindlich sein mufsten? 1790 erliefs der Kongrefs ein Gesetz , nach dem niemand mit den Indianern Handel treiben durfte, der nicht vom Präsidenten dazu berechtigt war, und das Landverkäufe der Indianer nur in öffentlichem Vertrage gestattete. Die erste Reservation wurde 1790 den Kriek-In dianern in dem Gebiet s. vom Oconse bewilligt, nachdem sie ihre Wohnsitze n. da- von aufgegeben hatten, aber schon drei Jahre später begannen sie ihre Feindseligkeiten und gaben später einen grofsen Teil dieses Gebietes wieder auf. 1804 traten die Sacs and Foxes 80000 engl. Q.-M. für eine Jahresrente von 1000 D. in Waren ab. Seit 1800 erscheinen Summen für die Beförderung der Civilisation unter den befreundeten Indianern. Als 1818 die Wyandot, Delawaren, Seneca und andere Stämme Ohios ihre 4 Mill. Acres Landbesitz in diesem Staate aufgaben, wurden ihnen verschiedene Landstriche als Reservationen gewährleistet, luid damit das erste gröfsere System von Indianerreservationen geschaffen. In demselben Jahre willigten die DelaAvaren von Illinois ein, westwärts vom Mississippi zu ziehen, 1819 ein Teil der Tscherokie und die Kickapu von Illinois. Die Versetzung nach Westen und auf die Reservationen wurde von da an systematisch betrieben. 1826 und 1828 wurden gegen ihren Willen alle Kriek aus (ieorgia nach dem Arkansas versetzt. 1830 trat ein Wechsel in der Indianerpolitik insofern ein, als die Re- gierung der in den Staaten lebenden Indianer nicht mehr dem Bunde, sondern dem Staate zugewiesen wurde. 1832 schuf der Kongrefs das Bureau of Indian Affairs. 1835 zogen die Tscherokie ebenfalls nach dem Arkansas, wo nun das sog. Indian Territory, eingeschlossen von Texas, Arkansas und Kansas, für sie und die übrigen dahin versetzten Stämme abgegrenzt wurde. Nicht wie eine andere Reservation, sondern im Tausch gegen früher ihnen überwiesenes Land, das sie zum Teil schon Die einstigen Grenzen des Inrlianer-Territoriains. 231 lange bebaut hatten, und das unter ihrer Hand auf der Osage- Reservation in Kansas einen hohen Wert erreicht hatte ^), wurde den Indianern das Indian Territory eingeräumt. »Wenn irgend eine Verpflichtung der Regierung heihger ist als andere, so ist es die, dafs diesen Völkern dort eine ständige Heimat erhalten werden mufs «'■*). So haben im Anfang auch die Versprechungen gelautet. Besonders als 1859 die Indianer aus Texas rasch ent- fernt werden sollten, um drohenden Unruhen vorzubeugen, wurde in einer Versammlung der Comanchen , Huecos , Kaddu u. a. feierlich von den Vertretern der V. St. versprochen, sie sollten ein Land erhalten, wo sie ruhig sitzen könnten, »so lange die Wasser flielsen«, da es den V. St. und keinem Eiuzelstaate gehöre. Die genauere Umgrenzung des Landes findet man in der 1870 aus der Beratung der Vertreter der fünf Hauptstämme des Territori- ums mit denen der V. St. hervorgegangenen neuen \^erfassung des Indianerterritoriums. Im 1. Abschnitt bestimmt sie das Land als »den ganzen Landesteil, der begrenzt ist im Osten von den Staaten Arkansas und Missouri, im Westen vom Territorium Neu- Mexiko und dem Staate Texas, im Süden von dem Staate Texas, und der durch Verträge und Gesetze der V. St. abgesondert und gewährleistet wurde als ein besonderer Wohnsitz (home) der Indianer, die gesetzlich berechtigt sind, darin zu wohnen, oder derjenigen, die in gleicher Weise später darin angesiedelt werden sollten, und der als ,The Indian Territory' bezeichnet werden soll«. Von der Natur dieses Gebietes hatte man leider in Was- hington keine klare Vorstellung. Es ist im ganzen für Acker- bau weniger geeignet als für Viehzucht und begünstigte die umherziehende Lebensweise. Die Oberflächlichkeit der mit der Überwachung betrauten Beamten wird unangenehm empfunden, wenn in einem und demselben offiziellen Berichte man eine Aussage findet, der zufolge zwei Drittel des Indianerterritori- ums unbesiedelbar sei, und eine andere, die behauptet, dafs kaum eine Quarter Section gefunden werden könne, die un- fruchtbar sei. 1) Nähere Angaben im Repor* Indian Commissioner für 1870. 2) General Hazen in North American Review 1875. I. p. 23. 232 rt'6 Verkleineriiufr 'les liKlianer-Territdrinms. Die Begründung des Indianerterritoriums ist keine unge- mischte Wohlthat gewesen. Zu grofs angelegt, lange Zeit unsicher in der Begrenzung, hielt es die Indianer nicht zusammen. Der Bericht von 1876/77 sagte: »Es ist kein Zweifel, dafs der Teil des Territoriums zwischen dem 98. Meridian und der Ostgrenze genügend grofs wäre für die Arbeit aller Indianer, die hierher übersiedelt werden könnten. Würde es möglich sein, sie alle hierherzubringen, so würden durchschnittlich 75 Acres auf jeden Kopf der 275 000 Indianer unseres Landes, Männer, Weiber und Kinder, kommen«. Derselbe Bericht betrachtet die dichtere Be- völkerung des Territoriums mit Indianern als das beste Mittel, um Weifse fernzuhalten 2) Auf die Dauer hat es dafür kein Mittel geben können. In die Lücken zwischen den schwachen, teilweise verfallenden Indianersiedelungen sind die Landsucher einge- drungen. Die »Kuhburschen« mit ihren halbwilden Rinderherden machten das Indianerterritorium zu einem der ergiebigsten Weide- gebiete, das nur hinter Texas und Neu-Mexiko zurückstand. Sie mieteten zu nominellen Preisen Weideflächen, an deren Grenzen sie sich nicht hielten, und waren weder Bürger des Territoriums noch Glieder eines der dortigen Indianerstämme. Ihre Anwesen- heit rief also überall LTnzufriedenheit hervor. Die Vertragsbrüchige Einwanderung, die 1881) gröfsere Dimensionen annahm, läfst sich nicht dadurch beschönigen, wie General Sherman es that, dafs man sie als eine Einwanderung armer Leute hinstellt, die bescheidene Heimstätten zu erwerben suchen. Nordamerika hat noch Raum genug, um ohne Opfer das Recht der Indianer auf ihre Gebiete achten zu können. Schon im Jahre 1866 hatten die V. St. einen Vertrag mit den 5 civilisierten Stämmen des Indiancrten-itoriums — Tsclierolde, Tschokta, Tschikasa, Kriek und Seminolen — geschlossen, der besagte, dafs den beiden Eisenbahn - Gesellschaften Union Pacific (Southern Brauch, s]>äter Missouri, Kansas and Texas) und Atlantic and Pacilic das Recht zustehe, ihre Linien bis an die Nord- und Ostgrenze des Terri- toriums auszubauen und sie dur(;h dasselbe weiterzuführen, wenn das Besitzrecht auf das in Frage koninicnde l^and nncli Ireiwilliger Cession \, Hoanl ul iiiduiii (oiniii. 11' lle).. l«70. 11t; und l.'Ui. 2) Kxenitive Doniinoiits. 41"' ( 'diij^icsm, III'' iSossioii, Vol. 4. Verkleinerung der Keservationen. 238 seitens der Indianer diu-ch die V. St. gelöscht werden sollte. Die Indianer haben diesen Vertrag so ausgelegt, dafs nur eine Nordsüd- und Ostwestünie durch ihr Territorium gebaut werden sollten und Avider- sprachen weiteren Linien. 1884 sprach sich aber der Kongrefs das Recht zu , den EisenbahngeseUschaften Land m\ Indianer-Territ(jriuiu ohne die Zustiunnung der Indianer abzutreten, kraft des Rechtes >of Eminent Domain in the Federal Government over the Territory«. So erhielten die Gesellschaften Gulf, Colorado and Santa Fe und Süd- kansas das Recht des Baues auf dem Indianerboden und nach ihnen andere. Auch andere Reservationen , wie die der Süd-Ute in Colorado Avurden damals von Eisenbahnen durchschnitten. Die In- cüaner wurden gewaltsam auf die Seite gedrängt, empfingen keinen Pfennig*) und es khngt komsch, wenn die Vermehrung des Wertes ilirer Länder und Erzeugnisse und die Erhöhung ihres Wohlstandes als Folge des Eisenbahnbaues verheifsen wird. Die Indianer der Fort HaU Reservation in Idaho verloren 2126 Acre» durch den Bau der Nord Utah-Bahn und erhielten weder Entschädigung, noch waren tue Karten und Pläne dieses Baues irgend genehmigt, der eine nackte That der Vergewaltigung Avar. Das System der Reservationen hatte sechzig Jahre gedauert, als die überall vordringenden Ansiedler, besonders die Viehzüchter, die Erzsucher und die Eisenbahnen seine Einschränkung forderten. »Mehr Land« ertönt seit dem Ende der achtziger Jahre der immer wiederkehrende Ruf in den nordamerikanischen Zeitungen 2). Das grolse Ereignis war die Auslösung von 101 000 qkm des besten Landes aus dem Indianergebiet, von dem nur die kleinere Hälfte von 81000 qkm übrig blieb, in der die fünf civilisierten Nationen und die der Quapah-Agentur untergebenen wohnen. So entstand 1) Report Comm. of Indian Affairs for 1886, p. 11. 2) Hier eine typische Meldung aue der Westlichen Post (St. Louis) vom 15. Oktober 1892. Mehr Land. Der Präsident hat heute eine Proklamation unterzeichnet, durch welche die überflüssigen Ländereien der Reservation der Crow-Indianer in Montana, im ganzen etwa 1800000 Acker, der AnsiecUung eröffnet werden. Dem Gesetze gemäfs können die Ländereien sofort nach dem Unterzeichnen der Proklamation von Ansiedlern in Besitz genommen werden. Aus Bilhngs, Stillwater und anderen an der Eisenbahn gelegenen Orten wird gemeldet, dafs eine grofse Menge von Landsuchern nach der Crow-Reservation eilt. Etwa der vierte Teil des der Ansiedlung eröffneten Landes kann din-ch Berieselung sehr fruchtbar gemacht werden. Viele Land- besucher haben schon seit Wochen auf die Erlaubnis gewartet, die Reser- vation zu betreten. 234 Verkleinerung der Reservationen. das neue Territorium Oklahoma.^) Gleichzeitig wurde in der oben geschilderten Weise mit der Reduktion der Reservationen nach dem Landverteilungsgesetz (Land in Severalty-Law) so ener- gisch fortgefahren, dafs in wenigen Jahren der schon 1875 an- gekündigte Plan 2) der Aufhebung aller kleinen Reservationen und der Zusammenlegung der gröfseren verwirklicht sein wird. Das Aussterben der Indianer wird damit gehemmt, ihre Aufsaugung aber mächtig gefördert werden. Der Lidianer, der die drei For- derungen erfüllt, die der Bericht des Indianerkommissars für 1886/87 als Bedingungen des Eintrittes der Indianer in den Bann- kreis der »amerikanischen Civilisation« erhebt: Einzelbesitz, Schul- unterricht, Gesetz, ist kulturhch schon ein Weifser. Dort heifst es : »Vermögen sie diesen nicht nachzukommen, so gehen sie der Vernichtung entgegen, weil eine Sonderexistenz von ihnen nicht aufrechterhalten, von der Regierung ihnen nicht gewährleistet werden kann«. 1) S. das Indianergc])iot in seiner neuen (iestalt auf der diesem Bande nngcl längten Kulturkarte. 2) Entwickelt in den Executive Doeuments. 4'!"' (Vmgrefs, 11 d Session, Vol. 4. IX. Die Weifsen oder die Europäo- Amerikaner^). Die Abstammung der Weifsen Nordamerikas 235. Das angebliehe Angel- sachsentum 236. Die Stammesangehörigkeit der P^inwanderer 237. Der Eurpäo- Amerikaner 238. Die amerikanische Nationahtät 243. Die Stellung der Deut- schen in den V. St. 247. Die Veränderung der Rasse durch Einwanderung 250. Einige Bemerkungen über die deutschen, französischen und spanischen Ele- mente 253. Die Juden 259. Die Abstammung. Von der Bevölkeruug der V. St. stammen 88 % aus Europa. Diese sind als Glieder der kaukasischen oder mittelländischen Rasse zu betrachten, und zwar wiegen die west- europäischen Schattierungen vor, wie es in der Geschichte der Bildung dieser Nation begründet ist. Daher hat körperlich der Nordamerikaner zwar am meisten vom Teutonen, aber auch nicht wenig vom Kelten. Er ist in der Mehrzahl braunhaarig und blau- und grauäugig, aber dunkler von Haar und Augen als der Nord- germane'^) und hat schärfere Züge, neben denen oft selbst das Gesicht des Engländers flach erscheint. Die französischen und 1) Mit dem Worte »weifs« die Bevölkerung europäischer Abstammung in Nordamerika zu bezeichnen, rechtfertigt sich nicht allein durch den Sprach- gebrauch iweifse Rasse«, sondern auch durch die Entgegensetzung in amt- lichen Schriften von "WTiite und Colored Population oder White, Negi'oes, Indians, Mongohans. 2) W'enn Benjamin A. Gould in seinen anthropologischen Beobach- tungen (s. u. S. 240) das A'erhältnis der dunkel- und hellhaarigen wie 1 : 2, der dunkel- und helläugigen fast wie 1 : 4 berechnet, so ist zu beachten, dafs die braunen Augen zu den hellen gerechnet sind. 236 r)i6 Abstaninmng. spanischen Zumischungen, die besonders von Kanada, Louisiana, Florida und Süd-Carohna aus gewirkt liaben, sind zwar nicht zu übersehen; das übergewicht Hegt aber auf germanischer und keltischer Seite. Die grofse Mehrzahl der Bürger der V. St. fülirt ihren Ursprung auf Einwanderer zurück, die aus England, Deutsch- land, Irland und Schottland kamen. Die Frage, Are we Anglo- Saxons? wird denn auch nur von einem Teile der Bürger der V. St. bejahend beantwortet. .Vndere finden mit Recht, dafs sie am liebsten aufgeworfen und am freudigsten bejaht werde von «Grofsbriten» wie Matthew Arnold, Freeman, Fronde, die im Vorgefühl der Zeit, wo England hinter Nordamerika zurücktreten wird, dem Glanz ihres Volksnamens mehr Dauer zu verleihen streben. Es gibt besonders in den älteren Staaten der Union zahlreiche Anglomaniacs , wie sie Avenig höflich genannt werden, »who desire to be English even in their fads«. Auch ruft die Herrschaft der englischen Sprache, der englischen Einrichtungen und Sitten bei der Masse der Nordamerikaner die Gewohnheit her- vor, alle europäischen Verhältnisse gleichsam hinter einem eng- lischen Vordergrund zu sehen. Aber die Frage der Abstammung ist eine andere, als die der vorherrschenden Einflüsse. Die tiefer- liegende Lüge einer Behauptung, die das fundamentale Kelteii- tum verschweigt, ist nur Eine, mehr an der Oberfläche liegt die Zurücksetzung der Deutschen, Franzosen, Scandinavier und an- drer Elemente der Bevölkerung der Y. St. Die Anmafsung der angelsächsischen Ideen klingt, als solle jeder weifse Mann zum Angelsachsen gestempelt werden; es steckt ein ganz falscher Stolz auf die Zugehörigkeit zur Anglo-Saxon Kace dahinter, der Bluts- verwandtschaft und geistige Einflüsse verwechselt. Man hat ver- sucht, die Zahl der ächten Angelsachsen in der heutigen Bevölke- rung zu ca. 18 Mill. zu bestimmen^), was 28 'Vo der heutigen J^o- völkerung ausmachen würde, also viel weniger als die 60%, die 1 .Jiilin ('. Fl ein III i II f; in Nortli Aiiioiican Roviow 1891 p. 256. Höfor, I>;i.s Ziiriu,'kw(!ii'ljt'n iIcs aii^'olKüchHiHchoii Klenientess in Nonhunerika. (Tlolnis LX., j). 382, (liM- SS^/o durch nicht einwurfsfreio Schätzung gewinnt. Vgl. aucli Joiiniai oi tlic SlaliHtical .Society <>t' London 1870 p. 546: /Hio PeriliiiM>ii. Die angebliche Yankee-Rasse. 239 und zu beschreiben. Für den Grundstock, kann man noch nicht hinausgehen über die Definition, die Morton vor Jähren gab: »Die Angio- Amerikaner gleichen in allen charakteristischen Eigen- schaften ihren Stammeltern. Sie haben gleich ihren englischen Ahnen einen längeren Schädel als die ungemischten Deutschen . . . Das Mittel ihres Schädelinhaltes entspricht dem der Teutonie Race«^). Wenn auch die germanisch-keltischen Nordamerikaner in manchen Eigenschaften von dem europäischen Typus dieser Zweige der kaukasischen Rasse abgewichen sind, und es wohl möglich ist, dafs mit der Zeit eine bestimmte Varietät hier zur Ausbildung kommt, so ist doch dieser Procels bei dem bestän- digen Zufiuls neuer Elemente, die in zunehmendem Mafse anderen Zw^eigen, besonders den romanischen und slavischen, entspringen, noch lange nicht abgeschlossen. Nur unter günstigen örtlichen Verhältnissen kann für einen kleinen Teil der Bevölkerung ein vorläufiger Abschlufs erwartet werden. Einige von den Anthropologen haben von den germanischen Nordamerikanern wie von einer neuen Rasse gesprochen, die von iliren europäischen Anfängen in der kurzen Zeit von 200 bis 300 Jahren sich weit entfernt habe. Aber die Eigentümüchkeiten, die sie charak- terisieren sollen, sind keineswegs allgemein verbreitet. Vorzüglich die Bewohner der Neuengland-Staaten, die von allen Nordamerikanern die remste englische Abstamnnmg aufweisen, zeigen jene Merkmale des Yankee -Typ US, die irrtümlich für die Merkmale des Nord- amerikaners überhaupt genommen werden : Hoher Wuchs mit Neigung zur Hagerkeit, lange Glieder, schmales regelmäfsiges Gesicht, scharfe Züge, weitgeöffnete sprechende Augen. Man spricht auch von einem allgemeinen Zm-ücktreten der Drüsen- und Fettentwickelung, und davon, dafs das Zahnsystem im Allgemeinen schwächer sei als bei den em'opäischen Voreltern.^) Nach manchen Schilderungen ist der Nordamerikaner überhaupt seinem körperhchen Wesen nach nichts anderes als ein heruntergekommener Europäer, und früher hörte man 1) Morton m Nott and Gliddon, Types of Mankind. 1854. 309. 2) Nach Benjam. A. Goulds Beobachtungen an den Soldaten der Armee der V. St. haben allerdings die Nordamerikaner sogar bessere Zähne als die meisten von ilii-en europäischen Vettern, unter denen die Skandinavier und Schotten am schlechtesten stehen. Wie weit die Zahnpflege, die hier uii'gendsso hoch steht wie in Nordamerika, ein Raösonmerkmal verändert, ist nicht zu bestimmen. 240 ^^^ Physische des Europäo-Amerikanevs. häufiger als heute die Behauptung, der Europäer, verwandle sich in Nordamerika langsam in einen weifsen Indianer. Allerdings sind die hageren Gestalten der Yankees keine Typen der Dauerhaftigkeit, wie die in der alten Welt vorherrschenden, gedrungenen, mehr eben- mäfsig gebauten. Sie erkennen das auch selbst an und möchten, dals »der immer gröfser werdenden Schlankheit der Formen ein Ziel gesetzt werden. Dilke, der Verfasser von Greater Britain, der den Angelsachsen die Weltherrschaft in Aussicht stellt, kann nicht ohne Bedenken die heutigen Nordamerikaner betrachten: »Die hohen Schultern und die bleichen Gesichter der Männer von Boston sind sicherUch nicht unvereinbar mit mächtiger Gehirnentwickelung und mit dem schärfsten Verstand , aber es ist nicht Avahrscheinhch , dals Talent und Energie sich auf die Generationen vererben werden, denen die ausgemergelten (worn out) Männer und Frauen von heute Ursprung geben . . . Jahr für Jahr werden die Amerikaner leichter, dünner, kurzlebiger, die Frauen noch mehr als die Männer <. Nott, der bekannte Anthropolog, betrachtete die gemäfsigte Zone Nordamerikas als der Entwickelung der germanischen Stämme viel weniger günstig als die Europas. Es liegt in diesen Urteilen sehr viel Übertreibung. Es soll mit aller Gewalt ein ganz neues Volk geschaffen werden. Aber da/AI genügt nicht die neue Umgebung. Vielmehr ist auf dem neuen Boden ein altes Volk gewachsen, das an Körper und Geist nur verschwindend kleine Unterschiede von seinen Ahnen in der alten Welt erkennen läfst. Der Wille, ein ganz eigenartiges Volk zu sein, kommt nicht gegen die Natur auf, die in die heutigen Menschenrassen nicht die Neigung gelegt hat, sich unter äufseren Einflüssen rasch umzugestalten. Auch die Neger sind, wenn man von den Folgen der Mischung absieht, dieselben geblieben wie in Afrika. Der Wunsch, die Eigenartigkeit zu ertrotzen oder zu erkünsteln, führt zu unerfreulichen Verrenkungen. Natürlich gilt das noch viel mehr von der geistigen Sphäre. Die körperliche Anlage, das Rassenhafte, erscheint der gründliclien Beobachtung nicht von vornlierein ungünstig. Die anthroporaetrischen Beob- achtungen ') ergeljen für die geborenen Amerikaner gerade die 1) InvcstiKiitioMH (Hl tlic Military aiul yVntliropoIcigical Stalistics oi' ,\nieri- can Solrlicrs. i'.y liciijamiii ,\]>(honi (ioiild. New York 1869. Statistics, Medi- cal and .Viithnipological ot' thc Provost Marshal-Gonerals liurean. By II. Iluxtcr, \VaHhin>,'ton 1875. 2 Hd(>. Das Physische des Europäo Amerikaners. 241 Gröfsen, die man bei Menschen erwartet, die von kräftigen Indi- viduen der besten Rassen Europas abstammen und unter gün- stigen Bedingungen sich entwickeln konnten. Die zahheichen Gröfsenmessungen Bowditchs an Kindern von Boston und Baxters an Soldaten der Armee der V. St. geben den Amerika- nern ein entschiedenes Übergewicht in der Körpergröfse und besonders auch den Mädchen in dem Fortschritt körper- licher Entwickelung. Die an grol'sen Mengen ausgeführten Messungen, die Baxter in seinem Werke verwertet, geben den in Amerika geborenen Männern reifen Alters eine gröfsere Körperhöhe als den Deutschen und Irländern; sie weisen in den V. St. gröfsere Mafse den westlichen als den östlichen und in diesen gröfsere den von der Fremden-Einwanderung am wenigsten beeinflufsten nördlichen Neuenglandstaaten, besonders Vermont und New Hampshire, zu. Hervorragend grofse Leute erzeugen auch Ohio und Indiana, die Niederlassungsgebiete der älteren Einwanderung, noch gröfsere Kentucky, Westvirginien und Ten- nessee, in denen mehr Amerikaner als fremde Einwanderer den Ein- flüssen des Westens ausgesetzt waren. Die Männer weifser Rasse in den Südstaaten, aus denen die Bewohner der eben genannten drei Staaten vorwiegend stammen, sind ebenfalls hoch gewachsen. Vergleichende Messungen von Studenten in Cambridge in Eng- land und Cambridge Mass., sowie New Haven Ct., ergaben für diese, meist den gebildeten Ständen des Ostens angehörigen Jüng- linge gröfsere Mafse. Und endlich scheint bei der amerikanischen Jugend beiderlei Geschlechts eine beträchtliche Gröfse früher er- reicht zu werden, als bei den Engländern und Deutschen. Es ist nur die Frage, wie weit dieses Kapital von Kraft ins Leben hineinreicht. Eine bessere Erziehung und vernünftigere Lebensweise würden es wahrscheinlich viel dauernder erhalten und doch ausnützen können. Die körperliche Gesundheit des Nord- amerikaners steht nicht auf der Höhe seiner Anlagen. Neben den Aufserungen der Thatkraft und Ausdauer begegnen wir bei vielen Männern den Spuren der Ermüdung und frühen Abnützung. Ner- ven- und Magenleiden sind weitverbreitet. Für Neurasthenie sind die V. St. ein klassisches Land. Die nord amerikanischen Ratze 1, Die V. St. von Amerika. 16 242 r)3s Physische des Europäo-Amerikaners. Frauen sind zart, nervöser, mehr Krankheiten unterworfen, ertragen schwerer das Mutterwerden, als ihre nord- und mittel- europäischen Schwestern. Juhette Adam nennt sie die Orchi- deen unter den Frauen. Die Pest der künstlichen Frühgeburten, die selbst den mälsigsten Berichten nach in den V. St. sehr ver- breitet ist und seit Jahren öffentlich besprochen und bekämpft ■wird, trägt wohl mit die Schuld an dieser Schwächung des körperlichen Lebens. (Vgl. über die lünderarmut in den öst- hchen und mittleren Staaten S. 349.) Körperliche Übungen, alles was man dort »Athletics« nennt, sind in Amerika von viel beschränkterer Verbreitung als in England. Sie sind Sache der Universitäten, der Wohlliabenden und Gebil- deten. Man geht weniger zu Fufs. Man läfst den Geist sich frei entwickeln, wobei er eine einseitige, regsame, fieberhafte Thätigkeit entfaltet und besonders in der durch eigentümliche Erziehungs- weise noch geförderten Frühreife des jungen Nachwuchses eine für Völker gemäfsigter Zone und germanischer Abstammung sehr rasche Entwickelung zeigt. Über den Einfiufs des Klimas und der ohne Frage mit^drksamen Mischung wird man erst sprechen können, wenn die körperliche Erziehung mehr Beachtung ge- funden haben wird. Die körperlichen Schwächen des Yankee- Typus können dann vielleicht mit der Kurzsichtigkeit des deut- schen verglichen werden. Schon heute hört man behaupten, dafs die Zunahme körperlicher Übungen die amerikanische Jugend beiderlei Geschlechts kräftiger gemacht habe, Dyspepsie sei in Abnahme, Nervosität sei zurückgedrängt, es sei Mode geworden, gesund zu sein. Jedenfalls steht die physische Erziehung in der ersten Reihe der Gegenstände der öffentlichen Besprechung. »A magnifique physique« gehört zu den Idealen der Biographen und NoveUisten. Die Nordamerikaner streben auch auf diesem Gebiet ihren englischen Vettern nach, hoffentlich mit dem gleichen Er- folg. Dafs aber nicht alles in der Lebensweise liegt, beweist die Frische und Munterkeit der pacifischen Amerikaner. Wer aus den Oststaaten kommt und überrascht ist von der gesunden Färbung der Kalifornier und ihrer rotwangigen Kinder, der wird sich an die häufige Klage iilx'r die llaulioit und Extremität des Klimas der Die auierikanische Nationalität. 243 atlantischen nnd inneren Gebiete Nordamerikas erinnern. In den Spekulationen über die Zukunft der Nordamerikaner wird man die körperlichen Verhältnisse in Betracht ziehen, da die Akklima- tisationsfähigkeit des Menschen auch für Regionen von ähnlichem Durchschnittsklima nicht unbeschränkt ist. Aber wer dürfte be- haupten, dafs der Akklimatisationsprozefs nicht zu günstigen Er- gebnissen führen könne, wenn erst die »Auslese der Passendsten« weiter fortgeschritten und die Organisationen den neuen Be- dingungen angepafst sein werden? Vielleicht wird gerade die Mischung sich günstig erweisen, wenn erst dieser Prozefs von der Mehrzahl überwunden sein mrd. Rein kulturlich ist sie ja schon heute als Erzeugerin vielseitigster Gaben von Vorteil. Die amerikanische Nationalität. Die Nordamerikaner sind nicht blofs im Sinne des äufseren Wachstums und der Raum- erfüllung noch kein fertiges Volk, auch ihre innere Zusammen- setzung ändert sich beständig und wird sich noch immer mehr ändern. In jedem gröfseren Zeitraum zeigt das Volk eine andere Zusammensetzung. Wohl hat, im Grofsen betrachtet, Nordamerika bis jetzt nur zwei Schichten in der zeitHchen Aufeinanderfolge seiner Bevölkerungen aufzuweisen. Die unterste, die indianische, haben wir kennen gelernt; sie ist grofsenteils von der rasch an- wachsenden europäo-amerikanischen bei Seite gedrückt oder wird wenigstens so dicht von ihr bedeckt, dafs sie, wie ein altes im Unter- gang befindliches Land, nur noch im Westen an einigen Punkten hervorragt. In der Kultur des Landes ist sie jetzt fast ohne Be- deutung, aber auf die Zusammensetzung der Bevölkerung des Westens übt sie eine nicht unbedeutende Wirkung durch die Mischung. Die zweite Schicht ist noch im Wachsen. Ilire Zu- sammensetzung ist noch bunt und scheint noch immer bunter werden zu sollen. Sie war am reinsten angelsächsisch im 17. Jahrhundert, in dem der englische Charakter der Nordamerikaner für lange Zeit sich fest- stellte, für dessen Übergewicht es von der gröfsten Bedeutung war, dafs er sich so hüh entwickelte und so lange einheitlich erhielt. All- mählich haben sich geschichtliche Volkstypen herausgebildet, an deren Entwickelung klimatische und soziale Emflüsse gearbeitet haben und arbeiten. Früher sprach man nur von dem Neuengländer oder Yankee 16='-' 244 Innere Unterscliiede in der amerikanischen Nationalität. und dem Südländer, den man im Virginian am charakteristischsten verkörpert fand. Geschichthch ist diese Scheidung wohl begründet, denn Vü-ginien und die vier alten Neuenglandstaaten sind die Krystalli- sationskerne der älteren Kolonisation (s. o. S. 107) und auXserdem auch die '\\dchtigsten Ausgangspunkte neuer Westwanderungen (s. u. Kap. XVI), die ilii'en Einfiuls und einen guten Teil üirer Ai't und Sitten und Einrichtungen in das weite Land hinein trugen. Die Verschiedenartig- keit der Abstammung der Vü-ginier und Neuengländer , ihre ver- schiedenen politischen , wii'tschaftüchen und gesellschaftüchen Ein- richtungen und Zwecke , nicht zuletzt auch der Unterschied ihres religiösen Bekenntnisses (Hochkii-che und Puritanismus), hat zwei sehr verschiedene Volkstypen aus ihnen gemacht. Es ist übertrieben, zu sagen, Virginier und Yankee seien dieselben Menschen, die sich in Altengland als Kavahere und Rundköpfe bekämpften, aber sicherhch ist in jenem mehr aristolo-atisches Wesen und in diesem mehr demokra- tisches. Später hat der allgemeine Gegensatz von Nord und Süd, von freier Arbeit und Sklavenhaltertum diesen Unterschied teüs ver- schärft, teils auch, indem er ihn in jenem allgemeineren Gegensatz aufgehen Hefs, verdeckt. Aber das mehr offene, heitere, ritterliche, feiner gesittete, freigebige und gastfreundliche Wesen der Virginier steht dem verschlossenen, milstrauischen, geschäftsbrütenden, eckigen, geldscharrenden Wesen vieler Neuengländer oder Yankees^) noch immer mit ganz bestimmten Merkmalen gegenüber und nicht blofs in den alten Staaten, wo diese Typen sich entwickelt haben, sondern kaum minder entschieden auch in den jüngeren, wohin die Einwanderung aus jenen sich richtete. Bis an den Mississippi hin lassen sich die vor- wiegend von Neuengland aus kolonisierten Gebiete von denen unter- scheiden, die ihre Bewohner aus Virginien empfingen. Viele wollen selbst in dem Unterschiede des Unternehmungsgeistes und der geschäft- lichen Regsamkeit zwischen Chicago und dem südlicheren St. Louis den Gegensatz dieser beiden Volkstypen erkennen. Sie sind gleich- zeitig die bis jetzt noch am wenigsten mit fremdem Blut versetzten, die am reinsten enghsch gebliebenen Teile der Bevölkerung der V. St. Dagegen tritt in der Bevölkerung der mittleren atlantischen Staaten, die zwischen sie sich einschiebt, das nichtenglische Element von An- fang an einfluXsreich auf: in New York das niederländische, in New Jersey das schwedische, in Pennsylvanien, Maryland und West- Virgi- nien das deutsche. Wie sehr auch englische Sprache und Sitte diese 1) Yankoo findet in Nordamerika öelbat nur auf den Neuengländer Anwendung. Man hat verschiedene Herlcitungen dieses Namens aufgestellt, von denen keine befriedigend zu sein Hcheint. Vgl. u. a. W. Irving, History of New York 1. 102. Innere Unterschiede in der amerikanischen XationaUtät. 245 Nationalitätenunterschiede verhüllen , das Volk ist doch ein anderes. In engen Bezii'ken mnschlierst es mehrere Typen nicht englischen Ur- sprungs. Die Abkömmhnge der Niederländer in New York (die Knicker- bockers) und die Pennsylvania-Dutchmen haben die schärfsten Ecken des angelsächsischen Wesens abgeschliffen. Die newyorker ist mit der Zeit die kosmopohtischste unter den Bevölkerungen der V. St. geworden aber im Pennsylvanier ist am meisten deutscher Charakter; er ist dm'ch seine Ruhe, seine mehr gemäfsigten Ansichten und Handlungen vom ächten Anglo-Amerikaner weit verschieden. Philadelphia ist neben New York, Boston, Chicago arm an Unternehmungs- und Geschäfts- geist. Derselbe gemischte T^^us findet sich nun im Westen "wieder, und zwar ist er am stärksten vertreten in dem mittleren Strich, durch den der Ohio zum Mississippi fliefst. Hier sind Cincinnati, Chicago, St. Louis und Müwaukee die Hauptstädte der deutschen Bevölkerung. Hier entwickelt sich wie in den atlantischen Mittelstaaten ein INIisch- volk, dessen starker Anteil deutschen Blutes unter der HüUe der eng- Mschen Sprache und Sitte sich zur Geltung bringt. Nirgends ist die Reaktion gegen das engherzige Neuengiändertum stärker als hier. In den Staaten am atlantischen Rand dürfte die dort in Massen ein- wandernde und mit Vorliebe in den Städten sitzen bleibende irische Bevölkerung alle anderen IVIischungselemente mit der Zeit verdecken. Von Maine bis hinunter nach Florida ist das irische Element in jedem Staate das unter den Fremdgebornen am stärksten vertretene, in allen Staaten des Innern ist es das deutsche. Der ferne Westen und vor- züghch Kalifornien ist bis jetzt noch zu jung, um bereits einem be- sonderen Typus Ursprung geben zu können. Doch läXst sich schon jetzt A'oraussagen , dals nirgends mannigfaltigere Mischungselemente vereirügt sind wie hier. Indiamsche , spanische und vielleicht auch mongohsche dürften den künftigen pacifischen Zweig des nord- amerikanischen VöLkerstammes stäiker beeinflussen als irgend einen anderen. Und dazu kommt ein Khma, das von den Khmaten des ganzen übrigen Nordamerikas am weitesten abweicht. Mt ihi-er aus so verschieden begabten Elementen zusammengesetzten Bevölkerung bieten die V. St. einen der bemerkenswertesten FäUe dessen, was man nationale Arbeitsteilung nennen kann. Die Verbindung des acker- bauenden germanischen und des gewerbthätigen keltischen Ein- wanderer-Elements, von denen jedes mit gleicher Energie sich auf eine andere der zahlreichen HüFsqueUen dieses grofsen Landes warf, so dafs ihre gemeinsame Arbeit viel gröfsere Resultate ergab, als wenn jedes einzelne in vermehrter Zahl sich beiden Zwecken ge- widmet haben würde, hat mächtig zum raschen Emporblühen des Landes beigetragen. 246 ^^^ Nordamerikaner im Werden. Diese Unterschiede haben nicht vermocht, innerhalb der Amerikaner fremde NationaHtäten im poHtischen Sinne auszubilden. Das geschichtlich gewordene Übergewicht des angelsächsischen Stammes macht englische Sprache, Sitten und Anschauungen herr- schend in den V. St. und jenen Bruchstücken ist es nur gegönnt, leichte Änderungen nach einer oder anderen Richtung hervorzurufen. Nichts beweist besser die Stärke dieser aneignenden Kraft, als daCs eine Stadt wie Chicago mit 451000 im Ausland Geborenen im Politischen und Administrativen, im Geschäft und grofsenteils in allem äufseren Leben ganz amerikanisch geworden und ge- blieben ist. Aber die amerikanische Nationalität andererseits als etwas Gegebenes anzuerkennen, ist eben den fremden Elementen nicht möglich. Als Schurz wegen seines Antrages auf Unter- suchung des Waffenhandels von 1871 zwischen der Regierung der V. St. und Frankreich als Fremder bezeichnet und die Forderung erhoben wurde, die Deutschen möchten sich der ameri- kanischen Nationalität anschliefsen , wurde auf einer deutschen Versammlung in Chicago gefragt: Was ist amerikanische Natio- nalität? Sie wird erst und die Deutschen werden beitragen, sie zu formen. Gerade auf diese Teilnahme an der Bildung der neuen Nationalität richten sich ihre Hoffnungen, die leicht etwas unklar werden, da sie sich in eine gar zu ferne Zukunft erstrecken. Nur so ist die platonische Auffassung Friedrich Kapps, dafs in der Vermählung des deutschen und amerikanischen Geistes nichts für jenen Schmerzliches liege, zu begreifen^). Nach den bisherigen Erfahrungen hat der amerikanische Geist den deutschen (der Deutschamerikaner) überwältigt und verhältnismäfsig wenige Spuren von ihm nach 200 jährigem Assimilationsprozefs an- genommen. Das raschere, rücksichtslosere amerikanische Leben tritt mit starken Forderungen an den europäischen Einwanderer heran, die dieser nicht gewöhnt ist. Ks ist in hohem Grade fortreifsend und aneignend. Jeder Einwanderer wird vom Strudel des neuen Lebens erfafst und in fi-emde Tiefen gerissen. Wie viele gehen 1) F. Bodc 11 Htcil t hat. in Hciiiem Buche »Vom AtlantiBchen zum Stillen Occan* (1882) S. 7G diese perBpektiviHche AufiiiHHung riciilijj; be- und verurteilt, Der Bildungsprozefs des neuen Volkes. 247 dabei ganz unter! Mit mancher Zurückgebliebenheit, Ungeschick- lichkeit, falschen Auffassung der Dinge legt er auch schon in den ersten Versuchen, sich zurechtzufinden, manches von dem ab. was ihn zum Deutschen, Franzosen etc. machte. Es ist die Vor- schule des Amerikanertums, aus der ihn oft die harte Notwendigkeit erst mit dem Entschlüsse entläfst, heimische Sprache und Sitte abzustreifen und mit gröfster Geschwindigkeit sich zu amerikani- sieren. Es imponiert ihm so vieles, er mufs bei so manchen Erschei- nungen des alltäglichsten Lebens die Überlegenheit der Amerikaner gerade in den zum praktischen Leben notwendigen Dingen aner- kennen, dafs er allzuleicht Pessimist der Vergangenheit und Optimist der Zukunft gegenüber wird. Dies gilt am meisten von jenen, die durch LiteUigenz und Charakter zu voller Teilnahme an der Kulturbewegung des amerikanischen Volkes befähigt sind, während die minder Fähigen, vor allem die Franzosen, aber auch viele Deutsche, sich instinktiv abschlielsen und, durch die Abschlief sung zwar ihr Volkstum bewahren, aber gleichzeitig so ohne alle Wirkung bleiben, so gründlich versteinern und herunterkommen, dafs man sich fragen mufs, ob diese zähe Bewahrung ihrer Sprache und Sitten, die für sie ohne Zweifel ein Zurückbleiben bedeutet, für ihr Volk im Grofsen noch von irgend welcher Bedeutung sei. Am Ende werden doch auch diese Völkerfossile vom Strome zer- setzt und fortgeführt, wie die neuere Geschichte der Deutschen von Pennsylvanien deuthch lehrt. Vor Fragen der praktischen Politik gestellt, die einen raschen Entschlufs erfordern, fällt es heute schon der ersten Generation der Eingewanderten nicht schwer, mit einem einzigen Sprung den festen Boden des rücksichtslosen Amerikaner- tums zu erreichen. Als im März 1889 die falsche Nachricht von einem Gefecht zwischen einem deutschen und einem amerika- nischen Kriegsschiff in den Gewässern von Samoa nach San Fraucisco kam, schrieb der deutsche »Cahfornia Demokrat«: »Ent- weder müssen wir uns um das Sternenbanner scharen und dasselbe mit unserem Leben und Vermögen verteidigen, oder wir müssen das amerikanische Bürgertum abschütteln, indem wir dieses Land verlassen. Aber da wir gekommen sind, um zu bleiben, werden wir. Recht oder Unrecht, zur Fahne unseres Landes stehen oder 248 I^i^ Stellung der Deutschen. mit derselben fallen. « Gerade die Stellung der Deutschen zu den Anglo- Amerikanern ist lehrreich, da die Gründe ihrer politischen Unterlegenheit auch bei andern halbassimilierten Gliedern des Volkes der V. St. sich finden. Die Stellung der Deutschen in den V. St. Eine ernste Befürchtung, dafs die Deutschen sich als Volk in den V. St. absondern, und in einem geschlossenen Gebiet ihre Sprache und ihre Sitten zur Herr- schaft bringen könnten, gibt es bei den Amerikanern nicht mehr. Die bekannten Berechnungen, dafs es mehr Preussen in den V. St. gebe als Connecticut und West Virginien zusammen Bewohner haben, mehr Badenser als Leute in Delaware, doppelt soviel Hannoveraner als Leute in Nevada, kehren nach jeder Volkszählung meder, erstaunen auch für einen Moment den Amerikaner, werden aber mit Recht als Kuriosa betrachtet. Älmhch wenn New York oder Chicago hinter Berhn und Hamburg als deutsche Grofsstädte aufgeführt werden. Die Be- zeichnung einzelner Nordweststaaten als »Teutonic Province« ist eine Übertreibung der Pohtiker. Auch sind hier die Skandinavier neben den Deutschen in grofser Zahl vertreten. In der jüngst erschollenen Klage, dafs so \dele Anglo-Amerikaner , besonders Neuengländer, ihre Farmen an Deutsche verkaufen, liegt die Befürchtung, dafs ein deut- scher Bauernstand sich herausbilde'), der die »Country Gentlemen« englischen Schlages vertriebe. Man mufs betonen, dafs dieser Bauern- stand, ehe er solche Thaten vollbrächte, längst englisch gelernt haben würde und müfste. Gerade in der ^\drtschaftHchen Überlegenheit des deutschen Landmanns liegen keine Kräfte, die auf pohtische Geltung hindrängen. Die in kleineren Verhältnissen geschulte Anspruchslosig- keit und Bescheidenheit und der gründliche Fleifs, die werden heute noch von dem gröfseren Zug der amerikanischen Unternehmung in den Schatten gestellt. Wie in Texas die Deutschen die kleinen Schafzüchter sind, während die grofse Weidewii-tschaft von den Amerikanern auf den Aveiten Flächen betrieben wird, die zugleich die Gebiete grofsen poütischen Einflufses sind, so ist es auch in dem Weizengebiete. Das bleibt aber nicht immer so. Auch die Amerikaner sind an die Raumbedingungen gebunden imd werden die Wege zu suchen liaben, auf denen unsere Landsleute gcwohnheitsmäfsig gehen. Der Deutsche arbeitet nachhaltiger auf dem wirtschaftlichen, der Amerikaner auf dem poHtischen Felde. Dort kann der Deutsche noch manches lehren, hier ist er fast nur Lernender. Bei den grofsen Eisenbahn- und Brückenbauten durch Villard, Rohling u. a. hat es sich um ganz unpolitische Werke gehandelt. ^ Die wirtschafthchen Erfolge der 1) \'rn\. W.lcli im runiiii Kehr. 1H91. Die Stellung der Deutschen. 249 Deutschen liegen eben in der Vertiefung und in der Abwendung von der Politik. In dieser fanden die Einwanderer alle Formen und Formeln fertig, von fremder Erfindung dürfte kein Sehräubchen an diesem grossen Mechanismus sein, der das eigenste Werk der Anglo- Amerikaner darstellt. Der Fremde muTs zugeben, dafs den Verhält- nissen des weiten und vielartigen Landes der amerikanische Geist sich am vollkommensten angepafst hat und sie am besten beherrscht. Er wii'd also pohtischer Lehrhng und durch das Bürgerrecht der V. St., das die verschiedenen Stämme nicht gleich heifs erstreben, verbindet er sich organisch mit dem jungen Organismus, mit dem die wirt- schaftlichen Fäden schon so manche Verbindung gesponnen hatten. Der 1885er Census von Massachusetts bringt über den Eintrit in das amerikanische Bürgerrecht folgende Angaben : Von den Fremden über 20 Jahren waren naturalisiert Chinesen 9,4, Itahener 12,5, französische Canadier 23, Portugiesen 25, Franzosen 44, Schotten 50, Engländer 55, Deutsche 59, Irländer 647o*). Vertieft er sich in die Geschichte der V. St. so wird ihm die Überlegenheit des enghschen Elementes noch klarer. Aus dem still- schweigenden Übersehen fremder Verdienste schöpft der Nordameri- kaner gleich seinem britischen Ahn Nahrung seines Selbstgefühles. Man wird einst die letzten Jahrzehnte als die Zeit einer einseitig englischen und neuengländischen Geschichtsschreibung der Anfänge der Union bezeichnen, die besonders in der Unterschätzung des Einflusses der Niederländer und Deutschen und damit überhaupt der Mittelstaaten ge- fehlt hat. In den amerikanischen Geschichtswerken, besonders den der Geschichte einzelner Staaten gewidmeten, werden die Verdienste der Deutsclren oft gar nicht erwähnt, ihre Namen und die ihrer ersten Ansiedelungen in enghscher Entstehung gegeben*). Selbstverständhch sind ihnen darin die Engländer und Franzosen gefolgt, Tocque- ville, Laboulaye, Bryce U.A., die von ihnen abhängen. 1) Census of Massachusetts 1885 I. XL VI. 2) »Wenn unsere Kinder die Geschichte unseres Staates aus einem der vorhandenen sog. Geschichtswerke lernen, so erfahren sie nicht, dafs jemals ein Deutscher in der Colonialzeit in Maryland gelebt hat; deutsche Namen sind bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Nur Parteikämpfe werden geschildert und enghsche Beamte erwähnt, die Bevölkerung der Kolonie und ihr Ursprung findet keine Berücksichtigung« . L. P. H e n n i n g s h a u s e n in einem Vortrage über die ersten deutschen Ansiedler in Maryland in der »Gesellschaft für Erforschung der Geschichte der Deutschen Marylands« 1891. In v. H o 1 s t ' s Besprechung von Bryce The American Commonwealth in der Historischen Zeitschrift Bd. LXIV wird gegenüber der Unterschätzung bei Bryce den Deutschen ihre geschichthche Stellung sehr gut bestimmt. 250 Deutsche Schulen und Littoratur. Das Bildungswesen der Deutschen in den V. St. ist auf nichts weniger angelegt als auf die Erhaltung eines Volkes in semer Gesamt- heit. Es genügt nur den Bedürfnissen der unteren Klassen. Es gibt eme kleine Zahl von deutschen Privatschulen mittlerer Stufe, aber trotz des Ansehens, dessen deutsche Wissenschaft sich erfreut, keine deutsche Hochschule. Über die mangelhafte Bildung der jungen Landleute wird auch bei den Deutschen des Westens geklagt. Selbst der in einigen Weststaaten nach langem Streben errungene deutsche Unterricht in den öfiienthchen Schulen hat mit den gröfsten Schwierigkeiten zu kämpfen und ist in den letzten Jahren, wo er in St. Louis und Louisville aufgehoben und in Cleveland und Indiana- polis heftig bestritten wurde '), eher zurückgegangen. Vielleicht hat diese Errungenschaft mehr geschadet als genützt, indem sie manche deutsche Privatschule überflüssig machte, ohne doch einen gründüchen Unterricht im Deutschen zu gewähren. Der deutsche Volksunterricht ruht auf einem festeren Grunde, wo er Bestandteil des Planes einer konfessionellen Schule ist ; aber in dieser Form stöfst er viele Deutsche ab, die eine unkhchHche Haltung für ein Zeichen pohtischer Fort- gesclmttenheit halten. Dazu kommt die Gegnerschaft der englischen Protestanten gegen den Katholizismus. Gerade dieser hat viel für den deutschen Volksunterricht gethan. In Ilhnois und Wisconsin hat sich daher die vom puritanischen Neuengland ausgehende Agitation zugleich gegen die Fremden und den Kathohzismus gerichtet. Der Sprachenzwang in bester Form bestimmte, dafs die Elementarfächer und die Geschichte der V. St. in allen Schulen nur engUsch gelehrt werden dürfen. Aber neuer- dings begegnet jedes nationale Streben bei der im Westen so mächtigen katholischen Hierarchie der Abneigung gegen »Nationahsierung der Kirche«. Was an deutscher Bildung in den Amerikaner übergegangen ist, stammt grofsenteils aus Deutschland, dessen Hochschulen und höhere Schulen von vielen Hunderten von jungen Amerikanern besucht werden. Wo das Reich der Wissenschaft beginnt, da fängt auch der deutsche Einfluls sich zu zeigen an. Früher waren nur Worte des gewöhnhchen Lebens in das Anglo-amerikanische übergegangen, jetzt lesen wir in den pohtischen Zeitschriften Reich, ZoUverein, KampfzoU, Bundesrat, Ten- denz und so manches andere deutsche Wort, das zeigt, dafs auch unsere poUtische Litteratur gelesen wird. Nachdem Goethe durch Carl_yle den Amerikanern — ein Zeugnis für den überwiegenden Ein- flufs der engUschcn Litteratur — verdolmetscht worden war, hat unser Heros immer eine Gemeinde in den V. St. gehabt. Widerstandslos hat die deutsche Musik Amerika erobert. Das alles hat zur Hebung 1) Im Frühling 1893 wnrdc er aucli in den ölTentliclion iSchulon von Chicago Htark beschränkt. Die Veränderung der Rasse. 251 des deutschen Elementes in den V. St. wesentlich beigetragen, aber nicht zur politischen Absonderung. Vielmehr begünstigt es den für die Sonderexistenz der Deutschen durchaus nicht zu wünschenden Über- gang ihrer gebildeten Klassen in die entsprechenden amerikanischen. So durchdrungen ist man in Deutschland von der Aussichtslosigkeit der Erhaltung des Deutschtums gegenüber der fortreilsenden Kraft des Amerikanertums, dals die deutsche Kolonialbewegung von der Über- zeugung ausging, der Deutsche in den V. St. sei nicht national zu er- halten; aulserdem betonte sie auch die nahende Erschöpfimg des freien Bodens für Einwanderer in Nordamerika. Es ist dies einer von den wenig beachteten Fällen der Rückwirkung von Thatsachen des amerikanischen Lebens auf Europa. Die Veränderung der Rasse. Durch die Zufuhr neuer Ele- mente, die die Einwanderung bringt, wird die Rasse beständig verändert. Die allgemeinste von Einwanderern jeder Herkunft geltende Thatsache ist, dafs mit der Erleichterung des Verkehrs die Auswanderung aus Europa überhaupt aufgehört hat, ein Prozefs der Auslese zu sein. Die europäische Auswanderung bedeutete früher den Auszug der Kühnsten und Begabtesten, von dem die heutige Zeit, die jeden stagnierenden Tümpel zurückgebliebener erwerbsloser Bevölkerung in Europa dräniert, keine Vorstellung gibt. Der Widerstand gegen die Einwanderung von Verbrechern, Armen und Kranken sucht in dieser Änderung seine Recht- fertigung. Dafs die Bevölkerung der V. St., die heute zur Hälfte aus in den letzten 100 Jahren Eingewanderten und deren Nach- kommen besteht, nicht stärker sich verändert hat, beweist zwar eine grofse Assimilationskraft, die aber gegenüber Italienern, Slaven und Juden noch nicht so erprobt ist, me gegenüber Irländern, Deutschen und Skandinaviern. Die Rasse und der Stamm werden bei der heutigen Lage der Verhältnisse und Anschauungen am willkommensten sein, die den Charakter der Bevölkerung, so wie sie jetzt ist, am wenigsten zu verändern drohen. Solange, wie bisher, die überwiegende Zalil der Einwanderer aus - Briten, sei es aus Europa oder aus den nordamerikanischen Besitzungen Grofsbritanniens stammenden, aus Deutschen und Skandinaviern besteht, ist nicht zu fürchten, dafs der germanisch-keltische Grundzug der Bevölkerung der V. St. ver- wischt werde. Die einwandernden Engländer und Schotten, welche 252 I^i^ Veränderung der Rasse. die Landessprache reden, bekannt sind mit den Gesetzen, Ein- richtungen und Sitten, sich daher schnell anschlieCsen und in der Masse der schon vorhandenen Bevölkerung am leichtesten auf- gehen, werden schon wegen dieser leichten Aneigenbarkeit am "«dllkommensten sein. Aufserdem liebt man sie aber am meisten unter den Ankönunliugen, weil man sie eben am besten kennt. Ausgenommen davon sind in den Augen der über die Sprach- gemeinschaft und die scheinbar leichte Assimilation Hinaussehenden, die Irländer, die fast zwei Drittel der ganzen britischen Ein- wanderung seit 1821 ausmachen. Ihr wandelbarer Charakter, ihre gröfsere Lebhaftigkeit kann dem langsamen teutonischen Blute nicht schaden. Aber solange die Mischung sich nicht vollzogen hat, ist die keltische Veränderlichkeit am wenigsten günstig in einem Staate von republikanischer Form, der die Stetigkeit des Volkscharakters als eine Gewährnis seiner Dauer verlangt. Lange bildeten die Irländer die ärmste Klasse der Einwanderer und setzten sich mit V^orliebe in den grofsen Städten und an den Mittelpunkten der Industrie fest, wo sie am wenigsten als eine wünschenswerte Bereicherung des Landes gelten konnten. Irländer bilden die grofse Masse des Pöbels in den grofsen Städten des Ostens und üben seit lange einen Übeln Einflufs auf das poli- tische Leben der Städte und Staaten. 30°/o der Bevölkerung von Boston sind in Ii-Iand geboren. Ohne das irische Element würde die Gefahr der Ochlokratie und des aus ihr fast unfehlbar folgenden Caesarismus selbst in New York und San Francisco, den in dieser Beziehung am meisten gefährdeten Städten, sehr viel geringer sein. Das deutsche Element entfernt sich zwar in der Sitte vielfach eben so sehr von den Einheimischen als die h'länder und war deshalb bei der oberflächlich urteilenden Masse eben so wenig beliebt. Aber es zögorte nicht, den gormanischen Kern seines Wesens zu zeigen, sobald es sich aus der aus dl III Tolizeistaat mitgebrachten schworfälligen Ungeschicklichkeit luiraiisgerunden hatte. »Da die Deutschen ein betriebsames und gewecktes Volk sind, läfst ein groCser Teil von ihnen sich in dem offenen Jjundo nieder und entwickelt die Hilfsquellen des Westens und Südens, während der übrige Teil, aus Künstlern Entwickeluug des deutscheu Elementes. 253 und Handwerkern bestehend, lohnende Beschäftigung in Städten und Fabrikorten findet« ^). Deutsche und Nordgermanen neigen am meisten zum kleinen Ackerbau und zeichnen sich durch Stetigkeit in diesem Betrieb vor den Engländern und Nord- amerikanern aus. Gleichzeitig bringt der Deutsche auch einen grölseren Betrag von Bildung oder wenigstens Schulung mit, als die ganze übrige Einwandererschar zusammen. Ilim ähnlich ist der Skandinavier, den der eben citierte Bericht »fleilsig, sparsam und mälsig« nennt. Die Angepalstheit an rauhes Klima, die die Schweden, Norweger und vor allem die Isländer mitbringen, ist in den Teilen von Wisconsin und Minnesota, die sie mit Vorliebe zu ihren Niederlassungen auswählen, eine erwünschte Eigenschaft ^j. Ehe die deutsche Einwanderung als Masseneinwanderung begann, sind zahheiche vereinzelte Deutsche, besonders aus den an die Nieder- lande grenzenden Landschaften, nach Nordamerika gekommen. Von mehreren von ihnen berichtet die Geschichte Hervorragendes. 1626 kam nach NeAV York P. Minne wit aus Wesel, der als Leiter der da- maligen niederländischen Kolonie Neu Amsterdam bis 1632 amtete, und als Führer einer schwedischen Kolonie 1641 in Delaware starb. Jakob Leisler aus Frankfurt a. M. spielte die leitende Rolle in dem Aufstand New Yorks (1689) gegen die Anhänger Jakob's H. und wmxle 1690 hingerichtet. 1708 ging auf englische Kosten eine Gesellschaft von 52 pfälzischen Protestanten aus Landau unter Fülu'ung des Pfarrers von Kocherthal nach New York, wo sie den Grund der Ko- lonie Neuburg am Hudson legte, aus der das heutige Städtchen New- bmgh hervorgegangen ist. 1709 erfolgte dann die erste Massenaus- wandermig aus der Pfalz, von welcher im April 1710 600 Köpfe nach Nord-Carolina und 3000 nach New York kamen ; ihre Ansiedelungen erhielten sich im Schoharie- und Mohawkthal bis zum Unabhängigkeits- krieg rein deutsch. Im ö. Teile des Staates New York, in Schekomeko, gründeten 1740 die Herrnhuter eine Mission, die später nach Pennsyl- vanien übersiedelte. Nach Pennsylvanien waren 1683 die ersten Deutschen, Pfälzer, gekommen und hatten Germantown gegründet. Deutsche wanderten dann mit solcher Vorliebe nach dieser Kolonie, 1) E. Young, Spec. Bericht über Einwanderung in den V. St. 1872. 4. Über die Bedeutung der Deutschen für die Kulturentwickeluug der V. St. Vgl. auch die Abschnitte über Kirche und Geistiges Leben. 2) Der »Skandina\dan<: ist in der gewöhnhchen Auffassung der Nord- europäer zwischen Schottland und Rufsland, und umschhefst sowohl den Finnen als den baltischen Deutschen. 254 Einwanderung und Verbreitung dafs man 1755 annehmen konnte, es bestehe die HäKte der Bevöl- kerung, die auf 250000 veranschlagt ward, aus Deutschen. In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts machten die Deutschen vier Fünftel bis fünf Sechstel der pennsylvanischen Einwanderung aus. Es kamen damals jährüch 4000 bis 5000 und eine Zeitlang schwebte die Frage, ob die Amtssprache deutsch oder enghsch sein solle ^). Wäh- rend Neu-England von der deutschen Einwanderung kaum berührt ward, empfing der jüngste Südstaat, Georgia, zuerst 1634 und später deutsche Einwanderer, meist Salzburger, die die Ansiedelungen Alt- und Neu- Ebenezer gi-ündeten, und in Süd-CaroMna bestand beim Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges eine deutsche Kolonie in Charleston und Um- gebung, die stai-k genug war, eine Kompagnie auszm-üsten. Es wird nicht zu hoch gegriffen sein, wenn man annimmt, dass beim Ausbruch des Unabhängigkeitski-ieges 250000 Deutsche in den V. St. lebten. Von diesen hatten sich allerdings in den nächsten Jahrzehnten manche bereits entdeutscht, da in den unruhigen Zeiten die Einwanderung von Deutschen auf ein sehr geringes Mafs herabgegangen war. Die Schätzung Löhers, dafs zu Anfang unseres Jahrhunderts noch ein Fünftel der Gesamtbevölkerung aus Deutschen bestanden habe, ist viel zu hoch. Für die Zahl der zwischen 1776 und 1818 herübergewan- derten Deutschen hat man gar keinen Anhalt. Im folgenden Zeitraum 1819 bis 1829 sind nach den niedersten Schätzungen 75000, von 1830 bis 1843 308000 anzunehmen. Dann beginnt des starke Wachstum. Für 1844 bis 1854 gibt die Statistik 1269000. 1854 war mit 252000 das an deutschen Einwanderern bis dahin reichste Jahr. 1855 bis 1870 kamen 1 184038 und in den zwei folgenden Jahrzehnten 1871 bis 1880 und 1881 bis 1890 626000 und 1340000, in den letzten drei Jahrzehnten zusammen gegen 2 800000. Zählt man die deutschen Österreicher, Russen und Schweizer, die Luxemburger und die über Canada eingewanderten Deutschen hinzu, so sind drei MiUionen für diesen Zeitraum keine zu hohe Annahme. Von allen Einwanderern, die in beträch thcher Zahl kamen, standen früher die Deutschen durch Sitte und Sprache der herrschenden Be- völkerung am fremdesten gegenüber und wurden wegen der Ohnmacht iln-es Vaterlandes gering geschätzt. Sie htten daher am meisten unter den schlechten Einrichtungen der Auswandererschiffe, der Landungs- 1) Als diese hohe Stelhing der Deutschen in Pennsylvanien schon seit einem Jahrhundert zu den vergangenen Dingen gehörte, bot sie docli noch einen bequcineu Anlals, \un unseren biederen Laudsleuton die tSclnild an der viel Hjjtlteren JS'icbtbczahhiug der pcinnsylvanisclien Stiuitsscliuldcn zuzuscln-eiben ! Selbst ein sog. wissenschaftlicher Reisender, G. W. Featherstonehaugh, F. R. 8. und F. G. S., berichtete solches in seiner 1845 erschienenen Excursion to tho Slavo States (I. 19) als sichere Thatsache. der Deutschen. 255 256 Verbreitung und Zahl der Deutschen. platze und des Ti-ansportes ins Innere. Nicht selten starben 20 bis 407o auf der Überfahrt und die Überlebenden hatten ihr Überfahrts- geld durch 3 bis 6 Jahre langen Dienst bei dem abzuverdienen, der es für* sie bezahlen mochte. Die Einrichtung ist vom Sklavenhandel nicht sehr entfernt gewesen. Man zittert vor Schmerz und Scham, wenn man die Unbilden und Leiden liest, denen diese armen Lands- leute unterworfen waren. In neuerer Zeit haben sich die Leiden ver- mindert, vorzügUch durch stäi'kere Benützung der Dampf boote an Stelle der Segelschiffe (1855 kamen nach New York 5, 1870 schon 887o der Em Wanderer in Dampf booten), zu einem guten Teil aber auch durch schützende Mafsregeln der Staatenregierungen und einzelner Privat- gesellschaften, von denen die deutsche Gesellschaft in New York unter Leitung von Männern wie Bierwirth, Kapp u. a. sich die grölsten Verdienste um die deutsche Einwanderung erwarb. New York setzte 1847 eine besondere Behörde, die Commissioners of Immigration, zum Schutze der Einwanderer ein. Zugleich wurde aber die geographi- sche Verbreitung der Deutschen mit ilirer zunehmenden Menge viel günstiger (s. Fig. 12). Bis 1840 hatten sie iln-e Sitze zwischen dem Hudson und Potomac, wo sie als ländliche Bevölkerung abgeschlossen lebten. Mit dem Wachstum Ne^v -Yorks büdete sich in dieser emflufs- reichsten Stadt Amerikas ein zweites Gebiet cüchter deutscher Bevöl- kerung und ein drittes hat am Ufer des Michigansees in Wisconsin, Minnesota und Ilhnois sich entwickelt. Der Census von 1880 wies auf 10000 Einwohner 1400 eingewanderte Deutsche in Wisconsin, 880 in Minnesota, 770 in Ilhnois, JOO in New-York, 670 in Nebraska, 570 in New-Jersey, 540 in Michigan und Jowa, 510 in Ohio, 490 in Kah- fornien, Missouri und Maryland nach'). Die Deutschen der V. St. sind eine beständig sich ändernde Gröfse. Wül man die Zahl der zu bestimmten Zeiten in den V. St. ansässigen Deutschen abschätzen, so begegnet man der unüberwind- hchen Schwierigkeit, zu bestimmen, wie viele deutsch geblieben sind. Es ist der Behauptung Erwähnung gethan, dafs im Anfange dieses Jahrhunderts ein Fünftel der Bevölkerung der V. St. aus Deutschen bestanden habe. Zugegeben, dafs diese Angabe richtig sei, erleidet es doch keinen Zweifel, dafs nicht mehr alle von Deutschen Abstammen- den als Deutsche betrachtet werden konnten, da erfahrungsgemäfs alle mcht in grölseren deutschen Gemeinschaften zusanuneuwohnenden 1) Im Augenblick der letzten Korrektur dieses Bogens kommt mir das Censushulletin No. 357 vom 16. Fol)ruar 1893 zu, in dem iih- 1890 2784894 in JJoiitH(;liland (TCiljorene in der lievolkorung der V. St. nachgewiesen werden, das sind 30% aller Fremdgeborenen. Durch Zuzählung der Österreicher, Holländer, Belgier, Luxemburger und Schweizer wird eine Gruppe von 3119583 >Tcutouöc gebildet. Franzosen und Spanier. 257 Deutschen schon in der zweiten und spätestens in der dritten Gene- ration sich verengländern und zwar in Sitten und Anschauungen nicht weniger als in der Sprache. Die Sprache ist aber das einzige Merk- mal, an welchem wh die Deutschen sicher erkennen können. Haben sie diese verloren, dann hört gar bald der Zusammenhang mit den Lands- leuten auf und worin hegt dann ihr Deutschtum? Wenn Löher 1846 annahm, dals zwei Drittel der Deutschen Deutschredende seien, so ist dieses Verhältnis gewils heute nicht mehr gültig, denn trotz der grofsen Nachschübe in den letzten drei Jahrzehnten fallen in jedem Jahre Tausende vom Deutschtume ab, die in Amerika von deutschen Eltern geboren sind. Wir halten 7 INIill. Deutsche, also ein Neuntel der Gesamtbevölkerung, für die höchstmöghche Annahme. An den Census- zahlen kann man natürhch die Gröfse der deutschen Bevölkerung nicht messen, da der Census niu: die in Deutschland Geborenen ermittelt. Man mufs die Eärchen-, Schul- und Zeitungsstatistik mit heranziehen. Bis vor einigen Jahren haben nm' die Franzosen und die Spanier in den V. St. die romanische Famihe wii'ksam vertreten. Jene haben mit ihren Fehlern und Tugenden die heranwachsenden Kolonien von Canada und später von Louisiana aus beeinflulst. Die Hugenotten-Niederlassungen von Florida und Süd-Carohna haben da- gegen wenig Spuren in der Geschichte der V. St. hinterlassen. Von älteren fi-anzösischen Ansiedelungen im Norden ist nm- die Hugenotten- kolonie Oxford Mass. nennenswert. Orts- und Familiennamen sprechen von der vergangenen Herrschaft der Franzosen an den Seen und am oberen Mississippi. In Illinois und Missouri sind auch noch fran- zösische Gemeinden erhalten. Veremzelte fi'anzösische Canadier, meist mit Indianerblut gemischt, wohnen im fernen Nordwesten. Diese Fran- zosen waren einst die Väter grofser poUtischer Gedanken, deren Erben die V. St. geworden sind (s. o. S. 96). Sie haben auch in der Indianer- poUtik Lehren gegeben, denn sie waren mit den Indianern besser bekannt, stiegen aber in der Kriegführung in Nordamerika früher und entschiedener bis auf die Stufe ihrer Indianer herab, bis zur Skalp- jägerei, als die Angelsachsen. Am einflufsreichsten wm'de aber ihre kolonisatorische Schwäche. Die Grenzkolonie Acadie befand sich 80 Jahre nach der Gründung trotz der grofsen Opfer, die ihr gebracht worden waren, im Stillstand, an manchen Stellen im Rückgang. Sie hatte 1689 nur 803 Einwohner'). Der Unterschied hegt tiefer als in der Uneinigkeit der Leiter und den Zwistigkeiten mit denNeu-Engländern. Die Kolonie, zeigte nach hundertjährigem Bestand wenig Früchte der auf sie verwendeten Arbeit und Opfer. »Acadie hat in dieser Zeit keine Männer von ausgesprochenem Charakter erzeugt und ihre Geschichte ist wenig mehr als der Bericht der Streitigkeiten zwischen 1) Murdoch, History of iSfova Scotia I. p. 166. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 17 258 Hispano-Ameiükaner. kleinen MacMhabern und des schwachen Widerstandes gegen die An- griffe stärkerer Nachbarn«'). Der Gegensatz zu der Geschichte der neu- engländischen Kolonien in demselben Zeiträume drängt sich auf. Noch mehr der Unterschied der pohtischen Aneignungskraft. Würde Quebec als Teil der V. St. eine nationale Sonderstellung eingenommen haben, die es jetzt zu einer Gefahr für die Dommion, zu einer Ai-t Iiiand macht? Auch der Verkauf Louisianas an die V. St. ist ein Zeugnis des schwachen Haltes der Franzosen, die immer nur kleine Streifen des. pohtisch beanspruchten Landes thatsächhch besetzt hatten. Auf ihre kleinen Menschenzalilen ist oben hingewiesen worden. Wenn französische Ein- flüsse m Pohtik, Kunst und Mode von den V. St. bereitwiUig aufgenommen worden sind, so ist es auch das keltische Blut, das für sie spricht. Aus der neueren französischen Einwanderung müfste man im stände sein, die Elsässer und Lothringer auszuscheiden, um das echte französische Element zu geT\annen. Und aufserdem müfste man aus den Canadiern die französischen Untercanadier aussondern, die in Masse aus Quebec und Neu-Braunschweig nach den gewerbthätigen Neu - Englandstaaten einwandern. Ein Fünfzehntel der gegenwärtigen Bevölkerung von Mas- sachusetts ist in Canada geboren, zum gröfsten Teü von französischen Eltern. Der Census von Massachusetts unterschied 1885 zum ersten Mal französische Canadier, deren Zahl zu 64503 besthnmt wurde; die Gesamtzahl der in Britisch Nordamerika Geborenen betrug 147352. Gleich ihnen bleiben auch die anderen Franzosen gerne in den Städten, wo man sie in den bekannten Lieblingsbeschäftigungen als Gastwirte, Haarkräusler, Schneider, Sprach- und Musiklehrer u. s. f. nicht selten findet. Der Versuch einer französischen Kommunistensekte, eine fran- zösische Ansiedelung im Westen zu gründen, ist miXslungen. Während die spanische und portugiesische Einwanderung gering ist, ist ein nicht geringer Rest von altangesiedelten Hisp an o- Ameri- kanern und hispanisierten Indianern und Mestizen in den früher spanischen Landesteilen , hauptsächhch in Neu-Mexiko , Kahfornien und Texas zu finden. Mehr noch als in den anderen spanisch-ameri- kanischen Ländern ist in diesen bis 1848 zu den entlegensten und ^venigst einladenden Provinzen zählenden Teilen das ]VIischHngstum überwiegend. Es ist ein ganz besonderes Geschlecht: »Unter den reicheren (bzw. älteren) Famüien ist der mdianische Zug fast ganz verschwunden. Die Züge sind etwas dick, aber der Gesichtsausdruck ist mild. Die Farbe ist dunkel, meist bronzeartig, das Haar ist schwai-z und straff. Von den Männern sind viele hübsch, hochgewachsen, breitschulterig, starkknochig, gesund und langlebig. Männer und Weiber werden im Alter fett. Sic sind gutmütig, mild und gefällig 1) ChH. C. .Siiiitli in Wiiisor a. a. O. IV. 8. 14Ü. Hispano-Amerikaner. 259 gegen ihre Freunde, aber ganz »out of place« unter den Amerikanern, die besonders im Geschäfte zu schlau für sie sind. j\Iit der Ent- wickelung des Landes sind die Spanisch-Caüfornier rasch ärmer ge- geworden und besitzen nicht mein- em Zwanzigstel A^on dem Grund und Boden, den sie 1848 hatten. Damals besafsen sie fast alles, jetzt ist kein einziger leitender Kaufmann unter ihnen . . . Sie bilden jetzt eine kleine ohnmächtige Minderheit in einem Volke, das ihnen weit überlegen ist in Geschick für Ackerbau und Gewerbe und in Ge- schäftskenntnis, das ihren Reichtum aufsaugt und sie als Untergeord- nete betrachtet und behandelt. Viele hassen die Nordamerikaner. In den Grafschaften, wo die spanische Bevölkerung stark war, herrschte zu mancher Zeit in den Jahren 1853 und 1854 der Zustand offenen Bürgerkriegs. Die meisten Spanisch-Kalifornier leben auf dem Lande; die Hauptbeschäftigung der niederen Klassen ist das Hüten der Heerden«.') Diese Beschreibung, die zunächst die Spanisch-Kahfornier im Auge hat, findet ebensogut Anwendung auf die spanischen Texaner, Neumexikaner etc. Ist ihre Kulturbedeutung gleich Null, so ist dagegen ihr Einflufs auf die Rasse nicht unbedeutend. Ihre schönen und gesunden Weiber erzeugen mit Amerikanern zahlreiche Kinder, und es ist dies einer der Wege, auf denen nicht nur spanisches, sondern auch indianisches Blut in die Adern des neuen nordameri- kanischen Volkes eingeführt whd. Auch scheinen sie sich in die eng- lische Sprache rascher hineinzufinden als die Franzosen. Andererseits sind aus der ihrigen zahheiche Wörter in das amerikanische Enghsch übergegangen, vorzüghch Ausdrücke für topographische, bergbauhche, landwirtschaftüche Dinge"). 1) H i 1 1 e 1 1 , The Resources of California 1874. 40. Hören wir als euro- päische Stimme die des Erzherzogs Ludwig Salvator, der in seinem Buche über Los Angeles (2. Aufl. 1885) besonders warnt , den Hispano - Californier geringzuschätzen. »Sie überschätzen sich selbst und besonders ihre unfi'ucht- bare Vergangenheit, wenn sie sich mit einem Getreidefeld vergleichen, in dem eine INlasse Unkraut aufgeschossen ist. Aber sie sind, sowohl die rein- blütigen spanischen FamiUen, deren man in ganz Kalifornien jetzt etwa 15 zählt, als auch die IndianermischHnge , ein gesundes Volk, unter dem hohe Lebensalter eine sehr häufige Erscheinung sind. Den rastlosen, goldsuchenden ersten Ansiedlern kamen sie in ihrer bedürfnislosen Riihe wie Fossile vor. Aber die sich verdichtende, die Vorzüge KaUforniens geniefsende Bevölkerung von heute hat für- die »Greasers«, — Spitzname für die IndianermischHnge, der übrigens auch dem reinen Spanier beigelegt wm-de ; die Neumexikaner heifsen »Gringos«, die Sonorians, Einwanderer aus der nahen mexikani- schen Provinz Sonora, stehen für den Nordamerikaner ganz nahe bei ihnen — etwas mehr Verständnis gewonnen. 2) Prof. Tal lieh et fühi-t in seinen »Dialect Notes«: (C. IV) 175 Worte spanischen und mexikanischen Ursprungs auf, die in Texas bei den Nord- 17* 260 Juden. Über die neue Erscheinung einer sehr- rasch anwachsenden italienischen Einwanderung s. S. 238 und Kap. XV. Grofs und sehr rasch wachsend ist die Zahl der Juden. Von gegen 7 Mill. Juden auf der Erde sind mehr als 500000 in den V. St., wovon über ein Drittel im letzten Jahrzehnt ein- gewandert sind. Allein in den Jahren 1885/9 sind 120000 im Hafen von New^ York augekommen und die grofse Auswanderung der Juden aus dem östlichen Europa wird sich, auch ohne nach den V. St. gelenkt zu werden ^), dem jüdischen Triebe nach Handels- thätigkeit und Reichtümern folgend, grofsenteils dorthin ergiefsen. Schon regt sich eine leise, noch ohnmächtige Abwehr in einem Ansatz zu antisemitischen Diskussionen, in den grofsen Blättern wie »North American Review« und »Nation« eine höchst ungewöhnliche Erscheinung, und der vermehrte Zuflufs wird noch lautere Pro- teste erschallen lassen. 1891 brachte die North American Review einen Artikel »Neues Licht über die Judenfrage« von Goldwin Smith, der die Stellung der Juden , besonders im Geld- und Zeitungswesen, scharf zeichnete und zahlreiche schwache Ent- gegnungen hervorrief. Aber trotz einer gewissen Neigung zur Be- handlung von Rassenfragen, die wir hervorgehoben haben, bewegt man sich doch nur auf sozialem und akademischem Grunde, wenn man, ^ne es in Saratoga geschehen, feine Gasthäuser den Juden verschliefst, oder den Anspruch der Juden zurückweist, daCs einige Helden des Bürgerkrieges Juden gewesen seien. Die Statistik zeigt bei den Juden der V. St. dieselben Eigen- tümlichkeiten wie in der alten Welt, besonders niedrigere Sterb- lichkeitsziffer und längere Lebensdauer; auch das Verhalten zu vor])reiteten Krankheiten ist ähnlich; doch gibt es in der Krank- heitsstatistik auch Momente, die auf schwächeren Widerstand gegen die Einflüsse des Wohllebens deuten'-*). amerlkanern üblich sind. Es sind fast durchaus Worte des gewöhnhcheu Lebens: Tier- und Pflanzennamen, Bezeichnungen für Verrichtungen des Ackerbaues, der Viehzucht und des Hauses. 1) Baron Hirsch })ckennt, dafs es ihm weder für das Land noch für die jüdischen Auswanderer pasHond ers(;hienen sei, (Ue »aheady onormous nunibcr of Jews in the United States« nocli zu vermehren. N. Am. Rev. 1891 p. 3. 2) J. S. BiUings, Vital Statistics of the Jews N. A. R. 1890. I. 70 bis 84. I X. Die Neger^). Entwickelung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten 261. Ihr Charakter 268. Zahl und Verbreitung der Neger 269. Ihre Allgegenwart 270. Verdichtungen in den nördlichen Südstaaten 271. Wachstum, Geburten und Sterblichkeit 272. Beziehung zu der Zunahme der weifsen Bevölkerung und der weifsen Ein- wanderung 277., Geographische Verbreitung der Neger in den Vereinigten Staaten 278. The Black Belt und die Afrikanisierung des äufsersten Südens 280. Die Negerfrage 281. Der freie Neger 283. Seine politischen Rechte 284. Seine Erziehungsfähigkeit 284. Schulen und Charakterbildung 286. Geistige Stagnation 287. Wirtschaftliche Zustände und Fortschritte 288. Entwickelung des Südens seit 1860 289. Grundbesitz der Neger 291. Die Mulatten 293. Geschichtliches. Die Neger sind auf dem Boden der Neuen Welt ein Produkt der Gewalt. Ohne den Sklavenhandel würde dort heute nicht der hunderttausendste Teil von ihnen leben. Das erste Sklaven- schiff kam 1620 mit 20 Sklaven in Jamestown (Virginien) an. Ein Jahr später wurde die erste Baumwolle in Nordamerika gebaut. Dieses war der Anfang der schwarzen Sklaverei. Eine weniger auffallende Form von Sklaverei hatte in Form bedingter Dienstbarkeit auf Grund von Kontrakten, die arme Einwanderer zur Abverdienung ihrer Reise- kosten durch Arbeit verpflichteten, schon fi'üher bestanden und traf noch im 18. Jahrhundert manchen armen deutschen Landsmann. 1) Auch wenn die Aussonderung der Mischhnge nicht auf unübersteig- liche Schmerigkeiten stiefse, würde doch ihre sociale und politische Stellung die Zusammenfassung mit den Negern rechtfertigen. Den häufig für beide augewandten Ausdruck »Farbige« (Colored People) zu gebrauchen, mifsrät die Unbestimmtheit eines doppelten Sprachgebrauches. Es wirkt verwirrend, dafs auch in den Veröffentlichungen über den Elften Census Colored bald für Neger und ]Mulatten, bald zugleich auch für Chinesen, Japaner und bürger- liche Indianer angewendet wird. 262 Geschichtliches. 30 Jahre nach dieser ersten Emfuhr kamen in Virginien 50 Weifse auf einen Schwarzen. Selbst die Puritaner-Kolonien Neu-Englands und die pennsylvanischen Quäker schlössen die Sklaverei nicht aus '). In den beiden Carohnas tritt sie gleich mit den ersten Anfängen der Kolonisation auf und in wenigen Jahren verhielt sich die Zahl der Schwarzen zu der der Weifsen wie* 22 : 12. Georgia ist die einzige Kolonie des Südens, welche die Sklaverei von Anfang an ausschlofs, aber nur bis 1749. Bancroft nimmt die Zahl der in das Gebiet der 13 Kolonien eingeführten Sklaven von 1620 bis 1740 zu 130000 und von da bis 1776 zu 300000, Carey insgesamt zu 333000 an. Ein- fuhr und Vermehrung waren von Anfang an im Süden am stärksten. Während Virginien ein Jahr nach der Unabhängigkeitserklärung nicht werüger als 293427 Neger zählte, hatte Vermont in demselben Jahre deren 17. Der Census von 1790 gab die Sklavenbevölkerung der 4 Plan- tagen-Staaten Virginien, Nord- und Süd-CaroHna und Georgia zu 567527, die der 9 übrigen Staaten zu 40370 an. In den letzteren war seit 1777 eine beträchthche Anzahl von Sklaven in Freiheit gesetzt worden. Pennsylvanien bestimmte 1780 , dafs alle von da an innerhalb seiner Grenzen geborenen Sklaven frei sein soUten. Massachusetts, Connecti- cut und Rhode Island schlössen sich kurz darauf diesem Schritte an. Selbst in Virginien A\ar 1778 die fernere Sklaveneinfuhr verboten und jede Beschi'änkung der Emanzipation^) aufgehoben und in Nord- Carohna die früher prämiierte Einfuhr für unpoHtisch erklärt und mit einer Steuer belegt worden. Der Kontrast zwischen den freiheitüchen Bestrebungen der Bürger und ihrer Sklavenhalterei kam nur allmählich, und früher den Fremden als den Einheimischen zum Bewufstsein^). 1) »Es ist der unsterbliche Ruhin unserer deutschen in Pennsylvanien eingewanderten Landsleute, dafs sie zu einer Zeit, wo selbst die Gewissen- haftesten nichts Anstöfsiges in der »Sklaverei fanden, entschieden dagegen auftraten. Sie erklärten es im Gegensatz zu den Quäkern für unsittlich, Sklaven zu halten und reichten im Jahr 1688 bei der Assembly von Penn- sylvanien eine Petition ein , worin sie die unbedingte Abschaffung der Skla- verei forderten.» (F. Kapp, Gesch. der Sklaverei in den V. St. 1856. 40.) 2) »IJic Emanzipation einzelner Sklaven ward in den V. St. vorzüglich von wirtschaftlichen Faktoren bestimmt. Als zwischen 1800 und 1820 sich der Bauiiiwollenl)au fast A'crdreifacht hatte, nahm die Emanzipation im Ver- liältnis zum vorhergehenden Jahrzehnt um zwei Drittel ab. Da das Baum- wollengebiet sich von 1820—1830 nicht ausdehnte, so nahmen die Freilassungen wieder zu. Von 1830^1840 sank sie in Folge des hohen Preises der Baum- wolle um mehr als die Hälfte. Von 1840 — 1850 hörte sie aus demselben Grunde so gut wie ganz auf, und von 1850 — 1860 war von ihr nur ausnahms- woIho die Rede«. (F. Kapp a. a. 0. 138.) 3; >Eh gibt nichts Lächerlicheres als den amerikanischen Patrioten, «Itr mit der einen TTand die TTnalihängigkeitserklärung unterschreibt, während I GeschichtUches. 263 Die hervorragendsten Männer jener Zeit gaben die Verwerflichkeit der Sklaverei zu und nur über das Mafs und die Wege der Aufhebung gingen ihre Meinungen auseinander. Es war der nachfolgenden wirt- schafthchen Entwickelung vorbehalten, den Wert der Sklaven so zu erhöhen , dafs ihre Befreiung eine Erschütterung der ganzen Grund- lage des Wirtschaftslebens bedeutete, der man sich nicht mehr frei- willig unterziehen konnte. Natürhch wurde die Aufhebung mit jedem Jahr sch'nderiger. Noch später kam der wh-tschafthche Gegensatz in der Grundverschiedenheit der freien und der Sklavenarbeit und seine handelspohtischen Folgen zum BewuTstsein. 1787 wurde für die künftigen Staaten des Nordwestens die Sklaverei als unzulässig erklärt , aber die Bestimmung beigefügt , dafs flüchtige Sklaven aus anderen Staaten ihren Eigentümern auszuliefern seien. Es ist wahr- scheinlich, dafs nur mit diesem Zusatz das Gesetz die Stimmen der Südstaaten auf sich vereinigen konnte. Bald darauf wurde die Frage, ob die ganze Bevölkerung oder nur die freie bei der Verteilung der Bundessteuern und der AVahl der Vertreter in Rechnung zu ziehen sei, dahin beantwortet, dafs die Sklavenbevölkerung nur zu drei Fünftel der freien gerechnet werden solle; und gleichzeitig wurde das 1776 beschlossene Verbot der Sklaveneinfuhr auf Andringen der Südstaaten bis ziun Jahr 1808 aufser Wii'ksamkeit gesetzt. 1790 und 1792 führten Quäkerpetitionen um Aufhebung der Sklaverei zu einem Versuch süd- licher Vertreter, das Petitionsrecht für aUe mit der Sklaverei zusammen- hängenden Fragen aufzuheben. Als Nord-CaroHna 1790 sein west- üches Territorium an den Bund abtrat, -uoirde ihm die Bedingung zu- gestanden, dafs es die Sklaverei in demselben nicht aufheben dürfe, und damit war Kentucky zu einem neuen Sklavenstaat bestimmt. Dagegen wurde 1807 die Aufhebung der Sklaverei in dem neuen Staate Indiana verfügt, und dies kam den später sich bildenden lUinois, Wisconsin und Michigan zu gute. Darin hegt der Hauptgrund aller dieser auf Befestigung und Ausdehnung der Sklaverei gerichteten Bestrebungen, dafs die Baumwollenausfuhr des Südens, die 1790 und 1791 kaum 5000 D. bewertet hatte , 1809 bis 1811 den Wert von 33 Mül. D. er- reichte, und dafs auch die Reis-, Zucker- und Indigo-Erzeugung des Südens in dieser Periode des wirtschafthchen Aufschwunges grofse Fortschritte gemacht hatten. 1803 wm-de durch die Erwerbung des Mississippi-Thaies das Gebiet, in dem diese Produkte gedeihen, gewaltig erweitert und deren ungemein raschen Ausbeutung verdankt der Süden den gröfsten Teü des Übergewichtes bei der Aufnahme neuer Staaten bis zum Anfange der zwanziger Jahre. Wie das Streben nach neuem er mit der anderen die Geifsel über seinem Sklaven schwingt.« (Winter- botham ITllö. I. 206.) 264 Geschichtliches. Landgewinn zu einem der wesentlichsten Grundsätze der Politiker des Südens wurde*), haben wii- S. 113 gesehen. Als die Sklaveneinfuhr von 1808 an wieder verboten wiu-de, hatten Staaten mit grofsem Bedarf schon vorgesorgt und Süd-CaroHna hatte allein von 1804 bis 1808 z^^dschen 40000 und 50000 Sklaven eingeführt. Dieses Verbot brachte den Sklavenhandel im Inneren der Union zu höherer Blüte. Den Ausfall in der Einfuhr'') suchte man diu-ch sorgfältige Züchtung von Sklaven zu ersetzen , die mit der Zeit in gemssen Staaten mit ebenso"väel Virtuosität geübt wurde, wie irgend ein Zweig der Viehzucht. Man unterschied bald die Sklavenstaaten in sklavenzüchtende und sklavenabnehmende. Unter jenen stand Virgüiien , das kurz vor dem Bürgerkrieg eine jährüche Ausfuhr von 6000 bis 8000 aufzuweisen hatte, in erster Linie ; aufserdem zählte man dazu Maryland, Delaware, Kentucky , Tennessee , Nord-CaroHna und Missouri. 1850 verkauften diese sklavenzüchtenden Staaten 40000 Köpfe ihres Produktes. Den gröfsten Verbrauch von Sklaven hatten natürlich die jungen Südstaaten bei Überflufs an gutem Boden und dünner Bevölkerung, die einen ausgedehnten, aber oberflächhchen Ackerbau trieben : früher Louisiana, Mississippi, Alabama, später noch Texas und Arkansas. Es ist nicht zufäUig, dafs eine wachsende Wertschätzung der ganzen »eigentüm- Hchen Institution« von der Zeit des wohlgemeinten Einfuhrverbotes sich datiret^). Die Bestrebungen nach Aufhebung oder Milderung der 1) »Räumliche Ausbreitung ist eben so notwendig für das vermehrte AVohlbefinden des Sklaven als für den Wohlstand des Herrn« sagte R. Toombs 1856 in einer Rede zu Boston. (H. v. Holst, Verfassung etc. I. 295.) 2) Übrigens wurden unter der Hand noch immer Sklaven genug ein- geführt. 1818 z. B. in Alabama und Georgia 14000. (F. Kapp a. a. O. 138.) 3) Das Gefühl, dafs mit dieser Institution nicht alles im Richtigen sei, war nicht so leicht zu verwischen. Der Ausdruck Sklave wurde in den Sklaven- staaten geflissentlich vermieden; man sprach von »our People, the Hands, tlie Negroes« u. s. f. Man gestand das HäfsUche an der Sache stillschweigend zu. Schon in den dreifsiger Jahren, also in der Blütezeit der Sklaverei, agitierte man in Charleston und mehreren anderen Haiiptorten des Südens für Verlegung der Sklavenmärkte nach möglichst entlegenen ÖrtUchkeiten. (Vgl. H. Marti neau, Society in America II. 161.) Später schwang man sich allerdings über diesen schamhaften Standpunkt hinaus und in den fünfziger .hiliren gab es eine ganze Littcratur, die aus Bibel, riiilosophio \ind Natiu'- wisscnH(;haft die Sklaverei zu rechtfertigen suchte. Die ans der Verfechtung dieser Institution entspringende Anregung zu vergleichend anatomischen Unter- suchungen über die Negerrasse ist nicht ohne Einflufs auf die Entwickelung der Wissenschaft von den RassenunterschiedcMi und der Kraniolf)gie geblieben. (Vgl. z.B. Nott und Gliddon, Tyi)es of Mankind.) Featherstonehaugh gibt gute Beispiele der wisscnHchaftlicben Beigründung der Sklaverei in seiner Ex- cursion in the Slave States 1845. U.. 342 u. a. Geschichtliches. 265 Sklaverei starben im Süden fast vollständig aus. In den meisten der Südstaaten wurde die Freilassung verboten oder erschwert, in Süd- Carolina jede Versammlung von freien Farbigen selbst zum Unterricht verboten , und Virginien hatte schon nach einigen kleinen Neger- aufständen 1801 jeden Unterricht der Neger verboten *). Hier wie in mehreren anderen Staaten wurde der Aufenthalt der freien Neger beschränkt. Der gesteigerte Bedarf an Arbeitskräften infolge der wirt- schafthchen Entwickelung und die Werterhöhung der Sklaven durch Hemmung der Einfuhr machten sich geltend. Dafs freie Neger in freien Staaten gefangen wurden , um in den Sklavenstaaten verkauft zu werden , führte zuerst wieder im Kongrefs von 1817 zu einer lebhaften Debatte über die Sklavenfrage; zahlreiche Fälle von Ent- weichungen von Sklaven, die bei den Indianern von Florida Schutz suchten, riefen jene Verwickelungen mit den spanischen Behörden in Florida hervor, die formell mit der Erwerbung dieser Kolonie im Jahr 1821 endigten, aber in den Seminolen-Kriegen sich bis 1842 fort- setzten. 1817 war eine Kolonisationsgesellschaft gegründet worden, deren Ziel die Überführung freier Neger nach Afrika war. Weniger Humanität als der Wunsch, sich dieser gefährhchen Elemente zu ent- ledigen, Heh diesem Bestreben auch in den Sklavenstaaten Unterstützung. Das Resultat war die bekannte Neger -Republik Liberia, die sich unter amerikanischem Schutze langsam entwickelt hat*). In den Kon- gressen von 1818 und 1819 gewann die Sklavenfrage immer mehr die Gestalt einer zwischen Nord und Süd schwebenden Prinzipienfrage, in der zwei ungefähr gleich starke Hälften der Union scharf entgegen- gesetzte Punkte verteidigten. Das Missouri-Kompromifs (1820), das den Staat Missouri als Sklavenstaat zuhefs, um dagegen aus dem Gebiet n. von 36° 30' n. Br. die Sklaverei für alle Zeiten auszu- 1) Der Congrefsabgeordnete, später Senator, O. P. Morton schätzte 1865 in einer Rede zu Richmond Ind. die Bruchzahl der Neger, die lesen konnten, auf Vs'/o, ihr Durchschnittseigentum auf 5 D. pro Kopf und scheint sich damit keiner erhebUchen Übertreibung schuldig gemacht zu haben. 2) Die American Colonisation Society for Colonising the Free People of Colour of the United States wurde 1816 in Washington unter dem Präsidium Henry Clays ins Leben gerufen und brachte in 180 Fahrten über 15000 Neger und Mulatten nach Liberia, wozu 6000 den Sklavenschiffen Weggenommene kamen. Diese Einwanderer haben sich nicht stark vermehrt, sind vielleicht sogar etwas zurückgegangen; die Zahl ihrer Nachkommen dürfte nicht über 20000 zu veranschlagen sein. Die Angabe, dafs Liberia 1 bis 1,5 Mill. um- schhefse , ist aus der Luft gegriffen , da über die Ausdehnung des Gebietes ins Innere die verschiedensten Vorstellungen herrschen; fast sicher ist eine viel geringere Zahl anzunehmen. Vgl. Büttikofer, Liberia. 1890 11. Abschn. 3. 266 Geschichtliches. schliefsen, überbrückte diese Kluft nur. In demselben Jahre war die ZaJil der Sklaven in den V. 8t. auf l'/« Mill. gestiegen. Die Agitation, die aus dem alten Widerwillen streng denkender Religionsgesellschaften, der Quäker in erster Reihe, gegen die Sklaverei in jeder Form, aus der Empörung weiterer Kreise gegen die von ihr unzertrennlichen Grausamkeiten, endlich aus dem Beispiel der enghschen Abolitions- bewegung hervorging, wurde in die Tiefe und Breite des Volkes ge- tragen. Mit der Gründung der ersten Abolitionistengesellschaft (1831) fing die gründhche Scheidung der Gesinnungen über diese Frage an, die schon nach einem Vierteljahrhundert die ganze Nation in zwei feindliche Hälften zu teilen vermochte. In religiöser Schwärmerei stellten sich Tapp an und Garrison an die Spitze der Bewegung. Ihre Überschwemmung des Südens mit aboHtionistischen Druckschriften rief von Seiten des Südens zunächst den Versuch hervor, die Ver- letzung des Postgeheimnisses gesetzhch zu machen (1836) ; dann kam der berüchtigte Atherton Gag, eine Bestimmung, die die Nichtberück- sichtigung jeder auf die Sklaverei bezüghchen Petition seitens des Kongresses vorschrieb (1838) ; ferner die Verletzung des Missouri- Kompromisses durch Hinzufügung einer ursprünglich nicht zum Staate gehörigen Indianer-Reservation und die Zulassung von Arkansas unter der Bedingung, dafs seine Gesetzgebung niemals zur Emancipation der Sklaven schreite (1836). Die texanisch-mexikanischen Angelegen- heiten sind 0. S. 117 besprochen worden. Der Versuch, die Sklaverei in den neugewonnenen pacifischen Gebieten einzuführen, mifslang, und ein Kompromils von 1850 stellte die Zulassung Kaliforniens mit seiner die Sklaverei bereits ausschliefsenden Verfassung, die Neu-Mexikos und Utahs mit oder ohne Sldaverei, je nach ihren künftigen Verfassungen fest. Durch dasselbe wurde auch der Sklavenmarkt aufgehoben, der unter den Augen der Bundesregierung bis dahin in Washington geblüht hatte. Der wichtigste Punkt dieses Kompromisses war indessen das sog. Sklavenjagd-(Tesetz, das die Aufstöberung und Zurückführung entflohener Sklaven in jedem Staate der Union gestattete. Allerdings war seit der Antisklaverei-Agitation die Zahl der flüchtigen Sklaven nur immer ge- wachsen') aber doch war der praktische Nutzen dieses Gesetzes gering im Vergleich zu der aufregenden Wirkung, die es im Norden hervt)rrief. Die Sklavenjagden mit ihren Aufruhr- und Blutszenen haben viel dazu beigetragen, die Gemüter im Norden gegen die Sklaverei zu entflammen. l)-!44 trat zum ersten Mal eine entschiedene Antisklaverei-Partei auf, aus der die Freibodenmänner (Freesoilers) hervorgingen, die 1848 in die 1) In Kanada h'i))cn ls51 2113 niid IKfU 8010 Ne^^er bzw. Mulatten. Der fjröfste Teil dieser Htiirkm NCrinchninu konmit auf RccIhiuh^^ der flüch- tigen Sklaven ann den V. St. Das Wesen der Sklaverei in den V. St. 267 Präsidentenwahlen eintraten. Der Streit um die Nebraska-Bill machte diese Partei aus einer Nebenpartei zu einer führenden. Unter dem alten Namen der republikanischen zog sie alle gegen die Sklaverei gestimmten Elemente an sich und trat der Sklavenhalterpartei bei der Wahl von 1856 entgegen. Sie unterlag dieses Mal noch mit l'/s Mül. Stimmen. Noch ehe der neue Präsident Buchanan sein Aiat antrat, erging vom Oberbundesgericht die Entscheidung in einer Klage des Dred Scott, eines Sklaven aus Missouri, der , als er mit seinem Herrn 2 Jahre in Illinois gewohnt hatte , nach seiner Rückkehr nach Missouri die Freilassung forderte, weil er in dem die Sklaverei verbietenden Staate Illinois von selbst frei geworden sei. Die abweisende Entscheidung des Oberbundes- gerichtes bezeichnete »den Neger als ein Wesen niederer Ordnung, unfähig, mit der weifsen Rasse in morahschen oder pohtischen Be- ziehungen gleichgestellt zu werden«. 1859 hatte jener heroische An- griff des nordischen Abohtionisten John Brown auf Harpers Ferry in Vii'ginien stattgefunden, dessen Zweck war, die Sklaven des Südens zum Aufstand und zur Befreiung zu reizen. Brown wurde am 2. De- zember 1859 gehängt. Sein Tod wurde in vielen Teüen des Nordens wie ein Martyrium beklagt und gefeiert. Weitersehende erbückten in ihm den Vorboten des unvermeidlich gewordenen Bürgerkrieges. Die Sklavenfrage trat im Anfang des Bürgerkrieges nicht in den Vorder- grund. 1862 wurde die Sklaverei im Distrikt Kolumbia aufgehoben und am 1. Januar 1863 die Freüassung aller Sklaven in den Süd- staaten (mit Ausnahme des bundestreu gebUebenen West-Vü'ginien) verkündet. Gleichzeitig wurde bestimmt, dafs die früheren Sldaven in die Armee und Marine eingereiht werden könnten. Kurz darauf gab sogar die kleme Nation der Tscherokie ihre Sklaven frei. 1864 wurde das Freedmen's Bureau in Washington gegründet, das in allen Fragen bezüghch der Freigelassenen zu besthnmen und vorzüglich Malsregeln zu treffen hatte für ihre Behandlung und Beschäftigung auf verlassenen Pflanzungen. 1864 und 1865 nahmen Senat und Re- präsentantenhaus den Zusatz zur Verfassung an, der die Sklaverei in den V. St. aufhob. Louisiana und Arkansas hatten im Lauf des Jahres in ihren Konventionen die Sklaverei aufgehoben. Im März 1865 hatte sogar der Kongrefs der Konförderierten als eines der letzten Mittel die Bewaffnung der Sklaven befohlen. Es ist viel gesprochen worden über den Charakter der Sklaverei in den V. St. im Gegensatz zu anderen Sklavenstaaten und besonders zu Cuba. Hier wie in aUen romanischen und katholischen Ländern war allerdings die Kluft zwischen Sklaven und Herren nie so tief wie bei den germanischen Nordamerikanern, da der Rassengegensatz geringer, zwischen Südspaniern oder Portugiesen und Mulatten manchmal geradezu unbedeutend ist, und der an und für sich lässigere Charakter nicht so 268 1)3.8 Wesen der Sklaverei in den V. St. strenge Anforderungen an die Arbeitskraft seiner Untergebenen stellt wie der thätigere und prinzipiellere Germane. Auch die katholische Kirche hat der Sklaven sich stets mehr angenommen als die meisten Sekten der protestantischen. Es gilt als Erfahiimgssatz, dafs die Sklaven ein um so zinsärmeres Kapital waren, je gewissenhafter ihr Besitzer bei ihrer Ausnützung verfuhr- und der langsame Aufschwung des Südens wird noch heute der daraus sich ergebenden Lähmung des Unter- nehmungsgeistes zugeschrieben*). Die Sklaverei ist aber doch in den V. St. gründHcher und rationeller ausgebeutet worden, vorzügUch auch die Sklavenzüchtung, als in anderen Sklavereigebieten, und die Be- handlung des als Arbeitsmaschine betrachteten Sklaven war schon dadurch weniger mild. Die betreffende Litteratur ist natürlich auf beiden Seiten sensationell und reich an Übertreibungen, aber es liegen genug Berichte unparteiischer Beobachter vor, die es bestätigen. Die Übel der Sklaverei traten am schärfsten hervor bei den neuen An- siedlern aus den freien Staaten, Nordländern, die in ungesundem Klima ihr Leben für ein Vermögen auf's Spiel setzten, und die keine Ent- schuldigung fanden für die Abneigung der Neger gegen andauernde Arbeit und ebensowenig einen Grund hatten, weniger Anstrengung ihnen zuzumuten. Charles Lyell schrieb zwar: »Wer in Georgia fiisch von Europa ankommt mit einer lebhaften Vorstellung von dem Zu- stand der Bauern in manchen volkreichen Gegenden, ihrer Unwissen- heit, Unmäfsigkeit und Kurzsichtigkeit, der Schwierigkeit, mit der sie ihren Lebensunterhalt gewinnen, und der geringen MögHchkeit ihr Los zu verbessern, dem wii'd der Zustand der Sklaven auf einer solchen Pflanzung nur geringen Grund zu Mitleid oder Klage geben« *). Den unparteüschen Beobachter wird aber keine Schilderung daran irre machen, dafs die Sklaverei nicht nach der wechselnden Ausnützung der Rechte zu beurteilen ist, die sie dem Eigentümer gibt, sondern darnach, dafs sie Rechte gibt, deren Unbeschränktheit zum Mifsbrauch einladet. Und aufserdem lehrt die Geschichte, dafs die Sklaverei nicht still stehen kann. Man hat sie darin nüt dem Schutzzoll verglichen, dafs sie wachsen mufste, um sich zu erhalten. 1) Second Visit to tho IT. S. I. 262. In Louisiana waren die französi- Hohen Kreolen als milde Herren bekannt, aber sie hatten kein System in der Art, wie sie ihre Sklaven hielten nnrbaucs auch in anderen Gebieten immer klarer geworden; der Sü(l(>n stagnierte. 2; Kbondaa. U. 125. Zahl und Verbreitung der Neger. 269 Im April 1866 beschlofs der Kongrefs die Civil Rights-Bill, die alle im Gebiet der V. St. Geborenen und keiner fremden Macht Unter- thanen, mit einziger Ausnahme der unbesteuerten Indianer, als Bürger der V. St. erklärt und »den Bürgern von jeder Rasse und Farbe, ohne Rücksicht, ob sie früher Sklaven gewesen«, die gleichen Rechte erteüt. Ein Gesetz vom 2. März 1867 hob die Peonenarbeit in den früher mexikanischen Gebieten auf. Im Juli 1868 war der 14. Zusatz zur Ver- fassung (Sklavenbefreiung) von der nötigen Zweidrittel-Mehrheit der Staaten angenommen. Im Juli 1869 wm-den 16 Farbige in die Gesetz- gebung von Virginia gewählt, das sich eine neue, auf jede Rassen- unterscheidung verzichtende Verfassung gegeben hatte. 1870 wurde der 15. Zusatzartikel zur Verfassung angenommen, der den Negern gleiche Rechte mit den Weifsen gewährleistet, und die Südstaaten zur Ausübung ihres Vertretungsrechtes im Kongrefs zugelassen. Es kam dadurch eine gröfsere Anzahl farbiger Vertreter in den Kongrefs. Schien damit der alte Konflikt formell beendigt, so konnte doch in den früheren Sklavenstaaten ebensowenig die weiCse Bevölkerung ihre einstigen Untergebenen kurzer Hand als Gleichberechtigte anerkennen, wie diese die Möghchkeit fanden, sich innerhalb weniger Jahre in ihre neue und so ganz ungewohnte Stellung hineinzufinden. Die neue Ordnung der Dinge konnte nicht ohne Kampf begründet werden und bis heute ist dieser Kampf nicht beendet. Die Zahl der Neger hat sich seit 1790 verzehnfacht, die Summen geben die Censuslisten folgende Zahlen: Für Gesamtzahl Verhältnis Wachstum Jahr der farbigen zur Gesamt- in Bevölkerung bevölkerung Prozenten 1790 757 208 19,30/0 1800 1002 037 18,9 32,20 1810 1 377 808 19,0 37,50 1820 1771656 18,4 28,58 1830 2 328642 18,1 31,39 1840 2873 648 16,8 23,44 1850 3 638 808 15,7 26,62 1860 4 441 830 14,1 22,06 1870 4 800000 -') 1) Die Zählung von 1870 wird amtlich (s. Census Bulletin No. 16 1891) als »grossly deficient in the Southern States« bezeichnet; vorzüglich gab er die Zahl der Farbigen um V2 bis '/4 Mill. zu gering an. Auch der 1880 er 270 Zahl und Verbreitung Jahr Gesamtzahl der farbigen Bevölkerung Verhältnis zur Gesamt- bevölkerung Wachstum in Prozenten 1880 1890 6 752 810 7 638360 13,1 11,9 22,07 13,90 1) Die Abnahme des Wachstums begmnt mit 1810 und ist von 1830 an klar ausgesprochen; "sie war zu erwarten, da seit 1808 keine neue Sklaven eingeführt werden durften und die Ein- schmuggelung und freie Einwanderung unerheblich waren, während die Zahl der über die Grenzen Geflohenen und der nach Liberia und Westindien Ausgewanderten bis zur Aufhebung der Sklaverei nicht unter 20000 betragen haben mufs. Um die Bedeutung dieser Bewegung zu verstehen und besonders nicht zu überschätzen, muls man die Einzelheiten ins Auge fassen. Zuerst die merk- würdigen Änderungen der geographischen Verbreitung. Li dem der Befreiung der Sklaven vorangehenden Census- jahr 1860 wohnte die Masse der Neger in den Staaten Virginia, Georgia, Alabama, Mississippi, Süd-Carolina, Nord-Carolina, Loui- siana, Tennessee, Kentuck}^ Texas, Maryland, Missouri und Arkansas; 1890 hatte sich die Reihenfolge der Staaten, in denen mehr als 100000 Neger gezählt wurden, anders geordnet: Georgia, Mississippi, Süd-Carolina, Alabama, Virginia, Nord-Carolina, Loui- siana, Texas, Tennessee, Arkansas, Kentucky, Maryland, Florida, Missouri, Penns^dvanien ; und dazu kamen mit über 50000 noch der Bundesdistrikt, Ohio, New York, Illinois, Kansas. Die Ver- breitung von 1860 ist eine zwangsweise, wie sie die höchste Blüte der südstaatlichen Sklavenarbeit geschaffen hatte: Anhäufung in den wirtscliaftlich regsten Gebieten, starke Ausbreitung nach dem Südwesten; die Verbreitung von 1890 läfst hauptsächlich die be- trächtliche Wanderung nach dem äufsersten Süden, daneben das Herabsteigen aus kühlen Höhen in das heilsere Tiefland und Census spricht von »imperfcctioiiB liiideninstitute. Die Bildung, von der Idealisten soviel gehofft hatten, hat dem Neger ideal wenig genützt, praktisch ihm eher geschadet, da der Durchschnittsweifse den ungebildeten Neger dem gebildeten vorzieht. Gerade die gebildeten Negerfamilien sind isoliert. Der Neger in den V. St. bedeutet mit einem Worte die 1) Ich findo fliifiir kcüno }j;<'ii^"i''i An<^:ibcn. Le Conte, der in Tlio Race Prol)lf'm in thc South (1892) p. 364 angiljt, die WeifHcn trügen in Süd-C^arolina 90^/0 der .Schullasten der Neger, hat diese Zahl nicht weiter begründet. 2) F. J. Stimsons American Statute Law gibt an, dafs solche Verbote in allen Südstaaten Gesetz sind, bezeichnenderweise nur nicht im alten Krcolcnstaat Louisiana. 1 Die sociale Schichtung. 283 Aufhebung der Gleichheit. Die Rassenaristokratie wird durch ihn unvermeidhch. Die pohtische und soziale Entwickelung des Negers zeigt, wie sehr er der schwächere ist. Auch ohne die Gewaltthätigkeit der Weifsen, schichtete er sich ganz von selbst unter den Stärkeren. Die Freunde des Negers leugnen, dal's er die gesellschaftliche Gleichberechtigung anstrebe und bezeichnen diefs als eine ver- verleumderische Beschuldigung seiner Feinde. Die Gesetze werden — auch für den Bund — mit der Zeit diesem Zustand entsprechen müssen. Die Indianer und Chinesen leiden mit unter dieser socialen Schichtung, sie werden von der Masse der Neger mit niedergehalten. Man läfst es stillschweigend zu, dafs die Gesetze für beide anders ausgelegt werden, und nicht blofs vom Richter Lynch. Neger, und im Westen noch mehr Indianer, werden massenhaft hin- gerichtet, während auf die Weifsen die strengen Gesetze der V. St. — von denen nur Rhode-Island, Michigan und Wisconsin die Todesstrafe abgeschafft haben — viel seltener Anwendung finden^). Nur Weifse füllen die Bänke der Geschworenen. 1881 nahm das Staatsgefängnis zu Columbia S. C. 25 Weifse und 406 Farbige auf, als das Zahlenverhältnis beider dort 13 : 20 war. Im Staatsgefängnis von Georgia safsen 1880 115 Weifse und 1071 Far- bige , von denen 22 Weifse und 30 Farbige begnadigt wurden ^). Die politischen Rechte sind für den Neger nur ein hohles Wort geblieben. Er besitzt das allgemeine Stimmrecht und kann gesetzlich zu jedem Amte, auch Bundesämtern gewählt werden. Seitdem die mit dem Negerstimmrecht und der Einschüchterung der Weifsen er- richteten »Carpet-baggers«-Regierungen in den Jahren 1870 bis 1876 gefallen sind, haben die bekannten Zusätze zur Bundesverfassung, jetzt über 20 Jahre alt, den Negern kaum mehr einen Vorteü gebracht. Selten ist einer, auch selbst im Bundesdienste, zu mittleren Beam- tungen zugelassen worden. Von den Wahlurnen hat man sie in den kampfreichen Jahren 1870/80 mit Gewalt und später durch Betrug 1) Vgl. Hasselbachs Auf atz : Über die Abschaffung der Todesstrafe unter den Gesetzen der V. St. (Westliche Post, 5. November 1892), wo nach- " gewiesen ist, dafs selbst im Bundesdistrikt die Neger eben so häufig wie die Weifsen selten gehängt werden. 2) Vgl. die Aufsätze »The Freedmans Case in Equity« und »In piain Black and V/hite« in Centm-y Magazine, Januar und April 1885. 284 I'iö j)olitischen Rechte des Negers. oder Gesetze*), endlich durch Einschüchterung (bull-dozing) fern- gehalten. Allen Vorwürfen gegenüber berufen sich die Weifsen auf den teilweise noch jetzt nicht ersetzten Schaden, den jene verführten Farbigen mit ihrem mifsbrauchten Stimmrecht den Südstaaten zugefügt haben und auch selbst die Parteifi'eunde der Neger erkennen die Übereütheit jener Bestimmungen an. Die UnempfindHchkeit der Masse der Neger gegen diese poütische Bevormundung scheint ihnen Recht zu geben. Sie ist am gröfsten, wo die Masse der Neger am zahlreichsten, während das Unrecht von den Negern der Nord- und Mittelstaaten am stäi'ksten empfunden wird. Eine vorübergehende gesetzüche Ord- nung der Negerfi'age würde durch die Ausschhefsung der Unterrichts- losen vom Wahlrecht in Form eines lUiteracy Act be\\di'kt worden sein, wenn nicht in den Südstaateu, wo sie am wii'ksamsten wäi-e, die Ver- minderung der Kongrefsvertretung und damit des Einflusses auf die Präsidentenwahl befürchtet würde. Das ist wohl auch der Grund, warum die Beschränkung des »Barbarian Vote« nicht nach südafrikani- schem Muster gesetzhcher und anständiger durch die Bindung an einen kleinen Besitz oder festen Lohn be-^irkt wird. Im Staate Mississippi hat doch die gewaltige Überzahl der Neger (747 720 gegen 539 703 Weifse) 1890 zu einem Versuche in der ersteren Richtung geführt. Das Wahl- recht ist an einen zweijährigen Aufenthalt im Staate und einen ein- jährigen im Wahlbezii'ke, an Steuerzahlung in den letzten zwei Jahren, eine für Schulzwecke zu verwendende »PoU-tax« von 2 D. und endlich an die Bedingung geknüpft, dafs jeder Wähler einen Abschnitt aus der Verfassung zu lesen, oder wenn vorgelesen, zu verstehen oder zu erklären vermöge. Natürhch fiel schon 1891 die grofse Mehrheit in den Vertretungskörpern wieder den Weifsen zu. Die Neger haben viel von der ihnen sonst eigenen Neigung zm- thätigen Teilnahme an der Pohtik verloren, seitdem die Anforderungen an die Wähler höher gestellt wurden. Wer sollte aber nicht die Lust am Wählen verheren, wenn seine Stimme nicht gezählt wird ? *) Die Erziehung des Negers. Die Erziehungsfähigkeit des Negers ist bis zu dem Punkte bewiesen, auf dem er heute steht. 1) Das Eight Box Law von Süd-Carolina. In einer Anzahl von Süd- Htaaton wird das ganze Wahlgeschäft von Beamten geleitet, die der Governor ernennt, der seinerseits selbst ganz Parteimann ist. Die Bundesmarschälle erneu n(!n dann ihrerseits bei den Wahlen in den Südstaaten ganze »Scharen von Uilfsniarschallen, welche die Vergewaltigung der hauptsächlich aus Negern bestehenden Minderheiten verhüten sollen. 2) »The Negro Vote is not snppressed, but in the Black Counties it is simply not counted«, näiidich in Nord Carolina. Albert B. Hart in The Nation 17. März iy9'2. Die Erziehung des Negers. 285 Er nimmt .seine Stelle nicht blofs hoch über dem afrikanischen, sondern auch über dem westindischen Neger ein, und leistet mehr Arbeit als eine gleiche Anzahl Indianer. Die vielgescholtene südliche Pflanzer-Aristokratie hat ihre Aufgabe durch die erste Erziehung des Negers gelöst, der nur in dieser feudalen Gesellschaft den Schritt unmittelbar aus der Barbarei herausthun konnte. In der Sklaverei und durch sie ist er über die Sklaverei hinauserzogen worden. Mit ihrem Sturz, der ihm die politische Freiheit und GleichJieit gab, hat eine andere, schwerere, langwierigere Erziehung begonnen, deren Aufgabe man viel zu leicht nahm, wenn man sie auf der Schulbank vollenden zu können meinte. Jetzt sieht man ein, dafs die üble Wirkung des Hauses viel mächtiger ist als die gute Absicht der Schule. Um auf die Familie zu wirken, will man nun auch die Negerfrage von der weiblichen Seite an- fassen, und sieht das letzte Heilmittel in der Erziehung der jungen Mädchen in »Boarding Schools«, wo sie 4 bis 6 Jahre den »Home Influences« entzogen wären. Der Charakter des nordamerikani- schen Negers ist aber trotz der Schulen dem des afrikanischen im Grunde doch noch sehr ähnlich. Sondert man die Mischlinge aus, die nicht durch Erbschaft, aber infolge ihrer schiefen, socialen Stellung den Weifsen mehr im Übeln als im Guten ähneln, so sind die Grundzüge der Sorglosigkeit, Nachlässigkeit, des Mangels an Energie, der unberechenbaren Ausbrüche von Heftigkeit, Be- geisterung und Stumpfheit aUe erhalten. Bei der religiösen Anlage des Negers sahen seine Freunde der kirchlichen Entwdckelung mit grofsen Hoffnungen entgegen. Aber die Gemeinden, in denen die Neger sich ganz frei von der Leitung weiCser Geistlicher ge- macht haben, zeigen einen entschiedenen Rückgang und sind teil- weise Karikaturen christlichen Wesens. »Ebensogut würde die Kinderklasse einer Sonntagsschule mit einem der älteren Knaben als Prediger eine Gemeinde bilden können«, äufserte sich der Bischof der Episcopal - Kirche von Kentucky^). Den gröfsten Einflufs haben unter den Negern die Sekten gewonnen, die im Gottesdienste das freie Spiel des »Emotional Element« begünstigen, vor allem die verschiedenen baptistischen und methodistischen. 1) The Century Magazine Juni 1885. 286 Erziehung und Leistungen der Neger. Der Neger eignet sich noch immer besonders zu Stellungen, in denen er geleitet wird. Er leistete als Sklave mehr denn als freier Maim, und hat als Soldat im Bürgerkrieg sich Anerkennung errungen. Der Vergleich mit dem Indianer zeigt, dafs gerade in der Gabe der Nachahmung und Anschmiegung eine Stärke des Negers Hegt. Die 1892 in Boston erschienene Geschichte des ersten Neger-Regiments, das im Bürgerkrieg im Norden gebildet wurde, der 54er Freiwilligen von Massachusetts, zeigi, dafs die Neger Ordnung, DiscipHn und Mut bewährten. Neger wurden nach Kon- grefsbeschlufs schlechter besoldet als Weifse, aber in diesem Re- giment wenigstens zeigten sie sich nicht als schlechtere Soldaten. Er ist ein bildsamer, geduldiger Untergebener. In den geistigen Anlagen hat man gelernt, die vielgepriesene »Brightness«, die bereite Auffassung, schnelle Erinnerung, scharfe Wahrnehmung der Negerknaben von der erst später sich entfaltenden Denk- fähigkeit zu trennen und demgemäfs nicht zu grofse Hoffnungen auf die Bedeutung der Erfolge der Schule für's Leben zu setzen. Für die Schulbildung der farbigen Jugend wird in den meisten Staaten der Form nach genügend gesorgt. Von 1880 — 1890 hat die Zahl der in Schulen eingeschriebenen Kinder in den Süd- staaten sich bei den Weifsen um 46, bei den Negern um 62% vermehrt. Es läfst sich aber bei der Unregelmäfsigkeit des Schul- besuches und der Untüchtigkeit vieler Lehrer daraus kein Schlufs auf den Fortschritt der Bildung bei den Negern ziehen, Grofse Schwierigkeiten hat der höhere Unterricht zu über- winden , für den nur im Norden schon frühe gesorgt ward. Eigens für den höheren Unterricht von Farbigen, besonders Negern, wurde 1771 Dartmouth College in New Hampshire ge- gründet, während die Herren des Südens natürlich keinen Eifer für Bildungszwecke entfalten konnten, die dem Wesen der Skla- verei widersprachen. Heute freuen sich die Neger 7 Colleges, 17 Akademien und 49 Hochschulen zu besitzen. Die 842 Ad- vokaten, deren sie sich rühmen, beweisen wenig für den Nutzen, den die Neger aus diesen Schulen ziehen, denn sie glänzen weniger durch Bildung, als durch die angeborene lebhafte Beredsamkeit. Aufli die iiiflir als Imndcrt von Negern herausgegebenen Zeitungen Aussichten. 287 beweisen nichts mehr ; es ist darunter keine einzige nennenswerte. Neben den Advokaten verschwinden die wenigen »studierten« farbigen Prediger und Ärzte, deren Zahl viel gröfser werden mufs. Das selbständige geistige Leben der Neger ist noch ganz am Boden. Nichts ist bezeichnender, als dafs inmitten der Bemühungen um die Erschliefsung und Kultur Afrikas der reiche und gebildete Neger der V. St. teilnamslos geblieben ist. Wenn für manche Weifse, besonders Geistliche, der Afrikaner »the Coming Man of Earth« ist, so ist das ganz nur Zukunft. Man hört auch: seine Rasse, jetzt erst »the Boy Race of the World«, werde einst ein Riese ^) sein. Auf den Ausdruck solcher Hoffnungen beschränken sich seine wärmsten Freunde. Wir glauben uns nicht zu täuschen, wenn vnr meinen, sie äulserten sich schon viel gedämpfter. »Dem Neger von heute gegenüber, der kaum seit einer Generation aus der Sklaverei befreit ist, und gezwungen war, Licht und Leben im brausenden Meer der politischen und Rassenkämpfe zu suchen, haben wir keinen Grund zu zweifeln, dafs, soweit Arbeitsfähigkeit in Betracht kommt, die Wirksamkeit der Erziehung auf die weifse und farbige Jugend dieselbe sei«^). Arbeitsfähigkeit: der Anspruch ist ziemlich tief, er erinnert an die einstige einseitige Verwertung des Negers als Arbeitssklave. Wirtschaftliche Entwickelung. Nach der Aufhebung der Sklaverei mufsten die in Freiheit gesetzten Farbigen streben, sich eine selbständige wirtschaftliche Grundlage wieder zu gewinnen. Ihr ganzes Schicksal hing zunächst davon ab. Wenn man die Frage beantworten will, wie sie dieses Problem gelöst haben, so ist nicht zu übersehen, dafs es ilmen nicht rein geboten wurde. Ihr Hauptwohngebiet, der Süden, war in einer höchst gestörten Lage. Politische Mifsstände hemmten das wirtschaftliche Gedeihen der einst so blühenden Baumwollenstaaten. Die öffentliche Un- sicherheit und Korruption erschwerten die gesunde Heilung der vom Kriege her noch offenen Wunden. Mit den freien Negern trat ein ganz neues Element in ihr Wirtschaftsleben ein. Zahl- 1) Methodistenbischof H. M. Turner in Philadelphia, briefhch an G. W. Gage. 2) The Nation, 17. September 1891. 288 Die wirtschaftliche Entwickehmg reiche Grofsbesitze, frühere Plantagen — , sogar das Wort ist merk- würdigerweise verschollen — gingen an Einwanderer aus den Nordstaaten und aus Europa über, die sie nach Art der Farmer des Nordens bewirtschafteten, andere wurden in ganz kleine Par- zellen zerschlagen, die selbst den Negern zum Kauf zugänglich waren, und ein nicht geringer Teil blieb öde liegen. Nicht wenig gutes Land liegt noch heute brach oder wird kaum genützt. Die Saltmarshes Süd-Carolinas sind jetzt weniger bebaut als vor 1860, die Neger, die 90% der Bevölkerung des Küstenstreifens bilden, nützen nur ihr saures Gras zu Futter und Streu. Und so können 30 Jahre nach dem Krieg in den Küstenländern des Südens die Landpreise auf den 50. Teil dessen stehen, was sie früher betragen hatten. Gleichzeitig verlor die amerikanische Baumwolle das Mo- nopol und ihr Anbau ist bei der Goncurrenz Asiens und Afrikas bei weitem nicht mehr so gewinnreich wie vor dem Krieg — alles Ursachen einer wirtschaftlichen Umwälzung, die zu den gröfsten aller Zeiten gehört. Die unheilvollen Weissagungen, die an den Übergang von der Sklaverei zur freien Arbeit geknüpft wurden, haben sich dennoch zum Glück nicht alle erfüllt; die Hauptschwierigkeiten der Entwicklung des Südens liegen gegenwärtig weniger auf der wirtschaftlichen als der politischen Seite. Der Neger der Süd- staaten ist nicht mehr der Tropenmensch, der wie ein Kind ohne Arbeit nur von der Natur lebt. Weder das Klima noch die Um- gebung eines so thätigen und in seiner 1'hätigkeit rücksichtslos mitreifsenden Volkes wie des nordamerikanischen hat ihm dies hier erlaubt. Er sah bald ein, dafs er arbeiten müsse, wenn er nicht verhungern wollte. Nun fragt es sich zwar, ob seine Arbeit so viel wert ist, wie als noch der Overseer mit der Peitsche hinter ihm stand; aber es ist gewifs, dafs der Süden heute viel mehr von seinen Produkten erzeugt, und der gröfste Teil dieser ICrzeugung ist farbigen Arbeitern zu gute zu schreiben, die für die Hälfte des Lohnes der weifsen arbeiten. In der Erzeugung des Haupt] »roduktes des Südens, der Baum- wolle (vgl. Abschnitt Landwirtschaft) hat die freie Arbeit die höch- sten Zalileu der Sklavenarbeit längst überschritten. 1889 wurde •lov Freigelassenen. 289 davon nahezu doppelt soviel erzeugt als dreiCsig Jahre vorher. Auch die im Krieg zu Grunde gegangene langstapelige Sea Island- Baumwolle wird jetzt massenhafter und billiger erzeugt als vordem. Nordhoff ^) teilt die Angabe eines Pflanzers in Nord-CaroHna mit, dals eine gleiche Anzahl Freedmen (freier Farbiger) um ein Viertel weniger leiste als zur Zeit, da sie Sklaven waren; andere sagten ihm, dafs die jungen Neger weniger gute Arbeiter seien als die, welche früher Sklaven gewesen seien. Aber niemand leugnet, dafs die Neger selbst heute noch den Baumwollenstaaten eine Masse brauchbarer Arbeiter liefern. In der Sklavenzeit, in der natürHcherweise oft mehr von ihnen gefordert wurde, als selbst ein sehr fleifsiger weifser Arbeiter aus eigenem Antrieb leisten würde, glaubte man, dafs die Arbeit des Baumwollepflückens, die in sehr kurzer Frist auf weite Strecken hin gleichzeitig besorgt werden mufs, im Grofsen niemals von freien Arbeitern ausgeführt werden könne. Zur Zeit der Baumwollenerute ziehen heute Weiber und Kinder aus den Städten und Dörfern nach den Pflanzungen, wo ihre Arbeit notwendig ist, und ganze Schaaren von Arbeitern wandern durch das Land. Überhaupt werden die farbigen Arbeiter weniger der Faulheit als der Nachlässigkeit und Verschwendung angeklagt. Aber Viele tadeln auch ihre Unzuver- lässigkeit und die Ungleichheit ihrer Arbeit; sie arbeiten eine kurze Zeit tüchtig, um sich dann gehen zu lassen. Im allgemeinen hat man aber wohl mehr Grund erstaunt zu sein über das, was sie leisten, als über das, was sie unterlassen. In dem Verhältnis der freien schwarzen Arbeiter zu ihren weifsen Brotherren hat sich der Taglohn nicht bewährt, sondern man hat dem Pacht- oder dem Anteilsystem den Vorzug gegeben. Man kennt nicht die Zahl der schwarzen Tagelöhner im Süden, und für die Summe ihrer Leistungen gibt es keinen Mafsstab, aber es steht aufser Zweifel, dafs die Zahl der weifsen Tagelöhner gegenüber der ihrigen noch immer klein ist ^). Jedenfalls ist der bedeutende Aufschwung 1) Charles Nordhoff, The Cotton States. New York 1877. 2) Die Zunahme der weifsen Arbeit im Süden au Zahl und Leistung ist eine neue Thatsache, deren Wirkungen sich langsam geltend machen. Aber es ist gewifs, dafs durch sie selbständig gewordene Neger, die auf schwankendem Boden stehen, was Besitz und Fähigkeiten betrifft, wieder in Ratzel, Die V. St. von Amerika. 19 290 Der Neger als freier Arbeiter. der Land^^^^tschaft des Südens seit Aufhebung der Sklaverei zu einem Teil auch diesen schwarzen Feldarbeitern zu danken, die, um ihn zu erzeugen, mehr arbeiten mufsten als früher. Eine tiefgreifende Wirkung hat die Aufhebung der Sklaverei auf die Lohnverhältnisse geübt. Die Arbeitslöhne auf den Baumwoll- pflanzungen haben sich nach grofsen Schwankungen, deren Ursache vorzüglich in dem Fallen des Preises der Baumwolle zu suchen ist, niedriger gestellt als vor 25 Jahren ; sie sind wie da- mals am niedrigsten in den südatlantischen, höher in den Golf- staaten, am höchsten in den südwestlichen Staaten. Die Zeitschrift »The Tradesman«, Organ südstaatlicher Indu- strieller zu Chattanooga (Tenn.), versendete 1891 folgende Fragen: ]Machen die Neger Fortschritte als Arbeiter? Welchen Einflufs hat die Erziehung auf die jüngere Generation geübt? Vergröfsert die Erziehung die Verwendbarkeit des Negerarbeiters? Aus 200 Ant- worten von Beschäftigern von 7400 farbigen Ai'beitern , die ein liefen, wurden folgende bezeichnendere Gi'uppen hervorgehoben: 49 ziehen den farbigen, 35 den weifsen Arbeiter vor, 27 sehen keinen Unterschied, 43 leugnen, dafs ein Fortschritt zu bemerken sei. Von 130 Antworten auf die dritte Frage lauten 96 verneinend. Für Muskelarbeit lauten natürhch die Urteile günstiger als für intelligente, und für jene sind die Löhne farbiger Arbeiter nur unbeträchtüch niedriger als die der weifsen. Die im Auftrag des Departement of Agriculture im Jahr 1867 gesammelten Thatsachen zur Beleuchtung des Zustandes der acker- bauenden Bevölkerung des Südens, kamen über die selbstän- digen Unternehmungen der Freedmen zu keinem günstigen Urteil. Der Bericht ^) stellte auf die eine Seite die fehlgeschlagenen, auf die andere die gelungenen Versuche und zog das Facit, dafs der Mangel an Erfahrung in der Aufstellung von Berechnungen ein dienendes Verhältnis zurückgedrängt werden. Die Zunahme der Industrien und des Bergbaues scheint sie ndt Macht in die »Städte und Industriebozirke zu ziehen, und nur die Sparsamsten und Fähigsten halten ihren Grundbesitz fest. 1) Report Agric. Dep. 18G7 412 bis 428. Aufserdem outhält das eben genannte Buch von Ch. Nordhof f sehr viel interessantes, selbstbcobachtetes Material über diese Frage. Aus einer Erhebung über den Grundbesitz der Neger in Alabama, die 1890 veranstaltet wurde, teilt L. L.Bar rows in The FA'ohition of the Afric- American (1892) mit, dafs in den Laudbezirken 5 und in df-n Städten 20 »/o d«^- Neger Grundbesitzer sind. % Selbständige Leistungen. 291 und Plänen, die sprichwörtliche Unvorsichtigkeit, die Unmöglichkeit, den Wert der Zeit zu schätzen, und der Mangel an Sparsamkeit so weit verbreitete Eigenschaften der schwarzen Farmer seien, dals man ihnen einstw^eilen von allen Versuchen selbständiger Wirtschaft abraten und die Arbeit für Lohn dringend empfehlen müsse. Neben den fehlgeschlagenen Versuchen von zum Teil drastischer Natur sind um so bemerkenswerter Fälle, me einer aus Georgia, wo ein Freedman mit eigener Hand 25 Acres Baum- wollenfeld bearbeitete und 15 Ballen erzeugte, oder aus Alabama, wo ein Tagelöhner in den Ruhestunden zwischen seinen regel- mäfsigen Arbeitszeiten 500 Pfund Baumwolle zog^). Eine grofse Frage wird nun sein, ob die Neger ihren Landbesitz ausbreiten. In Mississippi, wo ihre Lage noch die beste sein dürfte, sind ungefähr 20°/o der städtischen und 5% der ländlichen Neger Grundeigen- tümer; genau so in Süd-Carolina. Es ist aber die Frage, ob sie als solche Fortschritte machen. Das Hypothekenwesen wird als ein grofser Hemmschuh ihrer Entwickelung angesehen. In Georgia sollen die Neger 800000 Acres Land besitzen und Steuer von 20 Mill. D. Eigentum zahlen-). In allen früheren Sklavenstaaten finden wir die Zunahme der Zahl der Farmen bei Verminderung ihrer Gröfse. Besonders die kleinen Komplexe von 10 Acres und weniger haben sich ungewöhnlich vermehrt. Süd-C'arolina, Mississippi und Loui- siana zählten 1860 93000, 1870 148000 Farmen, deren Durcli- schnittsgröfse von 462 Acres auf 226 gesunken war. Diese zer- stückelnde Bewegung ist noch im Gange. Allerdings mufs man bemerken, dafs es sich dabei in vielen Gegenden nur um eine zeitweilige Verpachtung eines zusammenhängenden Besitzes an Arbeitergruppen (Squads) handelt. Trotz dieser Vermehrung der Farmen liegt noch manche der grofsen Plantagen brach. Wo der weifse Mann so gut arbeiten kann wie der Neger, liegt die Gefahr nahe, da[s er als Grunderwerber ihn enteignet, und es ist das einer der Punkte, wo die Wechselbeziehung zwischen dem Negertuni und 1) Ein Urteil, das der Bericht über die Cotton-Investigation von 1876 (Rep. Dep. of Agric. 1876 131) auf Grund eines sehr ausgedehnten Thatsachen- materials fäUt, steht eine alhnähhche Zunahme des Nutzens der Arbeit der Freigelassenen fest. 2) Rev. J. C. Price, Salisbury, Nord-Carolina (briefhch). 19'^^ 292 Grundbesitz der Neger. der weiTsen Ein Wanderung deutlich ist. Noch heute ist in vielen Teilen des Südens, selbst Nord-Carolina, das Land den 10. Teil von dem wert, was es in »Antebellum-Zeiten« brachte. Der Neger vermochte bisher wo die Preise steigen, nur den Nutzen zu ziehen, dafs er verkaufte, um in die Stadt zu ziehen. Dafs auch die wirtschaftliche Hebung der kleinen weifsen Farmer im Süden geringe Fortschritte gemacht hat, darf man nicht übersehen, zu- mal diese nach dem Niedergang der Plantagen eine einflufsreichere Stellung einnahmen, als vor 1860. Die Fortschritte der Neger sind eng verknüpft mit denen eines Dritteiles der weifsen Be- völkerung des Südens^). Die Negerfrage von ihrer gefährlichen Stellung einer alle anderen Probleme aufsaugenden Frage zurückzudrängen, hat bis- her nur die unverhoffte industrielle Entwickelung eines Teiles des Südens bis zu einem gewissen Grade vermocht. Die grofse Industrie von West-Virginien und Nord-Carolina, Ost-Kentucky und Ost- Tennessee, Nord-Alabama und Nord-Georgia hat neue Interessen und Bedürfnisse geschaffen und unter diesen vor allem einen Be- darf an billiger Arbeit, dem der Neger wenigstens einstweilen ge- nügt. Ob freilich man sich defswegen im Süden gewöhnen wird, ihn »more as a useful reservoir of labor, less as a possible source of danger« zu betrachten, ist abzuwarten. Auch in der In- dustrie scheint sich leider wie in der Landwirtschaft die Regel zu bewähren »A nigger can't make another Nigger work« und die Leitung erfordert also weifse Aufseher. (Prof. Price.) Die Mulatten. Die Frage der Mischung steht im Mittel- I)unkte des Negerproblems. Findet sie in so ausgedehntem Mafse statt, dafs eine breite Mischlingsschicht sich zwischen die beiden Rassen legt? In diesem Falle ist die Vernichtung beider als abgeschlossener Köri)er zu Gunsten einer neuen selbständigen Rasse das Ergebnis. Oder findet sie nur in geringem Grade statt? Dann wird sie die höhere Rasse im Ganzen unberührt lassen, während die Neger dadurch, dafs die Misclilinge innner wieder unter sie zurücktreten, sich langsam verändern müssen. Leider 1) Näheres filx-r iVww Vcrhültnisst! bei .\. ,\ . i\l;iyo, Progi'css of the Negro. Forum X. 8. 345. i Die Mulatten. 293 verfügen mr gegenüber einer so wichtigen Erscheinung nur über ungenügende Zahlenangaben. Die Zählung der Mulatten u. s. w. gab 1860 und 1870 so ungenügende Resultate, dals sie 1880 nicht -udederholt wurde. Die vom Kongrefs 1889 verfügte Ver- vielfältigung der Zählreihe für Neger durch eine Reihe für Misch- linge im Census von 1890 hat die Zahl von 1132000 für die Mulatten, also nahezu 18*^/o der ganzen Negerbevölkerung ergeben. Die Ergebnisse werden nur als annähernd gelten können. Jeden- falls sind sie besser als die Schätzungen, die bisher sehr ver- schieden ausgefallen waren. Lyell gab 1855 nach südstaatlichen Gewährsmännern 2 V2 °/o der südstaatlichen Bevölkerung überhaupt und der Census von 1870 540000, also 12% der Farbigen als Mischhnge an. Wenn 1890 soviel mehr nachgewiesen wurden, so ist darin nicht ein ZeugTiis für den Fortschritt der Mischung, sondern zunächst für sorgfältigere Zählung zu sehen. Im Ganzen dürfte sie von Kennern des Südens noch inmier für gröfser er- achtet werden, als die Censuszahlen glauben lassen. Eine offizielle Beschreibung von Süd-Carolina^) ist geneigt, zwei Dritteile als gemischt anzusehen. Ahnliche Schätzungen finden wir bei Be- obachtern, die sich auf die in weiteren Kreisen der V. St. herr- schenden Anschauungen stützen, wie bei Liebknecht, der rund- weg sechs Siebentel aller Neger für gemischt erklärt. Der Entwickelung des Mischlings zu einem wahren Mittel- gliede zmschen Negern und Weifsen widerstrebt die sich immer schärfer aussprechende Abschliefsung der Weifsen. Die Mulatten mischen sich ^deder mit Negern und die Masse ward immer dunkler^). Die oft körperhch so schönen Mulatten hängen viel enger mit den Negern als den Weifsen zusammen. Es wdrd auch angenonmien , dafs in den 30 Jahren der Freilieit die Morahtät der Negerinnen sich gehoben hat. Die besseren Kreise, die aller- dings nicht grofs sind, fügen dazu etwas wie Rassenstolz ^), der. 1) Chaiieston 1882 S. 373. 2) The Negro as a mass is growing more solidly in blackness every day. Rev. J. C P r i c e , Salisbury, Nord-Corolina (brieflich). 3) Die Verheiratung des Mulatten Fred. Douglas, einer der hervor- ragenden Persönlichkeiten der Abohtionspartei , mit einer Weifsen erregte unter den Farbigen Spott und Unwillen. 294 I^iß Mulatten. ein Produkt der Abstolsung der Weilsen, sich dem der Weifsen gegenüberstellt. In dieser Abschlielsung der farbigen Elemente aller Schattierungen liegt eine Stärkung der Masse, aber eine Schwächung des Einflusses. Herr G. W. Gage, der 1891 an der Leipziger Universität mit einer Schrift »The Negro Problem in the U. S.« doktorierte, legte vieren der hervorragendsten Schulmänner und Geisthchen des Südens Fragen über die Neger-MischHnge vor, deren Beantwortung er mir mitteilte. Zwei davon bezogen sich auf die Zahl und Befähigung der Mischlinge, deren Zahl zu 35 bis 25 "/o der gesamten Negerbevölkerung angegeben wm-de. Dabei war von einer Seite betont, dafs, wer die Farbigen nur in den Städten beobachte, einen gröfseren Prozentsatz Gemischter annehmen würde. Die Städte sind auch hier die grofsen Mittelpunkte der Mischung. Einen grofsen Unterschied der Begabung zwischen Negern und Mulatten wollten die Schulmänner des Herrn Gage nicht zugeben. Sie erklären den dunkelsten Neger für ebenso erziehungsfähig wie den Mulatten. Dem widerspricht aber doch die starke Vertretung der Mulatten unter farbigen Politikern und Studierten, sowie der Ver- such der Negerfreunde, die Inferiorität der Neger der V. St. von ilirer Herkunft aus den unbegabtesten Stämmen des Congogebietes herzuleiten. XI. Die Chinesen. Die Einwanderung aus China befindet sich noch in- den Anfängen, ist aber bereits zur festen Einrichtung geworden, und hat wahrscheinlich ein grofse Zukunft. Erst in den letzten zwei Jahrzehnten haben die Ciiinesen als Einwanderer viel von sich reden gemacht. Ihre Einwanderung ist aber früheren Datums. Von 1848—1851 sind während der Gold-Excitements 10000, im Jahr 1852 sogar 20000 Chinesen nach Kalifornien gekommen, so dafs die erste kalifornische Volkszählung von 1852 ihrer 25000 zählte. Nun hielt diese Einwanderung sich auf der mäfsigen Höhe von durchschnittlich 4 — 8000, bei einem Abgang von Vs bis V2 der Zuwandernden. Der Rest blieb hauptsächlich in Kali- fornien, geringe Zahlen zerstreuten sich über die Nachbarstaaten, wenige kamen bis nach den Ost- und Südstaaten. Nach den amt- lichen Listen waren bis 1. Oktober 1876 223 136 eingewandert und 93 273 zurückgekehrt, woraus 1876 unter Annahme einer Sterb- lichkeit von 20\ gefolgert wurde, dafs 114000 Chinesen in den V. St. sich befänden. Die Zählung von 1880 wies 105000 nach. Schon 1877 war die Einwanderung wegen der feindsehgen Haltung der weiCsen Arbeiter in Kalifornien, Colorado u. a. beträchtlich zurückgegangen. Eine kleine Zunahme zeigt die Zählung von 1890, die 107 475 Chinesen nachmes. Sie sind aber in Kalifornien zurückgegangen von 75132 (1880) auf 71681 (1890). Schon in den fünfziger Jahren hat der Abfiufs der Chinesen nach Osten begonnen. Kalifornien, Oregon, Washington und Nevada bildeten nicht blofs den Kern ihrer Verbreitung, sondern auch die erste Etappe für 296 Wirtschaftliche Funktionen. den Fortschritt nach Osten, wo sie in jeder gröfseren Stadt gefunden werden. Das kleine und ferne Massachusetts zählte schon 1875 278 Chinesen und 10 Japaner. In allen Bergwerksstaaten und Territorien sind sie häufig und ilire Zahl steigt und sinkt mit der Blüte des Bergbaues. Die Chinesen haben dort, wo sie in den V. St. massenhaft auftraten, von Anfang an eine sehr bedeutende Rolle gespielt. Es wurden ihnen die Funktionen des wirtschaftlichen Orga- nismus übertragen, die die gröfste Geduld und Genügsamkeit voraussetzen, aber auch am wenigsten raschen Erfolg verhelf sen. In einer instinktiven Selbsterkenntnis, die auf die heimische Gewöhnung zurückführt, ziehen sie selber allen anderen Beschäftigungen die vor, welche vorzüglich Fleifs und Ausdauer erfordern. Als Dienstboten, Erdarbeiter, Köche, Wäscher, Bügler, Cigarrenmacher, Schuhfiicker u. dgl. ersetzen sie den amerikanischen Arbeiter nicht nur, sondern übertreffen ihn. Die Chinesen haben besonders den Kalif orniern gerade die Funktionen abgenommen, für die sich in einem so düim bevölkerten, weiten und reichen Lande und einer so jungen Gesellschaft die geringste Neigung zu zeigen pflegt. Die Kaufleute, die mit der Chineseneinfuhr zu thun haben und Buch führen über Ankunft, Abgang und Sterblichkeit der gelben Leute, gaben an, da[s von 48000 30000 in den Bergwerken und Goldwäschereien, 2000 mit Handel, 1200 mit Landbau und etwa 200 mit Cigarrenfabrikation in San Francisco beschäftigt seien. Über die Zahl der in Wäschereien, Bügiereien und anderen Gewerben, sowie als Dienstboten Beschäftigten konnten sie keine Angaben machen. Die Zahl der prostituierten Chinesinnen in San Fran- cisco wurde von anderen Zeugen auf 1200 — 2000 angegeben. Die Unternehmer von Eisenbahn-, Weg-, Dammbauten, die ]^]nt- wässerer der grofsen Tule- (Marscli) Striche, die grofsen Industriellen, die Reeder, alle, die Dienstboten brauchen, selion im Chinesen eine willkommene Bereiclierung des Arbeitsmarktes. Dagegen hafst die arbeitende Klasse in ihm den gefährlichsten Wettbewerber, der alles untcrl)ictet, weil seine Ginvolmlieiten und Bedürfnisse einfacher mid vor allem wohlfeiler als die jedes Angehörigen der k;iul<;isis(h('ii Hasse sind. Selbst in den Ziiinoberbergwerken Ab- und Ausschliefsung der Chinesen. 297 und Quecksilberröstereien Kaliforniens beträgt der Lohn der Chi- nesen weniger als die Hälfte desjenigen der anderen Arbeiter. Aiifserdem hat er aber auch in den Augen derer, die nicht arbeiten, den Fehler, einer Rasse anzugehören, deren Mischung die unsere, wie man voraussetzt, nicht verbessern kann, und in einem untergeordneten Kulturkreis aufgewachsen zu sein. Er hat den bedenklicheren Fehler, sich abzuschliefsen von allen im europäischen Sinne zivilisierenden Einflüssen und nur mit den Seinen in streng gegliederte, despotisch geleitete, konspirierende Massen zusammenzukluppen, die der öffentlichen Ordnung gefährlich werden können, und die Gefahr der Bildung einer besonderen sozialen und politischen Schicht in sich bergen. Er ist höchst unreinlich und dadurch bei seinem gedrängten Wohnen gesundheits- gefährlich, fast durchaus familienlos und oft sittlich verkommen. Die Stellung der Chinesenfrage hat also in einem Lande wie Kali- fornien, wo der gelbe Mann ^/i2 der Gesamtbevölkerung büdet, ihre Berechtigung; nur ist bedauerlich, dal's man sie benützt hat, um die Gemüter des Pöbels, dessen Exzesse mit ihrem Laflufskommen unvermeidlich waren, zu erhitzen. Die vernünftigen Leute waren für eine mäfsige Einschränkung der Einwanderung und für einen Zwang, der in der Richtung auf bessere Wohnweise, durchgreifendere Stellung unter die amerikanischen Behörden, Brechung der festgeschlossenen Geheimbünde zu üben ist; die Masse und ihre Politiker haben aber in dem Gesetz von 1888 Einschränkungen der Einwanderung von chinesischen Arbeitern erzielt, die einem Einwanderungsverbot nahekommen. Die Stellung der PoKtiker und später auch der Regierung der V. St. zur Chinesenfrage ist voll Lehren. 