VERGLEICHENDE ANATOMIE DES
NERVENSYSTEMS.
Vergleichende Anatomie des
Nervensystems
VON
C. U. ARIENS KAPPERS
UND
JE. B. DROOGLEEVER FORTUYN,
IIAAKLHM
DK I KVHN I-. BOHN
I<»20.
VERGLEICHENDE ANATOMIE
DES NERVENSYSTEMS.
ERSTER TEIL:
DIE LEITUNGSBAHNEN IM NERVEN.
SYSTEM DER WIRBELLOSEN TIERE
VON
JE. B. DROOGLEEVER FORTUYN
Lector der Histologie. Reichs-Universität Leiden.
Mit 116 Abbildungen im Tekst.
HAARLEM
DE ERVEN F. BOHN
1920.
tu^
Aä
an mijn vrouw.
VORWORT
zum ersten Teil.
Veranlassung zum Schreiben dieses Buches war, daß Dr. C. U. Ariens
Kappers den Wunsch aussprach, es möge in Anschluß an seinem Werke über
die Vergleichende Anatomie des Nervensystems der Wirbeltiere und des
Menschen eine Uebersicht über das Nervensystem der Wirbellosen geschrie-
ben werden.
Schon bald nachdem Dr. Ariens Kappers mit diesem Wunsche zu mir
gekommen, war es mir klar, daß ich denselben nur zum Teil zu erfüllen im
Stande sein würde.
Eine Uebersicht zu geben über den ganzen äußern und inneren Bau
des Nervensystems der Wirbellosen, war mir nicht möglich. Doch schien
es mir gewünscht eine Zusammenfassung zu geben von dem, was über die
Leitungsbahnen im Nervensystem der wirbellosen Tiere bekannt ist, um-
somehr, da es über diesen Teil des Baues des Nervensystems keine Sammel-
werke gibt, wie solche über den äufJern Bau desselben bestehen und
weiter, weil dieser Teil in Verbindung mit der Physiologie des Nerven-
systems wohl der wichtigste genannt werden darf.
Die kritische und vergleichende Literatur-Uebersicht über die Leitungs-
bahnen der Evertebraten, die in folgendem gegeben wird, ist dadurch ein
Werk geworden, das nicht nur durch die Behandlungsweise, worin ich mich
nicht mit Dr. Kappers würde vergleichen wollen, sondern auch durch den
Aufbau deutlich sich von dem Buche Dr. Kappers unterscheidet. Daß dieser
trotzdem bereit ist, es unter gemeinschaftlichem Titel erscheinen zu lassen,
ist etwas, für das ich ihm auch an dieser Stelle herzlich danke.
Die Niederschrift dieses Buches war Ende 1916 bereits einmal abge-
schlossen, doch verhinderten damals die Verhältnisse den Druck,
Inzwischen hatte mein Lehrer, Prof. Dr. C. Ph. Sluiter, Professor
der vergleichenden Anatomie in Amsterdam, die Güte, die Arbeit durch-
zusehen, wofür ich ihm sehr dankbar bin.
Die von ihm erhaltenen Anweisungen, wie die seitdem erschienene
Literatur habe ich benutzt, gewisse Teile des Werkes umzuarbeiten und
ihnen die vorliegende Form zu geben.
Es muß weiter noch erwähnt werden, daß die Herausgabe des Werkes
sehr erleichtert worden ist durch eine staathche Subvention, für deren
/ Sri .^F
VIII
Zuwendung auch ich S. Exz. de Visser, dem Minister für Unteixicht,
Kunst und Wissenschaften meinen Dank ausspreche.
Daß außerdem die Firma tle Erven F. Bohn in Haarlem auf Dank-
barkeit meinerseits Anspruch machen kann, ist selbstverständUch.
Ich habe beabsichtigt die hier folgende Literatur-Uebersicht so voll-
ständig, wie möglich zu machen. Es ist aber selbstredend daß darin noch
Lücken vorkommen. Ich werde es sehr schätzen, wenn der Leser mir auf
diese Lücken aufmerksam machen will oder mir andere zweckdienliche
Angaben zugehen läßt.
A. ß. Droogleever Fortuyn.
Leiden, Anatomisches Kabinet, Mai, 1920.
EINLEITUNG.
Die Kenntnis des Weges, welchen der vom tierischen Körper empfangene
Reiz durchläuft, ist zum völhgen Verständnis der Funktion des Nervensys-
tems unentbehrHch. Deshalb hat die mikroskopische Anatomie des Vertebraten-
hirns in den letzten Dezennien so viel Interesse erweckt, daß sie für eins
der in letzterer Zeit am meisten bereicherten Gebiete der Anatomie gelten darf.
Dasselbe kann man nicht sagen von der mikroskopischen Anatomie des
Nervensystems der Evertebraten. Dafür sind mancherlei Gründe anzuführen
und wenn in diesem Buche versucht werden wird eine Literaturübersicht,
nicht über die ganze mikroskopische Anatomie des Evertebratennerven-
systems, sondern nur über den Verlauf der Leitungsbahnen zusammenzu-
stellen und dabei die lückenhafte Ausarbeitung dieses Gebietes gar zu sehr
zu Tage treten wird, ist es vielleicht nützlich und angebracht diese Gründe,
so weit ich sie sehe, hier mitzuteilen.
Das Problem des Verlaufs der Leitungsbahnen besteht bei Vertebraten
namentlich für das Zentralnervensystem. Im peripheren Nervensystem ist
man darüber entweder genugsam unterrichtet oder, wie im symphathischen
Nervensystem, die ganze Reizleitung ist so diffus, daß es uns bis jetzt nicht
darauf ankommt bestimmte Bahnen zu kennen. Anders bei den Evertebraten.
Was man hier anatomisch gesprochen gewöhnlich Zentralnervensystem nennt,
ist bei weitem nicht so scharf, wie bei den Vertebraten vom peripheren Nerven-
system zu trennen. Bei den Echinodermen z.B. bestehen Kontroversen darüber,
ob man nur den Nervenring oder auch die Radialnerven oder selbst die letzten
allein als nervöses Zentrum anzusehen hat. Und ruft man den mikroskopisclien
Bau der betreffenden Organe zu Hilfe, so verschwindet der Gegensatz zwischen
zentralem und peripherem Nervensystem immer mehr, am meisten freilich bei
den niederen Wirbellosen. Ich habe es daher für notwendig gehalten im Fol-
genden die Leitungsbahnen des ganzen Nervensystems zu betrachten.
Die Anatomie des Nervensystems der Wirbeltiere bietet nach zwei Rich-
tungen Anhalte für das Studium der Leitungsbahnen. Erstens weiß man
dort doch im allgemeinen bestimmt ob ein Organ ein Nerv ist oder nicht und
wieviele solcher Nerven dem Gehirn entspringen. Nicht also bei den Everte-
braten. Widersprüche über die Zahl der Nerven, welche dem Hirnganghon
der Insekten entspringen, sind gar nicht selten und die Homologisierung der
DROOGLEEVER FORTUYN. 1
2 EINLEITUNG.
verschiedenen Nerven wird dadurch sehr erschwert und doch gehören die
Insekten zu den Wirbellosen, welche das spezialisierteste Nervensystem auf-
weisen, dessen Unterteile also am besten erkennbar sind. Bei den Coelenteraten
aber ist es noch heute sehr schwer Nerven und Ganglienzellen als solche zu
erkennen und sind oft, wie man später sehen wird, grobe Fehler begangen.
Ich glaube, daß solches weniger auf Rechnung eines Entbehrens spezifischer
Merkmale zu schreiben ist, als eines Entbehrens geeigneter Darstellungs-
niethoden. Sind doch die meisten üblichen histologischen Färbungsmethoden
an Vertebraten gefunden und den Wirbeltiergeweben angepaßt. Ob noch
zu findende, besonders für diese oder jene Gruppe von Evertebraten brauch-
bare Methoden die Elemente ihres Nervensystems einmal be.sser darstellen
werden oder nicht, heute ist jedenfalls bei vielen Wirbellosen das Studium des
Nervensystems technisch bei weitem schwieriger als bei Vertebraten.
Ein zweiter Umstand, welcher das Studium des Vertebratennervensys-
tems dem der Evertebraten gegenüber erleichtert, ist die geringe Zahl der
Typen, wonach dasselbe gebaut ist. Wenn man spricht von einem Säuger-
hirn oder einem Vogelhirn, so mag man darunter noch ziemlich weit aus ein-
ander gehende Gebilde zu verstehen haben, man braucht doch nicht sehr tief
in die Zoologie eingedrungen zu sein um von der Form und den Verhältnissen
der Teile einen allgemeinen Begriff zu haben. Wiederum anders bei den Wirbel-
losen, insbesondere bei W^ürmern, Mollusken und Arthropoden. Die Ganglien,
welche hier das Zentralnervensystem zusammensetzen, sind in so abwech-
selnder Weise vorhanden und zeigen so mancherlei Anordnungen und gegen-
seitige Verhältnisse, daß man bei den Arthropoden z.B. zwar sagen kann,
daß sie einen Bauchstrang und Schlundring besitzen, aber daß man dann
ja noch gai- nicht weiß, wie diese Teile gebildet sind. Ohne Zweifel erschweren
die vielen anatomischen Grundtyi)en des Evertebratennervensystems dessen
Studium und das Erhalten einer Grundlage für mikroskopische Untersuchun-
gen erheblich. Daher auch der relativ geringe Zusammenhang, welchen man
zwischen den bis jetzt publizierten Arbeiten findet und der Mangel an all-
gemeinen oder übersichtlichen Resultaten.
Auch histologisch bestehen, besonders was den Verlauf der Leitungs-
bahnen anbelangt, bei den Wirbellosen viel größere Schwierigkeiten als bei
den Wirbeltieren, weil die Neuronen hier gewiß nicht die einzig vorkommen-
den Formclemente des Nervensystems sind, wie man auch darüber bei den
Wirbeltieren denken mag. Der histologische Begriff einer nervösen Leitungs-
bahn entstammt zweifelsohne dem Reiche der Wirbeltiere. Dort, wo man in
jedem Zentralnervensystem dicke Bündel Nervenfa.sern größere Strecken
verfolgen und experimentell den alleinigen Wegfall eines einzelnen Bündels
hervorrufen kann, tut sich histologisch der Begriff einer bestimmten von dem
Reiz durchlaufenen Leitungsbahn auf, so gut wie man auch in der Physio-
logie diesen Begriff nicht entbehren kann. Aber es läßt sich fragen, ob es
auch bei Wirbellosen diese festen Leitungsbahnen gibt und eine kurze, prin-
zipielle Beantwortung dieser Frage darf gewiß nicht unterlassen werden in
einem Buche, worin eine Uebcrsicht über das hinsichtlich dieser Bahnen Be-
kannte gegeben werden soll.
EINLEITUNG.
Da sei denn zuerst die Bemerkung gemacht, daß unter den Wirbel-
losen die Evolution des Nervensystems, wie man es bei den Vertebraten
findet, stattgefunden haben muß und da ist es schon von vornherein recht
unwahrscheinlich, daß ein so spezialisiertes Ding wie eine Vertebratengang-
lienzelle (Neuron) ist, die einfachste Form einer Nervenzelle sein würde.
Tatsächlich findet man auch, und darüber sind alle Forscher einig, bei nie-
deren Wirbellosen wie Coelenteraten Ganglienzellen, welche bi-oder multipolar
sind, aber zwischen deren Fortsätzen (mit Ausnahme des Falles, daß
sie sich bisweilen direkt den Sinnesnervenzellen oder Muskelzellen anschließen)
kein Unterschied besteht, woran man also auch keine Dendriten und keinen
Neurit unterscheiden kann und welche mittels ihrer protoplasmatischen
Verzweigungen mit ihren nächsten Nachbarn zusammenhängen, wobei die
Fortsätze breit und unstreitig direkt in einander übergehen (Fig. 4, S. 13).
In diesen Fällen kann man nicht von bestimmten Leitungsbahnen sprechen,
weil der Reiz ebensogut nach dem einen wie nach dem anderen Nachbarn
der gereizten Zelle abfließen kann.
Aber sobald man höhere Wirbellose, wie Arthropoden oder Mollusken
oder Würmer studiert, so findet man auch hier Nervenfaserbündel größere
Strecken zurücklegen und es läßt sich fragen, ob man berechtigt ist hierin
auch Leitungsbahnen zu sehen.
Da soll man zuerst Stellung nehmen gegenüber der Neuronenlehre,
wie sie von Retzius, Cajal u.a. auch im Gebiete der Wirbellosen angewandt
worden ist. Die Neuronenlehre umfaßt zwei Hauptsätze. Erstens : die Neu-
ronen sind die Formelemente des Nervensystems und zweitens : die Neu-
ronen sind nicht unmittelbar durch ihre feinsten Fortsätze mit einander
verbunden. Ich glaube nun, daß die Ganglienzelle mit oder ohne ihren spe-
ziellen Charakter als Neuron tatsächhch überall das histologische Element
des Nervensystems ist, daß es aber in der Literatur viele Beweise dafür
gibt, daß der zweite Satz bei den Wirbellosen nicht gilt. Aber sie hat für
unsere Kenntnis der Leitungsbahnen nur einen untergeordneten Wert, denn
der Reiz setzt sich jedenfalls von dem einen Fortsatz oder Neuron auf den an-
deren fort. Vor allen Apathy, welcher als erster den ununterbrochenen Zu-
sammenhang aller Neurofibrillen im Nervensystem entdeckt hat, aber auch
Haller und bisweilen Bethe, welche ebenfalls die Fortsätze der Nerven-
zellen in einander übergehen lassen, sehen im Zentralnervensystem der Wir-
bellosen ins besondere im neuropilema (oder Leydigs Punktsubstanz) ein
diffuses System von Leitungsbahnen, das heißt, der Reiz, in einem bestimm-
ten Punkte diesem diffusen Netze zugeführt, kann nicht einem oder höch-
stens einigen wenigen Wegen folgen, sondern von diesem Punkte mit oder
ohne Durchgang von einem oder mehreren GangUenzellkörpern jeden be-
liebigen anderen Punkt des Nervensystems erreichen. Wenigstens wären
dagegen keine histologischen, nur eventuell physiologische Tatsachen anzu-
führen und dabei könnte also von einer histologischen Erforschung der Lei-
tungsbahnen nicht die Rede sein.
Ich glaube, daß man sich den Bau des Nervensystems so vorzustellen
hat, daß da, wo das Reagieren auf Reize des Tieres nicht mehr oder weniger
4 EINLEITUNG.
unbestimmt ist, wo auch eine diffuse Reizleitimg genügen würde, wie so oft
bei Coelenteraten und im sympathischen Nervensystem, sondern der Reiz
freilich sehr viele, aber doch deutlich erkennbare Reaktionen zur Folge hat,
ein gruppen weiser Zusammenhang der Ganglienzellen besteht, wie dieses
von DoGiEL, dem später andere folgten, schon immer und schon an vielen Stel-
len seit langem hervorgehoben worden ist. Diese Gruppen sind keineswegs völlig
gegenseitig unabhängig, sondern in bestimmter Weise mit einander, wenn
man will zu Gruppen höherer Ordnung, verbunden und das ganze
Nervensystem wird schUeßlich oft nur eine Gruppe sein. Jede Ganglienzelle
darin ist aber nur mit wenigen anderen Ganglienzellen unmittelbar verbunden
und durchaus nicht mit fast jeder beliebigen Ganglienzelle des ganzen Nerven-
systems. Bei solcher Auffassung sind die Resultate der Forscher, welche
Fortsätze verschiedener Ganglienzellen in einander übergehen sahen, aner-
kannt, aber auch die Vorteile, welche die Neuronenlehre betreffs der Reiz-
leitung bietet, gewürdigt. Bethe (1903) vertritt in seinem Buche über die
, .Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems" (S. 44) Ansich-
ten, womit die soeben gegebenen übereinstimmen, welchen aber von anderen
Stellen und einigen seiner F'iguren (Fig. 41) Avidersprochen wird.
Icli werde also im Folgenden, falls nicht anders gemeldet wird, be-
sonders in den Schemata mit Neuronen arbeiten, dabei aber immer voraus-
setzen, daß iiire Fortsätze mit einander anastomosieren können.
Von den vielen Weisen, worauf man bei Vertebraten Leituugsbahnen
dem Auge siclitbar machen kann, entbehren wir bei den Evertebraten die
bequemste, die Markscheidenfärbung nach Weigert, weil Markscheiden nicht.
oder nur in sehr seltenen Fällen den Nervenfasern der Wirbellosen zugefügt
sind. ^lit den Methylenblau- und den verschiedenen Silber-Methoden, welche bei
Wirbellosen erheblich mehr Sch^^•ierigkeiten bieten als bei Wirbeltieren, sind
nur die mehr rezenten Resultate erreicht. Die älteren und auch manche der
neueren Ergebnisse sind mittels seiir verschiedener Arbeitsmethoden errungen,
welche nicht spezifisch dem Nervensystem angepaßt sind.
Im allgemeinen habe ich nur dann eine Leitungsbahn oder ein Nerven-
faserbündel hier wiedergegeben, falls der Beginn der Nervenfaser (die Gan-
glienzelle), oder ihr Ende, oder beide bekannt sind. Dabei habe ich fast nie
Angaben über das Enden oder Anfangen von Nervenfasern in einer Ganglien-
zellgruppe als der Vermeldung wert betrachtet, weil man dann ohne weiteres
noch nicht weiß, ob die Fasern wirklich aus den Zellen dieser Gruppe her-
vorgehen, oder ob sie diese mit ihren End Verästelungen umspinnen, oder
endlich ob sie einfach die Ganglienzellgru])pe durchsetzen. Ich hoffe so man-
chen falschen Behauptungen ühn- (\vn X'ciiauf der Nervenfasern entgangen
zu sein.
In dieser Einleitung sei noch bemerkt, daß ich mich befleißigt habe, wo
nötig, lateinische Namen für l)esondere anatomisclie oder histologische Unter-
teile zu gebrauchen. Diese gute Gewohnheit scheint in dieser Zeit, wo viele
immer mehr nach einer Weltsprache streben in Vergessenheit zu geraten. Es ist
gar nicht selten, daß man, besonders in .Arbeiten über das Insektenhirn
eine ganze Seite mit Synonymen, wie z.B. Folgendes sieht : Pilzkörper -
EINLEITUNG. 5
Corps pedoncule =- mushroom-body. Da wählt man meiner Meinung nach
wohl besser einen allgemeinverständlichen lateinischen Namen, der zwar
meistens auch besteht, aber nicht gebraucht wird.
Was meine schematischen Figuren anbelangt, so sei darüber bemerkt,
daß ich mich nirgends bemüht habe die relative Größe der Ganglienzellen
auszudrücken und ich fast immer gepaarte, symmetrisch gelegene Ganglien-
zellen nur entweder rechts oder links in der Figur abgebildet habe.
Man wird vielleicht manchmal beim Lesen der folgenden Seiten ent-
täuscht sein über die dürre Nebeneinanderstellung meistens unzusammen-
hängender Tatsachen, wo man gemeint hat eine übersichtliche Darstellung
der Leitungsbahnen des ganzen Nervensystems und die daraus folgenden
physiologischen Rückschlüsse erwarten zu können. Niemand wäre dieser
Erwartung so gern entgegengekommen wie ich. Aber ich glaube, weder das-
jenige was uns jetzt über die anatomischen Leitungsbahnen der Evertebraten,
noch dasjenige was uns über die physiologischen Leitungsbahnen tatsächlich
bekannt ist, ließe sich dazu verwenden. Dafür ist uns noch zu wenig bekannt
oder wenigstens noch zu viel unbekannt. Und die Fantasie darf in diesem Ge-
biete, wo jeder Tag neue Tatsachen mit sich bringt, nur zu Arbeitshypothesen,
nicht zur künstlichen Zusammenfügung der einzelnen Teile zu einem Ganzen
verwandt werden. Bei diesem Sachverhalt kann ich nur hoffen, daß die
Sammlung der bekannten Tatsachen der Hodologie eine zukünftige wissen-
schaftliche Schilderung der Struktur und Funktionen des Nervensystems
der Evertebraten erleichtern möge.
P 0 R I F E R A.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Schwämme, welche als Parazoa zwi-
schen die Protozoen und die Metazoen eingereiht werden, kein Nervensystem
und keine Ganglienzellen besitzen. Zwar hat Von Lendenfeld (1885a und
6) bei einigen australischen Kalkschwämmen, z.B. Ascandra arborea und
Leucandra conica ein mesodermales Nervensystem beschrieben, dessen multi-
polare Ganglienzellen mittels ihrer Fortsätze mit rings um die Poren stehenden
Sinneszellen in Verbindung stehen, aber Vosmaer (1887) erwähnt in seiner
sehr vollständigen Arbeit kein Nervensystem der Porifera.
Chun (1897) ist zehn Jahre später der Meinung, daß Von Lendenfelds
Angaben näherer Bestätigung bedürfen und auch neuerdings behauptet
Parker (1910), daß den Schwämmen eigentliche Nervenzellen abgehen.
Doch haben sie typische Muskelfasern, welche unmittelbar erregbar sind und
Parker erblickt darin den ersten phylogenetischen Anfang eines Nerven-
systems. Nach ihm sollen sich erst bei den Coelenteraten sensibele Nerven-
zellen entwickeln und erst in dritter Instanz neben Rezeptoren oder sensi-
belen Nervenzellen und Effektoren oder Muskelzellen auch diese beiden ver-
bindende Ganglienzellen. Wir werden später bei den Coelenteraten andere,
mehr begründete Auffassungen über das erste Auftreten der Elemente des
Nervensystems kennen lernen.
Obgleich die ,, Muskelfasern" der Porifera ihrer erhöhten Erregbarkeit
wegen vielleicht physiologisch d'?n ersten Anfang eines differenzierten
Nervensystems darstellen kcinnen, so muß man doch anatomisch, falls Von
Lendenfelds Angaben nicht noch nachher Bestätigung erfahren, den
Schwämmen jedes Nerven.system absprecluni.
LITERATÜK.
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2. \'()\ [.KNüK.M'Ki.D ( ISsr)«), Das Xer'veiisystnn der SpoiipitMi, Zooln^iscIuT An/.cijior'
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.S|)onp;es, Tlie I'rocecdings of thc Linnean Society uf Now South Wales. \'ol. !», 188").
4. I'akkkr (lOKt), Tlie Keactions of Sp(jnges. witli a Consideration of tlie Oiigin of
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f). \'osM.\KR (1887), l'orifeia m Ukonns Klassen und Oidnungen des Tliiei reiclis,
Bd. 2, 1887.
COELENTERÄTA.
Im allgemeinen kann. man sagen, daß die Coelenteraten ein Nervensys
tem besitzen, Avelches hauptsächlich aus einem subepithelialen Plexus von
Ganghenzellen besteht, welche mit breiten Fortsätzen anastomosieren, wäh-
rend einige ihrer Fortsätze zur Innervation der Muskelfasern dienen und
andere unmittelbar übergehen in die basalen oder zentripetalen Fortsätze der
zum Epithel gehörigen Sinneszellen.
Man sieht also am Anfange der Leitungsbahnen eine Sinnesepithelzelle
vom Typus, wie sie in den Sinneszellen der Riechschleimhaut der Vertebra-
ten bekannt sind, eine Zelle, deren peripheres Ende ein Sinneshaar oder einen
Sinnesfortsatz trägt und welche basal in einer Nervenfaser endigt, welche
sich den Fortsätzen der Ganghenzellen anschheßt. Der Anschluß ist hier
wohl immer ein direkter Uebergang.
Wir begegnen hier zum ersten Male der Zellart der Sinnesepithelnerven-
zelle (wenn wir alle ihre Qualitäten in einem Worte zusammenfassen), welcher
wir bei allen Evertebraten immer wieder begegnen werden. Bei Vertebraten
wird diese Zellart repräsentiert von den olfaktorischen Epithelzellen und den
Stäbchen- und Zapfenzellen der Retina, ist aber meistens ersetzt durch die
Sinnesepithelzelle, welche selbst keine nervösen Fortsätze trägt, sondern von
Nervenfasern, Fortsätzen einer Ganghenzelle, umfaßt wird. Solches trifft
man hingegen bei den Evertebraten sehr selten an.
Ich werde immer die Terminologie Bethes anwenden, welcher im Jahre
1895 vorgeschlagen hat das Wort Sinnesnervenzelle, schon 1892 von Retzius
gebildet, immer für eine Sinneszelle anzuwenden, welche selbst eine Nerven-
faser als Fortsatz besitzt, während Sinneszelle (wahre Sinneszelle) nur eine
Sinneszelle ohne Nervenfortsatz, aber umsponnen und innerviert durch die
Fortsätze einer Ganghenzelle bezeichnen sollte.
Wenn man in Gedanken den Reiz durch die Sinnesnervenzelle bis zur
ersten Ganglienzelle verfolgt hat, so gehngt es in den allermeisten Fällen
bei Coelenteraten nicht histologische Belege für einen bestimmten weiteren
Verlauf zu finden. Die Fortsätze, welche die Ganglienzellen verbinden, sind
einander ganz gleich und der Reiz könnte also eben so gut auf die eine wie
auf die andere Nachbarzelle übergehen. Nur diejenigen Fortsätze, welche sich
den Muskelfasern nähern, um diese zu innervieren, sind als solche erkennbar
H COELENTERATA.
und der letzte Abschnitt der Reizleitnngsl)ahn ist also nianelnnal wiederum
bekannt. Nur selten sind, wie wii' weiter unten sehen werden, die Maschen
des von den Ganglienzellen gebildeten Netzes in einer Richtung ausgezogen,
wobei die meisten Fortsätze einander parallel gerichtet werden unil nur dann
ist im Plexus die Richtung der Leitungsbahn angedeutet, aber gai- nicht
mehr nachgewiesen wie, wenn das Netz nach allen Richtungen gleich aus-
gespannt ist.
Da die C'oelenteraten jetzt die niedrigsten mit einem Nervensystem ver-
sehenen Tiere sind. Iiat man Anlaß die phylogenetische Entstehung des
Nerven.systenis in dieser Grup])e zu vermuten und kann man hier veisu-
chen diese zu erforschen. Die Behandlung dieser Frage ist für unseren
Zweck deshalb wichtig, weil daraus erhellt, was man bei diesen Tieren noch
als zum Nervensystem gehörig betrachten soll.
Es sind vor allen Kleinenberg (1872) und die Gebrüder Hertwjg (187s,
1879 — 1880) gewesen, welche uns über die erste Phylogenese des Nerven-
systems wichtige Ansichten mitgeteilt haben.
_^. , Kleinenberg sah in seinen Neuromuskelzellen
Flg. 1.
die erste Anlage eines Nervensystems. VAnv Neuro-
muskelzelle, auch Epithelmuskelzelle genannt, ist eine
Epithelzelle, welche ein Sinneshaar tragen kann und
basal sich in einen Fortsatz \'C!Jüngt, welchem eine
kontraktile Faser quer aufsitzt (Pig. 1). Solche Zellen
X«Mii()imi.sk<'l/,('ll(-. kommen oft bei Coelenteraten, aber auch bei hcWieren
u - Zollkörpcr im Eni- t-i a i i.
, ^ ' bvei-tebraten vor.
thel gelegen. . • i i r> i- ry n ■ i
^ _ Portsatz welfluM- ^■'^' ^^'''^'' '^^^" ^^^^' -"^^i^icht, daß aus dieser Zellesich
den ZcIlUörpor mit die kontraktile Faser zu einer Muskelzelle entwickelt
der kontraktilen haben würde und der Rest zu einer Sinnesnervenzclkv
iaser verbindet. welche ins besondere dazu befähigt wäre, Reize
r= kontraktile Faser. , , , ai i i n i -i t i-
auizunchmen und zur Muskelzelle zu leiten. In dieser
Weise würden sich aus einei- Zellart zwei hoch differenzierte Gewebe
entwickelt haben. Nach (). und R. Hertwig (1880) aber wäre Kleinen -
BERGS Hypothese so zu verstehen, daß die Neuromuskelzelle sich sogar
in drei Teile differenziert hätte und zwar eine Sinneszelle aus dem eigentlichen
Zellköryier (Fig. l,a), eine Muskelzelle aus der kontraktilen Faser (c) und eine
Nervenfaser aus dem die.se beiden Teile verbindenden Fortsatz (b).
Die Gebrüder Hertwig (1878, 1880) haben einige schwache Seiten der
Klein ENBERGschen Hypothese ins Licht gestellt. Von ihren Bemerkungen
sind meines Erachtens die folgenden die wichtigsten. Erstens läßt .sich gegen
Klkinenberg anführen, daß die histologische Spezialisation eine Folge der
Spezialisierung der Zelle als Ganzes sein muß und nicht der Trennung und
des Selbständigwerdens der Teile. Was wäre z.B. das Los des Kernes bei die-
sem Prozeß '. Sollte er ohne weiteres eine Zwei- oder Dreiteilung vollfiihrt
und nachhei- die hochspezialisierte Zelle sich in die zwei oder drei ungleiche
Teile zerlegt haben { Dafür geht uns jede Analogie al). Auch spätere Forscher
wie WoLFK (nM)4) .stellen sich in dicsci' Hinsicht auf die Seite Hertwigs.
COELENTERATA.
9
Und weiter würde Kleinenbergs Annahme zwar die Entwicklung des
Nervensystems, so weit es die unmittelbare Leitungsbahn zwischen einer
Sinneszelle und einer Muskelzelle ist, erläutern, aber nicht so weit es asso-
ziative Funktionen hat und mehrere weit von einander entfernte Zellen ver-
schiedener Art des Körpers unter einander verknüpft. Und doch hat man
darin eine Hauptfunktion des Nervensystems zu erblicken.
O. und R. Hertwig haben nicht nur die KLEiNENBERGsche Hypothese
kritisiert, sondern auch eine andere und, wie ich glaube, weit bessere Hy-
pothese aufgestellt. Sie weisen darauf hin, daß bei den Coelenteraten die
Sinnesnervenzellen, das heißt die Sinneszellen mit nervösem Fortsatz, nicht
immer mit ihrem kernhaltigem Zellkörper im
Epithel liegen (Fig. 2, a), sondern, daß dieser
Zellkörper mehr oder weniger tief unter dem
Epithel versunken sein kann (Fig. 2, h). Dabei
braucht der periphere Sinnesfortsatz der Zelle
nicht über die Oberfläche des Epithels hervor-
zuragen und kann der zentrale Nervenfortsatz
sich einmal oder wiederholt teilen. Eine solche
Sinnesnervenzelle ist nun an und für sich nicht
zu unterscheiden von einer wirklichen Gan-
glienzelle (Fig. 2,r/), wie sie bei Coelenteraten
unter dem Epithel vorhanden sind, welche
aber ihrerseits durch einen Fortsatz mit einer
Sinnesnervenzelle im Epithel (Fig. 2,c) zusam-
menhängt, woraus ihre wahre Natur als Gan-
glienzelle erhellt. Es werden also alle denk-
baren ZAvischen stufen zwischen einer Sinnes -
nervenzelle im Epithel (Fig. 2, a) und einer
Ganglienzelle (Fig. 2, d) tatsächlich gefunden
und die Gebrüder Hertwig sind der Meinung,
daß die Ganglienzelle sich auf diesem Wege
phylogenetisch aus der Epithelsinnesnerven-
zelle entmckelt hat, womit dann weiter die
Entmcklung des Nervensystems auch gegeben wäre. Denn man könnte
sich ohne Mühe das ganze Nervensystem durch bloße Vermehrung der
GangHenzellen entstanden denken, während dessen assoziativen Fähigkeiten
von den vielen Fortsätzen der Ganghenzelle oder Sinnesnervenzelle her-
zuleiten seien. So wird wenigstens diese Schwierigkeit der Kleinenberg-
schen Hypothese vermieden.
Es sind, soweit mir bekannt, keine überwiegenden Bedenken gegen die
HERTWiGsche Hypothese geäußert worden. Wohl aber wird sie gestützt
durch die Tatsache, daß der vorausgesetzte phylogenetische Vorgang einige
Male in der Ontogenie zum Teile wahrgenommen worden ist (so von K. C.
Schneider (1890) bei Hydra (S. 14) und von Von Lendenfeld (1882) bei
Cyanea (S. 20) ) und die tatsächHche Uebereinstimmung einer tief unter das
Epithel gesunkenen Sinnesnervenzelle mit einer Ganglienzelle läßt sich nicht
Schema zur Erläuterung der
ÜERTWiGschen Hypothese über
die phylogenetische Entwick-
lung der motorischen oder
assoziativen Ganglienzelle.
a Sinnesnervenzelle mit ihrem
Zellkörper im Epithel.
b Sinnesnervenzelle mit ihrem
Zellkörper unter dem Epithel
und verzweigtem zentralem
Fortsatz ; Uebergangsstufe
zwischen a und d.
c Sinnesnervenzelle,welche mit
d einer motorischen oder asso-
ziativen Ganglienzelle in Ver-
bindung steht
10
COELEN lERATA.
Fig. 3.
leugnen. Man könnte nur bemerken, daß auch innerhalb der Gruppe der
Mollusken, wie wir weiter unten sehen werden, Sinnesnervenzellen in oder
unter dem Epithel und subepitheliale Gan) bei Difetomum,
von Sama.ssa (1894) bei Helix, namentlich aber in sehr schöner Weise von
Veratti (1900) bei der Molluske Limax (S. 153) Sinnesnervenzellen mit ver-
zweigtem peripheren Fortsatz beobachtet worden, dessen Seitenäste frei
endeten. Diese Zwischenstufen zwischen einer typischen Sinnesnervenzelle
und einer sensibelen Ganglienzelle brauchen nur ein wenig zu versinken,
sodaß auch der periphere Fortsatz selber nicht mehr die Oberfläche erreicht,
um typische sensibele Ganglienzellen zu werden.
Die wahren Sinneszellen sind meiner Meinung nach phylogenetisch am
ersten bei den Arthropoden und unabhängig davon bei den Vertebraten aus
indifferenten Epithelzellen hervorgegangen. Sie haben sich mit sensibelen
Ganglienzellen in Verbindung gestellt, welche damit ihren Charakter geändert
haben, indem ihr peripherer Fortsatz nicht mehr frei endete, sondern die
Sinneszelle innervierte. Die wahren Sinneszellen sind also eine neue Gene-
ration von Epithelzellen, welche sich dem Nervensystem angeschlossen hat. ^)
Ich darf nicht verschweigen, daß in der Literatur Gedanken geäußert
werden, womit meine obenerwähnten An.schauungen Uebereinstimmung zei-
gen, aber sie enthalten m.E. alle wichtige Fehler. Es ist schon lange her,
daß Patten (188(3) wirklich schon behauptet hat, daß die sen.sibele Gang-
*/ Man bi'gognet diesem letzten (ledankcii in der Trait6 d'Histologie von
Prenant, Bouin und Maillard (1904) Tome I S. 317, wo übrigens die Phylo-
genese der FZlcmente des Nervensystems eine andere Darstellung als die obige
erlangt. Die Autoren nennen die wahren Sinnoszellen „eellule.s pseudo-sensorielles
ou sensorielles accessoires", weil sie glauben, daß sie nieht wirklich sensibel sind.
Weil ich gerade das Gegenteil annehme, kann ich «iiesen Namen nicht beibehalten.
HYDROZOA.
13
lienzelle eine Sinnesiiervenzelle sei, die sich gesenkt habe. Es war aber seine
von keinen Tatsachen unterstützte Hypothese, daß dieser Prozeß sich in
der Ontogenese der Mollusken abspiele und er hat es nicht als einen phylo-
genetischen Prozeß bei den Würmern betrachtet, wie ich (vergl. S. 125).
Später hat Patten gesagt, daß während der Phylogenese des zusammen-
gesetzten Auges der Arthropoden in die Tiefe gerückte Sinnesnervenzellen
zu sensibelen Ganglienzellen geworden seien und daß diese eine neue Gene-
ration von Sinnesnervenzellen oder Sinneszellen innervierten (vergl. S. 206).
Auch das ist im Grunde nicht wahr ; die sensibelen Ganglienzellen sind nicht
bei den Arthropoden, die Sinneszellen nicht im Auge der Arthropoden, son-
dern anderswo entstanden.
Von Lenhossek (1892 und 1895) hat den Gedanken geäußert, daß die
sensibele Spinalgangüonzelle der Vertebraten von einer aus dem Epithel
in die Tiefe versunkenen Sinnesnervenzelle von Lumbricus abzuleiten
wäre. Auch mit dieser Anschauung hat meine Erweiterung der Hert-
wiGschen Hypothese gewisse Uebereinstimmung, unterscheidet sich aber
in mancher Hinsicht davon, wie ich bei der Besprechung der Von Lenhos-
SEKschen Arbeit (S. 94) erläutern werde.
Nach diesen phylogenetischenAuseinandersetzungen schreite ich zur Be-
schreibung der bei den Coelenteraten nachgewiesenen Leitungsbahnen.
Fig. 4.
Fangen wir an mit den Hy-
drozoen und unter diesen mit Hydra,
einem Tier, womit mehrere Forscher
sich befaßt haben. Kleinenberg
(1872), welcher, wie wir gesehen
haben, die von ihm entdeckten Epi-
thelmuskelzellen als Vorstufe eines
Nervensystems betrachtete, sprach
Hydra jede Spur eines besonderen
Nervensystems ab. Einige Jahre
später erwähnte Koro tneff (1876)
in den Tentakeln einen Ganglien -
zellplexus, das heißt ein Netz von
multipolaren Ganglienzellen, welche
mit ihren Fortsätzen anastomosie-
ren, und 1881 zeigte Rouget (zitiert nach Wolff (1904) einen eben-
solchen im allgemeinen unter dem Ektoderm. Solchen Ganghenzellplexus findet
man ganz allgemein bei den Coelenteraten und es sind oft von verschiedenen
Autoren Teile davon abgebildet worden. Die Figur 4 ist der Arbeit Bethes
(Deutsche Medizinische Wochenschrift, Bd. 30, 1904) entlehnt. Das breite
Zusammenhängen der Ganghenzellen mit ihren Nachbarn und die Fasern
zu den Muskeln treten dabei ans Licht. In einem solchen Gewebe lassen sich,
wie schon bemerkt, anatomisch keine bestimmten Leitungsbahnen nachweisen.
Der bei Hydra unter dem Ektoderm gelegene Ganghenzellplexus wurde
Ganglienzellplexus.
Kopie einer Figur Bethes (1904). Die
verzweigt endenden Fortsätze innervieren
die Muskeln.
14 COELENTERATA.
von Schneider (1800) bestätigt, nachdem Jickeli (1883) erst noch einmal
das Dasein von Ganglienzellen an dieser Stelle erwähnt liatte. Er sah au-
ßerdem einen ebensolchen Plexus unter dem Entoderm. Schneider konnte
Epithelzollen des Entoderms, welche Sinnesnervenzellen ähnlich waren,
ontogenetisch sich senken und sich in subepitheliale Ganglienzellen um-
bilden sehen. Eine ontogenetische Verwirkhchung der HERTWiGschen Hypo-
these also. Die ektodermalen Ganglienzellen bilden sich jedoch aus inditTe-
renten subepithelialen Zellen, was Schn kider wohl mit Recht als sekundär
betrachtet.
Die Angaben Schnkidkrs fandenzum Teil ihrerseits Bestätigung durch
die L'ntersuchungen Hadzis (1909). Dieser Autor arbeitete mit Hydra fusca
und viridis und wandte neben Isolierung der Gewebeselemente auch die
KHRLiCHsche vitale Methylenblau-Methode und Schnittserien an. Er fand
im Ektoderm des Körpers und der Mundscheibe epitheüal oder subepithelial
gelegene Sinnesnervenzellen, welche mit ihren Nervenfortsätzen mit einem
Plexus multipolarer Ganglienzellen zusammenhängen, welche unter oder zwi-
schen den Bases der Epithelzellen liegen. Ein solcher Plexus befindet sich
auch in den Tentakeln. Seine Beschreibung davon stimmt völlig mit Fig. 4.
Die meisten Fortsätze verbinden die Ganglienzellkörper unmittelbar, aber
einige innervieren die Muskelfasern. In diesem Plexus sind keine Leitungs-
bahnen nachzuweisen, bloß in den Tentakeln laufen die Fortsätze der Gan-
glienzellen meistens der Länge nach und in der Fußscheibe und auch etwas
in der Mundscheibe streben die Fortsätze zur Bildung eines Ringes. Hier
.sind also die Leitungsbahnen in dem Plexus angedeutet, aber keineswegs
unumgänglich gegeben. Hadzi traf auch Ganglienzellen unter dem Entoderm,
aber nach ihm gibt es deren zu wenig und haben sie zu kurze Fortsätze zur,
Bildung eines Plexus. Die Sinnesnervenzellen des Entoderms sind ebenfalls
spärUch.
Außerhalb der Si])honophoren werden die übrigen H ydrozoenordnungen
hier gemeinschaftUch behandelt werden.
Das Bestehen eines Nervensj'^stems bei den Coelenteraten ist zuerst von
Agassiz bei Hydromedusen konstatiert worden.
Diese Tiere bestehen aus einer gallertigen Glocke, an welcher man eine
Außenseite, die Exumbrella (Fig. 5, ex.) und eine Innen.seite, die Subum-
brella unterscheiden kann. Vom Glockenrande, in dem sich die Sinnesorgane
befinden, hängen die Tentakeln (t.) herab und hier ist an der Innenseite das
\'elum (v.) ausgespannt, welches die Höhlung der Glocke teilweise verschließt.
Eine zentrale Ausstülpung der Subumbrella, das Manubrium (m.) führt vom
Munde zum Magen und dieser setzt .sich fort in die Radialkanäle (c. i\),
welche durch einen Ringkanal (c. c.) verbunden werden, in den auch die
Kanäle der Tentakeln einmünden. V^om Nervensystem sind in die Fig. 5 nur
der subumbrellare Plexus (pl. s.) und die beiden Nervenringe (a. n. e. und
a. 11. i.) eingetragen worden.
Es war der Ringnerv im Glockenrande mit seinen Seitennerven, welcher
zuerst die Aufmerksamkeit Agassizs fesselte. Die Gebrüder Hertwig
HYDROZOA.
15
(1877) waren aber die ersten, welche eine richtige Anschauung der Struktur
dieser Nerven hatten. Wie weit man vorher davon entfernt war, zeigt die
Bemerkung Haeckels (1866), daß dasjenige, was Fritz Müller als Nerven-
ring betrachtete, ohne Zweifel der ,, Knorpelring" unter dem Nervenringe
und nicht dieser selbst sei. Und Haeckel (1866) selbst teilt uns mit, wie bei
Glossocodon, einer Geryonide, der eigentliche Nervenring aller Ganglienzellen
entbehre, während diese nur in
acht dem Nervenringe eingeschal
tete GangUen angehäuft liegen soll-
ten. Derartige ,, Ganglien" waren
im Nervenringe auch schon von
Agassiz und Fritz Müller beob-
achtet worden und Haeckel
sah sie auch an anderen Stellen.
Spätere Untersuchungen haben
aber den Gebrüdern Hertwig
(1877) Recht gegeben, wenn sie
uns lehrten, daß der (doppelte)
Ringnerv (Fig. 5,a.n. e. xxndia.n.i.)
der kraspedoten Medusen aus
Nervenfasern und vielen im Ner-
ven verbreiteten Ganglienzellen
zusammengesetzt ist und daß
es weder im Nervenring, noch
anderswo besondere Ganglien in
den Nerven gibt. Daß zerstreute
GangHenzellen in den Nerven
außerhalb des Nervenringes auf-
treten können, hatte übrigens auch
schon Haeckel (1866) mitgeteilt.
Fig. 5.
Das Nervensystem einer Hydromeduse. Abge-
ändert nach BüTSCHi>i (1912), Fig. 314. Der
linke vordere Quadrant des Tieres durch
zwei Radialschnitte, die bis zur Achse gehen,
herausgeschnitten.
a. n. e. = annulus nervosus externus, äußerer
Nervenring.
a. n. i. = annulus nervosus internus, innerer
Nervenring.
c. c.
= canalis circularis.
c. r.
= canahs radialis.
ex.
= exumbrella.
m.
= manubrium.
pl. s.
= plexus subumbrellaris
t.
= tentaculum.
V.
= velum.
BoEHM (1878) beobachtete zer-
streute Ganglienzellen im Nervenringe
des Glockenrandes der Leptomedusen,
ist also in dieser Hinsicht mit den
beiden Hertwig im Einklang.
Eimer (1878) erkannte die
Doppelnatur des Nervenringes der
Geryoniden imd sah bei jedem Sin-
nesorgane des Glockenrandes einen
Teil des Ringnerven beiderseits
darin abbiegen. Er leugnete schon einige der von Haeckel (1866) beschriebenen Ganglien,
bestätigte aber andere. Die Stmktur des Ringnerven anlangend, meldete er darin überall
Ganglienzellen, welche aber auch neben dem Nervenringe zerstreut lägen.
Viel weiter bringt uns die ausgezeichnete Arbeit der Gebrüder Hertwig
im Jahre 1878, die erste, welche uns über einen Teil der Leitungsbahnen der
Hydromedusen Auskunft gibt. 0. und R. Hertwig untersuchten Aeginidae,
Trachynemidae Geryonidae, Vesiculatae und Ocellatae. Die folgende Ueber-
lÖ COELENTERATA.
sieht mag für unseren Zweck genügen. Bei allen Arten findet man im Glocken-
rande einen doppelten Nervenring, einesteils über, andernteils unter dem
Velum (Fig. 5, v.) gelegen. Beide Ringnerven bestehen aus Nervenfasern und
darunter gemischten Ganglienzellen, welche besonders im unteren Ringner-
ven zahlreich sind. Nach den Gebrüdern Hertwig wechseln die beiden Ring-
nerven Fasern aus durch die Stützlamelle des Velums hindurch, aber das wird
für Carmarina von Schneider (1892) verneint. Im Epithel, welches den Ner-
venring bekleidet, sind Sinnesnei'venzellen, welche ihre basalen Fortsätze in
den Nei'venring hinein senden (Aeginidae. \'esiculatae). Es ist also der Anfang
dieser Leitungsbahn bekannt. Der Nervenring sendet einen Nerven zu jeder
der Tentakeln (Fig. ö, t.) (Aeginidae, Trachynemidae, Geryonidae) und den
Sirmesorganen des Glockenrandes (N'esiculatae). Bei den Geryoniden aber tritt
von beiden Seiten ein Nerv auf das Sinnesorgan zu, geradeso, wie auch Eimer
(IS78) es beschreibt und die Sinnesoi-gane der Aeginiden sitzen dem Nerven-
ringe unmittelbar auf. Dabei zeigt der Nervenring an dieser Stelle eine An-
schwellung, aber Ganglien im Sinne von Ganglienzellanhäufungen, wie H aeckel
(186()) es will, gibt es nicht, ebenso wenig wie bei den Geryoniden. Es laufen
schließlich noch vom Nervenringe al)zweigende Nerven die Radialkaniile
(Fig. 5, c. r.) entlang (Gejvoniden), wie mehrere Forscher schon eher gemel-
det hatten.
Neben diesen Nerven erwähnen 0. und R. Hertwig bei den Aeginiden
unter dem Epithel der Subumbrella einen Plexus (Fig. 5, pl. «.), wie wir ihn
schon von H3'dra kennen und dessen Ganglienzellen dem Ringnerven Fort-
sätze abgeben. Ein solcher Plexus befindet sich auch in den Tentakeln.
Die Geryoniden und Vesiculaten sind ebenfalls mit einem solchen subepi-
thelialen Plexus ausgestattet.
In den nächsten Jahren wird dei' subepitheliale Ganglienzellplexus auch
unter dem Ektoderm der Hydroidpolypen entdeckt. So fand Jickeli (1882)
diesen bei Eudendrium. Von Lendenfeld (1883) beobachtete Ganglienzellen
in der Tentakelbasis der C'ampanularidae und an anderen Stellen unter dem
Ektoderm und Entoderm. Er sagt nicht Ijestimmt, ob diese Ganglienzellen
mittels ihrer Fortsätze zu einem Plexus vereinigt sind, sondern er lenkt die
Aufmerksamkeit auf einen oralen Ringnerven von entodermalen Ganglien-
zellen gel)ildet, welcher bei den Hydromcdu.sen kein Analogon hat. Im sel-
ben Jahre fand Jickeli (1883) Ganglienzellen in oder unter dem Ektoderm
von Tubularia und anderen Hydroidpolyjjcn und beschrieb er mehr vollstän-
dig den ektodernialen Plexus bei Eudendrium, wo er besondei's in den Tcti-
takeln und inu den Mund herum entwickelt ist, während an der Basis des
HydranthenUörpers ein Nervenring gebildet wird. Es hat aber Schnkidrr
(l89(t) diese Ari)eit kritisiert und die .Meinung geäußert, daß -Iickem keine
Gangüenzellen erkannt habe.
Daß es al)er jedenfalls Hycboidpolypen mit eUtodci inalem Ganglien-
zellplexus gibt, läßt sich der Arbeit Hakdvs (1891) entlehnen. Dieser For-
scher entdeckte bei Myriothela phrygia zwischen dem Ektodeit)i und den
daiunter gelegenen Muskelfaseiii einen Plexus von Nervenfasern, womit
unten zuisclicji den Ektodermzellen gelegene (Ganglienzellen verbunden waren.
HYDROZOA. 17
Außerdem würden Fasern dieses Nervenfaserplexus zwischen den Ektoderm-
zellen aufsteigen und dort einen zweiten oberflächlichen Plexus bilden. Diese,
in Anbetracht dessen, was uns vom Nervensystem der Coelenteraten bekannt
ist, sonderbare Angabe bedarf meines Erachtens näherer Bestätigung.
Die Innervation der pigmentierten Epithelzellen oder Augen der Hydromedusen
wird uns in der Arbeit Linkos (1900) kennbar gemacht. Vordem hatten die Gebrüder
Hertwig (1878) in den Augen der Orellaten zwar Pigmentzellen, Sehzellen und Gan-
glienzellen wahrgenommen, aber der Zusammenhang der Sehzellen mit den Ganglien-
zellen war ihnen verhüllt geblieben. Linko nun versuchte vergebens die GoLGische
Methode und die EHRLiCHsche Methylenblau-Methode anzuwenden. Es gelang ihm aber
auf andere Weise in den Augen von Staurostoma arctica neben Pigmentzellen spindel-
förmige Sinnesnervenzellen zu eruieren, deren peripherer Fortsatz sich bis zum Glas-
körper fortsetzt, während der basale Fortsatz sich in den Nervenfaserplexus des Nerven-
ringes, welchem die Augen aufsitzen, versenkt. In diesem Nervenringe bipolare Gan-
glienzellen. Bei Codonium sitzen die Augen nicht dem Nervenringe unmittelbar auf,
sondern es ist unter dem Auge ein Polster aus Nervengewebe, welches ein mit bipolaren
Ganglienzellen ausgestatteter Nerv mit dem Ringnerven verbindet. Die Bipolarität der
Ganglienzellen macht diesen Nerv z\i einer bestimmten Leitvmgsbahn vom Polster zum
Ringnerven. In den Augen auch hier bipolare Sinnesnervenzellen.
Hippocrene superciliaris hat mehr zusammengesetzte Sinnesorgane. Es schließt
sich hier dem Auge ein Sinneswulst an, welcher aus Sinnesnervenzellen und Ganglien-
zellen mit Nervenfasern zusammengestellt ist. Im Auge selbst sind wiederum bipolare
Sinnesnervenzellen, deren Fortsätze sich ins Nervengewebe unter dem Epithel begeben.
Von da leitet ein Nerv mit bipolaren Ganglienzellen zum Nervenringe in welchem eben-
falls bipolare Ganglienzellen vorhanden sind. Es sind hier also die Leitungsbahnen der
optischen Reize in ihrem Anfang angedeutet, aber nicht genau erwiesen.
Sarsia inirabilis hat nach Linko im Auge bipolare Sehzeilen, deren zentrale Fort-
sätze sich in einen Plexus von Nervenfasern und Ganglienzellen unter dem Auge fort-
setzen. Von dieser Stelle schreiten zwei Nerven, den Radialkanal umfassend, zum Ner-
venringe, welcher dort verdickt ist und neben bipolaren auch multipolare Ganglien-
zellen enthält. Linko nennt diese Anschwellung ein Ganglion, aber mit wenig Recht,
da der Nervenring auch anderswo von Nervenfasern und Ganglienzellen gebildet wird.
In letzter Zeit hat Krasinska (1914) abermals Carmarina hastata unter-
sucht und dabei die Angaben der Gebrüder Hertwig bestätigt und erweitert.
Sie entdeckte überall im Epithel der Subumbrella und des Manubriums Sin-
neszellen, deren Basis sich in einen Nervenfortsatz verjüngte. Unter dem Epi-
thel ein Plexus mit Ganglienzellen, welche Krasinska als motorisch betrach-
tete, da sie wahrscheinlich die Myoblasten oder Epithelmuskelzellen inner-
vierten. Mit dieser Meinung steht das oben Gesagte und Fig. 4 in Einklang,
Weiter sah sie solche Sinnesnervenzellen auch den unteren aber nicht den
oberen Nervenring entlang und die Nerven, welche die Radialkanäle beglei-
ten, enthalten nach ihr nicht nur Nervenfasern, sondern auch Ganglien-
zellen. Ein subepithelialer Nervenfaserplexus wurde auch unter dem Ento-
derm des Magens und des Manubriums gefunden.
Ueber das Nervensystem der Siphonophoren wird uns von Chun (1881)
eine kurze Mitteilung gemacht. Er sieht den für Coelenteraten typischen
Nervenfaserplexus mit Ganglienzellen unter dem Ektoderm.
Kurz nachher erscheint die vielbestrittene Arbeit Korotneffs (1884). Er erwähnt
DROOOLEEVER FORTUYN". 2
18 COELENTERATA.
bei Forskalia ophiura dorsal im Stamme einige Reihen von Zellen, welche er Ganglien-
zellen nennt, denen die nervöse Natur aber wohl mit Recht von Schaeppi (1898) abge-
sprochen wird. (Glücklicher war Korotneff, als er bei Physophora in der Blase zwischen
Pneumatophor und Tastern einen Nervenfaserplexus mit Ganglienzellen beschrieb und
auch Ganglienzellen in dem Pneumatophor anzeigte. Als er aber das Bestehen eines
Nervenrinps in den Sohwimmglocken verneinte, sollte er darin von Chun (1897) und
Schaeppi (1898) berichtigt werden. Die ontogenetischen und phylogenetischen An.sein-
anderset Zungen über das Nervensystem, welche sich den Ansichten Kleinenbercs an-
schließen, sind mir ebenso wie anderen z.B. Schneider (1892) sehr unglaubwürdig,
weshalb ich sie hier übergehen will.
Die ScHNEiDERsche Arbeit (1892) brachte uns nur so um viel weiter, daß jetzt bei
Velella und anderen Siphonophoren multipolare Ganglienzellen sowo^il unter dem Ento-
derm als unter dem Ektoderm bekannt waren, aber Schneider beschreibt nicht ihren
Zusammenhang zu einem Plexus.
Nach Schaeppi (1898) sollen auch nur die ektodermalen Ganglienzellen einen Plexus
bilden und niclit die zwischen oder imter den Entodermzellen gelegenen, wie sie im
Stamme der Kolonie auftreten. Nicht überall läßt sich unter dem Ektoderm ein Ner-
venfaserplexus nachwei.sen, z.B. nicht in der Subumbrella der Schwimmglocken, aber
wohl ist dies der Fall im Stamme und in der Exumbrella der Schwimmglocken. Dazu
gesellt sich in den Schwimmglocken ein Nervenring in der Subumbrella in der Nähe
der Abgangsstelle des Velums, wie bei Hydromedusen, dessen Zusammenhang mit dem
cxumbrellären Nervensystem nicht auffindbar war. Der exumbrelläre Nervenring der
Hydromedusen geht aber den Schwimmglocken der Siphonophoren ab. Schaeppi .sah
das Nervensystem des Stammes mit dem der Schwimmglocken nur verbunden im ..spin-
delförmigen Organ" im Gipfel der Glocke, wo neben Epithelzellen auch Ganglienzellen
sichtbar waren. Weiter beobachtete er auch, wie Fortsätze der (ianglienzellen den Körpei-
der Epithelmu-skelzellen, aber nicht die Muskelfaser selbst innervierten. Es ist also bei
Siphonophoren im allgemeinen der letzte Abschnitt der Leitungsbahnen wieder bekannt,
sonst aber nichts.
Ist es möglich aus den Angaben über die Hydrozoen ein einigermaßen
vollkommenes Bild des Nervensystems zu rekonstruieren >. Ich glaube, man
wird dabei zu Folgendem gelangen. Ueber den ganzen Körper befindet sich
unter dem Ektoderm und bisweilen auch unter dem Entoderm ein nervöser
Plexus von multipolaren Ganglienzellen, welche mit ihren Fortsätzen zusam-
menhängen. In diesem Plexus sind anatomisch keine besonderen Leitungs-
bahnen nachweisbar, aber wohl kann man sagen, daß der Reiz von den
überall im Epithel gelegenen Sinnesnervenzellen aufgenommen in derenNerven-
fortsätzen dem Plexus zugeleitet wird, während andrerseits besondere Fort-
sätze der multipolaren Ganglienzellen den Reiz der Epithelmuskelzelle über-
mitteln.
Der Ganglienzellplexus breitet sich meistens in allen Richtungen gleich
aus, aber er kann sich an gewissen Stellen (vergleiche Hydra) verdichten,
wobei gewöhnüch die Maschen des Netzes in einer Richtung ausgezogen
werden. Ich glaube nun, daß, wenn dieser Prozeß sich extrem fortsetzt,
die sogenannten Nerven und Ringnerven der Hydromedusen und Siphono-
phoren sich bilden. Allerdings, so lange die Ganglienzellen darin multipolar
sind — was nach Chun (1897) beim unteren, subumbrellären Ringnerven
der Hydromedusen der P"'all ist — hat der Nerv zwar den Anschein den Reiz
seiner Länge nach zu geleiten, aber braucht er dies doch absolut nicht zu tun,
wie auch Chun bemerkt. Wenn aber im Nerven nur bipolare Ganglienzellen
SCYPHOZOA. 19
auftreten, deren Fortsätze in der Richtung des Nerven laufen, so ist damit
der Nerv histologisch weit mehr zur Leitungsbahn geprägt. Dies nun ist
der Fall mit vielen Nerven der Sinnesorgane der Hydromedusen, wie wir
oben sahen und nach Chun (1897) ebenfalls mit dem oberen Nervenring der
Hydromedusen und den Radialnerven der Geryonidae.
Bei den Hydrozoen mit höher entwickeltem Nervensystem kommen also
neben dem allgemeinen Ganglienzellplexus Nerven vor, welche die Fortsätze
vieler Sinnesnervenzellen, die auch gelegentUch zu Sinnesorganen vereinigt
sein können, aufnehmen. So weit sie bipolare Ganglienzellen besitzen, ist die
Reizleitung ihrer Länge nach anatomisch bevorzugt ; sie hängen aber auch
seitwärts mit dem allgemeinen Ganglienzellplexus zusammen.
Ich kann nicht umhin hier nachdrückhch zu betonen, daß nach vielen
Autoren, in letzter Zeit noch u.a. Wolff (1904) und Krasinska (1914),
bei den Hydrozoa und im allgemeinen bei den Coelenteraten sehr viele nervöse
Leitungsbahnen physiologisch nachweisbar sind, ohne daß sie auch histo-
logisch nachweisbar wären.
Es folgen jetzt die Skyphozoen, deren Skyphomedusen von den Hydro-
medusen durch das Fehlen eines Nervenrings abweichen.
Die erste Mitteilung, welche uns eine Andeutung über die Natur der Leitungsbahnen
gibt, ist von Korotneff (1876) und hat Beziehung auf Lucernaria. Korotneff ent-
deckte in den Tentakeln einen Ganglienzellplexus, aber Kassianow (1901) ist der Mei-
nung, daß dieser Plexus kein Teil des Nervensystems hat sein können und gibt vom
Nervensystem an dieser Stelle eine andere, unten folgende Beschreibung.
Nachdem die Gebrüder Hertwig schon im Jahre 1877 verkündigt hatten, daß
die akraspeden Medusen (Skyphomedusen) keinen Nervenring besäßen, fügten sie später
(1878) hinzu, daß zwar im Epithel der Sinnesorgane des Glockenrandes Sinneszellen
mit Nervenfortsätzen, also Sinnesnervenzellen, zu sehen, daß aber im Glockenrande
keine Ganglienzellen nachweisbar seien, sodaß jedes Sinnesorgan an und für sich ein
Nervenzentrum bilde. Ganglienzellen fänden sich nach ihnen nur in der Subumbrella
und sie verneinten den Nervenfaserplexus mit Ganglienzellen ^), welcher von Eemer und
von Ci-Aus außerhalb der Sinnesorgane beschrieben worden war.
Es sind diese Angaben offenbar sehr lückenhaft, aber auch Eimer (1878) zeigt uns
weiter nichts als einen allgemeinen Nervenfaserplexus im Körper der Skyphomedusen
und das Fehlen eines Nervenringes im Glockenrande. Schaefer (1878), welcher
ebensowenig einen Randnerven entdecken konnte, beschrieb bei Avirelia aurita einen
subumbrellären Nervenfaserplexvis. Da er aber sagt, daß dieser Plexus von bipolaren
Zellen gebildet wird, deren Fortsätze meistens im verzweigt sind und nicht gegenseitig
zusammenhängen, sondern in bestimmter Entfernung des Zellkörpers frei und spitz
enden, so darf man wohl daraus folgern, daß Schaefer die Fortsätze nicht bis zum Ende
hat verfolgen können. Daß er wirklich Nervenelemente zu Gesicht bekommen hat,
wird von Hesse (1895) so sehr bestätigt, daß man daran nicht zweifeln darf.
Von Lendbnfeld (1882) gelang es bei Cyanea Annaskala die Resultate
seiner Vorgänger zu verbessern. Er sah im Ektoderm der Exumbrella Sinnes-
^) Wenn der Zusammenhang der Nervenfasern und Ganglienzellen nicht genau
beobachtet worden ist, spreche ich über einen Nervenfaserplexus mit Ganglienzellen
statt Ganglienzellplexus.
20
COELENTERATA.
Fig. 6.
nervenzellen, deren basale Fortsätze sich mit den Ganglienzellen eines Plexus
unter dem Epithel vereinigten, welche Ganglienzellen ihrerseits Fortsätze
zu den Epithelmuskelzellen sandten. Also die uns schon von den Hydrome-
dusen bekannte Lage. Daneben fand Von Lendenfeld GangUenzellen unter
dem Sinnesepithel der Randsinnesorgane, unter dem Epithel der Tentakeln
und der Mundlappen und unter dem Epithel der Subumbrella sogar so viele
GangUenzellen und Nervenfasern, daß sie eine Schicht bildeten. Nach ihm
setzen sich auch die Nesselzellen in Nervenfasern fort, welche sich dem Gan-
gUenzellplexus anschheßen. Es läßt sich aber dies bezweifeln, da spätere
Forscher (u.a. Kassianow (1901) ) die Nesselzellen der Coelenteraten im all-
gemeinen zwar mit verjüngtem basalem Ende, aber ohne Beziehung zum
Nervensystem gefunden haben. Von Lendenfeld konnte auch beobachten,
wie bei jungen Tieren die Ganglienzellen und Nervenfasern zwischen den Epi-
thelzellen gelegen waren, während sie bei älteren Tieren darunter lagen.
Er erblickt darin den ontogenetischen Beweis für
die S. 9 genannte HERTWiGsche Hypothese.
In sehr schöner und zuverlässiger Weise ist
das Nervensystem von Rhizostoma Cuvieri von
Hesse (1895) studiert worden. Ich meine seine
Resultate, so weit sie uns hier interessieren, nicht
ohne Hilfe eines Schemas (Fig. 6) kurz wieder-
geben zu können. Die Figur stellt sehr sche-
matisch einen Längsschnitt durch ein Sinnesor-
gan des Glockenrandes dar. Man begegnet darin
dem Randkörper (r. k.) vom Decklappen {d.)
überdeckt. Der Decklappen ist durch die äußere
Sinnesgrube {a. s. gr.) vom Glockenrande getrennt,
so wie der Randkörper durch die innere Sinnes-
grube {i.s.gr.).
Im Epithel des Randkörpers gibt es Sinnesnervenzellen neben Stütz-
zellen. Die Nervenfortsätze der Sinnesnervenzellen bilden einen Filz zwi-
schen den Basen der Stützzellen, welche sich tiefer unter der Oberfläche
fortsetzen als die Körper der Sinnesnervenzellen. Es liegt also dieser Filz,
in dem sich auch Ganglienzellen befinden, tatsächlich noch im Epithel und
nicht darunter. Der Filz, wegen der Ganghenzellen meines Erachtens wahr-
scheinlich ein Ganglienzellplexus wie bei anderen Coelenteraten, ist an einigen
Stellen verdickt und es häufen sich hier die Ganglienzellen an. Eine Folge
davon ist die von Hesse beobachtete Tatsache, daß viele Nervenfasern
diesem Punkte zustreben und so wird anscheinend ein Zentralorgan gebildet.
Auch in der äußeren Sinnesgrube begegnet man einem Nervenfilz unter
dem Epithel, welcher mit dem der inneren Sinnesgrube verbunden ist, was
Anlaß sein kann in dieser Verbindung eine bestimmte Leitungsbahn zu
sehen. Cotylorhiza, wo die äußere Sinnesgrube fehlt, hat deshalb selbst-
verständlich auch nicht diese Bahn. Alle Nervenfasern der äußeren Sinnes-
grube laufen konzentrisch dem Boden der Grube zu, was man bei einer Be-
schreil)ung der Nervenbahnen niclit vergessen daif.
Schematischer Längsschnitt
eines Sinnesorgans des
(Jlockonrandes von
Kliizostoma Cuvieri.
Nach Hesse 1 1895).
a.s.gr. = äußere Sinnesgrube.
d. = Decklappen.
i.a.gr. = innere Sinnesgrube,
r. k. = Kandkörper.
SCYPHOZOA. 21
Rhizostoma hat unter der inneren Sinnesgrube viele Ganglienzellen,
welchen die Nervenfasern wäe einem nervösen Zentrum zustreben. Bisweilen
begeben sich Nervenfasern in die Gallerte unter den Sinnesgruben.
Ein peripherisches Nervensystem hat Rhizostoma in der Subumbrella.
Es setzt sich aus bipolaren Ganglienzellen und Nervenfasern zusammen,
welche zwischen den Epithelzellen gelagert sind und ist mittels vieler Ner-
venfasern mit beiden Sinnesgruben und mit den Nervenzentren verbunden.
Manche Nervenfasern laufen den Radialkanälen und auch dem Ringgefäße
parallel. Sie bilden hier also bestimmte Leitungsbahnen und neben dem Ring-
gefäße eine Ringbahn, welche aber nach Hesse nicht dem Ringnerven der
Hydromedusen vergleichbar ist. Mit dem letztgenannten würde eher die
Reihe der inneren Sinnesgruben übereinstimmen. Die Muskeln der Subum-
brella werden von Nervenfasern der Ringbahn und der radialen Bahnen
innerviert und es gibt auch Fasern, welche von dem einen Randkörper zum an-
deren übergehen.
Man sieht, Hesse weiß viele Leitungsbahnen anzudeuten, aber es blei-
ben auch hier noch Lücken auszufüllen.
Kassianow (1901) hat sich mit den Lucernariden und unter diesen vor
allen mit Craterolophus tethys beschäftigt. Unter dem Ektoderm der Exum-
brella beschreibt er einen Plexus von bipolaren Ganglienzellen, worin die
Nervenfortsätze der Sinnesnervenzellen übergehen. Die bipolaren Ganghen-
zellen haben nur selten verzweigte Fortsätze. Was Kassianow uns aber
weiter an Einzelheiten bekannt macht, scheint etwas sonderbar. Erstens
setzen sich nach ihm auch die gemeinen Epithelzellen in langen, dünnen
Fortsätzen fort, welche in seinen Abbildungen nicht immer von Nervenfasern
unterschieden werden können. Weiter gibt es GangUenzellen, welche einen
ihrer Fortsätze einer Epithelzelle anlegen, wo er ein wenig verdickt endet.
Auch sollen Sinnesnervenzellen bisweilen unmittelbar eine oder mehrere
Epithelzellen mit ihrem Fortsatz innervieren. Ich gestehe, daß ich die Be-
deutung dessen nicht einsehe und ich bezweifele die Richtigkeit der KLassia-
Nowschen Angaben.
Die nervösen Elemente sind in den Armspitzen, wo die Tentakeln ab-
gehen, angehäuft. Es gibt auch in den Tentakeln Sinnesnervenzellen, Gan-
ghenzellen und eine Nervenfaserschicht, aber Kassianow konnte ihren ge-
nauen Zusammenhang nicht ermitteln. Anders war es im Rande des Bechers,
wo die Sinnesnervenzellen ihre basalen Fortsätze zwischen die dortigen Mus-
kelfasern senden. Doch dürften nach Kassianow auch hier noch Ganglien-
zellen in dieser Leitungsbahn eingeschaltet sein. Unter dem Ektoderm der
Subumbrella ist an manchen Stellen eine breite Nervenfaserschicht. Es sind
hier im Epithel gewisse Zellen, deren basale Fortsätze sich in die Nerven-
faserschicht begeben, welche' nach Kassianow keine Sinnesnervenzellen
wären, sondern motorische Zellen einerseits mit Sinnesnervenzellen der Arm-
tentakeln, andrerseits mit Armmuskeln verbunden. In der Subumbrella des
Bechers und der Arme sind Nesselbatterien, welche von Sinnesepithel mit
kreisrunder Nervenfaserschicht umgeben sind. Die basalen Fortsätze der
Nesselzellen führen den Kern und sind keine Nervenfasern.
22 COELENTERATA.
Endlich fand Kassianow auch im Entoderm Sinnesnervenzellen und
Ganglienzellen.
In letzter Zeit hat nur noch Krasinska (1914) bei Pelagia noctiluca im
Epithel der Meduse Sinnesnervenzellen gefunden, deren Fortsätze manch-
mal unmittelbar in Fortsätzen der Ganglienzellen eines subejiithelialen Ner-
venfaserplexus zu verfolgen waren.
Ein Teil des S. 18 von den Hydrozoen Behaupteten gilt auch für die Sky-
phozoen, aber im allgemeinen sind uns die Leitungsbahnen der Skyphozoen
noch weniger als jene der Hydrozoen bekannt.
Schon O. und R. Hertwig (1879) entdeckten unter den Anthozoa bei
den Aktinien im allgemeinen einen Ganglienzellplexus unter dem Ekto- und
Entoderm, welcher mit den Sinnesnervenzellen in Verbindung steht. So hat
Sagartia parasitica in der Mundscheibe und den Tentakeln teils zwischen
den Basen der ektodermalen Epithelzellen, teils darunter einen nervösen
Plexus, welcher aus bi- oder multipolaren Ganglienzellen besteht, mit welchen
die ektodermalen Sinnesnervenzellen zusammenhängen. Die Ganglienzellen
sind nicht gleichmäßig über den ganzen Körper verteilt. So sind die Gan-
ghenzellen .selten im Nervenfaserplexus des Stomodaeum-Ektoderms und in
der Fu(3schcibe und im Stamm des Körpers konnten die Gabrüder Hertwig
sogar keinen Plexus beobachten. Die Ganglienzellen des subentodermalen
Plexus der Septen .sind .schwer aufzufinden, aber auch sie sind mittels ihrer
Fortsätze kontinuirlich mit den dortigen Sinnesnervenzellen verbunden. Ein
Nervenfaserplexus wird auch in den Akontien gefunden und im Mittella])pen
der Gastralfilamente — an letzter Stelle neben Sinnesnervenzellen — aber
die Seitenlappen der Gastralfilamente entbehren sowohl Sinnesnervenzellen
als Ganglienzellen.
Der ektodermale und entodermale Plexus vereinigen sich nur in den
Gastralfilamenten und die beiden Hertwig sind der Meinung, daß hier viel-
leicht auch bestimmte Leitungsbahnen zwischen beiden Plexus verlaufen.
Man vergleiche dafür aber hierunten Grosel.t.
Nachdem Havet (1901) und Schneidkr (1902) die Existenz eines Nervenfaser-
plexu.s bei den Aktinien bestätigt hatten, jedoch darin keine Balinen näher hatten be-
.stimnien können, kündigte Woi.ff (1904) das TJestehen eines Nervenrings um den Mund
an, damit wieder eine mögliche Bahn angebend.
Weit mehr bietet uns die GROSELJsche Arbeit (UM)'.)), welche sich auf
die vitale Methylenblau-Methode stützt. Groselj untersuchte verschiedene
Arten von .\ktiiii(Mi und fand dabei das Nervensystem zusammengesetzt aus
epithelial oder siibe{)ithelial gelegenen Sinnesnervenzelleji mit einem oder
mehreren basalen Nervenfortsätzen und bi- oder multipolaren Ganglienzellen.
Die Fortsätze der Siiin(\snorven- inul Ganglienzellen bilden initer dem Ekto-
derm, wie unter dem Kutoderm eine in ihrer Stärke variabele Schicht. Gro.skl.j
sah niemals die Ganglienzellen netzartig gegenseitig verbunden und auch
nicht mit den Nervenfortsätzen der Sinnesnervenzellen. Es ist wohl nicht zu
gewagt, (lies der Methylenblau-Methode zuzuschreiben, welche doch immer
nur hier und dort einen Teil des Nervensystems färbt.
ANTHOZOA. 23
Groselj gibt den Gebrudern Hertwig Recht, wenn sie sagen, daß
auch die Nesselzellen sich in Nervenfasern verjüngen. Ich glaube nicht, daß
er solches hat beweisen können.
Eine interessante allgemeine Bemerkung Groseljs ist noch, daß die
bipolaren Ganghenzellen lange Fortsätze haben, welche bestimmte Bahnen
bilden können, während die tri- oder multipolaren nur mit kurzen Fortsätzen
ausgestattet sind.
Von den spezielleren Angaben muß ich hier wiedergeben, daß bei Ceri-
anthus alle Sinnesnervenzellen der Tentakeln ihre Nervenfortsätze zur Ten-
takelbasis senden, was zur Bildung einer bestimmten Leitungsbahn Anlaß gibt.
Das gleiche ist der Fall mit den meisten Nervenfortsätzen der Tentakelsin-
nesnervenzellen von Bunodes. Bei diesem Tiere ist die Mehrzahl der Nerven-
fasern im parietalen Blatt des Körpers der Körperachse parallel gerichtet,
während sie in der Fußscheibe ganz regellos laufen. In der Mundscheibe
laufen die Nervenfortsätze der Sinnesnervenzellen radial. Besonders viele
Sinnesnervenzellen gibt es im Schlundrohr (Stomodaeum), zumal in der
Schlundrinne. Größtenteils laufen ihre Nervenfortsätze dieser Rinne parallel
Auch beobachtete Groselj hier viele bipolare Ganglienzellen, welche ihre
Fortsätze ebenfalls unter der Rinne in dieser Richtung senden und so bildet
sich hier eine deutliche Bahn für die Reizleitung. Diese Bahn ist zugleich die
wichtigste Verbindung des ektodermalen und entodermalen Nervensystems.
Groselj behauptet, daß unter dem Ektoderm des Stomodaeums der
zentrale Teil des Nervensystems gelegen ist, weil von dieser Stelle die meis-
ten Leitungsbahnen ausstrahlen, denn, wie er ganz zutreffend sagt, zentral
soll jener Teil des Nervensystems heißen, welcher am meisten durch Lei-
tungsbahnen unmittelbar mit verschiedenen Körperteilen verbunden ist.
Der erste Forscher, welcher bei Korallen einen Plexus von Ganglien-
zellen zeigte und damit zuerst uns näheres über die Leitungsbahnen mit-
teilte, war meines Wissens Korotneff (1887). Er entdeckte bei Veretillum,
einer Oktokorallinee, im Becher der Polypen zwischen Epithel und Muskel-
schicht bipolare und multipolare Ganglienzellen, welche einen Plexus bildeten.
Ihm folgt HiCKSON (1895), welcher bei Alcyonium digitatum unter dem
allgemeinen Ektoderm der Kolonie nur dann und wann Ganglienzellen, aber
keine Nervenfaserschicht beobachtet, sondern unter dem Tentakelektoderm
Ganghenzellen, welche einen gehörigen Nervenfaserplexus bilden, welcher den
Muskelfasern aufliegt. Weiter sieht er unter dem Entoderm einen Nerven-
faserplexus, dessen bi- und multipolare Ganglienzellen mittels ihrer Fort-
sätze zusammenhängen und auch befindet sich nach ihm in der Mesogloea
ein solcher Nervenfaserplexus, welcher unzweifelhaft mit dem entodermalen
zusammenhängt.
Diese letzten Angaben wurden für Xenia Hicksoni bestätigt von Ash-
WORTH (1899), welcher an manchen Stellen der Mesogloea einen Nervenfaser-
plexus verbunden mit kleinen bi- oder multipolaren Ganghenzellen sah.
Dieser Plexus hängt zusammen mit einem Plexus mit Ganghenzellen unter
dem Entoderm und wahrscheinhch befindet sich ein derartiger Plexus auch
unter dem Ektoderm.
24 COELENTERATA.
Alcyoniuni digitatum ist abermals Gegenstand einer Untersuchung durch
Kassianow (1908), der sich al)er auch mit anderen Alcyonaria beschäftigte.
Es wird in dieser Arbeit absichtlich nach bestimmten Reizleitungsbahnen
gesucht. Kassianow konnte nicht entscheiden, ob das Nervensystem der
ganzen Alcyonarienkolonie zusammenhänge, aber er achtet dies nicht wahr-
scheinlich. Er beobachtete Ganglienzellen unter dem Ektoderm und unter
dem Entoderm, aber nicht in der Mesogloea, und er ist der Meinung, daß
KoROTNEFF Und AsHWORTH in ihren oben zitierten Arbeiten, so wie auch
andere Forscher, Zellen der Gallerte als Ganglienzellen angesehen haben.
In den Tentakeln befinden sich Sinnesnervenzellen im Ektoderm der
oralen und der aboralen Seite. Ihre Nervenfortsätze treten in eine von Ner-
venfasern und GangUenzellen gebildete Schicht zwischen dem ektodermalen
Epithel und den Muskelfasern. Also abermals die für Coelenteraten bekannte
Lage. An der aboralen Seite der Tentakeln sind nur sehr wenige Ganglien-
zellen und Nervenfasern zu finden, aber an der oralen Seite ist das Nerven-
system weit besser entwickelt.
Die Mundscheibe stimmt, was das Nervensystem betrifft, mit der oralen
Tentakelseite überein, nur sind die Ganglienzellen und Nervenfasern nicht
gleichmäßig verteilt, sondern in einer Weise angehäuft, welche man im
Artikel selbst nachschlagen muß. An der Abgangsstelle eines Septums laufen
die Nervenfasern einander parallel vom Munde zum Rand der Mundscheibe
und Kassianow meint zwar, daß diese Nervenfascrbündel den Reiz ihrer
Länge nach geleiten, aber so lange die un,unterbrochene Fortsetzung der
Fasern in diesem Bündel noch nicht erwiesen ist und auch hier vielleicht
nur ein in die Länge gezogener Ganglienzellplexus ist, ist die Bahn mehr
scheinbar als wirklich gefunden. Kassianow konnte im allgemeinen feststel-
len, daß die Menge der Ganglienzellen und Nervenfasern (auch der radialen
Bündel) mit jener der Muskelfasern korrelativ war und dies in den Tentakeln
wie in der Mundscheibe.
Ein starker Nervenfaserplexus mit Ganglienzellen umgibt den Mund und
den oberen Teil des Stomodaeums. Im ektodermalen Epithel des Stomodaeums
tragen einige Zellen Haare und verjüngen sich basal in einen Fortsatz. Sie
sind zweifelsohne Sinnesnervenzellen. In der Siphonoglyphe sind nur wenige
Nervenfasern und in der parietalen Körperwand vermochte Kassi.vnow nicht
mit aller (»ewißheit ein Nervensystem zu entdecken.
Unter dem Entoderm bilden die nervösen Elemente keine Schicht, son-
dciii höchstens einen dünnen Plexus. In den Gastralfilamcnten waren gar
keine Nervenelemente sichtbar.
Aus dem oben Mitgeteilten läßt sich schließen, daß die Anthozoen,
wie andere Coelenteraten, einen nerveisen Plexus von Ganglienzellen besit-
zen, welche mit einigen ilner Fortsätze die Muskeln innervieren und mit
anderen in Sinnesnervenzellen des Epithels übergehen. An einigen Stellen
laufen die meisten Nervenfasern einander |)arallel. wodurch dort der Anfang
eines histologisch sichtbaren Systems hestiininter Leitungsbahnen gegeben ist.
CTENOPHORA. 25
Keine Gruppe der Coelenteraten hat so große Schwierigkeiten bei der
Untersuchung des Nervensj^stems bereitet und von keiner lauten die Angaben
so widersprechend wie von der Gruppe der Ctenophoren.
Das so. sehr in die Augen fallende aborale Sinnesorgan hat schon längst
dazu genötigt mit demselben verbundene Nervenelemente oder sogar ein
Nervenzentrum in seiner Nähe zu suchen. Claus (1864) und Eimer (1873)
gelang dies aber nicht und, obgleich Chun (1879) ganz willkürlich das aborale
Sinnesorgan zum Zentralnervensystem erklärte, kann man behaupten, daß
noch heute völlig unbekannt ist, ob und wie die Sinneszellen des Aboralorgans
sich dem Nervensystem anschließen.
Eimer (1873) war aber der erste, welcher in der Gallerte des ganzen
Körpers Nervenfasern mit Kernen und außerdem multipolare Ganglienzellen
nachwies und zwar war Beroe ovatus dabei das Objekt seiner Studien. In
den acht Radien des Körpers sind nach ihm die Nervenfasern angehäuft,
ohne dabei Nerven zu bilden. Die mit Ganglienzellen ausgestattete Gallerte-
schicht unter dem ektodermalen Epithel, welche am aboralen Pole die größte
Dicke hat, soll nach Eimer das Zentralnervensystem sein. Meinens Erach-
tens fehlt uns dafür jeder Beweis. Was Eimer von der Innervation der Muskel-
fasern behauptet, nämhch, daß die Muskelfasern als solche nichts anderes als
die unmittelbare Fortsetzung der Nervenfasern sind, muß wohl im Vergleich
mit dem uns über andere Coelenteraten Bekannten als Fantasie betrachtet
werden. R. Hertwig (1880), welcher die EiMERsche Behauptung nicht be-
jahen konnte, meinte, daß Eimer von der KLEiNENBERGschen Neuromus-
keltheorie irregeführt worden sei.
Chun (1879) unterwirft die EiMERsche Arbeit einer Kritik und sagt,
daß Eimer nicht immer die wahre Natur seiner Nervenfasern und Gan-
glienzellen beweise. Auch ältere Forscher hätten wohl Muskelfasern für Ner-
venfasern angesehen. Aber Chun, der das Aboralorgan zum Zentralnerven-
system erklärt und die acht Flimmerreihen zu Nerven, entgeht seiner eigenen
Kritik nicht.
Nachdem schon die Gebrüder Hertwig (1879) die Existenz eines peri-
pheren Nervenfaserplexus bei den Ctenophoren behauptet und uns damit
zum ersten Male einigermaßen über die Art der Leitungsbahnen Auskunft
erteilt hatten, erschien im nächsten Jahre die Arbeit R. Hertwigs (1880).
Er sah bei einigen Ctenophoren einen subepithelialen Nervenfaserplexus mit
Ganglienzellen unter dem Ektoderm des Körpers, womit aber die fadenför-
migen Sinneszellen des iVboralorgans nicht durch Fortsätze verbunden sind.
Auch setzen sich die Zellen der Wimperbüschel des aboralen Poles nicht in
Fasern fort. Ein derartiger subepithelialer Ganglienzellplexus befindet sich
auch im Magen, welcher dem Stomodaeum anderer Coelenteraten vergleich-
bar ist und deshalb mit Ektoderm bekleidet wird. Es gibt vielleicht auch in
den Tentakeln subepitheliale Ganglienzellen, aber jedenfalls befindet sich in
der Tentakelachse ein Nervenstrang mit Ganghenzellen in seinem Verlauf.
In wiefern sein feinerer Bau ihn weiter zur Leitungsbahn prägt, ist unbe-
kannt. In der Achse der Senkfäden liegt ebenfalls ein Nervenstrang, welcher
sich jenem Nervengewebe anschließt, welches sich in einer Schicht unter
26 COELENTERATA.
der Medianlinie des Tentakels ausbreitet. Sehr interessant ist die Beobach-
tung Hertwigs, daß die Tentakeln einiger Ctenophoren mit Sinnesnerven-
zellen ausgestattet sind, welche sich in Nervenfasern fortsetzen. Hier ist
also wenigstens der Anfang der Reizleitungsbahn bekannt, eine Tatsache,
welche bei Ctenophoren noch immer meines Wissens einzig dasteht.
Hertwig konnte die Nervenfasern in der mesodermalen Gallerte, welche
von Eimer entdeckt worden waren, bei Beroe und anderen Ctenophoren
zurückfinden. Nach ihm innervieren sie die Muskelfasern, aber in anderer
Weise als Eimer meinte und bilden einen Plexus, welcher — wie, sagt
er nicht — mit dem Epithel zusammenhängen soll. Hertwig leugnet die
Anwesenheit von Ganglienzellen in der Gallerte und teilt die Kerne der Ner-
venfasern einem Neurilemma zu. Die Figuren Hertwigs würden aber meiner
Meinung nach eher Eimer Recht geben, welcher wohl Ganglienzellen in der
Gallerte anerkennt. Auch Hertwig fand, wie Eimer, in der Gallerte unter
dem aboralen Sinneskörper besonders viele Nervenfasern. Am Ende des
Trichters bildet das Nervengewebe zwei Polster und in der Gallerte unter
den Wimperrinnen der Meridianstreifen bilden die Nervenfasern wahre Stränge,
welche Meridiannerven genannt werden. Hertwig erzählt uns, wie die letzten
schon im Jahre 1844 von Will beobachtet wurden.
Unter dem Entoderm keine Nervenelemente.
Die später publizierten Mitteilungen über da.s Nervensystem der Ctenopohoren
haben uns nicht viel weiter geführt. Schneidkr (1892) gestand Eimer zu, daß es in
der Gallerte der Ctenophoren Cianglienzellen gibt. Samassa (1892) aber leugnet das
ganze Nervensystem der Ctenophoren, was immer andere Forscher dafür gehalten
haben mögen. Nirgendwo ist nach ihm ein Nervenfaserplexus vorhanden. Nur bei Beroe
.sollen Epithelzellen unter die Flimmerplättchen gesunken vmd zu Oanglienzellen mit
Fortsätzen umgebildet worden sein.
Bethe (1895). welcher die Arbeiten Eimers, Hertwigs und Samassas kennt, spricht
sich gegen Sama.ssa aus imd erkennt bei Ctenophoren den subepithelialen Nervenfaser-
plexus an. Ausdrücklich betont er, wie der Plexus von kontinuirlich mit ihren Fort-
.sätzen zu.sammenhänpenden (Janglienzellen gebildet wird. Er übertrifft H. Hertwk;
in der Hinsicht, daß er auch unter dem cntodernialcn Kpitliel einen Nervenfaser-
plexus beobachtete.
Zusammenfas.send kann man sagen, daß uns bei den Ctenophoren die
Reizleitungsl)ahnen noch weit weniger bekannt sind als bei den anderen
Gruppen der ('oelenteraten. Festgestellt ist nur das Bestehen eines subepi-
thelialen Ganglienzellplexus, aber die HERTWiGsche Arbeit gibt uns Hoff-
nung, daß es m(")glich sein wird, auch hier andere, mehr bestimmte Leitungs-
bahnen kerinen zu lernen. Wie schwierig solches sein wird, ergibt sich aus
dem Mangel an diesbezüglichen Mitteilungen in den letzten zwanzig Jahren
und weiß ich aus eigener Anschauung. Der Nervenfaserplexus in der meso-
dermalen Gallerte, welcher /.ur Innervation der Muskelfasern dient, ist, wie
schon R. Hertwig (1880) benierkte, ein Teil des Nervensystems, welcher
sich im besondern bei den Ctenophoren unter den Coelenteraten entwic-
kelt hat. "
COELENTEliATA. 27
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y E R IM E S.
Der Bau des Nervensystems ist in den verschiedenen Klassen und Ord-
nungen der Würmer so wenig übereinstimmend, daß es nicht möglich ist,
davon ein allgemeines Bild zu entwerfen.
Nur einige allgemeine Bemerkungen möchte ich am Anfang dieses Ab-
schnitts machen. Es treten bei den Würmern zum ersten
Male echte Ganglien auf, welche, abgesehen von Stütz-
geweben sehr oft aus einem peripheren Belag von Gan-
glienzellen und einem inneren Gewebe von Nervenfasern
bestehen. Die Ganglienzellen der Würmer sind nicht nur
bipolar oder multipolar, wie bei den Coelenteraten, son-
dern sehr oft unipolar. Auch sind die Fortsätze der Gan-
glienzellen nicht immer mehr einander gleichwertig. Unter
den multipolaren Ganglienzellen treten typische Neuronen,
das heißt Ganglienzellen mit vielen Dendriten und einem
Neurit auf, ganz wie bei den Wirbeltieren. Der Körper
der unipolaren Ganghenzelle hat nur einen einzigen
Fortsatz, welcher sich aber bald verzweigt (Fig. 7). Ich
will in übHcher Weise, wie z.B. auch Von Lenhossek
(1895) es tut, den einzigen Fortsatz Stammfortsatz
(Fig. 7,.s) und seine Verzweigungen Nebenfortsätze nen-
nen. Unter den Nebenfortsätzen kann man in manchen
Fällen Dendriten unterscheiden, welche sich in der Nähe
des Zellkörpers aufsplittern (Fig. 1 ,d) und einen Neu-
rit (Fig. l,n), welcher unter Abgabe von Kollateralen
(Fig. 7,c) längere Strecken zurücklegt und schließlich
mit zahlreichen, feinen Verzweigungen endet. Es ist mir
selbstverständlich nachher nicht möglich den Lauf aller
Dendriten und Kollateralen zu beschreiben. Meistens
reicht es hin, den Lauf der Neuriten anzugeben, wenn
man den Verlauf der Leitungsbahnen im Nervensystem darstellen will.
Die Dendriten und Kollateralen der Ganglienzellen bilden im Inneren
der Ganglien ein Gewebe, welches von Leydig Punktsubstanz genannt wurde,
obgleich er selber schon richtig wußte, daß die Punkte durchgeschnittene
Schema einer uni-
polaren Ganglien-
zelle.
s ~ Stammfortsatz.
d = Dendriten.
n = Neurit.
c = Kollateralen.
30 VERMES, PLATHELMINTHES.
Fasern waren. Das Wort Punktsubstanz ist leider im Anfang nicht von einem
den klassischen Sprachen entlehnten Worte ersetzt worden und hat in Ar-
beiten, welche in allerhand Sprachen geschrieben sind, Anwendung gefunden.
Erst später haben His und anderen statt dessen auch .,Neuropil" oder
,,Neuro])ilem" gesagt. Das erste Wort ist eine Uebersetzung des griechischen
,,neuroi)ilos"' oder Nervenfilz, das zweite enthält das griechische ,,pilema",
welches ,,das dicht zusammen gepackte" bedeutet. Ich glaube, man soll
das letzte Wort bevorzugen. Es bietet zwei Vorteile. Erstens drückt es nicht
wie Punktsubstanz oder Neuropil die Struktur des davon angedeuteten Ge-
webes aus, welche heute noch immer vielumstritten ist. Zweitens kann es
eben so gut statt ,, Punktsubstanz" wie statt ,, Punktsubstanzballen", das
heißt eines besonderen Abschnitts der Punktsubstanz angewendet werden.
Ich will also in der Folge nur das Wort Neuropilem gebrauchen, ein Wort,
welches internationale Anwendung finden kann.
Ueber die Struktur des Neuroj)ilems sind verschiedene Ansichten ver-
breitet, welche sehr nahe zusammenhängen mit den Ansichten der Autoren
über die Neuronentheorie. Meine Ansicht ist, wie auch in der Einleitung S. 4
erläutert wurde, nicht, daß die Verzweigungen der verschiedenen Ganglien-
zellfortsätze immer ganz frei von einander sind, wie die Neuronentheore-
tikern behaupten, auch nicht, daß sie ein einziges Netz bilden, wobei alle
Fasern kontinuirlich in einander übergehen, wie die Antineuronentheore-
tikern meinen, sondern, daß die Fasern in bestimmter, sei es auch nicht
genau bekannter Weise teils in einander übergehen, teils ohne Zusammen-
hang durcheinander geflochten sind. Von den .Autoren, welche das Neuro-
pilem eingehend studiert haben, wird beides mit großer Bestimmtheit be-
hauptet. Nur die Verallgemeinerung ihrer Befunde wäre meines Erachtens
fehlerhaft.
Im allgemeinen sind in den Nerven der Würmer immer an manchen
Stellen Ganglienzellen eingelegt. Daraus ergibt sich, daß der Nerv als solcher
keine einfache Leitungsbahn ohne weiteres zu sein braucht. Der Reiz, im Körper
einer Ganglienzelle angelangt, braucht durchaus nicht in derselben Richtung
im Nerven weiter geleitet zu werden. Ich werde daher niemals einen Nerven
nennen, wenn nicht außerdem der Faserverlauf im Nerven bekannt ist. Ich
möchte immer so in den Nerven, wie in den GangUen nur was uns über die
Neuronenketten bekannt ist, wiedergeben.
Von manchen Autoren wird kein Unterschied gemacht zwischen den
Konnektiven oder Längen Verbindungen der Ganglien und den Kommis-
suren oder Querverbindungen, das heißt, es werden auch die Konnektive
als Kommissuren bezeichnet. Ich glaube, daß man allen Grund hat Irr-
tümer zu vermeiden und mit Spexgel, welcher nach Eisig (1887) dies am
ersten täte, KcMuioktive und Kommissuren zu unterscheiden. Ich werde in
Uebereinstimmung mit der Terminologie der Vertebraten den Ausdruck
Kommissur reservieren für alle Nervenfasern, welche die Medianlinie des
Körpers überschreiten ohne Rücksicht ob sie solches innerhalb oder außer-
halb eines Ganglion tun.
TURBELLARIA.
31
Fig. 8.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen nehme ich mein eigentliches Thema
wieder auf und fange an mit der Klasse der Plathelminthen und unter diesen
mit der Ordnung der Turbellaria.
Die Gestalt des Nervensystems bei diesen Tieren kann Fig. 8 erläutern,
welche das Nervensystem einer Planaria schematisch darstellt. Im Vorder-
ende des zungenförmigen Körpers befindet sich das Hirnganglion {g.c),
welches sich in zwei nach hinten laufende Seitenstränge (s.str.) fortsetzt.
Diese sind durch Kommissuren (c.) verbunden und sie entsenden die peri-
pheren Nerven. Die Mundöffnung und der Pharynx liegen bei diesen Tieren
fast in der Mitte des Körpers. Aus dem Hirngan-
glion treten die Hirnnerven, von denen einige zu
den Augen (o.) gehen.
Der erste Forscher, welcher uns Angaben über
den Lauf einiger Nervenfasern verschafft, ist Lang
(1879). Er arbeitete mit marinen Dendrocoelen,
meistens Polycladen und bemerkt vielsagend, daß
vor dem Jahre 1868, als Keferstein im Hirngan-
glion Ganglienzellen und Nervenfasern nachwies,
das Nervensystem oft mit dem Blut- oder Wasser-
gefäßsystem oder mit den Geschlechtsorganen ver-
wechselt wurde. Vorn im Kopfe der Dendrocoe-
len liegt das symmetrisch gebaute, aus peripheren
Ganglienzellen und zentralen Nervenfasern zusam-
mengesetzte Hirnganglion, welches neben vielen
Nerven zwei starke seitliche Nervenstränge nach
hinten abgibt, welche den ganzen Körper durch-
ziehen und zahlreiche periphere Nerven aussenden.
Im HirngangUon sind Nervenfasern, welche die
Medianlinie kreuzen und deshalb eine Kommissur
bilden und Lang konnte wahrnehmen, wie die Fort-
sätze einiger Ganglienzellen des Hirnganglions in Nach Bütschli (1912),
die Nerven austraten. Hier sind also einige Teile Fig. 320.
der Leitungsbahnen schon angegeben. Alle Nerven ^- = commissura.
1 1 1 • • ö'-^'- = ganglion cerebrale,
enthalten Ganglienzellen und gehen bald m emen ^ ^ oculus.
Nervenplexus über. Dabei ist zu beachten, daß ph. = pharynx.
dieser Nervenplexus sich von dem Nervenfaser- s.str. = Seitenstrang,
plexus der Coelenteraten unterscheidet durch seine
Zusammensetzung an manchen Stellen aus Bündeln von Nervenfasern, nicht
nur aus einzelläufigen Nervenfasern. Daraus kann man schließen, daß, wenn
auch die Nerven des Plexus sich verzweigen und kontinuirüch in einander
übergehend ein Netz bilden, die in den Nerven enthaltenen Nervenfasern
ganz gut ungeteilt und ohne gegenseitigen Zusammenhang darin fortlaufen
können, was hinsichtlich der Reizleitung sehr wichtig ist. Ob auch die
Nervenfasern einen Plexus bilden, wie bei den Coelenteraten, hat Lang
nicht gesehen. Wo solches der Fall ist, werde ich es weiter immer erwähnen.
Drei Jahre später (1882) untersuchte Lang auch das Nervensystem der
Schema des Nervensys-
tems einer Planaria.
32 VERMES, PLATHELMINTIIES.
Tricladen. Er fand die seitlichen Nervenstränge durch viele Ksmmissuren
bunden und auch das Hirnganglion scheint ihm der Heuptsache nach
eine Kommissur, zumal da es bei den Landtricladen durch einige dünne
Kommissuren ersetzt ist. Lang erblickt in den beiden seitlichen Nerven-
strängen mit ihren Kommissuren die erste Anlage des Bauchstranges der
Anneliden. Ich meine wir können ihm darin Recht geben.
Nachdem also Lang einige zentrale Teile der Leitungsbahnen aufge-
funden hatte, wurden von Boehmig (1891) im Körperepithel von Monoophorum
striatum und anderen Arten einzelstehende oder in Gruppen vereinigte Tast-
sinneszellen beschrieben und abgebildet. Sie hegen an allen Orten aber
besonders in der Kopfregion, tragen ein peripheres Tasthaar und setzen sich
basal in einer Nervenfaser fort, sind also echte Sinnesnervenzellen.
Ohne Zweifel ist nicht Von Lenhossek, wie mancher meint, der erste
gewe.sen, welcher bei einem Wurme im Körperepithel zerstreute Sinnesner-
venzellen erkannt hat, sondern haben Greeff und Boehmig oder vielleicht
Walter oder Heckert (vergl. S. 35) die Priorität. Jedoch ist es
wahr, daß erst Von Lenhossek, welcher diese Zellen im nächsten Jahre
(1892) bei Lumbricus entdeckte, ihrem Vorkommen allgemeine Bekannt-
heit gegeben hat.
Hesse (1897a) gelang es einen anderen peripheren Teil der Leitungs-
bahnen zu beobachten. Er war nämUch der erste, welcher unzweideutig sah,
daß die Sehzellen im Auge verschiedener Planaria-Arten mit Fortsätzen
ausgestattet sind, welche zum HirngangUon schreiten. Es sind also Sinnes-
nervenzellen. Ebensolche Zellen fand Hesse im Auge von Dendrocoelum lac-
teum, Derostoma und Leptoplana.
Die GoLGi -Methode hat auch bei den Turbellarien weitere nervöse Lei-
tung.sbahnen zu Tage gefördert. Schon Blochman (1895) hatte mit Hilfe
dieser Methode bei Dendrocoelum lacteum einen dorsalen, peripheren, sube
pithelialen Nervenplexus erkannt, dessen multipolare Ganglienzellen neben
anderen Fortsätzen solche besitzen, welche mehrfach verzweigt, frei im Epi-
thel enden. Man ist also berechtigt diese Zellen sensibele Ganglienzellen zu
nennen, da ihr peripherer Fortsatz von dem Sinnesfortsatze einer Sinnes-
nervenzelle durch seine Verzweigungen und die Tatsache, daß diese nicht
die Oberfläche des Epithels erreichen, viel weniger darüber hervorragen, zu
unterscheiden ist.
Fräulein Monti (1897) war aber im Stande die von Blochman errun-
genen Resultate weiter zu führen. Sie arbeitete mit Dendrocoelum lacteum,
Planaria torva und montana und mit Polycoelis brunnea, welche in ihrem
Bau übereinstimmten. Wie schon bekannycoeJis brudas Nervensystem am
zwei Seitensträngen, welche vorn im Körper zum Hirnganglion anschwellen,
das eine große Kommissur zwischen beiden Seitensträngen bildet. Au-
ßerdem sind die Seitenstränge durch zahlreiche, 'm ganzen Körper gelegene
Kommissuren verbunden und auch ihr hinteres Ende bildet eine Kommissur.
Die Seitenstränge und auch die Kommissuren entsenden periphere Nerven,
welche teils in den Muskeln enden, teils einen nicht nur dorsal, sondern auch
ventral gelegenen pciipheren Nervenplexus bilden. In den Seitensträngen
TURBELLARIA. 33
findet man neben Nervenfasern auch unipolare, bipolare und multipolare
Ganglienzellen. Ebenso gibt es Ganglienzellen in allen peripheren Nerven
und auch in den Kommissuren, wo sie dann aber meistens bipolar sind.
lieber den Lauf der einzelnen Nervenfasern konnte Monti Folgendes
beobachten. Unter dem Epithel der Haut befindet sich eine Muskelfaser-
schicht, worin große, multipolare Ganglienzellen liegen mit vielen Dendriten,
welche sich zwischen den Zellen des Epithels verzweigen und dort frei enden
und mit einem Neurit, welcher in einem peripheren Nerven und diesen entlang
in einem Seitenstrang zu verfolgen war. Ein zweiter Ganglienzelltypus ist
bipolar. Er liegt entweder in der Muskelschicht oder in den peripheren Nerven
der Seitenstränge oder in diesen selbst. Sein peripherer Fortsatz läuft zum
E^pithel der Haut, wo er sich verästelt und frei endet. Sein zentraler Fortsatz
geht in die peripheren Nerven oder den Seitenstrang. Eine dritte Ganglien-
zellart gleicht der zweiten in allem ; nur besitzt diese Zelle außerdem einen
Fortsatz zu einem Muskel, zum Parenchym des Körpers oder abermals zum
Seitenstrange, wo er dann verzweigt endet.
Weiter beobachtete Monti in den Seitensträngen auch multipolare Gan-
glienzellen deren Neurit in den Muskeln endet, während sich die Dendriten
in der Nähe des Zellkörpers verzweigen.
Daneben wurden Nervenfasern unbekannter Herkunft in den Seiten -
strängen gefunden, welche aus diesen hervortraten und im Hautepithel
mit freien Verzweigungen endeten. Sie waren besonders zahlreich im vor-
deren Körperabschnitt.
Fasern der Kommissuren, welche nach Austritt zu den Hoden oder
Darmdivertikeln gehen um dort zu enden sind, Monti nicht entgangen.
Nicht ganz klar war mir ihre Beschreibung bipolarer, in den Seiten-
strängen oder in der Muskelfaserschicht gelagerter Ganglienzellen, welche
einen Fortsatz ins umringende Gewebe senden und den anderen, den Neurit,
in irgendwelches Nervenfaserbündel. Auch ist mir nicht deutlich, wo die
unipolaren Ganglienzellen sind, deren Fortsatz in den peripheren Nerven und
weiter in dem Seitenstrang zu verfolgen wäre.
Soll es der Launenhaftigkeit der GoLGischen Methode zugeschrieben
werden, daß Monti nicht die von Boehmig entdeckten Sinnesnervenzellen
im Epithel wiederfand ?
Einige Jahre später hat Monti (1900) wiederum mittels der GoLGischen
Methode Planaria montana (oder alpina) untersucht, sich aber jetzt mehr
ins besondere dem Hirnganglion (ganglion cephalicum) zugewandt. Es be-
finden sich hier verschiedenartige Ganghenzellen. Erstens bipolare, deren
einer Fortsatz das Ganglion verläßt und zum Epithel der Haut geht um sich
dort zu verzweigen, deren anderer Fortsatz aber in dem Seitenstrang zu ver-
folgen ist, wo er Kollateralen entsendet, welche bisweilen in die Kommis-
suren treten. Der zentrale Fortsatz dieser Zellen braucht jedoch nicht so
lang zu sein, sondern er kann sich auch schon in der Nähe des Zellkörpers
verästeln und dort enden.
Neben diesen bipolaren Ganghenzellen gibt es im Hirnganghon auch
multipolare Ganghenzellen mit vielen zentralen Fortsätzen, welche sich in
DROOGLEEVEK FORTUYN. ^
34 VERMES. PLATHELMINTHES.
der Nähe verzweigen und einen peripheren Fortsatz zum Ektoderm. Weiter
sind im ganglion cephalicum große, unipolare Ganglienzellen, welche ihren
Fortsatz in den Seitenstrang senden, wo er Kollateralen bildet. Schließlich
beschreibt Monti noch zwei besondere Typen von bipolaren Ganghenzellen
im Hirnganglion. Der erste Typus sendet den einen Fortsatz zum Ektoderm
der einen Körperseite, wo er sich frei verzweigt ; der andere Fortsatz aber
teilt sicii und der eine Zweig läuft zentralwärts, der andere geht zur Peri-
pherie und zwar zum Ektoderm der anderen Körperseite. Der zweite Typus
hat einen peripheren Fortsatz, welcher sich im Epithel verzweigt und einen
zentralen, welcher im Hirnganglion die Medianlinie kreuzt und in den Sei-
tenstrang der anderen Körperseite übergeht.
Am Rande der Seitenstränge erwähnte Monti noch Ganglienzellen mit
einem frei und verzweigt im Körperepithel endenden Fortsatz und daneben
einem im Strange aufsteigenden und einem absteigenden Fortsatz. Diese
beiden letzten senden Kollateralen aus, welche teils zur Muskulatur gehen,
teils wiederum zum Epithel, wo sie mit freien Verzweigungen enden.
Ich habe der großen, zusammenstellenden Arbeit Von Gräfes (1904),
welche erst 1908 abgeschlossen wurde, keine weiteren für meinen Zweck ver-
wendbaren Angaben entlehnen können. Sollte also nach dem Jahre 1900
wirklich nichts weiteres über den Lauf der Reizleitungsbahnen im Nerven-
system der Turbellarien publiziert worden sein, so kann ich nur Von Graff
beistinmien, wenn er sagt, daß unsere Kenntnis der Histologie des Nerven-
systems dieser Tiere Spezialforschungen noch sehr bedarf.
Vom Nervensystem der Trematoden gibt Lang (1881) uns eine Beschrei-
bung, der auch Braun (1892) der Hauptsache nach gefolgt ist. Oberhalb
des Pharynx hegt das Hirnganglion, von dem nach vorn laufende Nerven
abgehen, welche untereinander durch einen Nervenring verbunden sind. Nach
hinten gehen zwei seitliche Nervenstränge, welche mit den sie verbindenden
Kommissuren eine Art Strickleiter zusammensetzen. Sie entsenden periphere
Nerven, welche einen Plexus bilden. Allen Nerven sind Ganglienzellen einge-
lagert. Das Hirnganglion stimmt in seinem Wesen mit einer Kommissur der
Seitenstränge überein ; es ist aber eine zusammengesetzte und an Ganghen-
zellen reiche Kommissur. Man findet nach Lang im Hirnganglion mehrere
Bündel von Kommissurfascrn und genau symmetrisch gelegene Ganglienzellen.
Der erste, welcher nach Lang wenigstens einen Teil der Rcizleitungs-
bahnen .sah, war Blochmann (1895), welcher bei Trematoden einen ebensol-
chen subepithehalen Nervenplexus beobachtete mit multij)()laren Ganglien-
zellen, welche Fortsätze mit freien F.ndungen ins Epithel der Körperober-
fläche sandten, wie bei Dendrocoelum.
Hksse (IH97r/) sah bei Trematoden wie Tristomum und Polystomum,
wie die Sehzellen der Augen .sich in Nervenfasern fortsetzen, welche bis ins
Hirnganglion zu verfolgen waren. Es sind also wiederum Sinnesnervenzellen.
Sinnesnervenzellen bei Trematoden wurden auch von Bettendorf (1897)
an verschiedenen Stellen aufgefunden. Er arbeitete mit vielen Arten und
TREMATODES.
35
seine Resultate haben daher wohl eine allgemeinere Bedeutung. Meistens war
es die Methylenblau-Methode, welche ihm Neues zu entdecken gestattete.
Bettendorf erwähnt, wie schon Walter im Jahre 1858 und Looss 1894
bei Trematoden Sinnesnervenzellen
beobachteten, während Heckert .sie
im Jahre 1889 in den Saugnäpfen
von Distomum macrostomum und
anderswo wahrnahm. Ich konnte
leider diese Angaben nicht verifi-
zieren. Sind sie richtig, so hat
auch Greeff nicht als erster die
Sinnesnervenzelle der Würmer ent-
deckt (vergl. S. 32).
Nach Bettendorf, dessen Be-
schreibung sehr gut durch Fig. 9,
eine Wiedergabe des Nervensystems
der Larve von Distomum cauda-
tum nach Bütschli (1912) beleuch-
tet werden kann, ist das Hirngan-
glion (Fig. 9, (/.c.) eigentlich ein Paar
durch eine Kommissur vereinigte
Ganglien dorsal zwischen Mundsaug-
napf (m.s.n.) und Pharynx {ph.)
gelegen. Sie sind Ursprung vieler
peripheren Nerven und drei Paar
longitudinale Nervenstränge entfer-
nen sich davon dorsal, lateral und
ventral nach hinten (d. str., l. str.
und V. Str.) und werden alle durch
kreisförmige Querverbindungen (g.)
und Kommissuren (c.) verbunden.
Die peripheren Nerven, welche vom
Hirnganglion nach vorne ziehen,
enthalten die Nervenfortsätze von
Sinnesnervenzellen {s.n.z.). Weiter
besteht überall im Körper unter der
peripheren Muskulatur ein Nerven-
plexus mit Ganglienzellen und die
Sinnesnervenzellen der Körperober-
fläche senden ihre basalen Fortsätze
in diesen Plexus hinein.
In den beiden Saugnäpfen hat
sich dieser Plexus weiter differen-
ziert. Er ist hier mehr oder weniger
Fig. 9.
S.n.z
Schema dei=! Nervensystems der Larve von
DistomiiiTi caudatiim von der ventralen Seite
gesehen. Nach Bütschli ((1912),iFig.323.
b.s.n. = Bauchsaugnapf.
c. = commissura.
d.str. = dorsaler Nervenstrang.
g.c. = ganglion cerebrale.
l. str. = lateraler Nervenstrang.
w.79Z. = motorischer Plexxis.
m.s.n. = Mundsaugnapf.
n.ph. = nervus pharyngeus.
p.e. = Excretionsporus.
p.g. = Genitalporus.
/)/(. = Pharynx.
q. = Querverbindung.
s.n.z. = Sinnesnervenzellen.
s.n.z.'' — Sinnesnervenzellen,
v.sfr. = ventraler Nervenstrang.
kreisförmig und dabei hat eine Tren-
nung stattgefunden in einen oberflächlichen, mehr sensibelen Plexus und einen
36 VERMES, PLATHELMTNTHES,
tieferen, rein motorischen, welcher aller Ganglienzellen entbehrt {m. pL). Die
motorischen Nervenfasern haften sich im allgemeinen entweder an die Muskel-
faser oder an ihren Myoblast. Auch in den Saugniipfen beobachtete Betten-
dorf Sinnesnervenzellen mit peripherem in die Cuticula eindringendem
Fortsatz und zentralem Fortsatz, welcher in den Nervenplexus sinkt. Ueber-
dies gibt es in dem Mundsaugnapf Sinnesnervenzellen, deren basaler Fort-
satz unmittelbar ins Hirnganglion eintritt {s.n.z.''). Seitenäste dieser Fort-
sätze bilden gegenseitige Verbindungen und es kommt so ein Plexus zustande,
aber jetzt ein wahrer Nervenfaserplexus, nicht nur ein Nervenplexus, wie
unter der peripheren Muskelschicht. Im Bauchsaugnapf ist beständig ein
Paar große Sinnesnervenzellen deren basaler Fortsatz in den Bauchnerv
geht, ohne aber vorher sich mit einem Plexus zu vereinigen.
Manches von Bettendorf Beobachtete wurde auch von Havet (19006)
gesehen. Er wählte Distomum hepaticum (Fasciola hepatica) als Objekt und
sah auch die Sinnesnervenzellen im Körperepithel. Er erzählt uns, dass deren
Zellkörper sich oft tief gesenkt hat und auch der periphere Fortsatz
Seitenäste tragen kann.
Man findet hier also eine Zwischenstufe zwischen einer im E])ithel be-
findlichen Sinnesnervenzelle mit ungeteiltem Fortsatz und einer tiefen sensi-
belen Ganglienzelle mit freien verzweigten Endungen im Epithel, wie wir
solche auch bei der Molluske Limax kennen lernen werden, und gerade so
eine, wie meine Erweiterung der ÜERTWiGschen Hypothese (S. 12), welche
die Phylogenese der sensibelen Ganglienzelle ei-läutern soll, als phylogene-
tische Uebergangsform bedingt.
Die Basis der Sinnesnervenzelle setzt sich in einen oder zwei Nerven-
fortsätze fort, welche Kollateralen abgeben und zusammen einen Plexus
bilden. Dann treten sie ein in den dorsalen, lateralen oder ventralen longi-
tudinalen Nervenstrang oder überschreiten erst die Medianlinie des Kör-
pers. Einige Sinnesnervenzellen senden sogar einen Fortsatz in den linken und
einen in den rechten Nervenstrang. Sehr interessant ist die HavetscIic Beob-
achtung, daß die P'ortsätze gleich nach Ankunft im Nervenstrange sich tei-
len in einen nach vorn und einen nach hinten ziehenden Ast. Man hat oft
etwas ähnüches bei anderen Würmern gesehen, wie wir später erfahren werden.
Neben den Nervensträngen liegen Ganglienzellen, welche ihre Fort-
sätze zu den Muskeln oder in den Nervenstrang hineinsenden.
Im Hirnganglion entdeckte Havet zuerst Kommissurzellen, welche
ihren Fortsatz zum Ganglion der anderen Seite senden. Havet eiklärte also
dt-h Urs])rung wenigstens einiger der von Lang beobachteten Kommissur-
fasern. Andere Zellen des HirngangJion senden einen Fortsatz in den Ner-
venstianL{ hinein oder zum l*liarviix in dessen Äluskeln wieder andere Gan-
glienzellen zerstreut liegen. Endlich .sagt uns Havkt, daß einige Sinnesner-
venzellen des Epithels der Saugnäpfe Fortsätze in den Saugnapf selbst sen-
den, wo aufh schon multipolare Ganglienzellen voihanden sind. In diesen
letzten Angaben steht er aber scheinbar hinter Bkttendouf zurück.
Der Leberegel, Distomum hepaticum, war abermals Gegenstand einer
Untersuchung von Seiten Makcinowskis (lUO:^). Er wendete seine Auf-
CESTODES. 37
merksamkeit ins besondere der Innervation des Pharynx und Oesophagus zu
und fand beide von GangHenzellgruppen umgeben, welche dort ein diffuses
Nervensystem, ich vermute einen sympathischen GangHenzellplexus, bil-
deten. Der Pharynxnerv( Fig. 9, n. ph.) welcher dem Hirnganglion entspringt
führt Nervenfasern, welche, wie oben gesagt, Havet entdeckte und wel-
che nach Marcinowski in den GangHenzellgruppen des Pharynx, aber
auch in denen des Oesophagus enden.
So viel ich weiß, sind der MARCiNOWSKischen Arbeit nur zwei andere gefolgt
welche hinsichtlich der Reizleitungsbahnen noch einige, wenn aixch weniger
bedeutende Fingerzeige enthalten. Andre (1910) studierte die Augen von Polystomum
integerrimum und fand, daß jedes der vier Augen eine einzige Sinnesnervenzelle, die
Sehkolbe, enthielt. Diese setzt sich unmittelbar in eine Nervenfaser fort, welche zu der
über dem Pharynx gelegenen Kommissur des Hirnganglions geht und darin weiter ver-
läuft. Andre konnte also die HESSEschen Angaben etwas genauer wiederholen. Dort
wo die Fortsätze der beiden linken luid rechten Augen sich zum ,, Augennerven" neben
einander legen, werden sie von einigen Ganglienzellen umgeben, ohne damit in Verbin-
dung zu stehen.
LiNTON (1910) endlich bestätigt, sei es auch in wenig überzeugender Weise für
Graffila gemellipara das Bestehen des schon bei anderen Trematoden bekannten Ner-
venplexus mit Ganglienzellen unter dem Epithel der Haut.
Das Nervensystem der Cestoden besteht hauptsächlich aus zwei longi-
tudinalen Nervensträngen, den Seitensträngen oder nervi laterales, welche
in den Proglottiden durch Kommissuren verbunden sind und welche im
Scolex in zwei durch eine Kommissur verbundene Ganglien, zusammen das
Hirnganglion oder ganglion cephalicum genannt, übergehen. Vom Hirn-
ganglion und von den Seitensträngen werden die peripheren Nerven abgegeben.
Die Seitenstränge und peripheren Nerven sind mit Ganglienzellen belegt, was also
wiederum die Frage des Verlaufs der Nervenfasern darin erschwert. Ich meine, daß
Laczkg (1880). der erste ist, welcher behauptet diesen Ganglienzellenbelag der Nerven
bei Tetrarhynchen beobachtet zu haben, zugleich mit der Unipolarität der Ganglien-
zellen. Aber Lang (1881) ist der Meinung, daß sich unter den LACZicoschen GangHen-
zellen Drüsenzellen befinden. Dennoch erwähnt er auch selber die Ganglienzellen, welche
den Nerven des Hirnganglions und den Seitensträngen der Tetrarhynchen anhaften,
während Kahane (1880) ilii' Bestehen in den peripheren Nerven von Taenia perfoliata
leugnet.
Die ersten Angaben, welche sich unmittelbar auf den Verlauf der Leitungsbahnen
beziehen," stammen von Niemiec (1888). Er beobachtete, wie bei Ligula die beiden
Anschwellungen der Seitenstränge, welche gewöhnlich als Hirnganglion bezeichnet wer-
den aller Ganglienzellen entbehrten und hier also nicht Ganglien genannt werden dürfen.
Dagegen sah er in der wichtigsten Kommissur dieser Anschwellungen viele multipolaren
Ganglienzellen, welche Fortsätze in die Seitenstränge hinein abgaben. Auch Kahane
(1880) hatte schon bei Taenia Ganglienzellen in der Hirnkommissvir erwähnt und Niemiec
behauptet, daß, obgleich gewiß andere Cestoden als Ligula in den Anschwellungen der
Seitenstränge Ganglienzellen besitzen, die Hirnkommissur doch immer mehr von diesen
Zellen hat.
Botriocephalus hat eine ebensolche Hirnkommissur mit Ganglienzellen wie Ligula
und auch hier treten Fortsätze dieser Ganglienzellen in die Seitenstränge.
Im Vorderende des Scolex der Taenien begegnete Niemiec acht nach hinten laufenden
Nerven, jeder mit einem Ganglion anfangend, welche unter dem Hakenkranz durch
einen Nervenring verbunden waren, aber den Faserverläuf darin schildert er uns nicht,
38
VERMES, PLATHELMINTlfES.
Das Jahr 1895 bringt uns zwei Arbeiten, bei denen die modernen Färbungen
des Nervensystems, die GoLGisclie Methode und die EiiRLirnsciie Methylen-
blau-Methode angewandt worden sind. Die erste bot uns Blochmann (1805).
