a SEEN ee ne ner ie Berg ER rn ne Tee rc en À BR A at De er ri A tu y nase yhiee Here Le die ae 2 den Tr Es Cr Bee Te Unit 3 4 "wie 2" Eh Fr rer Fr RE En: 2 DANIEL HUBER 1768—1829 Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft ın Basel Band XXVIII Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum mit 25 Porträts, 8 Tafeln und 101 Textfiguren. Basel Georg & Cie. Verlag 1917 Druck von Emil Birkhäuser, Basel. Inhalt. Erster Teil. Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 1817—1917 von H. G. Stehlin. I. Gründung ’ II. Organisation und Sina bettieh 18171917. a: III, Finanzhaushalt; Förderung der naturhistorischen Slorananiknmerem und der naturwissenschaftlichen Bibliothek IV. Zieglersche Kartensammlung . V. Publikationen VI. Schluss Anmerkungen Beilage 1. aletemarenune dien Cadet 18171917. Beilage 2. Ehrenmitglieder und correspondierende Mitglieder der Gesellschaft 1830-1917. Beilage 3. Ordentliche Mitglieder der Gosensenat im ‚ Fine 1917 Beilage 4. Beamte der Gesellschaft 1817—1917 Beilage 5. Publikationen der Gesellschaft 1835 —1917 . Beilage 6. Gesellschaften und Institute, mit welchen die Ge- sellschaft in Schriftenaustausch steht Bericht über das ne Jubiläum der Gesellschaft . . . . , Ansprachen beim offiziellen Festakt in der KHentineleng à Ansprache von Hrn. Dr. Fritz Sarasin, Präs. der Gesellschaft Ansprache von Hrn. Regierungsrat Dr. F. Mangold . Ansprache von Hrn. Prof. E. Hedinger, Rector a ; Ansprache von Hrn. Prof. J. Wackernagel Ansprache von Hrn. Prof. Ed. Fischer, Zentralpräs. der S N. G. Verzeichnis der Stifter des Jubiläumsfonds Zweiter Teil. Mathematik und mathematische Physik. E. Hecke. Ueber die Kroneckersche Grenzformel für reelle qua- dratische Körper und die Klassenzahl relativ-Abelscher Körper 0. Spiess. Ueber eine Klasse von Funktionalgleichungen W. Matthies. Ueber die unipolare, eindimensionale elektrische Strömung in dichten Gasen Physik, Astronomie und Geodaesie. ° Th. Niethammer. Zur Theorie der isostatischen Reduktion der Schwerebeschleunigung . F. Ziekendraht. Ueber eine Oran konskanlkitem. A. Hagenbach. Die zwei neuen Umformergruppen in der physi- kalischen Anstalt der Universität Basel Rt: M. Knapp. Die Sternkarten des Johannes Honterus ooromemeis 2/62 363 407 Chemie und Physikalische Chemie. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. Ueber die Bildung des Harnstoffs aus Ammoniumearbonat und aus verwandten Verbindungen ERBE Be HER UE re lon ee rg RT, N'y H. Rupe. Ueber Metylencampher und einige seiner Derivate A. L. Bernoulli. Grundzüge einer elektrodynamischen Theorie der Serienspektren Geologie, Petrographie und Geographie. A. Tobler. Ueber Deckenbau im Gebiet von Djambi (Sumatra) H. Preiswerk. Ueber neue Skapolithfunde in den Schweizeralpen G. Braun. Das Rheintal zwischen Waldshut und Basel A, Buxtorf. Ueber ein Vorkommen von Malmkalk im subalpinen Flysch des Pilatusgebietes . lage Be De RR. F. Jenny. Mitteloligocänes Profil (Stampien) zwischen Therwil ‘ und Reinach bei Basel . Botanik. G. Senn. Die Chromatophoren-Verlagerung in den Palissaden- zellen mariner Rotalgen und grüner Laubblätter ARE W. Bally. Ein neuer Fall von Symbiose zwischen einem Bakterium und einem Pilz Palaeontelogie. H. G. Stehlin. Miocäne Säugetierreste aus der Gegend von Elm (BrovisHessen) am Pre ee H. Helbing. Zur Kenntnis einiger Carnivoren aus dem Phry- ganidenkalk des Allierbeckens Zoologie. F. Zsckokke. Die Tierwelt der Umgebung von Basel nach neuegen Korschungene, ss ner EE AC C. Walter. Beitrag zur Kenntnis der Entwicklung bachbe- wohnender Milben RAT APE ARS CSS EI EU TO TLUS | Lo E. Wehrli. Für Basel und für die Schweiz neue Lepidopteren, nebst einigen neuen Formen und biologischen Angaben . L. Courvoisier. Ueber Nebenformen, Rassen und Zwischen- formen bei Lycaeniden . 5 Pathologische Azatomie. E. Hedinger. Ueber Knochenmarksherde in der Milz und über experimentelle Transplantation von Knochenmark in die Milz Prähistorie und Ethnographie. F. Sarasin. Streiflichter aus der Ergologie der Neu-Caledonier und Loyalty-Insulaner auf die europäische Prähistorie . L. Rütimeyer. Ueber Fell- und Kindermasken aus Geylon. Seite 391 191 904 Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Verzeichnis der Porträttafeln zum ersten Teil. I. IT. III. IV. V. VE. VI. VI. Daniel Huber 1768—1829. Carl Friedrich Hagenbach 1771—1849; Christoph Bernoulli 1782 1863. Peter Merian 1795—1883. Carl Gustav Jung 1794-1864; Friedrich Meisner 1800—1874; Ludwig Imhoff 1801—1868; Johannes Roeper 1801—1885. Christian Friedrich Schônbein 1799 — 1868. Friedrich Miescher-His 1811— 1887; Gustav Wiede- mann 1826—1899; Ludwig Rütimeyer 1825—1895. Fritz Burckhardt 1830--1913; Albrecht Müller 1819 - 1890; Wilhelm His-Vischer 1831—1904; Eduard Hagenbach-Bischoff 1833— 1910. Victor Gillieron 1826—1890; Fritz Miescher-Rüsch 1844—1895; Fritz Müller 1834—1895; Carl Vonder Mühll 1841—1912.- Jacob Melchior Ziegler 1801—1883. Die Senioren der Gesellschaft im Jubiläumsjahre 1917. Hermann Christ geb. 1833 ; Julius Kollmann geb. 1834; Friedrich Goppelsroeder geb. 1837; Simon Schwendener geb. 1829. Verzeichnis der Tafeln zu den Abhandlungen im zweiten Teil. Tafel I zu A. Tobler: Ueber Deckenbau im Gebiet von Djambi (Sumatra). Tafel II zu Th. Niethammer: Zur Theorie der isostatischen Reduktion der Schwerebeschleunigung: Tafel III und IV zu G. Braun: Das Rheintal zwischen Waldshut und Basel. Tafel V und VI zu M. Knapp: Die Sternkarten des Johannes Honterus Coronensis. Tafel VII zu A. Buxtorf: Ueber ein Vorkommen von Malmkalk im subalpinen Flysch des Pilatusgebietes. Tafel VIII zu F. Jenny: Mitteloligocänes Profil (Stampien) zwischen Therwil und Reinach bei Basel. Erster Teil. (Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 1817— 1917 von H. G. Stehlin. I. Gründung. Als die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft im Jahre 1815 in Genf von Welschschweizern und Bernern gegründet wurde und im folgenden Jahre in Bern ihre erste Organisation erhielt, bestanden in Zürich, in Bern, in Genf, im Aargau und in der Waadt schon Vereine, welche ähnliche Ziele verfolgten und sich stützend an sie anschliessen konnten.') Im Gegensatz zu diesen Lokalgesellschaften anderer Kantone ist die Naturforschende Gesellschaft in Basel”) im eigentlichen Sinne des Wortes eine Tochter der schweizerischen. Die Mutter- gesellschaft hat sie ins Leben gerufen. — Das Ende des achtzehnten Jahrhunderts und der Beginn des neunzehnten sind für das geistige Leben unserer Vaterstadt eine Periode des Tiefstandes gewesen. Der Betrieb der altehrwürdigen Universität bewegte sich in den ausgelaufenen Geleisen einer ver- gangenen Zeit. In den uns speziell interessierenden Fächern war der Zustand trostlos. Die medizinische Fakultät?) besass zwar auch damals einige fähige Lehrer; sie fanden aber bei den Behörden nicht die Unterstützung, welche zu einer erspriesslichen Tätigkeit erforderlich gewesen wäre, und ihr Auditorium reduzierte sich all- mählich auf eine Anzahl Barbiergehilfen. Die einzige naturwissen- schaftliche Professur der philosophischen Fakultät, diejenige der Physik, war seit dem Tode Daniel Bernoulli’s, 1782, ungenügend und seit 1810 überhaupt nicht mehr besetzt. Daniel Huber, der würdige Nachfolger der Bernoulli auf dem Lehrstuhl der Mathe- matik, tat sein Möglichstes, um eine Neubelebung der Fakultät herbeizuführen, vermochte aber mit seinen Plänen nicht durchzu- dringen. Mit vielem anderen, was einst geblüht hatte, war während dieser Jahrzehnte auch die im Jahre 1751 gegründete und in der Folge im In- und Auslande zu Ansehen gelangte, Societas physico- 4 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. medica®‘) dahingewelkt. 1787 hatte sie dem achten Bande ihrer „Acta“, nach langer Unterbrechung, noch einen neunten folgen lassen, der ihr letztes Lebenszeichen geblieben ist. Diese Societas physico-mathematico-anatomico-botanico-medica helvetica, wie sie mit ihrem vollen Namen hiess, darf nur mit einigem Vorbehalt als Vorläuferin unserer heutigen Gesellschaft bezeichnet werden. Versammlungen ihrer Mitglieder zur Anhörung von Vorträgen und zu wissenschaftlicher Diskussion hat sie nie veranstaltet. Sie war eine vom Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Basel geleitete Vereinigung von baslerischen, schwei- zerischen und auch ausländischen Forschern, die ihren einzigen Zweck in der Herausgabe einer Sammlung wissenschaftlicher Ab- handlungen erblickte. Die Mitglieder bezahlten keine Beiträge. Die Finanzierung der Publikation war Sache des Verlegers. Mit vollem Rechte darf dagegen diese Publikation, die Acta, als Vorläuferin der Denkschriften der Schweizerischen Naturforschen- den Gesellschaft bezeichnet werden. Sie hat zu ihrer Zeit der schweizerischen Naturforschung ziemlich genau dieselben Dienste geleistet, wie diese im neunzehnten Jahrhundert. Staatsrat Paul Usteri von Zürich hat in dem Vorwort, mit welchem er den ersten Band der Denkschriften beim Publikum einführte, dieses Verhältnis auch ausdrücklich hervorgehoben. — Kurz nach der Gründung der schweizerischen Gesellschaft am 20. Oktober 1815 wandte sich der getreue Mitarbeiter von Henri Albert Gosse, Pfarrer Samuel Wyttenbach’) in Bern an den bereits genannten Daniel Huber, um ihn selbst zum Beitritt einzuladen und zur Nennung anderer Basler, welche sich für die Bestrebungen der Gesellschaft interessieren könnten, zu ersuchen. Huber nahm die Einladung mit Freuden an und erteilte bereit- willig die gewünschte Auskunft. Und nun schrieb ihm Wytten- bach am 29. Oktober 1815: „Die Nachrichten, die Sie mir von gelehrten Naturforschern in Ihrem Basel geben, waren mir sehr wichtig und flössen mir den Gedanken und Wunsch ein, dass Sie ihre nun schlaffende Naturforschende Gesellschaft wieder aufwecken möchten. — Die ehemaligen Acta helveto-basileensia waren zu reich an fürtrefflichen Abhandlungen, als dass nicht jeder wünschen sollte, dass dieselben möchten fortgesetzt werden. Hören Sie meine Vorschläge an! So wie nun in Zürich und Genf und Bern sich Vereine von Naturforschenden Freunden gebildet haben und mit einander in brüderlichem Briefwechsel stehen: so sollten Sie ein gleiches in Basel bilden, das sich mit uns in engere Ver- bindung setzte. Ihre Stückelberger, Hagenbach, Burkhard, Wolleb, Wykh, Falkner etc. etc., alle fürtreffliche Männer, sollten mit Ihnen I. Gründung. 5 in einen Verein zusammentretten und mit uns brüderlich zum gemeinsamen besten arbeiten.“ Auch diese Anregung fiel bei Huber sofort auf fruchtbaren Boden. Der Plan, die in seiner Vaterstadt auf dem Gebiete der Naturwissenschaften Tätigen in einem freundschaftlichen Verbande zu vereinigen, hatte seinen vollen Beifall. Ganz besonders ent- sprach aber auch der Gedanke, diesen Verband als Fortsetzung einer Korporation, welcher Daniel Bernoulli, Euler, Lambert und Albrecht von Haller angehört hatten, ins Leben treten zu lassen, seiner auf Pflege des historisch gewordenen und auf Wahrung alten Ansehens gerichteten Sinnesart. Er ahnte damals nicht, wie viel vergebliche Mühe er sich auflud, indem er sich von demselben bestricken liess. Von den einstigen Mitgliedern der Societas physica lebten da- mals noch drei, Daniel Wolleb, Medicinae Doctor und Professor der lateinischen Sprache, Johann Rudolf Buxtorf, Medicinae Doctor und Daniel Bernoulli der jüngere, Medicinae Doctor und Domprobsteischaffner. Daniel Huber selbst hatte im letzten Band der Acta eine astronomische Abhandlung veröffentlicht, scheint aber nicht Mitglied gewesen zu sein; wenigstens nennt er sich selbst nicht als solches; auch fehlt sein Name auf der diesem Bande beigegebenen Mitgliederliste. Da nun aber die Societas physica unter der Leitung der medi- zinischen Fakultät gestanden hatte, so wandte sich Huber nicht an die noch lebenden Mitglieder, sondern an die derzeitigen Pro- fessoren der medizinischen Fakultät Johann Jacob Stückel- berger, Karl Friedrich Hagenbach und Johann Rudolf Burckhardt, und diese zeigten sich bei der ersten Sondierung seinen Plänen nicht abgeneigt. Im Dezember 1815 entwarf er eine „Verfassung“ der zu erneuernden Societas und legte dieselbe Professor Stückelberger vor, welcher zwar sich im Prinzip einver- standen erklärte, aber keine Miene machte, die Sache nun energisch an die Hand zu nehmen, sondern die Ansicht äusserte, „man solle zunächst in den Archiven nachsuchen, was über die Constitution der ehemaligen Societas zu finden sei“. Auch dem unterzog sich Huber; zugleich aber sann er auf Mittel, die medizinische Fakultät in Bewegung zu bringen. Am 3. Januar 1816 rief er Wyttenbach zu Hilfe, er möge doch ohne Verzug die Einladungen zum Beitritt in die schweizerische Gesellschaft an die früher genannten Herren, besonders an die Professores Medicinae abgehen lassen, das werde von gutem Einfluss sein. Am besten wäre es, wenn Wyttenbach diese Einladungen sämtlich an Professor Stückelberger senden und diesem zugleich den Vorschlag wegen Erneuerung der ehemaligen Societas empfehlen möchte. 6 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Wyttenbach entsprach diesem Wunsche und Huber seinerseits richtete am 23. Hornung 1816 eine längere Eingabe an die Pro- fessores Medicinae, in der er ihnen seinen Plan nochmals warm ans Herz legte; dieselbe schliesst mit der Anregung „viri experien- tissimi“ möchten die hiesigen Interessenten möglichst bald zu einer Besprechung besammeln und dabei von vorneherein erklären, „es werde niemand durch den Beitritt zu Arbeiten verbindlich gemacht“. Der Eingabe legte er bei: Auszüge aus Briefen von Wyttenbach und Hofrath Horner in Zürich über die Constitution der Berner und der Zürcher Gesellschaft, den nach einigen Vorschlägen Stückel- bergers abgeänderten Verfassungsentwurf und unter dem Titel „Kurzer Entwurf einer Geschichte der ehemaligen physisch-medi- zinischen Societät in Basel“ das Ergebnis der Nachforschungen, welche er in den Archiven der medizinischsn Fakultät und der Universität angestellt hatte. Das letztere Dokument ist nachmals von Peter Merian in der Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum abgedruckt worden. Allein es wollte wieder nicht vorwärts gehen. Zum Teil ist daran zweifellos der Umstand schuld, dass die drei Professoren der medizinischen Fakultät vielbeschäftigte Aerzte waren. Doch kam noch etwas anderes dazu. Stückelberger und Hagenbach hatten in jahrelangem Kampf mit allen möglichen Unzulänglich- keiten das Vertrauen in die Zukunft der medizinischen Fakultät verloren. Zwei Jahre später, nach dem Inkrafttreten des neuen Universitätsgesetzes, sind sie mit dieser Begründung vom Lehramte zurückgetreten. Es ist leicht verständlich, dass sie in einer solchen Stimmung wenig Lust empfanden, sich von fakultätswegen auf eine neue Unternehmung einzulassen. — Am 8.—5. Oktober 1816 fand in Bern, unter dem Vorsitze von Wyttenbach, die zweite Jahresversammlung der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft statt. Huber nahm — als einziger Basler — an derselben teil und schöpfte im Verkehr mit Gleich- gesinnten neuen Mut. Nach Basel zurückgekehrt, suchte er die Verwirklichung seines Wunsches auf einem neuen Wege, der ihn dann auch rasch zum Ziele führte. Er gab den Gedanken an eine Wiederbelebung der Societas physica und an ein Zusammenwirken mit der medizinischen Fakultät auf und lud von sich aus einige Interessenten auf den 19. Dezember 1816, abends 5 Uhr, zu einer Besprechung in die „Sessionsstube des unteren Collegi“ ein. Von zwölf Geladenen erschienen sechs. Hubers Vorschlag, eine Gesellschaft zu gründen, wurde gut aufgenommen. Man beschloss, die Sache weiter zu ver- folgen und stellte eine Liste von zwölf ferneren, zu einer zweiten Besprechung beizuziehenden Mitbürgern auf. I. Gründung. 7 Diese zweite Sitzung fand Mittwoch den 8. Januar 1817 im nämlichen Lokale statt. Von den vierundzwanzig diesmal Einge- ladenen nahmen elf an derselben teil. Ein von Huber vorgelegter Statutenentwurf, der bedeutend einfacher als der frühere ge- halten war, fand allgemeine Billigung und damit war die Natur- forschende Gesellschaft in Basel begründet. Die Statuten wurden bei den übrigen Angefragten herumgeschickt und im ganzen von zweiundzwanzig Personen, die als Gründer zu betrachten sind, unterzeichnet. In der folgenden Sitzung, Mittwoch den 22. Januar, schritt man zur Wahl des, in denselben vorgesehenen, dreigliedrigen Vorstandes; Daniel Huber wurde zum Präsidenten, Prof. Daniel Wolleb zum Vizepräsidenten, Dr. Christoph Bernoulli zum Sekretär ernannt. Am 9. April meldete Huber Pfarrer Wytten- bach mit grosser Befriedigung den endlichen Erfolg seiner Be- mühungen. Die zweiundzwanzig Gründer unserer Gesellschaft waren: 1. Daniel Huber, Prof. math. 2. Hieronymus Bernoulli, Stadtrat. 3. Daniel Bernoulli, med. Dr., Domprobsteischaffner. 4. Christoph Bernoulli, Dr. phil. 5. J. Rud. Burckhardt, med. Dr. und Prof. 6. Friedrich Heussler. 7. Wilhelm Haas, Vater. 8. Joh. Baltasar Götz, Vater. 9. Daniel Wolleb, med. Dr., Prof. 10. J. J. Stückelberger, med. Dr. und Prof. 11. J. Rudolf Stückelberger, med. Dr. 12. J. Rudolf Buxtorf, med. Dr. 13. K. Fr. Hagenbach, med. Dr. und Prof. 14. J. L. Falkner, med. Dr. 15. Germ. La Roche, des Raths. 16. Martin Wenk, Sohn. 17. A. Isaak Iselin. 18. J. A. Roschet, med. Dr. 19. Ludwig Mieg, med. Dr. 20. Lukas Linder. 21. Joh. Conrad Dienast, Stiftsschaffner. 22. Carl Harscher. Von diesen zweiundzwanzig Männern haben sich vornehmlich drei durch wissenschaftliche Forschungen dem Gedächtnis der nach- folgenden Generationen empfohlen: Daniel Huber, Carl Friedrich Hagenbach und Christoph Bernoulli. 8 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Die Rolle, welche Daniel Huber (1768—1829) in der Ge- schichte der Basler Naturforschung gespielt hat, ist von Eduard Hagenbach in der Eröffnungsrede zur fünfundsiebenzigsten Jahres- versammlung der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft treffend bezeichnet worden: „Huber bildet gleichsam eine Brücke, welche von der Zeit, wo die grossen Mathematiker Bernoulli Basels wissenschaftlichen Ruhm bedingten, durch eine ziemlich öde, sogar etwas sumpfige Gegend hinüber führt zu den Tagen, wo aufs neue wissenschaftliches Leben und Streben sich bei uns regten“. Er hatte ursprünglich Medizin studiert und sich dabei gründlich in den Naturwissenschaften umgesehen, sodass er „in keiner derselben ein Laie war“. In jüngeren Jahren hatte er sich so eifrig als es die Umstände und seine damals bescheidenen Mittel erlaubten, mit Astronomie betasst und auch einige Abhandlungen aus diesem Gebiete veröffentlicht. Von 1813 an unternahm er im Auftrage der Regierung als Grundlage für einen neuen Kataster eine Tri- angulation des Kantons Basel, welche sich bei den neueren Ver- messungen als eine hervorragend sorgfältige Arbeit erwiesen hat. 1816 publizierte er eine Karte des Bezirks Birseck, die „an Ge- nauigkeit und richtiger Ortsbezeichnung alle vorhergehenden Dar- stellungen des uns benachbarten Gebiets übertraf“. Auch sorg- fältige Witterungsbeobachtungen hat er während vierzig Jahren angestellt. Die Professur der Mathematik, die während hundert und drei Jahren von Mitgliedern der Familie Bernoulli versehen worden war, wurde ihm 1791, nach dem Tode des zweiten Johannes Bernoulli, übertragen. Seit 1802 amtete er daneben auch als Uni- versitätsbibliothekar und an allen administrativen Angelegenheiten der Universität beteiligte er sich mit unermüdlichem Eifer. Seine Instrumente, sowie seine umfangreiche und in historischer Hinsicht noch heute sehr wertvolle mathematisch-physikalische Bibliothek vermachte er der Universität Peter Merian, ein Schüler Hubers, hat die Persönlichkeit desselben folgendermassen charakterisiert: „Anhänglichkeit an das Alte und Bestehende war allerdings ein hervorstechender Zug in seinem Charakter. Eine gewisse ängstliche Umständlichkeit, die mit seiner physischen Konstitution im Zusammenhang stehen mochte, hinderte ihn gar nicht, mit Festigkeit auf dem zu beharren, was er für seine Pflicht hielt, ungeachtet er den Vorstellungen der Freunde, die sein Vertrauen genossen, gerne nachgab. In seinen Amtsgeschäften bewies er eine gewissenhafte Vorsorge für das ihm Anvertraute, die manchem zu weitgehend scheinen mochte. Feind alles Flüchtigen und nur für den Augenblick Berechneten bezeigte er überall, wo er mitzusprechen und mitzuwirken hatte, eine Vor- C. FR. HAGENBACH 1771—1849 CHR. BERNOULLI 1782—1863 I. Gründung. 9 liebe für tüchtige Leistungen, für eine gründliche Sorge für die Zukunft und scheute daher keineswegs die nötigen Opfer. Dieser gediegene Sinn, die Uneigennützigkeit, die Gutmütigkeit und Bereit- willigkeit zur Mithilfe, die er bei allen Gelegenheiten an den Tag legte, seine innige Anhänglichkeit an das Vaterland und an alle vaterländischen Einrichtungen mussten ihm Alle zu Freunden machen, die näheren Umgang mit ihm pflegten, wenn sie auch über mancherlei Dinge abweichende Ansichten hegen mochten.°) Carl Friedrich Hagenbach (1771—1849) war von 1798 bis 1801 ausserordentlicher Professor der Anatomie, von 1801 bis 1808 ordentlicher Professor der Anatomie und der Botanik und seit 1808 Professor der theoretischen Medizin, d. h. der Physiologie und Pathologie. 1818 zog er sich, wie bereits bemerkt, vom Lehramte zurück, um sich ganz seiner ausgedehnten Praxis und dem Betrieb seiner Apotheke zu widmen. Ein neuralgisches Leiden hielt ihn Ende der Zehner Jahre längere Zeit von der Ausübung seines Berufes ab und verschaffte ihm eine unfreiwillige Musse, die er benutzte, um seine seit den Studentenjahren mit Eifer betriebenen floristischen Studien, unter sorgfältiger Benutzung ver- schiedener älterer Herbarien zum Abschluss zu bringen. So ent- stand das Tentamen Florae Basileensis, das bis in die Siebziger Jahre der Leitfaden aller derjenigen gewesen ist, die der Flora unserer Umgebung nachgingen und als tüchtige Leistung auch bei unseren heutigen Botanikern noch in gutem Andenken steht. Hagen- bachs grosses, auch entlegenere Gegenden berücksichtigendes Her- barium ist von seinen Erben der Botanischen Anstalt geschenkt worden. ’) Christoph Bernoulli (1782—1863) studierte in Göttingen, Berlin und Paris Naturwissenschaften und leitete dann in seiner Vaterstadt von 1806 bis 1817 ein Privatgymnasium mit realistischer Tendenz, in welchem eine Reihe von in der Folge hervorragenden Männern, u. a. die Brüder Peter und Rudolf Merian, ihre Vor- bildung erhielten. Bei der Reorganisation der Universität, 1818, wurde er auf den neubegründeten Lehrstuhl für Naturgeschichte und Technologie berufen; später erhielt er eine Professur für in- dustrielle Wissenschaften. Bernoulli war in den verschiedensten Zweigen der Naturgeschichte bewandert; die Dissertation, mit der er sich in Göttingen (1803) den philosophischen Doktorhut er- worben hat, handelt „Ueber das Leuchten des Meeres mit beson- derer Hinsicht auf das Leuchten tierischer Körper“; nicht lange nachher veröffentlichte er ein Lehrbuch der physischen Anthropo- logie und in den Jahren, in welchen er der Privatschule vorstand, ein Taschenbuch für schweizerische Mineralogie. Allein seine Be- 10 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. deutung als Forscher liest in den Gebieten der Technologie, der Nationalökonomie und der Statistik, denen er sich vom Beginn der Zwanziger Jahre an mit glänzendem Erfolge zuwandte. Ausser zahlreichen spezielleren Abhandlungen hat er namentlich auch einige Handbücher veröffentlicht, die sich grosser Beliebtheit er- freuten. Sein „Vademecum des Mechanikers“ und sein „Handbuch der Dampfmaschinenlehre“ haben bis lange über seinen Tod hinaus zahlreiche Auflagen erlebt.*) Ueber die wissenschaftlichen Bestrebungen einiger weiterer Gründer habe ich folgende Notizen zusammentragen können: Daniel Wolleb (1757—1822), der erste Vizepräsident unserer Gesellschaft, war von Hause aus Mediziner, praktizierte aber nicht, sondern bekleidete die Professur der lateinischen Sprache Er besass physikalische Kenntnisse und befasste sich mit meteorologi- schen Beobachtungen. Während der Jahre 1810—1819, in welchen der Lehrstuhl der Physik unbesetzt blieb, fungierte er als „lector physicus“. Nebenbei beschäftigte er sich auch mit Entomologie und Botanik, besonders mit dem Studium der Moose. Ein von ihm angelegtes Cryptogamen-Herbarium wird in der Botanischen Anstalt aufbewahrt.°) Johann Rudolf Burckhardt (1774—1824) war zu der Zeit, da unsere Gesellschaft gegründet wurde, Professor der Anatomie und Botanik; früher, von 1804 bis 1808, hatte er die Professur der theoretischen Medizin versehen. Er besass ein Herbarium, welches Hagenbach für das Tentamen benutzt hat. Nach Huber beschäftigte er sich, angeregt durch das von seinem Schwiegervater Abel Socin hinterlassene Instrumentarium, auch mit der Elek- trizitätslehre. Seine Promotionsschrift handelt „de transfusione sanguinis“. Ueber Johann Jacob Stückelberger (1758—1838), den Professor der praktischen Medizin, schrieb Huber an Wyttenbach, er sei ein Mann von vielem Scharfsinn und philosophischem Be- obachtungsgeiste, aber als Arzt und Mitglied des Sanitätskollegiums mit Geschäften überhäuft. „\Wünschenswert wäre, wenn er die Arbeiten seiner früheren Jahre in der comperativen Anatomie wieder hervornehmen und dem Publikum mitteilen würde.“ Johann Ludwig Falkner (1787—1832) und Ludwig Mieg (1788—1849) waren beide praktische Aerzte und Apotheker. Der erstere beschäftigte sich mit chemischen Studien; er hat zwei Ab- handlungen „Ueber die Verhältnisse und Gesetze, wonach die Elemente der Körper gemischt sind“ und „Beiträge zur Stoechio- metrie und chemischen Statik“ veröffentlicht.'%) Ludwig Mieg I. Gründung. ul sammelte Pflanzen und war Hagenbach bei der Ordnung seines Herbars behilflich.t!) Daniel Bernoulli (1750—1834), der damals schon betagte Vater von Christoph Bernoulli, hatte sich in sehr jungen Jahren mit einer Dissertation „de usu medico tabularum baptismalium“ den medizinischen Doktorgrad erworben und von 1776—1780 zeit- weilig in Vertretung seines gleichnamigen berühmten Oheims physi- kalische Vorlesungen gehalten. Von 1780 bis 1789 war er Pro- fessor der Eloquenz gewesen und dann als Domprobsteischaffner in die Staatsverwaltung übergetreten. Der neunte Band der Acta helvetica, den er als letzter Sekretär der Societas physica heraus- gegeben hat, enthält ein Lebensbild seines Oheims Daniel sowie eine teratologische Abhandlung von seiner Hand.'?) Wilhelm Haas (1766 —1838), Schriftgiesser und Buchdrucker, hatte in seinen Wanderjahren ein grosses Stück Welt bis nach Russland gesehen. Aus Liebhaberei beschäftigte er sich mit ver- schiedenen Zweigen der Physik, besonders mit der Elektrizitäts- lehre. Er galt als Autorität in der Anlage von Blitzableitern. '?) Hieronymus Bernoulli (1748—1829) entstammte einem Zweig der vielverdienten Familie, welcher keine Mathematiker. her- vorgebracht hat. Er betrieb ein Materialwarengeschäft. Das von seinem Vater angelegte, von ihm nach verschiedenen Richtungen eifrig ausgebaute Naturalienkabinett gehörte zu den Sehenswürdig- keiten des damaligen Basels. Es ist nach seinem Tode von seinen Erben, einem von ihm hinterlassenen Wunsche gemäss, dem Museum geschenkt worden und hat dasselbe, besonders in der bis dahin recht ärmlich ausgestatteten Abteilung der Wirbeltiere, auf das erwünschteste ergänzt.'*) Friedrich Heussler und Johann Conrad Dienast sam- melten Mineralien. Auch ihre Sammlungen sind später in den Besitz des Museums übergegangen, diejenige Dienasts als Ge- schenk seiner Enkelin, der bekannten Künstlerin Emilie Linder.”®) Martin Wenk, seines Zeichens Lederfabrikant, erscheint in der Folge gelegentlich unter den Donatoren der Petrefacten- ‘ sammlung. Die übrigen Gründer, teils Mediziner, teils Kaufleute, haben sich meines Wissens weder als Forscher noch als Sammler betätigt; sie scheinen sich mehr nur um die gute Sache zu unterstützen angeschlossen zu haben. Die Basler Naturforscher von 1817, welche Huber um sich sammeln konnte, waren also ein recht kleines Trüppchen. Aber man hatte nun doch endlich einen Anfang gemacht zur Wieder- aufnahme der guten alten Tradition. Wesentlich war, dass die 12 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Gründung der Gesellschaft in eine Zeit fiel, da nach langen Jahren der Unsicherheit und Bedrängnis wieder Ruhe einkehrte, sodass das geistige Leben unserer Stadt überhaupt wieder in eine auf- steigende Bahn einlenken konnte. Ein erfreuliches Symptom dieses allgemeinen Aufschwungs war das Gesetz über die Organisation der Universität und des Erziehungsrates, das im selben Jahre 1817, nach langen und durch die politischen Ereignisse vielfach unterbrochenen Vorstudien, endlich Gestalt annahm und am 17. ‚Juni 1818 vom Grossen Rate gutgeheissen wurde. Mit diesem Gesetz wurde auch für die Universität das ancien régime verab- schiedet. Es entkleidete die philosophische Fakultät des propae- deutischen Charakters, der ihr bisher angehaftet hatte und stellte sie den übrigen Fakultäten gleich. Es sah in derselben drei natur- wissenschaftliche Professuren vor, eine für Physik und Chemie, eine für Botanik und eine für Naturgeschichte Es stellte den Unterricht in den medizinischen Fächern auf eine neue, den ver- änderten Verhältnissen angepasste Basis. Alle diese Neuerungen hatten bald eine günstige Rückwirkung auf das Gedeihen der Naturforschenden Gesellschaft. II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817 —1917.'°) Die Verfassung, welche in der Sitzung vom 8. Januar 1817 angenommen wurde,'’) bestimmte in ihrem elften und letzten Para- graphen: „Diese Verfassung ist für Ein Jahr festgesetzt. Nach Verfluss desselben soll sie wieder revidiert und in allgemeiner Versammlung darüber beschlossen werden.“ Nach der Meinung ihres Urhebers sollte sie also ganz provisorische Dienste leisten. Da sie indessen, allem Anschein nach, den damaligen Bedürfnissen der Gesellschaft vollkommen entsprach, sah man sowohl 1818 als in den folgenden Jahren davon ab, sie zu revidieren, und schliess- lich ist sie während dreizehn Jahren in Kraft geblieben. Man liess den dreigliedrigen Vorstand, über dessen Amtsdauer nichts verfügt war, stillschweigend weiter amten. Als der Vizepräsident D. Wolleb 1822 starb und als der Sekretär Chr. Bernoulli 1826 seine Entlassung nachsuchte, wurden Ersatzwahlen getroffen. Die Aufgabe der Gesellschaft ist in diesen ihren ersten Statuten wie folgt definiert: Il. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817 — 1917. 13 „1. Die Gesellschaft setzt sich zum Zwecke: Erstlich die Er- weiterung und Ausbreitung menschlicher Kenntnisse in sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaften, mit besonderer Hinsicht auf die Naturgeschichte des Vaterlandes und der Umgegend; sodann die Anwendung dieser Kenntnisse auf das praktische Leben überhaupt sowohl, als ganz besonders auf den Nutzen des Vaterlandes.“ „2. Obgleich sie zur Erreichung dieses Zweckes theoretische Untersuchungen keineswegs ausschliesst, so wird sie doch auf dem sicheren Wege der Erfahrung, durch sorgfältige und richtige Be- obachtungen und Versuche die Kenntnis der Natur zu befördern sich bestreben.“ Die letztere Bestimmung lag Huber ganz besonders am Herzen. Er hatte sie schon in den Entwurf einer Verfassung für die wiederzubelebende Societas physica aufgenommen und am 27. Februar 1816 Wyttenbach auch zur Aufnahme in die damals im Entstehen begriffenen Statuten der schweizerischen Gesellschaft empfohlen, mit folgendem für ihn charakterischen Kommentar: „Wenn ich gleich einerseits überzeugt bin, dass bei einer literarischen Gesell- schaft so viel Freiheit als möglich obwalten und man überhaupt den Aeusserungen des Genies so wenig Schranken als möglich setzen solle: so möchte ich doch auf der andern Seite die Gesell- schaft sehr gerne vor leerem metaphysischem Geschwätze bewahren, das heutzutage leider so sehr Mode ist.“ Einige der naturforschenden Gesellschaften des achtzehnten Jahrhunderts hatten sich durch Beschränkung der Mitgliederzahl zu einem engern und intimern Kreise, gewissermassen zu einer kleinen Akademie, abgeschlossen. Eine solche Konstitution hat sich zum Beispiel die Berner Gesellschaft in ihren Anfängen ge- geben, übrigens nicht zu ihrem Vorteil. Huber hatte seine guten Gründe, ihr nicht auf diesen Weg zu felgen. Bei seinen Be- sprechungen über die Wiederbelebung der Societas physica hatte sich ihm offenbar kein Eindruck mehr aufgedrängt als der, dass er sorgsam jeden Funken von gutem Willen zu Rate ziehen müsse, wenn im damaligen Basel überhaupt etwas zustande kommen sollte. Demgemäss bestimmte er, dass alle Bürger oder Einwohner des Kantons als Mitglieder aufgenommen werden können und um ja niemanden abzuschrecken, fügte er bei: „Vorläufig verpflichtet die Gesellschaft keines ihrer Mitglieder zu eigentlichen Arbeiten, Unter- suchungen, gelehrten Ausarbeitungen usw.; sondern sie beschränkt sich auf freundschaftliche Zusammenkünfte, in welchen sie durch gegenseitige Belehrung und Mitteilung der Erreichung ihres Zweckes vorzuarbeiten gedenkt und dieselbe zum Teil auch einigermassen zu erhalten hofft“, „Wir glaubten, im Kleinen beginnen zu müssen“, 14 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. schrieb er am 9. April 1817 an Wyttenbach, „der angenehmen Hoffnung lebend, es werde nach und nach etwas grösseres und nutzbares aus dem kleinen hervorgehen“. Der Jahresbeitrag der Mitglieder wurde auf acht alte Franken festgesetzt, was elf ein halb Franken neuer Währung entspricht; wenn man ihn 1852, beim Uebergang zu letzterer, auf die heute noch giltigen zwölf Franken normierte, so bedeutete dies also nur eine kleine, durch Bequemlichkeitsgründe nahegeleste Aufrundung. Die obligatorischen finanziellen Leistungen der Mitglieder sind somit von 1817 bis 1917 dieselben geblieben. Die Versammlungen sollten zweimal des Monats in den Abend- stunden abgehalten werden. Wie weit dieser Vorsatz durchgeführt wurde und wie sich die Sitzungen in den nächsten zwei Jahren gestaltet haben, ist aus den vorhandenen Akten nicht zu ersehen, denn ein Protokoll wurde zunächst nicht geführt, obwohl die Ver- fassung die Führung eines solchen ausdrücklich unter den Obliegen- heiten des Sekretärs aufzählt. Wahrscheinlich begnügte man sich meistens mit den in den Statuten vorgesehenen freien Unterhal- tungen, welche sich allerdings kaum zur Protokollierung eignen mochten. Ein Vortrag aus dem Jahre 1818, dessen Manuskript in unserem Archive liegt, ist vielleicht der erste gewesen, der vor der Gesellschaft gehalten wurde. Sein Autor ist der Gymnasial- rektor J. R. Hanhart!?), welcher der Gesellschaft noch im Grün- dungsjahre beigetreten war. Er ist betitelt „Gedanken über einige Gegenstände, welche der Aufmerksamkeit einer physikalisch-6ko- nomischen Gesellschaft würdig scheinen“ und zeigt — gleich wie auch die zitierte Umschreibung des Gesellschaftszweckes durch Daniel Huber — dass man damals erwartete, die Gesellschaft werde ihre Aufmerksamkeit, nach dem Vorbilde verschiedener Ver- eine des achtzehnten Jahrhunderts, besonders auch den praktischen Anwendungen der Naturwissenschaften zuwenden. In der Folge hat sich die Gesellschaft als solche nicht in dieser Richtung be- tätigt, wenngleich verschiedene ihrer hervorragendsten Mitglieder stetsfort ihre Kenntnisse auch in den Dienst staatlicher und pri- vater Unternehmungen stellten. | Die „Sessionsstube des untern Collegii“, in welcher die zwei ersten Sitzungen und wohl auch die nächstfolgenden abgehalten worden waren, scheint nicht auf die Dauer zur Verfügung gestanden oder den Bedürfnissen nicht ganz entsprochen zu haben, Die Ge- sellschaft mietete sich daher Ende 1818 bei der Lesegesellschaft, die damals noch nicht ihr heutiges Gebäude, sondern den Reinacher- hof, Münsterplatz 18, bewohnte, ein, in einem Zimmer des zweiten Stockes. IT. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817--1917. 15 | Von 1819 an konnte Huber dem Präsidenten der schweize- rischen Gesellschaft, wie es schon damals gefordert wurde, eine kleine Liste von Verhandlungen der Basler Kantonalgesellschaft einreichen; der Sitzungsbetrieb lenkte in die uns vertrauten Bahnen ein. Von den Gründern begegnen uns unter den Vortragenden, neben Daniel Huber selbst, der Vizepräsident Daniel Wolleb, der Sekretär Christoph Bernoulli, Prof. J. R Burckhardt, Dr. Ludwig Falkner, Dr. R. Stückelberger (der Sohn des Professors), Stadtrat Haas; von den etwas später Beigetretenen der schon erwähnte Rektor Hanhart, Apotheker Obermeyer, Jacob Hagenbach (der frühverstorbene zweite Sohn des Botanikers) und Peter Merian, welcher 1819 die wiederhergestellte und durch einen Lehrauftrag für Chemie erweiterte Professur für Physik antrat und nun alsbald das tätigste Gesellschaftsmitglied wurde. Das Jahr 1821 brachte zwei wichtige Ereignisse, welche sehr zur Kräftigung der Gesellschaft beitrugen, die Begründung des „Naturwissenschaftlichen Museums“ und die siebente Jahresver- versammlung der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft in Basel. Die Inhaber der beiden Professuren für Naturgeschichte und für Physik und Chemie, Christoph Bernoulli und Peter Merian, hatten moderne Vorstellungen vom akademischen Unterricht und waren nicht gewillt, sich mit rein theoretischen Vorlesungen zu begnügen. Sie gelangten daher mit ihren Wünschen an die Regenz und legten derselben dar, wie nach ihrer Ansicht ohne grosse Un- kosten Vorkehrungen zu den erforderlichen Demonstrationen ge- troffen werden könnten. Ganz unerwartet kamen diese Anregungen nicht, denn bei der Neuregulierung der Universitätsverhältnisse von 1818 war allbereits ein kleiner Jahreskredit von 800 Fr. für solche Zwecke vorgesehen worden. Da die Petenten überdies im Schosse der Regenz einen eifrigen, geschäftskundigen und auch bei den obern Behörden einflussreichen Mithelfer an Daniel Huber hatten, geriet die Angelegenheit verhältnismässig rasch in Fluss. Im Frühjahr 1821 war die Begründung eines „Naturwissenschaft- lichen Museums“) im Falkensteinerhof, den die Regierung bereit- willig zur Verfügung gestellt hatte, beschlossene Sache. Es wurden für die neue Anstalt zwei Abteilungen, eine für Naturgeschichte und eine für Physik und Chemie, sowie ein Hörsaal und eine Bibliothek vorgesehen. Den Kern der Abteilung für Naturgeschichte sollten die bisher auf der Universitätsbibliothek im Hause zur Mücke aufbewahrten Naturaliensammlungen von Pfarrer Hierony- mus d’Annone, Registrator Daniel Bruckner, Professor Johann Jacob d’Annone und Johann Rudolf Frey bilden. Für die physi- 16 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. kalisch-chemische Abteilung wurde ein kleines Laboratorium in Aussicht gestellt und zur sonstigen Ausstattung derselben konnten die seit den bessern Zeiten des achtzehnten Jahrhunderts, da Benedict Staehelin und Daniel Bernoulli?) Physik gelehrt hatten, noch vorhandenen, erst seit kurzem wieder aus dem Staub hervor- gezogenen Instrumente einen Anwurf bilden. Der Grundstock der Anstaltsbibliothek sollte den naturwissenschaftlichen Beständen der Universitätsbibliothek entnommen werden. Da Daniel Huber Uni- versitätsbibliothekar war, bot auch die Durchführung dieses letzteren Programmpunktes, der sonst leicht zum Stein des Anstosses hätte werden können, keine Schwierigkeit. Für die Naturforschende Gesellschaft lag es nahe, mit dieser Anstalt, welche durch drei ihrer Mitglieder ins Leben gerufen wurde und der Verfolgung von Zielen dienen sollte, die ihren eigenen so nahe verwandt sind, in engere Fühlung zu treten. Schon am 25. Mai 1821, als alles noch Projekt war, unterbreitete sie der Regenz und durch deren Vermittlung den oberen Behörden einen „Vorschlag“ betreffend die Regulierung ihres Verhältnisses zum Museum’), der sofort beifällige Aufnahme fand und dadurch den Charakter eines Vertrages erhielt. Dieses Dokument bildet eine Art von Ergänzung zu den Statuten von 1817; sein Inhalt wurde bestimmend für die weitere Entwicklung der Betriebes. Die Gesellschaft anerhot sich darin, sowohl die Sammlungen als die Bibliothek durch Zuwendungen zu unterstützen, welche ihr Eigen- tum bleiben, aber im Falle ihrer Auflösung dem Museum anheim- fallen sollten. Es wird unten in einem besonderen Abschnitt be- richtet werden, wie und wie weit sie in der Folge diese Vorsätze durchgeführt hat. Als Gegenleistung bedang sie sich, neben ge- wissen Vergünstigungen für ihre Mitglieder in der Benützung der Bibliothek, das Recht aus, im Hörsaal des Museums ihre Sitzungen abzuhalten. Auch sollten die Sammlungssäle den Mitgliedern zu den Versammlungszeiten offenstehen, was beweist, dass der heutige Typus solcher „Versammlungen“ sich noch nicht völlig eingebürgert hatte. Schliesslich wurde eine periodische Berichterstattung über die Tätigkeit der Gesellschaft in Aussicht genommen, welcher eine Rechenschaft über die Entwicklung des Museums einverleibt werden sollte. Auch auf diese Bestimmung werden wir noch zurückkommen in dem besondern Abschnitt, welcher der Besprechung der Gesell- schaftspublikationen gewidmet ist. Mitten in die Vorarbeiten zur Errichtung des Museums fiel am 23.—25. Juli 1821 die Jahresversammlung der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. Man hatte sie wohl nicht ganz ohne Nebenabsicht gerade in diesem Jahre nach Basel gezogen. PETER MERIAN —1883 1795 II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 17 In einem Memorial, welches er am 16. Januar in Sachen der Museumsangelegenheit an die Curatel richtete, bemerkt nämlich Huber: „Bekanntlich wird künftigen Sommer die seit sieben Jahren bestehende Allgemeine Schweizerische Gesellschaft für die gesamten Naturwissenschaften bei uns in Basel ihre jährliche Versammlung abhalten; bei diesem Anlasse würde es der Ehre der einzigen Universitätsstadt der Schweiz nicht unangemessen sein, wenn wir in Rücksicht anderer Kantone nicht allzusehr zurück wären, sondern den aus allen Gegenden unseres gemeinsamen Vaterlandes ver- sammelten ausgezeichneten Männern auch Anstalten aufweisen könnten, welche den entsprechenden in andern Schweizerstädten einigermassen an die Seite gestellt werden könnten.“ Es scheint, dass dieser Hinweis in der Tat einen beschleunigenden Einfluss auf die Beratungen der Behörden ausgeübt hat. Präsident der Versammlung war selbstverständlich Daniel Huber; als Sekretär amtete Christoph Bernoulli. Ueber siebzig Gäste aus der Schweiz leisteten der Einladung der Basler Folge, für die damalige Zeit eine stattliche Zahl. Alle wurden in Privat- logis einquartiert, über die sie an den Stadttoren die nötigen In- formationen erhielten. An sämtlichen drei Tagen wurden allgemeine Sitzungen abgehalten, die morgens 10 Uhr begannen; Sektionen gab es damals noch nicht. Die erste Sitzung fand im „Academi- schen Saal des Münsters“ in Gegenwart des Bürgermeisters statt, die beiden folgenden „auf dem Posthause“. Um 2 Uhr schloss sich an die Sitzung jeweilen ein gemeinsames Mittagessen im „Wilden Mann“ an. | Huber zeigte in seiner gediegenen Eröffnungsrede”’) an einigen wohlgewählten Beispielen, wie Untersuchungen, die in rein wissen- schaftlichem Interesse unternommen wurden, unversehens zu wich- tigen Fortschritten auf praktischem Gebiete führen können; viel- leicht waren diese Ausführungen mehr auf seine Mitbürger als auf die Gäste berechnet. Dann ging er nach damaliger Uebung dazu über, die von den verschiedenen Kantonalgesellschaften eingesandten Tätigkeitsberichte zu resumieren und legte auch Rechenschaft von den Leistungen der Basler Gesellschaft ab. Mit besonderer Ge- nugtuung wies er auf die bevorstehende Eröffnung des naturwissen- schaftlichen Museums hin. Von den damaligen Beschlüssen der noch jungen und nicht mit Glücksgütern gesegneten schweizerischen Gesellschaft ist zu erwähnen, dass den Mönchen auf dem Sanct Bernhard ein Beitrag von 400 Fr. an die Verbesserung ihres ungesunden Gebäudes zugesprochen wurde. Um den wissenschaftlichen Teil der Verhandlungen machten sich namentlich Marc Auguste Pictet von Genf und Hans Conrad 2 18 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Escher von Zürich verdient. Der letztere hielt zwei Vorträge von hervorragendem lokalem Interesse, den einen „Ueber die von Baron von Glenk bei Eglisau unternommenen Bohrversuche auf Steinsalz“, den andern über „Die aus dem Wasserbecken des Rheins in den Alpen und dem Jura bei Basel jährlich abfliessende Wassermenge“ nach den Beobachtungen an dem seit 1808 an der Rheinbrücke angebrachten Pegel. Von baslerischen Mitgliedern sprachen Chr. Bernoulli über die Fortschritte und den gegenwärtigen Stand der Bandfabrikation in Basel, Peter Merian über die Flötzbildungen am südwestlichen Rande des Schwarzwaldes. Die Regierung spendete 400 Fr., die zu einer Preisausschrei- bung bestimmt wurden. Morgens vor den Sitzungen hatten die Gäste freien Zutritt zur Universitätsbibliothek auf der Mücke, wo vorderhand die oben erwähnten Naturaliensammlungen noch unter- gebracht waren, sowie zu verschiedenen Privatkabinetten. Darüber, wie sich der gesellige Teil der Versammlung an den Nachmittagen und Abenden abwickelte, erfährt man aus den gedruckten Berichten gar nichts. Nur die Kassaakten lassen etwas durchblicken. Jacob Hindenlang, Schiffmann, erhält 20 Fr. „per ein Schiff nach Grenzach zu führen und wieder zurück“, der Zielwirth Müller in Grenzach stellt Rechnung für ein Abendessen inclusive 8 Maass Bier und 22 Maass Wein, wovon zwei „für Gutscher“, N. Singeisen in Binningen für ein Abendessen nebst Wein, Bier, Selzerwasser und Cigarren. Die Versammlung scheint einen sehr befriedigenden Verlauf ge- nommen zu haben. In der Stadt Basel, für welche damals ein wissen- schaftlicher Kongress etwas neues war, erregte sie Aufsehen. Auch die Nachwirkung auf die Tätigkeit der Lokalgesellschaft blieb nicht aus. In der ersten Wintersitzung, am 11. Oktober, wurde beschlossen, mit der Protokollführung nun endlich Ernst zu machen. Man berieht auch darüber, wie für einen stetigeren Betrieb gesorgt werden könnte: „Ein Mitglied äusserte den Wunsch, es möchte eine Veranstaltung getroffen werden, dass in jeder Monats- sitzung wenigstens von einem Mitgliede regelmässig irgend ein Vor- trag oder eine Vorlesung gehalten werde. Derselbe wird allgemein unterstützt; indessen erkennt man die Schwierigkeit, irgend eine Verpflichtung damit zu verbinden und kann daher einen bestimmten Wechsel nicht einführen. — Es wird endlich beschlossen, der Vor- steher möge in jeder Sitzung an sämtliche Mitglieder die Frage ergehen lassen, wer in der nächsten einen Vortrag übernehmen wolle, der indessen keineswegs eine eigene Forschung zu sein brauche. Zugleich wird beschlossen, dass man auch in der Mitte jeden Monats zusammenkommen wolle, wenngleich nur für die II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 19 erste Monatssitzung bestimmt Vorlesungen erwartet werden können, und dass jede Sitzung 1/26 Uhr anfangen solle.“ Inzwischen war das naturwissenschaftliche Museum programm- gemäss eingerichtet nnd mit einem Reglement versehen worden. Die unmittelbare Leitung desselben hatte die Regenz, die sich selbst die Oberaufsicht vorbehielt, in die Hand einer dreigliedrigen Kommission gelegt, bestehend aus Daniel Huber als Präsident, Christoph Bernoulli und Peter Merian. Schon die nächste Sitzung, am 25. Oktober 1821, konnte im „Physiksaal“ des Falkensteinerhofes abgehalten werden. „Mit be- sonderem Vergnügen besahen die Mitglieder den durch die Be- mühungen des Herrn Prof. Merian neu aufgestellten Apparat und manche neu angeschaffte Instrumente, zumal galvanische.“ Die erstrebte Regelmässigkeit des Betriebes wurde freilich in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre noch nicht erreicht. Das Protokoll zeigt von 1823 an grosse Lücken, die nur teilweise durch die von Huber den Jahrespräsidenten der schweizerischen Gresell- schaft eingereichten Tätigkeitsberichte ausgefüllt werden. Erst nach- dem Ende 1826 Dr. Ludwig Imhoff das Sekretariat übernommen hatte, kommt Stetigkeit in die Protokollführung und von nun an gewinnen auch die Verhandlungen zusehends an Mannigfaltigkeit. Mit Ausnahme von Huber und Christoph Bernoulli haben die Gründer sehr wenig zur Herbeiführung dieses Aufschwunges bei- getragen, in der Hauptsache war er das Werk der jüngern, in der Mehrzahl von auswärts berufenen, Kräfte, mit welchen — sehr allmählig — im Verlauf der zwanziger Jahre die durch das Gesetz von 1818 vorgesehenen naturwissenschaftlichen Professuren besetzt wurden. Als erster Vertreter dieser jüngeren Generation war, wie schon erwähnt, 1819 Peter Merian, Professor der Physik und Chemie, der Gesellschaft beigetreten; ihm übertrug dieselbe 1822, nach Daniel Wollebs Tode, das Vizepräsidium. 1825 folgte Carl Gustav Jung, Professor der Anatomie und Chirurgie; 1826 Johannes Roeper, Professor der Botanik; 1828 Friedrich Meisner, Professor der Physiologie und Pathologie. Seit 1826 wirkte ausserdem der an der Universität als Dozent für Entomologie tätige, bereits er- wähnte Dr. Ludwig Imhoff mit. Während der letzten zwanziger und anfangs der dreissiger Jahre, als Peter Merian durch ein langwieriges Halsleiden lange Zeit am Sprechen verhindert war, haben sich insbesondere Jung und Roeper mit grosser Hingebung der Gesellschaft gewidmet. Christian Friedrich Schönbein, der 1828 als interimistischer Stellvertreter von Merian nach Basel ge- 20 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. kommen war, hat seine Vorträge und Mitteilungen, welche dann bald die Traktandenliste beherrschten, erst 1832 begonnen. Diesen sechs Männern und einigen Altersgenossen, die sich bald ihnen anschlossen, kommt das Verdienst zu, unsere Gesell- schaft definitiv aus den Schwierigkeiten des Anfangs herausgehoben und in eine gedeihliche Bahn geleitet zu haben. Peter Merian°) hat in den Jahren, da er die Professur für Physik und Chemie versah, öfters mit den neuangeschafften elektrischen Apparaten vor der Gesellschaft experimentiert; auch über einige eigene, rein physikalische und cristallographische Unter- suchungen hat er berichtet. Meistens lieferten ihm aber schon damals seine Forschungen auf geologischem, palaeontologischem, geophysischem und meteorologischem Gebiete den Stoff zu seinen Mitteilungen. Die geologischen Vorträge, welche er in den zwan- ziger Jahren hielt, stehen fast durchweg im Zusammenhang mit seinen damals im Entstehen begriffenen Hauptwerken, in denen er als erster eine, zwar noch summarische, aber in den Haupt- zügen richtige, Gliederung der Sedimente unserer Gegend durch- führte und den Grund zum Verständnis des tektonischen Aufbaues derselben legte. Von vornherein war dabei seine Aufmerksamkeit auch auf die praktischen Anwendungen der Geologie gerichtet; schon 1820 sprach er über die Möglichkeit, in unserem Kanton Steinsalz zu finden, 1824 über die Versuche, in unsrer Umgebung Steinkohlenlager zu entdecken. Die lange Reihe seiner meteoro- logischen und geophysischen Mitteilungen eröffnete er mit einem Vortrage über mittlere Barometerhöhe, Temperatur und Meeres- höhe von Basel nach Beobachtungen seines Grossvaters Abel Socin (1821); dann folgten solche über Quellentemperatur und Erdwärme, über dasGrundeis der Flüsse, über Windverhältnisse, Erdbeben u.s.f. und bald hatte er fast alle die Themata in Angriff genommen, die ihn dann während seiner langen Laufbahn fort und fort beschäf- tigt haben. Die wenigen Vorträge und Mitteilungen von Christoph Bernoulli bewegten sich auf den Gebieten der Technologie und Statistik, die auch nicht sehr zahlreichen Daniel Hubers und seines Amtsnachfolgers Rudolf Merian’) auf den Gebieten der Physik und.der Astronomie. Einmal (1819) hat Huber auch einen, noch im Manuskript vorhandenen, Vortrag gehalten, der Ergebnisse seiner kartographischen Tätigkeit zusammenfasste: Ueber die Lage von Stadt und Landschaft Basel. Einige Vorträge physikalischen In- haltes von Christoph Staehelin?) sind aus dem Anfang der dreissiger Jahre verzeichnet. II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 21 Carl Gustav Jung°®), der Regenerator unserer medizinischen Fakultät, behandelte in seinen Vorträgen normal-anatomische, patho- logische, physiologische und gelegentlich auch klinische Gegenstände. Um ihn bildete sich bald ein kleiner Kreis wissenschaftlich ange- regter jüngerer Mediziner (J. M. Nusser, J. Schwab, August Burckhardt, Eduard Hagenbach, Carl Streckeisen), die in der Gesellschaft mitarbeiteten und nicht selten auch vergleichend- anatomischen und zoologischen Fragen ihr Interesse zuwandten. Zum bemerkenswertesten unter diesen Leistungen gehörten die Untersuchungen des früh verstorbenen Eduard Hagenhach’’) über die Anatomie des Säugetierohres. Auch Fr. Meisner°®) hat, zu der Zeit, da er Professor der Physiologie war, einige vergleichend- anatomische Untersuchungen vorgelegt. Im Anschluss an die Medi- ziner ist ferner der eifrigen Tätigkeit des Philosophieprofessors Friedrich Fischer??) zu gedenken, der in seinen Vorträgen gerne in das Gebiet der Physiologie hinüberschweifte, aber sich nicht immer den Beifall der Fachmänner zu erwerben vermochte. 1830 schlossen sich die Aerzte übrigens auch noch zu einem medizinischen Verein zusammen, dem aber, wie es scheint, nur ein kurzer Bestand be- schieden war.*°) In den Protokollen der zwanziger und dreissiger Jahre sind eine Reihe von kürzeren und einlässlicheren faunistischen und biologischen Mitteilungen über Vögel, Reptilien, Mollusken und besonders Insekten verzeichnet von Rektor Hanhart, von Apo- theker J. J. Bernoulli°!), von Jakob Hagenbach°’) u.a. Jahr- zehnte lang, bis in den Anfang der sechziger Jahre, hat Dr. Ludwig Imhoff??), der verdiente Vorsteher der entomologischen Sammlung des Museums, diese Studienrichtung weiter vertreten. Imhoff war ein besonders gewiegter Kenner der Coleoptern und Hymenoptern, befasste sich aber mit der Insektengruppe in ihrem ganzen Umfang, in seinen jüngeren Jahren auch nut verschiedenen andern Ab- teilungen des Tierreichs. Obwohl sich unter den Gründern mehrere Liebhaber der Bo- tanik befanden, wird aus dem Anfang der zwanziger Jahre nicht viel über Mitteilungen aus diesem Gebiete berichtet. Erst mit dem Eintritt Johannes Roepers°*) kommt dasselbe zu seinem Rechte. Roeper hat die Botanik in einem umfassenderen und moderneren Sinne betrieben als seine Vorgänger auf dem hiesigen Lehrstuhl. Er beschäftigte sich mit Phanerogamen und Cryptogamen, mit anatomischen, teratologischen, phaenologischen sowohl als mit syste- matischen und geographischen Fragen, gelegentlich berichtete er auch über einen bibliogräphischen Fund, den er in der, für die ältere Zeit so vollständigen, botanischen Bibliothek gemacht hatte 22 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. und über einen Präpariertisch, den Mechanikus Ryhiner nach seinen Angaben konstruiert hatte. Seine Vorträge scheinen zum an- regendsten gehört zu haben, was in jenen Jahren im Schosse der Gesellschaft geboten wurde. Nach Roepers Wegzuge, 1836, vertauschte F. Meisner die Professur der Physiologie mit derjenigen der Botanik und betätigte sich von da an ausschliesslich im Gebiete der letzteren. Meisner war ein fruchtbarer Mitarbeiter an Decandolle’s Prodomus und be- handelte in seinen Vorträgen, die sich in langer Reihe bis in die sechziger Jahre folgten, dieser Forschungsrichtung entsprechend, vorwiegend systematische und pflanzengeographische Themata. An chemischen Mitteilungen hat es der Gesellschaft auch in vor-Schönbein’scher Zeit nicht ganz gefehlt; in den Protokollen sind solche von Dr. Falkner, von Apotheker Obermeyer, von Peter Merian, von Christoph Staehelin und von dem in den verschiedensten Gebieten versierten Apotheker Bernoulli verzeichnet; sie scheinen aber durchweg bloss referierenden Charakters gewesen zu sein. Mit Christian Friedrich Schönbeins Eingreifen gewann die Chemie auf Jahrzehnte hinaus eine dominierende Stellung in den Verhandlungen. Seine Mitteilungen sind nicht zu zählen. Von Anfang an hatte er es sich zum Grundsatze gemacht, alle seine kleinern und grössern Entdeckungen zuerst der Basler Gesellschaft vorzulegen, sodass die Serie seiner Vorträge ein lückenloses Bild vom Gange seiner Forschungsarbeit gibt. Zuerst beschäftigte ihn das heute noch nicht restlos gelöste Problem der Pasivität des Eisens, von dem er die Gesellschaft erstmals am 23. Dezember 1835 unterhalten hat. Durch diese wurde er zu seinen vielseitigen elektrochemischen Studien geführt. Seine grösste wissenschaftliche Tat ist wohl die Entdeckung des Ozons, die ihm vom Frühjahr 1839 an Stoff zu zahlreichen Mitteilungen lieferte. Die nachhaltigsten präktischen Folgen zeitigten die Entdeckung der Schiessbaumwolle (vorgelegt 27. Mai 1846) und diejenige des Oollodiums (Winter 1846—7). Später wandte er sich mehr und mehr der unerschöpf- lichen Fundgrube der Oxydationsvorgänge zu, die er bis ins feinste Detail verfolgte, wobei er sich nicht auf die Reaktionen des Ozons und des Wasserstoffsuperoxydes beschränkte, sondern die Aktivie- rung des Sauerstoffs im lebenden Gewebe sowie die jetzt wieder so aktuell gewordene Frage der Bindung des atmosphärischen Stick- stoffs untersuchte und die Rolle der Fermente im Zellstoffwechsel aufdeckte. (F. F.)°°) II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817 — 1917. 23 Am 8. Dezember 1829 starb der allverehrte Präsident Daniel Huber, der bis dahin die Geschicke der Gesellschaft gelenkt hatte. Nun empfand die jüngere Generation, welche schon seit einigen Jahren fast ausschliesslich für die Belebung der Sitzungen sorgte, doch das Bedürfnis den Betrieb auf einen weniger patriarchalischen Fuss zu stellen und beschloss die Verfassung von 1817 einer Revi- sion zu unterziehen. Die Vorbereitung derselben wurde einer viergliedrigen Spezialkommission (Roeper, Imhoff, Schönbein, Jung) übertragen und aus langen Beratungen, welche die wissenschaft- liche Tätigkeit auf einige Zeit stille stellten, gingen dann am 10. März 1830 die sehr paragraphenreichen zweiten Statuten unserer Gesellschaft hervor. Sie wurden gedruckt und unter die Mitglieder verteilt, während die ersten nur in einem handschrift- lichen Exemplar, unter welches die neu eintretenden ihren Namen setzten, existiert hatten.) Offiziell sind diese Statuten von 1830, von kleinen Partialrevisionen abgesehen, während nicht weniger als vierundsechzig Jahren in Kraft geblieben. Allein manchen ihrer einlässlichen Bestimmungen ist überhaupt nie nachgelebt worden und andere sind im Laufe der Zeit ausser Acht geraten. Gleich die Definition des Gesellschaftszweckes, auf die man sich diesmal einigte, zeigt einige bemerkenswerte Abweichungen gegenüber der 1817 gewählten. Die Anwendung der naturwissen- schaftlichen Kenntnisse auf das praktische Leben wird nicht mehr besonders hervorgehoben. Auch die Verwahrung gegen aprioristische Spekulation wird weggelassen; sie hatte sich als überflüssig er- wiesen. Basel ist für das „metaphysische Geschwätz“ zu allen Zeiten ein schlechter Nährboden gewesen. Die „Naturphilosophie“, die in jenen Jahrzehnten so viele Köpfe verwirrte, macht sich in den Protokollen unserer Gesellschaft kaum irgend wie bemerkbar. Die leitenden Persönlichkeiten waren alle überzeugte Anhänger jener von Huber empfohlenen Forschungsgrundsätze, auch Schön- bein nicht ausgenommen, der in seinen Studienjahren stark unter dem Einfluss von Schelling gestanden hatte und auch später in regem Verkehr mit ihm geblieben ist. Lorenz Oken, der im Winter 1821—22 an der Universität Vorlesungen hielt und sich um eine medizinische Professur bewarb, merkte bald, dass hier kein für ihn geeignetes Wirkungsfeld sei und gab seine Pläne auf.°”) Dagegen wurde nun, entsprechend der Abmachung von 1821, unter den Vereinszielen auch die „Vervollkommnung der naturwissen- schaftlichen Sammlungen“ genannt. Den bisher dreigliedrigen Vorstand erweiterte man durch Beigabe eines Vizesekretärs. Alle Vorstandsmitglieder sollten fortan auf zwei Jahre gewählt werden und dann nicht wieder an dieselbe Stelle wählbar sein. | 24 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. In der Umschreibung der Mitgliederpflichten gingen die Legisla- toren von 1830 mit einer Kühnheit vor, die sehr eigentümlich gegen die Schüchterheit absticht, mit der Huber diesen Punkt behandelt hatte. Sie verlangten von den „ordentlichen Mitgliedern“ nicht nur mindestens einen Vortrag im Jahre und Bereitwilligkeit ein Amt zu übernehmen, sondern, sobald die Gesellschaft den Wunsch darnach äussere, auch „eine schriftliche Übersicht des innerhalb Jahresfrist im Bereiche derjenigen Wissenschaft, zu der sie sich bekennen, geleisten“. Freilich war dieses Reglementieren nicht nach jedermanns Geschmack. Schönbein, der selbst der vorbe- ratenden Kommisson angehörte, und P. Merian waren beide der Ansicht „man müsse es dem guten Willen eines jeglichen über- lassen an den Arbeiten mehr oder minder tätigen Anteil zu nehmen“. Und so wurde es dann auch gehalten. Insbesondere sind die schriftlichen Jahresübersichten über die Fortschritte der einzelnen Disziplinen ein frommer Wunsch geblieben. Neben den „ordentlichen“ oder, wie sie im Protokoll gewöhn- lich heissen, den „arbeitenden“ Mitgliedern wurden „freie“ vorge- sehen, welche nur das aktive Wahlrecht ausübten und ausser zur Bezahlung des Jahresbeitrages zu nichts verpflichtet waren. Bei der Reichhaltigkeit des Pflichtenheftes der ordentlichen Mitglieder konnte es nicht fehlen, dass sich die Mehrheit sofort in diese Rubrik flüchtete. Die Unterscheidung von arbeitenden und freien Mitgliedern ist übrigens sehr lange, bis in die sechziger Jahre, gebräuchlich ge- blieben, obwohl sie von Anfang an rein theoretischen Wert hatte. Eine weitere Neuerung war die Einführung von Ehrenmit- gliedern und korrespondierenden Mitgliedern: „Um korrespondierendes Mitglied der Gesellschaft sein zu können sind notwendige Bedingungen: wissenschaftlicher Betrieb eines bestimmten Zweiges der Naturkunde und Einsendung wenigstens einer wissenschaftlichen Arbeit innerhalb zweier Jahre.“ Man fasste also den Begrift noch in seinem ursprüglichen Sinne, der damals noch nicht so verblasst war wie heute. Allein in den Protokollen der Folgezeit sucht man vergeblich nach solchen Korrespondenzen; höchstens einige Briefe und Berichte von Reisenden, die in den Sitzungen verlesen wurden, könnte man allenfalls dahin rechnen. Zu Ehrenmitgliedern sollten „nur durch bedeutende wissen- schaftliche Leistungen ausgezeichnete oder durch ansehnliche Ge- schenke um die öffentlichen naturwissenschaftlichen Sammlungen oder Bibliothek verdiente Männer“ ernannt werden können. Chronologisch geordnete Verzeichnisse der Ehrenmitglieder und der korrespondierenden Mitglieder, welche die Gesellschaft von 1830 bis zu ihrem hundertjährigen Jubiläum ernannt hat, sind diesem Fr. MEISNER K. G. JUNG 1800 —1874 1794—1864 J. ROEPER L. IMHOFF 1801—1885 1801—1868 TR ie) ANS VE i II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817 —1917. 25 "Rückblick als Beilage 3 angehängt. In der Erteilung der Ehren- mitgliedschaft ist die Gesellschaft sehr zurückhaltend gewesen; sie hat diese Auszeichnung bis jetzt bloss dreissigmal erteilt. Frei- gebiger war sie mit dem Titel eines korrespondierenden Mitgliedes, den sie hundertvierundsiebzigmal verliehen hat. Während wir in den letzten Jahrzehnten zwischen zwanzig und dreissig korrespon- dierende Mitglieder besessen haben, ist früher die Zahl derselben zeitweise viel bedeutender gewesen. Schönbein z. B. hielt sehr dar- auf, dass alle seine wissenschaftlichen Freunde seiner geliebten Basler Gesellschaft angehörten und nach jeder seiner vielen Reisen hatte er ein paar Freunde mehr. Auf beiden Listen stehen viele erlauchte Namen. Mehr als über diesen im Grunde wohlfeilen Erfolg haben wir Anlass uns darüber zu freuen, dass unsere Gesellschaft einmal in der Anerkennung eines wissenschaftlichen Verdienstes von erstem Range allen andern wissenschaftlichen Korporationen vorangegangen ist; indem sie 1858, auf Schönbeins Antrag, den lange verkannten und von der Ver- kennung bedrückten Julius Robert Mayer zu ihrem korrespon- dierenden Mitgliede ernannte, liess sie demselben die erste Aus- zeichnung, die ihm zuteil wurde, zukommen.**) Manchen guten Dienst hat sie durch solche Ernennungen auch unsern naturwissen- schaftlichen Anstalten erwiesen, indem sie Gönner derselben auf- munterte in ihren freundlichen Gesinnungen zu beharren. Auch die Mitgliederdiplome sind erst durch die Statuten von 1830 eingeführt worden. Ihre Form, die im Laufe der Zeit mehr- fach abgeändert wurde, hat nie auf einer hohen Stufe gestanden, Bezüglich der Sitzungen wurde verfügt: ‚Die Gesellschaft wird sich vom 1. Oktober bis zum 1. April alle 14 Tage, Mittwoch um 6 Uhr abends und während der übrigen Zeit wenigstens alle erste Mittwoche jedes Monats, zur gleichen Stunde, versammeln,“ In einem langen Paragraphen glaubte man den ganzen Gang einer Sitzung vorschreiben zu müssen. Aus den Protokollen ergibt sich, dass nie so viele Sitzungen abgehalten wurden, als diese Vorschrift verlangt; insbesondre haben in den akademischen Ferien, aus naheliegenden Gründen, immer Unterbrechungen stattgefunden. Bis 1876 war an der Universität Basel das Sommersemester durch die Hundstagsferien (Mitte Juli bis Mitte August) in zwei Hälften geteilt; dementsprechend begegnen wir in den älteren Protokollbüchern meistens auch einer August- oder Septembersitzung, Seit der Einführung des einheitlichen Sommersemesters hat sich dann der heute noch bestehende Usus herausgebildet, im Winter monatlich zweimal, im Sommer in der Regel monatlich bloss einmal zusammenzukommen. 26 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Der Mittwoch, der jetzt als Sitzungstag gesetzlich vorgeschrieben war, hatte sich längst als solcher eingebürgert. Die Gesellschaft hat ihn bis heute beibehalten. Auch an der Sitzungszeit, 6 Uhr abends, hat sie jahrzehntelang mit bemerkenswerter Zähigkeit fest- gehalten. Ausser den gewöhnlichen Sitzungen sahen nun aber die Statuten von 1830 auch noch öffentliche vor und stellten darüber folgende umständliche und etwas jugendlich anmutende Bestimmungen auf: „Die Gesellschaft vereinigt sich alle zwei Jahre einmal öffent- lich, um dem Publikum von ihren Leistungen Rechenschaft ab- zulegen und demselben eine gedrängte Übersicht des im allgemeinen in den Naturwissenschaften geschehenen zu geben“. „Diese öffentliche Versammlung wird der Präsident eröffnen mit einem Bericht über die Leistungen, den Zustand der Gesell- schaft, den Zustand der öffentlichen naturwissenschaftlichen Samm- lungen und die Fortschritte der Naturwissenschaften im allgemeinen. Auf die Rede des Präsidenten werden folgen: gedrungene Berichte über den Zustand und Fortschritte der Chemie und Physik, Geo- gnosie, Zoologie und Zootomie, Physiologie und physische Geo- graphie, abgefasst und vorgetragen von den diese Wissenschaften in der Gesellschaft repräsentierenden Mitgliedern. Auch andre passende Vorträge aus dem Gebiete der Naturwissenschaften können nach dem Gutfinden der Gesellschaft bei dieser Gelegenheit ge- halten werden. Hierauf hat der Sekretär die Aufzählung der Ge- schenke und ihrer Geber, sowie der durch die Gesellschaft an- geschafften Gegenstände zu verlesen, und endlich beschliesst der Präsident die Sitzung mit einer Anrede an die Gesellschaft und das Publikum“, „Auch über die Fortschritte und den gegenwärtigen Zustand der Botanik, Astronomie, Pathologie und übrigen medizinischen Fächer, sowie der Pharmacie, Pharmacologie, Anthropologie u. s. f. sollen von Zeit zu Zeit, in einer genauer zu bestimmenden Reihen- folge, von den diese Fächer betreibenden Mitgliedern der Gesell- schaft öffentlich Berichte abgelegt werden.“ „Die der Gesellschaft, oder den durch sie zu fördernden Sammlungen gemachten Geschenke sollen, so viel es angeht, in in dem Lokal, in welchem die öffentlichen Sitzungen abgehalten werden, während derselben ausgestellt sein.“ Während der nächstfolgenden Jahre hat diese Vorschrift un- sere Vorläufer verfolgt wie ein böser Traum. So oft der Schluss des Bienniums heranrückt, wird hin und her beraten, wie man nun die Sache angreifen wolle und das Ende der Beratung ist immer wieder, dass man für diesmal verzichtet. IT. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817— 1917. 27 Und doch hatte das Postulat einen berechtigten Kern, welcher die Gesellschaft davon abhielt, es kurzweg über Bord zu werfen. Der Hauptfehler, den die Legislatoren begangen hatten, war offen- bar der, dass sie allzuvieles und zu verschiedenes auf einmal zu erreichen suchten. Im Grunde waren es drei Bedürfnisse, denen diese öffentlichen Sitzungen dienen sollten. Einmal wünschte man von Zeit zu Zeit das Geleistete rückblickend zusammenzufassen, Sodann wollte man zur Verbreitung des Interesses an den Natur- wissenschaften beitragen, indem man hin und wieder ein weiteres Publikum mit neueren Resultaten derselben bekannt machte. Und endlich hätte man gerne den Etappen des Gesellschaftslebens einen sollennen Abschluss gegeben. Wie es öfters geht, haben im Laufe der Zeit alle diese an und für sich durchaus berechtigten Wünsche in anderer Form als der ursprünglich vorgesehenen ihre Erfüllung gefunden. — Nachdem man über die Statuten einig geworden war, wurden die Wahlen vorgenommen. P. Merian schlug den ihm angebotenen Vorsitz aus Gesundheitsrücksichten aus. An seiner Stelle ernannte man Jung zum Präsidenten; das Vizepräsidium wurde Roeper über- tragen, der dann im folgenden Biennium zum Präsidenten auf- rückte; Sekretär blieb Imhoff.