1862 gestanden diese den Unterthanen Chinas das Recht der Meistbegünstigten auf Einwanderung, Niederlassung und Handel in den V. St. zu und erkannten, zugleich mit China, »the inherent and unalienable Right of Man« an, seinen Wohn- sitz zu ändern und ebenso den wechselseitigen Vorteil der fi-eien Wanderung und Auswanderung ihrer Staatsangehörigen. Richard M. Smith hat diesen Vertrag als die Scheidelinie zwischen zwei ver- schiedenen Grundsätzen in der Behandlung der chinesischen Ein- wanderung bezeichnet ; er bedeutet aber mehr, nämlich die Scheidelinie zwischen zwei verschiedenen Grundsätzen in der Behandlung der Ein- wanderung überhaupt {ygl Kap. VIT und S. 361 f.). In der Entwickelung 298 r>ip politische Seite der Chinesenfrage. der Chinesenfrage haben die an der Oberfläche Hegenden Beschwerden über die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, die gesundheitsgefährhche Lebens- und Wohnweise, die Ausfuhr der Ersparnisse u. dgl. nur die Handhaben geboten, um eine Bewegung hervorzurufen, die sich gegen die chinesische Einwanderung aus tieferhegenden sozialen und pohtischen Gründen richtete. Die Bildung eines Volkes im Volke, einer Gemein- schaft mit ganz eigenartigen Gewohnheiten und Anschauungen, den po- htischen Eimichtungen der V? St. nach Anlage und Natur fremd, ohne jeden Wunsch nach Anpassung, schien eine schwere Gefahr für die Ent^\dckelung der V. St. zu sein. Kamn ein Chinese hat in den über 45 Jahren der ununterbrochenen Einwanderung sich an die Kultur Nordamerikas angeschlossen , die christhche Mission hat unter den chinesischen Einwanderern fast nur Mifserfolge gehabt, ein Wunsch nach pohtischer Wirksamkeit, wie er bei den Negern so lebhaft ist, hat sich in keiner chinesischen Gemeinschaft gezeigt. Dem Gefühle der Inferiorität, das der Neger und Mulatte nicht loswerden kann, steht beim Chinesen die Überzeugung von seiner Überlegenheit gegen- über. Da gar keine Frage sein kann, dafs die Chineseu, wenn in grofsen Massen einwandernd, dem Lande ihre Kultur aufdrängen würden, und da es sicher ist, dafs ihre Selbstabschhefsung sie zur Inferiorität verurteilt, so lange sie in der Minderheit sind, so reduziert sich die Chinesenfrage in den V. St. auf eine Zahlen- oder Massen- frage. Kein Staatsmann kann ihre Masseneinwanderung wünschen. Bei der Beurteilung der Haltung der V. St. gegenüber der chinesischen Einwanderung ist nur die Frage wesenthch, ob die Gefahr einer INIassen- einwanderung vorhanden war. Und diese Frage ist zu verneinen. Die aus Sitthchkeitsgründen so viel getadelte FamUienlosigkeit der meisten chinesischen Einwanderer gewährleistet eine ungemein schwache Ver- mehrung. Und endhch hat die chinesische Regierung die Auswanderung nie ermutigt; ein Teü der chinesischen Einwanderer bestand stets aus heimlich Ausgewanderten. Es unterliegt keinem Zweifel, dafs ange- sichts dieser Thatsachen die Bewegung gegen die chinesische Ein- wanderung in den V. St. keine hinreichenden inneren Gründe aufzu- weisen hatte, dafs sie vielmehr unter dem Einflüsse der Erwägung stand, um die bürgerhche Gleichheit zu retten, müsse die menschliche Gleichheit samt aUen »Menschenrechten« als Phantom erkannt werden. Der Staatsegoismus siegte über das einst hochgehaltene Menschenrecht. Der Einwanderer wird nicht mehr als Mensch, sondern nur nach seinem Werte geschätzt. Z^veiter Abschnitt. Die Bevölkerung. Ihre Verbreitung und ihr Wachstum. XII. Die Volkszalil und ihre geograpliisclie Verteilung. Das Heranwachsen der heutigen Volkszahl 301. Die Dichtigkeit 303. Das besiedelte Land 305. Ost- und Westgebiete der Volksdichte 306. Leere Stellen 309. Ein eigener Typus der Volksverteilung in den Vereinigten Staaten 311. Der Bevölkerungsmittelpunkt 313. Das Heranwachsen der Volkszahl von heute. Die weilse Be- völkerung Nordamerikas glich vor 270 Jahren einem durch Wind und Wellen von Osten her an die westliche atlantische Küste verwehten und verschwemmten Anflug junger Sämlinge. Von den verschiedensten Antrieben hatten sich kleine Gemeinschaften von Spaniern, Franzosen, Engländern und Niederländern nach den Küstenländern Nordamerikas tragen lassen. Was heute Florida, Canada, Virginien, Neuengiand, New York genannt wird, sah damals die Anfänge europäischer Kolonisation. Einige hatten sich schon festgewurzelt und sind ohne Unterbrechung weitergewachsen, andere sanken dahin und überliefsen ihre Plätze Späterkonnnenden. Aus den Anflügen wurden Wälder, die immer mehr Boden bedeckten. Bald wuchsen Geschlechter auf, denen dieser Boden Mutterboden war, und da die Zahl der aus Europa Nachwandernden immer noch zunahm, waren nach zwei Menschenaltern aus den Tausenden Hunderttausende geworden und nach anderthalb Jaln-hunderten fing man schon an, nach Millionen zu zählen. Seit 1620 hatten 302 I^iß Ent-\vickehing der Volkszahl. die Weifsen begonnen, Neger als Arbeiter einzufüln-en, und auch deren Zahl wuchs rascher als die der einheimischen farbigen Rasse. So wirkten Einwanderung, Einfuhr und eigene Vermehrung auf die Zunahme einer Bevölkerung, die 1890 nahezAi 63 Millionen stark war, so dafs die V. St. an Bevölkerungszahl nur noch hinter China und Rufsland zurückstehen. Ein solches Wachstum bei solcher Jugend ist unerhört, und darin sind die V. St. unvergleichbar. In dieser Vermehrung von wenigen Tausenden auf eine solche Zahl von Millionen liegt eine Tliatsache der Bevölkerungsstatistik und der Geographie. Sie konnte sich nur vollziehen, weil der weite und breite Boden da war. Dem Wachstum der Zahl mufste die Ausbreitung im Raum zur Seite gehen. Neben die Zahl der wachsenden Bevölkerung müssen wir also die Gröfse ihres Bodens stellen. Ein tausend Quadratmeilen nach dem andern ging von den Indianern oder aus der Besitz- und Nutzlosigkeit an die Europäer über und jeder Landgewinn rief eine neue Aufserung der ex- pansiven Kraft hervor. Man konnte glauben, dafs sie mit der Er- werbung der Gestadeländer des Stillen Oceans von der Vancouver- Insel bis zum Californischen Golf an den äufsersten Grenzen an- gelangt sei, aber der Ankauf der 23000 Q.-M. von Alaska, der 19 Jahre nach der Erwerbung Californiens geschah, zeigte bereits einen neuen Weg der Ausbreitung am Stillen Ocean. Die weifse Bevölkerung ist hier nur klein, aber auch diese 23000 Q.-M. werden einst dazu beitragen, ihre Vermehrung zu beschleunigen. 1620 lebten in Virginien 2000 und im übrigen Nordamerika viel- leicht 600 Europäer. Neuengland empfing von der Gründung von New Plymouth bis zur Vereinigung der 4 Kolonien, 1020 bis 1643, 2 KXK) Einwanderer. 1690 mögen gegen 300000 Ansiedler im heutigen Nordamerika gewohnt haben und 1715 wird die Bevölkerung aller britischen Kolonien in Nordamerika zu 430000 angegeben, 1754 zu nahezu 1'/« Mill. und in dem Jahre des Friedens von Paris (1763) zu VI* Mül. Pennsylvanien und Massachusetts standen mit 280000 und 2400fXJ an der Spitze und Neuenglands hervorragende Bedeutung in der Zeit des Unaljhängigkeitskrieges wird angesichts der geschlossenen Zahl von 5(K)(XX) seiner Bevölkerung verständlich. Damals wie jetzt war es das dichtest bevölkerte Gebiet der Unit)n. Von den Haupt- städten zählte Boston lötKX), Piiiladelphia 13000, New York 12000, Cliarlcston zwischen 5000 und 6000. in den ersten Jahren des Die Dichtigkeit. 303 Unabhängigkeitskrieges pflegte man die Volkszahl der gesamten 13 Ko- lonien zu rund 3 Mill. anzunehmen. 1789 wm-de eine allgemeine Zählung beschlossen, die zum ersten Mal im Jahr 1790 und seitdem alle 10 Jahre ausgeführt ward. Sie ergab: 1790 3929214 1830 12866020 1870 38555 981 1800 5 308483 1840 17069453 1880 50155 783 1810 7 239 881 1850 23191876 1890 62 622250 1820 9633822 1860 31443321 Die Bevölkerung hat sich innerhalb dieser 100 Jahre versechs- zehnfacht. Die Dichtigkeit. Die absoluten Bevölkerungszahlen eines so grolsen und rasch wachsenden Landes mögen Staunen erregen, die tiefere Belehrung haben Mir auf der Seite der relativen Bevölkerungszahlen oder der Dichtigkeit zu suchen, aber nicht in der Durchschnittszahl 7 auf 1 kqm für das ganze weite, ungleichartige Gebiet, die für 1890 berechnet wii'd. In viel höherem Grade ist die Volksdichte in einem so weiten und jungen Lande verschieden und schafft verscliiedenartigere Grundlagen aller kulturlichen Entwickelungen. Die dünnst- und dichtestbevölkerten Staaten oder Territorien der V. St.*) Hegen mehr als 50 mal so weit auseinander, als die dünnst- und dichtestbevölkerten Staaten oder Provinzen Deutschlands. In den amthchen Censusberichten wird angenommen, daTs 2 bis 6 Menschen auf der engl. Quadratmeile die geringste Bevölkerung eines nicht erst in den ersten Anfängen der Besiedelung stehenden Gebietes seien, in dem die weite Räume erfordernde grofse Viehzucht mit fast vöUiger Ausschliefsung des Ackerbaues die wh'tschafthche Thätigkeit der Bevölkerung ausmacht. Eine so dünne Bevölkerung fand man vor 25 Jahren im fernen Westen, von INIinnesota an durch Iowa, Kansas, Arkansas und Texas; es gehörten dahin die eben besiedelten Teile von Colorado, Neu-Mexiko, Utah, Oregon, Nord- und Süd-Kahfornien und von den älteren Staaten einzelne Ackerbaugebiete mit schlechtem Boden in dem gebirgigen Teile West- Virginias, Georgias und Missom*is, ferner Tieflandstrecken in Florida, Alabama, Mississippi und Louisiana. Es ist die natürhche Lage an der Grenze der Kultur. Und so ist sie im ganzen auch heute noch. Diese Bevölkerungsstufe ist in denselben Staaten und Territorien vertreten, aber im Süden und Norden ist sie eingeengt worden und im Westen hat sie eine grofse Zahl von kleinen Veränderungen dm"ch zahlreiche Siedelstrecken erfahren, die an Flüssen 1) Am 1. Dezember 1890 zählten die Regierungsbezirke Lüneburg 37, Düsseldorf 361. am 1. Juni desselben Jahres Nevada, Wyoming, Arizona 0,2, Ehode Island 106, Massaehuisetty 104 Einwohner auf 1 qkni. 304 Die Stufen der Volksdichte. und Gebü'gshängen sich am Rande der Wüste entwickelt haben. Als Durchschnittszahl der Volksdichte der Ackerbaudistrikte, die im Beginn der dichteren Besiedelung stehen, gelten 6 bis 18 p. engl. Q.-M. (ca. 2 bis 7 auf 1 qkm). Distrikte von dieser Dichtigkeit sind vorzüghch am fortschi-eitenden Westrand des Ackerbaugebietes in der Prärie- region von Dakota bis Texas, dann im Golfgebiete und in den Ge- bii'gsregionen der atlantischen und Golfstaaten zu finden. Die west- hchen Striche der letzteren und grolse Bezii-ke in ihrem Küsten- tiefland , kleine Strecken minder fruchtbaren Landes zwischen den Alleghanies, dem JVIississippi und Arkansas fast in seiner ganzen Ei*- streckung , Loidsiana , soweit es nicht in den üppigen Mississippi- Bottoms gelegen, die bevölkerten Teile von Florida, die Grenzstriche zwischen Präiie und Steppe in den westhchen Teilen von Wisconsin, Minnesota, Iowa, Missouri, endhch die durch iln-e Bergwerksindustrie hervorragenden Gebirgsgegenden von Mittel-Kalifornien und Colorado gehören in diese Gru]3pe. Die diitte Stufe, 18 bis 45 p. engl. Q.-M. (ca. 7 bis 17 auf 1 qkm) gehört den Gebieten erfolgreichen Ackerbaues an ; wohl mag diese Bevölkerungsstufe stellenweis auch erreicht werden durch die Ent- wickelung von Bergbau oder kleinen Industrien auf minder fruchtbarem Boden, aber es ist im allgemeinen die Region der in der Besiedelung fortgeschritteneren Ackerbaugegenden, daher heute am verbreitetsten in den älteren Süd- und Weststaaten. Virginia, Nord- und Süd-Carolina, Mississippi, Kentucky, Tennessee, Illinois, Missouri, Iowa gehören grolsenteils, aufserdem die fruchtbarsten Teile von Louisiana, Georgia, Alabama, Wisconsin, Minnesota hierher. Von halb industriellen und halb ackerbauenden Regionen stehen Vermont, Teile von Maine und kleinere Distrikte in aUen Neuengland-Staaten auf (heser Stufe und derselben gehören auch die raschest gewachsenen bevölkertsten Striche von Texas und Kahfornien an. Die vierte Stufe, 45 bis 90 p. engl. Q.-M. (ca. 17 bis 35 auf 1 qkm) deutet mit Bestimmtheit auf das Vorhandensein von Handels- und Industriethätigkeit, die einer Bevölkerung von dieser Dichtigkeit die Möghchkeit des Auskommens bietet; aber diese Erwerbszweige über- wiegen noch nicht den Ackerbau. Es ist die Stufe eines mittleren Zustandes, die wir daher am stärksten vertreten finden in den Staaten, die in oder nahe bei den Kohlen- und Eisengebieten liegen , dabei günstige Bedingungen einem eindringenden Ackerbau bieten. In New York, New Jersey, Pennsylvania, Ohio und Indiana überwiegt diese Stufe alle anderen und ist aufserdem in gröfseren oasenartigen Bezirken, in einigen sehr fruchtbaren Ackerbau- und Industriebezirken des Mississippi- und Seen-Gebietes, in der Umgebung gröfserer Städte und auf bcid(;ii Abhängen der Alleghanies vertreten. Das besiedelte Land. 305 Die fünfte Stufe, mehr als 90 auf d. engl. Q.-M. (über 35 auf 1 qkm), ist die wenigst verbreitete, die aulser in städtischen Zusammen- di'ängungen und ihren Umgebungen niu* in den industriellsten Be- zh'ken der südlichen Neuenglandstaaten Massachusetts, Connecticut, Rhode Island und Pemisylvanien und auch hier nur in der Aus- dehnung von ungefähr 70000 qkm vorkommt. Grolse Fabrik- und Handelsplätze und zahkeiche gewerbthätige Dörfer sind das Merkmal dieser Stufe, die in einigen Gegenden den dichtbevölkerten Gegenden Europas nahekommt. Das besiedelte Land. Der Census nennt besiedelte Gebiete (Settled Area) diejenigen, auf denen die Bevölkerungszahl 2 p. engl. Q.-M. er- reicht und überschreitet, und findet bei Anlegung cUeses Malsstabes, dafs sie von 1790 in folgender Weise zugenommen haben: Jahr Besiedeltes Gebiet 1790 619431 qkm 1800 791 783 » 1810 1056577 » 1820 1 317 577 » 1830 1 638 737 * 1840 2090886 . Folgende Tabelle zeigt das Verhältnis, in welchem (in Tausendsteln) diese fünf Stufen von Bevölkerungsdichtigkeit in der jeweiligen Summe der besiedelten Flächen vertreten waren. Jahr Besiedeltes Gebiet 1850 2536 255 qkm 1860 3094432 > 1870 3295129 » 1880 4080882 > 1890 5062941 . Census- jahr Vermehrung des besiedelten Gebietes in Procenten 1790 _ 1800 27,4 1810 33,4 1820 24,7 1830 24,4 1840 27,6 1850 21,3 1860 22,0 1870 6,5 1880 23,4 1890 24,1 o § ö s 'S tn Stufe 348 265 286 277 239 228 239 218 193 245 304 II III IV 348 247 54 403 270 58 379 265 67 348 296 76 357 295 103 361 299 105 301 346 103 296 361 113 286 369 137 238 353 148 202 361 121 ^' 3 4 o O 3 6 7 11 12 15 16 12 Man sieht, wie die dünnbewohnten Flächen mit jedem Jahr- zehnt hinaufrücken, wie sie aber dabei durch die Besiedelung neuer Flächen doch nicht regelmäfsig abnehmen, sondern zeitweilig noch anwachsen, wie denn die erste Stufe seit 50 Jahren, abgesehen von dem kleinen Rückschlag des Jahrzehntes des Bürgerkrieges, immer Ratzel, Die V. St. von Amerika 20 306 Ost- und Westgebiete. nur an Ausdehnung gewonnen hat. Die dichter bevölkerten Gebiete können natüi-lich nicht in denselben Verhältnissen wachsen und die dünn bevölkerten äi-meren Gebiete geben sogar Bewohner ab — ver- gleiche die Abnahme der 2. und 3. Stufe seit 1870 — und so spricht sich in diesen Zalilen das Gegeneinander- und Zusammenwii'ken der Ausbreitung und Verdichtung der Bevölkerung aus. Die Ausdehnung des Verkehrsnetzes nach Westen und die gewaltige Westwanderung in den letzten 25 Jahi-en hat der Ausbreitung ein Übergewicht ver- heben, wie es früher nie vorhanden war. Die diitte Stufe, der Über- gang von den Anfängen des Ackerbaus zur Industrie und Bildung grofser Städte, deutet das Herannahen einer Zeit stäi'kerer Verdichtung an, in die wir seit dem Ende der achtziger Jahre in vielen Teilen des Prärie- und Gebh-gsgebietes schon eingetreten sind. Das Land war in den V. St. im Überflufs vorhanden, so dafs die gewaltige Bevölkerungs- zunahme lange Zeit die diu^chschnitthche Dichtigkeit, wenn man die Besiedelungsflächen zu Grunde legt, nicht vermehrte. Von 1820 bis 1830 wuchs die Bevölkerung um 32,5 7o , die Besiedelungsfläche um 23,4 "/o, so dafs sie noch nicht um 0,6 ">/o Menschen auf 1 qkm zunahm. Im folgenden Jahi-zehnt 1.S30 bis 1840 wuchs die Bevölkerung wieder um 32,5%, aber das besiedelte Land um 27,6%, so dafs die Zunahme nm- 0,3 °/o Menschen auf 1 qkm betrug. Das waren so geringe Ver- dichtungen, dafs sie gar nicht fühlbar wurden. Und wenn man die rasch wachsenden Grolsstädte ausnimmt, so übertraf im Gegenteil das Wachstum des Areals das der Bevölkerung, die trotz Geburtenüber- schufs und Einwanderung auf dem flachen Lande dünner wurde. Ost- und Westgebiete. Geographisch hegen die Hauptgebiete der beiden Entwickelungen entsprechend der vorwiegend westHchen Wachs- tumsrichtung des Volkes und der ebenso vorwiegend östhchen Her- kunft der Einwanderer seit 100 Jahren immer so, dafs die Verdichtung im Osten, die Ausbreitung im Westen ihren Sitz hat und beide sind in dieser Lage gewachsen und gewandert. Mit 1830 wai in den alten Staaten am atlantischen Rand die Besiedeln ng im ganzen und grofsen abgeschlossen, und es handelte sich nur noch um Verdichtung, die seitdem den höchsten bisher in den V. St. dagewesenen Grad erreicht hat. In derselben Zeit begannen die Eisenbahnen mit der Beschleuni- gung der Zunahme der Besiedelung im alten Westen und im neuen Süden, deren Boden seit 1870 nur noch an zwei entgegengesetzten Stellen, in Michigan und Florida sich vergröfsert hat. Und 1840 setzt das Wachstum jenseits des Mississippi und Missouri ein, in dem wir uns heute noch belinden, das aber mit dem Ende des Jahrhunderts ebenfalls seinem Abschlufs sich stärker zuneigen wii'd. Die gröfste Thaisache bleibt dabei und wird noch lange bleiben die dichte Be- völkerung im Nurdosten. Sic ist geschichthch begründet in den Wachstum und Verschiebung der Gebiete der Volksdichte. 307 Anfängen der Kolonisation im 17. Jahrhundert, geographisch in der Europa am entschiedensten zugewandten Lage und in der natürlichen Ausstattung. Es ist der nach Geschichte, Lage und Zuständen euro- päischste Teil Amerikas, und es wäre kein leeres Wortspiel, wenn man den Namen Neuengland in Neueuropa verwandelte. Die Tendenz zu einer Verdichtung der Bevölkerung in den nordöstüchen Teilen der Union ist alt, während nach Westen hin, entsprechend der Weite des hier zu bevölkernden Raumes, auch schon lange eine Tendenz zur Zerstreuung herrscht. Die dichteste Bevölkerung sitzt schon um 1790 in Teilen von Massachusetts, Connecticut, New York und Pennsylvania, von wo sie sich stetig, nach Süden nur die Grenzen von New Jersey, Rhode Island und eben noch Delaware überschreitend, binnenwärts ausgebreitet hat, ohne an der Küste selbst einen zusammenhängenden Streifen zu bilden. Am Albemarle-Sund hegt die Grenze zwischen dem dichter bevölkerten Norden und dem locker besiedelten Süden jetzt wie damals. Ethnogenetisch ist dieses Verdichtungsgebiet als Aus- gangsstelle der mächtigen Westverbreitung merkwürdig, die ährdiche Verdichtungen um die grofsen Verkehrspunkte der Seeregion: Buffalo, Detroit und Chicago, sowie südhcher im Kohlenbecken von Pittsburg hervorrief und dem ganzen Westen trotz des Zuflusses fremder Ele- mente, einen nordstaatüchen Charakter aufprägte, dem teilweise sogar entschieden neuengländische Züge eigen sind. In dem Jahrzehnt vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges war es klar geworden, dals der Fortschritt des Westens in der Bahn geschehen werde, welche che nördhchen Staaten bezeichneten. Auf der Bevöl- kerungskarte spricht sich dies in der erstmahgen Erscheinung eines zusammenhängenden Bandes dichterer Bevölkerung vom Atlantischen Ocean bis zum Wabasch aus. Der Süden war also von den immer weiter wachsenden Kolonnen der nordstaathchen Westwanderer flankiert, die in km-zem am iNIississippi mit einer Dichtigkeit stehen mulsten, der der ganze Süden noch nichts zm* Seite zu stellen hatte. 1860 safsen in den Sklavenstaaten erst 6 Menschen auf dem Quadi-atküo- meter und im Südosten waren 16 "/o, im Südwesten nur erst 10 "/o des Bodens lu-bar gemacht. Die Veränderung war in den 80 Jahren seit der Unabhängigkeits-Erklärung viel geringer gewesen als im Norden. Im letzten Menschenalter hat sich nun die Dichtigkeit von 17 bis 35 auf dem Quadratkilometer, die in nennenswerter Ausdehnung vorher nur am nordostatlantischem Gestade zu linden war, bis zum Westrande des Michigansees, zum Mississippi und über den Ohio hinaus zwischen 45" und 38° n. B. verbreitet und an sie anschhefsend hat die nächst tiefere Stufe (7 bis 17) eine ebenfalls zusammenhängende Fläche zwischen den Seen und dem Missomi und noch darüber hinaus bis etwa 98" gewonnen, wo nur ein Band von 2,3 bis 7 auf 1 qkm sie von 20* 308 Wachstum und Verschiebung der Gebiete der Volksdichte. der Steppe trennt. Westlich von hier ist die grofse Thatsache der Ent- wickelung dieser Jahre der Zusammenhang, den die teilweise migemein rasch besiedelten Gebiete am Ostfulse des Felsengebirges mit den grofsen Gebieten dichterer Bevölkerung im Osten gewonnen haben. Von Osten sind deren Vorposten von Dakota bis Texas, vorzüghch aber in Kansas und Nebraska vorgerückt, und von Westen sind am Laufe des Platte- oder Nebraska- und des Kansasflusses die Siedelungen ihnen entgegengekonm^ien. In dem Landstreifen, der die Kansas- Pacifik- und die Union-Pacifikbahn umschhelst, zieht heute von Wj^oming und Kolorado ein Streifen Landes mit 0,7 bis 2,3 E. auf 1 qkm nach Osten hinaus. Eine ^veitere Verbindung deutet sich im Norden in dem Bogen zwischen Yellowstone und Missomi an ; die raschen Fortschritte Montanas und Nord-Dakotas verheilsen ihre baldige Vollendung. Aber noch immer bleibt das Land w. von 100" w. L. ein Gebiet ganz anderer Bevölkerungsart, als das Land ö. von dieser Linie. Aulserhalb der wenigen grofsen Städte fehlen noch alle Dichtigkeiten über 17 auf dem Quadratkilometer. Die an Zahl und Ausdehnung noch geringen Gebiete mit 7 bis 17 finden sich an weit auseinanderhegenden Stellen, wo Bergbau oder Ackerbau mit künst- licher Bewässerung möghch ist. Der Anschlufs an die natürhchen Bechngungen ist dabei so eng, dafs die Flüsse wie Leitlinien der Be- völkerungsverbreitung uns entgegentreten, und dafs die Gebiete dichterer Bewohnung alle oasenartig klein und vereinzelt hegen. In Kansas und Nebraska wuchs ebenso die Bevölkerung in bandförmigen Streifen am Missouri, am Nord- und Süd-Platte, am Arkansasflul's westwärts wie von Colorado und Wyoming aus am Oberlauf derselben Flüsse ostwäi'ts. Dazwischen liegen noch heute gröfsere unbesetzte Stellen. Geradeso wuchs vor hundert Jahren vom Atlantischen Rande her che Bevölkerung an den Flüssen entlaug, deren Ufer zuerst sich bevölkerten und seitdem immer dicht besiedelt bheben : Thal des Mohawk, Thal des oberen Potomac, durch die Appalachische Senke aus Virginien nach Kentucky. Die gröfsten Gebiete dieser Art haben sich an der pacifischen Küste entwickelt. Sie liegen dort im mittleren und südhchen Kalifornien, am unteren Kolumbia und am Puget Sund und lassen auf ein rasches Wachstum schhefsen, das schon im laufenden Jahrzehnt einen Streifen mitteldichter Bevölkerung am Stillen Ocean vollenden dürfte. Die Salzseesenke von Utah mit den Hängen des Wahsatchgebh-ges bildet einen zweiten Streifen dichterer Besiedelung, der einst mit den jungen Centren des metaUi-eichen Montana im Norden zusammenfliefsen wird'). 1) Nur hier in Utah, wo der Bergbau von der Mormonenkirche von Anfang an, da er zuviel gottloses Volk ins Land zu ziehen drohte, verpönt wnnlo, liat sich eine starke Bevölkerung auf der Grundlagen des Ackerbaues • ■iit wickelt, und nur hier konnte sie es. Leere Stellen. 309 Und endlich zieht ein diitter langer Streifen im Thal des Rio Grande von El Paso aufwärts und am wasserreichen Ostrande der Felsen- gebirge von Colorado und Wyoming entlang, der einst mit der örtlichen Verdichtung in den Black ]\Its. von Dakota sich vereinigen wird. Dafs nur dieser heute in breiter Verbindung mit den Gebieten gröfserer Dichtigkeit im Osten steht, während jede Querverbindung zwischen den westlicheren Bevölkerungsgebieten noch fehlt, ist eine der merkwürdigen Folgen der vorwiegend in nordsüdhchen Linien gerichteten Oberflächen- ghederung des ganzen Landes. Leere Steilen. Heute noch sind in den Grenzen der V. St. Gebiete so gut wie unbesiedelt, die ebenso gut me der Schwarz- wald oder der Bayerische Wald einmal ihre Bevölkerung erhalten werden. Wir denken zuerst an die noch dichtbewaldeten nord- westlichen zw^ei Fünftel von Maine, deren Bewohner, Holzfäller, Jäger und ein Paar Naturfreunde, nur im Sommer hier w^eilen, dann an das W^aldgebirg der Adirondacks mit seinen hochgelegenen Thälern, und an die nördlichen Teile von Michigan, Wisconsin und Minnesota. Die drei Gebiete liegen um den 45. Parallel, also m rauhem Klima, sind alle hochgelegen ; die nördlichen Teile von Maine und Wisconsin ragen über 500 m; die Gipfel der Adirondacks erreichen Riesengebirgshöhen, das nördliche Minne- sota liegt zwischen 300 und 500 m. Alle drei sind wald- und wasserreich, aber ilire zaMreichen Flüfschen und zahllosen Seen sind wegen starken Falles, vieler Stromschnellen und hoher Lage dem Verkehr nicht günstig. Am meisten schreckt von der Be- siedelung die Notwendigkeit der Lichtung gewaltiger Wälder und die Gefahr ab, im langen Winter durch tiefen Schnee von aller Welt abgeschnitten zu sein. Die Holzfäller (Lumbermen) sind die natürlichen Pioniere in diesen Gebieten, in die sie besonders in Wisconsin und Minnesota so manchen Pfad gebahnt haben. Dafs der Bau hölzerner Schiffe in den Fjordhäfen von Maine so sehr nachgelassen hat, ist auch eine Ursache des langsamen Fort- schreitens der Besiedelung in diesem Staate seit 1860. Nur noch eine Gruppe des Ostens vergleicht sich an Menschen- leere oder schwacher Besiedelung mit diesen hochgelegenen Wald- ländern, es ist die Südhälfte Floridas von 29° an, der Okifenoki- Sumpf von 3000 c{km im südlichen Georgia und sumpßge oder 310 Leere Stellen. sandige Küstenstriche im südlichen Alabama und Texas. Die grolse Leere der Halbinsel Florida führt auf die Armut des Korallen- kalkbodens, die vielen Sümpfe und die Hafenarmut der Küste zu- rück. Viele Quadratmeilen unbewohnten Landes liegen auch weiter im Norden in den sumpfigen Küstenstrichen von Carolina. Selbst das ältestbesiedelte Tidewater- Virginia hat auf einem Boden, der so grols vde der Belgiens, eine Bevölkerung, die nur ein Zehntel der belgischen ist. An der Golfküste werden ö. vom Mississippi die fruchtbaren Striche von endlosen Föhrenwäldern mit unkultivier- barem Sandboden, weiter w. von Lagunen und Küstensümpfen unterbrochen. Es ist nicht zu übersehen, dafs die nördliche wie die südhche Gruppe unbesiedelter Gebiete n. und s. von der grofsen Bahn der Westwanderung liegt, die im Norden von Neuengland nach den Seen, im Süden von Georgia und den Carolinas nach dem Mississippi und darüber hinaus wies. In ganz anderer Ausdehnung treten die leeren Stellen im Westen auf. Hier herrschen sie vor und sind bezeichnend. Heute gehört in diese Klasse alles unbewässerbare Land ohne Mineral- schätze zwischen 99 '^ und der Sierra Nevada bezw. dem Cascaden- gebirge. Im Vergleich mit diesem gewaltigen, äufserst dünn be- völkerten Gebiet, sind jene leeren Flecken des Ostens nur noch seltene Ausnahmen, zu denen die bereits dicht gedrängten Millionen des Ostens wie zu Kuriositäten aus den Niederungen des täg- lichen Lebens aufblicken, und die als Stätten der stillen Ver- senkung in die Natur bereits eine ähnliche Stellung zu den Menschen der Städte und dichtbevölkerten Industriegebiete ein- nehmen, wie unsere Wald- und Hochgebirge^). Noch vor 40 Jahren wurden Entdeckungsreisen in diese Berg-, Wald- und Seewildnisse unternommen und beschrieben. Der höchste Gipfel von Maine, Mt. Kathadin, ist von weifsen Männern erst 1804, von den ersten 1) Henry David Tlioreiiu, der grofse Kenner und Schilderer der nenengländiwchen Wälder , Seen und Küsten , kannte noch in den Fünfziger Jahren da« Land um den Mt. Kathadin als »einen unermefslichen Urwald, der nur daliegt, damit ihn die Sonne besclieint, kein Hans, keine Lichtung. Er sah nicht aus, als ob ein einsamer Wanderer ihn durchschritten und auch nur einen Stab in seinem Dickicht geschiiitton hätte«. The Maine Woods (Boston 1H72) p. 66. Typus der Verteilung der Bevölkerung. 311 wissenschaftlichen Erforschern (Bailey und Jackson) 1836 und 37 bestiegen worden. Typus der Verteilung der Bevölkerung. Die V. St. haben in der Volksverteilung ihren eigenen Typus, der nicht blofs von der GleichmäCsigkeit alter Länder entfernt ist, sondern auch von jungen, unter ähnlichen Bedingungen wachsenden Kolonialländern sich unterscheidet. Im nahen Kanada herrscht unter dem Einflufs des Ackerbaues und der Waldwirtschaft eine gieichmäfsigere Ver- teilung der Bevölkerung, während umgekehrt in den australischen Kolonien, wo Bergbau, Viehzucht und Handel vorwiegen, die Verdichtung in Städten in übertriebenem Malse sich vollzogen hat und vollzieht. Von der Bevölkerung der Dominion wohnen 5\ in Städten mit über 100000 Einwohnern, von der Australiens 27% 1), von der der V. St. (1890) 15%. Die V. St. stehen also in der Mitte zwischen dem rasch, aber einseitig wachsenden Australien und der langsam, aber gleichmäfsig über weite Flächen hin sich ausbreitenden Dominion. Ihres ist der Typus der raschen Aus- breitung über eine weite Fläche bei zunehmender Verdichtung durch Bergbau, Industrie und Handel, eine Verbindung von dichter Verbreitung und starker Anhäufung. Der Gang der Verbreitung, zu dem von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die Censusergebnisse sich gruppieren, läfst seit 1790 folgende Haupt- züge erkennen. 1790 wohnten nur ö'/o der Bevölkerung w. von den Alleghanies. Von dem Verdichtungsgebiete im südlichen Neu-England verbreiteten sich erst in Flecken und Streifen, wie man sie heute etwa am oberen Kolumbia findet, dann zusammenhängend, die dichtesten Bevölkerungen nach Westen und Süden von Massachusetts und Con- necticut. Sie gingen direkt w. durch das westliche New York und in einem Streifen durch die Mohawksenke, und von Pennsylvanien aus w. den Ohio hinab, wo wir 1790 im Territory West of the River Ohio drei Kerne junger Ansiedelungen am mittleren Ohio und Kentucky und am oberen Tennessee finden. 1810 sind sie aUe drei verschmolzen und ragen vom Ontariosee bis zum mittleren Tennessee ; sie treffen in jenem seit lange sich ausfüllenden, für Ackerbau und Gewerbe gleich günstig gearteten Lande zwischen Erie und Ohio zusammen, wo auf dem Boden von Ohio und Indiana die gröfste zusammenhängende Fläche sehr dichter 1) 1891 zählte Montreal 216650, Toronto 181220, Melbourne 489000, Sydney 386400, Adelaide 133019 Emwohner. 312 T\-pus der Verteilung der Bevölkerung. Bevölkerung sich herausgebildet hat. Schon bilden sich Vorposten am IVlissouri, Ai-kansas und Red R. des Südens. Der Älississippi ist überschritten. 20 Jahre später erstrecken sich die Ausläufer des Ge- bietes mittlerer Dichte bereits von West-Virginien und Kentucky süd- wärts nach Tennessee und Alabama — es ist die Zeit der grolsen süd- lichen Expansion — und n. nach Michigan, Illinois und Wisconsin, w. nach Illinois und Missouri. Was in der ersten Hälfte unseres Jahr- hunderts das nordöstliche Dichtegebiet gegenüber diesem Westen gewesen ist, den man heute den »alten Westen« nennt, das wurde seitdem und wird immer mehr für den noch ferneren Westen ein neues centrales Dichtegebiet, das wie ein Gegenstück zum atlantischen um den Oliio sich anlegt. 1840 halten die zusammenhängenden Siedelungen bereits bei 93" w. L., die heutigen Gebiete von Texas, Kansas, Iowa beginnen besiedelt zu werden, und im Norden ist schon der Parallel von Wis- consin Überschlitten. Im darauffolgenden Jahrzehnt ist mit der Er- oberung des ganzen fernen Westens bis zum stillen Ocean das neue Gebiet eröffnet, auf dem seitdem die Ansiedler unter sichthcher Be- günstigung Kaliforniens das Bild zerstreuter Verbreitung entwickeln, das die Karte von heute zeigt. Verfolgen wir den Prozel's der Verdichtung in diesem Jahr- hundert, so begegnen wdr immer wieder denselben erst klein und weit von einander entfernt auftretenden Stellen grofser Dichtigkeit, die sich vervielfältigen, wachsen und endlich verschmelzen. Die meisten sind herangewachsen, haben in ihrer Mitte Weltstädte entwickelt, einige sind stehen geblieben und in jedem Jahrzehnt sind neue hinzugekommen, die dann dieselbe Entwdckelung durchmachten. Längs dem Erie-See, dann im südlichen Teil der Halbinsel Michigan und (\ucy durch die Halbinsel, ferner am West- rand des Michigan-Sees sah man aus gröfseren Streifen Mittel- punkte dichterer Bevölkerung sich herausgestalten, und zahlreiche kleinere Mittelpunkte dieser Art entwickeln sich in den Regionen mittlerer Bevölkerungsdichtigkeit im Süden und Westen, selbst am Missouri und am Fufs des Felsengebirges. Dazu kommen gröfsere Gebiete, die ohne absolut stark bevölkert zu sein, durch dichtere Bewohnung merklich über ihre Umgebungen hervorragen; sie kehren in ähnlich gelegenen und gearteten Gebieten, wie z. B. an beiden Abhängen der Alleghanies bis roluinbia und Mont- gomery in Georgia und Alabama, im zentralen Illinois und Iowa im südlichen Kentucky wieder, wo offenbar nicht blofs Besonder- Der Gang der Verdichtung. 313 heiten der Lage oder Bodenschätze sie begünstigen. Ihre dichte Bevölkerung beruht auf der breiten Basis eines eindringenden Ackerbaues. Auf der neuesten Volksdichtekarte der V. St., die auf Grund der Zählung von 1890 bearbeitet ist^), sieht man diese zahlreichen örtlichen Verdichtungen auf allen Stufen des Wachs- tums, im Westen und Süden noch vereinzelt, im Osten und Norden häufiger schon verschmolzen, in gröfsere Gebiete aufgegangen, die aber dann in der Unregelmäfsigkeit ihrer Umrifslinien den Ursprung aus verschiedensten Gestalten bezeugen. Beide Eigenschaften ge- hören eng zusammen und mit ihnen als dritte die sichtliche Ab- hängigkeit der Bevölkerungsverteilung von den Natur Verhältnissen. Je weiter wiv nach Westen gehen, um so klarer wird der Zusammen- hang zwischen der Dichtigkeit und den geographischen Thatsachen, besonders den Bodenformen und Flüssen. Er ist aber auch im Osten, dort, wo überhaupt die Natur schärfere Züge zeigt, deutlicher als in Alt-Europa. Es sind die Merkmale der Jugend, die wir auch hier wahi'nehmen: das ganze weite Land bedeckt sich mit Siedelungen, die aber noch ungemein ungleich verteilt sind, da sie einseitig die günstigen Lagen und Bedingungen bevorzugen und die minder günstigen ganz vernachlässigen. Bevölkerungs - Mittelpunkt. Das Problem des Bevölkerungs - Mittel- punktes (Center of Population'*) hat, wiewohl seine Lösung keinen praktischen Wert zu haben scheint, doch die Statistiker oder mehr eigentlich die Liebhaber der Statistik in den V. St. öfters sehr stark beschäftigt. Sie verstehen darunter den Punkt, in dem das Gleich- ge"odcht erreicht wird, wenn man sich über das Land die Bevölkerung mit gleichem Gewichte jedes Individuums verteüt denkt. Er lag 1890 bei 39" 11' 56" n. B. und 85 o 32' 53" w. L. im südlichen Indiana, 20 engl. M. ö. von Columbus, wenig w. von dem Grafschafts- Hauptort Greensburg. Vor 100 Jahren war er 9" 21' weiter ö., also ganz nahe beim atlantischen Rande in der Gegend von Baltimore gelegen und hat seitdem seinen Weg nach Westen, unter geringen Schwankungen in meridionalem Sinne , die ihn nicht weit vom 1) Beigegeben dem Extra Census Bulletin No. 2 : Distribution of Popu- lation according to Density (Washington 1891). 2) Richtiger bezeichnet als Center of Gravity of the Population. Über die Methode der Bestimmung vgl. die verschiedenen Censusberichte , zuletzt die ausführhche Darstellung von Henry Gannett im Census Bulletin No. 34 : Center of Population of the United States in 1890 ("Washington 1891). 314 Bevölkerungs-Mittelpunkt.. 39. Parallel entfernten, zurückgelegt. Wenn man annimmt, was ohne grofsen Fehler möghch ist, dafs die Bewegung blofs w. auf dem 39. Parallel sich vollzogen habe, so können für die 10 Decaden seit 1790 folgende Strecken in deutschen Meilen bestimmt werden: 1790—1800 8,9 1840—1850 11,9 1800—1810 7,8 1850—1860 17,6 1810—1820 10,8 1860—1870 9,1 1820—1830 8,4 1870—1880 12,6 1830—1840 11,9 1880—1890 10,4 Fig. 13. AA^'anderung des Bevölkerungsmittelpunktes von 1790 — 1890. Die Strecken sind natürhch im ganzen gewachsen, und leicht erkennt man aus den Maximis der Bewegung die grofsen Folgen der Besiedelung des Ohio- und Seengebietes, des Vordringens in die Prärie- region und der Erwerbung von Kahfornien. In den nächsten Decaden dürfte die seit 1860 eingeschlagene Nordwestrichtung, entsprechend der Auffüllung des oberen Missoiu-ilandes und des Columbiagebietes, sich stärker ausprägen. Um den heutigen Punkt zu erreichen, hat das Center of Population 109 '/« deutsche M. in 100 Jahren zurück- gelegt, fast 11 deutsche M. in einem Jahrzehnt. Der Weg von hier bis zur natürhchen Centralrinne des Landes, dem Mississippi, wäre in diesem Tempo um die Mitte des nächsten Jahrhunderts zu erreichen. Aber die Schwierigkeiten der Besiedelung des Landes w. von diesem Strom werden viel gröfser sein als die ö. von demselben und die Anziehung des Nordens wird sich daher stärker geltend machen als bisher. XIII. Städte und andere Siedelungen. Stadt und Land 315. Die ländlichen Siedelungen 316. Die Stadt 320. Städtische und ländliche Bevölkerung 324. Die Wohnungen 325. Städte- verwaltung 327. Die Bevölkerung 329. Die Grofsstädte 331. Die Verbreitung der Städte 336. Städtegruppen 339. Wenn amtlich 8000 Einwohner als die Grenze angenommen werden, bis zu der die Siedelungen als Städte gelten^), so darf dieses nicht den Glauben erwecken, als ob der städtische Charakter sich in den Siedelungen der V. St. erst bei so hoher Bewohnerzahl herausbilde. Unsere Statistiker in Europa pflegen bei 2000 Ein- wohnern diese Grenzen zu ziehen, aber in den V. St. beginnt der städtische Charakter noch viel früher sich zu ent^\ickeln. Da die Dörfer eine Ausnahme sind, trennt ein tiefer Unterschied länd- liche und städtische Wohnweise, der nicht blofs in den altsächsischen Gewohnheiten der englischen Einwanderer begründet ist. Die Fülle des Landes, das zur Verfügung stand, und die Ausbreitung in Ruhe, ohne andere Gefahr, als die von den Indianereinfällen, 1) In aUen amtUchen Zählungsberichten ist bisher diese Grenze fest- gehalten, auch in dem Census Bulletin Urban Population in 1890 (U. 52, 1991) ; aber 1880 hat man angefangen , die Siedelungen bis 4000 Einwohner herab mit in die Betrachtungen der Städtebevölkerung aufzunehmen, da »the di- stinctive features of urban hfe are found in smaller bodies of populationc. Wir werden sehen, dafs bei dem eigentiimhchen Gang der Städteentwickelung in den V. St. die Grenze selbst noch tiefer zu setzen wäre , als sie bei uns gezogen zu werden pflegt. — Auf der Kulturkarte, die diesen Band begleitet, haben wir die Siedelungen bis zu 8000 Einwohnern, nicht weil wir diese Grenze billigen, sondern aus praktischen Gründen eingetragen. 316 Die ländlicheu SieJehmgon. die in weiten Gebieten, wie Pennsylvanien, die ersten Jahrzehnte der Ansiedelung noch ganz ruhten, hat die Farmer ermutigt, sich über das Land in Einzelsiedekmgen zu verteilen. Wie überall, wo in der Besiedelung das Hof System herrscht, trägt die gesellige Ansiedelung auch sogleich städtischen Charakter. Nur Krämer, Wirte , Schmiede wohnen an der Strafse , alle anderen Handwerker vereinigen sich in den rasch aufblühenden Städten, deren Gründung oft selbst der Besiedelung vorhergeht, jedenfalls organisch mit ihr zusammenhängt und vorschreitet. Der Farmer ist also für den Erwerb fast aller Dinge, die sein Boden nicht erzeugt, auf den Bezug von aufsen angewiesen und an den Mittel- punkten, die ihm seine Kleider, Schuhe, Geräte, Konserven u. s. w. liefern, setzt er meder den Überfluls seiner Erzeugnisse ab und und so verflicht sich die Landwirtschaft eng mit dem Handel und Verkehr, den gröfsten Förderern des Städtewesens »und die Form der Siedelung arbeitet gewissermafsen der Entwickelung des Exporthandels vor« (Sering). Die landwirtschaftlichen und LIandels - und Gewerbesiedelungen bleiben aber räumlich ge- trennt. Die ländlichen Siedelungen. Die grofse Mehrzahl der Land- wirte wohnt inmitten ihres Landbesitzes in freistehenden Höfen, ganz wie unsere bäuerliche Bevölkerung im Alpenland und in Niederdeutschland. Der »Einödhof« ist die Regel. Dorfweise An- siedelungen, wie sie im französischen Unterkanada, dann in den ältesten Gebieten des Nordostens üblich waren und sich erhalten haben, sind in allen jünger besiedelten Teilen der V. St. selten. Dörfer im deutschen Sinn haben sich in den ursprünglich allein von Deutschen besiedelten Gegenden entwickelt, und geschlossene Ansiedelungen südspanischen Charakters in manchen Teilen des ursprünglich spanischen Westens und Südwestens, wo die Not- wendigkeit der künstlichen Bewässerung zur Vereinigung der Be- völkerung um eine Wasserader zwang. Verschiedene religiöse und kommunistische Gemeinden haben sich dorfweise angesiedelt, neuer- hch nocli die deutschrussischen Mennoniten, auch die Mormonen. Viele von diesen geselligen Siedelungcn haben sehr frühe städtische Eigenschaften angenommen , besonders auch in den pennsyl- Das Holzhaus. 317 vaiiiscli-deiitschen Gebieten. Den ehrwürdigsten Eindruck machen entschieden die in die ersten Jahrzehnte der Besiedelung zurück- reichenden alten Dorfanlagen in Neuengland, deren Häuser in zwei Reihen an einer breiten Stralse stehen, in deren Mitte ein Wiesen- streif und Reilien von Schattenbäumen, besonders Ulmen, durch das Dorf ziehen. Auch die schönen Höfe in den fruchtbaren Teilen Neuenglands , z. B. im Connecticut-Thale , die von nicht erst gestern gewonnenem Wohlstand sprechen, rufen unter alten Ulmen, Ahornen oder Nadelbäumen die Erinnerung an die schönen Farmen in Kent oder Sussex zurück. Das Holzhaus ist der Keim aller grofsen und kleinen Sie- delungen der Nordamerikaner; es ist eben so bezeichnend für das germanische Nordamerika, me das Adobe- oder Lehmziegelhaus für das spanische. Wo beide in Kalifornien oder Neumexico auf einander treffen, stehen sie einander so fremd gegenüber ^xie Englisch oder Deutsch dem Idiom Kastiliens. Im ganzen Osten und in der IVIitte waren einst die ersten Gebäude auf den Lich- tungen (Clearings) die Blockhäuser (LogHouses), Hütten, deren Wände durch übereinander gelegte Baumstämme gebildet werden. Thüren und etwaige Fenster werden hineingeschnitten, wenn das Haus aufgeblockt ist, die Ritzen verstopft, im Dach eine Öffnung für die Ableitung des Rauches gemacht. An Stelle des Stalles tritt oft nur ein notdürftig nach der Wetterseite zu geschützter Schuppen (Shed). In den Prärien nehmen jetzt die Stehe der Blockhäuser Bauten aus geschnittenen Balken und Planken (Frame Houses) ein, die in den Fabriken bis auf den letzten Nagel hergestellt und zerlegt auf den Ort ihrer Bestimmung transportiert werden. Im Nord- westen erlaubt die Spaltbarkeit des Cedernholzes auch dem armen Ansiedler, sich ein Bretterhaus aus einigen Cederstämmen mit der Axt zu bauen. In der Regel bedeuten aber diese Häuser oder Hütten schon die zweite Stufe in der Entwdckelung der Wohnstätten. Ilire ziegelartig über einander greifende Verschalung, ihre Schindel- dächer, ihr weifser Kalkanstrich und die grünen Läden, die Veranda, die den besseren nicht fehlt, machen sie zu sehr cha- rakteristischen Erscheinungen m der amerikanischen Landschaft, die durch sie oft einen entschieden freundhchen Zug bekommt. Die 318 Wohnstätton im jungen Westen. dritte Stufe ist endlich das Backsteinhaiis (Brick House) der Wohl- habenderen. EHeinere Städte bestehen oft fast ganz aus Planken- häusern, selbst in den Vorstädten von Chicago und St. Louis herrschen sie vor. Im jungen Westen haben andere Lebens- und Wirtschafts- bedingungen auch andere Wohnarten hervorgerufen. Dort gibt es in den weiten Gebieten der Rancho -Viehzucht auf serhalb der Eisenbahnstationen wenig feste Siedelungen, selbst das einsame Farmhaus verschwindet und an seine Stelle tritt die Ranch ^), das Zelt oder die flüchtige Strohhütte des Hirten. Und die ersten Siedelungen der Goldwäscher und Bergbauer sind »Camps«, Zeltlager, die früher Jahre lang unter Leinwand- oder Zweig- dächern ihre unsteten Bewohner beherbergten, jetzt aber bald durch die fabrikmäfsig hergestellten Bretterhütten ersetzt werden. Denn die Sägemühle gehört heute in den Gebirgen des Westens zu den »Pionier «-Einrichtungen, die am frühesten in einer neuen Gegend sich einfinden. Das Wohnhaus steht in der Regel allein. Grofse Scheunen macht die Dreschmaschine und der Elevator der nächsten Eisenbahn- station unnötig. Ordentlich und reinlich gehaltene Höfe, schöne und ertragreiche Gärten sind hn Westen selten. Der Schönheitssinn hat sich, im Gegensatz zu miseren Einrichtungen, in die Wohnräume zu- rückgezogen. Unter der Vernachlässigung der Gärten leidet die Küche, die in ermüdender Einförmigkeit Kartoifeln und Tomaten, die pfleglos gedeihenden, bringt. Dagegen bildet in den alten Staaten der Garten einen landschaftlich wie praktisch wichtigen Bestandteil der Farm; aus ihm ist jene grofsartige Obstkiütur hervorgegangen, die besonders in Neu-England, den atlantischen Mittelstaaten und Kalifornien viel zum Wohlstand der Landbewohner beiträgt. Die Farmhäuser geben durch ihr vereinzeltes Auftreten manches hübsche Landschaf tsbüd. Die Block- häuser finden sich nur noch in jungbesiedelten Teilen des Westens 1) Ranch ist nach dem spanischen Rancho gebildet, so wie der zugehörige Cow-boy, und bezeichnet den umzilunten Raum (Corral) — die Schafe werden >corraled«, d. h. in eine Einzäiinnng gebracht — für das Vieh nebst Haus und Stall ; ebenso ist der Kuhburschc nach dem Vachero gebildet. Das gleichlautende Range bedeutet Weide, also Open Range, Winter Range, Summer Range. Sheds sind Wetterwände aus Brettern oder Stämmen, Windbreak ist ein offener Schuppen , der nur nach der Windseite verschalt ist und be- sonders den Schweinen zum Schutze dient. Der landschaftliche Eindruck der Siedelungen 319 häufig und jetzt schreiten selbst hier die Frame Houses rasch voran. Aber ihrer angenehmen Eigenschaften halber werden sie auch selbst im Osten und im alten Westen noch von konservativen Naturen den letzteren vorgezogen. Blockhäuser, wenn gut aufgeschlagen, sind kühl im Sommer, warm im Winter, leicht warm zu halten und dazu nicht unschön. Ilire Farbe stinmit sehr gut zum Boden und zur Vegetation. Im Nordwesten, besonders in Michigan, läfst man die Rinde an den Baumstämmen, aus denen ein solches Haus gebaut wird und erreicht damit einen pittoresken Reiz. Die verschalten Häuser, die selbst in den ödesten Teüen von New York und Neu-England die Blockhäuser fast ganz verdrängt haben, sind bei aller Einfachheit, weil aus Holz gebaut, das leicht in angenehme Fomien zu bringen und, wenn beschädigt, leicht zu ergänzen nnd zu erneuern ist, oft von ge- fälligem Äulsern und stehen dann wie Gartenhäuser inmitten der Mais- und Haferfelder. An deutsche Scenen gewöhnt, vennissen wir nm- den Schmuck der Baumgtirten und der Obstbäume um die Häuser. Wo man Bäume pflanzt, gibt man den grolsen einheimischen Schatten- bäumen, Uhne, Ahorn, Eiche den Vorzug und im trockenen Westen den Silberpappeln (Cotton-Wood). Im Mittelpunkte einer Anzahl von solchen Niederlassungen stehen, womögHch erhöht, das Schiühaus und eine oder mehrere Kirchen, die ebenfalls in der Regel aus Holz gebaut sind und wie kleine Kapellen aussehen. Dafs das Bild einer länd- hchen Ansiedelung viel reizloser in den holzarmen Präiiegegenden ist, wo man mit Bruchsteinen oder Ziegeln baut, versteht sich. Geradezu elend und unschön sind aber die Dug-outs, die halb in die Erde ver- grabenen engen Hütten, in denen die spärhchen Bewohner der Steppe, meist Hirten, sich vor den Stürmen zu schützen suchen. Neue Betriebsweisen, für die die alte Welt kein Muster bietet, haben auch neuartige Siedelungsformen entwickelt, deren Merkmal inomer die rücksichtslose Anpassung an das Bedürfnis, das kahle Notwendigste ist. Das gilt vor allem vom Westen. Aber auch im Süden hat der Übergang von der Plantagenarbeit zur ärmlichen Kleinwirtschaft der Freedmen in den letzten Jahrzehnten einen hälshchen Stil sich ausbreiten lassen, den man besonders in den Carolinas und Tennessee findet: ein niederer Bau mit einem an- geklebten Schornstein an jedem Ende, von Vorhalle oder Vor- gärtchen keine Spur, einige schmutzige Ställe und Hütten rings umher. Halbverfallene Herrenhäuser mit Säulen und Giebeln breiten über die Landschaft des Südens einen melancholischen, geschichtlichen Hauch. Der Grofsweizenbau , der seit dreifsig 320 Der landschaftliche Eindruck der Öiedelungeu. Jahi'en in den nordwestlichen Präriestaaten überhandgenommen hat, entwickelt entsprechend seinem fabrikmälsigen Betrieb auch grolse, kahle, von allem Idyllischen landwirtschaftlicher Bauten entkleidete Siedelungen, die wesentlich aus Beamten Wohnungen, Arbeiterkasernen und Viehställen bestehen. Die Verteilungsart der grol'sen Ländereien beeinflulst sehr stark die Anlage und Verteilung der ländlichen Siedelungen. Da jede Sektion von vier Strafsen eingeschlossen ist, baut der Neusiedler unabänder- lich an die Strafse, mit Vorzug an die Ecken, und man findet in den jüngeren Gegenden fast keine Farm, die, wie so viele bei uns, abseits vom Wege gelegen wäre. So wie die Sektionen, sind auch die Viertels- und Achtelssektionen von Stralsen um- geben und so entstehen Systeme von rechtwinklig einander schneidenden Strafsen, die den Verkehr oft sehr langwierig machen. Nur die County- und Schulstrafsen laufen häufig schräg durch diese Quadrate, die an die zu regelmäfsigen Staatsgrenzen und Städteanlagen erinnern. Innerhalb dieses Netzes wird das ge- schlossene Dorf schon durch das Gesetz unmöglich gemacht, das jeden Eigentümer einer Heimstätte verpflichtet, mindestens bis zur Erteilung des Besitztitels auf seinem Lande zu wohnen. Die Stadt. Die grofse Mehrzahl der zusammenhängenden Ansiedelungen sind Städte oder Städtchen. Jede für Verkehr und Industrie günstige Lage hat zu einer Ansammlung von Store' s (Kaufläden), Gasthäusern oder Kjieipen, Kirchen oder Handwerks- betrieben und schon ganz frühe auch Banken und Agenturen Ver- anlassung gegeben. Die Strafsenzüge und Kanäle, vor allen aber die Eisenbahnen sind die natürlichen Förderer und Anschlufskörper solcher Gebilde. Die bedeutende Rolle, die bei dem regelmäfsigen grofsen Überschufs der landwirtschaftlichen Erzeugung und dem Bedarf der Landwirte an Verbrauchsgegenständen aller Art Handel und Verkehr auch in den rein ackerbauenden oder viehzüchtenden Gegenden spielen, bewirkt solche (^oncentrationen in grofser Zahl. Aber au sie schliefsen sich doch auch Landwirte an und nicht einmal Städte von 8000 und mein- Einwohnern sind von rein städtischer Bevölkerung bewohnt. Als Cincinnati anfangs der vierziger Jahre .50000 ImhwoIhh'i- /,;ihll(', crslauiiten den Fremden Die iStadt und ihre Umgebung. 321 ebenso sehr das Haiidelsgetriebe und die Menge der Dampfer an den Werften, wie die ländliche Freiheit der in den Strafsen umher- laufenden Schweine. Man sieht dergleichen auch heute in den nördlichen Ausläufern New Yorks und in den Vorstädten Chicagos. Keine Mauern und kein bürgerHches oder zünftiges Standesbewufst- sein trennen die Stadt vom Land. Das natürliche Übergewicht des Ländlichen in einer Ackerbaukolonie, wie die V. St. in ihren ersten zwei Jahrhunderten in ihrer ganzen Ausdehnung waren, hat im Gegenteil den Städten einen ländlichen Charakter erhalten. Und die Vorliebe für Licht, Luft und Grün hat ihn sogar künst- lich wieder hervorgerufen, sobald an Lebensgenufs gedacht werden konnte. Lii Allgemeinen strebt das nordamerikanische Haus durch breite Fenster und Veranden Licht und im heifsen Sommer Kühlung zu gewinnen. Die Gärten der Häuser in den Vororten grofser Städte sind oft gar nicht von den Strafsen und von einander abgeschlossen, die freundlichen Häuser stehen wie in einem grofsen Garten, den eine Fahrstrafse und Gehwege durch- ziehen. Vom geschäftlichen Mittelpunkt, dem Marktfleck (Market Town) ausgehend, findet man dann an der County-Road zuerst das behagliche Heim des unter allen Schwankungen gedeihenden »Sub- urban« Farmer, dann 2 bis 3 engl. M. weiter die zerstreuteren Farmen, deren Aufseres von wechselnden Schicksalen erzählt. Weiter liinaus mag man aber mancher verfallenen Hütte (Hovel) begegnen, deren Insassen sich nach der Stadt gezogen haben. Oder aber — wenn wir unsere Wanderung in den neuengländi- schen oder mittleren Staaten machen — die Stadt kommt den Bauten vom Lande entgegen, d. h. es wachsen kleinere Industriestädte und Industriedörfer heran, ohne die die Entvölkerung des Landes in diesen städtischen Staaten noch deutlicher hervortreten würde. In Jungen, rasch aufstrebenden Städten wii-d grolsartig, oft prächtig, aber flüchtig gebaut. Man lälst sich nicht die Zeit, gründlich zu sein, gerade wie in anderen Dingen. Geringe Dauerbarkeit wird den ameiikanischen Häusern von den Architekten allgemein vor- geworfen. Der sehr behebte Braunstein, ein braunrother Sandstein, gut für ein sehr unsohdes Material, dem grauen Gr^t wirft man vor, dafs er im Feuer springe, die Fundamente sollen oft ungleich, unter der Front stärker als unter dem Hintergebäude gelegt und Ratzel, Die V. St. von Amerika. i^i 322 r)iP Häuser der Stadt. dafüi" die Rückwand oft um ein Paar Zoll erhöht sein, damit sie sich ungestört setzen könne. Für die Dauer eines Braunsteinhauses setzt man 40 bis 50 Jahre an. Dazu kommt die grolse Zahl der Feuersbrünste, deren Schaden 1891 in den V. St. 131 Mill. Doli, betragen haben soll. Alles was dazu dient, um rasch zu bauen, wü'd m Nordamerika mit Vorhebe angewandt. Am echtesten ameri- kanisch ist der »stringy« (^strickartige) Stil der Eisenkonstruktionen. Im Gesamteindruck der grölsern amerikanischen Städte wiegen, von unwesenthchen örtüchen Besonderheiten abgesehen, vier Erscheinungen unbedingt vor. Es sind die geraden und breiten Strafsen, der starke Verkehr, die dm'chschnittlich geringe Gröfse der Häuser, che scharfe Sonderung der Geschäfts- und Wohnstrafsen. Die grofse Zahl und geringe Gröfse der Häuser ist besonders auffallend in \\di'khchen Grofsstädten wie Philadelphia, das in dieser Hinsicht einzig unter den Grofsstädten der Welt dasteht, und New- York. Sie beruht auf der gesunden Vorhebe für geschlossene Häuser, Famihenliäuser, und trägt gewils viel zum körperhchen und geistigen Wohlsein der Bewohner bei. Aber das System ist nicht in der heutigen Ausdehnung haltbar. In New York und Boston nehmen grofse Mietshäuser, die das Boden- und Baukapital besser ausnützen, von Jahr zu Jahr mehr über- hand •). Auch die Sonderung der Geschäftshäuser und Wohnhäuser nach besonderen Strafsen und Vierteln, die oft weit von einander ent- legen sind, muls zum Wohlsein der Bevölkerungen beitragen, den Handelsverkehr erleichtern und bequemes, gesundes und billiges Woh- nen fördern. Diese Sonderung, die selbst in kleineren Städten durch- geführt Avu'd, setzt allerdings die zahh-eichen und guten Dampf- und Pferdeeisenbahnen voraus, die keiner mittleren oder gröfsere]i Stadt fehlen. Ihrerseits fordern diese Verkehrsmittel breite und gerade Strafsen wenn sie ihren Zweck gehörig erfüllen sollen. Gas- und Wasser- leitungen und Kanalisationen, auf die der Amerikaner so hohen Wert legt, werden gleichfalls durch die regelmäfsige Anlage der Städte er- leichtert.*) In kleinern Städten wiegt durch die Niedüchkeit und Kein- lichkeit der Häuser, die mit Vorliebe mit weifs getünchtem Holz ver- schalt sind, und durch die Gärtchen, die sie umgeben , ferner durch die Reihen der Schattenbäume, die selten in einer Strafse fehlen, der freundliche, ländliche Charakter vor. Ein Schimmer dieser IdyUe ist durch die Baumreihen in den Strafsen , die Rasc'ni)lätzchen vor den Häusern und die; SchhngpfJanzen an ihren BaUvonen selbst 1) NeuerdiiigH bilden neben der Unreinlichkeit der iStralHcn die über- tidlt(!n Tenement Houses die wiederkehrende Klage der Health-Officers. 2) Kansas City plante 1891 die centrale Luftheizung für die ganze •Stadt und, njit demselben Köhrensysteuj, die Zuleitung kühler Luft im iSoinnier. Parke. Friedhöfe. Öffentliche Bauten. 323 noch mitten in New York oder Boston und in ganz hervoiTagender Weise in Philadelphia festgehalten. Selbst in S. Francisco hat man trotz des trockenen Dünenbodens Massen von begnügsamen Eucalypten angepflanzt. Blumen an den Fenstern sind hingegen viel seltener als bei uns. Man hat gewaltige Sunmien in den bedeutenderen Städten für Parke und Volksgärten ausgegeben, und selbst den Europäer, der den Prater oder das Bois de Boulogne kennt, wird die Gröfse der Fairmountanlagen in Philadelphia oder des Centralparks in New York in Erstaunen setzen. Aber auch die jungen Städte Cin- cinnati und S. Louis u. v. a. haben bereits schöne Parkanlagen. (S. o. S. 171.) IMinder anziehend als diese Ruhe- und Erholungsstätten, zu denen auch die oft ganz parkartigen Friedhöfe gehören, sind ihre grofsen und grofsartig oder schön sein sollenden öffentlichen Bauten. Lange Zeit zierte man die öffenthchen Gebäude nur mit griechischen und römischen Säulenhallen, wie man noch an den meisten Bauten, die mehr als dreifsig Jahre zurückdatieren, besonders in Philadelphia, Boston und Washington sieht. Selbst füi* Kirchen war dieser repubh- kanische Stü behebt. Aber seit dieser Zeit hat man in allen Stüen expeiimentiert und mit besonderer Vorhebe ganz neue Kombinationen aufgesucht. Unruhe und Übertreibung gehen durch die meisten Bau- werke, die etwas vorstellen sollen, und das einfach Schöne und Edle mufs man an bescheidenen, anspruchslosen Werken suchen. Den in Wahrheit grofsartigsten Eindi'uck machen hier die Werke der Brückenbaukunst, die bekanntlich in Nordamerika einige ihrer gröfsten Triumphe gefeiert hat. (S. u. Abschn. XXI.) Die neue Missis- sippibrücke von S. Louis und die Ohiobrücken von Loiüsville und Cincinnati sind erfreuHcher in der Gesamtansicht dieser Städte als alle ihre Kii'chtürme und Prachthäuser. Die Riesenbrücke über den East River zwischen New York und Brooklyn fügte dem längst schon prachtvollen Bude des new-yorker Hafens den grofsai-tigsten Zug liinzu. Die germgfügige Thatsache, dals alle grofsen und kleinen Flulsdampfer hier weifs getüncht sind, ist auch erwähnenswert. In der Nähe ver- kehi'sreicher Städte, die an grofsen Flüssen hegen, geben diese blanken Fahrzeuge, deren Menge grofs zu sein pflegt, der Flufsscenerie einen heitern Charakter, — das Gegenteil von der \Mrkung unserer schwai'zen, verrauchten Dampfer. Anscheinend ebenfaUs geringfügig ist der Um- stand, dals man in diesen grofsen Städten des Ostens vorzüghch nur pennsylvanische Anthi-acitkohlen brennt, die nicht rufsen. Es ist dies aber der Grund, weshalb trotz seiner grofsen Industrie selbst Phila- delphia nicht im mindesten geschwärzt ist. Cmcinnati, das stark rufsende Kohlen brennt, sieht dagegen schon viel älter und düsterer aus als irgend eine der östhchen Grofsstädte, und in noch höherem Grade gilt dies von Pittsburg. 21* o24 Die städtische Bevölkerung. Die Bevölkerung aller amerikanischen Städte, mit Ausnahme der südlichen von Washington an , in denen die Neger ihre Faulheit spazieren tragen, ist ausgezeichnet durch ihr bewegliches, thatkräi'tiges, arbeitsames Wesen. Man kann nicht durch eine Strafse gehen, ohne diesen Charakterzug wahrzunehmen, und die kleinen Städte nehmen in kaum minderem Grade an ihm teil als die gröfsten. Es fäUt ferner ein bedeutendes. Mals von Wohlanständigkeit in Kleidung und Be- nehmen auf. Man wii'd auch nicht fehlgehen, wenn man der Be- völkerung der grolsen Städte eine mi aUgememen jugendlichere Phy- siognomie zuschreibt, als der der kleinern und des flachen Landes, und das Zuströmen zahlreicher jüngerer Einwanderer aus Europa und aus dem Innern erldärt diese Erscheinung zur Genüge. Für ein weit- verbreitetes mittleres Mals von Bildung spricht der grofse Absatz von billigen Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, die an allen Ecken und Enden feilgeboten werden, was aber nicht hindert, dafs die Kirchen sich reger Teilnahme und Besuches erfreuen. Die Schulhäuser aller Art zeigen durch ihre Zahl, Gröfse und schöne Ausstattung, dafs der Volksunterricht sich emer guten Pflege erfreut. In den gröfsern Städten fehlt nie eine öffenthche Bibüothek, entweder Privatstiftung oder von der Gemeinde errichtet, und Jedermann zugänghch. Hingegen sind mit Ausnahme New Yorks und New Orleans', der auch in dieser Be- ziehung am meisten em'opäisierten Städte, die Theater unbedeutend, sowohl im Äulsern als in den Darstellungen. Die Musik erfreut sich in der Öffenthchkeit einer mäfsigen, aber in rascher Zunahme befind- hchen Pflege. Öffentüche Vergnügungsorte, wie Bier- und Kaffeegäi-ten, sind nm- zu finden, avo eine starke deutsche Bevölkerung ist. Ein Zug von Einförmigkeit kann kaum den Städten fehlen, in denen die Gröfse und Richtung der Häusergruppen, Strafsen und Plätze bei der Anlage schon bestimmt und fast gleichzeitig ausgeführt wird. Die Fülle von Luft und Licht entschädigt für die breiten Strafsen, an denen auf schachbrettartig regelmäfsigen Quadraten die kleinen Häuser stehen. Die Individualität ist aber doch nicht so ganz unter- drückt, wie man glaubt. Es gibt bereits eine grofse Zahl von stillen Städten mit geistigem Ausdi'uck, der Hebenswürdig sein kann, wie in Cambridge oder mehr elegisch wie in Salem. Beide gehören Massa- chusetts an. Auch die im höchsten CJrade zweckmäfsige Anlage, wie man sie in Chicago und nocli ausgesprochener in jüngeren westhcheren Städten (St. Paul und Mümeapohs, Kansas City, Fargo) findet, liat ihren geistigen Reiz, wenn auch nichts Schönes. Dauer und Stetigkeit, die wir in unseren Städten verkörpert sehen, ^ sind den Schöpfungen der Kultur hier häufig in geringem Grade eigen. Der Grund hegt in der Bcweghchkeit der Bevölkerung selbst, die aus einer angeborenen Raschheit und Rastlosigkeit entspringt, und Veränderlichkeit der Wohnstätten. 325 von der geringen Dichtigkeit begünstigt wird. Indem der einzelne sich noch nicht in eine dichte Masse eingezwängt findet, hat er mehr Lust und Grund zur Bewegung und Veränderung. Seine Werke nehmen daran Teil. Ganze Dörfer und Städte werden versetzt und Tausende sind imstande, auf einmal herdenweise ihren Wohnplatz zu ändern (S. 367 f.). Man hat mit einiger Übertreibung die Nord- amerikaner als Kulturnomaden bezeichnet. Noch etwas Anderes kommt hinzu: das Streben nach mögUchst rascher und ge^dnn- reicher Ausbeutung der natürlichen Reichtümer des Bodens, sei es an Erzen oder an Fruchtbarkeit. Man schöpft von einer Unternehmung den Rahm ab, um schnell nach einer anderen zu eüen. Das eine Unternehmen zerfäUt, wähi'end ein anderes aufblüht. Daher die Menge von »Kultur-Ruinen« (S. 337), die über das Land zerstreut sind. Daher auch die Leichtigkeit und Flüchtigkeit, mit der man in den jüngeren Gegenden nicht blols Häuser, sondern Städte baut, Brücken errichtet, Eisenbahnen anlegt. Alles ist nur für ein paar Jahre be- stimmt, dann wii'd es entweder abgebrochen, oder sich selbst über- lassen, oder aber es treten etwas dauerhaftere Schöpfungen an seine Stelle. Im Osten baut man in den grolsen Städten bereits ^'iel mehr für die Dauer, herrliche Marmor- und Granitpaläste gehören zu ihren Merkmalen, aber in den kleineren Orten und selbst in den Vorstädten grofser Plätze überwiegen noch die Holzbauten *). Es schiebt sich hier noch jene andere Eigentümlichkeit des minder scharfen Hervortretens der Sonderung von Stadt und Land ein (S. 322). Der flüchtige Bau der Eisenbahnen, Brücken, Dämme, Länden, der besonders dem em-o- päischen Ankömmling im Hafen von New York auffällt, u. s. w. schhefst sich hier an. Die Hauptsache ist, dafs alle diese Dinge dem augenblicküchen Zwecke entsprechen; ihre Dauer steht in zweiter Reihe und ihre Schönheit konunt zuletzt. Die Wohnungen. Im Juni 1890 wurden 11483 318 Woh- nungen ^) gezählt (28,2% mehr als 1880) und 5,45 Personen kamen auf jede Wohnung, am meisten (5,87) im nordatlanti- schen, am wenigsten (5,05) im Westgebiet. Der Überschuls der Familien über die Wohnungen ist also gering, ist aber in steter 1) Die Zählung von 1875 wies im Staat New York 598013 Häuser aus Holz , 98 298 aus Backstein und 19 718 aus Stein nach. Selbst in der Stadt New York bestand ein Vierteil der Häuser aus Holz. Nach dem 1885er Census sind in Massachusetts 91,7 °/o der Häuser aus Holz , nur 7,7*'/o ganz aus Backsteinen gebaut. 2) Als Wohnung wird jedes Gebäude und jede Vorrichtung angenom- men , die in der fraghchen Zeit bewohnt waren , vom Hotel der Grofsstadt bis zum Wigwam auf der Prärie. 32ß Die "Wohnungen. Zunahme; und am meisten in den dichtestbevölkerten , städte- reichen nordatlantischen Gebieten , auf die 1890 drei Fünftel dieses Überschusses entfielen. Im Staat New York beträgt der Über- schuf s der Familien über die Wohnungen 46 "/q , dann folgen Rhode Island und Massachusetts, ein Zeugnis für den Zusammenhang dieser Erscheinung mit der grofsgewerblichen Entwickelung ; mit ihr geht die geringe Gröfse der Familien Hand in Hand. Die Zu- nahme der Volkszahl in rascherem Verhältnis als die der Familien und die Abnahme der Gröfse der Familien sind zwei zusammen- hängende Eigenschaften fast aller Bevölkerungen gröfserer Städte in den V. St., vorzüglich im Nordosten und in der Mitte. Die Städte, und vor allem jene 28 mit über 100000 Einwohnern, deren Zalil so rasch wächst, entfernen sich in dieser Beziehung immer weiter vom Durchschnitt des ganzen Landes. Im Juni 1890 enthielt in der Stadt New York fast genau die Hälfte aller Wohnhäuser und -stellen mehr als 10 Einwohner und von der Bevölkerung dieser Stadt wohnten 83,5% in diesen Häusern, während von der Be- völkerung der V. St. nur 13,6% ihnen zufallen. Keine andere Grofsstadt der V. St. erreicht hi dieser Beziehung New York. In Chicago leben in Häusern von mehr als 10 Einwohnern 49,2, in Brooklyn 56,6, in Cincinnati 51,5, in Boston 47,8, in Newark 40, in San Louis 36,3, in Bulfalo 30, in Baltimore 14,1, in Phila- delphia 12,8%. Aus der Zählung der Familien, die auf ein Wohn- haus kommen, ergibt sich, dafs nur in New York die Häuser mit mehr als 10 Familien in grofser Zahl (8672) vertreten sind; die Lläuser mit nur einer Familie bilden 46% in New York, 51 in Brook- lyn, 59 in Boston, 60 in Chicago, 61 in Cincinnati, 67 in San Louis, 75 in Buffalo, 76 in Minneapolis, 79 in Milwaukee und Louisville, 83 in Pittsburg und S. Paul, 84 in Baltimore und Cleveland, 89 in Washington, 91 in New Orleans, 92 in San Francisco, 93 in Philadelphia und Denver, 94 in Indianopolis. New York und l>iooklyn stehen also weit von den anderen Grofsstädten ab, sind aii'li in diesem ]\mkte europäisch und werden sich noch weiter in derselben Richtung umgestalten. Die Tcncmcnt Wards in der östHchen Stadt, die doppelt so viel Familien in einem Hause zählen als andere Quartiere, breiten sich noch immer mehr aus, während Städteverwaltung. 327 die Geschäftsstrafsen ihre Bewohner immer weiter nach Osten und Norden hinausdrängen. Städteverwaltung. Die Städte (Cities) sind nach enghscher An- schauung Korporationen, denen gegen bestinunte Leistungen durch staatHchen Freibrief (Charter) bestimmte Befugnisse beigemessen werden. In allem, was über diese Befugnisse hinausgeht, sind sie Teile des Staates wie jede andere Gemeinde. Sie sind in Wards (Stadtteile) zerlegt, die in den gröfseren 30000 und mehr Ein- wohner haben können. Jeder von diesen wählt jährlich einen bestimmten Anteil von den Mitghedern der Räte (Aldermen, in gröfseren Städten auch noch Assistant Aldermen), sowie den Major (Bürgermeister). Früher durften allgemein nur die Steuerzahler wählen, jetzt ist ebenso allgemein das Wahlrecht an keine derartige Bedingung geknüpft, und so ist nun die Verwaltung gerade der gröfsten Städte in die Hände des Pöbels gegeben. Von den Aldermen ist keiner besoldet und keiner sollte an einträglichen Unternehmungen der Stadt teilnehmen. Der Major hat die Ver- waltung zu führen und die Beschlüsse der Aldermen zu prüfen und zu genehmigen. Wie in den Staaten die Tendenz dahingeht, den Governor so machtlos wie möglich zu machen, so strebt man in den Gemeinden, der Masse der Wähler und dem Stadtrat die ausgedehntesten Rechte zu geben. Im Einzelnen finden sich Ab- weichungen von dieser Form der Stadtverwaltung, im Ganzen wiederholt sie sich aber gerade me die Staatseinrichtungen. Die Unzulänglichkeiten der Städteverwaltung in den V. St. ist aUgemem zugegeben und wird dem Erfolge der Unions- und Staaten- regierungen kontrastierend gegenübergestellt, wobei eine Hauptwurzel des Übels in der Abhängigkeit der Städte von den Staaten gesucht wird, die ihnen Gesetze auferlegen. Die Legislatur des Staates New York beschlols in ihrer letzten Session sieben besondere Gesetze über Schulen, Pflasterung, Parks von Buffalo, wie immer miter der Wirkung der An- nahme, dafs die Stadt eine vom Staat mit Charter ausgestattete Körper- schaft und dafs das Charter ein Gesetz ist, das die ganze Verwaltung auf das genaueste bestimmt. Kaum eine gröfsere Stadt der Union ist frei von ]\Iifs Verwaltung und in allen gröfseren — über 200000 Ein- wohner — ist sie ein bekanntes und anerkanntes Übel, das allen pohtischen Ärzten bis heute trotzt. Besonders in den Städten tritt die Abneigung der besseren Elemente gegen politische Arbeit als eine o28 Städteverwaltun,!:!;. ernste Gefahr hervor und wird als eine der ersten Ursachen des »mismanagement« betrachtet. In der Schaffung der Städte schliefst man sich im Norden und Westen unbefangen an das praktische Bedürfnis an. Jede dichte Zu- sammendi'ängung von beträchthcher Gröfse erhält ein »Municipal Char- ter« und die »Urban Population« reichte soweit wie ilire Verdichtung. Aber die geschichtliche Entwickelung hat in manchen Gegenden länd- Hche Siedelungen mit städtischen zu einer Einheit zusammengefalst ; wir finden das in den mittleren atlantischen Staaten und in einigen Teilen der Präriestaaten. Als Regel tritt aber diese Zusammenfassung des Verschiedenen in Neuengland auf, wo eine Town eine oder zwei städtische mit mehi*eren ländlichen Siedelungen umfassen kann. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dafs eine einzige Stadt in die Gebiete mehrerer Townß fällt, oder dafs mehrere ursprünghch getrennte Städte sich zu einer einzigen A-erschmelzen. Die Sorge für die öffentliche Gesundheit nimmt einen her- vorragenden Platz unter den Aufgaben der städtischen Behörden ein. Die grofsen Städte haben eigene Gesundheitsräte mit reichen Mitteln; derjenige New Yorks verausgabte in den letzten Jahren durchschnittlich 240000 D. Die Sterblichkeitszahlen wurden früher meist geringer angegeben als die der meisten europäischen Städte, sind aber nicht ganz zuverlässig. Nicht nur das im Allgemeinen gesundere Leben und Wohnen und die geringeren Kinderzahlen, sondern auch der Zusammenflufs erwachsener und kinderloser Auswanderer, die mit Vorliebe die Städte aufsuchen, drückte die Sterblichkeit herab. Wer aber heute die sorgfältigen Berichte des Gesundheitsamtes von Boston oder New York liest, gewinnt den Eindruck, dafs die nordamerikanischen Grofsstädte jetzt mehr von epidemischen Krank- heiten heimgesucht sind, als die europäischen^). Im Durchschnitt der fünf Jahre 1886 — 1890 raffte der Typhus in Boston 169, in Berlin 199 Menschen hin. Boston liat zugleich eine unverhältnis- mäfsig hohe Schwindsuchtsstcrblichkeit. 1890 starben 3,3, 1891 2,9 vom Tausend an Schwindsucht. Über die mangelnde Reinlichkeit J, 1.S91: New York 1631232 Einwohner 352 Todesfälle an Typhus. Philadelphia 1046 964 » 666 »» » Boston 448477 » 155 »» » London 4421661 . 618 »» » Paris 2424 705 . 656 » , > BerUn 1570524 » 143 »» » Ländliche und städtische ßevölkerunsr. 329 der Städte \\drd viel geklagt. Ein Amerikaner hat die Strafsen von New York mit jenen Konstantinopels verglichen. Die Politik mischt sich auch in die Gesnndheitspolizei und wirkt hier besonders schädlich. Ländliche und städtische Bevöliterung. Die Unterschiede in der Verteilung der Bevölkerung über Stadt und Land sind mit der Zunahme der Volkszahl immer grölser, das Volk im Ganzen ist städtischer und der Einfluls der Städte stärker geworden. Aus der ursprünglich rein ländlichen wächst mit beschleunigter Ge- schwindigkeit eine immer mehr städtische Bevölkerung hervor. Die Bewohner der Orte von 8000 Einwohnern und darüber bildeten 1790 ein Dreifsigstel, 1800 ein Fünfundzwanzigstel, 1810 und 1820 ein Zwanzigstel, 1830 ein Sechzehntel, 1840 ein Zwölftel, 1850 ein Achtel, 1860 ein Sechstel, 1870 über ein Fünftel, 1880 ein Viertel, 1890 — mit einem Sprung — fast drei Zehntel (29 "/q) der Gesamtbevölkerung der V. St. Diese Vermehrung der städtischen Bevölkerung vollzieht sich durch das Anwachsen in den bestehen- den und das Aufkommen von neuen Städten, die teilweise aufser- ordenthch rasch sich ent^dckeln. Nebenher geht auch die nicht seltene Verschmelzung verschiedener Städte zu einer, wodurch die Zahl der Städte vermindert, ihre Gröfse aber vermehrt wird. Jene beiden EntwickelungsHnien läfst folgende Übersicht erkennen : Census- jahr Städte mit 8000 bis 12000 12000,20000 bis I bis 20000140000 400001 75000 1125000 250000 bis I bis I bis ' bis 75000 1250001250000 500000 500000 11000000 bis I und i Summe 1000000 darüber Einwohnern 1790 1800 1810 1820 1830 1840 1850 1860 1870 1880 1890 1 3 1 4 2 3 4 12 7 17 11 36 20 62 34 92 63 110 76 176 107 1 3 3 2 3 10 14 23 39 55 91 1 2 2 1 1 7 12 14 21 35 2 2 1 3 3 2 8 9 14 2 1 3 5 3 7 14 6 6 11 13 26 44 85 141 226 286 448 330 Die Anziehung der Städte. Einen grofsen Teil des Zuwachses der Städtebevölkerung liefert die überseeische und kanadische Einwanderung. Die Fremden lassen sich mit grofser Vorliebe in den Städten nieder, in denen 1880 60 \ der Italiener, 45 der Iren, 38 der Deutschen, 30 der Engländer und Schotten w^ohnten. Nur 31% der Bevölkerung von Boston waren 1885 in dieser Stadt geboren, in den neueng- ländischen Fabrikstädten Fall River und Holyoke nur 17 und 16 \. Nicht mit Unrecht wird von den Gegnern der Einwanderung be- sonders daraiüf hingewiesen, dafs das Wachstum der städtischen Bevölkerung einen grolsen Einfluls auf die Zusammensetzung der Vertretungskörper übt, in denen die städtischen Elemente die ländlichen immer mehr überwiegen. Die Zunahme der demo- kratischen Partei stützt sich sehr stark auf die Städte und be- sonders ihre fremden Elemente. Die Anziehung der ländlichen Bevölkerung durch die Städte äufsert sich in den älteren Teilen des Landes mit grofser Kraft. Auch drüben klagt man, dafs die Städte »Hirn und Herz des flachen Landes aufsaugen«. Der Zug in die Städte ist in diesen jungen beweglichen Gesellschaften noch viel stärker als in Europa. Der Mangel an Landarbeitern und der Überfliifs an unbeschäftigten Arbeitern in den Städten existiert in Amerika, wie er in Australien zu beobachten ist. Dem AVachstum der Bevölkerung des ganzen Landes um 26 \ steht das der Städte um 45, des flachen Landes um 14 gegenüber. Bezeichnenderweise verliert das Land besonders in der Nähe der Verkehrswege, besonders auch der Flüsse, wo das Abströmen erleichtert ist und die Anziehungspunkte am nächsten liegen. In Ohio hatten 1890 von 27 am Ohio liegenden Grafschaften 13 Rückgang gegen 1880 erfahren. In Massachusetts ist die städtische Bevölkerung von 1855 — 1875 von 40 auf 50,7% der Gesamtbevölkerung gewachsen und betrug 1885 56%. Boston mit seinen Vorstädten zählte 1885 576000, also 29,6% der Bevölkerung des Staates. Die Aufsaugung der Bevölkerung des Landes durch 1) In dem Raliinen einer lanj^'sani wacliHenden Bevölkerung zeigt auch die öHtUchc, aleo ältere DoTuinion die A])nalinie auf dem Lande, den Zuwachs in Männerüberschufs bis 2 Va % Frauenüberschufs : Indiana , West- Virginia , Florida , Delaware, Kentucky, Ohio, Vermont, Mississippi, Maine, Pennsylvania, Tennessee, Lomsiana, New Jersey, Georgia, Maryland. Im Laufe unseres Jahr- hunderts ist die weibliche Bevölkerung immer stärker nach Westen vorgedrungen. In Kanada sind die Unterschiede ähnlich gelagert (Provinz Quebec 100,4 "/o Frauen, Manitoba 77,2), die gröfsere Zahl der Indianer läfst sie aber nicht so grofs werden. Gröfse der Familien. Diese Zahlen stehen natürlich in engem Zusammenhang mit denen für die Familien, deren man im Juni 1890 1) In Rhode Island kamen auf 100000 Männer 107 870, in :Massacliusetts 107 712 Frauen. 2) Auf 100000 Männer kamen 38 975 Frauen in Montana, 43394 in Arizona, 46897 in Wyoming, 66872 in Kalifornien. 346 Bewegung. in den V. St. 12 690152 zählte i), so dafs 4,93 Personen auf die Familie kamen. Seit 1850 ist die Gröüse der Familien stetig von 5,5 an gesunken. Sie war immer grölser im Osten als im Westen und im Süden grölser als im Norden ; aber die neue Zählung zeigt schärfere Unterschiede. Jetzt ist die durchschnittliche Zahl der FamiliengUeder im nordatlantischen Gebiet 4,69, im südatlantischen 5,25, im centralen nördlichen 4,86, im centralen südlichen 5,30, und im westlichen 4,88. Das dichtbevölkerte nordatlantische Ge- biet zeigt die kleinsten Familien, dahinter kommt der Westen und die nördliche Mitte, "also die jünger besiedelten Gebiete, und end- lich mit den gröfsten Zahlen die beiden Abschnitte des Südens. Verfolgt man die Entwickelung der Familien in den Census- berichten seit 1850, so sieht man sie in den neubesiedelten Ge- bieten von der geringsten Gröfse an rasch heranwachsen, während sie wieder abnehmen, sobald das städtische Wohnen gröfsere Aus- dehnung gewinnt. Heute sind überall in den alten Staaten des atlantischen Randes und auch schon im alten Westen die Fa- milien kleiner geworden und eine Ausnahme machen nur jene alten Staaten des Südens, wo die Negerbevölkerung vorherrscht; Mississippi und das westliche Tennessee bilden das gröfste zu- sammenhängende Gebiet grölser Familien im Mississippi-Becken ^). Zwischen 1880 und 1890 ist nahezu in allen Städten mit mehr als 10000 Wohnungen die Gröfse der Familien zurückgegangen, ausgenommen wieder den Süden und jungen Westen. Die ent- sprechende Thatsache des wachsenden Überschusses der Familien über die Wohnungen (s. S. 326) hängt sicherlich damit zusammen. Bewegung. Geburten und Todesfälle werden nicht für das gesamte Gebiet der V. St. gezählt, und nur Schätzungen sind es, die 1) Als Familie bezeichnet der Census von 1890 nicht nur die gewöhn- lich so genannte Vereinigung von Eltern, Kindern u. s. w., sondern auch die Alleinlebenden und die gröfseren, unter gemeinsamem Dache beisammen- lebenden Gemeinschaften, also die Insassen von Gasthäusern, Gefängnissen, Hospitälern. Die Familie wird dadurcli natürlich erweitert, angeblich in ge- ringem Mafse. In Massachusetts , dessen Staatscensus für 1885 die Familie im gewohnten Sinne fafst, beträgt die Zahl der Fainiliongliedcr 4,45, während die Familie im Sinne des Census der V. St. 4,58 zählt. 2) Über die Bedciitmig dieser Thatsache vgl. o. S. 272. Geringe Zahl der Geburten. 347 wir in den Censusberichten über Vital Statistics ^) finden. Wohl aber stellen die amtlichen Zählungen einige andere Zahlen fest, die für die Erkenntnis der Fortbildung oder Rückbildung dieses Volks- körpers von Bedeutung sind. Wir erwähnen zuerst die der Kjinder unter 1 Jahr, für die in den amtlichen Volkszählungen eine Spalte offen gehalten ist. Aber ihre Zählung geschieht so ungenau, dafs die Censusberichte das Ergebnis nur in stark korrigierter Form zu geben vermögen. Es wird die Zahl der Geburten aus der der Kinder berechnet, die im Censusjahre geboren waren und Ende desselben noch lebten. Man zählte 1880 1 auf 34,6 der Ge- samtbevölkerung. Ordnet man die Staaten und Territorien nach diesem Verhältnis, so findet man, dafs am kinderreichsten alle jüngeren, aber schon seit mehreren Generationen besiedelten Ge- biete sind, so ein auffallender Streifen, der von Dakota bis Texas zu verfolgen ist, dann die Süd-Staaten, die Industriegebiete und das Gebiet der Polygamie; am kinderärmsteu sind die Neuengland- staaten und die daran angrenzenden Striche des w. New York und Pennsylvanien, zwei der jüngsten im pacifischen Westen und nahezu alle erst in der Besiedelung begriffenen Staaten und Territorien, also vor\\degend die Gebiete mit erheblichem Frauen- oder Männerüberschufs. Aber auch schon in dem alten Westen beginnt die Kinderarmut aus dem Nordosten herüberzugreifen. Nach dem Census von 1880 steht dem Minimum der Geburten- zahl von 19,1 in New Hampshire das Maximum von 42,7 in Arkansas gegenüber. Nur einige Staaten mit sorgfältiger Zählung der Geburts- und Todesfälle liefern uns einige schärfere Züge zum Bilde des inneren Lebens dieses Volkskörpers. Der Census von Massachusetts von 1875*) bringt folgende Beiträge: 398 759 Bewohnerinnen sind oder waren verheiratet und 309 520 von ihnen hatten geboren. Während aber die einheimische zu der fremdgeborenen Bevölkerung sich wie 74 : 25 verhielt, verhielt sich die Zahl der geboren habenden wie 61 : 38. 1) Das grofse Werk über den X. Census urafafst 2 Bände Vital Sta- tistics , Bd. XI und Xu des Censuswerkes , die 1882 veröffentlicht wurden. Vgl. auch den Aufsatz von E. B. Elliott im Ninth Census II. 517 f. 2) Vol. I. Population and Social Statistics. Prep, under the Dir. of C. D. Wriaht. Boston 1876. 348 Geringe Zaki der Geburten. Von den einheimischen Weibern hatten 30, von den fremden 53 "/o geboren. Auch die Zahl der Geburten pro Mutter gibt den Ein- gewanderten ein starkes Übergewicht. Auf eine einheimische Mutter kommen 3,55, auf eine deutsche 4,23, eine enghsche 4,4, eine kanadi- sche 4,78, eine ii-ische 5,03. 1874 kam durchschnitthch auf 6 ^U Mütter 1 Geburt, aber bei den einheimischen Müttern war dieses Verhältnis 1:9, bei den fremden 1:4,^1*. Mit anderen Worten, 190311 einheimi- sche Mütter gebaren in diesem Jahr 20666 Kinder, 119,209 fremde dagegen 24965. Seit 1867 hat die Prozentzahl der Geburten von amerikanischen Eltern erhebhch abgenommen. Allerdings schwächt die gröfserere Sterblichkeit der Kinder der Fremdgeborenen wieder in etwas dieses Übergemcht ab. Am 1. Mai 1885 wurden in Massachusetts 470,206 verheii-atete Frauen gezählt, 62 "/o Einheimische und 38 "/o Fremde. Unter den mit Kindern gesegneten waren 60^ lo Einheimische und 40 "/o Fremde. Die einheimischen Mütter hatten durchschnitthch 3,37 Kinder, die Fremden 5,22. Die Verhältnisse sind also seit 1875 noch ungünstiger für die Einheimischen geworden. Aus dem XX. Be- richte über die Bewegung der Bevölkerung des kleinen Staates Rhode Island^) für das Jahr 1872 geht hervor, dafs in diesem Jahre 6143 Kinder im Staate geboren worden sind, von denen 2620 amerikanische, 2806 fremde Eltern und 717 Eltern beiderlei Abstammung hatten. Und doch gab es 1870 unter der Gesamtbevölkerung von Rhode Island, die 217353 betrug, 161957 Amerikaner und 45399 Fremdgeborene. Die fremdgeborene Bevölkerung verhält sich zu der einheimischen wie 21 : 79, die beiderseitigen Geburtszahlen verhalten sich väe 52 : 48. Auch die Zählungen, die unabhängig vom Census in den gröfseren Städten vor- genommen werden, deuten auf ähnhche Verhältnisse. Im Vergleich mit em-opäischen Städten ist die Kinderzahl beschränkt. Der Prozent- satz der Kinder unter 5 Jahren betrug 1890 in Boston 8,8, Phila- delphia 9,9, New York 11,6, Paris 6,2, Berlin 10,4, London 13'). Die auffallend geringe Zahl von Todesfällen von Kindern unter 1 Jahr in Massachusetts (20,4 in 1880) wird nur von Frankreich (17,6 in 1879) unterboten. Dafs die natürüche Vermehrung der einheimischen Bevölkerung geringer als die der eingewanderten , tritt aus diesen Zusammen- stellungen klar hervor. Über die Gründe dieser und ähnlicher Erschei- nungen hat sich Francis A. Walker, der Leiter der 1870 er Zählung, in unmifsverständlicher Weise ausgesprochen. Nachdem er das ge- 1) l'r('])aro(l under the Snperintendonce of Joshua M. Ad de man by \)r. E. T. CaHwell. Providence 1875. 2) V^l. die Liste im Twentietb Aimual Report of tlie Health Hepart- riieiit Tor 18!»!. lUintou 1892. p. 44. Rückgang der Geburten. 349 ringere Wachstum der Farbigen , die direkten Verluste durch den Krieg infolge von Wunden und Krankheiten, die indirekten durch Verzögerung der Volksvermehrung und Einwanderung hervorgehoben, fähi't er fort: »Als fünfte Ursache kann noch angeführt werden, die oiJenkundige Zunahme in vielen Teilen des Landes von Lebensgewohn- heiten, die stark darauf ausgehen, das Wachstum unserer Volks- zahl langsamer werden zu lassen, und die , wenn darin verhai-rt wird, die Ausweise einer künftigen Zählung kaum so befriedigend erscheinen lassen werden wie die vorhegenden, und ohne dafs man dann einen verwüstenden Krieg für den Verlust von Hunderttausenden auf Schlacht- feldern und in Hospitälern verantworthch machen könnte. Niemand kann mit dem Leben in unseren östhchen und mittleren Staaten und in den Städten des Westens vertraut sein, ohne zu bemerken, dafs amerikanischen Eltern nicht mehr so viele Kinder geboren werden wie in früheren Tagen. Luxus, Mode und das Laster des »Boarding« ') wirken zusammen, um das Wachstum der Familien in einem Grade zu beschi'änken, der in einigen Teilen sogar die Fortpflanzung unseres ursprüngHchen Stammes bedroht. Diese Richtung bedarf nicht des Beleges durch statistische Angaben. Sie ist offenkundig und greifbar« ^). Die verschiedensten einlieimischen und fremden Beobachter heben die kleme Kinderzahl besonders in den neuengländischen Familien hervor, wofür sie bald den Luxus, bald die Zartheit der Konstitution, bald so äulserhche Gründe nennen, wie die Schwierigkeit, gute weibhche Dienstboten und Pflegerinnen zu finden. Die Abneigung, ihre Kinder der Wettbewerbung mit armen Einwanderern auszusetzen, wird natür- hch auch als eine Ursache der Kinderarmut der Amerikaner angegeben. Auch Beobachterinnen sprechen von dieser Abneigung wie von einem nationalen Charakterzug 3). Auch die gedruckte öffenthche Meinung erteilt manche Lehre. So erregte in den nordamerikanischen Blättern 1) Des Lebens in Gasthäusern oder Pensionen. 2) Ninth Census Vol. I, XIX. Weniger klar ist die daran sich an- schliefsende Bemerkung Walker 's, dafs »noch andere Erscheinungen vor- hegen, die andeuten, dafs die V. St., indem sie von dem Knorpel der Jugend zum festen Knochenbau der Männhchkeit übergehen, etwas von dem raschen Wachstum verlieren, das zu den Eigentümhchkeiten der Jugend gehört, und dafs wir mit der Zeit als Nation mit einer etwas geringeren Zunahme als der früheren uns begnügen müssen«. Nachdem die Sterblichkeit nicht gewachsen ist, bleibt doch wohl nur die Abnahme der Einwanderung und der Geburten als Ursache des geringeren Wachstums übrig. 3) >The American women do not care to have children and have httle baby and nursery love«. Mrs. Ch, Kemble, Records 1848—83. 1891. Vgl. auch o. S. 239. 350 Abnahiiie des Wachstums. die Ängstlichkeit der Franzosen über den Rückgang der Geburten in Frankreich bezeichnenderweise nur Staunen und wurde als eine chauvinistische Regung belächelt. Malthus ist ein oft genannter Schriftsteller, Neomalthusianismus ein beliebtes Schlagwort^). Die Ergebnisse jeder Zälilung seit 1870 sind hinter den Er- wartungen zurückgeblieben. Für 1870 hatte man nach der bis- herigen Zunahme eine Bevölkerungszahl von über 42 Mill. erwartet und zählte dann blols 38,5. F. H. Walker schätzte die Summe, um die die Bevölkerung im Jahrzehnt 1860 — 1870 vorzüglich in- folge des Bürgerkrieges, der die Vermehrung der einheimischen Bevölkerung nicht weniger als die Zuwanderung von aufsen störte, liinter der zu erwartenden Vermehrung zurückgeblieben ist, auf über 1 ^2 Mill. ^) Jetzt wird amtlich zugegeben, dafs die Zählung von 1870 mangelhaft gewesen sei, und dafs besonders für die Neger im Süden absichtlich zu niedrige Zahlen angegeben worden seien. Und doch hat sich die auf die anerkannt zu niedrige Zahl gestützte Berechnung des Wachstums bis 1880 auf 50 Millionen bestätigt! Und als am 30. April 1889 der hundertjährige Geburts- tag der Verfassung begangen wurde, wurde triumphierend auf die 65 Mill. Bevölkerung hingewiesen, worauf die Zählung von 1890 über 2 Mill. weniger ergab. Auch ihr wirft man wieder Auslassungen, wenn auch unbeabsichtigte vor, sie können aber unmöghch so beträchtlich sein. Da die Volkszählungen leider für eine grofse politische Angelegenheit gelten, nimmt auch üire Kritik einen politischen Charakter an^). Die Sterblichkeit der Bevölkerung der V. St. wird eben so wenig wie die Geburtszilfer im Census festgestellt, dessen Leiter ausdrücklich hervorhebt, dafs, »wenn der Wert der Sterblichkeits- statistik in einem Census der V. St. unter den jetzigen Gesetzen 1) Oswald Ottendorf er, der in einem Aufsatz; Are our Iimnigrunts to blame? (The Forum XI p. 545) vor den Gefahren des Neo-Malthusiajiisiinis warnt, ist ein Deutscher. 2) Ninth Census 1 p. 18, mit Aufgaben über den Ausfall in der Minwan- derung, der eigenen Vcrnielnung und die Verluste an Menschenleben. 3) So ist wohl auch die sehr abfällige Besprechung des 1890er Census in The Nation vom 8. Oktober 1891 zu verstehen; sie steht im Widerspruch zn dem besonnenen Urteil eines Fachmannes wie F. A. Walker. Die Sterblichkeit. 351 auf der Zusammenstellung der Todesfälle beruhte, die in dem Zählungsjahre vorkommen, die Resultate nicht einmal die Ver- öffentlichung lohnen würden« ^). Die in statistische Werke über- gegangenen Zahlen, 12,5 für 1860 und 12,7 für 1870 sind als zu klein zu betrachten. Auch der Durchschnitt von 18^) ist gewagt, da er wesentlich auf der unbewiesenen Annahme beruht, dals die Staatszählungen von Massachusetts und New- Jersey so fehlerlos seien, dafs aus ihnen die Berichtigung der vom Census-Amt eingesammelten, sehr unvollkommenen Zahlen abge- leitet werden könne; er bietet aber die zuverlässigste unter den zur Verfügung stehenden Zahlen. Mehrere europäische Länder, wie England, Schweden, Däne- mark, kommen dieser für 1880 berechneten Sterblichkeitsziffer der V. St. sehr nahe — Deutschland hatte 1880 26,1 pro 1000 — es wirken also die günstigen Ursachen nicht so stark, als man glauben sollte. Über die gröfsere Sterblichkeit der Neger siehe S. 273, der Indianer S. 213. Die mittlere Lebensdauer ■ wdrd zu 39,25 Jahren angegeben^). Aus genaueren Erhebungen hat man in Massachusetts die etwas höhere Zahl 39,8 gefunden. Die Sterblichkeit ist in den Städten gröfser, als auf dem Lande und zwar besonders infolge der grofsen Zahl der Todesfälle bei Kindern. Sicherlich läfst die Ein- wanderung von Menschen im besten Lebensalter und die über weite Gebiete verbreitete Kinderarmut eine geringe Sterblichkeit erwarten, der aber die klimatisch bedingte grofse Sterblichkeit im Süden und in den Neger- und Indianerfamilien entgegensteht; die — hier wolil besonders unvollständige — Statistik zeigt Sterb- lichkeitsziffern, die dort um 17, hier um 64% höher sind, als die allgemeine. 1) Ninth Census I p. 9. 2) It seems safe to assume that the Death-rate was not less than 17 nor more than 19 per 1000 of Living Population and I shall assume the mean of these, viz. 18 p. 1000, as the Mortaüty - rate of the U. S. during the Census Year. John S Billin gs in Tenth Census (1880) Vol. XI p. 19. Die von John S. Billings bearbeiteten Ergebnisse der im Censusjahr 1879/80 gemachten SterbefäUebeobachtungen sind erst 1887 vom Amt des Innern herausgegeben worden. Ein Auszug befindet sich in den Verhandlungen der Berhner Ges. für Anthropologie 1888 S. 69 bis 75. 3; Xinth Census 1872 I. p. 13. 352 Geographische Verbreitung einiger Krankheiten. Die geographische Verbreitung einiger Krankheiten bietet bemerkenswerte Erschemungen. Als eine ausgesprochen nordische Krankheit erscheint Diphtherie mit Maximalgebieten im Nordosten und Nordwesten, sowie in der nördlichen Seeregion. Auch Scharlach- fieber neigt zu starker Vertretung im Norden, scheint aber im öst- üchen Teil des westhchen Hochlandes nach Süden zu reichen, ähnhch wie Diphtherie in der Gebii-gsregion der Alleghanies (z. B. West- vü'ginien) stärker auftritt. Die Lungenschwindsucht hat ein fast lückenloses Maximalgebiet in Neu-England und dem westhchen New York und Pennsylvanien, ein zweites in der nördlichen und mittleren Alleghany - Region , in das Maryland , Vhghiien , West - Virginien, Tennessee, Kentucky, Ohio gehören, ein drittes in der waldreichen nördhchen Seeregion von Michigan, von wo nach Westen das Übel abnimmt. Dagegen sind die westhchen Teile von Texas, Ai'kansas, Kansas, Nebraska und Minnesota, das östhche Colorado und ein grofser Teü des Südens fast frei von dieser Seuche , während das mittlere Kalifornien sehr stai-k von ihr heimgesucht ist. Die Malaria- Krankheiten zeigen fast genau che entgegengesetzte Verbreitung. Sie fehlen fast in den Neuengland- und Mittelstaaten, sind aber an der atlantischen Küste von Delaware an, in den Golf- und Mississippi- Staaten am stäi-ksten vertreten, beträchthch auch in Kentucky und Tennessee, ebenso in Texas und Ai'kansas, wo ihr häufiges Auftreten wahrscheinhch zum Teü mit dem Umbrechen des jungfräuhchen Bodens zusammenhängt. Im Golfgebiet ist Malaria stark in Florida und Alabama, weniger in Mississippi und Louisiana, an der atlanti- schen Küste ist sie am stärksten in Nord-Carohna. Im Nordosten zeigt Connecticut eine etwas stärkere Vertretung dieser Ki-ankheit. Die grosse Sterbhchkeit an Masern und Keuchhusten in den südatlantischen und östhchen Golfstaaten dürfte mit der tiefen Stufe zusammenhängen , auf der dort die starke Negerbevölkerung steht, ebenso die Häufigkeit töthchen Ausgangs der Kindbettkrankheiten im ganzen Süden, aber auch hn Westen mit seiner dürftigen Bevölkerung von Neuansiedlern. Herzkrankheiten sind eine seltene Todesursache im trockenen Hochland des Inneren. Natürhch sind die Angaben über Todesfälle durch Alkoholismus noch unvollständiger als aUe anderen. Auf die absolute Zahl (2,2 p. lOCX) der Todesfälle aus be- kannten Ursachen) ist kein Gewicht zu legen, wohl aber dai-auf, dals die grofsen Städte dopjjelt soviel Todesi'äUe dieser Ursache als das Land aufweisen, und dafs die Bergwerksgebiete des Westens an der Spitze stehen, worauf der junge Nordwesten folgt. Aufserdem ist es lehrreich zu sehen, dafs von Todesfällen bekannter Ursachen auf Trunk- sucht bei den L'en 6,7 , den Deutschon 2,7 , sonstigen WeiCsen 2,5, Farbigen 0,7 konmien. Dafs die Neger eine so grofse Widerstandski'aft Selbstmorde. Der Aufbau der Bevölkerung. 353 gegen die Einflüsse des Alkohols zeigen, ist angesichts der Ver- wüstungen der Trunksucht bei Indianern doppelt merkwürdig. Diese \Mderstandskraft, unter ihren sonst ungünstigen Lebensbedingungen ein glänzendes Zeugnis für die Stärke der Organisation der Neger, wird durch die geringe Zahl der bei ihnen vorkommenden Delirium- Fähe bestätigt. Die Zahl der Selbstmorde ist ungemein gering. Im Census- jahr 1880 wurden 2511 gezählt, was eine Zunahme seit 1860 wahr- scheinhch macht. Sie ist in den Städten beträchthch gröfser als auf dem Lande, bei den Weifsen grölser als bei den Negern und am grölsten bei den Chinesen. Wenn die Selbstmordstatistiken für 50 Städte der V. St., die der X. Census gibt*), zuverlässig smd, dann sind Selbst- morde selbst in den Grofsstädten der V. St. fünf- bis achtmal seltener als in den grofsen Städten Nord- und Mitteldeutschlands. Nur die Städte Kaliforniens nähern sich den Verhältnissen europäischer Städte, was grofsenteüs auf die Chinesenbevölkerung zurückzuführen sein dürfte. In der Armee geben die eingehenden Erhebungen für die mit 1882 endigenden 3 Jahre für Amerikaner, Irländer und Deutsche Selbstmorde im Verhältnis von 2, 7 und 10. Der Aufbau der Bevölkerung trägt in einem jungen Lande die Merkmale einer raschen Zunahme durch Einwanderung und eigene Vermehrung. Überwiegen der mittleren und jüngeren Alters- stufen bedingt den colonialen Typus. Von der fremdgeborenen weilsen Bevölkerung der V. St. gehören 59,6% in die Altersklasse 20 bis 45, von den Farbigen 33,6, von den einheimischen Weifsen 30,8. Die Bevölkerung ist im Ganzen jünger und am jugendlichsten in den geschichtlich jüngsten Gebieten. Die Zahl der Greise (über 60 Jahre) ist am gröfsten in Neuengland, in den mittleren Staaten, dem alten Westen und Wisconsin, am kleinsten in den Streifen Arizona -Nevada -Colorado -Wyoming -Montana. In den Staaten und Gebieten zwischen diesen ist die Zahl gröfser im ganzen Süden, Kalifornien, Utah und Neumexiko und im centralen Norden, als in dem Streifen Texas -Kansas -Nebraska -Dakota. Aber die Vertretung der jüngsten Stufe ist in der Verteilung dieser LTnterschiede eigent- lich »leitend«. In wesenthchen Eigenschaften des Aufbaues bildet der Süden eine Einheit, der der Nordost und der Westen als unter sich verwandte, räumlich getrennte Gebiete gegenüberstehen, zwischen die sich das centrale Nordgebiet w. von den Seen wie 1) Bd. Xn S. 26. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 23 354 I^e^" Aufbau der Bevölkerung. eine abgeschwächte Verlängerung des Südens einschiebt. Nach dem Census von 1880 lassen sich die Staaten und Gebiete in drei Gruppen teilen, in deren erster bis 12,5, in deren dritter über 15,5 Kinder unter fünf Jahren in 100000 der Bevölkerung vor- kommen. In die erste Gruppe gehören sämtliche nördliche atlantische Staaten von Maine bis zum Bundesbezirk, und alle Staaten w. von Colorado bis Kalifornien aufser Utah, Oregon und Washington; in die dritte sämtliche Südstaaten s. von Maryland und Kentucky und dazu Utah; und in der Mitte zwischen beiden stehen Pennsylvanien, der alte und junge Westen vom Ohio bis Nebraska und Dakota, Maryland, Kentucky, Oregon, Washington, Neu-Mexiko. XV. Die Einwanderung. Die Gröfse der Einwanderung seit 1790 und ihr Beitrag zum Wachstum der V. St. 355. Allgemeine Bedeutung der Einwanderung für die Bevölkerung der V. St. 357. Umscliwung der Einwanderungspolitik 359. Verschiedener Wert der Einwanderer 361. Die Berufe der Einwanderer 363. Die Verteilung der Einwanderer 364. Geschichtlicher Rückbiicic. Seit drei Jahrhunderten ist Nord- amerika das grofse Ziel der überseeischen Auswanderung aus Europa. Nicht blols von der deutschen und skandinavischen Aus- wanderung gehen seit Jahrzehnten über 90 % nach den V. St., auch die enghsche, schottische, irische zieht dieses Land den eigenen Kolonialgebieten vor, — 1885 — 1888 gingen aus diesen Ländern durchschnittlich 4 mal mehr nach den V. St. als nach Australien und Neuseeland — , von den französischen gilt das Gleiche, und seit einigen Jahren wächst die itahenische sehr stark. Auf kein aufsereuropäisches Land haben europäische Einflüsse so rasch und tief gewirkt. Über die Zahlen der Einwanderer nach den V. St. im 17. und 18. Jahrhundert gibt es keine sicheren Angaben. Solche er- scheinen erst nach dem Unabhängigkeitskrieg, von dem bis 1820 oder genauer bis zum 30. September 1819 man die runde Summe von 250,000 Einwanderern anzunehmen pflegt ^). Die Zahl von 10000 1) W. J. Brom well, History of Immigration to the United States. Redfieldl856. 8.19. Vgl. auch den Bericht des Treasury Department. »Arrival 35(3 Die Einwandening seit 1790. für 1794 ist jedenfalls, wenn richtig, eine Ausnahniszahl. »Wenn man auch zugibt, dafs 10000 Fremde im Jahre 1794 in den V. St. angekommen sind, so ist doch nicht glaublich, dafs eine ähnliche Zahl in irgend einem früheren oder späteren Jahre bis 1817 ein- gewandert sei« ^). Der Statistiker, den wir hier eitleren, glaubt, dafs 6000 Einwanderer für jedes Jahr von 1790 — 1810 eine ziem- hch hoch gegriffene Schätzung sei. Die Erschütterung Europas hätte in dieser Zeit die Auswanderung über See begünstigen müssen, aber durch die Erschwerung des Seeverkehres wurden ihr die Wege fast ganz verschlossen. Aber 1817 kamen in den Häfen der V. St. 22240 Menschen aus fremden Ländern an. Darunter sind die damals noch wenig zahlreichen Amerikaner mit einge- schlossen, die aus fremden Ländern zurückkehrten ^). Dieser grofse Andrang liefs so grofse Mifsstände in der Behandlung der Ein- wanderer hervortreten, dafs ein Gesetz Relative to the Carriage of Passengers in Passenger-Ships and Vessels am 2. März 1819 vom Kongress beschlossen wurde. Durch dieses Gesetz wurde nun zum ersten Mal die Zählung der aus fremden Ländern Zu- reisenden eingeführt. Daher hebt erst mit dem 30. September 1819 eine ziemhch zuverlässige Einwanderungs-Statistik an. Man nimmt an, dafs in den 1 ^U Jahren von Ende 1817 bis zu dem angege- benen Zeitpunkt 20 — 30 000 Einwanderer herüberkamen. Auf die folgenden Jahresreihen verteilen sich die seitdem Eingewanderten folgendermafsen : 1820 . . 8 335 1851—60 . . . 2 707 624 1821-30 . . 143 078 1861-70 . . , . 2 492 209 1831-40 . . 552 000 1871-80 . . , . 2 944 695 1841—50 . . . 1 558 300 1881—90 . . . 5189004 Jedenfalls sind seit dem Ende des Unabhängigkeitskrieges gegen 16 Mill. Menschen in die V. St. eingewandert. of Alien Passengers and Immigrants in the United State from 1820 to 1890*. Wasliington 1891. Einleitung. 1) Seybert, Statistique des Etats Unis. Paris 1820. S. 28. 2) Ü})erhaupt sind diese in allen Zahlen der iilteron I'^inwanderungs- statistik mit aufgenommen. Die Zahl der eigentlichen Einwanderer betrug in den Ict/Ieii .(jiliifn «Im rlisclitiitl licli 60 bis 70"/o der zur See .^iikomincnch'ii. Die Einwanderung und die Bevölkerung. 357 In jedem Jahrzehnt waren die Jahre der stärksten und schwächsten Emwanderung folgende : 1828 27 382 und 1823 6350, 1837 79330 und 1830 23322, 1849 297 011 und 1843 52196, 1854 427 833 und 1859 121282, 1869 385 287 und 1861 91920, 1872 449 040 und 1877 130 503, 1882 730349 und 1885 315510; 1891 wanderten 560319. und 1892 579 663 ein. Auf die Ursachen dieser Schwankungen näher einzugehen, ist unsere Sache nicht. Es genügt, darauf hinzuweisen, dafs sie ebenso- wohl in den aussendenden Ländern ihren Sitz haben, als in dem auf- nehmenden. Die grofseu Zahlen für die Jahre 1845 — 1854 (1512100 Irländer und 1 226 392 Deutsche) entsprechen den Hungerjahren und den Jaln-en wirtschafthcher und pohtischer Mifsstände. Andererseits zeigt das Smken von 79 930 Einwanderern 1837 auf 38 914 in 1838 die Ein-wirkung der amerikanischen Wü'tschaftskrisis. So wie che europä- ischen Kriege die Zahl der Auswanderer in die Höhe schnellten, so wurde sie durch den amerikanischen Bürgerkrieg gedrückt. 1867 war die deutsche Auswanderung um 10000 Köpfe stärker als in dem ohnehin schon starken Jalu'e 1866, dagegen war in den 60er Jahi'en die Ein- wanderung niemals geringer als 1861 und 1862. ' Die Steigerung des oceanischen Verkehres hat natürlich die Einwanderung sehr erleichtert und verbilhgt. Die Eahrkosten sind zeitweilig für Zwischendeck-Reisende unglaubhch niedrig. Es hat Jahre gegeben, wo sie von Hamburg nach New York für 10 und 12 D. befördert wurden, und dazu kam 1888 die Fahrt von New York nach Chicago für 5 D. 1887 kamen in New York an 259 Passagierdampfer von Liverpool und Queenstown, 265 von Bremen, Hamburg und Havre, 96 von Glasgow, 15 von London, 106 von Antwerpen und Rotterdam und 144 von anderen euro- päischen Häfen ^). Die Einwanderung und die Bevölkerung. Um wieviel hat die nachweisbare Einwanderung der letzten 100 Jahre zum Wachs- tum der Bevölkerung der V. St. beigetragen? Der Census von 1890 führt 9249547 im Ausland Geborene auf und der von 1880 wies 15 Mill. den Fremden oder den Kindern von Frem- den, d. h. im Ausland geborenen Eltern zu, denen er noch un- gefähr 5 Mill. als Enkel und LTrenkel der vor 1850 Eingewan- 1) Rep. of the Emigration Commissioners of tlie >St. of New York 1888. 358 ^^^ Ein\vanderuiig und das derten zufügt, so dals er 20 Mill. erhält. Nach einer anderen Methode hat Dr. Jarvis 18 Mill. erhalten: Wenn in der Dekade 1870/80 die weiLse Bevölkerung um 9,8 Mill. zugenommen hatte, so entfielen von diesem Wachstum 3,2 Mill. auf die Einwanderer und ihre in diesem Zeitraum geborenen Nachkommen, so dafs für die weifse Bevölkerung 6,6 Mill. Zuwachs oder 19,5% übrig bleiben. Auf jede der Zehn Jahresreihen angewandt, für die An- gaben über die Einwanderung zur Verfügung stehen, weist diese Methode für 1880 etwa 25,5 Mill. und für 1890 etwas weniger als die Hälfte der Gesamtbevölkerung dem Stamme der ursprünglichen Ansiedler zu ^), der also von 1790 an, sich selbst überlassen, sich verneunfacht haben würde. Die Einwanderung eines Jahres er- scheint, samt den Verlusten, die sie im Heranwachsen erfahren hat, als die Vermehrung, die in einem Jahre ein Volk erfährt, das fast ebenso grofs ist wie das, dem sie nun zuwächst. Oder man sieht neben der Bevölkerung der V. St. mit ihrer natürlichen Ver- mehrung ein Volk von nahezu derselben Gröfse, das seine Ver- mehrung mit dieser summiert. So konnte das Wachstum der V. St. in dem Jahre der grofsen Einwanderung 1882 als das ihrer eigenen Bevölkerung von etwa 52 Mill. plus dem einer weiteren fast ebenso grofsen Bevölkerung aufgefafst werden. Die Einwanderung brachte die Keime der Bevölkerung weifser Rasse in die V. St., die ein Ableger der Bevölkerung von West- und Mitteleuropa ist. So wie aber ohne Wiederholung der Ein- wanderung in den ersten Jahrzehnten Virginiens und den ersten Jahren Neuenglands diese Keime ebenso abgestorben wären, wie die normannischen in Vinland, so wäre das kräftige Wachstum der jungen Schöfslinge, nachdem die ersten Gefahren überstanden waren, ohne die Fortdauer der Einwanderung undenkbar gewesen. Die natürliche Zunahme der Bevölkerung der 13 Kolonien ge- nügte nicht, um die weiten Gebiete des Westens zu besiedeln, die Eiiiwiiiidcruiig wurde also in jeder Weise begünstigt und 1) Die nähere Begründung beider Zahlen l)oi Riiliard M. Smith, Emi- gration and Immigration (New York 1890) S. 58 f. nnci im Atlantic Monthly XXIX. S. 468. Dem Vf. dieseH wertvollen ßnrh(>s verdanke ich mehrere l'rcimdlicln' Mi(tcilun;ron, beK(Mifli(Iitcli' ArlMMtcr hclaiidm. Die Eigenschaften der Einwanderung. 361 unterhaltenen Arbeitsnachweis-Amtes im Hafen von New York ihre all- gemeine Abneigung gegen die Einwanderung bewiesen. Dafs den Ver- tretern des Grolsgewerbes die Agitation gegen die Einwanderung nicht palst, ist klar ; auch der Süden und Westen stehen für Einwanderung. Wer den öffentlichen Geist der V. St. seit 20 Jahren unbeobachtet ge- lassen hätte und nun zu üim zurückkehrte, würde erstaunt sein, selbst in hochstehenden Organen das Verlangen nach einem »Language-Test« der Einwanderer, bald zum Ausschluls aller Nichtengländer, bald aller Nichtgermanen ausgesprochen zu finden'). Auch mafsvolle Vertreter der Deutschen, wie Oswald Ottendorfer, verlangten Konsularcertifikate, dafs der Einwanderer eine wünschenswerte Bereicherung des amerika- nischen Volkes sei, und Schulbildung. Die Eigenschaften der Einwanderung. Der Einflufs der Ein- wanderung auf die Bevölkerung der V. St. liegt zunächst darin, dafs sie ganz A'Orwiegend permanent ist, d. h. die Einwanderer kommen mit der Absicht, im Lande zu bleiben. Die Unmöglich- keit, den Lebensunterhalt zu finden oder die Zurückweisung führt alljährlich eine Anzahl zurück. In neuerer Zeit wächst die Zahl der Zugvögel, die im Frühling kommen, um im Herbst mit ihren Er- sparnissen nach Europa zurückzuw-andern (s. u. S. 375). Die gröfste Frequenz im Zwischendeck zeigen indes die von New^ York aus 1) Die Wochenschrift »Nation« sah sich allerdings gezwungen, ihren Vorschlag eines »Enghsh-Language-test« acht Tage, nachdem er (im Frühjahr 1892) gemacht war, als »blofs akademisch« zurückzuziehen. Es ist bezeich- nend, dafs ihm gegenüber die vorzüglichen Eigenschaften der Deutsclien und Skandinavier besonders hervorgehoben wurden. Als General Francis A. AValker (1892) den unglaublichen Vorschlag machte, auf jeden Kopf der Einwanderer eine Steuer von 100 D. zu erheben, wurde betont, dafs im Kongrefs damals für Wisconsin unter 9 Repräsentanten 3 waren, die aus Hessen, Bayern und Norwegen eingewandert, für Minnesota unter 5 Repräsentanten 2, die aus Schweden und Norwegen eingewandert waren. 2) Die letzte vom Präsidenten Harrison (1893) unterschriebene Bill verlangt, dafs die Dampfschiff-Gesellschaften Erkundigungen über die Aus- wanderer einziehen und das Ergebnis dieser Erkundigungen den Einwande- rungsinspektoren in den V. St. mitteilen. Zweifelhafte Fragen sollen von vier Beamten entschieden werden. Ausgeschlossen sind aufser solchen , denen bereits durch andere Gesetze die Einwanderung verwehrt ist, alle über 16 Jahre alten, die nicht lesen und schreiben können, Krüppel, Blinde und andere mit körperUchen Fehlern, wenn sie nicht zufi-iedenstellend nachweisen können, dafs sie dem Lande nicht zur Last fallen werden, und Leute, die Gesellschaften angehören, welche die ungesetzhche Vernichtung von Eigentum oder Leben gutheifsen. 362 Verschiedener Wert fahrenden Dampfer im Frühsommer. Dann hängt er zu emem grofsen Teile von ihrem Alter und Geschlecht ab. Im all- gemeinen wiegen die produktiven Altersstufen von 15 bis 40 Jahren vor und demgemäfs verändert sich denn auch der Aufbau der Be- völkerung. Besonders wird aber ihrem eigenen Wachstum durch die starke Zufuhr in zeugungskräftigem Alter ein kräftiger Anstofs er- teilt. 1887 zählten fast 70 \ der Einwanderer 15 bis 40, 17% unter 15, und über 40 Jahre 12% der Einwanderer. Die anfängliche und die arme Einwanderung ist kinderarm, aber auch arm an Frauen, die von der ganzen Einwanderung nicht ganz zwei Fünftel aus- machen; am frauenreichsten ist die irische Einwanderung mit 45% , die eine Menge weiblicher Dienstboten bringt. 'Die sorg- fältigen Aufnahmen in einzelnen Staaten lassen erkennen, dafs auch nach längerer Anwesenheit die Eingew^anderten in ihren Familienverhältnissen sich von den Einheimischen unterscheiden. So weist der Census von Massachusetts 1885 unter den Fremden eine gröfsere Zahl von Verheirateten, eine kleinere von Geschie- denen und bringt über die Kinderzahl der Fremden die merk- würdigen Zahlen, die wir früher (S. 347) angeführt haben Die heute vorwiegende deutsche Einwanderung trägt am meisten familienhaften Charakter. Bei den Chinesen besteht aber fast die ganze Einwanderung aus Männern, ähnlich ist es bei den itahenischen und spanischen Arbeitern, die nach dem Süden und den grofsen Städten, und den slavischen Bergleuten, die nach Pennsylvanien einwandern. Die wirtschaftliche Begabung und Vorbereitung ist ein zweiter Mafsstab für den Wert der Einwanderer. »Der grofse Abstand zwischen geschickter und gewöhnlicher Arbeit, zwischen Betrieb- samkeit und Trägheit, zwischen Gewohnheiten der Sparsamkeit und der Verschwendung kennzeichnet den Unterschied in dem Werte des Einwanderers für unser Land. Zunächst ist der ge- wriluiliche Arbeiter, der ohne Weiteres sich daranmacht, die Wälder ui-bar zu machen, hier von weit gröfserem Werte als der, welflicr in den grofsoii Stadion Ijlcibt«^). Von den 9 '/4 Mill. 1) Yoiiiifr, Siic/.icllcr l'-criclit üher die l'j'nwandeniiiu; 1872. 5. der Einwanderer. 363 Fremdgebonien des 1890er Census wohnten von den Italienern und Spaniern 58 , von den Russen und Polen 57 , von den Irländern 55, von den Österreichern 48, von den Deutschen 47, von den Engländern und Schotten 41, von den Norwegern 21 °/o in Städten über 25 000 Einwohner. Durch die Neigung zum Wohnen in den Städten wird die irländische und romanische Einwanderung weniger wertvoll als die deutsche und skandina- vische, deren grofse Masse sich sofort dem Ackerbau zuwendet. Auch an geschickten Handwerkern aller Art dürfte die deutsche Einwanderung reicher sein als jede andere. Grofsbritannien sendet Bergleute und Hochofenarbeiter, Weber und Spinner, Deutschland mehr eigentliche Handwerker; Künstler, Aerzte und andere Glieder der höher gebildeten Schichten gehören vorwiegend ihr an. Der Zuflufs deutscher Intelligenz und deutschen Talentes nach 1849 hat tiefe Spuren in der geistigen Entwdckelung der V. St. hinter- lassen; man wird die Geschichte der grofsen Antisklaverei-ßewe- gung und des Bürgerkrieges, vorzüglich aber der geistigen Be- fruchtung des damals jungen Westens nie schreiben können, ohne Münch, Körner, Hecker, Schurz u. v. A. zu nennen. Im Allgemeinen können 46% der Einwanderer nach Abzug der Weiber und Kinder als für die verschiedenen Lebensberufe un- mittelbar passend erachtet werden. 10°/o davon bestehen aus Kaufleuten jeder Stufe, fast 50% aus Handarbeitern und Hand- werkern, ein kleiner Teil aus höher Gebildeten, vorzüglich Ärzten, Ingenieuren und Bergbaukundigen, der Rest aus Ackerbauern^). Den Volkswirtschaftlern mufs man die Probleme der Bestimmung des Kapitalwertes eines Einwanderers oder des Wertes, den seine 1) Nach einem Bericht des State Department von 1887 verteilten sich die Einwanderer 1873 — 86 auf folgende Beschäftigungsklassen : Professional 31803 Skilied 587 349 Verschieden piiscellaneous) .... 2 052 294 Beschäftigung nicht angegeben . . . 128 782 5 396 416 Die amtUche deutsche Auswanderungsstatistik zählte 1892 unter 90255 über deutsche Häfen ausgewanderten Deutschen: Arbeiter 32324, Gewerbs- leute 16504, Landwirte 10 728, Angehörige freier Berufe und Beamte 1362, ohne Beruf (oder Berufsangabe) 24 819. 364 Wert der Emwauderung. Arbeit schafft oder dessen, was er und seine Angehörigen verbrauchen, überlassen. F. Kapp, E. Young und neuerdings Richard M. Smith haben sich mit ihnen beschäftigt*), ohne sichthchen Erfolg, »denn es bleibt immögüch, eine bühge Schätzung von dem Werte der Fremdgeborenen zu machen, die einen geschulten Geist, verfemerten Geschmack, Ge- schickhchkeit in der Kunst und hohen Erfindungsgeist unserem Lande zuführten. In der furchtbaren Feuerprobe des Krieges, in den Be- strebungen des Friedens, in den Hallen der Gesetzgebung und dem Gelehrtenstande haben die Adoptivsöhne Amerikas Auszeichnung er- rungen. Unter den vielen, die unserem Lande während des letzten Krieges zeitige HüKe leisteten, scheint es gewagt, Namen zu nennen, es sei denn zm* Bekräftigung obiger Aussage. Ln Jahre 1839 landete in New York ein schwedischer Auswanderer, Kapitän Johann Ericsson. Wie hoch belief sich für unser Land der Wert dieses Mannes am 9. März 1862? Achthundert, achthunderttausend oder acht Mill. Dollars?«'') Und Friedrich Kapp sagt : »Wenn man den Wert aller Deutschen berechnen wollte, die als Gelehrte, Offiziere, Künstler, PoUtiker, Ligenieure, Bau- meister den V. St. genutzt haben, würde ein Band von vielen hundert Seiten nicht ausreichen, das blofse Namensverzeichnis zu geben, ge- schweige denn ihren Wert zu berechnen«^). Früher strebte man, die Einwanderer auf eine höhere Stufe der Bildung zu heben. In verschiedenen Städten des Ostens hatte man Abendschulen eingeführt, die besonders von Eingewanderten besucht wurden. Gegenüber der Masse der Unwissenden , die heute einwandern, ist auch dieses schöne Bestreben erlahmt. Die Verteilung der Einwanderer. Wohin ziehen dieEin- w a n d e r u r in d o ni greisen Lande? Früher war fast allein das freie Land des Westens ihr Begehr; eine kleine Zahl blieb in den grofsen Städten der atlantischen Küste, nicht die besten, wo New York »the common Dump of the Outcasts of the World«, seinen Pöbel rasch durch ihren Zuflufs wachsen sah; eine noch kleinere suchte den Süden auf. Später hat mit den Fortschritten seiner Grofsindustrie der Osten an Anziehungskraft wieder 1) V. Kajip, über AusAvaiKleriiTip; 1871, und Auh unv<>ll<<'runir zidden kiinn. Rückgang der Bevölkerung 371 nördlichen New Jersey, im östlichen Virginien gewesen, haben aber auch in Ohio, Indiana, Illinois, im südlichen Michigan und Wis- consin, in Kentucky und Tennessee und im östlichen Jowa so manche Grafschaft zu Verlust gebracht. In den nordöstlichen Staaten liegen die Gründe der Wanderung tiefer als man glaubt, wenn man als eine der Ursachen z. B. für Vermont das Steuer- system angibt, das bewegliches Eigentum sehr hoch besteuert. Die grofsenteils nicht sehr fruchtbaren und dennoch dicht be- völkerten Neuenglandstaaten, die ja auch zur Zeit, als die euro- päische Einwanderung noch gering war, ausgedehnte Strecken im Westen aus eigenem Überschufs besiedelten, gehen schon seit Jahr- zehnten zurück und aufserdem sind sie Teil eines gröfseren Rück- gangsgebietes. In Massachusetts besitzen heute die 179 volksärmsten Gemeinden weniger Bewohner als vor 70 Jahren und einige sind nur halb so bevölkert als am Schlufs des Unabhängigkeitskrieges. Der Entvölkerungsprozels ist also nicht neu. Dagegen enthalten heute die 20 gröfsten Städte die Hälfte der Bevölkerung, die vor 100 Jahren nur ein Sechstel davon umschlossen. Die langsame Zunahme in Vermont, Maine und New Hampshire, auch im nörd- lichen New York, hat ähnliche Gründe wie in Nova Scotia, Quebec und Ontario: Das Haupterzeugnis dieser Gebiete sind Menschen auf beiden Seiten der Grenze, und Menschen ziehen von Gebieten, wo sie überflüssig sind, dorthin, wo man sie nötig hat. Auch die Bevölkerungszunahme Kanadas sank in dem Zeitraum 1880/90 auf IIV2 °/o von 17%, die sie in den vorhergehenden zehn Jahren betragen hatte. Im Westen folgte der Rückgang dem allgemeinen Erlahmen des Silberbergbaues, und das gröfste Gebiet des Rück- ganges ist hier der am meisten auf den Bergbau gestellte Staat Nevada, der von 62000 in 1880 auf 45 761 in 1890 gesunken ist. Auch andere Gebirgsstaaten sind unverhofft langsam gewachsen. Die Befürworter der Aufnahme Idahos als Staat hatten seine Be- völkerung 1890 auf 120000 bis 140000 angegeben, der Census wies aber dann nur 84385 nach. Die Zunahme ist in allen neuen Ackerbaugebieten sehr grofs, allgemein in den Steppenstaaten, im nördlichen Seengebiet und in dem Teil des Südens, den man als den neuen bezeichnen kann: Ai'kansas, Texas und Florida. Die Ent- 24* 372 ■ Auswanderung. -«äckelnng des Bergbaues im Westalleghany-Gebiet hat in West-Vir- ginien und Alabama gröfsere Gebiete zunehmen lassen. Die grofse Anzahl kleinerer Zunahmegebiete deutet im Osten auf ebenso viele städtische und halbstädtische Mittelpunkte, um die gewerbthätige oder intensiv ackerbauende Bevölkerungen sich gesammelt haben. Man erkennt die gleichmärsige Ausbreitung über weite Flächen in den neuen und die durch Verdichtung um zahlreiche Mittelpunkte höchst ungleichmäfsige Verbreitung in den alten Gebieten. Ein tieferer Zusammenhang beider Thatsachen liegt darin, dafs der rasch aufblühende Ackerbau auf dem Neuboden des Westens die Lage des Ackerbaues im Osten verschlechtert und den Zug nach den Städten verstärkt hat. Über diesen Zug s. o. S. 330 f. Auswanderung. Die Auswanderung kann in einem so jungen, durchaus noch nicht überfüllten Lande keine Erscheinung der Masse und keine gewöhnliche sein, ist aber mehr als einmal durch die Umstände hervorgetreten, unter denen sie stattfand. Natürlich hat jede politische Bewegung eine Welle über den Rand geworfen. Auch die mit den Verhältnissen in den V. St. Unzu- friedensten haben höchstens den Wanderstab ergriffen, um von einem Staat zum anderen zu ziehen, entweder südlicher oder west- licher, bis hinüber nach West-Texas und Süd-Kalifornien. In den meisten Fällen richteten sich die Wanderungen Unzufriedener nach Westen. Es sei nur an die Mormonen erinnert, die 1830 den damals jungen Westen verlief sen, um am Salzsee die folgen- reiche Gründung durchzuführen, aus der einer der blühendsten der Gebirgsstaaten, Utah, hervorging. Vereinzelte mit Einzelnem Unzufriedene bildeten das Ferment der neuen Staatenbildungen am Rio Grande und am Stillen Ocean, das lange vor der Er- oberung im Sinne der V. St. thätig ward. Die Jalu'e des Unab- hängigkeitskrieges sahen eine grofse Auswanderung Engliscli- gesinnter nach den britischen Kolonieen an der Fundybai und in VVestindien, und es haben sich bis auf den heutigen 'J'ag lebhafte Beziehungen besonders zwischen Neubraunschweig und Massa- chusetts erhalten. Auffallend stark ist seit einigen Lustren die Rück- wanderung von Neubraunschweigern gebildeten Standes nach den N(MU'iigl;nHls1;iiitcn, wo der goistlictlio Stniid besondei's viele von Auswanderung. 373 ihnen umschliefst. Unzufriedene Südstaatler sind anfangs der 60 er Jahre nach Mexiko ausgewandert, aber ihre bei Orizaba mit Hilfe Maximilians gegründete Kolonie gedieh nicht. Langsam sind aber die Kolonieen Freigelassener gediehen, die seit 1820 an der Pfefferküste begründet wurden und den Keim Liberias bildeten*). Die selbständige Auswanderung, die eine Zeitlang unter den Negern der V. St. fast ganz geruht hatte, scheint seit den letzten achtziger Jahren wieder aufzuleben. Hervorragende Neger wie Bischof Turner von der African Methodist Church treten für sie ein. Aber die Masse der Neger hat keine Lust, das Land zu verlassen, und die Weifsen im Süden sind ebensowenig geneigt, eine Bewegung zu unterstützen, die ihnen kostbare Arbeitskräfte entzieht. Ein Teil der Einwanderung bleibt nur vorübergehend im Lande. Französische Kanadier und auch Italiener kommen im Frühling und ziehen im Herbst wieder heimwärts. Eine Masse von ihnen bleibt allerdings zurück und jetzt mehr als früher (s. o. S. 257.) Die Chinesen sind der Mehrzahl nach nicht zu dauernder Ansiedelung ins Land gekommen, die den meisten aufserdem un- möglich gemacht wurde. Für diese Auswanderung gibt es keine Statistik, da nur die Summen der auf Schiffen das Land Ver- lassenden angegeben werden, ohne Aussonderung der Reisenden 2). Prof. Richard M. Smith in New York schrieb mir am 9. Januar 1893 auf meine Anfrage: Wir können die Auswanderung nicht einmal schätzen. Auch die Einwanderungs- Statistik ist lückenhaft, weil sie die über Land kommenden Einwanderer aus Kanada, Mexiko, Britisch-Kolumbia nicht mit einschliefst. Wir haben uns gewöhnt, die unbekannte Auswanderung gegen diese unbekannte Einwanderung aufzuheben und glauben, dafs so unsere Statistik die Einwanderung annähernd angibt. 1) S. o. S. 265 u. Büttikof er, Reisebilder aus Liberia n (1890) S. 77 f. 2) Die Zahl der Keisenden auf abgehenden Dampfern betrug 1872 92 904, 1892 256 255 gegen 472034 und 736 660 auf ankommenden. Dritter Abschnitt Wirtschaftsgeographie. XVII. Die Landwirtsclialt. Die natürlichen Bedingungen 377. Das Ostgebiet 378. Der dürre Westen 382. Das Grenzgebiet zwischen Ost und West 387. Die Zukunft des Steppen- .landes 388. Oasen und Abstufungen 391. Die künstliche Bewässerung 393. Artesische Brunnen 397. Sociale und politische Folgen der künstlichen Be- wässerung 398. Das paciiische Gebiet 400. Die landwirtschaftlichen Regi- onen 401. Landwirtschaft und Volksdichte 406. Der Ackerbau 408. Ver- breitungsgebiete der wichtigsten Kulturpflanzen 408. Amerikanische Methoden des Ackerbaues 412. Die Urbarmachung 414. Das Wandern nach Westen 418. Farmer und Pflanzer 424. Farmen und Grundbesitz 430. Geschichtliches 438. Der Mais 442. Der Weizen und andere Getreide 444. Wurzel- und Hülsen- früchte 446. Die Baumwolle und andere Faserpflanzen 447. Zucker 449. Tabak, Hopfen, Indigo 451. Die Obstbäume 453. Weinbau 455. Beeren 456. Wiesenbau 457. Gartenbau und Blumenzucht 458. Die Viehzucht 459. Das Verhältnis zwischen Ackerbau und Viehzucht 459. Rancher und Farmer 461. Entwickelung der Viehzucht 463. Rinder 463. Pferde 464. Schafe 465. Schweine 466. Der Hund 468. Seiden- und Bienenzucht 468. Die natürlichen Bedingungen. Da die V. St. nicht in die kalte Zone ragen, beeinflussen Feuchtigkeit und Trockenheit am meisten üu-e Fruchtbarkeit. Wir haben nun schon in der Ein- leitung (Kap. IV und V) die Zweiteilung in ein feuchtes und ein bis zur Wüstenbildung trockenes Gebiet kennen gelernt. Der Acker- bau ist ö. vom 100." w. L. fast überall möglich , wo nicht felsige oder sumpfige BodenbeschafTenheit ihm entgegentritt; w. vom 100." dagegen ist er mit geringen Ausnahmen nur möglich, wo künsthche Bewässerung das Ungenügende der atmosphärischen Feuchtigkeit ersetzt. Mit anderen Worten: Die Osthälfte der V. St. ist für den Ackerbau geeignet, während die Westhälfte ihn grofsenteils ausschhefst. Hier herrscht von Natur Steppe und 378 ^i^ natürlichen Bedingungen. Wüste, dort Wuld und Wiese. Zum Teil ist dieses grofse, dem Ackerbau entzogene Gebiet der Viehzucht zugängHch. Mit dem Unterschiede der atmosphärischen Feuchtigkeit geht. Hand in Hand ein Unterschied in den Temperaturgegensätzen der Tages- und Jahreszeiten, die bei vorwaltender Feuchtigkeit geneigter sind, sich auszugleichen, als bei Trockenheit. Durch extreme und rasch wechselnde Temperaturunterschiede, vorzüglich durch unerwartete Nachtfröste^) und Reife und durch unberechenbare Frühsommer- und Herbstfröste verliert die Westhälfte der V. St. noch von den wenigen ihr bleibenden Möglichkeiten des Ackerbaues. Übrigens ist diese Schärfe der Gegensätze in der Verteilung der Wärme an die Jahres- und Tageszeiten Nordamerika überhaupt eigen; sie tritt nur im Westen mehr hervor. Im Osten ist sie nicht im stände, im grofsen für den Ackerbau wesentlich andere Be- dingungen zu schaffen als die von Mitteleuropa, aber einzelne Kulturen, wie z. B. die der Rebe werden vorwiegend durch sie unmöglich gemacht. Dagegen bewirkt im Süden dieser Gegensatz- reichtum des Klimas ein ungemilderteres Hervortreten der Winter- und Frühjahrskälte, welche die empfindlichen Citronen- und Orangenbäume auf enge Bezirke einschränkt. Das Ostgebiet. Bei im ganzen genügenden Regen- und Wärmemengen bleibt in der Osthälfte der V. St. die Boden- })eschaffenheit vom gröCsten Kinflufs auf die Fruchtbarkeit. Wir haben ihre Grundzüge in der Einleitung besprochen. Der ganze nordöstliche Winkel der V. St. zwischen dem Hudson , dem S. Lorenz und dem Meere, ein Gebiet, das aufser den sechs sog. Neuengland-Staaten auch noch ein Stück vom Staate New York umschlieCst, wegen seiner dichten, höchst energischen und in- telligenten Bevölkerung für die Kultur von ganz Nordamerika wichtig, ist durch felsige und steinige Bodenbeschaffenheit, sowie durch das rauhe Klima dem Ackerbau wenig günstig. Wir haben 1) Gej?en die Nachtfröste wird seit lange schrm in manchen Teilen der V. St. der Schutz durdi Rauchwolken der in den Feld(»rn und (lärton an- gf^zündctcn Feuer verHucht. In Gegenden, die den Nachti'röHten so sehr aus- gesetzt sind, wie gewisse Thiller Pennsylvaniens, sind diese nächtlichen Rauch- leuer im KriiliHommer eine gewolniliche Erscheinung. Das Ostgebiet. 379 die Schuttdecke von vorwiegend eiszeitlichem Ursprung kennen gelernt. Der ihr angehörige Boden Neuenglands ist fast sprich- wörtlich arm und die Zahl der Landbauer hat durch Auswanderung nach dem Westen in den letzten Jahrzehnten erheblich abge- nommen'). Weiter nach Süden herrschen die aus der Zersetzung des Bodens hervorgehenden, noch immer sich bildenden »Grund- schuttgesteine«, Thon und Sand, vor. Wo die Alleghanies immer mehr von der Küste zurücktreten, lassen sie zwischen sich und dem Meere einen geräumigen, wohlbewässerten Tieflandstreifen, der besonders von Virginien südwärts sehr fruchtbar ist. Freilich liegen viele Hunderttausende von Acres dort brach, nachdem sie durch Jahrzehnte lang ununterbrochen fortgesetzten Raubbau erschöpft sind. Man behauptet, dal's diese Öden sich sehr rasch wieder mit Föhrenwald bedecken. Unfruchtbar sind hier nur die weiten Küstensümpfe, von denen allein der Dismal Swamp in Virginien und Nord -Carolina 2000 qkm einnimmt, während auf der Halbinsel Florida die Hälfte alles Landes durch sumpfige oder sandige Beschaffenheit dem Anbau entzogen ist. Von geringer Fruchtbarkeit sind weit erstreckte Sandflächen und -Hügel, die besonders ausgedehnt in Nord-Carolina und Florida vorkommen und fast ausschliefslich mit lichtem Föhrenwalde bedeckt sind (Pine Barrens). Das Gebirge der Alleghanies ist in seinen über 1000 m liegenden Teilen rauh, beherbergt aber zahlreiche Thäler, deren Sohle niedrig genug liegt, um den Ackerbau sogar in gröfserer Ausdehnung zuzulassen. Durch seine geringe mittlere Höhe ist dieses Gebirge dem Ackerbau im ganzen günstiger als die meisten Mittelgebirge Deutschlands vmd für die Viehzuclit bietet es vielfach gute Bedingungen. Dagegen ist der Abfall der Alleghanies nach Westen hin in Kentucky und Tennessee durch Kalkplateaus bezeichnet, mit fast wagrechter, nur stellenw^eise sehr ergiebiger Oberfläche. Zu den reichsten Böden gehört wieder das 1) In New Hampshire, Massachusetts und Connecticut sind alte Farmen in den letzten 30 Jahren mit Föhren angepflanzt worden oder haben sich selbst mit Buschwald bedeckt. Auch Virginien hat bereits seine Hochäcker in dem auf alten Tabaksfeldern aufgesprofsten Buschwald. Vgl. u. S. 414 und Report of the Comm. of Agriculture f. 1875 p. 251. 380 Der Ackerboden der östlichen zum Steilabfall der Hochufer des Mississippi , den Bluffs , lang- sam sich senkende Flachland. Es besteht aus einem kieselerde- reichen Lehm (unserem Löls ähnlich), der einen schweren, frucht- baren Boden bildet. Stätten grofser Fruchtbarkeit sind auch die Schweimnländer des Ohio und Mississippi und die leichtwelligen erhöhten Ebenen zwischen dem Ohio, Mississippi und den Grofsen Seen. Ihr schwarzer, fetter Boden ist die passendste Nahrung für enorme Weizen- und Maisernten. Der Strich zmschen der Ost- grenze von Ohio und den mittleren Teilen von Kansas und Nebraska, oder zwischen dem 81. und 95." w. L., der die frucht- barsten Teile des Ohio-, Mississippi- und Missouri - Gebietes um- schlielst, wird mit vollem Recht als die Fruchtbare Zone (the Fer- tile Belt) bezeichnet. Auch auf dem rechten oder westlichen Ufer des Vaters der Ströme ist die Fruchtbarkeit grofs, aber die rasch fortschreitende Abnahme der Feuchtigkeit nach Westen zu und das Herantreten der Ozark Mts. und des Llano Estacado macht die fruchtbare Zone schmäler als am östlichen Ufer. Die Baum- armut erleichtert hier die Arbeit der Lichtung, die Ebenheit die Anwendung der Maschinen, die nirgends in grofsartigerem Mafse geschieht wie in den östlichen Präriestaaten. Im Süden um- schliefst Texas eine grofse Erstreckung höchst fruchtbaren Landes längs der Küste und in den Thälern des Red. R., Brazos, Colorado u. s. w., während sein Inneres gegen Westen trocken und öd wird. Getreideböden, die den besten europäischen, etwa dem süd- russischen oder ungarischen gleichen, sind im Ohio-, Seen- und Mississippi-Gebiet vielleicht fünfnial so verbreitet, wie in diesen Kornkammern Europas. Sie liaben weniger von Trocknissen, aber eben so viel von Heuschrecken und anderem Ungeziefer zu leiden. Auf der anderen Seite entspricht dem kargen Boden Nordeuro] )as, etwa dem des gröfsten Teiles von Schweden und Schottland, der Neuenglaiids mit ungefähr e})en so grofser Flächenausbreitung, von dem der WY-izenbau sicli in unseren Tagen fast ganz zurück- gezogen hat, während mit grofscm Eifer und Einsicht der Garten- bau nach allen Richtungen gepflegt wird. Dem Sand- und Kiesel- b<»d< 11 Xorddcutsclilands entspricht der der Driftregion im Nord- westen zwischen dem, Michigansee und der Steppe. Einen und mittleren Staaten. 381 wesentlichen Unterschied zu Gunsten Nordamerikas bedingt aber der Mangel jener weiten Strecken unproduktiven Bodens, der in Gestalt der felsigen oder schneebedeckten Teile unserer Hoch- und Mittelgebirge und Hochebenen sich zwischen die frucht- barsten Länder Europas hineinschiebt. Einen weiteren Vorteil klimatischer Art haben wir schon hervorgehoben, nämlich die aus- giebige Feuchtigkeit des östlichen Teiles der V. St. Durch sie wird die geringere Milde des Klimas mehr als ausgeglichen, denn unter der Vereinigung italienischer Sommer Wärmegrade mit norwegischen Regenmengen herrscht ein üppiges Gedeihen. Man findet das Gegenstück nur in Süd- und Mittel-China, die zu den fruchtbarsten Ländern der Erde zu rechnen sind^). Man darf überhaupt die gröfseren Regenmengen als einen Vorzug bezeichnen, dessen auch nördlichere Teile des östlichen und Centralgebietes sich erfreuen. Natürlich ist er nicht ungemischt; Baumwolle und Kartoffeln leiden nicht selten unter dem Übermafs der Sommerregen. Aber die Kornkammern von Indiana, Michigan, Illinois, Missouri haben mit ihrem Regenfall von durchsclmittlich jährlich 1000 bis 1 100 mm für ihre Ernten kaum jemals etwas von der Dürre zu fürchten, die in Ungarn und Südrufsland bei nur '"^/a so grofsen Regenmengen ein sehr gefährlicher Feind ist. Wenn jene eine fast stetig ansteigende Kurve der Produktion erkennen lassen, so ist ein grofser Teil der Ursache in den geringeren Schwankungen der sommerlichen Wärme und Feuchtigkeit zu suchen. Fafst man also die ackerbaulichen Möglichkeiten zusammen, die das Gebiet der östlichen V. St. aufweist, so ist in erster Linie 1) Und dabei kann auch in diesen altbesiedelten Teilen sich der Anbau noch weit ausdehnen. Noch 1857 hob Prof. Everett hervor, dafs die ge- waltige Produktion Louisianas sich fast ausschliefslich auf die unmittelbare Umgebung des Mississippi stütze, und dafs die Kultur sich im allgemeinen nicht mehr als 1 engl. M. von seinen Ufern landeinwärts erstrecke. (Rep. Am. Geogr. Soc. 1857. 