Sein Material bestand aus mancherlei Cestoden. Er entdeckte im Scolex und
ticssen Halse bipolare Sinnesnervenzellen und subepithelial einen Nerven-
plexus mit eingestreuten Ganglienzellen. Die fi-eien Nervenendungen, welche
neben den Sinnesnervenzellen im tief untei- der Cuticula gelegenen E])ithel
gesehen wurden, waren oft das Ende von Fortsätzen der Ganglienzellen des
Plexus. Doch war dieser nicht rein sensibel, denn er hatte auch \'erl)in(lung
mit den Myoblasten oder SoMMER-LAXDOTSschen Zellen : multipolaren Zell-
k()rj)ern. deren Fortsätze teilweise erst in die eigentlichen Muskelfasern
übergehen.
Der Befund Blochmanns wurde völlig bestätigt durch die schönen und
wichtigen Untersuchungen, welche Zernecke (1805) anstellte und worin
noch weit mehr
Fig. 10. über den Nerven-
faserverlauf zu
Tage gefördert
wurde. Auch
Zernecke hat
verschiedene ( 'e-
stodenarten be-
arbeitet.
Die bipola-
ren, spindelför-
migen Sinnesner-
venzellen wur-
den auch von
Zernecke ge-
sehen und zwar
über den ganzen Körper' zerstieut. Diese Zellen (Fig. 10, (/) sind tief unter
der Cuticula gelegen, aber ihr peripherer Fortsatz endet in derselben. Ihi-
zentraler Fortsatz geht immer in den longitudinalen Seitenstrang über und
endet hier verästelt, aber er entsendet bisweilen ein Aestchen, welches
frei außerhalb des Zentralnervensystems endet. Auf seinem Wege pas-
siert er einen unter den Sinnesnervenzellen gelegenen, subepithelialen
Nervenplexus, an welchem sich auch multipolaie (Janglienzellen beteiligen.
X'iele Fortsätze dieser Ganglienzellen enden mit freien Verzweigungen
unter der Cuticula, gerade so wie auch I5ix)('HMann uns lehrt. Viele
Nervenfasern dieses Plexus anastomosieren wie solches auch im Ganglienzell
plexus der Coelenteraten dii Fall ist, aber nicht alle. Einige F'asern des sub-
epithelialen Plexus entstammen dem Zentralnervensystem, also den Seiten-
strängen oder dem Gehirn. Zernec;ke erzählt uns auch noch wie die meisten
Nervenfasern des Plexus zii-kulai' um den Kcirper herumlaufen.
Auch die Wege der nu)torisehen liiiui \ ation blieben Zernecke nicht
ganz verborgen. Wie schon oben gesagt wurde, findet man bei den Cestoden
Einigt! Leitung-sbahnen der Cestoden nach der lieschreihung
Zernecke's scheiiiatiscii dargestellt.
cw. = cuticula.
/>.«. = peripherer Nerv.
s.str. = Seitenstrang.
CESTODES. 39
multipolare Myoblasten. Einige ihrer Fortsätze bilden die Muskelfasern,
andere, und das gilt besonders für die äußeren Ringmuskeln, setzen sich
kontinuirlich in Fasern des subepithelialen Nervenplexus fort und über-
mitteln also den motorischen Reiz. Es gibt aber auch Nervenfasern im Plexus,
welche Blochmann nicht nennt und welche sich unmittelbar mit der kon-
traktilen Faser vereinigen. Muskelfasern anderer Systeme als die äußere
Ringmuskellage werden bisweilen direkt vom Seitenstrange her innerviert,
wobei die zu diesen motorischen Nervenfasern gehörigen Ganglienzellen wohl
ebendaselbst zu suchen sind.
So weit über das periphere Nervensystem der Cestoden. Zernecke hat
uns aber auch über die Leitungsbahnen im Seitenstrange und die davon
abgehenden Nerven gewisse Aufschlüße gegeben. Ich werde sie hier kurz
wiederholen in Anlehnung an das Schema Fig. 10 in dem allerdings die rich-
tigen Verhältnisse der Entfernungen und Größen nicht berücksichtigt wer-
den konnten.
Die meisten Ganglienzellen, welche überall verbreitet in den Seiten-
strängen und den peripheren Nerven liegen, sind bipolar, aber bisweilen
entfernt sich ein kleiner dritter Ast vom Zellkörper (Fig. 10, b). Niemals biegen
Längsfasern des Seitenstranges in einen peripheren Nerven ab, eine merk-
würdige Tatsache, wodurch die Cestoden von anderen Würmern abweichen.
Die bipolaren Ganglienzellen im Seitenstrange richten ihre beiden Fortsätze
entweder in der Längenrichtung des Stranges (Fig. 10, b), oder senkrecht
darauf, aber dann tritt auch der eine Fortsatz in einen peripheren Nerven
aus und geht zum peripheren Nervenplexus (Fig. 10, c. Der Plexus konnte
in der Figur nicht eingezeichnet werden). Dicht neben dem Seitenstrang wer-
den oft multipolare Ganglienzellen (Fig. 10, d) beobachtet, welche einige
ihrer Fortsätze in den Seitenstrang senden, wo sie verzweigt enden, andere
aber durch den peripheren Nerven hindurch in den Körper schicken. Die
peripheren Nerven sind außerdem mit weit vom Nervenstrang entfernten
bipolaren Ganglienzellen (Fig. 10, e) ausgestattet, deren zentraler Fortsatz,
bis in den Seitenstrang zu verfolgen ist, wo man ihn verzweigt enden sieht.
Andere im Seitenstrang endende Fasern der peripheren Nerven sind Fort-
sätze der schon vorher beschriebenen Sinnesnervenzellen (Fig. 10, a) der Haut.
Während Zernecke uns nichts mitteilt über den Lauf der Nerven-
fasern im Hirnganglion der Cestoden ist gerade dieses Gegenstand einer Unter-
suchung Towers gewesen. Tower (1900) hat mit Moniezia expansa, einer
Taenie, gearbeitet. Die vitale Methylenblau-Methode und die GoLGische
Methode gelangen ihm anfänglich nicht, aber er hat doch nachher seine in
anderer Weise eroberten Resultate mit diesen Methoden kontrolliert.
Das ganglion cephahcum oder HirngangUon der Moniezia besteht aus
zwei Hälften, welche einander in der Medianlinie berühren (Fig. 11). Jede
enthält eine zentrale Gruppe von Ganglienzellen, in der Figur mit einer punk-
tierten Linie umgrenzt. Daß die Ganglienzellen hier nicht peripher im Gan-
glion angehäuft sind, darf als eine Seltenheit bezeichnet werden. Jede Hälfte
des GangUons ist seitwärts und nach vorn in einen Zipfel ausgezogen, welche
von Tower cornu anterius (Fig. 11, ca.) und cornu exterius (Fig. 11, c.e.)
40
VERMES. PI-ATHELMINTHES.
genannt werden. Letzterer biegt nach hinten in den Scitenstrang um.
Es hat sieh ergeben, daß die beiden GangHonhälften innerhch durch eine
Kommissur verbunden sind. Tower entdeclvte darin drei Fasersysteme. Das
erste geht von der einen zentralen Gruppe von GangUenzellen zur anderen
(siehe Fig. 11). Tower erwähnt nicht bestimmt die Ursprungszellen dieses
Systems und wir wissen deshalb auch nicht, ob es doppelläufig ist. obgleich
solches nicht unwahrscheinlich ist. Ein künftiger Forscher möge besonders
beachten, ob die zentralen Ganglienzellen auch wirklich die gesuchten Kom-
missurzcllen sind. Die zentrale Ganglienzellanhäufung verläßt noch ein
anderes Bündel Kommissurfasern. Sie überschreiten die Medianlinie, durch-
>n.
/.c. = fa.seiculus centralis.
n.r.b. ^Neuroclionlhündcl. /j./j. = peripherer Nerv.
s.str. = Seitenstrang.
v.Ä.^. = ventrales Hirnganglion.
NEMERTINA. 43
sie aus Neuropilem gebaut. Bürger konnte in ihnen zwei longitndinale Sys-
teme von Nervenfasern beobachten, das später zu beschreibeiide Neuro-
chordbündel (Fig. 18, n.c.b.) und das von ihm mit dem Namen Wurzelbündel
oder Zentralstrang belegte Bündel, das ich deshalb fasciculus centralis
(Fig. 13, f.c.) nennen möchte. Von der fasciculus centralis biegen sich Sei-
tenbündel ab zur Peripherie. Sie bilden die peripheren Nerven (Fig. 13, p.n.)-
Das Wurzelbündel als Ganzes betrachtet (nicht jede seiner Fasern) tritt durcli
die ventrale Kommissur und wird zum Wurzelbündel der anderen Seite.
Der fasciculus centralis wird von verschiedenartigen Nervenfasern ge-
bildet. Erstens sind im dorsalen Hirnganglion unipolare Ganglienzellen (Fig.
13, a), welche ihren Fortsatz in das Wurzelbündel senden. Sie durchziehen
die ventrale Kommissur und steigen in dem Seitenstrang der anderen Kör-
perhälfte ab. Derartige Zellen befinden sich auch im ventralen Hirnganglion
(Fig. 13, b) und überall in den Seitensträngen (Fig. 13, c). Die Fasern der
letzten aszendieren in dem einen Seitenstrang und deszendieren im anderen
und so ist der ganze fasciculus centralis doppelläufig. (In Fig. 13 habe ich
wiederum jede Zellart entweder rechts oder links eingetragen. Der wahre Zu-
stand ist symmetrisch). Die Fasern des W'urzelbündels können Kollateralen
abgeben (Fig. 13, col.).
In den Seitenbündeln der peripheren Nerven traf Bürger Nervenfasern,
welche sich dem Wurzelbündel beimischten, entweder darin auf- oder darin
absteigend (Fig. 13, d,d'). Obgleich Bürger den exakten Beweis schuldig
blieb, ist es doch wohl sehr wahrscheinhch, daß wenigstens ein Teil dieser
Fasern Fortsätze der ebengenannten Ganglienzellen sind. Er selbst (1897 —
1903) ist wenigstens dieser Meinung.
Das Neurochordbündel des Seitenstranges besteht aus Neurochorden,
welche Fortsätze der Neurochordzellen, der größten aller Ganglienzellen
sind. Ein Paar dieser Neurochordzellen (Fig. 13, A) befindet sich ventralim
Hirnganglion, die vielen anderen, von denen in der Figur 13 nur zwei {B undC)
angegeben sind, liegen in der Peripherie des Seitenstranges. Das Neurochord-
bündel ist nur absteigend. Die Kolossalfasern verlassen den Seitenstrang nicht
und auch sind sie nach Bürger (1895) unverzweigt, wiewohl er zuvor (1890)
das Gegenteil behauptet hatte.
Das eben über den Verlauf der Fasern der Wurzel- und Neurochord-
bündel Gesagte wurde später von Bürger (1891) mit Hilfe der Methylenblau -
Methode bestätigt, aber Montgomery (1897) entdeckte bei einer Cerebra-
tulusart drei Paar Neurochordzellen im Gehirn, statt eins. Ihre Neurochorden
laufen in den Seitensträngen analwärts. Wie die Neurochorden der weiteren
Neurochordzellen verlaufen, sagt er nicht, aber wohl hat er die dichotomische
Zweiteilung der Kolossalfasern beobachtet und schHeßt sich deshalb der
früheren Meinung Bürgers an.
Im Jahre 1895 konnte Bürger neben den genannten Bahnen noch andere
im Gehirn von Cerebratulus wahrnehmen. So befinden sich in den dorsalen
Hirnganglien kleine, dunkelkernige Ganglienzellen (Fig. 13, e). deren Fort-
sätze in der dorsalen Hirnkommissur nach den dorsalen Hirnganglien der
anderen Seite gehen, während die Fortsätze anderer Ganglienzellen (Fig. 13, /)
44
VEKMES.
Fig. 14.
dazu die ventrale Koniiiiissur benutzen. Auch befinden sieh außerhalb des
Gehirn.s unter den Kopf.spalten Grup|)en von Ganglienzellen, deren Fort-
sätze ebenfalls die dorsale Kommissur anwenden, um zur anderen Seite zu ge-
langen. Außerdem deutet Bükoer (ISO.")) noch auf weitere Leitungsbahnen hin,
al)er er beschreibt sie nicht in klarer Weise, weshalb ich sie übergehen möchte.
Langia formosa gleicht Cerebiatulu.s in manchen Hinsichten, aber andere Nemer-
tinen zeigen erhebliche Unterschiede. Es gibt Neniertinen ohne Neurochordzellen, wie
z.B. Eupolia, Hiibrechtia und Carinella nach Bür(;er (189ö) oder Lineas gesserensis
nach MoNTCJOMERV (1897). Drepanophorus und Ainphiporus haben deren nur ein Pair
welche.s von der Zelle A (Fig. 13) repräsentiert werden könnte init dein l'nterschierl
aber, daß ihr Neurochord erst durch die ventrale Hirnkomniissur kreuzt und sich tlann
in den Seitenstrang bis zur Analkommissur fortsetzt. Bei Drepanophorus wurde von
Bürger (1890) auch der fasciculus centralis ganz wie bei Cerebratulus wahrgenommen.
Amphiporus und Drepanophorus sind auch in ihren peripheren Leitungs-
bahnen teilweise von Bürger aufgeklärt worden.
Amphiporus wurde von ihm (1891) mittels
der Methj'lenblau-Methode erforscht. Er sah im
Rüssel sechzehn longitudinale Nerven mit darin
eingelegten Ganglienzellen. Ein Teil von drei
solchen Nerven ist in Fig. 14 (??.) schematisch
dargestellt. Zwischen jedem Paare dieser Nerven
befinden sich zahlreiche unipolare Ganglien-
zellen (Fig. 14, g.), welche paarweise zusammen-
liegen, dabei sich mit ihren fortsatzfreien Enden
aneinanderlegend. Ihre Stammfortsätze senden sie
in die Nerven hinein, wo dieselben sich entweder
nach vorn oder nach hinten umbiegen. Im hin-
teren Teil des Rüssels sind die gepaarten Gan-
gUenzellen durch einen Plexus ersetzt. Auch andere bewaffnete Nenier-
tinen (Metanemertinen) stimmen mit Amphiporus in diesen Merkmalen
überein und Bürger (181)5) konnte später noch seine Mitteilungen über
den Faserverlauf der Rüsselnerven vervollständigen mit der Angabe, daß
Nervenfasern der sechzehn Rüsselnerven zur Ringmuskellage des Rüssels
schreiten, dabei sich in mancherlei Wei.sen zu Längenbündeln gruppierend.
Auch schmiegen sich Nervenfasern der Rüsselnerven der Metanemertinen den
Zellen der Küsselpapillen an, aber ihr gegenseitiges Verhältnis, das heißt,
ob die Papillenzellen Siimesnervenzellen oder indifferente Epithelzellen oder
sogar Sinneszellen sind, ist unbekannt.
Bei Drepanojjhorus wurde der Bau der Rückennerven näher untersucht
(Bürger 18!)ö). Der obere Rückennerv (Fig. 12, n.d.s.) geht aus dem Hirn
hervor und zwar aus der dorsalen Kommissur. Er ist mit unipolaren Gan-
glienzellen belegt und diese senden ihre Fortsätze ins Innere des Nerven.
Daneijen laufen Nervenfasern vom Gehirn oder von den Seitensträngen her-
rührend. Der untere Rückennerv (Fig. 12, n.d.i.) wird gebildet von Nerven-
fasern, welche aus dem oberen allmählich hinter einander austreten und sich
dann wieder zu einem Nerven vereinigen. Der obere Rückennerv ist durch
Amphiporus. Drei longitudi-
nale Rü.sselnerven mit ihren
gepaarten Ganglienzellen.
Nach BÜRGER (1891).
n. = Nerv. §'. = Ganglienzelle.
CHAETOGNATHA.
45
Fig. 15.
,'7.1 ,''''/'
' .'A'.iw
i^ir^il
Seitennerven mit den Seitensträngen verbunden (Fig. 12) und diese werden
unter anderen von Nervenfasern durchzogen, welche sich vom Seitenstrange
zum oberen und von diesem weiter zum unteren
Rückennerven begeben. Auch fand Bürger Fasern,
welche vom Seitenstrange zum oberen Rückennerven
zogen und diesen an der entgegengesetzten Seite
verHeßen. Es ist nur schade, daß Bürger nicht
die Ursprungszellen aller dieser Nervenfasern erwähnt
aber diese werden hoffenthch später von einem
anderen Forscher entdeckt werden.
Ueber die Sinneszellen von Drepanophorus ist von
BüBGER (1895) nur eine einzige Bemerkung gemacht wor-
den, welche uns hier dienen könnte. Er sagt die Stäbchen-
zelle (Sehzelle) im Auge setzt sich in eine Faser fort, welche
mit einem Fortsatz einer bipolaren Ganglienzelle zusam-
menhängt, deren anderer Fortsatz zum Hirnganglion
läuft. Außerdem wäre zwischen der Sinnesnervenzelle
und der bipolaren Gtanglienzelle noch ein rätselhafter
,, Zwischenkern" zu finden.
Als aber zwei Jahre später Hesse (1897a) das Auge
von Drepanophorus untersuchte, erkannte er wohl, daß
die Sehzelle darin den Typus einer Sinnesnervenzelle hatte,
aber die bipolare Ganglienzelle sah er nicht, denn er sagt,
daß der Nervenfortsatz der Sehzelle selbst hirnwärts
zieht und im Hirn zu verfolgen ist. Eupolia bot ihm die
gleichen Verhältnisse. Es besteht also zwischen Bükger
und Hesse ein Gegensatz, welcher noch immer nicht be-
seitigt worden ist.
Die unbewaffneten Proto-, Meso- und Heteronemertinen
haben nach Bürger (1895) nicht sechzehn Rüsselnerven,
wie die Metanemertinen, sondern nur zwei, welche sich
von der ventralen Hirnkommissur abzweigen. Sie sind mit
Ganglienzellen versehen und enthalten vom Gehirn her-
stammende Nervenfasern. Zwischen den beiden Nerven
ist ein Nervenplexus ausgespannt, welchem unipolare
Ganglienzellen aufsitzen. Eupolia besitzt basal neben den
Rüsselpapillenzellen Ganglienzellen, w^elche alle ihren Fort-
satz zum Rüsselnerven senden, bisweilen aber läuft ein
zweiter Fortsatz die Papillenzelle entlang. Also eine andere
Lage, als diejenige der Metanemertinen, welche oben erwähnt
wurde, aber auch hier keine ganz leichtverständliche.
Zuletzt will ich noch sagen, daß Bürger (1895)
auch entdeckte, wie die Oesophagealnerven der Heterone-
mertinen Nervenfasern der eigenen Ganglienzellen neben
Nervenfasern des Gehirns einschließen.
Wir verlassen jetzt die Klasse der Plathelmin-
then und gehen zu jener der Chaetognathen über.
'Das Nervensystem (Fig. 15) besteht hier aus zwei
Ganglien, einem Kopf- oder Hirnganglion (h.g.) und einem Bauchganglion
(6. g.), welche durch lange Konnektive {s. k.) verbunden sind, welche Schlund-
Schema des Nerven-
systems von Sagitta
von der Bauchseite
gesehen. Nach
BüTSCHn 11912, Fig.
341.
a. = anus.
6. gr. = Bauchganglion.
d. = Darm,
h.g. — Hirnganglion.
m. =Mund.
o. = Auge.
«./(;. = Schlund -
konnektiv.
46
VERMES, NEMATHELMINTHES.
Fig. 16.
konnektive heißen sollen, weil sie wie die Schlundkonnektive der Anne-
liden den Darm (d.) umfassen. Aus den beiden Gan-
glien gehen die peripheren Nerven hervor.
O. Hertwig (1880) beobachtete in den Gan-
glien periphere Ganghenzellen und ein zentrales
Neuropilem, aber in Bezug auf den Nervenfaser-
verlauf bemerkt er nur. daß in den Schlundkon-
nektiven sowohl Fasoin vom Bauchganglion zum
Kopfganglion, als zum Vorderk()iper ziehen. Im
Kopfe fand vv im Zusammenhang mit dem Kopf-
ganglion ein peiipheres Nerven.system in dessen
Nerven auch Ganglien vorkamen.
BR.4XDES (1899) bringt es ein wonig weiter in
dei' Kirnst die Wege der Leitungsbahnen z\i ent-
rätseln. Er oizählt uns, wie Fortsätze der Ganglien-
zellen dos Hauchganglions zur entgegengesetzten
Seite des Ganglions wandern und dort in einen
peripheren Nerven austi-eten. Ein Faai" vom Baucii-
ganglion nach hinten ziehende Nerven bildet im
Hinterteil des Körpers einen Nervonplexus mit
eingelagerten Ganglienzellen, worin also wahrschein-
^ lieh keine bestimmten Bahnen aufzufinden sein
V" ! ■;; ^b / werden und lateral und nach vorn austretende
\ !KZr~{il — '^i—z\^ I Nerven tun dasselbe. Auch Schneider (1902) hat in
seinem Lehrbuch das Bestehen dieses peripheren
Nervenplexus anerkannt.
Wie man sieht, wartet die Hodologie der ("hae-
tognathen auf neue Forschungen.
Schema des Xerven.sys-
tems von Ascaris von
der IJauchseite gesehen.
Abgeändert nach BÜT-
SCHLI (1912), Fig. 328.
a. = anii8.
(/.a. = ganglion anale.
Ä.jD. = Halspapi I le.
/. = Lippe.
Lp. = LipfX'npapille.
n.6. = nerv IIS bnr.salis.
n.d. = nervuH dorsahs.
n.»./. = nervus sublateralis
n.v. = nervu8 ventralis.
q. = Querverbindung.
s.p. = Schwanzpapille.
a.r. = Schlundring.
Unter den Nemathelminthen ist hauptsächlich
das Nervensystem der Nematoden und unter diesen vor
allen das Nervensystem von .Ascaris Gegenstand einei'
histologischen Untersuchung gewesen, aber statt dei-
gegenseitige nStütze und Ergänzung, welche bei ande:
ren Tiergiuppen die früheren und spätei'on Forschun-
gen bieten, haben bei Ascaris, wie wir sehen worden,
die Arbeiten der letzten Zeit sich so schroff wider-
sprochen, daß erst die Zukunft Auskunft geben
kann, welche den rechten Weg eingeschlagen hat.
Befassen wir uns erst nur mit Ascaris. Ascaris
lumbricoides und mogalooophala sind l)eide, oft von
denselben Autoren, studiert worden und auch in den
Einzelheiten des feineren Baues des Nervensystems
haben sie so wenige Unterschiede aufgewiesen, daß
sie nicht getrennt besprochen zu werden brauchen .
NEMATODA.
47
Das Nervensystem von Ascaris besteht aus. einem Nervenringe (Fig.
16, s.r.), welcher den Oesophagus umfaßt und welcher nach vorn und hinten
longitudinale Nerven abgibt. Nach vorn gehen sechs Nerven zu den Lippen-
papillen (Fig. 16 ; vergleiche auch Fig. 17). Nach hinten ziehen in den dor-
salen und ventralen Medianhnie zwei starke Nerven, der nervus dorsalis (Fig.
16, n.d.) und der nervus ventralis (n.v.). Diese beiden Nerven sind durch
asymmetrische Querverbindungen (Fig. 16, q.) verbunden. Neben den Sei-
tenUnien laufen die wenigen dicken Sublateralnerven (Fig. 16, n.s.l.) vom
Nervenring nach hinten. Noch andere Nerven gehen zu den Halspapillen
(h/p.). Der nervus ventralis endet in dem vor dem After (a.) gelegenen Anal-
ganglion {g. a.) und
steht in der in Fig. 20
näher beleuchteten
Weise mit dem nervus
bursahs {ri.b.) und den
Schwanzpapillen {s.p.)
in Verbindung.
Die bequemste
Weise zur Darstellung
der wichtigsten Ner-
ven behufs ihres Faser-
verlaufs ist wohl diese,
daß man sich den
Nervenring an , einer
Stelle durchschnitten
und nachher in einer
Ebene platt liegend
denkt. So ist das
Schema der Figuren
17 und 19 angefertigt
worden, nach dem Bei-
spiel, welches Hesse (1892) gegeben hat.
Als allgemeine Bemerkung kann hier auch die ganz merkwürdige Tat-
sache erwähnt werden, daß die motorischen Nervenfasern nicht zu den Mus-
keln schreiten, sondern, daß aus diesen letzten der Innervation dienende
Fortsätze zu den Nerven hervorgehen.
Schon in der 1863 erschienenen Arbeit A. Schneiders, welche auf
Zupfpräparaten basiert, wird der Lauf einiger Nervenfasern geschildert. As-
caris megalocephala war das Versuchstier. Vom oesophagealen Nervenringe
(Fig. 17, s.r.) zweigen sich sechs Nerven nach vorn ab, welche die drei Lippen
innervieren. Es sind zwei starke nervi laterales (Fig. 17, n.l.) unter den Sei-
tenhnien (Fig. 17, LI.) gelegen und vier dünnere nervi submediani (Fig. 17,
n.s.m.) neben der Medianebene des Körpers gelegen. Nach hinten gehen aus
dem Schlundringe in der Medianebene ventral der starke Bauchnerv (nervus
ventralis, Fig. 17, n.v.) und dorsal der dicke Rückennerv (nervus dorsalis),
(Fig. 17, n.d.) hervor.
Y
■a ]
-
-h CL.
n s. l. ---.".
Ascaris. Nervenring mit einigen daraus hervortretenden
Nerven. Schema, abgeändert nach Hesse (1892).
a,6,c = GangHenzellen. ^./. = Unea lateralis,
n.d. = nervus dorsalis. n.L = nervus lateralis.
n.^.i7.= nervus lateroventralis
n.s.l. = nervus sublateralis.
n.s.m. =nervus submedianus. n.v. =nervus ventralis.
s.r. = Schlundring.
48 VERMES, NEMATHELMINTHES.
In erster Linie beobachtete A. Schneider nun in den submedianen
Nerven bipolar^ Ganglienzellen mit einem Fortsatz oralwärts und einem cau-
dahvärts gerichtet und daneben unipolare Ganglienzellen, welche in einem
Fortsatz nach vorn auslaufen. Die Fasern der Lateralnejven stammen aus
GangUenzellen, welche vor, neben oder hinter dem Schlundringe liegen. Die
letzten sind meistens unipolar und senden also ihren einzigen Fortsatz nach
vorn. Ueberdies biegen Fasern unbekannter Herkunft aus dem Nervenringe
in die Lateralnerven ab. Zu beiden Seiten neben den Bauchnerven begegnete
Schneider sechs besonderen Ganglienzellen. Fünf von ihnen sind unipolar und
senden ihren Fortsatz zu einer Ganglicnzellgruppe, von Schneider ganglion
medianum genannt, welche hinter dem Ringnerven im nervus ventralis ge-
legen ist. Die sechste ist bipolar. Ein Fortsatz gesellt sich zu den fünf eben-
genannten und zieht zum ganglion medianum ; der andere zur Muskulatur.
Da, wo der Haucimerv und der Rückennerv den Schlundring verlassen, ent-
deckte Schneider eine tri))olare Ganghenzelle mit einem Fortsatz in dem
genannten Nerven und zwei im Oesophagealringe (Fig. 17, a,a).
BüTSCHLi (1874), welcher nach Schneider Ascaris bearbeitete, sah in
allen Nerven Gangüenzellen einverleibt, aber meistens sind seine Angaben
über die Wege ihrer Fortsätze zu unbestimmt um hier wiedergegeben werden
zu können. Er erwähnt an der Abgangsstelle des Rauchnei'\'en und dos Rücken-
nerven Ganglienzellen, welche ihre Fortsätze in den Schlundring senken. Lin
dem Oesophagus herum beobachtete er viele Ganglienzellen, welche mit den
Nerven, welche den Schlundring nach vorn verlassen, in Verbindung stehen,
eine Tatsache, welche Joseph (1882) bestätigte, als er die Fortsätze der cir-
cumoesophagealen GangUenzellen in den genannten Nerven entweder nach
vorn oder nach hinten zum Schlundringe verfolgen konnte. Fortsätze noch
anderer Ganglienzellen um den Oesophagus schlagen nach Joseph eine seit-
liche Richtung ein, kreuzen den Nervenring und bilden zusammen mit Fasern
des Nervenringes und der nach vorn laufenden Nerven eine Verbindung zwi-
schen diesen Nerven und den lateralen Wurzeln des nervus ventralis (Fig.
17, n.l.v.). Derartige Verbindungen erwähnt Joseph auch zwischen den oral-
wärts gehenden Nerven und dem nervus dorsalis.
RoHDE (1885) bezeichnete zwar in seiner ersten Arbeit bei Ascaris mega-
locephala und lumbricoides einige Reizleitungsbahnen, aber er begründete
seine Behauptungen nicht. Das hat sich zum Teil geändert in einer anderen
Ascai-is-Publikation (Rohde 1892/;), worin er bekannt macht, daß außer-
halb des Schlundringes sich nur der nervus ventralis und dorsalis und die
Sublateralnerven mit den Muskeln verbinden. Auch sah er Fasern der Dorsal-
und N'entralnerven (Rohdes Mediannerven) unmittelbar in Nervenfasern des
Schlundringes übergehen.
Hesse (1892) fügt seiner Ascaris-Arbeit, welche mich nicht so glänzend
wie manche anflere seiner Forschungen dünkt, eine schematische Figur des
vorderen Teils des Nervensystems hinzu, welche mir das Modell für Figur 17
geliefert hat. Ueber den Verlauf der Nervenfasern sagt er nicht viel. Er
verneint das Vorkommen unipolarer Ganglienzellen, wie Schneider sie beo-
bachtete, aber er zeichnet, wie dieser, tripolare Ganglienzellen im Schlundringe
NEMATODA. 49
an der Stelle, wo die Bauch- und Rückennerven daraus hervorgehen (Fig,
17, a,a), während er sagt, daß oft Nervenfasern des Schlundringes in diese
Nerven eintreten. An der Abgangsstelle der sechs nach vorn zu den Lippen
gehenden Nerven beschreibt Hesse kleine Ganglienzellen und er zeichnet
sie bipolar mit einem Fortsatz im Lippennerven und einem im Schlundringe
(Fig. 17, b). In Höhe der Lateralhnie (Fig. 17, LI.) biegt sich ein Nerv vom
Schlundringe ab, welcher bald eine Ganglienzellgruppe umfasst und sich dann
in zwei zum Bauchnerven schreitende, lateroventrale Nerven (Fig. 17, n.l.v.)
spaltet. Hesse zeichnet diese Ganglienzellen bipolar mit einem Fortsatz im
Schlundringe und dem anderen im Latero ventralnerven (Fig. 17, c). Weiter
beschreibt er noch Fasern der Lateralnerven, w^elche nicht in den Schlund-
ring übergehen, sondern diesen passierend nach hinten laufen. Was die Be-
ginn- und Endpunkte der Reizleitungsbahnen anbelangt, so meldet er freie
Nervenendungen in den Lippen und bestätigt die Rohd Esche Angabe, daß
die Sublateralnerven die Muskeln innervieren.
Brandes (1899) Avill in den eben beschriebenen lateralen Ganglienzell-
gruppen den Zentralteil des Nervensystems sehen, aber, was uns hier mehr
interessiert, er fand darin wie Hesse Ganglienzellen, welche ihre Fortsätze
teils in den Schlundring, teils in die lateroventrale Nerven bis zum Bauchner-
ven senden. Daneben beobachtete er, wie der Bauch- und Rückennerv von
den lateralen Ganglien herstammende Nervenfasern auch aus dem Schlund-
ringe empfing.
So weit sind die Angaben der Autoren noch ziemlich mit einander in
Uebereinstimmung zu bringen, aber die Jahre 1908 — 1910 bringen uns die
Arbeiten Deinekas (1908) und Goldschmidts (1908, 1909 und 1910). deren
Resultate unvereinbar sind. Da später zwar Dogiel, der Lehrer Deinekas,
einen leider auch persönlichen Angriff auf die GoLDSCHMiDTschen Untersu-
chungen gerichtet hat als Antwort auf die leider auch persönliche Kritik,
welcher Goldschmidt die Forschungen Deinekas unterworfen hatte, aber so
viel ich weiß, keine neuen Tatsachen dieser Streitfrage hinzugefügt worden
sind, will ich beider Ansichten über den Nervenfaserverlauf von Ascaris neben-
einander referieren, der Zukunft die Entscheidung überlassend. Ich werde
mich dabei, wie fast immer in dieser Literaturübersicht, aller Kritik enthalten,
möchte aber nur bemerken, daß ich die DEiNEKAschen Arbeitsmethoden
denjenigen Goldschmidts als überlegen ansehen würde, wenn nicht Gold-
schmidt damit so besondere Einzelheiten konstant hätte auftreten sehen.
Sagt doch Goldschmidt (1910), daß er Hunderte vonExemplaren untersucht
und nur sehr selten Variationen in den Zellen und Fasern gesehen habe.
Goldschmidt beabsichtigte behufs der Physiologie bei wenigstens einem
Tiere in den Aufbau des Nervensystems einzudringen und alle Leitungsbahnen
desselben kennen zu lernen, ein Ziel, welches auch andere Forscher sich mit
mehr oder weniger Glück gestellt haben. Im ersten Teile seiner Arbeit gibt
Goldschmidt (1908) eine komplizierte Beschreibung der Morphologie des
Nervensystems von Ascaris (hier lumbricoides, aber megalocephala weicht
nicht davon ab), dabei darauf hinweisend, daß eine oder zwei Ganglienzel-
len ein Ganglion und eine Nervenfaser einen Nerven bilden kann. In man-
droogt.t:ever Fortuyn. 4
50
VERMES, NEÄLÄ.THELMINTHES.
Fig. 18.
s.r.
-\
eher Hinsicht gibt er eine genauere Beschreibung des Nervensystems aL
frühere Autoren.
Das Nervensystem von Ascaris ist nach Goldschmidt aus einer kon
stauten Anzahl GangHonzellen aufgebaut, wie auch andere Organsysteme
dieses Tieres eine konstante Zellenanzahl besitzen. So bilden 1G2 Ganglien-
zellen das ganze ,, Zentralnervensystem", das heißt, den Vorderteil des Ner-
vensystems. Die meisten Ganglienzellen sind gepaart, aber einige sind in der
Medianebene gelegen und zwei befinden .sich nur rechts. Das Nervensystem
ist also nicht ganz symmetrisch gebaut, wie solches auch aus den asymmetrisch
gestellten Querverbindungen der Nerven (Fig. IG, q.) erhellt, worauf schon
z.B. Hesse (1892) unsere Aufmerksamkeit gelenkt hat.
Unter den Ganglienzellen gibt es nach Goldschmidt multipolare Zellen,
welche jedoch nur zwei nervöse Fortsätze
haben, während die anderen ,, plasmatisch"
sind (Fig. 18, p.f) und nicht der Reizleitung
dienen. Die GangUenzellen hängen mit ihren
dicken Fortsätzen unmittelbar zusammen.
Das ist eine Tatsache, welche bei Ascaris,
anderen Evertebraten gegenüber, beson-
ders in die Augen fällt, denn auch Rohde
(18926) hat sie uns schon mitgeteilt und
Hesse (1892) bildet sie ab. Goldschmidt
hat aber entdeckt, daß auch alle Verbin-
dungen dieser Nervenfasern konstant sind
und überdies, daß an der Verbindungsstelle
zweier Nervenfasern die innere Struktur
der Fasern verschieden sein kann, sodaß
zu sehen ist, welche Nervenfaser sich
fortsetzt und welche sich nur der anderen
anschließt.
Goldschmidt beschreibt für sehr viele
der 162 Ganglienzellen den Verlauf des
ersten Teiles der Fortsätze. Man wird es mir holTentlieh nicht übel
nehmen, wenn ich die zahlreichen, detaillierten Schilderungen hier nicht
wiederhole, sondern dafür nach dem Originale verweise. Es werden immer
nur Bruchteile der Leitungsbahnen verfolgt. V^erlangt man ein Beispiel, so
möchte ich das in Figur 18 schematisierte geben.
Das Sinnesorgan der Halspapille (Fig. 18, h.p.) wird von einer frei en-
denden Nervenfaser innerviert, welche .sich unterhalb des Organs T-förmig
teilt. Der eine Ast zieht unmittelbar zum Schlundringe (Fig. 18, s.r.), der
andere zu einer multipolaren Ganglienzelle (Fig. 18, a), welche neben Plasma-
fortsätzen (Fig. 18, p.f.) noch einen langen Nervenfortsatz aufweist. Diese
Nervenfa.ser schreitet zum l^auchnerven (Fig. 18, n.v.), wo ein zum Schlund-
ringe verlaufender Ast aus ihr hervorgeht, während sie selbst sich kontinuir-
lich in einen Fortsatz einer tripolaren Ganglienzelle b fortsetzt. Von deren
beiden anderen Ausläufern taucht der eine in den Schlundiing ein und der
n.v.
Zwei Cangiienzellen von Ascaris.
Nach Goi.DSCHMiDT (1908'.
a,b = Ganglienzellen,
/i.p. = Halspapille.
n.v. = nervus ventralis.
p.f. ==Pla.smafortsätze.
s.r. = Schlundring.
NEMATODA. 51
andere (Goldschmtdt 1009) begibt sich in den Siibventrabierven. Es stehen
also dem von der Halspapille empfangenen Reize drei Wege zum Schlund-
ringe offen, ohne daß man bis jetzt aus anatomischen Gründen entscheiden
könnte, welchen der di-ei der Reiz durchläuft oder was daraus weiter
folgt. Auch die Sinnesorgane der Lippenpapillen entbehren der Sinneszellen,
sind aber mit freien Nervenendungen ausgestattet. Diese setzen sich in die
Ausläufer bipolarer Ganglienzellen fort, deren andere Fortsätze in den Ner-
venring treten. Weitere Details im Originale.
Nach Goldschmidt verlassen die Endteile der motorischen Nerven-
fasern überhaupt nicht die Längsnerven, worin sie sich befinden, sondern
jede Muskelzelle sendet einen Fortsatz zum Längsnerven, wo er mit einer
Nervenfaser in Verbindung tritt.
Der Schlundring und zwar jener von Ascaris megalocephala, wird haupt-
sächlich im zweiten Teile der GoLDSCHMiDTschen Arbeit (1909) besjjrochen.
Es senden alle Ganglienzellen einen Fortsatz in den Nervenring und die
meisten Neuronen treten nur hier mit einander in Verbindung. Die Fasern
des Schlundringes laufen meist einander parallel, sind aber durch Seiten -
äste breit verbunden. Goldschmidt selber konnte nicht alle diese Verbin-
dungen erforschen, weil ihm dies auch bei diesem einfachen Nervensystem
zu umständlich war und wer die Schwindel erregenden schematischen Ab-
bildungen des von ihm untersuchten Teils des Nervensystems gesehen hat,
wird begreifen, daß seine Resultate im Rahmen dieses Werkes nicht wieder-
gegeben werden können, sondern dafür das Original nachgeschlagen wer-
den muß.
Der dritte Teil der GoLDSCHMiDXschen L^ntersuchungen (1910) berück-
sichtigt hauptsächlich die Zytologie der Ganglienzellen und nicht sosehr
die Wege der Leitungsbahnen. Nur wird darin das sympathische Nerven-
system erwähnt, welches, in der muskulösen Oesophaguswand gelegen, rechts
und links nur durch eine Nervenfaser, einen Fortsatz der Ganglienzelle 64,
mit dem Zentralnervensystem verbunden ist.
Das von Goldschmidt erreichte Resultat ist trostlos, insofern das
richtige Verständnis der Physiologie des Nervensystems von Ascaris nicht
durch die genaue Kenntnis des Nervenfasernverlaufs im Schlundringe ge-
fördert wird. Wenn wirklich, wie Goldschmidt sagt : ,, Alles im Nerven-
ringe in letzter Linie mit allem zusammenhängt", kann man hier anatomisch
keine Reizleitungsbahnen mehr auffinden. Hat Goldschmidt sich nicht an
diese Konsequenz gewagt, als er später die auch von mir (S. 4) gemeinte
Stelle Bethes zitierte, wo das diffuse Netzwerk der Nervenfasern verneint,
aber das Bestehen lokaler Netzwerke wahrscheinlich erachtet wird und als
er am Schluß seiner Arbeit möghche Refiexbogen behandelt, welche aber,
meines Erachtens, durchaus nicht notwendig gegeben sind ?
Es sollen jetzt die Resultate Deinekas (1908) besprochen werden, welche
mit Hilfe der vitalen Methylenblau -Methode errungen sind und die so
sehr von dem GoLDSCHMiDTschen Befund abweichen.
Deineka hat zuerst die Innervation der Sinnespapillen untersucht.
Diese sitzen nicht nur dem Kopfe und Halse auf, sondern man begegnet
52
VERMES, NEMATHELMINTHES.
Fig. 19.
Schema (i-s Asearis-
Männchen. Naeli Dkineka (lÜOS Textfignr G.
a,a' , a" =.sensibele CJanglienzellen erster Art.
6 — sen.sibele ( Janglienzelie zweiter Art.
c = Analgangiion.
c? = motorische Cianglienzelle des Analganglions.
e=^Banehneiv. /-=Anus. 7- Sinnespapille.
/j — niotorisclier Kndapparat. /*./*. Bursalnerv.
8.e. = Schwanzende.
Bauchnerven gesuclit haben. Der Weg, welchen ilei- Reiz von der Scluvanz-
papille zum Bauchnerven zurückzulegen hat imd welcher von Rohdk geahnt
wurde, ist also durch die l)i:iNKK.\schen rntersuchimgen genau bekannt.
Wenn die ]"'as('ni der vordersten 8chwanz]):ii)illcn /um Bauchnerven abge-
bogen sind, ist damit auch der Bursalnerv nach soiii beendet. Im Bursal-
nerven belinden sich weiter noch die Zellk(>r]Ki' und zentrifugalen Foitsätze
ACANTHOCEPHALA.
57
Fig. 21.
der sensibelen Ganglienzellen zweiter Art (Fig. 20, h), welche Goldschmidt
(1910), wie schon gesagt, als Stützzellen betrachtet.
Was die motorischen Ganglienzellen betrifft, so kann ich noch sagen, daß
Deineka im Analganglion den ersten und zweiten Zelltypus, welche oben
beschrieben wurden vorfand. Sie schicken ihre Neuriten in den Bauch -
nerven (Fig. 20, d), behalten aber ihre Dendriten im Analganglion.
Ueber andere Nematoden als Ascaris sind mir nur die Untersuchungen,
welche Brandes (1899) publiziert hat, bekannt. Er befaßte sich mit Gordius
einer Gordiacee. Das Tier hat in seiner ganzen Länge einen Bauchstrang,
welcher hinten eine Anschwellung hat (welche aber kein Ganglion ist) und
vorn den Oesophagus umfaßt mit einem Schlundringe, welcher aber ebenso-
wenig wie derjenige des Ascaris dem der Anneliden homolog ist. Unten im
Bauchstrange (Fig. 21, b.str.) befindet sich in der
ganzen Länge eine ununterbrochene Schicht
basaler, unipolarer Ganglienzellen. Dieselben (Fig.
21, b.g.) senden ihren Fortsatz nach der dorsalen
Seite, wo sie sich verästeln, nachdem sich schon
vorher Kollateralen abgespaltet hatten. Lateral
liegen segmentale Gruppen lateraler, unipolarer
Ganglienzellen (Fig. 21, Lg.), deren Fortsätze
die Medianlinie kreuzen und sich dann verzweigen.
Die Mitte des Bauchstranges wird von Neu-
ropilem eingenommen, aber unter den basalen
Ganglienzellen sah Brandes noch eine Reihe
großer, ungepaarter, medianer Ganglienzellen
(Fig. 21, m.g.). Die Zellen sind multipolar. Sie
dringen mit vielen Fortsätzen in den Bauchstrang
ein, aber ein Fortsatz tritt aus an der ventralen
Seite des Stranges. Entweder erreicht er unmittel-
bar die Hypodermis, oder er läuft erst in einem
ventralen, medianen Nerven der Hypodermis (Fig.
21, n.), von Brandes nicht sehr glückhch Neuro-
chorcl genannt, obgleich er gar keine Kolossalfaser einer Neurochordzelle ist.
'^lo.slr:
n.ö
Querschnitt des Bauchstran-
ges von Gordivis.
Nach BRANDES (1899 , flg. 5.
6.g'.=: basale Ganglienzelle.
h.str. = Bauchstrang.
/. (j. =: laterale Ganglienzelle
w. gr.= mediane ,,
n. =:Neurochord.
Neben den Nematoden sind auch die Acanthocei:)halen den Nemathelminthen unter-
zuordnen. Es ist wiederum nur Brande.s (1899), welcher einige Angaben der Leitiuigs-
bahnen liefert und zwar von Echinorhynchus gigas. Beim Hinterende der Rüsselscheide
liegt, ein großes, flachovales Ganglion, worin Brandes 86 periphere Ganglienzellen
zählte, deren Fortsätze ins Neuropilem ziehen und entweder sich dort verästeln, oder
die Medianlinie kreuzen und in die peripheren Nerven avistreten. Acht periphere Nerven
verlassen dieses Ganglion. Einer, der vordere Mediannerv, besteht nur aus vier Ner-
venfasern, welche die Fortsätze von vier vorn im Ganglion gelegenen Ganglienzellen sind.
Nach Brandes würdezi zwei dieser Nervenfasern, die Retractormuskeln innervieren
vuid zwei ein Tastorgan vorn im Kopfe, aber seine Darstellung hat mich nicht davon
überzevigt. Die beiden vorderen Lateralnerven entspringen aus Zellen des Seitenrandes
des Ganglions vind sie innervieren die lateralen Vorstoßmuskeln. Aus der Figur 7 der
BRANDESschen Arbeit würde erhellen, daß das hintere Paar Lateralnerven gekreuzte
Fortsätze von Ganglienzellen dieses Ganglions bekäme, aber der Text schweigt darüber.
58
VERMES, ANNELIDA.
Wh gehen nun zur großen und überaus wichtigen Gruppe der Anneliden über.
Fig. 22.
Dpn eigentlichen Anneliden gehen die Archianneliden voran. Ihr Nervensystem
.setzt .sich wie dasjenige aller Anneliden (siehe Fig. 22) zusammen au.s einem ganglion
siipraoesophageum (oberes Schlundganglion oder Hirnganglion) und einem ganglion
infraoe.sophageum (unteres Schlundganglion), welche durch die beiden Schhmdkonnek-
tiven zum Schlundringe verbunden sind. Dem unteren
Schlundganglion schließt sich bei den Anneliden im allge-
meinen eine Doppelreihe durch Kommissuren und KonneU-
tive verbundener (ianglien an, der Bauchstrang (Fig. 22)
oder da.s Bauchmavk. Nur bei den Archianneliden und
einigen Anneliden ist der Bauchstrang noch nicht in ein-
zelne (ianglien difTerenziert. Au.s allen Ganglien entsprmgen
periphere Nerven.
Frau'Oxt (1884) war dei- erste, welcher einen Teil der
Leitungsbiihnen des Nerven.systems der Archianneliden zu
(Jesicht bekam und zwar bei Polygordius. Er beobaclitete
im Hirnganglion ein zentrales Neuropilem und fünf Gruppen
peripherer Ganglienzellen, zwei vorn, eine in der Mitte und
zwei hinten. Aus den beiden vorderen Gruppen sah er die
Tentakelnerven entspringen. Fr.^ipont behauptet aucli,
daß Epithelzellen von Polygordius Fort.sätze in das Hirn-
ganglion senflen, also wohl Siimesnervenzellen wären, aber
/'/. t \~ '\ ' seine Figuren erregen Zweifel über diese Angaben. Zweifel-
haft auf (Jrund seiner Abbildimgen ist auch Fr.\ipoxts
Mitteilung, daß die Zellen der Wimpergruben von Pro-
todrilus sich zu Fortsätzen verjüngten, welche mit Gan-
glienzellen des Hinterteils des Gehirns in Verbindung ständen.
Brandes (1899) sah bei Polygordius die Hypodermis
der Bauchlinie verdickt durch den Bauch.strang, bestehend
aus einer ventralen CJanglienzellschicht und einer doisalen
Nervenfaserschicht, dem Neuropilem. Die Ganglienzellen
senden zu beiden Seiten der Mitte ihre Fortsätze in einem
Bündel .s.) an. zwei Reihen von Ganghen
mit Kommissuren und Konncktiven dazwi.sclien. Hinsielithch der Fig. 22
POLYCHAETA . ~ 59
sei nur bemerkt, daß sehr oft neben den zwei lateralen Konnektiven ein drittes
medianes anwesend ist.
Wie bei so manchen anderen Evei-tebraten besteht das Innere der Ganghen aus
Xeuropilem, welches von einer Rinde aus oft unipolaren Ganglienzellen umgeben wird.
Wir können bis zum Jahre 1862 zurückgehen um die vielbestätigte, allgemeine
Angabe geäußert zu sehen, daß die peripheren Ganglienzellen ihren Fortsatz ins Neu-
ropilem senden und zwar ist es Leydig (1862), welcher, so viel ich weiß als erster, dieses
für die Anneliden behauptet hat und damit die erste allgemeine Mitteilung über einen
Teil der Reizleitungsbahnen der Polychaeten gibt.
Es dauerte manches Jahr ehe Greeff (1877) wiederum eine Leitung.sbahn bei
Polychaeten entdeckte. Er untersuchte die Augen der Aloiopiden und erkannte bei manchen
Arten in der Retina Sehzellen, deren kernhaltiger Zellkörper sich nach außen in ein
Stäbchen, nach innen in eine Nervenfaser des Sehnerven fortsetzte. Die GiiEEFFsche
Entdeckung ist später von Hesse (1899) bestätigt worden. Damit ist Greeff also der
erste, welcher die Sehzellen der Alciopiden als Sinnesnervenzellen erkannt hat, aber
zugleich hat er damit als erster überhaupt bei einem Wurme Sinnesner-venzellen gesehen
und kann er als ihr Entdecker bei dieser Tiei-gruppe gelten (v^ergl. S. 11 und 32).
Greeff teilt uns mit, wie aus dem Zellkörper der Sehzelle eine , .Nervenfaser"
hervorgeht, welche in der Mitte des Stäbchens fortschreitet, aber da hat er wohl keine
Nervenfaser, sondern eine Neurofibrille beobachtet.
Einige Jahre später erscheint die Arbeit Meyers (1882). Sie bezieht sich auf Pol y-
ophthalmus joictus und, obgleich der Lauf der Nervenfasern mehr erraten, als exakt
erwiesen wurde, enthält sie sehr viel gutes.
Im Hirnganglion -von Polyophthalmus entdeckte Meyer drei Paai' Gruppen von
meistens unijaolaren Ganglienzellen, welche drei Paar Nervenfaserbündel abgeben. Die
erste Gruppe liegt oben vorn im Hirnganglion. Sie umschließt eine Achse von Nerven-
fasern, welche Fortsätze ihrer Ganglienzellen sind. Die Fortsätze treten in einen peri-
pheren Nerven ein, welcher zum Becherorgan geht, das sich zu beiden Seiten des Kopfes
neben den Flimmergruben befindet. Hier setzen sich die Ausläufer kontinuirlich fort
in die Nei'venfortsätze der fadenförmigen Sinnesnervenzellen, welche man im Becher-
organ unter der Cuticula sieht. Die Fasern passieren dabei ein peripheres Ganglion,
womit sie aber, wenn ich Meyer gut begreife, nichts zu schaffen haben. Das bedarf
wohl näherer Bestätigung.
Die zweite Gi-uppe ist hinten unten dem Hirn eingelagert und die meisten Fort-
sätze ihrer Zellen begeben sich in die Schlundkonnektive. Die dritte Gruppe. ist oben
hinten im Gehirn zu finden und sie entsendet einen Nerven zum peripheren Ganglion
fies Flimmerorgans, wohin die Bases der fadenförmigen Flimmerzellen sich auch begeben-
Der richtige Nervenfaserverlauf bleibt peripher also noch festzustellen.
Die beiden zweiten Gruppen sind durch eine Kommissur verbunden ; auch kann
man ein Paar Längsbündel im Hirnganglion von vorn nach hinten ziehen sehen, welche
noch nicht genannt wurden. Die L^rsprirngszellen dieser Fasern waren Meyer nicht
genau bekannt.
Neben den beschriebenen unipolaren Ganglienzellen beobachtete Meyer im oberen
Schlundganglion auch andere, welche oft bijiolar sind, ebenfalls gruppiert sind und mit
ihren Fortsätzen die sechs Ganglienzellgruppen und die Faserbündel untereinander ver-
binden. Meyer nannte sie Kommissurzellen, einen Namen, welchen ich nicht beibe-
halten kann, weil ich damit nur Ganglienzellen, deren Fortsätze die Medianlinie kreu-
zen, bezeichnen möchte. Vielleicht lassen sie sich eben so gut Assoziationszellen nennen,
wie ich vorläufig tun werde.
Die erste Gruppe der Assoziationszellen ist an der Vorderseite des Gehirns gelegen.
Sie steht in Verbindung mit den beiden ersten Gruppen unipolarer Ganglienzellen, mit
den Längsbündeln und durch diese hindurch mit den beiden dritten Gruppen imipo-
larer Ganglienzellen, sowie mit vier anderen Grvippen Assoziationszellen.
Von der zweiten und dritten Grup{)e der Assoziationszellen, in der Mitte des Hirn-
ganglions und unten im Hirn gelegen, meldet Meyer die Bahnen nicht.
60
VERMES, ANNELIDA.
Die vierte Gruppe ist gepaart. Sie liegt neben den Längsbiindeln und steht mit den
Fortsätzen ihrer Ganglienzellen mit diesen, mit der Kommissur und mit den drei
Paar Gruppen unipolarer Ganglienzellen in Verbindung.
Die Fasern der ScIihmdkonneUtive setzen sich fort in den Bauclistrang, wo diese
longitudinalen Ner\enfa.sern noch in v^iele Bündel verteilt werden. Manche dieser Ner-
venfasern des Bauchmarks biegen sich nach der Peripherie des Körpers, das heißt
zu den Seitenaugen oder den Muskeln und bilden so die peripheren Nerven, zwei Paar
zu jedem Körpersegment.
Neben den Fasern befinden sich nach Mryer im Bauchstrange unipolare Ganglien-
zellen, welche in drei ummterbrochenen Säulen, zwei dorsolateralen imd einem ventro-
medialen, angehäuft liegen. Das Bauclimark \on Polyojihthalmus ist also innerlich gar
nicht und äußerlich nur wenig gegliedert. Im imteren Schlundganglion wird nur die
ventromediale Ganglienzellgrupi^e wahrgenoinmen, da hier die beiden dorsolateralen
noch nicht aufgetreten sind. Meyer hat in diesen Hinsichten aber später keine Bestä-
tigung gefunden.
Fig. 23.
m.n.
Meyer erwähnt endlich noch,
daß von den drei Kopfaugen das
impaare in die zweite und die beiden
gepaarten in die beiden vierten Asso-
ziationszellgruppen einverleibt sind,
aber ob sie auch davon innerviert
werden, konnte er nicht erforschen.
Wohl sah er, daß neben den drei
Kopf äugen drei Statocysten sind, die
unpaare von der zweiten Assoziations-
zellgruppe, die beiden anderen durch
Kommissurfasern innerviert.
Das Jahr 1887 ist reich an
Mitteihmgen über die Hodologie
der Polychaeten. Da haben wir
zuerst Kükenthal (1887), wel-
cher die OpheUaceen als Objekt
erwählt. Am vollständigsten wird
Travisia beschrieben. Es besteht
hier ein oberes Schlundganglion
aus Neuropilem mit umringenden
Ganglienzellgruppen. Zwei dieser
Gruppen sind aus unipolaren Ganglienzellen zusammengesetzt, welche ihren
Fortsatz zu den Hypodermiszellen neben den Flimmergruben des Kopfes
.senden.
Das Hirnganghon ist mittels der Schlundkonnektive mit dem Bauch-
mark verbunden und diesen Schlundkonnektiven sitzt ein Ganglion auf,
worin man drei Gruppen von Ganglienzellen, welche ihre Fortsätze in die
Konnektive schicken, beobachten kann.
Im Bauchstrange sind die Ganglienzellen nicht gleichmäßig verteilt, sondern
sie sind in den Ganglien angehäuft, während sie in den Konnektiven weniger
zahlreich sind. Ein dorsales und ein ventrales Paar Nerven verlassen jedes
Ganglion. Wie nach Kükenthal ein Bauchganglion gebaut ist, wird am besten
durch die schematische Figur 23 belcuciitet.
Die Fasern der beiden Schlundkonnektive setzen sich im Bauchstrange
Querschnitt eines Bauchganglions von Tiavisia.
Nach KüKENTH.AL (1887).
a,b,c,d = Ganglienzellgruppen .
c.rf. =commis.svn-a dorsaüs.
e.V. = commissura ventral is.
d.l.b. = dorsales Längsbündel.
d.n. = nervas dorsalis.
m.n. = nervus medianus.
v.l.b. = ventrales Längsbündel.
»'.«.= nervus ventralis.
POLYCHASTA. 61
in zwei Längsfaserbündel fort, welche von einem bindegewebigen Septum in
einen dorsalen Teil (Fig. 23, d.l.b.) und einen ventralen Teil (v.l.b.) zerlegt
werden. Das dorsale Längsbündel {d.l.b.) selbst wird noch weiter zerlegt.
Das stimmt also mit dem, was Meyer bei Polyophthalmus beobachtete.
In jedem Ganglion entdeckte Kükenthal vier Paar Ganglienzellgruppen.
Die erste Gruppe (Fig. 23, a) befindet sich median zwischen den Längsbündeln
und vorwiegend ventral. Ihre unipolaren Zellen senden ihre Fortsätze in das
ventrale Längsbündel, in das dorsale Längsbündel und zwar auch dort ventral
oder dorsal und in den dorsalen peripheren Nerven (Fig. 23, d.n.).
Die zweite Gruppe (Fig. 23, b) umfaßt kleine unipolare Ganglienzellen,
welche medial in der Rinne zwischen dem dorsalen und dem ventralen Längs-
bündel gedrängt liegen. Die Fortsätze dieser Zellen dringen in eins der beiden
Längsbündel ein, oder sie ziehen in den ventralen Nerven (Fig. 23 links).
Die dritte Gruppe (Fig. 23, c) wird lateral neben dem ventralen Längs-
bündel gefunden. Ihre unipolaren Ganglienzellen fügen ihre Fortsätze dem
ventralen Längsbündel bei, oder dieselben kreuzen die Medianhnie, bilden
also die ventrale Kommissur (Fig. 23, c.v.) und ziehen nun entweder in dem
ventralen Nerven oder im ventralen Längsbündel weiter.
In entsprechender Weise verhalten sich die Ganglienzellen der vierten
Gruppe (Fig. 23,f/). Diese liegt lateral neben dem dorsalen Längsbündel und
die Ausläufer ihrer Ganghenzellen gehen in das dorsale Längsbündel derselben
oder der gekreuzten Seite oder in den dorsalen Nerven der anderen Seite,
dabei die dorsale Kommissur (Fig. 23, cd.) bildend. (Man muß sich die Zellen
der Fig. 23 wiederum symmetrisch an der anderen Seite gelegen denken.).
Zur Bildung des dorsalen Nerven tragen neben Fortsätzen von Ganglien-
zellen der Gruppen a und d auch Fasern bei, welche aus den Längsbündeln
darin abbiegen (Fig. 23 rechts), während solche Fasern auch den ventralen
Nerven verstärken (Fig. 23 links), welcher übrigens von Fortsätzen der Zell-
gruppen b und c gebildet wird. Diese in die Seitennerven abbiegenden Fasern
der Längsbündel hatte auch schon Meyer, wie wir oben sahen, bei Polyoph-
thalmus erwähnt.
Dorsal in der Mitte des Bauchstranges befindet sich der sogenannte
Mediannerv (Fig. 23, m.7i.), welcher aber meiner Ansicht nach besser das
mediane Konnektiv genannt würde. Jedes Bauchganglion enthält in der Mitte
zwei große, multipolare Zellen, die Medianzellen, welche einige Fortsätze in
die Mediannerven senden, wie Kükenthal uns mitteilt. Wenn diese Medianzel-
len, welche auch bei anderen Chaetopoden vorhanden sind, wirklich mit den
Medianzellen der Hirudineen homolog sind, sind es keine Ganglienzellen,
sondern Gliazellen. Ich bilde sie deshalb in der Figur 23 nicht ab.
So weit über Travisia. Ophelia hat den Bauchstrang ebenso gebaut wie Travisia
und auch hier sind die Schlundkonnektive von Ganglienzellen umgeben, deren Fort-
sätze sich den Konnektiven beimischen.
KÜKENTHAL beschreibt in wenig klarer Weise eirüge Leitungsbahnen im Hirn von
Ammotrypane. Hier stimmt die Struktur der Schlundkonnektive mit jener anderer
Arten überein und auch die Bauchganglien sind wie bei Travisia gebaut, nur sind die
Ü2
VERMES, ANNKLIDA.
dorsale und die ventrale Kommissur z\i einer einzigon vereint. Armandia hat aber wie-
derum zwei Kommissuren in jedem Ganglion.
Wie Meyer, so hat auch Kükenth.ax das obere Schlundganglion von Polyoph-
thalmus untersucht. Er fand darin neben anderen Zellgruppen eine gepaarte, laterale
(iruppe unijjolarer Ganglienzellen, deren Fortsätze teils in einen lateralen Nerven lau-
fen, teils eine Kommis.siu' bilden. Die (iruppe ist nicht ohne weiteres mit einer von Meveh
entfleckten (ianglienzellgruppe zu identifizieren. Kükenth.\l beobachtete auch eine
mediane dorsale Gruppe bipolarer Ganglienzellen, von Meyer weniger richtig Kommis-
surzellen genannt, welche ihre Fortsätze in einen ilorsalen, medianen Nerven zur Rük-
kenseite des Kopfes senden. Ob dies die zweite
von Meyer be.schriebene Gruppe ist ?
Lateroventral neben den Schlundkoniick-
tiven konnte Kükenthal zwei Ganglienzell-
gruppen wahrnehmen, welche Zellen einen Teil
ihrer Fortsätze quer durch das Konnektiv hin-
durch in einen Nerven zum Integument senden.
Der Bauchstrang von Polyophthalmus luit
nach Kükenthal den schon von anderen Ophe-
liaceen bekannten Bau : zwei Kommissuren und
vier Paar Ganglienzellgruppen in jedem Gang-
lion. Er weicht in dieser Angabe ab von
Mey'ER, welcher iin Bauchmark keine iimer-
liche Gliederung entdecken konnte.
Im selben Jahre wie Kükenthal
die Upheliaceen hat Nansen (1887) die
Myzostomen, vor allen Myzostominii gi-
ganteum, untersucht. Sie weichen in ihrem
Nervensystem erhebüch von den Ophelia -
ceen ab. Das Hirnganglion wird gebildet
von wenigstens vier Paar Ganglienzell-
gruppen mit unipolaren oder multipolaieii
Ganglienzellen. Das Hirnganglion bildet
mit den Schlundkonnektiven (Fig. 24,
s.L\), welche das Ganglion mit dem Bauch-
mark verbinden, einen Schlundring.
Der Schlundring empfängt Fortsätze
von Ganglienzellen des Hirnganghons und
entsendet einige Nerven zum Rüssel,
welche diesen ebenfalls mit einem Ring-
.s. r,
.s. k.
.1. utr
Bauchstiang von Myzostoiniun
giganteum.
Nach Nansen (1887).
breite Kommissur
. = Hauptnerv
'. = kolossale Ganglienzelle oder
Neinochordzelle
!. — Mediannerv
I. - -■ Nebennerv
schmale Kommissin-
Schundkonnektiv
Seitenstrang
nerven, dem ,,Tentakelnervenring'" um-
geben. Auch in diesem Kinge sind (ianglienzellen eingelagert, welche diesem
ihre Fortsätze abgeben.
Der Bauchstrang von Myzostomum giganteum ist .sehr kuiz und ge-
drängt (Fig. 24). Im Gegensatz zu den ()j)heliaceen sind die beiden Konnek-
tive oder Seitenstränge wie Nansen sie nennt, weil ihnen die (ianglien
abgehen, nicht mit einander verwachsen, sondern nur durch Kommissinen
verbunden. Infolgedessen hat auch der Mediannerv (F'ig. .24, tn.n.) (besser
das Mediankonnektiv) größere Selbständigkeit. Die Kommissuren sind nicht
alle gleich dick, sondern man unterscheidet abwechselnd schmale und breite
POLYCHAETA.
63
Kommissuren (Fig. 24, s.c. und h.c). Deutliche Ganglien im Bauchstrange
gibt es nicht, aber die peripheren Nerven verlassen den Bauchstrang an regel-
mäßigen Stellen, welche wie die Kommissuren auf Segmentierung hindeuten.
Wahrscheinhch hat der Bauchstrang sechs Segmente, obgleich seine Ganglien-
zellgruppen dieses nicht ausweisen. Unter den peripheren Nerven beobachtet
man dicke Hauptnerven (Fig. 24, h.n.) und schwache Nebennerven (Fig.
24, n.7i.).
Der Nervenfaserverlauf des Bauchstranges, wie er von Nansen erforscht
worden ist und in überzeugender Weise dargestellt wird, wird am bequemsten
erläutert an einem Querschnitt durch eine breite Kommissur (Fig. 25).
Median sind darin die Fasern des Mediannerven (m.n.) angeschnitten,
welcher selbstverständlich in den Kommissuren nicht frei liegt (vergl. Fig.
24). Lateral sieht man
Fig. 25.
^ b
neu
zu beiden Seiten das
Neuropilem der Seiten -
stränge (Fig. 25,neur.),
das sich in mancher
Hinsicht mit den
Längsbündeln der
OpheHaceen (Fig. 23)
vergleichen ließe.
Auf der Höhe einer
breiten Kommissur
konnte Nansen nun
die folgenden, das Neu-
ropilem umringenden
Ganglienzellgruppen
beobachten. Zuerst
eine einzige, mediane
Gruppe, welche teils
dorsal und über den
Kommissurfasern, teils ventral darunter gelegen war (Fig. 25, a). Die meisten
Fortsätze dieser Ganglienzellen treten in einen peripheren Nerven ein.
Die zweite Gruppe (Fig. 25, b) ist gepaart und hat eine dorsale Stellung.
Aus ihren Zellen entspringen Fortsätze zu einem peripheren Nerven der
gleichen Seite.
Die dritte Gruppe (Fig. 25, c) befindet sich ebenfalls an der dorsalen Seite,
aber die Fortsätze ihrer Zellen ziehen in einen j^eripheren Nerven der anderen
Seite, dabei also eine Kommissur bildend.
Die vierte und fünfte Gruppe (Fig. 25, d und e liegen ventral, e lateral
und d medial und ihre Ganglienzellen sind mit Fortsätzen ausgestattet,
welche in das Neuropilem eindringen.
Die sechste Gruppe endlich (Fig. 25, /) ist wiederum eine dorsale, welche
wie Gruppe a von Ganghenzellen gebildet wird, welche ihre Ausläufer einem
peripheren Nerven derselben Seite zusenden, aber ihre Stellung ist ganz
lateral neben Gruppe c.
Querschnitt der Bauchstranges von Myzostoinuin giganteum
durch eine breite Konimissiu-.
Nach NAN.SEN (1887).
a, b, c. d, e, f — Ganglienzellgruppen
af. = afferente Nervenfaser
k. = Kollaterale
m. n. = Mediannerv
neur. = Neuropilem des Seitenstranges
p. n. = Peripherer Nerv-
/, 2, 3, 4, 5 ^ Ganglienzelle
64 VERMES, ANNELID A.
Neben diesen Ganglienzellgruppen erwähnt Nansen noch das Vorkom-
men von fünf charakteristischen, einzelstehenden Ganghenzcllen. Die dor-
sale Zelle 1 (Fig. 25) imd die ventralen Zellen 2 und 3 dringen mit ihren Fort-
sätzen in das Neuropilem ein. Die vierte (Fig. 25, 4) ebenso, aber ihr Zellkörper
liegt zentral, mitten im Neuropilem. Die fünfte (Fig. 25, 5) ist eine wahre
Kommissurzelle. Ihr Zellkörper ist ventral gelegen, ihr Fortsatz kreuzt die
Medianlinie und taucht in das Neuripilem der anderen Seite ein.
Die peripheren Nerven enthalten nicht nur austretende Nervenfasern der
genannten Ganglienzellen, sondern auch eintretende, afferente Nervenfasern
(Fig. 25, «/.), welche im Neuropilem des Seitenstranges ihre Endverästelungen
haben.
Das Verhältnis des Mediannerven zu den Seitensträngen besteht nach
Nansen darin, daß die Fasern des Mediannerven Kollateralen zu ihieni
Neuropilem entsenden (Fig. 2"),/.-.).
Es bleibt mir jetzt noch übrig eine Bemerkung Nansens über die kolos-
salen Ganglienzellen des Nervensystems von Myzostomum mitzuteilen.
Nansen ist nicht der erste, welcher über die Kolo.ssalzellen der Poly-
chaeten oder den Lauf von ihren Neurochorden berichtet. Spengel (1882)
hatte schon bei den Euniceen Halla und Arabella im Bauchmark Neurochorde
aufgefunden, welche er als Fortsätze kolossaler Ganglienzellen der vorderen
Ganglien, der Neurochordzellen, erkannte. Und Rohde (1880) hatte schon
im Jahre 1886 vorläufige Mitteilungen über die Neurochorde der Aphroditeen
veröffentlicht, welche er uns aber erst 1890 ausgearbeitet überliefert hat
und welche ich deshalb erst nachher referieren möchte.
Nansen nun entdeckte bei Myzostomum dorsal zwischen jedem Paai-
breiter Kommissuren des Bauchmarks ein Paar kolossaler Ganglienzellen (Neu-
rochordzellen), deren Fortsatz die Medianlinie kreuzend in die schmale Kom-
missur zur anderen Seite des Bauchstranges und weiter in einen Haupt-
nerven zog (Fig. 24, k.q.).
Die ('a])itelliden, wiederum eine andere Familie der Polychaeten, wurden
von Eisig (1887) bearbeitet und was er in seiner Monographie über den Lauf
der Nervenfasern im Bauchstrang mitteilt, stimmt in manchen Hinsichten
mit den Befunden Kükenthals überein, was ersichtlich ist. wenn man die
nachstehenden Angaben mit Fig. 28 vergleicht.
Notomastus ist hier die am besten bekannte Art. Eisig erwähnt, daß
Ganglienzellen des unteren Schlundganglions und der Bauchganglien Fort-
sätze senden in die Konnektive, welche die Ganglien verbinden und daß
andrerseits Nervenfasern der Konnektive in die peripheren Nerven der
Ganglien austreten. Beides sieht man auch in Fig. 23, wo die Konnektive
von den Längsbündeln dargestellt werden. Ganglienzellen der Bauchganghen
entsenden auch Nervenfasern in die gleichseitigen peripheren Nerven oder
nach Kreuzung in die peripheren Nerven der anderen Hälfte des Ganglions
(vergl. V'\g. 23) und zwar liegen die ersten lateral im Ganglion, die .letzten
aber ventral.
Neurochorde sind bei Notomastus anwesend, aber Eisig betrachtet sie
auf Grund ihres wässerigen Inhalts als degenerierte Nervenfaserbündel,
POLYCHAETA. 65
welche schließlich Stützflinktionen haben und seine Angaben fördern unsere
Kenntnis der Leitungsbahnen nicht.
Eisig hat auch versucht im peripheren Nervensystem den Lauf einiger
Nervenfasern zu erforschen, aber er hat dabei nur zweifelhafte Resultate
erreicht. Die Sehzellen des Auges gehen nach ihm wahrscheinHch mit einem
basalen Fortsatz kontinuirlich über in „Körner", welche ihrerseits durch
einen Fortsatz kontinuirlich mit einer Ganglienzelle verbunden sind. Die
Sinneszellen der Seitenorgane enden nach Eisig in einer ,, Spindel", welche
einerseits mit einer Muskelfaser, andrerseits mit einer Nervenfaser in Ver-
bindung steht. Letztere geht zu den ,, Körnern" des Körnerganglions, von
dem weiter gewiße Fasern in die Nerven des Seitenorgans ziehen. Der histo-
logische Wert der genannten Elemente ist nicht klar.
Unter den anderen Capitelliden stimmt Dasybranchus in manchen Hin-
sichten mit Notomastus überein. Capitella gehen die Neurochorde ab, aber bei
Mastobranchus beobachtete Eisig kolossale Ganglienzellen, deren Fortsätze
sich den Neurochorden näherten, ohne daß ein direkter Verband wahrgenom-
men wurde. Eisig betrachtet auch diese Ganglienzellen, ebenso wie die Neu-
rochorde als wahrscheinlich degeneriert, eine Ansicht, welche ich mit Rück-
sicht auf die Angaben anderer Autoren nicht teilen kann. Behauptet doch
FriedlaeisDER (1889) gerade für Mastobranchus, daß die x\usläufer der Neu-
rochordzellen sich an segmental gelegenen Stellen in die Neurochorde (viel-
leicht Neurochordbündel ?) fortsetzen und daß die Neurochorde funktio-
nierende Nervenfasern sind, welche alle Segmente des Wurmkörpers in di-
rekte Verbindung setzen.
Haller (1887, 1889) hat sich in zwei Arbeiten mit der Hodologie von
Lepidasthenia und Nereis beschäftigt. Die letztere dieser beiden Arbeiten ist
die wichtigere und Haller hat darin versucht auf Grund aus freier Hand
geschnittener Präparate zu beweisen, daß die Fasern der peripheren Nerven
teils aus Ganglienzellen, teils unmittelbar aus dem Neuropilem der Ganglien
entsprängen. Ich glaube mit vielen anderen Autoren, daß die Nervenfasern, von
welchen gesagt wird, daß sie im Neuropilem entspringen tatsächhch darin enden
und ihren Ursprung in, freilich Haller unbekannten, peripheren Ganglien-
zellen oder Sinnesnervenzellen haben. Die HALLERschen Angaben sind dann
auch besser im Einklang mit den Resultaten anderer Forscher und ich werde
mir in deren Wiedergabe erlauben keine Nervenfasern im Neuropilem ent-
springen, sondern sie nur darin enden zu lassen. H aller meint, wie bei den
Evertebrat^n im allgemeinen, so auch hier, daß die Zellkörper einer GangHen-
zellgruppe- vielfach unmittelbar durch Fortsätze verbunden sind und in diesem
Falle wären die Reizleitungsbahnen, einmal in den Ganglienzellgruppen
angelangt, anatomisch nicht weiter verfolgbar. Auch abgesehen von diesen
letzten Punkten sei bemerkt, daß, meiner Ansicht nach. Haller seine Be-
hauptungen nicht immer genugsam begründet.
Haller (1889) hat in erster Linie das gangUon supraoesophageum unter-
sucht und dessen Bau bei Lepidasthenia und Nereis übereinstimmend gefun-
den. Seine Resultate werden am besten in Verbindung mit denjenigen anderer
Forscher (S. 78) besprochen. Beim LTnterschlundganglion ist so etwas un-
DROOGLEEVER FORTUYN. 5
66
VERMES, ANNELIDA.
Fig. 26.
ne u r
möglich und daher folge hier gleich die Bemerkimg, daß Haller bei Lepi-
dasthenia eine schwache Kommissur vorn im l'nterschlundganglion ])eob-
achtete, deren Fasern, wie er sagt, nicht mit Ganglienzellen in N'erbindung
stehen, sondern von Neuropilem zu Neuropilem gehen. Das verdient jedoch
nähere Bestätigung. Die Ganglienzellen sind in fünf Gruppen angehäuft,
zwei laterodorsalen, zwei lateroventralen und einer medioventralen und ihre
Fortsätze gehen in den peripheren Nerven derselben Seite oder in das Neu-
ropilem des Ganglions. Haller wies im imteren Schlundganglion Kolossal-
zellen nach, aber er erwähnt nicht, wie bei den Bauchganglien, den Lauf
ihrer Neurochorde.
Im Bauchmark ist keine Stelle frei von Ganglienzellen und die Ganghen
sind also nur durch ihren größeren Gehalt an Ganglienzellen und die aus-
tretenden Nerven gekennzeichnet, aber andere Polychaeten als Lepidas-
thenia haben gewiß Konnektive ohne
Ganglienzellen.
In jedem Bauchganglion kann
man die fünf oben genannten Ganglien-
zellgruppen des unteren Schlundgang-
lions wiedeierkennen. Ihre Zellen schic-
ken Fortsätze ins Neuropilem (Fig. 26
a) oder in die peripheren Nerven (Fig.
26, b,c), aber es gibt auch nach Hal-
ler Fälle, worin eine Ganglienzelle der
ventrolateralen Gruppe mit einer der
dorsolateralen Gru])pe unmittcll)ar
(luich einen Fortsatz verbunden ist.
Jedes BauchgangUon hat viei-
Paar peripherer Nerven (wovon in
Figur 26 nur drei gezeichnet wurden),
aber nur zwei sind wie gewöhnlich
Nervenfaserbündel und zwar enthalten
diese nicht nur Foitsätze der Zellen des Ganglions, sondern auch Nerven-
fasern, welche im Neuropilem des Ganglions endigen (Fig. 26, 3). Die beiden
anderen Nervenpaare sind weiter nichts als einzeln austretende Neurochorde.
In jedem Bauchganglion befindet sich lateral und ventral ein Paar Neu-
rochordzellcn (kolossaler Ganglienzellen) (Fig. 26, A). Der Fortsatz dieser
GanghenzcUen kreuzt, nach Haller als einzige Kommissurfascr des ganzen
Bauchganghons, die Medianünie und veiläüt (his Bauciunaik an der andcicn
Seite, an und für sich einen peripheren Nerven (Fig. 26, 1) bildend. Zuvor aber
hat er dem Neuropilem der beiden Bauchstranghälften Kollateialcn abgegeben.
Neben diesen .seitwärts austictcndcn Kolossalfascrn gil)t es icchts und
links einen oder mehrere longitu(hiiale Neurochorde im Hauchst lang. Ein
ganz lateral dahinlaufender Neinochord (Fig. 2(), 7^) fängt an im (bitten Bauch-
ganghon und entsendet dann und waim Seitenäste. al)er außeidein spaltet
er in jedem Segmente einen (bcken Seitenast ab. welcher an uiid für sicli als
perijiherer Nerv das (Janglioii verläßt (Fig. 2(), 2).
Querselmitt dmch das Band iganglion von
LepidastliPiiia.
Nach Haller (1889) Textfigur 1.
neur. = neiu-opilema
a, b, c = Ganglienzellen
A = Neui'ochordzelle
B = Neurochord
/, 2, S = |)eii|)lierer Xei'v
POLYCHAETA.
67
Haller betrachtet die beiden Medianzellen, welche jedem Bauchganghon
eigen sind, als Ganglienzellen, aber er be- pj^ 27.
schreibt nicht den Lauf ihrer Fortsätze.
So weit über Lepidasthenia. Von allem was
Haller über die Polychaete Serpula bemerkt,
interessiert nns niu-, daß das untere Schlimdgang-
lion Ganglienzellen besitzt, welche Fortsätze ent-
weder in das Neiiropilem oder in das Konnektiv
zuin ersten Bauchganglion senden. Andere Fasern
des Konnektivs enden im ganglion infraoeso-
phageum.
RoHDE (1890) hat das Zentralnerven-
system der Aphroditeen untersucht und
namentlich über den Lauf der Kolossalfasern
sehr wichtige Erforschungen mitgeteilt.
Einige Aphroditeen, so Aphrodite selbst
und Hermione, haben gesonderte Ganglien
im Bauchstrange, aber Sthenelais, Sigalion
und Polynoe nicht. Bei ihnen sind die
Ganglienzellen überall dem Bauchstrange
eingelagert und die Segmente (Fig. 27, s.) sind
nur durch die drei Paare peripherer Nerven,
zwei dünne und einen dicken, gekennzeich-
net. Kommissuren fand Rohde in jedem
Ganghon, aber vorwiegend im unteren
Schlundganglion.
Rohde stellt sich auf die Seite jener
Forscher, welche die Neurochorde nicht für
Stützgewebe, sondern für wahre Nervenfasern
sei es denn von kolossalen Dimensionen,
halten und er konnte denn auch in sehr
vielen Fällen ihr Hervorspringen aus kolos-
salen Ganglienzellen beobachten.
Sthenelais hat unter den Aphroditeen
besonders viele Neurochorde. Wie sie laufen
und wo sie entspringen, zeigt Rohde in
einem Schema, das meiner Figur 27 zu Grunde
gelegt wurde. Rohde erkannte drei Arten
kolossaler Nervenfasern, solche, welche im
Bauchstrang von vorn nach hinten laufen,
solche, welche umgekehrt darin aszendieren
und solche, welche in jedem Segmente zur
Peripherie des Körpers schreiten.
Am hinteren Rande des Gehirnganglions
das erste Paar Neurochordzellen (Fig. 27, A
Schematische Darstellung der Neu-
rochorde im Zentralnervensystem
von Sthenelais.
Abgeändert nach Rohde (1890)
Fig. 87.
b. str.
= Bauchstrang
g-9-
= Gehirnganglion
m. l.
= Medianlinie
p. n.
= peripherer Nerv
s.
= Segment
s. k. =
Schlundkonnektiv
A bis H und Y
= Neurochordzelle
F?
= Neurochord
Der Bauchstrang ist zweimal unter-
brochen bei —
— — .
(Fig. 27, g.g.) entdeckte Rohde
68 VERMES, ANNELIDA.
Sie senden ihren Fortsatz durch die Schlundkonnektive (Fig. 21,s.k.)
in den Bauehstrang {h.sfr.) hinein. Hier angelangt, vereinigen sich die beiden
Neuroclioide zu einem einzigen. A\elciier im Bauch.strange deszencUert, dabei
oft die Medianlinie (Fig. 27, 7».l.) kreuzend. Wie alle Kolossalfasern entsendet
er dann und wann Seitenästchen.
Bald nachdem die Schlundkonnektive sich zum Bauchmark vereinigt
haben, treten ventral hinter einander zwei Paar Kolossalzellen (Fig. 27, B
und E) hervor, deren Fortsatz einen Bogen beschreibt, die Medianlinie über-
schreitet und dicht daneben nach hinten läuft. Er endet noch vor der Mitte
des Körpers.
Zwischen B und E aber lateral, liegen zwei Paar Neurochordzellen
(Fig. 27, C und D), deren Fortsätze die Medianlinie kreuzen und nach hinten
streben, aber mehr lateral als die Neurochorde B und E. Lateral hinter D
befindet sich noch eine Kolossalzelle (Fig. 27, F), deren Neurochord in der
an der gleichen Seite liegendem Bauchstranghälfte deszendiert.
Im Konnektivalganglion entdeckte Rohde eine Neurochordzelle (Fig.
27, Y), aber er konnte deren Fortsatz nicht im unteren Schlundganglion
wieder auffinden. Andrerseits war durch die ganze Länge des Bauchmarks
bis zum ganglion infraoesophageale ein Neurochord (Fig. 27, }' ?) gelegen,
dessen zugehörige Zelle unbekannt bHeb und Rohde hält es für nicht unmögHch,
daß die Zelle Y und die Faser Y? zu einander gehören.
Etwa nach dem sechzehnten Segmente bis ins zweitletzte wurde von
Rohde in jedem Segmente entweder links, oder rechts, aber ohne bestimmte
Ordnung lateral vor der Abgangsstelle des ersten Nerven eine Neurochord-
zelle gesehen (Fig. 27, G). Ihr Neurochord kreuzt die Medianhnie, aber im
vorhergehenden Segmente kreuzt er wieder zurück und jetzt tritt die Faser
dorsal aus dem Bauchstrange aus und läuft eine Strecke weit nach vorn.
Wenn so zu beiden Seiten über dem Bauchstrang etwa sieben solcher Kolos-
salfasern laufen inid weitere sich hinzufügen würden, kehrt die erste Faser
ins Bauchmark zurück und zerfasert sich dort im Neuropilem, welchem Bei-
spiel die anderen der Reihe nach folgen. Rohde sah kein Zusammenfließen
dieser Neurochorde, wie Spengel solches für Halla behauptet.
Zuletzt beschreibt Rohde noch lateral in der Mitte eines jeden Segments
ein Paar Neurochordzellen (Fig. 27, //), welche seiner Abbildung nach zwi-
schen den beiden vorderen der drei jedes Segment verlassenden Nerven zu
finden sind. Ihr Fortsatz überschreitet die Medianlinie und tritt selbständig
als peripherer Nerv aus dem Bauchstrang. Sein Ende ist unbekannt, aber
in der Nähe der Parapodien zu suchen.
Sigalion besitzt nur zwei Paar Neurochordzellen, welche den Zellen A
und C von Sthenelais homolog sind. Ihre Kolossalfasern deszendieren, abei"
die beiden Fasern A vereinigen sich nicht und keine kreuzt die Medianlinie.
Polynoe elegans hat jedenfalls die Neurochordzelle C, aber wahrschein-
lich auch A und zwai- in der Modifikation von Sigalion. Auch entiiält hier
jedes Segment die Neurochordzelle //. aber ihr l^'ortsatz verläßt das Bauch-
mark nach Kreuzung der Medianlinie im hinteren iU'v dici j)eii|)heren Nerven
des Segments, also nicht selbständig wie bei Stiieni'lais.
POLYCHAETA.
69
Ein Teil des Bauchmarks von
Aphrodite oder Hermione sche-
matisch dargestellt.
Abgeändert nach Rohde(189ü),
Fig. 89.
m. l. = Medianlinie
ji. n. = peripherer Nerv
s. = Segment
A, B, B' = Neurochordzelle
Aphrodite und Hermione entbehren der longitudinalen Nenrochorde.
Hingegen treten in jeden der peripheren
Nerven Kolossalfasern aus, welche sich aber
mehr als gewöhnlich in ihrer Größe den
dicken Nervenfasern des Bauchmarks näheren
und deshalb meiner Meinung nach vielleicht
nicht mehr Neurochorde zu nennen sind-
Uebrigens hat schon Leydig (1886) betont,
daß die Neurochorde mit den größten Ner-
venfasern durch Uebergänge verbunden sind.
In die starken peripheren Nerven treten
nach RoHDE acht oder neun Kolossalfasern,
welche aus der anderen Seite des Bauch-
stranges stammen, Ihre Ursprungszellen sind
nicht genau bekannt, aber wahrscheinlich
lateral gestellt (Fig. 28, A). Die beiden
dünnen peripheren Nerven empfangen sechs
bis sieben Neurochorde der entgegengesetz-
ten Seite des Bauchmarks. Auch ihre Neu-
rochordzellen sind nicht entdeckt worden,
aber Rohde vermutet, daß sie ventral median liegen (Fig. 28, B und B^).
Aphrodite hat nach Rohde auch
in Retzius (1891) einen Forscher ihres
Nervensystems gefunden. Retzius hat
sich in einer Reihe von Schriften
(Retzius 1891, 18926, 18956 und 1900)
mit dem Nervensysteme der Poly-
chaeten okkupiert und dabei als
erster die vitale Methylenblau -Methode
angewandt, was ihm erlaubte sehr wich-
tige hodologische Resultate zu erringen.
Die Arbeiten Retzius' gehören, wie
bekannt, zu den schönsten auf diesem
Gebiete.
Retzius (1891) beobachtete bei
Aphrodite, wie Rohde und andere Auto-
ren, deutlich gesonderte, durch Konnek-
tive verbundene Ganglien im Bauch -
sträng. Figur 29 stellt ein solches Gang-
lion schematisch, nur nicht so schema-
tisch wie Fig 28, dar. Aus jedem Gang-
lion gehen drei periphere Nervenpaare
hervor. Die hinteren peripheren Nerven
sind die kräftigsten (Fig. 29, h.pji.),
die mittleren und vorderen sind beide dünn, aber dabei sind die mittleren
Nerven (Fig. 29, m.p.n.) nach Retzius noch am wenigsten entwickelt.
Ganglion des Bauchstranges von
Aphrodite.
Nach Retzius (1891).
a bis /
h. p. n.
Je.
m. l.
m. p. n.
V. p. n.
Ganglienzellen
Nervenfaser
hinterer peripherer Nerv
Konnektiv
^Medianlinie
mittlerer peripherer Nerv
vorderer peripherer Nerv
70 VERxMES, ANNELIDA.
Die Ganglienzellen zeigten sich unipolar. Einige (Fig. 2!),«) senden ihren
Fortsatz in den hinteren jieriplieren Nerven derselben Seite, andere in jenen
der gegenüberUegenden Seite (Fig. 29, b). Den Fortsatz noch anderer Gan-
glienzellen (Fig. 29, c) sah Retzius die Medianlinie kreuzen und in den vorderen
peripheren Nerven verschwinden. Auch solche Ganglienzellen (Fig. 29, d),
welche ihren Fortsatz dem dünnen mittleren Nerven derselben Seite zuteilen,
felilten nicht.
Nicht immer treten die Ausläufer der Ganglienzellen in die peripheren
Nerven ein. Bisweilen ziehen sie nach hinten und verstärken sie die Konnek-
tive und zwar ohne dabei die Medianhnie zu überschreiten (Fig. 29, e), oder
gerade nach dieser Verrichtung (Fig. 29, /).
Wälircnd das Ende aller dieser Nervenfasei-n unl)ekaimt war. blieb auch
die Herkunft zweier Nervenfaserarten im Dunkeln. Einige (Fig. 29, g) duich-
ziehen das Ganglion in seiner ganzen Länge, andere, von vorne kommend,
verlassen das Ganghon durch den hinteren Nerven (Fig. 2970- Retzius glaubt,
daß nicht alle Ganghenzellen gepaart sind, wie es doch meistens im Zentral-
nervensystem der bilateral-symmetrischen Evertebraten der Fall ist.
Lepidonotus hat nach Retzius die Ganglienzellen nicht zu bestimmten
Ganglien gruppiert aber wohl liegen die Ganglienzellen symmetrisch. Einige
senden ihren Fortsatz in den nächstliegenden peripheren Nerven derselben
Seite, andere in einen Nerven der anderen Seite, welcher dann aber nicht der
nächste ist. Noch andere Ganglienzellfortsätze kreuzen die Medianlinie und
ziehen als longitudinale Nervenfasern nach vorn.
Der dicke Fortsatz einer vierten Zellart kreuzt nach der anderen Seite
und verläßt selbständig, nicht in einem peripheren Nerven, das Bauchmark.
Diese Zelle erinnert also an die Neurochordzelle H (Fig. 27), welche Rohde
bei Sthenelais entdeckte, aber Retzius betrachtet sie nicht als Kolossalzelle.
Der mächtige Stammfortsatz einer fünften Ganghenzellart verzweigt
sich dichotomisch. Beide Aeste überschreiten die Medianlinie, aber dann läuft
der eine nach vorn, der andere nach hinten in die Länge des Bauchstranges.
Von den Sedentaiien unter den PoIn chaeten untensuclite Kktzius Arenicola und
eine Terebellide. Arenicola zeigte Kktzius unter allen (langlicnzellcn nur zwei Typen,
welche un.sere Kenntnis der Leitvuig.sbahnen fördern. Es waren ( iangiienzellen mit aszon-
dierenden Fortsätzen, welche entweder die Hälfte des liauclnnarks, woiin die Zelle
lag, nicht verließen, otler zur anderen Seite kreuzten.
Die Terebellide besaß an der Basis der peripheren Nerven eine (Janglienzelle, ileren
Fort.satz die Medianlinie über-schritt und nach vorn zog. Daneben einen (Janglienzell-
typus mit in der entgegengesetzten Seite des Bauchmarks deszendierender Nerven-
faser und weiter (iangiienzellen, deren Ffutsatz in den peripheren Nerven derselben
Seite au.strat.
Xephtliys hat Retzius wiederum eine reichere Ausbeute an Ganglien-
zellen mit wenigstens teilweise bekanntem Lauf ihrer Neivenfasern einge-
bracht. Die (Janglien des Bauchstranges sind schaif innschriel)en und zwei
Korniektive (Fig. 30, A.), welche nicht wie bei anderen ol)en beschriebenen
Polychaeten mit einander verwachsen sind, sind zwischen den Ganglien
ausgespannt.
POLYCHAETA.
71
Alle Ganglienzellen sind nnipolar und meistens bilden sie symmetrisch
gelegene Paare. Zwei Paare haben die Gestalt, welche die Zelle a der Figur 30
abbildet, das heißt, der Fortsatz dieser Ganglienzellen läuft nach Ueber-
schreitung der Medianlinie in das Konnektiv nach vorn. Bevor er kreuzt,
hat er aber dem Neuropilem einige Kollateralen abgegeben. Das ist an und
für sich nichts Besonderes, denn fast alle Ganglienzellen tragen, auch wenn
ich es nicht melde, durch Abgabe von Seitenästchen ihrer Fortsätze zur Bil-
dung des Neuropilems bei, aber die Zellen des Typus a sind nur durch das
Verhalten ihrer Kollateralen von Zellen des später zu erwähnenden Typus e
zu unterscheiden und somit will ich das hier
betonen.
Ein drittes Paar Ganglienzellen (Fig. 30, b)
hat einen Stammfortsatz, welcher sich dichoto-
misch teilt. Der eine Ast geht in das Konnektiv
derselben Seite nach hinten, der andere kreuzt
die Medianlinie und läuft in das Konnektiv nach
vorn.
Der Stammfortsatz eines vierten Paares (Fig.
30, c) sucht erst die andere Hälfte des Ganglions
und teilt sich dann in zwei nach hinten und nach
vorn ziehende Aeste.
Der Stammfortsatz eines fünften Ganglien-
zellpaares (Fig. 30, d) tut dasselbe, ohne aber
vorher die Medianlinie des Ganglions gekreuzt
zu haben.
Das sechste Ganglienzellpaar (Fig. 30,e) weicht
im Laufe des Neurits nicht ab von Zellen des Bauchganglion von Nephthys.
Typus a, sondern in beiden Hälften des Ganglions ^^""^ Hetzius (1891).
,, . 1 T^ 11 , 1 1 a bis ö = Ganglienzelle
spalten sich Kollateralen ab. j^^ . _ Nervenfaser
Noch andere Ganglienzellen (Fig. 30,/) senden
nach Dichotomie ihres Stammfortsatzes einen
Ast in den peripheren Nerven (Fig. 30, pji.) und
den anderen nach vorn in das Konnektiv der anderen Körperhälfte.
Eine Ganglienzelle, deren Gegenstück Retzius verborgen blieb, ist die Zelle
g der Figur 30. Ihr Fortsatz geht in das Konnektiv derselben Seite nach hinten.
Die genannten Ganglienzellen sind alle groß. Sie werden von vielen
kleinen Ganglienzellen begleitet, welche ebenso ihre Fortsätze nach vorn,
nach hinten oder in die peripheren Nerven senden.
Retzius beobachtete weiter auch, wie Nervenfasern unbekannter Her-
kunft aus den Konnektiven in die peripheren Nerven abbogen (Fig. 30,h).
Andere Nervenfasern unbekannter Herkunft traten mit dem peripheren
Nerven ins Ganglion ein und verzweigten sich dort in einen nach vorn und
einen nach hinten ziehenden Ast.
Schließlich sei noch erwähnt, daß Retzius bei Nephthys auch Kolos-
salfasern beobachten konnte, aber die Neurochordzellen und somit die Her-
kunft dieser Fasern sah er nicht.
k. =
p. )i. =
Konnektiv
peripherer Nerv
72 VERMES, ANNELID A.
Nereis ist nicht nur im el)en angefühlten Artikel, sondern wiederholt
von Retzhs untersucht worden und dieser Gelehrte hat sich dabei nicht auf
den Bauchstrang beschränkt, sondern auch andere Teile des Nervensystems
hinzugezogen. Immer diente ihm das Methylenblau zur Färbung der Ganglien-
zellen und Nervenfasern. Das HirngangUon wird S. 76 beschrieben.
Das untere Schlundganghon von Nereis enthält nach Retzius (1891)
wenigstens vier Ganglienzell typen . Die beiden ersten sind unipolar und
ihr Fortsatz zieht nach vorn entweder in derselben Hälfte des Nervensystems
bleibend oder nach Kreuzung der Medianlinie in der anderen Hälfte. Der
dritte Typus ist ebenfalls unipolar, aber ihr Fortsatz überschreitet die Median-
linie und geht nach hinten. Median befindet sich eine große Ganglienzelle,
deren Fortsatz in dem Mediannerven (richtiger Mediankonnektiv) deszen-
diert. Könnte diese nicht eine Neurochordzelle sein und ihr Fortsatz eine
Faser des später auch von Hamaker (1898) beobachteten Neurochords des
Median konnektivs ? Noch beobachtete Retzius in diesem GangHon eine
bipolare Ganglienzelle.
Nervenfasern aus den Schlundkonnektiven enden im unteren Schlund-
ganglion, wobei ein Teil ihrer Aeste die Medianhnie überschreitet. Leider sind
ihre Ganglienzellen unbekannt.
Die Bauchganglien stimmen in manchen Hinsichten mit dem unteren
8chlundganglion überein. Alle Ganglienzellen sind unipolar und Retzius
konnte keine Neurochordzellen dabei entdecken. Die meisten Ganghenzell-
fortsätze kreuzen die Medianlinie und bilden dabei in jedem Gangüon
drei Kommissuren, eine vordere, eine mittlere und eine hintere. Haben sie
die Kommissur passiert, so ziehen sie weiter in einen peripheren Nerven, und
zwar sind es dann nach Retzius (18926) motorische Nervenfasern, oder sie
biegen frontal oder caudal ab in die Konnektive.
Es gibt aber auch Ganghenzellen mit Fortsätzen, welche nicht die Median-
linie kreuzen, sondern entweder sofort in einen peripheren Nerven austreten
oder sich teilen in einen aszendierenden und einen deszendierenden Ast.
In den peripheren Nerven erwähnt Retzius (1891 und 18926) Nerven-
fasern, welche im Bauchganghon artgelangt sich T-förmig teilen und einen
Ast nach vorn, den anderen nach hinten in die Konnektive senden. Retzius
(18926) betrachtet diese Fasern als sensibele Nervenfasern. Wenn aber wii-k-
lich, wie er sagt (1891), einer der beiden Aeste bisweilen mit einer Ganglien-
zelle verbunden war, so wäre in diesem Falle wohl dieser ,,Ast" der eigent-
liche Stammfortsatz und die austretende Nervenfaser nicht sensibel.
Die Sinnesnervenzellen des Epithels stehen nach Retzius (1900) isoliert
oder sie sind in Gruppen geordnet, welche man vielleicht Sinnesoigane nennen
darf. In den Faropodien vereinigen sich ihre Nervenfortsätze in Nerven,
welche zum subepithelialen Nervenple.xus gehen. Wahrscheiulich stellen diese
Nervenfortsätze der Sinnesnervenzelleii die oben genannten sensibelen Ner-
venfasern der peri])heren Nerven des Bauchganglions dar.
Neben Retzhs hat Bieder.mann (18i)l) fast zu gleicher Zeit das Bauch-
ganglion einer Nereis-Art und zwar von Nereis pelagica mit Hilfe der Methy-
lenblau-Methode studiert. P]r beschrieb iu den Konnektiven Nervenfasern,
L\^^^
^ /■ 6 '^
rv"^
y^/
POLYCHAETA.
73
Fie:. 31.
welche jedem der zwei stärksten peripheren Nerven einen Ast übermittchi
und solche, welche selbst sich in einen
peripheren Nerven hineinkrümmten.
Wie Retzius sah er daneben viele
Ganglienzellen, welche ihre Fortsätze mit
oder ohne Kreuzung der Medianlinie in
einen peripheren Nerven oder in das
Konnektiv aussandten.
Die peripheren Nerven führen weiter
nach ihm noch Fasern, welche sich im
Ganglion verästeln und dort enden, oder
aber nach einer T-förmigen Teilung in
die Konnektive eintreten. In letzter Hin-
sicht stimmt er abermals mit Retzius
überein .
Auch Hamaker (1898) hat sich mit
Nereis und zwar mit Nereis virens be-
schäftigt und manche Leitungsbahnen
des Nervensystems, welche schon Retzius
beobachtete, bestätigt und dessen Angaben
erweitert. Er hat neben anderen Metho-
den auch die Methylenblau-Methode
angewandt.
Hamaker beschreibt ausführlich die
Ganglien und ihre peripheren Nerven in
ihrer Lage und ihrem Lauf. Davon inter-
essiert uns hier nur folgendes. Im Bauch-
strang werden die Ganglien durch drei
mit einander verwachsene Konnektive,
zwei große, laterale (Fig. 31, /./.'.) und
ein kleines medianes (Fig. 31, 7n.k\) ver-
bunden. Sie sind ohne Ganglienzellen und
enthalten deshalb nur Nervenfasern und
Neuroglia. In jedem Körpersegmente
verlassen fünf Nervenpaare (Fig. 31,
1 — 5) den Bauchstrang. Da aber die
Grenzen der Segmente nicht mit den Kon-
nektiven, also den Grenzen der Bauch-
ganglien in gleicher Höhe liegen, gehen
zwar auch aus jedem Ganglion fünf peri-
phere Nerven hervor, aber diese gehören
zwei Körpersegmenten an. Figur 31, worin
s.g. die Segmentalgrenze, g.g. die Grenze
des Ganglions bedeutet, zeigt dies nach Gebühr.
In jeder der drei Konnektive zwischen den Bauchganglien befindet
sich, wie auch Schneider (1902) mitteilt, ein Neurochord oder, wie man
Nach
Zwei Ganglien des Bauclistranges von
Xereis virens.
Hamaker (1898), Taf. 4,
Fig. 27.
= CJrenze des Ganglions
= laterales Konnektiv
= n^edianes Konnektiv
= Segnientalgrenze
== periphere Nerven
= Ganglienzelle
= Nervenfaser
9- g-
l. k.
m. k.
s.g.
1 bis 5
a, b
c
74 VERMES, ANNELIDA.
vielleicht besser sagt, ein Neurochordbündel. Ohne Zweifel stellen die Fort-
sätze mancher Neurochordzellen des unteren Schlnndganglions mit dem medi-
anen Neurochorde in Verbindung, aber Hamaker selber konnte nicht ent-
scheiden, ob die Fortsätze zu einem einzigen zusammengössen oder nur dicht
neben einander weiter zögen und deshalb ein Neurochordbündel bildeten-
Die Neurochordzellen der lateralen Neurochorde sind nicht bekannt. Alle
Neurochorde ziehen unverändert bis ins letzte Segment des Körpers ; nur
werden sie dann und wann von Nervenfasern oder Nervenfaserbündeln durch-
bohrt.
Das Neuropilem der Bauchganglien ist nur ventral und lateral mit Gan-
ghenzellen belegt. Hamaker schildert die folgenden Leitungsbahnen im
Bauchstrang.
Ventral in jedem Bauchganglion trifft man auf der Höhe der Abgangs-
stelle des dritten segmentalen Nerven ein Paar Ganglienzellen a. (In der
Figur 31 ist oben nur eine Zelle a links, unten eine Zelle a rechts gezeichnet).
Der Fortsatz dieser Ganglienzelle (Fig. 31, a, rechts), eine starke Nervenfaser,
überschreitet die Medianlinie des Bauchmarks auf der Höhe des zweiten
peripheren Nerven, kehrt aber gleich in die vorige Hälfte des Bauchmarks
zurück und läuft nun im lateralen Konnektiv weiter nach vorn durch
ein oder zwei Segmente um verzweigt zu enden, gerade in der Nähe der Kreu-
zungsstelle einer Nervenfaser derselben Art (Fig. 31 vorderes Ganglion).
Man begegnet diesen Leitungsbahnen in allen Segmenten, mit Ausnahme der
zwanzig ersten hinter dem Kopfe, wo sie undeutlich und klein sind.
Halbwegs zwischen den Abgangsstellen des ersten und zweiten Nerven
entdeckte Hamaker in jedem Ganglion ventral ein Paar Ganglienzellen
(Fig. 31, b,b), welche ihren Fortsatz frontal senden. Auf der Höhe des vierten
segmentalen Nerven angelangt, kreuzt er die Medianlinie und spaltet sich
dann in zwei Aeste, welche in die vierten und fünften Nerven austreten. Wo
die Fasern von links und rechts die Medianlinie kreuzen, anastomosieren sie
nach Hamaker mittels Seitenästchen. Die Faser b berührt an einer Stelle
die Fa.ser a und ist dort sogar in eine Rinne der Faser a gefasst. Ein wenig
weiter, nach ihrer Dichotomie, durchbohrt Faser b den lateralen Neurochord.
Wahrscheinlich gehören diese Nervenfasern zu denjenigen, welche Retzius
beobachtete (S. 72, Alinea 4).
Eine dritte Nervenfaser in jedem Bauchganglion betrachtet Hamaker
wohl ganz richtig als zentripetal, weil ihre Ganglienzelle nicht im Zentral-
nervensysteme auffindbai- wai'. Die F'aser (Fig. 31, c,c,r) tritt mit dem vierten
segmentalen Nerven ins Ganglion ein und spaltet sich sofort in einen aszen-
dierenden und einen deszendierenden Zweig, wie auch Retzius und Bieder-
mann solches an einigen eintretenden Nervenfasern beobachten konnten.
Der nach hinten ziehende Ast endet verzweigt im nächsten Segmente
auf der Höhe des zweiten Nerven (Fig. 31 links). Der aszendierende Ast hat
seine Entlverästel inigen neben dem zweiten Nerven desselben Segmentes
(Fig. 31 links). Nahe bei .seinem Anfang sjialtet er einen Seitenzweig ab,
welcher schräg nach hinten läuft, die Medianlinie überschreitet und ebenfalls
auf der Höhe des zweiten Nerven endet (Fig. 31 hinteres Ganglion). Es enden
POLYCHAETA.
75
Fig. 32
also in jedem Ganglion des Bauchstranges zu beiden Seiten auf der Höhe
des zweiten Nei'ven drei verschiedene Seitenäste des Nervenfasertypus c und
zwar dreier verschiedene Nervenfasern (Fig. 31 vorderes Ganglion). Nach
Hamaker anastomosieren die terminalen Aestchen dieser drei Nervenfasern.
Ich weise darauf hin, daß eine Wechselwirkung dreier Neuronen auch bei
Homarus besteht (S. 246 und Figur 83).
Der zweite segmentale Nerv schreitet zum Parapodium untl l)ildet in
dessen Basis ein Ganglion, das Parapodialganglion (Fig. 32, jmr. g.). Dieses
ist der Ort, wo die vier Parapodialnerven (Fig. 32, I — IV), welche weiter
zur Peripherie ziehen, entspringen. Im zweiten Segmentalnerven (Fig. 32, 2)
fand Hamaker vier verschiedene Nevenfaserarten. Einige biegen in den
ersten oder vierten Parapodialnerven ab, andere enden im Parapodialgan-
glion und noch andere spalten sich dort in zwei Aeste, welche sich in den
zweiten und dritten Parapodialnerven fortsetzen.
Fig. 32 zeigt dieses schematisch. Der zweite
und dritte Parapodialnerv enthält nach Hama-
ker neben motorischen Nervenfasern zu den
Muskeln der Bürsten auch sensibele Nerven-
fasern. Diese letzten sind entweder die Nerven-
fortsätze bipolarer Sinnfesnervenzellen, mit
ihren Zellkörpern unter der Hypodermis und
mit ihren Sinnesfortsätzen darin, oder die
Nervenfortsätze bipolarer, sensibeler Ganglien-
zellen, welche ihren zweiten Fortsatz zur Um-
gebung der Bürsten senden, wo er sich verästelt
und, wie ich aus der HAMAKERschen Abbildung
schließe, frei endet. Leider teilt uns Hamaker
nicht mit, ob die gegabelten Nervenfasern des
zweiten und dritten Parapodialnerven (Fig.
32) motorische oder sensibele Fasern seien. Die
Weise der Verästelung spricht dafür, daß es
motorische Fasern sind.
a r.
Parapodialganglion von Nereis
virens. Abgeändert
nach Hamaker (1898) Taf. 1,
Fig. 8.
pa7\ g. = ganglion parapodiale
2 — zweiter ^ egniental-
nerv des Bauchgang-
lions.
/-/ V = nervi parapodiales
Ueber die Keizleitungsbahnen der Polychaeten liegt uns zuletzt noch eine Arbeit
Hesses (1899) vor. Hesse beschreibt darin die Augen. Bei den meisten Raubanneliden,
sagt er, ist der nervus opticus aus Fortsätzen der Sehzellen (ihrer Natur nach Sinnes -
nervenzellen) zusammengestellt, welche unmittelbar zum Hirnganglion gehen. Nicht
also bei Nereis cultrifera. In den vorderen Augen dieses Tieres liegen viele unipolare
Ganglienzellen, welche das ganglion opticiim bilden, luiter der Retina und ihre Fort-
sätze ziehen ins Gehirn. \Me aber die Verbindung der Sehzellen der Retina mit diesen
Ganglienzellen ist, ist nie beobachtet worden.
Bei Hesione sicula erstreckt sich das ganglion opticum vom Auge bis zum Hirn-
ganglion und damit fällt ein eigentlicher nervus opticus weg. Lysidica viridis, der Palolo-
Wvurn, hat segmental gestellte Bauchaugen. Jede ihrer Sehzellen sendet einen Fort-
satz ins Bauchmark hinein.
Die Alciopiden besitzen oft ein ganglion ojjticum. Bei Vanadis formosa besteht es
aus unipolaren CJanglienzellen, aber diese senden ihre Fortsätze nicht zuin Gehirn, son-
dern zur Retina. Wahrscheinlich begegnen diese Fortsätze den Nervenfortsätzen der
Sehzellen in einem Faserfilz zwischen Retina und ganglion opticum. Ein langer Nerv
76
VERMES, ANNELIDA.
verbindet hier das ganglion opticurn mit dem (Jehirn, aber es ist iiielit })ekamit aus
welchen Zellen seine Fasern hervorgehen. Alciopa cantrainii und Astercjpi' eantlida ent-
behren ein optisches Ganglion. Hier ziehen die Fortsätze der Öehzellen unmittelbar ins
obere Schhmdganglion. He.sse ist dabei im Einklang mit (Jreeff (1877).
Die Eunieide Ophrvstroehe puerilis hat zwei Becheraugen, jedes mit Sehzelle, deren
Fortsatz zum Gehirn läuft.
Die Sehzellfortsätze der beiden Augen von Ranzania schreiten in der Richtung
des SchKmdringes imd wahrscheinlich treten sie darin ein.
Fig. 33.
Schema des Gehirns von Nereis von der Seite
gesehen. Abgeändert
nach HoLMGREN (1916) Textfig. 5.
, c.n. = commissura nuchalis
c. o. = commis.sura optica
c. p. = corpus pedunculatum
c. paip. = commissura palpalis
gl. p. — glomeruli palpales
o. n. = organon nuchale
oc. a. = oculus anteiior
oc. p. = oculus posterior
p. — pedunculus
s. k. = Schlundkonnektiv
IJ, VI, X, XI, XV = Nerven
Mit Ausnahme der
Angaben über das Hirn-
ganglion von Nereis ist das
obige alles, was ich über
die Polychaeten zu bemerken
habe. Es ist ganz merk-
würdig, daß in einer wich-
tigen Tiergruppe, wie die
Polychaeten, die meisten
Mitteilungen über die Lei-
tungsbahnen nebeneinander
stehen und sich nicht berüh-
ren, weil entweder das
untersuchte Tier oder die
untersuchte Bahn oder beide
nicht dieselben waren. Be-
stätigungen, sowie Vernei-
nungen früherer Angaben
werden sehr selten gegeben
und daraus erhellt, daß
auf diesem Gebiete noch viel
zu wenig gearbeitet worden
ist um einigermaßen ein
übersichtliches Bild der
Leitungsbahnen im Nerven-
systeme entwerfen zu 1<( in-
nen. Nur für das Hirngang-
lion von Nereis werde ich dieses jetzt versuchen.
Daß ich solches tun kann, ist ausschließlich einer Arbeit Nils Holmgrens
f (H)1G) zu verdanken, in welcher das Hirnganglion von Nereis diversicolor an
nicht weniger als 400 Exemplaren auf verschiedene Weisen gründlich studiert
und dessen Bau mit den Angaben anderer Autoren verglichen worden
ist. Nach Holmgren gehen nicht weniger als 1(5 Nervenpaare aus dem
Hirnganghon hervor (vergl.. Fig. 33 inid 3.")). Zwei entspringen dem
vorderen Rande (Fig. 35, I und II, Fig. 33 II) und es befindet sich darunter
der von Hetzits (l«<)r) />) entdeckte nervus antennarius (II), welcher die
Antenne (Fig. 35, ant.) innerviert. Sieben Nerven (Fig. 35, III bis IX) verlassen
das Gehirn an der vorderen Ecke und gehen meistens zu den Palpen (Fig.
35jö,.). Dannf olgen die beiden Augeimervcn (Fig. 33, X und XI) zum vor-
POLYCHAETA. 77
deren und hinteren Auge (Fig. 33 und 35, oc. a. und oc. p.). Seitwärts oder
nach hinten ziehen fünf Nervenpaare, von denen Fig. 35 den zwölften und
dreizehnten zeigt und Fig. 33 den fünfzehnten oder den Nuchalnerven zum
Nuchalorgan (o. n.).
Außerdem verlassen das Gehirn die drei Wurzeln des Schlundkonnektivs
(Fig. 33 und 35 s.k.), welche sich im Konnektivalganglion vereinigen, bevor
sie das Unterschlundganglion erreichen. Zwei dieser Wurzeln sind dorsal,
eine ist ventral.
Diese Mitteilungen Holmgrens stimmen noch am meisten mit den-
jenigen Hamakers (1898) überein, welcher bei Nereis virens 12 Hirnnerven-
paare erkannte, während Retzius (1895 6) und Haller (1889) es nicht so
weit brachten. Keiner von ihnen hat die drei Wurzeln des Schlundkonnek-
tivs entdeckt, wohl zwei derselben welche Haller (1889) das obere und
untere Schlundkonnektiv nennt (Fig. 34, o.s.k. und u.s.k.) und welche er,
ebenso wie Hamaker (1898), im Kommissuralganglion (besser Konnektival-
ganglion) zusammenkommen sieht.
Im Inneren des Hirnganglions von Nereis hat schon Haller (1889)
die Corpora pedunculata (Fig. 34, c.p.) entdeckt, welche von anderen Autoren
unter anderen Namen (Pilzkörper oder globuli) schon bei anderen Polychä-
ten beschrieben worden waren. Es sind dies Ganghenzellanhäufungen,
welche im allgemeinen die Form einer an einer Stelle geöffneten Hohlkugel
(der Pilzhut) haben. Durch die Oeffnung der Hohlkugel treten die zugehö-
rigen Nervenfasern und bilden so den Stiel des Pilzkörpers oder den pedun-
culus (Fig. 34, p.). Wir werden den corpora pedunculata auch im Hirn mancher
Arthropoden begegnen, wo sie eine höhere Ausbildung als bei den Würmern
erlangen. Rohde (1890) bestreitet bei den Aphroditeen die HALLERsche An-
sicht, daß die Pilzkörper aus Ganglienzellen beständen und behauptet, daß
sie aus ,,Nervenkernen'", welche Fortsätze entsendeten, zusammengesetzt
seien, aber darin möchte ich doch Haller beipflichten.
Haller selbst nannte die corpora pedunculata Tentakelganghen, weil
er meinte, daß sie besonders mit den Tentakeln oder Antennen in Verbin-
dung ständen, aber Retzius (1895 b) und besonders N. Holmgren (1916)
haben die Unrichtigkeit dieser Meinung betont. N. Holmgren, welcher die
Gebilde globuli nennt, homologisiert sie mit den corpora pedunculata der
Insekten, was Haller selbstverständHch nicht tun konnte. N. Holmgren
hat auch als erster die Dreiteilung des Körpers dargetan (Fig. 33, c.;p.) und
gezeigt, daß die Fortsätze der kleinen, stark chromatischen Ganghenzellen
eines corpus pedunculatum sich zu vier Bündeln, welche die Stiele oder pe-
dunculi (Fig. 33 und 34, p.) genannt werden, zusammenlegen. Der hintere
der drei Teile des corpus pedunculatum hat 2 Stiele, die beiden vorderen
je einen, welche sich aber bald vereinigen (Fig. 33, p.). Die Stiele der corpora
pedunculata gehen nach hinten und nach rechteckiger Umbiegung medial-
wärts und enden, ehe sie noch die Medianlinie des Gehirns erreicht haben.
Die Nervenfasern bilden im Inneren des Hirnganglions wenigstens sechs
Kommissuren. Zwei Kommissuren, eine obere und eine untere (Fig. 34, o.k.
und u.k.) konnte schon Haller (1889) unterscheiden neben einer Kommis-
78
VERMES, ANNELIDA.
sur der corpora pedunculata. N. Holmgren (191ß) kennt zuerst eine Kom-
missur, welche hauptsächlich aus Fasern des eisten Hirnnerven bestellt. Die
zweite liegt etwas hinter der ersten. Die dritte ist die große Palpenkommissur
(Fig. 33, c. palp.), die vierte gehört /u den Schlundkonnektiven. Die fünfte
ist die optische Kommissur der Augennervenfasern (Fig. 33, c.o.). Die secliste
Kommissur oder die Nuchalkommissur (Fig. 33, c.n.) hat nach HoliMGREN
mitunter den Charakter eines Assoziationszentrums, weil Fasern aus anderen
Hirnteilen hineindringen. Die Kommissur der beiden corpora pedunculata
wird von JHolmgren nicht erwähnt.
Während Retzius (1895 b) drei und Hamaker (1898) sechs Ganglien-
zellgruppen zu beiden Seiten im Hirnganglion unterschied, ist Holmgrek
(1916) im Stande die Ganghen-
zellen außerhalb der corpora
pedunculata in nicht weniger
als 23 Gruppen zu zerlegen.
Ich möchte ihre Beschreibung
hier nicht wiederholen.
Ueber die Wege der Nerven-
fasern sei Folgendes mitgeteilt.
Haller (1889) beschreibt im
corpus pedunculatum des Ge-
hirns von Nereis drei Ganglien-
zellarten (Fig. 34). Alle drei
senden Fortsätze in die
Stiele aus, aber bisweilen
schreiten diese ins Neuropilem
des Hirnganglions, bisw^eilen
in das obere Schlundkonnektiv,
bisweilen auch in eine Kom-
missur zum corpus peduncu-
latum der anderen Seite.
Holmgren (1910) hingegen
bemerkt über die Stammfort-
sätze der unipolaren Ganglienzellen der corpora pedunculata, daß sie in die
Stiele ziehen und sich dort wiederholt verästeln oder Zweige zu den Fal-
penglomeruli senden (Fig. 33, gl. p.) Faserknäuel, welche aus Fasern der
Palj)einierven zusammengesetzt in der Nähe der peduiuuli gefunden
werden.
Doisal von der oberen Kommissur fand Haller (1889) einige Ganglien-
zellen (Fig. 34, a), welche einen Fortsatz entweder in das uiiteie Schlund-
konnektiv deiselben Seite odei- nach Kreuzung der Medianlinie in dei- obeicn
Kommissur in das untere Schlundkonnektiv der anderen Körperseite senden.
Andere Fasern des unteren Schlundkoimektivs gesellen sich den ebengenannten
Nervenfasern zu und enden im Neuropilem des Hirnganglions vor oder' nach
Kreuzung der Medianlinie (sehe Fig. 34).
Die untere Kommissur wird von einem ebensolchen System von Nerven-
u s.k-
Schnitt durcli das Hirnganglion von Nereis.
Abgeändert nach Hali.er (1889).
a,b= (ianglionzelle
c — Nervenfaser
= corpus pedunculatum
= obere Kommissur
= oberes Schlundkonnektiv
= pedimculus
— untere Kommissur
= unteres Sohlundkonnoktiv
c. p.
o. k.
o. .s. k.
P-
u. k.
u. s. k.
POLYCHAETA.