°”) Der Betrieb vollzog sich in den folgenden Jahren, trotz den hereinbrechenden politischen Wirren, mit ziemlicher Regelmässigkeit. Allerdings schien nach dem berüchtigten Schiedsspruch von 1834 mit der Existenz der Universität auch diejenige der Naturforschenden Gesellschaft in Frage gestellt. Allein das Unglück stärkte die Willenskraft. Die Universität wurde auf etwas bescheidenerem Fusse reorganisiert und zu ihrer Unterstützung konstituierte sich die akademische Gesellschaft. Alsbald machte sich diese ent- schlossene Stimmung auch im Schosse unserer Gesellschaft geltend. In der Sitzung vom 13. August 1834 wies der neuantretende Prä- sident Peter Merian darauf hin, „dass es früher oder später passend und nützlich sein dürfte, von Zeit zu Zeit Auszüge aus den Ver- handlungen der Gesellschaft zu publizieren oder wenigstens unserem nächsten Publikum mitzuteilen“ und im Laufe des folgenden Jahres wurde wirklich mit der Herausgabe eines Vereinsorgans begonnen. Von der Entwicklung desselben wird unten in einem besonderen Abschnitt die Rede sein; hier sei nur hervorgehoben, dass von da an zu den Rechten aller ar Kategorien von Nuelielcmm, dasjenige auf den Bezug der Zeitschrift hinzukam. Mit dieser Publikation war nun auch dem Bedürfnis nach Zu- sammenfassung des Geleisteten in vollkommenerer Weise entsprochen 28 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. als es durch den von den Statuten geforderten Vortrag des ab-. tretenden Präsidenten hätte geschehen können. Nicht lange nachher fand man auch den rationellen Weg, dem zweiten der Wünsche, welche 1830 zur Anordnung der öffentlichen Sitzungen geführt hatten, gerecht zu werden. Im Dezember 1839 wurde ein Antrag gestellt und gutgeheissen, die Gesellschaft möge alljährlich einige ihrer Mitglieder bestimmen unentgeltliche öftent- liche Vorträge über geeignete naturhistorische Themata zu halten, was damals für Basel ein Novum war. Noch im selben Winter machten Peter Merian, Schönbein und Fr. Meisner mit Vorträgen über „die Erhebung der Gebirge“ über „Elektrizität und Galva- nismus“ und über „Pflanzengeographie“ unter grossem Beifall des Publikums den Anfang und alsbald schloss sich auch die histo- rische Gesellschaft der Unternehmung an. In den folgenden Jahren wurde dieselbe mit gleichem Erfolge fortgesetzt und bald konnte sie der Protektion durch die naturforschende und die historische Ge- sellschaft entraten. Aus diesem und andern Anfängen sind später die Bernoullianumsvorträge hervorgegangen, welche im geistigen Leben unserer. Stadt eine so grosse Rolle spielen. Periodische Übersichten über die Fortschritte und den Zustand der einzelnen Disziplinen, wie sie die Statuten von 1830 verlangen, bieten diese Vorträge allerdings nicht, sondern sie behandeln irgend ein geeig- netes Thema im Lichte der neuern Forschung. Aber dem Zweck, im Publikum wissenschaftliches Interesse zu wecken, wird auf diese Weise wohl besser gedient. Der Besuch der Sitzungen war in jenen Jahren, der kleinen Mitgliederzahl entsprechend, kein starker; da den Protokollen eine Präsenzliste vorangestellt wurde — wie es übrigens bis 1889 üb- lich geblieben ist — sind wir über denselben genau informiert. Selten fanden sich über ein Dutzend Mitglieder ein, zuweilen erheblich weniger. Am 7. Januar 1838 z. B. macht der Präsident, P. Me- rian, verschiedene Mitteilungen vor einem Auditorium, welches aus dem Sekretär und noch einem weiteren Mitgliede besteht. Da der „Physiksaal“ des Falkensteiner Hofes bescheidene Dimensionen hatte, scheint er sich gleichwohl hin und wieder einmal als etwas eng erwiesen zu haben. Dies gab 1838 Anlass zu einem Beschluss, die Sitzungen probeweise in die Universität zu verlegen. Ob der- selbe ausgeführt wurde, ist aus den Protokollen nicht zu ersehen. Jedenfalls ist man bald wieder an die gewohnte Stätte zurück- gekehrt. Am 12. bis 14. September 1838 tagte die schweizerische Na- turforschende Gesellschaft zum zweiten Male in Basel.) Es war ihre dreiundzwanzigste Jahresversammlung. Den Vorsitz führte II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 29 diesmal Peter Merian. Die Zahl der Gäste aus der Schweiz war nicht viel grösser als 1821; dagegen stellten sich ungewöhnlich viele ausländische Gelehrte ein, da unmittelbar vorher die fran- zösische geologische Gesellschaft sich in Pruntrut versammelt hatte und unmittelbar nachher die Versammlung der deutschen Natur- forscher und Arzte in Freiburg i. B. abgehalten wurde. - Leopold von Buch, C. F. Ph. von Martius, W. P. Schimper, W. Buckland, Omalius d’Halloy, Ph. G. Jolly, Ph. Ed. de Verneuil befanden sich unter den Teilnehmern. Auch die baslerische Beteiligung war jetzt bedeutend stärker als vor siebzehn Jahren. Die Traktandenliste der Jahresversammlungen war inzwischen stark angeschwollen. Es amtete ein ständiges Generalsekretariat in Zürich. Es bestand eine Denkschriftenkommission. Die von der Gesellschaft angereste Erstellung einer Schweizerkarte im Maasstabe 1:100000 war unter der energischen Leitung von Ge- neralquartiermeister W. H. Dufour in Angriff genommen. Seit zwei Jahren hatte man sich genötigt gesehen, neben den all- gemeinen Sitzungen Sektionssitzungen zu veranstalten, um alle die angemeldeten wissenschaftlichen Mitteilungen entgegenehmen zu können. Doch war diesen Sektionssitzungen noch nicht wie heute ein ganzer Tag eingeräumt. Sie wurden am zweiten und dritten Versammlungstage vor den allgemeinen Sitzungen von 8 bis 10/2 Uhr abgehalten. & Der Präsident bot zur Eröffnung der Tagung einen Überblick über die Leistungen der Schweizer im Gebiete der Naturwissen- schaften seit der Zeit der Wiederherstellung der Wissenschaften bis gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Die Gastgeber trugen wirksam zur Belebung der Verhandlungen bei. Auf dem Programm der allgemeinen Sitzungen standen Vorträge von Schön- bein über die elektrische Polarisation fester und flüssiger Leiter, von P. Merian über die Bestimmung der Erdwärme durch Beob- achtungen in dem Bohrloche der Saline Schweizerhall, von F. Fischer über die Menschenrassen. In der medizinischen Sektion berichtete Jung über eine von ihm vorgenommene Resektion des Oberkiefers, Dr. Streckeisen über die anatomische Nachweisung mancher Krank- heitsformen des Darmkanals. In der geologischen Sektion fand eine sehr belebte Diskussion zwischen Agassiz, Charpentier, Leopold von Buch, B. Studer u. P. Merian über die Gletschertheorie statt, welche seit der denkwürdigen Neuenburgerversammlung von 1837 im Vordergrunde des Interesses stand. Diesmal konnten die Gäste das naturwissenschaftliche Mu- seum, das bei der ersten Versammlung noch Verheissung war, in Augenschein nehmen ; unmittelbar nach den Wirren war es durch 30 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Beifügung des Bernoullischen Kabinettes erweitert worden; die Re- gierung hatte zu diesem Zweck ein weiteres Stockwerk des Falken- steiner Hofes zur Verfügung gestellt. Auf der Universität war ferner inzwischen unter Jungs eifriger Fürsorge eine ansehnliche anatomische Sammluug entstanden. Die Hauptsitzungen und die Mittagessen hatte man in das Mitte der zwanziger Jahre erbaute Stadtkasino verlegt. Am ersten Abend war Empfang bei Herrn J. J. Merian in seinem Garten vor dem Riehentor. Am zweiten Nachmittag wurden die Gäste in vierzig Zweispännern nach Schweizerhall geführt zur Besichtigung der Saline; nachher bewirtete der Präsident die Gäste im Sommer- kasino. Das Schlussbankett spendete der Stadtrat. Die Regierung hatte ausser den üblichen 400 Fr., die in die Kasse der schweize- rischen Gesellschaft flossen, noch 500 Fr. an die Bewirtung be- willigt, die für den Zweck beinahe ausreichten, sodass die Mit- glieder nur wenig beizusteuern brauchten. Die Gäste waren wieder in Privatlogis einquartiert. Sie hatten in jenen Zeiten keine Bei- steuer zu leisten. Unsere Gesellschaft ging neu gestärkt aus dieser Kraftprobe hervor. Die Zahl ihrer Mitglieder belief sich damals auf 57 und erfuhr im folgenden Jahrzehnt eine erhebliche Steigerung. Die Kerntruppe freilich, auf welcher die Hauptarbeitslast ruhte, ist bis Ende der Fünfziger Jahre eine sehr kleine geblieben. In Roeper, der 1836 einem Ruf in seine Mecklenburgische Heimat, nach Rostock, gefolgt war, hatte sie eine Hauptstütze verloren; Jung wurde mehr und mehr durch seine ausgedehnte Praxis in Anspruch genommen. Nur wenige neue Kräfte schlossen sich an; 1837 — 1844 und wieder von 1850 an Friedrich Miescher-His, 1845 — 1850 Alexander Ecker, 1850—1855 Carl Bruch, 1846 Al- brecht Müller. Die drei erstgenannten haben nacheinander an der Universität “Physiologie, in wechselnder Verbindung mit benachbartenFächern, doziert. Miescher,*') ein Schüler von Johannes Müller, hatte mit seinem Lehrer die Mannigfaltigkeit der Interessen gemein. Ein- zelne seiner Mitteilungen betreffen Gegenstände aus der patho- logischen Anatomie, andere solche aus der Vergleichenden Ana- tomie der Fische und Mollusken, die meisten gehören dem Gebiete Helminthologie an. Auch zu Anfang seiner zweiten Basler Pe- riode, während welcher er Professor der Pathologie war, hat er der Gesellschaft noch einige helminthologische Forschungsergebnisse II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 31 vorgelegt. Später zog ihn die Praxis von seinen naturwissenschaft- lichen Bestrebungen ab. Eine Sarcosporidienform, die er 1843 in den Muskeln der Maus entdeckte, hat bis in die jüngste Zeit den provisorischen Namen der „Miescher’schen Schläuche“ getragen. Ecker’) und Bruch) behandelten in ihren Vorträgen vergleichend- anotomische Themata, der letztere auch physiologische. Ausserordentlich fruchtbar und anhaltend ist die Tätigkeit Albrecht Müllers‘) im Schosse unserer Gesellschaft gewesen. Durch ihn kam die Mineralogie zu Ehren, die bisher gar keine Rolle gespielt hatte. Auf geologischem Gebiet befasste er sich seit Mitte der fünfziger Jahre mit Untersuchungen im Basler Jura und wurde durch dieselben zu Anschauungen geführt, welche ihm in der Vorgeschichte der modernsten tectonischen Erkenntnis einen ehrenvollen Platz sichern. 1859 konnte er der Gesellschaft die geologisch kolorierte Kündig’sche Karte im Masstab 1 : 50,000 vorlegen, welche gegenüber der älteren Aufnahme von Peter Merian einen sehr beträchtlichen Fortschritt markierte. Von Ende der sechziger Jahre an lieferten ihm seine Studien in den Urner Alpen Stoff zu zahlreichen Vorträgen. Neben Müller setzte P. Merian seine palaeontologischen und stratigraphischen Mitteilungen fort, die nun, besonders in den fünf- ziger Jahren, häufig auch das alpine Arbeitsgebiet seiner Freunde B. Studer und A. Escher betrafen. Von den vierziger Jahren an hat auch Christoph Burckhardt#), der Mitarbeiter Merians und Müllers am Museum, hin und wieder über palaeontologische Themata vorgetragen. In der Botanik betätigten sich neben Meisner in den vierziger Jahren Kandidat Rudolf Preiswerk‘) als Erforscher unserer Flechten-, Algen- und Pilzflora, anfangs der fünfziger Jahre Dr. Alfred Frey‘), dessen Mitteilungen sich auf die industrielle Ver- wertung der Vegetabilien beziehen. Ueber physikalische Themata sprach neben Schönbein gelegentlich Christoph Staehelin, über astronomische J. Ballmer. Unvermittelt und ganz vorübergehend erscheinen 1842—45 die Basler Pioniere des Alpinismus Rudolf Sulger und Georg Hoffmann‘) unter den Vortragenden. Beide berichteten über Erstbesteigungen, die ihnen gelungen waren; jener über diejenige des Finsteraarhorns, dieser über die des Scherhorns und der Windeälle. Um dieselbe Zeit verzeichnet das Protokoll zum ersten Male Reiseberichte von Basler Tropenreisenden. Dr. Emanuel Meyer schickt 1843 eine Beschreibung seiner Reise nach Java ein, Dr. 32 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Philipp Meyer 1845 eine solche seines Vorstosses ins Innere der- selben Insel. 1846 hält Dr. Emanuel Meyer einen Vortrag über seine naturhistorischen Beobachtungen in Texas. Weitaus das meiste haben in diesen Jahren die beiden Haus- herren des Falkensteinerhofes, Schönbein uud Peter Merian ge- leistet; die Vortragsverzeichnisse mancher Jahre schmelzen auf Rudimente zusammen, wenn man ihren Anteil daraus wegstreicht. Beide sind sechsmal, also im ganzen während zwölf Jahren, Prä- sident gewesen; während der acht Biennien von 1842 bis 1858 haben sie sich regelmässig im Präsidium abgelöst. Der Ueber- lieferung nach hatten sie sich gegenseitig das Wort gegeben ohne Not keine Sitzung zu versäumen. Die Unverdrossenheit, mit der Schönbein insbesondere immer wieder um die Belebung der Sit- zungen besorgt war, verdient die grösste Bewunderung. Zwischen den zahllosen Vorträgen über seine eigenen Forschungen verliest und kommentiert er Briefe seiner wissenschaftlichen Freunde oder er teilt mit, was er an dieser oder jener auswärtigen Versammlung Interessantes erfahren hat. Auch auf Gegenstände, welche fernab von der Chemie liegen, kommt er gelegentlich zu sprechen ; so be- richtet er einmal über einen palaeontologischen Fund seines Freundes Jäger in Stuttgart, ein anderes Mal über das Ende eines vom Museumsabwart gehaltenen Affen. Da ihm schien, die Oeffentlich- keit nehme von der Gesellschaft nicht gebührend Notiz, publizierte er 1858 eine Broschüre‘’) über die Geschichte und Leistungen derselben. Von Zeit zu Zeit bringst ihn freilich die Bequemlichkeit derjenigen, die immer nur zum nehmen und nie zum geben bereit sind, in den Harnisch. Das Protokoll vom 17. Januar 1844 be- richtet z. B. folgende kleine Szene: „Prof. Schönbein macht den Vorschlag, der Sekretär möge in der nächsten Sitzung das Ver- zeichnis derjenigen ordentlichen Mitglieder geben, welche in den letzten Jahren ihren Verpflichtungen zur tätigen Teilnahme nicht nachgekommen wären. Der Präsident (P. Merian) wünscht auch mehr Eifer, glaubt aber, dass es wohl nur dem guten Willen der Mitglieder zu überlassen [“ Darüber, dass der Betrieb in einigen Punkten nicht den Vor- schriften der Statuten entsprach, liess man sich keine grauen Haare wachsen: man ging stillschweigend darüber hinweg. 1850 sah sich die Gesellschaft indessen doch veranlasst, eine kleine Partialrevi- sion vorzunehmen. Die Verordnung, dass der Vorstand nach Ab- lauf jedes Bienniums neu bestellt werden sollte, hatte sich, was den Vorsitz anbelangt, durchaus bewährt; war die Abwechslung auch tatsächlich geringer als sie hätte sein können, so übte sie doch einen belebenden Einfluss auf die Sitzungen aus. Dagegen CH. FR. SCHÖNBEIN 1799—1868 Il. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 33 musste man bald gewahr geworden sein, dass ein häufiger Wechsel im Amte des Sekretärs weniger zweckmässig ist. Wenn man in diesem Punkte solange keine Aenderung eintreten liess, so lag dies wohl nur daran, dass niemand bereit war, das Amt auf eine längere Reihe von Jahren zu versehen. Die Arbeitslast des Sek- retärs war zu jener Zeit beträchtlich. Er hatte das Protokoll, das Mitgliederverzeichnis und die Kasse zu führen, die Zeitschrift zu redigieren, die Korrespondenz in Sachen des Tauschverkehrs und diejenige mit den Organen der schweizerischen Gesellschaft zu besorgen. Die letztere war umfangreicher als heute; da es noch keine Postmandate gab, gehörte es zu den Obliegenheiten der kantonalen Sekretäre, bei den in ihrem Rayon wohnhaften Mitgliedern der Muttergesellschaft die Jahresbeiträge sowie die Abonnemente auf die Denkschriften einzutreiben und an das General- sekretariat weiterzuleiten, was mit allerhand Umständlichkeiten verbunden war. Diese lange Reihe von Besorgungen auf mehrere Biennien zu übernehmen bedeutete ein erhebliches Opfer an Zeit. Als nun aber der Sekretär des Bienniums 1848-50, Albrecht Müller, Geneigtheit zeigte, dasselbe zu bringen, änderte man den Statutenparagraphen ab und erklärte den Sekretär für wieder wählbar. Die Protokolle sind in den vierziger Jahren zwar etwas un- gleich, meistens aber sehr ausführlich gehalten; und noch bis gegen Ende des Jahrhunderts ist es üblich geblieben, den Inhalt der Vorträge wenigstens in ein paar Sätzen zu resumieren. Dank dieser Einlässlichkeit haben unsere Protokollbücher z. B. Prof. Kahlbaum bei seinen Studien über das Lebenswerk Schönbeins vortreffliche Dienste geleistet. Mitte der vierziger Jahre begann man auch ein weiteres Pub- likum durch Zeitungsreferate über die Leistungen der Gesellschaft auf dem Laufenden zu halten. Der Anstoss dazu kam von aussen, von Seiten der Schweighauser’schen Buchhandlung, welche um Mit- teilung von Referaten für das von ihr herausgegebene Intelligenzblatt bat; man beschloss der Bitte zu entsprechen, unter Vorbehalt des Einverständnisses des jeweiligen Vortragenden. Mit welchem Grade von Regelmässigkeit diese Art der Berichterstattung im Laufe der Jahrzehnte fortgesetzt worden ist, habe ich nicht untersucht. Verhältnismässig wenig erfährt man aus unsern Akten über das gesellige Leben der Gesellschaft. Wann die seit Jahrzehnten üblichen „zweiten Akte“ nach den Sitzungen aufgekommen sind, habe ich z. B. nicht ermitteln können. Dass zu den Zeiten, da Peter Merian, Schönbein, Jung an der Spitze standen, der Verkehr ein ganz besonders freundschaftlicher war, wissen wir aus der 3 34 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. reichlich fliessenden mündlichen Ueberlieferung und einige Proto- kollstellen bestätigen es. So schliesst z. B. Peter Merian im De- zember 1840 einen Vortrag über die naturhistorischen Museen der rheinischen Städte mit den Worten: „Wenn auch diese Samm- lungen sich grösserer Hilfsmittel zu erfreuen haben, wenn auch in jenen Vereinen mehr Naturforscher von europäischem Rufe sich finden als in unserem eigenen Kreise, so habe ich doch dafür nirgends dieses angenehme Verhältnis und dieses zwangslose Zu- Carl Gustav Jung. Friedrich Fischer. sammenkommen gefunden. Es ist zu wünschen, dass unsere Gesell- schaft auf diese Art mit gleichem Eifer fortfahre.“ Und zwei Jahre später wünscht Schönbein, im Anschluss an einen Rück- blick des abtretenden Präsidenten Miescher. „dass das freundschaft- liche Verhältnis unter den Mitgliedern, ferne von aller Eifersüch- telei, sich forterhalten möge.“ Als ein Andenken an den Humor jenes Kreises sind die vier nebenstehenden Karikaturen reproduziert worden; sie stammen aus einem Schattenspiel, das Professor Alexander Ecker bei irgend II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817— 191". 30 einer akademischen Festlichkeit in der zweiten Hälfte der Vier- ziger Jahre vorgeführt hat. Leider scheinen sich die dazu ge- hörigen Worte nicht erhalten zu haben. °°) Die naturhistorischen Sammlungen des Museums waren seit Mitte der dreissiger Jahre in erfreulicher Weise angewachsen, nicht zum mindesten dank der Liberalität von Mitbürgern, die in überseeische Länder reisten, worunter mehrere Mitglieder unserer Gesellschaft. Die Räumlichkeiten des Falkensteiner Hofes erwiesen Rudolf Merian. Chr. Fr. Schönbein. sich infolgedessen mehr und mehr als unzulänglich. Da auch die Universitätsbibliothek mit ihren Annexen, der Gemäldegalerie und den antiquarischen Sammlungen, sich in der Mücke beengt fühlte, reifte der Plan heran, alle diese Schätze in einem grossen Neubau zu vereinigen. Ende 1841 bestellten die verschiedenen Interessen- tenkreise eine Kommission zur Betreibung dieser Angelegenheit; die Naturforschende Gesellschaft delegierte in dieselbe Ratsherr Peter Merian, Ratsherr Albrecht Burckbardt, Professor Schönbein und Stadtrat Bischoff Respinger. Im November 1849 konnte dank 36 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. dem Zusammenwirken von Behörden und Bürgerschaft der Berri- sche Monumentalbau auf dem Areal des oberen Kollegiums und der Augustinerkirche eingeweiht werden°'). Die Naturforschende Gesellschaft siedelte selbstverständlich mit dem naturwissenschaft- lichen Museum an die neue Heimstätte über. Schon am 13. De- zember 1848 hielt sie dort ihre erste Sitzung ab, im amphitheatra- lischen Saale unter der Aula. In der Folge benutzte sie den „kleinen chemischen Hörsaal“, der sich weiter hinten im Erdge- schoss des Aulaflügels befand. Auf Schönbeins, diesmal vielleicht nicht ganz uneigennützigen, Antrag steuerte sie zur Ausstattung des neuen Sitzungslokals eine Lampe bei. Bei der Museumseinweihung wurde der freiwillige Museums- verein gegründet, der seitdem alle damals an der Augustinergasse ver- einigten Sammlungen und Anstalten in so verdienstlicher Weise unterstützt hat; von etwa 250 Gründern wurden 20,000 Fr. Ka- pital zusammengelest und gegen 3300 Fr. Jahresbeiträge zuge- sichert. Hat unsere Gesellschaft bei dieser Stiftung auch nicht von Vereinswegen mitgewirkt, so waren doch viele ihrer Mitglieder an derselben beteilist. Auch hier wieder standen Schönbein und Peter Merian,an der Spitze. Als am 25.—27. August 1856 die schweizerische Naturior- schende Gesellschaft zum dritten Mal in Basel tagte,°”) konnte sie die Eröffnungssitzung in der Aula des Museums abhalten. Die Zahl der Schweizer Gäste belief sich auf hundert; zu den auslän- dischen stellte die Nachbarstadt Freiburg i. Br. ein starkes Kon- tingent. Den Vorsitz führte zum zweiten Male Peter Merian. Seine Eröffnungsrede behandelte die geologischen Verhältnisse des Rhein- tals bei Basel. Sehr belebt waren die Sitzungen der Sektionen, denen jetzt, wie heute noch, der zweite Versammlungstag eınge- räumt war. In der physikalisch-chemischen Sektion berichtete Schönbein u. a. über seine in Verbindung mit W. His unternom- menen Untersuchungen betreffend die Wirkung des ozonisierten Sauerstoffes auf das Haemotoglobulin; in der geologischen Sektion besprach Rütimeyer die Gresslyosaurusreste von Nieder-Schöntal. Im ganzen hatten mehr die Gäste das Wort und in den allgemeinen Sitzungen war die Wissenschaft etwas zurückgedrängt durch die Fülle der Geschäfte. Unter den an dieser Versammlung gefassten Beschlüssen ist derjenige, welcher auf Erhaltung eines der erra- tischen Blöcke im Steinhof abzielte, als eine frühe Regung des Naturschutzes, besonders denk würdig. Am Abend des ersten Tages bewirtete der Präsident die Ge- sellschaft im Sommerkasino; die Liedertafel in Verbindung mit Il. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817 — 1917. 37 den Studenten veranstaltete zu Ehren der Versammlung einen: Fackelzug mit Ständchen. Oswald Heer, Fritz Burckhardt, Wilhelm Wackernagel trugen Gedichte vor. Das Schlussbankett fand auf der Frohburg statt, wo auch die zweite allgemeine Sitzung abge- halten wurde. Regierung und Stadtrat hatten je 1000 Fr. an die Kosten gespendet. „Die Fortschritte unserer wissenschaftlichen Anstalten seit den . beiden ersten Versammlungen von 1838 und 1821 waren augen- fällig“ bemerkte P. Merian in seinem Rückblick auf die ersten fünfzig Jahre der Gesellschaft. Ausser dem neuen Museum war inzwischen auch der neue, nach den Angaben von Meisner angelegte Botanische Garten vor dem Aeschentor bezogen worden. Die Basler Gesellschaft zählte damals etwa hundert Mitglieder und gab seit zwei Jahren ihre Zeitschrift in erweiterter Form unter dem Titel „Verhandlungen“ heraus. Als 1860 die Universität ihre vierte Säcularfeier beging, wurde ihr als Festgabe ein Heft (II, 7) dieser neuen Serie des Vereins- organs überreicht; eine von Schönbein verfasste Widmungsadresse, welche demselben vorgedruckt ist, hebt die „innige Wechselwirkung“ hervor, „welche nun seit vierzig und etlichen Jahren zwischen den beiden Genossenschaften bestehe“. Ein bleibendes und auch für unsere Gesellschaft bedeutungsvolles Denkmal dieser Feier war der „Sternwartefonds“, mit dessen Hilfe dann anderthalb Jahrzehnte später das Bernoullianum errichtet worden ist. Von Mitte der fünfziger Jahre an erweiterte sich der Kreis der intensiv Mitwirkenden. Rasch nacheinander erscheinen die Namen von Fritz Burckhardt (1853), Wiedemann (1854), Wilhelm His (1854), Rütimeyer (1855), Hermann Christ (1857), Goppels- roeder (1859), Kinkelin (1860) in den Protokollen, sodass zu Be- sinn der sechziger Jahre die Gesellschaft ein ziemlich verändertes Bild bietet. Ohne in ihrer wissenschaftlichen Mitarbeit zu erlahmen, zogen sich Peter Merian und Schönbein nunmehr von der Leitung der Geschäfte zurück. Der ununterbrochene Fortgang des Betriebes stellte fortan keine so ausserordentlichen Anforderungen an die Hingabe einzelner mehr wie früher. Immerhin haben auch einige Vertreter der damals nachrückenden Generation noch eine gewaltige Arbeit auf sich genommen. Rütimeyer ist viermal Präsident ge- wesen und hat der Gesellschaft während der vierzig Jahre seiner Mitgliedschaft gegen siebzig Vorträge gehalten. Albrecht Müller hat das Sekretariat während nicht weniger als zweiunddreissig 38 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Jahren mit musterhafter Treue besorgt. Auch Fritz Burckhardt und Eduard Hagenbach sind zweimal zum Vorsitz berufen worden und haben als „arbeitende Mitglieder“ bis ins Greisenalter getreu- lich zur Fahne gehalten. Rütimeyers°’?) Tätigkeit gehört zu den ruhmvollsten Er- innerungen unserer Gesellschaft. Nachdem er sich in seiner ersten Basler Zeit mit allerlei kleineren palaeontologischen Untersuchungen abgegeben hatte, nahm er um die Wende der fünfziger zu den sechziger Jahren in rascher Folge diejenigen Gegenstände in An- griff, welche dann seinen Forschungen auf Jahrzehnte hinaus die Richtung gaben: die Fauna der Pfahlbauten, die fossilen Equiden von Pikermi und Coupet, die Säugetierreste der Bohnerzformation, die fossilen Schildkröten von Solothurn. Die Untersuchung der Pfahlbautenfauna, die seinen Namen zuerst in weiten Kreisen be- kannt gemacht hat, wurde der Ausgangspunkt seiner zahlreichen Arbeiten über die natürliche Geschichte der Wiederkäuer und über die Herkunft der Haustierrassen. Aus der Beschäftigung mit den fossilen Equiden und mit der Bohnerzfauna erwuchs sein „Versuch einer vergleichenden Odontographie der Huftiere“, mit dem er sich an die Spitze der phylogenetischen Richtung in der Säugetierpalaeontologie gestellt hat. Die Studien über die Solo- thurner Schildkröten boten ihm Gelegenheit, die an den Säuge- tieren erprobten Methoden auf ein Kapitel der Reptilienpalaeonto- logie anzuwenden. Bahnbrechend waren auch seine Darlegungen über Tal- und Seebildung, mit denen er Mitte der siebziger Jahre hervortrat. Um dieselbe Zeit beschäftigten ihn anhaltend die pleistocaenen Säugetierfaunen von Thaingen und Veyrier. Er hat auch zahlreiche Vorträge gehalten, die in keiner näheren Beziehung zu seinen Publikationen standen, die meisten aus Anlass irgend welcher bemerkenswerten Neuerwerbungen des Museums. Wilhelm His°*) hat in den ersten Jahren seiner Mitwirkung der Gesellschaft verschiedene Untersuchungen über die Anatomie der Drüsen, des Auges und des Gehirns, zwischenhinein auch ein- mal eine physiologische über die Bestimmung der Fortpflanzungs- geschwindigkeit in den Nerven vorgelegt. Seine späteren Mit- teilungen betreffen die erste Anlage des Wirbeltierkôrpers. Un- mittelbar vor seinem Wegzug nach Leipzig hat er in mehreren Vorträgen die verschiedenen Theorien der Generation besprochen. In Verbindung mit Rütimeyer unternahm er Ende der sechziger Jahre die, in den ,Crania helvetica“ niedergelegten, Studien über schweizerische Schädelformen, welche beiden Forschern wiederholt Stoff zu Vorträgen in unserer Mitte boten. Auch nachdem er Basel verlassen hatte, ist His der Gesellschaft in unverbrüchlicher I. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817— 1917. 39 Treue zugetan geblieben und wenn ihm der Zufall während seiner Besuche in der Vaterstadt die Gelegenheit bot, wieder einmal einer Sitzung beizuwohnen, hat er sie nie versäumt. Ein eifriges Mitglied war während seiner kurzen Basler Jahre (1859—1863) auch Christoph Aeby°’), der sich damals vor- wiegend mit physiologischen Fragen abgab. Durch His und Rüti- meyer angeregt, interessierte auch er sich für die zu jener Zeit im Aufschwung begriffene Anthropologie und ersann eine sinnreiche Methode der Schädelmessung. Fritz Burckhardt?°‘) hat der Gesellschaft schon 1852 als Student von Berlin aus einen Aufsatz über Daltonismus eingesandt und damit das Gebiet der physiologischen Optik betreten, das er dann während drei Jahrzehnten in zahlreichen Vorträgen weiter pflegte. In den fünfziger und sechziger Jahren beschäftigte er sich auch als Botaniker mit Untersuchungen über das Keimen der Pflanzen und über die Gesetze der Blattstellung. Später führten ihn seine Studien über die Erfindung des Thermometers zur Ge- schichte der Wissenschaft, welche die Spezialität seines Alters wurde. Durch eine Menge grösserer und kleinerer Mitteilungen hat er die Erinnerung an die Verdienste der Basler Naturforscher früherer Zeiten neu belebt. Hermann Christ eröffnete 1857 mit einem Ueberblick über die Pflanzengeographie des Wallis eine lange, sich durch die sech- ziger und siebziger Jahre hindurchziehende Serie von Vorträgen über die Vegetationsverhältnisse unseres Landes, in der man das „Pflanzenleben der Schweiz“ allmählig heranreifen sieht. Dass dabei die Coniferen und besonders die Rosen einlässlich berück- sichtigt wurden, versteht sich von selbst. Dazwischen reihen sich weiterausgreifende Themata: über Pflanzengeographie im allge- meinen, über die Entwicklung derselben seit Linné, über die Vege- - tationsverhältnisse des malayischen Archipels; und Ende der ach- ziger Jahre folgen die Früchte der „Frühlingsfahrt nach den canarischen Inseln“. Am 21. Mai 1913 haben wir die Freude gehabt, unsern verehrten gegenwärtigen Senior, nach langer Unter- brechung, noch einmal mit jugendlicher Frische in unserer Mitte vortragen zu hören, diesmal über die Verbreitung des Buchsbaumes; sechsundfünfzig Jahre, nachdem er der Gesellschaft seine ersten Mitteilungen gemacht hatte — gewiss ein Jubiläum von selten- ster Art! Die grosse wissenschaftlich produktive und schriftstellerische Kraft Gustav Wiedemanns‘’) kam schon in seiner Basler Zeit zu voller Geltung. Einige seiner Vorträge vor der Gesellschaft bezogen sich auf den von ihm ermittelten Zusammenhang zwischen 40 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Magnetismus, Biegung und Torsion und den gleichfalls von ihm festgestellten Parallelismus der Leitfähigkeit für Wärme und Elek- trizität, zwei Entdeckungen von grosser Bedeutung; in andern be- richtete er über seine Versuche mit Thermoelementen zum ersten Male die Temperatur im elektrischen Funken zu ermitteln und über seine mit dem gleichen Hilfsmittel durchgeführten Messungen der Wärmeleitfähigkeit in Metallen. Seine Schüler wissen von ihm zu berichten, dass er bis in sein hohes Alter mit grosser Freude und Anhänglichkeit von seiner Basler Lehr- und Lernzeit an der Universität und in unserer Gesellschaft gesprochen hat. (A. H.) Ende der fünfziger Jahre begegnen wir vorübergehend auch dem später durch seine Kometentheorie berühmt gewordenen K. F. Zöllner°°), welcher damals in Basel studierte, unter den arbeitenden Mitgliedern. Seine Vorträge beziehen sich auf photometrische Untersuchungen. Eduard Hagenbach°”), der 1863 nach Wiedemanns Weg- zug die Professur der Physik übernahm, hat dank einer unver- gleichlichen Auffassungsgabe, mitten in einer überaus regen und zeitraubenden Tätigkeit auf politischem und gemeinnützigem Gebiet mit seiner Wissenschaft jahrzehntelang Schritt zu halten vermocht und insbesondere auch die rapide Entwicklung der Technik des aufmerksamsten verfolgt. Diese Elastizität seiner geistigen Veran- lagung kam auch unserer Gesellschaft zu gut, der er immer wieder über die neuesten Fortschritte seines Faches berichtete. Die eigenen Forschungen, welche er derselben vorlegte, betreffen sehr ver- schiedene Gebiete der Physik. In den sechziger Jahren beschäf- tisten ihn die Zähigkeit der Flüssigkeiten, die Bestimmung der Kohlensäure in der Luft, die Polarisation des Lichts in der Ath- mosphäre; lange Zeit setzte er seine Untersuchungen über Fluores- cenz fort; aus den achtziger Jahren stammen seine wichtigen Ar- beiten über das Gletscherkorn und über die Fortpflanzung der Elektrizität im Telegraphendraht, aus den neunziger Jahren die- jenigen über die Natur der Hertz’schen elektrischen Schwingungen. Auch das lebhafte Interesse, welches er jederzeit den Bestrebungen anderer entgegenbrachte, hat manche Früchte getragen. Auf eine Anregung von seiner Seite hin hat z. B. J. Balmer die Berech- nungen angestellt, welche ihn auf seine berühmt gewordene Formel für die Spectrallinien des Wasserstoffes führten (1883). Hermann Kinkelin‘®), der hauptsächlich in den sechziger Jahren mitwirkte, ist der erste gewesen, der es wagte, rein mathe- matische Gegenstände vor der Gesellschaft zu entwickeln; er hatte eine ganz besondere, von seinen Schülern hochgeschätzte Gabe, die schwierigsten mathematischen Probleme verständlich zu machen FR. MIESCHER-HIS 1811—1887 G. WIEDEMANN L. RÜTIMEYER 18261899 1825—1895 7 Ri ln INN, IL Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 41 und wusste auch mit grossem Geschick Themata, die ein weiteres Publikum anzusprechen vermögen, aus seinem Spezialgebiete heraus- zugreifen. So behandelt einer seiner Vorträge die Berechnung des christlichen Osterfestes, ein anderer ein auf der hiesigen Bibliothek befindliches mathematisches Manuskript des zehnten Jahrhunderts. Weitere seiner Mitteilungen betreffen verschiedene Probleme der Geometrie. (A. H.) Von den Schülern Schönbeins begegnen uns K. Bulacher, K.Grüninger und Friedrich Goppelsroeder unter den tätigen Mitgliedern der Gesellschaft. Weitaus am eifrigsten und erfolg- reichsten hat der letztere mitgewirkt. Die Arbeiten, welche er in den sechziger und beginnenden siebziger Jahren vortrug, stehen in Zusammenhang mit seiner damaligen Wirksamkeit als öffentlicher Chemiker und erörtern vielerlei analytische Probleme; sie bringen unter andern Neuheiten auch die originelle Reaktion auf Aluminium- salze mit Morin. Hochbedeutend sind die umfangreichen Unter- suchungen über Capillaranalyse, über deren weitgreifende Resultate Goppelsroeder in seinen späteren Jahren, als er nach langer Ab- wesenheit wieder in die Vaterstadt zurückgekehrt war, mehrfach berichtet hat. Diese Vorträge bieten zahlreiche Anregungen in allen Gebieten der Chemie und die damit angeschnittenen Probleme sind noch bei weiten nicht erschöpft. (F. F.) In das Jahr 1863 fällt die Gründung des schweizerischen Alpenklubs und seiner Sektion Basel, an der Rütimeyer und ver- schiedene andere Mitglieder unserer Gesellschaft beteiligt waren.°') Wir sind seitdem mit der Sektion Basel in naher Fühlung ge- hlieben und haben fast alljährlich das Vergnügen, uns mit ihr zur Anhörung irgend eines nach beiden Seiten Interesse bietenden Vortrages zusammenzufinden. 1867 konnte die Gesellschaft ihr fünfzigjähriges Jubiläum °°) begehen. Man verschob die Festlichkeit vom Gründungstag, dem 8. Januar, in die wärmere Jahreszeit, auf den 4. Mai. Der offi- zielle Festakt fand vormittags 10!/2 Uhr in der Aula des Museums statt. Als Ehrengäste hatten sich eingefunden der Amtsbürger- meister, der Stadtratspräsident, Rektor und Prorektor der Uni- versität, die Präsidenten verschiedener hiesiger Schwestervereine, sowie zwölf befreundete Naturforscher aus der Schweiz und aus dem Auslande. Der Präsident, Fritz Burckhardt, widmete seine Fest- rede, die nachher als besondere Broschüre im Druck erschien, den physikalischen Arbeiten der Societas physica. Dann folgten die Gratulationen. Prof. Andreas Heusler, als Rector magnificus, überreichte im Namen der Universität eine lateinisch abgefasste Adresse, Prof. Wilhelm Vischer im Namen der antiquarischen und 42 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Dr. Zimmermann im Namen der historischen Gesellschaft der Jubi- larin gewidmete Abhandlungen von Dr. J. J. Bernoulli „Über Mi- nervenstatuen“ und von Prof. J. A. Maehly über „Die Schlange im Mythus und Kultus der klassischen Völker“.°) Auch die natur- forschende Gesellschaft selbst hatte eine Festschrift herausgegeben; sie enthielt einen Rückblick auf die ersten fünfzig Jahre ihrer Tätigkeit von Peter Merian, der diese Entwicklung fast von An- fang an miterlebt hatte; eine Betrachtung von Rütimeyer über die Aufgabe der Naturgeschichte und eine Abhandlung von Albrecht Müller, dem Grossneffen Daniel Hubers, über das Grundwasser und die Bodenverhältnisse der Stadt Basel. Diejenigen auswärtigen Gäste, welche der Gesellschaft nicht schon vorher angehörten, wurden zu korrespondierenden Mitgliedern ernannt. Das Festessen, das um 1 Uhr begann, wurde „im Gesellschafts- hause jenseits“ abgehalten. „Es herrschte“, iaut Protokoll, „eine heitere, belebte Stimmung; ein Toast folgte dem andern. Abends gegen 7 Uhr versammelte sich die Gesellschaft bei schönstem Wetter auf dem Aschenplatz, wo auf Veranlassung der Wasser- versorgungsanstalt die grosse Fontaine in voller Höhe sprang und auch Hydranten in Bewegung gesetzt wurden. Nach 8 Uhr sammelte sich wieder eine grosse Zahl Festteilnehmer im Gesell- schaftshause, wo noch einige heitere Stunden zugebracht wurden“. Die Gesellschaft hatte damals 120 ordentliche Mitglieder, 8 Ehrenmitglieder und 79 korrespondierende Mitglieder und zählte zu den blühendsten unter den Kantonalgesellschaften. Sie hatte 10 Hefte „Berichte, und 4 Bände „Verhandlungen“ publiziert und sehr namhaftes zur Vermehrung der öffentlichen Bibliothek beige- tragen. Von ihren Gründern lebte noch ein einziger, A. Isaak Iselin. Im gleichen Jahre hielt die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft ihre 51. Jahresversammlung im benachbarten Rhein- felden ab. Mit den Leitern dieser Versammlung, denen einige Mitglieder unserer Gesellschaft beratend an die Hand gegangen waren, entspann sich ein sehr freundschaftlicher Verkehr. Am 24. Juni des folgenden Jahres wurden sie zu einer Sitzung einge- laden, in welcher Schönbein seine neuesten Experimente mit Blau- säure vorführte. Nachher fand ein belebtes Abendessen im Gre- sellschaftshause statt. Dieses kleine Fest ist den damaligen Mit- gliedern darum eindrücklich geblieben, weil es der letzte Anlass war bei welchem sie Schönbein in ihrer Mitte hatten. Der unvermutet am 29. August in Baden-Baden erfolgte Hin- schied ihres hochverdienten Mitgliedes traf die Gesellschaft schwer. Die erste Wintersitzung, welche des ungewöhnlichen Zudrangs, auch II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817 — 1917. 43 von Gästen aus der Bürgerschaft, wegen im amphitheatralischen Saale abgehalten wurde, war seinem Andenken gewidmet. Peter Merian entwarf aus vierzigjähriger Erinnerung ein Bild des verstorbenen Freundes und erzählte der jüngern Generation besonders einläss- lich von den zufälligen Umständen, welche denselben einst nach Basel geführt hatten. Eduard Hagenbach, ein Schüler Schönbeins, beleuchtete dessen wissenschaftliche Leistungen. Auch sonst lichtete sich um diese Zeit die Reihe der alten. Im gleichen Jahre 1868 starben Dr. Imhoff und Dr. Streckeisen ; anfangs der siebziger Jahre Rudolf Merian und Friedrich Meisner, der sich 1867 ins Privatleben zurückgezogen hatte; Jung war schon 1864 geschieden. Als einziger aus dem Kreise, dem sie ihren Aufschwung in den dreissiger Jahren verdankte, blieb Peter : Merian der Gesellschaft noch ein weiteres Jahrzehnt erhalten. Am 19. Juni 1862 feierte sie in solenner Weise seine fünfzigjährige Mitgliedschaft. Bernhard Studer, Arnold Escher, Heer, Mousson, Bolley, Wolff, Ziegler, Pictet, Soret, Coulon, Desor, Ecker von Freiburg, Schimper von Strassburg, Fraas von Stuttgart und eine Reihe anderer auswärtiger Freunde und Verehrer leisteten der an sie ergangenen Einladung, der Feier beizuwohnen, Folge. Man versammelte sich abends 6 Uhr in der Aula. Eduard Hagenbach, als Präsident, hielt eine Ansprache an den Jubilaren und über- reichte ihm als Widmung der Gesellschaft ein Heft der Verhand- lungen (V, 2). Wilhelm His, als Rector magnificus, überbrachte als Ehrengabe der Universität das von Rütimeyer verfasste Rekto- ratsprogramm „Über Tal- und Seebildung“. Auch verschiedene Gäste überreichten im Namen der Gesellschaften, die sie vertraten, Diplome und Adressen. Andere Vereine und Gelehrte hatten schriftliche Gratulationen eingesandt. Die Festrede hielt Albrecht Müller, welcher einen Uberblick über Merians Verdienste um die Geologie bot. Während des durch zahlreiche Toaste in gebundener und ungebundener Rede gewürzten Bankettes im Gesellschaftshaus brachten die Studenten dem Gefeierten einen Fackelzug. In die enstandenen Lücken traten neue Mitarbeiter, Iın botanischen Institut hielt mit Simon Schwendener 1867 die anatomisch-physiologische Richtung ihren Einzug. Unser be- rühmter Landsmann, der als Ehrenmitglied auch heute noch der Gesellschaft angehört, war zu der Zeit seiner hiesigen Wirksam- keit mit den Problemen des Saftsteigens und der Druck- und Zug- festigkeit des Pflanzengewebes beschäftigt. Auch die sensationelle 44 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Entdeckung, dass die Flechten Algen sind, welche in Symbiose mit einem Pilze leben, machte er in seinen Basler Jahren. Er hat sie der Gesellschaft in der Sitzung vom 4. Januar 1871 mit- geteilt. Schönbeins Nachfolger, Jules Piccard (1870), war in den siebziger Jahren sehr vielseitig tätig; es lassen sich mindestens vier Arbeitslinien verfolgen. Die erste behandelte Probleme der Benzolchemie und brachte u. a. eine neue Anthrachinonsynthese. Die zweite knüpfte an die Untersuchung der Pappelknospen an und führte zur Entdeckung des Pappelöls und der gelben Farb- stoffe Chrysin und Tetrachrysin, deren Bau erst später, nach Ver- vollkommnung der Forschungsmethoden und nach Aufklärung der Struktur ähnlicher Körper, durch St. v. Kostanecki auf Grund der sehr zuverlässigen Piccard’schen Beobachtungen bis ins einzelne erkannt wurde. Eine dritte Serie ging vom Cantharidin, dem wirksamen Stoff der „spanischen Fliegen“ aus; der Verlauf dieser Forschungen warf Schlaglichter auf die damals viel erörterten Kon- stitutionsfragen der Benzolabkömmlinge, speziell der Orthoderivate. Eine vierte Reihe von Vorträgen bezieht sich auf physikalisch- chemische und physikalische Fragen, bringt eine wichtige Verbesse- rung zum V. Meyer’schen Dampfdichte-Apparat und gipfelt in den meisterhaften „Physikalisch-malerischen Studien am Wasser“, zu denen der leichtbewegte Spiegel des lemanischen See’s die An- regung geboten hatte. (F. F.) Auf dem Gebiete der Geologie betätigte sich von 1868 an Victor Gilliéron®*) Meistens bildeten die sorgfältigen Auf- nahmen, welche er Sommer für Sommer im Auftrage der geologischen Kommission im Freiburgischen durchführte, den Gegenstand seiner Mitteilungen, doch beteiligte er sich mit Untersuchungen über den Süsswasserkalk von Moutier und über die Gletscherspuren im Wiesental auch an der Erforschung unserer Umgebung. In seinem letzten Vortrage (5. Nov. 1889) erörterte er die Aussichten, im Kanton Baselstadt Steinsalz zu finden. Auch Jean Baptiste Greppin‘°), der verdiente Erforscher der Geologie des Berner Jura’s, hat nach seiner Uebersiedlung nach Basel (1867) einige Male in unserer Gesellschaft vorgetragen. Die faunistischen Bestrebungen L. Imhoffs wurden in den siebziger Jahren in seinem Spezialfache, der Entomologie, fort- gesetzt von A. Bischoff-Ehinger“), Walter Schmied und Hermann Christ, im Gebiete der niedern Wirbeltiere von F. Leuthner. 1871 begann die rege Mitarbeit von Fritz Miescher-Rüsch‘”). Die erste Mitteilung, welche er der Gesellschaft machte, betraf II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 45 seine wichtigen Untersuchungen über die Spermatazoen einiger Wirbeltiere, die zum Ausgangspunkt seiner langjährigen Beschäfti- gung mit der Biologie des Rheinlachses wurden. Viele seiner späteren Vorträge waren diesem Arbeitsgebiete entnommen; andre handelten von der mikroskopischen Struktur der Milz, der Regu- lierung der Atmung usf. In seinen letzten Jahren berichtete Miescher wiederholt über den Einfluss des Höhenklimas auf das Blut, nach Untersuchungen welche er in Verbindung mit einigen Schülern durchführte. Die Mediziner hatten seit 1860 ihr eigenes Zentrum in der medizinischen Gesellschaft. Aber unsere Gesellschaft fuhr fort eine gewisse Anziehungskraft auf sie auszuüben. In den sechziger und siebziger Jahren treffen wir ©. Liebermeister, J. J. Bischoff, H. Schiess gelegentlich unter den Vortragenden. Am 21.—23. August 1876 beherbergte Basel zum vierten Male die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft‘®). Der achtzigjährige Peter Merian lehnte es ab, den Vorsitz ein drittes Mal zu führen, nahm aber an der Versammlung teil. An seine Stelle trat Ludwig Rütimeyer, welcher die Verhandlungen mit einer fesselnden und gedankenreichen Betrachtung über die Art des Fortschrittes in den organischen Geschöpfen eröffnete. Als Lokal für die allgemeinen Sitzungen wurde diesmal die Martins- kirche benützt. Es waren 120 Gäste aus der Schweiz anwesend, von auswärts hatten sich Ch. Martins von Montpellier, Fr. Sand- berger und C. Th. E. von Siebold von Würzburg, W. Ph. Schimper von Strassburg, Oskar Fraas von Stuttgart und andere eingestellt. In den Hauptsitzungen sprachen u. a. Fr. Sandberger über die geologische Gliederung des Schwarzwaldes und A. Favre über die von ihm entworfene Gletscherkarte der Schweiz. Die Sektionen, deren es damals noch vier waren, hatten ein äusserst besetztes Programm. In der geologischen legte Fr. Mühlberg seine ersten Studien über den Bau des Aargauer Jura’s zwischen dem untern Hauenstein und Schinznach vor. Ueber die Frage, ob am Süd- fusse der Alpen die Gletscher in das pliocaene Meer getaucht seien, entspann sich eine lebhafte Debatte zwischen Ch. Martins, A. Favre, Ch. Mayer, Renevier und Rütimeyer. Ein andres Thema, das zur Diskussion stand, waren die vielumstrittenen „Wetzikon- stäbe“*. In der zoologisch-botanischen Sektion plädierte W. His für statistische Erhebungen über die Farbe der Haare und der Augen bei den schweizerischen Schulkindern. Gegen 1856 waren wieder wesentliche Fortschritte im Ausbau unserer naturwissenschaftlichen Anstalten zu konstatieren. Die physikalisch-chemische Sektion konnte ihre Sitzung in dem seit 46 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. zwei Jahren bezogenen Bernoullianum abhalten. Die vergleichend- anatomische Sammlung auf der Universität hatte sich unter Rüti- meyers umsichtiger Leitung gewaltig ausgedehnt. Am Nachmittag des ersten Versammlungstages ergingen sich die Gäste in dem seit 1874 bestehenden zoologischen Garten. Am zweiten Abend wurde die Versammlung in Privatequipagen nach Klein-Riehen geführt, wo ihr Nationalrat J. R. Geigy im Garten seiner Villa einen splendiden Empfang bereitete. Das Abschiedsessen fand auf dem Bienenberg statt. Diese Tagung fiel in die Amtsdauer des ersten Basler Zen- tralkomitees, dem Eduard Hagenbach als Präsident, P. Merian als Vorsitzender der Denkschriften-Kommission, L. Rütimeyer und F. Burckhardt angehörten. — Fünfzig Jahre nach dem Inkrafttreten unserer zweiten Statuten kam endlich auch der dritte Wunsch, welcher den Urhebern der- selben bei der Anordnung jener seltsam komplizierten öffentlichen Sitzungen vorgeschwebt hatte (s. p. 27), zu seinem Rechte, und zwar auf eine sehr einfache Weise. Seit 1880 gibt die Gesell- schaft ihrem Vereinsjahr dadurch einen solennen Abschluss, dass sie die letzte Sitzung des Sommersemesters öffentlich abhält. Irgend ein für weitere Kreise ansprechender Vortrag wird für diese Schlussitzung reserviert. Nach derselben findet ein einfaches Nachtessen statt, bei dem auch Gäste willkommen sind. In den Jahren 1882 und 1883 traten Feierlichkeiten mitten im Wintersemester an Stelle dieser Schlussitzungen. Es handelte sich darum, der hundertsten Wiederkehr der Todestage von Daniel Bernoulli (18. März 1782) und von Leonhard Euler (17. November 1783) in einer Basels würdigen Weise zu gedenken. Beide Male übernahm Fritz Burckhardt die Aufgabe, ein Lebensbild des Ge- feierten zu entwerfen. Ueber die wissenschaftlichen Verdienste Daniel Bernoulli’s sprach dessen Amtsnachfolger Prof. Eduard Hagenbach. In die Schilderung des gewaltigen Lebenswerkes von Leonhard Euler teilten sich Eduard Hagenbach und Hermann Kinkelin. Die fünf Vorträge wurden nachher als Beilage zum siebenten Bande der Verhandlungen gedruckt. Ende 1882 erwuchsen der Gesellschaft, nach langen Jahren der Ungestörtheit, Lokalsorgen. Nach der Uebersiedlung der Anstalt für Physik und Chemie ins Bernoullianum (1874) hatte sie fort- gefahren, ihre Sitzungen im altgewohnten Auditorium des Museums abzuhalten. Nun wurde dieses aber von dem ausdehnungsbedürftigen Antiquarischen Kabinett beansprucht und die Gesellschaft musste wieder wandern. Sie fand Unterkunft in ihrer ältern Heimat, dem Falkensteinerhof, wo sich inzwischen die Gewerbeschule, nachmals IT. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817— 1917. 47 obere Realschule, eingerichtet hatte und benützte dort den als frei- stehendes Gebäude im Hofe errichteten Physiksaal. Kostete es einige Ueberwindung, das alte Lokal, an das sich so viele Erinne- rungen knüpften, zu verlassen, so bot doch das neue den Vorteil grösserer Geräumigkeit. Am 8. Februar 1883 starb Peter Merian. Durch zunehmende Schwerhörigkeit war er schon seit Jahren von den Sitzungen fern- gehalten worden, aber mit kleinen Einsendungen hatte er sich immer noch an den Verhandlungen beteiligt. Die letzte dieser Notizen, vom Jahre 1882, betrifit eine alte Latinisierung des Namens Schönbein, die er auf der Bibliothek entdeckt hatte und beweist, dass dem Hochbetagten der Humor nicht abhanden ge- kommen war. 1875, an seinem achtzigsten Geburtstage, hatte ihm die Gesellschaft noch einmal ein Heft ihrer Verhandlungen (VI, 2) gewidmet. Er hat derselben 63 Jahre lang angehôrt.°°) Im nämlichen Jahre schied der greise Geograph Jakob Melchior Ziegler, der seit seiner Uebersiedlung nach Basel, 1878, ein eifriges Mitglied der Gesellschaft geworden war und sich dieselbe durch die Schenkung seiner hervorragenden Kartensammlung dauernd verpflichtethat. Trotz seinem hohen Alterhatte er Jahr für Jahr einen Vortrag über irgend einen Gegenstand seines Spezialgebietes angekündigt: „Ueber die geologische Karte der Erde und die Be- ziehungen der Geologie zur Topographie“, „Ueber die Entwicklung der topographischen Cartographie in den Vereinigten Staaten“, „Ueber die Chronologie der Erdkruste“ usf. Von seiner Stiftung und von dem, was unsere Gesellschaft in Verbindung mit andern Instanzen für die Hegung und Mehrung derselben getan hat, soll unten in einem besondern Abschnitte die Rede sein, Zu den ältern Geologen, Müller und Gillieron, gesellte sich zu Beginn der achtziger Jahre Andreas Gutzwiller, der zu- nächst P. Merians Forschungen über das Tertiär unserer Um- gebung fortsetzte, bald aber auch das genauere Studium unserer lange Zeit etwas vernachlässigten Quartärbildungen in Angriff nahm. Die wissenschaftliche Durchforschung dieser Sedimente ist fast ganz sein Werk. Im Gebiete der Chemie wirkte seit 1875 an der Universität und in unserer Gesellschaft Friedrich Krafft. Er befasste sich mit der Chemie der höheren Fettsäuren und der davon abgeleiteten Verbindungen wie Kohlenwasserstoffe, Ketone usw. und benutzte bei seinen Arbeiten mit grossem Erfolg die damals noch wenig angewandte Methode der fractionierten Destillation unter vermin- dertem Druck. Das Ziel seiner Untersuchungen, in jener Epoche, war der methodische Abbau der in der Natur vorkommenden hoch- 48 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. molecularen Fettsäuren zu den einfachsten Gliedern der homologen Reihe, sowie der synthesische Aufbau von Paraffinen, den er bis zu dem Kohlenwasserstoff mit 35 Kohlenstoffatomen treiben konnte. (F. F.) Von Mitte der achtziger Jahre an erscheinen ferner R. Nietzki und G. W. A. Kahlbaum unter den Vortragenden. Die Erkenntnis der Natur des von Liebig entdeckten „Kohlen- oxydkali“, das als ein Abkömmling des Hexaoxybenzols erscheint, hat den wissenschaftlichen Ruf Rudolf Nietzki’s begründet; mit jener Arbeit fiel auch der Schleier, der bisher die Natur der Rhodizonsäure, der Krokonsäure und der Leukonsäure verhüllt hatte. Von fast ebenso grossem Interesse war die Entdeckung des symmetrischen Tetra-amidobenzols (mit E. Hagenbach), der bald die- jenige des benachbarten Tetra-amidobenzols nachfolgte und die Untersuchung der organischen Abkömmlinge der Stickstoffwasser- stoffsäure. Daneben laufen zahlreiche Arbeiten im Gebiete der eigentlichen Farbstoffchemie, über Azokörper, über Azinfarbstoffe, über das Fluorescein usw. (F. F.) Georg Kahlbaum’°®) führte sich in die Wissenschaft ein mit weit angelegten Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Siedepunkt und Druck, die ihn zur Konstruktion seiner sehr leistungsfähigen Quecksilberluftpumpe und damit zur Lösung der schwierigsten Probleme der Destillationstechnik, zur Destillation der Metalle führte. Seine gute humanistische Bildung befähiste ihn ausserdem, neben seinen experimentellen Arbeiten, zur Behandlung geschichtlich-chemischer Fragen. Mit einer an Schönbein erinnernden Treue hat er der Gesellschaft je und je auch von seinen historischen Werken wenigstens auszugsweise Kenntnis gegeben und gerade durch diese Vorträge den Zuhörern einen grossen Genuss bereitet. (F. F.) Von 1879 an gehörte Julius Kollmann zu den eifrigsten Mitgliedern. Er hat die Gesellschaft alle Fortschritte der anthropo- logischen Forschung, von denen viele ihm selbst zu verdanken sind, verfolgen lassen und ihr auch manche Ergebnisse seiner embryo- logischen und vergleichend anatomischen Studien vorgelegt. Seit Mitte der siebziger Jahre widmete sich Altratsherr Fritz Müller?!) dem Ausbau unserer zoologischen Museumssammlungen, die ihm bald Stoff zu mancherlei faunistischen Mitteilungen im Schosse unserer Gesellschaft boten. Am anhaltendsten beschäf- tigten ihn die Reptilien und Amphibien, daneben auch die Crusta- ceen und in seinen letzten Jahren wandte er namentlich den Spinnen sein Interesse zu. FR. BURCKHARDT A. MÜLLER 1830 —1913 1819—1890 W. HIS-VISCHER E. HAGENBACH-BISCHOFF 1831—1904 1833—1910 N II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817— 1917. 49 1877 nahm S. Schwendener einen Ruf nach Tübingen an. Seine Nachfolger auf dem Lehrstuhl der Botanik W. Pfeffer (1877—78), H. Vöchting (1878—87), G. Klebs (1887—98) forschten wie er vorwiegend in anatomisch-physiologischer Richtung. Am eifrigsten hat von ihnen Hermann Vöchting in der Ge- sellschaft mitgearbeitet, der sich damals mit Untersuchungen über die Nutationsbewegungen, über die Zygomorphie der Blüten, über den negativen Thermotropismus und mit Versuchen über die Re- generationsprozesse im Pflanzenreiche abgab; durch diese letzteren . wurde er zu einer Theorie des Obstbaumschnittes und darüber hinaus zu den, damals neuen jetzt allgemein anerkannten, An- schauungen über die physiolögische Einheitlichkeit jedes Pflanzen- individuums geführt. (Gr. S.) Carl Vonder Mühll”) stellte, als er 1889 nach langer Ab- wesenheit in die Vaterstadt zurückgekehrt war, seine Zeit und Kraft allsbald auch in hingebendster Weise in den Dienst unserer Gesellschaft. Mit welcher Gewissenhaftigkeit er während langer Jahre das Sekretariat besorgt hat, steht den heutigen Mitgliedern noch in lebhaftem und dankbarem Andenken. Seine Vorträge bezogen sich durchweg äuf sein Spezialgebiet, die mathematische Physik. In einem ersten handelte er über das Prinzip der klein- sten Aktion; bald darauf besprach er kritisch die damals neuen Ideen der electromagnetischen Lichttheorie. Ein andresmal legte er eine Theorie der „Seiches“ vor, jener eigentümlichen, von Forel zuerst näherer Beachtung gewiirdigten und von Eduard Sarasin einlässlich studierten, Schwankungen der Seen. Besonders hervor- zuheben sind seine Studien über die theoretischen Vorstellungen von G. S. Ohm und über seinen — ihm in der kritischen Veranlagung wesensverwandten — einstigen Lehrer Ernst Neu- mann und dessen ungeheure Bedeutung für die theoretische Physik. (A. H.) Wir müssten von Mitgliedern sprechen, die noch mitten in der Arbeit stehen, wenn wir diese Notizen über die wissenschaft- liche Tätigkeit der Gesellschaft fortsetzen woliten und glauben uns im folgenden auf eine Uebersicht über die markantern Ereignisse beschränken zu dürfen. Mit der fünften Jahresversammlung der schweizerischen Na- turforschenden Geseilschaft in Basel, am 5. bis 7. September 1892"), konnte unsere kantonale Gesellschaft, an deren Spitze damals der ebengenannte Carl Vonder Mühll stand, ihr fünfundsiebzigstes Ju- 4 50 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. biläum verbinden. Ein Abend im Sommerkasino war speziell der Feier dieses lokalen Ereignisses gewidmet. Den Gästen wurde das erste Heft des zehnten Bandes der Verhandlungen als Fest- gabe überreicht. Die Zahl unserer ordentlichen Mitglieder belief sich um diese Zeit auf gegen zweihundert. Der Jahrespräsident, Eduard Hagenbach-Bischoff, leitete die Tagung mit einem meisterhaften Ueberblick über die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Anstalten Basels von 1817 bis 1892 ein. - Als Fortschritte, die seit der Versammlung von 1876 verwirk- licht worden waren, konnte er die Einrichtung einer pathologisch- anatomischen Anstalt, den Bau des Vesalianums mit einer Abtei- lung für normale Anatomie und einer Abteilung für Physiologie, die Peter-Merianstiftung, die Stiftung der Ziegler’schen Karten- sammlung und den weiteren Ausbau derselben durch den Karten- verein aufzählen. In den Hauptsitzungen sprachen von Baslern Prof. C. Schmidt über die Metamorphose der alpinen Gesteins- arten, Dr. F. Sarasin über die Weddah’s von Ceylon, Prof. W. His über die Entwicklung menschlicher Physiognomien. Die speziellen Mitteilungen wurden diesmal auf sieben Sek- tionen verteilt. Das Schlussbankett fand auf der Saline statt. Nach der Ver- sammlung führte Professor F. Mühlberg die Geologen, welche sich seit der letzten Basler Tagung zu einer geologischen Gesellschaft zusammengeschlosson hatten, in das Gebiet der Verwerfungen, Ueberschiebungen und Ueberschiebungsklippen im Basler und Solo- thurner Jura. | Zwei Jahre nach ihrem fünfundsiebzigsten Jubiläum entschloss sich die Gesellschaft nun doch, die Statuten von 1830 einer Re- vision zu unterziehen.) Den Anstoss dazu gab die steigende Ueberlastung des Sekretärs. Man benutzte den Anlass, um all’ den überflüssigen Ballast, die Unterscheidung von .„arbeitenden* und „freien“ Mitgliedern, die einlässlichen Bestimmungen über den Gang von gewöhnlichen und öffentlichen Sitzungen usf. über Bord zu werfen. Die „Vervollkommnung der öffentlichen Samm- lungen“ wurde aus dem Gesellschaftsprogramm gestrichen, da die Knappheit der Mittel längst genötigt hatte, von der Verfolgung dieses Zweckes zu abstrahieren. Die Qualifikation zum korresspon- dierenden Mitglied und zum Ehrenmitglied erhielt in Anpassung an die veränderten Verhältnisse eine andre Definition. Der Titel eines Ehrenmitgliedes soll nun ausschliesslich „hervorragenden Ver- tretern der Naturwissenschaften“ reserviert sein; zu korrespon- dierenden Mitgliedern können Männer ernannt werden „welche sich um die Naturforschende Gesellschaft, um die hiesigen naturwissen- II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817 —1917. zo schaftlichen Anstalten oder um die naturwissenschaftliche Erfor- schung der Umgegend verdient gemacht haben.“ Anstatt des bis- herigen Vizesekretärs wurden dem Vorstande ein zweiter Sekretär und ein Bibliothekar beigegeben und über die Besorgung der Ge- schäfte wie folgt bestimmt: „Das Sekretariat führt das Protokoll in den Vereinsversammlungen, besorgt die Gesellschaftspublikationen, vermittelt den Verkehr mit der schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft, verwaltet die Kasse und lest alle zwei Jahre über die- selbe Rechnung ab. Diese Geschäfte werden durch den Vorstand zwischen dem ersten und dem zweiten Sekretär verteilt. Der Bi- bliothekar vermittelt den litterarischen Verkehr.“ Auf die Umstände, welche zur Bestellung eines Bibliothekars ‚geführt haben und auf die Tätigkeit der schon seit 1883 bestehenden Redaktionskommission, die nun gleichfalls in den Statuten vor- gesehen wurde, werden wir noch zurückkommen. Schliesslich wurde eine Bestimmung über die rechtsgiltige Ver- tretung der Gesellschaft beigefügt. Um die gleiche Zeit, 1893, sind die Gesellschaftsexkursionen aufgekommen, welche sich bei einigen unserer Schwestergesell- schaften schon viel früher eingebürgert hatten. Die erste derselben ging nach dem Kaiserstuhl, unter der Leitung von Prof. ©. Schmidt, Seitdem sind eine Reihe weiterer abgehalten worden, obwohl, in- folge von Witterungslaunen und andern Schwierigkeiten, nicht mit der beabsichtigten Regelmässigkeit; einige in Gemeinschaft mit der naturforschenden Gesellschaft in Freiburg 1. B. Meistens haben Greologen, seltener Zoologen, Botaniker oder Techniker die Füh- rung übernommen. 1898 bezog die obere Realschule ihren Neubau an der De- wettestrasse und der Falkensteinerhof wurde zu Verwaltungszwecken umgebaut. Die Gesellschaft musste sich abermals nach einem neuen Sitzungslokal umsehen. Zunächst, vom November des ge- nannten Jahres bis Dezember 1900 fand sie eine Unterkunft im mineralogisch-geologischen Institut neben der Lesegesellschaft. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts aber verliess sie den Hügel „auf Burg“, äuf dem sie fünfmal kreuz und quer gewandert war, folgte dem Zuge der Zeit und siedelte sich auf dem Westplateau an, in dem soeben eröffneten neuen botanischen Institut an der Schönbein- strasse, wo sie sich seitdem wohl befindet. Im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts riss der Tod noch em- pfindliche Lücken in die Reihe der älteren Mitglieder; 1890 starben Albrecht Müller und Victor Gillieron, 1895 folgten ihnen Fritz Müller, Fritz Miescher und Ludwig Rütimeyer. 52 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Am 19. Oktober 1899 feierten Universität und Naturforschende Gesellschaft gemeinsam den hundertsten Geburtstag von Christian Friedrich Schönbein. Vertreter der Behörden, der Familie Schön- bein, der Geburtsstadt Metzingen und einige auswärtige Gelehrte waren als Ehrengäste gebeten worden. Auch die weitere Bürger- schaft, in der das Andenken des originellen Mannes noch immer lebendig ist, war im Auditorium vertreten. Prof. Kahlbaum schil- derte in sichern Zügen die Persönlichkeit und den Lebensgang des Gefeierten, Prof. Piccard, Prof. Schaer aus Strassburg und Prof. Hagenbach sprachen über seine wissenschaftlichen Leistungen. Die bayrische Akademie der Wissenschaften und die Universität Tü- bingen sandten Adressen. In einem Nebenraume des Stadtkasinos, wo die Feier abgehalten wurde, hatte Prof. Kahlbaum eine Schau-. stellung von Schönbeinreliquien veranstaltet. Auf die Vorträge folgte ein belebtes, auch von Damen besuchtes, Festessen im Musik- saal mit Gesangsvorträgen und Festspiel.’°) Ein ausführlicher Bericht über diese wohlgelungene Feier ist als Beilage zu Band XII un- serer Verhandlungen erschienen. Aber nicht nur die Toten, sondern auch die Lebenden wurden geehrt. Seit den neunziger Jahren hat sich die löbliche Sitte ein- gebürgert, allen verdienten Mitgliedern, welche den siebzigsten oder gar den achtzigsten Geburtstag begehen können, den Dank der Gesellschaft für ihre Mitarbeit in einer Glückwunschadresse dar- zubringen. Eduard Hagenbach, in dem die Gesellschaft in jenen Jahren ihr geistiges Haupt verehrte, wurde bei Anlass seines sieb- zigsten Geburtstages (11. März 1903) eine noch festlichere Ovation dargebracht. Eine grosse Zahl von Mitgliedern vereinigten sich zu einem Bankett im Schützenhause, an welchem der Präsident, Prof. Metzner, dem Jubilar den ihm gewidmeten Band XVI der Ver- handlungen überreichte. Der Zufall fügte es, dass zugleich die fünfzigjährige Mitgliedschaft von Fritz Burekhardt und die fünf- undzwanzigjährige Mitgliedschaft von Julius Kohlmann gefeiert werden konnte. Festlichen Charakter nahmen auch die Schluss- sitzungen von 1896 und 1903 an, in welchen unsere Freunde Paul und Fritz Sarasin über Ergebnisse ihrer ersten und ihrer zweiten Forschungsreise nach Celebes berichteten. Bei dem zweiten dieser Anlässe liess sich die hohe Regierung durch den Vorsteher des Erziehungsdepartementes vertreten und die medizinische Fakultät ernannte die erfolgreichen Forscher zu Doctoren honoris causa. Die Scheu vor jeder Aenderung an den Statuten, welche die (Gesellschaft im abgelaufenen Jahrhundert gezeigt hat, ist im neuen einer ausgesprochenen Revisionsfreudigkeit gewichen. 1908 wurden an der 1894 beschlossenen Organisation einige eingreifende Aen- II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 59 derungen vorgenommen und schon 1914 beliebten einige weitere Neuerungen.”®) Die Statuten von 1894 hatten es dem Vorstand anheimgestellt, die Sekretariatsgeschäfte je nach Opportunität unter die beiden Sekretäre zu verteilen. Es war aber alsbald Usus geworden, dass der zweite Sekretär das Protokoll führte, der erste dagegen die Gesamtheit der übrigen Geschäfte besorgte. Infolgedessen war die Arbeitslast des letztern im Laufe der Jahre wieder allzugross ge- worden. Man beschloss daher 1908 den Vorstand um ein Mit- olied zu erweitern und diesem die Führung der Kasse zu über- tragen. Im übrigen blieb die Verteilung der Geschäfte die bis- herige, nur wurde sie jetzt in den Statuten fixiert; der erste Se- kretär hiess fortan wieder kurzweg Sekretär, der zweite Sekretär erhielt den Namen Schriftführer. Da man die Bibliothekarstelle, aus Gründen, auf die wir bei Besprechung des Bibliothekwesens zu sprechen kommen, schon vorher hatte eingehen lassen, betrug die Zahl der Vorstandsmitglieder wie früher fünf. Sodann wurde als neues Vereinsorgan der „Seniorenvorstand“ bestehend aus den gewesenen Präsidenten und Sekretären, ein- geführt, eine Art Ehrenrat zur Schlichtung von Konflikten, dem man aber auch die Feststellung der Wahlvorschläge bei der pe- riodischen Neuwahl des Vorstandes und die Vorprüfung bei der Ernennung von Ehrenmitgliedern und korrespondierenden Mit- gliedern übertrug. Es erwies sich jedoch bald als unzweckmässig, den aktiven Vorstand von der Mitwirkung bei diesen letzteren Geschäften aus- zuschliessen. Sie wurden daher bei der Revision von 1914 einem aus den Mitgliedern des aktiven und des Seniorenvorstandes ge- bildeten und vom aktiven Präsidenten präsidierten Kollegium über- tragen, das den Namen „erweiterter Vorstand“ erhielt. Die hauptsächlichste Neuerung, welche diese letzte Statuten- änderung gebracht hat, war die Einführung der einjährigen Amts- dauer des Vorstandes an Stelle der seit 1830 giltigen zweijährigen. Massgebend für diesen Schritt war das Bedürfnis, die Präsidenten zu entlasten und zugleich der Wunsch einer grösseren Zahl der jetzt stark vermehrten tätigen Mitglieder Gelegenheit zur Mit- wirkung an der Geschäftsleitung zu geben. Er war aber anderer- seits auch nahegelegt durch den Umstand, dass die Gesellschaft sich seit einigen Jahren, infolge etwelcher Besserung ihrer Finanzen, in der Lage sah, alljährlich einen Band der Verhandlungen er- scheinen zu lassen, womit die Einführung des einjährigen Turnus im gesamten Betriebe gegeben war. 54 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Endlich wurde bei diesem Anlasse ein Versäumnis der früheren Legislatoren nachgeholt. Einzig in dem längst in Vergessenheit geratenen „Vorschlag“ zur Regelung des Verhältnisses der Gesell- schaft zum naturwissenschaftlichen Museum vom Jahre 1821 ist eine Bestimmung darüber enthalten, was im Falle der Auflösung derselben aus ihrem Besitztum werden solle. Da, wie wir noch sehen werden, inzwischen nicht nur die Gesellschaftsbibliothek stark angewachsen, sondern auch ein Anfang zur Aeufnung eines Gesell- schäftsvermögens gemacht worden war, erschien es an der Zeit, dieser Frage die gebührende Aufmerksamkeit zuzuwenden, und es wurde demgemäss verfügt: „Im Falle der Auflösung der Gesell- schaft kann das ihr gehörende Vermögen und Besitztum nicht unter die Gesellschaftsmitglieder verteilt werden, sondern muss eine der ursprünglichen Bestimmung entsprechende Verwendung erhalten.“ Ungefähr zu der gleichen Zeit, da sie sich diese fünften Statuten gab, beschloss die Gesellschaft ihre Sitzungszeit zu ver- legen. Seit der Gründung hatte man sich „in den Abendstunden“ versammelt, seit 1830 war 6 Uhr die übliche Stunde. Allein ver- schiedene Neuerungen, unter denen wohl die Einführung der Gas- beleuchtung in erste Linie zu stellen sein wird, hatten allmählich eine Wandlung in den Liebensgewohnheiten herbeigeführt, sodass die hergebrachte Anordnung sich, wie die Protokolle lehren, schon Ende der siebziger Jahre nicht mehr allgemeinen Beifalls erfreute. 1890 und 1910 wurde des langen und breiten darüber debattiert, ob es nicht opportuner wäre, die Versammlungen erst nach dem Nachtessen abzuhalten. Beide Male waren es Vertreter der jüngern Generation, welche die Verlegung befürworteten; beide Male fiel die Entscheidung zugunsten der ältern Mitglieder, welche beim alten Herkommen zu bleiben wünschten. Als nun aber Ende 1913 die Frage abermals zur Diskussion gestellt wurde, ergab sich eine Mehrheit für die Anberaumung der Sitzungen auf 81/4 Uhr, und bis jetzt ist kein Antrag aufgetaucht, den damaligen Beschluss, der übrigens auf die Stärke des Sitzungsbesuches keinen merk- lichen Einfluss ausgeübt hat, rückgängig zu machen. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder ist während des letzten Jahrzehntes rapid angewachsen, indem mehr als in der vorange- gangenen Periode darauf Bedacht genommen wurde, alle Freunde der Naturwissenschaften zur Teilnahme an unseren Bestrebungen zu veranlassen. Während Daniel Huber einst mit Mühe zwei Dutzend Männer um sich gesammelt hatte, nähert sich heute unsere Mitgliederzahl dem vierten Hundert. Sehr starke Kontingente haben zu diesem Zuwachs zwei Berufsarten gestellt, welche 1817 noch gar keine Rolle spielten: die Lehrer der Naturwissenschaften II. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 55 an Mittelschulen und — ein spezifisches Charakteristikum des modernen Basels — die praktischen Chemiker. Seit 1909 lassen sich auch Damen in unsere Gesellschaft aufnehmen. Mit dem Mitgliederbestande überhaupt hat sich — was die Hauptsache ist — auch die Zahl der tätig Mitwirkenden stetsfort gemehrt, sodass sich die einst von wenigen getragene Arbeitslast nun auf zahlreiche Schultern verteilt. Unter unseren heutigen Mitgliedern bilden etwa dreissig bis vierzig die eigentliche Kern- truppe und über fünfzig weitere haben sich wenigstens gelegentlich an den Verhandlungen beteiligt. Leider hat uns der Tod auch von denjenigen, welche in diesem jüngsten Zeitraum im Vorder- grunde standen, schon mehrere entrissen; es sei nur an Pierre Chappuis’’) und an Rudolf Burckhardt’°) erinnert. Zu den charakteristischen Zügen der neuesten Periode gehört eine stark hervortretende Erweiterung des geographischen Horizontes in den Disziplinen der beschreibenden Naturwissenschaft. Schon in den vierziger Jahren konnten, wie wir gesehen haben, einzelne Mitglieder von überseeischen Reisen berichten. Später, in den achtziger Jahren, legten Dr. Carl Passavant’”) und Dr. Ernst Maehly Ergebnisse ihrer Forschungen in Westafrica vor und um dieselbe Zeit begannen die Vettern Sarasin ihre grossen Unter- nehmungen. Aber diese weit gereisten waren damals noch ver- einzelt. Inzwischen ist ihre Zahl gross geworden, zumal seitdem sich den Geologen in den Tropen ein unermessliches Feld prak- tischer Betätigung aufgetan hat. Durch diese Wandlung wurde auch das Gebiet der ethnographischen Forschung, das sie früher kaum beachtet hatte, in den Gesichtskreis der Gesellschaft gerückt. Im Sitzungsbetrieb hat sich gegenüber früheren Jahrzehnten allerlei geändert. Dass ein Thema in zwei oder drei Vorträgen breiter entwickelt wird, kommt kaum mehr vor; überhaupt er- scheint, bei der grossen Zahl der tätigen Mitglieder, selten mehr ein Name öfter als einmal im Jahre auf der Liste der Vortragenden. Der Demonstrationsapparat, welcher bei physikalischen, chemischen, physiologischen Vorträgen zur Anwendung kommt, ist luxuriöser geworden. Seit 1905 ist unser Sitzungslokal mit einer Projektions- einrichtung versehen. Andererseits ist es bei der Aufsplitterung der Forschungswege für die Protokollierenden immer schwieriger geworden, den Inhalt der Vorträge mit der früher üblichen Einlässlichkeit wiederzugeben, sodass sie sich schon seit Mitte der neunziger Jahre damit be- gnügen, die Titel zu notieren, wenn ihnen nicht etwa die Vortragenden mit Autoreferaten aushelfen. Unsere neueren Protokolle geben daher ein viel weniger lebendiges Bild der Verhandlungen als die 56 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. älteren; doch bieten die aus sachkundigen Federn stammenden Zeitungsreferate einen Ersatz für diesen Ausfall. Seitdem die Adepten der verschiedenen Disziplinen zahlreicher geworden sind, empfinden sie das Bedürfnis, sich auch von Zeit zu Zeit in engerm Kreise zum Gedankenaustausch zusammenzufinden. Einige dieser Vereinigungen haben sich aus den ,Colloquien“, welche die Professoren zur Besprechung der neuern Fachliteratur mit ihren Studenten abzuhalten pflegen, entwickelt. Indem auch ältere Fachgenossen sich an diesen Colloquien zu beteiligen und in denselben über Ergebnisse ihrer eigenen Forschungen vorzutragen anfıngen, haben dieselben allmählich ihren ursprünglichen Charakter etwas verändert, das eine mehr, das andere weniger. Am frühesten hat das geologische Colloquium in diesem Sinne evoluiert. Schon seit den neunziger Jahren pflegen die Basler Geologen mit ihren Kollegen von Freiburg i/Br. drei oder viermal im Winter zu einem „oberrheinischen Colloquium“ zusammenzukommen, das sich nicht viel von der Sitzung einer geologischen Gesellschaft unterscheidet. Seit einigen Jahren wird ein zoologisches Colloquium von ähnlicher Tendenz abgehalten. Auch im botanischen und im physikalischen Colloquium werden wenigstens gelegentlich selbständige Mitteilungen gemacht. In den Fächern der Chemie und der Mathematik war der Entwicklungsgang ein etwas anderer. Seit 1901 besteht eine _ oberrheinishe chemische Gesellschaft, die alljährlich vier Sitzungen abhält, in welchen sich Chemiker von Basel, Mülhausen, Freiburg i/Br. und Strassburg gegenseitig ihre Forschungsergebnisse vorlegen. Die Basler Mathematiker haben sich 1905 zu einem „Kränzchen“ mit analogem Zwecke zusammengetan, das später, 1908, den Namen _ „Mathematische Gesellschaft“ annahm und seither auch die vorge- rückteren Mathematikstudenten zur Mitarbeit herbeizieht. Alle diese Unternehmungen sind inoffiziell geblieben und haben unsere Gesellschaft als centrales Forum der Basler Naturforschung in keiner Weise beeinträchtigt. Auch unsere geschätzte Kollegin, die medizinische Gesellschäft, hat uns keine Kräfte entzogen, in- dem die Mediziner sich stetsfort auch an unseren Verhandlungen mitbeteiligten und in neuester Zeit das Bedürfnis eines engen An- schlusses an die Naturwissenschaften sogar intensiver zu empfinden scheinen als in früheren Dezennien. Ebensowenig haben uns einige naturkundliche Vereine, die nach und nach neben unserer Gesell- schaft aufgekommen sind, Konkurrenz gemacht, da sie mehr popularisierende oder Liebhaberzwecke verfolgen und somit ein anderes Feld bebauen.°®’) An der ausgesprochenen Abneigung der Basler Naturforscherschaft gegen jede Zersplitterung ihrer Kräfte liest es auch, dass sich in unserer Stadt — im Gegensatz zu V. GILLIERON FR. MIESCHER-RÜSCH 1826—1890 1844—1895 FR. MÜLLER K. VONDERMÜHLL 1834 —1895 1841—1912 IT. Organisation und Sitzungsbetrieb 1817—1917. 57 allen übrigen wissenschaftlichen Zentren des Landes — bis jetzt keine geographische Gesellschaft gebildet hat. Selbst eine geo- graphische Sektion im Schosse der naturforschenden Gesellschaft beliebte nicht; als 1907 der damalige Präsident Rudolf Burckhardt, auf Anstoss des Verbandes der schweizerischen geographischen Ge- sellschaften, welcher einen Stützpunkt in Basel zu haben wünschte, die Begründung einer solchen anregte, fand er keine wirksame Unterstützung. Die sechste Basler Versammlung der schweizerischen Natur- forschenden Gesellschaft am 4.—7. September 1910 unter dem Vorsitz von Carl Vonder Mühll, steht den meisten Mitgliedern noch in frischer Erinnerung.°!) Dass in Basel in der Fürsorge für den Betrieb der Naturwissenschaften seit 1892 kein Stillstand einge- treten war, beweist am deutlichsten der Umstand, dass der Jahres- präsident seine Eröffnungsrede ganz der Fortsetzung der Ausfüh- rungen seines Amtsvorgängers vor achtzehn Jahren widmen konnte. Neben manchen kleinern Fortschritten waren der Bezug der neuen Universitätsbibliothek, die Erweiterung des naturhistorischen Mu- seums, die gewaltige Entwicklung der Sammlung für Völkerkunde, die Einrichtung eines mineralogisch-geologischen Instituts, die neue botanische Anstalt samt Garten und als letzte Errungenschaft der Neubau für die chemische Anstalt hervorzuheben. Wie die vierte fiel diese sechste Versammlung in die Amtsdauer eines Basler Zentralkomitees (Fritz Sarasin, Präsident; Albert Risgenbach ; Pierre Chappuis). Zu besonderer Freude gereichte es uns damals, dass an derselben auch noch zwei Mitglieder des früheren Basler Zentralkomitees, Eduard Hagenbach und Fritz Burckhardt, in voller geistiger Frische teilnehmen konnten. Bald nachher schieden auch diese beiden Veteranen und mit ihnen der um die Gesellschaft vielverdiente Jahrespräsident Carl Vonder Mühll, Im Winter vor dieser Versammlung, am 26. Januar 1910, verschaffte unsere Gesellschaft den Baslern den Genuss, Sven Hedin über seine kühne Durchquerung von Thibet sprechen zu hören. Der grosse Musiksaal füllte sich bis auf den letzten Platz. Nach dem Vortrage wurde dem berühmten Reisenden das Diplom eines Ehrenmitgliedes unserer Gesellschaft überreicht. Drei Jahre später konnte eine ähnliche Veranstaltung ins Werk gesetzt werden. Diesmal sprachen, abermals im Musiksaal, zwei Basler Forscher, Dr. Felix Speiser über seine Reise nach den Neuen Hebriden, Dr. Fritz Sarasin über seine, in Begleitung von Dr. Jean Roux ausgeführten, Forschungen in Neu-Caledonien, Wiederum war der Zudrang gross; ganz Basel stellte sich ein. 58 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Damit haben wir diese Gesellschaftschronik bis satt an das hundertjährige Jubiläum herangeführt. Es bleibt uns aber noch übrig, das Bild nach einigen besondern Seiten zu ergänzen. Von den Publikationen der Gesellschaft, von ihrer Fürsorge für die öffentlichen Sammlungen und speziell für die naturwissenschaftliche Bibliothek, sowie von dem, was sie für die Installation und den Ausbau der Ziegler’schen Kartensammlung getan hat, ist im obigen nur beiläufig die Rede gewesen, in der Meinung, es sei zweck- mässiger, darüber im Zusammenhang zu berichten. Ein Ueberblick über unseren Finanzhaushalt wird die passende Einleitung zu diesen Nachträgen bilden. III. Finanzhaushalt, Förderung der naturhistorischen Sammlungen und der naturwissenschaftlichen Bibliothek. Unter den Männern, welche 1746 die Naturforschende Gesell- schaft in Zürich gründeten, befanden sich unternehmende Köpfe, welche ihr sofort zu einem Vermögen von 871 Gulden (19000 Fr.) verhalfen, indem sie mit obrigkeitlicher Bewilligung eine öffentliche Loterie veranstalteten. Durch die Bestimmung, dass bis zum Ende des Jahrhunderts nur ein Teil der Zinsen verbraucht werden dürfe, wurde für weitere Aeuffnung des Fonds gesorgt und nachdem dieser einmal da war, zog er bald auch Geschenke und Legate an. Im Verlauf von 150 Jahren ist er allein auf diesem letzteren Wege um 25000 Fr. vermehrt worden; 1896 belief er sich auf insgesamt 70000 Fr. Dank dieser weitblickenden Fürsorge ihrer Gründer ist unsere Zürcher Schwestergesellschaft heute in der Lage, recht ansehnliche Summen auf ihre Publikationen und auf den Ausbau ihrer Bibliothek zu verwenden.