15.) Die grofse Fruchtbarkeit des Mississippi-Deltas ist auch heute sicherhch nicht zum zehnten Teil ausgenützt. Im 1880 er Censuswerk sagt H i 1 g a r d , dafs der Schutz des Yazoo-Tief landes vor Überschwemmungen des Mississippi die Baumwoll-P>nte verdreifachen könnte. Im atlantischen Tiefland sind die alten Reisländer und andere Küstensümpfe noch der Kultur zugäng- lich zu machen. Selbst in dem dichtbevölkerten Staat New York sin(.l erst jetzt Vorarbeiten für die Drainierung der Oak Orchard Swamps gemacht, die in den Grafschaften Genesee, Orleans, Niagara und Eric liegen. Vgl. S.80 u. 141. 382 Der dürre Westen. Linie die Begünstigung durch reichliche Niederschläge und warme Sommer, dann die geringe Ausdehiumg unproduktiver Gebiete in Hoch- und Mittelgebirgen, endlich die Anzahl der noch immer vorhandenen jungfräulichen, mit voller natürlicher Fruchtbarkeit begabten Ländereien hervorzuheben. Als Gegengewicht fallen in die Wagschale nur die Strenge des Winters und die Frühlings- fröste und dann die unbesonnene Vernichtung der Fruchtbarkeit des Bodens durch fortgesetzten Raubbau. Beide sind indessen nicht im stände, den V. St. ö. des Steppengebietes den Vorzug hervorragender Fruchtbarkeit zu rauben, mit welchem sie jedes gleichgrolse Gebiet innerhalb der gemäfsigten Zonen, mit einziger Ausnahme Chinas, übertreffen. Aber auch der Geist und die Thatkraft sind nicht zu über- sehen (vgl. S. 99 f. und 422), die förderlich auf die Entwickelung der natürlichen Hilfsquellen einwirken. Wir schliefsen uns ganz besonders auch im Hinblick auf sie der Meinung an, die Max Sering 1887 aussprach, dafs die Weizenernte der V.St. in den nächsten 20 Jahren nicht blofs durch räumliche Ausdehnung, sondern auch durch Steigerung der Durchschnittsernte sich noch verdoppeln könne. Der dürre Westen.^) In der Steppenregion, in die man, vom Ackerbaustandpunkte betrachtet, schon manche Strecke w. vom 95. Breitegrad rechnen kann, — Dodge City in Kansas und Rugby in Nebraska sind die vorgeschobensten gröfseren Acker- siedelungen auf der Grenze des Prärie- und Steppenlandes — ist es freilich sehr viel anders bestellt. Hier können wir auch in den besseren Staaten nur ein Fünf zehntel bis ein Zw^anzigstel, in den minder begünstigten sogar nicht mehr als ein Hundertstel des Bodens als noch den Anbau lohnend bezeichnen. Selbst in dem zweifel- 1) Die erschöpl'endstcn Sammhingcu von Thatsachen über das Trocken- gebiet und die Möglichkeit seiner Bewässerung enthalten folgende amtliche Werke : Reports on the T^ands of the Arid Region of tho U. S. With a more detailcd Account ot' tho Lands of Utah. By J. AV. Powell. 1879. — Irrigation and Watcr Storage in the Arid Regions, Rei)ürt of the Chief Signal Ofliccr (A. W. Greely) 1891. — Die CcnsuB-Bulletins über Irrigation und Artesische r.riiMuon in Arizona, Colorado, Idaho, Kalifornien, Montana, Neu-Mexiko, Nova.Ia, ()rfgr,n, Utali und Wiisliingtoii 1891/92. Mifsjahre. 333 los besten von allen, Kalifornien, hält im Norden der wilde Ge- birgscharakter und im Süden das dürre Klima die Entwickelung des Ackerbaues in engen Schranken und wohl nur die Hälfte des allerdings sehr grofsen Areals kann als ihm einschränkungslos zugänglich betrachtet w^erden; aber auch in dieser Hälfte bedarf er fast überall der künsthchen Bewässerung, die in den letzten Jahren selbst in dem fruchtbaren Willamette-Thal Oregons einge- führt worden ist. Dabei ist aber noch nicht die Unsicherheit der Erträge, eine Folge der allen diesen dürren Klimaten eigenen un- berechenbaren Wechselhaftigkeit der Witterung, in Betracht ge- zogen. Selbst Kalifornien hat in Ackerbau und Viehzucht Mifs- jahre zu verzeichnen, wie man sie im Osten und in der Mitte des Landes nicht kennt. Es sind dort und auch in Texas dürre Jahre dagewesen, die nicht nur die Ernte schädigten, sondern auch den Bestand der Herden rasch auf ein Viertel bis ein Drittel ver- minderten. Auch die Viehzucht ist ohne regelmäfsige Wasser- zufuhr nicht möglich. Der natürliche Graswuchs der Steppe ist äufserst gering und in verschiedenen Jahren sehr ungleich. Die unberechenbare Länge und Härte der Winter des Steppengebietes, in denen ein mäfsiger Heuvorrat bald aufgezehrt ist und fabel- hafte Preise erreicht, mufs in Rechnung gezogen werden. Man braucht hier viele Acres, um ebensoviel Heu zu erzeugen, wie in New- York oder Ohio von einem Acre. Der weitaus gröfste Teil der künstlichen Bew^ässerung kommt in der That der Heuerzeugung zu gute. An die Stelle der Fieber der Tief- und Waldländer treten im Prärien- und Steppengebiet die Stürme und raschen Temperatur- wechsel, die dem Menschen und seinen Tieren Schaden bringen. Fast jeder Winter verursacht durch Schneestürme schwere Ver- luste an Menschen und Haustieren. 1865 erfroren die Pferde von Oberst Coles Cavallerie am Powder-Flufs, im Winter 1872/73 ver- loren in Minnesota Hunderte von Menschen ihr Leben hn Schnee. Für die Herden wird nicht blofs der fallende, verwehende Schnee, sondern auch die Eiskruste verderbhch, die auf ihm sich bildet und bei deren Durchbrechung die Tiere sich Hufe und Schnauze verwunden. Die Verwüstung durch Frost, Hunger und Seuchen in den Herden, besonders auf den Steppen, ist gewaltig — es gibt 384 Die Steppengebiete des Südens. Jahre, in denen in den \\^estgebirgen die Schneestürme eines Winters 70 "/o der Schafe töteten. — Verfolgt man im Süden den 32. Breitegrad, so dm'chwandert man bis San Antonio eine wohlbewässerte Prärieregion mit grölseren und kleineren Wäldern; aber 150 km weiter w. ist der Humus eine dünne Schicht, die Bäche sind Fiumai'en, die Wälder in die Thäler zurück- gezogen, die Regenmenge klein und so ungleich verteilt, dals auf ein Jahr mit heftigen Güssen zwei oder drei fast ganz dürre folgen, in denen die Vegetation zu Staub verdorrt. Jenseits des 100. Längen- grades wird die Humuserde noch dünner und das nahrhafte Büffelgras imnmt ab. Bis zum Rio Grande findet man von ausdauernden Gewässern nur emige Quellen und den Pecos, der aber wegen seines Salzgehaltes und der Steilheit seiner Thalwände zur Irrigation fast nirgends taugüch ist. Etwas weiter n. finden sich dagegen Streifen guten Landes all die Flüfschen (Fiumaren) entlang, die aus dem Llano Estacado heraus- konnnen. Die Oberliäche des Llano Estacado ist unkiütivierbar. Ganz West-Texas hat eine sehr bergige, bald plateauartige, bald in Gebirgs- ketten aufgelöste Bodengestalt; diese Bodenerhebungen sind felsig, weing bewachsen. Neu-]Mexiko hat im allgemeinen denselben Charakter, luu- dafs seine Höhenzüge oft höher und durch breitere Einsenkungen getrennt sind, in denen besonders im nördlichen Teil erhebüche Strecken fruchtbaren Landes Hegen. Arizona ist dagegen wieder gebirgiger, kahler und dürrer, hat aber in seinem südlichen Teil, der an Sonora grenzt, einen ca. 10 deutsche M. breiten Streif (besonders in der Nähe von Ft. Buchanan) kulturfähigen ] jandes. Die Thäler des Colorado und Güa und ihrer wenig zahheichen Nebenflüsse haben, wo sie von nicht allzu- steil abfallenden Hängen ehigefafst sind, Humusstreifen bis höchstens 4 km Breite. Nach den Berichten des Surveyor General haben Neu-Mexiko und Arizona etwa 1 Mill. Acres bebaubaren, d. h. bevvässerbaren Landes, Neu-Mexilco ein Siebzigstel, Arizona ein Achtzigstel ihrer Fläche. In derselben Breite fortgehend kreuzt man den unteren Colorado untl durchquert den südlichsten Teil von Kahfornien, der in der Breite von 180 km bis zur Bernardino-Kette eine fast oasenlose Wüste ist; erst in dem letzten Teile des Weges ist das Land in einem ca. 45 km breiten Streif zwischen Gebirg und Meer bei künstlicher Bewässerung anbaufähig. Weiter n.ist längs dem 35. ]ireitegrad, der das lndianer-Territt)rium, Neu-Mexiko und Arizona nahezu halbiert, in der östlichen Hälfte des ersteren ein bewässertes, stellenweise bewaldetes, in den Flufsniede- rimgen fruchtbares Land. Vielleicht die Hälfte des Bodens ist hiei- dem Ackerl»au zugänghch. 150 km weiter w. ist das fruchtbare Land auf die l''lufstliiiler beschränkt und verschwindet fast ganz in der Nacljbarsclial'l des KX). Längengrades. Li diesc^m Zustande bleibt es Die mittleren Steppensebiete. 385 bis Neu-Mexiko, wo in den Tiialweitungen des Rio Grande mit künst- licher Bewässerung Ackerbau getrieben wird. In Arizona sind die Berge stellenweis hoch genug, um Feuchtigkeit niederzuschlagen, die Wälder von Föhren und Büsche von Wachholder und in flachen Thalsenkungen auch Graswuchs nährt. Die nächste Linie ist die Linie der Kansas Facifik-Eisenbahn, die Kansas und Colorado fast halbiert und die wir uns durch Utah, Ne- vada und Kahfornien fortgesetzt denken. Kansas ist gleich wie Texas und Indianer-Territorium fruchtbar — auf manchen Farmen von Kansas wm'den in dem fruchtbaren Jahr 1891 Ernten gemacht, deren Wert das Doppelte des Schätzungswertes dev Farm betrug — , wenn auch gelegent- hchen Trocknissen ausgesetzt, bis zum 98. Längengrad, aber hier beginnt die Steppennatm- sich einzustellen und jenseits Ft. Hayes hört die Möghchkeit des Ackerbaues ohne künstüche Bewässermig auf. An den Flüssen finden sich hier und weiterhin in Colorado schmale Streifen bewässerbaren Landes, die breiter werden mit der Annäherung an das Gebii-ge. In dem Felsengebii'ge von Colorado ist wegen des steilen Abfalles der schmalen, hochwandigen Thäler und der hohen Lage der nach ihrer Bodengestaltung für den Ackerbau nicht ungünstigen Parks das anbaubare Land spärlich; nach dem Bericht des Surveyor General ist es in Colorado und A^'yoming nicht höher als ein Fünfzehntel des Gebietes zu schätzen. Weiter nach Westen gehend kommen wir dui'ch ein gebirgiges Land, grofsenteils Wermut-Steppe, mit W^äldern auf den höchsten Abhängen und Kämmen, bis am Westfufs der Wahsatch Mts. 'wieder eine Lhiie von Ansiedelungen auftritt, in welchen das von den Gebh-gen kommende Wasser zu Zwecken der Irrigation verwendet wird'). Weiter w. treten die zahlreichen n. und s. ziehenden Gebirge auf, die sandige Wüstenthäler von dvu'chschnittlich 30 km Breite mit zahlreichen Salzseen und Salzsümpfen einschhessen. Mit Ausnahme an Zahl geringer und beschränkter Quell-Oasen ist in dieser ganzen Region kein für den Ackerbau verwertbares Land*). Der Ostabhang der Sierra Nevada besitzt gleichfalls eine Reihe von Oasen an den 1) Indem die engbegi-enzten Kiiltnrbediugungen dieser Gegend zu einer grofsen Ausbreitung nötigten, wurden die Mormonen zwar gezwungen, sich ü1>er einen Eaum auszudehnen , der heute in 1000 km Länge von Idaho bis Arizona zieht; aber alle ihre Ansiedelungen zusammengelegt würden nur einen wenige Meilen breiten Streif von dieser Länge bilden, wie sie denn auch in Wirklichkeit aus nichts anderem als Streifen bewässerten Landes am Fufs der Gebirge und am Eand der Flüsse und Seen bestehen. 2) Die Berechnung von Watson und Eaton (Gl. King, Geol. 40'^ Par. 1871), dafs im nördlichen Nevada etwa S'/o, vom südlichen Teil des Staates und dem westlichen Utah nicht ganz so viel sich kulturfähig erweisen möchten, niufs heute schon als viel zu optimistisch angesehen worden. Katzel, Die V. St. von Amerika. 2o 386 Die Steppengebiete des Nordens. Bächen und wertvolle Waldbestände ; ■waldi'eich ist auch das Innere des Gebii'ges, aber Ackerland umschherst es nur in einigen Thal- weitungen von beschränkter Ausdehnung und hoher Lage. Erst am Westfuls nimmt die Menge des anbaulähigen Landes zu, ist aber doch in so ausgedehnter Weise von Gebirgszügen unterbrochen und meisten- teils so ganz auf künsthche Bewässerung angewiesen, dafs man nur in der westhchen, der See zu gelegenen Hälfte KaHforniens etwa ein Drittel, in der östHchen, gebii'gigen aber wohl nicht mehr als ein Zwanzigstel als anbaufähig bezeichnen kann '). Weiter n. ist das Land um den 41.", von Omaha bis Ft. Kearney, ungefähr 330 km, eines der besäten, die man im Gebiete der Union findet: wenig Wald, aber genügend Regen, zahheiche kleinere Flüsse und Bäche, fast nie versagende Weizenernten. Die östUche Hälfte von Nebraska gehört cüesem Gebiete an, aber in der westhchen tritt bereits die Steppe auf, wo allerdings noch hnmer guter Weidegrund und in den Thalniederungen bei künsthcher Bewässerung fruchtbares Land zu finden ist, aber doch der weitaus gröfste Teil des Bodens unbenutzbar vnid. In Wyoming, das im Westen an Nebraska stöfst, ist noch Weidegrund in gröfserer Ausdehnung zu finden, aber Ackerland weniger als in Colorado. Von Sherman, der Kammstation der Pacifik- Bahn im Felsengebhge, bis zur Küste des Stillen Meeres hat man dann in dieser Breite so ziemhch dasselbe Schauspiel wie weiter s., nur mit weniger hohen und zerrissenen Gebirgszügen, endhch in Idaho eine Masse von Höhenzügen, zwischen denen bei hinreichendem Regenfall wasserreiche Bäche, gutes Land und an den Abhängen Wälder und Wiesen zu finden sind. Eine sehr unfruchtbare Region in dieser Breite ist jedoch die der grolsen Lavaströme, die vorzüglich im nörd- hchen KaHfornien und nordwesthchen Nevada Gebiete von wenig unter 6000 qkm bedecken, wo noch keine Humusdecke hegt. Geht man dem Parallel von S. Paul Minn. entlang von Duluth am Oberen See, so hat man in den ersten 170 km Lärchensümpfe, Seen und wenig Wiesen mit im ganzen wenig gutem Holzwuchs, dann aber in den weiteren 100 km bis zum Mississij)pi eine Seeregion mit gutem Waldbestand. Ähnlich gutes Waldland mit vielem Ackerland Hegt zwischen Mississippi und Red. R., und das Thal des letzteren mit seiner an manchen Stellen 70 km breiten, flachen Niederung gilt für ein aus- gezeichnetes Weizenland. Von da bis zum James R. ist wenig gutes Land und von da zum Missouri aufser den schmalen Tliahncderungen alles Steppe. Das Missouri-Thal selbst ist auf dieser Strecke, und dann auf- wärts von Yankton, selten breit genug für gröfsere Felder mit künst- 1) Die >C<)tti»ii LandH« Kiilil'oniiens wurden inde.s.scn sogiir im Munthly Kop. Afrrif. Dop. f. 1H74 zu 20 Mill. Acres veranschlagt! Grenzgebiet zwischen Prärie und Steppe. 387 lieber Bewässerung. N.- Dakota hat aber mebr für- Ackerbauzwecke nutzbares Land als S.-Dakota aufzuweisen, da die Niederschläge reicher sind; bewässerbare Strecken in den Thälern des Apple Creek und Hart ß. , um Ft. Berthold und an anderen Punkten fallen wenig ins Gewicht. Dünner Weidegrund findet sich durch das ganze Gebiet des Territoriums, wogegen aber Holz aufser dem wenig wertvollen Cotton- wood in den Thalniederungen nur in der kleinen Gebirgsgruppe der Black Hüls in beträchthcher Menge auftritt. Aber selbst hier bildet es, ob Föhre oder Fichte, nur dünne, kleine Stämme. In Montana ist der Yellowstone samt seinen Zuflüssen häufig von grasreichen Niederungen eingefafst. In den westhchen Teilen von Montana und im nördlichen Idaho ist bei meist genügendem RegenfaU sogar Acker- bau ohne Irrigation müghch. Dagegen ist der Columbiaflufs samt seinen Hauptflüssen fast überall in steile Thäler eingefafst, und wo sich Thal- weitungen finden, sind sie nur zu oft lockerer Sand. Erst vom Fufs des Cascadengebü'ges an begegnet man ausgedehnteren Wald- und Wiesenstrecken und zwischen seinem Westabhang und dem Meere sind die regenreichen, müden, fruchtbaren Regionen in Oregon und Wasliington , in denen der Ackerbau nm* den Mangel an heifsen Sommern zu beklagen hat. Vorzügüch der Waldwuchs und die Wiesen sind hier herrhch. Unsere Gründe für die Annahme, dafs dieser nörd- liche Strich der zukunftsreichste des grolsen Westens sei, haben wir oben (S. 149) entwickelt. Das Grenzgebiet zwischen Prärie und Steppe ist überafl bezeichnet durch das Auseinanderrücken des Grases, dessen Hahne immer späilicher zwischen Salbei- und Wermutsträuchern und Cacteen spriefsen. Feuchte Vertiefungen büden noch einmal eine Oase dichteren Graswuchses und auf den trockenen Wölbungen des Bodens erscheint che Steppe früher; ist aber die Vertiefung rings abgeschlossen, dann zeigt sie schon den weilsen Anflug ausgeblüliten Salzes, die Ursache der extremsten Wüstenbüdung. Der Ackerbau ohne künstliche Bewässe- rung hört schon vor dieser Grenze auf, deren Kulturmerkmale magere Herden, Pferde und Schafe auf den dürrsten, Rinder auf den besseren Weiden, und neben den spärlichen und Avenig ausgedehnten Weizen- und Kleefeldern mit Bewässerungsgräben gepflügte Ackerstücke, die wieder verlassen wm'den, trockene Wassergräben und verfallene Hütten sind, die halb in der Erde stecken. Die dünnen Weiden, als ob sie die Einzäunung nicht mehr lohnten, verlaufen grenzlos in die Steppe. In einzelnen Niederungen haben Ansiedler die Zeltlager aufgeschlagen, die den Bretterhütten vorangehen, in den nördlichen Strichen, besonders in Nord-Dakota, stehen auch schon Indianerzelte, die man am sclunutzig- braunen Zelttuch und an den hoch hervorragenden ungleichen Stangen erkennt. Die Cowboys treiben auf flinken Pferden die Herden 25* 388 Die Zukunft des Steppenlandes. zusammen, von denen man oft nicht begreift, was sie im Staub ab- zuweiden suchen, und von deren prekärem , vielbethohten Dasein die überall zerstreuten Knochen, die mi Staub der Steppe die Steine ver- treten, traurigen Bericht gelten. Oft sind diesen noch Reste des jetzt fast verschwundenen Büffels ])eigemengt und an manchen Stehen sind sie zu kleinen Bergen aufgehäuft, mn in che Knochenmühlen gebracht zu werden. Die Eisenbahnen sind, abgesehen von der älteren Union Pacific, so einfach wie möghch gebaut, che Schwellen hegen frei auf der Steppe, nur aUe V'2 deutsche M. steht ein Wärterhäuschen und die Stationen sind oft nichts als AVasser-Reservoirs. Die Zukunft des Steppenlandes. Der grofsartige Optimismus bezüglich des weiten Westens, der auch durch fremde Besucher des Steppenlandes genährt worden w^ar — u. a. ward Edwin Ar- nold, der in einem flüchtigen Artikel schrieb, Nevada sei ihm wie einer der fruchtbar gemachten Striche Indiens vorgekommen, als Autorität für die grofse Zukunft zitiert! — ist in raschem Schwin- den begriffen. Die Fehlernten der letzten 20 Jahre haben ihre Lehren erteilt. Die wiederholten Mifsjahre in den Weizengebieten von S.Dakota veranlafsten die Regierung der V. St. 1890, eine Kommission zu entsenden, die eine grofse Not feststellte und deren Bericht den Rat enthält, vom einseitigen Ackerbau allmählich zur Viehzucht überzugehen. Seit 1889 sind 100000, dann 250000 D. bewilligt worden zu geographischen und hydrographischen Unter- suchungen über die Möglichkeit künstlicher Bewässerung, besonders die Schaffung von Sammelbecken. Erfreulicherweise sind die bisherigen Ergebnisse der wissenschaftlichen Erhebungen doch nicht blofs negativer Natur, sondern lassen für eine gedeihliche Zukunft des fernen Westens mehr Raum als jene an Hazens, »Our Barren Lands« (1875) sich anschlie [senden Kritiken, die alles Land \-oiii 100° w. als heulende Wüste darstellten. Indem die Wissenschaft die Bedingungen des Gedeihens der wichtigsten Kulturpflanzen specialisiertc, fand sie einen mittleren Weg zwischen extremen Urteilen oder Vorurteilen. Die praktischen Erfahrungen der Landbauer kamen ihr dabei zu Hülfe. Wer allein nur die Karten dci- jährlichen Regenmengen in l'owolls (187it) und Greelys Berichi (1H<)2)') vergleicht, wii-d den Eindruck einer 1) S. o. S. .384. .loiio ist eine vervollHtändigte Koproduktion der »Scliott- Hclioii ]{ogonkaite, die im ersten JJiuide dieHCs Werkes verkleinert gegeben Die Zukunft des Steppenlandes. 389 sehr grofsen Bereicherung unseres Wissens von diesem hier vor- zügHch in Betracht kommenden Grolse erhalten. Die nieder- schlagsarmen Räume haben sich nicht vergröfsert, aber in Einzel- heiten der Lage und Gestalt sich erheblich verändert; es umfafst noch immer der gröfste einen Teil von Süd-Kalifornien, Nevada mit wenigen Ausnahmen, das Avestliche Utah und einen Teil des südlichen Arizona, während die kleineren das obere Rio Grande Thal, den Oberlauf des Colorado Chiquito und eine Kette noch nicht genauer bestimmter Gebiete ö. vom Fufse der Westgebirge umfassen. Aufserhalb dieser Gebiete, in denen der Mensch immer nur unbedeutende Oasen -^-ird schaffen können, hat man die Ver- teilung der Niederschläge über das Jahr, die Wärme, die Be- sonnung, die Verdunstung und die Höhenlage schätzen gelernt. Aus ihrer Kombination ergeben sich oft günstige Verhältnisse auch dort, wo die Summe der Niederschläge hoffnungslos gering zu sein schien. Das gerade im letzten Jahre so wichtig gewordene westliche Weizengebiet des westlichen Kansas, Nebraska und Dakota würde mit seiner Regenmenge, die ein Drittel bis die Hälfte von derjenigen der mittleren atlantischen Staaten beträgt, der Unfruchtbarkeit verfallen sein, wenn nicht 60% zwischen April und Juli fielen, den Monaten, die für den Weizenbau die ent- scheidenden sind. Die Gebirgsstaaten Wyoming und Montana schliefsen sich an. Auch Colorado kann noch diesen Staaten an- gereiht werden, zeigt aber bereits eine Verschiebung des Regen- maximums auf Juli und August, während Neu-Mexiko und das nördliche Arizona eine Gruppe für sich mit ganz ausgesprochenen Hochsommerregen bilden, denen nahezu regenlose Winter gegen- überstehen. Bei grofser Wärme und Verdunstung schafft diese Verteilung ein ausgesprochen wüstenhaftes KHma, das auch in einen Teil von Utah hinübergreift. In Süd-Kalifornien und Nevada kommen dagegen praktisch nur die Winter- und Frühlingsnieder- schläge in Betracht. Die regenärmste und oft regenlose Zeit sind die »kritischen« Hochsommerwochen, in denen das Wachstum und ist. Auf die neueren von Greely herausgegebenen Karten stützt sich die Zeichnung der 20 und 10 Zoll-Regengj-enzen auf der diesen Band begleiten- den Kulturkarte. 390 Kulturgebiete im Steppenland. die Reife abschliefsen und zugleicli der Wasservorrat am kleinsten ist. Schon in San Franzisco fallen nur 2% des Regens zwischen Juni und Oktober. Die Wasserläufe Nevadas bewegen in den Monaten April bis Juli drei Vierteile ihrer ganzen Wassermenge, die zu 62°/o in den fünf Monaten von November bis März fällt. Die Wachstumszeit ist hier die Zeit der Dürre und das Problem der Aufbewahrung der Niederschläge in Form von Firn, Seen oder durch künstliche Stauung erlangt nirgends eine so grofse praktische Wichtigkeit wie hier. Für die Landwirtschaft zerfällt das Land w. von der 20 Zoll Regen- grenze in folgende klimatische Abschnitte: I. Südliche Hälfte. I. Osten: Gebiet der Frühsommer regen: Nebraska, Kansas, Süd-Dakota und Teile von Colorado. IL Süden: Gebiet der Hochsommerregen: Neu-Mexiko, Arizona und Teile von Colorado, Utah und West-Texas. III. Südwesten : G e b i e t d e r W i n t e r r e g e n : Nevada, Siid-Kah- fornien und Teüe von Utah: dieselben Gebiete, in denen die Nieder- scliläge ihr INIinimum erreichen. n. Nördliche Hälfte. I. Osten: Gebiet der Frühsommer regen: Nord-Dakota, Wyoming, Montana. IL Inneres: Gebiet der Winter- und Frühlingsregen: Idaho, das östliche Oregon und Washington. III. Nordwest: Gebiet des Regens zu allen Jahreszeiten mit vorwaltenden Winter- und Frühlingsregen: Der Westen von Oregon und Washington. Man erkennt hier sofort die Begünstigung der östlichen Gebiete vor den westüchen und der im äufsersten Nordwesten gelegenen. Nicht minder deutüch ist der Nachteil der südlichen Staaten zu er- kennen, in denen die Hochsommerregen mit grofser Wärme, also starker Verdunstung zusammentreffen. In allen südlicheren Staaten herrscht das Steppenkhma unbeschränkt und eine Mehrung der Niederschläge kann nur durch die gröfsere Zahl und Erhebung der Gebirge hervorgebraclit werden. Delswegen kann unter den ächten Steppenstaatcii nur noch nach der Lage zu den wasserreichen Hochgebirgen unterschieden werden. Colorado und Wyoming empfangen am unmittelbarsten und meisten aus dem Waöserreichtum der h("»c.listcn Teile des Felsengebirges — Wyomings Oasen und Abstufungen. 39 j^ künstliche Wiesen liegen zu einem grofsen Teile über 2000 m — , Utah, Nevada und Arizona sind am wenigsten durch die Nachbai-schaft hoher Gebirge l)egünstigt. Idaho und Neu-Mexiko stehen näher bei ilmen als bei jenen. Unter aUeu ist Nevada, der westüchste Steppenstaat, am ärmsten mit nutzl^arcm Wasser versehen; ihm stehen das Cafion- gebiet des südlichen Utah und Arizonas und die Wüste Süd-Kaliforniens am nächsten'). Es ist aber wolil zu beherzigen, dafs die kleinere Wassermenge auf den tiefer gelegenen warmen Feldern vorteilhaftere Verwendung finden kann, als die gröfsere auf den hochgelegenen, käl- teren. Der Ackerbau hat in den Hochländern des Westens an manchen Stellen seine äulserste Höhengrenze erreicht, an anderen sammeln .die über 1500 m vordiingenden Ansiedler noch immer Erfahrungen, die sie weiter führen. In der Bear Lake-Grafschaft in Idaho, wo die Acker- gründe bis gegen 6000 engl. Fufs hinaufziehen, glaubte man zuerst wegen der in aUen Sommermonaten auftretenden Fröste nur Hafer ziehen zu können, hat aber alle kleinen Getreide und Gemüse zur Reife gebracht. Man hat gelernt, dafs in den hohen Lagen die zu frühe Bespülung mit kaltem ^^^asser das Wachstum der Pflanzen zurückhält, und dafs dm-ch aUzu reiclihche Wasserzufuhr das Wachstum auf Kosten der Reife hinausgezogen wird'*). Oasen und Abstufungen. Jenseits der groCseu Grenze trennen weniger scharfe Linien die Gebiete, in denen künstliche Bewäs- serung eine zwingende Notwendigkeit, von denen, deren Acker jedes andere oder dritte Jahr genügenden Regen empfangen, in denen also das flief sende Wasser die Reserve bildet, die im Not- fall herangezogen wird. Bestimmte Pflanzen, besonders die der Gärten, brauchen aber hier selbst in den niederschlagsreicheren Jahren das Wasser der Leitungen. Ehe man in Gebiete, wde Nevada und Utah kommt, die den Namen »wüstenhaft« verdienen, da die künstliche Bewässerung nur in geringem Mafse und auf zer- 1) Die Zunahme der Niederschläge mit der Höhe ist sicherlich grofsen Wechseln unterworfen und ist erst noch genauer zu studiereu. Nach einer Liste bei Greely, Irrigation etc. S. 10, beträgt die Zunahme von IMeereshöhe in Arizona bis 5000 engl. F. 400/0, in Kahfornien bis 7000 engl. F. 20",'o, in Nevada bis 7000 engl. F. 23«/o, in Colorado zwischen 4000 und 7000 F. 9»/o; in Arizona nimmt die Niederschlagsmenge jenseits 5000 F. wenig, in TTtah jenseits 7000 F. kaum glaublich ! — um 40^/0 ! ab. 2) Über die mancherlei Abstufungen des Einflusses des festen Wassers, als Schnee, Firn und Gletscher vgl. den Aufsatz: »Schnee, Firn und künst- hche Bewässerung im Westen Nordamerikas«, Geogr. ]\Iitteil. 1893. 392 Oasen nml Abstut'unsjen. streuten Stelleu, ächteu Oasen, möglich ist, durchschueidet man diese Staaten, auf die der Name »Subhumid« angewandt zu werden pflegt. Er hat hier aber doch einen etwas anderen Sinn als an der äufseren Grenze, im östlichen Nebraska oder Dakota, da er nicht einen dauernden, sondern unrcgelmäfsig wiederkehrenden Zustand dar- stellt. Man kann sagen: Die Niederschlagsmengen sind nicht so gering, wie im Herzen des Steppengebietes, aber noch unregel- mäfsiger. Da n. vom 45. Breitegrad die Niederschkäge im ganzen Westen zunelunen, gehören Nord-Dakota, Montana und die östliche Hälfte von Oregon hierher. Aber es fallen auch Teile von Nord-Kali- fornien und West-Oregon noch herein. Sogar ein Strich in Utah, am Ful's der Wahsatch-Kette, erträgt vermöge der feuchtigkeithalten- den Natur des quellenreichen Bodens »Dry Farming« ; wahrschein- lich trägt aber zu dem Bestreben, ohne Bewässerung auszukommen, auch die Salzhaltigkeit des nahen Malade -Flusses bei. Berichte aus dem südöstlichen Idaho melden, dafs manche Farmer wegen der Mühe und Kosten der Bewässerung die Möglichkeit schlechter Resultate bei »Dry Farming« dadurch ausgleichen, dafs sie gröfsere Flächen unter Kultur nehmen. Wahrscheinlich liegt hier nur eine der Entwäckelungserscheinungen des Ackerbaues im fernen Westen vor. Es ist zu beachten, dafs von allen Getreiden, ausgenommen den Mais, und von den Kartoffeln der durchschnittliche Ertrag des bewässerten Ackers im dürren Westen über dem Durchschnitt der V. St. ^) steht. Wo die Bewässerung schon längere Zeit besteht, hat sie eine intensivere Kultur hervorgebracht, mehr natürlich im Süden, wo die Wärme den gartenartigen Anbau begünstigt als im Norden, wo mehr Wiesenbau angestrebt wird. In dieser Be- ziehung bilden Utah und Wyoming die Extreme, trotzdem sie nebeneinanderliegen. Dort ist ein bewässertes Land durchschnittlich fast fünfmal so klein als hier, wo die grofsen Farmen ebenso die Regel sind, wie dort die kleinen. Aber dort ist das hauptsäch- lichste Erzeugnis der bewässerten Felder Heu, hier die mannig- faltigsten Feld- imd Gartenfrüchte, deren Wert inelir als do}>pelt so grofs ist als auf der gleichen Fläche dort. Montana steht Wyoming 1) Y^]. (Vw Ziis;iiiiinciist('llniiL'('ii in .loliii N. Irvins A Great Domain l»y Irrigation 18Ü1. Künstliche Bewässerung:. 393 am nächsten. Bezeichnenderweise nähern sich die Verhältnisse Wyomings denen Utahs am meisten im Norden, wo am Fufs der Bighorn-Ivette und im Südosten, wo an der Grenze von Colorado niedrigere Lagen vorwalten. Nevada, dessen bewässerte Gebiete häufig weite Sumpfflächen sind, Montana, mit einer mittleren Höhe von gegen 1500 m, verhalten sich in der Gröfse der bewässerten Gebiete ähnlich wie Wyoming, wogegen Neu -Mexiko, Arizona und Süd-Kalifornien Utah nahestehen. Oregon und Idalio halten sich in der Mitte. Man kann im allgemeinen sagen, dafs aufser- halb des Gebietes extremer Niederschlagsarmut und grofser Wärme bei mäfsiger und zum Teil geringer Erhebung die Landwirtschaft einer Anzahl verschiedenster Bedingungen begegnen wird, die sie einzeln oder deren Gesamtwirkung sie ausnutzen kann. Gegen- über der optimistischen Anschauung von der dauernden Verbes- serung des Klimas durch L'rigation und Anpflanzung, die sogar Greely teilt, verhalten wir uns aber einstweilen zweifelnd^). Günstige Märkte für die Erzeugnisse der Felder und Gärten, wie die Bergbaustaaten Colorado und Montana bieten, wirken natürlich auf die eindringende Bearbeitung kleinerer Flächen hin. Durchschnittliche Gröfse der bewässerten Farmen^): Erste Gruppe: Nevada . . . 192 Acres Arizona . . . 61 Acres Wyoming . . 119 » Oregon . . . 56 » Montana 95 » Idaho . . . Zweite Gruppe: 50 » Utah . . . . 27 Acres Neu-Mexiko . . 30 Acres Künstliche Bewässerung. Die Frage des Ersatzes für mangelnde Regenmengen bleibt für den Westen der V. St. unter allen wirtschaftlichen Problemen das wichtigste. Je mehr die 1) Greely glaubt an eine praktisch folgenreiche Änderung der klima- tischen Bedingungen durch gröfse Irrigationsanlagen einmal für die Gebiete, wo solche Anlagen gemacht werden, dann für die leewärts gelegenen Gebiete, weil die Menge des Wasserdampfes in der Luft erhöht wird. Vgl. den mehr- fach erwähnten Bericht von 1891 S. 9. 2) Der Census von 1890 zählt nur die bestellten Flächen, nicht die Gesamtflächen der Farmen, 394 Künstliche Bewässerung. Bevölkerung sich nach Westen ergossen hat, um so brennender ist die Frage der ktinsthchen Bewässerung geworden, und da das Gedeihen des westhchen Farmers den Geschäftsgang im Osten beeinflufst, reicht das Interesse daran bis New York und Boston. Mäl'sige Bewässerung der Hochebenen und Thäler des Cordilleren- gebietes würde ein gröfseres Gebiet dem Ackerbau erschhefsen als die Gebiete ö. des Mississippi-Beckens und die Vorhindei'ung der allzuhäufig vriederkehrenden Trockenjahre im oberen Missis- sippigebiet und im Missourithal müfste eine viel gröfsere Stetig- keit der Erträgnisse bewirken. Die Erfahrung hat gezeigt, dafs in beschränktem Mafse die wüstesten Regionen am Llano Estacado, in Nebenthälern des Pecos u. s. w. ungemein fruchtbar durch Be- rieselung mit erbohrtem AVasser gemacht werden konnten. Aber zugleich erweisen sich die Grenzen des bewässerbaren Landes als sehr eng gezogen. Der 1890 er Census, der erste, der der künst- lichen Bewässerung eingehende Beachtung schenkt, weist nirgends mehr als ^2% bewässerten Landes nach. Nach seinen Er- hebungen betrug das Land, »auf welchem durch künstliche Be- wässerung im Jahr 1889 Ernten gewonnen wurden«, in New Mexiko . 143,35 engl. Q.-M. oder 0,1 "/o des Gebietes, Oregon . . . 278,04 » » » 0,3 » » Nevada . . . 350,63 » » » 0,3 » » Wyoming . . 358,87 » » » 0,4 » » Montana . . . 547,78 » » » 0,4 » » ^ Idaho .... 339,07 » » » 0,4 » » Utah .... 411,68 » » » 0,5 » » Wenn man in dieser Liste die Staaten, wo am frühesten, ja schon in voreuropäischer Zeit, künstliche Bewässerung angewandt worden ist, Neu-Mexiko, mit dem kleinsten bewässerten Areal vertreten liudet, so kann darin ein Hinweis darauf gesehen werden, wie schwer es ist, die Bewässerung über weite Gebiete auszudehnen. Wohl weisen die jüngsten Gebiete das gröfste bewässerte Areal auf, aber das kommt nicht von der Unerschöpfiichkeit ihrer Ouidlcn, sondern von drr Tlintsache, dafs auf ihren liochgelegenen Ländereien die Bewässerung vorzüglich auf Wiesen und Klee- feldern zum Vorteil dc^r Viehzucht angewandt wird. Vielfach stehen Ausdehnung- und Zukunft. 395 auch in ihnen die günstigst gearteten Quellen und Wasserläufe schon in Nutzung. Wasserläufe von günstiger Lage sind meist heute schon so in Anspruch genoininen, dafs mehr Wasser von ihnen verlangt wird, als sie geben können, und vielfach von den Farmern nur einzelne Teile bewässert werden können, während andere »fallow« liegen l:)leiben müssen. Die ausgedehnten Be- wässerungen, die in Colorado am Rio Grande angelegt wurden, haben bereits denen der Neumexikaner am Mittellauf desselben Flusses das Wasser vermindert. In Colorado und AV^yoming stehen die Zuflüsse des Platte schon alle in Nutzung, in den älteren Gebieten Arizona und Neumexiko ist jedes Wasser belegt, das mit den Mitteln einzelner oder kleiner Gruppen benutzt werden kann. Damit werden aber fast nur tiefgelegene, ungesunde und leicht überschwemmte Bottom-Lands bewässert, während die viel besseren Böden der Hochufer oder Terrassen — Bar- oder Bench- Land — nicht zu erreichen sind. So ist denn auch in den jungen Staaten ; Montana liefert ein gutes Beispiel : die Besiedelung rasch in den westlichen Gebirgsgegenden vorgeschritten, wo die Oberläufe über wenig ergiebiges Land geleitet werden, während in den frucht- baren wärmeren, tiefer gelegenen Gebieten sie zurückgeblieben ist. Die Zukunft liegt in der Benutzung der grofsen Wasser- massen, die zu tief fliefsen, um mit kleinen Mitteln gehoben werden zu können. Man mufs ihnen das Wasser oben entnehmen, wie dem Bärenflufs in Utah, der durch eine Felsenklanun (Canon) in die grofse Anbaufläche des Grofsen Salzsees tritt, und zu dessen beiden Seiten nun vom oberen Ende der Klamm an durch Tunnels und Galerien das Wasser hinuntergeleitet wird. Da bis weit hinaus in die Steppenländer die Regel gilt, dafs die Flüsse und selbst die gröfsten Ströme, wie Missouri und YeUowstone, in tiefen, steil- wandigen Rinnen fliefsen, werden nur grofse Systeme von Kanal- bauten im Stande sein, die grofsen Wassermassen, die jetzt nutz- los dem Osten zurinnen, für den trockenen Westen nutzbar zu machen. Gerade diese beiden Riesenströme nutzen der Bewässerung am wenigsten, weniger als heute der Snake R. und selbst der obere Rio Grande. Man glaubt, viele Hunderttausende von Acres mit ihrem Wasserüberfluls fruchtbar machen zu können. 396 Stauwerke. Quellen. Als grofse natürliche Stauwerke bieten sich die Seen des west- hchen Hochlandes in teilweise günstigster Lage. Die gröfseren wie Tahoe, Bear, Utah bleiben wegen der Schwierigkeit sie zu stauen, aufser Betracht, wogegen für kleinere Seen, wie Donner, Independence und Welcher in Nevada vielversprechende Staupläne entworfen worden sind. In Idaho scheinen die kleinen Seen und Quellsümpfe der Zuflüsse des wasserreichen Suake R. sehr günstig für diesen Zweck geartet zu sein. In höheren Gebirgs- th<älern haben die geologischen Aufnahmen auf eine ganze Anzahl nioränenumschlossener alter Gletscher- und Seebecken hingewiesen, in denen es möglich wäre, von neuem gröfsere Wassermengen auf- zudämmen. In den zahlreichen hoch einmündenden Seitenthälern der Canons in Neu-Mexiko glaubt man ebenfalls günstige Be- dingungen zur Anlage von Stauwerken für die abwärts liegenden Thalterrassen gefunden zu haben. Quellen sind nur von örtlicher Bedeutung, auch wo sie so reich zu Tage treten, wie am Südrand der Lavabetten von (Oregon, auf deren Grund ein grofser Teil des Wasserabflusses der nörd- licheren Gebirge sich sammelt oder am Fufs der Wahsatsch- Kette, wo sie aus den Ablagerungen eines einstigen grofsen Sees (L. Bonncvilla) hervortreten. Wo ihr Wert am gröfsten wäre, wie in Nevada, siird .die meisten heifs oder warm und zu häufig mit Mineralsubstanzeiij beladen, die den Pflanzen des Ackerbauers schädlich sind. Natürlich ist am verbreitetsten der Salzgehalt, der auch in bewässerbarem Boden oft so stark ist, dafs erst jahre- lange Durchspülung ihn beseitigt. Ganze Flüsse wie der Malade in Utah werden durch ihn unbenutzbar gemacht. Die Bewässerung der Felder ist noch in den Anfängen und daher mit Un Vollkommenheiten behaftet. Sie Mdrd in weiten Gebieten fortschreiten, besonders in dem breiten Streifen der sog. »Subhumid Region«, die ö. von dem Land der Dürre von Dakota bis Texas zieht, wo in manchen Jahren der Regen in hinreichender, dazwischen abci' inniier wieder einmal in un- genügender Menge fällt; und sie wird überall dort zurückgehen, wo die Wassermassen ungenügend sind, wie, trotz kostspieliger •Bohrungen, in vielen Teilen von Nevada, oder wo der Salzy-ehalt Artesische Brunnen. 397 sie weder dem ^len sehen noch den Pflanzen von Nutzen sein läist. Vielleicht wird auch in manchen Gebieten noch Wasser gespart werden können, wenn an die Stelle der Zersphtterung in zahllose Ableitungskanäle, die direkt den Fluls anzapfen, der Bau groiser Sammelkanäle für gröfsere Gebiete getreten sein wird. Man wird nach den Schätzungen des Ackerbauamtes dann im günstigsten Fall aus den 3,4 ^liU. c^km des trockenen Westens 0,4 Mill. mit einfacher Bewässerung und eine vielleicht ebenso grofse Fläche durch Stauanlagen fruchtbar machen können, während 0,7 Mill. als Hochgebirgsland aufser Hechnung stehen. Was die übrig bleibende gröfsere Hälfte anbelangt, so wird ein kleiner Teil als Weideland Verwendung finden und der weitaus gröfste wird immer wüst liegen. Artesische Brunnen. Die Brunnenbohrung hat seit 15 Jahren im trockenen Westen zur Ausdehnung der künstlichen Bewässerung, zur Wasserversorgung der Städte und der Eisenbahnen beigetragen. Einige glückhche Wasserfunde in Californien und Colorado hal)en zu zahlreichen Versuchen angeregt und seit 1880 sind mehrere Millionen Dollars für artesische Brunnen ausgegeben worden. Die Regierung der V. St. hat Versuche in den »Great Plains« gemacht, Staaten haben mit Geld- und Landprämien die »Wassersucher« unterstützt und die Eisenbahngesellschaften haben an vielen Stellen gebohrt. In vielen Fällen sind die Ergebnisse entmutigend und haben sicherlich z. B. in Ne^'ada zur Aufgabe mancher Hoffnungen der spärlichen Ackerbauer dieses Wüstenstaates beigetragen. Die Gesellschaft der Union Pacific-Bahn hat bei White-Plains in Nevada einen mehi" als 700 m tiefen, an einer andern Stelle einen 300 m tiefen Brunnen ohne Erfolg, der Staat in vier Grafschaften Brunnen mit geringem Erfolge bohren lassen. Nur die wenigen und spärliches, meist nur für den Hausgebrauch hin- reichendes Wasser hefernden, in lockern Seeausfüllungen 30 bis 60 m tief gebohrten Brunnen haben Nutzen gebracht. In Arizona waren 1889 noch keine Bohrungen geglückt. Sehr bedeutende Förderungen hat dagegen der Ackerbau in Kalifornien, Utah, Dakota, Texas und Colorado durch Brunnenbohrungen erfahren, und es ist sicher, dafs das Brunnenwasser immer eine grofse Bolle in dem Ackerbau der 1) Artesische Brunnen. Artesian Wells for Irrigation. Census Bulletin 193 (1892). — The reqiüsite and qualifiyino; Conditions of Ai'tesian "Wells by Thomas C. C ha mb erlin. 5''' Annual Report U. S. Geological Sur- vey. — Artesian Irrigation on the Great Plains. 11^'' Annual Report U. S. Geological Hurvey (2. Bd.). 398 Politische und sociale Folgen. dürren Gegenden dieser Staaten spielen wii'd. Der 1890 er Census zählt in den Weststaaten 8097 artesische Brunnen auf, nimmt aber an, dafs nicht die Hiilfte für künstliche Bewässerung Verwendung finde. Die dm-chschnitthche Tiefe schätzt er auf 70 m. Die Bewässe- rung von Ackerland mit Brunnen hat nui* in Kalifornien, wo über 38 000 Acres sich dieser "\^^ohlthat erfreuen , Colorado und Utah, — in beiden ca. 6000 Acres — eine beträchthche Ausdehnung erfahren. Günstige Aussichten bieten aufserdem che Dakotas, die vielleicht den gröfsten unterirdischen Wasserreichtmn besitzen; man nünmt an, dafs artesische Brunnen in einem Vierteil des Gebietes erbohrt werden könnten. Verschieden sind die Tiefen, bis zu denen die Bohrung vor- di'ingen mufs, 3- bis 4 mal geringer in den seichten Seeablagerungen des grofsen Beckens in Utah, Idaho, Oregon als in Texas oder Kah- fornien. Der Salzgehalt und die niedere Temperatur oberflächhcher Wässer sind in vielen Fällen der Vegetation schädlich. Am bedenk- lichsten erscheint aber die Abnahme der Wassermasse und des hydi'o- statischen Druckes, die sich in einigen Gebieten gezeigt hat, in denen man die artesischen Brunnen vervielfältigte oder Wassermassen durch Pumpen förderte, so im Becken von Denver und im südhchen Kah- fornien, wo viele Brunnen nur noch in der nassen Jahreszeit Wasser geben. Politische und sociale Folgen. In Neu-Mexiko und Arizona — in einigen Gegenden, z. B. im Salt R. -Thal Arizonas machen die Reste von Bewässerungsanlagen geradezu den Eindruck des Grofsartigen — haben die Spanier indianische Bewässerungsanlagen gefunden, in Kalifornien haben sie sie eingeführt und in diesen Staaten wird noch mancher Kanal benützt, den indianische Hände gegraben haben. In den nördlicheren Staaten ist dagegen die 15e- wässerung von Ansiedlern aus den Oststaaten oder aus Europa ein- gefülni worden. Nur Wenige kannten die künstliche Bewässerung. Einen merklichen Einfiufs hat Utah mit seinen Einwanderern ge- übt, die mit ihren Bewässerungsmethoden nach Idaho über- siedelten und in geringerem Mafso hat Colorado Wyoming beein- flufst. Die spanische Einrichtung des Gemeinbesitzes der Bauern eiues Dorfes an den l^ewässcrnngseinrichtungen und deren Bcauf- siclitigung durch einen gewählten Mayor Domo, der besonders die Zuteilung des Wassers zu leiten hat, ist in Neu-Mexiko auch von «len Nordamerikanci'ii aiigcnoinnion worden; in den jungen Staaten liabcn dagegen Privatrcchic ohne Zahl sich nn die Wasserläufc Politische und sociale Folgen. 399 geheftet, deren Entwirrung einer entsprechenden Anzahl von Ad- vokaten zu thun gibt. Sie werden um so früher zu irgend einer Art von Vergesellschaftung gelangen müssen, je gröfser die, im alten Neu-Mexiko ganz unbekannte Wettbewerbung um das Wasser wird. Die Notwendigkeit der künstlichen Bewässerung ruft der anderen Notwendigkeit grofser Organisationen, welche die Verteilung der kostbaren Flüssigkeit regeln. Nichts ist der vollen Ausnutzung des Wassers auf Ackern und Wiesen hinderlicher als die Zersplitterung der Anlagen, wobei die einzelnen Dämme ungenügend sind und in kleinen Rinnen übermäfsig viel Wasser verdunstet. Schon hat es 1887 eine State Irrigation Convention Kaliforniens ausgesprochen, dafs jeder Wasserlauf öffentliches Eigentum zu sein habe, und dafs eine obere Grenze von 7°/o der Anlagekosten für den Wasserzins festgesetzt werden müsse. Die Ansiedler, die sich auf den trockenen Ländereien von Colorado, Utah u. s. w. niederlief sen, ohne die Notwendigkeit der Bewässerung zu erkennen, begnügten sich mit der Erwerbung von Land nach altem Gebrauch, ohne dazu Wasserrechte zu sichern. Nach den ersten Jahren lehrten sie die mifslungenen Versuche mit »Dry Farming«, dafs sie ein w^ertloses Gut gekauft hatten. Unterdessen war vielleicht die Besiedelung nach dem oberen Laufe des Flusses vorgedrungen und entnahm Wasser in solchem Mafse, dafs Jene nicht mehr genug erhielten. Eine ganz neue Gesetzgebung ist notwendig, um die Wasserrechte sicher zu stellen. Ihre Voraus- setzung wird die genaue Messung der verfügbaren Wassermengen sein, denn nicht nur sind jetzt nicht selten Ansprüche auf mehr Wasser erhoben als in einem strittigen Laufe fiiefst, sondern es haben Richter auch mehr Wasser zugesprochen, als verfügbar ist, und in trockenen Jahren oder Jahresreihen, wie die 1889 endigende, war fast jeder Bach Gegenstand von Streitigkeiten. Gesetze, wie sie in Colorado schon im Gebrauch, in Wyoming u. a. in der Ein- führung sind, setzen die Menge des vorhandenen Wassers fest, ver- teilen sie nach Mafsgabe der Besitzrechte und beaufsichtigen die Leitungen. Die einzige Schattenseite ist die Menge der dadurch nötig w^erdenden Beamten. Da aber die Eutwickelung der Bewäs- serung noch ganz andere Nutzbarmachungen bringen wird, ist 400 Das pacifische Gebiet. auch solche Gesetzgebung nur als der Keim einer künftigen Ent- wickelung zu betrachten. Ein Gesetz für den Staat Wyoming vom 22. Dezember 1890 teüt das Gebiet in vier Bewässerungsgebiete nach den Znllüssen des Platte, des Yellowstone ö. und w. der Bighorn-Kette und des Grofsen Beckens (sowie des Colorado). Jedes dieser Gebiete beaufsichtigt ein Super- intendent, über dem ein Staatsingenieur ^die Oberaufsicht über alle Wasserläufe und Bewässerungsanlagen des Staates führt. An der Spitze der kleineren Bewässerungsgebiete stehen Wasserkommissäre. Der Staatsingenieur läfst die Wasserläufe und -mengen des Staates ver- messen, bestimmt die passenden Lagen und Ländereien für Bewässe- rung, Bewässerungswerke und Stauwerke. Als gesetzliche Einheit wird der Sekundenfuls angenommen und als höchste Zuteilung ein Sekunden- fufs für 70 Acres. Keine Wasserzuteilungen sollen vollzogen werden, ohne dafs das Vorhandensein zuteilbaren Wassers festgestellt ist. Durch die Notw^endigkeit der künstlichen Bewässerung ist die hydrographische Gliederung der Westgebiete nicht nur wirt- schaftlich, sondern auch politisch wichtig geworden. Man würde früher nicht geglaubt haben, dafs Wyoming, das wegen seiner Höhenlage als ein minder zukunftsreiches Gebiet erschien, als Ursprungsland wichtiger Flüsse eine hervorragend selbständige, ja in gewissem Sinne beherrschende Stellung gegenüber Nebraska, Dakota, Montana, Idaho und Utah gewinnen werde. Nun zeigt es sich, dafs von allen Wasserläufen, die für künstliche Bewässe- rung in Wyoming in Betracht kommen, nur die obersten Abschnitte des North Platte und Buren- Flusses aufserhalb der Grenzen des Staates entspringen, so dafs Wyoming das Wasser fast aller seiner Flüsse in erster Linie für sich benützen kann und nur den Über- fiufs an jene Nachbarn abzugeben braucht: »Slie holds the key to the storehouse of agricultural wealth«. Ebenso ist Nevada von KaHfornien abhängig, in dessen Grenzen der gröfste Teil der Sammelgebiete seiner Flüsse gelegen ist. Wenn irgendwo auf der Erde, so ist in diesen Ländern die Wasserscheide berufen, Trägerin dci- polih'schcii rjrcnzo zu werden. Das pacifische Gebiet. Ein an (Iröfsc mit keinem der beiden ])isher ))ctrachtetcn zu vergleichendes, abei- durch sein l^^rträgnis ausgezeichnetes Gebiet linden wir in den Pü c i l'i sclien Staaten, zwischen dem wc-stlichen Al>b;nu'' der ( "ordillei'en und dem Die landwirtschaftlichen Eegionen. 401 Stillen Ocean. So wie sie klimatisch eigenartig sind, weichen sie auch in ihren ackerbaulichen Möglichkeiten und Erzeugnissen weit von den in gleicher Breite liegenden atlantischen Gebieten ab. Baumwolle und Mais treten ganz in den Hintergrund; Weizen, Wein und Südfrüchte nehmen die erste Stelle ein. Erst im äufsersten Nordwesten tritt in den Hafergebieten Washingtons (und der angrenzenden Teile von Britisch-Kolumbien) eine voll- ständige Übereinstimmung der Erzeugnisse mit dem äufsersten Nordosten hervor. Im Süden fehlt nicht die Wärme, wohl aber die Feuchtigkeit, die für Mais und Baumwollenbau unentbehrlich ist, im Norden aber (und in der Nähe der Küste auch bis gegen 36" südw^ärts) sind die Sommer zu kühl. Mais wird in kleineren Gebieten gebaut und gedeiht sogar vorzüglich bei künstlicher Bewässerung in Süd-Kalifornien, aber er ist dem Klima eben- sowenig angepafst, wie der Weizen begünstigt ist, der in den warmen und trockenen Sommern Kaliforniens Bedingungen des Gedeihens findet, die man ideal genannt hat. Die landwirtschaftlichen Regionen. Nordamerika hat seine Kulturgewächse aus zweierlei Quellen erhalten: aus den mit kühlem, gemäfsigten Klima versehenen Teilen Europas und aus tropischen Gegenden. Diese fanden vorwiegend in den südlichen und jene in den nördlichen Teilen ihre Lebensbedingungen vAdeder. Aber beide Gruppen haben sich in besonderer Weise zu einander gelagert und nach den Eigentümhchkeiten des Klimas und des Bodens in einander verschoben^). Die Grundeigenschaften des nord- amerikanischen Klimas machten sich dabei in der AVeise geltend, dafs einzelne subtropische Gew^ächse im Osten, durch Sommer- wärme und Feuchtigkeit begünstigt, weiter nach Norden hinauf sich verbreiten konnten, während die kalten Winter und Frühlinge einige Bürger gemäfsigter Breiten der Alten Welt weiter nach Süden zurückdrängten. Eine ganze Anzahl europäischer wie tropischer Abkömmlinge ist aus den Hochebenen und Gebirgen 1) Vgl. Engelbrecht, Über den Standort der Landwirtschaftszweige in Nordamerika (Thiels Landwirtschaftliche Jahrbücher 1883) und das mehr- fach genannte Buch Max Serings, Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas 1887. Ratzel, Die V.St. von Amerika. 26 402 I>i»' laiKlwirtsebaftliclu-n des Westens durch die Trockenheit des Khmas ausgeschlossen, während anderen die Feuchtigkeit des Ostens und Südens nicht zusagt. Die von Osten nach Westen zunehmende Exzessivität und Dürre des Klimas bewirkt zusammen mit der in derselben Rich- tung zunehmenden Höhe des Landes, dals die nördlichen Ver- breitungsgrenzen der meisten Kulturgewächse um den 95. bis 100. Längengrad entweder unterbrochen sind oder doch sehr steil nach Süden abfallen. Es ist dieselbe Erscheinung wie beim Über- gang von West- nach Osteuropa. Im einzelnen treten zwar noch manche kleinere Unterschiede hervor, aber die Grundthatsache bleibt bestehen, dafs wir es in den V. St. mit Klimagebieten von derselben Stufe, aber nicht derselben Art, zu thun haben wie in Europa. Dementsprechend sind auch die Gebiete des Ackerbaues im grofsen ähnlich gelagert und weichen in -wichtigen Einzelheiten von einander ab. Die klimatischen und Bodenunterschiede, die wir hervorgehoben haben, bilden die Grundlinien der Zerteilung des grofsen Landes in Gebiete verschiedener ackerbaulicher Leistung ; die Gewächse, mit denen der Ackerbauer diese Bedingungen aus- nützt, prägen ihnen erst den Stempel der wirtschaftlichen Eigen- art auf und zwar dadurch, dafs einige ein entschiedenes Über- gewicht erlangen und andere in innner wiederkehrender natür- licher Verbindung mit einander auftreten. So zerfällt denn zunächst das atlantische Klimagebiet mit seinen subtropischen Sommerregen in ein Baum wollen gebiet und ein Mai s gebiet; das letztere ist vermöge der wunderbaren Anpassungsfähigkeit des Maises viel gröfser als das erstere, schliefst es gewissermafsen in sich ein und erstreckt sich zugleich viel weiter nach Norden. An sie schliefst sich im kälteren, aber noch feuchten Nordosten, von dem gebirgigen Teile von Pennsylvanien durch das an gutem Boden ainie Neuengland nach Kanada ziehend, ein Ilafergebiet an, das mit zunehmender Trockenheit ungefähr bei 80" w. L. in das Weizengebiet des Inneren übergeht. Das Steppengebiet in seinem gegenwärtigen unentwickelten Zustand liaui)tsächlicli dincli diu Unabweislichkeit der künstlichen Bewässerung charakterisiert, legt sich in der ganzen Breite der V. St. \v. \'oi- die atlniitischcn ( Jcbietc und schliefst am Stillen Regionen. 403 Ocean ein kalifornisdies ^^^ei Teilgebiet uiul ein kleines Hafergebiet des Nordwestens ab. Die Anbauflächen der wichtigsten Früchte lassen durch die grofsen, für die Landwirtschaft der V. St. überhaupt charakteristi- schen Schwankungen hindurch seit einigen Jahren geringere Fort- schritte erkennen, als die sich steigernden Ausfuhren vermuten lassen. Es prägt sich die Ankunft der Landwirtschaft in der Nähe der Schranken aus, die ihr das Steppenklima des fernen Westens zieht. Erst die grofsen Bewässerungswerke, an die nun heran- zutreten ist, werden sie wieder einen starken Ruck vorwärts bringen. Aber im ganzen ist jedenfalls die Verschiebung der grofsen Weizengebiete in dem letzten Jahrzehnt ihrer Grenze sehr nahe gekommen. Der Amerikaner, der früher Brot aus dem Weizen des Geneseethales im nördlichen New York afs, ifst es heute aus Weizen von Minnesota oder Dakota, und Rochester (in New York) hat seinen Beinamen Flour-City an Minneapolis ab- getreten. Wenn man erwägt, dafs einst die verheifsenen frucht- baren Länder in Kansas und Nebraska nicht mehr vorhanden sein werden, wenn der Nordwesten ebenso ausgesogen sein wird wie die Mittelstaaten, und manche seiner Farmen so verlassen liegen werden wie manche in Neuengland, und wenn man sieht, wie beschränkt der Strich genügender Niederschläge in diesen west- lichen Staaten ist und wde kostspielig die künstliche Bewässerung, wo sie möglich, sobald sie über den Raum eines Gartens hinaus- geht, so will es schwer glaublich erscheinen, dafs noch einmal eine Periode der ackerbaulichen Expansion eintreten werde wie 1872 — 1885, wo die Anbaufläche um 112 und die Bevölkerung um 44 °/o zunahm. Auf die Viehzucht übt das Klima natürlich keinen so tiefgehenden Einflufs, wie auf den Ackerbau, denn das Klima der V. St. schliefst keines der dort gezüchteten Tiere aus irgend einem Gebiete aus. Es bestünmt aber mittelbar durch seinen Einflufs auf die Pflanzendecke Gebiete gröfseren und geringeren Gedeihens ge\sdsser Zweige der Viehzucht. Auf den dünnbevölkerten Steppen, W'O an manchen Stellen dreifsigmal mehr Rinder, Schafe und Pferde als Menschen leben, treibt die Raucho- Viehzucht, die keine 26* 404 r)i^ natürlichen Gebiete Gemarkungen und Ställe kennt , ihr Wesen , gedeiht nicht blos auf Grasflächen, sondern auch auf Strauchsteppen'), während die Maisstaaten zugleich auch die Gebiete der grofsartigen, auf dem Überflufs an Mais beruhenden und mit .den Maisernten schwankenden Rinder- und Schweinezucht und Quelle der Fleisch- ausfuhr sind. Dort beiindet sich die Hälfte der Schafe und ein Drittel der Rinder, hier die Hälfte der Rinder und drei Fünftel der Schweine des ganzen Landes und der weitaus gröfste Teil der Ausfuhr von Rindern und Rindfleisch stammt aus dem Gürtel Illinois-Nebraska^). So grenzen sich also zwei wichtige Gebiete ab, denen das ganze Baumwollengebiet, das dem Wiesenwuchs un- günstig ist, als ein Land unbeträchtlicher Vieh/Aicht gegenüber- steht, in dem die geringste Zahl der Schafe und Rinder, aber etwa drei Zehntel der Schweine gehalten werden. In dem Bericht des Agricultural Department für 1883 heilst es von den Golf Staaten (aufser Texas): Es gibt hier Vieh, aber kein Fleisch. Der Über- flufs an Mais kommt den Arbeitstieren, wenig der Mästung zu Gute. Im gebirgigen Westen haben die günstigeren Bedingungen für Be- wässerung in den hochgelegenen Gebieten dort, wo Mais nicht mehr regelmäfsig gedeiht, oberhalb 1600 m zur Anlage grolser »Cattle- Farms« mit bewässerten Wiesen und Kleefeldern geführt. Die grofse Viehzucht von W3^oming, Montana und Idaho ruht fast ganz auf dieser Grundlage, die auch in Oregon, Utah und Nevada erscheint, wo die Entwickelung grofsenteils dieselbe gewesen ist: den Indianern, Jägern und Trappern folgten die Hirten mit ihren frei wandernden Herden, die sich z. B. in Montana, aus Texas kommend, zuerst in den Thalgründen im westlichen Teile des Staates niederliefsen. Gerade die für den Ackerbau verhängnis- volle Geringfügigkeit der Schneedecke kommt hier im Steppen- hiinl der Viehzucht zu Gute, nur unter dem dünnen Schnee ver- mögen die Tiere das zu natürlichem Heu verdorrte Steppengras 1) Grease Wood (Surco))atus- Arten) White Sago (Eurotia lanata) und verHchiodeno Salzittianzcn gelten von den .Steppensträuchern als Futterpflanzen, nicht aber die häufigsten von allen, die bitteren Artetnisien, Sage-Brnsii. 2) Nach Nimmo, den Serin g Ca. a. O. S. 632) eitiert, nicht weniger als neunzehn Zwanzig.stel. der Vieli/mht. 405 ZU finden. An die Hirten sclilossen sich aber auch sofort die Gold- gräber, deren erfolgreiche i^rbeit grölsere Ansiedelungen ins Leben rief; zu deren Versorgung mit Nahrungsmitteln mufste sich nun der Ackerlmu unverhältnismäfsig rasch entwickeln , wobei Rückschläge nicht ausblieben. So ist im letzten Jahrzehnt in Nevada manches Kornfeld in Wiese verwandelt worden, weil kein Markt für seinen Ertrag nahe genug war. Die Dünnheit der Be- völkerung und die Ungunst der natürHchen Verhältnisse drängte den Ackerbau zurück, der ohnehin über die Au>sbreitung der grofsen Viehzüchter, die weite Areale einzäunen, zu klagen hat. Viele Farmer haben ihn für eigenen Bedarf beibehalten und treiben hauptsächlich Viehzucht auf umzäunten Weiden. Im Norden des Steppengebirges wird die Viehzucht einen Charakter annehmen, ähnlich unserer Alpenwirtschaft. In Idaho und Ost-Oregon weiden die Herden im Winter auf den Vorhügeln und in den Thalhängen, während im Sommer die Gebirge aufgesucht werden, deren »Bunch- Grass« für nahrhafter gilt als das »Bottom-Grass« der feuchten Niederungen. Ähnlich im Wahsatsch-Gebirge. Eigene Gebirgs- rassen scheinen sich dabei herauszubilden, wie z. B. von den Pferden Montanas bereits berichtet wird. Es ist eine Abstufung gleich der der Bevölkerung iind inten- siveren Wirtschaft von dieser Steppenviehzucht im Westen, die meist Jungvieh liefert, zur Mästung in den mittleren Staaten und zur Milchwirtschaft in den östlichen. Aus Gründen, die mit den in Mitteleuropa wirksamen viel Ähnlichkeit haben, hat sich die Viehzucht in den nordöstlichen und mittleren atlantischen Staaten von der Zeit an höher entmckelt , als der Weizenbau zurück- ging, dessen Einseitigkeit bei dichter Bevölkerung und teuerem Boden durch mannigfaltigere Kulturen ersetzt werden mufs. Von Natur ist durch das kühle, feuchte Klima hier der Graswuchs begünstigt, zugleich heischt die dichte Bevölkerung mit ihren Grofs- und Industriestädten eine Menge von Milch und Milch- produkten — besonders der Genufs von frischer Milch ist nirgends auf der Welt so allgemein wie in Neuengland und New^ York — und das Molkereiwesen steht daher auf der höchsten Stufe. Seit 25 Jahren rücken auch die Staaten des östlichen See- und Ohio- 406 I^iß uatürliclieu Gebiete der Viehzueht. gebietes mit Zunahme der Bevölkerung und Verbesserung des Verkehrs in diese Reilie ein. Umgekelirt ist die Viehzucht wieder ungemein gering in dem echten Weizengürtel, wo auf den nur Weizen erzeugenden Farmen, auch den gröfsten, nur soviel Vieh gehalten wird, als nötig ist, um Milch und Fleisch zur Nahrung zu erhalten. Das Fleisch ward sogar vielfach aus dem Steppen- und Maisgebiet bezogen. Die pacifischen Gebiete aufser dem südlichen Kalifornien und zum Teil nocli Washington, das im entschiedenen Übergang von der Grofsviehzucht zum Weizenbau begriffen ist, gehören auch hierher. So erhalten wir also Viehzuchtgebiete, die sich wesentlich nach dem Verhältnis der Viehzucht zum Ackerbau bestimmen, und daher teilweise sogar mit Ackerbaugebieten zusammenfallen und dann allgemeinere landwirtschaftliche Gebiete bilden. I. Gebiete mit grolser Viehzucht. 1. Gebiet der intensiven Viehzucht (Milchwirtschaft, Arbeits- tiere, Rassenzucht) in Neuengland und den atlantischen Mittel- staaten. 2. Gebiet der Massenzüchtung von Rindern und Schweinen zur Fleisch- und Fettgewinnung im Maisgebiet. 3. Gebiet der Ranchoviehzucht (Rinder, Schafe, Pferde) auf den Steppen des Westens, hauptsächlich betrieben im westlichen und nördlichen Texas, im Indianergebiet, in Neumexiko, im west- lichen Dakota und östlichen Wyoming, auf den nicht bewässer- baren Ländereien von Arizona, Süd-Kalifornien und den Staaten zwischen dem Felsengebirge und der Sierra Nevada sowie dem Cascadengebirge, endlich im südlichen Florida. 4. Gebiet intensiverer Viehzucht mit Mais- und Weizenbau in dem Übergangsgebiet der Seen- und Ohioregion, wo am West- abhang der Alleghanies auch die Schafzucht hoch entwickelt ist. 5. Gebiet mit ausgedehnter Viehzucht auf den hoch gelegenen, teilweise künstlich bewässerten Wiesen der Gebirge des AVestens, besonders in MohImii;!, Idaho, Wyoming, Utah, Colorado (llinder tnid Schafe). Laiidwiitschaft und Volksdiclite. 407 II. Gebiete mit geringer Viehzucht. 6. Die Baumwollenregion im Süden. 7. Das Gebiet einseitigen Weizenbaues im Norden. Landwirtschaft und Volksdichte. Der Zusammenhang zwischen gewissen Formen der Landwirtschaft und Graden der Bevölkeruugs- dichtigkeit liegt zunächst darin, dafs der nordamerikanische Land- wirt das unbesetzte Land fast stets zur Viehzucht verwendet. Es ist sehr klar, dafs die Rancho- Viehzucht und der Weizenbau auf den sog. Bonanza-Farmen grofse, ungebrochene Fläche braucht, die nur eine dünne Bevölkerung noch zu bieten vermag. Beider Gebiete fallen mit Gebieten dünner Bevölkerung zusammen und ihre Entwickelung zeigt eine deuthche Abhängigkeit von der der Bevölkerung; wo diese anwächst, weichen sie zurück. Im Übergangsgebiet der Seen- und (Jhio-Region läfst sich gut ver- folgen, wie das Übergewicht des Weizenbaues nach Westen sich zurückzog, als die dichtere Bevölkerung in derselben Richtung fortschritt. Das westliche Drittel von Kansas und die westliche Hälfte von Nebraska gehörten noch 1880 in das Gebiet der Steppen Viehzucht, aus dem sie jetzt durch grofsartige Land- erwerbungen und Einzäunungen der Ackerbauer und sefshaften Viehzüchter fast ganz ausgeschieden sind ; die Bevölkerung dieser Staaten ist in diesem Zeitraum von 1448000 auf 2458000 ge- wachsen. Noch weiter w. zeigen Wyoming, Montana, Idaho, Utah eine andere Art des Zusammenhanges zwischen Landwirtschaft und Bevölkerungsdichtigkeit. Die unerwartet frühe Entwickelung des nur bei künstlicher Bewässerung möglichen Ackerbaues in diesen Staaten ist erst durch den Nahrungsbedarf der an gold- oder silber- reichen Stellen zusammenströmenden Bergbauer hervorgerufen worden, die in manche Thäler eine unerwartet dichte Bevölke- rung zusammenführten . Die Vergleichuug der Viehbestände der V. St. und der euro- päischen Länder zeigt, dafs die Bedeutung, die jene Viehzucht im Welthandel gewonnen hat, nicht in der Überlegenheit der ab- soluten Zahl, sondern in dem Verhältnis zur Bevölkerung liegt, deren geringere Zahl, trotz einer ungemein fleischreichen Nahrung, w'eniger für sich selbst braucht, weshalb gröfsere Mengen für den 408 Verbreitungsgebiete der wichtigsten Kulturpflanzen. Handel frei werden, die diesem Land die Stelle des in Viehzucht- Erzeugnissen exportfähigsten Landes einräumen. Rufsland und Deutschland allein besafsen Mitte der achtziger Jahre mehr Rinder als die V. St., und ihre Bevölkerung verzehrt viel weniger Fleisch^). Da nicht blofs die Bevölkerung in gewaltigem Mafse wächst, sondern auch der Fleischverbrauch zunimmt — der Verbrauch von Schweinefleisch ist von 1875 bis 1887 von 23 auf 31 auf den Kopf gestiegen — , so mufs auch diese Ausfuhr in nicht ferner Zeit zurückgehen. Verbreitungsgebiete der wichtigsten Kulturpflanzen''). Von den altweltlichen Getreidearten verlangt Weizen sowohl nach europäischen als ameri- kanischen Erfahrungen eine mittlere Wärme von 16" für die beiden Monate Juli und August. Aber in dem Gebiete der grofsen Weizen- erzeugung, das sich am Südrand der Grofsen Seen bis zur Steppen- grenze liinstreckt, erfreuen sich diese beiden Monate einer mittleren Temperatur von 20 bis 21 V«" und findet die Ernte Ende Juli oder anfangs August statt. In den nördlicher gelegenen Staaten fällt die Ernte auf die zweite Hälfte des August. Verhältnismäfsig müde Sommer mit trockener Luft und genügender Wärme scheinen in diesem Weizen- gürtel das Wachstum der empfindlichsten von unseren Getreidearten wesentlich zu befördern. Dagegen ist im Mississippithal bis nach Iowa und in dessen tiefer gelegenen Umgebungen, ferner in den Niederungen des Ohio bis Cincinnati und im atlantischen Küstentiefland s. vom James R. die Witterung der Reifezeit gleichzeitig zu feucht und zu heifs, um den Weizenbau im Grofsen zu begünstigen. W^o W^eizen im südlichen Texas gel)aut wird, erscheint seine Reifezeit auf Mai vor- geschoben, dessen Mittelwärme Iner um 21" C. schwankt. Es müssen 1) Das Ackerbauanit in Waslüngtoii nahm 1885 an, dafs im Durch- schnitt der vergangenen 25 Jahre lö^/o der ]<]rzeugnisse der Schweinezucht ausgeführt worden seien und zugleich wurde die Ausfuhr der Erzeugnisse der Rinderzucht auf 6"/o veranschlagt. 2) Sering betont in seinem niohrfach genannten Buche S. 21 mit Recht den geringen volkswirtschaftlichen Wert der Vegetationsgebiete der Pflanzengeographen, welche die Grenzen an den Stellen des äufsersten Vor- kommens ziehen. Für volkswirtschaftliche Zwecke ist seine auf Anbau- flächen begründete Karte der wichtigsten Kulturpflanzen der V. St. wichtiger. \n unserer geographischen Betrachtung müssen beide Auffassungen zu ihrem Rerilite gelangten und der Leser wird gebeten, mit obigen AngalxMi über die V»'r})reitungsgrenzcri die Darstellung der Verbreitung und l'>edoutung der Kulturen (s. die Kiillurkarto nnd S. 442 f.) zu vergleichen. Getreide und Gräser. 409 aber keine starken tropischen Regengüsse fallen, die ihm entschieden schaden. Ähnlich wie in der Alten Welt zwischen der Reifezeit des Weizens in Ägypten und England hegt zwischen diesen südhchsten Punkten des Weizenbaues der V. St. und den nördlichsten ein Unter- schied von drei Monaten. Die übrigen altwelthchen Getreidearten linden keine anderen ent- schiedenen Verbreitungsgrenzen in den V. St. als die, welche die Ti-ocken- heit überhaupt dem Ackerbau setzt, sobald er sich in das Steppen- gebiet hineinwagt. Gegenüber den feuchten und heifsen Sommern des Südens verhalten sie sich ähnhch wie der Weizen, und für ihren Anbau im Grofsen sind die klimatischen Verhältnisse im Süden nicht günstig. Aber die Bedingungen, welche die Nordgrenzen ziehen — mindestens zwei frostfreie Monate und eine Mittelwärme des Reife- monats von 14" in gleichmäfsigen und 18" in extremen Klimaten — , machen sich erst weit jenseits der Nordgrenze der V. St. geltend. Von den klimatischen Eigenschaften der mittleren und nördhchen V. St. werden nur die zeitweiHg eintretenden Extreme von Wärme und Feuch- tigkeit schädlich und in den höher gelegenen Strichen auch die Früh- sommerfröste. Von den häufiger angebauten Getreidearten ist Gerste auch in der Neuen Welt die schmiegsamste; ihre Anpafsbarkeit an sehr kurze Sommer wird in den Gebii-gsgegenden sowohl des Westens als des Ostens der V. St. verwertet. Hafer ist das natürhche Getreide des feuchten, kühlsommerigen, aber frostarmen Striches an der nörd- lichen pacLfischen Küste. Roggen ist für armen trockenen Boden, be- sonders in den höheren Gebirgsregionen vorzügüch geeignet. Die Wiesengräser, die in den V. St. angebaut werden, sind der Mehrzahl nach europäischen Ursprungs wie die Getreidearten, zeigen aber im allgemeinen weniger Anpassung an das KHma als diese. Die künsthche Grasnarbe der Wiesen findet ö. vom Mississippi nur n. vom 39. Breitegrad die Bechngungen ihres Gedeihens in genügendem Mafse. In Vii-ginien ist die Sommerhitze bereits zu grell für sie. Von Natur ist kein Teü der V. St. mit einziger Ausnahme des äulsersten Nord- westens so günstig geartet für Graswuchs, wie die britischen Inseln nnd grolse Teile des nordwesthchen Em'opas. Das beste der nutzbaren Gräser ist in den Gegenden diesseits des Mississipi das Blaugras (Blue Grass), unter welchem mehrere Poa- Arten, besonders P. compressa, verstanden sind. Es kommt in den Ohiostaaten am reichhchsten und besten vor. Im Süden zeigen nur die selu- feuchten Niederungen reichen Wuchs von Gräsern, der aber in tropischer Art mehr schilf- artig ist. Die Prärien und Steppen haben einige vortreffliche Nähr- gräser, unter denen das Büffelgras (Buffalo Grass : mehrere Chondi'osium- Arten) die für dieses Klima unschätzbare Eigenschaft besitzt, einen grofsen Teü seiner Nährstoffe in dürrem Zustande zu bewahi-en. Die 410 Rebe und ()l)stl)au. eigentlichen Präriegräser haben den Nachteil, mit dem Umbrechen des Bodens zu versehenden , indem sie sich nur wenig durch Samen fortpflanzen. Die europäischen Gräser aber fassen in dem harten Prärieboden schwer Wurzel. Das amerikanische Klima bietet grolse Vorteile bei der Ernte und der Bergung des Heues durch die längeren Reihen heller Tage und das sehr rasche Trocknen. Die Rebe, die in Europa in so grof ser Ausdehnung in der Nähe der Nordgrenze ihres Verbreitungsgebietes gebaut -wird, hat in ihren eingeführten Formen nur in einem einzigen Gebiete der V. St., nämlich in der südlichen Hälfte von Kalifornien, eine wahre Heimat gefunden. Die mittlere Wärmemenge des Sommers würde in dem gröfsten Teil der V. St. mit 19 " und darüber mehr als genügend sein, aber der Mangel scheint in der reichlicheren Feuchtigkeit und vorzüghch in ilu-er ungleichen Verteilung über kleinere Perioden zu liegen. Darauf weist die Thatsache hin, dafs Fäule und Mehltau die häuligsten Schäd- Hchkeiten der Reben in den V. St. sind, Krankheiten, die sich am meisten da entwickeln, wo bei grolser Wärme bedeutende Schwankungen im Feuchtigkeitsgehalte der Luft auftreten. In Kalifornien finden sich Weinpflanzungen in Gegenden von 15 bis 18 ", im Ohiothale bei Cin- cinnati bei 12, am Südi-and des Erie-Sees bei 8 bis 9", am Ostabfall der südlichen Alleghanies bei 15 bis 18 " mittlerer Jahreswärme. Die Nordamerika eigentümlichen Rebenarten haben im allgemeinen dieselben nördlichen Verbreitungsgrenzen wie der Mais; Reben mit efsbaren Früchten werden in geschützten Lagen beim 49. Breitegrad noch ge- funden. Der Obstbau ist in seiner Verbreitung über die nördliche Hälfte der V. St. noch sehr stark von den klimatischen Verhältnissen bestimmt, von einzelnen Punkten sogar ausgeschlossen, wie z. B. von dem gröfsten Teil von Maine, New Hampshire und Massachusetts. Die Blüten er- scheinen hier spät und werden noch oft beschäcügt durch die häufigen Nachtfröste im Spätfrühling und die Sommerwärme genügt nicht immer zur Reife. Besonders die höher gelegenen TeOe werden von diesen Milsständen berührt. Li den geschützten Lagen um Boston, hn Thal des Connecticut, am Ostufer des Champlain-Sees gedeihen Trauben und Pfirsiche nur unter besonderem Schutz, Äpfel und Birnen dagegen sind den Natinwerhältnissen dieser begünstigtereu Gegenden angejiafst. In New York ist die Region der kleinen Seen durch den mildernden Einflufs der zahlreichen Wasserflächen sehr günstig für die Obstzucht'), und dasselbe gilt von den an das Meer angrenzenden Strichen, be- sonders von Long Island. Das Küstenland von New Jersey zeigt den 1) SelVtHt an ilcMi O.st lind Siidurcni dos .Micliigiin Sees crhvulil das geiiiilderte Socklima die ITirsich/iicht. Orangen. Mais. 411 mildernden Einflufs des Meeres, ebenso vne die Halbinsel Delaware in dem ausgedehnten Bau der Pfirsiche, die dem Staate Delaware den Namen Peach State haben beilegen lassen. Ähnlich günstige Beding- ungen finden sich noch in den südlichen Mittelstaaten und im Ohio- und Seegebiet. Orangen und Zitronen gedeihen unter Schutz s. vom 35." n. Br. an der atlantischen Küste und s. vom 32." im Missis- sippi-Becken. An der pacifischen Küste gehen sie bis etwa 35" gegen Norden. Die günstigen Bedmgungen für ihre Grofskultur finden sich aber doch nur in Florida, Louisiana, Kalifornien und vielleicht Ari- zona. In beschränkten Strichen der übrigen Golfstaaten finden sie in neuerer Zeit Verbreitung. Es sind aber in den Jahren 1780, 1800, 1856, 1886 u. a. Verheerungen vorgekommen, wie sie in Südeuropa nicht bekannt sind. Die Orangengärten in der Bucht von Mobile htten in den letzten dreifsig Jahren dreimal ernsthch von Frost, der in einem Jahr sogar die Bäume tötete und auch in Florida mufsten nach dem Frost von 1886 ausgedehnte Neupflanzungen vorgenommen werden. Bananen und Ananasse gedeihen in den Südstaaten, wenn auch nicht so üppig wie in ihrer tropischen Heimat, in allen Jahren, ausgenommen die alle 8 bis 10 Jahre wiederkehrenden Frostjahre. Der gröfsten Gleichmäfsigkeit des Khmas erfreut sich unter allen südlichen Teilen der V. St. nm- das südhche Kahfornien, von wo Frostschäden seit den 25 Jahren, dafs dort die Orangenzucht zum Grolsbetrieb geworden ist, nicht gemeldet worden waren ; erst der kalte Januar von 1888 ging auch an den Orangen- und Ohvengärten Süd-Kahforniens nicht spurlos vorüber. In der nördhchen Hälfte Kaüforniens begünstigt dieselbe im Osten Nordamerikas nicht zu findende Abgeghchenheit des Khmas den Obstbau in hervorragender Weise. Die kalifornischen Apfel und Birnen sind das durch Grölse und Wohlgeschmack ausgezeichnetste Obst von ganz Nordameiika. In der Verbreitung der Kulturpflanzen tropischen oder sub- tropischen Ursprungs sind die Wärme und die Regenmenge der Sommer- monate von bestimmendem Einflufs. Beide sind am gröfsten im Innern und hier stützt sich denn auch der Ackerbau am meisten auf Gewächse, die nur unter diesen beiden Bedingungen gedeihen. Der Mais, das Hauptgetreide der V. St., bringt ihnen noch eine sehr elastische Natur entgegen. Am Red R. des Nordens unter 50" n. Br. ist .seine Vege- tationsperiode auf 60 Tage eingeschränkt, also genau auf die Zeit, in der der heifse und feuchte Sommer südlicherer Striche sich bis hier herauf geltend macht. Die Nordgrenze des Maises ist durch die Juh- Isotherme von 19 '/a" bezeichnet. Diese Grenze läuft im Thal des S. Johns R. in Neubraunschweig gegen Quebek, von da am nördhchen Ufer der Grofsen Seen entlang nach dem Winnipeg-See und weiter n.-w. ; vom Saskatschewan an fällt sie aber am Fulse der Felsengebirge 41;^ Veg'otationsgrenzeu. um 13 Breitegrade nach Süden bis in die Breite von Santa Fe. Jenseits der grolsen Westgebirge ist das Gedeihen des Maises nur in den Thälern des Sacramento und S. Joaquin in gröfserer Ausdehnung klimatisch ermöghcht, während er an den Küstenabhängen fehlt. Dm-ch starke Erhebung wird alles Land in Neu-England über 300 m, und in den mittleren und südlichen AUeghanies über 700 m von der Kultur dieses Getreides ausgeschlossen. Einen starken Maisbau finden wir- hier nur an der Küste. Das Zuckerrohr verlangt der Ai't nach ähnüche, aber der Masse nach gesteigerte Lebensbedingungen. Im südhchen Teil der V. St. findet es vollkommen die Wäiinegrade des Sommers, die es benötigt, und nur die Kälte einer kurzen Winter- zeit zieht seiner Verbreitung hier Schranken. Man hat gesagt, dafs, wenn die Möghchkeit gegeben wäre, die Wurzel unversehrt zu über- wintern, das Zuckerrohr bis zum 38." die zur Stamm- und Saftentwicke- lung nötige Wärme finden würde. Auch ist Zuckerrohr unter dem 36." bei Holly Springs INIiss. noch gebaut und zur Reife gebracht worden. Die mittlere Jahrestemperatur von 20 ", bei der es in den V. St. mit Erfolg angebaut wü-d, ist allerdings erhebhch unter den Temperaturen von 25' und mehr, die es in seinen tropischen Erzeugungsgebieten findet, aber es ersetzt durch rascheres Wachstum in einer beschränk- teren Vegetationsperiode einigermafsen diesen Ausfall. Die durch- schnittliche Vegetationsj)eriode von zehn Monaten, mit der das Zucker- rohr sich in den V. St. begnügt, ist kürzer als in den meisten anderen Erzeugungsgebieten. Oft leidet es durch Frühwinterfrost. Die Baumwolle. Das in seiner tropischen Heimat ausdauernde, bäum- oder hoch strauchartige Gossypium ist in den V. St. eine kraut- artige, einjährige Pfianze von kurzer Vegetationsperiode geworden, die dabei ihre SamenwoUe in reicherem Mafse und gröfserer Güte hervor- l>ringt als dort, wo das Klima ihrer ganzen Entfaltung günstiger ist. Im aUgemeinen findet diese Pfianze ihre Nordgrenze wenig n. vom 37.". Ihr Anbau wurde einst in Vii'ginien, Tennessee, Kentucky, Missouri, Illinois und Indiana weiter n. betrieben, aber wegen der plötzlichen Störungen dm-ch Frühjahrs- und LIerbstfröste entweder ganz aufgegeben oder doch nur im kleinen fortgesetzt. Ebenso ist es in den Teilen von Süd-Carolina, Alabama und Georgia, die über 300 m liegen, in den höheren Teilen von Texas, des Indianer -Territoriums und Arkansas. In Kalifornien wird die BaumwoUe bis zum 36." mit Vorteil gebaut und am mittleren Gila und unteren Colorado pflanzten die Indianer sie vor den Europäern'). Die günstigsten khmatischen Bedingungen für den Anbau der Baumwolle linden sich in den V. St. an der atlantischen 1) Die (lioHcin UmikIc licigofüglo Knltnrknrto zoij»! die Baiiniwolloii grenze, wie nie 1890 llialsilchlirli in den oinzeliiuii Grafschaften lag. Amerikanische Methoden des Ackerlaanes. 413 Küste, wo mäfsigere Regen als weiter landeinwärts herrschen, und die Seebrise die Hitze mildert. Beide begünstigen die Erzeugung jener Sea Island Cotton, die die erste Stelle unter den Bamuwollsorten einnimmt. In Süd-Carolina unterscheidet man daher als Short stapled Cotton-Zone die breite Zone des Küstenabfalles , auf die die Corn-Zone und der SmaU Grain Belt folgt, und an der Küste selbst die' Long stapled Cotton-Zone'). Amerikanische Methoden des Ackerbaues. Waldland kann schon nach den Bäumen, die es trägt, auf seine Fruchtbarkeit geschätzt werden. Jede der Waldregionen in den V. St. hat in dieser Beziehung ihre be- sonderen Malsstäbe. Im allgemeinen deutet Laubwald auf besseren Boden als Nadelwald, aus mannigfaltigen Baumarten zusammengesetzter auf besseren als gleichförmiger. Die besten Böden werden dadm'ch gekennzeichnet, dafs die verschiedensten Laubbäume, vorzüghch Ahorne, dann Uhiien, Eschen, Walnüsse und Hickories, Weils- und Roteichen auf ihnen zusammen vorkommen, wozu im Süden noch MagnoHen, Gumtree u. a. zu rechnen sind. Andererseits kommen gewisse Föhren- und kleine Eichenarten nur auf dünnem Sandboden vor. Die Bäume lassen auch andere Eigenschaften des Bodens erkennen. Platanen (Sykomores), gewisse Espen und Weiden wachsen mit Vorhebe auf Boden, der häufigen Überschwemmungen ausgesetzt ist. Der Prärie- boden hat auch seine äufseren Zeichen der Güte in verschiedenartigen Gräsern und Kräutern''). Je besser das Waldland ist, desto schwerer ist in der Regel seine Rodung. Die dichten Wälder der Bottoms sind am schwierigsten ur- bar zu machen. Hier kommen die riesigsten Stämme vor, hier ist die Gefahr des Fiebers, die auf jedem frisch umgebrochenen Boden droht, am gröfsten, hier ist das Land am schwierigsten mit der nötigen Trockenheit und Wäi-me zu begaben. Im Nordwesten machen die dichten Lärchen-, Cypressen- und Fichtenwälder der tieferen Lagen die Lichtung besonders schwierig, da die Masse des Unterholzes die Rodung erschwert und die gestürzten Bäume langsam faulen. Man übt neben dem regelmäfsigen Roden, wobei Stamm für Stamm der Reihe nach umgehauen, die Stämme sogleich zerteilt und zusammen- 1) Lieber, Report on the Survey of South-CaroUna. Cokimlna 1858. S. 113. 2) »Die praktisch erfahrenen Land-w;irte Nordamerikas, welche von den östhchen Staaten nach dem Westen wandern, wissen sich bei Unkunde des Khmas dadm-ch zu helfen, dafs sie den Boden ihrer Ansiedelung nach gewissen Bäumen oder Kräutern beurteilen, welche darauf wild wachsen. Besonders der pennsylvanische Deutsche , l)ekanntlieh der beste Landwirt Amerikas, soll darin einen sehr sicheren Bhck haben und sich selten täuschen.« (Wagner und Scherzer, Reisen in Nordamerika 1854. U. 135.) 414 Urbarmachung im Wald gesetzt werden'), die alte indianische Methode des sog. Güilehis (Gird- ling), wobei die grölseren Bäume im Juni oder Juli ringsum angehauen werden, so dals sie vertrocknen und das Land unter ihnen bestellt werden kann. Sie bleiben dann noch in den Feldern stehen, bis sie der Wind umwirft. Die Stümpfe bleiben in allen Fällen stehen, bis sie so Aveit ve^iault sind, dafs sie ohne grofse Mühe beseitigt werden können. Die grölseren brauchen dazu zehn und mein* Jahre, und man findet noch heute sogar in den alten Weststaaten, wie Ohio und Ken- tucky, in den Feldern diese Denkmäler der ersten Urbarmachung. Diese baumstumpfbesetzten Felder der jungen Lichtungen, deren Bäume an Leichensteine erinnern, machen natürlich keinen sehr sauberen Ein- druck. Die Lichtungen sind ein bezeichnender Bestandteil der histori- schen Landschaft. Die meisten Kämpfe des Bürgerkriegs fanden in Waldgegenden mit spärlichen Lichtungen statt. Eigentümliche Bilder haben sich dort entwickelt, wo man Waldstreifen zwischen den Feldern stehen liefs, deren dichtes, mit euroijäischen Unkräutern durchsetztes Unterholz an die Knicks der cimbrischen Halbinsel erinnert'*). Um die Schwierigkeiten zu vermeiden, die solch rauhes Land beün Pflügen verursacht, läfst man es als Grasland liegen, bis eine Anzahl der Wurzeln und Knoten verfault ist^). Wo das nicht mög- 1) Zu den wichtigsten, aber auch vortrefflichsten Werkzeugen des An- siedlers gehört deshalb die Axt, »die dem Pfluge vorarbeitet und Bahn macht«. In Stalil und Griff ist sie vom besten INIaterial und der sinnreichsten Form. Der Griff ist sehr zweckmäfsig ausgeschweift und gewöhnlich von dem zähen Holz des Hickory. Die Farmer und Holzarbeiter halten viel darauf, die möglichst beste Axt zu haben, vuid zahlen gern 3 D. für eine. In den letzten Jahren sind in Deutschland die amerikanischen Äxte in gröl'serer Zahl ein- geführt worden und haben sich den unseren so überlegen gezeigt, dafs die Arbeiter selber sie entschieden vorzogen. 2) E. Krause, die W.älder Virginions unter dorn Einflufs der Kultur. Globus Bd. 59 S. 353. 3) »Es ist ein Pflügen mit Hindernissen, zu dem gut eingelernte Ochsen, ein guter eiserner Pflug und ein kräftiger Pflüger gehören. Die Ochsen werden müde davon und ziehen sich leicht wund d:il)oi, der Pflug wird von den ihn i)olierenden Wurzeln spiegell )lank und der Pflüger springt hinter dem l'fluge wie l^esessen, um dieses Instrument immer wieder Erde greifen zu lassen, so oft es auch horausspringt, um es herauszuhehen, wo es festsitzt, und denjenigen Wurzeln, welche vom Schar durchschnittcMi werden, aus- zuweichen, die iiim dennoch die .Schienl)eine braun nml hlau s(hlag(>n. Da- bei gellt sein den Ochsen geltendes Geschrei Hab ! und Dschih 1 fortwährend, damit diese den vielfach wechselnden Weg (hnch das Labyrinth der Baum- stümpfe finden, und wenn sich der Pflug festfährt, diesen nicht zerreissen. In der Zeit des Pflügens leiden deini auch alle hariiier mehr oder weniger an Heiserkeit, und Wdllte man sie in dieser Zeit einen Churgesang singen 1111(1 auf (1er Prärie. Das Einzäunen. 415 lieh , pflanzt man nach altindianischer Weise Kartoffeln oder Mais zwischen die Stümpfe ; beide gedeihen in dem frischen, noch unkraut- freien Boden sehr gut. Natürhch ist die Ai'beit des Urbarmachens eine andere in den Übergangsgegenden, in denen es blofs Gesträuche und kleinere Bäume wegzuhauen gibt; die gröfseren Bäume schaden nicht blofs nicht, sondern sind in diesen waldärmeren Gegenden von erhebhchem Wert. Am leichtesten ist natürlich die Prärie unter den Pflug zu bringen. Ihr Rasen ist zwar von grofser Zähigkeit, aber immerhin ist die Mühe eine viel geringere. Es ist gar nicht selten, einen Ansiedler, der im Vorfrühhng begann, bereits im Oktober im Besitz eines Blockhauses und eines Weizenfeldes von 10 bis 15 Acres zu finden. Freihch gehört zu diesem rascheren Fortschreiten von vornherein mehr Kapital und Zugvieh, und es fehlt hier der erste Ge- winn aus dem Erlös des gefällten Holzes, der im Budget des Urwald- ansiedlers oft eine wichtige Rolle spielt. Die Ansiedelung auf der Prärie pafst besser für den, der genügendes Kapital für den Anfang mitbringt, die im Urwald für den Armen, dem es auf ein paar Jahre Zeit- und Ki-aftaufwand nicht ankommen kann, wenn er sich damit ein eigenes Besitztum erwü'bt. In vielen Prärien kommt auch die Brunnenanlage als ein notwendiger Ausgabeposten hinzu. Dafür ist die Anwendbarkeit der Ackerbaumaschinen wieder ein sehr bedeutender Vorteil. Zum Umbrechen der natürlichen Grasnarbe bedient man sich besonders starker Pflüge; neuerdings ist natürhch der Dampfpflug für diesen Zweck zu immer ausgedehnterer Anwendung gekommen. Das Präriebrennen, das sehr abgenommen hat, hatte bei den Ansiedlern den ZAveck, das Land von Baumstünapfen, Schlangen und Insekten zu befreien und es für die Erzeugung einer guten Weide passender zu machen. Nur die zähesten Gräser bheben un zerstört und die natürhche Folge war, dafs der Graswuchs mehr und mein- auf solche Gräser zurückging, die sich durch Ausläufer verbreiten. Seit dem Aufhören dieses Gebrauches ist das Präriegras zarter und kürzer und an geschützten SteUen wachsen selbst Sträucher und Bäume auf. Engel- mann vergleicht den Wechsel, der damit eingetreten ist, mit dem Gefühl, das man empfindet, wenn man an einem klaren Sommerabend aus einem beschatteten feuchten Thalgrund zum luftigen Gipfel eines trockenen Hügels emporsteigt. Der hohe Graswuchs der Prärie be- förderte die Feuchtigkeit des Bodens in verschiedenen Richtungen. Er hemmte die Verdunstung, erschwerte den Abfluls, begünstigte den TaufaU. Nun wü'd das Prärieland immer trockener. Einerseits ist lassen, so würde er nicht heller kliu.üen als aus den rauhen Kehlen unserer Vorfahren.« (K. Pflaume, Einleitung zur Kenntnis der nordamerikanischen Landwirtschaft 1866. 68.) 416 r^'^s Leben der ersten Ansiedler. man gezwungeD , die Brunnen tiefer zu legen , anderseits hat man an Gesundheit und an Sicherheit des Ackerertrages gewonnen ; man kann im trockenen Boden früher pflanzen und hat das winterhche Ausfrieren des Bodens weniger zu fürchten. Eine der wichtigsten Arbeiten des Urbarmachers ist das Ejnzäunen (Fencmg). Das Gesetz schreibt es vor, und da das Vieh frei läuft, gibt es auch kein anderes Mittel, um die Feldfrüchte vor Verwüstungen zu schützen. Im Urwald fehlt es nicht an Material für die Zäune, die früher am häufigsten aus Holzscheiten (Fenzriegeln) im Zickzack angelegt wurden. In neuerer Zeit werden ungeheure Mengen Draht für diese Zwecke verbraucht. In den weiten Prärien sind diese Zäune kostspiehg und nicht selten übertrifft ihr Wert den des Landes, das sie umgeben. Im Osten gehören sie bald der Geschichte an; wo die StaUfütterung bei intensivem Betrieb allgemein geworden ist, sind auch die »Fenzen« gefallen, besonders in Neuengland. Das Leben des Ansiedlers ist in der Regel ein ungemein müh- sehges, wenigstens in den ersten Jahren. »Ist der Ansiedler nur ein Jäger oder Squatter« , schreibt ein Reisender der dreifsiger Jahre, »so findet man eine ärmliche Hütte ohne Farm, vielleicht mit einer Kuh, die zwei- oder dreimal die Woche heimkonnnt, um einen Löffel voU Salz zu empfangen, und dann nicht mehr als eine Theetasse Milch gibt. Der Mann ist gewöhnhch nicht zu Hause, an seiner Stelle findet man sechs bis sieben zerlumpte , wilde Rangen und ein abgearbeitetes, elend aussehendes Weib, das vielleicht die Auskunft gibt, dafs ihr Mann bei einem Nachbar ist, dem er einen alten Panther jagen hüft, der hinter den Schweinen her ist, und dafs er vielleicht eine Woche nicht zu Hause war, weil er ü'gendwo blieb, um beim Maishülsen behilflich zu sein« '). Mit RehfeUen und Bärenfett bezahlte ein solcher Mann seine Bedürfnisse, vor allem das notwendigste, den Mais, und in der Kegel kam er nicht über diese Stufe hinaus, wenn er sich nicht dennoch zum Ackerbau bequemte. Wo aber che ersten Ansiedler Acker- bauer, sind es hart arbeitende Männer, immer geschäftig mit Holzfällen, J^]inzäunen, Pflügen, auf der Jagd nach Panthern, oder Fallen stehend den Wölfen und kleinerem . Raubzeug. Kaffee, gesalzene Butter, gesal- zenes oder getrocknetes Schweinefleisch und klotziges Maisbrot büden dreimal des Tages mit weiiigen Ausnahme)! das ganze Jahr hindurch die Nahrung dieser Ansiedler. Ihre Kühe sind meist sehr mücharm und Geflügel besitzen sie nicht immer. Im Walde sind Fieber häufig, aber der Kampf mit den Stürmen und den raschen Temperaturwech- seln stellt auch an den Steppenansiedler schwere Forderungen. Der Anblick der Gegenden, in denen diese Pioniere ihr Wesen treiben, ist 1) Fe ii 1 li (• rst II II (• li !i II tr li , lOxciirsiiiiiH tu Uic Slave Stutew 1845. IL Die natürliche Fruchtbarkeit. 417 ebenfalls kein sehi- anmutender. Lyell schildert sie aus dem jungen Westen der vierziger Jahre folgendermafsen : »Wir sahen immer neue Lichtungen, wo das Fällen, Ringeln und Niederbrennen von Bäumen in vollem Zuge war und wo Hafer mitten unter schwarzen Baum- stümpfen in ungepflügtem, einfach mit der Egge aufgerissenem Boden wuchs. Danji wurde unser AN'agen eine Strecke weit über einen Knüppel- damm aus Baumstämmen (Cordm'oy Road) geschüttelt. Wii' verloren für viele Meilen jedwede menschhche Wohnung aufser Sicht, aus- genommen dann und wann em leeres Blockhaus, auf dem zu lesen war : Movers House. Auswanderer können hier für eine geringe Vergütung die Nacht zubringen«*). Mit all seinen Mühen kann der Ansiedler im Urwald die ersten Jahre kaum vom Ertrage seines Ackerbaues leben. Er ist darauf an- gewiesen, durch Nebenerwerb für seinen Unterhalt zu sorgen. Bei der Unsicherheit des Ertrages im frisch gehchteten Lande, Häufigkeit von Krankheiten u. s. f. ist es notwendig, sich in jeder Weise eine Ein- nahme zu sichern. Schindelschneiden ist eine gewöhnhche Beschäftigung des ersten Jahres, Bereitung von Aliornzucker, Verkauf von Waldbeeren, von Fellen u. dgl. in Konkurrenz mit den Lidianern müssen ebenfalls aushelfen. Schweine und Hühner sind für den Anfang die vortreff- lichsten, weil genügsamsten Gefährten des Ansiedlers; ihnen folgen Milchkühe und Ochsen. Man kann sagen, dafs im dritten Jahre eine gröfsere Sicherheit und Regehnäfsigkeit des Lebens auf einer neuen Ansiedelung beginnt ; aber in der Regel dauert es 20 bis 30 Jahre, bis der Ansiedler mit voUer Ruhe in die Zukunft seines Werkes schauen und dessen Früchte geniefsen kann, die am häufigsten erst der zweiten Generation zufallen. Für den armen Ansiedler Ijietet che Prärie im An- fang noch weniger Erleichterungen, und es ist der Mangel an Neben- erwerben eine Ursache des langsamen Fortschreitens der kleinen An- siedelungen in der Steppe. Die natürliche Fruchtbarkeit wird solange ausgenützt, als sie vorhält. Geringer Boden kann 5, der beste schwarze Tief- landboden 20 Jahre ohne Düngerzufuhr ausgenützt werden. Ge- wöhnlich wird aber viel weiter gegangen und das Land endlich in einem erschöpften Zustande verlassen. In allen schon längere Zeit besiedelten Staaten sind infolgedessen die Erträgnisse auf die Hälfte, oft auf ein Viertel gesunken. Die Fruchtbarkeit ist sowohl im Norden als im Süden mit jedem Jahr weiter nach Westen gewandert (s. u. S. 419). Solche Verschiebungen üben starke 1) Lyell, Travels in The U. S. 184r). n. 74. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 27 418 Expansion der Landwiitsicliaft. Wirkungen auf das gesamte Leben der Nation aus und der ge- schichtliche Überbhck hat in ihnen einen Hauptgrund der Ex- pansionspohtik der V. St. kennen gelehrt. S. o. S. 93, 113, 367. Sie sind Jedoch auch von Wichtigkeit für die Beurteilung der Dauer der heutigen Produktivität des Ackerbaus der V. St. Es ist in dieser Beziehung schon viel gepredigt worden, und es fehlt nicht an sprechenden Thatsachen. Ein amtlicher Bericht im Rep. Agric. Dep. 1867. 413 schätzte das erschöpfte und brach- hegende Land der Südstaaten auf 100 Mill. Acres. (Vgl. o. S. 288 und das Kapitel »Die Wälder«). Man hat auch behauptet, dals in Ohio »der Ertrag an Weizen sich von Jahr zu Jahr vermindert habe und in weniger als 50 Jahren der Durchschnittsertrag von 30 auf weniger als 15 Bushel pro Acre heruntergegangen sei« *). Und ebenso wird gesagt, dafs in »Indiana die Uferstriche, welche im Jahresdurchschnitt 60 Bushel Mais gaben, jetzt nur noch 40 tragen, und dafs der Weizenertrag auf zwei Drittel gesunken sei« ^). Einzelne Interessenten haben diese Angaben geleugnet, aber im allgemeinen werden sie von allen unbefangenen Beobachtern bestätigt. Vgl. das umseits über den Rückzug der Baumwolle nach Westen und Süden Gesagte. Wenn auch sogar aus jungen Staaten ähnliche Klagen erschallen, z. B. in Wisconsin würden nur noch die halben Erträge geerntet, so liegt die Erklärung sehr nahe, denn die ersten Erträge von der humusreichen Oberfläche können unmöglich andauern. Die grofse Stellung der nordamerikanischen Landwirtschaft in der Weltwirtschaft ist eine Folge der gewaltigen Ex- pansion, die im Süden seit Beginn des Jahrhunderts die grof.sen i^]rgebnisse in der Baumwollcncrzeugung erzielte und zugleich den Südstaaten das politische Übergewicht sicherte. Im Norden ge- langte sie später zum Ausdruck, nahm aber dann mit Hilfe der Eisenbahnen und der Einwanderung noch grölsere Dimensionen an. Die Vervierfachung der landwirtschaftlich benutzten Fläclie von 1850 — 1860 geschah wesentlicli im Norden. Allein das Getreide- 1) J. H. Klippart, The Wheat Plant 1859. Vorrede. 2) .Tay, StatiHt. View of American Apricnlture 1859 und im Year Book ol" Aiiicriraii i\f,'ririilliirc iHdT p. 21(> anj^oyobon. Das Wandern nach Westen. 419 Areal wuchs von 1870 — 1879 um den Betrag der ganzen in Deutschland mit Getreide bestellten Fläche. Für alle wichtigen Artikel hat sich dagegen die Gröfse der Ernte von gleicher Fläche im Ganzen nicht geändert und die langsam zunehmende Intensität des Ackerbaus und der Viehzucht ist ni der Steigerung der Er- träge durch die Expansion verschwunden. In den 30 Jahren 1850 bis 1880 hat sich die landwirtschaftlich benutzte Fläche fast versechsfacht und die Menge des erzeugten Weizens pro Kopf der Bevölkerung fast verdoppelt. In beiden Thatsachen liegt die Schaffung eines Überflusses von landwirtschaftlichen Erzeugnissen für die Weltwirtschaft. Die Landwirtschaft der V. St. zeigt viel gröfsere Schwankungen als die Europas; an die Stelle der regel- mäfsigen Fruchtfolgen treten durch die Marktlage bedingte Sprünge, die aller Vorhersagungen spotten, wie z. B. die Thatsache, dafs seit 1884 die Anbaufläche des Weizens nicht mehr die Höhe von 40 Mill. Acres erreicht hat und die Erzeugung von 1890 nur vier Fünftel von der von 1884 betrug. Auch wo so gewaltige Massen erzeugt werden, wie in den mais-, weizen-, rinder- und schweine- reichen Staaten von Illinois bis Nebraska, ist der Betrieb ver- gleichsweise extensiv. Es gibt auch dort noch Millionen Acres unbenutzten Landes, von dem ein Teil für die Steigerung der Erzeugung herangezogen werden kann. Das Wandern nach Westen, das die MitteliDunkte der Bevölkerung, des Verkehrs, des Handels und der meisten Produktionszweige um eine ganze Reihe von Längengraden von ihrer ursprünglichen Stätte am atlantischen Ufer des Kontinents nach innen verschob, tritt hl der Landwirtschaft am deutlichsten hervor bei den Erzeug- nissen des Ackerbaues. 1849 kam kaum ein Achtel der Baumwollen- ernte von jenseits des Mississippi, dieser Bruchteil hatte sich 1869 schon zu drei Zehnteln aufgeschwungen und betrug 1876 bereits drei Achtel. Und dabei ist die Kultui-weise in beiden Regionen grund- verschieden, denn wälirend ein grofser Teü. der verhältnismäfsig noch immer hohen Erträge in den alten BaumwoUenstaaten auf die künst- Hchen Düngmittel zurückführt, die man dort benützen muXs, ist die starke Zunahme in den jungen vorzüglich auf Rechnung des Neu- landes zu setzen, das unmittelbar aus der Urbarmachung dieser Kultur zugeführt wü"d. Hand in Hand mit dieser Verschiebung geht der Rück- zug von Norden nach Süden und aus den atlantischen nach den 27* 420 Der Anbau auf Golfstaaten. Der Ceusiis von 1890 weist Abnahme des Ernteertrages an Baumwolle in Nord-Carolina bei Zunahme der damit bebauten Fläche nach; m sieben Grafschaften hatte seit 1889 der Baumwohenbau auf- gehört. Die gleiche Erscheinung zeigt Tennessee. Auch in Süd-Carohna und Arkansas ist zwischen 1880 und 1890 das bebaute Land rascher als der Ertrag gewachsen, in Florida sind beide zurückgegangen. Der gewaltigen Zunahme der BaumwoUenfelder im letzten Jahrzehnt — in Georgia allein 728,388 Acres — steht die Abnahme der Flächen gegen- über, die mit Weizen, Gerste, Roggen bepflanzt waren. Nur die Mais- Üäche zeigt eine Zunahme, die übrigens im Vergleich mit der der BaumwoUe geringfügig ist. In dem Jahrzehnt von 1849 — 1858 nahm die Weizenerzeugung im Süden und Westen zu, während sie in allen nordöstlichen Staaten abnahm ; in dem von 1859 — 1868 dauerte die Abnahme in den letzteren fort, und dehnte sich gleichzeitig auf den Süden aus, wo der geldbringende Anbau der Baumwolle allen anderen vorgezogen wurde. Zu den merkwürdigsten Verschiebungen gehört die des Flachsbaues, der früher im Ohiothal, New York und Virginien sein Hauptgebiet hatte, nach dem Nordwesten. 1879 standen Illinois, Iowa, Indiana, Ohio in erster Linie, 1889 Minnesota, Iowa, S. Dakota, Nebraska. Die Flachspflanze eignet sich vorzüghch für das Khma des Nordwestens und den neuen Boden und Leinsaat war oft verkäuflicher als Weizen. Man hat dieses Vorschreiten, ähnhcli wie das der Bevölkerung geographisch bestimmt. Indem man eine Mittellinie der Weizen- und der Maiserzeugung zwischen zw^ei gleichviel produzierenden Hälften so zieht, dafs sie das W^eizen- oder das Maisgebiet in eine cistüche und eine westHche Hälfte teilt, findet man, dafs die Weizenhnie 1849 bei 81», 1859 bei 85« 24', 1869 bei 88°, 1877 bei 89« 6' w. L. lag; die Maislinie lag 1849 bei 85», 1859 bei 86" 30', 1869 bei 88«, 1877 bei 89" 6' w. L. Man sieht, dafs der Mais vor 30 Jahren eine viel ent- schiedener westHche Frucht genannt werden konnte als heute; der W^eizen stand damals um voUe vier Längengrade weiter ö., aber indem dieser doppelt so rasch westwärts schritt als jener, haben beide 1880 ungefähr in derselben Region ihren Gleichgewichtspunkt zwischen der Erzeugung des Ostens und Westens gefunden. Dieses rasche Überwachsen weiter Räume gehört einer Kultur- stufe an, auf welcher der Westen der V. St. jetzt noch steht, aber nicht melir für lange. Die Bevölkerung ist dünn, infolgedessen der heimische Markt gering, der Arbeitslohn aber hoch. Die Verkehrswege genügen trotz ihrer raschen I^^ntwickelung gerade in diesen jungen Gebieten den Anforderungen der dortigen Land- wirtschnft niflit; die Entfornungon sind ol>on zu grofs. Das Tntcr- ■weiten Flächen. Intensiver Anhau. 421 esse des Farmers wird also am meisten befriedigt, wenn er eine möglichst grofse Fläche so wohlfeil wie möglich anbaut. Die Zinsen des Kapitals, das in seinem Grundbesitz angelegt ist, kommen kaum oder gar nicht in Betracht, die Arbeit dagegen macht fast allein die Produktionskosten aus; an ihr mufs also gespart werden. Die Arbeitsersparung ist der grofse Grundgedanke des Farmers. Dieser Umstand macht sich durch Verminderung des Ertrags in den verschiedensten Richtungen geltend. Das Getreide, das bei der Saat durch den ^langel an Arbeitern zu viel verbraucht wird, hat man als einen jährlichen Verlust von mehr als 3 Mill. D. geschätzt. Und wiewohl das Erntewetter überall in den V. St. viel beständiger ist als in Mittel-Europa, hat man doch den Verlust an Körnern und Heu wegen Arbeitsmangel auf ein Achtel der Ernte geschätzt. Es ist auch eine schädliche Folge des flachen Pflügens die Masse des Unkrautes, dessen Überhandnehmen ebenso wie das des Ungeziefers die dünne Bevölkerung ohnehin begünstigt. Das Fehlschlagen der Weizenernte in trocknen Jahren würde in Gebieten wie Kansas, Nebraska, Dakota nie so vollstän- dig sein, wenn nicht das seichte Pflügen den Boden leicht bis zu den Wurzeln austrocknen liefse. Endlich ist der Verlust des Düngers und oft auch der Halme, die man einfach verbrennt, auf dieselbe Ursache zurückzuführen. Der geringe Wert des Bodens und der hohe Preis der Arbeit erklären überhaupt allein schon einen grofsen Teil der Eigentüm- lichkeiten der amerikanischen Landwdrtschaft, die Vorliebe, mit der Maschinen benützt werden, den massenhaften Verbrauch von Zugpferden, während Ochsengespanne selten sind, aber auch die ästhetischen Mängel in Haus und Garten, die mancher Altwelt- liche schwer empfindet. Die sorgsame Pflege und Sauberkeit eines europäischen Landgutes findet man im Westen nicht, häufiger im Osten. Der Einwanderer, der geneigt ist, seine heimischen Arbeitsgewohnheiten, die darauf gerichtet sind, einen kleinen Besitz gründlichst auszunützen, gegenüber der viel oberfläch- licheren, minder dauerhaften, aber für weite Räume ausgiebigeren Arbeit des Amerikaners festzuhalten, vermag dies nur, wenn er zu einer gartenartigen Wirtschaft in der Nähe günstiger Absatz- 422 Düngung. Theoretische Aufklärungen. platze greifen kann. Es ist ganz natürlich, dafs unsere deutschen Einwanderer sich mit so grofser Vorliebe dieser Wirtschaftsweise zuwenden, die ihren Gewohnheiten und Kenntnissen entspricht. Der Amerikaner folgt ihnen selten in dieser Richtung, aber seine extensive Wirtschaft macht ihn oft früher und mit weniger Arbeit reich. Seitdem das Grofskapital sich weiter Flächen benmchtigt, um rasch auszubeuten, ist dieser Raubbau eine grofse Gefahr für die künftigen Geschlechter geworden. Da von den vorzüglichen Ländern im Westen nur sehr wenige noch unbesetzt sind und nur dort, wo grofse Fruchtbarkeit mit eben so grofser Ungesundheit des jährlich überschwemmten Bodens sich verbindet, wie in den Tiefländern der Ströme des Südens und Westens, grofse leere Strecken noch vorhanden sind, so findet man es doch schon natürlicher, dem guten Boden, den man einmal besitzt, so viel zuzuführen, als er zur Erhaltung seiner Fruchtbarkeit bedarf, anstatt ihn auszubeuten und dann mit schlechterem, erst noch aus dem Rohen herauszuarbeitendem zu vertauschen. Dieses System war nur begreiflich unter der Herrschaft der Skla^•erei, wo Menschenkraft bil- liger als Boden war. Jetzt ist die Düngereinfuhr gerade im Süden am bedeutendsten. Die Einfuhr von Düngmitteln in die V. St. betrug 181)1 1,5 Mill. D., die Ausfuhr 2,2 Mill. D. Die V. St. sind übrigens selber reich an mineralischen Düngstoffen. An der atlantischen Küste gibt es grofse Grünsand- und Phosphat- Ablagerungen. Jene sind in New Jersey und Nord-Carolina, diese in Süd-Carolina und Florida in ausgezeichneter Weise entwickelt. 1889 wurden 550000 T. Phosphat gewonnen. Der Guano einiger Inseln ist unbedeutend'). Die Kalksteine, die die Prä- rien in so grofser Ausdehnung unterlagern, finden Anwendung zur Aufschliefsung der natürlichen Fruchtbarkeit. Mergel ist in den Niede- rungen der atlantischen Küste und des Golfes in Menge vorhanden. Salz und Gips sind weit verbreitet. Eines der am häufigsten angewen- deten Düngmittel ist der Schlamm der Tieflandgewässer. Auch der Fischguano, der an der atlantischen Küste bereitet Avird, ist hier zu erwähnen. Der Fruchtwechsel wird in vielen Teilen der V. St. für überflüssig gehalten. Nur in den dichter bevölkerten mid seit lange angebauten Staaten des Ostens hat er aus Notwendigkeit allgemein Eingang gefunden. Theoretische Aufklärungen sind sehr wirksam bei einem so in- telligenten Volke wie dem nordamerikanischen. Der dortige Farmer 1) Der Report on ('omuierce and Navigation für 1890/91 gibt 15857 T. Guano an, die von den Swan und Navassa Bondod Islandö bei Hayti, die den V. St. gehören, eingeführt wurden. Das Department of Agriculture. 423 besitzt nichts von der Zähigkeit und Starrköpfigkeit des Bauern, er hat einen wahren Dm-st nach Belehrung und sorgt dafür, dafs es nicht an Gelegenheit fehle, denselben zu stillen. Das rege geistige Leben auf allen Gebieten der Landwirtschaft ist als eine grofse Ursache der landwirtschaftlichen Konkurrenz Nordamerikas bezeichnet worden*). Es bildete daher w^ahrhaft eine Epoche in der Geschichte der Land- wirtschaft in den V. St., als der Kongreis sich 1847 zur Bewilhgung von Geldern zu landwii'tschaftüchen Zwecken herbeihefs, mit denen ein Centralorgan für die landwii'tschafthchen Interessen geschaffen Avurde, an dessen Spitze ein Commissioner of Agriculture stand, der seit 1889 als Secretary of Agriculture dem Ministerium angehört. Zu- nächst lehnte sich dieses Organ an das Patent Office an. Es sammelte Nachrichten über Ernteergebnisse, Acclimatisations- und Züchtungs- versuche und stellte sie in Berichten zusammen, die zu vielen Tau- senden über das Land verbreitet wurden. Die nordamerikanischen Landwh-te danken diesen landwirtschaftlichen Bänden der Patent Office Reports aulserordenthch viel. In neuerer Zeit erscheinen sie als Re- ports des in zwölf Fachabteilungen gegliederten Department of Agri- culture in monathchen Heften und in einem .Jahresband. Landwirt- schafthche Zeitschriften wurden zugleich häufiger und wü'ksamer. Fast jeder Staat hat mindestens eine Agricultural oder Horticultural Society, viele aufserdem einen durch Staatsgesetz gegründeten und vom Staate unterhaltenen Board of Agriculture, der mit unseren Landwirtschaft- hchen Zentralstellen verghchen w^erden könnte, insofern er alle die Kräfte wirksam zu machen sucht, die im stände sind, die Landwirt- schaft und ilire Pfleger zu heben. Die Gründung der State Boards führt in den meisten Staaten auf eine ältere Bewegung (1851) für aus- giebige Unterstützung der landwh'tschafthchen Interessen zurück. 1858 wurde ein Acchmatisationsgarten m Washington gegründet, von dem aus seitdem Milhonen von Sämereien und Schnittlingen kostenfrei über das Land verteilt wm-den*). Für die Einbürgerung von nützHchen Gewächsen ist durch diesen Garten viel gethan worden. Die über- mäfsigen Erwartungen fi-eüich, che man von der systematischen Acclima- tisation hegte, haben sich nm- selten erfüUt. Amerika verdankt so viel der Einbürgerung altweltücher Pflanzen und Tiere, dafs es sich noch 1) »Diese rege geistige Bewegung fördert die landwirtschaftliche Pro- duktion ebensowohl, wie es das wohlfeile, öfEentliche Land zu tliun vermag« . Wilckens, Nordamerikanische Landwirtschaft 1890 S. 273. 2) Das Ackerbauamt der V. St. gab 1876 637 180 Päckchen Sämereien an Senatoren und Kongrefsmitglieder ab, die ihre ländlichen Freunde und Wähler mit der Zusendung derselben zu erfreuen pflegen. Der Census von 1890 weist 596 »Seed Farms . nach, die sich ausschliefsüch mit der Züch- tung und Verbesserung von Samen beschäftigen. 424 Farmer und Pflanzer. immer weiter das Bedeutendste von derselben versprechen wollte. Es ist in dieser Richtung eine Masse Geld unnütz verausgabt worden. INIit aller Gewalt sollte der Kaffeebaum und die Vanüle in Florida nach- gewiesen und kultiviert wei'den. Bedeutende Erfolge hat nur die Ein- bürgerung einiger Futterpflanzen, einiger subtropischen Früchte im Süden, und nordem'opäischen Obstarten im Nordwesten gehabt. Trotz- dem gehört noch immer ein fast unbeschränkter Glaube an die Mög- hchkeit, so ziemlich aUe nützhchen Pflanzen des Erdenrundes im Gebiet der V. St. zu acclimatisieren, zu den Charakterzügen des amerikanischen Landwirtes. Einige Versuche verdienen indes Beachtung. Die Ac- chmatisation der chinesischen Theepflanze wird seit Jahren mit Energie besonders in den südösthchen Staaten s. vom 38. Breitegrad l^etrieben. Der Ölbaum ist in den südhchen V. St. oft angepflanzt worden, Süd- Kalifornien und manche Teile von Mexiko und Texas haben sich aber für seine Kultur geeigneter erwiesen. Farmer und Pflanzer. In den alten Staaten kennt man weder unseren Bauern, noch den englischen Pächter, noch den italienischen Contadino. Dagegen gibt es zwei Klassen von selbständigen eigentümlichen Landwirten, den Pflanzer im Süden und den Farmer im Norden wie im Süden. Dieser, der weitaus zahlreichere von beiden, ist eines der wichtigsten Elemente im Leben der V. St. nach allen Richtungen hin. Der Farmer^) besitzt meistens sein Land zu eigen. Ln Osten ist es öfter ererbtes Gut — in den atlantischen Staaten gibt es grofse Land- güter, die auf Schenkungen der englischen Gouvernöre oder der holländischen Kompagnie des 17. Jahrhunderts zurückführen und nach englischein Brauch ungeteilt vererbt werden — , im Westen ist es von Eisenbahnen oder Spekulanten neugekauft oder unter dem Heimstättengesetz erworben; in jenem Falle ist es »improved«, und zwar oft in so hohem Grade, dafs manche T^arm in Neu-England oder den Mittelstaaten den Eindruck eines altbohaglichen Landsitzes macht; in diesem dagegen sind die Merk- male der Jugend noch deutlich. Statt glatter wohlbeackerter Felder findet man Flächen voll halbverbrannter Baumstümpfe, und das 1) Das Wort Farm wird im allgemeinen in engerem Sinn für Acker- gut gebraucht, im Westen Hchliefst es aber wohl aucli die Ranch (vom spaniHchen Rancho), das blofs der Viehzucht dienende Landgut mit ein. I'.arn, .Scheune, heifst im weiteren Sinn jedes Wirtschaftsgebäude für Feld- früchte oder Vieli. Der Farmer. 425 Haus ist entweder noch Blockhaus, roh, wie es in die kaum ver- edelte Natur pafst, oder ein nicht viel besserer Backsteinbau. Alles hat etwas Unfertiges, während dort im Osten der ehrwürdige Hauch alter Überlieferung an vielen Punkten schon zu spüren ist. Aber in der Hauptsache bedingt dies keinen groCsen Unterschied. Beide Besitzer sind selbständige, selbstbewulste Männer, die wissen und zeigen, dafs sie nicht einem Stande angehören, der notwendig und natürlich ein gedrücktes, hart arbeitendes Dasein führt. Diese Farmer stellen dieselben Anforderungen ans Leben me irgend ein anderer Bürger der V. St., und finden gleich jedem anderen nur in ihren Mitteln eine Schranke ihrer Wünsche und Hoffnungen. Der Farmer ist zwar, wie sehr er auch mehr als unser Bauer Geschäftsmann sei, noch zu unterscheiden vom Kaufmann oder Industriellen. Aber es fehlt viel bis zu dem Standesunterschied, der unsern Bauern von allen anderen Ständen trennt. Es wäre Unsinn zu behaupten, dafs es nicht auch drüben zahlreiche Land- wirte gäbe, besonders unter den kleineren, die ganz eben so hart arbeiten wie unsere ärmeren. Bauern^); aber ein grofser Unterschied liegt schon darin, dafs jener ganz andere Anforderungen an die Früchte seiner Arbeit stellt als dieser. Er ^^'ill sich nicht blofs behaupten, sondern er wdll vorwärts kommen. Jeder Amerikaner will vorwärts konunen und Geld machen, und der Farmer ist nicht so idyllisch gestimmt, dafs er für ein ruhiges und bequemes Leben diesen alle beseelenden Trieb ersticken möchte. Geht es nicht in der altherkömmlichen AYeise des Mais- oder Weizenbaues, so ver- sucht er etw^as anderes; daher die raschen Verschiebungen der Anbauflächen 2). Für diesen Zweck fehlt es ihm nicht an Neue- rungs- und Unternehmungsgeist. Entweder er oder ein Nachbar hat neue Pläne zu rascherem Fortkommen im Kopf. Sie erfinden wohl auch etwas — die meisten Verbesserungen an landwirtschaft- 1) Gerade in den rein ackerbauenden Teilen von Neu-England, New York und Pennsylvanien sind bei dichter Bevölkerung und sehr weitgehen- der Bodenteilung hinsichtlich des Wohlstandes schon früher europaähnliche Verhältnisse entstanden. Vgl. was schon Lyell in seinen Ti-avels 1845. I. 127 darüber sagt. 2) »Prospective Protit controls the annual Distribution«. Report Secr. of Agriculture 1890 p. 310. 426 ^61" Farmer. liehen Geräten, bis hinauf zu den dampfgetriebenen landwirtscliaft- Hchen Maschinen, stammen von den Farmern selbst her — oder sie folgen einem Rat, den die landwirtschaftliche Abteilung der politischen Zeitung enthält, aus der sie politische und landwirt- schaftliche Weisheit schöpfen. Die Überlegenheit der nordameri- kanischen Landwirtschaft liegt nicht nur in der Masse, sondern auch in der Güte oder vielmehr der Zweckmäfsigkeit in der Baum- wolle wie im Weizen, in den Mastochsen und Wagenpferden! Der Neigung des Nordamerikaners, eine Aufgabe bis in ihre letzten Möglichkeiten zu verfolgen, entspricht aucli die Rastlosigkeit seiner zielbewufsten Bemühungen um Rassenreinzucht^). Durch die zahllosen Berichte der landwirtschaftlichen Gesellschaften und die in grofsen Mengen durch das Land verbreiteten Berichte und Lehrschriften des Ackerbauamtes, wird er leicht in den Besitz besserer landwirtschaftlicher Litteratur gesetzt. Der viel lebhaftere Geldverkehr auf dem Lande, den der einseitig auf Grofshandel und Export gerichtete Betrieb der Landwirtschaft, die zahlreichen Neuaulagen, die beträchtlichere Gröfse der Landgüter bewirken, verleiht dem Farmer eine kaufmännische Schulung, die auch mit dazu beiträgt, dafs der Stand der Landwirte weniger geschlossen hervortritt, als man bei seiner grofsen Bedeutung erwarten sollte. Von der Eigenart der landwirtscliaftlichen Arbeit verliert sich viel in der engen Berührung der Farmer mit den Vertretern des Handels- und Geldverkehres, deren Agenturen und Banken man in jüngeren Siedelungen nicht vermifst. Der leichte Übergang vom Landbau zu irgend einem anderen Erwerb ist in dieser geringen Höhe der Schranken, welche die Berufe trennen, mit- Vjegründct, aljer auch die (icfahr, dal's die Landwirte sich zu tief in Geldgeschäfte einlassen und allzuuahe von den Schwankungen der Märkte berührt werden. Trotz der Heimstätten- oder Exemtions- gesetze der meisten Staaten, die Haus und Land der Zwangs- vollstreckung entziehen-), ist die hypothekarische Belastung der 1) En^'Iaii'l Iiczicht sclum Ixussciiplcrdc und -rinder ans Amerika. '2) Rezeiclineiid für iiordaincrikaiiisflie Anschauungen ist die Thatsache, daf« diese J leim statte nj^CHetzc besonders auf den Schutz der Khel'rau f,'egen den Leichtsinn des Mannes abzielen, wie die Stelle zeigt, die sie ilu- bei der Eintragung in ein öffentliches Ileimstilttenrcgistcr und bei Verpfändungen einräumen. Die politische Stellung der Farmer. 427 Farmer sehr stark. Die Selbstverwaltung regt zur politischen Be- thätigung auf verschiedenen Gebieten an, auf denen der arme Farmer sich mit demselben Recht und demselben Bewufstsein be- wegt wie der reiche. Er hat dieselben Schulen für seine Kinder, und das Leben bietet dieselbe Wettbahn für ihn und die Seinigen wie für alle anderen. Jeder Stumpredner, der seinen Bezirk bereist, und deren sind nicht wenige, schmeichelt ilun als dem Mark und der Hoffnung des Landes und jeder sucht dem Landwirt etwas Landwirtschaftliches zu sagen. Je weniger er in Berührung kommt mit dem städtischen Leben, um so mehr bestimmen sein ganzes Wesen die Einflüsse des arbeitvollen, aber freien, unab- hängigen Lebens auf dem Lande, wobei besonders zu beachten, dafs er, mit seltenen Ausnahmen, abgesondert auf seinem Gehöfte wohnt. Hier steht dann nichts der Entwickelung eines sehr aus- geprägten StandesbewuCstseins entgegen, das mehr als einmal die hart arbeitenden, schwielenhändigen, ehrlichen Farmer einflufs- reich in der inneren Geschichte der V. St. werden liefs. In den nicht vorwiegend industriellen Gegenden der V. St. sind aber auch die mittleren und kleineren Städte nicht scharf vom Lande zu sondern und die Interessen ihrer Bewohner sind wenig verschieden und abhängig von denen der umwohnenden Farmer; in Neu- Etigland ist es sogar ganz gewöhnlich, dafs die Farmerstöchter im Winter in den nahen Städten Fabrikarbeit suchen. Ihr Sturmlauf gegen die MonopoHsiernng des Frachtverkehrs durch die greisen Eisenbahngesellschaften, gegen die sie einen über das ganze Land verbreiteten Bund der Grangers (Scheunenleute) ins Leben riefen, hat zum ersten Mal vor 20 Jahren die Macht gezeigt, die sie in den Ackerbaustaaten des Westens und Südens aufzubieten vermögen. Sie setzten damals Malsnahmen durch, die ganz einseitig nur in ihrem Standesinteresse lagen und dementsprechend sich auch nicht lange halten konnten (s. u. »Die Verkehrswege <). Nachdem ihre positiven Forderungen erfüllt waren, gab das wachsende Übergewicht der Grolsstädte, die man sich gewöhnt hatte, ohne weiteres als die politischen Mittelpunkte anzusehen, und der dichtbevölkerten Industrie- staaten des Ostens und der Mitte den Farmern als politischer Gruppe neuen Halt. Der alte Gegensatz (s. S. 338) z\^dschen Landwirten und Gewerb- und Handeltreibenden erschien in neuer Gestalt und es ge- wann bezeichnenderweise in Georgia, wo er nicht neu war, die Far- 428 Die geschichtliche Kolle des Farmers. mers Alliaiice noch mehr Boden als hi Kansas. Gegenüber ihrem Anspruch auf pohtsche Beachtung konnte niemand leugnen , dafs hauptsächhch die Erzeugnisse des Ackerbaues die Bürger der V. St. reich gemacht und — wie von den Farmervereinigungen zu oft betont wird — die Schuld des grofsen Krieges getilgt haben. Und ebenso sicher ist es , dafs noch die letzte grofse Ausdehnung des Ackerbau- gebietes eine Wohlliabenheit hervorgerufen hat, die in den letzten Jahren einen glücldichen Zustand : hohe Löhne, biUige Nahrungsmittel, erleichterten Verkehr auch in den Grofsstädten heraufführte. Noch immer lebt die Hälfte der Bevölkerung der V. St. unmittelbar von den Früchten ihrer Ai'beit, die aufserdem 75 "/o aller Ausfuhren betragen; neben 5 Mill. Farmern gibt es 10 Mill. Landarbeiter. Der Landwirt ist eine der wenigen historischen und historisch erprobten Gruppen in der Bevölkerung der V. St. Neben ihm bilden die Gewerbtreibenden eine jugendliche Erscheinung, die erst zu zeigen hat, was sie aus dem sozialen Problem der Arbeiteranhäufungen machen kann. Was aber im Gegensatz zu den Verhältnissen in alten Ländern die beiden einander nähert, das ist, dafs das Land kein Privileg derer ist, die es besitzen, sondern ein öffentüches Gut, aus dem Landlose sich immer noch ver- sorgen können. Das Land adelt nicht. Daher kommt es, dafs selbst in den Gebieten der Latifundien-Wirtschaft auf dem Weizenboden und trotz der alten grofsen Güter im Nordosten sich keine Landaristokratie im Norden herausgebildet hat. Nur der Süden vermochte dies, aber nicht auf Grund von Unterschieden des Besitzes, sondern der Rasse. Wenn sie auch geneigt sind, ihre Interessen in Fragen der allgemeinen Politik in den Vordergrund zu drängen, so sind sie doch immer die beste und zuverlässigste Grundlage der grofsen Parteien, das notwendige Gegengewicht der unsicheren Beweghchkeit der Industrie- und Städte- bevölkerung. Präsidenten, wie Jackson und Lincoln, sind hauptsäch- hch von den Stimmen der Farmer getragen gewesen und grofse Grund- sätze, die einmal von diesem beharrlichen Stande ergriffen sind, werden nicht so leicht losgelassen. In der Frage der Sklavenbefreiung haben die Farmer das Grofs der Armee gebildet, die Avenigen hervorragenden Männern den Sieg an den Wahlurnen und in den Gesetzgebungen ver- schaffte, und auch in den kämpfenden Armeen stellten sie mit ihrer Kraft und Gediegenheit das beste Element neben den eigentlichen Berufsoldaten auf nördlicher wie auf südhcher Seite. Gerade in einem Lande wie den V. St., wo man so leicht von einer Beschäftigung zur andern übergeht und wo die häufigen Krisen zu raschen Wechseln des Besitzes führen, ist der wenigstens verhältnismäfsig stabile Stand der Landwirte für die Allgemeinheit doppelt wertvoU. Angesichts der vorzüglich in der jüngeren Generation verbreiteten Ansicht, dafs die Landwirtschaft das wenigst lolmeiide aller Gewerbe in den V. St. sei, Der Pflanzer. 429 ist schon längst darauf hingewiesen worden, dals es wenigstens das sicherste sei. Man gibt überhaujit an, dafs von 100 Handelsleuten nur 7 zu Wohlstand gelangen^) ; dagegen entfallen durchschnitthch nur 2% der Bankerotte auf die landbewohnende Bevölkerung. Im Süden hat es einen den nordstaatlichen Farmern ent- sprechenden Stand von Landwirten nur in den Striclieu gegeben, in denen die klimatischen und Bodenverhältnisse die Anlage grofser Pflanzungen verboten, also hauptsächlich in der gebirgigen AUeghany-Region, aufserdem in ähnlich gestalteten Abschnitten von Texas und Arkansas. Doch war dieser Farmer etwas anderes als der des Nordens. »Die unabhängigen Farmer waren zum grofsen Teil selbst Sklavenhalter, und wenn sie keine Sklaven besafsen, so mieteten sie doch welche . . . Seite an Seite mit dem eigenen oder dem gemieteten Sklaven pflügte der Farmer seinen Acker. Im allgemeinen verkehrte er daher auch mit dem Sklaven auf demselben Fufs, auf dem der europäische Bauer mit seinem Knecht verkehrt . . . Unter den unabhängigen Farmern finden wir die besten Illustrationen zu beiden Seiten der Sklaverei: das zwanglose, wohlwollende patriarchalische Leljen, das die Sklavenbarone so anziehend zu schildern wuIsten, und die viehischen Scheulslichkeiten, denen in »Onkel Toms Hütte« eine bleibende Gedenktafel gesetzt worden ist ^). Überall trifi't diese Schilderung nicht zu. Unter den Gebirgsfarmern von Nord-Carolma, Tennessee und Arkansas hat die Sklaverei ihre entscliieclensten Feinde gehabt, denen es zuzuschreiben, wenn der Partei der Sklaven- halter in diesen Staaten von jeher eine nicht unbedeutende Minder- heit gegenüberstand (vgl. o. S. 134). In den einstigen Hauptgebieten der Sklaverei ist aber mit der Freilassung eine grofse Änderung in der Stellung dieser Landwirte eingetreten. Auf eigene oder auf bezahlte Arbeit anderer angewiesen, sind sie in dieser Be- ziehung den Farmern des Nordens gleich geworden, aber nicht ebenso ist es mit ihrer socialen Stellung geworden; noch immer erheben sie sich über die schwarze Schicht der Negerbevölkerung wie auf einem Piedestal und der aristokratische Geist der Pflanzer 1) Jay, The Statistics of American Agriculture 1859. 50. 2) V. Holst, Briefe aus Nordamerika. (A. Allg. Ztg. 4. Juli 1879.) 430 I^i® geschichtliche Rolle des Pflanzers. durchtränkt auch ihr Wesen, allerdings ohne ihre Sitten und An- schauungen entsprechend zu veredeln. Ohne Zweifel hat gerade dieser Stand eine bedeutende Mission in der Wiederherstellung normaler Verhältnisse im Süden. Er ist zahlreicher als die denken, denen Südstaat und PÜanzerstaat noch immer sich deckende Be- griffe sind^). Wenn die grolsen Grundbesitzer, die Pflanzer, dennoch eine so hervorragende Rolle spielten, daXs sie nicht nur im Süden, sondern in der Union überhaupt lange Zeit als die herrschende Klasse er- schienen, so lag es an qualitativem Übergewicht. Sie liebten es, ihre Vorzüge als Rassencharakter hinzustellen. Man hörte sie als ritterliche Normannen dem plebejischen Sachsen des Nordens sich entgegensetzen. Die günstigen Lebensbedingungen haben gewils mehr Anteil daran gehabt. Eine Sklavenbevölkerung arbeitete auf dem fruchtbarsten Boden, in einem für Verkehr höchst günstig gelegenen Lande, für eine ver- hältnismäfsig geringe Anzahl von Landbesitzern. Seit den Griechen und Römern hat kein Volk eine so mühelose Blüte erlebt. Jene schufen gewaltige Reichtümer, die die Herren, die selbst den Handel mit ihren Produkten verächtlich Fremden zuschoben, fast ohne jede eigene An- strengung ernteten. So behagliche Zustände wecken Tugenden, die in dem beengten, kampfreichen, unzufriedenen Leben der Kolonisten nicht so leicht zur Entwickelung konmien. Auch die Feinde mufsten ihre Freigebigkeit loben ; wer bediü-ftig ins Land kam, erfreute sich oft un- verhoffter Grolsmut und Iliffsbereitschaft , und wenn man die bedeu- tenden und uneigennützigen Politiker zählt, deren sich die V. St. seit ihrem Bestände rühmen, findet man den Süden reich vertreten. Li den Kriegen glänzte der ritterliche Sinn der Südländer und den Tiiumph des Nordens im Rebellionskrieg versülst ihnen noch heute das Bewulst- sein, dals nur der Süden einen Lee, einen Jackson stellen konnte. Die Gastfreundschaft, im dünnbevölkerten Lande eine Notwendigkeit, wurde von Vielen mit der Feinheit und Breite geübt, die ihr höhern Wert verleiht. Wo nur die Avichtigsten, nicht die schwersten Arbeiten weifse Llände erforderten, war nicht Arbeit die Aufgabe des Lebens ; liier blieb Zeit genug zur Entwickelung der geselligen Talente und manchmal auch zur Pflege der Wissenschaften und Künste. Die charlestoner Univer- sität erlebte in den fünfziger Jahren ihre Blüte. Manche Pflanzer- wohnung war ein Tusculum. So ruhige Entwickelung bildete aber einen starken Gegensatz zum ruhelosen Treiben der Yankees, und man war sich des Unterschiedes im Norden wie im Süden bewufst. Wieviel diesem 1) S. o. iS. 291 das im Abschnitt über die Ncjijor von der henti<,'on (inindl»t'Hit/vcrtoiliirig im Süden (leHagtt!. Die Farmen und der Grundbesitz. 431 an grolser Lebensauffassung und veredelnder Lebensfreude in seinem ewigen Jagen und Haschen nach Gewinn verloren geht, das Hefs dem Südländer schon die Antipathie, die er gegen ein solches Wesen hegte, in besonders klarem Licht erscheinen, und wie üppig dann auf derartig vorbereitetem Boden, als die Ereignisse zum Al:)fall von der Union cbängten, der Hafs und die Verachtung gediehen, ist bekannt. Aber dals die Südländer ihre nördüchen Mitbürger zu allgemein als Yankee- naturen auffafsten, ist eben ihr Schicksal geworden. Sie taxierten den Krämer nicht unrichtig, täuschten sicli aber ün Farmer. Die Farmen und der Grundbesitz. Der 1890er Census zählt 4 Mill. Farmen mit 536 Mill. Acres Land auf, wovon ^4 von den Eigentümern selbst bearbeitet werden. Die dm'chschnitthche Gröfse der Farmen ist von 1850 — 1890 von 203 auf 134 Acres gesunken, zugleich hat aber der Anteil des angebauten Farmlandes sich von 39 auf fast 50"/o erhöht. Die Farmen sind aufser in den jüngsten Staaten, wo weites, bilhges Land zui- Verfügung steht, und im Süden, wo die Plantagen zerschlagen und an die einstigen Sldaven verpachtet wurden, von der- jenigen mäfsigen Grölse, die der Eigenarbeit des Besitzers, seiner Familie und weniger Taglöhner entsprechen. Die Farmen verkleinern sich von West nach Ost mit Ausnahme der auf künstliche Bewässerung und gartenartigen Anbau hingewiesenen Gebiete. Da die Abnahme der Gröfse der Farmen am stärksten in den jüngsten Staaten (z. B. in Kalifornien über 1000% von 1850 — 1860!), so kann man schhefsen, dafs sie vorwiegend bewirkt wird durch das Zerschlagen älterer gröfserer Besitze zu Gunsten von Neueinwanderern. Die Wiederzunahme ihrer Gröfse in den letzten 30 Jahren ist eine Folge der Ausdehnung des Grofsweizenbaues und der Schafzucht im- Westen*). Wähi-end der aus den Sklavenzeiten stammende Grofsgrundbesitz im Süden und der aus der grofsartigen spanischen Landverteilung stammende in Texas und Kahfornien, wo Landgüter von 20000 bis 60000 Acker keine Seltenheit sind, in Abnahme geraten ist, hat im fernen Westen sich ein Wachstum teils infolge der leichten Erlangbarkeit des noch freien öffentlichen Landes, teils aber auch durch die auf Bildung von Grofsbetrieben zielende Si^ekulation, besonders im Weizengebiet, eingestellt. Schon vor zehn Jahren lagen w. vom Red R. des Nordens mindestens 50 "/o des benutzten Bodens, gerade wie in Kalifornien, in Latifundien. Zahheiche kleine Existenzen wm-den vernichtet. In Texas gab es früher, besonders unter den Deutschen, zahbeiche land- lose Farmer, die ihre Schafheerden auf dem Freiland weiden Hefsen, 1) Henry George schöpfte die Erfahrungen über die Verderblichkeit der Grundbesitzverteilung in seiner kahfornischen Heimat, deren Boden zur Hälfte in den Händen weniger Grofsbesitzer ist. 432 Das verfügbare Land. Landpreise. bis die einflufsreicheren Besitzer der Rinderheerden diesen Vorteü ge- setzlich sich sichern helsen. Diese Leute mit Ideiuen Schaf- und Rinder- heerden mulsten das Freiland den grolsen Besitzern überlassen. Erst Ende der siebziger Jahre hat sich dieser social und politisch verderb- liche Umschwung vollzogen. Bei den Versuchen der kleinen Leute, tue Drahtzäune der Grolsbesitzer mit Gewalt zu beseitigen , kam es zu blutigen Kämpfen, aber die Grofsbesitzer siegten endlich durch ihren Eintluls auf die Regierung. Die Zahl der Grofsfarmen hat sich 1860 — 1870 in Ilhnois von 194 auf 302, in Iowa von 10 auf 38, in Kansas von 1 auf 13, in New York von 21 auf 36, in Pennsylvania von 15 auf 76 erhöht. Gegenüber dem Zerfall der Plantagen des Südens verschwindet diese Vermehrung, aber als Symptom der Richtung, in welche die Land- wh'tschaft seit der Zunahme des Kapitals und der ausgiebigeren Ver- wendung der Maschinenarbeit einlenkt, ist sie von Bedeutung. Auf den Grofsfarmen des Westens ist der Mais- \md Weizenbau und die damit verbundene Schweinezucht fabrikmäfsig geworden. Kaum eine Ai'beit bleibt, die nicht mit Maschinen besorgt würde. Der Prärieboden bietet für eine solche Bearbeitung die günstigsten Be- chngungen. Die Herren dieser Grofsfarmen sind Gutsbesitzer, die Scharen von Arbeitern beschäftigen'). Fast die Hälfte aller Lohn- arbeiter sind Farmarbeiter. Eine starke Einwirkung auf die socialen W'rhilltnisse läfst sich also von ihrer Zunahme voraussehen; in Kali- turnien Ijüden schon heute die grofsen Weizenerzeuger und Schaf- züchter eine Macht im Staate und der Gesellschaft, die mit der der Sklavenbarone im Süden vor 1860 manche Ähnlichkeit hat. Der Landpreis ist aul'serordentlich verschieden je nach der Lage und Güte des Landes. Der letzte Census gibt 19 Milliarden Dollars als den Gesamtwert des Grundbesitzes, von dem die gnifsten Werte auf New York, Pennsylvania, Massachusetts und Ohio entl'allen^). In den grofsen Städten werden Preise für den Boden bezahlt, die ebenso fabel- haft sind wie in den em-opäischeii Grofsstädten, und in ihrer nächsten Umgebung, wo Gartenbau möglich, sind 1000 D. per Acre ein mäfsiger Preis. Von grofser praktischer Bedeutung für Europa bleibt aber die 1) Als die gröfstc von diesen Grofsl'annen wurde (^1891) die Dalrymple Farm hei Fargo (Dakota) genannt, die 49000 Acres unil'afst und auf einen Krtrag von 1 Mill. I'usliel Weizen cinj^^erichtet ist. Sie ))escliäftigt 250 bis 300 Arbeiter und 200 l'lcrde. 