79
fasern gebildet wie die obere, aber die zugehörigen Ganglienzellen sind unten
im Hirnganglion gelegen (Fig. 34, b).
Das obere Schlimdkonnektiv enthält neben den Fasern des corpus pe-
dunculatum noch Nervenfasern, welche aus dem Neuropilem der entgegen-
gesetzten Hirnganglionhälfte stammen (Fig. 34, c). Von diesen Nervenfasern
sind nur die im Hirnganglion endigenden Fasern der Schlundkonnektive
mit den von Holmgren entdeckten Fasern q der Fig. 35 zu identifizieren.
Fig. 35.
ant.
oc. a.
oc. p.
V-
Gehirn vind Umgebung von Nereis diversicolor.
Abgeändert nach N. HoiiMGREN (1916) Taf. 4.
Antenne. s. k. = Schlimdkonnektiv.
oculus anterior. I — IX, XII, XIII = Hirnnerven,
oculus posterior. a — p, b\ b", gg = Neuronen.
Palpe. q = Nervenfaser.
HoLMGREN (1916) erwähnt in erste Linie bestimmte Nervenfasern der
Hirnnerven. So fand er im ersten Nerven neben weniger gut bekannten zen-
tripetalen Fasern, welche in die erste Kommissur fortschreiten, Fortsätze
unipolarer Ganglienzellen (Fig. 35, a), welche mediodorsal vorn im Gehirn
gelegen sind.
Schon Retzius (1895 b) hatte in den Antennen Sinnesnervenzellen ent-
deckt, welche ihre Nervenfortsätze in den nervus antennarius und weiter
ins Neuropilem des Hirnganglions senden. Holmgren sah sie auch, nur konnte
er genauer ihr Ende in der Nähe des vorderen Auges wahrnehmen (Fig. 35, b)
oder beobachten, wie ihre Fasern eine schwache ventrale Kommissur bildeten.
Weniger gut bekannte bipolare Zellen des Antennalnerven befinden sich in
80 VERMES, ANNELIDA.
der Nervenbasis (Fig. 35, b') oder sogar im Hirnganglion (6") Der zM-eite
Hirnnerv ist nicht ausschließlich sensibel. Schon Haller (1889) begegnete hinten
im Hirnganglion einer Ganglienzellgruppe, aus der ein nach vorne laufendes
Nervenfaserbündel, welches sich in einen Nerven zum Tentakelepithel
fortsetzte, zum Vorschein trat. Und auch Holmgren (1916) fand zwei uni-
polare Ganglienzelltypen (Fig. 35, c und d), welche ihre Fortsätze in den
Tontakelnerven sandten.
Die bipolaren Zellen, welche mit ihren zentralen Fortsätzen zum Bau
des dritten Hirnnerven beitragen (Fig. 35, e) sind wahrscheinlich keine Sinnes-
nervenzellen, sondern sensibele Ganglienzellen, weil ihr peripherer Fortsatz
sich ziemlicli reichlich vei'zweigt. Ihre Nervenfortsätze enden etwas vor dem
hinteren Auge.
Der vierte Hirnnerv ist klein und motorisch. GangUenzellen des Typus
/ (Fig. 35) senden diesem Nerven einen Fortsatz zu. Es gibt im Ganzen nui"
ein Paar dieser Ganglienzellen. Sie sind uni})olaj'. Ihr Stammfortsatz teilt
sich in einen lateralen, einen medianen und einige kleine, nach vorn gerich-
tete Aeste. Der laterale Ast teilt sich in eine Faser des Schlundkonnektivs
und eine Faser des vierten Hirnnerven. Der mediane Ast kreuzt die Median-
linie und endet verzweigt bei den nach vorn gerichteten Fortsätzen des gleich-
artigen Neurons der anderen Seite.
Die Nerven V bis VIH sind Palpennerven. Sie gehen frontolateral aus
dem Hirnganglion hervor und Retzitts (1895 b) hat schon darüber bemerkt,
daß diese Nerven einerseits Nervenfortsätze von Sinnesnervenzellen führen,
anderseits Fortsätze von Ganglienzellen des Gehirns, welche Muskeln der
Palpen innervieren. Die Untersuchungen Holmgrens haben das bestä-
tigt. Er fand sowohl in der ausstülpbaren Spitze der Palpe (Fig. 35, h), wie
in den übrigen Teilen (Fig. 35, g und i) Sinnesnervenzellen, welche ihre Ner-
venfortsätze in den fünften, sechsten oder achten Nerven sandten. Diese
Nervenfasern endeten an verschiedenen Stellen. Einige Sinnesnervenzellen
der Palpenspitze (Fig. 35, /;) senden ihren Nervenfortsatz mit dem sechsten
oder großen Palpennerven ins Gehirn. Bei der ersten dorsalen Wurzel des
Schlundkonnektivs angelangt teilt dieser sich in einen Ast, welcher in diese
Wurzel übergeht und einen Ast, welcher kreuzt und in die ventrale Wurzel
des Schlundkonnektivs der anderen Seite zieht. Andere Sinnesnervenzellen
der Palpe tun dasselbe, nur daß die zweite dorsale Wurzel des Schlundkonnek-
tivs an die Stelle der ersten tritt. Dorsal hinter den corpora pedunculata
entdeckt HoLMGREN l)ipolare Ganghenzellen (Fig. 35, j), welche einen Fort-
satz in den fünften, sechsten oder siebenten Nerven schickten und deren
anderer Fortsatz in der Nähe von Fasern des dritten Nerven enden kann.
Holmgren betrachtet diese Zellen als motorisch.
Der neunte Hirnnerv ist wahrscheinlich nur sensibel. Seine Fasern kön-
nen in der ersten Kommissur enden.
Der zeiuite und elfte Hiiinierv sind die Augennerven. Ueber die Augen-
nerven bemerkt Haller (18S7), daß die Nerven des hinteren Augenpaares
von Lepidasthenia und Nereis aus zwei Arten von Nervenfa.sern zusammen-
gestellt sind, solchen, welche peripher gelegen sind und aus Ganglienzellen
POLYCHAETA. 81
des Hirnganglions entspringen und zentralen, welche im Neuropilem des
Hirnganglion enden. Im Auge selbst sind nach Haller (1889) keine Ganghen-
zellen. Wahrscheinlicher Idingt was Holmgren (1916) sagt, z.w., daß in der
Retina des Auges Sinnesnervenzellen liegen, deren Nervenfortsätze ins Gehirn
eindringen. Fasern der beiden Augennerven bilden che commissura optica.
Der zwölfte, dreizehnte und vierzehnte Hirnnerv gehen in einen Nerven-
plexus über, welcher neben dem Hirn im Kopfe liegt. Ventral vorn im Hirn-
ganglion befindet sich eine unipolare Ganglienzelle (Mg. 35, /) mit einem
Fortsatz, welcher hinter dem vorderen Auge entlang in den zwölften Nerven
und nachher in den Plexus schreitet. Der dreizehnte Nerv geht hinter dem
hinteren Auge aus dem Gehirn hervor. Einige seiner Fasern überschreiten
in einer hinteren Kommissur (Nuchalkommissur ?) die Medianlinie. Andere
gehören zu unipolaren Ganglienzellen (Fig. 85, m und n), welche in dersel-
ben oder der entgegengesetzten Hirnhälfte gelegen sind.
Median hinten im Gehirn sind nach Holmgren bipolare Ganglienzellen
mit peripheren Fortsätzen zum Plexus hinter dem Hirnganglion. In den-
selben Plexus tritt das Neurit einer unipolaren Ganglienzelle (Fig. 35, o) mit
Dendriten, welche sich median hinten im Hirn verzweigen.
Der fünfzehnte Nerv oder der Nuchalnerv war Retzius (1895 h) be-
kannt. Hinten am Hirnganglion, nahezu im Gehirne selbst, entdeckte er eine
gepaarte Gruppe bipolarer Ganglienzellen. Ihre zentralen Fortsätze versin-
ken ins Neuropilem des Hirnganglions ; die peripheren aber bilden einen Ner-
ven, welcher hinter dem hinteren Augenpaar herum zu einem peripheren
Nervenplexus, aber auch zu einem besonderen Sinnesorgan der Epidermis,
dem Nuchalorgan läuft. Die dortigen Sinneszellen werden von den Fasern
des. Nerven innerviert, aber sie gehen angeblich nicht selbst basal in Nerven-
fortsätze über, sind also keine Sinnesnervenzellen, sondern wahre Sinnes-
zellen. Wenn Reizius darin Recht hat, würden wir hier zum ersten Male
bei einem Evertebraten sensibelen Ganglienzellen (die bipolaren Ganglien-
zellen) begegnen, welche nicht wie anderswo freie Nervenendigungen besitzen,
sondern wahre Sinneszellen innervieren. Diese sind (vergl. meine Erweiterung
der HERTWiGschen Hypothese, S. 12) die letzte Stufe der phylogenetischen
Entwicklung des sensibelen Nervensystems, weil sie bei den Vertebraten oft,
bei den Evertebraten nur regelmäßig bei den Arthropoden beobachtet wer-
den. Bei den Würmern würden sie nur in diesem Ausnahmefalle da sein.
Das ist sehr befremdend und bei diesem Sachverhalt ist auch einem so
vorzüghchen Forscher wie Retzius gegenüber Zweifel gerechtfertigt.
In diesem Zweifel werde ich bestärkt durch Holmgren (1916), welcher
sagt, daß der Nuchalnerv aus den peripheren Fortsätzen bi23olarer in den
hinteren Ecken des Hirnganglions befindlicher Zellen besteht, ,, welche wohl
als in das Gehirn hineingerückte Sinneszellen des Nuchalorgans aufgefaßt
werden können" und dann natürlich Sinnesnervenzellen sein würden. Immer-
hin bleibt es nötig die Sache aufs neue zu untersuchen. Die zentralen Fort-
sätze der bipolaren Zellen ziehen nach Holmgren recht weit nach vorn in
das Gehirn. Manche Fasern des Nuchalnerven laufen in die hintere Kommis-
sur, welche somit zur Nuchalkommissur wird.
DROOGLEEVER FORTUYN. 6
82 VERMES, ANNELIDA.
Teber den sechszehnten Hirnnerven bemerkte schon Hamaker (1898).
daß seine Fasern zur dorsalen Ohorfiäche des Kopfes ziehen und aus Gan-
ghenzellen einer hinten im HirngangHon gelagerten Gruppe hervorgehen.
Nach HoLMGREN gleicht der sechszehnte Nerv dem Nuchalnerven in seinen
Elementen, aber er geht zum Hinterrande der Kopflapi)en.
Ueber die Elemente der Hirn nerven ist nichts mehr l)ekannt, wohl aber
über die Fasern der Schlundkonnektive. Retzius (1895 b) beobachtete vorn
und lateral im Hirnganglion Ganglienzellen mit Fortsätzen, welche in das
obere oder das untere Schlundkoiniektiv der gleichen oder der entgegenge-
setzten Seite übergingen. Hamaker (1898) teilt uns über Nereis vdrens mit,
daß unter dem vorderen der beiden Augennerven, seitlich neben dem Gehiiii.
eine Ganghenzellgruppe sichtbar sei, welche mit dem ganglion opticum unter
dem vorderen Auge zusammenhänge, und deren Zellen dem Schlundkonnek-
tive Fortsätze mitgäben, welche ins Konnektivalganglion eindrängen. T)anel)en
bemerkt er, daß die Neurochorde des Bauchstranges sich in den Schlund-
konnektiven in Fasern auflösen, welche anscheinend durch das Konnektival-
ganghon zum ganglion opticum gingen. Außerdem stellen nach ihm Fort-
sätze von Ganglienzellen des ganglion opticum eine Verbindung dieses Gan-
glions mit dem Konnektivalganglion her, ohne in Neurochordfasern ver-
folgbar zu sein.
Letztgenannte Ganglienzellen sind wahrscheinlich auch von Holmgrkn
(191ü) bei Nereis cliversicolor gefunden worden. Neben dem vorderen Auge
befindet sich eine Gruppe von unipolaren Ganglienzellen, welche ihre Fort-
sätze entweder in das dorsale Schlundkonnektiv (Fig. 3ö, A) oder in den neben
dem Hirn gelegenen Nervenplexus senden. Diese Ganghenzellgruppe
wird von Hamaker das ganglion opticum genannt, aber, wie Holmgren
richtig bemerkt, mit Unrecht, weil die damit verbmidenen Nervenfasern
nicht zu den Augen gehen. Der Name ganglion opticum muß daher fallen.
Holmgren (191(5) konnte manche andere Nervenfasern der Schlund-
komiektive unteischeiden. Zuerst solche unbekannte)- Heikunft (Fig. 35. q),
welche mit der zweiten dorsalen oder mit dci- vcntialen Wuizel ins Gehirn
eintreten und sich dort zentral, besonders in der Nähe der Ganglienzelle /,
verzweigen oder auch nach Uebersclneitung der .Medianlinie enden.
\'orn im Hirnganglion sind verschiedene unipolai«' Ganglienzellen, wel-
che einer der Wurzeln der Schlundkonnektive einen Fortsatz zuteilen. Er-
stens der Tv|)us r der Fig. 3ß mit Dendrit zur andeien Seite und Neurit im
Schlundkonnektiv derselben Seite. Zweitens dei- Typus ,s' (Fig. 3(5) mit stark
geschlängeltem Neurit im Schlundkonnekti\ deiselben Seite. Dann der Typus
/ (Fig. 3(5) mit seinem Neurit im Schlundkonnektiv derselben Seite und kur-
zen lateialwärts gelichteten Dendriten. Die Zelle u (Fig. 3(5) war nach Holm-
gren wahrscheinlich auch Retzius bekannt. Der Stammfortsatz sendet einen
Zweig in die zweite Kommissur und einen anderen in das Sc-lilundkoiuiektiv
denselben Seite. Der Typus v (Fig. 30) besteht in zwei Moditikazionen, uni-
und bipolar. Einer der beiden Fortsätze oder Zweige des Stammfortsatzes geht
in die erste Kommissur, der andere in die zweite Kommissur und geht nachher
wahrscheinlich ins Schlundkonnektiv der andere Seite über. Die Zelle w
POLYCHAETA.
83
(Fig. 36) hat eine andere Stellung als s und ihr Neurit windet sich in anderer
Weise, stimmt aber übrigens mit s überein. Typus x (Fig. 36) überliefert
ebenso wie v dem Schlundkonnektiv der anderen Seite einen Fortsatz.
Vier andere Neuronen, welche mit dem Schlundkonnektiv in Verbindung
stehen, liegen lateral im Hirnganglion beim vorderen Auge. Die Zelle y (Fig.
36) liat einen T-förmig verzweigten Stammfortsatz mit einem Zweige im
Schlundkonnektiv. Der Typus z (Fig. 36) hat einen Fortsatz, welcher die
Medianlinie überschreitet und wieder zurückkehrt und in das Schlundkonnek-
tiv der gleichen Seite verschwindet. Die Ganglienzelle aa (Fig. 36) sendet
Fig. 36.
Gehirn und Umgebung von Nereis diversicolor.
Abgeändert nach N. Holmgren (1916) Taf. 4.
Vergleiche Fig. 35.
r bis z, aa bis //, hh bis jj = Ganglienzellen
ihren Fortsatz mit einem Bogen ins Schlundkonnektiv der gleichen Seite.
Der Typus bh (Fig. 36) besitzt einen dichotomisch verzweigten Stammfort-
satz, dessen beide Aeste in der Richtung des Schlundkonnektivs der gleichen
Seite laufen, aber nur einer war darin zu verfolgen.
Mitten im Gehirn liegen die Neuronen cc und dd (Fig. 36). Die erste
Zelle hat einen Fortsatz, welcher in der zweiten Kommissur kreuzt und in
das Schlundkonnektiv der anderen Seite zieht. Die zweite hat einen Fortsatz,
welcher bei der zweiten Kommissur angelangt, sich spaltet in zwei Aeste,
welche zum rechten und linken Schlundkonnektiv gehen.
Hinten im Hirnganghon befindet sich schheßhch noch das Neuron ee
(Fig. 36), welches weniger gut bekannt ist, wahrscheinlich aber seinen Neurit
84 VERMES, ANNELIDA.
ins Schlundkonnektiv der gleichen Seite und seine Dendriten ins Gehirn sendet.
HoLMGREN (101 f)) beschreibt zuletzt noch fünf Neuronen bei Nereis,
welche nicht zum Schlundkoiuicktiv gehören. Die Oanglienzelle // (Fig. 30)
ist vorn im Hirnganglion zu hnden. Sie ist uni^jolar und der Stammfortsatz
verästelt .sich sofort in dei' ersten Gelürnkommissur. Der Tjqius (jg (Fig. 35)
ist eine imipolare Kommissurzelle mit einem Fortsatz, welcher kreuzt und
in der Nähe der gleichartigen Zelle der anderen Seite endet. Die Zelle hh
(Fig. 30) ist uni])olar und zeigte nui- einen spiralförmigen Fortsatz, war daher
wahrscheinlich unvollständig gefärbt. Die Zelle ii (Fig. 30) liegt neben der
Zelle u und sendet einen Fortsatz aus, welcher medianwärts zieht und dann
nach hinten biegt und mitten im Gehirn endet. Ein Seitenast geht auch nach
hinten. Die Zelle jj (Fig. 3()) endlich liegt vorn im Hirnganglion und sendet
ihren Fortsatz in der Richtung des hinteren Auges.
Ungeachtet der schönen Resultate Holmgrens und der Kenntnis so
vieler Neuronen kann man sich über die Wege der Reize im Hirnganglion
von Nereis nur sehr ungenaue Vorstellungen bilden.
Das Nervensystem der Oligochaeten gleicht im großen und ganzen demje-
nigen der Polychaeten, welche gut gesonderte Bauchganghcn haben, besteht
also aus dem Schlundringe, dem Bauchstrang und den peripheren Nerven.
Es ist wohl bemerkenswert, daß von allen (oligochaeten mit einei- Aus-
nahme (Havet 1900 a) nur Lumbricus, der Regenwurm, zu hodologisciien
Untersuchungen verwandt A\'orden ist.
Merkwürdigerweise gehen die er-sten Angaben über den Verlauf der Nervenfasern
bis auf das Jahr 1856 zurück. Damals hat Clarke (1856) seine Beobachtungen pul)]i-
ziert, welche er am Nervensystem von Lumbricus tei-restris angestellt liatte. Man wird
sich nicht wundern, daß manche seiner Behauptungen später nicht bestätigt worden
.sind. Cl.-vrke macht überliaupt den Eindruck mein* erraten als genau gesehen zu haben,
was zweifelsohne auf Kechnimg .seiner primitiven Technik zu stellen ist. Trotzdem will
ich seinen Befund hier zitieren, weil er als erster sich bestrebt hat bei Lumbricus die
Reizleitungsbahnen aufzufinden, wie später so mancher Forscher nach ihm getan hat.
Clarke nun beschreibt im allgemeinen in den peripheren Nerven der Bauchgan-
glien Nervenfasern, welche sich in die (Janglien fortsetzen. Vielfach biegen sie. sich, ii^i
(ianglion angelangt, um und laufen longitudiiial nacli vorn oder nach hinten. Sie können
nun nach Clakkk in den näclisten Nerven wieder austreten (was jetzt niclit wahrsclieiu-
lich lautet) oder an diesem vorüber und einfach weitergehen, oder ('ndlicli scitwäits
im (Janglion abbiegen zu den lateralen (Janglienzellgruppen.
.Andere Fa.sern sind Kommissurfasern. Sie treten in einem peripheren Nerven in
den Bauchstrang ein, überschreiten die Medianlinie und tret'Mi wi(>(l(>i- in einen peri-
pheren Nerven aus oder sie biegen sich um, nach vorn odi. = Einzelnei^v
Ji. d. }}. = hinterer Doj^pelnerv
l\ = Konnektiv
V. d. n. = vorderer Doppelnerv
92
VERMES, ANNELIDA.
tiven drei Bündel. Das laterale Bündel (Fig. 42, 1) hat die größte Dicke und
es empfängt Fasern der drei peripheren Nerven. Ein dünneres Bündel (Fig.
42,2) läuft ein wenig mehr median. Es enthält keine Nervenfasern des hinteren
Doppelnerven, wohl aber der beiden anderen Nerven. Das mediane Bündel
endlich (Fig. 42,3) besteht nur aus Nervenfasern, welche aus dem vorderen
Do])pelnerven stammen und ist das dünnste. Daß auch Cerfontaine einige
dieser sensibelen Nervenfasern gekannt hat, geht ohne weiteres aus seiner
Abl)ildung hervor (vergl. Fig. 40, w und n).
Oft schreiten sowohl der aszendierende, wie der deszendierende Ast
einer Nervenfaser zum nächsten Ganglion um dort zu enden, häufig neben
der Wurzel eines Nerven. Bisweilen aber endet einer der beiden Aeste im
Ganglion selbst und es scheint auch möglich
zu sein, daß beide Aeste in derselben Richtung
fortlaufen oder die Medianlinie kreuzen. Wie
auch aus den Forschungen anderer Autoren
erhellt, ist das erstgenannte Verhalten das ge-
wöhnlichste.
Die sensibelen Nervenfasern des Bauchmarks
des Regenwurmes waren schon k\nz bevor Retzius
sie beschrieb und Cerfoxtaine sie a])bildete,
von Von Lenhoissek (1892) entdeckt worden und
es folgt jetzt eine Periode, worin sie die Aufmerk-
samkeit verschiedener Forscher fesseln und neben
ihnen noch sensibele Nervenfasern anderer Art
entdeckt werden.
Von Lenhossek (1892) hat Lumbricus mit
der GoLGischen Methode untersucht und dabei
nicht nur als erster die oben beschriebenen sen-
sibelen Nervenfasern im Zentralnervensystem und
den peripheren Nerven entdeckt, sondern auch
wahrgenommen, daß sie aus Sinnesnervenzellen
des Hautepithels hervorgehen und somit ihre
sensibele Natur festgestellt.
Er sah im P^pithel der Haut zwischen andersartigen Zellen Sinnesncr-
venzellen stehen, deren Nervenfortsätze sich in die peripheren Nerven des
Bauchstranges zu einem Ganglion begaben und dort angelangt, sich in einen
aszendierenden und einen deszendierenden Ast .spalteten, welche im nächsten
Ganglion endeten.
Er betont, was Ketzh's bestätigte, daß die sensibelen Nervenfasern
dünner sind als die motorischen und daß die meisten im vorderen D()])i)el-
nerven ins Bauch mark eintreten (vergl. Fig. 42). Niemals verästeln sie sich
auf ihrem Wege von dei' Sinnesnei'venzelle zum Bauchstiang und auch daiin
haben sie nach ihm keine Kollatcialen, was aber Retzius (18!»2(/) nicht immer
bewahrheitet fand.
.\lle sensibelen Fasern eines K(Mpersegments treten in dessen Ganglion
ein und zwar die linksseitigen alle links, die recht s.seitigen alle rechts. In der
Die sensibelen Neiven-
fa.sern im Bauchganglion
von Lumbricus.
Nach Retzius (1892a),
Taf. III, Fig. 1.
1, 2, S — longitudinale
Fa.serbündel
ÖLIG OCH AETA. 93
Peripherie überschreiten sie also niemals die Medianhnie und auch im Zen-
tralnervensystem würden sie das, wenn man Von Lenhossek glauben kann,
niemals tun, aber Retzitjs hatte bisweilen andere Erfahrungen.
Was Von Lenhossek uns über die anderen Leitungsbahnen des Nerven-
systems mitteilt, wurde größtenteils von Retzius bestätigt und ist schon
oben wiedergegeben worden. So meldet er im Bauchganglion laterale und ven-
trale Ganghenzellen, deren Fortsätze in der dorsalen Kommissur die Median-
linie kreuzen und in die peripheren Nerven austreten. Wahrscheinlich stim-
men die RETZiusschen Zellen d, e und / (Fig. 41), die HALLEEsche Zelle b
(Fig. 39) und auch die FRiEDLAENDERschen Zellen a und b (Fig. 37) damit
überein. .
Die peripheren Nerven werden nach Von Lenhossek auch von Fort-
sätzen lateraler Ganghenzellen derselben Seite gebildet und tatsächlich sind
wir solchen Zellen auch schon oft bei anderen Autoren begegnet (vergl. Fig.
39, 40, 41).
Ich habe schon oben gesagt, daß Von Lenhossek behauptet, daß die
multipolaren Medianzellen einen ihrer Fortsätze, welcher einen Bogen be-
schreibt und die Medianlinie kreuzt, in den Einzelnerven senden und unge-
achtet des Widerspruchs von Seiten Retzius', beharrt er noch im Jahre
1895 bei seiner Meinung (Von Lenhossek 1895).
Von Lenhossek hatte freie Nervenendungen im Hautepithel von
Lumbricus verneint, aber schon zwei Jahre später konnte Smirnow (1894)
ihr Dasein beweisen. Ohne ihre Ganglienzellen auffinden zu können, entdeckte
er Nervenfasern, welche vom Bauchstrange herstammend ihre freie Nerven-
endungen im Körperepithel oder auch im Darmepithel hatten. Das war
also eine zweite Art sensibeler Nervenfasern, wie wir sie oben schon bei anderen
Würmern kennen lernten, welche aber Smirnow hier zum ersten Male bei
einem Wurm gesehen hat. Smirnow beobachtete ebenfalls die Sinnesnerven-
zellen der Haut und meldete, daß, bevor ihre Nervenfortsätze ins Bauch-
mark treten, sie einen subepithelialen Nervenplexus passieren.
Die SMiRNOWsche Entdeckung wurde bald von Retzius (1895 a) be-
stätigt und zu gleicher Zeit von Fräulein Langdon (1895 a und 6) wieder-
holt. Auch sie hat die GoLGische Methode angewandt und Lumbricus agri-
cola als Versuchstier gewählt. Die Sinnesnervenzellen der Epidermis wurden
von ihr wiedergefunden, aber dabei wurde entdeckt, daß sie nicht einzeln
stehen, wie Von Lenhossek meinte, sondern immer in Gruppen geordnet sind.
In diesen Gruppen werden sie von Stützzellen umgeben und es liegen
Basalzellen zwischen ihrer Basis, weshalb sie Sinnesorgane darstellen, welche
(abgesehen von der Inner vier ungs weise) den Geschmacksknospen der Ver-
tebraten gleichen. Jede Sinnesnervenzelle trägt ein starres Sinneshaar und
setzt sich basal in einen Nervenfortsatz fort, woneben einige kurze, nicht-
nervöse Basalfortsätze bestehen können. Langdon bestätigte, daß diese
Nervenfortsätze niemals die Medianlinie kreuzen, und durch den subepithe-
lialen Nervenplexus und die peripheren Nerven unverzweigt ins Bauchgan-
glion gelangen, wo sie sich T-förmig teilen und daß jeder der beiden Aeste
im nächsten Ganghon endet.
94 VERMES, ANNELIDA,
Diese Sinnesknospen sind zu Zehntausenden über den ganzen Körper
zerstreut, kommen aber auch in der Mundhöhle vor.
In den peripheren Nerven des 13auchganghons laufen die Nervenfort-
sätze der Sinnesnervenzellen neben ein wenig dickeren sensibelen Nerven-
fasern, welche in den subepidermalen Nerven])lexus eintreten, sich dort bis-
weilen verzweigen ohne fast je zu anastomosieren, aber immer zwischen den
E])ithelzellen der Epidermis mit freien Endverästelungen enden. Niemals
dringen sie in die Sinnesknospen ein. Diese frei endenden, sensibelen Nerven-
fasern sind von Langdon auch im Epithel der Mundhöhle entdeckt worden,
aber da stammten sie nicht von einem Bauchganghon, sondern vom Hirn-
gangUon oder dem Schlundringe her.
Leider blieben auch Langdon die Ursprungszellen dieser Nervenfasern
im Zentralnervensystem unbekannt und diese Lücke in unserer Kenntnis
ist, so viel ich weiß, auch jetzt, zwanzig Jahre später, noch nicht ausgefüllt.
Fest steht nur, daß die Nervenfasern nicht mit einer Ganghenzelle verbun-
den sind, ehe sie das Bauchganglion erreicht haben.
Daß Langdon in den drei peripheren Nerven des BauchgangUons auch
motorische Nervenfasern zu den Muskeln unter der Haut beobachtete, braucht
uns nach den REXzirsschen Untersuchungen nicht zu wundern.
Als Von Lenhossek (1892) die Sinnesnervenzellen im Epithel des Regen-
wurms entdeckte, hat er gleich die Hypothese aufgestellt, daß die Spinal-
ganglienzellen der Vertebraten phylogenetisch auf diese Zellen zurückzu-
führen seien und später (1895, S. 272) als nicht nur die Sinnesnervenzellen
in oder unter der Epidermis bei Chaetopoden, Mollusken und Arthropoden
bekannt waren, sondern auch Smirnow beim Regenwurm die mit freien
Verästelungen in der Epidermis endenden Nervenfasern zu Tage gefördert
hatte, hat er abermals die Spinalganglienzelle von der Sinnesnervenzelle
abgeleitet.
Er stellt sich dabei vor, daß sich die Sinnesnervenzelle immer tiefer
unter die Körperoberfläche gesenkt habe, bis sie schließlich in der Nachbar-
schaft des Zentralnervensystems angelangt sei. Diese Verlagerung hat nach
Von Lenhossek die Bildung einer neuen Verbindung mit der Körperober-
Häche notwendig gemacht und diese wird nach ihm ermöglicht ,, indem sich
der Zellkörper selbst immer mehr zu einer fadenförmigen Bildung umgestal-
tet, die, ursprünglich ein Zellbestandteil, bald den Charakter einer Nerven-
faser annimmt". Der periphere Fortsatz der Spinalganglienzellen wäre also
eine sekundäre Bildung.
ich glaube, die Von LENHOSSEKsche Hypothese, welche in weilem Kreise
Anerkennung fand, enthält einen guten Kern, aber Smirnows Untersuchun-
gen hatten scIumi damals eine andere Ausarl)eitung verlangt und jetzt ist sie
wohl v()llig umzuarbeiten und meiner Ei'weiteiung der H KRTWiGschen Hy-
pothese (S. 11) anzuschließen.
Es war dei- gute (Jedanke \'oN Lkmiosseks eine sensibele Ganglienzelle,
wie die Spinalganglienzelle ist, als eine Sinnesnervenzelle, welche sich gesenkt
hat, zu betrachten. Alles andere war aber falsch. Es geht nicht an, die Spinal-
ganglienzelle der Vertebraten, also einen ganz besonderen und phylogene-
OLIGOCHAETA. 95
tisch jungen Typus der sensibelen Ganglienzelle (das heißt der Ganglienzelle
mit frei in der Körperperipherie endendem sensibelem Fortsatze) zurückzu-
führen auf die Sinnesnervenzelle der höheren Würmer (Oligochaeten oder
Polychaeten).
Wir wissen doch jetzt schon lange (vergleiche Boehmig und Monti S. 32
und 33), daß auch bei den niedersten Würmern wie den Turbellarien nicht nur
Sinnesnervenzellen im Körperepithel, sondern auch sensibele Ganglienzellen
mit freien Nervenendungen angetroffen werden, also die phylogenetische
Bildung nicht bei höheren Würmern stattgefunden haben kann. Fräulein
Monti beschreibt außerdem so vielsagend, daß diese sensibelen Ganglien-
zellen entweder in den Muskeln unter dem Epithel oder in den peripheren
Nerven oder endhch in den Seitensträngen, also im Zentralnervensystem,
gelagert sind.
Daraus würde man schließen, daß auch in der Phylogenie der Weg von
der Körperperipherie zum Zentralnervensystem von der sensibelen Ganglien-
zelle als solche und nicht nur als Sinnesnervenzelle zurückgelegt worden ist,
oder wenigstens zurückgelegt werden könnte.
Ich glaube deshalb, daß die Spinalganghenzelle der Vertebraten nicht
eine in die Tiefe gerückte Sinnesnervenzelle der höheren Würmer ist, sondern^
wie die sensibelen Ganghenzellen aller Vertebraten und Evertebraten von
den sensibelen Ganglienzellen der Turbellarien oder jedenfalls der primi-
tivsten Würmer abzuleiten ist. Hier bei den Turbellarien sehen wir schon
die sensibelen Ganglienzellen mit freien Nervenendungen peripher ge-
legen oder in die peripheren Nerven oder ins Zentralnervensystem einge-
schloßen, also an allen möglichen Stellen.
Da die Coelenteraten zwar Sinnesnervenzellen, aber keine sensibelen
Ganglienzellen aufweisen, so meine ich weiter, daß bei den niedersten Wür-
mern die sensibele Ganglienzelle aus einer in die Tiefe gerückte Sinnesner-
venzelle entstanden ist, wie ich in meiner Erweiterung der HERTWiGschen
Hypothese dargetan habe. Freilich, einen Vorläufer dieses Gedankens finde
ich auch in der Von LENHOSSEKschen Hypothese.
Daß die Verbindung der sensibelen Ganglienzelle (Spinalganghenzelle)
mit der Peripherie eine sekundäre Bildung sein sollte, wie Von Lenhossek
will, ist jetzt auch nicht mehr anzunehmen. Die sensibele Ganglienzelle kann
so nahe unter dem Epithel gelegen sein, daß ihr sensibeler Fortsatz gar nicht
sehr lang zu sein braucht, gar nicht länger, als der Sinnesfortsatz der Sinnes-
nervenzelle, von dem wir aus den Untersuchungen Verattis (S. 153) wissen,
daß er alle Uebergänge zum peripheren Fortsatz der sensibelen Ganghenzelle
aufweist. Damit fällt der Grund zur Annahme eines sekundär gebildeten
peripheren Fortsatzes der sensibelen Ganglienzelle weg.
Ich will schließlich noch bemerken, daß, falls die Spinalganghenzelle
notwendig auf eine Zelle von Lumbricus zurückzuführen wäre (welcher Be-
hauptung ich keineswegs beistimme), sie eher von der freilich nicht genau
bekannten Ursprungszelle der SMiRNOWschen sensibelen Nervenfasern als
von einer Sinnesnervenzelle abgeleitet werden sollte.
Nach dem Jahre 1895 tritt ein Stillstand in den Lumbricus-Forschungen
96 VERMES, ANlSiELIDA.
ein. Havet (1900 a) konnte nochmals die Mitteilungen von Von Lenhossek
und Retzius über die Sinnesnervenzellen der Haut und den Weg und die
Endungsweise ihrer Nervenfortsätze bei Lumbricus ganz bestätigen. Aber,
was wichtiger ist, er hat auch das gleiche Verhalten bei Lumbriculus konsta-
tiert und war damit der einzige Forscher, welcher je eine andere Oligochaete
als Luml)ncus hodologisch studierte. Die Sinnesnervenzellen der Haut zeigen
bei Lumbiiculus, wie bei Lumbricus, oft zwei basale Fortsätze und auch hier
treten die Nervenfortsätze darunter mit den ])eripheren Nerven ins Bauch-
ganglion und spalten sich dort in aszendicreiide und deszendierende Aeste,
welche drei longitudinale Nervenfaserbüiidel bilden (vergl. Fig. 42) und im
nächsten Ganglion enden.
Havet hat mit Hilfe der GoLGischen Methode auch einige Ganghen-
zelltypen im Bauchstrang von Lumbriculus entdeckt, worin aber nur selten
Zellen des Regenwurms wiederzuerkennen sind. Zwar ist dies der Fall mit
Ganglienzellen, deren Fortsatz die Medianlinie kreuzt und in einen peri-
pheren Nerven austritt, wie sie z.B. auch in der Fig. 41 gezeichnet worden
sind und mit Ganglienzellen des Typus 7i der Fig. 41, aber nicht mit anderen
Zellarten,
So fand Havet Ganglienzellen, welche sich mit einem kurzen Fortsatz
einer Längsnervenfaser anschlössen, welche nach der einen Seite verfolgt in
einen peripheren Nerven seitwärts bog, nach der anderen Seite aber im näch-
sten Ganglion endete, bisweilen nachdem noch zuvor ein Ast in einen anderen
peripheren Nerven gezogen war.
Andere Ganglienzellen besitzen einen Fortsatz, welcher sich spaltet in
einen Ast zum peripheren Nerven und einen Zweig, welcher nach Kreuzung
der Medianhnie im Ganglion endet.
Noch andere senden ihren Fortsatz, welcher einen Ast mit unbekannter
Bestimmung hat, in einen peripheren Nerven derselben Seite.
Neben der Medianlinie des Bauchstranges war eine Gangüenzelle gelagert,
deren Fortsatz mit einem Bogen diese Linie überschritt, aber wieder zurück-
kehrte und in einem j)eripheren Nerven dergleichen Seite das Bauchmark verließ.
Endlich konnte Havet auch noch Ganglienzellen mit kreuzenden Fort-
sätzen anffiiuleii. In der anderen Ganglionhälfte angelangt, spaltet sich dieser
Ausläufer T-föimig in eine Längsfaser, welche im Ganglion endet und eine
Längsfaser, welcher in einen peripheren Nerven weiterzieht. Bei einem Zell-
typus, welcher dem v^origen übrigens ähnlich ist, ist diese austretende Faser
nur ein Seitenast der Längsfa.ser und nicht ihre Fortsetzung selbst.
Es ist nur schade, daß Havet die Lage aller dieser Ganglienzellen .so
unbestimmt erwäliiil uiul auch die verschiedenen peripheren N(m\(mi nicht
unterscheidet.
Kehren wir aber zum Kegenwunu zurück.
Schneider (1902) erkennt in sciiu-in Lchihiiclic der vc^rgleicIitiKlcii llisiolugic
bei Lninlniciis im Bauchpaiiglioii tnotorische ( Jniiglienzellen an, welche ilircn Xeiiiit
in einen peiiplieren Nerven de.s.selh('ii oder des näeh.sten (jlanglion.s senden und zwar
mit oder ohne Kreuzung der Medianlinie. W ir haben schon Beispiele .solcher (Janglien-
zellen kennen gelernt.
OLIGOCHAETA.
97
Fig. 43.
Auch Cajal (1904) beschreibt im allgemeinen in den Ganglien - on Lumbricus
unipolare luid multipolare Ganglienzellen, deren Fortsätze die Medianlini berschreiten.
Erst Haller (1910) hat in letzter Zeit wieder eingehende Bemerkungen
über den Nervenfaserverlauf von Lumbricus gemacht und dabei vieles ent-
deckt, was ihm früher (1889) verborgen geblieben war.
Auch jetzt weicht er in sehr vielem von anderen x4utoren ab. So sollen
nach ihm die Ganglienzellen des Bauchmarks sämtlich multipolar sein, wäh-
rend doch die meisten von allen Forschern als unipolar beschrieben werden.
Nur selten sind diese Ganglienzellen aber nach ihm durch breite Anastomosen
verbunden.
Die Beschreibung, welche Haller von den Neurochorden gibt, stimmt
nicht ganz mit der CERFONTAiNEschen überein. Die drei dorsal im Bauch -
sträng liegenden Neurochorde sind nach ihm Ganglienzellfortsätze, welche
Seitenäste abspalten und oft damit
anastomosieren. Die beiden, lateralen
Kolossalfasern stehen nicht nur am
Ende, hinten im Bauchstrang, unmittel-
bar mit Ganglienzellen in Verbindung,
sondern auch im Anfang, vorn im
Bauchmark. Die mittlere hat Zweige,
welche ventral ziehen und sich unmit-
telbar in ventrale Ganglienzellen des
Bauchstrangs, von Haller Mittel-
zellen (Fig. 43, m.2;.,m. 2;.') genannt, fort-
setzen, welche ihrerseits durch andere
Ausläufer unmittelbar mit anderen
-Ganglienzellen zusammenhängen.
Die drei Neurochorde sind mit ge-
meinsamen Seitenästen versehen, welche
in die peripheren Nerven gehen.
Jeder dieser Seitenäste gabelt sich und
ieder Zweig tritt in einen der beiden „ , ,.
i^ , -AI o -i •• j. Bauchganguon von LumOricus.
Doppehierven em. Andere Seitenaste Nach Haller (1910).
betreten das HirngangHon und lösen „ bis k = Ganglienzellen
sich auf ins Neuropilem oder setzen e. n. = Einzelnerv
sich dort unmittelbar in GangHenzellen It- d. n. = hinterer Doppelnerv
fort. Haller hat in seiner Text- ^'' ^- '■ = Kettenbahn«ystem
^ r^ ^^ . T TVT 1 1 1 ^^^- *• ~ Medianhme
figur 3,S, 604 die Neurochorde Schema- ^^ ^ ^^^^ ^^^ ^,_ _ Mittelzellen
tisch dargestellt. Wenn er Recht hat, y. d. n. -= vorderer Doppelnerv
ist der Weg des Reizes darin anato-
misch nur sehr unvollkommen nachzuweisen, weshalb ich die Figur nicht
reproduziere, sondern nur darauf verweise.
Neben den Neurochorden erwähnt Haller die folgenden Ganglienzellen
im Bauchganglion, welche zur Kenntnis der Leitungsbahnen beitragen.
Neben den Wurzeln der peripheren Nerven hegen große Ganglienzellen,
DROOGLEEVER FORTUYN.
98 VERMES, ANNELIDA.
welche ihren Neurit in den Nerven derselben oder der anderen Seite senden
(Fig. 43, a, h, c, d, e, /). Von diesen hatte Haller die Zellen des Einzelnerven
schon in seiner vorigen Arbeit beschrieben (Fig. 43 und 39, a, b) und Retzius
hatte die Zellen, deren Fortsätze die Medianlinie überschreiten schon gesehen
(Fig. 41, d, e, /).
Ventral im Bauchganglion neben der Medianlinie befindet sich auf der
Höhe des Einzel- und des Do])pelnerven ein Paar Mittelzellen (Fig. 43, ni.z.
und m. 2.'). Diese Ganghenzellen sind schon oben genannt, weil sie durch einen
Fortsatz mit dem mittleren Neurochorde verbunden sind. Andere Fortsätze
verbinden sie n^it anderen Ganglienzellen, aber auch überhefert die vordere
Mittelzelle dem Einzelnerven, die hintere dem vorderen und dem hinteren
Doppelnerven einen Ausläufer.
Links und rechts im Bauchstrang beobachtete Haller die schon be-
kannten longitudinalen Fasersysteme, wobei er ein ventrales und ein dorsales
Bündel unterscheiden konnte. Einige dieser Längsfasern gehören zu Ganglien-
zellen, wie die Zelle g der Figur 43, welche ich als Beispiel beschreiben möchte.
Diese Zelle hat einen Fortsatz, welcher mit seiner longitudinalen Faser eine
T-Figur bildet. Die Längsfaser selbst verzweigt sich aber auch wieder und
zwar gibt es unter den Seitenästen Kollateralen, welche die Medianlinie kicMi-
zen und dann enden ; ein Seitenast geht in einen Nerven, hier den hintei-en
Doppelnerven, zur Peripherie des Körpers. Haller behauptet, aber ohne
Grund und mit Unrecht, daß diese Nervenfasern der peripheren Nerven,
welche sich im BauchgangUon einer Längsfaser T-f()rmig anschließen, die-
selben seien, welche Vox Lenhossek fälschlich als Fortsätze der Sinnesner-
venzellen des Hautepithels beschrieben Iiabc. Ich meine, entweder sind die
von Haller und die von Vox Lenhossek (und vielen anderen) gesehenen
Nervenfasern nicht identisch, oder sie sind wie \^on Lenhossek es will Ner-
venfortsätze der Epithelsinnesnervenzellen.
Haller beobachtete im Bauchganglion auch Ganglienzellen mit einem
Fortsatz, welcher in eine Längsfaser derselben oder der anderen Bauchmarks-
hälfte zu verfolgen war (Fig. 43, h, i) ohnedaß aber ein Seitenast in einen
peripheren Nerven einträte. Der erste Typus wai- uns schon bekannt (Fig.
40, /, Fig. 41, n).
Die fast immer bei P]vertebraten von Haller beobachteten multipo-
laren Ganglienzellen, welche mit ihren kurzen Fortsätzen nur mit ihren Nach-
barn zusammenhängen, habe ich in der Fig. 43 mit k l)ezeichnet.
Ganz vereinzelt dastehend ist nach Haller das ..Kcttenbahnsystem".
Es besteht aus longitudinalen Nervenfasern, medial des dorsalen und ven-
tralen Längsbündels gelegen, welche an regelmäßigen Stellen mit P^ortsätzen
lateraler Ganghenzellen verbunden sind (Fig. 43, k. b. s.).
Obgleich das Bauchganglion von Lumbricus mehr als jeder andere Teil
des Nervensystems eines EviMtcl)iatcn untei'sucht worden ist, so ist, glaube
ich, die Zeit noch nicht gekommen, vom Laufe seiner Leitungsbahnen ein
übersichtliches Bild zu entwerfen. Dafür sind die meisten Nervenfasern und
Ganglienzellen noch zu wenig häufig und konstant von mehr als einem For-
scher gesehen worden.
GEPHYREA, HIRCTDINEA.
99
Ist es nicht sonderbar, daß, wo so viele Reizleitungsbahnen im Bauch-
ganglion des Regenwurms entdeckt worden sind, fast alle Angaben über die
Wege der Nervenfasern im Hirnganghon und im unteren Schlundganglion
fehlen ? Fürwahr eine peinliche Lücke in unserer Kenntnis, welche bald aus-
gefüllt werden möge.
Mit den Oligochaeten haben wir die
Unterklasse der Chaepotoden beendet
lind können wir jetzt also die Gephyreen
unter den Anneliden besprechen, was mit
wenigen Worten getan sein wird.
Meines Wissens hat nur Haller (1889)
sich mit den Leitungsbahnen einer Ge-
phyree und zwar von Sipunculus beschäf-
tigt. Dieses Tier hat einen Bauchstrang
ohne bestimmte Ganglien, welcher die
peripheren Nerven aussendet. Zentral
im Bauchstrang ist ein Neuropilem,
welches von allen Seiten von unipolaren
Ganglienzellen umringt wird, während
ausschließlich ventral sich noch eine
Nervensystem von Hirudo
medicinalis. Nach
BÜTSCHLi( 1912), Fig. 335.
b. g. = Bauchganglion
b. Str. = Bauchstrang
d. = Darm
g. i. oe. = ganglion infra-
oesophageum
g. s. oe. = ganglion su-
praoesophageum
k. = Konnektiv
p. n. = periphererNerv
s. k. = Schlundkon -
nektiv
s. u. — sympathisches
Nervensystem
Fig. 44.
Schicht multipolarer Ganglienzellen zwi-
schen dem Neuropilem und den unipolaren Ganglienzellen darbietet.
Die unipolaren Ganglienzellen senden alle ihren Fortsatz ins
Neuropilem. Die multipolaren Ganglienzellen sind meist gegenseitig
durch breite Fortsätze verknüpft. Auch ihre Fortsätze, bisweilen
alle, können ins Neuropilem ziehen, aber einige gehen in die pe-
ripheren Nerven der gleichen oder der anderen Seite. In den periphe-
ren Nerven werden sie begleitet von Nervenfasern, welche nach
Halleb dem Neiiropilein entspringen, das heißt also wohl darin
enden.
Wie man sieht, trifft die Bemerkung Bethes (1903), daß die
Histologie des Nervensystems der Gephyreen nur sehr mangelhaft
bekannt sei, auch jetzt noch völlig zu.
g.i.oe.
i5.r\.
'p.n.
Die letzte Unterklasse der Anneliden ist jene der Hirudineen. Auch hier
begegnet man (Fig. 44) wieder einem Schlundring (oberem Schlundganglion
(g.s.oe.), Schlundkonnektiven {s.k.) und unterem Schlundganglion (g.i.oe.),)
welcher sich nach hinten in den Bauchstrang (b.str.) fortsetzt, der aus einer
Reihe durch Konnektive (k.) verbundener Ganglien (h.g.) besteht. Jedes
Bauchganglion verlassen zwei Paar peripherer Nerven [p.n.).
Man hat oft versucht die Hodologie der Hirudineen und namentlich von
Hirudo medicinalis, des Blutegels, kennenzulernen.
Schon Bruch (1849) hat im Jahre 1849 damit angefangen und er ist
daher überhaupt der erste, welcher sich über den Lauf der Leitungsbahnen
eines Wurmes Rechenschaft geben wollte. Sehr interessant ist es, daß ihm
schon die Darstellung der ganzen topograjjhischen Histologie eines Everte-
braten-Nervensystems vor Augen schwebte. Wie mancher hat nach ihm dasselbe
versucht ohne daß es jemandem bis jetzt gelungen ist, dieses Problem zu lösen !
Die Bauchganghen stimmen nach Bruch im allgemeinen alle in ihrem
100
VERMES, ANNELIDA.
Fig. 45.
feineren Bau übercin. Aus jedem Baucliganglion gehen zwei Paar Nerven
hervor, der vordere und der hintere, periphere Nerv (Fig. 45, v.n. und h.n.).
Die Ganglien werden durch zwei deutlich getrennte Konnektive (Fig. 45 k\)
verbunden, überdies aber durch den Mediantierven, welcher auch hier rich-
tiger Mediankonnektiv genannt Avird.
In den Konnektiven sah Bruch Nervenfasern unbekannter Herkunft,
welche das ganze Ganglion der Länge nach durchzogen (Fig. 45, a), andere,
welche von vorne herkommend in den vordeien oder den hinteren
Nerven der gleichen Seite eintraten (F'ig. 45, h, c).
In den vier Ecken des Ganglions befin-
den sich Ganglienzellen. Jene aus der vorderen
Hälfte des Ganglions senden ihren Fortsatz
in das Konnektiv derselben Seite nach hinten
(Fig. 45, /), oder ihre Fortsätze überschreiten
die Medianhnie und ziehen in einen peripheren
Nerven, den vorderen oder den hinteren,
weiter {d und e).
Nicht so deutlich war Bruch der Weg,
welchen die Fortsätze der Ganglienzellen in der
hinteren Hälfte des GangHons einschlagen.
Wahrscheinhch kreuzen einige die Medianlinie
und biegen in die peripheren Nerven ab (Fig.
45, g, h) ; vielleicht auch ziehen andere
im Konnektive derselben Seite nach vorn
(Fig. 45, i).
Der Weg der Nervenfasern ist, wenn man
Bruch glauben will, in den peripheren Ner-
ven nicht ohne weiteres klar, denn es sind
nach ihm überall in die peripheren Nerven
Ganghenzellen eingelagert, was aber später,
wie wir sehen werden, sowohl verneint, wie
bejaht wurde. Der vordere Nerv des Ganglions
geht bald in ein Ganglion über, dessen Zellen nach Bruch gewiß apolar,
also ohne Fortsätze sind und das gleiche ist für die Seitenäste des vorderen
Nerven zutreffend. Es werden oft, besonders von älteren Autoren apolare Gang-
lienzellen bei Evertebraten erwähnt, al)er ich glaube, es ist keinem Zweifel
unterlegen, daß diese Zellen, falls sie nicht ganz junge Ganglienzellen, Neuro-
blasten, sind, entweder Fortsätze l)esitzen. oder keine Ganglienzellen sind.
Die kleineren Aeste des voidcrcn Nerven, sowie der hintere Nerv und
seine Aeste enthalten dagegen l>i polare Ganghenzellen.
Im Lehrbuche der Histologie, welches Lkydig 1857 publizierte, finden
wir die Ergebnisse Bruchs und einiger anderen Forscher in einer Figur 93
dargestellt, welche ich hier der Kuriosität wegen reprodu/icrcn will (Fig. 4(5).
Es i.st eine der ältesten .Abbildungen des Nervenfaserveilaufs eines Everte-
braten. Sie versinnbildhcht nach Leydig den mutniaßliclieii Kaserverlauf von
Piscicola, aber eine Vergleichung mit Fig. 45 lehrt, daß dieser Abbildung
Baucliganglion von Hirudo
inodicinali.s. Abgeändert nach
Bruch (1849).
a, b, c = Nervenfasern
d bis i = Ganglienzellen
/(. 71. — hinterer Nerv
k. = Konnektiv
V. n. = vorderer Nerv
HIRUDINEA.
101
des Bauchganglions die auch im Texte zitierte BRUCHsche Arbeit zu Grunde
gelegt wurde und darin wurde mit dem ,, Blutegel" wahrscheinlich Hi)-udo
und nicht Piscicola gemeint.
Die Beschreibung, welche Leydig
der Figur beifügte, ist unvollstän- Fig. 46.
dig, aber die Figur spricht für sich
selbst. Es sei namentlich auf die
sonderbare Kommissur im Hirn-
ganglion hingewiesen.
Im Jahre 1875 erschien das oft zitierte
Buch ,,Das Centralnervensystem \'on
Hirudo inedicinahs" von Hkemann. Ich
weiß, daß es Angaben über die Wege
der Nervenfasern enthält, aber das Biicli
selbst war mir leider nicht zugänglich.
Ich vermute, daß, was Hermann richtig
beobachtete, nachher schon alles von
anderen Forschern wiedergefunden ist
luid tröste mich damit über meine
Unbekanntheit mit diesem Buche.
Hansen (1881) war der erste, welcher
der BRUCHschen Meinung, daß überall
in den peripheren Nerven Ganglienzellen
eingelagert seien, entgegentrat. Und doch
stand Bruch in dieser Meinung nicht
allein, denn auch Leydig, wie Figin- 46
beweist, und Hebmann (nach Vignal
1883) erklärten sich davon überzeugt.
Hansen nun hat einen nicht näher
bestimmten Blutegel (Hirudo ?) mit Hilfe
einer Goldchlorid -Methode untersucht
und dabei wahrgenommen, daß die
Nerven, welche von den Bauchganglien
zu den willkürlichen Muskeln gehen,
keine Ganglienzellen enthalten und keinen
Plexus bilden, sondei-n in motorischen
Endapparaten enden.
Kurz nachher hat auch Vignal (1883)
bei den Hirudineen die überall in den
Nerven verbreiteten Ganglienzellen geleugnet und die diesbezüglichen Angaben auf
einzellige Parasiten in den Nervenhüllen zurückgeführt ; wohl aber gibt er zu, daß
jeder Nerv dicht neben dem Bauchstrang ein Lateralganglion passiert. Vignal, äußert
sich auch über das gastrointestinale oder sympathische Nervensystem und sagt davon,
daß es ein Nervenplexus mit eingelagerten Ganglienzellen ist.
In dieser letzten Mitteilung ging ihm Ranvier (1880) voran, welcher beim Blutegel
(Hirudo ?) in den Darmdivertikeln einen weitmaschigen Nervenplexus beschrieb mit
Ganglienzellen, welche den Nerven eingelagert waren oder mit kurzen Stielchen, den
Stammfortsätzen, aufsaßen.
Später hat Apathy (1897) für Pont ob della festgestellt, daß der Plexus im Darm ein
wahrer Ganglienzellplexus ist, wie er so oft bei den Coelenteraten angetroffen wird und
also kein Nervenplexus. Es sind dann keine bestimmte Leitungsbahnen darin nachweisbar
Schema der mutmaßlichen Reizleitungs-
bahnen im Nervensystem von Piscicola.
Kopie der Fig. 93 aus dem Leydig-
schen Lehrbuche (1857).
G. = Gehirn
B. g. = erstes Baiichganglion
102
VERMES, ANNELIDA.
v.n.
\.n..
Unsere Kenntnis der Bahnen im Zentralnervensystem der Hirudineen
ist nicht mehr bereichert worden, bis Ehrlich seine Methylenblau-Methode
entdeckte. :\ßt Hilfe dieser Methode wurde im Jahre 1891 Hirudo medi-
cinahs von Biedermann und nebst Hirudo auch Aulastomum von Retzius
untersucht.
Biedermann (1891) bestätigte, daß zwei Paar peripherer Nerven (Fig.
47, v.n. und h.n.) aus jedem Bauchganghon hervorgehen und daß die Gan-
güen von den beiden lateralen Konnektiven {l.k.) und den Mediannerven
(oder Mediankonnektiv 7n.k.) verbun-
den werden. In der Fig. 47 habe ich
das Mediankonnektiv eingezeichnet,
weil Biedermann auch darin Leitungs-
bahnen schildert.
Biedermann fand im Ganglion
manche Ganglienzelltypen. Zuerst sah
er in oder neben der Medianhnie ein
Paar kolossaler GangUenzellen (Fig.
47, k\z.). Er erkennt ihnen nur einen
Fortsatz zu, welcher nicht gut verfolg-
bar war, sich aber wahrscheinlich spal-
tet und jedem peripheren Nerven einen
Ast zusendet. Diese beiden Zellen sind
auch von anderen Autoren später
wiedergefunden, aber niemals, unge-
achtet ihre Größe, mit den Neurochord-
zellen anderer Würmer verglichen wor-
den, was sich doch der Mühe lohnen
würde. Neiuochordzellen würden den
Hirudineen abgehen nach dem heu-
tigen Standpunkte.
Lateral im Ganghon liegen ver-
schiedene Typen kleiner Ganglienzellen. Ihr Fortsatz verlässt das GangHon
dujch den vorderen oder hinteren Nerven oder nach Spaltung durch beide
(Fig. 47, a, b, c). Bisweilen aber überschreitet der Fortsatz die Medianlinie
und tritt in einen Nerven der antleren Seite aus (Fig. 47, d, /). Diese Zellen
stimmen also mit von Bruch gesehenen Ganglienzellen überein (Fig. 45, d,
e, (), h). (In der Fig. 47 ist die Lage der Ganglienzellen a, h, c, d und /
willkürhch von mir gewählt worden.) Es gibt auch Ganglienzellen (Fig. 47, e),
deren Fortsatz sich nach Kreuzung in das laterale Konnektiv fortsetzt.
Schließlich beobachtete Biedermann hinten im Ganglion eine mediane
Ganglienzelle (Fig. 47, h), welche einen Fortsatz nacii vorn in den Median-
nerven (das Mediankonnektiv) aussendet. Es ist mir niiht klai', ol) diese
Zelle mit einer Medianzelle anderer Autoicn identifiziert werden darf.
Neben diesen GangUenzellen und ihren Fortsätzen (tue Koliateralen
sind wiederum unberücksichtigt gelassen) hat Biedermann auch Nerven-
fasern unbekannter Herkunft gesehen. In jedem peripheren Nerven sind
Bauchganglion von Hirucio mediciua-
lis. Nach Biedermann (1891).
a bis h = Ganglienzellen
i bis m — Nervenfasern
h. n. = hinterer Nerv
/.". z. = Kolossalzelle
I. k. — laterales Konnektiv
m. li. = medianes Konnektiv
V. n. — vorderer Nerv
HIRUDINEA.
103
Fasern vorhanden, welche im Neuropilem des GangUons verästelt enden und
darunter im vorderen und hinteren Nerven zwei besonders starke Fasern, von
denen die eine sich im Neuropilem der Eintrittsseite, die andere auch in der
anderen Seite des GangUons verzweigt (Fig. 47, l, V , m, m').
In den Konnektiven, in den lateralen so gut wie im medianen, befinden
sich Fasern, welche das ganze Ganglion durchsetzen ohne darin andere Aeste
als kleine Kollateralen abzu-
Fig. 48.
spalten (Fig. 47, i, j), aber
überdies ist in jedem lateralen
Konnektive eine Nervenfaser
(Fig. 47, k), welche in den
vorderen und den hinteren
Nerven einen Zweig hinein-
schickt.
Vielleicht hat Bruch diese
Nervenfaser gemeint, als er
sagte, daß Faserndes Konnek-
tivs in die Seitennerven abbö-
gen (Fig. 45, b und c), aber
gewiß hat er die Konnekti-
valfasern, welche das ganze
Ganglion durchschreiten, ge-
sehen (Fig. 45, a).
Retzius (1891) hat, wie
gesagt, im selben Jahre wie
Biedermann und ebenfalls mit
Methylenblau die Hodologie
des Bauchganghons von Aula-
stomum gulo erforscht, aber
die Unterschiede mit Hirudo
medicinalis sind nach ihm sehr
unerhebhch, sodaß die hier fol-
gende Beschreibung für beide
Arten passt.
Das Bauchganglion von
Aulastomum (Fig. 48) hat im
allgemeinen dieselbe viereckige
Gestalt, wie das Bauchganghon
von Hirudo. Es gehen daraus seitlich zwei Paar Nerven hervor und vorn
und hinten schheßt es sich den Konnektiven an, welche hier alle drei (der
Mediannerv als Konnektiv gerechnet) mit einandi^r verwachsen sind.
Die Ganghenzellen, welche ausnahmslos unipolar sind, liegen peripher
ums Neuropilem geordnet und zwar bilden sie nach Retzius acht Gruppen,
vier zwischen den Nerven und Konnektiven, zwei zwischen den vorderen und
hinteren Nerven und zwei an der Eintrittsstelle der Konnektive. Die beiden
Bauchganglion von Aulastomum gulo. Nach
Retzius (1891).
a bis g = Ganglienzellen
h bis }i — Nervenfasern
h. n.
k. z.
hintere Kommissur
liinterer Nerv
Kolossalzelle
l. k. = laterales Konnektiv
m. k. = medianes Konnektiv
m. z. = Medianzelle
V. k. — vordere Kommissur
V. n. — vorderer Nerv
104 VERMES, ANNELIDA.
Haltten des Ganglions werden durch zwei Kommissuren, eine vordere und
eine hintere verbunden (Fig. 48, v.k-., h.k.).
Retzius konnte acht Ganglienzelltypen unterscheiden. Der erste (Fig.
48, a) ist vorn und lateral im GangHon. Sein Fortsatz geht in die vordere
Kommissur und weiter in den vorderen peripheren Nerven. Diese Zellart
wurde auch schon von Bruch (Fig. 45. d) und wahrscheinUch auch von Bie-
dermann (Fig. 47, /) beobachtet, obgleich Retzius, welcher oft auf Bieder-
mann verweist, solches nicht meldet, wahrscheinUch, weil Biedermann die
Lage dieser Zellen nicht genau beschreibt. Retzius glaubt, daß an jeder Seite
im GangHon wenigstens zwei solcher Zellen sind.
Zwischen den beiden Nerven ward eine GangUenzellgruppe entdeckt,
deren Zellen (Fig. 48, b) Fortsätze haben, welche in der hinteren Kommissur
die Medianlinie kreuzen und in den hinteren Nerven austreten. Darin stimmen
sie mit GangHenzellen überein, welche hinten im Ganglion hegen (Fig. 48. c)
und welche auch schon von Bruch (Fig. 45, g) und, falls ihre Lage dieselbe
ist, auch von Biedermann (Fig. 47, (/) beobachtet wurden.
N'orn im Ganghon sah Retzius GangHenzellen, welche ihren Fortsatz
in den vorderen oder hinteren Nerven derselben Seite sandten (Fig. 48, d, e),
oder deren Fortsatz sich gabelte und mit einem Ast in beiden Nerven weiter-
zog (Fig. 48, /). Biedermann hat, Avie auch Retzius mitteilt, diese Ganglien-
zellen in seinen Präparaten gefunden (Fig. 47, a, h, c).
Noch eine andere Ganglienzellgruppe ist hinten im GangHon vor dem
Konnektive gelegen. Ihre Zellen (Fig. 48, r/) besitzen einen Fortsatz, welcher
nach vorn in das Konnektiv zieht.
Zuletzt muß ich noch melden, daß Retzius, so gut wie Biedermann,
im Ganglion die beiden Kolossalzellen erblickte. Sie sind neben oder hinter
einander gestellt in der Mitte des Ganglions oder mehr nach vorn. Auch sie
sind unipolar (Fig. 48, L\z.), aber ihr Fortsatz teilt sich dichotomisch und ein
jeder Ast tritt in einen peripheren Nerven derselben Seite ein. Bisweilen
aber dcszendiert nach Retzius ein dritter Ast in das Konnektiv.
Retzius entdeckte im Bauchganglion sieben Nervenfasersysteme von
denen ihm die Ganglienzellen unbekannt blieben.
Jn den Mediankonnektiven laufen zwei überaus breite Fasern (Fig. 48,
m.2.), welche das ganze Ganglion durchsetzen und nach Retzius Nerven-
fasern sind. Bei Hirudo medicinalis bilden sie Anastomosen. Retzius identi-
fiziert diese Fasern mit den ,, Medianzellen"' Hermanns und, obgleich er darin
keine Kerne sah, betrachtet er sie doch als langausgezogene, spindelförmige
' Zellen.
Wie mich die Zitate Hallers (188!>) und Mexcls (1908) lehren, ist Her-
mann der Ansicht, daß bei Hirudo alle Medianzellen durch Fortsätze zusam-
menhängen. Jedes GangHon soll zwei hinter einander Hegende Medianzellen
enthalten, welche sechs Fortsätze haben und einer ihrer beiden lateralen
Ausläufer soll in einem peripheren Nerven das Ganglion verlassen. Letzteres
stimmt nun nicht mit den RETZiusschen Angaben und später hat Rohde
(1892 a) Medianzeilkörper neben diesen Riesenfasern entdeckt. Retzius
identifiziert seine Riesenfasern also mit Unrecht mit den HERMANNschen
HIRÜDINEA. 105
Medianzellen oder höchstens sind die Riesenfasern Fortsätze der Median-
zellen. Dann aber, wo Mencl (1908), nachdem zuerst Rohde (1892 a) bei
Hirudineen die nervöse Natur der Medianzellen angezweifelt hatte und Joseph
(1902), K. C. Schneider (1902) und Livanow (1906) sie als Gliazellen be-
zeichnet hatten, ihren Charakter als Gliazellen unzweifelhaft erwiesen hat,
wage ich es nicht, die sehr breiten Fasern, welche Retzius fand als Nerven-
fasern oder Ganghenzellen zu betrachten. ,
In den Lateralkonnektiven liegen die Fasern, welche auch Biedermann
beobachtete (Fig. 47, k), aber nach Retzius nicht genau beschrieb. Das Bün-
del dieser Nervenfasern (Fig. 48, h) spaltet sich, wenn es im Ganglion ange-
langt ist und jedes dieser beiden Bündel liefert jedem peripheren Nerven
einen Seitenast.
Die Konnektivalfasern, welche dem Ganglion nur kleine Kollateralen
abtreten (Fig. 48, i) blieben Retzius ebensowenig verborgen als Bruch (Fig.
45, a) und Biedermann (Fig. 47, j). Daneben gibt es Nervenfasern des Kon-
nektivs, welche im Neuropilem des Ganghons enden (Fig. 48, j) oder in einem
peripheren Nerven sich seitwärts lo-ümmen (Fig. 48, k). Fasern des letzten
Typus sah auch Bruch (Fig. 45, b), aber nur in der vorderen Ganghonhälfte.
Die zwei dicken Nervenfasern, welche Biedermann in jedem peripheren
Nerven erforscht hat und welche zur gleichen Seite oder nach Kreuzung im
Neuropilem enden (Fig. 47, /, V, m, 7n), hat auch Retzius bei Aulastomum
wiedergefunden, aber im vorderen Nerven gelang ihm das nur schwer (Fig.
48, l, V , m, m'). Hirudo ist aber nach Retzius im hinteren Nerven mit
zAvei Fasern des Typus l ausgestattet, was Biedermann entgangen ist.
Noch stärker als die letztgenannten Fasern sind zwei Fasern, welche
mit den beiden peripheren Nerven ins Ganglion eintreten und sich dort ver-
ästeln (Fig. 48, n, n). Sie laufen ventral und kommen in ihrer Dicke den
Riesenfasern gleich.
Auch das untere Schlundganglion ist nicht von Retzius vergessen worden
und der Bau ist ähnlich bei Aulastomum und Hirudo.
Das Ganglion enthält vier Paar Kolossalzellen (auch das letzte Ganglion
des Bauchstranges hat deren mehr als zwei) und es hat daher vielleicht den
Wert von vier Bauchganghen. Aber die Fortsätze des ersten Paares kreuzen
die Medianlinie und sind deshalb vielleicht ein anderei' Zelltypus.
Manche Ganglienzellen des ganglion infraoesophageum senden Fortsätze
zur anderen Seite des Ganglions oder in die Schlundkonnektive. Dem letzten
Beispiel folgen die Medianzellen.
Es darf uns nicht wundern, daß es auch Fasern der Schlundkonnektive
und der peripheren Nerven gibt, welche im unteren Schlundganglion enden.
Das Hirnganglion ist nach Retzius einfach gebaut, aber die Wege der
Nervenfasern darin beschreibt er nicht.
Rohde (1892 a) hat sich später als Retzius mit der Histologie des Ner-
vensystems der Hirudineen beschäftigt. Da er aber alle Nervenfibrillen, weil
sie nach ihm in die Fibrillen der Nervenhüllen übergehen, als Stützgewebe
betrachtet und die interfibrilläre Masse als nervös, so wird der Begriff be-
stimmter Leitungsbahnen an manchen Stellen ganz hinfäUig. Ich kann die
106 VERMES, ANNELIDA.
Ansicht Rohdes, welche auch von Nansen und anderen, neuerdings noch
von Goldschmidt (1910) vertreten wird, nicht teilen und schließe mich darin
gar manchen Gelehrten an.
RoHDE hat besonders Pontobdella muricata und Aulastomum gulo unter-
sucht. Er fertigte Schnittserien und Zupfpräparate an, aber die GoLGische
Methode wollte ihm nicht gelingen.
Bei Pontobdella beobachtete er im Bauchganghon einige starke Gan-
gUenzellfortsätze, welche in die ])eripheren Nerven eintreten und derartige
dicke Nervenfasern sah er bei Aulastomum in den peripheren Nerven. Auch
sah er Nervenfasern im Ganglion van Aulastomum und Pontobdella, welche
die Medianlinie kreuzten, konnte aber ihre Ganglienzellen nicht nachweisen.
Rohde hat auch in einem großen Teile des Bauchmarks die beiden
Riesenfasern wahrgenommen, welche xA^ulastomum im Mediankonnektiv
{Mediannerven), Pontobdella hingegen in den lateralen Konnektiven aufweist.
Es sind dies die Fasern, welche Retzius mit den HERMANNschen Median-
zellen homologisierte (Fig. 48, m.z.) ohne ihre Kerne entdecken zu können, aber
RoHDE beschreibt außerhalb dieser Fasern in jedem Ganglion zwei multi-
polare, hinter einander gelegene Medianzellen, welche er, wie gesagt, mit
Recht, als Stützelemente betrachtet. Wenn also die Riesenfasern nicht Fort-
sätze dieser Medianzellen sind (Rohde konnte ihre Herkunft nicht entdecken),
hat Retzius (1891) sie mit Unrecht zu den Medianzellen in Beziehung ge-
bracht und können es sehr gut Nervenfasern sein, \A-ie er anfänglich meinte.
. Rohde bestätigt auch die BRUCHsche Angabe über die Gegenwart von
Ganghenzellen in den peripheren Nerven, denn er fand darin einige große
multipolare Ganghenzellen. Ich weiß nicht wem ich glauben muß: Bruch und
Rohde, welche Ganghenzellen zu sehen meinten oder Hansen und Vignal,
welche sie verneinten. Dennoch ist die Sache für unsere Kenntnis der Lei-
tungsbahnen sehr wichtig.
Mitten in jedem Konnektiv entdeckte Rohde eine bipolare Zelle, welche
er als eine mutmaßhche Ganglienzelle und nicht als eine Gliazelle deutete,
aber ich glaube, daß Mencl (1908) später überzeugend dargetan hat, daß
diese Konnektivalzellen der Hirudineen GUazellen sind.
Eine wirkliche Ganglienzelle ist noch die bipolare Zelle, welche zwischen
den Wurzeln des vorderen und hinteren Nerven im Bauchganglion liegt
und dort von Leydig entdeckt wurde. Rohde sah, und Bristol (1898) hat
dies bestätigt, daß sie einem jeden dieser beiden Nerven einen Fortsatz zu-
teilt. Daß diese Zelle, wie Hermann es will, einen dritten Fortsatz ins Zen-
trum des Ganglions senden sollte, verneint er.
Ich kann es nicht unterlassen an dieser Zelle auch auf die berühmten
Untersuchungen hinzuweisen, welche Apathy (1897) bei Hirudo und auch
bei Lumbricus angestellt hat, obgleich, wie bekannt, die Struktur des ganzen
Nervensystems nach Apathy so wäre, daß darin anatomisch keine bestimm-
ten Leitungsbahtien nachzuweisen sind, weil die Fortsätze der nervösen
Zellen ein diffuses Maschenwerk bilden und somit für meinen Zweck diesen
Forschungen keine Angaben zu entlehnen sind. Wie ich mich den APATHYschen
Anschauungen gegenüber verhalte, habe ich schon in der Einleitung gesagt.
HIRUDINEA. 107
In den folgenden Jahren findet auch das periphere Nervensystem der
Hiriidineen wieder Berücksichtigung. Hesse (1897 b) erAvies endgültig, daß
die Sehzellen des Auges mancher Hirudineen Sinnesnervenzellen sind und
daß ihre basalen Fortsätze den Sehnerven bilden, welcher ins Hirnganglion
eintritt.
Der erste, welcher sich bewußt war, daß die Sehzellen der Hirudineen
sich kontinuirlich in Nervenausläufer fortsetzen und die Nervenfasern sich
ihnen nicht nur nähern, ist wahrscheinHch Whitman (1889) gewesen, welcher
sich dahin äußert, daß die Nervenfaser in die helle Sehzelle an der Seite
des Kernes eintritt.
Später hat Mayer (1892) sowohl in Zupfpräparaten wie in Schnitten
beobachtet, wie die Sehzellen im Auge sich in Nervenfasern fortsetzen und
zwar bei Hirudo, Aulastomum, Clepsine und Piscicola.
Hesse hat also in dieser Hinsicht keine Priorität (was er auch nicht
behauptet), aber wohl sah er als erster, daß auch die Zellen einer Sinnes-
nervenzellgruppe, welche bei Mesobdella gemmata und Haementeria offici-
nalis in der Epidermis vorhanden ist, sich in Nervenfasern fortsetzen, welche
sich dem Sehnerven anschließen. Später hat Livanow (1906) dies für Acan-
thobdella bestätigt.
Auch Retzius (1898) hat versucht, das periphere Nervensystem der
Hirudineen näher bekannt zu machen. Er zeigte mit Hilfe der GoLGischen
und der Methylenblau-Methode in der Haut von Clepsine bipolare Sinnes-
nervenzellen nebst frei endenden Nervenfasern unbekannter Herkunft, also
die beiden bei Würmern allgemeingültigen Weisen der sensibelen Inner-
vation.
Bristol (1898) hat in seiner Arbeit über die Metamerie von Nephelis
auch manche Leitungsbahnen im peripheren Nervensystem aufgeklärt, wobei
ihm u.a. eine Goldchlorid-Methode geholfen hat.
Bristol entdeckte einen bis dahin unbekannten Nervenring, welcher
in einigen Körperringen mit den Ordnungszahlen 5, 8, 11, 13, 16 u.s.w. zwi-
schen den Muskeln gelegen ist und daher von Bristol der intermuskulare
Nervenring genannt wurde.
Jeder Nervenring sendet Nervenfasern in ein Ganglion des Bauchstranges
durch dessen vorderen und hinteren Nerven und empfängt Nervenfasern
auf demselben Wege. Diese Nervenfasern innervieren die Muskeln und die
Sinnesorgane.
Vom dritten Nervenringe ab Liegen halbwegs zweier Nervenringe acht
bipolare Ganglienzellen, welche die beiden benachbarten Ringe verbinden,
weil sie ihre Fortsätze darin aussenden und zwar gerade an den Stellen, wo
auch Aeste des vorderen und hinteren Nerven des Bauchganglions in den
Ring eintreten.
Jedem Nervenringe sitzen zehn GangHenzellgruppen auf, sechs dorsal
und vier ventral. Bristol nennt diese Zellen bipolar, aber aus seinen Ab-
bildungen erhellt, daß es unipolare Ganghenzellen sind, deren Stammfort-
satz sich bald T-förmig in zwei Aeste spaltet. Die beiden Fortsätze laufen
im Nervenringe in entgegengesetzten Richtungen.
108 VERMES, ANNELID A.
Die laterodoisale Gruppe \nrd von sechs bis aclit Ganglienzellen gebildet,
die beiden mediodorsalen Gruppen jede von einer einzigen Ganglienzelle.
Die lateroventrale Gruppe ist auch tatsächlich nur eine GangUenzelle, aber
die medioventrale weist zwei oder drei Zellen auf. Die Fortsätze dieser Gan-
glienzellen koiniten im Ringe nicht bis zu ihrem Ende verfolgt werden. Es
ergab sich nur. daß Fortsätze der medioventralen Ganghenzellen in einen
Ast des vortleren Nerven des Bauchgangüons traten und also wahrschein-
lich den Bauchstrang erreichten.
Bristol ist der Meinung, daß alle diese Ganghenzellen und Fasern des
Xervenringes noch weiter mit der GoLGischen oder mit der Methylenblau -
Methode studiert werden müssen. Teilweise hat Havet (1900 a) das getan
und dabei gesehen, daß die Sinnesnervenzellen der Haut, welche Retzius
entdeckte, welche aber Bristol noch nicht bekannt sein konnten, ihre Ner-
venfortsätze in diesen Ring und weiter ins Bauchganglion senden.
IJristol, welcher voraussetzte, daß die afferenten Nervenfasern der
peripheren Nerven, welcfie Retzius im Bauchganglion der Hirudineen enden
sah, die Fortsätze der Ganglienzellen des Nervenringes seien, kann also jetzt
nur noch teilweise Recht bekommen.
Ebenso glaube ich nicht, daß Bristol Recht hat, wenn er ohne Beweis
l)eliauptet, daß alle Ganglienzellen der Nervenringe vmd die zwischenliegenden
bi])olaren Ganglienzellen zusammen mit den Medianzellen, den Konnektival-
zellen und den LEYDiGschen Zellen, wie er die bipolaren Ganghenzellen nennt,
welche an der Abgangsstelle der peiipheren Nerven gelegen in die beiden
Nerven einen Fortsatz senden und welchem wir schon bei Rohde begegnet
sind, ein einziges zusammenhängendes System kolossaler Ganglienzellen
bilden.
Bristol hat auch das sympathische Nervensystem von Nephelis stu-
diert. Es geht aus dem Schlundringe hervor. Ander Abgangsstelle hegen
drei Ganglienzellgruj)pen, zwei in den Wurzeln des sympathischen Nerven-
.systems und eine im Schlundringe. Ihre Zellen haben Fortsätze, welche in
die Zweige des sympathischen Nervensystems ziehen. Diese Zweige bilden
einen Nervenplexus um die Mundhöhle, den Oesophagus und den Darm.
Im Plexus um die Mundhöhle, also vor dem Schlundringe sind nur Ner-
venfasern und keine Ganglienzellen. Diese Nervenfasern stammen von Gan-
glienzellen her, welche in der Nähe des Schlundringes im sympathischen
Nervensysteme angehäuft liegen. Hinter dem Schlundringe aber, also in der
Umgebung des Gesoj)hagus und des Darmes, besteht tler Plexus aus multi-
^olaren Ganglienzellen und ihren Fortsätzen.
Die bipolaren Sinnesnervenzellen der Haut, welche Retzius bei Clep-
sine entdeckte, hat Havet (1900 a) bei diesem Wurm, aber auch bei Nephelis
vulgaris und Hirudo mit Hilfe der GoLci.schen Methode wiedergefunden,
aber außerdem hat er ihre Nervenfortsätze bis zum Ende verfolgt und dabei
entdeckt, daß sie sich el>en.so wie bei den Oligochaeteii verhalten.
Bei Nephelis liegen die Sinnesnervenzellen einzeln oder in (Jruppen und
ihr eigentlicher Zellkörper befindet sich entweder in der Epidermis oder
auch tiefer untei- der OberHäche zwischen den Muskeln. Unmittelbar unter
HIRUDINEA.
109
Fig. 49.
v.a
der Epidermis und auch mehr nach innen zwischen den Muskelschichten
befinden sich Nervenfaserbündel, welche die Wege der Nervenfortsätze dieser
Sinnesnervenzellen sind, wenn sie sich zu den peripheren Nerven des Bauch-
marks und in das Bauchganglion begeben. Die inneren Nervenfaserbündel
bilden den BRisxoLschen intermuskularen Nervenring und sie enthalten
nach Havet nicht nur die Fortsätze der Sinnesnervenzellen, sondern auch
motorische Nervenfasern zu den Muskeln, wie auch Bristol behauptete.
Die sensibelen Nervenfasern verzweigen sich nicht, ehe sie das Bauch-
ganghon erreicht haben. Dann aber teilen sie sich T-förmig in einen aszen-
dierenden und einen deszendierenden Ast, welche entweder im nächsten
Ganglion oder schon im Konnektiv enden. Diese Längsnervenfasern
bilden ganz wie bei Oligochaeten drei Bündel und überhaupt sind also, wie
man sieht, die epidermalen Sinnesner-
venzellen und das Verhalten ihrer Fort-
sätze, welche die sensibelen Nerven-
fasern bilden, einander völHg gleich bei
OHgochaeten und Hirudineen, denn so
wie Nephelis verhalten sich nach Havet
auch Hirudo und Clepsine.
Havet ist der Meinung, daß die
von Retzius bei Aulastomum beob-
achteten Nervenfasern h meiner Fig.
48, die eben genannten eintretenden
sensibelen Nervenfasern sind. Es mag
sein, aber da würde sich nicht nur
RetziUvS, sondern auch Biedermann,
welcher diese Fasern fast genau so
sieht (Fig. 47, A), in seiner Beschreibung
geirrt haben und es scheint mir daher
vorsichtiger vorauszusetzen, daß das
Methylenblau die von Havet entdeck-
ten sensibelen Nervenfasern in ihren Präparaten nicht mitgefärbt hat.
Jene Fortsätze der Sinnesnervenzellen, welche ins untere Schlundgan-
glion eintreten, finden daselbst ihr Ende, ohne weiter nach hinten oder zum
Hirnganglion zu laufen.
Havet beobachtete bei Nephelis auch Nervenfasern, welche in der Epi-
dermis enden, ganz wie Retzius (1898) bei Clepsine. Aber gegenüber Retzius
behauptet er, daß diese keine frei endenden sensibelen Nervenfasern sind,
sondern motorische der benachbarten Muskelfasern. Ich kann darin Havet
nicht beistimmen.
Havet hat im Bauchganghon von NepheHs manche verschiedenartigen
Gangüenzellen wahrgenommen, welche ich in der Fig. 49 schematisch dar-
stelle. Sämtliche Gangüenzellen sind unipolar.
Es gibt zwei Zelltypen uns schon von anderen Hirudineen bekannt.
Der erste, (Fig. 49, a) hat einen Nervenfortsatz, welcher die Medianlinie
kreuzt und in einem peripheren Nerven verschwindet. Solche Zellen liegen
Bauchganglion von Nephelis.
Nach Havet (1900a).
a bis h = Ganglienzellen
li. n. = hinterer Nerv
Ä;. == Konnektiv
V. n. — vorderer Nerv
110 VERMES, ANNELIDA,
nicht nur vorn im Ganglion, sondern auch an der Abgangsstelle der peripheren
Nerven und hinten im Ganglion. Sie tragen bei zur Bildung beider Kom-
missuren des Ganglions.
Der zweite Typus sendet den Xeurit in den jieripheren Nerven der glei-
chen Seite (Fig. 49, b). Eine Modifikation dieser Zellart ist die hinten im (ian-
glion gelegene Zelle (Fig. 49, h), deren Fortsatz in den vorderen Nerven der
gleichen Seite tritt.
Die dritte Ganglienzellart ist in ihrem Wesen neu für Hirudineen (Fig.
49, c). Die Zelle liegt vorn, in der Mitte oder hinten lateral im Ganglion. Ihr
Fortsatz kreuzt und spaltet sich in zwei Aeste, welche für den vorderen und
hinteren Nerven bestimmt sind.
Die vierte Ganglienzelle (Fig. 49, d) aus der vorderen Ganglionhälfte
war ebenfalls noch unbekannt. Ihr Ausläufer setzt sich in eine Längsfaser
fort, welche den peripheren Nerven derselben Seite zwei Seitenäste zusendet.
Neben der Medianlinie ist eine Ganglienzelle gelegen, welche auch Bie-
dermann und Retzius bei ihren Hirudineen beobachteten (Fig. 49, e, Fig.
47 und 48, t.z). Ihr Fortsatz gabelt sich und jeder periphere Nerv bekommt
einen Ast. Havet erwähnt nicht die besondere Größe dieser Ganglienzelle.
Die Ganglienzellen des Typus / der Fig. 49 haben einen Fortsatz, wel-
cher zur anderen Ganglionhälfte übergeht und dort einen aszendierenden
und einen deszendierenden Zweig bildet. Eine Zellart, welche ich nicht ab-
bildete, gleicht der Zelle /, aber aus der Längsfaser geht ein Zweig zum peri-
pheren Nerven desselben Ganglions hervor und ein anderer zum peripheren
Nerven des nächsten Ganglions.
Hinten im GangHon und neben der Medianlinie befindet sich noch die
Zelle g (Fig. 49) mit gekreuztem Fortsatz im hinteren Nerven,
Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß ich auch hier alle Kollateralen
und Dendriten unerwähnt gelassen habe.
Fast alle bei Nephelis beobachteten Ganghenzellen sollen nach Havet
auch bei Clepsine zu finden sein, aber er bildet nur Zellen des Typus a (Fig.
49) ab. Wie man sieht hat Havet den bekannten Zelltypen wieder manche
neuen zugefügt.
K. C. Schneider (1902) erwähnt in seinem Buche bei Hirudo unter allen
Ganglienzellen des Bauchganglions nur jene, welche ihren Fortsatz in das
Konnektiv oder nach Kreuzung in einen j)oripheren Nerven aussenden.
Branchiobdella parasita ist eine Hirudinee, welche, weniger bekannt
als andere Arten, nur von Schmidt (1905) auf ihre Leitungsbahnen unter-
sucht worden ist. Er konnte im gangüon infraoesophageum laterale Ganglien-
zellen sehen mit Fortsätzen zum Neuropilem der anderen Ganglionhälfte.
Auch sah er, daß die peripheren Nerven Nervenfasern aus beiden Ganglion-
hälften empfingen.
Das Bauciiganghon hat nicht zwei, sondern drei Nerven})aare, welche
alle Ganglienzellen enthalten. Der vordere Nerv empfängt Fasern aus dem
Mediankonnektiv und aus dem Neuropilem der gleichen Seite.
Acanthobdella pcledina ist eine Hirudinee, welche in Livaxow (1900)
HIRUDINEA. 111
einen Forscher ihrer Leitimgsbahnen gefunden hat. Livanow hat sich nur
mit den peripheren Leitungsbahnen beschäftigt.
Er beschreibt im Hautepithel einzelstehende oder gruppierte Sinnes-
nervenzellen, deren Nervenfortsätze in einen Nerven des Hautmuskelschlau-
ches treten, wahrscheinlich also ebensolche Sinnesnervenzellen, wie Havet
bei anderen Hirudineen beschrieben hat. Die gruppierten Sinnesnervenzellen
bilden wahre Sinnesknospen, welche ungleichmäßig über den Körper zer-
streut liegen. Bisweilen ist den Sinnesnervenzellen einer Knospe eine viel
größere Sinnesitervenzelle beigemischt, welche eine Vakuole mit Stäbchen-
saum enthält und somit eine Sehzelle oder Retinazelle, wie Livanow sich
ausdrückt, ist. Auch diese Zelle sendet ihren basalen Nervenfortsatz i den
Nerven hinein.
Die drei Paar Augen vorn im Kopfe sind eigentlich ebensolche Sinnes-
knospen, wie die oben genannten, nur daß sie nicht eine, sondern vier bis
sechs Sehzellen enthalten und vorn von einer Kappe aus Pigmentzellen um-
geben sind. Jedenfalls sind die Augen der Acanthobdella und der anderen
Hirudineen auf Sinnesknospen zurückzuführen, was Whitman (1889) schon
im allgemeinen behauptet hatte, in welcher Meinung ihm aber später u.a.
Mayer (1892) widerspricht. Die Nervenfortsätze der Sehzellen der Augen
laufen, begleitet von jenen der lateralen Sinnesknospen, in den sensibelen
Nerven ihres Somits.
In der Kopfregion sah Livanow viele Borstensäcke, an welche sich
einige Muskelfasern heften, die von einer unipolaren GangHenzelle inner-
viert werden. Wie aber diese Ganglienzelle den Reiz empfängt, bheb unbekannt.
Livanow beobachtete auch die Nervenringe, welchen wir in der Bris-
TOLschen Arbeit begegnet sind. Sie liegen hier im ersten und letzten Körper-
ringe eines jeden Somits und enthalten GangUenzellen. Ihre Nervenfasern
innervieren nach Livanow die Längsmuskeln des Körpers. Daß sie auch
sensibele Nervenfasern führen, sagt er nicht.
Mencl (1908) hat neben seinen wichtigen Erörterungen über die Natur
der Median- und Konnektivalzellen, welche ich schon zitiert habe nur noch
eine Bemerkung über die Ontogenie der Leitungsbahnen gemacht, welche uns
hier interessiert. Er arbeitete mit Clepsine und NepheHs und sah, daß das
Nervenfasersystem, welche sich ontogenetisch in erster Instanz im Bauch -
ganglion entwickelt, die Kommissur bildet. Diese Kommissurfasern biegen
in der Längsrichtung des Bauchstranges um und wachsen als Längsfasern
in die Konnektive aus, welche also erst nur gekreuzte Fasersysteme enthal-
ten. Die umbiegenden Nervenfasern schieben teils oberhalb, teils unterhalb
der Kommissur.
Die Arbeit Mencls zeigt, wie sehr auch bei Würmern das Studium der
Ontogenese des Nervensystems, sogar ohne spezifische Nervenfärbungen,
zur Kenntnis der Leitungsbahnen beitragen kann und wirkt daher sehr an-
regend.
Das sympathische Nervensystem von Hirudo medicinahs ist noch in
letzter Zeit von Ascoli (1911) mit Hilfe einer Neurofibrillen-Methode bear-
beitet worden. Er fand in der Mundhöhle und im Darm einen Nervenplexus,
112 VERWES.
welcher nur mit dem oberen Schlundganglion verbunden war und worin neben
Ganglien auch einzelne Ganghenzellen gelagert waren. Im Üarmplexu.s beob-
achtete er Ganglienzellen, welche mit ihren Fortsätzen die Darmmuskeln
innervierten. Sehr interessant ist es aber, daß er im Schhnid- und Kiefer-
plexus sensibele Ganglienzellen mit freien Nerv^enendungen entdeckte.
AscoLi nennt sie Sinneszellen, aber er beschreibt sie als Zellen mit einem
Sinnesfortsatz, welcher meist verästelt zwischen den E[)ithelzellen endet
und mit einem oder zwei Fortsätzen, welche sich in den Plexus begeben, was
also völlig mit den sensibelen Ganglienzellen, welche z.B. von Monti bei
Turbellarien entdeckt wurden, übereinstimmt.
Wichtig und ein guter Grund für meine in der Einleitung verkündeten
Ansichten über den Zusammenhang der Neuronen ist auch die Bemerkung
AscoLis, daß im Plexus zwar manche Ganglienzellen mit breiten Fortsätzen
unmittelbar zusammenhängen, aber daß diese manchmal weit aus einander
liegende und nicht gerade benachbarte Zellen sind. Das heißt also, wie bei
den Coelenteraten bilden diese Ganghenzellen einen wahren Ganglienzell-
plexus (nicht nur Nervenplexus), aber schon ist darin die Gruppierung und
Verbindung der Ganghenzellen weit mehr verwickelt und werden also viel
bestimmtere Leitungsbahnen geschaffen als bei den Coelenteraten. Noch
verwickelter könnte dann die Gruppierung und Verbindung der Zellen im
Zentralnervensystem geworden sein.
Er bleibt mir noch übrig auf eine sehr umfangreiche Abhandlung hin-
zuweisen, welche Sanchez (1900 — 12) in letzter Zeit über das Nervensystem
der Hirudineen veröffentlicht hat. Leider ist diese spanisch geschrieben,
welche Sprache ich zu meinem Bedauern nicht genug beherrsche, um darin
einen Artikel von 3oo Seiten durchzuarbeiten. Ich will deshalb nur sagen,
daß che Abbildungen mich belehrten, daß Sanchez manche Leitungsbahnen,
teilweise mit den von Retzius entdeckten übereinstimmend, gesehen hat.
Wer sich daher mit den Hirudineen beschäftigt, wird diese Arbeit gewiß
berücksichtigen müssen.
Mit den Hirudineen habe ich auch das Kapitel der Würmer überhaupt
beendet, da mir keine Reizleitungsbahnen der Rotatorien bekannt sind.
LITEKATIJH.
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MOLLUSCA.
Das Nervensystem der Mollusken ist im allgemeinen aus deutlich geson-
derten Ganglien zusammengesetzt, welche, insofern sie nicht mit einander
verwachsen sind, durch Kommissuren und Konnektive verbunden sind und
woraus die Nerven hervorgehen. Ich kann hier nicht jedesmal auf die Ana-
tomie des Nervensystems eingehen. Sie ist in den zoologischen Lehr- und
Handbüchern bequem nachzuschlagen, falls dies zum besseren Verständnis
der nachfolgenden Beschreibung der Leitungsbahnen im Nervensystem noch
nötig ist.
Nur die Amphineuren, die primitivste Klasse der Mollusken, haben noch
keine Ganglien, wie die anderen, sondern ein Zentralnervensystem, das sich'
demjenigen der Plathelminthen anschließt und aus einem Hirnganglion mit
zwei Paar daraus hervorgehenden, longitudinalen Seitensträngen, den Pedal-
strängen und den Pleurovisceralsträngen (oder Lateralsträngen) besteht.
Zwischen den beiden Pedalsträngen sind zahlreiche Kommissuren ausge-
spannt, sodaß uns wiederum das Bild einer Strickleiter vor Augen geführt
wird. Auch werden die beiden Pleurovisceralstränge von einer über dem Darm
gelegenen analen Kommissur verbunden und außerdem werden sie durch
Querverbindungen, welche ich nicht Kommissuren nennen möchte, weil sie
nicht die Medianebene des Körpers durchschreiten, mit den Pedalsträngen in
Verbindung gesetzt,
Ueber die Wege der Nervenfasern in diesem Zentralnervensystem ist fast nichts
bekannt. Peripher in den Nervensträngen und selbstverständhch auch dort, wo diese
noch einigermaßen zu GangUen verdickt sind, Hegen überall Ganglienzellen, während
die Nervenfasern zentral angehäuft sind. Das lehrt uns schon Haller (1882 — 1884)
bei Chiton, fvii- welches Tier Schneider (1902) es wiederholt und Simroth (1892 — 1894)
behauptet, daß es im allgemeinen bei den Amphinem-en der Fall ist.
Auch WiREN (1892) gibt nicht mehr als eine Bestätigung dieser Allgemeinheit.
Er konnte im Hirnganglion von Chaetoderma nitidulum zwar Nervenfasersysteme unter-
scheiden, aber nicht ihren Anfang oder ihr Ende und er meldet auch nicht genau den
Lauf der Nervenfasern.
Die Kommissuren der Pedalstränge sind bei Chiton ohne Ganglienzellen und be-
stehen also nach Haxler (1882 — 1884) nur aus Nervenfasern, welche vom einen
Strange zum anderen übergehen.
118 MOLLUSCA, AMPHINEURA.
Im periplieren Nervensystem der AmphimMiieii ist uns wenigstens ein Teil der
Leitungsbahnen bekannt.
HalIiER (1881) hat als erster bei einer Amphineure und zwar bei Chiton Sinnes-
nervenzellen aufgefunden, als er beobachtete, daß die Zellen eines Sinnesorgans unter
der Haduja sich in Nervenfasern fortsetzten. Die Sinnesnervenzellen sind ein weit ver-
breiteter Zelltypus der Mollusken. Hensen (1865), B.\buchin (1865) und Flemming
(1870) haben sie bei den Weichtieren gefunden, noch ehe sie bei den Coelenteraten be-
kannt waren. Flemming, welcher nicht wie Hensen und Babuchin Sehzellen, sondern
Zellen eines anderen Sinnes studierte, nannte die von ihm wahrgenommenen Zellen
Pinselzellen, weil sie ein Büschel Sinneshaare trugen und dieser Name ist bei den Mol-
lusken sehr eingebürgert. Ob sie aber ein oder mehrere Sinneshaare tragen, es sind immer
Sinneszellen, welche sich basal in eine Nervenfaser fortsetzen und sie gehören deshalb
zur Kategorie der Sinnesnervenzellen.
In seiner nächsten Arbeit hat Haller (1882 — 1884) ausgedehntere Angaben über
das Subradulaiorgan bei Chiton gemacht. Die Sinnesnervenzellen kommen neben zwei
anderen Zellarten im Epithel vor. Ihre Nervenfortsätze gehen kontinuirlich über in
Ausläufer von multipolaren Ganglienzellen, welche unter dem Epithel gelagert sind.
Andere Fortsätze dieser Ganglienzellen anastomosieren gegenseitig und so bilden diese
Zellen einen wahren Ganglienzellplexus (nicht Nervenplexus), wie wir solchem bei den
Coelenteraten begegnet sind. Noch ein anderer Fortsatz dieser Ganglienzellen zieht in
die Nerven, welche aus dem Subradularorgan hervorgehen.
Die Zellen des Subradularorgans sind nicht die einzigen Sinnesnervenzellen, wel-
chen Haller bei Chiton begegnete. Er sah aucli die FLEMMiNGschen Pinselzellen, also
Sinnesnervenzellen mit einem Büschel Sinneshaare und einem basalen Nervenfortsatz
und zwar im Epithel der Mundhöhle. Sie standen dort neben Geschmacksknospen, in
denen ebenfalls Sinnesnervenzellen, aber ein wenig anders geformte anwesend waren.
In der Herzwand beobachtete Haller schließlich einen Ganglienzellplexus, dessen
kleine, multipolare Zellen mittels ihrer Fortsätze kontinuirlich verbunden waren, wie-
derimi also wie es bei Coelentei-aten Regel ist. Diese kleinen Ganglienzellen standen aber
auch kontinuirlich mit großen, walirscheinlich bipolaren Ganglienzellen in Verbindung.
Blumrkh (1891) war so glücklich l)ei Chiton laevis vmd siculus Sinnesnervenzellen
im Epithel der Kiemenhöhle nachzuweisen. Das Epithel ist hier stellenweise verdickt
und es besteht da aus Drüsenzellen und Fadenzellen dazwischen. Diese Fadenzellen
sind Simiesnervenzellen, derm Nervenfasern des Kiemeneingeweidenerven ,, setzen sich
daran", wie Blumrich sagt, was wir wohl als ,, gehen daraus hervor" zu verstehen haben.
Blumrich meint, dieses Epithel sei Riechepithel.
Freie Nervenendungen im Epithel der Haut wurden bei Amphineuren \'i)n VViREN
(1892) entdeckt. Er sah bei Chaetoderma nitiduluin zahlreiche Nervenfasern in die
Zwischenräume zwischen den indifferenten Epithelzellen der Haut eindringen und sich
dort verzweigen und offenbar frei enden. Oft um.schlingen sie tue Epithelzellen ; bis-
weilen dringen sie auch in die Cuticula hinein.
Die Scaphopoden werden, obgleich ihre systematische Stellung unsicher ist, oft den
Amphineuren angeschlossen und so will ich es auch machen. Sie sind mit scharf umschriebe-
nen Ganglien, wie die Mollusken mit Ausnahme der Amphineuren besitzen, ausgestattet.
Das Cerebralganglion hat nach Fol (1889) bei Dentalium entalis yroße, unipolare
Ganglienzellen in seiner Kinde, welche ilne Fortsätze ins Neuropileni senden, aber weiter
waren sie nicht zu verfolgen.
Plate (1892) hat bei DentaHum dciititU- wahrscheinlich Siiuiesnervenzellen beob-
achtet. Das Tier besitzt eine große Zahl kleiner, keulenförmiger Tentakeln. Darin be-
ßndet sich eine Zellgruppe, welche Plate mit dem Namen Ganglienzellgruppe belegt,
welche aber der Beschreibimg nach wohl aus Sinnesnervenzellen besteht. Die „Gan-
glienzellen" haben doch Fortsätze, Endkolben, wie Plate sie nennt, welche mit einem
Stifte aus der Cuticula des Tentakels hervorragen und wahrscheinlich Tastorgane sind.
Diese Angaben Platks lauten weniger befremdend, wenn man die Ganglienzellen als
Sinnesnervenzellen betrachtet. Ihr Zusammenhang mit dem Nerven in fler Achse des
Tentakels oder mit dem Ganglion, worin dieser Nerv übergeht, war niclit nachzuweisen.
LAMELLIBRANCHIA.
119
Das Nervensystem der Lamellibranchia besteht aus den Cerebral-, Pedal-
iind Visceralganglien, (Fig. 50, g. c, g. p. und g. v.), welche durch lange Konnek-
tive (Fig. 50, c.p.k. und c.v.k.) und, wenn sie nicht paarweise ganz verwachsen
sind, durch kurze, auswendig sichtbare, andernfalls durch innere Kommissuren
verbunden sind. Die GangUen entsenden die peripheren Nerven.
Die Lamelhbranchier werden in Protoconchae und Heteroconchae
eingeteilt, welche beide Ordnungen ich nach einander besprechen will.
Fig. 50.
n.p.c
Flemming (1870) hat
im Jahre 1870 bei der Proto-
conche Mytilus dargetan,
daß die von ihm entdeckten
Pinselzellen Sinnesnervenzel -
len sind, das heißt also, daß
es Epithelsinneszellen sind,
welche selbst sich in einen
Nervenfortsatz oder eine
Nervenfaser verjüngen. Er
beobachtete ja im Mantel -
rande von Mytihis Sinneszel-
len mit einem Büschel Sin-
neshaare, Pinselzellen also,
zwischen den Epithelzellen
zerstreut und sah, daß sie
sich in Nervenfasern fort-
setzten, welche einen tiefer
gelegenen Nervenplexus bil-
deten, worin auch Ganglien-
zellen auftraten.
Ich bekam oft den
Eindruck, daß man meint,
daß Flemming hier in seinen
Pinselzellen einen ganz neuen
Zelltypus entdeckt hätte.
Das ist nicht wahr. Noch ehe
Flemming in seinen Pinsel -
Zellen Sinnesnervenzellen er-
kannte, hatte schon Babu-
CHiN (1865) die Stäbchen-
zellen in der Retina der Pulmonaten und im selben Jahre Hensen (18(55) die Sehzellen
oder Stäbchenzellen im Auge der Cephalopoden und von Pecten ganz deutlich als
Sinnesnervenzellen mit basalem Nervenfortsatz beschrieben. Sie waren also in der
Erkennung der Sinnesnervenzellen bei den Mollusken allen voraus. Ich komme auf
ihre Arbeiten noch zurück.
Ein anderer Teil des peripheren Nervensj'stems wurde von Dogiel (1877) studiert.
Er verkündete das Dasein apolarer Ganglienzellen zwischen den Muskelfasern des Atriums
des Herzens von Pecten maximus, also einer Art Ganglienzellen, welche nicht zur Kennt-
nis der Leitungsbahnen beitragen würde. Aber, wie ich schon einmal bemerkte, soll
man wahrscheinlich solche Zellen, wenn überhaupt als Ganglienzellen, als Neuroblasten
betrachten.
Nervensystem eines Lamellibranchiers.
Nach Bütschli (1912), Fig. 380.
c.
p. k = Cerebropedalkonnektiv
c.
V. k. = Cerebrovisceralkonnektiv
/. = Fuß
g. c. = ganglion cerebrale
q. p. = ganglion pedale
g. V. = ganglion viscerale
k. = Kieme
m. = Mund
n.
/;. c. = nervus pallialis circularis
Das Jahr 1886 bringt uns die Arbeit Pattens (1886), in der, soviel ich
weiß, zum ersten Male die Innervationsweise der Augen der Lamelhbranchier
geschildert wird. Der Artikel ist eine seltene Mischung richtiger und falscher
120 MOLLUSCA, LAMELLIBRANCHIA.
Beobachtungen und enthält daneben sehi" wichtige theoretische Anschauungen.
Ich glaube, es verdient den Vorzug erst die PATTENschen Beobachtungen, im-
merhin soweit sie sich auf meinen Gegenstand beziehen, und die Resultate
späterer Forscher desselben Objekts zu besprechen und nachher seine
theoretischen Anschauungen zu prüfen.
Bevor ich hier die speziellen Angaben Pattens wiedergebe, will ich zu
ihrer Erläuterung sagen, daß dieser amerikanische Forscher vom Bau der
Sehzellen der Mollusken- und Arthropodenaugen ganz andere Vorstellungen
hat, als wir später noch bei anderen Gelehrten kennen lernen werden. Vor-
greifend kann ich sagen, daß sie allgemein in den Sehzellen oder Retinazellen
oder \\de sonst die Zellen, welche den Lichtreiz empfangen, bezeichnet werden,
Sinnesnervenzellen erbücken, das heißt also Sinneszellen, deren Zellkörper
sich kontinuirlich in eine Nervenfaser fortsetzt, welche also einen Nerven-
fortsatz haben.
Nicht also Patten. Er betrachtet die Strukturelemente der Retina,
welche das Licht empfangen, Retinophoren, wie er sie nennt, nicht als
einheitliche Zellen, sondern als paarweise verwachsene Zellen. Von den beiden
Kernen bleibt in der Retinophore nur einer erhalten. Die Nervenfasern der
Retina sind nach ihm nicht Fortsätze der Retinophoren, sondern Fortsätze
unbekannter Ganglienzellen, welche die Retinophoren umschlingen. Eine
Nervenfaser, die axiale Nervenfaser, welche in der Achse der Retinophore
läuft, scheint sich im Inneren einer Zelle zu befinden, aber tatsächlich ist
es nach Patten eine Nervenfaser, welche ursprünglich zwischen den beiden
Zellen gelegen war, woraus die Retinophore hervorgegangen ist und welche
später bei der Verwachsung der beiden Zellen zu einer Retinophore innerhalb
derselben aufgenommen wurde. Diese axiale Nervenfaser (dieselbe, welche
auch von anderen Autoren gesehen wurde, aber m. E. als Neurofibrille der
Sehzelle zu deuten ist), geht allmählich in die Retinophore über und täuscht
also vor, ein Fortsatz der Retinophore zu sein, was aber, wie man begreifen
wdrd, nach Pattex durchaus nicht der Fall ist.
Sehen wir nun, was Patten besonders bei den protoconchen Lamel-
libranchiern beschreibt. Er befaßt sich zuerst mit Area Noae, wo drei Augenar-
ten gefunden worden : die zusammengestellten Augen, die invaginierten Augen
und die pseudolcuticulaten Augen, welche eine Zwischenstufe zwischen den
beiden vorigen bilden.
Die Retinophoren der zusammengestellten Augen tragen ein Stäbchen
an ihrer Oberfläche, das Patten besonders als zur Sinnesfunktion dienend
betrachtet, weil es reichlich innerviert ist. Die Retinophore wird in zweierlei
Weisen innerviert. Erstens durch die axiale Nervenfaser, welche sich l)is ins
Stäbchen fortsetzt und sich verzweigt. Diese Nervenfaser geht ganz allmähUch
in das spitze untere Ende der Retinophore über, ja selbst drückt Patten
sich so aus, daß er sagt : die Sj)itze der llctinophore verlängert sich in eine
Nervenfaser. Zweitens wird die Retinophore innerviert durch manche Nerven-
fasern, welche in der Länge neben den Retinophoren ziehen und neben den
Stäbchen schlingenartig anastomosieren, was aber nicht in Schnitten, sondern
nur in Mazerationspräparaten zu beobachten war.
PROTOCONCHAE. 121
Nicht nur die Retinophoren des Auges werden innerviert, sondern Patten
sah auch Nervenfasern an den Pigmentzellen des Auges und sogar an indiffe-
renten Epithelzellen enden. Da war aber der Uebergang der Nervenfaser in
die Zelle niemals allmählich sondern immer abrupt. Patten sah die Nerven-
faser oft verzweigt.
Das Epithel der Einsenkungen der invaginierten Augen, die Retina,
besteht aus Pigmentzellen und pigmentlosen Zellen. Beide sind nach Patten
mit einer dicken Cuticula bedeckt. In den unteren Schichten derselben ver-
zweigen sich manche Nervenfasern, welche zwischen den Retinazellen hin-
durch ins Bindegewebe darunter zu verfolgen, dann aber sch\^'er von Binde-
gewebsfasern zu unterscheiden sind. Wer die Richtigkeit der PATTENschen
Angaben bezweifelt, kann in diesem Bekenntnis einen Grund finden zur An-
nahme, daß Patten nur Bindegewebsfasern beobachtet hat. Aber Patten
selber ist überzeugt, daß es Nervenfasern sind, welche die Retinazellen
umspinnen und in der Cuticula enden.
Die Innervierung der pseudolenticulaten Augen endlich weicht nicht ab
von derjenigen der beiden anderen Augenarten.
Die Innervierung des Pecten-Auges stimmt nach Patten in manchen
Hinsichten mit derjenigen des Arca-Auges überein. Das Auge selbst ist sehr
komi:>liziert gebaut, wofür ich den Leser auf die Arbeiten über dieses Thema
verweise. Ich hoffe wenigstens solches tun zu können ohne der Deuthchleit
meiner Auseinandersetzungen zu schaden. Nur möchte ich bemerken, daß
das Auge invertiert ist, die Sehzellen der Retina also vom Lichte abgewendet
sind und daß der Sehnerv, bevor er ans Auge herantritt, sich teilt in einen
inneren oder basalen und einen äußeren oder lateralen Ast. Der nervus op-
ticus ist selber ein Zweig des nervus circumpallialis.
Patten beobachtete auch bei Pecten in der Retina Retinophoren. Wie
bei Area sind sie mit einer axialen und mit manchen sie umschlingenden Ner-
venfasern ausgestattet. Die axialen Nervenfasern setzen sich alle kontinuir-
lich in Nervenfasern des inneren Sehnerven fort. Sie sind nicht scharf be-
grenzt gegen der Retinophore, denn Patten sagt, die Retinophore bildet
sich an ihrer Basis in die Nervenfaser um. Die axialen Nervenfasern durch-
schreiten die Retinophoren und ihre Stäbchen und treten dann wieder aus
um sich gegenseitig mit Schhngen zu verbinden.
Die Nervenfasern, welche die Retinophoren umgeben, bilden Terminal-
netze an ihrer Oberfläche, oder sie verästeln sich wiederholt dichotomisch
und dringen wahrscheinlich auch in die Retinophoren ein. Sie anastomo-
sieren gegenseitig und wahrscheinlich auch mit den axialen Nervenfasern.
Diese Nervenfasern können die unmittelbaren Fortsetzungen von Nerven-
fasern des äußeren Sehnervenastes sein, aber meistens sind sie das nicht.
Dann sind sie entweder Fortsätze multipolarer Ganglienzellen, welche hier
und dort zwischen den Retinophoren liegen und welche einen anderen Aus-
läufer in den äußeren Sehnerven senden oder sie sind Fortsätze multipo-
larer GangHenzellen, welche in einer Schicht an der der Linse zugekehrten
Seite der Retinophoren liegen und ebenfalls nach Patten einen oder mehtere
Fortsätze in den äußeren Sehnerven schicken.
122 MOLLUSCA, LAMELLIBRANCHIA.
Die axialen Nervenfasern bilden also den einen, die Nervenfasern zwi-
schen den Retinophoren den anderen üpticusast. Das ist wenigstens was
Patten behauptet . .
Es sei hier gleich bemerkt, daß die Abbildungen, welche Patten von
beiden Ganghenzellarten gibt, geeignet sind großen Zweifel über die angeb-
Uche Natur dieser Zellen zu erregen.
Das Pecten-Auge war schon vor Patten oftmals in seinem Bau unter-
sucht worden, aber, so viel ich weiß, hat nur Mensen (1865) bestimmte Mit-
teilungen über die Innervierung gemacht. Er beschrieb in der Retina zwei
Zellschichten. Die erste ist die Ganghenzellschicht Pattens, die zweite ist
die Schicht der PATTENschen Retinophoren.
Es ist nun sehr merkwürdig, daß Mensen schon in klarer Weise' gesehen
hat, daß die Zellen der zweiten Schicht der Retina sich kontinuirUch fort-
setzen in die Nervenfasern des inneren Sehnerven, denn, obgleich Patten
ihn darin bekämpfte, hat er von späteren Autoren völhg Recht bekommen,
wie wir sehen werden.
Die Zellen der ersten Retina-Schicht, über deren Natur Mensen sich
nicht äußert, setzen sich nach ihm in die Nervenfasern des äußeren Seh-
nerven fort. Patten stimmt ihm darin bei, erkennt aber, wie wir sahen, nicht
wie Mensen, daß alle diese Nervenfasern Fortsätze der Zellen der Ganghen-
zellschicht sind.
Wie haben nun spätere Forscher die obengenannten Resultate Pattens
beurteilt ?
Rawitz (1888) konnte bei Pecten viele PATTENschen Angaben über die
Mistologie der Retina bestätigen, aber gerade nicht jene, welche die Inner-
vierungsweise betreffen. Er nennt die Retinophoren Stäbchenzellen und be-
trachtet sie als gewöhnhche, einheithche Sinneszellen, welche sich basal
ununterbrochen in Nervenfasern fortsetzen ; also als Sinnesnervenzellen. Die
Nervenfaser setzt sich zwar innerhalb der Zelle in eine axiale Nervenfaser
fort, aber diese endet dort und verläßt nie das Stäbchen, verzweigt sich nicht
und hängt nicht mit anderen axialen Nervenfasern zusammen. Auch Rawitz
konnte, eben so wie Patten beobachten, daß diese Nervenfasern unmittelbar
in (Ion inneren Ast des Sehnerven eintreten, wo sie nach ihm bisweilen in
multipolare Ganglienzellen übergehen.
Was aber tun nach Rawitz die Nervenfasern des äußeren Opticus-
zweiges ? Auch er betrachtet in Uebereinstimmung mit Patten che multi-
^olaren Zellen zwischen den Stäbchenzellen und jene, welche in einer Schicht
an der der Linse zugekehrten Seite der Stäbchenzellen gelagert sind als Gan-
ghenzcllen, obgleich die erstgenannten Zellen fast zyto))lasmafrei und in den
RAWiTZschen Figuren durchaus nicht ganglicnzellähnlich sind. Rawitz nun
teilt uns mit, daß die Nervenfasern des äußeren Opticus alle Fortsätze der
Zellen der Ganghenzellschicht sind. Diese multipolaren Ganglienzellen sind
unmittelbar mit einander verbunden durch andere Fortsätze, aber auch senden
sie einen Ausläufer zu den multipolaren GangUenzellen zwischen den Stäb-
chenzellen. Die Fortsätze der letztgenannten Ganglienzellen bilden ihrerseits
ein Flechtwerk um die Stäbchenzellen und dringen bisweilen darin ein, ohne
je mit der axialen Nervenfaser zu anastomosieren.
PROTOCONCHAE. 123
Rawitz erkennt also in Uebereinstimmung mit Patten die doppelte
Innervation der Stäbchenzellen an, aber im Gegensatz zu ihm meint er, daß
die die Stäbchenzellen umschUngenden Nervenfasern nur Fortsätze der
zwischenUegenden Ganglienzellen sind und nicht dreierlei Ursprung haben.
Ich gestehe aber, daß die RAWiTZschen Untersuchungen mir nicht ganz
zuverlässig scheinen.
Carriere (1889), welcher von Patten wegen seiner Studien der Mol-
luskenaugen bekämpft worden war, kehrt, dazu veranlaßt durch die Rawitz -
sehe Arbeit, noch einmal zu diesem Thema zurück. Auch jetzt macht er nicht
auf mich den Eindruck ganz klare Vorstellungen über die Innervierung der
Sehzellen zu haben. So sagt er über das zusammengesetzte Auge von Area
Noae, daß die Sehzelle, welcher er, wie alle andere Autoren, die Doppelnatur
abspricht, nach innen sich in zahlreiche Fasern fortsetze, welche sich viel-
leicht mit Nervenfasern verbänden oder selbst Nervenfasern seien, welche an
die Zelle heranträten. Er konnte die Nervenfasern, welche nach Patten die
Sehzellen umspinnen sollen, nicht beobachten.
Bei Pecten sah Carriere wohl den Achsenfaden in der Sehzelle (Stäb-
chenzelle), aber er weiß nicht, ob er sich verästele und ob es ein Nervenfaden
sei. Betreffs der Innervierung der Stäbchenzelle steht nur fest, daß sie ver-
bunden ist mit einer Nervenfaser des inneren Sehnervenastes.
Während Carriere also die umschlingenden Nervenfasern der Sehzellen
ganz verneint, streiten seine Beobachtungen nicht mit der Ansicht, daß die
Sehzellen Sinnesnervenzellen sind.
Rawitz hat die Augen von Area Noae erst in der Fortsetzung seiner eben
erwähnten Arbeit (Raavitz 1890) besprochen. Er teilt uns mit, daß im zusam-
mengesetzten Auge von Area Noae, Area barbata, Area tetragona und Pee-
tunculus glycimeris kegelförmige Sehzellen sichtbar sind, deren spitzes unteres
Ende sich in eine Nervenfaser fortsetzt, welche im Augennerven weiterzieht.
Diese Beschreibung schildert also die Sehzellen als wahre Sinnesnervenzellen.
Die die Sehzellen lunschlingenden Nervenfasern, welche Patten erwähnte,
existieren nicht nach Rawitz.
Zehn Jalu"e nach Rawitz hat auch Hesse (1900) die Augen einiger
Lamellibranchier studiert. Bei Lima squamosa fand er die Sehzellen als Sin-
nesnervenzellen ausgebildet, das heißt, er beobachtete, wie die Zellen sich
basal kontinuirhch in Nervenfasern fortsetzen, welche zum Ringnerven des
Mantels ziehen.
Aber auch Pecten und Spondylus hat Hesse seine Aufmerksamkeit
gcAvidmet und ich glaube die glänzenden Resultate dieses Forschers über alle
vorigen stellen zu können. Hesse spricht es abermals offen aus, daß die
Sehzellen der Retina sich in Nervenfasern verjüngen, welche sich zum inneren
oder basalen Ast des nervus opticus vereinigen. Aber Nervenfasern, welche
die Sehzellen umschlingen, sieht er nicht und betreffs der multipolaren Gan-
glienzellen, welche Patten und Rawitz annahmen, hat er ganz andere An-
sichten. Die Zellen, welche in einer Schicht den Sehzellen aufliegen, nennt er
Distalzellen. Ihre wahre Natur konnte er leider nicht entscheiden, aber er
hat ganz überzeugend dargetan (man sehe seine Abbildungen), daß es keine
124 MOLLUSCA, LAMELLIBRANCHL\.
Ganglienzellen sind und er leugnet auch jede Verbindung dieser Zellen mit
Nervenfasern.
Die Zellen, welche zwischen den Stäbchenzellen Hegen und welche von
Patten und Rawitz ebenfalls als multipolare Ganglienzellen betrachtet wur-
den, nennt er ZA\ischenzellen und er glaubt, es seien optische Sinneszellen,
weil sie jede einen Fortsatz aussenden, welcher eine Nervenfaser des äußeren
Sehnerven wird. Solche Zwischenzellen kommen aber auch vereinzelt zwi-
schen den Distalzellen vor.
Statt Stäbchenzellen mit doppelter Innervation, sieht Hesse also im
Pectenauge zwei Arten von Sinneszellen (Stäbchen- und Zwischenzellen),
jede nach dem Typus der Sinnesnervenzelle gebaut und jede einen beson-
deren Zweig des Sehnerven bildend.
Kehren wir jetzt zu der Arbeit Pattens (1886) zurück um darüber zu
urteilen. Da will ich betonen, daß Patten im Auge der LameUibranchier
keine Sinnesnervenzelien erkennt, aber gerade die zwei anderen Weisen der
sensibelen Innervation zu sehen glaubt, nämüch frei, zwischen indifferenten
Epithclzellen endende Nervenfasern — so im Auge, wie im Körperepithel —
und wahre Sinneszellen, die Retinophoren, die von Nervenfasern, welche
Fortsätze (sensibeler) Ganglienzellen sind, umgeben und durchsetzt werden.