°?) Im Basel von 1817 war an ein solches Unterfangen nicht zu denken; man begnügte sich damit, von den Mitgliedern einen Jahresbeitrag zu erheben. Auch während der seither verflossenen hundert Jahre ist es nicht gelungen, der Kasse eine andere periodische Einnahme von einiger Bedeutung zu sichern. Wie oben schon er- wähnt, ist 1817 der Jahresbeitrag auf acht alte und 1852, beim Uebergang zur neuen Währung, auf zwölf neue Franken, was eine unbedeutende Erhöhung um 50 Rappen bedeutete, normiert worden. So dringend wünschenswert es, namentlich in den letzten Jahr- zehnten, gewesen wäre, über etwas breitere Mittel zu verfügen, so III. Finanzhaushalt, Förderung der Sammlungen und der Bibliothek. 59 hat man sich doch nie entschliessen können, der Gesamtheit der Mitglieder grössere Zumutungen zu machen, da man befürchtete, der dadurch erzielte Gewinn möchte durch einen Verlust an Mit- gliedern wettgemacht werden. Dagegen sind im Jahre 1911, als die Finanzlage wieder besonders kritisch geworden war, nach dem Vorbild der hiesigen historischen Gesellschaft die „freiwilligen Er- höhungen“ eingeführt worden und in unseren neuesten Statuten von 1914 ist demgemäss der Jahresbeitrag auf „mindestens 12 Franken“ angesetzt. Die Erhöhungen haben anfangs eine Mehr- einnahme von 370 Fr. eingetragen; seitdem sind sie, hauptsächlich infolge von Todesfällen, um 50 Fr. zurückgegangen. Eine beträcht- liche Vermehrung der Einnahmen verdanken wir im letzten Jahr- zehnt dem rapiden Zuwachs der Mitgliederzahl, der aus Beilage 1 zu ersehen ist. Neben den Jahresbeiträgen bildet noch der buchhändlerische Erlös aus den Verhandlungen, seitdem die Gesellschaft dieselben 1833 in Selbstverlag genommen hat, eine periodische Einnahme, aber freilich eine sehr bescheidene. Er beläuft sich gegenwärtig auf 100 bis 150 Franken im Jahr; früher war er beträchtlich geringer. An äusserordentlichen Einnahmen hat es der Kasse nicht ganz gefehlt, aber sie sind nicht zahlreich gewesen. In erster Linie ist eine kleine Anzahl von Legaten und Geschenken aus Trauer- häusern zu nennen: 1867. Legat Joh. Gottlieb Thurneysen . . . . Fr. 300.— 1882. Legat Emanuel Berri . . ee 20 1883. Geschenk der Erben von Peter Merian 2071000, 1907. Geschenk der Erben von Markus Boelger . „ 1000.— 1907. Legat Dr. Eugen Bischoff . . n _100.— 1913. Geschenk von Frau Wirth- Burckhardt zum Andenken ans2rot, Kritz Burckhardt. 2,7500. OM Becatdohann Jacob Pierre M 2,..500.— Fr. 3650.— Sodann haben sich einigemale bei Festlichkeiten, deren Kosten durch besondere Sammlungen aufgebracht wurden, Ueberschüsse ergeben, welche der Gesellschaftskasse zugeführt werden konnten: 1876. Schweizerische Naturforscherversammlung . Fr. 855.80 1892. Schweizerische Naturforscherversammlung . , 528.78 1894. Empfang bei Anlass des internationalen Geo- lonenkoneresseser ur. RME TERESA 164050 1899. Schôünbeinfeier . . enr 63.85 1910. Schweizerische Ne ln. .. sn 8415.— Fr. 5503.93 60 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Wiederholt ist bei solchen ausserordentlichen Eingängen der Beschluss gefasst worden, sie als Anwurf an ein Gesellschaftsver- mögen zurückzulegen; aber immer hat die bittere Not nach einiger Zeit dazu geführt, dass sie dennoch ängetastet und aufgebraucht wurden. Erst mit dem Saldo der Jahresversammlung von 1910 ist das Experiment gelungen und dem so geschaffenen Fonds sind dann auch die zwei seither eingegangenen Legate zugewiesen worden. Um vollständig zu sein, müssten wir unter den ausserordent- lichen Einnahmen auch noch die vielen Beiträge, welche von Mit- gliedern an den Druck und die Ausstattung der Verhandlungen geleistet wurden, aufführen; allein viele derselben sind nicht durch die Kasse gegangen und lassen sich nicht mehr feststellen. Einen Teil der Jahreseinnahme verschlingen die Betriebs- spesen. In der ersten Zeit waren sie geringfügig. Die Miete des Lokales auf der Lesegesellschaft kostete wenige Franken und kam seit 1821 in Wegfall. Ein paar Pakete Kerzen, später eine Lampe und das Oel dazu, ein grünes Tuch auf den Sitzungstisch verursachten kleine Auslagen und auch die Vergütungen an den Boten, welcher die Mitglieder zu den Sitzungen einlud, waren leicht erschwinglich.°®) Allmählich schwollen aber die Spesen an, zumal seitdem man 1838 angefangen hatte, die Sitzungen in den Tages- blättern anzuzeigen. In neuerer Zeit sind die Betriebsspesen vor- zugsweise diejenige Rubrik unseres Ausgabenbudgets, in welche sich immer wieder Luxusposten einschleichen, sodass man ständig ein wachsames Auge auf sie haben muss. Im Jahre 1912 wurden sie durch Abschaffung der Zeitungsanzeigen erheblich herabgesetzt. (Gegenwärtig müssen wir sie mit ca. 600—700 Fr. budgetieren. Ueber die Verwendung des Ueberschusses der Einnahmen war in den Statuten von 1817 noch nichts festgesetzt. Aus den Jahresrechnungen, die im Gegensatz zum Protokoll von Anfang an sehr pünktlich geführt wurden, ergibt sich, dass schon in den ersten Jahren Bücher und „par rencontre ein Bücherkasten“ an- geschafft worden sind. Die Gründung des naturwissenschaftlichen Museums veranlasste dann die Gesellschaft, wie wir gesehen haben, für die Verwendung ihrer disponiblen Mittel bestimmte Richtlinien festzulegen. Der „Vorschlag“ von 1821 enthält darüber folgende Bestimmungen: „9 4. Die jährlichen Beiträge der Mitglieder (gegenwärtig Fr. 8) würden wie bisher auf Vorschlag der Mitglieder der Gesellschaft und nach Entscheidung ihrer Gesamtheit, auf naturhistorische, chemische und technologische Bücher verwendet, zum Teil auch III. Finanzhaushalt, Förderung der Sammlungen und der Bibliothek. 61 auf Anschaffung von Naturalien oder physischen und chemischen Apparats.“ »$ 5. Von allem diesem Angeschafften würde sich die Gesell- schaft das Eigentumsrecht vorbehalten. Die Bücher würden mit einem besonderen Stempel, die Naturalien und Instrumente mit einer Aufschrift bezeichnet. Alles würde in ein eigenes Inventar eingeschrieben.“ „8 6. Diese naturhistorischen Bücher aber, sowie auch die angeschafften Naturalien und Apparate würden sowohl den syste- matischen Aufstellungen der naturhistorischen Bibliothek, der Na- turaliensammlung und des physisch-chemischen Kabinetts des Museums als auch dem betreffenden Katalog einverleibt werden. Die physisch-chemischen Bücher würden besonders aufgestellt.“ In $ 8 wurde noch beigefügt: „Sollte etwa wider Vermuten der Fall eintreten, dass die Gesellschaft sich auflösen würde, so würdenalle Bücher, Naturalien und Instrumente, welche dieselbe änge- schafft hatte, dem Museum zu gänzlichem Eigentum anheimfallen.“ Bei einer Jahreseinnahme von 200 bis 250 Fr. war der Vor- satz, Bibliothek und Sammlungen zugleich zu unterstützen, etwas verwegen. „Die Gesellschaft überzeugte sich bald“, bemerkt Peter Merian in seinem Rückblick auf die ersten fünfzig Jahre, „dass sie ihre mässigen Mittel nicht unzweckmässig zersplittern sollte, sah ab von Anschaffung von Naturalien und Apparaten und be- schränkte sich auf die Vermehrung der Bibliothek.“ Ihre Beiträge an dem Ausbau der Sammlungen sind daher ' bald aufgezählt. 1834 hat sie zu Handen des naturhistorischen Museums ein geologisches Relief von Württemberg angeschafft. 1841 gewährte sie Dr. Emanuel Meyer, der nach niederländisch Indien reiste und sich anerbot für das Museum zu sammeln, eine Reiseunterstützung und bei seiner Rückkehr kaufte sie ihm einen Orangkadaver ab. Als 1843 derselbe Reisende mit gleichen Ab- sichten nach Texas auszog und sein Unternehmen durch Ausgabe von Aktien finanzierte, beteiligte sie sich zu Gunsten des Museums mit einer Zeichnung von sechs Aktien & Fr. 16.—, die allerdings nicht viel abtrugen. 1842 übernahm sie ferner die wissenschaft- liche Ausrüstung von Missionar Riis zu seiner zweiten Reise nach der Kolonie Aguapim an der Goldküste, der dem Museum dann sehr interessante Sammlungen mitbrachte. 1847 bewilligte sie Prof. Ecker, welcher sich zu Studienzwecken an die Adria begab, einen Kredit zur Anlesung einer Sammlung von Meerestieren für das Museum und 1851 Missionsinspektor Josenhans einen solchen zum Sammeln von Naturalien auf einer Reise nach Indien. So- dann wurde 1852 — gegen den Einspruch des stets auf Sparsam- 62 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. keit dringenden Mitgliedes Deputat La Roche — für die botanische Anstalt die Oryptogamensammlung des verstorbenen Kandidaten Preiswerk erworben°®*) und endlich 1866, auf Antrag von Rütimeyer, ein sorgfältig assortiertes Exemplar der Dufourkarte in 1: 100 000 in das Naturhistorische Museum gestiftet. Der Gesamtbetrag dieser Aufwendungen belief sich auf rund 2100 Fr. neuer Währung. An der Erwerbung des Simon’schen Jungfraureliefs, 1888, hat sich die Gesellschaft finanziell nicht beteiligt; doch ist der Anstoss dazu von ihr gegeben worden. In das Komitee, welches sich zur Betreibung dieser Angelegenheit bildete, delegierte sie die Herren Felix Cornu, Fritz Burckhardt und Piccard. Nachdem der An- kauf dank dem Zusammenwirken von Museumsverein, Alpenklub und vieler Privater gelungen war, wurde am 30. April 1890 auf Antrag von F. Burckhardt und in Befolgung des vom Alpenklub gegebenen Beispieles beschlossen, namens der an der Subskription beteiligten Gesellschaftsmitglieder „das Relief dem Museumsverein als Eigentum zu übergeben“. In diesem Zusammenhang darf end- lich auch erwähnt werden, dass 1912 der Ertrag der von den Herren Dr. Fritz Sarasin und Dr. Felix Speiser unter den Auspizien der Gesellschaft gehaltenen öffentlichen Vorträge der Sammlung für Völkerkunde zufiel. Nach dem Vorschlage von 1821 sollte die Solidarität unserer Gresellschaft mit dem Naturwissenschaftlichen Museum auch noch in anderer Weise zum Ausdruck kommen als durch solche Unter- stützungen; sein letzter Paragraph bestimmte: „Von Zeit zu Zeit sollte ein Bericht über den Zustand des Museums und den Fort- gang desselben, mit Erwähnung der erhaltenen Geschenke usw. bekannt gemacht werden. Dieser Bericht könnte mit der von der Gesellschaft ebenfalls herauszugebenden kurzen Geschichte verbunden werden, welche die bemerklichsten Verhandlungen derselben ent- halten würde“. Während vierzehn Jahren liess man es dann aller- dings bei dem Vorsatze bewenden; aber als 1835 endlich das pro- jektierte Vereinsorgan zustande kam, wurde in demselben in der Tat auch der Berichterstattung über die Sammlungen eine Stelle gewährt. Das erste Heft der „Berichte über die Verhandlungen“ enthält am Schlusse einen „kurzen Bericht über den Zustand der öffentlichen naturwissenschaftlichen Sammlungen in Basel“ nebst einem Verzeichnis der dem Naturhistorischen Museum von Anfang August 1834 bis Ende Juli 1835 zugegangenen Geschenke. In den folgenden ‚Jahren wurde das Verzeichnis fortgesetzt.*?) Im ganzen ist das Verhältnis der Gesellschaft zu den natur- historischen Sammlungen kein so inniges geworden, als unsere Vor- läufer in den zwanziger Jahren erwartet hatten. Es hat sich viel- III. Finanzhaushalt, Förderung der Sammlungen und der Bibliothek. 63 mehr im Laufe der Zeit noch etwas gelockert, nicht nur indem jene gelegentlichen Zuwendungen allmählich ganz in Wegfall kamen, sondern auch in anderer Hinsicht. In den dreissiger, vierziger, fünfziger Jahren sind die bedeutenderen Geschenke und Erwer- bungen des Naturhistorischen Museums mit einer gewissen Regelmäs- sigkeit der Gesellschaft vorgelegt worden und Rütimeyer hat, wenig- stens für die seiner spezielleren Obhut anvertrauten Sammlungen, diese Tradition auch noch später festzuhalten gesucht. Seither finden solche Vorweisungen nur noch sehr selten statt. Sie waren schon wesentlich erschwert, seitdem die Gesellschaft nicht mehr im Museumsgebäude tagt und sind es noch viel mehr, seitdem sie ihr Sitzungslokal auf das Westplateau verlegt hat. Viele und oft ge- rade die interessantesten Gegenstände können den Gefahren eines Transportes durch die Stadt nicht ausgesetzt werden. Der Mu- seumsbetrieb hat auch in den letzten zwanzig Jahren solche Di- mensionen angenommen, dass ein allzugrosser Teil der disponibeln Zeit diesen Demonstrationen gewidmet werden müsste, wenn man sie fortsetzen wollte. Einen etwelchen Ersatz für dieselben bieten den Mitgliedern, welche sich speziell für Naturgeschichte interes- sieren, die Jahresberichte über das Naturhistorische Museum, welche seit Mitte der achtziger Jahre an Stelle der früheren Ge- schenklisten in den Verhandlungen abgedruckt werden. Seit 1898, d. h. seit der Neuordnung der Museumsverhältnisse nach Auszug der Universitätsbibliothek, findet auch der Jahresbericht der Samm- lung für Völkerkunde (vormals Ethnographische Sammlung) in unserem Vereinsorgane Aufnahme. Indem die Gesellschaft den Museumsdirektionen diese Gast- freundschaft gewährt, bietet sie denselben auch heute noch eine Unterstützung, die sie wohl zu schätzen wissen.°°) Es sei ferner hier nochmals daran erinnert, dass sie den Sammlungen stetsfort auch durch die Ehrungen, welche sie besonders verdienten Gönnern derselben zuteil werden liess, Beweise ihres Interesses gegeben hat. Viel erheblicheres als in der Förderung der öffentlichen Naturaliensammlungen hat unsere Gesellschaft während der hundert Jahre ihres Bestehens in der Fürsorge für die naturwissen- schaftliche Abteilung der öffentlichen Bibliothek geleistet. Bei der Gründung des „naturwissenschaftlichen Museums“ im Falkensteinerhof wurden entsprechend den Vorschlägen von Daniel Huber, Christoph Bernoulli und Peter Merian die Bücher zoolo- gischen, mineralogischen und geologischen Inhalts aus der Universi- tätsbibliothek ausgeschieden und — mit dem Vorbehalt, dass sie 64 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. nach wie vor integrierender Bestandteil derselben bleiben sollten — der neuen Anstalt überwiesen. „Es waren“, wie Peter Merian berichtet, „etwa 1500 Bände, von welchen bei weitem die Mehr- zahl aus der im Jahre 1806 von der Regenz angekauften Bibliothek von Professor J. J. d’Annone herstammt. Nur verhältnissmässig wenige Bücher waren früher vorhanden: z. B. einige Werke aus der im Jahr 1649 der Universität legierten medizinischen Biblio- thek von Prof. J. J. Hagenbach; einige Geschenke von Professoren und andern Freunden der Wissenschaft und einige, zum Teil wert- volle, grössere Werke, die aus dem Bibliotheksfonds angeschafft worden waren“.°) Nicht inbegriffen waren die physikalischen Be- stände, die auf der Universitätsbibliothek verblieben, sowie die von Professor Werner de Lachenal gestiftete und im botanischen Insti- tute aufgestellte botanische Bibliothek, die sich, nach Prof. Roepers Urteil, durch eine bemerkenswerte Vollständigkeit für die früheren Zeiten auszeichnete, aber hinsichtlich der Literatur der letzten De- zennien vieles zu ao eu übrig liess. Der auf diese Weise entstandenen „Bibliothek des naturwissen- lichen Museums“ wurde zum weiteren Ausbau ein proportionaler Anteil an den Zinsen des Bibliotheksfonds angewiesen, welcher aber lange nicht hinreichte, um alle wünschenswerten Anschaffungen zu bestreiten. Hier griff nun unsere Gesellschaft nachhelfend ein, sicherte sich aber dafür einige Vorrechte in der Benützung der Bibliothek. Ausser zu den gewöhnlichen Öffnungszeiten sollten die Mitglieder auch anlässlich der Sitzungen Zutritt zu derselben haben und Bücher entleihen können. Ferner sollten die aus Gesellschafts- mitteln angeschafften Werke zwar von jedermann an Ort und Stelle benützt, aber nur von den Mitgliedern entliehen werden können. Die letztere Bestimmung wurde allerdings schon damals als eng- herzig angefochten; 1834 ist sie aufgehoben worden, nachdem man sie längst ausser Acht gelassen hatte. Infolge dieser Vereinbarung wurde die Museumsbibliothek in gewissem Sinne zugleich Bibliothek der Naturforschenden Gesell- schaft. Die Verwaltung derselben übernahm gleich bei der Grün- dung Peter Merian und die Gesellschaft hatte somit von 1821 an neben den in den Statuten vorgesehenen Beamten auch noch in- offiziellerweise einen Bibliothekar. Indem alle Anschaffungen, einerlei aus welcher Quelle sie bestritten wurden, durch die Hand einer einzigen sachkundigen Persönlichkeit gingen, war für eine möglichst nutzbringende Verwendung der disponibeln Mittel aufs beste Sorge getragen. Zur Erwerbung besonders kostspieliger Werke ver- einigten Bibliothekstonds und Gesellschaftskasse gelegentlich ihre Kräfte. Bald flossen auch Geschenke zu, das bedeutendste — 900 II. Finanzhaushalt, Förderung der Sammlungen und der Bibliothek. 65 Bände — aus der von Daniel Huber legierten Bibliothek, welche die auf der Mücke aufgestellte mathematische, astronomische und physikalische Abteilung noch in viel erheblicherem Masse vervoll- ständigte. Insbesondere sprang aber der Bibliothekar selbst, der sich keine Privatbibliothek hielt, in von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zunehmendem Masse, mit seinen eigenen Mitteln ein, wo die ander- weitigen nicht zureichten. Von den zwanziger bis in die siebziger Jahre bilden Diskus- sionen und Abstimmungen über anzuschaffende Bücher das Prae- ludium zu den meisten Sitzungen. Des eifrigsten wurden die Anti- quariatskataloge und die in früherer Zeit noch wichtigern Gant- . inventare auf günstige Kaufgelegenheiten durchstöbert. Als in den dreissiger Jahren die Zahl der konkurrierenden Vorschläge sich mehrte, bemühte man sich bestimmte Grundsätze für die Anschaf- fungen aufzustellen. Fortsetzungen sollten unter allen Umständen den Vorrang haben, englische Werke sollten womöglich in deutscher oder französischer Übersetzung aufgestellt werden, um einem grössern Kreise zugänglich zu sein. In der Frage, ob auch die Bibliothek des botanischen Institutes, welche besondere Hilfsquellen hatte, zu berücksichtigen sei, gingen die Ansichten auseinander; es wurden ihr aber hin und wieder Beiträge zugesprochen, insbesondere an den Ankauf grösserer Werke, deren Kosten ihre sonstigen Mittel nicht gewachsen waren. Wiederholte, ohne Zweifel von Christoph Bernoulli gestellte Anträge, auch das Gebiet der Technologie zu pflegen — wie es übrigens im „Vorschlag“ von 1821 vorgesehen war — stiessen bei der Mehrheit der Mitglieder auf beharrlichen Widerstand. In gewisser Hinsicht mag dies zu bedauern sein; die Bibliothek erhielt dadurch einen einseitig rein wissenschaftlichen Stempel; wahrscheinlich war es auch diese ablehnende Haltung der Majorität, welche Chr. Bernoulli — zweifellos eines der hervor- ragendsten unter den damaligen Mitgliedern — veranlasste sich mehr und mehr aus der Gesellschaft zurückzuziehen. Andererseits hat aber diese Konzentration dazu beigetragen, dass unsere Biblio- thek dann während langer Zeit auf dem Gebiete der beschreibenden Naturwissenschaften hervorragend gut versehen war. Sie ist dank ihrer Leistungsfähigkeit an dem Aufschwung, den diese Wissen- schaften von den dreissiger Jahren an in unserm Lande nahmen, in sehr ehrenvoller Weise beteiligt gewesen; ständig waren Bücher _ unterwegs nach Zürich, nach Bern, nach Neuenburg usf.; die an Peter Merian gerichteten Briefe der auswärtigen Fachgenossen sind voll von bibliographischen Anliegen. Eduard Desor leitet einmal ein solches Leihbegehren mit den bezeichnenden Worten ein: „Was die heilige Stadt Benares dem frommen Hindu ist, das ist mir, dem 5 66 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. nicht allzufrommen, das gute alte Basel mit seiner alten reichen Bibliothek, seinem Museum und dessen Vorsteher.“ Da das naturwissenschaftliche Museum ganz von freiwilligen Kräften besorgt wurde, so musste die Öffnungszeit der Museums- bibliothek etwas knapp bemessen werden; am Anfang war sie nur an einem Wochentage zugänglich, was Slbahreiestäimillich seine Nach- teile hatte. Um diesem Übelstande in etwas abzuhelfen traf man 1839 ein Abkommen mit der Lesegesellschaft zu gemeinsamer An- schaffung einiger wissenschaftlicher Journale, welche dann in deren Lesesaal, der häufiger geöffnet war, aufgestellt wurden. Dieses Ab- kommen hat bis in die siebziger Jahre bestanden. Als 1848 das naturwissenschaftliche Museum in das Gebäude an der Augustinergasse übersiedelte und auch die Universitäts- bibliothek dort eine neue Heimstätte bezog, wurde die inzwischen stark angewachsene Museumsbibliothek wieder mit letzterer vereinigt Sie erhielt aber einen besondern Saal im ersten Stock des Martins- gassflügels angewiesen und blieb so in unmittelbarer Verbindung mit den auf demselben Boden untergebrachten naturhistorischen Sammlungen. Die Verwaltung besorgte weiterhin Peter Merian und für die Benützung durch die Mitglieder blieben bis zur Re- organisation der Universität im Jahre 1866 die Bestimmungen von 1821 zu Recht bestehen. Als bei dieser Reorganisation die Biblio- theksverhältnisse im allgemeinen liberaler regliert wurden, erhielten die den Mitgliedern unserer Gesellschaft zustehenden Vorrechte folgende, in einer gedruckten Spezialordnung festgelegte, Formu- lierung: „Den Mitgliedern der Naturforschenden Gesellschaft werden in der Benützung der gesammten öffentlichen Bibliothek folgende Begünstigungen eingeräumt: a) Ausser in den öffentlichen Stunden, täglich von 2—4 Uhr, steht ihnen der Zutritt zur Bibliothek täglich von 11—12 Uhr offen. b) In den bezeichneten men haben sie das Recht des freien Eintritts in die Büchersäle, können sich Bücher aussuchen und die- selben entweder auf dem Bibliothekslokal selbst benutzen oder gegen Ausstellung eines Scheines an den mit der Kontrolle der Auslei- hungen beauftragten Bibliotheksbeamten mit sich nach Hause nehmen. c) Die Beschränkung des Ausleihens auf eine bestimmte Bände- zahl fällt für sie weg. d) Die Mitglieder der Kommission für das naturwissenschaft- liche Museum sowie die Gesellschaftsmitglieder, welche dem Biblio- thekar durch den Präsidenten des naturwissenschaftlichen Museums III. Finanzhaushalt, Förderung der Sammlungen und der Bibliothek. 67 empfohlen werden, haben das Recht jederzeit die Bibliothek zu be- suchen und Bücher von derselben mit fortzunehmen. Sie haben für dieselben in der durch die Bibliotheksordnung vorgeschriebenen Weise Scheine auszustellen, zu welchem Behufe an einem bestimmten Platze der Bibliothek stets eine gehörige Anzahl von Formularen aufliegen wird.“ — Bis 1835 hat die Gesellschaft was von ihrer Jahreseinnahme nach Abzug der Betriebspesen und der gelegentlichen Gaben an die Sammlungen übrig blieb ausschliesslich auf die Anschaffung und auf das Einbinden von Büchern verwendet. Von da an nahm der Druck eines Vereinsorganes einen Teil der disponibeln Mittel in Anspruch, der nach und nach der grössere Teil wurde. Aber auch so verwendet kamen die Mitgliederbeiträge der Bibliothek zu- gute, indem die Gesellschaft gegen ihre Zeitschrift eine stetsfort wachsende Zahl von andern Publikationen eintauschte. Schon in den fünfziger und sechziger Jahren war der auf diesem Umwege erzielte Zuwachs der Bibliothek wohl der bedeutendere und wert- vollere und seitdem hat sich das Verhältniss immer mehr ver- schoben. Je mehr der Tauschverkehr wuchs, desto grösser wurden selbstverständlich die Auslagen für Einbände und das Steigen des Buchbindertarifs hat dann auch noch das seinige dazu beigetragen diesen Ausgabenposten in die Höhe zu treiben. So musste sich die Gesellschaft allmählig, trotz dem Wachstum der Mitgliederzahl, in den Bücheranschaffungen einschränken. Von der Erwerbung von Einzelwerken wurde mehr und mehr abgesehen und um die Wende von den siebziger zu den achtziger Jahren konnten nur noch eine Anzahl Zeitschriften weitergeführt werden. Die Naturwissenschaftliche Bibliothek hing in ihrem ganzen Betrieb in so mannigfacher Weise von der Person Peter Merians ab, dass sie bei dessen Tode im Februar 1883 in eine äusserst kri- tische Situation gerieht, welche nur durch sehr energische Mass- nahmen überwunden werden konnte. Rasch und befriedigend wurde zunächst für eine geregelte Fortführung der Verwaltung gesorgt, welche der Verstorbene, mit Einschluss der Katalogisierung, während 62 Jahren auf das pünkt- lichste besorgt hatte; in der Sitzung vom 7. März anerbot sich der Oberbibliothekar Dr. L. Sieber diese Verrichtungen zu übernehmen, was von der Gesellschaft freudig begrüsst wurde. Um auch die beträchtlichen Beiträge Peter Merians an die Aeuffnung der Bibliothek zu perpetuieren, legten in den folgenden Monaten 272 seiner Verehrer einen Fonds von 56,000 Franken zusammen, der den Namen Peter Merian-Stiftung erhielt; nach der 68 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Stiftungsurkunde sind die Zinsen dieses Kapitals zur Anschaffung von Büchern aus den von Merian mit besonderer Neigung gepflegten Gebieten der Naturgeschichte, der Physik und Chemie, der Mathe- mathik und Astronomie zu verwenden. Am schwierigsten hielt es den Verstorbenen als Leiter des Tauschverkehrs und der Ankäufe zu ersetzen. Da er die Biblio- thek aus einem bescheidenen Grundstock hatte heranwachsen sehen und ein ausgezeichnetes Gedächtnis besass, kannte er sie bis ins einzelste ; eine umfassende wissenschaftliche Bildung und ein sicherer Blick für das wichtige befähigten ihn zu einer möglichst rationellen Verwendung der Mittel. Wer die Bibliothek viel benützt, wird öfters bemerken, dass die Fürsorge in dieser Hinsicht seit 1883 nicht mehr die gleiche gewesen ist wie vorher. Als Ende der achtziger Jahre Misstände im Tauschverkehr bemerklich wurden, anerbot sich der damalige Vizesekretär Georg Kahlbaum, demselben seine Aufmerksamkeit zu widmen. Die Um- wandlung der Stelle eines Vizesekretärs, der keine regulären Funk- tionen hatte, in diejenige eines Bibliothekars ist dann durch die Statuten von 1894 offiziell bestätigt worden. Kurz nach dem Tode Peter Merians, 1884, sah sich die Ge- sellschaft, wie unten noch näher zu berichten sein wird, genötigt, ihr Vereinsorgan auf einen andern Fuss zu stellen, was zur Folge hatte, dass für diesen Zweck breitere Mittel als bisher flüssig ge- macht werden mussten. Nachdem man die Opferwilligkeit der Mitglieder soeben für die Peter Merianstiftung in Anspruch ge- nommen hatte, konnte man ihnen nicht auch noch vermehrte Lei- stungen an die Gesellschaftskasse zumuten. Man wandte sich daher an die Bibliothekskommission, der die Verfügung über die Mittel dieser Stiftung zusteht, mit dem Gesuche, sie möchte die von der Gesellschaft gehaltenen Zeitschriften auf Rechnung derselben über- nehmen und fand auch sofort das gehoffte Entgegenkommen. Von 1884 bis 1886 wurde die Mehrzahl der Abonnemente abgelöst, so- dass sich von da an unsere jährlichen Auslagen für Ankäufe nur noch in Beträgen unter 200 Fr. bewegen. Diese Massnahme verschaffte der Gesellschaft die Bewegungs- freiheit, der sie im damaligen Moment dringend bedurfte. Sie war aber ein Notbehelf und hatte auch weniger erfreuliche Nachwir- kungen. Die Peter Merianstiftung war nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Stiftungsurkunde zusammengelegt worden, um der Bibliothek zu einem Ersatz für die persönlichen Beiträge Peter Merians zu verhelfen, nicht um die Naturforschende Gesellschaft von ihren bisherigen Leistungen zu entlasten. Dass die, für die Naturwissenschaften disponibeln, Mittel der Universitätsbibliothek III. Finanzhaushalt, Förderung der Sammlungen und der Bibliothek. 69 in neurer Zeit allzusehr durch Abonnemente auf Periodica fest- gelegt waren und zur Anschaffung mancher wichtigen Einzelwerke, zumal im Gebiet der Museumslitteratur, nicht hinreichten, ist zu einem guten Teil eine Folge der Ablösung von 1884. Im Jahre 1892 führte die Universitätsbibliothek eine neue Ordnung ein, durch welche die Vergünstigung der längern Oefi- nungszeit, die bisher nur den Mitgliedern unserer Gesellschaft und andern Bevorzugten zugestanden war, auf alle Benützer ausgedehnt wurde. Bei diesem Anlass gelangte die Bibliothekskommission mit dem Vorschlage an die Gesellschaft, die Abmachungen von 1867 „in Anbetracht der vielfach veränderten persönlichen Verhältnisse“ ausser Kraft zu erklären. Da sie gleichzeitig die Versicherung abgab, der Oberbibliothekar werde allen berechtigten, von seiten unserer Mitglieder an ihn gerichteten Wünschen, insbesondere in bezug auf Zutritt zu den Büchersälen und in bezug auf die Zahl der gleichzeitig zu entleihenden Bücher, Rechnung tragen, glaubte sich die Gesellschaft dem Vorschlage nicht widersetzen zu sollen (2. November 1892). Seitdem haben die Mitglieder der Natur- forschenden Gesellschaft keine Vorrechte vor andern Benutzern der Bibliothek mehr; sie können aber beim Oberbibliothekar dieselben Vergünstigungen nachsuchen, welche ihnen früher von Vertrags- wegen zustanden. Im Herbst 1896 wurde die naturwissenschaftliche Bibliothek aus der Verbindung, in der sie seit 75 Jahren mit den Museums- sammlungen gestanden hatte, losgelöst und mit den übrigen Bücher- beständen in das neue Bibliotheksgebäude beim Spalentor über- gesiedelt. Bald nachher übernahm Bibliothekar Prof. G. Binz, der seit 1891 mit der Besorgung derselben betraut war, auch die Kor- respondenz in Sachen des Tauschverkehrs, da Prof. Kahlbaum, seitdem er seinen Wohnsitz ausserhalb der Stadt genommen hatte, diesen Besorgungen nicht mehr mit der früheren Regelmässigkeit obliesen konnte. Der Gesellschaftsbibliothekar hatte von da an nur noch eine beaufsichtigende und beratende Funktion und da es überflüssig erschien hiefür einen besondern Beamten zu bestellen, wurde das Amt nach Kahlbaums Tode, 1905, nicht wieder besetzt; in den Statuten von 1908 ist es offiziell kassiert worden. Die Oberleitung des Tauschverkehrs besorgt seitdem der Sekretär. An die Stelle von Prof. Binz trat bei seinem Austritt aus der Biblio- theksverwaltung Prof. J. Schneider. Seit 1902 wird auch die Ver- sendung der „Verhandlungen“ an die Tauschgesellschaften durch die Universitätsbibliothek besorgt. 70 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Die Bücherankäufe bewegten sich seit 1894 nur noch in Summen unter 100 Fr.; allein die Buchbinderrechnungen zeigten eine ständig wachsende Tendenz. Aus Rücksicht auf die Finanzierung der Verhandlungen sah sich die Gesellschaft 1911 genötigt diesen Strom einzudämmen, indem sie die jährlichen Leistungen an die Universitätsbibliothek auf die runde Summe von 900 Fr. normierte, was freilich zur Folge hatte, dass gewisse selten benutzte Periodica, die wir in Tausch erhalten, fortan nicht mehr gebunden werden konnten. Es werden seitdem durchschnittlich 740 Fr. auf Ein- bände und 160 Fr. auf den Tauschverkehr verwendet. Diese Auslagen für Einbände bilden eine drückende und, seit- dem die Gesellschaft ihre Bibliothek der Oeffentlichkeit unter Ver- zicht auf alle Vorrechte zur Verfügung stellt, eine ungerechtfertigte Belastung unseres Budgets. Schon bei den Verhandlungen von 1892 hatte es Rütimeyer als eine Forderung der Billigkeit be- zeichnet, dass sie in Zukunft von der Universitätsbibliothek, d. h. vom Staate übernommen werden und der bestimmten Erwartung Ausdruck gegeben, dass diese „einzig rationelle Lösung“ sich bei der Reorganisation der Bibliotheksverhältnisse nach dem Bezug des neuen Gebäudes verwirklichen lasse. Allein die Mittel der Universitätsbibliothek waren schon damals den Anforderungen, die an sie gestellt werden, nicht gewachsen und sind es heute noch weniger, sodass geringe Hoffnung besteht, die Bibliotheksverwaltung in absehbarer Zeit für diesen Plan gewinnen zu können. Noch viel weniger dürfen wir an eine so beneidenswerte Einrichtung denken, wie sie in unserer Schwesterstadt Genf besteht. Seit 1829 tritt die dortige Société de Physique die Bücher, welche sie in Tausch gegen ihre Publikationen erhält, der Bibliothèque publique — selbstverständlich ungebunden — ab und erhält dafür einen Entgelt, der sich anfangs auf 400 Fr. belief, 1854 auf 1000 Fr. und im folgenden Jahre auf 1200 Fr. erhöht wurde.°®) Die direkten Auslagen der Gesellschaft für die naturwissen- schaftliche Bibliothek ergeben sich aus unsern Kassaakten in runden Zahlen wie folst: Ankäufe (1817— 1911) Fr. 38,500 Einbände (1817—1916) „28,000 Besorgung (1886--1911) 4 800 Fr. 67,300 wobei die bis 1851 giltige alte in neue Währung umgerechnet ist. Greschenke sind der Bibliothek in früherer Zeit in grösserer Zahl zugegangen als heute, namentlich auch von Seiten der aus- wärtigen Mitglieder. Zu Peter Merians Zeiten wurden sie in den III. Finanzhaushalt, Förderung der Sammlungen und der Bibliothek. zul Geschenklisten des Naturhistorischen Museums aufgeführt; das letzte Verzeichnis dieser Art stammt aus dem Jahre 1877. Seit- her sind keine solche Zusammenstellungen mehr publiziert worden. Peter Merian hat auch von Zeit zu Zeit statistische Angaben über den Gesamtbestand der Museumsbibliothek und ihrer einzelnen Abteilungen veröffentlicht. Aus dieseu ergibt sich, dass sich die Gesammtzahl der Bände, die im Jahre 1821, wie oben bemerkt, ca. 1500 betrug, 1835 auf 3850, 1854 auf 5600 und 1873 auf 11,750 belief. Nicht inbegriffen sind in diesen Zahlen die Ab- teilungen für Physik, Chemie und Gewerbskunde, für Astronomie und für Mathematik, die in dem letztgenannten Jahre zusammen 10,300 Bände umfassten, sowie die Abteilung „Akademische Eelleasulheihes- schriften“, die damals etwas über 2000 Bände stark war. Seit 1873 sind keine solche Zählungen mehr vorgenommen worden.°”) Ein Verzeichnis der mit der Gesellschaft in Tauschverkehr stehenden auswärtigen Gesellschaften und Institute ist zum ersten Male in der Festschrift zum 50jährigen Jubiläum veröffentlicht worden: weitere finden sich von 1885 an in etwas unregelmässigen Abständen in den Verhandlungen °); für die Zeit vor 1867 und für die Jahre zwischen 1867 und 1885 lässt sich die approximative Zahl der Tauschinstanzen den Geschenklisten entnehmen, welche auch die in Tausch erhaltenen Schriften aufführen. Aus diesen Quellen ergeben sich folgende, das allmählige Wachstum unseres Tauschverkehrs illustrierende Zahlen: 1851: 24 1877: 160 1854: 39 1885: 230 1856: 44 1893: 269 1898: 617 1900: 301 1862-7281 1911: 408 1867: 123 1917: 400 Da uns diverse Gesellschaften und Institute mehrere Publi- kationen zusenden, beläuft sich die Zahl der Zeitschriften, die wir gegenwärtig auf dem Tauschwege erhalten, auf nahezu 500. Das diesem Rückblick als Beilage 6 beigegebene Verzeichnis ist vollständiger gehalten als die früheren, indem es nicht blos die Namen der Tauschgesellschaften, sondern auch die Titel der Pu- blikationen, welche sie uns zusenden, aufführt und, soweit dies ohne Weitläufigkeit möglich ist, den Grad der Vollständigkeit, in welchem wir diese Publikationen besitzen, angibt. Es soll nicht bloss wie jene einen Ueberblick über die Ausdehnung unseres Tausch- verkehrs gewähren, sondern auch dem Benutzer der Bibliothek einige Dienste leisten. °') 2. Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Mit grösster Konsequenz hat die Gesellschaft während der hundert Jahre ihres Bestehens alle Ausgaben, welche nicht unter die vier Gesichtspunkte Betrieb, Bibliothek, Vereinsorgan, Natur- historische Sammlungen fallen, vermieden. Insbesondere wurde die Beteiligung an den immer zahlreicher werdenden Kollekten für Denkmäler, zu gründende Institute, Expeditionen usf. von jeher „in das Ermessen der Mitglieder gestellt.“ Die Zeichnungslisten, welche wir bei solchen Anlässen zirkulieren lassen, haben öfters schöne Summen ergeben, zumal wenn es sich um vaterländische _ Unternehmungen handelte, wie 1868 die Konservierung erratischer Blöcke im Kanton Bern, 1880 den Bau einer meteorologischen Station auf dem Säntis, 1885 die Errichtung eines Oswald Heer- Denkmals, 1911 die Ausrüstung der schweizerischen Grönland- expedition. Erst in neuester Zeit hat sich die Gesellschaft eine einzige kleine Abweichung von dieser Konzentrationspraxis erlaubt. Als am 1. November 1911 der schweizerische Bund für Naturschutz um ihre Hilfe nachsuchte, bewilligte sie ihm einen bescheidenen Jahresbeitrag von 50 Fr., um einem so verdienstlichen Werke wenigstens ihre Sympathie kundzugeben und dadurch ihre mora- lische Unterstützung zu Teil werden zu lassen. IV. Ziegler’sche Kartensammlung.”) Im Jahre 1879 fiel unserer Gesellschaft eine neue und sehr erfreuliche Aufgabe zu, indem sie, wie oben schon kurz erwähnt, Besitzerin der Zieglerischen Kartensammlung wurde, unter der Bedingung, sich der Pflege und des Ausbaues derselben anzunehmen. Der Stifter dieses wertvollen Besitzes, Jacob Melchior Ziegler, geboren 1801, entstammte einer begüterten Winterthurer Familie. Er studierte in Genf und Paris Mathematik und Naturwissen- schaften und war dann in seiner Vaterstadt tätig, zunächst als Lehrer der genannten Fächer, später als Forstinspektor. Seine eigentliche Lebensrichtung brachte ihm aber erst das Jahr 1842, in welchem er mit seinem früheren Forstadjunkten, dem Geometer Johann Ulrich Wurster, die bekannte kartographische Firma Wurster & Cie. gründete, welche, unter anderen Namen, heute noch floriert. Während dreissig Jahren hat die Oberleitung dieses J. M. ZIEGLER 1801—1883 LINE eu IV. Ziegler’sche Kartensammlung. 13 erfolgreichen Unternehmens in Zieglers Händen gelegen. Er kam bald in Verkehr mit allen hervorragenden Geographen seiner Zeit, insbesondre auch mit dem von ihm hochverehrten Carl Ritter und trug, nach dem Zeugnis kompetenter Beurteiler, durch seine eigenen Leistungen wesentliches zu dem guten Rufe bei, den sich die Schweiz im abgelaufenen Jahrhundert auf dem Gebiete der Karto- graphie erworben hat. Herr Prof. G. Braun, Ordinarius der Geo- graphie an unserer Hochschule, teilt mir freundlichst über die wissenschaftliche Bedeutung Zieglers folgendes mit: „Zieglers Ver- dienste auf dem Gebiete der Kartographie liegen in der Heraus- gabe eines „Hydrometrischen Atlas“ (Berlin 1851; 2. Aufl. Winter- thur 1864), der zahlreiche treffliche Höhenschichtenkarten aller Erdteile und einiger Teile von Mitteleuropa enthält; ferner in der Herausgabe von Kartennetzen für Schülerzeichnungen (1857!) und vor allem in der engen Verknüpfung von Morphologie und Geo- logie und der Darstellung der Geländeformen auf Karten. (Vergl. sein Werk: Ueber das Verhältnis der Topographie zur Geologie. Text zur topographischen Karte von Engadin und Bernina. 2 Aufl. Zürich 1876). Seine Terrainbilder aut den Kantonskarten (St. Gallen- Appenzell 1:25000 in Schratten, 1849— 1852; Glarus 2 Bl. 1 : 50000, 1861; Unter-Engadin 2 Bl. 1:50000, 1867; Ober-Engadin 4 Bl. 1:50000, 1873) bestechen daher noch heute durch ihre Klarheit und leichte Ausdeutbarkeit. Sein grösstes literarisches Unter- nehmen freilich (Ein geographischer Text zur geologischen Karte der Erde. Mit Atlas. Basel 1883) ist wohl in der Konzeption Suess’s Antlitz der Erde“ gleichzustellen, doch fehlten Vorbildung und Kraft zur gleichartigen geschlossenen Durchführung des Ge- dankens, so dass es neben Suess’s Meisterwerk (erster Band eben- falls 1883) bald in Vergessenheit geriet. Immerhin verdient es an- gemerkt zu werden, dass schon damals ein Geograph dem Ant- litz der Erde nachzuspüren unternahm.“ Am Abend seines Lebens, 1878, gab Ziegler aus Gesund- heitsrücksichten seinen Wohnsitz in Winterthur auf und liess sich hier in Basel nieder, wo er alte Freunde besass und sofort in un- serer Gesellschaft, die ihn 1873 zum korrespondierenden Mitgliede ernannt hatte, heimisch wurde. Er brachte die grosse Karten- sammlung, die er sich während seiner langen Laufbahn angelest hatte, mit und quartierte sie auf der Universitätsbibliothek ein; zunächst als Depositum, aber mit der Andeutung, er wäre nicht abgeneigt, das Depositum in eine Schenkung zu verwandeln, wenn sich im hiesigen Publikum einiges Interesse für Geographie kund- geben und durch Beschaffung der Mittel zu einer würdigen Unter- bringung und Weiterentwicklung der Sammlung betätigen sollte. 74 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Unsere Universitätsbibliothek besass damals wohl eine ansehn- liche, von Peter Merian angelegte, Sammlung geologischer Karten und eine grössere Zahl älterer Kartenwerke; unter ihren Beständen befanden sich namentlich auch allerlei historische Raritäten; allein dem weiten Gebiete der modernen geographischen und topographischen Kartographie eine besondre Aufmerksamkeit zu schenken, gestatteten ihr ihre mässigen und von vielen Seiten in Anspruch genommenen Mittel nicht. Das hochherzige Anerbieten von Dr. Ziegler, diese Lücken auszufüllen, wurde daher freudig begrüsst und die da- maligen Spitzen unserer Gesellschaft Peter Merian, Rütimeyer, Fritz Burckhardt, Eduard Hagenbach, sowie der Oberbibliothekar Ludwig Sieber, waren sofort darüber einig, dass irgendwie Mittel und Wege gefunden werden müssten, um den von Dr. Ziegler an die Schenkung geknüpften Bedingungen zu genügen. Nachdem die Angelegenheit im Schosse der Gesellschaft (29. Mai und 10 Juli 1878) erörtert und insbesondre von einer ad hoc ernannten dreigliedrigen Kommission unter dem Vorsitz von Fritz Burckhardt noch näher geprüft worden war, wurde im Juni 1879 ein von Rütimeyer verfasstes Zirkular verbreitet, welches die Absichten Dr. Zieglers zur Kenntnis des Publikums brachte und zur Gründung eines Vereins, der die Mittel zum weitern Ausbau der Sammlung spenden sollte, einlud. Der Jahresbeitrag wurde auf 5 Franken im Minimum festgesetzt. Als Initianten zeichneten neben den oben genannten Mitgliedern der Naturforschenden Ge- sellschaft auch einige Vertreter der Offiziersgesellschaft, des Alpen- clubs und der historischen Gesellschaft. Das Zirkular hatte einen sehr befriedigenden Erfolg. Fünf- undachtzig Interessenten meldeten sich als Mitglieder des neuen Vereins an und sicherten Jahresbeiträge im Gesamtbetrag von 776 Fr. zu; ausserdem gingen 400 Fr. an einmaligen Spenden ein. In der Sitzung vom 3. Dezember 1879 machte F. Burckhardt un- serer Gesellschaft von diesem Ergebnis Mitteilung; zugleich konnte er eröffnen, dass inzwischen Dr. Ziegler mit Schreiben vom 10. No- vember seine Sammlung der Basler Naturforschenden Gesellschaft zum Geschenk gemacht habe mit der Bestimmung, dass sie, falls diese sich auflösen würde, in das Eigentum der Universitätsbiblio- thek übergehen solle. Die Gesellschaft erhob sich zu Ehren des abwesenden Stifters von den Sitzen und liess ihm dann noch durch eine Delegation eine Dankadresse überreichen. Kurz darauf, am 11. Februar 1880 wurde eine permanente Spezialkommission zur Besorgung der Sammlung bestellt aus den Herrn Prof. Fritz Burck- hardt als Präsident, Dr. Ziegler, Prof. Rütimeyer, Dr. L. Sieber, Dr. Emil Burckhardt und Dr. Rudolf Hotz als Aktuar. IV. Ziegler’sche Kartensammlung. 15 Seit dem Winter 1879—80 bestanden also zwei Instanzen, welche sich der Zieglerschen Kartensammlung annahmen: ein finanzielle Mittel spendender Verein und eine verwaltende Spezial- kommission der Naturforschenden Gesellschaft. — Der „Verein zur Förderung geographischer Studien“, abgekürzt „Kartenverein“ genannt, hat von jeher ein sehr stilles Dasein geführt und trägt den Titel eines Vereines eigentlich zu Un- recht. Versammelt hat er sich nie, ebensowenig hat er jemals ir- gend eine Art von Organisation besessen. „Wir gedenken weder eine geographische Gesellschaft, noch einen Verein mit speziellem Programm zu gründen“, heisst es in dem Zirkular von 1879, „an solche Titel und Formen knüpfen sich leicht Verbindlichkeiten von einer Tragweite, welcher wir unsere Verhältnisse noch nicht ge- wachsen glauben.“ Bis auf den heutigen Tag ist das einzige Band, welches den Kartenverein zusammenhält, die Mitgliederliste, nach welcher alljährlich im Frühjahr die Beiträge eingezogen werden. Von 1879 bis 1912 ist der Mitgliederbestand des Karten- vereins, hauptsächlich infolge von Todesfällen, fast von Jahr zu Jahr zurückgegangen; die Summe der Jahresheiträge hat sich in- folgedessen während dieser Periode von 776 auf 135 Fr. vermin- dert. Erst in allerjüngster Zeit macht sich eine Wendung zum Besseren geltend. Zum Glück hat die Sammlung dieses Abflauen des Interesses nicht allzusehr zu spüren bekommen, da vorsorg- licherweise während der guten Jahre ein Kapital geäuffnet worden ist. Dieses beläuft sich gegenwärtig auf rund 18,500 Fr., wovon 15,000 fest angelegt sind. Entstanden ist es zum grössern Teil dadurch, dass jahreläng ein Teil der Jahresbeiträge zurückgelegt wurde; ausserdem sind ihm die erwähnten einmaligen Spenden bei der Gründung, ein Legat von Herrn G. Fürstenberger-Vischer im Betrag von 5000 Fr. und ein Geschenk eines ungenannten Grünners im Betrag von 500 Fr. zugeflossen und endlich hat ihm Dr, Ziegler den buchhändlerischen Ertrag seiner letzten, hier in Basel unter dem Titel „Ein geographischer Text zur geologischen Karte der Erde* erschienenen Werkes, zugewiesen, der sich schliesslich auf rund 1900 Fr. gestellt hat. Was das Eigentumsrecht an diesen Mitteln anbelangt, so ist das Zirkular von Juni 1879 massgebend, dem- zufolge sie den Charakter einer Stiftung zu gunsten der, der Natur- forschenden Gesellschaft gehörigen, Ziegler’schen Sammlung haben. Die „Kartenkommission“ der Naturforschenden Gesell- schaft ist in ihrer Verwaltungstätigkeit von jeher durch die Bib- liotheksverwaltung, deren Obhut die Sammlung anvertraut ist, unterstützt worden; gleich von Anbeginn hat diese die Rech- nungsführung und damit auch das alljährliche Einziehen der Bei- 76 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. träge übernommen. Ueber die Verwendung der disponibeln Mittel verständigten sich beide Instanzen und die beschlossenen Ankäufe wurden von der Bibliotheksverwaltung besorgt. Später konnte der letzteren auch die Katalogisierungsarbeit übertragen werden und die Kommission trat von da an in die Rolle eines Aufsichtsorganes zurück. Während der ganzen Zeit ihres Bestehens ist die Kom- mission von Prof. Fritz Burckhardt präsidiert worden. In drei- unddreissig Jahresberichten hat er über Pflege und Vermehrung der Sammlung sowie über die Kasse des Kartenvereins Rechen- schaft abgelegt. Diese Berichte waren sowohl an die Naturfor- schende Gesellschaft als an den Kartenverein gerichtet; sie wurden in den Verhandlungen der ersteren abgedruckt und den Mitgliedern der letztern im Separatabzuge zugestellt. — Als die Sammlung 1879 in den Besitz der Gesellschaft über- ging, bestand sie aus 3407 Blättern (s. erster Bericht, Verhand- lungen VII p. 244). Bis Ende 1916 ist sie durch Ankäufe aus den Spenden des Kartenvereins und durch zahlreiche Geschenke, welche in den Jahresberichten aufgeführt sind, auf 8426 Blätter angewachsen. Ausserdem ist sie nun aber dadurch noch in sehr namhaftem Masse erweitert worden, dass — wie dies schon im Zirkular von 1879 vorgesehen war — verschiedene andre, in ôffent- lichem oder Korporationsbesitz befindliche, Kartensammlungen in sie eingeordnet wurden; so die Bestände der Universitätsbibliothek, die Karten und Pläne der bei dieser deponierten Bibliotheken unserer eigenen und der historisch-antiquarischen Gesellschaft, der Offiziersgesellschaft, die Schweizerkarten der zur ehemaligen An- tistialbibliothek gehörigen Falkeisenbibliothek. Bei der Einordnung aller dieser Bestände wurde durch Stempelung oder anderen Ver- merk dafür gesorgt, dass das Eigentumsverhältnis kenntlich blieb. Die Zahl der Blätter, welche Ende 1916 der Ziegler’schen Karten- sammlung angegliedert waren, ohne integrierender Bestanateil der- selben zu sein, beläuft sich auf 6572, sodass die Gesamtsumme der zusammengeordneten Karten auf den genannten Zeitpunkt rund 15000 Blätter betrug. Die aus den Mitteln des Kartenvereins während der abge- laufenen 37 Jahre bestrittenen Auslagen für die Sammlung be- laufen sich auf 17400 Fr. — Die Sammlung war anfangs, wie bemerkt, so gut es eben ging im Museum, in einem der unheizbaren Bibliothekssäle untergebracht. Im Jahre 1890 wurde sie, infolge Platzmangels, aus der Bibliothek in ein Dependenzgebäude der Lesegesellschaft (dasselbe, welches einige Jahre später das geologische Institut aufnahm) ausquartiert. Hier konnte sie sich etwas bequemer einrichten. Es wurden vier, IV. Ziegler’sche Kartensammlung. 77 dem besondern Zwecke angepasste Schränke und das sonstige . wünschenswerte Mobiliar angeschafft. Ferner wurde eine bestimmte Benützungszeit, Samstags 2 bis 4 Uhr, angeordnet, während welcher sich der Kommissionspräsident, später der Leiter oder ein anderer Beamter der Universitätsbibliothek, den Interessenten zur Ver- fügung stellte. Nach den Berichten zu schliessen, scheint aber diese Einrichtung keinen grossen Zuspruch gefunden zu haben. Einen bedeutenden Fortschritt brachte 1896 der Umzug der Uni- versitätsbibliothek in ihr neues Gebäude. Hier erhielt die Karten- sammlung ein eigenes helles Zimmer mit grossen, zum Ausbreiten der Karten geeigneten Tischen und allem übrigen Konfort ange- wiesen. Leider ist diese Vergünstigung dann aber im Jahre 1906 dadurch grossenteils wieder rückgängig gemacht worden, dass das nämliche Lokal von der Bibliothekskommission, auf Wunsch des Erziehungsdepartements, dem historischen Seminar zur Verfügung gestellt wurde. — Gleich nach dem Uebergang der Sammlung in den Besitz der Gesellschaft beschäftigten sich der Präsident der Kommission und der Aktuar, Dr. Rudolf Hotz, eifrig mit der Ordnung und Kata- logisierung derselben. Es wurde zu diesem Zweck ein „Appareil catalogue, système Bonnange“ angeschafft. Der vierte Bericht, 1882, meldet, es sei nunmehr, dank den Bemühungen des Aktuars, etwa die Hälfte des Bestandes katalogisiert. Dann trat auf längere Jahre ein Stillstand ein, weil Dr. Hotz nicht mehr Zeit fand, das Begonnene weiter zu fördern. Im Jahre 1895 konnte der Sammlung ein Teil der erwähnten anderweitigen Bestände ange- gliedert und dank der freundlichen Beihilfe von Dr. August Burck- hardt mit der Neuordnung der Schweizerkarten begonnen werden. Nach dem Umzug in das neue Gebäude nahm die rationelle Ein- ordnung der verschiedenartigen Bestände mehrere Jahre in An- spruch. 1900 wurde auch die dringendste Katalogarbeit, die Auf- nahme der Schweizerkarten durch die Organe der Universitäts- bibliothek in Angriff genommen. Zunächst war Dr. Hans Barth mit dieser Aufgabe betraut; nach dessen Weggang, 1902, wurde sie durch den Oberbibliothekar Dr. ©. Chr. Bernoulli in der Haupt- sache erledigt. Die Grundzüge, nach welchen bei der Inventari- sierung der Schweizerkarten verfahren wurde, sind im vierund- zwanzigsten Bericht (Verhandlungen XV p. 195) mitgeteilt worden. Rechtfertigte es sich, bei den Karten unseres Landes auch das geringste Detail zu berücksichtigen, so musste bei der Aufnahme der übrigen Bestände davon Umgang genommen werden, wollte man überhaupt in absehbarer Zeit einen Gesamtkatalog der Karten zustande bringen. 1912 wurde ein solcher, nach einfacherem Prinzip 18 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. und in Bandform von Dr. Bernoulli begonnen und von 1915 bis Frühjahr 1917 hat Frl. Marie Spiess denselben zu Ende geführt. Er besteht nun aus sieben Foliobänden, in denen dem kommenden Zuwachs Rechnung getragen ist, und umfasst in systematischer Anordnung das gesamte Material, das im Kartenraum untergebracht ist. Eine Arbeıt, die künftigen Jahren vorbehalten bleibt, ist die Aufnahme der in der Universitätsbibliothek ausserhalb des Karten- raumes befindlichen Karten. Bereits sind diejenigen der Vater- ländischen Bibliothek verzeichnet; später sollen noch die in der geographischen Abteilung der Universitätsbibliothek enthaltenen Bestände (gebundene grosse Kartenwerke) eingetragen werden. In den ersten Jahren ihres Bestehens hat sich die Karten- kommission nicht auf Mehrung, Ordnung und Katalogisierung der Sammlung beschränkt, sondern ihr Programm noch weiter gefasst. In zwei als separate Broschüren gedruckten „Sendschreiben an Herrn Prof. Fr. Burckhardt“ (datiert August 1880 und August 1881) hatte Dr. Ziegler mit vieler Wärme empfohlen, es möchte auch darauf Bedacht genommen werden, im Publikum das Interesse für Geographie zu wecken und wachzuhalten durch periodische oder gelegentliche Schaustellungen von Karten und andere Ver- anstaltungen. Diesem Wunsche des Stifters bemühte man sich redlich Rechnung zu tragen. Gleich 1881 wurde ein Abkommen mit der Lesegesellschaft getroffen, wonach dieselbe Wandflächen und geeignete Rahmen zur Schaustellung von Kartenblättern, die zum Verständnis der jeweiligen Tagesereignisse dienen konnten, zur Verfügung stellte. Die Einrichtung scheint eine Zeitlang An- klang gefunden zu haben, dann aber, um 1885, infolge Mangels an Teilnahme ausser Gebrauch gekommen zu sein. Später wurden noch einige Male temporäre Ausstellungen veranstaltet, so 1839 eine solche von Neuerwerbungen; aber die Erfolge dieser Be- mühungen munterten offenbar nicht zu Wiederholungen auf. Um das Interesse wenigstens unter den Mitgliedern des Kartenvereins und der Naturforschenden Gesellschaft rege zu halten, wurden in den folgenden Jahren dem trockenen Jahresbericht gelegentlich wissenschaftliche Beilagen beigedruckt: 1894 eine Studie von R. Hotz über die auf der Bibliothek aufgefundene Karte der Boden- seegegend von Achilles Gasser, einem Korrespondenten Sebastian Münsters; 1905 eine solche von F. Burckhardt über Daniel Hubers Karte des Birsecks und eine Arbeit von Dr. ©. Chr. Bernoulli über einen Kartenineunabelnband der öffentlichen Bibliothek. — Als Prof. Fritz Burckhardt, der von Anfang an die Seele der Kartenkommission gewesen war und der sich im Verlauf der Jalıre eigentlich allein noch Hand in Hand mit der Bibliotheksverwaltung IV. Ziegler’sche Kartensammlung. 7 der Sammlung angenommen hatte, im Frühjahr 1913 starb, be- schloss die Gesellschaft in Würdigung der veränderten Verhältnisse, die Kommission, in der inzwischen Dr. Sieber ( 1891) und Prof. Rütimeyer (+ 1895) durch Dr. C. Chr. Bernoulli und Dr. Paul Sarasin ersetzt worden waren, aufzuheben und ihre Funktionen und Kompetenzen auf den Vorstand zu übertragen. Dieser dele- gierte dann den Sekretär zur Besorgung der laufenden Geschäfte. Seitdem wird der traditionelle ‚Jahresbericht vom Sekretär im Namen des Vorstandes erstattet. Im Jahre zuvor, 1912, war das längst erörterte Projekt, an unserer Hochschule einen Lehrstuhl und ein Institut für Geographie zu errichten, endlich verwirklicht worden. Dieses Ereignis konnte nicht ohne Rückwirkung auf die Verwaltung der Kartensammlung bleiben. Es musste darauf Bedacht genommen werden, der neuen Anstalt die Hebung und Verwertung der während Jahrzehnten gehegten und gemehrten Schätze zu erleichtern. In dieser Absicht wurde, wie wir bereits gesehen haben, in den folgenden Jahren die Katalogisierung tunlichst beschleunigt. Vor allem aber glaubte die Gesellschaft, nunmehr das verehrliche Erziehungsdepartement dringend um die Restituierung des Kartenzimmers an seine ur- sprüngliche Bestimmung ersuchen zu sollen. Einer ersten Eingabe vom Mai 1913 konnte das Departement nicht entsprechen, da sich damals keine andere geeignete Unterkunft für das historische Seminar finden lies. Als dann aber im Sommer 1916 nach der Eröffnung der neuen Frauenarbeitsschule das Eckhaus Martinsgasse- Staffelberg für Universitätszwecke disponibel geworden war, er- hielten wir auf ein zweites Gesuch am 8. Mai 1916 die formelle Zusicherung, dass, sobald die erforderlichen baulichen Verände- rungen erledist seien, das Seminar dorthin verlegt werde. Wir haben daher begründete Hoffnung, dass uns das Jubiläumsjahr die Erfüllung dieses Wunsches bringen werde. Erst nach dem Wegzug des Seminars kann die zweckmässige Aufstellung, wie sie beim Bezug des Gebäudes geplant war, durch- geführt werden. Dann wird es auch möglich sein, zu gewissen Zeiten die Karten im Lokal selbst einzusehen, was bisher aus- geschlossen war. Das jedoch ist klar, dass die Oeffnungszeiten des Kartenraumes beschränkt sein müssen, denn einen mit der Kartensammlung vertrauten ständigen Aufsichtsbeamten wird die Bibliotheksverwaltung nicht zur Verfügung stellen können. In allerjüngster Zeit ist auch den Lieblingsideen Dr. Zieglers wieder Rechnung getragen worden. In der Sitzung vom 21. Februar 1917, die im Lesezimmer der Universitätsbibliothek abgehalten wurde, hielt Herr Prof. G. Braun einen Vortrag über die Ziegler- 80 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. sche Sammlung und illustrierte denselben durch eine instruktive Schaustellung von Kartenblättern, welche dann auch noch an zwei folgenden Tagen den Interessenten zugänglich blieb und eine statt- liche Zahl von Besuchern anzog. Bei diesem Anlass hat der Kartenverein eine Reihe neuer Mitglieder gewonnen. V. Publikationen. In den ersten Jahren ihres Bestehens war unsere Gesellschaft froh, wenn sie ihre Sitzungen einigermassen in Gang zu erhalten vermochte, die Verpflichtung, eine Zeitschrift zu alimentieren, konnte sie sich nicht aufladen. Der Gedanke, der Oeffentlichkeit Rechen- schaft von ihren Leistungen abzulegen, scheint aber schon bald nach der Gründung erörtert worden zu sein, denn bereits im Vor- schlag von 1821 ist, wie oben erwähnt, von einer künftig zu publi- zierenden „kurzen Geschichte der Gesellschaft, welche die bemerk- lichsten Verhandlungen derselben enthalten soll“, die Rede Zur Ausführung ist dieser Vorsatz allerdings damals nicht gelangt, zum Teil ohne Zweifel, weil die Zahl der „bemerklichen Verhandlungen“ noch zu klein war, zum Teil aber wohl auch weil von andrer Seite ähnliche Unternehmungen geplant oder bereits begonnen waren, Es war in jenen Jahren in der Schweiz um Gelegenheiten zur Be- kanntmachung wissenschaftlicher Untersuchungen schlecht bestellt. Einzig Genf, das sich von allen Zentren des Landes des regsten wıssenschaftlichen Lebens erfreute, war gut ausgerüstet. Dort er- schien, unter der Redaktion von Marc Auguste Pictet, die in der ganzen wissenschaftlichen Welt viel gelesene Bibliothèque universelle, und seit 1821 gab überdies die Société de Physique , Mémoires“ in Quartformat heraus. Im deutschen Landesteil dagegen gebrach es durchaus an leistungsfähigen Periodicis. Die Forscher fingen an die Abhängigkeit vom Ausland, in der sie sich infolgedessen be- fanden, zu empfinden und nach Abhilfe zu verlangen. Zunächst erhoffte man diese von der schweizerischen Natur- forschenden Gesellschaft. Schon an der zweiten Jahresversammlung derselben, in Bern, wurde die Begründung eines „wissenschaftlichen Bulletins“ zur Verbreitung kleinerer Mitteilungen in Aussicht ge- nommen und an der dritten, in Zürich, auf Antrag von A. P. de Candolle im Prinzip beschlossen, eine „Sammlung von Abhand- lungen, gleich den ehemaligen Actis helveticis* herauszugeben. V. Publikationen. 81 Allein die Organisation der Gesellschaft war damals noch mangel- haft und ihre Leistungsfähigkeit gering. Die „Sammlung von Ab- handlungen” ist während eines Jahrzehntes Projekt geblieben ‘?) und dem Bulletin wäre es vielleicht ähnlich ergangen, wenn nicht der unternehmungslustige und energische Prof. Friedrich Meisner in Bern, der Vater des nachmaligen Basler Professors, sich des- selben angenommen hätte. Vom Juli 1817 an erschien unter Meisners Redaktion und auf sein Risiko der „Naturwissenschaft- liche Anzeiger der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesamten Naturwissenschaften“. Er erlebte fünf Jahrgänge und fand dann noch eine kurze Fortsetzung in den, vom selben Heraus- geber begründeten, „Annalen der allgemeinen schweizerischen Ge- sellschaft für die gesamten Naturwissenschaften“, die aber mit Meisners Tode 1825 eingingen. Diese Meisner’schen Publikationen referierten über die Tagungen der schweizerischen Gesellschaft und brachten daneben kleinere Abhandlungen, welche meistens den Gegenstand von Mitteilungen vor Kantonalgesellschaften gebildet hatten, sowie Uebersetzungen aus ausländischen Journalen, kurze Bücheranzeigen, Kauf- und Tauschangebote und dergleichen. Von Mitgliedern der Basler Gesellschaft begegnen uns unter den Mit- arbeitern Peter Merian und Jacob Hagenbach. In denselben Jahren lebte eine ältere ähnliche Unternehmung nach langer Unterbrechung nochmals auf, die Zeitschrift „Alpina“, herausgegeben von Pfarrer Steinmüller in Rheineck, eine Sammlung von Abhandlungen über die Naturgeschichte der Alpen, an der sich, als hervorragendster Mitarbeiter, H. C. Escher von der Linth beteiligte. Allein weder die Meisner’schen Publikationen noch die Alpina scheinen die Interessenten befriedigt zu haben, es wurden noch _ weitere Projekte geschmiedet. Auch Peter Merian trug sich zu jener Zeit mit dem Plane, ein „wissenschaftliches Journal“ zu gründen und legte denselben im Dezember 1822 seinem Freunde Bernhard Studer in Bern vor, um dessen Ansicht darüber zu ver- nehmen. Studers Antwort wirft ein so interessantes Streiflicht auf die damaligen Zustände, dass sie verdient in extenso mitgeteilt zu werden: „Wie Du wünschte ich sehr, dass wir ein gutes Journal in der Schweiz besässen, aber ich halte die Sache für sehr schwierig. Wenn man die Sache näher betrachtet, so sind im Grunde wenig arbeitende und schreibende Naturforscher bei uns, selbst an unserer naturforschenden Gesellschaft werden im ganzen nicht so viel gute Abhandlungen gelesen, um nur ein Heft zu füllen und das ist doch der Ertrag eines ganzen Jahres. Wie viel Mühe hat nicht sogar 6 82 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Deutschland, ein Journal dieser Art sich zu halten. Zu allen akademischen Denkschriften müssen die Regierungen beistehen. Noch schwieriger ist es mit dem Verkauf, bis das Journal einigen Ruf erlangt hat. Wohl die Hälfte der Subscribenten des Anzeigers sind Leute, die mehr aus Patriotismus als aus wissenschaftlichem Eifer unterschrieben haben und doch reicht die Summe nicht hin. Endlich möchte ich Dir’s widerrathen, weil es mir schöner scheint die Wissenschaft selbst zu fördern als nur Apostel fremder Ent- deckungen zu sein und ein Herausgeber muss, wenn das Journal sich halten soll, z. Th. immer in Hintergrund treten, so wie Arago, Gilbert, Pictet. Willst Du aber in der Tat etwas anfangen, so empfehle ich mich zum voraus und zweifle nicht Dir alle Jahre ein paar Bogen Lückenbüsser senden zu können.“ Merian hat daraufhin sein Vorhaben aufgegeben. Dagegen wurde 1823 in Basel ein anderes Periodicum begründet, welches wir wohl gleichfalls unter die Konkurrenten zu zählen haben, die der geplanten Publikation unserer Basler Gesellschaft im Wege standen: die heute etwas in Vergessenheit geratene „Wissenschaft- liche Zeitschrift, herausgegeben von Lehrern der Basler Hoch- schule“. Sie erschien während der Jahre 1823 bis 1827, anfangs in vier, später in sechs jährlichen Heften und brachte Abhand- lungen aus allen Gebieten der Wissenschaft. Unter anderm ent- hält sie naturwissenschaftliche Beiträge von Peter Merian und J. R. Hanhart. Dass aber unsere Gesellschaft den Plan, eine eigene Zeitschrift herauszugeben, nur als aufgeschoben, nicht als aufgegeben be- trachtete, beweist das Protokoll vom 6. Dezember 1826. Das im Juli jenes Jahres eingesetzte (reneralsekretariat der schweizerischen Gesellschaft bereitete damals die „Denkschriften“ vor und wollte, um die Zukunft derselben tunlichst zu sichern, die Kantonalgesell- schaften zum Verzicht auf jegliche Art eigener Publikationen ver- pflichten. Auf seine Anfrage hin, ob die Basler Gesellschaft ge- neigt sei, sich in dieser Weise zu binden, wurde beschlossen: „Soll geantwortet werden, dass wir zur Zeit auf ein solches Unter- nehmen gerne Verzicht leisten, uns jedoch vorbehalten, das fernere von der Zeit abzuwarten, um einen vom Erfolg abhängenden Ent- schluss nehmen zu können.“ 1830, als die neuen Statuten festgestellt wurden, hielt man den Zeitpunkt, aus der Reserve herauszutreten, noch nicht für ge- kommen. Nur eine Mitgliederliste und ein Verzeichnis der Geschenke an die Gesellschaft und an das Museum plante man damals in zweijährigen Abständen drucken zu lassen und auch dieser be- V. Publikationen. 83 scheidene Vorsatz blieb dann über den politischen Wirren unaus- seführt. Vier Jahre später dagegen erschien die Situation abgeklärt, Durch die 1829 endlich zustande gekommenen Denkschriften der schweizerischen Gesellschaft war für die Bekanntmachung grösserer Arbeiten in befriedigender Weise vorgesorgt, dagegen waren sowohl Steinmüllers Alpina als Meisners Annalen eingegangen, sodass sich das Bedürfnis nach Publikationsgelegenheiten für kleine Mit- teilungen dringender als je geltend machte. Da die Mittel der schweizerischen Gesellschaft durch die Denkschriften vollauf in Anspruch genommen waren, war für die Kantonalgesellschaften der Moment gekommen, sich zu regen. Unserer Basler Gesellschaft war die Begründung eines eigenen Organes noch dadurch besonders nahe gelegt, dass auch die „Wissenschaftliche Zeitschrift“ ihr Er- scheinen eingestellt hatte. Wie wir (p. 27) gesehen haben, ging man gleich nach der Krise von 1833 — 34 ans Werk. In der Sitzung vom 13. Oktober 1835 konnte der Sekretär ein erstes Heft von 89 Seiten in Klein-Oktav, betitelt „Bericht über die Verhandlungen der Naturforschenden Ge- sellschaft in Basel vom August 1834 bis Juli 1835, gedruckt bei Wilhelm Haas“ unter die Mitglieder verteilen. Das bescheidene Heftchen in blauem, unbedrucktem Umschlag scheint bei den Fachgenossen in der Schweiz, zumal in Zürich und Bern, einiges Aufsehen erregt zu haben. Die Zürcher Gesellschaft . liess seit 1826 alljährlich einen von ihrem Aktuar verfassten Be- richt über ihre Verhandlungen erscheinen, aber eine eigentliche Zeitschrift besass sie damals noch nicht.) Desgleichen hatten die Berner noch kein Publikationsorgan. Bernhard Studer spendete den Baslern in einem Brief an Peter Merian überschwengliches Lob und Arnold Escher in Zürich schrieb an ebendenselben: „Meinen besten Dank für Ihren Jahresbericht, ich habe denselben mit grossem Interesse durchlesen, nicht ohne einige Anwandlung von Neid, indem die Verhandlungen unserer Gesellschaft gar arm- selig sind im Vergleich zu den Ihrigen.“ Sind diese Worte des überbescheidenen Zürcher Freundes auch nicht wörtlich zu ver- stehen, so dürfen wir aus ihnen doch entnehmen, dass unsere Basler Gesellschaft sich damals, achtzehn Jahren nach ihrer Gründung, eine angesehene Stellung unter ihren Schwestergesellschaften er- rungen hatte. Ende 1836 erschien ein zweiter Bericht, die Verhandlungen von August 1835 bis Juli 1836 enthaltend, dann reihten sich der dritte bis zehnte in zweijährigen Abständen an; es war ohne Zweifel 84 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. die Knappheit der Mittel, weiche Veranlassung gab das Tempo etwas langsamer zu nehmen.”) Die Redaktion der Berichte besorgte der Sekretär unter Mit- mirkung des Vorstandes. Ursprünglich scheint die Meinung ge- wesen zu sein, er solle dieselben aus den damals ziemlich einläss- lich gehaltenen Protokollen ausziehen. Dies hat sich aber offenbar bald als undurchführbar erwiesen. In der Folge ermahnt der Präsi- dent, so oft wieder die Publikation eines Heftes vorzubereiten ist, diejenigen Mitglieder, welche Vorträge gehalten haben, dieselben für den Druck auszuarbeiten. Das ganze Heft ging dann auf ein- mal in die Presse. Die Mitteilungen sind in den Berichten nach Disziplinen und innerhalb dieser nach Autoren geordnet; jeder ist das Datum der Sitzung, in der sie vorgetragen wurde, vorangesetzt. Anfangs sind sie durchweg ganz knapp gehalten, später werden einzelne Vorträge in extenso eingerückt; breitere Ausarbeitungen kommen nicht vor. Dagegen wird grundsätzlich alles, was in den Sitzungen vorgebracht worden ist, verzeichnet; wenn Vorträge in erweiterter Form in einer andern Zeitschrift erschienen sind, wird auf diese verwiesen. Jedem Heft ist ein Mitgliederverzeichnis beigegeben. Wie schon oben erwähnt enthält das erste am Schlusse einen kurzen Bericht über den Zustand der öffentlichen naturwissenschaftlichen Samm- lungen, während die folgenden ein fortlaufendes Verzeichnis der Ge- schenke an dieselben bringen. Die Berichte sind ganz auf Kosten der Gesellschaft gedruckt, den Mitgliedern aller Kategorien gratis zugestellt, aber nicht in den Buchhandel gebracht worden. Auch die Spekulation sie auf dem Tauschwege zur Aeuffnung der Bibliothek zu verwerten, scheint — so seltsam uns dies vorkommen mag — bei ihrer Begründung keine Rolle gespielt zu haben; das ganze Zeitschriften- und Biblio- thekswesen war eben in den dreissiger Jahren noch unvergleichlich viel weniger entwickelt als heute. Man wollte damals lediglich dem einheimischen Publikum und den schweizerischen Schwestergesell- schaften die Leistungen der Gesellschaft zur Kenntnis bringen. Das Protokoll der Sitzung vom 13. Oktober 1835 bemerkt bezeichnender- weise: „Es wird beschlossen jedem der Donatoren an die Samm- lungen ein Exemplar zustellen zu lassen, an einige Kantonalgesell- schaften Mitteilung zu machen und die übrigen Exemplare zur Ver- fügung der Gesellschaftsmitglieder zu halten, namentlich derjenigen, von welchen Arbeiten und Notizen in dem Bericht enthalten sind.“ Der Tauschverkehr, der uns heute so sehr präokkupiert, ist aber dann doch ziemlich rasch in Gang gekommen. Schon 1844 wird geklagt, das erste Heft sei vergriffen, sodass man keine ganzen V. Publikationen. 85 Serien mehr abgeben könne; man berät ob ein Neudruck desselben zu veranstalten sei und beschliesst vorderhand so viel Exemplare als möglich wieder einzusammeln, wobei es dann auch sein Be- wenden hatte. Vom fünften Heft (1843) an betrug die Auflage 500 Exemplare; vorher muss sie beträchtlich schwächer gewesen sein; aus den Druckerrechnungen ergibt sich nur, dass sie sich vom ersten bis zum vierten Hefte gleichgeblieben ist. Von Heft 5—10 besitzen wir heute noch einen grossen Vorrat, während Heft 1—4 kaum mehr aufzutreiben sind; in unserem gegenwärtigen Tausch- verkehr spielen die Berichte daher keine Rolle mehr. Der Inhalt der zehn Hefte ist für ihren geringen Umfang ein überraschend reicher und mannigfaltiger. Sechzig Autoren haben ihn zusammengesteuert, doch sind reichlich die Hälfte derselben nur mit ganz kurzen Notizen beteilist. In der Hauptsache rührt er von einem Dutzend Autoren her und unter diesen stehen, wie es nach den mündlichen Verhandlungen nicht anders zu erwarten ist, Schönbein und Peter Merian oben an. Heute werden die Be- richte wohl am meisten noch von den einheimischen Geologen und Palaeontoiogen nachgeschlagen, wegen der zahlreichen Mitteilungen Merians. Für den Historiker der Chemie wird der Einblick, den sie in den Entwicklungsgang Schönbeins gewähren, immer von Inter- esse bleiben. Im Jahre 1843 begründete auch die Berner Gesellschaft eine eigene Zeitschrift. In Zürich zögerte man noch ein gleiches zu tun, vielleicht weil man dort immer noch die Hoffnung hegte eine allgemein schweizerische oder wenigstens eine deutsch-schweizerische Zeitschrift für kleinere Mitteilungen ins Leben rufen zu können. Am 27. Dezember 1846, kurz nach dem hundertjährigen Jubiläum der Zürcher Gesellschaft, schrieb Arnold Escher an Peter Merian: „Das Fest hat nun auch einen gewissen Impuls zurückgelassen und unsere jungen erfindungsreichen Köpfe wollen nun auch Mitteilungen unserer Gesellschaft wie die ihrigen und die in Bern herausgeben. Mir scheint dabei nur fatal, dass es so nun wieder ein Bulletin mehr gibt und ich hätte gewünscht, dass man sich namentlich mit Basel und mit Bern, am liebsten mit allen schweizer Gesellschaften zur gemeinsamen Herausgabe der Verhandlungen der Kantonal- gesellschaften verständigen könnte. Mousson hielt dies für unaus- führbar und glaubte, Basel gerade werde am wenigsten dazu ge- neigt sein, da Sie nun bereits eine hübsche Reihe von Jahresbe- richten haben. Sollten Sie indes glauben, dass Ihre Gesellschaft sich zu einer Verständigung herbeiliesse, in der Art, dass ein Bogen gedruckt würde, wenn eben Stoff genug da ist (in der Weise wie die Berner es machen), so bitte ich Sie doch mich darüber zu be- 86 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. richten. Der Druck selbst könnte ja, wenn man will, jährlich zwischen den Gesellschaften, die sich zu gemeinsamer Herausgabe ihrer Verhandlungen verständigen, abwechseln und dann hätte man doch die grosse Annehmlichkeit ungefähr alle Monate in einem Hefte alles beisammen zu haben, was in den verschiedenen Gesell- schaften behandelt worden ist.“ Allein Mousson hatte die Situa- tion richtig beurteilt, die Antwort lautete ablehnend. Man war in Basel nicht geneigt die bescheidene aber glücklich konsolidierte Unter- nehmung an eine grösser angelegte, deren Lebensfähigkeit sich erst hätte erweisen müssen, zu tauschen. Auch die Rücksicht auf den Tauschverkehr mag schon mit im Spiele gewesen sein. 1847 be- gründeten die Zürcher dann ihre „Mitteilungen“, aus welchen später die „Vierteljahrsschrift“ hervorgegangen ist und nach und nach folgten auch andere Kantonalgesellschaften dem gegebenen Beispiel. Ganz zufrieden waren übrigens die Basler mit den „Berichten über die Verhandlungen“ nicht. Obwohl die Druckkosten, nach unsern heutigen Begriffen, unbedeutend waren, wurde die Schmäle- rung der für Bücheranschaffungen disponibeln Mittel, welche sie ver- ursachten, doch empfunden. Schon 1836, als der zweite Bericht in Druck ging, wurde, laut Protokoll, „gewünscht, dass der Drucker einen Teil der Kosten übernehme“. Allein dieser zeigte, wie es scheint, keine Lust auf den Vorschlag einzugehen. Andrerseits klagten die Autoren über die langen Abstände, in welchen die Hefte erschienen. Als 1852 das zehnte Heft in Vorbereitung war, beschloss man daher die Serie mit einem Generalregister abzuschliessen und sich für die Zukunft zweckdienlicher einzurichten. Eine Spezial- kommission, der Peter Merian und Schönbein angehörten, wurde mit der Prüfung der Angelegenheit betraut und am 29. März 1854 übertrug die Gesellschaft, auf Bericht und Antrag derselben, Druck und Verlag der Verhandlungen, die nunmehr in halbjährlichen Heften von ca. 20 Bogen erscheinen sollten, der Schweighauserischen Buchhandlung als der mindestfordernden. Diese hatte sich erboten 300 Exemplare à Fr. 21 per Bogen an die Gesellschaft abzu- geben. Anstatt „Bericht über die Verhandlungen“ wurde die neue Serie kurzweg „Verhandlungen“ betitelt. Das allzukleine Format wurde gegen ein grösseres, welches die Beigabe von Tafeln ge- stattete, vertauscht. Die Redaktion blieb Sache des Sekretärs — damals seit einigen Jahren Albrecht Müller — unter Mitwirkung des Vorstandes, d. h. Schönbeins und Merians. Das Verhältnis zur Schweighauserischen Buchhandlung, die Ende der sechziger Jahre in den Besitz von Benno Schwabe über- V. Publikationen, 87 sing, hat während 28 Jahren bestanden, von 1854 bis 1882. Es sind während dieser Zeit sechs Bände der Verhandlungen zu je 4 Heften erschienen. Der ursprüngliche Plan, jedes Semester ein Heft zu publizieren, ist also nicht durchgeführt worden. An dem Verlagsvertrag ist während der genannten Zeitspanne nur wenig geändert worden. 