2 Der Census Hcliätzt die liegenden Oüter überliaui)t (Real Property), uifiit l.and allein; von dem (lesaiiitwert koninien 8,5 auf den Nordosten, y,2 auf fi' <^Tetreidebau. Ernten in den V. St. hingewiesen. Schon ehe die V. St. in dem Hunger- jalir 1847 für 43 jVIill. D. Brotstoffe nacli Europa ausführten, konnten sie als die Kornkammer Westindiens und eines Teües von Süd-Ameiika gelten. Aber von dieser Zeit nahm auch der europäische Markt immer gröfsere INlengen von nordamerikanischem Getreide und Mehl auf. England, Franla-eich, Belgien, Portugal und Spanien wurden die Haupt- abnehmer. Am raschesten steigerte sich daneben der Maisbau, die passendste Kultur des Neuansiedlers im Westen und mit dem Vor- dringen in den trockenen Westen der Weizenbau. Die Baumwolle, die dm-ch die Erwerbung von Texas ein weites günstiges Gebiet der Ausbreitung erhalten hatte*), verfünffachte 1820 — 1840 ihren Ertrag und erreichte schon 1860 weit mehr als die Sunmie der Ernten aller für diesen Artikel im Welthandel in Betracht kommenden Länder. Reis, Tabak und Zucker, die übrigen Stapelprodukte des Südens, sind weniger rasch fortgeschritten. Erst im Tabakbaue brachte seit 1850 die Verpflanzung nach Kentucky und Missouri eine bedeutende Stei- gerung hervor. Aufserordentlichen Aufschwung zeigt auch die Vieh- zucht, che sich besonders in den Richtungen der Fleisch-, Fett-, Butter- und Käseerzeugung für die Ausfuhr und der Erzeugung von Wolle für eigenen Bedarf zu einem sehr bedeutenden Faktor des Welthandels entwickelt hat. In dem Rechnungsjahr 1889/90 betrugen in der Aus- fuhr der V. St. die landwirtschafthchen Erzeugnisse 74,2, in der Ein- fuhr 47,4 °/o. An erster Stehe standen in dieser Ausfuhr BamnwoUe, Weizenmehl, Weizen, Mais, Speck, Fett, lebendes Vieh, Tabak, wäh- rend Zucker, Seide, Häute, Früchte, Wolle die wichtigsten der Ein- fuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse waren. Die wichtigsten Erzeugnisse des Ackerbaues der V. St. Getreide. Mais. Der amtliche Erntebericht*) nennt als Ertrag der Maisernte im ertragsarmen Jahr 1890 1489 770000 Bush eis, nur 70 7o des Ertrages von 1889. Der Gesamtertrag der übrigen Getreidearten: Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Buchweizen, sowie der Hülsenfrüchte zusammenge- nommen, bleibt weit hinter dieser Summe zurück. Da nun die Aus- fuhr des Maises aus den V. St. im Verhältnis zu dieser Summe noch 1) Im AllgeiDciiien hat aber die Ausdehnung der V. St. til>er die früher mexikanischen Teile im Westen für die Landwirtschaft verhältnismäfsig wenig Nutzen gebracht. Nur gröfsete Strecken von Texas und Kalifornien konnten für Baumwolle, Mais und Weizen sogleich nutzbar gemacht werden. Die grofse Entwickehuig des Mais- und Weizenbaues beruht vorzüglich auf der noch immer wachsenden Ausbeutung des mittleren und nördlichen Präriegobietcs. 2) Rep. of the Secretary of Agriculture for the Year 1890. Washington 189U. 296. Aus diesem Bcriclite sind alle Angaben genommen, die sich auf das Jahr 1890 herziehen ; die aus den Berichten über den Census von 1890 beziehen sicii, wenn nii'bt ;nnlers bemerkt, auf das vorhergehende Jahr. Mais. 443 keine sehr bedeutende, wenn auch steigende ist, so kann man sich eine Vorstellung von dem Verbrauch dieser Frucht machen, wobei dann noch die hohe landwirtschaftliche Bedeutung des Strohs und der Stengel der Maispflanze in Betracht zu ziehen ist. So weit sich der Anbau des Maises oder Welschkorns (Zea Mais L.) seit der Entdeckung Amerikas über die Erde verbreitet hat, nirgends hat er doch gröfsere Bedeutung erlangt als in seiner amerikanischen Heimat. In den V. St., deren Landwirtschaft sonst in vielen Zügen der europäischen sehr ähnlich ist, bedingt gerade das Übergewicht dieses Getreides wesent- Hche Unterschiede, die mit ihren Folgen das ganze wirtschaftüche Leben jener Nation mehr beeinflussen als man gewöhnHch annimmt'). Man findet den Mais hier vom Golf bis zur kanadischen Grenze und vom Atlantischen bis zum Stfllen Meere verbreitet und dieses weite Gebiet ruft eine bewundernswerte Stetigkeit der Erträge hervor, die von 1880 — 1890 niemals um mehr als 30% im Extrem auseinandergingen. Durch eine ungewöhnlich grofse Variationsfähigkeit pafst er sich den verschiedensten äufseren Bedingungen an. Besonders variabel sind die Eigenschaften, die beim Anbau vorzüghch ins Gewicht faUen : Reifezeit, Höhe der Pflanze, Blattreichtum, Gröfse des Kolbens, Zahl der Körner- reihen, Grölse, Form, Härte, chemische Mischung der Samenkörner. In den amtlichen Ernteberichten wird öfters hervorgehoben, dafs dm"ch bessere Bearbeitung des Bodens der Maisertrag erhebhch gesteigert, ja verdoppelt werden könne. AUein reichere Ernten, als sie jetzt gemacht werden, würden wohl kaum die gröfsere Arbeit bezahlen, die man dann auf die Maisfelder verwenden müfste. Nicht der geringste Wert des 1) Es ist bezeichnend, dafs der Amerikaner den Mais einfach »Korn« nennt. Ebenso heifst in Deutschland, England und Schottland die Brot- frucht, dort Roggen, hier Hafer. Die Bedeutung des Maises für Nord- amerika war in den ersten zwei Jalrrhunderten der Besiedelung verhältnis- mäfsig noch viel gröfser als in unserer Zeit der Massenproduktion , und die Blüte der ersten Kolonien beruhte grofsenteils auf dem raschen Übergang der Kolonisten zu dem Anbau dieser Pflanze, die kein gepflügtes Land braucht, den doppelten Erti-ag und viel gleichmäfsiger hefert, nicht zu bestimmter Zeit geerntet zu werden braucht und deren Blätter und Stengel als Futter wertvoller als Getreidestroh sind. Die leichte Anbauweise der Indianer fand bald Eingang bei den Kolonisten, welche die Bäume durch »Girdling« tödteten, so dafs das Licht auf den Boden dringen konnte, in den sie mit dem Grab- stock Löcher bohrten, welche die Maissaat aufnahmen. In die Zwischen- räume wiurden Kürbisse gepflanzt und diese eigentümhche, ganz indianische Art des Ackerbaues beherrschte in den ersten Generationen ganz Nordamerika, dessen steiniger und dichtbewaldeter Boden der europäischen Art des Ge- treidebaus viel gröfsere Hindernisse geboten haben würde. Die L^nmöglich- keit des Maisbaues hat ihren Teil an dem Zurückbleiben der französischen Ansiedelungen am St. Lorenzstrom. 444 ^lais. Woizon. Maises gerade für den amerikanischen Landwirt beruhte immer in der Leichtigkeit seines Anbaues auf frischen Lichtungen. Er lohnt noch ausgiebig bei der Handbearbeitung und ist daher der erste Lebensunter- halt des in die "Wildnis vordringenden Pioniers. Die Praktiker stimmen darin überein, dafs der Boden des amerikanischen Westens bis nach Kansas und Nebraska hinein für Maisbau wie gemacht ist, oder wie der Census von 1880 sich ausdrückt, dafs »MiUionen von Acres vor- handen sind, die ganz dazu bestimmt scheinen, diese herrliche Frucht beim geringsten Aufwand von Zeit und von Arbeit zu erzeugen«*). Der Maisbau der V. St. steigerte sich im Jahrzehnt 1880 — 1889 von 62,4 Mill. Acres auf 78,3 Mill. und von 1755 Mill. Busheis auf 2113 Mill. Der Weizen machte, damit verghchen, nur den kleinen Fortschritt im Areal von 37,9 INIill. Acres auf 83,1 Mül., und im Ertrag den Rückschritt von 499 auf 491 Mill. Busheis. Gegenwärtig und wahrscheinlich noch für eine Reihe künftiger Jahre liegt das Gebiet der grofsen Maiserzeugung zwischen dem Ohio, der Seeregion und der Steppengrenze. Es ist seit 1880 entschieden nach Westen gerückt. Noch 1880 fand die gröfste Maiserzeugung in Illinois, Iowa, Missouri, Indiana, Ohio statt, 1886 war Kansas und Nebraska an die Stelle von Indiana getreten. Seit einer Reihe von Jahren sind die »Corn-Surplus States« diese sieben. An vielseitiger Benutzung erreicht den Mais kein anderes Getreide der V. St. Als Grün- und als Trockenfutter wird er jedem anderen vorgezogen. Die für den Gelderwerb der Farmer so wichtige Rinder- und Schweinemast des Westens beruhen beide wesentlich auf der Maisfütterung. Für den Menschen ist der Mais von Wert durch sein Mehl, das zu Corn-Bread verbacken wird, dm'ch seine Grütze, die als Hominy einen fast unentbehrlichen Bestandteil des Frühstückstisches des Farmers so gut wie des Feinschmeckers im Westen und Süden bildet, durch seine unreifen Kolben, die gesotten eines der behebtesten Gemüse bilden. Selbst die Schönheit der Maisfelder, die ihre Fahnen mannshoch im Winde rauschen lassen, wird preisend hervorgehoben. Fast die ganze riesige Maisernte wird im Lande und grofsenteüs auf den Farmen selbst verbraucht. Hauptsächhch durch sie wird der Nahrun gsüberflufs geschaffen . in dem der alte und Junge Westen schwelgen. Im Verhältnis zur Gröfse der Ernten ist die Ausfuhr des Maises gering; von 1870 — 1889 betrug sie durchschnitthch ein Zwan- zigstel der ganzen Ernte. Aber sie folgt unmittelbar dem Weizen und erreichte 1889 zum ersten Mal 103 Mill. Busheis, ein Elftel der Ernte. Weizen. Weizen steht hinter Mais zurück als Nahrungsfrucht 1) Jay berechnet in seiner Statistics of American Agricnlture (New York 1859 S. 41), dafs (lorHclbc Aufwand von Arbeitskraft, menschlicher und tieri- scher, welcher 1 Bushel Weizen in Enp;land erzeugt, 10 Bushels Mais auf gutem Boden der V. St. hervorhringe. Weizen. 445 für den einheimischen Bedarf, übertrifft ihn aber weitaus als Gegenstand der Ausfuhr. Weizen ist füi" die nördhche Hälfte der V. St. das Er- zeugnis des Ackerbaues, das am leichtesten seinen Markt findet und Geld bringt; er ist, was man »Cash crop« nennt und hat erst durch die grofse Produktion der V. Öt. die Stelle im Welthandel gewonnen, die er heute einnimmt. Er gedeiht in den Gegenden mit nur mälsig warmem , wenn auch trockenem Khma besser als Mais , so in Wis- consin, Minnesota, Dakota, Oregon, erzeugt aber leicht kranke Körner im feuchtwarmen KHma der Mississippi-Niederungen. Den Winter- weizen baut man vorwiegend in den östhchen und südlichen Staaten, während ihn aus den Präriestaaten die kalten und austrocknenden Winde und die oft sehr dünne oder ganz fehlende Schneedecke aus- schliefsen. In den pacitischen Staaten wird blofs Sommerweizen ge- baut. Die Reifezeit ist im äulsersten Süden der Mai mit einer mitt- leren Temperatur von 20 bis 21" C, in Vhginien der Juni mit 20 bis 22 °, in Illinois derselbe Monat mit 21 ", in New York der Juü mit 18 bis 20". Die besten Weizengebiete waren einst die Gegend mn Ro- chester im westlichen New York und Gettysburg im südlichen Penn- sylvanien, dann waren es das westliche Ohio und östliche Indiana, grofse Teile von Michigan, Illinois, Wisconsin, Mmnesota, Iowa ; haupt- sächHch in den letzten 15 Jahren sind Nebraska und Dakota, sowie im äulsersten Westen die der See zu gelegenen Teile von Oregon und das mittlere Kalifornien dazugekommen. Das Gebiet von Illinois, Indiana, Ohio, Michigan, Minnesota und Iowa erzeugte 1877 54''/o der Gesamternte. 1880 waren Dakota und Kalifornien an die Stelle von Michigan und Iowa getreten; Dakota erzeugte schon 1887 über ein Zehntel der ganzen Weizenernte, während Kalifornien stehen bheb. Dieser neue Nordwesten leistet das Höchste in der Massenerzeugung des besten Weizens, der für die Ausbreitung des Volkes und seiner Kultur dasselbe bedeutet, was anderwärts Gold oder Kohle^). Was die Grofse der Ernten anbetrifft, so dürften 15 bis 20 Busheis als Diuchschnittsertrag gelten, Beispiele von 60 bis 70 Busheis als seltene Ausnahmen zu be- trachten sein. — Die gesamte Weizenernte der V. St. betrug 1890 399 Mm. Busheis. Die durchschnittüche Grofse der Ernte der 11 Jahre 1880 — 1890 betrug 445 Mül. Busheis. In gewöhnlichen Jahren wird ein Achtel, in den besten fast ein Drittel der Weizenernte in Korn, aufserdem ein Zwölftel bis ein Zehntel als Mehl ausgeführt. Von der Weizen- und Weizemnehlausfuhr der V. St. nahm England 1889/90 65, von der Maisausfuhr 537o auf. Der zweite Abnehmer des Weizens ist Frankreich, des Maises mit IV U Deutschland. 1) Exclusive Wheat growing has Ijeen the advance guard of agricnltural forces in this country. Rep. Secr. Agr. 1890 p. 310. 446 Roggen. Gerste. Hafer. Roggen ist in den V. St. die wenigst verbreitete von den wich- tigeren Getreidearten. Er hat keinen Markt. Die eingeborenen Ameri- kaner essen Weizen- oder INlaisbrot und von den Einwanderern sind nur Norddeutsche und Skandinavier so an Roggenbrot gewöhnt, dals sie die Frucht anbauen, um sich diesen Genufs zu verschaffen. Nur ein geringer Überschuls kommt auf den Markt und erreicht, wo nicht etwa Brennereien ihn verwenden, oft nur den dritten, selten mehr als den halben Preis des Weizens. Auch die Brennereien verbrauchen jetzt weniger als sonst. Für die leichten sandigen Bodenarten, beson- ders des Nordostens, wiii-de Roggen die passendste Frucht sein, wenn nicht der beschränkte Markt seinem Anbau entgegenstünde. Die Roggen- ernten haben seit 1840 wenig zugenommen. Seit 1870 ist im Süden der Roggenbau im Fortschritt, wo er zur Gewinnung von Winterfutter betrieben wird. Seit Einführung und Verbreitung der deutschen Bierbrauerei hat der Anbau der Gerste sich beständig vermehrt. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Gerste den Roggen überholt. Man baut fast all- gemein die vierzeihge Sommergerste. 1886 wurden California, New York, Minnesota, Wisconsin, Iowa, Nebraska mit den gröfsten Erträgen an Gerste verzeichnet. Die Gesamternte der V. St. an diesem Getreide hatte sich 1886 auf 59 Mül. Bushel gehoben. Hafer folgt unter den Getreidearten nach Menge der Erzeugung und Wichtigkeit unmittelbai- hinter dem Mais und hat seit 1880 mehr als Jedes andere Getreide an Fläche gewonnen. Man baut ihn auf dem ärmsten I.and. Im Westen hebt man ihn als erste Frucht auf Neuland. Die Haferernte der V. St., 1890 abnorm klein, betrug im Durchschnitt der 11 Jahre 1880 — 1890 579 Mül. Busheis. Buchweizen wird in allen nördhchen Staaten als Nebenfi-ucht gebaut. Er hat den Vorteü für Farmer mit geringen Arbeitskräften, dals er spät besteht wird. Er whd grofsenteils nur wegen der starken Nachfrage gebaut, die nach Buchweizenmehl und -grütze besteht. Zwei Drittel der Ernte, die in der Regel in New York und Pennsylvania erzeugt werden, sollen in den Städten zum Konsum kommen. Andere Nahrungsgewächse. Erbsen und Bohnen werden zu denselben Zwecken und in derselben Weise gebaut wie bei uns. Das Klima ist ihnen günstig. Der Anbau dieser Früchte ist aber in neuerer Zeit zurückgegangen. Dieser Ausfall wird ausschhefs- lich hervorgerufen dm-ch die veränderte Nahrung der Neger, die als Sklaven jahraus jahrein mit nichts anderem als Speck und Bohnen gefüttert wurden, seit ihrer Freilassung aber gleich ihren Herren heber von Mais und Weizen leben. Linsen werden in verschwindend ge- ringer Menge gebaut. Im Westen wii'd die einheimische sog. Oregon - Erbse gebaut. Kartoffeln. Baumwolle. 447 Kartoffeln (Iiish Potatoes) gehören ganz wie in Mittel- und Nord- europa zu den wichtigsten Gegenständen des Ackerbaues, wenn sie auch in einem Lande, wo neben den alten Getreidearten Mais so wohl gedeiht, nicht leicht ein schädhches Übergewicht in der Emälirung des Volkes gewinnen können. Die Menge der Kartoffelerzeugung hat mit der Bevölkerung im allgemeinen Schritt gehalten. Die Zahl der mit Kartoffeln bepflanzten Acres hat sich von 1325119 in 1870 auf 2533280 in 1888 gehoben. Den ausgedehntesten Kartoffelbau findet man in den bevölkertsten Staaten: New York, Pennsylvania, Ohio, Ilhnois und Michigan. Verhältnismäfsig stark ist dieser Zweig des Ackerbaues im äulsersten Nordwesten vertreten, wo das Klima von Oregon und Washington Terr. ihm ganz besonders günstig sein soll, und auf den jetzt noch erst in den Anfängen der Besiedelung stehenden Hoch- ebenen der Westgebii'ge, wo die Getreidearten nicht mehr mit Vorteil angebaut werden können. Die Kartoffel büdet in den dortigen jungen Ansiedelungen die Hauptnahrung. Dagegen tritt sie im Süden ganz hinter die Sülse Kartoffel (Batate, Sweet Potato) zurück; Con- volvulus Batatas, ist die südliche Vertreterin der eigenthchen Kartoffel. Noch in den Ohiostaaten wird sie in Gärten gezogen. Als nährende und wohlschmeckende Speise findet sie im Norden wie im Süden eine ausgedehnte Verwendung. Sie büdet einen hervorragenden Gegenstand der Ausfuhr aus den Süd- nach den Nordstaaten. Die südatlantischen und Golfstaaten hefern vier Fünftel aller Bataten. Die Rübenarten (Turnips, Carots, Beets) werden in gröfserem Malse blols zm- Fütterung des Viehstandes, dessen Durchwinterung sie erleichtern, und auch nm- im Norden angebaut. In den Präriestaaten wird ihnen die Neigung des Klimas zur Trockenheit gefährhch. In der Ernährung der Bevölkerung spielen sie eine geringe RoUe. Über die Zuckerrübe s. u. S. 451. Aufser unseren gewöhnhchen Blattgemüsen und Salaten, von denen die Mehrzahl in der amerikanischen Küche eine weniger ausgedehnte Verwendung findet als in der deutschen, werden noch einige Pflanzen, halb Garten- halb Ackergewächse, vom Amerikaner mit Vorliebe gebaut. Tomate oder Pai-adiesapfel und die ihr verwandte Eierpflanze , Kürbis (Pumpkin , Squash) , INIelone, besonders Wassermelone, Rhabarber fehlen in keinem guten Farmgarten. Tomaten werden massenhaft genossen, Squash- und Rhubarb-Pie spielen bei festhchen Gelegenheiten eine so grofse RoUe, dals man sie als Nationalspeisen bezeichnen könnte. Die in den V. St. angebaute Baumwolle gehört Spielarten des in der Neuen Welt ursprüngüch heimischen Gossypium Bar- badense, einer Unterart von Gossypium herbaceum, an. Die haupt- sächhchsten Spielarten sind die schwarzsamige oder Sea Island, auch Langstapel genannt; die grünsamige, auch Highland und Kurzstapel 448 Baumwolle. geuanut ; die Little Gulf und die mexikanische. Über die Grenze des Baumwollenbaues ist oben gesprochen (S. 412). Er findet sein ununterbrochenes Verbreitungsgebiet an den in der Regel frost- freieren Küsten und in den gleichfalls mit milderem Klima aus- gestatteten Thälern der grölseren Flüsse. Die Küstenstrecken gelten überhaupt als die günstigsten Örtlichkeiten für Baumwollenbau. Ein Übermafs von Feuchtigkeit wkkt ungünstig auf die Entwickelung der Faser. Von allen Zweigen der nordamerikanischen Landwirtschaft trägt der Bau der Baumwolle am meisten zum Export bei. Die Baum- wollenausfuhr wkd um- von der Gesamtsumme der Getreide- und Fleischausfulu- übertrof^en. An Geldwert übertreffen ihren Ertrag nur Mais und Heu. Aber es gibt dieser Kultur der Umstand eine be- sondere Bedeutung, dafs bis heute die Südstaaten der Union ein Monopol für die Erzeugung guter Baumwollen besitzen, das selbst die verwüstende Pause des Krieges von 1861 — 1865 nicht zu beseitigen vermochte, und dafs der Erhöhung der Produktion noch lange keine Grenzen gesetzt sind'). Die Blokade der südlichen Häfen bewog damals die europäischen Baumwollverbraucher zu den gröfsten An- strengungen, um aus anderen warmen Ländern Baumwolle herbei- zuschaffen, und England, der Hauptverbraucher, dessen Einfuhr von Rohbaumwolle 1858 — 1860 zu vier Fünfteln aus den V. St. stammte, führte 1863 V/o seiner Gesamteinfuhr aus den V. St. ein, dagegen hob sich dieser Anteil schon im ersten Friedensjahr 1866 auf 37 und stand 1876 bei 62''/o, während die indische Baumwolle in dem letzteren Jahr auf 18 '/«"/o der Gesamteinfuhr gefallen war*). Heute läfst sich der Anteil der V. St. an der gesamten Baumwollenerzeugung auf 82, der Indiens auf 13°/o schätzen. Auf dem britischen Markt sind die Dm'chschnittspreise für iiKÜsche Baumwolle durchschnittlich '/s niedriger als für nordamerikanische. Die grof.se Leistungsfähigkeit dieses Zweiges der nordanierikanischen Landwirtschaft geht ferner aus der raschen Erholung nach dem Kriege trotz sehr ungünstig veränderter Vorbedingungen hervor. Die dm'ch- schnitthche ({röfse der Produktion in den zwölf Jahren von 1865 — 1876 übertrifft um 2 Mill. Ballen (gegen 900 MiU. engl. Pfd.) die einer gleich- langen Periode von 1850 — 61 und von 1865 — 1887 betrug die Zunahme 65 "/o. Die Baumwollenerntc ist seit 1879—1890 von 5 auf 8 Mill. Italien gestiegen. Die Gründe dieser Thatsache liegen zunächst in dem ausge- 1) Über die ErträgniHse bei vorzüglicher Bearbeitung und Düngung. Vgl. Cotton undor High Culture in llep. Agric. Dep. 1867. 409. 2) »Die Konkurrenz Indiens mit den V. St. , die ihre beherrschende Stellung in der Bauniwollonorzeuguug wieder einnehmen, i.st hoffnungsloH ge- wordene Hchrieb Hclion um 25. (,)ct. 1878 The Times in einem Artikel über dcji H;md('I mit Indien. Flachs. Hanf. 449 dehnteren Raum, der sich nicht blols nach Westen zu, sondern auch in den alten Staaten durch das Hinzukommen zahheicher kleinerer Farmer vermehrt hat, die früher brachhegende Grundstücke neu bebauen. Aulserdem lehrt die Erfahrung, dafs der Ertrag sich mit der Verkleine- rung der Farmen vergröfsert hat, bei ausgiebigerer Verwendung von künsthchen Düngern und Benutzung der BaumwoUensamen (Cotton- seed) als Düngmittel. Zum eigenen Konsum gelangen 30 bis 33% der Ernte und diese Zahl steigt langsam. Flachs spielte vor der Zeit des grofsen Baumwollenbaues eine sehr wichtige Rolle in dem Haushalt des nordamerikanischen Acker- bauers, der samt seiner Familie mit Vorliebe »Homespun cloth«, haus- gemachte Kleidung, trug. Der Census von 1810 gibt 21 Mill. Ellen Leinwand als Erzeugnis der Hausindustrie an, die damals in New- York, Virginien und Pennsylvanien stark vertreten war. Gleich- zeitig büdete der Leinsamen einen hervorragenden Gegenstand der Ausfuhr. Später hat die Erzeugung der Faser in den feinen Sorten, wie die Leinen Weberei sie braucht, so sehr nachgelassen, dafs heute die Pflanze fast nur um des Leinsamens wiUen gebaut wird. 1889 wm-den 10 250 410 Busheis Leinsaat gewonnen. Die Haupterzeu- gung findet in IVIinnesota, Iowa, Süd-Dakota, Nebraska und Kansas statt. Einer der Gründe der Vorhebe, mit der gerade in den jungen Staaten diese Kultm* betrieben v}hx\, hegt in dem raschen Reifen und der frühen Verwertbarkeit der Ernte. Sie steht darin aUen andern Erzeugnissen des westhchen Ackerbaues voran. Die Flachserzeugung wurde 1889 auf 241 389 Pfd. angegeben, d. i. ein Hundertzwölftel der 1869 erzeugten Menge. Die mit der Gewinnung der Fasern verbundene Ai'beit wh'd für zu teuer und mühsam erklärt. In den letzten Jahren erschienen Kalifornien nnd Oregon mit erhebhchen Mengen von Flachs auf dem Markte. 1891 betrug die Einfuhr von Flachs, Hanf, Jute und anderen Fasern 21,3 MiU. D. 1860 wiuden 74493 T. Hanf, 1889 11511 T. gewonnen. Dieser Rückgang hängt zusammen mit dem Aufhören der Sklavenarbeit, denn 1860 hatten die Sklavenstaaten Kentucky und Missouri 80 7o der ge- samten Hanfernte gehefert. In den älteren Staaten und bei freier Arbeit ist der Hanfbau immer wenig behebt gewesen, weil er einen vorzüghchen Boden und ebenso viel Arbeit verlangt wie die BaumwoUe. Sein natürhcher Platz war an der khmatischen Grenze der eigentlichen BaumwoUenstaaten, also in Missomi und Kentucky; er hat sich aber jetzt fast ganz auf Kentucky konzentriert, wo 1889 in wenigen Graf- schaften 94 "/o der Hanf ernte des ganzen Landes erzeugt wurden. Die Einfuhr von Hanf aus England, Deutschland, China u. s. w. betrug 1891 1,7 Mül. D. ; dazu kommen für 6,2 Mül. Manilahanf. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 29 450 Zuckerrohr. Sorghum. Gespinstpflanzen von örtlicher Bedeutung sind einige Agaven, besonders Agave sisalana und americana, die in Florida und in Süd- Kalifornien in geringer Menge'angebaut werden. Die Ranken des Hopfens werden in grofser Ausdehnung zu Bindfaden verarbeitet. Die Korb- weiden, die von verschiedenen einheimischen Arten gewonnen werden können, bilden einen Gegenstand des Anbaues in verschiedenen Gegen- den des Nordens. Feuchtigkeit und Wärmesumme befähigen den s. vom 34. Breite- grad und ö. von dem Hügelland von Texas gelegenen Teü der V. St. zum Anbau des Zuckerrohrs, aber nur Louisiana und Florida haben s. vom 32.° eine bedeutende Zuckererzeugung und selbst in diesen beiden subtropischen Staaten ist von einer völligen Reife des Zuckerrohrs nicht die Rede. Kaum der halbe Stengel eignet sich zum Mahlen und der Ertrag an Zucker ist in Louisiana nur ein Drittel bis ein Sechstel des westindischen. Von so zahlreichen Ernten aus einem und demselben Wurzelstocke wie in tropischen Gegenden ist hier nicht die Rede. Man gewinnt eine Ernte aus dem Pflanzrohr, wie es im ersten Jahr genannt wii'd , und zwei weitere aus den Rattoons oder Wurzelstöcken. Dabei ist nur das fruchtbarste Land dieser Kultur zugänglich, das durch tiefe Lagen Überschwemmungen ausgesetzt ist'). Immerhin ist die Rohrzuckererzeugung der V. St. nicht unbedeutend. Nach grolsem Niedergang im Bürgerkrieg — sie war schon in den 5 Jahren vor dem Bürgerkrieg um ein Viertel gegen 1850/55 zurückgegangen — hat sie 1889/90 mit 136000 T. einen höheren Stand erreicht, als vor 1860. Louisiana erzeugte 94 7o von dieser Summe. Die Ernte von 1892 wurde auf 189000 T. geschätzt. Die Zunahme ist trotz der Prä- mien der Regierung langsam. Selbst bei der optimistischsten Dar- stellung, wie sie derartigen Sclniftstückcn leider eigen zu sein pflegt, können die Berichte des Ackerbau-Amtes nicht verschweigen, dals sogar bei weitgehender Unterstützung seitens der Regierung die Rohrzucker- erzeugung in den V. St. schwer dazu kommen werde, dem sehr stark zunehmenden Verbrauch allein zu genügen. Die Einfuhr von Zucker, Melasse u. dgl. betrug 1891 108 Mill. D. Sorghum, Impliee (Sorghum vulgare) wii'd vorzüglich in den mittleren Ohio - und Mississippi - Staaten als Surrogat des Zucker- rohres, Futter- und Körnerfrucht gebaut. Die Anforderungen dieser Pflanze, die von Texas bis Kanada gedeiht und in einigen Varietäten über 4 m Höhe erreicht, an Künia und Boden sind ungefähr die- selben wie des Maises. Der Syrupertrag eines Acre wechselt von 150 bis 400 Gall. In verhältnismäfsig kurzer Zeit hat es eine grofse 1) Die ÜberHchweiiiinungen des Frühlings 1874 zerötörtcn iillcin iiu Zuckerpflanzmigeii in Louiniana 24 71'5 Acres. Zuckerrübe. Ahoriizucker. Tabak. 451 Verbreitung gefunden *) , denn erst in den fünfziger Jahren wurde es zuerst in gröXserer Ausdehnung gebaut und heferte doch schon 1870 16050089 Gall. S}Tup; die Zuckerge^^ännung (1889/90 1500 T.) ist unbe- deutend. Die Hauj)terzeugung findet statt in Indiana, Ohio, Hhnois, Kentucky, JVIissouri und Tennessee. Sie ist in der Zunahme begriffen und wird noch immer durch Preise , die die Bundesregierung aus- setzt (1889 10000 D.), gefördert. Mais ist als Zuckerpflanze eindringend empfohlen worden.*) Die Zuckergewinnung aus der Zuckerrübe hat trotz mancher Anläufe bis jetzt wenig Erfolge aufzuweisen. Die khmatischen Verhältnisse sind ihr im Süden entschieden nicht günstig, und im Norden sind in manchen Jahrgängen die unzulänglichen Regen des Frühsommers ein ernsthaftes Hindernis. Grofsartig angelegte Rüben- zuckerfabriken in Illinois, Wisconsin, Kalifornien sind in den siebziger Jahren eingegangen. Durch ZoUgesetze begünstigt, sind neue Versuche im Gang, u. a. in Nebraska und Kahfornien. 1893 wm-de die Gründung von Versuchsstationen für Rüben- und Sorghumzucker durch die Regierung geplant. 1889/90 wurden 2800 T. Rübenzucker gewonnen. Ahornzucker, dui'ch Abzapf en und Abdampfen des Saftes von Acer Saccharin um im Spätwinter gewonnen, Ijüdet in der rohen braunen Form oder als Syrup mit etwas stechend-aromatischem Nebengeschmack bei der Landbevölkerung einen nicht unwichtigen Ersatz des gewöhn- Hchen Zuckers. Am meisten gewinnen Vermont, New York, Ohio und Michigan. ^) Die Statistik verzeichnet in den letzten Jahren durch- schnittlich 25000 T. Der Tabak gilt noch immer wie vor 250 Jahren, wo der Anbau in Vü'ginien wegen seiner überwuchernden Einseitigkeit be- schränkt werden mulste, für eines der lohnendsten Erzeugnisse des amerikanischen Ackerbaues, aber der Tabakbau ist nach der Aufhebung der Sklaverei in den alten Tabakgegenden der V. St. ein anderer ge- worden. Die Kleinwirtschaft einzelner Farmer ist dieser Kultur heute günstiger als che Plantagenwirtschaft der Sklavenhalter; sie liefert 1) Ein Hauptgrund, dafs der Sorghumbau sich so rascli Bahn brach, dürfte in der Geschichte der Kulturpflanzen ziemlich vereinzelt dastehen, nämlich die Agitation , die von den Antisklaverei-Gesellschaften dafür ins Werk gesetzt wurde. Man wollte den Thee nicht mehr mit Zucker versüfsen, der von Sklavenhänden gewonnen war. Aus demselben Grunde war schon fi-üher der Ahornzucker den Nordischen ans Herz gelegt worden. 2) Vgl. F. L.Stewart, Maize and Sorghum as Sugar Plauts. In Rep. Comm. Agriculture Wash. 1878. 236 f. 3) Für die Indianer des Nordwestens war die im ersten Frühling ein- tretende Möglichkeit, die Ahornbäume anzuzapfen, oft die letzte Eettung vor Hungersnot. Saft und Zucker sind Nahrungsmittel bei ihnen. (Owen, Rep. Geol. "\Msconsin 1852. 432.) 29* 452 Hopfen. Indigo. sorgfältiger behandelten Tabak, der einen guten Markt findet. Übrigens nötigt auch die weitgediehene Aussaugung der alten Tabakländereien zu einer intensiven Kultur. Von 488 Mill. Pfd. Tabak, die 1889 ge- erntet wnrden, baute am meisten Kentucky, fünfmal mehr als Virginien, dann folgen der ebengenannte Staat , Ohio , Tennessee , Nordcarohna, Pennsylvanien, Wisconsin, Maryland, Missouri und Connecticut. Florida baut seit lange cubanischen Tabak, dem der Bericht des amthchen Erntestatistikers eine Güte zuspricht, die der des cubanischen nicht nachstehe. ») Die Einfuhr von Tabak bewertete 1889/90 17,6 Mill. D. Übrigens gab es 1889 nach den Censusausweisen nur sechs Staaten oder Territorien, in welchen gar kein Tabak geerntet wurde. Er findet in der That über das ganze Gebiet hin überall Gedeihen, aber aus den Ernteberichten geht hervor, dafs ilmi übermäfsige Feuchtigkeit und frühe Herbstfröste häufiger als dem Mais schaden. Die nördhche Grenze seines Verbreitungsgebietes whd durch die Linie mittlerer Juhwärme von 17 " C. besthnmt. Hopfen (Hops). Die Hopfenerzeugung ist in den V. St. in starker Zunahme; neben dem eigenen immer noch zunehmenden Verbrauch steht eine beträchthche Ausfuhr, die 1889 das Vierfache der Einfuhr betrug, aber grofsen Schwankungen je nach der Gröfse der Ernte unter- Uegt. 1840 wurden 1238502, 1889 39171270 Pfd. geerntet. Man schreibt dem Hopfen ähnliche Wachstumsbedingungen zu wie dem Mais und Tabak, und er wii'd über die engen Gebiete, die heute die gröfsten ]\Iengen erzeugen — New York, Washington, Kalifornien, Oregon, Wisconsin erzeugten 1889 99 7o der Gesamtmenge — noch weit hinausgehen. *) Die leichte Beschaffung der Stangen , zu denen man die dauerhaften jungen Cedern auszuwählen pflegt, hat die Aus- breitung des Hopfenbaues im Nordwesten begünstigt. Indigo^), einst ein Stapelartikel der Plantagen der atlantischen Südstaaten, wird gegenwärtig in so geringer Menge erzeugt, dafs er seit 1840 selbst nicht mehr in den Censusberichten ausgeführt wird. Die Ausfuhr war von 1794 bis 1850 von Vh Mill. Pfd. auf 2740 D. gesunken. Wenn heute noch Indigo irgendwo in den Südstaaten angebaut wird, geschieht es in so geringem Mafse, dafs er für die grofsen wirt- schaftlichen Verhältnisse ohne Bedeutung bleibt. In Georgia und Süd- Carohna findet man die Indigopflanze verwildert. 1891 wurden für 1) Rep. Comm. Agriculture f. 1875. Wasliiiigtoji 1876. 55. Auch LoiiiHiana zieht wertvollen Tabak in geringer Menge. 2} Mit der Zunahme des lIojjt'enbaueH hängt natüilicli die der Bier- brauerei eng zuHaininen; der Biorverljiauch in den V. St. betrug 1880 8,26, 1889 13,67 Gall. pro Kopf. 3) Vgl. den eingehenden Aifikd in TJo]>. f'onnn. Agrieulture f. 1873. 255 f. Der Reis. Der Obstbau. 453 1,6 Mill. Indigo hauptsächlich aus Ostindien, Grofsbritannien und Colonibia eingeführt. Der Reis, diese tropische oder subtropische Frucht wurde in den V. St. immer nur auf einem verhältnismäfsig beschränkten Räume gebaut, nämlich in den sumpfigen Küstenstrichen von Südcarohna, Georgia und Louisiana; auch in einem kleinen Strich in NordcaroHna am Cape Fear R. wird Reis gebaut. Aber er hat lange Zeit einen der Stapelartikel des südhchen Ackerbaues gebildet. Reis bildete mit Indigo zusammen im ganzen 18. Jahrhundert den Hauptausfuhrgegenstand von Südcarohna uud Georgia. Von 1850 an, wo die Ernte 215313497 Pfd. betrug, nahm der Ertrag ab. Die Abnahme trat schon vor 1860 ein. Louisiana, das früher als Reisstaat kaum m Betracht kam, hat sich zu einer bedeutenderen Reiserzeugung aufgeschwungen im Wettstreit mit dem Zuckerrohr, dessen Gebiet von dem des Reises immer mehr in Anspruch genommen "oörd. Dafs man in den Mississippiniederungen die Hochwasserstände dieses Stromes für die Bewässerung verwenden kann und fast immer flielsendes Wasser über den Pflanzen hält, wüxl als ein Vorteil dieses Gebietes im Vergleich mit dem von Carolina und Georgia angesehen. Bei geringerer Sorgfalt des Anbaues kommt in- dessen der Louisiana-Reis nicht dem CaroHna-Reis nahe. 1891 betrug die Reisausfuhr 33000 D. Der Obstbau steht in besonderer Gunst bei den Farmern des Ostens und Californiens. er nimmt über 6 Mill. Acres Land ein und es wird der Wert einer mittleren Obsternte auf 138 Mill. D., also nahezu die Hälfte einer guten Weizenernte, geschätzt. Die jungen Obst- bäume werden in Baumschulen (Nurseries) gezogen, deren es 1890 4510 mit 173000 Acres Land und 48000 Besitzern und Arbeitern waren. Man zählte in ihnen u. a. 240 Mill. junge Apfelbäume. New York, Illinois, Ohio, Nebraska, Iowa und Kalifornien stehen an der Spitze. Der Apfelbaum ist der wichtigste und verbreitetste von den nord- amerikanischen Obstbäumen. Ob nicht einige von den einheimischen Arten Spielarten Ursprung gegeben haben, die man besonders im Süden gezogen hat, ist eine strittige Frage. Sicher ist, daXs diese Wild- äpfel ausgezeichnete Stämme zum Veredehi Hefern. Das vortreffhche Gedeihen des Apfelbaumes und seine frühen und regelmäfsigen Erträge haben ihn zum bevorzugten Obstbaum des amerikanischen Farmers gemacht. Er ist in alle Teile der Union verpflanzt worden und in den nördhchen Staaten wird er geradezu als die nationale Frucht bezeichnet. Aulser den besseren Früchten für den Tisch des Menschen liefert er den unschädhchen und allgemein beliebten Cider, der im Interesse der Mäfsigkeit sehr emi:)folilen wii'd, und che gewöhnlichsten Sorten dienen sogar zur Schwememast. In Maine, wo die Veredelung weit vor- geschritten ist, hält man Apfelbäume für die ertragreichste Kultm- 454 Per Obstbau. Südfrüchte. Überhaupt. Ein Avahres Apfelparadies ist das mittlere New York in der Gegend von Geneva, Rochester und Syrakus. Von hier findet auch eine starke Ausfuhr von Äpfehi nach Em-opa statt. Ferner ist Neuengland, New Jersey , Pennsylvanien und einige Nordweststaaten reich an Äpfeln. Der Süden versorgt den Norden massenhaft mit Früh- äpfeln. 1890/91 wurden für 0,8 Mill. D. frische und getrocknete Äpfel aus- geführt. Der Birnbaum kommt im wilden Zustande in den V. St. nicht vor und die Anpflanzung des zahmen liat früher in gröfserem Mafse stattgefunden als jetzt. Die Ursache davon hegt vorzüghch in der sorg- fältigen Pflege, che dieser Obstbaiun erfordert, in seinem späteren Tragen, der häufigen Zerstörung der Blüte durch Nachtfröste und in der ge- ringeren Verwertbarkeit und Haltbarkeit seiner Früchte. In neuerer Zeit hat sich Kahfornien durch die Zucht edler Bü-nenarten ausgezeichnet. Der Birnmost (Perry) war einst das behebteste Getränk der Kolonisten. Der Pfirsichbaum ist nächst dem Apfelbaum der verbreitetste Obstbaum in dem gröfsten Teü der V. St. Er ist nur aus den nörd- lichsten Staaten ausgeschlossen und kommt am häufigsten in den mitt- leren vor. Die Leichtigkeit, mit der man ihn aus Fruchtkernen zieht, die SchneUigkeit , mit der er seine voUe Tragfähigkeit erreicht, seine Bodengenügsamkeit machen ihn zum Liebhng des Farmers. Die Pfirsiche sind überall in den V. St. so begehrt, dafs sie massenweise für den Versandt gezogen werden. Am meisten Pfirsiche werden erzeugt in Delaware , Maryland, A^irginia , im südhchen Teil von New Jersey, Long Island und an der Südküste des Erie-Sees. In den Lagen, die nicht vorzüghch geschützt sind, nimmt man an, dafs von fünf Jahren nur drei voUe Ernten bringen. Der Pflaumenbaum ist dem Klima der V. St. ganz angemessen. Verschiedene wilde Pflaumen kommen in den Wäldern vor, und auf diese pfropfte man die euro- päischen Arten. Dieser Baum ist im Nordosten und vorzüghch in Maine mit Erfolg gezogen worden. Unsere Zwetschge (German Prune) soll merkwürdigerweise viel weniger leicht fortkommen als die ge- wöhnliclie Pflaume, doch ist sie von Deutschen in Pennsylvanien mit gutem Erfolg ang(;pflanzt worden und gedeüit neuerdings vorzüghch in Oregon. Kirschen und Aprikosen scheinen diejenigen altweltlichen Obst- arten zu sein, denen das amerikanische KHma am wenigsten zusagt. Die Früh Jahrsfröste schädigen sie im Norden, während ihnen der Süden schon zu heifs ist. In südliclien Teüen von Ohio und in Kentucky dürfte noch das beste Klima für den Kirsclibaum zu finden sein. Vor- züglich scheint aber auch ihm das paciflsche Klima zuzusagen. Wilcken bezciclmet die Kirschen von Oregon als die besten von allen. Die Aprikose wird fast mir am S])alier gezogen. Die Maulbeere ist ein- heimisch in den Mittel- und Siidstaaten und gedeiht liier auch Der Weinbau. 455 vortrefOich. Zahme Kastanien sind als Baum und Strauch einheimisch (s. ü. S. 157) und gehen geniefshare Früchte. Von den Fruchtbäumen des Südens hat sich die Orange mehr und mehr zum wichtigsten ent^nckelt. Ihre Kultur wird be- sonders in Florida mit Eifer betrieben, aulserdem in Süd - Louisiana und Süd-Kalifornien und Jetzt auch in Arizona. Im Censusjahr 1889 zählte man 13,5 ISIill. Orangen- und etwa 7* MiU. Citronenbäume, tragende und nicht tragende. Von dieser Frucht Aräd in den V. St. eine sehr grofse Menge konsumiert und der dortige INIarkt bedarf noch erheblicher Zufuhren aus Westindien, Südeuropa u. s. f. Die Kultur hat sich hauptsächhch wegen ihrer grofsen Einträglichkeit und der geringen Mühe, die sie nach Überwindung der ersten Schwierig- keiten bereitet, rasch ausgebreitet, findet aber selbst in Florida und Louisiana ein Hindernis an der zeitweiligen Zerstörung der Ernten oder sogar der ganzen Pflanzungen durch Fröste (s. o. S. 411). Die Orangenernte von Louisiana wurde 1876 auf 32 ]Mill. Orangen, ent- sprechend etwa 70000 Bäumen, che von Kaüfornien auf 7 jMill. von gegen 50 (XX) meist noch jungen Bäumen angegeben; die von Florida dürfte heute allein über 300 Mill. betragen. Aufserdem kamen 1891 noch Orangen und Citronen im Werte von etwa 6,6 Mill. D. zur Einfuhr und zwar vorzüglich aus Italien und Westindien. Die Citrone und andere Abarten des Citrusgeschlechtes treten hinter den Orangen zurück. Sie erlangen jedenfalls keine Bedeutung als Handelsartikel. Die Mandel gewährt keinen sicheren Ertrag in den mittleren Staaten und ist in den südlichen bis jetzt nm* wenig ver- breitet. 1889 wurden gegen l'/a Mill. Bäume gezählt. Die Olive (in demselben Jahre 278000 tragende Ölbäume) gedeiht in den atlan- tischen Südstaaten nicht gut, wahrscheinhch wegen übermäTsiger Feychtigkeit, kommt dagegen, wie auch die Korkeiche, in Süd-KaU- fornien vortrefflich fort. In den subtropischen Gebieten der Süd- staaten und Süd-Kaüforniens sind auch Cocospaknen, Guavas, Pekan- nüsse mit Eifer angepflanzt. Die Bananen- und Ananaskultur hat in Süd-Florida (1889 21 ^Nlill. Ananaspflanzen) entschiedene Fortschritte gemacht. Zu den vorzüghch im Süden gedeihenden Früchten ist auch die ErdnuXs (Pea-Nut, Arrhachis h}^ogaea) zu zählen, von der z. B. Virginia 1876 allein 40000 Busheis erzeugte. Nordamerika hat einheimische Beben, die zum Teü reiche und geniefshare Früchte tragen, aber der Weinbau ist im ö-sthchen Nordamerika erst 1620 mit Reben und Winzern aus Franki-eich und Deutschland eingeführt worden. Er ist trotz aller Aufmunterungen nur vereinzelt gediehen. Bis zu den Versuchen, die seit Anfang unseres Jahrhunderts im Ohiotbal von deutschen Einwanderern mit Anpflanzung der Reben gemacht wm'den, kam der Weinbau nicht 456 Weinbau. über die Liebhaberei hinaus, fand aber dann im Keukasee- und Hjüdsongebiet von New York eine grofse Entwickhing. Dagegen hat die Erwerbung Kahf orniens ein grofses , schon bewährtes Wein- land den V. St. zugefügt. Hier wie in den übrigen Kolonien der Spanier im südwestlichen Nordamerika ist der Weinbau eingebürgert, und man hat dort anfangs mit den schon bestehenden Pflanzungen einfach weiter ^^il•tschaften können. Endhch ist seit 30 Jahren auch in den Südstaaten der Weinbau, besonders in Virginien zur besseren Entfaltung gelangt. An der Spitze des Weinbaues stehen nach dem Census von 1889 Kalifornien, Missouri, New York, Ohio. Was die Reben anbelangt, aus denen der Wein gewonnen wird, so sind es in der östüchen Hälfte des Landes gegenwärtig vorwiegend einheimische und zwar in den Südstaaten die dort ursprünghch wildwachsende Scuppernong oder Muscadine Grape (Vitis rotundifolia), in Ohio und IVIissomi die CataAvba und Isabella Grape (Varietäten der Fox Grape, Vitis labrusca). Die europäischen Ai'ten haben sich trotz der Aus- wahl und Sorgfalt bei der Acclimatisation nicht auf die Dauer be- währt. (Vgl. o. S. 409.) Dagegen arbeitet Kalifornien, trotzdem es ebenfalls einheimische Reben hat, ausschherslich mit solchen euro- päischen Ursprungs. Die sehr wohl gedeihende Mission Grape , so genannt, weil sie in den spanischen Indianermissionen zuerst gebaut wurde, ist ein Abkömmling spanischer Spielarten. Die grofse Masse des kalifornischen Weines wird noch immer aus ihr gewonnen. Die deutschen Reben scheinen in Kahfornien eine Neigung zu reichlicherer Zuckerbildung und gröfserer Schwere des W^eines zu entwickeln. Nur in Kahfornien ist die Weinbereitung eine grofse Industrie '), in den übrigen Weinbaugebieten werden die Trauben gröfstenteUs als Obst verbraucht. 1889 waren 201000 Menschen auf 400000 Acres Reben- land beschäftigt. In Kalifornien findet der Weinbau seine Grenze un- gefähr bei ;-i8", in der östliclien Hälfte der V. St. bei 41 '/« " n. B. (auf den Inseln am südhchen Rande des Erie-Sees), 8 bis 10** südhcher als in Europa. Die Beerenfrüchte spielen bei den civilisierten Bewohnern Nordamerikas, wie einst bei den Eingeborenen, eine sehr grofse Rolle und werden hier in gröfserer Menge und mannigfaltigeren Zu- bereitungen gegessen als in Europa. In erster Linie stehen die Moos- beeren, Cranberrys (Oxycoccus macrocarpus), das Erzeugnis einer weit verbreiteten Sumpfpflanze. Es wird behau])tet, dafs Michigan mehrere 1) Nur Kaliloriiion hat eine iicnuonsweito Ausfuhr von Wein, Cham- pagnerberoitung u. dgl. 1889 führte o» 312000 (Jall. Wein aus. Auch nennen flie Amerikaner eine Weinlnnii von .'JSOO Acres in der Grafschaft Tehama stolz >the largest Vincyard in tlie \Vorld<. Die Einfuhr von Wein erreichte 1891 einen Wert von nahe an 10 Mill. D, Beeren. Wiesenbau. 457 Millionen Acres habe, die mit denselben bewachsen seien. Ein grofser Teü des Bedarfes wird durch die Früchte künsthch angepflanzter Sträuche gedeckt. ') Die Erdbeere ist , was die Menge des Ver- brauches anbetiifft, die zweite unter den nordamerikanischen Beeren- früchten und nach der Behebtheit die erste. Auf Long Island bei New York und in anderen Teilen des Nordens findet ihre Kultur bereits in grofsartiger Weise statt. Von anderen Beeren kommen Brombeere und Heidelbeere wild in verschiedenen Arten und weit ver- breitet vor und tragen Früchte, die die entsprechenden europäischen an Wohlgeschmack und teilweise auch an Gröfse übertreffen. Brombeeren sind in Amerika viel behebter als bei uns und werden in reich- licher Menge angepflanzt. Die Himbeere konnnt in mehreren Arten massenhaft wUd vor, aber nicht mit so vortrefflichen Früchten, wie unser Rubus Idaeus ; sie wird gleichfalls angebaut. Die Stachel- und Johannisbeeren sind beide in mehreren Arten einheimisch, aber die erstere hat Früchte, die durch ihre stachehge Haut schwer ge- niefsbar sind, während die wildwachsende rote Johannisbeere sehr saure Früchte bringt. Nur die wildwachsende schwarze Johannisbeere ist geniefsbar. Lidessen gedeiht die europäische Johannisbeere vor- züglich, während merkwürdigerweise die europäische Stachelbeere in hohem Grad dem Mehlthau unterworfen ist. Wiesenbau. Die V. St. besitzen in ihren Sommerregen eine khmatische Begünstigung des Graswuchses. Die bis über 4 m hohen Sorghum-, Mais- und Pferdezahnmais-Anpflanzungen gehören zu den Charakterzügen des Landschaftsbildes und in den ausgedehnten Prärie- regionen hegt das gröfste natürHche Wiesenland der gemäfsigten Zone. Ein Vorzug der nordamerikanischen Prärien vor anderen Steppen beruht gerade in ihrem Reichtum an nahrhaften Gräsern (s. Bd. I. 380). Das wertvollste von ihnen ist wahrscheinhch das Bunch-^) oder Buffalo-Grass (Festuca scabrella), das eine sehr weite Verbreitung besitzt, sehr nahr- haft ist und den grofsen Vorzug hat, unter der heiCsen Sonne und der DüiTe der Steppem'cgionen seine Nährbestandteüe auch im trockenen Zustande zu bewahren. Die beste Varietät dieses Grases, die einen dichten Rasenteppich bildet, wächst in Neu-Mexiko, wohin wegen seiner vorzüghchen mästenden Eigenschaften besonders in neuerer 1) In New Jersey sind mehrere Tausend Acres mit Cranberrys l)epflanzt. Von ihren Heidelbeerpflauzungen ziehen einzelne Farmer, die 6 bis 10 Acres davon besitzen, bis 3000 D. 2) Bunch-Grass ist ein allgemeiner Ausdruck für büschelartig wachsende Gräser im Gegensatz zu rasenförmig wachsenden Gräsern, die man im Steppen- gebiet, weil sie die feuchteren Niederungen lieben, »Bottom-Grass« nennt. Gräser, die im feuchten Klima Rasen bilden, wachsen als »Bunches« im trockenen Westen. 458 Wicscnlinn. Zeit sehr viel Rinder und Schafe getrieben werden, die dann in fettem Zustand auf die Märkte Kaliforniens gehen. Ein anderes bemerkens- wertes Gras ist der sog. Bergreis (Oryzopsis asperifolia), der den ganzen Winter über grün bleibt und unter der Schneedecke den Wiederkäuern der Plains oft das einzige Futter bietet; seine Samenkörner sind fast so grols wie Weizenkörner. Im Südwesten, besonders in Texas, be- deckt der sog. Wilde Hafer, eine Uniola-Art, zusammenhängend meilen- weite Strecken in den Niederungen mit seinen wogenden, getreide- ähnlich hohen Rispen. Man hat die Zahl der Präriegräser auf 70 an- gegeben ; aber auf Kulturboden gehen sie ein und bei dünnerem Stand und schwächerem Wuchs ist ihr Heu viel leichter als das der künst- Hchen Wiesen. Wiesenheu, vorzüghch von Timothy (Phleum pra- tense), der beliebtesten Wiesengrasart, bezahlt sich fast doppelt so hoch als Prärieheu. Die Bodengestaltung des Landes ö. der Alleghanies und besonders Neu-Englands ist der Entstehung natürhcher Wiesen günstig, durch die breiten Thäler, in denen zeitweihge Überschwem- mungen die Tieflandwälder hebten und durch che jNIannigfaltigkeit der Bodengestaltung, welche grofsen Sumpf- und Tieflandwäldern, wie man sie am unteren Mississippi und überhaupt im Golfgebiet findet, keinen Raum gewährt. Auf die merkwürdige Aviesenerzeugende Thätigkeit der Biber ist schon früher (Bd. I. 292) aufmerksam gemacht. Aber an vor- züghchen Nutzgräsern ist Nordamerika nicht so reich wie Mitteleuropa, was sich schon daraus schliefsen läfst, dafs alle die behebtesten Wiesen- gräser, wie der eben genannte Timothy, das Knaulgras (Orchard Grass, Dactylis glomerata), das Rispengras (Blaugras, Poa pratensis) aus Europa eingeführt sind. Diese Gräser sind in grofsem Mafse verwildert und vorzügli(;h das Blaugras ist so eingebürgert, dafs es gegenwärtig zu den am frühesten auf Lichtungen erscheinenden gehört und den weifsen Ansiedlern Aveit vorauseilt. Im Süden lassen die heilsen Sommer nur Winterwiesen zu und für diese ist die bevorzugteste Grasart eine Uniola-Ai't, welche die Sommerhitze sehr gut aushält, und daneben das aus Europa eingeführte Bermudagras (Cynodon Dactylon). Im Süden ist aufserdem das sog. Natchczgras besonders verbreitet; auch Panicum sanguinale ist sehr häufig. Am pacifischen Abhang sind ebenfalls eui'opäische Gräser angebaut, wiewohl unter den zahkeichen dort einheimischen (nach Bolander beherbergt Kalifornien 140 ver- schiedene Arten von Gräsern) mehrere vorzügliche Wiesengräser sind. Übrigens läfst der milde Winter dieser Gegenden den Weidegang fast überall das ganze .hihr /.ii. Nur für den Bedarf der zahheichen Zug- und Reittiere in den weidearmen dürren Hochebenen des Westens werden gröfsere Mengen Heu aus Kalifornien ausgeführt. Die Heu- erzeugung der V. St. belief sich 1877 auf 31*/3 Mill. T. Natürhch liegt ihr Schwerpunkt im Norden und zwar n. vom 39*. New York, Blumenzucht und Trucki'urming. — Viehzucht. 459 Pennsylvania, lllinuis, luwa und Ohio stehen in der ersten Linie der heuerzeugenden Staaten. In diesen Erträgnissen ist auch das Heu von Klee (Clover) mit inbegriffen. Unser roter Klee ist die meist angebaute Kleeart im Osten. Im Süden und Westen kommt Luzerne, AHaifa genannt, hinzu, die bevorzugte Futterpflanze der Irrigationswiesen. Die sandhebende blaue Lupine soU angebhch wild im Steppenland des Westens vorkommen, wo sie 30 bis 40 cm hoch whd. Sie scheint für diese dürren Böden eine gröfsere Zukunft zu haben, als die meist angebaute Luzerne. Die Blumenzucht hat seit 25 Jahren eine grolse Aus- dehnung und voLkserzieliliche Bedeutung gewonnen. Die ersten offi- ziellen Schätzungen, die der letzte Census gebracht hat '), weisen 4659 Handelsgärtnereien mit fast 900 Acres Glashäuser und gegen 19000 Besitzern und .Arbeitern, darunter 1958 Frauen, nach. Die Blumenhebe ist in den älteren Teilen der Union und überall, wo feste Verhältnisse eingetreten sind, wie schon in Kalifornien, sehr verbreitet und trägt viel zum Schmuck der Wohnungen und ihrer L'mgebungen bei. Auffallend ist die geringe Entwickelung der >Floriculture« in den Südstaaten. Auf die »Seed Farms« haben wir hingewiesen. Vom Market Gardening unterscheidet man Truck Farming, das Gemüse und Obst, ferne vom Orte des Konsmns auf Äckern erzeugt, von denen Händler und Eisenbahnen die Erzeugnisse weiter- befördern. Er ist am entmckeltsten in den städtereichen Gebieten des mittleren atlantischen und des Centralgebietes, dann in den klimatisch begünstigten Südgebieten und Kalifornien, die trotz der grofsen Ent- fernungen ihre Winterfi'üchte bis nach New York und Boston liefern. 1889 wm'den 241000 Besitzer und Arbeiter von Farmen dieser Art gezählt. Ackerbau und Viehzucht. Das Verhältnis zwischen Ackerbau und Viehzucht mulste bei den natürlichen Bedingungen, die beide in den V. St. fanden, eigentümliche Entwickelungen durchmachen. Die vom atlantischen Rande und die im pacifischen Gebiete vor- schreitende Kolonisation verhielten sich von Anfang an grund- verschieden, insofern jene im Waldgebiet sich dem Ackerbau zuneigte, diese auf dem Steppenlande der Viehzucht. Der Ackerbau trägt bis heute mehr nordamerikanische, die Viehzucht spanisch- amerikanische Züge. Die Rancho -Viehzucht des Westens ist voll mexikanischer Erinnerungen bis auf Namen und Tracht der 1) Census Bulletin No. :^^ Floriculture (April 1891). 460 I^iß Rancho -Viehzucht. »Kuhblirschen« (Cowboys, in Übertragung die Vaqueros Mexikos) und die Lebensweise der Schafhirten, die in der Regel zai zweien eine Herde von 3000 hüten, mit der sie wandern, in Zelten lebend, die ein Esel oder Maultier trägt, von dem Fleisch gefallener Tiere und Mais sich nährend. Der Ackerbau Kaliforniens und anderer Westgebiete ist dagegen fast ganz nordamerikanische Einführung. Aber die politische Vereinigung des Ostens und des Westens hat der Viehzucht die grofsen Märkte und die Eisenbahnen und damit einen ungeheueren Aufschwung gebracht, der mit der Erwerbung von Texas begann und 40 Jahre lang einem grofsen Teil des »fernen« Westens seinen Stempel aufprägte. Zu den merkwürdigsten der wirtschaftlichen Verschiebungserscheinungen im Gebiet der V. St. gehört die Zurückdrängung der Rancho -Viehzucht mit ihren halbwilden Herden und Hirten und ihrem gewaltigen Raum- anspruch — 30 Acres Sommer- und Winterweide werden für 1 Rind, 7V2 für ein Schaf angenommen, aber in schlechten Jahren wie 1879 und 1880 entsteht die Notwendigkeit mit Herden von 100000 bessere Gegenden aufzusuchen — durch den Ackerbau und durch die Viehzucht auf umzäuntem Lande. Vor 40 Jahren schienen die grofsen Herden »that roam over the public domain«, fast plötzlich ins Leben getreten zu sein, so rasch vermehrten sie sich auf den damals dem ^''erkehre sich erst erschliefsendcn Steppen ; ihre rasch zunehmenden Plundert- tausende schienen die Stelle der zurückgehenden Büffel einnehmen zn sollen. Aber die Eisenbahnen, die den Untergang der Büffel- lierden beschleunigten, indem sie sie entzweisclmitten, schränkten auch die Rinderherden ein. Wie eine neue Welle ergossen sich die Einwanderer über die westlichen Prärien und jede Farm, die umzäunt wurde, raubte den »Rauchers« ein Stück Weide. No(;h 1880 koimte das westliche Drittel von Kansas und die Hälfte von Nebraska als freies Weideland angesehen werden; heute sind sie samt grofsen Gebieten in Nord- und Süd-Dakota, Texas, Colorado, in dessen Osthälfte 1885 noch doppelt soviel Rinder gewesen sein sollen als 1889, Oregon, Washington und Kalifornien, das 1885 nicht mehr den dritten Teil seines Rinderbestandes von 1862 besafs. eingezäunt utid die Herden, die auf ihnen weideten, Viehzucht und Ackerbau. 461 sind nach neuen, meist weniger günstigen Plätzen gezogen, oder zusammengeschmolzen. Gerade so günstige Stellen, wie die lange Halbinsel zwischen dem Nord- und Süd-Platte, wo manchmal 30 000 Rinder versammelt waren, wurden dieser Viehzucht ent- zogen. Aus einem grolsen Teil des Indianer-Territoriums wurden 1890 die »Ranchers« samt ihren Herden verwiesen. Die Rancho- Viehzucht hat überhaupt wahrscheinlich seit 1880 ihren Höhe- punkt überschritten. Heute sind ihre Hauptgebiete Texas, Neu- Mexiko, wo sie nach spanischer Sitte auf billig gepachtetem Lande betrieben wurde, und wo in den letzten Jahren ausgedehnte Strecken des Staatschullandes zu 2 bis 10 Cts. der Acre von früheren Ranchers gepachtet und eingezäunt wurden, und dann der nörd- liche Teil des grolsen Beckens: Idaho mit dem östlichen Oregon und Washington, für die freien Schafherden auch noch Nevada, Utah und Süd-Kalifornien^). Auch das Indianer-Territorium bietet noch fast 1 Mill. Rindern wilde Weide und wdrd in den nächsten Jahren mit Texas und Neu-Mexiko zusammen das gröfste und ergiebigste zusammenhängende Gebiet der Rancho -Viehzucht bilden. Diese w^ird sich aber immer mehr auf die Schafe werfen, die genügsamer, denen das dürre Klima und der trockene Boden der Steppen am besten zusagen, und die überhaupt Träger einer intensiveren Wirtschaft sind. Eigentlich gehört zu diesem Gebiete auch noch ein östliches Stück Mexiko, auf dessen Steppen grofse Herden texanischer Wollschafe zur Aufzucht getrieben werden. Und endlich werden mit der Zeit die meisten Indianer - Reser- vationen des Westens von den Herden überschwemmt werden. Die Rancho -Viehzucht hat durch ihren Landhunger die Zurück- drängung der Indianer überhaupt beschleunigt. Im Jahre 1889 schätzte man die Zahl des »Live Stock on Rauches« auf 6,8 MiU. Rinder, 6,7 Mill. Schafe, 0,5 Mill. Pferde. Die Rinder sind am 1) In engeren Gebieten schliefsen sich Rinder- und Schafzucht aus, da die Rinder nicht weiden, wo Schafe gegangen sind. Wo die Schafzucht anwächst, wie seit 1886 in Wyoming oder Colorado, geht daher immer die Rinderzucht zurück. Ebenso dehnt sich die Schafzucht aus, wo »overstockingj mit Rindern Weideland verdorben hat, wie in Utah. .\uch der Gegensatz zwischen Rinder- und Schat'züohtern hat mehr als einmal zu feindlichen Zu- sammenstöfsen geführt. 462 Viehzucht und Ackerbau. zahlreichsten in Texas, Neu-Mexiko nnd dem Indianergebiet, die Schafe im mittleren und nördlichen Grofsen Becken und in Neu- mexiko, die Pferde im östlichen Oregon und Idaho. Von östlichen Staaten kommt bezeichnenderweise nur Florida mit seinen kleinen spanischen Rindern, die auf den Ödländern des Südens grasen, in Betracht, und daneben beschränkte Striche der Golfstaaten. Diese Verdrängung ist nicht kampflos vor sich gegangen. In Kalifornien, Texas, Neu-Mexiko bilden die Besitzer der grofsen Rinder- und Schafherden eine politische Macht, mit der gerechnet werden mufs. Ihre usurpierten Rechte auf Hunderte von Quadrat- meilen waren nahe daran anerkannt zu werden, sind es seitens ein- zelner Territorien sogar gewesen. Als ob sie ein gutes Recht auf das von ihren Herden besetzte Land hätten, zäunten sie Millionen von Acres ein. Als 1885 ein Gesetz gegen diese Abschliefsung des »ohne einen Schatten von Recht« besetzten Landes erlassen wurde, gab das Landamt dessen Ausdehnung auf 4,4 Mill. Acres an. So beanspruchten sie einst die Südhälfte von Kalifornien, wo erst in den siebziger Jahren langsam das für Ackerbauzwecke verwertbare Land von ihnen aufgegeben wurde. In Idaho haben sich die Farmer im Salmon R.-Gebiet ihr Ackerland von den Ranchers geradezu erkämpfen müssen. Die bewaffneten, an das rauhe, freie Leben der Steppe oder des Gebirges gewöhnten Hirten sind, wie überall in der Welt die Nomaden, zu Gewaltthätigkeiten geneigt; die Zählung von 1890 hat allein in Kalifornien eine kleine Armee von »Herders« nachgewiesen. Aus Wyoming ertönten in den letzten Jahren Klagen über die Einzäunung grofser Strecken gesetzlich der l^esiedelung offenstehenden Landes durch die Grofs Viehzüchter, die in den achtziger Jahren als »Wyoming Stock Growers Asso- ciation« in Wyoming und West -Nebraska ein Gebiet von der Gröfse Süddeutschlands und Sachsens mit ihrer festen Organi- sation von Inspektoren , Captains of the Round up und Kom- pagnien von Kuhburschen umspannten. In Texas riefen die Farmer Unrulien hervor, indem sie die Drahtzäune zerstörten. Die grofse Gefahr, dals die nach Osten führenden »Trails«, d. h. die Weidewege des Steppeuviohs, deren wichtigster von Ft. Griflit im nördUchen 'l'exas durcli das Indianer-Territorium Rinder. 463 nach Dodge City Ka. und Ogalalla Nebr. führte, durch die vor- dringenden Ansiedler und ilire Einzäunungen verschlossen werden könnte, führte zu dem Antrage der texanischen Grofsviehzüchter an den Kongrefs, einen Streifen öffentlichen Landes als Cattle- Trail in Kansas, Nebraska und Dakota zu reservieren. Diese Staaten suchten aber, nachdem bereits blutige Zusammenstöfse zwischen den Kuhburschen und den ansäfsigen Viehzüchtern im südlichen Kansas stattgefunden hatten, durch Quarantänegesetze die Kon- kurrenz und die Seuchen des texanischen Viehs fernzuhalten, während die » Stock- Associations« sich gegenseitig den Durchtrieb an bestimmten überwachten Stellen erleichterten. Die Viehzucht. Die spanischen Kolonisten, welche die ersten Haustiere nach Nordamerika brachten, haben von Mexiko aus ihre Rinder über weite Gebiete des Westens verbreitet, wo man sie zahm und halbwild findet. Auch die Kolonisten des Nordens und Ostens brachten Rinder aus ihren Ländern mit, vorzüglich englische, niederländische und französische. Aus der Vermischung dieser höchst verschiedenen Rassen der kleinen, lebhaften, für halbwildes Leben gescliickten spanischen und der grofsen, milchreichen, an Ställe ge- wöhnten nordeuropäischen entstand das, was man den Native Stock von Amerika nennt. Die Ai-t der Rind Viehzucht ist nach den örtlichen Bedingungen verschieden. Der Neuansiedler, dem es in erster Linie darauf ankommt, sich einen Grundstock von Vieh als Kapital und auch für den eigenen Gebrauch zu schaffen, läfst im Anfang alles ohne Ausnahme auf^^■achsen und achtet es nicht besonders, wenn die Herde in den ersten Wintern aus Mangel an Winterfutter hungert und herunterkonnnt. Für die Zeit der Winterfütterung sind in den nördlichen Staaten 180 Tage eine mäfsige Schätzung. Von Frühling an läfst er sie im Wald oder auf der Prärie ihre Nahrung suchen. Aber die Prärie gibt doch nur im Juni und Juli genügend nahrhafte Weide, später wird das Gras rasch trocken und bei etwas fortgeschrittener Landwirtschaft haben die Kleeäcker in diese Lücke einzutreten. Dem Futtermangel im Winter half einst der Waldfarmer dadurch ab, dafs er Ahorn- und Lindenbäume umhaute, von deren Knospen das Vieh sich gerne nährt. Das Steppenvieh lebt gar halb- wild, bildet in erster Linie die Lauffähigkeit aus und gibt daher gute Zugtiere, während die Mich ganz vernachlässigt wird. Als Schlacht- vieh steht es in letzter Linie, auch nach ^Mästung. Herden zu 400 bis 500 Stück läfst man von einem berittenen Hirten (Cow boy) austreiben, dem unter Umständen auch die Aufgabe zufällt, eben so grofse und noch gröfsere Herden Hunderte von Meilen nach den Verkaufsorten 464 Rinder. Pferde. und eiiinial im Jahi-e zmn Round up (Rodeo), d. h. zur Zählung und Zeichnung zu treiben. Die Märkte für das Vieh Hegen von Ost-Arizona an alle jenseits der Steppen im Mississippigebiet. Die Verluste, besonders in harten Wintern, sind sehr grols, die Steppen sind an manchen Stellen mit den Knochen von Rindern, wie einst mit Büffelknochen bestreut. Der durchschnittliche Verlust wird auf ein Zehntel geschätzt, aber in Wintern wie 1885/86 und 1889/90 sind in grofsen Gebieten bis zu 50% gefallen. \Me anders in den Ost- und zum Teil auch den älteren Weststaaten die Viehzucht betrieben wird, zeigt die erstaunhche Leistungsfähigkeit der dortigen Milchwirtschaft, die sie selbst auf den europäischen INIärkten schon zur Geltung gebracht hat. Die erste grofse Käserei wiu-de 1851 in Oneida Cy. N. Y. gegründet und noch heute steht der Staat New York, der 1890 12''/o der Milchkühe der V. St. besafs, mit gegen 1000 Käsereien und Buttereien an der Spitze dieser Industrie. In geringerer Menge sind sie in Illinois, Ohio, Iowa, Missouri, Vermont, Pennsylvania und Wisconsin vorhanden. Die Hauptmasse des erzeugten Käses — Cheddar — gleicht dem englischen. Ein Fach- mann wie Wückens stellt die nordamerikanische Käserei über die deutsche und österreichische'). 1889/90 bewertete die Ausfuhr von lebenden Tieren aus den V. St. 33 Mill. D. Seit 1889 erscheint ameri- kanisches Vieh auf deutschen Mäikten. Gegen 1888/89 hatte sich Menge (gegen 400000 Rinder) und Wert der Ausfuhr fast verdoppelt. An Produkten der Rindviehzucht, die in demselben Fiskaljahre 31 "/o sämthcher Ausfuhren tierischer Natur ausmachten, kamen für 44 745 518 D. zur Ausfuhr, und zwar in erster Linie Käse, wovon für 12'/« MiU. D. nach Grofsbritannien gingen, Talg für 7,8 Mill., Leder für 6 MilL, frisches Rindfleisch ausschliefslich nach Grofsbritannien für 4'/« Mill., Butter 4V« Mill., Häute und gesalzenes Rindfleisch je 3 Mill. Der gröfste Abnehmer für alle diese Produkte ist Grofsbritannien mit 757o, Deutsch- land folgt mit 5V», Frankreich mit 37», Canada und Westindien mit je 3»/o. 1890 gab es 35 Mill. Rinder und Ochsen und 15 Mill. Milchkühe. Die Zahl der Pferde in den V. St. wurde 1890 auf 15 Mill. angegeben, 45''/o mehr als 1880. Man rühmt sich in Nord-Amerika, ein Achtel aller Pferde der Welt zu besitzen. Mit dieser grofsen Masse geht eine Vielartigkeit der Rassen Hand in Hand*). Seit der Verschmelzung der jenseits des Mississippi gelegenen Teile mit den alten Staaten ist das Pferd si)anischer Abstammung, das die Zwischen- stufe des verwilderten Präriepferdes durchgemacht hat, der Grund- stock geworden durch absolutes Überwiegen der Anzahl und durcli 1) Nordamerikanischf! Liindwirtscliaft 1890 S. 279. Die Deutschen in WisconHin verfertigen ihren heiniischcn Fettivüsc. 2) Vgl. (he Arheit des Col. Kingwalt über da« nurdamerikanische l'ferd irii Report Dep. Agrindtnro 1866. 322. Pferde. 465 bestimmt ausgeprägten Charakter. Schon die Indianer züchteten vor- treffliche Pferde dieser Rasse, die sog. »Bronchos«, welche zwar klein, aber ausdauernd sind. Bei manchen Indianerstämmen sind jährhch wiederkehrende Pferderennen übhch und selbst armen Stämmen gelten vorzügHche Pferde als unverkäuflich. Unter den Rassen des Ostens sind die schweren Conestoga-Pferde, deren Heimat Deutsch-Pennsyl- vanien, eine der wenigen scharf charakterisierten; die Pferde von Kentucky und Tennessee sind seit lange berühmt, besonders als Ti'aber. Der amerikanische Traber (Ti'otter oder Roadster) ist eine scharf aus- geprägte Rasse und in seiner Art unübertroffen. Die Traberzucht ist eine nationale Angelegenheit und bei der charakteristischen Vorhebe, mit der Amerikaner und Amerikanerin im »Buggy« und anderen leichten ^\ ägen die grolsen Entfernungen zwischen Farm und Farm, Wohn- und Geschäftsstätte zurücklegen, von grofser praktischer Bedeutung. Die Erfahrungen im Secessionskriege, in dem der Reiterei und Artillerie eine so hervorragende RoUe zufiel, haben dem engHschen Pferde überall den Vorrang in Schnelligkeit und Ausdauer zuerkennen lassen, während die amerikanischen Traber sich als^ Ai'tiUeriepf erde bewährten'). Für den Train griff man zu Maultieren, che an Ausdauer die Pferde schlugen. Die unvollkommenen Strafsen haben sich der ausgedehnteren Zucht schwererer Schläge fast überall ungünstig erwiesen. Die Abgehärtet- heit gehört zu den Vorzügen des nordameiikamschen Pferdes, denj beim Reichtum an Weideland von vornherein eine natürhche Lebens- weise gestattet war. Man rühmt ilim auch eine ganz besonders grofse Sanftmut und Gelehrigkeit nach, was zum Teil darin liegen mag, dals der Amerikaner gern und gut mit Pferden umgeht. Selbst ärmere Farmer lassen ilirem Reitpferd die gröfste Sorgfalt angedeihen. Gute Reitpferde stehen besonders in dem im ganzen doch noch immer sehr wegarmen Westen in hoher Schätzung, da sie zu den ersten Notwendigkeiten gehören. Gerade hier ist auch die Pferdezucht am verbreitetsten und leichtesten, weil genug Weideland vorhanden ist. Die pferdereichsten Staaten waren nach der oben erwähnten Zählung lUinois, Iowa, Texas, Missouri, Kansas, Ohio, New York. Incüana, Pennsylvania. Im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszalil ist bezeichnenderweise das dichtbevölkerte Massachusetts am ärmsten, das junge, weite Kalifornien am reichsten an Pferden. Die Pferde- einfuhr ist noch immer sehr beträchtlich. Esel (auch von den Nord- amerikanern als »Burros« bezeichnet) und Maultiere findet man nur in den früheren spanischen Gebieten in gröf serer Zahl; 1890 wurden 2 247000 Maultiere und 49000 Esel gezählt. 1) Report Dep. Agrieulture. 1866. 326. Ratzel, Die V. St. von Amerika. ''t) 466 Schafe. Schweine. Die Schafe werden in den V. St, erst seit di-ei Jalirzehnten in grolser Ausdehnung gezüchtet. Erst Texas und Kalifornien mit ausgedehnten Weiden, günstigem Khma und abgehärteten Steppen- schafen haben den Anstofs gegeben zu einer Ausdehnung dieser Zucht, die Nordamerika die dritte bis vierte Stelle unter den woll- erzeugenden Ländern anweist. In den waldreichen Staaten des atlan- tischen und Mississippi- Gebietes war nicht viel Raum, bei den Fannern nicht viel Neigung für grofse Schafzucht, doch wm-de sie für den eigenen Bedai-f betrieben. Dem anheimelnden Bild des Schäfers mit der Schippe und dem auf zwei Rädern ruhenden Holzhüttchen begegnete man vor zwei Jahrzehnten noch in den deutschen Teüen von Penn- sylvanien. Das hiesige Schaf, eine Misch-Rasse, die noch heute als »Native« oder »Common Stock« weit verbreitet ist, ist eine sehr zähe und fruchtbare, aber kleine und im Fliefs mangelhafte Rasse. Die Verbesserungen haben in den nach enghscher Sitte viel Hammel- und Lammfleisch verzehrenden atlantischen Staaten durch Kreuzungen mit enghschen Tieren die Fleischschafe begünstigt. Die Zucht von reinen Wollschafen ist vor dem Emporkommen der texanischen und kaüfor- nischen Schafzucht nur in den Gebirgsgegenden der Alleghanies und besonders auf ihren trockenen, kalkreichen Westabhängen betrieben worden, die in den Mittel- und Südstaaten mit ihrem verhältnis- niälsig müden Klima, reichen Weiden, guter Bewässerung und nahe- gelegenen Absatzpunkten günstige Bedingungen bieten. Auch die Prärie- region und ihre Übergangslandschaften sind für cüese Zucht passend und Ohio steht an Schafreichtum nur hinter Texas zurück. Aber die Menge von Arbeit, die die Schafzucht erfordert, läfst sie in allen jüngeren Gebieten hinter anderen , viel bequemeren Zweigen der Viehzucht zurücktreten. Die Einfuhr von Rohwolle betrug 1891 18 Mill. D. Die Zahl der Schafe betrug 1890 über 44 Mill. Die Wollerzeugung (1885 330 Mill. Zti".) ist in stetigem Steigen. 1880 standen an Zahl der Schafe und Gröfse der Wollerzeugung Kalifornien, Ohio, Texas, die Territorien, New York, Michigan, Pennsylvania, Indiana und Illinois in erster Linie. Kahforiüen, Ohio und Texas beteihgten sich zu einem Drittel an der gesamten Wollerzeugung der V. St. Die nordamerikanischen Schweine sind ebenfalls aus der Misclumg der verschiedensten Rassen unter vorwiegender Beteiligung englischer und irischer hervorgegangen. Die gröfste Zahl besteht noch immer aus der genügsamen sog. Landrasse, die in neuerer Zeit vorzüglich mit Suffolks und Berkshii-es gekreuzt worden ist. Kein Zweig der Vielizucht pafste besser zu den Lebensbedingungen und den Bedürf- nissen der Ansiedler als dieser und keiner hat sich infolge dessen so rasch ausgebreitet. Für den ersten Ansiedler koinite vidleiciht nur der II III 1(1 nützlicher als das Schwein sein. Man liefs es frei laufen in den Schweine. 467 noch ungelichteteii Wäldern, die üim reichliches Futter boten, und in den jungen Ansiedelungen war oft schon mi zweiten und dritten Jahr ein Überschuls an Mais vorhanden, für den beim INlangel naher ]\Iärkte und guter Wege keine Verwendung bestand. Durch die Schweine- mast ward er in eine marktbare Form gebracht') und der Farmer erhielt nicht nur Fleisch und Fett, sondern auch Öl (Lard Oü) aus dem Speck, das vor der Petroleumzeit das verbreitetste Leuchtmaterial in den ländlichen Distiikten des Westens war, ferner Material zm* Seifen- bereitung. Vor der weiten Verbreitung der Schweinezucht waren nur die Schnapsbrennereien erhebhche Abnehmer des Maisüberflusses, für den die Ausfuhr vor 1860 wenig in Betracht kam, aber auch diese immer nur in der Nähe brauchbarer Transportwege. Es bleibt nur die Schweinezucht übrig zur Bewältigung dieses Überflusses. Für diesen Zweck erntet man vielfach den Mais nicht erst, sondern treibt die Schweine in die Maisfelder, die man ihnen abteilungsweise eimiiumt, und die sie auf diese Weise dann nach und nach abfressen. Wenn nötig, überläfst man ihnen auch schon im Frühsommer den grünen Mais oder Hafer. Seit 20 Jahren ist aber die Rindermast in den Vorder- grund getreten und che Schweine nähren sich seitdem von den un- verdauten Maiskörnern im Mist der Rinder. Auch als Konsumenten der Molkereiabfälle spielen sie eine grofse Rolle. Die V. St. smd das schweinereichste Land der Welt; die Zahl der Schweine betrug 1890 gegen 52 Mül. 1878 folgten nach der Gröfse ihres Schweine- reichtmns Iowa, Illinois, Oliio, Indiana, IMissom-i, Kansas und Nebraska nacheinander. Das Schlachten der Schweine und die Verarbeitung der Dinge, die aus ilirem Fett und Fleisch und aus den AbfäUen her- gestellt werden, ist eine der gröfsten und merkwürdigsten Industrien der V. St., die einst das Bedürfnis des Südens nach bühgem Salzfleisch und Speck für die Sklaven hervorgerufen hatte, die aber nun längst eine imposante ^^^eltindustrie geworden ist. Sitz derselben bleibt immer der Westen, wo Chicago, Kansas City, Omaha, S. Louis, IndianopoHs, Müwaukee, Sioux City, Cincinnati, S. Paul, Cleveland und Louisville 70 "'o des ganzen Geschäftes besorgen. Aulserdem werden noch an verschiedenen Orten der Staaten, denen diese Porcopolen angehören, endlich m den grofsen atlantischen Städten gröfsere Mengen geschlachtet. 1) Freilich sind auch die Schweinepreise in den neiibesiedelten Gegen- den des Westens oft aufserordentlich niedrig gewesen. 75 Cts. bis 1 D. für den Centner frischgeschlachteten Schweinefleisches war ein annehmbarer Preis. (Rep. Dep. Agric. 1866. 382.) Entsprechend gering pflegte allerdings auch der Wert des Maises zu sein, der in den holzarmen Präriegegenden als Heizmaterial verwendet oder destillirt wurde. Die weite Verbreitung der Trunksucht im Westen der V. St. hängt zu einem guten Teile mit der Billig- keit und Vortrefflichkeit des Kornbranntweins in jener Zeit zusammen. 30* 468 Hunde. Seiden- und Bienenzucht. Die Erzeugnisse der Schlächtereien machten 1891 61 Vo aller Gegen- stände tierischer Natui- aus, die von den V. St. ausgeführt wurden '). Nicht zu vergessen sind unter den Haustieren die Hunde, die gerade in einem Lande mit weitverteüter und grolsenteüs in einzelnen Gehöften und kleinen Weilern wohnender Bevölkerung besonderen Wert erlangen. Ein Bericht über die Zahl der von Hunden getöteten oder verletzten Schafe schätzte 1868 die Zahl der Hunde in den V. St. auf 5 MlU. Über den amerikanischen Truthahn, der noch immer eine sehr ■v\ichtige Stelle unter den Bewohnern der Hühnerhöfe emnimmt, ist bereits oben (S. 166) gesjjrochen. Die Seidenzucht war einst bedeutender als jetzt; sie hatte ihren Sitz vorzügUch in den Südstaaten. Die einseitige Entwickelung des südhchen Ackerbaues hat sie zurückgedi'ängt. Ihr Ertrag fiel von 61 552 Pfd. Cocons in 1840, auf 4000 in 1870 und stieg langsam auf 17 000 in 1890. Sie bot sich den früheren Ansiedlern ganz natürüch dar, solange diese noch nach den lohnendsten Betrieben mnher- expeiimentierten. Sobald sie sich auf bestimmte Kultm'en geworfen hatten, blieben ilmen keine Ai'beitskräfte für die anspruchsvolle Pflege der Seidenwürmer übrig. Auch die Krankheit der Seidenwürmer hat zum Vei'fall der Zucht beigetragen. Die Einfuhr von Rohseide betrug 1889/90 24,3 Mül. D., 25 "/o mehr als im vorhergehenden Jahre, was natürüch den Wunsch nach Zollschutz oder Prämien auf einheimische Seide hervorrief*). Die Bienen, die in den V. St. gezüchtet werden, sind em-opäischen Ursprungs (vgl. Bd. I. 411). Die amerLkauischen Gattungen MeHpona und Trigona hat man ohne Erfolg zu züchten versucht. Die Bienenzucht ist am ertragreichsten in Ilhnois, Nord-Carolina, Ken- ■» tucky, Missouri und Tennessee. Die Ausfuhr von Wachs und Honig nach Em-oi)a trug 1891 313000 D. ein. 1) Unter dem Titel Proviaions führt die Handelsstatistik auf: 8.0 Rlill. D. Hog Products, 35 Beef Products, 9,8 Dairy Products, ferner 1,3 Häute. 2) Vgl. Report of tho Secretary of Agriculture f. 1890 p. 38. XVIII. Die Wälder und ihre Ausbeutung. Verbreitung der Wälder in dem Gebiet der V. St. 469. Ihre Verteilung über die einzelnen Staaten 471. Neuanpflanzungen von Wäldern 473. Anfänge von Forstschutz und Waldwirtschaft 474. Waldverwüstung und Waldbrände 475. Die wichtigsten Nutzhölzer 477. Der Holzverbrauch und Holzhandel 478. Das Waldland der V. St. wird zu 25 °/o der Gesamtfläche geschätzt. Die V. St. stehen also an Waldreichtum im Verhältnis zur Fläche hinter Skandinavien, Rufsland und Deutschland zurück, aber allen anderen Ländern Europas voran. Die Zusammensetzung der Wälder und ihre Verteilung über das weite Gebiet ist schon im ersten Bande (S. 366) besprochen worden und die ebendort gegebene Wälderkarte der V. St. läfst Lage und Unnrisse der bewaldeten Gebiete erkennen. Von den Waldprovinzen, welche die Pflanzengeographen in Nordamerika unterscheiden, erreicht die nördliche durch Picea nigra und alba bezeichnete nicht mehr die Grenzen der V. St. Aber das s. davon gelegene, durch Pinus Strobus charakterisierte Föhren gebiet füllt die Region der Grofsen Seen und den Nordosten bis in die mittleren Alleghanies aus. In ihm lagen und liegen die ertragreichsten Forste, die in Maine jetzt ziemlich gelichtet, in Michigan und Minnesota auf dem Weg der Ausbeutung sind. Die Weymuths- kiefer und Schwarzfichte sind die wirtschaftlich bedeutendsten Bäume dieses Gebietes. In einem 160 bis 300 km breiten Streifen umzieht dann der südliche Küstenwald die südatlantische und Golfküste ; sein \\irtschaftlicher Wert hegt in den grofsen Föhren- 470 ^if" natürlichen Waldgebiete. Wäldern, vorzüglich der langnadeligen Föhre (P. palustris). In dem Innern des groisen Bogens, den diese beiden Gebiete bilden, wächst der Laubwald des Mississippibeckens, den im Westen die Prärien begrenzen, während er in Florida und im' südlichen Texas in den subtropischen Wald übergeht. Im Westen bedeckt ein eigentümlicher Gebirgswald die höheren Teile der Felsengebirge und des Groisen Beckens. Er ist artenarm, die Nadeüiölzer herrschen entschieden vor und er ist nach Ausdehnung und Zusammensetzung wirtschaftlich wenig wertvoll. Dagegen ist der paci fische Küstenwald, der zwischen dem Stillen Ocean und der Sierra Nevada wächst, durch eine grofse Anzahl von schönen und ^nrtschaftlich wertvollen Bäumen ausgezeichnet. Pinus Lambertiana und Pseudotsuga Douglasii, in beschränkten Gebieten die Sequoien, sind die Charakterbäume dieses Gebietes. Der. Osten ist bis etwa zum 96. Längengrad^) eben so waldreich, wie der Westen waldarm ist. Nach einem für die ganze Erde giltigen Gesetze sind die Gebirge waldreicher als die tiefer ge- legenen Striche, die wohlbewässerten Tieflandstrecken waldreicher als die Hochebenen. Maxima der Bewaldung finden sich im Nordosten, Norden, Nordwesten und im Südosten: Im Nordosten das reichbewässerte und dünnbevölkerte Innere des Staates Maine und das Adirondack - Gebirge, im Nordwesten die Teile von Michigan und Wisconsin um den L. Superior, im Südosten die Halbinsel Florida, im Nordwesten der pacifische Küstensaum sind die waldreichsten Gebiete im Osten der Union. Kleinere Regionen dichter Bewaldung finden sich in den mittleren Alleghanies und den Küstensüm})fen der atlantischen und Golfküste. Minima der Bewaldung finden sich dagegen in den dichtbevölkerten und gewerbthätigen Gegenden, wo die Ausrottuug des Waldes am weitesten vorgeschritten, wie in Neu -England und den Mittel- 1) Oder genauer bis zu einer Linie, die Ix'i 97" die (Jolfküste vorlilfst, bei 99" den oberen P>razf)H schneidet, zwischen Arkansas und Kansas bis ö, vom 95." zurückfällt , den Kansas bei Toijcka , den Missouri s. vom Omaha, den Mississippi bei Davenport schneidet und ö. von Chicago den Michigansee erreicht, an dessen Westgestade sich bis Milwaukec der canadische Nadelwald herabsonkt, dessen Westgrenzo auf dem IJoden der V, St. im allgemeinen dem Mississiiipi und iKudliclicn h'cd. !>'. U>\zganges zu finden. Was er ausgräbt, wird scharf durchsucht und gewaschen, um die sehnsüchtig erwarteten gelben Schimmer (Color) ans Licht zu Vjringen. Ist dieser dargestellt, so ist der Gang luichst AVidirschoinlich wertvoll. Aber weitere Untcirsuchiing, die dem Bergmann vorbehalten ist, hat fcstzustellfn, ob er Millionen oder nidils wort ist«. Spekulation und Raubbau. 485 trägt die Spuren davon. 1859 hatte mit der Entdeckung der Washoe- minen eine fieberhafte Spekulation mit Minenwerten begonnen, die 1863, als die nicht zum zwanzigsten Teile wahren Nachrichten von der Entdeckung immer neuer Silber- und Goldminen einliefen, einen Höhe- punkt erreichte, der sich nur mit der schwindelnden Höhe der Auf- regungen des Law'schen Bankfiebers vergleichen läfst.*) Bessere Mnen sanken damals innerhalb Tagen auf ein Zehntel ihres vorherigen Wertes. Ein Erfolg dieser Krise war die aufsergewöhnliche Regsam- keit, die sich auf die Auffindung neuer Minengegenden richtete, dann die Erkenntnis der Notwendigkeit eines fachmännischen Betriebes der Gruben und Hütten und die Einsicht in die Unentbehrhchkeit der Wissenschaft bei der Auffindung und Verwertung der Mineralschätze. Nachdem der Betrieb des Bergbaues in den V. St. bis auf die neueste Zeit mehr auf raschen Gewinn als auf möglichste Erhaltung und langsame Ausbeutung der unterkdischen Schätze bedacht gewesen war, ist man in den Kohlenregionen des Ostens bereits zu sorgsamerer Ausbeutung vorgeschritten, besonders in den Anthracitgruben, aber im Westen wird noch heute ein grofser Teil der Erze verwüstet, die nicht sehr leicht auszubringen sind. 1864 berechnete ein Sachkenner, dals in dem damals vorgeschrittensten Minendistrikt Nevadas, dem von Washoe, der Verlust an Edelmetallen bei der Verhüttung durch- schnitthch 32 "/o betrage. Dies hat sich jedenfalls gebessert, aber noch immer sind die Verluste grofs genug (s. u. S. 497 f.). Nicht Ungeschick und Unkenntnis, sondern ganz wie in der Landwirtschaft wetteifernde Ungeduld di-ängt zu diesem Betriebe. Die Amerikaner verleugnen ihren erfinderischen Geist auch hier nicht. Schon 1864 schrieb F. v. Rieh t- hofen von der erst in der Entwickelung befindhchen Washoeregion : »In Bezug auf manche kleine praktische Einrichtungen beim Einfahren, Fördern und Wasserheben kann Europa von der neuen Gegend lernen«. Auch die wissenschaftliche Behandlung der Probleme des Bergbaus und der Metalliu-gie hat grolse Fortschritte gemacht. Man findet in den V. St. einige Bergwerksschulen von Ruf und das Institute of IMining Engineers veröffentMcht Schriften von ^vissen- schaftlichem Werte. Jedoch macht die Mehrzalil der dem höheren Bergbau sich widmenden Jünglinge noch immer die deutschen Schulen durch, wie denn deutsche wissenschaftüch gebildete Bergleute einen grofsen Anteil an der Entwickelung und an einem vernünftigeren Betrieb der Bergwerke in den V. St. haben.*) 1) V. R i c h t h o f e n schätzte 1864 die Zahl der Minengesellschaften in den pacifischen Staaten auf nicht weniger als 30000. (Geogr. Mitth. Erg.-Heft 14. 1.) Vgl. S. 8 die lebendige Scliilderung des Minentiebers von 1863. 2) Vgl. J. C. Bartlett, American Students of Mining in Germany (Trans. Am. Inst, of Mining Engineers V. 431 f.) 486 Eisen. Eisen. Die V. St. werden an Reichtum, Reinheit und weiter Verbreitung ilirer Eisenerze von keinem Lande der Welt über- troffen. Den ganzen Zug der AUeghanies entlang ist Magneteisen der fast beständige Gefährte der älteren metamorphischen Gesteine dieses Gebirges; es findet sich vom S. Lorenz bis nach Georgia, in meist linsenförmigen bis zu 50 und 60 m dicken Ablagerungen. Es kommt in gröfseren Mengen vor in den Adirondacks, am Lake Champlain, in den Highlands des östlichen New York und den angrenzenden Teilen von Massachusetts, dann im nördlichen New Jersey, im südlichen Teil von Pennsylvanien bei Cornwall, in West- Virginia und Virginia, in Nord-Carolina, wo es in hervor- ragender Reinheit auftritt (Cranberry-Ore von Mitchell Cy.), und in Nord-Georgia. Diese Kette von Magneteisenlagern ist durch die Nachbarschaft des grofsen appalachischen Kohlenbeckens be- günstigt. Das Vorkommen der mangan- und zinkhaltigen Magnet- eisen von New Jersey gehört in diese Reihe. Ähnlich sind Lager von Roteisenstein am Oberen See und in Missouri (Pilot Knob und Iron Mt.) dem nordwestlichen Rande desselben Kohlenfeldes, sowie des Kohlenfeldes von Illinois und Indiana vorgelagert. Ein anderer oolithischer Roteisenstein (Fossil oder Glinton-Ore, Dye- Stone) ist als Glied der Clinton-Gruppe in der unteren Silur- formation von sehr weiter Verbreitung. Wie ein Formationsglied tritt er in derselben geologischen Zone und mit fast der gleichen Beschaffenheit in einem sehr weiten Gebiete der Union auf, und ist von Wisconsin durch New York, Pennsylvania und längs der AUeghanies durch Maryland und Tennessee bis Alabama zu ver- folgen. Eisenerze in der Kohlenformation sind in den V. St. weniger verbreitet als in Europa ; sie treten gegen die ebengenannten Lager zurück. Ihren gröl'sten Wert für die Industrie gewinnen die Eisen- spathe in der Hanging Rock-Region des südlichen Ohio und öst- lichen Kentucky. Häufig, aber in kleinen Vorkommen, findet sich Thoneisenstein in den Kohlenbecken der appalachischen Region. Blackband-Ore tritt in dem triassischen Kohlenbecken von Nord- Carolina, bei Pottsville Penn, und in der Kohlenformation des östlichen Oliio vor. Brauneisensteine (Brown Hematites or Limo- nites) sind in der Alleghany-Region in jedem Staate an der Ost- Die Eisenregionen. 487 Seite des Gebirges und in diesem selbst vorhanden. Die gröfste Wirkung haben in dem letzten Jahrzehnt die Erze der Süd- alleghanies geübt. Vor 1870 gab es kaum eine nennenswerte greise Industrie im Süden und 1890 erzeugten die neuen Eisen- staaten des Südens fast so viel Eisen wie 1870 das ganze Land. Die künftigen Punkte der gröfsten Eisenerzeugung in den V. St. will man bereits in 20 geogr. M. Radius von den Smoky Mountains erblicken. Die Entwickelung der Eisenindustrie im südwestlichen Alleghany-Gebiet hat bereits auf das Ohio-Gebiet zurückgewirkt. Cincinnati ist einer der gröfsten Eisenmärkte geworden*). Die Bedeutung für die Negerfrage im Süden haben wir S. 292 an- zudeuten versucht. Fremde Eisenerze werden besonders aus dem südöstlichen Cuba, dessen Bergwerke in pennsylvanischen Händen sind, aus Spanien und Canada eingeführt. Ihr Wert erreichte 1891 2,4 Mill. D. Man zählt 7 grofse Regionen der Eisenerzgewinnung: Oberer See, Champlainsee, Missouri, Pennsylvania, New Jersey, Ohio und Kentucky, Alabama. Auf diese gründet sich die grofse Eisenindustrie der V. St. Zahlreiche andere gröfsere und kleinere Vorkommen stehen erst im Anfang der Ausbeutung oder hegen derzeit noch brach. Das Rohmaterial an Erzen wird fast ganz in den V. St. selbst gefördert. Die Gesamtförderung wurde 1889 auf 14,5 MUl. T. angegeben im Werte von 33 MiU. D. 26 Staaten und Territorien beteiligten sich dai-an. 1. Oberer See. Eisenglanz und Magneteisenstein kommen in dem Grünstein und den Chlorit- und Talkschiefern der Huronischen Formation am Südrande des Oberen Sees als sehr unregehnäfsige Lager und Stockwerke vor , die oft 15 und bis über 30 m Mächtigkeit, bis 300m Länge und grofse, teilweise noch unbekannte Tiefen erreichen. Die Erze sind so reich, dafs solche von weniger als 50 "/o nicht ver- arbeitet und von weniger als 64 bis 66 "/o nicht versandt werden ; im Durchschnitt gewinnt man über 60 "/o Metall aus ihnen. Man ge- wann 1889 5,8 MiU. T. Der Reichtum des Distriktes ist noch immer grofs, wenn auch einige Gruben bereits ihre Förderung nicht mehr zu steigern vermögen. Dieser Bergbau beschäftigt 14000 bis 15000 Arbeiter. Hauptverschifiungsplatz ist Marquette. Begünstigt durch die bühgen Schiffsfrachten auf den Seen, gehen die Eisensteine dieser Region bis S. Louis und Pittsburg und sogar bis Alabama. 1) Vgl. 43'' Annual Report of the Cincinnati Chamber of Commerce 1892 p. 55. 488 I^i^ Eisenregionen. 2. Champlainsee. Magneteisen in den krystallinischen Ge- steinen am Ostfufs der Adirondacks. Es sind ausgedehnte Massen, oft Steinbruch ai-tig abbaubar, von 55 bis 65 "/o Eisengehalt. Förderung 1889 780000 T. Die Mehi-zahl dieser Erze wird verschifft. Haupt- verschiffungsort: Crown Point am Westufer des L. Champlain. 3. Pennsylvania. Das bemerkenswerteste Vorkommen in diesem eisenreichen Staat ist das von Cornwall, wo ein Berg aus Magneteisen sich erhebt, 450 m lang, durchschnittlich über 150 m dick. Der Eisen- gehalt beträgt 50 "/o. Mit di'eimal so grofser Förderung sind die gleich- falls in Pennsylvanien gelegenen, aber zerstreuten Brauneisenstein-Lager des Silm'-Kalksteines im Lehigh- , Juniata- , Montour- , Konemaugh- Thale u. a. zu nennen. Pennsylvanien gewann 1889 1,6 Mill. T. 4. Missouri. Zwei berühmte Eisenberge, Iron Mt. und Pilot Knob, Hefern hier Eisenglanz, der in Porph3T eingebettet ist. Iron Mt., 120 km sw. von S. Louis, bedeckt 500 Acres und ist 70 m hoch. Beim Pilot Knob besteht der 2 Acres einnehmende Gipfel ganz aus Eisenerz. Missouri gewann 1889 266000 T. 5. Im Hochland von NewJersey treten Magneteisen und Franldinit auf und lieferten 1889 415000 T. Ihre günstige Lage in grofser Nähe des Lehigh-Thales erleichtert die Verarbeitung. 6. Ohio und Kentucky (Hanging Rock Region). Die eisen- führenden Kalksteine der unteren Kohlenformation umschHefsen im nordwesthchen Pennsylvanien, im südlichen Ohio und östhchen Ken- tucky Eisenspathe und Brauneisensteine. Die Hauptorte der Eisen- Industrie sind hier Ironton 0. und Ashland Ky. Die hiesigen Eisen- lager setzen nach West- Virginia fort. Westvirginien und Virginien förderten 511000, Ohio 254000, Kentucky 77 000 T. 7. Alabama. Brauneisensteinlager von ungewöhnlicher Aus- dehnung und Reichhaltigkeit. Die Erze ergeben 50 bis 60 "/o MetaU. Das Shelby Iron von Alabama ist eines der geschätztesten Eisen des amerikamschen Marktes. Roteisenstein kommt im Westen und Süden des Cahaba-Kohlenfeldes in regelmäfsiger Schichtung und auf mehreren 100 km Erstreckung vor. Die INIächtigkeit wechselt zwischen 3 und 10m. Im Warrior-Kohlenfeld hegt eine Schicht Blackband - Ore (Eisenspath) zwischen zwei Kohlenflötzen. Alabamas Erzförderung hat (1,6 Mill. T.) diejenige Pennsylvaniens erreicht. Die Roheisenerzeugung der V. St. betrug 1889 7,6 Mill. T., das doppelte von 1880, und nahm an der Gesamtmenge, welche auf der Erde erzeugt wurde, mit gegen 25 °/o Teil und steht vor 1850 . 632 525 T. 1860 . . 919 770 » 1870 . . 1865000 > 1880 . . 3375 912 Steinkohlen. 489 England und Deutschland. Im ganzen wird gegenwärtig in 22 Staaten und 1 Territorium Eisen erzeugt^). Das Wachstum der Roheisenerzeugung in den V. St. im Laufe dieses Jahrhunderts ist aus folgender Tabelle zu erkennen. 1810 . . 60480 T. (ä 907,2 kg) 1820 . . 22400 1830 . . 184800 1840 . . 352800 1889 . . 7 603 642 T. Steinkohlen. Die Steinkohlenformation, die auch in den V. St. in die zwei Gruppen Subcarboniferous (Untere Kohlen- formation) und Carboniferous (Produktive oder eigentliche Kohlen- formation) geteilt mrd, hat, rein geologisch betrachtet, eine aufser- ordentlich grofse Verbreitung. Unser geologisches Kärtchen (Bd. I, S. 28; vergleiche mit ihm die Angabe der Kohlenfelder auf der diesen Band begleitenden Karte) zeigt, wie sie in einem Streifen von 500 km vom Westabhang der Alleghanies sich durch das Ohio- und Tennessee-Thal bis zum Missouri und Mississippi und südwärts durch das Gebiet des Arkansas bis nach Texas zieht. Ein isoliertes Stück füllt den gröfsten Teil der Halbinsel Michigan aus. Westlich vom 100." ist sie in Gebirgen und Tafelländern an nicht wenig Punkten nachgewiesen, war aber noch nicht überall scharf von den jüngeren oder älteren Formationen zu trennen, die dort mit ihr lagern. Zwischen dem 75. und 100." w. L. und dem 32. und 45.° n. Br. bedeckt sie nicht weniger als 30000 Q. -M. Sie zer- fällt darin in folgende vier grofse Becken. I. Appalachisches Kohlenfeld: Zieht am Nordwestrand der Alleghanies von New York an durch Teile von Pennsylvanien, Ohio, Maryland, West- Virginien, Kentucky, Tennessee, Georgia, Alabama. IL Das centrale Becken, das sich über Illinois, Indiana und Kentucky verbreitet. III. Das Michigan-Becken: Isoliert zwischen Huronen- und Michigan-See. IV. Das westliche Becken, das sich über Iowa, Missouri, Kansas, Nebraska, Indianer - Territorium, Arkansas bis Texas verbreitet. Als besondere Entwickelungen kommen die grofsen 1) Die eingehendste neuere DarsteUung des Eisenbergbaues bringt Birkinbines Abschnitt »Iron Ores« im Eeport on Minerallndustries of the U. S. 1892 (3^eröfE. des XI. Census). 490 Die KoMenfelder. Anthracitlager des nordöstlichen Pennsylvanien und ein Lager graphitischer Kohle in Rhode Island und Massachusetts hinzu. Geologisch zeigen diese ungemein ausgebreiteten Becken oder Felder bei all ihrer breiten Entwickelung und aulserordent- lich weiten Erstreckung grolse Übereinstimmung unter einander. Dana teilt alle Kohlenfelder der V. St. zwei Gruppen zu: 1. der Inneren, die im Osten das grolse appalachische Kohlenfeld um- schliefst und im Westen bis Kansas reicht ; sie ist durch die Hebung der Silur schichten bei Cincinnati in zwei Abschnitte geteilt; 2. der Atlantischen, welche die Vorkommen von Nova Scotia, New Bruns- wick und Rhode Island umschliefst. In der ersteren tritt die untere Kohlenformation wie in Europa vorzüglich in Form von Kalksteinen auf und in einzelnen Schichten dieser » Subcarbonif erous Beds« finden sich in Pennsylvanien und Virginien kleinere abbau- würdige Kohlenflötze. In dem oberen Teil der eigentlichen Kohlen- formation, den »Goal Measures», findet sich derselbe mannigfaltige Wechsel von Kohlen, Konglomeraten, Sandsteinen, Schiefern und Kalksteinen, der dieses Formationsglied fast überall charakterisiert. Innerhalb des appalachischen Kohlenfeldes ist die Sonderung in eine untere und obere Flötzgruppe überall vorhanden. Der ersteren gehören die Anthracite an. Unter den 12 bis 18 Kohlenflötzen in den appalachischen und centralen Kohlenfeldern erlangen zwei eine besondere Bedeutung durch ihre Mächtigkeit und ihre weite Verbreitung: das »Mammoth Bed«, das zweitunterste bauwürdige Flötz in Pennsylvanien, das nachgewiesen ist von Pennsylvanien bis Illinois, und das »Pittsburg Bed« in Pennsylvanien und Kentucky. 1. Das Becken von Neuengland im östlichen Rhode Island und in den Grafschaften Plymouth iind Bristol in Massachusetts. 200 qkm. Die graphitähnlichen Kohlen kommen am häufigsten in der Aquidneck Mine bei Portsmuutli R. vor, und werden wohl auch als Anthracit bezeichnet. 2. Das Anthracitkohleugebict des nordöstlichen Penn- sylvanien, wiewohl eines der kleinsten der selbständigen Vorkommen (1210 qkm), ist der Produktion nach, sowie durch seinen Einflufs auf die Industrie und den Verkehr grofser Teile des Landes heute das wichtigste von allen. 18H9 erzeugten sämtliche übrigen Kohlengcbiete der V. St. in runder Summe 85 und dieses Uebiet 40,6 Mill. T. Im Anthracit. Das Appalachische Kohlenield. 491 Censusjahr 1879/80 hatte die Förderung 25,6 Mill. T. betragen. Die Beschaffenheit des Materials, die vortreffliche Lage des Gebietes zu den Absatzpunkten und der überaus grolse Reichtum der Lagerstätten er- zeugen dieses Übergewicht. Der Anthracit von Pennsylvanien ist nahe- zu reiner Kohlenstoff, der sehr grofse Hitzegrade fast ohne Rauch ent- wickelt'). Man sagt, dafs er als »das vorztighchste und schönste Brenn- material anzusehen ist, welches überhaupt existiert«''). Von dem grölsten Wert ist seine Eigenschaft, dem Einflüsse der Luft zu wider- stehen und zur Selbstentzündung gar nicht geneigt zu sein. Dadurch wird massenhaftes Aufspeichern und langes Lagern besonders in den grofsen Seeschiffen möglich. Die Mächtigkeit der im Abbau begriffenen Flötze von IV« bis 20 m übertrifft^ die der bedeutendsten deutschen und enghschen Kohlenflötze erhebhch. Die mittlere Gesamtmächtigkeit der 15 aufgeschlossenen Flötze beträgt etwa 50 m. Das Lager zerfällt m drei in der Richtung von Nordost nach Südwest sich erstreckende schmale Becken, nämhch das südliche oder Schuylkill-Becken , das mittlere mit den Sonderbecken von Shamokin, Mahong und Lehigh und das nördUche oder Wyoming- und Lackawanna-Becken. Als wich- tigere Orte in diesem Gebiet sind zu nennen : Pottsville und Tamaqua im südhchen, Shamokin, Ashland, Shenandoa Cy., Mahanoy Cy., Hazel- ton und Beaver Meadow im mittleren, Wilkesbarre, Scranton, Pittston, Carbondale, Providence, PljTnouth und Nanticoke im nördhchen Becken. Von der Kokeserzeugung der V. St. fallen 60 "/o auf das Kohlengebiet von ConnelsviUe s. von Pittsburg. Zwei Drittel der Förderung von 1889 wurden in Pennsylvanien, New York und New Jersey, 157o in Neu- England, IS^/o im Westen, 0,6 "/o an der pacifischen Küste, 3"/o in Kanada verbraucht 3. Das Appalachische Kohlenfeld, 155000 qkm, zeigt die grölsten Faltungen in der Nähe des Gebirges und verflacht sich in seichten Wellen gegen den Ohio hinaus. Acht gröfsere derartige Falten liegen zwischen Alleghanies und Ohio und jede ist durch be^ndere Kohlenbecken bezeichnet. An der Nordgrenze ist dieses Feld durch Erosion in kleine Splitter zerteüt, die durch Nord-Pennsylvanien hin zerstreut sind. Am Südende zeigt sich eine dreifache Beckenbildung 1) Abgesehen von diesem ästhetischen Vorzug des Anthracits, von dem man ans dem Gesichtspunkte der Reinhchkeit sogar einen moraUschen ableiten kann, hat diese Rauchlosigkeit, wie man im Bürgerkrieg zur Genüge erfuhr, den Wert, die Dampfer auf hoher See nicht zu früh durch ihre Rauchwolken sichtbar zu machen. Der pennsylvanische Anthracit hat übrigens auch ein unbestrittenes Monopol in melireren Industrien. 2) B r o j a , Der Anthracitbergbau in den V. St. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1877. 41. 492 Kohlen in ^liehiiian, Illinois n. s. f. in Coosa, Cahawba, Black Warrior und Alabama. Man hat in den verschiedenen Teilen 9 bis 13 Flütze nachgewiesen. Die Mächtigkeit der "abbauwürdigen wechselt zwischen 1 und 2,5 m. Man überschätzte früher den Kohlenreichtum dieses Feldes, dessen gewaltige Flächen- ausdehnung durch die geringe Zahl und Mächtigkeit der Flötze auf- gewogen wird. Die mageren Kohlen der unteren Schichten walten vor über die fetten Backkohlen der oberen; in Kentucky, Tennessee und Alabama fördert man nur magere Kohlen, wogegen die backenden Kohlen am ausgiebigsten im oberen Ohiothale gefördert Averden und dort eine grofse Bedeutung für die Eisenindustrie erlangen. Besonders die Kohle von Maryland ist unentbehrlich in den grofsen Industrie- städten von Neu-England und auf den Ozeandampfern. An der Ge- samterzeugung des appalachischen Kohlenfeldes beteiligten sich 1889 die verschiedenen Staaten, in deren Gebiete Teile dieses Kohlenfeldes fallen, mit folgenden Zahlen (in Mill. T.): Pennsylvania mit 36, Ohio mit 9,9, Maryland mit 2,9, West- Virginia mit 2,9, Tennessee mit 1,9, Ost- Kentuck}'' mit 1,1, Alabama') mit 3,6, und Georgia mit 0,2. Während die Kohlenerzeugung im Anthracitgebiete ihre Höhe überschritten hat, ist der des appalachischen Kohlenfeldes nach der Breite wie der Tiefe hin noch lange keine Grenze gezogen. Die besten Kohlen dieses Beckens werden bei Pittsburg und in West-Virginien gewonnen, sehr gut sind auch die des isoherten Cumberland-Beckens in Maryland. 4. Das Kohlenlager von Michigan fällt der Längenaxc nach nahezu mit der Saginaw-Bay zusammen. Es bedeckt ca. 17 600 qkm, ist aber weder an Menge noch an Güte bedeutend. Die Gesamtmäch- tigkeit der Flötze beträgt noch nicht 4 m. Die Förderung (am lebhaf- testen in der Gegend von Lansing) betrug 1889 67 431 T, 5. Das zentrale Kohlenfeld ist aufser in Illinois auch im südösthchen Indiana und im westlichen Kentucky vertreten. Am wich- tigsten ist der Anteil von Indiana, der 16000 qlaii beträgt. In der Ostzone kommen Blockkohlen vor, die Westzone enthält backende Kohlen in mächtigen Flötzen. Beide sind von hoher Bedeutung, weil weiter w. keine Kohlen mehr vorkommen, die zum Eisenschmelzen 1) Genaueres über das Kohlenfeld von Alabama, dessen Lage vorzüg- lich , wie auch über die dortigen Eisenerze , tindet man in einem Aufsatze von R. P. Rothwell (Trans. Am. Inst. Mining Engineers II. 444 bis 458), in dem die Zahl der brauchbaren Flötze auf 10 bis 12 mit einer Gesamt- mächtigkeit von 6 bis 10 m angegeben wird. 1880 war die Förderung in diesem Iiecken ein Zehntel von der im Jahre 1889. In keinem anderen ist das Wachstum so gr-ofs. Die geologische Landesaufnahme von Alabama schätzt die Ausdehnung des Kohlenfeldes, das 19 Grafschaften unterlagert, auf 21500 qkm. Kohlen im Westen. 493 brauchbar sind. Indiana erzeugte 1889 2,8 Mül. T. Hauptpunkt der Gewinnung ist Brazü. Illinois ist zu drei Vierteln von Kohlenfonuation unterlagert und die Kohlen sind bei ihrer fast ungestörten Lagerung leicht zu gewinnen. Ihre Gesamtmächtigkeit ist 10 m. Die rasch zu- nehmende Förderung belief sich 1889 auf 12,1 Mill. T. Hauptgegenden sind die Big Muddy Region, nicht weit von S. Louis und den grolsen Eisenlagern, und der LasaUe-Distrikt mit Wilmington. In Kentucky wurden aus diesem Kohlenfelde 1889 1,3 Mül. T. gewonnen. 6. Das westliche Kohlenfeld findet seine Entwickelung in Missomi, Iowa, Nebraska, Kansas, Arkansas, dem Indian Territorium und Texas. Von dem von Ilhnois ist es nm* durch das Mississippithal getrennt. Die Breitenausdehnung ist die gröfste von allen Kohlen- feldern der V. St., aber die Gesamtmächtigkeit der Flötze erreicht in den besten Teilen nicht 6 m. Die produktive Formation weicht hier gegen Westen zu, gleich den anderen älteren Formationen, zmiick. Im östlichen Nebraska, in der baumlosen Prärie, wo die Kohlen von un- schätzbarem Werte sein würden, erreicht die Kohlenformation ihr Ende und nur die oberen kohlenleeren Schichten (»harren Measm'es« des Ostens) sind vertreten. Die gröfste Förderung findet jetzt in Iowa (1889 4.1 MiU. T.) statt. Missouri hat über 50000 qkm Kohlenfeld im nörd- lichen und nordwesthchen Teil, in dem Flötze bis zu 1,3m Mächtig- keit vorkommen. Man förderte 1889 2,5 Mül. T. In grofser Nähe von S. Louis zeigt sich ein ziemHch ergiebiges Vorkommen im A\'inkel zwischen Missomi und Mississippi. Im südösthchen Kansas finden sich Flötze, die zum Teü in der Prärie selbst dm'ch Tagbau aus- gebeutet werden (Cherokee Cy.). 1889 wurden in Kansas und Nebraska 2.2 Mül. T. gefördert. Übrigens tritt auch Braunkohle im westhchen Kansas in 1 bis 2 m dicken Schichten auf längs des Thaies des Smoky Hül R. Arkansas hat nur die unteren Schichten der Kohlenformation, aber es liegt darin Kohle, che halb anthracitartig sein soU und als Spadi"a-Coal bis nach S. Louis kommt. Die Lage zu beiden Seiten des Ai'kansas R. dürfte diesem Vorkommen eine gröfsere Bedeutung für das untere Mississippigebiet verleihen. Das Indianer-Territorium hat bisher die besten Kohlen aus diesem Becken gebracht. 7. Die Kohlenformation nimmt in Texas zwischen dem Oberlauf des Texas-Colorado und des Red R. einen sehr weiten Raum ein und führt vier Flötze, deren Mächtigkeit bis V/z m beträgt. 1889 wurden 128216 T. gefördert. Insgesamt wurden 1889 in dem ganzen Becken 10 Mül. T. Kohlen gewonnen. Steinkohlen aus Schichten des sekundären Zeitalters, die von J. D. Dana der Tiias zugerechnet werden, werden in einer 9 qm grofsen Ablagerung bei Richmond Va. gewonnen, wo vier Flötze von 6 bis 12 m Gesamtmächtigkeit vorkommen. Die Erzeugung nahm in 494 Braunkohlen. den letzten Jahren ab und betrug 1889 49411 T.*). Kohlenlager des- selben Alters kommen in Nord-Carohna am Deep R. m emer Aus- dehnung von 15 qm vor und werden m kleinem Malse abgebaut. Zu den gröfsten Thatsachen im Wii'tschaftsleben der V. St. in den letzten zwei Jahrzehnten gehört che Entdeckung und beginnende Ausbeutung von einer ganzen Anzahl von Kohlenlagern mi fernen Westen, avo im Felsengebirge ein Gebiet, das vielleicht Deutschland an Grölse übertiiffii, von kohlenführenden Schichten zwischen der Kohlenformation und Kreide unterlagert ist. Colorado und Neu-Mexiko hefern Anthracite von vorzüghcher Güte, die den pennsylvanischen in Kürze die westhchen Märkte streitig machen dürften*). Auch Da- kota, Montana, Utah, Wyoming zeigen Anfänge des Kohlenbergbaues; letzteres förderte 1889 1,4 Mill. T. Washington steht mit seinen ganz neuen Aufschlüssen an der Spitze der pacifischen Kohlengebiete; es wm-den dort 1889 1,03, in Kalifornien 0,11, in Oregon 0,06 Mill. T, gewonnen. Braunkohlen verschiedener geologischer Horizonte sind in fast allen Staaten des Westens gefunden, aber ihre Förderung genügt dem Bedarfe nicht Kalifornien verbraucht grofse Mengen von austra- hschen und chilenischen Steinkohlen — 1891 wm:den für 3,6 MiU. D. Kohlen m das Gebiet der V. St. eingeführt — und erhält Braunkohlen aus Washington und Brit. Columbia, während die Kohlen des unteren Missouri-Gebietes bis nach Colorado gehen. Da indessen in diesen baumarmen Gegenden minerahsche Brennstoffe jeder Art ein hohes Bedürfnis sind, nicht blofs für die Maschinenheizung, sondern auch für den haushohen Bedarf, so ist eine bedeutende Steigerung vorauszusehen. Der marine, aus Kalksteinen bestehende Teil der Kolilenformation ist zwar im Westen weit verbreitet, aber kohlenleer. Die Braunkohlen, am Ostabhange der Felsengebirge in Colorado, gehören dem Eocän oder einer Übergangsformation zwischen Tertiär und Kreide an. Hauptorte ihrer Gewinnung sind Golden City, Ralston Creek und Marshalls. In Wyoming wird dieselbe Formation bei Carbon, Hallville, Rock Springs u. a. 0. kohlenführend gefunden. In Utah Terr. sind bei Evanston und Coalville Kohlenlager desselben Alters aufgeschlossen und das von Evanston soll nicht weniger als 8 m 1) In diesen virginischen Kohlenlagern nuliiu der regelmäfsige Bergbau auf Kohlen in den V. St. seinen Ursprung. Noch 1833 stand Eichmond an der Spitze des Kohlenbergbaues. 2) Kohlen vorBchiodenor (jattung und Anthnicite wurden bereits 1889 in Colorado 2,5, in Neu-Mexiko 0,48 Mill. T. gel'ördeit. Eine authracitartigc Kohle, walirscheinlich BrauniIock genannt, d(5r in der MinneHota-Grul)e 1857 gefundcMi wurde. Blei. 503 Blei findet sich in den V. St. vorzüglich in drei gröfseren Lagern :§ 1. im oberen Mississippi- und Missouri-Gebiet; 2. in den Silberregionen der Westgebirge; 3. in den Alleghanies. Das Erstgenannte ist am längsten bekannt und ausgebeutet. Es ist begrenzt vom Mississippi im Westen, vom östlichen Arm der Peccatonica im Osten, vom Wisconsin im Norden und vom Apple R. (111.) im Süden ; man pflegt die Bleiminen von Wisconsin, Illinois, Jowa als die oberen, die von Missouri als die unteren zu bezeichnen. Ein kleines Stück produktiven Gebietes liegt am West- ufer des Mississippi. Der Silbergehalt ist verhältnismäfsig gering, das Blei, das vorwiegend aus Bleiglanz gewonnen wird, fast frei von Verunreinigung. Missouri, Wisconsin und Kansas liefern die gröfste Menge Blei in diesem Gebiet. In den Silbergebieten des Westens treten silberhaltige Bleiglanze auf, vorzüglich in Colorado, Idaho, Montana und Utah. Die Bleigewinnung in der AUeghany- Region ist unbedeutend. Der gröfste Teil der Bleierzeugung der V. St. fällt auf die westüchen Silbergebiete. 1889 wurden 182967 T.^) gewonnen, was eine Zunahme von 87% seit 1880 bedeutet. Die Zinkerze der V. St. finden sich vereinigt mit den Bleierzen in der greisen Bleü-egion des Oberen Mississippi und im südlichen Staat Missouri ; als Blende in den Süurschichten von Bethlehem Penn, und als Rotzinkerz, Franklinit u. a. in krystalMnischem Kalk bei Frankhn und Stirling N. J., ferner in Virginien und Tennessee. 1889 wurden 58 860 kl. T. ») Zink gegen 23 239 im Jahre 18^0 gewonnen, das meiste in Illinois, Kansas, Missouri, Pennsylvanien und New Jersey. — Nickel und Kobalt werden zusammen in Pennsylvanien zu Gap und Camden aus Schwefel- und Kupferkiesen gewonnen. Der Ertrag (1889 252 663 Pfd.) ist im Rückgang. — Zinn ist adernweise im Granit und körnigen Kalk von Winslow, Hebron und Paris (Maine), in un- bedeutendem Vorkommen in New Hampshire und Massachusetts, in wahrscheinhch nicht abbauwürdiger Menge in Missouri, als Zinnsand von angeblich bedeutendem Reichtum in Idaho, und als Zinnerz in S. Bernardino Cy. im südlichen Kalifornien nachgewiesen. Verwertet hat man von allen diesen Vorkommnissen bis jetzt wenig und die in den Kämpfen um den Zolltarif 1890 so hochgestellten Zinnquarzminen in den Black Mts. von Süd-Dakota und Wyoming scheinen noch ganz ') kl. T. = Tonne bedeutet hier Short Ton, von 2000 T. 504 i^'alz. in der Entwickelnng zu stecken. Die Statistik von 1889 weifs noch nichts von gewonnenem Zinn zu melden. — Von Aluminium wurden in demselben Jahr 47 468 Pfd., von Platin, das in Kalifornien vor- kommt, 500 Unzen verzeichnet. — Antimon ist öfters in INIischung mit Wismuth an einer Reihe von Örthchkeiten w. der Felsengebirge nachge^^iesen, wo die Ausbeutung lohnend sein würde, wenn der Bedarf sie hervorriefe. Im Inneren ist ein gröfseres Vorkommen im südwesthchen Ai'kansas (Sevier Cy.) bekannt. 1889 sind 115 kl. T.') ver- zeichnet. — Graphitlager sind m der atlantischen Gneiszone der AUeghanies und werden u. a. bei Sturbridge und Worcester Mass., bei Peapack, Mendham, Bloomingdale N. J., Raleigh N. Car. in kleinem Malsstabe ausgebeutet. Der Wert wird 1889 zu 73000 D. angegeben. — Reiche Vorkommen von Molybdän und Tellur in dem Silbergebiet des Felsengebii'ges von Colorado sind noch nicht industriell verwertet. Dagegen werden Chromerze der AUeghany-Region seit einigen Jahren im südHchen Pennsylvanien ausgebeutet. — In schwarzen Sauden (meist durch Titaneisen und Chromeisen gefärbt) aus Goldwäschen Oregons und Kaliforniens sind mikroskopische Diamanten nachgewiesen. Sie sind ebenso wie das Vorkommen von Diamanten im Itakolumit der Süd-Alleghanies bis jetzt blofs mineralogische Merkwürdigkeit. Die Statistik des Bergbaues gibt 1889 Edelsteine im Wert von 188 000 D. an. Salz. Das Salz wird als Soole aus Salzquellen, aus Meer- wasser, als salzigen Binnenseen und als Steinsalz gewonnen. Das Soolsalz liefert die weitaus gröfsten Mengen für den Verbrauch, der heute auf gegen 1000 Mill. Kilogramm (15 pro Kopf) ver- anschlagt werden kann. Die ergiebigsten Quellen kommen aus grofsen silurischen Salzlagern im westlichen New York (Onondaga) und aus Salzlagern devonischen Alters in den Thälern des Ohio, Kanawha und Saginaw. New York , Ohio , W Virginia und Mi- chigan erzeugen am meisten Soolsalz. Seesalz wird an der Golf- küste in unbedeutender Menge gewonnen ; die gröfste Masse, vor- züglich als Düngmittel verwendet, kommt von den Turks Islands. Steinsalz kommt in Virginien, Louisiana (besonders rein und mächtig auf Avery Island), Texas und allen Staaten w. vom Felsen- gebirg vor. Salz in Salzseen oder Salzsümpfen findet sich nur allzureichlich in allen Steppenstaaten, wo an Salztümpeln Über- flufs ist. Über die ganze Gewinnung besitzen wir nur die all- gemeine Angabe, dafs sie 1889 8 Mill. Fässer im Wert von über 4 Mill. D. betragen habe. Bausteine. 505 Aulser Kochsalz wii'd aus den Salzseen in Colorado (bei Denver) Soda, und in Kalifornien und Nevada (s. Bd. I. 276) an verschiedenen Orten Borax (18898 IVIill. Pfd.) gewonnen. Brom ist in gewissen Salz- quellen von Ohio so stark vertreten, dafs dieser Staat allein heute mehr Brom (1889 419000 Pfd.) erzeugt als ganz Europa. Schwefel kommt mit Gips und Kochsalz im westlichen Louisiana vor und wü'd in Kahfornien als Nebenprodukt bei der Quecksilberbereitung gewonnen. Die Menge ist unbedeutend. Schwerspath bildet den Gegenstand eines beträchthchen Bergbaues im Buntsandstein von Connecticut. Phos- phorit wird in Süd-CaroHna und Florida, und Grünsandmergel von zum Teil 40 m Mächtigkeit an der Küste von New Jersey abgebaut ; beide hefern vorzüghche Düngmittel '). Von jenem gibt die Statistik für 1889 den Wert von 2,9 Mill. D. an. An Bausteinen ist die Union in ihren östlichen und nörd- lichen Teilen reich. Ausgedehnte Verwendung finden vorzüglich Granit, Brownstone (feinkörniger, rotbrauner Sandstein, der den Strafsenfronten von Boston, New York, Philadelphia eine charakte- ristische Farbe gibt) und Marmor. Brüche eines in allen atlantischen Städten als Baustein verwendeten Granits liegen in der Blue Hill Bay Me. dicht am Meer. Weifse Marmore von grofser Schönheit sind in der AUeghany-Region , besonders in Vermont und Penn- sylvania so verbreitet, dafs sie zum Hausbau Verwendung finden. Der Marmor für plastische Werke wird Jedoch grofsen teils aus Europa eingeführt^). Die grofsen Städte der Union lassen durch die Menge ihrer Marmorbauten alle europäischen hinter sich. In Pennsylvania Avird sogar der dort häufig vorkommende Serpentin als Baustein verwendet. Vor allem ist aber der Reichtum an guten Bausteinen und an Kalk in der felsigen Grundlage der Präriegebiete nicht zu unterschätzen. So unterlagern den Boden der Osthälfte von Iowa in geringer Tiefe Gesteine der Silur- und Kohlenformation, die fast aUe als Bausteine Verw^endung finden können, und Kalke, die selbst zur Cementbereitung (1889 schuf die Cementgewinnung 5 Mill. D. Werte) dienlich sind, finden sich über Iowa und die Nachbarstaaten verbreitet. Es ist ein glück- licher Umstand, dafs der Lehm, der den Hauptbestandteil der 1) Iii den Südstaaten wird der Fledermaus-Guano , der in Tausenden von Tonnen in Höhlen von Alabama, Tennessee imd Texas vorkommt, als Düngmittel verwendet. Während des Krieges wurde Salpeter aus ihm gewonnen. 506 Steinöl. Prärieschichten bildet, sich durchgängig gut zur Herstellung von Ziegeln eignet^). Steinöl. Die V. St. sind noch immer der gröfste Steinöl- produzent. Mit wenig Schwankungen ist die in ihnen gewonnene Menge auf 35,2 Mill. Fässer zu 42 Gall. im Jahre 1889 ge- stiegen. Die Steinölvorkommen Nordamerikas sind hauptsächlich an eine langgestreckte Zone von Silur-, Devon- und Steinkohlen- schichten gebunden, die am Westrand des Alleghany- Gebirges von dem canadischen Ufer des Erie-Sees durch New York, Pemi- sylvanien, Ohio, Indiana, West-Virginien, Kentucky und Tennessee zieht. Die Länge der Zone von Canada bis Tennessee beträgt 1400 , die Breite durchschnittlich gegen 400 km. Kleinere Vor- kommen werden in Süd-Kalifornien und Colorado ausgebeutet. GroCse Hoffnungen setzt man auf W^^'oming. In dem reichsten Steinölgebiet , dem von West-Pennsylvanien , kommt das Ol in einem groben Sandstein der oberen Silurformation massenhaft vor; auch ein 20 m tiefer liegender vierter Sandstein ist noch ölreich. In minderer Menge findet sich Steinöl auch in den unteren Devon- schichten, wo entweder das Gestein durchtränkt ist oder An- sannnlung in Hohlräumen und Spalten stattfindet. Da häufig Gas mit dem Steinöl zusammen vorkommt, wird es nicht selten springbrunnenartig herausgetrieben oder erzeugt selbstflief sende, manchmal intermittierende Quellen. Die Vorkommen in Hohl- räumen sind vereinzelt. Im allgemeinen sind die mächtigsten Vorkommen verbunden mit der grölsten Mächtigkeit des um- schli eisenden Gesteines. Wie anderwärts sind auch hier Soolen in der Nähe des Steinöles sehr häufig. Bei Pittsburg verwendet man sie zur Salzgewinnung. Einige an die Oberfläche tretende Steinöl- <|ii(ller Betrieb. geistes. Aber die Arbeitsamkeit, der Unternehmungsgeist und die grofse natürliche Befähigung des Amerikaners für alles Wii'tschafthche haben mindestens ebensoviel gethan. Seit der Weltausstellung von Philadelpliia 1876 sind die Nordamerikaner als eines der gröfsten In- dustrievölker der Erde anerkannt. Seitdem verfolgt man mit ge- spannter Aufmerksamkeit Jeden industriellen Fortschritt, den sie machen, und fühlt das Anwachsen ilirer Konkiurrenz nicht blofs auf den aufsereuropäischen Märkten, sondern sogar in Europa selbst. Der Betrieb. Von den notwendigen Daseinsbedingungen der Gewerbe sind einige der wichtigsten : Intelligenz und Arbeitsamkeit der Bevölkerung, leichter Absatz, Kohlen- und Eisenreichtum, in höherem Malse in den V. St. als in Europa zur Verfügung. Wohl liegt aber in dem Maugel an Arbeitskräften in jungen Ländern immer die gröfste Schwierigkeit jeder Unternehmung, die zu ihrer Aus- führung fremde Kräfte in Anspruch zu nehmen hat. Man hat ihn den einzigen Mangel genannt, den das Gewerbe in den V. St. empfinde. Er wird nur in geringem Mafse dadurch aufgewogen, dafs unter den Einwanderern verhältnismäfsig viele tüchtige, geschickte und arbeitslustige Leute im besten Alter sich befinden. Dieser Mangel treibt zur Anwendung von Maschinenarbeit, regt dadurch die Er- findungsgabe an, führt aber auf der anderen Seite auch zur Ver- nachlässigung aller feineren, nur mit geduldiger Handarbeit aus- zuführenden Vollendung. Die Ersparung von Menschenkräften ist nicht das alleinige Ziel der Maschinen, sondern sie sollen auch an manchen Punkten die geringere Schulung der Arbeiter teilweise ersetzen ^). Die Vorteile dieser Bevorzugung der Maschinenarbeit sind ohne Zweifel überwiegend. Die Nachteile schwinden in dem Mal'se, als die Maschinen selbst vollkommener werden. So ist die Güte der amerikanischen Ulircn vorwiegend aul' die durch die Maschinen erreichte Gleichförmigkeit der Uhrenbestaudteile zurück- zuführen. Wie der Arbeiter mehr Beaufsichtiger der Maschinen wird und durch eigene kleine Eriindungen Zeit und Arbeit zu sparen sucht, wo es gehen mag, zeigt sich nirgends mehr als hei (Ich Werkzeugen, in denen dei- aiiKM-jkanischc l'rlindungsgeist unerscJjöpHich ist. Vom Iiinfa(;hsten, der Axt (s. o. S. 414) und dem Hammer, ])ls zu den koiiipliziorton ITalbmaschinen , dem 1) F. i;c II Icaii X, l'.iicl'c :iii.s l'liil;i.lcli.lii:i, 1H77. ÜO. Erfindungsgeist. 513 Bohrer mit llniversalgelenk oder den endlosen Variationen von Sägen und Hobeln, gilt dieses. Die Ursache liegt nicht nur in dem angeborenen Erfiudungsgeist der Amerikaner, sondern viel- leicht ebensosehr in den Anregungen ihrer sehr vernünftigen Arbeitsweise, vorzüglich der Selbständigkeit, die dem einzelnen Arbeiter gelassen ist, der nach dem Stück arbeitet und in der Regel für sein Handwerkszeug selbst zu sorgen hat. Es liegt also in seinem Interesse, an Zeit und Kraft zu sparen^). Aber das amerikanische Publikum ist auch viel eher bereit, weniger vorteilhafte Geräte und Werkzeuge oder Maschinen gegen ver- besserte umzutauschen. Daher die weite und rasche Verbreitung, jeder Verbesserung. Auf Sägen, Hobel, Äxte, Bohrer und tausend groi'se und kleine Notwendigkeiten der Werkstatt, des Hauses, der Küche, auf die Methoden des Thür- und Fenster- verschlusses, die Schürhaken, die Federn und Tintenzeuge, die Efsbestecke u. s. w. erstrecken sich die Verbesserungen, und diese zahllosen Vervollkommnungen von Dingen, mit denen man tag- täglich in Berührung kommt, üben einen wesentlichen Einflufs auf Behaglichkeit und Bequemlichkeit des Lebens. In der Vorliebe die des Amerikaners für die Erzeugnisse seiner heimischen Industrie ist diese ihre allgemeine Hilfsbereitschaft jedenfalls mit wirksam. Die Güte des Materials fäUt unter den Vorzügen dieser nützlichen Dinge stark mit in die Wagschale. Nirgends werden so viele Patente genommen wie in den V. St. 25307 Patente wurden 1891 in den V. St. gewährt, ^4 Mill. in den letzten fünfzig Jahren. New York, Pennsylvania, Massachusetts und Illinois stehen nach der Zahl der Patente oben an, die verhältnismäfsig gröfste Zahl hat Connecticut. In die Verfassung wurden Be- stimmungen über Patente aufgenommen und 1790 wurde unter ihnen das erste Patent der V. St. erteilt. Seit 1836 ist auch der Musterschutz eingeführt. Bei der hohen Ent^vickelung des Patent- 1) Eeuleaux meint a. a. 0. S. 22, dafs -vaelleicht Deutschland am meisten Talent habe, mit den hiesigen Werkzeugbauern zu wetteifern. »Es gehört zum Werkzeugmaschinenbau eine Gabe und ein Interesse, den tech- nologischen Vorgängen zu folgen, das dem deutschen Charakter sehr zusagt.« Trotzdem sind die Amerikaner in einer Anzahl von Werkzeugen und Werk- zeugmaschinen voraus. Ratzel, Die V. St. von .-Vmerika. 33 514 Unternehmungsgeist. Wesens in den V. St. begreift man, dafs es selbst wieder Gegenstand einer ganzen Anzahl von Industrien geworden ist. Patentagenten, Patentzeichner, Modellmacher, Herausgeber von Patentzeitungen leben ebenso vom Erfinden wie die 352 Erfinder des Census von 1870. Manche von diesen fachmäfsigen Inventors haben ihr Leben lang noch keine nützliche Erfindung gemacht, sondern eilen von einem unfruchtbaren Entwurf zum andern, die meisten aber treffen doch einmal auf irgend etwas Verwertbares^). — Der Unternehmungsgeist und die Leichtigkeit des Kreditnehmens, Hauptgründe der hohen Entwickelung der nordamerikanischen Industrie, ruhen zunächst auf einem unerschütterlichen Vertrauen in die schrankenlose Entwickelungsfähigkeit der Hilfsquellen des Landes, das in seiner Kühnheit geradezu traumhaft wird und das selbst durch die heftigen Krisen, die das Geschäftsleben alle 15 bis 20 Jahre durchmacht, nicht erschüttert worden ist. Warum am Gang der Geschäfte verzagen, da eine einzige gute Ernte wieder einen Überschufs von ein paar 100 Mill. D. ins Land bringen mufs? Aber der thatkräftige Charakter dieses Volkes hat auch in sich selber Hilfsquellen , die ihm den Mut des Wagens wie keinem europäischen verleihen. Es ist, als ob von dem Selbst- vertrauen, das die Fülle der äufseren Mittel erzeugt, von Geschlecht zu Geschlecht immer mehr ins Blut übergegangen sei. Vor 1861 konnte man mit M. Chevalier sagen: »Wenn es wahr wäre, dafs der Handel und Verkehr den Krieg verdrängen, daiui würden die Amerikaner uns weit überholt haben. Sie haben einen neuen Mut gefunden, der befruchtet, während wir noch immer durch jenen glänzen, der tötet oder sich töten läfst.« Dieser waghalsige Unternehmungsgeist zeigt sich aber natürlicherweise am stärksten dort, wo bei reichen Hilfsquellen und dünner Bevölkerung der Einzelne noch die grölste Freiheit der Bewegung sich gestatten 1) Einer der bemerkenswertesten Typen dieser eigentümlichen Klasse ist Wilham H. Towers, der als Erfinder eines sehr vorteilhaften Schnell- gerbprozesses auch in Europa bekannt ist. Derselbe hat aufserdem Hufeisen, Heizapparate, Eiszangen, Austernbrecher, Wagen, Besen, Nähnadeln, Kork- masse und Korkzieher, Gasheizer und vieles andere erfunden und viele von meinen Patenten haben Erfolg gehabt. Edison, der Erfinder auf elektro- technischem (lebiete, ist ein Beispiel der Erfinder höheren Stiles. Der Kredit. 515 kann, also im Westen. Hier sind die Beispiele riesiger Entwicke- lungen so nahegelegt und so häufig (man denke an Chicagos Wachstum aus einem Dorfe zur Grofsstadt in Zeit einer einzigen Generation oder an das Aufblühen Caüforniens und neuestens des Nordwestens), dafs sie allein schon zu den gewagtesten Unter- nehmungen anregen müssen. Dabei fehlt hier jedes geschichtliche Element, das an die Vergänglichkeit menschlicher Werke mahnt. Die Pietät kommt nicht ins Spiel. Alles ist Wachstum auf neuem Boden. Ein Kenner Californiens hat drei Stadien genannt, die jede neue Unternehmung im Westen durchlaufen müsse: Zuerst ein stolzes Überheben mit Hintausetzung aller Erfahrungen anderer Nationen, das Einschlagen eines selbstgewählten Weges; dann endlose Verluste und Geldopfer, zuletzt ein energisches Empor- ringen aus diesem Zustand und ein Zurückkehren zu denselben Einrichtungen, die in anderen Ländern längst bestehen, mit ein- zelnen Verbesserungen und landesgemäfsen Abänderungen. Der Kredit ist das erste Lebenselement des wirtschaftlichen Gedeihens in den V. St. Sie leben vom Kredit. Ohne ihn wären diese volkreichen Städte, die auf allen Seiten wie durch Zauberwort entstehen, diese reichen jungen Staaten des Westens, fern vom At- lantischen Meere, noch immer nichts Besseres als LTrwälder und grundlose Sümpfe. Li den V. St. zeigt sich der Kredit am unerschöpf- lichsten, wenn er am notwendigsten ist. Wenn auch manchmal seine natürliche Funktion übertrieben wird, so erfüllt er sie doch nirgends so vollständig. Jedes öffentliche Unglück, das irgend einen Teil der Bevölkerung der V. St. betraf, hat ihn zu den wunderbarsten und heilsamsten Wirkungen aufgerufen. Als 1835 ein grofser Brand des Geschäftsviertels von New York über 15 Mill. D. Werte zerstörte, lieh die Stadt den Versicherungsbanken 6 Mill., um deren Zusammensturz zu verhüten, der Kongrefs verlängerte die Termine für die Zollgebühren, die U. S. Bank in Phila- delphia lieh den Beschädigten 2 Mill. u. s. w. und das Resultat war, dafs kein einziges bedeutenderes Haus falherte. Ahnlich war es beim Brand von Chicago 1871 und bei hundert anderen Ge- legenheiten. Nicht blofs die öffenthche Wohlthätigkeit, die hier gröfser ist als irgendwo in der Welt, sondern der gesunde Sinn, 33* 516 Die Arbeiter. die Berechnung der Möglichkeiten, wird bei solchen Gelegenheiten ins Spiel gebracht. »New York, der senior Partner der Firma, liefs Chicago , den junior Partner , nicht fallen , es stundete die Zahlungen und scliickte Warenladungen auf Warenladungen, die vom Feuer zerstörten zu ersetzen» ^). Dafs man sich indessen nicht auf das Kreditieren verläfst, sondern eigene Rückhalte zu schaffen sucht, beweist die Ausdehnung des Sparbankenwesens. In den älteren Staaten ist bis zu einem Drittel der Bevölkerung mit Spareinlagen beteiligt. Der Arbeiter ist gesucht, seine Stellung ist ideal und materiell besser als in Europa. Die durchschnittlichen jährlichen Ausgaben und Einnahmen von besseren Arbeiterfamilien mit ein bis vier Kindern wurden 1874 folgendermafsen berechnet, und die Berechnung dürfte im ganzen heute noch stimmen: Einkommen 900 bis 1000 D., Ausgabe für Nahrung 430, Heizung 60, Kleidung 130, Wohnung 150, Schule, Kirche u. s. w. 40, Steuern 14. Die Löhne in den Nordoststaaten verhalten sich zu denen in den pacifischen Staaten wie 5 : 9. Im Vergleich zu Europa sind die Löhne — in den Industriestädten des Ostens durchschnittlich 500 D. jährlich — bedeutend höher, aber das Gesamteinkommen der Arbeiterfamihen ist nicht um soviel gröfser ^). Die Stellung der Arbeiter in den V. St. ist zwar mit der Zeit eine nicht minder vielartige geworden als in irgend einem anderen Lande mit hoch- entwickelter Industrie, und es ist kein Zweifel, dafs sie mit zu- nehmender Dichtigkeit der Bevölkerung sich immer mehr europä- ischen Verhältnissen annähern wird; aber sie zeigt gewisse Be- sonderheiten , die tief in den politischen und wirtschaftlichen Zuständen der Nation wurzeln und nicht bald sich verwischen werden. Zunächst ist der Unterschied zwischen Arbeitenden und 1) E. Soeger, Chicagos Entwickelung, Zerstörung etc. 1872. 117. 2) Young, Labour in Kurope and America 1876. 811 f. Vgl. die Sammlung von Arl)eitorbudget8 bei Studnitz, Nordamerikiinische Arbeiter- verhältniHse 1879 Kap. VI, wozu der als Kanone in Kriegszeit gegen Streif korps und Indianer dienen kann«. 524 Der Maschinenbau. und Handels der Stadt hängt mit dieser Industrie zusammen, die einen grofsen Anteil an der Entwickelungdes Weizenbaues im cen- tralen Norden hat. Bereits genügen die Dakotas und INIinnesota nicht mehr dem Weizenbedari der »^lühlenstadt«. — Von den Ma- schinen der Textilindustrie ist oben hervorgehoben worden, dafs sie in Amerika zahlreiche Verbesserungen erfahren haben. Die bekannte Cotton-Gin EU A^Tiitneys, 1793 erfunden, ohne die das rasche Wachstum der Baumwollenerzeugung nicht mögUch gewesen wäre, ist rein amerikanisch. Die grundlegenden Erfindungen sind jedoch in diesem Falle, wo es sich um Maschinen handelt, die nicht dem täghchen und allgemeinen Bedarfe des Ackerbauers oder Hand- werkers, sondern einer hochentwickelten Industrie dienen, europäisch. Von den amerikanischen BaumwoUewebestühlen sagt H. Grothe: »Im allgemeinen leisten die amerikanischen Stühle mehr als die enghschen, zumal sie geringere Triebki'aft beanspruchen« •). Ganz ursi^rünghch und eigentümüch sind aber wieder die amerikanischen Leistungen auf dem Gebiete der weiteren Verarbeitung der Erzeugnisse der Textil- industrie. Hier macht sich, wie bei den landwirtschafthchen und Handwerksmaschinen, ein starker Drang geltend, notwendige, täghch wiederkehrende Arbeiten an Maschinen zu übertragen. Daher die unzäliljgen Näh-, Strick-, Stick- etc. Maschinen, die fast aUe in Amerika erfunden und meist auch hier durch die ersten Stufen der Vervoll- kommnung durchgeführt wurden, um von da aus ihren Weg über die ganze Welt anzutreten. EHas IJowe verfolgte von 1835 an die Idee der Nähmaschine, die er 1846 patentieren liefs. Fast alle wesentlichen Verbesserungen dieser ^Maschine sind amerikanische Erfindung. Ähnlich hervorragend sind die Leistungen in allem, was auf che Lederverarbeitung sich bezieht. Durch den grofsen Reichtum an Rohstoffen begünstigt, hat sie sich früh entwickelt. Es wurde schon 1651 Leder ausgeführt. Die Verwendung des Sumach und der Rinde von der Hemlock- oder Schierlingstanne zum Gerben führen vielleicht sogar auf die Indianer zurück. Eine grofse Anzahl von Schnellgerbprozessen ist seit 1852 versucht worden. und Maschinen sind für fast alle Tcüe der Gerberei im Betrieb. Die fabrikmäfsige Herstellung von Schuhen und Stiefeln hat durch die Erfindung der Pflockmaschine und der Vorschnitt- maschine (1850 und 1851) einen grofsen Aufschwung genommen. Sie ist heute eine der gröfsten Industrien der V. St. Beiläufig sei erwähnt, dafs die ersten Gummischulie in Amerika, 1825 in ]3oston, hergestellt worden sind. Die Verarbeitung des Kautschuks geschieht in den V. St. in so ausgedehnter Weise, dafs man berechnet, es verbrauche allein ungefähr die Hälfte des gesamten Rohprodukts, von dem 1891 für 1) Die InfluBtrie etc. S. 311. Waffen, Uhren und Verwandtes. 525 4^/4 Mill. D. eingeführt wurde. Das Vulkanisieren des Kautschuks ist in New York erfunden, ebenso das Gummituch. — So bedeutend und folgen- reich die Leistungen der Amerikaner auf den vorgenannten Gebieten, so werden sie doch noch übertofTen von den Werkzeugmaschinen. R e u 1 e a u X sagt von ihrer Vertretung auf der Philadelphia- Ausstellung : »Reichtum an neuen, praktischen Ideen, überraschend geschickte An- passung an besondere Arbeitszwecke, eine in der Steigerung begriffene Genauigkeit in der Ausführung der zusammenarbeitenden Teile und eine zunehmende Eleganz der äufseren Erscheinung der Maschine charakterisieren die amerikanische Produktion auf cüesem Gebiete*)«. Über Werkzeuge ist oben (S. 513) schon gesprochen. Bemerkenswert ist che maschinenmäfsige Herstellung der Metalhvaren für die Ausrüstung der Häuser, der sog. Building-Hardwares. So wie es zu der Billigkeit der amerikanischen Häuser geliört, dafs alle ihre einzelnen Teüe, Fenster, Thüren, Läden u. s. f. fabrikmäXsig hergestellt und dadm'ch zwar durchaus einförmig, aber zweckmäfsiger sind als entsprechende Hand- arbeiten, so sind auch alle Beschläge, Schlösser, Schrauben, Nägel u. s. f. nach allgemein anerkannten Regeln im Grofsen hergestellt. Schlösser stehen unter diesen Dingen in erster Linie ; sie sind fast alle aus Guls- eisen angefertigt, für gutschlielsende Thüren und kleine Schlüssel berechnet, was natürlich ehie entsprechende Genauigkeit der Arbeit voraussetzt. In der Fabrikation von Nägeln und Schrauben ist Amerika unübertroffen. Der Wheeling-Distrikt in Pennsylvanien erzeugte 1890 allein 1,7 Mill. Fässer Nägel. Die feuer- und diebssicheren Kassen verdanken wenigstens den grölsten Teil ihrer heutigen Vollendung den Erfindungen der Amerikaner auf diesem Gebiete; in den Schhefs- vonichtungen derselben hat sich ihr Schai'fsinn bis zur Phantasie und zm- Komik gesteigert. Von grofser Bedeutung ist in den V. St. auch die Industrie der Schufswaffen , besonders der kleineren, von denen Revolver und Repetiergewehre amerikanische Erfindungen sind. S. Colt konstruierte 1834 als 15 jähriger Schiffsjunge den ersten Revolver. 1891 wurde für 0,8 MiE. D. Schiefswaften ausgeführt. Mit Torpedos haben amerikanische Fabriken im letzten Orientkrieg europäische Mächte versorgt. Die Panzerung der Schiffe ist zum ersten Mal im amerikanischen Bürgerkrieg erprobt worden. Die Ver- arbeitung der Edelmetalle zu Luxusgeräten und Gegenständen des Kunstgewerbes ist in den V. St. weit vorgeschritten. Die Ausstattung der Wohnhäuser mit Dingen, die Reichtum verkünden und Behagen um sich verbreiten, ist ein im Leben der Nordamerikaner besserer Klasse tief begründetes Bedürfnis. Aber die künstlerische Fort- geschrittenheit der Leistungen in Edelmetall erregt dennoch Erstaunen. 1) Briefe aus Philadelphia 1877. 22. 526 Papier. Bier. Zucker. Bezeichnend ist, wie leichte, zerbrechliche Dinge dem Amerikaner vollständig zuwider sind. Die Metallstärke ist auf einen langjährigen täglichen Gebrauch berechnet und die Metalle werden in bester Güte verwendet. Auch in der Verarbeitung der Edehnetalle finden Maschinen die ausgedehnteste Anwendung. Der Geschmack des Publikums, das in Amerika viel Schmuck zu tragen hebt, fördert die Entfaltung der Öchmucksachenindustrie, die am hervorragendsten in Providence R. I. vertreten ist. Amerikanische Speziahtäten auf diesem Gebiete sind die Goldfedern und die in Aluminiumbronze hergestellten Gegen- stände. Auch die ausgedehnte Anwendung der Vernickelung sei hervorgehüben; sie bietet einen der Fälle, in denen Amerika für den Rohstofi auf Europa angewiesen, in seiner Verwendung aber über Em'opa hinaus fortgeschritten ist. — In der Herstellung von Uhren und wissenschaftHchen Instrumenten sind die Amerikaner noch jung, aber sie leisten auch hierin bereits so Bedeutendes, dals sie sogar in europäischen Absatzgebieten konkurrierend auftreten. Die Massen- erzeugung vermittelst Maschinen ist es vorzüglich, die der Uhren- industrie der V. Öt. eine so grofse Leistungsfähigkeit verliehen hat. Der Mittelpunkt der amerikanischen Uhrenindustrie ist Waltham Mass. In der Erzeugung von Wagen sind die Mechaniker der V. St. denen Europas durch sinnreiche Erfindungen vorausgeeilt. Optische Appa- rate, deren Amerika für seine zahlreichen und teilweise so reich aus- gestatteten wissenschaftlichen Anstalten viele l)edarf, werden jetzt schon im Lande hergestellt. Die KugeUinse der Photographen ist eine ameri- kanische Erfindung. 