Spätere Untersuchungen haben aber meines Erachtens unzweifelbar ergeben,
daß die Sehzellen jedenfalls Sinnesnervenzellen sind, welche nicht von Ner-
venfasern umgeben sind, sondern nur sich ganz einfach in einen Nerven-
fortsatz verlängern.
Patten hat also mit Unrecht gemeint in der Retina andere Nervenfasern
als die basalen Fortsätze der Sehzellen (und bei Pecten auch der Zwischen-
zellen) zu sehen und da bleibt es leider zweifelhaft, ob wir ihm glauben können,
wenn er behauptet, im indifferenten Epithel endende sensibele Nervenfasern
beobachtet zu haben, obgleich solche vor ihm von Edinger (1877) und spä-
ter von anderen Forschern tatsächhch im allgemeinen bei Mollusken gefunden
sind, was nicht von wahren Sinneszellen mit hera^ntretenden Fortsätzen sen-
sibeler Ganglienzellen, wie doch die Retinophoren sein würden, gesagt werden
kann. Es verlangt deshalb die Vorsicht, daß die PATTENschen Angaben über
frei von allen Sinneszellen endende Nervenfasern noch genau, das heißt
an derselben Stelle desselben Tieres Bestätigung erlangen, ehe wir ihm in
diesem Punkte Glauben beimessen.
Ich bin jetzt bei der Besprechung der theoretischen iiiid hypothetischen
«Anschauungen Pattens angelangt.
Patten glaubt im allgemeinen bei Mollusken in der Uvistenz sensibeler
Ganglienzellen, welche frei von Sinneszellen zwischen indifferenten Epithel-
zellen endende Nervenfasern aussenden und gewiß mit Recht, sei es denn,
daß er selber oder nur andere vor und nach ihm diese Zellen und Nervenfasern
nachgewiesen haben. Er hat sich nun über die ontogenetische Entwicklung
dieser Ganglienzellen bei Mollusken V^orstellungen gebildet, womit meine An-
schauungen über die phylogcnetisciie Entwicklung dieser Ganglienzellen bei
den Würmern bis in Einzelheiten übereinstimmen. Ich habe diese Ansichten
schon S. 11 als Erweiterung der HERTWiGschen Hypothese niedergelegt.
PROTOCONCHAE. 125
Nach Patten gibt es im Epithel „junge GangHenzellen" mit bipolarem
Zellkörper, welcher sich einerseits in einen peripheren Fortsatz mit Sinnes-
haar, andrerseits in eine Nervenfaser fortsetzt. Das sind also Zellen, wie die
FLEMMiNGschen Pinselzellen, welche schon vor Patten bekannt waren, oder
Sinnesnervenzellen, wie ich sie allenthalben nenne. Der Zellkörper dieser
Zellen kann auch unter das Epithel gerückt sein und nach Patten auch weitere
Umwandlungen erfahren. Die Zelle würde ihr Sinneshaar verlieren können,
der periphere Fortsatz würde sich verästeln zwischen den indifferenten Epi-
thelzellen, der Zellkörper würde immer tiefer versinken und multipolar wer-
den, wonach aus der ,, jungen Ganghenzelle" eine multipolare, sensibele Gan-
ghenzelle mit freiem, sich im Epithel verästelndem Fortsatz entstanden sein
würde.
Es ist mir nicht klar, auf welchen Tatsachen diese Hypothese Pattens
fußt, nur ist deutlich, daß seine ,, junge Ganglienzellen" Sinnesnervenzellen
sind und Patten hat also schon vor sehr langer Zeit, zu einer Zeit, wo die
Sinnesnervenzellen der Evertebraten zwar schon lange bekannt waren, aber
die MögHchkeit, daß daneben wie bei den Vertebraten, so auch bei Everte-
braten sensibele GangHenzellen, unabhängig von Sinneszellen, vorkommen
konnten, sich gerade auf tat, in erstaunlicher Weise die gegenseitigen Bezie-
hungen dieser beiden Zellarten geahnt.
Jetzt, wo unsere Kenntnis mit sovielen Tatsachen bereichert worden ist,
erlaube ich mir die PATTENschen Gedanken in etwas anderer Weise anzuwenden
und wie man weiß die Hypothese aufzustellen, daß die sensibelen GangHen-
zellen nicht ontogenetisch bei den Mollusken — über die Ontogenie dieser
Zellen bei den Mollusken ist mir nichts bekannt — aber phylogenetisch bei
den Würmern von Sinnesnervenzellen herstammen. Daß man den betreffen-
den sensibelen GangHenzellen auch schon bei den niederen Würmern begegnet,
konnte freilich Patten damals noch nicht bekannt sein. Die Zwischenstufen
zwischen beiden ZeUarten sind später bei Mollusken von Veratti in sehr
schöner Weise dargetan (Vergl. S. 153).
Patten hat noch weitere allgemeine Betrachtungen über die Reizlei-
tungsbahnen geäußert, welche sich aber nicht bewahrheitet haben. So glaubte
er, daß sich niemals Nervenfasern des Zentralnervensystems unmitttelbar
mit Sinneszellen der Epidermis vereinigten, sondern daß immer periphere
GangHenzellen dazwischen geschaltet seien und daß Sinnesnervenzellen
wahrscheinlich immer unmittelbar Muskelfasern innervierten ohne Vermitt-
lung des Zentralnervensystems.
Kehren wir jetzt wieder zu den tatsächHchen Mitteilungen über Leitungs-
bahnen zurück.
Rawitz hat in drei umfangreichen Artikeln (Rawitz 1888, 1890 und 1892) das
Resultat seiner Studien über den Mantelrand der Lamellibranchier niedergelegt und
dabei aiich bei den Protoconchen an manchen Stellen Sinnesnervenzellen, vereinzelte
oder in Sinnesorgane gruppierte, wahrgenommen. Ich werde nur jene Fälle nennen,
wo Rawitz nachdrücldich den Uebergang der Zelle in eine Nervenfaser betont. Beson-
ders haben Zupfpräparate Rawitz gute Dienste geleistet.
Bei Anomia ephippium ist der Mantelrand links und z-echts nicht übereinstimmend
126 MOLLUSCA, LAMELLIBRANCHIA.
gebaut. Rechts fand Rawitz Sinnesnoi-xoiizollen im Epithel mit zwei Fortsätzen. Jenei',
welcher nach Hawitz lialbwegs der Zellhöhe an den Kern herantritt, soll die Nerven-
faser sein. Ich finde aber keinen Anlaß heute noch an aus dem Kerne hervorgehen-
de Nervenfasern zu glauben und meine deshalb, daß diese Faser ein Zellfortsatz ist.
Links im Mantelrande gibt es zwei Sinnesnervenzellarten, beide mit einem basalen Fort-
satz, welcher eine Nervenfaser ist. Alle Sinnesnervenzellen tragen Sinneshaare. Auch
ins Epithel der Tentakeln des Mantelrandes sind Sinnesnervenzellen gestellt.
Im Mantelrande von Anomia befindet sich ein Ringnerv, der nervus pallialis cir-
culario, welcher multipolare Ganglienzellen enthält. Seine Seitenäste innervieren nach
Rawitz die Sinnesnervenzellen, was wir wohl so zu verstehen haben, daß ilire Nerven-
fortsätze zusamnaen diese Aeste bilden.
Ostrea edulis, die Auster, hat zweierlei Sinnesnervenzellen im ^lantelrande und in
den Tentakeln, beide mit basalem oder aus dem ,, Kerne" hervorgehendem Nerven-
fortsatz. Das Verhalten dieser Nervenfasern zum Ringnerven ist dasselbe, wie bei
Anomia.
Lima hians und inflata haben neben Sinnestentakeln auch Drüsententakeln. Beide,
aber besonders erstere, haben Sinnesnervenzellen oder Pinselzellen, wie Flemming sagen
würde, in ihrem Epithel. Sie besitzen nach Rawitz (1888) einen basalen Haftfortsatz
und halbwegs der Zelle fängt ein Nervenfortsatz im Kerne oder im nucleolus an. Diese
Nervenfortsätze bilden ein Bündel im Tentakel, welches ein Seitenast des Ringnerven
ist. Der Ringnerv enthält multipolare Ganglienzellen, nicht also die Tentakelnerven.
Manche Pecten-Arten und auch Spondylus gaederopus sind iTiit Sinnesnerven-
zellen in den Tentakeln des Mantelrandes ausgestattet. Diese tragen Sinneshaare und
haben nur basale Nervenfortsätze, welche wiederum in Seitenäste des Ringnerven ein-
treten.
Die Arcacea wurden im zweiten Teile der R.\wiTZschen Untersuchungen beschrie-
ben (1890). Hier wurden bei Area Noae, barbata und tetragona, ebenso wie bei Pectun-
culus glycimeris Sinnesnervenzellen im Mantelrande aufgefunden. Die Mytilacea waren
schon von Flemming nachgeforscht worden, welcher bei Mj^tilus edulis Sinnesnerven-
zellen in der Gestalt der Pinselzellen entdeckte. Rawitz konnte dies bestätigen und
sah solche Zellen auch im Mantelrande von Modiola barbata und Lithodomus dactylus.
Später (Rawitz 1892) hat er Pinselzellen, wie Flemming sie fand mid also mit basalem
Nervenfortsatz auch in den Siphopapillen und dem Mantelrande von Dreissenia poly-
morpha gemeldet.
Die Lucinacea fanden im dritten Teile der RAWiTZschen Arbeit (1892) Erwähnung.
Bei Cardita sulcata gibt es Pinselzellen mit basalem Nervenfortsatz im Mantelrande und
diese Nervenfortsätze ziehen wiederum in den Ringnerven des Mantelrandes. Astarte
fusca und Lucina spinifera stimmen offenbar mit Cardita überein.
In denselben Jahren als Rawitz seine Untersuchungen veröffentlichte, hat auch
Thiele (1889) Sinnesnervenzellen zu entdecken gemeint unil zwar in flen abdominalen
Sinnesorganen der Lamellibranchia. Die Sinneszellen im Epithel setzten sich in eine
Nervenfaser fort, welche wahrscheinlich mit einer bipolaren (Janglienzelle verbimden war.
Fest steht aber, daß der zweite Fortsatz dieser Ganglienzelle sich in den Nerven des
Organs begab.
Jetzt bin ich fast am Ende mit der Behandlung der Protoconchae und
noch habe ich nichts über das Zentralnervensystem dieser Tiere erzählt. Ich
habe tatsächüch nur eine einzige Arbeit über dieses Thema ausfindig machen
können ; das ist aber eine sehr gute, obgleich es keine unnütze Tat sein würde,
die darin niedergelegten Resultate mit modernen, spezifischen Untersuchungs-
methoden näher zu prüfen.
Die Arbeit, welche ich meine, ist der Aufsatz Rawitz' (1887), in dem
die Wege der Nervenfasern im Cerebral-, Pedal- und Visceralganglion von
Mytilus beschrieben werden. Es ist jedoch schade, daß Rawitz nur selten sich
PROTOCONCHAE.
127
bestimmt darüber äußert, ob die Nervenfasern Fortsätze der Ganglienzellen
des Ganglions, oder ob es im Ganglion endende Nervenfasern sind, welche
aus anderswo gestellten Ganglienzellen hervorgehen. Der wahre Beginn oder
das Ende der Bahn ist also nur selten bekannt, aber übrigens .sind die Rawitz-
schen Angaben so bestimmt und können sie nach meiner Meinung späteren
Forschern soviel nützen, daß ich sie trotzdem hier alle referieren will. In
meinen Figuren 51, 52 und 53, welche nach den RAWiTZschen angefertigt
worden sind, habe ich die verschiedenen Ganglienzellgruppen durch Strichel-
linien begrenzt. Von innerhalb dieser Arealen sich begebenden Bahnen meldet
R AWITZ nicht, ob sie dort enden oder aus Ganghenzellen entspringen.
Fig. 51.
Die Cerebralganglien von Mytilus.
Abgeändert nach Rawitz (1887), Fig. 91, Taf. 28.
a, a', a ', c, c , c", d, d', d", und e bis i = Nervenfasern
b, h\ h" = Ganglienzellen
c. c. = commissura cerebralis
c. p. Je. = Cerebropedalkonnektiv
c V. k. ~ Cerebrovisceralkonnektiv
p. n. = peripherer Nerv
Die Striehellinien begrenzen die Ganglienzellgruppen vom Neuropilemab.
Die beiden Cerebralganghen von Mytilus werden durch eine Cerebral-
kommissur vereinigt (Fig. 51, c.c). Mit den Pedal- und Visceralganglien sind
sie durch die Cerebropedal- und Cerebrovisceralkonnektive verbunden (Fig.
51, cp.k. und c.v.k.). Außerdem entsenden sie drei periphere Nerven (Fig.
51, 'p.n.).
Die Ganglienzellen sind in vier periphere Gruppen gestellt : eine vor-
dere, eine laterale, eine mediale und eine Gruppe zwischen den beiden Kon-
nektiven. Das Neuropilem nimmt die Mitte des GangHons ein und wird nach
Rawitz im allgemeinen aus Nervenfasern, welche Fortsätze der Ganghen-
zellen in der Peripherie des GangHons sind, zusammengesetzt.
Die drei peripheren Nerven führen alle sensibele Nervenfasern, welche
lateral im Ganglion enden (Fig. 51, a, a\ a"). (Rawitz sagt anfangen, aber
128
MOLLUSCA, LAMELLIBRANCHLA..
wenn es wirklich sensibele Nervenfasern sind, befinden sich ihre GangUen-
zellen und also ihr Anfang außerhalb des Ganghons.)
Daneben enthalten die drei Nerven motorische Nervenfasern, welche aus
lateralen Ganglienzellen hervorgehen, nicht aber aus Zellen desselben Gan-
glions, sondern aus Zellen des Ganghons der anderen Seite. Diese Nervenfa-
sern kreuzen also in der Cerebralkommissur (Fig. 51, b, h\ ly').
Motorische Nervenfasern werden auch von den drei Nerven aus dem
Cerebrovisceralkonnektiv (Fig. 51,
Fig. 52.
Die Pedalganglion von M3'tilu.s.
Abgeändert nach Rawitz (1887), Fig.
92, Taf. 28.
a bis d = Ganglienzellen
e bis i = Nervenfasern
c. p. k. = Cerebropedalkonnektiv
n. g. = Xervengruppe
p. c. = commissura pedalis
Die Strichellinien grenzen die Ganglien -
Zellgruppen vom Neiiropilem ab.
c, c', c') und aus dem Cerebropedal-
konnektiv (Fig. 51, (/, (/', (/'■)
empfangen.
Die Cerebropedalkonnektive
enthalten weiter Nervenfasern, wel-
che sich zur medianen Ganglienzell-
gruppe begeben (Fig. 51, e) und
die Cerebrovisceralkonnektive sol-
che zur GangUenzellgruppe zmschen
den beiden Konnektiven (Fig. 51,/).
Die vordere Ganghenzellgruppe
sendet Nervenfasern in die Cerebral-
kommissur (Fig. 51, g) und auch
in die beiden Konnektive (Fig. 51,
h, i). Ob es wirklich die dortigen
Ganghenzellen sind, woraus diese
Fasern hervorgehen, ist nicht be-
kannt, ebensowenig kennen war ihre
weiteren Wege.
Die beiden Pedalganglien sind
durch die kurze Pedalkommissur
(Fig. 52, p.c.) verbunden. Sie senden
eine ganze Gruppe peripherer Ner-
ven aus (Fig. 52, n.g.), welche aber
in der Fig. 52 von mir nicht unterschieden werden, weil auch Rawitz sie
hinsichthch ihrer Hodologic zusammenfaßt. Wie bekannt bilden die Cere-
bropedalkonnektive (Fig. 52, cp.k). eine Faserbrücke zwischen den Cere-
bral- und den Pedalganglien.
r Im Ganglion unterscheidet Rawitz eine vordere, eine liintere und eine
laterale Ganghenzellgruppe. Ganglienzellen der vorderen Gruppe besitzen
P'ortsätze, welche in das Cerebropedalkonnektiv derselben oder der anderen
Seite ziehen (Fig. 52, a und h). Die letztgenannten Nervenfasern durch-
setzen dabei die Kommissur.
GangUenzellen der hinteren Gru|)pe senden mit oder ohne Kreuzung der
Medianlinie ihre Nervenfasern in die peripheren Nerven (Fig. 52, c und d).
Die Ursprungszellen der anderen Leitungsbahnen sind nicht genau be-
kannt. Viele beginnen oder enden in der lateralen Gangiienzellgruj)!»'. Wenn
diese Fasersysteme in die l'edalkommissui- ziehen, laufen sie weiter in die
PROTOCONCHAE,
129
Fig. 53.
peripheren Nerven (Fig. 52. e) oder das Cerebropedalkonnektiv (Fig. 52, /)
und das gleiche können sie tun, ohne vorher zu kreuzen (Fig. 52, g und h.).
Ueberdies wird das Pedalganglion ganz durchzogen von Nervenfasern,
welche einerseits durch die Cerebropedalkonnektive in dem Cerebralganglion,
andrerseits in den peripheren Nerven verschwinden (Fig. 52, i).
Die beiden Visceralganglien sind bei Mytilus zu einer einheitlichen Masse
verwachsen, aber bei anderen Lamellibranchiern sind sie das nicht. Das Vis-
ceralganglion (Fig. 53) hat vorn, hinten und an beiden Seiten periphere Gan-
glienzellgruppen. Nach vorn ist es durch das Cerebrovisceralkonnektiv (Fig.
53, cv.k.) mit dem Cerebral-
ganglion verbunden. Daneben
geht der Kiemen nerv (Fig. 53,
k.n.) ab. Nach hinten treten
der Mantelnerv (nervus pal-
lialis Fig. 53, n.j).) und die
Nerven zu den Muskeln des
Körpers, in der Figur 53 wie
ein einziger Nervenstamm
{m.7i.) dargestellt, aus.
R AWITZ erwähnt sehr viele
Fasersysteme, leider alle ohne
die zugehörigen Ganglienzellen
genau nachzuweisen.
Es gibt Nervenfasern, wel-
che von der lateralen Ganghen-
zellgruppe in den Mantelner-
ven (Fig. 53, a) oder den Mus-
keln.erven (b) oder den Kiemen-
nerven (c) gehen.
Andere Nervenfasern ver-
binden die hintere Zell-
grujjpe mit dem Muskelnerven
(Fig. 53, d) oder dem Mantelnerven (e).
Die vordere Ganghenzellgruppe ist Ursprungsstelle für Fasern des Kie-
mennerven (Fig. 53, /) und des Muskelnerven (g).
Noch andere Nervenfasern kommen aus dem Cerebrovisceralkonnektiv
und schreiten teils in den Mantelnerven (Fig. 53, h), teils in den Muskelnerven
hinein {i).
Keines dieser Systeme kreuzt die Medianebene, andere aber wohl. Die
laterale Ganghenzellgruppe sendet Nervenfasern zum Kiemennerven aus
(Fig. 53, j) oder vielleicht zum Konnektiv ; das ist mir aus der Beschreibung
Rawitz' nicht ganz klar geworden. Ebenso verlassen andere Nervenfasern
diese Ganghenzellgruppe um in den entgegengesetzten Mantelnerven (Fig.
53, k) oder Muskelnerven (l) auszutreten.
Die Cerebrovisceralkonnektive führen Nervenfasern mit sich, welche die
m.a. >■ ^rn
^"isceralgang'ion von Mytilus.
Abgeändert nach Rawitz (1887), Fig. 93,
Taf. 28.
a bi.s r = Nervenfasern
c. V. k. = Cerebrovisceralkonnektiv^
k. n. = Kiemennerv"
?n. n. = Muskelnerv^en
n. p. = nervus pallialis
Die Strichellinien grenzen die Ganglienzell-
gruppen vom Neuropilem ab.
DROOGLEEVER FORTUYN
130 MOLLUSCA, LAMELLIBKANCHIA.
Medianlinie des Ganglions überschreiten und in den Musk(^lnerven (Fig. Ö3. ;/?)
oder den Mantelnerven {n) austreten.
Ebenso erhalten sie Nervenfasern aus der vorderen Ganglienzellgriippe
und zwar derselben (Fig. 53, p) oder der gekreuzten Seite (o).
Schließlich ist auch die hintere Ganglienzellgruppe mit dem korrespon-
dierenden und dem gekreuzten C'erebrovisceralkonnektiv verbunden (Fig.
.")3, q und r).
Bei anderen Lamellibrancliicni w ami die Fasersysteine nicht .so bequem zu enüeren.
Pecten iacobaeus i.st sehr abweichend gebaut, wenig.stens im Vi.seeralganghon. Was
I^AWITZ über die Leitungshahnen mitteih, ist ahev zu unvollständig um hier wieder-
gegeben zu werden.
Unio, also eine Heteroconchc. entl:)ehrt in seinem Pedalganglion die ( Janglienzellen
h und d imd die Kommissurfasern laufen in Bündeln b(>isammen. Das i.st alles, was
K.wviTZ als rnterschiedsmerkmale mit Mytilus anführt.
Es bleiben jetzt noch die heteroconchen Lamellibrancliier zur Bespre-
chung übrig.
Aucii hier wuiden ziemlich fiiih Sinnesnervenzellen, oft in der ( Jestalt der Flemmino-
.schen Pinselzellen, entdeckt. So von Dko.st (1887) hei Cardium edule im ^lantelrande
imhen w iirtle.
Endlich hat l'holas dactylus no<-h Simiesnei venzeileii in den Siphopapillen, d(>ren
Nervenfoitsätze in den Nerven der Papilienachse ziehen. Solche! Siimesneivenzellen
stehen »luch in der Si|)h(i-Aul.)eii(iäehe.
HETEROCONCHAE. 131
Man bekommt also aus den RAWiTZschen Untersuchungen bestimmt den Eindruck,
daß die Sinnesnervenzellen bei Lamellibranchia eine weitverbreitete Erscheinung sind,
Freidenfelt (1896) hat auch mit Hilfe der vitalen Methylenblau-Methode bei
einer Heteroconche und zwar Mactra elliptica Sinnesnervenzellen entdeckt. Sie liegen
auch hier in den Papillen des Mantelrandes. Ihr bipolarer Zellkörper ist tief unter dem
Epithel gelegen, aber ihr Sinnesfortsatz dringt darin bis zur Cuticula diu'ch. Freidenfelt
beobachtete weiter die interessante Tatsache, daß ihr Nervenfortsatz sich meistens
gabelte, aber die Aeste endeten, nachdem sie eine gewisse Strecke zurückgelegt hatten,
ohne daß ihr Zusammenhang mit dem übrigen Nervensystem sichtbar war.
Später hat Freidenfelt (1897) diese Angaben insofern widerrufen, als er behaup-
tete damals nur Bindegewebszellen zu Gesicht bekommen zu haben, während wahre
Sinnesnervenzellen mit ebenfalls subepithelialem Zellkörper doch an gleicher Stelle
vorkommen. Diese Zellen werden dm-ch ihre Sinneshaare als Sinneszellen gekenn-
zeichnet. Ich glaube, es ließe sich fragen, ob am Ende nicht zwei Arten Sinnesnerven-
zellen im Mantelrande von Mactra vorhanden wären.
Die Nerven des Mantelrandes ließen nach Freidenfelt (1896) auch Nervenfasern
aus sich hervorgehen, welche sich in den Papillen des Mantelrandes verästelten. Er
blieb in Unsicherheit, ob sie zu den Sinneszellen in Verhältnis ständen. Seiner Abbildung
nach würde man das verneinen und da wären es also frei endende, sensibele Nervenfasern.
Freidenfelt (1897) ist auch, wenn ich mich nicht irre, neben Rawitz
der einzige Forscher gewesen, welcher sicli bemüht hat, die Wege im Zentral-
nervensystem einer Heteroconche zu entwirren. Er hat das Visceralganglion
von Anodonta mit modernen Färbungsmethoden untersucht, aber die Gol-
Gische Methode wollte ihm nicht gelingen.
Aus dem Visceralganghon gehen drei nervi palliales posteriores hervor,
ein mittlerer, großer und zwei seitliche, kleine. In der Nähe ihrer Wurzeln
liegen manche unipolare, einige wenige bipolare und auch multipolare Gan-
glienzellen, welche Freidenfelt als Anhänger der Neuronenlehre Neuronen
nennt. Einige senden ihren Neuriten in den Nerven hinein. Es gibt aber auch
Ganglienzellen mit nur kurzen, gleich verästelten Fortsätzen, welche Frei-
denfelt als zur Assoziation dienende Neuronen betrachtet. Ich stimme ihm
darin gerne bei. Sie liegen angehäuft zwischen den Wurzeln des nervus pal-
lialis posterior und des nervus branchiaUs, wo sie nach Freidenfelt sogar
ein laterales Assoziationszentrum bilden.
Der nervus branchiahs oder Kiemennerv enthält selber Ganglienzellen
und ist nach Freidenfelt ein selbständiges sensomotorisches Zentrum.
Seine Fasern gehen zu den Kiemenmuskeln und andere umschhngen Epithel-
zellen der Kiemen, sind also frei von Sinneszellen endende sensibele Nerven-
fasern. Noch andere aber .sind die zentralwärts ziehenden Nervenfortsätze
der Sinnesnervenzellen' des Osphradiums, unter welchem Sinnesorgan der
nervus branchiahs läuft.
Ich kann jetzt zur dritten Klasse der Mollusken übergehen, zur Klasse
der Gastropoden. Auch hier besteht das Zentralnervensystem meistens aus
gut gesonderten GangHen durch Kommissuren und Konnektive verbunden,
aber die Zahl der Ganglien ist größer als bei den LameUibranchiern, haupt-
sächUch durch die Entwicklung der Pleural- und Parietalgangüen im
Cerebrovisceralkonnektiv. Aus den Ganglien gehen wiederum die peripheren
132
MOLH^SCA, GASTRüPODA.
Nerven hervor. Als Beispiel des Nervensystems einer Gastropode gebe ich
hier dasjenige eines Prosobranchiers (Buccinum, Fig. ö4).
Man ordnet die Gastropoda in fünf Ordnungen. Daruntci' sind die Piil-
monaten besonders gut in ihren Leitungsbahnen bekannt, abei- bei den Pte-
ropoden fehlen, soviel ich weiß, alle diesbezüglichen Angaben.
Ich will aber nnt der Ordnung der Opistho-
'''?• ^^- branchier anfangen. Die frühesten Angaben be-
ziehen sich wiedei'um auf das periphei-e Nerven-
system.
l.ACAZK-DuTHiKRS (iStiö) eiitclocktc bei 'JVth\-.s
l('])orinii einen Nervenplexus mit Cianglien im velum
liuccale. Damit ist noch nicht gesagt, wie die Xei'ven-
faseiii sich \-crhahcii. aber man wird keine große
Aussicht lial)en darin bestimmte Leitungsbahnen zu
eikeimeii. \'iel wahisclieinlicher ist es, daß, wie so
oft im ])eri})lieren Nervensystem der Molhisken, die
( Janghenzellen selbst durch ihi'e P\)i'tsätze zu einem
( JangUenzellplexus verbunden siud. denn solche Ver-
hältnisse fand H. Schultze (IST*.)) im allgemeinen bei
<\i'n CJastropoden im Magen-Darmner\en.
Nachdem Dietl (1S78) im allgemeinen be-
hauptet hatte, daß bei Tethys fimbria die Gang-
lienzellen der Ganglien ihre Fortsätze ins Neuro-
pilem senden, konnte De Nabias (1894) uns
einige mehr bestimmte Mitteilungen über A])]y-
sia punctata überliefern.
Das linke, hintere Visceralganglion bringt
den Genitalnerven hervor und darin begeben sich
Foitsätze von Ganglienzellen des Ganglions.
Ebenso den Rectalnerven, dessen Fasern aber
größtenteils aus dem vorderen Visceralganglion
herstammen.
Das rechte, hintere Visceralganglion sendet
zwei Pericardnerven aus, welche Nervenfasern
enthalten, die aus Ganglienzellen des vorderen
\'isceralganglions hervorgehen. Neben den Wur-
zeln dieser beiden Neiven Hegen hingegen kleine
Cianglienzellen. welche ihie Fortsätze in umge-
kehrter Pichtung zur Seite des Cerebralganglions
senden.
Ein anderer Nerv verläßt dieses Ganglion um
zui- l'mgcbung der (icnitaloll'nung zu gehen. Ei' wird gebildet durch {'"oit-
sätze von Ganglienzellen aus dicseiu und dein koncspoiidici-endcn (Janglion
der anderen Seite.
Endlich geht auch dci' Kieiucniiei\'. cigciillicli ein I )()p|)(>lnerv. aus diesem
Ganglion hervor und fiiliit Xcrvcnfasern. welche l-'ortsätze der Ganglien-
zellen dieses Ganglions sind.
Nervensystem einer (la.stro-
pode (Bnecimmn).
Nacli BüTscMi.i (ini2). Fig.
:}71.
ff. b. — ganglion buccale
g. c. = ganglion cerebrale
fj.p. ^ ganglion pedale
1/. pnr. — ganglion parietah
!/■ })l . ganglion pleiirale
f/. '". = ganglifui viscerale
n. o. = nervws opticus
n. t. = ner\'us tentacnlaris
0. or. = Auge
Die gestrichelten Teile der
Koimektive stellen eine Un
terbieclnui'' dcrsejlxn dai-.
OPIHTllOBRANClirA. 133
Aplysia ist abermals von Gilchrtsi' (IS<)7) hodologisch untersucht wor-
den und zwar mit Hilfe der BETiiEschen Methylenblau-Methode. Er hat seine
Aufmerksamkeit sowohl dem zentralen, wie dem peripheren Nervensystem
zugewandt.
GiLCHRiST entdeckte in den J3uccalganghen, zwei Ganglien, welche zwei
Konnektive mit den ( 'erebralganglien verbinden, motorische Ganglienzellen mit
Dendriten, welche sich im Ganglion selbst verzweigten und mit einem Neuriten,
welcher in einem peripheren Nerven das Ganglion verließ. Daneben sah er
Kommissurzellen, deren Dendriten sich im einen Ganglion verästelten, wäh-
rend der Neurit durch die Buccalkonnnissur ins andere Ganglion schritt.
Drittens waren auch Nervenfasern der peripheren Nerven da, welche sich im
Ganglion verzweigten und deshalb wohl außerhalb desselben Ursprung
nahmen.
Nervenfasern wie die letztgenainiten traten mit den peripheren Nerven
auch in die Pleural-^ Cerel^ral- und Pedalganghen ein.
Im Pleuralganghon beoi)aclitete Gilchrlst neben Assoziationszellen,
deren Fortsätze und Verästelungen nicht das Ganglion verließen auch Gan-
glienzellen mit Dencü'iten im Ganglion und einem Neuriten im peripheren
Nerven.
GiLCHRiST weicht in seiner Beschreibung der Visceralganglien von De
Nabias ab. Nach ihm hat Aplysia zwei Msceralganglien und umschheßt das
eine ein degeneriertes Abdominalganghon. In den Visceralganglien waren
wiederum Ganglienzellen nachweisbar, welche ihre Neuriten in einen peri-
pheren Nerven aussandten, ihre Dendriten aber im Ganglion behielten. Das
stimmt also mit dem, was De Nabias uns lehrt und solche Ganglienzellen
waren auch wohl a priori zu erwarten. Andere Nervenfasern drängen mit den
peripheren Nerven ins Ganglion hinein und verästelten sich dort. Noch andere
passierten nur das Ganglion, indem sie vom einen Nerven oder Konnektiv
in den anderen übergingen.
Auch im peripheren Nervensystem hat GiLCHRis r einige Leitungsbahnen
aufgeklärt. Er begegnete in dei- Ejndermis Sinnesnervenzellen mit tief unter
dem Epithel gelegenem Zellkörper. Vielleicht waren auch subepitheliale
Ganglienzellen da. Eine besondere Art der Sinnesnervenzellen fand er im
üsphradium. Der Zellkörper steht hier im Epithel, der Sinnesfortsatz ragt
aber daraus hervor. Die basalen Nervenfortsätze ziehen in ein Ganglion,
welches, unter dem E]pithel gelegen, einem Nerven, welcher aus dem rechten
Visceralganglion herstammt, aufsitzt.
Haller (1913) hat, wie wir noch besser bei anderen Mollusken kennen
lernen werden, auch bei den Opisthobranchiern Oncinella und Siphonaria
,,globuh"' entdeckt, das heißt, kleinzellige Abteilungen der Cerebralganglien,
woraus keine Nerven oder lange Leitungsbahnen hervorgehen und welche
er deshalb als hervorragende Assoziationsgebiete oder als ,, Intelligenzsphä-
ren'' betrachtet, wie die corpora pedunculata (Pilzkörper) der tracheaten
Arthropoden und höheren Würmer. Bei Oncinella und Siphonaria beobach-
tete Haller, wie che globuH oder corpora pedunculata, wie sie genannt werden
Sollten, falls sie mit den corpora pedunculata der Würmer und Insekten ho-
134 MOLLUSCA, GASTROPODA.
molog sind, durch eine Kommissur verbunden sind, welche sich der Cerebral-
kommissur anschließt.
Auch in der Ordnung der Prosobranchier sind bestimmte Leitungsbahnen
eher im peripheren Nervensystem als in den großen Ganglien bekannt ge-
worden.
SiMROTH (1876) gebührt die Ehre hier als erster Sinnesnervenzellen
nachgewiesen zu haben. Er sah bei Paludina im Epithel der Taster Haarzellen
durch Nervenfortsätze mit Ganglienzellen in ihrer Nähe verbunden.
Später hat Flemming (1884) bei Trochus, Haliotis und anderen Mollusken
in den Tastern Sinnesnervenzellen entdeckt, welche dort gruppiert in den
Papillen lagen und im selben Jalue lernte Haller (1884) sie bei Rhi])ido-
glossen kennen. Hier sind sie Bausteine der Seitenorgane und Haller vermutet,
daß ihre Nervenfortsätze mit Ausläufern der unter dem Epithel gelagerten
Ganglienzellen zusammenhängen. Er beweist aber diesen Zusammenhang
eben so wenig, wie im Seitentaster, welcher neben das Seitenorgan gestellt ist.
In der Mundhöhle der Rhipidoglossen kommen Geschmacksknospen vor.
Darin befinden sich nach Haller neben Stützzellen Sinnesnervenzellen mit
einem Stiftchen an ihrer Oberfläche und einem basalen Nervenfortsatz, wel-
cher mit einem Fortsatz einer Ganghenzelle unter der Geschmacksknospe
zusammenhängt. Diese Ganglienzellen bilden zusammen einen subepithelialen
Ganglienzellplexus.
Haller hat bei den Rhipidoglossen auch einige motorische Leitungs-
bahnen beschrieben. So sah er im Seitentaster einen Nervenplexus, worin
u.a. Ganglienzellen, welche Muskelfasern innervierten. In der Herzwand
beobachtete er keine apolaren Ganglienzellen, wie Dogiel bei Pecten zu er-
kennen meinte, sondern kleine, multipolare neben großen, bi])olaren Gan-
glienzellen. Letztere innervierten mit einem Fortsatz die Muskelfasern und
mit dem anderen waren sie mit den multipolaren Ganglienzellen verbunden,
welche mit ihren übrigen Fortsätzen unter einander vereinigt waren. Haller
sah also einen typischen Ganglienzellplexus ohne bestimmte, sichtbare Lei-
tungsbahnen und keinen Nervenplexus.
Einen besonders schönen, regelmäßigen, mit GangUen ausgestatteten
Nervenplexus sali Brock (1881)) im Fuß der Prosobranciner. Hier lösen sich
die vorderen Fußnerven, welche aus dem Pedalgangüon hervorgehen in einen
engmaschigen Nerven})lexus mit Ganglien darin auf. Jedes GanglicMi strahlt
Nerven aus und ist sternförmig durch Nerven mit den benaciibarten Gan-
glien verbunden. Bei einigen Arten, wo die Ganglien nahe beisammen hegen,
l£nd auch die Nerven dazwischen mit Ganghenzellen besetzt.
Ich will hier nochmals den Unterschied eines solchen Nervenplexus mit
einem Ganglienzellplexus, wie wir soeben bei Haller begegneten, betonen :
im Nervenplexus Ganglien, welche (hiK li Nerven, also Nervenfaserbündel,
verbunden sind, im Ganglienzellplexus durcli ihi'c Foi'tsätze, also durch Ner-
venfasern, verbundene Ganglienzelleu.
Bevor ich mit der Beschreibung der Leitungsbahnen im Zentralnerven-
system der Prosobranchier anfange, will ich erst noch das Auge behandeln.
Ich bin der Meinung, daß Patten (1880) hier als erster die Weise der
PROäOBRANCHIA.
135
Innervation beyelniebon hat. Wie bei Laniellibranchiern, wo ich seine An-
sichten in extenso mitgeteilt habe, erkennt Patten auch bei Hahotis seine
Retinophoren als Sinneseleniente. der Retina. Obgleich die Retinophoren zwei
mit einander verwachsene Zellen sind, welche eine zwischenhegende Nerven-
faser in sich aufgenommen haben, schildert Patten den Endzustand so, daß
die Retinophoren basal ganz allmähhch in eine Nervenfaser übergeht. Andere
Nervenfasern sollen aber die Retinophore umspinnen.
Da aber Baecker (1903) in seiner Arbeit über die Augen einiger Gastro-
poden, worüber eine vorLäufige Mitteilung schon 1902 erschienen war (Baec-
ker 1902), bei Haliotis tuberculata und Aporrhais pespelecani die umspin-
nenden Nervenfasern Pattens verneinte und beobachtete, wie die Sehzellen
der Retina (die PATTENschen
Retinophoren) sich basal in Fig. 55.
Nervenfasern des nervus opti-
cus fortsetzen und also Sin-
nesnervenzellen sind, so glaube
ich, daß auch hier, wie bei
den LamelHbranchiern, Pat-
ten nicht Recht behalten kann
und che Sinneszellen im Auge
der Prosobranchier, wie freilich
bei allen Mollusken, nach dem
Typus der Sinnesnervenzellen
gebaut sind. Die Patten sehe
Beschreibvmg der Retino])lio-
ren selbst läßt sich eigentlich,
wie man oben lesen kann , ganz
gut damit in Einklang bringen.
Die Bahnen im Zentral-
nervensystem der Prosobran-
chier sind meines Wissens nur
Querscliiiitt der Podalstränge von Fissurella.
Nach Hai.lkk (1886).
a b, d, e, y, i, j = Ganglienzellen
f, i, h = Nervenfasern
c. p. = coniniissui'a pedalis
/. /. = fissui'a lateralis
l. k. — Lateralkern
>i. l. = nervus lateralis
;/. p. = nervus pedalis
p. Str. — Pedalstrang
von Haller studiert worden.
Erst hat er über che Rhipidoglossen eine .\rbeit veröffentlicht (Haller
1886), welche leider durch falsche Verweisungen nach den Figuren und
sinnstörende DruckfeJiler an manchen Stellen schwer zu faßen und deshalb
auch schwer zu referieren ist.
Haller hat vornehmhch Fissurella als Gegenstand seiner Untersuchun-
gen gewählt. Da er damals noch nicht the modernen, spezifischen Untersu-
chungsmethoden des Nervensystems anwenden konnte, meinte er noch, daß
auch aus dem Kerne und nucleolus der Ganghenzelle Fortsätze dieser Zellen
hervorgehen könnten. Das ist aber für meinen Zweck ohne Belang.
Die Rhipidoglossen weisen noch manche primitiven Merkmale in ihrem
Nervensystem auf. So haben sie noch kein Paar Pedalganghen, sondern an
ihrer Stelle zwei lang ausgezogene Pedalstränge, welche viele Kommissuren
vereinigen. Figur 55 ist das Schema eines Querdurchschnitts durch die beiden
Pedalstränge {p.str.) von Fissurella, wobei nicht nur eine der Pedalkommissu-
13<) MOLLUSCA, GASTROPODA.
ren (cp.), sondern auch zu beiden Seiten die W'iuzel eines Lateralnerven
{n.l.) und eines Pedalnerven {».p.) angeschnitten gedacht worden ist. Die
Lateralnerven gehen aus dem oberen Teil des Pedalstranges hervor und zie-
hen zur Seitenwand des Körpers. Die Pedalnerven entspringen mehr basal
und sie innervieren den Fuß der Schnecke. Zwischen beiden Nerven ist der
Pedalstrang mit einer longitudinalen Rinne, der fissura lateralis (Fig. 55, /./.),
ausgestattet.
Die Nervenfasern nehmen im Pedalstrang eine zentrale Stellung ein,
die Ganglienzellen eine periphere, aber sie sind besonders in der Nähe der
Lateralrinne angehäuft, was Haller Anlaß gibt diese Ganglienzellgruppe
als Lateralkern (Fig. 55, l.k.) zu bezeichnen.
Die Fasern des Lateralnerven gehen zum Teil aus Ganglienzellen der
oberen Hälfte des Pedalstianges hervor und zwar liegen diese Zellen medial
(Fig. ')ö, a) oder lateral im Lateralkerne (Fig. 55, b).
Andere Nervenfasern des Pedalstranges laufen erst der Länge nach nach
hinten und biegen dann in einen Lateralnerven ab. Einige Fasern dieser Art
sind Fortsätze von Ganglienzellen, welche zwischen diesem Lateralneiven
und dem vorigen hegen.
Noch andere Nervenfasern (Fig. 55, c) entspringen nach Haller aus
dem Neuropilem des Pedalstranges. Wie immer glaube ich, daß man besser
sagt, daß diese Nervenfasern im Neuropilem enden, weil ihre Ganglien-
zellen wohl irgendwo im peripheren Nervensystem zu suchen sind.
Ventral im Pedalstrang sah Haller Ganglienzellen (Fig. 'yö, d), welche
ihren Fortsatz in den Pedalnerven schickten und derartige Zellen lagen auch
im Lateralkerne (Fig. 55, e). Andere Nervenfasern des Pedalnerven enden
im Neuropilem (Fig. 55, /). Sie sind zahlreich vorhanden.
Zum Latei-alkerne gehören weiter noch Ganglienzellen, deren Fortsätze
erst nach vorn ziehen und dann im nächsten Pedalnerven austreten.
In den Kommissuren kreuzen Nervenfasern die Medianlinie, welche zu
beiden Seiten teils aus Ganglienzellen hervorgehen (Fig. 55 g), teils im Neu-
ropilem enden (Fig. 55, h). Auch gibt es longitudinale Nervenfasern, welche
in die Kommissur abbiegen.
In den Pcdalsträngen beobachtete Haller auch (iaiiglieiizellen (Fig.
55, i und j) mit Portsätzen, welche sich innerhalb des Stranges von der einen
Seite zur anderen l)egaben. Haller hat dieses Fasersystem eine innere Kom-
missui- genaimt, aber, wo ich nur jene Fasern Kommissurfasern neime. welche
die Medianebene des Körpers überschreiten, kann ich dii'scn Xaineii nicht
'beibehalten.
Nicht immer gehen bei den Pvhipidoglossen die beiden Pedalnerven eines
Paares lateral aus dem Pedalstrang hervor. Bisweilen sind ihre Wurzeln so
weit nach der Mitte und nach unten verlegt, daß sie gemeinsam aus der
Pedalkommissur entspringen. Da gibt es denn scheinbar einen ungei)aarten
Pedalnerven. In diesen Nerven treten longitudinale Nervenfasern hinein,
aber auch Fortsätze von Ganglienzellen des Pedalstranges in der Nähe der
Nervenwurzel. Daneben enthält der Nerv Fasern, welche im Xeur()|)ilem enden.
Bei den Rhipidoglossen hat sich das Pleuralganglion noch nicht vom
PROSOBRANCHIA.
137
Fig. 5().
Pedalstrang getrennt und so ist vorn am Pedalsti-ang eine Stelle, wo dieser
Strang nicht nur mit dem Cerebropedalkonnektiv, sondern auch mit dem
C^erebropleuralkonnektiv zusammenkommt.
Diese Stelle, welche Haller den pleurocerebralen Teil des Nervensys-
tems nennt, hat er besonders durchforscht und ich habe versucht einige der
darin entdeckten Bahnen in der sehr schematischen Figur 56, welche einen
Längsschnitt darstellt, einzutragen.
Jeder Pedalstrang endet vorn in einer pars pleurocerebralis (Fig. 5(5,
p.fl.c.) und die beiden Pleurocerebralteile werden durch eine Kommissur
verbunden. Ihre Fasern sah Haller aus dorsalen Ganghenzellen hervorgehen
oder im Neuropilem enden.
Hinten im Pleurocerebral-
teil ist eine mediane Gang-
lienzellgruppe und mehr nach
vorn sind zwei laterale. Diese
Zellgruppen verlassen drei Fa-
serbündel, welche sich ein-
ander anschließen. Sie ziehen
erst ventral inid biegen sich
dann nach vorn um. Ein Teil
der Nervenfasern dieser Bündel
sind Fortsätze der Ganglien-
zellen der drei Gruppen, welche
entw^eder zur Peripherie des
Pleurocerebralteils ziehen (Fig.
56, a) oder in das Cerebro-
pleuralkonnektiv eintreten
(Fig. 56, b). Andere Fasern
gehen aber gerade aus Gang-
lienzellen (Fig. 56, c) hervor,
welche dort im Pleurocere-
bralteil liegen, wo die erstge-
nannten enden. Das glaube ich wenigstens aus der HALLERschen Beschrei-
bung zu verstehen, muß aber gestehen, daß vieles mir zweifelhaft erscheint.
An die lateralen Faserbündel schließen sich auch Fortsätze von Gan-
glienzellen der Pedalstränge an (Fig. 56, d und e) und auch unter diese Bündel
sind Fortsätze von Ganglienzellen des Pleurocerebralteils gemischt (Fig. 56, /),
welche Haller zusammen als die Vorstufe eines Pleuropedalkonnektivs
betrachtet.
Zu Fasern des Cerebropleuralkonnektivs gesellen sich ebenfalls Aus-
läufer gewisser Ganglienzellen des Pleurocerebralteils (Fig. 56, g).
Auch ventral im Pleurocerebralteil sind Ganglienzellen (Fig. 56, h) ge-
legen, welche ihre Fortsätze in das Cerebropleuralkonnektiv senden. Andere
dortige Ganglienzellen (Fig. 56, i) tragen mit ihren Fortsätzen zur Bildung
des Cerebropedalkonnektivs bei, ebenso wie Ganglienzellen, welche eine Fort-
setzung des Lateralkernes des Pedalstranges sind (Fig. 56, j).
Längsschnitt tles pleurocerebralen Teils des Ner-
vensystems von Fissurella.
Nach Haller (1886).
a Ijis /'
c. p. k.
c. pl. l:
p. pl. c.
p. Str.
(Ganglienzellen
Cerebropedalkonnektiv
Cerebropleuralkonnektiv
pars pleurocerebralis
Pedalstrang
138 MOLLUSCA, GASTROPODA.
Im Anfang der Cerebropleural- und Cerebropodalkonnektive beobachtete
Haller „innere Koniniissuren"'. wie wir sie im Pedalstrang (Fig. .">(), / und ))
kennen lernten. Er meint, daß ilire Fasern eine Ganglienzelle dei- lateralen
Seite des Konnektivs unmittelbar mit einer Ganglienzelle dei- medialen Seite
verbänden, aber diese Angabe bedarf dei" Bestätigung.
Aus dem Pleurocerebralteil geht (k'r Subradularnerv lieivor. Er enthält
nach H.\LLKR Fasern, welelie im IMeuroc-civbialteil enden und solehe. welche
aus dessen (Janghenzellen entspringen, abei' H.vllkr l)k'ibt (k^n Beweis schuldig.
.\iich (k>r Mantehierv verläßt den IMeurocerel)ralteil und führt Nerven-
fasern, welche dort im Xeui-opilem cucUmi oder doit aus Ganglienzellen her-
vorgehen.
So weit über Fi.s.surella. Turbo iiiul Haliotis stimmen in manchen Hinsichten mit
Fissurella überein, aber es gibt doch l"nter.schiede. So überliefern bei Turbo keine Gan-
glienzellen des Lateralkernes des Pedalstranges ihre Xervenfa.sern dem lateralen
Nerven. (Also fehlen die Zellen des Typus 6 der Fig. 55). Dagegen senden bei Turbo
( Janglienzellen im Anfang des rei-ebi'|)iasma-
fortsätze, sogenannte radiculae, fortsetzen, welche von früheren Autoien l)isw(Mlen als
Nervenfasern betrachtet winden, aber die wahre Nervenfa.ser .sah er obeiliall) ilrv W'ür-
zelchen, also nicht basal, aus der- Ketinazelle hervorgehen. Aus .seiner Beschreibung
eihejit, (laM (Jrkn.achkk di«' Hetinazellen als Siimesnervenzellen erkannt hat.
Hessk (1M((0) liat aulagert sind oder nnipolare, auf kurzen
oder langen Stielen gesessen, daraus hervorragen.
ViGN.\L. (1883) konnte alles bestätigen, nur fand er im Nervenplexus aucli multi-
polare (Janglienzellen. Es ist nicht bekannt, ob vielleicht in diesem Plexus bestimmte
Reizleitungsbahnen ausgebildet sind. So lange man nicht genau den Zusammenhang
der verschiedenen tJanglienzellen kennt, ist es möglich, aber wahrscheinlich ist es nicht.
Anno 1883 hat auch Boehmio (1883) die Hodologie des Nervensystems von Helix
pomatia studiert imd zwar des zentralen Nervens\stems. Neben Helix studierte er auch
Linniaeus stagnalis. Boehmto hat ohne Zweifel bisweilen über die Wege der Nervenfasern
richtige Bemerkungen gemaolit, aber oft hat er nur kleine Bruchteile davon angegeben
inid manche Bahnen mehr erraten als erwiesen, sodaß seine Angaben alle einer Bestä-
tigung bedürfen, welche sie nicht immer in den Arbeiten spätei-er Autoren haben finden
können. Statt also seine Mitteihuigen genau zu referieren, will ich mich beschränken
auf die allgemeine Bemei'kung, daß diesem Forscher, die in der Cerebralkommissur
kreuzenden Nervenfasern nicht entgangen .sind und daß er in fast alle peripheren Nei--
ven Fortsätze der (ianglienzellen des zugehörigen (Janglions ziehen sah.
Als Beispiel einei- besonderen von ihm gemeldeten Bahn kaim ich sagen, daß er
bei Helix pomatia im nervus tentacularis, oder nervus ommatophorus, wie er ihn neiiiit,
das heißt also im Nerven des großen Tentakels, welcher aus dem Cerebralganglitm
hervoi'geht, ein Bündel ganz feiner Fortsätze unipolarer Cianglienzellen des Cerebral-
ganglions beobachtete, aber seine Abbildung davon scheint mir nicht bev\-eisend zu sein.
Fräulein Henchman (1890) hat, was immer bei Evertebraten eine Seltenheit ist,
der Ontogenie des Zentralnervensystems gewisse Data über die Wege der Nervenfasern
entlehnt. Sie wählte Limax maximus als Objekt. Die ver.schiedenen (Ganglien werden in
der Ontogenie getrennt angelegt und ihre ])aai-weise Verbindung ist Folge eines sekun-
dären Vorgangs: des Auswachsens der Nervenfaser-n. So werden zwei Cerebralganglien
angelegt, welche sj)äter eine Cerebralkonunissur erlangen, weil aus jedem (Janglion
Nervenfasern auswachsen. In gleicher Weise bilden sich die Buccalkommissur und die
vordere und hintere Pedal kommi.ssur.
In den Kommissuren liegen nach Henchman s))äter außerhalb der Nervenfasern
auch spindelförmige Zellen und ich glaube, das k(unien sehr gut (iliazellen sein, wie
Smidt (1900) sie bei Helix in den Kommissuien und ( !anglie?i und Nerven beobachtete.
Ich will noch sagen, daß dic^ Konnektive zum ersten Male als Zellreihen sichtbar
werden, aber einige andeic Kinzelheit(Mi, welche Henchman, tia sie keine spezifischen
Nervenfärbungsmethoden anwendet, nicht in klarer Weise zeigt, lasse ich fort.
Die originelle HKNCHMANsche Arbeit gibt mii die ['(»berzeugung, daß in dieser
Wei.se noch viele Leitungsbahnen bei Mollusken cnldccUl werden können oder ihr Dasein
in selbständiger Weise aufs neue bestätigt werden kami. MAn hat sich zur Ausdehnung
unseres Wissens bis jetzt noch viel zu wenig der Ontogenie d(>r Leitungsbahnen b(>dient.
Das ZontialiKM'V(Misystoni der Pulmonalen hat abcrjnals Berücksich-
tigung gefuiulen in der sehr wich(i.s. und p.i.) geteih wird. Vom ()l)erteil ziehen sechs Ausstrah-
hiiigen zur Tentakelol)erHäclie (Fig. (>(), /. o.) Es sind dies keine eigentlichen
Nerven, denn sie enthalten ebensogut Neuropilem und Ganglienzellen, wie
das GangHon selbst.
#> Im Epithel des Tentakels hegen die Sinnesnervenzellen (Fig. (}(», a und h),
*und es interessiert uns sehr, daß Samassa sagt, daß diese Zellen neben anderen
Variationen ihrer Gestalt auch bisweilen einen Sinnesfortsatz aufweisen,
welcher mit einigen kurzen, frei endenden Seitenästchen versehen ist. Sol-
che Zellen, welche wir später auch bei Veratti (1900) kennen lernen werden,
veranschauHchen in treffender Weise den Uebcigang einer Sinnesnervenzelle
in eine sensibele Ganglienzelle, wie er nacli meiner Hypothese phylogenetisch
stattgefunden hat.
Die Nervenfortsätze der Sinnesnervenzellen verhalten sich in zwei Wei-
sen. Entweder treten sie (hnrh eine Ausstrahhmg des Tentakelganglions in
PÜLMONATA. 151
dessen oberen Teil ein und verä«tehi sich dort (Fig. <)(), r/), oder sie enden schon,
ebenfalls verästelt, in einer Ausstrahlung (Fig. ö(), h). Niemals setzen sich
die Nervenfasern der Sinnesnervenzcllen bis in den Tentakelnerven fort.
Die terminalen Verästelungen der Nervenfortsätze der Sinnesnervenzellen
werden umschlungen durch Endverästelungen von Nervenfasern, welche aus
dem unteren Teil des Tentakelganglions herstannnen, aber übrigens unbe-
kannter Herkunft sind (Fig. GO, c).
In der Peripherie des Ganghons befinden sich unipolare oder multi-
polare Ganglienzellen (Fig. üO, d und e), mit Fortsätzen, welche sich im Neu-
ropilem verzweigen.
Im Tentakelnerven l)efinden sich weiter noch Nervenfasern unbekannter
Herkunft (Fig. 00, /), welche sicli im oberen Teil des Ganglions gabeln. Jeder
Ast zieht in eine Ausstrahlung des Ganglions und verzweigt sich dort wahr-
scheinlich noch mehr.
Im Ganglion fand Samassa noch andere Nervenfasern, ohne ihren Anfang
oder^ihr Ende entdecken zu können. Ich will (ücse liier nicht weiter beschreiben.
Samassa meldet auch im vordcien Tentakel, wek-her kein Auge trägt,
Sinnesnervenzellen mit Nervenfortsätzen, welche ins Tentakelganglion schrei-
ten und auch die eigentümlich gegabelten Nervenfasern (/ der Fig. 60) wurden
dort beobachtet.
Eine ganz besondere Innervation soll nach Samassa der Tentakelmuskel
haben. Am peripheren Ende dieses Muskels entdeckte er multipolare Zellen,
welche wohl nervöser Art sein müssen, denn sie senden einen starken, un ver-
zweigten Fortsatz zur Körperoberfiäche und manche andere verzweigte zwi-
schen die Muskelfasern. Samassa zieht den Schluß, daß, weil eine andere
Innervation des Tentakelmuskels unbekannt ist, diese Zellen ,, motorische
Sinneszellen" sind (ich würde sagen Sinnesnervenzellen, siehe S. 154), welche
den Reiz durch ihre zentralen Fortsätze unmittelbar zum Muskel leiten. Da
hätte man also eine Leitungsbahn, welche nur aus einer einzigen Zelle bestände,
wie auch Alexandrowicz bei Astacus und Palinurus gefunden zu haben
meint (Vergl. S. 235). Diese Zellen bilden nach Samassa die primitivste Form
eines Nervensystems, völlig iniabliäiigig vom übrigen Nervensystem der
Schnecke. Ich bin damit einverstanden, glaube aber, daß jedem eine
Bestätigung eines so außerordentlich merkwürtligen Verhältnisses will-
kommen sein wird.
Samassa kritisiert in seinem Artikel die Von LENHOSSEKsche Hypothese
über che Umbildung der Sinnesnervenzelle im Epithel von Lumbricus in eine
Spinalganglionzelle der Vertebraten und gibt eine Verbesserung derselben.
Ich brauche seine Ansichten nicht zu referieren, weil ich meine die ganze
Von LENHOSSEKsche Hypothese bis auf einen kleinen Teil als unzutreffend
dargestellt zu haben. (Vergl. S. 94).
Im Jahre 1896 hat BisotiNi (1890) bei Liinax subfusciis mul agrestis im Pharynx,
im Darm und in den Speicheldrüsen einen Nervenplexus beobachtet, welcher zum Teil
üVjereinstimmt mit dem plexus myentericus, welcher von Ranvier bei Helix gefunden
wurde. Bisouni sah ebenso wie Ranvier, daß Canglienzeilen mit kurzen Stielen den
Nerven dieses Plexus aufsaßen oder darin eingebettet waren, aber er sah außerdem^
152 MOLLUSCA, GASTROPODA.
daß Nervenfasein dieses Plexus die glatten ]\luskelii des Dannkaiials innervierten. Der
ganze Plexus hängt mit den beiden Buecalganglien zusammen.
Die GoLGische Methode hat auch in anderen Händen als jenen Retzius'
und Samas.sas Resultate gegeben. So hat Smidt (1899) damit in den Lippen
und dem Oberkiefer von Hehx Sinnesnervenzellen sichtbar gemacht und Havet
(1899 a) damit unsere Kenntnis der Leitungsbahnen von Limax gefördert.
Havet bestätigte im Epithel der großen Tentakeln die Gegenwart der
bipolaren Sinnesnervenzellen, welche Retzius darin meldete und auch die
Tatsache, daß ihr Nervenfortsatz ins Tentakelganglion eindringt. Unter der
Epidermis Avies er einen Nervenplexus nach, welchei- durch Nerven mit den
Ganglien, z.B. dem Pedal- und Pleuralganglion verbunden war. Bipolare,
offenbar sensibele Ganglienzellen sandten einen Fortsatz in diesen Plexus
liinein, während der andere sich in der Haut verästelte. Hier waren auch uni-
und multii)olare Ganglienzellen gelagert.
Auch innerhalb der Pharynx wand sind multipolarc und bipolare Gan-
glienzellen. Die bipolaren haben einen verästelten oder unverästelten peripheren
Fortsatz im Epithel und ihre zentralen Ausläufer ziehen in Bündeln nach
Ivleinen Ganglien, welche um den Pharynx gelegen sind. Ich betrachte auch
diese Zellen als sensibele Ganghenzellen mit frei im Epithel endendem Fort-
satz, also als andere Zellen als die von Bisog>;t wahrgenommenen.
Havet hat die Struktur der Ganghen nicht unerwäluit gelassen. Er beob-
achtete auch darin unipolare, bipolare und multipolare Ganglienzellen und
sah. wie die uni]iolaien oft einen Zweig (den Dendriten) ins Neuio})ilem und
einen anderen (den Xeuriten) in einen peiipheren Nerven oder in eine Kom-
missur aussandten.
Ln Gerel)ralgangliün meldet ei' Ganglienzellen mit ilu-em tiinzigen Fort-
satz in der Cerebralkommissur, wie auch De Nabla.s sie bescluiel). Der Neurit
spaltet vor seinem Uebergang in (He Kommissur nur kjeine Kollateralen im
NeuroiMlem ab. Daneben gibt es im CerebralgangUon multijiolace Gangli(Mi-
zeUen mit vielen ins Neuropilem ziehenden Fortsätzen (Dendriten) und mit
einem einzigen Ausläufer (dem Neuriten) in der Cerebralkommissur.
Im l'edalganglion entdeckte er inultij)olare Ganglienzellen mit einem
Fortsatz im Pedalnerven und anderen im Neuro])ilem.
In einer anderen Arbeit aus demselben Jahre hat Ha\ i:i (IS!i!i h) noch
hinzugefügt, daß bei Limax Foitsätze von Ganglienzellen des IVdalganglions
'durch das Cerebropedalkonnektiv derselben Seite ins Cerebralganglion treten
und weiter durch die (Cerebralkommissur zur anderen Seite ziehen.
(ileich nach den HavetscIicu Mitteilungen erscheint die wunderschöne
Arbeit Verattis (MIOO), in der abermals das Nervensystem von Limax einer
Untersuchung mit Hilfe der GoLGischen Methode, und auch bisweilen der
Methylenblau-Methode unterworfen wiid.
V'eratti iiat sowohl das Zentialnervensystem, wie das |)eii|)hei-e Nei'ven-
system bearbeitet.
Hinsichtlich des ersteren sei bemerkt, daß er im ..unteren Schlundgan-
glion"" (l*e(Jallleu des Typu-s der iSinnes-
nervenzelle beobachtet hat.
Baecker (1903) hat bei Helix, Arion und Limax in der Hetina Pigmentzellen neben
pigmentlosen Zellen mit Stiftehen.saum gefunden. Beitle ZeUarten setzten sich basal
in eine Fa.ser fort, aber die derbe Faser der Pigmentzelle geht mu- zur Basalmembran
der Retina, ist also eine Haftfaser, während die Fa.ser der pigmentlosen Zelle sich in
den Sehnerven begibt, eine Nervenfaser ist und somit die Zelle als Sehzclle charakte-
ri.siert. Die Sehzellen der Hetina sind deshalb Sinnesnervenzellen.
Grant Smith (1!)0G) hat die BAECKER-sehen Mitteihmgen für Limax völlig bestä-
tigt. Ueberdies entdeckte er, da(.5 auch die Sehzellen der akzessoiischeii H(>tina von
Liniax sich in Nervenfasern foitsetzen, welclu' sicli (Irin Hau|)tiifr\ »'n ansclilieUeu-
Auch die Sehzellen von Planor})is verjüngen sich in Xervenfoitsätze.
Nachlier hat noch Stant.schinskv (1908) die Kückenaugen von Oncidium Nt-rri-
culatum und anderen Oncidium-Arten untersucht, wobei er entdeckte, daß auch hier
«lie Sehzellen Sinnesnervenzellen sind. Ihre Nervenfortsätze \ereinigen sich mit anderen
Ner\-enfasern, worunter luotorische, zum nervus opticus, welchei' selber (ianglienzellen
enthält. Im Hückenepithel sah er außerdem Sinnesnervenzeilen. Ihr Zellkörper wai-,
wie so oft, unter das Epithel gerückt.
In letzter Zeit hat noch Hallkr (Mli;}) in seinem schon /.itieiten Auf-
satz über die Intelligenzsj)hären der ^lollnsken den Leitungshahnen der
Puhnonaten große Aufnierk.samkeit gewidmet. Kv hat die .Methyienblau-
und GoLGische Methode angewandt und damit die folgenden inis hier inte-
ressiei-enden Resultate erreicht.
Haller konnte im Cerebralganglion von Hehx pomatia drei Abschnitte
unterselieiden, einen vorderen, mittleren und hinteren Teil. Den S. 14(5 be-
sprochenen sehr wichtigen Artikel, welchen De Nabias (181)4) über das
Nervensystem der Pulmonaten veröffenthcht hat, kennt Haller nicht und
so geht er leider für Helix auf die viel weniger bedeutende Arbeit Boh.migs
(1883) zurück. Die drei Abteilungen des Cerebralganglions werden deshalb
mit den drei Teilen verglichen, welche Böhmig darin unterschied, nicht aber
mit dem proto-, meso- und ])üstcerebrum De Narias'. So geht es auch in
anderen Hinsichten inid, weil ich es nicht wage ohne eigene Beobachtungen
die Hirnabschnitte Hallers mit den De NABiAsschen zu vergleichen, will
ich die HALLERschen Untersuchungen an inid für sich referiereiL
Die vordere Al^teilung des Cerebralganglions trägt dorsal eine Erhaben-
' *it, worin kleine (jJanglieirzellen liegen. Es ist der gloljulus oder die Intel-
ligenzsphäre, nach Haller mit den corpora ix'dunculata dei- Würmci- und
Arthropoden homolog. Die (ianglienzellen nehmen nur eine laterale Stellung
ein, .sodaß median das Xeuropilem die Obeilläche des (}ehirns erreicht. Sie
sind nach H. aller ilurch viele anastomosieicnde Fortsätze gegenseitig ver-
bunden untl senden auch b'ortsätze ins X(),")) hat auch den tctrabranchiaten
Nautilus liinzugezügen.
Es ist ganz merkwürdig und wahrscheinlich auf Rechnung dei- rela-
tiven Größe des Zentralnervensystems zu stellen, daß bei den Cephalopoden
nicht, wie so manclimal. einige Leitungsbahnen im peripheren Nervens^^stem
lange bekaimt sind, ehe die ersten Leitungsbahnen im Zentralnervensystem
entdeckt werden.
Schon im Jahre 1 ni rH
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166 MOLLUSCA.
Verfolgen wii- jetzt die Leitungsbahnen. Ich habe schon gesagt, daß
die Retinalfasern in Bündehi zum lobus opticus schreiten. In diesen Retinal -
faserbündeln laufen die Fasern mehr peripher, je nachdem ihre Sehzellen
weiter vom Bündel entfernt sind. Wenn das Retinalfaserbündel den Sehlap-
pen erreicht hat, dringen die zentralen Fasern sofort darin ein, aber die
peripheren legen erst eine größere Strecke an der Oberfläche des Sehlappens
zurück, je nachdem sie mehr in der Peripherie des Bündels gelegen sind.
Diese Verhältnisse veranschaulichen die obere und untere Sehzelle der Fig. 62.
Die peripheren Nervenfasern der Retinalfaserbündel bilden also eine Faser-
schicht (/. s.) an der Oberfläche des lobus opticus, außerhalb der lamina
granularis externa.
Wenn die Retinalfasern in den Sehlappen eindringen, durchsetzen sie
die äußere Körnerschicht und enden im inneren Horizontalplexus, nachdem
sie dem äußeren Horizontalplexus Kollateralen übermittelt haben.
Den Retinalfasern parallel laufen spärliche zentrifugale Nervenfasern,
welche aus dem Cerebralganglion herstammen und somit die ganze medulla
und cortex des Sehlappens durchziehen. Weil weder die Ursprungszellen,
noch das Ende dieser Fasern bekannt ist, habe ich sie in der Fig. 62 fortge-
gelassen.
In der äußeren Körnerschicht entdeckte Von Lenhossek drei Arten
unipolarer Ganghenzellen, welche ihre Fortsätze zur lamina plexiformis
wenden. Am meisten nach außen, aber bisweilen auch mehr nach innen liegen
spärliche Riesenzellen (Fig. 62, a). Diese sehr großen Ganghenzellen sind
unregelmäßig gestellt. Ihr Fortsatz schreitet quer durch die Körnerschicht
und verbreitet sich in der lamina plexiformis, jedoch in so verschiedener
Weise, daß man unter diesen Zellen noch drei Arten unterscheiden kann.
Neben diesen Riesenzellen begegnet man in der äußeren Körnerschicht
zwei GangUenzelltypen : großen Körnerzellen von außen und kleinen Körner-
zellen von innen. Die großen Körnerzellen (Fig. 62. h) senden ihren Fortsatz
zur plexiformen Schicht, wo er sich im äußeren Horizontalplexus verästelt,
bisweilen auch in der Mittelschicht. Die kleinen Körnerzellen (Fig. 62, c)
haben einen Fortsatz, welcher sich nur im äußeren Horizontalplexus veräs-
telt.
Die innere Körnerschicht und das Mark enthalten beide Ganglienzellen.
Diese stehen in der Körnerschicht in Längsreihen, in der medulla aber sind
sie in netzförmig zusammenhängende Reihen gestellt.
Die lamina granularis interna ist insofern das Spiegelbild der äußeren
Körnerschicht als hier die kleinsten Ganglienzellen nach außen gekehrt
liegen, dann folgen größere und am tiefsten befinden sich sporadische Rie-
senzellen. Die Riesenzellen (Fig. 62, e) sind multij)olar, die anderen Ganglien-
zellen bipolar (Fig. 62, (/) oder bisweilen multipolar. In der Weise, wie sich
ihre Fortsätze verhalten, weichen alle diese Zellen prinzipiell nicht von ein-
ander ab. Die bipolaren Zellen senden ihren Dendriten in die plexiforme
Schicht hinein. Hier gibt er dem inneren Horizontalplexus seine meisten Sei-
tenäste, aber selber geht er bis in die äußere Körnerschicht (Fig. 62, d und e).
Der Neurit der bipolaren Ganglienzelle zieht ins Mark des lobus opticus.
CEPHALOPODA. 167
wahrscheinlich so weit, bis er die Fortsätze einer Markzelle erreicht hat (Fig.
62, d), vielleicht auch bis ins Cerebralganglion. Die Neuriten der Körner-
zellen bilden Faserbündel in der inneren Körnerschicht, welche zwischen
den Ganglienzellen liegen.
Die Ganglienzellen des Markes sind in Stränge angehäuft, welche dicker
sind, je nachdem sie mehr nach außen liegen. Von Lenhossek erkannte
große und kleine Markzellen. Die kleinen Markzellen gehören zu zwei Typen.
Der erste Typus (Fig. 62, /) ist multipolar oder meistens unipolar, aber dann
spaltet sich der Stammfortsatz sofort. Die Dendriten verästeln sich im Neuro-
pilem der medulla, der Neurit zieht ins CerrebralgangUon.
Der zweite Typus der kleinen Markzellen (Fig. 62, g) gleicht dem vorigen,
aber der Neurit geht zur Rinde des Sehlappens und verzweigt sich dort in
der Mittelschicht oder im inneren oder äußeren Horizontalplexus.
Die großen Markzellen sind immer deutlich multipolar. Ihr Neurit sucht
nach Von Lenhossek das CerebralgangHon.
Schließlich erwähnte Von Lenhossek in der medulla lobi optici auch
multipolare Riesenganglienzellen (Fig. 62, h). Ihr Neurit {n. ) zieht in dem
pedunculus lobi optici zum Cerebralganglion ; die meisten Dendriten ver-
ästeln sich in der medulla, aber einer dringt in die Rinde ein und verzweigt
sich dort überall.
Von Lenhossek hat sich sehr bemüht die verschiedenen Schichten und
Ganglienzellen der Retina und des lobus opticus der Cephalopoden mit jenen
der Retina der Vertebraten zu homologisieren. Ich glaube, das ist nicht der
glücklichste Teil seiner übrigens , so schönen Arbeit, schon gleich deshalb,
weil man doch immer nur von Analogien und nicht von Homologien zwischen
dem Cephalopoden- Auge und dem Auge der Vertebraten reden kann.
Von Lenhossek nun betrachtet die Retina der Vertebraten als homolog
mit der Retina nebst der Rinde des lobus opticus der Cephalopoden. Die
Sehzellen der Cephalopoden sind nach ihm eher homolog mit den Zapfen-
zellen der Vertebraten als mit den Stäbchenzellen. Die äußeren Körnerzellen
sind nach ihm homolog mit den Bipolaren der Vertebraten, aber ich begreife
nicht warum diese unipolaren Ganglienzellen nicht mit den unipolaren Ama-
krinen der Vertebraten-Retina übereinstimmen, statt mit bipolaren Gan-
glienzellen. Nur die Riesenzellen der äußeren Körnerschicht soUen nach
Von Lenhossek mit den Amakrinen homolog sein. Die inneren Körner-
zellen sollen nach ihm mit den großen multipolaren Ganghenzellen der
Vertebraten-Retina übereinstimmen. Ich frage mich, warum denn nicht mit
den Bipolaren der Vertebraten ?
In der lamina plexiformis der Cephalopoden findet man nach Von Len-
hossek die beiden plexiformen Schichten der Retina der Vertebraten zurück
und ihre Ghazellen sind die Stützzellen der Vertebraten-Retina.
Das Mark des lobus opticus kehrt nach Von Lenhossek in der Retina
der Vertebraten nicht wieder. Man könnte das bezweifeln und fragen, ob
denn nicht die Ganglienzellen darin, deren Neurit sich zentralwärts wendet
(Fig. 62, /), eben so gut, wie die inneren KörnerzeUen, mit den großen Gan-
glienzellen der Vertebraten-Retina homolog sein können. Wenn aber Von
168
MOLLUSCA.
Lenhossek das Mark des lobiis opticus ein primäies Sehzentriini, wie die
Corpora quadrigemina anteriores der Säugetiere nennt, werden nur wenige
sich berufen fühlen, ihm darin zu folgen. Wohl gebe ich ihm Recht, wenn er
darauf hinweist, wie überraschend ähnlich in manchen Hinsichten der Bau-
plan nicht nur des ganzen Auges, sondern auch der nervösen Teile desselben
bei den Cephalopoden und Vertebraten ist, aber seinen Homologisationen
kann ich durchaus nicht beistimmen.
Im selben Jahre als Von Lenhossek den Bau des lobus opticus der
Cephalopoden erklärte, hat Kopsch (1896) eine Mitteilung über da.sselbe
Thema veröflffenthcht und später hat er (181)9) noch weitere Angaben hinzu-
gefügt.
Kopsch arbeitete mit Loligo und wandte seine Modifikation der Goi.oi-
schen Methode an. Er
f.s,
rf
Fig. (5.3.
cortex Lolo.o
i.
nx e
'A.i
O.
Leitiingsbahnen im lobus opticus von ]voligo. Abge-
ändert nach Kopsch (189()).
a bis e — (ianglienzellen
/, (j, h = Nervenfasern
/. s. = Faserschicht
/. gr. e. = laniina granularis externa
l. gr. i. = lamina gianularis interna
l. pl. — laniina plexiforniis
med. l. o. — inedulla lobi optici
p. = Palisadenzelle
r. f., r. /'. = Retinal faser
sah ebenso wie Von
Lenhossek im lobus
opticus ein Mark (Fig.
63, med. l. o.) und eine
Rinde (Fig. 63, cortex
lob. opt.) und in der
letzteren zwei Kör-
nerschichten, eine äu-
ßere (Fig. 63, l. gr. e.)
und eine innere (Fig.
68, l. gr. i.), welche
durch eirie Faser-
sclücht getrennt
waren. Kopsch nennt
diese Schicht die reti-
culäre Schicht ; ich
aber will fortfahren
sie lamina plexiformis
(Fig. 63, l. pl.) zu
nennen. Die äußere
Körnerschicht wird
bekleidet mit einer
Faserschicht (Fig. 63,
/. 5.), deren Nerven-
fasern die Fortsätze
der Sehzellen sind,
aber ich will sie mit Von
Kopsch nennt diese Fasern die Stäbchenfasern,
Lenho.ssek auch hier als Retinalfasern bezeichnen.
Wenn ich Kopsch richtig fasse, so treten nur zwei Retinalfaserbündel,
welche ein Chiasma bilden, an den lobus opticus heran. Anders also als bei
Eledone, wo manche Retinalfaserbündel waren. Die Retinalfasern selbst
enden entweder, wie bei p]ledone, in der lamina plexiformis (Fig. 63, r. /.),
oder sie enden im Mark (Fig. 63, r. /'.).
CEPHALOPODA. 169
In der äußeren Köinersehicht gibt es große und kleine Körnerzelle u.
Das Schicksal der Fortsätze der großen Körnerzellen ist unbekannt. Die
kleinen Körnerzellen (Fig. 63, a) sind unipolar und senden ihren Stammfort-
satz in die plexiforme Schicht, wo er sich verästelt. Sie stimmen darin, sei
es auch nicht in der Weise der Verästelung, mit den äußeren Körnerzellen
von Eledone überein.
In der inneren Körnerschicht sind zwei kleine multipolare Ganglienzell-
arten gelagert (Fig. 63, h und c). Beider Dendriten verlassen die Körnerschicht
nicht, aber die Neuriten begeben sich zur lamina plexiformis. Hier verhalten
sie sich nicht in gleicher Weise. Der Neurit der einen Ganglienzellart ver-
zweigt sich und endet (Fig. 63, b) ; der Neurit des anderen Zolltypus krümmt
sich und läuft parallel mit der Oberfläche des lobus opticus weiter (Fig. 63, c).
Außerhalb der kleinen Ganglienzellen gibt es in der inneren Körner-
schicht auch eine Art großer Ganglienzellen (Fig. 63, d) mit weit ausgedehn-
ten Verästelungen, hauptsächlich in einer mit der Schicht parallelen Ebene.
Unmittelbar an die medulla grenzend sind weiter noch die Zellkörper
der Pahsadenzellen, wie Kopsch sie nennt, in einer Schicht geordnet. Sie
sind unipolar und ihr Fortsatz verzweigt sich im Mark (Fig. 63, p.).
In der medulla lobi optici fand Kopsch nur multipolare Ganglienzellen
(Fig. 63, e), welche ihre kurzen Fortsätze nach allen Seiten wandten. Sie
sind gruppiert oder hegen vereinzelt.
Neben diesen Ganglienzellen entdeckte Kopsch Nervenfasern unbekann-
ter Herkunft in der medulla. In seiner ersten Mitteilung (1896) erwähnt er
nur eine Art, welche, aus dem Mark kommend, bis in die plexiforme Schicht
emporsteigt und dort verästelt endet (Fig. 63, /). Später (1899) hat er noch
zwei andere Typen hinzugefügt, nämlich Nervenfasern der medulla, welche
sich in der inneren Körnerschicht verzweigen (Fig. 63, g) und Nervenfasern
der medulla, welche zur lamina plexiformis emporsteigen und sich dann
parallel mit der Oberfläche umbiegen. (Fig. 63, h).
Man sieht, die Rinde des lobus opticus enthält ebenso wie das Mark bei
Loligo im allgemeinen ganz andere Elemente als bei Eledone, was wiederum
die obengenannten Von LENHOSSEKschen Homologisationen sehr schwächt.
Neuerdings hat Cajal (1917) Beiträge zur Kenntnis der Retina der Ce-
phalopoden veröffenthcht, welche ich, da sie in spanischer Sprache geschrieben
sind, hier nicht referieren, nur nennen, kann.
Hofmann (1907) hat sich bemüht die Innervierung der glatten Muskel-
fasern der Cephalopoden zu erforschen. Er sah in Methylenblau- Präparaten
die Muskelfasern, welche an den Chromatophoren von Lohgo haften, ebenso
wie die Fasern der Flossenmuskulatur von Sepiola Rondeleti und Sepia ele-
gans innerviert durch einen Nervenfaserplexus, dessen Fasern alle konti-
nuirhch in einander übergingen, ohne je frei zu enden. Ganghenzellen wer-
den nicht von ihm erwähnt. Hofmann, welcher auch im Herzmuskel des
Frosches die nämhchen Verhältnisse fand, verneint aus diesem Grunde überall
das Bestehen eines Ganghenzellplexus und richtet sich namenthch gegen
Bethe und seine Figur, welche ich als Fig. 4,S. 13 reproduziert habe. Hof-
mann irrt sich dabei im allgemeinen durchaus. Wie die Lage bei den genannten
170
MOLLUSCA.
Muskelfasern der Cephalopoden ist, soll dahingestellt bleiben ; meiner Mei-
nung nach hat Hofmann seine Behauptungen nicht genügend bewiesen.
Im Jahre 1908 hat Guerin (1908) ganz merkwürdige Besonderheiten
über die Leitungsbahnen der Tentakeln der Cephalopoden veröffentlicht. Er
hat die Tentakeln mancher Octopoden mit der GoLGischen Methode unter-
sucht und dabei einen Teil der Leitungsbahnen aufgefunden. Er beschreibt
diese als von einander getrenn-
^ ip- *^^- te Neuronen, wie die Methode
sie ihm vor die iVugen führt,
will aber deswegen noch nicht
als ein Anhänger der Neuronen-
theorie betrachtet werden.
Was Guerin beobachtet
hat, habe ich in der schema-
tischen Figur 64, welche ab-
geändert nach seiner Figur 29
angefertigt worden ist, einge-
tragen. Die Figur stellt einen
Querschnitt durch einen Ten-
takel dar. Oben ist ein Saug-
napf (s.n.) getroffen worden.
In der Achse des Armes findet
man einen zentralen Nerven-
strang {z.n.s.). Drei der vier
Seiten desselben sind mit einer
Rinde von Ganglienzellen (r.)
bekleidet. An der vierten Seite
liegen zwei Längsnervenfaser-
bündel {Lb.). In der Mitte des
Stranges begegnet man einem
Neuropilem {n.).
Der zentrale Nervenstrang
wird umringt von den Muskeln
des Tentakels oder den Bra-
chialmuskeln {h.m.) Innerhalb
dieser Muskelschicht wurden
vier intermuskulare Ganghen
wahrgenommen. Die Figur 64
zeigt nur ein einziges dieser Ganglien {g.i.m.). Sie sind durch Nerven mit
dem Nervenstrang verbunden, ebenso wie die subacetabulare Nervenmasse
oder das ganglion subacetabulare {g.s.), welches zwischen dem Saugnapf
und den Brachialmuskeln gelegen ist. Vom Saugnapf, welcher selber natürhch
Muskeln enthält, zu den Brachialmuskeln strecken sich endHch noch die
Acetabulobrachialmuskeln (a. 6. m) aus.
Guerin beobachtete nun zwischen allen diesen Organen die nachstehen-
den Leitungsbahnen.
Querschnitt eines Armes von Octopvis.
Abgeändert nach GueRiN (1908). Textfigur 29.
a bis d — Ganglienzellen
e = Nervenfaser
a. h. m. — Acetabulobrachialmuskel
b. m. = Brachialmuskeln
(j. i. m. = ganglion intermuseulare
= ganglion subacetabulare
= Längsbündel von Nervenfasern
= Neuropilem
= Rinde
8. n. = Saugnapf
t. = Tentakel
fS. n. 8. — zentraler Nervenstrang
g.s.
Lb.
n.
r.
CEPHALOPODA. 171
In der Rinde des axialen Nervenstranges sind unipolare Ganglienzellen,
welche ihren Stammfortsatz ins Neuropilem senden. Hier angelangt, spaltet
er sich in Dendriten, welche sich im Neuropilem wiederholt verzweigen und
einen Neuriten, welcher die Brachialmuskeln innerviert (Fig. 64, a) oder
zur Muskulatur des Saugnapfes geht (Fig. 64, b).
Im ganglion subacetabulare sah Guerin unipolare Ganglienzellen mit
Fortsätzen zum Neuropilem des zentralen Nervenstranges, zu den Muskeln des
Saugnapfes und zu den Acetabulobrachialmuskeln. Guerin vermutet, daß
zwei Ganglienzelltypen da sind. Einer, wie die Zelle c der Fig 64, mit Fort-
sätzen zu den Acetabulobrachialmuskeln und zum zentralen Neuropilem,
ein anderer mit Fortsätzen zur Muskulatur des Saugnapfes und zum zentralen
Neuropilem.
In den gangha intermusculares erwähnt Guerin Ganglienzellen, welche
mir bipolar scheinen (Fig. 64, (/). Sie senden einen Fortsatz in die Muskulatur
des Tentakels und den anderen ins Neuropilem des Nervenstranges.
Neben diesen motorischen Ganglienzellen sah Guerin auch Fasern,
welche er als sensibele Nervenfasern betrachtet. Sie gehen aus dem Rand
des Saugnapfes hervor und schreiten zum Neuropilem des Nervenstranges,
wo sie sich verästeln (Fig. 64, e). Ihre Ursprungszellen blieben leider unbe-
kannt.
Guerin behauptet, daß diese Nervenfasern im Neuropilem mit den Den-
driten der motorischen Ganglienzellen funktionell zusammenhängen und daß
sehr gut eine Reflexbahn zwischen den sensibelen Nervenfasern und einem
jeden der beschriebenen motorischen Ganghenzell typen bestehen könne.
Die longitudinalen Nervenfasern der Längsbündel biegen ab zum zen-
tralen Neuropilem und verzweigen sich dort. Die Ganglienzellen, aus denen
sie hervorgehen, fand Guerin im unteren Schlundganghon, das heißt also
im BrachialgangUon, oder im Pedalganglion (vergl. Fig. 61, S, 174 wo n. br . die
Brachialnerven oder Nerven der Tentakeln darstellen). Er meint, daß einige
dieser Nervenfasern den Reiz der genannten sensibelen Nervenfasern zum
Zentralnervensystem leiten, andere motorische Reize aus dem Zentralner-
vensystem zu einem jeden der motorischen Ganghenzellen des Tentakels
führen. Weil er aber diese beiden Fasertypen nicht unterscheiden konnte,
scheint mir diese Behauptung mehr wahrscheinlich als bewiesen.
Die GuERiNschen Resultate kann man in extenso referiert finden in
der Einführung in die Physiologie der Cephalopoden Bauers (1909). Diese
Arbeit erstrebt u. m. dasselbe Ziel bei den Cephalopoden, welchem ich in
diesem Buche bei allen Evertebraten nachstrebe, nämlich eine über-
sichtliche Darstellung der Leitungsbahnen zu geben, nur mit diesem erheb-
lichen Unterschiede, daß Bauer an die Anerkennung einer Bahn gar nicht so
strenge histologische Forderungen stellt, wie ich, wahrscheinlich, weil er
schüeßhch doch hauptsächhch eine Darstellung der Physiologie der Cephalo-
poden beabsichtigt.
Bauer stützt sich bei seinen hodologischen Auseinandersetzungen auf die
Forschungen anderer Autoren, welche er sehr gut wiedergibt. Manche dieser
Forschungen habe ich schon oben besprochen und es wäre überflüssig zu wie-
172
MOLLUSCA.
Schema der Leitungsbahnen
des Mantels der Cephalopo-
den nach Fröhlich (191U).
= Gehirn
= Mantelganglion
= Mantelmuskeln
= nervus pallialis
= nervus stellaris
= Sinnesnervenzelle
des Mantels
g
m. g
m. in
n. p
n. s
s.
m.rn.
derholen, was Bauer darüber sagt. Nur die Untersuchungen Jattas, worauf
Bauer die Aufmerksamkeit hinlenkt, fehlen hier, weil ich sehr zu meinem
Bedauern diese Angaben nicht selber zu Gesicht bekommen konnte. Ich
glaube übrigens, daß Bauer Leitungsbahnen, welche gar nicht histologisch,
sondern nur physiologisch nachgewiesen sind, ebenfalls referiert und eine
Beschreibung dieser Bahnen wäre
in diesem Werke nicht am Platze.
Während Bauer in seinem Auf-
satz einer anderen Einteilung und
Nomenklatur der Cerebralganglien
folgt, als die oben angewandte (vergl.
Fig. 61, S. 174), bringt uns Gariaeff
(1909) eine ganz andere Benennung
der suboesophagalen GangHen. Aber
hinsichtHch der Leitungsbahnen sagt
er nur, daß fast alle GangUenzellen
dieser Ganglien unipolar sind und
daß ihre Fortsätze die peripheren
Nerven zusammenstellen.
Weil die Cephalopoden so überaus günstig sind zur Anstellung physiolo-
gischer Experimenten, hat sich l)ei diesen Tieren oft und mehr als bei anderen
Evertebraten der Mangel an Bekanntheit mit den histologischen Leitungsbahnen
fühlen lassen an Stellen, wo die Physiologie der Reizleitung schon große
Fortschritte gemacht hatte.
Ein interessantes Beispiel davon
ist das folgende. Fröhlich (1910)
hat die Reflexe des Mantelganghons
der Cephalopoden untersucht. Dieses
Ganghon, auch StellargangUon ge-
nannt, wird durch den Mantelnerven
^-| — i:^ UEXKULL tma rjAGLioisi. oder nervus palHaUs mit dem Vis-
V^ vy '^ • ^- Nach Fröhlich (1910). ceralganglion des Gehirns verbunden
und durch die Stellarnerven mit den
Muskeln des Mantels. Aus physiolo-
gischen Gründen schließt Fröhlich,
daß es drei Neuronen gibt, wie sie
im Schema (Fig. 65 ) gezeichnet
worden sind. In der Figur 65 stellt g. das Gehirn dar. Fröhlich setzt darin
Ganglienzellen voraus, deren Fortsätze den nervus paUialis bilden und im
MantelgangUon {7n.g.) enden. In diesem Ganglion hegen nach ihm andere
Ganghenzellen, welche die Mantelmuskeln (Fig. 65, ni.m.) innervieren und
deren Fortsätze also in die Stellarnerven (/?.«.) ziehen. Ueberdies enden nach
Fröhlich im MantelgangUon die Nervenfortsätze von Sinnesnervenzellen (5.).
Die FRÖHLiCHschen Ansichten streiten mit jenen, welche Von Uexkull
und Baglioni ebenfalls aus physiologischen Gründen zu den ihrigen mach-
ten. Ihre Meinung gibt das Schema Fig. 66 wieder. Wie Fröhlich erkennen
-_--f^
•P-
n.s.
Schema der Leitungs-
bahnen des Mantels der
Cephalopoden nach Von
Uexküll tmd Baglioni.
Nach Fröhlich (1910).
Bezeichnungen wie in
Fig. 65.
m.m.
CEPHALOPODA. 173
sie im Gehirn Ganglienzellen an, welche ihre Fortsätze zum Mantelganglion
senden und im Mantelganghon Ganglienzellen, welche die Muskeln des Man-
tels innervieren. Aber die Nervenfortsätze der Sinnesnervenzellen enden
nach diesen Autoren nicht im Mantelganglion, sondern sie durchsetzen das-
selbe um im Gehirn zu enden (Fig. 66, s.).
Was ist uns nun histologisch über diese Neuronen bekannt ? Ich meine,
nur dasjenige was Owsjannikow und Kowalewsky (1868) uns darüber
lehrten. Sie beobachteten, wie schon S, 161 bemerkt wurde, in der Tat im Vis-
ceralganglion, also im ,, Gehirn", Ganglienzellen mit Fortsätzen in dem Man-
telnerven zum Mantelganghon und im Mantelganghon Ganghenzellen mit
Fortsätzen zur Muskulatur des Mantels, beide Ganglienzelltypen, welche
sowohl Fröhlich wie Von Uexküll und Baglioni voraussetzten. Daneben
sahen sie auch Nervenfasern, welche an dem Mantelganglion vorübergingen.
Wären diese vielleicht die Nervenfortsätze der Sinnesnervenzellen, welche
Von Uexküll und Baglioni das Mantelganghon passieren lassen, so würden
diese Autoren Recht bekommen und Fröhlich, welcher solche Fasern nicht
anerkennt, Unrecht, aber ganz gewiß kann man dessen nicht sein.
Daß Owsjannikow und Kowalewsky überdies Nervenfasern des nervus
palliahs, welche aus Ganghenzellen des Mantelganghons hervorgehen, erwähnen,
von denen weder Fröhlich, noch Von Uexküll und Baglioni die Wir-
kung beobachtet haben, erregt den Wunsch in mir, daß die Uebereinstim-
mung der Histologie und der Physiologie in diesem Gebiete künftighin noch
größer werden möge.
Histologisch und in vorzüghcher W eise wurden die Leitungsbahnen des
Zentralnervensystems der Cephalopoden in letzter Zeit von Haller (1913)
bearbeitet. Es ist derselbe Artikel, welchen ich schon oft zitiert habe und
worin die Intelhgenzsphären der Mollusken behandelt werden. Die Cephalo-
poden haben jedoch keine globuh.
Haller hat hauptsächlich die Bahnen von Eledone studiert und ich
verweise nochmals auf Fig. 61, welche dem HALLERschen Artikel entnom-
men wurde und das ,, Gehirn" von Eledone von der rechten Seite gesehen,
darstellt. Erst Haller hat manche Fasersysteme, welche von anderen Au-
toren nur undeutlich gesehen worden waren, überzeugend nachgewiesen,
weil er Begimi und Ende der Fasern entdeckt hat.
Betrachten wir zuerst das Brachialganglion (Fig. 61, g.br.). Haller
sieht die beiden Brachialganghen verbunden durch eine Kommissur, welche
er die commissura anterior nennt und welche auch früheren Autoren, so wie
Owsjannikow und Kowalewsky und Stieda, nicht unbekannt war.
Eine zweite Kommissur dieser Ganghen läuft bogenförmig über den
Oesophagus hin und legt sich unten an das Cerebralganghon an. Diese Kom-
missur hat DiETL commissura anterior genannt, aber Haller tauft sie com-
missura superior.
Das Brachialganglion hat peripher gelagerte Ganghenzellen. Die Fort-
sätze vieler dieser Ganghenzellen ziehen in die Brachialnerven (Fig. 61, n. br.)
und zwar bilden sie dabei vier Bündel, die vier Wurzeln der Brachialnerven.
Wenn diese Wurzeln sich noch im Neuropilem des Brachialganglions befin-
174
MOLLUSCA.
den, durchsetzt jede eine kleine Ganglienzellgnippe (einen nucleus oder Kern),
isoliert im Xeuropilcm gelegen. Die Zellen dieser Kerne senden ihre Fort-
sätze teils in die Wurzeln der Brachialnerven, teils wenden sich ihre Fort-
sätze durch die commissura superior zum Brachialganglion der anderen Seite,
wo sie dann innner im entsprechenden Kerne enden.
Die commissura anterior setzt sich hauptsächlich zusammen aus Fortsät-
zen von Ganglienzellen der Rinde des Brachialganglions, welche nachher in
die Wurzeln der Brachial-
nerven der anderen Seite
übergehen.
Die Ganghenzellaus-
läufer, welche selbst in
die Brachialnerven treten,
senden oft Aeste aus zum
Neuropilem des Brachial-
ganglions. Einige dieser
Aeste kreuzen ebenfalls
n..|0.-Cy^ ^ v-// / / Y in der commissura ante-
rior die MedianHnie und
treten ins Neuropilem der
anderen Seite.
Das BrachialgangUon
ist mit dem Cerebralgan-
glion durch das Cerebro-
brachialkonnektiv ver-
bunden. Seine Fasern
stammen aus allen Teilen
des CerebralgangHons und
gehen ohne zu kreuzen
ins Brachialganglion. Fest
steht, daß ein Teil dieser
Fasern aus Ganglienzellen
des vorderen Cerebral-
gangHons (Fig. (51, g. f. 1)
hervorgeht und auch, daß
Ganglienzellen des Brachi-
alganglions ihre Fortsätze
durch das Cerebrobra-
chialkonnektiv ins Cerebralganglion senden.
Die beiden Pedalganglien werden durch die commissura media vereinigt.
Ich habe diese bis jetzt Pedal kommissur genannt. Die Fasern dieser Kom-
missur gehen teils aus dem Pedalganglion, teils aus dem Pleurovisceralganglion,
das heißt dei- unteren .\bteilung des Visceralganglions (Fig. (31, ij. v.) hervor.
Die ersteren sind teilweise Fortsätze von Gangüenzellen des PedalgangÜons,
teilweise sind es Seitenäste von Foitsätzen, welche Ganglienzellen des Pedal-
ganglions in den Trichternerven (Fig. <>!, n. i.) oder den Mantelnerven (Fig.
Zfntialneiveii.systein von Eledone.
Kochte Seite. Nach Hallek (1913),
Textfigur 10.
Cercbrobuccalkonnektiv
ganghon brachiale
vordei-es Cercbralganghon
mittleres Cerebralganglion
hinteres Cerebralganglion
posterobasales Ganglion
ganglion podalc
ganglion viscerale
nervi brachiales
nervus infundibiili
nervus pallialis
nervus staticus
nervus visceral is
Pedobuccalkonnektiv
= pedunculus lobi optici
(abgeschnitten)
<: b.
/.-.
(J. c,
br.
: 1
2
(]. c
(J. c
. 3
. 4
'.!■
P-
{/■
V.
11.
br.
ti.
. i.
n.
P-
n.
s.
n.
V.
p. h.
,,. 1.
k.
c.
CEPHALOPODA. 175
61, n. p.) senden. Man Avird sich erinneren, daß die Nervenfasern des Trich-
ternerven, welche ans Ganghenzellen des Pedalganglions hervorgehen auch
schon von Owsjannikow und Kowalewsky bei Sepia beobachtet worden
waren.
Große Ganglienzellen des Pleuro- oder PalliovisceralgangUons (des un-
teren oder oberen Teils des VisceralgangUons, Fig. 61, g. v.) senden ihre
Fortsätze ins Pedalganglion. Dieselben durchschreiten dabei die ,,commissura
longitudinaUs ventrahs" nach Haller eine ,, Kommissur", welche kein anderer
Forscher noch erwähnt hatte, welche aber nach meiner Meinung nichts anders
als das Pedovisceralkonnektiv ist, oder vielleicht ein besonderer Abschnitt
desselben. Wenn die Fortsätze im Pedalganglion angelangt sind, senden sie
einen Ast in die commissura media, wie oben gesagt wurde, andere Aeste ver-
zweigen sich im Pedalganglion selbst, aber der Fortsatz selber geht weiter ins
Brachialganglion.
Zuletzt kommt das Visceralganghon (Fig. 61, r/. ?'.) an die Reihe. Haller
ist hier wiederum sehr nachlässig in der Anwendung derselben Namen für
dieselben Hirn teile im Text und in seiner Figurerklärung, weshalb ich nicht
immer gewiß bin, daß ich ihn richtig verstehe. Ich schHeße das folgende aus
seiner Beschreibung.
Das Visceralganghon hat einen gepaarten dorsalen Teil, das Palliovis-
ceralganglion und einen ungepaarten ventralen Teil das Pleuro visceralgan-
ghon. Das letztere ist mit einer diffusen Kommissur, Hallers commissura
posterior, oben von mir Visceralkommissur genannt, ausgestattet.
Die Rinde des Palliovisceralganghons zeigt einen besonderen Bau, weil hier
Gruppen großer und kleiner Ganglienzellen mit einander abwechseln. Die
großen Ganglienzellen sind multipolar und senden manche kleinen Fort-
sätze zu den benachbarten Zellgruppen. Diese Fortsätze laufen ganz an der
Oberfläche des Ganglions. Es sind hier also nicht, wie gewöhnlich in den Gan-
ghen der Evertebraten, die Ganghenzellen ganz peripherisch gestellt, sondern
eine Nervenfaserschicht, welche nach Haller z.B. an die lamina zonalis der
Großhirnrinde der Vertebraten erinnert. Die großen Ganglienzellen besitzen
aber auch lange Fortsätze, welche sich an die Wurzel des nervus pallialis
(Fig. 61, n. p.) anschließen, welche aus dem Pedalganglion stammt. Einige
dieser langen Fortsätze kreuzen dabei die Medianlinie in der commissura
posterior, andere nicht. Offenbar haben Owsjannikow und Kowalewsky
diese Ganglienzellen bei Sepia gekannt.
Nicht alle langen Fortsätze der großen Ganglienzellen des Palhovis-
ceralganghons treten in die Mantelnerven. Auch der Visceralnerv (Fig. 61,
n. V.) empfängt einen Teil davon, aber er nimmt auch Fasern aus dem Pleuro-
visceralganghon auf.
Die kleinen Ganghenzellen des Palliovisceralganghons sind multipolar.
Einige ihrer Fortsätze verbinden die Zellkörper gegenseitig, anastomosieren
also, andere wenden sich zum Neuropilem des Ganglions.
Das Pleuro visceralganghon zeigt verschiedene Gebiete in seiner Rinde.
Ganz ventral befinden sich sehr kleine Ganglienzellen an der Oberfläche des
Ganglions mit Fortsätzen in dem Visceralnerven. Mehr nach innen hegen
176 MOLLUSCA.
große Ganglienzellen ebenfalls mit Fortsätzen im Visceralnerven. Wahrschein-
lich haben Owsjannikow und Kowalewsky diese Zellen bei Sepia
beobachtet.
Das Cerebrovisceralkonnektiv, welches Haller weniger treffend die
cerebropleurale Visceralkommissur nennt, vereinigt das Cerebralganghon mit
dem PalUovisceralganghon. Seine Fasern kreuzen teilweise in der commissura
posterior. Sie gehen entweder aus GangHenzellen des Cerebralganghons oder
aus solchen des Pleurovisceralganglions hervor.
Haller hat es nicht unterlassen über die Nervenfasern des nervus sta-
ticus (Fig. 61, n. s.) und des pedunculus lobi optici (Fig. 61, p. l. o.) Mitteilun-
gen zu machen.
Die Fasern des nervus staticus, welche wir schon als Nervenfortsätze
der Sinnesnervenzellen der Statocyste kennen gelernt haben, sind nach Haller
kontinuirlich verbunden mit Ganglienzellen des Cerebralganghons, welche
drei Gruppen oder Kerne in der Nähe der commissura optica bilden. Diese
Ganghenzellen würden nach ihm mit manchen anderen einen wahren Ganghen-
zellplexus ausmachen, worin also keine bestimmten Leitungsbahnen sichtbar
wären.
Die eben erwähnte commissura optica besteht n^ch Haller aus Nerven-
fasern der peduncuh loborum opticorum welche im vierten Cerebralganghon
(Fig. 61, g. c. 4) lo-euzen und zu allen Teilen des Cerebralganghons ziehen
mit Ausnahme des vorderen (Fig. 61, gr. c. 1).
Dem pedunculus lobi optici sitzt endlich noch ein Ganglion auf, das
Haller als ein Stück abgetrennter Gehirnrinde betrachtet : das ganglion
peduncuh. Zellen dieses Ganglions senden Fortsätze aus, welche mit oder
ohne Kreuzung in der commissura optica ins Cerebralganghon ziehen. Umge-
kehrt gehen Fortsätze von Ganghenzellen des vierten Cerebralganghons ins
ganghon j)edunculi. Das Ganghon ist überdies durch ein Nervenfaserbündel
mit dem lobus opticus verbunden, aber die Ursprungszellen dieser Fasern
sind unbekannt.
So viel lehrt uns Haller über die Hodologie der Cej^halopoden. Seinem
Artikel folgte noch die Arbeit Schkaffs (1914).
ScHKAFF hat che Myopsidae unter den Cephalopoden studiert und zwar
Lohgo und Sepiola. Er nennt manche Fasersysteme, ist aber in der .\ngabe
der Ursprungszellen der Nervenfasern sehr unbestimmt.
Folgendes kann uns hier iiitejcssieren. Auch Loligo und Sepiohi haben
irf'vierten Teil des Cerebralganghons eine commissura optica zwischen den
beiden peduncuh, aber doch, wie ich meine, wahrscheinlich nielit so, daß
die beiden pediniculi selbst Fasern auswechseln.
Der pedunculus lobi optici (nervus opticus) empfängt Fasern aus manchen
Teilen des Cerebralganghons, aber auch durch das Cerebropedalkonnektiv
hin aus dem Pedalganglion. Schkaff bestätigt damit die Mitteilung Stiedas,
welche für Sepia galt.
Weder Sepiola noch Loligo besitzen nach Schkaff eine commissura media
(Pedalkommissur) im Pedalganghon, noch eine commissura anterior im ßrachi-
alganghon. Das lautet sehr sonderbar.
CEPHALOPODA. 177
Das ganglion brachiale sendet u. a. fünf Paar Brachialnerven aus. Ihre
Fasern stammen aus dem Brachialganglion und daneben aus dem Pedal-
gangHon. Schkaff bestätigt damit, wie er selber bemerkt, die JATTAschen
Angaben aus dem Jahre 1889, welche mir leider unbekannt blieben und auch
eine noch viel ältere Mitteilung Stiedas über Sepia.
Die Fasern des nervus staticus sah Schkaff, ebenso wie Hall er bei
Eledone, aus dem Cerebralganghon hervorgehen. Sie laufen weiter durch
das Cerebropedalkonnektiv und bilden im Neuropilem des Pedalganglions
ein Chiasma, wonach das Faserbündel eine Dreiteilung erleidet und aus dem
Ganglion austritt.
Endhch sagt Schkaff auch noch etwas über die Fasern einiger peripheren
Nerven, welche von anderen Autoren vernachlässigt wurden und auch in der
Figur 61 nicht zu finden sind. Dfer nervus nuchalis oder postorbitahs geht
hinten aus dem Cerebralganghon hervor, aber seine Nervenfasern entspringen
nicht, wie man meinte, in diesem Ganglion, sondern sie durchschreiten
das Cerebralganghon und entspringen im dorsalen Teil des Palliovisceral-
ganghons. Ob sie hier wirkhch aus Ganghenzellen hervorgehen, sagt Schkaff
nicht. Die Fasern des nervus ophthalmicus et oculomotorius superior ent-
springen kurz vor den Fasern des nervus nuchalis im PalHovisceralganghon
und durchsetzen ebenfalls das Cerebralganghon, ehe sie daraus als periphe-
rer Nerv hervortreten.
Man sieht, wie mangelhaft, trotz aller Mühe, welche sich die Forscher
gegeben haben, unsere Kenntnis der Leitungsbahnen der Cephalopoden
noch ist, wie überall noch kleinere und größere Lücken bestehen, aber auch,
wie unser Wissen und damit unser Verständnis ständig wächst. Wo dasselbe
mit noch mehr Recht von den anderen Mollusken gesagt werden kann, glaube
ich, daß solches nur eine Anregung sein kann, mit verdoppelter Anstrengung
neue Untersuchungen anzustellen.
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ECHINODERMATA.
[ni Augenblicke, M^oriii ich im Bes;riff stehe die Hodologie der Echinoder-
raen zu beschreiben, erschrecke ich fast, so wenig ist über die Wegö der Lei-
tungsbahnen bekannt. Kein anderer Stamm des Tierreichs ist in dieser Hin-
sicht noch so unaufgeklärt geblieben und es ist dies um so mehr zu liedauern,
als gerade die Asteriden oder Seesterne zu manchen physiologischen Experi-
menten Anlaß gegeben haben.
Der Mangel an hodologischen Ergenbnissen läßt sich wohl einigermaßen
erklären. Erstens sind die Echinodermen, lauter Meerestiere, nicht so allge-
mein erreichbar, wie die Würmer oder Mollusken. Zweitens ist die Technik
der histologischen Untersuchungen des Nervensystems außerordentlich schwer?
weil die Tiere so große Mengen Kalk enthalten. Und drittens weicht der Bau
des Nervensystems erhebhch ab, verglichen mit den anderen Everte-
braten. Es gibt nämlich nicht ein, sondern drei Nervensysteme, welche, es
ist kaum zu glauben, fast immer ohne gegenseitigen Zusammenhang sein
sollen. Ueberdies sind die wichtigsten Abschnitte des Nervensystems, den
anderen Geweben gegenüber nicht selbständig, weil die größeren Nerven oft
basal in einem Epithel liegen, das heißt, durch die fadenförmigen Bases der
Epithelzellen durchsetzt werden. Diese Tatsache hat zweifelsohne die Unter-
scheidung der nervösen und nicht-nervösen Gewebselemente sehr erschwert und
man findet in der Literatur viel Streit über die Natur gewisser Zellen und Fasern.
Dennoch glaube ich, daß man hierdurch nicht den Mut verlieren
darf und daß gerade die Echinodermen denjenigen Forschern, die die Technik
vollkommen beherrschen, reiche Ausbeute an neuen Tatsachen versprechen.
Die Echinodermen werden allgemein zu fünf Klassen gerechnet : die
Asteroidea, Ophiuroidea, Crinoidea, Echinoidea und Holothuria.
Mit den Asteroideen will ich anfangen. Zur Einleitung sei es mir gestattet
einige allgemeine Bemerkungen über das Nervensj^stem zu machen, welche
ich hauptsächlich dem Sammelwerke ,, Bronns Klassen und Ordnungen des
Tierreichs" entnehme, worin Ludwig und Hamann (1899) die Seesterne be-
arbeitet haben.
Die Asteriden besitzen drei völlig unabhängige Nervensysteme. Am läng-
sten bekannt ist das Ektoneuralsystem. Es setzt sich zusammen aus einem
182 ECHTNODERMATA.
Ringnerven um den Mund und fünf Badialnerven in den ventralen Mittelli-
nien der Arme, welche aus dem I^ingnerven hervorgehen. Der Ring sendet
l'oriphere Nerven zur Mundhaut und zum^ Darm, die Radialnerven zu den
Füßchen. Pedicellarien, Augen und anderen Organen des Armes. Nervenring
und Radiabierven hegen im. ektodermalen Epithel basal zwischen den Zellen.
Das zweite Nervensystem ist das Hyponeuralsystem in der Wand der
Hyponeuralkanäle (Pseudohämalkanäle) gelegen und zwar im Epithel. Es
bildet in jedem Arm zwei Epithelverdickungen und fünf solche Verdickungen
um den Mund herum. Es wurde von Lance entdeckt. Ludwig verneint die
nervöse Natur dieses Systems, aber Hamann, Cuenot, Jickeli, u.a. schließen
sich in ihrer ^Meinung der Einsicht Langes an. Das Hyponeuralsystem inner-
viert mit seinen Seitennerven einen Teil der Muskeln.
Letzteres kann man auch sagen vom dritten Nervensystem, dem Entoneu-
ralsystem, welches Cuenot entdeckte. Es liegt im Peritonealepithel unter den
dorsalen Muskeln des Armes und der Körperscheibe.
Haeckel (1860) scheint als erster sich mit der Histologie der Nerven
der Seesterne beschäftigt zu haben. Er fand im Ringnerven ebenso wie in den
Radialnerven, also im Ektoneurals} stem, zentral gestellte GangHenzellcn
und Nervenfasern ringsherum.
Hoffmann (1873) beschrieb die Ganglienzellen als bipolare Zellen und
betonte den übereinstimmenden Bau des Nervenringes und der Radialnerven.
Teuscher (187Ö) rechnete zu den Radialnerven drei Gewebsschichten,
nämhch eine Bindegewebsschicht, welche jetzt nicht mehr als zum Nerven ge-
hörig betrachtet \\drd, eine Nervenfaserschicht und eine Hautschicht. Die Ner-
venfaserschicht ist der eigentliche Nerv. Es sind darin longitudinale Nerven-
fasern und Zellen, bisweilen regellos verbreitet, bisweilen eine Schicht gegen
die Hautschicht bildend, welche nach Teuscher Ganglienzellen sind, ob-
gleich ihr Zusammenhang mit den Nervenfasern ihm verborgen blieb. In der
Nervenfaserschicht sah Teuscher auch Querfasern, welche er mit Recht als
Stützfasern betrachtet, denn, wie aus späteren Untersuchungen hervorge-
gangen ist, sind es die basalen Teile der ektodermalen Epithelzellen, welche
übrigens die Zellen der TEUSCHERschen Hautschicht darstellen. Ich glaube
nicht fehl zu gehen, wenn ich diese Stützfasern der Echinodermen den Gha-
fasern anderer Tiere gleichstelle. Auch Teuscher entdeckte keinen Unter-
schied im Bau des Nervenringes und der Radialnerven.
Im selben Jahre als Teuscher seine LTntersuchungen veröffentlichte
lÄ Lange (1876) in einer .sehr schönen Arbeit die Existenz des Hyponeural-
systems dargetan. Es ist schade, daß er dabei die nervöse Art des Ektoncural-
systems geleugnet hat, aber man kann sich denken, daß er noch nicht wie
spätere Forscher darauf gefaßt war, beiden Echinodermen mehr als ein Nerven-
system zu erkennen.
Bei den Asteroideen sah er in den Radialnerven des Hyponeuralsystems
Ganglienzellgruppen. Die Fortsätze dieser CJanglienzellen bilden eine Nerven-
faserschicht, welche durch eine bindegewebige Lamelle vom Ektoneuralsystem
getrennt wird. Unter den am Ende des Armes gestellten Augen bildet das
Hyponeuralsystem ein Ganglion.
ECHINODERMATA. 183
Sehr wichtig, weil er damit wenigstens den Anfang einer Leitungsbahn
angibt, ist die Bemerkung Langes, daß die pigmentierten Zellen des Auges,
das heißt die Sehzellen, sich in Fasern fortsetzen. Es hat sich später erwiesen,
daß diese Fasern wirklich Nervenfasern und die Sehzellen somit Sinnesnerven-
zellen sind, aber Lange selbst scheint nur den Sehzellfortsatz, nicht seine
nervöse Natur erkannt zu haben.
Ludwig (1878) hat seine Aufmerksamkeit wieder dem Ektoneuralsystem
der Ästenden gewidmet und in den Radialnerven beobachtet, was Teuscher
noch entgangen war, daß die Querfasern, welche den Nerven durchsetzen
mit den peripheren Zellen, also den Epithelzellen, verbunden sind. Uebrigens
bestätigt er nur bekannte Sachen.
Hamann (1883a) ist der erste Forscher, welcher sich bewußt war, daß
die Seesterne mit Sinneszellen vom Tj^pus der Sinnesnervenzelle ausgestattet
sind ; er nennt sie jedoch Epithelsinneszellen. Im ektodermalen Epithel des
Tasters am Ende der Arme entdeckte er Sinnesnervenzellen mit einem Fort-
satz in der dortigen intraepithelialen Nervenfaserschicht und daneben Stütz-
zellen, deren basale Fortsätze die Nervenfaserschicht quer durchsetzen bis
zur Basalmembran des Epithels. Letztere sind also die Epithelzellen, welche
z.B. auch Ludwig schon sah.
Auch in den Tastfüßchen der Arme traf Hamann solche Sinnesnerven-
zellen im Epithel mit Fortsätzen in der daruntergelegenen Nervenfaserschicht.
In Uebereinstimmung mit diesem Befund betrachtet Hamann die basalen
Fortsätze der pigmentierten Zellen des Auges als Nervenfortsätze und er meint
sogar, daß sie mit Fortsätzen bipolarer Ganghenzellen zusammenhängen.
Obgleich spätere Untersuchungen Hamann Recht gegeben haben, hat
anfänghch Cuenot (1887) sich ihm entgegengestellt. Er meinte damals, daß
niemals und in keiner Weise Epithelzellen des Ästenden mit Fasern der Ner-
venfaserschicht verbunden seien und folgUch, daß Hamann sich geirrt habe.
Zwar sah auch Cuenot die basalen Fortsätze der Sehzellen des Auges und
der Sinneszellen des Tasters, aber diese hefteten sich nach ihm ans Binde-
gewebe unter dem Epithel und seien deshalb keine Nervenfasern. Später hat
Cuenot (1891) seine vorigen Angaben zum Teil A^dderrufen und erkannt, daß
wirkHch einige Epithelzellen des Endtasters ihre Fortsätze in die Nervenfaser-
schicht des Epithels senden und somit als nervöse Zellen (ich sage Sinnesnerven-
zellen) zu betrachten sind. Er meint nur noch, daß solche Zellen nicht so
allgemein verbreitet sind, wie Hamann es will.
In seiner erstgenannten Arbeit (1887) bemerkt Cuenot noch, daß die
Nerven des Ektoneuralsystems nicht scharf begrenzt sind gegen das umgeben-
de Epithel, weil überall basal zwischen den Epithelzellen der Haut eine mehr
oder weniger dicke Nervenfaserschicht verbreitet ist. Auch basal im Epithel
des Darmkanals läßt sich eine Nervenfaserschicht beobachten.
Ebensowenig wie andere Forscher konnte Cuenot bestimmte Leitungs-
bahnen im Ektoneuralsystem beobachten, ja, er sah sogar nicht den Zusam-
menhang der Nervenfasern mit den bipolaren Ganghenzellen, welche in den
Nerven zerstreut hegen.
Auch JiCKELi (1888) sah im Ektoneuralsystem der Ästenden zirkuläre
184 ECHINODERMATA.
Nervenfasern im Ringnorven und longitudinale in den Radialnerven, aber
keine Andeutung mehr spezieller Leitungsbahnen. Er fand im Ektoneural
System, ebenso wie im Hyponeuralsystem, Ganglienzellen in der Peripherie
der Nerven und im Zentrum derselben.
In der Arbeit Ludwigs und Hamanns (1899), welche eine Uebersicht der
damaligen Literatur der Asteroidea darbietet, werden auch keine Leitungs-
bahnen erwähnt. Lais interessiert hier noch ihre Bemerkung, daß auch das
Entoneuralsystem der Seesterne in den Armen aus longitudinalen Nerven-
fasern und Gangüenzellen zusammengesetzt \Adrd, welche eine Schicht bilden
zwischen den dorsalen Armmuskeln und dem Coelom. Letzteres ist bekleidet
mit dem Peritoneum und die basalen Abschnitte der Peritonealzellen bilden
cl)ensolche querlaufenden Stützfasern in diesem Nervensystem, wie die Ek-
todermzellen im Ektoneuralsystem.
Die Sehorgane der Seesterne sind abermals von W.Pfeffer (1901) unter-
sucht worden und zwar bei sehr vielen Arten. Er sah den Radialnerven in dei-
Spitze des Armes anschwellen zu einem Augenpolster, welches dieselben Ele-
mente wie der Radialnerv enthielt, nur daß sie größer waren. So beobach-
tete er darin bei einigen Seesternen viele, bei anderen nur wenige Sinnes-
nervenzellen, wie sie auch in den Nerven vorkommen, wo Hamann sie ent-
deckte. Aber die wichtigsten Elemente des Augenpolsters sind die rot pigmen-
tierten Sehzellen. Meistens sind sie zu Augen gruppiert, bisweilen aber auch
diffus verteilt. Die Sehzellen tragen ein Stäbchen und verjüngen sich in eine
Faser, welche in der Nervenfaserschicht des Augenpolsters verschwindet.
Es sind deshalb, ebenso wie die anderen Sinneszellen, Sinnesnervenzellen.
In letzter Zeit hat R. Meyer (1906) den feineren Bau des Nervensystems
des Seesternes Asterias rubens einer Untersuchung unterworfen. Er betont
mit Nachdruck, daß wenigstens bei dieser Art kein Entoneuralsystem vor-
handen ist, denn das Peritonealepithel enthält nach ihm keine nervösen
Elemente.
Tatsächhch erkennt Meyer nur ein einziges Nervensystem und zwar
das Ektoneuralsystem. Er bestätigt darüber viele uns schon bekannte Tat-
sachen, macht aber auch einige Bemerkungen, welche uns hier besonders
interessieren. Er erwähnt in den Nerven neben bipolaren Ganghenzellen auch
multipolare, welche vordem oft gefunden, aber eben so oft als Bindegewebs-
zellen betrachtet worden waren. Auch sah er mehr Ganglienzellen im Ring-
nerven als in den Radialnerven. Meyer konnte auch mit aller wünschenswer-
te« Deuthchkeit die Sinnesnervenzellen in Ektoderm wahrnehmen. Er be-
schreibt sie und bildet sie ab als bipolare ZeUen mit einem Sinnesfortsatz bis
zur Cuticula und einem Nervenfortsatz, welcher sich (oft T förmig) zwischen
den Fasern des Nerven verzweigt. Niemals sah er diese Nervenfortsätze kon-
tinuirlich in Fortsätze der Ganglienzellen des Nerven übergehen und er glaubt
ja auch nicht daran. Aber auch das sich aneinanderlegen dieser Fortsätze,
woran er wohl glaubt, hat er nicht beobachtet.
Wie aus dem oben Mitgeteilten erhellt, sind uns bei den Asteriden gar
keine Leitungsbahnen des Nervensystems bekannt. Nur die Nervenfortsätze
der verschiedenen Sinnesnervenzellen, welche deren ersten Anfang bilden.
ECHINODERMATA. 185
Die Ophiuren oder Schlangensterne haben ebenso wie die Ästenden ein
Ekto-, Hypo- und Entoneuralsystem. Das Ekto- und Hyponeuralsystem
bilden zusammen den Ringnerven um den Mund und die Rädialnerven in
den Armen. Diese beiden Nervensysteme liegen nicht mehr im Epithel selbst,
sondern subepithelial.
Teuscher und Lange, deren Arbeiten wir schon oben kennen lernten,
haben auch die Ophiuren untersucht. Teuscher (1876) erkannte schon die
Doppelnatur der Radialnerven, welche durch Verwachsung des Ekto- und
Hyponeuralsystems entsteht.
Lange (1876) hat nur die Radialnerven des Hyponeuralsystems studiert.