1868, d.h. von Band V an, wurde die Zahl der an die Gesellschaft abzuliefernden Exemplare auf 320, der von derselben zu bezahlende Bogenpreis auf 30 Fr. erhöht und der Verleger zum Druck von 450 Exemplaren verpflichtet; vorher scheint er weniger gedruckt zu haben. 1873 wurde der Bogen- preis bei gleicher Zahl der abzuliefernden Exemplare auf 32 Fr. erhöht. Für besondern Satz musste man dem Verleger Extrazu- lagen zugestehen. An die Illustrationen hatte er nichts beizu- tragen. Im Frühjahr 1882 kündete die Firma Schwabe den Vertrag. Sie scheint mit den Verhandlungen keine grossen Geschäfte gemacht zu haben. Aber auch die Gesellschaft war schon seit längerer Zeit von der bestehenden Einrichtung nicht mehr befriedigt. Das vom Verleger bestimmte Tempo, in welchem die Hefte erschienen, war immer schleppender geworden, was unvermeidlicherweise eine miss- liche Rückwirkung auf den Zufluss des Stoffes haben musste. Auf Antrag von Eduard Hagenbach wurde in der Sitzung vom 7. Juni 1882 beschlossen, den Anlass zu ergreifen um gründlich Remedur zu schaffen. Der durch einige erfahrene Mitglieder er- weiterte Vorstand beriet die Angelegenheit in mehreren Sitzungen und das Ergebnis war, dass die Gesellschaft die Verhandlungen in Selbstverlag nahm. Selbstverständlich bedeutete dies eine erheblich stärkere Inanspruchnahme der Gesellschaftskasse, die zur Folge hatte, dass nicht mehr viel und bald gar nichts mehr für Bücher- anschaffungen übrig blieb und dass man sich zu jenem Eingriff in die Mittel der Peter Merian-Stiftung entschliessen musste, von dem oben (p. 68) die Rede gewesen ist; allein man hatte keine andere Wahl, es war der einzige Weg die Verhandlungen wieder in ein erspriessliches, den Bedürfnissen angemessenes Geleise zu bringen, Der Druck wurde (20. Februar 1883) der Firma J. G. Baur übergeben, welche sich anerbot 500 Exemplare zu 46 Franken pro Bogen zu liefern und sich verpflichtete die eingehenden Manuskripte ohne Verzug in Druck zu nehmen und pro Woche mindestens einen Bogen zu erledigen. Damit war der hauptsächlichste Ubel- stand, den man an dem bisherigen Publikationsmodus auszusetzen hatte, beseitigt. Bei dieser Gelegenheit ist auch zum ersten Male von den Sepa- ratabzügen die Rede, welche ein so vortrefiliches Mittel sind die 88 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Autoren mit einem etwas bedächtigen Gang im Erscheinen der Zeit- schrift selbst auszusöhnen. Solche waren zwar schon früher, vielleicht seit 1853 abgegeben worden; doch ist aus den Akten nicht ersicht- lich zu welchen Bedingungen. Es scheint, dass die Autoren sie direkt vom Verleger bezogen. Von nun an wurden dem Autor 25 Exemplare gratis, weitere zum Selbstkostenpreise zur Verfügung gestellt und zwar sollte die Lieferung durch den Sekretär vermittelt werden. Den eventuellen Verkauf von Separata behielt sich die Gesellschaft vor. Der buchhändlerische Vertrieb der Verhandlungen wurde (23. Februar 1883) der Firma H. Georg & Cie. übergeben und der- selben ein Erlösanteil von 50°/, zugestanden, wogegen sie sich ver- pflichtete, die Versendung der Verhandlungen an die Tauschgesell- schaften — für welche die Firma Schwabe mit 50 Fr. entschädigt worden war — ohne anderen Entgelt als die Portoauslagen zu be- sorgen und jährlich über Bestand des Lagers und Absatz Rechnung abzulegen. Separata sollten nur durch Vermittlung der Verlags- handlung in den Handel gebracht werden. Von Band VII an, dessen erstes Heft noch in der Schweig- hauserischen Offizin gedruckt worden ist, zeichnet demgemäss die Firma Georg als Verlegerin der Verhandlungen; die Bände bestehen von da an nur noch aus drei statt aus vier Heften. Eine weitere Neuerung, welche man bei dieser Umordnung unseres Publikationswesens eintreten liess, bestand darin, dass die Redaktion in die Hand einer besondern Redaktionskommission ge- lest wurde, welcher ausser dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Sekretär zwei weitere auf sechs Jahre zu wählende Mit- glieder angehörten. Als solche wurden am 7. Februar 1883 Prof. L. Rütimeyer und Prof. J. Kollmann gewählt. Veranlassung zu dieser Einrichtung gab hauptsächlich der Umstand, dass die Stel- lung des Sekretärs, welchem der Vorstand je länger je mehr das Redaktionsgeschäft überlassen hatte, sehr delikat geworden war, seitdem die Abbildungen, bei deren Finanzierung die Gesellschaft der Mitwirkung der Autoren nicht entraten konnte, eine grössere Rolle spielten. Fortan entschied nun dieses neue Kollegium über die von den Autoren zu fordernden Beiträge sowie über die Auf- nahme der eingereichten Arbeiten, während der Verkehr mit Drucker und Verleger Sache des Sekretärs blieb. Seitdem ist die Gesellschaft bei dem System des Selbe lages geblieben. Im einzelnen ist an den Anordnungen von 1885 später allerlei geändert worden. Um den Autoren noch mehr ent- gegenzukommen, wurde 1892 die Zahl der unentgeltlichen Separata von 25 auf 50 erhöht. Je mehr der Tauschverkehr wuchs als desto V. Publikationen. 89 unzweckmässiger erwies es sich die Verhandlungen den Tauschge- sellschaften durch die Verlagshandlung zugehen zu lassen. Die Gesellschaft nahm daher 1902 gerne und mit Dank ein Anerbieten der Universitätsbibliothek diese Versendungen zu besorgen an. Auch der etwas komplizierte Apparat einer besondern Redaktions- kommission befriedigte auf die Dauer nicht. Bei der Statutenrevi- sion von 1908 wurde auf denselben verzichtet und die Redaktion wieder dem Vorstande übertragen. Prof. Kollmann hatte der Re- daktionskommission während der ganzen Dauer ihres Bestehens als ständiges Mitglied angehört; an die Stelle von Prof. Rütimeyer war nach dessen Tode 1896 Prof. Fritz Burckhardt gewählt worden. Der Druck wurde 1892 der Firma E. Birkhäuser übertragen. Bis Mitte der neunziger Jahre hatte man in der Erhöhung der Auflage eine allzugrosse Zurückhaltung beobachtet, sodass zur Befriedigung späterer Bedürfnisse nur ein sehr bescheidener Stock zurückblieb. Von da an suchte man diesen Fehler zu vermeiden. Nachdem schon das dritte Heft von Band X in 550 Exemplaren gedruckt worden war, bemass man die Auflage von Band XI an auf 600, von Band XIII an auf 700 und von Band XIV bis Band XX auf 800 Exemplare. Die Hefte wurden von Band XI an etwas dünner gehalten, sodass sich von da an die Bände nur noch ungefähr über ein Biennium erstreckten. — Indem sie minderwichtiges, was die Sitzungen bringen, über- gehen, emanzipieren sich die „Verhandlungen“ von Anfang an etwas mehr von den Protokollen als die „Berichte“. Im übrigen schliessen sie sich zunächst noch sehr nahe an das Vorbild der letztern an, Die noch immer grösstenteils kurzen Mitteilungen sind nach wie vor in jedem Heft nach Disziplinen zusammengestellt und bei jeder wird das Datum des mündlichen Vortrages angemerkt. Allmählig vollzieht sich dann aber eine Wandlung im Charakter der Publi- kation. Schon im dritten Bande sind die Sitzungsdaten nicht mehr konsequent beigefügt. Zwischen die kleinen Mitteilungen, deren Zahl abnimmt, schalten sich sehr umfangreiche ein. Seit Einfüh- rung des neuen Modus der Drucklegung (Band VII) musste selbst- verständlich auf die Gruppierung des Stoffes nach Disziplinen ver- zichtet werden. Die kleinen Notizen treten von da an ganz zu- rück, die Publikation wird zu einer Sammlung grösserer Abhand- lungen, gibt aber nur noch ein lückenhaftes Bild der in den Sit- zungen sich abspielenden Tätigkeit. So haben z. B. während der achtziger und neunziger Jahre einige Vertreter der Chemie und der Botanik die „Verhandlungen“ gar nie oder nur sehr aus- nahmsweise als Publikationsstelle benützt. Dagegen passen sich diese von Band VII an dadurch wieder etwas mehr ihrem Namen 90 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. an, dass sie unter dem Titel „Chronik der Gesellschaft“ ein fort- laufendes Verzeichnis der gehaltenen Vorträge bringen. Ein bei den Beratungen von 1882 gemachter Vorschlag einlässlichere Sit- zungsberichte zu veröffentlichen, beliebte nicht. Dieselbe An- regung ist auch 1901 wieder vorgebracht worden, hat aber auch damals keinen Beifall gefunden. Für unsere Schwestergesellschaften in Bern und in Zürich, deren Mitgliedschaft zum Teil über einen grossen Kanton zerstreut ist, mag sich eine solche Berichterstattung empfehlen; in Basel wäre sie, so wurde mit Recht eingewendet, eine unnütze Raumverschwendung. Eine wichtige Neuerung, welche die Verhandlungen brachten, waren die Illustrationen. Schon der erste Band enthält vier litho- graphische Tafeln, später werden dieselben häufiger und gelegent- lich luxuriöser; allmählich tauchen auch Textfiguren auf. Anfangs wurden die Illustrationen aus der Gesellschaftskasse bestritten, weder der Verleger noch der Autor hatte daran beizutragen. Später, namentlich in den letzten Jahrzehnten, als seit Einführung der neuen Reproduktionsverfahren die Illustrationsbegehren zahl- reicher wurden, sah sich die Gesellschaft ausserstande die Kosten zu tragen; die Autoren mussten selbst dafür einstehen oder sich mit einem Zuschuss aus der Gesellschaftskasse begnügen. 1898 wurde zwar, auf Antrag des damaligen Sekretärs, Carl VonderMühll, be- schlossen, künftig auf diese Brandschatzung der Autoren zu ver- zichten; die Verhältnisse nötigten aber bald zum alten Modus zurück- zukehren. Während der Periode von 1896 bis 1910, in welcher die Bände -11—20 erschienen, reichten die Mittel bei weitem nicht hin, um die Publikationskosten zu decken; ganz in der Stille ist in diesen Jahren auch reichlich ein Drittel der Druckkosten von einzelnen opferwilligen Mitgliedern gedeckt worden. Diese Zustände nötisten die Gesellschaft im Jahre 1911 zu jenen oben erwähnten Reformen in ihrem Finanzhaushalt, welche es ihr ermöglichten fortan die Druckkosten wieder ganz zu bestreiten und die Illustration reichlicher zu gestalten. Kurz vorher, 1910, war eine wesentliche Umgestaltung der „Verhandlungen“ gutgeheissen worden. Schon seit längerer Zeit hatte die Ausstattung derselben zu allerlei Aussetzungen Anlass gegeben. Das Format war für Tafeln, sogar für Textfiguren etwas klein. Das Papier eignete sich nicht zur Reproduktion der getönten Dlichés, die sich in der wissenschaftlichen Literatur so rasch ein- gebürgert haben. Auch das System, die Publikation in Heften, welche mit einem provisorischen Titelblatt versehen waren und dann nachher zu dreien in einen Band zusammengefasst wurden, erscheinen zu lassen, hatte seine Nachteile; beim Binden wurden V. Publikationen. 91 die provisorischen Titelblätter meistens beseitigt und der Benützer zitierte dann die Abhandlungen mit der, in vielen Fällen unrich- tigen, Jahreszahl des Gresamttitels.%) Die bisher erschienene Serie wurde daher mit Band XX abge- schlossen und diesem Bande ein Generalindex der Bände I— XX beigegeben.°?) Als Ganzes betrachtet stellt diese erste Serie der Verhand- lungen, trotz allen ihr anhaftenden Spuren der erwähnten Hemm- nisse, eine ehrenvolle Leistung dar. Manche darin enthaltene Abhandlungen haben hervorragende Bedeutung erlangt; einzelne hervorzuheben, wäre ein gewagtes Unternehmen. In den fünf ersten Bänden dominiert noch Schönbein. Neben ihm und Peter Merian tritt namentlich Rütimeyer hervor. Stark beteiligt sind ferner Albrecht Müller, Eduard Hagenbach, Friedrich Goppelsræder, Fritz Burck- hardt, dann Hermann Christ, Wilhelm His, Hermann Kinkelin, Simon Schwendener, Victor Gillieron, von Band VI an Fritz Müller, später Julius Kollmann, Albert Riggenbach, Georg Kahlbaum, Andreas Gutzwiller u. a. Im ganzen haben nahezu hundert Autoren Beiträge zu den zwanzig Bänden geliefert. Für die neue Serie wählte man einen Satzspiegel von 18:11 cm und ein Papier, das ohne den Leser durch Spiegelung zu belästigen, hinlänglich glatt ist zur guten Wiedergabe von Autotypieclichés. Unter Verzicht auf die bisherige Gliederung in Hefte nahm man in Aussicht, alljährlich auf Anfang Wintersemester einen Band erscheinen zu lassen. Bei jeder Abhandlung sollte das Datum der Einlieferung des Manuskriptes an das Sekretariat angemerkt, zur bequemen Orientierung des Lesers sollte oben an jeder Seite der Titel wiederholt werden. Aus praktischen Gründen wurde davon Um- gang genommen die Serie auch äusserlich, durch die Numerierung oder gar durch eine Veränderung des Titels als eine neue zu be- zeichnen. Die Auflage wurde auf 900 Exemplare erhöht. Der erste Band dieser Serie, Band XXI, konnte den schwei- zerischen Naturforschern bei ihrer Jahresversammlung in Basel im September 1910 als Festgabe überreicht werden. Seitdem haben unsere Mittel bei äusserster Sparsamkeit gerade hingereicht, um die durch denselben vorgezeichnete Linie innezuhalten. Ihrer Ausstattung nach bedeutet diese dritte Serie unseres Gesellschaftsorganes gegenüber der zweiten einen ebenso entschiedenen Fortschritt, wie diese gegen- über der ersten. Die vorgenommenen Verbesserungen haben ihren Effekt auf die arbeitenden Mitglieder nicht verfehlt: der Zudrang ist im Vergleich zu der Zeit der Bände XI—XX stärker und allseitiger geworden. Aber eben darum fängt der disponible Raum an eng zu werden. Könnten wir unsere Bände der Produktions- 92 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. kraft der Mitglieder anpassen, so würden sie, wie der zweite Teil des vorliegenden Jubiläumsbandes zeigt, einen erheblich stärkern Umfang annehmen. Auch sind die Opfer, welche wir den Autoren, die einer ausgiebigeren Illustration bedürfen, zumuten müssen, immer noch zu beträchtlich. Vom Typus der „Berichte“ entfernen sich die neuen „Ver- handlungen“ insofern noch etwas mehr als die alten, als in ihnen der schon früher hin und wieder durchbrochene Grundsatz, dass der Gegenstand der aufzunehmenden Abhandlung in einer münd- lichen Mitteilung behandelt sein müsse, sehr lax gehandhabt wird. Massgehend ist der Wert der Abhandlung an und für sich. Im Interesse der Qualität unseres Tauschverkehrs müssen wir darnach traehten, unsern Tauschgesellschaften eine möglichst gediegene Zeit- schrift zu schicken; diese Rücksicht geht heute allen andern voran. In früherer Zeit hatte die Vorschrift, dass das zu druckende auch vorgetragen werden müsse, dem Präsidenten, der laut Statuten für die ununterbrochene Folge der wissenschaftlichen Vorträge in den Versammlungen zu sorgen hat, gute Dienste geleistet; bei der grossen Mitgliederzahl, welche die Gesellschaft heute hat, kann er dieser Hilfe entbehren. Die Berechtigung des Namens unserer Zeitschrift hat bei dieser Wandlung allerdings weitere Einbusse erlitten. Immerhin wird auch heute noch verlangt, dass die Abhandlungen von Mitgliedern herrühren, oder dass, wenn gelegentlich ein Beitrag eines Nichtmit- gliedes zugelassen wird, wenigstens ein Mitglied mündlich über den- selben referiert. Ein letztes Relict aus der Zeit der Berichte bildet die unsern Bänden vorangestellte Inhaltsübersicht, in welcher der Stoff immer noch nach Fächern gruppiert wird. Diese neueste Umgestaltung der Verhandlungen hat dann, wie oben bemerkt, die Einführung des einjährigen Turnus im ganzen Gesellschaftsbetriebe, an Stelle des seit 1830 bestehenden zwei- jährigen, nach sich gezogen. Seither wird mit der Chronik ein Auszug aus der Jahresrechnung gedruckt, um die Mitglieder mehr an den Sorgen des Vorstandes teilnehmen zu lassen. — Auf die Bedeutung, welche unsere Verhandlungen als Tausch- objekt erlangt haben, ist schon bei Besprechung der Bibliothek hingewiesen worden. Es ist gar nicht abzusehen, wie unsere Uni- versitätsbibliothek den wachsenden Ansprüchen, welche die Ver- treter der naturwissenschaftlichen Disziplinen, an sie stellen müssen, ohne diese Unterstützung auch nur einigermassen gerecht werden könnte. Wir sind hier in Basel mehr auf diesen Tauschverkehr der Kantonalgesellschaft angewiesen als unsere Kollegen in Bern, welche die Bibliothek der schweizerischen naturforschenden Gesell- schaft zur Hand haben und unsere Kollegen in Zürich, denen die V. Publikationen. 93 literarischen Hilfsmittel des eidgenössischen Polytechnikums zu Ge- bote stehen. Diese unsere besondre Lage hat die ablehnende Haltung, welche wir Basler vor zehn Jahren gegenüber dem von der Denkschriftenkommission der schweizerischen Gesellschaft aus- searbeiteten Projekte einer neuen allgemein-schweizerischen Zeit- schrift für kleinere Mitteilungen einnahmen, mitbestimmt. Es stand zu befürchten, die Konkurrenz dieser neuen Unternehmung könnte eine Schädigung der Qualität unserer Verhandlungen und einen Rückgang unseres Tauschverkehres bewirken. — Ausser den zehn Heften „Berichte“ und den „Verhand- lungen“, die jetzt beim achtundzwanzigsten Bande stehen, hat un- sere Gesellschaft nur weniges drucken lassen: 1867 die erwähnte Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum und im gleichen Jahre die Festrede, welche Fritz Burckhardt bei diesem Anlasse hielt; ferner 1884 die bei der Bernoulli- und bei der Eulerfeier, 1899 die bei der Schönbeinfeier gehaltenen Vorträge, 1901 einen Vortrag von F. Burckhardt über Tycho Brahe, welche aber durchweg An- hänge zu den gerade laufenden Bänden der Verhandlungen (VII, XII, XIII) bilden und nicht als selbständige Publikationen zu betrachten sind. Die zwei Bände „Gesammelte kleine Schriften von Ludwig Rütimeyer, Basel, Georg & Cie. 1898, welche 1901 sämtlichen Tauschgesellschaften zugesandt wurden, sind nicht von der Gesellschaft herausgegeben, sondern ihr von dem herausgebenden Consortium zur Verfügung gestellt worden. Der „Führer zu den Ex- kursionen der deutschen geologischen Gesellschaft im Südlichen Schwarzwald, im Jura und in den Alpen, zusammengestellt von ©. Schmidt, A. Buxtorf und H. Preiswerk. Basel, E. Birkhäuser, 1907“, der den Teilnehmern an der Basler Versammlung der ge- nannten Gesellschaft im Namen der unsrigen überreicht wurde, ist von den hiesigen Freunden der Geologie bestritten worden. Unsere Schwestergesellschaften in Genf und in Zürich haben auf publizistischem Gebiete erheblich mehr geleistet als wir. Die Genfer Société de Physique gibt, wie schon erwähnt, seit 1829 Mé- moires in 4° heraus und ausserdem seit 1884 ein Bulletin; neben ihr besteht in Genf seit 1853 auch noch das Institut national, das gleichfalls M&moires und ein Bulletin publiziert. Die Vierteljahrs- schrift der Zürcher Gesellschaft hat unsere Verhandlungen an Zahl und Umfang der Bände um ein Beträchtliches überholt. Noch we- niger konnten wir mit der hiesigen historischen Gesellschaft kon- kurrieren, die in der beneidenswerten Lage gewesen ist, neben ihrer Zeitschrift im Laufe der Jahre eine ganze Reihe reich ausge- statteter Spezialwerke herauszugeben. Die Knappheit unserer Mittel hat zu allen Zeiten jeden Gedanken an solche Nebenunterneh- 94 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. mungen ausgeschlossen. So hat sich z. B. die Gesellschaft im Winter 1886—7 genötigt gesehen, ein sehr verlockendes Anerbieten der Stockholmer Akademie auszuschlagen. Nach jahrzehntelanger Verschollenheit war in Stockholm die Korrespondenz Johannes I. Bernoulli wieder aufgefunden worden. Die Akademie anerbot sich, sie der hiesigen Universitätsbibliothek zu überlassen, wenn die Naturforschende Gesellschaft für die Drucklesung derselben Sorge tragen wolle. Eine mit der Prüfung der Angelegenheit betraute Spezialkommission kam zu dem Schlusse, dass ein solches Unternehmen die Kräfte unserer Gesellschaft weit übersteigen würde und beantragte Verzicht.”°) VI. Schluss. Fassen wir den gewaltigen Strom, zu dem sich die Natur- wissenschaften im neunzehnten Jahrhundert entwickelt haben, in seinem ganzen Umfange ins Auge, so erscheint das Bächlein, das ihm durch die Basler Naturforschende Gesellschaft zugeflossen ist, bei aller Bedeutung einzelner Leistungen, als ein sehr beschei- denes. Aber alle gewissenhafte Arbeit im Gebiete der Erfahrungs- wissenschaften geniesst des unschätzbaren Vorzugs, dass sie an ihrem Ort und zu ihrem Teil mithilft an dem grossen Bau der Erkenntnis; was selbst kein „Ganzes“ zu werden vermag, hat hier die tröstliche Aussicht, sich „als dienendes Glied“ an ein Ganzes anschliessen zu können. Und wenn wir zurückblicken auf den kleinen Anfang, der dank den Bemühungen Daniel Hubers vor hundert Jahren zustande kam, so dürfen wir doch mit Genugtuung konstatieren, dass in der Tat „etwas Grösseres und Nutzbares aus dem Kleinen hervor- gegangen ist“, wie es der Stifter unserer Gesellschaft in jenem Briefe an Wyttenbach vom 9. April 1817 gehofft hatte. Zu welch’ integrierendem Element ein Bildungsleben unserer Stadt die naturforschende Gesellschaft geworden ist, wird uns am deutlichsten, wenn wir versuchen, sie uns aus demselben wegzu- denken! Vor allem bildet sie eine unentbehrliche Ergänzung der Uni- versität in ihrer Eigenschaft als Pflegestätte naturwissenschaftlicher Forschung; sie ist das Forum, dem die Forscher die Ergebnisse ihrer Studien vorlegen, der Mittelpunkt, in dem die verschiedenen VI. Schluss. 95 Disziplinen miteinander in Fühlung treten. Durch die literarischen Hilfsmittel, die sie angehäuft hat, durch die Publikationsgelegenheit, die sie in ihrer Zeitschrift bietet, hat sie die in einem kleinen Staatswesen, wie dem unsrigen, notwendigerweise etwas knappe staatliche Fürsorge für die Forschungstätigkeit aufs wirksamste ergänzt; und durch diese materiellen Leistungen sowohl, als durch die Anregung, welche ihre Sitzungen bieten, hat sie das ihre dazu beigetragen, dass die hiesige Naturforscherschaft sich längst nicht mehr ausschliesslich aus dem Lehrkörper der Universität rekrutiert. Indem sie von vorneherein ihre Pforten weit öffnete, ist sie zu einem der Bindeglieder geworden, welche die Bürgerschaft mit der Hochschule verbinden und in ihr den Sinn für ideale Bestrebungen lebendig erhalten. Wenn das Programm unserer Gesellschaft sich etwas enger gestaltet hat als dasjenige einiger ihrer Schwestergesellschaften, so liest dies an den lokalen Verhältnissen. Die Zürcher und die Berner Gesellschaft haben einen botanischen Garten und ein natur- historisches Museum angelegt und lange Jahre unterhalten; die erstere hat überdies eine Instrumentensammlung und eine Stern- warte begründet.°’) In der Universitätsstadt Basel fielen solche Unternehmungen naturgemäss in den Tätigkeitsbereich der Uni- versität; unsere Gesellschaft konnte sich nur die Aufgabe stellen, die Anstalten nach Massgabe ihrer bescheidenen Mittel zu unter- stützen und seitdem andre, dazu besser ausgerüstete Instanzen, die Akademische Gesellschaft und der Freiwillige Museumsverein, sich dieser Fürsorge widmeten, durfte sie im Interesse ihrer sonstigen Aufgaben füglich auf dieselbe verzichten. Noch zeitiger hat sie ihren ursprünglichen Vorsatz sich auch mit der „Anwendung der naturwissenschaftlichen Kenntnisse auf das praktische Leben überhaupt sowohl als auch ganz besonders auf den Nutzen des Vaterlandes“ zu befassen, aufgegeben. Ge- sellschaften ihrer Art, welche sich solche Ziele vorsetzen, sehen sich bald genötigt, einige wenige, durch ihre Kenntnisse vorzugs- weise dazu berufene Mitglieder in ihrem Namen handeln zu lassen. Der sachliche Sinn unserer Vorläufer hat aus dieser Erfahrung rasch die Konsequenz gezogen und den Programmpunkt gestrichen. Jene vorzugsweise berufenen unter unsern Mitgliedern haben ihr Wissen und Können privatim jederzeit bereitwillig in den Dienst der Praxis und des Vaterlandes gestellt, die Geologen haben bei Tunnelbauten, Salz- und Kohlenbohrungen, Wasserversorgungen mitgewirkt, die Chemiker sind den Behörden in Fragen der Hygiene, der Lebensmittelkontrolle, der Beleuchtung an die Hand gegangen und haben einen wesentlichen Anteil an dem Aufschwung der in 96 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. unserer Stadt zu so grosser Bedeutung gelangten chemischen In- dustrie gehabt und die Physiker haben den Anwendungen der Elektrizität die grösste Aufmerksamkeit gewidmet, Der schweizerischen Muttergesellschaft, die ihr einst ihre ersten Schritte erleichtert hatte, ist unsere Basler Gesellschaft eine treue Tochter gewesen. Nach einem etwas bescheidenen Anfang ist das Kontingent, welches die Basler zu derselben stellen, allmählich reichlich zu dem Umfange angewachsen, der proportionalerweise von unserm Kantone erwartet werden darf. An den wissenschaft- lichen Verhandlungen der Jahresversammlungen haben sich viele Basler Mitglieder beteiligt und an der stillen Arbeit, welche jahr- aus jahrein in den zahlreichen Kommissionen geleistet wird, haben wohl wenige so anhaltend und erfolgreich mitgewirkt, wie Peter Merian, Ludwig Rütimeyer und Eduard Hagenbach, um nur Dahin- geschiedene zu nennen.'") Zweimal hat die Leitung der Mutter- gesellschaft während einer sechsjährigen Periode in den Händen eines Basler Zentralkomitees gelegen. Sind die Ziele unserer Gesellschaft in der Hauptsache die- selben geblieben, die sie vor hundert Jahren waren, so ist doch im einzelnen unsere heutige Aufgabe eine wesentlich andere als die Daniel Hubers und seiner Genossen. Mit den Schwierigkeiten, die sie zu überwinden hatten, brauchen wir nicht mehr zu kämpfen; dafür lastet auf uns die Verantwortung, ein reiches Erbe unver- kürzt den kommenden Generationen zu überliefern. Was uns beim Blick in die Zukunft am ehesten etwa beun- ruhigen kann, sind die nachteiligen Wirkungen der immer zu- nehmenden Spezialisierung der Forschungsrichtungen, die sich in unserer Gesellschaft so gut wie in jeder andern von analoger Struktur geltend machen. Ein Uebelstand sind sie gewiss, aber durchaus ver- kehrt wäre es, aus ihnen den Schluss zu ziehen, es sei an der Zeit, auseinanderzugehen und sich in kleinere und engere Zirkel abzuschliessen. Die Fächer müssen miteinander in Berührung bleiben und vielleicht ist es gerade eine künftige Aufgabe unserer Gesellschaft, nach einer wirksameren Gestaltung dieses Kontaktes zu suchen. Mögen unsere Nachfolger mit derselben Anerkennung unserer Leistungen gedenken können, mit der wir uns beim hundertjährigen Jubiläum der Männer erinnern, deren Andenken diese Blätter ge- widmet sind. VI. Schluss. 97 Das Protokoll der Sitzung vom 20. Januar 1864 bemerkt: „Professor Schönbein beantragt, ein photographisches Album der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft anzulegen, was für unsere Nachfolger von Interesse sein möchte. Wird mit ansehn- lichem Mehr genehmigt.“ Allein die Ausführung des Beschlusses liess auf sich warten, denn am 27. Februar 1867 „schlägt Professor Schönbein zu wiederholtem Male vor, die photographischen Por- träts der Mitglieder in ein Album zu vereinigen“. Der Sekretär wird beauftragt, die Anschaffung des Albums zu besorgen und die eingehenden Photographien entgegenzunehmen. Aber es scheint auch diesmal bei dem löblichen Vorsatze geblieben zu sein. Um das vor einem halben Jahrhundert Versäumte wenigstens teilweise nachzuholen, sind diesem Rückblick die Bilder einiger der verdientesten Mitglieder beigegeben worden. Leider waren wir in unserer Auswahl, die wir gerne reicher gestaltet hätten, durch äussere Umstände beschränkt. !°') Anmerkungen. T. 1) Ueber die Geschichte der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft und der Zürcher, Berner, Genfer, Aargauer Kantonalgesellschaften informieren : Centennaire de la société helvétique des sciences naturelles. Neue Denkschriften der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft, Band L, 1915. — Fer- dinand Rudio, Die naturforschende Gesellschaft in Zürich 1746—1896. Viertel- jahrsschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich XLI, 1896. — J. H. Graf, Die Naturforschende Gesellschaft in Bern vom 18. Dez, 1786 bis 18. Dez. 1886. Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahre 1886. 1887. — A. H. Wartmann, Coup d’œil rétrospectif sur le premier siècle d’exi- stence de la société de physique et d’histoire naturelle de Genève. Mémoires de la société de physique etc. Volume supplémentaire 1890. — A. Hartmann, Geschichte der aargauischen Naturforschenden Gesellschaft etc. Mitteilungen der aargauischen N. G., Heft XII, 1911. — Ueber die Gründung der waadt- ländischen Gesellschaft siehe: R. Mallet, Sur la date de la fondation de la société vaudoise des sciences naturelles. Bulletin de la soc. vaud. se. n. No. 186. 1915. 2) Ais Quellen für den vorliegenden Rückblick haben in erster Linie das Archiv und die Publikationen der Gesellschaft gedient; unter letzteren vor allem die »Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Basel während der ersten fünfzig Jahre ihres Bestehens« von Peter Merian in der Festschrift zum fünfzigjährigen Jubiläum, 1867; ferner gelegentlich das Archiv des Naturhisto- rischen Museums und der handschriftliche Nachlass Peter Merians. Durch Mitteilung einzelner Daten haben mich die HH. Dr. August Burckhardt, Dr, C. Chr. Bernoulli, Prof. J. Schneider, M. Knapp, Prof. Felix Stähelin, Prof. H. Rupe, Dr. Carl Stehlin verpflichtet, denen ich hiemit meinen verbindlichsten Dank ausspreche. Andre Angaben sind A. Teichmann, Programm zur Rectorats- feier 1885, entnommen, 3) Für alles was die medizinische Fakultät und deren Lehrer betrifft sei auf die vortreffliche Darstellung von Prof. Albrecht Burckhardt »Geschichte der medizinischen Fakultät zu Basel 1460—1900«, Basel, F. Reinhardt, 1917 ver- wiesen. 4) Societas physico-medica. — Peter Merian, Geschichte der natur- forschenden Gesellschaft in Basel während der ersten fünfzig Jahre ihres Be- stehens. Festschrift, herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Basel zur Feier des fünzigjährigen Bestehens 1867. — Fritz Burckhardt, Ueber die physikalischen Arbeiten der Societas physica helvetica 1751—1787. Fest- rede, gehalten bei der Feier des fünfzigjährigen Bestehens der Naturf. Ges. in Basel. 1867. Anmerkungen. 99 5) Samuel Wyttenbach und Henri Albert Gosse. — R. Wolf, Bio- graphien zur Kulturgeschichte der Schweiz Band I, 1858 und Band II, 1859. — La Fondation de la société hélvétique des sciences naturelles en 1815. Cor- respondance de Henri Albert Gosse et de Samuel Wyttenbach 1809—1815. Ge- neve 1915. 6) Daniel Huber. — P. Merian in Verhandl. der Schweiz. Naturf. Ges. in S. Gallen 1830 (1831). — R. Wolf 1. c. I, 1858. — Ueber seine kartographische Tätigkeit: J. H. Graf in Mitteilungen der Naturf, Ges. in Bern 1903; F. Burck- hardt, diese Verhandlungen XV p. 334. — Ueber seine meteorologischen Beob- achtungen: A. Riggenbach, Die Geschichte der meteorologischen Beobachtungen in Basel, 1892. 7) Carl Friedrich Hagenbach. — F. Meisner, Bericht über die Ver- handlungen der Naturf. Ges. in Basel IX p. 57. — Albrecht Burckhardt 1. c. passim. — Fritz Burckhardt, Geschichte der botanischen Anstalt in Basel, diese Verhandlungen XVIIL — A. Binz, Die Erforschung unserer Flora seit Bauhin s Zeiten bis zur Gegenwart, ibid, XIll. — A. Binz, Die Herbarien der botanischen Anstalt in Basel, ibid. XIX. 8) Christoph Bernoulli. — Fritz Burckhardt in Zeitschrift für schwei- zerische Statistik, 34. Jahrgang 1898 (Auf dem Separatabzug ist irrtümlicher- weise »33. Jahrgang« angegeben). 9) Daniel Wolleb. — A. Binz, Die Herbarien 1. c.; A. Riggenbach, Die Geschichte der meteorolog. Beobachtungen in Basel 1892. 10) Ludwig Falkner. — Wissenschaftliche Zeitschrift, herausgegeben von Lehrern der Basler Hochschule II, 3, 1824 p. 149 (Rezension). 11) Ludwig Mieg. — F. Meisner in Bericht über die Verhandlungen der Naturf. Ges. in Basel X, 1852, p. 163. 2) Daniel Bernoulli. — Abschiedsrede und Personalien von Herrn D. B. med. Dr., gewesener Domprobsteischaffner, an seine Hinterlassenen. Ge- druckt bei Niclaus Müller sel. Witwe in Basel, 1834. 13) Wilhelm Haas. — Verhandlungen der Schweizerischen Naturf. Ges. 1838, p. 240. 14) Hieronymus Bernoulli. — Verhandlungen der Schweizerischen Naturf. Ges. 1830, p. 89. :5) Heussler’sche und Dienast-Linder’sche Sammlungen. — A. Müller, diese Verhandlungen IV, pag. 97. IE 16) Bei der Abfassung dieses Abschnittes hatte ich mich an einigen Stellen der Mitarbeit der Herren Professoren Fritz Fichter, August Hagenbach und Gustav Senn zu erfreuen; ihre Beiträge sind durch Initialen in Klammern kennt- iehegemacht (E. RE. ; A. H.; GS); 17) Die ersten Statuten sind abgedruckt bei Peter Merian 1867 1. c. (s. Anm. 4). 18) Rudolf Hanhart. — Th. Burckhardt-Biedermann, Geschichte des Gymnasiums zu Basel. Basel 1889, p. 215. 19) Der Name »Naturwissenschaftliches«e Museum wurde gewählt, weil die Anstalt auch das physikalisch-chemische Institut mitumfasste. Nachdem die Verwaltung des letztern durch das Universitätsgesetz von 1866 abgetrennt wor- den war, nahm das Museum den Namen »Naturhistorisches Museum« an. 20) s. F. Burckhardt in »Die Eröffnungsfeier des Bernoullianums in Basel 2. Juni 1874« 100 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 21) Der »Vorschlag« von 1821 ist abgedruckt bei Peter Merian 1867 1. c. (s. Anm. 4). 22) Eröffnungsrede der siebenten Jahresversammlung der allgem. schwei- zerischen Gesellschaft für gesamte Naturwissenschaften; gehalten in Basel 23. Heumonat 1821 von ihrem dermaligen Vorsteher Daniel Huber, Professor der Mathematik und Bibliothekar. Basel 1821, — Naturwissenschaftlicher An- zeiger der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesamten Natur- wissenschaften, herausgegeben von Fr. Meisner. Fünfter Jahrgang, 1823. p. 9. — Bibliothèque universelle XVII, 1821 p. 325. 2) Peter Merian. — L. Rütimeyer, Programm zur Rektoratsfeier der Uni- versität Basel 1883 (mit Beitrag von A. Riggenbach über Merian’s meteorologische Tätigkeit). — Anonymus (Fritz Burckhardt?) in Basler Nachrichten 1883, 10. und 11. Februar. — Albrecht Müller in Verhandlungen der Schweiz. Naturf. Ges. 1883. — Hermann Christ im Basler Jahrbuch für 1892. — A. Riggenbach 1892 (s. Anm. 2). — Die Angabe Rütimeyers, P. Merian habe seine wissenschaft- liche Korrespondenz zerstört, ist glücklicherweise irrig; Merians handschrift- licher Nachlass enthält einige hundert von Fachgenossen an ihn gerichtete Briefe. Der dritte der drei bei Rütimeyer abgedruckten Briefe von P. Merian an B. Studer ist nicht vom 18. August 1832, sondern vom gleichen Tage des Jahres 1877 datiert. 24) Rudolf Merian, der jüngere Bruder von Peter Merian. — Verhand- lungen der Schweiz. Naturf. Gesellschaft 1872 (1873) p. 359. 25) Christoph Staehelin. — Geb. 1804, in den dreissiger Jahren Fabri- kant, seit 1848 Dozent für Physik, 1853 kurze Zeit Ordinarius dieses Faches, + 1870. [ 26) Carl Gustav Jung. — W. His in Gedenkschrift zur Eröffnung des Vesalianums etc. 1885. 27) Eduard Hagenbach-Geigy. — Verhandlungen der Schweiz. Naturf. Gesellschaft 1843, p. 235. — Carl Friedrich Hagenbach hatte vier Söhne: 1. Carl Rudolf 1801-1874. Professor der Theologie, Vater von Prof. Eduard Hagenbach-Bischoff; 2. Jacob 1802—1825, Entomologe, Konservator am Reichs- museum in Leyden (s. Anm. 32); 3. Fritz 1804— 1900, Apotheker, Vater von Prof. Fritz Hagenbach-Berri; 4. Eduard 1807—1843, der obige, Vater von Prof. Eduard Hagenbach-Burckhardt. 28) Friedrich Meisner. — F. B. (Fritz Burckhardt?) in Verhandlungen der Schweiz. Naturf. Ges. 1874, pag. 187. — E. Wunschmann in Allgemeine deutsche Biographie XXI, p. 246. 29) Friedrich Fischer. — Prantl in Allgemeine deutsche Biographie VII, 66. 30) Diesem Medizinischen Verein übertrug die Naturforschende Gesellschaft 1840 die Beantwortung des Fragebogens, welchen eine von der schweizerischen Gesellschaft im selben Jahre ernannte »Kommission zur Aufnahme einer Sta- tistik des Cretinismus in der Schweiz« an die sämtlichen Kantonalgesellschaften richtete. Ein Auszug aus der Antwort des Vereins steht im fünften Heft der »Berichte« p. 245. i 31) J. J. Bernoulli. — L. Rütimeyer, diese Verhandlungen X, p. 844. 32) Jakob Hagenbach. — M. Lutz, Moderne Biographien 1826, p. 384. — Vergl. Anm. 27 und Rütimeyer an der in Anm. 33 zitierten Stelle. 3) Ludwig Imhoff. — L. Rütimeyer, diese Verhandlungen V, p. 353. 3) Johannes Roeper. — E. Wunschmann in Allgemeine deutsche Bio- graphie XXIX, p. 149. Anmerkungen. 101 35) Ch. Fr. Schönbein. — G. W. A. Kahlbaum und Ed. Schaer, Christian Friedrich Schönbein 1799—1868. Monographien aus der Geschichte der Chemie IV. und VI. Heft 1900 und 1901. — Ed. Hagenbach, Chr. Fr. Schönbein, Pro- eramm für die Rektoratsfeier 1868. — Ferner: P. Merian, diese Verhandlungen V, p. 341; Kahlbaum in Basler Jahrbuch 1900, sowie die Reden bei der Schönbein- Feier, diese Verhandlungen XII, Anhang. 3) Die Statuten von 1830 sind wieder abgedruckt bei Peter Merian 1867 l. e. (s. Anm. 4). 37) Peter Merian schrieb 1880 an Alexander Ecker, als dieser seine Bio- graphie Okens (Lorenz Oken, Stuttgart 1880) verfasste: »Okens Vorlesungen waren ziemlich zahlreich besucht. Der einen über Naturphilosophie habe ich selbst beigewohnt, aber nicht zu meiner Befriedigung, denn es kamen, gelinde gesagt, höchst abenteuerliche Aufstellungen zum Vorschein. Die zweite Vor- lesung, über Naturgeschichte, habe ich nicht besucht. Als junger, eben erst angestellter Professor sass ich noch nicht in der Behörde, sprach mich aber privatim lebhaft gegen Okens Anstellung aus.« Rektor Hanhart urteilte milder: »Auch der Naturforscher Oken hat hier für seine Vorlesungen über Naturge- schichte vor einer grossen Versammlung die verdiente Anerkennung gefunden.« (Wissenschaftliche Zeitschrift etc. I, 2,1823, p. 136.) Das Protokoll vom 22. Jan. 1822 bemerkt: »H. Prof. Oken beehrt die Gesellschaft mit seinem Besuche.« 38) s. M. Knapp, Julius Robert Meyer zum Gedächtnis. Diese Verhandlungen BES p 1. 39) Die späteren Besetzungen des Vorstandes sind aus Beilage 4 zu ersehen. 40) Verhandlungen der Schweizerischen Naturf. Ges. 1838. — Basler Zeitung 1838 Nr. 163—166. 41) Friedrich Miescher-His. — Moritz Roth, Zur Erinnerung an Herrn Professor F. M.-H. Basel 1887. 42) Alexander Ecker. — Badische Biographien ed. Weech IV, p. 97. 43) Carl Bruch. — Geb. 1819 in Mainz, 1847 Dozent in Heidelberg, 1850 bis 1855 in Basel, dann in Giessen; + 1884. 4) Albrecht Müller. — L. Rütimeyer, diese Verhandlungen IX, 409. — C. Sch. (Carl Schmidt) in Verh. der Schweiz. Naturf. Ges. 1890, p. 247. 45) Christoph Burckhardt. — Geb. 1810, Dr. med., seit 1849 Mitglied der Kommission zum naturwissenschaftlichen Museum, 7 1875. 46) Rudolf Preiswerk. — Meisner, Bericht über die Verhandlungen der Naturf. Ges. in Basel V, 165. 47) Alfred Frey. — Geb. 1819 in Aarau, 1854—60 Dozent für Botanik in Basel, 7 1874 in Knutwyl (Kanton Luzern). 48) Rudolf Sulger und Georg Hoffmann. — Samuel Preiswerk in Jahresbericht der Sektion Basel des S.A.C. pro 1913. 49) Die Naturforschende Gesellschaft in Basel. Basel, Druck von Otto Stuckert, 1858. (Anonym.) 50) Photographische Reproduktion des Schattenspiels auf der öffentlichen Bibliothek. — Die übrigen dargestellten sind die Professoren De Wette, Gerlach, Piechioni, Heitz, Windscheid, Brömmel, die in akademischen Kreisen viel ver- : kehrende Charlotte Kestner und der Pedell Scholer. 51) Festschrift zur Einweihung des Museums in Basel am 26. November 1849. Basel, Schweighauser’sche Universitätsdruckerei. 52) Verhandlungen der Schweizerischen Naturf, Ges. 1856. — Basler Zeitung 1856, Nr. 200 —204. 53) Ludwig Rütimeyer. — »Ungeordnete Rückblicke auf den der Wissen- schaft gewidmeten Teil meines Lebens« in »Gesammelte kleine Schriften von 102 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. L. Rütimeyer, Basel, H. Georg & Cie., 1898, I.« — Ferner: C. Schmidt in Verh. der Schweiz. Naturf. Gesellschaft 1895, p. 213; R. Burckhardt in Allgemeine Schweizerzeitung 1895, Nr. 281—283; W. His im Anatomischen Anzeiger 1896; L. E. Iselin im Basler Jahrbuch für 1897. 54) Wilhelm His-Vischer. — J. Kollmann. diese Verhandlungen XV, p. 434. — R. Burckhardt, Korrespondenzblatt für Schweizer Aerzte 1901, Nr. 13. 55) Christoph Aeby. — W. His in Korrespondenzblatt für Schweizer Aerzte XV, 1885. 56) Fritz Burckhardt. — M. Knapp, diese Verhandlungen XXV, p. 244, — F. Schneider, Verhandlungen der Schweiz. Naturf. Ges. 1914, Nekr. p. 1. — G. Imhof in Basler Jahrbuch für 1914. 57) Gustav Wiedemann. — Eduard Hagenbach in Naturwissenschaftliche Rundschau XIV, 1899 Nr. 24, p. 307. 58) Johann Carl Friedrich Zoellner. — Robert Knott in Allgemeine deutsche Biographie XLV, p. 426. 5) Eduard Hagenbach-Bischoff. — H. Veillon, diese Verhandlungen XXII, p. 46. — H. Veillon und F. A. Forel, Verhandl. der Schweiz. Naturf. Ges. 1911, Nekr. p. 1. — F. Zschokke, Basler Jahrbuch 1917. 60) Hermann Kinkelin. — Fäh, Schärtlin und Flatt, Verhandlungen der Schweiz, Naturf. Ges. 1913, Nekr. p. 34. — R. Flatt, Basler Jahrbuch 1914. 61) S. Samuel Preiswerk an der Anm. 48 zitierten Stelle. 62) Vergl. Anm. 4. 63) In Erwiderung dieser Aufmerksamkeiten ist der »historisch-antiquarischen Gesellschaft«e — wie sich die historische Gesellschaft seit ihrer Vereinigung mit der antiquarischen nennt — 1886 zu ihrem fünfzigjährigen Jubiläum das erste Heft von Band VIII unserer Verhandlungen gewidmet worden. — Als nachträg- lichen Festgruss hat Wilhelm Wackernagel 1869 unserer Gesellschaft die zweite Auflage seiner Studie »Voces variae animantium. Ein Beitrag zur Naturkunde und zur Geschichte der Sprache« (Basel, C. Detloff) zugeeignet. Er ist daraufhin zum Ehrenmitgliede ernannt worden. 64) Victor Gillieron. — Ed. Greppin in Verhandl. der Schweiz. Naturf. Ges. 1890, p. 234. 65) Jean Baptiste Greppin. — V. Gillieron in Verhandl. der Schweiz. Naturf. Ges. 1882, p. 74. 66) Andreas Bischoff-Ehinger. — L. Rütimeyer, diese Verhandlungen VI, p. 549. 67) Friedrich Miescher-Rüsch. — A. Jaquet, diese Verhandlungen XI, p. 399. — W. His in »Die histo-chemischen und physiologischen Arbeiten von Friedrich Miescher, gesammelt und herausgegeben von seinen Freunden«. Band I, Leipzig 1897. 68) Verhandlungen der Schweiz. Naturf. Ges. 1876. — Basler Nachrichten 1876, Nr. 198—202;, Allgemeine Schweizer-Zeitung 1876, Nr. 200—201; Schweizer Grenzpost 1876, Nr. 198—201; Schweizer Volksfreund 1876, Nr. 199—200, 203. 69) Ein einziges Mitglied hat bis jetzt der Gesellschaft noch länger ange- hört, nämlich der Anm. 21 erwähnte Stadtrat Fritz Hagenbach-Merian, der 1829 eingetreten und 1900 gestorben ist. 70) Georg W. A. Kahlbaum. — Ed. Hagenbach, diese Verhandlungen XVII, p. 379. — F. Fichter, Verhandl. der Schweiz. Naturf. Ges. 1905, Nekr. p. XLVI. 71) Fritz Müller. — L. Rütimeyer und Th. Lotz, diese Verhandlungen XI, p. 259. 2) Karl Vonder Mühll. — M. Knapp, diese Verhandlungen XXI, p. 1. Anmerkungen. 103 7) Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 1892. — Der Basler Gesellschaft wurde bei Anlass ihres 75jährigen Jubiläums von ihrem damaligen Sekretär A. Riggenbach die in Anmerkung 6 zitierte Schrift gewidmet. 4) Die Statuten von 1894 sind abgedruckt in Band X dieser Verhand- lungen. 75) A. Gessler, Christian Friedrich Schönbein. Ein Festspiel zu seinem hundertsten Geburtstage. Basler Jahrbuch 1900. 76) Die Statuten von 1908 und 1914 sind nur separat gedruckt worden. T1) Pierre Chappuis. — A. Hagenbach, diese Verhandlungen XX VII, p. 87. 78) Rudolf Burckhardt. — G. Imhof, diese Verhandlungen XX, p. 1. 79) Carl Passavant. — A. Gönner, diese Verhandlungen VIII, 537. 80) Im Adressbuch der Stadt Basel für 1917 sind verzeichnet: Entomologen- verein Basel und Umgebung, gegründet 1904; Gesellschaft »Aquarium« Basel, gegründet 1909; Tier- und Naturfreunde Basel, gegründet 1889. 8) Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft 1910. 1m. 82) S. Rudio I. c. (Anm. 1) p. 31. 8) Auf den einladenden Boten scheint man schon bald nach Beginn der zwanziger Jahre verzichtet zu haben. Mitte der dreissiger Jahre waren gedruckte Einladungsformulare in Kartenform in Gebrauch, welche wahrscheinlich vom Sekretär ausgefüllt wurden; denjenigen Mitgliedern, welche es wünschten, wurden solche auch nach Einführung der Zeitungsinserate noch zugestellt. Von 1838 an wurde in der Basler Zeitung, von 1846 an auch im Intelligenzblatt inseriert usf. Die jetzt üblichen gedruckten Einladungskarten sind 1898, neben den Inse- raten, eingeführt worden. 8) s. A. Binz, Die Herbarien der botanischen Anstalt in Basel, diese Ver- handlungen XIX, p. 141, 155. 85) Der »kurze Bericht über den Zustand der öffentlichen naturwissenschaft- lichen Sammlungen in Basel« im ersten Heft der »Berichte« 1835 enthält auch Abschnitte über die botanische Anstalt und über das »Anatomische Museum: Die in der Folge abgedruckten Geschenklisten beziehen sich nur auf das »Natur- wissenschaftliche Museum«, von 1866 an auf das »Naturhistorische Museum« (vergl. Anm. 19), aber bis 1877 mit Einschluss der Naturwissenschaftlichen Bibliothek. Eine Notiz über die Verlegung des botanischen Gartens vor das Aeschentor ist in Heft V der Berichte p. 266 enthalten. Spätere Berichte über die anatomische Sammlung stehen in Band X (p. 34) und XX (p. 180) der Ver- handlungen, solche über die — seither grössernteils mit dem Naturhistorischen Museum vereinigte — vergleichend-anatomische Sammlung in Band VII (p. 234) und Band X (p. 486). 8) Da der Umfang dieser Sammlungsberichte ständig zunahm, sah sich die Gesellschaft 1911, im Interesse der wissenschaftlichen Abhandlungen, ver- anlasst, den Raum, welchen sie den Museumsdirektionen unentgeltlich zur Ver- fügung stellt, auf 11/2 Bogen pro Jahr zu limitieren. Ausser den Jahresberichten sind übrigens auch einige Kataloge des Naturhistorischen Museums in die Ver- handlungen aufgenommen worden: 1. Katalog der herpetologischen Sammlung, Band VI, mit acht Nachträgen, Band VII—VII, X, XIII; Verzeichnis der Origi- nalien der geologischen Sammlungen, Band XV: Katalog der osteologischen Sammlung, recente Abteilung, Band XXIV. 87) P. Merian, Bericht über die Verhandlungen, Heft 1, p. 74. 104 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 88) A. H. Wartmann LI. c. (s. Anm. 1) p. 13. 89) Statistische Zusammenstellungen über den Zuwachs der Bibliothek. — Bericht über die Verhandlungen etc. 1. p. 74 (1835). — Fest- schrift zur Einweihung des Museums in Basel p, 12 (1849). — Diese Verhand- lungen IV, p. 608 (1866) und VI, p. 214 (1873). %) Verzeichnisse der Tauschgesellschaften. — Diese Verhand- lungen VII (1885), VIII (1890), IX (1893), X (1894), XI (1897), XII (1900), XV (1904), XXII (1911). 91) Herstellung und Drucklegung des Verzeichnisses sind von Fräulein Dr. R. Eglinger unter Anleitung von Herrn Oberbibliothekar C. Chr. Bernoulli besorgt worden. Beiden sei für ihre Mühewaltung bestens gedankt. IV. 9%) Herrn Oberbibliothekar C. Chr. Bernoulli spreche für den freundlichen Beistand, den er mir bei Abfassung dieses Abschnittes geleistet, Herrn Prof. G. Braun für den Beitrag, den er mir zu demselben geliefert hat, meinen verbind- lichsten Dank aus. Ne 93) Obwohl nicht in die Geschichte unserer Gesellschaft gehörig verdienen die Bemühungen Daniel Hubers um die Wiederaufnahme der Acta helvetica und um die Begründung der Denkschriften hier erwähnt zu werden. — Mit der So- cietas physica wollte Huber 1815 auch deren Acta wieder ins Leben rufen. Allerdings hatte er dabei das Bedenken sein Plan könnte ähnliche Absichten der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft durchkreuzen. Dieser Kon- kurrenz zu machen wünschte er durchaus nicht; aus seinem Briefwechsel mit Wyttenbach geht vielmehr hervor, dass es ihm sehr willkommen gewesen wäre, wenn die schweizerische Gesellschaft die Weiterführung der Acta auf ihr eigenes Programm genommen hätte. Nachdem dann der Versuch die Societas physica wieder herzustellen gescheitert war und die schweizerische Gesellschaft in Zürich beschlossen hatte eine neue Sammlung von Abhandlungen herauszugeben — womit Huber ganz einverstanden war — schienen die Acta definitiv begraben. Allein die schweizerische Gesellschaft zögerte den Zürcher Beschluss zur Aus- führung zu bringen, ein Jahresvorstand schob die heikle Aufgabe dem andern zu. Als es Huber selbst, während seines Präsidiums 1821, auch nicht gelungen war den Stein ins Rollen zu bringen, kam er auf den Gedanken eine Fortsetzung der Acta auf eigene Rechnung und Gefahr zu unternehmen und solange fortzu- setzen bis die von der schweizerischen Gesellschaft geplante Zeitschrift im Falle wäre sie abzulösen. August Wieland, der damalige. Inhaber der Schweig- hauser’schen Buchhandlung, welche den letzten Band der Acta gedruckt hatte, machte ihm eine annehmbare Druckofferte, verschiedene schweizerische Fach- genossen, denen er seinen Plan vorlegte, bezeugten ihm ihr Interesse an dem- selben, schliesslich aber verlief sich die Sache im Sande, wie es scheint in- folge Stoffmangels. An der Berner Versammlung 1822, der er nicht beiwohnen konnte, drang Huber dann nochmals schriftlich auf beförderliche Anhandnahme der Denkschriften und erreichte wenigstens soviel, dass eine Kommission zum näheren Studium der Angelegenheit bestellt wurde. Energisch betrieben wurde die Sache aber erst von dem 1826 eingesetzten Generalsekretariat in Zürich. Der erste Band der Denkschriften ist schliesslich in Hubers Todesjahr 1829 er- schienen. i 9) In den siebzehnhundertsechziger Jahren hatte die Zürcher Gesellschaft drei Bände Abhandlungen publiziert. Seit 1799 gibt sie alljährlich ein Neu- Anmerkungen. 105 jahrsblatt heraus. — Zu der Zeit da in Basel die »Berichte« begründet wur- den, versuchten in Zürich zwei private Unternehmungen ihr Glück, die sich aber beide nicht lange zu halten vermochten: die »Schweizerische Zeitschrift für Natur- und Heilkunde, herausgegeben von Chr. Fr. von Pommer« (1834 bis 1841) und die »Mitteilungen aus dem Gebiet der theoretischen Erkunde, heraus- gegeben von Julius Froebel und Oswald Heer« (1834 — 1836). %) Siehe Beilage 5. — Da das letzte Heft der\ Berichte erst am 21. Sep- tember 1853 unter die Mitglieder verteilt worden ist, krägt es wahrscheinlich die Jahreszahl 1852 zu Unrecht. %) In Beilage 5 sind Publikationsjahr und Ausdehnung der einzelnen Hefte von Band I—XX der Verhandlungen angegeben. 97) Ein Namensverzeichnis und Sachregister der Bände VI—-XII der Ver- handlungen war schon Band XII beigegeben worden. %) Protokolle vom 3. November 1886 und 29. Juni 1887. VI. 99) Rudio IL. c. und Graf 1. c (s. Anm. 1). 100) Peter Merian ist von 1836 bis 1880 Mitglied und seit 1849 Präsident der Denkschriftenkommission, von 1859 bis zu seinem Tode 1883 Mitglied der geologischen Kommission gewesen. Ausserdem hat er in verschiedenen Kom- missionen von kürzerem Bestand mitgewirkt, u. a. in der topographischen Kom- mission, welche die Herstellung der Dufourkarte in die Wege geleitet hat und in der ersten meteorologischen Kommission (1827—32). — Rütimeyer und Hagenbach haben beide dem 1867 ernannten Gletscherkollegium und nachher bis zu ihrem Tode der Gletscherkommission angehört; Rütimeyer hat das erstere von 1882 bis 1893 präsidiert, Hagenbach die letztere von 1893 bis 1910. Rüti- meyer ist ferner von 1880 bis 1895 Mitglied der Denkschriftenkommission, von 1875 bis 1895 Mitglied der Kommission für die Schläflistiftung gewesen, Hagen- bach von 1878 bis 1895 Mitglied der Erdbebenkommission, von 1895 bis 1908 der Denkschriftenkommission, von 1875 bis 1881 der meteorologischen Kom- mission und hat später auch noch der aus dieser hervorgegangenen Aufsichts- kommission der Meteorologischen Zentralanstalt angehört. 101) Das Porträt Daniel Hubers ist die Reproduktion einer, wahrscheinlich als Vorstudie zu dem Ölbild in der Aula entstandenen, Zeichnung, welcher eine im Besitz der Familie befindliche Miniatur aus dem Jahre 1805 zugrunde liegt. Dasjenige Christoph Bernoulli’s ist die Wiedergabe des Ölbildes von C. Hitz in der Aula, dasjenige Peter Merian’s die eines, im Besitz seines Enkels, Professor Rudolf Thurneysen in Bonn, befindlichen, nicht signierten kleinen Ölbildes aus dem Anfang der zwanziger Jahre. Die Vorlage zu dem Bild von Roeper, das aus dem Jahre 1846 stammt, ist mir von dessen Tochter, Fräulein Sophie Roeper, auf freundliche Verwendung von Herrn Prof. P. Falkenberg in Rostock, gütigst zur Verfügung gestellt worden. Das wiedergegebene Bild von Schönbein wurde seinerzeit im Auftrag von Prof. Kahlbaum von Herru F. Kraus nach der kleinen, in der Stellung sehr lebendigen, Büste von Breikle aus dem Jahre 1855 unter Mitbenützung verschiedener Photographien gezeichnet. (Vergl. The letters of Faraday and Schönbein ed. Kahlbaum and Darbishire 1899.) Die übrigen Por- träts sind teils der Meyer’schen Porträtsammlung auf der öffentlichen Bibliothek entnommen, teils von hiesigen Angehörigen der dargestellten zur Verfügung ge- stellt worden. Allen, die mir bei der Zusammenstellung der Bilder behilflich gewesen sind, spreche ich meinen wärmsten Dank aus. F. P, > 2 . 2 À VEREINE FAURE EE D | - : à » > TREE u ? APS Û te VOTRE 5 CHROME Cartier EE RE EE y = ll 4 PAS f A 3 ; r 1 CT AC) FANS wi “ > { % EL TRAD COTES 3 . 2 Vas PER FC KLEE, Bun 4 = (RES 1 f je EM 1 v d' + © + Ft , À ; = 7 2 . + 4 ? 4 Nr . Q N pi ji f 2 si Beilagen. Beilage 1. Mitgliederbewegung der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 1817—1917. jo en ine Jah eier en 1815 — | CU lege 138 — Jan. 1817| 22 ln 1880 — | 60,550 Ende 1817| 24 2 1885 131 -- 1827 36 N 1888 — | 69,809 1835 44 | 21,219 | 1889 199 — 1837 55 — 1897 206 — 1840 | 98 = 1900 231 | 109,169 1843 102 = 1902 238 = 1847 96 | 25,787 | 1904 246 — 1850 — |} ala ame 235 — 1851 88 = 1908 229 _ 1857. 104 = 1910 DU 132,000 1860 106 | 37,915 | 1912 334 = 1863 | 119 _ 1914 354 — 1867 128 = 1915 351 — 1870 =) en || 10e 361 = 1873 126 APN union 387 — Beilage 2. Ehrenmitglieder und Korrespondierende Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 1830 — 1917. Ehrenmitglieder. 1833—1917. (Die noch lebenden sind mit einem * bezeichnet.) Ernannt l.. Herr:Merian, Fr., Pfarrer, Basel. 2.0222 7722 27831838 2. 25:3 Buckland Ne Dr Oxford 2 LS 3 0.0. Dannel Ier Brort london 27 722777721833 4, =, Herschel, 2 W@Baronet, Slouch2 220 Frag DR Bhilipps, IR. Brors Kondone 2 27 re 6. , Wheatstone, Ch., eo, Bondon te 1839 TO OREUS SAP MER Staatsrat A ständiger Été él k. Eee der Wissenschaften, St. Fo 1843 Sn 2, Russ Ne Bros StyBetersbure er 1843 SD Qumımos lan, London DR lo 10. ,„ Schattenmann, H., Mean rchsmeil 1851 22, RüppelL Ed Dr Terme à, M4 VERS 12. , von Pettenkofer, Max, Prof München e02.227751860 SN Kubimann, Hr Er, Babrikant, Aile RE IS CA 14. , Sainte Claire-Deville, Henri, Prof, Paris. . . 1865 las, Wackernagel, We. Brot, Basel 7 rn er RES GS 216 SE Schwendener, S,, Pro® Berlin 12 rel (ordentliches Mitglied seit 1867) 17. „ Agassiz, Alexandre, Museumsdirektor, Cambridge Mass. . 1880 LS" Günther, Albert, Kon on am Bi nee, Lonélon . ? 1880 2, 5 0 Dutinone Karl Dh, mal, ochdahl D Düsseldorf 1895 COS nr Enaler Rare Of Karlsruhe ee LO) 21/0 Sache Eduard, Prof. Strassburg =: 1899 #22. „ Coaz, Johann, Dr, allgem. Ohsnbretunnatios Fe Re en... 1005 27. 228. 2). “al Ehrenmitglieder und Korrespondierende Mitglieder 23. Herr de Loriol, Percival, Palaeontologe, Genf *24, 225. 26. Schweinfurth, G., Prof., Berlin von Hedin, Sven, Dr., Stockholm Burckhardt, Fritz, Prof., Basel (ordentliches Mitglied seit 1853) Brunner-von Wattenwyl, Karl, Dr., Wien Major, C. J. Forsyth, Dr., Bastia (Corsica) (korrespondierendes Mitglied seit 1880) Lochmann, J. J., Oberst, Lausanne Studer, Theophil, Brot. Tran . Aus (korrespondierendes Mitglied seit 1900) Korrespondierende Mitglieder. 1830—1917. (Die noch lebenden sind mit einem * bezeichnet.) Buff, Heinrich, Dr. phil, Giessen Mowath, Dr. med., England h Wydler, Heinrich, Dr. med., Bern Hanhart, Rudolf, Dimer Caehuane, OR) : (ordentliches Mitglied ei 1818) Ryhiner, Friedrich, Dr. med., Amerika (ordentliches Mitglied seit 1830) Brunner, Karl, Prof, Bern . . à Frei- He Dodo, Oberst, Nasa Schinz, der Prof., Zürich À Studer, Berne dl rot Bern Vogt, Heinrich, Schwetzingen . Agassiz, Louis, Prof, Neuenburg Braun, Alexander, Prof., Karlsruhe . Brongniart, Adolphe, Prof., Paris Dunal, Felix, Prof., Montpellier . de Jussieu, Adrien, Prof., Paris Mirbel, Prof, ae ; Mohl, Emo, Prof. Tuer se zalchne Fr. Bra, Prof., Re he de la Rive, Aug., Prof. Genf É Dettwiler, Dr. med., less Ba aan) . Graham, Thomas, Bra Glasgow Faraday, Michael, Brei, London. Shuttleworth, “dk R, Bon 109 Ernannt 1904 1908 1909 1910 1915 1913 1916 1916 1830 1830 1830 1531 1835 1835 1835 1855 1835 1835 1836 1836 1836 1836 1836 1836 1836 1836 1836 1836 1836 1836 1836 110 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 24. Herr Roeper, Joh., Prof., Rostock 25. 26. (ordentliches Mitglied seit 1826) Breschet, Prof. med., Paris Kunze, Cle En, Leipzig Martius, C. F. Ph., Prof., München . Meyer, Ernst, Prof., Königsberg . Plieninger, Th. Pr El Stuttgart . 3 von Sean, ID), F. I Bro Halle A Elizalde, Jose, Dr. med., Cadiz ‚von Scandort Sen or Sohweizerhall Daeublin, Nikolaus, Efringen Mougeot, Dr. med., Bruyeres Ducrotay de Blainville, Henri Marie, Bo, Ben Loewig, K. J., Prof., Zürich a von Pommer, Po, Zürich . Gurlt, J. G. Brei Berlin . Theses, Élooms Bra Brot“ Stuttgart . Schoenlein, J. K., art, Berlin Risso, G. A., Prof, ae Tschudi, Ad., Dr., Glarus . Bider, Dr. med., Langenbruck Matt, J. J., Dr. med., Bubendorf Brayley, E. W., London . Cooper, Thomas, Esq., London Everitt, Thomas, Esq., London Grove, W. R., London Ta: Melson, J. B., Dr., Birmingham Mohr, K. F., Dr. phil., Koblenz . Wenns F##Londont ner Ryhiner, Carl, Mechaniker, St. EG s Alison) Delessert, Adolphe, Paris sue Grassiot, Esq., London Colin. Bird, Dr., London . Im Thurn, E. Tierarzt, Saber (ordlemiliches Mitglied seit 1837) Kettiger, Joh., Sohn inspalkton, Liestal . (ordentliches Mitglied seit 1837) Bovet, Charles, onen (Neuenburg) Riis, Andreas, Missionar an der een Groldküste . Sn ROME N A 'Wölftlin, J. J., schweizerischer Konsul, Mexiko . Valentin, G. G., Prof., Bern Ernannt 1836 1837 1838 1838 1838 1838 1838 1838 1838 1838 1838 1838 1838 1838 1838 1839 1859 1859 1839 1859 1839 1839 1839 1839 1859 1839 1339 1839 1839 1839 1859 1839 1839 1839 1840 1840 1840 1841 Korrespondierende Mitglieder. 62. Herr Meyer, Philipp, Apotheker, Batavia . 63. 64. 65. 66. 67. Meyer, Emanuel, Dr. med., Batavia . Streckeisen, Carl, Dr. med., Batavia (ordentliches Mitglied seit 1837) Streckeisen, Eduard, Meiringen (ordentliches Mitglied seit 1839) Schenkel, Daniel, Pfarrer, Schaffhausen (ordentliches. Mitglied seit 1839) Blume, Karl L., Dr. med., Direktor des Reichs- eben Leiden Müller, Salomon, Prof., Theiden : à Schlegel, Hermann, ne Lenin. Temmink, Conrad, Museumsdirektor, Leim . Beinanch C. G. ©. Prof., Leiden von Siebold, P. F., Prof., Leiden . Respinger, Carl, Havannah. . . Miescher, Friedrich, Prof., Bern . (ordentliches Mitglied seit 1837) von Siebold, ©. Th., Prof., Freiburg 1. Br. Stannius, Hermann, Prof, Rostock . Koch, Heinrich, von Zürich, Triest . Perrey, Alexis, Prof., Dion : Koechlin- Seh In kenn. Joseph, Namen Ecker, Alexander, ai, Freiburg i. Br. (ordentliches Mitglied. seit 1844) Thurmann, J., Prof., Pruntrut Mulsant, E., Bibliothekar, Lyon . Haeussler, Rudolf, Dr., Lenzburg Fischer, J. G, Homburg Schrötter, A., Prof., Wien. Drew, Dr., Southampton Gacogne, Alphonse, Lyon Bruch, Oarl, Professor, Giessen (ordentliches Mitglied seit 1850) Cornaz, Edouard, Dr. med., Neuenburg Coulon, Louis, Museumsdirektor, Neuenburg . Desor, Edouard, Prof., Neuenburg Mayer, J. Robert, Dr. med., Heilbronn Kerner, Dr. phil, Frankfurt a. M. Zimmer, Fabrikant, Frankfurt a. M. Dana, James D., Prof. New-Haven Hall, James, Staatsgeolog, New-Vork 111 Ernannt 1841 1841 1841 1841 1841 1842 1842 1842 1842 1842 1842 1843 1844 1836 1846 1847 1848 1848 1850 1851 1851 1852 1852 1853 1854 1854 1855 1856 1856 1856 1858 1858 1858 1860 1860 112 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft, 97. Herr Sillimann, B. (Vater), Prof., New-Haven. 98. 99. 100. 10 102. 103. 104. 105. 106. LO 108. 109. 110. NT 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 1009; 120. 112319 122. 123. 124. 125. 126, = 112%. 128. 129. 150. 151. 132. *133. 154. 135. 156. Joule, J. P., Manchester Darius, A,, Ingénieur en chef des sa, Paris lohnen W. P., Prof., Strassburg Bolley, P. A., Prof. Zürich er Reinsch, Paul, Bernier, Therwil . Aebi, han, Prof., Bern EN mE (ordentliches Mitglied seit 1858) Wiedemann, Gustav, Prof., Braunschweig (ordentliches Mitglied seit 1854) Blum, Reinhard, Prof., Heidelberg Des Cloiseaux, A., Prof., Paris . Krayer, Adolf, Shanghai Runge, F. F., Dr., Berlin. . Euler, Carl, Bon Valle raie) von Dane Georg, Ritter, Wien . Joy, Charles A. Prof. Ne Toni 3 Eichler, Aug. Wilh., Dr., München Scheurer-Kestner, A., Chemiker, Thann . Dufour, L, Prof., Lausanne . ; Eisenlohr, W,, Bro Karlsruhe . . Escher von de mi Arnold, Prof. Zurich Frickart, K., Rektor, Zofingen Heer, Dave Prof., Zürich . Lens, Franz, Prof., Solothurn Siegfried, J., Zürich Wolf, R., ae. AICHORE Güntert, IK, Salinendirektor, henareklen Müller, W., Apotheker, Rheinfelden nen C., Pfarrer, Rheinfelden . : De Bary-Schlumberger, Emil, Gebweiler . Sandberger, Fridolin, Prof, Würzburg Müller, Albert, Entomologe, London . Jeitteles, L. H., Prof., Salzburg Lortet, Louis, Museumsdirektor, Lyon Ziegler, J. M., Cartograph, Winterthur Bernoulli, Fritz, Bergrat, Berlin Favre, Ernest, Geologe, Genf Capellini, Giovanni, Prof., Bologna Bachmann, Isidor, Prof., Bern Benecke, E., Prof., Strassburg Forel, F. A., Prof., Morges . Ernannt 1860 1860 1861 1861 1861 1862 1863 1863 1864 1864 1864 1865 1865 1865 1865 1866 1866 1867 1867 1867 1867 1867 1867 1867 1867 1867 1867 1867 1867 1868 1868 1870 1872 1873 1874 1875 1875 1880 1880 1880 137. Herr Grad, Charles, Logelbach (Elsass) . "11808 139. 140. “141. 142. 145. 144. 145. 146. MAT. 148. 149. 150. Ho. 152. *153. *154. Korrespondierende Mitglieder. roh Paul, Prof., Strassburg de Loriol, PE ll Baleo alien, Con. Mae I (Où En. Gene Major O5 dl He Dr. med. Bora Mousson, Albert, Prof., Zürich . Plantamour, Emile, ho Genf. vom Rath, Gerhard, Prof., Bonn Renevier, Eugene, Prof., Lausanne Soret, Louis, Prof., Sa. ; à von Tschermak, Suse, Pro, Wien Hirsch, A., Prof, Nee nl len, Robe Direktor de Meteor. Zen a anstalt, Zürich 5 à Schild, Joseph, Arzt, So . A: Basen, Bernhard, De med., Deli (Sumatra) Mühlberg, Fritz, es Eau pes Göldi, Emil, diesel eu Parà asien) Boulenser, G. A., Konservator am British Mu- seum, London . . Büttikofer, Joh., Diakon des Zoolos. Gartens, RU ua v. Fellenberg, Dénrl Dr. ah, Den ROLE Rae Pan N ie von Mechel, Anton, Indragiri (Sumatra) . Meyer, A. B., Geheimer Hofrat, Dresden Steinmann, Gustav, Prof., Freiburg i. Br. Studer, Theophil, Prof., Bern |, re Black, P. G., Sidney N- S-Wales die Davis Major des Congo- Sein, Stanley-Falls . . REN HIER Heierli, Jakob, Dr. ht, Dich Iselin, sen K., Pfarrer, Rien Mieg, Malen neuen Oberthür, Charles, Rennes IE Strebel, Hermann, Dr. phil, Hamburg David, J. J., Dr. phil., Egypten Meyer He Gagny (Seine et De Abderhalden, Emil, Prof., Halle ; Deecke., W., Eau, Freiburg 1. Br. Choffat, Paul, Dr. phil., Lissabon Schardt, Hans, Prof., Zürich 115 Ernannt 1880 1830 1880 1880 1880 1880 1880 1880 1880 1880 1880 1881 1887 1888 1892 1893 1399 1900 1900 1900 1900 1900 1900 1900 1900 1905 1903 1903 1903 1903 1903 1903 1906 1908 1909 1912 1915 1913 8 114 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Beilage 3. Ordentliche Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in 26. 21. 28. 2 Basel im Jahre 1917. (Abgeschlossen auf den Tag der Jubiläumsfeier 23. Juni 1917.) Herr Alioth-Merian, Sigismund . Frl. Alioth- Sade Adrian. Alioth-VonderMühll, Manfred, D. phil, Chante Anneler, Ernst, Chemiker Bally, W.. Drsphilaesee RER Bamberger, Heinrich, Dr. Hi, Ohne Banderet, Emil, Dr. OL, Lehrer . Bassalik., K., Dr. phil. Bauer, Chile RR REN Baumberser, Ernst, Dr. Bun oral Baumer, K., Loire . i ERS Beck, Theodor, Dr. phil., Chemiker 5 Becker, Viktor, Dr. phil, Chemiker Bernoulli Aueust ADDED Er0 EN ENST Bernoulli-Leupold, Walter, Dr. phil, Chemiker Bernoulli, Walter, Dr. phil., Geologe . Besson, A., Dr. phil., Chemiker Bider- ain Ma Dr Ame de à Bieberbach, L., Dr. DL. Pro Dana 5 Bienz, Aimé, D. phil, Lehrer AR Bigler, Walter, Dr. phil., Lehrer . Bing, Robert, Dr med. . AN, Binz-Müller, August, Dr. hl, Wehrer Birkhäuser, el De nie JON ! Bitterli- Tage, S,, Ingenieur, reden 3 Bloch, Alfred, Nuaıhelken i L N Bloc, Bruno, Dr. med., Professor, Zürich à Bloch, Hedwig, Dr. med. . Bose, Marie 30. Elan Böniger, Melchior, Dr. hl, Chemiker . Ernannt 1917 TON 1900 1876 1915 1911 1908 1917 1916 1900 1912 IT 1909 1912 1912 1909 1914 1910 1913 1892 1915 1906 1896 1910 1910 1909 1903 1914 1911 1917 Ordentliche Mitglieder im Jahre 1917. 31. Herr Bollinger-Heitz, Gottfr., Dr. phil., Lehrer Bottlinger, K., Ingr. . . Brändlin, Emil, Dr. phil. . Brack-Schneider, J., Chemiker Braun, G., Dr. phil., Professor . Breitenstein, Albert, Dr. med. . . Brenner, Wilh., Dr. phil., Lehrer . Brunies, Stephan, Dr. phil., Lehrer Bucherer, Emil, Dr. phil., Lehrer . Buchmann, Ernst, Dr. med. . . Buchmann-Schardt, Chr., Direktor . Bürgin-Turner, Emil, Ingr. Bürki, Fritz, cand. phil. . . v. Bunge, G., Dr. med., Prof. Burckhardt, an ID, phil. Brrothende eedeun Alle, Die nmel, met Burckhardt- étaient F2Drs que ere Burckhardt, Gottlieb, Dr. phil., Lehrer . Burckhardt, Jean Louis, Dr. med. Burckhardt, Karl, Dr. phil. . . Burckhardt-Köchlin, Karl, AR. Burckhardt-Sarasin, Karl . . . Burckhardt-Socin, Otto, Dr. med. Burckhardt- entente Daniel, Dr ‚phil, Buss, Hans, Dr. phil. Öllemiker‘ 4 Buxtorf-Burckhardt, A., Dr. phil. Bo. ù Chappuis, P. A., cand. phil. . NER Christ- de Neufville, R. Christ-Merian, Hans Prof, Christ-Socin, Herm,, Dr. jur. ir eh reihen. Clavel, R., Di phil: Ä Salt, be, Dr. phil, Ühenalken Conzetti, Alfred, Dr. phil., Chemiker . Corning, H.K., Dr. med., Prof. Cornu, Fel., Chemiker, in Vevey . Courvoisier, L., Dr. med., Prof. . . Daneel, Heinrich, Dr. phil, Chemiker David, Adam, D. phil. Dietschy-Fürstenberger, Wilh. Er Disler, C., Dr. phil., Lehrer, hou le Ditisheim, Alfred . U TERM Diekdar Burckhardt, Rich., Dr. al, Ohernken 115 Ernannt 1910 1913 1910 1892 1912 1917 1903 1908 1876 1916 1911 1885 1917 1886 1917 1881 1917 1894 1915 1894 1915 1910 1910 1907 1900 1900 1916 1913 1907 1857 1911 1886 1910 1893 1868 1889 1916 1917 1910 1896 1913 1904 116 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 73. Herr Ebi, F., Dr. phil. 74. 29 Eder, Leo, Dr. phil., Lehrer Egger, Fritz, Dr.med., Prof. | ham Ehinger-Heusler, Helene . . Herr Engelmann, Theodor, Dr. phil., Apotheker Engi, Gadient, Dr. phil, Chemiker . Fellmeth, Hans, Apotheker. Me Fichter- Bemoill, Fritz, Dr. Phi Prof. Fichter- Bono al LE me "'Hiechter, A., Direktor RER: Finckh- Siegwart, J., Dr phil, Sahreiwerhellle Finsler, Georg, V. D. MR Dr phil Flatt, Robert, Dr. phil. Rio sue leitete, Paul Dr. al, Irönlpaiibeiken Flury-Jucker, Samuel, Lehrer. Forcart, Kurt, Dr. med.. . Frey-Brefin, Oskar, Dr. phil., erahnen 5 Fröhlich, Hermann, Dr. phil., Lehrer, Weiher Furger-von Arx, Anton, Tierarzt. Gageur, Rudolf, Dr. phil., Chemiker. Emesen, Anmel, Dr. phil., Chemiker Greiger, Fasienn, Dr. phil., Apotheker, Alles Geiger, Paul, Dr. phil., Apotheker Zur Geigy-Burckhardt, Karl, Ingenieur Geisy.Hagenbach er 2 mE Geigy-Schlumberger, Rud., Dr. phil. A Gremuseus-Passavant, Rud., Brombach i. W. Gemuseus-Schmidlin, Aug., Brombach i. W. . Gigon, Alfred, Dr. med. . Ne . Gisi, Julie, Dr. phil., Lehrerin (nehm, R., Dr. phil., Prof., Zürich . Goedecke, F, Chemiker. . . Be opelnneden, Friedrich, Dr. SL, Ban? Gräter, Eduard, Dr. ab, Lehrer Greppin, Ed., Dr phil., Chemiker ; Griesbach, Et Dre phil. & med., Prof. Dore. dozent, Meree NE DE UN 0 SC: rosa. Eee Drsphrls Oheniken: ion J Grüninger-Zellweger, Robert, Architekt Gruner-Kern, Heinrich E., Ingénieur Guggenheim, M., Dr. ai, Chemiker a Gutzwiller- Gonzenbach, A, Desphilssliehrer Ernannt 1912 1916 1899 1911 1882 1908 Sr 1896 1911 1915 1896 1911 1887 1906 1915 1904 1904 1908 1910 1916 1916 1897 1902 1892 1892 1888 1911 1911 1910 1909 1887 1914 1859 1917 1885 1883 1900 1915 1916 1914 1876 Ordentliche Mitglieder im Jahre 1917. 114. Herr Hagenbach, August, Dr.phil., Prof. 115. 116. ENT: 18. 119. 120. 121. 122. 123. 124. 125. Hagenbach, Eduard, Dr. phil, Chemiker Hagenbach-Burckhardt, Karl, Dr. med. Hagenbach-Merian, Ernst, De med. à Hagenbach-Von dr Mühll, ck Dr. pui. Siem, Elallauer Otto, Drsmed. . h Hecke, Erich, D phil., Prof. . Hedinger, FA Dr. med., Prof. . Heinis, Fritz, Dr. phil, Lehrer HelbmetE Dr phil Behren Hennenberger, M., Dr. phil, Lehrer . Henrici, Marguerite, cand. phil. Hertenstein-Kyander, Hch., Dr. ne München. . Heusler, Elisabeth . . . SON ER ° Heusler-Veillon, Rud., Dole Hinden, F., Dr. phil. Chemie Een, Eduard, Reallehrer EN ON, Hindermann-Müller, Emil, Dr. phil., Chemiker His-Astor, hell, Dr. ned Prof, Berlin . His- Sehlımber ger, onen) His-Veillon, Alb. . . . 2 Hockenjos, E., Dr. med,, Det Hößli, H., Dr. med. Zürich er Carl, Dr. med. Hoffmann-Krayer, Ed., Dr. phil, Prof. . Hoffmann-La Roche, F. DUMM Hoffmann-Paravicini, A., Dr, il, HO AW AD re phil ee ee D in Bonne, Hug, Ernst, Dr. phil, Chemiker . Hünziker, Hans, Dr.med. . x I. Jäckle, Alfons, Dr. phil., Chemiker . Janicki, omas, Dr. phil., Chexbres. . . Tamer Foret Alf Dr med, Bro, Roten Jecklin, Lucius, Dr. Bla, aie Jetzer, Max, Dr. phil. éme à Jenny, Fridolin, Dr. phil., Lehrer Imhof, Gottlieb, Dr. phil., Lehrer Immermann, Georg, Dr. med. Im Obersteg, Armin, Dr. jur. . In EP Dr’ med. Lrorse Isler, Max, Dr. phil., Chemiker 117 Ernannt 1907 1888 1592 1904 1898 1896 1916 1909 1916 1915 1911 1917 1910 1911 1910 1910 1912 1898 1902 1910 1910 1910 1915 1905 1910 1909 1909 1915 1909 1916 1911 1900 1911 1888 1904 1909 1887 1916 ol 1913 1912 1917 118 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 156. Herr Kägi, Friedr., Dr. phil., Lehrer 157. 158. 159. KöeıStingelin, ENS ER RENE Kappeler, Hans, Dr. phil, Chemiker Karcher-Biedermann, H., Dr. med. Katz, E., Dr. phil. Apotheker Keller, Hans, DrsphileTehrerses Keller, Herm., Dr. med., Rheinfelden Kesselring-Lang, Ed., Dr. phil., Lehrer Klingelfuss, Fr., Dr. phil., Ingenieur Knapp-Refardt, Martin, Ingenieur. Knapp-Rerardt, Bw 2 20 Knapp, Theophil, Dr. phil., Apotheker . Köochln Honmann Au nme Köchlin, Paul, Dr. phil., Apotheker. Köchlin, Ernst, Dr. jur.. ne Köchlin-Stähelin, Alb. ; Kollmann 5, Drömed,s Bros > Cache, JElsns, Dr, phil., no. Kanon schenken Kreis, Oskar, Dr. med. ie Kron, Rudolf, Ingenieur . E Kubli, L., Dr. phil, alt-Rektor } Labhardt, Alfred, Dr. med., Professor. Labhardt, Hans, Dr. phil., Ludwigshafen Taphardı) ee. k NE r Lang- Vonkilch, Karl, Lane La Roche, Hans, Enromier La Roca, A DES jur. La Roche, René, Dr. phil. . . La Roche-Vonder Mühll, Rob. Laubscher, Armin . . Lebedinsky, N., Dr. phil. mins Er Lenzinger, Eduard, Dr. phil., Lehrer ern, Albert, Dr. Ingenieur. en, Rire Dr. ki, Bezirkslehrer, Diet Léchenbens, EL Zahnarzt . aa Lindenmeyer-Seiler, Fr. . Löffler, Wilhelm, Dr. med. Löw, Rud., Kunstmaler . Loretan-Huguenin, Hermann L’Orsa, Th., Dr. phil., Chemiker . Lotz, Albert, Dr. med. Lotz, Arnold, Dr. med. Ernannt 1892 1396 1910 1896 1909 1911 1889 1917 1892 1896 1916 1897 1915 1888 1917 1911 1879 1893 1912 1917 1899 1910 1899 1914 1911 1917 1899 1909 1909 1915 1917 1916 1910 1891 1910 1892 1912 1912 1910 1915 1903 1890 198. 199. 200. 201. 202. 203. 204. 205. 206. 207. 208. 209. 210. Anl. 212. 213. 214. 215. 216. 2. 218. 219. 220. 221. 222. 223. 224, 229. 226. 227. 228. 229. 230. 231. 232. 233. 234. 235. 236. 237. 238. 239. Ordentliche Mitglieder im Jahre 1917. Herr Lotz, Felix, Ingenieur ” ” Lotz- Honor, Walter, Dr. al, Chemiker Ludwig, E., Dr. med., Prosektor, Riehen . Lüdin, M., "Dr. med. NER. : Lutz- ons, Wälhsege® ET: Mähly-Eglinger, Jakob, Dr. il, Chemise ; Mähly, Paul, Dr. phil., Chemiker Martin, Henri, Drimed Martz, Ernst, Direktor, Licnberz Mascioni, B., Dr. phil., Chemiker Massini, M, Dr. med. PE Massini, Rud., Dr. med.. . Matthies, W., Dr. phil. Pre Matzinger, E. Apotheker sie Mautz, Otto, Dr. phil., Canale Mayer. We, Aion der Spitaldirektion Meidinger, Georg, Ingenieur Menzel, Richard, Dr. phil. . Merian, Rudolf, Arzt. IMerzu klans; Dr-med 44010700: Mettler, Karl, Dr. phil., Chemiker k Metzner, Rud., Dr. med., Prof., Riehen Meyer, Bertram, Dr. phil, Chemiker Meyer-Müller, K., Dr. med. . . . . . Miescher-Steinlin, Paul, Dr. phil, Direktor Monikofer WE candephil. ent 2er Müller-Kober, Achilles, Dr. med. . Müller, Fritz, Dr. phil., Chemiker Müller, Gustav . ARE Müller, Hans, Snncenehe Müller, Robert, cand. phil. . . . h Mer Friedr., Dr. phil., Relenre, ; Mylius, Aaaien Onemilker. SWR: en Mylius, Albert, Dr. phil., Chemiker . Niethammer, Theodor, Dr. phil. Noelting, Emil, Dr. phil. Obermiller, J., Dr. phil. Oes, Ad. Dr “hi, Lehrer. . . Once E., Direktor d. Din ionerkes Oppikofer, ets Dr. med. . sr Oser, Wilhelm, Dr phil. Meier-Hartmann, Fr., Dr. phil, Chem., Monthey 19 Ernannt 1910 1903 1913 1914 1911 1886 1899 1907 1915 1915 1914 1909 1914 1910 1909 1909 1910 1910 1915 1917 1903 1910 1897 1910 1910 1889 1915 1912 1909 1900 1901 1917 1895 1897 1909 1904 1897 1913 1910 1909 1916 1905 120 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Ernannt 240. Herr Oswald-Fleiner, ©., Chemiker. . . . . . . 1900 2A) , + Baltzerl&:N Drphily, Schweizerhalleses en 72721903 242. MN Baravıcımı), MA resheimie ie Ba re 248 9. BPassayant-Allemandı, Damm rs Sp 507 244. „ Paul, Jos, Dr. phil., Chemiker, Rheinfelden. . 1910 2498 Peters, "DEI phily2Chemiker sagen nr rl 246: .,„ . Biccard, Ji Dr&phil,ekrotse er en ler 24400 „ -Blüsse Benjamin, Drsphil. lehrer sure a 248: , Breiswerk-AliothsA, DE Une RERO ae 2492 , "Breiswerk,Hfeinrichy Dr&phil ro Mes 250. ,„ Preiswerk, Paul, Dr. med., Privatdozent . . . 1910 251. Frau Probst- Moser, Louise . . See LION 252. Herr de Daran, 1) Dre, En ALU LES PEN LE) IUT) 2330. Rallard, Aifred, Dr Be Chemie re MELON 294. ,,. Reber, Rritz, Dr med, Arlesheıma zei 2559R 20047. . Retardt aBdean Dr ur PIE er eo 256%, Refard& Sarasın, PAumold@ss 20 2 ee ao 232.3 Remhardt) Ludwis,2Dr2medes ee 258. , Reinhold, Thomas, Dr. phil. u a Zee . 