1890 gab es in den V. St. 1158 Papierfabriken. Der Einfuhr von Pajjier und Papierwaren im Wert von 2,8 Mill. D. stand eine Ausfuhr von 1,2 Mül. D. gegenüber. Die chemische In- dustrie hat sich in den V. St. erst seit 1860 in teilweise sogar grofs- artiger Weise, besonders üi den östüchen Staaten, zu entwickeln begonnen. Da es bei dieser Industrie mehr auf gründhche wissenschaft- üche Kenntnisse als auf Scharfsinn luid mechanische Fertigkeiten ankommt, so ist sie viel mehr als irgend eine andere noch abhängig von der europäischen Unterweisung. Die Leiter der chemischen Fa- briken sind mit sehr geringen Ausnahmen in Europa und zwar vor- zügHch in Deutschland herangebildet und erst die jüngere Generation kann eines höheren chemischen Unterrichtes in den Laboratorien einiger besseren technischen Schulen sich erfreuen. Dem beispiellosen Seifenverbrauch der Bevölkerung entsprechend, ist die Seifenindustrie in grofsartiger Weise entwickelt. Der grönländische Kryolith wird gegenwärtig fast ausschliefslich in Philadeli)hia und Pittsburg auf Soda und Alaun verarbeitet. Speziell amerikanisch ist die grofse Industrie der Backpulver, die anstatt der Hefe verwendet werden. In der Photo- graphie führen die Trockenplatten auf amerikanische Erfindung zurück. Keramik. Vervielfältigende Industrien. 527 Die Brauerei ist in den V. St. erst seit wenigen Jahrzehnten eine bedeutende Industrie geworden und zwar vorzüglich durch den Einfluls der zahkeichen Deutschen. Durch Anwendung der Maschinenarbeit in der gröXstmöghchen Ausdehnung und dm-ch zalih-eiche Verbesserungen und Erfindungen in fast allen Zweigen des Geschäftes ist die ameri- kanische Brauindustrie über die deutsche hinausgegangen. Die Zahl der Arbeiter in den Brauereien ist viel geringer. Porter- und Ale- Brauereien sind in den letzten 10 Jahren gegenüber den Lagerbier- brauereien im Rückgang. 1875 betrug in den V. St. die Biererzeugung 0,35 hl pro Kopf, gegen 0,9 im deutschen Reich und 2,34 im Königreich Bayern. 1888 wm-de der Wert der Erzeugnisse der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei auf 305 Mill. D. angegeben. New York steht unter den bierbrauenden Staaten in erster Linie; ihm folgen Pennsylvania, Ohio und Illinois. — Der Zuckerindustrien sind es in den V. St. verschiedene. Im Süden wird Zucker bzw. Melasse aus Zuckerrohr, in den jNIittelstaaten aus Sorghum, im Norden aus dem Zuckerahorn, in Kalifornien aus der Zuckerrübe gewonnen (s. o. S. 451 f.). — Fleisch- und Milchextrakt (oder condensierte Müch) sind in New York anfangs der fünfziger Jahre erfunden worden, Lieb ig hat das Verdienst, bessere Bereitungsarten angegeben zu haben. In grofsem Mafsstabe wurden beide Erzeugnisse zuerst im amerikanischen Bürgerkriege ver- braucht. Überhaupt ist der Verbrauch von Konserven jeder Art behn Amerikaner früher verbreitet gewesen als bei uns. Die konservierten kahfornischen Früchte, der Oregon-Lachs, Sarcünen und Hummern, das »Canned Beef« haben sich einen Weltruf erworben. — In den keramischen Industrien ist Amerika durch die Güte und Billigkeit des Rohstoöes fast in allen Zweigen begünstigt. An den zahheichen Rohbauten fallen die amerikanischen Ziegel durch ihre saubere Form, grolse Dichtigkeit und Härte auf. Die PorzeUanindustrie ist nur erst im Werden, 1876 gab es nur eine einzige Porzellanfabrik (Greenpoint N. Y.). Soweit nicht eingeführtes Porzellan seine Stelle vertritt, ist ein einheimisches Steingut, »Ii'onstone China« genannt, zu Tischgeräte allgemeinst verbreitet. Trenton N. J. ist für diese Industrie der Haupt- platz. Die Glasindustrie Nordamerikas steht auf einer sehr hohen Stufe. Sie hat einen vorzüghchen Rohstoff in dem Berkshü'e Sandstein in Pennsylvanien, einem fast reinen Quarzsandstein, der 600 m mächtig mehrere Meüen weit sich erstreckt. Nach dem Urteü der Fachmänner läfst sich bei günstigen Verhältnissen im Vorkoinmen des Rohstoffes und des Brennmaterials eine riesige Entwickelung der Thon- und Glasindustrien in den V. St. mit Bestimmtheit voraussagen. — Unter den vervielfältigenden Industrien ist die der Buchdruckerei die erste. Eine rotierende Cyhnderpresse, Vorgängerin der König'- schen Schnellpresse, soll schon 1790 von Nicholson erfunden 528 Vervielfältigende Industrien. worden sein'). In den V. 8t. wird wahrscheinlich mehr gedruckt als ii'gendwo sonst. Nirgends wii'd mit Papier und Druckerschwärze ein solcher Luxus getrieben. Die auf allen Strafsen und Plätzen, in Eisen- bahnwagen und Dampfschilfen zerstreuten Geschäftsreklamen , Pam- phlete, Zeitungsblätter u. s. f. gehören zu den charakteristischsten Zügen in der Physiognomie des öffentlichen Lebens. An Massen- leistung dürfte die amerikanische Buch druck erei nicht übertroffen werden. Neuerdings wh'd auch die Qualität üirer Leistungen im Buch- fach höher. Amerikanische Bücher sind durchschnittüch besser aus- gestattet als deutsche, im äufseren Gewand folgen sie den englischen Mustern. Hochentwickelt ist die Kunst der Banknotendruckerei, deren Pressen auch von em'opäischen Staaten und Banken beschäftigt werden, und für die im Schatzamt zu Washington eine eigene Abteilung besteht. Die Photographie in Amerika hat nach Prof. Vogels Urteil »mehr empfangen als gegeben und wenig dauernden dominierenden Einflufs erlangt«*). Die vorzüghchsten Porträtphotographen sind bis jetzt noch Fremde. Aber in Stereoskopen »nimmt, nach demselben Gewährs- mann, Amerika den ersten Rang ein. Fast in jedem Hause findet man ein Stereoskop und eine Sammlung zugehöriger Büder«. Viel leistet Amerika auch in dem dort sehr populären Farbendruck. 1) Grothe, Die Industrie in Amerika 1877. 372. 2) Berichte der deutschen Preisrichter 1877. 165. XXI. Verkehrswege und Verkehrsmittel. Anfänge 529. Periode der Kaualbauten und Gallatins Entwurf 530. Erie-Kanal 531. Die Eisenbahn-Aera 532. Wettkampf zwischen Kanälen und Eisenbahnen 538. Eisenbahnmonopole 534. Die natürlichen Grtmdlinien des Ver- kehres 53.''). Die Verkehrsgebiete 538. Die Naturstrafsen des Inneren 538. Die schiffbaren Flüsse 539. Mississippi 540. Ohio .542. h*. Lorenz 543. Hudson 544. Kleinere schiffbare Flüsse von Bedeutung 544. Die Binnen- seen 546. Die Kanäle 546. Kanäle und Eisenbahnen 547. Das Kanal- system von New York, Pennsylvanien, New Jersey, des Ohio und Mississippi 54b. Kanäle in den Süd- und Weststaaten 5.^1. Die Eisenbahnen 555. Statistik 556. Eisenbahngebiete 559. Aufzählung der grofsen Linien und Complexe 560. Besonderheiten im Bau und Betrieb 564. Strafsen und Brücken 567. Strafseneisenbahnen 570. Post und Telegraphen 57L Geschichtliche Entwicicelung. Bis über die Älitte des vorigen Jahr- hunderts bewegte sich der Verkehr in den engHschen Kolonien Nord- Amerikas in derselben Weise wie in einem grolsen Teile von Britisch- Nordamerika noch heute. Flüsse und Seen waren seine Hauptwege. Indianische Rinden-Canoes waren em behebtes Beförderungsmittel. Der einzige Kanal bei Philadelphia war- 1200 m lang. Die erste Land- straTse nach europäischen Begriffen wurde 1790 von Philadelphia nach Lancaster eröffnet. Seitdem die Abtretung Kanadas an England den Kolonisten erlaubte, ihre Aufmerksamkeit Werken von öffenthcher Nützhchkeit, in erster Linie den Verkehrswegen ganz zuzuwenden, beschäftigten sich weitschauende Geister emgehend mit der Frage der inneren Schiffahrt; es wurden seit 1768 mehrere Pläne zur Schiffbar- machung des Mohawk und Potomac entworfen, und nach der glück- hchen Beendigung des Unabhängigkeitskrieges tauchten ähnhche Pläne in Menge auf; einige erlebten auch den Anfang der Ausführung. Washington selbst war in der Potomac Cy., die einige Bauten am Potomac und Shenandoa ausführte. Aber mit wenig Erfahrung und Ratzel, Die V. St. von Amerika. o4 530 Geschichtliche Entwickelung. Kapital wurden die Kanäle zu klein angelegt. 1817 war von j^allen diesen Werken im Betriebe übrig nur der Middlessex-Kanal von Boston zum Merrimac. Man hatte an ihm, der nur 43 km lang war, 19 Jahre gebaut. Erst nach dem Krieg von 1812 trat auch der Erie-See in den Plänen der Verbesserung des Verkehres zwischen den Seen und dem Atlantik in den Vordergrund. Die pohtische Erwägung der gi'ölsern Unabhängigkeit des Erieweges von Kanada sprach dabei mit, dieselbe, die zu Gunsten der Verbreiterung des Eriekanals zu einem Meereskanal auch neuerdings wieder angeführt wurde. Vorher war der für New York günstigere Weg Oneida-Oswego-Ontario, trotz drei Umladungen, der behebteste '). Vom Erie- ging man durch den Chau- tauqua-See in den Allegheny und weiter in den Ohio. Im Anfang unseres Jahrhunderts fing man an einzusehen, dafs vereinzelte und zersphtterte Kräfte nicht im stände seien, die grolse Arbeit der Schaffung von Verkehrswegen für ein so ausgedehntes und von so verschiedenen Interessen bewegtes Gebiet in die Hand zu nehmen. 1807 erstattete auf Anforderung des Senates der Finanz- minister Gallati u einen Bericht über Verkehrswege, deren Bau mit Mitteln des Bundes am notwendigsten sei. Dieser Bericht von 1808 entwirft ein ganzes System von Verkehi'swegen für das Gebiet zwischen Atlantischem Ocean, Mississippi und den Grolsen Seen. Es ist das wertvollste Dokument für die ältere Geschichte des Verkehrswesens in den V. St. Für die Kanäle schlug Gallatin als Grundhnien vor: einen Pai'allel-Kanal des atlantischen Ufers von Massachusetts bis Georgia, und Seitenhnien für die Verbindung der atlantischen Küste mit dem Mississippi: vom Delaware R. durch den Allegheny nach dem Ohio, vom Susquehanna durch den Monongahela nach dem Ohio , vom James R. durch den Kanawha nach dem Ohio, von Charleston oder Savannah nach dem Tennessee und dem Ohio. Gallatin dachte hier zunächst nicht an dm'chgehende Kanäle, sondern an eine Verbindung von Kanälen und Strafsen, welche die obersten Punkte der Schift'barkeit der genannten Flüsse mit einander in Verbindung setzen soUten. Diese Verbindungen sind später ganz oder zum Teil ausgeführt worden. Für die Verbindung der atlantischen Küste mit dem S. Lorenz -Gebiet schlug Gallatin vor: Hudson — Ontario-Sce, Hudson — Champlain-See. Zur Vervollständigung des ersteren sollte ein Kanal um die Niagara- Fälle geführt werden. Alle drei sind lä^igst ausgeführt. Und endlich Linien zur Verbindung des Mississippi und des S. Lorenz -Gebietes: 1) Über die Vcrkehrsvcrhältnisee dieser Gebiete vor der Zeit des Erie- kanales bringt J. IJ.TuckeyH Maritime Geography (1815) ]id. IV S. 149 f. interessante Mitteilungen. Die ersten Kanalbauten. 531 Erie-See — Pittsbui-g durch den Allegheny, Erie-See — Ohio durch den Cuyahoga, Erie-See — Ohio durch Maumee und Wabash, Erie-See — Ohio durch Sandusky, Michigan-See — Mississippi dui'ch HHnois, Michi- gan-See— jNIississippi von Green Bay dui'ch Fox und Wisconsin. Mit Ausnahme des Sandusky-Kanals , an dessen Stelle schon früher eine Eisenbahn gebaut wurde, sind alle diese Linien später ausgeführt worden. Nur dem Gedanken eines Parallel-Kanales des Golfes vom unteren Älississippi bis Georgia ist man praktisch nicht näher getreten. Aufserdem schlug Gallatin grofse Haujotstrafsen vor, vor allen eine Parallel-Strafse der atlantischen Küste und die schon 1808 begonnene von Washington nach S. Louis. Diejenigen von Washington nach Detroit und New Orleans bestanden in Bruchstücken, die man ver- band und erweiterte. Der Bau eines Kanales zwischen Hudson R. und Erie-See, 1810 begonnen, wm'de 1825 zu Ende geführt. 1817 wurde der Champlain -Kanal in Angriff genommen und 1823 dem Verkehr übergeben. Der Staat New-York besafs 1839, zu einer Zeit, die man so ziemhch als den Abschlufs der Kanal -Aera bezeichnen kann, 1064 km schiffbare Kanäle. 1838 hatte dieser Staat für seine Kanäle 32 971314 D. ausgegeben, 11916 446 allein für- den Erie-Kanal. Dafür gehört aber zweifellos ein nicht geringer Teil der Fortschritte des Staates New Yta'k und seiner n. und w. Nachbarn in dieser Zeit und späterhin der befruchtenden Wirkung dieser Kanäle an. Wenn die Stadt New York von 1820—40 von 124000 auf 313000, Rochester von 1500 auf 15000, Buffalo von 2000 auf 16000 wuchsen, so hegt der Grund dieses Aufschiefsens hauptsächlich in dem regeren Verkehr zwischen 0. und W. durch den Erie-Kanal, dessen Verkehr schon 1835 587000 T. erreicht hatte'). Wenn 1815 der Reichtum der Ein- wohnerschaft von New York auf 87 ^Mill. D., 1835 auf 233 Mill. ge- schätzt wurde, so erkannte man allgemein an, dafs den die Besiedelung und den Absatz erleichternden neuen Verkehrswegen der gröfste Anteil an dieser Verdi'eifachung zukomme. Pennsylvanien wm'de durch den Erie-Kanal von New York m den Schatten gestellt. Erst 1824 begann man den Bau von Kanälen von Philadelphia nach Pittsburg und den Seen des w. New York, ferner vom Susquehanna nach dem Potomac. 1834 besafs der Staat 1158 km Kanäle und Eisenbahnen. In Neu- England sind die Kanalanlagen durch die Bodenbeschaffenheit so wenig begünstigt, dafs nur wenige zm' Ausfülu-ung gelangten. Im Merrimac wui'den 175, im Connecticut 435 km schiffbar gemacht. 1) Vergleichsweise sei angefülirt, dafs auf der Seine, Marne und deren Kanälen zusammen 1835 in Paris 1782430 T. ankamen. (M. Chevalier, Hist. des Voies de Communication I. 219, wo dieser Vergleich weiter aus- geführt ist.) 34* 532 I^^s Zeitalter der Eisenbahnen. Dem Baue der Eisenbahnen hat sich Neu-England dagegen früher als alle anderen Staaten der Union zugewandt. Freüich bedurfte kein Teil der Union ihrer so wie Neu-England. Der Anlage der Kanäle kam seine Bodengestaltnng nicht entgegen, und doch verlangte kein anderer Landesteil so gebieterisch nach raschen und billigen Verkehrs- mittehi wie diese in Industrie und Handel thätigste Staatengruppe. Die erste Eisenbahn wm'de 1827 in Massachusetts angefangen, von Quincy nach dem Neponset. Zwischen 1827 und 1830 folgte das erste Glied der nachmals zu einer der gröfsten Verkehrsadern der V. St. erwachsenen Baltimore- und Ohio-Eisenbahn, die Linie Baltimore — Endicott Älills Md. 1830 zählten alle Linien zusammen nm* 66 km. Aber schon in der darauffolgenden Dekade wurden jährhch dm'ch- schnitthch 528 km Eisenbahnen gebaut. Kanalentwürfe fanden nun als Eisenbahnen ihre Ausführung. Die neue Erfindung eroberte sich so rasch das grolse Gebiet, das hier nur auf billige und rasche Verkehrs- mittel wartete, um den Reichtimi seines Bodens zu Markte zu bringen, dafs die V. St. gegenwärtig mehr davon zählen als das ganze übrige Europa. Von 66 km in 1830 und 5868 in 1840 haben sie sich auf 275 370 m 1891 erhoben. Die Vorteile der Eisenbahnen für den Verkehr wuchsen natürlicher- weise mit der Vervollkommnung ihrer Einrichtung und Bewegungs- mittel. 1873 hob es Harket Derby in einer dem Statistischen Kongrefs von St. Petersburg voi-gelegten Denkschrift »Über die Einwirkung der Eisenbahnen auf den Fortschritt der V. St.« hervor: »Vor einem halben Jahrhundert wurden Kanäle angelegt, um die Chesapeake Bay mit dem Delaware , den Hudson mit den Grof sen Seen , die letzteren mit dem Ohio und Illinois, Kohlenbergwerke mit Philadelphia zu ver- binden, aber die Kälte unserer Winter und die Wärme unserer Sommer unterbrachen ihre Benützung. Unterdessen haben unsere Ingenieure ilire Schienen und Lokomotiven mit Stahl gepanzert und dadurch die Geschwindigkeit vergröfsert, indem sie gleichzeitig die Kosten ver- minderten. Der gröLste Teil unseres Flufs- und Kanalverkehres ist damit den Eisenbahnen zugeleitet worden. Weniger als ein Zehntel unseres Binnenverkehres bewegt sich jetzt auf Kanälen, weniger als ein Fünftel auf den Flüssen, der Rest benützt die Eisenbahnen. Wir haben in den V. St. eine groi'se Anzahl von scliiti' baren Flüssen, aber die Eisenbahnen schneiden die Krümmungen ab, vermeiden die Ver- zögerungen durch Eis oder niederen Wasserstand und erlangen damit ein Übergewicht über Flüsse und Kanäle. Einige Kanäle sind ganz verlassen und keine sind gegenwärtig in Bau begriffen. Ihre Hauptaufgabe wird in Zukunft darin l)estehcn, die Grofsen Seen und die Meereseinschnitte durch Schilf ahrtskanäle unter einander zu ver- Die Entwickelung der Eisenbahnen. 533 binden« •). Ohne Zweifel sind in Amerika die Eisenbahnen in demselben Mafse notwendiger gewesen als in Europa, als die Entfernungen be- deutender waren. Nach der Schnelligkeit, mit der das Ziel der Raima- beherrschung erreicht wird, lassen sich nach den benützten Wegen und iNIitteln verschiedene Stufen unterscheiden. Im Streben nach Raum- beherrschung wm-den hier nun die früheren Stufen zu Gunsten der- jenigen übersprungen, die dieses Ziel am raschesten erreichen lassen. So hat Nordamerika kein Zeitalter der Landstraf sen gehabt, und das der Kanäle gleichsam verstümmelt. Aber der Rückgang der Kanäle und Kanalbauten mrd in diesem Lande nicht fortdauern. Die gewaltige Ent-«dckelung des Bahnnetzes kann nicht die Thatsache verwischen, dafs ein wahres Binnenmeer die Verbindung mit dem Ozean erwartet. Auch ist die Leichtigkeit nicht zu übersehen, mit der so grofse, hindernislose Flächen zu überschienen sind, wie sie an der atlantischen Küste und mehr noch im Inneren sich ausbreiten. Nm- Rufsland kommt durch seine einfache Bodengestaltung in ähnhchem Mafse der Anlegung von Verkehrswegen entgegen. Aber wenn ein einziger Staat wie Massachusetts, dem der Antrieb durch grofse Entfernungen ebenso wie die Erleichterung durch günstige Bodengestaltung mangelt, 1875 im Verhältnis zu seiner Grofse 10 mal mehr Eisenbahnen besafs als die übrigen V. St., so sieht man, dafs bei der gewaltigen Entwickelung noch andere LTrsachen thätig gewesen sind. Der Unternehmungsgeist, die rücksichtslose Wettbewerbung, che Kapitalvei'mehrung, die Leichtig- keit, vom Ausland geborgt zu erhalten, und nicht zuletzt auch die Geschicklichkeit, Kühnheit und BiLhgkeit, mit der man die Eisenbahnen baute und betrieb, sind zu nennen, wenn man die Thatsache zu er- klären wünscht, dafs auf jeden Kilometer Eisenbahn 233 Einwohner in den V. St., in Deutschland 1150 und in dem europäischen Staate, in dem die den Eisenbahnbau begünstigenden und bedingenden Verhältnisse denen Nordamerikas am ähnhchsten gelagert sind, in Rufsland gar 3200 kommen. Die Energie, mit der in den V. St. im Eisenbahnbau vorgegangen wird, hat natürhch auch ihre Schattenseiten. Die besonders in den Südweststaaten höchst unvorsichtig gebauten Eisenbahnen haben noch in den letzten Jahren eine Masse von Verlusten hervorgerufen. Fast jede Famiüe in Neuengland hat daran verloren. Aber viel gefährhcher ist entschieden der Rückgang der Zahl der selbständigen Linien im unbeschränkten Wettbewerb, wodurch che Monopole einiger kapitalmächtigen grofsen Gesellschaften immer unbedingter sich ent- wickeln, um zuletzt mit drückender Übermacht auf der ganzen Gemein- 1) Travaux prösentös au Vin""' Congres Internat, de Statistique. S. Petersburg 1874. 30. 534 Verkehrsmonopole. Schaft zu lasten, die doch ihre Dienste nicht entbehren kann '). Das nach älteren amerikanischen Anschauungen unantastbare Recht auch dieser Körperschaften, innerhalb der vom Gesetze gezogenen Schranken zu handeln wie es ihnen gefällt, ist infolge des Druckes, den ihre Monopole auf einzelne Teile des Landes übten, in Frage gestellt und in einigen der transportbedürftigsten Weststaaten aufgehoben worden : ein Zeichen, wie stark dieser Druck sein mufs. Aber man hat bis jetzt kein Mittel finden können, das die Vorteile der freien Wett- bewerbung von ihren Nachteilen trennte und zugleich nicht gegen den freistaathchen Grundsatz der möghchst geringen Staatsmacht verstiefse. Seit 1877 hat z. B. die Mehrzahl der in Chicago ausmündenden Bahnen eine Vereinbarung getroffen, deren Zweck es ist, alle Transportgeschäfte zwischen Chicago und dem Osten gemeinsam vorzunehmen, d. h. keine Spezialkontrakte einzugehen, die bisherigen Frachtsätze womögüch zu erhalten und die Einkünfte auf die einzelnen Bahnen nach Mafsgabe ihrer Beteiligung zu verteilen. Einige Staaten des NW. antworteten auf diese und ähnliche Abmachungen auf Anregung der zu den Granger- Bündeu zusammengetretenen Farmer mit den sog. Granger-Gesetzen, die dem Staate die Befugnis gaben, die Frachtsätze der Eisenbahnen festzustellen. Aber die Unausführbarkeit dieser Gesetze trat bald zu Tage, als die Eisenbahnen den Verkehr sperrten. 1878 widerrief der stärkste Granger -Staat Iowa diese Gesetze, nachdem Ohio und Wisconsin vorangegangen waren. Die öffenthche Meinung ist noch nicht mit sich selber über diesen Punkt ins KHare gekommen, wie scharf auch durch die soziaHstische Agitation unter den Eisenbahn- 1) Kein geringeres Gleichnis als das der katholischen Hierarchie bot sich dem Politiker, der Betrachtungen anstellte über die möglichen Einflüsse der grofsen, immer mehr zur Verschmelzung drängenden Eisenbahnen auf die Geschicke der V. St. : >Durch das Gefühl gleicher Interessen und gleicher Gefahr verkittet, wird unser Eisenbahnsystem einst denselben grofsen Ein- flufs üben , wie die römisch-katholische Kirche , obwohl es an Stelle der reUgiösen und moralischen Herrschaft nur den mächtigen Einflufs besitzen wird, den ihm der Drang nach materieller Entwickelung überträgt, dem es 80 wirksam entgegenkommt.« (Charles F. Adams jr. in N. Am. Review 1870. I. 125.) Die Vereinigung aller Eisenbahnen der V. St. in ein grofses Sy- stem von Staatsbahnen ist ebenso oft abgelehnt wie empfohlen. Den Meisten graut es bei dem Gedanken an die Aufhebung aller Konkurrenz und die Korruption einer solchen Verwaltung, die über einige Milliarden Dollars imd bald über eine Million Beamte gebieten würde. Aus Furcht vor einem wahrHchcinlichon erträgt man ein gewisses Übel. Die klarste, un- ])arteiiHchHte Darst(;llung difsser Verhältnisse findet man in: Die nordameri- kanischen Eisenbahnen in ihren wirtschaftlichen und politischen Beziehungen. Gesammelte Aufsätze von Alfred von der Leyon. Leipzig, 1885. Die natürlichen Grundlinien des Verkehres. 535 bediensteten eine andere eng damit zusammenhängende Frage in den Vordergrund gerückt worden ist, nämlich die chronische Unsicherheit der Existenz von Tausenden von Menschen, deren Lebensunterhalt bei der beständig auf und ab schwankenden Wage des Erfolges in diesen wh'tschafthchen Wettkämpfen rücksichtslos in Frage gestellt wird. Die natürlichen Grundlinien des Verkehres. Bei der Anlage der Verkehrswege in den V. St. stellte sich eine Reihe von Aufgaben ganz von selbst aus der Bodengestaltung und aus der Lage der hauptsächlichsten Kulturmittelpunkte, die auch von An- fang an ganz klar verstanden worden sind. Wir haben versucht, sie im einleitenden vierten Kapitel ganz im grofsen zu skizzieren. So lange die Kultur und die Staatenbildung der Amerikaner ö. vom Mississippi stand, sahen wir ihr Gebiet in zwei grofse, von der Natur geschiedene Hälften zerfallen, in den Osten, das Land ö. der Alleghanies, und in den Westen, das Land w. der AUeghanies, oder das östliche Mississippi-Gebiet. Im Norden legte sich quer- über als drittes das Becken des S. Lorenz-Stromes und der Gofsen Seen. Von der Seite der Bodengestaltung her stellten sich also drei Gruppen von Aufgaben :^ 1 . Verbindungen zwischen dem at- lantischen Abhang und dem östlichen Mississippi-Gebiet; 2. Ver- bindungen zwischen dem S. Lorenz-Becken und dem Mississippi- Gebiet; 3. Verbindungen zwischen dem atlantischen und dem S. Lorenz-Gebiet. Die Lage der Ausgangspunkte der Kolonisation und des Handels im Norden und Süden mufste weiter zu einer durchgehenden Verbindung zwischen New York und New Orleans nötigen und endlich mufsten zahlreiche kürzere Wege von Osten und Westen her in das Alleghany- Gebirge eindringen, um seine Thäler mit dem Atlantischen Ocean einer- und der grofsen Ver- kehrsader des Mississippi andrerseits in Verbindung zu setzen. Das Vordringen der Kultur nach AVesten stellte den Wegebahnern neue Aufgaben, denen freihch erst die Erwerbung der weiten Gebiete auf der pacifischen Hälfte des Kontinentes ganz bestimmte und grofse Ziele gab. Die grofse Seenkette erlaubte tiefgehenden Schiffen das Vordringen in nordwestlicher Richtung vom Erie bis zum Meridian des Mississippi und bot damit eine nördliche Er- gänzung der Mississippi-Strafse , die mit dieser zusammen die 536 I^i^ Grundlinien des Verkehres im Westen. ganze Mitte des Kontinentes zugänglich machte. Nur einige Längengrade weiter w. führt der Obere Mississippi , der bis S. Paul Minn., also bis ungefähr zum 45." n. B. schiffbar ist, in eine Region, wo der Verkehr sich ähnlich wie im Hudsonsbay- Gebiet zahlreicher Seen und verbindender Flüsse zu bedienen vermag, und wo vermittelst des nördlichen Red R. auf diese Weise eine offene Strafse in den belebtesten Teil dieses Gebietes, in die Niederlassungen am Winnipeg-See , gebildet ist. Vom Mississippi nach Westen benutzte man naturgemäfs dessen Zu- flüsse, zunächst den Missouri, von dessen Verkehrsbedeutung man sich allerdings in der ersten Zeit nach seiner Entdeckung einen übertriebenen Begriff machte. Wenn man sein Thal verfolgt, geht man nach Nordwesten, wobei man die Steppenregion, deren unwirtliche Dürre und Menschenleere der Verkehr scheut, in einer langen Diagonale durchschneidet und die Richtung verfehlt, die zu verfolgen bis zur höheren Entwickelung des pacifischen Nord- westens allein von grofsem Interesse sein konnte, nämlich die der spanischen Niederlassungen dies- und jenseits der grofsen Gebirge des Westens und zwar in erster Linie Santa Fe in Neu-Mexiko und San Francisco in Kalifornien. Der einzige Vorteil, den der Missouri- Weg einstweilen bot, war der der möglichst kurzen Land- verbindung mit den Niederlassungen an der Mündung des Co- lumbia, eine Verbindung, die sehr erleichtert wird durch das nahe Zusammentreten des Missouri und des Kolumbia in ihren Quell- gebieten. Es ist auf diesem im Grunde natürlichsten und nächst- liegenden Wege, dass der Kontinent zum ersten Mal von wissen- schaftlichen Reisenden im Auftrag der jungen V. St. gequert wurde. Aber die wenigen tausend Emigranten, welche nach den Kolumbia- Niederlassungen zogen, benutzten fast immer nur die See; jener war lang, beschwerlich und wegen der Indianer gefährlich. Erst 1884 ist auf diesem Wege in der Nord-Pacilik-Bahn eine Mississippi- Kolumbia-Bahn entstanden. Praktischer erwiesen sich für den alten Verkehr die Wege an dem grofsen südlichen Nebenflufs des Missouri, dem Platte oder Nebraska, und dem Arkansas auf- wärts. Sie führen vom Mississippi bis an den Fufs des Felsen- gebirges, und der erstere bietet noch den Vorteil, auf einige Die Grundlinien des Verkehres im Westen. 537 praktikable Pässe über das Felsengebirg hinziileiten, hinter denen die einzige durch eine Oasenkette (Green R. , Grofser Salzsee, Humboldt R.) bezeichnete Naturstrafse durch das Grofse Becken hindurchführt. Der Arkansas fülirt in ähnlich direkter Weise weiter s. an den Fufs der Gebirge von Neu-Mexiko und Arizona und läfst durch seinen Nebenfluls Kanadian R. Santa Fe, den Haupt- ort von Neu-Mexiko und früheren Stapelplatz des nordamerikanisch- mexikanischen Steppenkarawanenhandels, in fast gerader ostwest- licher Richtung erreichen. Selbst eine Bahn von hier in das Thal des Gila und an ihm abwärts bis zur Mündung in den Kolorado begegnet keinen unüberwindlichen Terrainschwierigkeiten. Der Weg von Santa Fe im Rio Grande-Thal hinab nach dem nörd- lichen Mexiko schliefst sich an die Arkansas - Straf se an. Sie ist die älteste der grofsen natürlichen Verkehrsstrafsen in der Union, da sie schon seit der spanischen Besitznahme Neu-Mexikos den Verkehr mit Mexiko zu vermitteln hatte. Dafs endlich ent- lang der pacifischen Küste ein von der Natur des Landes gebotener, wenn auch nicht immer erleichterter Weg zur inneren Verbindung der Plätze an der steilen, an vielen Punkten für Wege irgend welcher Art unzugänglichen Küste sich von selbst in den Thälern des S. Joaquin, Sacramento und Willamette bahnen mufste, ist selbst- verständlich. Auch er ist heute mit Schienen belegt. Wir haben also zu den vier vorhin genannten Naturbahnen des Weltverkehrs im Osten noch folgende im Westen zu fügen : 5. die Seenkette ; 6. den Oberen Mississippi samt seiner Flufs- und Seenverbindung zum nördlichen Red R. hinüber; 7. Thal des Missouri; 8. Thal des Platte oder Nebraska; 9. Thal des Arkansas und Kanadian: diese drei als Wege bis zum Ostfufs des Gebirges; 10. Thal des Ko- lumbia; 11. über Green R., den Grofsen Salzsee und Humboldt R. in das Thal des Sacramento ; 12. von Santa Fe zum Unteren Kolorado ; 13. Thal des Rio Grande von Santa Fe nach Paso del Norte; 14. Thäler des S. Joaquin, Sacramento und Willamette R. zur Verbindung der südlichen und nördlichen Niederlassungen an der pacifischen Küste. Dieses sind die in der Natur gegebenen Grundlinien des Netzes der grofsen Verkehrswege im Gebiete der V. St. ; einige 538 I^i^ natürlichen A'erkehrsgebiete. davon sind l^is heute noch nicht ausgenutzt, andere dagegen haben schon zahh-eiche Parallel- oder Ergänzungsstrafsen ge- funden, sind gewissermalsen vervielfältigt worden, während wie- der andere sich bei weitem nicht in dem Mafse entwickelt haben, wie die Gunst ihrer Naturverhältnisse es erwarten liefs. Wie überall, hat auch hier der Eisenbahnverkehr die natürlichen Bahnen manchmal verschmäht, um die kürzesten Wege in Rich- tungen zu suchen, wo die Natur des Landes grofse Verkehrs- wege nicht zu begünstigen schien, und so ist z. B. die Missis- sippi-Strafse bei weitem nicht . so wichtig geworden , wie man es einst vermutete. Die Seenkette samt dem S. Lorenz und das bei New York mündende Kanal- und Eisenbahnsystem, das den Erie-See direkt mit dem Atlantischen Ocean verbindet, sowie auch Eisenbahnlinien , welche weiter s. gehen , haben kürzere Wege nach dem Atlantischen Ocean geboten, der dem Bestimmungs- orte vieler Waren des Inneren, Europa, hier näher liegt als der Golf von Mexiko. Diese Erscheinung hängt indessen teilweise zusammen mit einem ganzen Komplex anderer ähnlicher, die alle darauf hinweisen, dafs das Innere und der Westen der V. St., deren Verkehr mit einer gewissen Naturnotwendigkeit in den grofsen Sammelkanal des Mississippi fliefsen zu müssen schien, seit der Entwickelung des Eisenbahnnetzes mit LTmgehung dieses grofsen Stromweges nach den direktesten Verbindungen mit dem Osten und dem Atlantischen Ocean streben. Infolge dieser Ent- wickelung ist ein erheblicher Teil des Südens nicht sowohl Durch- gangsland für die Waren aus dem Inneren und dem Westen, als vielmehr ein abgesondertes Verkehrsgebiet geworden, dem das im Westen durch ein schlechtes Hinterland und ungünstige Boden- gestalt abgeschlossene Texas sich anschhefst. In diesem gegen Norden zu etwa durch den Ohio und Arkansas abgegrenzten Ge- biet gehen die grofsen VerkehrsM^ege radial zum Meere, während n. von der genannten Grenze die westliclien und östlichen llicht- ungen entschieden vorwiegen. Was s. dieser Grenze liegt, gehört dem Golf von Mexiko, was n., dem Atlantischen Ocean au ; ein paciüsches Verkehrsgebiet macht sichj erst von der atlantisch- pacifischen Wasserscheide mu geltend. Die schiffbaren Flüsse. 539 Die schiffbaren Flüsse. Die schiffbaren Flüsse der V. St. spielen seit der glänzenden Entwickelung der Kanäle und Eisen- bahnen eine bescheidene Rolle. Selbst die natürliche Lebensader des ganzen Inneren, der Mississippi, der mit seinen Zuflüssen ein volles Drittel des Gebietes der V. St. bewässert, ist seit der An- lage von Eisenbahnen, die von seinen Ufern oder selbst über ihn weg in möglichst gerader Linie nach dem Atlantischen Ocean führen, von seiner Stellung als Grundlinie wenigstens der Waren- ausfuhr aus dem Inneren verdrängt. Jahrzehnte ist seine Mündung versumpft gewesen. Noch im Sommer 1892 legte eine Deputation von S. Louiser Bürgern dem Kongrefs die Notwendigkeit der Ver- besserung des Fahrwassers dar, wobei u. a. darauf hingewiesen wurde, dafs Passagierdampfer zwischen S. Paul und S. Louis bei niederem Wasserstand oft viele Stunden auf Sandbänken sitzen, und dafs Verzögerungen bis zu neun Tagen vorkommen. Wenn auch die Gegenwart sich wenig für die Regulierung des Mississippi erwärmt, so bleibt sie um so melu* eine der grofsen Fragen der Zukunft der V. St. Ihr Zusammenhang mit dem Interoceanischen Kanal liegt klar (vgl. o. S. 16 und 27). Erst die Entwickelung des direkten Verkehres mit Mittel- und Südamerika durch den Golf von Mexiko wird diesem mächtigen Strom etwas von der Be- deutung für den Verkehr zurückgeben , die er einst besafs. 1892 setzte der Kongrefs 5 255000 D. für Bauten am Mississippi, Missouri und Ohio aus und bewilhgte aufserdem bis zu 12 Mill. für Arbeiten in den nächsten drei Jahren. Die Schiffbarkeit der übrigen Flüsse der V. St., die früher auf gegen 90000 km geschätzt wurde, hat heute nur noch grölseren Wert da, wo Kanäle in dieselben münden, wie beim Hudson, oder wo die Wassertiefe sehr grofsen Schiffen den Zugang gestattet, wie gleich- falls beim Hudson, oder wo ein grofses schiffbares Süfswassermeer im Hintergrund den Verkehr anlockt, wie beim S. Lorenz, oder wo die dünne Bevölkerung andere Verkehrswege noch zu kostbar erscheinen läfst, wie am Kolorado in Arizona, oder endlich wo die Bodenbeschaffenheit der Anlage von Eisenbahnen entgegen- steht, wie am S. Johns in Florida. In einer Anzahl von Flüssen erreicht die Schiffahrt nicht mehr die früheren Punkte, z. B. im 540 Mississippi. Muskingum nicht mehr Dresden , sondern nur noch Zanesville. Man kann überhaupt sagen, dafs die Schiffbarkeit der Flüsse seit dem Aufkommen der Eisenbahnen am wenigsten Verwertung gefunden hat in den wirtschafthch fortgeschrittensten Teilen des Landes, weil man sich da am raschesten den Eisenbahnen zu- wandte, während dagegen ihre Ausnutzung am gröfsten, im Ver- hältnis zur Bevölkerung, in den wirtschaftlich rückständigsten Teilen, nämlich im , Süden und Westen, geblieben ist. Immerhin ist die Aufwendung für Flüsse und Häfen von 1822 bis 1892 von 23000 auf 25000000 D. gestiegen. In einer interessanten unter dem lltel : »Connected View of the whole Internal Navigation of the U. S. (Phü.)« 1826 erschienenen Zu- sanmiensteUung, die die schiffbaren Gewässer innerhalb der damaligen Grenzen der V. St. ausführlich beschreibt, ist die Länge der natürlichen und künstlichen Wasserstrafsen im Lande ö. vom Mississippi auf 50536 engl. M. angegeben und auf die natürlichen Abschnitte des Landes in der Weise verteilt, dafs Neu-England 1886, New York 3659, die Mittleren Staaten (mit Maryland und Ohio) 6126, Virginia 3215, Indiana 2000, die Östlichen Mississippi-Staaten 11080, die Carolinas und Florida 6255 engl. M. erhalten. Zu derselben Zeit und überhaupt in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts bildete die Schiffbarkeit der Flüsse des Transmississippi-Gebietes einen wichtigeren Gegenstand der öffentlichen Erörterung als heute. D. B. War den teilt aus jener Zeit in seiner >:'Description des fitats-Unis« (Paris 1820. 1. 162) Schätzun- gen der Schiffbarkeit dieser damals grofsenteils noch nicht genau be- kannten Flüsse vom Missouri bis zum Platte mit, welche die Summe von 9300 engl. M. erreichen. Von all diesen Flüssen sind die wenigsten zu Verkehrswegen von dauernder wirtschaftlicher Bedeutung geworden. Der wirklich bedeutenden Flufsschiffahrtsysteme gibt es auch heute blofs vier und es sind dies die folgenden: Mississippi. Nach den Windungen des Stromes mifst die schiff- bare Länge des Mississippi von der Mündung bis zu dem liöchsten F'nnkte am Missouri 8000 und bis zu dem hr)c]isten Punkte am Arkansas und am Tennessee 48(X) km. Die Scliiff'ahrt auf dem Oberen Mississippi'), d. h. zwischen S. Paul Minn. und S. Ivouis Mo., ist aus verschiedenen Gründen erheblichen Scliwaukinigcn unterworfen. Nördlich von Keo- kuk lo. kaim man auf Eisljedeckung in 4 bis 5 Monaten des Jahres rechnen. Die Stromschnellen von Keokuk (13 km) sind zwar dm'ch einen 1) In <]or Spniflio dor Srhiffor und Anwolmer begreift der Upper River nur die Strecke von 200 M. von S. i.,(^ui8 bis Cairo. Mississippi. 541 Kanal auf dem Iowa-Ufer umgangen und die von Rock Island Hl. sind durch Tieferlegung des Strombettes zu einem 60 m breiten und selbst bei Niederwasser 1,2 m tiefen Fahrwasser verbessert. Letzteres ist die für die gi'ofse Schiffahrt hier notwendige Wassertiefe, die indessen nur 4 bis 5 Monate anhält, in den trockenen Zeiten des Jahres geht sie bis auf 1 und sogar 0,9 m zurück. Abwärts von S. Louis Mo. ist die Schiffbar- keit fast ununterbrochen vorhanden, auch für Schiffe von bedeutendem Tiefgang. Der durchschnitthche Wasserstand ist auf dieser Strecke sehr günstig; die Zahl der Tage, an denen er unter 1,2 m herabgeht, beträgt durchschnitthch nur 3 bis 4, an 137 geht er über 3 m hinaus. Erhebhche Schwierigkeiten bereiten der INIississippi-Schiffahrt in dieser Gegend die Baumstämme (Snags) , die sich ini Grunde festgerammt haben und den Fahrzeugen ihre oft gefähi-hch spitzen Äste entgegen- strecken, ferner die sehr oft wechselnden Sandbänke und Treibholz- und Gestrüj)panschwemmungen, endhch die dem ganzen unteren Mississippüande gefährhchen Überschwemmungen, gegen die ein grofses System von Dänunen nach den Verwüstungen der siebziger Jahre neu geschaffen wurde. Die grofse Mississippi-Überschwemmung von 1890 hat das Vertrauen in die neuen Dammbauten befestigt, von denen früher Hunderte von Kilometern durchbrochen wm-den, während dieses Mal von 1100 engl. M. nur 5 fielen. Unterhalb New Orleans ist che Tiefe des Mississippi stellenweise nahezu 30 m , nimmt aber sehr rasch ab jenseits des Beginnes der Delta- Arme, an deren Aus- mündung durch die sich absetzenden Massen von Schlamm jene Bänke (Bars) gebildet werden, über denen nur noch 3 bis 5 m Wasser stehen. Diese Wassertiefe genügte für die Schiffe von dm-chschnitthch 4 m Tiefgang und 4 bis 500 T. , die sonst den Handel von New Orleans mit fremden Häfen vermittelten ; seitdem aber Fahrzeuge von 5 bis 7 m Tiefgang und bis zu 5000 T. New Orleans besuchen, sind jene Schlammbänke so ernsthafte Hindernisse des Verkehres geworden, dafs man schon von dem Verfalle des Handels von New Orleans sprach. Durch eine Kongrefsakte wm'de 1875 dem Ingenieur James B. Eads die Aufgabe übertragen, den einen der Mündungsarme des Mississippi so einzudämmen, dafs das zusammengedrängte Wasser zu rascherem Fliefsen gezwungen und in den Stand gesetzt werde, sich seine Wege selber zu vertiefen. Schon 1876 war die Tiefe über der Barre auf mehr als 6 m gestiegen. Heute verkehren Schiffe von 7 m Tiefgang frei in den »Passes« der INIississippi-Mündung. — Die Mssissippi-Schiffahi-t hat ihre eigene interessante Geschichte. Vor der Zeit der Dampf boote und der Eisenbahnen gmg die ganze Ausfuhr des W. samt den Reisenden den Mississippi hinab nach New Orleans auf Flachböten, deren Bauart nicht fester und deren Bequemhchkeit nicht kostspieliger sein durfte als vereinbar war mit ihi'er Bestimmung, nach der Ankunft in Stücke 542 Ohio. zerschlagen und verkauft zu \yerden. Denselben Weg machte mit Segeln und Rudern und unter Gefahr und Älühen die Einfuhr nach Ohio, Indiana, Kentucky. Die Schiffe brauchten von New Orleans bis Cincinnati 100, manchmal auch 200 Tage. Schon 20 Jahre nach der Einführung der Dampfschiffahrt war die Dauer der Thalfahrt auf 8 bis 9, der Bergfahrt auf 10 bis 12 Tage gesunken. 1811 fuhr das erste Dampf boot, von Fulton gebaut, den Ohio und Mssissippi hinab von Pittsburg bis New Orleans. 1818 zählte man 20 Dampfer mit 3(342 T., 1829 2^ mit 35000 T. Ihr Bau war nicht für die Dauer, sie waren in 4 bis 5 Jahren verbraucht, dafür waren sie zwei- bis dreimal so bülig als die europäischen Boote von derselben Grölse. Gleichzeitig hatte der Verkehr mit Flachbooten zugenommen, denn die Schiffer konnten jetzt die Thalfahrt drei- bis viermal, statt wie früher einmal, im Jahr machen, und in der That wurde 1835 der Betrag des dii-ekten Verkehres per Dampfboot von New Orleans mit seinem Hinterland auf 14000 und per Flachboot auf 160000 bis 180000 T. geschätzt'). — Von den 54 Nebenflüssen des Mississippi, die mit Dampf booten befahren werden, ist der Arkansas 1300, der Red. R. d. S. 800 km bis Shreveport, aber nur in dm'chschnittlich 8 Monaten des Jahres , bis Alexandi'ia aber bei jedem Wasserstande schiffbar; der White R. ist bis zur Black R.- Mündung (500 km), Francis R. ca. 450 km, der Yazoo fast die ganze Länge seines Laufes bis zur Mündung (gegen 500 km) zugänglich. Der Missouri wird von Dampfern, meist nur im Interesse der Verproviantierung der MiHtär- j)Osten, bis Ft. Benton Dak. befahren, aber nicht regelmäfsig. Seit der Erbauung der Pacifikbahnen wird seine Schiffbarkeit lücht mehr für den grofsen Warenverkehr benützt. Das grofsartigste und wohlthätigste System von Strafsen der Binnenschiffahrt ist neben dem des Mississippi und des Hudson das des Ohio, das nur einige kurze Kanalstrecken, darunter den Port- land-Kanal, der die Fälle von LouisviUe umgeht, und kanalisierten Flufslauf hat, in seiner gröfsten Ausdehnung aber sich im natürlichen Zustande befindet; die schiffbare Länge des Ohio beträgt 1547, die der 1) Die gröfsten Boote des Mississippi sind über 100 m lang nnd haben 10000 ])allen Baumwolle Tragfähigkeit. Der Transport von schweren Massen, vorzüglich Kohle und Eisenerz, wird auf dem Ohio und Mississippi in grofsen Flachbooten besorgt, die, in grösserer Zahl (bis zu 32) mit einander fest ver- bunden, von einem hinter ihnen angebrachten starken Dampfer (Tug-Boat) vorwärts gcstofsen worden. Diese ziisamniengcketteten Massen sind bis über 120 m breit und lang, und es sind doshalb für die neueren Brücken über den Ohio und Mississippi liogon von 150 m Spann und darüber angenommen worden. Übrigens sind auch auf dem oberen Mississippi Flöfse von 90 m Breite und 150 in Liliige keine Seltenheit. Der S. Lorenzstrom. 543 Zuflüsse oberhalb Cincinnati 738, des ganzen Systems gegen 4000 km. Es beginnt in seinem wichtigsten östhchen Abschnitt mit dem in einer Erstreckung von 163 km von Morgentown W. V. bis Pittsburg kanah- sierten INIonongahela, der die natürüche Verkehrsader des Alleghany- Kolilenbeckens ist; aufser ihm ist noch ein kleiner Zufluls, der You- ghiogheny, kanahsiert, der in den ]Mittelpunkt der Coakserzeugung, Connelsville Penn., führt, und von den Zuflüssen oberhalb Cincinnati kommen noch Allegheny, Muskingum, die beiden Kanawha vmd Big Sandy für die Schiffahrt in Betracht. Von den Millionen von Tonnen Kohlen und Coaks, die nach Pittsbm-g kommen, wird die Mehrzahl auf diesem Wasserwege versclüfft. In Pittsburg schhelst er sich an die Ohio- und jMississippi-Schiffahrt an, so dafs zusammen auf diese Weise zwischen W.- Pennsylvania und New Orleans ein ununterbrochener Wasserweg von 3500 km hergestellt wird. Der Ohio bietet bei ver- änderhchem und im ganzen überhaupt nicht grofsem Wasserstande der Schiffahrt einige Schwierigkeiten, aber regelmäXsig unterbrochen \\Trd sie doch nur dm'chschnitthch 14 Tage des Jahres durch Eisgang und Hochfluten. Unterbrechungen infolge zu niediigen Wasserstandes kommen in Ausnahmsjahren vor. 1889 war ein Jahr ununterbrochenen Verkehres. Man spricht davon, das ungleiche, bald schlammige, bald felsige Bett des Ohio dm"ch Parallelwerke und Buhnen zu reguheren. — Von den Ohio-Nebenflüssen ist der Tennessee in zwei Abschnitten unter- halb und oberhalb der Muscle Shoals schiffbar, dort 480, hier gegen 320 km. Der höchste Punkt der Schiffbarkeit ist Knoxville. Der Cumberland ist nur bei gutem Wasserstande bis Nashvüle zu befahren (320 km) , Green R. bei hohem Wasser und mit Hilfe von Schleusen bis Greensburg (330 km), Licking bis Falmouth (80 km). 1889 fuhren auf den Flüssen des JNIississippibeckens 1114 Dampfer und 6339 »uiu:igged« Boote, deren gesamter Tonnengehalt 3,4 ]\Iill. betrug, wovon 211000 auf die Dampfer kamen, und auf denen 10000 Mann beschäftigt waren. Der obere Ohio mit seinen Neben- flüssen besafs Schiffe im Betrag von 2,5 Mill. T. Der S. Lorenz-Strom, der mit seinem klaren, grünen Wasser in immer gleich bleibender Fülle — die Sammelbecken der Grofsen Seen reguheren ihn so, dafs sein höchstes und tiefstes Niveau selten über 50 cm auseinander hegen — und mit seinem lebhaften Fhelsen in mächtigem Felsenbett als der schönste unter den nordamerikanischen Flüssen gilt, besitzt für den Schiffer \äel weniger Reize; dieses Felsenbett hat eine Masse von Khppen, die als die »Thousand Islands« ebenso sehr das Ent- zücken des Natm-fi-eundes wie dm-ch enge Passagen und StromschneUen der Schrecken der Schiffer sind. Dazu kommen weiterhin die Niagara- FäUe, die den Eingang in den Eri3-See und damit in die grofse obere Seeregion ebenso verbaiTikadieren wie jenes KlippengewiiT den in den 544 Hudson und kleinere schiffbare Flüsse. Ontario, ferner noch die Schwierigkeiten der Schiffahrt in den Kanälen, die die verschiedenen Seen verbinden. Die Mehrzahl der Hindernisse ist heute so weit beseitigt, dafs sogar Schiffe von 2'/« ni Tiefgang bis Chicago und Fond du Lac gelangen. Die Kanalisierungen, durch die dieses wichtige Ergebnis erreicht ist, sind vorzüglich die des S. Lorenz selbst, die Umgehung der Niagara-Fälle dm-ch den WeUand-Kanal, die Vertiefung des S. Marys R. und der Kanal des Sault Ste. Marie. Die Hindernisse im S. Lorenz kommen für Schiffe von 2,7 m Tiefgang nur auf verschiedenen kleineren Strecken von zusammen 60 km in Betracht. Kleinere Schiffe überwinden dieselben bei der Thalfahrt mit so wenig Sch'WT.erigkeiten, dafs für sie der Weg vom Eintritt des Niagara R. in den Ontario-See bis ins Meer offen steht ; nur bei der Bergfahrt benützen sie einen Kanal, der die Stromschnellen von Montreal umgeht. Bei der nördlichen Lage bleibt nach aU diesen Verbesserungen das einzige grolse Hindernis das kalte Küma. Der S. Lorenz ist 5 Monate wegen Eis unschiffbar. Über die Grofsen Seen s. u. S. 546 und 551 f. Der Hudson erhält seine grolse Wichtigkeit für den Verkelir vor- züglich durch die Verbindung mit wichtigen Kanälen, die von ihm ausstrahlen, ist aber an und für sich ein für die Schiffahrt ungemein günstiger Fluls. Gehen doch die Gezeiten in ihm bis nach Troy*), also 235 km, und ebensoweit wird er von grofsen Dampfbooten befahren. Nur von Van Wye Point bis Albany, Ti-oy und Waterford erstrecken sich auf einer Länge von 22 km Sandbänke, die im Sommer nicht mehr als 1,5 bis 1,8 m Wasser haben und daher den Schiffen, welche der Mehrzahl nach mehr als 1,8 m Tiefgang besitzen, gefährüch sind. Im übrigen ist der Hudson tief und breit genug, um Dampfer von mehreren 1000 T. bis nach Troy hinaufzutragen und daneben ohne Schwierigkeit die ganze Menge von Schleppern und Kanalbooten auf- zunehmen, tue aus den Kanälen des Westens mit Getreide und anderen Massengütern nach New York gehen. Er ist im Durchschnitt 91 Tage durch Frost geschlossen, die gewöhnlich zwischen das letzte Drittel des Dezember und den halben Mäi'z fallen. Einige kleinere schiffbare Flüsse'). An der südlichen atlantischen Küste münden einige Flüsse, deren Schiffbarkeit für den örthchen Verkehr Wert hat. In der Chesapeake Bay wnd wichtig durch die Lage von Baltimore der Patapsco, der bis Baltimore (23 km oberhalb seiner Mündung) grolse Seeschiffe trägt. Der Potomac ist bis Washington 1) Man begreift, dafs sein Entdecker Hendricks Hudson in ihm einen Meeresarni vermutete , da er auf der Suche nach der nordwestlichen Durch- fahrt mit seinem Schiff bis in die Nähe von Albany ungehindert herauf- kommen konnte. 2) Unter >schiffbar< ohne nähere Ihläntorung verstehen wir zugänglich füi- l>!iiiij)tl)()(itrigen Häfen Konkurrenz macben können. Das geht mit dem Kanal nicht, wir haben desballj andc^rweitig erleichterte Verkehrsbedingungen zu schauen'. (Cit. in Ka])ps Bericlit liber die Kanalt'rage an den Deutschen Kanal verein 1878.) Die Kanäle von New York und Pennsylvanieu. 549 Mohawk über Schenectady zum Hudson führt, den er bei Albany er- reicht. Der grölsere Teil der Kanalspeisung geschieht aus dem Erie-See, ein geringerer Teü des Wassers vni'd den kleineren Hochebenenseen des nördhchen New York, vorzüghch dem Seneca- und Cassenovia-See, sowie künstlichen Becken entnommen. Die Oberflächenbreite beträgt 21,3, die Wassertiefe 2 m. Man zählt 72 Schleusen. Die Kanalboote gehen mit 4000 bis 5000 Ztr. von Buffalo nach Albany m durchschnitt- hch 243 Stunden unter Benützung von Zugtieren. Den Hudson liinab werden die Kanalboote von Dampfern geschleppt, wobei ein Dampfboot bis 80 von ihnen ins Schlepptau nimmt. Die ursprünghchen Anlage- kosten des Erie-Kanals betrugen 33 Mill. M. , mit den späteren Er- weiterungen, Vertiefungen, den Ladeeinrichtungen u. s. f. soUen sich die Gesamtkosten auf 188 Mill. M. belaufen. — Von Zweigkanälen haben als Schifiahrtsstralsen niu- noch Oswego- und Champlain-Kanal Bedeutung, beide von gleichen Gröfsenverhältnissen Ane der Erie- Kanal selbst. Jener verbindet mit Hufe des Oswego-Flusses den On- tario-See mit dem Erie-Kanal. Die Salzlager in der Nähe des Oswego- Sees tragen erheblich zu den Frachten dieses Kanales bei. Der Champlain-Kanal verbindet durch den Champlain-See und durch den aus diesem flielsenden Richelieu R. den mittleren S. Lorenz mit dem Hudson R. ; er mündet oberhalb Albany in den Erie-Kanal. Die Frachtgüter des Erie- Kanales sind vorzüghch Bretter, Schwellen, Schindeln, Getreide, Leder, FeUe, Salz; des Champlain-Kanales Holz, Hausteine, Eisenerze; des Oswego -Kanales Holz, Getreide, Salz. Das Kanalsystem von Pennsylvannien und New Jersey, vor- züghch zu dem Zwecke der besseren Aufschhefsung der Anthracit- becken in der östhchen Hälfte des ersteren Staates angelegt, besteht aus einer Anzahl von Kanälen, die im Inneren die Umgebungen der Anthracitregion mngürten, zum Teü auch mit dem Erie-Kanal in Ver- bindung treten, und zumeist an der atlantischen Peripherie des Staates bei Philadelphia, in der Chesapeake Bay und in den unteren Hudson münden. Nm* zwei von ihnen sind durch emen Längskanal im Grolsen Thal der Alleghanies verbunden, die drei anderen finden ihr Ende am oder im Gebirge, das die kanaUose Westhälfte des Staates (das Ohio -System ist mit dem Kanalnetz des östhchen Penn- sylvaniens nur dm-ch Eisenbahnen oder Straf sen verbunden) von der Osthälfte tremit. 1875 mafs das Kanalnetz Pennsylvaniens 1264 kin. Von den Kanälen dieses Gebietes haben drei den besonderen Zweck, die Küstenschiffahrt zu verkürzen; es sind Delaware and Raritan, Chesapeake and Delaware und Albemarle and Chesapeake, die ebenso viele zwischen Hudson- und Delaware -Mündung, Chesapeake Bay und Pamhco Sound gelegene Halbinseln durchschneiden und so bei be- trächtiicher Tiefe ein grofses System von Küstenkanälen zwischen 550 I^i® Kanäle von Maryland. New York und den südlicheren atlantischen Regionen und vorzüghch deren Hauptplätzen Pluladelphia und Baltimore erleichtern. Der Delaware and Raritan C. bildet die kürzeste Wasserstrasse zwischen Philadelphia und New York. Unter den übrigen Kanälen dieser Region sind besonders hervorzulieben : Der Lehigh C, der schon 1820 eröffnete älteste Kanal Pennsylvaniens, der von Eastport am Zusammenfluss des Lehigh und des Delaware nach dem Aiithracitbecken "von Manch Chunk führt. Der Morris -Essex C. , welcher Eastport am Delaware mit Jersey City am Hudson (New York gegenüber) verbindet und einst von grölster Bedeutung war für die Entwickelung der Eisengewinnung im Hochland von New Jersey, dessen Magneteisensteiii-Züge er durch- sclmeidet und mit den Kohlenlagern von Pennsylvanien in Verbindung setzt. Der Schuylkill C. führt neben dem gleichnamigen Flusse in das südhche Anthracitfeld Pennsylvaniens, das er in Mt. Carbon bei Pottsville erreicht. Der Pennsylvania C. urafafst den ParaUelkanal des oberen Susquehanna R., der bei Wilkesbarre in das Anthracitfeld von Wyoming hmeinführt, den Parallelkanal des Juniata R., der bis Peters- burg geht, und den Kanal im Montour-Thale bis Lockhaven. Diese Kanalanlage war dazu bestimmt, über die Alleghanies geführt und den Parallelkanälen des oberen Ohio, AUegheny und anderer Ohiozuflüsse angegliedert zu werden. Doch ist die Verbindung nie zu Stande gekommen. Der Verkehr dieser Kanäle besteht zum grölsten Teil in KohlenverschilTung. Der Delaware and Hudson C, der aus dem Anthracitbecken von Wyoming nach dem Hudson führt, den er bei Eddyvüle unweit Kingston erreicht, ist die Hauptader aus der pennsylvanischen Anthracitregion nach dem Hudson. Der Chesapeake- Ohio C. sollte die Chesapeake Bay mit Pittsburg verbinden, ist aber, wiewohl schon 1828 begonnen, bis jetzt nur bis zu dem Kohlenbecken von Cumberland Md., etwa Hälfte Weges von seinem Ziele, gelangt und dient fast nur dem Kohlenverkehr. Vor seiner Zerstörung mi Jahre 1889 bildete dieser Kanal immerhin eine wichtige Abf uhrstraf se des Kohlenreichtums von Maryland an die Chesapeake Bay (Georgetown). Das Kanalsystem des Ohio und Mississippi, das nicht nach dem ursprünglichen grolsen Plan ausgebaut wurde, umschhefst vier nord- südüche Verbindungen zwischen Zuflüssen des Atlantischen Oceans und des Golfes von Mexiko. Der Ohio C, der älteste dieses Systems, war, als er im Jahre 1832 eröffnet wurde, von sehr hoher Bedeutung für den Verkehr der in der ersten Entfaltung stehenden Staaten Ohio, Indiana und Illinois mit den Abnelnnern und SchilTern ihrer landwii-t- Hchaftlichen Erzeugnisse in den atlantischen Staaten. Der Hauptkanal führt von Cleveland 0. nach Portsmouth 0. mitten durch die Kohlen- und Eisenregion Ohios, mit Abzweigungen nach dem Ijlockkohlen- und Eisenrevier des Mahony-Thales (Akron O. — Warren 0.), nach dem Kanäle des Westens. 551 Hocking Fl. (Carroll 0. — Athens 0.) und nach Cokimbiis, der Haupt- stadt des Staates. Der Miami C, 1830 fertiggestellt, verbindet durch Parallelkanäle des Maumee und Miami R. nebst einer Verbindung über die Wasserscheide zwischen Erie-See und Ohio, Toledo 0. mit Cincinnati ; ein Seitenkanal des Little jNIiami führt von LawTence am Ohio nach Connersville. Wabash-Erie C. (1827 begonnen) zweigt vom Miami C. bei Defiance ab und führt quer dm'ch Indiana über Ft. Wayne Ind. und Wabash Ind. nach Terre Haute am Wabash. Den ckei genannten grolsen Kanälen des Ohio-Gebietes fiel einst eine wichtige Funktion in der Entwickelung der Hilfsquellen dieser reichen Teile der V. St. zu. Ihr durchgehender Verkehr mit Ackerbauprodukten nach dem Erie-See, die von dort den Kanalweg nach New York ge- wannen, war einst beträchthch, ist aber ganz den Kanälen entzogen und den Eisenbahnen zugeleitet worden, so dals gegenwärtig alle drei nur noch in einzelnen Strecken dem örtüchen Verkehre dienen. Eine bedeutende Stellung nimmt neben ihnen der 1836 — 48 angelegte Illinois and Michigan C. ein, der vom Südende des Michigan-Sees bei Chicago ausgeht und mit Benützung des Chicago R. über die niedrige Wasserscheide hinüberführt zum Des Piaines, einem Zuflufs des lUinois, um durch diesen den Oberen Mississippi zu gewinnen. Er stellt damit eine ununterbrochene 543 km lange WasserstraXse zwischen Chicago und S. Louis, Michigan- See und Mississippi her, eine der wichtigsten Verbindungen im Innern Nordamerikas. Er überwindet den Höhenunterschied von 44 m mit 16 Schleusen. Der Verkehr ist noch gering, beschränkt sich auf Getreide, Holz, Bausteine ; doch hofft man durch Vertiefung und Einführung biUigerer Transportmittel den Kanal gegen die Konkm-renz der Eisenbahnen erhalten zu können. Seit 1871 ist der mit Unterstützung der V. St. gebaute Kanal an den Staat Illinois gefallen. Die natürhchste und daher grofsartigste Entwickelung hat in unserer Zeit die KanaHdee im Nordwesten erlebt, wo es sich um die Verbindung grolser Schiffahrtsgebiete unter sich und mit dem Ozean handelt. Die Erzeugung von Massengütern, wie Erze und Holz, im nörd- lichen Seengebiet, hat eine unerwartete Steigerung erfahren , die dem Verkehr auf den Grofsen Seen zu gute kommt. Durch die Schleuse von Sault Ste. Marie am Ausgang des Oberen Sees gingen 1889 in 234 Schifffahrtstagen 9579 Fahrzeuge mit 7,5 MiU. T., zu vier Fünftel Eisenerz und Kohle, also bereits mehr als durch den Suezkanal im gleichen Jahr. 1891 passierten in 235 Tagen, die die Wege offen waren, Detroit 36 MiU. T. Im Dezember 1891 tagte in Detroit eine Deep Water- way Convention, die angesichts des Wachstums des Verkehres auf den Grolsen Seen um durchschnitthch iährhch 10 "/o eine durchgehende Tiefe von Buffalo bis Duluth von 20 engl. F. verlangte. Der Verkehr auf den 552 Kanäle im Seengebiet. Grolsen Seen wird bis auf 66 "/» in Fahrzeugen der V. St. besorgt und 90 "/o der Ladungen werden als amerikanisches Eigentum geschätzt. Es handelt sich also hier um ein grolses Interesse wichtiger, auch politisch einflulsreicher Teile der V. St. , für das das Verständnis besonders in den nördlichen atlantischen Staaten weit ofien ist (s. o. S. 18). Niagara und Sault Ste. Mai'ie, die einzigen Hindernisse, denen die fi-anzösischen Entdecker der Grofsen Seen im 17. Jahrhundert begegnet sind, stehen noch heute dem Vordringen des oceanischen Verkehres bis in die Enden des Oberen und des ]\Iichigansees entgegen. Seit Daniel Duluth 1679 den ersten Handelsposten an der Stelle des Gestades des Oberen Sees, die seinen Namen trägt, mit Waren, die er über die Seen aus Quebec gebracht, begründete, strebte der Verkehr immer nach einer ununterbrochenen Verbindung. Vom Ende des Obern Sees bis New York sind es 2250 km Wasserweg, wovon gegen 1300 km Tiefwasserweg durch die Grofsen Seen. 1886 bewilligte der Kongrefs 250000 D. zum Beginn einer allgemeinen Verbesserung dieses Weges, deren Ziel die Schaffung von durchgängig 20 engl. F. Wassertiefe. Für eine Warenmasse von 9 Mill. T., wie sie 1890 durch den S. Marys- Flufs ging, die des vorangehenden Jahres um 20 7o übertreffend, wnd eine Schleuse immer ein prekärer Weg') bleiben. St. Marys Flufs ist 75 engl. M. lang und fällt vom Oberen zum Huronensee 20 F. 8 Z., wovon 18 F. 2 Z. auf den Sault Ste. Marie (im Volksmund kurz »Soo«) kommen. Unterhalb der Fälle ist der Flufs so reich an Windungen und Untiefen, dafs kein Schiff die ersten 35 engl. M. unterhalb der Schleuse bei Nacht zu fahren wagt. Durch die Verbesserung des Hay Jjake-Kanals, der ein Teil des S. Mary Flusses, wh'd dieser Ab- schmtt erhebüch sicherer und der ganze Weg zwischen beiden Seen um 11 engl. M. gekürzt werden. Der Erzreichtum des Oberen Sees, der hauptsächlich mi Osten verarbeitet wird, gab schon 1855 Ver- anlassung, dafs der Staat Michigan eine Sciüeuse zur Umgehung der Fälle baute , 1881 folgten die V. St. mit einem ähnlichen gröfseren Werk und gegenwärtig ist eine noch gröfsere Schleuse von 250 m Länge im Bau, die mit einer einzigen Hebung um fast 7 m die Höhe der Fälle überwinden wkd. Nach ihrer Vollendung werden Schiffe von 4000 T. passieren. Die Dominion baut gleichzeitig einen Kanal auf ihrer Seite des St. Mary-Flusses. Der Plan eines Kanales um den Niagara auf der amerikanischen Seite führt auf die Jahre nach Be- endigung des zweiten Krieges mit England zurück. 1835 wurde ein Kanal von 10 engl. F. Tiefgang in allen Einzelnheiten ausgelegt. 1) 1890 nnd 1891 traten Stockungen durch Beschildigungcn der Schleuse l)ei Sault Ste. Mario ein, die dopjtolt ('iiii)(in(llicli Hind in (uiumh Kliiun, das die Schiffalirt im Kanal durchöchuiMlich nur Hiel)cn Monate gestattet. Kanäle im Seengebiet. 553 Indessen wurde der Welland-Kanal von Canada gebaut >). Der wachsende Verkehr auf den Grofsen Seen fordert aber breitere und tiefere Wege und will seine Millionen von Tonnen Eisen, Holz, Weizen und Mehl so nahe ^\ie möghch auf dem siebenmal billigeren Weg der Seen nach den atlantischen Verbrauchsstellen bringen, was nur durch die Ein- beziehung des Ontariosees in das offene Verkehrsgebiet der westlicheren Seen gehngen kann. Oswego ist auf dem Kanalweg 145 engl. M. näher bei New York als Buffalo. INIan glaubt durch einen tieferen Niagara- Kanal auf der amerikanischen Seite 20 "/o Zeit für den Verkehr nach New York zu gewinnen. — Die Bücke der KanaKreunde im Seen- gebiet richten sich bereits über die Grenzen der V. St. hinaus, wo der Winnipeg-See ein Drittel des Weges vom Oberen See bis Churchill an der Hudsons-Bay einnimmt. Die Untersuchungen, welche die kanadische Regierung anstellen liefs, zeigen, dafs Churcliill an der Hudsons-Bay ein ausgezeichneter Hafen werden kann, der angebhch 5 Monate offen ist. Auf dieses grofse Verkehrsgebiet bezieht sich auch der einzige in den letzten Jahren mit einem gemssen Eifer besprochene Plan eines Flufskanales , nämhch der des Erie-Ohio-K anales, der, nachdem der Bund nicht für ihn zu gewinnen war, vom Privatkapital Pennsyl- vaniens mit Unterstützung des Staates gebaut werden dürfte. Er- kundigungen beim Board of Pubhc Works von Ohio ergaben, dafs der Erie- Ohio -Kanal eine Verbindung des Eriesees bei Conneaut mit Pittsbiu-g anstrebt. Der Plan ist in den Kreisen der Pittsburger Kohlen- und Eisenleute entstanden, die die ersten Aufnahmen für einen Kanal von 50 m Breite und 15 m Tiefe machen hefsen , auf dem Eisenerze von Michigan zur Verarbeitung nach den Kohlengebieten von Penn- sylvanien verfrachtet werden sollten. Der Kanal würde 200 km lang werden und mit 23 Schleusen Höhenunterschiede von 220 m überwinden. Die Kosten sind auf 23000000 D. berechnet. Der jähr- hche Frachtverkehr zwischen Pittsburg und dem Erie-See an Kolilen, Eisen und Coaks whd auf fünf Millionen T. beziffert und die Fracht- ersparnis per Tonne auf 2 500000 D. im Jahr. Von kleineren Kanalanlagen im Mississippi-Gebiet sind noch zu nennen : der 4 km lange Kanal von Portland nach Loiüsville, um die Ohio-Stromschnellen bei Lomsville, und der Des Moines K. um die Mississippi-Stromschnellen bei Keokuk (s. oben S. 540). Der Seeregion 1) Ein Vertrag von 1861 sichert den Bürgern der V. St. die Benützung des Weiland-, St. Lorenz- u. a. kanadischer Kanäle unter denselben Be- dingungen zu wie denen der Dominion. 1891 verfügte das kanadische ]Mini- sterium ein »Rebate« für Weizen, der auf diesen Kanälen verfrachtet wurde ; die Mafsregel geschah, um Montreal za heben. Die V. St. erwogen dann den Bau eines eigenen Niagarakanales von neuem. 554 Kanäle des Südens. gehören an : der erst 1877 fertig gestellte Kanal zwischen Michigan-See und Oberem Mississippi, der durch Benützung des Fox R, und Wis- consin R. nach dem Oberen Mississippi führt. Ebenfalls kürzhch erst vollendet ist die Durchstechung der Landzunge, die Green Bay vom eigenthchen See trennt, durch den Sturgeon-Bay-Ship K., der mit 4,25 m Tiefe den grölsten Seeschiffen Durchgang gewährt. In den eigentlichen Südstaaten überholte die Eisenbahnidee die der Kanäle. In Süd-Carohna wurde die Linie Charleston- Cincinnati schon anfangs der dreissiger Jahre mit Eifer diskutiert und 1836 waren die Vorstudien für dieselbe gemacht und die Trace gelegt. In den Caroünas wie in Georgia und Florida ist es begreifüch, wenn der Drang nach groXsen Kanälen nicht so heftig war, wie in Pennsylvanien oder New York, denn die Aufgabe des Verkehrs war nur die Ausbeutung des Bodenreichtums eines Tieflandes, das breit zwischen Meer und Gebirge hingelagert und von einigen schiffbaren Flüssen durchströmt ist. Hier waren auch zunächst noch die Landstrafsen so schlecht und so gering an Zahl, dals man eher an sie als an Kanäle denken muiste. Überhaupt ist ein Land mit Plantagenwirtschaft, dünner Bevölkerung und nur einem einzigen grufsen Stapelj^rodukt — Baumwolle — , dessen Ernte in wenigen Wochen verfrachtet ist, der wenigst günstige Boden für grolse Verkehrswege. Sogar die Eisenbahn ist in diesen Gegenden langsam vorgedrungen. Nur gegen Florida zu, wo ein Tiefland vom Atlantischen INIeer bis zum Golf von Mexiko ausgebreitet ist, werden die Bedingungen einer grofsen Kanalanlage günstiger, indem hier zwei Flüsse, S. Marys und Suwanee R., von denen jener in den Ocean, dieser in den Golf mündet, ohne grofse Schwierigkeiten schiffbar gemacht und durch Kanal mit einander verbunden werden könnten. Auch an eine Durchstechung der Halbinsel Florida in ihrer Mitte durch einen Kanal, der Indian R. mit Tampa Bay verbände, hat man gedacht und 1879 sind hier von der Regierung der V. St. Messungen angestellt worden. Es gibt einige wenige Kanäle im ^lississippi-Delta , abgesehen von den eingedänmiten Mündungsarmen, von denen aber für den grofsen Verkehr kein einziger Bedeutung hat •). — Im Westen verbietet die vorwiegend gebirgige Bodengestaltung in den meisten FäUen die Kanalisation für Zwecke des grofsen Ver- kehres, während die klimatischen Verhältnisse sie für die künstüche Bewässerung um so dringender erheischen. Was von nennenswerten Kanalanlagen vorhanden, dient diesem Zweck. (Vgl. o. S. 395 f.) 1) 1835 war der rcHitcliaiirain Kuiiiil (^S km) von New Orleans zum Pontcliartrain-.Seo vollendet; aber schon vorher, 1831, war eine Eisenbahn parallel mit, ihm j^ebant worden, die in Kürze zu den einträglichsten Linien des Staates gehörte. Die Eisenbahnen. 555 Die Eisenbahnen. Die Verhältnisse der Eisenbahnen in den V. St. sind melirmals berührt worden (s. o. S. 40, 89, 531 f.). Fol- gende Aufzählung mag ihr gewaltiges Wachstum nochmals versinn- lichen. 1850 gab es in dem ganzen Gebiete der V. St. 14965, Ende 1891 275 270 km Eisenbahnen, d. i. 123 % der gesamten europä- ischen. Die Zahl der Reisenden ist auf den Eisenbahnen der V. St. von 1882—1891 von 289 auf 556 Mill., die Menge der Güter von 360 auf 704 Mill. T. gestiegen. Auf die grofsen Verkehrs- gebiete verteilten sie sich Ende 1891 folgendermafsen : Neu-England-Staaten .... Mittlere Atlantische Staaten Nördliche Centralstaaten . Südliche Atlantische Staaten . Südliche Mississippi-Staaten Südwesthche Staaten und Gebiete Nordwestliche Staaten Pacifische Staaten Man erkennt die Bevorzugung des Ostens vor dem Westen und innerhalb dieses gröfsten Gegensatzes wieder das Übergewicht des Nordens über den Süden. Am begünstigtsten sind die dicht be- völkerten, Städte- und industriereichen und zugleich als Durchgangs- gebiet des grofsen Verkehres aus dem nördlichen Inneren zur atlan- tischen Küste wichtigen mittleren Atlantischen Staaten ; dann folgen die gesegnetsten, kohlen- und eisenreichen und fruchtbaren Staaten des nördlichen Inneren, die in wenigen Jahren auch in der Dichte der Schienenwege an der Spitze sein werden; dann die Neu- England-Staaten, die Jahrzehnte hindurch das dichteste Eisenbahn- netz besafsen, aber zurückgetreten sind, weil ihre nördlichen und nordwestlichen Gebiete eisenbahnarm sind. Die südlichen At- lantischen und die südlichen Mississippi-Staaten bilden eine Gruppe mit mäfsig entwickelten, langsam herangewachsenen Bahnen. Die Nordweststaaten zeigen im Vergleich mit den ähnlich jungen Süd- weststaaten den Beginn eines rascheren Fortschrittes, der seit der Eröffnung der zwei nördlichen Pacifikbahnen sehr merklich ge- worden ist. ireal in qkm km auf 1 qkm 1km 172,145 11,075 15,5 301,800 33,154 9,1 643,925 60,301 10,7 694,620 29,462 23,5 596,270 22,275 26,7 2,088,110 53,688 38,8 1,576,070 44,885 35,1 1,446,970 20,430 72,3 556 Verteilung der Eisenbahnen. Auf die einzelnen Staate und Gebiete verteilten bahnen 1891, sowie 1850 und 1880 folgendermalsen Meilen) : Neu-England: 1850 1880 Maine 245 1005 New Hampshii-e .... 467 1015 Vermont 290 914 Massachusetts 1035 1915 Rhode Island 68 210 Connecticut 402 923 25Ö7 5977 Mittlere Atlant. Staaten: New York 1361 5991 New Jersey 206 1684 Pennsylvania 1240 6191 Delaware 39 275 Maryland 1 District of Columbia . . J 3105 15081 Nördliches Central-Gebiet: Ohio 575 5792 Michigan 342 3938 Indiana 228 4373 Illinois 111 7851 Wisconsin . . . . . . 70 3155 1276 25109 Siidl. Atlant. Staaten: Vii-ginien 384 1893 West Virginien .... 97 691 Nord Carolina .... 283 1486 Süd Carolina 289 1427 Georgia 643 2459 Florida .... . . . 21 518 " 1717 8474 Golf und Mississippi-Thal: Kentucky 78 1530 Tcnnessee — 1843 Alabama 183 1843 Mississippi 75 1127 fjouisiana 80 652 '\ 1 6 6995 sich die Eisen- (in englischen 1891 1383 1144 1001 2100 223 1006 6857 7765 2132 8920 320 1269 21 20427 8168 7187 6135 10189 5786 37465 3574 1547 3205 2491 4870 2567 18254 2962 299(5 3576 2440 1880 13854 Verteilung der Eisenbahnen. 557 Südwesten: 1850 1880 1891 Missom-i 3965 6179 Arkansas 859 2305 Texas 3244 8813 Kansas 3400 8891 Colorado 1570 4441 Neu Mexiko 758 1424 Indianer - Territorium und Oklahoma .... 289 1272 14085 33325 Nordwesten: Iowa 5400 8437 Minnesota 3151 5671 Nebraska 1953 5430 Nord-Dakota 1 2223 Süd-Dakota J '^^ 2700 Wyoming 617 1049 Montana . . . . . . 1047 2291 12347 27800 Pacifischer Abhang: Kalifornien 2195 4485 Oregon 508 1504 Washington 289 2309 Nevada 739 923 Arizona 349 1098 Utah 842 1336 Idaho ■ . 206 960 5128 12615 Das Wachstum der Eisenbahnen ist mit der Bevölkerung und ihrem Gedeilien von Norden nach Westen und Süden gewandert. In den beiden nordösthchen Gruppen ist es m der Hauptsache schon 1880 abgeschlossen, auch in der nördhchen centralen hat es in diesem Jahre einen hohen Punkt erreicht, zeigt aber noch ein starkes Wachstum ün letzten Jahrzehnt. In noch höherem MaTse zeigen diese Erscheinung die beiden südhchen Gruppen, die zwischen 1880 und 1891 mehr Zu- nahme erfahren haben, als in den 30 vorangehenden Jahren. In aUen drei Gruppen des Westens setzt das Wachstum erst nach 1850 ein und hat von 1880 bis 1891 mehr als das Doppelte der 1880 vorhandenen Gröfse erreicht und schreitet nun langsamer fort. Das Wachstum von 1890 auf 1891 zeigt deuthch den grossen Unterschied der Gruppen: 558 Die Eisenbahngruppen. Neu-England . . . . Atlant. INlittelstaaten . Nördliche Mittelstaaten „ Südstaaten . Golf und Mississippi . Südwest Nordwest Pacifischer Abhang . . 18yl gebaut; 39 544 654 1010 571 495 506 661 4480 km Zalil der Fracht Passa- in Betrieb Stationen in Mill. T. giere in Mill. 1. Die Neu-Englandstaaten . . . 6942 2283 35,3 103,4 2. New York, New Jersey, Penu- sylvanien, Maryland und West- Virginia bis Harrisburg mit der Westgrenze Buffalo - Salamanca- Pittsburg-Bellaire 29792 5680 241,9 189 3. Ohio, Indiana, Michigans Süd- Halbinsel und New York und Pennsylvanien w. von der eben beschriebenen Grenze . . . 35586 5119 122,8 55,4 4. Virginien, West-Virginien (ohne den Streifen n. von Parkersburg), die Carolinas 13478 1613 23,6 9,5 5. Kentucky, Tennessee, Missis- sippi, Alabama, Georgia, Florida 26451 2778 38,2 20,6 6. Illinois, Nordhalbinsel Michigan, Minnesota, Wisconsin, Iowa, die Dakotas ö. vom Missouri und Missouri n. vom Missouri . . 64640 6311 91,9 61,7 7. Nebraska, Montana, Wyoming, Colorado n. von Denver und die Dakotas w. vom Missouri . . 13254 803 9,9 4,8 8. Missouri s. vom Missouri, Ar- kansas, Kansas, Colorado s. von Denver, Indianergebiet, Neu- mexiko n. von Santa F6 . . . 26974 2095 21,3 11,3 9. Louisiana, Texas, Neumexiko s. von Santa F6 und ö. von El l'aso 14155 969 8,5 5,5 10. Californien, Oregon, Washington, Idaho, Nevada, Arizona und Utah, Neu -Mexiko w. von Santa F6 und El l'aso 17862 1160 10,5 20,5 Die Eisenbahngebiete. 559 Fassen wir das Ganze dieses grolsen Schienennetzes und zugleich seine Entwickelung ins Auge, so treten diese mehr oder weniger natürlichen Gruppen hinter den grolsen Abschnitten zurück, die Bodengestalt und Klima bewirken. Neu-England, die Mittleren Atlantischen und die Nördlichen Central-Staaten bis zum Ohio und zum Michigansee verschmelzen zu einem Nordgebiete grölster und ältester Entwickelung der Eisenbahnen, in dem wir ein Drittel aller Linien, des Fracht- und Personenverkehres finden. Die grolsen Grenzlinien dieses mächtigsten Verkehrsgebietes laufen an den Grolsen Seen, am Ohio und Potamac. Als eine Art von Tri- butärland gehört ihm das Gebiet an, das weiter w. bis zum Missouri zieht und dessen Sammelpunkt das im Osten des Gebietes liegende Chicago ist, wohin die Erzeugnisse des Ackerbaues mid der Vieh- zucht des Nordwestens geführt werden , um von da nach den anderen Städten der Grofsen Seen oder der atlantischen Küste, besonders New York, verteilt zu werden. Ein zweites, das Gebiet des Südens, nimmt eine ähnliche Lage im Süden ein und reicht nach Westen bis zum Rio Grande und zum 101.° w. L. Die Zerlegung in die meridionalen Abschnitte des s. atlantischen Küstenlandes und des Ost- und West-Mississippi- landes tritt hier an die Stelle der Vereinigung, welche die Grofsen Seen im Norden bewirken und statt der West-Ostwege der Seen und des Oliio haben wii' die grofse Nord-Südstrafse des Mississippi. Es fehlen ihm die grofsen Sammelpunkte im Inneren ; Cincinnati und S. Louis liegen an den Grenzen; eine gröfsere Anzahl von mittleren und kleineren Sammelpunkten liegt in der Peripherie zerstreut, daher radiale Verteilung auf die Küste zwischen Balti- more und Galveston. Die Linienlänge von 54,084 ist im Ver- hältnis zum Gebiet und dem Alter der Ent^\dckelung die kleinste in ganz Nordamerika. Der Fortschritt im Verkehr ist aber im letzten Jahrzehnt sehr merklich geworden. Auf den Eisenbahnen von Florida, Georgia, Alabama, Mississippi, Kentucky und Tennessee ist die Zahl der beförderten Passagiere zwischen 1880 und 1889 von 3,7 auf 20,5 Mill., die Menge der Güter von 10,9 auf 38,2 Mill. gestiegen. Wir haben gesehen, wie der Süden im Bahnbau fort- schreitet. 560 I^iö Haiiptlinien Das dritte, das Gebiet des Westens, dessen Signatur die Abhängigkeit von den beiden östlichen und die JugendHchkeit der ganzen Entwickelung ist, reicht vom Missouri und Rio Grande bis zum Stillen Ocean. Grolse Linien verbinden die weitentlegenen Ansätze. Die wichtigsten unter ihnen sind die vier Pacifikbahnen. Die im Werden befindlichen Sammelpunkte und ihre Verbindungs- linien sind durch die früher geschilderten Oasenzüge und Erz- gebiete bestimmt. Die Entwickelung deutet seit einigen Jahren deutlicher auf die Selbständigmachung dieses mit ca. 32,000 km noch weit zurückstehenden Gebietes durch Vermehrung der paci- fischen Verbindungen hin. Unter den grofsen und für den greisen Verkehr wichtigen Linien sind am bemerkenswertesten die folgenden: Die erste Pacifik-Bahn, die in zwei Abschnitten 1926 engl. M. lang von Omaha Nebr. (am Missouri) nach San Francisco führt, a) Union Pacific führt ursprünglich von Councü Bluffs lo. über Cheyenne Wyom. nach Ogden Ut. (1043 engl. M.). Heute bildet sie dm-ch die Erwerbung der Kansas Pacific (s. u.) eine zweite Linie durch Kansas und Nebraska nach Denver und mit einer Anzahl von zuführenden Seitenhnien, besonders zur Verbindung mit dem IVIissouri ein grofses System von 7674 engl. M., in dem die Linien Ogden-Butte Mont. und Ogden -Frisco Ut. , dann Pocatello-Umatüla- Portland Or. die wichtigsten Wege aus dem Innern des Grofsen Beckens nach Norden und Süden beherrschen Der Bau dieser Bahn wurde vom Kongrefs gestattet durch Akte von 1862 und 1864. Die erste Akte gewährte aulser einem Streifen Land von 100' Breite für die Strecke eine Schenkung von 12800 Acres (zusammen ca. 12 Mill. Acres) für jede englische MeUe der Bahn und eine Bundesanleihe von 27 Mül. D. als erste Hypothek, die später hinter andern Verpflichtungen zurück- gestellt wurde, b) Central Pacific fülirt von Ogden Ut. nach S. Francisco (883 engl. M.) mit Seitenlinien, unter denen Rosevüle- Oregongrenze (296 engl. M.) die wichtigste; zusammen besitzt sie 1213 engl. M. Die ursprüngliche Hauptlinie wurde unter ähnlichen Bedingungen wie die Unicm Pacific mit Unterstützung der V. St. (Darleihen und I^and- schenkung von 12 Mill. Acres) von 1863 bis 1869 gebaut und zugleich mit dieser eröffnet. Heute umfafst sie eine ganze Anzahl kalifornischer I>inien, vorzüglich die frühere Western Pacific von Sacramento nach S. Francisco, ist aber nur noch ein Teil des 6461 engl. M. grofsen Systems der Southern Pacific Cy. , an die sie seit 1885 auf 99 Jahre vermietet ist, und der alle südkalifornischen Linien und deren Ver- l>indungen mit dem Golf von Mexiko angehören. des Eisenbahnnetzes. 561 Nordpacifik-Bahn. Die Hauptlime, 1885 vollendet und mit einer Landschenkung von 47 Mill. Acres ausgestattet, führt in 2137 eiigl.M. von Ashland Minn. nach Portland Or. und Wallula \\'^ash. Wichtige Zweiglinien des 4349 engl. M. umfassenden Netzes sind Duluth-Manitoba, N. Pacific-Montana, das ganze Netz von Washington, dessen Grundlinie von Portland nach Sumas an der Nordgrenze führt, und endhch die Verbindung von Ashland über Wankesha nach Chicago. Seit Janugir 1893 wü'd das Cascadengebii'ge auf zwei Linien von Missoula aus über- schritten, von denen eine über Spokane nach Seattle, die andere über MuUan nach Tacoma führt. Die m geringer Entfernung von der Grenze auf dem Gebiet der Dominion von Montreal nach Vancouver (2904 engl. M.) führende Canadische Pacifik-Bahn steht an mehreren Punkten mit dem Gebiete der Nordpacifik-Bahn durch Seitenzweige in Verbindung, die wir kennen gelernt haben (s. o. S. 40 f.). Die Südpacifik-Bahn, ein Glied des grolsen Systems der den Südwesten beherrschenden Southern Pacific Cy., führt von San Diego in Süd-Cahfomien über Yuma (Ai-.) nach El Paso, wo sie mit der früheren Texas-Pacific zusammentrifft, die von Houston Tex. ausgeht und von Spofford nach Eagle Pass (Piedras Negras) in Verbindung mit den mexikanischen Linien tritt. Beide sind mit grofsen Land- schenkungen, jene mit 18 jVlill. Acres vom Bunde unterstützt. In Texas ist Houston der Mittelpunkt eines eigenen Systems, das seine Linien nach La Vaca, Galveston, Sabine Pafs und New Orleans an der Küste nach Beeville im Westen und nach Austin im Innern und Denison an der Grenze des Indianergebietes im Norden sendet. Die Gesellschaft betreibt weiter DampferHnien zwischen texanischen Häfen, New Orleans, New York, Veracruz, Havana, -Nicaragua. Bocas del Toro. Die südhchere Verbindung mit der grofsen Linie Mexico -Laredo (339 engl. M.) ist in den Händen der Mexican National R. R. Cy., die eine Anzahl westtexanischer Lmien betreibt. Eine der wichtigsten Zufuhi-hnien der mittleren Pacifik-Bahn ist die von Chicago über Burhngton lo. und Pacitic Junction la. nach Denver führende Linie Burlington and Missouri R.R. (1024 engl. M.), die zu dem besonders in Nebraska entwickelten System der Chicago, Bm-Hngton and Quincy R. R. Cy. gehört, das über 5325 engl M. verfügt. Die zwei wichtigsten Verbindungen des Atlantischen Oceans mit dem Innern sind die Erie, jetzt im System der New York, Lake Erie and Western Cy (Piermont N. Y. — Dunkirk N. Y. 460 engl. M.) und die New York Central und Hudson River (New York — Buffalo 442 engl. M.), die durch die Lake Shore and Michigan Southern (Buffalo — Chicago 540 engl. M.) mit Chicago verbunden sind. Mit den Seitenlinien umfafst diese 1445 engl. M. New York, Ratzel, Die V. St. von Amerika. ^D 562 Die grofsen Pennsylvania and Ohio R. R., die in Salanianca N. Y. an die Erie- Bahn anschliefst und von da nach Dayton 0. führt, ist eine südhchere, bis Cincinnati fortgesetzte Verbindung zwischen New York und dem W. Als nördüche Verbindung führt Michigan Central von Chicago über Kensington lU. nach Detroit Mich. (284, mit Nebenlinien besonders nach Mackinaw und Bay City 1609 engl. M.). Die Linien, die die Verbindung von Chicago nach dem Atlantischen Ocean in der Richtung auf Pennsylvanien vermittehi, sind mit zahheichen, örtlichen Linien in der Ausdehnung von 2520 engl. M. in den Händen der Pennsylvania R. R. Cy. , deren Hauptlinie die Strecke Harrisbm-g-Pittsburg , an die sich von weiterreichenden Verbindungen die mit ElmiraN.Y., Erie Pa., Baltimore und Washington, und als wichtigste die über Ft. Wayne nach Chicago (468 engl. M.) anschlielsen, die mit anderen Westhnien, besonders der über Vandaha und Terre Haute nach S. Louis unter Ver- waltung einer Nebengesellschaft, Pennsylvania Cy., stehen. In Kon- km-renz mit diesem Komplex steht der noch mächtigere der Balti- more and Ohio R. R., dessen Grundhnie die Strecke Baltimore — Wheehng Va. 380 engl. M. Der Gesamtbesitz dieser Gesellschaft beträgt 2027 engl. M., worunter die wichtigen Linien von Pittsburg über Aki'on und Chicago Junction nach Chicago und über Parkersburg und Cin- cinnati nach S. Louis und eine Linie, die die Kohlenlager von Cumber- land Md. mit Pittsburg verbindet. Weiter s. führen direkte Ver- bindungen aus dem Westen nach dem Atlantischen Ozean über die Norfolk and Western, die den Hafen von Norfolk Va. mit Bris- tol Tenn. (408 engl. M). , also mit dem Ohio-Gebiet verbindet. Ihr gehören Linien nach Hagerstown Penn, und Columbus 0. , die bei der wichtigen Kreuzung Roanoke ausstrahlen. In derselben Richtung geht Chesapeake and Ohio, die Monroe Va. mit Cincinnati ver- bindet (665 engl. M.). Die direkte Linie von Charleston S. C. nach W. wird durch die S. Carolina R. R. gebildet (243 engl. M.), die Char- leston mit Augusta Ga. verbindet (137 engl. M.). Von Savannah führt die Savannah, Americus and Montgomery R R. (270) nach Montgomery AI., wo Linien nach Mobile, Vicksburg und Nashville anschhefsen. Alle diese Linien schneidet oder vervielfältigt die grofse Richmond and Danville mit iliren nördlichen und südhchen Ver- längerungen, die von Washington bis Columbia AI. reichen. Sie ist mit 3353 engl. M. der gröfste Eisenbahnkomplex des Südens, der von den Knoteni)unkten Macon Ga., Atlanta Ga., Selma AI., Birmingham AI. und mit ihren östlichen und westlichen Fortsetzungen von Sa- vannah und Port Royal bis Memphis Tenn., Arkansas City und Green- viUe Miss, die wichtigsten Wege zwischen den AUeghanies und dem Miösissippi beherrscht. Unter den grofsen Linien, die den Golf von Mexiko mit dem Eisenbahnlinien. 563 Inneren verbinden, also gleichsam rechtwinklig das Netz der eben ge- nannten durchschneiden, smd am hervorragendsten die der Louisville and Nashville Gesellschaft, die um die gleichnamige Haupthnie von 185 engl. M. einen Komplex von 4708 gesammelt hat und Louisville Ky. mit den Hauptplätzen Tennessees, Nashville und Memphis, und mit St. Louis verbindet; Mobile and Ohio verbindet Mobüe, den Hafen von Alabama mit Columbus Ky. in 472 engl. M. Ein Zweig des 2875 engl. M. umfassenden Netzes der Illinois Central R. R. verbindet New Orleans mit FiUmore Ky. (567 engl. M.) über Jackson Miss. Weiter w. kommt dann die Texas and Pacific hinzu, die durch die Missouri, Kansas and Texas (787) sich an die Missouri-Bahnen anschhefst. Ein wichtiger Knotenpunkt für die nördhchen Verbindungen Louisianas ist Meridian Miss. Auf der rechten Seite des Mississippi führen die Linien des westhchen Louisiana und von Texas über Shreveport Lo. und Alexandria Lo. nach Ai-kansas, dessen Verbindungen nach Norden und Westen hauptsächhch in dem System der Missouri Pacific (5289 engl. M.) hegen, dessen Grundhnien die von St. Louis über Little Rock nach Texarkana führende St. Louis, Iron Mt. and Southern ist. Ein grolser Teil des Verkehres von Kansas wü-d . von diesem System be- herrscht. Im Westen schhelst sich Denver and Rio Grande an, deren Linien von 1677 engl. M. Denver mit Santa Fe und mit den Kohlengruben von Trinidad im Süden und South Pueblo mit der Grenze von Utah im Westen verbinden; die Fortsetzung nach dem Grofsen Salzsee ist geplant. Aufser den schon genannten östhchen Verbmdungen Colorados dm'ch Union Pacific und Missouri and Pacific besteht noch eine südöstliche durch die Fort Worth and Denver nach Texas. Die inneren Verbindungen der nordösthchen atlantischen Staaten sind teilweise schon früher besprochen (s. o. S. 40 u. f.). Ihre Grundhnien sind die Bahnen der Maine Central Cy., deren Stamm Portland mit Bangor (137 engl. M.) verbindet, dann die canadischen Anschlüsse nach Montreal, die Linien Boston-Albany N. Y. (202 engl. M), Boston-Hopewell- Junction N. Y. (215 engl. M.) der New York and New England Cy. und die im Connecticut-Thal ver- laufenden Linien der New York, NewHaven and Hartf ord Cy. Unter den gröfseren Linien des Seengebietes seien noch genannt die Verbindungen von Sault Ste. Marie mit Minneapolis nebst Verbindungen nach Westen bis Mericom-t N. Dak (797 engl. M.) durch die Minnea- polis, St. Paul and Sault Ste. Marie R. R. und mit Duluth durch die Duluth, South Shore and Atlantic R. R. (Sault Ste. Marie — Irou River Wisc. 366 engl. M), ferner die grofsen Verbindungen Milwaukees mit dem Norden durch Milwaukee and Northern (Müwaukee — Champion Mich. 254 engl. M.), und die zum System der Nordpacifikbahn gehörigen Linien der Wisconsin Central R. R. 36* 564 Bau und Betrieb Wie die Eisenbahnen in einem Lande weiter Räume eine hohe poli- tische und kulturliche Aufgabe neben der wirtschaftlichen zu lösen haben, versucht Kap. III der Einleitung dieses Buches zu zeigen. Wh* werden sehen, dafs dieser Aufgabe ihr politisches Gewicht entspricht. Aber das \\^achstum und die Macht der Eisenbahnen in den V. St. , ihre Bedeutung für das ganze öffenthche Leben des Landes werden ver- ständlicher, wenn man auch ilire ganz eigenartigen Einrichtungen in Betracht zieht. Was die Gunst der Naturverhältnisse im atlantischen Tiefland und besonders im Mississippi-Gebiet beigetragen hat, wurde schon berülirt (s. Kap. IV). Man merkt den Eintluls davon an den Bau- kosten, die in den flachen Küsten-, Prärie- und Steppenstaaten, 2 und 3 Mal geringer sind als in den Staaten des Nordostens oder in Caüfornien. Es ist wahr, dafs man im allgemeinen billiger und schlechter gebaut hat in den armen, erst werdenden Süd- und W^eststaaten als in den verkehrsreichen Mittel- und Neuengland-Staaten, aber der Boden kam dem entgegen ^). Das Klima übt nur im Gebii'gsland des Westens einen entschieden hinderhchen Einflufs aus. Die Union Pacific R. R. wird jeden Winter durch Schnee blockirt und ist in harten Wintern einige Wochen hindurch unfahrbar. Im Osten und dem Inneren ist davon nicht mehr zu fürchten als in Nord- und Ost-Europa. Der Bahnbau wird rein geschäfthch behandelt, schmiegt sich also dem wirtschaftUchen Leben ganz eng an. Verfolgt man die Entwickelung des Eisenbahnnetzes in einem der grofsen Produktionsgebiete, so erkennt man den Wechsel der guten und der schlechten Jahre in der gröfseren oder geringeren Zunahme der Linien. Die Konzessionen zu Eisenbahnen werden von den Legislaturen der Einzelstaaten verliehen, wobei der Grundsatz der gröfstmöglichen Freiheit in der Wahl der Trace, in der Ausführung und im Betriebe festgehalten wird. Nur so vermochten die Eisenbahnen den verschiedensten örtlichen Verhältnissen sich leicht anzupassen und der private Unternehmungsgeist mochte nur so un- belästigt und ungebunden sich auf den Eisenbahnbau mit jener Energie werfen, die daraus einen Bahnbrecher der Kultur gemacht hat. Die Linien der V. St. sind incht so schlecht gebaut und unsicher, wie ein in Em-opa weit verbreitetes Vorurteil will. Wir haben dafür die Stimme deutscher Beamten : »Auf die Haupterfordernisse für jede lebensfähige Bahnanlage: guten Oberbau, gutes vollendetes Material und ein umsichtiges und wohldiszipHniertes Beamtenpersonal wird in den V. St. ein eben so grofser, in letztcrem Punkte noch gröfserer Wert gelegt als in Europa. Man vermifst auf den amerikanischen Bahnen 1) Der höchste Pafs, den eine Eisenl)ahn in den V. St. überschreitet, iHt der i>av('t:i- l'alH im Siuigrc ile (Ihrisio (iebirge, den die Denver — Rio (iraiidf Linie iiIkth« liii'iif liüt, 'iHfK) m liocrh. der Eisenbahnen. . 565 manche Einriclitungen, die nach europäischen Begriffen zur Vermeidung von Gefahren unentbehrlich sind, es sind indessen nur solche Ein- richtungen, die durch Umsicht, Geistesgegenwart und Vorsicht des Eisenbahnpersonals ersetzt werden können. Da die amerikanischen BahnverAvaltungen gegenüber den deutschen in der Lage sind, ihr Personal vollständig frei zu wählen, so können sie auch, abgesehen von einer wesenthch besseren Bezahlung, mehr für die Ausbildung desselben thun und grüfsere Ansprüche an die Leistungsfähigkeit und Selbständigkeit jedes Einzelnen stellen ;< '). Die Verwaltung der weitaus meisten nordamerikanischen Bahnen liegt in den Händen eines von den Aktionären gewählten Board of Direktors, an dessen Spitze ein Präsident steht. Unter diesem funk- tionieren gewöhnlich zwei Hauptbeamte, ein finanzieller Leiter (Trea- surer oder Secretary) und der Betriebsdirektor (General Manager oder Superintendent). Füi* die einzelnen Zweige des Betriebsdienstes sind ein General Freight Agent für Fracht und ein General Passenger Agent für Passagiere, ein Chief Engineer, ein Superintendent of Motive Power and RoUing Stock, ein Purchasing Agent, ein Superintendent of Tele- graphs angestellt. Bei gröfseren Bahnen steht dem Treasurer ein Jurist, der Sollicitor, zm- Seite. Die Beamten haben entweder von der Pike auf bei der Eisenbahn gedient oder sind aus den Bm-eaux der Zivü- ingenieure hervorgegangen. Um an Zeit und Kosten zu sparen, schmiegen sich die amerikanischen Bahnen dem Gelände aufs engste an, und lange Umwege zm* Umgehung von Hindernissen sind nicht selten. Man errichtet Holzbauten von gewaltiger Länge und Kühnheit an Stelle von Dämmen und Viadukten. Auf Einfriedigungen ist wenig Wert gelegt. Wo Eisenbahnen mitten durch Städte führen, Hegen die Geleise im Niveau der Strafse und trotz ermälsigter Geschwindigkeit und des unaufhörlichen Läutens der Lokomotivglocke sind Unglücksfälle hier nicht selten. Das Pubükum verlangt seit lange Abhilfe dieses IVIils- standes, der in den gröfsten Städten auch abgestellt ist. Bei den Niveau- übergängen läfst man es gewöhnlich bei grolsen Warnungstafeln : »Be- ware of Engines and Cars«, »Look out for Locomotives«, oder einfach »Railway Crossing« bewenden. Der gröfste Teü der amerikanischen 1) Aus dem Reiseberichte des Kgl. Baumeisters Schröder. Mitt. des Kgl. Preuss. Handelsministeriums. Organ f. Fortschr. d. Eisefibahnwesens 1878. n. 51. So erstaunt z. B. beständig der auffallend kleine Kontroiapparat der amerikanischen Bahnen unsere Beamten, aber »der Schwerpunkt liegt darin, dafs jeder auch noch so niedrig gestellte Beamte das voUe Vertrauen seiner Vorgesetzten besitzt, aber auch die ganze Verantwortlichkeit seiner Handlungen selbst trägt« (Bericht des österr. Komm. P. F. Kupka. Organ f. d. Fortschr. d. Eisenb. 1877. 69). 566 Betrieb der Eisenbahnen. Bahnen ist bis jetzt eingleisig, zweigleisig sind nur die allerbefahrensten ; die New York Central R. R. ist sogar viergleisig. Die Spurweiten waren ursprünglich sehr verschieden, neuerdings ist 1,435m als Normal- spurweite angenommen. Die Schwellen sind dicht gelegt und da- durch eine gröfsere Niedrigkeit der Schienen ermöglicht; die Kurven, für welche in den Ausführungsbedingungen ein Minimalradius jetzt gewöhnlich vorgeschrieben wird, setzen sich aus geraden Linien zu- sammen, deren Winkel von den Passagieren beim Durchfahren nicht eben wohlthuend empfunden werden. Als Minimalsteigung ist jetzt meist 1 : 45 vorgeschrieben. Die Geschwindigkeit beträgt 41 bis 50 km per Stunde. Es kommen aber viel gröfsere Geschwindigkeiten vor. Ein Extrazug fuhr 1891 von Utica nach Albany in 90 Minuten, d. i. nahezu 100 km in der Stunde, ein anderer auf der Philadelphia-Reading Linie 19 km in 8 Minuten. Die niederen Beamten sind nicht unifor- miert, sondern nur durch eine Aufschrift an der Kopfbedeckung kenntUch gemacht. Indem man die Bahnen einfach als Transport- mittel betrachtet '), gibt man ihnen überhaupt das pi'aktische, zweck- dienhche Aufsere von Dingen, die geschäfthchen Zwecken dienen. Daher sind auch die Bahnhöfe äufserst einfach, selbst an gröfseren Plätzen nichts als Holzschuppen zum Schutz vor Regen und Sonne; man l^egibt sich in seinen Wagen, der gewöhnlich einige Zeit vor der Abfahrt rangiert dasteht*). — Die Personenwagen der Eisenbahnzüge sind fast ohne Ausnahme durchgehende von 15 m Länge und mehr, für 50 bis 70 Passagiere. Sie passen zu den demokratischen Formen des nordamerikanischen Lebens und bieten praktische Vorteile. Die Selb- ständigkeit, die dieses System dem Reisenden gewährt, die Möghchkeit gleichmäfsiger Erleuchtung und Erwärmung und der Anbringung von 1) >Der Amerikaner benützt überhaupt seine Schienenstrafsen wie bei uns der Fuhrmann die Fahrstrafsen ; man weicht sich aus, schiebt zurück, fährt vor, wartet auf einen andern Zug, je nach Bedarf, und dank der aus- gezeichneten Bremsmittel ist der Verkehr ein sicherer als man bei uns zu glauben geneigt ist.« (P. F. Kupka a. a. 0. 98.) 2) In den alten dichtbevölkerten Neuengland- und Mittelstaaten haben ^ich Einrichtungen entwickelt, die den europäischen näherkommen. Dort findet man schwere Stahlschienen, definitive eiserne Brücken, steinerne und in allerdings nocb seitonen Fällen auch grofsartig angelegte Baiinhöfo (z. B. der der Ne\^ York Central E. li. in New York), ein sehr gutes Öignalwesen, das meist dem englischen nachgeahmt ist, uniformiertes Personal, Fahr- geschwindigkeit von 50 bis 60 km per Stunde und Fahrpreise, die von der riesigen Konkurrenz hcrabgedrückt sind. Sobald man aber von den Haupt- linien abgeht, begegnet man in den Landcsteilen, die entfernter sind von den grofsen Strafsen dos Verkehres, unabänderlich jenem oben beschriebenen 'l'yi'iiH Eisen ist unser billigstes Strafsenmaterial.« (Prof. Wilson über die Landstrafscn in Iowa. Westl. Post, St. Louis, 13. Nov. 1892.) 2) S. Karte und Beschreibung dieser Wege in J. Gregg, Karawanen- ziige durch die w. Prärien. 1845. Über den hier betriebenen Handel s. u. S. 587. Landstrafsen. 569 Über diesen natürlichen Boden weg. Die Entwickelung des Fracht- fuhrwesens war in diesen Gegenden eine grofsartige vor der Zeit der kahformschen Bahnen, wo die. sog. Stockton-Schooners, Wagen von 200 bis 250 Zti. Tragki-aft, von 6 bis 12 der stärksten Maultiere gezogen, den Verkehr zwischen S. Francisco und den Bergwerks- gebieten besorgten. — Von den Stralsen des Ostens, die durch die Eisenbahnen und Kanäle die Bedeutung für den grofsen Verkehr verloren haben (nur einige Gebirgsstralsen der Alleghanies machen davon eine Ausnahme), ist historisch bemerkenswert, dafs es die Gründung einer Poststrafse von Falmouth Mass. bis Savannah Ga. war (durch den Kongrels 1775 schon beschlossen), die dem Strafsen- bau den gröfsten Anstofs gab. Die Erträge der Post wurden damals auf Neuanlagen von Poststrafsen und Stationen verwendet und bei Portis von 10 bis 25 Cts. für Briefe, die weiter als 50 km gingen, waren sie auch nicht unbedeutend. 1794 legte man die Strecke von New York bis Bulfalo (988 km) in 80 Fahr- und 20 Ruhestunden zurück. Von Philadelphia bis Pittsbm'g (515 km) fuhr man quer durch das Gebirge in 572 Tagen. 1813 wm-de die Länge der Poststrafsen der V. St., d. h. der Wege, die von den Posten befahren oder geritten wm'den, auf 66000 Ion angegeben. Von eigentlichen Stralsen war da- mals die von Robbinstown Me. bis St. Mary's Fl. (2680 km) die gröfste und verkehrsreichste. 1813/14 2Jassierten 4055 Frachtwagen den Weg von Philadelphia nach Pittsburg und uimiittelbar vor der Eisenbahn- Ära war der Verkehr in Neu-England so lebhaft, dafs 1832 die Zahl der jährlich zwischen Boston und Worcester verkehrenden Menschen auf 840(X) und der Waren auf 300(X) T. geschätzt wm-de. Da der Amerikaner gern und rasch fährt, sind trotz des Überwiegens der Eisenbahnen noch heute seine Leistungen auf dem Gebiete der Fahi'- post hervorragend. Die gröfste Fahrposthnie ist zwar mit der Voll- endung der Pacüik-Bahn aufgelassen worden; es war dies die früher tägüch von Atchinson Mo. über Denver und Utah nach S. Francisco ab- gehende Post, welche die 635 deutsche M. lange Strecke in 17 bis 18 Tagen zurücklegte. Sie hatte 260 Wagen und 6000 Pferde und man zahlte 500 D. für die ganze Reise. Aber im Westen sind noch immer grofse Strecken mit Pferden zu durchfahren, wobei mit grofser Kühnheit das nach mexikanischer Art mit fünf ]Maultieren oder Pferden bespannte Fahi'zeug über Stock und Stein getrieben wird. Der Bau von Landstrafsen bildet seit einer Reihe von Jahren den Gegenstand der öffentlichen Diskussion in Zeitungen und politischen Körperschaften und tritt selbst in den Jahresbotschaften der Governors häufiger hervor. Die Eisenbahn-Ära hat dort, wo sie spät eingesetzt hat, wie in den mittleren Südstaaten, z. B. Nord- Carolina, den schlechten Zustand der Wege nur noch verschlechtert. 570 Strafseneisenbahnen. Brücken. Der Vernachlässigung der Strafsen wkd neuerdings ein Teil des Sinkens des Wertes des Ackerlandes im Osten beigemessen. In wenigen Graf- schaften von New Jersey, Massachusetts und Rhode Island gibt es ein rationelles Stralsennetz. Die Eisenbahnen konnten grolse Räume zwischen sich lassen, so lange die Bevölkerung gering war, ihre Verdichtung hat immer dringender nach Wegen gerufen, je langsamer der Eisenbahnbau gerade hier fortgeschritten ist. Nur wer die leeren Räume übersieht, die zwischen den Eisenbahnen klaffen, kann glauben, die Wege seien dauernd durch die Eisenbahnen zurückgedrängt. Im Westen hat auch die Auslegung des Strafsennetzes nach den Graf- schaftsgrenzen die Schwierigkeiten des Strafsenverkehres vergröfsert, da die natürlichen Wege vernachlässigt wurden. Die Strafseneisenbahnen sind in den V. St. durch die weite Anlage der Städte, tue Teuerung der Einzelfuhrwerke, die Neigung, mög- lichst peripherisch zu wohnen, während die Geschäfte im Mittelpunkt der Städte gemacht werden, endlich überhaupt in Anwendung des aUes beherrschenden Grundsatzes der Zeit- und Arbeitersparung zu einer sehr weit verbreiteten Einrichtung geworden. Den Grofsstädten haben sie nicht einmal genügt, sondern diese haben daneben noch besondere Dampfeisenbahnen, die in New York die merkwürdige Form der Elevated Rail Roads, die auf einem Säulenlager hoch über der Stralse hinführen, angenommen haben. Für die Städte von mehr als 50000 Einwohnern zählt der Census von 1890 807 Straf senbahnen »in independent Operations mit 8200 km Linien. New York hat allein 950 km Geleise. In diesem Jahre erreichte die Länge der elektrischen Bahnen die der Dampfbahnen, aber noch fast 75"/o wurden mit Pferden betrieben. — Der Zustand der städtischen Strafsen ist in allen Städten der V. St., einige feine Hauptstraf sen abgerechnet, wenig gut, und das- selbe gilt von der Strafsenreinigung. Es wii'd in dieser Beziehung nur das Notwendigste gethan. Eigentliche Steinptlasterung ist selten, Holz- pflaster oder Macadam sind vorwiegend. Manche werdende Grolsstadt ist so gepflastert, wie es in alten deutschen Städten üblich war, wie Reuleaux sich ausdi'ückt, »mit Bachkieseln«. Brücken. Der amerikanische Brückenbau ist durch die Grofs- artigkeit und Kühnheit seiner Leistungen wohlbekannt. Der Natur der Verhältnisse entsprechend, unter welchen gebaut wii'd, sind es grofse und zugleich bilHge, wenn auch weniger dauerhafte Konstruk- tionen, die man mit Vorliebe herstellt. Dafs man jedoch vor kost- spieligen Bauten nicht zurückscheut, beweist die New York-Brooklyner Brücke über den li^ast River, die gröfste bis jetzt gebaute Hängebrücke (h. o. S. 102). Überhaupt sind Hängebrücken in den V. St. mit Vor- liebe gebaut worden. Dabei sind vorzüglich die Werke deutscher Ingenieure, in erster Linie des Erbauers dei- Niagara-Hängebrücke, Post und Telegraph. 571 A. Röblings, zum Muster geuommen wurden. Aulser diesen sind hölzerne Fachwerkbrücken in grolser Menge und jNIannigfaltigkeit erbaut worden. Man hat sie in Europa vielfach nachgeahmt. !Sie finden ihre gröfste Entwickelung in den sog. Trestle Works, brückenartigen Holz- gerüsten von oft gewaltiger Höhe und Länge, die bei den Eisenbahnen grcjfse Bodeneinschnitte übersetzen, Sümpjfe überbrücken u. s. f. Die von europäischen Offizieren mit am meisten bewunderten Leistungen der Armee der Nordstaaten waren die Brücken, die eine erst während des Krieges gebildete Truppe schlug. 1865 ging die ganze Grant'sche Armee über den James auf einer 650 m langen Brücke an 28 m tiefen Stellen. Post und Telegraph. Das Postwesen war von Anfang an in der Verfassung der V. St. als Sache des Bundes betrachtet. Unter den Funktionen, die der Bundesregierung zugeteilt sind, hat die Post immer eine hervorragende Stelle eingenommen, teils aus Gründen, die mit dem Wunsche nach möghchster Förderung ihrer Zwecke zusammen- hängen, teils weü es dasjenige Bundesamt ist, das mit der gröfsten Zalil von Beamten am weitesten in alle Teile des Landes sich verzweigt und durch die innige Berühi-ung mit der Bevölkerung einen grofsen, aber keineswegs heilsamen pohtischen Einfluls übt. Natürhch ist der Wechsel von Tausenden von Postbeamten bei jeder Präsidentenwahl für die Post selbst nachteilig. Der Generalpostmeister hat einen Sitz im Kabinet. Die Post hat einen erheblichen Einflufs auf die Ent- Tvickelung der Verkehrswege der V. St. in der voreisenbahrJichen Zeit geübt. Ihrerseits ist sie der Presse verpflichtet, die in den dünn- bevölkerten Gegenden durch reitende Boten ilire Blätter zu verbreiten pflegte und dadurch naturgemäfs sich auch am besten dazu eignete, die Post zu besorgen. Den Zeitungen hat die Post manchen Fort- schritt nachgethan. So war der Exprefsdienst , den der New York Herald in der aufgeregten Zeit des mexikanischen Krieges 1845 — 1848 zwischen New Orleans und New York eingerichtet hatte, die erste Uber- land- Verbindung beider Städte, und schneller als die Post. Die Ein- nahme von Mexiko soll die V. St.-Regierung in Washington erst durch den Exprelsboten dieses Blattes erfahren haben '). Für die Postverbiii- dung mit Europa und anderen überseeischen Ländern ist natürhch die Entwickelung der Dampfschiffahrt von der gröfsten Bedeutung ge- Avorden. Die erste transatlantische Postdampferhnie (Cunard Line), eine zweiwöchentliche, wurde 1840 zwischen Liverpool, Hahfax und Boston eröffnet. Aber der erste transatlantische Dampfer war schon am 23. April 1838 in New York gelandet. Die neueren Vervollkomm- nungen des transatlantischen Postverkehres haben es nicht blofs möghch 1) F. Hudson, .Journalism in America 1873. 477. 572 Telegraph. gemacht, die em-opäischen Posten in 8 bis 9 Tagen nach Amerika zu bringen, sondern auch dort sofort nach der Ankunft zu verteilen. (Über die seit 1891 eingeführte deutscli-amerikanische Seepost vgl. Moritz Lindeman, der Norddeutsche Lloyd 1892 S. 87.) — Mitte 1891 zählte man in den V. St. 64 329 Postämter, und es wurden ca. 3800 Mill. Post- sachen befördert. Die elektrische Telegraphie zählt einen Amerikaner, Morse, zu ihren praktisch fruchtbarsten Erfindern, aber ihre Erprobung fand in den V. St. später statt als in Europa. Am 4. Juni 1844 brachten die New Yorker Blätter die Nachricht von der ersten gelungenen Korre- spondenz auf der vom Staate versuchsweise hergestellten Linie Washing- ton— Baltimore. Man knüpfte die ausschweifendsten Hoffnungen daran. Vernichtung des Raumes war damals das Stichwort. Die Telegraphenleitungen nahmen nun in den Händen einiger Privatgesell- schaften einen sehr raschen Aufschwung. 1862 wurde die grofse Über- landlinie New York — S. Francisco (865 deutsche M.) vollendet. 1854 wurde zuerst das Problein eines atlantischen Kabels ins Auge gefafst und die erste Legung gelang 1858, aber erst 1866 wurde ein Kabel gelegt, das dauernd thätig zu sein vermochte. Dieses erste Kabel wurde zwischen Valentia (Liand) und Neufundland gelegt. Zwei Kabel zwischen den V. St. und Cuba, eines an der Westküste und zahlreiche kleinere ver- binden einzelne Teile der V. St. mit einander und mit Britisch-Nord- amerika. Die Telegraphen der V. St. zählten Juni 1891 nahezu 300 0(X) km Leitungen mit 1 145000 km Drähten und 59 Mill. Depeschen. Bei Annahme von 63 Mill. Emwohnern macht dies ca. 905 Depeschen per KXK) der Bevölkerung im Jahr. Die entsprechende Zahl war im deutschen Jleichstelegraphengebiet 1890 547. Die Telegraphen sind Privateigentum einer grofsen und eimger kleinen Cilesellschaften, deren Zahl immer mehr zusamniengeschwunden ist. Die Einrichtung eines Telegraphendienstes in Verbindung mit der Post ist in Vorbereitung. Die von vielen Seiten gewünschte Verstaatlichung scheint noch nicht erreichbar zu sein. Den mancherlei Unzukömmhchkeiten dieses Systems würde man wohl schon früher durch Vereimgung des ganzen Kom- plexes in Staatshänden vorzubeugen gesucht haben, wenn nicht die Furcht zurückhielte, ein neues Macht- und Korrupti — 9,8 16,4 Afrikanische » — Andere afrikani- 4,7 12,5 sehe Länder — 11.6 12,8 Einfuhr Mill.D. 6,8 3,7 5,9 4,7 4,9 3,4 0,9 1,6 2,3 14,1 5,2 2,8 1,8 1,6 1,6 Summe Mill.D. 8,9 8,6 8,6 7,8 6,8 6,5 4,0 6,6 3,3 Fassen wir die Länder zu geographischen (Tru])pen zusammen, so erhalten wir folgende Zahlen : Anteil an der gesamten Einluhr: ISCO 1891 18G0 1891 Europa /o 61,3 54,4 Zentralamerika . . 0,2 1,2 Westindien .... 11,8 10,2 Südamerika .... 9,9 14,0 Britisch Nordamerika 6,7 4,7 Asien und Oceanien 8,4 11,0 Mf^xiko 0,5 3,2 Alrika 1,0 0,5 Die wichtigsten Handelsgebiete. 577 Ant eil an der gesamten Ausfuhr: 1860 1891 1860 1891 % % \ % Europa 76,3 80,0 Zentralamerika . . 0,1 0,8 Westindien .... 5,9 4,3 Südamerika .... 4,5 3,8 Britisch Nordamerika 7,1 3,8 Asien und Oceanien 3,9 5,0 Mexiko 1,4 1,6 Afrika 0,9 0,5 Im allgemeinen zeigt der Verkehr mit Em'opa in den letzten Jahrzehnten einen Rückgang, der mit den amerikanischen und paci- fischen Ländern einen Fortschritt. Aber noch immer hegt das Schwer- gewicht des Handels der V. St., wie des Verkehres auf der nordatlanti- schen Seite und zwar so entschieden, dafs die Versuche der V. St., den Handel mit den amerikanischen und pacifischen Nachbarmächten zu fördern, hinter dem gewaltigen Übergewicht besonders des britischen, deutschen und französischen Handels zu verschwinden scheinen. Es ist aber doch nicht zu übersehen, dals nicht blols die Gesamtsumme des Anteües Europas geringer geworden ist, sondern dafs die Einfuhr aus Europa noch stärker zm-ückgegangen, als die Ausfuhr nach Em'opa gewachsen ist. Hinter dem Übergewichte Grolsbritanniens treten die Beziehungen zu den anderen europäischen Handelsmächten weit zurück. Es ist das überhaupt eine der grölsten Thatsachen, die der heutige Zustand der V. St. darbietet und die langsame Rückschwankung, in die seit einigen Jahren die britische Ausfuhr nach den V. St. geraten ist, die nur hinter der nach Indien zurückstand, verleiht ihr ein erhöhtes Interesse. Fügen wir hinzu, dafs die V. St. in einem grofsen Teile Amerikas und der pacifischen Länder die gefürchtetsten Wettbewerber des britischen Handels geworden sind, so erheUt, dafs gröfseren Än- derungen dieser Beziehungen eme weltgeschichthche Bedeutung zu- kommt. Alle britischen Besitzungen zusammengenommen setzen im Handel mit ihrem Mutterlande knapp ein Drittel mehr um als die V. St. Ein erhebhcher Rückgang würde die folgenreichste Bedi'ohung der herrsthenden Welthandelsstellung Grofsbritanniens bedeuten. Kein Land ist so befähigt, diese Stellung mit Erfolg anzugreifen, wie die V. St. Und ihi'e Handelspohtik zeigt, dafs sie entschlossen sind, es zu thun. Besonders für Deutschland, das seit 20 Jahren die gröfsten Fortschritte unter allen em'opäischen Handelsmächten in der Ausfuhr nach den V. St. gemacht hat, sind Schwankungen, wie die von 32 auf 27,5 Mül. Pfd. St. von 1890 auf 1891 in der Ausfuhr Grofsbritanniens nach den V. St. von der gröfsten Wichtigkeit. Ordnen wir die Handelsgebiete der V. St. weiter nach ihrer geo- graphischen Lage, so zeigt sich em gewaltiges Übergewicht der V. St. über jeden einzelnen Wettbewerber teüs als vollendete Thatsache, teils in raschem Heranwachsen in einem weiten Umkreise, der Britisch Nordamerika , die Antillen , Mexiko , emige Teüe von Mittelamerika, Ratzel, Die V. St. von Amerika. 37 578 Handel mit Cuba, Mexiko, der Dominion, Hawaii Hawaii und Japan einschliefst. Cuba von dessen Zucker und Tabak die V. St. (1890) 80"/o und 12° lo aufnehmen, steht in einem aner- kannten engeren Verhältnis zu den V. St. Im Verkehr mit Mexiko stehen (1889) die V. St. mit 22,6 Mill. D. in der Einfuhr und 43 Mill. D. in der Ausfuhr allen voran, ihr Anteil am Gesamthandel beträgt 65"/». Rechnet man das Gewicht der nordamerikanischen Interessen an den Eisenbahnen und Bergwerken Mexikos mit ein, so erscheint auch dieses Land als ein Teil eines engeren, von den V. St. abhängigen Ver- kehi-sgebietes. In ganzen Staaten des Nordens, wie in Durango, be- herrschen die zum Teil erst seit einigen Jahren an der Ai'beit befind- Hchen nordamerikanischen Gesellschaften von Pittsburg, St. Louis, Denver aus den Bergbau. Eine ganze Reihe enger Handelsbeziehungen verbindet die D o - minion von Kanada mit den V. St. Die Seeprovinzen senden Holz, Kohle und Fische nach den Neuenglandstaaten, Quebec und Ontario Holz, Gerste, Schlachtvieh, Eier nach New York, Manitoba und der Nordwesten Weizen, Gerste, Wolle nach Minneapoüs ; Britisch Kolumbia Holz, Kohle, Lachs nach Portland und S. Francisco. 1891 nahm Britisch Nordamerika mit 37,3 Mill. D. die vierte Stehe in der Ausfuhr und mit 39,4 die sechste Stehe in der Einfuhr ein. Von den engen Beziehungen, die der Verkehr und die Wanderungen schaifen, ist bereits S. 39, 258 u. a. die Rede gewesen. Dazu kommen die vertragsmäfsigen Über- gangsrechte zwischen Neubraunschweig und Maine und im Seengebiet. Das Bild ist nicht ganz unrichtig, dafs eine Woge mannigfaltigster Be- ziehungen sich an dieser langen Grenze zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ocean breche. Erleichterungen würden zu einer erhebhchen Ausdehnung der Handelsbeziehungen beitragen, die in den letzten Jahrzehnten nicht fortgewachsen sind. Britisch Nordamerika nahm 1860 mit 6,7, 1891 mit 4,7% an den Einfuhren, 1860 mit 5,9, 1891 mit 4,3 an den Ausfuhren Teil. Auf die mannigfaltigen engeren Beziehungen zwischen den V. St. und Hawaii ist früher hingewiesen worden. Hawaii'sche Erzeugnisse genielsen ZoUfreiheit bei der Einfuhr in die V. St. In den Einfuhrhsten der V. St. finden wk >:'Articles admitted free from the Hawaiian Islands« 1891 mit 10,7 Mill. D. verzeichnet; 1887 betrug diese Einfuhr 12,6 Mill. Von dem Gesamthandel Hawaiis fielen in den letzten Jahren über 907o, von den in den Häfen LLawaiis verkehrenden Schiffen 70% den V. St. zu. Im Verkehr mit Japan nehmen die V. St. (1889) in der Ausfuhr mit 26,1 MiU. Yen die erste, in der Einfuhr mit 6,2 Mill. die vierte Stelle ein und stehen mit 23"/o Anteil am Gesamthandel fast auf der- selben Linie mit Grofsbritannien. Im Handel mit China (den Vertragshäfen) stehen (1890) die V. St. hinter Hongkong, Grofsbritannien, dem em'opäischen Kontinent und und Ostasien. Handel mit Südamerika. 579 Japan zurück. Die Statistik des chinesischen General-Zollinspektors gibt 8,2 Mill, Haikuan Taels für ihre Ausfuhr, 3,7 für ihre Einfuhr an. Auffallend wenig entwickelt ist der Verkehr mit dem russischen Ostasien. 1890/91 betrugen die Einfuhren in die Häfen von Sibirien und Sachahn aus den V. St. 161,580, die Ausfuhren nach Häfen der V. St. 103,567 D. Diese bestehen fast ausschhefshch aus Pelzwerk und einigen Fischen, jene zu einem Drittel aus Weizenmehl, dann aus Fleisch-, Eisen- und Stahlwaren, Ackerbaugeräten, Baumwollwaren, Salz, Streichhölzern, Pulver u. a.'). Der Aufschwung des eigenen Ge- treidebaues Ostsibüiens wird mit der Zeit das amerikanische Mehl wohl ebenso zurückdrängen, wie die Einfuhr von russischem Roggen zurück- gegangen ist. An den Hafenbauten in Wladiwostok und den Eisen- bahnbauten im Ussm-ilande scheinen die V. St. sich nicht beteiligt zu haben. Die Gebiete, in deren Handel die V. St. an erster Stelle stehen, umfassen ganz Nordamerika bis zur Landenge von Tehuantepec, und die transpacifischen Länder Hawaii und Japan. Vielleicht über- zeugen diese Zahlen zusammen mit den Thatsachen über die Lage der V. St. zu diesen Gebieten (s.o. S. 6 u. f.), dafs die durch Blaine offiziell vertretene Auffassung von emem »amerikanischen System« be- reits eine tiefere Begründung in den Thatsachen hat. Die whtschafthche Unabhängigkeit der V. St. wächst in ihren Raumansprüchen mit der Bevölkerung und führt mit steigendem Rohstoff- und Nahrungsverbrauch konsequent weiter zur Einbeziehung tropischer Produktionsgebiete. Ganz andere Verhältnisse finden wir auf dem südamerikani- schen Kontinent. Die Ein- und Ausfuhren von und nach einigen Hauptländern zeigen, nach den amthchen Listen der V. St., folgende Entwickelung in den letzten drei Jahrzehnten: Brasilien . Kolumbia Argentinien Venezuela Chile . . Gujana Uruguay . Einfuhr Ausfuhr 1860 1891 1860 1891 6,00 9,85 1,81 1,61 1 0,80 0,56 0,42 0,36 N 3 1,14 0,71 0,23 0,30 f:< 0,89 1,43 0,25 0,54 0,58 0,41 0,90 0,36 S 3 0,21 0,67 0,43 0,25 d . 0,26 0,28 0,21 0,12 J PhK 1) Diese Angaben verdanke ich der Erkundigung meines verehrten Freundes Hermann Hof mann bei Herrn A. Grigorieff in St. Peters- burg. Vgl. damit die genauen Berichte über den Handel von Wladiwostok und Nikolajewsk 1891 im Deutschen Handelsarchiv (Jahrg. 1892 S. 471), aus denen hervorgeht, dafs der Warenbezug in beiden Häfen aus Hamburg den aus San Francisco noch übertrifft, und dafs die amerikanische Flagge mit T>lo unter den fremden vertreten war. 37* 580 I^i^ amerikanischen und pacifischen Handelsgebiete. Suchen vni aus den deutschen und enghschen Konsulatsberichten den Anteil der V. St. am südamerikanischen Aursenhandel näher zu be- stimmen, so erhalten wir in so wichtigen Gebieten wie Ai-gentinien 4,5 (1891), Peru 7 (1888), Uruguay 8,6 (1889), Chile 5,8 ",o (1889). In Brasihen ist der Anteil viel grölser, ist aber nur nach der nordamerikanischen Statistik zu schätzen, nach der er 1891 377" betragen hat. Brasihen liefert zwei Drittel des Kaffees. An der Einfuhr nach Brasihen sind die V. St. nur mit 11 bis 127o beteihgt. In Argentinien, Chile, Peru und Uruguay stehen die V. St. nicht blofs hinter Grofsbritannien, sondern auch hinter Deutschland und zum Teil auch hinter Franki'eich zurück. Gerade in Chile und Peru wird ohne Zweifel der Interoceanische Kanal die Kraft ihrer Wettbewerbung stärken, und zum Teil haben Eisenbahnen und gewerbhche Unternehmungen ihnen bereits emen Eintluls verschafft, der in den Ein- und Ausfuhrzahlen nicht erscheint ; aber ihre Ansprüche auf das wirtschafthche Übergewicht in Südamerika sind offenbar noch sehr weit von der Verwirkhchung entfernt, und am weitesten in den zukunftsreichen südamerikanischen Ländern s. vom Wendekreis. Nach den amthchen Kundgebungen waren Argen- timen, Kolumbia, Venezuela und Hayti die der Reciprocitätspohtik un- bequemsten, denen Ende 1892 mit Sonderzöllen gedi'oht ward. Die Förderung des Handels mit den mittel- undsüdameri- k a n i s c h e n Ländern gehört zu den grof sen Anliegen der Politiker der V. St. Wirtschafthch hat sie einen verständhcheren Sinn als po- litisch, denn 1889/90 betrug die Ausfuhr aus den V. St. nach den mittel- und südamerikanischen Ländern drei Achtel von dem Werte der Einfuhr aus diesen nach den V. St. Ausgeführt werden haupt- sächhch Erzeugnisse der nordamerikanischen Industrie — nur nach Cuba, Britisch Westmdien und Brasihen gehen grofse Mengen Speck und Schweinefleisch — gegen Zucker (Cuba, Britisch Westindien) und Kaffee (Brasihen, Mittelamerika). Nur Argentinien und Chile, die Getreideländer Südamerikas, führen in diesem Handel mehr ein als aus. Der ganze »Panamerican Trade« ') bewertete 1889/90 in der Einfuhr 178,7 MiU. D., in der Ausfuhr 88,1. Im Verkehr mit den mittel- und südamerikanischen und pacifischen Ländern hat also die Gunst der Lage sich noch nicht so stark zur Geltung gebracht, wie in Amerika erwartet worden ist. Es gibt aber andere nordamerikanische Einflüsse, welche die Statistik nicht verzeichnet. Wenn auch Mittel- und Süd- amerika noch lange für den Bezug vieler Gewerbserzeugnisse haupt- sächlich auf Europa angewiesen bleiben, besteht doch insofern eine Abhängigkeit von Nordamerika, als New York (und für das pacifische 1) Ofüzielie Jjczeichnung iin Report ol' tlio .Sccretary uf Agriculture IhÜO j). 864. Streben nach Ausbreitung des Handels. 581 Gebiet auch schon S. Francisco) der grofse Geldplatz nicht nur, son- dern der leuchtende Mittelpunkt der geistigen Interessen, der Politik, selbst des Geschmackes für Amerika ist. Was im romanischen Amerika sich über das Niveau der spanischen und portugiesischen Kultur erhebt, strebt wenigstens nach dem Firnis der Sitten, dei- Bildung, die von dort ausgehen. Der politische Einflufs der V. St. ist jedenfalls ein grofser Faktor in dieser Richtung. Man gewohnt sich nicht blofs in Havana oder Mexiko, wo das natürlich, sondern auch im übrigen INIittel- und Südamerika und noch rascher in Japan daran, New York als die künftige Hauptstadt der westlichen Welt anzusehen. Schon heute wird sogar ein guter Teil des Bedarfes an Büchern und Zeit- schriften, von Ideen zu schweigen, von dort aus befriedigt. Um so leichter hat man sich in den V. St. daran gewöhnt, jene Gebiete als die natürliche, Domäne des nordamerikanischen Handels zu betrachten. Die Unterstützung neuer Dampferhnien wird diese Bestrebungen stärken. Die gröfsere Güte nordamerikanischer Baumwollgewebe, Waffen und MetaUwaren, die z. B. in den deutschen Konsularberichten aus ver- schiedenen spanisch -amerikanischen Plätzen in den letzten Jahren beständig herv(jrgehoben , sogar aus China beglaubigt wird, wird ihre Verbreitung fördern. Hinderlich scheinen aber noch der Mangel an amerikanischen Kaufleuten an den betreffenden Plätzen, die kurzen Zahlungsfristen, an welche die Kaufleute der V. St. gewohnt sind, die geringe Platz- und Sprachenkenntnis zu sein. Es wii'd sich auch noch zu zeigen haben, ob die Nordamerikaner sich jene Gefügigkeit werden aneignen können, die dazu gehört, um unter diesen nicht leicht zu behandelnden Völkern Boden zu gewinnen. Sie haben sich bis jetzt als sehr gute Kaufleute bei sich zu Hause erwiesen, es bleibt nun noch zu sehen, ob sie es auch im Ausland sein können. Ihre gemischte Abstammung dürfte ihnen dabei zu gute kommen. Jeden- falls hat das Streben nach Ausdehnung des Ausfuhrhandels jetzt jene fast epidemische Ausbreitungskraft erlangt, zu der neue Ideen in Nordamerika häutig gelangen. Man begegnet ihm überall, in allen Blättern wird es erörtert, als Sache des Nationalstolzes selbst von den Pohtikern aufgegriffen ♦). Für Europas südamerikanischen, polynesischen 1) Präsident Hayes sagte im Dezember 1878 in einer Botschaft an den Senat: »Den im Jahre 187ti gemachten Anstrengungen unternehmender Bürger unseres Landes , die seitdem unermüdlich fortgesetzt wurden , ist es gelungen, unseren auswärtigen Handel, besonders in Fabrikationsartikeln, in bedeutendem Mafse auszudehnen. Zu gleicher Zeit nahm die Einfuhr in demselben Verhältnis ab, so dafs hieraus ein vollständiger Umschwung der so lange obAvaltenden Verhältnisse ei'zielt und dem Goldabflufs ein Ende ge- macht wurde . . . Die Mittel und Wege, durch die dieser Umschwung herbei- geführt wurde, müssen in Zukunft erhalten und befestigt werden . . . Alles, 582 Der Handelsgeist. uiid ostasiatischen Handel kann es nur von wachsend ungünstigen Folgen sein. Der Handelsgeist. Dafs die Bürger der V. St. eine grofse kauf- männische Befähigung besitzen, war schon in den Kapiteln über Land- A^irtschaft und Industrie zu berühren. Die eigentümliche Art des wirtschaftlichen Lebens in den V. St. ruft mit Notwendigkeit ein Über- gewicht des Handels hervor und weist ihm eine hervorragendere Stelle an, als bei uns. So wde der einzelne Mensch sind auch die Güter dort bewegücher. Die Waren und das Geld wandern schneller durch die Adern dieses rasch w^achsenden wii'tschaftUchen Organismus und die Kaufleute sind die ersten Vermittler und Förderer dieses Lebens. Dies zeigt sich nh-gends Idarer als bei den ersten Anfängen dieses Kreislauf systemes, den Kaufleuten auf dem Lande, den Storekeepers, die eine bei uns nach Art und Gröfse ganz unbekannte wirtschaftliche Rolle spielen. Wo in einer neuen Ansiedelung sechs Häuser bei einander stehen, ist eins sicherlich Store, d. h. Kaufladen für alles, oft auch Versammlungsort für alle Gesprächslustigen und Geschäfttreibenden, Bureau für Agenturen und Maklereien aller Ai't, für Frachtbesorgungen, Dampfbootfahrkarten, Branntweinkneipe und noch vieles andere. Der Storekeeper ist nicht blols Verkäufer, sondern sehr häufig auch Käufer für die Produkte seiner Kundschaft, die er entweder eintauscht oder gegen Geld, meist als Agent eines Grofshandelshauses , aufkauft. In sehr vielen Fällen ist er überhaupt gewissermafsen die Unruhe, das Schwungrad einer solchen jungen Ansiedelung. Indem er zivili- sierte Bedürfnisse weckt und befriedigt, Arbeit anregt und verwertet, schützt er sie vor Verwilderung und Versumpfung. Er bildet die unentbehrhche und zum Teil auch wolilthätige Vermittelung zwischen der letzten Urwaldhütte und den Ideinen und grofsen nahen und fernen Kulturmittelpunkten'). Die Rolle, welche die Stores in der was nur irgend zur Einführung unserer Boden- und Industrieerzeugnisse auf fremden Märkten dienlich sein kann, sollte gethan werden. Im Augenblick erfreuen sich viele von unseren Erzeugnissen eines derartigen Vorzugs, dafs sie überall lohnenden Absatz finden trotz der Nachteile, die in unserer im Argen liegenden l^chiffahrt und der Unvollkommenheit unserer Einrichtungen im Verhältnis zu denen unserer Konkurrenten auf dem Weltmarkte hegen. Wenn wir erst gleiche Erleichterungen in Handel und Wandel haben, können wir es überall mit der Konkurrenz aufnehmen«. 1) In seinem Buch »Texas-' (Bonn 1849) sagt F. R ö m e r treffend von den Stores, deren Repräsentanten in dem damals erst aufwachsenden Neu- braunfols er vorher drastisch beschrieben hat: >l)ie8e , Stores' sind über- haupt bezeichnend für das Eigentümliche der amerikanischen Ansiedelung, die gleich mit der ganzen Errungenschaft der Civilisation und zum Teil selbst mit den I5edürfniösen eines verfeinerton Lebens in die Wildnis vordringt und Kultlirbedeutung des Handels. 583 wirtschaftlichen und sozialen Geschichte der Besiedelung Nordamerikas spielen, ist besonders deshalb sehr bedeutend, weil sie durch ihre Viel- seitigkeit die Industrie, die auf dieser Stufe als Handwerk auftreten würde, fast ganz ausschhefsen und neben den Ackerbau unmittelbar den Handel als zweitgröfsten Faktor in der Besiedelung des Landes hin- stellen. Wie die Farmer die Pioniere der Zivilisation überhaupt, sind die Storekeeper die Pioniere des Handels vmd Verkehres. An der Bildung grofser Städte und an der Ausbreitung städtischen Lebens über das Land hat kein Teü der nordamerikanischen Bevölkerung gröfseren Anteü wie die Storekeepers. Hiermit ist schon ein Teil der grofsen sozialen und Kultiu*- bedeutung des Handels in diesem jungen Lande bezeichnet. Sie ist aber auf den höheren Stufen noch gröfser. Dieses kleine Räder- werk würde nicht die Bewegung hervorrufen und erhalten können, die es nur fortpflanzt. Dazu gehören die mächtigen Schwungräder der kaufmännischen Phantasie und Berechnungsgabe, welche die grofsen Pläne ersinnt, des Unternehmungsgeistes, der sie mit Kühnheit ins Werk setzt, der grofsen Auffassung der Verhältnisse, die nicht in den Übergängen stecken bleibt, sondern Anfang und Ende im Auge behält. AVenn oben die Allgemeinheit der Arbeit als einer der Charakterzüge des nordamerikanischen Lebens bezeichnet wurde, so ist dem als not- wendige Ergänzung die Allgemeinheit des kaufmännischen Sinnes hinzuzufügen. Wir haben gesehen, yvie die Verkehrseinrichtungen kauf- männisch betrieben werden, und begegnen denselben Zug beim Land- wirt, beim Viehzüchter, beim einfachen Arbeiter. Schon die so all- gemeine Verbreitung und Benützung der Banken in allen Formen, die grofsen Schwankungen des Arbeitsmarktes u. dgl. nötigen zum kauf- männischen Denken. Es liegt darin einer der Gründe der Überlegen- heit der Amerikaner m Geschäftssachen. Die häufige Anwendung von »I calculate« ist charakteristisch. Der Jude, der sich als Kleinhändler besonders im Süden sehr ausgebreitet hat, der Italiener und zum Teü auch der Deutsche, besonders der Niederdeutsche, übertiifft ihn an Sorgfalt im Kleinen, Geduld, Sparsamkeit, vor allem Bedürfnislosigkeit, und sie heben ihn wohl auch einmal mit diesen kleinen Hebehi aus dem Sattel; aber sie sind ihm üi den grofsen Unternehmungen nicht gewachsen. In Canada so gut wie in Mexiko und Peru führt er die neuen grofsen Pläne aus, vor denen die anderen zurückschrecken. Märmer wie Cyrus Field, der Durchführer der Idee der unterseeischen diese dadurch gewissermafsen überrumpelt und im Sturme nimmt, zugleich jene oft merkwürdigen Kontraste zwischen roher Ursprünglichkeit und den Zeichen tausendjähriger Gesittung hervorrufend, welche den Europäer in den Wäldern des westlichen Nordamerika überraschend (S. 122). 584 Allgemeinheit des Haudelsgeistes. Telegraphie, HeiiryMeiggs, der Erbauer der peruanischen Eisenbahnen, sind Beispiele dieser Klasse, von der es in jedem einzelnen Lande und Ländchen Vertreter gibt. Schon jetzt ist der Anteil gewaltig, den die Nordamerikaner mit diesen Eigenschaften an der wii'tschafthchen Ent- wickelung des ganzen Kontinentes beanspruchen. Von seinen pohtischen Folgen haben aw früher gesprochen (s. o. ö. 97). Am andern Ende dieser stolzen Reihe steht freilich der gewissenlose Bankerottierer oder sonst ein geldsüchtiger Bösewicht. Dieser berechnende und unter- nehmende Sinn, der sein Leben ganz nach Soll und Haben einrichtet, hat viele gute Wii-kungen auf das Materielle der Einzelexistenzen, aber es fi'agt sich, wie die Gesamtheit dabei fährt? Es ist zu fürchten, dals der Egoismus obenauf komme. Wenn man im Sinne unserer Darlegungen dem Worte Handel den weiteren Begriff des raschen und mit Energie verfolgten Gelderwerbes unterlegt, so leben neun Zehntel der Bevölkerung der V. St. vom und im Handel. Es ist bei jeder der Krisen , an denen die Wirtschaftsgeschichte der V. St. so reich ist, hervorgehoben worden, dafs eben deshalb ihre Zerstörungen viel allgemeiner sind und tiefer gehen. Allerdings gelang es in der Regel dem an Hillsquellen reichen und an Bevölkerung noch immer hinreichend armen Lande rasch, sich wieder zu erheben, aber die moralischen Folgen solcher Katastrophen sind nicht ebenso schnell geheilt. Ein verlorenes Vermögen wird mit doppelter Rücksichtslosig- keit wieder zu gewinnen gesucht. Die V. St. sind seit dem Anfange dieses Jahrhunderts von drei grofsen Handelskrisen heimgesucht worden : 1837, 1857, 1873—1878. Jedesmal lag das Heilmittel in einer guten Ernte und der Abfuhr der Schiffbrüchigen nach Westen und Süden, wo sie Raum und guten Glauben für neue Unternehmungen fanden. Das Vertrauen auf die Hilfsquellen des Landes und die Leistungsfähigkeit seiner Bewohner büeb unter den härtesten Schlägen unverändert. Seit- dem aus dem Westen enttäuschte Ansiedler in wachsender Zahl zurück- wandern, ist die Hoffnung aufzugeben, dafs die leeren Räume des Westens ein Universallieihnittel für wirtschafthche Erschütterungen seien. — Welches müssen mit der Zeit die pohtischen Folgen einer immer weiteren Verbreitung dieses Erwerbsiiebers in der Bevölkerung seinV Die pohtische Korruption, die mindestens die Llähte aller pohtisch Thätigen verdächtig macht, hängt aufs engste damit zusammen. Bei den Fachpolitikern artet der kaufmännische Sinn incht selten bis zu jenem (irade aus, wo der Mensch sich und andere als Waren taxiert, die für Geld feil sind. Die Trusts oder Syndikate, che ihre monopolisierende Wirksam- keit über Petroleum, JiaumwoUe, Zucker, Kaffee u. a. längst hinaus er- strecken — ein grolser Trust verfügt sogar über vier Fünftel, wie er selbst angibt, aller Schulbücher" — forderten in ihn letzten Jahren beide grofse Geldverkehr. Versicherungen. 585 Parteien zum lauten Widerspruch auf, zunächst ohne Wirkung. Die republikanischen Konventionen von New York, Ohio u. a. forderten das Verbot aller x Trusts, Pools and Combinations of Capital«, deren Zweck die Verteuerung der Gegenstände des Verbrauches. In Boston führte die Bewegung auf »Nationalisnix , welches neue W^ort ziemlich genau mit Verstaathchung übersetzt werden kann, zur Gründung einer Partei von »Nationalisten«, die zunächst die Verstaatlichung der Eisenbahnen, der Strafsenbahnen, des Telegraphen und Telephons, der Kohlengruben und ErdölqueUen, der Heizung und Beleuchtung der Städte fordern, indem sie sich ganz besonders auf die Unerträghchkeit der riesigen Trusts berufen. Aufserdem fordern sie Schulzwang. 1890 zählte man 10673 Zahlungseinstellungen, worunter 164 mit Passiven von über 100000 D. Von der Gesamtzahl wurden 24,5 "/o auf Unerfahrenheit und Unkenntnis der Geschäfte, 5,6 auf Speku- lationen aufserhalb des Geschäftskreises, 4,7 auf unkluges Ivreditgeben, 3,9 auf Betrug, 3,6 auf Vernachlässigung des Geschäftes, 2,3 auf über- triebene Konkurrenz, 37,9 auf Mangel an Kapital zmnickgefülu't. Wenig entsprechend der allgemeinen Wichtigkeit des Handels ist seine politische Vertretung. Es gibt weder einen Handels- minister, noch hält die Regierung dü'ekte Fühlung mit dem Handels- stande. Die privaten Vereinigungen der Handelskammern (Boards of Trade) sind in den V. St. nicht von der Bedeutung wie in England oder Franki'eich. Sie sind abgeschnitten vom unmittelbaren EintluTs auf die Gesetzgebung, sei es auch nur dm-ch Beratung; diu-ch die FachpoHtiker, die begreiflicherweise keine Freunde von selbständigen, ihre eigenen Interessen vertretenden Körperschaften sind. Die älteste und wichtigste von den Handelskammern der V. St. ist die von New York, 1768 gegründet. Durch die Gründung eines »National Board of Trade«, der seit 1868 als Wanderversammlung nach Art des deutschen Handelstages jährlich zusammentritt, ist der morahsche Einflufs der Handelskammern gestiegen. Die Beschlüsse dieser Versammlung sind in der Währungsfrage zuerst nicht ohne EinÜufs gebheben. Die Gründung eines IVIinisteriums für Handel, SchiSahrt und Industrie hat sie öfters empfohlen. Wichtige Fragen kaufmäniüscher Natur, wie in der jüng- sten Zeit das Streben nach Ausdehnung des süd- und mittelamerikani- schen Handels, wurden rücht durch jene Organe des Handelsstandes, sondern in grofsen Volksversammlungen erörtert, in denen die An- gelegenheiten des Handels als nationale betrachtet werden. Von der direkten Einilulsnahme auf die Politik ist von aUen Ständen in den V. St. der Kaufmannstand am weitesten entfernt. Er bildet keine grofse Masse, die schon durch ihr SchwergcAvicht wirkt, wie die Arbeiter oder Landwirte, und er imischhelst gerade in seinen besseren Schichten eine überwiegende Zahl von Männern, welche die Berühi'ung mit den 586 I^^i' kauadische Transit. Massen und der Politik absichtlich vermeiden. Insofern verdienen die V. St. keinen Namen weniger als den einer »Krämerrepubhk«, der ihnen nur von unwissenden Europäern beigelegt werden kann. Die Erleichterung des Geldverkehres durch die der bekannten Londoner Einrichtung nachgeahmten Clearing Houses, die 1890 in 49 Städten eingerichtet waren, und durch das Cheksystem der Banken trägt zur Beschleunigung der Handelsbewegung sehr erhebhch bei. Die Zahl der Banken ist sehr bedeutend, der Umsatz der Clearing- häuser betrug 1890 60 Milliarden D. Der Sitz der grofsen Geldmächte ist der Osten. Besonders das an altangesammelten Schätzen reiche Neu-England ist »the great investing Region« Nordamerikas, was zur Erkläi'ung seines gewaltigen Einflusses beitragen mag. Aber von New York hofft man, es werde das grofse finanzielle Centrum der Welt werden '). Nicht weniger ist das Versicherungswesen entwickelt. Die Lebensversicherungen sind bei dem häutigen Wechsel der Glücksumstände eine ungemein verbreitete Einrichtung. 