Er entdeckte darin gepaarte Ganglien durch Längsverbindungen (,,Konnek-
tive") und durch eine oder zwei Querverbindungen ,, (Kommissuren") ver-
einigt. Aus den Ganglien gehen Nerven hervör, welche oft gewisse Muskeln
innervieren. Auch hier wird über die Wege der Nervenfasern geschwiegen.
Das Hyponeuralsj^stem ist durch eine bindegewebige Membran vom Ekto-
neuralsystem getrennt. Lange betrachtet das Ektoneuralsystem als ein
nicht-nervöses Band und er hebt besonders hervor, daß es keine Fasern mit
dem hyponeuralen Radialnerven auswechselt.
Einen ganz kleinen Beitrag zur Hodologie der Ophiuren Hefert Ludwig
(1880), wenn er sagt, daß die longitudinalen Nervenfasern der Radialnerven
kontinuirhch in Nervenfasern des Ringnerven übergehen.
Hamann (1889) teilt uns manche Einzelheiten des Nervensystems der
Ophiuren mit, welche, so weit sie nicht selbst den Lauf der Leitungsbahnen
berücksichtigen, späteren cüesbezüghchen Untersuchungen behilflich sein
können.
Auch Hamann beobachtete, daß die Radialnerven durch eine Membran
in einen ventralen oder oralen Teil (das Ektoneuralsystem) und einen dor-
salen Teil (das Hyponeuralsystem) zerlegt werden. Die Radialnerven des
Hyponeuralsystems setzen sich zusammen aus einer dünnen Schicht longitudina-
1er Nervenfasern, welche an der einen Seite durch die bindegewebige Membran,
an der anderen Seite durch eine einzige Schicht von GangUenzellen begrenzt
wird. Die Nervenfasern sind Fortsätze der Ganglienzellen. An manchen Stel-
len ist die Gangiienzellschicht verdickt und diese Ganglienzellanhäufungen
bilden gepaarte GangUen. Die Radialnerven des Hyponeuralsystems senden
Nerven zu den Muskeln,
Die Radialnerven des Ektoneuralsystems bestehen ebenfalls aus einer
Nervenfaserschicht, welche einerseits durch die Membran, andrerseits durch
eine Zellschicht bekleidet wird. Die Nervenfaserschicht ist aber viel mäch-
tiger entwickelt als im Hyponeuralsystem und enthält hier und dort eine
Ganghenzelle. Die Zellschicht ist an den Stellen, welche mit den Ganghen
des Hyponeuralsystems übereinstimmen zu einem Ganglion verdickt und
enthält hier meistens bloß multipolare Ganglienzellen, bei Ophiothrix aber
auch Stützzellen. Zwischen diesen Stellen stehen die Zellen nur in einer Schicht
und hier wechseln Stützzellen, welche Stützfasern quer durch die Nervenfa-
serschicht zur Bindegewebsmenbran senden, mit Ganghenzellen ab.
Die Sei tenner ven dieser ektoneuralen Radialnerven sehen zu den Füßchen
186 ECHINOBERMATA.
Sie sind ventral mit Ganglienzellen belegt und bilden um das Füßchen ein
kreisförmiges ganglion pedale mit zirkulären Nervenfasern. Auch dieses gan-
gUon pedale sendet viele Nerven aus. Man begreift, daß in dieser Lage die
Wege der Nervenfasern hier nicht ohne weiteres gegeben sind, eben so wenig,
wie an gar manchen anderen Stellen, ^\o Hamann Ganghen und ganglienzell-
führende Nerveu be>*chreibt.
Interessant ist es, daß einige Seitennerven des Radialnerven sowohl
Nervenfasern des Ektoneuralsystems wie des Hyponeuralsystems erhalten.
Im Ringnerven laufen die Nervenfasern im Kreise. Es gibt hier zwei
Ganghenzellarten, aber keine Stützzellen und auch hier sind die ventralen Gan-
ghenzellen in Ganglien angehäuft. Den Ringnerven verlassen periphere'Nerven,
welche Ganglienzellen enthalten und oft zu peripheren Ganghen gehen. Alle
diese Angaben erregen nur Fragen nach dem Lauf der Nervenfasern, aber
beantworten sie durchaus nicht.
Sinnesnervenzellen wurden von Hamann auch bei den Ophiuren be-
obachtet und zwar im Epithel der Mundfüßchen und der Keulenstacheln,
welche einige Oijhiuren besitzen und bei üphioglypha in allen Füßchen. Immer
senden sie ihren Nervenfortsatz in die darunterliegende Nervenfaserschicht.
In der zusammenfassenden Arbeit, welche Ludwig und Hamann (1901)
zusammen schrieben, kann man obige Bemerkungen über das Nervensystem
der Ophiuren neben vielen anderen wiederfinden, aber hinsichthch der Hodo-
logie führt sie uns nur wenig weiter. Es werden widerum im Epithel der Füßchen
Sinnesnervenzellen beschrieben ; jetzt wird aber darüber bemerkt, daß
ihre Nervenfortsätze ins oben erwähnte ganglion pedale ziehen. Falls sie
dort enden, ist hier also eine Leitungsbahn genugsam bekannt. In den Füßchen
von Ophiothrix bilden die Sinnesnervenzellen Sinnesknospen und ihre Nerven-
fortsätze besondere Nerven, welche Seitennerven des Füßchennerven sind.
Die dritte Klasse der Echinodermen bilden die Crinoideen. Auch sie be-
sitzen drei Nervensysteme, hier Ektoneuralsystem, dorsal oder apical Nerven-
system und ventral Nervensystem genannt. Das Ektoneuralsystem ist nur
wenig entwickelt. Nerven im Epithel der ventralen Seite der zehn Arme und
der Tentakelrinnen der Mundscheibe bilden es, aber ein Ringnerv fehlt.
Das apicale Nervensystem ist eine Hohlkugel, welche das ,, Dorsalorgan"
umgibt und aus diesem Zentralorgan gehen periphere Nerven zu den Muskeln
der Arme, den Cirrhen und dem Stiel des Crinoidenkörpers hervor.
Das ventrale Nervensystem, welches sich aus dem Mesoderm entwickelt
und somit von der Mehrzahl der Nervensysteme der Tiere abweicht, bildet
einen Ring um den Mund mit Seitenästen zu den Armen, dem Wassergefäßsys-
tem und der ventralen Haut. In den Armen werden das apicale und das
ventrale Nervensystem durch Seitennerven verbunden, wemgstens nach
Ludwig und Hamann (1907).
Das Ektoneuralsystem besteht nach Hamann (1889) aus Nervenfasern
mit zwischenhegenden GangUenzellen. Man begegnet demselben, wie gesagt,
im ventralen Epithel der Arme und hier stehen nach Hamann auch Sinnesner-
venzellen, welche ihre Nervenfortsätze in die Nervenfaserschicht hineinsenden.
ECHINODERMATA.
187
Das ventrale Nervensystem enthält, wie z.B. Ludwig und Hamann
(1907) uns belehren, überall Ganglienzellen neben den Nervenfasern und im
Nervenringe sind die Ganglienzellen bipolar oder multipolar und laufen die
Nervenfasern zirkulär, aber Bemerkungen über den Verlauf der Leitungs-
bahnen habe ich nirgends finden können.
Das apicale Nervensystem ist in dieser Hinsicht noch am besten studiert
worden. Ludwig und Hamann (1907) beschreiben in der zentralen Hohlkugel
dieses Nervensystems neben Ganglienzellen dorsal gestellte, zirkuläre Nerven-
fasern und andere, welche aus dem Ringe in die Nerven ausstrahlen, wie sie
auch schon von Hamann (1889) im Jahre 1889 beobachtet worden waren.
Die Nerven enthalten neben longitudinalen Nervenfasern bi- und multipolare
GangHenzellen.
Die fünf Radialnerven des apicalen Nervensystems (Fig. 67, n. r.) gehen
zu den fünf Armpaaren und, wenn sie
an der Basis der Arme (Fig. 67, A.)
angelangt sind, spaltet ein jeder sich in
zwei Brachialnerven (Fig. 67, n. br.). An
der Spaltungsstelle werden die beiden
Brachialnerven durch eine Querverbin-
dung, ,, Kommissur" genannt (Fig. 67,
c), verbunden und außerdem durch zwei
einander kreuzende Faserbündel, welche
das Chiasma (Fig. 67, eh.) bilden (Man
beachte, daß die Wörter Kommissur,
kreuzen und Chiasma hier nicht in dem-
selben Sinne wie bei den bilateral symme-
trischen Nervensystemen anderer Tier-
gruppen gebraucht werden.) Diese Stelle
ist allerdings sehr geeignet unsere Neugier
nach dem Lauf der Nervenfasern zu
erregen.
Hamann (1889) hat uns erst mitgeteilt, daß wirklich Fasern des einen
Armnerven durch die Kommissur in den anderen übergehen und daß ebenso
im Chiasma die Armnerven Fasern tauschen. Später aber [Ludwig und
Hamann (1907)] hat er gesagt, daß die Bündel des Chiasma zwar als solche
einander kreuzen, daß aber ihre Fasern sich nicht mischen, in welchem Falle
das Wort also eigentlich gar nicht angewandt werden darf, weil so oft zwei
Nerven über Kreuz Hegen, ohne daß man von einem Chiasma spricht.
Neuerdings hat auch Reichensperger (1912) das apicale Nervensystem
der Crinoiden erforscht. Er beschreibt in den Nerven der Arme Nervenfasern
und mancherlei GangHenzellen, bisweilen in Ganglien vereint. Einige dieser
GangHenzellen senden Fortsätze in die Dorsalfasern, das heißt, in die Mus-
kelfasern, welche die Syzygien oder Armglieder verbinden. Es sind also mo-
torische GangHenzellen.
Schema der Verzweigung des Radial-
nerven der Crinoideen.
Nach Ludwig und Hamann (1907).
A. = Arm
c. = Kommissur
eh. = Chiasma
n. br. = nervus braehialis
n. r. = nervus radialis
Das Nervensystem der Echinoidea bildet wiederum einen Ring um den
188 ECHINODERMATA.
Mund und fünf Radialnerven. Bei den Reguläres sind sie aus dem Ekto- und
Hyponeuralsystem aufgebaut, bei den Irreguläres fehlt aber das Hyponeural-
sj^stem. Es gibt auch ein Entoneuralsystem. Das Nervensystem hegt zum
größeren Teil subepithelial.
Die Leitungsbahnen der Seeigel sind uns durchaus nicht besser bekannt
als diejenigen der anderen Echinodermen. Daß die Nerven Ganghenzellen
und daneben Nervenfasern enthalten, weiß man für die Echiniden und Spa-
tangen seit Hoffmann (1871) und Teuscher (1876) hat dies allgemein be-
stcätigt gefunden, ebenso Avie Fredericq (1876), aber Ludwig und Hamann
(1904) meinen, daß wenigstens die peripherisch gestellten Ganghenzellen
Hoffmanns Stützzellen sind.
Hamann (1887) ist auch bei diesen Stachelhäutern in der Hodologie am
weitesten fortgeschritten. Die Reguläres haben nach ihm zirkuläre Nerven-
fasern im Ringnerven und longitudinale in den Radialnerven. Zwischen den
Nervenfasern liegen bipolare oder multipolare Ganghenzellen ganz regellos
zerstreut. Oberhalb und unterhalb der Nerven sind Stützzellen in einer oder
mehreren Schichten zu beobachten, welche Querfasern in die Nerven aussen-
den. Aus den Nerven gehen Seitennerven hervor, welche ebenfalls Ganglien-
zellen führen und außerdem trifft man einen Nervenplexus mit Ganglien-
zellen unter dem Ektoderm.
In der Basis der Stacheln fand Hamann einen Nervenring mit Ganghen-
zellen und. in der Basis der Sphaeridien einen Nervenring mit zirkulären
Nervenfasern. Sinnesnervenzellen wurden beobachtet in den Tastfüßchen,
in den Saugfüßchen und in den Tastpapillen der Pethcellarien. Sie alle senden
ihre Nervenfortsätze in den subepithelialen Nervenplexus.
Die Irreguläres stimmen in manchen Hinsichten mit den Reguläres
überein.
Li'DwiG und Hamann (1904) melden noch, daß die Ganghenzellen des
Hyponeuralsystems im Mundring fünf Ganglien bilden, sodaß die Echinoiden
nicht aller Ganghen entbehren. Weitere hodologische Angaben machen sie
nicht.
Die letzte Klasse der Echinodermen, die Holothuria, folgt in der Aus-
bildung ihres Nervensystems dem allgemeinen Grundriß. Es umgibt ein Ring-
nerv den Mund und fünf Rachalnerven gehen daraus hervor. Der Ringnerv
sendet periphere Nerven zu den Tentakeln, dem Oesophagus, u. s. w. ; die
Pldialnerven z.B. zu den Füßchen, der Haut, den Muskeln und zum Mesen-
terium.
In den Radialnerven kennt man schon sehr lange Nervenfa.sern und
Ganglienzellen, aber über die Natur ihrer äußeren Zellschicht ist viel gestritten
worden. HfMite kann man wohl mit Recht sagen, daß ihre Zellen keine Gan-
glienzellen .«sind, sondern Stützzellen, welche Querfasern in die Nerven sen-
den. Eine bindegewebige Membran teilt die Radialncrven in eine obere und
untere Hälfte.
Hamann (18836) hat wiederum bei den Holothurien Sinnesnervenzellen
entdeckt. Sie stehen im Epithel der Füßchen und Tentakchi und senden ihre
ECHINODERMATA. 189
Nervenfortsätze in die darunterliegende Nervenfaserschicht, welche Ganglien-
zellen umfaßt. Semon (1883) hat übrigens zu gleicher Zeit ganz ähnHche
Mitteilungen gemacht.
Bei den Synaptiden beobachtete Hamann (18836) Sinnesnervenzellen
in den vier Tastern der Tentakeln und in den Tastpapillen der Haut. Die
Nervenfortsätze der letzteren traten in den Nerven der Papille ein, welcher
auch Ganglienzellen führte. Hamann beschrieb auch Sinnesknospen in den
Tentakeln und behauptete, daß ihre Zellen sich in Nervenfasern fortsetzten,
aber das scheint mir nicht zureichend erwiesen.
Im Ringnerven der Synaptiden sah Hamann zirkuläre Nervenfasern
mit Ganglienzellen dazwischen.
Hamanns Buch ,, Beiträge zur Histologie der Echinodermen", 1884, habe
ich leider nicht zu Gesicht bekommen können. Es enthält wahrscheinlich
noch andere Angaben als die oben erwähnten, welche uns in Verbindimg mit
der Hodologie der Holothurien interessieren können.
Ludwig (1889-1892) erwähnt in seiner zusammenfassenden Arbeit neben
manchen oben beschriebenen Tatsachen in der Haut der Holothuria einen
subepithelialen Nervenplexus mit Ganglienzellen neben einem ebensolchen
tiefer gelegenen Plexus. Es ist, wie so oft in derartigen Nervenplexus, nicht
wahrscheinlich, daß hier bestimmte Leitungsbahnen bestehen. Jedenfalls
sind sie nicht beobachtet worden, auch nicht von Schneider (1902), welcher
bei Synapta diesen Nervenplexus mit eingelagerten Ganglien unter der Haut
aufs neue nennt.
Der Leser kann sich jetzt selber ein Urteil bilden, wie äußerst spärhche
Resultate die Erforschung der Leitungsbahnen der Echinodermen gehabt
hat. Es wird ihm aufgefallen sein, daß selbst die vitale Methylenblau- und
die GoLGische Methode offenbar keine Erfolge gehabt haben. Tatsächlich
ist dies ein \Aichtiger Grund für den Mangel an genau bekannten Leitungs-
bahnen, aber zugleich geht daraus die Hoffnung hervor, daß, wenn es einmal
den Forschern gelungen ist, die richtigen Modifikationen dieser Methoden
auch für die Echinodermen zu entdecken, auch die Hodologie der Echinoder-
men nicht mehr eine terra incognita sein wird.
LITERATUR.
1. CuENOT (1887), Contribution ä l'etude anatomique des Asterides, Archives de Zoo-
logie Experimentale, 2rae sex'ie, tome 5 bis (suppl.), 1887.
2. CuENOT (1891), Etudes inorphologiques sur les Echinodermes, Archives de Biologie,
T. 11, 1891.
3. Fredericq (1876), Contributions ä ranatomie et I'histologie des Echinides, Comptes
rendus des Seances de TAcademie des Sciences, T. 83, 1876.
4. Haeckel (1860), Ueber die Augen und Nerven der Seesterne, Zeitschrift für wissen-
schaftliche Zoologie, Bd. 10, 1860.
5. Hamann (1883 a). Die Holothurien und das Nervensystem der Astenden, Zeits.
f. wiss. Zoologie, Bd. 39, 1883.
6. Hamann (1883 b), Beiträge zur Histologie der Echinodermen, 2te Mitteilunp-.
Zeits. f. wiss. Zoologie, Bd. 39, 1883.
190 ECHTNODERMATA.
7. Hamann (1887), Beiträge ziir Histologie der Echinodermen, Jenaische Zeitschrift
für Naturwissenschaft, Bd. 21, 1887.
8. Hamann (1889), Anatomie der Ophiuren und Crinoiden, Jenaische Zeits. f. Natur-
wiss., Bd. 23, N. F. 16, 1889.
9. Hoffmann (1871), Zur Anatomie der Echiniden und Spatangen, Niederländisches
Archiv für Zoologie, Bd. 1, 1871 — 1873.
10. Hoffmann (1873), Zur Anatomie der Asteriden, Niederl. Archiv f. Zoologie, Bd.
2, 1874 — 1875.
1 1. JiCKELi (1888), Vorläufige Mitteihmgen über das Nervensystem der Echinodermen,
Zoologischer Anzeiger, Bd. 11, 1888.
12. Lange (1876), Beitrag zur Anatomie und Histiologie der Asteiiden unci Ophiuren,
Morphologisches Jahrbuch, Bd. 2, 1876.
13. Ludwig (1878), Beiträge zur Anatomie der Asteriden, Zeits. f. wiss. Zoologie, Bd.
30, 1878.
14. Ludwig (1880), Neue Beiträge zur Anatomie der Ophiuren, Zeits. f. wiss. Zoologie,
Bd. 34, 1880.
15. Ludwig (1889 — 1892), Echinodermata, Bronns Klassen und Ordnungen des Thier-
reichs, Bd. II, Abt. 3, Buch 1, Holothuria, 1889 — 1892.
16. Ludwig und Hamann (1899), Asteroidea, Bbonns Klassen und Ordnungendes
Thierreichs, Bd. II, Abt. 3, Buch 2, 1899.
17. Ludwig und Hamann (1901), Ophiuridae, Bronns Klassen und Ordnungendes
Thierreichs, Bd. II, Abt. 3, Buch 3, 1901.
18. Ludwig und Hamann (1904), Echinoidea, Bronns Klassen und Ordnungen des
Thierreichs, Bd. II, Abt. 3, Buch 4, 1904.
19. Ludwig und Hamann (1907), Crinoidea, Bronns Klassen und Ordnungen des
Thierreichs, Bd. II, Abt. 3, Buch 5, 1907.
20. R. Meyer (1906), L'ntersuchungen über den feineren Bau des Nervensystems
der Asteriden (Asterias rubens), Zeits. f. wiss. Zoologie, Bd. 81, 1906.
21. W.Pfeffer (1901), Die Sehorgane der Seesterne, Zoologische Jahrbücher, (Abt.
Anat.), Bd. 14, 1901.
22. Reichensperger (1912), Beiträge zm- Histologie und zum Verlauf der Regene-
ration bei Crinoiden, Zeits. f. wiss. Zoologie, Bd. 101, 1912.
23. K. C. Schneider (1902), Lehrbuch der vergleichenden Histologie der Tiere, 1902.
24. Semon (1883), Das Nervensystem der Holothurien, Jenaische Zeits. f. Natur-
wiss, Bd. 16, N. F. 9, 1883.
25. Teuscher (1876), Beiträge zur Anatomie der Echinodermen, Jenaische Zeitschrift
für Naturwissenschaft, Bd. 10, N. ¥. 3, 187().
ARTHROPODA.
Das Nervensystem der Arthropoden hat gewisse Eigentümlichkeiten mit
demjenigen der Würmer gemein. Man begegnet auch bei den Ghedertieren
einem Hirnganglion, einem unteren Schlundganghon und einem Bauchstrang,
welcher mehrere Ganglien enthält. In diesem letzteren sind die Ganglien,
welche die peripheren Nerven entsenden, wiederum durch Querverbindungen
oder Kommissuren und Längsverbindungen oder Konnektive verknüpft.
Obgleich die Konnektive sehr oft von den Autoren ebenfalls Kommissuren
genannt werden, so werde ich dies um Verwechselung vorzubeugen, dennoch
niemals tun, sondern immer der Nomenklatur Milne Edwards folgen, welcher
nach ViALLANES (1887) und Kühnle (1913) schon im Anfang des neunzehnten
Jahrhunderts die Konnektive den Kommissuren gegenübergestellt hat.
Die Kommissuren und Konnektive des Bauchstranges sind bei manchen
Tieren so stark verkürzt, daß sie von außen unsichtbar sind und nur innere
Fasersysteme der Ganghenkomplexe bilden. Hirngangüon und unteres Schlund-
ganghon sind immer durch che Schlundkonnektive verbunden, weshalb auch
die Arthropoden einen Schlundring besitzen.
Weil es auch hier nur meine Absicht ist, die uns bekannten Reizleitungs-
bahnen des Nervensystems zu beschreiben, will ich es unterlassen eine all-
gemeine Beschreibung der mikroskopischen Anatomie des Nervensystems
zu hefern. Meistens sind die Bahnen der verschiedenen Ganglienzellgruppen
und Fasergebiete (Neuropileme), welche man in den Ganghen unterschieden
hat, doch nicht bekannt und eine solche Erörterung würde nicht nur großen
Raum einnehmen und manche Figuren fordern, sondern auch würden die
hodologischen Angaben sich ganz zwischen den anderen verstecken, während
sie hier gerade in den Vordergrund gestellt werden sollen. Wer sich für die
Anatomie des Nervensystems interessiert, wird vorzüghchen Einzeldarstel-
lungen in manchen der von mir in Betracht gezogenen Arbeiten begegnen. Ich
werde hier nur soviel darüber sagen als mich zum richtigen Verständnisse der
Wege der Nervenfasern unumgänglich dünkt.
An dieser Stelle sei schon erwähnt, daß das Hirnganglion der meisten
Arthropoden sich in drei Abschnitte teilen läßt : das protocerebrum, welches
die beiden lobi optici trägt, das deuterocerebrum, welches die Antennal-
ganghen oder lobi olfactorii enthält und das tritocerebrum . Die mikroskopi-
192 ARTHROPODA.
sehe Anatomie des protocerebrum und der lobi optiei wird später an geeigne-
ter Stelle beschrieben werden. Hier sei nur bemerkt, daß bei allen Trache-
aten corpora pedunculata (globuli, Pilzkörper) im protocerebrum aufgefunden
werden, welche allen C'rustaceen abgehen, wäiirend hier im lobus opticus die
medulla terminalis immer vorhanden ist. welche ihrerseits den Tracheaten
fehlt. Bellonci hat als erster diese beiden Hirnteile wenigstens teilweise
homologisiert. Die Antennalganglien des deuterocerebrum sind bei allen Arthro-
poden mit eigentümlichen Nervenfaserknäueln (kleinen Neuropilemen) aus-
gestattet, welche glomeruli olfactorii genannt werden, nicht nur weil sie äußer-
lich mit den glomeruli olfactorii der Vertebraten große Uebereinstimmung
zeigen, sondern auch weil sie aller WahrscheinHchkeit nach zum S3'stem der
Riechbahnen gehören. So lehren uns z.B. Bellonci (1883) und Radl (1902).
Das tritocerebrum ist bei den Crustaceen das Gebiet des zweiten Antennal-
nerven. bei den Tracheaten jedoch, wo die zweite Antenne fehlt, das Zentrum
des Tritocerebralnerven.
Bevor ich die Besprechung der einzelnen Gruppen der Arthropoden
anfange, möchte ich zwei Fragen behandeln, welche allem Anschein nach bei
sämthchen Gliedertieren die gleiche Beantwortung erhalten sollen. Es sind
die Fragen nach der Inner vier ungs weise der Augen und der Sinneshaare des
Körpers.
Meines Wissens ist Leydig (1855) der erste Forscher gewesen, welcher
sich eine bestimmte Meinung betreffs der Innervierungsweise des Glieder-
tierauges gebildet hat und zwar sagt er, daß in den zusammengesetzten Au-
gen der Crustaceen die Opticusfasern kontinuirlich in ,, Nervenstäbe"" überge-
hen. Wir werden bald erfahren, daß in der Retina aller Arthropodenaugen
Sehzellen vorhanden sind, welche den Typus der Sinnesnervenzelle haben und
man könnte meinen, daß Leydig mit ,, Nervenstäben"' diese Sehzellen be-
zeichnet und ganz das Richtige getroffen hätte. Dem ist aber nicht so. Wahr-
scheinlich hat Leydig, wie M.Schfltze (1867) bemerkt, den Kristallkegel
des Ommatidium als das Nervenende betrachtet und .sich diesen in konti-
nuirlichem Zusammenhang mit den Rhabdomeren gedacht, welche, wie
bekannt, jede für sich ein Teil (das Stäbchen) der Retinulazelle oder Sehzelle
sind.
Es war also ein Schritt vorwärts als M.Schultze (1867) den Kristallke-
gel als selbständiges Gebilde erkannte und, das Richtige der LEYDiGschen
Beobachtungen, den kontinuirlichen Zusammenhang der Sehnervenfasern
ivit den Retinaelementen, beibehaltend, den Zusammenhang der Nerven-
fasern mit den Rhabdomeren proklamierte. Sciultze hat überdies dasselbe
für die zusammengesetzten Augen alk'r Arthropoden, nicht bloß der Crusta-
ceen behauptet.
Aller er.st Grenacher (1879, 1880) hat infolge seiner glänzenden und viel-
gelobten Cntersuchungen eingesehen, daß tias Retinaelement aller .Vithropo-
denaugen, der zusammengesetzten, sowie der einfachen (Ozellen) eine Zelle
ist, welche ein Stäbchen trägt und sich basal in eine optische Nervenfaser
fortsetzt. Er hat also die Sehzelle überall als Sinnesnerven/.elle erkannt.
Ich werde die einzelnen Beobachtungen, worauf Grenacher seine Mei-
ARTHROPODA. 193
niing gründet, bei den betreffenden Ordnungen der Arthropoden etörterii,
hier nur noch darauf hinweisen, daß Grenacher (1879) zu einer Zeit, wo der
Beweis fast v()lhg fehlte, mit seltenem Scharfsinn eingesehen hat, daß die
Sehzelle im ganzen Tierreich von ektodermaler Herkunft und überall nach
demselben Typus und zwar demjenigen der Sinnesnervenzelle gebaut ist.
Grenacher nennt neben den Arthropoden die Coelenteraten, Würmer, Mol-
lusken und Vertebraten. Betreffs der Echinodermen war er noch im Unge-
mssen, aber, wie wir oben gesehen haben, schließen sie sich ganz den anderen
Tieren an. Grenacher zieht daraus den berechtigten Schluß, daß das Reti-
naelement (oder die lichtempfindliche Sinne.-^nervenzelle, wie ich sagen würde)
phylogenetisch sehr alt ist.
Die GKENACHERschen Anschauungen fanden sofort Bekämpfung von der
Seite Grabers (1880). Graber konnte in den ocelli der Arachnoideen und
Myriapoden keine Sehzellen, wie Grenacher sie entdeckte, wiederfinden und
behauptete, daß die Retinazellen Grenachers mehrere Zellen, worunter eine
bipolare Ganglienzelle enthielten. Grenacher hat auf diesen Angriff geant-
wortet mit seiner Arbeit über die Augen der Myriapoden (1880) und seine
Behauptungen aufrecht erhalten und weil Graber auch später nicht Recht
bekommen hat, soll diese kurze Erwähnung seiner Arbeit genügen.
Auch Patten (1886) hat sich hinsichtlich des Arthropodenauges Grena-
cher gegenübergestellt. Er sieht auch im Komplexauge der Arthropoden
Retinophoren, wie sie uns schon bei den Mollusken begegnet sind. Dort habe
ich die PATTENschen Anschauungen ausführlich besprochen und bin nach
dem Beispiel so vieler anderer Autoren zu ihrer Unhaltbarkeit gelangt. Hier
enthalten sie prinzipiell dasselbe und ich kann mich deshalb kurz fassen, zumal,
auch bei den Arthropoden Patten in den Beobachtungen anderer Forscher
keine Stütze findet.
Patten ist der Meinung, daß im Ommatidium die Kristallkegelzellen
der anderen Autoren, welche er Retinophoren nennt, die eigentlichen Sehzellen
sind und daß dieselben sich auf der einen Seite in die Rhabdomeren fort-
setzen. Die Rhabdomeren sind also nach ihm nicht Teile der sieben Retinula-
zellen, wie man jetzt im Ommatidium die GRENACHERschen Sehzellen nennt,
und die Retinulazellen betrachtet er als Pigmentzellen. Jedes Ommatidium
enthält zwei oder vier Retinophoren, -welche (und das interessiert uns hier
besonders) durch Nervenfasern umsponnen und durchsetzt werden und, wo sie
verschmelzen, einige Nervenfasern als axiale Nervenfasern in sich aufnehmen.
Es würden also keine Sinnesnervenzellen, sondern wahre Sinneszellen sein,
aber, wie gesagt, ich glaube, daß Patten sich irrt und keinen Glauben verdient.
Später hat Patten (1890) seinen älteren Angaben hinzugefügt, daß bei
einigen Insekten die Kristallkegelzellen sich zwar in Fasern, wahrscheinlich
Nervenfasern, fortsetzen, aber nicht kontinuirhch in die Rhabdomeren
übergehen und in diesen Fällen setzen sich auch die Retinulazellen, welche
sich jetzt den Rhabdomeren anschließen nach innen in Nervenfasern fort.
So wenigstens verstehe ich die jetzt sehr vermrrten Einsichten Pattens.
Ueber die Weise der Innervation des Ommatidium kommt man eigentHch
gar nicht ins Reine.
DBOOGLEEVER FORTUYN. 13
194 ARTHROPODA.
Nicht nur in den zusammengesetzten Augen der Arthropoden, auch in
den ocelli meint Patten Retinophoren zu sehen. Wenigstens hat er solches
für die Larven von Acihus, einen Wasserkäfer, behauptet (Patten 1888).
Ich hege hier denselben Zweifel.
Wie Patten (1890) meinen kann, das Ommatidium der Arthropoden sei
einer haartragenden Sinnesknospe vergleichbar, kann ich nur mitteilen, wenn
ich die Sinneshaare der Gliedertiere besprochen habe (S. 206).
ViALLANES (1892a) hat sich im allgemeinen gegen die Retinophoren
Pattens ausgesprochen und ihr Dasein bei den Arthropoden verneint. Seine
Mitteilungen lassen sich wohl mit dem GRENACHERschen Befund in Ueberein-
stimmung bringen, aber, daß die Retinulazellen des Ommatidium Sinnes-
nervenzellen sind, hat er nicht ganz klar gesehen. Sagt er doch, daß bei Pali-
nurus vulgaris, und auch bei anderen C*rustaceen und Insekten, in jede der
sieben Retinulazellen ein Neurit eindringt und sich mit der Rhabdomere
verbindet, statt zu sagen, daß jede Retinulazelle sich in einen Nervenfortsatz
verjüngt. Viallanes hat jedenfalls in dieser Arbeit seine frühere Ansicht,
daß jedes Ommatidium nur eine Nervenfaser verläßt, aufgegeben.
Die Untersuchungen Gren achers wurden, außer vielen Einzelangaben,
welche später Erwähnung finden werden, durch zwei viel umfassende Ar-
beiten völüg bestätigt. Redikorzew (1900) sah in den Ozellen der Insekten
jede Retinazelle basal in eine Nervenfaser übergehen. Seine vorzüglichen
Figuren erweisen, daß er Sinnesnervenzellen beobachtet hat. Außerdem be-
lehrt uns Redikorzew, daß die Nervenfasern der Retinazellen den nervus
ocellaris bilden, welcher zum Hirnganglion geht. Er beschreibt uns also wenig-
stens teilweise eine Leitungsbahn.
Hesse (1901) hat ebenso wie Grenacher Ozellen und zusammengesetzte
Augen vieler Arthropoden untersucht und dabei wahrgenommen, daß sie
alle nach demselben Plan gebaut sind und die Sehzellen selbst in Nervenfasern
übergehen, also Sinnesnervenzellen sind.
Ich schließe mich in meinen weiteren Betrachtungen völlig den Ansich-
ten Grenachers und Hesses an.
Wer sich über die Innervierungsweise der über den Körper zerstreuten
Sinneshaare der Arthropoden eine klare Vorstellung zu bilden wünscht,
findet große Schwierigkeiten. Die Angaben darüber gehen sehr auseinander.
Man könnte meinen daß dies seine Ursache hätte in der Verwirklichung
veischiedener Innervierungs weisen bei verschiedenen Tierarten oder bei
vcj-schiedenen Arten von Sinneshaaren. Die Sache liegt aber anders. Von den
vielen Autoren, welche über diesen Punkt berichtet halben, meldet nur Lowne
(1890-1892) (S. 31:9) verschiedenartige Innervieiungsweisen (über Bethk
(189{)) siehe S. 205) und mancher generalisiert seinen Befund und behauptet,
die von ihm })eoba(htcte Innervierungsweise sei die einzige. Wenn dies der
Fall ist und die Meinungen der Forscher gehen dennoch auseinander, so muß
man daraus schUeßen, daß einige Autoren sich irren und versuchen die Unter-
suchungen gegeneinander abzuwägen, um so zur Wahrheit zu gelangen.
Bevor ich das tue. will ich die drei Ansichten, /wischen welchen wir zu
wählen haben nel)eneinander setzen.
ARTHROPODA.
195
Die Sinneshaare der Arthropoden, welche sich an den mannigfaltigsten
Körperteilen befinden können, von denen ich aber hier nachdrücklich die
Sinneshaare der Statocysten, Halteren und Gehörorgane ausschließe und wel-
che oft, aber nicht immer, Riech- oder Tastorgane sind, bestehen aus einem
chitinösen und einem protoplasmatischen Teil. Der chitinöse Teil (Fig. 68,c.)
schließt sich der Cuticula der Haut an. Er hat gar nicht immer die Gestalt
eines langen, dünnen Haares, aber kann kegel-, keulen-, flaschen- oder blasen-
förmig sein oder noch fremdartigere Gestalt besitzen, was sich gewöhnlich
im Namen des Haares abspiegelt. Für unseren Zweck ist solches gleichgültig.
Der chitinöse Teil des Sinneshaares ist meistens an seiner Basis ein wenig
eingeschnürt und immer hohl. Die soliden Haare scheinen niemals Sinnes-
haare zu sein. In der Höhlung
liegt ein protoplasmatischer Fort-
satz der Zelle, welche das chitinöse
Haar gebildet hat, der Haarzelle,
Haarmutterzelle, Matrixzelle oder
trichogenen Zelle also (Fig. 68,
h. z.). Der Zellkörper mit dem
Kerne dieser Haarzelle ist unter
dem Haare zu finden. Oft ist es
der Fall, daß mehrere Haarzellen
das chitinöse Haar gebildet haben
und alle einen Fortsatz in das
Haar schicken, aber, weil solches
die Sache nur komphziert und
mit dem Prinzip der Innervierung
des Haares nichts zu schaffen hat.
habe ich in meinem Schema Fig.
68 den einfacheren Fall gewählt.
A priori kann man betreffs
der Innervierung des Haares
(s.zT
Schema der drei Ansichten der Innervierung
des Sinneshaares.
A; die Haarzelle ist eine Sinnesnervenzelle
B ; die Haarzelle ist eine wahre Sinneszelle
C ; neben der Haarzelle enthält das Haar
eine Sinnesnervenzelle
c. — chitinöses Haar oder Cuticula
h. = Haar
h. z. — Haarzelle
s. g. z. = sensibele Ganglienzelle
s. n. z. = Sinnesnervenzelle
s. z. = Sinneszelle
wenigstens drei Möglichkeiten
erwarten und wir werden bald sehen, daß alle drei ihre überzeugten
Verteidiger gefunden haben. Die Haarzelle selbst Icönnte nicht bloß die
Mutterzelle des Haares, sondern auch die sensibele Zelle sein, welche den
Reiz empfinge. Dabei wäre aber noch zweierlei möglich. Erstens könnte die
Haarzelle selbst eine Sinnesnervenzelle sein, das heißt, selbst basal einen Ner-
venfortsatz tragen, wie dies Fig. 68, A ausdrückt. Dann wäre die Haarzelle
die einzige Zelle, welche auf das Haar Beziehung hätte. Zweitens könnte die
Haarzelle eine wahre Sinneszelle sein, innerviert durch den peripheren Fort-
satz einer sensibelen Ganglienzelle. Die Forscher, welche dies behaupten,
sehen die sensibele Ganghenzelle in der Nähe der HaarzeUe und deren peri-
pheren Fortsatz sehen sie sich dem Körper der Haarzelle anlegen oder darin
eindringen, aber niemals sich in die Spitze des Haares selbst begeben (Fig.
68, B).
Drittens (Fig. 68, C) wäre es möglich, daß die Haarzelle keine nervöse
196 ARTHROPODA.
Funktion hätte nnd der Reiz unmittelbar durch den peripheren Fortsatz einer
oder mehrerer nervöser Zellen (Fig. 08, >. n. z.) aufgenommen würde. Die
Autoren, welche dies behaupten, sind darüber einig, daß in diesem Falle der
periphere Fortsatz der nervösen Zelle unverzweigt ist und in das Haar selbst
bis zur Cuticula eindringt. Die nervöse Zelle wäre also eine Sinnesnrrvenzelle
mit einem ein wenig gesenkten Körper und ebenso wie die Haarzelle eine
Hypodermiszelle, aber keine sensibele Ganglienzelle mit freier Nervenendi-
gung, deren peripherer Fortsatz nicht unverzweigt bis zur Cuticula schreiten
würde. In diesem Falle dränge die Sinnesnervenzelle also ebenso in die Höhlung
des chitinösen Haares hinein, wie eine zweite Haarzelle es tun würde, welche,
wie gesagt, oft vorhanden ist.
Man wird schon von vornherein einsehen, daß nur ganz vorzügliche his-
tologische Bilder uns zu urteilen gestatten, ob wir in einem konkretem Falle
mit einer sensibclen Ganglienzelle zu tun haben, deren Fortsatz mit der Haar-
zelle verbunden ist und nicht bis zum Chitin vordringt (B) oder mit einer
Sinnesnervenzelle, deren Fortsatz von der Haarzelle unabhängig ist und wohl
bis zum chitinösen Haare vordringt (C). Daher die weit auseinander gehenden
Meinungen und die große Schwierigkeit zu bestimmen, wer Recht hat. Doch
ist die Sache sehr wichtig, weil, falls das Schema Fig. 68, B richtig ist, wir hier
zum ersten Male bei den Evertebraten einer wahren Sinneszelle, innerviert
durch eine sensibele Ganglienzelle, begegnen würden.
Ich werde jetzt die Meinungen der verschiedenen Autoren kurz auseinan-
dersetzen. Speziellere Angaben werden, wo nötig, später folgen. Man könnte
vielleicht meinen, es wäre ganz bequem zu entscheiden, ob ein gewißer For-
scher in den Sinneshaaren nur Haarzellen (ihrer Art nach Sinnesnervenzellen
Fig. 68, A) unterscheide, oder daneben eine zweite Kategorie nervöser Zellen
(B und (.'). Dem ist aber nicht so, und zwar aus zwei Gründen. Die älteren
Autoren rechnen noch nicht mit dem möglichen Dasein zweier Zellarten bei
einem Sinneshaare, die neueren scheinen bisweilen das Dasein der Haarzellen
neben den Sinnesnervenzellen so sehr als selbstverständlich zu betrachten,
daß .sie die ersteren gar nicht erwähnen. Sehr viel trägt dazu bei, daß die
GoLOische oder die Methylenblau-Methode, welche gerade die nervösen Zellen
am deutlichsten sichtbar machen, sehr oft nur eine einzige Zelle zu jedem
Haare färben, auch wenn mehrere nervöse Zellen oder Haarzellen da sind.
Da l)leibt es unaufgeklärt, ob der ungefärbte Teil der Lichtung des Haares
durch Fortsätze von Sinnesnervenzellon oder von Haarzellen ausgefüllt wird.
*■ Ich glaube daher besser zu tun alle Autoren, welche in den^Sinneshaaren
Sinnesnervenzellen erkennen (besonders die älteren Autoren nennen diese
Zellen oft Ganglienzellen oder Sinneszellen, weil ihnen der Begriff der Sin-
nesnervenzelle noch abgeht) nebeneinanderzustellen — sei es, daß sie daneben
nicht-nervöse Haarzellen erwähnen oder nicht — und sie den Forschern, wel-
che Haarzellen und diese innervierende sensibele Ganglienzellen (Fig. 68, B)
anerkennen, gegenüberzustellen.
\'oM Rath ist ohne Zweifel derjenige gewesen, welcher sich am meisten
bestrebt hat, darzutun, daß Sinnesnervenzellen allen Siniiesliaaren der Ar-
throiDoden zuzurechnen sind. Seine Beschreibungen und Abbildungen sind
ARTHROPOD A. 197
sehr überzeugend und wirklich haben sich manche Forscher Vom Rath ange-
schlossen ; ob mit Recht werden wir später sehen.
In seiner ersten größeren Arbeit hat Vom Rath (1888) besonders die In-
nervierung der Hautsinnesorgane der Insekten untersucht. Er entdeckte bei
verschiedenen Insekten der Ordnungen der Thysanuren, Orthopteren, Neuro-
pteren, Trichopteren, Hemipteren, Dipteren, Lepidopteren, Coleopteren und
Hymenopteren, also ganz allgemein, unter jedem Sinneshaar eine oder mehrere
Zellen, welche früher Ganglienzellen genannt wurden, aber nach Vom Rath
Sinneszellen heißen sollen, weil sie selbst den Reiz empfangen. Die Zellen sen-
den einen Fortsatz in das Haar und ihr zweiter, zentraler Fortsatz ist eine
Nervenfaser. Jetzt würden wir sie also Sinnesnervenzellen nennen.
Vom Rath erzählt uns, wie die Sinnesnervenzellen durch Neurilemma-
zellen umgeben sind, welche sich bis zur Haarbasis fortsetzen, aber nicht in
das Haar eindringen. Es werden also keine Haarzellen neben den Sinnesnerven-
zellen erwähnt und das Schema Fig. 68, A würde passend sein, aber, weil Vom
Rath in seinen späteren Werken allerdings Haarzellen neben Sinnesnerven-
zellen beschreibt und er immer betont, daß die Verhältnisse bei allen Arthropo-
den die gleichen seien, glaube ich, daß Vom Rath vielleicht auch hier Haar-
zellen neben Sinnesnervenzellen anerkannt sehen möchte.
Bei Crustaceen begegnete Vom Rath (1891) denselben Verhältnissen.
Unter jedem Sinneshaare ist eine Gruppe Sinnesnervenzellen. Die zentralen
Fortsätze dieser Zellen bilden den Nerven, die peripheren dringen in das Haar
ein und bilden zusammen den ,, Terminalstrang" darin. Außerdem begeben
sich die Fortsätze einiger MatrixzeUen (Haarzellen) ins Innere des Haares. Die
Lage würde also durch das Schema Fig. 68, G wiedergegeben werden können.
Nach Vom Rath weichen die sogenannten freien Hörhaare Hensens darin
nicht ab von den anderen Sinneshaaren. Weil ich später auch die Innervie-
rung der Haare der Gehörorgane der Arthropoden besprechen möchte, will
ich hier bemerken, daß die sogenannten freien Hörhaare nichts mit Gehöror-
ganen gemein haben.
Vom Rath (1895 und 1896) hat durch Anwendung der Methylenblau-
und der GoLGi-Methode die Bestätigung seiner früheren Anschauungen er-
halten und dieselben nicht nur für Crustaceen und Insekten, sondern auch
für Myriapoden und Arachniden gültig befunden. Vom Rath (1895) wendet
jetzt selber das Wort Sinnesnervenzelle statt Sinneszelle an, und betont nach-
drückUch, daß diese Zellen keine sensibelen Ganghenzellen sind, welche mit
ihrem peripheren Fortsatz Sinneszellen innervieren (also Fig. 68, C und nicht B).
Vom Rath hat Vorgänger gehabt, welche mehr oder weniger deuthch
dasselbe behaupteten, wie er. Oft wird in der Literatur Leydig als der erste ge-
nannt, welcher eine richtige Vorstellung von der Innervierung der Sinneshaa-
re hatte und zwar soll er dieselbe bei der Larve von Corethra plumicornis
im Jahre 1851 erworben haben. Nachschlagen seiner Arbeit hat mich über-
zeugt, daß solches nicht der Fall sein kann. Im selben Jahre hat Leydig
(1851) einen Aufsatz über die branchiopoden Crustaceen Artemia saHna und
Branchipus stagnalis publiziert. Er sagt darin, daß jede Nervenfaser der
Nerven, welche die Borsten der Kopfhörner des Branchipus-Weibchens und
I9S ARTHROPODA.
die Borsten des ThoraA^ und des Abdomen innervieren in eine bipolare Gan-
glienzelle übergeht, deren peripherer Fortsatz zwischen einer an der Basis
der Borsten gelegenen Zellgruijpe verschwindet.
Ob die Zellen dieser Zellgruppe, womit Leydig nur die Haarzellen ge-
meint haben kann, selbst durch die peripheren Fortsätze der bipolaren Gan-
glienzellen innervieit werden (Schema B) oder nur die Fortsätze der bipola-
ren Zellen zwischen sich fassen (Schema C), wird damit nicht entschieden und
freiUch würden die Untersuchungsmethoden Leydigs eine solche Entschei-
dung auch nicht gestatten. Obgleich also Leydig hier dasjenige, was er be-
schrieb, richtig beobachtet hat, hat er nicht genug beobachtet um die Inner-
vati ons weise der Sinneshaare genau erkannt zu haben.
Viele Jahre später hat Leydig (188(3) abermals die Innervation der Sin-
neshaare der Arthropoden besprochen, ohne zu einer genaueren Angabe zu
gelangen.
Während Leydig nur mit einer fantastischen Ergänzung seiner Angaben
als älterer Geistesverwandter Vom Raths betrachtet werden kann, hat
jedenfalls Claus (1875) schon vor ihm das gleiche gesehen. Claus schildert
uns bei verschiedenen Crustaceen aus manchen Gruppen Sinneshaare, welche
von mehreren Haarzellen gebildet werden. Neben diesen Haarzellen befindet
sich eine bipolare ,,GangUenzelle" (richtiger Sinnesnervenzelle) mit einem
zentralen Fortsatz, welcher ii\ den Nerven eintritt und einem peripheren Fort-
satz, welcher als ,, Achsenfaden" das Haar durchzieht. Das ist also genau die
Lage, welche das Schema Fig. 68, C medergibt. Auch später ist Claus der
gleichen Lage bei den Tastborsten der Daphniden (187(i) und der Copepoden
(1891) begegnet.
Die Meinung Hausers (1880) scheint ebenfalls mit den Vom RATHschen
Ansichten in Einklang gebracht werden zu können. Sagt er doch, daß die
Riechzellen der Geruchsorgane (Riechhaare) in den Antennen der Insekten
(Orthoptera, Diptera, Lepidoptera und Hymenoptera) sich in Nervenfasern
fortsetzen. Während Hauser uns zu belehren versucht, daß die Riechhaare
der Insekten nach dem Schema Fig. 68, A gebaut sind und eine Sinnesnerven-
zelle enthalten, welche nach ihm eine große Zahl Nukleolen aufweist, haben
spätere Forscher dargetan, wie sehr Hauser sich irrte. Schon Bütschli
(1885) hat sich gegen Hauser gewandt und überzeugend gezeigt, daß Hauser
mit seiner Sinnesnervenzelle mit den vielen Nukleolen eine Gruppe von Gan-
glienzeHen, jede mit ihrem Kern, gemeint hat, wovon ilim die Zellgrenzen ver-
bürgen blieben. Auch wirft er ihm vor, daß ihm das Dasein zweier Zellarten
bei den Sinneshaaren entgangen ist und auch darin hat Bütschli Recht,
denn er konnte die beiden Zellarten (wie sie auch Fig. 68, B und C zeigen)
unterscheiden in den Biechhaaren der Antennen von Vespa crabro und der
Chilognathen oder Diplopoden.
Nach Bütschli gehcirte zu jedem Sinneshaare eine Gruppe bipolarer
Sinnesnervenzellen. Ihre ])erij)heren Fortsätze würden das Haar bilden und
ihre zentralen Fortsätze kontinuirlich übergehen in die Zellen eines nahe-
liegenden Ganglions, woraus auch der Nerv hervorginge. Es würde also das
Schema Fig. 68, A verwirklicht sein mit dem Unterschiede, daß sich der Sinnes-
ARTHROPOD A. 199
nervenzelle noch eine periphere Ganglienzelle anschlösse. Auf Grund
gar mancher spät(3ren Untersuchungen kann ich Bütschli darin nicht Recht
geben. Seine Sinnesnervenzellen sind die Haarzellen anderer Autoren, welche
aber keinen zentralen Fortsatz besitzen. Daß sie leicht einen solchen vortäu-
schen können, geht aus der Fig. 68, B oder C hervor, wo die BüTSCHLischcn
Ganglienzellen durch die sensibele Ganglienzelle oder die Sinnesnervenzelle
repräsentiert sind, welche ihren peripheren Fortsatz neben die Haarzelle
legen. Also hat auch Bütschli nicht die wahre Innervationsweise der Sinnes-
haare erkannt und wollen wir dieser Sache weiter nachforschen.
KüNCKEL und Gazagnaire (1881) beschrieben im allgemeinen bei den
Insekten unter den Sinneshaaren bipolare Sinnesnervenzellen (,,cellules ner-
veuses" sagen sie) mit zentralem Nervenfortsatz und peripherem Fortsatz
im Haare. Das Schema Fig. 68, A kann also auf ihre Anschauungen angewandt
werden und, weil sie keine Fohler gemacht haben, wie Hauser und Bütschli,
Hegt kein Grund vor, sie nicht als übereinstimmend mit Vom Rath und dann
auch als dessen Vorgänger zu betrachten.
Auch RuLAND (1888) hat zu gleicher Zeit, als Vom Rath anfing seine An-
sichten zu pubhzieren, gewissermaßen übereinstimmende Gedanken geäußert.
Er studierte verschiedene antennale Sinnesorgane der Insekten. Die Inner-
vierung der Tasthaare blieb im Ungewissen. Unter jedem Riechhaare hinge-
gen fand er ein ,, Ganghon' " mit bis ins Haar gehenden Nervenfasern. Es ist
dies wohl eine Sirmesnervenzellgruppe mit ihren peripheren Fortsätzen (wie
im Schema Fig. 68, A oder C). Eine ähnhche Innervation besaßen einige stark
abgeänderte Haare, welche als Riechhaare betrachtet werden, aber nach Ru-
LAND nur Gehörorgane sein können. Die Angaben Rulaxds stehen jedenfalls
sehr hinten denjenigen Vom Raths zurück.
So weit über die Autoren, welche schon in besonderen Fällen eine Inner-
vierung zu sehen glaubten, welche später Vom Rath als bei allen ^Arthropoden
zutreffend dargestellt hat. Vom Rath haben sich aber nachher noch andere
Forscher angeschlossen. So schon bald Retzius (1895). Retziüs (1890) hatte
zuvor bei Palaemon squilla, einer decapoden Crustacee, in der Haut sensibele
Nervenfasern beschrieben, welche verzweigt die Chromatophoren umschlun-
gen oder bis in und unter die Sinneshaare vordrangen. Er konnte damals, ob-
gleich er che Methylenblau-Methode anwandte in diesen Nervenfasern keine
peripheren Zellkörper entdecken. Als nun Vom Rath seine Beobachtungen
pubhzierte, hat Retzius (1895) abermals mit Hilfe der GoLGischen und Methy-
lenblau-Methode die Innervation' der Sinneshaare erforscht, seine früheren
Angaben als fußend auf mangelhaft gefärbten Präparaten widerrufen und
sich mit Vom Rath einverstanden erklärt. Er erkannte jetzt bei Palaemon
und anderen Crustaceen unter den Sinneshaaren bipolare Sinnesnervenzellen
mit unverzweigten peripheren Fortsätzen, welche oft, aber nicht immer, in
das Haar eindrangen. Letztere Bemerkung ist sehr wichtig, weil ReTZius,
obgleich er sich der Vom RATHschen Meinung anschheßt, welche im Schema
Fig. 68, C Ausdruck findet, sich doch vielleicht auch nicht gegen das Schema
B sträuben würde. Ich komme hierauf noch zurück. Viele Jahre später
hat Retzius (1906) abermals Sinnesnervenzellen in Sinneshaaren
200 ARTHKOPODA.
beschrieben, jetzt in den Tastborsten der ersten Antenne der Daphniden.
Auch Bethe (18956) gesellt sich \'om Rath bei, als er in den Antennen
und Schwanzanhängen von Mysis, Pagurus und Crangon, Crustaceen filso,
Sinnesnervenzellen beschreibt mit Fortsätzen, welche in Sinneshaare eindrin-
gen.
E. HoLMGREN (1896) hat der Innervierung der Sinneshaare der Raupe von
Spliinx ligustri die gleiche Deutung, \^'ie Vom Rath gegeben, denn er bildet
in diesen Haaren Sinnesnervenzellen ab und in seiner Beschreibung wendet
er dafür auch des Wort Sinnesnervenzelle an. Wir brauchen also nicht zu
zweifeln.
Schenk (1903) hat bei vielen Lepidoptera und Hymenoptera verschieden-
artige Sinneshaare der Antennen untersucht und immer darin Sinnesnerven-
zellen gefunden. Darüber lassen Text und Figuren keinen Zweifel übrig. Weil
er niemals neben diesen Sinnesnervenzellen nicht-nervöse Haarzellen erwähnt,
bekommt man den Eindruck, daß er nur eine Zellart erkennt, also wie im Sche-
ma Fig. 68, A.
Schröder (1908) hat die Innervation der Sinneskegel und Sinnesborsten
der Skorpionskämme nicht genau ermitteln können, aber die dort ebenfalls
vorhandenen, einzelhgen Sinnesorgane bestehen nach ihm aus einer Sinnes-
nervenzelle, welche sich unmittelbar in eine Nervenfaser fortsetzt.
Schön (1911) hat ebenfalls bei einigen Ameisenarten Sinnesnervenzellen
in manchen Typen von Sinneshaaren (Sinneshaaren, Membrankanälen und
Sinneskegeln) beobachtet. Immer drang ihr j)eripherer Fortsatz ins Haar
hinein und ihr zentraler war eine Nervenfaser des sensibelen Nerven. Auch
Schön erwähnt keine Haarzellen neben den Sinnesnervenzellen, vielleicht,
weil er es für überflüssig hält, vielleicht, weil er sie nicht gesehen hat. Ich will
deshalb nicht entscheiden, ob seine Ansichten durch das Schema Fig. 68, A
oder C wiedergegeben werden können.
Alle bis jetzt genannten Autoren stimmen jedenfalls darin überein, daß
sie in den Sinneshaaren der Arthropoden Sinnesnervenzellen erkennen. Eine
Gruppe anderer Forscher erkennt keine Sinnesnervenzellen, sondein immer
Haarzellen, welche durch die peripheren Fortsätze sensibeler Ganglienzellen
innerviert werden (Fig. 68, B), wobei als Kriterium gelten kann, daß dieser
periphere Fortsatz zwar zur Haarbasis, aber nimmer durch das ganze Haar
durchdringt. Folglich kann die sensibele GangUenzelle keine Sinnesnervenzelle
genannt werden und ist die innervierte Haarzelle als eine wahre Sinneszelle zu
Landois (1868) meldet schon im Jahre 1868, daß Tasthaare und andere
Sinneshaare der Antennen einiger Käfer innerviert werden durch darunter
gelegene l>ipolare Ganglienzellen, deren peripherer Fortsatz bis zur Haarba-
sis vordringt. Da wenigstens die größeren dieser Haare ,,hohl" sind, kann man
vermuten, daß Landois die Haarzellen, welche diese Haare mit ihren Fort
Sätzen ausfüllen, übersehen hat. In diesem Falle hätte Landois die sensibelen
Ganglienzellen, welche die Haare innervieren, beobachtet, aber die innervier-
ten Sinneszellen wären ihm entgangen. .Andrerseits ist es nicht ausgeschlossen,
daß Landois, zumal bei den scheinbar soliden kleinen Haaren Sinnes-
ARTHROPODA. 201
nervenzellen als bipolare Ganglienzellen betrachtet hat, weil damals die Sinnes-
nervenzellen |ioch sehr wenig bekannt waren. Es läßt sich nicht ganz bestimmt
sagen, welche Ansichten Landois selbst gehabt hat (vergl. S. 300).
Vielleicht ist auch Max Weber (1881) ein Forscher gewesen, welcher
über die Innervierung der Sinneshaare eine andere Meinung hatte, als die bis
jetzt besprochene. Leydig (1886) jedenfalls nennt seine Ansichten abweichend.
Die WEBERschen Angaben beziehen sich nur auf die Trichonisciden, auf
Crustaceen also, aber hier zeigten ihm Goldchlorid-Präparate, daß jedes Tast-
haar durch eine Nervenfaser innerviert wird, welche Fortsatz einer multipo-
laren Ganghenzelle zu sein sich ergibt. Nichts läßt uns vermuten, daß Weber
Sinnesnervenzellen erkannt hat ; im Gegenteil, das Haar (die Haarzelle)
scheint eine wahre Sinneszelle zu sein und folglich kann nur das Schema Fig.
68, B (nicht A oder C) die WEBERsche Ansicht erläutern.
Sehr bestimmt hat sich Viallanes (1882) geäußert, welcher auch die
oben erwähnten, klaren Anschauungen Künckels und Gazagnaires zu wider-
legen sucht. Er hat die Larve von Stratiomys chamaeleon, einem Dipter,
als Objekt gewählt und bei diesem Tiere gefunden, daß das chitinöse Haar
durch eine nicht immer leicht darstellbare Haarzelle ausgefüllt wird. Diese
Haarzelle ist keine Sinnesnervenzelle, sondern sie wird innerviert durch den
peripheren Fortsatz einer bipolaren Ganglienzelle, welche (und das ist sehr
wichtig) zwar in die Haarzelle bis zur Haarbasis, aber nicht in das Haar selbst
eindringt (Fig. 68, B). Wenn schon Künckel und Gazagnaire (1881) behaup-
ten, daß die Nervenfaser in das Haar selbst eintritt, so verneint solches den-
noch Viallanes.
Viallanes erweist meines Erachtens als erster unzweideutig, daß die
Sinneshaare, wenigstens dieser Insektenlarve, keine Sinnesnervenzellen, son-
dern wahre durch den Fortsatz einer sensibelen Ganghenzelle innervierte
Sinneszellen sind. Ich hoffe bald zu zeigen, daß solches bei allen Arthro-
poden zutrifft, daß die Sinneshaare niemals mit Sinnesnervenzellen, sondern
immer mit Sinneszellen verbunden sind, ungeachtet dessen, was Vom
Rath und seine Geistesverwandten behauptet haben und es ist deshalb um
so mehr zu bedauern, daß Vom Rath, welcher in seiner sehr vollständigen
Literaturübersicht (Vom Rath 1888) Viallanes nicht nennt, diese Arbeit
übersehen und folglich auch seinerseits keine Kritik dazu veröffentlicht
hat.
Zu der gleichen Ueberzeugung wie Viallanes geriet auch Lowne (1890-
1892) als er die Fhege CalUphora erythrocephala studierte und dabei Haar-
zellen fand, welche durch den Fortsatz einer Ganglienzelle innerviert wurden,
sei es, daß derselbe in die Haarzelle eintrat, sei es, daß er diese umspann.
Neben diesen wahren Sinneszellen erkennt Lowne aber auch das Vorkommen
von Sinnesnervenzellen in Sinneshaaren.
Die entgegengesetzten Ansichten Viallanes' und Vom Raths wurden
von Duboscq einer Kritik unterworfen mit dem Erfolge daß Duboscq die
Fehler, welche Vom Rath und manche anderen gemacht hatten, zeigen konnte
und er sich ganz auf die Seite Viallanes' stellte.
Duboscq (1897) hat Methylenblau -Präparate der Sinneshaare von For-
202 ARTHROPOD A.
ficula auricularia, einem Insekt, studiert und daneben Golgi- Präparate
einiger chilopoden Myriapoden. Alle zeigten ihm dasselbe, nämlich, daß die
chitinösen Sinneshaare des ganzen Körpers durch die Fortsätze einer oder
mehrerer Haarzellen ausgefüllt werden. DuBOSCQ betont, daß diese Haar-
zellen wahre Sinneszellen sind und keine Sinnesnervenzellen. Sie werden in-
neiviert durch den peripheren Fortsatz einer bipolaren GangUenzelle, wel-
che zwar in die Haarzelle bis zur Haarbasis, aber niemals in das Haar selbst
vordringt. Also wie in Fig. 68, B.
DüBOSCQ weiß uns glücklicherweise auch mitzuteilen, warum dennoch
Vom Rath und andere Forscher, welche die GoLGi-Methode anwandten, den
peripheren Fortsatz der bipolaren Ganglienzelle bis zur Spitze des Haares
fortschreiten sahen, sodaß dieselbe einer Sinnesnervenzelle glich. Es beruht
dies auf einer Eigentümlichkeit der GoLGi-Methode, welche oft außerhalb der
bipolaren Ganglienzelle und im Anschluß an ihren peripheren Fortsatz auch
den Inhalt des Haares, also den Fortsatz der Haarzelle (oder einen Fortsatz der
Haarzellen) mitfärbt. Anscheinend läuft dann der Ganghenzellfortsatz bis
zur Spitze des Haares, aber wer genau beobachtet, sieht, wie der Fortsatz
in der Haarbasis plötzlich sehr viel dicker wird. Diese für eine Nervenfaser
ganz ungewöhnliche Erscheinung wird dadurch erklärt, daß hier die Stelle
ist, wo die dünne Nervenfaser sich dem dicken Fortsatz der Haarzelle an-
schließt.
Der besonders große Wert der DiiBOSCQschen Arbeit liegt also nicht
nur in den darin niedergelegten genauen Beobachtungen, sondern auch in
der überzeugenden Weise, worauf er die Fehler der ihm gegenübergestellten
Beobachtungen nachweist. Nicht weniger ist es ihm zur Ehre, daß er auch die
prinzipielle Bedeutung seiner Beobachtungen eingesehen hat, denn er weist
darauf hin, daß die Arthropoden mit den Vertebraten übereinstimmen in dem
Besitz sensibeler Ganglienzellen, welche zu Sinneszellen umgeliildete Epithel-
zellen innervieren. — In der Tat sind es, wie ich in diesem Buche zu beweisen
glaube, nur die Arthropoden unter den Evertebraten, welche darin mit den
Vertebraten übereinstimmen. — Und dabei ist Duboscq nicht der Unterschied
zwischen den Vertebraten und Arthropoden verborgen geblieben, nämlich
die Tatsache, daß der periphere Fortsatz der sensibelen GangUenzelle bei den
Vertebraten verzweigt, bei den Arthropoden unverzweigt ist.
Als DüBOSCQ (1898) im nächsten Jahre eine Arbeit besonders den Chilo-
poden widmete, konnte er darin seine vorigen Angaben bestätigen und ver-
vollständigen. Er nennt jetzt Vtallanes den ersten, welcher die Innervierung
der Haarzclle durch eine bipolare, sensibele Ganglienzelle beschrieb und will
es auf Grund der LowNEschen Untersuchungen aus Vorsicht dahingestellt
lassen, ob wirklich Sinneshaare mit nur einer zugehörigen Zelle, welche folg-
lich eine Sinnesnervenzolle ist, vorkommen oder ob die diesbezüglichen An-
gaben auf fehlerhafte Beobachtungen zurückzuführen sind.
DrBOSf'Q nennt in diesem Aufsatz die bipolare Zelle, welche die Haar-
zelle innerviert nicht Ganglienzelle, sondern Sinneszelle. Wie er dazu gelangt,
ist mir nicht recht begreiflich, aber glücklicherweise gibt er uns selber einen
indirekten Beweis, daß er sich irrt. Sagt er doch, daß er mit Verwunde-
ARTHROPODA. 203
rung gesehen habe, daß die bipolaren ,, Sinneszellen" NissL-Körper enthalten,
welche niemals in Sinneszellen beobachtet worden seien. Ich glaube, gerade
die NissL-Körper helfen die bipolare Zelle als Ganglienzelle zu kennzeich-
nen, wozu auch alle anderen Merkmale mitwirken. Ich möchte sogar in dieser
Richtung weiter gehen und künftigen Forschern empfehlen, denNissL-Körpern
der bipolaren Zellen in der Nähe der Sinneshaare ihre Aufmerksamkeit zu
widmen. Werden sie gefunden, so bilden sie ein weiteres Argument gegen die
Auffassung, daß die bipolaren Zellen Sinnesnervenzellen sind, weil sie nur
in Ganglienzellen gefunden werden.
Die Angaben Viallanes', Lownes und Duboscqs beziehen sich nur
auf die Insekten und Myriapoden. Daß auch die Crustaceen damit überein-
stimmen, teilen uns Nusbaum und Schreiber (1897) mit. Diese Forscher
entdeckten mit Hilfe der Methylenblau-Methode in einiger Entfernung von der
Basis der Sinneshaare liipolare Ganglienzellen, welche ihren peripheren Fort-
satz zur Haarbasis sandten. Aehnliches taten Ganglienzellen, welche überall
in der Haut einen subepithelialen Ganglien zellplexus bilden. Wenn die beiden
Gelehrten melden, daß die Ganglienzelifortsätze bisweilen in die Spitze des
Haares eindrängen, glaube ich solches nach den Auseinandersetzungen Du-
Boscs einer mangelhaften Färbung zuschreiben zu müssen.
Auch Günther (1901) gehört ohne Zweifel zu jenen Forschern, welche
sich ViALLA-NES anschließen. Er hat die Sinnesschuppen der Flügel einiger
Schmetterlinge studiert, welche doch auch wohl den Sinneshaaren unter-
zuordnen sind. Die Sinnesschuppen stehen hauptsächlich die Adern entlang,
in denen die Nerven laufen. In jungen Flügeln von Puppen liegen bei jeder
Schuppe zwei Zellen : die Schuppenbildungszelle, welche man meiner Meinung
nach mit der Haarzelle der einfachen Sinneshaare zu homologisieren hat und
eine ,, Sinneszelle", welche offenbar eine bipolare, sensibele Ganglienzelle ist,
weil ihr zentraler Fortsatz in den Flügelnerven eintritt und ihr peripherer
Fortsatz in den Porenkanal der Schuppe bis zur Schuppenbasis eindringt,
aber niemals in die Schuppe selbst. Ich glaube, diese Verhältnisse stimmen'ganz
gut überein mit jenen, welche von Viallanes u. a. wahrgenommen sind und
lassen sich ebenfalls durch das Schema Fig. 68, B illustrieren. Sonderbar ist
nur, daß nach Günther die Schuppenbildungszelle später zu Grunde geht
und also bei der Imago die Schuppe dem Fortsatz der sensibelen Ganglienzelle
aufzusitzen' scheint. Die sensibele Ganglienzelle täuscht dann eine Sinnesner-
venzelle vor. Auch dieser Fall mahnt zur Vorsicht bei der Anerkennung von
Sinnesnervenzellen bei den Sinneshaaren der Arthropoden.
HiLTON (1902) ist wiederum ein Forscher, welcher die Angaben Vom
Raths geradewegs bestreitet. Mancherlei Raupen, worunter besonders die
Larve von Bombyx mori, und auch die Larve von Corydalis, einem Hymeno-
pteron, und Maikäferlarven bildeten sein Material. Er sah immer die Sinnes-
haare durch Haarzellen ausgefüllt und die Haarzellen innerviert durch die
peripheren Fortsätze bipolarer, sensibeler Ganglienzellen, welche mit ihren
zentralen Fortsätzen die peripheren, sensibelen Nerven bildeten. Der periphere
Fortsatz der Ganglienzelle konnte meistens nur bis zur Haarbasis verfolgt
werden (also wie in der Fig. 68, B). Nur bei Bombyx mori entdeckte er einige
204 ARTHROPODA.
Haare, wo der Ganglienzellfortsatz bis in den unteren Teil des Haares einge-
drungen war. HiLTON betont, daß Vom Rath sich irrt, wenn er sagt, daß die
Nervenfaser sich bis zur Spitze des Haares fortsetzt.
Ich finde deshalb gar keinen Anlaß zu vermuten, daß bei Bombyx raori
ausnahmsweise dennoch Sinnesnervenzellen in den Sinneshaaren sich vorfm-
den, betrachte eher diesen Fall besonders geeignet, den Ursprung des Fehlers
Vom -Raths und gar mancher anderer Gelehrter zu beleuchten.
HiLTON erzählt uns, daß Blanc insofern von ihm abweicht, als er Ver-
zweigungen des Ganglienzellfortsatzes in der Haarzelle von Bombyx mori
beobachtet haben will, aber ich bin leider nicht im Stande dies zu kontrol-
lieren.
In den Arbeiten Kottes (1903) und Fischels (1908) finde ich Andeutun-
gen der Anwesenheit wahrer Sinneszellen in den Sinneshaaren, obgleich ich
nicht gern behaupten möchte, daß dieselben darin genau nachgewiesen worden
waren. Küttk hat l^lesionika cottei, eine Tiefsee-Decapode, untersucht und
dabei merkwoirdige Fiederborsten entdeckt, Borsten, welche selbst ihrerseits
zwei Reihen Haare tragen. Es macht ganz den Eindruck, wie wenn die Fieder-
borste kein Haar, sondern eine haartragende Hautausstülpung wäre, denn
die Schicht der Hypodermiszellen setzt sich ununterbrochen in ihrer Basis
fort. In diesem Falle ist es auch nicht verwunderhch, daß Nervenfasern, welche
aus einem Ganghon an der Basis der Fiederborste hervorgehen, in der Achse
der Fiederborste emporsteigen und darin einen ,, Terminalstrang" bilden.
Ueber die Innervierungsweise der eigentlichen Haare wird damit noch nichts
gesagt und diese bleibt im Dunkeln. Ich habe denn auch nur deshalb diese
Fiederborsten hier erwähnt, weil sie scheinbar vmd bei oberflächlicher Betrach-
tung die Vom RATHschen Ansichten stützen.
Neben diesen Fiederborsten beschreibt nun Kotte an dem Außenast
der inneren Antenne zahlreiche Riech- oder Geschmacksborsten. Unter
jedem dieser Haare hegt eine Gruppe von Sinneszellen, welche mit ihren Fort-
sätzen das Haar ausfüllen. Daß diese Zellen Sinnesnervenzellen sein könnten,
geht aus nichts hervor, aber wohl sagt Kotte, daß unter den Sinneszellen eine
Ganghenzellgruppe sichtbar ist, welche durch Nervenfasern einerseits mit den
Sinneszellen, andrerseits mit dem peripheren Nerven des Organs verbunden
ist. Ich glaube, diese Beschreibung stimmt am besten überein mit der Meinung,
daß die Ganghenzellen sensibele Ganglienzellen sind, welche die Haar- oder
Sinneszellen innervieren.
FiscHEL (1908) hat die Crustacee Daphnia mit einer von ihm entdeckten,
vitalen Nervenfärbung mittels Aüzarin untersucht. Er beobachtete unter den
Schwanzborsten ein Ganghon. Aus den Zellen dieses Ganglions treten Fort-
sätze in die Schwanzborsten. Sollte man vielleicht geneigt sein in diesen
Zellen Sinnesnervenzellen zu sehen, so zeugt die Tatsache, daß das Ganghon
durch ein Konnektiv mit dem Bauchstrang verbunden isft, dafür, daß wir
hier mit einem wahren, sensibelen Ganglion zu tun haben und nicht mit einer
Sinnesnervenzellgruppe, welche sich doch niemals als ein Ganglion des Bauch-
marks vortut. Ich gestehe, daß ein solches Argument nicht anzuführen ist
bei den Riechborsten der ersten Antenne, wo Fischel ebenfalls eine Gruppe
ARTHROPODA. 205
von Ganglienzellen beschreibt, welche ihre peripheren Fortsätze in die Haare
senden. Da könnte man die Ganghenzellen als Sinnesnervenzellen betrachten,
wenn nicht andere, oben beschriebene Erscheinungen damit in Widerspruch
wären.
Es bleibt mir jetzt noch übrig zu melden, daß Bethe (1896) bei Astacus
fluviatilis zweierlei Sinneshaare auf den Mundteilen beschreibt. Zur einen Art
gehören hohle Haare, worunter nur eine bipolare Zelle liegt, welche ihren
peripheren Fortsatz zur Haarbasis, aber nicht in das Haar selbst sendet.
Bethe nennt hier keine Haarmutterzelle, aber es ist selbstverständlich,
daß diese neben der bipolaren Zelle bestehen muß, denn was anders würde das
hohle Haar ausfüllen ? Es ist dann aber auch die bipolare Zelle eine sensi-
bele Ganghenzelle, welche die nicht beobachtete Haarzelle innerviert und
das Schema Fig. 68, B kann auf diese Haare angewandt werden. ,
Die zweite Art Sinneshaare haben jedes eine ganze Gruppe bipolarer
Zellen unter sich und diese schicken ihre peripheren Fortsätze wenigstens
eine kurze Strecke in das Haar hinein. Ob neben diesen Zellen auch Haarzellen
auftreten, ist unbekannt. Das Haar könnte vielleicht nur durch die Fortsätze
der bipolaren Zellen ausgefüllt werden und diese wären dann Sinnesnerven-
zellen. Müssen die bipolaren Zellen Sinnesnervenzellen sein ? Ich glau-
be, das ist nicht der Fall. Wo sie offenbar nicht zur Spitze des Haares gehen,
können es auch sensibele Ganglienzellen sein, welche die von Bethe übersehe-
nen Haarzellen innervieren und welche nur ein wenig weiter als gewöhnlich
in das Haar vordringen. So lange spätere Untersuchungen die Entscheidung
nicht gebracht haben, glaube ich nicht gezwungen zu sein in den Angaben
Bethes eine Widerlegung des Satzes zu sehen, daß alle Sinneshaare der Arthro-
poden mit wahren Sinneszellen und nicht mit Sinnesnervenzellen ausge-
stattet sind. Bethe selbst (18956) schließt sich jedoch Vom Rath an.
In Verbindung mit den BETHEschen Forschungen, will ich darauf hin-
weisen, daß Retzius (1895) in seiner sclion von mir genannten Arbeit über
die Sinneshaare der Crustaceen (u. a. Astacus) ebenfalls erk'ennt, daß die
Fortsätze der Sinnesnervenzellen, wie er sie nennt, oft, aber nicht immer in
das Haar eindringen. Wir können darin einen Fingerzeig sehen, daß auch er
tatsächUch sensibele Ganglienzellen beobachtet hat.
Schließlich möchte ich noch betonen, daß auch Vom Rath (1895) bei
Astacus fluviatilis zwar Sinnesnervenzellen in den Sinneshaaren beschreibt,
daß aber in seinen Figuren die perijjheren Fortsätze dieser Zellen nicht in
das Haar vordringen, also ganz wie Bethe und Retzius uns lehren. Ich
schließe daraus, daß Astacus ein besonders günstiges Objekt ist, sich vom
Dasein sensibeler Ganglienzellen (nicht Sinnesnervenzellen) bei den Sinnes-
haaren zu überzeugen.
Wenn ich alle Untersuchungen und Argumente überblicke, glaube ich zu
dem Schluß berechtigt zu sein, daß ganz allgemein die Sinneshaare der Arthro-
poden durch die Fortsätze von Haarzeilen ausgefüllt werden, welche wahre
Sinneszellen sind, weil sie nicht selbst einen Nervenfortsatz entsenden, sondern
durch den peripheren Fortsatz einer sensibelen Ganghenzelle, welcher selbst
nicht oder nur wenig in das Haar vordringt, innerviert werden.
206 AKTHROPODA.
Wir haben gesehen, daß manche Forscher statt. Sinneszellen und sensi-
beler Ganglienzellen Sinnesnervenzellen anerkennen, aber, so viel ich weiß,
antworten sie niemals auf die Angriffe seitens ihrer Gegnsr, welche behaup-
ten, daß sie durch die bekannte Launenhaftigkeit der Golgi- und Methylen-
blau-Methode irregeführt seien oder in anderer Weise bestrebt sind ihre Feh-
ler nachzuweisen. Deshalb und auch, weil ihre Arbeiten bisweilen Angaben
enthalten, welche sich nicht recht mit der Anwesenheit von Sinnesnervenzellen
vereinigen lassen, glaube ich ihren Anschauungen nicht beitreten zu müssen.
Die Möglichkeit, daß hier und dort bei den Arthropoden wirkhch Sinneshaare
mit Sinnesnervenzellen ausgestattet sind, ist damit nicht ganz ausgeschlossen,
aber das muß in jedem Einzelfalle auss neue nachgewiesen werden und alle dies-
bezüglichen Angaben bedürfen der Bestätigung.
Weil, also die Arthropoden wahre Sinneszellen in den Sinneshaaren auf-
weisen, während dieser Zelltypus allen übrigen Evertebraten ganz abgeht und
nur noch den Vertebraten zukommt, schüeße ich, daß die wahre Sinneszelle
mit der sie innervierenden, sensibelen Ganghenzelle eine phylogenetisch junge
Errungenschaft ist, welche erst mit den Arthropoden auftritt, wie ich schon
in meiner Besprechung der HERTWiGschen Hypothese (S. 12) geäußert habe.
Es ist hier die geeignete Stelle nochmals einen Augenblick zu verweilen
bei jenem Aufsatz, worin Patten (1890) das Ommatidium des zusammenge-
setzten Auges der Arthropoden mit einer haartragenden Sinnesknospe ver-
gleicht. Er vergleicht die Retinophoren des Auges, welche nach ihm Doppel-
zellen sind mit den Sinneshaaren, wozu er ebenfalls wenigstens zwei Zellen,
die Haarzelle und die sensibele Ganglienzelle, rechnet. Weil er jedoch einer-
seits im Auge Retinophoren erkennt, welche, wie ich oben (S. 193) dargetan
habe, gar nicht existieren, andrerseits die Innervierung der Sinneshaare nicht
genau erforscht hat, ist der Wert seines Vergleichs sehr problematisch.
Mit Rücksicht auf meine Behauptung, daß die sensibele Ganglienzelle,
welche eine Sinneszclle innerviert, phylogenetisch aus einer sensibelen Gang-
lienzelle mit freien Nervenendungen und diese aus einer Sinnesnervenzelle
hervorgegangen ist und daß die Sinneszelle bei den Arthropoden phylogene-
tisch neu entstanden ist, verdient es Beachtung, was Patten über die Phy-
logenese dieser Zellen sagt. Patten ist der Meinung, daß phylogenetisch im
Auge der Arthropoden Retinulazellen sich gesenkt und sich damit in sensi-
bele GangUenzellen verwandelt haben, welche ihrerseits wiederum eine neue
Generation von Retinulazellen innervieren. Die Retinulazellen sind dabei für
ih» »^weder typische Sinnesnervenzellen, noch tyj)ische Sinneszellen, sondern
man könnte sagen Sinnesnervenzellen, welche durch den peripheren Fortsatz
einer sensibelen Ganghenzelle innerviert werden. Ein solcher Zelltypus ist
nur angeblich von Veratti (1!)()()) und Smidt (1902) bei l^ulmonaten (Mollus-
ken) (siehe S. lö.")) beobachtet worden, ohne daß die Bedeutung einer solchen
Innervation klar wurde. Ich bezweifle somit seine Existenz.
Patten l)eschäftigt sich hier also mit der Herkunft der sensibelen Gan-
ghenzelle und der dadurch innervierten Zelle. Richtig ist dabei der Gedanke,
daß die sensibele Ganglienzelle eine Sinnesnervenzelle, die sich gesenkt hat
ist. aber, wie ich nachgewiesen zu haben glaube, entsteht dieselbe nicht im
CRUSTACEA. 207
Auge und nicht bei den Arthropoden, sondern bei den Würmern und hat
sie anfänglich freie Nervenendungen. Richtig ist ebenfalls der Gedanke,
daß die Zelle, welche die sensibele Ganglienzelle bei den Arthropoden inner-
viert, phylogenetisch zuerst bei diesen Tieren aufgetreten ist, aber eine
solche Zelle ist eine Sinneszelle ohne Nervenfortsatz und keine Sinnesnerven-
zelle und dieselbe ist nicht im x\uge entstanden — denn dort fehlt sie ganz —
sondern wahrscheinlich in den Sinneshaaren des Körpers oder vielleicht in
einem der spärhchem anderen Organe, wo wir bei Arthropoden noch wahren
Sinneszellen begegnen (Decapoden-Statocyste und Nackenorgan von Daphnia).
Zwei Jahre, ehe Patten diese Meinung äußerte, hat er (Patten 1888),
wenn ich ihn gut verstehe (vergl. S. 301), in der Retina der Ozellen der Acih-
us-Larve (einer Käferlarve) frei endende Nervenfasern zu sehen gemeint
und daran die Bemerkung geknüpft, daß es Fortsätze von Ganglienzellen seien,
welche man als unter das Epithel gesunkene Sinnesnervenzellen aufzufassen
habe. Hiergegen führe icii abermals an, daß zwar die sensibele Ganghenzelle
mit freien Nervenendungen auch meiner Meinung nach eine Sinnesnerven-
zelle ist, die sich unter das Epithel gesenkt hat, daß aber dieser Prozeß sich
incht im Auge der Käfer, sondern schon lange vorher bei den niedrigsten
Würmern abgespielt hat.
Ich glaube mit diesen Bemerkungen diese etwas umständhche Einleitung
über den Anfang einiger Leitungsbahnen der Arthropoden beenden und zur
Beschreibung der Leitungsbahnen der einzelnen Gruppen schreiten zu können.
Es kommen da zuerst die Crustaceen an die Reihe, welche sich in zwei
Unterklassen, die Entomostraca und die Malacostraca unterbringen lassen.
Wie bekannt, zeigen die Malakostraken eine höhere Ausbildung, auch ihres
Nervensystems, und ich will deshalb mit den Entomostraken anfangen.
Zur Unterklasse der Entomostraca rechnet man einige Ordnungen. Für
nur zwei dieser Ordnungen, die Copepoden und Branchiopoden hat man, so
weit mir bekannt, zurzeit Angaben über die Leitungsbahnen gemacht.
Mit den Copepoden hat Claus sich zuerst beschäftigt. Ich entlehne dem Sammel-
werke Gerstaeckers (1866 — 1879), daß er z.B. bei Cetochilus drei Paar Ganglien-
zellgruppen im Hirnganglion begegnete und die beiden unteren Zellgruppen durch Kom-
missurfasern verbunden fand, während andere Nervenfasern aus dem Hirnganglion
in das Schlundkonnektiv der gleichen oder der gekreuzten Seite übertraten. Uebrigens
sei daran erinnert, daß Leydig (1864) auch schon in dieser Zeit Kommissuren in den
Ganglien der Arthropoden beobachtet hat.
Diese spärlichen Mitteilungen sind später fast nicht vermehrt worden. Claus selbst
(1891) hat noch behauptet (wie ich schon S. 198 beschrieb), daß bei Copepoden eine
Nervenfaser ins Innere der Tastborsten ziehe und Retzius (1895) (vergl. S. 199) meinte,
daß die Copepoden bipolare Sinnesnervenzellen unter den Sinneshaaren besäßen, aber,
wie oben dargetan wurde, haben wohl beide sich geirrt.
Eine richtige Bemerkung machte Grenacher (1879), als er sagte, daß Calanella
mediterranea im ocellus Sehzellen aufweist, welche sich kontinuirlich in Nervenfasern
fortsetzen (vergl. S. 192), aber damit ist auch alles über die Leitvingsbahnen gesagt
worden.
Die Branchiopoden sind mehr als die Copepoden berücksichtigt worden.
Auch für diese Ordnung ist Claus (1876) der Pionier. Er hat Daphnia unter-
208 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
sucht und davon Zupfpräparate hergestellt. Diese lehrten ihn, daß Fasern
des Sehnerven des Frontalauges aus der peripheren Gangüenzellsclücht des
Hirnganghons hervorgingen. Weil wir jetzt wissen, daß bei allen Arthropoden
die Nervenfortsätze der Sehzellen im Auge ebenso Fasern des Sehnerven bil-
den, eine Tatsache, welche Nowiküff (1905) für die Augen der Branchiopoden
besonders bestätigt hat, fragt es sich, ob Claus richtig beobachtet hat und
ob nicht vielleicht die von ihm beobachteten Sehnervenfasern in der Peri-
pherie des Hirnganglions enden, statt dort anzufangen. Rei'zius (1906) hat,
wie wir bald sehen werden, wirklich solche Nervenfasern bei Daphniden ent-
deckt (Fig. 69, a), abermandarf andrerseits nicht vergessen, daß sowohl Berger
(1878) bei Artemia saHna, wie Samassa (1891) bei Sida crystallina Ganghen-
zellen in der Peripherie des ganglion opticum, eines Teils des Hirnganglions,
beschreiben, welche Fortsätze in den nervus opticus des zusammengesetzten
Auges senden. Diese Beobachtungen und die CLAUSschen stützen sich gegen-
seitig und der Sehnerv der Branchiopoden scheint also doppelläufig zu sein.
Claus hat weiter im Kopfe von Daphniden frontal und im Nacken unter
der Haut Ganglienzellen gefunden, welche durch. Nervenfasern mit dem Gehirn
verbunden waren. Auch Retzius (1906) scheint die gleichen Ganglienzellen
wahrgenommen zu haben (Fig. 69, ;').
In der Nähe der Tastborsten traf Claus meistens unterhalb der Haar-
zellen eine Gruppe bipolarer ,,GangUenzellen", welche einen Fortsatz zwischen
die Haarzellen und einen anderen in den Nerven schickten. An günstigen
Objekten konnte Claus den peripheren Fortsatz bis in das Haar verfolgen
und er hat deshalb Sinnesnervenzellen zu sehen gemeint. Wahrscheinhch sind
es aber wirkhch sensibele Ganghenzellen.
Daß Clai's im Hirnganglion Kommissuren gesehen hat, ist eine Bemerkung
über die Leitungsbahnen, welche wir natürhch gerne glauben.
Ich habe schon erwähnt, daß Berger (1878) bei Artemia salina Gan-
glienzellen in der Rinde des ganglion opticum erkannt hat, welche Fortsätze
in den Sehnerven des Frontalauges senden. Hier will ich noch hinzufügen, daß
diese Nervenfasern bis in die Retina fortschreiten und daß ebensolche Ner-
venfasern aus Zellen im Innern des ganglion opticum hervorgehen.
Auch Samassa (1891) habe ich oben schon genannt, weil er entdeckt hat,
daß Sima crystallina Ganglienzellen im ganglion opticum besitzt, welche
Nervenfasern des Sehnerven aussenden. Seitenäste dieser Nervenfasern gehen
zum Neuropilem des ganghon opticum selbst. Neben diesen Nervenfasern
beschreibt Samassa teilweise auch die Wege anderer Leitungsbahnen, aber,
weil er keine spezifischen Nervenfärbungen angewandt hat, sind seine Angaben
sehr unvollständig. Hier will ich noch mitteilen, daß er im Hirnganglion von
Sima zwei Kommissuren sah, eine obere und eine untere, während er auch die
Ganglien des Bauchstranges durch Kommissuren verbunden fand
Die Konnektive des Bauchmarks von Sima sind nach Samassa mit Gan-
gUenzeHcn belegt und dasselbe ist der Fall mit den Konnektiven und Kommissu-
ren des Bauchstranges von Daphnia sima. Selbstverständhch wird dadurch
die Kenntnis der Leitungsbahnen dieser Konnektive und Kommissuren sehr
erschwert.
BRANCHIOPODA.
209
S AMASS A teilt uns denn auch darüber nichts mit. Wohl erwähnt er bei
Daphnia sima eine Kommissur im Hirnganglion, eine retrooesophageale Kom-
missur und eine Kommissur zwischen den beiden Mandibelganglien. Kom-
missuren beschreibt er auch bei Bythotrephes longimanus und Leptodora
hyalina. Letztere Tierart hat wiederum zwei Kommissuren im Hirnganglion,
je eine über und unter dem Zentralkörper.
CuNNiNGTON (1903) hat ebenfalls das Nervensystem einer Daphnide und
zwar Simocephalus sima untersucht, aber, da ihm spezifische Nervenfärbungen
mißlangen, bringt er uns nur wenig weiter als Samassa. Wohl behauptet er,
daß dieser oder jener Nerv aus diesem oder jenem Neuropilem entspringe,
aber ich kann diese Angaben nur als Vermutungen betrachten und unterlasse
es, sie hier wiederzugeben. Cunnington hat im Hirnganglion mehr Kom-
missuren beobachtet als Samassa,
denn er sah neben anderen Kom- Fig. 69.
missuren eine Kommissur des ersten
Antennalnerven (nervus antennarius
primus) und zwei Kommissuren im
ganglion opticum, eine vordere dor-
sale und eine hintere ventrale.
Darauf beschränken sich die zuver-
lässigen Mitteilungen Cunningtons.
Ueber den Anfang einiger sensi-
belen Leitungsbahnen hat Nowikoff
(1905) uns belehrt. Er zeigte, daß
die Sehzellen der zusammengesetzten
und einfachen Augen einiger Bran-
chiopoden Sinnesnervenzellen sind
und entdeckte ebenfalls Sinnesner-
venzellen in dem dorsalen und
ventralen Frontalorgan von Bran-
chipus und Limnadia.
Retzius (1906) ist wiederum
derjenige, welcher unsere Kenntnis
der Leitungsbahnen der Branchio-
poden sehr erweitert hat. Er arbeitete
mit Daj)hniden und ich will seine
Resultate mit Hilfe der Figur 69
darstellen. Man sieht darin den
Kopf einer Daphnide von der rech-
ten Seite. Rechts unten ist die kurze,
erste Antenne {a. jj.) mit den Tastborsten {t. b.) ; oben ist das zusammenge- 7
setzte Frontalauge (f.a.); in der Mitte das Hirnganglion (h.g.) mit dem
gangUon opticum (g.o.) und dem einfachen Medianauge (w. a.), worin sich
Pigment {p.) befindet als Anhang. Aus dem Hirnganglion geht der nervus
antennarius primus {n. a. p.) hervor, welcher die erste Antenne innerviert.
Retzius hat nun die nachfolgenden Reizleitungsbahnen entdeckt und
h
Ganglien-
(sensibele
Kopf einer Daphnide von der rechten Seite
Abgeändert nach Retzius (1906).
a = Nervenfaser
b bis g und i und / =
Zellen
= Sinnesnervenzelle
Ganglienzelle?)
= antenna prima
— Frontalauge
= ganglion opticum
= Hirnganglion
— Medianauge
= nervus antennarius primus
= Pigment
= Tastborste
a.
p.
f^
a.
9-
o.
h.
9-
m.
a.
n. a.
P-
P.
t.
b.
DROOGLEEVER FORTUYN
11
210 ARTHKOPODA, CRUSTACEA.
zwar in GoLGi-Präparaten. Aus dem Frontalauge treten durch den nervus
opticus Nervenfasern (Fig. 69, a) ins ganglion opticum, welche sich im vorderen
Abschnitt desselben verzweigen. Die Fasern enden also dort und Retzius ist
durchaus berechtigt zu der Annahme, daß diese Fasern Fortsätze der Seh-
zellen des Auges sind, obgleich er solches der starken Pigmentierung des Auges
wegen nicht entscheiden konnte.
In der Rinde des Sehganglions befinden sich Ganglienzellen, welche ihre
Fortsätze in das Neuropilem des Ganglions und also auch zwischen die Aeste
der Augennervenfasern aussenden. Einige dieser Gangüenzellen (Fig. 69, 6)
verzweigen sich nur in einem der drei Abschnitte des ganglion opticum, andere
durchziehen mit ihren Ausläufern das ganze Ganglion, noch andere (Fig. 69, c)
senden neben den Fortsätzen zum ganghon opticum auch solche zum Hirn-
ganghon.
Auch das Hirnganglion ist mit peripher gestellten Ganglienzellen aus
gestattet. Manche darunter breiten ihre Fortsätze nur ins Neuropilem des
Ganglions aus (Fig. 69, d). Andere aber (Fig. 69, e) senden einen Fortsatz zu
dem gepaarten, hinteren Teil des Hirnganglions, wo wiederum andere Gan-
güenzellen gelagert sind (Fig. 69, /) mit Fortsätzen, welche zum unpaaren
Hirngangüon zurücklaufen.
Das Medianauge (Naupliusauge) ist eine vordere Ausstülpung des Hirn-
ganglions. Es enthält Pigment und ringsherum eine Reihe ,, Gangüenzellen "
mit Fortsätzen im Hirnganglion (Fig. 69, g). Retzius ist nicht besonders klar
in seiner Beschreibung des Medianauges und es läßt es sich fragen, ob die
GangUenzellen keine Sinnesnervenzellen sein können.
Sinnesnervenzellen glaubte Retzius zu sehen im Ganghon der ersten An-
tenne (Fig. 69, h). Es sind bipolare Zellen mit einem peripheren und einem
zentralen Fortsatz. Der periphere Fortsatz endet nach Retzius in einer Tast-
borste und da wäre die Zelle wirklich eine Sinnesnervenzelle. Wenn dieser
Fortsatz aber in der Tat, was mich wahrscheinUch dünkt, nur die Haarzelle der
Tastborste innerviert, ist die Zelle eine sensibele Ganghenzelle. Wie dem
auch sei, jedenfalls endet der zentrale Fortsatz der Zelle ventral im Hirn-
gangüon, das er durch den ersten Antennalnerven erreicht. An dieser Stelle
ist eine Gruppe unipolarer Gangüenzellen (Fig. 69, i) gelegen, deren kurze
Fortsätze im Hirnganglion emporsteigen.
Mit dem Hirnganglion stehen noch zwei Gangüenzellgruppen in Verbin-
dung, welche selbst außerlialb des Ganglions gelegen sind. Die eine Gruppe
trifft man hinter dem Frontakiuge und ihre Gangüenzellen senden lange Fort-
sätze zum Neuropilem des Hirnganglions (Fig. 69, j). Retzius meint, daß
sie vielleicht zum Nackenorgan gehören. Aus den Ganglienzellen der anderen
Gruppe geht ein Ast zur Darmwand und ein Ast zum Hirnganglion hervor.
Schließlich meldet Reizius uns noch, daß der Nerv der zweiten Antenne
die zentralen Fortsätze einiger bi})olaren Siimesnervenzcllen enthält.
Kurz nach Retzius hat zuletzt noch Fischel (19U8) das Nervensystem
von Daphnia untersucht und zwar mit Alizarin, einem Farbstoff, welcher, wie
Fischel entdeckte, eine gute, vitale Nervenfärbung üefert. Die damit errunge-
nen Resultate sind derart, daß ich nur die Eiwartung aussprechen kann, daß
BRANCHIOPODA.
211
diese Methode künftighin noch viele Leitungsbahnen der Evertebraten (bei
Vertebraten hat er keinen Erfolg) aufklären wird. Ich habe schon S. 204 zwei
von FiscHEL aufgefundene Leitungsbahnen erwähnt und verweise den Leser
auf diese Seite. Man wird bemerken, daß er betreffs der Natur der „Sinnesner-
venzellen'" zu den Sinneshaaren der ersten Antenne völlig mit Retzius ein-
verstanden ist und ebenso, wie jener hat er beobachtet, daß ihre zentralen
Fortsätze ins Gehirn eintreten. Interessant ist weiter der Befund, daß der
nervus tegumentarius, welcher das Gehirn mit dem Nackensinnesorgan ver-
bindet aus einigen Fasern besteht, welche verzweigt im Inneren becherför-
miger Sinneszellen enden. Ein zweites Beispiel wahrer Sinneszellen neben den
verschiedenartigen Sinneshaaren.
Obgleich kurz vorher erschienen, bietet die Arbeit Nils Holmgrens (1916)
über das Gehirn von Apus glacialis nur wenig Auskunft über die Wege der
Leitungsbahnen, aber destomehr verglei-
chend-anatomische Betrachtungen. Ich be-
zweifele in manchen Fällen ihre Richtig-
keit. Hier möchte ich nur erwähnen, daß
HoLMGREN in den Zentra der ersten Anten-
nalnerven an den Wurzeln der Schlundkon-
nektive glomeruli sieht, welche durch eine
Antennalkommissur verbunden sind. Zwischen
den ganglia optica laufen zwei Kommissuren
und noch eine andere, breite Kommissur
verbindet zwei laterale Teile des Gehirns
in denen sich glomeruli befinden, welche nicht
zum Gebiete der ersten Antenne gehören.
Letztgenaftmte Kommissur läuft unter dem
Zentralkörper, einer Ganglienzell-und Ner-
venfasergruppe im Zentrum des Gehirns,
welche Holmgren mit dem Zentralkörper
der Insekten homologisiert.
Thorakalganglion von Phronima.
Nach Claus (1879).
a bis / = Ganglienzellen
g, h = Nervenfasern
c. = Konnektiv
p. n. = peripherer Nerv
In der zweiten Unterklasse der Crus-
taceen, den Malacostraca, sind Tiere aus allen Ordnungen hie und da
hinsichthch der Reizleitungsbahnen untersucht worden. Im allgemeinen ist
es bemerkenswert, daß in den Ordnungen der Stomatopoden und Decapoden
das Hirnganglion und die damit verbundenen lobi optici sich eines besonderen
Interesses erfreuen, wie solches auch bei den Insekten der Fall ist.
Die Malacostraca spalten sich in fünf Ordnungen : die Amphipoda, Iso-
poda, Schizopoda, Stomatopoda und Decapoda, welche hier der Reihe nach
besprochen werden sollen.
■ Claus (1879) ist auch jetzt wieder der erste Forscher, welcher sich mit
den Wegen der Nervenfasern im Zentralnervensystem der Amphipoden be-
schäftigt hat und zwar hat er in Phronima ein durchaus günstiges Objekt
gefunden. Schöne Angaben hat er über die Thorakalganglien des Bauchstran-
212 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
ges gemacht. Diese Ganglien, welche alle übereinstimmend gebaut sind, wer-
den durch zwei Konnektive (Fig. 70, c.) verbunden und zu jeder Seite geht
aus ihnen ein perij)lierer Nerv (Fig. 70, p. n.) hervor. Jedes Ganglion enthält
eine vordere und eine hintere mediane Zellgruppe, dort wo die Konnektive
anfangen und zu jeder Seite eine vordere und hintere laterale GangUenzell-
gruppe, wovon in der Figur 70 nur die linke, vordere gezeichnet worden ist.
In jeder der vier lateralen Zellgruppen sind eine oder zwei besonders
große Ganglienzellen (Fig. 70, «). welche ihren Neui'iten in den peripheren
Nerven der gleichen Seite senden. Die kleineren Zellen dieser Gruppen tun
das gleiche (6), oder aber ihr Neurit kreuzt die Medianlinie des Ganglions
und tritt in den ])eripheren Nerven der anderen Seite aus (r). Es gibt nach
Claus auch Kommissurfasern, welche nicht in den Nerven schreiten, sondern
nur die beiden Hälften des Ganglions verknüpfen. Wo sie entspringen oder
enden, ist mir nicht bekannt.
Ganghenzellen der medianen Zellgruppen senden ebenfalls ihren Fortsatz
in den j)eiipheren Nerven und zwar so, daß die vorderen Ganghenzellen (r/)
den Nerven der gleichen Seite, die hinteren (e) den gekreuzten Nerven be-
günstigen.
Auch unter den Konnektivalfasern wurden solche entdeckt, welche aus
Ganghenzellen des Thorakalganglions hervorgingen. Gewiß lagen diese Zellen
in der vorderen lateralen Gruppe (/), vielleicht auch in der hinteren.
Neben tliesen Fasern beobachtete Claus in den Konnektiven Nervenfa-
sern unbekannter Herkunft (g), welche das ganze Ganghon durchzogen und
andere, welche in den i)eripheren Nerven abbogen. Es wird nicht gesagt, ob
diese Nervenfa.sern von vorn oder von hinten kommen ; vielleicht stammen sie
aus dem Hirngänglion und kommen sie von vorn, wie die Faser h der Figur 70.
Nach Claus zeigt das untere Schlundganglion von Phronimafc welches
aus sechs oder sieben Ganglien verschmolzen ist, ähnliche Leitungsbahnen wie
das Thorakalganglion.
Claus hat auch das Hirnganglion mit den lateral daraufsitzenden lobi
optici (Augenganglien) in seine Untersuchungen bezogen, aber nur wenige
zuverlässige Mitteilungen darüber gemacht. Hat er doch manche Fasersysteme
ohne Anfang oder Ende beschrieben, wie er sie unmittelbar im aufgehellten
Gehirn beobachtet hat, allerdings mit nachfolgender Kontrolle an Gehirn-
schnitten. Auf Grund seiner Wahrnehmungen beschreibt Claus im Hirngan-
glion vier -oder fünf Kommissuren mit Fasern, welche wenigstens teilweise
za den lobi optici ziehen und worin sich aucii Fasern der Scidundkonnektiv'e
befinden, welche jedoch nicht alle im Hirnganglion kreuzen. Auch gelangen
Nervenfasern des Scheitelauges, das aus zwei Hälften besteht, welche jede
für sich ein Nervenfaserbündel zum Gehirn .senden, ins Geiiirn und über-
schreiten dort die Medianlinie in einer Kommissur, welche Claus den , »inneren
Balken" nennt. Schließlich teilt Claus uns mit, daß sich in den lateralen Augen
(ebenso wie im Sciieitelauge) eine Schicht bipolarer Ganglienzellen behndet,
welche ihren zentralen Fortsatz zum lobus opticus, ihren peripiieren zur
Retina senden. Wie der letztere dort endet, ist unbekannt.
AMPHIPODA. 213
Ebenso wie Claus hat Vom Rath (1895) einige Leitungsbahnen der Amphipoden
aufgeklärt. Nicht nur, daß er bei Niphargus putaneus und ebenso bei Gammarus pulex
und G. fluviatilis Sinneshaare mit Sinnesnervenzellen beschrieb — man weiß schon,
daß und warvim ich diese Angaben für verfehlt halte und besonders Niphargus, wo
sich mit Hilfe der GoLGischen Methode auch in allen anderen Haaren als Sinneshaaren
Fasern mit zellkörperähnlighen Anschwelhmgen darstellen ließen, stimmt mich zwei-
felmütig über die Richtigkeit der Vom RATHschen Beobachtungen — aber Vom Rath
hat auch bei Niphargus gesehen, daß die Ganglien des Bauchstranges Ganglienzellen
enthalten, woraus Fortsätze zur Körperperipherie herv^orgehen, während die peripheren
Nerven daneben Fasern führen, welche frei innerhalb des Ganglions enden.
Daß Vom Rath (1896) uns später mitteilt, daß bei Gammarus und ebenso bei der
Isopode Asellus die Zellkörper der „Sinnesnervenzellen" nicht unter den Sinneshaaren,
sondern iinmittelbar neben dem Zentralnervensystem liegen, scheint mir abermals
darauf hinzuweisen, daß man hier mit sensibelen Ganglienzellen zu tun hat, wobei
diese Lage dvirchaus nicht merkwürdig wäre.
Nemec (1896) weist bei der Amphipode Orchestria auf einem unter der Haut ge-
legenen Ganglienplexus hin. Wir werden dasselbe Gebilde später bei den Isopoden (S. 214 )
besprechen. Es scheint mir ein Ganglienzellplexus zu sein, woraus Nervenfaserbündel
hervorgehen .
Gerstaecker und Ortmann (1901) behandeln in ihrem Sammelwerke auch die
Amphipoden. Sie wiederholen manche Angaben, welche Claus über Phronima nieder-
geschrieben hat und welche ich oben gleichfalls wiedergegeben habe, fügen aber andere
hinzu, so z.B. daß im Hinterteil des Hirnganglions Ganglienzellen liegen, welche Fort-
sätze in die Schlundkonnektive senden.
Neuerdings hat noch Schmalz (1914) sich bemüht die Leitungsbahnen einiger
Amphipoden zu verfolgen. Leider war die Konservierung der Tiere zu mangelhaft
um solches in befriedigendem Maße zu gestatten. Schmalz sah bei Vibilia und
Lanceola drei große Kommissuren im Gehirn und Rhabdosoma und Oxycephalus
besitzen dort gleichfalls Kommissuren. Interessanter ist es, daß Lanceola und Vibilia
im statischen Organ Sinnesnervenzellen haben, deren Nervenfortsätze bis ins Gehirn
verfolgt werden konnten. Bei Rhabdosoma und Oxycephalus war die Verbindung der
Nervenfasern mit den Sinnesnervenzellen unklar, die Fasern jedoch konnte Schmalz
das Gehirn durchschreiten und in das Schlundkonnektiv eintreten sehen.
Damit habe ich leider schon alles über die Reizleitungsbahnen der
Amphipoden erzählt.
Die erste Leitungsbahn einer Lsopode hat Grenacher (1879) gesehen, als er kon-
statierte, daß die Retinazellen von Porcellio scaber sich unmittelbar in eine Nervenfaser
fortsetzen und also Sinnesnervenzellen sind.
Ihm folgt Max Weber (1881), dem Goldchlorid -Präparate zeigten, daß die Tast
haare imd Tastkegel der Trichoniscidae alle durch eine Nervenfaser innerviert werden ,
welche ein Fortsatz einer multipolaren Ganglienzelle war. Ich schließe daravis (S. 201),
daß die Sinneszellen dieser Tastorgane wahre Sinneszellen sind.
Weber sagt weiter, daß die multipolaren Ganglienzellen mit ihren Fortsätzen
zusammenhängen und so einen Plexvis bilden. Es ist dies also ein Ganglienzellplexus,
wie man weiß die primitivste Gestalt, welche das Nervensystem zeigen kann und wel-
chem wir auch bei anderen Evertebraten, namentlich aber bei Coelenteraten begegnet
sind. Daß die sensibelen Ganglienzellen selbst Zellen diese., primitiven Ganglienzell-
plexus seien, kann ich freiUch schwer glauben, weil sie selbst gar nicht primitiv sind.
Vielleicht liegen sie nur dazwischen.
Ein Ganglienzellplexus, wie der obengenannte, ist später auch von Nemec (1896) bei
den Isopoden imd nachher von anderen Forschern bei Crustaceen aus anderen Gruppen ent-
deckt worden. Ob Bethe (1896) gleichfalls diesen Plexus bei Astacus zu Gesicht bekom-
men hat, ist nach der HoLMGRENschen Kritik wenigstens zweifelhaft (vergleiche Astacus).
214 ARTHROPODA. CRUSTACEA.
Nemec fand bei einigen Vertretern der Oniscideen unter der Hypodermis des Kör-
pers vind der Extremitäten was er „plexusartige" Ganglien nennt. Diese Ganglien,
welche gepaart und regelmäßig gestellt sind und durch Nerven mit dem Bauchstrang
verbunden werden, strahlen nach allen Seiten aus vuid setzen sich in einzelliegende Gan-
glienzellen fort. Weil Nemec über einzelliegende Ganglienzellen spricht und diesen Teil
des Plexus für vielleicht besonders vergleichbai- hält mit dem Ganglienzellplexus, wel-
chen Bethe kurz vorher bei Astacus zu sehen glaubte, schließe ich, daß Nemec in der
Tat einen Ganglienzellplexus (ohne anatomisch nachweisbare Leitimgsbahnen) beob-
achtet hat, welcher jedoch in einen Nervenplexus mit eingelagerten Ganglien übergeht.
Nach Nemec enden einige Fortsätze dieser Ganglienzellen ohne spezifische Endigung
zwischen den Hypodermiszellen. Dessenungeachtet bin ich nicht überzeugt, daß man
hier mit frei endendt^i Ausläufern sensibeler CJanglienzellen zu tun hat. Bei Titanethes,
einer Isopode, kehrten diese peripheren (Janglion zurück.
Was NusBAUM und Schreiber (1897) mit der Methylenblau-Methode bei ver-
schiedenen Crustaceen entdeckten, stimmt noch mehr als der NEMECsche Befimd mit
den WEBERschen Angaben überein. Sie beschreiben im ganzen Körper einen subepi-
thelialen Ganglienzellplexus. Die feinsten Aestchen des Plexus anastomosieren und die
Plexuszellen senden bi-sweilen Fortsätze zur Basis der Haare. Andere Fortsätze hingegen
bilden zusammen typische Nerven imd es schließen sich hier also, ebenso wie Nemec er-
zählt, dem Ganglienzellplexus wahre Nerven an. Schreiber ( 1 898) hat später gleiche Resul-
tate mit der (JoLoi-INIethode erhalten. Auch hier frage ich mich, ob die sensibelen
Ganglienzellen, welche die Haare innervieren, wirklich selbst zum Ganglienzellplexus
gehören und nicht nur dazwischen liegen .
Die Hodologie des Zentralnervensystems der Isopoden hat Packard (1884) als
erster bekannt ziunachen versucht und er hat sich in dieser Absicht mit dem Hirngan-
glion von Asellus communis beschäftigt. Er sah darin dorsolaterale, unipolare Ganglien-
zellen mit Fort.sätzen, welche entweder eine Kommissur bildeten oder in die Schlund -
konnektive zogen. In die Sclilundkonnektive traten auch Fortsätze dorsofrontaler
Ganglienzellen und die Ausläufer anderer unipolarer Ganglienzellen spalteten sich wie-
derholt und bildeten so das Neuropilem des Gehirns.
Caecidotaea .stygia ist eine blinde Verwandte von Asellus. Das Tier hat noch ein
Rudiment des zusammengesetzten Auges, aber die nervi und lobi optici fehlen und
dennoch weicht das Hirnganglion nach Packard in seinem Bau nur wenig ab von dem-
jenigen sehender Arten. Es bilden hier die Fortsätze dorsofrontaler Ganglienzellen
ebenfalls eine Kommissur in\ protocerebrum.
Auch Bellonci (1886) hat unsere Kenntnis der zentralen Leitungsbahnen der
Isopoden bereichert, aber einige Angaben sind bei der von ihiri angewandten Methode
zu unzuverläßig um hier wiedergegeben zu werden. Bei Porcellio maculicornis luid
Sphaeroma liegen dorsal und median im Gehirn drei Gruppen von Ganglienzellen, welche
ihre Fortsätze in drei Bündeln vereint zum Neuropilem des Hirnganglions senden. Die
Fasern des lateralen Bündels ziehen in die laterale, vordere ,,masse reticolate", das
heißt, in die meduUa terminalis, wie ich die.sen Teil des protocerebrum immer nennen
werde (vergl. die Beschreibung des lobus opticus S. 21(5). Idotea hat nur zwei solcher
Ganglienzellgi-uppen im Gehirn. Bei diesem Tiere und b(>i Porcellio würde nach Bellonci
e' f' Fasersystem vorhanden sein, welches das ganglion olfaetorium (oder Antennalgan-
glion, wie es oft genannt wird) mit dem lobus opticus derselben und der gekreuzten Seite
verbände, aber diese Angabe bedarf genauerer Bestätigung.
Haller (1905) hat in .seiner Arbeit über das Hirnganglion der Tracheaten, welche
auch vergleichend -anatomische und phylogenetische Betrachtungen enthält, einige
Bahnen der Isopoden besonders erwähnt. Seitdem aber Nils Holmgren (1916) z. B.
avis der HALLERschen textfigur 4 A, welche ein Auge darstellt, abgeleitet hat, daß
Haller statt Porcellio eine diplopode M\riapode untersucht hat, is es nicht erwünscht
seine Angaben über die Bahnen der Isopoden hier zu wiederholen.
Holmgren (1916) selbst hat bei Porcellio scaber zwar i manche Besonderheiten
der Hirnstruktur entdeckt — so fand er im protocerebrum allein nicht weniger als
ISOPODA ; SCHIZOPODA. 215
17 Kommissuren — aber die Leitungsbahnen wurden dennoch nicht genau erforscht.
Damit ist auch die Behandhing der Isopoden zu Ende geführt und kann ich
zu den Schizopoden übergehen. So viel ich weiß, enthält nur die Arbeit Bethes (18955),
hodologische Mitteilungen über ein Tier aus dieser Ordnung und zwar über Mysis .
Bethe hat die Statocyste von Mysis, welche im mittleren Schwanzanhang
gelegen ist, u.a. in Golgi-
Präparaten untersucht. Er
sah die Wand des Bläschen
mit Sinneshaaren besetzt.
Diese Haare sind j^ein Pro-
dukt! ^^i" Matrixzellen (Haar-
zellen) vind neben diesen
Matrixzellen liegen langge-
streckte Sinnesnervenzellen,
deren Sinnesfortsätze bis
weit in die Haare zu verfol-
gen waren. Nun werden nach
Bethe auch in den Sinnes-
haaren des Schwanzes luid
der Antennen von Mysis und
anderen Crustaceen Sinnes-
nervenzellen avif gefunden ,
aber, während ich dort ( vergl.
S. 200) geneigt bin an der
Wahrheit dieser Bemerkung
zu zweifeln, finde ich hier
dazu keine Veranlassving,
weil es hier nicht eine Art
Sinneshaare der allgemeinen
Körperoberfläche, sondern
die Sinneshaai'e eines ganz
besonderen Sinnesorgans an-
belangt und man nicht aus
Tatsachen des einen Falls
zu Schlußfolgerungen im
anderen Fall berechtigt ist.
Fig. 71.
Schematischer Längsschnitt des lobus opticus
und des zusammengesetzten Auges der
Stomatopoden und Decapoden.
eh. e. — ehiasma externa
eh. i. = ehiasma interna
/. p. r. = fibrae postretinales
l, g. = lamina ganglionaris
m. e. = raedulla externa
m. i. — medulla interna
m. t. = medulla terminalis
o. = ommatidium
p. l. o. = pedunculus lobi optici
r. = retinula
Man wird bemerkt haben, daß bis jetzt die meisten Mitteilungen über
die Hodologie der Crustaceen nebeneinander st nden, sodaß man ohne eigene
Untersuchungen keine Kontrolle ihrer Zuverlässigkeit hat. Bei den beiden
letzten Ordnungen der Crustaceen, den Stomatopoden und den Decapoden,
ändert sich das, was ein günstiges Ereignis heißen darf.
Die Untersuchungen der Stomatopoden beschränken sich alle auf Squilla
mantis. Weil dabei vornehmlich die optischen Leitungsbahnen studiert worden
sind, will ich hier eine kurze Beschreibung und eine schematische Abbildung
des mikroskopischen Baues der lobi optici beifügen, welche nicht nur für die
Stomatopoden, sondern auch für die Decapoden gilt (Fig. 71).
Die Figur 7 1 stellt einen Längsschnitt des lobus opticus und des zusam-
mengesetzten Auges schematisch dar. Das Auge selbst bildet einen Teil einer
216 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
Holilkugel und wird aus mannigfachen Ümmatidien (o.) zusammengesetzt.
Jedes Ommatidium besteht basal aus der retinula (r.), welche, wie wir seit
Grenacher wissen, eine Gruppe von Sinnesnervehzellen ist. Die Nervenfort-
sätze dieser Zellen dringen in den lobus opticus ein. Dieser läßt verschiedene
Ganglienzellgruppen und auch verschiedene Faserschichten und Neuropileme
unterscheiden. Letztere sind bei den Crustaceen sehr konstant und erteilen
dem lobus opticus einen typischen Bau, welcher schon lange bekannt und viel
studiert worden ist.
Unmittelbar unter der Retina, der Gesamtheit aller retinulae ist die
Schicht der postretinalen Nervenfasern (Fig. 71. /. p. r.). Dann folgt eine ge-
bogene Platte, welche aus einigen Schichten von Zellen und Nervenfasern be-
steht und lamina ganglionaris (/. g.) genannt Anrd, weil sie einem GangUon
gleicht. Dahinter durchkreuzen die Nervenfasern, und zwar übrigens ganz
gleichwertige Nervenfasern, einander in ganz eigentümlicher Weise und bilden
das chiasma externum {eh. e.). Dieser Name ist so eingebürgert, daß er sich
nicht mehr ändern läßt, aber man muß dabei bedenken, daß man unter diesem
Chiasma von optischen Fasern ganz etwas andres als bei den Vertebraten ver-
steht. Dort bilden die Fasern, welche die MedianHnie des Gehirns überschreiten
und deshalb eine Kommissur bilden, das Kreuz. Hier sind die sich kreuzenden
Fasern durchaus keine Kommissurfasern. Optische Kommissuren findet man
zwar auch bei den Crustaceen ; die.se befinden sich jedoch begreiflicherweise im
Hirnganglion, nicht in einem lobus opticus. Wenn die Fasern einer commissu-
ra optica der Crustaceen nicht alle einander parallel fortschreiten, sondern,
wie bei den Vertebraten ein Kreuz bilden, nennen einige Forscher solches wie-
derum ein Chiasma. In Vergleichung mit den Vertebraten ist dies ganz
korrekt, aber ich meine, zur Vermeidung von Mißverständnissen ist es besser
diese Benennung bei den Crustaceen zu unterlassen.
Dem chiasma externum folgt ein Neuropilem : die medulla externa (w. e.)
und diesem eine zweite Kreuzung übereinstimmender Nervenfasern : das
chiasma internum {eh. i.). (Wenn ungleichwertige Nervenfasern einander
kreuzen, darf men nicht über ein Chiasma reden). Es folgen dann noch zwei
Neun)|)ileme, v^on denen das äußere medulla interna {vi. ?'), das innere medulla
terminalis (;//. /.) genannt wird. Dann kommt endlich der Stiel {p. I. o.), womit
der lobus opticus dem Gehirn, das heißt dem ])rotocerebrum, aufsitzt.
•Man wird in manchen der unten zu erwähnenden Weiken sehr genaue
Angaben über die mikroskopische Anatomie des lobus nachschlagen können.
\^h werde sie nur berücksichtigen, insoweit sie die Hodologie berühren. Nur
das möchte ich betonen, flaß manche Autoren mit sehr verschiedenen Namen
dasselbe Gebilde deuten. Meistens wendet jeder seine eigene Muttersprache
an, statt alle dieselben lateinischen Namen zu gebrauchen, aber ich werde mir
erlauben, immer die obigen anzuwenden, welche internationale Anerkennung
finden können.
Kehren wir jetzt zu den Reizleitungsbahnen von S(|iiilla niaiitis zurück.
DiETL (1878) hat schon im Jahre 1878 versucht die Leitungsbahnen des Ge-
hirns von Squilla mantis kennen zu lernen, aber, weil er die Bahnen bisweilen
nur nach makroskopischer Betrachtung beschreibt, sind seine Angaben zu
STOMATOPODA. 217
unzuverlässig um hier Aviedergegeben zu werden. Natürlich hat er bisweilen
richtig beobachtet, so, wenn er im Hirnganglion ein Chiasma und zwar eine
semidecussatio von Nervenfasern des lobus opticus beschrieb, welches viel-
leicht besser eine commissura optica genannt würde, obgleich daneben noch
eine andere optische Kommissur vorhanden ist.