196 2394 MR Ode Die alt SR en Le) 110) 2605 2, pente Burckhardt, A., D D Brofie. 2 MISSN 261. ,„ Riggenbach-Stückelberger, E. ne ee SO 2020000, ‚Ritter Ernst, cand pl er er 2092 BRöchlingy Otto alarm ee 0 264.00, de koeder RL Br I LEA E TURN PRE | ER nef) OT 268. „ Ronus, Mad Dr, pi, Chemiker) nl or. 5221902 266... Ronuss AR. Dh: ae Te RR RERO 267. „ Roux, Jean, De Kohl. ET RAD AU HER el 0 2684. Roth WalhraDrsphilesBerne rer 08) 200 Rubin, Karl Dr. phil, Chemiker, Zara HN TOUS) 270. , Rudin, Ernst, Dr. phil., Chemiker, Rapperswil a. S. 1903 2 OR ütimeyer beop,. Dr.med. Browse. Sum lese 272. „ : Rupe-Hagenbach, Hans, Dr. phil., Prof, . . . 1896 273. „ Sandmeier, Traug, Dr.phil, Chemiker. . . . 1889 274. „ Sarasin- Alioth, Peter: LÉ EMA ERST PDU MS ATASIN, Fritz, Dr. phil. et nait DELETE DAC. Sn ENS Wilhelm aD phıla es ee 2e, =Sarasın-IselnsAlzedee REDE ERRRTUERR.E UE STONE 218. „ Sarasin, Paul Drrphilmet ned re ER a SS DIE , "Samasın- Sc harter, ans, sera I a 280. Sarasin-Vischer, Rud. ae ES eG 281. ran Sarasın Sense hl, Anna FRE ER SER eo Ordentliche Mitglieder im Jahre 1917. 282. Herr Sarasin-VonderMühll, Ernst 283. 284. 285. 286. 287. 288. 289. 290. 291. 292. 293. 294. 295. 296. 297. 298. 299. 300. 301. 302. 303. 304. 308. 306. 307. 308. 309. 310. ala. 312. 313. 314. 315. 316. 317. ‘318. 319. 320. 321. 322. 323. ” ” Sarasin-Warnery, Reinh. Sartorius-Preiswerk, F, . . . . Schaub, Sam., Dr. phil., Lehrer. Schenkel, Ehrenfried, Dr. phil., Lehrer Scheuermann, Beda, Dr. phil., Apotheker . Schlup, Benedikt, Sek.-Lehrer . Schmid-Guisan, H, Dr. med. Schmid, J., Dielen d. Ges. £. onen Industrie, Schmid, Atos 3% Schmidt, Carl, Dr. ak, Prof. Hp Schneider, Felix, Dr. phil. es Dern he Schneider, Gustav . . DATE Schobel, Heinrich, Dr. il. Ghoieer Édhéunens Dr De med. BIT. Schüepp, Otto, Dr. SL, Allschwil . Schulthess-Schulthess, C. O., Zahnarzt . Senn Gruner Otto... m.n Senn, Gustav, Dr. phil., Prof. . Settelen, Otto, Zahnarzt . Siebenmann, Hdi Dr, med., Bof Sieber, Britz) Dr.jur, Sicav, Lies Drdur tt ne Simon, Karl, Dr. phil, Chemiker . Socin, Charles, Dr. med. . Socin, Christoph, Dr. med. . Speiser, Felix, Dr. phil. Speiser, Hans, Photograph . Speiser- ssenlach, Theophil à Speiser-Sarasin, Paul, Dr. jur., Nat. „Rat von Speyr- Be Al, 4 Spiess, Otto, Dr. ah, Prof. Spiess, Paul, Dr. med. . Stähelin-Bischoft, August Stähelin, Marcus, cand. phil. Stähelin, Rud., Dr. med., Prof. Sbalbr sRımuler se Me Stauffacher, Werner, Direktor. Stehlin-von Bavier, Fr., Architekt Stehlin, Carl, Dr. jur. Stehlin, Hans, Dr. phil. . Steiger, Emil, Apotheker 121 Ernannt 1909 1901 1915 1909 1892 1909 1891 1914 1909 1896 1888 1909 1902 1916 1915 1916 1892 1909 1896 1902 1888 1911 1916 1897 1896 1917 1909 1894 LOT 1887 1910 1904 1911 1917 1917 1911 1912 1917 1910 1896 1890 1889 122 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 324. Herr Steinmann, Paul, Dr. phil., Prof., Aarau . 329. 926. 327. 328. 329. 330. 331. 332. 393. 334. 399. 396. 337. 338, 339. 340. ” 7 Frl. Herr Stocker, Robert, Dr. phil., Chemiker Stohler, Hans, De DRE : Semadlı RAD rosée on | Strub, Walter, Dr. phil. Srtoleallbang- -von Breidenbach, Alfr., Die JU Stückelberg, Vicco. . Stursberg, G., Dr. phil, heilen Sulger, maus, Dre Sulger, H., Ingenieur. Suter, Emil, Optiker . Suter, R., De phil. 5 Sinas taken Fritz, Dr. med., rotes: Tamm, Walter, Dr. phil. ë ! . Ternetz, Charlie, Dr. phil. Loc . > Siemens, Ed., Dr. phil. ue Tobler, Aug. Du phil. Diner, Philipp . Trüdinger-Bussinger, Karl, agen . Trümpler, R.. Dr. phil, re Pa. Vaucher, Charles, Chemiker à Veillon, Emanuel, Dr. med., Riehen . Veillon, Henri, Dr. phil, Prof. . . Veraguth, Hans, Dr. phil., Chemiker . Villiger, Emil, Dr. med. . JA Vischer, Adolf, Dr. med. . Vischer- Bot Ernst, Architekt Vischer-Geigy, Paul, Architekt Vischer-Speiser, C. E. He Vischer-Bachofen, Fr., Dr. ing Vischer-Burckhardt, R. Vischer-Iselin, W., Dr. jur. Vischer-VonderMühll, Th. von Vöchting, H., Dr. phil., Prof, Tübingen . Vogelbach, Hans, Dr. med. . . Vogel-Sarasin, Robert, Dr. med. . VonderMühll, Ed., Ingenieur VonderMühll- Kelle, De, IDIE, nil à VonderMühll-Passavant, Dani Dr. med. VonderMühll-Ryhiner, Adolf Wackernagel-Merian, G.. Wagner, Eduard, Dr. phil. . Ernannt 1907 1917 1912 1913 1909 1910 1917 1908 1917 1870 1888 1913 1896 1910 1909 1915 1894 1907 1907 1912 1909 1898 1890 1910 1902 1916 1917 1917 1910 1883 1912 1901 1876 1879 1903 1903 1909 1910 1892 1917 1892 1916 Ordentliche Mitglieder im Jahre 1917. 366. Herr Wagner, R., Dr. phil., Apotheker 367. 368. 369. Walter, Charles, Dr. phil, Lehrer Wehrli, Eugen, Dr. med. Wendnagel, A., Direktor . . . Weth, Rud., Dr. phil., Reallehrer Wetterwald, X., Dr. phil., Reallehrer Wieland, Emil, Dr. med., Prof. Witzig, Paul, Vorlkınsn: zt Wölfflin, E., Dr. med, PE durent Wolff, Chi Dr. nee. Prof. Wolf, Moritz, Dr. phil., Ölhenrilken: St- ok s höne) IWiydlery A, Dr. med. Zaeslin, een, Dr. phil., Oben Zahn- „Geigy, riedeich : Paint Dr SpDhil nee vie ackondhlkt, Hans, Dr. SL Prof. Ze men Ed, Dr. jur. Zimmerlin-Boelger, G. Zinsstag, Adrian, Zahnarzt . . . Zörnig, Heinrich, Dr. phil, Prof. . Zschokke, Friedrich, Dr. phil., Prof. Zschokke, H., Chemiker . 123 Ernannt 1913 1907 1915 1913 1893 1892 1397 1892 1909 1898 1904 1914 1916 1876 1914 1907 1904 1892 1910 1916 1887 1914 = Beilage 4. Beamte der Naturforschenden Präsident Vizepräsident 1817 — 1830 D. Huber D. Wolleb seit 3. Juli 1822 2 P. Merian seit 20. Dez. 1826 5 n 18801832 UC CG" June J. Röper 1832— 1834 J. Röper C. G. Jung 1834— 1836 P. Merian C. G. Jung seit 16. März 1835 " | 1836—1838 | C. Fr. Meisner Chr. Fr. Schönbein 1838— 1840 Chr. Fr. Schönbein F. Miescher (sen.) 1840— 1842 F. Miescher Chr. Fr. Schönbein 1842 —1844 P. Merian F. Fischer 1844—1846 Chr. Fr. Schönbein L. Im Hoff 1846—1848 P. Merian Chr. Fr. Schönbein 1848-—1850 Chr. Fr. Schünbein A. Ecker 1850— 1852 P. Merian Chr. Fr. Schönbein 1852—1854 | Chr. Fr. Schönbein F. Miescher 1854— 1856 P. Merian C. Bruch 1856— 1858 Chr. Fr. Schönbein L. Rütimeyer 1858— 1860 G. Wiedemann Chr. Fr. Schönbein ee | IL. Rütimeyer G. Wiedemann 1862 — 1864 W. His (sen.) L. Rütimeyer 1864 — 1866 L. Rütimeyer W. His (sen.) 1866— 1868 F. Burckhardt Ed. Hagenbach 1868— 1870 Ed. Hagenbach L. Rütimeyer 1870-1872 1872—1874 1874—1876 1876—1878 seit 14. März 1877 1578—1830 S. Schwendener L. Rütimeyer F. Burckhardt S. Schwendener L. Rütimeyer Ed. Hagenbach Ed. Hagenbach S. Schwendener L. Rütimeyer Ed. Hagenbach 18 Bimeldhandi! Gesellschaft in Basel 1817—1917. Sekretär Vizesekretär Chr. Bernoulli L. Imhoff L, Imhoff J. J. Bernoulli CO, F. Meisner Aug. Burckhardt ©. Streckeisen C. Fr. Meisner Chr. Fr. Schönbein Fr. Ryhiner Aug. Burckhardt Fr. Brenner Chr. Burckhardt Chr. Burckhardt L. Imhoff H. Iselin A. Frey Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller: Albr. Müller L. De Wette H. Iselin C. R. Preiswerk Ach. Burckhardt R. Merian (jun.) A. Frey À. Frey K. Bulacher W. His Ed. Hagenbach Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller Albr. Müller H. Christ F. Goppelsroeder F. Burckhardt F. Goppelsroeder F. Goppelsroeder F. Geiger Th, Lotz K. Fischer-Dietschy Nath. Plüss N Benj. Plüss 126 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Präsident Vizepräsident 1880—1882 J. Kollmann H. Vöchting seit 22. Dez. 1880 5 © 1882 — 1884 H. Vöchting Albr. Müller 1884—1886 F. Miescher (jun.) F. Burckhardt 1886— 1888 F. Burckhardt F. Cornu 1888 — 1890 F. Cornu J. Piccard 1890— 1892 C. VonderMühll R. Nietzki 1892 — 1894 A. Gutzwiller F. Zschokke 1894—1896 F. Zschokke C. Schmidt 1896-1898 C. Schmidt P. Sarasin | 1898— 1900 R. Burckhardt Th. Bühler seit 6. Dez. 1899 : P. Sarasin 1900—1902 P. Sarasin R. Burckhardt seit 4. Dez 1901 R. Burckhardt R. Metzner 1902— 1904 R. Metzner P. Chappuis 1904—1906 P. Chappuis A. Fischer 1906—1907 A. Fischer H. G. Stehlin seit20. Dez.1907| P. Sarasin F. Fichter 1908—1910 | F. Fichter H. Veillon 1910—1912 H. Veillon G. Senn seit 1. Nov.1911 n h, 1912--1914 G. Senn H. Rupe 1914—1915 H. Rupe A. Buxtorf 1915—1916 A. Buxtorf F. Sarasin 1916--1917 | EF. Sarasin A. Hagenbach Beamte 1817—1917. Sekretär Vizesekretär Albr. Müller A, Riggenbach A. Riggenbach P. Chappuis A. Riggenbach Nath. Plüss A. Riggenbach Nath. Plüss A. Riggenbach G.W.A. Kahlbaum - A. Riggenbach G.W.A. Kahlbaum A, Riggenbach G.W.A. Kahlbaum A. Riggenbach G.W.A. Kahlbaum I. Sekretär Il. Sekretär Bibliothekar K. VonderMühll H. Veillon G.W.A. Kahlbaum K. VonderMühll H. Veillon G.W.A, Kahlbaum ee de Mobil BL, Vaillos CAN Aron | K. VonderMühll H. Veillon G. W. A. Kahlbaum | K VonderMühll H. Rupe G. W. A. Kahlbaum K. VonderMühll G. Senn G.W.A. Kahlbaum I. Sekretär li. Sekretär K. VonderMühll G. Senn A. Hagenbach H. Zickendraht Sekretär Cassier ; Schriftführer A. Hagenbach G. Zimmerlin H. Zickendraht A. Hagenbach G. Zimmerlin H. Zickendraht " & M. Knapp H. G. Stehlin G. Zimmerlin M. Knapp H. G. Stehlin L. Paravicini M. Knapp H. G. Stehlin L. Paravicini M. Knapp H. G. Stehlin L. Paravicini M. Knapp Beilage 5. Publikationen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 1835-1917. 1. Bericht über die Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. I vom August 1834 bis Juli 1835 . . 1835 IT £ 2 DO nm 1090. 4 +. 1880 JUUE à a 850 e 7 neasu 838 IV ; à 18382 me noce. als) V : a 1840.00, 0,01 1842 else VI 5 = 1842 0 4, u 18442 ger, 18a VII a à 1844. 044, 1840 RE MEN 1840 VIII e & 18100 20 als fen 181) IX > 5 18482 0.200, 21850 75 sa! X E s 80 ae 11002 mit Register zu Heft I-X . . 1852 2. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. EST Seite 1—160 . . . . 1854 2 l6l— 3836... 20.0,02.22.81895 1973 al. 5 1860 ie 1652608. ars ut ıl = IG 5 185 105% lad DAS er TRS D DITANG 41: à: I IT, 4 COR OT ER . 1860 JUDES A s ten 0, also II, 2 CR an 00.8 LOT 3082 09027 62 na llsegezagı 2 I 8 Kr 1084 IV, 2 ei N ee IV Ele erh IV, 4 EN ee. ORT Publikationen 1835— 1917. V, 1 Seite 1—168 . . . . 1868 V, 2 169 = 5680, 1 7171869 V,3 in Bee V, 4 929104 NER VI, 1 a ANG 6 44 1078 VI, 2 » A re IST VI, 3 nt SO 0 00e. MOT VI, 4 mn BO ee re VIL 1 5 260 201882 VII, 2 AA a Lllelen! VIL 3 al 1A... 2,1885 mit Anke Die Basler Mathematiker Daniel Bernoulli und Leonhard Euler. Hundert Jahre nach ihrem Tode gefeiert von der Naturforschenden Gesellschaft 1884 (95 Seiten). VI, Sete ea © MER VII, 2 u ee le VII, 3 ee) DR, 1 a 1 21900 DR ® ee SON 13 ee N le 1 wurde u. 281892 > ale se r21894 3 oo lag Da 1 1 2002.22 1.121895 NS oo 5 11101896 XI, 3 no 8... 4121807 SE Il eg er: XI, 2 + VOD 0. 0 © 100 3 „293.460. 0 0 1000 mit zwei ren 1. Der Basler Chemiker Christ. Friedr. Schönbein. Hundert Jahre nach seiner Geburt gefeiert von der Universität und der Naturforschenden Gesellschaft 1899 (58 Seiten). 2. Namenverzeichnis und Sachregister der Bände 6 bis 12, 1875—1900, der Verhandlungen der Naturfor- schumdien Essalkahaii in Basel von em gW.A.Kahlbaum 1900 (72 Seiten). 129 130 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. RIM, 1 22 ER Seite al 22672. nr Be IXTET 25.2 Were 227 SOS RE TO Di RÉEL") A 4 BRRTENESIL G62 0 0 mit Anhang: Zur Erinnerung an Tycho Brahe 1546-1601. Vortrag, gehalten am 23. Oktober 1901 in der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, 300 Jahre nach dessen Tode, von Fr. Burckhardt. XIV 2 (nicht ine Hefte abreteilt) 72901 Ro Ser Seite Me) à 03 XV, 0 Wer ne oO ade lg XV... a 5 NDS EN RO 07 XVI . . (nicht in Hefte abgeteilt). . . 1903 RIVER A N H Est Bu 1904 ROVER En: Seite 1130... ..221905 ai PUS». 1006 XVIIL 3 465—778 . . . . 1906 DIR ale ee 1 10872 20020 1907 KIN 2: u N ee la XIX 3 nt D ee Us 1000 XX NE AE NE 119411000009 OK D „. 135294 Te 1000 XX, 8 2. 255502 mit Autorenregister der Bände I—-XX 1852 —1910 1910 RE nn RER ee Eko) DOG EN en DO ER". VAPEUR CRT PR SOI RON Ve ee RCE Er ET TOR DOS EN PR nt A ne TOTAL RERIVT UE ME ee RE RO IR) RR VIE, st {RARES ne TO 3. Festschrift, herausgegeben von der Naturforschenden Ge- sellschaft in Basel zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens 1867. Basel, Buchdruckerei von C. Schultze 1867. 4. Ueber die physikalischen Arbeiten der Societas physica helvetica 1751—1787. Festrede, gehalten bei der Feier des fünfzig- jährigen Bestehens der Naturforschenden Gesellschaft in Basel am 4, Mai 1867 von Fritz Burckhardt, d, Z. Präsident der Gesellschaft. Basel, Buchdruckerei von ©. Schultze 1867. Beilage 6. Gesellschaften und Institute, mit welchen die Naturforschende Gesellschaft in Basel im Schriftenaustausch steht. Das nachfolgende Verzeichnis führt die Gesellschaften und Institute, alphabetisch nach Wohnorten geordnet auf, sowie die von denselben ver- öffentlichten Schriften, welche in der Bibliothek unserer Gesellschaft vor- handen sind. Vor den Titeln ist die Bibliotheksnummer beigefügt, unter der das Werk in der Abteilung ‚Nat. Ges.“ zu finden ist. Ein dem Titel voran- gesetztes © bedeutet, dass die Serie Lücken aufweist, ein * vor der Ziffer, dass die Serie zum Teil Eigentum der Universitätsbibliothek ist, ein — am Ende, dass die Serie noch fortläuft. Ausdrücklich sei darauf aufmerksam gemacht, dass das Verzeichnis nicht die gesamte Bibliothek der Naturforschenden Gesellschaft enthält. Aarau. j Aargauische naturforschende Gesellschaft. ı Mitteilungen 1, 1878— 2 Festschrift zur Feier der 500. Sitzung am 13. Juni 1869. Aachen. Meteorologische Station I. Ordnung. 5 Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen 1896 — Abbeville. | Société d’émulation. 8 Mémoires. Série 4, T.5, 1906— 9 Bulletin 1888, 1889. 1903— Agram. Hrvatsko naravoslovno drustvo (Societas historico - naturalis Croatica). 19. Glasnik hrvatskoga naravoslovnoga druztva. 1, 1886— Aguascalientes (Mexico). Redaktion des ,,El Instructor‘. 18 EI Instructor 9, 1892—26, 1910. Albuquerque (New-Mexico; U.S. A). 20 Bulletin of the University of New-Mexico. Vol. 1, 1899. Whole number 41, 1906 — 20a Bulletin of the Hadley Laboratory of the University of N.M. Vol.2, 1900 — 132 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Altenburg. Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes. 15 Mitteilungen aus dem Osterlande. Bd. 18, 19, 1867/69. IN, IL, 1880— | Amiens. Société linneenne du nord de la France. 21 Bulletin. T.1, 1872 — 22 Mémoires. T. 1, 1869— Amsterdam. Koninklijke Akademie van wetenschapen. 27 Verslagen en mededeelingen . . .. Afd. Natuurkunde. 1853-1892. *28 Jaarboek. 1857— Kon. zoologisch Genootschap Natura Artis Magistra. - *31 Bijdragen tot de dierkunde. 7, 1858—9, 1869. 14, 1887— 32 Nederlandsch tijdschrift voor de dierkunde. Jaarg. 1, 1864—5, 1te Lieferg. 1884. Angers. Société d'études scientifiques. ss Bulletin. 11/12, 1881/82 — Annaberg. Annaberg-Buchholzer Verein für Naturkunde. 4 Jahresbericht 1, 1868—7, 1885. Bericht 8, 1886-12, 1909. Ann Arbor (Michigan; U. S. A.). University of Michigan. 45 Annual Report of the Michigan Academy of science. 1, 1900 — 45a Survey, an ecological, in Northern Michigan. 1906. Augsburg. Naturhistorischer Verein; jetzt: Naturwissenschaftl. Verein für Schwaben und Neuburg. 50 Bericht. 2, 1849 — Aussig. Naturwissenschaftlicher Verein. v3 Tätigkeitsbericht. 1, 1876—77. 2, 1887—98. Baltimore (Maryland; U.S.A.). Maryland Geological Survey. 55 Maryland geological survey. Report; 1, 1897 — 55a Reports dealing with the syst. geol. and paleont. 1, 1901— 55b Reports on county resources. 1, 1900— Tauschgesellschaften. 133 Bamberg. Naturforschende Gesellschaft. 56 Bericht. 1, 1852 Bangkok. Siam Society. sz 0Journal. Bd. 10,3, 4, 1913. Bd. 11, 1, 1914. Bari. Redaktion der „La Puglia medica“. 59 La Puglia medica. Anno 1, 1893—4, 1896. Basel. Ornithologische Gesellschaft. Natw. /s. 372 O Jahresbericht. 6, 1876 — Batavia. Bataviaasch Genootschap van kunsten en wetenschappen. 6 Verhandelingen. Deel 25, 1853—28, 1860. 6 Tijdschrift voor indische Taal-, Land- en Volkenkunde. Deel 1, 1853—10, 1861. Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch Indie. 63 Acta societatis scientiarum indo-neerlandicae. Vol. 1, 1856—6, 1859. 64 Natuurkundig tijdschrift voor Nederl. Indie. Deel 1, 1851 — Bayreuth. Naturwissenschaftliche Gesellschaft. 66 Bericht. 1, 1916— Bautzen. Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis. 68 Sitzungsberichte und Abhandlungen. 1896/97— Belfast. Belfast Natural History and Philosophical Society. 70 Report and Proceedings. 1901/02— Belfort. Société belfortaine d’emulation. 69 Bulletin. 19, 1900— Bellinzona. Società ticinese di scienze naturali. 72 Bollettino. 1, 1904— 154 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Bergen. Bergens Museum. 71 0Aarsberetning. 1886— Berkeley. University of California. 75 Report of work of the Agricultural experiment stations. 1888—1904. 7» Report on the viticultural work. 1885—95. Berlin. Königlich preussische Akademie der Wissenschaften. 17 Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Ver- handlungen. 1852 —53. Monatsberichte. 1856—81. Sitzungsberichte. 1882— Deutsche geologische Gesellschaft. so Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft. 1, 1849 — Monatsberichte. 1908 — Deutsche physikalische Gesellschaft. ss Verhandlungen der physikalischen Gesellschaft zu Berlin. 1621882, 1721898 Verhandlungen der deutschen physikalischen Gesellschaft. 1, 1899—4, 1902. Berichte der deutschen physikalischen Gesellschaft. 1, 1903 — Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. ss 0Sıtzungsberichte. 1839 — s6ca Festschrift zur Feier des 100-jährigen Bestehens der Ge- sellschaft naturforschender Freunde. 1873. s? Archiv für Biontologie. 1, 1906/07 — Kgl. preussisches meteorologisches Institut. so Ergebnisse der meteor. Beobachtungen. 1885—1906. oı Verôffentlichungen: Ergebnisse der Niederschlagsbe- obachtungen. 1891—-1908. 91a Meteor. Untersuchungen über die Sommerhochwasser der Oder. 1911. Atlas Nat. Ges. Fol. 2. oe Verôffentlichungen: Ergebnisse der magnet. u. meteorol. Beobachtungen in Potsdam. 1890—1909. 9 Verôffentlichungen: Ergebnisse der Gewitterbeobach- tungen. 1891—1907. | Tauschgesellschaften. 135 93a idem: Ergebnisse der Wolkenbeobachtungen in Potsdam. 1896 u. 97. 94 idem: Ergebnisse der Arbeiten am aëronautischen Obser- vatorium. 1900—1904. 95 Bericht über die Tätigkeit. 1891 — 97 Abhandlungen. 1, 1888 — 9 Archiv des Erdmagnetismus. Heft 1, 1903; 2, 1909. K al. preuss. geologische Landesanstalt und Bergakademie. 100 Jahrbuch. 7, 1886— : Physikalisch-technische Reichsanstalt. ı08 Wissenschaftliche Abhandlungen. 1, 1894—4, 1905. 103a Die Tätigkeit der physikalisch-technischen Reichsanstalt. 1894/95 — Redakiion des „Prometheus“. ı04a Prometheus. 1, 1890 — Redaktion der ,,Naturwissenschaftlichen Wochenschrift‘. 105 Naturwissenschaftl. Wochenschrift. 6 (von Nr. 20 an), 1891 — Botanischer Verein der Provinz Brandenburg. 106 Verhandlungen. 6, 1864— Redaktion der Zeitschrift für wissenschaftliche Insektenbiologie. 107 Zeitschrift für wissenschaftliche Insektenbiologie. 6, 190, 7, Ol Zoologisches Museum. ı11 Bericht über das zoologische Museum zu Berlin. 1901— 12 Mitteilungen aus der zool. Sammlung des Museums für Naturkunde. 1, 1898/1900 — Deutsche entomologische Gesellschaft. 113 Deutsche entomologische Zeitschrift. 1911— Bern. Naturforschende Gesellschaft in Bern. 7 Mitteilungen. 1, 1843— Schweizerische entomologische Gesellschaft. 118 Mitteilungen. 1, 1865 — ı19 Fauna insectorum Helvetiae. 1885 — Schweizerische botanische Gesellschaft. 121 Berichte. 1, 1891— Schweizerische naturforschende Gesellschaft. 124 Verhandlungen. 1817 — 126 Denkschriften. 1, 1. 2. 1829—33. Neue Denkschriften. 1, 1837 — 136 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 126 a Schweiz. wissenschaftliche Nachrichten. Jahrg. 1, 1907. Natw. Is.526 Beiträge zur geol. Karte der Schweiz. 1, 1862 — Natw. Zs. 526 b Erläuterungen zur geol. Karte der Schweiz. Nr. 1, 1899 — Besancon. Société d’emulation du Doubs. 131 Mémoires. 3me série, vol. 6, 1861— Institut botanique de l'Université. 133 Archives de la flore jurassienne. Nr. 3, 1900— Béziers. Société d'étude des sciences naturelles. 137 Bulletin. Vol. 1, 1876 — Biala (später Teschen). Redaktion der Mitteilungen des Beskidenvereins. ıss Mitteilungen des Beskidenvereins. 1, 1904— Bielefeld. Naturwissenschaftlicher Verein Bielefeld und Umgebung. 139 Bericht. 1909— Bistritz. Gewerbeschule (seit 1895: Gewerbelehrlingsschule). 142 Jahresbericht. 4, 1877/78 — Blankenburg. Naturwissenschaftlicher Verein des Harzes. 147 Statuten. 0 Berichte. 1840/41—61/62. Bône. Académie d’Hippone. 160 Comptes-rendus des réunions. 1899—1902. Bonn. Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde (seit 1906: Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlande und Westfalens). 161 Oitzungsberichte. 1895— Naturhistorischer Verein der preuss. Rheinlande. 162 Verhandlungen. 1, 1844— Bordeaux. Société linnéenne. 167 Bulletin d'histoire naturelle. 1, 1826. 39, 1829. 167a Actes; 40, 1886— Tauschgesellschaften. 137 Société des sciences physiques et naturelles. 18 Mémoires. 1, 1854— 169 Observations pluviométriques et thermométriques. 1882 — 190%. 169 a Bulletin de la commission météor. du dept. de la Gironde. LOURDE 170 Procès-verbaux des séances. 1894/95— Société d’oceanographie du golfe de Gascogne. 172 Rapports présentés à l’assemblée générale. 1907. 1909. Boston. American Academy of Arts and Sciences. 174 Proceedings. 1, 1848— Society of Natural History. 176. Journal of natural history. 6, 1850-57. 7, 1859—683. 177 Memoirs. 1, 1866/69 — 1738 Occasional papers. 1, 1869 — 179 Proceedings. 2, 1855 — Bourg. Société des sciences naturelles et d'archéologie de l’ Ain. 183 Bulletin. Nr. 22, 1901 — Braunschweig. Verein für Naturwissenschaft. ısa Jahresbericht. 1, 1879 — Bremen. Meteorologisches Observatorium (bis 1895 : Meteor. Station I. Ord- nung). 189 Ergebnisse d. meteorologischen Beobachtungen (Deutsches meteorologisches Jahrbuch). 1, 1891 — Naturwissenschaftlicher Verein. 191 Abhandlungen. 1, 1868 — 191 Jahresbericht (d. Abhandlungen beigebunden). 1, 1866 — Breslau. Verein für schlesische Insektenkunde. 197 Zeitschrift für Entomologie. 27, 1902—82, 1907. 197 Jahresheft des Vereins für schles. Insektenkunde. 1 (resp. 33), 1908— Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. 199 Jahresbericht. 1843 — 199 Denkschrift zur Feier des 50-jährigen Bestehens, 1853. (Dem 31. Jahresbericht beigebunden. ) 138 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 199a Schles. Gesellsch. für vaterl. Cultur. Hundertjahrfeier. Geschichte der Gesellschaft. 1904. ı99b Schube, Th. Verbreitung der Gefässpflanzen in Schlesien. Festgabe zur Hundertjahrfeier. 1903. Brisbane. Queensland Museum. Natw. Zs. 242 Annals. 1, 1891—10, 1911. Royal Society. 208 Proceedings. 24, 1913 — Brooklyn. Museum of the Brooklyn Institute of Arts and Sciences. 21 Science Bulletin. 1, 1901/10 — 2011 a Memoirs of natural sciences. Vol. 1, Nr.1; 1904. 202 Cold Spring Harbor Monographs. 1, 1903— Brünn. Klub für Naturkunde (seit 1907: Lehrerklub für Naturkunde). 211 Bericht und Abhandlungen. 6, 1905—9, 1909. Naturforschender Verein. 212 Verhandlungen. 1, 1862 — 213 Bericht der meteorologischen Commission. 1, 1881— Bruxelles. Musée du Congo. 28 Annales (botanique, zoologie, ethnographie et anthro- pologie). 1, 1907— Bibliothèque de l'Etat Indépendant du Congo. 28a Publications de l’Etat indépendant du Congo. II, 1904— Académie royale de Belgique. 219 Annuaire. 91, 1865 — 220 0 Bulletins. 34, 1865 — »2ı Centième Anniversaire de fondation. 1872. »2ıb Notices biographiques et bibliographiques concernant les membres. 1896. 1909. Societe entomologique belge. >> Annales. 1, 1857— 223 Mémoires. 1, 1892— Société malacologique de Belgique. 224 Annales (Mémoires + Bulletins). 1, 1863/65— 225 0Proces-verbaux. 2, 1873—27, 1898. Société belge de microscopie. 226 Annales (Mémoires + Bulletins). 1, 1874/75— Tauschgesellschaften. 139 Société royale de botanique de Belgique. 227 ° Bulletin. 33, 1894 — Observatoire royal de Belgique. 22 Annuaire astronomique. 1905—08. 29 Annales de l’Observatoire. N. S. 0 Annales astronomiques. 2, 1879— 229 Annales de l'Observatoire. N.S. Physique du globe. 1, 1904— 229 a Les observatoires astronomiques et les astronomes. 1907. Bucarest. Institutul meteorologic al Romaniei. 230 231 Analele. 14, 1898—19, 1903. Buletinul lunar. 16, 1907-18, 1909. Academia romänä. 231a Bulletin de la section scientifique. 1, 1913— Budapest. Magyar tudomänyos akadémia (Ungar. Akademie der Wissen- schaften). 232 Jegyzokünyvel. 1—4, 1863—66. 233 Repertoriuma. 1876. 237 Koch, Ant. A Dunai trachytesoport jobbparti részének. 1877. »39 Termöszettudomanyı palyamunkak. 1837/39. 240 1. Vallas, Ant. felsöbb egyenletek egy ismeretlennel. 1842. 2. Mathematicai palyamunkak. 1844. 24 Magyar. tudom. akademiai almanach. 1864—78. 24 Magyar. akademiai ertesitö. 1859 — 1874. 243 Bibl. Hung. Magyar. term. és math. könyvöszete. 1878. 244 Chyzer et Kulezynski: Araneae Hungariae. 1891—97. 45 Literarische Berichte aus Ungarn. 1, 1877—4, 1880. 46 Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn. 1, 1882 — 247 À magyar. tudos tarsasag evkönyvei. 1835-1879. 243 Mag. tud. Akad. III osztalyanak külön kiadvanya. 1881—87. 249 0 Ertekezések a mathematikaı osztaly köreböl. 1867—94. 250 0Ertekezések a termeszettudomänyi osztaly köreböl. 1867 —94. | 252 Ungarische Revue. 1881—95. 253 Ertösitö, mathematikai €s természettudomanyi. 1, 1882/83— 2514 Kôzlemények, math. es termeszettudomanyı. 1, 1861— 140 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 255 Observationes meteorologicae. 1, 1841—49. 2, 1861—70. 56 Rapport sur les travaux de l’acad. hongroise. 1891— 25s Miklös, J. Tanulmany a vältölaz parasitäirol. 1906. 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Indian Museum. 312a | Publications |. 1, 1898— 32b Memoirs. 1, 1907— 312 c Records. 1, 1907— Geological Survey of India. 313 Memoirs. 1, 1859— (Vol. 2 fehlt). 314 Records. 1, 1868— 314a General Report. 1897 —1908. 314b Professional paper Nr. 12: On the origin of the Himalaya mountains. 1912. 315 Palaeontologia Indica. 1861— 36 Manual of the geology of India by Medlicott and Blan- ford. 1, 1879—4, 1887. | 316 c A manual of the geology of India by T.H. Holland. Pt. 1, 1898. s16d Sketch of the mineral resources of India. By T.H.Hol- land. 1908. Board of Scientific Advice for India. 336 Annual report. 1902 — Imperial Department of Agriculture. 337 Report. 1904/05 — Asiatic Society of Bengal. 333 Memoirs. 1, 1905— Phil. Zs. 141 Journal. 1, 1832 — Cambridge (England). The Cambridge Philosophical Society. 329 Proceedings. 1, 1843/65 — Cambridge (Mass; U.S. A). Cambridge Entomological Club. sız Psyche. Nr. 100, 1882—246, 1896. Museum of Comparative Zoology. 324 Memoirs. 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Heilkunde. 49 Auszüge aus den Protokollen. 1832. 1833. 450 ° Jahresbericht. 1869/70 — Katalog der Bibliothek, bei Jahresbericht 1874/77. 450a Verzeichnis der Büchersammlung der Gesellschaft. 1905. Entomologischer Verein ‚Iris‘. 452 Korrespondenzblatt (Beilage zur deutschen entomol. Zeit- schrift ,, Iris‘). Jahrg. 1910. Deutsche entomologische Zeitschrift „Iris“. Bd. 2, 1889. 5, 1892 — (Bd. 23 unvollständig.) Naturwissenschaftliche Gesellschaft ‚Isis‘. 455 Denkschriften. 1860/62. 458 Nitzungsberichte. 1863— Verein für Erdkunde zu Dresden. 455 Jahresbericht. 3, 1866—27, 1901. 166 Mitteilungen. Bd. 1, 1—10, 1905/09. Bd. 2, 1—-10, 1910/13. Tauschgesellschaften. 147 Natur- und Kulturstudien über Süd-Amerika. W. Schultz. 1868. Litteratur der Landes- und Volkskunde des Kgr. Sachsen. P. E. Richter, 1889. Festschrift zur Jubelfeier des 25-jähr. Bestehens des Vereins für Erdkunde. 1888. 455h Büchereiverzeichnis. 1905. Muschelgeld-Studien. Prof. O. Schneider. 1905. Dublin. 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Vol. 04, 1858/61. 5, 1862/66 — 491 Transactions. 1, 1788— Royal Physical Society. 493 Proceedings. 2, 1859. 4, 1874/78— (15 fehlt). Edinburgh Geological Society. 494 Transactions. Vol. 8, Special Part. 1903. 466 148 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Elberfeld. Naturwissenschaftlicher Verein. 5oo Jahresbericht. Heft 5, 1878 — Emden. Naturforschende Gesellschaft. 5or Festschrift zur Feier des 50-jähr. Bestehens. 1864. 5os Kleine Schriften. 4, 1855—19, 1899. 509 Jahresbericht. 39, 1853 — Epinal. Société d’emulation du dep. des Vosges. 515 °Annales. 1, 1831— Erfurt. Königliche Akademie gemeinnütziger Wissenschaften. 517 Jahrbücher. Neue Folge. 7, 1873. 27, 1901— Erlangen. Physikalisch-medizinische Societät. 5 Abhandlungen. Bd.1 u. 2. 1810/12. 52 Wissenschaftliche Mitteilungen. Heft 1, 1858. 55 Verhandlungen. Heft 1 und 2, 1865/70. Sitzungsberichte, Heft 3, 1870 — Firenze. R. Accademia economico-agraria dei Georgofili. 529 Atti. Nuova serie 1, 1853 — 14, 1867. 4a ser. 8, 1885 —26. 1903. 5a ser. 1, 1904— 59a Degli studi e delle vicende della R. Acc. dei Georgotili. Dal 1854 al 1903. Società botanica italiana. 550 Grornale botanico italiano. 4, 1872— 531 Bullettino. 1892— 531 a Bullettino bibliografico della botanica italiana. 1, 1904— Società entomologica italiana. 582 Bullettino. 1, 1869—70, 1875. 34, 1902 — Frankfurt a./M. Senckenbergische naturforschende Gesellschaft. *536 Abhandlungen. 1, 1854/55— 531 Bericht. 1868/69— 53ta Festschrift zur Erinnerung an die Eröffnung des neu- orbauten Museums 1907. Beiband zu Bericht 68/69. Physikalischer Verein. 539 Jahresbericht. 1843 — Tauschgesellschaften. 149 Frankfurt a./O. Naturwissenschaftlicher Verein des Regierungsbezirkes Frank- furt a/O. 58 Monatliche Mitteilungen. 3 Hefte. 1883/84. 86/87. 90. Helios. Abhandlungen u. monatl. Mitteilungen. 8, 1891 — 543 Societatum litterae. Jahrg. 4, 1890—14, 1900. Frauenfeld. Thurgauische naturforschende Gesellschaft. 549 Mitteilungen. Heft 1, 1855/57 — Freiburg i./B. Gesellschaft zur Beförderung der Naturwissenschaften. 555 Beiträge zur rheinischen Naturgeschichte. 1. Jahrg. Heft 1—3, 1849—53. Naturforschende Gesellschaft. 556 Berichte über die Verhandlungen. 1, 1855—8 (mit Sup- plement) 1883. Festschrift zur Feier des 50-jähr. Jubiläums. (Bd. 6 der - Berichte beigebunden. ) 557 Berichte. 1, 1886 — Badischer botanischer Verein (seit 1908: Landesverein für Natur- kunde). 558 Mitteilungen. 175, 1901— Fribourg. Société fribourgeoise des sciences naturelles. 50 Bulletin. Année 1, 1879/80— 51 Mémoires de la. Soc. frib. des sciences naturelles. Botanique; 1, 1901— Chimie; 1, 1901— Geol. et geogr.; 1, 1900— Mathém. et phys.; 1, 1904— Bactériologie; 1, 1908— Zoologie; 1, 1907— Fulda. Verein für Naturkunde. 565 Bericht. 1, 18708, 1898. 566 Ergänzungsheft. 1, 1899. 2, 1901. Genève. Institut national genevois. so Bulletin. 21853 511 Mémoires. 1, 1853 — 150 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Société de physique et d'histoire naturelle. 513 Mémoires. 1, 1821— 53a Compte rendu des séances. 27, 1910— 514 Publications des membres actuels de la société. 1883 Conservatoire et jardin botanique. 5716 Annuaire. 1, 1897— Genova. Museo civico di storia naturale. 580 Annali. Ser. 2, 1, 1884—20, 1899. Ser. 8, 1, 1904— Società linguistica di scienze naturali e geografiche. 583 Atti. Vol. 6, 1895— Gent. Kruidkundig genootschap Dodonaea. 584 Botanisch jaarboek. 1, 1889—3, 1891. 5, 1893. 6, 1894. Georgetown. Royal Agricultural and Commercial Society. as Timehri. Ser. 3, 1, 1911— Giessen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 586 Bericht. 3, 1853—34, 1903. Neue Folge: Medizin. Ab- teilung. 1, 1906 — Naturwissensch. Abteilung. 1, 1904/06 — 5817 Phanerogamen-Flora von Oberhessen. Dr. C. Heyer und Dr. J. Rossmann. 1860. Glarus. Naturforschende Gesellschaft des Kantons Glarus. 559 Neujahrsblatt. Heft 1, 1892. 2, 1907. Glasgow. Natural History Society. 595 Proceedings. 2, 1869/75—5, 1880/83. New Series: Proceedings and Transactions. Vol. 1, 1883/86— h 591 The Glasgow Naturalist. 1, 1908/09 — Görlitz. | Naturforschende Gesellschaft. 555 Abhandlungen. 1, 1827 — Göteborg. Kungl. Vetenskaps-och Vitterhets-Samhället. 602 Handlingar. 4. följden, 1, 1898 — Tauschgesellschaften. 151 Göttingen. Kogl. Gesellschaft der Wissenschaften. 65 Nachrichten von der Georg Augusts-Universität u. der Kel. Gesellschaft der Wissenschaften. 1853—93. Mathematisch-phys. Klasse. 1894 — Geschäftliche Mitteilungen. 1894 — Granville (Ohio; U.S. A.). Scientific Laboratories of Denison University. 611 Bulletin. Vol. 1, 1885/88 — Graz. Geognostisch-montanistischer Verein für Stetermark. 616 Bericht. 1—12, 1852—74. Schlussbericht. Steirischer Gebirgsverein. 617 Jahresbericht. 13—23, 1885 — 96. Verein der Aerzte in Steiermark. 618 Jahresbericht. 2, 1864/65. 819 Mitteilungen. 17, 1880— Naturwissenschaftlicher Verein für Steiermark. 60 Mitteilungen. Heft 1, 1863— Akademischer naturwissenschaftlicher Verein. 62 Jahresbericht. 1, 1875—5, 1879. Greifswald. Geographische Gesellschaft. 626 Jahresbericht. 1, 1882/83 — Naturwissenschaftl. Verein von Neu-Vorpommern und Rügen. 6er Mitteilungen aus dem Verein. Jahrg. 1, 1869 — Grenoble. Laboratoire de géologie de la faculté des sciences de l’Université. 623 Travaux du laboratoire. 5, 1899/1900— Güstrow. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. 633 Archiv. Heft 1, 1847 — Haarlem. Hollandsche maatschappij der wetenschappen. 684 Natuurkundige verhandelingen. 2. verzameling. Deel 1, 1841—25, 1868. 3. verzameling. Deel 1. 2. 1878. 685 Archives néerlandaises des sciences exactes et naturelles. 1, 1866—30, 1897. Ser. II, 1, 1898—15, 1911. Ser. III A (Sc. exactes), 1—; B (Sc. naturelles), 1— 152 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. css Archives du Musée Teyler. 1, 1868—5, 1880. Ser. II, 1, 1883—12, 1911. Ser. III, 1, 1912— Fondation Teyler van der Hulst. 687 Origine et but de la Fondation Teyler, par Van der Ven. s.a. Halifax. Nova Scotian Institute of Natural Science. 640 Proceedings and Transactions. Vol. 07, 1889/90. 8 (= 2d ser. 1), 1890/94 — Halle. Kaiserl. Leopoldino-Carolinisch deutsche Akademie der Natur- forscher. 646 Leopoldina. Heft 5, 1865 — Verein für Erdkunde. 64° Mitteilungen. 1877 — (nb. 1906 = 30. Jahrgang). 648a T. von Bellingshausens Forschungsfahrten im südlichen Eismeer 1819—21 (1902). Naturwissenschaftlicher Verein. 649 Jahresbericht. 1—5, 1848-1858. Naturwissenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen. 6o Zeitschrift für die gesamten Naturwissenschaften. Bd. 1, 1853—67, 1894. Hamburg. Deutsche Seewarte. 666 Jahresbericht. 4, 1871; 6, 1873; 7, 1874. Wird fortge- setzt in: 655 Aus dem Archiv. Jahrg. 1, 1875— (nb. 6 u. 7 fehlen). 657 Monatliche Übersicht der Witterung. 1, 1876—10, 1885. Monatsbericht. Jahrg. 11, 1886—16, 1891. 659 Meteorologische Beobachtungen in Deutschland. Jahrg. 1—9, 1878—86. Deutsches meteorologisches Jahrbuch. Jahrg. 10, 1887 — es Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen im System der deutschen Seewarte, für 1876 — Naturwissenschaftlicher Verein. 65 Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften. Bd. 1, 1846 — 66 Verhandlungen. N. F. 1—6, 1875—81. 3. Folge, 1, 1893 — Verein für naturwissenschaftliche Unterhaltung. es Verhandlungen. 1, 1871/74— Tauschgesellschaften. 153 Hanau. Wetterauische Gesellschaft für die gesamte Naturkunde. 6100 Annalen. Bd. 1—4, 1809-1819. en Bericht. 1850/51 — 67 Naturhistorische Abhandlungen aus dem Gebiete der Wetterau. Festgabe zur 50-jähr. Jubelfeier, 1858. 613 Katalog der Bibliothek der Gesellschaft. 1883. 1902. 614 Festschrift zur Feier des 100-jähr. Bestehens. 1908. 675 Geschichte der Wetterauischen Gesellschaft, von Prof. Dr. J. Zingel. 1908. Hannover. Naturhistorische Gesellschaft. 673 Jahresbericht. 9, 1859. 11, 1860/61— (58—60 fehlen). Deutscher Seefischerei-Verein. 617 Mitteilungen. 16, 1900— Heidelberg. Naturhistorisch-medizinischer Verein. 693 Verhandlungen. 01, 1857—6, 1872. N.F. 1, 1877 — 694 Festschrift zur Feier des 500-jährigen Bestehens der Ruperto-Carola. 1886. Helsingfors. Geografiska Föreningen à Finland. 100 Meddelanden. 5, 1899/1900 — Finlands Geologiska Undersökning. 100 0Beskrifning till kartblad. 1, 1879— Societas pro Fauna et Flora Fennica. 02 Notiser. 2, 1852. 3. 5—14, 1875. 105 Meddelanden af Soc. pro Fauna. 1, 1876 — 1014 Acta. 1, 1875/77 — . 706 Herbarıum musei Fennici, ed. 2. 1. Plantae vasculares, cur. Th. Saelan, A. O. Kihlmann. H. Hjelt. 1889. 2. Musei, cur. J.O. Bomansson & V.F. Brotherus. 1894. 106 Botanische Sitzungsberichte. Jahrg. 1, 1887/88 —2/4, 1888/91. Commission géologique de la Finlande. 7108 Bulletin. I, 1, 1895/98— 08a Geologisk öfversiktskarta öfver Finland. sb Meddelanden fran industristyrelsen i Finland. Heft 32 u. 38, 1902. 154 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Hermannstadt. Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschajten. 13 Verhandlungen und Mitteilungen. 19, 1868 — 3a Der siebenbürg. Verein für Naturwissensch. in Hermann- stadt, nach seiner Entstehung .... 1896. 14 Abhandlungen. 1, 1902. 2, 1901. Hobart (Tasmanien). Royal Society of Tasmania. 710a Papers and Proceedings. 1911 — Hof. Nordoberfränkischer Verein für Natur-, Geschichts- und Landes- kunde. 710 Bericht. 1, 1896— Jekatherinburg. Societe ouralienne d’amateurs des sciences naturelles. 709 Bulletin. T. 22, 1901 — Indianapolis (Indiana; U.S.A.). Indiana Academy of Science. 205 Proceedings. 1891. 1893 — Brookville Society of Natural History. 23° JBullecin, Il, 1885 2, 1880. Innsbruck. Ferdinandeum. 11 Bericht des Verwaltungsausschusses. 28, 1857/59—35, 1877. Mit der Zeitschrift zusammengebunden. 7ıı Zeitschrift. 3. Folge, Heft 5, 1856 — Naturwissenschaftlich-medizinischer Verein. 2 Berichte. Jahrg. 5, 1875 — Johannesburg. | Geological Society of South Africa. 712a Transactions. Vol. 15, 1912— ı12a Proceedings. 19129— Irkutsk. Observatoire magnétique et météorologique. 15 Annales de l'observatoire physique central Nicolas; Supplément. 1903—1905. Karlsruhe. Redaktion der „Allgemeinen botanischen Zeitschrift“. rıs Allgemeine botanische Zeitschrift. 1902 — Tauschgesellschaften. 155 Badischer zoologischer Verein. air Mitteilungen. Nr. 1, 1899—18, 1907. Naturwissenschaftlicher Verein. us Verhandlungen. Heft 1, 1864— Centralbureau für Meteorologie und Hydrographie. “no Jahresbericht. 1883 — 720 Ergebnisse der Untersuchung der Hochwasserverhältnisse im deutschen Rheingebiet. 1 und 2, 1891 — Natw.Zs. 122 Beiträge zur Hydrographie des Grh. Baden. Heft 1, 1881/84—11, 1905. Kasan. Société physico-mathématique. 723 Bulletin. 2me série, 10, 1900 — Gesellschaft der Naturforscher bei der Universität. 123a Trudy. 33, 1899— 723b Protokoly. 1901/02—1911. Kiel. Verein nördlich der Elbe zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse. 4 Mitteilungen. Heft 4, 1860—9, 1868. Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig-Holstein 125 Schriften. Bd.3, 1, 1878— Kiew. Societe des naturalistes. 730 Mémoires. S. 10, 1, 1889 — Klagenfurt. Naturhistorisches Landesmuseum von Kärnten. 137 Jahrbuch. 1, 1852—28, 1909. 131a Carinthia II. Jahrg. 93, 1903— 138 Diagramme der magnetischen und meteorologischen Be- obachtungen. 1883 —1900. 139 Festschrift zum 50-jähr. Bestand des Museums. 1898. Kiausenburg. Siebenbür gischer Museumsverein. ao Értesitô orvos-természettudomänyi. (Von 1901 an: Sitzungsberichte der med.-natw. Section des siebenbürg. Museumsvereins.) Bd.12, 1890 — 14 0Müzeumi füzetek (Naturwissenschaftliche Museums- hefte). Bd. 1, 1906—4, 1909. 156 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Königsbere. Kön. physikalisch-ökonomische Gesellschaft. 714 Schriften. Jahrg. 1, 1860 — Kopenhagen. Kgl. Danske Videnskabernes Selskab. 747 Oversigt over det forhandlinger. 1892 — Dansk Geologisk Forening. 143 Meddelelser. Nr. 6, 1900—17, 1911 (13—17 = Bind III). Bind IV, 1, 1912 Kogl. Danske Geografiske Selskab. 149 Geografisk tidskrift. 15, 1899/1900 — Krakau. Akademie der Wissenschaften. 155 Pamietnik. Wydzial matematyezno-przyrodniezy. T. 16 ue 118830: 152 Anzeiger. 1889—1901. Mathemat.-natw. Klasse. 1901— 153 Rocznik. 1888— 95. 154 Rozprawy. T. 19 & 20, 1889/90. Ser. IL, T.1, 1891. 155 Sprawozdanie. T. 22, 1888 — 155a Katalog literatury naukowej polskie]. T. 1, 1901—10, 1910. Krefeld. Verein für Naturkunde. 156 Jahresbericht. 3, 1896/97 und 97/98. 756a Mitteilungen. 1909. 1910. Landshut. Botanischer Verein in Landshut. 157 _ Bericht. 3, 1869/71 — La Plata (Argentinien). Museo de La Plata. Natw. Zs. 239 Anales del Museo de La Plata. Palaeontologia Argentina. I—III, 1891—1904. Sece. geol. y mineral. I, 1892—ILI, 1900. Secc. zool. I, 1893—III, 189. Secc. antropol. I, 1896. Sece. bot. I, 1902. Secc. pal. V, 1903. Secc. de arqueol. II & III, 1892. Secc. de histor. general I, 1892. Tauschgesellschaften. 157 Natw. Zs.239a Anales. II ser., T. 1, 1& 2, 1907/08. Natw. Is. 240 ORevista. I, 1890/91 — Lausanne. Société vaudoise des sciences naturelles. 16 Bulletin, T.1, 1842/45— 161 Observations météorologiques (Station du Champ-de- l'Air). 1903—08. 161a _Proces-verbaux. Nr. 1, 1908— 162 0 Rapports annuels des conservateurs du Musée. 1890—98. Lawrence (Kansas; U.S. A.) Kansas University. 166 OQuarterly. Series À : Science and mathematics. Vol. I, 1, 1892— Vol. X, 4, 1901. Series B: Philol. and history. Vol. VI, 1, 1897— Vol. VIII, 1, 1899. Science Bulletin. Vol. I, 1—4, 1902 — The University Geological Survey of Kansas 167 Annual bulletin. 1902. 167a | Reports. |] Vol. 8, 1904. 9, 1908. Leiden. Nederlandsche dierkundige vereeniging. vu Tijdskrift. Deel IV, 1879—VI, 1882/85. II. Serie, Deel I, 1885/87 — Supplement. 1, 1883/84. 2, 1888. 113 Catalogus der Bibliothek. 3.—5. Ausgabe, 1884—1914. Leipzig. Fürstl. Jablonowsküsche Gesellschaft. 118 Abhandlungen bei Begründung d. sächs. Ges. d. Wiss. 1846. 119 Preisschriften. Mathem.-natw. Section. Bd. 1, 1847 — 180 Jahresbericht. 1878 — Naturforschende Gesellschaft. 182 Schriften. Bd. 1, 1822. 183 Ditzungsberichte. Jahrg. 1, 1874— Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften. 187 Abhandlungen. Math.-phys. Classe. Bd.1, 1852 — 188 Berichte über die Verhandlungen. Math.-phys. Classe. I, Jahrg. 1849 — 189 Reden und Register zur 50-jähr. Jubelfeier der Gesell- schaft. 1896. 158 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Redaktion der Zeitschrift für angewandte Mikroskopie. 190 Zts. für angewandte Mikroskopie. Bd. 13, 1907/08. Verein für Erdkunde (seit 1911: Gesellschaft f. Erdk.). 19 Mitteilungen. 1884— > Wissenschaftliche Veröffentlichungen. Bd.1, 1891 — Expedition des „Helios“. 194 Helios; Zts. für Elektrotechnik. Jahrg. 9, 25, 1903—14, 52, 1,908: Liege. Société médico-chirurgicale. 198 Annales. Année 30, 1891—46, 1907. Liestal. Naturforschende Gesellschaft Baselland. 199 Tätigkeitsbericht. 1900/01— Lincoln. University of Nebraska. Agricultural Experiment Station. #soi Bulletin. Vol. IV, Nr. 16, 1891— soıb Extension Bulletin. Nr.3, 1912— soıc Research Bulletin. Nr. 1, 1913— Lindenberg. Kogl. preussisches aeronautisches Observatorium. 803 Ergebnisse der Arbeiten. 1, 1905— so3a Bericht über die aerolog. Expedition nach Ost-Afrika 1908. 1911. Linz. Verein für Naturkunde in Oesterreich ob der Enns. 804 Jahresbericht. 1, 1870 — so Beiträge zur Witterungskunde von Ober-Oesterreich. 18I.18598 Lisboa. Société portugaise de sciences naturelles. 808 Bulletin. 1, 1907— 8088a Memorias. 1, 1913— Aquario Vasco da Gama. so» 0 Aquario Vasco da Gama. Relatorio. 1901. Sociedade de geographia. 810 0Boletin (mit Actas). Ser. 2, Nr. 1, 1880 — 811 Expedicäo scientifica 4 Serra da Estrella, 1881. Secçao de archeol., de botanica, de ethnograph., de medic., de meteorol. Tauschgesellschaften. 159 sıs Catalogos e indices. As publicacoes. 1889. 814 Indices e catalogos. A Bibliotheca. 1, 1893 — Commissao dos trabalhos geologicos (seit 1899: Direcçäo dos serviços geologicos). sıs Communicacoes. T.1, 1883/87 — Academia das sciencias de Lisboa. sır Jornal de sciencias mathematicas, physicas e naturaes. 22 ser: 122101621889. 711223, 1908% sıra Actas das assembléas geraes. 1, 1905. 2, 1912. sirc Actas das sessoes da primeira classe. 1, 1908. sırd Boletim da segunda classe. 5, 1911— sie Boletim bibliogräfico. 2. ser. I, 1. 2. 1911/13. Liverpool. Liverpool Biological Society. sis Proceedings and Transactions. 15, 1901— Literary and Philosophical Society. sısa Proceedings. 56, 1901/02— Llinas (Barcelona, Espana). Observatorio Belloch. Nat. Ges. Fol. 11 Observaciones meteorolôgicas. 1902—04. London. British Association for the Advancement of Science. s20 Reports of the meetings. 1/2, 1831/32—58, 1888. Guy’s Hospital. Ned. Zs. 107 Reports. 3d series, Vol. 1, 1855— Royal Institution. s22 Notices of the Proceedings. Vol. 1, 1851/54— 823 List of the members. 1855—92. (Bis 1882 den Notices beigebunden. ) Chemical Society. 325 Proceedings and Memoirs. 1841/42 & 1842/43. se” Journal. Vol.1, 1849—76, 1899. 82s Proceedings. Vol. 2, 1886—15, 1899. Linnean Society. a Tramsaetions. Mol 1.491 30771.875> Botany. 2d series, Vol. 1, 1880 — Zoology. 2d series, Vol. 1, 1879— 832 Journal. Botany. Vol. 1, 1857— (Vol. 1—8 mit Zool. zusgeb.). Zoology. Vol. 1, 1857 — 160 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 833 Proceedings. Vol. 1, 1838 —48. 2, 1848—55. Session. 1864/65— 834 List. 1852 — (zum Teil den Proceedings beigeb.). Royal Astronomical Society. 837 Monthly notices. 65, 1, 1904 — s3ra Memoirs. 56, 1906. 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Reihe, Heft 1, 1390 — Lüneburg. Naturwissenschaftlicher Verein. s59 Jahreshefte. 2, 1866 — Lund. Universitas Lundensis. i ss Acta universitatis (Lunds Universitets Ars-Skrift). Afdeln. för mathem. och naturvetensk. 1, 1864—40. NER 1,01905— 866 OUniversitets-Bibliotheks-A ccessionskatalog. 1867 — Tauschgesellschaften. 161 Luxemburg. Institut grand-ducal, section des sciences nat. (bis 1873 : Soc. de sciences naturelles). 872 Publications. T. 1, 1853— | sa Archives trimestrielles. I, 1906—V, fasc. 2, 1910. sz3 Observations météorologiques faites à Luxembourg par F. Reuter. Vol. 3—5, 1887—1890. Societe botanique. sa ORecueil des mémoires et des travaux. 1, 1874—-16, 1903. Fauna, Verein Luxemburger Naturfreunde. ss Fauna, Mitteilungen. 1, 1891—16, 1906. Société des naturalistes luxembourgeois (Fusion der Soc. botanique und der Fauna). sta Bulletins mensuels. N. F. 1, 1907 — Luzern. Naturforschende Gesellschaft. s17 Mitteilungen. Heft 1, 1895/96— Lyon. 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Jahrgang 1882 — K. bayerische Akademie der Wissenschaften. 1006 - Bulletin. 1847—53. 1007 "Gelehrte Anzeigen. Bd. 1, 1835—5, 1837. 38, 1854—50, 1860. ı0es Sitzungsberichte. Jahrg. 1860 —70. 1009 Sitzungsberichte. Math.-phys. Classe. Bd.1, 1871— 1010 0 Almanach. 1855— 1011 Birlinger: Schwäbisch-Augsburg. Wörterbuch. 1864. 1012 Abhandlungen der Math.-phys. Classe. Bd. 1, 1832— Supplement-Bd. 1, 1908— 1013 Festreden. 1830 — Bayerische Botanische Gesellschaft. 1015 Berichte. 1, 1891— 1015a Mitteilungen. Bd.I, 1, 1892 — Ornithologische Gesellschaft. ı016 Jahresbericht. 1, 1897/98 — (von Bd. 4 an: Verhand- lungen der orn. Gesellschaft). | Münster. Westfälischer Provinzialverein für Wissenschaft und Kunst. 1017 Jahresbericht der zool. Sektion. 1876/77. 1018 Jahresbericht. 6, 1877 — Nancy. Société des sciences de Nancy (Ancienne Société des sciences na- turelles de Strasbourg). 1024 Bulletin. II Ser., T. IV, 8, 1878—XVI, 34, 1900. 1025 Bulletin des séances. Année 1, 1889—10, 1898. Ser. III, 1, 1, 1900— Académie de Stanislas. 1027 Mémoires. 05me ser., T.16, 1899—20, 1903. 6me seér., T.1, 1904— Nantes. Société des sciences naturelles de l'ouest de la France. 1032 OBulletin. T. 3, 1893—10, 1900. 2me sér., 1—10. 3me ser., 1, 1911/12— Tauschgeselischaften. 167 Napoli. Accademia delle scienze fisiche e matematiche. 10383 Atti. 2a ser. Vol. 1, 1888— 1039 Rendiconto. Anno 22, 1883—26, 86. 2a ser. 1 (anno 27), 1887—8. 3a ser. 1 (anno 34), 1895 — Redazione degli ,,, Annali di nevrologia‘. ı04 Annali di nevrologia. Anno 17, 1900 — Neisse. Philomathie (W issenschaftliche Gesellschaft). 1065 Denkschrift zur Feier des 25-jähr. Bestandes. 1863. 1045 Bericht. 14, 1863/65 —34, 1906/08. Neuchâtel. Société neuchateloise des sciences naturelles. 1051 Bulletin. T. 1, 1847— 1052 Mémoires. T.1, 1835—3, 1845. 5, 1914. Société neuchäteloise de géographie. 1054 Bulletin. T. 1, 1885— New-Haven (Connecticut; U.S. A.). Connecticut Academy of Arts and Sciences. 1058 Transactions. 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(1891—1903 den Abhandlungen beigebunden, 1906—13 in den Mit- teilungen enthalten. ) 1091 a Mitteilungen. 1. Jahrg. 1907 — 1092 Festschrift zur Säcularfeier der nat. Ges. 1901. Oberlin (Ohio; U.S.A.). Oberlin College. 1095 Laboratory Bulletin Oberlin College, 11, s. a. — 1096a The Wilson Bulletin. N.S.9, 1902 — Tauschgesellschaften. 169 Odessa. Société des naturalistes de la Nouvelle Russie. 1097 Mémoires. T. 13, 1888—15, 1890. Observatoire magnétique et météorologique de l'Université. 1099 Annales. 4, 1897—10, 1903. 1099a Annuaire. 1908—1911/12. Offenbach. Verein für Naturkunde. 1103 Bericht. 1, 1860 — O-Gyalla (Ungarn). K. ung. Reichsanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus. 1105 Publikationen. Bd.2, 1900—9, 1910. 1105a Jahrbücher. 29, Jahrg. 1899—39, Jahrg. 1909. 1105a Beobachtungen, angestellt am kön. ung. met.-magn. Ob- servatorıum, 1905. 11065b Bericht über die Tätigkeit. 2, 1901—9, 1908. 1105 c Namen- u. Sachregister der Bibliothek. 1902. 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Nr. 1, 1910— ‘135a Journal de physique théorique et appliquée. Ser. 4, 1, 1902—9, 1910. Ser. 5, 1, 1911— 1135b Procès-verbaux et résumés des communications. 1912— 11350 Annuaire. 1912— 1135 Collection de mémoires relatifs à la physique. T. 1, 1884 —5, 1891. II sér., fasc. 1& 2, 1905. Société française de minéralogie. 1137 Bulletin. T. 1, 1878— Tauschgesellschaften. za Société philomathique de Paris. #138 Bulletin de la société. T. 1, 1791—3, 1803. Nouv. bull. 1, 18073, 1812/13. Bull., Année 1814—24. N. bull., Année 1825, 26. 6me ser. T. 10 & 11, 1873/77. 7me ser.., 1—12. 8me ser., 1—10. 09me sér., 1—10. 10me ser., 1, 1909— Rédaction de „La Feuille des jeunes naturalistes". 1139a 0La Feuille des jeunes naturalistes. 7, 1876— Société de géographie. 1140 La Géographie. 9 & 10, 1904. Société mathématique de France. 1141 Bulletin. 35, 1907 — 1142 Comptes-rendus des séances. 1912 — Passau. Naturhistorischer Verein. Bericht (vor 1870: Jahresbericht) 7/8, 1865/68— Pavlovsk (Russland). 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Bd. 1, 1899 — (in der Astronomischen Anstalt aufbewahrt). Praetoria (South Africa). Transvaal Museum. 1191 OAnnals. I, 1, 1908 — 1191 a Annual report. 1906—08. Tauschgesellschaften. 173 Prag. K. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften. 192 Sitzungsberichte. Jahrg. 1859— 94. 0Math. naturw. Cl. Jahrg. 1895 — 1195 Creneralregister zu den Schriften der Gesellschaft. 1784 — 1884. 1884— 1904. Verzeichnis der Mitglieder. 1784—1884. 0 Jahresbericht (Deutsche Ausgabe). 1884— 1194 Abhandlungen der math. phys. Classe. 6. Folge, 5, 1871 —12, 1884. 7. Folge, 1, 1886—4, 1892. K. K. Sternwarte. 119 Astronomische, magnetische u. meteorologische Beobach- tungen. Jahrg. 33, 1872 — Deutscher naturwissenschaftlich-medizinischer Verein für Böhmen „Lotos“ in Prag. 1197 Lotos. Jahrg. 8, 1858— 1198 Abhandlungen des deutschen natw. Vereins. Bd. I, 1, 1896—II, 2, 1900. Lese- und Redehalle der deutschen Studenten 1198 Bericht. 1871— Export-Verein für Böhmen. 1200 Jahresbericht. 14, 1905. 17, 1908. Presburg. Verein für Natur- und Heilkunde. 1205 Verhandlungen. Jahrg. 1, 1856-9, 1866. ON. FE. 1, 1869/70 — 1205a 1856—1906. Emlekmü (Gedächtnisschrift, herausgegeben vom Presburger ärztl.-naturw. Verein. 1907). Pusa (Bengal; India). Agricultural Research Institute. 1206 The Agricultural Journal of India. Vol. I, 1, 1906. V, LOTO RAISON 1206a Memoirs of the Department of agriculture in India. Botanical Series. I, 1, 1906 — Bacteriological Series. I, 1, 1910/11— Chemical Series. I, 1, 1906 — Entomological Series. I, 1, 1906 — 1206b Bulletin. Nr. 4, 1907-19, 1910. Quito (Ecuador). Observatorio astronomico de Quito. 1208 OBoletin. Ano 1, Nr. 1, 1895—.Nr. 12, 1896. 174 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. ı200 Resumen de las observaciones meteorologicas. Alo 1, 1895/96. 1209a Resumen del Boletin mensual. Ano 1913, Nr. 1 & 2. Regensburg. Naturwissenschaftlicher Verein. ı21ı Abhandlungen. Heft 1, 1849—11, 1878. 1212 Correspondenzblatt. Jahrg. 1, 1847—40, 1887. Berichte des naturw. Vereins. Heft 1, 1886/87— Kgl. botanische Gesellschaft in Regensburg. 1214 ODenkschriften. Bd.3, 1841. N.F., Bd.1, 1898 — Reichenberg (Böhmen). Verein der Naturfreunde. ı218 Mitteilungen aus dem Verein. Jahrg. 3, 1872— Reims. Societe d’etude des sciences naturelles de Reims 1219 Bulletin de la société. Année 1, 1892— | 1219a (Catalogue des Coléoptères des environs de Reims. A. Lajoye. 1896. Riga. Naturforscher-Verein. ı24 Arbeiten. N.F. Heft 5, 1873—13, 1911. ı225 Correspondenzblatt. Jahrg. 19, 1872— ı226 Festschrift des Vereins in Anlass seines 50-jährigen Be- stehens. 1895. Rio de Janeiro (Brasilien). Museu nacional. 1231 Archivos. Vol. 1, 1876— 1232 Revista do Museu nacional. Vol. 1, 1896=Vol. 9 der Archivos. ; Observatorio nacional. 1933 VAnnuario. Anno 4, 1888— 1231 Boletim mensal do Observatorio. 1900—1909. Rochester (New York; U.S A.). Academy of Science. 1239 Proceedings. Vol. 1, 1889/91— Rolla (Missouri; U.S. A.). Missouri Bureau of Geology and Mines. 1240 Bureau of geology and mines. 2d ser., Vol. 1, 19098 — ı210a Biennial Report of the State Zoologist. General assembly 42, 1903— Tauschgesellschaften. 175 1220 Preliminary Report on the structural and economic geology of Missouri. 1900. Roma. R. Accademia dei Lincei. 1245 Atti. T. 1/3, 1847/50—26. 2a ser., Vol. 1—8, 1883. ı246 Attı. Memorie della classe di scienze fisiche, matematiche e naturali. Ser. 3, 1, 1877—19. 4, 1—7. 5, 1—4, 1904. 1248 Atti. Rendiconti. Ser. 4, 1, 1885—7. 5 (Classe di scienze fisiche, matematiche e naturali), 1, 1892— 1249 Atti. Rendiconti delle adunanze solenni. Vol. 1, 1892/1901 — 1250 Attı. Transunti. Ser. 3, 1, 1877—8, 1884. 1255 Annuario. 1886. 1896. 1897. - Società italiana per il progresso delle scienze. 1252 Attı. Prima riunione, 1907— 12583 Bollettino del comitato talassografico. Vol. 1, 1909/10— Società zoologica italiana. 1251 Bellettine. Vol. T, 6, 1892 ZVIT, 1899. Ser. 2, Vol. 122 Ser23% Vol21,.1912 Redaktion der ,,Rassegna delle scienze geologiche in Italia. 1257 Rassegna. Vol.I, 1891—II, 3, 1892. R. Comitato geologico d'Italia. 1259 0Bollettino. Vol. 1, 18710 1.K.N.3 Carta geologica delle Alpı occidentali. Roma 1908. Societa romana di Antropologia. ı260 Attı della Socıeta romana. Vol. 1, 1893— Specola vaticana. 1262 Pubblicazioni. Fasc. 1 (= Vol. 1), 1891—7, 1905. Rotterdam. Société batave de philosophie expérimentale. 1262a Programme de la société. 1895— En Rouen. Société libre d’Emulation du commerce et de l’industrie de la Seine- Inferieure. 1262b Bulletin. 1900/01—1911. ı262c Livre d’or. 1908. Rovereto. Accademia degli Agiati. 1263 Atti. Anno 2, 1884—12, 1894. 0Ser. 3, 1, 1895—18. 4, 1, 1913— 176 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. ı263d Memorie dell’ I. R. Accademia di scienze, lettere ed arti degli Agiati in Rovereto, pubbl. per commemorare il suo 150esimo anno di vita. 1901. Sacramento. Lick Observatory. University of California. 1264 Contributions. Nr.3, 1893—5, 1895. ı264a 0 Publications. Vol. 1, 1887 — ı264b À brief account of the Lick Observatory. 1895. Saint-Dié. Société philomatique vosgienne. 1282 Bulletin. Année 26, 1900/01— Saint-Louis (Missouri; U. S. A.). Academy of Science. 1329 Transactions. Vol. 1, 1856/60 — Missouri Botanical Garden. 1332 Annual report. 1, 1890— ı332a Annals of the Missouri Botanical Garden. Vol. 1, 1914— Salem (Massachusetts; U.S. A.). American Association for the Advancement of Science. 1265 Proceedings. Meeting 1, 1848—49, 1900. ı266 Memoirs. 1, 1875. Peabody Academy of Science. 1269 Memoirs. Vol. I, 4, 1875. II, 1886. ı20 Annual report. 1874—84. 18, 1886—19, 1887. Essex Institute. 1278 Bulletin. Vol. 1, 1869—30, 1898. 1280 Proceedings. Vol. 5/6, 1866/68. 128 Annual report for 1900. ı2831a The physical geography, geology, mineralogy & palae- ontology of Essex County, Mass. By J. H. Sears. 1905. St. Gallen. St. Gallische naturwissenschaftliche Gesellschaft. 1303 Übersicht der Verhandlungen. 1819/20—1833/34. 1304 Bericht über die Tätigkeit der St. Gall. Natw. Ges. 1858/60—1900/01. Jahrbuch. 1902/03 — St. Petersburg. Kais. Akademie der Wissenschaften. 1335 Bulletin scientifique. T.1, 1836—10, 1842. 1336 Bulletin. Classe physico-math. T. 1, 1843—17, 1859. Tauschgesellschaften. 177 1837 Bulletin. T. 1, 1860—32, 1888. Nouv. Ser. 1—4. 5me ser., 1—25. 6me ser., 1907— E 1339 Mélanges biologiques tirés du Bulletin. T.13, 1, 1891. 1340 Mélanges mathémat. et astronomiques. T.7, 1, 1891. 1341 Mélanges physiques et chimiques. T.13, 1, 1890. 154 Catalogue des livres. 1 (Publications en langue russe), 1902. Physikalisches Central-Observatorium Nicolaus. 1343 0Annales. 1865-1908. 1343a Observations météorologiques en Mandchourie. M. Ry- katchew red. 1. fasc., 1898-1906. 1544 Histoire de l'Observatoire Physico-Central. Pt.1, 1849/50. M. Rykatchew. Russische Gesellschaft für Mineralogie. Bio Sehriften. Bd-T, 17 2. 1842: 1347 OVerhandlungen. 1842/44—-63. Ser.2, Bd.1, 1866—11, 1876. Russische geographische Gesellschaft. 1349 Izvestija russkago geograficeskago obscestva. (Nachrichten von der russ. geogr. Gesellschaft.) 32, 1896 — 1350 Otcet. 1896— 1350a Instrukzija. 1908. Comité géologique. 1351 Bulletins du Comité géologique. 21, 1902— 1352 (Mémoires du Comité géol. N.S. 1, 1903— Musée géologique Pierre le Grand. 1353 Grodovoi] otcet. 190405. 13532 Travaux du Musée géol. Pierre le Grand. 1, 1907— San Fernando (Spanien). Instituto y observatorio de marina. Nat. Ges. Fol. 14 Anales. Secc. 2: Observaciones meteorologicas. Ano 1890. San Fiel (Portugal). Redaktion der ‚„Broteria‘“. Collegio de San Fiel. 1367 Brotéria. Revista de sciencias naturaes. 1, 1902 — San Francisco. California Academy of Sciences. 1292 Bulletin. Vol. 1, Nr. 4. Vol. 2. 1886/87. 1293 Occasional papers. Vol.3, 1893—8, 1901. 1994 Proceedings. 2d ser. Vol. 1, 1888—6, 1896. 3d ser. Botany. Vol. 1, 1897/1900—2, 1900/04. 3d ser. Geology. Vol. 1, 1897/1904—2, 1, 1902. 12 178 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 3d ser. Math.-phys. Vol.1, 1898/03. 3d ser. 0Zoology. Vol.1, 1897/99 —4, 1906. 4th ser. Vol. 1, 1907/12 — 1297 Register of the University of California. 1886—98. Board of State Viticultural Commissioners. 1995 OReport. 1881—94. 1300 Report of the 6th annual State Viticultural Convention. 1888. Resistant vines. By A. Hayne. 1897. 1301 Annual report of the chief executive viticultural ee 1881—84. San Jose (Costa Rica). Istituto fisico-geografico y museo nacional de Costa Rica. Nat. Ges. Fol. 12 0 Anales. T. 1, 1887 —9, 1896. 1311 Informe del Museo nacional. 1896— 1900. ı311a Boletin del Instituto. Ano 1, 1901—-3, 1903. Instituto meteorologico nacional. 1312 Boletin trimestral. Nr. 1—4, 1888. Sociedad nacional de la agricultura 1313 OBoletin de agricultura. Ano 1, Nr.2, 1906—4, Nr. 24, 1910. San Salvador (San Salvador). Observatorio astronomico y meteorologico. 1354 Annuario. 1893. 1895. 1355 Anales. 189. 1356 Observaciones meteorologicas. Oct-Dic. 1892. Santiago (Chile). Société scientifique du Chili, fondée par un groupe de Français. 10 CONTES UD MODE) TOUTE Deutscher wissenschaftlicher Verein. ıs22 Verhandlungen. Bd.I, 3, 1886— Instituto central meteorologico y geofisico de Chile. Nat. Ges. Fol. 13 Publicaciones. Nr. 1, 1911— Sao Paulo (Brasilien). Museum Paulista. 1333 tevista do Museu Paulista. 1, 1895—8, 1911. ı333a Notas preliminares. Vol. 1, fasc. 1, 1907 — Sociedade scientifica de S. Paulo. 1334 Relatorio da directoria. 1903/04. 13341a Revista da sociedade. Vol. I, 1, 1905— Tauschgesellschaften. 179 Sarawak (Borneo). Sarawak Museum. 1358 Sarawak Museum Journal. 1, 1911/13— 1358a Report. 9, 1910— Sassari (Sardegna). Redazione degli „Studi sassaresi. 1357 Studi sassaresi. Sez.2. Anno 1, 1901—7, 1909/10. Seoul (Korea). Korea Branch of the Royal Asiatic Society. 1359 0Transactions. Vol. 1, 1900— Serajevo. Bosnisch-herzegowinisches Landesmuseum. Natw. Zs. 751 Wissenschaftliche Mitteilungen aus Bosnien und der Herzegowina. 1, 1893— Sevres. Bureau international des poids et mesures. Procès verbaux du Comité international des poids et me- sures (im Bernoullianum aufgestellt). Siena. R. Accademia de’ Fisiocritici. ıs0 Rivista scientifica. Classe di scienze fisiche. Anno 1, 1869—3, 1871. 1361 Atti. Ser. 3, Vol. 4, 1885. °Ser. 4, Vol. 1, 1889—20, 1908. Ser. 5, Vol. 1, 1909 — 1362 Processi verbalı delle adunanze. Anno accad. 203, Nr. Î, 1894206, 3, 1898. Istituto botanico della R. Universita di Siena. 1563 Bullettino del laboratorio ed orto botanico. 3, fasc. 3/4, 1900—8, 1/4, 1906. | Sion. La Murithienne. Societe valaisanne des sciences naturelles. 1365 Bulletin. (Bis 1897: Bulletin des travaux.) Fasc. 5/6, 1876 — Solothurn. Naturforschende Gesellschaft. 1369 Verfassung der naturhist. Kantonal-Gesellschaft. 1824. Jahresbericht 1 & 2, 1824/25. Bericht 3, 1825/27. 4, 1827/29. 0 Bericht über die Tätigkeit. 1879/80_1897/99 (1891/93 — bd) Mitteilungen. Heft 1 (— 138. Bericht), 1899/1902— 180 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Schweizerische Gesellschaft für Urgeschichte. 1560 Jahresbericht. 7, 1915— Springfield (Massachusetts; U.S. A.). Museum of Natural History. 1372 (Report. 1901— 1372.a Bulletin. Nr. 1 & 2, 1904 & 1910. ı3r2b Historical sketch. Museum of Natural History. 1859/1909. Stavanger. Stavanger Museum. 1375 Aarsberetning for 1890. Aarshefte. 14, 1903— Stettin. Entomologischer Verein. ıssı Linnaea entomologica. Bd.1, 1846—16, 1866. Stockholm. Kongl. Svenska Vetenskaps- Akademie. 1581 Öfversigt af ... Förhandlingar. Arg. 1, 1844-59, 1902. ısss Handlingar. Ny följd. Bd.5, 2, 1864— 1389 OBihang till Handlingar. Bd. 1, 1872/73—28, 1902/03. 1389a Arkiv för matematik, astronomi och fysik. 1, 1903/04— 1389b Arkiv för kemi, mineralogi och geologi. 1, 1903/04— 1389 c Arkiv för botanik. 1, 1903/04— 1389 a Arkiv för zoologi. 1, 1903/04— 1390 Lefnadsteckningar öfver Kongl. Sv. Vetensk.-Ak. Bd. 1, 1869/73— | 1392 Meteorologiska iaktagelser i Sverige. Bd. 1, 1859— 1390 a Meridiangradmätning vid Sveriges västra kust af P.G. Rosen. 1911. 1395 Arsbok. 1903— K. Vetenskapsakademiens Nobelinstitut. 13324 Meddelanden. 1, 1905/09— 1394a Les prix Nobel. 1901— Sveriges Geologiska Undersökning. 1395 Liste systématique des publications. 1862—90. Systematisk förteckning öfver offentliggjorda arbeten. 1862—93. I nummerföljd odrwad förteekning. 1902 — 1910. 1396 Sveriges geol. undersökning. Ser. Aa. Kartblad i skalan 1: 50 000 med beskrifningar. Nr. 1, 1862 Tauschgesellschaften. 181 Ser. A 1, a. Berggrundskartor i skalan 1 : 200 000 med beskr. Blad 1/2, 1904. 5, 1906. Ser. Ab. Kartblad 1 skalan: 1 : 200 000 med beskr. 1, 187715, 1893: Ser. Ac. | Kvartärgeologiska | kartor. | (Jordartskartor) | 1 skalan 1: 100 000 med beskr. 1, 1902—8, 1904. Ser. Ba. Specialkartor med beskr. 4, 1884— Ser. Bb. Specialkartor med beskr. 1/2, 1881—9, 1892/93. (Karten zu Aa, À 1,a und Ab in der Z.K.S.) Ser. C. Afhandlingar och uppsatser. Nr. 29, 1878— (von 1907 an unter dem Titel : Ärsbok). Ser. Ca. Afhandlingar och uppsatser. 1, 1900— Nat. Ges. Fol.o Undersökn. Ser. Bb, Nr. 9. Ser. Ca, Nr. 6 & 8. 1397 Bidrag till Norrbottens geologi, af F. V. Svenonius. 1880. Entomologiska Förening. 1400 Entomologisk tidskrift. Ärg. 16, 1895 — Statens Skogs-Försöksanstalt. 14010 Meddelanden. Häftet 2, 1905— 1401 a Flygblad. 1, 1914— Hydrografiska Byran. 1402 Meddelanden. 1, 1910— 1402 a Arsbok. 1, 1908/09— 14026 Arsberättelse. 1908— HE 118 Förteckning över Sveriges vattenfall. 9. 28. 40. 1913/14. Strassburg. Société d'histoire naturelle de Strasbourg. 1403 Mémoires. T.1, 1830—6, 1866/70. Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, des Ackerbaus und der Künste im Unter-Elsass (Société des sciences, agrieultures et arts du Dep. du Bas-Rhin). oe Journale I 1,21824 5,1828. 1406 0Monatsberichte. Bd. 33, 1899 — Meteorologischer Landesdienst in Elsass-Lothringen. 14068 Deutsches meteorologisches Jahrbuch. 1891- Geologische Landesanstalt von Elsass-Lothringen. Ntw. Zs. 545 Mitteilungen. Bd.1, 1888— Stuttgart. Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg. 112 Jahreshefte. Jahrg. 1, 1845— Nat. Ges. Fol. 7 Festschrift zur Feier des 400jährigen Jubiläums der Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen. 1877 (zu 182 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. Jahrg. 33 der Jahreshefte). Tafeln zu Jahrg. 8 u. 10 der Jahreshefte. Sydney. Royal Society of New South Wales. 1413 Journal and Proceedings. 36, 1902. Australasian Association for the Advancement of Science. 1414 Report of the meeting. 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Division of Biological Survey. 186 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft, 1485b Bulletin. 9, 1898—14, 1900. 11486 "Report of the Commissioner (seit 1889: Secretary) of agriculture. 1864—1900. Natw. Zs. 9 Vearbook of the U.S. Department of agriculture. 1894 —1910. 1487 Report of the Entomological commission. 3, 1883. Department of Commerce and Labor. Bureau of Manufactures. 1488 Monthly consular and trade reports. No. 305—307. 1906. Wasselnheim. Naturwissenschaftlicher Verein von Elsass-Lothringen. 1490 Jahresbericht. 1885. Weimar. Thüringischer botanischer Verein. 1492 Mitteilungen der geographischen Gesellschaft zu Jena, zu- gleich Organ des botanischen Vereins für Gesamt- thüringen. Bd. 4, 1885—9, 1891. Mitteilungen. N.F. Heft 1, 1891— ‘Wernigerode. Naturwissenschaftlicher Verein des Harzes. 1496 Schriften. Bd.1, 1886—11, 1896. Wien. K.K. Akademie der Wissenschaften. 1500 Sitzungsberichte der mathematisch-naturwissenschaft- lichen Classe. Bd. 1, 1848— 1501 0 Almanach. Jahrgang 2, 1852-44, 1894. 1502 Mitteilungen der Erdbebencommission der K. K. Aka- demie der Wissenschaften. N.F. No.1, 1901 — Oesterreichischer Alpenverein. 15066 Jahrbuch. Bd. 1, 1865—5, 1869. 15066 Mitteilungen. Bd.1, 1863—2, 1864. 1507 Verhandlungen. Heft 1, 1864. K.K. Centralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (bis 1904: für Meteorologie und Erdmagnetismus). 150 ‚Jahrbücher. Bd.1, 1848/49—8, 1861. N.F. 1, 1864— 1510a Allgemeiner Bericht und Chronik der .... in Oestreich beobachteten Erdbeben. No.1, 1906— K.K. Geographische Gesellschaft. 1512 Mitteilungen. Jahrgang 1, 1857—835, 1892. Zoologisch-botanische Gesellschaft. 1514 Verhandlungen. Bd. 1, 1852— Tauschgesellschaften. K.K. Naturhistorisches Hofmuseum. 1516 Annalen. Bd. 1, 1836— K.K. Geologische Reichsanstalt. 1519 "Jahrbuch. 1, 1850— 1520 Verhandlungen. Jahrgang 1867 — 1521 Abhandlungen. Bd. 1, 1852— Wiener entomologischer Verein. 1592 Jahresbericht. 1 & 2, 1891/92. Verein der Geographen an der Universität. 1524 Bericht. Jahr 15, 1888/89. Naturwissenschaftlicher Verein an der Universität. 1526 . Mitteilungen. 1882/83. 1893/94. Naturwissenschaftlicher Verein an der technischen Hochschule. 152” Bericht. 1, 1877. 4, 1879. 5, 1882. Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse. 1528 Schriften. Bd. 1, 1860/61 — - Wiesbaden. Nassauischer Verein für Naturkunde. 1534 Jahrbücher. Heft 3, 1846-- Winterthur. Naturwissenschaftliche Gesellschaft. 1537 Mitteilungen. Heft 1, 1897/98 — Würzburg. Physikalisch-medizinische Gesellschaft. 150 Verhandlungen. Bd. 1, 1850—10, 1860. N. F. Bd. 1869 — 1544 Würzburger naturwissenschaftliche Zeitschrift. Bd. 1860—6, 1866/67. 154 Sitzungsberichte. 1880-- York. Yorkshire Philosophical Society. 1546 Annual report of the council. 1825— 15417 Proceedings. Vol. 1, 1855. Zürich. Naturforschende Gesellschaft. 1548 Abhandlungen. Bd. 1, 1761—3, 1766. 1549 Bericht über die Verhandlungen. 1825/26—1836/37. 1550 Mitteilungen. Bd. 1, 1849—4, 1856. 1551 Vierteljahrsschrift. Jahrgang 1, 1856— 187 188 Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft. 1552 Greneralregister der Publikationen der naturforschenden Gesellschaft in Zürich und Übersicht ihres Tauschver- kehrs. 1892. Geographisch-ethnographische Gesellschaft. 1555 Jahresbericht. 1903/04— Physikalische Gesellschaft. 1555 Jahresbericht. 4, 1891—11, 1900. 1556 Mitteilungen. Nr. 1, 1901— Gesellschaft ehemaliger Studierender der eidg. polytechn. Schule. 1557 Festschrift zur Feier des 25-jährigen Bestehens. 1894. Zwickau. Verein für Naturkunde. 1563 Jahresbericht. (1), 1871— Bericht über das hundertjährige Jubiläum der Gesellschaft. Am 23. Juni 1917 beging die Basler Naturforschende Gresell- schaft ihr hundertjähriges Jubiläum. In Anbetracht der ernsten, nicht zu vielen Festlichkeiten angetanen Zeit, die wir durchleben, hatte man beschlossen, mit demselben die Einweihung des neuen Museums für Völkerkunde zu verbinden. Der offizielle Festakt wurde um halb 10 Uhr öffentlich in der Martinskirche, deren Chor einen einfachen Pflanzenschmuck erhalten hatte, abgehalten. Als Ehrengäste waren erschienen Vertreter der hohen Regierung, des Grossen Rates, des Bürgerrates, der Uni- versität und ihrer Curatel, der schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft, der Kantonalgesellschaften von Aargau, Baselland, Bern, Freiburg, Genf, Graubünden, Luzern, Neuenburg, Schaff- hausen, Solothurn, Thurgau, Uri, Waadt, Zürich, der Société jurassienne d’&mulation, der schweizerischen Gesellschaft für Urge- schichte, sodann des freiwilligen Museumsvereins, der akademischen, gemeinnützigen, medizinischen, historisch-antiquarischen Gesellschaft, der Sektion Basel des schweizerischen Alpenklubs, der Gesellschaft für Volkskunde, der Bibliothekskommission, der Kommission zum Historischen Museum, der Kunstkommission, der Allgemeinen Museumskommission, des Initiativkomitees für die Museumsbauten; ferner einige Ehrenmitglieder und korrespondierende Mitglieder der Gesellschaft, einige Donatoren und Freunde der Sammlung für Völkerkunde und die Architekten des neuen Museums. Zunächst ergriff der Präsident der Gesellschaft, der auch der Kommission zum Museum für Völkerkunde vorsteht, Dr. Fritz Sarasin, das Wort, um in kurzen Zügen die Entwicklung der erstern zu schildern und dann auf die Entstehung, das Wachstum und die Bedeutung der letztern, sowie die Baugeschichte ihrer neuen Behausung einzugehen. Bericht über das hundertjährige Jubiläum. Sodann gab der Sekretär, Dr. H. G. Stehlin, die Namen der Forscher bekannt, welche die Gesellschaft bei ihrer Jubelfeier zu Ehrenmitgliedern und korrespondierenden Mitgliedern zu ernennen beschlossen hatte. In Rücksicht auf die politische Situation waren ausschliesslich Schweizer gewählt worden, Zu Ehrenmitgliedern wurden ernannt: Die HH. Dr. Casimir de Candolle in Genf Felix Cornu in Vevey Prof. Eduard Fischer ın Bern Prof. Auguste Forel in Yvorne Prof. ©. F. Geiser in Zürich Prof. Ph. A. Guye in Genf Prof. A. Heim in Zürich Edouard Naville in Genf Prof. F. Rudio in Zürich Prof. Carl Schröter in Zürich Prof. Alfred Werner in Zürich Zu korrespondierenden Mitgliedern: Die HH. Prof. H. Bachmann in Luzern Dr. Rudolf Bernoulli in Köln Dr. Richard Biedermann in Eutin Pfarrer W. Bührer in Wintersingen Dr. Carl Burckhardt in Mexiko Prof. Leopold Courvoisier in Berlin Dr. H. Fischer-Sigwart in Zofingen Prof. Otto Fuhrmann in Neuenburg Dr. Leopold Greppin in Solothurn Dr. Rudolf Hagenbach in Frankfurt Dr. Franz Leuthardt in Liestal Prof. Eugene Pittard in Genf Pfarrer Samuel Preiswerk in Boll Dr. Ludwig Reidhaar in Yokohama Prof. Martin Rickli in Zürich Bergrat Ferdinand Schalch in Freiburg i/Br. Prof. Otto Schlaginhaufen in Zürich Sir Alfred Theiler in Pretoria Prof. Alfred Ursprung in Freiburg i/Ue. Hanns Vischer d. Z. in Madrid Es war ferner die Ernennung von Herrn Dr. Eduard Sarasin in Genf zum Ehrenmitgliede vorgesehen gewesen. Eine schmerz- liche Fügung wollte es, dass der Tag, an welchem die Basler Bericht über das hundertjährige Jubiläum, 191 Naturforscher, im Kreise von Kollegen aus allen Teilen des Landes, das hundertjährige Jubiläum ihrer Kantonalgesellschaft feierten, zugleich der Begräbnistag des hochverehrten früheren Zentral- präsidenten der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft sein sollte. Hierauf sprachen im Namen der hohen Regierung Erziehungs- direktor Dr. F. Mangold, im Namen der Universität Rektor magnificus Prof. E. Hedinger, im Namen der Gremeinnützigen Gesellschaft, der akademischen Gesellschaft und des freiwilligen Museumsvereins Prof. J. Wackernagel, im Namen der Schwei- zerischen Naturforschenden Gesellschaft und der sämtlicher Kantonal- gesellschaften Zentralpräsident Prof. Ed. Fischer von Bern. Musikvorträge des akademischen Orchesters eröffneten und schlossen die würdige Feier. Als Erinnerung an dieselbe bringen wir im Folgenden die fünf Ansprachen zum Abdruck. — Nach dem Festakte begab man sich in das neue Museum für Völkerkunde. Die Berechtigung zu diesem Rundgang war, um Ueberfüllung der Räume zu vermeiden, auf die Mitglieder der Ge- sellschaft und die offiziellen Gäste beschränkt worden. Zum ersten Male konnte der Reichtum unserer wertvollen ethnographischen Sammlungen in seinem ganzen Umfange bewundert werden. Um 1'/ı Uhr schloss sich ein stark besuchtes und sehr belebtes Bankett im Musiksaal an. Am Podium waren die künstlerisch aus- geführten Adressen zur Schau gestellt, mit welchen uns die Schwester- gesellschaften in Bern und Zürich erfreut hatten. Auch von der juristischen Fakultät, von der schweizerischen zoologischen Gesell- schaft, von der historisch-antiquarischen Gesellschaft waren schrift- liche Glückwünsche eingegangen. Demjenigen der letzteren war als Festgeschenk ein Exemplar des von ihr herausgegebenen Pracht- werkes von Dr. Walter Merz über die Burgen des Sissgaues bei- gegeben. Es liefen auch Gratulationen verschiedener auswärtiger Mitglieder, u. a. der Herren Prof. Vöchting in Tübingen, Dr. Choffat ‘ in Lissabon und Dr. Forsyth Major in Bastia ein. Der Präsident toastierte auf das Vaterland, Dr. Paul Speiser- Thurneysen überbrachte die Glückwünsche des Grossen Rates, Herr Felix Cornu diejenigen der Waadtländischen Naturforschenden Ge- sellschaft, Prof. Emil Wieland die der medizinischen Gesellschaft, Dr. E. Zeller die des ethnographischen Museums in Bern und Dr. D. Viollier die des schweizerischen Landesmuseums und der schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte. Prof. ©. Schröter von Zürich und Prof. E. Pittard von Genf liessen die Basler Forscher hochleben, Dr. H. G. Stehlin die Senioren der Gesellschaft, von denen Dr. H. Christ derselben genau vor sechzig Jahren beige- 192 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. treten ist. Prof. Leopold Rütimeyer gedachte der Verdienste, welche sich Dr. Fritz Sarasin um das Zustandekommen des neuen Museums für Völkerkunde, und Dr. Felix Speiser derjenigen, welche sich Dr. Jean Roux um die Einrichtung desselben erworben hat. Der Vizepräsident, Prof. August Hagenbach, brachte sein Hoch ‚den anwesenden Gästen und Prof. H. Strasser in Bern dankte im Namen derselben. Den Schluss des Festes bildete ein Spaziergang im Zoologi- schen Garten. Als Jubiläumsgabe sollte den Mitgliedern der vorliegende Band überreicht werden. Schwierigkeiten, die in den Zeitumständen ihren Grund hatten, gestatteten nur den zweiten Teil desselben rechtzeitig fertigzustellen. Die Verzögerung des ersten hat uns ermöglicht, ihm noch diesen Festbericht einzuverleiben. Aber noch ein anderes bleibendes Denkmal hat das Jubiläum hinterlassen. Im vergangenen Mai war ein Aufruf an die Mitglieder und Freunde der Naturforschenden Gesellschaft ergangen, ihr durch Aeuffnung eines Fonds die Erfüllung ihrer Aufgabe als Mehrerin der naturwissenschaftlichen Bibliothek und als Herausgeberin der „Verhandlungen“ zu erleichtern. Die Hoffnung, dass dieser Appell trotz den schweren Zeiten Anklang finde, ist nicht zu Schanden geworden. In der Martinskirche konnte der Präsident eröffnen, dass 52000 Fr. gezeichnet worden seien, am Bankett konnte er mitteilen, dass die Summe inzwischen auf 57000 Fr. angewachsen sei. Nachher sind noch weitere 1640 Fr. hinzugekommen. Von ‚der Summe von 58 640 Fr. sind 33 690 Fr. durch Einzelpersonen, worunter auch viele, die nicht der Gesellschaft angehören, 24 950 Fr. durch unpersönliche Donatoren gespendet worden (s. die Donatoren- liste am Schluss dieses Berichtes). Schliesslich hat ein Legat aus einem verehrlichen Trauerhause den Fonds auf 60 640 Fr. auf- gerundet. So beginnt also das zweite Säculum unserer Gesellschaft, wenn ‚gleich mitten im Krieg, unter günstigen Auspizien. Si HERMANN CHRIST JULIUS KOLLMANN GEB. 1833 GEB. 1834 FRIEDRICH GOPPELSROEDER SIMON SCHWENDENER GEB. 1837 GEB. 1829 Die Senioren der Gesellschaft im Jubiläumsjahre 1917. = ee Lars = sam ar an ae en an > er Ansprache von Herrn Dr. Fritz Sarasin. 