1891 wurden 53 Lebens- versicherungs-Gesellschaften mit Versicherungen im Betrage von 10 Mil- harden D. gezählt, d. i. mehr als das Dreifache der Summen der Ver- sicherungen aller britischen und deutschen Gesellschaften. Zur selben Zeit arbeiteten 580 Feuerversicherungs-Gesellschaften, die 75 Mül. D. für Verluste auszahlten, daneben mehrere hundert Gesellschaften, die sich auf einzelne Grafschaften beschränkten*). Von dem Aufsenhandel über die Binnengrenzen — 1891 gingen zu Lande für 41 Mül. D. Waren ein und für 32 Mill. Waaren aus — ist der kanadische Transit und der mexikanische Landhandel bemerkenswert. Die eigentümüche Lage Kanadas um den Unterlauf und die Mündung des S. Lorenz, dieses grofsen Auslafskanales für eines der produktivsten Gebiete der Union, bedingt einen sehr erheb- Uchen kanadischen Durchgangshandel von und nach den V. St. Ver- schiedene Linien der Dominion dienen als kürzeste Wege zwischen Neu-England, dem Meere, der Seeregion. Sie sind o. S. 40 f. genannt. Besonders bilden die von Norden nach Süden vom kanadischen Seen- und S. Lorenz-Gebiet nach New York, Boston, Portland führenden Eisenbahnen und Kanäle bequeme Wege für den kanadischen Ein- und Ausfuhrhandel. Früher waren die hierdurch entstandenen mannig- fach verschlungenen Wechselbeziehungen so leicht wie mciglich gemacht. Es sind Verträge zwischen den V. St. und Kanada abgeschlossen, welche zollfreien Warenverkehr auf gewissen vorgeschriebenen Linien 1) It is here, that the Star of the financial Empire is Hkely to become a (ixofl Star. North Amer. Review 1891 p. .^)96. 2) Die Höhe der Feuerschäden des Jahres 1891 wurden auf 131 Mill. D. veranschlagt. Der Landhandel mit Mexiko. 587 gestatten. 1891 gingen aus Britisch Nordameiika dui'ch die V. St. für 19,7 Mill. D. Waren und nach Britisch Nordamerika 27,8 Mill. D., Montreal hatte allein (nach dem Bericht im Deutschen Handelsarchiv 1892) 2,9 Mill. D. Transitgüter nach den V. St. und führte 9,6 Mill. D. Waren nichtamerikanischen Ursprunges aus. Montreal ist ein starker Konkurrent der Häfen der V. St. für die Verschiffung der aus Westen kommenden Brotstoffe, trotzdem sein Hafen 5 Monate durch Eis ge- schlossen und aufserdem noch eine unbestimmte Anzahl von Wochen der Stromweg durch Nebel und Treibeis gefährdet ist ^). Eine neue Art von Ti-ansitverkehr scheint sich rascher als geahnt auf der kanadischen Pacitikbahn zu entwickeln, von der man fürchtet, dafs sie auch, frei von den Beschränkungen des Interstate Commerce Law, den südlichen Nachbarhnien gefährhch werden könne. Nach China bestimmte Baumwollenwaren werden von Massachusetts über die Canadian Pacific nach Vancouver und von dort über den Stillen Ocean von den durch grofse Subventionen begünstigten englischen Dampfer- Hiiien gebracht. 1891 verliels ein Dampfer der Canadian Pacitic-Linie Yokohama am 19. August, war in Victoria am 29. — 3900 engl. M. in 10 Tagen — , ein Extrazug legte dann die Strecke Vancouver-Brockville (am S. Lorenz) 2803 engl. M. in 80 Stunden 20 Minuten zm-ück und der Dampfer lieferte die Post in Liverpool 20 Tage nach dem Abgang von Japan ab. Der Landhandel mit Mexiko, zuerst ausschliefslich in der Form des Karawanenhandels mit Santa Fe betrieben, schreibt seine ki'äftigere Entwickekmg von 1824 her, wo zum ersten Mal an Stelle der Pack- tiere gedeckte Wagen benützt wurden*). Bis dahin waren nui* ver- einzelte Unternehmungen gemacht worden, die teils in den Gefahren des Weges, teils in den Plackereien der Regierungsorgane grofse Hindernisse gefunden hatten. Diese wm-den durch die Errichtung der Repubhk gemindert, die ersteren verringerten sich mit häufigerer Be- nützung dieses Handelsweges. Vor der Annexion Neu-Mexikos an die V. St. hatte sich die Zahl der in dieser Richtung aUjährhch abgehenden Frachtwagen auf über 200 erhöht. Mit der Zunahme der direkten Einfuhren zur See nach dem Inneren Mexikos hatte aber schon seit Anfang der dreifsiger Jahre der Gewinn dieses Handels über Santa Fe 1) Im Winter tritt Portland Me. in die Lücke, das mit derselben Eisen- bahnlinie verbunden ist und dessen Hafen nur 2 Monate eisbedeckt ist. 2) Indessen wurde dieser Handel schon 1812 von S. Louis aus in gröfserer Ausdehnung betrieben. 1821 ging z. B. eine Karawane von 81 Menschen, 156 Pferden und Maultieren und 23 Frachtwagen ab, die über Ft. Osage nach Taos ging und zu dieser Reise hin und zurück 4^2 Monate brauchte. Sie führte Baumwollwaren und andere Gebrauchsgegenstände ein und empfing dafür Mast National Board of Trade« her- vor, der bei mehrfacher Behandlung dieser Frage den Hauptgrund in den Gesetzen der V. St. gesehen hat, die das Recht zur Führung der amerikanischen Flagge nur den im Inland gebauten und zu zwei Dritteln mit Amerikanern bemannten Fahrzeugen gewähren. Derselbe hat sich ferner im Interesse der amerikanischen Rhederei für den Lotsenzwang und den Prüfungszwang der Steuerleute und Kapitäne, ferner für Einführung des engUschen Schiffslehrjungen-Systems (Appren- tice System) ausgesprochen. Gegenüber der Verdrängung der Schiffe der V. St. aus dem Verkehr üirer eigenen und der übrigen amerika- nischen Häfen hat sich seit Mitte der siebziger Jahre eine lebhafte Bewegung für Förderung der heimischen Schiffahrt vorzüghch durch Schaffung neuer DampferHnien und Staatsunterstützung der bestehenden geltend gemacht. Am meisten erwartet man mit Recht von dem Auf- schwung der nordamerikanischen Export- Industrie. Von amerikanischen Dampfschiff" -Gesellschaften sind nur Pacific Maü S. S. Co. und U. S. and Brazü S. S. Co. von Seiten der Regierung unterstützt, die gleich- zeitig jährhch an fremde Dampfschiff - Gesellschaften für Beförderung der amerikanischen Post einige 1CX)000 D. zahlt. Folgende Liste zeigt die verkehrsreichsten Häfen bzw. Zolldistrikte der V. St. ; die beigesetzten Tonnenzahlen beziehen sich auf die im Jahre 1890/91 eingelaufenen Schiffe, aus denen die fremden ausgeschieden und in Klammer gesetzt sind: Ein- gelaufene Schiffe Davon fremde Schitle Ein- gelaufene Schiffe Davon fremde Schiffe T. T. T. T. New York . . 6452877 5 517 705 Key West . . 131460 8375 Boston und Char Peace River (Miss.) 108 576 82348 lewtown . . 1502215 1305889 Mobile .... 103 284 87 683 Philadelphia . 1351466 1148938 Oharleston . . 94869 88909 San FranciHco 1095 776 579 617 San Diego . . 90927 27 715 Puget .Sund . 1 078 228 134 009 Portland und New Orleans . 885 785 771436 FahiKinth . . 89 690 84169 Baltimore . 71183:5 646 KK) I'>nms\vi<;k Ga. . 84 503 76 486 Pensacola . . 312 267 291 723 VVilliiincUc . . 77 597 69 963 Savannah . 182 260 178 972 Urtigon . . 68306 67 364 GalveHtoii . 168058 161 152 WihningtonN.C. 65664 60 908 Niederländisch . . . . . 218695 Dänisch . . 66445 Hawaiisch .... . . 55472 Schwedisch .... . . 53424 Kussisch . . 50472 Die Hochseefischerei. 591 Unter den Abgangsländern der 1890/91 in Häfen der V. St. ein- gelaufenen Schiffe stehen folgende mit mehr als 260000 T. verzeichnet: T. T. Grofsbritannien und Irland 4 056 828 Deutschland 1 594 223 Dominion von Canada : Neu- Cuba 1 267 548 Schottland, Neu -Braun- Britisch Westindien . . . 664227 schweig undPrinzEduards ItaUen 483 989 Inseln 1041715 Brasilien 476120 Dieselbe: Quebec, Ontario, Belgien 463595 Manitoba und Nordwest- Frankreich 377 602 Territorium 2831983 Spanien 328170 Dieselbe: Britisch Kolumbia 1372857 Niederlande 261017 Über die Nationahtät der miter fremder Flagge (im Aufsenverkelir) eingelaufenen Schiffe gibt der amthche Bericht für 1890/91 folgende Zahlen (in T.): Britisch 9 698317 Deutsch 1486242 Norwegisch 742076 Französisch 356 538 Spanisch 342 874 Belgisch 312378 Im Dampf er verkehr mit Häfen der V. St. folgen die wichtigsten Abgangsländer fremder Dampfer in folgender Reihe: Grofsbritannien, Deutschland, Cuba, Brasihen, Britisch Westindien, Franki-eich. Ameri- kanische Dampfer trafen am zahheichsten ein aus Britisch Kolumbia, Cuba, Dominion, Kolumbia, Honduras, Mexiko. Die Hochseefischerei bildet an der atlantischen und paci- fischen Küste und auf den Grolsen Seen eine blühende Industrie. Auf die Bedeutung ihres Auftretens an der atlantischen Küste von Britisch Nordamerika und, als Walfischfang, in beiden Eismeeren, ist oben S. 24 und 79 hingewiesen. In beiden Richtungen ist sie politisch wichtig für die Expansion der V. St. geworden. Für die Fischerei an der atlantischen Küste sind Massachusetts und Maine die Haupt- staaten. Ihre Fischer brachten 1891 567 713 Quinta! Stockfische, 50 714 Fässer Makrelen und 37126 Fässer Heringe. Zahl und Tonnen- gehalt der in dieser Fischerei beschäftigten Schiffe betrug 1891 1483 und 68 932, und auf die Fahrzeuge von mehr als 20T. kommt 61 911 des Tonnengehaltes. Die gröfsten Zahlen findet man in den ZoUdistrikten von Gloucester und Barnstable in Massachusetts, Sag Harbor in New York und Portland, Fahnouth, Frenchmans Bay, Castine, Waldoboro, Wiscasset und Belfast in Maine. Die Südstaaten s. von Vii-ginien haben so gut wie keine Seefischerei. Die Fischerei am Stillen Ocean beschäftigte 1889 13850 Menschen mit 124 Schiffen und hatte eine Ausbeute im Werth von 6,4 Älill. D. 592 Die Fischerei auf den Grofsen Seen. Ihre wertvollste Beute bildet der Lachs, von dem in diesem Jahre 416000 Ztr. gefangen wm*den. Dieser Fang geht gröfstenteüs in die »Canning Factories«, wo die Lachse in Blechbüchsen verpackt werden. Es gibt 63 Canning Factories, davon 32 in Oregon. Der Fang anderer Fische wird für den örthchen Bedarf betrieben, steht aber hinter dem Lachsfang zurück. Dieser ist seit Jahren, da er als Raubwirtschaft betrieben wurde, im Rückgang. Der Stockfischfang, der noch auf die spanische Zeit zm'ückführt, und überhaupt die Hochseefischerei, ist wenig ent^^ickelt. Seit 1880 hat an der pacifischen Küste der Austern- fang einen grofsen Aufschwung genommen '). Die Fischerei beschäftigte auf den Grofsen Seen 1889 6900 Fischer mit 3983 Schiffen, die meisten auf dem Erie und dem Michigan, deren Fischertrag auf 10 Mill. Ztr. im Werte von mehr als 25 MiU. D. angegeben wii'd. Gegen 1880 sind Zunahmen um mehr als 100"/« im Erie und in den Oberen Seen zu verzeichnen, nur im Ontario ist Abnahme eingetreten. Die Zunahme der Fischerei ist mit auf Rechnung der starken Einwanderung aus den Nord- und Ostseeländern und Norwegen zu setzen, die eine grofse Zahl fischereikundiger Leute gerade in die Seenregion brachte. Durch die künsthche Fischzucht ist die Fisch- bevölkerung der Seen vermehrt worden. Der sog. Seehäring, eine Art Weifsfisch, Seeforelle, Weifsfisch und Stör machen zwei Drittel der Beute aus. Grofse Räuchereien und Versand-Anstalten sind ent- standen. Der kanadische Fischfang auf den Grofsen Seen ist verhältnis- mäfsig klein. In Alaska, das die Bewohner der pacifischen Staaten Nord- amerilias wesenthch als ihre Domäne ansehen, werden die Tierschätze ähnhch wie dort ausgebeutet, aber noch rücksichtsloser. Die Pelzrobben, von denen von 1868 bis 1890 für 33 Mill. D. Felle gewonnen wurden, können vom Untergang nur durch strenge Schutzmafsregeln gerettet werden. In derselben Zeit sind andere Pelzarten für 16 Mill. D. zur Ausfuhr gekommen. An den Flufsmündungen, die von Lachsen schwärmen, smd dieselben »Canneries« thätig, wie weiter s., um Lachs- tleisch in Blechbüchsen zu packen. Sie beschäftigen 1100 Fischer und andere Arbeiter. Die Kadiak-Gruppe besitzt die meisten und die Hälfte ihrer von 1884 bis 1890 auf 7 Mill. D. Wert geschätzten Erzeugnisse stammt aus dem kleinen Karlukllüfschen, das an der Westküste von Kadiak miuidet. 1890 wurden ca. 3 Mill. Lachse gefangen. Diese Industrie ist einer gewaltigen Entwickelung fähig. 1; Report on the Fishericö of the Facific Coast of the Uuited States by J. VV. GülliiiH. Ein Werk mit zahlreichen Karten und lUustrationen, das auf amtlichen Erhobungen der U. S. (JominiHHion of Fish and Fislieries von 1889 beruht. Der Walfischfang. 593 Der Walfischfang wii'd gegenwärtig nui- von Massachusetts und Kahfornien aus in sehr grolsem Mafse betrieben. Seit Jahi-zehnten war S. Francisco der Trefipunkt der pacifischen Waler, aber seit Ende der siebziger Jahre hat die Aussendung von der pacifischen Küste gröfsere MaTse angenommen. In New Bedford Mass. ist noch immer die gröfsere Hälfte dieser Schiffe beheimatet'), aber selbst diese rüsten sich teilweise in S. Francisco aus. Die 101 Schiffe der Walerflotte der V. St., wovon 11 Dampfer, verteilten sich 1889 auf New Bedford Mass., S. Francisco, Provincetown Mass., Edgartown Mass., Barnstable Mass., New London und Stonington Conn. und Boston Mass. 42 jagten in der Beringssee und im Eismeer, 36 im Atlantischen Ocean, 9 im Japanischen und Ochotskischen Meer, 8 im südlichen Stillen Ocean und 6 im Indischen Ocean. Die Robbenschläger, 20 Schiffe mit 422 Köpfen, worunter 155 Indianer und 29 Japaner, gingen von S. Francisco, Port Townsend Wash., Santa Barbara Kai. und Salem Mass. aus ; der Ertrag des Robbenschlags, darunter nur 150 Pfd. Wahofszahn, bewertete 1889 114000 D. ; der des Wallischfanges, 1,7 Mill. ist ebenso wie die Zahl der Schiffe im Rückgang. Die 3000 Köpfe zählende Bemannung der Walerflotte umschhelst erfahrungsmäfsig die wertvollsten Elemente für die Kriegsflotte. Insofern ist von pohtischer Bedeutung die Ab- nahme ihrer Gesamtzahl, und der Rückgang der Amerikaner, die heute nur drei Fünftel ausmachen; der Rest sind grolsenteüs Portugiesen, dann Engländer und Deutsche. 1) In New Bedford erscheint auch eigenes Organ der "Waler »"S^Tialemans Shipping List« seit einem halben Jahrhundert. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 38 Vierter Abschnitt. Staat und Gemeinden. Kirche und Schule. Geistiges Leben. Die Gesellschaft. 38* XXni. Der Staat und die Gremeinden. Die Verfassung 598. Union und Einzelstaaten 598. Der Kongrefs 599. Der Präsident 600. Die Bundesgerichte 600. Die Verwaltung 601. Staatsamt 601. Einige Bemerkungen über auswärtige Politik 602. Inlandamt 607. Schatz- amt 608. Öffentliche Schuld 608. Geld 609. Mafse und Gewichte 609. Das Kriegsamt 610. Armee 610. Marineamt 613. Flotte und Küstenverteidigung 613. Die Einzelstaaten 614. Gruppierung 615. Politische Rolle und Partiku- larismus 618. Ihre Gesetzgebung 621. Gemeinden 622. Town und County 623. Die Städte 624. Das politische Leben 625. Die politische Anlage 625. Die Parteien 628. Die Wahlen 629. Korruption 632. Flagge und Wappen 636. Die V. St. bilden einen Bundesstaat, dessen amtlicher Name »United States of America« ist M, während in Amerika selbst der 1) In der Verfassungsurkunde heilst es im Eingange : »Wir , das Volk der Vereinigten Staaten . . . errichten diese Verfassung für die Ver- einigten Staaten von Amerika«. Die scheinbar gleichbedeutende An- wendung beider Namen erklärt sich so, dafs der erste Vereinigte Einzel- staaten bedeutet, während im zweiten erst der Titel des durch sie gebil- deten Bundesstaates hervortritt. Indessen wird der erstere Name abkürzungs- weise überall gebraucht und sogar amtUch nur seine Anfangsbuchstaben U. S. »The States« ist ein vertraulicher, mehr in der unpolitischen Schriftstellerei üblicher Ausdruck. In anderen Teilen von Amerika und in Europa gebraucht man aber auch zum Unterschied von den verschiedenen anderen V. St. , die es noch in Amerika gibt, den Ausdruck »Vereinigte Staaten von Nord- amerika«. Er ist bezeichnender als jene beiden amtUchen Benennungen, zumal man ihm entsprechend der Bevölkerung den Namen »Nordamerikaner« beilegen kann, der weniger mifsverständlich ist als »Amerikaner«, wie sie sich selbst kurzweg dem amtlichen Namen ihres Staates entsprechend nennen und wie sie merkwürdigerweise auch von den Hispano-Amerikanern genannt werden. In den V. St. selbst scheint diese Bezeichnung seit der Gründung 598 Bund und Einzelstaaten. Gesamtstaat gewöhnlich kurzweg als »Union« bezeichnet -wird. Dieser letztere Name bezeichnet deutlicher die Einheit in dieser Vereinigung vielei- einzelner Staaten als das deutsche »Bundes- staat«. Man könnte ihn mit »Reich« vergleichen. Die Verfassung ist erst Grundgesetz geworden, nachdem die Einzelstaaten jeder für sich sie angenommen hatten, und Abänderungen sind nicht dem Kongrefs anheimgestellt, sondern müssen von drei Vierteln aller Staaten genehmigt werden. Der Einzelstaat führt ein Leben für sich und seine Organe stehen in keiner unmittelbaren Beziehung zu denen des Gesamtstaates. Seine Beamten und Vertreter gehen aus einer anderen Wahl, meist sogar nach anderer Wahlart, hervor als die der Union. Aber es können begreiflicherweise Ver- schiedenheiten der Meinungen über die Befugnisgrenzen beider nicht fehlen und Streitigkeiten darüber durchziehen die ganze Geschichte der V. St. Was die gemeinsamen Interessen angeht, fällt dem B u n d e, alles die Verhältnisse der Einzel Staaten Betreffende diesen zu. Zuerst sind also die äufseren Angelegenheiten (Diplomatie, Handel, Krieg) Sache des Bundes, die inneren (Wirtschaft, Unterricht, bürgerliche Rechte) Sache der Einzelstaaten. Es gibt aber wirtschaftliche Interessen, die die Gesamtheit in hohem Grade berühren (Hafenanlagen, schiffbare Flüsse, Poststrafsen, Eisenbahnen durch unbewohnte Gegenden u. dgl.) und andere, die dem Gebiet der äufseren Beziehungen angehören, ohne doch die Gesamtheit zu berühren. Dort tritt die Union für die Einzelstaaten ein, hier läfst sie ihnen Unterhandlungen und Verträge mit fremden Mächten zu, behält aber die Zustimmung des Kongresses einer ganzen Reihe von V. St. von Mexiko, Argentinien, neuerdings sogar Brasilien, mehr in Gebrauch zu konnnen. Die wissenschaftlich wertvollste Geographie der Vereinigten Staaten von Amerika, die bisher ein Amerikaner verfafst hat, von Prof. J. 1). Whitney in Cambridge Mass. (1889 erschienen), trägt den Titel »The United States<, erweckt aber durch den Satz: »Die Fläche des unter der Bezeichnung , Vereinigte Staaten' (von Nordamerika) u. H. w.< die Vorstellung, als ob dies der offizielle Titel sei. Wir haben id>erall, wo es nötig war, den vollen Namen »Vereinigte Staaten von Amerikat, im Übrigen die amtliche Abkürzung »Vereinigte Staatenc und »V. St.< und und für die weifse Bevölkerung »Nordanuirikaner« verwenWarriorism« wurde erfunden, um solche Äufserungen zu kennzeichnen. Die schöne Sitte, hervorragende Geister auf wichtige Posten zu stellen, Leute Avie Motley, Bancroft, Lowell, White, hat diesen Tendenzen oft die Spitze ab- gebrochen, aber der Dilettantismus im diplomatischen Dienst hat auch viele Taktlosigkeiten zu Tage gefördert. Selbst China lehnte 1891 einen Gesandten ab, den die V. St. ernannt hatten, nachdem er die chine- sische Einwanderung mit der Einschleppung des gelVjen Fiebers ver- ghchen und auch sonst China heftig angegriffen hatte. Auch die pohti- schen Beziehungen der V. St. zu anderen Mächten sind in erster Linie Wirtschaftlicher Natur. Und so sind die Bedingungen und oft selbst die Mittel seiner PoHtik wirtschafthche. Selbst den texanisch-mexi- kanischen Wii'ren lag das Expansionsbedürfnis der Baumwollenpflanzer des Südens zu Grunde und den Bürgerkrieg half der wirtschaftliche Gegensatz zwischen dem Norden und dem Süden heraufbeschwören. Die Benutzung geeigneter Erscheinungen der auswärtigen Politik zu inneren politischen Zwecken und die Behandlung von Fragen der aus- wärtigen Politik mit denselben Mitteln, wie sie in der inneren zum l^^kel der anständigen Leute zur Anwendung gelangen, besonders mit Übertreibung, Lüge und Unverfrorenheit, gehört zu den Thatsachen, ohne die manche Phase der äufseren Politik der V. St. nicht zu ver- stehen ist. Es würde unbedacht sein, den Äusserungen auch der ernstesten Zeitungen der V. St. über die Fragen der auswärtigen Politik die auswärtige Politik. (503 das gleiche Ge^ncht beizumessen, wie ihren Ansichten über innere Pohtik. Über England in der Beringssee oder Deutschland in Samoa sind in Blättern ersten Ranges die gröfsten Unwahrscheinlichkeiten aus- gesprochen worden. Ein Beispiel der groben Entstehung geschicht- hcher Thatsachen, an einer Stelle wo man Würdigeres erwartet, ist Ai'thur Richmonds Besprechung der deutschen Pohtik in Samoa, North American Review CXLVIII p. 26 f. Jenes gut besonders von dem auf die Spitze getriebenen Amerikanismus, den in den letzten Jahren Blaine und McKinley vertraten. Der grofse, vor der Übertreibung nicht zm-ückschreckende Zug der auswärtigen Pohtik muls als eine innere Notwendigkeit aufgefafst werden. Gröfsere Tendenzen ersticken mit ihi'em Übergewicht kleinere, und so bilden die panamerikanischen Pläne eines der Mittel, um den stets in einer germanischen Gemein- schaft im Verborgenen lauernden Partikularismus nicht zum Wort kommen zu lassen. So hegt auch in der Richtung der V. St. als Ganzes auf den Stülen Ocean etwas Einigendes, das dem Aus- einanderfaUen der westhchen und östhchen Staaten widerspricht. Dafs auch tiefere Gründe für die ausgreifende paciüsche Pohtik der V. St. vorhanden sind, haben vor o. S. 20 zu zeigen versucht, wo auch ihre Stellung als pacifische Kulturmacht besprochen ist. Vergessen wh- nie, dals, verghchen mit Europa, das Eigentümhchste der V. St. eben ihre pacifische Seite ist, auf der sie mit voUem Recht eine grofse pacifische Zukunft sich öifnen sehen. Die V. St. haben keine eigenthchen Kolonien, ilire Auswanderungs- kolonien sind ihre Staaten und Territorien des Westens und Nordens. Nur seit der Erwerbung Alaskas kann man von etwas sprechen, das einer Kolonie ähnhch ist. Der grofse pohtische Vorzug, eine geschlossene Macht zu sein, -wird mit Recht gegenüber den Bestrebungen auf terri- toriale Ausbreitung geltend gemacht und tritt besonders überzeugend im Vergleich mit England hervor. Die di"ei stärksten Fäden der Politik der V. St. laufen in England zusammen. Das Handelsübergewicht, das britische Nordamerika, die britischen Kolonien im Atlantischen und Stülen Ocean machen England zu einer Macht, die in pohtischer Bedeutung für die Union alle anderen weit überragt. Dazu kommt die Stammverwandtschaft der herrschenden Mehrzalil, und die geschicht- hchen Beziehungen, die bald anziehend, bald abstofsend, bald zum Wettbewerb anspornend ^\äl•ksam sind. Das Gefühl der angelsächsischen Sohdarität hat nur in der Theorie politische Gestalt gewonnen, in Wirkhchkeit waren die Gegensätze zwischen England und den V. St. bis jetzt zu scharf. Das Dilke'sche Wort: England wü'd durch Amerika zur Welt sprechen, bezieht sich, nüchtern betrachtet, nm- auf die Form. Amerika wird vielmehr amerikanische Ideen und Wünsche in der Sprache Englands aussprechen. Vgl. auch das o. S. 236 über die angelsächsische 604 Die V. 8t. und England. Verwandtschaft Gesagte. Grolsbritannieu tritt als amerikanische Ko- lonialmacht am nächsten an die V. St. heran, sowohl ränmhch als den Interessen nach. An Britisch Nordamerika grenzen die V. St. auf zwei Dritteln ihrer Landgrenze. Über Verkehr und Handel zwischen beiden Ländern s. o. S. 39 f. und 578. Dasselbe Britisch Nordamerika steht aber den V. St. poHtisch selbständiger gegenüber als irgend eine andere Macht Amerikas. Das wird diesseits der Grenze auch anerkannt, wo man die seit der Kündigung des Kanada günstigen Handels- vertrages von 1866 und der Büdung der Dominion (1867) nur immer Avachsende Selbständigkeit der Dominion anerkennt. Dafs sie auf dem panamerikanischen Kongrefs nicht vertreten war, dokumentiert diese Selbständigkeit. Li den V. St. gibt es Leute, die diese Sonderentwickelung nicht so weit gehen lassen wollen, bis sie unterstützt durch den grofsen Einflufs der französischen und katholischen Bevölkerung in Quebec und Manitoba, durch die müdere Lidianerpolitik, die Begünstigung des kanadischen Verkehres durch Grofsbritannien (s. o. S. 586) u. a. eine dritte Nationalität auf nordamerikanischem Boden erzeugt hat. Dem Einflufs dieser Pohtiker auf manche Kreise der Dominion ist der Mar- quis of Lome als Statthalter in der Presse der V. St. persönHch entgegen- getreten, der in Artikeln der North American Review die Gründe auf- gezählt hat, welche die V. St. abhalten müfsten, sich nach Norden aus- zudehnen'). Auch er kann sich indessen derThatsache nicht verschhefsen, dafs wenn der Wunsch nach Expansion eintritt, er sich eher nach Nor- den, wo Stammverwandte wohnen, als nach Süden, wo die mexikanische Mischlingsbevölkerung lücht anziehend wii'kt, äufsern wird. Für diesen Glauben gibt es auch klimatische Gründe, die wir S. 149 angedeutet haben. Endüch wh'd nicht zu vergessen sein, dafs eine Zeit kommen wüxl, in der sich die Bevölkerung der V. St. über die Grenze der langsam sich besiedelnden Nordwestgebiete ergiefsen könnte. Die Streitigkeiten über die Fischerei an der Küste von Neufundland und Umgebung und über den Robbenschlag im Beringsmeer lenken die Blicke vieler immer wieder nach Norden und lassen das Problem der Beziehungen zwischen den beiden gröfsten politischen Kcirpern Nord- amerikas nicht zur Ruhe kommen. Mexiko hält sich zwar scheu vor zu naher politischer Berührung mit den V. St. zurück (s. o. S. 36), kann aber die Entwickelung des wütschaftlichen Übergewichtes nicht verhüten, das zunächst in die Nordprovinzen Sunora, und Ohiliiiahua, dann neuerdings auch Durango 1) In kanadischen Kreisen liat, iiinii also der Expansionsbewegung doch mehr Wert beigelegt, als man nach Bryces Wh zur Oberfljl(;lilic,hkeit opti- mistiHcher iJaristellnngcin im dritten Bande des American Commonwealth (1888) p. 2,')5 f. meinen sollte. Die V. St. und die amerikanischen Staaten. 605 eine starke nordamerikanische Einwanderung hervorgerufen hat, die natürlich das Schicksal von Texas ins Gedächtnis ruft. Wirtschafthch hängt es bereits enger als Britisch Nordamerika mit den V. St. zu- sammen (s. o. S. 39 und 578). Über die Beziehungen zu den mittel- und südamerikanischen Staaten haben wü* in den Kap. I u. XXTT »Lage« und »Handel« zu sprechen gehabt. Die Vollendung des mittel- amerLkanischen Meereskanals wkd sie tief umgestalten. Er wird das Land bis 12" n. Br. in die Machtsphäre der V. St. ziehen und das natürüche Übergewicht der in ihi-em Besitz befindlichen Golfküste unberechenbar verstärken. Die Interkontinentale Eisenbahn wird im Vergleich damit pohtisch bedeutunglos sein. Den Bestrebungen auf Ausdehnung des Verkehres mit den mittel- und südamerikanischen Ländern wüd er ganz andere Dienste leisten als die Pohtik der Re- ciprocitätsverträge. Hier ist auch am ehesten eine territoriale Erweiterung zu erwai'ten. Zu den »bonded« Guanokhppen Navassa und Swan vor der Westspitze von Hayti sollte schon vor 44 Jahren die Insel Tigre an der Küste von Honduras kommen, die wieder aufgegeben ward. Die immer wieder empfohlene, auch 1891, Erwerbung von S. Thomas könnte sich dann verwu'kHchen'), die Verhandlungen mit San Domingo wegen der Samana-Bucht und mit Hayti und wegen Mole St. Nicholas könnten wieder aufgenommen werden. Der wirtschaftlich merkwürdigen Stellung Cubas zu den V. St. (s. o. S. 17), die vor 100 Jahren schon einmal in Jamaica da wai', das damals für sie kommerziell wichtiger war als ganz Britisch Nordamerika, ist eine pohtische Entwickelung vor- behalten, die auch auf Mexiko und Mittelamerika Einflufs haben wird. Die Entwickelung der Beziehungen zu Mittel- und Südamerika ruht so breit auf wü-tschafthchen Grundlagen, dafs man nur an ün:e Fortentwickelung denken kann. Aber doch sind ihnen zu enge Schranken gezogen, als dafs der panamerikanische Gedanke auf dem natürhchen Nährboden grofser politischer Pläne, dem wirtschafthchen, so rasch gedeihen könnte, wie manche Pohtiker 1891 glaubten. Die süd- und mittelamerikanischen Staaten finden nicht emmal für ihre Erzeugnisse den Markt der V. St. grofs genug. Brasüicn vermag z. B. trotz seines Reciprozitätsvertrags semen Zucker neben dem cubanischen nicht abzu- setzen. Selbst Mexiko wird nicht immer den Überiiufs seines Silbers dort anbringen können. Die handelspoHtische Lage, der pacifischen Staaten von Südamerika (S. 579) whd vollends erst durch den Inter- oceanischen Kanal zu Gunsten der V. St. geändert werden. Bis dahin wird der europäische Handel dort vorherrschen. Es ist bezeichnend, 1) Die Erwerbung von S. Thomas galt 1868 für so sicher, dafs E. Behm sie damals samt S. John bereits dem Areal der V. St. zuzählte (Geogr. Jahi'- bücher n. Jahrg. S. 74). QQQ Die V. St. und die pacifischen Mächte. dals aiif dem panamerikanischen Kongrefs Chile jede pohtische Diskus- sion ablehnte und hoffte mit Argentinien und Brasilien vereinigt aufzu- treten; Argentinien lehnte aber ab. Diese Gruppierung, zu der noch Peru und die kleineren südäquatorialen Staaten zu fügen wären, wii'd in der südamerikanischen Politik der V. St. noch öfter wiederkehren. Auch in den Beziehungen zu Hawaii und den ostasiati-' sehen Staaten spielen die wirtschaftlichen Absichten und Rück- sichten die gröfste Rolle'). Hawaii ist wü-tschaftlich geradezu abhängig von den V. St. und ist offiziell schon 1880 als ein GHed des »ameri- kanischen Systems« bezeichnet worden. Hawaii gegenüber hielt die Regierung der V. St. mit Bewufstsein an dem System der pohtischen Unabhängigkeit bei enger wirtschaftücher Verbindung fest, schlofs aber zugleich mit grofser Bestinmitheit die Möghchkeit des Überganges so wichtiger Punkte in anderen Besitz aus. Über Japans Stellung s. o. S. 91 u. 578. In den Beziehungen zu China bildet natürhch die Behand- lung der chinesischen Einwanderung einen dunkeln Punkt (S. 182 u. 295). General U. S. Grant suchte auf seiner Weltreise die Chinesen zu überzeugen, dafs Amerika (d. h. die V. St.), »euer nächster Nachbar«, tiefer beeinfiufst sei durch die Bevölkerungen des Ostens als andere Mächte und nie gleichgiltig gegen das sein könne, was dort vorgeht. Die Nachbarschaft Rufslands ist nun zwar in jedem Sinne näher, aber als pacifische Macht haben die V. St. allerdings sowohl mit China als Japan mehi- Interessen gemein als irgend eine der atlantischen Mächte Em-opas. Man muls uns nur nicht glauben machen woUen, dieser Ge- meinschaft könne nichts als Freundschaft entquellen. Bereits wider- sprechen die Thatsachen einer jungen Geschichte dieser Annahme. Zu der cliinesischen Einwanderung kam die Haltung Amerikas in einigen ■ Fragen, die China nahe berührten, besonders der koreanischen, in der die V. St. den Anspruch Chinas auf die Zugehörigkeit Koreas zum chinesischen Reiche zu Gunsten des abenteuerhchen Versuches einer halbselbständigen, von Amerika beeinflufsten Regierung verkannten. Es ist interessant zu sehen, wie das kontinentale Europa, als ein Ganzes von nicht imponierender Gröfse, dem amerikanischen Geiste erscheint, am deutlichsten natürhch auf dem wirtschaftlichen Gebiete. Grofsbritannien auf der einen und Rufsland auf der anderen Seite sind ihm die atlantischen und pacilischcn Mächte, mit denen 1) »Zeigen wir China, daln wir westhch von den Sandwich-Inseln kein politischcH Interesse irn Stillen Ocean haben, dals seine Unabhängigkeit wesentlich für unsere wirtschai'tliche Stärke im Stillen ücean ; wir haben nur die Monroe Doctrin tiir as far north as Branton« 4 Bushel Weizen jährlich, darüber hinaus je nach der Entfernung steigend, so dafs er in Jericho 8 Bushel be- trug. (F.Hudson, Journalism in America 1873. 431.) In Missouri verfügten anfangs der dreifsiger Jahre Kicliter die Zahlung von Geldstrafen in Bären- fett oder Honig, die beide ganz bestimmten Wert hatten. Feather- stonehaugh gibt folgende Zusammenstellung der JMünze, die ein Ansiedler in Missouri 1834 als 50 D. für ein Pferd zahlte: »Um Weihnachten hat er 15 Gall. Bärenfett ä 1 D. und 12 Rehfelle zu 75 Cts. abzuliefern ; vorher mufs er mit einem Neger nach einem Orte gehen , wo im Frühling junge Pferde zur Weide getrieben wurden, die nun aufgesucht und heimgebracht werden Hollei), und erbält dafür 1 1). den Tag. Was den Rest betrifft, >he is to get along witb it somehow or other« (a. a. O. I. 339). Mafse und Gewichte. 609 wiu'de 1792 als Münzeinheit erklärt und in 100 Cents geteilt ; der Eagle (Adler) zu 10 D. wurde als Einheit des Goldgeldes aufgestellt. Nach dem Vorgange Englands wurde als Wertverhältnis von Gold zu Süber 15 zu 1 angenommen. Kleine Scheidemünze zu 1 und 2 Cts. war früher Kupfer, seit 1857 verfertigte man sie aus einer Kupfer- und Nickellegierung, 1864 setzte man Brunze- und 1865 Nickelmünzen zu 3 Cts. in Umlauf. Während des Bürgerkrieges wm'den Massen von Papiergeld geschaffen, deren Einlösung in Gold nach harten Kämpfen am 1. Januar 1879 dm'chgeführt ward. Fast gleichzeitig wurde aber durch die Bland-Bill die Prägung von Silbergeld in grofsen jähi'üchen Beträgen verfügt und zur Doppelwährung übergegangen. Der Bericht des Schatzsekretärs für 1890 weist 680 Mill. Doli. Geld in Gold, 344 Mill. in Süber, 347 Mill. in Schatzanw^eisungen, 211 Mül. in Banknoten und 77 JNIill. m Scheidemünze nach. Die Ordnung der Mafse und Gewichte ist ebenfalls dem Schatzamte zugemesen. Die Verfassung ermächtigte den Kongreis »to fix the Standard of Weights and Measures«, mid Washington betonte in seinen Botschaften an che zwei ersten Kongresse die Wichtigkeit der Vereinheithchung der Mafse, Gewichte und JMünzen. Da aber die Versuche, sich dem neuen französischen System anzuschUefsen, keinen Beifall fanden, hielt man an den von den kolonialen Zeiten her üb- hchen enghschen Mafsen und Gewichten fest. Seit 1828 wurden die Gewichte in den Münzstätten nach einem »Standard Troy Pound« bestimmt, das man aus England bezogen hatte. Zugleich wurde als Längenmals auf -einer 82 Zoll langen Troughton Scale der Raum zwi- schen dem 27. und 63. ZoU als Yard festgesetzt. Der Vergleich mit dem enghschen UrmaXs ergab, dafs jenes bei 62" F. um 0,00083 Z. zu lang war. Als Hohhnafs blieben die enghsche Weingallone von 231 KubikzoU und der Wmchester Bushel von 2150,4 Kubikzoll stets in Gebrauch. Avohdupoids- Gewicht ist das allgemeine Gemcht. 1 Pfd. = 16 Ounces zu 16 Drachmes. 2000 Pfd. = 20 Hundi-edweight ^ 1 Ton'). Für Gold, Süber und Edelsteine gilt Troy-Gewicht : 1 Pfd. = 12 Ounces. — Die Gallon ist die Einheit des Flüssigkeitsmafses. 1 Gall. = 4 Quarts 1) Es begreift die Ton noch wie in England 2240 Pfd. und der Centner 1 12 Pfd. überall bei Angabe von Warenpreisen und auch allgemein an vielen Plätzen des Südens und Westens, Philadelphia u. s. f. Eine Ton Heu = 100 Kubikfufs, 1 T. Holz = 40 Kubikfufs, 1 Register Ton = 100 Kubikfufs. Aber in der Regel versteht man unter Ton 2000 Pfd. Sehr wechselnde Mafse sind Bale für Baumwolle (333 bis 504 Pfd.) , Barrel als Hohlmafs für :Mehl 196 Pfd., Reis 600 Pfd., Petroleum 40 Gall. , andere Flüssigkeiten 30 Gall. Quintal (span. Centner) = 101,4 engl. Pfd. Die Verhältnisse dieser Einheiten zu den unserigen siehe am Schlufs des Vorwortes dieses Buches. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 39 610 Mafse und Gewichte. Das Kriegsamt. = 8 Pints = 32 Gills. 1 Hogshead (Oxhoft) = 286,2 Lit. — Für trockene Gegenstände ist die Einheit des Hohlmalses der Bushel. 1 Bushel = 4 Pecks = 32 Quarts = 64 Pints. Der Rauminhalt des Bushel ist 2150,4 Kubikzoll. — Das Längenmafs ist praktisch dasselbe wie das enghsche: 1 Statute Mile = 8 Furlongs = 1760 Yards = 5280 Feet. 6 Feet sind 1 Fathom, 5';2 Yards 1 Pole oder Rod. Aber durch einen Zufall ist das amerikanische Normalmals. das in London angefertigt wurde, sehr unbedeutend länger als das enghsche, dem es gleichen soUte. Der Unterschied ist praktisch unmerkhch, aber als Eigentümhchkeit des amerikanischen Fulses anerkannt. — Einheit des Flächenmafses ist der Acre. 640 Acres = 1 Square Mile oder 1 Section. 1866 erklärte der Kongrefs die Verwendung der Mafse und Ge- wichte nach metrischem System für gesetzlich zulässig und ermächtigte den Schatzseki'etäi', den einzelnen Staaten Urmafse und -gewichte zu hefern. Bei den bekannten Unterschieden, die aber damals verschie- dene metrische Urmafse aufwiesen, hatten sich die V. St. den Beschlüssen der Pariser Mafs- und Gewichtskonferenzen von 1872 und 1889 an- zuschhefsen, dafs die damahgen »Metres und Kilogrammes des Ai'chives« als Urmafse anzusehen seien. 1889 wurden deren Nachbildungen nach Washington übertragen, wo sie in den Räumen des U. S. Coast and Geodetic Survey aufbewahrt werden, der nun auch mit den Funktionen eines Obersten Aichamts betraut ist'). Über die Arbeiten des Coast Surve}^ s. u. Kap. XXV. Merk- würdigerweise fäUt auch die Verwaltung des Territoriums Alaska dem Schatzamte zu. Das Kriegsamt hat an seiner Spitze den »Secretary of War«, der in der Regel kein Mihtär ist. Der kommandierende General hat seinen Sitz in S. L(juis. Von den Hauptstellen dieses Amtes sind von allge- meiner Bedeutung: ürdnance Biu'cau : Waffen und Munition; Engineers Office : Landesverteidigung, Fiufsverbesserungen, Mihtär-Akademie West Pomt; Surgeon Generals Office: Militär-Medizinalwesen. — Das Land ist in H Departments geteilt, die die Namen militärisch wichtiger Gebiete tragen: Arizona (Kommandantur Los Angeles); Kalifornien (San Francisco); Ct)hunbia (Vancouver Barracks); Dakota (St. Paul); Platte (Omaha); Texas (San Antonio); Missouri (Chicago); Osten (Go- vernors Island). Die Armee, die heute aus 25 Regimentern Infanterie, 10 Regi- mentci'n Reiterei, 5 Regimentern Artillerie und einem Ingenieur-Bataillon 1) Vgl. O. M. Tittiiiaiis llistorical Account of U, S. Standards of VV^eij^litH aiid Moasiiros, Custoiiiary and Metrie, in Report U. S. Coast and Geu.Ictic ,Sinv(!y 1'. IHliO (Washington 1892). Die Armee. 611 besteht, ist aus den 800 Mann hervorgegangen, die 1783 als Kern eines stehenden Heeres beibehalten worden waren. Sie zählte 1892 25000 Mann mit 2159 Offizieren. Bei der Notwendigkeit, beständig kleinere Abteilungen auch in den Küstenbefestigungen am Atlantischen Meere und dem Golfe, sowie in den Arsenalen, Kommandostellen u. dgl. des Inneren zu haben, genügt die jetzige Zahl nicht einmal zu einer whk- samen Grenzbewachung und jeder Indianerkrieg hefert immer wieder den Beweis, dals übermäfsig lange Zeit vergeht, bis man so viel Truppen beisammen hat als nötig ist, um emen kräftigen Schlag zu führen. Man rechnet auf die Heruntergekommenheit der Indianer und auf ihr allmähhches Zurückgehen an Zahl und räumhcher Ausbreitung und läfst sich durch kleine Striche durch diese Rechnung, die em Modoc- oder Sioux-Kiieg bringt, nicht irre machen. Wie schwer auch die Armee diese Stellung empfinden mag, die ihr die herkömmhche Eifer- sucht eines republikanischen Volkes bereitet, und wie laut die Klagen so verdienter Männer wie Sherman's, auf die man in anderen Fragen mit der gespanntesten Aufmerksamkeit hören würde, auch seien, die Pohtiker und die Presse sind dem Gedanken einer erhebhchen Ver- mehrung des stehenden Heeres erst von dem AugenbUcke an näher- getreten, wo blutige Strike-Aufstände die Unfähigkeit der Mihzen zur raschen Bewältigung eines Angriffes oder Aufstandes klar erkennen liefsen. Ein Bericht über die 1882 endigenden drei Jahre gab für die Armee unter einer Gesamtzahl von 71015 47 028 Amerikaner, 7927 Deutsche und 7991 Irländer. Zwei Regimenter bestehen aus Negern vind mehrere Regimenter haben Indianer-Kompagnien bzw. -Batterien. Dieses stehende Heer ergänzt sich durch Werbung, was bei den gesell- schaftlichen und wii-tschaftliclien Verhältnissen der Union besagen will, dafs es eine Mehrzahl von Taugenichtsen aufnimmt, von denen 10 bis 15 7o jährlich desertieren. Der Soldat vom Offizier abwärts nimmt eine wenig geachtete Stellung ein und selbst auf die Offiziere, die grofsenteils guten Famihen entstammen und eine vorzügliche Bildung erhalten, fällt ein leiser Schatten dieser repubhkanischen Mifsachtung des Waffenhandwerks. Man betrachtet das stehende Heer als eine unangenehme Notwendigkeit, und hat es in der That mit der Zeit fast zu mchts anderem als einer Indianerpolizei herabgedrückt. Und doch ist das Kriegsamt der V. St. zugleich eine Ai-t ^linisterium der öffentüchen .\i-beiten. Hören wir General W. T. Sherman, der in einem Berichte vom September 1876 an den Secretar}' of War J. D. Cameron folgendes Büd von der Thätigkeit der Armee im Frieden entwirft: »Keine Armee verrichtet mehr wirklich harte Ai'beit im Krieg wie die unsere im Frieden. Sie errichtet Forts und Wacht- häuser entlang unseren beständig wechselnden Grenzen, baut Strafsen von Hunderten und Tausenden von Meilen Länge, hat Transporte und 39* 6X2 I^i^ Armee. Signal Service. Erforschungs-Expeditioneii zu begleiten, die ihren Abteilungen Märsche von Tausenden von Meilen auferlegen. Dazu kommen noch besondere Gründe, von denen ich die folgenden nennen ^vill : Die Kriegsakademie zieht jederzeit 30 Offiziere aus den Regimentern; das Gesetz ermäch- tigt die Universitäten zu ebensoviel ; das Rekrutierungsgeschäft erfordert 40; daneben gibt es Kriegsgerichte, Erft)rschungs- und Vennessungs- Kommissionen, Kommissionen zur Prüfung neuer Waffen und Aus- rüstungsgegenstände, Centennial-Boards ') u. s. f. Gegenwärtig sind 335 Offiziere auf diese Weise fern von ihren Abteilungen und aulser- dem noch viel mehr, che Urlaub von iln-en Vorgesetzten erhalten haben. Diese Regimenter sind in der Regel kompagnienweise in die Forts und gröfseren Plätze des Westens und Südens gelegt und auf diese Ai't so zersphttert, dafs an Übungen in gröfseren taktischen Körpern nicht gedacht werden kann. Die Kompagnien eines Regimentes kommen oft jahrelang nicht zusammen«*). Die Reiterei besteht aus 8 weifsen und zwei schwarzen Regmientern. Ein Teil der Mannschaft der Artil- lerie ist als Infanterie ausgebildet. Die übrigen Kompagnien sind in den Forts an den Grenzen verteilt. Von dem Ingenieur-Bataillon von etwa 350 Mann und 100 Offizieren sind 4 Kompagnien bei New York stationiert, wo sie auXser ihren technischen Dienstzweigen besonders das Torpedowesen üben, während die 5. der Mihtärakademie von West Point zugeteilt ist. Von den Offizieren ist die Mehrzahl bei Hafen- und Flulsbauten, sowie bei Vermessungen beschäftigt, — Eine merk- würdige SpezialtrujDpe ist das Signalcorps, etwa 400 Mann stark, eine Art erweiterten Telegraphen-Bataillons, das im Bürgerkrieg behufs des Signaldienfetes gebildet wurde und auch heute noch in Fort Wipple bei Washington in diesem wie im Telegraphendienst geübt wh'd. Die grölste Zahl ist aber in den 147 meteorologischen Stationen des Landes verteilt, denen der Chef des Signalcorps als >; Chief of the Signal De- partment« vorgesetzt ist, dem zu seiner Hilfe 18 Offiziere von der Armee beigegeben werden. Gegenwärtig bekleidet der bekannte Polarforscher, General Greel}^, dieses Amt. Die zufällige Thatsache, dafs früher beim Mangel anderer zuverlässiger Beobachter die Offiziere, besonders bei den Grenzabteilungen die Witterungsbeobachtungen anstellten, bewirkte, dafs dieser hervorragend friedliche Beruf des Wetterljeobachters und des Wetterpropheten der Ai-mee überwiesen blieb. Erst 1890 teilte es der Kongrefs als »Weather Bureau« dem Ackerbauamt zu. Die 1) Anspielung auf die liiaiispruchnaluno der Armee durch das im Jahr 1876 gefeierte Fest des lUO jährigen Bestandes der Union. 2) Im Sommer 1877 war z. B. das 3. Infanterie-Regiment längs der ganz(!n Kansas Pacific E. B. in der Weise verteilt, dafs die ein/einen Abtei- lungen oft mehr als 50 km von einander entfernt waren. Ahnlicli stand das 1. Regiment in einem langen (jordon an der Nordgrenze. Die Armee. Das Marineamt. ßl3 Länge der Militär -Telegraphenlinien betrug Ende 1878 3200 engl. ]\I. Gröfsere taktische xlbteilungen, zu denen diese verschiedenen Truppen- gattungen zusammengefafst würden, gibt es bei ihrem zersplitternden Berufe und der aus demselben folgenden Verteilung nicht; doch sind sie in drei Territorial-Divisionen (Missouri, Atlantischer und Stüler Oceau) eingeordnet. Ihre Unterkunft findet die Armee der V. St. in 71 Forts und Küstenbefestigungen, 20 Barackenlagern und 6 Garni- sonen, Die Forts sind gröfsere oder kleinere Blockhäuser, fest genug gebaut, um etwaigen Angriffen der Indianer Ti'otz zu bieten. Von Mihtär - Bildungsanstalten sind die Military Academy in West Point, die Ingenieur-Schule in Willets Point und die Ai'tillerie- Schule in Mom-oe zu nennen. West Point ist eine höhere Bildungs- anstalt, in der auf allgemeine Ausbildung und auf Unterricht in den HiKswissenschaften der Kriegskunst das Hauptgewicht gelegt wh'd. »Der Kadett soll«, wie ein älterer Prüfungsbericht sich ausspricht, »so erzogen werden, dafs er Liebe und Geschmack gewinnt an allen freien Studien, und dafs ihn der Wunsch durchdringt, jeden Augenbhck der Mufse zu benützen für die Veredlung seines Geistes und die Verbrei- tung emer höheren Bildung.« Eine ganze Anzahl hervorragender Natm-forscher, Ingenieure u. dgl. ist aus dieser Schule hervorgegangen. Der Bericht des Kriegsamtes gibt 1892 98 000 Mann der organi- sierten IMiliz mit 8312 Offizieren und 7,7 MiU. Männer an, die als kriegsbrauchbar in den Listen geführt werden. Der Masse der Milizen, die sich lossagt vom stehenden Heere, fehlt mihtärischer Halt. Uniform und Bewaffnung sind ganz willkürlich, die Offiziere, die von der Mann- schaft gewählt werden, ohne gründUche Autorität. Bei Volksunruhen, wie den Eisenbahnstrikes von 1877 in Pittsburg und Baltimore, haben sich die Milizen mehrmals nicht zuverlässig gezeigt. Das Marineamt (Navy Department). An der Spitze dieses Amtes steht der »Secretary of the Navy«, der in der Regel kein Seemann ist. Die Hauptstellen sind ähnlich wie im Kiiegsamt verteilt. Bemerkens- wert ist jedoch das > Bureau of Navigation« , unter welchem das Astronomische Observatorium von Washington, das Hydi'ographische Bureau, die Naval Academy (in Annapolis Md.) stehen und welchem die Lieferung von Karten und Chronometern, die Herausgabe des »Nautical Ahnanac« u. ähnl. obUegt. — Die Kriegsflotte der V. St. ist seit dem Bürgerkrieg, wo sie eme so hervorragende, ehrenvolle RoUe spielte, auffallend vernachlässigt worden. Seit einigen Jahren beginnt sich das zu ändern. 1892 zählte sie 66 Fahrzeuge von 13 500 T.,, 805 Geschützen und 12000 Mann'). Die Schiffe verteilen sich auf die 1) Auch die Flotte leidet unter der Abneigung der Amerikaner gegen Kriegsdienst. Als vor einigen Jahren der »Trenton« bemannt wurde, waren 614 I^ip Einzelstaaten. Hauptstationen Atlantischer Ocean und Stiller Ocean. Für Küsten- befestigung werden seit lange grofse Aufwendungen gemacht. Für die Befestigung von Boston allein sind 1889 TV« Mill. D. be^^illigt worden. Die Einzelstaaten. Zu den 13 alten Staaten, die die Un- abhängigkeits-Erklärung unterzeichnet hatten (die 4 Neuengland- Staaten Massachusetts, New Hampshire, Connecticut, Rhode Island, die 4 Mittelstaaten New York, New Jersey, Pennsylvanien, Delaware und die 5 Südstaaten Maryland, Virginia, Nord- Carolina, Süd- Carolina, Georgia) sind bis heute 31 weitere in dieser Reihen- folge gekommen: Vermont 1791, Kentucky 1792, Tennessee 1796, Ohio 1802, Louisiana 1812, Indiana 1816, Mississippi 1817, Illinois 1818, Alabama 1819, Maine and Missouri 1820, Michigan 1837, Florida und Texas 1845," Arkansas und Iowa 184G, Wisconsin 1848, Californien 1850, Minnesota und Kansas 1858, Oregon 1859, West- Virginien 1863, Nevada 1864, Nebraska 18(>8, Cblorado 1877, Nord-Dakota 1889, Süd-Dakota 1889, Montana 1889, Washington 1889, Idaho 1890, Wyoming 1890. Dazu kommen als Territorien : Neu-Mexiko, Utah, Oklahoma, Arizona, ferner der District of Columbia und Alaska. Das Indianergebiet, aus dem das neue Territorium Oklahoma 1890 herausgeschnitten worden ist, unterscheidet sich von den andern durch den Mangel der sog. territorialen Organisation. Über die Flächenräume der Staaten S. 105, die Grenzen s. o. S. 51 f . , die Bevölkerungszahlen S. 301 f. Die Bevölkerungszahl der Staaten bestimmt die Gröfse der Repräsentation im Kongrefs und bei den Präsidentenwahlen, also überhaupt ihren unmittelbaren politischen Einfluls. Daher die politische Bedeutung der Volks- zählung, deren Leitung wie eine politische Handlung von der Gegenpartei angefochten wird ^). Die Selbständigkeit der Einzelstaaten wird von vielen Be- obachtern über der imposanten Gröfse der Union weniger beachtet als von 450 Leuten SSVo AincrikancM- und im Rost befanden sicli 27 verHchiedene Nationalitilten. 1) Auch dem Direktor des Censuswerkes von 1890 wurde wieder vor- geworfen, dafs er auf politische Gründe hin ernannt worden sei und in seinen Zahlen wollte man schwere Fohler ontdockon. \'or allem bolriodigt die Bevfilkerungszunahme um 7 Mill. nicht diejenigen, die auf mindestens 9,5 Mill. gerechnet hatten. Selbständigkeit der Einzelstaaten. ß|5 sie verdient. Aber sie fühlen sich als ganz eigentümliche Mächte und in den altern wohnt ein starkes Gefühl ihrer geschichtlichen Gröfse. Die Eifersucht, mit der die Einzelstaaten dem Bunde so wenig Rechte wie mögHch abtreten wollten, hat in manchen Richtungen den nor- malen Ausbau der Bundesverfassung gehindert'). Diese eigene Art von Partikularismus hatte anfängüch nur einen doktrinären Charakter. Man begreift übrigens seine Existenz, wenn man erwägt die Gering- fügigkeit des damaligen interkolonialen Verkehres, die dünnen Be- völkerungen und die weiten Entfernungen. »Ich betrachte es fast als ein Wunder«, schrieb Washington, »die Abgesandten von so vielen Ge- meinwesen, die verschieden sind durch Sitten, Lage und Vorurteilen, sich vereinigen zu sehen zum Zwecke der Gründung einer nationalen Regierung«'^). An der Streitfrage, ob die 13 Kolonien bereits als souveräne Staaten den Bund schlössen, so dafs ihnen das Recht bleibt, ihn wie einen anderen Vertrag zwischen souveränen Staaten wieder zu lösen, entzündeten sich grofse Zwiste innerhalb der Union. Als tiefe Unterschiede der Interessen sich ausbildeten, gewann diese Auffassung in den wii'tschaftlichen Gegensätzen zwischen Norden und Süden eine breite thatsächliche Grundlage. Je rascher die Bevölkerung im Norden wuchs, desto stärker wurde der Wunsch, von ihr politischen Gebrauch zu machen, und daher die den Gegensatz zum Süden verschärfende Nei- gung des Nordens zur nationalen im Gegensatz zur Staaten-Souveränetät, die der Süden verfocht, der zugleich, in die Defensive gedrängt, die wörtliche Auslegung der Verfassung streng vertrat. Der Süden vertrat die Sonderrechte, als er den Norden mit grofser Entschiedenheit sich in den Bundesgedanken vertiefen sah. Es ist kein Zweifel, dafs in den Nordamerikanern ein guter Teil von der individuahstischen und parti- kularistischen Anlage sich vorfindet, die aUen Germanen eigen ist. Massachusetts, der Puritanerstaat und Virginia, »The old Dominion« der Kavaliere, haben mehr als das, nämhch ein geschichtlich tief be- gründetes Nationalgefühl in ihren Bürgern entwickelt. Bis heute sind dies die Staaten von der ausgeprägtesten eigenartigsten Physiognomie. In abgeschwächter Form hat Ähnliches hervorgebracht in New York das seit Jahrzehnten herrschende Gefühl, der wirtschaftüch und poü- tisch führende Staat zu sein, in Süd-Carolina das auf die Spitze ge- triebene Sklavenbaronentum, in Kalifornien die räumliche Abgesondert- heit, die pacifischen Beziehungen, der Reichtum des Landes. Eine gewisse 1) Sparks, Works of Washington n. 243. 2) Einen Beweis, wie weit die Selbstständigkeitssucht der Staaten selbst im verletzUchsten Punkt, dem der materiellen Interessen, ging, gibt die eine Thatsache, dafs der Staat Pennsylvanien 1834 entgegen dem allgemeinen Ge- brauch das Gewicht einer Tonne auf 2000 statt 2240 Pfd. Avoirdupaids fest- setzte. (M. Chev. Lettres de l'Am. I. 133.) 616 Die Gruppen Hochschätzung des eigenen Staates findet man aber bei den Bürgern eines jeden einzelnen, sogar der minder begünstigten wie Floridas und Nebraskas, und es gehört zu den Lieblingsgesprächen nicht blofs der gemeinen Leute, die Vorzüge ihrer Staaten gegenseitig anzupreisen, wobei es ohne ungeheuere Übertreibungen nicht leiclit abgeht. Sie beruht indessen grofsenteils auf der Erwartung, dafs dieser gute, reiche Staat sich seinen Bürgern gegenüber recht freigebig an Gaben des Bodens, des Ackers u. s. w. erweisen werde. Thut er es nicht, so setzt der Bürger ohne Überwindung auf die Karte eines anderen. Leicht versteht man, dafs es ein wohlthuendes Gefühl ist, das sich sogar zu einer wärmeren Gemütssache auswachsen kann, sein Lebensgeschick mit dem eines so hoffnungsvollen und seinen Bewohnern gegenüber so freigebigen Landes wie z. B. Kalifornien zu verknüpfen. Hier kommt dazu die Eigenart der natürhchen Lage, des Khmas u. s. f. Wie wenig sonst natürliche Momente bei der Entwickelung derartiger Neigungen für »engere Vater- länder« ins Spiel gekommen, wurde früher hervorgehoben. Die Not- wendigkeit der Einheit steht aber diesen Gefühlen als eine gebieterische Forderung des Verstandes gegenüber. Die politischen Einrichtungen der Union sind so nur mit der Einzigkeit des Staates im heutigen Räume denkbar. Jede Losreilsung eines Theiles würde dm-ch Zollinien und Kriegsbudgets, die inneren Zustände umwälzen. Das Recht der Secession gilt seit 1865 als ganz ausgeschlossen. Am bekanntesten und öftesten angewandt ist die Unterscheidung zwischen Nord- und Südstaaten, die indessen seit der Aufhebung der Sklaverei, die den Hauptunterscheidungsgrund bildete, unsicher geworden ist. Mason and Dixons Line, einst zu friedlichen Zwecken, um langjährige Grenzstreitigkeiten beizulegen, von den gleich- namigen Geodäten 1763 zwischen Pennsylvanien und Maryland bestünmt, wurde der Ausdi'uck des feindseligen Aneinandergrenzens der freien und Sklavenstaaten. Man nahm später den Potomac im Osten, den Ohio, der viel schärfer sonderte, im Westen als eine schematische GrenzUnie z^vischen Süden und Norden. Erst s. von Maryland begann echt südliche Kultur. Von der tieferen Begründung der Unterschiede zwischen Nord und Süd im Klima ist oben gesprochen (Kap. V). Ihre geschichtliche Entwickelung darf darüber nicht übersehen werden. Die Nord- und Südstaaten haben sicli um Krystallisationskerne angesetzt, die 5 Breitegrade voneinander entfernt lagen. Port Royal, die Chesa- peake-Bay, die Kap Cod-Bucht: das waren 1620 die 8CX)M. voneinander entfernten Punkte, von denen die Kolonisation ausging. Selbstverständ- lich bildeten sich zwischen den Extremen Übergänge heraus und so finden wir im Süden heute wie einst extrem südliche und vermittelnde Staaten, deren J^jitwickelung in den verkehrsärmeren Gebieten, wo (jliiieliiii die Tlieorie der Selbständigkeit der Staaten als Wahrheit galt, der Einzelstaaten. 617 besonders günstige Bedingungen fand. Weit über den üblichen Partei- gegensatz hinaus reichten die Unterschiede der Auffassung der einzehien Südstaaten von ihrer SteUung zur Konföderation, sowohl vor dem Bürgerkrieg als der Gegensatz zwischen den ruhigeren Mittel- und den extremen südlicheren Staaten hervortrat, als auch während des Krieges. Dem raschen Fortschreiten Süd-Carohnas und seiner Genossen in der Secession standen Kentucky, Tennessee, Missouri, zuerst selbst Vii'ginien und Nord-CaroKna, erschrocken gegenüber; später suchten sie im Nor- den für ihre Sache zu werben. Maryland und Delaware standen ver- möge ihrer geographischen Lage auf der nördUchen Seite, auf die auch Kentucky bald übertrat. Auch West-Virginien stand stets den Ohio- staaten näher als der »Old Dominion«. Statt Südstaaten sagt man jetzt treffend oft Baumwollestaaten und versteht hierunter die Staaten von den Carolinas südwärts, also aulser diesen beiden Georgia, Alabama, Florida, Louisiana, Mississippi, Texas und Arkansas. Man fafst diesen dm-ch Mimatische Lage, Geschichte, einseitige und rückständige Wirt- schaft, starke Negerbevölkerung, schwachen Verkehr und niedriges Bildungsniveau ausgezeichneten Komplex auch als »Sohd South < zu- sammen. Die n. davon gelegenen früheren Sklavenstaaten kann man als die nördlichen Südstaaten oder Übergangsstaaten bezeichnen. Es sind: Maryland, Virginien, Nord - CaroHna, Kentucky, Tennessee. Ln Norden ist die Gruppierung der Neuengland-Staaten (Maine, New Hampshü-e, Vermont, INIassachusetts, Connecticut, Rhode Island) lange als die berechtigtste, auch aus natürhchen und wirtschafthchen Gründen sehr wohl zu rechtfertigende erschienen; war doch auch hier die Mimatische Lage und der Boden geeignet, verwandte Entwickelungen zu fördern. Nun haben aber die drei südlichen : Massachusetts, Connec- ticut und Rhode Island eine so ki-äftige industrielle Entwickelung mit starker Verdichtung der Bevölkerung und beträchtücher Einwanderung, besonders von Iren und französischen Kanadiern, hinter sich, dals sie immer verwandter werden den industrie- und verkehrsreichen Atlanti- schen Mittel Staaten New York, New Jersey, Pennsylvanien und Delaware. Die drei Nördlichen Neuengland-Staaten treten aber durch die dünne, teilweise sogar im Rückgang befindhche Bevölkerung auf armem, gebirgigem Boden, der teilweise noch Avaldreich ist, immer weiter von diesem Gebiete dichtester Bevölkerung der Neuen Welt zu- rück ; ilmen ähnlich ist noch der nördhchste Abschnitt von New York zwischen Champlain- und Ontariosee. Auch unter den Staaten, che man einst als die Mittleren Staaten des Inneren unterschied, den Staaten, die um die Seen, den Ohio und im Mississippi-Becken hegen : Ohio, Indiana, Michigan, Illinois, Missouri, Iowa, Wisconsin, j\Iinnesüta, Kansas, Nebraska, Nord- und Süd-Dakota, den eigenthchen Ackerbau- staaten, der Mais- und Weizenregion, hat die wii'tschaftliche Entwickelung 618 Gruppen der Einzelstaaten. begonnen, sondernd einzugreifen. Ohio mit seinen Kohlen-, Eisen- nnd Erdöllagern wird immer mehr Industriestaat und zeigt, wie auch In- diana, Illinois und das südliche Michigan, die Kennzeichen des höheren Alters in einer dichteren, langsamer wachsenden, städtereichen Be- völkerung. Diese vier Staaten zwischen den Alleghanies, dem Mississippi und Ohio können als der Alte Westen zusammengefafst werden, Wisconsin, Minnesota und Nord-Michigan, die holzreichen Staaten der grofsen Seeregion, mcigen den Alten Nordwesten bilden. Auch weiter im Westen betont sich immer stärker ein klimatischer Unterschied zwischen nördlichen und südhchen Gebieten. Der zum Golf hin gravitierende Südwesten umschhelst die westhchen Süd- staaten Texas und Arkansas, zu denen auch Oklahoma zu rechnen ist. Neu-Mexiko wird bei fortschreitender Entwickelung sich ebenfalls zu- gesehen. Im Norden hat aber die Nordpacifik-Bahn die Augen geöffnet für die aufserordentlichen Vorteile der Staaten an der Nordgrenze über alles, was s. von ihnen liegt bis Texas. Es wird sich darauf einst eine noch viel gröfsere Überlegenheit des Nordens über den Süden begrün- den als im Osten. Wir unterscheiden als die Nördlichen Steppen- staaten Iowa, Nebraska, Nord-Dakota von den Südlichen Steppen- staaten, die das westliche Missouri, Kansas, Süd -Dakota und das östhche Colorado umschliefsen. Entsprechend zerfaUen die Gebirgs- staaten in die Nördlichen: Montana, Ost-Oregon, Idaho, Wyoming, West-Colorado, und die Südlichen Utah, Nevada, das westliche Neu- mexiko und Arizona. Der l^^rzreichtum ist beiden Gruppen gemein, tue nördhche wird aber eine weite Verbreitung ackerbauender Be- völkerung erleben, während in der südlichen stets die Wüsten in weitester Ausdehnung fortbestehen werden, die Bevölkerung dünn sein wird, die Metalle die herrschenden Mächte sein werden. Für die Paci fischen Staaten bildet die Gemeinsamkeit des Angrenzens an das Grofse Meer ein so starkes Band, dafs die Unterschiede zwischen dem wohlbewässerten waldreichen Washington und dem wüstenhaften, oasenweise mit mittelmoerischem Klima ausgestatteten Süd-Kalirornien nicht dagegen aul'konunen werden. Nach der Zahl der Vertreter im Kongrefs, die zugleich ein all- gemeiner Ausdruck ihrer Bevölkerungszahl ist, ordnen sich (hese (iruppeji folgendermafsen : Mittlere Atlantische Staaten 70, Nördliche Südstaaten 56, Alter Westen 54, Südstaaten 49, Alter Nordwesten 25, Südliche Neuengland- Staaten 18, Südwesten 16, Nördliche Steppen- staaten 15, Nördliche Neuengland -Staaten 8, Pacifische Staaten 8, Südüche Steppenstaaten 8, Ncirdliche Gebirgsstaaten 15, Südliche ( Jebirgsstaaten 2. Die nördlichen Gruppen haben zusanunen 201, die südlichen i;jl , die li. vom Mississippi 280, die w. vom Missis- .sij)j)i 52. Geschichtliche Gruppen. 019 Bei so rascher Entwickelimg auf so weitem Räume wachsen schon in kurzer Zeit die Unterschiede zwischen fortgeschritteneren und nachschreitenden Gebieten ins Grofse und viele Merkmale der einen und der anderen führen auf Altersuntersphiede zurück, die natürlich Zeitunterschiede sind. In anderen Ländern sind die ethnischen Anlagen und die geschichtlichen Schicksale die Ursachen der Kulturunterschiede ; hier kommt die Zeit fast allein in Betracht. Zwischen alt und jung, reif und weniger reif stufen sich die Kulturunterschiede ab. Die Einteilung aller Staaten nach dem Alter führt zu natürlichen Gruppen, wie sich schon in der Bevölkerungsdichte ausprägt. Die ältesten Gruppen sind die Staaten des Nordostens : Maine, New Hampshire, Vermont, Massa- chusetts, Connecticut, Rhode Island, New York, Pennsylvania und New Jersey, die aus 162 065 engl. Q.-M. 17 400000 E., also auf 5,4 *^/o der Oberfläche 27 °/o der Bevölkerung aufweisen. Die zweite Gruppe bilden die alten Südstaaten : Delaware, Maryland, District of Columbia, Virginia, Nord-Carolina, Süd-Carolina, Georgia, die auf 189 735 engl. Q.-M. 7 703 704 E. , also auf 6,4 % der Oberfläche 12,3 °/o der Bevölkerung zählen. Gröfseren Dimensionen begegnen wir in der dritten Gruppe, die die Staaten des alten Westens umfafst : Ohio, Westvirginien, Indiana, Illinois, Michigan, Wisconsin, Minne- sota, Iowa, Missouri, die beiden Dakota, Nebraska, Kansas, die auf 758195 engL Q.-M. 23125 073 Einwohner, also auf 25 % des Bodens 37 % der Bevölkerung zählen. Den jungen Süden bildeten die erst im Lauf unseres Jahrhunderts erworbenen und besiedelten Staaten Florida, Kentucky, Tennessee, Alabama, Mississippi, Loui- siana, Arkansas, Texas, Oklahoma^), die auf 594 625 engl. Q.-M. 11302 481 Einwohner zählen; also auf 21 % des Areals 18% der Bevölkerung. Das pacifische Gebiet setzt sich aus den drei Staaten Californien, Oregon und Washington zusammen, die auf 317 420 engl. Q.-M. 1 871 387 Einwohner, also auf 11 "/o des Bodens 3 "/„ der Bevölkerung besitzen. Und endlich umschHefst die jüngst be- siedelten Staaten das Hochland des Westens, wo Colorado, Wyoming, 1) Oklahoma, das 1890 mit dem Tscherokie und Niemands-Land 38830 engl. Q.-M. mit 61834 Einwolmern zählte, liegt geographisch isoliert in dieser Gruppe. 620 Geschichtliche Gruppen. Montana, Idaho, Neu-Mexiko, Arizona, Utah, Nevada auf 858 130 engl. Q.-M. = 29% des Bodens 115(3 226 Emwohner = 1,8% der Gesamtbevölkerung beherbergen. Als Äquivalent der nach Jahren rechnenden Zeit sehen wir die nach Kiütmieistungen jeder Art rechnende Entwickelung sich politisch wirksam erweisen. Die 100 ersten Jahre der Geschichte der V. St. sind eine Geschichte der vmaufhaltsamen Verlegung des Schwerpunktes des Landes nach Norden durch stärkeres Wachstum der Bevölkerung, raschere Ausbreitung, Bereicherung diu-ch Handel und Gewerbe. Jef- ferson sah sie zu einer Zeit voraus (1784), in der Virginia noch die pohtische Leitung hatte. Was Niemand voraussehen konnte und auch heute noch nicht abmessen könnte, ist die hemmende Wii'kung der wachsenden MiUionen von Negern auf die Entwickelung des Südens. Sicherhch wäre ohne sie der Süden nicht so weit zurückgebheben. Man mufs fürchten, sie machen seine Schwäche zu einer dauernden Eigenschaft. Gleichzeitig mit dieser Verschiebung ging die äufserhch grofsartigere Verlegung nach Westen vor sich , die zwischen den Grofsen Seen und dem Ohio ein neues Machtzentrum geschaffen hat, dessen sichtbarer Ausdruck Chicago als zweitgröfste Stadt der Union ist. Sie bereitet das naturgemäfse Massenübergewicht des Inneren über das geschichtlich ältere Küstenland vor. In dieser grofsen Bewegung hat sich noch stärker als im Osten der alte Unterschied zwischen Nord und Süd ausgeprägt: der Südwesten ist weit hinter dem Nord- westen zurückgeblieben, und dieses klimatisch bedingte Übergewicht wird mit dem Vorrücken in die Steppe noch immer wachsen. Unter oceanischer Begünstigung werden die pacifischen und Golfstaaten sich über die nächstangrenzenden Binnenstaaten erheben und allem An- schein nach wird das nächste Jahrzehnt vor aUem ein stärkeres Hervor- treten der westhchen Golf- und nördlichen pacifischen Küste erleben. Im Vorgefühl kommender Gröfse hegt ganz Nordamerika, besonders für Kalifornien, eine warme, fast zärthche Neigung, sein Wachstum erweckt mehr Interesse als das Nebraskas oder Nevadas. Früher beherrschten die Interessen des Nordens auch den Westen, soweit er von den Nord- staaten aus besiedelt wurden war und der weltgeschichtliche Prozefs zwischen den Nord- unie Wahlen. Schaffung des beständigen Wechsels der Beamten, wenigstens für die Bundesämter dm-chführen möchte, dafs man eine solche Reform jetzt noch für ganz unmöglich hält. Der Scharfsinn, durch den die Nord- amerikaner auf industriellem Gebiete eines der erfindungsreichsten Völker geworden, zeigt sich auch bei den Wahlen in glänzenden Lei- stungen*). Eine Wahl zu machen ist für einen Politiker ebenso ein Geschäft, das aUe Fähigkeiten in Bewegung setzt, wie ein Brücken- oder Eisenbahnbau. Und der Pohtiker, in drei Viertel der Fälle Advokat oder Zeitimgsschreiber*), ist in seiner Art ebenso Fachmann wie der Ingenieur oder sonst ein Industrieller. Er macht Entwürfe, steUt Kostenanschläge auf, hält sich einen Stab von Gehüfen lioher und niedriger Gattung, beherrscht (controls) so und so viel Tages- blätter, zieht Weiber und Geisthche in sein Interesse, die zu den wichtigsten Triebfedern der amerikanischen Pohtik gehören, reist mi Lande umher und läfst reisen u. s. f. Dafs diesem seltsamen Hand- werk eine eigene Sprache nicht fehlt, versteht sich, und dieselbe ist nicht ohne Geist erfunden und hat einen pikanten Zug von Selbstii'onie. Besonders in den Jahren der Präsidentschaftscanipagne sind die Bande der Ordnung gelöst. Verwü-rung, natürliche und beabsichtigte, durch- zieht das Land. Selbst die auswärtige Politik fühlt die Erschütterung. Diese Politiker entfremden die Wahlen ihrem eigeutüchen Zwecke ; sie werden von ihnen nicht gemacht, um der Stimmung und Ansicht des Volkes Ausdruck zu geben, sondern um einer Partei zum Siege zu verhelfen. Daher die starke Strömung, womöghch alle Ämter des Bundes, der Staaten, der Gemeinden zu Wahlämtern zu machen, um die Parteiherrschaft möglichst weit auszudehnen, ferner so viele Er- wählungen als möglich mit einem einzigen Wahlakt dm'chzuführen, um die Parteikraft und die Mittel 'nicht in kleinen Aktionen zu ver- geuden, und endüch die Massen des Volkes ohne Unterschied schran- kenlos wahlberechtigt zu machen, um mit imposanten LIerden willen- losen Stimmviehs an der Urne auftreten zu können. Stimmenfälschung und Bestechung spielen eine grofse Rolle in diesen politischen Feld- zügen^). Es gehört ferner dazu der Gehorsam gegen den Leiter der 1) Die Wahlgeonietrie, eine alle 10 Jahre wiederkehrende Nothwendig- keit bei einer rasch zunehmenden lievölkerung, die nicht proportional ihrer Zahl vertreten ist, scheint eine anicrikanisclie Erfindung zu sein. Sic trägt den Namen >(3rerrymandering« nach Gerry, der sie im Parteiinteresse in MaHsachuHctts vorzüglicli zu handhaben wul'ste. 2) Im LIl. Kongrcf8 sind TOWo der Senatoren und 59*'/o der Kongrefs- männer Advokaten. 3) F. Kapp sagt z. B. von der Stimmenfälschung: »Die New Yorker demokratischen Politiker haben sie zu einem Industriezweige, zu einem zahlen- den ( »eschäfte ausgebildc^t, zum Itaiig einer Wissenscliul't erhoben; wie haben Die Präsidentenwahl. 631 Partei und die fast autokratische Stellung der Parteiführer, überhaupt die Partei disziplin , die bei den Wahlen unfehlbar wie ein Feldherr auf seine Truppen zählen will. — Am stärksten kommt das alles bei dem entscheidungsvollsten Wahlkampf zum Ausdruck, der Präsidenten- wahl, die für 4 Jahre über die Regierung des Landes entscheidet und bei welcher Tausende von Kampfpreisen, von den Botschafterposten bei den europäischen Höfen bis zu Post- und Zolltüenerstellen an die Sieger verteilt werden. Die handwerksmäfsigen PoHtiker haben es dahin gebracht, die ganze Zahl der Präsidentenwähler dm'ch das ganze Volk eines Staates vermittelst eines einzigen allgemeinen Stimm- zettels wählen zu lassen Dies erlaubt eine leichtere Beeinfiufsung der Massen, denen es grölseres Gewicht gibt und befähigt besonders ihre Sammelpunkte, die grofsen Städte, die Pohtik für den ganzen übrigen Staat zu machen. Eine Mehrheit von ein paar Hundert Stimmen dm'ch Fälschung der Stimmzettel zu erzeugen oder wegzuschaffen, er- scheint bei diesem System sehr veiiockend. Das ungesunde Über- gewicht weniger grofser Staaten wie New Yorks, Pennsylvanias, Ohios, Dlinois, mit ihren grofsen Städten in den Präsidentenwahlen, deren 20 bis 36 Stimmen fast ungeteilt auf Eme Seite fallen, ist ein Ausflufs dieser Wahlmethode. 1856 gab der Ausfall der Staatswahlen in Penn- sylvanien den Ausschlag für die Präsidentenwahl in der ganzen Union. Pennsylvanien wählte nach alter Sitte seine Staatsbeamten kurz vor dem Termin für die Präsidentenwahl, deren Ausgang man nach dem Ausfall dieser Wahl bemafs. »Die fast unzweifelhafte Gewilsheit, dafs Pennsylvaniens 28 Stimmen für Buchanan fallen würden, hatte eine solche Wirkung auf das hocherregte und allen Eindi'ücken offene Volk, auf die Befürchtungen der einen und die Hoffnungen der an- die politische Arithmetik in ihi-en Dienst genommen, um ihi'e Gegner un- schädlich zu machen, sie füttern ganze Banden verschmitzter und gewissen- loser Werkzeuge auf Tagelohn, um sich im Besitz der Herrschaft zu behaup- ten. Bei der Präsidentenwahl des Jahi-es 1868 wurde gerichtlich bewiesen, dafs auf dem Falschenstimmen-Markte von New York der Engros-Preis einer Stimme 2 D. und der Detail-Preis 2Vj bis 3 D. betrug«. Er sagt weiterhin, dafs bei der ebengenannten Wahl im Staate New York 50 000 falsche und in der Stadt New York S^/o mehr Stimmen abgegeben wurden als Wähler darin waren. Die Mittel zu diesen Betrügereien finden die Politiker in Fäl- schung der Wählerlisten, Stimmabgabe derselben Individuen an mehreren Wahlplätzen, ungesetzlicher Naturalisation von Leuten, die sich zu Stimmvieh eignen u. s. w. (Aus und über Amerika 1877 11. 27 f.) Im wilden Westen und Süden geht man noch nicht einmal so fein vor. Dort brechen berittene und bewaffnete Banden ein und besetzen die Wahllokale, um blofs ihre Freunde wählen zu lassen, ganze Wahlurnen mit ihrem Inhalt werden ent- wendet. Vgl. o. S. 284 das über die Stimmlosmachung der Neger Gesagte. 632 Die Wahlen und die deren Seite und auf die Unsicheren und Anlehnungsbedürftigen im ganzen Lande, dafs die Wahl in den anderen 30 Staaten im Kern der Sache aufgegeben Avurde«'). Auf diese Weise beschränkt sich die Entscheidung bei der Erwählung des Präsidenten, statt eine so weit und gleichmäfsig wie möglich über das Land verbreitete zu sein, auf eine Ideine Anzahl von ^littelpunkten. »Aus einer Aktiengesellschaft, in der jeder Aktienbesitzer eine Stimme hat, ist diese Wahl zu einer Lotterie geworden, wo einige grol'se Gewinne das ganze Geschäft bestimmen und absorbieren«. Bei den letzten Präsidentenwahlen wurde der Ausspruch gehört, die Entscheidung hege »in einem Kreis, dessen Radius 10 Meilen von dem Stadthaus von New York abstehe«"). Das ist eine der Wahrheit ziemlich nahe kommende journalistische Trope. Dafs mit einem solchen Mifsbrauche nicht aufgeräumt wird, dessen üble Folgen und praktische und logische Unberechtigtheit klar vor Augen liegen, wird damit erklärt, dafs die Fachpolitiker zu stark sind, als dafs eine solche Mafsregel gegen sie durchgesetzt werden könnte. Wie bei der Frage der Entwaffnung weigert sich Jeder, den Anfang zu machen. In dem Geiste selbst besonnener Politiker hat deshalb der Gedanke Raum gewonnen, das bisherige Wahlsystem überhaupt fallen zu lassen und an seine Stelle die dii-ekte Wahl des Präsidenten durch das Volk zu setzen ; mehrmals sind darauf Anträge im Kongrefs gestellt worden. In den Einzelstaaten hängt die Wahl in die Legislatur zunächst von der erfolgreichen Führung der Wahlversammlungen ab. Das Ziel der Politiker ist, jedes möghche Amt zu einem Wahlamt zu machen und dann die Ämter wieder zum Stimmenkauf zu benützen. Da die Politik als Handwerk getrieben wird, ist nur die kleine Zahl der mit ihr sich Befassenden für sie verantwortlich zu machen. Die Politiker sprechen nirgends weniger die sog. öffentUche Meinung aus. In dem ent- scheidenden Staat New York enthielten sich bei wichtigen Staatswahlen im November 1891 31 "/o der Abstimmung. Der Governor, der hemmend in den falschen Gang der Maschine eingreifen könnte, ist in vielen Staaten nur noch das Organ für die Ausführung der Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaften. Es hegt also die letzte Entscheidung bei diesen, die Bagehot charakterisiert als »gierig und habsüchtig, geneigt so viel zu erwerben wie möglich und so wenig zu geben wie 1) Richard 11. Dana a. a. 0. I. 5. 2) Diese Rolle der grofsen (Staaten wirkte ungünstifi auf sie selbst zu- nink, ihre eigenen Angelegenheiten werden vornat'hlässigt. l'^s wird geklagt, dafs in einem grofsen Staate wie Pennsylvanien seit 20 .Jahren die Fragen des Bundes, besonders die Zollfragen, die ganze Politik des Staates, sehr zu dessen Nachteil, ins S(!hlei)j)taii genonimeii hiltton. politische Korruption. ß33 möglich. Die Leidenschaften ihrer Glieder beherrschen sie ; die gesetz- geberische Macht, die umfassendste aller Herrschermächte, ist ihr Werk- zeug; sie eignet sich die Verwaltung an, wo immer sie es vermag')«. Mächtig greift die politische Korruption unter solchen Verhält- nissen um sich. Sie ist ihrem Wesen nach proteusartig und allgegen- wärtig. An sich schon verdirbt die Ämterjagd die Charaktere. Das Amt, das für km'ze Zeit verhehen wii'd, mufs ausgebeutet werden. Welche zerrüttende Unsicherheit ! Welche Verführung ziu* Anwendung schlechter Mittel !*) Dies ist eine Quelle der Korruption. In der Tiefe hängt innig mit ihr zusammen eine zweite deren Dasein nur mögüch ist unter der Voraussetzung, dafs die Beamten gerade so schlecht sind, wie sie unter dem S3'steme der Rotation der Ämter sein müssen. Es ist der Dieb- stahl und Betrug an Staats- und Gemeindegeldern. Es bilden sich zu diesem Zwecke grofse Verschwörungen, Ringe, die oft Tausende in ihr Interesse zu ziehen wissen. Der Whiskey-Krieg von 1875/76 zeigte die Macht solcher Ringe in ihrer ganzen Furchtbarkeit. Er brachte 1) Cit. bei G. Bradford, The Charter of the City of Boston 1876. 7. 2) Wir entnehmen dem deutsch-amerikanischen Volksblatt von Cin- cinnati (Juni 1879) folgende drastisch-wahre Schilderung der Schicksale eines Amterjägers : Wird er nicht erwählt, so ist all das schöne Geld hinausgeworfen und er kann von Glück sagen, wenn er sich nicht vollständig ruiniert hat. Selbst im besten Falle hat er oft lange an den Folgen der erlittenen Verluste zu leiden. Wird er erwählt, so beginnen die Verluste aufs Neue. Sein Ge- halt oder seine Gebühren entschädigen ihn nicht für die Kosten seiner Er- wählung. Dazu kommt, dafs er als Amtsinhaber nicht allein für Parteizwecke, sondern auch für alle möglichen wohlthätigen und gemeinnützigen Zwecke gebrandschatzt wird. Die Prominenz seiner Stellung richtet die Blicke aller Bettelexpeditionen auf ihn. Hat er während des Wahlkampfes Schulden ge- macht, so mufs er sie ebenfalls aus seinen Amtseinnahmen zu decken suchen. Und leben will er auch. Auch mufs er fortfahren ein »good feUow« zu sein, wenn er sich für die Zukunft nicht unmöglich machen will Denn wer ein- mal an dem Amterkelch genippt hat, der wird gewöhnlich im Leben nicht mehr satt davon. Das Schhmmste aber ist, dafs ihn das Amt unlustig und unfähig macht, zur regelrechten Arbeit zurückzukehren. Dies gilt hauptsäch- lich von den niedrigeren Ämtern. Wer einmal Constabler oder Polizist ge- wesen ist, der will sich nicht mehr an die Drehbank oder an die Maschine stellen. Da man aber unter unserem System nicht zeitlebens Constabler oder Poüzist bleiben kann, so beginnt die Not und das Elend nachträglich. Es ist sehr leicht, eine Beschäftigung aufzugeben, aber sehr schwer sie wieder zu bekommen. Und wenn man einmal eine Zeit lang politisch gelungert hat, fällt es schwer, wieder professionell zu arbeiten. Das kleine pohtische Beamtentum erzeugt und befördert Hang zum 3Iüfsiggang, und was aus dem Müfsiggang entsteht, ist bekannt. Wir sagen daher nicht zu \ie\ , wenn wir behaupten , dafs die Politik im GreiHpiül von llnterschleil' mit städtinchen (leldern 8. bei Kapp: »Aus und über Amerikac 1867. II. New Yorker Stadtverwal- tun« H. 3. Korruption. Die Armee Die Gerichte. 635 zu sein; andere Gemeinden haben dasselbe noch einfacher durch Ein- stellung aller Zahlungen gethan. Man glaubt sogar an eine seuchen- artige Ausbreitung dieses Lasters über die Grenzen. Die Korruption in der kanadischen Regierung ist nicht blols von Kanadiern dem Übeln Eintlufs der südhchen Schwesterrepublik zugeschrieben worden und besonders der Benutzung Kanadas als eines Zufluchtsortes pohtischer Diebe aus New York und anderen Städten. In unabhängigen Blättern wird mit unerhörter Schärfe gegen die Korruption gesprochen, scheinbar nicht ganz ohne Erfolg — mit Mühe smd durch die Gesetzgebungen einiger Staaten Corrupt Practices Büls nach enghschem Muster durch- gebracht worden — und man wül alle anderen Forderungen hinter denen der Ehrlichkeit zmaicktreten lassen. So traten die Demokraten von Pennsylvanien 1891 in den Wahlkampf mit dem Rufe »Du sollst nicht stehlen«, nachdem grofse Betrügereien aufgedeckt worden, denen die Stadt Philadelphia zum Opfer fiel. Aber es gibt viele, die an eine Besserung der Verhältnisse durch das Eingreifen der Gesetzgebungen nicht mehr glauben. Eigentümhch, dafs auch hier, wie in der Indianer- poütik, die Offiziere als die am wenigsten Belasteten erscheinen'). Die öffentlichen Kundgebungen der Offiziere sind oft sehr entschieden gegen die PoUtiker gerichtet gewesen, deren schändliches Treiben sie vor allem in den Indianerangelegenheiten besser als alle Anderen kennen (s. o. S. 227). Sie machen kein Hehl aus ihrer Abneigung gegen die demokratischen Bestrebungen. Sie wagen es, laut die Wolil- thaten des ICrieges gegenüber dem dumpfen internationalen Friedens- dusel zu preisen. Im Beginn des Bürgerkrieges neigten sie in der Mehrzahl zum Süden liin. Trotzdem war die Armee nach dem Frie- den populärer als je und als Grant nahezu zum dritten Mal Präsident geworden wäre, hörte man die Befürchtung aussprechen, dafs der Cäsarismus nahegekommen sei. Es könnten Verhältnisse eintreten, die die Armee oder die Flotte wieder in den Vordergrund treten Hefsen. Bis in die Gerichtsstuben erstreckt sich die Fäulnis. Klagen über tUe schlechte Rechtspflege, meistens unter Überschriften wie »Macht des Geldes« oder ähnlichen, gehören zu den stehenden Artikeln der Zeitungen, Selbst der höchste Gerichtshof ist nicht frei geblieben von Verdacht. Wenn die Presse ü-gendwo von Übertreibung frei erachtet werden kann, ist es hier, wo es sich um tieferhegende Mängel handelt, die nicht blofs von den pohtischen Parteien abhängen. Auch der bos- hafteste Reporter meldet nm- mit Widerwillen Scenen, wie die, wo der Richter unter Thränen (und der Staatsanwalt weint mit) es für »die 1) Es gibt Zeiten, wo es scheint, als sei selbstloser und treuer Dienst des Staates durch Ehrenmänner, deren nicht Geld das Höchste ist, nur noch in den Reihen der Armee und der Flotte zu finden. (The Nation 24. Dez. 1891.) 636 Flagge und "Wappen. schwerste Pflicht semes Lebens« erklärt, einen frönnnelnden Fälscher wie Gilman (Januar 1878 New York) ins Zuchthaus schicken zu müssen. Es gibt kaum eine Strafe, die nicht durch Bestechung der Beamten und Ävzte der Gefängnisse umgangen werden könnte. So gab es nach der Verurteilung des poHtischen Schwindlers Tweed kaum einen urteils- fälligen Mann in New York, der an die Durchführung der Strafe geglaubt hätte. Nichts illustriert so ki-afs die Vernichtung der bürger- Uchen Gleichheit durch die Macht des Geldes wie die Ungleichheit des Loses reicher und armer Spitzbuben. Flagge und Wappen. Die Flagge ist für alle Zwecke das Sternen- banner (The Stars luul Stri|)es), das aus sieben regten und sechs weilsen abwechselnden Streifen besteht, in deren oberer Ecke ein blaues Viereck so viel Sterne enthält, als die Union Staaten zählt. Das Wappen ist ein brauner Adler (s. o. S. 164) mit einem Bündel Blitze in der einen, einen Ölzweig in der anderen Klaue. Auf der Brust trägt er ein zwei- geteiltes Schild, dessen oberes Feld blau und dessen unteres silbern und von sechs senki-echten Balken durchzogen ist. Im Schnabel hält er ein Band mit der Inschrift »E Pluribus unum« und 13 Sterne um- geben ihn. XXIV. Die Kirche. Religiöse Anlagen 637. Kirche und Staat 638. Eigentümlichkeiten des reli- giösen Lebens in den V. St. 639. Wohlthätigkeit 640. Temperenz 643. Sta- tistik der Religionsgesellschafton 644. Die Hochkirche 644. Die Kongregationa- listen 644. Die Presbyterianer 645. Die Methodisten 645. Die Baptisten 645. Die Lutheraner und Deutsch-Reformierten 646. Die Römisch-Katholischen 647. Die Juden und andere 648. Man hat gesagt, die Nordamerikaner besälsen ein Talent für Politik. Ihr Talent für Religion ist vielleicht noch gröfser. Der Nordamerikaner hat als angelsächsisches Erbteil diese Gabe mit- bekommen, die eng verknüpft ist mit Lebensernst, Pflichttreue und praktischem Sinn. Er hat neben seinem politischen Frei- heitssinn Achtung vor allem, dessen Hochachtung allgemein an- erkannt ist. Verstärkt wird dieses Gefühl durch die geschicht- lichen Überlieferungen aus der Zeit der flüchtigen Puritaner, Quäker, Deutsch-Reformierten, Katholiken u. a. , die die Keime einer grofsen Anzahl von Kolonien in Nordamerika gelegt haben. Ausgewandert, um sich ihre Religion zu erhalten, pflegten sie die Religion mit um so gröfserem Eifer auf diesem freien Boden. Es kommt hinzu der verinnerlichende Einflufs des arbeitsvollen und genufsarmen Kolonistenlebens in menschenarmer Umgebung. Das puritanisch Einfache, aber Innerliche pafst vorzüglich für solche Zustände und hat in der That weit über die Grenzen der presby-, terianischen Kirche hinaus auf andere Sekten gewirkt. Der grofse Einflufs der Frauen im amerikanischen Leben ist nicht zu ver- gessen. In so manchen Städtchen der Landbezirke wird die Kirche 638 Kirche und Staat. nicht mehr durch Familien und Männer, sondern durch eine Vereinigung gleichgesinnter Frauen erhalten. Aber ebensowenig ist zu vergessen der praktische Sinn, der die Notwendigkeit des religiösen Elementes im Leben ahnt und es vorzieht, den Ver- stand auf die lösbaren Fragen des Lebens statt auf die unlös- baren Zweifel des Sinnens zu richten. Es würde wunderbar sein, wenn die Bevölkerung der V. St. verschont geblieben wäre von der Aufklärung und Zweifelsucht unserer Tage. Sicherlich dringen sie mit zunehmender Bildung immer mehr ein, aber noch immer ist in der Mehrheit des Volkes und bis hoch hinauf ein starkes, religiöses Leben ^). Es mag vielfach äufserlich sein , die Haupt- sache für uns ist, dafs es besteht. Die grofse Zahl von Sekten, von milden Stiftungen, von Kirclienbauten, das gewaltige Kirchen- vermögen, die Achtung vor den Dienern der Religion sind Beweis dafür. Nichtsdestoweniger ist die Trennung der Kirche vom Staat formell vollkommen. Sie ist ein Erzeugnis der letzten 100 Jahre. Die älteren Kolonien waren theokratisch angelegt. In den Ver- fassungen der Einzelstaaten erhielten sich die »Religious Tests«, Forderung einer bestimmten Kirchenzugehörigkeit für öffentliche Ämter, eine lange Reihe von Jahren. Die staatliche Unterstützung des öffentlichen Gottesdienstes wurde in Massachusetts erst 1833 aufgehoben. Nicht blofs der Grundsatz, dafs das Gesetz des Staates keine besondere Form von Religion zu schützen habe, sondern das umfassendere Prinzip herrscht, dafs Staat und Kirche 1) Rev. Dale sagt von den Neu-Engländern : Die gebildeten Christen, die ich traf, schienen weniger berührt von dem Konflikt zwischen Christen- glauben und moderner Spekulation als die meisten Leute von ähnlicher Bil- dung bei uns (in England). Es war in ihrer Frömmigkeit eine Einfachheit und Tiefe , die mich an unsere Überlieferungen von früheren Geschlechtern erinnerte. Auch schien es mir, als ob sich Männer von allen Kirchen vor- wiegend in einer gewissen konservativen Gesinnung der Betrachtung von Fragen der Lehre oder der Philosophie zuwandten. Sie waren vorsichtig und elirfiirchtsvoll . . . Die Luft war nicht ganz dieselbe wie zu Hause : sie war weniger scharf und atmete weniger Sturm. (Ninet. Cent. 1878. 11.) Ahnlich spricht sich Bryce aus in den zwei vortrefflichen, aber durchaus nicht er schöpfenden Kapiteln »Churches« und »Influence of Religiont im dritten Bande seines »American Commonwealth«. Ein vorzügliches, noch immer höchst IcseiiHWOrteH Buch üb«;r den Gegenstand, ist: Schaffs »Amerika, die politischen, Huciiiieii uiiMitteIalterliclie Architektur ist nicht wie früher eine Frage des Prinzips, sondern einfach eine Frage des Goldbeutc^ls«. (.1. L. Di man, Uoliginn in Amerika. North Am. Ueview 1S76. I. 45.J Politische und soziale Wirkungen. Der Sektengeist. 641 gungen gemacht. Auch die Missionsthätigkeit hat in den Sekten der V. St. neue Wege versucht , die allerdings weitab von dem Ziel der Heidenmission führen. Verschiedene Kirchen der Bap- tisten haben ihre Vertreter unter den Protestanten Europas, um Anhänger zu werben, einige der Methodistenkirchen unterhalten eine regelrechte Missionsthätigkeit unter den Katholiken Spaniens, Österreichs, der Bretagne u. s. f., unter den Griechisch-Katholi- schen des Orients. Das Go-ahead-Prinzip und der Geschäftsinn haben sich auch auf diesem Gebiete wirksam gezeigt. Grofse politische Agitationen, wie einst die gegen die Sklaverei, dann die für Temperenz, teilweise auch für Frauenrechte, wurden zu einem grofsen Teile von den Kirchen getragen. Die Sonntagsschulen für Kinder und Erwachsene sind ein wichtiger Zweig der kirchlichen Thätigkeit nach aufsen. Jünglings vereine spannen ihr Netz über das ganze Land. Die Kongregationen werden geradezu soziale Mittelpunkte und nehmen sogar Musik und Tanz in ihre Zu- sammenkünfte auf. Dazu kommt eine religiöse Presse, die 1878 über 900 Organe zählte und neben der politischen die erste Stel- lung in der Tageslitteratur einnimmt. Bemerkenswert ist die grofse Zahl der Sekten, die Leichtigkeit, mit der sie entstehen und unter günstigen Verhältnissen sich vergröfsern. Deutlich spricht sich hier eine gewisse Unruhe, ein Unbehagen in den alten Geleisen zu bleiben, die Lust zu experimentieren aus, zugleich aber auch die fanatische Energie , mit der das für wahr Erkannte ausgebreitet und vertreten wird, auch wenn es Unsinn oder Betrug wird. Man denke an die Geschichte der Mormonen seit 1830. Indessen mufs man hinzusetzen, dafs der Sektengeist vorzüglich eine Sache der unteren Klassen ist, während die höheren im Gegenteil einen konservativen Zug zeigen in der Innigkeit ihres Festhaltens an ihrem Glauben^), wo sie nicht in aller Stille sich von der Kirche abgewandt haben. 1) Eine Beziehung zwischen den Tendenzen zu streng zusammen- geschlossenen Gemeinschaften auf kirchlichem und zur Auflockerung aller Verhältnisse auf politischem Gebiet ist in Nordamerika öfters bemerkt worden. Es ist von vornherein wahrscheinlich, dafs mit dem Wachsen der Schwankung und Unsicherheit im politischen Leben eine Zunahme der Neigung zu festen Grundlagen im kirchhchen Hand in Hand geht. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 41 642 Kirchen. Rückgang. Seit der Mitte des Jahrhunderts wird ein Rückgang be- obachtet, der immer deuthcher hervortritt. Die »Nativisten« möchten ilm gerne den Fremden zuschieben und besonders den Deutschen, die kirchhch verdächtig sind, weil sie ihren Glauben nicht so zur Schau tragen. Leute, die den deutschen Skepticis- mus nicht an sich für ein Übel halten, fürchten ihn als ein fremdes Element. Sie sagen mit Recht: So notwendig es sein mag, unsere rehgiösen Ideen breiter und freier zu gestalten, die Anregung sollte von innen und nicht von aufsen kommen. Der Kirchen- besuch hat aber gerade in Neu-England seit 50 Jahren immer mehr nachgelassen. Es sind auch nicht blofs die grofsen Städte, wo, ganz wie in Europa, die Kirche nicht bis in die Tiefen des Proletariats zu reichen vermag und die »unchurched masses« thatsächlich Heiden sind. Als in einem der letzten Jahre in 15 Grafschaften Maines die Kirchenbesucher gezählt wurden, fand man . dafs von 133 445 Familien nur 67 842 irgendeine Kirche besuchten^). Es wird auch geklagt, dafs der einst grofse Eifer im Kirchenbau nachgelassen habe. Kirchenlos werden zwar nur einige Mining Camps und ganz neue Ansiedelungen im fernen Westen sein, aber die Zeiten sind dahin, in denen junge Städte des Westens 1 Kirche auf 100 Häuser zählten ^l. Der Katholicismus 1) Präs. Hyde, Impending Paganism in N. England. The Forum 1892. 2) Leider sind die Earchen in den V. St. durchschnittlich ebenso klein als zahlreich. Mächtige Dome, wie man sie in den katholischen Ländern und vor allen auch in den gröfseren Städten Mittel- und Südamerikas findet, sind eine ganz seltene Erscheinung. Nur New York rühmt sich, in seiner von den Katholiken erbauten über 100 m langen und hohen Kathedrale aus weifsem Marmor eine Kirche zu besitzen, die an Pracht und Gröfse mit jenen grofsartigen Werken wetteifern kann. Aber die meisten Kirchen sind von Einzelnen oder Gesellschaften für kleinere Kreise erbaut, bleiben ihr Eigentum und sind zum gröfsten Teil von den geschlossenen Sitzen (Pews) eingenommen, die den Familien gehören, Miteigentümern der Kirche oder für sie Bezahlenden. Dem grofsen nicht bezahlenden Publikum wird ein je nach dem Reichtum der betreffenden Gemeinde, Sekte oder Gesellschaft gröfserer oder kleinerer Raum auf den (jalerien oder im Hintergrund an- gewiesen. Jene geschlossenen Sitze werden verkauft wie jedes andere l'agen- tum und ihre Preise schwanken je nach der Gemeinde, der Sekte, der Nähe bei der Kanzel, der Beliebtheit des Geistlichen, der in der Kirche predigt u. s. f. Ihre Inhaber zahlen eine jährliche Steuer für die Bestreitung der oft sehr behaglichen Ausstattung, Erwärmung und Beleuchtung der Kirche und des Gehaltes dos Geistlichen. Sabbatheiligung. Mäfsigkeitsvereine. 643 hebt sich von dem zerfahrenen, bunten Hintergrund des Sekten- wesens als eine geschlossene Macht ab. Man sollte glauben, dafs sein Beispiel zur Einigung auffordern sollte. Statt dessen ist die Zersetzung gerade in der Zeit weitergegangen, die die lautesten Klagen über die Gefahr der Romanisierung erhob. Bezeichnender- weise sind die letzten Einigungsversuche von dem Schauplatz der gröfsten Ausbreitung der katholischen Kirche ausgegangen. Aber die vier Sätze, welche die Bischöfe der Episcopal- Kirche 1886 von Chicago aus verkündigten, haben keine Vereinigung erzielt. Die Presbyterianer gingen am bereitwilligsten auf den Gedanken einer kräftigen Organisation ein, die Unitarier standen als Ver- treter der Unabhängigkeit, ja Souveränität der Einzelkirchen am weitesten links. Nach allen Versuchen ist die Hoffnung wohl aufzugeben, dafs eine Vereinigung so bald zu Stande komme, wiewohl ein starkes, äufseres Motiv der Sektenbildung, die Zer- streuung der Gemeinden über weite, leere Gebiete, immer geringer wird. Aber gerade die letzten zwei Jahrzehnte haben in alten Kirchen, wie der lutherischen, die Absonderung neuer Sekten sich stärker äufsern sehen. Wie auch die Religion in den Herzen der Menschen be- schaffen sein möge, grölsere äufsere Wirkungen vermöchte sie nirgends zu erzeugen. Mit ängstlicher Strenge von der Politik getrennt, ist sie neben dieser die stärkste Kraft des öffentlichen und privaten Lebens, das hier mindestens ebenso sehr ihren Stempel trägt wie in England. Die Sonntagsheiligung ist überall eine strenge, wo nicht etwa der deutsche Einflufs wie im Westen oder der französische wie in Louisiana etwas von unserer heitereren Auffassung dieses Tages gebracht hat. Auch dort wird dann am Sonntag wehiger gearbeitet. Alle Staaten haben Gesetze für Sonntagsheiligung und in der Regel werden sie auch zur Aus- führung gebracht, oft mit starker Übertreibung. Die Mäfsigkeits- vereine (Temperence Societies) sind eine andere Form, in der das religiöse Leben sich nach auf sen geltend macht. Sie spannen ihre Organisation über das ganze Land und suchen überall nicht blofs dem Mifsbrauch, sondern auch selbst dem nicht-medizinischen Gebrauch geistiger Getränke entgegenzuwirken. Die »Temperance 41* 544 Wohlthätigkoit. — Hochkirclie. Kongregationalisten. Society«, die 1826 zu Boston gegründet wurde, hatte im Jahr 1835 bereits 6000 Tochtergesellschaften in allen Staaten der Union und zählt heute Millionen von Anhängern. Die ganze Bewegung hat viel Lächerliches, das man besonders in den deutsehen Kreisen herausfindet, aber es liegt ihr doch eine richtige Idee zu Grunde. So wie sie in dem Charakter und den Sitten des Amerikaners ihre Begründung (s. Kap. XXVI) findet, so wirkt sie auch zweifellos heilsam auf ihn zurück. Die Heuchelei, zu der sie Anlafs gibt, ist nicht so schlimm wie die rückhaltlose Hingabe an den be- täubenden Genufs geistiger Getränke. — Die Fürsorge für die Jugend ist bei ihrer frühen Selbständigkeit eine der Hauptsorgen halbreligiöser Gesellschaften und der öffentlichen Wohlthätigkeit. Die Young Mens Christian Associations zählen in Nordamerika 1385 Vereinigungen mit 225000 Mitgliedern, die Young Womens Christian Associations 257 Vereinigungen mit 12000 Mitgliedern. Die innerhalb der protestantischen Kirchen thätige Young Peoples Society of Christian Endeavour zählt über 1 Mill. Mitglieder. Die Hochkirche (Church of England in the Colonies, wie sie sich officieU benannte) umschlols aulserhalb Neu-Englands die Mehr- zahl der Familien von Einflufs, sie war die älteste protestantische Kirche in Amerika und hatte die Gunst der Regierung des Mutterlandes für sich. Diese Kii-che erhob sich mit dem Aufschwung, den das Land nach Abschlufs der Revolution nahm und mit dem Rückgang des Einflusses von Neu-England. 1890 zählte sie 470076 Bekenner und 5118 Kirchen. Sie ist am stärksten in New York und in den Südstaaten vertreten. An Einflufs auf die Geschichte der V. St. steht allen Kirchen die der Kongregation allsten voran. Selten hat eine christliche Sekte eine solche kulturhistorische Bedeutung erlangt. Ihre innige Verbindung mit dem staatlichen Leben in den Neu-England-Staaten gab ihr bis zur Revolution eine sehr grofse politische Bedeutung und der Einflufs auf die geistige und sittliche . Büdung der Bevölkerungen war tief begründet in der ernsten calvinistischen \\^cltanschauung. Diese Lehre war geeignet, junge Kolonien vor den Gefahren des rasch anwachsenden Reichtums und vor dem Mifsbrauch des grofsen Maises individueller Fi-eiheit zu bewahren. Die Kongrcgationalisten haben mit ihrer harten Zueilt die stahlharten Männer schatTcn helfen, die als Neu-Engländer das Ideal des Kolonisten und des Republikaners in der Neuen Welt geworden sind. Gleichzeitig haben sie die ältesten Universitäten der V. St. gegründet und wurden die Träger höherer Bildung mitten in einer Bevölkerung, der sonst im Drang der materiellen Tagesgeschäfte Presbyterianer. Methodisten. 645 wenig Blick nach dieser Seite hin übrig gebheben wäre. Im Beginn der Revolution stand das Übergewicht dieser Kirche über allem Zweifel. Mit 491985 Gliedern mid 4 689 Kirchen steht sie heute in T.Reihe. Die Ursachen des Rückganges liegen weniger in dem Zerfall in zwei Khchen, als in der von früher her in Neu-England übhchen Ver- mengung politischer und kirchlicher Fragen, die zu einer Zeit den neuengländischen Klerus wie Einen Mann gegen T. Jef ferson und die demokratische Partei, und ähnhch später für die Sache der AboHtio- nisten stehen üefs. Aus einer grolsen Kirche wurde so eine enge, ab- geschlossene Partei. Die Presbyterianer, Leute von schottischer und irisch -schottischer Abkunft bildeten erst seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts eine organisierte Ivirche in Nordamerika. In den theologischen Lehrmeinungen sind sie den CongregationaHsten nahe verwandt. Auf wissenschaftüche Bildung ihrer Geistlichen legten sie denselben Wert. Sie haben der hohen Entwickelung der amerikani- schen Kanzel-Beredsamkeit einen starken Impuls gegeben. In der Re- volution waren sie für die mittleren Staaten, was die Congregationa- Hsten für Neu-England: die Vorkämpfer für die Übertragung des republikanischen Prinzips ilirer Kirche auf die pohtischen Einrich- tungen. In den letztverflossenen 100 Jahren hat von allen alten Kii'chen die der Presbyterianer sich am kräftigsten entwickelt. Sie ist heute die drittmächtigste unter den Kirchen der V. St. Ihre ver- schiedenen Zweige zählten 1890 1229012 Kommunisten und 13619 Kir- chen. Sie stellte sich am frühesten die Aufgabe der Missionsthätigkeit im Westen, wo sie grofsen Anhang gefunden hat. An Zahl der Bekenner und der Kirchen steht heute der Metho- dismus unter allen Sekten der V. St. in erster Reihe. Bei der ersten Konferenz vor 110 Jahren hatte er 80 Prediger, während ihm eine Schätzung, die von ihm selbst 1890 ausging, 4980 240 Gheder und 54 711 Kirchen zuwies. Das Wachstum dieser Sekte ist die gröfste Thatsache der Geschichte der amerikanischen Christenheit im ver- flossenen Jahrhundert. Es ist eine ähnliche Erscheinung wie die Ablösung und das rasche Wachstum der Baptisten und anderer Sekten der Low Church. Ein AppeU an das Gefühl rief alle zusammen, die mit der notwendig fortschi'eitenden Verstandesmäfsigkeit und wissen- schaftHchen Ausbildung der älteren Kirchen sich nicht befreunden konnten. Der visionäre Charakter seiner älteren Precüger und noch vieler neueren, die Erweckungen, die Camp-Meetings (Zusammenkünfte in Wald oder Feld), das »Lowly Preaching« der Brüder, machten den Methodismus zur Rehgion des Volkes. Er hat freüich sein Prinzip, dafs Rehgion keine logische Überzeugung sei, ebensowenig festhalten können wie die Zurückweisung aller Theologie; indem er grofs und reich geworden, hat der Methodismus seine Universitäten, seine 646 Baptisten. Lutherische und Professoren, seine Presse, seine grofsen, geschmückten Kirchen gefunden, auch höher gebildete Anhänger, die andere Nahrung verlangen als die grofse Menge. Aber noch immer ist er die Kii'che der Massen. Seine Verbreitung läfst das Idar erkennen. Die Baptisten sind die zweit- zahh'eichsten und mächtigsten unter den Sekten des demokratischen Protestes gegen die alten aristokratischen Kirchen. Ihr Wachstum hängt eng zusammen mit ihrer Lehre von dem allgemeinen Beruf zum Predigt- amt, die den Bedürfnissen junger und in der Wildnis und Armut zer- streuter Gemeinden mehr entgegenkommt als die Forderung höherer wissenschafthcher Ausbildung der Geistlichen. Ebenso war ihr Be- stehen auf der persönhchen Erfahrung der Heilswahrheiten als einer Bedingung der Zulassung in ihre Gemeinschaft ein Zug, der in seiner individuahstischen Schärfe den Armen und Einsamen vor allen zusagen mufste. Den Baptisten fielen besonders in Neu -England zahlreiche Separatisten zu und sie haben auch unter den Negern einen grofsen Anhang gewonnen. Sie zählten 1890 4292 291 Bekenner und 48 371 Kirchen. Die Lutherische Kii'che zerfällt in 4 gröfsere und 13 kleinere Synoden, Kirchenkonferenzen und Kongregationen, die zusammen 6560 Kü'chen und 1199514 Kommunikanten zählen. Von diesen kommt die gröfste Zahl auf Pennsylvanien, Wisconsin und Minnesota. 7, darunter die grölsten, sind vorwiegend deutsch, 10 skandinavisch*). 1) Von den Kommunikanten der Lutherischen Gruppen ist die Mehr- zahl deutsch, sie verdienen also unsere besondere Aufmerksamkeit. Die Sta- tistik (Census Bulletin No. 152. Statistics of Churches. Die 51 Seiten dieses Heftes bilden eine Art von statistischer Monographie der Lutheraner in den V. St.) weist nach, dafs 1889 in ihnen 454005 Kommunikanten deutschen, 232512 gemischten deutschen und englischen, 198997 englischen, 190154 norwegischen, 88 700 schwedischen, 13 674 dänischen, 1991 isländischen und 1385 finnischen Gemeinden angehörten. Die jetzt englischen Gemeinden sind fast alle aus älteren deutschen hervorgegangen und eine nicht kleine Zahl von Lutheranern ist in früheren Jahren, als den lutherischen Kirchen ein zu festes Halten an deutscher Sprache vorgeworfen wurde, zu englischen Kirchen übergegangen. Dazu mochte beitragen, dafs die älteste lutherische Organisation Nordamerikas, die Generalsynode, nicht so scharf wie die jüngeren lutherischen Sekten von den anderen protestantischen sich schied, so dafs ihre Geistlichen mit denen anderer protestantischer Kirchen die Kanzeln tauschten. Die beklagenswerte Sektirerei, die in der lutherischen Kirche der V. St. eingerissen ist, seitdem die Lutheraner der Südstaaten sich 18(i2 aus politischen Gründen zur United Synode of the South zusammenschlössen, hat ihre Hauptgründe in Unter- schieden der Lehre luid Auslegung, die häufig nicht streng genug befunden wurden , und in den nationalen Unterschieden. Über die Bildungsanstalten flcr deutschen Kirchen in den V. St. kenne ich keine neueren Angaben als im Evangelischen Historischon .hilirbnch für alle deutschen Confessionen Reformierte. Katholiken. 647 Die grölsten sind: General Councü (1512 K. 317145 Komm.), Syno- dische Konferenz (1531 K. 357 153 Komm.), United Synode of the South (379 K. 37 457 Komm.), Generalsynode (1322 K. 164 640 Komm.). Sie hat 16 Seminare mit 41 Professoren und gegen 600 Studierende, aufserdem 7 Seminare für Lehrerinnen. Für die lutherischen Gemeinden werden 74 rehgiöse Zeitschriften (davon 31 in deutscher Sprache) heraus- gegeben. Unter den milden Werken dieser Kirche sind die Einwanderer- mission und das Einwandererhaus in New York zu nennen. — Die Deutsche Reformierte Kirche hat 1869 das Wörtlein »deutsch« aus ihrem Namen gestrichen und nennt sich > Reformed Church in the U. S.« , hat 1304 Kirchen und 204018 Glieder. Die Mehrzahl ihrer GHeder, von denen die Hälfte in Pennsylvanien wohnt, ist enghsch, wie aus den Veröffentüchungen hervorgeht, von denen 7 enghsch und 3 deutsch gedi*uckt sind. Die Holländische Reformierte Kirche (Reformed Church in America) zählt 670 Kirchen und 92 970 GHeder. Eine Sekte von ihr bildet die Christian Reformed Church. Die Römisch-Katholischen zählen (1889) 10221 Gemeinden, 8766 Kirchen, 6 250045 Kommunikanten») und ein Kirchenvermögen von 118 Mill. D. Sie sind in 13 Erzbistümer und 66 Bistümer eingeteilt. 1776 schätzte man die Zahl üirer Geisthchen auf 26 und die der Ge- meinden auf etwa das Doppelte. 1800 gab es blofs 1, 1876 über 400 katholische Mädchenschulen. In derselben Zeit ist die Zahl der katho- hschen Kollegien von 2 auf 64 gestiegen. Von 1855 — 1871 hat ferner die Zahl der Klöster sich von 50 auf 225 und die der kathohschen Gesellschaftshäuser für Männer von 15 auf 95 erhöht. Die Hälfte der Katholiken wohnt in New York, Massachusetts, Pennsylvanien, Illinois und Ohio. Das starke Wachstum erklärt sich wahrscheinhch fast ganz aus der Einwanderung Römisch-Kathohscher, früher aus Iiiand und Süd-Deutschland, neuerdings aus Itahen, Polen und Österreich. Diese Kirche umfafst che gröfste Zahl verschiedener Völker; die Ab- stammung tritt am meisten in ihr hinter dem Bekenntnis zurück. In der Diözese Scranton gibt es 7 deutsche, 7 polnische, 4 ungarische, 1 Hthauische, 1 itahenische und 1 enghsche Gemeinde. Die Zahl der Prosel}i;en, die diese Kü'che hier macht, wü-d wohl nicht ganz von den Verlusten aufgewogen, die sie vorwiegend durch die sehr thätigen Missionen der Low Church-Sekten erleidet. Die Thatsache, dafs ihre Bekenner in einigen gröfseren Städten wie New York, Cin- cinnati, New Orleans u. a. sehr kompakt beisammensitzen, gab ihr Amerikas (Pittsburg 1878), das 11 deutsche Predigerseminare, 14 Collegien (Gymnasien) und 1 Lehrerseminar, 14 Waisenhäuser, 1 Taubstummenanstalt, 1 Emigranten-Mission und 22 Zeitschriften aufzählt. 1) Nach der eigentümlichen Auffassung der katholischen Kirche um- fafst diese Zahl alle GUeder der Kirche, die über 9 Jahre alt sind. 648 Griechisch-Katholischo, Juden schon frühe den Schein gröfserer Bedeutung als sie in Wirklichkeit besafs. Ohne Zweifel hat der Katholizismus hier eine sehr grofse Fähigkeit zu Ausnutzung dei' Vorteile gezeigt, die ilim in einem Lande geboten sind, wo ihn keine Schranke der Staatsgewalt beschränkt. An Eifer und materiellem Wachstum hat üin keine von den pro- testantischen Sekten übertroifen. Das Jahr 1840 bezeichnet seinen Eintritt in den poUtischen Kampf, und das Ziel, das er damals mit seiner Forderung der Entfernung der Bibel aus den Volksschulen im Sinne hatte, nämhch die Umformung der weltlichen Volksschulen in konfessionelle Anstalten, ist er seitdem nicht müde geworden zu ver- folgen. Die Alarmrufe, die über die wachsende Ausbreitung des Katho- lizismus immer von Zeit zu Zeit ausgestofsen werden, sind oft über- trieben. Man muls indessen gestehen, dafs eine so grofse und fest zusammengehaltene Macht wie die katholische Kirche eine erhebliche Bedeutung gewinnen kann und dies um so mehr, als der Protestan- tismus sich dm'ch Sektirerei innner mehr zersplittert und jene dem rehgiüsen und ästhetischen Bedürfnis und der Phantasie , vorzüglich auch der hier so einflufsreichen Frauen, in höherem Mafse entgegen- kommt'). Der Einwanderung aus Osteuropa ist es zuzuschreiben, wenn 1889 13 Kirchen und 10850 Glieder der Griechisch Unierten Kirche und 335 Glieder der Armenischen Kirche gezählt wurden. Glieder der Griechischen Orthodoxen Kirche gibt es 13000 in Alaska und 500 in S. Francisco, deren Kirchen teilweise durch die Russische Regierung unterstützt werden. Für die Juden gibt die Statistik 1889 301 Tempel und 130496 Gheder, wobei zu beachten, dafs die Juden nur die Familienhäupter als Kirchenmitglieder auf- zählen. 44"/« bekennen sich zur Orthodoxie. Die ersten Juden, die angebüch 1654 nach New York kamen, sollen aus Brasiüen gekommen sein. Die grofse Menge der Juden der V. St. folgt aber dem deutschen 1) Diesen Befüi-chtungen gegenüber ist hervorzulicben, dafs die Katho- liken selbst nicht immer so hoffnungsvoll sind , wie sie sein müfsten , wenn jene begründet wären. Zu einem irischen Missionar sagte der Bischof von Ciiarleston 1851 : >Ihr würdet der Religion einen Dienst leisten , wenn Ihr nach Euerer Rückkehr von Kirchspiel zu Kirchspiel ginget und dem Volke sagtet, dafs es nicht seine unsterbliche Seele verlieren möge, indem es hierher- komme« . Und zur selben Zeit der Erzbischof von New York : »Das Volk in Irland versteht nicht die Lage der Auswanderer. Tausende gehen in den grofsen Städten verloren und auf dem Lande ist der Glaube in Vielen aus- gOHtorV^en«. Noch 1870 klagte 57. Staatliche Fürsorge 658. Die Volksschule 659 Der Lehrerstand 660. Die Mittelschulen und KoUeges 661. Die Fachschulen 667 Die Bibliotheken 668. Öffentliche Vorträge 669. Die Wissenschaftspflege 670 Wert der amerikanischen Wissenschaft 671. Ihre Entwickelung 672. B. Frank lin, Rumford, Rittenhaus 672. Die Surveys 673. Die Naturwissenschaften 674 Die Medizin 678. Andere Wissenschaften 678. Wissenschaftliche Körperschaf ten 680. Litteratur 682. Abhängigkeit von der englischen 683. Eigentümlich- keiten 684. Dichter 684. Geschichtsschreiber, Redner u. A. 685. Litteratur und Volk 687. Kunst 689. Die Presse 691. Hemmungen und Förderungen des geistigen Lebens. Im geistigen Leben der Nordamerikaner hat lange das Lehren es über das Forschen, das Aufnehmen und Anwenden über das Selbst- schaffen davongetragen. Dieses Leben sah sich so viel Zwecke von praktischer Bedeutung nahe vor Augen gesetzt, dals weder Zeit noch Lust sein konnte zu grofsen Leistungen in Kunst und Wissenschaft, die ihren Zweck in ihrer eigenen Vollendung sehen. Es fehlte auch der befruchtende Verkehr der Geister in unseren Bildungsmittelpunkten und es fehlten diese Mittelpunkte selbst. Uns alten Völkern, die wir nicht wissen, wie es um uns stand, als wir im Werden waren, ist es befremdlich, dafs ein Volk von diesen Leistungen in Staat und Gesellschaft, in Industrie und Handel, so jung vnid, wenn auch politisch und wirtschaftlich selbständig, doch in den geistigen Beziehungen noch Kolonialvolk Hemmunjjfen und Förderungen. 651 ist. Die Merkmale eines solchen hat W. Röscher am treffendsten gezeichnet^): »Aus dem üppigen materiellen Wachstum geht eine hohe geistige Bedeutsamkeit kervor, aber dieselbe A^drd in ganz besondere Richtungen getrieben. Der Erfindungsgeist wird vor allem entwickelt (vgl. o. S. 513), und da dem Einzelmenschen eine fast erdrückend grol'se Selbständigkeit aufgenötigt wird, richtet sich sein Denken auf praktische Gegenstände fast ausschliefsHch : Alles günstige Bedingungen für die Pflege der technischen Künste«. Die geschichtlichen Fäden sind zerrissen, der Boden, auf dem man lebt, ist ohne Tradition. Kein Wunder, wenn die »Poesie der Örtlichkeiten« beim Nordamerikaner weniger stark ist als bei uns eingewurzelten Existenzen. Es fehlen also viele von den Grundbedingungen, die unserer »Gemütlichkeit« zu gründe liegen. Dafs sich aber dieser Mangel nicht auf das Naturgefühl erstreckt, haben vdv hervorgehoben (s. o. S. 170). Man wird nicht viel historischen Sinn vermuten. Die V. St. sind mit allem, was sie von der Kultur der Alten Welt ererbt haben mögen, etwas nie Dagewesenes. Ihre Gröfse, ihre bunte Bevölkerung, ihr Wachstum sind neu und so sind es die meisten Einrichtungen des staatlichen, religiösen, materiellen, geistigen Lebens. Ein Geist der Neuerung ist beständig an der Arbeit, der nur unhistorisch sein kann. Dürfen wir es anders erwarten? Aber er ist kein Geist der Zer- störung. Er zeigte sich fruchtbar in zahllosen Entwickelungen, die manchmal Zeugnis ablegen von hohem idealen Schwung. Die innere Ausgestaltung des grofsen Freistaates mindestens in den ersten 60 Jahren seiner Existenz , also vor der Zeit der grofsen politischen Korruption, ist eine grofse ideale That! Und ist es minder die Befreiung der Sklaven? Es würde falsch sein, dem Amerikaner Mangel an Begeisterung vorzuwerfen; er ist ihrer in manchen Beziehungen in höherem Grade fähig als der kritische Deutsche. Die kolonialen Eigentümlichkeiten sind nicht an und für sich dem geistigen Leben und Schaffen hinderlich; sie leiten es 1) Kolonien, Kolonialpolitik und Auswanderung. 2. Aufl. 1856. Abth. I. Kap. V. 652 Mängel und Vorzüge des nur in andere Bahnen. Das Streben nach Erhaltung der nationalen Einheit bei rascher Ausbreitung ist, nach all den Lehren der euro- päischen Geschichte, ohne das Opfer der geistigen Mannigfaltigkeit nicht erfüllbar; je früher ein Volk sich ihm hingibt, desto tiefer werden auch seine Wirkungen sein. Schädlicher noch mufs die innig mit der kolonialen Entwickelungsstufe zusammenhängende Jagd nach Geld wirken, die den Sinn vieler Hochbegabten ab- wendig macht von der Verfolgung idealer Ziele. Die Überschätzung materieller Güter gibt uns das Recht, von einem weitverbreiteten Mangel an Idealität zu sprechen. Er liegt weniger in ihrer Natur, als in ihren Verhältnissen. Ich hal)e noch L. Agassiz, der die Bürger seines Adoptiv- Vaterlandes hoch hielt, diesen Fehler bitter tadeln hören. Sogar in die Studien trägt man den kaufmännischen Geist, von dessen weiter Verbreitung schon gesprochen wurde. Es gibt viel zu Wenige, die blofs studieren um zu wissen, nicht um zu erwerben. Die geräuschvolle, haschende Lebens- und Thätig- keitsart kann der stillen Arbeit des Geistes nicht förderlich sein. Wenn 99% einer Bevölkerung von einem Wirbel erfafst sind, der sie rastlos herumtreibt, wird es dem Hundertsten selten vergönnt sein, auch wenn er am Ufer stehen bleibt, sich die Sammlung zu bewahren , in der sich Gedanken schöpfen und wissenschaftliche Probleme ausspinnen lassen. Wer das amerikanische Leben kennt, wird eher geneigt sein, sich zu wundern über die grofse Zahl derer, die Kraft gehabt haben, den Lockungen materieller Lebensziele nicht zu folgen, und vom Geräusch des äufserlichen Lebens sich nicht stören zu lassen. Die Zahl der feiner Empfindenden ist im Wachsen, aber ihr Einflufs auf die Klärung der geistigen Atmo- sphäre gering ; insofern kann mit Recht behauptet werden , dafs trotz der vielen Bildungsmittel die Durchschnittsbildung idcht in dem Mafse gestiegen sei, wie die einer kleinen Elite. Die Tendenz auf eine Aristokratie der Bildung ist mit der Demokratisierung der Bildungsmittel und -ansprüche nur gewachsen. Wir dürfen nie vergessen, dafs die gebildeten Stände, deren Kern bei uns die Beamten, Lehrer, Offiziere bilden, dort nicht vorhanden sein können. Dafs die Geldsucht mit einem Teile des Errafften den Wissenscliaften und Künsten wieder zu Nutzen wird, mildert nur geistifren Lebens. 653 wenig den Schaden, den sie dem Geiste des Volkes zufügt. Der Reichtum der Nordamerikaner macht sich bereits auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft dadurch geltend, dals prächtige Sammlungen angelegt werden, die nur leider nicht immer gut unterhalten werden^). Die besten Bilder moderner Maler wandern nach Nordamerika, die Einfuhr alter kunstgewerblicher Gegen- stände ist sehr erheblich, die Resultate ganzer wichtiger Aus- grabungsunternehmungeu , wie z. B. die Cesnolas auf Cypern, sind bereits in New York vereinigt. Musiker und Maler heimsen dort die reichsten Ernten ein. Die einheimische Kunst und Kunst- industrie sind vollauf beschäftigt und die Vorliebe für monu- mentale Bauten 2) gibt besonders den Baumeistern reichliche Ge- legenheit zur Entfaltung ihrer Kunst. Nicht weniger empfindet die schöne Litteratur diese Förderung, die Werke populärer Dichter erfahren eine ungemein weite Verbreitung, sie haben nicht über Vernachlässigung zu klagen. Nur für die Poeten, die zu einem erlesenen Publikum sprechen, einen Emerson, Whitman gilt das Wort: »A Foreign Country in a kind of Contemporaneous Posterity«. Nach allen Anzeichen ist es die Förderung der auf Ausbreitung, Massenherstellung und grofse, weite Wirkung an- gelegten Zweige geistigen Schaffens, der Unterrichtsmittel und -anstalten aller Art, der Architektur, des Kunstgewerbes, was als nächste und bedeutendste Frucht des goldenen Taues sich zeigen wird. Die Atmosphäre für höchste Schöpfungen des Genies kann nicht erzeugt, doch durch Verfeinerung der Sitten und des Ge- schmackes begünstigt werden. 1) Es gab eine Zeit, in der der wissenschaftliche Luxus ebenso primi- tiv war wie der künstlerische. Damals waren die Museen Earitätenkabinete. Einige Krystalldrusen, Mammuthknochen, die man in beliebiger Menge haben kann, indianische Waffen und Trachten, Büffelfelle, ausgestopfte Vögel und in tSpiritus gesetzte Schlangen , Wachsstatuen Washingtons und Jacksons, schlechte Stiche nationaler und lokaler Berühmtheiten setzten ein solches Museum zusammen. (S. M. Chevaliers Beschreibung des Museums von Cincinnati im Jahre 1835 in Lettres de l'Amörique du Nord I. 316.) 2) Der Wunsch , monumentale Bauten zu errichten , hat sich mit der Zeit geradezu zur Leidenschaft gesteigert und von vielen Seiten wird geklagt; dafs sie einen unverhältnismäfsigen Teil der Stiftungen für Bildungszwecke verschüngen. ß54 Einförmigkeit. Begabung. Die oft getadelte Einförmigkeit, die auch wir hervorzuheben hatten (s. o. S. 101), ist eine natürhche Folge der schnellen, weiten Ausbreitung eines und desselben litterarischen Ideals, nämlich des englischen in neuengländischer Umformung, die meistens nur Verdünnung war^). Es ist ein Verhängnis in der geistigen Ent- wickelung der V. St. , dafs der grölste Unterschied, der bisher innerhalb der Grenzen der V. St. aufgetreten ist, der zwischen Süd und Nord, wegen der auffallenden Unfruchtbarkeit des geistigen Lebens im Süden von fast gar keiner geistigen Wirkung gewesen ist. Heute steht die Bildung im Süden tiefer als vor einem Menschenalter. Die Mahnungen zur Selbständigkeit, die nie beredter und aus tieferem Denken ausgesprochen wurden, als von R. W. Emerson in dem Vortrage (von 1837) »The American Scholar« scheinen nur in dem Mafse Frucht zu tragen , wie die V. St. sich politisch und wirtschaftlich von England ablösen. Die Litteraturen der nichtenglischen Einwanderer haben bisher keinen merklichen Einflufs auf die amerikanische geübt. Viele Leute wollen nicht begreifen, dafs eine nationale Litteratur nicht erschaffen werden kann, sondern sich entwickeln will. Dafs die V. St. mit in die vordere Linie getreten sind in »Scientism« , Zeitungen, Erfindungen und praktischen Künsten, läfst um so klarer erkennen, dafs die alte, eigentümliche Litteratur fehlt. Nun sollte man sie aber nicht nach Rezepten erzeugen wollen. Ein vielgenannter Lyriker, WaltWhitman, schrieb ganz richtig, daraus, dafs die V. St. mehr Zeitungen drucken, folge noch nicht, dafs sie eine Litteratur haben; aber wenn er in demselben Aufsatz, der die Frage behandelt, ob die V. St. eine nationale Litteratur haben oder je haben werden u. dgl. — ähnliche Aufsätze sind in den besten Zeitschriften öfters zu finden — als die Bedingungen einer solchen 1) Sie macht sich auch in den Ortsnamen geltend, die sich nicht blols ermüdend, sondern auch unpraktisch oft wiederholen. Lyell spricht von einer »angeborenen Armut an Erfiudung hinsichtlich der Namengebung«, die den angelHJl(;hsischen Geist charaktorisioreii soll. (Second Visit to the U. S. 1855. n. 249.) Diese Einföniiigkeit der Namengebung ei'streckt sich auch auf Kirchen. In dem anonymen Büchlein Oii tlie Dcdications of American Churches (1891) wird u. a. nacligewiesen, dafs in einer Diöcese von 82 Kirchen 16 >St. Paul, 17 .St. Johannes, 24 Trinity und 25 Christ getauft sind. Die Unterrichtsanstalten. 655 Patriotismus, Nationalität, Ensemble verlangt, so heilst das ein altes oder doch ein fertiges Volk verlangen. Als Spröfslinge der begabtesten Völker Europas werden die Nordamerikaner mindestens ebenso begabt sein, wie ihre altwelt- lichen Vorfahren. Es könnten aber die Lebensverhältnisse, unter denen sie sich befinden, einen hindernden oder fördernden Ein- flufs auf die Entfaltung dieses Erbteils gewirkt haben. Darüber ist Folgendes zu bemerken: Es sind immer die Unternehmenden und Denkenden, die politisch, religiös oder wirtschaftlich Regsamen gewesen, die auswanderten. Durch diese unwillkürliche Auswahl kann eine Steigerung des Grades der Begabung stattgefunden haben. Dasselbe läfst sich von der Mischung angelsächsischen, deutschen, keltischen, romanischen Blutes erwarten. Dafs der Einfluls der Naturumgebung und der Lebensbedingungen mindestens kein ungünstiger war, ist bereits nachgewiesen (s. o. S. 170 f.). Die körperliche wie geistige Konstitution des Nordamerikaners ist im Vergleich zu der der Europäer eine verfeinerte und beweg- lichere. Er selbst hält sich für viel intelligenter. Die Leistungen haben zu zeigen, was wahr daran ist. Bewiesen ist bis jetzt durch Leistungen, dafs er rascher denkt und handelt als der Teutone, dafs er mit Phantasie reich begabt ist und dafs in geringem Grade seine geistige Thätigkeit von der sinnlichen Seite her Hemmung erfährt. Die Unterrichtsanstalten. Der Nordamerikaner ist ein viel lernender Mensch. Sein offener Sinn läfst ihn den praktischen Wert der Kennt- nisse richtig erkennen. Ln reichen öffentlichen Leben tagtäglich zum Denken angeregt, wird sein Geist von einer Menge von Eindi-ücken bestürmt, die er immerfort regsam verarbeitet. Er ist zugleich von den besten Gelegenheiten umgeben, seinen Geist zu nähren und zu bilden: Unentgeldliche Schulen und Bibliotheken, billige Bücher und Zeitungen, die sich ihm geradezu aufdrängen, Vorträge über Alles, Möglichkeit des Umganges mit Höhergebildeten kommen seinen Wün- schen entgegen. Das ganze Leben fordert mehr als in der Alten Welt, aber in dieser Hinsicht bietet es auch mehr. Sogar der Staat nimmt sich des Unterrichtes mit Kraft an, selbst die Bundesregierung hat gewagt, eine der »Allgemeinen Angelegenheiten« in ihm zu er- blicken, auf die sie ihre Sorge erstrecken darf. Der Elementarunter- richt ist überall umsonst zu haben und zum höheren ist der Zutritt leicht. Einige Staaten haben sogar den Schulzwang eingeführt. Man 656 Fürsorge für Schulen. hat die Nordamerikaner als den Typus eines Volkes bezeichnet, bei dem die Unwissenheit der grolsen Masse gering ist und die Leute von verfeinerter Bildung selten sind, wo also ein möglichst gleichmäfsiges Niveau des Wissens erreicht ist'). Man kann dieser Charakteristik nicht die Berechtigung absprechen. Aber es würde nicht dem regen, selbst- thätigen Charakter des Amerikaners entsprechen, das was er wissen will, blofs in der Schule zu suchen. Er glaubt ebensoviel aulserhalb der Schule lernen zu können wie in üir. Fortbildungsschulen jeder Art, Vorlesungen und eine grolse Masse von populärer Litteratur kommen seinem Trieb entgegen. Regelmäfsige Bildungsgänge, die von den Ele- menten bis hinauf zu den höchsten Wissenschaften die Schulen durch- laufen, sind selten. So gut die Leistungen der Volksschule, so lücken- haft sind die der höheren Unterrichtsanstalten. Nun ist zwar der Nord- amerikaner das beste Material zu einem >-Selfmade Man« und das öffenthche Leben der V. St. ist ein Boden, auf dem solche ki'äftige Pflanzen gut gedeihen, aber dennoch schlägt die Erkenntnis durch, dafs auch der höhere Unterricht eine nicht zu verachtende Mitgabe fürs Leben sei, und dafs er aber auch sorgfältig gepflegt sein woUe. Diese Einsicht ist in den älteren Staaten verhältnismäfsig leicht zu gewinnen, da es hier gute höhere Schulen gibt, die m einigen vor- trefflichen Beispielen sogar fast an unsere Hochschulen heranreichen. Aber in den jüngeren Landesteilen ist dies noch nicht erreicht und hier ist die Schätzung einer wirklich gediegenen Bildung noch weit zurück und ihre Erlangung ist keineswegs leicht. Aber die Fürsorge für die Schulen ist auch hier eine achtunggebietende : Es ist überaU für ihre Dotation eine gleiche Grundlage geschaffen durch die Zu- weisung für Schulzwecke seitens des Bundes von 1 Sektion (610 Acres) Land an jede Township. Dadurch besafs jeder Staat und jedes Terri- torium von vornherein einen SchuKonds, in den dazu noch Stiftungen und andere Zuweisungen fliefsen. So kommt es, dafs schon die Territorien den Schulen grofse Fürsorge zuwenden. Als die beiden Dakotas 1890 als Staaten aufgenommen wurden, hatten sie 4137 Schulen, 2 Lehrerseminare, 5767 Lehrer. Montana, das ebenfaUs 1890 aufgenom- men wurde, hatte 1888 316 Schulgebäude. Später sind noch andere Schenkungen von Seiten des Bundes zum Besten des technischen Unter- richtes gemacht worden*). Die Einzelstaaten und Gemeinden ihrerseits 1) H. Tli. V, u k 1 1! , <4o8cliichto dor Civilisation in England (I. Kap. V). 2) Der Kongrefs genehmigte am 2. Juli 1862, dals jedem Staat ein Teil des in seine Grenzen fallenden öffentlichen Landes übergeben werden solle zu dem Zweck, mit dem Ertrage desselben Anstalten für den Unterricht in Ackerhau und Industrie zu gründen oder zu unterstützen. Von den Erträg- nissen sollte nichts auf ( iohilulichkeiten irgend welcher Art, sondern alles nur :uit' die innere Ausstattung der Schule verwendet, und es sollte die letztere Unterrichtsstatistik. Staatsschulen. 657 haben jedoch den gröfsten Teil des Aufwandes, den sie für Unter- richtszwecke machen, durch Steuern zu decken und die Opfer, die von den Staaten, Gemeinden und Privaten für Schulen gebracht werden, sind beträchthch. Die Ausgaben für Volksschulen betrugen 1890 in den V. St. 2,2 D. auf den Kopf, und zwar 3,3 im Westen, 2,8 in den nörd- lichen und nordwestUchen , 1 in den Südstaaten. Die Einkünfte der höheren und mittleren Schulen sind ebenfalls im Norden und Westen verhältnismälsig höher als im Süden. 1890 waren 20 7o der Bevölkerung in öfientüchen Schulen eingeschrieben. Die grölste Zalil (22 "/«) in den nördhchen Centralstaaten, die kleinste (17 ''/o) im Westen ; der durch- schnittliche Schulbesuch betrug 13 7o der Bevölkerung '). Man kann sagen, dafs in den nördlichen und westHchen Staaten durchschnittüch 3 bis 4 D. pro Kopf der Bevölkerung für Staatsschulen ausgegeben werden. Über den Unterricht der Farbigen s. o. S. 284. In aUen Südstaaten sind die Schulen für Weifse und Farbige selbstverständlich getrennt und selbst der Ertrag der Kopfsteuern für Schulen wdi-d in Alabama gesondert an beide Rassen verteilt. Man betrachtete es früher als natürhch, dafs jede Gemeinde für den Unterricht ihrer Jugend Sorge trage. Die Aufbringung der Kosten, der Bau der Schulhäuser, die Wahl des Lehrers und der Schulbücher und alles Ähnhche wai* der Gemeinde vorbehalten, und der Staat ver- langte, dafs sie dies thue. Die grofse Teilnahme, die dieses System erweckte, war natürhch doch nur imstande, sehr ungleichartige An- stalten zu schaffen. In reicheren und älteren Gemeinden entstanden Schulen in grofser Zahl, ärmere blieben ohne Schulen, mehr noch im Süden als in der weiten Zone der jungen vorrückenden Kultur. Ein innerhalb 5 Jahren nach Erlafs dieses Gesetzes begründet sein. Unter anderen technischen und Ackerbauschulen wurden unter diesem Gesetz gegründet oder erheblich erweitert: Cornell Uuiversity in Ithaka N. Y., Sheffield Scien- tific School in New Haven Conn. , Delaware State College in Newark Del., Illinois Industrial Uuiversity in Urbana 111., Massachusetts Institute of Tech- nology in Boston und Massachusetts Agricultural College in Amherst, Uni- versity of Wisconsin in Madison Wisc. Bei den älteren Landschenkungen waren \aele Betrügereien unterlaufen, die in der Geschichte des Schulwesens besonders im Westen leider eine grofse Stelle einnehmen. Vgl. z. B. Higher Education in Wisconsin Wash. 1889. 1) Die 1887 gegründete, zuerst dem Inlandamt unterstellte Centralstelle für Unterricht, Bureau of Education, entfaltet durch Sammlung statisti- scher Daten über den Schulunterricht im In- und Ausland eine höchst frucht- bare Thätigkeit. Sie veröffentlicht jährlich einen Report, der 1891 zwei dicke Bände umfafste, in denen unter anderem eingehende Berichte über deutsches und französisches Schulwesen stehen, aufserdem sehr erwünschte Sonder- berichte über die Geschichte des Schulwesens in den einzelnen Staaten und über Fachschulen. Ratzel, Die V. St von Amerika. 42 658 Staatsschulen. ganzer Staat, wie Alabama, bietet seinen Schulkindern nur 74 Schul- tage im Jahr. Diese Ungleichheit rief der Staatshilfe, die auf anderen Gebieten mit Eifersucht zurückgewiesen und hier mit Eifer gesucht wurde. Das Gefühl für die Notwendigkeit des Unterrichts, womögüch aller Bürger, konnte in demokratischen Gemeinwesen nicht fehlen, wo AUe ihren Anteil an der pohtischen Verantwortlichkeit haben*). Aus diesem Gefühl heraus und mehr noch aus Schätzung des praktischen Nutzens des Unterrichtes widmeten die Staaten der Volksschule steigende Beachtung. Es wurden Schulfonds, Erziehungsämter, Schuhnspektionen gegründet. Die Gesetzgebung aber, die alle besteuert, um alle zu lehren, das »Common School«- System als eine amerikanische Erfindung, in Massachusetts zuerst bewährt, anzusehen, ist natürhch unberechtigt. Der Bund griff helfend ein durch seine Landschenkungen und seit 1867 auch dadurch, dafs er es unternahm, durch ein »Board of Edu- cation« eine beratende Behörde einzusetzen, die zugleich die Statistik des Unterrichtes zu besorgen hat. Bis 1870 hatte der Kongrels 79,5 Mül, Acres (124000 engl. Q.-M.) für Schulzwecke gegeben. (Adams, Free Schools 1874. 59.) Mehrmals sind Anträge auf Einführung eines gemein- samen Systems des öffentHchen Unterrichts und Gründung eines Bundes- Schulfonds im Kongrefs abgelehnt worden. Das Mafs der Teüiiahme des Staates an dem Unterrichte seiner künftigen Bürger ist sehr verschieden. Während in den älteren Staaten, vorzüglich denen Neu- Englands, vielfach der Grundsatz befolgt wird, dafs der Staat blofs für die ersten und einfachsten geistigen Bedürfnisse des Volkes zu sorgen und keineswegs das Recht habe, darüber hinauszugehen, sind von den jungen Staaten des Westens sogar die höchsten Unterrichtsanstalten gegründet und unterhalten*). Aber die Abhängigkeit der einllulsreichen 1) Schulzwang besteht jetzt in den Neu-England-Staaten , New York, New Jersey, Michigan, Texas, Nevada und Kahfornien. In (Georgia sind 56"/o der Bevölkerung des Lesens und Schreibens unkundig. Leider wurde die Abhängigmachung der Ausübung der politischen Rechte von den elementar- sten Kenntnissen vom Kongrefs nicht beliebt. Ebensowenig ging er auf den von farbigen Repräsentanten gestellten Antrag ein, füi' den Unterriebt der farbigen Bevölkerung des S. Fonds durch neue Landschenkungen zu schaffen. 2) Ein gutes Beispiel dieser spontanen Entwickelung gibt die Geschichte des »Educational Board« der Stadt New York, der Hunderte von Schulen verwaltet. Bis 1795 waren alle Scliulen im Staate New York Unternehmungen von Privatleuten oder von KörpcrHcliafteu , am öftesten von Kirchen ; von diesem Jahre an bewilligte die Legislatur (jfters Mittel für Schulzwecke, be- sonders aus dem Ertrag der vorkauften Staatsländereien. Zu dieser Zeit ent- standen in der Stadt New York verschiedene Gesellschaften, die sich «he Va- zlehung der Annen, der Farl)igen u. dgl. vorsetzten, und unter ihnen wurde der Freie Schul verein, später Volksschulverein der Stadt New York, durch tüchtige i>oitung und rege Thätigkeit zu lüner Art Schulbehörde, in deren Die Volksschiilen, 659 »School Superintendents« von den lokalen oder Staatspolitikern — viele sind jährlicher Wiederwahl ausgesetzt — wii'd als ein grofses Übel empfunden, für das, ebenso wie für die politische Abhängigkeit anderer Beamten, die »Civil Service Reform« angestrebt wird. Nicht blofs Partei- geist, auch private, geschlechthche, nationale Einflüsse kommen in der Ernennung und Absetzung der Schulmänner zur Geltung. In den Volksschulen (»Pubüc Schools«) geht der Unterricht klar darauf aus, die praktisch notwendigsten Dinge einzuprägen, wie denn in dem Lehrplane für die drei letzten Halbjahre die Einübung der Unterschrift und des Ortes und Datums immer wieder besonders aufgeführt ist und das Kopfrechnen, die Ortskenntnis und die Kunde der Malse und Gewichte mit grofsem Eifer gelehrt werden. Der Anschauungsunterricht erfreut sich in diesen Schulen einer hervor- ragenden Pflege. Die Knaben- und Mädchenabteüur^gen , die nach dieser einfachen Volksschule folgen und Grammatikschulen (»Grammar Schools«) genannt werden, stehen etwa zwischen unseren erweiterten Volksschulen und höheren Bürgerschulen. Sie fügen den elementaren Fächern u. a. die Geographie von Nordamerika, die enghsche Gram- matik , Vaterlandsgeschichte , angewandtes Rechnen , Physik hinzu, rühren auch an Astronomie, Chemie, physikalische Geographie und lehren noclj die Verfassung der V. St. , einiges aus der allgemeinen Geschichte und Buchführung kennen. In den Mädchenabteilungen darf daneben auch Nähen gelehrt werden. Dort wo die deutsche Be- völkerung in grölserer Zahl vertreten ist, kommt häufig noch deren Sprache als obligatorischer Lehrgegenstand hinzu. — Die Mannigfaltig- keit von Lehrgegenständen ist dadm'ch möglich, dals man auf Gründ- Hchkeit im einzelnen verzichtet. Das vorgeschriebene Pensum oder gleich das Lehrbuch wird womögHch ganz auswendig gelernt. Im Be- richt des »Board of Education« für 1875 hiefs es über diese Methode, die den deutschen Lehrern ein Greuel ist : »Die Schüler lernen bis zum Überflufs auswendig, aber sie studieren nicht genug . . . Die Schüler gehen in die Schule, um Aufgaben herzusagen, und die Lehrer, um dieses Hersagen anzuhören.