Berger (1878) brachte es schon sehr weit in der Kenntnis der mikrosko-
pischen Anatomie des Gehirns von Squilla, aber, obgleich er manche Faser-
systeme beobachtete, blieben ihm deren Ursprung und Ende meistens unbe-
kannt und können seine Mitteilungen der Hodologie des Nervensystems nur
wenig nützen. So erkannte er im lobus opticus (,,x4ugenganglion") schon das
chiasma externum und internum, die lamina ganglionaris, die medulla externa,
interna und terminalis (vergl. Fig. 71) und manche Ganghenzellgruppen dane-
ben, aber, wie die Nervenfasern und Ganglienzellen zusammenhängen, blieb
ihm völlig unbekannt. Beachtenswert ist seine Beobachtung, daß Ganglien-
zellen vorn im Gehirn Fortsätze zum lobus opticus senden. Andere Nerven-
fasern des lobus opticus bilden im Hirnganglion das Chiasma mit Semidekussa-
tion, welches auch Dietl wahrgenommen hat. Berger vermutet, daß diese
Fasern in den Stiel der ,,pilzhutförmigen Körper" übergehen, womit er aller
Wahrscheinlichkeit nach das Antennalganglion im deuterocerebrum gemeint
hat. Die von ihm entdeckte Kommissur zwischen den pilzhutf örmigen Körpern
von links und rechts wäre dann die Antennalkommissur. Nicht alle Fasern
des lobus opticus überschreiten die Medianlinie im Chiasma ; andere tun
solches in der commissura optica, welche sich zwischen den beiden lobi optici
erstreckt. Eine vierte Kommissur im Gehirn bilden zuletzt noch Fasern der
Schlundkonnektive.
Wichtige Leitungsbahnen im lobus opticus von Squilla mantis hat Bel-
LONCi (1882) entdeckt. Er arbeitete mit Osmiumsäure-Präparaten und seine
Resultate bedürfen also gewiß noch der Bestätigung, obgleich sie sehr zuver-
lässig scheinen. Bellonci hat eine eigene, sehr abweichende und leider italie-
nische Nomenklatur für die Zellgruppen und Neuropileme des lobus opticus
eingeführt. Ich erlaube mir die oben angeführten Namen anzuwenden.
Bellonci beschreibt neben der medulla externa (vergl. hier und nachher
Fig. 71) von ihm corpus stratificatum anterius genannt, einige Ganghenzell-
gruppen. Einige dieser Ganglienzellen sind bipolar und senden einen Fortsatz
in die medulla externa. Dieser Fortzatz verästelt sich und anastomosiert mit
den Nervenfasern des nervus opticus, worunter Bellonci die Fasern des
chiasma externum versteht. Diese Fasern des chiasma externum enden ver-
zweigt in der medulla externa, woselbst auch Nervenfasern enden, welche
durch das chiasma internum aus mehr zentral gelegenen Teilen kommen.
(Dieses Verhältnis findet man bei Astacus und Palinurus wieder ; siehe
dort.)
Neben der medulla interna (corpus stratificatum posterius) fand Bel-
lonci eine Gruppe sehr großer Ganghenz eilen, welche ihre Fortsätze zentral-
wärts aussenden in den ,, nervus peduncularis". Damit hat Bellonci den Stiel
gemeint, welcher den lobus opticus mit dem Hirnganglion vereinigt und wel-
cher von vielen anderen gerade nervus opticus genannt wird. Ich glaube, man
218 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
hat keine Veranlassung hier über einen „Nerven" zu sprechen und möchte ihn
Stiel oder pedunculus lobi optici nennen.
In der medulla terminaUs unterscheidet Bellonci einige Neuropileme,
das corpus hemieUipsoideale, das corpus prolongatum (wie ich Belloncis
,,corpo allungatp" nennen möchte) und das corpus reniforme, welche ein zen-
trales Neuropilem umgeben. Das corpus hemiellipsoideale und prolongatum bil-
den zusammen ein System, welches Belloxci ganz den corpora pedunculata
der Insekten vergleichbar achtet.
Neben dem corpus hemieUipsoideale Hegen Ganghenzellen, deren Aus-
läufer darin einziehen ; neben dem corpus prolongatum solche, welche dieses
mit ihren Fortsätzen suchen. In der Umgebung des corpus reniforme beobach-
tete Bellonci Ganghenzellen mit Fortsätzen im zentralen Neuropilem der
medulla terminaUs oder im pedunculus lobi optici. Dabei hat Bellonci be-
merkt, daß die F'ortsätze der Ganghenzellen des lobus opticus zum Gehirn
aUe dicke Nervenfasern des pedunculus sind, während feine Nervenfasern
daraus, welche ein besonderes Bündel bilden, sich zum Teil im corpus hemiel-
Upsoideale verästeln und somit mehr zentral ihren Ursprung haben. Dieses
besondere Bündel bildet im HirngangUon das Chiasma, welches auch Dietl
und Berger schon zeigten.
Bellonci hat auch Nervenfasern des pedunculus bis in die medulla inter-
na fortschreiten sehen und er beschreibt noch andere Bahnen, aber diese zu
unvollständig um genau wiedererkennbar zu sein.
Im nächsten Jahre hat Bellonci (1883) abermals Squilla mantis studiert,
sich jetzt aber mit dem Antennalganglion (lobus olfactorius) beschäftigt.
Er sah die ,,olfactorischen" Nervenfasern des nervus antennarius priraus im
AntennalgangUon enden und natürlich hat er auch die dortigen glomeruli be-
obachtet. Interessant ist seine Mitteilung, daß ein Faserbündel, welches
aus dem Inneren des AntennalgangUons hervortritt, sich auflöst in einem
Neuropilem, vorn in der Älitte des Gehirns gelagert, das die optischen Fasern
des Chiasma durchziehen, weil damit der Vermutung Bergers, daß cUe Chias-
mafasern selbst ins AntennalgangUon übergehen (vergl. S. 217) keine Stütze
gegeben wird.
Einen Teil des peripheren Nervensystems von Squilla hat Nusbaum
(1899) beobachtet, als er in der Wand des Herzens multipolare Ganghenzel-
len entdeckte, welche mit ihren Fortsätzen einen Plexus bildeten und einen
Fortsatz in den zutretenden Nerven sandten.
«^.Die letzte mir bekannte Arbeit, worin wir hodologische Angaben über
Squilla mantis erwarten konnten, ist die RadlscUc (1900). Radl hat besonders
den lobus opticus studiert und darin manche anatomischen Besonderheiten
wahrgenommen, aber die Wege der Leitungsbahnen sind ihm wohl ganz ver-
borgen geblieben, was nicht befremdend ist, weil er gegenüber der GolOi-
Methode eine HämatoxyUn-Methode bevorzugt. Ich will cUesem Aufsatz nicht
viele Worte widmen, nur mit einem Beispiel die Resultate Radls bt'leuchten.
Er erkennt in den Retinulazellen des zusammengesetzten Auges keine Sinnes-
nervenzellen wieder, wie Grenacher und andere Forscher. Es tritt nach ihm
in jede RetinulazeUe eine Nervenfaser, welche bis zum Kern fortschreitet und
STOMATOPODA.
219
dann endet ohne Verbindung mit dem Rhabdom. Der letzte Teil dieser Ner-
venfaser ist selbstverständlich eine Neurofibrille im Inneren der Retinulazelle ;
der erste Teil ist der Nervenfortsatz der Zelle. Nicht also nach Radl. Nach
ihm ist die Nervenfaser kein Fortsatz
der Retinulazelle, noch diese selbst eine
Sinneszelle, welche durch einen Ausläufer
einer mehr zentral gestellten Ganglienzelle
innerviert würde. Was denn ? Radl kann
es uns nicht sagen ; er konnte nicht
entdecken, ob die Nervenfaser der Reti-
nulazelle zentripetal oder zentrifugal aus-
gewachsen sei. Die Nervenfasern der
Retinulazellen ziehen in Bündeln zum
gangüon retinae, wie er die lamina gang-
Honaris nennt und sie verzweigen sich
dort, aber enden dennoch nicht, sondern
scheinen bloß dieses Gangüon zu durch-
laufen. Wie man sieht, wird mit solchen
Angaben die Hodologie nicht weiter ge-
führt. Wahrscheinlich hat Radl Retinula-
zellen beobachtet, deren Nervenfortsätze
verzweigt in der lamina ganglionaris enden,
wie auch bei anderen Arthropoden geschieht,
aber ganz sicher kann man davon nicht sein.
Auch Squilla mantis und die Stoma-
topoden bedürfen also noch sehr vieler
Untersuchungen, ehe ihre Leitungsbahnen
ganz aufgeklärt sind.
9
Ueber die Hodologie der Decapoden
haben erfreulich viele Abhandlungen das
Licht gesehen und weil die meisten sich
mit nur vier Tieren : Astacus, Palinurus,
Homarus und Carcinus beschäftigen, ist
es hier möglich ihre Ergebnisse synthetisch
zu bearbeiten und kritisch einander ge-
genüberzustellen. Ich fange also an, die
vier genannten Tierarten jede für sich zu
beschreiben und lasse die Arbeiten, welche
sich mit anderen Decapoden oder mit den
Decapoden im allgemeinen befassen, folgen-
Es gehe Astacus voran, weil mit diesem Tiere am meisten gearbeitet wor-
den ist. Obgleich hier und dort andere Astacus-Arten studiert worden sind,
hat Astacus fluviatihs (Potamobius astacus), der Flußkrebs, die größte Auf-
merksamkeit erlangt und, wenn nicht anders gemeldet wird, beziehen sich die
Nervensystem von Astacus fluviatilis.
Abgeändert nach Bütschli (1912),
Fig. 357.
= erste Antenne
= zweite Antenne
= commissura tritocere-
bralis
= ganglion abdominale
= ganglion infraoesopha-
geum
= ganglion thoracale
= Hirn ganglion
= Auge
— Schlundkonnektiv
an
t. I
ant.
II
c.
tr.
9-
ah.
. i.
oe.
9-
th.
h
9-
oc.
s
k.
220 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
Angaben auf diese »Spezies. Die DitTerenzen mit anderen Arten scheinen übri-
gens nicht erhebhch zu sein.
Fig. 72 gibt eine Uebersicht über das ganze Zentralnervensystem des
Fhißkrebses. Vorn im Kopfe liegt das Hirnganglion {h.(j.) durch die Schlund-
konnektive (.s. k. ) verbunden mit dem Unterschlundganglion ({/. i. oß.) Hinter
dem Oesophagus sind die Schlundkonnektive verbunden durch die Trito-
cerebralkommissur (r. ir.)
Dem Unterschlundganglion folgen erst fünf Thorakalganglien {rj. Ih.) und
dann sechs Abdominalganghen [g. ah.), welche den eigentUchen Bauchstrang
zusammensetzen.
Ich werde nicht das ganze Nervensystem von Astacus tiuviatilis zu glei-
cher Zeit betrachten, sondern erst das Gehirn oder das obere SchlundgangUon,
dann die Ganglien des Bauchstranges und zuletzt das periphere Nervensystem
behandeln.
Es sei zuvor bemerkt, daß neben den Schlundkonnektiven, welche das
Hirn mit dem unteren Schlundganglion und den pedunculi lobi optici (oder
nervi optici), welche dasselbe mit den lobi optici verbinden, vier Nervenpaare
das Hirn verlassen. Es sind die nervi oculomotorii zu den Augenmuskeln, die
nervi antennarii primi und secundi und schließlich noch die nervi tegumen-
tarii zum Cephalothorax. Ueberdies tritt vorn zwischen den pedunculi lobi
optici und hinten zwischen den Schlundkonnektiven in der Medianebene ein
Nerv aus dem Gehirn hervor. Diese beiden treten nach Krieger mit dem Ge-
flecht der Magennerven in Verbindung und wir werden den hinteren ))ald in
der ALLENschen Arbeit (vergl. Fig. 81, S. 237) als nervus anterior medianus
näher kennen lernen, ,, anterior", obgleich der hintere Mediannerv des Gehirns,
weil er der vordere Mediannerv des ganglion oesophageum ist. Weil der Name
nervus anterior medianus also schon angewandt worden ist, will ich den vor-
deren Mediannerven des Gehirns schlechthin nervus medianus nennen (vergl.
für die Hirnnerven Fig. 73, S. 222).
Ows.jANNiKOW (1861) ist der erste, welcher über die Leitungsbahnen des
Gehirns zuverlässige Mitteilungen macht, obgleich er der Meinung ist, daß
die zentralen Nervenfasern zwei Ganglienzellkörper unmittelbar verbinden
und ihm also die wahre Endigungsweise der Nervenfasern im Zentralnervensys-
tem entgangen ist. Ows.jannikow entdeckte im Hirnganglion Kommissuren und
daneben Fasern, welche das Gehirn mit dem Bauchstrang vereinigten. Einige
dieser Fasern stehen nach ihm sowohl im Gehirn, wie im Bauchstrang mit
C»nglienzellen in direkter Verbindung, andere enden im Gehirn und darunter
befinden sich Fortsätze von kleinen, multipolaren Ganglienzellen, welche in
den Bauchstrangganglien liegen und welchen wir dort abermals begegnen
werden. Diese Ganglienzellen haben oft vier otler mehr Ausläufer, aber nur
einer zieht zum Hirn.
Einige Jahre später hat Ows.jannikow (18()3) besonders die Wege der
Nervenfasern der Gehiiinierven untersucht und er stellte dabei fest, daß alle
Hirnnerven Nervenfasern führen, welche aus Ganglienzellen des Gehirns her-
vortreten. Zwar hat Ows.jannikow seine Beschreibungen für F^ilinurus locusta
aufgestellt, aber, weil er betont, daß Astacus lluviatilis und mariiuis (Homarus)
DECAPODA. 221
die gleichen Verhältnisse darbieten, will ich seine Angaben auch an
dieser Stelle wiedergeben.
Das Gehirn umfaßt eine mediane dorsale Gruppe ziemlich großer Gan-
glienzellen, deren Fortsätze in den ,,nervus opticus", (das heißt in den Stiel
des lobus opticus), in den nervus oculomotorius oder in den sechsten Hirn-
nerven, den nervus tegumentarius ziehen. Diese Gruppe ist neben eine andere
gestellt und deren kleine Ganglienzellen senden Fortsätze in den nervus anten-
narius secundus (Nerven der zweiten Antenne) und in den Bauchstrang ; viel-
leicht überdies in den nervus anterior medianus. Die Ganglienzellen, welche
ihre Ausläufer dem nervus antennarius primus beimischen, liegen lateral.
Ventral zwischen den beiden Antennalnerven sind Ganglienzellen angehäuft
mit Fortsätzen im pedunculus lobi optici. Der zweite Antennalnerv empfängt
auch Fortsätze von Ganglienzellen einer ziemlich zentral gestellten Gruppe.
Andere Zellen dieser Gruppe bilden nach Owsjannikow die Antennalkom-
missur in deren Nähe sie liegen, aber die Resultate anderer Forscher lassen
mich zweifeln, ob er darin Recht hat.
Nachdem Owsjannikow das Gehirn von Astacus studiert hatte, hat
Lemoine (1868) demselben seine Aufmerksamkeit gewidmet. Er fand es in
mancher Hinsicht den Ganglien des Bauchstranges gleich gebaut, deutet
aber nur sehr unbestimmt und unzureichend einige Bahnen an.
DiETL (1876) beobachtete im Gehirn von Astacus neben anderen Kom-
missurfasern ein Chiasma von Fasern des lobus opticus. Andere Leitungs-
bahnen wurden so mangelhaft gesehen, daß sie für andere Forscher wohl
nicht mit voller Gewißheit wiedererkennbar sind und das gilt nicht nur für
Astacus, sondern auch für andere von Dietl studierte Arthropoden.
Später hat Dietl (1878) abermals bei Astacus das Chiasma von Nervenfa-
sern des lobus oj^ticus erwähnt. Andere Bahnen sind wiederum sehr ungenau,
oft sogar makroskopisch beobachtet worden.
Berger (1878) zeigte im Astacus-Gehirn eine commissura optica neben
dem Chiasma von Dietl und eine Kommissur von Nervenfasern aus den Stielen
der pilzhutförmigen Körper. Weil er mit diesen Körpern wahrscheinlich die
Antennalganghen gemeint hat, ist die Kommissur wahrscheinhch die Anten-
nalkommissur, welche auch von Owsjannikow beobachtet wurde.
Im Jahre 1880 erschien die Arbeit Kriegers (1880) über das Zentralner-
vensystem des Flußkrebses. Obgleich darin noch keine modernen Färbungen
des Nervensystems angewandt werden konnten und auch falsche Begriffe,
so die Meinung, daß alle Fasern der peripheren Nerven aus dem Neuropilem
entsprängen und nicht unmittelbar aus Ganglienzellen hervorgehen könnten,
Krieger daran hinderten alle Leitungsbahnen vom Anfang bis zum Ende
zu verfolgen, hat Krieger durch seine sehr sorgfältigen Rekonstruktionen
der Fasersysteme und Neuropileme eine Arbeit geschaffen, welche nicht nur
so weit führt wie man ohne spezielle Nervenfärbungsmethoden überhaupt
kommen kann, sondern auch viele spätere Mitteilungen überragt und immer
eine gute Kontrolle für die Untersuchungen anderer darbieten wird.
Ich will die von Krieger beobachteten Neuropileme und Fasersysteme
als Erläuterung zu der Figur 73 beschreiben. Man findet darin das Hirngan-
222
ARTHROPOD A, CRTJSTACEA.
glion von Astacus von oben gesehen schematisch dargestellt. Vorn geht der
nervus medianus {n. in.) daraus hervor. Ihm folgt der pedmiculus lobi optici
(p. l. 0.) oder nervus opticus, wie er oft genannt wird. Dann kommt der ner-
vus oculomotorius (??. oc.) und der ventral austretende nervus antennarius
primus {n. a. p.). Es treten jetzt der nervus tegumentarius (n. t.) und der
nervus antennarius secundus {ii. a. s.) hervor und nach hinten gehen endUch
die Schlundkonnektive {s. k.) ab. Zwischen beiden Konnektiven noch der ner-
vus anterior medianus
Fig. 73. (/j. a, m.).
Krieger erkannte im
Innern des Gehirns sieben
Neuropileme (Punktsub-
stanzballen) (Fig. 73, 1 bis
VII). Die zwei ersten
homologisierte er nach
dem \'orbilde von DiteTL
und Berger mit den
Corpora pedunculata
(pilzhutförmigen Kör-
pern) der Insekten. Aber-
mals geht aber aus der
Figur und den angeführ
ten Verbindungen dieser
Neuropileme hervor, wie
falsch eine solche Homo-
logisation ist. Denn die
Corpora pedunculata der
Insekten liegen im proto-
cerebrum, hier dem Gebiet
der Neuropileme III und
IV, während die Neuropi-
leme I und II zum deute -
rocerebrum und also zum
Antennalganghon gehö-
ren. Die [Neuropileme]jV
und l Vl^ sind ^ebenfalls
aem deuterocerebrum zuzurechnen, während VII, das Gebiet des zweiten
Antennalnerven, das tritocerebrum darstellt.
Auch Krieger hat, wie Dietl und Berger, im Gehirn das Chiasma von
Fasern des lobus opticus beobachtet und er läßt sie in das erste Neuropilem
eintreten (Fig. 73, a). Das erste Neuropilem empfängt ebenso Nervenfasern
aus lateral und medial neben demselben gestellten GangHcnzcllgruppon, aber
Krieger sagt nicht, ob diese Ganglienzellen auch die Ursprungszellen dieser
Fasern sind. Dergleichen Fasern, wie die letztgenannten, empfängt auch das
zweite Neuropilem. Außerdem ist es durch eine Kommissur mit dem zweiten
Neuropilem der anderen Seite vorbinidon (Fig. 73, b) und ich glaube nicht
Oehirn (ganglion supraoesophageum)
von Astacus fluviatilis.
Abgeändert nach Krieger ( 1880), Fig. 1.
a bis h, in, o, p, r, s = Nervenfasern
i bis 1, n, g — Ganglienzellen
1 bis VII = Neuropileme
n. a. m. = nervus anterior medianus
= nervus antennarius primus
= nervus antennarius secundus
= nervus medianus §
= nervus oculomotorius
= nervus tegumentarius
= pedunculus lobi optici \.'^
— Schlundkonncktiv
n. a. p.
n. a. 8.
n. m.
n. oc.
n. t.
p. l. o.
s. k.
BECAPODA. 223
fehlzugehen, wenn ich diese Kommissur die Antennalkommissur nenne und sie
der von Owsjannikow und Berger beobachteten Kommissur gleichstelle.
Nervenfasern des lobus opticus ziehen in die Neuropileme III (c) und IV
(d) und zwar größtenteils in das Neuropilem der gleichen Seite, bisweilen aber
überschreiten sie die Medianlinie. Andere optische Nervenfasern bilden eine
direkte Kommissur zwischen den beiden lobi optici (Fig. 73, e), während
daneben zwischen den beiden Neuropilemen III eine Kommissur (/) und
zwischen den beiden vierten Neuropilemen zwei Kommissuren {g und h) ent-
deckt wurden.
Die Ganglienzellen, woraus alle diese Nervenfasern hervorgehen, sind
leider unbekannt. Glücklicherweise ist solches nicht der Fall mit drei Arten von
Nervenfasern, welche Krieger mit vorn im Gehirn gelagerten GangHen-
zellen in Verbindung sah und welche zum dritten oder vierten Neuropilem
{i und j) oder zum Schlundkonnektiv zogen (k).
Hinten im Gehirn ist eine mediane Ganglienzellgruppe gestellt, deren
Zellen {l) Fortsätze in das fünfte Neuropilem senden, dasselbe Neuropilem,
woraus gleichfalls Fasern des nervus tegumentarius (m) hervorgehen.
Andere Zellen der ebengenannten Zellgruppe (n) senden ihre Fortsätze
in das sechste Neuropilem, das einen Teil seiner Fasern dem Nerven der ersten
Antenne abgibt (p). Beide Neuropileme VI werden durch eine Kommissur
(o) verbunden.
Das siebente Neuropilem nimmt die Ausläufer der daneben gelagerten
Ganghenzellen (q) auf und ebenso Nervenfasern des zweiten Antennalnerven
(r). Andere Nervenfasern (s) verbinden das siebente Neuropilem mit der
Antennalkommissur, welche also diesen Namen mit Recht trägt, weil sie nicht
nur die Gebiete der ersten Antenne (Neuropileme II), sondern auch die Ge-
biete der zweiten Antenne (Neuropileme VII) verknüpft.
Krieger meldet zwar noch weitere Fasersysteme im Hirn, aber ich will
diese als zu unbestimmt, nicht erwähnen.|Man wird bemerken, daß dieKRiEGER-
schen Angaben sich relativ selten decken mit jenen Owsjannikows. Nament-
hch werden bei Krieger die Ganglienzellen, welche Fortsätze in die peripheren
Nerven senden, vermisst ; das hat aber, wie gesagt, seinen Grund in den
theoretischen Anschauungen Kriegers, welche sich als irrig erwiesen haben.
Man hat durch Krieger mehr Kommissuren im Nervensystem vonAsta-
cus kennen gelernt als zuvor. Reichenbach (1888) hat darüber bemerkt, daß
diese Kommissuren auch beim Embryo in erster Linie sichtbar werden, aber
nicht ehe das Embryo das Ei verlassen hat.
Retzius (1890) hat das Gehirn von Astacus fluviatilis mit modernen
Hilfsmitteln bearbeitet, jedoch darin nur wenige Leitungsbahnen festgestellt.
Vorn im Hirnganglion liegen Ganglienzellen, welche ihren Neuriten in den lo-
bus opticus senden und Seiten äste ins Neuropilem. Wahrscheinüch sind es die
Ganglienzellen i oder j der Figur 73, wobei Krieger dann den Fortsatz zum
lobus "opticus vernachlässigt haben würde. Jedenfalls bekommt Owsjannikow
gegenüber Krieger Recht in seiner Behauptung, daß es im Hirn Ganghen-
zellen gibt, welche einen Fortsatz in den Stiel des lobus opticus senden.
Den gleichen Schluß muß man ziehen bezüglich des zweiten Antennalner-
224
ARTHROPODA, CRUSTACEA.
Fig. 74.
ven. Retzius beobachtete darin Fortsätze von Ganglienzellen in der Nähe der
Wurzel dieses Nerven
gelegen . | Wahrschein-
lich ist dies der Zell-
typus q der Figur 73
nach Krieger und
auch der Zelltypus p
(Fig. 84, S. 247) von
Homarus.j Eine dritte
Ganglienzellart, neben
der vorigen gelegen,
sah Retzius die Fort-
sätze in das Schlund-
konnektiv schicken.
Die lobi optici von
Astacus sind in sehr
schöner Weise von
Parker (1895) studiert
worden. Die Golgi-
und Methylenblau-
Methoden hef erten ihm
seine Resultate und er
hat nicht nur Astacus
fluviatilis, sondern
auch Astacus lepto-
dactylus untersucht
und beide übereinstim-
mend gefunden. Ich
bin so frei einige der
von ihm gegebenen
Namen durch die in
diesem Buche immer
angewandten zu erset-
zen. Im lobus opticus,
dessen Leitungsbahnen
Fig. 74 zeigt, sieht
Parker vier,, optische
Ganghen". Das erste
ist die lamina gangho-
naris (Fig. 74, l. g.), das
zweite die meduUa
externa {tu. e.), das
dritte die meduUa
interna {m.i.) und das
vierte die meduUa ter-
minaüs (;«./.). Von hier führt nach Parker der „nervus opticus" zum ,, lobus
Schema der Reizleitungsbahnen im lobus opticus
von Astacus.
Abgeändert nach Parker (1895), Fig. 59.
a bis e = (Janglienzellen
/ = Nervenfaser
eh. e.
eh. i.
j. r. p.
i y
tn. e.
m. i.
m. t.
p. l. o.
r.
chiasma e.xternum
chiasma internum
fibrae postretinales
lamina ganglionaris
medulla externa
medulla interna
medulla terminal is
pedunculus lobi optici
Ketinulazelle
DECAPODA. 225
opticus", einem hervorragenden Hirnabschnitt ; ich würde sagen : von hier
führt der peduncuhis lobi optici (Fig. 74, p. I. o.) zum protocerebrum, aber es
wii'd nicht nach Namen, sondern nach Leitungsbahnen gefragt, und diese
hat Parker in großer Menge beobachtet.
In jedem Ommatidium des zusammengesetzten Auges sah Parker sieben
funktionierende Retinulazellen. Vier dieser Retinulazellen (r.) sind schema-
tisch in die Figur 74 eingezeichnet worden. Parker betrachtet diese Zellen
in Uebereinstimmung mit Grenacher als Sinnesnervenzellen, denn sie setzen
sich alle in eine Nervenfaser fort. In ihrem Inneren sieht man Neurofibrillen,
welche sich mit dem Rhabdom in Verbindung setzen.
Die Nervenfortsätze der Retinulazellen bilden erst die Schicht der post-
retinalen Nervenfasern und treten dann in die lamina ganglionaris ein, wo
sie verzweigt enden. In der lamina ganglionaris konnte Parker vier Schich-
ten unterscheiden : zwei Körnerschichten, welche Kerne enthalten und zwei
Faserschichten. Weil die Kerne der Körnerschichten nach Parker zu Stütz-
zellen gehören und nicht zu Ganglienzellen, haben diese Schichten für die
Hodologie kein weiteres Interesse, weshalb ich sie auch in der Fig. 74 fortge-
lassen habe. Es sei jedoch bemerkt, daß Palinurus nach Viallanes und auch
die Insekten wohl Ganglienzellen in der lamina ganglionaris aufweisen.
Die Neuropileme, welche medulla interna, externa und terminalis genannt
werden, werden durch Ganglienzellen umringt, welche entweder unipolar oder
apolar sind. Apolare Ganglienzellen kommen hier ohne Zweifel vor, aber nur
dort, wo sich im späteren Leben des Tieres noch neue Abschnitte des Gangh-
ons ausbilden. Es sind also Neuroblasten und das Fehlen der Fortsätze findet
darin seine Erklärung. Der Stammfortsatz der unipolaren Gangüenzellen spal-
tet sich wiederum, wie so oft, in einen Neuriten und ein Dendritensystem.
Die Ganglienzellen, welche neben der medulla externa stehen (Fig. 74, a),
senden einen Stammfortsatz aus, welcher sich spaltet in einen Ast zur lamina
ganglionaris und einen anderen zur medulla externa. Die Aeste sind die Fa-
sern des bekannten chiasma externum {eh. e.). Sie laufen in einer sehr be-
stimmten Weise, welche die Figur 74 näher beleuchtet.
Bei der medulla interna und dem chiasma internum wiederholt sich die
Lage der medulla externa und des chiasma externum. In der Umgebung der
medulla interna befinden sich Ganglienzellen (ö), deren Fortsätze teils zur
medulla externa, teils zur medulla interna ziehen und das chiasma internum
{eh. i.) bilden. Es gibt hier aber auch Ganglienzellen (c), deren zentraler Fort-
satz nicht in die medulla interna geht um dort verzweigt zu enden, sondern die
medulla terminalis durchbohrt und in den pedunculus lobi optici zieht. Wahr-
scheinlich haben auch Bellonci bei Squilla (S. 217) und Viallanes bei Pah-
nurus (S. 240) diese Zellen gesehen, aber weniger genau beschrieben.
In der Nähe der medulla terminalis sind Ganglienzellen {d) gelagert,
welche einen Fortsatz,in die medulla interna und einen anderen in die medul-
la terminalis aussenden. Diese Fasern bilden tatsächhch ein ebensolches
Chiasma, wie das chiasma externum und internum. Nur ist es nicht so regel-
mäßig und wurde es nicht von älteren Autoren erkannt, weshalb es auch keinen
besonderen Namen trägt.
DROOGLEEVER FORTUYN. 15
226 ARTHROPODA, CRIJSTACEA.
In der mediilla terminalis hat Parker außerdem eine größere Ganglien-
zellart (e) beschrieben, welche einen Fortsatz in die meduUa terminalis selbst
und einen anderen in den Stiel des lobus opticus aussendet, welcher bis ins
Gehirn zu verfolgen war. Aehnliche Zellen hat auch wohl Bellonci bei Squil-
la beobachtet (S. 218).
Bei diesem Sachverhalt gelangt Parker zu dem Schluß, daß die optischen
Reize, bevor sie das Gehirn erreichen, eine Kette von fünf oder , wenigstens
drei Neuronen zu durchlaufen haben. Diese fünf Neuronen sind die Retinula-
zelle (r.) und die Ganglienzellen a, b, d und e, während die Zelle c die Zellen
b, d und e ersetzen kann. Die Leitungsbahnen sind also nicht für alle Ommati-
dien dieselben.
Dorsal im pedunculus lobi optici war ein besonderes Faserbündel unter-
scheidbar, welches aus einer dorsalen Anschwellung der medulla terminalis her-
vortrat, aber die Ganglienzellen dieser Fasern lagen ebenso wie die anderen
in der medulla terminalis. Wichtiger war es, daß Parker im Stiel des lobus op-
ticus Nervenfasern (Fig. 74, /) entdeckte, welche in der medulla terminalis
endeten ohne dort mit Ganglienzellen in Verbindung zu treten. (Auch diesen
Fasertypus hatte Bellonci schon bei Squilla beschrieben.) Sie stammen
also wohl aus dem Gehirn, ebenso, wie einige motorische Nervenfasern zu den
Muskeln des Augenstieles, welche den pedunculus lobi optici begleiten.
Endlich wird noch von Parker eine sehr eigentümliche Nervenfaserart
des pedunculus beschrieben, welche aus bipolaren Ganglienzellen in der Nähe
der lamina ganglionaris hervogehen, jedoch nicht die Chiasmata durchlaufen.
Der zweite Fortsatz dieser Ganghenzellen breitet sich über die lamina gang-
lionaris aus. Parker spricht diesen Zellen eine optische Funktion ab und be-
trachtet die Fasern als nervi nervorum, mit wahrscheinlich sensibelem Cha-
rakter. Ich glaube, diese Zellen sind einer erneuten Untersuchung wert. Auch
bei Insekten (z. B. Aeschna) kennt man Nervenfasern der lamina ganglionaris,
welche außer den Chiasmata laufen.
Eine commissura optica im Gehirn wurde von Parker vermißt.
Die ersten Mitteilungen über die Bahnen der Ganglien des Bauchstranges
sind sehr allgemein gehalten. Owsjannikow (ISül) hat in jedem Ganglion
zwei oder drei Kommissuren beobachtet und außerdem Ganglienzellen, welche
ihren Fortsatz in einen peripheren Nerven senden. Bemerkenswert ist das
Vorkommen kleiner Ganglienzellen im Bauchstrang, welche wenigstens vier
Fortsätze besitzen. Einer geht, wie ich schon oben meldete, zum Hirn, ein
liiderer ist eine Kommissurfaser und die übrigen treten in die peripheren Ner-
ven des Ganglions.
Lemoine (1808) ist ebenso wie Owsjanmkow im Stande in den Bauchgan-
glien zwei oder drei Kommissuren nachzuweisen, deren Fasern aus Ganglien-
zellen des Ganglions her vorgehen. Ebenso sah er Ganglienzellen mit Fortsätzen
in den ])eiiplieren Nerven. Daneiben hat er seine Aufmerksamkeit den Nerven-
fasern der Konnektive gewidmet und festgestellt, daß sie oft aus Ganglien-
zellen der Bauchganglien hervorgehen. Es sind dies nur die aszendierenden
Nervenfasern.
Krieger (1880) hat die Ganglien des Bauchstninges sehr genau studiert
DECAPODA.
227
FU 75.
^U^V '"ßr,!-^-
und darin manche Leitungsbahnen wenigstens teilweise angedeutet. Es gelten
hier dieselben Bemerkungen" welche ich oben (S. 221) über seine Arbeit äußerte.
Das Gehirn ist durch die Schlundkonnektive mit dem unteren Schlundgan-
ghon verbunden. In jedem Schlundkonnektiv entdeckte Krieger schon zwei
kolossale Nervenfasern (Neurochorde), welchen wir nachher noch manchmal
begegnen werden und welche sich nach Krieger im Gehirn verzweigen. Wo
sie entspringen sagt er nicht.
Halbwegs des Schlundkonnektivs ist ein Ganglion darin eingeschaltet.
Es ist dies das KonnektivalgangUon (Kom-
missuralgangHon nach Krieger, welcher die
Konnektive Kommissuren nennt), das auch in
der ALLENschen Arbeit (siehe Fig. 81, S. 237)
angeführt wird. Die Ganglienzellen des Konnek-
tivalganghons senden ihre Fortsätze ins Neuro-
pilem, aber, ob sie dort enden, ist nicht bekannt,
wohl, daß ein Teil der Fasern dieses Ganglions
dem Konnektiv folgt, was uns nicht wundern
kann.
Das untere SchlundgangHon ist nach Krie-
ger aus sechs hinter einander gelegenen Gang-
lien zusammengesetzt (man vergleiche S. 243)
und Fig. 75, welche mit einigen Abänderungen
der KRiEGERschen Arbeit entnommen wurde,
soll uns darüber belehren. Man sieht das Gang-
lion von der ventralen Seite. Vorn gehen die
Schlundkonnektive {s. ' k.) ab, hinten die
Konnektive (k.), welche das Ganglion mit dem
ersten Thorakalganglion verbinden. An der
ventralen Seite gehen zu jeder Seite sechs peri-
phere Nerven (1 bis 6) ab und an der dorsalen
Seite vier Paare, wovon nur ein Paar {n: d.)
in die Figur eingetragen wurde. Rechts und
links hegen ventral im Ganghon sechs Neu-
ropileme (I bis VI) und dorsal noch zwei weitere
(VII und VIII), welche gegenseitig verbunden
sind.
Die zwölf ventralen Neuropileme sind
paarweise durch Kommissuren (c.) verbunden und aus einem jeden entsprin-
gen Nervenfasern für einen der zwölf ventralen Nerven (a). Im vorderen
dorsalen Neuropilem (VII) enden Fasern aus dem Schlundkonnektiv, während
nach Krieger aus dem hinterer} (VIII) Nervenfasern zu den Muskeln der
Flagella hervorgehen.
Im unteren Schlundganglion liegen manche Ganglienzellgruppen. Ihre
Zellen senden meistens ihre Fortsätze zum nächsten Neuropilem, aber große
GangUenzellen, welche lateral vorn im Ganghon gelagert sind, senden ihre
Fortsätze in die Konnektive und manche Ganglienzellausläufer kreuzen die
Unteres Schlundganglion vo
Astacus.
Abgeändert nach Krieger
(1880), Fig. 3a.
a, b, c —
1 bis 6 =
I bis VIII
c. =
k. =
n. d. =
s. k. =
Nervenfasern
ventrale Nerven
= Neuropileme
Kommissur
Konnektiv
nervus dorsalis
Schlundkonnektiv
22S
ARTHROPODA, ORUSTACEA.
Fis. 70.
Medianlinie. Wir werden bald im ersten Thorakalganglion Nervenfasern ken-
nen lernen, welche aus dem vorderen Konnektiv kommend in die peripheren
Nerven des Ganglions austreten. Das Bündel dieser Nervenfasern spaltet
sich im unteren Schlundganglion und die Aeste sind nach Krieger teilweise
durch ein C'hiasma verbunden. Ich muß dabei bemerken, daß es keineswegs
möghch war, (he einzelnen Nervenfasern zu verfolgen und daß diese Angaben
also sehr der Bestätigung bedürfen. Die Fasern der drei hinteren dorsalen
Nerven sah Krieger aus den vSchlundkonncktiven herstammen (Fig. 75, c).
Dem unteren Schlundganglion von Astacus folgen fünf Thorakalganglien.
welche nach Krieger übereinstimmend gebaut sind. Fig. 76 ist eine schema-
tische Abbildung eines derselben. Die
Ganglien werden durch die vorderen und
hinteren Konnektive {v. k. und h. k.)
gegenseitig verbunden und ein jedes Gang-
lion läßt zwei Nervenpaare aus sich her-
vorgehen. Der vordere Nerv {n.a.) ist
der größere. Er geht zu den Schreitfüßen
und den Kiemen. Der kleinere, hintere
Nerv {n. p.) geht zu den Muskeln des
Thorax.
Rechts und links im Ganglion ist ein
Neuropilem (;?.), welche beide durch eine
Neuropilembrücke verbunden sind. Die
Nervenfasern der Konnektive laufen dorsal
über dieses Neuropilem hinweg und sie
werden dabei in einige Bündel auseinan-
dergedrängt durch eine dreifache Kom-
missur (k.), welche über der Neuropilem-
brücke sich befindet.
Lateral vorn (a) und medial hinten (h)
ist eine Gruppe von Ganglienzellen sicht-
bar, deren Fortsätze ins Neuropilenl tauchen, wo Krieger sie nicht
weiter verfolgen konnte. In dieser Hinsicht war später Retzius glücklicher
(vergl. S. 220).
Im vorderen peripheren Nerven hat Krieger Fasern beobachtet, welche
entweder aus dem Neuropilem des Ganglions oder aus ch^ii vorderen Konnck-
Uv dorthin gelangten. Die Fasern der ersten Art kamen aus verschiedenen
Teilen des Neuropilems (Fig. 70, c und d) ; die letztgenannten entweder aus
deni Konnektiv der gleichen (e) oder der gekreuzten Seite (/), wobei Krieger
die vviclitige Tatsache entdeckte, daß jene Fasern, welche den weitesten Weg
zurückgelegt hatten, im Konnektiv am meisten lateral liefen.
Kbcnso wie der nervus anterior, empfängt der nervus posterior Fasern
({/) aus dem vorderen Konnektiv der gleichen Seite und daneben durchlaufen
wiederum andere Nervenfasern (h) das ganze Ganghon um im hinteren Kon-
nektiv zu verschwinden. Das hintere Konnektiv steht durch Nervenfasern
(i) mit dem Neuropilem des ThorakalgangÜons in V^erbindung, aber, ob es
Thorakalganglion von Astacus.
Aljgeändert nacli Krieger (1880),
Fig. 7.
a, b ~ (Ganglienzellen
(• bis i = Nervenfasern
hinteres Konnektiv '
Kommissur
Neuropilem
nervus anterior
nervus posterior
voi'cleres Konnektiv
/..
n.
n. a.
n. p.
/.-. --
DECAPODA.
229
Fig. 77.
auch Fasern für den vorderen Nerven enthält, konnte Krieger nicht fest-
stellen.
Das ist, was Krieger uns über die Hodologie des Thorakalganglions
erzählt. Retzius (1890) hat eben dasselbe Objekt mit Hilfe der Methylenblau-
Methode studiert. Die Bahnen, welche er besonders in den zwei hinteren
Ganghen entdeckte, sind in Fig. 77 schematisch dargestellt. Vorn lateral im
Ganglion hegen Ganghenzellen (a), welche ihren Neuriten nach Abgabe von
Seitenästen im Neuropilem in den vorderen Nerven senden. Die Methylenblau-
Methode läßt Retzius, wie begreiflich den unmittelbaren Zusammenhang
von Nervenfasern der peripheren Nerven
mit Ganglienzellen des Ganglions erkennen.
Weil Krieger einen solchen Zusammenhang
prinzipiell verneint, bin ich geneigt, die
Ganghenzelle (a) von Retzius (Fig. 77) mit
der Ganglienzelle (a) von Krieger (Fig.
76) zu identifizieren und dieser Zelle auch die
Faser c (Fig. 76) zuzurechnen. Dann ist die
erwünschte Uebereinstimmung erreicht.
Ganglienzellen des Typus a sind auch von
Allen bei Homarus beschrieben worden (S.
246).
Retzius konnte auch die Fortsätze
anderer Ganghenzellen verfolgen. Eine Art
ist hinten im Ganglion gelagert (6). Ihr
Fortsatz überschreitet die Medianlinie, gibt
dem Neuropilem Seitenäste ab und läuft im
Konnektiv nach vorn. Ein anderer Typus
ist eine wahre Kommissurzelle (c). Ihr
Stammfortsatz verzweigt sich im Neuro-
pilem der gleichen und der gekreuzten Seite.
Eine letzte Ganghenzellart {d) ist median
gestellt. Der Neurit zieht nach hinten in das
Konnektiv, aber Seitenäste dringen ins Neu-
ropilem .
In den peripheren Nerven beobachtete
Retzius Fasern (e), welche scheinbar verzweigt im Neuropilem endeten.
Warum Retzius meint, daß auch diese Fasern wohl mit Ganghenzellen
des Ganghons in Verbindung stehen würden, ist mir nicht klar. Sie stimmen
so gut mit den Fasern d der Figur 76 nach Krieger überein und können
sensibele Nervenfasern sein.
Retzius beschreibt in den Konnektiven Nervenfasern, welche die beiden
letzten Thorakalganglien durchziehen, ohne mehr zu tun als darin einige
Seitenäste abzuspalten. Einige dieser Fasern (Fig. 77, /) stimmen mit von
Krieger aufgefundenen überein (Fig. 76, h), andere sind kolossale Nervenfa-
sern oder Neurochorde (Fig. 77, n.), wie Krieger sie auch in den Schlund-
konnektiven beschrieb.
Die zwei hinteren Thorakalgang-
lien von Astacus.
Abgeändert nach Retzius (1890).
a bis d
= Ganglienzellen
e,f
= Nervenfasern
k.
= Konnektiv
n.
= Neurochord
n. a.
== nervus anterior
n. p.
= nervus posterior
230
ARTHROPODA, CRTJSTACEA.
Fig. 78.
Den Thorakalganglien von Astacus folgen fünf Abdominalganglien.
Krieger (1880) sagt, daß sie alle übereinstimmend und so, wde die sche-
matische Figur 78 darstellt, gebaut sind. Die Ganglien werden durch die
Konnektive (k.) verbunden und jedes GangUon hat zwei Paar peripherer
Nerven. Der erste Nerv, welchen ich nervus anterior («. a.) nennen möchtcj
geht zu den Afterfüßen, der zweite, der nervus posterior (Fig. 78, n. p.) zu
den Abdominalmuskeln. Hinter jedem Abdominalganghon entspringt ein
drittes Nervenpaar, diesmal aus dem Konnektiv. Ich schlage vor, diesen Ner-
ven Konnektivalnerven (nervus connectivahs,
Fig. 78, n.c .) zu nennen. In jedem Ganghon
hegen vier Neuropileme (Fig. 78, n.) alle gegen-
seitig zusammenhängend. Die beiden vorderen
werden außerdem durch eine Kommissur (c.)
verbunden.
Die Ganghenzellen hegen alle ventral. Ihre
Fortsätze ziehen ins Neuropilem (Fig. 78, a).
Daß sie dort bisweilen die Medianhnie
überschreiten (Fig. 78,6) wurde von Krieger be-
obachtet, nicht aber, daß andere Nervenfasern
der peripheren Nerven oder der Konnektive
ihre unmittelbare Fortsetzung sind (vergl. unten
Retzius). Wohl teilt Krieger uns mit, daß aus
dem Neuropilem Nervenfasern des vorderen
Konnektivs (c) und des vorderen und hinteren
Nerven {d,e) hervorgehen, ebenso wie die beiden
genannten Nerven auch Fasern aus dem vor-
deren Konnektiv empfangen {f,g). Der nervus
connectivahs erhält nach Krieger Fasern,
welche im Konnektiv deszendieren und dann
darin abbiegen (Fig. 78, h).
Retzius (1890) hat die Wege der Leitungs-
bahnen im Abdominalganglion weit besser als
Krieger gesehen, wozu ihm die Methylenblau-
Methode den Weg bereitete. Seine Beschreibung
des allgemeinen Baues dieser Abdominalganglien stimmt ganz gut mit der
KRiEGERschen überein, weshalb ich die von ihm entdeckten Bahnen in einen
ej^ensolchen Umriß wie der Figur 78 eintragen kann (siehe Fig. 79).
Retzius luit dem ersten Abdominalganglion von Astacus besondere Auf-
merksamkeit gewidmet und che Figur 79 stellt dieses dar. Seine Angaben über die
ähnhch gebauten vier übrigen Abdominalganghen werde ich unten wiedergeben.
Erstens liegen im ersten Abdominalganghon einige Ganghenzelltypen.
Der erste (Fig. 79, a) sendet seinen Neuriten in das Konnektiv nach vorn,
aber die Dendriten ziehen ins Neuropilem. Ein zweiter Typus (6) gleicht dem
ersten mit dem Unterschiede, daß der Neurit kreuzt und in das Konnektiv
der anderen Seite tritt. Der Zelltypus c (Fig. 79) kann die vordere mediane
Ganghenzelle genannt werden. Sein Fortsatz zieht nach hinten in das Konnek-
Abd(
3mi
nalganglion vonAstaeii.s.
Abgeändert nach Krieger
(1880), Fig. 9.
a
, b
= Ganglienzellen
c bis h
= Nervenfasern
c.
= Kommissur
k.
= Konnektiv
n.
= Neuropilem
n.
a.
= nervus anterior
n.
c.
= nervus connectivalis
n.
P-
= nervus posterior
DECAPODA.
231
tiv, Seitenäste aber ins Neuropilem der beiden Seiten. In den anderen Abdo-
minalganglien ist dieser Zelltypus meistens multipolar. Lateral im GangHon
entdeckte Rbtzius Ganglienzellen mit Fortsätzen, welche in das Konnektiv
nach hinten ziehen, entweder ungekreuzt (d) oder nach Ueberschreitung der
Medianhnie (e). Immer suchen Seitenäste das Neuropilem. Es wäre denkbar,
daß der Zelltypus e auch von Krieger beobachtet worden wäre (vergl. Fig.
78, 6). Neben der Abgangsstelle des vorderen Nerven sind nach Retzius
Ganghenzellen (/) gestellt, welche ihren Neuriten
diesem Nerven beimischen, während Seitenäste
sich im NeurojDilem verzweigen. Andere Nerven-
fasern des vorderen und auch des hinteren
Nerven waren nicht mit Zellen des Ganglions
verbunden, was Retzius einer mangelhaften
Färbung zuschreibt, weil in anderen Abdomi-
nalganglien diese Fasern unzweifelbare Ausläu-
fer von Ganglienzellen waren. Ich habe diese
Fasern deshalb in der Figur 79 fortgelassen ;
wir werden aber später sehen, daß Owsjan-
NIK0W( 1900)wirkhch im hinteren Nerven Fasern
zu Gesicht bekommen hat, welche verzweigt im
Ganglion enden. Das könnte also auch hier der
Fall gewesen sein.
Neben diesen Ganglienzellen und ihren
Fortsätzen beschrieb Retzius manche Nerven-
fasern, deren Zellen außerhalb des GangUons
zu suchen sind. Zuerst wiederum die kolossa-
len Nervenfasern oder Neurochorde (n.), welche
hier ebenso wie im thorakalen Teil des Bauch-
stranges die GangUen und Konnektive der
Länge nach durchziehen. Besonders dick sind
auch Nervenfasern (Fig. 79, g), welche mit
dem Konnektivalnerven {n. c.) in den Bauch-
strang eintreten, nach vorn umbiegen und im
ersten Abdominalganglion enden. Die Fasern
von links und rechts werden dabei durch Querverbindungen, kommissu-
rale Seitenäste, verbunden. Wahrscheinlich sind diese Fasern dieselben, welche
auch Krieger (Fig. 78, h) wahrgenommen hat (vergl. S. 230).
Auch andere Fasern neben den Neurochorden durchlaufen das ganze
Ganghon und das vordere und hintere Konnektiv. Einige spalten dabei Aeste
ab, welche ins Neuropilem derselben oder der gekreuzten Seite ziehen {h),
andere jedoch unterlassen dieses (i).
Retzius hat ebenso wie Krieger Nervenfasern beobachtet, welche aus
dem vorderen Konnektiv herstammend in das erste Abdominalganghon
endeten (vergl. Fig. 79, j mit Fig. 78, c). Ueber die Fasern des hinteren periphe-
ren Nerven meldet Retzius endlich noch, daß sie ihren Lauf im hinteren
Konnektiv fortsetzen (Fig. 79, k).
Erstes Abdominalganglion von
Astacus.
Abgeändert nach Retzius
(1890).
Ganglienzellen
Nervenfasern
Konnektiv
Neurochord
nervus anterior
nervus connectivalis
nervus posterior
a bis /
g bis k
k.
n.
n. a.
n. c.
n. p.
232 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
Die übrigen Abdominalganglien stimmen, wie gesagt, mit dem ersten
überein. Das zweite zeigte Retzius Ganglienzellen der Tjrpen a, c, f und b der
Figur 79 und einen Typus, der der Zelle h sehr ähnlich war, aber der Zellkör-
per Mar vorn lateral im Ganglion gelagert. Der nervus posterior enthielt Fasern
wie k- der Figur 79, daneben jedoch andere, welche Fortsätze von kleinen
Ganglienzellen in der Nähe der Nervenwurzel waren und wiederum wurden
in diesem Nerven Fasern beobachtet, welche sich im Neuropilem des Gang-
lions verzweigen ohne mit Ganglienzellen in Verbindung zu stehen. Der
nervus connectivalis bekam hier Fortsätze von hinten im Gangüon gelager-
ten Ganghenzellen mit Seitenästen im Neuropilem. Die Neurochorde und Fa-
sern der Typen h, i und j (Fig. 79) traten aufs neue zu Tage. Neu hingegen
war eine Art Kommissurzelle ohne langen Fortsatz, aber mit Verästelungen
im Neuropilem der beiden Seiten. Könnten ihre kreuzenden Fortsätze viel-
leicht die von Krieger (Fig. 78, c) beschriebene Kommissur bilden ?
Das dritte Abdominalganglion weist ebenfalls die vordere, mediane
Ganglienzelle (c) und manche Ganglienzellen und Fasern auf, welche wir in
den beiden ersten Ganghen kennen lernten. Der nervus connectivaHs emp-
fängt nicht nur Fasern, welche vorn aus dem Konnektiv kommen, sondern
auch solche, welche von hinten aus dem Konnektiv herkommen.
Das vierte Abdominalganghon bot viele bekannte Zell- und Fasertypen
dar. Daneben Fasern, welche aus dem vorderen Konnektiv herstammend in
den vorderen, peripheren Nerven abbogen und also mit Fasern des Typus/
der Figur 78 nach Krieger übereinstimmten.
Das fünfte Abdominalganghon war besonders dem vierten gleich.
Ows,JANXiKOW (1900) hat den obengenannten RETZiusschen Angaben
kritisch nachgearbeitet und manches bestätigt, einiges verneint. Auch er
untersuchte die Abdominalganglien von Astacus fluviatilis mit Hilfe der Methy-
lenblau-Methode. Daneben standen ihm GoLGi-Präparate zur Verfügung.
Ows.TANNiKOW bestätigte das Vorkommen von Ganglienzellen des Typus
/ (Fig. 79) und von Ganglienzellen mit Fortsätzen, welche die Medianlinie
überschreiten. Im hinteren Nerven überwiegen nach ihm Nervenfasern, welche
verzweigt im Ganglion enden. Man vArd sich erinnern, daß Retzius derartige
Nervenfasern im ersten und zweiten Abdominalganglion tatsächhch sah, aber
nicht recht an ihr Dasein glauben konnte. Einige Aeste dieser Nervenfasern
ziehen nach hinten in das. Konnektiv. Eine Minderheit der Nervenfasern des
hinteren peripheren Nerven sprossen aus Ganglienzellen des Ganglions hervor.
^ Der nervus connectivaUs enthält nach Owsjannikow ebenfalls Nerven-
fasern, welche sich im Ganglion verästeln. Es sind dies aber nicht die dicken
Nervenfasern (Fig. 79, g), welche Retzuts darin zu sehen meinte, denn diese
sind nach Owsjannikow überhaupt keine Nervenfasern, sondern Blutgefäße.
Ich gestehe, daß die sonderbaren Querverbindungen der rechten und linken
,, Nervenfasern", welche für Blutgefäße gar nicht fremd sein würden, mich
an ihrer Natur zweifeln machen. Sind es wirklich Blutgefäße, was ich gerne
bestätigt sähe, so hat Krikoer vielleicht niciit diese, sondern die von Ow\s-
JANNIKOW entdeckten Nervenfasern beobachtet. Es soll jedoch hier nicht
verschwiegen werden, daß Owsjannikow der Meinung ist, daß auch die von
DECAPODA.
233
Fig. 80.
Retzii\s beschriebenen Neurochorde Blutgefäße sind. Nun hat Owsjannikow
wirküch Blutgefäße ins Auge gefaßt, denn er' beschreibt die Muskelfasern,
das Endothel und die Blutkörperchen, aber ich glaube, daß Retzius in diesem
Falle etwas andres gesehen hat : wahre Neurochorde.
In gutem Einklang mit Retzius meldet Owsjannikow Fasern im Kon-
nektiv, welche Fortsätze von Ganglienzellen derselben oder der gekreuzten
Seite sind und besonders große multipolare Ganglienzellen, welche nach ihm
auch Retzius gesehen hat (die vordere, mediane Ganglienzelle, Fig. 79, c ?)
senden Fortsätze ins Neuropilem, in die
Konnektive und außerdem in die rechten
und linken peripheren Nerven.
Das letzte Ganghon des Bauch-
stranges von Astacus fluviatilis ist das
Schwanzganglion. Es weicht in seinem
Bau erheblich von den anderen Gan-
glien ab.
Krieger (1880) erzählt uns, daß ein
medianer Nerv (Fig. 80, »i. m.) und fünf
Nervenpaare das Ganglion verlassen.
Davon treten vier Paare ventral aus (Fig.
80, 1, 2, 3, 4) und ein Paar dorsal {n. cL).
Selbstverständhch ist das Schwanzgang-
lion durch das Konnektiv (k.) mit den
Abdominalganglien verbunden.
Mitten im Ganglion befindet sich
das Neuropilem, an dem man einen
Vorderteil (neuropilema anterius, Fig. 80,
n. a.) und einen Hinterteil {n. p.) unter-
scheiden kann. Der Vorderteil besitzt
nicht weniger als drei Kommissuren (Fig.
80, c.) und weil aus diesem Neuropilem
Nervenfasern für drei ventrale Nerven
hervortreten {a, b und c), achtet Krieger
diesen Teil drei Ganglien gleichwertig.
Das hintere Neuropilem verschafft dem
vierten ventralen {d), dem medianen (e) und dem dorsalen Nerven (/) Fasern.
Wie immer, so glaubt Krieger auch hier, daß die Ausläufer der Ganghen-
zellen des SchwanzgangHons sich ins Neuropilem begeben, aber nicht unmit-
telbar in die peripheren Nerven austreten. Die vier ventralen Nerven empfan-
gen Fasern aus dem Konnektiv {g, h, i, j) und wahrscheinHch stimmt der
mediane Nerv darin mit ihnen überein. Den dorsalen Nerven sind Fasern
beigemischt, welche aus dem Konnektiv derselben oder der gekreuzten Seite
herstammen {k und /) und welche nach Krieger durch Spaltung der
Neurochorde der Konnektive entstanden sind.
Auch Retzius (1890) hat gesehen, daß die Neurochorde der Konnektive
unmittelbar in die peripheren Nerven des SchwanzgangHons übergehen. Sie
Schwanzganglion (oder sechstes Ab-
dominalganglion) von Astacus.
Abgeändert nach Krieger (1880),
Fig. 10.
Nervenfasern
ventrale Nerven
Koniniissur
Konnektiv
neuropilema anterius
nervus dorsalis
nervus medianus
neuropilema posterius
bis l
bis 4
c.
k.
n. a.
n. d.
n. m.
n. p.
234 ARTHROPODA. CRÜSTACEA.
scheinen also den ganzen Bauchstrang von Astacus vom Gehirn bis zu den
peripheren Nerven des SehwanzgangUons zu durchlaufen, aber die zugehöri-
gen Neurochordzellen wurden weder von Krieger noch von Retzius entdeckt.
(Allen hat bei Homarus die Neurochordzelle im Hirn vorgefunden. Siehe
S. 243).
Retzius hat im Schwanzganglion einige Ganghenzelltypen der Abdominal-
ganglien wiedergefunden. So die multipolare ,, vordere mediane Ganglienzelle"
(Fig. 79, c), deren Fortsatz jetzt in einen der hinteren Nerven eintritt. Gan-
ghenzellen des Typus b der Fig. 79 sind zahlreich, nicht nur vorn im Ganghon,
sondern auch z\\'ischen den Nerven wurzeln. Die peripheren Nerven, jedenfalls
die vorderen oder lateralen, enthalten Fasern, welche aus Ganghenzellen des
Ganglions hervorgehen. Daß sie auch Fasern führen, welche verzweigt im
Neuropilem enden (vielleicht die Fasern a, b, c, d, e, /, der Fig. 80) hat Retzius
zu sehen gemeint, aber er kann es wiederum nicht glauben. Warum ist mir
auch hier nicht klar geworden. Hat doch später auch Vom Rath (1896) bei
Astacus unzweifelhaft sensibele Nervenfasern ins letzte Abdominalganglion
eintreten und sich dort verästeln sehen. Wohl ist Retzius davon überzeugt,
daß Nervenfasern aus dem Konnektiv verzweigt im Neuropilem enden.
Was Schneider (1902) über das Zentralnervensystem von Astacus sagt,
kann man alles schon bei Krieger und Retzius finden und ich brauche des-
halb hier nicht darauf einzugehen. Bemerkenswert ist nur, daß er einer der-
jenigen Autoren ist, denen ich selbst mich anschheße, welche das Neuropilem
der Ganglien nicht als ein diffuses Netz betrachten, sondern als ein Gewebe,
worin die Fortsätze einer Ganghenzelle nur mit jenen bestimmter anderer
Ganglienzellen zusammenhängen.
Ich verlasse das Zentralnervensystem von Astacus um dem peripheren
Nervensystem noch einige Worte zu widmen.
Ueber die Innervation der Sinneshaare des Körpers habe ich in der Ein-
leitung zu den Arthropoden schon das Wichtigste gesagt. Retzius (1895)
beschrieb in Golgi- oder Methylenblau-Präparaten bipolare ,, Sinnesnerven-
zellen" unter den Sinneshaaren mit peripheren Fortsätzen, welche oft, aber
nicht immer in das Haar eindrangen. Die Körper dieser Zellen konnten
einzeln oder in Gruppen, unmittelbar unter dem Haare oder in großer
Entfernung liegen. Auch konnten mehrere dieser Zellen ein und dasselbe
Haar innervieren. Vom Rath (1895) entdeckte im selben Jahre dieselben
Zellen mit Hilfe der GoLGischen Methode. Er betrachtet sie als Sinnesner-
vQpzellen, aber in seinen Abbildungen dringen ihre Fortsätze nicht in die
Haare ein und dies trägt dazu bei, daß ich sie als sensibele Ganglienzellen
auffasse, wie oben auseinandergesetzt wurde. Wie Bethe (1896) zwei in
verschiedenen Weisen innervierte Arten von Sinneshaaren auf den Mundtei-
len von Astacus Huviatilis erkennt, habe ich oben (S. 205) schon mitgeteilt.
Dogiel (1894) hat in der Herzwand von Astacus fluviatilis einen Nerven-
plexus mit Ganglienzellen entdeckt, also eine Stelle des Nervensystems, wo
wir fast keine anatornisch bestimmten Leitungsbahnen erwarten können.
Bethe (1896) beschrieb in den Mundteilen einen Ganglienzellplexus, wel-
cher demjenigen der Coelenteraten sehr ähnUch war und dessen multipolare
DECAPODA. 235
Ganglienzellen unmittelbar durch Fortsätze verbunden waren. Hier folgt also
der Reiz gewiß keinen anatomisch bestimmten Leitungsbahnen. E. Holmgren
(1898) behauptet jedoch, daß der von Bethe aufgefundene Plexus aus Binde-
gewebszellen bestände, was nicht sagen will, daß ein solcher Plexus nicht be-
steht, denn er selbst fand ihn, ebenso wie Nusbaum und Schreiber, bei
manchen Crustaceen.
Schneider (1902) trägt zur Kenntnis des peripheren Nervensystems von
Astacus bei, daß peripher gelegene Ganglienzellen einen Fortsatz durch den
vorderen Nerven der Bauchganghen (vergl. Fig. 76, 77, 78 oder 79) in den
Bauchstrang senden. Hier angelangt, teilen die Fortsätze sich dichotomisch
und die zwei Aeste laufen nach vorn und nach hinten um im selben oder im
nächsten Ganglion zu enden. Dieses Verhältnis erinnert also an dasjenige der
Chaetopoden und einiger Insekten, z B. Carabiden (S. 303). Offenbar hat
Allen ähnhche Zellen bei Homarus beobachtet, nur beschreibt er sie als
Sinnesnervenzellen (vergl. S. 253).
Alexandrowicz (1909) hat das sympathische Nervensystem des Darmes
einiger Decapoden, worunter auch Astacus, untersucht. Er wandte mancherlei
Methoden an, so auch die Methylenblau-Methode. Die Muskulatur des Dar-
mes hinter dem Magen wird durch einen Nerven des Schwanzganghons (sech-
sten Abdominalganghons) innerviert, welcher sich verästelt und einen Nerven-
plexus bildet. In diesen Plexus ziehen ebenfalls die zentralen Fortsätze bipo-
larer oder ausnahmsweise tripolarer GangHenzellen, deren anderer Fortsatz
zwischen die Epithelzellen des Darmes in der Richtung der Lichtung geht.
Alexandrowicz ist überzeugt, daß diese Zellen GangHenzellen sind, denn er
sah ihre Neurofibrillen. Es würden dann sensibele GanghenzeUen sein mit
freien Nervenendungen im Epithel, ein Ganglienzelltypus, welcher bei den
Arthropoden äußerst spärHch vorhanden ist. So viel ich weiß, haben nur
ViALLANES (1882), LowNE (1892) und vielleicht Nemec (1896) auf solche
Zellen bei Arthropoden hingedeutet. Noch wunderbarer ist es, was Alexan-
drowicz wahrscheinlich achtet, daß die zentralen Fortsätze dieser Zellen,
welche in Bündeln in den Nervenplexus ziehen, geradewegs zu den Muskeln
des Darmes gehen. Die Zellen wären also zu gleicher Zeit sensibel und moto-
risch oder mit anderen Worten, es gäbe hier eine Reizleitungsbahn, welche
nur ein einziges Neuron umfaßte. Solch eine Bahn haben wir schon vorher
durch die Bemühungen Samassas im Tentakel von Helix kennen gelernt (S.
151). Dort bildete eine Sinnesnervenzelle, nicht eine sensibele Ganghenzelle
mit freien Nervenendungen die Bahn und, weil solches eher einer primitiven
Sinnesnervenzelle als einer sensibelen Ganghenzelle zuzutrauen ist (vergl. S. 12)
fragt es sich, ob nicht auch die ALEXANDROWiczschen Zellen am Ende
Sinnesnervenzellen sein können. Ich halte dies nach seiner Beschreibung
für sehr gut möghch.
Es bleibt mir jetzt noch übrig die wichtige Arbeit, welche Allen (18946)
über das stomatogastrische Nervensystem von Astacus pubUziert hat, zu
besprechen. Ich verweise dafür auf die Figur 81, welche ich mit einigen Abän-
derungen nach der ALLENschen Figur 1 angefertigt habe. Man sieht darin die
beiden Schlundkonnektive {s. k.), welche das Hirnganghon {h. g.) mit dem
236 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
unteren Schlundganglion {g. i. oe.) vereinigen. Halbwegs dey Konnektivs
(Allen spricht immer über Kommissuren statt Konnektive) befindet sich
das Konnektivalganglion {g. c.) Dahinter vereinigt eine Kommissur, welche
ich für die Tritocerebralkommissur {tr.c.) halte (vergl. Fig. 72 und S. 241),
die beiden Konnektive. Aus jedem ganglion connectivale gehen zwei Nerven
hervor, welche das Ganglion mit dem Oesophagalganglion {g. oe.) verbinden.
Es sind der nervus dorsalis {u. d.) und der nervus ventralis {n. v.), wobei ich
bemerke, daß ich den \>ntralnerven deutlichkeitshalber viel zu dick gezeich-
net habe. Das ganghon oesophageum läßt einen dorsalen und einen ventralen
Teil unterscheiden. Der dorsale Teil, wo die Dorsalnerven einander begegnen,
enthält im Gegensatz zum ventralen Teil nur Neuropilem und keine Ganglien-
zellen. Das ganghon oesophageum ist durch den nervus azygos {n.az.) mit
dem Gastralganghon, welches man nicht mehr in der Zeichnung antrifft, ver-
bunden. Der nervus anterior medianus {n. a. ni.), in der Figur nach hnks ver-
legt, vereinigt das OesophagalgangUon mit dem Hirnganghon. Der nervus
ventraUs hat zwei Seitennerven A und B. B erreicht einen Nervenplexus,
das Gebiet, welches in Fig. 81 mit pl. bezeichnet wurde. Dieser Plexus steht
auch mit dem Oesophagalganghon in Verbindung und zwar mittels des Nerven
C, welchen man sehr gut nervus posterior medianus nennen könnte. Auch der
Dorsalnerv spaltet zwei Aeste ab, welche mit D und E bezeichnet wurden.
Was erzählt uns nun Allen über die Leitungsbahnen dieses ganzen Sys-
tems ? Erstens, daß die Kommissur ZAvdschen den beiden Schlundkonnektiven
Fasern enthält, welche aus dem Gehirn (Fig. 81, a) oder aus dem Konnekti-
valganghon (b) stammen. Wo ihre Ganglienzellen sind, blieb leider unbekannt-
Zu den Fasern der Schlundkonnektive gehören weiter noch solche, welche
geradewegs vom Hirnganglion zum Unterschlundganglion laufen (r). Ich
sehe diese Fasern in der ALLENschen Abbildung, nicht in dem Text, aber wir
wissen schon, daß auch andere Autoren solche Fasern für Astacus beschrieben
haben.
Im nervus ventralis begegnete Allen Nervenfasern, welche zum Nerven-
plexus ziehen. Einige {d) benutzen dafür den Nerven B, andere hingegen (e)
machen einen großen Umweg über das Oesophagalganglion und erreichen
durch den Nerven C den Plexus.
Die Ganglienzellen der Fasern des Typus d und e sind unbekannt. Viel-
leicht liegen sie im Konnektivalganglion, wo Allen Ganghenzellen fand, ohne
ihre Fortsätze verfolgen zu können. Es gibt aber gewiß auch Nervenfasern im
Vi^ntralnerven, welche im KonnektivalgangUon enden, weil sie dort sich ver-
zweigen (Fig. 81, /).
Im Oesophagalganghon hat Allen wohl den Lauf der Fortsätze einiger
Ganglienzellarten entdeckt. Erstens beschreibt er darin einen bipolaren Gan-
ghenzellty])us (g), welcher einen Fortsatz in den Ventralnerven und den ande-
ren in den nervus azygos schickt. Zweitens wurde ein unipolarer Zelltypus
{h) aufgefunden mit einem Stammfortsatz, welcher sich bald teilt in einen
Ast zum nervus azygos und zwei Aeste, welche jeder in einem Ventralnerven
zu einem Konnektivalganglion laufen. Die dritte GansrlienzoUart war ebenfalls
unipolar, aber ihi- Fortsatz trat in den Dorsalnerven ein (i).
DECAPODA.
Fig. 81.
237
Das stomatogastrische Nervensystem von Astacus. Abgeändert nach Allen (18946),
Fig. 1. a bis /, j, k, l, n, p, g — Nervenfasern g, h, i, m, o — Ganglienzellen
A bis E = Nerven g. c. = ganglion connectivale g. i. oe. = ganglion infraoesophageum
g. oe. = ganglion oesophageum h. g. = Hirnganglion n. a. m. = nervus anterior
medianus n. az. = nervus azygos n. d. = nervus dorsalis n. v. = nervus ventralis
pl. = plexus s. k. = Schlundkonnektiv tr. c. = commissura tritocerebralis
238 ARTHROPOD A, CRUSTACEA.
Fasern ohne bekannten Anfang oder bekanntes Ende gingen vom nervus
azygos in einen Ventrabierven über (Fig. 81, /), oder vom einen Dorsabierven
in den anderen, wobei sie einem nervus ventralis einen Seitenzweig überliefer-
ten (k). Diese letzten Fasern sind also Kommissurfasern des Oesophagalgan-
glions. Fasern im nervus anterior medianus kamen aus dem Gehirn und spalte-
ten sich im Oesophagalganglion in zwei Aeste, jeder für einen Ventralnerven
bestimmt.
Der Seitennerv D des Dorsalnerven ist der Weg zum Konnektivalganglion
für Nervenfasern, welche die zentripetalen Fortsätze bipolarer Zellen {m)
sind. Die peripheren Fortsätze dieser Zellen treten überall in die Wand des
Oesophagus ein. Nach Allen sind diese Zellen Sinnesnervenzellen sehr gleicli,
wie es mir aber vorkommt, ist dieser Charakter durchaus nicht erwiesen und
würden es auch sehr gut sensibele Ganglienzellen mit frei in der Oesophagus-
wand endigenden Fortsätzen sein können. Vielleicht gibt man später noch ein-
mal darauf acht. Im Nerven D sind auch Fasern, welche im Oesophagus als
motorische Nervenfasern enden (n).
Im Seitennerven E des Dorsalnerven sind Fasern, welche Fortsätze bipo-
larer Zellen (o) sind, deren periphere Fortsätze zu scharf begrenzten Gebieten
des Oesophagus gehen, wo sie an der Oberfläche enden. Allen betrachtet
diese Areale wohl mit Recht als Sinnesorgane und dann sind die Zellen des
Typus o Sinnesnervenzellen der Oesophaguswand.
Der nervus azygos führt Nervenfasern, welche entweder sich im Oesopha-
galganglion spalten und einen Ast in einen jeden Dorsalnerven senden (Fig.
81, p) oder sich unmittelbar in einen Dorsalnerven fortsetzen {q). Bei Astacus,
ebensogut wie bei Homarus (vergl. Fig. 87, S. 253), gibt es Azygos-Fasern,
welche sich im Gastralganglion verzweigen, während hier unipolare Ganglien-
zellen gelegen sind, welche anderen Nerven dieses Ganglions ihre Neuriten
übermitteln.
Ich bin jetzt fertig mit der Beschreibung von Astacus und fange an mit
jener der Languste, Palinurus, welche uns gar niclit so gut bekannt ist, wie
der Flußkrebs.
Ow.s.JANNiKOW (1861 und 18G3) hat über dieses Tier (Palinurus loeusta)
die ersten hodologischen Mitteilungen gemacht. Weil sie genau dieselben sintl,
welche über Astacus und Homarus gemacht wurden, genügt es hier den Leser
auf S. 220 zu verweisen.
Berger (1878) hat ebenso wie bei anderen Crustaceen im Gehirn von
PjpJinurus ein Chiasma von Nervenfasern des lobus opticus beschrieben. Diese
Fasern gehen zum AntennalgangUon, von ihm der pilzhutförmige Körper
genannt. Weil sie nicht alle im Chiasma die McdianÜnie kreuzen, ist das Cliiasma
semidekussat. Berger erkannte bei der Languste eine Kommissur von Fasern
der ersten Antenne, die Antennalkommißur also, und lehrte, daß einige Fasern
dieser Kommissur aus Ganglienzellen hervorgehen, welche in einer Gruppe
zwischen den beiden ,, Sehnerven" (peduncuJi loborum opticorum) liegen.
ViALLANES hat nicht weniger als viermal Studien über den lobus opticus
(nach ihm ganglion opticum) von PaUnurus vulgaris ^jubhziert. Diese Aufsät-
ze enthalten sein- viel Gutes, besonders hinsichthch der mikroskopischen Ana-
DECAPODA,
239
tomie dieses Hirnteiles, aber betreffs der Hodologie sind sie weniger glücklich.
Ich drücke neben der Beschreibung seiner Angaben die Figur 71 abermals
ab.
Die Schwierigkeiten fangen schon an in der Retina. ViAllanes gelangt
nicht zur klaren Erkenntnis, daß die Retinulazellen Sinnesnervenzellen sind.
Zuerst ist er (Viallanes, 1884a) der Meinung, daß nur eine einzige Nervenfaser
jedes Ommatidium (Fig. 71, o.) oder jedes Rhabdom verläßt. Später (1892a)
zählt er jedem Ommatidium sieben Nervenfortsätze zu, jeder Retinulazelle
einen. Auch jetzt betrach-
tet er den Nervenfortsatz Fig. 71.
nicht als einen Ausläufer
der Retinulazelle, sondern
läßt er ihn mit der Rhab-
domere der Retinulazelle
verschmelzen, was für
die Neurofibrillen der
Zelle richtig sein mag,
nicht aber für den ganzen
Fortsatz.
Die Nervenfortsätze
der Retinulazellen durch-
brechen die Basalmem-
bran der Retina und
bilden dann die Schicht
der postretinalen Nerven-
fasern (Fig. 71, /. p. r.),
worin sie gruppiert sind.
Sie treten ein in die
lamina gangHonaris (Fig.
71, l.g.). In seiner ersten
Arbeit weckt Viallanes
(1884a) die Vorstellung,
daß die postretinalen
Fasern zum Teil dort
enden, zum Teil weiter
ziehen und das chiasma externum (Fig. 71, eh. e.) durchlaufen, um indermedul-
la externa (Fig. 71, m. e.) verzweigt zu enden. Später hat er besonders die lamina
ganghonaris von Palinurus studiert (Viallanes, 18926) und jetzt spricht er
nur über postretinale Nervenfasern, welche die lamina ganghonaris passieren
und in der medulla externa enden. Ich bezweifele die Richtigkeit dieser
Angaben. Parker wenigstens läßt bei Astacus alle postretinalen Nervenfasern
in der lamina gangHonaris enden (vergl. Fig. 74, S. 224) und der gleichen Lage
werden wir bei den Insekten, freilich mit Ausnahme der Dipteren, begegnen.
Viallanes (1884a und 18926) hat der Struktur der lamina gangHonaris
große Aufmerksamkeit gewidmet. Er sieht darin, wie andere Forscher, einige
Zell- und Faserschichten. Wenn sich postretinale Fasern in der lamina gan
Schematisclier Längsschnitt des lobus opticus
und des zusammengesetzten Auges der
Stomatopoden und Decapoden.
eh.
e.
= chiasma externa
eh.
i.
= chiasma interna
p.
r.
= fibrae postretinales
l.
9-
= lamina gangHonaris
m.
e.
= medulla externa
m.
i.
= medulla interna
m.
t.
= medulla terminalis
0.
= ommatidium
l.
0.
= pedunculus lobi optici
r.
= retinula
240 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
glionaris verästeln, tun sie solches in der mittleren Faserschicht (1884a).
\'iALLANES (18Ü2Ö) hat in der lamina ganglionaris die Neurömmatidien ent-
deckt. Es sind dies kleine Fasergebiete, jedes mit einem Ommatidium kor-
respondierend, welche von den sieben Nervenfortsätzen eines Ommatidiums
durchzogen werden. Derartige, sei es auch nicht identische Fasersysteme
sind von anderen Autoren auch bei Insekten beschrieben worden (vergl. S.
330). ViALLANES blieb ihre wahre Struktur wahrscheinlich verhüllt.
Die lamina gangUonaris wird nach Viallanes von innen und außen
durch eine Schicht unipolarer Ganglienzellen bekleidet. Die Zellen senden
ihren Fortsatz in die lamina, wo sie nicht weiter verfolgbar waren. Es sind
diese Zellen wahrscheinüch dieselben, welche Parker bei Astacus als Stütz -
Zellen betrachtet (S. 225) und ihre Natur wäre also genauer festzustellen. Wenn
es erlaubt ist, die Insekten zur Stütze anzuführen, so ist dort gewiß die lamina
ganghonaris mit Ganghenzellen ausgestattet.
Zu den Fasern des chiasma externum gehören nach Viallanes (1884a)
neben den genannteji noch Nervenfasern, welche die lamina gangUonaris mit
der medulla externa verbinden und sich in beiden verästeln. Es sind die Fasern,
welche auch Parker bei Astacus beobachtet hat (Fig. 74), deren Zusammen-
hang mit Ganglienzellen (Fig. 74, a) Viallanes jedoch verborgen blieb. Wohl
hat er vielleicht die Ursprungszellen dieser Nervenfasern selbst wahrgenommen,
denn er beschreibt neben der medulla externa eine Ganglienzellgruppe (die
Corona ganglionaris). Die Fortsätze dieser Zellen verschwinden jedoch nach
ihm in der medulla externa und das würde dann nicht ohne weiteres der Fall
sein können. Besonders große Ganglienzellen in der Nähe der medulla externa
senden ihre Fortsätze zur lamina ganglionaris. Auch das stimmt teilweise mit
den Ganghenzellen a von Astacus (Fig. 74). Aus allem schließe ich, daß Vial-
lanes hier die Leitungsbahnen nicht genau beobachtet hat, aber doch der
Wahrheit ziemUch nahe kam.
Die Mehrzahl der Fasern des chiasma internum geht nach Viallanes
(1884a) von der medulla externa zur medulla interna. Man begreift aus der
Figur 74 von Astacus, daß er Fasern, wie diejenigen der Ganglienzellen b
damit meint. Er hat überdies richtig gesehen, daß einige Nervenfasern unmit-
telbar von der medulla externa zur medulla terminaüs oder zum pedunculus
lobi optici ziehen (wie die Fasern der Ganglienzellen c der Figur 74 von Astacus).
Unwahrscheinhch dagegen ist seine Angabe, daß die medulla interna an man-
chen Seiten von unipolaren Ganglienzellen umgeben ist, welche ihren Fortsatz
drifin senden. Da hat er wohl die Ganglienzellen (wie b und c der Fig. 74)
beobachtet, deren Fortsatz sich spaltet und eine der obengenannten Fasern
des chiasma internum bildet.
Der medulla terminalis schreibt Viallanes eine Rinde von unipolaren
Ganghenzellen zu, welche ihre Fortsätze nach innen senden. Die medulla
terminahs selbst teilt er in einen unteren und oberen Abschnitt ein, welche
ich neuro])ileina inferius und superius nennen möchte. (Bellonci unterschied
bei Squilla weit mehr Gebiete der medulla terminalis ; vergl. S. 2 IS). Beide
neuropilemata erhalten Nervenfasern aus den Ganglienzellen der Kinde und
beide Nervenfasern aus dem pedunculus lobi optici, welche in der medulla
DECAPODA. 241
terminalis enden (also, wie bei Astacus die Fasern / der Fig. 74). Ueberdies
werden neuropilema inferius und superius durch Nervenfaserbündel verbunden
und dann bekommt das neuropilema superius noch Nervenfasern aus dem chi-
asma internum und aus dem „pedunculus medullae internae", einem hervor-
ragenden Teil der medulla interna, welcher sich neben dem chiasma internum
der medulla terminaUs unmittelbar anlegt.
ViALLANES (1893) hat das oben Angeführte verwertet in einer vergleichen-
den Studie des Nervensystems von Palinurus und einer Grille. Weil der Aufsatz
keine neuen Leitungsbahnen von Palinurus kennbar macht und manches
enthält, was man jetzt nicht mehr aufrecht erhalten kann, will ich ihn mit
Stillschweigen übergehen.
Schon habe ich bei Astacus (S. 235) erwähnt, was Alexandbowicz
(1909) über das sympathische Nervensystem dieses Tieres entdeckt hat.
Ueber Paünurus teilt er uns das nämhche mit. Auch hier also wird die Darm-
wand hinter dem Magen durch einen Nervenplexus innerviert, worin bipolare
,, Ganglienzellen" (entweder Sinnesnervenzellen oder sensibele Ganghenzellen
mit freien Nervenendungen im Epithel) ihren zentralen Fortsatz senden und
auch jetzt vermutet x4lexandrowicz, daß diese Fortsätze direkt die Muskeln
des Darmes innervieren, in welchem Falle ein einziges Neuron eine ganze Lei-
tungsbahn darstellen würde.
Die dritte Decapode, wie die beiden vorigen eine Makrure, welche mehrfach
das Interesse der Histologen fesselte, ist Homarus vulgaris, der Hummer.
Owsjannikow (1861 und 1863) hat dieselben Leitungsbahnen, welche ich
oben (S. 220) für Astacus beschrieb, auch besonders bei Homarus festgestellt.
Newton (1873) hat gesehen, daß ein Nervenfaserbündel aus dem lobus
opticus herstammend die Basalmembran der Retina durchbohrte und sich
mit dem Rhabdom des Ommatidiums vereinigte. Das ist eine für damals sehr
richtige Beobachtung, aber die Anerkennung der Retinulazellen als Sinnes-
nervenzellen blieb doch Grenacher überlassen.
Allen hat sich in drei Arbeiten (1894a, 18946 und 1896) als der beste
Kenner der Leitungsbahnen von Homarus vulgaris erwiesen. Seine erstklassi-
gen Untersuchungen wurden mit Hilfe der Golgi- und Methylenblau -Methoden
ausgeführt und nicht mit dem erwachsenen Tiere, sondern mit Embryonen
vorgenommen. Dies geschah aus dem Grunde, daß Embryonen auch bei den
Vertebraten so gute Resultate Hefern.
In erster Linie wurden die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems
studiert. Im Stadium, welches Allen (1894a) zur Verfügung stand, erkennt
man schon recht deuthch das Gehirn (Fig. 82, h. g.) und den Bauchstrang
(Fig. 82, b. Str.), welche beide durch noch sehr kurze Schlundkonnektive
(Fig. 82, s. k.) verbunden sind. Die beiden Schlundkonnektive werden durch
eine Kommissur, welche ich Tritocerebralkommissur {tr. c.) nennen möchte,
vereinigt und zeigen eine Anschwellung, das Konnektivalganglion (Fig. 82,
g. c). Die Tritocerebralkommissur begrenzt das Loch im Schlundringe (Fig.
82, oe-;.), wo der Oesophagus hindurchtritt. Wie die Verhältnisse beim erwach-
senen Tiere sind, kann Fig. 72, S. 219, welche die Lage bei Astacus andeutet,
beleuchten. Wichtig ist weiter, daß sich im HirngangHon auch schon der letzte
DROOGLEEVER FORTUYN 16
242
ARTHROPODA, CRTJSTACEA,
Fip. 82.
Schema einiger Leitimgsbahnen
des Zentralnervensystems des jün-
geren Embryos von Hoinarus
vulgaris.
Abgeändert nach Allen {1894a).
a bis g
=
assoziative Ganglien-
zellen.
A
=
Neurochordzelle
Ibis 10
=
Bauchganglien
1 bis 6
=
Anlage des unteren
Schlundganglions
7 bis 10
=
vier Thorakalganglien
b. Str.
=
Bauchstrang
g. c.
=
ganglion connectivale
g. h.
=
Hirnganglion
n.
=
Neurochord
oes.
=
Loch wodurch der Oe-
sophagus tritt
s. k.
=
Schlundkonnektiv
tr.
=
tritocerebrum
tr. c.
=
commissura tritocere-
bralis
Die Strichellinien begrenzen die
C
Janglienzellgruppen.
Abschnitt, das tritocerebrum
(Fig. 82, tr.) erkennen läßt.
Das tritocerebrum umfaßt das
Ganglion der zweiten Antenne.
Im Bauchstrang des Em-
bryos sind die Ganghen (Fig.
82, 1 bis 10) noch alle gegen-
seitig verwachsen. Es sind
deshalb keine Konnektive un-
terscheidbar (nur sanfte Rin-
nen dort, wo sie kommen
werden) und die Kommissuren
sind ebensowenig äußerüch
sichtbar. Innerhch sind sie
schon angelegt und trennen
sie mediane Ganghenzellgrup-
pen. (Man sehe die Fig. 82,
wo alle Gangüenzellgruppen
mit Strichellinicn umgeben
sind.)
Nach Allen zählt der
Bauchstrang elf Thorakalgang-
lien (deren mau zehn in Fig.
82 sieht), wovon die sechs ersten
DECAPODA. 243
das „vordere Thorakalganglion" des erwachsenen Tieres bilden. Man wird
begreifen, daß damit das untere Schlundganglion gemeint wird, denn die
übrigen fünf Thorakalganglien des Embryos bilden dann die fünf Thorakal-
ganglien des erwachsenen Tieres. Daß das UnterschlundgangHon von Homa-
rus aus sechs Ganghen entsteht, stimmt sehr gut zu der Meinung Kriegers
über dieses Ganghon bei Astacus (vergl. Fig. 75, S. 227). Ich möchte die
elf ,, Thorakalganglien" des Embryos, um Irrtümern vorzubeugen, fortan
lieber Bauchganglien nennen. Die Ganglienzellen in jedem der elf vordersten
Bauchganglien bilden vier Gruppen, zwei laterale, eine mediodorsale und
eine medio ventrale. Dazwischen befindet sich das Neuropilem. Wenn im
erwachsenen Tiere die Ganglien auseinandergegangen sind, haben sich die
medianen Zellgruppen alle in einen Vorder- und einen Hinterteil gespalten.
Um dies gut zu verstehen, hat man sich in der Figur 82 die Trennung zur
Höhe der Rinnen zwischen den Ganglien 7 bis 10 zu denken.
Allen unterscheidet assoziative Ganglienzellen, deren Fortsätze das
Zentralnervensystem nicht verlassen, motorische Ganglienzellen mit ihrem
Zellkörper im Zentralnervensystem und ihrem Neuriten in einem peripheren
Nerven und sensibele Ganghenzellen, außerhalb des Bauchstranges gelegen
und einen Fortsatz in ein Bauchganghon sendend.
Es seien hier zuerst die Assoziationszellen besprochen. Allen teilt sie
in vier Kategorien ein. Zur ersten Kategorie gehören unipolare, symmetrisch
ünks und rechts im Hirnganghon oder in einem Bauchganglion gelegene Gan-
glienzellen mit deszendierendem Neuriten, welcher meistens jedem passierten
Neuropilem Kollateralen abgibt.
Die erste Ganghenzelle dieser Kategorie ist eine Neurochordzelle (Fig.
82, A) ventral im Hirnganghon. Ihr Fortsatz beschreibt einen Bogen, über-
schreitet die Medianlinie vor dem Oesophagus, geht zum Bauchstrang und
verdickt sich dort zu einer Kolossalfaser oder einem Neurochord (Fig. 82, n.),
welcher nach hinten läuft und sich im Schwanzganglion (sechsten Abdominal-
ganghon) verzweigt, nachdem er zuvor nur dem Neuropilem des Hirngan-
glions einige KoUateralen überliefert hat. Man wird sich erinnern, daß Krieger
und Retzius den Neurochord bei Astacus entdeckt hatten ohne seinen Zu-
sammenhang mit einer Ganglienzelle zeigen zu können.
Die zweite Ganglienzelle (Fig. 82, a) hegt im Ganglion der zweiten Antenne,
also im tritocerebrum. Ihr Fortsatz kreuzt in der Tritocerebralkommissur und
spaltet sich dann in zwei Aeste, einen zum Hirnganglion und einen anderen,
welcher im Bauchstrang deszendiert, wahrscheinlich bis ins Schwanzganglion.
Jetzt wird es klar, weshalb ich die Kommissur zwischen den beiden Konnek-
tiven, so hier wie bei Astacus, Tritocerebralkommissur genannt habe. Es ge-
schah weil ihre Fasern aus dem tritocerebrum herstammen. Auch die Tritocere-
bralkommissur der Insekten läuft hinter dem Oesophagus herum.
Lateral vorn im ersten Bauchganghon (also später im Unterschlundgan-
glion) befindet sich eine Ganghenzelle b, deren Fortsatz einen Ast zum Neuro-
pilem des zweiten Bauchganghons abspaltet, dann kreuzt und nach hinten
zieht bis ins Schwanzganglion.
Lateral im zweiten Bauchganglion fand Allen eine Ganglienzelle c mit
244 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
einem kreuzenden Fortsatz, welcher bis ins sechste Abdominalganghon
(SchwanzgangHon) deszendiert. Die Seitenäste des Stammfortsatzes verlassen
das zweite Baucliganglion nicht. Aehnliche Zellen gibt es im dritten und fünften
ThorakalgangUon. Sie werden später wohl alle ins untere Schlundganglion
aufgenommen.
Ein anderer Zelltypus (Fig. 82, d) ist ventromedial im zweiten Bauch-
ganghon gelagert. Sein Fortsatz zieht erst nach vorn ins erste Bauchganglion,
geht dann zur anderen Seite des Bauchstranges über und deszendiert dort.
Die bis jetzt genannten Zelltypen hatten alle kreuzende Neuriten. Dies
ist nicht mehr der Fall mit drei weiteren Zellarten, Avelche zur ersten Kategorie
der Assoziationszellen gehören. Die Zelle e, ventral im Hirnganglion und unmit-
telbar vor der Neurochordzelle A gelegen, sendet ihren Neuriten erst mit
einem Bogen nach vorn und dann nach hinten bis ins Schwanzganglion.
Seitenäste gehen zum Neuropilem der beiden Gehirnhälften.
Mit / ist in der Figur 82 eine laterale Ganglienzelle des dritten Bauchgang-
lions bezeichnet worden. Der Fortsatz beschreibt einen Bogen nach vorn bis ins
zweite Bauchgangüon, wo ein Ast zum ersten Bauchganglion abgegeben wird
und zieht dann im Bauchstrange nach hinten.
Die Ganghenzelle g ist in einer ventromedialen Zellgruppe zu suchen und
gehört vielleicht zum dritten, vielleicht zum vierten Bauchgangüon. Der
Fortsatz läuft erst nach vorn ins dritte Bauchganglion, wo er zwei Aeste
abspaltet, einen zum Neuropilem des dritten Bauchganglions der anderen Seite
und einen zum zweiten Bauchganglion derselben Seite. Nachher zieht er nach
hinten.
Die zweite Kategorie der Assoziationszellen umfaßt unipolare Ganglien-
zellen (immer wie die vorigen gepaart), welche in einem Bauchganglion liegen
und einen Fortsatz zum Hirnganghon senden. Ihr Fortsatz aszendiert also.
Deuthchkeitshalber sind diese Zellen nicht in die Figur 82, sondern in eine
ähnhche, schematische Figur 83 eingezeichnet worden.
Der erste Zelltypus (Fig. 83, h) ist ventromedial im ersten BauchgangHon
gelegen. Sein Fortsatz überschreitet mit einem Bogen die Medianhnie und tritt
ins Hirnganglion ein, wo er nicht weiter zu verfolgen war.
Der zweite Typus (Fig. 83, i) ist eine laterale Ganghenzelle des zweiten
Bauchganglions. Sein Stammfortsatz sendet Aeste aus ins Neuropilem des
zweiton und dritten Bauchganglions und der Neurit geht zur anderen Seite
des Baue hmarks und zieht dann nach vorn ins Gehirn. Sein Ende ist unbe-
kannt.
Die Zellen j und k (Fig. 83) zeigen enge Verwandtschaft. Beide sind lateral
gestellt, i im fünften Bauchganglion, also im späteren Untersciilundganglion,
k im achten Bauchganglion, also im zweiten ThorakalgangUon des erwach-
senen Tieres. Beide senden ihren Fortsatz duich eine Kommissur zur anderen
Bauchmarkshälfte, aber vorher schicken sie Seitenäste ins Neuropilem des
vorigen und des nächsten Ganglions. Die beiden Neuriten aszendieren und
im Gehirn angelangt, verästein sie sich in der Nähe des medianen Naupiiusauges
und enden dort. Es ist bemerkenswert, daß die beiden Zellen sich oft gleich-
zeitig färben. Später ist Allen (18Üü) einer ähnhchen Zelle {k', Fig. 85) auch
DECAPODA.
245
Schema einiger Leitvmgsbahnen
des Zentralnervensystems des jün-
geren Embryos von Homarus
vulgaris.
Abgeändert nach Allen (1894a).
Man vergleiche Fig. 82.
h bis n und n' = assoziative
Ganglienzellen.
1 bis 10 = Bauchganglien
1 bis 6 = Anlage des unteren
Schlundganglions
7 bis 10 = vier Thorakalganglien
h. g. = Hirnganglion
Die Strichellinien begrenzen die
Ganglienzellgruppen .
im elften Bauchganglion begeg-
net. Man lese darüber und über
die Verwandtschaft mit dem
Zelltypus i Seite 250.
Eine andere Ganglienzelle
dieser Kategorie (Fig. 83, l)
liegt ventrpmedial im sechsten
Bauchganghon. Der Fortsatz
gibt dem Neuropilem des Gang-
lions einen Zweig, kreuzt, as-
zendiert und endet verästelt
in Hirnganglion.
Die dritte Kategorie der
Assoziationszellen umfaßt nur
einen einzigen Zelltypus. In
jedem der Bauchganghen 6 bis
10, also in dem unteren Schlund-
ganghon und den vier vorderen
Thorakalganghen, fand Allen
zu jeder Seite lateral eine
Ganghenzelle (m in Fig. 83
wird als Beispiel gegeben),
deren Fortsatz mit einigen
Wellen nach hinten und me-
dianwärts läuft und im nächsten
Ganglion endet. Seitenäste
gehen zum Neuropilem des
Ganglions, wo der Zellkörper
gelegen ist.
Die Ganghenzellen m
stehen offenbar in funktioneller
Fig. 83.
246 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
Beziehung zu den Assoziationszellen der vierten Kategorie (Fig. 83, n,n').
Die Bauchganglien 6 bis 11 enthalten alle ein laterales Paar Ganghenzellen,
welche übereinstimmend gebaut sind. Der Fortsatz geht nach innen und nach
vorn. Er endet im vorvorigen Ganglion dort, wo auch der Fortsatz einer Zelle
des Tj'pus m endet. Zuvor hat er dem Neuropilem des Ganglions, wo der Zell-
körper gelagert ist, Seitenäste überhefert und auch spaltet er kleine Zweige
ab, dort, wo er che Endigungsstelle der nächsten Zelle desselben Typus und
einer Zelle des Typus m passiert. Es haben also, wie Allen entdeckte, zwei
Zellen des Typus n und eine Zelle des Tj^us m Verästelungen an ein
und derselben Stelle (Fig. 83 bei X ) und wohl läßt sich daraus ihre physio-
logische Zusammenwirkung ableiten. Ich möchte daran erinnern, daß wir
auch bei einem Wurme (Nereis, S. 75 und Fig. 31) drei mit einander in
Wechselwirkung stehende Neuronen im Bauchstrange kennen. Bethe (1895a)
hat Ganghenzellen des Typus n auch bei Carcinus maenas gefunden (Fig.
89, i).
Die verschiedenen Assoziationszellen, welche Allen zu entdecken ver-
mochte, sind jetzt beschrieben worden und es werden die motorischen Gan-
glienzellen folgen. Wie begreifhch hat man dann den peripheren Nerven Rech-
nung zu tragen. Ich füge darum diesen Beschreibungen eine schematische
Figur (Figur 84) bei, welche den vorigen gleicht, nur daß darin auf der einen
Seite auch die peripheren Nerven angedeutet worden sind. Die verschiedenen
Bauchganglien besitzen aUe zwei Paar Nerven, ein vorderes und ein hinteres
Paar. Der Vordernerv (nervus anterior, Fig. 84, n. a.) geht zu den Ghedmaßen.
In dem zweiten und dritten Bauchganghon ist er tatsächlich doppelt (ver-
gleiche Fig. 84, wo alle nervi anteriores länger als die nervi posteriores ge-
zeichnet sind, damit man sie bequemer unterscheiden kann), aber auch in
den anderen Ganghen ist er nahezu ein Doppelnerv. Der hintere Nerv (Fig.
84, n. p.) geht zur Körperwand. In der Figup- 84 sind mit n. a. und n. p. die
Nerven des ersten und neunten BauchgangHons angegeben worden.
Die Bauchganghen sechs bis neun sind mit eben denselben motorischen
Ganghenzellen ausgestattet. Der erste Typus (Fig. 84, o) hegt lateral vorn im
Ganghon. Sein Fortsatz beschreibt einen Bogen nach hinten und tritt in den
vorderen Nerven aus. Zu beiden Seiten hegen mehrere solcher Zellen im Gan-
ghon. Dieser Zelltjrpus beschränkt sich nicht auf die Ganghen 6 bis 9, sondern
ist auch im dritten, fünften, zehnten und elften Bauchganglion (also später
im unteren Schlundganglion und allen Thorakalganglien) aufzufinden. Es
if^'* nicht schwer in diesem Typus eine von Retziüs bei Astacus entdeckte
Zellart (Fig. 77, a) wiederzuerkennen.
Eine mit den Ganglienzellen des Typus o übereinstimmende Zelle (Fig.
84, p) hegt im zweiten Antennalganghon, also im tritocerebrum und sein Fort-
satz im nervus antennarius secundus {n. a. s.). Wahrscheinlich ist diese Zelle
denjenigen homolog, welche Retziu.s bei Astacus neben der Wurzel des zweiten
Antennalnerven fand und welche ihren Fortsatz in diesen Nerven schickten
(vergl. S. 224).
Die motorischen Ganghenzellen des Typus q (Fig. 84) weichen nur wenig
ab von den Zellen u. Sie hegen lateral, eine Zelle in beiden Hälften der Bauch-
DECAPODA.
247
Schema einiger Leitungsbahnen
des Zentralnervensystems des
jüngeren Embryos von Homa-
rus vulgaris.
Abgeändert nach Ai.len( 1 894a .
Man vergleiche Fig. 82.
0 bis V vmd q' = motorische
Ganglienzellen
ae, af = sensibele Nervenfasern
1 bis 10 = Bauchganglien
1 bis 6 = Anlage des unteren
Schlundganglions
7 bis 10 = vier Thorakalgang-
lien
g. c. = ganglion connec-
tivale
h. g. — Hirnganglion
n. a. = nervus anterior
n. a. s. = nervus antenna-
rius secundus.
n. p. — nervus posterior •
tr. = tritocerebriun
Alle vordere Nerven der Bauch-
ganglien sind länger gezeichnet
als die hinteren. Die Strichel-
linien begrenzen die Ganglien-
zellgruppen.
ganglieu fünf bis neun und
ihr Fortsatz verläßt nach
einer typischen Schhnge das
Gangüon im vorderen Ner-
ven, Allen meldet auch im
ersten Bauchganghon eine
solche Zelle (Fig. 84, q'),
aber, wenn ich es gut einsehe,
tritt er in den hinteren Ner-
ven aus. Später hat Allen
(1896) ähnhche Zellen wie
q auch im zehnten und elften
.Bauchganghon entdeckt.
Median in den Bauch-
ganghen 2, 3, 7, 8 und 9
und später (Allen 1896)
auch in 10 und 11 wurde
eine Ganghenzelle (Fig. 84,
r) entdeckt, welche eben-
falls ihren Fortsatz nach
Abgabe von Seitenästen
Fig. 84.
248 ARTHROPODA, CRUSTACEA,
ans Neuropilem des Ganglions dem vorderen Nerven beimischt.
Dem vorigen Typus sehr ähnlich ist die mediane Ganglienzelle s, ebenfalls
mit einem Fortsatz im vorderen peripheren Nerven. Beim Embryo ist sie in
der medianen Zellgruppe kurz hinter der Zelle r gestellt. Wenn aber im Laufe
der Entwicklung jede mediane Zellgruppe geteilt und wie oben beschrieben
wurde, zwei Ganglien zugeteilt wird, geht die TrennungsHnie zwischen den
Zellen r und s hindurch, was zur Folge hat, daß s ganz vorn, r ganz hinten im
ausgebildeten Ganghon zu hegen kommt. Die Zellen r und s der Figur 84
gehören also später beide dem dritten Thorakalganghon (jetzt dem neunten
Bauchganghon) an. Der Zelltj^pus s wurde in den Bauchganghen 5 bis 10,
später (Allen 1896) auch in 11 entdeckt.
Zum hinteren Nerven der Bauchganglien 7 bis 9 geht der Fortsatz einer
median im GangHon gelegenen Zelle (Fig. 84, t), welcher eine Spiralhnie
beschreibt.
Im dritten Bauchganghon beobachtete Allen ieine mediane Ganghen-
zelle (Fig. 84, u) mit einem Fortsatz, welcher die Mechanhnie kreuzte und in
dem nervus posterior der anderen Seite verschwand. Später (Allen 1896) wurde
diese Zelle auch im achten Bauchganglion gesehen.
Als letzter motorischer Ganghenzelltypus sei hier eine Ganglienzelle
des ersten Bauchganglions erwähnt (Fig. 84, v). Sie befindet sich nicht in,
sondern neben der medianen Zellgruppe und ihr Stammfortsatz spaltet sich
in zwei Aeste, einen in den vorderen Nerven und einen zur anderen Seite des
Bauchstranges schreitenden.
Sensibele Nervenfasern wurden von Allen nur selten im vorderen Teile
des Bauchstranges entdeckt, aber regelmäßig im Abdomen, wie wir später
sehen werden. Im hinteren Nerven des ersten Bauchganglions dringt eine Ner-
venfaser unbekannter Herkunft (Fig. 84, ae) in den Bauchstrang ein und ver-
ästelt sich im ersten Ganglion. Ebenso führt der vordere Nerv des zweiten
Bauchganglions Nervenfasern (Fig. 84, af), welche sich nicht nur in diesem
Ganghon, sondern auch in den beiden benachbarten verzweigen. Es sind
wahrscheinhch sensibele Nervenfasern.
In seiner späteren Arbeit hat Allen (1896) diesen Nervenfasern noch
einen dritten Typus beigefügt. Die Faser (Fig. 85, ad) tritt mit dem hinteren
Nerven des zehnten Bauchganglions (vierten Thorakalganglions) ein und
spaltet sich in einen deszendierenden und einen aszendierenden Ast, welcher
bis ins erste Bauchganglion zu verfolgen war, ohne daß sein Ende erreicht
^re. Aehnhche Nervenfasern werden wir in den Abdominalganghen von
Homarus besser und in größerer Zahl kennen lernen.
Am Schluße seiner glänzenden Arbeit versucht Allen die gegenseitigen
funktionellen Beziehungen dej- verschiedenen Ganglienzelltypen zu prüfen.
Weil es mich sehr unwahrscheinhch dünkt, daß er schon alle Typen aufge-
funden hätte, auch wenn man seine späteren Nachträge (Allen 1896) berück-
sichtigt — hat doch Retzius beim naheverwandten Astacus fast nur andere
Typen beobachtet — und weil, wie Allen selber sagt, solche Fragen schheßhch
nicht ohne physiologische Untersucliungen gelö.st werden können, werde ich
diese ALLENschen Spekulationen beiseite lassen.
DECAPODA.
Fig. 85.
249
250 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
Die Anlagen des unteren Schlundganglions und der Thorakalganglien
von Homarus vulgaris wurden abermals von Allen (1896) mit Methylenblau
erforscht bei Embryonen, welche im Begriffe waren auszuschlüpfen und also
älter waren als die Embryonen der vorigen Arbeit. Im Schema, welches ich von
diesem Stadium gebe (Fig. 85) sieht man vom Hirngangüon nur das tritocere-
brum (tr.). Vom Bauchstrang sieht man die elf vorderen GangUen, welche das
UnterschlundgangUon (1 bis 6) und die fünf Thorakalganglien (7 bis 11) bilden
werden. Allen nennt sie alle Thorakalganglien ; ich werde sie wiederum Bauch-
ganghen nennen. Die Abdominalganghen sind fortgelassen ; sie werden nachher
besprochen werden. Ich habe auch jetzt zur bequemeren Unterscheidung die
nervi anteriores {)i. a.) der Ganghen länger gezeichnet als die nervi posteriores
{n. p.), ausgenommen dort, wo es erwünscht war zu zeigen, daß der nervus
posterior sich über den nächsten nervus anterior legt. Man wird bemerken,
daß der Vordernerv des dritten BauchgangUons noch doppelt vorhanden ist,
daß aber das zweite Bauchganghon, ebenso wie die anderen einen einzigen
Vordernerven hat. Die Fasern der. Vordernerven teilen jetzt die lateralen
Ganghenzellgruppen eines jeden Ganghons in zwei. Die Ganghenzellgruppen
sind in der Figur 85 wdederum durch StricheiHnien begrenzt.
Verschiedene früher beobachtete Ganglienzellen wurden auch jetzt wieder
gesehen. Ich komme darauf nicht zurück.
Lateral im elften Bauchganglion kam die GangUenzelle ^•' (Fig. 85) ans
Licht. Ihr Fortsatz kreuzt und aszendiert, nachdem er zuvor einen Seitenast
nach vorn und einen nach hinten abgespalten hat. Obgleich Allen dem as-
zendierenden Neuriten nicht bis ins Gehirn folgen konnte, ist er überzeugt,
daß er dort endet, denn der Endteil des Neuriten wurde noch ein anderes
Mal gesehen, jetzt aber ohne Zusammenhang mit dem Zellkörper. Wenn Allen
Recht hat, stimmt, wie er selbst bemerkt, die Zelle ^•' sehr mit k und j (Fig.
83) überein und, wenn auch die Zelle i (Fig. 83) dazu gerechnet werden darf,
haben ^^^r eine Reihe von vier gleichartigen Ganglienzellen (i, j, k und k')
im Bauchstrange, welche in den Bauchganglien 2, 5, 8 und 11 gelegen sind,
also regelmäßig mit zwei Ganghen Zwischenraum.
Ganz neu waren die Ganglienzellen der nachstehenden Typen. Zuerst
eine motorische Ganglienzelle (Fig. 85, w) lateral, vorn im sechsten Bauch-
ganghon. Der Fortsatz spaltet erst einen Ast ab, welcher zum Neuropilem der
anderen Seite geht und teilt sich dann in zwei Aeste. Einer derselben tritt aus
in den vorderen Nerven des Ganglions, der andere kreuzt und beschreibt einen
Bogen, aber sein Ende blieb unbekannt.
Der motorische Ganghenzelltypus x (Fig. 85) gleicht dem Typus / (Fig.
84) in manchen Hinsichten. Mehr noch ist er nach Allen einem Zelltypus der
Abdominalganghen (Fig. 8(5, x') gleich. Ich werde den Unterschied S. 252
betonen. Die Zelle wurde nur im elften Bauchganglion gefunden, hinten in
der medianen Ganghenzellgriippc. Ihr Fortsatz tritt in den hinteren Nerven
aus, nachdem er dem Neuropilem der anderen Seite des Ganghons einen Sei-
tenast gegeben hat.
Nur im siebenten Bauchganghon ist der motorische Ganghenzelltypus
y (Fig. 85). Der Zelikörper ist median gelagert, der Fortsatz geht in den hin-
DECÄPODA. 251
teren Nerven des Ganglions und Seitenäste gehen zum Neuropilem.
Bis jetzt sind wir nur motorischen GangUenzellen begegnet, welche ihren
Neuriten in einen Nerven ihres eigenen Ganglions senden. Es gibt aber auch
andere. So befindet sich median im siebenten Bauchganglion, und nur dort,
eine motorische Ganghenzelle (Fig. 85, z), deren Fortsatz eine Nervenfaser
des hinteren Nerven des sechsten Bauchganghons ist. Seitenäste gehen zum
Neuropilem derselben Seite des siebenten und der anderen Seite des sechsten
GangHons.
Im vierten, fünften und sechsten GangHon entdeckte Allen eine mediane
Ganghenzelle (Fig. 85, aa), welche ihren Neuriten dem hinteren Nerven des
vorhergehenden Ganghons beimischt. Die Zelle hat keine Fortsätze zur anderen
Seite.
Im hinteren Thorakalganghon liegt, außerhalb der bekannten Zellgrup-
pen ein Ganghenzelltypus (Fig. 85, ah), wie er sonst nicht in den Thorakal-
ganglien oder dem UnterschlundgangUon, wohl aber in den Abdominalganghen
(Fig. 86, ah) vorkommt. Sein Neurit überschreitet die Medianhnie und verläßt
im hinteren Nerven des vorhergehenden Ganglions das Bauchmark.
Es gibt auch, wie bei Carcinus maenas, GangHenzellen mit mehreren in
die peripheren Nerven austretenden Fortsätzen. Man wird sich erinneren,
daß z.B. auch Hirudo (Fig. 47, S. 102) solche Zellen aufweist. Bei Homarus
fällt unter diesen Begriff eine laterale Ganglienzelle des siebten und achten
Bauchganghons (ersten und zweiten Thorakalganglions) (Fig. 85, ac). Der
Stammfortsatz dieser Zelle teilt sich sofort dichotomisch. Ein Ast geht in den
vorderen Nerven des Ganghons ; der andere zieht nach vorn und sendet
Seitenäste zu zwei oder drei nervi posteriores. Der hintere Nerv des dritten
Bauchganghons empfängt jedenfalls einen Zweig. Die anderen mit Seitenzwei-
gen beschenkten Nerven sind mir nicht klar, weil der ALLENsche Text nicht
mit seiner Abbildung übereinstimmt und die Zelle des siebenten Bauchgan-
ghons sich anders verhält als die Zelle des achten. Vielleicht gehört auch eine
Nervenfaser, welche in den hinteren Nerven des zweiten Bauchganghons
und in einen kleinen Nerven unmittelbar vor dem zweiten Antennalnerven
(Fig. 85, n.a. s.) austrat (siehe Fig. 85 hnks) zu diesem Typus, aber die Ganghen-
zelle wurde leider nicht beobachtet.
Ich unterlasse die Beschreibung einiger Ganghenzellen des vierten Bauch-
ganghons, welche nicht genau beobachtet werden konnten.
Allen hat im Jahre 1896 auch die Abdominalganghen von Homarus-
Embryonen untersucht. Er fand die Struktur der fünf vorderen Abdominal-
ganghen übereinstimmend, das sechste aber, das Schwanzganghon, abweichend
gebaut. Nach allem, was wir über Astacus wissen, kann uns das nicht wundern.
Ich werde das Schwanzganghon an und für sich besprechen.
Die fünf Abdominalganglien (zwei derselben stellt Fig. 86 schematisch dar)
haben alle ein vorderes und ein hinteres Nervenpaar (Fig. 86, n. a. und n. p.)
und ein di-ittes Nervenpaar, das ich in Uebereinstimmung mit Astacus (Fig.
78) die nervi connectivales (Fig. 86, n. c.) nennen will. Natürlich sind die
Ganghen aUe durch Konnektive (^^) verbunden.
Allen hat in den Abdominalganghen Assoziationszellen sichtbar gemacht,
252
ARTHROPODA, CRUSTACEA.
Fig. 86.
/Ai
alle vom selben Typus (Fig. 86, a). Die Zelle liegt vorn lateral im zweiten bis
fünften Abdoniinalganglion. Ihr Fortsatz kreuzt und aszendiert zum Hirn-
ganglion, während ein Seitenast sich im Neuropilem des Ganglions verzweigt.
Nach Allen hat Retzits diese Zellart bei Astacus beobachtet. Es wird dies
dann wohl die Zelle b der Fig. 79 sein.
Motorische Ganglienzellen sind in mancher-
lei Arten vorhanden. Erst eine Ganghenzelle
(Fig. 86, b) in allen Abdominalganglien ventral
in der Mitte gelagert, welche ihren Neuriten
in den nervus connectivalis sendet, aber nicht
bevor er einen Ast zum Neuropilem der ande-
ren Seite abgegeben hat. Eine ähnUche Zelle
der fünf Abdominalganglien ist die Zelle c, aber
sie ist lateral gestellt.
Der motorische Ganglienzelltypus x' (Fig.
86) ist uns nach Allen schon aus dem fünften
Thorakalgangüon (Fig. 85, x) bekannt. Die Zelle
hat eine mediane Stellung und ihr Fortsatz
überliefert dem Neuropilem der anderen Seite
einen Seitenast. Während jedoch die Zelle x des
letzten Thorakalganglions ihren Neuriten in den
hinteren Nerven sandte, tritt hier der Neurit in
den Konnektivalnerven aus. Es ist dies ein
Unterschied, welcher nicht übersehen werden
darf.
Der Zelltypus x' wurde in den fünf
AbdominalgangHen aufgefunden, ebenso wie
der ZeHtypus d (Fig. 86), welcher vorn median
im Ganglion hegt und seinen Neuriten in den
Konnektivalnerven- der anderen Seite sendet.
Zwei motorische Ganglienzelltypen sind
nicht auf ein Ganglion beschränkt, sondern ihr
Neurit tritt in einen Nerven des vorhergehen-
den Ganglions aus. Beide wurden in den fünf
Abdominalganglien entdeckt. Die Zelle e (Fig.
86) liegt neben der Medianhnie vorn im Gang-
hon. Der Fortsatz überschreitet die Median-
linie, spaltet einen Ast ab zum Neuropilem
des Ganglions, aszendiert im Konnektiv und
verläßt durch den Konnektivalnerven des näch-
sten Ganglions den Bauchstrang.
Dem anderen Typus (Fig. 8(), ab) sind wir schon im fünften Thorakalgan-
güon (Fig. 85, ab) begegnet. Der Fortsatz dieser Zelle läuft nach vorn, kreuzt,
aszendiert weiter und tritt aus in «hii hinteren Nerven des vorhergehenden
GangUons.
Ueber die sensibelen Nervenfasern der AbdominalgangHen hatte Allen
Einige Leitimgsbahnen in zwei
Abdomin ii anglien des älteren
Embryos von Homarus vulgaris
Abgeändert nach Allen (1896),
Fig. 3.
a bis e, ab, x' — Ganglienzellen
Nervenfaser
Konnektiv
nervus anterior
nervus connectivalis
nervus posterior
/
k.
n. c.
n. p.
DECAPODA.
253
(1894«) schon vorher wichtige Angaben gemacht. Er entdeckte damals dorsal
im Abdomen bipolare Sinnesnervenzellen. Ihre zentralen Fortsätze gelangen
mit den peripheren Nerven ins Abdominalganglion und spalten sich dann in
einen aszendierenden und einen deszendierenden Zweig, welche Längsfasern
des Bauchstranges sind und, in Bündeln vereint, einige Ganglien durchziehen.
Wo sie eben enden, blieb unbekannt. Offenbar hat Schneider (siehe S. 235)
dieselben Zellen bei Astacus
beobachtet, nur nennt er sie
Ganglienzellen und geht ihre
Natur als Sinnesnervenzellen aus
seiner Beschreibung nicht hervor.
Im Jahre 1896 hat Allen
noch mitgeteilt, daß solche sensi-
belen Nervenfasern besonders
durch den hinteren Nerven ins
Abdominalganglion eintreten (Fig.
86, /). Eine Nervenfaser, welche
ins erste Abdominalganglion ein-
trat, konnte bis ins zweite Bauch-
gangUon verfolgt werden, ohne
daß das Ende erreicht war.
Im sechsten Abdominalgang-
lion oder SchwanzgangHon be-
schreibt Allen (1896) Ganglien-
zellen, wie a der Abdominalgang -
Uen neben anderen Ganglienzellen,
deren Fortsatz kreuzt und zum
Hirnganglion zieht. Auch entdeck-
te er im Telson spindelförmige
Zellen (Sinnesnervenzellen oder
Ganglienzellen ?) mit zentralen
Fortsätzen, v/elche ins Schwanz-
ganghon eintraten und hierauf
nach vorn liefen. Es ist erwäh-
nenswert, daß auch Retzius bei
Astacus Ganghenzellen des Typus
a im Schwanzganglion besonders
Oj
Schema des stomatogastrischen Nervensj^stems
des jüngeren Embryos von Homarus vulgaris.
Abgeändert nach AxLEN (18946), Fig. 2.
b, c, d, f, g = Ganglienzellen
e = Nervenfaser
= ganglion connectivale
= ganglion gastrale
= ganglion oesophageum
n. az. = nervus azygoa
nervus dorsalis
nervus ventralis
g. c.
g. ga.
g. oe.
n. d.
n. V.
zahlreich gefunden hat.
Allen hat nicht nur die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems
erforscht — und man hat gesehen mit wie gutem Erfolg — sondern auch einen
wichtigen Teil des peripheren Nervensystems und zwar das stomatogastrische
Nervensystem von Homarus-Embryonen (Allen 18946).
Ich gebe seine Beschreibungen wieder mit Hilfe der Figur 87, welche ich
zu besserem Verständnis mit der Fig. 81 nach Astacus zu vergleichen bitte.
Man sieht das ganghon oesophageum (Fig. 87, g. oe.) durch den Dorsalnerven
{n. d.) und den Ventralnerven (w. v.) mit dem ganghon connectivale {g. c.) und
254
ARTHROPOD A, CRTJSTACEA.
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durch den nervus azygos {n. az.) mit den Gastralganglion (ganglion gastrale,
Fig. 87, g. ga.) verbunden. Das Gastralganglion verlassen mehrere Nerven.
Allen .hat nun die folgenden Ganghenzelltypen entdeckt. Im Konnek-
tivalganglion sind einige Ganghenzellen, welche ihren Fortsatz in den Ventral-
nerven senden (Fig. 87, a), während andere (6) ihren Neuriten durch den Dor-
salnerven in den nervus azygos schicken und dem Neuropilem des Ganghons
kleinere Aeste übermitteln. Im Üesophagalganghon waren Ganghenzellen
(Fig. 87, c), deren Stammfortsatz sich sofort teilte in einen Ast in dem Ven-
tralnerven und einen im Ganglion selbst. Im Gastralganghon fand Allen
bipolare Ganglienzellen (Fig.
87, d) mit einem Fortsatz, wel-
cher den nervus azygos durch-
zog und einen Ast in jeden der
beiden Dorsalnerven sandte,
gleichwie die Fasern des Typus
p (Fig. 81) von Astacus.
Homarus hat mit Astacus
auch Fasern gemein, welche
\\de die Faser e der Fig. 87 aus
dem nervus azygos herstam-
mend, sich im Gastralganghon
verzweigen und überdies Gang-
lienzellen, welche im Gastral-
ganghon gelagert, ihre Neuriten
den peripheren Nerven, ihre
Dendriten dem Neuropilem
dieses Ganghons beimischen.
Die Abbildung, welche Allen
von diesen Zellen gibt, hat
mich gelehrt, daß einige Neuri-
ten dabei kreuzen (Fig. 87, g),
andere nicht (Fig. 87, /).
Die drei bis jetzt behan-
delten Decapoden waren Ma-
kruren. Es gibt auch eine
Brachyure, welche hinsichtlich ihrer Leitungsbahnen so vollständig un-
tersucht wurde, daß eine gesonderte Beschreibung nötig ist. Carcinus maenas,
der kleine Taschenkrebs, ist die Brachyure und Bethe (1805«, 1897, 1898)
ihr l'ntersucher.
Bkthe hat zweimal (1895a und IS97) mit Hilfe .meiner Methylenblau-
Methode sowohl das Hii-nganglion, wie den Bauchstrang studiert. Weil .seine
späteren Angaben die vollständigeren sind, wertle ich diese hier wieder
geben, wenn nötig ergänzt mit Mitteilungen aus dem Jahre 1895.