195 Ansprachen beim offiziellen Festakt in der Martinskirche. Ansprache von Herrn Dr. Fritz Sarasin, Präsidenten der Naturforschenden Gesellschaft und der Kommission zur Sammlung für Völkerkunde. Hochansehnliche Festversammlung! Dem Naturforscher, der mit ungemessenen Zeiträumen zu rechnen und zu arbeiten gewohnt ist, pflegt ein Jahrhundert bloss als eine kurze Spanne zu erscheinen, als eine Sekunde gleich- sam in der Geschichte des Weltalls. Ganz anders aber wird der Masstab, wenn es sich um Institutionen des Menschen handelt. Einer solchen verleiht das Alter von 100 Jahren bereits etwas ausnahmsweise Ehrwürdiges, das sich siegreich durch Schwierig- keiten aller Art hindurch zu retten vermocht und von nicht gewöhn- licher Lebenskraft Zeugnis abgelegt hat. Es ist daher sicherlich wohl berechtigt, den 100 jährigen Ge- burtstag unserer Naturforschenden Gesellschaft in Basel festlich zu begehen und diesen Anlass zu benützen zu Rückblicken über den zurückgelegten Weg und zu ernster Prüfung, ob das im vergangenen Jahrhundert Erreichte auch dem Erstrebten ent- spreche. In aller Bescheidenheit soll dies geschehen und dankbaren - Gremütes dafür, dass uns hier eine Erinnerungsfeier friedlicher Arbeit zu begehen vergönnt ist, während rings um die Grenzen unseres Vaterlandes der dröhnende Schritt weltgeschichtlicher Er- eignisse ernst und schrecklich genug sich vernehmen lässt. Der Anstoss zur Gründung unserer Gesellschaft ist von aussen gekommen. Am 6. Oktober 1815 hatte sich in Genf, das von Fremd- herrschaft befreit, sich eben als Kanton der Eidgenossenschaft an- gegliedert hatte, die von patriotischem und poetischem Geist ge- tragene Stiftung der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft vollzogen, welche ein Band bilden sollte, um die helvetischen Freunde der Naturwissenschaft zu gemeinsamer Arbeit zu ver- “einigen. Basel ist bei diesem Stiftungsakte nicht vertreten gewesen, aber unter dem Eindruck des Geschehenen tauchte auch hier der Gedanke auf, die Naturforscher zu einer Gesellschaft zu verbinden. Es war Daniel Huber, Professor der Mathematik, der am 19. De- zember 1816 seine gelehrten Freunde zu einer Besprechung in diesem Sinne einlud, als deren Folge am 8. Januar 1817 die 13 194 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. Naturforschende Gesellschaft in Basel, aus 22 Mitgliedern be- stehend, ins Leben trat. Es wäre unbillig, zu verschweigen, dass in Basel schon eine ältere Naturforschende Gesellschaft von 1751 bis 1787 bestanden hatte, die „Societas Physico-Mathematico-Anatomico-Botanico-Medico Helvetica“. In gewissem Sinne kam sogar dieser ältern Sozietät eine höhere Bedeutung zu als der jüngeren, insofern sie als ein Mittelpunkt gedacht war für die schweizerischen Naturforscher überhaupt, frei- lich nicht im Sinne der heutigen Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft mit regelmässigen Vereinigungen, sondern als ein Kollegium gelehrter Männer zur Herausgabe wissenschaftlicher Arbeiten, unter Leitung der medizinischen Fakultät der Basler Hochschule. Sie brachte es bis zum Erscheinen von 9 Bänden mit teilweise höchst wertvollen Abhandlungen und erstarb dann zugleich mit dem Niedergang der Universität. Nicht so die Gründung Daniel Hubers, die auf viel liberaleren Grundsätzen aufgebaut war und allen Freunden der Natur- wissenschaft, ob Gelehrter oder Laie, gleicherweise ihre Pforten öffnete. Die (resellschaft setzte sich zum Zweck, so heisst es im ersten Paragraphen ihrer Statuten, „erstlich die Erweiterung und Ausbreitung menschlicher Kenntnisse in sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaften, mit besonderer Hinsicht auf die Naturge- schichte des Vaterlands und der Umgegend; sodann die Anwen- dung dieser Kenntnisse auf das praktische Leben überhaupt so- wohl, als auch ganz besonders auf den Nutzen des Vaterlandes.“ Die Stiftung unserer Gesellschaft fiel zeitlich zusammen mit der Reorganisation der Basler Universität 1818, einer für die da- mals kaum 17,000 Einwohner zählende Kleinstadt höchst ehren- vollen Tat. Die Naturgeschichte wurde Christoph Bernoulli übertragen und für den Lehrstuhl der Physik und Chemie Peter Merian gewonnen, der dann 1828 diese Fächer an den von ihm hergerufenen Christian Friedrich Schönbein übertrug, um sich ganz der Geologie und Petrefaktenkunde zuzuwenden. Damit sind die Namen der beiden Männer genannt, die auf lange Jahrzehnte hinaus unserer Gesellschaft ihren geistigen Stempel aufdrücken sollten. Die Zahl der Gesellschaftsmitglieder wuchs anfänglich lang- sam; in den dreissiger ‚Jahren waren es ihrer 45, 1867 im Jubi- läumsjahr des 50jährigen Bestehens 120. Von diesen 120 ragen heute nur noch drei als ehrwürdige Säulen in die 100jährige Ge- denkfeier hinein, Dr. Hermann Christ und Prof. Friedrich Goppelsroeder in Basel und Prof. Simon Schwendener in Berlin. 1892, am 75. Jubiläum zählte die Gesellschaft gegen 200 Ansprache von Herrn Dr. Fritz Sarasin. 195 Mitglieder, heute am 100jährigen das doppelte, sicher ein beredtes Zeugnis für ihre ungeschwächte Lebenskraft. Es ist selbstverständlich, dass die Zunahme der Mitglieder- zahl im Laufe des Jahrhunderts auf das Wesen der Gesellschaft selbst einen umgestaltenden Einfluss hat ausüben müssen. Aus der ursprünglichen, geselligen Vereinigung eines engeren Bekannten- kreises, der sich zwanglos über naturwissenschaftliche Gegenstände und Tagesfragen unterhielt, hat sich mehr und mehr der Charakter einer Akademie, freilich ohne jedes äussere Beiwerk einer solchen, herausgebildet, in der streng wissenschaftliche Vorträge aus allen Gebieten der Naturgeschichte und zwar fast ausschliesslich die Ergebnisse eigener Forscherarbeit behändelnd, gehalten werden. Und darin liegt eben die wesentliche Bedeutung von Gesellschaften, wie die unsere, dass der Forscher, dessen eigenes Arbeitsgebiet infolge der heutzutage immer weitergehenden Spezialisierung mehr und mehr nur noch einen kleinen Ausschnitt des ungeheuren Reiches der Naturwissenschaft zu umfassen vermag, Kenntnis er- hält von den auf Nachbargebieten erzielten Ergebnissen und Ein- sicht in die Fragen, welche dort im Vordergrund des Interesses stehen, woraus mannigfache Befruchtung des eigenen Denkens nicht ausbleiben kann. Dieser Werdegang spiegelt sich auch in den Veröffentlichungen unserer Gesellschaft wieder. In der ersten Zeit wurde gar nichts publiziert, dann bildeten für eine Reihe von Jahren kurze Mit- teilungen über die Tätigkeit der Gesellschaft in den Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft das einzige, was der Oeffentlichkeit übergeben wurde. In den 18 Jahren von 1835—1852 folgten dann 10 selbständig erschienene Hefte mit Ver- handlungsberichten, und erst 1854 wurde unsere heute noch be- stehende Zeitschrift, die „Verhandlungen der Naturforschenden Gresellschaft in Basel“ gegründet, deren 28 Band die Festgabe zum heutigen Jubiläum bildet. Es enthalten diese 28 Bände nicht weniger als 700 wissen- schaftliche Mitteilungen, darunter viele von bahnbrechender Art. Indessen kann es meine Aufgabe nicht sein, Ihnen heute die Ver- dienste von Mitgliedern unserer Gesellschaft um die Förderung der verschiedenen Zweige der Naturwissenschaft im Laufe eines Jahr- hunderts zu schildern. Hiefür würde weder Zeit, noch Kraft aus- reichen. Ich möchte vielmehr blos eine Seite der Wirksamkeit unserer Gesellschaft näher beleuchten, wozu die heutige Verbin- dung unserer Feier mit der Eröffnung des Museums für Völker- kunde geradezu hindrängt, nämlich ihre Verdienste um die öffent- lichen Institute unserer Vaterstadt. Ich möchte zu zeigen ver- 196 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. suchen, was Basel seiner Naturforschenden Gesellschaft zu ver- danken hat, ganz abgesehen von dem Glanze, den die wissenschaft- lichen Arbeiten hervorragender Mitglieder ihm verliehen haben. In erster Linie mag hier ihrer Verdienste um die Öffentliche Bibliothek gedacht sein. Die Verwendung von Gesellschaftsmitteln auf Ankauf naturwissenschaftlicher Bücher geht schon auf den Beginn der 20er Jahre zurück, und unter Peter Merian’s Jahr- zehnte langer, uneigennütziger Pflege nahm diese Büchersammlung mehr und mehr ansehnliche Dimensionen an. Vor allem aber hat der ausgedehnte Tauschverkehr mit anderen Gesellschaften, dem wir gegenwärtig nahe an 500 Zeitschriften verdanken, viel dazu bei- getragen, dass heute unsere naturhistorische Bibliothek den stets sich steigernden Bedürfnissen, wenn auch nicht völlig, so doch immerhin in anständiger Weise zu genügen vermag. Von der öffentlichen Bibliothek verwaltet, stehen die der Gesellschaft ge- hörigen Bücher der Allgemeinheit zur Benützung frei. Es ist für uns alle eine ganz besondere Freude, dass durch die stattliche Jubiläumsgabe von Fr. 52,000, die unserer Gesell- schaft von Mitgliedern, Freunden und industriellen Unternehmungen als Geburtstagsgeschenk überreicht worden ist, wir in den Stand gesetzt sein werden, in Zukunft unsere Verhandlungen auf eine höhere Stufe als bisher zu heben. Daraus wird sich ein stark vermehrter Tauschverkehr ergeben, der unserer Öffentlichen Biblio- thek zu grösstem Nutzen gereichen wird. Wenn bei Anlage einer naturhistorischen Bibliothek die Ge- sellschaft vorwiegend ihre eigenen, wissenschaftlichen Interessen im Auge hatte, ging von ihr anderseits schon früh, 1839 bis 40, der gemeinnützige Versuch aus, durch öffentliche Vorträge mit freiem Eintritt für jedermann naturgeschichtliche Kenntnisse in den weitesten Kreisen zu verbreiten. So ist sie die Anstifterin ge- worden zu den populären Vorträgen, deren Quelle in unserer Stadt fast unerschöpflich fliesst. Was uns aber heute in erster Linie interessieren muss, ist das Verhältnis unserer Gesellschaft zu den öffentlichen Sammlungen unserer Vaterstadt, und hier sind ihre Verdienste wahrlich nicht gering. Schon die Gründung des Naturhistorischen Museums ging aus ihrem Schosse hervor. Daniel Huber, Christoph Bernoulli und Peter Merian sind es gewesen, welche die Regenz veranlassten, im Jahre 1821 den Behörden den Antrag zu stellen, ein naturhistorisches Museum ins Leben zu rufen. Bereitwillig stellte hiefür der Kleine Rat den Falkensteiner Hof zur Verfügung, welcher ausser den damals noch bescheidenen, naturhistorischen Kollektionen das physikalische Kabinet, das chemische Labora- Ansprache von Herrn Dr. Fritz Sarasin. 197 torium, die naturhistorische Bibliothek und einen Hörsaal für den Unterricht aufnehmen sollte. Mit dieser neuen Anstalt stand nun unsere Gesellschaft in engster Verbindung, sie war gewissermassen ihre berufene Schutzpatronin. Im Falkensteiner Hof hielt sie ihre Versammlungen ab; ihre Mittel beschloss sie, neben Büchern, auch auf den Ankauf von Naturalien und Apparaten zu verwenden und von Zeit zu Zeit Berichte über den Zustand des Museums und die eingegangenen Geschenke erscheinen zu lassen. Zum ersten Male geschah dies 1835 und wird noch heute in gleicher Weise geübt, in- dem alljährlich in unseren Verhandlungen der Bericht des Natur- historischen Museums veröffentlicht wird. Die Statuten von 1830 nennen ausdrücklich unter den Aufgaben der Gesellschaft „Ver- vollkommnung der öffentlichen naturwissenschaftlichen Sammlungen“ und stellen als Belohnung für ansehnliche Geschenke die Ehrenmit- gliedschaft in Aussicht; ja in den vierziger und fünfziger Jahren hat die Gesellschaft sogar mehrfach Reisende mit Geld versehen, um für das Museum Sammlungen anzulegen. Weit wichtiger aber als dies war, was einzelne Mitglieder unserer Gesellschaft von den ersten Zeiten an bis heute an frei- williger Arbeit und Munificenz für die Entwicklung der Samm- lungen und meist in aller Stille geleistet haben. Vor allem Peter Merian’s unermüdlichem Wirken ist es zu danken, dass der Falkensteinerhof bald zu enge wurde, und selbstverständlich er- scheint es, dass, als im Jahre 1841 ein Initiativkomitee von Bür- gern zusammentrat, um durch Sammlung freiwilliger Beiträge den Behörden die Errichtung eines neuen Museumsgebäudes zu er- leichtern, Peter Merian darin nicht gefehlt hat. Dieses neue Museum, das wir heute bereits als das alte be- trachten, etwa zu einem Vierteil aus freiwilligen Beiträgen durch Melchior Berri erbaut und 1849 eingeweiht, umfasste zu Beginn nicht nur die heute noch darin befindlichen Kunst- und naturhisto- rischen Sammlungen, sondern auch das antiquarische Kabinet, die Sammlung der Gipsabgüsse, die ganze Bibliothek, sowie Hörsäle und Laboratorien für Physik und Chemie. Schon ein Jahr vor der Einweihung hielt die naturforschende Gesellschaft ihre erste Sitzung im neuen Gebäude ab, damit ihre Zugehörigkeit zu dieser Schöpfung bekundend, der sie auch weiter- hin ihre liebevolle Pflege angedeihen liess, darf doch auch die Gründung des Museumsvereins, dessen Plan am Essen der Einweihungsfeier Prof. Schönbein in geistvoller Rede entwickelte, mit zu ihren Verdiensten gerechnet werden. Unaufhaltsam entwickelte sich in der Folge das Museum weiter, und fast unheimlich rasch füllten sich mit Sammlungen die 198 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. Lücken aus, die der Auszug der Physik und Chemie ins Bernoul- lianum 1874 und der der Bibliothek 1896 offen gelassen. Die letzt- genannte Veränderung machte es möglich, die mit grösster Sach- kenntnis und kleinsten Mitteln durch Ludwig Rütimeyer’s Geist und beharrliche Arbeit geschaffene, vergleichend anatomische Samm- lung für Osteologie und Palaeontologie der Wirbeltiere aus der Universität ins Museum überzuführen, wo sie durch einen Enkel Peter Merians, Herrn Dr. H. G. Stehlin, zu einer der aller- bedeutendsten dieser Art weiter ausgebaut worden ist. Mit dem Auszug der genannten Institute war die Möglichkeit erschöpft, im Museum selbst weitere Ausstellungsräume grösseren Umfangs zu gewinnen, und als nun und zwar gleichfalls unter Pflege und Leitung von Mitgliedern unserer Gesellschaft, eine neue Samm- lung, die der Völkerkunde und Urgeschichte, einen gewaltigen Aufschwung nahm, konnten nur durch einen Neubau Mittel und Wege gefunden werden, ihr eine gedeihliche Entwicklung zu sichern. . Über die Zugehörigkeit der Völkerkunde zu den Natur- oder zu den Geisteswissenschaften sind Bände geschrieben worden, und die Frage ist je nach dem Studiengang und der Geschmacksrich- tung des sie Behandelnden verschieden beantwortet worden. Zwei- fellos ist sie ein Grenzgebiet, das nicht nur mit rein naturwissen- schaftlichen Fächern, wie physische Anthropologie und Geographie, sondern auch mit linguistischen und historischen die mannigfachsten Berührungspunkte hat. Allein es will mir scheinen, dass im Grunde alle Trennungen in Fächer und Disziplinen nur künstliche, durch prak- tische Rücksichten gegebene sind, bloss bedingt durch die Unfähig- keit des einzelnen Menschen, alle Zweige des Wissens zu be- herrschen. Von höherer Warte gesehen, ist die Sprachwissenschaft, welche die Entwicklung der menschlichen Sprache verfolgt, sicher- lich auch ein Zweig der Naturwissenschaft, da die Funktion eines Organismus behandelnd. Eine ununterbrochene Kette ferner führt vom Nestbau des Orang Utan und der Primitivhütte des Menschen bis zum griechischen Tempel und gotischen Dom, von der rohsten Felsenzeichnung des Wilden bis zu Leonardo da Vinci. Unmerk- lich leiten Urgeschichte und Völkerkunde von den schriftlosen Völkern über zu solchen, welche auf irgend eine Weise ihre Er- lebnisse auf Stein, Thon oder pflanzlichen Stoffen zu fixieren ver- mochten und damit in die Geschichte eintraten, um so unmerk- licher, als die moderne Völkerkunde und Prähistorie aus dem Wechsel aufeinanderfolgender Kulturen und dem Wandern von Vorstellungen, Haustieren und Geräten über die Erde ebenfalls uralte Zusammenhänge und geschichtliche Tatsachen zu ergründen suchen, somit auch ihrerseits Weltgeschichte treiben, aber über Ansprache von Herrn Dr. Fritz Sarasin. 199 weit ausgedehntere Areale und unvergleichlich viel gewaltigere Zeiträume hin als diejenigen Wissenschaften, die man als historische zu bezeichnen pflegt. Wie überall anderwärts, ist auch bei uns die Völkerkunde das jüngste Glied der von Museen gepflegten Gebiete gewesen. Der Gedanke eines Völkerkunde-Museums scheint überhaupt kaum vor den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts aufgetaucht zu sein. 1849 ist dann das erste Museum dieser Art und zwar in Kopenhagen gegründet worden. Aber noch lange nachher, ja noch heute, ist es der Völkerkunde nicht gelungen, alles Misstrauen, das von jeher Neuem von der zünftigen Wissenschaft entgegen- gebracht wird, gänzlich zu überwinden. Der erste namhafte Schritt zur Gründung unserer Basler Sammlung geschah 1850 durch die Uebergabe der höchst bedeuten- den, durch Lukas Vischer zusammengebrachten Serie mexi- kanischer Altertümer an das Museum. Diese sowohl, wie alles weitere, was in den folgenden Jahrzehnten einging, war der Anti- quarischen Abteilung unterstellt, wo es als ein wegen Raumbe- gehrlichkeit nicht eben gern gesehenes Stiefkind neben den aner- kannten Schwestern Griechenland und Rom angesehen wurde. Immerhin erhielt es 1889 ein kleines Taschengeld und einen eigenen Pfleger in der Person des Herrn Dr. Rud. Hotz; sonst begnügte es sich mit den Gaben, die Basler Reisende ihm etwa mitzubringen den Mut hatten. Als dann im Jahre 1890 der Grosse Rat den Ausbau der Barfüsserkirche zu einem Historischen Museum beschloss, in welchem die Mittelalterliche und die Antiquarische Sammlung vereinigt werden, während die Ethnographischen Bestände im alten Hause zurückbleiben sollten, brachte dies die Mündigkeitserklärung unserer Abteilung mit sich. Sie wurde 1892 einer eigenen Kommission unter Prof. Julius Kollmann’s Leitung unterstellt, die nun mit Eifer der Katalogisierung und Ordnung der Objekte, wenn auch unter denkbar ungünstigen Raumverhältnissen, sich unterzog. Mit Freude wurde es daher begrüsst, als nach dem Auszug der Bibliothek aus dem Museum unserer Sammlung der Parterre-Saal zur Linken des Eingangs überlassen wurde, wo sie sich, wenn auch zum Teil in beschaulichem Halbdunkel und ohne jede Aussicht auf Erweiterung doch einigermassen anständig präsentieren konnte. So durfte ich am 10. November 1899, als bei Anlass des 50jährigen Bestehens des Museums die von der Bibliothek verlassenen Ausstellungssäle eröffnet wurden, in der Aula den Be- hörden unseren aufrichtigen Dank für das Geschehene aussprechen, freilich nicht ohne beizufügen, dass auch dieser Fortschritt nur 200 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. eine Etappe bilden könne auf dem Wege zu neuen und bedeuten- deren Erweiterungen, deren Realisierung wir heute, nach nicht ganz 20 Jahren, feiern dürfen. Indessen würde kaum so rasch für die Völkerkunde diese Be- freiungsstunde geschlagen haben, wenn nicht die älteren Samm- lungen im gleichen Hause, Kunst und Naturwissenschaft, ebenfalls unter Bedrängnissen aller Art zu seufzen gehabt hätten, so dass das Initiativkomitee für die Museumsbauten, das am 15. Oktober 1903 zum ersten Male zusammentrat, einen allgemeinen Notschrei an die Einwohnerschaft Basels richten konnte. Die Geschichte dieses Initiativkomitees will ich hier nicht wiedergeben, nicht zu reden kommen auf die mancherlei Schwierig- keiten, die sich einer raschen Lösung der Museumsbaufragen ent- gegenstellten, auch nicht eingehen auf die Umwege, die es, durch allerlei Umstände gedrungen, hat wandeln müssen. Heute soll vielmehr allein die herzliche Freude über das Erreichte zu dank- barem Ausdruck gelangen. Und da ist vor allem des glänzenden Opfersinns unserer Basler Bevölkerung zu gedenken, die auf den Aufruf des Initiativkomitees hin in kürzester Frist über eine Million an freiwilligen Beiträgen für die Bedürfnisse der Museumssamm- lungen zusammengelest hat, um dem Staate die Ausführung der kostspieligen Bauten zu ermöglichen. Dank aber auch den Be- hörden, die nicht gezögert haben, die trotz der freiwilligen Leistung noch notwendigen, hohen Summen für die Errichtung des Völker- kunde- und des Kunstmuseums zu bewilligen. Das in der Folge ausgearbeitete Programm für die Raumbe- dürfnisse der Völkerkunde ergab, dass, wenn man ihr wirklich zu einer für eine längere Reihe von Jahren hinaus gedeihlichen Ent- wicklung verhelfen wollte, ein Erweiterungsbau von sehr beträcht- lichen Dimensionen notwendig sei, zumal die Naturwissenschaft und zwar mit vollem Recht das ganze alte Museum für ihre eigenen Bedürfnisse zu verlangen, sich veranlasst sah. Das Preisgericht, das über eine unter den Mitgliedern des Basler Ingenieur- und Architektenvereins ausgeschriebene Ideenkonkurrenz im April 1909 zu urteilen hatte, erkannte den ersten Preis den Herren Eduard, Ernst und Paul Vischer zu. Ihnen übertrug die Baukommis- sion die Ausarbeitung der Pläne, die im folgenden Jahre ihr vor- gelegt und von ihr genehmigt worden sind. Noch konnte aber nicht an ihre Ausführung geschritten wer- den, weil die Platzfrage für das Kunstmuseum noch keineswegs geklärt war, und das Initiativkomitee an die Übergabe der ge- sammelten Geldmittel an den Staat die Bedingung geknüpft hatte, dass beide Aufgaben gleichzeitig an die Hand genommen namen Ansprache von Herrn Dr. Fritz Sarasin. 201 sollten. Erst am 15. Mai 1913 konnte der Grosse Rat den er- lösenden Beschluss fassen, auf dem Areal des Rollerhofs einen Neubau für die Völkerkunde zu errichten und als Bauplatz für das Kunstmuseum den Schützenmattpark zu bestimmen. Am 17. November 1913 ist mit dem Bau begonnen worden; er fiel in eine bewegte Zeit, denn der im August 1914 ausge- brochene Weltkrieg konnte nicht ohne Einwirkung auf den Gang der Arbeiten bleiben. Trotzdem stand Anfang 1916 der Bau voll- endet da, wonach mit der nicht geringen Aufgabe der Aufstellung der Sammlungen begonnen werden konnte. Die Gesamtkosten des Neubaus ohne das Areal, aber mit Einschluss der tiefgreifenden Veränderungen im Aulaflügel des alten Museums, mit Einschluss ferner von Mobiliar und Umzugs- kosten, beliefen sich auf rund 770,000 Fr., wovon reichlich der dritte Teil aus freiwilligen Mitteln bestritten worden ist. An Aus- stellungsfläche enthält der Neubau 2331 Quadratmeter, an Magazin- und Kellerräumen 431; hiezu das Haus am Schlüsselberg, das die Arbeitszimmer, die Bibliothek, Werkstätte und Packraum enthält mit 411, zusammen 3173 Quadratmeter. Es sind in den letzten Jahren eine Reihe von Arbeiten er- schienen über die Frage, wie völkerkundliche Museen gebaut und eingerichtet werden sollen, wobei zum Teil Forderungen aufgestellt worden sind, die unserer Meinung nach in keinem Verhältnis stehen zum Werte solcher Sammlungen und nur da sich rechtfer- tigen lassen, wo es sich um Kunstwerke allerersten Ranges handelt. Wir sind dagegen ausschliesslich vom Gesichtspunkte ausgegangen, dass möglichst viel Licht und möglichst viel Raum die einzigen massgebenden Faktoren sein müssen, und dass jeder entbehrliche architektonische Schmuck zu vermeiden sei, um die an sich oft recht bescheiden aussehenden Sammlungen selbst zum Be- schauer reden zu lassen. So war es auch höchst glücklich, dass durch keine prunkvolle Fassade die Dispositionen des Inneren beeinflusst wurden, gemäss dem Licht wark’schen Worte: „Für ein Museum, das sich rühren und wirken soll, ist die Fassade nichts, das Innere alles“. Mit grosser Liebe und Verständnis haben die Baumeister diese Aufgabe durchgeführt, welche oft einen Verzicht auf eigenen, künstlerischen Ausdruck verlangte, und ihnen ist es zu danken, dass wir den Bau als einen in allen Teilen ge- lungenen und praktischen bezeichnen dürfen, in vieler Hinsicht ein Vorbild für Bauten ähnlicher Bestimmung. Die Sammlungen selbst nun, die in dem neuen Heim zur Auf- stellung gelangten, umfassen heute beinahe 40,000 katalogisierte Nummern, gegen 27,000 im Jahre 1912 und 2500 im Jahre 1892. 202 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. Fragen wir nun nach den Quellen, aus denen diese ausserordent- liche Vermehrung geflossen, so ist es wiederum in allererster Linie der altbewährte Basler Bürger- und Opfersinn, der zu diesem er- freulichen Ergebnis verholfen hat, und hier ist der Ort, einer Er- scheinung zu gedenken, welche die letzten Jahrzehnte der Ge- schichte unserer naturforschenden Gesellschaft charakterisiert und von den früheren wesentlich unterscheidet, nämlich der Expansion ins Weite, über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus. Zahl- reiche Basler Gelehrte aus den verschiedensten Gebieten der Natur- wissenschaften sind in dieser Periode zu Forschungszwecken in fremde Länder hinausgezogen, und alle haben unserer heimischen Sammlungen mit Liebe und Aufopferung gedacht. Ich kann sie hier nicht alle nennen, möchte aber doch nicht unterlassen, wenigstens mit besonderem Danke Herrn Dr. Felix Speiser, dessen Sammlung aus den Neuen Hebriden zu den wertvollsten Teilen unseres Museums gehört und Herrn Dr. August Tobler, der uns reiche Schätze aus Sumatra zugeführt hat, zu erwähnen. Aber nicht nur Gelehrte, sondern auch zahlreiche, in den ver- schiedensten Lebensstellungen auswärts lebende Basler und Schweizer haben unsere Sammlungen vermehrt, und nicht zum mindesten haben wir dem freiwilligen Museumsverein, der Gemeinnützigen Gesellschaft und vielen Freunden in der eigenen Stadt ausser- ordentlich viel zu verdanken. Wir dürfen wohl auch daran er- innern, ohne unbescheiden zu sein, dass der gesamte Sammlungs- betrieb, mit Ausnahme natürlich der vom Staate besoldeten, manuellen Beihilfe, eine freiwillige Leistung gewesen ist und, so hoffen wir, nach guter, alter Basler Tradition es noch lange so bleiben wird. Bei der Aufstellung der Sammlungen ist im allgemeinen geogra- phisch vorgegangen worden, da es doch in erster Linie darauf an- kommt, das bunte Bild der verschiedenen, bestehenden Kulturen der Menschheit dem Beschauer vor Augen zu führen. Natur- gemäss haben unsere Materialien nicht ausgereicht, um diese viel- gestaltigen Kulturen der Erde gleichmässig zum Ausdruck zu bringen, da wir eben doch in der Hauptsache auf das angewiesen waren, was uns an Geschenken, also mehr oder minder zufällig, zugeflossen ist. Einzelne Gebiete sind daher verhältnismässig zu stark, andere zu schwach vertreten, und wir müssen es der Zu- kunft überlassen, hier einen Ausgleich herbeizuführen. Aus eben diesem Grunde haben wir in verschiedenen Fällen darauf ver- zichten müssen, ausgedehnte, geographische Bezirke in Untergruppen zu zerlegen, auch wenn solche nach Stil der Geräte sich wohl hätten unterscheiden lassen. Indessen verliert der Forscher hie- durch nichts, da jedes Stück den Herkunftsnachweis auf der Ansprache von Herrn Dr. Fritz Sarasin. 205 Etikette trägt, und der Laie wird vielleicht noch eher eine Vor- stellung von einer Kultur sich bilden können, als wenn allzuviele Untergruppen unterschieden werden. Anderseits haben wir auch mehrfach das rein geographische Prinzip verlassen und vergleichende Sammlungen von Geräten zur Aufstellung gebracht. Solche vergleichende Gruppen bieten das nicht geringe Interesse, dass sich daran die Entwicklung eines Gerätes von primitiven Formen bis zu immer mehr vervollkomm- neten verfolgen lässt. In dieser Weise haben wir die gesamten Ackerbaugeräte der Erde zusammengestellt; vergleichend sind ferner die Schiffe angeordnet, weiter die Anker, die Ruder, die Transport- mittel, die Mühlen und die ganze Webetechnik der Erde. In der durch Prof. Leopold Rütimeyer’s Eifer gewaltig angeschwollenen, afrikanischen Abteilung werden Sie auch die Idole und Masken, das ganze mannigfaltige Pandämonium der Negerstämme, in einer Gruppe vereinigt finden. Die moderne Völkerkunde und so auch unser Museum legen ein ganz besonderes Gewicht auf die primitiven Kulturen der so- genannten Naturvölker und dies mit vollem Recht. Einmal spiegeln diese am getreuesten den Urzustand der Menschheit, den Beginn aller Kultur überhaupt, wieder, und da Kulturgeschichte die Auf- gabe und den Inhalt der völkerkundlichen Wissenschaft bildet, ist ihre Wichtigkeit für solche entwicklungsgeschichtliche Betrach- tung leicht einzusehen. Des fernern sind aber gerade diese Kul- turen einem sicheren, nahen Untergang geweiht; allzuviele sind auch bereits völlig vernichtet worden. Bei der enormen Ausbrei- tung des weissen Menschen mit seinen hoch entwickelten Trans- portmittelu und seiner unersättlichen Geld- und Ländergier über die ganze Erde hin, bringt heutzutage jedes Jahrzehnt Veränderungen mit sich, wie sie früher ein Jahrzehntausend zu bewirken nicht im- stande gewesen. Unaufhaltsam legt sich die europäische Maschinen- kultur wie ein Tod bringendes Netz über den Erdball und erstickt in seinen unentrinnbaren Maschen alles ursprüngliche Völkerleben. Und vor allem sind es eben die Naturvölker, die diesem Ansturm zuerst erliegen, ihre Sitten und Anschauungen von Grund aus ver- ändern und ihre zwar mühsam, aber mit wahrer Andacht verfertigten Geräte gegen billige Importware vertauschen. Vielfach verschwinden sogar bei der Berührung mit den Weissen nicht nur die primitiven Kulturen, sondern auch ihre Träger selbst, vom Schauplatz des Lebens. Von diesen Dokumenten untergehender Völker und Kulturen ist es Pflicht, zu retten, was zu retten ist, und es gilt hier auch sicherlich das Wort Ludwig Rütimeyers, das er 1865 in Be- 204 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. zug auf die naturwissenschaftlichen Sammlungen des Museums in der Aula aussprach: „Die Zukunft wird wohl erst den vollen Dank für die weise Voraussicht leisten, mit der innerhalb der Mauern, die uns umgeben, Dokumente niedergelegt wurden, welche die Ar- beit unserer Nachfolger mehr fördern werden als all der Reichtum der Gedanken, die von diesem Katheder ausgegangen.“ Unmerklich führen die Naturvölker über zu denen, welche wir als Halbkultur- und Kulturvölker bezeichnen, lauter relative Be- griffe, weil selbst bei Kulturvölkern nur ein gewisser Teil derselben wirklich Kulturträger ist, während dem Rest nicht unbillig eine Stellung unter den Halbkultur-, teilweise sogar Naturvölkern an- zuweisen wäre. In keinem Falle kann die Völkerkunde irgendwo einen künstlichen Schnitt machen, und sie darf dies um so weniger, als auch die Halbkulturen, ja selbst Hochkulturen, wie die Jahr- tausende alten der Ostasiaten, der europäischen Uniformisierung auf die Dauer sich nicht zu entziehen vermögen. Dies führt uns zu der vielumstrittenen Frage über, ob die Völkerkunde sich auch mit Europa zu beschäftigen habe oder nicht. Der europäische Grössenwahn hat sie öfters verneint, ich möchte sie durchaus bejahen, aber hier begegnen wir künstlich gezogenen Grenzen, weil grosse Teile der europäischen Kulturgeschichte von jeher in anderen Museen ihre Stätte gefunden haben. Die Hoch- kulturen von Griechenland und Rom, die Erzeugnisse unseres Mittelalters, die des europäischen Kunstgewerbes, Malerei und Skulptur werden längst von eigenen Instituten gepflegt, die zu- meist, wenn auch durchaus mit Unrecht, sich dafür bedanken würden, als Zweige der Völkerkunde angesehen zu werden. Und doch ist in Europa ein Gebiet zu pflegen übrig geblieben, das als unebenbürtig von den anderen verstossen, zu warten hatte, bis die aufblühende Ethnologie sich seiner annahm. Es ist dies dasjenige, was gewöhnlich als europäische Volkskunde bezeichnet wird, die alte Niederkultur, die von einer dünnen Decke von Hoch- kultur nur kümmerlich zugedeckt, dem aufmerksamen Auge überall und naturgemäss vorzugsweise auf dem Lande und in abgeschlos- senen Gebirgstälern entgegentritt. Hier sind die Fäden zu suchen und unschwer zu finden, die unsere eigene Kultur aufs engste ver- knüpfen mit denen der Halbkultur- und Naturvölker der übrigen Erdteile. In manchen Städten wird die lokale Volkskunde von besonderen Museen gepflegt; ich betrachte es dagegen als einen eminenten Vorteil, dass durch Herrn Prof. Ed. Hoffmann- Krayer sie bei uns den Platz gefunden, wo sie ohne jeden Zweifel hingehört, in die Verbindung mit der übrigen Völkerkunde. Der sorgfältige Beschauer wird überrascht sein von den vielen Ansprache von Herrn Dr. Fritz Sarasin. 205 Zügen, die unserer europäischen Kultur mit andern, weit entfernten, die wir als niedrige bewerten, gemeinsam sind. Eine andere, gleichfalls umstrittene Frage ist die, ob auch die Urgeschichte in den Bereich völkerkundlicher Museen zu ziehen sei. Auch hier kann unsere Antwort nur eine positive sein. So “wenig es in der Gegenwart der Völker für unsere Wissenschaft eine Grenze gibt, so wenig ist in der Vergangenheit eine solche denkbar; die Völkerkunde erlischt vielmehr erst da, wo die Spuren des Menschen im Dunkel der Jahrhunderttausende sich verlieren und die Denkmäler aufhören, die seine Hand und sein Geist ge- schaffen. Die Urgeschichte, in der alle Wurzeln von Kultur liegen, darf unmöglich aus einem Museum ausgeschlossen sein, das die Entwicklung der gesamten menschlichen Ergologie vor Augen führen will. Der Vorsteher unserer prähistorischen Abteilung, Herr Dr. Paul Sarasin, hat in mustergiltiger Weise den Ver- such gemacht, die vorgeschichtlichen, aufeinander folgenden Kul- turen zu leicht übersichtlicher Darstellung zu bringen und zwar nicht nur für Europa, sondern über den ganzen Erdball hin. Noch ein anderes Moment aber verlangt gebieterisch die Ver- einigung von Urgeschichte und Völkerkunde. Die erstere ist in der üblen Lage, dass der Erdboden fast nur die Geräte aus Stein, Knochen, Horn, Metall und Thon vor Vernichtung bewahrt, wäh- rend die unzähligen Gegenstände aus Holz, Rinde, Fell und der- gleichen rettungslos zu Grunde gehen. Hier kann ihr nur die Völkerkunde helfen, das Kulturbild zu ergänzen; sie allein vermag den Schlüssel zu liefern zur Erklärung vieler sonst rätselhafter Fundstücke. Ausserordentlich viel Verständnis verdankt bereits die Urgeschichte der Völkerkunde, hat es doch diese letztere ver- mocht, mit Hilfe zwingender Analogieschlüsse sogar Licht auf die religiösen und sozialen Anschauungen von Völkern zu werfen, deren Mund seit vielen Jahrtausenden verstummt ist. Aus dem Gesagten werden Sie den Eindruck erhalten haben, dass das Gebiet, welches die Völkerkunde umgreift, ein ungeheuer weites, den ganzen Erdball umspannendes und ungemessene Zeit- räume umfassendes ist. In der Tat möchte Einen fast Mutlosig- keit beschleichen angesichts dieser Riesenaufgabe, welche nichts geringeres bedeutet als die Erforschung der Geschichte des mensch- lichen Geistes von Urzeiten an bis zur Gegenwart und in allen seinen mannigfaltigen Aeusserungen. Und so mögen Sie denn, wenn die Pforten des neuen Museums sich öffnen, dessen einge- denk sein, wie schwach gegenüber einer solchen gewaltigen Auf- gabe die Kraft des einzelnen ist und mit Milde und Nachsicht 206 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. den gemachten Versuch beurteilen, die Kulturgeschichte der Mensch- heit zur Darstellung zu bringen. Wir aber, die Mitglieder der Basler Naturforschenden Gesell- schaft, wollen uns darüber freuen, dass wir als Jubiläumsgabe ein solches Geschenk unserer Vaterstadt anbieten dürfen und daraus Mut und Vertrauen in die Zukunft schöpfen. Lassen Sie mich schliessen mit dem Satze, in den Peter Merian seine Festschrift zum 50jährigen Bestehen unserer Ge- sellschaft hat ausklingen lassen und der mir heute, wo rings um uns die Kriegswetter drohen, mehr als je gerechtfertigt erscheint: „Was die nähere und fernere Zukunft unserem Vaterlande, unseren wissenschaftlichen Gesellschaften und im besonderen unserer Natur- forschenden Gesellschaft bringen wird, steht in Gottes Hand. Hoffen wir, dass unsere Nachfolger von immer erweiterten Fort- schritten werden Kunde geben können.“ Ansprache von Herrn Regierungsrat Dr. Fritz Mangold, Vorsteher des Erziehungsdepartements des Kantons Basel-Stadt. Hochverehrte Festversammlung ! Mannigfach und gross sind die Leiden, die die Kriegszeit uns auferlegt. Für die einen liegen sie in materieller Bedrängnis, für die andern in der Beschämung, machtlos der Missachtung alles Menschlichen und aller Kultur gegenüberzustehen, in der Be- schämune, dass weder Einzelne, noch Millionen dem unendlichen Sehnen der Menschen nach Frieden zur Erfüllung verhelfen können. Inmitten dieser Bedrängnis und dieser Leiden vereinigt uns ein Tag gemeinsamer Freude und entreisst uns für einige Stunden dem bitteren Gedenken dessen, was uns diese Jahre hindurch und in den letzten Tagen tief und schmerzlich bewegt hat. Es ist ein Tag, der uns die Früchte friedlicher Arbeit offenbart, die lange vor dem Kriege begonnen und während dieser bösen Jahre zu gutem Finde geführt worden ist. Wohl dem Staat und dem Volk, das neben der Lösung grosser und schwieriger technischer und sozialer Aufgaben Zeit und Mittel und Kräfte hat und den Mut, geistiges Gut zu heben und zu pflegen! Glücklich das Land, für das der Bürger nicht sterben muss, sondern leben darf! Ansprache von Herrn Regierungsrat F. Mangold. 207 Der heutige Tag ist auch für uns, die wir die Ehre haben, die Departemente des Staates zu leiten, ein Tag besondrer Be- friedigung. Was in vielen Sitzungen beraten und erwogen worden, und was man in stillen Stunden sich erdacht hat, schaut nun, dank dem Zusammenarbeiten der Beteiligten, froh in die Welt. Die Baumeister haben uns einen zweckmässigen einfachen Bau er- stellt, wie er verlangt worden war. Gelehrte und Laien haben ihn mit Dingen gefüllt, die sie auf mühsamer Fahrt erlangt, über das Meer gebracht, dem Staate geschenkt und schliesslich in schönster Ordnung aufgestellt haben. Mit berechtigtem Stolze werden sie sie uns nun erschliessen, und nicht weniger stolz wird unser Volk sein auf das neue Basler Völkerkundemuseum. So ist ein Teil der Museumsfrage gelöst; noch harrt aber der übrige seiner Erledigung. Was unsre Bürgerschaft vor Jahren freiwillig zusammengelegt hat — es sei ihr hiefür auch an dieser Stelle herzlich gedankt — um der Kunstsammlung, dem natur- historischen Museum und der Sammlung für Völkerkunde zu neuen Räumen zu verhelfen, liest zum Teil noch unverwendet. Sie wollen es mir nicht verargen, wenn ich gestehe, dass mich — mit mir geht es vielleicht auch andern gleich — ein Gefühl der Wehmut beschleicht, weil wir in diesen andern Dingen noch nicht so weit geraten sind. Aber es ist Ihnen ja bekannt, wie alles gekommen und ge- gangen, und nicht minder bekannt, wie viel schwieriger die Auf- gabe ist, Kunstwerke gut unterzubringen, als ethnographische Sammlungen. Für diese werden von allen Beteiligten grosse, helle Räume und Vitrinen verlangt, nicht mehr und nicht weniger, und diese hat der Architekt in reichem, alle Ansprüche vollauf befrie- digendem Masse gegeben. Ueber die Art aber und die Grösse der Säle, die für unsre Kunstsammlung notwendig, über das Licht und seinen Einfall sehen bekanntlich die Ansichten selbst der Fachleute auseinander. Gut Ding will Weile haben! — Und nun, da wir mit dem Bau beginnen könnten, hemmt uns die Schwierigkeit der Beschaffung der Rohstoffe und Arbeitskräfte. Hatte man früher geglaubt, mit dem Museumsbau Notstandsarbeiten zu schaffen, so lässt jetzt der Stand der Not die Arbeit nicht zu. Und doch — gibt es heut- zutage nicht noch viel viel schlimmere Dinge, als dies alles? Mit der Kunstsammlung leidet das naturhistorische Museum Not; denn es wartet auf die Räume, die jene heute inne hat. Das ist bedauerlich, aber kein Unglück. Wir haben in dieser Zeit gelernt, dergleichen ruhiger hinzunehmen, schätzen uns glücklich, 208 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. noch im unversehrten Besitz unsrer Sammlungen zu sein, und hoffen zuversichtlich, ihn durch alle Trübsal hindurch auch behalten zu können. So freuen wir uns denn als Optimisten des neuen Hauses und seiner reichen Schätze. Und ich weiss, Sie freuen sich alle mit mir, selbst die, die insgeheim die Völkerkundeleute um ihr neues Museum beneiden. Ihnen, den Medizinern, den Physikern, den Theologen, den Juristen und Philosophen mags tröstlich klingen, wenn ich sage: Es ist alles im Flusse! Ihr werdet alle unter neues Dach und Fach kommen, einer nach dem andern, nach dem Mass der Mittel und der Kräfte. Indem ich mir vergegenwärtige, was alles der Förderung teil- haftig werden soll: Anatomie und Physiologie, Physikalische An- stalt, Astronomisch-meteorologische Anstalt, Pharmazeutische An- stalt, Hygienische Anstalt, neues Kollegiengebäude wird mir wieder bewusst, dass wir heute die Eröffnung des ersten grössern Baues in der Reihe aller Universitätsbauten feiern. — Auch das Völkerkundemuseum dient der Universität und es mag allen, denen es fremd, gesagt sein, dass unsre Universität die glückliche Be- sitzerin aller unsrer öffentlichen Sammlungen ist: der Bibliothek, der Kunstsammlung, des Historischen Museums, der Sammlung für Völkerkunde, der Naturhistorischen Sammlung, der Skulpturen- sammlung usw. - Wir haben somit für die Universität gebaut und werden in den nächsten Jahren für diesen einen Zweck — die Förderung von Kunst und Wissenschaft — Mittel in ungewöhnlichem Masse aufbringen müssen, Mittel, wie sie von einem so kleinen Staats- wesen, wie das unsrige eines ist, kaum irgendwo für diese Dinge gefordert werden. Aber wir schlagen die Gewährung dieser Kredite unsrer Volks- vertretung gerne vor und wissen, dass diese sie ebenso gerne be- willigen wird. Denn sie dienen der fortwährenden Belebung uns- res geistigen Lebens, dienen allen Gebieten und allen Kreisen unsrer Bevölkerung. Ich habe gewiss nicht nötig, Ihrer verehr- lichen Versammlung zu sagen, was die Universität uns bedeutet. Sie ist, um mit Rudolf Wackernagel zu reden, heute noch, wie vor Jahrhunderten; ein Werk der Stadt und ein Teil ihres Lebens! In welcher Art und in welchem Masse die uns zum ersten Male in der neuen Aufstellung geöffnete Sammlung für Völkerkunde der Universität und der Wissenschaft zu dienen berufen, ist Ihnen eben von berufenster Seite angedeutet worden. Wie sie dem Ansprache von Herrn Regierungsrat F. Mangold. 209 Volke lieb gemacht werden kann, so dass es nicht nur stumm und bewundernd und verständnislos vor den Vitrinen vorbeizieht, das zu ermitteln ist Aufgabe der Fachleute. Führungen werden — wie bisher — das ihrige tun, damit dem Beschauer lebendig wird, was ihm aus den. Kästen tot entgegenschaut. Ist es da nicht erfreulich zu vernehmen, dass morgen schon der erste Dozent für Ethnographie an unsrer Universität, Herr Dr. Felix Speiser, über das Völkerkundemuseum in der Aula sprechen wird? Dem Volk und der Wissenschaft! das war von jeher die Losung für alle, die um das Zustandekommen des Völkerkunde- museums sich verdient gemacht haben. Und da ich einen Namen genannt, müssen Sie mir schon er- lauben, einen zweiten zu nennen und über jenen zu steilen, den Namen desjenigen, der unermüdlich tätig gewesen, dessen Energie wir in der Hauptsache das Zustandekommen der Sammlung für Völkerkunde verdanken. Es ist der Präsident der Museumskom- mission und der Kommission der Sammlung für Völkerkunde, Herr Dr. Fritz Sarasin. Heute darf er seinen Ehrentag feiern. Mit ihm dürfen es seine getreuen Helfer: die Herren Dr. Paul Sarasin, Prof. Dr. Leop. Rütimeyer, Dr. Felix Speiser, Prof. Dr. Hoffmann-Krayer, Dr. K. Forcart und viele Andere, die nicht der Kommission angehören und deren Namen alle zu nennen mir unmöglich ist. Ihnen allen spreche ich hier namens der Behörden und namens unsrer Bevölkerung den besten Dank aus für alles, was Sie in jahrelanger, stiller und unverdrossener Arbeit für das Züustande- kommen des neuen Museums geleistet haben. -— Wie die lebendige Miss Kumbuck, das Geschenk der Herren Dr. Fritz und Dr. Paul Sarasin an den Zoologischen Garten, der Liebling unserer Grossen und Kleinen geworden, so wird das Völkerkundemuseum dauernd regstes Interesse erwecken und eine dem Volke liebe Sammlung werden. Wie bequem ist der Staat doch zu diesem Museum gekommen! Er erstellt den Bau, und die Gelehrten und Laien füllen ihn mit Schätzen aus aller Herren Länder, die sie im Gedanken an ihre Vaterstadt erworben haben. Sie haben soviel Köstliches und Sel- tenes zusammen gebracht, dass man uns beneiden wird. Namens des Erziehungsdepartements nehme ich freudig und dankbar das Museum entgegen für Volk und Universität des Kantons Basel-Stadt. Mit der Eröffnung des Völkerkundemuseums ist die Feier des 100jährigen Bestands der Basler naturforschenden Gesell- 14 210 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. schaft verbunden, ein glückliches und ich möchte sagen „ver- dientes“ Zusammentreffen. Sie haben der Rede des Herrn Dr. Fritz Sarasin entnehmen können, welch grossen Anteil und welche Verdienste die hiesige naturforschende Gesellschaft um die Ent- stehung und Entwicklung unsrer Sammlungen und Universitätsan- stalten für sich beanspruchen darf. Sie wissen aber auch, in welcher Weise die Gesellschaft durch ihre Veröffentlichungen und durch ihre Vorträge wirkt, wie dabei die Vertreter der Universität be- lehren und anregen, wie dadurch wiederum weitere Kreise der Bevölkerung an die Gesellschaft gefesselt werden und wie die Universität dadurch unter der Bürgerschaft Freunde gewonnen hat. Ich gratuliere der naturforschenden Gesellschaft zu ihrem 100jährigen Bestande und danke auch den hervorragenden Männern, von denen sie geleitet worden ist und geleitet wird, für die starke Förderung der Naturwissenschaften und für die Verbreitung wissen- schaftlicher Forschung in Basel. Wenn auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens — es sind ihrer soviele und mannigfaltige, solche, wo materielle und solche wo geistige Bedürfnisse gepflegt werden müssen — ich sage, wenn auf allen diesen Gebieten sich Menschen bereit finden, die ihre ganze Spannkraft, ihr Wollen und Können, ihre materiellen und geistigen Mittel zur Verfügung stellen, wie es die Förderer des neuen Museums getan und die Leiter der naturforschenden Gesellschaft, so soll uns um die Zukunft von Basel nicht bange sein. Aber wir müssen sie haben, diese Männer! denn ohne sie, ohne freiwillige private Hilfe, ohne kleine und grosse Opfer der Einzelnen wird kein Gemeinwesen bestehen können. Und ein guter Teil der Staatskunst muss darin bestehen, diese freiwillige Arbeit anzuregen und heranzuziehen und in den Dienst des Allgemein- wesens zu stellen. Ansprache von Herrn Prof. Ernst Hedinger. 211 Ansprache von Herrn Prof. Ernst Hedinger, Rector magnificus der Universität Basel. Hochansehnliche Versammlung ! Als derzeitigem Rektor der Universität fällt mir die ehrenvolle Aufgabe zu, der Naturforschenden Gesellschaft Basel zu ihrem 100jährigen Jubiläum die Wünsche der Alma mater Basiliensis zu überbringen. Die Naturforschende Gesellschaft hat das Glück, bei ihrer Feier auf eine Zeitperiode zurücksehen zu dürfen, in der, wie wohl nie zuvor, die Naturwissenschaft an positiven Forschungs- resultaten bereichert wurde, und in der ihre Forschungsergebnisse einen bestimmenden Einfluss auf die Weltanschauung der Mensch- heit gewonnen haben. In diese Zeit fällt die Entdeckung von der Erhaltung der Energie. Die heutige Physik steht und fällt mit diesem grundlegenden Gesetz. Die ganze moderne Elektrotechnik ist nur der Ausdruck eines konsequenten Ausbaues dieses Prinzipes. In die Zeit, in der die Basler Naturforschende Gesellschaft ihre Tätigkeit entfaltete, fällt Darwin mit seiner Theorie der Ent- stehung der Arten und der Abstammung des Menschen. Diese Zeitperiode sieht, um nur Weniges zu nennen, die ungeahnte Ent- wicklung der Chemie mit dem Ausbau der Atomlehre, den Auf- schwung der Geologie, der Mineralogie, der Botanik, der Zoologie und der Embryologie und die verheissungsvolle Entwicklung der medizinischen Wissenschaften. In diese Periode fallen die für die Naturwissenschaften und im speziellen für dieMedizin so bedeutungs- volle Entdeckung der Zelle als der letzten organischen Einheit für pflanzliche und tierische Lebewesen durch Schwann und der weitere Ausbau der Zellenlehre zur Zellularpathologie durch Rudolf Virchow. An diesem enormen Aufschwung der Naturwissenschaften hat die Naturforschende Gesellschaft Basel ihren guten Teil gehabt. Ich brauche Ihnen unter der älteren Generation nur die Namen von Peter Merian, Friedrich Schönbein, Albrecht Müller, Ludwig Rütimeyer, Friedrich Miescher, Wilhelm His, Eduard Hagenbach, Fritz Burckhardt, Julius Kollmann zu nennen, um die Bedeutung der Basler Naturforschenden Gesellschaft im vergangenen Jahrhundert ihres Bestehens ins richtige Licht zu setzen. Ein Ruhmestitel der Basler Naturforschenden Gesellschaft wird es stets bleiben, dass von einem ihrer Mitglieder in konsequenter und zäher Weise die Idee des 212 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. Naturschutzes der Heimat wie der Welt verfochten worden ist. Wenn man später die Schrecknisse und Leiden unserer Zeit er- zählen wird, so wird man sicher nicht vergessen zu erwähnen, dass unsere Generation nicht nur zu zerstören verstand, sondern dass sie zuerst die Idee schuf, die Natur vor dem Menschen, besonders vor dem weissen Menschen, zu schützen. Die Beziehungen der Basler Naturforschenden Gesellschaft zur Universität waren aus verschiedenen Gründen stets ausser- ordentlich innig. Dies wurde schon dadurch bedingt, dass die führenden Geister der Naturforschenden Gesellschaft vielfach Pro- fessoren der Basler Universität waren. Neben diesem mehr zu- fälligen Connex war aber eine innige Verbindung der Naturforschen- den Gesellschaft mit der Universität auch dadurch gegeben, dass, wie sich heute Herr Dr. Fritz Sarasin ausgedrückt hat, die Naturforschende Gesellschaft mehr und mehr zu einer Art Akademie wurde, in der die naturwissenschaftlichen Kreise unserer Stadt ihre neuen Forschungsresultate wiedergaben. Darin liegt nun die hauptsächliche Bedeutung der Naturforschenden Gesellschaft auch für die Hochschule, dass sie das Zentrum der einzelnen natur- wissenschaftlichen Disziplinen, inklusive der Medizin, wurde. Dank energischer Forschungsarbeit ist aus der Mutterwissenschaft mit der Zeit ein blühender, grosser Baum geworden, dessen Aeste ein fruchtbares, mehr oder weniger vom Zentrum unabhängiges Leben führen, die sich aber. um fortdauernd gedeihen zu können, immer wieder als Glieder eines allgemeinen, kräftigen Stammes fühlen müssen. Diese Rolle des zentralen Baumstammes hat nun die Basler Naturforschende Gesellschaft in ausgezeichneter Weise durchgeführt. Bei ihren Sitzungen finden sich die Vertreter der differenten Forschungsgebiete zusammen, hier erhalten sie mannigfache neue Anregung, und hier kommen sie stets wieder zum Bewusstsein, dass bei aller Bedeutung und Notwendigkeit der Detailarbeit diese nur dann einen bleibenden Wert hat, wenn sie in Verbindung mit der allgemeinen Naturwissenschaft steht. Als Vertreter einer medizinischen Disziplin möchte ich noch ganz speziell auf die Bedeutung der Basler Naturforschenden Ge- sellschaft für die hiesige medizinische Wissenschaft hinweisen. Es ist kein blosser, nur durch die damals existierenden Persönlich- keiten bedingter Zufall, dass im Jahre 1751 der Buchdrucker und Buchhändler Johann Rudolf Imhof dem damaligen Dekan der medizinischen Fakultät, Dr. J. Rudolf Zwinger, den An- trag tat, dass es sowohl zur Aufnahme der Universität, als auch besonders zur Zierde der medizinischen Fakultät gereichen würde, Ansprache von Herrn Prof. Ernst Hedinger. 213 wenn man diejenigen curiösen Observationes durch öffentlichen Druck bekannt machte, welche jedem geflissenen Lehrer der Heil- kunde oder ausübendem Arzte oder auch einem andern: in Wissen- schaften erfahrenen Mann von Zeit zu Zeit vorkommen würden und deren Bekanntmachung manchmal Gewissenssache sei. Man könnte die Beobachtungen unter dem Titel: Acta Helvetica Physico- Mathematico - Botanico-Medica erscheinen lassen. Schon damals nahm die Medizin an dieser Vereinigung, die als Vorläufer unserer Naturforschenden Gesellschaft bezeichnet werden kann, tätigen Anteil. Als am 8. Januar 1817 die Konstituierung der jetzigen Natur- forschenden Gesellschaft erfolgte, war die Medizin ebenfalls durch mehrere Mitglieder vertreten. Dieser Zusammenhang der medi- zinischen Wissenschaft mit der Naturwissenschaft und der sie re- präsentierenden Naturforschenden Gesellschaft ist mit der Zeit eher noch inniger geworden. Den grossen Aufschwung der Medizin verdankt diese einzig und allein den Naturwissenschaften und der für uns jetzt selbstverständlichen, banalen Wahrheit, dass die Medi- zin nur ein Spezialgebiet der Naturwissenschaften darstellen kann. Ein Mediziner ohne naturwissenschaftlichen Schulsack ist ein armer therapeutischer Handwerker ohne inneren und äusseren Wert. Die Naturforschende Gesellschaft hat es bis jetzt stets ver- standen, sich ihrer Bedeutung als Zentrum der naturwissenschaft- lichen Forschung würdig zu zeigen. Sie hat dadurch dem gesamten wissenschaftlichen Leben und insbesondere auch der Hochschule unschätzbare Dienste geleistet. Dafür möchte ich ihr an ihrem 100 jährigen Jubiläumstag den Dank der Hochschule aussprechen. Wir feiern heute gleichzeitig die Eröffnung des neuen Museums für Völkerkunde. Herr Dr. Fritz Sarasin hat Ihnen soeben die enorme Bedeutung der Völkerkunde und eines Museums für Völker- kunde für Stadt und Hochschule geschildert. Was er aber nicht ge- meldet hat, ist die ausserordentliche Arbeit, die von der Kommission für die Sammlung für Völkerkunde je und je geleistet wurde. Ich möchte hier an diesem Tage im Namen der Regenz speziell dieser Kommission den Dank aussprechen und möchte diesen Dank auch auf die früheren Mitglieder der Kommission, speziell auf deren langjährigen früheren Präsidenten Professor Julius Kollmann ausdehnen. Ganz speziellen Dank schulden wir Paul und Fritz Sarasin, die neben ihrer wertvollen Arbeit in der Kommission ihre grossen Sammlungen dem Museum zur Verfügung stellten und so zusammen mit-Dr. Felix Speiser, Dr. Tobler, Dr. David, Prof. Leopold Rütimeyer, Prof. Hoffmann-Krayer, Dr. Forcart, um nur einige Namen zu nennen, ein Museum schufen, um das uns manche grössere Stadt beneiden wird. 214 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. Die Eröffnung des neuen Museums für Völkerkunde hat für unsere Hochschule noch eine weitere, gleichsam symbolische Be- deutung. Die Universität Basel ist dank der allgemeinen Entwicklung des Hochschulstudiums und dank auch der speziellen Entwicklung der naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen in eine gewisse kritische Situation geraten, da eine Reihe von Neubauten in den nächsten Jahren zu einer absoluten Notwendigkeit geworden sind, wenn die Hochschule ihren guten Namen behalten will. Die sogenannten reinen Geisteswissenschaften warten seit Jahrzehnten auf ein neues Kollegiengebäude, das nicht nur dem erheblichen Platzmangel abhelfen soll, sondern das auch nach aussen als Stätte der Universitas litterarum erkannt werden kann. Die Physik, die Physikalische Chemie, die Mineralogie, die Anatomie, die Physio- logie warten auf Neubauten, die durch den Ausbau der Wissen- schaft und die steigende Zahl der Studierenden notwendig geworden sind. Zu diesen Forderungen gesellen sich die Bauten der Kliniken und ihrer Hilfsinstitute, die in den nächsten Jahren unternommen werden müssen, wenn die Medizin eine erfreuliche Fortentwicklung und Konkurrenzfähigkeit mit den medizinischen Fakultäten anderer, zum Teil sogar kleinerer, Hochschulen zeigen soll. Es sind eine Reihe von Forderungen, die dadurch noch schwerer werden, dass sie in eine durch die jetzige politische Situation ausserordentlich erschwerte Zeitperiode fallen. Wenn die Hochschule dennoch in der jetzigen Zeit diese Forderungen stellt, so ist sie sich der jetzigen schweren Situation wohl bewusst; sie hat aber die Pflicht, auf diesen Forderungen zu bestehen, weil sie eine absolute Notwendigkeit sind und weil sie nicht nur im Interesse der Hochschule, sondern ebenso- sehr im Interesse von Basel gestellt werden müssen. Die Hoch- schule ist dem Opfersinn der Behörden und der Bevölkerung sicher zum grössten Dank verptlichtet, auf der anderen Seite glaubt die Universität auch das Verdienst für sich in Anspruch nehmen zu dürfen, dass sie ebenfalls wesentlich dazu beigetragen hat und jetzt noch dazu beiträgt, aus Basel das Staatswesen zu machen, das der verschiedensten Institutionen wegen überall gewürdigt wird. So sehe ich in dem neu eröffneten Museum für Völkerkunde den Grundstein für die weiteren Bauten in den nächsten Jahren. Möge es meinem Nachfolger, der in 100 Jahren vielleicht an dieser gleichen Stelle die Hochschule vertreten darf, vergönnt sein, unsere heutige Feier als Anfang einer Periode zu preisen, in der trotz Weltkrieg sich in Basel die geistigen und materiellen Fähigkeiten fanden, die der Universität im 20. Jahrhundert zu einer neuen, ungeahnten Blüte verholfen haben. Ansprache von Herrn Prof. Jacob Wackernagel. 215 Ansprache von Herrn Prof. Jacob Wackernagel im Namen der Gemeinnützigen Gesellschaft, der Akademischen Gesellschaft und des Freiwilligen Museumsvereins. In Vertretung des leider behinderten Vorstehers des Museums- vereins habe ich die Ehre, Ihnen die Glückwünsche dreier Gesell- schaften, die Sie zu Ihrem Feste eingeladen haben, zu überbringen: die Glückwünsche und Grüsse der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen, der Akademischen Gesellschaft, des Freiwilligen Museumsvereins. Die älteste dieser Gesellschaften, die Gemeinnützige Gesellschaft, die von jeher darauf bedacht ist, alles zu fördern, was irgendwie dem Gemeinwohl dient, hat die naturwissenschaftlichen Sammlungen besonders mit Rücksicht auf ihren Bildungswert unterstützt; sie war und ist des Glaubens, dass durch die Anschauung der darin gesammelten Schätze für viele Bewohner unserer Stadt Leben und Denken bereichert werden. Sie hat sich auch seit Jahren bemüht, durch Museumsführungen jene Anschauung zu vertiefen und für das Publikum noch frucht- barer zumachen. Die Akademische Gesellschaft, die treue Schirmerin der Universität und aller damit zusammenhängenden wissenschaft- lichen Studien, musste es sich selbstverständlich immer angelegen sein lassen, einen gebührenden Teil ihrer Mittel den Sammlungen und Arbeitsinstituten, die innerhalb unserer Mauern der Natur- forschung dienen, zugute kommen zu lassen. Der Freiwillige Museumsverein steht unter den drei Vereini- gungen in Hinsicht auf Alter und materielle Mittel, wie auch auf Umfang der Tätigkeit, an dritter Stelle. Seine Aufgabe besteht ausschliesslich in der Unterstützung der Sammlungen, die im Mu- seum untergebracht oder aus Museumssammlungen hervorgegangen sind. Aber in diesem engen Umkreis glaubt sich der Verein wirk- lich nützlich gemacht zu haben. Abgesehen von den regelmässigen Jahresbeiträgen konnte er von Anfang an (zum ersten Male 1853) durch ausserordentliche Zuschüsse den naturwissenschaftlichen Sammlungen grössere Anschaffungen ermöglichen, wenn sich gün- stige Kaufgelegenheiten boten. Besonders freue ich mich, festzu- stellen, dass die Sammlung für Völkerkunde, an deren Reichtum wir uns heute durch eigene Anschauung werden erfreuen dürfen, sanz besonders namhafte Unterstützungen empfangen hat. Ausser- dem hat der Verein die ehrenvolle Aufgabe, die Peter Merian- Stiftung zu verwalten, aus deren Mitteln die naturwissenschaftliche Abteilung der Universitätsbibliothek auf der Höhe erhalten werden soll, auf die sie durch die Arbeit und die Freigebigkeit des ehr- würdigen Ratsherrn und Gelehrten gebracht worden ist. 216 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. Es ist für die drei Gesellschaften eine Genugtuung, am heutigen Ehrentage der Naturforschenden Gesellschaft ihre Tätigkeit aner- kannt zu sehen. Sie freuen sich, dass sie auch ihrerseits die natur- wissenschaftlichen Studien haben fördern helfen, nicht bloss materiell, sondern auch durch die Bemühung, denselben in den Herzen der Bürger Basels eine Stätte zu bereiten. Aber zugleich sind sich. die Mitglieder dieser Gesellschaften wohl bewusst, wie weit ihre Leistungen hinter denen der festfeiernden Gesellschaft und denen ihrer arbeitenden Mitglieder zurückstehen. Das Spenden materieller Mittel kann mit der Arbeit des Forschers nicht auf gleiche Linie gestellt werden. Und die Sammlungen selbst, so wenig sie ohne ökonomische Förderung denkbar sind, verdanken ihren Wert doch hauptsächlich der wählenden und ordnenden Arbeit ihrer Leiter, gar nicht zu reden von den Schätzen, die ihnen durch die Schen- kungen hervorragender Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft zugeführt worden sind. So sehr wir diese Ungleichheit der Leistungen anerkennen, so voll sind wir uns bewusst, den Mitgliedern Ihrer Gesellschaft in zwei Dingen gleich zu stehen: in der Bewunderung für die Majestät und den Reichtum der Schöpfung und in der Liebe zur Vaterstadt. Es sei mir gestattet, auf dieses zweite mit einem Worte einzugehen. Weniger oder ebenso wenig als irgend eine Wissenschaft ist die Naturforschung darauf angelegt, ihren Blick ängstlich und kleinlich auf die nächste Umwelt einzuschränken. Ihr Gebiet ist so weit, so unbegrenzt, wie der Makrokosmos selbst. Aber sie weiss zugleich, dass die Natur (anders als die mensch- lichen Verhältnisse) überall gross ist, nicht bloss in der Ferne. So hat es Ihre Gesellschaft von jeher nicht verschmäht, die grossen Erscheinungen, die die Natur in unserer nächsten Umgebung bietet, aufzudecken und zu erklären. Weiterhin aber hat keines Ihrer Mitglieder, wenn es durch seine Aufgaben in weite Fernen, in die Tropen Afrikas und Asiens, und bis zu den Antipoden geführt wurde, dort der Heimat ver- gessen. Stolz erkennen wir heute an, wie viel Basel den aus- gezeichneten Reisenden, die von ihm ausgegangen sind, für seine Sammlungen und für vieles andere verdankt. Viele, und gerade die hervorragendsten, Mitglieder Ihrer Ge- sellschaft haben es auch nicht verschmäht, mit ihrem Wissen un- mittelbar dem Gemeinwesen zu dienen, ja manche Stunde der Musse den Zwecken des Staates und freiwilliger Hilfstätigkeit zu opfern. In unserem Staatsleben und in dem Leben unserer Gesell- schaften haben oftmals Männer der Naturforschung leitende Stellen eingenommen. ‘Insbesondere der Freiwillige Museumsverein darf Ansprache von Herrn Prof. Jacob Wackernagel. 217 sich rühmen, von Christian Friedrich Schönbein gegründet und Jahrzehnte hindurch von Peter Merian und Eduard Hagenbach- Bischoff geleitet worden zu sein; ich nenne damit Namen, die bei Ihrer Gesellschaft in dankbarstem Andenken stehen. Am heutigen Jubeltage darf ich Namens der drei Gesellschaften, die ich zu vertreten die Ehre habe, den Wunsch aussprechen, dass die alten Beziehungen auch in der kommenden Zeit lebendig bleiben mögen. Ich darf die Zusicherung geben, dass Sie auch fernerhin bei uns offene Herzen und offene Hände finden werden, wenn es gilt, Ihre edeln grossen Zwecke zu fördern. Der Naturforschenden Gesellschaft selbst wünsche ich ferneres glückliches Gedeihen. Und wenn es in hundert Jahren unsern Enkeln und Urenkeln beschieden sein wird, ein zweites säkulares Jubiläum zu begehen, möge alsdann die Gesellschaft mit derselben Befriedigung und demselben Hochgefühl auf das zweite Jahrhundert ihres Daseins zurückblicken, womit sie heute (und wir mit ihr) auf ihr erstes Jahrhundert zurückblickt. Mein dritter Wunsch gilt den einzelnen Mitgliedern, Wichtiger als alle gesellschaftliche Betätigung, so notwendig und segensreich sie auch sei, ist doch die stille Forschung des einzelnen. Mögen alle gegenwärtigen und künftigen Mitglieder, ob sie ganz der wissen- schaftlichen Forschung und der Weitergabe des Wissens leben oder dafür nur dürftige Stunden der Musse aussparen können, ob sie grossen in die Augen fallenden Gegenständen oder dem Kleinen und Allerkleinsten ihre Arbeit zuwenden, darin dieselben Erfolge erleben, wie die Glieder der älteren Generationen, deren Andenken wir heute feiern. Möge ein jeder jenes einzige, ganz besondere Glücksgefühl an sich erfahren, das den Forscher durchströmt, wenn er neue Tatsachen entdeckt; wenn ihm Zusammenhänge sichtbar werden zwischen Erscheinungen, die zuvor zusammenhangslos neben- einander lagen; wenn er in Dunkel und Chaos Licht und Ordnung bringen kann. „Felix qui potuit rerum cognoscere causas.“ Ansprache von Herrn Prof. Eduard Fischer von Bern, - Centralpräsidenten der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. Hochgeehrte Festversammlung ! Als am 6. Oktober 1815 in Genf durch die Initiative von Henri Albert Gosse und Pfarrer Samuel Wyttenbach die schwei- zerische Naturforschende Gesellschaft ins Leben gerufen worden war, da entstand bei ihren Gründern sehr bald auch der Wunsch, 218 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. es möchten überall im Schweizerlande herum einzelne Herde zur Pflege der Naturwissenschaften entstehen in Form lokaler Vereine, wie sie bereits in Zürich, Genf und Aarau existierten und wie auch Wyttenbach selber einen in Bern gestiftet hatte. „Oe que nous cherchons principalement c’est d’etablir dans les Villes princi- pales de la Suisse des Societes d’Amis de la Nature qui se mettront avec nous en correspondance . . .“ so schrieb Wyttenbach an Grosset), und der erste Faden, der in dieser Richtung mit Erfolg angeknüpft werden konnte, ging nach Basel: Schon im Oktober 1815 hatte sich Wyttenbach an Professor Daniel Huber gewandt, um ihm den Gedanken nahe zu legen, die seit einer Reihe von Jahren ein- geschlafene physisch-medizinische Gesellschaft wieder zu wecken?). Die Idee fiel auf guten Boden, sie führte aber nicht zur Wieder- belebung jener Gesellschaft, sondern zur Gründung der kantonalen Basler Naturforschenden Gesellschaft. So ist denn der ehrwürdige Pfarrer an der Kirche zum heiligen Geist in Bern, Samuel Wyttenbach, nicht nur der Gründer der bernischen Naturforschenden Gesellschaft und der Mitbegründer der schweizerischen geworden, sondern er hat auch den Anstoss gegeben zur Stiftung der Ihrigen. Sein Wunsch ist aber noch in vollkommenerer Weise in Erfüllung gegangen, denn heute ist die schweizerische Naturforschende Gesellschaft umgeben von einem Kranze von 20°) Tochtergesellschaften aus den verschiedensten Teilen unseres Landes. Und im Namen ihrer Mutter und ihrer Schwestern entbiete ich unserer Jubilarin die wärmsten und herzlichsten Glückwünsche zu ihrer Centennarfeier. Ihr Stifter, Daniel Huber, hat aber auch sofort das lebhafteste Interesse an der schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft genommen, und es ist interessant zu sehen, in welcher Weise er die Aufgaben derselben auffasste. Ich fand in einem Briefe‘), den er im Februar 1816 an Wyttenbach richtete, die folgenden Worte: !) La fondation de la Société helvétique des sciences naturelles en 1815. Correspondance de Henri-Albert Gosse et de Samuel Wyttenbach, publiée par le Dr. Hector Maillart-Gosse à l’occasion du premier Centenaire de la Société. Geneve 1915 p. 46. 2) Ed. Hagenbach-Bischoff. Die Entwicklung der Naturwissenschaftlichen Anstalten Basels 1817—1892. Eröffnungsrede bei der 75. Jahresversammlung in Basel. Verhandlungen der Schweiz. Naturf. Gesellschaft. 1892 p. 5. 3) In der mündlichen Ansprache war nur von 19, den Schwestergesell- schaften der Jubilarin die Rede; zählt man aber letztere selber mit, so bestehen segenwärtig in der Schweiz 20 Tochtergesellschaften der Schweiz. Naturf. Ge- sellschaft, von denen zwei im Kanton Zürich. 4) Derselbe befindet sich in der Stadtbibliothek in Bern. Ansprache von Herrn Prof. Eduard Fischer. 219 „Sie melden mir von einem Verfassungsplane für die allgemeine Gesellschaft, an dem gearbeitet werde. Darf ich mir wohl erlauben, einen diesen Gegenstand betreffenden Wunsch vorläufig zu äussern. Es möchte nämlich zu einer Fundamental-Maxime der Gesellschaft gemacht werden: dass sie hauptsächlich auf dem Wege der Er- fahrung die Naturkenntnis zu befördern trachten werde. Wenn ich gleich einerseits überzeugt bin, dass bei einer litterarischen Gesellschaft so viel Freyheit als möglich obwalten und man über- haupt den Aeusserungen der Genies so wenig Schranken als möglich setzen solle, so möchte ich doch auf der andern Seite die Gesell- schaft sehr gerne vor leerem metaphysischem Geschwätze be- wahren, das heutzutage leider so sehr Mode ist. . .“ Den gleichen Gedanken finden wir auch in der vorläufigen Verfassung Ihrer Gesellschaft vom Januar 1817!) niedergelegt: „Obgleich die Gesellschaft zur Erreichung ihrer Zwecke theoretische Untersuchungen keineswegs ausschliesst, so wird sie doch auf dem Wege der Erfahrung durch sorgfältige und richtige Beobachtungen und Versuche die Kenntnis der Natur zu befördern sich bestreben.“ Ist es nun nicht gerade die Befolgung dieses Grundsatzes gewesen, die die naturwissenschaftliche Forschung des hinter uns liegenden Jahrhunderts so überaus fruchtbar machte? In diesem Sinne hat auch Ihre Gesellschaft mit grösstem Erfolge gearbeitet: Wir brauchen ja nur Ihre „Berichte“ und „Verhandlungen“ zu durchgehen, in denen wir die Forschungsergebnisse eines Schönbein, eines Peter Merian, eines Rütimeyer und so viele andere wertvolle Unter- suchungen bis in die neueste Zeit niedergelegt finden. Und in diesem Sinne haben auch die Mitglieder Ihrer Gesellschaft teil- genommen an den Arbeiten der schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft über die Geologie, die Gletscher, die Pflanzen- und Tierwelt unseres Vaterlandes, bis zu den Bestrebungen, die sich die Erhaltung unserer Forschungsobjekte auf künftige Generationen zur Aufgabe machen. Sechsmal sind wir mit unseren Jahresversammlungen überaus herzlich bei Ihnen aufgenommen worden und während zweier sechs- jähriger Perioden lag die zentrale Verwaltung unserer Gesellschaft in den bewährten Händen unserer Basler Freunde: von 1875—1880 unter dem Vorsitz des unvergesslichen Eduard Hagenbach-Bischoff, und von 1905—1910 unter der so vorzüglichen Leitung Ihres gegenwärtigen Präsidenten. Und alle die, welche unsere Gesell- 1) s. Peter Merian, Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Basel während der ersten fünfzig Jahre ihres Bestehens. Festschrift herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft in Basel zur Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens, 1867 p. 10. 220 Bericht über das hundertjährige Jubiläum. schaft kennen, wissen, dass es sich dabei nicht bloss um festliche oder geschäftliche Vereinsangelegenheiten handelt, sondern dass es auch gilt, wichtige wissenschaftliche Aufgaben und Untersuchungen zu .organisieren. Verehrte Festversammlung! Die Zeiten, welche der Gründung Ihrer und unserer (Gesellschaft unmittelbar vorangingen, waren ernste Zeiten, die auch viel äussere Not im Gefolge hatten. Aber das hinderte die Stifter nicht daran, mit Zähigkeit immer wieder an der Realisation ihrer Pläne zu arbeiten. Und so möge auch in der heutigen Zeit, in der neben der Sorge um das Wohl und die Unabhängigkeit unseres Vaterlandes auch so viele Probleme und Fragen materieller Natur die Gemüter beschäftigen, der Sinn für die Pflege der Wissenschaften rege und lebendig bleiben. Möge auch für Ihre Gesellschaft das neue Jahrhundert, welches Sie unter dem Donner der Geschütze angetreten haben, einen reichen Fort- gang an friedlicher und fruchtbarer Forschungsarbeit bringen. Verzeichnis der Stifter des Jubiläums-Fonds. Basler Nachrichten Bürgerrat von Basel Cellonit-Gesellschaft Dreyfus & Cie. Chemische Fabrik vormals Sandoz Elektrizitätswerk Lonza Färberei & Appreturgesellschaft vorm. Clavel & Lindenmeyer Färbereien vormals Jos. Schetty & Söhne A.-G. Farbwerke vorm. Durand Huguenin & Cie. Herr Aemmer, F. Dr., Regierungsrat Alioth-Merian, Sigismund Alioth-Schlumberger, Adrian ” n Frau Bachofen-Burckhardt, L. „ Bachofen-Burckhardt, Prof. Herr Bally, Walter Dr. , Banderet, Ed. Dr. „ Barbezat, Ch. „ Barth-Schäfer, Paul Dr. „ Bassalik, K. Dr. „ Baumberger, E. Dr. Frau Baumberger-Schneider Herr Baur, Fritz Dr. Beck, Theod. Dr. Bell Ed: Bernoulli-Bruckner, Ernst Bernoulli-Glitsch, DI. Dr. Bernoulli-Hartmann, A. L. Prof. Besson, A. Dr. Besson-Scherrer, J. Bigler, Walter Dr. Bienz, A. Dr, 7 Pinz Gus Dr. Birkhäuser, R. Dr. „ Bischoff, E. Oberst Bloch, H. Dr. Böniger-Ris, M. Dr. Bollinger, G. Dr. „ Bosshart-Tschanz » Brack-Schneider, J. J. .» Breitenstein, A. Dr. Floretspinnerei Ringwald J. R. Geigy A.