« Auf der anderen Seite fehlt es nicht an Verfechtern, die ihr eine tiefe Begründung in dem Charakter und den Bedürfmssen des Amerikaners zumessen. Sie bezeichnen als das ameri- kanische Prinzip, dafs der Zweck des Unterrichts nicht so sehr in dem zu suchen sei, was er für den Schüler leiste, als in dem, wozu er den- selben befähige. »Je eher w^ü den Knaben dazu bringen, dafs er seinen Hände der Staat und die Stadt die Mittel zur Schöpfung von Schulen nieder- ' legten. Nachdem dieser Verein sein Amt 37 Jahre zur Zufriedenheit der Bürger verwaltet hatte, wurde ein amtlicher Erziehungsrat bestellt, der 11 Jahre neben jenem arbeitete, bis beide sich vereinigten; bei dieser Gelegenheit gab der erstere ein Kapital von 6U0000 D. in die Kasse. 42* 660 Diö Unterrichtsmethoden und die Lehrer. Bildungsgang selbständig verfolge, desto bälder mögen wir ihn aus der Schule entlassen . . . Die gedi-uckte Seite ist das Mittel, und die Fähig- keit sie zu lesen und zu verstehen, die Vorbereitung zum Eintritt in das Reich des Geistes. Wir geben dem Schüler den Vorteil einer be- ständigen Selbsterziehung. JVIit diesem Grundstock kann er seine sclüummernden Kräfte ins Endlose entfalten. Daher wird die Bibliothek bei uns, was die Universität vor Alters war. Der Stolz Amerikas sind seine selbstgebildeten Männer. So grofs die Übelstände des Lehrbuch- systems sein mögen, so wenig sind sie zu vergleichen mit denen der mündhchen Methode«'). Man mufs übrigens dabei auch die Eigentüm- Hchkeiten der Schüler und Lehrer mit in Betracht ziehen. Die Mehr- zahl besucht die Schulen nicht lange genug, viele arbeiten ein paar Monate für ihre Eltern, um dann wieder eine Zeit lang sich unter- richten zu lassan, und die Famihen ändern häufig den Wohnsitz. Dazu kommt die nachlässige Famihenerziehung und der Mangel häuslicher Nachhilfe bei den ärmeren amerikanischen Kindern, dann ihre Früh- reife. In diesen Verhältnissen sucht das Textbook-System seine Be- rechtigung. Aus ihnen erklärt sich auch die stramme Disziplin in den Volksschulen, die in einem auffallenden Gegensatze steht zu der Locker- heit der Famüienerziehung. In so vielen Einrichtungen wirkt hier der Trieb, das Notwendige aus den zufäUigeu HüUen herauszuschälen, in die Gewohnheit es gehüllt hat, und in jedem Wirken nur das Erforder- Hche, dieses aber entschieden und rasch zu thun. Er lebt auch in den Schuleinrichtungen, die vom Lehrer kein anderes Wissen ver- langen, als er zum Lehren nötig hat. Die Mehrzahl der VolksschuUehrer sind Frauen. Von 352231 Leh- rern, welche die Statistik für 1889 aufführt, waren 35,57o männhche, in den nördlichen atlantischen Staaten nur 20, im Süden dagegen, wo Neger überwiegen, bis 60'7o. Bei der verliältnismäfsig geringen Be- zahlung ist für die meisten Männer der Elementarunterricht nur Durch- gangspunkt für Aufstrebende. Als solcher bildete er allerdings einen bedeutsamen Abschnitt im Leben so manches hervorragenden Mannes in diesem Lande. Natürhch mufs bei diesem System die Voraussetzung einer unter allen Umständen bis ans Ende gleichmäfsigen Pilichterfül- 1) Dr. Harris cit. in N. Am. Review 1876. I. 210. .\iich Colleges« Harvard und Yale der Fall war, die eigenen Einkünfte jede Unterstützung überflüssig erscheinen liefsen. In den neuen Staaten des Westens sind derartige Anstalten nicht selten von vornherein von Staatswegen gegründet worden. Dennoch ist eine grofse Zahl von dem, was dort sich College oder University nennt, auch heute dem Sonder- geist der Sekten zu verdanken, der unterstützt wird durch reiche Stiftungen, und der nicht ruht, als bis er seine GeistUchen wie sein Pubhkum in eigenen Schulen herangebildet hat. Wenn dabei auch manchmal jede unmittelbare konfessionelle Färbung des Unterrichtes fehlt, so mufs doch mindestens die grofse Mehrzahl der Lehrer der betreffenden Denomination angehören und konfessionelle Propaganda wird in einer oder der anderen Form gemacht. Die Zahl dieser An- stalten betrug vor dem Unabhängigkeitskrieg 9, um 1800 26, aber 1890 wurden 415 gezählt, von denen die meisten in Ohio, Illinois, Missouri, Pennsylvanien und New York sich befinden. Auf jede Anstalt kamen 19 Lehrer^). Die Konkurrenz dieser zu übergrolser Zahl angewach- senen Colleges und die durch sie bedingte Zersplitterung der Mittel und Kräfte kann natürlich dem Gedeihen der einzelnen in keiner Weise förderhch sein. Wenn schon vor 15 Jahren Oregon mit 120000 E. 7 Colleges , Ohio 36 und Iowa 18 hatte , so fühlt man die Achtung schwinden, welche die Erinnerung an die klassischen Institute dieser Art in England und den älteren der V. St. wachruft. Eine bedeutende Konkurrenz wird ihnen gemacht von den meist von Anfang an besser ausgestatteten Staatsanstalten (gewöhnlich »State-Universities« genannt), die entstanden sind auf Grund einer für den Zweck der Errichtung eines »Seminary of Advanced Learning'< von Seite der V. St. an jeden Staat gemachten Landschenkung (s. o. S. 656). Unter ihnen nehmen einige bereits eine geachtete Stellung ein. Übrigens scheint der Eifer für Errichtung neuer Colleges auf Seite der verschiedenen Denomina- tionen bei weitem nicht mehr so stark zu sein wie früher. Auch in dieser Beziehung schälen sich die V. St. rasch aus den Schalen ihrer (jeschichte lieraus. Der alte Westen ist bezeichnenderweise am reichsten 1) Das Kritüiivini (nucs College ist die gesetzlich ihm erteilte Befugnis, Grade und gelehrte Titel, wie Magister Artium , Bachelor of Science, Doctor u. dgl. zu verleihen. Man bezeichnet sie daher auch im Gegensatz zu anderen höheren Schulen, die diese Befugnis niclit besitzen, als »Degree-giving In- stitutionsc. Die Aufnalimeprüfungen worden in den meisten Colleges durch »Admittance on C(^rtificato« umgangen, denen nur Yalo und Harvard und wenige andere sich nicht l)equemt haljcn. Die Töchterschulen. 663 an solchen Anstalten, auch für die Südstaaten ist ihre grolse Zahl (129) im Vergleich mit der der nördlichen Atlantischen Staaten (72) kein Beweis für höheren Büdungsstand »). Die einst als Sekten-Hochschulen gegründeten Universitäten von Harvard (Cambridge) und Yale (New Haven), die bedeutendsten der V. St., haben den Sektencharakter gänz- lich aufgegeben, ebenso die Mehrzahl der State-Universities im Westen. Das bedeutendste unter den jüngeren Colleges, Cornell University, ist grundsätzhch nicht sektirerisch. Vielleicht wird mit dieser Zurück- drängung konfessioneller Einflüsse auch eine gesunde Zusammen- drängung der höheren Unterrichtsanstalten in einzelne grolse ISIittel- punkte der Geistesbildung verknüpft sein. Achtungswerte Männer arbeiten bereits diesem Bestreben vor*). Auf die Mädchenschulen der em-opäischen Länder, besonders Deutschlands und Frankreichs, sieht der Nordamerikaner mit Bedauern herab. Er findet die geringe Zahl der Mädchen, die höheren Unterricht empfangen, den Mangel der Frauen-Universitäten und die Thatsache auffallend, dafs die auf Co-Education gerichtete Bewegung nicht längst uns mitergriffen hat. Die Statistik gibt für 1889 290 Private Secondary Schools für Mädchen, 737 für beide Geschlechter, 198 Colleges for Women, und eine grolse Anzahl von Universities und Fachschulen an, die Frauen zulassen und ihnen Grade und die Unterstützung der Fellowships erteilen ; für diese liegen leider keine erschöpfenden Mitteilungen vor. In den letzten Jahren haben Cornell und die Universität von Wisconsin ihre Hallen Frauen geöffnet und Yale erteilt den Doktorgrad an Frauen, die aber dem College fernbleiben. Eine ganz eigentümhche Entwickelung, die den Eindruck des Gesunden macht, nimmt das Frauenstudium in Harvard University dm-ch die Gründung des Harvard Annex, in dem die Frauen besondere Vorträge der Hochschullehrer hören, das Recht auf die Benutzung der Bibliothek und andere Institute, sowie ge- wisser Stiftungen erlangen, aber vom eigentlichen CoUege einstweilen 1) »Some of them have little more than a Name, a Charter and a Bias« sagt von diesen kleinen Colleges C. D. Gilman (Ediication in Amerika 1776 to 1875. 216). 2) So Präsident White von Cornell University, einer der erfahrensten Schulmänner von Amerika: »In den älteren Staaten sollten öffentliche und private Unterstützungen auf eine kleine Zahl der breitest und festest begrün- deten Anstalten konzentriert werden. In den jungen Staaten lasse man regel- mäfsig und ohne zu knausern staatliche Unterstützung den Staatsanstalten für die höhere literarische, wissenschaftliche und technische Heranbildung angedeihen, damit sie vollständig ausgestattet und von den konfessionellen Einflüfsen freigehalten werden könnenc Dr. Mc Cosh, der Vorstand von Princeton College, machte in einer Einfühi'ungsrede schon 1875 den Vorschlag, die Colleges jedes Staates in eine einzige Universität zu vereinigen. 664 1^16 Universitäten und noch streng getrennt sind. Die Mädchen machen mit Eifer Gebrauch von diesen Vorteilen und die Bildung der weiblichen Hälfte ist sichtlich in Hebung begriffen. Der Buffalo Comier schrieb im Februar 1892 : Die Zeit ist nahe, wo die Frauen ün allgemeinen mehr Intelligenz zeigen werden als che Männer, soweit nämlich die Intelligenz durch Bücher- studium erworben werden kann. Die Entwickelung der nordamerikanischen Collegien in der Richtung des freien Universitätsstudiunis nach deutschem oder schotti- schem Muster ist seit einigen Jahrzehnten nicht zu verkennen — nur manche Amerikaner verkennen seinen altwelthchen Ursprung und finden darin einen nationalen Zug') — und machte besonders in der jüngsten Zeit grofse Fortschritte. In das typische Colleg mit seinem vorgeschriebenen Lehrgang, in dem Latein, Griechisch und Mathematik die grölste Rolle spielen, während der ITnterricht in den übrigen Wissenschaften niu' in einer kurzen Einführung besteht, sind freiere Ideen eingedrungen. Durch Einführung der sog. Wahlfächer, d. h. Unter- richts- oder Vorlesungsstunden, aus denen den Schülern eine entweder ganz freie oder durch bestiiumte Regeln beschränkte Auswahl freisteht, wird der starre Unterrichtszwang unterbrochen. Man legt auf Prüfungen in manchen Gebieten mehr Wert als auf beständige zwingende An- leitung zum Lernen. Der Kreis der Gegenstände, in denen unterrichtet wird, hat sich in den meisten Anstalten sehr erheblich erweitert, und es haben vorzüglich die Naturwissenschaften eine immer gröfsere Geltung in den Unterrichtsplänen der Collegien erlangt. Mit ihnen hat sich die Anleitung zu freier und selbständiger Forschungsarbeit in den Laboratorien oder in der Natur selbst Eingang verschafft. Auch auf die neueren Sprachen wird immer gröfseres Gewicht gelegt. In Harvard sind vier Professoren und Dozenten für Deutsch angestellt. In weiten Kreisen wkd der Mangel der Sprachkenntnisse empfunden. Dafs die spanische Sprache selbst in hochamtüchen Kreisen der Union fast unbekamit ist, machte sich z. B. beim panamerikanischen Kongrefs schwer fühlbar. Die Anzahl der Lehr- oder Studiengegen- stände und die Freiheit ihrer Wahl ist in den fortgeschrittensten Anstalten wie Harvard College so weit gediehen, dafs die Ähnlich- keit mit der Universität im deutschen Sinne überwiegt. Dafs gerade diese Universität in einem stetigen Wachstum fortschreitet, legt ein günstiges Zeugnis ab für die Schätzung eines ächten Ilochschulunter- richtes. Sie hatte 1H92 als gröl'ste amerikanische Universität- 29G6 Stu- dierende, dazu in den Sommerkursen 5(X), die im Winter als Lehrer u. dgl. Geld flu- die Studien des Sommers verdienen. Ein Bericht, wie 1) So der Präsident von Cf)liinibi<'i C'ollego in ilci' Ivlnciilioiial Review, Januar 1893. ihre Wirkung auf das Leben. 665 ihn 1892 Präsident Eliot vom Harvard College erstattete, spricht nur von Fortschritten, Vermehrung der Zahl der Studenten, Anwachsen des Vermögens und der Stiftungen, Vergri'tlserung der Sammlungen, sogar Verlängerung der Studienjahre (in Medizin). Eine Hochschule wie diese hat in ihrem Kreise, der sich lang- sam über Neu-England ausdehnte und heute die gebildeten Stände der ganzen Union umspannt'), verhältnismäfsig tiefere Wirkungen hervor- gebracht als manche Universität der alten Welt, die um Jahrhunderte älter ist. Diese Wirksamkeit kann nur mit der verglichen werden, welche die ersten Hochschulen im mittelalterlichen Europa übten. Gerade im Hinblick auf Harvard, das an der Spitze der gröfsten gei- stigen Bewegungen in den V. St. stand, mufs Döllingers Behauptung in dem akademischen Vortrag »Über den Einflufs Nordamerikas auf die Litteratur«, es gebe in den V. St. keine Universität, die sich mit einer cMtter Klasse in Deutschland vergleichen könne, als nicht blofs unrichtig, sondern auch unhistorisch bezeichnet werden. Das sind un- vergleichbare Gröfsen. Sie ist durch Lehrer und Schüler eng mit dem öffentlichen und geistigen lieben des ganzen Landes verflochten. In dem Kampfe gegen die Secession und den vorhergehenden Geistes- kämpfen war sie eine geistige Vorkämpferin, stellte aber nicht blofs geistige Kräfte. 1239 Graduates von Harvard stritten im Bürgerkrieg in der Armee oder der Flotte , die meisten freiwillig , und 95 Hefsen dabei ihr Leben. Ihr Andenken bewahrt die ihnen zu Ehren er- richtete Memorial HaU und das Buch von Francis H. Brown »Harvard University in the War of 1861 — 1865«. Zu den hervorragenden Eigen- tümhchkeiten dieser Schule gehört der innige Zusammenhang ihrer »Graduates« lange nachdem sie ins Leben eingetreten sind. Eine Zeit- schrift, deren meiste Beiträge idealen Sinn und einen edlen Korps- geist atmen, wie das seit 1893 erscheinende Harvard Graduates Magazine, bildet ein geistiges Band um sie. Im Leben der Staaten und des Bundes zeichneten sich Harvardschüler durch rege geistige Interessen und hohe Gesinnungen aus. Charles Sumner gilt für einen ihrer hervor- ragenden Vertreter. Gleiöh den Doctores des Mittelalters bleiben sie in enger Verbindung mit ihrer Alma Mater, an deren Verwaltung und Vertretung viele später beteihgt waren. Die vom Bureau of Education 1) Die grofse Zahl der früheren Studenten von Harvard, die heute im Westen wohnen, zeigt, wie grofs der Einflufs dieser Universität auf die ganzen V. St. geworden ist ; 1892 wurden in Illinois 152 , in Ohio 135 , in Kahfor- nien 127, in Minnesota 43, in Michigan 39, in Washington 28 frühere Schüler von Harvard festgestellt, im ganzen Westen 6ü9, in den atlantischen Mittel- staaten 1303. Yale ist mit seiner starken, missionseifrigen theologischen Fakultät noch stärker im Westen vertreten, nämlich mit 915. Harvards Graduates Magazine 1893. I. p. 195. 666 Die Universitäten. herausgegebene History of Kigher Education in Massachusetts (Washing- ton 1891) gehört besonders durch die Geschichte der Harvard Uni- versity (S. 1 — 224) zu den wertvollsten Beiträgen zur Geistesgeschichte Nordamerikas. Die in einem Lande wie Nordamerika auch für die Uni- versitäten wichtige öffentliche Meinung legt durch die Schenkungen und Stiftungen für Schulen Zeugnis ab für- das Vertrauen, das sie ihnen entgegenbringt. Das U. S. Bureau of Education hat für die letzten Jahre durchschnittlich 6 Mill. D. Stiftungen und Schenkungen für Unterrichtszwecke zu verzeichnen gehabt. Einzelne grolsartige Schen- kungen wie die Leland Stanfords von 20 Mill. D. für die nach seinem Sohn zu nennende Universität bei San Jose Cal. sind in diesem Durch- schnitt nicht gerechnet. 1850 gab es in Colleges und Universitäten, die eine klassische Vorbildung verlangen, 8837, 1890 31516 Studenten. Seit 1880 ist die Zahl der Studierenden doppelt so rasch gewachsen als die Bevölkerung*). Dafs im Kongrefs und den Legislaturen in neuerer Zeit die Zahl der »College-bredx, der der Collegebildung sich erfreuenden Mitglieder, als eine unverhältnismäfsig geringe sich auswies, hat wenig mit der Güte dieser Anstalten zu thun. Es hegt ja in der Natur der poHtischen Ver- sammlungen, dafs nicht die Rücksicht auf Wissen und überhau.pt geistige Bildung den Zugang zu ihnen bestimmt. Auch ist seit Jahren das allgemeine Urteil über die geistige und moralische Höhe dieser Versammlungen ein so ungünstiges, dafs es jedenfalls nicht gegen die Colleges spricht, wenn sie nicht viele von ihren Leuten in dieselben entsenden. Bemerkenswert scheint ein anderer Vorwurf, welcher der College-Erziehung nicht selten gemacht wird, dafs sie näniHch eine gewsse Scheu vor den rauhen Kämpfen des Lebens, »eine Abneigung gegen die PoHtik, einen Schrecken vor dem Caucus« erzeuge. Ver- dient hier die Pohtik den Vorwurf oder die Schule ? Die überall durch- dringende aristokratische Tendenz im nordamerikanischen Leben tritt natürhch auch an den Universitäten hervor. Harvard gilt, wiewohl eine ganze Reihe von Einrichtungen besteht, die den Studenten bilhges Essen und Wohnen und Ervverb während der Ferien vermitteln — für Unterstützungen hat sich ein Kapital von 80000 D. angesammelt, — für die Universität der reichen Jugend. »The Grind«, der mühsam arbeitende, vielleicht gar selbst sich ernährende Student, ist dort schwach vertreten. Dem lärmenden Politiker ist es natürlich auch imbeliaglich, dafs die kleinen >Collegiate Towns« wie Anihcrst, Ithaca, Hannover, Princeton Stätten einfachen Lebens geblieben sind, nach denen der New Yorker aus dem Geräusch und Luxus sich sehnt. Dafür hat er die Genugthuung, dafs die > University Extension« ihre Wellen aus 1) Educational Eeview, Februar 1892. Der wissenschaftliche Unterricht. 667 England nach Amerika geworfen hat, wo sie als ein Fortschritt auf das demokratische »Ideal der Erziehung < hin begrüfst wird. Alle die grofsen Anstalten, voran Harvard, Yale, Princeton, Columbia haben sich in den Dienst dieser grolsartigen Vortrags- und Prüfungs-Organi- sation gestellt, aber nicht ohne Bedenken gegen dieses Heraustreten aus dem Kreise der alten Universität. AuTserdem arbeitet eine ähnliche Einrichtung, die Chatauqua Association, durch Vorträge, Aufgaben und Prüfungen, auf eine Art von Organisation des autodidaktischen Lernens reiferer Schüler hin. Der Unterricht in den verschiedenen Fächern und Wissenschaften war im Anfang auf das Verhältnis von ISIeister zu Lehrling gegründet und eigenthche Fachschulen sind vorwiegend erst im Laufe unseres Jahrhunderts entstanden. Noch heute genügt in den entlegeneren Staaten und Territorien für den Geisthchen die Anleitung eines Amts- bruders und die Anerkennung von Seiten der Profession, und ähnhch ist es beim Rechtsanwalt') und Arzt. Aber überall, wo die Möglichkeit eines besseren Unterrichtes besteht, sind auch die Mafsstäbe gewachsen, die an Kenntnisse und Fertigkeiten gelegt werden. 1774 wurde che erste nennenswerte Rechtsschule zu Litchfield (Conn.) gegründet. Har- vard College ernannte erst 1816 einen juristischen Professor. 1782 wurden an Harvard College die ersten Schritte zur Gründung einer Medizinschule gethan. Polytechnische Fachschulen sind ebenfalls ver- hältnismäfsig jung. Die Militär-Akademie zu West Point (New York), gegründet 1802, war von Anfang an nicht blofs eine Kriegsschule, sondern bildete auch Topographen, Hydrographen und Ingenieure (s. o. S. 613). 1826 wurde das »Rensselaer Polytechnic Institute« in Troy (New York) gegründet und wurde bald zu einer Schule, die zahl- zeiche Sprossen in anderen Teilen des Landes trieb und einen starken Einflufs auf die Ausbildung der höheren Techniker übte. Nach und nach fügten die älteren Colleges sich »Schools of Science«, gewisser- mafsen kleine naturwissenschaftliche Fakultäten, an, in weichen zum Teü auch technische Fächer gelehrt wurden. Besonders häufig ist die landwirtschaftüche Unterweisung. Die Staats-Universität von Ohio stellt sich die Aufgabe, einen guten Teü ihrer Absolventen zu Farmern zu machen. Den grölsten Ruhm von allen diesen Anstalten hat Lawrence Science School in Cambridge (Mass.) dm-ch die Wirksamkeit von Louis 1) Begreiflicherweise zieht das Studium der Gesetze die gröfste Zahl der intelligenten nnd strebsamen Jünglinge an. Die Eechtsknnde ist die fast unvermeidliche Vorstufe zur Bühne des politischen Lebens und die Ausübung des Anwaltberufes gilt als die beste Schule der Redner. Sogar die berühmten »Seifmade Men«, die eine Rolle auf dieser Bühne spielten, haben fast alle diese Stufe überschreiten müssen."] Der Anwaltstand ist natürlich sehr zahlreich in den politischen Körperschaften vertreten. 66g Taubstummen- und Blindenschulen. Agassiz, dann Sheffield Rchool of Science in New Haven (Conn.) erlangt. Stevens Institute in Hoboken (bei New York) ist eine gröfsere, dem höheren technischen und physikalischen Handwerk gewidmete, vor- wiegend praktische Schule. Immerhin gibt es noch heute in keinem anderen industriell gleich hoch stehenden Lande so wenige wirklich methodisch geschulte Techniker wie in Nordamerika. Die zahkeichen amerikanischen Erfindungen lehren, dafs die Geschickhchkeit viel ersetzt; aber auf der anderen Seite bezeugen die hohen Stellungen, zu welchen europäische, in erster Linie deutsche Ingenieure, Architekten Bergleute u. dgl. in den V. St. gelangt sind, dafs die technische Er- ziehung daselbst nicht für alle Bedürfnisse aufzukommen vermag. Der Unterricht der Taubstunmien begann in den V. St. i. J. 1817 in Hartford Conn. Gegenwärtig gibt es 74 Schulen für Taubstumme mit über 8000 Schülern. Eine den V. St. eigentümliche Einrichtung ist das »National Deaf Mute CoUege«, welches 1864 von Bundeswegen in Washington D. C. gegründet wurde. Man gibt in ihm den Taub- stummen den höheren Unterricht der Kollegien und erteilt die Grade wie an einer Universität. Das erste Blinden-Institut der V. St. war das 1829 gegründete Perkins Institute in Boston Mass., in welchem Dr. S. G. Howe seine berühmte Erziehung der armen Laura Bridgeman ausführte. 1890 gab es 33 Blindenanstalten im Lande; leider geht sogar durch sie die »Color Line« (s. o. S. 283). Die Bibliotheken erfreuen sich besonderer Aufmerksamkeit seitens derer, die die Volksbildung zu fördern streben. Man hat die Schätzung aufgestellt, dafs 1800 aUe Colleges zusammen 50 000 Bände be- sassen, während heute die Bibliothek von Harvard College allein 240000 zählt. Die Zahl der Bände in öffentlichen Bibliotheken zu Boston Mass. und Cambridge Mass. hatte sich von 1817 bis 1875 verfünfzehnfacht. Die National Library in Washington wurde im Anfang unseres Jahrhunderts gegründet und zählte 1892 625000 Bände ')• In New York, Massa- chusetts, Connecticut, Illinois und Wisconsin u. a. sind die Gemeinden dm-ch Gesetz ermächtigt, Steuern aufzulegen zum Zweck der Gründung von Bibliotheken. Massachusetts gibt jeder Gemeinde (town), die eine öjffentliche Bibliothek errichtet, Bücher im M'ert von 100 D. Ende 1891 1) Ihre Schicksale, wie sie im Cougressional Directory l'iir 1892 erziihlt werden, sind merkwürdig. Die 1800 begründeten Anfänge wurden 1814 im englischen Kriege zerstört. Die durch J eff er son s Bibliothek bereicherte neue Library of Congrel's wurde 1851 gröfstentoils das Oi)fc>r (^inor Feuers- brunst. In den letzten Jahren hat der Congrefs jährlich durchschnittlich 11000 1). verwilligt und die i'.i])li(illick des ,Sniithsoni:in Institute ist mit der Lihrary of Congrel's vereinigt worden, die durch die Copyi'ight-Exemplare und «lurch Stiftungen rascli anwächst. Gegenwärtig ist ein neuer Bau im Werden, der 1894 vollendet sein sf»ll. Bibliotheken und Vorträge. QQQ gab es dort nur noch 66 Gemeinden ohne »Free Libraries«. Selbst in unseren grölseren Städten bleibt viel zu thun, bis dem Wifsbegierigen Bücberschätze und Räume zu ihrer Benützung zugänglich gemacht werden , wie sie Boston , New York , Cincinnati , St. Louis und andere Städte der V. St. oft in mehrfacher Zahl dem Publikum darbieten. In der Stadt New York sind 28 Bibüotheken dem Pubhkum zugängüch. Man geht hin, verlangt eine Zeitschrift oder ein Buch und erhält es ohne jede Bedingung und Formahtät zm* Benützung. Bei ihrer Auswahl scheinen weder rehgiöse noch nationale Engherzigkeiten sich geltend gemacht zu haben. In Boston mit seiner verhältnismäfsig geringen und einHufs- armen deutschen Bevölkerung fand ich z. B. Adalbert Stifters Werke in der öff entheben Bibhothek und in der Astor-Bibhothek zu New York zählte ich ein paar Dutzend deutsche Gesamt- und Einzelausgaben Goethescher Werke. Sachkenner beloben die praktische Aufstellung der Bücher und die Kataloge, in deren Anfertigung jede möghche Rück- sicht auf die leichte Auffindbarkeit der Bücher genommen ist. Als ein wichtiges Bildungsmittel sind die in Tausenden über das Land ver- breiteten amtlichen Schriften der Bundes- und der Staatsämter, besonders die statistischen und pohtischen, die Berichte des Ackerbau- und des Erziehungamtes zu nennen, die in den abgelegensten Orten des fernen Westens oft die einzige ernste Lektüre bilden. Von amt- hchen Veröffenthchungen werden in der Regel 500 Abdrücke für Bibüo- theken bestimmt, in bestimmten FäUen 1000. AuXserdem beziehen die Volksvertreter grolse Mengen, mit denen sie ihre Wähler erfreuen. Neben den Bibhotheken konmaen zahUose öff enthebe Vorträge dem Bildungsbedürfnis aller Schichten der Bevölkerung entgegen. Sie zu hören ist eines der Gebote der Sitte, dem sich nicht leicht eine Famüie entzieht, die Anspruch auf geistigen Luxus macht. Was bei uns das Theater- oder Konzert- Abonnement, das ist hier füi" Jeden, der nicht als roh oder arm angesehen werden wül, die aUwinterheh wieder- kehrende Forderung, einen Cursus von Vorlesungen mitanzuhören. Der amerikanische LTnternehmungsgeist ist dem Bedürfnis nach Vorlesungen schon vor Jahren entgegengekommen und hat das Vorlesertum zu einer der »Institutionen < der Gesellschaft gestempelt. Man gründete Bureaux, deren Zweck und Einrichtung den Bureaux für Ai'beitsuchende zu vergleichen ist. Diesen Bureaux schickt Jeder, der sich hierzu berufen glaubt, seinen Namen und sein Repertohe von Vorlesungen nebst Preisverzeichnis ein und an sie wendet sich jede Gemeinde oder jede Gesellschaft, die etwas vorgetragen haben will; sie wählt nach Wunsch, Bedarf und Mitteln und zalilt den Betrag an das Bureau, das seinerseits dem Vortragsreisenden nach Abzug von Kommissionen, Provisionen, Prozenten und anderen »Technicalities« eine Summe aus- bezalilt. Der Amerikaner ist ans Redeuanhören gewöhnt und ist nicht 670 Gefahl- der öffentlichen Vorträge. leicht zu übersättigen. Er ist aber auch ans Reden gewöhnt, das er ja schon in den Schulen zu lernen pflegt, und nicht schüchtern. Es felilt daher weder an Publikum noch an Vortragenden und (he Bureaux samt den Rednern und Vorlesern machen gute Geschäfte, zumal jene in die Vorträge bald ein sensationelles Element hineinzubringen wufsten, das mehr an die Neugier und Skandalsucht als an die Wilsbegier des Publikums appeUierte. Irgend Jemand, der sich berühmt oder be- rüchtigt gemacht hatte, wurde zu einer Vortragsreise eingeladen und sagte jeden Abend vor einem anderen Pubhkum. was er meinte oder wufste. Der unternehmende Mann aber, der das Risiko des Geschäftes auf sich genommen , begleitete ihn als Impresario , sorgte für das Praktische, für die Marktschreierei, die übhche Musik zur Einleitung des Vortrages u. s. f. Auf diese Weise sind alle Art Leute mit Vor- trägen durchs Land gereist und haben oft viel Geld gemacht. Frauen- zimmer, an die sich irgendein Skandahnteresse knüpft, spielen dabei eine grofse RoUe. Aber die Vorträge selbst verloren an Wert, denn die grofse Konkurrenz verleitete auch bessere Geister, wie einen Wendell Philipps, zur übertriebenen Betonung des Anziehenden und Über- raschenden in der Form. Der Phrasenkultus, überhaupt der unwahre Ton, den die ernsteren Leute hier an so vielen Äulserungen des öffent- Hchen Lebens als »Sentimentalism« beklagen, drängte sich in die Vorträge ein. Man spielte mit den ernstesten Stoffen, um zu gefallen, und man entwürdigte 2nit der Zeit ernste Forschung und fleifsiges Lernen in den Augen eines Publikums, das nur zu bereit war, an die schmeichelnde Lehre zu glauben, dafs Bildung nicht erarbeitet und erkämpft zu werden brauche. Für jene flachen Plaudereien, die man »Small Talli« nennt, ist die in solchen Vorlesungen zu gewinnende Bildung von Wert, für ernsteres Bildungsstreben ist die Bedeutung des Vortragswesens ünmer geringer geworden. Eine grofse Gefahr der tieferen Bildung und besonders des ernsten, wissenschaftlichen Arbeitens liegt überhaupt in der übertriebenen Schätzung des Rhetorischen. Die Beredsamkeit allein kann einen Mann grofs machen und den Mangel aUer anderen Gaben ver- gessen lassen. Eine der hervorragendsten Figuren in der Politik und Religion der V. St. in diesem Jahrhundert, Henry Ward Hcecher, dankte seine Stellung durchaus nicht seinem Charakter, und weniger seinem Geiste als seiner Beredsamkeit. Nur wenige Amerikaner hatten ein Gefühl für einen Zug von Unwahrheit, der durch sein ganzes Wesen und Auftreten ging. Es werden im allgemeinen in Reden, Zeitungen und Bücliern viele hohle Worte gemacht. Die Politik mag daran iln-e Schuld ti-agen, sie ist es aber jedenfalls nicht allein, tue veranlafst, dafs viele über Gegenstände sprechen oder schi-eiben, ohne in Wirklichkeit dnrüber etwas zu sagen zu haben. Die Wissenschaftspflege. 671 Die Wissenschaftspflege. In der Alten Welt hört man Vorwürfe, dafs die Nordamerikaner in der Wissenschaft der idealen Ziele ent- belii-ten und vom Abfalle der Tische der europäischen Wissenschaft lebten. Damit stimmt schlecht, was 1876 Sir William Thomson nach seiner Rückkunft von Philadelphia den in Glasgow versammelten britischen Naturforschern sagte. »Ich bin mit tiefen Eindrücken von dem zurückgekehrt, was ich innerhalb und aulserhalb der Welt- ausstellung gesehen habe ; es hat mich mit echtem Forschertrieb, Hingebung, Originahtät, Erfindungsgeist, geduldiger Durchführung der Arbeiten, Fähigkeit, die Leistungen anderer zu schätzen, grofsmütiger Offenheit und Sympathie, den Quellen der grofsen Dinge in der Wissenschaft bekannt gemacht.« Indem sich dieser Beurteiler über EinzeDieiten verbreitete, zollte er besonderes Lob den grolsartigen wissenschafthchen Instituten, wie Coast Survey, Smithsonian Institute, Signal Service, Harvard University, Boston Technological Institute u. a. Wir hören ähnhch unsere Fachleute von der Pflege der Geologie, Paläontologie, Biologie, Ethnographie, Meteorologie in den V. St. reden. Die wissenschaftlichen Leistungen der Amerikaner kann heute nur der gering anschlagen, der mit dem Stand der wissenschaftlichen Arbeiten unserer Zeit nicht vertraut ist*). Dafs auch die Wissenschaft drüben die Spuren der Jugend an sich trägt, ist nur natürlich. Die praktischen Bedürfnisse drängen die Abstraktionen zurück. Schon in den ersten kampfreichen Jahrzehnten war eine Hauptsorge der Ansiedler die Heranbildung von Geisthchen. Heute gibt es sicherlich kein Volk, das so grofse Mittel für theologische Schulen aufwendet wie das der V. St. So bedeutende Leistungen die Nordamerikaner auf allen Gebieten der praktischen Religion aufzuweisen haben, so arm ist üire exegetische, kirchengeschichthche, kritische, linguistische Thätigkeit auf theologischem Gebiete. Doch ist der erste bedeutende Name ihrer Litteratur, Jonathan Edwards (f 1758), der eines Theologen. Die Gabe der Erfindung ist dem Nordamerikaner in reichem Mafse verliehen und hat um auch zu hervorragenden wissenschafthchen Leistungen befähigt (s. o. S. 513). 1) De Candolle hat in seiner Histoire des Sciences et des Savants depuis deux Siecles (1873) die Procentzahlen berechnet, mit denen die Nord- amerikaner unter den auswärtigen Mitgliedern der grofsen europäischen wissenschaftlichen Akademien vertreten sind. Im Zeitraum von 1666 — 1870 nahmen sie teil mit 2,2 °/o (ebensoviel wie Rufsland und Polen) an der Pariser, 1869 mit 2''/o an der Londoner (ebensoviel wie Niederland, Belgien, Itahen und Rufsland), S^/o an der Berhner (ebensoviel wie Niederland und Itahen)^ 4,6''/o an der Petersburger (ebensoviel wie Schweiz, Skandinavien). Die Be- merkungen De Candolles über die Bedingungen der Wissenschaftspflege in den V. St. (S. 234 f.) sind die besonnensten, die ich in irgend einem euro- päischen Buche gefunden habe. 672 Die Wissenschaftspflege. Die Anzahl der Erfindungen, die von Nordamerikanern gemacht sind, ist erstaunhch. Die Mehrzahl gehört der Technik an, doch auch von solchen, welche die Entwickelung der Wissenschaft beschleunigt haben, liegt eine ganz bedeutende Zahl vor. Franklin, der erste hervor- ragende Natm-forscher, den Nordamerika aufweist, ist auch in dieser Kichtung ein echter Vertreter seines Volkes. Seine Identifizierung des Blitzes mit dem elektrischen Funken ist eine grofse wissenschaftliche Entdeckung, sein Blitzableiter eine ausgezeichnete Erfindung. Er ist kein Gelehrter gewesen und hat die Wissenschaft gefördert ; man wii'd ihn immer unter den hervorragenden Naturforschern des 18. Jahr- hunderts nennen. Ihm ähnlich war in manchen Punkten sein Zeit- genosse Rittenhaus in Philadelphia, ein mechanisches Genie; er ver- fertigte vortreffliche Uhren und seine Beobachtung des 1769 er Venus- durchganges war genauer als die der geschulten Astronomen seiner Zeit. Rumford kann als der dritte genannt werden mit seinen wichtigen Untersuchungen über die Wärme und seinen praktischen Erfindungen. Das waren Leute von grofsem praktischen Geschick und in hohem Mafse mit der kombinierenden Phantasie ausgestattet, die man Erfindungsgabe nennt. Ihnen fehlte zu grofsen Naturforschern nichts als die ruhige Vertiefung. I^eider zersplitterten sie ihre Kräfte auf eine Anzahl von Gebieten menschlicher Thätigkeit. Sie standen in so hoher Achtung, dafs sie mit öffentlichen Ämtern geradezu über- laden wurden. Das Land glaubte ihrer Kräfte mehr zu bedürfen als der abstrakten Wissenschaft. In der Erinnerung an sie ist es geneigt, hervor- ragende Erfinder und grofse Männer der Wissienschaft zu verwechseln. Das Jalirzehnt der Revolution, das den jungen Staaten so grofse Opfer auf- erlegte, war nicht geräusch- und opfervoll genug, um der philosophischen Gesellschaft von Philadelphia die erste Beisteuer von 400 D. verweigern zu lassen, welche die Legislatur von Pennsylvanien ihr 1783 bestimmte. 10 Jahre später erbaute dieselbe Gesellschaft sich ein eigenes Haus für ilire Sammlungen und Vorträge, wie nicht viele europäische Gesell- schaften jener Zeit. Merkwürdigerweise folgte nun ein halbes Jahr- hundert, in dem sehr wenig geleistet wurde. Das Volk im ganzen war zu sehr in Anspruch genommen von der hohen materiellen Entwickelung und der Ausbreitung nach Westen. Man hatte einige sehi- tüchtige Reisende wie Pike, Long, Lewis, Clark e, Schoolcraft, welche den Schleier lüfteten, der den fernen Westen jenseits der grofsen Steppen des Missouri-Gebietes verhüllte. Aber diese kühnen Erforscher förderten mehr die Kenntnis des Landes als der Wissenschaft. Die natui'wissenschaftliche Kenntnis des Landes bheb dalier hinter der geogra]>hischen noch lange zurück. Die Zoologie der höheren Tiere jener Westgebiete ist mehr durch des Prinzen Maximilian v. W i e d s Reise (1828) als durcli die Arlicitcn l^]inheimischer bekannt geworden. Nur ver- Henry, Bache, Ferrel. 673 einzelte Gröfsen ragen in dieser Zeit hervor. B o w d i t c h , der die Meca- nique Celeste Laplace's mit einem Kommentar übersetzte, der sie dem Verständnis vieler nahe brachte und sie zu einem gesuchten Buche werden liefs; Henry, der mit seinen Entdeckungen im Gebiete der Elektrizitätslehre die späteren so fruchtbaren Ai'beiten Morse's vorbereitete, waren Autodidakten. Bache, der spätere Direktor der Küstenaufnahme (U. S. Coast Survey), war ein Schüler der Militär- Akademie von West Point, die auch sonst noch hervorragende Männer der Wissenschaft in gröfserer Zahl geliefert hat. Aber allen dreien ist gemeinsam eine auffallend vereinzelte Stellung unter den Zeitgenossen, die den Mangel an innerem Zusammenhang ihrer i\jbeiten erkläi'en hilft. Auch Ferrel 's, desgrofsen Meteorologen Leben, das 1891 in May- wood (Ka.) schlofs, war vom Schullehrer bis zum Professor im Signal Oftice das stillste, aber fruchtbarste Gelehrtenleben. Viel mehr als heute trat damals der Mangel eines eigenthchen Gelehrtenstandes und der wissenschaftlichen Atmosphäi-e hervor. Der Wissenschaft gerade nützt ein Zug zum Kastenwesen, der in jungen Gesellschaften unmögHch ist. Sogar die Lehrthätigkeit an kgend einem College bringt in Amerika weniger Anregung zu forschender Thätigkeit, mehr Zerstreuung und Zersphtterung mit sich als bei uns. Die Schüler wollen den Lehrer mehr ausnützen, als geduldig ihm zur Seite zu stehen, und sich an ihm selbst heranzubilden. Selbst L. Agassiz, dem die Pflichten seiner Stellung von vornherein leicht gemacht wm'den, hat, wie er oft klagte, unter dem Drucke der praktischen Arbeit seine rein wissenschaftliche Thätigkeit sich be- schränken sehen. Ebenso ward Bache von den Pflichten der Küsten- aufnahme, die 1832 unter Hassler 's Leitung ins Werk gesetzt worden war, und Henry von denen eines Leiters des Smithsonian Institute in einer Weise absorbiert, die ihr Leben für die Wissenschaft nicht nach dem Mals ihrer Begabung fruchtbai- werden liefs. Allerdings ist die Küstenaufnahme der V. St. eines der gröfsten und vollendetsten Werke ihrer Art und ebenso steht die grolsartige Thätigkeit des Smithsonian Listitute ganz einzig da in der Gesciüchte der gelehrten Gesellschaften (s. u. S. 657). Was die Amerikaner auf astronomischem und nautisch- physikahschem Gebiete gehefert haben: die Herstellung der grolsen Fernröhren, die Photographie im Dienste der Astronomie, die Ent- deckung zahlreicher kleiner Planeten und der Marsmonde , die Unter- suchungen über den Golfstrom, mit denen der Name Maury's un- vergänglich verknüpft ist, ihre Nordpolforschungen u. a. lehnen sich vorwiegend an diese beiden Anstalten an und sind zumeist von Schülern Henry's und Bache's ausgeführt. Eine bedeutende Anregung wurde der Pflege der Wissenschaften in den V. St. durch die Sm-veys gegeben , die von Seiten des Bundes und der Einzelstaaten seit 1830 in wachsender Zahl und Ausdehnmig Ratzel, Die V. St. von Amerika. 43 674 U. S. Coast Survey. Geographische und mit wachsenden Mitteln') veranstaltet wurden. In erster Linie steht hier immer der Coast Survey unter Hassler, Bache und jetzt Mendenhall, der eine Masse wertvollen Kartenmaterials geschaffen und in seinen jährhchen Berichten zahlreiche Beiträge zur Hydi'O- und Geographie , zur Physik und Meteorologie gegeben hat. Die Anwen- dung der Telegraphie zur Längenbestimmung, eine epochemachende Neuerung, ist von dieser Seite zum ersten Mal in ausgedehnter Weise erprobt, geübt und zu einer wissenschaftlichen Methode von hoher Vollendung ausgebildet worden. Die Küstenaufnahmen wurden nach dem letzten mir vorliegenden Bericht an der Küste bzw. in den Ge- bieten von 17 Staaten und 1 Territorimn fortgesetzt. Specielle Aufgaben waren die Veränderungen der Küstenhnie durch Gezeiten und Bran- dung bei C. Cod, die Beobachtung der Küstenströme und der AbÖufs- menge itn Long Island Sund, Bestimmungen der Dichtigkeit des Meer- wassers und GoLfstromstudien. Geodätische Ai'beiten für die topo- graphischen oder geologischen Aufnahmen einzelner Staaten wurden in Massachusetts, New Jersey, Tennessee, Arkansas, Wisconsin und Minnesota ausgeführt. Auf die Mitwirkung des Survey s bei Grenz- berichtigungen, deren wichtigste jetzt die Alaskas beim 140'^. w. L., wurde fi'üher hingewiesen (vgl. o. S. 50). Ein Beamter des Survey machte auf einem der Schiffe der V. St. Beobachtungen über Schwere und Erd- magnetismus an der Küste Westafrikas. Mit dem Coast Survey ist die Office of Weights and Measures verbunden, die auf die Einführung metrischer Mafse im Küsten- und ZoUdienst hinarbeiten wnd. Die Kosten des Coast und Geodetic Survey allein betrugen 1890 537120 D. 1886 begann man bei Washington den Bau eines Marine-Observato- riums, für das ein Gesetz im Januar 1892 eine ähnhche Organisation wie für das von Greenwich vorschrieb. Es wird den Namen führen »The U. S. National Observatory«. Die Surveys der einzelnen Staaten und Territorien haben sich erst später zur Höhe wahrhaft wissen- schafthcher Leistungen erhoben, denn die Ansprüche, welche die Auf- traggeber an sie stellten und die Ausführenden an ihre eigene Arbeit machten, stehen in einem leicht zu erkennenden Verhältnis zu dem 1) Pennsylvanien zahlt seit einer Reihe von Jahren 50000 D. jährhch für seinen topographischen und geologischen Survey und in New York ist seit 1877 ein neuer Survey, zunächst rein topographisch, in Thätigkeit, mit einer jährlichen Zuweisung von 20000 D. New Jersey und Massachusetts waren 1891 die einzigen Staaten mit einer genau durchgeführten geographi- schen Aufnalime. Connecticut und Rhode Island folgen ihrem Beispiel. Die Notwendigkeit, die inneren Grenzen, besonders die der Townships, genau festzustellen, ist der praktische Anstofs zu diesen Unternehmungen. 1) Nach James T. G a r d n e r (Rep. of the Board of Commissioners New York State Survey 1H77; sind noch auf den hisher gebräu(;hlichen Karten und geologische Aufnahmen. 675 allgemeinen Stande der Wissenschaftspflege. Die früheren Landauf- nahmen waren rein topographisch, aber in ihren älteren Karten sind Irrtümer von 5 bis 10 Minuten keine Seltenheit'). Die erste grofse geologische Aufnahme eines bedeutenderen Gebietes war die des Staates Massachusetts von Ed. Hitchcok (1835). An wissenschaft- Hchem Werte stand aber die New Yorks vorzüglich durch die schö- nen paläontologischen Arbeiten von James Hall (1847 — 1852) lauge Zeit in erster Linie, und überhaupt trug das Gesamtwerk der Natural History of New York erhebUch bei zu der gröfseren Schätzung der Arbeiten amerikanischer Forscher in Europa. Sehr viel bewirkte darin die Wertschätzung, die so grofse europäische Autoritäten wie A. v. Hum- boldt und Charles Lyell, letzterer aus wiederholter eigener Erfahrung auf gröfseren Reisen im Lande, den Bestrebungen der Amerikaner entgegenbrachten. Unter den späteren Staats- Surveys ragen durch wesenthche Bereicherung, die sie der Wissenschaft brachten, besonders der von Pennsylvanien unter Rogers (1858), von Michigan unter Whit- ney und Foster (1851), Oliio unter Newberry (1870), lUinois unter Lesquereux, Wisconsin unter Owen und Whitney (1852 und 1862), Iowa unter J. HaU und Whitney (1858) und Kahfornien unter Whitney (1864) hervor. Die grofse ZerspHtterung der geographischen Vermessungen und Darstellungen hat eine Menge einzelner Karten und Kartenwerke geschaffen, die einander weder ergänzen, noch mit- einander übereinstimmen. Als Übersichtsblätter der V. St. sind die Karten des Kj'iegsamtes in 1:5000000 hervorzuheben, für emzelne Staaten der topographische Atlas von Massachusetts (1 : 63,366) , die Karten von Rhode Island, New York, New Jersey, die fragmentaiischen Kartenreihen des Geographica! Sm'vey West of the 100**" Meridian unter Wheeler, die Militärkarten der Weststaaten, die Flufs- und Seen- karten verschiedener River und Lake Commissions, die Karten des Land- amtes u. a. Das bedeutendste Kartenwerk über die V. St. verspricht die vom U. S. Geological Survey herausgegebene Karte in 1 : 250000 zu werden, die unter der Leitung von Hemy Gannett bearbeitet wird. Die Karten und Atlanten privater Anstalten in Amerika ent- sprechen selten den Anforderungen, die wir in Europa zu stellen pflegen. Zu den reichsten Quellen für Geographie, Naturgescliichte Städte wie Albany, Buffalo, S>Tacuse u. a. um VI 2 bis 3 engl. M. von ihrer wahren Lage entfernt. Gerade in den ältesten Staaten herrscht auch noch heute, besonders im Süden, ein bedauerhcher Mangel an guten Karten. Beim Ausbruch des Bürgerkrieges waren die Aufnahmen Washingtons, Ferien- arbeiten seiner Jugend, für manche Gegenden die einzigen I Da in den neuen Territorien der Bund Aufnahmen besorgt hatte, kam es, dafs »von den ältest besiedelten Gebieten die geographische Kenntnis am schwächsten war«. C'^ de Paris, Histoire de la Guerre Civile I. 364. 43* 676 Geologische, paläontologische und Völkerkunde des Landes gehören aber die Berichte der von Bundeswegen in die westlichen Territorien entsandten Expeditionen, von denen ältere, vorzüghch dm-ch wichtige geographische Entdeckungen berühmte, schon früher genannt wurden. Wissenschaftliche Expedi- tionen, vne so ergebnisreich die Spanier keine ausgesandt hatten, berei- teten die Erwerbung Kaliforniens vor, und als diese kaum vollendet war, wurde im September 1848 bereits eine Kommission für die Küsten- vermessung organisiert. Fremont's Exploring Expedition (1843 — 1844) vermittelte der Welt die erste eingehende Kenntnis des Felsengebirges, Emory's Mexican Boundary Survey (1858) ergänzte sie im Süden, wie Stansbury's Expedition im Gebiet des Grofsen Salzsees und die von Verschiedenen gelieferten Berichte in den* Pacific Rail Road Reports (1851 f.) vorzüglich im Norden und Nordwesten. Hayden's Expedition arbeitete im Auftrag des Landamtes, die Wheeler's in dem des Kriegs- amtes und die Powell's in dem des Inlandamtes, bis 1879 der Kongrels eine einzige Stelle für Landaufnahmen schuf unter der Leitung des Geologen Clai'ence King, später unter der des Major Powell, des Colorado-Forschers. Dieser Geological Survey wurde als eine Ab- teilung des Inlandamtes 1879 begründet. Bis 1890 hatte er 10 Jahres- berichte, 13 Monographien, 58 Bulletins und 5 statistische Berichte herausgegeben. Aufser 12 geologischen hat er 1 geographische und 1 bergbauliche Abteilung und erstreckt seine Thätigkeit neuerdings auch auf den Osten. Es bleibt noch ungemein viel zu thun. Selbst von einem alten, mit Stätten der Bildung umgebenen Staat, wie New Jer- sey, ist die Durchforschung noch so wenig weit gediehen, dafs man es als zoologisch »practicaUy unexplored« bezeichnet'). Illinois ergänzte 1891 seinen Geological Survey durch ein »State Laboratory of Natural History«, das die vollständige Untersuchung des Landes in naturhisto- rischer Beziehung, besonders seiner Hilfsquellen und Schädhchkeiten, zur Aufgabe hat. Im Verfolg dieser Arbeiten sind die Geologie und Paläontologie in so erheblichem Mafse gefördert worden, dafs die V. St. auf keinem anderen Gebiete gegenwärtig so bekannte und glänzende Namen zählen wie hier. J. D. Dana*), James Hall, N. Shaler, J. D, Whitney, Gl. King, S. Newcomb, R. Hayden, O. Marsh, 1) Prof. John B.Smith in Final Report of the 8tate Geologist. Kinl. zu Bd. n (1891). 2) In einem geograpliisclicn Woiko licifst os nicht üIxm- die Grenze schreiten, wenn man die Verdienste Danas um die physikalisiihe Geographie, die in Europa lange nicht genug gewürdigt worden, besonders hervorhebt. Seine Behandlung physikali8ch-gef)graphischer Probleme im elften Bande der >Report8< der U. fS. P^xploring Expedition Wilkes und in »Corals and Choral Islands« stellt ihn in die erste Reihe der Geographen unserer Zeit und in der Geologie nnd Minernlogie nimmt er eine hochgeachtete Stellung ein. und biologische Studien. 677 D. Cope gehören unter ihren Fachgenossen in die erste Linie. Während also auf diesen Gebieten eine von aufsen kommende An- regung, nämlich der natürhche Wunsch aller intelligenten Bewohner des Landes nach Kenntnis des Bodens und seiner Schätze, zu grofsen wissenschaftlichen Ergebnissen führte und eine ganze Anzahl höchst achtenswerter Forscher erstehen liefs, gab auf einem anderen, fast nur die reine Liebe zur Wissenschaft, zu ähnhchen bedeutenden Leistungen den Anstofs. Naturfreunde von scharfer und fleifsiger Beobachtung, wie Audubon, Bachmann (Deutsch-Ameiikaner), Gould, hatten in der beschreibenden Naturgeschichte schöne Arbeiten geliefert. Aber die vergleichende Anatomie, wie Cuvier sie gelehrt hat, erhielt erst durch L. Agassiz' Berufung (1845) nach Cambridge Mass. eine Heimat in Amerika. Die Gründung des »Museum of Comparative Zoology«, die Herausgabe der »Contributions to the Natural History of the U. S.«, die zoologischen Tiefseeforschungen sind nicht blofs Denkmale dieses bedeutenden Mannes, sondern auch ebensoviele Beispiele zur Nacheiferung. Sehr fi'uchtbar ist auch Agassiz' Thätigkeit als Vortragender im populären Stile geworden. Er hat durch seine anregenden Belehrungen nicht wenig beigetragen zu der gröfseren Achtung, die alle Wissenschafts- pflege heute in Amerika geniefst. Zahlreiche Schüler von ihm, unter denen sein Sohn A. Agassiz, dann Packard, Pom'tales, Verril erwarben europäischen Ruf. Man hat L. Agassiz den Vorwurf gemacht, dafs er durch sein Festhalten an den Cuvier'schen Anschauungen von dem Werden der organischen Wesen der fruchtbareren Idee der Entwicke- lung den Eingang in weite, von ihm beherrschte Kreise in Amerika verwehrt habe. Aber diese Ansicht widerlegen so wertvolle Beiträge zur Entwickelungslehre, wie sie von Asa Gray, Wright u. a. erschienen sind. Die Tierkunde hat noch rege Förderung gefunden im Smith- sonian Institute, aus dessen reichen Sammlungen vortreffliche Arbeiten über höhere Tiere hervorgegangen sind, ferner durch die Conchyho- logical Society, deren Veröffenthchungen viel Wertvolles enthalten, und auf dem Gebiet der Entomologie dm'ch die Einzelarbeiten von Le- conte, Hagen (Deutscher), Rilcy u. v. a. In dieser Richtung sind besonders die Arbeiten über schädhche Insekten hervorzuheben, die durch eigens hierzu vom Bunde und von emzelnen Staaten angestellte Entomologen ausgeführt und veröffentücht werden. Seit einigen Jahren ist eine Zoologische Station an der Chesaspeake Bay (Chesaspeake Zoological Laboratory) von der Universität Baltimore ins Leben gerufen. In der Pflanzenkunde sind floristische Arbeiten von Wert schon im Anfang unseres Jahrhunderts von Michaux, Nuttall, später auf breiterer Grundlage von Torrey, Engelmann und Behr (Deutsche), Asa Gray, Brewer u. a. ausgeMhrt worden. In Asa Gray besitzen die V. St. einen der geistvollsten Biologen unserer Zeit. 678 Medizin. — Geschichtsforschung. In jenen Zweigen der biologischen Wissenschaften, die als Hilfs- wissenschaften der Medizin auftreten, wie Physiologie und Anatomie, hat bis heute die Thätigkeit amerikanischer Forscher vielleicht am wenigsten Hervorragendes geleistet. Es liegt dies daran, dafs überhaupt die medizinischen Studien in den V. St. durchaus auf einer viel tieferen Stufe stehen als bei uns. Man weiXs dort nichts von den strengen Prüfungen und dem vorgeschriebenen langen Studiengang unserer Ärzte. Die Ausübung der Heilkunst ist frei wie jedes andere Gewerbe. In einzelnen Zweigen, wo es besonders auf sinnreiche Vorrichtungen und geschickten Handgriff ankommt, also z. B. in der Zahnheilkunde, sind die Amerikaner uns weit vorangeschritten ; sie sind hier wie auf anderen Gebieten sehr erfinderisch gewesen und haben in verbesserten chirur- gischen Werkzeugen und Methoden, in praktischen Krankenbetten und -Stühlen und vorzüghch in der Lazarett - Einrichtung manches Neue hervorgebracht, das man in Europa sich rasch aneignete. Die Chloro- formierung ist eine amerikanische Entdeckung. Auch mit ihren Feld- lazaretten haben sie uns in den Jahren des Bürgerkrieges Muster gegeben. — Wenig hervorragend sind bis heute ihre Leistungen auf dem Gebiete der reinen Chemie. Man verdankt ihnen dagegen eine Anzahl von wertvollen Anwendungen in der Metallurgie (s. o. S. 485) und Technologie (s. o. S. 513 f.), wogegen entsprechend der bis jetzt noch geringen Intensität des Ackerbaues die Ackerbauchemie weniger gepflegt wird. Die Geschichtsforschung wird in zahlreichen, historischen Vereinen gepflegt und ein lebhafter Sinn für die junge Vergangenheit der Staaten, Counties u. s. f. bis zu den leitenden Famihen herab gibt sich kund. Über die Geschichtschreibung s. u. S. 685. Für die Geschichte und Volkskunde der Indianer ist durch Regierungen und Einzelne Bedeutendes geschehen. Die Arbeiten von Gallatin, Schoolcraft, Squier, Haie, Brinton, Dali, Gatschet (Schweizer), Bandelier (Schweizer), Boas (Deutscher) über die indianischen Altertümer (Mounds, Befestigungen u. dgl.) und über die lebenden Indianerstiimme sind hervorragend. Musterhaft waren diejenigen Heckewelders (Deutsch- amerikaner), dessen Vertiefung und Treue in der ganzen amerikanischen Literatiu- zu seiner Zeit nur von wenigen Werken erreicht wurden. Die Indianersprachen, deren Kenntnis früher von den Missionaren ge])ll(!gt wurde, sind erst neuerlich wieder in den Vordergrund des Interesses getreten. Die alte Philologie liegt den Amerikanern ferner. Aber ihr Webster hat das verbreitetste Wörterbuch der enghschen Sjjrache nach Johnston geschaffen. I^juglische Sj)ra(!he und englische Literatur werden bereits auf besonderen Lehrstühlen gelehrt. Wie amerikanische und englische Geschichte und Geographie auch auf den unteren Stufen bevorzugt sind, ersieht man ans dor grofsen Zahl von Lehr- Rechtswissenschaft, Volkswirtschaft, Statistik. 679 büchern. In den politischen und Rechtswissenschaften sind als Schrift- steller über Völkerrecht William H. Lawrence und Franz Lieber (Deut- scher) nennenswert. Das englische Recht ist in den V. St. vorzüglich prak- tisch nach der Seite der Einfachheit und Menschlichkeit (Abschaffung der Todesstrafe, gröfsere Berechtigungen der Frauen) entwickelt worden, Die Codifikation ist hier früher durchgeführt worden als in England, was Jannet dem Einflufs der Deutschen des Westens mit ihrem »Geiste der Gleichförmigkeit und der Reglementierung« zuschreibt. Als die besten jimstischen Werke der Amerikaner gelten die »Commen- taries« von Joseph Story und Chancellor Kent. Die Volkswirt- schaft hat vielleicht durch die einzige, in wirtschaftlicher Beziehung so neue und überraschende Thatsache der Entwickelung der V. St. mehr gewonnen als durch die wissenschaftlichen Arbeiten ihrer Be- wohner. Die Staatsmänner der älteren Schule, in erster Linie Hamil- ton, Jefferson und Gallatin, haben über volkswirtschaftHche Gegen- stände geschrieben; manche ihrer Anwendungen mögen treffend sein, aber man verdankt ihnen keinen neuen Gedanken. Erst von 1820 an erschienen zusammenfassende Werke über Volkswirtschaft. Die meisten wiederholten blols die Lehren der Engländer und Franzosen. Nm* Henry C. Carey machte mit seinen 1858 veröffentüchten »Principles of Social Science« eine Ausnahme. Er ist vielleicht auf serhalb Amerika noch einflufsreicher gewesen als in seinem eigenen Lande und man kann dasselbe von Henry Georges tiefer Wirksamkeit sagen. Auf dem Gebiete der Statistik wud besonders in den alle 10 Jahre wiederholten Volkszählungen der V. St. Grofses geleistet. Eine ungeheuere Masse von Zahlen wird in zahkeichen Bänden mit grofsartiger Ausstattung veröffentlicht. Auch einzelne Staaten, allen voran Massachusetts, thun viel für Statistik, der leider die enge Verbindung mit der Politik oft- mals schadet. Vgl. The Eleventh Census. An Address delivered before the American Statistical Association by Hon. R. P. Porter 1892. Aus- zug in Jom-nal of the Royal Statistical Society 1892. Vgl. auch das o. S. 269, 350 Gesagte. ÜberbHckt man die Leistungen der Nordamerikaner auf wissen- schafthchem Gebiete, so mufs man nicht vergessen, dafs bis heute in Amerika wenig wissenschafthche Körperschaften sich entwickeln konnten, in denen die Wissenschaftspflege eine so sichere und förderhche Stätte fände, wie in unseren Universitäten und gelehrten Gesellschaften. In Amerika war lange Zeit das gebildete Pubhkuin die einzige Instanz, an die die Wissenschaft, sich um Förderung ihrer Ziele wenden konnte, und von dieser ist ohne Zweifel bisher mehr geschehen als bei uns auch nur denkbar wäre. Die 28 astronomischen Observatorien, auf denen heute in den V. St. gearbeitet wird, sind fast alle aus Privatmitteln errichtet. Es ist ganz natürlich, dafs die Zahl derer, die eine richtige Anschauung 680 Wissenschaft und Leben. von der Thätigkeit der Arbeiter auf wissenschaftlichen Gebieten haben, sehr gering ist. Der Wissenschaft liegt es ob, ihre bewährten Methoden des Denkens und Schhefsens in das praktische Leben zu übertragen, damit sie auch hier in immer weiteren Kreisen zur Anwendung ge- langen. »Kein Mangel, an dem unser Volk leidet, ist so empfindhch wie der einer weiteren Verbreitung der Ideen und Denkmethoden der exakten Wissenschaften, und nichts ist täuschender als in den Resultaten dieses Denkens nichts anderes zu sehen als Sache der Zierde, als Ai-abeske. Ein grofser Teil der Arbeit in unserem öffentlichen Leben besteht in der Prüfung und Besprechung von socialen Erscheinungen, in der ein sicheres Ergebnis nicht erzielt werden kann ohne die logische Schärfe der Überlegung, die dem täghchen Leben gänzlich fremd ist. Was notwendig ist, um uns vor Fehlern in dieser Richtung zu be- Avahren, ist nicht die blofse technische Untersuchung der Dinge, sondern die Unterweisung unserer denkenden und einflufsreichen Klassen in der Logik, die verkörpert ist in den Methoden der wissen seh afthchen Untersuchung. Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint die Wissen- schaft als ein System freier Volkserziehung, welches aufrecht erhalten werden soll aus denselben Gründen wie die Erziehung des Einzelnen. Die Pflege der Wissenschaft im breitesten Sinn soll für die Zukunft unseres Volkes dasselbe leisten, was die Mathematik für den Ingenieur, die Chemie für den Arzt, die Mechanik für den Architekten« '). Die Staatsverwaltung leidet vielleicht am meisten unter dem AUeskönnen- woUen und Nichtswissen. Die Klage ist sehr oft ausgesprochen, dafs man gerade in diesen Regionen sich am schwersten von der Not- wendigkeit besonderer Vorbüdung oder Übung für ü'gend einen Thätig- keitszweig überzeugen wolle. Die Regierung der V. St. hat nur ein Mal die Notwendigkeit gefühlt, sich einen wissenschaftlichen Beratungs- körper beizugesellen, eine Art Akademie. Es war dies im Anfang des Bürgerkrieges, als eine Menge von Erfindungen neuer Kriegsmaschinen ihr vorgelegt wurde, die nicht kurzer Hand zu bewältigen waren, und die man auch nicht ungeprüft zurückweisen konnte. Damals kam man auf die Idee, eine ständige wissenschaftliche Körperschaft 'In gründen, die jede Frage aus dem Gebiet der Wissenschaften und Künste, die die Regierung ihr vorlegen werde, zu prüfen und darüber zu berichten hätte. So entstand die »National Academy of Sciences«, der 186'{ vom Kongrefs ein Reclitsbrief ausgestellt wurde. Leider war diese Organisation von vornherein nicht von der Art, um eine wirk- liche Akademie der Wissenschaften aus ihr erwachsen zu lassen. Die Mitglieder sind so weit über das Land bin zerstreut, dafs mehr als 1 bis 2 Sitzungen im Jahr unmöglich sind. Eine seltsame Bestimmung 1) >S. Newcoiiil), Abstract Science in America. I87(i. 123. Smithsonian Institution. — Wissenschaftl. Zeitschriften. 681 des Charter ^^^ll, dafs die Akademie nie irgend eine Art von Unter- stützung oder Belohnung von der Regierung für ihre Dienste erhalten solle; vor einigen Jahren wurde der Druck einer der Schriften der National Academy in einer Regierungsdi'uckerei unterbrochen, um diese Bestimmung nicht zu verletzen. Eine ganz merkwürdige wissenschaftliche Anstalt, in eigenartiger Thätigkeit vortrefflich sorgend für die besonderen Bedürfnisse der jungen Wissenschaftspflege in den V. St., ist die »Smithsonian Institution^, dm"ch Stiftung eines Engländers geschaffen und unter Verwaltung des Bundes stehend. Ihre Hauptarbeit wird im Austausche wissenschaft- licher Veröffenthchungen und wissenschaftlichen Lehr- und Forschungs- materials und in der Veröffentüchung wissenschafthcher Arbeiten ge- leistet. Sie ist vor allem gewissermafsen eine Vermittelungsstelle zwischen den wissenschaftlichen Vereinen, den Behörden und Privatpersonen in Europa, die ihre Veröffenthchungen an Vereine, Behörden, Privat- personen in Amerika senden und umgekehrt. Auf diese Art knüpft sie Tauschverkehr zwischen erst entstehenden gelehrten Gesellschaften und den älteren Schwestern in Europa an, und es hatte z. B. die junge Akademie der Wissenschaften in Kalifornien 1875 bereits eine Bibliothek von 3000 Bänden durch das Smithsonian Institute erhalten. Die Veröifenthchung ilii'er Berichte und Schriften ist insbesondere für Amerika von Bedeutung. Sie veröffentücht jedes Jahr einen Report, in welchem mehrere monographische Arbeiten zusammengefafst sind, Arbeiten zumeist, für die der Verfasser keinen Verleger oder doch keinen gefunden hätte, der sie so schön ausgestattet, zu so billigem Preise und in solcher Zahl verbreitet haben würde, wie das Smithsonsche Institut. Wo es nötig, zahlt es auch Honorare und ist dadurch schon manchem aufstrebenden Gelehrten sehr nützlich geworden. Unter den Veröifentlichungen sind vorzügliche Monographien über Naturgeschichte und Völkerkunde Amerikas. Das aus den Sammlungen des Smithson- schen Institutes hervorgegangene National-Museum in Washington ist nicht immer mit dem nötigen Verständnis vom Kongreis behandelt worden und steht hinter seinesgleichen in Berlin oder Wien zurück. An wissenschaftlichen Zeitschriften haben die V. St. in erster Linie Sillimans Journal of Science and Arts (früher von SiUiman, jetzt von Dana u. A. herausgegeben) und daneben eine Anzahl von Zeitschriften für Chemie, MetaUm-gie, medizinische Wissenschaften. John Hopkins Universität in Baltimore gibt eine ganze Reihe von wissenschafthchen Zeitschriften, 1892 nicht weniger als 5, heraus. Den Charakter einer Zeitschrift tragen eigentlich auch die Smithsonian Contributions und Reports, die jähi'hch erscheinen, dann die ver- schiedenen jährüch erscheinenden Berichte der Regierungs-Surveys u. ähnl. Die Akademieschriften, deren Zahl gi'ols, sind im allgemeinen von 632 Zeitschriften. Büeherproduktion. geringer Bedeutung, entsprechend dem Vorwiegen des Dilettanten- elementes unter ihren Mitghedern und den geringen Mitteln, die zu ihrer Verfügung stehen. Am bedeutendsten sind die der Boston Natural History Society. Reich vertreten sind dagegen populär-natur- wissenschaftHche Zeitschriften,- die viel verbreiteter, reicher an Stofi und Ausstattung und in dem Falle des Populär Science Monthly, der Science, des Artisan u. ähnl. auch besser gemacht sind als die unseren. Selbst Tagesblätter bringen ziemhch regelmäfsig populär-wissenschaft- liche Aufsätze, oft gute und aus sehr guten Federn. Als hervortretende Eigentümlichkeit der amerikanischen Wissen- schaflspflege ist die geringe Menge ihrer htterarischen Hervorbringnisse angeführt worden. »Nicht ein Jahr vergeht, ohne dafs die deutsche Presse eine ausgedehntere philosophische Litteratur über Darwinismus hervorbringt als die amerikanische in allen den Jahren aufzuweisen hat, welche seit dem Anshchttreten des »Origin of SjDecies« verflossen sind« '). Jedenfalls ist die Armut der Büchererzeugung der Amerikaner gerade auf diesem Gebiet keines der unerfreulichsten Zeichen ihres geistigen Lebens. Es liegt darin ein Beweis für die noch wenig in die Breite gegangene Entwickelung des wissenschafthchen Lebens. Die Zu^ sammenstellung der 1892 erschienenen Bücher in »Publishers Weckly« weist von der Gesamtsumme von 60(X)0 den V. St. 4074 neue Bücher und 788 neue Auflagen zu. In England traten in demselben Jahre 6254, in Frankreich 13132, in Deutschland fast 20000 ans Licht. Die Richtung auf das massig Überragende prägt sich dagegen in der Litteratur und selbst der wissenschafthchen aus. Bücher wie Bancrof ts History of the Pacific States (34 Bde.), Justin Winsors ('ritical and Narrative Histor}^ of America (6 Bde.), Ringwalts Ti'ansportation Systems of the United States u. a., sind wahre Riesenbauten, die nur durch ein gewaltiges Mafs von Arbeit errichtet werden konnten, meist nicht von einem einzigen, sondern von einem ganzen Stab von Ar- beitern wie in einer htterarischen Werkstatt hergestellt sind. Litteratur. Der Ausspruch eines französischen Reisenden in den V. St.: »Les Etats-Unis manquent de perspective, pas de grandeur« *) findet nirgends eine deutlichere Bestätigung als in der Litteratur. Nicht blofs die Traditionen der litterarischen Ai'beit, sondern auch der StofT der litteiurischen Darstellungen leidet unter dem Mangel an der Perspektive einer langen Geschichte. Eine Litteratur konnte nicht diesem Boden entwachsen wie eine Pflanze, deren Keime lange in ihm ruhten, sondern sie konnte nur aus fremder Erde übcrtiagen und mit Sorge und Mühe 1) S. Newcomb, Ahstract Science in Amerika. 1876. 110. 2) I'hilarfete C h a s 1 c h , I^itudee siir la Ivitt^rature et les Moeurs des Aiiglo-Arnöricains 1851 p. 6. Litteratur. 683 angewöhnt werden. So ist die Sprache, in der sie sprechen sollte, nicht hier geworden, sondern eingeführt und ganz wie die Sitten, Anschauungen, die ganze Kultm-, nicht selbständige, natürUche Ent- mckelung. Der Hauptteil der Kolonisten kam aus Grofsbritannien, so war die enghsche Litteratur der Stamm, dessen Zweige hier ein- gepflanzt wurden. Bis zum Unabhängigkeitskrieg waren die Kolonien in jeder geistigen Beziehung abhängig von England. Das Band besteht noch heute. Im ersten Jahrhundert lasen die paar Leute, die sich htterarisclie Genüsse verschaffen wollten, enghsche Bücher. Nach- ahmungen von diesen waren es ausschlielshch , die im Lande selbst erzeugt wurden. INIan hat keine Ahnung von der Zahl der enghschen Bücher, die im 17. und 18. Jahrhundert eingeführt ^\alrden, aber es ist kein Zweifel, dafs che schöne Litteratur zu den letzten Luxusgegen- ständen gehörte. Es ist ganz bezeichnend, dafs die ersten hervor- ragenden Werke der neuen Litteratur, die Benjamin Franklins, nüchterne, didaktische Abhandlungen von erstaunlich gesundem Verstand, sehr klar und nützlich, waren. Jedes Spiel der Einbildungskraft war aus ihnen verbannt, ebenso jedes allzutiefe Eingehen in Fragen jenseits des Kreises des täghchen Lebens und der Interessen des Landes. Franklin und Washington, die berühmtesten Nordamerikaner des 18. Jahrhunderts, sind Geister von diesem mafsvollen und phantasielosen Typus. Briefwechsel, Denkschriften, pohtische Pamphlete der hervor- ragenden Nordamerikaner dieser Zeit eines Jefferson, Hamilton, Morris, haben vor allem den Vorzug der Klarheit und Sachlichkeit. Sie haben aUe noch nichts Original -Amerikanisches, wenn nicht die allen gemeinsame Richtung auf das Praktische ; von Washington Irving hat man gesagt, er sei der amerikanischste aller ameri- kanischen Schriftsteller. Er hat freihch in seinen Essays und in seinen historischen Werken amerikanische Stoffe behandelt, aber man wird darin immer nur den feinfühlenden, wohlwollenden, mafsvoUen Gentleman Altenglands finden. J. Fenimore Cooper hat einen viel amerikanischeren Zug. Er hat die junge Gescliichte der Union zum Hintergrund historischer Romane gemacht, wobei er das eigentüm- hchste Element der amerikanischen Dichtung zur Geltung brachte, die Anlehnung an die Natur. Er ist ein ausgezeichneter Schüderer der Natur, ebenso treu wie packend, seine Büder beruhen auf einer Beobachtung von naturwissenschafthcher Schärfe. In seinen Erzäh- lungen aus der Kolonialgescliichte hat die amerikanische Lesewelt einen Ersatz gefunden für den Mangel der Epopöe. Seine echt ameri- kanischen Typen aus dem Indianer-, Waldläufer- und Seemannsleben haben auch die Alte Welt einige der Quellen von Poesie kennen gelehrt, die in der füi* poetisch öd und unfruchtbar gehaltenen Neuen fliefsen. Im Gegensatz zu dieser Klarheit und Wahrheit stehen Nathanael 684 Litteratur. Hawthornes Erzählungen und Schilderungen, die nie ohne einen mystischen Schimmer sind und bei aller Feinheit der Beobachtung etwas Blutloses haben. Ihre reine Gesinnung und vortreffliche Sprache und eine melanchohsche Poesie, die sie durchweht, haben H. dennoch zum Liebhngsschriftsteller zarterer Gemüter in Nordamerika und in England gemacht. Mehr Kraft, aber weniger Feinheit und Durch- bildung zeigen die Erzählungen von Bret Harte, die die Poesie im modernsten amerikanischen Leben dem skeptischen Europa bewiesen haben. W. Cullen Bryant hat auf lyrischem Gebiet den amerikani- schen Zug der Naturhebe, den wir o. S. 170 näher zu schildern suchten, bis zur religiösen Naturverehrung gesteigert. Sein melanchohscher Ton kehrt bei Henry Wadsworth Longfellow wieder, dem berühmtesten Lyriker Amerikas, der mit einer ruhigen und milden Wärme des Ge- fühls und mit Einfachheit und Wohlklang der Sprache eine geistige Höhe verbindet, die ihn über die Tausende von Lyrikern erhebt, deren beständiger Gesang an die mildtönenden, aber einförmigen Froschkonzerte in den Sümpfen des atlantischen Tieflandes erinnert. Eine schärfere geistige Physiognomie zeigt Ralph Waldo Emerson, der Essayist, Fragmentist und prophetisch-dithyrambische Lyriker, ein Gemisch von Denker und Dichter, beides in hohem Stil, in dessen Zeilen sich tiefe Gedanken drängen, die in oft glänzender, oft barocker, aber in^nier anziehender luid blendender Form auftreten. Er ist der kühnste uiid oiiginellste von allen amerikanischen Dichtern oder Denkern; ein neuer Typus in der Litteratur, der höchstens mit Carlyle zusammengestellt werden könnte. So wie er ist, ist Emerson nur in Ameiika möglich, dessen Scharfsinn und praktischer Blick in ihm seltsam zusammengehen mit den mystischen Träumen des Orients und der philo- sophischen Kühnheit des Occidents. In seiner Art ist Henry David Thoreau nicht weniger amerikanisch; ein bis zur bizarren Einsiedelei leidenschaftlicher und einseitiger Naturfreund, ein praktischer Rousseau, in der Schilderung oft von wunderbarer Feinheit, Vertiefung und Glut, aber wie im Leben, so im Stil dem Seltsamen allzu eifrig nachjagend. Edgar A. Poe ist als Schilderer des Gespenstischen und Rätselhaften aufserordentlich wirksam. Sein »Raveu« ist eines der am häuligsten deklamierten und zitierten Gedichte der Amerikaner. John G. Whittier und James R. Lowell sind als politische Lyriker vorzüglich in der Zeit des Kampfes gegen die Sklaverei von grofser Wkksamkeit gewesen. Gleich WiUiam Channing, dem gröfsten politischen Schriftsteller in der bewegten Zeit der Antisklaverei-Bewegung, haben auch sie als Essayisten sich hervorgethan. - Der Geschichtschrcibung nuifs notwendig eine bedeutende Rolle zugeteilt sein in dem geistigen Schaffen eines poHtisch begabten und thätigen Volkes. Man besitzt zeitgenössische Aufzeich- nungen aus den beiden ersten Jahrli änderten ihrer Geschichte, die Geschichtschreibung. Beredsamkeit. 685 Seitenstücke zu den spanischen Conquistadoren- Geschichten bilden und aus der Revolutionszeit feine und geistreiche Memoiren. Wo der Anfang der Geschichte eines Staates die Lichtung eines Waldes und die Erbauung eines Blockhauses ist '), empfängt der Geist des Einzelnen die Empfindung, enger mit dieser Geschichte zusammenzuhängen, als wo die Anfänge in mythischer Dämmerung hegen. Die gebildeten und halbgebildeten Amerikaner kennen die Geschichte ihi-es Landes besser, nach dem Mafse ihrer Büdung, als Männer der entsprechenden Stufen in Deutschland. Die Geschichtschreibung als Kunst hat man erst üi unserem Jahrhundert zu pflegen begonnen und zwar nach enghschem Muster. Die deutsche Schule hat erst seit wenigen Jahren sich zur Geltung gebracht. Noch 1888 hob Döllinger in seiner akademischen Rede über den Anteil Ameiikas an der Litteratur den Absatz von 13 Auflagen des grofsen Gibbon'schen Werkes als Beweis hervor, wie wenig man drüben bereit sei, die Leistungen der deutschen Schule zu würdigen. Wilham H. Prescott (1716 — 1759) hat die nordamerikanische Gescliichtschreibung durch seine Werke über die Eroberung von Mexiko und Peru zuerst in Europa bekannt gemacht. George Bancroft (1800 — 1877) hat die vollständigste und quellen- mäfsigste Geschichte der V. St. geschrieben (10 Bde. 1834 — 1874). George Ticknor (1791 — 1871) verdankt man die beste Geschichte der spanischen Litteratur. John L. Motley (1814 — 1877) ist in seinen Werken über den niederländischen Unabhängigkeitskrieg diu-ch Geist und warme, glänzende Darstellung ausgezeichnet. Unter den Geschichts- werken über die Staaten oder Staatengruppen der Union stehen Palfreys History of New England und Parkmans Monographien aus den neuengländischen und kanadischen Anfängen allen voran. Die Kunst der Beredsamkeit findet in den Staatseinrichtungen der V. St. voUe Gelegenheit sich zu büden und zu entfalten. Sie wüxl als Lehrgegenstand in den Schulen gepflegt und die Schüler üben sich in den »Debating Clubs« im öffentlichen Reden. Die Nordamerikaner zeigen durch die Flüssigkeit ilu'er Rede, durch ihre thatsächhche, be- stimmte Redeweise und andererseits dm'ch den oft sogar ins Lächer- liche gehenden Flug der Phantasie, zu dem sie sich bei Gelegenheit erheben können, dafs die Natm-gabe der Rede nicht selten bei ihnen ist. Das Mafshalten sowohl in den Behauptungen als in den Mittehi der EinAvirkung auf seine Hörer, läfst der amerikanische Redner am öftesten vermissen und der Verfülu'ung zum Vielsprechen und Sich- 1) »The History of Tennessee as a distinctive inilivi(hiaUty begins with the erection in 1769 of WiUiam Beans Cabin uear the jiiiictiou of the Wa- tanga and Boones Creek in East Tennessee. j: Phelan, History of Tennessee: The Makiug of a State, Boston 1888 (p. 5). 686 Politische Schriftsteller. Allgemeiner wiederholen, die in dem so regen politischen Leben manche Begabung in die Breite führt und verflacht, sind viele gefolgt. Daniel Webster mit seiner gediegenen, zusammengefafsten und doch feurigen Rede gut für den eigenthch klassischen Redner. Dui'ch Feinheit der Form und des Geistes glänzte John C. Calhoun. Als Meister in der viel- geübten Kunst der Denkreden galt Edw. Everett. Als Kunstredner vom Fach, die öffentüche Vorlesungen für alle möghchen Zwecke halten, smd Wendell Phillips und Henry W. Beecher berühmt. Unter den politischen Rednern der neueren Zeit whd die Palme Charles Sumner und Karl Schurz gereicht. Von den . zalilreichen hervor- ragenden Kanzelrednern ist Channing auch als origineller Denker und feiner Stüist bemerkenswert, der durch seine moralphilosophischen Schriften einen grofsen und heilsamen Einflufs auf die nordamerikanische Gesellschaft geübt hat. An politischen Schriftstellern weisen naturgemäfs die V. St. den gröfsten Reichtum auf. Die Tagesschriftstellerei schädigt aber diesen Zweig der Litteratur, indem sie zu Eintagserzeugnissen drängt und den pohtischen Geistern die zu klassischen Hervorbringungen nötige Ruhe nimmt. Der gröfste auf diesem Gebiet ist AI. Hamilton, der den gröfsten Teil der Aufsätze für den berühmten Federalist Heferte, ein origineller Denker und feiner Stilist, ein Staatsmann, >;der zu denen gehört, welche die leitenden Gedanken und die Grundbedingungen einer Regierung, die ihres Namens und ihrer Aufgabe würdig ist, am besten verstanden«. (Guizot.) Sein Gegner Thom. Jefferson hat mehr geschrieben als er, aber als Schiiftsteller erreichte er ihn nicht. In der jungen Litteratm* der V. St. fäUt vor allem die im Ver- gleich zu anderen Kolonien grofse Menge der Werke auf. Läfst man die ungezählten Tausende von Lyrikern (wohl meist Frauen), die kaum ein einziges Zeitungsblatt gedichtlos in die Welt wandern lassen, aus dem Spiel, so bleibt eine ganze Reihe von hervorragenden Dichtern und Schriftstellern von eigenartiger Htterarischer Physiognomie, deren Namen und Werke im Ausland wohl bekannt sind. Diese Thatsache, neu in der Geschichte moderner Kolonien — man kann von der Weltlitteratiu: sprechen und dabei fast alles auslassen , was in der Neuen Welt s. vom 30. Breitegrad gedichtet und gedacht worden ist, aber man würde unvollständig sein, wenn man dabei vermiede, von den V. St. zu sprechen — , ist der litterarischen Begabung und Em- pfänglichkeit des Volkes der V. St. zuzuschreiben. Die nordamerikani- öche Litteratur entbehrt nicht gewisser gemeinsamer Züge, die das Merk- mal einer Nationallitteratur sind : die bis zum Natui'gt)tte.sdienst sich erweiternde Liebe für die Natur (Thoreau, Bryant, ]^]merson, Cooper), die in prächtigen Natm-schüderungen Ausdruck findet; eine weiche iiirliiiicliolisclic Stiiiiiiiiiiig, die, uiizufri(,'(U'ii mit der prosaischen Charakter der Litteratur. 687 Welt, in das Reich der Träume flüchtet (Bryant, Hawthorne, Poe, Longfellow), oder ein begeistertes Erfassen alles Modernen, bis auf die Maschinen und Eisenbahnen, um es poetisch zu verklären (Emer- son, Lowell, Bret Harte). Man kann diesen Eigenschaften wohl ein starkes Vorwalten des epigrammatisch zugeschärften Verstandes (Emerson, die Humoristen, die Redner) zugesellen. Der vielgenannte amerikanische Humor zeigt sich bei seinen besten Vertretern wie Washington Irving und Ohver W. Holmes in warmherzigen, mit- fühlenden Schilderungen von Personen und Zuständen mit leiser L'onie, die daran erinnert, dafs Charles Lamb unter den enghschen Humo- risten zu den Liebhngen der Amerikaner gehört. Aber bei den sog. echten amerikanischen Humoristen, die in ihrem Lande sich emer gewaltigen Popularität erfi'euen, Mark Twain, Artemus Ward u. v. a., ist mehr Wortwitz und Übertreibung als wahrer Humor. Ihr einziger Zweck ist Lachen zu machen. Der amerikanische Witz ist sehr oft umständhch herausgediftelt, ein kichernder Greis, kein naiver, gesunder, hell lachender Knabe'). Die Übertreibung hegt dem amerikanischen Geist überhaupt sehr nahe. Aber aUe diese Gaben sind noch nicht in hochklassischen Werken zum Ausdi'uck gebracht und smd bei den hervorragendsten Vertretern der Litteratur mit mehr oder weniger deutlicher Abhängigkeit von altwelthchen Mustern vermischt. Im originellsten von aUen, Emerson, kehrt Carlyle und mancher An- klang an Deutsches wieder, in Cooper W. Scott, in Poe Balzac, in Irving Addison und Goldsmith, in Longfellow Tennyson, Uhland u.a. Auch ist die nordamerikanische Litteratur noch zu arm, um der Nation zu genügen. Man ist zweifelliaft, ob Scott oder Cooper zu ihi-er Zeit populärer waren , aber nicht zweifeln kann man , dafs die Ge- schichten Dickens' und Thackeray's populärer waren als die Hawthorne 's und Poe 's. Ganze Gebiete hegen brach. Die cbamati- sche Dichtung und das Epos sind fast unangebaut. Von VolksHedern kann man kaum reden^). Was die Stellung der Litteratm' zum Volke anbetrifft, so erfreuen sich die Dichter und Schriftsteller trotz des alles beherrschenden Ge- schäftsgeistes wohl nicht geringerer Achtung als ü'gendwo in der Alten Welt. Man mag in Nordamerika das praktisch Nützhche über alles halten, aber es wkd viel gelesen und das Schöne findet auch hier seine Schätzer. Sogar mit Staatsämtern sind Dichter wie Hawthorne, 1) Vgl. die ertödtenden Muster Wit aiid Humor Old and New, North American Review CXLVIII. p. 33 bis 46. 2) Die Nationalhymne »Hail Columbia* ist noch künstlicher als solche Gedichte überhaupt zu sein pflegen und der viel gesungene »Yankee Doodle« ist eine geschmacklose Burleske. Ein volkstümUches choralartiges Lied auf John Brown (s. o. S. 267) begeisterte die Nordstaatlichen im Bürgerkrieg. 68^ Die Poesie im Leben. Lowell, Bret Harte und Geschichtschreiber wie Bancroft und Motley ausgezeichnet oder belohnt worden. Auch ist es für die Litteratur nicht unwesenthch, dals der Amerikaner nicht blofs Hest, sondern auch kauft'), und jedenfalls läTst die Nation keinen ihrer grofsen Geister am Hungertuch nagen. Das materielle Geschick der amerikanischen Dichter ist kein ungünstiges. Man sieht nach alledem keinen Grund, warum nicht die V. St. eine Litteratm* von wachsender Bedeutung entwickeln sollten. Es fehlt weder an den Gaben, noch an den notwendigen äufseren Bedingungen. Was aber die schon erwähnte Klage wegen des dem amerikanischen Leben angeblich innewohnenden INIangels an Poesie betrifft, so lassen M'ii" hier noch einen amerikanischen Dichter sprechen, der allerdings in seinen eigenen Werken den besten Beweis geüefert hat, dafs dieser Mangel, wo er auftritt, nur subjektiv ist. John G. Whittier sagt in seinem reizenden Essay über den schottisch- amerikanischen Natur- dichter Dinsmore (Prose Works 1866. I.) folgendes: »Wir (Neu-Eng- länder) haben keine Lieder. Das Amerikanische Stillleb,en hat nie die Weihe und Verklärung der Poesie erfahren. Wir haben keine Yankee- pastorale. Unsere Bäche und Flüsse drehen Mühlräder und führen Flösse zu Thal und sind auch in mancher anderen Hinsicht so nützHch wie die schottischen, aber keine Ballade, kein einfachstes Lied erinnert uns, dafs unter jedem Dach in ihren Thälern Lust und Leid des Lebens empfunden wurden. Man rühmt unserem Volke die Fähigkeit nach, rasch den Kern der Dinge zu erfassen, aber unseren Poeten scheint sie zu fehlen. Können sie nichts aus unserem Ernt- und Dankfest, dem alljährhch wiederkehi'enden Tag des Wiedersehens lang getrennter Ver- wandten und Freunde, machen? Finden sie nichts für sich in den ländlichen Festen, im Beerensuchen, Maisschälen, Äpfelernten, in den Sommerausfiügen und den winterlichen Schhttenfahrten ? Ist denn nichts füi- sie in Klima, Landschaft, Sitten und Gesetzen dieses Landes ? Tritt der Yankee hart, schlau, voll Spekulationsgeist ins Leben, pallas- gleich für alle Kämpfe und Prüfungen gewappnet? Haben wir nicht Buben und Mädchen, Schulfreundschaften und Liebeleien, Freien und Geloben, Furcht und Hoffnung und alles Spiel menschlicher Leiden- schaften — Gewinn- und Ehrsucht, Sünde und Strafe, Reue und Iväuterung? Wer kann sagen, dafs wir nicht allen Kern der Poesie 1) Von PrescottH »Conquest of Mexico« sind nucli Lyells Angabe (Travols 1845. I. 264) 4000 Exeiiii)]aro zu 6 1). im ersten Jahr nach dem Er- scheinen al)g(!Het/t vvonlon (ünc bei einer damals vorwiegend liart arbeitenden Bevölkerung von ca. 20 Mill. last unglaubliche Thatsache, die allerdings da- (iurch einigermafsen erklärlich wird, dafs auch bestimmte Bücher »Fashion« werden und dann notwendig von einem anständigen Mann besessen oder iiiiiidcHlens gekamil Hein müssen. Die Kunst. 689 hier haben? Es ist nur ein ungeöffneter Schacht, ein ungeemtetes Saatfeld.« Kunst. In den ersten 100 Jahren der Kolonien trat hinter der gebieterischen Forderung der ersten Notwendigkeiten des Lebens alle Ausschmückung zurück. In den neuengländischen Kolonien galt die Verschönerung des Lebens durch Kunsterzeugnisse ü-gend welcher Ai-t sogar als unberechtigt. In diesen starren Reformierten war noch etwas Bilderstürm erei übrig geblieben. Selbst Portraits wurden selten gesehen. »Die Kraft und Energie dieser alten Puritaner hat allerdings ihi-e Spuren dem Lande aufgedrückt, aber wir- zweifeln, ob irgend welche andere von ihren Eigenschaften so lange das Übergewicht behauptet haben, wde ihre entschiedene Abwendung vom Schönen und ihre voll- ständige Vernachlässigung der Kunst. Bis auf den heutigen Tag sind die Spuren ihres vorherrschenden Einflusses in dieser Richtung in manchen Teilen des Landes noch zu erkennen').« Copley soll bis zu seinem 30. Jahr kein gutes Bild gesehen haben und Trum bull riet einem Schüler, »Heber Schuhe zu machen oder Kartoffeln zu hacken, als in diesem Lande Maler zu werden«. Die wenigen künstlerischen Talente, die Nordamerika im 18. Jahrhundert erzeugte, gingen dem Lande verloren. Copley, West, Stuart, die bedeutendsten von ihnen, verhefsen das Land, sobald sie einen Ruf gewonnen hatten. An ihre Stelle treten im Anfang unseres Jahrhunderts einige Land- schaftsmaler, welche die künstlerisch noch nicht verwerteten Reize der amerikanischen Landschaft: die glühenden Sonnenuntergänge, die Herbstfärbungen, die Urwaldscenen malten. Doughty ist der erste, der diese Stoffe mit grofsem Geschick auffafste. Diese landschafthche Richtung, welche die amerikanische Malerei bis vor etwa 30 Jahren beherrschte, hat viel Mittelmäfsiges gehefert, aber dem Natm-gefühl eine mächtige Anregung gegeben. Der gesellschaftlichen Gärung durch rasches Anwachsen des Reichtums, stärkeres Eindringen em'opäischer Sitten und Anschauungen und der Erschütterung der Kriegszeit von 1861 — 1865 entsprach eine starke Änderung des künstlerischen Ge- schmackes. Die Summen, die für Kunstgegenstände ausgegeben wurden, verzehnfachten sich in kurzem, Kunstsammlungen schössen auf, wurden sogar Gegenstände der Spekulation. Die Einfuhr von Kunstsachen aller Art aus Europa gewann dabei am meisten*). Die einheimischen Künstler wandten sich der Nachahmung von Mustern zu, die man bisher kaum gekannt hatte, und es datiert von dieser Zeit der vielseitige, aber auch schwankende Charakter der amerikanischen Kunst, den Optimisten ihre 1) TheProgrefs ofPainting in America. N. Am. Rev. 1877. CXXIV. 452. 2) An Gemälden, Statuen, Farbendrucken und Photographien wurden 1891 für 2V2 Mill. D. eingeführt. Ratzel, Die V. St. von Amerika. 44 690 I^iß Kunst. Renaissance nennen. Dabei traten die fremden Elemente und Schulen zuerst in den Vordergrund. Deutsche (Bierstadt, Leutze), französische, spanische etc. Namen haben die Museen und Ausstellungen von New York, Boston in grolser Zahl aufzuweisen. Von allen bildenden Künsten ist die Baukunst durch die Masse öffentlicher Bauten, die Kü'chen u. dgl. am meisten gefördert worden. In den ersten Jahi'zehuten der Repubhk baute man Staatsgebäude fast nur in griechischem und römischem Stü (das grofsartigste Beispiel dafür, das Kapitol in Washington, ist nicht ohne edle Grölse und das Haus des Präsidenten, das »Weifse Haus« von schöner Einfachheit), während für Kii'chen der gotische in allen Abwandlungen und Entstellvmgen immer der behebteste blieb. Über die Kirchenbauten überhaupt s. o. S. 642. Der herrschende Natursinn prägt sich in der Vorliebe für einen pittoresken, lebhaften, landschafthchen Charakter aus, den man den Bauten zu geben sucht. So ist bei vielen Kirchen der idyllische Zug alter Landkirchen nachgeahmt, so gleicht das Smithsonian Institute in Washington einem grofsen Komplex von Klostergebäuden u. s. f. In den grofsen Parkanlagen gibt sich entschiedener Geschmack kund. Ein See von 1 engl. Q.-M. inmitten einer Stadt, wie Providence R. I., die alten Ulmen in den Strafsen von Portland Me. oder Cambridge Mass. sind sehr nach dem Geschmack des Amerikaners. An reizenden Land- häusern ist in der Umgebung gröfserer Städte nirgends Mangel. Mit dem Hereinbrechen des Luxus in das öffentliche und Privatleben seit etwa 30 Jahren hat für repräsentative Zwecke auch ein üppigerer Stil Eingang gefunden. Regierungsgebäude, Banken, grofse Handels- häuser u. dgl. werden jetzt mit VorHebe in irgend einem späteren Renaissancestil gebaut, möglichst reich und klüftig gegliedert. Die französischen Mansardenbauten haben sich epidemisch in allen jüngeren Stadtteilen von Boston bis S. Francisco verbreitet. Wie sehr die vorzüglichen Materialien der Baukunst zu gute kommen, bedarf keiner Hervorhebung. Das Eisen findet sehr häutige Anwendung. Vgl. o. S. 32L Für die Bildhauerei ist sicherUch ein guter Boden in einem Lande, wo man so gern Denkmäler setzt. Auch scheint etwas Sentimentales, Abstraktes im gewöhnlichen amerikanischen Kunstgeschmack sich sehr zu den Marmorbildern hingezogen zu fühlen, von denen man besonders viele auf den Friedhöfen findet. Einige der besten Werke stammen aus Deutschland und Itahen. Seit dem Bürgerkrieg sind schöne Denk- mäler aufgestellt worden. Power's Denkmal für die Soldaten der Ten- nessee-Ai'mee und Sidney Johnston's Standbild, beide in New Orleans, gehören zu den schönsten Kriegerdenkmälern. Die neuen Einflüsse des Landes und der Rassenmiscliung haben liis jetzt nichts Eigenartiges auf dem Felde der Musik entspriefsen lassen. Es miifston denn dio Riesenkonzerte mit Kanonen und tausend- Die Kunst. Die Presse. QQ\ fachen Hammerschlägen sein. Auch ist die gute öffentliche Musik noch vorwiegend deutsch und die Verbreitung des Geschmackes für gute Musik gehört zu den allseitig anerkannten Verdiensten der Deutschen'). Die deutscheste Stadt, Milwaukee, ist zugleich Musik- und Theater- metropole. Von allen Künsten hat bis heute die dramatische am meisten den Charakter eines Propfreises bewahrt. Nm- wenige Städte haben feste Theater mit ständigen Gesellschaften. Theaterspielen war bis 1794 in Massachusetts verboten, wenn nicht etwa die Stücke als »Moral Lectures« angekündigt wurden. Die Einführung der Oper in den V. St. wh'd von der ersten Darstellung der »Lucia« in New York (1844) datiert. Ti'otzdem hat Nordamerika einige hervorragende Schauspieler erzeugt. Shakespearevorstellungen werden in Boston eben so stark besucht wie in Liverpool. Aber es entspricht ganz der Stufe des Geschmackes, dafs bei den Vorstellungen selbst klassisclier Stücke nicht der harmonische Gesamteindruck das An- ziehende ist, sondern die Leistung irgend eines berühmten Schau- spielers. Daher das sog. »Star System«, nach dem alle Theatergruppen zusammengesetzt sind : eine oder zwei Berühmtheiten und alle übrigen Stümper. Zu eigenen dramatischen Hervorbringungen haben sich unter diesen Verhältnissen die Dichter natürlich nicht begeistern können. Man spielt Anpassungen von europäischen Stücken. Zu den Eigentüm- Uchkeiten des jungen Westens gehört che Unvermeidhchkeit des Ballettes und der Pantomimen in jeder Theatervorstellung. Die Presse. Die erste Zeitung in Nordamerika soll 1690 in Boston erschienen sein. Ein Jahi'hundert später wai*en die Zeitungen zu geschichtlichen Grölsen geworden. Mit ihnen begann überhaupt die Litteratur in den neuen Gebieten. W. H. Venable zählt in seinem »Beginnings of Literary Culture in the Ohio Valley« (1891) 63 pliilo- sophische und htterarische Zeitschriften auf, die das jugendhche Zeitalter der Besiedelung und des ersten Wachstums mit seinem schrankenlosen IndividuaHsmus und Sektenwesen, seinem Sturm und Drang verkörpern. Benjamin Franklin, der dem Zeitungswesen zuerst geistigen Halt gab, veröffenthchte 1728 — 1765 die »Pennsylvania Gazette«, und der »Fede- raHst« von Hamilton, Madison und Jay, entfaltete in der Ver- fassungskrise von 1787 eine Wii'kung von solcher Gröfse, dafs ihm ein hervorragender Platz in der Geschichte jener Zeit gebührt. In den di'eifsiger Jahren kamen die Pennyblätter auf, die durch massenhafte Verbreitung gewaltig auf die tieferen Schichten des Volkes ^^il■kten. In den vierziger Jahren gab es schon eine ganze Anzahl von grofsen Zeitungen, die in der Schnelligkeit ihrer Naclmchten wetteiferten. Der 1) M. Wagner gibt in seinen Eeisen in Nordamerika (1854. n. Kap. XV) eine interessante Schilderung dieser Kunstmission der Deutsehen in Amerika. 44* 692 JDie Presse. Vertrag von Guadalupe Hidalgo (1849) wurde durch den N. Y. Herald früher veröffenthcht als er sogar in Regierungskreisen bekannt war. Die Erfindung des »Interviewing« kam Mitte der fünfziger Jahre und wurde bald eine lästige Manie '). Der Telegraph hat die Thätigkeit der Presse in den V. St. ungeheuer gesteigert. Ihre Leistungen in den aufgeregten Zeiten des Bürgerkriegs sind als bedeutend für die Sache der beiden kämpfenden Teüe anerkannt worden. Seitdem entfaltete sie aber auch in den aufseramerikanischen Angelegenheiten eine erfolggekrönte Thätigkeit. Man braucht nur an die Berichte vom deutsch-französischen und orientahschen Kriegsschauplatz, an die Leistungen H. E. Stanleys, des Afrika-Forschers, an die Thätigkeit amerikanischer Journalisten in Mittel-Asien u. dgl. zu erinnern. 1891 wurde die Gesamtzahl der Zeitungen und Zeitschriften auf 18 536 an- gegeben. Äufserhch haben die amerikanischen Tagesblätter durch die geschickte Mache, vorzüglich was Reichtum, Mannigfaltigkeit und mannigfaltige Zurichtung des Stoffes anbelangt, und in dem Streben nach lebhafter, unterhaltender, selbst sensationeller Form am meisten ÄhnHchkeit mit den Pariser und Wiener Durchschnittsblättern. An Reichhaltigkeit und lebhafter, unterhaltender Schreibweise stehen selbst kleinere Lokalzeitungen, die nur ein- bis dreimal die Woche erscheinen, der entsprechenden deutschen Presse voran. Aber an Gehalt und Ziel sind sie trotzdem weit verschieden, und der Unterschied hegt darin, dafs sie innigere Beziehungen zu dem pohtischen Leben und folgerichtig zu den Parteien unterhalten, aufserordenthch weit gelesen werden, besonders nach der Tiefe der Volksmasse hin, und dafs ihr Hauptstreben auf mög- hchst rasche Vermittelung der Neuigkeiten in möghchst grofser Menge gerichtet ist. Die nordamerikanische Tagespresse dient mit energischer Einseitigkeit dem Tage. Rasch zu verbreiten, was der Tag verlangt und was er bietet, das ist ihr Ehrgeiz. Von Unparteilichkeit könnte unter diesen Verhältnissen keine Rede sein, auch wenn nicht das pohtische Leben in dem Kampfe der Parteien fast restlos aufginge. Die Diskussion wahrhaft schwieliger, verwickelter politischer Fragen, der Negerfrage, Einwandererfrage, Silberfrage in der Tages] )resse hat nicht gezeigt, dafs Scharfbhck und Tiefe der raschen Bereitschaft zur Äulserung ent- spreclien. Aber die Tagesblätter sind mit verschwindenden Ausnahmen Parteiorgane und selbst die, denen ein bedeutender Redakteur den 1) Der erste regelmäfsig »Interviewte« soll Gerrit S m i t h gewesen sein, derHclbe, der 1859 in das John Brownsche Unternehmen gegen Harpers Ferry verflochten war. Der im Konservationston abgefafste Bericht des inter- viewenden KorroHpondentiui des N. Y. Herald machte eine sensationelle Wirkung, welche rasch zur iS'achahmung anspornte. (P\ Hudson, JournaUsm in the U. S. 563.) Die Presse. 693 Stempel seines Geistes aufprägt, werden dadurch nur weniger schablonen- haft, bleiben aber ganz so entschieden Parteiblätter wie alle anderen. Es schUefst dies nicht aus, dals Tagesblätter daneben auch anderen Interessen dienen und sogar in viel weiterer Ausdehnung als bei uns. Einige vertreten Konfessionen oder Sekten, andere Nationahtäten, andere Klassen und Stände (Farmer, Grolsindustrielle , Geldleute), andere sogar Rassen; aber die Pai'teischeidung greift so tief ein, dafs ein Los- sagen von ihr im allgemeinen nicht möglich ist. Wh- finden selbst in Zeitungen, die nur der religiösen Erbauung dienen wollen (meist Wochenschriften), fast in jeder Nummer Abschweifungen ins pohtische Gebiet, ebenso in landwh'tschaftlichen und technischen, ja fast m allen periodisch erscheinenden Blättern. Dafs es an Geist in dieser Presse und selbst an Charakter nicht fehlt, geht schon dai-aus hervor, dafs sie die Schule aller Pohtiker ist. Untadelhafte Charaktere auch der jüngsten Jahrzehnte, wie Greeley und Schurz, sind Jom-nahsten gewesen und mancher bedeutende Staatsmann wurde wieder »Editor«, wenn er von seinem Amte zurücktrat. Der geistig bedeutendste Amerikaner des 18. Jahrhunderts, Benjamin Franklin, war Zeitungs- mann! Aber diese Leute ändern die Methode des amerikanischen Journahsmus nicht und in der Regel smd nicht ilire Blätter die ge- schäftlich erfolgreichsten. Grofse, nicht nm- unabhängige, sondern beherrschende Zeitungen, wie die Blätter unserer Hauptstädte, kann es in den V. St. schon der grofsen Entfernungen wegen nicht geben. Selbst die New Yorker Blätter sind aufser der Stadt nur noch im Staate von Bedeutung und nur einige ganz hervorragende erhalten in ihren Sonntags- und Wochenausgaben eine weitere Verbreitung. Es ist eine oft erwähnte Thatsache, dafs die Sitte des Zeitungslesens hier in viel tiefere Schichten hinabreicht als ü-gendwo in Eiu-opa '), und es erklärt 1) Einen merkwürdigen Beweis für die Unentbehi'lichkeit der Presse bei den Nordamerikanern liefern die Armeezeitungen, die bei keinem Feld- zuge fehlten, selbst nicht dem mexikanischen, der seinen Pioneer in Mon- terey, seine American Flag in Matamoros, seine Sentinel in Tampico und noch manche andere hatte. Unmittelbar nach der Einnahme von New Orleans durch Banks (1863) erschienen Zeitungen der Eroberer, auf die Rückseite von Tapeten gedruckt. Der Journalismus breitet sich dabei auf Gebiete des Lebens und nicht blofs des öffentlichen aus, wo wir ihn noch lange nicht kennen. Die regelmäfsig erscheinenden Wochenschriften der Studenten und Studentinnen der Colleges — sogar die Schüler des Taubstummeninstituts von Louisiana haben ihren >Deaf Mute PeUkan« — deren manche dieser höheren Schulen mehrere besitzen, sind keine Kneipzeitungen wie bei uns, sondern zum gröfsten Teil ernstgehaltene Repertorien des studentischen Lebens, in denen mancher Artikel Zeugnis ablegt von der frühen Reife des Geistes und der früherworbenen Fähigkeit, öffentliche Fragen zu behandeln. Manches 694 Die Presse. daher schun der bedeutende Absatz, den die Zeitungen finden, ihr massenhaftes Auftreten. Unter den 18 436 Zeitungen und Zeitschriften, die es 1891 in den V. St. gab, darunter gegen 1800 Tages- und 14000 Wochenblätter, waren die zahlreichsten in den älteren Weststaaten Kansas, Iowa, Missouri, verhältnismäXsig die wenigsten in den Südstaaten vertreten. Die gröfste Zahl hat New York mit 1958 aufzuweisen. Aber dieses Entgegenkommen des Publikums würde die Presse nicht so üppig gedeihen lassen, wenn nicht Nahrung aus anderen Quellen ihr zuflöfse. Das Anzeigewesen ist hier bedeutend höher entwickelt als in Deutschland, wie sich bei dem ungemein energischen, regsamen Handelsbetrieb von selbst versteht •). Die Patentmedizinen bringen manchem Blatte tagtäglich zwei bis drei Spalten voll Anzeigen; jüngere Ärzte und Anwälte, die nicht dauernd annoncieren, Eisen- bahn- und Dampf erhnien , die nicht täghch ihre Fahrtenpläne be- kannt machen, Wii'te, die nicht sehr oft in den Anzeigespalten ihre »Freunde« zu häufigem Besuch ermahnen, existieren für das grofse Publikum nicht. In dieser Beziehung herrscht hier eine andere An- schauungsweise als in Deutschland. Dafs die grofsen Geschäfte jahraus jahrein besimmte Spalten des Anzeigeteils für ihre Anzeigen gepachtet haben und ihre Empfehlung zum Überflufs noch auf jeden Zaun und Stein im Lande pinseln lassen, gereicht ihnen in den Augen der Amerikaner nur zum Lob und Vorteil. Es ist erstaunhch, wie gefüllt mit Anzeigen selbst die A\'inkelblättchen in den kleineren Städten sind. Viele würden sich ohne sie gar nicht halten können. Die gröfseren Blätter halten Reisende für diesen Zweck und die kleineren setzen die Geschäftsleute ihrer näheren Umgebung in Kontribution. Gewöhnlich ist der >/Country Ecütor« kein sehr zartfühlender Mann und weifs sein Blättchen gefürchtet zu machen. Er ist in fast allen Fällen aussichts- Jugendllche läuft mit unter, aber es überwiegt ein Lebensernst, den wir auf dieser Stufe bei uns nicht zu suchen pflegen. Staatsmänner wie D. Webster hal)en in solchen ("ollogeblättorn ilire journaHstischon Sporen verdient. Selbst ReisegesellHchat'ten führen auf den Wegen und Bahnen des Westens kleine Druckereien mit, um tägliche Nachrichten verteilen zu können. 1) Das in England aufgekommene System mit Geschäftsanzeigen sogar die freie Natur zu verunstalten, ist in den V. St. eine Landplage. Jeder Fels, jede Klippe, jeder Zaun, sind mit fufslangen Lettern, meist Geheimmittel- anzeigen, bekleckst. Aufserdem sind in den Städten selbst Mauern, Säulen, das Innere der Wagen, die Gänge der öffentlichen Gebäude mit Plakaten tapeziert und in den Zeitungen ist das Anzeigewesen zu einer Massenhaftig- keit und gleichzeitig einer fast wissenschaftlichen Gliederung und Methodik entwickelt, wie selbst in England nicht. Man behauptet, dafs die nordameri- kanischen Zeitungen durchschnittlich fünfmal soviel Anzeigen enthalten als die engUschen. Die Presse. 695 reicher Kandidat für dieses und jenes Amt. Im 52. Kongrefs bezeich- neten sich 3 als Journalisten im Senat und 18 im Repräsentantenhaus. Ganze Staaten, wie Maine und Texas, waren in diesem Kongrefs nur durch Advokaten und Zeitungsmänner vertreten. Oft schon setzte sich aus diesem Element mehr als die Hälfte einer Staatslegislatur zu- sammen'). Viele Zeitungen werden von einem Mann oder einer Gesell- schaft für Zwecke »gekauft«, die nicht mit den öffentlichen Interessen zusammenfallen, denen sie natürlich alle zu dienen vorgeben. Man denkt von der poHtischen Moral vieler Redakteure, besonders gröfserer Blätter, im ganzen nicht hoch, läfst sich aber mit charakteristischer Unbekümmertheit von derartigen Bedenken nicht im Genufs des Blattes und im Einflufs stören, den man ihm einräumt. Die Mache einer nordamerikanischen Zeitung ist immer folgende : Kurze Leitartikel und Leitartikelfragmente, die in der Regel sehr ge- schickt, witzig, pikant, aber in den Fäüen, die aufserhalb des Gebietes der Parteipolitik hegen, meist ohne Ernst und nicht mit hervorragender Sachkenntnis geschrieben sind ; sehr ausgedehnte Lokalberichte ; eine Menge kurzer Notizen als Mannigfaltigkeiten, Vermischtes etc.; zahl- reiche Telegramme und endhch eine Masse Reklamen, die diesen bevor- zugten Platz bezahlen, nehmen den Raum einer Zeitung über dem Redaktionsstrich ein. Die amerikanische Presse ist am weitesten von der Hochschätzung des akademischen Leitartikels entfernt, welche die französische auszeichnet. Theater- und Konzertberichte, Auszüge aus Predigten und Vorlesungen und in seltenen Fällen eine Korrespondenz aus irgend einem europäischen Lande schieben sich zu Zeiten dazwischen. Handels-, Schiö'ahrts- und Börsenberichte nehmen stets einen grofsen Raum ein und Anzeigen sind auf allen den vier oder acht Seiten zu finden. Ein Feuilleton im eiu-opäischen Sinn ist nicht vorhanden, aber in den Sonntagsnummern, und bei gröfseren Blättern auch in anderen Nummern, finden sich sehr mannigfaltige belletristische und populär- wissenschaftHche Mitteilungen. Hier, wo ein pohtisches Leben, das tief in die Interessen aller Bürger eingreift, den Zeitungen einen grofsen Einflufs und dem, was sie sagen, die Kraft thatsächhcher Bedeutung verleiht, haben sie einen präci- seren, praktischeren Zweck als bei uns. Nicht immer ist es gut und schön, was sie sagen und noch wenigii' wie sie es sagen, aber es hat einen 1) lö61 ernannte Lincoln nicht weniger als sechs Journaüsten zu Gesandten bzw. zu Generalconsuln und zwar wurden die Posten in Paris, Rom, Konstantinopel, Rio, La Paz und Kairo mit denselben besetzt. I^er Eigentümer des N. Y. Herald hatte die Pariser Gesandtenstelle abgelehnt. 1872 war Greeley vom Präsidenten Grant zum Gesandten in London be- stimmt gewesen und 1878 wurde der Berliner Posten dem Herausgeber der N. Y. Times angeboten. 696 I^iß Presse. Zweck. Man kann sie nicht, wie unsere guten kleinen Blätter, als ein Volkslesebuch ansehen, das Blatt für Blatt veröffentlicht w^ird, sie sind Mittel zum Zweck cber pohtischen Aufrüttelung, Wachhaltung und Leitung des Volkes. Die Idee einer Zeitung, die sich den politischen Ereignissen gegenüber, statt Agitator und Agitationsmittel zu sein, wesentlich referierend verhält, ist den Nordameiikanern fremd; ein Blatt, das dem Leser nicht sein Urteil, sondern nur die Materialien zur unabhängigen Bildung des Urteiles böte, würde keinen Beifall finden. Das innere poHtische Leben in der Gemeinde, dem Staate und der Union gibt immer Stoff genug zu pikanten Ai'tikeln, und über die Zustände der fi-emden Völker hält man sich durch ein Telegramm über die wichtigsten Vorkommnisse genügend informiert. Nur die gröfsten Blätter haben eigene Korrespondenten im Ausland, die aber häufig nur das berichten, was durch die amerikanische Brille bemerkenswert erscheint. Die Presse geniefst hier weniger Achtung bei aller Freiheit, die man praktisch unbeschränkt nennen kann, als in Deutschland oder Eng- land. Unter den grofsen und einflufsreichen Tagesblättern der V. St. sind nur wenige, von denen ein anständiger und gebildeter Mensch eine ganze Nummer mit voller Befriedigung lesen könnte. Jedes dient rückhaltlos einer Partei und jedes will so rasch als mögUch seinen Leserkreis erweitern, daher steigt es zu den Vorurteilen der Masse oder der Klassen herab und wird im Eifer der Wettbewerbung von der Rücksicht auf Wahrheit und Gründlichkeit weggedrängt. Viele Blätter grofser Städte, die auf ein gebildetes Publikum berechnet waren, jüngst noch der »Boston Advertiser«, sind im Laufe der Jahre denselben Weg gegangen »to teach a daily lesson in vulgarity«. Es wird geklagt, dafs auch die billigen Jugendzeitschriften in den letzten Jahren einer verderblichen Neigung zum Sensationellen fröhnen. Die Korruption der Presse ist eine nicht minder komplizierte Er- scheinung als die des ganzen politischen Lebens. Nicht ihre Käuflichkeit allein oder vorzüglich bedingt diese Korruption; sie ist nur eine Seite und nicht die wichtigste. Der Mangel an Anstand und Ehrgefühl ist in der Presse wie im ganzen ])olitischen lieben die verdächtigste und Jiäfslichste Erscheinung. Bedauerlich, dafs das Publikum im ganzen ihn nicht fühlt, dafs es sich wohl behagt bei der Lektüre der Gemein- heiten, bis ein kräftiges Wort es aufrüttelt, wie das des Präsidenten Cleveland, d(!r 1893 bei seinem Einzug in das Weifse Haus die .lou mausten, die in den Vorhallen sein und seiner Familie Thun zu belauschen pflegten, verweisen liefs, indem er sich die > journalistische Jiarbarei'< des Aullaucrns und Aussj»ilhens verbat. Man muls sich am Ende doch sagen, dafs die populären Blätter mehr oder weniger das bieten, was dem Vfjlk gefällt. Ungemein verbreitet sind die illustrierten Die Presse. 697 Gerichts- und Sensationsblätter, die in raffinierter Weise dem weiber- losen "W^esterüng das Weib in allen Gestalten in Masse von schlechten Illustrationen vorführen. Die »Society for the Supi:)ression of Vice« in New York brachte 1890 156 Fälle verderblicher Litteratur zur Anzeige und erzielte 155 Verurteilungen, grofsenteils gegen Zeitungen, selbst gegen solche, die ihre Leser im jungen Nachwuchs suchen. Wendet man sich den periodischen Erscheinungen zu, die über das alltägliche Lese-, Aufregungs- und Antreibungsbedürfnis hinaus- gehen, SU bemerkt man eine grofse Besseining sowohl in Form als Gehalt. Der Reiz nach Sensation, der Wunsch, Aufsehen zu machen, fehlt zwar auch hier nicht, aber der Ton ist ruhiger, die Prüfung gründ- hcher, das Urteü aljgewogener. Schon die zahlreichen Wochenausgaben der Tagesblätter sind oft besser als che Tagesausgaben'). Einige pohtisch- htterarische Wochenblätter sind sehr gut gesehrieben und anständig. Merkwürdig tief stehen aber überall noch die Witzblätter, von denen trotz des so regen pohtischen Lebens bis jetzt kein- einziges gröfsere Bedeutung gewonnen hat. Die Litteratiu- der illustrierten »Monthlys« ist reich und weist einige gute Organe mit vorzüghchen Büdern auf. Das »Atlantic Monthly« ist die »Deutsche Rundschau« des feineren Lesepubhkums in den V. St. Die enghschen Quarterlys smd achtungs- wert vertreten in der »North American Review- (seit 1815). Von aufser- gewöhnücher Verbreitung sind Fachzeitschriften aller Art, besonders landwii'tschaftlicher und industrieller Gattung. Einige wissenschaftliche Zeitschriften, vor allen das »American Journal of Sciences and Arts« (seit 1818) sind in der europäischen Gelehrtenwelt wohlangesehen. Die mit der University of Pennsylvania verbundene Wharton School of Finance and Economy hat 1891 einen Vorbereitungskurs für JournaJisten eröffnet. 1) Einflufsreiche Blätter, wie Hoi'ace Greeleys New York Tribüne ver- dankten ihre hohe Stellung der Wochenausgabe , die sechsmal so verbreitet war als die tägliche. Während der moralisierende, oft ideale Ton des Blattes der Handels- und Industrieatmosphäre von New York sehr wenig entsprach, sagte er dem hart arbeitenden Farmer um so mehr zu. Durch aufserordentlicli niedrige Preise (2 Doli.), den sehr hohe Anzeigegebühren aufwogen, erreichte diese Wochenzeitung zeitweiUg Auflagen von über 200000, allerdings nur in der besten Zeit, als Greeley das offizielle Haupt einer Partei, einer der populärsten Männer der Union und ein geschickter Redner war, der in aus- gedehnten Lecture Trips persönlich Reklame für sich und sein Blatt machte. XXVI. Das Volk und die Gesellschaft. Geistige Merkmale 698. Die Frühreife und das Altern 699. Freier und ge- bundener Geist 701. Geistige Bereitschaft, Beweglichkeit, Reiselust, Liebe zum eigenen Herd 701. Volksstimmung 702. Die Ermüdung im Aufseren 702. Die Höflichkeit und Frauenverehrung 703. Die Stellung der Frau 704. Sitt- lichkeit 705. Gewaltthätigkeit 707. Die Famihe 708. Zurücktreten der Sinn- lichkeit 708. Lockere Auffassung der Ehe 708. Die Familie und die Erzieh- ung 709. Die Jugend des Volkes 712. Die drei Kulturzonen 712. Die Ge- sellschaft des Westens 713. Optimismus und Überhebung 716. Der Kultus der Sachen 718. Die gesellschaftliche Schichtung 718. Luxus 720. Die Armen 723. Die Aristokratie 723. Gleichartigkeit der Sitten 724. Einflufs von New York 725. Die Kulturlandschaft 725. Geistige Merkmale. Eine neue, höhere Kultur, in deren Vorbereitung die Nordamerikaner das Ziel ihrer jungen Geschichte erblicken, das sie ermutigt und anspornt, kann auch auf diesem günstigsten Boden nur durch höher begabte Geister und anders beanlagte Seelen geschaffen werden. Über die körperliche Seite, die nicht zu übersehen ist, haben wü" gesagt, was gesagt werden kann. Es liegen Andeutungen vor, dafs Nordamerika die Kinder Europas auch körperhch verändere, aber die Jugend -der Erscheinung läfst kein Mals für sie angeben. Die geistige Seite ist im vorigen Kapitel (vgl. besonders S. 654) und früher gestreift worden. Ohne Zweifel ist der gcrmano-keltische Nord- amerikaner in einigen Beziehungen den europäischen Völkern über- legen, aus denen seine Elemente gezogen sind, und in den V. St. mehr als im übrigen Nordamerika. Der oft hervorgehobene Gegensatz der langsamen ]^]ntwickclung Kanadas zu der so viel rascheren der von der Natur ähnlich ausgestatteten Neu -England -Staaten beweist die Überlegenheit der »Yankees«. In der That gelten sie überall in Kanada als die rnternehmenderen und Erfolgrcicliereii. Und doch sind die Naturljedingungcn ganz ähnliche. Dasselbe Zeugnis stellt ihnen ihre ganze wü-tschaftliche Entwickelung aus, die ebensosehr auf ihrer eigenen Tüchtigkeit, als der Grofsartigkeit iln-er Hilfsquellen bciuht. Tlire Begabung. Frühreife. 699 geschäftliche Überlegenheit ■ward von fast allen europäischen Beobachtern anerkannt. Rastlose Thätigkeit, Unternehmungsgeist, Fähigkeit, grolse Entwürfe zu ersinnen und durchzuführen sind in ihnen vorhanden. Ohne eine hohe geistige Begabung sind diese Eigenschaften nicht denkbar. Ob aber eine höhere geistige Begabung vorhanden ist als durchschnittlich bei den europäischen Völkern, sei es nun nach der Tiefe (einzelne geniale Begabungen) oder nach der Breite (allgemein höheres geistiges Niveau der Masse), ist für jetzt nicht zu entscheiden. Was die Nordamerikaner bis heute Bedeutendes geleistet, wüi'den einige europäische Völker wohl ebenfalls zu leisten vermocht haben, w^enn sie in die Notwendigkeit versetzt worden wären, alle Fähigkeiten auf- zubieten. Bis jetzt scheint es uns, dafs die Nordamerikaner keine Ausnahme von der Regel der Völkerbeurteilung machen, die lehrt, dafs die scheinbaren Unterschiede der Begabung verwandter Völker weniger in der Grösse der geistigen Kräfte, als in dem verschiedenen Grade ihrer Ausnützung und Anwendung zu suchen sind. In diesem Sinne kann man die Nordamerikaner als ein Volk bezeichnen, das mehr als alle anderen seine Geisteskraft auf die Probleme des praktischen, vorzüglich des Erwerbslebens, mit grofsen, materiellen Erfolgen konzentriert und in dem zugleich die günstigen Lebensverhältnisse der Einzelnen eine grosse Masse von Geist für alle möghchen Zwecke verfügbar machen, in dem also das Verhältnis des thätigen Geistes zum ruhenden ein sehr günstiges ist. Der Kenner der Geschichte der Kolonien findet gerade diese Eigenschaft auf engem Räume, aber glänzend entfaltet, wieder in den geistig und materiell hochstehenden Kolonien der Griechen. Unzweifelhaft überlegen ist es dmxh die Frühreife seiner Jugend. Indem hier der Einzelne zu einer Zeit in das Leben hinaus- tritt, wo er bei uns noch auf der Schulbank sitzt oder von der Familie abhängig ist, gewinnt er eine frühe Schulung in den Fähigkeiten und Kenntnissen des praktischen öffentlichen Lebens, die vielleicht Aveniger fruchtbar für die Bildung seines Geistes als seines Charakters und die Erreichung seiner Lebensziele ist. In den Biographien hervorragender Amerikaner ist die frühe praktische Bethätigung ihrer Gaben ein fast immer wiederkehrender Grundzug. Aber auch bei denen, die niclit von der Notwendigkeit früh ins Leben hinausgezwungen werden, vollzieht sich die Entwickelung des Charakters früher als bei uns. Im allgemeinen darf man sagen, dafs der durchschnitthche Amerikaner mit 20 Jahren ebenso fertig ist wie der durchschnitthche Deutsche mit 25. Wenn unsere Statistiker den Beginn des »produktiven Alters«, Avo der Mensch sich aus eigener Kraft zu ernähren beginnt, auf das 25. Jahr ansetzen, so darf man für den Nordamerikaner die Zahl um 5 bis 8 herunterrücken. Es liegt darin der grofse wirtschafthche Gewinn, dafs die Familien bälder von der Last der Kinderernährung 700 I^iß freie Intelligenz. befreit werden und die jungen Leute früher in die Reihen derer ein- treten, die an der Förderung des Nationah'eichtums mitarbeiten. Aber es ist auch der Gewinn für den Charakter damit verbunden, der vielleicht wertvoller ist, dals die Schlaffheit und das unselbständige, unentschlossene Wesen dahinfällt, die dadurch entstehen, dafs die Jugend mit ihi'er Unklarheit und Al^hängigkeit zu weit m das Mannesalter hinein verlängert wird. Bedauerhch ist nur, dafs die fi'ühe Reife systematisch von den Pohtikern für Zwecke ausgenützt wird, die weit aufserhalb des Gesichtskreises der jungen Leute hegen, denen man in den Young Mens Political Associations eine viel zu grofse pohtische ^^'irkung einräumt, indem man von der falschen Ansicht ausgeht, dafs die Jugend tue berufene Vertreterin neuer Ideen auf jedem Ge- biet sei. Das frühe Altern der Nurdamerikaner, das oft behauptet "wird, darf nur körperlich genommen, nicht aber auf Geist und Energie über- tragen werden. \^'enn man die Völker einteilen wollte — und der Eiutellungsgrund wäre eines Versuches wert — in solche, deren Greise durch- Frische des Geistes und des Charakters im Stande sind, mit ihren Lebenserfahrungen ihrem Volke bis ans Ende nützMch zu werden, und in solche, wo das Greisentum die Merkmale der Ver- le])theit in Schlaffheit des Geistes und Charakters trägt, so w^ürden die Nordameiikaner sicherlich der ersteren Klasse beizuzählen sein. Thatki-äf tige , frische Greise spielen eine hervorragende Rolle in ihrer Geschichte. Man braucht nm- an Washington und Jackson zu erinnern. Die politischen Fähigkeiten, als welche o. S. 625 f., vorzüglich der Ordnungssinn und die Fähigkeit zu gehorchen und die Achtung vor dem Rechte iVnderer und dem Gesetze, sowie ein starkes National- gefühl genannt worden sind, haben natürhch ihre geistigen Grundlagen, deren Übercinstimnmng mit den vorhin angegebenen Grundlagen der wirtschaftlichen Befähigung sofort einleuchtet. Die })olitischen Ein- richtungen der V. St. wären nicht denkbar ohne das hohe Mals freier Intelligenz in allen Klassen der Bevölkerung. Die Schicht der Be- völkerung, in der überhaupt nicht politisch gedacht wird, ist in den V. St. klein. Fast Jeder hat von dem Verstand und der Energie, die er besitzt, etwas fiu- ])()litische Zwecke übrig. Dies hängt zusammen mit der Gewöhnung an reges politisches Le])cn, wie es die Rei)ul)lik mit sich bringt, vor allem aber mit der Gnmdstimnmng des Volkes, die nicht übersehen werden darf. Diese ist hoffnungsvoll bis zum Optimismus, kühn, unternehmend und ein eiitscliiedenes W^)lllbefinden drückt sich in ihr aus, das zu politischer Thätigkeit, wie zur Thätigkoit in jeder Richtung anregt. Niemand wird in diesem Wohlbefinden eine unmittelbare Wirkung der demokratischen Verfassung, des allge- Beweglichkeit. 701 meinen Stimmrechtes oder der religiösen Freiheit sehen wollen, sondern der letzte Gtund bleibt immer die Weite des unbesiedelten Landes, das nur Arbeit verlangt, um reichlichen Lohn zu geben, und die daraus folgende geringe Dichtigkeit der Bevölkerung, der >^Ellbugenraumc<, den der Einzelne findet, kurz die Jugend des Volkes. Dafs aber freilich selbst dieser grofse Vorzug nur auf dem Boden eines ihm entgegenkommenden oder sich ihm auf schlief senden Geistes zm- Geltung kommt, beweisen andere Kolonialläncler, die gleiche oder ähnliche Vorzüge besitzen. Der Mensch mufs mehr als das Land für seine Entwickelung thun, und das Volk hat dm-ch seine eigenen Gaben einen grofsen Anteil an seinem Schicksal und seiner Stimmung. Wii' brauchen uns nm- die gleichen Länder in spanischen oder portugiesischen Händen zu denken, um ab- schätzen zu können , was die Bevölkerung der V. St. für die Mensch- heit leistet. Wii" empfinden das Übermafs ihres Schaffens, dessen Ergeb- nisse unsere Märkte drücken, als lästige Wettbewerbung. Solange aber die Kultm- auf der Schaffung der Möglichkeit geschützten und gesättig- ten, die Geisteskräfte entfesselnden Lebens für die gröfste Masse von Menschen beruht, mufs man dem Volke Dank wissen, das gerade die- sen für Kulturarbeit glücklich angelegten Teil der Erde grofsartig nutzt. Mit dem Vorhandensein einer grofsen Masse von freiem Geist, der in dieser Stümnung seinen Ausdi'uck findet, hängt innig zusammen die beständige Bereitschaft des Geistes und Wülens, die zu den hervor- tretendsten Merkmalen der Nordamerikaner gehört und zunächst sich ausspricht in jener grofsen und ausdauernden Beweglichkeit, die der Ruhe und Erholung im geringsten Mafse zu bedüi'fen scheint. Hierin ist der Nordamerikaner vom altweltüchen Germanen weit verschieden. Man hat ihn einer stets aufgezogenen Uhr verglichen: »Vertraut mit der Anstrengung, stets, selbst in den gewöhnhchsten Verrichtungen seines Berufes, eilfertig, gewohnt grofse Entfernungen in wenigen Stunden zurückzulegen, seine Mahlzeit in 10 Minuten einzunehmen, immer und überall zu laufen, besitzt er das »Monopol der Orts- veränderung« '). Reisen ermüdet und langweilt ihn nicht. Für tue weitere Entwickelung dieser Gabe ist allerdings Amerika, das Land riesiger Entfernungen, eine vortreffüche Schiüe und nü-gends wii"d so viel gereist. Die hohe Entwickelung alles dessen, was mit dem Reisen zusammenhängt, vor aUem der Verkehrswege, Wagen, Dampfschiffe u. s. f., zeugt für die grofse Rolle, die die Ortsveränderung spielt. Man hat gesagt, der Vollblutamerikaner habe das mit dem Tartaren gemein, dafs er nicht wohne, sondern campiere auf dem Boden, den er betritt, und allerdings kann ches mit einem gewissen Recht von den Bewohnern der jungen Ansiedelungen gesagt werden, für deren erstaunhche Be- 1) Hübner, Spaziergang um die Welt. 1875. I. 81. 702 I^ie Stimmung. weglichkeit vär mehrfache Belege zu geben hatten (s. o. S. 325). Diese Art von Beweglichkeit, die zu einem guten Teile in der Wii'tschafts- weise der nordamerikanischen Landwh'te begründet ist, zeigt sich im Osten, wo stabilere Verhältnisse Platz gegriffen haben, wohl vereinbar mit der altgermanischen Liebe zum eigenen Heim. Neigung zu selb- ständigem Wohnen ist einer der gesunden Züge germanischen Wesens, der in der Natur des Nordamerikaners tiefe Wurzeln behalten hat, und es gehört zu den grofsen Vorzügen des Landes, dafs sein Holz- und Steinreichtum den Hausbau so bühg macht. Wenig scheint mit dieser kühnen, hoffnungsvoll gespannten Stim- mung die anscheinende Verdrossenheit und Verschlossenheit zu ver- einigen, die dem Beobachter des nordamerikanischen Lebens wenigstens bei den Männern so ausgeprägt entgegentritt. Viele sehen überarbeitet, ennüdet aus. »Wh sollten eigentlich glücldicher sein als die Engländer, aber wii" sehen nicht so aus«, sagte ein Neu-Engländer zu Lyell'), der, wie aUe Beobachter, einen abgearbeiteten Zug in ihrer Physiognomie findet, den er zum Teil dem Klima zuschreibt. Manches von diesem Aussehen hängt mit der Überspannung zusammen, die ihre natürlichen Rückschwankungen hat, manches damit, dals der Geist beständig mit Geschäften und Entwürfen beschäftigt ist, die ihm selten Zeit zu heite- rer Ruhe geben. Dahin gehört das, was deutsche Beobachter »Dollar- brüten« genannt haben. Es whd seit lange behauptet, dafs diese Anspannung die Seelenkräfte früh ermatten lasse und eine grofse Neigung zu Nerven- und Gehhnkrankheiten erzeuge. Der (noch un- vollständige) Beiicht des 1890 er Census über die Irrenhäuser führt 97 535 Personen auf, die 1889 in L-renhäusern untergebracht waren; (hese Zalil überragt um 73% die von 1881. Die Bevölkerung nahm in diesem Zeitraum um 2570 zu. Aus dem Unterschied kann noch nicht auf ein Wachstimi der Geistesstörungen geschlossen werden, aber die Zahl ist absolut sehr grofs, und es fällt auf, dafs in dem dünn Ixivölkerten Westen verhältnismäfsig am meisten Wahnsinnige, 2,25 pro Mille, verpflegt werden. Die laute Fröhlichkeit des Franzosen oder Süddeutschen oder auch die stillere behagliche Vergnügtheit des Platt- deutschen ist dem Nordamerikaner fremd. Seine beste Stimmung ist die gespannte, gleichsam elastische, in der alle Kräfte auf hgend ein Ziel energisch gerichtet sind, aber seine Lustigkeit ist fieberhaft auf- geregt und nur sporadisch. Deshalb findet er auch die ausdauernde FröbUchkeit rasch als eines der auffallendsten Merkmale der Deutschen 1) Second Visit to the U. S. I. p. 123. William II. llammond, einer der ersten Arzte der Armee, schreibt in der North Am. Rcv. 1891. 218: The average American is incapable of Helf-amuHcnnMit. IIc requires to be enter- tained ; Ik? Ih essentially gregarioii«. Die Stellung der Frau. 703 und Franzosen heraus. Er scherzt, lacht, singt und pfeift viel weniger als diese. Russell Lowell schlägt im »Moosehead Journal« (1853) die Gründung einiger »Lazyships« in Cambridge vor; die Vergötterung der Arbeit widerstrebte ihm, der ein Neu-Engländer, aber ein feiner Geist von mildem Humor war. Er sagt einmal: Wäre Adam ein Neu-Engländer gewesen, er hätte die Ströme des Paradieses eingedämmt, durch Baum- wollwaren die Feigenblätter ersetzt und die erste Sünde als eine weise, nationalökonomische Mafsregel gepriesen. Während aber andere sich unvorteilhaft dadurch auszeichnen, dafs sie sich nicht scheuen, iln-en Stimmungen auch im geselligen Verkehre Ausdruck zu geben, und am offensten leider den Übeln, ist der Nordamerikaner der Mann der kalten, aber ruhigen, gieichmäfsigen Höflichkeit. Er hat ritterhche Anlagen. Es ist in ilmi nicht das neidische, verdrossene Wesen, das sich am Nebenmenschen reiben muXs und nach allen Seiten hin knurrt und kläfft, sondern er hat im Gegenteil ein gutes Bewufstsein, sowohl des Wertes, als der Grenzen seiner Persönhchkeit ; so wie er sie von Anderen geachtet sehen will, achtet er sie auch selbst. Darin zeigt sich wieder jene im PoUtischen hoch bedeutsame Anerkennung des Rechtes und Wertes der Individuahtät. Soviel man auch von Geld- protzentum sprechen mag, es ist im Nordameiikaner auch etwas Aristokratisches, das ihm, vorzüghch dem Deutschen gegenüber, eine entschiedene gesellschafthche Überlegenheit verschafft. Die Stellung der Frau. Die ritterhche Verehrung der Frauen, erscheme sie auch äufserhch, krönt diese achtungswerte Seite seines Wesens in einer erfreuhchen Weise. Einer der schönsten germanischen Züge bricht hier glänzend durch die Farblosigkeit des Geschäftscharakters, und wenn es uns Deutsche auch schwer ankommt, wü' müssen doch zugestehen, dafs jene Hochhaltung des Weibes, die Tacitus als eine der schönsten unter den Tugenden der Germanen rühmt, an diesem jungen Zweige viel ächter und reicher zm* Erscheinung kommt, als bei dem alten kontinentalen Stamme. Dieser Zug ist nicht ohne praktische Folgen. In einem der Bildung feindhchen materiellen Leben bereichern die Frauen mit ihrer fi-eien Thätigkeit das Leben der Gesamtheit. Was wäre die amerikanische Schule ohne die selbständigen Frauen ! Für die weibhche Hälfte dieses Volkes erweckt dieser schöne Zug seiner Männer von vornherein ein günstiges Vorm'teil. Die Nord- amerikanerinnen sind bevorzugte Vertreterinnen ihres Geschlechtes. Schönheit des Gesichtes, geistiger Ausdi-uck, edle Haltung sind bei ihnen weit verbreitet. Die Magerkeit und Sehnigkeit, die den Mann oft unschön macht, thut ihren Formen in geringerem Mafse Emtrag. Jedenfalls sind sie entschieden das scliönere Geschlecht. Die geistigen Gaben sind bedeutend. Die Nordamerikanerin ist mit kühlerem Ver- stand begabt als im Durchschnitt die Europäerin, ebenso mit gröfserer 704 Die Stellung und Bildung der Frau. Willenski'aft und Entschlossenheit. Keine Frau tritt so sicher auf, wendet sich unbefangener an die ÖffentUchkeit, als sie. Was wii- Weiblichkeit nennen, ist daneben weniger entwickelt, aber acht weib- liche Grazie und Reinheit der Gesinnung fehlt nicht. Die Gemüts- seite ist am schwächsten vertreten. Man hat mit Recht gesagt, dals die Amerikanerin mehr Feuer als Wärme habe. Indessen ist sie nicht en masse zu beurteilen. Wo die nach aufsen hin gewandten Gaben mit Charakter sich verbinden, sind sie nur geeignet, den Eindruck und die Wirkung der Gesamtpersönhchkeit zu erhöhen, wo aber jene nur allein vorhanden sind, ist der Eindruck eher abstolsend. Man könnte darnach zwei Gruppen unterscheiden, denen aber das starke Streben nach einer h(')heren Stellung gemein ist, als die einfache Er- füllung der Mutter- und Hausfrauenpflichten ihnen zuweist. Die Minder- heit sucht durch ehrliche Arbeit in Selbstbildung des Geistes und Ge- mütes jene Schranken zu erweitern, während viele von den natürhchen Pflichten so viel als möglich abwerfen und die Lücke mit Nichtigkeiten auszufüllen suchen. Jene sind es, deren ausgezeichneter Charakter vollauf die bevorzugte Stellung der amerikanischen Frauen rechtfertigt, die von diesen anderen dann oft unerträghch milsbraucht wird. Auf ihren bedeutenden Einflufs in Famüie und Gesellschaft ist so manche oasenhafte Erscheinung in der Öde des geschäftigen Treibens zurück- zuführen. Sie sind häufiger als ähnhche Frauen bei uns, treten energischer und mit mehr äulserhchem Geschick mit ihren Gaben hervor, wissen sich und was sie erstreben besser zur Geltung zu bi'ingen. Es ist hier nicht der Ort, in die Tiefen der Frauenfrage zu leuchten. Nur die Beobachtung will ich anknüpfen, dafs hier fast ausnahmslos die Frau in allem, was man Bildung nennt, weit über dem Manne steht. In allen jüngeren Staaten ist die Erziehung der Mädchen der der Knaben voraus. Was werden unsere wohlerzogenen Mädchen mit iliren ungebildeten Männern einst anfangen? (S. Louis Republic.) INIänner mit Sinn für unverwertbare Wissenschaft, Litteratur oder irgend eine Kunst sind in Amerika seltener als in der alten Welt. Bei den Fi-auen ist es ganz anders. Bei ihnen ist es Erfordernis, gebüdet zu sein, und die Sitte des Landes weist ihnen in jeder nicht ganz gedrückten Lebens- stellung viel Mufse zu. Lernen kann, wer lernen will, und manche benutzen die Gelegenheit aufs beste. Die Frauen wissen mehr von den Dingen, die idealen Sinn und edle Gesimumgen nähren, und ihr Ge- sichtskreis erweitert sich. Als vor einigen Jahren che landwirtschaft- liche Zeitschrift »Homestead« (in Springfield Mass.) ihre Leser auf- forderte;, die >zchn Ix'stxni B>ücher'< zu nennen, kamen die ^Einsendungen meist von den Frauen unr VIT R. 264. Geringschätzung der Menschenleben. 707 Das grofse Mals von Selbständigkeit, das ihm eigen ist, Avird zwar gemildert dm-ch eine tiefeingewurzelte Achtung vor den Dmgen, die von der Gesamtheit seiner Mitbürger geachtet werden, vorzügüch vor dem Selbstbestimmungsrecht und den Meinungen anderer, so\^ie vor allem, was in das rehgiöse Gebiet einschlägt. Dieses wird ihn aber ebenso oft zimi Heuchler werden lassen, wie jenes ihn zur Selbstüber- hebung und Gewaltthätigkeit geneigt macht. Die Messer- und Schiefs- affären (Shooting-a&ays) sind nicht auf den fernen ^^^esten beschränkt und Lo well wies auf die Blutspur Imi, die durch die Gescliichte des Landes und der Staaten geht^). In der Zeit von 15 Jahren sind zwei Präsidenten durch Meuchelmord gefallen. Der Wert der Menschenleben ist kaum, wie anderwärts, mit wachsender Volksdichte gestiegen. So- wohl der Bürgerkiieg als die seither immer häufiger gewordenen Auf- stände wegen Lohnstreitigkeiten haben Beispiele von rücksichtsloser Aufopferung geboten. Dieser Zug hat tiefere Wm'zeln. Wir begegnen ihm wieder in der Grausamkeit der Indianerpohtik, und er findet sein Gegenstück m der rücksichtslosen Verwüstung der pflanzhchen und tierischen Schätze des Landes. Die Waldverwüstung ist eine der gröfsten und folgenreichsten Thatsachen in der Kulturgeschichte der V. St. Dafs sie sich grofsenteils in der Form der unberechtigten Ausbeutung öffent- 1) Vgl. den Aufsatz »The Brand of Cain in the Great Republic«. Con- temporary Review, Oct. 1891. Das 76 Seiten füllende Census Bulletin »Homi- cide in 1890* (No. 182 vom 6. Mai 1892) berichtet, dafs von 82 329 Gefangenen 7881) des Mordes oder Todtschlages angeklagt waren — 1880 4608 — , wovon 4425Weirse (1213 Fremdgeborene), 2739 Neger, 94 Chinesen, 92 Indianer und 1 Japaner. Genau ein Dritteil konnte weder lesen noch schreiben. 1267 werden als Trunkenbolde bezeichnet. 5548 Fälle wurden als Mord erkannt und in mehr als der Hälfte von diesen Todesstrafe verhängt, gegen die aber eine starke Abneigung sich in den älteren Staaten geltend macht. 1890 safsen in den Gefängnissen von Kansas (das eine Bevölkerung von 1,4 Mill. hat) 49 zum Tod verurteilte. Da aber hier seit 1872 kein Governor ein Todes- m-teil bestätigt hat, sind diese Verurteilungen nur Form. In den Strafen für Todtschlag bemerkt man ein Wachsen der Strenge von Ost nach West und von Nord nach Süd, Neger werden durchschnittlich härter bestraft als Weifse, Chinesen am härtesten. 1889 wurden 156 Hinrichtungen und 117 Lynchun- gen berichtet, von beiden zusammen 94 in den Südstaaten. Die Zahlen sind nicht ganz vollständig. Wenn im Norden die Lynchjustiz auch abgenommen hat, äufsert sich doch noch immer ein starker Trieb, der Justiz, die man für zu schwachmütig oder sogar für parteiisch hält, nachzuhelfen. In den letzten Jahren hat sich vom Süden her ein Geheimbund der »Weifskappen« in die Ohiostaaten verbreitet, dessen Vehmgerichte ganz Indiana in Auf- regung hielten. Ärzte und Geistliche wirkten als Büttel bei den Versuchen mit, mifsUbiege Individuen oder Famihen durch Schädigung an Leib und Gut aus bestimmten Gegenden zu vertreiben. 