Fangen wir an mit dem Bauchstrang. Derselbe ist sehr kurz und gedrängt
gebaut und hat die Gestalt einer ovalen, in der Mitte durchlöcherten Platte
(Fig. 88, b. Str. und Fig. 89). Lange Schlundkonnektive (Fig. 88 und 89, s. L\)
Nervensystem von Carcinus maenas.
Nach BüTSCHLi (1912), Fig. 358.
abd.
=
abdomen
b. Str.
=^
Bauchstrang
c. tr.
=
comniissura tritocerebralis
h. g.
=
Hirnganglion
oc.
=
Auge
8. k.
=
Schlundkonnektiv
DECAPODA. 255
verbinden den Bauchstrang mit dem Hirnganglion (Fig. 88, h. g.). Das Loch
in demselben (Fig. 89, /.) verleiht einem Blutgefäße Durchgang. Man begegnet
im Bauchstrange denselben Ganglien wie bei den Makruren. Vorn ist das Unter-
schlundganghon (Fig. 89, g. i. oe.), deuthcher als bei den Makruren aus sechs
Ganglien (Fig. 89, 1 bis 6) zusammengesetzt, welche ich nach dem Beispiele
Bethes Mundganglien nennen werde. Es folgen fünf Thorakalganghen (Fig.
89, g.th. I bis V.) Das erste derselben wird von Bethe das Scherenganglion
genannt, weil es zum ersten, mit einer großen Schere ausgestatteten Schreit-
fuß gehört (Fig. 88). Die vier übrigen Thorakalganghen gehören zu den übrigen
Schreitfüßen. Die Abdominalganghen, welche den Bauchstrang abschheßen,
sind sehr klein. Bethe zählt deren sieben (Fig. 89, g. ab. i bis 7) ; bei den Ma-
kruren sind es bekanntUch sechs.
In den Ganglien des Bauchstranges kann man ein laterales und ein medi-
anes Neuropilem unterscheiden und daneben Ganglienzellen, motorische,
assoziative und sensibele, welche manchen Typen unterzuordnen sind.
Bethe hat die nachstehenden motorischen Ganghenzellen im Bauchstrang
von Carcinus maenas beobachtet. Sie liegen alle lateral oder dorsal.
Erstens befindet sich (Bethe, 1895a, 1897) in den Ganghen des Bauch-
stranges, z. B. im dritten Thorakalganglion (Fig. 89, a) eine unipolare Ganglien-
zelle, deren Stammfortsatz Aeste sendet zum medianen und lateralen Neuropi-
lem desselben Ganghons der gleichen und der anderen Seite, Aeste zum medi-
anen und lateralen Neuropilem des vorigen und des nächsten Ganghons der-
selben Seite und überdies einen Ast in den peripheren Nerven des Ganghons.
Dieser Ganghenzelltypus ist der einzige, welchen die Abdominalganghen
aufweisen.
Der zweite Typus (Bethe 1897) (Fig. 89, b) ist median im ersten Thorakal-
ganghon gestellt. Seine Fortsätze stimmen in manchen Hinsichten mit
jenen des ersten Typus überein, nur geht ihm der Ast nach vorn ab.
Der dritte Typus (Bethe 189oa, 1897) (Fig. 89, c) ist ganz einfach. Der
Neurit tritt aus in den peripheren Nerven, während die Dendriten nur zum
medianen und lateralen Neuropilem desselben Ganghons gehen. Solche moto-
rischen Ganglienzellen liegen z. B. im zweiten Thorakalganglion.
Sehr merkwürdig ist eine vierte motorische Zellart (Fig. 89, d) (Bethe
1897), welche aller Wahrscheinlichkeit nach lateral im Scherenganghon
(ersten Thorakalganghon) gelagert ist. Der Stammfortsatz sendet Aeste in
die peripheren Nerven der vier vorderen Thorakalganghen und ein fünfter
Zweig kreuzt die Medianlinie und verästelt sich im medianen Neuropilem des
zweiten Thorakalganglions.
Die Assoziationszellen umfassen mehr als vier Ganghenzellarten, deren
Fortsätze das Zentralnervensystem nicht verlassen.
Der erste Typus (Fig. 89, e) (Bethe 1895a, 1897) wurde lateral im. zweiten
bis vierten Thorakalganglion entdeckt. Seine Fortsätze tragen nur zur Bil-
dung des lateralen Neuropilems des Ganghons bei.
Ein anderer Typus (Fig. 89, /) (Bethe 1897) hegt im fünften und sechsten
Mundganglion (also im unteren Schlundganglion) und sendet Aeste zum
medianen und lateralen Neuropilem des Ganghons.
256
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DECAPODA. 259
Ganglien. Er gleicht also sehr dem vorigen Typus und ich habe es nicht nötig
geurteilt ihn in der Fig. 90 abzubilden.
Der Zelltypus o befindet sich lateral im fünften Mundganglion (Fig. 90)
(Bethe 1895a, 1897). Seine Aeste gehen zum medianen Neuropilem des dritten,
vierten und fünften Mundganglions derselben und der anderen Seite.
Zum sechsten Mundganglion gehört die Zelle p (Fig. 90) (Bethe 1897).
Es gehen aus ihr Aeste hervor zum medianen Neuropilem des vierten, fünften
und sechsten Mundganglions derselben und der gekreuzten Seite und überdies
sendet der gekreuzte Zweig einen Ast nach hinten ins Scherenganglion.
Die Schlundkonnektive führen neben den Fasern vi und n noch zwei
andere Fasertypen mit unbekannter Herkunft. Der erste Typus (Fig. 89, q)
(Bethe 1897) endet im medianen Neuropilem des sechsten Mundganglions ;
der zweite (Fig. 89, /) (Bethe 1897) zieht ins erste Thorakalganglion, über-
schreitet dort die Medianlinie und endet verzweigt im medianen Neuropilem
dieses Ganglions.
Damit sind die wichtigsten Assoziationszellen besprochen worden. Einige
un\ ollständig bekannte Nervenfasern, welche Bethe beschreibt, sind hier
fortgelassen .
Die sensibelen Nervenfasern des Bauchstranges gehören zu Zellen (sensi-
belen Ganglienzellen oder Sinnesnervenzellen), welche in der Peripherie des
Körpers hegen. Die meisten dieser Fasern, wie Faser s der Fig. 89, teilen
sich im Bauchstrang angelangt T-förmig in einen aszendierenden und einen
deszendierenden Ast, welche den medianen Neuropilemen der Ganglien Kollate-
ralen zuführen (Bethe 1895a, 1897). Nach Bethe (1895a) bilden die sensibelen
Fasern im Bauch mark ein oberes und ein unteres Längsbündel. Dem oberen
Längsbündel fügen sich auch sensibele Nervenfasern bei, welche nur aszendieren,
nicht deszendieren. Noch andere sensibele Nervenfasern (Fig. 90, t) verzweigen
sich nur im Ganglion, in das sie eintreten und enden dort (Bethe 1895a,
1897). Sie treten ein an der ventralen Seite der Ganghen.
Bethe (1895a und 1897) hat nicht nur die Leitungsbahnen des Bauch-
stranges, sondern auch die Hodologie des Hirnganglions von Carcinus maenas
studiert. Er fand das Gehirn in seinem allgemeinen Bau, demjenigen von
Astacus, wie Krieger es beschreibt (vergl. Fig. 73, S. 222), sehr ähnlich.
Das Hirnganglion hat eine mehr oder weniger rechteckige Gestalt und ist in
der Mitte durchlöchert. In den Figuren 91 und 92 stellt l. das Loch dar.
Es gehen sechs Nervenpaare aus dem Gehirn hervor.
Median am Vorderrande verläßt der nervus medianus (Fig. 91, n. m.)
das Gehirn und geht zu einem sympathischen Plexus. Ihm folgt der nervus
opticus oder pedunculus lobi optici (Fig. 91 und 92, p. l. o.), wie ich ihn auch
hier nennen werde. Dann kommt der nervus oculomotorius (Fig. 91, n. oc),
von Bethe im Jahre 1895 irrtümhch nervus tegumentarius genannt, wie er
später (1897) selbst festgestellt hat. Er tritt, wie der pedunculus lobi optici, in
den Augenstiel ein. Es folgt jetzt der Nerv der ersten Antenne, nervus anten-
narius primus (Fig. 92, n. a. p.), welcher aus zwei Bündeln zusammengesetzt
ist, eins zur Statocyste und eins zur Antenne selbst. Hinter dem ersten
Antennalnerven tritt der wahre nervus tegumentarius (Fig, 91 und 92, n.t.)
260
ARTHROPODA, CRFSTACEA.
Fig. Ol.
Schema einiger I^eitungsbahnen im Hirnganglion von Carcinus maenas. Das Hirn-
ganglion von oben gesehen. Abgeändert nach Bethk (1897).
n, b, c, h, s = Cianglienzeilen
(t\ b\ c', e', g' bis /', u\ p', r\ s\ ac' bis in/, ctP — Nervenfasern
a. g. = Antennalganglion
l. = Loch
n. a. s. — nervus antennarius seeundus
n. m. ~ nervus medianiis
n. oc. = nervus oculomotorius
(//•. a. H. l. = neiiropilema antennarii secundi laterale
;//•. (t. s. m. — ncinoj)ilcma antennarii secundi mediale
* /*/•. a. .H. p. — neuropileina antennarii secundi posteriu.s
neuropileina optici anterosuperius
neuropilema optici posterius
neuropilema oculomotorii laterale
neuropilema oculomotorii mediale
neuropilema tegumentarii sujM'rius
nervus tegumeiftaritis
pedunculus lobi optici
Schi und koimektiv
nr. o. (t. .V.
tlT. o. p.
nr. oc. l.
II r. oc. m.
II i: l. .s.
/(. t.
p. l. o.
s. k.
Die Strichellinien begrenzen die Neuropileme.
DECAPODA. 261
hervor und als sechster Nerv der iierviis antennarius scciiudus (Fig. 91 und
92, 71. a. s.) zur zweiten Antenne. Nacli hinten verbinden die beiden Schlund-
konnektive (Fig. 91 und 92, s. k.) das Gehirn mit dem Bauchstrang.
Im Inneren des Hirnganghons konnte Bethe (1897) verschiedene Gan-
glien zellgruppen und neuropilemata unterscheiden. Zwischen den beiden
pedunculi loborum opticorum befindet sich ein viereckiges Neuropilem, worin
optische Leitungsbahnen enden und in dem vier Gebiete zu unterscheiden sind,
nämlich das neuropilema optici? anterosuperius (Fig. 91, nr. o. a. s.), das
neuropilema optici posterius (Fig. 91, nr. o. p.), das neuropilema optici me-
diale (Fig. 92, nr. o. m.) und das neuropilema optici inferius (Fig. 92, nr.
0. i.). Zwischen dem neuropilema optici inferius und mediale beobachtete
Bethe ein in die Länge gezogenes Neuropilem, den ,, Balken".
Die Nervenfasern des Oculomotorius enden, wie wir sehen werden im neu-
ropilema oculomotorii laterale und mediale (Fig. ^\ ,nr. oc.l.Viwdnr.oc. m.).
Auf beiden Seiten des Gehirns hegt ein großes kugelförmiges Gebilde
(Fig. 91 und 92, a. g.), ein Neuropilem mit umgebenden Ganghenzellen,
welches Bethe den globulus nennt, weil er es mit den pilzhutförmigen Körpern
(corpora pendunculata) der Insekten homologisiert. Er unterscheidet darin
einen hemiglobulus anterior und posterior. Wenn wir in der BETHEschen
Arbeit selbst nachschlagen, welche Leitungsbahnen im sogenannten globulus
anfangen oder enden, so sehen \vir, daß er keineswegs ein Assoziationszentrum
für Bahnen aus dem ganzen Gehirn ist, me die pilzhutförmigen Körper der
Insekten, sondern, daß darin Nervenfasern des ersten Antennalnerven enden.
Der ,, globulus" gehört also zum Gebiete des nervus antennarius primus und
er ist in der Tat demselben Gebiete der Insekten, also dem Antennalganglion
oder lob'us olfactorius zu vergleichen. Ich werde ihn, um Verwirrung mit den
corpora pedunculata der Insekten, welche allen Crustaceen abgehen, vorzu-
beugen, immer xlntennalganghon nennen. Auch Nils Holmgren (1916) ist
überzeugt, daß die BETHEschen globuh die Antennalganghen sind und nicht
die homologa der corpora pedunculata der Insekten. Bellonci (1880)
nennt bei Nephrops norwegicus die Endstätte mancher Fasern des nervus
antennularis (nervus antennarius primus) lobus olfactorius und weil er darin
glomeruh olfactorii entdeckt hat, hat er die Ueb'ereinstimmung mit dem
lobus olfactorius der Insekten wohl sehr überzeugend dargetan.
Während die corpora pedunculata immer zum protocerebrum zu rechnen
sind, gehört das Antennalganghon dem deuterocerebrum an. Hier bei Carcinus
maenas hegen also im protocerebrum die neuropilemata optici und oculomo-
torii. Im deuterocerebrum befinden sich die Antennalganghen, aber auch zwei
ventral gestellte Neuropileme, welche mit dem nervus antennarius primus
zusammenhängen : das neuropilema antennarii primi laterale und mediale
(Fig. 92, nr. a. p. l. und nr. a. p. tn.).
Hinten im Hirnganghon, im tritocerebrum, hegen fünf Neuropileme bei-
sammen. Es sind das neuropilema antennarii secundi laterale, posterius und
mediale (Fig. 91, 7ir. a. s. l., nr. a. s. p. und nr. a. s. m.) und das neuropilema
tegumentarii superius (Fig. 91, nr. t. s.) und inferius (Fig. 92, nr. t. i.). Die
Namen deuten die Nerven an, welche damit verbunden sind.
262 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
Auch die verschiedenen GangHenzellgruppen haben von Bethe (1897)
Namen erhalten. Vorn oben im Hirn liegen die cellulae superiores mediales,
zwischen den Antennalganglien und dem neuropilema optici die cellulae
superiores laterales, im Antennalganglion, das Neuropilem desselben umringend,
die cellulae (globuli) anteriores und posteriores. Ventral im Hirngangüon sind
die colkilae inferiores laterales und mediales gelagert und im \\'inkel zwischen
dem nervus antennarius secundus und dem Schlundkonnektiv die cellulae
angidares. Die Ganghenzellen sind sämtlich unipolar.
Fangen wir jetzt an mit der Beschreibung der von Bethe beobachteten
Leitungsbahnen.
Im pedunculus lobi optici allein hat er nicht weniger als 23 verschiedene
Typen von Nervenfasern entdeckt. Diese überraschend große Zahl soll uns
davor warnen nicht nur hier, sondern bei allen Evertebraten, zu glauben.
• laß die bis jetzt bekannten Leitungsbahnen wirkHch alle existierende seien
und soll uns ebenso davon abhalten zwei von verschiedenen Autoren auf-
gefundene Leitungsbalmen zu identifizieren oder zu homologisieren, falls
sie nicht genau denselben Wegen folgen. Es sei dies namentlich dem Leser
gesagt, welcher dieses Buch zu wenig synthetisierend findet.
Drei Nervenfasertypen des pedunculus lobi optici gehen aus Ganglien-
zellen des Hirnganglions hervor und zwar aus cellulae superiores mediales.
Der erste Typus (Fig. 91, a) hat einen Stammfortsatz, welcher bald einen
kleinen Ast nach unten ins Neuropilem sendet, sich dann aber teilt in zwei
Acste, welche die gerade Fortsetzung von einander bilden und jeder in einen
pedunculus lobi optici ziehen. Diese Aeste bilden so die commissura optica
superior.
Der Neurit des zweiten Typus (Fig. 91, b) zieht in den pedunculus der
gleichen Seite, aber Seitenäste gehen zum neuropilema optici anterosuperius
der beiden Hirnhälften.
Die dritte Zellart (Fig. 91, c) ist sehr kompliziert. Der Neurit verläßt
das Hirnganglion in dem pedunculus derselben Seite, nachdem zuvor der
Stammfortsatz einen kreuzenden Ast zum neuropilema optici anterosuperius
der anderen Seite gesandt hat. Die übrigen Dendriten überschreiten nicht die
Mediaidinie. Sie suchen das neuropilema o])tici anterosupeiius derselben Seite,
das neuropilema antennarii secundi mediale, das neuropilema tegumentarii
superius, das neuropilema antennarii secundi laterale und posterius und
schließlich noch das neuropilema anteimaiii ^jrimi lateiak- auf. Der letzt-
genannte Zweig ist in der Figur 91 bei X abgebrochen.
Bethe hat diese drei (Jangüenzelltypen sowohl 189.") wie 1S97 beschrieben.
Xi{;ht weniger als zwanzig Fasertypen des i)edunculus lobi optici sind
unbekannter Herkunft, aber ihre Ganglienzellen Üegen gewiß außerhalb des
I liiiü^anglions. Ich weixle alle Fasern ohne bekannten Urspiung mit dem
.\kz('iit bezeichnen /um Unterschied von den Fortsätzen bekannter Gan-
glienzellen.
Kislens gibt es Fasern (Fig. 91, «'), welche vom einen ])etlunculus zum
andeien ziehen ohne dem Gehirn Seitenäste zu übermitteln.
Zweitens Fasern (Fig. 91, //), welche mit dem pedunculus ins Gehirn
DECAPODA. 263
eintreten, einen Ast zum neviropilema optici inferius senden, neben der Median-
linie nach hinten umbiegen und im ungekreuzten Schkindkonnektiv das
Gehirn wieder verlassen.
Die Fasern des Typus c' (Fig. 91) sind im Hirnganglion unverzweigt.
Sie treten mit dem pedunculus ein, überschreiten vor dem Loch (Fig. 91, /.)
die Medianlinie und treten aus in das Schlundkonnektiv der anderen Seite.
Die Fasertypen a , b' und c' wurden zweimal von Bethe (1895a und
1897) beschrieben.
Die Fasern cF des pedunculus lobi optici (Bethe 1897) enden verzweigt
im neuropilema optici inferius (Fig. 92) ; die Fasern e' (Bethe 1895a, 1897)
im neuropilema optici anterosuperius (Fig. 91) ; die Fasern des Typus /' (Fig.
92) (Bethe 1897) im neuropilema optici mediale und die Fasern des Typus
g' (Fig. 91) (Bethe 1897) im neuropilema optici anterosuperius und posterius.
Daneben gibt es Fasern (Fig. 91, K) (Bethe 1897), welche sich verzweigen
im neuropilema optici posterius derselben Seite und im gekreuzten neuropilema
optici mediale und Fasern (Fig. 91, V) (Bethe 1897), welche die Medianlinie
überschreiten und dann im neuropilema optici anterosuperius enden. Letztere
stimmen also ungeachtet der Kreuzung der Medianlinie mit den Fasern e'
überein.
Die Fasern des Typus f (Fig. 91) (Bethe 1895a, 1897) senden einen Zweig
zur Endverästelung der Fasern e'. Dann geht aus ihnen ein Ast zum neuropi-
lema optici posterius der anderen Seite hervor und schließlicli enden sie ver-
zweigt im neuropilema antennarii secundi derselben Seite.
Ich bin gezwungen den nächsten Fasertypus in einer neuen Figur, Fig.
93, abzubilden, welche jedoch in ihrem Umriß der Figur 91 gleich ist. Die
Fasern ^•' des pedunculus lobi optici (Fig. 93) (Bethe 1895a, 1897) spalten
Zweige ab zum neuropilema optici anterosuperius und posterius ; dann kreuzen
sie und senden ebenfalls Aeste zu den beiden genannten Neuropilemen der
anderen Seite und wahrscheinhch auch einen Ast zum neuropilema antennarii
secundi.
Die Fasern V (Fig. 92) (Bethe 1897) enden verzweigt im neuropilema
optici inferius der beiden Gehirnhälften ; die Fasern m' (Fig. 92) (Bethe 1897)
ebenfalls, aber sie verästeln sich nur dort, wo die Fasern (F enden.
Bethe (1897) konnte die Fasern des Typus w' (Fig. 92) nicht ganz verfolgen.
Die Faser ist deshalb auch in der Figur 92 zweimal bei X abgebrochen worden.
Wahrscheinhch geht ein Ast zum neuropilema optici mediale und zieht die
Faser selbst in das Schlundkonnektiv ; gewiß sucht ein Ast das neuropilema
antennarii primi laterale und das neuropilema antennarii secundi laterale
auf.
EndHch gibt es noch Nervenfasern im pedunculus lobi optici (Bethe
1897), welche im neuropilema ojjtici anterosuperius und im neuropilema
oculomotorii mediale ihre Endverästelungen haben (Fig. 91, o").
Die übrigen Fasern des pedunculus stehen nicht mehr mit dem neuro-
pilema optici, sondern nur mit anderen Neuropilemen in Verbindung. So
verzweigen sich die Fasern 79' (Fig. 91) nur im neuropilema oculomotorii
mediale (Bethe 1897). Die Fasern q' (Fig. 93) bilden nach Bethe (1897) den
264
ARTHROPODA, CRUSTACEA.
Fig. 92.
A^
Schema einiger Leitungsbahnen im HirngangUon von Carcinns maenas. Das Hirn-
ganghon von unten gesehen. Abgeändert nach Bethe (1897), Taf. 28.
e, m, q, r — GangHenzellen
(T, /', V, m\ n,' V x\ y\ 2,' aa', ak' = Nervenfasern
a. g. — AntennalgangHon
l. = Loch
n. a. p. = nervus antennarius primus
n. a. 8. = nervus antennarius secundus
nr. a. p. l. = neuropilema antennarii primi laterale
nr. a. p. m. = neuropilema antennarii primi mediale
^ nr. a. 8. l. = neuropilema antennarii secundi laterale
nr. o. u = neuropilema optici inferius
nr. o. m. = neuropilema optici mediale
nr. t. i. = neuropilema tegumontarii inferius
n. t. = nervus tegumentarius
p. l. o. = pedunculus lobi optici
"^8. k. = Schhmdkonnektiv
Die ^Strichellinien begrenzen die Neuropileme.
DECAPODA. 265
tractus opticoglobularis, welcher den pediinculus lobi optici mit dem Anten -
nalganglion („globulus") der beiden Hirnhälften verbindet. Bethe scheint
diese Bahn als besonders wichtig zu betrachten, weil er nur dieser einen eigenen
Namen gibt, aber sie ist eigentlich sehr mangelhaft bekannt, da Bethe im
Antennalganglion keine Verästelungen der Nervenfasern zeichnet und somit
weder der Anfang noch das Ende der Bahn bekannt ist. Auch geht die Ver-
bindung dieser Fasern mit dem Antennalganglion der gleichen Seite nicht aus
den BETHEschen Abbildungen hervor. Weil außerdem der Name tractus optico-
globularis nach meinen Ansichten nicht beibehalten werden kann, sehe ich
in den Fasern q' nur Fasern, welche aufs neue studiert werden müssen und
gewiß bis jetzt nicht verdienen einen besonderen Namen zu tragen.
Die drei letzten Fasertypen des pedunculus lobi optici haben einen relativ
einfachen Lauf. Der Typus r (Fig. 91) (Bethe 1895a, 1897) verzweigt sich
im neuropilema oculomotorii der beiden Seiten, die Fasern s' (Fig. 91) im
neuropilema tegumentarii superius (Bethe 1897) und die Fasern f (Fig. 93)
im neuropilema antennarii secundi mediale (Bethe 1897).
Es sind damit die von Bethe entdeckten Nervenfasern des pedunculus
lobi optici beschrieben, aber Bethe ist der Meinung, daß noch andere Faser-
typen da sind.
Im nervus oculomotorius hat Bethe (1895a, 1897) zwei Fasertypen auf-
gefunden. Der erste ist der Neurit einer Ganglienzelle der cellulae superiores
laterales (Fig. 93, d). Dendriten dieser Zelle gehen zum neuropilema oculomo-
torii laterale. Ein sehr wichtiger Dendrit zieht ins neuropilema optici antero-
superius, spaltet Aeste ab in der Nähe der Endverästelungen der Faser e',
läuft selber weiter, kreuzt die Medianhnie und endet wahrscheinlich auch in
der anderen Hälfte des Hirnganglions in der Nähe der Faser e'. In der Figur
93 habe ich jedoch diesen Ast bei X abgebrochen, weil sein Weg nicht ganz
sicher festgestellt worden ist. Ein anderer wichtiger Dendrit der Zelle d läuft
nach hinten und verzweigt sich im neuropilema tegumentarii superius und im
neuropilema antennarii secundi mediale und posterius. Noch andere Dendriten,
welche ich in meiner Figur nicht abbilden konnte, gehen zum neuropilema
optici mediale und zum neuropilema antennarii primi mediale und laterale.
Die zweite Nervenfaserart des nervus oculomotorius ist meiner Meinung
nach nicht genügend bekannt und ich bilde sie deshalb nicht ab. Bethe meint,
daß diese Fasern Neuriten der cellulae inferiores mediales sind. Seitenäste
gehen ins neuropilema oculomotorii mediale, neuropilema optici mediale^
neuropilema tegumentarii superius und in die neuropilemata antennarii
secundi laterale und posterius.
Der nervus tegumentarius enthält drei Nervenfasertypen (Bethe 1897),
welche alle im Plirnganghon enden. Die erste Art (Fig. 93, w') (Bethe 1895a,
1897) verzweigt sich im neuropilema tegumentarii superius, die zweite (Fig.
92, ?;') läuft erst zum neuropilema tegumentarii inferius und spaltet dort
Aeste ab, geht dann aber zurück zum neuropilema tegumentarii superius um
dort zu enden. Die dritte Art (Fig. 93, w') endlich verästelt sich im neuropilema
oculomotorii mediale.
Im nervus antennarius primus konnte Bethe (1897) fünf verschiedene
266
ARTHROPODA, CRUSTACEA.
X C.1..0.
Schema einiger Leitungsbahnen im Hirnganglion von Carcinus maenas. I3as Hirn-
ganglion von oben gesehen. Abgeändert nach Bethe (1897).
d, I, fj, i, j, fi, f}, p = (Janglienzellen
Ä;', q\ t\ u\ w\ ab' = Nervenfasern
a. g. = Antennalganglion
l. = Loch
n. a. 8. = nervus antennarius secundus
n. m. = nervti.s medianiis
;/. oc. = nervus oculomotorius
T iir. a. s. l. — neuropilema anteniiarii secundi ialrrali«
iir. a. s. iti. =- neuropilema antennarii secundi mediale
nr. a. n. p. — neuropilema antennarii secimdi posterius
/(/•. or. tu. — neuropilema oculomotorii »nedialo
n. t. — nervus tegumentarius
p. l. 0. = pedunculus lobi optici
s, k. = Schlundkonnektiv.
Dil- St ri( ln'lliiiion begrenzen di«' Neuropileme.
DECAPODA. 267
Nervenfa.serty|3en nnterscheiden. Vier derselben endeten im Hirnganglion, einer
aber ging aus Ganglienzellen des Gehirns hervor. Einige cellulae inferiores
mediales (Fig. 92, e) senden nämlich ihren Neuriten in den ersten Antennal-
nerven, Avährend Dendriten ins neuropilema antennarii secundi laterale,
neuropilema tegumentarii inferius und ins neuropilema antennarii primi
mediale ziehen.
Die übrigen Fasern des nervus antennarius primus enden vorn im
Antennalganglion (nach Bethe im hemiglobulus anterior) (Fig. 92, x'), hinten
im Antennalganglion (nach Bethe im hemiglobulus posterior) (Fig. 92, y')
im neuropilema antennarii primi laterale (Fig. 92, z') oder im neuropilema
antennarii primi mediale (Fig. 92, aa'). Nach Bethe stammen die Fasern,
welche im Antennalganglion oder im neuropilema antennarii primi laterale
enden (also .r', //' und 2') von der Statocyste her, während im neiiropilema
antennarii primi mediale die übrigen Fasern der ersten Antenne enden.
Der nervus antennarius secundus führt wenigstens drei verschiedene
Nervenfaserarten (Bethe 1895«, 1897), aber nur zwei derselben sind hin-
reichend bekannt. Der zweite Antennalnerv hat zwei Wurzeln, eine obere und
eine untere, welche sich anfangs vereinigen, sich aber später wieder trennen,
wonach die untere zu den Antennalmuskeln geht. Dieser motorische Zweig
enthält, wie zu erwarten war, zentrifugale Nervenfasern, Fortsätze von Gan-
glienzellen der cellulae angulares (Fig. 93, /). Der Stammfortsatz dieser Zellen
spaltet erst einen Ast ab zum neuropilema antennarii secundi laterale, mediale
und posterius und zum neuropilema tegumentarii superius. Bevor der Neurit
austritt, geht aus ihm ein anderer Zweig hervor, welcher von Bethe nicht
genau beschrieben wird und von mir in Figur 93 bei X abgebrochen wurde.
Bethe (1897) sagt, daß dieser Ast das neuropilema tegumentarii inferius und
das neuropilema antennarii laterale und mediale aufsucht. Ob hier das neuro-
pilema antennarii primi oder secundi gemeint wird, sagt Bethe nicht, aber
aus seinen Abbildungen scheint mir hervorzugehen, daß das neuropilema
antennarii secundi gedacht worden ist.
Die Neunten der Ganglienzellen / bilden in der unteren Wurzel ein dickes
Bündel. Ein dünneres Bündel derselben Wurzel besteht aus Nervenfasern
^Fig. 93, ah'), welche im neuropilema antennarii secundi posterius verzweigt
enden.
Die obere Wurzel des zweiten Antennalnerven enthält nach Bethe (1895a)
ebenfalls Nervenfasern, welche an verschiedenen Stellen des Neuropilems
verzweigt enden.
In den Mediannerven sind 10 bis 15 Nervenfasern, welche aus Ganglien-
zellen der cellulae superiores laterales (Fig. 93, g) hervorgehen. Seitenäste
dieser Nervenfasern dringen in alle Neuropileme der Oberseite des Hirngan-
ghons ein, nur nicht ins neuropilema oculomotorii mediale. Auch diese Fasern
wurden zweimal von Bethe (1895a, 1897) erwähnt.
Ich habe jetzt die Fasern der Hirnnerven von Carcinus maenas beschrieben,
also die motorischen und sensibelen Leitungsbahnen und es bleiben mir jetzt
noch Assoziationselemente übrig.
Viele Nervenfasern verbinden das HirngangHon mit dem Bauchstrang.
268
ARTHROPODA, CRUSTACEA.
Einige entspringen im Gehirn aus Ganglienzelle, aber wo irgend sie im ßauch-
strang enden, blieb leider verborgen. Welche Ganglienzellen also die Fasern
in, n, q und r des Bauchstranges aussenden (vergl. S. 257 und 25!) und Fig. 80
und 90) ist noch zu entdecken.
Fi«. 94.
Schema einiger Leitungsbahnen im HirngangUon von Carcinus maenas. Das Hirn-
gangHon von oben gesehen. Abgeändert nach Bethe (1897). Man vergleiche Fig. 91.
1c, l, u, t = Ganglienzellen
ah\ af = Nervenfasern
/. — Loch
? nr. a. s. >». = neuropilema antennarii secundi mediale
nr. a. .s. p. = neuropilema antennarii secundi posterius
nr. n. a. s. = neuropilema optici anterosuperius
nr. t. s. = neuropilema tegiimentatii superius
s. ki = Schlundkonnektiv
Die Strichellinien begrenzen ilie Neuropilema.
Zu den cellulae supcriores laterales gehört der Ganglicnzelltypus h (Fig.
91). Der Neurit sendet einen Ast aus zum neuroi)ilema antennarii secundi
laterale und zieht in das Schlundkonnektiv.
DECAPODA. 269
Unter den celliilae superiores mediales beobachtete Bethe Ganglienzellen
(Fig. 93, *), deren Neurit, nachdem er dem neuropilema antennarii secundi
laterale einen Ast abgegeben hat, im Schlundkonnektiv verschwindet.
iVndere cellulae superiores mediales (Fig. 93, j) senden unter Abspaltung
von Seitenästen zum neuropilema optici anterosuperius ihren Neuriten in
das Schlundkonnektiv.
Diese drei Ganglienzellen wurden auch im Jahre 1895 beschrieben, die
nachstehenden, welche ihren Neuriten in das Schlundkonnektiv senden, nur
1897 von Bethe erwähnt.
Mit der Bezeichnung cz4: deutet Bethe eine Nervenfaser an, welche
örtlich außerordentlich breit ist und nicht genau mit einer Ganglienzelle in
Verbindung gesehen wurde. Ich bin durchaus nicht überzeugt, daß es eine
Nervenfaser ist und bilde sie deshalb hier nicht ab.
Unter den cellulae superiores mediales befindet sich auch der Gan-
glienzelltypus k, welchen ich aus Mangel an Raum in den Figuren 91 und 93
in einer ähnhchen Figur 94 abgebildet habe. Der Neurit geht in das Schlund-
konnektiv derselben Seite, aber Seitenäste gehen zu den neuropilemata op-
tici anterosuperius und posterius derselben und der gekreuzten Seite.
Schheßlich sind noch die Ganglienzellen des Typus l (Fig. 94) zu den
cellulae superiores mediales zu rechnen. Ihr Neurit überschreitet hinter dem
Loch im Hirn die Medianlinie und mischt sich dem Schlundkonnektiv der
anderen Seite bei. Seitenäste ziehen ins neuropilema optici mediale.
Zwischen den cellulae inferiores mediales- hegen Ganglienzellen (Fig. 92,
m), welche dem neuropilema antennarii primi laterale einen Ast übermitteln
und ihren Neuriten in das Schlundkonnektiv schicken.
Nicht ganz verfolgbar war der Neurit einiger Ganglienzellen aus der
Gruppe der cellulae anteriores des Antennalgangüons, welche Bethe mit czl
bezeichnet. Ich bilde sie deshalb nicht ab.
Es enden im Gehirn noch mehr Nervenfasern, welche aus den Schlund-
konnektiven darin eintreten, als solche, welche aus Hirnganglionzellen her-
vorgehen. Sie sind unbekannter Herkunft.
Erstens hat man darunter Fasern, welche sich im neuropilema antennarii
secundi mediale verzweigen (Fig. 91, ac) (Bethe 1895a, 1897) ; andere tun
dasselbe, senden aber überdies einen Ast gegen das neuropilema oculomotorii
mediale (Fig. 91, ad'). Weiter gibt es Fasern (Fig. 91, ae'), welche sich im neu-
ropilema antennarii secundi laterale verästeln, oder darin und zugleich im
neuropilema antennarii secundi mediale (Fig. 91, a/'). Auch enden einige Fasern
(Fig. 91, ag') im neuropilema tegumentarii superius. Ungenügend erforscht
sind Fasern, welche ins neuropilema oculomotorii mediale eintreten, deren
Verästelungen aber nicht beobachtet wurden.
Die Fasern des Typus ah' (Fig. 94) (Bethe 1895a, 1897) kreuzen in der-
selben Kommissur wie die optischen Nervenfasern des Typus h' (Fig. 91) die
Medianhnie und verzweigen sich dann im neuropilema optici mediale und
vielleicht im neuropilema antennarii secundi.
Es gibt auch Fasern der Schlundkonnektive, welche sich wie die Faser
ai' der Figur 91 im Antennalganghon verzweigen und Fasern (Fig. 94, aj')
270 ARTHROPODA,CRUSTACEA.
(Bethe 1895rt, 1897), welche erst dem neuropilema antennarii secundi der
gleichen Seite und nachher dem neuropilema optici posterius und anterosu-
perius der beiden Gehirnhälften Zweige zuführen.
Ganz merkwürdig ist noch eine letzte Nervenfaserart (Fig. 92, ak'). Sie tritt
mit dem einen Schlundkonnektiv ins Gehirn, läuft median nach vorn bis zum
Vorderrande des neuropilema optici inferius, kreuzt und legt denselben Weg zu-
rück ziun Schlundkonnektiv der anderen Seite. Dabei werden ganz symmetrisch
Kollateralen abgespalten und zwar zum neuropilema antennarii secundi mediale
und primi mediale und zu manchen Teilen des neuropilema optici inferius.
Manche Assoziationselemente beschränken sich auf das Gehirn. Nacli
Bethk (1897) gibt es darunter 22 Arten, aber viele dieser Nervenfasern, wor
unter Koramissurfasern, sind unbekannter Herkunft und man kann also nur
vermuten, daß sie das Hirnganghon nicht verlassen. Feh unterlasse es, alle diese
nicht genau bekannten Nervenfasern zu beschreiben und will nur acht verschie-
dene Typen von Assoziationszellen mit ihren Nervenfasern wiedergeben.
Zu den cellulae superiores mediales gehören Ganghenzellen (Fig. 93, n)
(Bethe 18950, 1897), deren Stammfortsatz sich teilt in zwei Aeste zum neuropi-
lema optici anterosuperius der beiden Hirnhälften. Der kreuzende Zweig
läuft durch die commissura magna.
In der gleichen Ganglienzellgruppe hegen Ganghenzellen (Fig. 93, o)
(Bethe 1895a, 1897), welche ebenfalls, Aeste aussenden zum neuropilema optici
anterosuperius der beiden Seiten, aber durchläuft der kreuzende Zweig die
Kommissur, welche die beiden neuropilemata optici posteiia verbindet und
merkwürdigerweise kann der kreuzende Ast bisweilen durch die commissura
magna zurückkehren zur anderen Seite, wo der Zellkörper gelegen ist.
Wiederum andere cellulae superiores medi^tles (Fig. 93, p) (Bethe 1895a.
1897) suchen mit ihren Fortsätzen das neuropilema optici anterosuperius und
posterius der beiden Seiten auf und auch hier zieht der kreuzende Zweig durch
die commissura magna.
Bethe fand unter den cellulae inferiores mediales den Ganglienzelltypus
q (Fig. 92). Die Zelle gibt dem neuropilema antennarii primi mediale einen
Fortsatz. Zwei anderen Ausläufern war nicht bis zum Ende zu folgen. Der
eine zieht seitwärts nach unten, vielleicht zum Antennalganghon, der andere
kreuzt und läuft nach vorn. Beide sind in der Figur 92 bei X abgebrochen.
Einige cellulae anteriores des Antennalganghons senden ihren Fortsatz
ins Neuropilem desselben (Fig. 92, ;•), während auch die Fortsätze einiger
ce'julae j)osteriores (Fig. 91, s) sich im vorderen und hinteren Teil des Anten-
nalganghons verästeln.
Endlich sind hier noch zwei Zelltypen der cellulae superiores mediales
zu nennen. Die Ganglienzellen t (Fig. 94) (Bethe 1895a, 1897) senden ihre
Fortsätze ins neuropilema optici anterosuperius und posterius und ins neuro-
pilema antennarii secundi mediale derselben Seite. Die Ganglienzellen n (Fig.
94) besitzen einen Fortsatz, welcher nach hinten geht und allen Neuropilemen
der Hirnoberseite Zweige abgibt. Zuvor hat er aber einen Ast abgespalten
welcher durch die commissura magnakreuzt und im neui'opilema optici antero-
su])erius und posterius der anderen Seite endet.
DECAPODA. 271
Bethe hat zweimal versucht die Entdeckung so mancher Leitungsbahnen
physiologisch zu verwerten. Im Jahre 1895 stellt er sich auf den Standpunkt
der Neuronenlehre. In einigen Fällen gelingt es ihm die Bahn eines bestimmten
Reizes zu zeigen. So kann ich ihm beistimmen, wenn er sagt, daß, wenn die
zweite Antenne sich nach Reizung reflektorisch bewegt, der Reiz dabei der
Nervenfaser ab' und den Fortsätzen der Ganglienzelle / (vergleiche Fig. 93)
folgt. Aber meistens sind wir zurzeit, wo durchaus nicht alle Leitungsbahnen
uns bekannt sind, außer Stande zu entscheiden, ob ein zum Zentralnerven-
system von Carcinus maenas gelangter Reiz einem uns bekannten Wege folgen
muß oder vielleicht ebensogut anderen bekannten oder unbekannten Wegen
folgen kann und so lange wir in dieser Lage sind, kommen wir mit unserer
hodologischen Kenntnis nicht weiter in der Erklärung der physiologischen
Tatsachen. Ein Beispiel. Wir wissen (Bethe 1895a), daß das Auge sich bewegt
nach Reizung des Auges selbst oder der zweiten Antenne. Vielleicht sind die
Wege dazu gegeben in der optischen Nervenfaser e' und der Ganglienzelle d,
welche nähere Beziehungen aufweisen (vergl. S. 265) und in der Nervenfaser
ab' des nervus antennarius secundus und der Ganglienzelle d (vergl. Fig. 93).
Aber warum kann nicht die Faser f statt t benutzt werden, da ihre Veräste-
lungen an gleicher Stelle liegen und warum nicht statt ab' und d, ab' und die
zweite, unvollständig bekannte Nervenfaserart des nervus oculomotorius
(vergl. S. 265), welche sich doch auch im neuropilema antennarii secundi
posterius verzweigt ?
Man darf nicht vergessen, daß wenn auch die Weise, worauf Bethe die
Physiologie mit Hilfe der Hodologie zu fördern sucht — ein Ziel, welches
schließlich auch mit diesem Buche beabsichtigt mrd — ganz richtig ist, die
Versuche dazu sehr wohl zu früh unternommen sein können. Ich glaube, daß
das der Fall ist, denn wie viel Schönes die BETHEschen Untersuchungen
auch enthalten, manches harrt noch näherer Erforschung und am Ende
bedarf alles noch der Bestätigung seitens anderer Autoren, denn so viel ich
weiß, hat nur Bethe sich mit der Hodologie von Carcinus maenas beschäftigt.
Wer dessenungeachtet wissen will, in welcher W eise Bethe seine hodologischen
Entdeckungen mit seinen physiologischen Versuchen verbindet, sei auf das
Original verwiesen.
In seiner dritten Arbeit über Carcinus maenas (Bethe 1898) zeigt sich
Bethe als Gegner der Neuronenlehre und erkennt er im Nervensystem ein
einziges Neurofibrillennetz an, welches aus physiologischen Gründen nicht
diffus sein kann. Obgleich er bei Carcinus maenas niemals zwei Neuronen durch
Neurofibrillen kontinuirlich verbunden sah, glaubt er doch daran auf Grund
seiner Erfahrungen bei anderen Evertebraten. Auch jetzt gibt er für gar
manche reflektorischen Bewegungen die Bahnen an (ohne größere Gewißheit
als zuvor) und er verweist dabei auf die früher entdeckten Neuronen. Ein
guter Beweis dafür, daß, auch wenn die Neurofibrillen die eigenthchen Leitungs-
bahnen in den Nervenfasern und Ganglienzellen sind, die GangUenzellen mit
ihren Fortsätzen zur Bahnbeschreibung völhg hinreichend sind. Dazu kommt,
daß, während es Bethe so vorzüglich gelang, die Neuronen mit Methylenblau
272 ARTHROPODA, CRUSTACEA.
darzustellen, er nach seinen eigenen Worten den Lauf der Neurofibrillen nur
in einigen Neuronen und hier nur teilweise kennt.
Das oben Gesagte soll nur beweisen, daß man auch mit anderen Anschau-
ungen als denjenigen, welche Bethe hatte, als er die Bahnen von Carcinus
maenas histologisch studierte (1895a, 1897), seine Resultate sehr gut ver-
wenden kann, aber doch ist das nur möglich, wenn man kein diffuses Netz
der Neurofibrillen erkennt. Bedenken sind nur dort zu erheben, wo Bethe
behauptet, daß gewisse Neurofibrillen mit dem einen Nerven ins Zentral-
nervensystem eintreten, das Neuropilem passieren ohne in einen Ganglien-
zellkörper einzutreten und mit einem anderen Nerven das Zentralnerven-
system wieder verlassen. Eine solche Bahn ohne jeglichen Zellkörper wird,
falls sie bestände (die BEiHEschen Versuche das Dasein solcher Bahnen zu
beweisen, bedürfen meiner Meinung nach sehr der Bestätigung) nicht durch
die oben nach Bethe dargestellten Schemata wiedergegeben und ist auch
mit der Neuronenlehre im Widerspruch.
Neue histologisch aufgeklärte Leitungsbahnen gibt Bethe in seiner dritten
Carcinu!=^-Arbeit nicht.
Die Aufsätze, welche über andere Decapoden handeln als Astacus, Palinurus, Ho-
marus und Carcinus sind nicht außerordentlich bedeutungsvoll.
Mensen (1803) hat die Statocyste der Decapoden untersucht, welche er als Gehör-
organ bet lachtet. Der Nerv des Organes trägt ein terminales (Janglion. Darin befinden
sich nach Mensen bipolare Ganglienzellen, welche ihre zentralen Fortsätze in den Nerven
senden, während ihre peripheren Ausläufer in die Bases der chitinösen Haare der Sta-
tocyste eindringen und sich dort an die lingula haften. Man würde daraus schließen,
daU Mensen hier tatsächlich, und also noch vor Viallanes (1882), sensibele Ganglien-
zellen entdeckt hat, welche wahre Sinneszellen, die Maarzellen, die freilich von ihm
nicht erwähnt wurden, innervieren. Weil aber Bethe (18956) und Schmal,z ( 1914) beide
in der Statocyste von anderen Crustaceqn Sinnesnervenzellen aufgefunden haben und
die Untersuchungen Mensens jedenfalls in]einer Zeit vollbracht sind, da man den Unter -
schied zwischen Sinnesnervenzellen und sensibelen Ganglienzellen noch gar nicht
kannte, ist ihre Bestätigung sehr erwünscht.
Mensen (1863) hat am Schwänze der Decapoden Sinneshaare entdeckt, welche er
freie Mörhaare nennt und welche nach ihm die gleiche Innervierungsweise wie die Sta-
tocystenhaare haben, aber Bethe (19856) glaulit sich berechtigt zu vermuten, daß
Mensen hier jedenfalls Sinnesnervenzellen für Ganglienzellen angesehen hat und Vom
Hath (1891) behauptet, die Sinnesnervenzellen beobachtet zu haben (vergl. S. 197).
Ebensowenig wie ich glaube, daß die Funktion der ,, Mörhaare" mit der Funktion der
Statoc3'.stenhaare übereinstimmt, ebensowenig glaube ich, daß sie unbedingt in gleicher
Weise innerviert zu sein brauchen. Auch hier tun also nähere Forschungen zur Ent-
scli^dung not.
VuNt; (1878, 1879) hat sich mit dem Zentralnervensystem der Decapoden beschäf-
tigt. Im Hirnganglion (YuNc; 1878) sah er drei Kommissuren. In den Thorakalganglien
ebenfalls Kommissuren und Fasern der peripheren Nerven, welche sich bis in die Schluml-
koniK^ktive fortsetzten. Am Minterende des Schlundkonnektivs sah er Ganglienzellen,
welche ihre Fortsätze darin einsenkten. Bei Brachyuren wie Cancer sah er, wie uns von
Carcinus maenas bekannt ist, alle Thorakalganglien in einem Klumpen, welchen die
arteria sternalis durchbohrt, vereinigt und er beobachtete darin Nervenfasern, welche
alle (Janglien von dem Schlundkonnektiv bis zu den Abdominalganglien durchziehen.
In den Abdominalganglien fand YuNG (1878) drei Kommissuren, welche nach ihm
Ganglienzellen der rechten und linken Seite unmittelbar verbinden. Wir können das
jetzt nicht mehr glauben. Einige Fasern der Konnektive enden in einem Abdominal
DECAPODA. 273
ganglion, andere passieren es nur niifl ziehen weiter. Die Fasern der peripheren Nerven
entspringen in einem Abdominalganglion oder sie itommen aus deni vorderen Konnektiv.
Diese Angaben hat Yung (1879) noch vermehrt mit der Mitteilmig, da(3 auch Ner-
venfasern des Gehirns manche Ganglien des Baiichstranges durchziehen können und
mit der Mitteilung, daß die Nervenfasern der Sinnesorgane aus Ganglienzellen des
Hirnganglions hervorgehen. Letzteres ist schwer zu glauben.
Bellonci (1880) hat bei Nephrops norwegicus erwiesen, daß manche Fasern des
nervus antennarius primus (nervvis antennularis) in den glomeruli olfactorii, kleinen
Faserknäueln des lobus olfactorius, enden. Der lobus olfactorius nun ist derselbe Hirn-
teil, welchen ich bei Carcinus maenas Antennalganglion und Bethe mit Unrecht glo-
bulus genannt hat. Im Antennalganglion fand Bellonci weiter zwei Ganglienzellgrup-
pen (Bethe's hemiglobulus anterior und posterior ?), deren Zellen ebenfalls ihre Fort-
sätze in die glomeruli sandten. Die Uebereinstimmung mit Carcinus ist also groß (vergl.
die Fasern x' und ?/' (Fig. 92) und die Zellen r und s (Fig. 92 und 91).
Im Jahre 1886 beschrieb Bellonci (1886) bei Nephrops dorsal, median im Hirn-
ganglion zwei Gruppen von Ganglienzellen, welche ihre Fortsätze ins Neuropilem schick-
ten. Es werden dies wohl cellulae superiores mediales nach Bethe (1897) sein.
Vollständigkeitshalber will ich hier melden, daß Patten (1886) besonders iin Auge
der Decapoden Penaeus und Galathea Retinophoren, von anderen Kry stall körperzellen
genannt, beschreibt, welche sich nach ihm in die Rhabdomeren fortsetzen und dvirch
Nervenfasern umspormen werden. Wie ich darüber lu'teile, habe ich schon S. 193 aus-
einandergesetzt.
Palaemon hat mehrmals zu Untersuchungen des periphei'en Nervensystems gedient.
Vom Rath (1895) tmd Retzius (1895) (vergl. S. 199) sehen bei diesem Tiere Siimes-
nervenzellen unter den Sinneshaaren ; Nusbaum (1899) studierte die Wand des Herzens
und fand darin multipolare Ganglienzellen, welche offenbar mit ihren Fortsätzen einen
Plexus bilden, einen primitiven Ganglienzellplexus also.
Die Arbeit Kotte's (1903), welche sich mit Tiefsee- Decapoden beschäftigt, habe
ich schon S. 204 erwähnt.
Die Leitungsbahnen der Decapoden und damit die Behamllung aller Crustaceen
ist jetzt zu Ende geführt worden. Es gibt aber einige Tiere, welche am besten im An-
schluß an die Crustaceen besprochen werden. Es sind dies die Pj'cnogoniden imd Limulus.
HoEK (1881) hat gezeigt, daß die Pycnogoniden Colossendeis und Nymphon unter
dem Integument des ganzen Körpers einen Nervenplexus mit Ganglienzellen und hier
also keine bestimmten Leitungsbahnen besitzen.
Grenacher (1879) hat im zusammengesetzten Auge von Limulus devitlich gesehen,
daß die Retinulazellen in Nervenfasern übergehen und damit die ei"ste Leitungsbahn
dieses Tieres zu Tage gefördert. Patten (1894) fand in den Geschmacksporien
der Mandibeln Zellen, Vielehe offenbar Sinnesnervenzellen sind, welche aber Patten
mit seinen Retinophoren der Mollusken- und Arthropodenaugen vergleichen will.
Unter der Epidermis verschiedener Körperteile, Füße, Kiemen, u. s. w. liegt ein
Plexus von Nervenfasern und Ganglienzellen.
Die Tracheaten bilden die zweite ÜDterabteilung der Arthropoden.
IIaller (1905) hat über das Gehirn der Tracheaten eine schöne Arbeit
verfaßt, welche manche phylogenetischen und vergleichend-anatomischen
l^etrachtungen enthält. IcJi werde noch oft darauf zurückkommen. Die
anderen Autoren befassen sich nur mit dieser oder jener Klasse oder
Ordnung der Tracheaten und ich glaube wieder am besten zu tun, wenn
ich die Ordnungen nach einander behandele.
DROOGLEEVER FORTUYN. 18
274 ARTHROPODA. TRACHEATA.
Ueber die Leitungsbahnen der Protracheaten (Peri}3atus) ist mir leider
nichts bekannt. Auch in der Arbeit Nils Holmgrens (1916) sind sie nicht
genau genug beschrieben um hier wiedergegeben werden zu können.
Die erste Klasse der eigentlichen Tracheaten bilden die Mvriapoden. Grenacher
(1880) liat bei diesen Tieren die erste Leitungsbahn entdeckt, als er fand, daß die Retina-
zellen der Augen sich basal in Nervenfasern fortsetzen und also Sinnesnervenzellen sind.
Grenacher hat dies klar gesehen bei der Diplopode lulus und bei den Chilopoden
Lithobius und Scutigera, also in beiden Ordnimgen der Myriapoden.
BuETSCHLi (1885) meinte an einer anderen Stelle Sinnesnervenzellen zu beobachten
und zwar in den Riechorganen der Antennen der Diplopoden (vergl. S. 198). Er be-
schreibt darin Sinnesnervenzellen mit peripherem und zentralem Fortsatz, welche mit
einem tiefer gelegenen Ganglion in Verbindung stehen.
Auch \oM Rath (1895) behauptet in Sinneshaaren der Myriapoden Sinnesnerven-
zelien aufgefunden zu haben, so in den ,, Kegeln" der lulidae, Polydesmidac und Glo-
meridae, alle Diplopoden und in den Sinneshaaren der Beine von Lithobius und Geo-
philus, beide Chilopoden. Er wird jedoch darin widerlegt (vergl. S. 202) von Duboscq.
DuBOSCQ (1897) hat erst Geophilus longicornis und Scutigera coleoptrata mit der
GOLGi-Methode studiert. Er beobachtete unter den Sinneshaaren Haarzellgruppen und
sensibele Ganglienzellen, welche diese Haarzellen innervierten. Die peripheren Ausläufer
der Ganglienzellen, stiegen tloch nie ins Haar selbst empor, sondern endeten immer an der
Haarbasis, also zwischen den Haarzellen, welche als wahre Siimeszellcn zu betrach-
ten sind.
Später hat Duboscq (1898) seine Untersuchungen über die ganze Ordnung der
Chilopoden ausgedehnt und mit der Methylenblau-Methode die gleichen Resultate wie
mit der GoLGischen Methode erreicht. ^lit Methylenblau behandelte er Lithobius piceus.
Er fand die Haaie der Beine innerviert durch eine oder mehrere bipolare Zellen in einiger
Entfernmig des Haares gelegen, welche einen jjeripheren Fortsatz bis zur Haarbasis
senden und deren zentrale Fortsätze, in Bündel voreint, sensibele Nerven bilden. Duboscq
nennt die bipolaren Zellen jetzt unglücklicherweise Sinneszellen ; es geht aber aus der
Beschreibung ohne Zweifel hervor, daß es sensibele Ganglienzellen sind, welche die
Haarzellen, welche die Haare ausfüllen, innervieren. Duboscq fand ebensolche Ha«^re
bei Lithobius Martini und ebenso sind bei Lithobius piceus Haare von anderen Körper-
teilen, z.B. von der forceps innerviert. Lithobius piceus zeigte auf den Mandiboln und
der forceps stumpfe Papillen, ,, Zähne", welche ebenso wie die Sinneshaare innerviiM-t
werden und welche mii' modifiziei'te Haare zu sein scheinen. Merkwürdigerweise siml
die allergrößten Haare der Beine von Lithobius und Scutigera so groß, daß einige
bipolare sensibele (Janglienzellen mit ihren Zellkörpern im Haare selbst liegen. Solclie
Ausnahmefälle ändern jedoch nicht den Charakter dieser Zellen.
Die (ioLüi-Methode färbte bei Scutigera coleoptrata oft nicht nur die sensibele
Ganglienzelle, sondern auch die Haarzelle und es sah dann aus, als ob Vom Ratu Recht
hätte imd die Haarzelle eine Sinnesnervenzelle wäre, wie ich schon oben (S. 202) be-
s- lochen habe. (Jeophilus linearis und longicornis lieferten ebenfalls Präparate, welche
Duboscq in seiner Auffassung tler Innervation der Sinneshaare unterstützten.
Wie man auch die Zellen, welche die Sinneshaare der Myriapoden innervieren,
auffaßt, jedenfalls ist es interessant was Vom Rath (189(5) uns lehrt, nämlich, daß die
zentralen Fortsätze tler nervösen Zellen der Sinneskegel der Unterlippe von iulus und an-
deren Myriapoden bis ins untere Schlundganglion zu verfolgen sind, wo sie verzweigt enden.
Haller (1 •)()■)) hat die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems einiger
Myriapoden untersucht und sie bei Lithobius uiul iulus übereinstimmend
gefunden, obgleich später N. Holmgren (UlKi) criiebhche Unterschiede ge-
zeigt hat. Er erkennt bei diesen Tieren im Gehirn ein pioto- und dcuterocere-
MYRIAPODA. 275
brum in der Bedeutung, welche Viallanes denselben gegeben hat, aber das Gebiet
der Mandibular- und Maxillarnerven rechnet er mit Recht nicht zum tritoce-
rebrum, sondern zum unteren Schlundganglion. Das tritocerebrum wird
somit das Gebiet des Nerven des Nackenorgans oder des TöMösvARYschen
Organs. Obgleich die beiden Labrainerven (Fig. 95, n. l. l. und n.l.m.) ebenfalls
daraus hervorgehen, teilt Haller ihr Gebiet dem Unterschlundganglion
zu. Da irrt er sich aber Viallanes gegenüber, welcher sie zum tritocerebrum
rechnete. Das protocerebrum enthält die corpora pedunculata (oder globuli
nach Haller), das deuterocerebrum die Antennalganglien. Dem Gehirn schließt
sich der Bauchstrang an.
In den Ganghen des Bauchstranges, im unteren Schlundganglion oder
das Schlundkonnektiv entlang hat Hallbr Ganglienzellen entdeckt, welche
ihren Fortsatz durch das Schlundkonnektiv in den dorsalen Teil des Hirn-
ganglions oder ins Antennalganghon senden, wo er sich im Neuropilem ver-
zweigt. Einige dieser Nervenfasern, welche aus einem Ganglion des Bauch-
marks hervorgehen, kreuzen in diesem Ganglion die Medianlinie.
Im Schlundkonnektiv befinden sich auch Nervenfasern, welche gerade
in entgegengesetzter Richtung laufen und also aus- Gangüenzellen des Gehirns
entspringen und in den Bauchganglien enden (vergl. Fig. 96).
Dem corpus pedunculatum verläßt ein Faserbündel, welches sich nach
Haller in einer Schraubenlinie fortbewegt, was eine sehr seltene Erscheinung
ist. Nur die Biene und Somomya zeigen etwas ähnliches (vergl. S. 306 und S.
328) N. Holmgren (1916) hat aber die Spiral Windungen nicht wiedergefunden.
Ganglienzellen des corpus pedunculatum senden Fortsätze ins Neuropilem
desselben und hier enden auch Nervenfasern der Schlundkonnektive, ebenso
wie auch außerhalb des corpus pedunculatum gelegene Ganghenzellen des
Gehirns mit ihren Fortsätzen dieses Neuropilem suchen. Die corpora pedun-
culata der beiden Seiten sind durch eine Kommissur zwischen ihren Neuro-
pilemen verbunden.
Ueber die optischen Bahnen teilt Haller uns Nachstehendes mit. Unter
den Retinazellen befindet sich eine Ganghenzellschicht und dann passieren
die optischen Bahnen zwei Ganglien (Fig. 96, /. s. und w. s.), welche nebeneinan-
der hegen. Diese beiden Ganglien sind aus unipolaren Ganglienzellen auf-
gebaut, welche ihre Dendriten ins Neuropilem der Ganglien senden. Ihre
Neuriten ziehen in den nervus opticus und setzen sich nach Haller konti-
nuirhch fort in die Fortsätze der Ganglienzellen unter der Retina. Im medianen
Sehganglion befinden sich außerdem bipolare Ganglienzellen mit Dendriten
im Neuropilem und mit einem Neuriten, welcher kreuzt und sich im Neuro-
pilem der anderen Hirnhälfte verzweigt. Diese Fasern bilden also eine com-
missura optica.
Haller beschreibt neben dieser optischen Kommissur noch eine Anten-
nalkommissur und eine Kommissur zwischen dorsalen Hirnteilen. Nach N.
Holmgren (1916) hat er aber bald die Tritocerebralkommissur (Fig. 95c.fr.),
bald die stomatogastrische Brücke (Fig. 95, jj. st.) mit der Antennalkommissur
verwechselt. Mediodorsal im Antennalganghon sah er Ganghenzellen, welche
ihre Fortsätze in die glomeruli olfactorii (Fig. 96, gl. o.) sandten, kleine, runde
276
ARTHROPODA. TRACHEATA.
Faserknäuel, ^^ie man sie auch bei Crustaceen und Insekten im Antennalgan-
glion kennt.
Die besten Angaben über die Leitungsbahnen der Myriapoden verdanken
wir Nils Holmgrex (lOlü). In erster Linie hat er lulus studiert. Das Gehirn
besteht bei diesem Tiere aus einem protocerebrum, welches die lobi optici
(Fig. 95 und 90, l. o.) trägt, aus einem deuterocerebrum oder Antennalganglion,
aus dem der motorische und der sensibele Antennalnerv (Fig. 95, )i. a. ni.
Fig. 95.
(iehiin vun lulus von vorn untl t-twas von unten gesehen. Abgeändert naeli
HoLMOREN (191Ü), Textfigur 25.
c. m. = corpus niedianum
c. p. — corpus pedunculatum
c. tr. = commissura tritocerebralis
gl. 0. == Gebiet der glonieruli olfactorü
(jl. p. = Gebiet der glomeruli petlunculi
/. o. — lobus opticus
n. a. tn. = nervus antennarius inotorius
/(. n. 8. = nervus antennarius sensibilis
/(. /. /. = nervus labralis iatenalis
/(. /. m. -— nervus labralis nieilialis
I). T. = nervus Törnösvaryi
p. st = pons stoniodaealis
«. /r. — Schlundkonnektiv .
und n.a.s.) iiervoi-gehen und einem tritocerebrum, dem der Nerv des Tömös-
VARYschen Oi-ganes (Fig. 95, n.T.) und der laterale und mediale J>-abralnerv
(Fig. 95, n. I. I. und //. /. ;//.) entspringen. Das linke und lechte tritocerebrum
ist, wie bei allen Arthroj)oden. durch die commissiua tritocerebialis (Fig. 95
und 9) neben anderen, welche vorher vier parallele
Aeste zu den glomeruh peduncuü senden (Fig. 96, q). Wiederum andere
deuterocerebiale Zellen senden ihren Fortsatz nur zu einem Stielglomerulus
(Fig. 96, /•). Motorisch sind die Ganglienzellen des Antennalganglions, welche
ihren Neurit im Antennalnerven den Muskebi der Antenne zuführen.
Fiu. IHJ.
Gehirn von ItiIus von hinten.
Abgeändert nach Holmgren (191<)),
Textfigur 27.
c. tr. = coinmis.sura tritocerebralis
gl. o. = glomeruli olfactorii
gl. p. = glomenilu.s peduncuü
1.0O. = lobus opticus
/. s. = laterales Sehganglion
m. s. = medianes Sehganglion
n. a. = nervus antennarius
p. st. = pons stomodaealis
s. k. = Schlundkonnektiv
a bis n und p bis u = Ganglienzellen
0 — Nervenfaser
Hoi-\u;rkn (191(i) boschreibt che Neuronen des tritocerebrum nicht. Aus
seiner .Abbikbiug geht jedoch heivor, daß darin unipolare Ganghenzellen sind,
deren Fortsatz entweder in der Tritocerebralkommissur kreuzt (Fig. 96, t)
oder in das Schlundkonnektiv der gleichen Seite zieht (Fig. 96, u).
Holmgren konnte das Methylcnblaubild der Kommissuren des Gehirns
nicht mit demjenigen der Schnittserien in Uebereinstimmung bringen. Ich
will eine Beschreibung derselben deshalb hier unterlassen.
Neben lulus ist auch Lithobius von Holmüke.n (1916) untersucht worden.
MYRIAPODA.
270
Fig. 97 stellt das Gehirn dar. Das protocerebrum trägt die beiden lobi optici
(Fig. 97, /. o.) und enthält links und rechts ein dreieckiges corpus pedunculatum
{c. j).). Der Stiel desselben trägt wiederum Stielglomeruli {gl. p.) Mitten im
protocerebrum befindet sich wiederum ein Mediankörper {c. m.) und überdies
ein anderes medianes Neuropilem, die Protocerebralbrücke oder pons (Fig. 97,
p.), wie wir später auch bei Insekten begegnen werden (vergl, S. 306). Im
protocerebrum beschreibt Holmgren drei Kommissuren, welche in der linken
Hälfte der Figur 97 sichtbar sind.
Zu den Ganglienzellen des corpus pedunculatum gehören sehr kleine,
unipolare Zellen (Fig. 97, a) mit einem Stammfortsatz, welcher im Stiele zu
den glomeruH pedunculi läuft, vordem aber dem vorderen lateralen Teile des
Gehirns einen Ast zusendet. Jedem Stielglomerulus wird ein reichverzweigtes
Fasersystem übermittelt, aber der Fortsatz endet im Mediankörper. Andere
Zellen des corpus pedunculatum stimmen met den vorigen überein, ent-
Fig. 97.
Gehirn von Lithobius. Abgeändert nach Holm-
GKEN (1916), Textfigur 32.
c. m. =: corpus medianum
c. p. = corpus pedunculatum
gl. p. = glomeruli pedunculi
l. o. = lobus opticus
u. fr. —
nervus frontalis
n. T. =
nervus Tömösvaryi
0. fr. =
organon frontale
p. =
pons
s. k. =
Schlundkonnektiv
a bis l =
Ganglienzellen
behren jedoch den ersten Ast zum Vorderteile des protocerebrum. Ventrola-
teral im protocerebrum liegt eine GangHenzelle (Fig. 97, 6), deren Fortsatz
die Medianlinie überschreitet und in den medialsten Stielglomerulus der
entgegengesetzten Seite eindringt. Mit c (Fig. 97) wird eine dorsale Zelle
bezeichnet mit einem Fortsatz, welcher sich spaltet in einen lateralen Ast und
einen medialj^n, welcher sich der zweiten Kommissur anschheßt. Die Zelle d
(Fig. 97) ist eine Riesenzelle, welche Zweige in die zweite und dritte Kommissur
und zu den Stielglomeruh sendet. Frontal im Gehirn entdeckte Holmgren
eine GangHenzelle (Fig. 97, e), welche ihren Fortsatz in den lobus opticus
schickt. Frontal gestellt ist auch der Zelltypus / (Fig. 97) mit zwei medianen
280 ARTPROPODA, TRACHEATA.
Aesten zu den Stielglomeruli und zwei lateralen zum Neuropilem des proto-
cerebrum. Die Zelle g (Fig. 97)) ist ebenfalls frontal, aber sie sendet Aeste
in die erste und zweite Kommissur. Lateral hinten im Gehirn befindet sich
die Zelle h (Fig. 97). Sie trägt mit ihren Fortsätzen zur zweiten Kommissur
bei. Neben ihr hegt die Zelle i (Fig. 97) mit einem Ausläufer, welcher sich
sjialtet in einen Ast in die ersten Kommissur und einen anderen zum lateralen
Teile des protocerebrum. In der Nackenregion des protocerebrum ist die Zelle j
(Fig. 97) entdeckt worden. Ihr Fortsatz geht zu der pons, überhefert derselben
einen Seitenzweig und läuft weiter ins Schlundkonnektiv. Die Zelle k (Fig.
79) ist eine Kommissurzelle der dritten Kommissur. Endhch hat Holmgren
noch im Frontalorgan von Lithobius, welclies neben dem TöMösVARYschen
Organ existiert Ganglienzellen (Fig. 79, l) aufgefunden, welche ihren Fortsatz
im Frontalnerven zum Gehirn senden.
Holmgren hat die oben beschriebenen Neuronen aus etwa 400 mit Methy-
lenblau gefärbten Präparaten gesammelt.
Ich kann jetzt zur Klasse der Insekten übergehen, worüber, wie man
erwarten wird, wenigstens eben so wichtige Angaben gemacht worden sind
wie über die Myriapoden. Auch hier besteht das Hirnganglion aus drei Ab-
schnitten : dem protocerebrum, welches die lobi optici trägt und die corpora
pedunculata enthält, dem deuterocerebrum, welches die Antennalganglien
umfaßt und dem tritocerebrum, dem Gebiet der Tritocerebralnerven. Andere
wichtige Teile des Hirnganghons werden an geeigneter Stelle besprochen werden
Die Schlundkonnektive verbinden auch bei den Insekten das Gehirn mit dem
Bauchstrang, einer Reihe von Ganglien, welche eine überaus wechselnde
Gestalt aufweist.
Die ersten hodologi.schen Angaben über Insekten danken wir, wie ich glaube, Leydig
(1S()4), welcher uns damals auch schon mit den Eigenschaften des Neuropilems, von
ihm und nachher von manchen anderen Punktsubstanz genannt, bekannt machte.
Lkydig erzählt, wie im Bauchstrang der Insekten manche Fasern der Konnektive ein
(Janglion passieren ohne dazu in nähere Beziehung zu treten. Andere Nervenfa.sern, aus
dem vorderen oder hinteren Konnektiv stammend, treten in einen peripheren Nerven
ein. Wiederum anrlere Konnektivalfasern verzweigen sich im Ganglion und enden dort.
Die Fasern der peripheren Nerven stammen, wie gesagt, oft aus den Konnektiven,
manchmal jedoch aus dem Neuropilem des (ianglions, oder sie kamen durch eine Kom-
missur aus der anderen Hälfte des (ianglions.
Cajal hat in zw) und verzweigen sich also zu beiden Seiten. Noch andere Fortsätze
der sensibelen Ganglienzellen aszendieren nach ihrem Eintritt in dem Bauch-
strang und endigen im vorhergehenden Ganglion entweder auf derselben Seite
(Fig. 103, c) oder auf der anderen Seite oder auf beiden Seiten. Diese Nerven-
fasern bilden besonders in den Abdominalganglien deutliche Bündel.
Es gibt auch Nervenfasern, welche dem Ganglion, worin sie eingetreten
sind, einen Ast übermitteln, selbst aber zum vorhergehenden Ganglion aszen-
dieren, um dort zu enden (Fig. 103, d) und dann fand Hilton noch Nerven-
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298 ARTHROPOD A, TRACHE\TA.
fasern (Fig. 103, e), welche in den Bauchstrang eintreten und mehrere Ganglien
durchziehen, bevor sie enden. Wie weit sie wohl ziehen können, ist unbekannt.
HiLTON ist leider in seinen Beschreibungen sehr kurz, zu kurz möchte
ich sagen. Ob die genannten Fasertypen in allen Abdominal- und Thorakal-
ganglien wiederzufinden sind, ist nicht klar. Jedenfalls sind weit mehr als gerade
die in der Figur 103 gezeichneten Nervenfasern von Hilton gesehen worden.
Die Bahnen, welche Hilton im oberen und unteren Schlundganghon von
Corydalis-Larven entdeckte, will ich als Erläuterung zur Figur 104 beschreiben.
Man sieht darin das Hirnganglion {h. g.) mit dem unteren Schlundganglion
{g. s. oe.) durch die Schlundkonnektive (s. k.) verbunden, Links im Hirngan-
glion sieht man ein corpus pedunculatum (r. p.) eingezeichnet. Das Hirngan-
glion geht vorn in die lobi optici (/. o.) über. Dahinter entspringt der nervus
antennarius [n. a.). Noch mehr nach hinten geht aus dem Hirnganglion ein
Nerv hervor, welcher sich bald verzweigt in den nervus clj^peolabralis {n.cl.l.)
und der nervus arcuatiis («. arc). Die beiden nervi arcuati kommen zusammen
im Frontalganglion {g. fr.), welches mit dem ebenfalls medianen ganglion
nervi vagi {g. n. v.) verbundtMi ist. Die beiden Schlundkonnektive sind hinter
dem Oesophagus verbunden durch eine Kommissur, welche ich mit großer
Wahrscheinlichkeit als die commissura tritocerebraüs (ctr.) deuten kann.
Aus dem ganglion suboesophageum gehen unter anderen die nervi gustatorii
(;?. g.), die nervi labiales (??. l.), die nervi maxillares (w. mx.) und die nervi
mandibulares (w. rmi.) hervor, während das Ganglion durch die Konnektive
(k.) mit dem übrigen Bauchstrang verbunden ist.
Hilton hat nun die folgenden Leitungsbahnen genau beobachtet, aber
ich \v\\\ gleich anfangs bemerken, daß er daneben verschiedene Nervenfasern
ungenügend beschreibt und sonderbarer Weise manche Ganglienzellen und
Leitungsbahnen in seinen Figuren abbildet ohne sie zu beschreiben, sodaß
ich nicht weiß, ob damit Märklich gesehene Elemente gemeint sind, warum ich
sie hier lieber übergehe.
Hilton erwähnt zuerst zwei Fasertypen unbekannter Herkunft, welche
durch die hinteren Konnektive in das Unterschlundganghon eintreten und
entweder dort enden (Fig. 104,/) oder durch die Schlundkonnektive ins Hirn-
ganglion emporsteigen und da ihre Endvei'ästelungen treiben (Fig. 104. g).
Hilton betrachtet diese Nervenfasern als sensibele Fasern ; es können jedoch
ebensogut assoziative Elemente sein. Es gibt auch Nervenfasern, welche das
Unterschlundganglion mit dem Hirnganglion verbinden und im letzteren
eiiüen; sie passieren dabei die Tritocerebralkommissur (B^ig. 104, h).
Tns untere Schlundganghon und ins Hirnganglion treten mit den peri-
pheren Nerven sensibele Nervenfasern ein, welche im Neuiopilcm dieser Gan-
glien enden. Hilton zeichnet derartige Fasern im Labialnerven (Fig. 104, i)
im Maxillarneiven (Fig. 104, }) und im Mandibularnerven (Fig. 104, k) des
unteren Schlundganglions. Der nervus antennarius des Hirnganglions führt
.sensibele Nervenfasein. welche im Neuropilem derselben Seite enden (Fig.
104, l) oder nach Kreuzung im Neuropilem der anderen Seite (Fig. 104, m).
Ebenso enthält der nervus clypeolabrahs sensibele Nervenfasern, welche im
Neuropilem des HirngangUons sich verzweigen (Fig. 104, n).
HEXAPODA, NEUROPTBRA.
299
Fig. 104.
a.arc.
Schema einiger Leitungsbahnen im Schhmdring der Larve von CorydaHs cornuta
Abgeändert nach Hilton (1911), Taf. 2.
/ bis n = Nervenfasern o, p, q = Ganglienzellen c. p. = corpus pendimculatum
c. tr. = commissura tritocerebraUs g. fr. = ganghon frontale g. n. v. = ganglion
nervi vagi g. s. oe. = ganglion suboesophagetnn h. g. = Hirnganglion k. = Kon-
nektiv l. o. = lobus opticus n. a. = nervus antennarius n. arc. = nervus arcuatus
n. cl. l. = nervus clypeolabralis n. g. = nervus gustatorius n. l. = nervus labialis
n.ind. = nervus mandibularis n.mx. = nervus maxillaris s.k. — Schlundkonnektiv
300 ARTHROPODA, TRACHEATA.
Die sensibelen l^ahnrn dv^^ lol)iis opticus wurden von Hilton ganz un
zureichend dargestellt.
HiLTON sagt in einer allgemeinen Beschreibung der motorischen Ganglien-
zellen des oberen und unteren Sehlundganglions, daß der Stamnifortsatz
meistens dem Neuropilem Dendriten überhefert, während der Neurit entweder
einen peripheren Nerven der gleichen oder der gekreuzten Seite sucht. Weil
einige Konnektive des Bauchstranges, z. B. die Konnektive zwischen dem
ersten und zweiten und zwischen dem zweiten und dritten Thorakalganglion,
motorische Nerven aussenden, enthalten diese Konnektive motorische Nerven-
fasern, welche aus Ganglienzellen des vorhergehenden oder des nächsten
Ganglions hervorgehen. Hilton zeichnet manche motorischen Ganglienzellen
in seinen Figuren, aber, wie ich glaube, nur als erläuterende Beispiele
und ich lasse sie hier deshalb fort. Wer ^ill, kann sie im Original nach-
schlagen.
Alle Ganglien zeigen nach Hilton Assoziationszellen, deren Fortsätze das
Zentralnervensystem nicht verlassen und entweder im selben Ganglion bleiben
oder mehrere Ganglien verbinden. So befinden sich im Hirnganglion Gan-
ghenzellen (Fig. 104, o) mit kurzen, das Ganglion nicht verlassenden Fortsätzen
neben anderen, welche ihren Neuriten zum Unterschlundganglion senden,
entweder um dort zu enden (F'ig. 104, p) oder um weiter in den Bauchstrang
zu deszendieren (Fig. 104, q). Solcher Assoziationszellen zeichnet Hilton
weit mehr, als er deren beschreibt. Die nicht-beschriebenen lasse ich als
unzulängHch bekannt hier fort.
Die Coleoptera, obgleich eine sehr wichtige Ordnung der Insekten, sind
relativ wenig auf ihre Leitungsbahnen untersucht worden.
Landois (1808) hat wohl als erster versucht einen Teil der Leitungsbahnen
darzustellen. Er wählte die Antennen von Lucanus cervus, dem Hirschkäfer,
und von Dorcus ])arallelepipedus als Objekt und fand darin Gruben, worin
große und kleine Haare standen, ebenso wie in der Umgebung der Gruben.
Landois betrachtet alle Haare in den Gruben, ebenso wie die kleinen Haare
ringsherum als Hörhaare, die großen Haare um die Gruben als Tasthaare.
Die Funktion dieser Haai-e können wir hier dahingestellt lassen (mir scheint
die H(>ifiinkti()ii dieser Haai'c nicht wahrscheinlich), wichtig aber ist es, was
Landoi.s über die Innerväerung dieser Haare sagt. Er erzählt uns, daß unter
den Haaren beider Arten eine bipolare Ganglienzelle liegt, deren peripherer
Fe tsatz l)is zur Basis des Haares vordringt, deren zentraler Fortsatz in den
Antennalnervcu iitx'igeht. Es fragt sich, ob diese Ganglienzelle eine sensibele
Ganglienzelle oder eine Sinnesnervenzelle sei. Die großen Haai-e sind nach
Lan nois hohl. Da hat man guten (iiund zu erwarten, daß sie tatsächüch mit den
Fortsätzen einer oder mehrerer Haarzellen ausgefüllt sind, wie es bei Insekten-
Siinieshaar-en Regel ist und welche Haaizellen wahi-e Siiuieszellen sind, die
durch eine sensibele Ganglienzelle innerviert werden. Die kleinen Haare schei-
nen jedoch solide zu sein und da wäre es möglich, daß die bij)olare Ganglien-
zelle zugleicherzeit Haarzelle und also tatsächlich eine Siiuiesnervenzelle
wäre. Wie dem auch sei, Landois hat jedenfalls die Haarbildungszellen nicht
HEXAPODA, CÖLEOPTERA. ^501
genau beobachtet und daraus geht der Wunsch hervor, die Innervation dieser
Haare möchte aufs neue studiert werden.
Es ist im Anschluß an das eben Gesagte bemerkenswert, daß Hilton
(1902) viele Jahre später und mit modernen Hilfsmitteln bei Larven des
Maikäfers Sinneshaare entdeckt hat, deren Haarzellen durch bipolare sensibele
Ganglienzellen innerviert wurden. Es bestehen also jedenfalls bei Käfern
Sinneshaare mit sensibelen Ganghenzellen.
Berger (1878) hat sich, wie bei so manchen Arthropoden, so auch bei einigen Käfern
beeifert die Wege der Nervenfasern zu erforschen. So gelang es ihm bei Dytiscus und
Hydrophilus das äußere und innere Chiasma im lobus opticus zu sehen und ebenso
festzustellen, daß Fasern des Schlundkonnektivs in den Magennerven eintraten, aber
genauere hodologische Angaben macht er nicht.
Im nächsten Jahre entdeckte Grenacher (1879) eine Leitungsbahn, als er fand,
daß in den oeelli der Larven von Dytiscus und Acilius sulcatus, beide Wasserkäfer, die
Retinazellen unter allmähliger Verjüngung in optische Nervenfasern übergehen und
damit zeigen, daß sie Sinnesnervenzellen sind.
Patten (1888) hat dieser Behauptung zwar widersprochen und gerade auch in den
Ozellen der Larve von Acilivis seine Retinophoren beschrieben, aber man weiß schon,
daß ich ihm nicht glauben kann (vergl. S. 194). Jede Retinophore ist nach ihm durch
Verschmelzung zweier Retinazellen und einer dazwischenliegenden Nervenfaser ent-
standen. Die Nervenfaser wird dabei axial und ist scheinbar, aber auch nur scheinbar,
die kontinuirliche Fortsetzung der Retinophore. Daneben gibt es nach Patten Nerven-
fasern, welche die ganze Retinophore umspinnen. Die Retinophoren, oder die Retina-
zellen, woraus sie hervorgegangen sind, würden also keine Sinnesnervenzellen, sondern
wahre Sinneszellen sein.
Die genannten Nervenfasern sind nach Patten überall wo Retinophoren sind anzu-
ti'effen. Daneben entdeckte er hier frei in der Retina endende Nei-venfasei-n. Weil niemand
anders je solche Fasern beobachtet hat, glaube ich die PATTENsche Mitteihmg bezwei-
feln zu müssen. Meine Bedenken gegen seine Meinung, daß diese frei endenden Fasern
besonders hier Fortsätze unter das Epithel gesunkener Sinnesnervenzellen seien, habe
ich schon S. 207 auseinander gesetzt.
Patten beschreibt noch in der Rinde des ganglion opticum große und kleine tripo-
lare Ganglienzellen ; ein Fortsatz verzweigt sich im Neuropilem des Ganglions, die bei-
den anderen verbinden wahrscheinlich die Zellen gegenseitig.
Michels (1880) hat einen merkwürdigen Versuch gemacht die Bahnen eines
Käfers, Oryctes nasicornis, im Larven-, Puppen- und Käferzustande zu erfor-
schen. Im Bauchstrang der Larve [sah er Kommissuren und Längsbündel von
Nervenfasern. Die Nervenfasern der Längsbündel durchziehen manche Gang-
lien und es sind Fasern dabei, welche in einem Ganglion kreuzen, zurück-
laufen und am Ende in einen peripheren Nerven des Bauchstranges austreten.
Oft waren in einem Ganglion fünf Kommissuren übereinander zu unterscheiden.
Sie bestehen überwiegend aus Fortsätzen von Ganglienzellen des Ganglions,
welche in einen peripheren Nerven der gekreuzten Seite austreten. Die vorderen
drei Einschnürungen zwischen den Ganglien des Bauchstranges sind im
Gegensatz zu allen anderen frei von Ganghenzellen. Die zwei vorderen wachsen
später zu langen Konnektiven aus. Nicht alle Ganglien des Bauchstranges
zeigen denselben Bau. Das untere Schlundganglion ist abweichend gebaut ;
die drei Thorakalganglien, aus denen die Nerven zu den Beinen hervorgehen,
302 ARTHROPOD A, TRACHEATA.
sind komplizierter als die Abdominalganglien und unter diesen besteht das
letzte Ganglion des Bauehmarks aus drei verwachsenen Ganglien.
Der Bau des Bauchstranges der Puppe zeigt Uebergänge von der Larve
zum Käfer.
Beim Käfer gleicht der Hinterteil des Bauchstranges noch am meisten
demjenigen der Larve. Die Ganglien sind mehr miteinander verwachsen,
aber die Stellung der Ganglienzellgruppen in den Ganglien weicht im allge-
meinen nicht erheblich ab. Durch alle Ganghen des Bauchstranges ziehen drei
Paar Längsbündel, welche sich in den Konnektiven zwischen den drei vorderen
Ganglien zu einem Bündel vereinigen, welches bis ins Gehirn zu verfolgen
ist. Vorn im Bauchstrang sind die Längsfasern am zahlreichsten, denn jedes-
mal überschreiten einige dieser Fasern, die Medianlinie und treten in einen
peripheren Nerven der anderen Seite aus. Wie bei der Larve senden auch
jetzt die Ganglienzellen der Ganglien Fortsätze aus, welche die Kommissuren
bilden und in einem Nerven der gekreuzten Seite verschwinden. Jedes Ganglion
zählt aber nur drei oder höchstens vier Kommissuren, statt fünf wie bei der
Larve. Nur das Unterschlundganglion enthält mehr Kommissuren, worin es
mit demjenigen der Larve übereinstimmt.
Fräulein Monti (1892) hat uns mit einem Ganglienzellplexus bekannt
gemacht, welchen sie in Methylenblau-Präparaten in einigen Thorakalmuskeln
der Larven von Lucaims cervus und Melolontha vulgaris, sowie auch in Mus-
keln dei' Imago von Hydrophilus piceus entdeckt hat. Der Plexus, welcher
aucii mit den Tracheen zusammenhängt, wird von ihr als ein nervöser
Endapparat betrachtet. Seine Natur ist mir nicht ganz klar, erinnert jedoch
noch am meisten an einen sympathischen Ganghenzellplexus.
Das sympathische N in den pedunculus und spaltet sich in einen Ast im Vorderhorn und
einen Ast im Innenhorn.
Auch außerhalb des Bechers, aber noch zum corpus pedunculatum gehörig lie-
gen Ganglienzellen, welche ihre Fortsätze in das Neuropilem des Bechers senden.
In den calyces endigen Nervenfasern, welche aus anderen Hirn teilen
dahin gelangen. Sie alle dringen ii^die Unterseite des Uechers ein und umschlin-
gen teilweise den pedunculus. Diese Fasern gehören sechs oder sieben Systemen
an, zwei, welche vom lobus opticus herstammen, zwei von der ventralen Seite
des Gehirns, zwei vom Antennalganglion und wahrscheinlich fügt sich dazu ein
System von Konniiissuitascni.
HEXAPODA, HY.MENOPTERA. 307
Hinter und zwischen den pedunculi fand Kenyon Ganglienzellen, welche
einen Fortsatz in das cornn anterius senden, wo er sich verästelt. Nach ihm
hat ViALLANES (I887ö) diese Ganglienzellen schon bei Vespa entdeckt. Genau
genommen bildet Kenyon diesen Zelltypus nicht ab, aber in seiner Tafel 17
finde ich einen unbenannten Zelltypus (Fig. 105, h), welcher diese Zellart
darstellen könnte mit dem Unterschiede jedoch, daß der Neurit dieser Zelle
ni(^ht in das Vorderhorn, sondern sonstwo hingeht. Im Vorderhorn enden
noch andere Nervenfasern unbekannter Herkunft.
In seinem Aufsatz über die corpora pedunculata hat Kenyon (1S9üö)
obigen i\ngaben noch hinzugefügt, daß Nervenfasern der calyces, welche sich
zur Gegend oberhalb des Oesophagus begeben, dort mit Fasern des Bauch-
stranges in Verbindung treten.
Kenyon (1896a) hat besonders gesucht die Bedeutung der corpora pedun-
culata ausfindig zu machen. Er weist darauf hin, daß Flögel schon zeigte,
wie die corpora pedunculata besser entwickelt sind je höher die psychische
Funktion des Insektes ist. Auch andere Forscher (unter denen ich Haller
voranstellen möchte) haben immer die corpora pedunculata als den Sitz der
Intelligenz betrachtet. Fest steht nach Kenyon, und gerne schließe ich mich
dieser Ansicht an, daß die Ganglienzellen der calyces wichtige sensibele Reize
empfangen aus allen Teilen des Gehirns und daß sie alle Assoziationszellen
sind. Die corpora pedunculata sind somit das wichtigste Assoziationszentrum
des Insektenhirns.
Das corpus centrale besteht, wie gesagt, aus einem Ober- und einem
Unterteil. In den unteren Abschnitt treten Fasern unbekannter Herkunft
neben Fasern, welche aus Ganglienzellen des Antennalganglions hervorgehen.
Ich konnte sie nicht in die Figur einzeichnen.
Den oberen Abschnitt erreichen Fortsätze von median über dem corpus
centrale oder dahinter gelegenen Ganglienzellen, ebenso wie Ausläufer von
über dem Antennalganglion gelagerten Ganglienzellen. Sie sind nicht in der
Figur.
Unmittelbar hinter dem corpus centrale ist eine Kommissur, welche ge-
bildet wird durch Fortsätze von Ganglienzellen des protocerebrum (Fig. 105,
c), welche dem Zentralkörper Seitenäste überliefern. Diese Zellen sind in zwei
Gruppen angeliäuft, eine hinter dem cornu internum und eine neben dem
corpus centrale.
Median über dem Zentralkörper entdeckte Kenyon Ganglienzellen (Fig.
105, d), welche ihren Fortsatz in einem Bogen nach hinten in den Raum zwi-
schen den beiden Teilen des Zentralkörpers senden, wonach er sich im Ober-
teil verzweigt. Zuvor war der pons ein Seitenast abgegeben worden. Aehnliche
Ganglienzellen befinden sich hinter dem Zentralkörper, oberhalb der pons.
Zum protocerebrum rechnet Kenyon auch Ganglienzellen (Fig. 105, e),
welche über dem Antennalganglion liegen und deren Fortsätze median vom
Vorderhorn laufen und in der Gegend darüber enden. Seitenäste spalten sich
unter dem cornu anterius davon ab.
Wenn ich alle ungewissen Angaben und alle Fasern unbekannter Herkunft,
welche docli für andere Forscher niemals genau wiedererkennbar sind, fort-
308 ARTHROPODA, TRACHEATA.
lasse, bleiben mir über die Ganglienzellen des protocerebrum nur die folgenden
Mitteilungen übrig. Bei der pons sind Ganglienzellen aufzufinden, welche ihre
Fortsätze gerade nach vorn senden über den Zentralkörper hinweg. Ganghen-
zellen über und hinter dem Antennalganghon haben Fortsätze, welche den
Vorder- und Hinterteil des protocerebrum vereinigen. Ein Ast dieser Fortsätze
erreicht das Vorderhorn, ein anderer teilt sich in einen Ast zu den tubercula
corporis centrahs und einen Ast zum unteren Schlundganghon.
Deuterocerebrum. Der sensibele Antennalnerv führt Nervenfasern (Fig.
10."), /), welche sich verzweigen und in den glomeruh des Antennalgangüons
enden. Die motorischen Antennalnerven enthalten teils Nervenfasern unbe-
kainiter Herkunft, welche ich hier fortlasse, teils Nervenfasern, welche aus
Ganglienzellen des tritocerebrum entspringen und später beschrieben werden
sollen.
Das protocerebrum wird durch verschiedene Fasersysteme einerseits mit
dem lobus opticus, andrerseits mit dem deuterocerebrum verbunden. Neben
dem tuberculum opticum sind Ganglienzellen gelagert, deren Fortsätze Aeste
zum tuberculum opticum und zu anderen Hirnabschnitten abgeben. Einige
dieser Aeste kreuzen die Medianhnie und enden im tuberculum opticum der
anderen Seite. Sie bilden die commissura anterior, welche nach Kenyon
Vi ALLAN ES bei Vespa entdeckte.
Protocerebrum und lobus opticus werden durch den tractus opticus ante-
rosuperior verbunden. Die Fasern dieses Bündels entspringen aus Ganglien-
zellen (Fig. 107, a), welche oberhalb des tuberculum opticum und unter dem
calyx externus gelegen sind. Diese Ganglienzellen senden ihren Fortsatz zwi-
schen die peduncuh des äußeren und inneren Bechers, wo er den calyces einen
Seitenast überliefert. Der Fortsatz selber läuft weiter zum lobus opticus um
in der medulla externa zu enden.
Die beiden medullae internae werden durch zwei Kommissuren, die
commissura optica superior und die commissura inferior verbunden.
Oberhalb des corpus centrale läuft eine Kommissur, die commissura dorso-
cerebrahs superior, worüber Dietl, Berger und Bellonci nach Kenyon
mit Unrecht urteilten, daß sie die lobi optici verbände. Auch Kenyon bheb
der Ursprung und das Eade der Kommissur verborgen, aber dennoch glaubt
er, es sei eine Kommissur der corpora pedunculata und er behauptet, daß er
darin Viallanes folgt. Ich meine, die Kommissuren sollen erst viel eingehender
studiert werden, ehe man sie mit anderen homologisieit oder anderen gegen-
üb Jtstellt und dazu kann die Bemerkung Kenyons beitragen, daß die Fasern
dieser Kommissur teilweise vor und teilweise hinter den peduncuh laufen.
Die Antennalganglien werden nach Kenyon verbunden durch die com-
missura dorsocerebralis inferoanterior und inferoposterior. Wäre das nicht
vielleicht die Antennalkommissur so vieler anderer Autoren ? Um auf diese
Frage zu antworten, sollte man die Ganglienzellen dieser Nervenfasern kennen
und diese nennt Kenyon uns nicht.
Die Antennalganglien werden nach Kenyon bei der Biene durch drei
tractus mit dem protocerebrum verbunden. Bei anderen Insekten wurden sie
HEXAPOPA; HYMENOPTERA.
Fig. 106.
809
n.m
Einige Leitungsbahnen im Gehirn von Apis mellifica. Abgeändert nach Kenyon
(1896&), Taf. 20. Seitenansicht des durchscheinend gedachten Gehirns.
h, i, j, k = Nervenfasern l, m, n, g = GangHenzellen a. g. = Antennalganghon
c. c. = corpus centrale g. s. oe. = ganglion suboesophageum h.g. = Hirnganglion
k. = Konnektiv n. a. m. e. = nervus antennarius motorius externus n. a. m. i. =
nervus antennarius motorius internus n. a. s. = nervus antennarius sensibilis
n. Ib. = nervus labialis n. Ibr. = nervus labralis n. md. = nervus mandibularis
n. mx. = nervus maxillaris n: oc. = nervus ocellaris n. p. = nervus posterior
oc. = ocellus po. = pons t. o. = tuberculum opticum
310 ARTHROPODA, TRACHEATA.
immer unriichtig beschrieben, nur Viallanes macht eine Ausnahme. Das
erste System vereinigt die glomeruli mit dem calyx internus, das zweite das
Antennalgangüon mit dem calyx externus. Leider sind beider Ursprungs-
/ellen unbekannt. Das dritte läuft am meisten lateral und geht aus Ganglien-
zellen des Antennalganglions hervor (Fig. 105, g) um im äußeren, vielleicht
auch im iimeren Becher zu enden.
In den peripheren Nerven entdeckte Kenyon die nachstehenden Leitungs-
bahnen. Die drei Ozellen liegen so dicht neben einander, daß die Ozcllarnerven
l)ald verschmelzen. Fasern des mittleren Ozellus enden in den tubercula cor-
poris centralis (Fig. 105, t.c.c.) andere ziehen wahrscheinlich in die Brücke
(Fig. lOö, po.). Nervenfasern der lateralen ocelli (F^ig. 10(5, h) gehen u. a. zum
Unterschlundganglion und weiter in den Bauchstrang.
Fasern, welche mit dem Labrainerven ins tritocerebrum eintreten, bilden
ihre Endverästelungen unter der Wurzel des motorischen Antennalncrven
oder im unteren Schlundganglion. Sie sind also wohl sensibel.
Sensibel scheinen mir gleichfalls die Nervenfasern, welche mit dem ncrvus
niaiidibulai'is. maxillaris und labialis mitkommen und sich bald nach ihrem
Eintritt verästeln (Fig. 106, i, j, k). Neben der Wurzel des Mandibularncrven
liegen außerdem einige Ganglienzellen (Fig. 106, Z), welche ihre] Fortsätze dem
Nerven beimischen, wie solches später von Jonescu (1909) bestätigt wurde.
Lateral im tritocerebrum wies Kenyon eine GangHenzelle (Fig. 106, in)
nach, deren Neurit in den inneren motorischen Antennalncrven überging.
Kenyon beschreibt in .seiner übrigens so trefflichen Arbeit leider niemals
Neuronen, sondern immer nur Fasersysteme oder Ganglienzellgruppen. Nur
ziemlich .selten erwähnt er, welche Fasern mit welchen Zellen zusammenhängen
und nur dann sind nach meiner Ansicht sowohl Zellen wie Fasern für andere
wiederzuerkennen. Die bis jetzt beschriebenen Neuronen sind seinen Angaben
der Fasersysteme entlehnt ; die nachstehenden sind unter seinen Beschrei-
bungen der Ganglienzellgruppen zu finden.
Neben den Ursprungszellen des tractus opticus antcrosupciior (Fig. 107, a)
liegen Ganglienzellen, welche die Fortsätze zur Medianebene tles Gehirns
senden.
Halbwegs des tubeiculum opticum und der methilla inteina sind Gan-
glienzellen, deren Fortsätze oberhalb des X'orderhorns iles pedunculus ver-
zweigt enden.
Lateral neben und unter dem tubeiculum opticum fand Kkn von Ganglien-
zelliHi mit Fortsätzen, welche unter dem cornu anterius liefen ; median neben
und unter dem tuberculum opticum Ganglienzellen mit F'ortsätzen, welche
die Außenseite des Vorderhorns entlang liefen.
Zwischen tuberculum opticum und Antennalganglion sind drei Ganghen-
zellgruppen. Die Zellen (Fig. 106, n) senden die F'ortsätze zwischen die beiden
Teile des corpus centrale.
Ganglienzellen untei' dem calyx externus (Fig. lOö, o) fügen die Fortsätze
den Neuriten der Ganglienzellen g bei (F^ig. 105), aber \veiter sind ihre W^ege
unbekannt.
Hinter den pcdunciili ist v\\iv Cianglienzcilgi uppe wahrnehmbar, deren
HBXAPODA, HYMBNOPTBRA.
311
Zellen Fortsätze zwischen den Stielen hindurch zum Vorderhorn schicken.
Der Ganghenzelltypus p (Fig. 105) ist vor der pons gestellt und er sendet
die Fortsätze mit mit dem Bündel, welches den calyx internus mit den glome-
ruli verbindet.
Fig. 107.
k L nt e a
m. e.
vorn.
Schema der Leitungsbahnen im lobus opticus von /. p. r.
Apis mellifica. /. g.
Abgeändert nach Kenyon (1897). 7n. h.
a, e, e', e", /, /', g, li, h\ /i" = Ganglienzellen m. e.
h, c, d = Nervenfasern m. i.
i, i\ i" = postretinale Nervenfasern o.
eh. e. = chiasma externum pr. c.
eh. i. = chiasma internum t. o.
fibrae posCretinales
lamina ganglionaris
membrana basilaris
medulla externa
medulla interna
ommatidium
protocerebrum
tuberculum opticum
Der Ganghenzelltypus q (Fig. 106) ist über dem Ende der pons gelegen
und seine Fortsätze enden oberhalb des Vorderhorns.
Unter der pons sah Kenyon eine Ganglienzellgruppc, deren Zellen (Fig.
105, r) Fortsätze aussenden, welche, bisweilen in der commissura optica supe-
rior, kreuzen und zur Vereinigungsstelle der pedunculi und cornua der corpora
pedunculata der anderen Seite ziehen.
312 ARTHROPOD A, TRACHEA TA.
Hinter den Ganglienzellen des Tj^jus p befinden sich Ganglienzellen,
welche die Fortsätze nach unten richten, wahrscheinlich zum corpus centrale.
Unter diesen Ganglienzellen liegen wiederum andere, deren Fortsätze imter
die commissura optica superior umbiegen und wahrscheinlich zu den calyces
ziehen.
Median im Antennalganghon gelagerte Ganglienzellen senden'ihre Neuriten
median nach oben, wo sie über das Innenhorn hinbiegen. Ich betrachte die
KENYONsche Zelle 9 als eine Zelle dieser Gruppe und bilde sie hier in Fig. 105
als Zelle s ab.
Im unteren Schlundganglion endlich konnte Kenyon sieben Ganglien -
zellgruppen unterscheiden. Zwei hegen ventromedian neben den Wurzeln der
Maxillar- und Labialnerven und ihre Zellen senden die Fortsätze zur dorsalen
Seite.
Dem lobus opticus von Apis melhfica hat Kenyon (1897) einen Aufsatz
für sich gewidmet und seine Resultate hat er wiederum mit Hilfe der Golgi-
schen Methode erworben. Die mikroskopische Anatomie des lobus opticus
ist uns schon von anderen Insekten her bekannt. Die Ommatidien (Fig. 107, o).
der Retina des zusammengesetzten Auges sitzen alle auf der Basalmembran
(Fig. 107, m. b.). Darunter Hegt die Schicht der postretinalen Nervenfasern
(Fig. 107, /. p. ;•.). Es folgen dann lamina ganghonaris [l. g.), chiasma externum
{eh. e.), medulla externa (m. e.), chiasma internum {eh. i.) und medulla interna
{m. i.) in der bekannten Ordnung. Wie Figur 105 uns gezeigt hat, schließt
sich die medulla interna unmittelbar dem protocerebrum an (Fig4l07, pr. e.).
In Fig. 107 sieht man das tuberculum opticum {t. o.) darin angedeutet.
Kenyon fängt an mit der Beschreibung des tractus opticus anterosupe-
rior, welcher ihm schon vordem bekannt war. (vergl. S. 308). Der tractus
verbindet die calyces der corpora pedunculata der einen Seite mit dem Zen-
trum der medulla extern^ derselben Seite und es ergibt sich, daß jede seiner
Fasern ein Teil eines T-förmigen Fortsatzes einer Ganglienzelle ist, welche
oberhalb des tuberculum opticum und unter dem calyx externus gelegen ist.
(Fig. 107, a).
Es gibt auch einen tractus opticus anteroposterior, dessen Fasern (Fig. 107,6)
.sowohl im protocerebrum, wie in der medulla externa ihre Endverästelungen
entfalten. Die Ursprungszellen dieser Zellen sind leider unbekarmt.
In der medulla interna enden Nervenfasern (Fig. 107, c), welche sich in
das protocerebrum l)egeben und dort wenigstens teilweise durch die commissura
opt' Äi kreuzen und in die medulla interna der anderen Seite übergehen. Auch
hier sind die Ganglienzellen, woraus diese Fasern hervorgehen noch zu suchen.
Kenyo>i behauptet, daß Viallanes dieses Bündel schon gekannt habe, abei-
er hat den Weg (heser Fasern gewiß nicht genügend nachgewiesen.
Fasern unbekannter Herkunft sind auch die Fasern (/ der Figur 107,
welche in der medulla interna, sowie im protocerebrum enden. Kenyon ver-
mutet, daß ihre Ganglienzellen neben der medulla interna stehen.
Noch andere Fasersy.steme gehen von der medulla interna zum tuber-
culum opticum oder von der medulla interna zu den calyces.
Vorn und hinten, außerhalb der medulla externa entdeckte Kenyon Gau-
HEXAPODA, HYMENOPTERA. 313
glienzellen (Fig. 107, e, e' und e"), welche ihren Fortsatz in die meduUa externa
senden. Diese Fortsätze durchziehen die medulla auf dem kürzesten Wege,
wobei sie den Randschichten Kollateralen überhefern, bilden das chiasma
internum und enden in der medulla interna.
x^ehnhche GangUenzellen (Fig. 107, / und /') hegen neben der medulla
interna. Ihre Fortsätze ziehen ebenfalls, wenn sie einmal in die medulla interna
eindringen, geradewegs hindurch, den Randschichten Koüateralen abgebend,
um im tuberculum opticum zu enden. Noch andere Ganghenzellen (Fig. 107,gr)
unterscheiden sich von den vorigen nur durch die Tatsache, daß ihr Neurit
zuletzt nicht zum tuberculum opticum, sondern zum Neuropilem des proto-
cerebrum schreitet.
Das chiasma externum wird gebildet durch Nervenfasern, welche in der
äußeren Schicht der medulla externa enden und Neuriten sind von Ganglien-
zellen der lamina ganghonaris (Fig. 107, h, h\ A"). Die Stammfortsätze dieser
unipolaren Ganghenzellen senden ihre Dendriten in die lamina ganghonaris, wo
dieselben den Endverästelungen der postretinalen Nervenfasern (Fig. 107,
i, *' und i") begegnen.
Aus obigen Angaben kann man mit Kenyox den Schluß ziehen, daß der
optische Reiz durch die Retinulazelle des Ommatidium empfangen und in ihren
Nervenfortsatz, der postretinalen Nervenfaser {i, Fig. 107), weitergeführt,
entweder durch die Fortsätze der Ganglienzellen h und a zu den Bechern des
protocerebrum geleitet werden kann, oder durch die Ganglienzellen A", e
und /' zum tuberculum opticum oder endlich durch die Elemente h, e" und d
zum Neuropilem des protocerebrum. Zweifelsohne sind dies nur Beispiele von
optischen Leitungsbahnen und werden später noch weitere entdeckt werden.
Ich werde die Resultate Kenyons, insofern sie den lobus opticus anbe-
langen, am Schluß meiner Besprechung der Insekten (S. 332) mit denjenigen
anderer Forscher vergleichen.
Haller (1905) hat eine Schilderung des Baues des Gehirns der ,, höheren
Insekten" gegeben, welcher Schilderung hauptsächhch das Studium des
Gehirns von Apis melhfica zugrunde lag. Weil es mir beim jetzigen Stande
unserer Kenntnis noch nicht erlaubt scheint, was man hier und dort bei einigen
wenigen Insekten beobachtet hat, zu verallgemeinern, bevorzuge ich es, die
Angaben Hallers alle auf die Biene zurückzuführen. Manche treffen aber
auch für andere Insekten (Vespa, Periplaneta) zu.
Haller gibt eine Beschreibung des Bienengehirns, welche ganz gut zu
der KENYONschen stimmt und durch die Figuren 105 und 106 illustriert werden
kann. Die corpora pedunculata (globuli nach Haller) sind besonders groß
und das Neuropilem derselben bildet zwei tiefe, durch eine Ganghenzellschicht
getrennte Becher. Das corpus centrale (Zentralganglion nach Haller) besteht
aus einem dorsalen und einem ventralen Neuropilem mit einer Ganghenzell-
schicht dazwischen. Dorsal vom Zentralkörper läuft nach Haller die dorsale
Komnaissur, ventral von demselben die ventrale Kommissur, mit der Anten-
nalkommissur verbunden. Die Schlundkonnektive sind stark verkürzt, sodaß
das untere Schlundganghon sich dem Hirnganghon unmittelbar anschließt
und das tritocerebrum in den Hintergrund gerät. Auch ist die pars intercere-
314 ARTHROPODA, TRACHEATA.
braus, zwischen und vor den corpora pedunculata der beiden Seiten wenig
entwickelt, weil die mediane Ozelle dem Gehirn unmittelbar obliegt. Haller
beschreibt auch den Bau des lobus opticus in einer Weise, welche mit der
KENYONschen Darstellung übereinstimmt und also durch Fig. 107 hinreichend
wiedergegeben wird.
Die Fortsätze der GangUenzellen der corpora pedunculata verästeln sich
bald und stehen nach Haller schon im Neuropilem der Becher mit Fortsätzen
von Ganglienzellen aus anderen Hirnteilen in Verbindung. Das stimmt mit
den KENYONschen Angaben und geht auch aus der Figur 105 hervor. Einige
Ganglienzellen der corpora pedunculata senden Fortsätze aus, welche in zwei
Bündeln zum Unterschlundganglion ziehen, während umgekehrt hier Ganglien-
zellen aufzufinden sind, welche ihre Ausläufer in die Stiele der corpora pedun-
culata senden.
Haller entdeckte bei der Biene Nervenfasern, welche aus dem corpus
pedunculatum zur medulla interna des lobus opticus zogen. In der obenge-
nannten dorsalen und ventralen Kommissur laufen nach ihm Fasern, welche
die lobi optici von links und rechts vereinigen.
Die Ausläufer von Ganglienzellen der pars intercerebralis waren oft für
Haller auf größeren Strecken zu verfolgen. Einige dieser Zellen senden Fort-
sätze zu den lateralen oder medianen Ozelle, wobei letztere von links und
rechts Nervenfasern bekommt. Die Fortsätze dieser Zellen verästeln sich und
nach Haller hängt jeder Zweig mit einer bipolaren Ganglienzelle zusammen,
welche ihrerseits eine Sehzelle innervieren soll. Weil wir sicher wissen, daß
die Sehzellen Sinnesnervenzellen sind, erregt diese Vorstellung Hallers viel
Zweifel. Dieselben intercerebralen Ganglienzellen, welche den Ozellen Fort-
sätze zusenden, senden andere Fortsätze zum Bauchstrang. Nach Haller hat
schon Kenyox diese Fasern (Fig. 100, h) beobachtet.
In der pars intercerebralis fand Haller andere Ganglienzellen, welche
mit ihrem Fortsatz die medulla intern«, des lobus opticus derselben oder der
gekreuzten Seite suchen, oder aber beiden medullae internae einen Ast über-
lieferten.
Noch andere Ganglienzellen der pars intercerebralis haben Fortsätze,
welche durch den Zentralkörper oder daneben in die Stiele der corpora pedun-
culata ziehen. Aehnliche Zellen sind mit .Vusläufern ausgestattet, welche sofort
kreuzen und dann das Bündel, welclicü flie coi-pora pedunculata mit dem Unter-
schlundgangUon verbindet, benutzen um den pedunculus zu erreichen.
tJanglienzcUen der pars intercerebralis senden Fortsätze in das Neuropilem
des Antennalgauglions derselben Seite oder- durch die Antennalkommissur in
das Antennalganglion der anderen Seite. Umgekehrt senden GangUenzellen
des Antennalgauglions die Fortsätze zui- pars intercerebi-alis.
So ist auch die pars interccrdnalis durch ein doppelläufiges Bündel mit
dem unteren Schlundganglion verbunden.
Viele Fasern verbinden verschiedene Teile des protocerebrum unter-
cinandei-. So senden lateral im jjrotocercbrum gestellte (langlienzellen Fort-
sätze durch die dorsale Kommissur zu den corpora pedunculata der anderen
Seite oder durch die ventrale Kommissui' zum Neuropilem der anderen Seite.
HEXAPODA, HYMENOPTERA. 315
Ventrale Ganglienzellen haben Ausläufer, welche zu dorsalen oder lateralen
Teilen des Neuropilems derselben oder der gekreuzten Seite ziehen oder zum
Zentralkörper.
Ueber das corpus centrale teilt Haller uns Folgendes mit. Es ist durch
ein Faserbündel mit dem unteren Schlundganglion verbunden und die Ur-
sprungszellen dieses Bündels liegen wenigstens teilweise im unteren Schlund-
ganglion. Seitenäste der Fortsätze dieser Zellen ziehen in einem Bogen zum
protocerebrum und bilden so den „vorderen Bogen". Diesem vorderen Bogen
mischen sich Fasern bei, welche Fortsätze sind von Ganglienzellen der pars
intercerebralis und von medianen und lateralen Ganglienzellen des ganglion
suboesophageum. Die Fortsätze der lateralen Ganglienzellen haben Seitenäste,
welche kreuzen und im Neuropilem enden.
Ganglienzellen des Antennalganglions senden ebenfalls die Fortsätze ins
corpus centrale und weil also der Zentralkörper mit manchen Gebieten
verbunden ist, sieht Haller darin ein Assoziationszentrum.
Es bleibt mir noch übrig die Bahnen des xA.ntennalganglions zu beschrei-
ben. Nach Haller suchen die Fortsätze mancher Ganglienzellen des Anten-
nalganglions das Unterschlundganglion, während dort gelagerte Ganglienzellen
Fortsätze aussenden, welche zwischen den glomeruli des Antennalganglions
enden.
In der Antennalkommissur laufen Nervenfasern, welche Ganglienzellen
des einen Antennalganglions mit dem Neuropilem des anderen verbinden.
Wiederum andere Ganglienzellen des Antennalganglions haben Fort-
sätze, welche in dem von Haller entdeckten ,, hinteren Bogen" laufen, durch
die dorsale Kommissur kreuzen und dann im Neuropilem enden.
Nach Haller nehmen die glomeruli Fortsätze mancher Ganglienzellen
des Antennalganglions auf und sind, wie er immer glaubt, auch die dortigen
Ganglienzellen untereinander unmittelbar durch Fortsätze vereinigt.
In dem Antennalnerven befinden sich nach ihm solche Fasern, welche in
den glomeruli enden (vergl. Fig. 105, /) neben solchen, welche aus Ganglien-
zellen des Antennalganglions hervorgehen. Letztere sind vielleicht die Fasern,
deren Ursprung Kenyon nicht erforschen konnte. (S. 308).
Ueber den Tritocerebralnerven meldet Haller uns, daß er nur Fasern
führt, welche im tritocerebrum enden. Er wäre dann rein sensibel. Wenn man
aber Jonescu (1909) glauben kann, hat Haller nicht den richtigen Namen
angewandt und nicht den nervus labralis (Kenyon, Fig. 106) oder labrofronta-
lis (Jonescu), sondern den motorischen Antennalnerven Tritocerebralnerven ge-
nannt, in welchem Falle natürlich auch motorische Nervenfasern da sein würden.
Als letzter hat Jonescu (1909) Untersuchungen und zwar vergleichende
über das Gehirn von Apis melhfica vollbracht. Ich ergreife diese Gelegenheit
zu melden, daß diese Arbeit aus dem ZiEGLERschen Laboratorium stammt,
woraus viele wertvolle und gedankenreiche Studien über das Nervensystem
der Evertebraten uns erreicht haben (z. B. Boettger (1910), Pietschker
(1911) und Bretschneider (1914).
Jonescu hat Schnittserien verfertigt und Silbermethoden angewandt.
Er fängt damit an das Gehirn der Bienenkönigin, der Arbeitsbiene und der
316 ARTHROPODA, TRACHEATA.
Drohne anatomisch zu beschreiben und die Unterschiede aufzuzählen. Weil
die Differenzen wohl in der Größe einiger Hirnteile, aber nicht oder sehr wenig
in ihrem Bau zu finden sind (die Drohne hat z. B. weniger glomeruli im Anten-
nalganghon als die Arbeitsbiene) sind die Leitungsbahnen im allgemeinen
dieselben. Es wird für die anatomischen Besonderheiten auf das Original ver-
wiesen.
JoNESCU nennt das chiasma interna das mittlere Chiasma, weil er hinter
der meduUa interna noch eine dritte Kreuzung der optischen Nervenfasern
zu sehen glaubt. Was er damit meint, lehrt uns schon die Figur 107. Zugleich
aber geht daraus hervor, daß die dritte Kreuzung nicht den beiden anderen
gleichzustellen ist, denn sie wird nicht gebildet durch gleichwertige Nerven-
fasern (wie / und /'), wie solches im chiasma externum und internum der Fall
ist {h, h',h" und e, e', e") und ohne welche man nicht von einem Chiasma im
lobus opticus reden darf. Ich erkenne hier also nur zwei chiasmata an, aber
man wird sich erinnern, daß Parker bei Astacus (S. 225) wirkhch ein drittes
Chiasma gleichwertiger Nervenfasern fand.
Die zwei corpora pedunculata, Assoziationszentra oder Intelhgenzorgane,
welche bei der Arbeitsbiene mehr entwickelt sind als bei der Königin und bei
dieser wiederum mehr als bei der Drohne, enthalten wie bekannt, becherförmige
Neuropileme. In diesen Bechern befinden sich nach Jonescu Ganghenzellen
(we die Zelltjrpen a und a\ Fig. 105 nach Kenyon), deren Neuriten in den
pedunculus und zu anderen Hirnteilen laufen. Ebenso bestätigte er den
KENYONschen Befund, daß an der Außenseite der calyces Ganghenzellen lie-
gen, welche ihren Fortsatz ins Neuropilem des Bechers senden ; nach ihm
endet er daselbst verzweigt. Neben den Randteilen der Becher fand Jonescu
Ganghenzellen, deren Fortsatz zum anderen Becher desselben Paares zog.
Diese merkwürdigen Zellen setzen also die beiden Becher desselben Paares in
Verbindung, ebenso wie Fasern der dorsalen Kommissur die corpora peduncu-
Iß-ta von links und rechts verbinden.
Daß es Nervenfasern gibt, welche die Becher mit dem lobus opticus ver-
binden, gibt Jonescu sowohl Kenyon als Haller zu, aber über die Besonder-
heiten dieser Verbindung läßt er sich nicht aus.
Betreffs der Fasern der Ozellarnerven lehrt Jonescu uns wiederum etwas
andres als Kenyon oder Haller. Er sagt, daß diese Fasern im Gehirn ein
chiasma bilden und zwar in der ,,Üzellarnervenbrücke", das heißt in der pons.
Ueber den lobus opticus teilt Jonescu uns Folgendes mit. In der lamina
gan^Sonaris (äußeren Fibrillarmasse nach Jonescu) liegen nach ihm keine
unipolaren Ganghenzellen, wie Kenyon darin begegnete (Fig. 107, h), sondern
bipolare Ganglienzellen, welche einen Fortsatz in die Bündel der postretinalen
Nervenfasern senden und den zweiten durch (he lamina ganghonaris hindurch
in das chiasma externum. Diese Angabe stimmt überein mit dem was Haller
bei der Libelle Gomphus (S. 283, Fig. 98, a, b, c, d) sah. Sonst haben alle
Forscher in der lamina ganglioiuiris nur unipolare Ganglienzellen gefunden.
Im ganglion cuneatum (keilförmigen Ganghon), wie man weiß eine Gan-
ghenzellgrui)pe zwischen den Fasern des chiasma externum vor der meduUa
externa gelegen und also zur äußeren Rinde dieser medulla gehörig, befinden
HEXAPODA, HYMENOPTERA. 317
sich nach Jonescu Ganghenzellen, deren Stammfortsatz sich spaltet in einen
Ast, welcher in das chiasma externum tritt und einen anderen, welcher in die
medulla externa (mittlere Fibrillarmasse) taucht oder selbst in das chiasma
internum eintritt.
Neben der medulla interna (inneren Fibrillarmasse) sah Jonescu Ganglien-
zellen mit geteiltem Stammfortsatz. Der eine Ast zog in das chiasma internum^
der andere in die medulla interna. Die beiden letzterwähnten Ganglienzell-
typen wurden weder bei Apis noch bei einem anderen Insekte von anderen
Forscherp. gefunden.
Die beiden lobi optici werden verbunden durch Nervenfasern, welche in
der hinteren Kommissur die Medianlinie überschreiten. Jonescu erkennt
neben dieser Kommissur und der ebenfalls schon erwähnten dorsalen Kommissur
eine ventrale und eine vordere Kommissur. In der vorderen Kommissur be-
finden sich nach ihm Fortsätze von Ganghenzellen des protocerebrum.
Ebenso wie Kenyon und Haller sieht auch Jonescu Faserbündel,
welche das Antennalganghon mit dem protocerebrum verbinden. Die Fasern,
deren Ursprung Jonescu erforschen konnte, gingen alle aus Ganghenzellen
des Antennalganghons hervor. Sie sind in zwei Bündel zusammengefaßt,
welche Jonescu den funiculus antennahs superior und inferior nennt.
Der funiculus antennahs superior spaltet sich in drei Bündel. Das erste
geht zur medulla externa und interna des lobus opticus derselben Seite, das
zweite zu den Stielen der Becher und das dritte zum lobus opticus der anderen
Seite. Das zweite Bündel war wohl auch von Kenyon (Fig. 105, g) und Haller
beobachtet worden, aber genaue Identifikation fällt mir schwer, weil nach
Jonescu auch der funiculus antennahs inferior zu den Bechern der corpora
pedunculata geht und auch dieser wohl gemeint sein kann. Die Dendriten
der Ganglienzellen, woraus der funiculus antennahs inferior hervorgeht, gehen
zu den glomeruli. Nicht der ganze funiculus zieht in die Becher, sondern
ein Teil bleibt im Neuropilem des protocerebrum und steht dort mit optischen
Fasern in Verbindung.
Die motorischen Fasern des nervus antennarius sah Jonescu aus Ganghen-
zellen des Antennalganghons entspringen. Sie bilden zwei Bündel, eins zum
basalen Gliede der Antenne und eins zu den anderen Ghedern.
Ueber die Nerven, welche aus dem deutero- und tritocerebrum, sowie aus
dem Unterschlundganglion hervorgehen, herrscht sehr viel Uneinigkeit.