-G. Georg & Cie. Gesellschaft für chemische Industrie Helbing und Lichtenhahn Industrie-Gesellschaft für Schappe Nationalzeitung Schweizerische Kreditanstalt Staatskasse Basel-Stadt Vereinigte Rheinsalinen Herr Bruckner-Georg, R. „ Bruckner-Weber, Rud. Brüderlin, R. N. Oberst „ Brüderlin, W. Dr. „ Bucherer, Emil Dr. Buchmann-Besson, E. Dr. Buchmann-Schardt, Chr. Direktor Bürgin, Emil Oberst von Bunge, G. Prof. Dr. „ Burckhardt, Alfons Burckhardt-Burckhardt, A. Dr. Burckhardt-Burckhardt, S. Dr. Burckhardt, Carl Dr. „ Burckhardt-Friedrich, Albrecht Prof. Dr. Burckhardt-Fetscherin, Hans Dr. Burckhardt-Grossmann, Ed. Burckhardt-Iselin, R. Burckhardt-Lenggenhager, G. Dr. Burckhardt-Merian, J. Burckhardt-Sarasin, Karl Frau Burckhardt-Schazmann, Prof. Herr Burckhardt-Socin, Otto Dr. „ Burckhardt-Vischer, C. F. W. Dr. Burckhardt-Vischer, W. Dr. Burckhardt-von Speyr, Gustav Buxtorf, Aug. Prof. Dr. Chappuis-Sarasin Christ-de Neufville, Rud. „ Christ-Iselin, W. „ Christ-Merian, Balthasar 222 Herr Frau Herr Frl. Bericht über das hundertjährige Jubiläum. Christ-Paravieini, A. Dr. Clavel-Simonius, Rene Dr. Conzetti, A. Dr. Corning, H. K. Prof. Dr. Cornu, F. Vevey Courvoisier, L. G. Prof. Dr. Danneel, H. Dr. David, Ad. Dr. De Bary-von Bavier, R. de Roeder, R. Ditisheim, Alfred Dreyfus Brodsky, J. Dreyfus-Strauss, Isaac Eckel-Labhart. Charles Egger, F. Prof. Dr. Ehinger-Alioth, Mathias Ehinger- Heusler Engelmann, Th. Dr. Engi-Hollenweger, G. Dr. Fichter, F. Prof. Dr. Fiechter, A. Direktor Finckh-Siegwart, Dr. Fininger-Merian, L. Dr. Finsler, G. Dr. Fischer-Eschmann, E. Flatt, Rob. Dr. Flury-Jucker, S. Forcart, Kurt Dr. Frey, Oscar Dr. Friedrich-Kiefer, R. Friedrich, Leonhard Füglistaller, B. Geering-Respinger, Ad. Geiger-Mähly, Paul Dr. Geiger-Otto, H. Dr. Geigy-Burckhardt, C. Geigy-Hagenbach, K. Geigy-Schlumberger, Rud. Dr. Geldner-Ammon, K. Gelzer-Vischer, K. Pfr. Gengenbhach-Gysin, G. Gessler-Herzog, C. A. Gigon, Alfr. Dr. Gnehm, R. Prof. Dr., Zürich Goppelsroeder, Friedr. Prof. Dr. Graber-Würeler Greppin-Mäglin, E. Dr. Grossmann-Simon, R. Grüninger, Rob. Dr. Grüninger, R. Architekt Gruner-Kern, H. E. Gysin, Julie Dr. Herr » Haegler-a Wengen, A. Dr. Hagenbach, August Prof. Dr. Frau Hagenbach-Berri, J. C. Prof. Herr Frau Herr 3 Frau Herr Hagenbach-Burckhardt. Karl Dr. Hagenbach-Burckhardt, E. Prof. Hagenbach, Eduard Dr. Hagenbach-Merian, Ernst Dr. Hagenbach, Rud. Dr. Hagenbach-Von der Mühll, HansDr. Hallauer, O. Dr. Hauser-Amans, R. Hedinger, Ernst Prof. Dr. Henneberger, M. Dr. Henrici-Veillard, Direktor Heusler, Andreas Prof. Dr. Hindermann-Müller, E. Dr. His-Schlumberger, E. His-Veillon, A. Hoffmann, K. R. Dr. Hoffmann-Krayer, Ed. Prof. Dr. Hoffmann-La Roche, Fritz. Hoffmann-Paravicini, A. Dr. Hollenweger-Heckendorn, A. Hollinger, Saml. Hopf-Schnewlin, J. Hottinger-Belat, Ad. Hotz, W. Dr. Hünerwadel, Th. Hunziker, Dr. Im Hof, A. Dr. Im Hof, G. Dr. Immermann, G. Dr. Iselin, Emil Pfarrer. Iselin, H. Prof. Dr. Iselin-Merian, Felix Dr. Iselin, Rud. Dr. Iselin-Sarasin, J. Nat.-Rat Oberst Iselin-Vischer, Alfred Jaecklé, A. Dr. Janicki, Constantin Dr. Jaquet-Paravicini. A. Prof. Dr. Jecklin, L. Dr. Jenny, F, Dr. Jetzer, M. Dr. Kägi-Stingelin Kägi-Wassermann, Dr. Kappeler, H. Dr. Karcher, J. Dr. Katz, C. Dr. Keller, Hans Dr. Kern-Anselm Kiefer, G. Verzeichnis der Stifter des Jubiläums-Fonds, Herr Klaiber-Vest, R. Klingelfuss, Dr. Knapp-Refardt, Martin Koechlin: Burckhardt, E. Dr. Koechlin, Max Koechlin, Paul, Dr. Kollmann, J. Prof. Dr. Kreis-Füglistaller, Oscar Dr. Kubli, L. Dr. Kündig, R. Dr. Kuentzy-Kübler, Fritz Kunz-Brunner, J. Dr. Kussmaul, C. Labhardt, A. Prof. Dr. Lang-Vonkilch, K. La Roche-Burckhardt, Hermann La Roche-Merian, F. La Roche-Paravicini, E. La Roche-Passavant, Alfred La Roche, Theophil Lebedinsky, W. Dr. Lenzinger, Ed. Dr. Leumann, Albert Ing. Dr. Eichtenberger, C. Lichtenhahn,. Wilh. Dir. Lindenmeyer-Christ, Max Löffler, W. Dr. L’Orsa, Th. Dr. Lotz, Albert Dr. Lotz-Rognon, W. Dr. Lüdin, Max Dr. Lutz-Georg, Th. W. Mähly-Eslinger, J. Dr. Mähly-Wörnle, P. Dr. Mähly-Sessler, J. Markees, E. Dr. Martin, H. Dr. Mascioni, B. Dr. Massini, Max Dr. Massini-Speiser, R. Dr. Matzinger, E. Mautz, O. Dr. Mayer-Lienhardt, W. Menzel, R. Dr. Merian, Rud. Dr. Meıtz, H. Dr. Mettler, C. Dr. Metzner, R. Prof. Dr. Meyer-Altwesg, H. Dr. Meyer-Müller, C. F. Dr. Meyer-Siegrist, A. Mörikofer, Walter Frau Herr Frau Herr 223 Moser-Massini Müller-Kober, A Dr. Münger, F. Dr. Müry, Emil Mylius-Passavant, A. Dr. Niethammer, Th. Dr. Oertli-Straumann, S. Oes Ad. Dr. Oppikofer, E. Dr. Oser, Wilh. Dr. Paravicini, L. Peyer-Lotz, Gust. Pfeiffer, S. Dr. Philippi-Mauley, Rob. Piccard, J. Prof. Dr. Preiswerk, Adolf Dr. Preiswerk-Bernoulli, Ed. Preiswerk-Haller, Ed. Preiswerk, Heinr. Prof. Preiswerk-Maggi, P. Dr. Preiswerk-Ryhiner, A. Preiswerk-Sarasin, Sam. Pf. Probst-Siegwart, L. de Quervain, F. Prof. Dr. Rauch-Burckhardt, E. Dr. Reber, Max Dr. Refardt-Sarasin, A. Reinhardt-Strahm, F. Reiter-Müller, E. Revilliod, P. Dr. Riggenbach-Burckhardt, A. Prof. Riggenbach-Stückelberger, Ed. Rippmann, G. Dr. Roechling-Graf, O. Ronus, Max Dr. Ronus, Rud. Roux, Jean Dr. Rütimeyer, L. Prof. Dr. Rupe, H. Prof, Dr. Rutschmann, G. Salathe-d’Arlay, E. Sandmeier, Traugott, Dr. Sandreuter-Lutz, E. Sarasin-Alioth, Peter Sarasin, Fritz Dr. Sarasin-Iselin, Alfred Sarasin-Iselin, W. Sarasin, Paul Dr. Sarasin-Schlumberger. J. Sarasin-Vischer, R. Sarasin-VonderMühll, Anna Sarasin-VonderMühll, Ernst 224 Herr Bericht über das hundertjährige Jubiläum. Schaub, E. Direktor Scheuchzer-Dürr, B. Schmid-Guisan, H. Dr. Schmid-Paganini, J. Dr. Schmid-Weber, Peter Schmidlin, J. Direktor Schmidt, C. Prof. Dr. Schönberg, F. Dr. Schulthess, C. O. Dr. Schwabe, Benno Senn, Gust. Prof. Dr. Senn-Gruner, O. Oberst Senn-Otto, M. C. Settelen, Otto Dr. Siepenmann, Fr. Prof. Dr. Simon, Karl Dr. Simonius-Blumer, A. Oberst Socin, Chr. Dr. Speiser-Merian, Felix Dr. Speiser-Sarasin, Paul Prof. Dr. von Speyr-Boelger, Albert Spiess, O. Prof. Dr. Spiess, P. Dr. Staehelin-Bernoulli, F. Staehelin-Bischoff, Aug. Staehelin-Merian, E. Pfr. Staehelin, R. Prof. Dr. Stauffacher, W. Direktor Stehlin, K. Dr. Stehlin, H. G. Dr. Stehlin-von Bavier, F. Steiger, Emil Stocker, R. Dr. Stückelberg-von Breidenbach, Alfr. Dr. Stückelberg, V. Stumm, H. Dr. Sulger-Burckhardt. A. Dr. Sulger, Hans Suter-Vischer, F. Prof. Dr. Ternetz, Ch. Dr. Tobler, A. Dr, Trüdinger, Ph. Vaucher, Charles Veiïllon, H. Prof. Dr. Veillon-Stückelberg, E. Dr. Vest-Greppin, R. Vest-Gysin, Viliger, E. ud. Prof. Dr. Herr Vischer-Bachofen, F. Dr. Vischer-Boelger, A. P. Vischer-Burckhardt. Rud. Vischer, Eberhardt Prof. Dr. Vischer-Ehinger, F. Dr. Vischer-Geigy, Ernst Vischer-Geigy, Paul Vischer-Sarasin, Eduard Vischer-Speiser, C. E. Vischer, W. Dr. Vogel-Sarasin, Rob. Dr. Vogelbach, Hans Dr. VonderMühll, Ed. Ing. VonderMühll, K. Dr. Vonder Mühll-His, Prof. von Voechting, H. Prof. Dr. Wacker-Waldmeier, F. Direktor Wackernagel, J. Prof. Dr. Wackernagel-Merian, Gust. Wagner, Rich. Dr. Walser-Hindermann, F. Wehrle, Dr. Wepf-Aubert Werthemann-Burckhardt, A. Werthemann-Heller, C. A. Werzinger-Bohny, E. Weth, Rud. Dr. Wetterwald, X. Dr. Wieland-Burckhardt, Emil Prof.Dr. Wieland-Preiswerk, C. Prof. Dr. Wieland-Zahn, A. Dr. Wölfflin, E. Dr. Wolf, Moritz Dr. Wolff, Gustav Prof. Dr. Wormser, Dr. Wydler, A. Dr. Zahn-Burckhardt, Carl Zellweger-Mousson, U. Zickendraht, H. Prof. Dr. Zimmerlin-Boelger, G. Zinstag, A. Dr. Zschokke, Fr. Prof. Dr. Zschokke, H. Zweifel, Henri Anonymi. Zweiter Teil. Wissenschaftliche Abhandlungen von Mitgliedern der Gesellschaft. Streiflichter aus der Ergologie der Neu-Caledonier und Loyalty-Insulaner auf die Europäische Prähistorie. Von Fritz Sarasin. Es ist eine heutzutage allgemein anerkannte Tatsache, dass der Schlüssel zum Verständnis sehr vieler in der europäischen Prähistorie uns entgegentretender Erscheinungen nur durch Vergleichung mit den Sitten und Geräten noch lebender primitiver Völker gefunden werden kann. Unter den zahlreichen Beispielen hiefür ist eines der eklatantesten die von A. B. Cook, 3, zuerst durchgeführte Paralleli- sierung der bemalten Kiesel des Azilien mit den heiligen Steinen der heutigen Australier. Ich darf hier wohl auch an die unerwartete Er- klärung erinnern, welche die Bewohner rezenter Pfahlhäuser im Matanna-See, Südost-Celebes, uns über Zweck und Nutzen der Pfahl- bauten gaben, 22, eine Erklärung, die sich in bemerkenswerter Weise deckt mit der Antwort, die L. Rütimeyer, 17, p. 362, auf dieselbe Frage von Insassen des, wie es scheint, einzigen in der Schweiz noch bewohnten Pfahlhauses oberhalb Zinal im Wallis erhielt. In beiden Fällen wurde die Reinlichkeit als Ursache der Pfahlkonstruktion an- gegeben. Solche Beispiele liessen sich beliebig vermehren, und es ist von diesem Gesichtspunkte aus ein nie genug zu beklagender Verlust, dass die Tasmanier, deren Steingeräte denen unseres Mousterien ent- sprachen (vergl. hiefür P. Sarasin, 21), zu einer Zeit vom Schauplatz verschwunden sind, als die Wissenschaft der Prähistorie noch nicht so weit vorgeschritten war, um aus ihrem Studium den gebührenden Nutzen ziehen zu können. Welches Licht wäre sonst auf manche dunkle Frage der Mousterien-Kultur gefallen ! Während meines Aufenthaltes in Neu-Caledonien und auf den Loyalty-Inseln, der zum guten Teil dem Studium der dortigen Ein- geborenen gewidmet war, habe ich mit besonderer Sorgfalt auf ergo- logische Analogieen mit prähistorischen Erscheinungen geachtet und möchte im Folgenden auf einige solche aufmerksam machen, deren 4 F. Sarasin. Kenntnis für den Prähistoriker meiner Meinung nach lehrreich sein dürfte. Einleitend sei bemerkt, dass dıe Caledonier sıch zur Zeit der Entdeckung der Insel durch James Cook, 1774, noch durchaus in der Steinzeit befanden, ohne jede Kenntnis der Metalle und ihrer Be- arbeitung. Dasselbe gilt natürlich auch für die erst im Beginn des 19. Jahrhunderts aufgefundenen Loyalty-Inseln. Der Charakter dieser caledonischen Steinzeit war der unserer neolithisehen Periode, bezeichnet durch das geschliffene Steinbeil und eine rohe Töpferei. Die im Laufe des 19. Jahrhunderts und namentlich seit der Besitz- nahme durch Frankreich, 1853, immer intensiver werdende Berüh- rung mit der europäischen Kultur hat diese beiden Techniken zum Verschwinden gebracht; europäische Importware hat sowohl der Be- arbeitung des Steins, als der eingeborenen Töpferei ein rasches Ende bereitet. Ein Steinbeil in seiner Fassung gehört heute bereits zu den grossen Raritäten und wird nirgends in der Insel mehr verwendet. Mit dem Verlust der Kenntnis der Steinbearbeitung ist aber doch der Gebrauch von Steinen zu verschiedenen Zwecken nicht ganz verschwunden und zwar auffallenderweise in Formen, die weit über das Neolithikum zurückgehen, ja geradezu an den An- fang menschlicher Steinverwendung überhaupt zu setzen sind. So dienen noch vielfach rohe, in Bachbetten aufgelesene schwere Roll- steine als Hämmer und zwar ohne jede Zurichtung oder Fassung; es sind also „Protolithen‘‘ im Sinne von P. Sarasin, 20. Solche Hammersteine finden zu allen möglichen Zwecken Verwendung, so beim Hüttenbau und bei der Herstellung der Boote, hier speziell, um bei der Zusammenfügung der Planken die Verbindungsschnüre festzuklopfen oder auch um Löcher mit dem Bast des Niaulibaums zu verstopfen. Weiter werden Quarzsplitter gebraucht, wie sie durch einfaches Zerschlagen eines Quarzstückes entstehen, ohne weitere Zu- bereitung und zwar sowohl zu Aderlasszwecken bei Kopfweh und der- gleichen, als zum Glätten der hölzernen Lanzen und Keulen. Ein unglaublich rohes Gerät dient zum Aushobeln der aus der Schale von Conus-Schnecken hergestellten Armbänder; es ist ein länglicher, leicht abgeflachter Rollstein, am einen Ende durch Abschlag etwas zugeschärft, Fig. 1. Spitze Korallenäste habe ich auf der Loyalty- Insel Maré in Gebrauch gesehen, um damit die runden Löcher in Kürbisgefässen herzustellen, Fig.2, sicher ein altmodisches Gerät, das auf eine lange Vergangenheit zurückblickt. Die Verdünnung des spitzen Endes, wie sie unsere Figur zeigt, ist erst durch den erwähnten Gebrauch entstanden. Ob solche ‚„‚Korallenbohrer‘ auch in Caledonien noch verwendet werden, ist mir nicht bekannt; dass sie es früher gewesen sind, haben mir Funde in Höhlen bewiesen. Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 5 Technisch etwas höher stehen die als Anker gebrauchten Stein- platten, indem sie eine Durchbohrung aufweisen zur Befestigung des Taus, Fig. 3. ner. IL, Gerät aus Glim- à Fe à Fig. 2. Fig. ©. merschiefer zum Sul 3 Korallenzweig, zur Her- Aushobeln der = : eee An stellung der Löcher in Caledonischer Anker, Conus - Schnecken. Kürbisgefässen dienend, Durchmesser des Steins 2: ca. 4. 27 cm. Eine wirklich gewollte Gerätform tritt uns in den sorgfältig zugeschliffenen, kegelförmigen, meist aus Stalaktitenmaterial be- stehenden Steinen entgegen, die zur Herstellung der Tintenfisch- angeln dienen, Fig. 4. Zu diesem Ende wird auf den Stein ein Stück einer Cypraea-Schale festgebunden und aus Grashalmen eine ge- schwänzte, rattenartige Tierfigur hergestellt, deren Körper der Stein mit seinem Cypraea-Rücken bildet. An einer Angelschnur wird dieses Tierphantom, Fig.5, im Wasser auf- und abbewegt, bis ein getäuschter Tintenfisch sich daran festsaugt. Das Gerät ist in der Südsee weit verbreitet; es bildet auf den Loyalty-Inseln einen poly- nesischen Einschlag und scheint auf Caledonien zu fehlen. 6 F. Sarasin. Damit dürfte, wenn wir von Schleifsteinen absehen, die heute noch übliche Verwendung des Steins zu Geräten erschöpft sein. Einige weitere sind erst unlängst ausser Gebrauch gekommen, so der Dreh- bohrer mit Silexspitze, der zur Durchbohrung der grünen Serpentin- perlen zum Zwecke der Herstellung der berühmten caledonischen Halsbänder gedient hatte. Sobald man aber an Stellen früherer Ansiedelungen oder in Grotten oder auch in den sehr zahlreichen Muschel- und Schnecken- Fig. 4. Kegelförmiger Stein zur à Fig. 9. Herstellung der Tintenfisch- nee = Tintenfischangel. vr el angel. +, lagern, Kjökkenmöddingern, der Küste Grabungen vornimmt, ergibt sich ein viel reicheres Steingerätinventar als das der Gegenwart. Ich werde an anderer Stelle diese Funde beschreiben und will hier bloss erwähnen, dass sich an solehen Orten Artefakte, namentlich Messer und Schaber, aus Quarz und Bergkristall und solche aus jaspisartigen Gesteinen gefunden haben, welche ihrem Typus nach als palaeolithisch angesprochen werden können; es sind sogar Geräte darunter, welche durchaus an Formen des Acheuléen erinnern. Da aber in ihrer Be- gleitung stets zahlreiche Topfscherben, gelegentlich auch ein zer- Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 7 brochenes, geschliffenes Steinbeil, zum Vorschein gekommen sind, kann ihr Alter kein sehr hohes sein. Es sind offenbar in Caledonien noch lange palaeolithische Traditionen festgehalten worden, als schon die neolithische Kultur in voller Blüte stand. Analogieen hiezu fehlen auch bei uns keineswegs. In der Höhle von Birseck habe ich je einen Acheuléen-artigen Fauststein im obersten Magdalenien und im frühen Neolithikum gefunden, und R. R. Schmidt, 24, p. 101, bemerkt, dass lanzeolierte Fäustel vom St. Acheul-Typus im Frühneolithikum Deutschlands nicht vereinzelt dastünden, und vertritt sogar, p. 104, die Meinung, dass die in Norddeutschland gefundenen, mandel- Steinreihe bei Pam. förmigen Artefakte stets dem frühen Neolithikum zugehören. Moustier-Formen ferner sind noch aus schweizerischen Pfahlbau- stationen bekannt geworden (vergl. P. Sarasin, 21). Nach dieser Einleitung wenden wir uns nun zu unserm speziellen Thema, den Analogieen caledonischer Ergologie mit prähistorischen Erscheinungen: 1. Steinreihen, Alignements. Unweit südlich vom Orte Pam an der Nordwestecke der Insel ergiesst sich der Diahot, der grösste Fluss Neu-Caledoniens, mit einem ausgedehnten, von Mangroven bestan- denen Aestuar ins Meer. Auf dem grauen, halbharten Boden dieser weiten, sumpfigen Flussebene lässt sich rechtsufrig eine Steinreihe 8 F. Sarasin. von etwa 220 m Länge verfolgen. Diese Steinlinie ist in ihrer Haupt- erstreckung von NNW nach SSO gerichtet und biegt dann in eine NW-SO-Richtung um. Die Steine, Fig. 6, folgen sich in Abständen von durchschnittlich 4—5 m, bald weniger, bald mehr. Es sind formlose, aufgelesene Feldsteine, aus Quarz oder alten Schiefern be- stehend, mit Ausnahme eines einzigen, des vierten, vom Südende der Reihe an gerechnet, der wie ein Meilenstein oder kleiner Menhir ge- staltet ist, Fig. 7. Dieser ragt etwa 50cm über den Schlammboden hervor, die andern viel weniger; einige sind fast völlig im weichen Untergrund versunken. Im ganzen zählte ich 40 Steine (der 21., von Fig. 7. Der Häuptlingsstein der Steinreihe. NNW an gezählt, ist doppelt); doch zeigten einige zu grosse Lücken an, dass Steine entfernt worden sind; man hat sie, wie ich mich über- zeugte, zur Stütze von Telegraphenstangen verwandt. 1884 waren es nach einer Beschreibung von Lemire, 11, p.143, deren noch 45. Diese Steinlinie verdient darum unser Interesse, weil die Einge- borenen der Gegend ihre Bedeutung kennen. Nach ihrer überein- stimmenden Aussage ist es ein Siegesdenkmal, und jeder Stein be- deutet einen gefallenen und verspeisten Feind, der grösste, Menhir- artige, den Häuptling. Unser Führer, ein Mann aus dem Stamme der Arama, der die Gegend von Pam und die Halbinsel Arama bewohnt, behauptete, dass hier die Arama einen Sieg über die Nénéma, die Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 9 Leute der nördlich vorgelagerten Inseln, erfochten hätten. Lemire's Gewährsmann, der offenbar ein Nenema gewesen, schrieb demgemäss den Sieg seinem Stamme zu, und wenn man einen Angehörigen des nahe Inlands wohnenden Stamms der Bondé nach der Bedeutung der Steine fragt, so sind die Bondé die Sieger gewesen. Wie dem nun auch sein möge, so ist doch als gewiss anzunehmen, dass die Steinreihe in der Tat zur Erinnerung an ein grosses kriegerisches Ereignis — 45 Tote bedeuten für caledonische Verhältnisse schon eine bedeutende Schlacht — errichtet worden ist. Lemire, 1.c., p. 148, berichtet noch von einem zweiten, viel aus- gedehnteren Denkmal derselben Art in der Gegend von Bonde, wo I ee Fig. 8. Steinreihen bei Carnac aus M. Hoernes, 8, p. 976. 142 in einer Reihe stehende Blöcke die Zahl der durch den Stamm der Bondé in einer Schlacht gegen die Leute von Gomen, Koumac und Arama darstellen. Das Alter dieser Steinreihen ist nicht mehr genau zu bestimmen, dasjenige des Denkmals am Diahot kann, ange- siehts der geologischen Verhältnisse des Ortes, kein hohes sein. Diese caledonischen Steinreihen scheinen mir eine unverkennbare Analogie zu bilden zu den in weit grösseren Dimensionen auftretenden „Alignements“ der Bretagne. Wenn man das hier beigegebene Bild der Steinreihen bei Carnac im Morbihan, Fig. 8, mit den caledonischen vergleicht, so ist die Übereinstimmung in die Augen springend. Dass die Zahl der Blöcke in den französischen Monumenten eine viel grössere ist als in Caledonien und dass die Dimensionen der Blöcke meist viel bedeutendere sind — es kommen aber auch deren genug von 10 F. Sarasin. nur 50—60 em Höhe vor — kann meiner Meinung dieser Überein- stimmung keinen Eintrag tun. Sollte es allzu kühn sein, den fran- zösischen Steinreihen, über deren Bedeutung so viel gestritten worden ist, denselben Sinn zuzuschreiben wie den caledonischen und sie gleich- falls als Siegesdenkmäler aufzufassen, aber von Schlachten viel be- deutenderer Art, als die caledonischen gewesen ? Die drei Steinreihen- gruppen der Gegend von Carnac zählen beispielsweise heute noch, obschon seit ihrer Errichtung im Neolithikum viele Steine entfernt worden sind, nach Dechelette, 5, p. 442, nicht weniger als 1169, 982 und 579 Blöcke. Die Steinreihen sind häufig in Verbindung mit besonderen Stein- setzungen von runder, seltener rechteckiger Form, den Cromlechs. Es ist denkbar, dass diese aus verhältnismässig wenigen Blöcken be- stehenden Setzungen, auf welche die Steinreihen zuführen, ursprüng- lich das Andenken an gefallene Häuptlinge festhalten sollten und dass aus diesen erst später die runden Tempelbauten ohne begleitende Steinreihen, wie der berühmte Stonehenge und viele andere, hervorge- sangen sind. Noch sei eine weitere Hypothese gestattet, die ohne Zwang aus dem Vorhergehenden folgt. Die Begräbnis-Tumuli der verschiedensten Gegenden der Erde sind häufig umgeben von einer kreisförmigen Reihe von Steinblöcken, denen nach Déchelette, 5, p. 446, eine unbe- kannte religiöse oder symbolische Bedeutung zukommen muss. Sollten diese Steine nicht gleichfalls Menschen vorstellen, sei es die Zahl der bei einer Totenfeier wirklich geschlachteten oder aber, was wahr- scheinlicher, bloss Stellvertreter von solchen ? Für einen Nichtphilologen mag das Folgende auszusprechen, höchst gewagt erscheinen. Das Wort „Menhir‘ stammt nach überein- stimmenden Angaben vom keltischen ,,maen oder men‘ — Stein und „bir“ —=lang; auch in der alten französischen Bezeichnung ‚‚Peulvans“ für die Menhirs steht neben ‚‚peul‘ = Pfosten, das Wort maen (Déche- lette, 5, p. 431); dasselbe Wort kommt auch in der Zusammen- setzung „Dolmen‘ vor, verbunden mit ,,daul oder dol‘ = Tisch. Sollte nicht in dieser Bezeichnung für Stein auch die Bedeutung von „Mensch“ enthalten sein, wonach der gesetzte Steinblock geradezu mit Mensch identifiziert worden wäre ? Anschliessend an die Besprechung der Steinreihen mag hier noch erwähnt sein, dass Pöroutet, 16, in Neu-Caledonien auch Tumuli ent- deckt hat; ich kenne sie von dieser Insel nicht, wohl aber haben wir solche auf der Loyalty-Insel Maré gefunden. Hier sind sie aus rohen Kalkblöcken errichtet; einer der beiden von uns gesehenen war von einem aufgestellten, Menhir-artigen Stein bekrönt, Fig. 9. Darüber Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 11 an anderem Orte Näheres, im Zusammenhang mit der Prähistorie des Gebiets. 2. Steinkreise. Die nunmehr zu besprechenden Bildungen haben mit den im vorhergehenden Abschnitt erwähnten Steinsetzungen nicht das mindeste zu tun. Ich beobachtete sie zuerst in einer Strandhöhle bei Hienghène, an der Ostküste Caledoniens. In dieser fanden sich an mehreren Stellen aus aufeinandergelegten Steinen errichtete Kreise von einigen Metern Durchmesser, mit Holzresten und Asche in ihrer Mitte. Der Antwort, welche die Eingeborenen auf meine Frage nach RS, 6) Tumulus bei Pénélo, Maré. der Bedeutung dieser ringförmigen Steinmäuerchen gaben, es seien Schlafstellen zum Übernachten, mass ich wenig Wert bei, bis wir bei der Besteigung des Humboldt-Piks im Süden der Insel unsere Träger selber ein solches sonderbares Nachtlager errichten sahen. Um sich gegen die kalten Nachtwinde zu schützen, bauten sie am Rande des geröllreichen Bettes des Ngoi-Flusses aus grossen Rollblöcken einen Steinring von etwa 50cm Höhe und ca. 4m Durchmesser, Fig. 10. Das Innere wurde mit Blättern austapeziert und in der Mitte mit lange glimmenden, groben Holzklötzen ein Feuer unterhalten. In diesem Steinring legten sie sich radiär zum Schlafen hin, den Kopf gegen die Steinmauer, die Füsse nach dem Feuer zu gerichtet. 12 F. Sarasin. Es sind mir augenblicklich aus der europäischen Prähistorie keine genau entsprechenden Bildungen erinnerlich; doch dürfte manches, was als Grabanlage, Opferplatz oder Hüttenrest gedeutet wurde, hie- her gehören. In jedem Falle ist es für den Prähistoriker nützlich, zu wissen, dass Steinringe mit Aschenresten in ihrer Mitte nichts anderes zu sein brauchen als temporäre Lagerstellen. 3. Zaubersteine spielen bei den Caledoniern eine ausserordentlich grosse Rolle. Jeder Stein, der annähernd die Form irgend eines Gegenstandes besitzt, wird als in einem geheimen Zusammenhang mit diesem stehend und geheime Einflüsse auf ihn ausübend be- Fig. 10. Steinring als Lagerstelle dienend, nach einer Skizze. trachtet. So dienen beispielsweise Steine, deren Gestalt einigermassen den verschiedenen Feldfrüchten gleicht, wie Ignamenwurzeln, Taro- knollen, Bananen, Brotfrucht, Kokosnüssen u.s. w., in die betreffenden Pflanzungen eingegraben oder mit den Setzlingen in Berührung ge- bracht, dazu, das Wachstum dieser Pflanzungen zu befördern. Fischartig geformte Steine, über die die Netze gezogen oder mit denen die Fischlanzen berührt werden, garantieren reichlichen Fisch- fang. Eine rugöse Konkretion, welche M. Leenhardt, 10, abbildet, soll, da von ferne an eine Cumuluswolke erinnernd, die Kraft haben, Regen anzuziehen. Dagegen waren die Regensteine, die Dr. J. Roux Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 13 und ich in Caledonien gesammelt haben, einfache, runde Rollsteine, die erst durch Aufmalen schwarzer Flecke, welche Wolken bedeuten, ihre Wirkung auszuüben vermochten. Wieder andere Steine sind im Kriege, sei es zum Angriff, sei es zur Abwehr, nützlich oder bewirken den Tod von Feinden, so vornehmlich spitze, z. B. Stalaktiten (ein solches Stück habe ich von Maré) oder waffenartig geformte oder rot gefärbte, was natürlich Blut bedeutet. Wieder andere sollen Reich- tümer anziehen, so ein Stück Brauneisen meiner Sammlung. Steine mit Löchern, natürlichen oder auch künstlich hergestellten, verleihen der Lanze, deren Spitze in das Loch gesteckt wird, Kraft und Treffsicher- heit, wobei vermutlich gedacht wird, dass die Härte des Steins die hölzerne Lanze stärken soll. Dass unter diesen Steinen auch solche, die, annähernd wie Geschlechtsteile gestaltet, zu Liebeszaubern ge- eignet erscheinen, nicht fehlen werden, ist selbstverständlich. Höchst interessant ist die Beobachtung von Leenhardt, dass Stücke von Ammoniten als für den Krebsfang nützlich angesehen werden, weil deren Rippen ungefähr an die Gliederung des Krebsschwanzes er- innern und dass fossile Muscheln als die Ausbeute von Schaltieren befördernd angesehen und verehrt werden. Man kann somit sagen, dass ungefähr jeder auffallend geformte Stein dem Oaledonier als etwas mit besonderen Kräften begabtes er- scheint, wobei gedacht wird, dass solche Gebilde von Dämonen oder Ahnengeistern hergestellt und von diesen dem glücklichen Finder übermittelt worden sind. Die mit diesen Steinen ausgeführten Zauberhandlungen werden denn auch unter Anrufung der Ahnen- geister und Darbietung von Opfergaben an den heiligen Stätten in der Nähe der Schädel (siehe darüber unten) vorgenommen ; manche Steine werden auch an diesen Orten aufbewahrt. Nun trıfft man bekanntlich in sehr vielen prähistorischen Stationen, vornehmlich in denen des Magdalénien, sowohl Ver- steinerungen, Ammoniten, Muscheln u. s. w., als auch seltsam ge- formte oder durch Material und Farbe auffallende Steine an, nicht selten auch Rollkiesel mit natürlicher Durchlochung. Nach Analogie mit den neucaledonischen Verhältnissen ist es mehr als wahrschein- lich, dass diese Fossilien und fremdartig geformten oder gefärbten Steine von den Leuten nicht nur, wie dies meist so aufgefasst wird, als Kuriositäten oder zu Schmuckzwecken gesammelt worden sind, sondern dass ihnen zugeschriebene, übernatürliche Kräfte den Grund zu ihrer Aufbewahrung gebildet haben, weshalb man sie wohl ohne Bedenken als „Zaubersteine‘‘ bezeichnen darf. Über die grosse Ver- breitung von fossilen Mollusken in Höhlen des französischen Palaeolithikums mag man P. Fischer's, 7, Zusammenstellung kon- sultieren. 14 Fig. 11. Pfahl mit einer Reihe von Cupulae, setötete Feinde markierend. Länge des Pfahles 2 m 35. F. Sarasin. 4. Cupulae. Als einen Beitrag zur Bedeutung der prähistorisch weitverbreiteten Cupulae bilde ich in Fig. 11 einen geschnitzten, 2,35 m langen Pfahl ab, der in einer Reihe 45 sorgfältig ausgeführte, dicht aufeinander folgende, scharfrandige Bohrlöcher zeigt; 3 bis 4 weitere am unteren Ende sind durch Verwit- terung verdorben. Das Stück stammt aus einem Dörfchen des unteren Houailou-Tales, und nach An- gabe sollen diese Gruben die Zahl der Feinde bedeuten, welche der Grossvater des jetzigen Dorfoberhauptes, ein besonders grosser und gefürchteter Krieger, zu Fall gebracht hat. Die Gruben, die man wohl ohne Bedenken als Cupulae bezeichnen darf, werden somit von den Leuten als Erinnerungsmarken angesehen, wie die Kerben mancher Kerbhölzer. Kerben wurden in Caledonien gleichfalls angewandt, um die Zahl ge- töteter Feinde festzuhalten. Einen alten Hüttenpfahl mit 19 Kerben von dieser Bedeutung, ein Menschen- Kerbholz also, sah ich in einem Dorfe oberhalb von Kanala. Pionnier, 15, tut dieser Sitte gleichfalls Er- wähnung und berichtet von einem Fall, wo die Zahl der von einem einzigen Krieger erlegten und mittelst Kerben an einem Baumstamm markierten Feinde 76 betragen habe. Cupulae und Kerben würden also in Caledonien dieselbe Bedeutung als Zählmarken be- sitzen. 5. Bestattung in Hockerstellung. Unter den mancherlei Bestattungsweisen, die in Neu-Caledonien gebräuchlich waren, bevor durch die europäische Ver- waltung eine regelrechte Beerdigung vorgeschrieben worden ist, die weitaus am meisten angewandte war die Unterbringung der in Matten oder in Baststoff gewickelten Leichen in Felsspalten und Grotten, wo sie dann ohne Bedeckung mit Erde der Verwesung überlassen worden sind. Es ist auch heute trotz den Vorschriften der Regierung diese Sitte an abgelegenen Orten noch nicht ganz verschwunden. Wenn es sich um Leute von Stellung handelte, wurde zuweilen die Leiche auf Steinplatten gelegt und von solchen einge- fasst oder es wurde die Felsnische nach aussen mit Steinen abgeschlossen, während an den Bestattungs- orten der gewöhnlichen Leute, namentlich auch an denen von Frauen, die Reste zahlreicher Skelette oft Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 15 unordentlich über und neben einander liegen. An den isolierten Skeletten liess sich leicht konstatieren, dass die Leichen in Hocker- stellung waren gebracht worden, mit auf die Brust hochgezogenen Knieen; zuweilen fanden sich auch noch die Kokosstricke, welche zur Verschnürung der Leiche gedient hatten. In neuerer Zeit ist es nicht gerade selten, dass europäische Koffer zur Aufnahme von Hocker- leichen verwendet werden; so entdeckten wir auf dem Inselchen Ouédjo bei Hienghène in einer Felsenspalte einen Holzkoffer mit Schloss, der ein männliches Skelett in Hockstellung barg. Auf den Loyalty-Inseln wurden die Toten gleichfalls in Fels- spalten und in Grotten untergebracht, teils einzeln in Nischen und teils in Massengräbern. Wo ich die Lage der Leichen noch feststellen konnte, war sie eine ausgestreckte, doch muss daneben auch Hocker- bestattung vorgekommen sein, wie mir der Grand-Chef Clément auf Lifou mitgeteilt hat. Auf meine Frage, weshalb man Leichen in Hockerstellung- versetzt habe, antwortete er ohne Zögern: „Aus Furcht vor der Wiederkehr der Toten.“ Diese Auskunft ist ein ge- wichtiges Zeugnis mehr zu-den vielen, welche R. Andree, 1, aus den verschiedensten Teilen der Welt zusammengetragen hat und die über- einstimmend erweisen, dass die Angst vor der Wiederkehr der Toten und vor gefährlichen Wirkungen von ihrer Seite auf die Überlebenden die Veranlassung gewesen ist, die Leichen durch Knebelung unschäd- lich zu machen und in Hockerstellung zu versetzen. 6. Schädelaltäre. In Neu-Caledonien bestand und besteht vermut- lich teilweise noch heute die Sitte, von der verwesenden oder bereits ganz verwesten Leiche den Schädel, bald mit, bald ohne seinen Unter- kiefer zu entfernen und an einem besonderen Orte aufzubewahren. Diese Schädelstätten sind geschützte Felsenspalten oder auch eigent- liche Grotten, in denen die Schädel, meist auf Steinplatten gelagert. neben einander hingereiht werden. Es sind indessen lange nicht alle Schädel auf diese Weise behandelt worden, denn an den Bestattungs- orten trifft man sehr viele Skelette an, denen der Schädel keineswegs abhanden gekommen ist; vornehmlich. scheinen es die Stammeshäupter und andere zu ihren Lebzeiten hervorragende Persönlichkeiten zu sein, denen diese Auszeichnung zuteil wurde oder auch noch wird, weshalb manche Schädelrepositorien nur männliche Cranien enthalten. Es gibt aber auch solche, wo die Schädel familienweise, Männer, Frauen und Kinder, bei einander ruhen; öfters findet man auch nur einen ein- zelnen Schädel in einer Felsspalte oder Nische aufgestellt. Diese Schädelstätten darf man füglich als Altäre bezeichnen, denn an diesen Orten wird die Hilfe der Ahnengeister, die eine sehr hohe Verehrung geniessen, angerufen; es sind Stätten des Ahnen- kults, deren Betreten für alle nicht hiezu Befugten mit Tabu belegt 16 F. Sarasin. ist. Die Geister der Verstorbenen, namentlich diejenigen grosser Häuptlinge und renommierter Zauberer, haben nach caledonischem Glauben einen mächtigen Einfluss auf das Wohl und Wehe eines Stammes, und da sie als besonders wirksam gedacht werden in der Nähe ihrer Schädel, wird an diesen Orten um ihre Hilfe gebeten, wie wir oben schon gesehen haben, dass die vielen Zauberhandlungen erst ihre Kraft durch Vermittlung der Ahnengeister erhalten. Bei be- sonders feierlichen Handlungen werden nach Lambert, 9, p. 203, die Gesichtsteile der Schädel mit schwarzer Farbe beschmiert — schwarz ist die caledonische Zeremonialfarbe — und die Schädel mit einem Fig. 12. Schädelaltar in der Gegend von Kanala. Kopfschmuck aus Federn versehen, all dies, um die Geister günstig zu stimmen. Ein typisches Beispiel eines solchen Schädelaltars ist in Fig. 12 abgebildet. Eingeborene des Dörfchens Kouiné, oberhalb von Kanala, führten uns zur Stelle, nachdem wir versprochen, die Schädel nicht zu berühren. Die heilige Stätte lag in einer völlig menschenleeren Gestrüppwildnis, hoch oben an einem Berghang. In einer zwischen zwei Felsblöcken horizontal sich öffnenden Spalte war mit Hilfe hingelester Steinplatten ein ebener Platz hergerichtet worden; auf diesem waren acht Schädel in einer Reihe angeordnet, die meisten mit ihren Unterkiefern, einige auch ohne solche; ein zerbrochener Kinder- Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 17 schädel lag davor. Auf einem Felsblock (rechts im Bilde) waren Opfergaben hingelegt, in Strohbündel eingewickelte Isnamenwurzeln. Die acht Schädel schienen lauter männliche zu sein; nach Angabe sehörten sie Oberhäuptern des Dorfes Kouine an. Ähnliche Schädelaltäre habe ich noch an mehreren anderen Orten beobachtet, so bei Tao, wo 10 Schädel in einer Reihe aufgestellt waren, darunter auch der eines Kindes, ferner in einem Felsen bei Hienghène, wo sich kleinere Reihen von 2 bis zu 5 Schädeln, auf Steinplatten gelegt, in Nischen fanden u. s. w. Auch auf der Loyalty- Insel Ouvéa habe ich in einer kleinen Grotte 8 Schädel und zwar alle ohne Unterkiefer neben einander aufgereiht gesehen. Fig. 13. Die grössere Schädelgruppe aus der Ofnet-Höhle, nach R. R. Schmidt, 24, Taf. XIV. Wenn wir uns nach Analogieen zu diesen Schädelkultstätten in der europäischen Prähistorie umschauen, so drängt sich in erster Linie der Vergleich mit den von R. R. Schmidt, 24, entdeckten und be- schriebenen Schädelgruppen in der grossen Ofnet-Höhle am Rande der Riesebene an der Grenze von Bayern und Württemberg auf. Hier fanden sich, p. 36 ff., in kreisförmigen Nestern zwei dicht gedrängte Schädelgruppen, die eine aus 27, die andere aus 6 Schädeln bestehend, Fig. 13. Alle Schädel besassen ihre Unterkiefer und eine wechselnde Zahl anhängender Wirbel. Schnittspuren an diesen letzteren zeigten, dass die Köpfe noch vor der völligen Verwesung von der Leiche abge- 2 18 F. Sarasin. trennt worden sind, während der Caledonier diesen Zeitpunkt ab- wartet, um den Schädel zu entfernen. Auf Celebes, wo zur Feier des Totenfestes vor der endgiltigen Beisetzung in Höhlen oder Fels- spalten die Leichen wieder aus ihrem vorläufigen Bestattungsort hervorgeholt und dann die Knochen gereinigt werden, wird der Schädel ebenfalls häufig sehr roh vom übrigen Skelett getrennt. Schädel, die wir einer Totenhöhle am Strand von Süd-Celebes ent- nahmen, zeigten alle ein künstlich erweitertes Hinterhauptsloch oder auch die ganze Hinterhauptspartie weggeschlagen, offenbar, um das noch nicht verweste Gehirn zu entfernen, siehe F. Sarasin, 18, p. 23 ff. Ein Schädelkult findet aber in Celebes nach Ablauf des Totenfestes nicht statt. Die Ofnet-Schädel waren trotz ee kreisförmigen Anordnung sämtlich nach Westen orientiert, reichlich mit Beigaben, wie Hirsch- zahngehängen und durchbohrten Schneckenschalen, versehen und in eine ockerhaltige Erde eingebettet. Von den 33 Schädeln waren 20 solche von Kindern, 9 weiblich und 4 männlich. Nach R. R. Schmidt gehören diese Schädelgruppen dem Azilien, also dem Ende des Palaeolithikums oder dem Übergangszeitalter, an. Es besteht für mich kein Zweifel, dass es sich in der Ofnet-Höhle um Schädelaltäre, den caledonischen entsprechend, handelt, wenn auch gewisse Unterschiede nicht übersehen werden dürfen. Von diesen scheint mir unwesentlich, dass die Schädel im Ofnet in Kreisen ange- ordnet sind, die caledonischen dagegen in Reihen, denn auch die ersteren schauen alle nach einer Seite und zwar, wie schon erwähnt, nach Westen. In Oaledonien blicken die Schädel stets aus den Spalten heraus ins Freie; indessen habe ich nicht darauf geachtet, ob die zur Aufstellung der Schädel gewählten Felsnischen selbst eine bestimmte Richtung haben, was zwar nicht unmöglich, aber wenig wahrschein- lich ist. Im Ofnet sind die meisten Cranien kindliche oder weıbliche, in Caledonien vorwiegend männliche; indessen wird man sicher an- nehmen dürfen, dass in der ersteren Gegend Depositorien männlicher Schädel noch zu finden sein werden. Etwas wesentlicher scheint mir der Unterschied zu sein, dass die Ofnet-Schädel offenbar von Anfang an, wenn auch gewiss nur ganz untief, in eine ockerhaltige Erde ein- gebettet worden sind, während die caledonischen frei aufgestellt und erst allmählich, wenn die Felsspalten sich mit Erde füllen, ein- gedeckt werden. Trotzdem ist die Übereinstimmung beider Erschei- nungen eine überraschende, und R. R. Schmidt, dem ich die Photo- graphie des caledonischen Schädelaltars zusandte, schrieb mir darüber, dass er aus dem Bereich der Ethnologie seines Wissens die schönste Parallele zu den Ofnet-Funden darbiete. Wir dürfen somit, wie ich glaube, unbedenklich die Schädelgruppen des Ofnet als Stätten des Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 19 Ahnenkults auffassen. Schmidt hat weiter eine Reihe von Fällen zu- sammengestellt, aus denen hervorgeht, dass schon im frühen Magda- lénien Isolierung des Schädels und selbst Aufstellung auf Steinplatten vorgekommen ist (vergleiche hiezu auch Breuil, 2). 7. Trepanation wird auf den Loyalty-Inseln, speziell auf Ouvea, nach Aussage der Leute nicht selten ausgeübt, namentlich ın Fällen, wo durch herabgefallene Kokosnüsse der Schädel verletzt worden ist. Ein europäischer Augenzeuge hat mir die Prozedur folgendermassen beschrieben: An der verletzten Schädelstelle wurde die Haut im Kreuz gespalten und zurückgeschlagen, dann der Schädel mit einer scharfen Flaschenscherbe, unter beständigem Auftropfen von Wasser, geschabt, bis in der rundlichen, mit gesundem Rand versehenen Öff- nung dasGehirn sichtbar war. Hierauf wurde ein der Grösse der herge- stellten Öffnung entsprechendes Stück der Schale einer Kokosnuss rein geschabt und eingesetzt und endlich die Haut wieder zurückgeschlagen. Bei einer am Hinterkopf trepanierten Frau von Ouvéa konnte ich die Stelle trotz des eingesetzten Kokosscheibehens mit dem Finger als eine etwa Pfennig-grosse, leichte Einsenkung fühlen. Ein Mann von Ouvea soll an fünf Stellen auf diese Weise trepaniert worden sein. Ich habe auch das gesammelte Schädelmaterial auf diese Er- scheinung durchgesehen. Von meinen über 60 Loyalty-Schädeln zeigte keiner eine unzweifelhafte Trepanationsöffnung, wohl aber 2 (von über 150) caledonische Cranien. Beim einen mass die ovale Öff- nung 45 auf 35 mm, beim anderen die mehr rundlich geformte 35 mm. Die Verletzungen sind hier vielleicht auf Schleudersteine zurückzu- führen. Es ist möglich, dass auf Ouvea diese Sitte erst neuerdings übernommen worden ist. Im europäischen, besonders im französischen Neolithikum war bekanntlich Trepanation sehr verbreitet. Vielleicht wirft der Ge- brauch eines Scheibehens von Kokosschale zum Decken der Öffnung im Schädel, wie er auf Ouvéa sich findet, einiges Licht auf die soge- nannten „Rondelles ceraniennes, die sehr häufig in französischen neolithischen Bestattungsorten, Grotten und Dolmen, neben trepanierten Cranien angetroffen werden; ich habe ein solches Stück auch im Dolmengrab bei Aesch, 19, gefunden. Es sind dies aus Schädeln Verstorbener herausgeschnittene Scheibehen, siehe Deche- lette, 5, p. 478, oder auch Stücke von mehr unregelmässiger Gestalt. Ich halte es für möglich, dass dies die Deckplättehen für Trepana- tionsöffnungen gewesen sind. Dass manche durchbohrt sind und daher vielleicht nach dem Tode des Trepanierten zur Erinnerung oder als Amulette aufbewahrt wurden, wäre an sich nicht wunderbar. Es ist aber auch möglich, dass man absichtlich durchlochte Plättchen einsetzte, um irgend einem angenommenen, schädlichen Prinzip einen 20 F. Sarasin. Ausweg offen zu lassen. Manche dieser „Rondelles“ zeigen verheilte Spuren früherer Trepanation. Man hätte also vielleicht mit Vorliebe solche Schädel- teile zum Decken der Öffnung ver- wandt, möglicherweise im Glauben, dass sie die Heilung befördern. 8. Aderlassgerät von Mare. Die Bewohner Neu-Caledoniens und der nahen Loyalty-Inseln huldigen reich- lich dem Aderlass und dem Skarifi- zieren, wie übrigens viele andere primi- tive Völker. Diese Eingriffe werden entweder mit einfachen Glas- oder Quarzsplittern ohne Fassung ausge- führt, oder es dienen hiezu besondere Geräte, wie ich nebenstehend in Fig. 14 ein Aderlassinstrument von der Lo- yalty-Insel Mare abbilde. Die Spitze wird auf die Haut aufgesetzt und dann ein Schlag auf den Rücken des Gerätes ausgeführt. Die feine Klinge besteht aus Glas, worin wir ohne Zweifel ein modernes Surrogat für Stein zu sehen haben. Die Spitze der Glasklinge ist durch eine einseitige Abschrägung her- gestellt worden, daher nicht zentral liegend, sondern einer Längskante auf- gesetzt; die gegenüberliegende Längs- kante, auf dem Bilde die obere, weist ie 1A. einige Retuschen auf, Einkerbungen, Aderlassgerät von Mare. offenbar zum Zwecke angebracht, der Länge 13 cm. Fassung besseren Halt zu geben. Diese besteht sehr einfach aus zwei um die Klinge herumgeknickten Binsen- stengeln, die durch eine Schnurbindung zusammengehalten werden. Es ist nun sehr auffallend, wie diese Glasklinge in ihrem ganzen Ha- bitus gewissen dreiseitigen Miniatur- I silexen gleicht, die man als Tarde- Pig 19 noisien-Formen bezeichnet. Die hier, Tardenoisien-Formen aus der se À Höhle Birseck. 4. Fig. 15, abgebildeten stammen aus Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 21 dem Magdalenien der Birseckerhöhle, wo sie in ganz kleiner Zahl als seltene Vorläufer der Tardenoisien-Geräte sich gefunden haben. Das Tardenoisien, dem solche geometrische Kleinklingen in Masse und in weitester geographischer Verbreitung angehören, wird zur Über- sangszeit des Palaeo- zum Neolithikum oder zum älteren Neolithikum gerechnet, ja von einigen bis ins mittlere Neolithikum und noch weiter hinaufgeführt (siehe darüber Coutil, 4). A. de Mortillet, 14, der diesen Mikrogeräten eine eigene A bhand- lung: gewidmet hat, stellte eine Reihe von Hypothesen über den Zweck derselben zusammen. Nach der einen sind es Pfeilspitzen; nach anderen dienten sie zum Spicken von Holzkeulen und Lanzen ; wieder andere sahen darin Angelhaken oder Geräte für feine Arbeiten oder endlich Instrumente für Aderlass, zum Skarifizieren und Tätowieren. Diese letztere Hypothese hat E. de Pierpont aufgestellt (zitiert nach Mortillet, p. 401); sie erhält durch das Gerät von Mare eine höchst bedeutsame Stütze. Gegen eine solche Auffassung der zwerghaften Silexgeräte des Tardenoisien als chirurgische Instrumente könnte die grosse Menge, ın der sie an einzelnen Lokalitäten auftreten, geltend gemacht werden. Allein auch hiefür gibt es Parallelerscheinungen bei Naturvölkern. Nach Man, 12, p. 379, verwenden die Bewohner der Andaman-Inseln Späne und Splitter von Quarz und Bergkristall zum Rasieren, Täto- wieren und Skarifizieren; diese werden, p. 380, nie mehr als einmal gebraucht, und zwar meist mehrere bei jeder Operation. Man wirft sie dann auf einen Abfallhaufen, damit sie niemanden beim Darauf- treten verletzen. Darin könnte sehr wohl eine Erklärung für die Massenhaftigkeit des Vorkommens von Tardenoisien-Geräten an ein- zelnen Fundstellen liegen. Diese Orte sind häufig Freilandstationen in der Nähe des Meeres oder von Flüssen, Teichen und Quellen. Sollten dies nicht Stätten sein, an denen religiöse Zeremonien, Jüng- lingsweihen, Beschneidungsfeste und dergleichen abgehalten worden sind? Bei solchen Anlässen werden beispielsweise in Australien massenhaft Einschnitte in verschiedene Körperteile mit Steinmessern gemacht. Diese Erklärung würde auch die Tatsache verständlich machen, dass häufig nur ganz wenige oder auch gar keine anderen Geräte mit den geometrischen Mikrolithen zusammen gefunden werden, und doch ist es ganz ausgeschlossen, dass diese Zwergsilexe das einzige Gerätinventar irgend einer Periode könnten gebildet haben. Ich glaube daher, dass, wo sie in Höhlen massenweise vor- kommen, wir eine Werkstätte vermuten dürfen, wo aber, wie es die Regel ist, auf offenem Lande, einen Zeremonial- oder Festplatz. Da- mit würde auch der Begriff des Tardenoisien, als einer eigenen Kulturepoche von zwerghaften Geräten, dahinfallen, wie schon die 22 F. Sarasin. vielen verschiedenen Bezeichnungen, welche dieser Periode beigelegt worden sind — Coutel, 4, gibt hiefür nicht weniger als 8 Namen an — deutlich für ihre Zweifelhaftigkeit Zeugnis ablegen. Die kleinen geometrischen Geräte sind vielmehr nach meiner Meinung bloss anzusehen als der Ausdruck religiöser oder zeremonieller Be- tätigung während einer sehr langen Periode, durch das Mesolithikum bis tief ins Neolithikum hinein. Ihre Seltenheit im Magdalénien und im Aurignacien scheint mir anzuzeigen, dass sie damals noch nicht zu rituellen Zwecken, sondern bloss zu praktisch chirurgischen verwendet worden sind. 9. Gebrauch von Muschel- und Schneckenschalen. Trotz den ein- geführten europäischen Gerätschaften finden Muschelschalen immer Fig. 16. Messer aus der Schale der Meleagrina margaritifera L. 1. noch im Haushalt der Neu-Caledonier und der Loyalty-Insulaner zu allen möglichen Zwecken Verwendung und zwar grossenteils ohne jede vorhergehende Zurichtung. Sie werden gebraucht zum Reinigen der Ignamenwurzeln und Taroknollen von anhaftender Erde, zum Schaben des Kokosnusskerns, zum.Glätten und Geradestrecken der Pandanusblattstreifen, die zum Flechten von Matten und Körben dienen sollen, zum Reinigen der Kokosnussfasern für die Schnur- und Seilfabrikation und vermutlich noch zu vielen anderen Zwecken, die mir unbekannt geblieben sind. Es dienen hiefür Schalen der ver- schiedensten Art aus den Gattungen Arca, Cardium, Lucina, Mytilus, Pecten, Patella, Tellina, Venus und anderen mehr. Auch Land- schnecken aus des Placostylus-Gruppe werden gebraucht, um mittelst ihres dieken Mundrandes Pandanusstreifen zu glätten. Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 23 Den meisten dieser Schalen sieht man es kaum oder gar nicht an, dass sie zu irgend welchen Zwecken gedient haben; erst durch längeren Gebrauch wird ihr Rand mehr oder weniger stark abge- schliffen oder auch ausgesplittert. In europäischen prähistorischen Stationen würden solche Schalen sicherlich als Schmuckstücke oder in der Nähe des Meeres als Nahrungsabfälle angesehen werden, wobei man aber übersieht, dass für den primitiven Menschen die Muschel- schale ein wahres Universalinstrument darstellt. In unserer Arbeit Fig. 17. Durchbohrte Pectenschale, Fig. 18. als Schaber gebraucht. Pecten-Schaber mit Handgriff. ca 3. ea. +. über die Steinzeit von Ceylon ist, 23, p. 69 ff., eine Zusammenstel- lung des Gebrauchs von Muschelschalen bei verschiedenen Völkern gegeben worden; vieles hierüber findet man auch in einer für den Prä- historiker wichtigen Arbeit des vortrefflichen Molluskenkenners, Ed. von Martens: Über verschiedene Verwendungen von Conchylien, 13. Unzweifelhaft wird der absichtliche Gebrauch von Mollusken- schalen durch den Menschen, wenn eine Durchbohrung vorhanden ist, aber auch dann noch ist es unrichtig, ohne weiteres, wie dies stets ge- schieht, auf Schmuckgegenstände zu schliessen. In vielen Fällen ist 24 F. Sarasin. dies zwar sicherlich der Fall. In Caledonien z. B. wird die weisse Ovulaschale an einer braunroten Schnur aus Pteropuswolle einzeln am Handgelenk getragen oder auch in Mehrzahl zu Stirnbändern aufgereiht; als Knie- oder Wadenschmuck dienen weisse, durch- bohrte Cypraeen, als Stirnschmuck von Häuptlingen (jetzt nicht mehr) eine grosse Doliumschale, als Gürtelschmuck Triton variegatus Lam. u.s.w. Kleinere Arten werden durchbohrt und in grosser Zahl zu Halsbändern aufgereiht oder als Dekoration an den aus feinen Schneckenquerschnitten hergestellten Geldschnüren befestigt. Als Schmuck zwar nicht des Körpers, sondern der geschnitzten Aufsätze des Hüttendachs, werden durchbohrte, mächtige Tritonshörner und grosse Murexschalen, seltener solche von Ovula verwandt. Eine Durchbohrung nicht zu Schmuckzwecken, sondern zur Be- festigung einer Wollschnur, zeigen die schönen, runden oder ovalen, Fig. 19. Fig. 20 Doppelt durchbohrte Pecten jacobaeus L. aus Pecten-Schale. 32. der Höhle Mas d’Azil. + aus der Schale der Meleagrina margaritifera L. hergestellten Messer, Fig. 16, welche früher — jetzt hat das Eisenmesser sie verdrängt — zum Zerschneiden der Wurzelknollen gedient haben. Noch in Ge- brauch, und zwar als Schaber, sind Peetenschalen mit einem rund- lichen Loch in der Nähe des Schlossrandes. Durch dieses Loch werden einige Grashalme durchgezogen und umgeknickt, um ein be- quemeres Anfassen zu ermöglichen, Fig. 17; auch ein Tuchstreifen kann demselben Zwecke dienen oder endlich wird mit Hilfe des Loches die Muschel mit einem eigentlichen Handgriff aus Grashalmen ver- sehen, Fig. 18. Diese Pectenschaber dienen unter anderem dazu, die Frucht einer Liane „Dima‘“, nachdem sie gekocht worden ist, in nudelartige Streifchen zu zerlegen; die Schale wird dabei so ge- halten, dass die Aussenseite nach oben sieht; die Rillen des Schalen- randes ergeben die gewünschten „Nudeln“. Offenbar um der Hand- habe eine grössere Festigkeit zu verleihen, werden zuweilen zwei Löcher über einander in der Schale angebracht, Fig. 19; man ver- Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 25 gleiche damit die auf genau dieselbe Weise behandelte Schale eines Pecten jacobaeus L. aus frühpalaeolithischen Schichten der Höhle von Mas d’Azil, Fig. 20, nach H. Fischer, 6, p. 642. Bei Grabungen in caledonischen Höhlen und an Stellen alter Siedelungen fand ich auch andere Muscheln, namentlich Arca, mit einem Loch in der Nähe des Wirbels versehen. Die sehr starke Ab- nützung des Schalenrandes einiger dieser Stücke lehrt, dass sie als Schaber für grobe Zwecke, vielleicht für Holzarbeiten, gedient hatten. Auch in Australien kommen nach Roth (siehe 23, p.71) in Hand- * griffe gefasste Muscheln, Tellina, vor, um Skarifikationen damit aus- zuführen. Eine weitere Reihe von Mollusken mit künstlich hergestelltem Loch bilden die „„Hobelschnecken“. Hiefür werden in Caledonien mit Strombus luhuanus L., als Hobel dienend. +. Vorliebe die Schalen von Strombus luhuanus L. (bestimmt von Dr. G. Bollinger) verwandt, Fig. 21. Man sammelt die lebende Schnecke, kocht sie, zieht das Tier heraus und schlägt dann mit Steinen oder mit Holz auf der letzten Windung ein ovales oder rundliches Loch in die Schale. Der scharfe Rand dieses Loches dient als Hobel zum Glätten von Holz, z. B. von Speerschäften und Bogen, auch zum Reinigen von Wurzelfrüchten. Beim Gebrauch wird die Schale so in der Hand gehalten, dass ihr Apex nach hinten schaut. Zu gleichen Zwecken dienen und zwar namentlich auf den Loyalty-Inseln Land- schneckenschalen aus der Gattung Placostylus, Fig. 22. Die Sitte, Schnecken-, seltener Muschelschalen mit künstlich her- gestellten Löchern als Hobel zu verwenden, ist weit verbreitet. Wir haben seinerzeit solche Schneckenhobel, aus der starken Schale der Helix (Acavus) phoenix Pfr. hergestellt, in grosser Zahl in den Weddahöhlen von Ceylon, begleitet von Steingeräten, gefunden, 23, 26 F. Sarasın. His 22% Placostylus-Hobel. ca. 1. p.66 ff., Taf. IX. In der eben zitierten Arbeit ist auch die Verbrei- tung dieses primitiven Gerätes angegeben worden, worauf hiemit ver- wiesen sei. Neuerdings hat mir Dr. Felix Speiser mitgeteilt, dass solche Hobel auch auf den Neuen Hebriden in Gebrauch seien. Es wäre wunderbar, wenn sie in der europäischen Urgeschichte sich nicht würden nachweisen lassen. Noch sei, als zum Gebrauch von Molluskenschalen gehörig, bei- gefügt, dass auf der Loyalty-Insel Mare der dicke Mundrand einer Placostylus-Schale verwendet wird, um daraus Angelhaken zurecht zu schleifen, Fig. 23. Ferner muss noch die Beschwerung der Fisch- netze mit durchbohrten Muschel- oder Schneckenschalen erwähnt sein. Ich habe zwar, wohl zufällig, diesen Gebrauch in Caledonien nicht beobachtet; er ist aber in Nachbargebieten, wie z. B. in Neu-Guinea, sehr verbreitet. Damit schliesse ich diese kurzen Notizen ab. Mögen sie dazu dienen, dass die reisenden Ethnologen mehr, als es bisher geschehen, ihr Augenmerk auf ergologische Parallelen zwischen primitiven Völkern und unseren eigenen Palaeo- und Neolithikern richten. Es ist von dieser Seite ohne jeden Zweifel noch sehr viel zur Erhellung unserer Urgeschichte zu erwarten. Fig. 23. Angelhaken aus dem Mündungsrand einer Placostylus-Schale. +. 24. Ergologie der Neu-Caledonier und Europäische Prähistorie. 27 Literaturverzeichnis. . Andree, R. Ethnologische Betrachtungen über Hockerbestattung, Archiv f. Anthropologie, Neue Folge, 6, 1907. . Breuil, H. l'Abbé. Le Gisement quaternaire d’Ofnet (Bavière) et sa sépul- ture mésolithique, L’Anthropologie, 20, 1909. . Cook, A. B. Les Galets peints du Mas d’Azil, L’Anthropologie, 14, 1905. . Coutil, L. 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Vielmehr sollten die Faktoren aufgedeckt werden, die im Laufe der Erdgeschichte der lokalen Tierwelt ihr Gepräge gegeben haben, und die mannigfaltigen äussern Bedingungen prüfend abgewogen werden, die heute noch die Zusammensetzung und Verteilung der Basler Fauna bestimmen. So betrachtet bekundet sich die tierische Bevölkerung eines Ge- biets nicht als eine starre und unveränderliche Grösse. Sie befindet sich in fortwährendem Fluss, und ihr heutiger Zustand stellt nur ein Durchgangsstadium einer langen Entwicklung dar, die ohne Rast weiterschreitet. Die Richtung und Schnelligkeit des Stroms aber steht unter doppeltem Einfluss, unter der Herrschaft der geologischen Ge- schichte des Wohnorts und unter dem Druck der momentan wirkenden ökologischen und klimatischen Verhältnisse der Aussenwelt. Ver- gangenheit und Gegenwart irgend eines Erdabschnitts bestimmen die Zukunft seiner Tierwelt. In einem gedankenreichen Aufsatz hat en Hesse (25) jüngst die Ger echtigung historischer und ökologischer Betrach- tungsweise tiergeographischer Probleme betont. Besonders weist der Autor auf die Notwendigkeit hin, die Tierwelt als eine Funktion — im mathematischen Sinne — des bewohnten Gebiets zu erkennen, „als einen charakteristischen Teil der Landschaft“. Er erinnert an den Satz Sempers: „Soll die Tiergeographie wirklich zu einer er- kennenden und nicht bloss erzählenden Abteilung der Zoologie werden, so hat sie unbedingt die Wechselbeziehungen zwischen den Tieren und ihren Existenzbedingungen zu erforschen.“ Tierwelt der Umgebung von Basel. 29 Zur doppelt prüfenden Analyse eignet sich die Basler Fauna in hervorragendem Masse; denn ihr Wohnraum ist reich an öko- logischen Gegensätzen, und seine geologische Geschichte stand unter dem Zeichen mannigfaltigen Wechsels. In einer für die Mitglieder der 1911 in Basel tagenden Deutschen Zoologischen Gesellschaft bestimmten Veröffentlichung wurde der da- malige Stand der Erforschung der Basler Tierwelt in knappen Zügen zusammengefasst. ,,Der grösste Faunengestalter,‘ so schloss der Auf- satz, „bleibt der geologische und klimatische Wechsel im Lauf der Zeiten und der Wandel der Landschaft.‘‘ Es wurde versucht, die in der Fauna wahrnehmbaren Spuren des diluvialen Vorstoss und Rückzugs der Gletscher aufzudecken und die Tierwellen abzumessen, die postglacial von Süden, Südwesten und Osten her das Land am Oberrhein erreichten und bespülten. Der Einfluss von Wohnort und Klima fand seine Darstellung, und es wurde gezeigt, wie der Mensch und seine Kultur auf den Bestand und die Verteilung der Fauna be- reichernd und vernichtend einwirkt. So erschien der circumpolare Grundstock unserer Tierwelt nicht als ein starrer Block, sondern viel- mehr als ein plastisches, im Wechsel von Zeit und Ort sich um- formendes Gebilde, immer wieder bereit, fremde Einsprengungen auf- zunehmen und sich harmonisch einzuverleiben (54). Seit 1911 hat die faunistische Forschung in der Basler Zoologischen Anstalt nicht geruht. Weitere Tiergruppen und besonders neue durch gemeinsamen Wohnort verbundene Tiergesellschaften fanden ihre Bearbeitung. Die geographisch vielsagende Gruppe der Diplopoden wurde untersucht, und die Biocönosen der kühlen Quellen, des unbelichteten Grund- wassers und der sonnig-trockenen Südhalden erhielten ihre Darsteller. Daneben ging die Veröffentlichung einer stattlichen Reihe kleinerer faunistisch-biologischer Notizen. Es lohnt sich daher, die Resultate all dieser Arbeit kritisch zu sichten und das früher entworfene Bild neu auszuführen. Der Rahmen historischer und ökologischer Betrachtung bleibt derselbe; doch spannt er sich weiter und fester. Manche Frage kann heute bestimmter gestellt werden, und manche Antwort fällt genauer und befriedigender aus. Auch diesmal sollen in die Schilderung nur die grossen Richtlinien eingetragen werden; von der oft verwirrenden Fülle der Einzelzüge wurden den Spezialarbeiten einzig die zur Er- läuterung der allgemeinen Ergebnisse nötigen Beispiele ent- nommen. ‚Jede besondere Orientierung über die faunistischen und geographischen Fragen muss die im Literaturverzeichnis zusammen- gestellten Abhandlungen zu Rate ziehen. Die Feststellung einer Fauna zeitigt zunächst zwei entgegenge- setzte Folgen; beide bedeuten Fortschritte für die Zoogeographie. 30 E. Zschokke. Sie reisst durch frühere Untersuchungen geschaffene Schranken der Tierverbreitung nieder und verstärkt und befestigt andere. Für manche Geschöpfe wächst mit der weitergehenden Forschung die Zahl und die Art der bekannten Fundorte; die engen Grenzen des Vor- kommens dehnen sich allmählich bis zu kosmopolitischer Erstreckung, und die betreffenden Tiere büssen nicht selten ihre vermeintliche geographische und ökologische Sonderstellung ein. Scheinbar kälte- liebende Trümmer der Eiszeitfauna und wärmesuchende Bewohner der Südhalden werden zu überall sich anpassenden Weltbürgern und Ubiquisten. i Umgekehrt tritt mit jedem weiteren Ausbau der Faunistik das besondere ökologische und historische Gepräge mancher Tierarten immer deutlicher hervor, indem sich ihre strenge Eingrenzung auf Lokalitäten von bestimmter Vergangenheit und mit speziellen, durch- aus festgelegten äussern Bedingungen klarer ergibt. Darin liest für den Zoologen eine Warnung zugleich und eine Aufmunterung. Eine Warnung, aus vereinzelten faunistischen Befunden verfrühte allge- mein geographische Schlüsse zu ziehen und eine Aufmunterung, die Arbeit der Faunistik und den Wert gewissenhafter lokaler Tierver- zeichnisse nicht gering einzuschätzen. Solchen Wert als sorgfältig vorbereitete Bausteine der Tier- geographie besitzen in hohem Grade Seilers Listen der Bombyciden, Noctuiden und Geometriden der Umgebung von Liestal bis hinauf zum Hauenstein (35—38). Sie zeigen den grossen Reichtum der Schmetterlingsfauna des Exkursionsgebiets und enthalten, neben den lokalfaunistischen Daten, Notizen über Häufigkeit, Vorkommen, Aufzucht und Futterpflanzen. Auch der Aufsatz Felbers (15) über die Köcherfliegen der Ergolz gehört in die Reihe der für die Kenntnis der örtlichen Tierwelt und ihrer Biologie wichtigen Arbeiten. Mancherlei zusammenfassende und zum Teil auch neue Mitteilungen über Vorkommen und Verbreitung der Trikladen in den Basler Ge- wässern enthalten die Arbeiten Steinmanns (40—41). Zu den zahl- reichen jurassischen Fundorten der westalpinen Schnecke Tachea sylvatıca Drap. fügt Leuthardt (30) einen weiteren von sehr be- schränkter Ausdehnung und scharfgezeichneter Begrenzung in der Eremitage bei Arlesheim in 345 m Meereshöhe. Jegen endlich weist in einer vor allem der Entwicklungsge- schichte und Anatomie gewidmeten Arbeit auf die weite Verbreitung und das epidemische Auftreten des seltsamen Parasiten der Singvögel Collyriclum faba (Brems.) Kossack in der Stadt Basel hin (28). Am häufigsten befällt der Trematode die Haut von Passer domesticus, doch fehlt er auch nicht bei Fringilla coelebs, Ruticillaphoenicura undMuscicapa grisola. Miescher Tierwelt der Umgebung von Basel. 31 gab vor längerer Zeit die erste Beschreibung des Schmarotzers nach Basler Material (34), und die Zoologische Anstalt erhielt seither immer wieder von dem Wurm befallene Vögel. Der Satz, dass die fortschreitende faunistische Erkenntnis manche Geschöpfe zu Kosmopoliten stemple, mag durch einige Funde aus der Umgebung Basels illustriert werden. Hofmänner und Menzel (27) kennen den durch starke Ringelung auffallenden Nematoden Criconema guernei (Certes) aus Sphagnumrasen der Belchen- fluh im Basler Jura (960 m Meereshöhe); dasselbe Tier lebt auf den Kerguelen, auf Heard Island, in Schottland und Feuerland. Die seltsame Nematodengattung Bunonema bewohnt in zwei nahe verwandten Arten, B. richtersi Jägerskiöld und B. reticu- latum Richters, nach Heinis (22), den Basler Jura. Sie kehrt, wie Hofmänner und Menzel zusammenstellen, an den entlegensten Orten des Erdballs wieder, auf den Kerguelen und auf Possessions-Island, auf St. Helena, dem Heard-Island, aber auch bei Wildbad, im Taunus, auf den Kanarischen Inseln, an manchen Fundorten der Alpen, in : Schottland endlich und in Kolumbien. Eine ähnliche unbegrenzte Verbreitung haben stets sich er- neuernde Funde dem Harpacticiden Epactophanes richardi Mrazek verliehen, zu dem Haberbosch (21, 2la) auch Moraria muscicola Richters als blosse, austrocknenden Lokalitäten ange- passte Varietät, sowie Epactophanes angulatus Kessler rechnet. Der Krebs bewohnt in weitester Ausdehnung feuchte, be- schattete Moospolster des Juras und des Schwarzwalds im Umkreis von Basel. Er sucht, nach Chappuis (8a) Mitteilung, auch monate- lang trocken liegende Orte auf. Sein Heimatsgebiet erstreckt sich über Böhmen, Niederösterreich, Deutschland, Schweden, Schottland bis nach Island, Grönland und Spitzbergen. Menzel (33) fand die Art auch im tropischen Surinam. Ähnlich sind die Tardigraden, die Heinis (23) als Bewohner der Gewässer von Jura, Schwarzwald und Vogesen im Bereich von Basel meldet, fast ausschliesslich Weltbürger. Die Fähigkeit in Trocken- und Kältestarre zu verfallen und sich den extremen Bedingungen von Temperatur und Feuchtigkeit aller Medien und Wohnorte zu fügen, erleichtert den passiven Transport und ermöglicht die unbegrenzte Verbreitung der als Beispiele des Kosmopolitismus genannten Tiere. Auch Menzels (31) Beobachtungen im Basler botanischen Garten beleuchten in überzeugender Weise die Verschleppungsfähigkeit resistenter tierischer Organismen. Das Victoria regia-Becken des Palmenhaus lieferte während des Frühsommers in wimmelnden . Mengen die in den Tropen so gemeine Stenocypris malm- colmsoni Brady. Der Ostracode ist aus drei Erdteilen bekannt, 32 F. Zschokke. aus Asien (Indien und Celebes), Ostafrika und Australien. Dem- selben Bassin und einer im botanischen Garten unter freiem Himmel stehenden Tonne entstammt die von Sars aus Australien beschriebene Cypretta globulus G.O.S. Unter mit javanischer Erde ge- füllten Blumentöpfen fand sich zahlreich die vollkommen terrestrische Orchestia senni Menzel. An derselben Stelle sammelte Bigler (2) Orthomorpha gracilis C. K., einen Diplopoden der Tropen, der ebenso gut in Südamerika, wie auf den Antillen und den Fidjiinseln zu Hause ist, und der nicht selten mit Pflanzen einge- schleppt in Europa zu einer wahren Treibhausplage wird. Alle diese zufälligen Verschleppungen von Tieren warmer Länder führen indessen nicht zu einer dauernden Einbürgerung und zu keiner Bereicherung der lokalen Fauna, so wenig wie die Wanderzüge des Lachs, die jährlich eine Menge von marinen Fischparasiten als passive Fracht in den Basler Rhein bringen. A. Heitz (24) hat die Ernäh- rungsbiologie und die mit ihr in engem Zusammenhang stehende Parasitologie von Salmo salar auf breitester Basis neu bearbeitet. Er gelangte zur Bestätigung und Erweiterung der früher vom Ver- fasser gewonnenen Resultate. Den faunistischen Befund fasst Heitz in folgende Zahlen; 307 Lachse aus dem Rhein beherbergten 35 Arten von Schmarotzern. Von diesen Parasiten entstammen 27 Species dem Meer und nur 8 dem Süsswasser; 11 Arten gehören dem Rheinlachs ausschliesslich an. Dass die passive Verschleppung von Tieren in ein neues Wohn- gebiet oft ohne sichtbaren Grund erfolglos bleibt, zeigt das miss- lungene Experiment Leuthardts, der umsonst versuchte, Planorbis corneus L. und Paludina vivipara Rossm. aus Sümpfen an der Bergstrasse in einen Lehmweiher bei Liestal zu übertragen (30). Wenn das kosmopolitische Element in der Basler Tierwelt den breitesten Raum einnimmt, so fehlt es doch auch nicht an Geschöpfen, denen der Fortschritt der Faunistik im Gegensatz zu den Ubiquisten und Weltbürgern immer deutlicher enge Verbreitungsgrenzen und spezielle Wohnorte anweist. Es handelt sich vor allem um Tiere, die sich im Vorkommen an nur in verhältnismässig geringem Masse schwankende Temperaturen, hohe oder tiefe, binden. Beispiele sollen die folgenden Ausführungen in grosser Zahl nennen. Diese stenothermen Kälte- und Wärmetiere beanspruchen ein besonderes historisches und geographisches Interesse. Einen schätzenswerten Beitrag zur Lösung der Frage nach der Bedeutung kälteliebender Kolonien inmitten der thermisch indiffe- renten Tierwelt von Basels Umgebung liefert die Arbeit Bornhausers (4) über die Lebewelt der dauernd tief temperierten Quellen. Der be- vorstehende Abschluss der Arbeit konnte 1911 angekündigt werden; Tierwelt der Umgebung von Basel. 39 heute lohnt es sich, den Inhalt der inzwischen erschienenen Disser- tation zu skizzieren, ohne indessen die zahlreichen faunistischen, systematischen und biologischen Einzelheiten zu berücksichtigen. Von 680 im weiteren Umkreis der Stadt untersuchten Quellen beherbergten 534 tierische Bewohner; 147 Genera mit 287 Species von „Krenobien‘ wurden nachgewiesen. In doppelter Hinsicht mischt sich die Quellfauna aus ver- schiedenartigen Elementen; sie besteht biologisch aus eurythermen Ubiquisten, aus stenothermen Kaltwassertieren und aus Dunkeltieren und setzt sich geographisch aus Kosmopoliten, alpinen, montanen, nordischen und profunden Bestandteilen zusammen. Nur in konstant kalten Quellen treten zu den Ubiquisten cha- rakteristische Kaltwasserbewohner aus verschiedenen systematischen Gruppen. Dieses faunistische Vorkommnis prägt sich in auffallender Weise in gewissen Limnokrenen (Tümpelquellen) des Schwarzwalds und der Vogesen, auf dem Ödland und am Lochberg aus; es wieder- holt sich besonders deutlich in den starken Sturzquellen (Rheokrenen) von Neuweg, am Fuss der aus Schotter bestehenden, steil abfallenden Niederterrasse westlich des Rheins. In diesen Gewässern von stets tiefem Temperaturstand, in unmittelbarer Nähe der Stadt, finden sich mindestens zehn Arten echter Kaltwassertiere zusammen. Die Quellen liegen in einer Meereshöhe von 240 m; ihre Temperatur be- wegte sich während der Beobachtungszeit im engen Ausmass von 9,4 bis 12,30 C. Insektenlarven, Hydracarinen und Rhizopoden des Kaltwassers machen an den genannten Lokalitäten den glacial-stenothermen Be- standteil der Bevölkerung aus. Besondere Beachtung verdient das für den ganzen Jahreslauf festgestellte Auftreten von Lebertia rufipes Koen. in den Rheokrenen von Neuweg. Die Milbe kenn- zeichnet sonst faunistisch in weitester Verbreitung die Gewässer der Hochalpen und die Tiefe der schweizerischen Alpenrandseen. Sie kehrt ım kühlen Wasser der österreichischen Voralpen und deutscher Mittelgebirge wieder und gehört im Flachland zu den grössten Selten- heiten. Kaum minder auffallend erscheint die Gegenwart von Lebertia stigmatifera Thor. in Quelltümpeln am Lochberg. Das Tier meldet sich damit zum erstenmal in der Fauna Mittel- europas; es war bis jetzt nur aus dem hohen Norden bekannt. Auch für die sonst als ausschliesslich alpin betrachtete L. maculosa Koen. gelang es Bornhauser, in mehreren Quellen des Schwarzwalds und der Vogesen vollständig isolierte Fundorte zu entdecken. Die Beispiele des Vorkommens von typisch alpinen, borealen und profunden Tieren in den knapp umschriebenen Grenzen versteckter 3 34 F. Zschokke. und weit voneinander entfernter Quellen könnten noch ausgiebig ver- mehrt werden. Es wäre etwa zu erinnern an die Gegenwart mehrerer sonst in den Tiefen der subalpinen Seen lebender Rhizopoden-Arten in der isolierten Limnokrene am Lochberg in den Vogesen, an den Fund von Planaria alpına Dana in Quellen des Kaiserstuhls und von Apatania fimbriata Pict., einer Köcherfliege des zentraleuropäischen Hochgebirgs, im kühlen Quellwasser bei Reinach am Bruderholz. Wichtiger indessen, als die Aufzählung vieler Fälle, ist die Be- antwortung der Frage nach der Herkunft der inmitten der eury- thermen Fauna lebenden, kältesuchenden Quellbewohner. Bornhauser erörtert, dass für das Auftreten von an tiefe Tem- peraturen gebundenen Tieren in vollkommen abgeschnittenen Quellen weder aktive Einwanderung in der Jetztzeit, noch passiver Import eine Erklärung zu bieten vermöge. Noch weniger sei an eine kon- vergente Züchtung der fraglichen Arten an ihren so verschiedenen Wohnorten wie in der Quelle, am Ufer des Hochalpensees, in der Tiefe der subalpinen Wasserbecken zu denken. Die einzige annehmbare Deutung des faunistisch merkwürdigen Phänomens bringe Zschokkes auf historischer Grundlage aufgebaute Theorie. Die tieftemperierten Quellen des Flachlands sind, nach dieser Auffassung, ebensogut wie kalte Hochgebirgsgewässer, Seetiefen und Bergbäche, Zufluchtsorte für die Überreste einer zur Glacialzeit weit- verbreiteten, an niedrige Temperaturen gewöhnten Tiergesellschaft. Nur Quellen, deren Wärmestand sich nie hoch erhebt, und deren ver- borgene Lage zudem die Einwanderung von Kosmopoliten erschwert, vermögen heute noch den Trümmern. der Eiszeitfauna in nennens- wertem Umfang schützende Herberge zu bieten. Solche Bedingungen erfüllen die Rheokrenen bei Neuweg. In ihnen steht die aquatile Tierwelt der Glacialepoche in einer bescheidenen Nachblüte. Immer- hin deutet der Umstand, dass die Milbe Lebertia rufipes in den kräftigen Quellen der Schotterterrassen bei Basel stets nur in ein- zelnen Exemplaren auftritt, auf die Eigenschaft des Aufenthaltsorts als letztes, enges Refugium der Art hin, und die von der Stammform abweichende hellere Färbung der Hydracarine spricht von schon lange dauernder Isolierung im wenig ausgedehnten Wohngewässer. „Wie die Quellen in ihrer Thermik an die Verhältnisse ent- schwundener Zeiten mahnen,‘ äussert sich Bornhauser, ‚so weist auch ihre Tierwelt eine Reihe einst allgemein verbreiteter Arten auf.“ Die stets in engen und tiefgezogenen Grenzen sich bewegende Temperatur der Quellen bestimmt, neben der Zusammensetzung, auch die Lebensweise der Fauna. Sie schliesst den Wechsel der Jahres- zeiten und seinen Einfluss auf die Tiere aus und verwischt damit die Tierwelt der Umgebung von Basel. 