45* 708 I^ie Familie. liehen Eigentums vollzieht, macht sie nicht besser. Die Ausrottung der Raubtiere und anderer schädlichen Tiere war eme Notwendigkeit, aber die Ausrottung der Büffel, die jetzt nahezu verschwunden sind, nennt ein Amerikaner (General Rush C. Hawkins) »one of the most discouraging chapters in the history of our cruelties«. Die Tierwelt des Wassers verfällt demselben Schicksale, soweit der Mensch ihr nachstellt. Dafs die zahmen Tiere von diesem zerstörenden Trieb nicht verschont werden, beweisen die Massen Schafe und Rinder, die all- jährlich im Westen dm'ch Kälte und Nahrungsmangel zu Grunde gehen. Auch hebevoUe Behandlung der Geräte, Wagen, Maschinen ist nicht Sache des Amerikaners, der mehr die Zeit- als die Stoffverschwendung scheut. Die Familie. Das mit dem Vorwiegen des Verstandes verbundene Zurücktreten der Sinnhchkeit vermindert die INIotive einer ganzen An- zahl von Ausschreitungen. In Verbindung mit der Selbständigkeit der Frauen läfst es die geschlechthchen Verhältnisse und Milsverhältnisse \äel mehr in den Hintergrund treten als bei allen europäischen Völkern. Selbst in der Jugend leben die beiden Geschlechter so frei zusammen wie nirgends sonst und die Frauen könnten gesellschafthch nicht freier sein. Dafür hat aber die kühlverständige Art lockernd auf das Band der Ehe gewirkt, und die Zahl der geschiedenen Ehegatten oder der getrennt lebenden ist sehr grofs. Die Gesetze mancher Staaten erleichtern die Scheidung ungemein. In demjenigen Staate, wo die Statistik des Familienstandes am genauesten dm'chgeführt wird, in Massachusetts, zählte man 1885 2956 Geschiedene und 136 unbekannten Famihen- standes. Nach der Ansicht des Statistikers sind che letzteren gröfstenteUs zu den Geschiedenen zu rechnen. Auffallenderweise sind 86"/o von den Geschiedenen Einheimische (vgl. o. S. 348). Ehescheidungen sind in den V. St. ungemein häufig und nehmen mit jedem Jahre zu. W. F. Wil- cox sucht in den Statistics of Divorce (Studien der Pohtical Science- Facultv der Cornell Universität) nachzuweisen, dafs 1870 3,5, 1880 4,8 und 1890 (wahrscheinhch) 6,2''/o der Ehen mit Scheidung endigten. Dafs die Ehescheidungen besonders häufig unter Negern sind, muls bei dieser Statistik mit in Betracht gezogen werden. Die Gerechtigkeit er- fordert es hervorzuheben, dafs Sekten, welche die Verneinung der Ehe oder wenigstens der Monogamie in ihre Satzungen aufgen(.)mmen haben, immer zu eiiKsm grofsen, oft überwiegenden Teil aus Nicihtamerikanern bestanden. Man hat nach einem allgemeinen Gesetz für die ganze Union gerufen, um den massenhaften Ehescheidungen auf (irund der lockeren Gesetzgcljung einzelner Staaten ein Ende zu maclien. Thatsächlich wird in Städten Siiddakotas, wie Sioux Falls und Yankton, die l^^hescheidung, die nach einem Aufenthall xon 90 Tagen vollzogen wird, als eine Erwerbsquelle wie eine Heilquelle oder eine schöne Aussicht betrachtet, Die Kolonisation und die Familie. 709 da sie Fremde herbeizieht. In jungen weiten Ländern heiratet man frühe. Das kinderarme Neu-England hat dieses .Jugendzeichen bei- behalten, während es andere abgelegt hat. Es steht daiin dem in anderen Beziehungen weit verschiedenen Rufsland nahe. Auch darin liegt einer der Gründe der häufigen Ehescheidungen. Ein anderer ist in dem auch auf diesem Gebiete übermäXsig begünstigten Individualismus zu suchen, den törichterweise eine Gesetzgebung begünstigt, die z. B. im Staat New York Mann und Frau Verträge scliHefsen läfst, als ob sie Fremde wäi-en. Die Familie, die von allen Erscheinungen des geseUschafthchen Lebens bei allen Völkern der Alten Welt sich am ähnüchsten bleibt, ist bei den Nordamerikanern am weitesten verschieden und daiin liegt eines der auffallendsten Zeugnisse für den tiefen Unterschied zwischen der Gesellschaft der Alten und der Neuen Welt. Man findet in der nordamerikanisehen Familie mehr Selbständigkeit der Glieder, die ihren Grund teils in den Charaktereigenschaften der \\'eiber und der Frühreife der Kinder findet, teils in dem tiefge"«airzelten Be- griff von ijersönlicher Freiheit und Verantwortlichkeit, der jedem Lebensalter seinen eigenen Reehtskreis zuweist. Wenn die Kinder der nordamerikanisehen Familien grofse Freiheit in der Erziehung, der Wahl ihrer Berufe, der Verehehchung geniefsen, so ist darin nicht sofort die Aufhebung der gemüthcheu Beziehungen zu sehen, welche die Familiengiieder verbinden soUten. Was leistet dort die Familie? Der in aller Völkerbeurteilung wertvolle Satz : An ihren Früchten soUt ihr sie erkennen, lehrt uns als wertvollste der materiellen Früchte eines gesunden Famihenlebens den Zusammenhalt der Glieder einer Famihe zu erspriefshcher Thätigkeit schätzen. Die Familie mufs in einem Volke sehr gut fundiert sein, wenn nicht die Verlockung zur Absonderung, zm- Loslösung von Pietät und Sitte, zur Üljerhebung, zur Trägheit, ziu- Milsachtung der Heimat und des häushchen Herdes, die bei der seit iwei Jahrhunderten fast unbeschränkten Ausbreitung über ein reiches, noch miavisgebeutetes Land, wie bei aller Kolonisation, so nahe Hegt, zu einem Rückfall in halbcivihsiertc Zustände führt. Die Kolonisation mit ihren schweren Aufgaben und ilu'en nicht minder schwer zu er- tragenden Verlockungen ist der häi'teste Prüfstein eines Volkscharakters. Die V. St. machen nun seit den 250 Jahren iln-er Existenz eine Kolonialgeschichte mit beständig sich erweiterndem Schauplatz durch, sie sind noch heute in wesenthchen Merkmalen Kolonien. Sie haben die Probe bestanden und sind gediehen. Es gehört noch kein sehr tiefer Bück in das Innere ihres Lebens dazu, um die RoUe der Familie in diesem Gedeihen zu würdigen. Man könnte die nordamerikanische Kolonisation als eine familienhafte der famihenlosen der Romanen in Süd- mid Mittelamerika gegenüberstellen. Dort eine Verpflanzung der 710 Die häusliche Erziehung. europäischen Kultur durch ein Volk, das bei allen Berührungen mit den rohen Eingeborenen sich wesenthch rein erhielt, hier der Untergang der Eiu"opäer samt ihrer Civihsation in einer zur Halbkultur bestimmten MischHngsbevölkerung. Das günstige Resultat in Nordamerika wäre ohne die Hochhaltung der Famüie und den daraus folgenden, tief- gehenden Einflufs der Famihe auf das private und öffenthche Leben der Einzelnen nicht möghch gewesen. Die Sitthchkeit in den Beziehungen der Geschlechter ist auch in den rohen Anfängen der Ansiedelungen hochgehalten worden. Die Litteratur kann in so weit täuschen, als die verschiedenen Völker nicht alle gleich offenherzig in dem htterarischen Ausdruck ihrer Gefühle und Gedanken sind, doch gestattet sie unter aUen Umständen interessante Einblicke in die Volksseele. Die nord- amerikanischen Dichter teilen mit den enghschen die Keuschheit der Phantasie. Wie würde ein Franzose das sittüche Problem behandelt haben, das Hawthorne in seinem berühmten Scarlet Letter darstellt? Selbst Poe, der geniale Verkommene, ist in seinen Werken rein. Wie bemerkenswert die Umgehung jener faulen Stellen am sozialen Körper, in denen man anderwärts mit Vorhebe wühlt, durch so fruchtbare Romanschriftsteller und Novellisten wie Cooper, Holmes, Bret Harte! Nur die gesunde Abneigung des Pubhkums gegen die Ehe- bruchsromantik und ähnhche Zweige der »schönen« Litteratur kann sie erklären. Im Breitschlagen der Familienskandale durch die Presse hegt ein Widerspruch hiergegen. Es ist bedauerlich, angesichts der grofsen Macht der Presse in den V. St., wenn sie auch die sonst züchtig verhüllten Schäden der Gesellschaft zum Gegenstand ihrer sensationellen Berichterstattung macht. Jede grölsere Stadt besitzt dazu ihr gewisser- mafsen professionelles Skandalblatt, das in einem anständigen Hause vumiöglich ist, wie weit es auch in den tieferen Schichten verbreitet sein mag. Die besseren Blätter suchen dagegen den Anstand zu wahren, soweit es mit dem allerdings sehr starken Neuigkeitsbedürfnis zu ver- einigen ist; aber die i\nierikaner sind neuigkei(sliel)end. Gleich den alten Athenern ist ihr gröfstes Vergnügen Neuigkeiten zu hören oder zu sagen. Die deutsche Presse ist darin mafsvoller als die englische. Die häusliche Erziehung ist nachsichtsvoll. Die Nordameri- kaner, an denen in der Jugend so viel weniger erzogen wird, als an den J^eutschen, übertreffen die letzteren durchschnittlicli an Wohlerzogenheit im gesellschaftli(then Sinn. Der Grundsatz der Selbständigkeit des Ein- zeliKjn wird für die Kinder hantig zu weit ausgedelnit, aber die weit- gehende Selbständigkeit der Jugend des Volkes (Uirftc in ihren Aus- schreitungen kaum verderbHcher sein, als die bei uns herrschende Altliäiigigkeit, die jedenfalls weniger gecign(>t ist, Charaktere zu stählen. Zuzugeben ist jedoch, dafs das Vorwalten der Vcrstandcssphäre dem amerikaniHchen Familienleben vielfach einen ärmeren und kälteren Erziehung und Disziplin. 711 Ton gibt, den die noch immer geringe Pflege der Musik ii. a. künst- lerischen und geistigen Interessen nur noch tiefer stimmen kann. Aber die geschlossene Existenz im Famüienhause macht sich um so heilsamer geltend. Als Soldaten haben Nord- und Südländer im Bürger- kiieg, der fast aus jeder Famihe Männer und Jünglinge ins Feld führte, Proben abgelegt, deren Wert, wde die immer noch einander folgenden Veröffentlichungen beweisen, noch immer hochgehalten wh*d. Mut und Ausdauer bewiesen beide in hohem Grade, und es fehlte auf beiden Seiten nicht an unvergefsHchen Heldenthaten. Aber in den südstaat- Hchen TrupiDen war eine bessere Disziphn. Es sprach sich darin nicht blofs die Thatsache aus, dafs die Erziehung der Jugend in »AntebeUum Times« im Süden viel patriarchahscher als im Norden, die Wolil- erzogenheit im Haus und in der Öffenthchkeit hochgeachtet war. Der Süden brachte in den Bürgerkrieg die Gewohnheit des Gehorchens auf Seiten der Soldaten auch, weil diese schon im Frieden an scharfe Klassenunterschiede gewöhnt waren und ihre Regierung den Besitzenden anvertraut hatten; diese aber hatten die Gewohnheit des Befehlens über unbedingt gehorsame Sklavenscharen und zugleich ihrer Ver- waltung und Verpflegung. Einer der wenigen höheren europäischen Offiziere, die den Bürgerkrieg mitmachten, hob den kriegerischeren Geist der Südstaatenarmee entschieden hervor'), die besonders im Anfang, wie BiiU Run und die Siebentägige Schlacht beweisen, im Angriff Aveit überlegen war. Aber der blinde Gehorsam war nicht \'on Anfang vorhanden und ist auch am Ende des grofsen Krieges nur in einigen Tt-uppenteilen erzielt worden. Die an voUkommene Unabhängigkeit gewohnten JMänner gingen mehr aus räsonnierendem als passivem Gehorsam, mehr aus poHtischem als soldatischem Pflicht- gefühl in die Schlacht. Die Haltung des Einzelnen übte einen viel zu grofsen Einflufs auf die Anderen. Die Befehlshaber mulsten zuviel rückwärts sehen, ob man ihnen folge, da sie nicht sicher waren, dafs ihre Befehle ganz genau ausgeführt wurden. Der Mangel an Disziphn hat die ersten Niederlagen, tue schwache Ausnützung der Siege, die schwerfällige Langsamkeit der Bewegungen hauptsächhch verschuldet. General Hazen, der 1870 die deutschen Ai'meen kämpfen sah, hob als einen ihrer gröfsten Vorzüge die auf Disziphn gegründete gröfsere Beweghchkeit herv^or. Ganze Corps der nördhchen Armeen gingen aus einer unentschiedenen Schlacht in wilder Unordnung zurück und verschwanden einfach. Die Gesellschaft. In der neuen Welt sind die verschiedenen Schichten der Gesellschaft mehr neben als, wie in der alten, über einander ge- 1) Col. F 1 e t c h e r , History of the American War I. und Comte de Paris, Histoire de la Guerre Civile en Amörique I. bes. S. 343 f. 712 Die Gesellschaft. lagert. Wenn es möglich wäre, Bildung, Sitte, Reichtum, Arbeitsteilung u. s. f. für das Gebiet der V. St. graphisch darzustellen, so würde man klar drei Kulturzonen sehen, die von Osten nach Westen in der Weise auf einander folgen, dafs die Zone höchster Kultur im äufser- sten Osten, eine zweite oder mittlere Zone im Seen-, Ohio- und Missis- sippi-Gebiet und eine dritte der erst werdenden Kultur im fernen Westen sich ausbreitet. Es bestehen enge Beziehungen zwischen diesen Kulturzonen und den Zonen der Bevcilkerungsdichtigkeit (s. o. S. 301 f.), sowie den Wirtschaftsgebieten. Dichte Bevölkerung und höhere Kultur gehen ebenso zusammen, wie dünne Bevölkerung, be- ginnender Ackerbau und Befriedigung der ersten Bedürfnisse, die fast nur materieller Art sind. Natürlich ist diese dreifache Zoneneinteüung nur ganz allgemein zu denken und so gut es dünnstbevölkerte Striche in JNIaine, New York oder Florida gibt, sind auch Anfänge der Besie- delung in die fortgeschrittensten Gebiete eingeschaltet. Von den wirt- schaftlichen Grundeigenschaften dieser Zonen, auf denen Uire Kultur- entwickelung beruht, ist o. S. 378 u. 401 f. gesprochen. Auch manche Merkmale ihrer allgemeinen KultursteUung waren im Vorhergehenden zu berühren. Hier mögen nun noch die hervortretendsten Merkmale besonders der ameiikanischsten von aUen diesen Zonen, der west- lichen, kurz hervorgehoben werden. In den älteren Staaten des Ostens, vor allem in den Neu-England- Staaten, lebt ja mancher freundüche Zug, der an die besten Seiten europäischen Lebens erinnert. Je weiter mau sich aber von den Mittel- Ijunkten der Büdung und des Reichtums entfernt, um so fremdartiger wird die amerikanische Gesellschaft. Immer deutlicher tritt die Jugend- lichkeit der Staaten und Gemeinden, der Mangel altangesammelten Reichtums und damit der Menschen hervor, die nicht Charakter, ruhige Entwickelung, ideale Hingebung an che allgemeinen Interessen, dem leidenschaftlichen Wunsche reich zu werden, zum 0]ifer bringen. Im Süden, wo der Bürgerkrieg die Pflanzeraristokratie zertrümmert hat, die dem Lande einst die besten Staatsmänner und Generale gab, sind die Gebildeten verarmt und ist eine Klasse von Menschen in den Vordergrund gerückt, die der Amerikaner treffend »Ft)rtune-seekers« d. h. Vermögensuchcr nennt; auf den Ruinen der alten guten Gesell- schaft macht es sich ein (ieschlecht von Menschen bequem, das mit i-iicksiclitsl(tser Energie am raschen Zusammenscharren von Reich- tümern arbeitet. Kurzsichtige Pohtiker wollten in der Zerstörung der südstaatlichen Pflanzeraristokratie durch Zertrümmerung ihrer grofsen I/mdgüter eine Bedingung der Regeneration des Südens auf demokra- tischer Grundlage sehen. Sic übersahen, dafs über einer unselbständigen Masse, wie die Neger, sich innncr (im; Aristokratie herausbilden mufs, dafs aber die Rassenaristokialic, die keinen anderen Adelsbrief als die Die werdende Gesellschaft. 713 Weifse ihrer Haut besitzt, die für das Volk im ganzen unfruchtbarste aller Aristoki-atien ist. Im Westen ist dieser Zug noch schärfer aus- geprägt. Die entlegeneren Gebiete, früher Kansas, Iowa. iVrkansas, Texas, später westhchere, sind immer im Anfang die Zufluchtsstätten der Vielen gewesen, denen die Gesetze und Sitten der geregelten Staaten des Ostens unbequem werden. Verbrecher aller Grade sehen in diesen weiten Gebieten, wo kein Gesetz herrscht, als das selbstgegebene, ilire natürhche Heimat. Andere, die zu unruhig und herrenlos sind, um ii'gend eine Schranke anzuerkennen, gesellen sich ihnen und als dritter Stand di-ängt sich in diese Gesellschaft das Heer der Handelsleute und Ti-ödler, denen der gröfsere Gewinn che Unannehmhchkeiten und häufige Unsicherheit des Besitztums und selbst des Lebens an den Grenzen der Civilisation aufwiegt. Ohne Zweifel bessert das Ijewegte, entbelu-ungsreiche Treiben Manchen, den die NotwencUgkeit jetzt zum erstenmal hart und mit Geduld arbeiten lehrt und darin hegt die Lösung des Rätsels, dafs man von einsichtigen Fremden im gleichen Atem die sittliche Heilkraft der nordamerikanischen Verhältnisse rühmen und die »Korruption« verurteilen hört, die am Mark des Landes frilst. Gegen die schlimmsten Verbrecher hilft sich die junge Gesellschaft durch Gesetze, die oft mehr als drakonisch sind — in aDen diesen jungen Gebieten gab es Zeiten, wo »Vigüanz-Komittees« die Sicherheit mit bewaffneter Hand erhalten oder herstellen mufsten — und allmählich schleifen sich aus Furcht und Interesse die schärfsten Ecken der Gesetzlosigkeit ab. Bei vielen Mängeln hat diese Gesellschaft aber doch immer den Vorzug jung zu sein. Das will viel sagen in einem Volk, das als Ganzes die Züge der Jugend trägt. Laboulaye, der in semen Werken über Nordamerika, wie so Viele, die über dieses Land geschrieben haben, neuen Vorurteilen Nahrung gab, indem er alte zu zerstreuen suchte, hat das geflügelte Wort in die Welt gesandt: »Die V. St. sind ein neues Reich, aber ein altes Volk« '). Der zweite Satz meint die Herübernahme altwelthcher Lebensformen, Anschauungen, Bildungs- elemente. Nach dieser Auffassung gäbe es weder junge Völker, noch junge Menschen, denn beide müssen durch die Aufnahme der Er- fahrungen älterer erzogen werden. Die Nordamerikaner weisen sich selbst diese Stellung zu. Ihre Geschichte lehrt sie, dafs die ältere, die vorauseilende Entwickelung der nachfolgenden ihren Stempel auf- prägt, nicht bk)fs moraüscli, sondern auch materiell dm'ch die Zufuhr überquellender Menschenmengen und Reichtümer. Jung sind sie aber als Bewohner ihres Landes , von welchem sie weite Strecken kaum ein Menschenalter inne haben; jung in ihrer ethnographischen Zu- 1) Laboulaye, Histoire des Etats Unis. 1870. I. 35. 714 I^ie werdende Gesellschaft des Westens. sammensetzung aus zahlreichen Völkern und Rassen, in denen aber doch nur zwei historische Schichten zu erkennen sind, und deren Verschmelzung noch lange nicht vollzogen sein wird; jung in ihren gesellschaftüchen, wiiischafthchen und pohtischen Einrichtungen, voll Neuerungen, die zum Teil sich selbst, alle aber ihre Rückwhkung auf das werdende Volk noch zu erproben haben; jung in ihrer Ai'raut an den Besitztümern, die naturgemäfs nur im Lauf einer langen Ent- wickelung erworben werden. Es Hegt nicht im Wesen unserer heutigen Entwicklung dies- und jenseits des Oceans, vollkommen Neues zu er- zeugen, aber die Amerikaner haben mehr eigentümhche Abwandlungen des alten geschaffen als h'gend ein Kolonialvolk , und ihrem Leben damit einen höchst eigenartigen Stempel aufgeprägt. Man kann nicht sagen, was dieses Volk noch werden und leisten wiixl, und das Be- zeichnendste in seinem ganzen Wesen ist eben doch das Jugendliche. Am Rande des atlantischen Meeres, der Europa so nahe gerückt ist, erscheint Amerika schon viel älter als im Innern und der Altersunter- schied alt- und neuwelthchen Lebens wird sich bald nur noch west- lich vom Mississippi so fühlbar machen, wie er vor 50 Jahren im ganzen Lande war. Man hat treffend gesagt: Hier haben die Leute noch Lebensgeschichten. Die meisten sind nicht an dem Orte geboren wo sie leben, sondern in reiferen Jahren zugewandert, und ihr Leben ist dadurch in gewissem Sinn ein zwiefaches geworden, denn Aus- wanderung ist Verpflanzung : die neue Heimat bietet andere Aufgaben als die alte und entwickelt andere Kräfte. Ein begonnenes Leben wh'd abgebrochen und ein neues angefangen. Aber der Zwischen- zustand wird für viele Menschen der Beginn eines Lebensabschnitts, in welchem Auswandern und Ansässigmachen sich oft viele Jahre hindurch ablösen, bis zur Auswanderung nach einem Lande, wo selbst die Ruhe- losen Ruhe finden. • Vor AUen die aus Europa konmiendcn linden sich selten in die neuen Verhältnisse ohne eine Prüfungszeit voU wechselnder Geschicke. Man stellt die Regel auf, es fange einem fremdländischen Einwanderer erst von der Zeit an in Amerika wohlzuergchen, wo er sein mitgebrachtes Geld ausgegeben habe und dadurch gezwungen sei, seine Lehrzeit ganz von unten anzufangen. Durch die grofse Masse derer, die hier im Westen noch in die Schule des Lebens gehen und keinen bestimmten Entschlufs gefafst haben über den Weg, den sie endgültig einschlagen wollen, bekommt die ganze Gesellschaft einen unruhigen Charakter. Jene Naturen, von denen berichtet wird, dafs sie vor d(u- anriictkcndcn Kultui- inuner weiter in die Wildnis zurück- weichen, um der gefahrvollen Freiheit des Pionierlcbens nicht ent- sagen zu müssen, sind keine Gebilde der Phantasie. Der »Devil may care«-Ton nimmt nach Westen zu. Dem Kalifornier kommt es vor, als ob die Leute im Osten es sich gemütlicher machten und der Die Europäisierung im Osten. 715 Mann von Chicago findet New York viel zu östlich, zu europäisch. Dieses wechselvolle Leben, das die Freiheit an dem Räume milst, in dem es sich bewegen kann, ohne mit fremden Px,echten in Konflikt 7A\ kommen, dieses Hinterwald- und Prärieleben hat nicht blofs für die Reize, die es leben. Manche Leute können ihre VorUebe für Amerika nicht besser begründen als durch den Hinweis auf die Poesie dieses schrankenlosen Daseins, das edlere Ki'äfte in Thätigkeit rufe als das gedrängte Bei- sammenwohnen in unseren älteren höher kultivierten Staaten, wo keiner sich bewegen könne, ohne an engherzigen Gesetzen, Vorurteilen und Herkommen sich wund zu stofsen. Wir wollen uns aber doch hüten, in den Trappern und Holzhauern des Hinterwaldes Wiederholungen alter Germanen zu sehen. Die Heroenzeitalter kommen nicht wieder; Einzelne mögen sich zu jeder Zeit heroisch erweisen. Moderne An- schauungen und Bedürfnisse sind hier in wunderbarer Weise mit alter- tümlicher Einfachheit und roher Kraft verquickt; viele von diesen »Heroen« lieben moderne Dinge, wie Geld oder Schnaps, in einer Ausdehnung, die ihrem heroischen Charakter Eintrag thut. Sobald die WaldursprüngHchkeit mit viel Kultur sich mischt, entsteht ein unschmackhaftes Zwitterprodukt, das besonders unangenehm in den Bergwerksgebieten und Pilzstädten des fernen Westens hervortritt. Mit der dichteren Bevölkerung und dem steigenden Wohlstand hat sich dagegen eine entschiedene Hinneigung zu europäischem Wesen in allen älteren Staaten entwickelt; dort kann man sogar von einer Amerikamüdigkeit sprechen. Der »Eiu-opean Trip« zieht immer mehr Menschen in seine Kreise. Die Zahl der in Schiffen Abreisenden ist im Vergleich zu der der Ankommenden 1892 fast doppelt so grofs als 1872 gewesen und hat sich in dieser Zeit fast vervierfacht. Nicht blofs der geschichthche Hauch, auch das Rechnen auf die Dauer, der ruhigere Gang aller Dinge, die Abwendung von »Sham« und >:Sham- work« wii'kt unbewufst anziehend. Früher ist der sklavischen Nach- ahmung der englischen Gewohnheiten überhaupt entgegengetreten worden, neuertüngs werden besonders die enghschen »Society Novels« als verderblich gebrandmarkt, al:)er ohne Erfolg. Auch che Pariser Ein- flüsse werden beklagt, besonders beim weibhchen Geschlecht, in dem, soweit es mit Frankreich in Berührung kommt, lebhafte Wechsel- wirkungen, vielleicht auf gemeinsamer keltischer Grundlage, hervor- treten. Edler ist der Zug zum Alten in der eigenen Welt, der in der Liebe, mit der che Geschichte des eigenen Volkes, schon bis zu den Städtegeschichten herab, gepflegt wh-d, sich für die nationale Gesiji- nung fruchtbai- erweist, während das Interesse für Anekdotisches und Äufserhches im ältesten Land Europas nicht reger sein kann. Die Täfe- lungen und Schnitzereien der alten Stadt- und Landhäuser des schon im vorigen Jahrhundert wolilhabenden Neu-Englands sind Wallfahrts- 716 Septimismus und jugendliche ziele von Kunstfreunden wie Nürnberg oder Lübeck. Schon wird »Colonial Furniture«, d. h. die Möbel, die im 17. und 18. Jahrhundert in Nordamerika im Gebrauch waren, eingehend studiert. Vereinzelt findet man auch im Süden noch statthche Herrenhäuser, aber umgeben von Schmutz mid der Verkommenheit der Neger. Hier hat der Bürgerkrieg einen Rils gemacht. Ein altes spanisches Fort in St. Augu- stine in Ostflorida, angebhch das älteste europäische Gebäude in Nord- amerika, gilt als Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Die ünunterbrochen- heit der geschichthchen Entwickelung gehört zu den Vorzügen des Nordens und besonders für Neu-England liegt eine Stärke in der Pflege seiner geschichtlichen Überlieferungen. Optimismus bis zur Selbstüberschätzung und Überhel)ung ist ein Jugendfeliler. Für das \\)lk der V. St. ist die nicht blofs in den Vorhältnissen begründete, sondern mit dem englischen »Cant« tiefst stammverwandte Überhebung eine doppelt zu fürchtende Gefahr, da es leicht verführt ist, sich seine Ideale zu nah und seine Ziele zu nieder zu stellen. Der Amerikaner gibt sich mit manchem Unvoll- kianmenen zufrieden, was alte Länder Ijesser haben. Die geographische Lage gibt ihm mit den Vorteilen einer nahezu insularen Abschlief sung im grofsen kontinentalen Stil den Nachteil der beschränkten Berüh- rung mit anderen Völkern. Wohl ist die Gefahr der selbstgenügsamen Unkenntnis der aulseramerikanischen Welt früh erkannt worden. Der Staat und die Wissenschaft haben am meisten gethan, um über die Grenzen lünauszuweisen. Die verschiedensten Berichte der Bundes- behörden bringen wertvolle Mitteilungen über fremde Länder und Völker auch über Schuleinrichtungen, Arbeiterverhältnisse u. dgl. Auch wird gesorgt, dals diese Berichte weiten Kreisen zugänglich gemacht werden. Und doch dürften weder Deutschland noch Frankreich, von Süd- und Osteuropa niclit zu reden, in Nordamerika auch nur so gut gekannt sein wie in England. Mehr als einmal hat sich die ungenügende Kenntnis fremder Sprachen und Vei'hältnissc als eine Quelle politischer Fehloi" erwiesen. Dazu kommt die Verblendung des Optimismus, der ni<'lit Illinder als Nationalfehler zu fürchten ist, wo er sich über wirk- liche Mängel durch Nichtsehen- und VerschwcigenwoUen wegsetzt. Bei der isoüerten Lage des Landes liegt darin die Gefahr der Ver- knöcherung in falschen Vorstellungen, das Gegenteil von der ununter- bri»(-hen wirksamen aufrüttelnden ^^^'ttbewcrbung unterden eur<)])äischen \^^lker^. Schon in den ersten Jahrzehnten ihrer Selbständigkeit traf die Nordamerikaiici' dciN'orw iirf, dafs sie sich durt^h Voreingenommenheit für ihr (iingeliildctcs besseres Wissen und Kcinnen dav<.)n a])halten liefscii, von den Kiilturviilkcrn Europas zu lernen. Die Ncgerskliiverei \v;ir das erste grofsc, Übel, das bescheinigt wurde, und ihm reihte sich sehr Irüh die schl(;chte Indi;iiiei'politii<. ;ui. Noeli iieule wird nacli Selbstüberschätzung. 717 innen die überragende Bedeutung des Negerproblems allgemein an- erkannt. Aber der Amerikaner teilt nicht gern seine Sorgen mit Anderen. Oberflächliche Beurteiler erwerben daher wohlfeilen Beifall mit der un- moralischen und falschen Theorie des notwendigen Verschwindens der ganzen farbigen Bevölkerung. In der Litteratur Ijilden teilweise richtige, teilweise optimistische, im ganzen immer rosenfarbene Schilderungen der Hilfsquellen, belegt mit vielen grolsen, aber oft nicht genauen Zahlen, verschönert durch viele unbestimmte Ausblicke, eine »Speziali- tät«, seitdem der Westen aufgeschlossen ist. Aber diese Litteratur hat Jahrzehnte lang die Steppen des Westens todtgeschwiegen zum Scha- den von vielen Tausenden schwer enttäuschter Ansiedler. Der eng- herzigste Patriotismus bringt bei uns keine Scliilderungen zustande, wie wii' von den V. St. hören und lesen : Dieses ist die beste Regie- rung und das beste Land der Welt. Die Bürger dieses Freistaates sind im Durchschnitt besser gekleidet, genährt und erzogen als irgend ein anderes Volk. Sie haben mehr Leben, schreiten rascher fort, er- greifen schneller die Vorteile, welche die Natur bietet als alle anderen. Die Last der Regierungen ist hier am leichtesten, che Macht der Ein- zelnen am gröfsten, und hier werden die wichtigsten Probleme der Gesellschaft gelöst werden. Hier herrscht ein feineres Gefühl für das, was der Mensch dem Menschen schuldet als in anderen Ländern. Wii" beugen uns nicht vor Gekrönten, wir stehen aufi'echt. Unsere Sympathien sind stark und rasch. Grofsmut ist fast ein nationaler Fehler. . . . Hier findest du die Demokratie in der Famihe . . . Der höchste ^Nlafsstab der Civilisation ist die Behandlung der Weiber und Kinder und darin stehen die Amerikaner allen Nationen voran. »There is a magnitude, a scope, a grandeur about this country, an amphtude, that satisfies the heart and the Imagination. ^Ve have om* faults, we have om^ vktues, but our country is the best« (Col. Ingersoll). Derselbe, sehr volkstümüche Redner, nannte 1892 in einem Vortrage in Harlem (N. Y.) »die V. St. Amerikas das einzige Land, in dem ein anständiger Mensch im Bewufstsein seiner vollen Menschenwürde leben kann«. Der Gefahr solcher Volksanschmeichelung treten zwar ernste Männer ent- gegen, die für die Vorzüge anderer Völker sich ein offenes Auge bewahrt haben. Wü- verdanken ihnen vorzügliche Schriften über Europa, unter denen nur Emerson's Enghsh Traits and Manners und Andi'ew Whites, des früheren Botschafters der V. St. in Berlin, von tiefem Studium zeugender Essay The New Germany') genannt sein mögen. Solche Stinmien haben aber natürhch nicht das Ohr der Masse, deren »überreizte Empfindhchkeitx , um die Worte R.Romans, eines Kii- 1) Journal of the American Geographical Society Bd. IV (1882). 205 bis 258. 718 Der Kultus der Sachen. — Soziale Schichtung. tikers Ingersolls in der N. Am. Review zu gebrauchen, eine beständige politische Gefahr darstellt, der aber selbst Staatsmänner opfern'). Zu dieser Selbsterhebung trägt das Zurücktreten der Ausbildung des Menschen hinter der der Sachen am allermeisten bei. Es herrscht ein wahrer Kultus der Sachen, der in dem Kultus der Essenz aller, des Geldes, gipfelt. Möghchst viel Sachen zu erzeugen, zu beherrschen, ist das Ziel, über dem das Glück der Menschen vergessen wird. Hier ist die Gefahr schon eingetreten, dafs das Ziel zu tief gesteckt wird. Die mechanische Auffassung, die in der Verehrung der materiellen Grofse der Massenleistungen sich gefällt, übersieht, wie das Ziel des Lebens sich dm-chaus nicht dadurch erh()ht, dafs es mit gröfserem Aufwand von Kraft in kürzerer Zeit erreicht wird. Das nächste Ergebnis ist eine im Verhältnis zu den günstigen äulseren Bedingungen viel ab- normere Güterverteilung als bei uns, deren üble Folgen früher als alles andere ernücliternd auf diesen Götzendienst materieller Erfolge zurückwü'ken werden. Soziale Schichtung. Die koloniale Entwickelungsstufe einer Gesell- schaft ist der bürgerhchen Gleichheit günstiger als irgend eine andere. Die ersten Kolonien in Nordamerika, vor allem die privaten und rein büi'gerlichen in Neu-England haben zu den in sich gleichartigsten gesellschaftüchen Entwickelungen gehört, die es je gegeben hat. Die Kolomsten fühlten die Gleichheit ihrer Anfänge selbst so klar, dafs in einigen Kolonien von vorn herein eine kommunistische Organi- sation versucht wurde. Sie waren ja alle auf derselben Besitzstufe und in den ersten Jahrzehnten waren die Bedingungen der Erwerbung von Reichtum und Ehren für alle so gleichartig, dafs nur geringe Standes- unterschiedB sich zur Geltung bringen konnten. Erst in dem Mafse, als Reichtum sich mehr und mehr ansammelte, entstanden grofsere Verschiedenheiten. Der erste Stand, der sich in diesen fast durchaus ernst religiösen Gesellschaften entschieden absonderte, war aber der der Geistlichen. Man lese die Geschichte einer neuengländischen Kolonie, um die Macht zu begreifen, die er besafs. Wie sehi- sie aber dem Geiste der Gleichheit in dem CJrofs der Bevölkerung ^vidersprach, bezeugt di(! Thatsache, dafs alle jene Kirchen, in denen der Stand der Geist- lichen sich als ein höher gebildeter und einlhifsrciclier der Gemeinde gegenüberstellt, vor allen die kongregationalistische und episkopale, schon früh in Stillstand, teilweise sogar in Rückgang gerieten, während viel mächtigere Sekten auf demokratischerer Grundlage sich neben 1) Staatssekretär des Innern , John W. Noble, citiert in seinem Be- richt für 1890/91 allen Ernstes die Erwartung, dafs das Kind Hchon geboren sei, das ((inst 400 Mill. Mensclien in The Gentlemen of America« zu bezeichnen. 2) Vgl. die Aufsätze »Who owns the United States^< und »The Coming BiUionaire« im »Forum« Nov. 1890 imd Jan. 1891, in denen Thomas G. Shear- man berechnete, dafs die Hälfte des Nationalvermögens in den Händen von 720 I^i^ Verteilung des Besitzes Macht und der Luxus tief eingedrungen. Heute rühmen sich die V. St., einige der reichsten Männer der Erde zu ihren Bürgern zu zählen. Einer der angestauntesten Milüonäre, der »Eisenbahnkünig;< Vanderbilt liinterüefs 200 Mill. D. und anfangs 1893 schätzte die New York World das Vermögen der Famihe Vanderbilt auf 274 Mill. D. Die Konzentration des Geldes hat aulserordentliche Fortschritte gemacht, man sieht ein, dafs das Geld eine viel gröfsere Macht hier als in der alten Welt übt. Es bedi'oht nicht nur die repubhkanische Gleichheit, sondern beherrscht geradezu die politischen Institutionen, die zu Werkzeugen des Geldes erniediigt werden und erniedrigt die Charaktere. Die Be- reicherung Zahlloser ohne Rücksicht auf die Mittel und Wege hat das Geld zum nationalen Einheits-» Standard« erhoben. Moralität hat keinen jMarktpreis, Charaktergröfse ist unpraktisch und hohe Bildung verzinst sich schlecht. Der Besitz von Millionen, einerlei wie erworben, erweckt eine fast nationale Bewunderung. Die Grölse und Verteilung der Vermögen ist nicht blols eine wirtschaf thche , sondern eine politische Thatsache ersten Ranges. Da die StändegHederung in den V. St. vorwiegend auf der Verschie- denheit der Gröfse des Besitzes beruht, ist die Eifersucht der Ärmeren auf die Reicheren immer verbreitet gewesen. Ein Mann wurde nicht für irgend ein Amt gewählt, weil er reich war, oder Jemand wurde unpopulär, weil seine Tochter bessere Kleider trug als die anderen Misses. Die Quäker und andere Sekten trugen diesen Gefühlen Rechnung, indem sie die äufsere Gleichheit zum Gesetze machten. 40000, drei Viertel in denen von 250000 Familien sich beünde. Gegen An- fechtungen hielt er seine Schätzungen aufrecht. — Wer den Eindruck der nordamerikanischen Gesellschaft genau an der Schwelle der Zersetzung ge- winnen will, lese dagegen in Harriet Martineaus Society in Amerika (1837 I. S. 15 f.) die Schilderung der Besitzverteilung, wo es unter anderem heilst: Die neue Welt besitzt keine grofse, unterdrückte, gereizte, gefährliche Klasse, die bei der geringsten Gelegenheit über Agrurianismus achreit. In der ganzen wunderVjaren Weite dieses Landes sah ich keine armen Leute mit Ausnahme einiger Bettler. In den ärmsten Häusern sah ich keinen Tisch gedeckt, auf dem nicht Brot und Fleisch erschienen. Jedes Fabrikkind hat seinen Regenschirm und Schweinetreiber tragen Brillen. Mit Ausnahme des fremden Proletariats in den Landungsstädten und den in winnliclien Lastern Begrabenen , weder die Einen noch die Anderen sind politisch gefährlich, gibt es Niemanden, iler nicht dasselbe Interesse an der Sicherheit des Eigentums hätte, wie der reichste Kaufmann von Salem oder der Pflanzer von Louisiana . . . Gesetz und Ordnung sind ebenso wichtig für den Mann, der das Land baut, um seine Familie zu erhalten oder der um Lohn arbeitet, damit er einst auf eigenem Boden sterbe , wie für irgend eiji Mitglied des Kabinets des Prä- sififMiten. und der Luxus. Die Armen. 721 Diese Gefühle, die in der ganzen Welt existieren, sprachen sich hier besonders klar aus. Lange hielt ihnen noch die Hoffnung und das Bestreben die Wage, es einst den Reichen gleich thun zu können. Eine interessante Aufgabe würde der Nachweis des Einflusses sein, der in der Einführung des Luxus und in dem immer merkhcheren Hervortreten der StändegUederung je nach der Möglichkeit grölseren Aufwandes den Frauen zufiel. Er ist zweifellos sehr grofs. Nicht zufällig hat sich die Seidenindustrie so rasch zu erstaunlicher Höhe entwickelt und übertrifft die Verwendung von Edelmetall und Edel- steinen zu Schmuck so weit die in Europa. In diesen Menschen, die so lange puritanisch einfach lebten, ist eine gröfsere natürhche Neigung zrnn Schmuck des Körpers und Hauses als in so manchem alten Volk Europas, z. B. den Deutschen. Unsere Einwanderer stehen erstaunt auf den Teppichen, mit denen die Frauenräume einfacher Farmhäuser belegt sind und bewundern das massiv süberne Tischgerät des einfachen Haushaltes. In den Kreisen der Geldaristoki-atie von New York, Boston u. s. w. hat dieser Trieb zur Entfaltung fürsthcher Pracht geführt. Er trug zusammen mit der Erwerbsucht wohl am meisten dazu bei, die alte Gleichheit aufzuheben und hat seine RoUe in der sozialen Umgestaltung der demoki'atischen Gesellschaft von einstmals sicherüch noch nicht ausgespielt. Er würde längst schon verderbHcher gewirkt haben, wenn nicht eine gewisse Grofsartigkeit m Geldsachen die angenehme Kehrseite jenes jugendlichen Optimismus bildete. Mark Twain hat für seine freigebigen und gastfreundüchen Westerhnge den Ausdruck »picturesquely magnanimous« , der auch auf viele Büi-ger der älteren Staaten noch Anwendung findet. Nahe verwandt mit diesem wohlthuenden Zuge und in der Wirkung ähnhch, ist die Abneigung gegen kleinhche Mittel zum Geldgewinne im geschäftüchen Leben'). Weniger tritt der Luxus in den leiblichen Genüssen hervor. Das Land bietet Massen guter und bühger Nahrungsmittel, deren Zusammen- stellung und Zubereitung auch in den wohlhabenden Häusern oft noch nicht viel Verfeinerung zeigt. Die Bewohner der V. St. sind die gröfsten Fleischesser. 1885 wurde für die vergangenen 25 Jahre der Durchschnitt des Verbrauches von Schweinefleisch auf 70 Pfd. pro Kopf angenommen *) ; er dürfte seitdem sich um so weniger vermindert 1) »Man mufs Amerika die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dafs, wenn auch der Wunsch sich zu bereichern allgemein, man doch in den wichtigeren und nicht ganz jungen Handels- und Verkehrsmittelpunkten mehr Gewissen und vor allem weniger Engherzigkeit findet als bei uns. Der amerikanische Egoismus ist breiter als der unsere, er erniedrigt sich selten zu elenden, kleinlichen Mitteln, er schöpft aus dem Vollen.« (IM. ChevaUer, Lettres I. 272.) 2) Report Dep. Agriculture 1885 p. 372. Ratzel, Die Y. St. von Amerika. 46 722 Essen und Trinken. haben, als die verschiedensten Landesteile und alle Klassen, besonders die weilsen Arbeiter und die Neger, sich stark daran beteiligen'). Der uns seltsam klingende Grundsatz: »A parsimonious people is not progressive« spricht sich auch in der Vergeudung aUer Nahrungsmittel, besonders des Fleisches, der Butter, der Eier in Privat- wie Gasthäusern aus, die für Europäer unerhört ist. Die Nordamerikaner sind auch die gröfsten Müchtrinker und Butteresser der Welt, während sie von den Engländern im Käse geschlagen werden. Die Gemüse sind auf dem nordamerikanischen Tisch weniger mannigfaltig als auf dem deutschen oder französischen, trotzdem die jungen Maiskolben und die süXsen Kartoffehi wesentüche und treffliche Bestandteile der Mahl- zeiten bilden. Im Westen sind Kartoffeln und Tomaten fast die ein- zigen Zuspeisen. Der europäische Landbesitzer hat als Essender mehr Genufs von seinem Boden als der nordamerikanische. Manche Ge- müse gedeihen nicht so wie in Europa. Von Spargeln sieht man meist nm* dünne Sprossen mit aufgeblätterten Köpfen. Die Obst- und Beerenarten sind dagegen mannigfaltiger und werden in viel grölseren Mengen verbraucht. Den einst allgemeinen Theegenuls verdrängt immer mehr der des Kaffees. Der Verbrauch von Thee, Kaffee und Zucker in den V. St. übersteigt weit die europäischen Mafse. Dagegen enthält sich ein viel gröfserer Teü der Bevölkerung der geistigen Getränke, was weniger der weiten Verbreitung der Mäfsigkeitsvereine und der den Handel mit geistigen Getränken be- schränkenden Gesetzgebung mancher Staaten als der Neigung zu über- mäfsigem Genufse der stärksten Getränke bei einem Teüe des Volkes und zwar in allen Schichten und bei beiden Geschlechtern zuzu- schreiben ist. »Prohibition« ist eines der grolsen Schlagworte und ein Hebel der Staaten- und Stadtpolitik, mit dem viel Mifsbrauch getrieben und Heuchelei begünstigt wird*). 1) Über die Nahrung der arbeitenden Klasse s. Studnitz, Nordaiueri- kanische Arbeiterverhältnisse 1879 S. 84 f. 2) Der katholische Bischof Shaney in Fargo N. Dak. schrieb (Dez. 1892) über die Prohibition in Nord-Dakota: >Grof8e Spirituosenhändler haben mir versichert, dafs ihre Verkäufe in unserem Staate jetzt dreimal so grofs sind, als vor der Einführung der Proliibition. Die Aussagen von Eisenbahn- und Kxprefsbeamten bestätigen die Angaben der Spirituosenhändler. Handels- reisende erzählen dasselbe. Hotelbesitzer wissen kaum, was sie mit den leeren Whiskeyflaschen thun sollen, die von den Gästen in ihren Zimmern liegen gelassen werden. Farmer, die früher ein Glas oder zwei tranken, wenn sie in die Stadt kamen, halten jetzt einen 5 Gall.-Krug zu Hause und sippen die ganze Zeit über. Ich will nicht bcliaupton, dafs Prohibition an und für sich nichts tauge, aber ich behaupte, dafs sie; in Nord-Dakota ganz und gar nichts taugt. Wenn flas Volk Pinliiliitioii will, sollte es die bezüglichen Gesetze Die Armen. Die Aristokratie. .y 723 Der Census ist sich klar über die Unvollständigkeit seiner An- gaben in Betreff der Armen. Die Angabe des 1880 er, dals es eine halbe MiUion unterstützte Arme gebe, ist viel zu tief gegriffen. Weit über 100000 beträgt allein die Zahl der Insassen der Armenhäuser. Allein New York, Pennsylvanien , Massachusetts, Ohio und Illinois zählten 1889 55000. In Buffalo N. Y. empfingen 1887 10 »/o der Be- völkerung Almosen von der Stadt. Der Seki-etär der New York »Charity« Organisation schätzte 1889 die Zahl der dauernd oder vorüber- gehend in den V. St. Almosen Empfangenden auf 3 MiUionen, gegen 5% der Bevölkerung, ein Verhältnis, das Prof. Ely in seiner Arbeit Pauperism in the United States (1891) für richtig hält. Während im Süden am meisten Kinder in der Armenhausbevölkerung sich befinden, besteht im Westen die gröXsere Hälfte aus Leuten von 60 bis 80 Jahren. Früher meinten europäische Reisende, es sei unvernünftig, in den V. St. gegen die Geldaristokratie und gegen die Gemeinheit des Goldes und Silbers zu predigen. Wer Kapitalien habe, bringe sie zm- Gel- tung und könne dieselben weder vermehren noch erhalten ohne sehr viel Thätigkeit und Wachsamkeit. Der Reichtum eines Mannes stehe daher hier ziemhch allgemein im Verhältnis zu seinen Fähigkeiten und Lei- stungen. Ein Blick nach Spanisch-Amerika lehrt allerdings, dafs ein Volk, das nur von Advokaten oder Soldaten regiert wird, weder glück- hcher noch freier ist. In der. Alten Welt haben die alten Mächte des Staates und der Gesellschaft sich mit den neuen Interessen der Industrie und der Macht des Geldes abfinden müssen ; wie wäre es denn möghch, dafs in der Neuen Welt, wo die Institutionen der Vergangenheit nie tiefe Wurzeln gefafst haben, wo alles auf den Handel, auf das Geld hin gerichtet wird, diese Macht nicht dazu gelangte, eine RoUe auf der pohtischen Bühne zu spielen trotz all ihrer Neider und Gegner? Indessen bei allem so natürUch begründeten Übergewicht der Geld- aristokratie felilt nicht die Wertschätzung des Geburtsadels, die ganz natürhch aus dem Wunsche besserer Familien sich erklärt, inmitten des allgemeinen Strebens nach Gleichheit, ü'gend einen Grund der Absonderung von der grofsen Masse, der Auszeichnung zu finden. Die genealogische Wissenschaft wiixl in den V. St. ganz so ernst be- trieben wie in Alt-Europa und die Stammbäume, die zu den Kava- heren der ersten Jahrzehnte der Old Domirdon oder den Puritanern der »May Flower« hinaufreichen, erfreuen sich höchsten Ansehens. Jeder Staat hat seine alten Famihen, seine Aristo kratie. »Ich habe«, durchführen. Wenn nicht, dann sollte es den Mut haben, es zu sagen und diese Gesetze abzuschaffen«. Über den Unterschied im Gebrauch der geistigen Getränke in den V. St. und Deutschland siehe die Bemerkungen Andrew D. Whites in »The New Germany (Journ. Am. Geogr. Soc. 1882 p. 255). 46* 724 Die Aristokratie. Die Mode. sagt Hüb n er, »nie mit jemand dieser Klasse Bekanntschaft gemacht, ohne sogleich zu hören: ,Meine Familie ist sehr alt, meine Vorfahren kamen vor 200 Jahren nach Amerika, wir haben in England Verwandte, die in der Pairskammer sitzen, oder wir stammen von hugenottischen Edelleuten, welche vor dem Widerruf des Edikts von Nantes am französischen Hofe gut gesehen waren'. Und dieselben Personen zeich- neten sich durch Erziehung und feine Sitte aus«'). »American An- cestry« mit dem »Index to American Genealogies«, vier Bände, ist das Grundwerk der Genealogen. Bei dem Hervortreten der Individuen in der kolonialen Geschichte hat es grofsen geschichtüchen Wert. Eine stark entwickelte Titelsucht entspringt demselben Grunde. Es gibt eine Masse betitelter Existenzen wie in jedem Freistaat, und wer einen Titel hat, '^drd immer bei demselben genannt. Nur die Lächerhchkeit der ellenlangen Titel und der Mit-Titulatur der Frauen ist bis jetzt nicht eingedrungen. Man ist versucht, anzunehmen, dafs der nordamerikanischen Ge- sellschaft jene äufsere Gleichmäfsigkeit der Sitten fehle, die das Ergeb- nis der Herrschaft begünstigter, geschlossener Klassen zu sein pflegt. Aber es ist dem nicht so. So grols die Zersi^Htterung in jeder politi- schen und religiösen Hinsicht sein mag, so stark ist der Ti*ieb der Nachahmung gewisser Muster in allen Äulserhchkeiten. Es gibt kein Volk, bei dem die bizzarste Mode so rasch und allgemein zu verbreiten wäre, wie bei den Nordamerikanern. Ein starker Nachahmungstrieb ist anglo-keltisches Erbteil, das hier aber sich noch bedeutend ver- mehrt hat diu'ch die in Demokratien den niedreren KHassen eigene Sucht, es den höheren so viel als möghch gleich zu thun. Die Stimmung grofser Teile der Bevölkerung, ganzer Staaten, Parteien, Stände, Land- schaften, Städte nimmt in gewissen Zeiten bestimmte gleiche Formen an, die den Namen Geistesepidemien wohl verdienen würden. So wie alle Geräte des Hauses, alle Kleider u. s. f. dm-ch die ganze Union gleich sind, weil sie von gleichen Maschinen in gleichen Fabriken her- gestellt sind, so werden auch die Äufserlichkeiten im Benehmen u. dgl. en gros bezogen. Keiner hat Zeit sich speziell damit abzugeben, jeder wählt dasselbe Muster. Sollte nicht auch darin ein Sympton des mäch- tigen Einflusses der Frauen zu erkennen sein, die in den V. St. ihre Freiheit gegen alle Mächte, nur nicht gegen die Mode verfechten? Die ganze amerikanische Gesellschaft nimmt sich seit Jahrzehnten New York zum Muster. Die »Empü-e City« bestimmt die Sitten und die Moden , wie es in ihren Sphären Paris, London oder Wien thun. Einige Städte haben ihre gesellschaftlichen Vorzüge vor New York, wie Washington, die kosmopoHtische, poHtisch angeregte. 1) Spaziergang um die Welt. 1875. I. 51. Die Kulturlandschaft. 725 Boston, die litterarisch deiner gebildete und geistig regsame Stadt, Richmond, Baltimore und Charleston mit den Resten einer aristo- kratischeren, traditionenreicheren, oder New Orleans mit einer freieren heitereren Gesellschaft. Aber New York übertrifft an Volkszahl, Ge- schäftsthätigkeit , Reichtum, finanziellem und politischem Einflufs, Luxus alle anderen. Vielleicht wird sie einst ihre Herrschaft an eine von den neuen Hauptstädten abtreten, die im Westen in der Ent- stehung begiiffen sind. Heute ist sie aber noch die gesellschaftliche Hauptstadt der V. St. und erstreckt ihren Einflufs darüber hinaus so- gar auf die Hauptstädte des romanischen Amerika. Die Kulturlandschaft der V. St, Die Spuren des Daseins und des Wirkens des Menschen, die ein Land in seinem Äufseren trägt, haben erhebüchen Anteil an dem allgemeinen landschaftüchen Charakter. Diesen Anteü zu bestimmen, ist im I. Bande versucht (I. Bd. S. 429 f.), aber noch ist die Frage zu beantworten, welche Züge das Kulturbild der V. St. von dem der Länder der alten Welt unterscheiden. Von der Jugend des verhältnismäfsig dünn bevölkerten Landes erwarten wir die Seltenheit der Zeugnisse der Kultur, die weit zerstreut, in wenig besiedelten Gegenden noch kaum vorhanden und von der Natm* über- ragt sein werden ; geringere Dauer und Stetigkeit der meisten Schöpfungen des Menschen, die selbst auf seine eigenen Wohnplätze sich ausdehnt, und damit zusammenhängend zahlreiche Belege für einen rascheren Ablauf aller Lebens- und Thätigkeits - Auf serungen ; und überhaupt Mangel der Spuren des Alters der Kultur in diesem Lande. Aber wie äufsern sich nun diese Merkmale und gestalten die landschaftüchen Büder? Die Seltenheit der Kultm'schöpfungen zeigt sich nicht überall im einzelnen, aber sie gehört zu den Eindrücken, die sich aufdrängen bei einer allgemeinen, zusammenfassenden Betrachtung des Landes. Sie entspricht zuerst der Thatsache, dafs selbst die dicht bevölkerten Teüe noch fern sind von der Dichtigkeit der Bevölkerung in den volkreicheren Teüen von Europa. Sie wird gefördert durch die zwei entgegengesetzten Tendenzen der ländlichen und der städtischen Bevölkerung, zerstreut zu wohnen unter möghchster Vermeidung der Dörfer oder sich in grofsen Städten zusammenzudrängen. Die Mittel- und Kleinstädte, Marktflecken und grofsen Dörfer, in ihrer Häufigkeit so bezeich- nend für Deutschland, treten dort zurück. Strafsen und Eisenbahnen, auf denen man Hunderte von Meilen menschenarmen Landes durch- fliegt, um von einer Grofsstadt nach der andern zu gelangen, gehören zu dieser weiten Zerstreuung der Kulturschöpfungen. Nicht minder tritt sie hervor, und noch unverkennbarer, in dem Überragen der Natur über die Werke des Menschen. Die letzteren verschwinden in den Urwäldern, Hochgebirgen und Steppen fast vor der Macht emer 726 I^iö Merkmale. noch ungezähmten Natur. Aber selbst in den bevölkertsten Teilen des Ostens, Avo fast jeder Wald gelichtet, jeder Bach überbrückt, jeder Flufs eingedämmt ist, ist die Natur noch nicht so weit zurückgedrängt wie bei uns. Sobald sie einen Höhenzug, ein sumpfiges Thal, ein Moor findet, an dem sie Halt gewinnt, erscheint sie viel ursprünghcher. Noch immer gibt es in Staaten wie New York und Pennsylvania Hunderte von Quadi'atmeilen Urwald und in dem altbesiedelten Neu-England ist noch immer Maine der echteste Urwaldstaat. Dafs man in einem einzigen Tage von einem so vollkommen weit- und grofsstädtischen Platz wie New York in eine menschenleere Urwaldregion, wie die der Adii'ondacks zu gelangen vermag, und dafs die Prairie sozusagen in Chicago hinemreicht, gehört zu den scharfen Würzen des amerikanischen Lebens. Wie diese Naturnähe auf den Volksgeist wirkt und in der Litteratur zum Ausdruck kommt, ist im VI. Kapitel angedeutet. Wenn Dauer und Stetigkeit den Schöpfungen der Kultur hier häufig in geringem Grade eigen sind, so hegt der Grund hauptsächlich in der Beweghchkeit der Bevölkerung selbst. Da der Einzelne sich noch nicht in eine dichte Masse eingezwängt findet, hat er mehr Lust und Grund zur Bewegung und Veränderung, und seine Werke nehmen daran Teil. Ganze Dörfer und Städte werden versetzt und Tausende sind imstande auf einmal . herdenweise ihren Wohnplatz zu ändern (s. o. Kap. XVI). In der Bezeichnung der Nordamerikaner als Kultm-- nomaden hegt etwas Wahres. Noch etwas Anderes kommt hinzu : das Streben nach möglichst rascher und gewinnreicher Ausheutung der natür- lichen Reichtümer des Bodens, sei es an Erzen oder an Fruchbarkeit. Man schöpft von einer Unternehmung ab, um schnell nach einer anderen zu eilen, als wüchsen die Schätze aus dem Boden, wie im Märchen. Nicht nm- Goldsucher, auch Farmer auf Neuland haben wie Schatzgräber gearbeitet und geerntet. Das eine Unternehmen zerfällt, während ein neues schon aufljlüht. Daher die Menge von »Kultur-Ruinen« (s. u. S. 325), die über das Land zerstreut sind. Daher auch die Leichtigkeit und Flüchtigkeit, mit der man in den jüngeren Gegenden nicht blofs Häuser, sondern gleich Städte baut, Brücken errichtet, Eisenbahnen anlegt. Alles ist nur für ein paar Jahre bestimmt, dann wird es ent- weder abgebrochen, oder sich selbst überlassen, oder aber es treten etwas dauerhaftere Schöpfungen an seine Stelle. Im Osten baut man in den alten Vierteln grofser Städte seit lange für die Dauer, herrhche Marm(jr- und Granitpaläste gehören zu ihren Merkmalen, aber in den Vorstädten wie in kleineren Orten überwiegen noch die Holzbauten. Es schiebt sich hier noch eine andere lügentümlichkeit ein, die minder scharfe Sonderung von Stadt und Land (s. o. S. 321). Auch sie ent- springt zum Teil demselben Mangel an befestigtem, durch Generationen eingclebtem Dasein, an dem historischen Hauch, der bei uns mit ver- Die Kulturlandschaft. 727 schiedenem Odem die Städte und das Land durchweht ; zum Teil ent- spricht sie dem jugendlichen Charakter des hiesigen Lebens, das es noch zu keiner so entschiedenen ständischen Scheidung zwischen städtischer und ländhcher Bevölkerung gebracht hat. Der Unterschied von Dorf und Stadt schriunpft hier zu dem von grölserer und kleinerer Wohnstätte zusammen. Das Dorf mit grofsen Kaufläden, Banken, Zeitungen ist natürhch eine kleine Stadt. Der flüchtige Bau der Eisen- bahnen, Brücken, Dämme u. s. w. schliefst sich hier an. Die Haupt- sache ist, dafs alle diese Dinge dem augenbückhchen Zwecke entsprechen ; für die Dauer kann man später sorgen, und die Schönheit kommt zuletzt. Der Schönheitssinn möge daher in den Zügen der Kulturphysio- gnomie der V. St. nicht seine Befriedigung suchen. Man sieht sich an vielen Punkten von schöner Natur umgeben und häutig begegnet man schönen Menschen, aber die Werke dieser Menschen machen den Ein- di'uck der Beschränkung auf das Notwendigste. Unsere Bahnhofpaläste und unsere künstlerisch verzierten Brücken erscheinen dem Amerikaner als unzweckmäfsig. INIan schätzt den Luxus nach der Seite der be- quemen Ausschmückung des Lebens, die nicht schön zu sein braucht und im äufseren Eindi'uck nicht zm- Geltung kommt. Das wahrhaft ^lonu- mentale ist selten. Der Mangel zahh-eicher hoher Kii'chtüraie, an die wir m unseren grofsen Städten gewöhnt sind, macht sich überall geltend, wo man eine der Grofsstädte der V. St. übersieht. Die überaus grofse Zahl der Gotteshäuser kommt erst zur Wahrnehmung, wenn man m die Strafsen herabsteigt, wo man freihch oft Mühe hat, die Kirchen von behebigen Privathäusern zu unterscheiden. Die schroffen Gegensätze gehören zum Ausdruck des Jugend- hchen. Wie die Wellen des Lebens kürzer sind, so sind auch die Spuren der Thätigkeit des Menschen bald dicht, bald dünn gesäet, bald ragen sie hervor und bald sind sie am Boden. Das Nebeneinander von gröfster Regsamkeit und tiefster Stille, von Verfeinerung und Rohheit bezeichnet im höchsten Grade den Westen und die neu ent- wickelten Industriegebiete des Südens. Aber auch der Osten hat diesen Zug noch nicht verloren. Nicht weit von den mächtigen Städten hegen elende Weiler mit Bretterhütten, an die hebevollste Gartenkultur der städtischen Bannmeile reilit sich die vernachlässigte ^^"üstenei. So ist es auch im Inneren der Häuser, die m Blockwänden teppichbelegte Räume und daneben vielleicht nicht das notwendige Küchengerät bergen. Die Ruinen sind Amerika in einem viel zu oft citierten Verse Goethe's abgesprochen worden; ün Unterschied von »Europa, dem alten«, soU es ihrer entbehren. Heute trifft dies nicht mehr zu. Wenn die Kultur hier auch jung an Jahren, so hat sie um so rascher gelebt. Die Züge, die sie da und dort in die Physiognomie des Landes gegraben hat, 728 ^i^ Merkmale. mögen weniger die Spuren wirklichen /Uters als früher oder verfrühter Schicksale sein : sie sind oft nicht minder ergreifend als unsere Ruinen. Wie viele Ruinen bergen nicht die Gold- und Silbergebiete von Kali- fornien und Colorado oder die Ölgebiete von Pennsylvanien ! Das Riesenwerk der Pacifik-Bahn hat eine Menge vergänglicher Eisenbahn- städte geschaffen, die mit dem Bau entstanden und mit dem Fort- schreiten der Linien wieder verschwunden sind. Im Süden sind zer- fallene Pflanzerwohnungen, verödete Kirchen und Kirchhöfe keine seltenen Erscheinungen. In den einst spanischen Teilen des Süden * und Westens liegen die Reste spanischer Adobe- (Lehmziegel-) Häuser, Klöster und Kirchen in Ruinen. Kalifornien ist das poetischste Land Nordamerikas'). Und dazu noch die Masse der indianischen Grabhügel, SchutzwäUe u. s. f. Das Land hat für sein Alter Ruinen mehr als genug. Wenn in vielen Beziehungen das Kleine, Zerstückte, nur für den Augenbhck Geschaffene unter den Kulturschöpfungen, besonders denen des idealen Gebietes, überwiegt und hierin ein Merkmal teils der der Jugendlichkeit der Kultur entsprechenden Zerstreuung der Kräfte, teils des eingeborenen Individuahsmus der Bevölkerung, auf gesellschaft- Hchem wie politischem Gebiete zu erkennen ist, so tritt dagegen in allem was geschäftüche Unternehmung ist, eine Neigung zum Grofsen, Zusammengefafsten hervor, die Zeugnis ablegt für die Fähigkeit grofs zu entwerfen und mit gewaltiger Energie zu handeln. So schwer es oft zu sein scheint, in diesem Lande eine Summe von Kräften auf Ein Ziel zu vereinigen, so leicht scheinen dem Einzelnen die gröfsten Entwürfe und die ungewöhnlichsten Kraftanstrengungen zu fallen. Und das beschränkt sich nicht auf Eisenbahnen oder Brücken, von denen Nordamerika die gröfsten und kühnsten mit Stolz sein nennt, sondern selbst auf den gewöhrdichen Geschäftsbetrieb. Als Folge des kühnen Unternehmungsgeistes und der Rastlosigkeit der amerikanischen Geschäftsleute tritt uns in allen Zweigen des Han- dels und Verkehrs die Erscheinung riesenhaft ausgedehnter Geschäfte entgegen, von denen man schwer begreift, wie sie nur von Einem Punkte aus geleitet werden können. In der Physiognomie der Städte treten sie so hervor, dafs z. B. in New York nächst der katholischen Kathedrale das grofsartigste und prächtigste Marmorgebäude lange Zeit ein riesiges Schnittwarengeschäft war. Am meisten scheinen aber Gasthäuser diesem Grofsbetrieb günstige Aussichten zu bieten, vorzüglich weil gewisse Einrichtungen, welche die Menschen anziehen, im kleinen nicht leicht zu schaffen sind und weil bei ihnen der Ruf, 1) Die PoeHie Kaliforniens liegt in der Vergangenheit spanischen Wesens, sagt I'>zherzog Ludwig Salvator (Los Angeles 2. Aufl. 1885 S. 43), der rlurchauB kein Lobredner vergangener Zeiten ist. der Kulturlandschaft. 729 der mit der Gröfse wächst, ein so bedeutender Faktor des Erfolges ist. Es sind nicht nur in den Städten, sondern auch an behebten Punkten im Gebirge, an der Seeküste, in den südhchen Kurorten Jacksonville und St. Augustine, überall, wo grölsere Mengen von Gästen erwartet werden, riesige Gasthäuser, wahre Karawanserais entstanden, die mit übertriebenem Luxus ausgestattet sind und die man, auch hierin äulserlichen Motiven folgend, mehr um ihres Glanzes als um der Schönheit ihrer Umgebungen willen aufsucht. Hier ist nun das Grolsartige geschäftlich berechtigt. Aber in anderen Dingen wird das Streben nach dem »biggest thing« fast kindisch, wie denn überhaupt das Interesse an dem AuXsergewöhnhchen, Ungeheuerhchen, Aufsehen- erregenden beim Amerikaner in beneidenswerter Jugendhchkeit vor- handen ist. Wir kritischeren Kinder älterer Völker sind viel mehr gefeit gegen riesige Plakate, Wundermittel, barnumsche Sehenswürdig- keiten u. dgl. als der Amerikaner mit all seiner Geschäftsklugheit. Diese Dinge gehören für ihn zu den angenehmen Aufi-egungen und ihre reichüche Vertretung — z. B. die riesenhaft hingepinselten Ge- schäftsanzeigen in den fernsten Urwald- und Gebü'gseinsamkeiten — ist auch einer von den hervortretenden Zügen des nordamerikanischen Lebens. Es erhält dadurch etwas Groteskes, das die Amerikaner selbst nicht unangenehm berührt. Erläuterung der Kulturkarte. Auf dieser Karte im Mafsstab 1 : 10000000 ist der Versuch gemacht, die wichtigsten Bedingungen des heutigen Kulturzustandes der V. St. in Einem Rahmen zur Anschauung zu bringen. Die Vereinigung von Erschei- nungen, die sonst auf mehrere Blätter auseinandergelegt werden, wurde nur möglich durch den Verzicht auf die orographische Zeichnung, durch die Beiseitelassung der überflüssigen Ortsnamen und Ortszeichen und durch die Beschränkung der Darstellung der Volksdichte auf die Siedelungen bis zu «OOU Einwohner herab , deren gröfste (bis 100 000 Einwohner) in ihrer natür- lichen Form gegeben sind. Auf diese Art wurde es möglich, folgende Er- scheinungen zu kombinieren : 1. Klima. Die als Steppengrenze angenommene Ostgrenze der Gebiete mit weniger als 20 Zoll Niederschlagshöhe zieht durch das ganze Land , das sie in eine feuchte Ost- und eine trockene Westhälfte teilt. Dieselbe Grenze sondert das paciflsche Gebiet reicherer Niederschläge vom Inneren In der Westhälfte umfafst eine zweite durch gelblichen Farbenrand kenntlicher ge- machte Linie die durch Niederschläge von weniger als 10 engl. Zoll zur Wüstenbilduug am meisten disponierten Gebiete. Diese zweite Linie ist nach den Beobachtungen in dem letzten G r e e 1 y sehen Bericht über die Steppen- regionen gezeichnet; zu ihrem Abschlufs im Norden fehlen die Grundlagen. Aber die Linie erfüllt auch in ihrem fragmentarischen Zustand den Zweck, die wichtigsten Trockengebiete zu bez(nchncn. Schon jetzt teilt sie das Steppengebiet in einen südlichen Al)S(;linitt, dessen starke Verdunstung den Ackerbau mit künstlicher Bewässerung einschränkt, und einen nördlichen, der ihn durch geringere Verdunstung begünstigt und zugleich durch höhere P>rhebungen der örtlich schneereichere und feuchtere, aber auch rauhere ist. Im pacifischen Nordwesten prägt das Gebiet reicherer Niederschläge des oceanischen Klimas si(!li durc^h die Ausdehnung der kultivierten Flächen aus, die, ebenso wie die Kultiiroasen des GeV)irges, soweit gezeichnet sind, als sie eine Bevölkerung von mehr als 2 auf I i|kiii tragen. Erläuterung der Kulturkarte. 731 2. Kulturen. Von demselben Grundsatze Uefsen wir uns in der Zeichnung der Westgrenzen der Gebiete der wichtigsten Kulturen leiten, in- dem wir annahmen — mit dem Census von 1890 — , dafs Ackerbau in gröfse- rem Mafsstabe nur in Gebieten vorkomme, wo die Bevölkerung zu zwei und mehr auf 1 qkm sitze. Indem wir nach denselben Grundsätzen die Oasen im westlichen Steppen- und Gebirgsland zeichneten, haben wir einige Gebiete als Ackerbau-Oasen bezeichnet, die dem Bergbau ihr Dasein ver- danken. Thatsächlich hat aber der Acker- und Wiesenbau mit Irrigation die gröfste Ausdehnung in der Nähe der blühendsten Bergbaugebiete, von denen übrigens die gröfsten bereits Städte entwickelt haben. Von den Kulturgebieten konnte das der Baumwolle, die als Re- präsentant der südlichen Kulturen überhaupt gewählt ward, ganz nach den Ergebnissen des 1890 er Census gezeichnet werden. Die Grenze wurde ge- bildet, indem die Grafschaften, die mehr als 100 Ballen Baumwolle ernteten, noch als zu dem Gebiete gehörig angenommen wurden. Für die Grenzen zwischen Mais- und Weizen- und Weizen- und Hafergebieten habe ich mich an Max Serings Karte in »Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas« 1887) gehalten, die nach der Anbaustatistik von 1880 gezeichnet ist; die Statistik des Getreidebaues für die wichtigsten Gebiete lag beim Abschlufs dieser Karte im Juni 1893 in den Censusberichten noch nicht vollständig vor. Über die Zeiclinung der äufseren Grenzen, der Oasen und leeren Flecken haben wir oben gesprochen. Unter den Oasen der Westgebiete wurde zwi- schen Weizen- , Mais- , Hafer- oder Wiesenoasen und Oasen mit südlichen Kulturen nach den Mitteilungen in den Censusberichten über die Irrigation in den Steppenstaaten unterschieden. 3. Mineralregionen. Die Kohlenfelder sind nach der Karte der »Developed Coal Fields of the ü. S.« von John H. Jones, die Eisenerzlager nach der Karte der »Locahties producing Iron Ore in 1889« von John B irkin - bine gezeichnet. Beide sind vom Censusamt 1892 veröffentlicht. 4. Das Eisenbahnnetz. Nach amthchen Quellen bis Anfang 1893 eingetragen. 5. Die Indianergebiete. Nach der Karte im LIX'^ Report of the Commissioner of Indian Affairs (Washington 1890) gezeichnet. 6. Die Negergebiete. Durch die Vereinigung aller Grafschaften gebildet , in denen die Neger in absoluter Mehrheit nach der Zählung von 1890 vertreten sind. 7. Die Volksdichte ist durch die Zeichnung der Kulturflächen, die Eintragung der Siedelungen bis zu denen von 8000 Einwohner herab und durch das von ihnen abhängige Eisenbahnnetz gleichsam auszugsweise dar- gestellt. Die Staaten und Territorien der Vereinigten Staaten von Amerika. Vertreter Volkszahl Auf im 1 qkm Kongrefs 1513017 11 8 30329 0,2 — 59620 0,2 — 1 128 179 8 5 1 206 130 3 6 412 19a 1,5 1 746258 57 4 168493 32 1 230392 1268 — 391 422 2 2 1 837 353 12 10 84385 0,3 1 3 826351 26 20 2192404 23 13 1911896 13 11 1427096 7 7 1858635 18 11 1118587 9 6 661 086 8 4 1042390 30 6 2238 943 104 12 2093889 14 11 1301826 6 5 1289600 11 7 2679184 15 14 132 159 0,4 1 1058910 5 3 153593 0,5 — 45 761 0,2 1 376530 16 2 1444933 71 7 5 997 853 47 34 1617 947 14 9 182 719 1 1 3672316 34 21 61 834 0,6 — 313 767 1,3 1 5 258014 45 28 345506 106 2 1 151 149 14 7 328808 1,7 1 1767518 16 10 2235 523 3 11 207 905 0,9 — 322422 13 2 1 655 980 15 10 349390 2 1 762 794 12 4 1686880 12 9 60705 0,2 1 Pol. Hauptstaclt Alabama . . . Alaska .... Arizona . . Arkansas . . . Californien . . Colorado . . Connecticut . Delaware . . Distrikt Columbia Florida . . Georgia . . . Idaho .... Illinois .... Indiana . . . Iowa .... Kansas .... Kentucky . Louisiana . Maine .... Maryland . . . Massachusetts . Michigan . Minnesota . . Mississippi . . Missouri . . . Montana . . . Nebraska . . Neu-Mexiko . . Nevada . . . New Hampshire New Jersey . . New York . . Nord-Carolina . Nord-Dakota . . , Ohio Oklahoma . . , Oregon ... Pennsylvanien . Rhode Island . , Süd-Carolina Süd-Dakota . . . Tennesaee . . , Texas Utah Vermont . . . . Virginia . . . , Washington . West-Virginia Wisconsin . . Wyoming . . . , Montgomery. Sitka. Phoenix. Little Rock. Sacramento. Denver. Hartford. Dover. Washington. Tallahassee. Atlanta. Boise City. Springfield. Indianopolis. Des Moines. Topeka. Frankfort. Bäton Rouge. Augusta. Annapolis. Boston. Lansing. S. Paul. Jackson. Jefferson City. Helena. Lincoln. Santa F^. Carson City. Concord. Trenton. Albany. Raleigh. Bismarck. Columbus. Guthrie. Salem. Harrisl)ury. Newport u.Providence. Columbia. Pierre. Nashville. Austin. Salt Lake City. Montpellier. Richmond. Olympia. Charleston. Madison. Cheyenne. Register. Abenaki 195. AboHtion 181, 266. Academies 6til. Acadie 49, 257. Acapulco 21. Ackerbau 138, 200. A.- Chemie 678. A.-Erzeugnisse 574. A. -Gebiete 402. A.-Kolonien V. St. 322. A.-Methoden 413. Natürliche Bedingungen 377. A. und Viehzucht 459. Adirondacks 344, 475. Bev. 310. Eisen 486. Wald 470. Admirahty Inlet 31, 66, 77. Adobe- oder Lehmziegelhaus 317. Advokaten, Neger 287. Afrika, Handel 576. Agaven 450. Ahorn 319, 472. Ahornzucker 158. 451. Aht-Stämme 196. Akazie 477. Akron D. 550, 562. Alabama 184, 280. Bev. 303, 305, 313, 314, 345. Eisen 486 48^. E.-B. 556. Flufsverkehr 545. Gold 499. Gr. 105. Industrie 292. Kohlen 492. Wald 471, 477. Alaska 21, 22, 23, 29, 65, 118. Ankauf 302, 603. Commercial Company 46. Fischerei 592. Grenze 674. Mischung 217. Mission 640. Wasserflächen 84. Albany N. Y. 111, 123, 509, 544, 549. Albemarle-Sund 72, 78, 308. Albemarle and Chesapeake Can. 549. Albina 332. Aleuten 31. Alexandria Lo. 563. Alexandria Va. 41, 72, 78, 542. Algonkin 128, 194, 216. Alkoholismus 352. Alleghanies Ack. 379. Bev. 132, 134, 305, 312. Blei 503. Geschichte 128. Gold 499. Kanal 129. Physiognomie 128. A. und das Meer 123. Verk. 535. Viehz. 466 AUegheny Fl. 338, 507, 543. Kanäle 530, 531. Allouez 42. Alpenweiden 141. Alpenwirtschaft 133, 405. Alte Staaten 307, 618. A. Welt 156. A. Nordwesten 618. A. Süden 139. A. Westen 618. Aluminium 504. Amador Cy. Cal. 496. Amei'ika, Entdeckung 16. Gegner Eu- ropas 91. Menschenarmut 151. Amerikamüdigkeit 715. Amherst 666. Ammoonosuc, Gold 499. Amtliche Schriften 669. 734 Register. Amerikanischer Bund 86. A. Gleichge- wicht »2. A.System 579. A.Typus 86. Amerikanismus 603. Ammiston City, AI. 437. Amphibien 167. Ämter Jäger 633. Ananas 455. Angelsächsische Ideen 236. A. Mi- schung 655. A. Soüdarität 603. Angelsächsisch-keltischer Typus 13. Anglo - amerikanische Indianer -Politik 220. Anglomoniacs 236. Annapolis Ma. 613. Ansiedler 415, 416. Ansiedlungen, Konzentration 128. Antarktis 25. Anthracitbergwerke 137. Anthropo-geographisches Areal 84. Anthropophagie 201. Antillenmeer 6. Antimon 504. Apaches 47, 222. Apfelbaum 453. Apocynum cannabinum 510. Appalachen-Bucht 19. Appalachicola 75. Appalachisches Kohlenfeld 489, 491. Apple Creek 387. A. River 503. Aprikosen 454. Aquia Creek 72. Aquidneck Mine 490. Aransas-Bay 41, 76. A.-Pafs 75. Arbeiter 516, 523, 629. InteUigenz 512. Arbeitslöbne 421, 433. Arbor Day 473. Argentinien 92. Handel 576, 579. Arid Land, siehe Steppe. Arizona 41, 47, 133. Bev. 303, 345. Boden 384. Eb. 557. Gold 498. Gr. 105. Kupfer 502. Orangen 455. Silber 501. Viohz. 406. Wälder 385. Arkansas 48, 112, 113, 126, 149, 280. Ack. 420, 713. Bev. 303, 313, 345, 347, 371. Eb. 557. Farmer 429. Gr. 105. Kohlen 493. Verk. 542. Wald 471, 474. Arkansas City 562. A.-Flufs, Anwoh- ner 309. A.-Thal 537. Arktis, Beziehungen 4. Grenzmächte 25. Arktische Inseln 87. Armee 610. Armen, die 723. Armenische Kirche 648. Artesische Brunnen 397. Ashland Ky. 42, 488, 491. A. Minn. 561. Ashley R. 68. Ashtabula 0. 42. Asien, Handel 576. Aspee Bay 45. Asphalt 508. Assimilation der Rassen 252. Assiniboina 42. Astronomische Observatorien 679. Atchinson Mo. 569. Athapaska 196. Athens 0. 551. Atlanta Geo. 98, 106, 126, 274, 338, 339, 498, 562. A.-Chattanooga 125. Atlantic City 41. Atlantische Küste 65, 68. Baumwolle 412. Boden 422. Rhederei 588. Küstentiefland 408. A. Lage 15. A. Mittelstaaten 617. A. Seite 19, 577. A. Staaten Eb. 555. A. Ocean 9, 10, 14, 613. A.-pacifische Verbin- dungen 26, 119. Aufbau der Bevölkerung 353. Augusta Ga. 545, 562. Auriferous Belt 496. Ausbreitung nach Westen 111. der Südstaaten 368. Austin 545. Australien 11, 87. Bev. 312. Handel 576. Australische Steinkohlen 494. Auswanderung 372. Auswandererstrafsen 568. Auswärtige Politik 601. Avery Island 504. Aux Cerfs Insel 55. Axt 414, 512. .Azoren, lOinwanderung aus den 369. Register. 735 Bahama-Inseln 29, 31, 60, 63. Bahia (GoUad) 116. B. Honda 60. Bajos de los Roques 60. Bald Cyprefs 477. Baltimore 10, 40, 41, 68, 72, 80, 339, 340, 507, 725. Bev. 313, 327, 332. Eisenb. 562. Rhederei 588. Hchiös- verkehr 590. Univ. 677. Verk. 550. B. and Ohio 532, 562. Liverpol nach B. 14. Bananen 455. Bangor 563. B.-Frenchmans Bay 41. Bankerott 429, 585. Bannockkrieg 228. Baptisten 645. Bar-Land 395. Bärenflufs, Utah 395 Barn 424. Barnhart 44. Barnstable Mass. 26, 66 Fisch 591, 593. Barren Lands 388. Batate 447. Bath Me. Rhederei 588. Schiffsbau 589. Bäton Rouge Lo. 80. Battery von New York 71. Baumwollengebiet 402, 407. Westwande- rung 418. Baumwolle 144, 147, 288, 289, 412, 440, 442, 447. B.-Ausfuhr 263. B -Industrie 518. Bausteine 136, 505. Bay City Mich. 42, 478. Beaufort S. C. 41, 73, 80. Bear L. 391, 396. Beaver I 55 Beaver Meadow 491. Beechey Head 59. Beeren 157, 456. B.-reichtum 201. Belfast Me. Rhederei 41, 588. Belgien Handel 576. Schiffsverkehr 591. Belgier 237. Belle Isle 19. Strasse von B. 45. BeUe Riviere I, 55. ßeUingham Bay Wash 495 Bench-Land 395. Bemini-Inseln 31, 60 Benson Ar. 41. Benton Harbour Mich. 42, Beredsamkeit 685. Bergbau 479, 574. Wirkungen 451. Bergleute, deutsche 485. Bergreis 458. Bergstädte 342. Beringstrasse 10. -meer 46. Bermudas 31. Bermudagras 458. Besiedeltes Land 306. Bethlehem Penn. 503. Bevölkerung. Bewegung 346. An der Küste 80. B. der Städte 325. Dichtig- keit 40. Gürtel, dichtester 133. In Höhenzonen 131. Mittelpunkt 314. Rückgang 370. Tj-pen 151. B. u.Land 433. Unfertigkeit 359. Verteilung 312, 314. Wachstum 38, 35, 114, 201, 718. Zählung 350. Bewässerbares Land 140. Bewässerte Farmen 393. Bewässerung, künstliche 50, 141, 393, 554. Pohtische und soziale Folgen 398. B.-Anlagen 433. B.-Dämme 163. Biber 162. Bibhotheken 325, 668. Bienen 468. Bierverbrauch 452. Bighornflufs 227. Big Muddy Region 493. Big Sandy R. 543. Biloxi Miss. 75. Binnenseen Schiffahi-t 546. Bird-Insel 55. Bü-ke 477. Birmingham Ala. 274, 338, 562. Bituminöse Schiefer 136. Black Belt 183, 272, 280. B-Hawk- Krieg 220. B. Hills 483. B. Mts. 310 B R. 542. B. Warrior 492, 545. Blaugras 409. Bleiproduktion 136. Blockhaus 317, 415. Bloomingdale N. J. 504. Blue HiU-Bucht Me. 81, 505. Bluffs 380. Blumenzucht 459. 736 Register. Board of Agriculture 423. Bocas del Toro 561. Boden 121, 458. B.-Schätze 134. B.- Wert 421. Bohnen 446. Bohrwurm 74. Bois blanc I. 55. B.-brul6s 219. Boise R. 498. Bolivien 92. Handel 576. Bonanza-Farms 147. B.-Mines 500. Bonilla Point 59. Bonneville, See 396. Borax 505. Börsenspiel 484. Boston 10, 40, 41, 63, 69, 81, 102, 106, 324, 328, 338, 339, 507, 725. Befesti- gung 613. Bevölkerung 302, 330, 332. Bibl. 668. Fischf. 593. Häuser 323, 327, 505. Obst 410. Rhederei 588 f. Schiffsverkehr 590. Mass Schule 668. Technological Institute 671. Theater 691. B.-Albany N. Y. 563. B.-Hopewell-Junction N. Y. 563. Bottom-Grafs 405. B.-Lands 395. Boulder Cy. Col. 500. Boundary Bay 60. B.-Me. 42. Bozeman Mont. 498. Brace, Bucht 70, Brasilien 92, 93. Handel 576, 579. Schiffs- verkehr 590. Brauerei 527. Braunkohlen 494. Braunstein 322. Brazil 493. Brazos Tex. 41, 545. S. Jago 75. Bremen-New York 10. Bridgeport 41, 70, 338. Bristol Mass. 70, 490. B. Tenn. 332, 562. B. Virg. 332. Britiöch-Nordamerika 45, 87, 92, 93. Handclsüborgewicht 603. B.-Nord araerikaner 84. B. Westindien Handel 576. Schiffsverkehr 591. British Columbia 21. Brito 27. Brockville Kan. 587. Brombeeren 457. Bronchos 465. Brooklyn 80, 327, 334, 339. Brownstone 505. Brownsville Tex. 41. Brunswick Ga. 41, 74, 340, 590. Brücken 248, 567, 670, 728. Brunnen 415. Buchdruckerei 527. Buche 477. Buchenwälder 472. Bücher 528. Buffalo 39, 40, 42, 55, 308, 327, 338, 340, 548, 551, 561, 589. Creek, Schiffs- bau 589. Büffel 161, 201, 708. Büffelgras 409. Buggy 465. Bunch- oder Buffalo-Grafs 405, 457. Bundesdistrikt 280, 333. Bundesgerichte 600. Bureau of Indian Affairs 230. Bureau of Education 657. Buren-Fluss 400. Bürgerkrieg 94, 118. Bürgerrecht der V. St. 249. Burlington lo. 313,561. B. and Missouri 561. Butte City Cal. 496, 502. Buzzard-Bay 70. Oabot 106. Caches 568. Cahawba-Kohlenfeld 488, 492. Cairo 124. Calais-Princeton 41. Calaveras Cy. Cal. 496. Californien = Kalifornien. Callville Ar. 545. Camano I. 31. Cambridge Mass. 325, 338, 510, 690. Bev. 332. Cambridge, Univ. vgl. Harvard 241. Camden N J. 339, 545, 503. Camps 318. Canada 29, 45, 106, vgl. Kanada. Ca- nadian Pacific 22, 40, 42, 561, 587. C. River 537. Register. 737 C. Breton 29. C. Charles 71, 84. C. Cod 62. C. Cod-Bay 69. C. Douglas 66. C. Elisabeth G9. C. Florida 31, 68, 74. C. Hatteras 72. C. Hen- lopen 71. C. Henry 84. C. Hoorn, Schiffsverkehr um das, 26. C. Hurd 55. Cap May Point 41. C. Men- docino 20. C. Romano 74. C. Sable 70, 75. Cape Fear R. Reis 433. Carbon Wy. 494. Carbondale Pa. 491. Caribou I. 57. C. Mine 500. Carlisle Pa. 223. Carolinas 106, 128, 280, 540, 554, s. N. und S.-Carolina. Caroll O. 551. Casco-Bucht 69. Castine Me. Fischerei 591. Cascadengebirge, Wald 387. Cassenovia-See 549. Cataraqui Fl. 51. Catawba 456. Cattle-Farms 404. Cattle-Trail 463. Cäsarismus 635. Cedar Keys 41, 75. Cedern 317, 452. Census Bureau 679. C.-Werk 614. Central isation 118. Central Pacific 560. Centralstaaten 555. Chahta-Muskokie 195. Champion Mich. 563. Champlain-Kanal 531, 549. Champlainsee 42, 44, 47, 410, 486, 488. Schff. 546. Chapeau I 57. Charleston S. C. 41, 68, 73, 175, 339, 340. Bev. 302. Eisenb. 562. Erd- beben 95. Hafen 74. Öterbl. 273. Univ. 430. Verk. 590. Ch. Cin- cinnatti 554. Charlestown Mass. 63, ('»9. Schiffsbau 589. Verkehr 590. Charlotte Fla. 75. Charter 49. Ratzel, Die V. St. von Amerika. Chatauqua 667. Chatham Mass. 41. Chattahoochee Fl. 545. Chattanooga Tenn. 338. Chemische Industrie 526. Cheraw J. C. 545. Cherokee Cy. 493. Chesapeake-Bay 30, 31, 45, 67, 68, 70, 71, 549, 616. Ch.-Albemarle-Kanal 548. Ch. and Delaware 549. Ch.-Ohio C. 550. Eisenb. 562. Ch. Zoological Laboratory 677. Cheyenne Wy. 222, 342, 560. Chicago 39, 70, 89, 106, 246, 335, 561, 610. Anlage 325. Bev. 308, 332. Brand 515. Deutsche 248. Eisenb. 562. Ent- wickelung 10, 19. Ind. 467. :\Iacht- zentrum 620. Rhederei 588. See- schiffe 124. Verkehr 534, 559. Vor- städte 322. Wachstum 331. Ch.-New Orleans 123. Ch.-S. Louis 551. Ch. Junction 562. Chihuahua 41, 117, 588. Chile, Handel 576, 579. Chilenische Steinkohlen 494. China, Handel 576, 578. Pul. 602. Vergleich mit C. 101, 102. Chinesen 78, 137, 185, 237, 249, 295, 296. Abneigung 187. Bekehrung 640. Bergarb. 296, 482. Einwanderer 119, 298, 359. Chinesenfrage 179. 297. Chinesengebiet 182. Chinesen- gesetz 182. Chromerze 504. Churchill 39. Cider 453. Cincinnati O. 324, 338, 340. Bev. 313, 332. Bibl. 668. Eisenb. 562. Handel 487. Ind. 467. Ohiobrücken 324. Rhederei 589. Schiffsbau 589. Verk. 542, 551. Vororte 332. Wohn. 327. C.-Mobile 123. Circuit Courts 622. City 327. Civil Rights-Bill 269. Clarion R. 507. Clear Creek Cy. Col. 498. 47 738 Register. Clearing Houses 586. Clearings 317. Cleveland 0. 40, 42, 327, 338, 340, 467, 507, 550. Cliffdwellers 133. Clifton-Distrikt Ar. 502. Coalville Ut. 494. Coast and Geodetic Survey 65, 610, 671, 673. Cockburn-I. 56. Cocospalmen 455. CoUeges 661, 693. C. for Women 663 C. und Universität 666. Collegiate Towns 666. Columbia, Handel 579. Colonisation Society, American "265. Color Line 282, 294. C.-Wall 294. Colorado, Ack. 385. Anthracitlager 137. Bergb. 481. Bev. 303, 309, 4s2. Blei .^;03. Brunnen 397. Eb. 557. Gold 498. Gr. 105. Hochthäler 133. Kupfer 502. Salzseen 505. Silber 500. Steinöl 507. Viehz. 406, 460. Wald 476. C.-Leadville 483 C.-Fl. (Ar.) 45, 49, 61, 129. C. Chiquito 389. Schiffbau 539. C. -Texas 545. Columbia, AI. 562. C. College 666. Col. D. C. Bev. 314, 345. Eb. 556. Gr. 105. Fl. 41, 45, 68, 77, 312, 387. Schiff. 131, 545. Thal 43, 537. Mil.- Bez. 610. Col. S. C. 283. Columbus Cy. 563. Col. O. 31."., 338, 545, 551, 562. Col. Texas 545. Colusa Cy. Cal. 482. Comanches 222. Comstock-Gang 481, 5i 0. Conestoga-Pferde 465. Conneaut 553. Connecticut 49, 69, 70. Ack. 410. 452. AuHwanderer 368. Bev. 306, 308, 312,345,352,379. Hibl. 668. Eb. 556. Fl. 531. Grenze 105, 108. Karten 674. Küste 70. Thal 42. Wald 471. Connelsville Pa. 543. Coiinersville Ind. 551. Cookshire rtiuebecj 42. Cooks Iiilct 66. Cool Spring 568. Coos Bay 495. Cooper R. 492. Cordilleren 130 Corduroy Road 417, 568. Cornell University 663. Cornwall-Inseln 53. Corpus Christi-Pals 41, 76. Corral 318. Cotton-Wood 319. Coso Range 500. Council Bluffs lo. 560. County623. C.Editor 694. C. Road 322. Coves 70. Cowboys 387, 463, s. Kuhburschen. Crafton Dak. 42. Cranberry-Ore von Mitchell Cy. 486. Cranberries 456. Croaton-Canal 72. Crow-Indianer in Montana 233. Crown Point N. Y. 488. Cuba 6, 17, 29, 74, 94, 116, 118. Eisen- erze 487. Handel 576, 578, 580. Pol. 572. Schiffsverkehr 591. Cultur, Sonderentwickelungen 102. Cumberland Fl. 124, 543. C. Gap. 129. Cumb. Md. 562. Kohlenb. 530. Cunard Line 571. Cuyahoga, Canal 531. Schiffsbau 589. Dahlowega Ga. 499. Dakota 610. Ack. 524. Bevölk. 345. Brunnen 397. Gold 498. Ind. 196. Bund 205. Kohlen 494. Niederschi. 392. Schulen 656. Viehz. 406. Wei- zen 389, 403, 445. Wüstenland 435. Dalles-Kanal 131. Dalrymple Farm 432. Damnibauten 541. Dilnoinark Handel 576, Schiffsverkehr 591. Dänen und Isländer 237, 646. Dänische Antillen 118. Dartmouth College 287. Duyton O. 562. Defiance O. 551. Deerlodge Mont. 501. Register. 739 Delawaren 230, 280. Delaware (Staat) 66, 77, 105, 108. Ack. 454. Bay 70, 71, 82, 83. Bev. 308, 345. Eb. 556. Kanäle 530. Flufs 41, 50. Peach State 411. Schiffsbau 589. Schweden 509. Wald 471. D. and Hudson 550. D. and Raritan 549, 550. Demokratische Partei 330. Denkmäler 174, 690. Denver 106, 338, 342. D. Becken 398. Bev. 333. Verk. 560, 569. Wohn. 327. D. and Rio Grande 563, 564. Depression am kalifornischen Golf 34. Des Moines Fl. 212, 338, 553. Des Piaines Fl. 551. ■ Desert I 60. Detroit 39, 40, 42, 338, 340, 562. Bev. 308. D.-Fluss 44, 55. Rhederei 589. Schiffsbau 589. Deutsche 237, 244, 248, 249, 252, 352, 509. D. - Amerikanischer Geist 246. D. Bauernstand 248. D. Bergbau 482. D, Bildungswesen 250. D. Einwan- derung 109, 253, 363. Erhaltung 251. D. Farmer 367. Geographische Verbreitung 256. D. Hauptstädte 245. D. in Chicago 360. D. in den Städten 330, 363. D. in Maryland 249 D. in Pennsylvanien 183, 262. D. in Texas 248. D. Kirche 646, 648. D. Mischung 655. D. Muster 664. D. Seeleute 593. D. Selbstmorde 353. D. Siedel. 317. I). Soldaten 611. D. Verdienste 249. D. -Österreicher 254. D. - Pennsylvanien 465. D - russische Mennoniten Siedel. 317. Deutschland Handel 445, 576, 577. D. Schiffsver- kehr 591. D. Lage 37. D. Pol. 607. D Raum 85. Devonport Bev. 313. Diamanten 504. Dichtigkeit 303, 307. Digger - Indians 204. Diphtherie 352. Diplomatie 601. Disabilitv Bill 634. Discovery I. 59. Dismal Swamp 379. Division of Forestry 474. Dodge Oity Ka. 382, 463. Dominion (s. auch Canada) Bev. 330. Handel 40, 576, 578. Schiffsverkehr 591. Lage 37. Indianerpohtik 187. Kanäle 552. Selbständigkeit 604. Donner-See 396. Dorf 317. Dover N. H. 70. Dred Scott 267. Drei - Ocean - Lage 12. Dresden 540. Dry Farming 392. Dry Rocks 60. Dry Tortugas 60. Duck I. 56. Dudley I. 51. Dug-out 319. Duluth Minn. 19, 38, 42, 340, 551, 563. Duluth, South Shore and Atlantic R. R. 563. Dunkirk N. Y. 42, 561. Dunmore Ass. 43. Durchschläge 49. Dutch I. 70. Düngmittel 422. Dyspepsie 242. Eagle-Pafs 41, 561. Eastport Me. 44, 550. East Portland 332. E. River, Brücke 324, 570. E. Sister-I. 55. Ebenezer Ga. 254. Ecuador, Handel 576. Eddyville 550. Edgartown Mass. 593. Edmundston Me. 42. Ehescheidung 622. Eiche 319, 472. Eindeichungen 141. Einbürgerung 423. Einförmigkeit 101, 654. Einwanderung 232, 251, 256, 355, 358, 361,511. aus China 295. Erschwerung der E. 99. E. nach Norden 148. Kon- 47* 740 Register. traktarbeiter 119. Verbrecher 119. Verteilung 364. E.-Gesetz 360. Sta- tistik 356, 373. Einzelsiedelungen 317. Einzelstaaten 614. Eisen 135, 486, 488, 512. E.-Konstruk- tionen 323. Eisenbahn 90, 533, 555. E.-bau 119. und Bevölkerung 557. E- Gesell- schaften 427. E. -Monopole 620. E.- Staaten 126. Eismeere, amerikanische Interessen 26. nördliches 12. E.-Seite 24. Eisschutt 139, 379. Elbow Key 60. Eldorado Cy. Cal. 496. Elisabeth N. J. 66. Ehnyra N. Y. 562. El Paso 37, 41, 810, 561. Endicott Mills Md. 532. Engländer 249. in den Städten 330, 363. Seeleute 593. Entreprise Fla. 545. Erbsen 446. Erdbeben 175. von Charleston 95. Neu- niadrid 175. Erdbeere 457. Erdnufs 455. Erfinder 514. Erlindungon 668. Eric i'.aiin 561. Iv (rebiot 313. E.-Kanal 71, 531, 547, :AH. i:.-Ohio-Kanal 553. E.-See 42, 50, 52, 338. E. Triangle 50, E.Pa. 562. Ersf^arung von Monsclienkräften 512. lüweokungen 640. Erziehungsfanatikcr 181 . Esel 465. Esraeralda Nev. 500. Etchemin 195. Eucalypten 324. Europa in anicrikaiiisclier Perspektive 88. Bez. 6Ü(>. Fiäclienr. 85. mittlere Mächte 90. Riutkwirkung auf 251. Vergleirh mit 8. l'-iiriipäisclistor Teil .\merikiiH 308. I',iiiii|)!i(i .\iiM'rikaner 235, 238. Evans-Pals 129, 342. Evanston Ut. 494. Evansville Ind. 338. Everglades 140. Expansions-Politik 97, 604. der Eng- länder 99. Exprefsdienst 571. Fairmount b. Philadelphia 324. Fall-Line 132. Fall River. Mass. 70, 330, 339. Fall River Ind. 519. Falling Creek 480. Falmouth Me. Rhederei 41, 543, 588. Falmouth Mass., Verk. 569. Familien, Grösse der 345. Familienhäuser 323. Fargo Dak. 325, 432. Farm 424. Farmer 422, 424, 427, 462. Pol, 427. Zahl 428. F.-Alliance 62U. Felsengebirge Ackerbau 385. Fencing 416. Fertile Belt 380. Feuchtes Land 377. Feuchtigkeit 144. Fouersbrünste 175. Fieber 153 Fillmore Cy. 563. Finanzfragen 622. Finnisclu^ (Tcmoinden 646. Firnfeliler Wyomings 140 Fische 167. Fischfang 200, 574. Fishing-banks 168. Fiumaren 384. Fjordküsten 35, 77. F. von Maine 65, 78 F. von Washington 69. Flachs 420, 449, 520. Flagge 636. Flatliead-l'als 129. F](!dermaus-Guano 505. Florida 17, 60, 66, 67, 79, 106, 112, 135. Ack. 420. F F.ay 74, Hesied. 368. l<:b. 556. Hev. 212, 303, 305, 307,345,371. I'.ewohner 63. lioden 379. Durclistcrliung 554. l-^iüssc 540. i Register. 741 Grenze 105. Orangen 411, 450, 455. Popphorit 505. F.-Strasse 30, 31, 60. Südhälfte 140, 311. Tabak 452. Verk. 554. Wald 470, 471. Zuck. 450. Flotte 54, 589. Flufsdampfer 125. Flufssysteme, diluviale 497. Flüsse u. Bevölkerungsvcrl)reitung 30i). Verkehl- 324, 529, 538, 539. 8chifEs- kämpfe 125. Forstinsekten 169. Fort Benton 542. Berthold 387. Bucha- nan 384. Duquesne 110. Erie 55. Fairfleld 40. Griftit 462. Hall Re- servation 233. Hancock 41. Hayes 385. Kearney 386. Mac Intosh 41. Marion 222. Sumter 74. Wayno 551, 562. Worth 41. F. Worth and Den- ver 563. Yuma 41. Fortune 45. Foulweather Bluff 77. Fox Kanäle 531. Grape 456. I. 55. Foxes 230. Föderalisten 629. Föhrengebiet 469. F. Wälder 475. Frame Houses 317. Francis-Fl. 36, 52, 542 Frankreich 60, 85. Handel 445, 576. Schiffsverkehr 591. F. in Kana-la 99 K(jlonialpolitik 96. Frankhn Pa. 503. Franzosen 106, 237, 249, 257. Ein- wanderer 249, 355. F. in Kanada 110, 182, 183, 617. F. in Louisiana 489. Siedelungen 317. Frederick I. 51. Fredericksburg Va. 78. Freesoilers 629. Freie Intelligenz 700. Freigelassene 277. Arbeit 289, 291. Fremdgeborene 365. Fremont's Exploring Expedition 676. Frenchmans Bay Me. 591. Fresno Cal. 501, 545. Friedensrichter 622. Friedhöfe 324. Front Range 498. Fruchtbare Zone 380. Fruchtbarkeit 134, 417. Frühjahrskältc 378. Frühreife 699. Fuca-Strasse 58, 65, 66. F. -Grenze 119. Fugitive Slave Bill 182. Fundy Bay 44, 51, 53, 69. Inseln 31. Fünf Nationen 209, 212, 232. Gradsden Purchase 60. (Tallop I. 53. Galveston 6, 17, 31, 41, 75, 80, 338, 340, 561, 590. Gap Pa. 503. Gas, natürliches 507, 522. Gasthäuser 728. (Tay Head Mass. 217, 218. (Tärten 322 (Tebirgsoasen 145. G. -Rassen 405 G.- schranken 127. G. -Staaten 618. G.- Völker 133. G.-Wal.l 370. G. Wasser- reichtum 590. Gefängnisse 706. Geistige Ausstrahlungspunkte 103. Geistiges Leben 650. Geistliche 718. Gelbes Fieber 176. Gelbföhre 473, 477. Geld 197, 608. Geldaristokratie 721, 723. Geldsucht 652 Gemeinde 622. G. der Indianer 204. Gemeindeverwaltung 625. Genesee-Flufs 548. G.-Thal 403. Genoa Nebr. 228. Gent, Vertrag von 51. Gentes der Indianer 205. Geological Surveys 675, 676. Georgetown 41, 550. Georgia 49, 109, 134, 225, 254, 280. Besied. 368. Bev. 303, 345. Eb. 556. Farmer 427. Gold 499. Gr. 105. Ind. 292. Kohlen 492. Kriek 230. Kupfer 502. Küstenstriche 281. Reis 453. Schule 658. Sklaven 262, 268. Verk. 554. Wald 471, 477- (Tcrmanisch - keltischer Grundzug der Bevölkerung 251. 742 Register. Germantown Penn. 253, 510. Gerrymandering 630. Gerste 409, 446. Geschichtforschung 678. Geschichtschreibung 684. GeschichtUche Entwickelung 106. Geschichtswerke 249. GeseUschaft 712. Gesetz der räumhchen AnähnUchung 90. Gesetzgebung 481, 621. Getreideböden 380. Gettysburg Pa. 445. Gewerbe 674. Giftpflanzen 160. Gila Fl. 49, 61 Depression 60. Gilpin Cy. 498. Girard Pa. 42. Gleichheit 626. G. der Ideale 102. Globe-Distrikt 502. Gloucester Mass. 70, 589. Goat-Insel 54. Gold 136, 495. G.-Durst 224. Goldenes Thor 64, 66, 77 Goldwäschereien Kaliforniens 135, 497. Golden City Col. 494. Golfgebiet 101. G. Bodengestaltung 458. G.-Häfen 64, 82. G.-Kanal 531. G.-Küste 5, 30, 65, 68, 75. Gezeiten 74. Golfküste, Rhederei 588. G.- Küste, Föhrenwäkler 311. G.-Seite 16. G.-Staaten 404, 620. G.-Städte 340. G.-Strom 10. G. von Maine 69, 82. G. von Mexiko 60. Gooseneck 58. Gosnold Mass. 623. Governors Island 610. Grafschaft 623. Grand Falls 44. Grand I. 54, 103. Grand Menan 51. Grande Isle 82. (irande Terre 82. (oranger 629. G. -Gesetze 534. Grant-Land 24. Graphitlager 504. Gräser 458. Gray Wash. 41. Grease Wood 404. Greasers 259. Great I. 56. G. Northern E. B. 42. G. Peninsula 77. G. Pedee 545. G. Turkey I. 55. Green Bay 554. Kanal 531. Greenpoint N. Y. 527. Greenport N. Y. 41. Green R. 537, 543. Greensburg Ind. 313, 543. Greenville Miss. 562. Greenwich-Bay 70. Grenzen 37, 48, 51, 54, 56, 60, 96 :i32, 400. G.-Berechtigungen674. Innere 48. zwischen Kanada, New York und Vermont 52. zwischen Maine und Neubraunschweig 52. zwischen Ne- vada und KaUfornien 51. zwischen New York und Vermont 47. zwischen Wisconsin und Minnesota 47. zwi- schen Prärie und Steppe 132, 387. G.-Öden 47. G.-Wildnisse 47. Greytown 27. Griechenlands Küstengliederung 64. Griechische Kirche 648. Grindstone I. 53. Gringos 259. Grinnell-Land 24. Grofsbritaunien 88, 89. Auf den Baharaa 18. Handel 576, 603. Kolonien 86. Kriege mit 94. RohVjaumwolle 448. im nördl. Stillen Ocean 58. Über- gewicht im Handel 577. Schiffs- verkehr 591. Grofse Naturscenen 170. Gr. Seen 44, 54, 66, 67. Gr. Seen und die Ostsee 19. Rhederei 588. Fischerei 592. Gr. Salzsee 537, 546. Gr. Thal 121. G. -Farmen 432. Grofsriiumige Auf- fassungen 96. G.-Städte 331, 838. Grönland 25, 15. Grundbesitz 431. Grünsand 422. Gruppen und Völker der Indianer 194. (jruadalupe Hidalgo, Friede von 46, 60, 117. Register. 743 Guavas 455. Guaymas 39, 41. Handel 588. Gujana, Handel 576, 579. Gun-I. 31, 60. Hafer 409, 446. Gebiet 402. Halbinseln 68. HaUfax 29, 339. Halifax N. C. 545. HaU R. 52. Hamburg und Valparaiso 24. Handel 14, 573. Handelsflotte 12, 589. Handelsgärtnereien 459. Handels- kammern 585. Handelskrisen 584. Hanf 449. Hadley Falls Cy. 522. Häfen 12, 81. Hagerstown Penn. 562. HaUville 494. Hanf 520. Handelsgeist 572. Hanging Rock -Region 486, 488. Hannover N. J. 666. Hardyville 545. Haro- Kanal 31, 44, 59. Harpers Ferry 72, 545. Harrisburg - Pittsburg 562. Hart R. 387. Hartahorn 477. Hartford 339, 668. Harvard CoUege 661, 664, 666, 671. Annex 663, H -schüler 665. Harz u. Teer 477. Hausindustrie 449. Häuser 326, 727.. Häusliche Erziehung 710. Haustiere 439. * Havana 18, 29, 561. Havana und New York 123. Havre (Port Deposit) 41. Hawaii 22, 23, 25, 31, 86. Pol. 'Bezieh- ungen 606. Handel 576, 578 Schiffs- verkehr 591. Hay Lake - Canal 552. Hazelton Pa. 491. Hebron Me. 503. Heilkunst 678. Heilsarmee 648. Heimstättengesetz 426, 434, 475. Helena Mont 342, 435, 498. Hemlock od. Schierlingstanne 524. Hen and Chickens I. 55. Herders 462. Hereford 42. Heroenzeitalter des W. 715. Heron 55. Heuschrecken 169. Hiawassie 129. Hickory 472, 477. Highgate Springs Verm 42. High Is. 79. Highland 447 N. Y. 486. High Schools 661. Hilfsquellen 514. Hilton Head 73. Himbeeren 457. Hispano - Amerikaner 258. Historische Landschaften 414. Hochebenenwüsten 129. Hochkirche 244, 644. Hochseefischerei 79. Hockiug Fl. 551. Holländer 237, 507, 510. Holländische Reformierte Kirche 647. Holly Springs Miss. 412. Holyoke 330, 334, 339. Holzfäller 310. Holzhaus 317. Holz- industrie 478 Holzland 435. Holz- verbrauch 476. Homologien, wirtschaftliche und poli- tische 8. Hominy 444. Honolulu 12. Honduras, Schiffsverkehr 591. Hongkong 576. Hoods Canal 77. Hopfen 452. Hopkin Me. 40. Horse Shoe, s. Hufeisen. Houlton Me. 40. Houston Tex. 561. Housatonic Fl. 70. Hovel 322. Höfe Neuenglande 317. 744 Register. Hudson 62, 68, 108, 549. H.-Cham- plain-See 530. H.- Gebiet 456. H.- Mündung 70, 79, 549. H. - Ontario- See 530. H.-Bay 39, 553. Hufeisen-Fall 54. H. Riff 55. Hugenotten-Niederlassungen 73, 257. Humboldt Nev 482, 500. Humbold Fl. 129, 537. Hummocks 140. Hunde 468. Huron, .Schiffsbau 589. Huronen 195. Grenze 47. Huronen-See 42, 52, 552. HuiTicane-Deck 545. Hydraulic Mining 497. Hyperboräisch-asiatische Einflüsse 204. Idaho 140. Bev. 345. Ack. 387. Bergb. 481. Bewäss. 394. Blei 503. Boden 386. Eb. 557 Gold 498 Gr. 105. Kupfer 502. Silber 501. Viehzucht 404, 405, 406, 407, 461. Wald 471. Zinn 503. IlUnois 47, 111. Ack. 439. Besied. 368. Bev. 305, 313, 314, 345, 371. Bibl. 668. Blei 503. Deutsche Bev. 256. Eb. 556. Prisen 521. Französische Gemeinden 257. Fruchtb. 381. Gr. 105, 149. Kan. 531, 550. Kohlen 489, 492. :\rais 444. Obst 453. Schule 662. Viehz. 464, 465, 466, 467, 468. Survey 675. Wald 472, 473. Weizen 445. Zink 503. Zuck. 451. I. Central R. R. 563. I -Michigan 124, 548, 551. I.-Nebraska 404. llliteracy 284. Irnphee (Sorghum) 450. Indopendence 396, 568. Independcnten 629. Indian Kommission 228. I. Office 607. I. R. 554. Indiana Besied. 368. Bev. 3U5, 313, 345, 371. Eb. 556. Fl. 540. Freier Staat 113. Fruchtl). .381. Gr. 105, 111, 112. Kan. 550. Kohlen 489, 492. Mais 444. Steinöl .506. Vieh- zticht 465, 466, 467. Wald 472. Weizen 445. Zuck. 451. Indianer 188. Ackerbau 212, 443. Aus- sterben 151. Begabung 193. Be- wässerungsanlagen 398. Bilderreich- tum 193. Charakter 191, 706. Christ- liche Sekten 203. I. des Nordwestens 451. I.desPamhco-Sundes216. Eigen- tum 207. Erfindungen der, 194. Ethno- graphische Merkmale 197. Familie 207. I. -Frage 224. Gesellschaft 204. Gesichtsausdruck 190 I.-Grenzen 46. HalbziviHsierte 215. I.-Hund 163. I. in Kanada 208. Krankheiten 213. Land 208, 225, 438. I.-MischUnge 209. I.-31ission 640. I. mit Bürger- recht 209. I.-Pohtik 223, 602, 604, 707. Rechtsbegriffe 207. Reservati- onen 172. I.'sche Schicht 243. Schu- len 228. Statistik 208. I.-Transporte nach Westen 184. I. und Romanen 218. I. von New York 223. I. von Ysacomoco 208. I.-Truppen 217,611. Versetzung der Stämme 208. Wis- sen 194. Zahl der I. 208, 212. Indianer-Territorium 226, 229, 614. Boden 384. Eisenbahnen 233. Gr. 105 Kohlen 493 Viehzucht 406, 461. Indianopolis 327, 338, 340, 467. Indien, Handel 576. Konkurrenz 448. Indigo 452. Individualismus 615. Industrie 509. Bezirke 306. Gesch. 315. I.-Dörfer 322. Inlandamt 607. Innere Wanderungen 366. Insekten 169. I -fressende Vögel 166. Inseln 2it, 31, 67. Interkontinentale Eisenbahn 7. Interoceanischer Kanal 8, 23, 98. Interviewing 692. Iowa 256. Bausteine 505. Bev. 303, 305, 313, 314, 345, .-571, 713. IJlei 503. El). 557. Farmer 534. Fla(;hs 449. Gr 105. Kohlen 493. Mais 444. Obst 453. Schule 662. Survey 675. Viehzucht 459, 464, 465, 467. Wald 173. Weizen 445. Register. 745 Iren, Irländer 79, 237, 245, 252, 353, 610, 617. I. in den Städten 330, 363. Trunksucht 352. Irisli Scotclimen 237. Irokesen 128, 200, 265. (rrenzen 47. Reste 216. Iron Mt. 488. Iron R. Wisc. 563. Ironton 0. 488. Iroquois, FL 51. Irrentiäuser 702. Irrigationswiesen 459. IsLänder 148, 253, 646. Isle Royale 52, 57. Italiener 79, 237, 249, 259. I. in den Städten 330, 363. Itakolumit 504. Italien, Handel 576. Schiffsverkehr 591. Ithaca 666. Jackson Miss. 563. Jacksonville 41, 68, 545, 729. Jagd 200. Gründe 200. James Fl. 71, 106, 385, 545, 571. Can. 530. Jamestown, Halbinsel 78. Japan, Handel 576, 578. Japaner 25, 179, 706. Jefferson 18. Jersey City 334, 339, 550. Johannisbeere 457. Josephs-I. 56. Juden, Zahl der 259, 648. Jugend, Merkmale 314, 713. Juniata R. 488, 550. Kabel 26, 572. Kadiak, Fischfang 592. Kairo 149. Kaiowäh 222. Kalama Or. 41. Kalifornien 21,23, 106, 117, 150, 256,296, 297, 610, 620. Abgesondertheit 615. Ackerbau 460. Baumwolle 386, 412. Bergbau 305. Bev. 303. 305. 313. Bewäss. 397. Boden 386, 431. Braun- kohlen 495. Chinesen 295. Eb. 557. Flachs 449. Gemüse 459. Gold 204, 481, 496. Gräser 458. Gr. 105 Hopfen 452. Klima 148. Kupfer 502 Küste 76. Latifundien 431. Obst 411, 453, 454. Orangen 411, 455 Quecksilber 481. Ranchos 460 Schafe 466. Schule 658. Soda 505 Steinöl 507. C, südliclies 411. Sur vey 675. Thalbecken 131. Wein 410 456. Verkehr mit Oregon 131. Wei zen 401, 403, 406, 445. Wüste 384 Zuck. 451. K. 'scher Typus 242, 245 Kamschatka 25. Kanada 36, 50, 66, 634. Berührungs Knie 39 Bevölkerung 312, 345, 371 Eisen 487. Entwickelung 698. Er- oberung 98. Franzosen 237. Kanadier 249, 258. Kanadischer Transit 586. Kanäle 530, 531, 546. Kanawha 504, 543. Can. 530. Kansas 117, 149. Bev. 303, 309, 313, 345, 713. Eb. 557. Blei 503. Boden 385, 403. Farmer 42S, 434. Flachs 449. Fl. 308. Frauen 705. Gr. 105. Kohlen 493. Mais 444. Neger 280, 370 Stein- öl 507. Zink 503. Pacific Eb. 385, 560. Pol 602. Viehzucht 407, 465, 467. Weizengebiet 389. K. City 323, 325, 333, 338, 342. Kap Cod-Bucht 616. Kartoffeln 447. Käserei 464. Kastanie 455, 472, 477. Kathohzismus 250, 642 646. Kaukasische Rasse, Umbildung 150. Keewenaw, Halbinsel 42. Kelten 237, 655. Kensington 111. 562. Kentucky 50, 111, 124, 134, 149, 241, 280. Baumw. 412. Besied. 368. Bev. 114, 305, 312, 313, 314, 345, 371. Bienen 468. Boden 379. Flachs 449. Eb. 556. Gr. 105. Industrie 292. Kohlen 488, 489, 492. Pferde 465. Steinöl 506. Tabak 442, 451. Wald 471. Zucker 451. 746 Register. Keokuk lo. 540, 553. Keramische Industrie 527. Kettle 70. Keukasee 456. Keys von Florida 30, 60, 68. Key-West 17, 30, 75, 144, 590. Kickapu von Illinois 230. Kinderarbeit 518. Kinderzahl 347, 349. Beschränkung 99. Kingsbury Rapids 545. Kingston 545, 550. Kirchen 637, 690, 727. Rückgang 642. Kirschen 454. Klee 459. Kleinwirtschaft 451. Klima-Änderung 393. .Kl. -Gebiete 142, 148, 390. Kl. Grundeigenschaften 401. Kl. u. Industrie 519. Kl.- Wirkungen 142, 147, 150. Kl. Krankheiten 153. Knickerbockers 245. Knownothings 629. Knoxville Tenn. 129, 313, 328, 543. Kohlen 305, 489, 512. K.-Land 435. Kolonialgeschichte 709. K.-Volk 650. Kolonisationspläne 370. Kommandeurs-Inseln 46. Konemaugh-Eisen 488. Kongregationalisten 644. Kongrefs 599, 618. Kontinentale Gröfse 84. Kontinentale Staaten 86. Kontinental-Kongrefs 111. Korkeiche 455. Korruption 635, 713. K. der Presse 696. Krankheiten 352. Kräluaiindianer 227. Kredit 515. Kriegsamt 610. Kriegsflotte 12. Kriek 230. 232. Kr.-Bund 205. Kuhburschen 232, 318, 460. Knlturj>tl:in/,en 439. Verbreitungs- geljiete 408. Kultur mittel meerischen Charakters 160. K. -Landschaft 725. K. Ruinen 326, 726. K.- Unterschiede 203. K.- Zorum 712. Kultus der Sachen 706, 718. Kunst 170, 689. Kupfer 136, 502. Küste 61. K. -Befestigungen 611. K. Baumwollenbau 448. K -Bevölkerung 79, 288. Erziehende Wirkungen d. K. 62. K.-GUederung 66, 67. K., Ge- schichtliche Bedeutung der K. 61, 63 K. -Grenzen 43. K.-Landschaften 77. K.- Länge und Entwickelung 37, 64. K.-Linien 14. K.-Sümpfe 379. K. -Veränderungen 81. K. d. V. St. am Atlant. Ocean 63 , am Golf 62, am Stillen Ocean 76. Kutench-Fluss 43. Labrador 45. Lachse 168. L.- Fischerei 46. La Crosse Wisc. 478. Lage, Sicherheit 28. L. z. d. Meeren 9. Lagunenküste 73. Lake of the Woods 52. Lake Shore and Michigan Eb. 561. Lancaster 529. Landamt 607. L.- Arbeiter, Zahl 428. L. der Indianer 207. L.-enge von Panama 6. L.-enge von Nicaragua 23. L.-enge von Tehuantepec 204. L. der Eisenbahnen 435 L.-fall 62. L. -frage 224. L. für Schulzwecke 656. L.-hunger 224, 461. L. in Se- veralty 223. L.-leben 171. L -preis 432. L.-schaft 170, 689. L.-strafsen 529, 554, 569. Siedelungen, ländl. 317. L. Bev. 329. Landwirtschaft 377, 440. L. -Erzeugnisse 574. Expansion 418. Gebiete 401. Geschichtliche Entwickelung 438. Maschinen 523. Schwankungen 419. Überlegenheit 426. L. und Volks- dichto 407. L., und Wandern nach Westen 419. Langnadelige Föhre 473. Lansing 492. La P6chc 55. Laramie Plains 127. Lärche 473, 477. L. sümpfe 386. Register. 747 Laredo 41. Lasalle -Distrikt 493. La Septieme 52. Last - Isle bei New Orleans 82. Lateinische Bauern 367. Latifundien -Wirtschaft 4-28. Laubbäume 413. Lavabetten 94. Lavaströme 386. La Vaca 561. Laveta-Pass 564. Lawrence Ind. 339, 519, 551. Lawrence Science School 667. Leadville Col. 342. Lebenseiche 477. Leere Stellen 309, 310. Lehigh Grafsch. 488, 550. Leuchtgas, natürliches 136, Lewis und Clarke 57, 111. L.- u. C, Pars 129. Liberia 265, 373. Lichtung 139. Licking Fl. 543. Lime- Insel 56. Lincoln Nebr. 338. Linden 472. Linsen 446. Litchfield Conn. 667. Litteratur 625, 682, 710. L. u. Leben 687. Little Dalles 43. Little Gulf 448. L. Miami 551. L R. 73. L. Rock 563 Llano Estacado 384, 394. Lockhaven 550. Loggerhead Inlet 72. Loggers 159. Log Houses 317. Lone Star State 117. Long Island 41, 30, 70, 77, 410, 457. Long Island City 334. Long Island Sund 69, 70 Long Sault- Insel 44, 54. Long- See 42, 52. Long Stapled Cotton - Zone 413. Los Angeles 41, 63, 77, 338, 437, 610. Louisiana 50, 60, 79, 80, 105, 112. Ab- tretung 58, 257. Besiedelung 368. Bev. 303, 305, 345. Eisenb. 556. Er- werbung 35, 112. Farmen 434 Fran- zosen 268. Gr. 105. Kreolen 278, 282. Neger 280. Orange 411, 455. Reis 453. Salz 504. Wald 471. Zucker 450. Louisville and Nashville 563. Louisville 327, 838, 340, 467, 542, 563. Ohiobrücke 3-24. Schiffsliau 589. Lowell Ind. 519. Lowell Mass. 339, 522. Löss 380. Lumbermen 133, 310. Lumber - Region 478. Lungenkrankheiten 352. Lupine 459. Lutherische Kirche 646 Luxemburger 254. Luxusgeräte 525. Luzerne 459. Lynchrecht 283, 707. Lynn 339, 510. Mafse und Gewichte 609. Mackinaw 42. Macon Ga. 545, 562. Madawaska Settlement 40. Madeira 369. Mahanoy Pa. 491. Mahanoy-Thal, Eisenrevier 550. Maine 46, 49, 67, 77, 79, 105, 106, 108, 112. Apfelbäume 458. Bev. 305, 310, 331, 345. Eb. 556. M. Central-Eb. 40, 42, 563. Fischerei 591. Föhren 477. Gold 499, Gr. 105. Hafenreichtum 64. Kirche 642. Kulturlandschaft 726. ' NördHches M. 38, 40, 344. Rückgang 370. Urwald 133, 726. Wald 470, 471. Mais 411, 442, 444. M.-Ausfuhr 445. M.-Bau 163, 442. :\I.Benutzung 444. M.-Gebiet 402, 420, 444. Nordgrenze 411. M-Überflufs 404, 467. M. und Besiedelung 443. Malade-Fl. 392, 396. Malaria 352. Mammoth Bed. 490. Mandel 455. Manchester N. H. 339. Manhattan 30, 62, 71, 78, 108. 748 Register. :Manilahanf 449. Manistee Mich. 42, 478. Manitoba 345. Mänuerüberscliufs 345. 3Iarblehead Mass. 70. -Alaricopa Cy. 502. ^larineamt 618. Mariposa Cy. 496. :\Iarket Gardeuing 459. INI. Town 322. Marmorhäuser 326. 3Iarquette 42, 487. Mai'schländer 82. Marseille 68. Marshalls Col. 494. Martha's Vineyard 30. .Maryland 41, 51, -84, 108, 139. Ack. 441. Bev. 345. Eb. 556. Deutsche 256. Eisen 4i6. Gvld 499 Gr. 105. Kohlen 492. Neger 280. Obst 454. Tal)ak 452. Wald 471. Maschinenbau »21. Mason and Dixons Line 616. Massachusetts 3, 41, 49, 79, 106, 195, 302, 327, 330. Anthracitlager 4t)0. Bev. 303, 306, 308, 312, 345—347. Bibl. 668. Chinesen 296. Counties 624. Eisenbahnen 533, 556. Fischerei 591. (Jr. 105. Karten 674. Puritaner- staat 615. Rückg. 379. Rchool -System 658. Staatsziddungen 355. Survcy 675. Strafsen 569. Unterrichtsw. 658. Wald 471. M. Bay 70. Mäfsigkeitsv ereine 643, 722. .Mattapiiiset Mass. 70. Mattavamkeag .Me. 40. Manch Chunk 550. MniilWcere 454 .Maultiere 4<»5. .Maumee Fl. 531, 551v .Mayflower 107, 724. Maywood Ka. 673. Mr. .\d;itli Jiincünn 10. .Mc. Kinley Bill 119. Meorschaurnlager »OS. .Megaiitic S. 40. MeiripliiH 273, 338, 841, 562, 563, 634. Mriiiplin'magogrtee 42. Mendham X. J. 504. Menominee Mich 478. ]\Ienschenleben, Geringschätzung 707. Mericourt N. Dak 563. Meridian, politischer 88. Meridian Miss. 563. Merrimac 69, 522, 531. Mesas von Xeumexiko 133. ?»Iesquite-Wald 474. Äletallindustrie 520. Älethodismus 645. Mexiko 29, 36, 37, 41, 45, 47, 60, 92, 99, 442, 600, 604. .Alexican Boundary Survey 676. ^Mexiko Dampferlinien 75. Handel 576, 578. Krieg 602. Landhandel 587. M. - Laredo 561. Schafzucht 461 Mexikaner 237. M- Central Eb. 41. M. E.-B. 98. Mexi- can International Eb. 41. Miami C. 551. Miamimündung 74. ]Michigan 50, 112, 133. M.-Becken 489. Beeren 456. Besied. 368. Bev. 307, 310, 313, 345. Central-E.-B. 562. Eb. 556. Föhren 477. Fruchtb. 381. Gr. 105. Häuser 319. Halbinsel 38, 313, Kohlenlager 492. Kupfer 502. Rück- gang 371. Schule 658. Staat 163, 552. Survey 675. Townsystem 623. Vieh- zucht 466. Wald 472. Weizen 445. M.-See 84, und Mississippi 531, 551. Micmacs 195. Milchwirtschaft 105, 464. Militär-Tclegraj)henlinien 612. Millionenstädte 337. Milwaukee 338, 840, 365. Häuser 327. Industr. 467. Kunst 691. Schiffs- bau 589. Milwaukee and Northern l']b. 568. .Miueralland 435. Minorat (uelle 508. Minneapolis, Anlage 325, 331, 338, 563. Bev. 313, 333. Flour City 403. Häuser 327. Holzhandel 478. Mühlen 403, 523. .M. -St. Paul Eb. 341. M. -St. Paul aiid Sault Ste. .Marie Eh. 563. Register. 749 Minnesota 133, 472, 502. Ack. 524 Bev. 303, 305, 310, 345. Deutsche 256. Eb. 557. Flachs 449. Gr. 105. Holz 478. Weizen 403, 445. Mission Grape 456. ^I.- Indianer 229. M.-Thätigkeit 640. Mississippi (Fl.) 52, 66, 96, 149. als Grenze 112. Bevölkerung 122, öl5. M.-Gebiet, Blei 503. :\I.-Bottoms 305. Dampfer 123. Eisenb. 555. Frucht- barkeit 381. Grofsstädte 337. Kanäle 550, 554. M.-Kolumbia-Bahn 536. KHma408. Laubwald 470. M.-Mün- dungen 119. M.-Niederungen 101. PoHtischer Wert 128. River Co. 124. Schifeahrt 124, 536, 540, 541, 588. M.-Städte 341. M.-Strafse 535, 538. M.-Thal 101. M.-Tiefland 144. M.- Überschwemmungen 450, 541. M. und Michigan-See 123. M. und St. Lo- renz 124. Mississippi (Staat) Besied. 368. Bev. 303, 305, 313, 345. Eb. 556. Farmen 434. Gr. 105. Neger 279, 280. Wahlrecht 284. Wald 471. Missoula Wash. 561. Missouri (Staat) 88, 111, 112, 149. Bev. 303, 305, 309, 313, 345. Aufnahme 113. Bienen 468. Blei 480. Deutsche 256. Eb. 557. Eisen 486. Franzosen 257. Fruchtb. 381. Gr. 105. Hanf 449. Kohlen 493. IM.-Kompromils 266. :Mais 444. ]Mil. 610, Milch- \\-irtschaft 464. Neger 280. Schule 662. Tabak 442, 452. Viehz. 465, 467. Wald 473. Weinbau 456. Zink 503. Zuck. 451. M., Kansas und Texas 563. M. Pacific 563. Missouri (Fl.) 123, 124. Baumw. 412. Schiffahrt 488, 542. M.-Städte 341. M.-Thal 126, 386, 537. M. and Pa- cific 563. Mittelamerika, Handel 576, 5bO. Kanal 27. Pol. Bez. 605. M.- und Südamerika Verkehr 539. Mittelamerikaner 237. Mittlere Staaten des Inneren 617. Mittel- staaten, Boden 433. Eb. 564, 566. Einw. 365. Gesch. 149. Verkehr 540. Mobile 6, 41, 75, 340. 562, 563, 634. Bucht 411. Schiffsverkehr 590. M. and Ohio 563. Mode 724. Modoc-Krieg 221. Mohave- Wüste 130. Mohawk 71, 94. :\Iohawksenke 123, 312. Schifebark. 529. Thal 548. Mohawkweg 128. Mohicans 195. Mole St. Nicholas 605. Molybdän 504. ^Mougoloiden 188. Monongahela Fl. 530, 543. Monopole 533. Monosee 500. Monroe Va. 562, 613. Monroe-Doktrin 18, 23, 28, 86. für den Stillen Ocean 88. Montana 42, 133, 149. Ackerbau 387. Bergb. 481. Blei 503. Bev. 309, 345. Bewässerung 227, 394. Eb. 557. Gold 498. Gr. 105. Hirten 404. Kohlen 494. Kupfer 502. Niederschi. 389, 390, 392. Pferde 405. Schulen 656. Silber 500, 501. Viehzucht 387, 404, 406, 407. Wald 471. [Nlontauk Point 70. ^Nlonterey 41, 63. Montgomery AI. 562. Montgomery Georgia 314. Montour, Eisen 488. M. Thal 550. Montreal 561, 563. Handel 587. Strom- schnellen 544. ^Monumentale, das 103. Moose I. 51. Moresby I. 59. Morgentown W. V. 543. Mormonen 144, 352, 648. Gesch. 641. Sied. 317, 385. Wanderungen 372. Morris-Essex 550. Morris (]\Ianitoba) 42. Morristown N. Y. 42. Mounds 203. 750 Register. Mt. Carbon 550. Mt. Diablo Mines 495. Mt. Hope-Bay 70. Mt. Joly 45. Mt. Katadin 312. Mud Creek 211. Mühlenwesen 523. Mulatten 179, 293. Mullan Wash. 561. Municipal Charter 328. Muscle Shoals 543. Museum of Comparative Zoology 677. Musik 690. Muskegon Mich. 42, 478. Muskingum Fl. 540, 543. Nachtfröste 378. Nahant Mass. 70. Nahrungsmittel 721. Namengebung 204. Nanticoke Pa. 491. Nantucket Mass. 26, 30. Napa 501. Narragansett-ßay 41, 70, 78. Narragansetts 195. Nashville 313, 543, 562, 563. Natchezgras 458. Natchitotches, Meridian 60. National Academy of Sciences 680. National Library 668. National Museum 681. National Observatory 674. Nationalisierung der Kirche 250. Nationalität 243, 246. Nationalpark 171. Native ('opper District 502. Natur-Charakter 176. N. -Gebiete der V. St. 101, 122 N.-Freunde 171. N.-Gemeinschaft 171. N.-Nähe 726. N.-Schilderer 683. N. und Dichter 172, N. und Volksseele 170. Navalism 12. Navassa I. 422, 605. Nebraska 2ö6. Bev. 309, 345. Kb. 557. Farmen 434 Flachs 449. Frucht- barkeit 403. Gr. 105. Kohlen 493. Mais 444. Neger 370. Niodcrschl. 392. Obst 453. Ost-N. 386. Vieh- zucht 407, 467. Wald 473. Weg der Wanderer 482. Weizen 389. Zucker 451. Neck 70. Neger 179, 261. Arbeiter 290. Aus- wanderung 373. Bev. 184, 269, 276, 352, 433. Erziehungsfähigkeit 285. N.-Frage 281, 359. N.-Gebiete 182. Gesellschaft 282. Lebensbedingun- gen 274. Nahrung 168. Problem 294. N. und die europäische Ein- wanderung 277. Regimenter 611. Schulen 282. Soldat 286. SterbHch- keit 273. N. und Klima 281. Ver- breitung 271. Verdichtung 279. Ver- brecher 706. Vermehrung 185, 272, 275. Wanderungen 272. Wirtschaft- liche Entwickelung 288. Zukunft 186. Nehrungs-Inseln 29. Neomalthusianismus 350. Neponset Fl. 532. Neu-Almad^n 501. Neu-Braunschweig 38, 40, 41, 44, 45, 49, 110. Rückwanderung 372. Neu-England 47, 107, 208, 308, 352, 698. Ackerbau 138,439. Bergbau 480. Besiedelung 139, 368. Boden 379. Einwanderer 302, 365. Eisenbahnen 532, 555, 566. Entwaldung 470. Europaähnlich 425. Familie 709. Flüsse 540, 712 Gesch. 716. Ge- sellschaft 718. Gold 499. Industrie 519. Kirchen 642, 644. Kohlen 490. Küste 68, 79. Litt. 688. Schule 658. -Staaten 103, 305, 306, 347, 365, 564, 617. T()wns623. Verdichtungsgebiete 312. Ncu-Engländer 102. Besiedelung 368. Religion 638. Neu-Engländertum 245. Neu-Europa 308. Neu-Frankreich 47. Neu-Fundland 572. Bänke 165. Küste 45. Neu Idria 501. Register. 751 Neu-Mexiko 47, 106, 137. Bev. 303, 345. Bewässerung 394. Boden 384. Eb. 557. Gold 498. Gr. 105. Han- del 587. Rancho 461. Silber 501. Südgrenze 60. Viehzucht 406. Wie- sen 457. Neu-Schottland 45, 51, 66, 110. Neuse 545. Neue Welt 156. Nevada, Bergbau 481. Bev. 303, 345, 433. Bewässerung 394, 400. Boden 396. Chinese 296. Cy. 496. Eb. 557. Gold 496, 498. Gr. 105. Kultur- fähigkeit 385. Niederschläge 389. Ranchos46l. Rückgang 371. Schule 658. Silber 476, 499. Soda 505. Wasserläufe 390. Wiesen 405. Wüste 389, 391. Newark 327, 339. New Bedford Mass. 41, 70, 338, 593. Newburg N. Y. 253. Newburyport Mass. 41. New Hampshire 41, 42, 47, 105, 108. Bev. 345, 347. Eb. 556. Gold 499. Rückgang 208, 370, 379. Wald 471. New Haven 41, 63, 70, 338. New Haven School of Science 667. New Inlet 72. New Jersey 108, 256, 457. Bev. 305, 345. Eb. 556. Eisen 486, 550. Gr. 105. Grünsand 505. Hochland 488. Industrie 520. Kanalsystem 549. Karten 674. Küstenland 410. Obst 454. Rückgang 370. Schule 658. Staatszählung 350. Strafse 569. Wald 471. Zink 503. New London Conn. 41, 70, 593. New Orleans 6, 10, 11, 40, 41, 75, 80. 122, 389, 340, 541, 543, 561, 563. 725. Bev. 273, 313, 327, 332. Denkm. 690. Hafen 82. Itahener 360. Rhoderei 589. Schiffsverkehr 590. Theater 325. New Plymouth Mass. 63, 69, 82, 106. Newport R. I. 41, 42, 70. New Whatcom Wash. 41. New York (Staat) 122, 327, 550. Acker- bau 441, 451. Bev. 302, 305, 308, 312, 332, 345. Eisenbahnen 556, 561. Flufs 540. Grenze 50. Gröfse 105. Hopfen 452. Industrie 519, 520. Kanalsystem 545. Karten 674. Obst 453. Politik 104, 615. Rückgang 370. Salz 504. Steinöl 506, 507. Survey 675. Urwald 726. Viehzucht 458, 464, 465, 466. Wald 471. Wein- bau 456. New York (Stadt) 4, 10, 11, 41, 42, 61, 79, 80, 81, 89, 103, 105, 108, 106, 111, 339. Ausläufer 322. Bev. 114. Bibl. 668. Centralpark 324. Deut- sche 248, 256. Educational Board 658. Einflufs 724. Einwanderer 365. Eisen 486. Hafen 63. Handel 580. Häuser 323, 327, 505. Hochbahn 570. Holländer 245. Rhederei 588. Schiffsbau 589. Schiffsverkehr 590. Schule 658, 662. Staatswahlen 632. Stadtverwaltung 634. Strafsen 329. Theater 325. N. Y. nach Charleston 154. N. Y. nach Liverpool 14. N. Y. und Brooklyn 40. N. Y. und Erie 547. N. Y. und Chicago 75. N. Y. Bay 83. N.-Buffalo 366. N.-Central 547, 561, 566. N. Y. , New Haven and Hartford Conn. 563. N. Y.-Pittsburg 366. N. Y.-San Francisco 572. Nez Percös-Krieg 221. Niagara 42, 54, 552. Brücke 570. Fälle 172. Nicaragua 31, 118, 561. Niederländer 108, 244. Schiffsverkehr 591. Niederländisch-Indien, Handel 576. Niederschläge 150, 391. Nieuw Nederland 108. Nogales 41. Nordamerika und die Arktis 25. N.-A. und Westindien 4, 5. Nordamerikaner 241. Altern 700. Be- gabung 654, 699. Bewegüchkeit 701. Deutsche Bildung 250. Findigkeit 440. Geist und Charakter 100. Kriegsdienst 613. Selbstmorde 353. 752 Register. Sitten 643. Stimmung 700. Ver- brechen 706. wissenschaftliche Lei- stungen 679. Xordamerikanerinnen 151, '2il, 703. Nord-Caroüna 49, 79, 109, 134, 280, 477. Baumwolle 420. Besiedehmg 368. Bev. 305, 345. Bienen 468. Boden 379. Ebene 556. Eisen 486. Far- men 434. Gebirgsfarmer 429. Gold 499. Gr. 105. Industrie 292. Küste 154. Lagunen 67. Sklavenbevöl- kerung 262. Tabak 452. Wald 471. Wege 569. Nord-Dakota 42, 149. Ackerbau 387. Bev. 309. Ebene 557. Gr. 105. Indianer 387. Niederschläge 372. . Viehzucht 460. Norddeutscher Lloyd 11. Nord-Edisto 73. Norden, Eisenb. 559. N. -Europäer 148. N. -Germanen 253. N.-Grenze der V. St. 34, 44. N.-Staaten, Handel 112. nordmexikanische Eb. 41. Nordost- Grenze 36, 43. Nordostküste 68. Nord Pacific Eb. 22, 42, 436, 536, 561, 563. N.-Staaten 64, 616. N.St. Ackerbau 113. N.-St. CentraUs.- Tendenz IIH. Blockade 74. Schulen 657. fTber- gewicht 148. N. und Süden, Unter- schiede 112, 143. 152. Wachstum der Fläche 307. Weizenbau 407, 524. Nördliche Staatenreihe 149. N. Eis- meer 9. N. Steppenstaateu 61S. N. Südstaaten 149, 617. Nordpolforsclningon 673. Nord Utah Bahn 233. Nordwestgebiete 604. .\W. -Grenze 5,S. Nordwestliche Staaten, Eisen!). 555. Gesundheit 153. Hat'orgol)ipt 403. Nw.-Torritorinin 96. Zniinliiiic des Nordwestens 1 1 S. Norfolk Va. 68, 70. Norfolk and Western El>. 562. Normal ScIiodIs 661. North Platte, Bewäss. lOO. Norwegen, SchittHvork(;hr 59L Norweger 237, 363. Norwich Conn. 41. Nova Scotia siehe Neuschottland. Nueces 545. Nurseries 453. Nutzbare Pflanzen und Tiere 154. Nutzhölzer 477. Oak Orchard Swamps 381. Oasen 391. Oberer See 37, 52, 546. Eisenlager 451, 487, 552. Kupfer 481, 502. Obstbau 319, 410, 453. Oceanische Begünstigung 620. 0. Ver- kehr 357. Ochlokratie, (xefahr der 252. Ocmulgee Fl. 545. Oconse Fl. 230. Ocracoke Inlet 72. Öden 212. Office of Weights and Measures 674. Offiziere 635. Öffentliche Bauten 324, 690. Gesund- heit 328. Ländereien 434. Vorträge 669. Ogalalla Nebr. 463. Ogdeu-Butte Mont. 560. Ogden-Frisco Ut. 560. Ogdensburg N. Y. 42. Ohio 42, 50, 111, 114, 123, 124, 139, 144, 256, 330. O.-Canäle 530, 531, 546, 550. O.-Mündung 149. O.- Staaten 617. O.-Städte 341. 0,-Thal 110. Wein 455. Schiffahrt 48.S, 543. Ohio (St.), Ackerl)au 440, 459. Besied. 368. Bev. 241, 305, 313, 341, 345. Eisen 521. Eisenb. 556. Gr. 105. Mais 444. Obst 453. Pol. 616. Rückgang 371. Salz 504. Schafe 46(5. Schule 662. Steinöl 500. Survey 675. Tabak 452. Viehz. 464. 465. 467. Wald 471. Weinbau 456. Weizen 445. Zucker 451. Oil ('reck 507. Okifenoki-Snmpf 311. Oklahoma 183, 234, 614. Lan.l 438. (rrolso 105. Ookumene 16. Ostiaiid d. O. 189. Register. 753 Old Dominion 107, 615, 723. Old Ship Channel 55. Olive 455. Olympia Wash. 41. Omaha Nebr. 333, 338, 342, 467, 560, 610. Oneida Cy. N. Y. 464. Onondaga Salz 504. Ontario 42, 44. Ontario-See 52, 218, 313. 549. Ontonagon Mich. 42. Optimismus 716. Oquirrha Mts. 501. Orangen 411, 455. Oregon 21, 41, 76, 98, 106, 145, 149. O.-Gebiet 58. O. (Staat) Bev 303, .345. Bewäss. 394. Braunkohlen 495. Chinesen 296. Eh. 557. Fischerei 592. Flachs 449. O.-frage 99. O.-Ge- biet 117. Gold 498. O.-Grenze 105. O.-Hochland 141. Hopfen 452. Kir- schen 454. O.-Küste 77. Lachs 527. Niederschi. 390, 392. Oasen 148 Ranchos 460. Schifff. 545. Schiffs- bau 589. Verkehr 590. Schule 662. Weizen 445. Ost-0-Viehz. 405. O. Inlet 72. Organisationsfähigkeit der Massen 627. Oshkosh Wisc. 478. Ostasien, Pol. Beziehungen 606. Märkte 508. Osten , Grossindustrie 365. Landw. 378. Pol. 610. Ost und West 145. Österr.-Ungarn, Handel 576. Raum 88. Österreicher 237, 363. Oswego 42. O.-Flufs 549, 553. Oswego- u. Champlain-Kanal 549. Ottawabund 205. Owens R. Mts. 500. Oxford Mass. 257. Ozokerit 508. Pacific Junction la 561. Pacific Mail S. S. Cy. 590. Pacificbahn 4, 119, 560. Pacifische Gestadeländer 130. P. Kul- turmacht 22. P. Küste 65, 68. P.' Ratzel, Die V. St. von Amerika. Rhederei 588. P. Küsten wald 470. P. Seite 9, 20, 603. P. Staaten 439, 618, 620. P. Staaten von Südamerika 605. P. Staaten, Ack. 400. Eisenb, 555. Einw. 365. Padre- Insel 76. Pah -Ute 211. Palmer Land 24. Patos I. 59. PamUco-Sund 72, 78, 549. Pamlico- und Albemarle- Sund 66, Panama 99. P.- Eisenb. 98. P.-Con- grefs 116. Panamakanal 27. Panamerican Trade 580. Panamerikanische Bestrebungen 7. P.- Congrefs 604. Papierfabriken 526. Paris Me. 503. Paris, Friede von 110. Parish 623. Parke 171, 324, 475. P. Range 127. Parker Pa. 507. Parkersburg 562. Parteien 628. Paso del Norte 537. Passamoquoddy- Bucht, 51, 36. Passagierdampfer 357. Pässe der Gebirgsbahnen 129. Patapsco Fl. 544. Patente 513. Paterson N. J. 339. 520. Pawtucket Ind. 519. Pay Dirt 498. Peace R., Schiffsverkehr 590. Peapack N. J. 504. Pearl Fl. 25, 25. Peccatonica Fl. 503. Pechföhre 477. Pecos 144, 394. P.- Mündung 125. P.- Wüste 127. Pekannüsse 455. Pelztiere 162. Pembina 42. Pennsylvanien 41, 42, 50, 63, 109, 269, 3ü2, 306. Ack. 441. Anthracitlager 490. Bev. 305, 308, 312, 345. 48 754 Register. Dutschmen 245. Eisen 486, 488, 521. Eisenbahn 548, 556 Gebirge 129. Gr. 105. Industrie 520. Kancäle 548, 550. Karte 673. Kohle 324, 492. Schule 662. Steinöl 481, 506. Sur- vey 675: Tabak 452. TJniversity 697. Viehzucht 464, 465, 466. Wald 471, 726. Zink 503. Pennsylvania and Ohio R. R. 561. Pennsylvanier 245. Penobscot Bay 81. Pensacola 41, 75, 340. Schiffahrt 590. Peonenarbeit 269. Peoria 338. Perdido Fl. 35, Peripherie 36. Perry 454. Perth Amboy 41, 71. Peru 92. Handel 576. Eisenb. 584. Petersburg Pa. 550. Pferde 201, 464. Pfirsichbaum 454. Pflanzer 424, 430. P.-Aristokratie 139, 712. Pflaumenbaum 454. Philadelphia 10, 40, 41, 68, 71, 80, 106, 111, 245, 324, 339. 526, 550. Bev. 302,323,327,332. Hafen 82. Häuser 505. Lidustrie 519. Rhederei 588 Schiffsbau 589. Schiffsverkehr 590. Steinöl 507. Weltausstellung 512. Philadelphia -Reading E. B. 548. Philippeaux I. 52. Philippinen, Handel 576. Phrasenkultus 670. Piedmont - Region 132. Piedras Negras 561. Pierraont N. Y. 561. Pigeon Bay 57. P. Point 57. Pike 57. Pillar Point 59. Pilot Knob 488. Pine Barrens 79, 379. P. Lands 475. Pinc I. 60. Pine R. Bay 57. Pinerif'H 478. Pimis Laitilicitiauu 170. P. palustris 470. Pipe Lines 507. Piscataqua 69. Pittsburg 110, 123, 324, 338, 340, 490, 526, 542, 550, 553. Eisen 487. Kohlenbecken 308. Rhederei 589. Soolen 506. Steinöl 507. Wohn. 327. Pittston Pa. 491. Placer Cy. 496. Plains 125. Plank Road 568. Plantagenbau 112, 147, 451. Platanen 413. Platin 504. Platte R. 126, 129, 309, 395, 474, 537, (510. Plumas Cy. 496. Plymouth Mass. 3, 41, 491. PlyniDuth Rock 63. Pocahontas 216. Pocatello - Umatilla PortlanS. Thomas, Erwerbung 605. San Antonio 41, 384, 610. San Bernardino Cy. 503. San Carlos Reservation 222. San Diego 41, 61, 63, 68, 77, 561, 590. San Diego- Galveston 75. San Domingo 31, 118. San Francisco 10, 20, 21, 40, 41, 61, 64, 342, 560, 610. Anfänge 81. Bev. 313, 332 S. Fr., Bucht von 77. Fischf. 593. Handel 580. Schiffs- verkehr 590. -Oakland 338. Regen. 390. Rhederei 588. Schiffsbau 589. Verk. 536, 569. S. Fr.-New-York 27. San Jacinto 116. San Joaquin 537, 545. San Juan-Archipel 31, 59, 63, 77. San Juan de Fuca-Strafse 77. San Juan-Goldlager 483. San Lazaro Mts. 494. San Luisflufs 127. San Luis Obispo 501. San Miguel 568. San Vincent 42. Santa Barbara 41, 63, 501, 593. Santa Clara Cy. 501. Santa F6. 129, 536, 537, 563, 588. 607. S. Helena 73. Sandusky-Kanäle 42, 531. Sandwich-Inseln 11, s. Hawaii. Sandy Hook 41. 62. 71. Santee-Flufs 30, 545. Sapello-Flüfschen 508. Satura, Insel 59. Sault Ste. Marie siehe S. Marys Falls. Savannah (Stadt) 41, 68, 73, 273, 339, 340. Bucht 14. S.-Flufs 73, 129, 545. Schiffsverkehr 590. Verk. 569. S., Americus and Montgomery Eb. 562. S.-El Paso 123. Shakamaxon 109. Schamanen 202. Scharlachfieber 352. Schatzamt 608. Schekomeko N. Y. 253. Shenandoahthal 128. Schenectady 549. Schiffbare Flüsse ö39. Schiffsbauhöbcer 160. Schneedecke 147, 391, 404. Schnee- stürme 383. Schotten 249, 330, 363, 664. Schule 655. Frauen 703, 705. Schulhäuser 325. Schulbildung der Neger 286. Schuylkill 71. Kan. 548, 550. Schwarzeiche 477. -Fichte 477. -Kirsche 472. Schweden 109, 237, 244, 253, 646. Schw.- Norw^egen, Handel 576. Schiffs- verkehr 591. Schwefel 505. Schweinefleisch -Verbrauch 408, 722. Schweine 466. Schw.- Zucht 432, 467. Schweiz 37. Handel 576. Schweizer 237, 254. Schwerspath 505. Schwindsucht 153. Scientism 654. Scouts 217. Scranton Miss. 41, S. Pa. 339, 491. Scuppernong 456. Sea Islands 30, 73, 80. Seattle 41, 77, 338, 495, 561. Secession 149. S. -Krieg 465. S. -Motiv 118. Seefischei'ei 591. Seemachtstellung der V.St. 12, 28. Seengebiet 49, 101. Bev. 305. S.-Gebiet Städte 340. S. -Kette zur Hudsonsbai 66. S. als Stauwerke 396. S.-Wege nach Nordamerika 11. Seideneinfuhr 468. S.- Industrie 619, 721. S.-Zucht 468. Sekten 641, 708. Selbstmorde 353. Selbständigkeit der Einzelstaaten 614, 615. Select Men 623. Selma AI. 562. Seminolenkrieg 140, 220, 232. Seneca-See 230, 549. 75.^ Register. Sentimentalism 670. Sequoia 473. Seuarit 226. Sevier Mts. 501. S. Cy. 504. Shamokin 491. Shawuie 212. Shed 317. Shelby Junction 42. Shenandoa Cy. 491. Sherman Wy. 386. Sherringham 59. Shiks-Inseln 53. Ship Island 30. Short Stapled Cotton-Zone 413. Shoshone 196. Sierra Cy. 496. Shreveport La. 542, 563. Sierra di S. RafEael 41. Sierra Nevada 51, 498. Signalcorps 612. S. Service 671. Silber 132, 499. Silverbow 501. Silver Islet 501. Sioux 222, 225. S. Cy. 467. S. Falls 708. Sippican 70. Sister-InseLa 55. Sittlichkeit 705. Sklaven, Befreiung der 262, 651. Skl.- Frage 113. Skl.-Staaten 100,308. Skl.- Staaten, Farmen 292. Skl.-Züchtung 264. Sklaverei 118, 134, 153, 182, 237, 267, 290. Slate Range 500. Slavische Grubenarbeiter 360. Small Grain Belt 413. Smith-Eiland 30, 51. Smithsonian Institution 671, 681. Smithsund 24. Snags 541. Snake R. 395. Soldaten 610, 711. Solid South 617. Sommerville 339. Sonora 21, 117, 588. Sonorians 259. Soo 552. Sorglium 450. Southern Pacific Co. 560. South Pueblo 563. Southwest Point 31. Sozialisten 518, 629. Soziale Schichtung 718. Spadra-Coal 493. Spanien, Eisenerze 487. Handel 576. Schiffsverkelir 45, 591. Spanier 106, 237, 257, 363, 439, 463, 480. Spanisch- Amerikaner 21. Sp.-amerika- nische Republiken 93. Pol. Bez. 116. Sp.-Kalifornier 258, 482. Sp. Pferde 464. Sphäre des Südens 369. Spofford 561. Spokane 562. Sprachenzwang 250. Springfield Mass. 339. Squads 292. Squatters 435.^ Squaw I. 55. Squaw-men 217. Squirrel 55. Staat, der Indianer 204. Stammesbünde 205. Staten Island 71, 334. Städte 316, 346. S -Gruppen 339. S.- Verwaltung 327. Stadt. Bev. 330. Staat-Einzigkeit 616. Staaten 597. St.-Bildung 433. St.-Wachs- tum 119. Staatsmänner 626. Stadt 321. Städtearme (rebiete 338. St.- Bildung 337. St.-Charter 623. St.- Individualität 325. St. -Puget Sund 338. Städtereiche Gebiete 337. St.- Zug nach den, .330. Städtische und läiidli(;he Interessen 337. Star-System ()91. State Surveys 674. State Universities 662. Steinkohlenformation 135, 489. Stein land 435. Steinol 136. Steppe, l'ev. 145. St.-Grenzstrich 305. St.-ElKciihidincii 388 St.-Graswuchs Register. 759 383. St. -Gebiet 402. St. -Heu 383. St.-Zukunft 388. St.- Viehzucht 405, 463. SterbUchkeit 328, 350. Stevens Institute 667. Stewart I. 59. Stiller Ocean 6, 10, 11, 58, 62, 87. St. Oc, Fischerei 592. St. Oc, politisch 120, 603. St Oc, Schiifsstationen 613. St Oc, Städte 342. Stimmenfälschung 630. Stirüng N. J. 503. Stockton 545. St. Schooners 568. Stonington Conn., Fischf. 593. Stony Mountains 57. Store 321, 582. Story I. 55. Strawberry I. 55. Strafsen Ö67. St. der Städte 323. StraXseneisenbahnen 570. Sturap Füller 523. Sturbridge 504. Sturgeon Bay - Ship Kanal 554. Sturmfluten 175. Subhumid Region 392, 396. Suburban Farmer 322. Südamerika 6. S., Eisenbahnbau 98. S., Handel, 576, 580. Südamerikaner 237. Südatlantische Städte 340. Süd-CaroUna 49, 67, 109, 134. Acker- bau 420. Besiedel. 368 Bev. 345. Eisenb. 556, 562. Gold 499. (ir. 105. Küste 73, 78. Neger 279. Phos- phorit 505. Reis 453. Sklaverei 615, 262. Wald 471, 477. Süd-Dakota, Ackerbau 387. Ebene 557 Flachs 449. Ges. 708. Gr. 105. Sioux in Süd-Dai;ota 229. Weizen 388. Südgrenze 37, 60. Süd-KaUfornien 389, 391, 401, 406, 455. Südpacific-Bahn 41, 130, 561. Süd-Pafs 129. Süd -Platte 461. Stidstaaten 145, 616. Ackerbau 113. Auswanderung 373. Bev. 278, 353. Bildung im Süden 654. Eiuw. 365. Farmer 429. Eisenb. 5Ö9, 564. S.- Grenzstaaten 280. Grofsgrundbesitz 431. Industrie 487, 519. Krieg-Geist 711. Kultur 616. Küste 64. Süd- licher Küstenwald 469. Landarbeit 154. Landschaft 319. Schulen 657. Nördliche Südstaaten 149. Südliche Steppenstaaten 618. Süden und Westen 620. Süden, Verkehragebiet 538. Vernegerung 281. VoLkszahl 146. Weifse Rasse 241, 290, 292. Wiesen 458. Südwesten 555, 618. Südwestgrenze 60. Sugar- Insel 55. Summit-Pafs 129. Sumpfwälder 139. Sümpfe 139. S., Austrocknung 141. Superior City 42, 340. Susquehanna 68, 71, 139. Susquehanna - Kanäle 530, 548, 550, Süfse Kartoffel 447. Suwanee R. 554. Swan I. 422, 605. Swanton Junktion 42. Sweet Grafs 42. Sweet Gum 477. Syracuse 338. Sulphuret 500. Sumachs 510, 524. Sutro-Stollen 500. Tabak 147, 440, 451. T. Boden 135. T. Einf. 452. Tacoma 41, 561. Tahoe S. 396. Tamaqua Pa. 491. Tampa 41, 68, 75, 338. T. Bay 554. Tannen 473. Tar 545. TarVjorough 545. Tarif frage 115. Tatuch Island 59. Taxodium 473, 477. Taxodien, Reich der 79. Tecumsee 220. Tehama, Kalifurnien 456. 760 Register. Tejon-Pafs 131. Telegraph 511, 571. Tellur 504. Temperaturgegensätze 478. T.-Zonnen 281. Tenement-Häuser 323. T. Wards 327. Tennessee-Fl. 112, 124, 129, 134, 149. Schiffbar 543. Wasserhöhen 125. Thal 489. Tennessee (Staat) 338. Ackerbau 420. Baumwolle 412. Besiedelung 368" Bev. 305, 312, 313, 345. Bienen 468. Boden 379. Eisen 486. Eisenbahn 556. Farmen 434. Gebirgsfarmer 429. Grenze 105. Industrie 292. Kanäle 530. Kohlen 492. Kupfer 502. Neger 183, 280. Rückgang 371. Steinöl 506. Tabak 452. Wald 471. Zucker 451. Tennessier 241. Terre Haute 551, 562. Teutonen 256. Teutonische Provinz 148. Texarkana Ark. 332. Texarkana Tex. 332, 563. Texas 35, 47, 48, 60, 88, 98, 106, 112, 713. Aufnahme 117. Auswanderung 869. Besiedelung 368. Bev. 303, 305, 313, 345. Boden 380. Brunnen 397. Ebene 557. p]rwerbung 116, 442, 602. Farmer 462- Flüsse 125. Gr. 105. Kohlen 493. Kohlenfeld 137. Küste 30. Landverteihing 431. Neger 280. Prärie 458. Ranehos 460. Salz 504. Schafe 465. Schule 658. Silber 501. Steinöl 507. Verk. 538. Viehzucht 406, 465. Wald 471. Weizen 488. ZuiKihnu! 371. T. and I'acific 41, itdÜ. Textilindustrie 518. Thaiiie.s 70. Thousand Islands 543. Tidewater Land 78. Tiefland-Gewässer 422. T.-StrcitVn 379. Tien; der Neuen Welt 160. 'ngr(! Insel 605. rinne 196. Titusville Pa. 41, 506. Todesstrafe 283, 622, 707. Toledo O. 42, 551. Tomahawk 197. Tongue Point 59. Tornados 175. Toronto 330. Tortugas 74. Town und Townshij) 328, 623. Traberzucht 465. Transandinische Bahnen 98. Transatlantische Dampfer 571. Trenton N.J. 339, 527. Trestle Works 570. Trinity R. 125. Troy N. Y. 338. Truck Farming 459. Trunksucht 467. Trusts 584. Truthahn 166, 468. Tscherokie 195, 212, 230, 232. Tsch. östliche 223. Tschikasa 232. Tschinuk 196. Tschokta 232. Tschuktschenland 25. Tulpenbaum 472. Türkei, Handel 576. Tule-(Marsch>Striche 297. Tuolumne Cy. 496. Tuscarora 220. Tuscaloosa AI. 545. Tybee 73. Typhus 328. Ubergangsstaaten 617. tj bergreifende Rechte 44. tJberHchwemmimgen 175. Uhren 525. Uinta 211. Tlklah 41. Ulme 319. Union Pacific 232, 309, 397, 560, 563. Universitäten 661. Univcrsity ICxtension 666. Unter-Kalifornien 21. Untcrriciit der Taulistuininen 6(58. Register. 761 Unterrichtsamt 607. Unterrichtsanstalten 655. TTruguay, Handel 576, 579. Urwald, Ansiedler 417. U. S. and Brazil S. S. Cy. 590. Utah 145. Ack. 392, 396. Bergbau 481. 494. Bev. 203, 345. Bewäss. 394, 398. Blei 503. Brunnen 397. p:b. 557. Gold 496, 498. Gr. 105. Kohlen 494. Kulturfähigk. 385. Kupfer 502. Ranchos461. Silber 500. Verk. 569. Viehz. 406, 407. Wüste 389. Utica N. Y. 338. Valentia 572. Van Buren 368. Vancouver 29, 31, 58, 59, 561. V. Bar- racks 610. Vancouver-Hawaii 26, 27. Vandalia 111. 562. Van Wye Point 544. Vegetationsgebiete 408. Venezuela 92. Handel 576, 579. Veracruz 561. Verdichtungsgebiet 308, 313. Verkehr. Anlage 122. Entwickelung 89. Grundhnien 535. Verkehrs- wege 366. Vermont 42, 112. Besied. 368. Bev. 305, 345. Eb. 556. Grenze 42. Kupfer 502. Rückgang 370. Viehzucht 464. Wald 471. Zuck. 451. Verschiebung nach Westen 104. Verschuldung der Gemeinden 634. Vicksburg 341. Victoria 29. Viehzucht 138, 200, 201. Gebiete 406. Klima 403. Ausfuhr 464. Viehzüchter, pohtische Macht 462. Virginia 41, 49, 50, 51, 84, 107, 112, 114, 134, 149. Auswanderung 369. Baumw. 412. Bev. 305. Eb. 556. Eisen 486. Farmen 434. Finanzen 634. Flüsse 540. Gold 499. Gr. 105. Halbinsehi 66, 71, Hochäcker 379. Indianer 220. Kolonien 128. Küsten- landschaft 77. Neger 280. Obst 454. Pol. 615. Rückgang 371. Sklaven- bevölkerung 262. Sklavenzucht 272. Tabak 439, 452. Wald 471. Wein- bau 456. V. City. 342. 498. Virginian 244. V. Sea 71. Vögel 164. Volks-Charakter 186. V.-ldealo 103. V.-Schulen 65J). V.-Zahl 301. Volkszählungen 679. Völkerfossile 247. Völkerwanderungen 438. Vulkane 175. Wabash, Kanäle 531. Wabash-Erie 551. Wachstum nach Westen 104. W. der Volkszahl 343. Waffen 525. Waghalsigkeit 484. Wahlgeometrie 630. Wahh-echt 624, 626. Wahsatch Mts. Irrigation 385, 392. W.- Gebirge-Viehzucht 405. W.-Wege 309. Wald 160, 469. Brände 475. Gebirgsw. 128, 133. W. der Bottoms 413. Farmer 463. W. Land 469. Nomaden 204. Pflege 473. W. Provinzen 469. -reiche Staaten 466. W. Staat 478. Statistik 471. Verwüstung 707. Wirtschaft 477, 574. W. Zone 471. Wäldersee 36, 37, 57, 58. Waldoboro Me., Rhederei 588. Schiffs- bau 589. AValdpole I. 55. Walfischfang 25, 591. WaUiser 482 Wallula Wash 561. Walnufs 472. Waltham Mass. 526. Wandertrieb 366. Wankesha 561. Wappen der Union 164, 636. Wärme 144. Warren 0. 550. Warren R. I. 70. Warsaw I. 73. Washington (Staat) 21, 41, 106, 130. 762 Register. 145, 149. Bev. 345. Braunkohlen 495. Chinesen 296. Eb. 41, 557. Gr. 105. Hafer 401. Hopfen 452. Küste 76. Niederschi. 390. Ranchos 460. Schiffsbau 589. Städte 342. Verk. 562. Wald 471. AVei- zen 406. Washington D. C. 40, 67, 324, 339. W., die pohtische Hauptstadt 333. SterbUchkeit 273. Kapitel 690. Wohn. 327. Vertrag 45. W. nach Detroit 531. W. nach S. Louis 531. Washington, Texas 545. Washington-See 131. Washington-Sund 59. Washoe 485, 500. Wasserfront 545. Wassergrenzen 37, 48. Wasserkräfte 522. Wasserreis 156. AVateree Fl. 545. Waterford N. Y. 544. Watertown N. Y. 42. Webber 396. Wege 123. Weinbau 455. Weineinfuhr 456. Weinreben 150, 157. Weifseiche 477. Weifsesche 477. Weifsföhre 477, 472. Weifse und Indianer 218. W. und Neger 180. Weifskappen 707. Weizen 382, 408, 441, 444, 445. Bau 138, 147. Gebiet 402, 406, 420. Welland-Kanal 544, 546. Werkzeugmaschinen 52"). Westen, der alte 313. Bev. 353, 365. Einwand. 365. Eisenb. 560, 564. Flufsdampfer 545. Land 365, 433. Loere Stollen 311. I'ol. 620. Schaf- iind Rinderherden 150. Schulen 657. Wirkungen 146. Wüste 382. W.- Indien 6, 66. W.-Indier 237. W.- Indion, Handel 576. W.-indischc lünflüHse 204. West Point, Military .\<;i^;^'