Jonescu erkennt zwei Paar Antennalnerven, während Kenyon im Stande
war drei Antennalnerven (vergl. Fig. 106) zu unterscheiden. Aus dem trito-
cerebrum entspringt der Tritocerebralnerv. Darunter versteht Kenyon den
Labrainerven, welchen Nerven Jonescu Labrofrontalnerven nennt, aber
Haller betrachtet nach Jonescu den motorischen Antennalnerven irrtüm-
lich als Tritocerebralnerven und Janet nennt so bei der Ameise den Nerven,
welcher den musculus dilatator inferior pharyngis innerviert. Auch werden
Nerven des ganglion suboesophageum oft ungenau beschrieben. Ich brauche
darauf nicht einzugehen, weil die Leitungsbahnen dieser Nerven doch nicht
bekannt sind.
Nach Jonescu erhält der Labrofrontalnerv (Fig. 106, n. Ibr.) motorische
318 ARTHROPODA, TRACHEATA.
Nervenfasern aus Ganglienzellen, welche hinter dem deuterocerebrum und
also im tritocerebrum gelegen sind. Ventral im unteren Schlundgangli(Mi
befinden sich nach ihm Ganglienzellen, welche ihren Neuriten in den Mandi-
bular-, Maxillar- oder Labialnerven senden und ihre Dendriten ins Neu-
ropilem des Unterschlundganglions. Die Zellen des Mandibularnerven hat
Kenyon (Fig. 106, l) wahrscheinlich schon beobachtet.
Was JoNEsrr an Bruchteilen von Neuronen beschrieben hat, lasseich
wiederum fort.
Einige Teile de.s pei-iphoreii Nervensystems der Biene haben in jüngster Zeit Bear-
beitung gefunden. So hat Schön (1911) den Bau des tibialen Chordotonalorgans unter-
suciit. Weil er aber hauptsächlich Ameisen zu seinen Forschungen verwandt hat unil
er zwischen Bienen und Ameisen keine Unter.schiede fand, \er\veise ich den Leser auf
meine Behandlung der Ameisen (S. 321).
Mc Indüo (1914) hat in jeder der Kiechporen, welclie an verschiedenen Stellen des
Bienenkörpers vorkommen eine Sinnesnervenzelle entdeckt, welche sich in eine Nerven-
faser fortsetzt. Die Sinnesnervenzelle ist deutlich bipolar und oft liegen die Zellkörj)er
in einiger Entfernung luiter den Poren. Ich glaube, Mc Indoo hat hier unzweifelhaft
Sinnesnervenzellen nachgewiesen.
Neben der Biene hat unter den Hj-mcnoptcren auch die Wespe (Vespa)
oft die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Grenachkr (1879) hat konstatiert, daß bei Vespa communis und ebenso bei Crabro
cribarius, welcher mit A'espa, Apis und Formica zu den Aculeaten, einer l'nterabteilung
der Hjmenopteren gerechnet wird, die Hetinazellen der Ozellen sich in Nervenfasern
fortsetzen und also Sinnesnervenzellen sind.
BuET.sCHLi (1885) hat genneint in den Riechorganen der Antennen von Vespa crabro
bipolare Sinnesnervenzellen zu entdecken, welche durch ihren zentralen Fortsatz mit
einem tiefer liegendenGanglion in Verbindung ständen. Ebenso beschrieb Vom Hath (1895)
in den Antennen von Ichneumon (einem der Terebrantia), Vespa und Anthophora und
Eucera (ebenso wie die Honigbiene Apiden) unter den Kegeln und Membrankanälen,
wie gewisse Typen von Sinneshaaren genannt werden, bipolare Sinnesnervenzellen mit
Sinnesfortsätzen bis zur Spitze des Haares. Man weiß, daß und waruTTi ichdieBuETSCHLi-
schen untl Vom RATHschen Angaben bezweifle (vergl. die Einleitung dieses Kapitels).
ScHOEN (1911) fand die Chordotonalorgane der Wespen ebenso wie diejenigen
rier Ameisen gebaut und ich verweise also abermals auf diese Tiergruppe.
Die Hodologie des Zentralnervensystems von Vespa ist nur von Viallanes (1887a)
studiert worden imd auch dieser Üelehite hat mehr die mikroskopische Anatomie des
(lehii-ns beschrieben und mit schönen .Abbildungen ilhistriert, als daß er flie Wege der
i^eitungsbahncn verfolgt hat. Viai.lanks arbeitete mit N'^espa crabro untl \'ulgaris ohne
auch einen einzigen unterschied im Hirnbau zwischen V^eiden zu beobachten. Natürlich
zeigt der Bau des Gehirns der Wespen die allgemeinen Verhältnisse der Hymenopteren,
wora'Tich nach meiner Beschi-eibung von Apis nicht einzugehen brauche.
Was Viallanes uns über den Verlauf der Nervenfasern mitteilt, hat meistens nur
geringen Wert, l 'ober den lobus opticus finde ich Folgendes erwähnt. Die postretinalen
Nervenfasern durchziehen nach ihm die lamina gangliunaris und werden Fasern des
chiasma externum um in die medulla externa einzutreten. Dieses läßt sich bezweifeln
auf (Jruud unserer Kenntnis flieser Nervenfasern bei anderen Insekten. Wahrsclieinlich
enden die [xistretinalen Xervenfaseiii .schon in der lamina ganglionaris. Daß die Zellen
der ..ma,sse ganglionaire antörieure", einer (Janglienzellgruppe neben der medulla externa,
ihre Fortsätze in die medulla externa senden, ist sehr glaubwürdig, aber nicht sehr wich-
tig, ebensowenig wie die iJemerkung, daß (Janglienzellen neben der medulla interna ihre
Fortsätze darin hineinsen'len oder daß die Fasern des chiasma interiunn die merlulla
HEXAPODA, HYMENOPTERA. 319
externa und interna verbinden. Wichtiger ist die Entdeckung, daß eine Kommissur die
lobi optici und zwar die meciullae internae von links und rechts vei-bindet.
Im protocerebrum sah Viallanes die corpora pedunculata und in der Höhlung
der beiden ealyces GangUenzellen, welche ihre Fortsätze ins Neuropilem der Becher
sandten. Ein ähnliches Verhältnis also wie bei der Biene, aber Viallanes sah auch die
pedunculi mit Ganglienzellen belegt, deren Fortsätze in die Stiele eintraten und das war
bei Apis nicht der Fall.
Viallanes sah die corpora pedunculata von links und rechts durch eine'Kommissur
verbunden und wir wissen, daß Kenyon und Jonescu diese Kommissur bei der Biene
beobachtet Iiaben. Im protoeerebrvim fand er weiter eine obere und eine untere Kommissur
erstere teils vor, teils hinter dem corpus centrale laufend.
In beiden Hälften des protocerebrum sah Viallanes ein besonderes Neuropilem,
daß er tuberculum opticum nannte, weil es durch Nervenfasern mit dem lobus opticus
verknüpft war. Er entdeckte auch schon die Kommissur zwischen den beiden tubercula
optica, welche später bei der Biene von Kenyon commissura anterior genannt wurde.
In der Peripherie des protocerebrum liegen Ganglienzellgruppen. Was Viallanes
über die Wege ihrer Fortsätze sagt, bedarf der Bestätigung, weil seine Methoden imzu-
reichend waren. So meldet er hinten im protocerebrum Ganglienzellen mit Fortsätzen
in den pedunculi ; median gestellte Zellen senden ihre Fortsätze ins corpus centrale,
wiederum andere Zellen in das Antennalganglion (lobus olfactorius) oder in andere
Hirnteile. So findet man nach Viallanes bei Vespa auch Nervenfaserbündel in den
Schlundkonnektiven, welche im protocerebrum kreuzen, aber gerade für Nervenfasern,
welche auf so langen Strecken verfolgt sein sollen, ist es sehr notwendig, daß sie auch
mit anderen Methoden nachgewiesen werden.
lieber das deutero- und tritocerebrum kann ich kurz sein. Das tritocerebrum der
Wespe ist sehr mangelhaft entwickelt. In der Rinde des Antennalganglions sah Viallanes
Ganglienzellen init Fortsätzen im Neuropilem, aber weiter konnte er ihnen nicht folgen.
Auch über die Ameisen liegen einige, sei es auch spärliche xA.ngaben vor.
Vom Rath (1895) behauptet] auch bei Formica Sinnesnervenzellen unter vei--
schiedenen Sinneshaaren der Antenne gesehen zu haben.
Pietschker (1911) hat das Gehirn von Camponotus ligniperdus teüweise nüt Sil-
bermethoden bearbeitet. Dessenungeachtet hat er wohl manche Besonderheiten der
mikroskopischen Anatomie des Gehirns entdeckt und das Gehirn der Arbeiterin höher
entwickelt gefvmden als dasjenige des Weibchens und dieses wiederum besser als das
Gehirn des Männchens, was auf Größenunterschiede der lobi optici und corpora pedvmcu-
lata zurückzuführen war, aber Reizleitvmgsbahnen hat er nicht nachgewiesen und ich
beschränke mich darauf seine Arbeit als einen guten, modernen, aber nicht hodologischen
Aufsatz anzuzeigen.
Mehr Resultate hinsichthch der Leitungsbahnen hat Fräulein Thompson
(1913) gehabt, obgleich sie keine spezifischen Nervenfärbungen anwandte. Sie
hat Puppen von drei Ameisenarten, Camponotus, Formica und Lasius als
Material gewählt. Im protocerebrum erkennt sie nur zwei Kommissuren an.
Die eine ist die commissura dorsalis anterior über dem corpus centrale gelegen,
welche Fräulein Thompson homologisiert mit der ,,commissure cerebrale
superieure", welche Viallanes, der ,,superior dorsocerebral commissure",
welche Kenyon und der ,, dorsalen Kommissur", welche Jonescu bei anderen
Insekten beobachtet haben. Fräulein Thompson weist jedoch den Lauf der
Nervenfasern dieser Kommissur, das wichtigste Merkmal für jede Homolo-
gisierung, ganz unzureichend nach. Die zweite Kommissur nach Thompson
ist die pons, wie bekannt ein medianes Neuropilem, aber gar keine Kommissur
im übüchen Sinne des Wortes. Sie weist darauf hin, daß der Name ,,Ozellar-
320
ARTHROPODA. TRACHEATA.
nervenbrücke", welche Jonescu und Pietschker der pons zuteilen, nicht
immer richtig ist und deshalb nicht mehr gebraucht werden soll ; bei der
Königin von Lasius niger z. B. haben die Ozellarnerven nichts mit der pons
zu schaffen. Auch mir scheint der Name pons der beste.
Fräulein Thompson hat den corpora pedunculata besondere Aufmerk-
samkeit gewidmet und Fig. 108, welche ein corpus pedunculatum der Arbei-
terin von Camponotus darstellt, soll ihre Angaben illustrieren. Jeder calyx
(Fig. 108, c.) wird umge-
Fig. 108. ben von vier Ganghenzcll-
gruppen (I bis IV) ; eine
ist in der Höhlung des
Bechers gelegen und die
drei anderen liegen kreis-
förmig auf dem Becher-
rande und um den
Becher herum. Die Gang-
henzellen der Gruppe I,
Fig. 108, sind groß und
sie senden ihren Neuriten
ins Zentrum des pedun-
culus. Fräulein Thompson
betrachtet diese Zellgrup-
pe als ein wichtiges mo-
torisches Zentrum. Die
Zellen der zweiten Gruppe
(Fig. 108, II) senden ihre
Neuriten so in den pedun-
culus, daß sie die Neuri-
ten der Gruppe I umrin-
gen. Die Zellen selbst
sind klein und haben
ovale Kerne. Die Zellen
der Gruppe III sind eben-
falls klein, aber sie haben
runde Kerne. Ihre Neu-
riten dringen in den
Becher ein, sind jedoch
nicht weit zu verfolgen.
Man weiß, daß solche Zellen von Kenyon und JoNEsrr auch bei der Biene
außerhalb der Becher gefunden worden sind. Die Ganglienzellen der vierten
Gruppe (Fig. 108, IV) sind die kleinsten ; wie ihre Neuriten laufen, wird nicht
erwähnt. Die verschiedenen Typen der (Ganglienzellen des Bechers werden,
also durch die TnoMPSONschen Untersuchungen klarer dargestellt als von
anderen Forschern.
Sehr wichtig ist die merkwürdige Entdeckung Thompsons, daß einige
Leitungsbahnen der corpora pedunculata nicht bei allen Erscheinungsformen
Schematischer Querschnitt durch einen Teil des Gehirns
der Arbeiterin von Camponotus pennsylvanicus.
Abgeändert nach Thompson (1913), Taf. (i, Tig. 33.
a = Ganglienzelle
I bi.s IV = Ganglienzellgruppen der corpora pedunculata
= calyx
= corpus pedunculatum
/. md. = lobus mandibularis des gangUon suboeso-
phageum.
= pedunculus
c.
c. p.
HEXAPODA, HYMENOPTERA. 321
derselben Art (Arbeiterin, Männchen und Königin) vorkommen. Das Gehirn
der Königin hat mehr Bahnen als dasjenige der x\rbeiterin oder des Männchens.
Die Ameisen weichen darin ab von den Bienen, wenn man Jonescu glauben
kann. Auch weichen die verschiedenen Ameisenarten untereinander in ihren
Leitungsbahnen ab.
Bei den Arbeitsameisen von Camponotus und Formica fand Fräulein
Thompson im lobus mandibularis des unteren Schlundganglions Ganglien-
zellen (Fig. 108, a), deren Fortsätze ein Bündel bilden, welches vor dem pe-
dunculus der corpora pedunculata hinläuft, in der commissura dorsalis anterior
kreuzt und bis zum corpus centrale weiter geht. In der Figur 1U8 ist dieses
Bündel bei X abgebrochen.
Das tritocerebrum bildet zwei ganz reduzierte lobi, welche in der Mitte
dem UnterschlundgangHon aufsitzen. Einige Ganglienzellen darin senden ihre
Fortsätze in eine der beiden Wurzeln des ungepaarten Tritocerebralnerven.
Ich glaube hiermit die wiedererkennbaren Leitungsbahnen, welche Fräu-
lein Thompson erwähnt, zitiert zu haben, lasse aber manche ungenügend
erforschte Bahnen ohne bekannten Beginn oder bekanntes Ende fort.
Einige Sinnesorgane der Ameisen haben in Schoen (191]) einen Forscher gefunden.
ScHOEN erklärt sich, wie ich schon S. 200 bemerkte, hinsichtlich der Innerviernng der
Sinneshaare mit Vom Rath einverstanden. So sieht er in der Haut der Tibia von Lasiiis
Sinneshaare, worin unter der Hvpodermis gelagerte bipolare Sinnesnervenzellen ihren
perijaheren Fortsatz senden, während ihr zentraler Fortsatz in einen Fortsatz einer Gan-
glienzelle eines in den Subgenualnerven eingeschalteten Ganglions übergeht. Die Mem-
branenkanäle von Lasius (abgeänderte Sinneshaare) werden in gleicher Weise innerviert
und nicht anders ist die Innervation der Sinneskegel der Tibia von Camponotus und
Formica.
Von Schoen wurden auch die ( rehörorgane oder Chordotonalorgane verschiedener
Ameisenarten studiert. Leider sind seine Auseinandersetzungen nicht sehr klar. Der
Subgenualnerv des Beines gibt, wie er sagt, seine Fasern den ,, Sinneszellen" des Organes
ab. Wenn man näheren Aufschluß darüber verlangt, was er damit meint, kann man in
seinen Abbildungen sehen, daß die Nervenfasern des Subgenualnerven unmittelbar in
die bipolaren Sinneszellen übergehen, m. a. W., daß die Subgenualnervenfasern Fort-
sätze der Sinneszellen sind. Nach Schoen ,, gehen die Sinneszellen über" in die Umhül.
lungszellen, woraus ich ableite, daß er die Zellgrenzen dieser Zellen nicht gut beobachten
konnte. Die Umhüllungszellen umgeben den basalen Teil des peripheren Fortsatzes der
Sinneszelle. Außerhalb der Umhülhmgszellen liegen die Kappenzellen, worin die Spitze
des Sinnesfortsatzes der Sinneszelle eindringt. Neben den Kappenzellen liegen die keu-
lenförmigen Zellen, welche in eine dünne Endfaser sich verjüngen, welche zwischen den
Hypodermiszellen endet. Nach Schoen sind die Kappenzellen und die keulenförmigen
Zellen Hilfszellen des Sinnesorganes und selbst nicht nervös. Wahre Sinneszellen würden
also fehlen und die ,, Sinneszelle" wäre eine sensibele Ganglienzelle mit freien Nerven-
endungen, aber der Bau dieser Chordotonalorgane liefert noch zu viel Schwierigkeiten
um zu diesem Schluß berechtigt zu sein.
Schoen fand die Chordotonalorgane der Bienen, Wespen, Hummeln und Terebrantia
ebenso gebaut, wie dasjenige der Ameisen.
Es bleibt mir jetzt noch übrig eine ScHENKsche Arbeit zu erwähnen (Schenk 1903),
welche sich nicht nur mit Bienen. W^espen oder Ameisen beschäftigt, sondern zehn Hy-
menopterenarten behandelt imd zwar die Tnnervierung ihrer verschiedenen Sinneshaare.
Durch Wort und Bild erregt Schenk den Eindruck, als wenn in den Sinneshaaren immer
Sinnesnervenzellen gefunden würden, so z. B. in den sensilla basiconica von Vespa crabro,
in den sensilla placodea (Porenplatten oder Membranenkanälen) von Vespa crabro und
DROOGLEEVER FORTUYN. 21
322 ARTHROPODA, TRACHEATA.
Apis mellifica u. s. w. Schenk schließt sich also in dieser Hinsicht Vom Ratti an, aber
überzeugende Beweise für seine Ansicht gibt er nicht, es wäre nur weil er die Haarzellen
fast immer verschweigt.
Ebenso, wie die Hymenopteren sind auch die Dipteren oft auf ihre Lei-
tungsbahnen untersucht worden und zwar hat das Genus Musca immer im
Zentrum des Interesses gestanden. Ich werde Musca daher getrennt behandeln
und die übrigen Dipteren folgen lassen.
Es ist wiederum Berger (1878), welcher vuis schon in alten Zeiten Mitteilungen
macht über die Leitungsbahnen im (Jehirn einiger Muscaarten. Er sieht im Cehirn die uns
von anderen Insekten schon bekannten (xebüde wie corpora pedunculata, corpus centrale
(von ihm fächerförmiger Körper genannt), Antennalganglion u.s.w. Leber dem Zentralkör-
per beschreibt er einige riesengroße (langlienzellen mit Fortsätzen, welche nach außen
und nach liinten laufen. Die beiden Antennalganglien sah er durch eine Kommissm-
verbiuiden und überdies bemerkte er daß die Nervenfasern darin aus dem Antennal-
nerven stammen und meistens zum Antennalganglion der anderen (Jehirnhälfte gehen.
Im lobus opticus sah er das äußere und das innere Chiasma. Wie so mancher nach ihm,
wie z. B. Bellonci (1886), konnte er nicht die Nervenfasernder chiasmata verfolgen.
Solches bheb anderen voibehalten. Berger entdeckte auch eine commissura optica.
Aus dem unteren Schhmdganglion sah Berger einen Nerven zu den Mundteilen
hervorgehen. Einige Fasern dieses Nerven sah er aus Ganglienzellen des ganglion suboe-
sophageum entspringen, die meisten aber kamen aus dem Gehirn, "wobei diejenigen, welche
aus der anderen Hirnhälfte kamen, im unteren Schlundganglion die Medianlinie kreu/ten.
Nach Berger hat Viallanes sich mit dem Nervensystem der Dipteren befaßt. Hier
will ich nur dasjenige referieren, was er über Musca mitteilt ; das übrige folgt später.
Er.stens hat Viall.\nes (1882), welcher manchmal Vergoldung der Xervenelemente
anwandte, bei der Larve von Musca vomitoria unter der Hypodermis einen (Janglien-
zellplexus entdeckt. Die Zellen dieses Plexus anastomosieren mit ihren Fortsätzen; andere
Fortsätze bilden Nerven, welche ihrerseits einen Nervenplexus bilden ; noch andere enden
scheinbar frei. In den Nervenplexus waren (Janglien eingeschaltet, aber die Fortsätze
dieser Ganglienzellen waren nicht verfolghar.
Zweitens hat Viallanes den Lauf der Nervenfasern im lobus opticus der Puppe
von Musca vomitoria untersucht. Seine unzureichenden Methoden haben ihm darüber
grundfalsche Vorstellungen gegeben, welche er zum Teil später selbst (Viallanes 1885)
geändert hat. Es nützt nicht, seim; damaligen Anschauungen hier in extenso wieder-
zugeben.
Bevor noch Vi.\llane.s (Gelegenheit hatte seine Ansichten ül)er den lobus opticus
von Musca zu verbessern, hatte Hickson (1885) .seine Untersuchungen über den lobus
opticus von Musca vomitoria publiziert. Hickson hat eine eigene Nomenklatur aufge-
stellt, welche bei vielen (Jeiehrten (so bei Ca.jal) l^]ingang gefunden hat und welche
ich fleshall) hier mit der meiiügen, welche sich älteren Beneimungen anschließt, verglei-
che^ji will. Hickson mtn nennt die lamina ganglionai-is das periopticon, die medulla
externa mit umgebenflen ( Janglienzellen das e|)iopticon luid die medulla interna mit
umgebenden Ganglienzellen das opticon. Daß Hickson auch die beiden chiasmata sieht,
braucht fast nicht gesagt zu werden Was Hickson über die Wege der Nervenfasern sagt,
kann heute im allgemeinen keinen (Jlauben mein- finden. Er sieht die beiden n\edullae
umgeben von einer Rinde von ,,Nervenz('ll(ir", welche durch ihre geringen Cytoplas-
mamengen von ,, Ganglienzellen" zu unterscheiden sind. Die XervenzellcMi hängen ge-
genseitig mit Fortsätzen zusammen. Die Xeivenfasern anastomosieren nach ihm in
jeglidier W(!ise, in wi-lchem Falle man über anatomisch bestinuiite Reizleitungshahnen
tatsächlich nicht sprechen könnte. Dennoch treten nach ihm die nachstehenden l^eitungs-
bahnen hervor. Die Nervenfasern, welche die retinulae des zusammengesetzten Auges
innervieren, sind nach Hickson Fortsätze von Nervenzellen der lamina ganglionaris
HEXAPODA, DIPTERA. 323
Wir wissen aber jetzt, daß diese Nervenfasern Fortsätze der Retinulazellen sind, wie
bei allen Insekten erwiesen worden ist, bei Mvisca besonders von Cajal (1909). Andere
Nervenzellen der lamina ganglionaris senden einige Fortsätze in das chiasina externum,
während sie durch andere mit zylinderförinigen Netzen verbunden sind, welche in der
lainina ganglionaris gelegen sind. Wie ich glaube, stimmen diese Netze in manchen Hin-
sichten mit den Neurommatidien von Vial,lanes überein. Nach Hickson hängen sie
untereinander zusammen und werden sie gebildet durch wiederholte Verzweigung von
Nervenfasern, welche aus der medulla externa herstammen und also das chiasma externum
passiert haben. Wahrscheinlich hat er darin nicht Recht (vergl. Vidier, S. 330).
ViAtLANES (1885) lehrt uns schließlich Folgendes über die Bahnen im lobus opticus
von Musca vomitoria. Weil aber Eristalis tenax und Stratiomys chamaeleon nach ihm
von Musca nicht abweichen, sind seine Angaben wohl als für alle Dipteren gültig betrachtet.
ViALLANES hat nur die Larven der genannten Insekten untersucht, wo das zusammen-
gesetzte Auge nur noch Imaginalscheibe ist und jedes Ommatidium nach ihm von einer
optogenen Zelle vertreten wird, wo aber der lobus opticus schon weit ausgebildet ist und
die gleichen Teile zeigt wie bei der Imago nur etwas mehr zusammengedrückt. Die op-
togene Zelle verjüngt sich nach Viallanes in eine postretinale Nervenfaser. Weil später
aus der optogenen Zelle sieben Retinulazellen mit sieben postretinalen Nervenfasern
hervorgehen, wird die Vorstellung geweckt, wie wenn die eine postretinale Faser der
optogenen Zelle sich der Länge nach in sieben Fasern teile. Es kann aber auch sein, daß
Viallanes iri'tümlich sieben postretinale Fasern als eine einzige betrachtet hat, wie er
solches auch vorher (1882) getan hat. Dieser Pvinkt soll also bestätigt werden.
Die lamina ganglionaris besteht aus drei Schichten, von denen die äußere Ganglien-
zellen enthält. Die postretinalen Fasern gehen nach Viallanes wenigstens bis zur mitt-
leren Schicht der lamina ganglionaris, wahrscheinlich aber weiter durch das chiasma
externum in die medulla externa. Wir werden sehen, daß Cajal (1909) beide Endigungs-
weisen verwirklicht gefunden hat. Die Zellen der äußeren vSchicht der lamina ganglionaris
sind unipolare Ganglienzellen, welche ihre Fortsätze zur mittleren Schicht senden, welche
nur aus Fasern besteht. Vialj^anes hat, wenn er diesen Fasern zu ihrem Ende hat folgen
können, dieselben Zellen, wie Cajal (Fig. 109, c) gesehen. Die medulla interna und exter-
na haben beide Ganglienzellgruppen neben sich, deren unipolare Zellen die Fortsätze
darin aussenden.
Radl (1902) hat nvu- oberflächlich und viel zu wenig genau die Struktm* des Zen-
tralnervensysteins der Evertebraten studiert. Wenn er sagt, daß bei Musca und anderen
Insekten die Leitungsbahnen des Auges unverzweigt und ununterbrochen die lamina
ganglionaris dm-chsetzen, so mag das bei Musca für einige Fasern (die langen von Cajal
(1909) endgültig nachgewiesenen postretinalen Nervenfasern) zutreffen, im allgemeinen
ist solches gewiß nicht wahr.
Die letzte und zugleich bei weitem die beste Arbeit, welche mir über die
Leitungsbahnen im lobus opticus von Musca vomitoria bekannt ist, wurde
von Cajal (1909) verfaßt. Er arbeitete mit der GoLGischen Methode und
kontrolierte seine Resultate an Hämatoxylinpräparaten, fürwahr eine sehr
gute Gewohnheit. Cajal gibt rnanchmal andere Namen als die hier gegebenen.
So rechnet er die lamina ganglionaris mit zur Retina. Die Schicht der post-
retinalen Nervenfasern kann demzufolge diesen Namen nicht beibehalten
und wird von Cajal lamina fenestrata genannt, weil Tracheen darin Oeffnungen
bilden. Die GangHenzellschicht der lamina ganglionaris nennt Cajal
lamina ganglionaris (sensu stricto), die Faserschicht der lamina gangHonaris
(welche auch Stützzellen enthält) lamina plexiformis. Cajal versucht mit
diesen Namen die Uebereinstimmung der Retina der Vertebraten mit der
„Retina" der Insekten zum Ausdruck zu bringen, so sagt er auch, daß die
324
ARTHROPODA, TRACHEATA.
Nervenfasern, wckhe die lanüna ganglionaris (Retina na e li Cajal) verlassen,
den ..nervus opticus" bilden, al)er mir scheint es so gesucht und dabei so ver-
fehlt alles was man in der Retina der \'ertebraten findet bei den Insekten
wiederfinden zu wollen, daß ich ihm darin nicht folgen kann.
Jedes Ommatidiuni (Fig. 109, o.) wird nach C'ajal von sieben post-
retinalen Nervenfasern verlassen (Fig. 109 ,/. p. r.), welche Fortsätze der sieben
Retinulazellen des Ommatidium sind. Das war uns schon von anderen Insekten
bekannt. Cajal hat aber die wichtige Entdeckung gemacht, daß diese sieben
Nervenfasern nicht alle einander gleich sind. Es befindet sich darunter eine
lange und zugleich dicke Nervenfaser (Fig.
109, a) und sechs kurze und düinie (Fig.
109, «■).
Die langen und dicken Fortsätze
y. p.n |,a -Ot (jgj. Retinulazellen durchziehen ohne wei-
109.
p.n ,a'
(
b-
Fig.
II UM 11 + "-
<5
0^
oL
k
e.
teres die lamina ganglionaris, werden zu
Nervenfasern des chiasma externum und
enden in der medulla externa (Fig. 109. a
und Fig. HO, a).
Die kurzen Fortsätze der Retinula-
zellen enden schon in der lamina ganglio-
naris (Fig. 109, a). Die Ganglienzell-
schicht der lamina ganglionaris enthält
zwei Zelltypen : große und kleine unipo-
lare Ganglienzellen (Fig. 109, h und c).
Die großen Zellen haben einen Fortsatz,
welcher durch das chiasma externum in
die medulla externa tritt und dort endet
(Fig. 109 und 1 10, h) und Cajal bemerkt,
wie ViGiER (1908) kurz vorher diesen Zell-
typus schon bei anderen Dipteren als
Musca beschrieben hatte. Der Stamm-
fortsatz dieser Zellen spaltet in der Faser-
schicht der lamina ganglionaris zahlrieiche
kurze Aestchen ab (Fig. 10!)) und es ist
zwischen diesen Aestchen. daß die kurzen
postretinalen Nei-venfascrn enden. Wahrscheinlich geht also hier der Reiz
vor*"«' auf h über. Querschnitte durch die lamina gangMonaris lehrten C.ajal,
tlaß jeder Stammfortsatz einer Zelle h mit sechs bis acht kurzen post retinalen
Nervenfasern in \'crbindung steht. Diese Fasern stammen jedoch aus vcrscjue-
denen Ommatidien und Cajal stimmt \'K!ih:R bei, wenn er sagt. niil seinen Seiten-
ästchen bildet mit der («ruppc umgebender Xeiventaseiii ein Xeuronima-
titlium, wie solches V'iallanks, Hickson und N'kükk l)ei i)i|)teren be()l)achtet
haben und wie meiner Meinung nach auch Zaw ahzin l)ei .\eschiui gesehen hat.
Die kleinen Canglienzellcn der lamina ganglionaris (Fig. 109. r) haben
Schema einiger Leitungsbahiien der
lamina ganglionaris inn lobus opticus
von Musca vomitoria.
Abgeändert nach Cajal (1009).
a = lange jKJst retinale Nervenfaser
a' = kurze postretinale Nervenfaser
6, c = Ganglienzellen
= Nervenfaser
= chiasma externum
= fibrae postretinales
= lamina ganglionaris
= oiMiiiat idiurii
eh.
i.V.
l.
HEXÄPODA, DIPTERA.
325
einen Fortsatz, welcher noch innerhalb der lamina ganglionaris endet. In der
lamina ganglionaris enden überdies zentrifugale Nervenfasern (Fig. 109, d),
welche mit ihren Endverästelungen besonders die Ganglienzellen c umspinnen.
Ihre Herkunft blieb Cajal unbekannt ; Zawarzin glaubt dieselbe in Ganglien-
zellen der medulla externa suchen zu müssen (vergl. S. 286).
Hinter dem chiasma externum folgt, wie bekannt, die medulla externa
(Fig. 110, m. e.). Das Neuropilem derselben zeigt nach Cajal vier Faserschich-
ten (Fig. 110, 1 bis 4). Außerhalb derselben hegt eine Ganglienzellrinde, wel-
che von den Fasern des chiasma externum durchzogen wird. Diese Fasern
trennen die Ganglienzellen
in drei Gruppen, deren
mittlere das ganglion cunea-
tum (keilförmiges Ganglion)
genannt wird, während der
vordere und hintere Teil
zusammen Corona ganglio-
naris heißen. Weil die Gang-
lienzellen dieser Teile nicht
verschieden sind, Cajal hat
es bei Musca deutlich ge-
zeigt, so fühle ich auch hier
kein Bedürfnis ganglion
cuneatum und Corona gan-
glionaris zu unterscheiden
und spreche also nur über
die äußere Ganglienzellrin-
de der medulla externa.
Die äußere Ganglienzell-
rinde der medulla externa
enthält zwei Ganghenzell-
typen, welche nach Cajal
den Amakrinen der Verte-
braten-Retina gleichen, aber
Schema einiger Leitungsbahnen der medulla externa
im lobus opticus von Musca vomitoria.
Abgeändert nach Cajal (1909).
a — lange postretinale Nervenfaser
Nervenfasern
Ganglienzellen
chiasma externum
medulla externa
Faserschichten der medulla externa
b, g, h
e, f
eh. e.
m. e.
1 bis 4
das tun so manche der uni-
polaren Ganglienzellen der Evertebraten, daß solches keine nähere Verwandt-
schaft dieser Zellen mit Amakrinen beweisen kann. Der erste Typus (Fig.
110, e) hat einen zentral gerichteten Fortsatz, welcher nicht weiter geht als
die Grenze der ersten und zweiten Faserschicht der medulla externa. Der
zweite Typus (Fig. 110, /) besitzt Fortsätze, welche sich nur in einer Ebene
verzweigen und jedenfalls bis in die zweite plexiforme Schicht, vielleicht auch
bis zu der dritten und vierten sich erstrecken. Oft liegen die Endveräste-
lungen dieser Ganglienzellen neben den letzten Verzweigungen von zentri-
fugalen Nervenfasern (Fig. 110, g und h), welche vielleicht aus dem Gehirn
stammen.
Man hat schon erfahren, daß auch die langen post retinalen Nervenfasern
und die Fortsätze der Ganghenzellen b der lamina ganglionaris in der medulla
326
ARTHROPOD A, TRACHEATA.
m.e.
externa enden. Hier ist die geeignete Stelle zu bemerken, daß die postreti-
nalen Nervenfasern (Fig. 110, a) erstens in der ersten Faserschicht der medulla
externa und zweitens in der zweiten oder dritten Faserschicht Verästelungen
treiben. Die erstgenannten Kollateralen sind dabei auf gleicher Höhe wie die
Endverästelungen der Fasern b (Fig. llü), welche in der ersten plexiformen
Schicht und an der Grenze der ersten und zweiten enden.
In der dritten und vierten Schicht des Neuropilems der medulla externa
verbreiten sich zarte Fasern unbekann-
ter Herkunft.
Hinter der medulla interna trifft
man das chiasma internum (Fig. 111,
eh. i.) und dahinter die medulla interna
(Fig. 111, 7)1. i.). Es liegen, wie bekannt,
einige Ganglienzellgruppen daneben,
welche Cajal ganghon posterius (Fig.
(Kn9/ y 1.--^— -Kv. \ \ ^^^' ^■V-)i ganglion anterius externum
Ol / / /^^^ I V \ I (f/. r/. e.) und ganghon anterius internum
(^. (/. /'.) nennt.
Im ganglion anterius externum fand
Cajal große Ganghenzellen (Fig. 111,
i). Ihr Fortsatz tritt in die medulla ex-
terna ein und läuft in einer der vier Neu-
ropilemschichten der Überfläche j)aral-
lel. Bisweilen verästelt sich eine Kolla-
l \ 7^ I I r^ terale in einer anderen Schicht als in
b' " " "^^ derjenigen, wo der Neurit läuft; so z. B.
kommt es vor, daß der Neurit in der
dritten Faserschicht dei-meduliaexterna
liegt und Kollateralen in der ersten
oder zweiten sich befinden.
Das ganglion posterius enthält klei-
ne Ganglienzellen (Fig. 111, j), deren
Fortsätze sich zur medulla interna be-
geben, aber das Ende ist unbekannt.
Andere Ganglienzellen (Fig. 1 1 1, Ä;) sen-
den ihre Fortsätze zur gegenüberliegen-
den Seite (der Vorderseite) der medulla
interna, wo sie enden. In der Nähe diese'"
Portsätze enden auch Ausläufer von Ganglienzellen des ganghon anterius
internum (Fig. 111, /). Noch andere Ganglienzellen des ganglion posterius (Fig.
1 1 1, n) senden den Fortsatz bis in die medulla externa, wo er in unbekannter
Weise endet.
Es gibt manche Nervenfasern unbekaimter Herkunft, welche die medulla
interna, besonders den mittleren Abschnitt derselben und das chiasma inter-
num durchziehen um in der medulla externa zu enden. Dazu gehören z. B.
die Fasern (/ und h der Fig. I H». Xel)en Fasern, welche in einer Faserschicht
Schema einiger Leituiigsbahnen im lobus
opticus von Musca vomitoria.
Abgeändert nach Cajal (1909).
i bis n = Ganglienzellen
m = Nervenfaser
eh. e. =-- chiasma externum
eh. i. = chiasma internum
a. e. — ganglion anterius externum
= ganglion anterius internum
= ganglion posteriu.s
= medulla externa
= medulla interna
g. a. i.
9- P
m. e.
rn^i.
HEXAPODA, DIPTERA. 327
der medulla externa enden, liegen andere, welche in mehreren dieser Faser-
schichten Verzweigungen besitzen und noch andere, welche einen Seitenzweig
weiter senden zu einer unbekannt gebliebenen Stelle.
Alle diese Fasern gehen mehr oder weniger fächerförmig auseinander
und Cajal trägt deshalb Bedenken das chiasma internum der Autoren hier
auch noch chiasma zu nennen. Wenn sich schon darin Fasern kreuzen, so sind
diese verschiedener Herkunft vmd in diesem Falle darf man nicht von einem
Chiasma reden. Diese Bemerkung Cajals ist ganz richtig. Nur möchte ich
darauf hinweisen, daß sowohl bei Aeschna (Fig. 99, k und l), wie bei Apis
(Fig. 107, e, e' und e") gewisse Fasern des chiasma internum wirklich aus gleich-
wertigen Ganglienzellen hervorgehen und also bei ihrer Kreuzung ein wahres
Chiasma bilden. Diese Ganglienzellen liegen jedoch in der äußeren Rinde der
medulla externa und die Fasern sind zentripetal, nicht zentrifugal. Es scheint
mir also, daß Cajal, welcher mit Recht, die zentrifugalen Nervenfasern nicht
als wahre Chiasmafasern betrachtet, die wahren Chiasmafasern des chiasma
internum bei Musca nicht zu Gesicht bekommen hat, wie er auch in der äuße-
ren Rinde der medulla externa wohl Ganglienzellen wie e und / (Fig. 110),
aber keine mit längeren Fortsätzen beobachtet hat. Nähere Untersuchungen
bleiben erwünscht.
Neben Fasern, welche die medulla interna passieren, fand Cajal bei Musca
vomitoria auch Nervenfasern unbekannter Herkunft, welche in der medulla
interna verzweigt enden (Fig. 111, m). Auch hat er entdeckt, daß zentrifugale
Nervenfasern, welche aus dem tuberculum opticum und aus der commissura
optica des Gehirns kommen, ebenso wie zentripetale Nervenfasern aus der
medulla externa in der medulla interna enden.
Am Schluß seiner vorzüglichen Arbeit macht Cajal den Versuch die
optischen Leitungsbahnen der Insekten, Cephalopoden und Verteb raten zu
vergleichen. Er findet im allgemeinen die Schichten und Neuronen der Verte-
bratenretina im lobus opticus der Insekten und Cephalopoden zurück ; für
Einzelheiten verweiseich auf das Original. Ich gestehe, daß die zahlreichen von
Cajal aufgestellten Analogien bei mir durchaus keinen Anklang gefunden haben
mit Ausnahme der Uebereinstimmung der Sehzellen (Stäbchenzellen, Zapfen-
zellen, Retinulazellen), welche in der Tat überall Sinnesnervenzellen sind, welche
den optischen Reiz empfangen. Sie sind dies aber nicht nur bei den Cephalopo-
den, Insekten und Vertebraten, sondern überall im ganzen Tierreich, wo nur
Sehzellen gefunden werden. Gegenüber Bestrebungen wie der CAJALschen
möchte ich betonen, erstens, daß es sich doch nur um Konvergenzerscheinun-
gen (welche im Auge der Cephalopoden und Vertebraten besonders häufig
sind), niemals um Homologisationen handeln kann und zweitens, daß, so lange
uns die Neuronen im lobus opticus der Cephalopoden und Insekten so mangel-
haft bekannt sind, man besser tut die Entdeckung der unbedingt nötigen
Tatsachen abzuwarten, bevor man sich an weitgehende Vergleichungen wagt.
Ueber andere Dipteren als Musca sind mir die nachstehenden hodolo-
gischen Angaben bekannt geworden. Viallanes (1882) beschreibt bei der
Larve von Eristalis tenax einen subcutanen Ganglienzellplexus, worüber er
mitteilt, daß die multipolaren Zellen unmittelbar mittels ihrer Fortsätze
328 ARTHROPODA, TRACHEATA.
zusammenhängen. Ein wahrer GangHenzellplexus befindet sich ebenfalls im
Chylusmagen der Larve von Tipula gigantea zwischen den glatten Muskel-
fasern. Dieser Plexus weist die Eigentümlichkeit auf, daß alle Ganglienzellen
vier longitudinale, nicht gegenseitig verbundene Reihen bilden.
Bei der Larve von Stratiomys chamaeleon hat Viallanes (1882) unter
der Haut einen Nervenplexus mit multipolaren Ganglienzellen entdeckt.
Einige ihrer Fortsätze enden frei, andere Nervenfasern des Plexus enden in
der Nähe der Basis eines Haares. Genauere Betrachtung lehrte ihn, daß unter
der Basis des chitinösen Haares die Haarzelle hegt, welche mit ihrem Zytoplas-
ma das Haar auffüllt. Wenn auch der Zellkörper oft nicht klar hervortritt,
so ist doch immer der Zellkern sichtbar. Die Haarzetle nun wird innerviert
durch eine bipolare, sensibele GangUenzelle, deren zentraler Fortsatz eine
Nervenfaser des subcutanen Nervenplexus ^^i^(l und deren peripherer Fort-
satz nach ViALLANES ohne Zweifel ins Innere der Haarzelle vordringt. Ich
schließe daraus, daß die Haarzelle eine wahre Sinneszelle ist, welche durch
eine sensibele Ganglienzelle innerviert wird.
CucCATi (1888) hat die Organisation des (Jehirns von Somomya erythrocephala
studiert. Ich entlehne seiner Arbeit die folgenden hodologischen Angaben. Die Ganglien-
zellen der Corpora pedunculata senden ihre Fortsätze ins Neuropilem der Becher und
Stiele, wo sie, ebenso wie bei einigen Myriapoden, Spiralen beschreiben, bevor sie weiter-
gehen zum Neuropilem des CJehirns. Lateral neben den corpora pedunculata fand Cucc.\Ti
(Janglienzellen mit Fortsätzen zvwu Neuropilem des (ioiürns oder nach Kreuzung zum
lobus opticus der anderen Seite. INIediodorsal im Hirnganglion sind Ganelienzellen mit
Fortsätzen, welche neben tier Medianebene geradewegs nach unten gehen luid rlann
kreuzend die andere Hirnhälfte suchen. Dorsal liegende Ganglienzellen senden nach
Kreuzimg Fortsätze ins corpus centrale, aber diese Fasern verlassen den Zentralkörper
wieder und ziehen ins Neuropilem. Ventral neben dem lobus opticus befinden sich (ian-
glienr:ellen, woraus kreuzende Nervenfasern hervorgehen imd andere, welche ihre Fort-
sätze ins Antennalganglion senden.
Im lobus opticus sah CucCATi das äußere und innere Chiasma, aber er hat die Nerven-
fasern nicht genau verfolgt. Der lobus opticvis ist durch ein Nervenfaserbündel mit dem
Antennalganglion verbunden und dieses sendet ein Seitenbündel zu den corpora pedun-
culata. L'eberdles verbindet ein kleineres Bündel das Antennalganglion mit dem lobus
opticus der anderen Seite. Diese Angaben Cuccatis bedürfen sehr der Bestätigung, weil
er weder Anfang noch Ende der Bündel sah. Nach Cuccati werden die beiden lobi op-
tici durch drei Kommissuren verbunden, die dorsalen Teile durch eine ganz dorsal laufen-
de Kommissur, die ventralen durch eine etwas mehr ventrale, aber immerhin noch dor-
.sale Kommissur. Die dritte Kommissur läuft zur halben Höhe des (Jehirns. Manche
Nervenfasern vereinigen den lobus opticus mit dem protocerebrum ohne zu kreuzen.
Neben diesen drei optischen Kommissuren bestehen andere. Deutlich beschrieben
we. Jen nur zwei zarte Kommissuren hinter dem corpus centrale.
Lieber das Antennalganglion bemerkt Cuccati Folgendes. Die dortigen Ganglien-
zellen senden ihre Fortsätze ins Neuropilem des Ganglions. Einige Fasern des Antennal-
nerven bilden die commissura antennahs, anilere ziehen ins protocerebrum, noch andere
enden im Neuropilem iles Antennalganglions. Nach Cucc.vti ziehen wiederum andere
Nervenfa.sern des Antennalnerven in den motorischen Labialnerven, welcher übrigens
Fortsätze von (Janglienzellcn enthält, welche neben der Wurzel tlieses Nerven liegen.
In den Nerven der Ozellen sah Cucc:ati Nervenfasern, welche in die Schlimdkonnek-
tive zogen. Es stimmt darin also Somomya mit der Biene überein.
Patten (t890) hat gemeint im zusammengesetzten Auge von Tabanus und Belo-
stoma Retinophoren zu sehen, welche mit Sinneshaaren darin übereinstimmen sollten,
HEXAPODA, DIPTERA. 329
daß beide aus zwei nervösen Zellen beständen (beim Sinneshaare wären dies die Haar-
zelle und die sensibele Ganglienzelle, bei der Retinophore zwei Sehzellen). Man weiß
schon aus der Einleitung dieses Kapitels, wie ich über diese PATTENschen Ansichten
denke. Die einzige Mitteilung in diesem Aufsatz, welche mir glaubwürdig [scheint,
ist diejenige, daß die Retinulazellen von Belostoma sich koutinuiriioh in Nervenfasern
fortsetzen.
Weinland (1891) hat die Innervation der Halteren der Diptei'en studiert. Er ent-
deckte auf den Halteren verschiedene Papillenfelder. Unter jeder Papille befinflet sich
eine bipolare Zelle. Der periphere Fortsatz dieser Zelle ist der Achsenfaden eines chiti-
nösen Körpers, welcher unter zwei chitinösen Falten liegt. Der Achsenfaden ist von
einigen verwandelten Hypodermiszellen umringt. Der zentrale Fortsatz der bipolaren
Zelle ist eine Nervenfaser zum Thorakalganglion des Bauchstranges. Es fragt sich, ob
die bipolare Zelle eine Sinnesnervenzelle oder eine sensibele Ganglienzelle sei. Wetnland,
welcher sich diese Frage gewiß nicht gestellt hat, nennt die Zelle Ganglienzelle, aber aus
seinen Abbildungen schließe ich, daß die bipolare Zelle eine Hypodermiszelle ist und
ich betrachte sie als eine Sinnesnervenzelle. Die Papillen der Halteren wären somit nicht
mit Sinneshaaren des üblichen Typus zu vergleichen. Wie auch die Modifikation der
Papille sei, immer ist nach Weinland die Innervierungsweise die gleich'^.
LowNE (1890-1892) hat über Calliphora erythrocephala eine schöne Monographie
publiziert, worin über die Leitungsbahnen Folgendes gesagt wird.
Unter der Haut befinden sich, wie solches schon S. 201 gemeldet wurde, Ganglien-
zellen, welche einen Fortsatz senden in die Haarzelle eines Sinneshaares oder welche
diese Zelle mit den Verästehmgen ihres peripheren Fortsatzes umspinnen ; sensibele
Ganglienzellen also. Daneben gibt es Sinneshaare, welche eine oder' mehrere Sinnes-
nervenzellen enthalten, wobei also die Haarzelle selbst einen Nervenfortsatz aussendet.
Solches ist z. B. in den Antennen der Fall. Auch andere Hypodermiszellen als Haarzel-
len werden durch Fortsätze darunter gelagerter Ganglienzellen umsponnen und weil
LowNE diese Zellen nicht besonders Sinneszellen nennt, meine ich, daß er hier Gang-
lienzellen mit freien Nervenendungen beschreibt, bei Arthropoden eine seltene Er-
scheinung. In den Halteren beschreibt Lowne verschiedene Sinnesnervenzellen, womit
er sich also in Uebereinstirnmung mit Weinland befindet. Daß er auch in den Stäbchen-
zellen der ocelli und in den Retinulazellen des zusammengesetzten Auges Sinnesnerven-
zellen erkennt, ist beinahe selbstverständlich.
Ueber das Zentralnervensystem gibt Lowne naehr mikroskopisch-anatomische
als hodologische Einsichten. Was nicht gar zu unbestimmt ist, wird hier wiedergegeben.
Im Unterschlundganglion nennt er liingsfasem, welche aus den Thorakalganglien stam-
men, Kommissurfasern, welche aus Ganglienzellen des unteren Schi undganglions hervorge-
hen imd nach ihrer Kreuzing in Längsbündeln zum Gehirn emporsteigen und Fasern,
welche mit dem Maxillarnerven eintreten.
Die Antennalganglien, welche im Neurojiilem die glomeruli enthalten, sintl durch
eine breite Kommissur verbunden imd vier Paare Faserbündel verbinden sie mit dem
protocerebrum. Ein Bündel endet in der Nähe der corpora pedunculata, ein Bündel
kreuzt und zieht in den pedunciilus des corpus pecUmculatum, ein drittes sucht den lobus
opticus und ein viertes das untere Schlundganglion.
Hinter dem corpus centrale beschreibt Lowne das Pyramidalganglion, dessen
Zellen Fortsätze zum Ozellarnerven aussenden.
Im lobus opticus unterscheidet Lowne wohl die meduUa externa und interna, das
chiasma externiim u. s. w. aber über die Wege der einzelnen Nervenfasern bemerkt er
nur, daß eine Kommissur die beiden lobi optici ^'erbindet.
Ich möchte betonen, daß es nair scheint, daß Lowne seine Angaben hauptsächlich
den Arbeiten anderer Autoren entlehnt hat. Vielleicht hat man darin den Grund zu suchen,
warum er in den Sinneshaar«n bisweilen Sinnesnervenzellen, bisweilen sensibele Ganglien-
zellen sieht imd in dieser Streitfrage keine Stellung nimmt.
Ueber die Ganglienzellen in der lamina ganglionaris der Dipteren im allgemeinen
und von Calliphora er^'throeephala im besondern liegt uns eine wertvolle Arbeit vor,
330 ARTHROPODA, TRACHEATA.
welche Vioier (1908) abgefaßt hat. Er zeigt darin, daß die lamina ganglionaris in ihrer
äußeren Schicht unipolare Ganglionzpllon enthält, welche ihren Fortsatz durch das chias-
ma externum zur medulla exteina (epiopticon) senden. Ein Teil des Stammfortsatzes
trägt kurze, birneufönnige Denchiteii, welche mit den Endabschnitten der Nerven-
fortsätze der Retinulazellen in Verbindung stehen. Wo dies der Fall ist, wird ein neurom-
matidiuni gebildet in ähnliclier, aber nicht in gleicher Weise, wie Viallanes es bei der
Cru.stacee Palinurus beobachtete (vergl. S. 240) und in jedem nenrommatidium hat
der Stammfortsatz einer Zelle der lamina ganglionaris mit drei oder vier postretinalen
Nervenfasern Kontakt. Man weiß schon, daß Cajal (Fig. 109, a' und b) bei Musca vomi-
toria ganz das nämliche sah und ich glaube, daß die zylinderförmigen Netzchen, von
HiCKSON bei ."\Iusca beobachtet, eben dieselben Neuronunatidien sind. Daß nicht nur die
Dipteren, sontlern auch andere Insekten ähnliclie Vorrichtungen, wie Vigier und Cajal
klar zu Tage gefördert haben, besitzen, zeigt die Arbeit Zawarzins über die Libelle
Aeschna (vergl. S. 286).
Es soll hier zuletzt noch ein Aufsatz Escherichs (11)02) genannt werden. Wohl
wird darin hauptsächlich die Entwicklung des Nervensystems der Museide Lucilia caesar
behandelt und werden darin nur wenige Leitungsbahnen erwähnt, aber aus dieser Arbeit
geht gerade hervor wie wichtige Aufschlüsse über den Lauf der Nervenfasern in kom-
plizierten Ganglien, wie das Thorakalgauglion der Fliegen, das Studium der Ontogenie
geben kann.
Der Bauchstrang von Lucilia und anderen Insekten entsteht aus zwei ektodermalen
Seitensträngen, wozwischen ein Mittelstrang, welcher den Mediannerven oder nervus
sympathicas liefert. Die Herkunft des Bauchstranges aus zwei Anlagen (es sei hier neben-
bei bemerkt) ist in prinzipiellem Gegensatz zur Herkunft des Rückenmarks der Verte
braten, woniit einige Untersucher den Bauchstrang vergleichen oder sogar homologisieren
möchten. Daß so viele andere ausschlaggebende Tatsachen eine nähere Verwandtschaft
der Vertebraten mit den Arthropoden ausschlicI.icMi, daiauf icanii hier nicht weitereinge-
gangen werden.
Der Bauchstrang konzentriert sich schließlifh bei den Dipteren zusammen mit dem
Mediannerven*) in einem einzigen Thorakalgauglion, das folglich einen sehr verwickelten
Bau aufweist. Aber in der Ontogenie kormte Escherich im Mediannerven konstant vor-
kommende Ganglienzellen einzeln erkennen, sodaß er sie mit Buchstaben belegen konnte-
(Man vergleiche Hai.i-er über den nervus sympathicus der Carabiden, S. 302.)
Der Mediannerv ist segmentiert und mit Anschwellungen ausgestattet, welche
zwischen den Ganglien des Bauchstranges liegen. Aus diesen Anschwellungen gehen
Nerven hervor, jeder aus einem Fortsatz einer doi-sal im Mediannerven gelagerten CJan-
glienzelle (von Escherich mit mc angedeutet) bestehend. Diese Fortsätze gehen wahr-
scheinlich zu den Tracheen.
In den Ganglien des Bauchstranges fand EstmiiRicn zwei Konunissuren, welche
den Mediannerven unterbrechen und unipolare (Ganglienzellen, welche ihre Fortsätze
entweder ins Neuropilem oder durch die Kommissuren zur andei-en Seite des Bauchmarks
senden. Escherich meinte, aber dieses steht nicht ganz fest, daß Ganglienzellen des Me-
diannerven in der Nähe der Bauchstrangkommissuren ebenfalls Fortsätze in den Bauch-
strang aussenden.
Die einzige ürdnung der Insekten neben den genannten, worüber mir hodo-
logische Tatsachen zur Kenntnis gekommen sind, ist die Ordnung der Lepido-
pteren und, falls ich wirklich nichtsiihersehen habe, darf t^serstaunlich heißen,
daß über die Leitungshahnen im Nervensystem der Falter und Kau})en so
wenig bekannt ist, wo die Tiere doch so bequem in großer Menge zu erhalten sind.
Berger (1S78), welcher so viele Insekten .studiert hat, hat ini Gehirn von Pieris
*) Dieser Mediannerv oder nervus sympathicus ist nicht das Homologon des Medi-
annerven oder Mediankonnektivs der Chaetopoden.
HEXAPODA, LEPIDOPTERA. 331
brassicae Corpora pedimculata und äußeres und inneres Chiasma im lobus opticus entdeckt,
aber keine Nervenfasern in ihrem Lauf verfolgen können.
Cattie ( 1881 ). zeichneten einer Abbildvmg des sechsten Bauchganglions der Raupe von
Acheroiitia atropos zwei Kommissuren. Das ist aber alles, was in dieser Arbeit, worin
das ,, centrale, peripherische und sympathische Nervensystem der Raupen" besprochen
wird, über den Verlauf der Nervenfasern zu finden ist.
Benedicenti (1895) ist mit Bombyx moii glücklicher gewesen, aber er konnte ja
auch die EHRLiCHSche Methylenblau-Methode anwenden. Er fand alle ( Janglien des Bauch-
stranges mit Ausnahme des Hirnganglions und des unteren Schlundganglions überein-
stimmend gebaut und auch stimmten die Ganglien der Larve und der Imago überein.
Die Ganglienzellen der Ganglien senden ihre Fortsätze ins Neuropilem derselben oder
der gekreuzten Seite oder aber in die peripheren Nerven. In jedem Konnektiv fand er
zwei Kolossal fasern, welche auch die Ganglien ganz durchsetzen können.
Am besten ist noch die Innervation der Sinneshaare der Lepidopteren stvidiert wor-
den. E. HoLMGREN (1896), welcher mit Methylenblau arbeitete, berichtet, daß er in der
Haut der Raupe von Sphinx ligustri Sinnesnervenzellen in Verbindung mit Haaren
fand. Die Nervenfortsätze dieser Zellen haben Anschluß an einen subepithelialen Gan-
glienzellplexus. Die multipolaren Ganglienzellen des Plexus sind durch ihre Fortsätze
mit einander und mit den Sinnesnervenzellen unmittelbar verbunden. Es ist also ein
wahrer Ganglienzellplexus. Einige Ausläufer der multipolaren Ganglienzellen ziehen in
die peripheren Nerven. Sehr merkwürdig ist es, daß Holmgren auch Sinnesnervenzellen
entdeckte mit einem perijiheren Fortsatz, welcher nicht in ein Haar, sondern zwischen
den Epithelzellen der Haut zur Cuticula lief. Hier hat ei- jedenfalls wahre Sinnesnerven-
zellen entdeckt, während die Innervation der Sinneshaare m. E. nicht inittels Sinnes-
nervenzellen stattfindet, wie man sogleich motiviert finden wird.
GxJENTHER (1901) hat die Innervation der Sinnesschuppen und Sinneskuppeln bei
Saturnia pavonia und manchen anderen Faltern untersucht. In jungen Flügeln von
Puppen liegen bei jeder Simiesschuppe zwei Zellen, eine große, die Schuppenbildimgs-
zelle, und eine kleine, die sensibele Ganglienzelle. Guenther nennt diese Zelle Sinnes -
zelle, aber weil sie die Schuppenbildungszelle innerviert, ist es eine sensibele Ganglien-
zelle und die Schuppenbildungszelle ist die wahre Sinneszelle. Später, wenn die Schuppe
ausgebildet ist, sieht man unter der Schuppe zwischen den Hypodermiszellen eine bipolare
Zelle. Der periphere Fortsatz dieser Zelle läuft in den Porenkanal in der Basis der Schuppe,
dringt aber nicht in die Schuppe selbst hervor. Der basale Fortsatz ist eine Nerven-
faser, welche sich einem Flügelnerven beimischt. Diese Zelle ist die sensibele Ganglien-
zelle. Die Schuppenbildungszelle ist nach Guenther zu Grunde gegangen, aber ich frage
mich, was denn wohl die hohle Schuppe ausfüllt, worin der Sinnesfortsatz der sensi-
belen Ganglienzelle nicht eintritt, wenn es nicht das Zytoplasma der Schuppenzelle ist.
Kurz, ich glaube, wenn man die Ontogenie der Sinnesschuppen betrachtet, hat man Recht
sie als Sinneshaare aufzufassen, deren Haarzellen (Schvippenbildungszellen) durch sen-
sibele Ganglienzellen innerviert werden.
In den Flügelrippen liegen zahlreiche Sinneskuppeln. Das Chitin ist da zur Stelle
dünn und kuppelförixiig gewölbt. L^j^ter jeder Sinneskuppel befindet sich eine bipolare
Zelle mit einem Fortsatz in der Kuppel und einem Fortsatz im Flügelnerven. Weil der
periphere Fortsatz das Chitin der Kuppel und also die Körperoberfläche erreicht, scheint
die bipolare Zelle eine Sinnesnervenzelle zu sein.
HiLTON (1902) hat sich besonders mit der Innervation der Sinneshaare der Lepi-
dopteren befaßt. Obgleich die Gestalt der Haare sehr variiert, ist der Bau immer der-
selbe, wie ihn die vitale Methylenblau-Methode lehrte.
Bei der Larve vom Bombjrx mori verzweigen sich die sensibelen peripheren Nerven
wiederholt dichotomisch und endlich gehen ihre Fasern über in bipolare sensibele Gan-
glienzellen. Diese Zellen liegen bei Bombyx mori in großer Entfernung'der Sinneshaare,
aber bei anderen Lepidopteren wie Ampelophaga myron ist der Zellkörper neben der
Haarbasis gelegen. Der periphere Fortsatz der sensibelen Ganglienzelle schritt meistens
nur bis zur Haarbasis ; immer aber war das chitinöse Haar durch eine Haarzelle ausge-
3 32 ARTHROPODA. TRACHEATA.
füllt, welche wie eine wahre Siiineszelle clui-ch den peripheren Fortsatz der sensibelen
(Jauglienzelle innerviert wurde. Aehnliche bipolare sensibele Ganglienzellen wurden von
Hflton bei den Sinneshaaren aller untersuchten Raupen, welche manchen Arten ange-
hörten, gefunden.
Die zentralen Fortsätze dei- sensibek-ii CJanglienzelleii der Kaupcii dort mit den
postretinalen Nervenfasern in Beziehung treten, der Neurit geht aber durch
ARACHNOIDEA. 333
das chiasma externum in die medulla externa, wo er endet. Es tragen diese
Nervenfasern neben anderen durch ihre eigenartige Kreuzung zur Bildung des
Chiasma bei. Dieser Zelltypus wurde von Hickson bei Musca, von Kenyon
bei Apis, von Vigier bei Calliphora, von C'ajal bei Musca und von Za warzin
bei Aeschna wahrgenommen.
Der dritte Ganglienzelltypus, welchen man allen Insekten zuerkennen
darfj gehört ebenfalls zur äußeren Zellschicht der lamina ganglionaris. Der
Fortsatz dieser unipolaren Zelle endet bereits im Neuropilem der lamina gan-
glionaris selbst. Es wurden diese Zellen von Viallanes bei Dipteren, von
Cajal bei Musca und von Zawarzin bei Aeschna beschrieben.
Damit sind alle Neuronen des lobus opticus genannt, welche man ruhig
als bei allen Insekten vorkommend betrachten kann. Die anderen sind ent-
weder ungenügend bekannt oder nicht allen Insekten eigen.
Merkwürdig ist es, daß, wenn man den lobus opticus der Insekten mit
demjenigen der Crustaceen vergleicht, man nur die Retinulazellen mit ihren
in der lamina ganglionaris endenden Nervenfasern bei Crustaceen zurückfindet.
Die damit in Beziehung stehenden Nervenfasern des chiasma externum gehen
schon aus einem anderen Zelltypus, welcher nicht vor, sondern hinter der
lamina ganglionaris gestellt ist (S. 224, Fig. 74, a) hervor.
Es lohnt sich nicht zu versuchen eine allgemeine Schilderung der anderen
Neuronen des Insektenhirns zu geben. Das Resultat würde noch dürftiger
sein als beim lobus opticus. Es kann nur zu neuen Untersuchungen anregen,
wenn man sieht, wie unausgebeutet das Feld noch ist.
Die vierte und letzte Klasse der Arthropoden bilden die Arachnoidea,
welche in drei Ordnungen geteilt werden: die Aranea oder Spinnen, die Arthro-
gastres oder Skorpione und die Acarina oder Milben. Ueber die letzte Ordnung
sind mir keine hodologischen Angaben bekannt.
Grenacheb (1879) hat bei den Aranea die erste Leitungsbahn entdeckt, als er
sah, daß bei Epeira und Lycosa die Retinaze]len der Augen unmittelbar iind allmählich
in Opticusfasern übergingen und diese Zellen also Sinnesnervenzellen sind.
ScHiMKEWiTSCH (1884) hat sich später eine nicht sehr klare Vorstellung von der
Retina von Epeira gebildet. Ich bekomme jedoch den Eindruck, daß auch er darin tat-
sächlich Sinnesnervenzellen gesehen hat. Sagt er doch, daß die Retina aus einer Sammlung
von Endstücken von Opticusfasern besteht, welche Endstücke Anschwellungen der
Nervenfasern sind, welche ein doppeltes Stäbchen tragen und Kerne enthalten. Sollten
da nicht die Anschwellungen die Zellkörper der Retinazellen und die Opticusfasern ihre
Nervenfortsätze sein ?
ScHiMKEWiTSCH hat ebenfalls das Zentralnervensystem von Pholcus phalangoides
studiert. Er hat darin manche Ganglienzellgruppen beschrieben, aber nvir wenige Leitungs-
bahnen. Lateral im Chelicerenganglion (vergl. S. 334) ist eine (ianglienzellanhäufving,
woraus Nervenfasern entspringen, welche sich mischen unter Nervenfasern, welche aus
Ganglienzellgruppen des Ganglions des ersten Beinepaares hervorgehen. Diese Nerven-
fasern bilden einen Ring um den Oesophagus herum. Jedes Ganglion des Zentralnerven-
systems enthält wenigstens eine Kommissur und im Neuropilem aller Ganglien enden
Nervenfasern der peripheren Nerven. In beiden Hälften des Nervensystems laufen zwei
Längsbündel durch alle unter dem Oesophagus gelagerte Ganglien, welche nach Schim-
KEVViTSCH wahlscheinlich vom Hirnganglion zu den Abdominalnerven gehen.
334 ARTHROPODA. TRACHEATA.
Auch Bertkau (1886) ist nicht so glüoklieh gewesen, wie Orenacher und hat nur
undeuthch gesehen, wie Heiinazelle und Oi^ticusfaser in Haupt- und Xehenaugen ver-
bunden sind. Bertkau glaubt beide miteinander verschmolzen und ich meine auch hier
aus den Abbildungen schließen zu können, daß die Retinazellen Sinnesnervenzellen sind.
Widmann (1908) hingegen hat den GRENACHERschen Befund, daß die Sehzellen der
Spinnen Sinnesnervenzellen sind, bestätigt. Bei den konvertierten Augen einiger Spin-
nen sah er die Ketinazellen uninittelbar in Nervenfasern übergehen und das gleiche
beobachtete er bei den invertierten Augen der freilebenden Spinnen. Die iixvertierten
Augen der Netzspinnen zeigten die Merkwürdigkeit, daß der Nervenfortsatz (eine Opti-
cusfaser) nicht basal aus der Retinazelle heivorging, wie bei den freilebenden Spinnen,
sondern etwas höher, aus dem Zellkörper hervortrat. Wenn Widmann glaubt, daß
ontogenetisch die Fasern des nervus opticus keine Fortsätze der Retinazellen sind,
sondern F'ortsätze von Ganglienzellen, welche in die Retinazellen eintreten, so stimme
ich darin gar nicht mit ihm überein. Die Retinazellen sind wohl hier, wie bei allen Tieren
Sinnesnervenzellen.
Die besten hodologischen Mitteilungen über das Nervensystem einer
Spinne verdanken wir Haller (1912), welcher Epeira untersuchte. Haller
gibt die folgende Beschreibung des Zentralnervensystems. Es besteht aus
einem Paare Zerebralganglien, welche ich zusammen das Hirnganglion (F'ig.
113, h. g.) nennen möchte, oberhalb des Oesophagus (Fig. 113, oes.) und fünf
dicht beisammengestellten Ganglien unter dem Oesophagus. Das erste dieser
Ganglien, das Chelicerenganglion, sendet Nerven zu den Chehceren, die vier
anderen zu den Schreitfüßen. Aus dem letzten Ganglion gehen überdies zwei
Abdominalnerven hervor. Der abdominale Teil des Bauchstranges ist ganz
reduziert und nach Haller ins letzte GangHon aufgenommen.
In den Ganglien des Bauchstranges, wovon Figur 112 einen Querschnitt
darstellt, liegeji nur wenige Ganglienzellen dorsal, um so mehr aber ventral.
Ventral befinden sich zwei Grupi)en großer vmipolarer Ganglienzellen, eine
laterale und eine mediane. Die Zellen der lateralen Gi ■uj)pe senden ihren Fort-
satz in den perii)hcren Nerven derselben Seite (Fig. 112, a) oder nacii Kreuzung
in der commissura doisaHs (Fig. 112. cd.) in den peripheren Nervender
anderen Seite (Fig. 1 12, h) ; die Zellen dei- mi^diaiien Gru))])e haben nur kreu-
zende Nervenfasern, welche durch die dorsale Kommissur in den peripheren
Nerven der anderen Seite übergehen (Fig. 1 12, c). Neben den großen Ganglien-
zellen entdeckte Haller ventral im GangHon kleinere unipolare Zellen. Einige
derselben (F^'ig. 112, d) senden ihren F"'ortsatz nach oben. Bei der dorsalen
Kommissur angelangt, spaltet sich der Fortsatz in einen Ast, welcher die
Medianhnie überschreitet und im Neuroj)ilem endet und einen Ast, welcher
in d^i periphei'cn Nerven derselben Seite austritt. Bei anderen kleinen Gan-
ghenzellen (Fig. 112, e) verästelt sich gerade der ungekreuzte Zweig des Stamm -
fortsatzes und zieht der kreuzende in den peripheren Nerven. Die peripheren
Nerven führen Fasern, welche sich im Neuropilem derselben Seite (Fig. 112,
/) oder nach Kreuzung in der commissura dorsalis im Neuropilem der anderen
Seite des GangHons verzweigen (Fig. 1 12, g). Dorsal im Ganglion fand Haller
multipolare Ganglienzellen (Fig. 112, h). Ihre Dendriten verästeln sich im
Neuropilem ; ihr Neurit überschreitet die Medianlinie in einem besonderen
Abschnitt der dorsalen Kommissur und endet dorsal im Neuropilem der anderen
Seite.
ARACHNOIDEA.
335
Unter der commissiira dorsalis laufen drei Paare Längsbündel untereinander
neben der Medianlinie. Sie erhalten ihre Fasern aus Ganglienzellen des basalen
Teils des Ganglions. Auch ziehen darin Fortsätze von Ganglienzellen des
Chelicerenganglions, welche jedem Ganglion Seitenäste überliefern.
Neben den kurzen Schlundkonnektiven, welche das Hirnganglion mit dem
Bauchstrang verbinden, liegen die Ganglienzellen des Oberlippenganglions
(Fig. 113, o. l. g.). Ihre Fortsätze werden wohl in die Oberlippennerven treten,
aber Haller hat dies nicht tatsächlich beobachtet.
Haller beschreibt zu beiden Seiten im Hirnganglion zwei globuli oder
Corpora pedunculata, ein vorderes (Fig. 113, c. p. a.) und ein hinteres, welche
mit den corpora pedunculata der Insekten übereinstimmen, deren Neuropileme
aber nicht Becher genannt werden können, weil sie nicht becherförmig sind.
Ich glaube, man
spricht am besten Fig- 112.
über corpora pe-
dunculata ohne
besondere Unter-
scheidung der
Neuropileme.
Die Gang-
lienzellen der
corpora pedun-
culata sollen
nach Haller
durch kurze Den-
driten gegensei-
tig verbunden
sein. Ihre Neuri-
ten bilden nach
ihm Netze in den ,,glomeruli" im Neuropilem der corpora pedunculata, bevor
sie in den Stiel übergehen. Das lautet alles ein wenig sonderbar und bedarf
der Bestätigung. Eher ist zu glauben, daß GangHenzellen des vorderen corpus
pedunculatum ihren Neuriten in den pedunculus senden und dann weiter durch
das Schlundkonnektiv zum Bauchstrang, wo er nach oder auch ohne Kreu-
zung im Neuropilem endet (Fig. 113, a und b). Andere Ganglienzellen senden
Fortsätze aus, welche eine Kommissur zwischen den corpora pedunculata
von Hnks und rechts bilden (Fig. 113, c). Diese Kommissur ist ein Teil dercom-
missura dorsahs, welche daneben Nervenfasern enthält, welche aus den peri-
pheren Nerven des Bauchstranges stammend, im Neuropilem des corpus
pedunculatum der anderen Seite enden (Fig. 113, d). Aehnliche sensibele
Nervenfasern enden im corpus pedunculatum derselben Seite (Fig. 113, e).
Ganglienzellen des Bauchstranges (Fig. 113, /) senden bisweilen ihren
Neuriten durch das Schlundkonnektiv ins HirngangUon. Hier angelangt,
spaltet sich ein Ast ab, welcher in der vorderen Kommissur des Hirnganglions
kreuzt ; ein zweiter Ast endet im Neuropilem derselben Seite und ein dritter
endet im corpus pedunculatum derselben Seite. Dorsal im Hirnganglion sind
Schematischer Querschnitt eines Bauchganglions von
Epeira. Nach Haller (1912).
a bis e und h = Ganglienzellen
f, g = Nervenfasern
c, d. = commissura dorsalis
j). n. = peripherer Nerv
330
ARTHROPODA.
schließlich noch Ganglienzellen gestellt (Fig. 113, g), welche mit ihrem Fort-
satz das Neuropilem des Bauchstranges suchen.
Neben der commissura dorsalis und anterior entdeckte Haller noch eine
dritte Kommissur im Hirnganglion, die commissura posterior, aber es wurde
nicht bekannt, woher die Nervenfasern derselben stammen.
Ueber die Leitungsl)ahnen der Arthrogastres ist fast gar nichts bekannt.
ScHROEDER (1908) entdeckte auf den Kämmen der Skorpione Sinneskegel,
Sinnesborsten und einzellige Sinnes -
Fig. 113.
Organe. Bei den Sinneskegeln und
Sinnesborsten sah er unter der Grup-
pe von Sinneszellkernen eine Gruppe
in Nervenfasern gelagerter Kerne.
Die wahre Natur der Innervation
blieb unbekannt. Die einzelligen
Organe sind nichts anders als Sin-
nesnervenzellen, welche sich unmit-
telbar in Nervenfasern fortsetzen.
Haller (1912) hat zwar die
mikroskopische Anatomie des Zen-
tralnervensystems von Scorpio
europaeus, sei es auch nicht einge-
hend, studiert und so z. B. im Hirn-
ganghon zu jeder Seite zwei wenig
ausgebildete corpora pedunculata
entdeckt, aber die Wege der Nerven-
fasern gibt er nicht an.
Ich bin damit am Schluß meiner
Besprechung der Arthropoden ange-
langt und es bleibt mir noch übrig
über einige kleinere Tiergruppen Be-
richt zu erstatten.
Schenmtischer Querschnitt durch das
Zentralnerv^ensystem von Epeira.
Nach Haller (1912).
". f*, <"> ft 9 = Ganglienzellen
d, e = Nervenfasern
h. g. = Bauchganglion
c. d. = commissura dorsalis
c. ]>. a. = corpus pedunculatuni anterius
//. fj. = Hirnganglion
oes. = Loch, wo der Oesophagus hin-
diirchtritt.
0. /. g. = Oberlippenganglion LITERATUR.
Die Strichellinien begrenzen die <;ang-
lienzellgruppen. 1 . Alexandrowicz ( 1 909), Zur Kennt-
♦• nis des sympathischen Nervensystems der
Crustaceen, .Jenaische Zcitscliiift fiu- Xaturwissenschaft, I3d. 4/), 1909.
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ARTHROPODA. 337
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BRYOZOA.
Ueber die Hodologie des Nervensystems der Bryozoen sind mir nur zwei
Arbeiten bekannt. Harmer (1885) entdeckte bei Loxosoma crassicauda im
einschichtigen ektodermalen Epithel des ganzen Körpers haartragende Sinnes-
nervenzellen, welche sich unmittelbar in eine Nervenfaser fortsetzten. Diese
Nervenfaser ging ihrerseits in eine bipolare Ganglienzelle über, deren zen-
traler Fortsatz in einen peripheren Nerven des Zentralganglions trat, welches
bei diesen Tieren das ganze Zentralnervensystem darstellt. Aus dem Zentral-
ganglion geht Unks und rechts ein Nerv zum ,, hinteren Sinnesorgan" hervor.
Nach Harmer ist dieses Sinnesorgan eine große Sinnesnervenzelle, welche
viele Haare trägt und kontinuirlich in einen Nerven übergeht, welcher ein
peripheres Ganglion aufsucht, bevor er ins Zentralganglion eintritt. Ich be-
zweifle jedoch, ob Harmer hier die richtige Einsicht hat. Pedicellina stimmt
mit Loxosoma betreffs der Sinnesnervenzellen und bipolaren Ganglienzellen
überein.
Retzius (1905) hat zwanzig Jahre später bei Pedicellina echinata die
haartragenden Sinnesnervenzellen im Epithel wiedergefunden und sie beson-
ders in den Tentakeln angetroffen. Die anschließenden bipolaren Ganglien-
zellen konnte er aber nicht finden und er glaubt, daß sie nicht bestehen, denn
er sah die Nervenfortsätze der Sinnesnervenzellen in Bündeln zum Zentral-
ganglion laufen ohne Kernen oder Zellen zu begegnen.
Es bleibt also bei den Bryozoen noch fast alles auf hodologischem Gebiete
zu tun.
LITERATUR.
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TUNICATA.
Die ältesten Mitteilungen über die Histologie des Nervensystems einiger
Tunicaten, woraus einigermaßen der Lauf der Leitungsbahnen erhellt, danken
wir Ussow und sie gelten für Ascidien. Bei diesen Tieren besteht das Nerven-
system aus einem Hirnganglion, woraus die peripheren Nerven entspringen
und welchem sich bisweilen ein dorsaler Ganglienzellstrang anschließt, der
nichts anders als das reduzierte Rückenmark der Larve ist.
Ussow hat meistens russisch publiziert und daher ist mir nur eine seiner
Arbeiten (Ussow 1875) zugänglich. Er sagt darin schon, was später so oft
für alle Tunicaten von anderen wiederholt worden ist, daß im Hirnganglion
die Ganglienzellen peripher und die Fasern, das Neuropilem, zentral gestellt
sind. Unter dem Epithel fand er multipolare Ganglienzellen, deren Fortsätze
sich mit den Nerven und mit Epithelzellen, welche Tastorgane sind ,, ver-
binden". Sollten diese Epithelzellen vielleicht Sinnesnervenzellen sein?
Nansen (1886) hat das Hirnganglion verschiedener Ascidien untersucht
und gefunden, daß oft Ganglienzellen darin ihre Ausläufer unmittelbar in die
peripheren Nerven senden. Die Nerven selbst enthalten gleichfalls Ganglien-
zellen, welche ihre Fortsätze zur Peripherie des Körpers senden.
LoRLEBERG (1907) hat mit modernen Hilfsmitteln das Nervensystem
der Ascidien untersucht, hat darin aber, wieviel er übrigens erforschte, den
Wegen der Nervenfasern nicht folgen können. Auch melden Seeliger und
Hartmeyer (1893 — 1911) in ihrem Sammelwerke keine weiteren Leitungs-
bahnen der Ascidien und erwarten diesbezüglich alles von der Zukunft.
Bei den Salpen sind die Retinazellen im Auge von Buetschli (1892) als
Sinnesnervenzellen erkannt und, weil er ihren Nervenfortsätzen zum Hirn-
ganglion folgen konnte, hat er auch eine Leitungsbahn genau erforscht.
Goeppert (1893) bestätigt im allgemeinen diese Bemerkungen Buetschlis.
Bei den solitären Salpen ist das Auge meist unmittelbar neben dem Hirn-
ganglion gelagert und die Sehzellen (Retinazellen) können sogar eine Fortset-
zung der äußeren Ganglienzellschicht des Hirnganghons sein. Die Sehzellen
gehen kontinuirlich in Nervenfasern über, welche zum Hirnganglion gehen.
Bei den Kettensalpen von Salpa pinnata ist das Auge einigermaßen vom
Hirnganglion entfernt und bilden die Nervenfortsätze der Sehzellen einen
richtigen Nerven zum Hirnganglion. Die Kettensalpe von Salpa democratica-
344 TU^'^CATA.
mucronata hat, wie die anderen Salpen, eine Schicht von Sehzellen, welche
Sinnesnervenzellen sind, aber die Kettensalpen von Salpa africana-maxima
und Salpa runcinata-fusiformis besitzen eine zweischichtige Retina. Neben
den Pigmentzellen des Auges liegt eine Schicht kleiner Zellen, w^elche durch
Fortsätze verbunden sind mit großen bipolaren Zellen, welche eine zweite
Schicht bilden und ihre zentralen Fortsätze zum HirngangHon senden. Ich
meine, daß die kleinen Zellen vielleicht die Sehzellen sind und die großen
bipolare Ganglienzellen, halte aber eine nähere Untersuchung für notwendig.
DoBER (1912) bemerkt noch, daß bei der solitären Salpe von Salpa pinna-
ta einige Zellen des Leucht- oder Seitenorgans sich in Nervenfasern fortset-
zen, woraus man schließen kann, daß sie Sinnesnervenzellen sind. Andere
Leitungsbahnen macht auch dieser Aufsatz nicht näher bekannt.
Die Hodologie des Nervensystems der Appendicularieri ist ebenfalls
sehr dürftig bekannt. Das Nervensystem setzt sich zusammen aus dem Zen-
tralganghon. dem dorsalen Nervenstrang mit den CaudalgangHen (dem Rücken-
marke) und den peripheren Nerven. Nach Seeliger und Hartmeyer (1893-
1911) enthalten die Caudalganghen motorische Ganglienzellen, welche einen
Fortsatz zu einem Muskel senden. In der Haut sind freie Nervenendungen
angetroffen, sodaß sensibele Ganglienzellen wenigstens bei den Appendicula-
rien unter den Tunicaten vorkommen.
Im Sammelwerke über die Pyrosomen, welches Seeliger und Neumann
(1909-1910) veröffentUcht haben, finde ich nur, daß Neumann an zwei Stellen
oben im Munde von Pyrosoma Agassizi Sinnesnervenzellen im Epithel entdeckt
hat, sonst fehlt jede hodologische Angabe.
Wie man sieht, ist es fast ganz künftigen Forschern überlassen die Lei-
tungsbahnen- der Tunicaten, dieser wegen ihrer Verwandtschaft mit den Verte-
braten so wichtigen Tiergruppe, zu erforschen.
LITERATUR.
1. BüTSCHLi (1892), Einige Bemerkungen über die Augen der Salpen, Zoologischer
Anzeiger, Bd. 15, 1892.
2. DoBER (1912), Beiträge zur Kenntnis des Nervensystems der Salpen, Zeitschrift
für wissenschaftliche Zoologie, Bd. IUI, 1912.
3. (JoEPPERT (1893), Untersuc-lunigcn über das Sehorgan der Salpen, Morphologisches
Jahrbuch, Bd. 19, 1893.
4. LoRLEBERc; (1907), Untersuchungen über den feineren Bau des Nervensystems
der Ascidien, Zeits. f. wiss. Zoologie, Bd. 88, 1907.
5. Nansen (1886), Preliminary Communication on some Investigations upon the
Histological Structure of the Central Nervous System in the Ascidia and in Mjxine
glutinosa, The Annais and Magazine of Natural History, \'oI. 18, 1886.
6. Seelicer und Hartmeyer (1893 — 1911), Tunicata, Bronns Kla.ssen und Ordnun-
gen des Tierreichs, Bd. 3, Suppl., Abt. 1, 1893 — 1911.
7. Seelioer und Neumann (1909 — 1910), Pyrosomata, Bronns Klassen und Ord-
nungen des Tierreichs, Bd. 3, Suppl., Abt. 2, 1909 — 1910.
8. Us.so\v (187.')), Zoologisch - einljryulogische Untersuchungen, Die Mantelthiere,
Archiv für Naturgescliichte, Bd. 41, 1875.
AMPHIOXUS
(Brauchiostoma lauceolatum.)
Obgleich dieses Tier sich in manchen Hinsichten den Vertebraten an-
schHeßt, hat es doch besonders in manchen Einzelheiten des Nervensystems
so vieles mit den Evertebraten gemein, daß es mir passend erscheint, damit
meine Auseinandersetzungen zu enden, unter Verweisung auf den folgenden
Abschnitt dieses Buches, worin der allgemeine Bau des Nervensystems dieses
Tieres eingehender behandelt werden wird. Aus der reichen Fülle der Aufsätze,
welche dem Amphioxus gewidmet sind, wähle ich nur diejenigen zur Bespre-
chung, welche hodologische Mitteilungen enthalten. Weil die Nervenfasern
von Amphioxus wie diejenigen der Evertebraten marklos sind, kommen für
die Untersuchung der Leitungsbahnen dieselben Methoden wie bei den Everte-
braten in Betracht, nicht aber die WEiGERXsche Markscheidenfärbung, welche
bei Vertebraten so gute Resultate liefert.
Das Nervensystem von Amphioxus hat die Gestalt eines Rohres, welches
am vorderen Ende zu einem Bläschen angeschwollen ist. Das Rohr nennt man
das Rückenmark (meduUa spinalis), weil es dorsal gelegen ist und mit dem
Rückenmark der Vertebraten übereinstimmt und die vordere Anschwellung
nennt man das Gehirn. Mit welchen Teilen des Vertebratenhirns das Gehirn
von Amphioxus homolog ist, ist noch immer ungeachtet zahlreicher diesbe-
züglichen Untersuchungen eine offene Frage, welche ich hier nicht erörtern
will, umsoweniger als die tiefere Kenntnis des feineren Baues dieses Organs,
wie man bald sehen wird, noch immer aussteht und ohne diese die Frage m .
E, nicht gelöst werden kann. Ueberdies wird davon auch im folgenden Ab-
schnitt dieses Buches die Rede sein.
Das Rückenmark (Fig. 114) hat auf einem Querschnitte mehr oder weniger
die Gestalt eines Dreiecks. Die Lichtung darin ist ein feiner, runder Kanal,
die canalis centralis (Fig. 114, c. c), welchem sich aber dorsalwärts ein Schlitz,
der teilweise zu einer Naht oder Raphe (Fig. 114, r.) geworden ist, anschließt.
Ursprünglich war der Zentralkanal schlitzförmig. Der dorsale Teil ist während
der Entwicklung des Tieres virtuell geworden, indem er von Ganglienzellfort-
sätzen und sogar Ganglienzellkörpern durchwachsen und teilweise ausgefüllt
worden ist und so ist schließlich fast nur eine Raphe übrig geblieben.
Aus dem Rückenmark treten zahlreiche Nerven hervor, welche mit den
346
AMPHIOXÜS.
Spinalnerveil der Vertebraten in dieser Hinsicht übereinstimmen, daß sie
segmental angeordnet sind und daß man dorsale, überwiegend sensibele und
ventrale, motorische Nerven unterscheiden kann. Die Unterschiede, welche
die sensibelen Nerven von Amphioxus gegenüber denjenigen der Vertebraten
aufweisen, werden später zur Sprache kommen. Ein ungepaarter Nerv zur
Flimmergrube und drei Nervenpaare verlassen das Gehirn.
Ich werde nach einander die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems,
also des Gehirns und Rückenmarks, und des peripheren Nervensystems
beschreiben.
OwsjANNiKOW (1868) ist der erste Forscher gewesen, welcher eine Lei-
tungsbahn des Zentralnervensystems
Fig. 114. beschrieben hat. Er erzählt uns, daß
im Rückenmark Ganglienzellen lie-
gen, welche einen Fortsatz in einen
Spinalnerven senden. Andere, multi-
polare Ganglienzellen haben Fort-
sätze, welche Längsfasern des Rüc-
kenmarks sind. Ueber und unter
dem Zentralkanal sah Owsjanni-
Kow Kommissurfascrn ohne ihre
Ursprungszellen entdecken zu kön-
nen. Auch hat er die gruppenweise
longitudinal im Rückenmark ver-
laufenden Kolossalfasern oder Neu-
rochorde ganz richtig als Nerven-
fasern betrachtet, obgleich er keinen
Zusammenhang mit Ganglienzellen
beobachten konnte.
Betreffs der Kommissurfascrn
und Neurochorde konnte schon bald
Stieda (1873) vollständigere Mittei-
lungen machen. Er sah, daß viele
dorsale Komissurfasern Foilsät/e von manchmal bipolaren Ganglienzellen
sind, welche (jucr durch den si)altf()nhigen Teil des Zentralkanals gewachsen
sind, 1111(1 dal.» oft der Zellkorpci' dieser Ganglienzelle selbst die Spalte über-
biiickt (Fig. 114. a). Woher die ventralen Koniniissuifascrn unter dem
Zentralkanal stammen, sagt er iiiclit.
In der Raphe fand er auch riesige multipolare (Janglienzellen. Neuro-
chordzellen odei- Kolossalzellen, liegen. Der dickste ihicr Fortsätze ist ein
Neurochord, welcher longitudinal nach vorn oder nach hinten zieht. Die Neu-
rochordzellen sind vorn im Rückenmark zahlreicher als hinten. Stieda ist der
Meininig, daß die Neurochorde nicht verzweigt enden, sondein zwei Neuro-
chordzellen verbinden. Er hat dies aber nidit walugcMioniinen und später
keine Bestätigung gefunden.
Einige F'a.sern der Spinalnerven sah Stieda, ebenso wie Uwsjannikow,
aus Ganglienzellen derselben Rückenmarkshälfte hervorgehen. Einige dieser
Schemat isolier Queiscliiiitt chirch da.s
Rückenmark vun Amphioxus.
a = dor-sale Kommis-surzelle
A, B, C, Y, Z — Neurocliorde
c. c. = canalis centralis
n. = Xeurochordgruppe
r. — Kaplie
AMPHIOXUS. 347
Ganglienzellen liegen auf der Höhe der Nerven wurzel, andere scheinen mehr
nach vorn oder nach hinten zu liegen ; jedenfalls führen die Spinalnerven auch
Nervenfasern, welche im Rückenmark umbiegen und nach vorn oder nach
hinten ziehen. Ob die Nerven auch Ganglienzellfortsätze der gekreuzten Rüc-
kenmarkshälfte erlangen, darüber widerspricht sich Stieda.
RoHON (1882) hat die bipolaren Ganglienzellen, welche die Raphe über-
brücken (Fig. 114, a), wiedergefunden, will sie aber unbegreiflicherweise nicht
Kommissurzellen nennen. Auch sah er im Rückenmark die multipolaren Gan-
gHenzellen, welche einen Fortsatz in einen Spinalnerven senden und, weil er
meldet, daß die Fasern der ventralen Spinalnerven aus diesen Ganglienzellen
entspringen, hat er nachgewiesen, daß sie motorisch sind.
Ueber die Neurochorde hat Rohon einigermaßen sonderbare und unrich-
tige Vorstellungen. Es sollen darunter drei Arten unterschieden werden können,
welche alle longitudinal laufen. Einige gehen aus vorn im Rückenmark ge-
legenen Ganglienzellen (Neurochordzellen) hervor und enden frei irgendwo im
Rückenmark. Dies hat später z. B. Rohde (1890) bestätigt. Andere Neuro-
chorde sollen nach Rohon stark verlängerte bipolare Ganglienzellkörper sein,
welche ziemlich plötzlich in zwar dicke, aber keineswegs kolossale Nervenfasern
übergehen. Eine dritte Art soll gar nicht mit Ganglienzellen verbunden sein !
Die übrigen Längsnervenfasern des Rückenmarks entspringen aus Gan-
glienzellen des Rückenmarks, wie schon Owsjannikow uns lehrte, niemals
aber aus Zellen des Gehirns. In Uebereinstimmung damit glaubt Rohon, daß
Gehirn und Rückenmark zwar durch kurze, schräge Nervenfasern verbunden
sind, jedoch nicht durch lange longitudinale Fasern. Die [vielen Längsfasern,
welche das Gehirn mit dem Rückenmark vereinigen, sind nach Rohon Binde-
gewebsfasern, welche leicht mit Nervenfasern zu verwechseln sind. Es fragt
sich, ob nicht Rohon dieses getan hat, denn es werden doch wohl auch längere
Bahnen Gehirn und Rückenmark verknüpfen.
Rohon begegnete in den vorderen zwei Dritteln des Gehirns kleinen, spin-
delförmigen Ganglienzellen, welche oft einen Fortsatz in einen Hirnnerven,
worunter er die vorderen Nervenj^aare versteht, sandten. Im hinteren Teil des
Gehirns fand er große multipolare Ganglienzellen. Er selbst beschreibt uns
nicht die Wege ihrer Fortsätze, sagt aber, daß W. Müller schon 1875 im
Gehirn von Amphioxus multipolare Ganglienzellen entdeckte, welche einen
Fortsatz einem sensibelen peripheren Nerven beimischten.
Die Neurochorde sind von Rohde (1890) am besten studiert worden. Er
bemerkte, was Stieda und Rohon verneinten, daß sie konstante Gruppen
bilden, welche am bequemsten in einem Querschnitt des Rückenmarks gesehen
werden (Fig. 114). Der dickste aller Neurochorde läuft ventral median unter
dem Zentralkanal und ist ungej^aart. Die übrigen bilden drei gepaarte Gruppen.
Die dünnsten Neurochorde laufen ganz lateral und ventral. Sie liegen deshalb
in den Ecken des dreieckigen Querschnitts. Weiter gibt es noch zu beiden
Seiten eine dorsale Gruppe und eine mediane Gruppe neben dem Zentralkanal.
Rohde hat auch die Neurochordzellen, die Ganglienzellen, woraus die
Neurochorde hervorgehen, genau beschrieben, mit Ausnahme derjenigen der
ventrolateralen Gruppe, welche nicht entdeckt wurden. Die Neurochordzellen
348
AMPHIOXUS.
sind alle multipolare Riesenzellen, welche die Raphe überbrücken, wie Stieda
schon berichtete. Die Dendriten verästeln sich bald ; der Neurit wird ein
longitudinaler Neurochord, welcher eine nicht genau bekannte Strecke zurück-
legt. Die Neurochordzellen selbst haben aber eine genau bestimmte Lage. Die
vorderste Neurochordzelle (Fig. 11 ö, A) ist die größte von allen und es ergab
sich, daß sie den dicksten, ungepaarten, medianen Neurochord (Fig. 114, A)
aussendet. Sie ist dicht hinter dem Ursprung des sechsten linken sensibelen
Nerven im Rückenmark gelegen ; ihr Neurochord biegt sich nach rechts bis
er unter dem Zentralkanal angelangt ist und zieht dann median nach hinten
(Fig. 115, A).
Die übrigen elf Neurochordzellen, welche vorn im Rückenmark liegen,
haben Neurochorde, welche die beiden dorsalen Gruppen bilden. Die Neuro-
chordzelle B (Fig. 115), welche der Zelle A folgt, liegt hinter der Abgangsstelle
des sechsten rechten sensibelen Nerven, wobei man bedenken soll, daß bei
Fig. 115.
recKt S
Schema der Neurochordzellen und Neurochorde im Rückenmark von Amphioxus.
Abgeändert nach Kohde (1890), Fig. 27a.
A, B, C, Y, Z = Neurochordzellen
Amj)hioxus, der ja in so manchen Hinsichten asymmetrisch gebaut ist, die
beiden Nerven desselben Paares nicht auf gleicher Höhe das Rückenmark
verlassen (vergl. Fig. 116). Ihr Neurochord (Fig. 115 und 114, ß) biegt erst
nach links, läuft dann unter dem Zentralkanal nach rechts und steigt em})or
zur dorsalen Neurochordgruppe, worin er deszendiert. Die Neurochordzelle
C (Fig. 115 und 114) ist hinter dem siebenten linken sensibelen Nerven gestellt
und ihr Neurochord tut nach der anderen Seite dasselbe, was der Neurochord
B nach der einen Seite tut. So folgen noch in bestimmten Entfernungen neun
Neurochordzellen, welche ihren Neurochord abwechselnd linksum und rechts-
um nach hinten senden.
Die Neurochorde der medianen Gruppen stammen aus Neurochordzellen,
welche hinten im Rückenmark gelegen sind. Sie laufen also nach vorn. Die
hinterste Neurochordzelle (Fig. 115, Z) liegt zwischen dem (Usten rechten und
dem (ilstcn linken sensibelen Neiven. Ihr Neurochord biegt linksum, geht unter
dem Zentralkanal hindurch und läuft in der rechten medianen Gru])pe nach
vorn (Fig. 1 15 und 114, Z). Die vorletzte Neurochordzelle (Fig. 115, Y) findet
man zwischen dem (ilsten linken und dem OOsten rechten sensibelen Nerven.
Ihi- Neurochord biegt erst nacii rechts und fügt sich tler Unken medianen Neu-
AMPHIOXUS.
349
rochordgruppe bei (Fig. 115 und 114, Y). Die Zellen Y und Z bilden ein Paar.
Die drei ihnen vorangehenden Körpersegmente enthalten keine Neurochord-
zellen, dann aber folgt wiederum ein Paar Zellen X und W dicht beisammen
beim 57sten und 58sten sensibelen Nerven. Ein drittes Paar V und U liegt
beim 55sten und 54sten sensibelen Nerven, ein viertes (T und S) beim Slsten
und 52sten Nerven. Dann liegen die Neurochordzellen desselben Paares weiter
auseinander. So liegt die Neurochordzelle R beim 49sten Nerven, die Zelle
Q beim 47sten, P beim 45sten, O beim 43sten, N beim 41sten und die Zelle M
beim 39sten rechten sensibelen Nerven. Ihre Neurochorde mischen sich
abwechselnd unter die rechten und linken medianen Neurochorden. Neben den
genannten enthalten die medianen Neurochordgruppen auch Fasern, deren
Zellen nicht auffindbar
Fig. 116.
J L
waren. Rohde vermutet,
daß sie ebenfalls hinten
im Rückenmark liegen,
denn dort liegen noch
andere multipolare Gang-
lienzellen quer durch die
Raphe. Daneben hat
Rohde auch die bekann-
ten kleinen bipolaren
Ganghenzellen (Fig. 114,
a), welche die Raphe
überbrücken, gefunden.
Retzius (1891) hat
bald nach Rohde das
Zentralnervensystem von
Amphioxus mit Methy-
lenblau untersucht und
darin auch die Neuro-
chordzellen (Kolossalzel-
len) gefunden. Seine Be-
schreibung dieser Zellen (Fig. 116, ?^ z.) stimmt ganz mit derjenigen Rohdes.
Es sind in der Medianlinie gelagerte multipolare Ganglienzellen. Ihre Dendri-
ten enden bald ; ihr Neurit, der Neurochord (Fig. 116, n.), kreuzt unter dem
Zentralkanal und wird eine longitudinale Faser, welche Kollateralen abspaltet.
Neben den Neurochordzellen hat Retzius andere Ganglienzelltypen
entdeckt. Zuerst kleine, bipolare Ganglienzellen (Fig. 116, a) mit einem Fort-
satz, welcher in den nächsten sensibelen Nerven eintritt nach oder ohne Ab-
spaltung eines longitudinalen Seitenastes. Der andere Fortsatz kreuzt und
zieht in ein Längsfaserbündel der anderen Rückenmarkshälfte. Einige Zellen
dieser Art sind nicht bipolar, sondern uni- oder multipolar. Die multipolaren
sind vielleicht dieselben wie die Kommissurzellen des dritten Typus, welche
Wolfe (S. 352) beschreibt.
Ein zweiter Typus bipolarer Ganglienzellen (Fig. 116, /;) ist ein wenig
größer als der vorige und die Zellen bilden zwei longitudinale Reihen neben
Schema einiger Leitungsbahnen im Rückenmark von
Amphioxus. Horizontaler Längsschnitt.
Abgeändert nach Retzius (1891).
a, b = Ganghenzellen
Nervenfaser
motorischer Nerv
Neurochord
Neurochordzelle
sensibeler Nerv ' "
e
m. n.
n.
n. z.
s. n.
350 AMPHIOXÜS.
der Medianlinie des Rückenmarks. Einen Fortsatz senden sie nach hinten ;
sein Los ist nicht genau bekannt. Den zweiten senden sie nach vorn und dieser
überUefert dem nächsten sensibelen Nerven einen Ast. In jeden sensibelen
Nerven treten viele solcher Aeste und die Längsfasern, woraus sie hervor-
gingen, kamen sowohl von vorn als von hinten.
Andere Ganghenzellarten, welche sich mit dem Methylenblau färbten,
sind weniger gut bekannt.
In die sensibelen Nerven sah Retzius auch Nervenfasern der anderen
Seite (Fig. 116, c) übergehen, aber ihre Ursprungszellen blieben unbekannt.
Ebensowenig gelang es ihm die Herkunft der Fasern der motorischen Nerven
zu ermitteln.
Heymans und van der Stricht (1896), welche das Nervensystem von
Amphioxus mit modernen Nervenfärbungen untersuchten, konnten erst
im Rückenmark die motorischen GangUenzellen wiederfinden, welche Rohon
darin entdeckt hat, denn sie sagen, daß ventral in der medulla spinalis Gan-
gUenzellen liegen, deren Fortsätze in Bündeln vereint, die ventralen, moto-
rischen Nerven bilden. Diese Nervenfasern innervieren die Muskeln ihres
Segments.
Vorn im Rückenmark erwähnen die genannten Autoren eine besondere
Art großer, wahrscheinlich multipolarer Ganglienzellen, welche einen Fortsatz
in den dorsalen sensibelen Nerven senden. Neben diesen Nervenfasern führen
die sensibelen Nerven Fasern, welche in GoLGi-Präparaten zeigten, daß sie
sich nach ihrem Eintritt ins Rückenmark dichotomisch verzweigten in einen
aszendierenden und einen deszendierenden Ast. Noch andere Fasern der
sensibelen Nerven, welche im Rückenmark Seitenäste in allen Richtungen
abspalteten, waren Fortsätze von Ganglienzellen, welche neben der Raphe
lagen.
Bei jungen Tieren von 15 m.M. Länge konnten Heymans und van der
Stricht offenbar die Ganglienzelltypen a und b (Fig. 116), welche Retzius
entdeckt hatte, zurückfinden, aber sie kombinierten die beiden Typen mit
allen ihren Fortsätzen zu einem einzigen Typus.
Ueber die Neurochordzellen teilen sie uns die wichtige Tatsache mit,
daß sie Fortsätze (Dendriten) in die dorsalen sensibelen Nerven aussenden,
l'ebrigens beschreiben sie die Neurochordzellen weniger genau als Rohde und
Retzius es taten.
In der Arbeit Hesses (1808) wiid wiederum eine neue Zellart des Rücken-
marks als Anfang einer Leitungsbahn l)eschneben. Es sind die überall zer-
streuten Sehzellen, welche sich unmittelbar in eine Nervenfaser fortsetzen
und daher Sinnesnervenzellen sind. Dei- Nervenfortsatz war leider nur eine
kurze Strecke verfolgbar. Wir begegnen hier also Sinnesnervenzellcn im Zen-
tralnervensystem, was bei den anderen Evertebraten niemals der Fall war,
bei Vertebrateii al)er für die Stäbchen- und Zaj^fenzellen der Retina und bei
Amphioxus abermals für die Zellen des Infundibularorgans und einige Epithel-
zellen des Zentralkanals (vergl. S. 351) zutrifft. Das Merkwürdige der mitten
im Rückenmark eingebetteten Sehzellen ist, daß es solitare Sinnesnervenzellen
sind, welciie nicht Ki< SruKur (I8!)) und von Retzius (1898). Weil Dogiel (1903) abermals an verschiedenen
Stellen Sinnesnervenzellen nachweisen konnte, glaube ich, daß Heymans
und VAN DER Stricht und Retzius darin nicht Recht haben.
Dogiel (1903) arbeitete mit der GoLGi-Methode und mit Methylenblau
vuid er fand sowohl in der Haut als im Epithel der Cirren Sinnesnervenzellen
(von ihm periphere Nervenzellen genannt), welche ihren Nervenfortsatz in
einen subepithelialen Nervenplexus sandten. In den Cirren stehen diese Zellen
in den Papillen gruppiert oder zwischen den Papillen zerstreut. In der Flim-
mergrube traf Dogiel neben indifferenten Epithelzellen Sinnesnervenzellen,
welche ihren basalen Fortsatz in einem dicken Nerven zum Gehirn sandten.
Auch dieses stimmt mit dem Bekannten überein, nur daß Dogiel einen be-
stimmten Nerven der Flimmergrube anerkennt, welchen Rohon verneinte.
Der Leser hat schon erfahren, daß sich unter dem Epithel der Haut ein
Nervenplexus befindet, in den die Nervenfortsätze der Sinnesnervenzellen
eintreten. Sie sind nicht die einzigen Fasern, welche diesen Nervenplexus
bilden. Die Spinalnerven sind ebenfalls mit diesem Nervenplexus verbunden
und treten ihm Fasern ab und überdies enthält der Nervcnplexus GangUen-
zellen und gehen aus ihm .sensibele Nervenfasern hervor, welche frei in der
Haut enden.
Die hier gegebene Vorstellung fußt auf den folgenden Mitteilungen. Rohon
(1882) ist der erste, welcher in der Haut von Amphioxus einen Nervcnplexus
mit interpoüerten Ganglienzellen beschreibt, aus welchem Nervenfasern
hervorgehen, welche frei in der Haut enden. Ihm folgen Fl'sari (1889), welcher
AMPHIOXUS. 355
in der Haut einen Nervenplexus mit Ganglienzellgruppen sah und Retzius
(1898), welclier in der Haut und im Epithel der Girren freie Nervenendungen
beobachtete. Schheßhch meldet Dogiel (1903), daß die sensibelen Spinal-
nerven sich verästeln und in einen subepithelialen Nervenplexus übergehen.
Einige Fasern dieses Plexus verästeln sich zwischen den indifferenten Epithel-
zellen der Haut und enden dort frei. Aehnliche freie Nervenendungen wurden
in den Girren wahrgenommen.
Mit solchen Mitteilungen wird unsere Kenntnis der peripheren Leitungs-
bahnen von Amphioxus nur wenig gefördert. Will man sie genau kennen,
so hat man die Nervenfortsätze der Sinnesnervenzellen bis zu ihrem Ende,
die frei endenden sensibelen Nervenfasern bis zu ihrem Anfang und auch
die Fortsätze der im Nervenplexus eingeschalteten Ganglienzellen zu verfolgen.
Das bis jetzt Bekannte zeigt nur, daß die Nerven als solche nicht als einheit-
liche Leitungsbahnen betrachtet werden dürfen.
Daß ein Nervenplexus mit eingelegten Ganglienzellen nicht ausschließ-
lich unter der Haut vorkommt, lehrt uns die Bemerkung Dogiels, daß ein
solcher auch im Kiemenkorbe da ist.
Man hat sich große Mühe gegeben zu entscheiden, ob die Spinalnerven
in ihren ersten Abschnitten, bevor sie eventuell in einen Nervenplexus über-
gehen, Ganglienzellen enthalten, weil man in dieser Weise in den sensibelen
Nerven die Homologa der Spinalganghen der Vertebraten zu finden hoffte.
Die Ansichten der Autoren darüber sind ziemlich verschieden.
Langerhans (1876) fand in keinem der Spinalnerven ein Ganglion mit
Ausnahme der beiden vorderen Hirnnervenpaare (der ungepaarte Nerv zur
Flimmergrube nicht mitgerechnet). Hier lagen einige Ganglienzellen in einer
Kapsel beisammen in den peripheren Nerven.
RoHON (1882) entdeckte zahlreiche Ganglienzellen in den drei vorderen
Hirnnervenpaaren .
FusARi (1889) sagt, daß die beiden vorderen Hirnnervenpaare periphere
Ganglien tragen. Die daraus hervortretenden Nerven enden nach ihm frei
im Epithel der Haut, aber da sagt er wohl mehr, als er genau genommen ver-
antworten kann, denn er folgt den einzelnen Nervenfasern nicht.
RoHDE (1890) sieht in den sensibelen Spinalnerven zahlreiche Kerne,
deren nervöse Natur er anderen Autoren gegenüber, welche sie als Bindege-
webskerne betrachten, verteidigt.
Hingegen leugnen Heymans und van der Stricht (1896), daß die sensi-
belen Spinalnerven je Ganglienzellen enthalten und sie erkennen folglich dem
Amphioxus keine Spinalganglien zu. Schneider (1902) und Loennberg( 1903)
schließen sich in ihren Sammelwerken dieser Auffassung an.
Dogiel (1903), welcher den Bau der sensibelen Spinalnerven vielleicht
am besten untersucht hat, hat darin die Nervenfasern genau verfolgen können,
denn er beschreibt in den sensibelen Nerven dünne Nervenfasern unbekannter
Herkunft, welche im Rückenmark angelangt, sich T-förmig teilen in einen
aszendierenden und einen deszendierenden Ast, welche hauptsächlich dorsal
und lateral im Rückenmark gelegen sind und bisweilen anderen Nerven Sei-
tenäste überliefern. Ich frage mich ob diese Fasern nicht die Fortsätze der
356 AMPHIOXUS.
von Retzius entdeckten Ganglienzellen (Fig. 116, h) seien. Andere dünne
Nervenfasern der sensibelen Nerven kreuzen die Medianlinie und enden ver-
zweigt. Ihre Ursprungszellen sind also in der Peripherie zu suchen. Noch
andere Nervenfasern der sensibelen Nerven sind ein wenig dicker als die vorigen
Sie biegen im Rückenmark ganz einfach in der Längsrichtung um. Dogiel
vermutet darin motorische Nervenfasern, welche auch in den sensibelen
Nerven nicht fehlen würden.
Ganglienzellen mit verfolgbaren Fortsätzen hat Dogiel in den sensibelen
Nerven nicht finden können. So glücklich ist nur Van Wijhe (1913) gewesen,
welcher in letzter Zeit unter dem Atrialepithel, welches Leber, Mittel- und
Enddarm bedeckt, eine große Menge multipolarer Ganglienzellen fand, welche
ihre Neuriten mit den sensibelen Nerven zum Rückenmark sandten.
Zusammenfassend kann ich also sagen, daß vielleicht die Hirnnerven
bald nach ihrem Austritt Ganglienzellen enthalten, daß jedenfalls die sensibelen
Spinalnerven in ihren ersten Abschnitten keine Ganglienzellen führen, welche
mit den Spinalganglionzellen der Vertebraten direkt vergleichbar wären.
Man hätte sich vielleicht die Frage, wo die Homologa der Spinalganglion-
zellen der X'ertebraten bei Amphioxus zu finden seien, nicht gestellt oder
jedenfalls ihre Lösung in anderer Richtung gesucht, wenn man sich genügend
Rechenschaft gegeben hätte über die großen L^nterschiede, welche die sensi-
belen Spinalnerven von Amphioxus gegenüber jenen der Vertebraten kenn-
zeichnen. Die sensibelen Nerven der Vertebraten enthalten neben sympathi-
.schen Nervenfasern Fortsätze von Spinalganglionzellen, welche wahre Sinnes-
zellen innervieren oder solche, welche frei im Epithel oder im Bindegewebe
enden. Die sensibelen Nerven von Amphioxus gleichen in ihrer Zusammen-
setzung weit mehr- den sensibelen Nerven der Evertebraten als jenen der
Vertebraten, denn sie führen neben wenigen motorischen Fasern und sympa-
thischen Nervenfasern, wozu ich vielleicht die von Van Wijhe (191 3) entdeck-
ten rechnen darf, Nervenfortsätze von Sinnesnervenzellen und frei in der
Körperperipherie endende Nervenfasern, aber keine Fasern, welche wahre
Sinneszellen innervieren, denn solche Zellen wurden bei Amphioxus nicht
gefunden. Der einzige Fasertypus, welcher den sensibelen Nerven der V^erte-
braten und des Amphioxus gemeinschaftlich ist, sind also die frei endenden
sensibelen Nervenfasern, welche bei den Vertebraten aus Spinalganglion-
zellen hervorgehen. Man wird also bei Amphioxus die Homologa oder
weiügstens die Analoga der Spinalganglionzellen entdeckt haben, sobald
man die l'rsprungszellen der oft erwähnten fiei endenden sensil)elen Nerven-
fasern erforscht hat. Heute kommen dafür, so weit ich sehe, nur die Gan-
glienzellen des peripheren Nervenplexus, oder die Ganglienzellen des Rüc-
kenmarks, welche einen Fortsatz in einen sensibelen Nerven senden, (vergl. S.
353) in Betracht.
Wir haben schon im Rückenmark Ganglienzellen kennen gelernt, welche
einem ventralen, motoiischen Nerven einen Fortsatz beimischten. Nach
Dogiel (ÜHIü) würden diese Nervenfasern sich verästeln und ohne zu ana-
stomosieren oder in periphere Ganglienzellen überzugehen, in motorischen
Endapparaten der Fasern der K(Jr]jeinuiskeln enden. Bei diesen motorischen
AMPHIOXUS. 357
Nerven ist also ausnahmsweise der Weg des Reizes zugleich mit dem Laufe
des Nerven völlig bekannt. Ebensowenig wie andere Autoren die Fortsätze
der motorische Rückenmarkszellen bis zum Ende haben verfolgen können,
ebensowenig konnte Dogiel den Ursprung der motorischen Nervenfasern
ermitteln. Einige Fasern sah er im Rückenmark nach hinten umbiegen und
ventral weiterziehen, andere sah er die Medianlinie überschreiten.
LITERATUR.
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TIERNAMEN-REGISTER.
Acanthobdella 107, 111.
Acanthobdella peledina HO.
Acanthocephala 57.
Acarina 333.
Acherontia atropos 331.
Acilius 194, 207.
Acilius sulcatus 301.
Actinia 22.
Aculeata 318.
Aeginidae 15, l(i.
Aesclina 226, 287, 289, 295, 324, 327, 330,
332, 333.
Aeschna cyanea 285.
Aeschna grandis 285.
Aeschna juncea 285.
Aeschna niuculati.ssinia 282, 283.
Alciopa cantrainii 76,
Alciopidae 59, 75.
Alcyonaria 24.
Alcyoniuni digital um 23, 24.
Ameise 200, 304, 317, 318, 311>— 321.
Ammotry pane 6 1 .
Ampelophaga 332.
Amj^elophaga myron 331.
Ani])hineiirn 117, 118.
Amphioxxis 42, 345 — 357.
Amphipoda 211—213.
Amphiponis 44.
Annelida 32, 41, 46, 57, 58—112.
Anodonta 131.
Anodontn anatina 130.
Anomia ephippium 125, 126.
Anthophora 318.
Anthozoa 22 — 24.
Aphrodite 67, 69.
Aphroditeae 64, 67, 77.
.Apidae 318.
Apis mellifica 275, 290, 294, 303, 304 —
318, 319, 320, 321, 322, 327, 328,
332, 333.
Aplysia 133.
.Aplvfiia punctata 132.
Aporrhais pespolecani 135.
Appendicularia 344.
Apterygota 281.
Apus glacialiR 211.
-Arabella <')4.
Arachnoidea 193, 197, 333
Aranea 333.
Area barbata 123, 126.
Ai-ea Noae 120, 121, 123, 12(1.
Area tetragona 123, 126.
Arcacea 126.
Archiannelida 58.
Archiptera 281—289.
Arenicola 70.
Arion 156, 158.
Arion empiricorum 149, 157.
Arion rufus 149.
Armandia 62.
Artemia salina 197. 208.
Arthrogastres 333, 336.
Arthropoda 2, 3, 11, 12, 13, 77, 81,
94, 120, 133, 147, 156, 191—336,
352.
Ascandra arborea 6.
Ascaris 46 — 57.
Ascaris Kükenthalii 55.
Ascaris lumbricoides 46, 48, 49.
Ascaris megalocephala 4(5, 47, 48, 49, 51.
Ascidia 343.
Asellus 213.
Asellus communis 214.
Astacus 151, 205, 213, 214, 217, 219,
221, 223, 224, 227, 228, 229, 230,
231, 233, 234, 235, 236, 237, 238,
239, 240, 241, 243, 246, 248, 251,
252, 253, 254, 259, 272, 316.
Astacus fluviatilis 205, 219, 220, 221,
222, 223, 224, 232, 233, 234.
Astacus leptodactylus 224.
Astacus marinus siehe Homarus.
Astarte f usca 1 26.
Asterias rubons 184.
Asteroidea 181—184, 185.
Asterope Candida 76.
Aulastomum giilo 102. 103, 105. UMi,
107, 109.
Aurelia aurita 19.
Auster siehe Östren.
Belostoma 328, 329.
Beroe ovatus 25, 26.
Biene siehe Apis mellifica.
:^59
Blatta siehe Periplaneta.
Blutegel siehe Hirudo.
Bombyx 332.
Bombyx mori 203, 204, 331.
Botriocephahis 37, 40.
Brachyura 254, 272.
Branchiobdella parasita 110.
Branchiopoda 197, 207—211.
Branehiostoma lanceolaturn siehe Am-
phioxvis.
Branchipus 209.
Branchipus stagnalis 197.
Bryozoa 243.
Buccinum 132.
Bunodes 23.
Bythotrephes longimanus 209.
Caeeidotaea stygia 214.
Calanella mediterranea 207.
Calliphora 332, 333.
Calliphora eiythrocephala 201, 329.
Caloptenus italicus 295.
Campanularidae 1 6.
Camponotus 319, 321.
Camponotus ligniperdus 319.
Camponotus pennsylvaniciis 320.
Cancer 272.
Capitella 65.
Capitellidae 64, 65.
Carabidae 235, 302, 303, 330.
Carabus auratus 302.
Carabus sylvestris 302.
Carcinus 219, 257, 272.
Carcinus maenas 246, 251, 254, 255,
256, 258, 259, 260, 261, 264, 266,
267, 268, 271, 272, 273.
Cardita sulcata 126.
Cardiiim 130.
Cardium edule 1 30.
Carinaria 139, 141.
Carinella 41, 44.
Carmarina 1 6.
Carmarina hastata 17.
Cephalopoda 119, 159—177, 289, 327.
Cerebratulus 41, 43, 44.
Cerebratulus marginatus 42.
Cerianthus 23.
Cestodes 37 — 40.
Cetochilus 207,
Chaetoderma nitidulum 117, 118.
Chaetognatha 45, 46.
Chaetopoda 58—99, 235, 303, 330.
Chilognatha 198.
Chilopoda 202, 274.
Chiton 117, 118.
Chiton laevis 118.
Chiton siculus 118.
Clepsine 107, 108, 109, 110, 111.
Codonium 17.
Coelenterata 2, 3, 4, 6, 7—28, 29, 31,
38, 95, 112, 118, 193, 213, 234,280.
Coleoptera 197, 200, 207, 300—304.
CoUembola 281.
Colossendeis 273.
Copepoda 198, 207.
Corethra plumicornis 197.
Corydalis 203.
Corydalis cornuta 297, 298, 299.
Cotylorhiza 20.
Crabro cribarius 318.
Crangon 200.
Craterolophus tethys 21.
Crinoidea 181, 186, 187.
Crustacea 41, 142, 192, 194, 197, 198,
199, 200, 201, 203, 204, 205, 207—
273, 276, 281, 282, 295, 303, 333.
Ctenophora 25, 26, 352.
Cyanea 9.
Cyanea annaskala 19.
Cyprina 138.
Cyprina islandica 130.
Daphnia 204, 207, 210.
Daphnia sima 208, 209.
Daphidae 198, 200, 208, 209.
Dasybranchus 65.
Datana 332.
Decapoda (Cephalopoda) 160.
Deeapoda (Crustacea) 142, 199, 204,
207, 211, 215, 219—273.
Dendrocoela 31.
Dendrocoelum lacteum 32, 34.
Dentalium dentale 118.
Dentalium entalis 118.
Derostoma 32.
Dibranchiata (Cephalopoda) 160, 163.
Diplopoda 198, 214, 274.
Diptera 197, 198, 201, 239, 286, 322—
330, 332, 333.
Distomum 12.
Distomum caudatum 36.
Distomum hepaticum 36.
Distomum macrostomum 35.
Donax trunculus 130.
Dorcus parallelepipedus 300.
Dreissenia polymorph» 126.
360
Drepanophorus 44, 45.
Dytiscus 301.
Echinidae 188.
Echinodermata 1, 11, 181—189, 193,
352.
Echinoidea 181, 187, 188.
Echinorhynchus gigas 57.
Eledone 159, 160, 162, 163, 164, 165,
168, 169, 173, 174, 177.
Eledone moschata 163.
Enteropneusta 352.
Entomostraca 207 — 211.
Epeira 333, 334, 335, 336.
Eristalis tenax 323, 327.
Eucera 318.
Eudendrium 1 6.
Euniceae 64.
Eunicidae 76.
Eupolia 44, 45.
Falter 330, 331.
Fasciola hepatiea 36.
Fidonia 332.
Fi.ssurella 135. 137, 138.
Fliegen 201, 288, 330.
Flußkrebs siehe Astaeu.s fluviatilis
Forficula auricularia 201, 296.
Forinica 318, 319, 321.
Forskalia ophiura 18.
Frosch 169.
(wilathea 273.
'"•ariimanis fluviatilis 213.
(laiiHiiarus pulex 213.
(lastroijoda 131—159.
(Jeophilus 274.
Oeophilus linearis 274.
Oeophilus longicornis 274.
flephyrea 99.