30 Periodizität in den biologischen Vorgängen. Wieder zeigt sich auch in dieser Richtung ein paralleles Verhalten für alle kalten Gewässer, Quelle, Gebirgsbach, Seetiefe, Hochalpensee. An solchen Orten ver- lieren die Flugzeiten der im Larvenzustand das Wasser bewohnenden Insekten ihre scharfe zeitliche Begrenzung ; die Fortpflanzungstätig- keit büsst ihren Rhythmus ein, und die Winterruhe mancher Tiere fällt aus. Alle Beobachtungen bestätigen den Satz, dass die Temperatur und ihre Jahreskurve dem Wohnort in weitem Masse sein faunistisches und biologisches Gepräge verleiht. Mit der Fauna der Quellen steht naturgemäss die Tierbevölke- rung unterirdischer Gewässer in enger Beziehung. Doch scheint mir die Frage nach dem historischen Zusammenhang beider Bestände noch nicht spruchreif. Sie wird voraussichtlich eine ganz verschiedene Beantwortung erhalten, je nachdem ihre Lösung an verschiedenen Tierformen versucht wird. Die Fäden, welche sich im Lauf der Glacial- und Postglacialzeit zwischen der Quellfauna und der Tier- welt des subterranen Wassers ausspannten, sind mannigfaltig und verwickelt; sie kreuzen sich und verlaufen in entgegengesetzter Rich- tung für Geschöpfe von verschiedener systematischer Stellung und von verschiedenem Wärme- und Lichtbedürfnis. Ziemlich allgemein herrscht die Ansicht, dass die nacheiszeit- liche Temperatursteigerung manche Kaltwassertiere vom Quellmund aus in die noch kühleren Wasserläufe des Erdinnern getrieben habe. In dieser neuen Heimat bildeten sich die Einwanderer allmählich zu Dunkeltieren morphologisch um; sie kehrten später in die Quellen zurück, vielleicht durch Nahrungsmangel veranlasst, wie Bornhauser (4) vermutet, oder, nach der Annahme Thienemanns (43), unter dem Einfluss einer seit der Eichenzeit neu einsetzenden Verminderung der Durchschnittstemperatur, welche das Quellwasser für Küältetiere wieder bewohnbar machte. Auch E. Graeter gelangt in seinen Studien über die Copepoden der unterirdischen Gewässer zum Schluss, dass vor allem die niedrige Temperatur des subterranen Gebiets manche Tiere postglacial unter die Erde wandern liess. Fünf Copepoden- arten der Höhlen betrachtet der Autor als Überreste der Eiszeitfauna ; sie geben den unterirdischen Räumen den Charakter von Refugien kälteliebender Faunenreste (18). Umgekehrt betrachtet Geyer (16) die blinden Lartetien der Höhlengewässer als Nachkommen photophiler Tiere, die während der Gletscherzeit unter der Erde Zuflucht vor dem tiefen Temperatur- stand der eisigen Flüsse und Tümpel suchten. Heute gestattet die grössere Wärme den kleinen Schnecken zum Teil den Aufenthalt in den Quellen von neuem. Die Auffassung Geyers erhält durch die Be- 36 F. Zschokke. obachtung Bornhausers, dass die Fundorte der Lartetien in der Um- gebung von Basel nicht im Bereich der diluvialen Vergletscherung liegen, eine gewisse Bekräftigung. Auch bevölkern die augenlosen Gastropoden im Untersuchungsgebiet Bachanfänge bis zu einem Temperaturbetrag von 14,80 C. Sie sind Kühlwasserbewohner, ohne indessen in dem Masse kältebedürftig zu sein, wie manche echt- glacialen Geschöpfe. Über Vorkommen und Zusammensetzung der subterranen Wasserfauna bei Basel hatten schon früher die Untersuchungen von Bollinger (3) und E. Graeter (18) mancherlei Anhaltspunkte ge- liefert. Aus allen Notizen ergab sich, dass in der „Faunula subter- ranea das kälteliebende Element stark überwiegt. Heute, nach dem Abschluss der Arbeit Bornhausers an den. Basler Quellen, lässt sich über die unterirdische Tierwelt des Bezirks, über ihren faunistischen Charakter und über ihren Zusammenhang mit der Bevölkerung belichteter Gewässer nähere Auskunft geben. In einem Drittel der Bachanfänge bei Basel wohnten charak- teristische Vertreter der unterirdischen Fauna. Besonders häufig traten Dunkeltiere in den Quellen der klüftigen, triasitischen Kalk- formation des Dinkelbergs auf; doch gehören auch im Lössge- biet quellbewohnende Tierformen, die unterirdischen Räumen ent- stammen, zu den gewöhnlichen Erscheinungen. Dendrocoelum infernale (Steinmann) bevölkerte drei Fundorte, Planarıa vitta Duges zehn, Niphargus puteanus Koch 136, Asellus cavatıcus Schiödte 7; Lartetien fanden sich in 71 Quellen. Seit den Funden Bornhausers stellte W. Schmassmann D. in - fernale in einem als Trinkwasser gefassten Spaltengewässer am Passwang fest. Die Triklade lebt ausserdem in Gesellschaft anderer Höhlentiere in der Tiefe des hochalpinen Oeschinensees im Berner- oberland. Schmassmann wird über seine Beobachtungen in einer nun abgeschlossenen Arbeit über die profunde Fauna der Hochalpenseen berichten. In schattigen, gegen die Aussenwelt stark isolierten Quellen setzt sich nicht selten fast der ganze Tierinhalt aus Höhlenbewohnern zu- sammen; offenen, stark belichteten Quellbecken dagegen fehlt der subterrane Einschlag ganz. Die grosse Individuenzahl und die rege, ununterbrochene Fortpflanzungstätigkeit der in den Quellen hausenden Dunkeltiere sprechen für die vollständige Einbürgerung des subterranen Faunenelements im Bachursprung. Aus den von ihm festgestellten Tatsachen schliesst Bornhauser, dass die Tierwelt der Quellen und des Erdinnern wohl niemals scharf voneinander getrennt waren. Für den genannten Autor bedeutet das Aufsteigen der Dunkeltiere in die belichteten Quellen ein Vordrängen Tierwelt der Umgebung von Basel. 51 aus den nahrungsarmen Spalten und Höhlen in den an Nahrung viel reicheren Bachanfang. Im Laufe langer Zeiträume sich vollziehende Temperaturveränderungen lässt Bornhauser als allgemein wirkende Ursache des Auftretens subterraner Tiere in Quellen nicht gelten. Er beruft sich darauf, dass sich die Quellbewohner unter den Höhlen- tieren gegenüber Wärmeschwankungen recht verschieden verhalten. So lebt Niphargus puteanus eurytherm in Gewässern von sehr veränderlicher Temperatur, während Asellus cavaticus als stenothermes Kaltwassertier nur tieftemperierte Quellen besiedelt. Das schliesst nicht aus, dass die säkulären thermischen Schwan- kungen der Glacial- und Postglacialzeit manche Tierform zu Wan- derungen im Sinne Thienemanns oder Geyers veranlassten und so mannigfaltige Wechselbeziehungen zwischen der Tierwelt des Erd- innern und der Oberfläche schufen. Ich möchte den Satz bestehen lassen, dass das Höhlengewässer Flüchtlinge vor der Temperaturerniedrigung der Eiszeit aufnahm und später zum Zufluchtsort von Kälte suchenden Trümmern der Glacialfauna wurde. Den Aufenthalt in stets dunkelm und tieftemperiertem Wasser teilen mit den aquatilen Bewohnern der Höhlen die tierischen Orga- nismen des in den Kiesablagerungen der Rheinebene über undurch- lässigen Lehmbänken stehenden Grundwassers und der in die Schotterbänke eingesenkten, vom Grundwasser gespiesenen Brunnen- schachte. Eine scharfe Grenze lässt sich natürlich zwischen der Fauna der Höhle und des Grundwassers kaum ziehen. Dafür gestalten sich schon die äusseren Bedingungen beider Lokalitäten zu einförmig und zu ähnlich. Tiefe und nur in geringfügigem Ausmass schwankende Temperatur kennzeichnet beide. Sie beträgt für die Brunnengewässer Mitteleuropas 8—120 ©. Lichtmangel herrscht im Grundwasser, wie in der Höhle. Die tiefen Brunnengewässer indessen verfügen im Gegensatz zum Wasser unterirdischer Hohlräume über nicht unbe- trächtliche Mengen von Nahrungsstoffen, über einen Reichtum an niederen Lebewesen und an faulendem Detritus. Ritzen und Spalten der festen Erdkruste werden ım allgemeinen auch den Grundwasser- tieren eine zusagende Heimat bieten. Die kleine Grundwasserfauna der Umgebung von Basel gab E. Graeter, H. Schnitter und P. A. Chappuis den Stoff zu einer Reihe von Beobachtungen. Dieselben enthüllen gemeinsame faunistische und biologische Züge der Bewohnerschaft jener unbelichteten Räume und deuten auch auf gewisse Unterschiede mit den stenotherm an kaltes Wasser sich bindenden echten Höhlentieren hin. 38 F. Zschokke. Eine für die Systematik und die Phylogenie des ganzen Krebs- stamms gleich wichtige Entdeckung machte im Basler Grundwasser P. A. Chappuis (5, 7). Es gelang ihm, in einem zerfallenen, acht Meter tiefen Pumpbrunnen die eigentümliche Bathynella natans Vejd. wieder aufzufinden, die nur einmal in zwei Exem- plaren von Vejdovsky in den Brunnengewässern von Prag beobachtet worden war. Seit der ersten Entdeckung verflossen 33 Jahre; bereits erhoben sich Stimmen, die an der Existenz des interessanten Tiers zweifeln wollten. Im lichtlosen Brunnenschacht in der Kiesebene bei Basel lebte Bathynella in grossen Mengen. Sie war begleitet von zwei auch sonst subterran vorkommenden Crustaceen, Cyclops unisetiger E. Graeter und Viguierella coeca Maupas, sowie von zahl- reichen Kosmopoliten wie Alona rectangula, Plectus pa- lustris, Mononchus macrostoma, Dorylaimus ma- crolaimus, Rotifer macrurus, Stentor eoeruleus, Paramaecium, Spirostomum und Difflugia pyri- formis. In den Monaten Januar und Februar scheint Bathynella nicht vorzukommen; das Auftreten der Männchen dürfte sich, nach gewissen Anzeichen, auf die ersten Wintermonate beschränken. So deutet sich für den Krebs vielleicht ein Jahreszyklus an, eine biologische Erscheinung, die für den Bewohner eines gleichförmig unveränderlichen Wohnorts überraschen muss. Trotz ihrem Vorkommen im kühlen Grundwasser zählt Bathy- nella keineswegs zu den stenothermen Kaltwassertieren. Sie ge- deiht im Laboratorium sehr wohl auch bei höheren Temperaturen und pflanzt sich noch bei 200 C. lebhaft fort. Äusserlich trägt der schlanke, überall gleich breite, 1,5 bis 2 mm lange Kruster durch Augenlosigkeit und Abwesenheit von Pigment den Stempel der Bewohner lichtloser Räume. Der Körper setzt sich aus 15 beweglich miteinander verbundenen Segmenten zusammen. Neuere Funde Chappuis in einem zweiten Brunnen bei Basel und in einem Höhlengewässer des Neuenburger Juras deuten mit Sicher- heit darauf hin, dass Bathynella in subterranem Wasser weitere Verbreitung geniesst. Die systematische Stellung und phylogenetische Bedeutung von Bathynella ist jüngst durch Vanhöffen (44) in einem zusammenfassenden Aufsatz beleuchtet worden. Der Krebs bildet mit drei lebenden, je eine Art zählenden Gat- tungen und zwölf auf Carbon und Perm beschränkten Formen Grobbens Gruppe der Anomostraca, die älteste Crustaceenab- teilung ausser den Leptostraken, welche noch rezente Vertreter besitzt. Tierwelt der Umgebung von Basel. 39 Die Anomostraken treten in der Steinkohle und im Perm auf; sie verschwinden spurlos in allen jüngeren Sedimenten, um völlig unvermittelt in der Jetztzeit wieder aufzutauchen. Alle heutigen Formen, ausser Bathynella, bewohnen Australien. Durch die eigentümliche Gruppe der Anomostraken werden die grossen, jetzt blühenden systematischen Einheiten der Panzerkrebse (Thoracostraken) und der Ringelkrebse (Arthrostraken) verbunden. Nach beiden Seiten hin und zu den verschiedensten Untergruppen der beiden Hauptabteilungen zeigen die Anomostraken merkwürdige und mannigfaltige morphologische Anklänge. So dokumentiert sich Bathynella natans als Baustein einer uralten Bindebrücke zwischen heute scharf getrennten systematischen Komplexen. An ähnlichen Orten wie Bathynella lebt in der Gegend von Basel der Harpacticide Viguierella coeca Maupas. Chappuis fand den Krebs in vier verschiedenen Grundwasserbrunnen des Ge- biets; doch besiedelt das Tier eine weite geographische Sphäre. Es ist bekannt aus Aleier, wo es durch Maupas entdeckt wurde, aus der Mark Brandenburg, aus der Gegend von Dresden und aus England. Ein zweiter schweizerischer Fundort liegt im Kanton Thurgau (Glarisege) (6, 8). Ökologisch und in der Lebensweise erinnert Viguierella in mehr als einer Hinsicht an Bathynella. Wie diese bewohnt auch der Harpacticide dürftige Grundwasseransammlungen. Seine Augen- losigkeit verleiht ihm den Charakter eines echten Dunkeltiers; doch fehlt der Krebs auch oberirdischen Kleingewässern nicht. Vig- uierella bedarf zu ihrem Gedeihen nur kleinste Feuchtigkeits- mengen; wie der Anomostrake erträgt sie ohne Schaden beträchtliche Temperaturschwankungen des Wohnmediums, geht doch die Fort- pflanzung und Entwicklung bei 150 bis 299 C. ungehindert ihren Weg. Noch bei 30 C. lebt das Tier weiter. Chappuis (8) macht es wahrscheinlich, dass der Copepode von phylogenetisch hohem Alter sei. Zur Stütze dieser Ansicht fehlen allerdings die fossilen Belege. Doch sprechen dafür die Entwick- lungsgeschichte und mancherlei morphologische Merkmale von Viguierella. Im Gegensatz zu den Verwandten vollzieht sich der individuelle Werdegang ohne Abkürzung mit der vollen Anzahl der Naupliusstadien. Die Gegenwart eines freien Brustsegments, das das erste Fusspaar trägt, die getrennten Geschlechtsöffnungen, das Auf- treten einer unpaaren Copulationsdrüse und einer pulsatilen Vorrich- tung in der Maxillardrüse verleihen der ausgewachsenen Vig- uierella ein altertümliches Gepräge. Zu der kleinen Tiergesellschaft von Grundwasseradern und Zieh- brunnen fügt sich die von Schnitter und Chappuis beschriebene 40 F. Zschokke. Parastenocaris fontinalis (39). Der Harpacticide bevölkert zusammen mit Viguierella massenhaft einen Brunnenschacht in dem der Stadt Basel benachbarten Dorf Binningen. Obwohl die mittlere Wassertemperatur des Wohnorts nur 8 bis 100 ©. betrug, er- wies sich auch Parastenocaris als gegen Wärmeschwankungen äusserst resistent. Der Krebs bleibt lebhaft bei 200 C.; er geht bei tiefer Temperatur in Lethargie über, aus der er bei Erwärmung wieder erwacht. Parastenocaris, wie Viguierella und die bald noch zu erwähnende Gattung Epactophanes, bleiben blind, auch wenn sie während mehreren Generationen am Tageslicht gezüchtet werden. Diese Eigentümlichkeit bringt die drei Formen in Gegen- satz zu andern augenlosen Harpacticiden, die am Licht das Sehver- mögen rasch wieder erwerben. Das starre Festhalten an der Blindheit möchte Chappuis (8a) als Zeichen hohen phylogenetischen Alters deuten. Aus allem ergibt sich, dass in kleinsten subterranen Gewässern von Ritzen und Spalten, besonders aber im Grundwasser und in den mit ihm zusammenhängenden Brunnen eine biologisch einheitliche Krebsfauna wohnt. In der Basler Tierwelt können einstweilen Bathynella natans Vejd., Viguierella coeca Maupas und Parastenocaris fontinalis Schnitter und Chappuis als Bestandteile dieser Faunula gelten. Wahrscheinlich zählt zu derselben Tiergenossenschaft auch der von À. Graeter und P. A. Chappuis beschriebene Cyclops sensi- tivus. Es handelt sich um ein echtes, oberirdisch nicht auftretendes Grundwassertier, das sich, gewöhnlich von Cyclops fimbriatus Fischer begleitet, in sechs Pumpbrunnen der Rheinebene, des Stadt- gebiets und der Seitentäler des Rheins vorfand. Die Farblosigkeit, das sehr kleine Auge und der aussergewöhnlich lange Sinneskolben an der Antenne sprechen für die vollkommene Anpassung des Krebs an den subterranen Wohnort (17). Die Crustaceen des Grundwassers sind alle Schlammbewohner und Detritusfresser. Sie zeichnen sich durch auffallende Resistenz gegen weite Temperaturschwankungen aus, obwohl ihr Wohnplatz tief und dauernd gleichmässig temperiert ist. Augenlosigkeit und Pigmentmangel charakterisieren sie als Dunkeltiere. Wenigstens einige von ihnen tragen ein altertümliches Gepräge. Endlich dürfte sich das geographische W ohnareal aller genannten Grundwasserkrebse weit erstrecken. Für Bathynella und Vig- uierella ist das Vorkommen an entlegenen, der Species ökologisch zusagenden Lokalitäten nachgewiesen. Ähnlich wird sich Para- Tierwelt der Umgebung von Basel, 41 stenocaris verhalten. Noch jüngst meldete Menzel (33) das Vor- kommen des Genus in Surinam. Stark betonte Eurythermie und die Fähigkeit, sich mit kleinsten Flüssigkeitsmengen zu begnügen, sichern den Tieren einen weiten, vielleicht kosmopolitischen Wohnbezirk. Diese biologische Schmieg- samkeit erlaubt es den Bewohnern unterirdischer Kleingewässer auch, die subterrane Heimat zu verlassen und die Moospolster zu besiedeln. die an Orten, wo Wasserfäden der Erde entsickern, üppig wuchern. Für die Gattungen Viguierella und Parastenocaris steht oberirdisches Auftreten fest. Kessler fand seine Parastenocaris brevipes in feuchtem Moosrasen. Viguierella coeca wurde wiederholt in Aquarien beobachtet. Maupas erhielt das Tier in Algier aus dem Detritus eines faulenden Baumstrunks; Scourfield sammelte es in Kew Garden, und Hartwig meldet den Krebs vom Ufer des Scharmützelsees bei Buckow. Die verwandte Art Viguierella paludosa entdeckte Mrazek ın feuchtem Moos bei Alt-Bunzlau in Böhmen. Wie die Tierwelt starker Quellen aus dem Erdinnern Zufluss er- hält, so werden auch den Moospolstern durch kleine sickernde Adern des Spalten- und Grundywassers tierische Bewohner zugeführt. Viel- leicht lässt sich die Gegenwart augenloser Tiere im feuchten Moos als Resultat von Zuwanderung aus der Erde her auffassen. Zu denken wäre etwa an Epactophanes und verwandte Harpacticiden. Haberbosch (21a) weist in seiner neuesten Publikation nach- drücklich auf den Reichtum von wasserdurchtränkten, oder auch nur vorübergehend von Niederschlägen befeuchteten Moosen an teilweise blinden Harpacticiden hin. Ähnlich wie Viguierella durchläuftauch Epactophanes alle sechs Naupliusstadien. Der muscicole Krebs teilt also die kon- servative Entwicklungstendenz mit dem Grundwassertier. Das zeugt nicht nur für den engen Zusammenhang der beiden Wohnstätten, sondern auch für hohes Stammesalter der zwei genannten Tiere. Den moosbewohnend gewordenen Krebsen des Grundwassers er- öffnet sich die Aussicht weiter passiver Verschleppung. Dass dieser Transport für resistente Formen keine kleine Rolle spielt, beweist die ungemein weite Verbreitung mancher Harpacticiden der Moose. Die faunistischen Beobachtungen von Menzel (33), Haberbosch (21, 21a) und Chappuis (8a) an dem auch im Basler Jura lebenden Genus Epactophanes liefern einen guten Beleg für die Wirksamkeit passiver Ausbreitung. Bei der Beantwortung der Frage nach der Zeit der Einwande- rung von Bathynella, Viguierella und Parastenocaris in das subterrane Wasser ist eine Annahme ohne weiteres von der 42 F. Zschokke. Hand zu weisen. Die drei Krebse, die gegenüber den anderen Höhlen- crustaceen eine biologische Sonderstellung einnehmen, sind keine Überreste einer kälteliebenden Eiszeitfauna, die postglacial vor der steigenden Temperatur im Kaltwasser des Erdinnern Zuflucht fanden. Es fehlt ihnen das Hauptmerkmal von Faunentrümmern der Gletscherperiode, die Abhängigkeit von wenig veränderlicher tiefer Temperatur; sie sind im Gegensatz zu manchen anderen Höhlentieren keine stenothermen Kältegeschöpfe. Eher könnte daran gedacht werden, dass Bathynella, Vig- uierella und Panagtonoenris vor der Eiszeit an der aber fläche lebten und beim mit dem Gletschervorstoss verbundenen Rück- gang der Temperatur unter dem Boden Schutz suchten, ähnlich wie Geyer (16) es von den Lartetien vermutet. Noch lieber möchte ich in den drei Krebsen Überbleibsel einer sehr alten subterranen Fauna sehen, die lange vor der Eiszeit die unterirdischen Gewässer bevölkerte und in ihnen auch die Ver- gletscherungen überdauerte. In postglacialer Epoche erst hätten die Tiere das Grundwasser besiedelt, das in den Schottermassen ehe- maliger Gletscherströme steht, und wären wenigstens zum Teil durch Spalten und Ritzen in die oberirdischen Moospolster vorgedrungen. Für eine solche Hypothese, die den Beginn des unterirdischen Lebens der drei Kruster sehr weit zurückdatiert, spricht das phylo- genetisch hohe Alter von Bathynella, Viguierella und wohl auch Parastenocaris, die vollkommene morphologische Anpas- sung der drei Formen an den Aufenthalt im lichtlosen Raum und ihre weite Verbreitung. Damit würde in der Süsswasserfauna ein bisher unbeachtetes, uraltes Element der Vorgletscherzeit heute noch weiter- existieren. Neben den Kolonien kälteliebender Tiere, dıe da und dort ın unsere Fauna eingestreut sind, leben an trockenen und heissen Süd- halden isolierte Bestände von wärmebedürftigen tierischen Lebewesen. Die Frage liegt nahe genug, ob auch diese an hohe Temperaturen und dürren Untergrund gebundenen Tiere als Splitter und Überreste einer unter anderen klimatischen Bedingungen der Vergangenheit einge- wanderten und weitverbreiteten Fauna erklärt werden können, ob etwa der Kältetierwelt der Eiszeit in unserer Gegend eine Wärme- fauna des Postglacials folgte. In der Schrift über die Basler Fauna vom Jahr 1911 wurde die Frage nach der Bedeutung und Herkunft der xerothermen, südlichen Elemente in der nordalpinen Tierwelt nur gestreift. Seither widmete A. Huber dem Gegenstand eingehende faunistische und geographische Studien. Mit der freundlichen Erlaubnis des Autors entnehme ich seiner im Druck liegenden Arbeit eine gedrängte Zusammenstellung Tierwelt der Umgebung von Basel. 45 der Resultate. So rundet sich das faunistische Bild der Gegend in er- wünschter Weise ab. Der in weiteren Grenzlinien gezogene Umkreis der Stadt Basel bietet vortreffliche Gelegenheit zu Beobachtungen über das Vor- kommen und über die Verbreitung wärmebedürftiger und wärme- lıebender, ‚xerothermer‘‘ und ‚xerophiler‘‘ Geschöpfe; denn zahl- reiche und weit ausgedehnte Lokalitäten stehen einer an Trockenheit. und sengende Sommerhitze gewöhnten Fauna als günstige Wohnorte zur Verfügung. | Die südlichen, stark besonnten Jurahänge von Genf bis nach Schaffhausen, besonders aber die Abschnitte, die als Rebhalden und Felsheiden den Neuenburger- und Bielersee begleiten, bilden eın nahezu ununterbrochenes Areal einer von mediterranen Elementen stark durchsetzten Fauna. Nördlich der Jurahöhen stellen sich an den warmen Flanken des Schleifenbergs bei Liestal, an der Lands- kron, am Hofstetter Köpfli und am Dornacher Schlosshügel die Spuren xerothermen Tierlebens noch einmal, wenn auch in be- scheidenerem Umfang, ein. Zu den wärmsten Gegenden Deutsch- lands gehört die oberrheinische Tiefebene. Steppenartige, von der menschlichen Kultur noch wenig berührte Schotterfelder schliessen sich rechts und links an den Strom; auf ihnen wecken die Sonnen- strahlen ein an Formen des Südens und Südostens reiches Leben. Die Wärme suchende Fauna sendet ihre Vertreter bis an die Rhein- halde oberhalb der Stadt Basel. An dem steil abfallenden, stark be- sonnten Flussbord, der nagelfluhartig umgeformten Niederterrasse, birgt sich im lichten Gestrüppwald, in Gesellschaft xerothermer Schnecken und Insekten, die prächtige Lacerta viridis Gessn. Die wärmefreudige Tierwelt erhebt sich im Reichtum von Arten und Individuen zu ihrem Gipfelpunkt auf den die Rheinebene im Osten und Westen begrenzenden Tertiärhügeln und Kalkklippen, den Vorbergen der Urgebirgshorste des Schwarzwalds und der Vogesen. In Baden gelten die Malmklötze des Schafbergs und von Istein und weiter südlich der triasitische Hornfelsen als reiche Standorte süd- licher Tiere. Im Elsass sind die sonndurchglühten Felshänge von Rufach, an denen der edelste Wein reift, während die Kuppen unbe- bautes Ödland bedeckt, längst durch ihre Südfauna den Sammlern nur allzu bekannt geworden. Endlich erwacht das südliche Leben noch einmal zu üppiger Fülle am wärmespeichernden, von einem Lössmantel umhüllten Basaltstock des Kaiserstuhls bei Freiburg. Zur xerothermen und xerophilen Tiergemeinschaft der Basler Fauna rechnet Huber über 300 Arten (4 Isopoden, einen Myriapoden, 20 Orthopteren, 5 Neuropteren, 66 Lepidopteren, 41 Hymenopteren, 44 F. Zschokke. 34 Rhynchoten, 104 Coleopteren, 15 Arachnoideen, 17 Gastropoden und 3 Reptilien). Es muss im Rahmen dieser kurzen Zusammen- fassung genügen, aus der grossen Zahl an der Hand der Angaben von Huber und von Döderlein (9—14), der sich um die Erforschung der Elsässer Fauna manche Verdienste erwarb, einzelne besonders charakteristische und auffallende Formen hervorzuheben. Die Heimat und der Hauptverbreitungsbezirk aller dieser Tiere liegt südlich, be- sonders rings um das Mittelmeer; einige Arten scheinen auch dem sarmatischen Südosten anzugehören. Als dem Süden entstammenden Gast kennt der Laie in unserer Tierwelt vor allem die Smaragdeidechse. Vom Mittelmeer aus dehnt sich die Heimat von Lacerta viridis bis zum schwarzen Meer und weit bis nach Asien hinein. Die nördlichen Vorposten der Eidechse stehen in der Bretagne und bei Paris; durch das Moseltal hat das Tier die Gegend von Trier erreicht, von Oberitalien aus die Süd- schweiz; das Rhonetal sowie das rebenreiche Nordufer des Genfer- sees bildete ihm die Strasse aus Südfrankreich nach der Westschweiz und nach dem Wallis bis hinauf zur Erhebung von 1300 m über dem Meer. Das Tal der Saone und die breite burgundische Pforte zwischen Vogesen und Jura öffnete Lacerta viridis den Weg in das Faunengebiet von Basel; noch stehen auf dieser Marschstrasse Posten in der Freigrafschaft. Heute hält sich der farbenschöne Saurier, von den Sammlern un- ablässig verfolgt, noch mühsam an der Rheinhalde bei Basel, am Grenzacherhorn und in den Reben bei Wyhlen. Seine Verbreitungs- linie folgt vom Isteiner Klotz den Vorbergen des Schwarzwalds bis nach Müllheim und Freiburg. Huber stellte die Gegenwart von L. viridis in einem Steinbruch bei Auggen fest; rheinabwärts liegen die nördlichsten Fundorte bei Worms. Erst in den letzten Jahren wurde die grüne Eidechse in dem faunistisch so gut durchforschten Rebgelände der Elsässer Hügel be- obachtet. Die Neubesiedlung jener warmen Hänge dürfte sich eben- falls vom burgundischen Tor aus vollzogen haben. Das Vordringen der Smaragdeidechse in jüngster Zeit spricht dafür, dass die Wander- lust des Tiers noch nicht erloschen ist und warnt zugleich vor der übereilten Annahme der Hypothese, die aus der Gegenwart des Sauriers nördlich der Alpen auf die Existenz einer trockenen und warmen postglacialen Xerothermperiode schliessen möchte. Einen breiten Raum in der wärmeliebenden Tierwelt der Basler Gegend nehmen Formen ein, deren Wohnplätze ganz oder fast ganz in das Gebiet der Rebberge fallen. Gegenüber solchen Tieren erhebt sich immer wieder die Frage, ob sie den Norden früher oder später Tierwelt der Umgebung von Basel. 45 auf aktiver Wanderung erreichten, oder ob sie ihr Vorkommen bei uns passiver Verschleppung mit dem Weinstocke verdanken. In den heissen Rebhängen von Rufach im Elsass singt, wie Döderlein berichtet, zur Zeit der Weinblüte die grosse südeuropäische Cicade Tibicina haematodes Scop. Auch die grösste Sing- cicade des Südens, Cicada plebeja Scop., wurde aus dem Rufacher Rebgelände bekannt. Weit über das Gebiet der Mittelmeerländer und über den Süd- osten von Österreich, Ungarn und Siebenbürgen erstreckt sich der Wohnbezirk der Rebenheuschrecke Ephippigera vitium Serv. In Südfrankreich, im Wallis und in den nach Süden offenstehenden Alpentälern ist das Tier noch häufig. In Mitteleuropa dagegen be- schränkt sich sein Auftreten auf bevorzugte Weinlagen am Nieder- rhein, an der Mosel und Nahe, in Baden auf Örtlichkeiten bei Frei- burg und Istein und auf die weintragenden Kalkhügel längs der ganzen Vogesenkette im Elsass. Döderlein weiss besonders von dem massenhaften Vorkommen von Ephippigera bei Barr und auf dem Bollenberg bei Rufach zu erzählen. Den Namen eines ,,vitikolen‘ Tiers endlich verdient in hohem Masse die eigentümliche Spinnenassel Scutigera coleop- trata L. Sie scheint mit der Ausbreitung des Weinbaus von ihrer südeuropäischen und nordafrikanischen Heimat aus die Rebberge Mitteleuropas erreicht zu haben. Die Fugen, Ritzen und Spalten heisser und trockener Mauern bieten dem behenden Tier will- kommene Schlupfwinkel. An solchen Orten fand Huber Seutigera bei Ihringen und Burkheim am Kaiserstuhl und in den Reben bei Gebweiler und Rufach. Döderlein kennt die Assel, ausser von Metz und Freiburg, vom Kaiserstuhl und aus einem Steinbruch bei Berg- heim ; Godet meldet sie als zufälliges Vorkommnis aus den Rebbergen des Neuenburgersees. Die grosse Beweglichkeit von Scutigera mag dem Tier weitführende aktive Wanderung erlauben; dass aber auch passive Verschleppung stattfinden kann, zeigt der Fund einer Spinnenassel in einem von zuwandernden Italienern benützten Lokal des Basler Bürgerspitals. Weniger ausschliesslich an die Rebberge bindet sich in ihrem Vorkommen Mantis religiosa L. Schon die ausgedehnte, zu- sammenhängende Heimat der Gottesanbeterin greift weit über die Weinbaubezirke hinaus. Sie erstreckt sich über Südeuropa — Spanien, Südfrankreich, die Apennin- und Balkanhalbinsel — durch die .süd- russischen Steppen nach Süd- und Westasien und bis nach Hindustan und Java. In der Richtung Süd-Nord reicht das Verbreitungsgebiet von den Steppen Zentralafrikas über Algier und Marokko bis zu den Alpen. 46 F. Zschokke. Auch Mantis ist durch das Rhonetal nordwärts bis nach Genf marschiert, wo sie etwa am Saleve vorkommt, und hat längs des Genfersees vordringend die sonnenwarmen Hügel bei Sitten und Siders im Wallis besiedelt. Der Weg durch die burgundische Pforte führte die Heuschrecke an die heissesten Plätze der den Vogesen vor- gelagerten Kalkhügel. Dort tritt Mantis heute noch auf, doch in verhältnismässig seltenen und kleinen Exemplaren, wie Döderlein sagt. Sie geht nördlich bis zum Nationalberg bei Oberehnheim, süd- lich bis in die Nähe von Thann und war früher am häufigsten auf dem als Brennpunkt xerotherm südlichen Tierlebens schon wiederholt ge- nannten Bollenberg bei Rufach. Dort wurde die Gottesanbeterin 1895 entdeckt; doch schon 1912 war das auffallende und schwerfällige Tier durch die blinde Sammelwut von ,,Naturfreunden‘ in jener Gegend nahezu ausgerottet. Ähnlich ist das Insekt von den früher besetzten Standorten am Freiburger Schlossberg, bei Frankfurt und Würzburg verschwunden. Zur Fauna des Kaiserstuhls scheint Mantis heute noch zu gehören. Einen besonders interessanten südlichen Einschlag in die wärme- liebende Tierwelt der elsässischen stark besonnten Hügel liefern über- haupt die Heuschrecken. Ausser den soeben aufgezählten Formen rechnet Döderlein zu dieser faunistischen Gruppe u.a. die zwei be- kannten, buntflügligen Oedipodaarten OÖ. miniata Pallas und O. coerulescens L., Caloptenus italicus L., Oecan- thus pellucens Scop., Platycleis tesselata Charp. und die südeuropäische, bei Barr in einem einzelnen Exemplar auf dem Zaun eines Weinbergs gefangene Phaneroptera quadri- punctata Brun. Von den zahlreichen wärmeliebenden Hymenopteren mag die in warmen Lagen des Basler Gebiets nicht seltene und sogar in der Stadt selbst bekannte X ylocopa violacea L. genannt werden. Ihre eigentliche Heimat liegt am Mittelmeer. Ebenso sei erwähnt, dass es Huber gelang, bei Istein Ameisenarten des Genus Camponotus (C. marginatus Latr. var. aethiops Mayr. und C. lateralis Ol.) zu entdecken, als deren nördlichste Vorposten bisher isolierte Kolonien am Genfersee und im Wallis gegolten hatten. Von xerothermen und xerophilen Schnecken kommen für die Gegend von Basel hauptsächlich Buliminus detritus Müll., Carthusiana carthusiana Müll. Ericia elegans Müll. und die Arten der Gattung Xerophila in Frage. Die südlichen Spinnen vertritt an den heissen Rebenhügeln des Elsass die grosse und prächtige Argiope brünnichii Scop. An günstigen Lokalitäten, an nach Süden geneigten und daher der Insolation stark ausgesetzten Halden vor allem, deren Boden Tierwelt der Umgebung von Basel. 47 steinig und überaus trocken ist, und die nur spärliche Vegetation be- deckt, fügen sich die Wärme suchenden Tierarten in mehr oder weniger grosser Zahl zu Gesellschaften zusammen. So entstehen kleine Lokalfaunen von ungemein typischem Gepräge. Alle ihre Komponenten bedürfen dieselben äussern Bedingungen, besonders Trockenheit und starke Sonnenbestrahlung. Immer kehrt in diesen Tiergesellschaften der Südhalden und Weinberge ein bestimmter Grundstock von Formen wieder, sodass aus Funden von einzelnen Arten fast mit Sicherheit auf die Gegenwart anderer geschlossen werden kann. Im Hochsommer, vom Juli bis zum August, entfaltet sich an solchen Orten das reichste Leben xerothermer Arten und Individuen. Die der Stadt Basel am nächsten liegende Kolonie wärme- liebender Tiere besiedelt den nach Süden in einen Rebenhang abfal- lenden Hornfelsen bei Grenzach. Sie setzt sich, nach Hubers Zu- sammenstellung, aus folgenden, hauptsächlich im Mittelmeergebiet verbreiteten Arten zusammen: Xerophila ericetorum Müll., Pupa frumentum Drap., Ericia elegans Müll., Buli- minus detritus Müll, Pomatias septemspiralis Raz., Porcellio pietus Brdt., Oylisticus convexus de Geer, Armadılliıium vulgare WLatr, Arsiope brünnichii Scop., Theridium nigrovariegatum Sım., Th. denti- culatum Walck., Atypus piceus Sulzer, Dipoena ni- gerina Sim., Prosthesima vespertina Thor, Cicindela campestris L., Trieephora vulnerata Illig., Zygaena ephialtes var. peucedani Esp., Lacerta viridis Gessn. undL. muralis Laur. Ähnlich, wenn auch weniger artenreich, fügt sich eine isolierte wärmebedürftige Tiergenossenschaft im südlichen Basler Jura am Schleifenberg bei Liestal. Auch hier handelt es sich um eine sonnige Südwesthalde, die früher Reben trug, während heute Wald und Wiese den Weinbau stark zurückgedrängt haben. Wärmespeichernde Fels- inseln unterbrechen den Hang. Der Artenbestand weist neben 7 schon für den Hornfelsen genannten Formen auf: Pupa secale Drp., Ascalaphus coccaius Schifferm., Thecla ilicis Esp. Plusia gutta Gn., Agrotis saucia Hb., Thecla acaciae Fab. und Polia r niesimebs H.G. Dass aber weitaus die reichsten Xerotherm- und er onhillkelonien unserer Gegend im Kaiserstuhl und in den rebenbekränzten Vorbergen des D le und der Vogesen blühen, wurde schon betont. Dabei kann es nicht überraschen, dass besonders der nach Süden abfallende Eckpfeiler der grossen Durchlasspforte zwischen Vogesen und Jura mediterrane Faunenelemente in beträchtlicher Zahl aufweist. Aber 48 F. Zschokke. auch die nach Norden in das burgundische Tor am weitesten vor- springenden Felsen von Pfirt sollen, nach Dôderlein, nicht arm an südlichen Tieren sein. So wäre die Wegenge der alten Verbreitungs- strasse beidseitig von zurückgebliebenen Torwachen besetzt. Das Auftreten südlicher, wärmeliebender Tierkolonien mitten im zusammenhängenden Bestand der zentraleuropäischen Fauna fand eine doppelte Erklärung, und heute noch stehen sich die Ansichten der Zoologen über den überraschenden Befund unvermittelt gegenüber. Den einen gelten die Kolonien als Überreste einer spät- und post- glacial unter der Herrschaft eines trockenen und warmen Steppen- klimas auch in unserer Gegend allgemein verbreiteten Tierwelt. Sie hätten sich nach Ablauf der Steppenzeit, als die Temperatur all- mählich sank und die Feuchtigkeit zunahm, inmitten der vor- dringenden Waldfauna an Orten gehalten, die ihren Ansprüchen an Wärme und Trockenheit genügen. Heute bilden die Kolonien isolierte Inseln von faunistisch südlichem und südöstlichem Gepräge. Es sind Relikte einer von der Jetztzeit klimatisch abweichenden, vergangenen Epoche. In diesen Überresten spiegelt sich die „Xerothermperiode“ noch in der Gegenwart wieder, ähnlich etwa, wie die Erinnerung an die diluviale Vergletscherung in manchen Bestandteilen der Tierwelt kühler und dauernd tieftemperierter Lokalitäten des Festlands und des Wassers weiterlebt. Auf Grund geographischer Betrachtung der wirbellosen Tierwelt der Schweiz kommt besonders Stoll (42) zum Schluss, ,,dass bis jetzt keine zoogeographischen Tatsachen vorliegen, die gegen die Existenz einer besonderen xerothermischen Klimaperiode sprechen, wohl aber eine Reihe. von Tatsachen, die eine solche höchst wahrscheinlich machen.“ Gegen die Hypothese einer postglacialen Xerothermperiode und ihrer in der heutigen Fauna Mitteleuropas noch deutlich erkenn- baren Nachwirkungen hat sich vielfacher Widerspruch erhoben. Nach kritischer Prüfung des neueren faunistischen Materials fasst Huber seine Ansicht in folgenden Sätzen zusammen: „Zur Erklärung der Existenz der Kolonien wärmeliebender Tiere in unserer Fauna ist es durchaus nicht notwendig, die Existenz einer wärmeren „Steppenzeit‘“ anzunehmen. Wie wir heute noch süd- liche Einwanderung verfolgen können, so wird sich je und je günstigen Einwanderungsstrassen entlang ein Eindringen südlichen Lebens in unser Gebiet vollzogen haben. Die Gebiete, die noch heute durch ihre physikalischen Eigenschaften Brennpunkte der klimatischen Sonderstellung sind (Kalkflühe, Schotterfelder, Löss- terrassen) haben diese Eigenschaft von jeher besessen, und wie sie heute der südlichen Fauna und Flora den Weg nach Norden weisen, Tierwelt der Umgebung von Basel. 49 so muss es seit der Entblössung des Landes von den Eismassen ge- wesen sein.“ An anderer Stelle zeichnet Huber das Bild eines seit dem Rück- gang der diluvialen Gletscher ununterbrochen fliessenden und nach Norden gerichteten Stroms südlicher Einwanderer mit den Worten: „Ohne die Annahme einer höheren Temperatur des Jahrs oder auch nur des Sommers machen zu müssen, können wir uns denken, dass der Einwanderungsstrom sich an den durch ihre Lage und Boden- beschaffenheit begünstigten Halden und Hängen entlang zog.“ Zu ähnlichen Schlüssen kam Bollinger (3) bei der Bearbeitung der Schnecken des Gebiets von Basel. Er sieht die Gegenwart wärme- liebender Gastropoden im Norden der Alpen nicht als einen Beweis für die Existenz einer postglacialen Steppenzeit an. Vielmehr fasst er den faunistischen Befund als das Ergebnis einer seit der Gletscher- zeit langsam sich vollziehenden und heute noch weiter dauernden Zu- ‘ wanderung auf, die sich von Süden nach Norden richtet und als Bahnen die warmen Berghalden benützt. Huber stützt seine Ansicht durch folgende Betrachtungen : Die Bestände xerothermer Tiere in Basels Umgebung blühen auch heute noch an Arten- und Individuenzahl. Sie erwecken durch- aus nicht den Eindruck bedrängter und aussterbender Relikten- kolonien einer früher üppiger entwickelten Fauna. Die Vermehrung der meisten ihrer Bestandteile geht lebhaft vor sich, und der Formen- reichtum, besonders der Kolonien im Elsass und in Baden, steigert sich in günstigen warmen Jahren durch Zuflug südlicher Schmetter- linge, Käfer und Hymenopteren. Manche dieser zufälligen aktiven Ankömmlinge mögen im Lauf der Zeit und nach wiederholten Ver- suchen an den warmen und trockenen Südhalden unserer Gegend end- gültiges Bürgerrecht erwerben. So dürfte sprunghaftes Vordringen fliegender Tiere nach Norden seit der Eiszeit kein ungewöhnliches Ereignis gewesen sein; denn seit dem Rückgang der Gletscher boten warme Südhänge und heisse Schotter- und Sandfelder den Fliegern auf dem nach Norden gerichteten Flug erwünschte Zwischenstationen und Etappen. Manche der xerothermen Tiere unserer Nachbarschaft endlich wehren sich nicht etwa mühsam gegen das Vordringen der allgemein verbreiteten Waldfauna; sie vergrössern im Gegenteil durch Er- oberung ihr Wohnareal. So verbreitet sich Ascalaphus coccaius in der Rheinebene rasch nach Norden und beginnt bereits die früher von ihm unbewohnten Nebentäler des Rheins zu besetzen. Sceuti- gera coleoptrata hat sich in den letzten Jahrzehnten die elsässischen Rebenhügel in immer fortschreitendem Mass unter- worfen, und sogar schwer bewegliche Schnecken, wie Buliminus 4 50 F. Zschokke. detritus und Ericia elegans, erweitern an manchen Stellen ihr Gebiet durch langsam sich abspielende Eroberungszüge. Wo aber südliche Tiere in unserem Faunenbezirk allmählich seltener werden und dem Aussterben entgegengehen, wie die grüne Eidechse und die Gottesanbeterin, fällt die Schuld fast ausschliesslich auf die zer- störende Tätigkeit des Menschen. Aus den angeführten Tatsachen erhellt, dass die Südelemente der mitteleuropäischen Tierwelt sich auch in der Jetztzeit wohl fühlen, ohne in ihrem Gedeihen und in ihrer fortschreitenden Ausbreitung durch ein Steppenklima begünstigt zu werden. Wenn dem nach Norden gerichteten Vormarsch geflügelter, oder mit guten Gehapparaten ausgerüsteter Tiere unüberwindliche Hinder- nisse kaum entgegentreten, sind dagegen der Gebietserweiterung schwer beweglicher Geschöpfe sehr viel festere und nur in langen Zeit- räumen zu bezwingende Schranken gezogen. Immerhin scheinen auch diese Grenzen des Wohnorts nicht unverrückbar zu sein. Das wird sich an anderer Stelle dieses Aufsatzes bei der Schilderung der Ver- breitung der zu passiver Verschleppung und aktiver Wanderung wenig geeigneten Diplopoden ergeben. Auch die ortfesten Schnecken treten etwa in abgesprengten, durch Vorrücken neugegründeten Kolonien auf. So kennt Huber, nach den Angaben Baumbergers, eine frische, jährlich Raum gewinnende Ansiedlung von Buliminus detritus bei Balstal, die vom Wohngebiet der Art durch für die Species unbewohnbares Gelände getrennt ist. Bollingers (3) Mit- teilungen über geduldigen aktiven Vormarsch kalkholder Schnecken, der zur Besiedlung von Ruinenresten und Mauern mitten im Urge- birge führt, gehören in gewissem Sinn ebenfalls in diesen Zu- sammenhang. Doch lässt sich nicht verhehlen, dass das isolierte Vorkommen wenig beweglicher wärmeliebender Tiere in Zentraleuropa noch viel- fach der Erklärung bedarf. Die Annahme aktiver oder passiver, bis heute sich vollziehender Einwanderung aus dem Süden stösst auf mancherlei Schwierigkeiten, sodass die Theorie von der Existenz einer xerothermen, postglacialen Steppenzeit im nordalpinen Vorkommen schwer beweglicher Tiere des Südens am ehesten eine faunistische Stütze findet. Doch darf nicht vergessen werden, dass die schwer- beweglichen Formen unter den Xerothermen des nordalpinen Gebiets nur eine kleine Minorität darstellen. Die meisten wärmeliebenden Tiere unserer Gegend bewegen sich leicht und tragen sogar Flügel. Das zeigt schon ein Blick auf die sehr summarische Zusammenfas- sung, die über die Xerothermenfauna oben gegeben wurde. Von den schwer beweglichen Arten eignen sich zudem die meisten zu passiver Vertragung. Damit verliert das Argument an Gewicht, das die Gegen- Tierwelt der Umgebung von Basel. 51 wart wenig bewegungsfähiger Südformen im Norden der Alpen als Beweis der Existenz einer postglacialen warmen Steppenzeit be- trachten möchte. Ein weiterer Punkt verdient bei derartigen Erwägungen volle Berücksichtigung. Die fortschreitende zoologische Erschliessung des Gebiets wird manchen neuen Fundort xerothermer Geschöpfe auf- decken und manche scheinbar abgeschnittene, von wärmeliebenden Tieren bevölkerte Insel als blossen Bestandteil eines grösseren Ver- breitungsareals erkennen lassen. Mancher schmale und versteckte Wanderweg, den auch schwerfällige Geher mit Erfolg betreten ‚konnten, wird offenkundig werden. Endlich muss der Verschleppung einzelner Arten von der süd- lichen Heimat nach sekundären nordalpinen Wohnplätzen durch den Menschen, durch ziehende und fliegende Geschöpfe, durch den Trans- port von Haustieren und Kulturpflanzen eine gewisse Bedeutung bei- gemessen werden. Immerhin mag dieser Weg passiver Einfuhr nur für einzelne Formen und engbegrenzte Lokalitäten, nicht aber für ganze Tiergesellschaften und für die Besiedlung weitgedehnter Areale Geltung besitzen. Dem Import von Weinstöcken verdankt unsere Fauna wahr- scheinlich die leicht verschleppbare Seutigera coleoptrata und einige xerophile Schnecken. Mit Gemüsesetzlingen dürfte die südliche Helicogena aspersa in die Felder von Neudorf und einige Gärten von Basel und Kleinhüningen Einzug gehalten haben. Bei Arlesheim bildete sich in jüngster Zeit eine blühende Kolonie des schönen Tiers in einem engen, verwahrlosten Gartenwinkel. Die Entstehung der Ansiedlung geht auf die Einfuhr italienischer Schnecken zu Speisezwecken zurück. Ob nun aber die Einwanderung der wärmeliebenden Elemente in die Umgebung von Basel in eine weit zurückliegende Xerotherm- periode datiert, oder als ein heute noch weiterschreitender Prozess be- trachtet werde, eines scheint festzustehen. Der Zufluss vollzog oder vollzieht sich von zwei Seiten her, aus dem pontischen Südosten Europas und aus dem Mittelmeergebiet. In der warmen Oberrhein- ebene mischen sich die von beiden Seiten eintreffenden Zuwanderer ; hier stehen die meisten pontischen Arten auf ihren westlichsten Vor- posten; viele der mediterranen Formen dringen im Norden bis zur Linie Freiburg-Kolmar vor; andere machen erst in der Eifel Halt und besetzen das Maintal bis nach Würzburg. Der südöstliche Zufluss zur oberrheinischen Fauna nimmt seinen Ursprung in den sarmatischen Steppen und auf den offenen Gras- fluren Ungarns, er fliesst noch stark bei Wien, und verarmt im Donautal gegen Passau und an den Hängen des schwäbischen Juras. 52 F. Zschokke. Am Oberrhein endlich wird der Strom zum schwachen Faden. Wenige Schnecken und Insekten verschiedener Ordnungen setzen dort den pontischen Einschlag in die Fauna zusammen, und nicht immer lässt sich der südöstliche Ursprung der einzelnen Elemente mit der wünschenswerten Klarheit festlegen. Dass auch in der Wasserfauna der Rheinebene bei Basel An- klänge aus dem Südosten nicht fehlen, wurde früher betont. Der Diaptomus Siebenbürgens und des Triestiner Karsts, D. trans- sylvanicus, schiebt sich im Westen bis in die Sumpfgegend von Neudorf vor und stösst dort auf den durch die burgundische Pforte aus dem Südwesten eindringenden D. vulgaris. Lithoglyphus naticoides überschreitet, von seiner sarmatischen Heimat aus- gehend, den Hüninger Kanal nach Westen nicht. Diesen am meisten westlich vorgerückten Standort seines Wohngebiets bezog Litho- glyphus wahrscheinlich auf passiver Fahrt mit Flössen und Schiffen. Bei diesem Anlass mag erwähnt werden, dass auch die Kolonie von Neritina fluviatilis ım Kanal heute noch blüht und nicht, wie 1911 vermutet wurde, verschwunden ist. Sehr viel bedeutungsvoller für die Gestaltung der Basler Fauna, als der südöstliche Zufluss, erweist sich der durch die burgundische Pforte flutende Strom südlicher und südwestlicher Zuwanderer. Er zweigt von der grossen süd-nördlich gerichteten Rhonestrasse bei Lyon ab, um dem Saonetal zu folgen. Das Tor zwischen Vogesen und Jura gestattet ihm Zutritt zur Rheinebene An der Schwelle der Pforte, auf den Berghängen von Giromagny und Lachapelle-sous- Rougemont, blieben manche südlichen Tiere stehen. Besonders schwächeren Wanderern, Diplopoden etwa, die Verhoeff (51) auf- zählt, gelang es bis heute noch nicht, den geographisch wichtigen Durchpass zu überwinden. Andere beweglichere Geschöpfe dagegen haben das Tor längst durchwandert und die Spitzen ihrer Marsch- kolonne weit nach Osten vorgesandt. So wohnt, entgegen früheren Angaben, der durch die burgundische Pforte eingedrungene Springfrosch heute schon weit westlich von Basel. Leydig fand das sehr bewegliche und behende Tier vor längerer Zeit am Mittelmain, und Stoll meldet Rana agilis Thom. für verschiedene Lokalitäten im Kanton Zürich bis zu seiner Ostgrenze. Immerhin bezeugt die Seltenheit des Froschs im Elsass, am Main und in der Ostschweiz, dass der Batrachier in jenen Gegenden am äussersten Rand seiner Verbreitung steht und vielleicht erst im Be- griff ist, das Gebiet auf der im Südwesten anhebenden Wanderung zu bevölkern. Tierwelt der Umgebung von Basel. 55 Zu den in neuerer Zeit aus dem Westen durch die burgundische Pforte in das Basler Faunengebiet passiv Eingewanderten stellt E. Graeter auch den seltenen Euphyllopoden Tanymastix laeunae Guerin (19, 20) (Chirocephalus stagnalis L. der Mitteilung von 1911). # Der Krebs erfüllt in grossen Mengen den periodisch aus der Erde quellenden und wieder versickernden Eichener See, der zwanzig Kilometer nordöstlich von Basel im rissigen Muschelkalk des Dinkel- bergs liegt. Bei vollständiger Füllung erreicht das ephemere Ge- wässer eine Länge von 255 Metern und eine Tiefe von drei Metern ; es entsteht oft nur alle zwei bis drei Jahre, so oft ein unterirdisch fliessender Bach seinen Wasserüberschuss an die Erdoberfläche abgibt. Dann erscheinen auch sehr bald die Scharen der durch Grösse und bunte Färbung auffallenden Phyllopoden und durchschwimmen das Seewasser in sanft geschwungenen Kurvenlinien. Die Begleiter von Tanymastix im Eichener See sind Cyclops strenuus und Oypris virens Jur.; zugewanderte Amphibien und zuge- flogene Insekten benützen den See als Brutstätte und bereichern so die artenarme Fauna des bald wieder verschwindenden Gewässers. Die Trockenzeiten überdauert Tanymastix in der Form widerstandsfähiger Eier. Aus trockenem Moos und aus der Erde des Seegrundes lassen sich die Krebse durch Wasserzusatz aufziehen. Tanymastix ist ein eurythermes Warmwassertier, das nicht unbeträchtliche Temperaturschwankungen ohne Schaden erträgt. Seine weithin isolierten Wohnorte liegen an drei Lokalitäten des zentralen Frankreich, an zwei Stellen in Ungarn, je in einem Ge- wässer Südschwedens und Norwegens und endlich im Eichener See, ım südwestlichen Winkel Badens. Eine nahe verwandte Art, die ein- zige die sonst noch zum Genus Tanymastix zählt, lebt in Algier. Zwischen den zentralfranzösischen Fundorten und dem Eichener See bei Basel fand Æ. Graeter (20) in neuester Zeit eine weitere von T. lacunae bewohnte Örtlichkeit. Es ist dies der kleine, dolinenartige Bergsee ‚Les Posots“ im nördlichen Neuenburger Jura an der Passstrasse von Les Verrières. Das unansehnliche Gewässer liegt in einer Meereshöhe von 959 Metern und teilt mit dem Eichener See (464m Höhenlage) die Eigentümlichkeit periodischen Auf- tretens und Verschwindens. Im jurassischen Bergweiher bleiben die Exemplare von Tan y- mastix spärlicher und kleiner, als im See am Westhang des süd- lichen Schwarzwalds. Graeter mag mit seiner Ansicht recht behalten, dass Les Posots, wie der Eichener See, Stationen auf der von Westen nach Osten ziehenden Ausbreitungsstrasse von T. lacunae dar- stellen. Das hochgelegene Juragewässer indessen hätte dem Krebs 5+ F. Zschokke. nur wenig günstige Lebensbedingungen geboten. Durch die bur- gundische Pforte, ‚durch welche die westlichen Winde frei nach Osten streichen“, wäre die passive Verschleppung der Eier vor sich ge- sangen, für die natürlich der Rhein keine Schranke bildet. Über die Biologie vonTanymastix lacunae geht eine um- fangreiche Arbeit in der Basler Zoologischen Anstalt der raschen Vollendung entgegen. Kaum eine zweite Tiergruppe eignet sich besser zu zoogeo- graphischen Betrachtungen, als die Diplopoden. Ihre Vertreter er- heben die verschiedensten Ansprüche an die Temperatur des Wohn- orts. Zu thermisch indifferenten, eurythermen Formen gesellen sich stenotherme Kälte- und Wärmetiere, von denen die ersteren kühle und feuchte Verstecke, die letzteren trockene und heisse Schlupfwinkel verlangen. So gelingt es, die über den Zusammenhang von Tem- peraturbedürfnis, Vorkommen und Verbreitungsgeschichte bei anderen Tieren gewonnenen Resultate durch das Studium der Diplopoden zu zu vertiefen und zusammenfassend zu ordnen. Dazu kommt die ökologische Besonderheit der Diplopoden. Ihr verborgener Aufenthalt im Moos und Mulm, unter Steinen und Baumrinde schränkt die Möglichkeit passiver Verschleppung und die vielen in der Verbreitung der Tiere sich wiederspiegelnden Zu- fälligkeiten solchen Transports stark ein. Aktives Wandern spielt bei der Ausbreitung der Diplopoden von Ort zu Ort weitaus die Hauptrolle. Die mit eigener Kraft unternommenen Eroberungszüge aber gehen langsam und schleppend vor sich; denn die Diplopoden ver- fügen nur über geringe Bewegungsfähigkeit. Ihren Zügen werden zudem durch die besonderen Ansprüche der Wanderer an Temperatur, Licht und Feuchtigkeit des Wohnorts, sowie an die Nahrung, zum voraus ganz bestimmt verlaufende Bahnen vorgezeichnet. Die Langsamkeit der Wanderung bewirkt, dass die geographische Verteilung der Diplopoden heute an manchen Orten noch in einem Stadium steht, das von leicht beweglichen, fliegenden und gehenden Tieren vielleicht schon vor langer Zeit als Durchgangsstation wäh- rend der fortschreitenden Ausbreitung durchmessen wurde. Daher erlaubt das Studium der heutigen Diplopodenverteilung vorsichtige Rückschlüsse auf die Verbreitungsschicksale anderer, bewegungs- fähiger Tierabteilungen. Die auf klimatische, geologische und ökologische Veränderungen der Aussenwelt nur durch wenig aus- giebige Wanderungen reagierenden Tiere erhalten, gerade durch ihre Langsamkeit, eine grössere zoogeographische Bedeutung. Verhoeff spricht dieselben Gedanken in seinen Aufsätzen wieder- holt aus (45—52). ‚Das langsame, schrittweise Sichausbreiten der OT Tierwelt der Umgebung von Basel. 5 Diplopoden,‘“ schreibt der genannte Autor, „gestattet uns, sie auf ihren Zügen im Laufe der Zeiten und Klimaschwankungen besser zu verfolgen, als fast alle anderen Tiere.“ An anderer Stelle findet sich der Satz: ,, Die Diplopoden fehlen in einer bestimmten, klimatisch ihnen sonst zusagenden Gegend oft nur deshalb, weil sie dieselbe auf ihrer langsamen, tausendjährigen Wanderschaft noch nicht erreicht haben.“ / Aus allen diesen Betrachtungen ergibt sich die eindringliche Mahnung, bei der Vergleichung des geographischen Vorkommens ein- zelner Tiergruppen, neben den ükologischen und historischen Fak- toren, die den Gang der Ausbreitung regeln, auch die verschiedene Eignung zu passiver Übertragung und vor allem die verschiedene aktive Beweglichkeit der in Vergleich gezogenen Tiergruppen zu be- rücksichtigen. Nur unter dieser Bedingung lassen sich tier- geographische Fehlschlüsse vermeiden. Die Diplopodenfauna der Umgebung von Basel fand ihren Be- arbeiter in W. Bigler (1,2); vor ıhm schon, und wieder nach dem Er- scheinen seiner zusammenfassenden Arbeit wies Verhoeff (45-52) in einer Reihe inhaltsreicher Aufsätze auf die zoogeographische Wichtigkeit hin, die eine genaue Durchforschung der Diplopoden- bevölkerung des südwestlichen Deutschlands und der angrenzenden Teile der Schweiz beanspruchen kann. Die faunistische Erschliessung des Gebiets ist von beiden Autoren mit grossem, zielbewusstem Eifer betrieben worden, sodass ihre Befunde auf tiergeographische Verwen- dung allen Anspruch erheben können. Die Artenzahl der Diplopoden in Basels weiterer Umgebung be- zitfert Bigler auf 51; je eine der Spezies tritt in zwei und drei, zwei Arten treten in fünf Rassen auf. Neu beschreibt der Autor fünf Species, zwei Subspecies, neun Varietäten und drei Monstruositäten. Dieser stattliche Bestand einer sonst nicht allzu umfangreichen Tier- gruppe findet seine Erklärung unschwer in der bewegten geologischen Geschichte der Basler Gegend, in der Mannigfaltigkeit der Boden- gestaltung, in der Fülle verschiedenartiger Wohnorte, die der Bezirk bietet und im bunten Wechsel der klimatischen Verhältnisse auf engem Raum. Ein Charakterzug prägt sich zahlreichen Arten der Basler Diplo- poden auf, die Vorliebe für feuchte und gleichmässig tieftemperierte Wohnorte. Wenn sich zu dieser ökologischen Eigenschaft noch die geographische Eigentümlichkeit gesellt, dass die fraglichen Formen vor allem im Hochgebirge und etwa im Norden sich verbreiten, so liegt der Schluss nahe, dass wir auch in diesem Fall den in ver- steckte Refugien verbannten Trümmern einer einst herrschenden, kälteliebenden Eiszeitfauna gegenüberstehen. 56 F. Zschokke. Zwei Beispiele mögen dies erläutern. Leptojulus simplex glacialis Verh. meidet die warme Ebene und die sonnigen Vor- hügel ganz. Er bevölkert die kühlen, feuchten Bergschluchten des Jura, der Vogesen und des Schwarzwalds und erklimmt unter dem Schattenschutz der Wälder die Gipfelzone dieser Gebirge. Seine Auf- enthaltsorte teilt Leptojulus alpivagus suevicus Verh. Bigler fand das Tier in der tiefen Waldschlucht der Galerie du Pichoux im Berner Jura und im schattigen Schneckenloch. Sonst besetzt der Diplopode die in über 2000 m Erhebung liegende Alpenzone der Ost- schweiz und Westtirols, ohne in die Wälder hinabzusteigen und steht mit einer vom Hochgebirge losgelösten Kolonie in vor Sonnenstrahlen geschützten Schluchten am Rande der Rauhen Alp. Verhoeff und seinem Vorschlag folgend Bigler kommen zum Schluss, dass sich bei Basel drei Bezirke der Diplopodenverbreitung treffen, der durch das Dreieck Konstanz-Basel-Bruchsal begrenzte „alemannische Gau‘, der ,,elsässische Gau‘, der vom Rhein bis zur burgundischen Pforte reicht, und der im Süden anschliessende ,,hel- vetische Gau“. Jedes der drei Gebiete kennzeichnet sich durch den Besitz spezifischer Diplopodenformen; doch fällt für die einzelnen Bezirke der Reichtum an endemischen Arten sehr verschieden aus. Besonders scharf hebt sich faunistisch der alemannische Gau ab. Die neuesten Aufstellungen Verhoeffs teilen ihm 16 eigentümliche Diplopoden und ausserdem noch sechs nicht endemische, aber doch charakteristische Formen zu. Viel ärmer ist der elsässische Gau. Von seinen 23 Arten und fünf Rassen von Diplopoden kann Bigler nur eine als durchaus typisch für das Gebiet anerkennen. Indessen stellt Verhoeff durch neuere Funde fest, dass auchMonacobates tenuis Bigl. für das Elsass als endemisch betrachtet werden müsse. Dem helvetischen Gau endlich kommen von einer Gesamtzahl von 32 Arten und Unterarten vier typische Taussendfüsser zu. In seinen Grenzen fällt die faunistische Führerrolle der Gattung H el- vetiosoma mit mehreren Arten und Unterarten zu. Den auffallenden Unterschied im Diplopodenreichtum des Elsass und Südbadens, der sich besonders in den sehr verschiedenen Zahlen der endemischen Formen beider Gebiete ausspricht, erklären die Autoren wieder durch in der Vergangenheit und in der Gegenwart wirksame Faktoren. Die starke diluviale Vergletscherung der Vogesen vernichtete wohl zum grössten Teil die präglaciale Diplopodenwelt des Gebiets. Nur die im Elsass endemische Art X ylophageuma zschokkei Bigl. dürfte die Unbill der Eiszeit an Ort und Stelle überdauert haben. Bigler entdeckte das Tierchen im feuchten Moos und unter Tierwelt der Umgebung von Basel, 57 faulendem Holz schattiger Höhenwälder und kühler Taleinschnitte der Vogesen. Eine Parallelform, X.vom rathi Verhoeff, lebt jen- seits des Rheins im Schwarzwald, sowohl unterirdisch in der Hasler Höhle bei Wehr, als in Waldschluchten des Oberprech- und Gutachtals. Die Gattung X ylophageuma charakterisiert durch ıhr endemisches Auftreten die Südwestecke Deutschlands. Ihre beiden engverwandten, durch den Rhein getrennten Arten mögen einem ge- meinsamen, früher über das heutige Elsass und Südbaden allgemein verbreiteten Vorfahr entstammen. Die miocäne Grabenversenkung des Rheintals mit ihren hydrographischen Folgen von See- und Fluss- bildung zerriss das einheitliche Most und öffnete die diver- sierenden Wege, die zur Dei der elsässischen und der badischen Art, Xylophageuma zschokkei und X. vom rathi führten. Beide verliessen während der Vergletscherung ihre Heimstätte nicht; die bescheidenen Ansprüche beider an Temperatur, Wohnort und Nahe sprechen noch heute für im Leben der Art weit zurückliegende, entbehrungsreiche Zeiten. Seit dem Abschmelzen der diluvialen Eismassen bis zur Gegen- wart stellten sich einer Neueinwanderung von Diplopoden in das Elsass aus dem reichen Westen und Südwesten Frankreichs hemmend die Stromschranken der Maas, Mosel, Seine und Loire entgegen. Auch das Rhonetal, so nimmt Verhoeff an, bot in spätglacialer Zeit den Tausendfüssern keine günstige Wanderstrasse von Süden nach Norden. Zu weit, bis gegen Lyon, stiess die gewaltige Eismauer des Rhonegletschers vor, und an die rechte Flusseite drängten sich die französischen Mittelgebirge zu nahe heran. Später erst, in post- glacialer Zeit, mag eine ausgiebigere Zuwanderung längs Rhone, Saone und Doubs und durch die burgundische Pforte zwischen Vogesen und Jura südliche Diplopoden nach der elsässischen Ober- rheinebene geführt haben. Doch die Reise vollzog sich mit diplopoden- hafter Langsamkeit. Die ersten Ankömmlinge aus dem Süden haben einstweilen nahe am burgundischen Tor Halt gemacht. Dort stellte Verhoeff im Geröll einer warmen Rebhalde bei Rufach das für Deutschland überraschende Auftreten der mediterranen Formen Schizophyllum rutilans C. K. und Chaetechelyne vesuviana Newp. fest. Ein Zufluss von Diplopoden aus dem helvetischen Gau nach dem Elsass stiess in vergangener Zeit ebenfalls auf ein mächtiges Strom- hindernis. Denn nach vielfachen Anzeichen floss im späten Pliocän, oder in der frühen Gletscherzeit der Rhein durch die burgundische Pforte nach dem Saonegebiet ab. Später änderte der Strom die Rich- 58 2 F. Zschokke. tune und bog in der Basler Gegend durch das heutige Rheintal nach Norden um. Damit fiel die Schranke zwischen Jura und Vogesen. Begünstigt durch Waldparzellen ziehen seitdem die Diplopoden quer durch das stromlose burgundische Tor von Gebirge zu Gebirge. Das spezifisch helvetische Orthochordeumella fulvum steht heute schon in den Südtälern der Vogesen, und Polydesmus hel- veticus ist vom Jura her bereits bis in die Gegend von Belfort vorgedrungen. Einzig die Helvetiosomen vermögen aus den Jura- schluchten nicht nach Norden vorzubrechen, da der Mangel an tief- eingeschnittenen, kühlen Waldtälern den an Feuchtigkeit und Schatten gewöhnten Tieren in der Pforte Halt gebietet. Die fau- nistische Tatsache, dass der jurassische Diplopodenbestand zum elsässischen in näheren Beziehungen steht, als zum badischen, findet somit eine historische Erklärung. Zwischen dem Elsass und der Schweiz versiegte schon vor alter Zeit der trennende Strom, der heute noch Jura und Schwarzwald scheidet. Viel günstiger als in den Vogesen lagen von jeher die geologischen und geographischen Verhältnisse in Südwestbaden für die Entwick- lung einer reichen Diplopodenfauna. Der Schwarzwald trug nie eine so mächtige Eisbedeckung wie das elsässische Gebirge. So konnten zahlreiche Diplopoden den lastenden Druck der Gletscherzeit an Ort und Stelle ertragen. Dafür spricht die überraschend grosse Zahl der dem Bezirk heute noch eigenen Formen. Verhoeff fasst den Gedanken in den Satz zusammen: ‚Die im alemannischen Rheinwinkel zusammen- gedrängten Diplopoden sind, soweit sie als endemische südwestliche Formen zu gelten haben, ein wichtiges lebendiges Dokument dafür, dass in diesem Teile Deutschlands während der Eiszeit kein grön- ländisches Klima geherrscht haben kann. Es müssen vielmehr zahl- reiche Plätze übrig gewesen sein, welche, mit Wald bedeckt, den Diplopoden die erforderlichen Nahrungsmittel liefern konnten.“ Der Autor ist überhaupt geneigt, von den nahezu 180 Diplopodenformen des heutigen Deutschland 8/, als alte, präglaciale Einwohner des Gebiets anzusprechen. Ihnen hätten die diluvialen Gletscher nur horizontale und vertikale Verschiebungen, von allerdings oft sehr beträchtlichem Umfang, innerhalb des weiten deutschen Wohnareals gebracht. Lediglich 1/, des Diplopodenbestands wäre nach Ablauf der Vergletscherung aus wärmeren Gegenden nach Deutschland ein- sewandert. Der spät- und postglacialen Zuwanderung nach dem ale- mannischen Gau standen weite Tore offen. Die breite Donauniede- rung und das System ihrer Flüsse bildeten eine wichtige Zufuhr- strasse aus Osten und Südosten, die durch keine querverlaufenden Ströme und durch keinen dem Rhonegletscher vergleichbaren Eis- Tierwelt der Umgebung von Basel. 59 riegel gesperrt wurde. Von Wien bis Donaueschingen durchmisst die Donau zudem ein klimatisch gleichförmiges Gebiet. Alle Bedingungen erfüllten sich, um den südöstlichen Wander- strom der Myriapoden beinahe ungehindert bis zum nicht überschreit- baren Oberrhein vordringen zu lassen. In Südwestdoutschland mischten sich die Ankömmlinge aus Osten mit dem grossen Bestand bodenfester, präglacialer Elemente. Als absolut feste Grenze zwischen Osten und Westen wirkt in- dessen auch der mächtige Rheinstrom nicht. Einigen Glomeriden gelang es, das flutende Hindernis nördlich und südlich zu umgehen. Verhoeff zeigt, wieGlomeris marginata die als geographische Schranke junge Flussstrecke Bingen-Bonn überschritt und so den alemannischen Rheinwinkel umwanderte. Zugleich drang das Tier im Süden des Rheins über Pratteln und Stein vor, um auf diesem Umgehungsweg seine Ausspäher bis nach Oberstdorf im Allgäu aus- zusenden. Ähnliche Flankenmärsche führt Glomeris inter- media aus, ohne einstweilen einen so ausgiebigen Wandererfolg wie ihre Verwandte erzielt zu haben. An einer Stelle der Oberrheinlinie, auf der Strecke Waldshut- Konstanz, fand in der glacialen und postglacialen Vorzeit ein Aus- tausch von Diplopoden des helvetischen und alemannischen Gaus statt. Dort stossen mehrere typische Schweizerdiplopoden in den Schwarz- wald vor, und alemannische Formen überschreiten den Strom nach Süden. Über die Gegend zwischen Konstanz und Waldshut aber schoben sich einst die gewaltigen Schuttwälle und Eismassen der helvetischen Gletscher. Sie bildeten vielleicht die Brücke, auf der gegen ein rauhes Klima resistente Diplopoden nach Norden zogen. Und wirklich ver- raten die heute nördlich des Rheins wohnenden schweizerischen Arten in Lebensweise, Aufenthaltsort und Verbreitung eine ausgesprochene Vorliebe für Feuchtigkeit und tiefe Temperatur. Sie steigen auch hoch in die Gebirge hinauf. Für den Übertritt alemannischer Tausendfüsser nach Helvetien möchte Verhoeff eher die feuchte Postglacialzeit in Anspruch nehmen. Auch diese Wanderung spielte sich nach allen Anzeichen auf der Strecke Waldshut-Konstanz und nicht zwischen Waldshut und Basel ab. Damit steht in gutem Einklang der geologische Befund, dass der erstgenannte Teil der Flussrinne in viel jüngerer Zeit als der zweite entstand. Der Rhein stellt sich auch passivem Transport von Diplopoden nicht als ein unbezwingbares Hemmnis entgegen. Bigler macht darauf aufmerksam, dass die helvetische Art Orthochordeumella fulvum nicht nur in die Südvogesen eingedrungen sei, sondern auch 60 F. Zschokke. am rechten badischen Rheinufer auf der Trias des Dinkelbergs vor- komme. Umgekehrt ist die in Verwandtschaft und Verbreitung nach Osten weisende Form Craspedosoma simile silvaticum linksrheinisch im Reinacherwald heimisch geworden. Solche auf- fallende Befunde erklären sich am besten durch den launenhaften Wechsel des mäandrisch fliessenden, hochgehenden Stroms. Jedes Hochwasser des Rheins bringt Veränderungen in der Lage des Strom- betts; es gräbt neue sich findende und trennende Arme aus und schafft und zerstört Inseln. Waldstücke vertauschen passiv das Ufer, und mit ihnen wechselt die Fauna den Platz. Was rechtsrheinisch war, gelangt auf die linke Stromseite, und vom linken Flussbord werden durch das ungestüme Wasser Landstreifen und ihre Bewohner nach rechts gedrängt. Die Wellen tragen weggerissene Wurzelstöcke, Büsche und Baumstrünke herüber und hinüber. Manches Tier mag solehe Fahrzeuge zur Querung des Stroms benützen. So büsst der Rhein auch für schwerfällige Geschöpfe die Bedeutung einer unver- letzbaren Grenze ein. Das wird für die Diplopoden ebensogut gelten, wie für die Schnecken, von denen schon Bollinger meldet, dass es manchen Arten gelang, das Flusshindernis zu überschreiten. Auch Verhoeff spricht über den passiven Flussübergang der Myriapoden ähnliche Gedanken aus. ‚Es muss eine nach der letzten Kälteperiode, aber vor der jetzigen gemässigten Zeit gelegene feuchte Periode gegeben haben, innerhalb welcher die oberrheinische Tief- ebene wälderreich und nebelreich gewesen ist, sodass die Oraspedo- somen im Laufe der Zeiten, indem sie bis an die Ufer des inselreichen und überschwemmungsreichen Rheins vordrangen, hinund wieder über die natürliche Schranke durch grössere Schwimmassen getragen worden sind.“ Ohne weiteres entsteht der Wunsch, mit den für die Diplopoden gewonnenen tiergeographischen Resultaten die Befunde zu ver- gleichen, die sich für eine andere, mit Bewegungsmitteln ebenfalls nur bescheiden ausgerüstete Tiergruppe ergeben haben. Zu einem solchen Vergleich laden die plumpen Gehäuseschnecken ein. Sie wurden bekanntlich für das weitere Gebiet von Basel faunistisch in sorgfältigster Weise durch Bollinger bearbeitet. Einer genau vergleichenden Gegenüberstellung von Gastropoden und Diplopoden widersetzt sich indessen bis zu einem gewissen Grade der Umstand, dass die Schnecken noch in höherem Masse als die Tausendfüsser in ihrem Vorkommen an die ökologischen Verhältnisse des Wohnorts, sowie an die topographische und besonders petro- graphische Beschaffenheit des Untergrunds sich binden. Das ver- leiht der lokalen Schneckenverbreitung in mancher Hinsicht ein Sondergepräge. Tierwelt der Umgebung von Basel. 61 Immerhin fehlt dem heutigen faunistisch-geographischen Bild, das die beiden Gruppen im Exkursionsbezirk bieten, nicht mancher gemeinschaftliche Zug. Der Grundstock beider systematischer Abteilungen datiert in unserer Gegend weit in die Vorgletscherzeit zurück. Von den 123 durch Bollinger in der Lokalfauna aufgefundenen Gastropoden bewohnten die meisten schon präglacial und interglacial den nordalpinen Boden. Der Satz behält seine Geltung: „Die Eis- zeit war für unsere Mollusken keine trennende Kluft zwischen zwei Formationen, sondern nur eine, allerdings wenig erfreuliche Episode innerhalb der känozoischen Periode.‘“ Die voreiszeitlichen Elemente stellen zur modernen Schneckenfauna des Gebiets die umfangreichen Gruppen der paläarktischen Ubiquisten und der boreal-alpinen Be- standteile. Eine kleine Schar von Schnecken wanderte wiederum nach der Eiszeit aus dem Mittelmeergebiet in die Oberrheingegend ein. Wieder bildete die burgundische Pforte für diese südlichen Zuwanderer ein Haupteinfallstor, und wieder vollzog sich entsprechend der geringen Bewegungsfähigkeit der Vordringenden der Marsch langsam, sodass die Ankömmlinge von Südwesten ihre neuen Wohnsitze in der Basler Gegend erst in verhältnismässig neuer Zeit erreichten. Auch für die wandernden Schnecken hat der Rhein den Weiter- weg nicht vollkommen gesperrt. „Wenigstens,“ so führt Bollinger aus, „lässt sich ein trennender Einfluss nicht unbedingt nachweisen.“ In der Quantität der Schnecken allerdings steht der Jura dem rechts- rheinischen Dinkelberg weit voraus. Der Befund erklärt sich durch die topographische Monotonie des letztgenannten Teilgebiets. Quali- tativ dagegen entspricht die Schneckenfauna des Dinkelbergs dem linksrheinisch-jurassischen Gastropodenbestand. Nur zwei Pupen und zwei Daudebardien geben dem Triasplateau des rechten Rheinufers durch östlichen und südöstlichen Anklang einen eigenen Charakter. Diese auf ihrem Vormarsch nach Westen durch den Rhein ge- hemmten Arten verdienen einige Beachtung. Pupilla cupa Jen. steht auf dem Isteiner Klotz und bei Inz- lingen am Dinkelberg mit seltenen Individuen am äussersten West- rand ihres Verbreitungsgebiets. Nach Osten dehnt sich der Wohnraum der Schnecke über die Alpen von Bayern und Tirol und über die Hohe Tatra bis nach Siebenbürgen und sogar nach Transkaspien. Auch den süddeutschen Jura und das obere schweizerische Rheintal besiedelt das Tier. Es gehört in der Basler Gegend offenbar zu der kleinen aber interessanten Schar südöstlicher, wärmeliebender Ein- wanderer, die xerophil heisse, trockene Wohnorte aufsuchen. 62 F. Zschokke. Wenig bekannt ist das geographische Vorkommen der von Bol- linger im Flussgenist der Wiese gesammelten Vertigo (Pupa) substriata (Jeff.). Im ganzen weisen die Funde auf eine vor- wiegend nördliche Verbreitung. Im Osten besitzen auch die zwei Daudebardien, D. brevipes Drp. und D. rufa Drp., ihr Verbreitungszentrum. Sie sind häufig in den Karpathen, in Siebenbürgen, in der Krim, im Kaukasus und in den nordöstlichen Mittelmeerländern. Nach Norden verlassen die zwei Schnecken die deutschen Mittelgebirge nicht; im Westen stehen sie am Mittelrhein, doch ist es ihnen an einigen Stellen gelungen, den Strom zu queren und bis an den Ostfuss der Vogesen bei Mül- hausen und Schlettstadt vorzugehen. Bollinger entdeckte Standorte der Daudebardien bei Bettingen und Grenzach am Dinkelberg. In umgekehrter Richtung, von Westen nach Osten, glückte der Rheinübergang der xerophilen, im mediterranen Süden von Spanien bis zum schwarzen Meer beheimateten Schnecke Chondrula quadridens Müll. Sie fand den Weg durch die burgundische Pforte in das Elsass und gedeiht heute mit anderen wärmeliebenden Gastropoden am rechten Rheinufer auf dem heissen Kalkklotz von Istein. So lässt sich der Eindruck nicht verwischen, dass der Rhein für die von Osten und Westen ankommenden Schnecken ein schwer zu be- siegendes Hindernis darstellt, dass der breite Strom aber den Wander- weg nicht gänzlich zu sperren vermag. Ob der Flusslauf, wie für die Diplopoden, so auch für die Gastropoden drei scharf getrennte, durch zahlreiche Formen charakterisierte Gaue schafft, bleibt zum min- desten zweifelhaft. Zur endgültigen Beantwortung der Frage fehlt einstweilen noch eine genaue malakologische Durchforschung der Vogesen. Eine letzte Parallele endlich zwischen den Myriapoden und Schnecken der Basler Fauna bekundet sich in der Vorliebe zahl- reicher Vertreter beider Gruppen für den Aufenthalt in dauernd feuchten und kühlen Verstecken, in halb unterirdischen Ritzen, Höhlen und Klüften, im Moos und Mulm des Waldbodens. Oft kommt zu dieser ökologischen Besonderheit noch die Eigentümlichkeit des geographischen Vorkommens in den Hochalpen zugleich und im Norden. Dann drängt sich wieder der Gedanke auf, dass in Lebens- weise und Verbreitung der betreffenden Tiere die Erinnerung an die Eiszeit und an ihren tiefen Temperaturstand weiterlebe. Die kleine lokale Tierwelt von Basels Umgebung dokumentiert sich nach den neueren Forschungen immer deutlicher als eine im Lauf der Zeiten aus mancherlei Quellen und auf verschiedenen Wegen zusammengeströmte Mischfauna. Die Wanderwege und die Wander- Tierwelt der Umgebung von Basel. 63 zeiten treten heute klarer zutage, und immer bestimmter zeichnet sich der Einfluss, den ökologische Ansprüche der einzelnen Kom- ponenten in der Jetztzeit und in der Vergangenheit auf die Fügung: und Verteilung der Gesamtfauna im Gebiet ausübten. Die wechsel- volle Geschichte der Gegend, ihres Untergrunds und ihres Klimas gestaltete auch das Schicksal der Tierbevölkerung mannigfaltig und wechselreich. Literaturverzeichnis. 1. Bigler, W. Xylophageuma zschokkei n. sp. und einige neue Craspe- dosomiden. Zoolog. Anzeiger, Bd. 39, 1912. . — Die Diplopoden von Basel und Umgebung. Revue suisse de Zoologie, Vol2 21521913: 3. Bollinger, G. Zur Gastropodenfauna von Basel und Umgebung. Basel 1909. 4. 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Stutz?) die Reaktion mit gewöhn- lichem Gleichstrom, und konnten aus stark ammoniakalischen, kon- zentrierten Lösungen von Ammoniumcarbaminat an der Anode regel- mässig kleine Mengen von Harnstoff erzeugen, die allerdings im günstigsten Fall nur 0.6 gr in 100 Ampere-Stunden ausmachten und also in gar keinem Verhältnis zum Stromaufwand standen. Für die Erklärung erschien zunächst die Auffassung der Bildung von Harn- stoff aus an der Anode nascierenden Kohlendioxyd mit dem gelösten Ammoniak genügend. Allein bei genauerer Prüfung befriedigte die Hypothese doch nicht, denn die Ausbeuten bei dieser und bei anderen Versuchsanord- nungen, wo aus den Ammoniumsalzen organischer Säuren an der Anode Kohlendioxyd entwickelt wurde, oder wo das aus Kohle oder Graphit bestehende Anodenmaterial selbst das Kohlendioxyd lieferte, blieben weit unter den nach dem elektrochemischen Äquivalent be- rechneten, ja in einzelnen Fällen entstand trotz zweifellos einge- tretener reichlicher Kohlendioxydbildung doch kein Harnstoff. Ferner schien es notwendig, die anodische Harnstoffbildung mit 1) Journal für praktische Chemie (2) 22, 476 (1880). 2) Zeitschrift für Elektrochemie 16, 610 (1910); 18, 647 (1912). Bildung von Harnstoff aus Ammoniumecarbonat. 67 anderen, durch chemische Oxydationsmittel in ammoniakalischer Lösung bewirkten Harnstoffsynthesen in Zusammenhang zu bringen, und so machten Fichter, Stutz und Grieshaber 1911?) in einer dieser Gesellschaft vorgelegten Arbeit die Annahme, die gemeinsame Grund- reaktion der oxydativen Harnstoffbildungen seı das Auftreten von Formamid, denn dieses lässt sich chemisch und elektrochemisch in ammoniakalischer Lösung leicht zu Harnstoff oxydieren. Bei der Oxydation der vielen, von H. Eppinger *) untersuchten Harnstoff- bildner sowohl als bei der elektrochemischen Oxydation von allerhand organischen Stoffen in ammoniakalischer Lösung sei die primäre Bildung von Formamid als Produkt der Kondensation des durch Abbau entstandenen Kohlenoxyds mit dem Ammoniak der Lösung aufzufassen, bei der elektrolytischen Oxydation des Ammoniumcar- baminats in ammoniakalischer Lösung aber entstehe aus dem stets mitoxydierten Ammoniak als erstes Produkt Hydroxylamin, und dieses reduziere einen Teil des Ammoniumcarbaminats zu Formamid. Zur Stütze der neuen Hypothese musste vor allem untersucht werden, ob in der Tat Ammoniak bei der elektrochemischen Oxy- dation die Serie NH, — NE, : OH —> (NH,,N,0, —+ NH, - NO, — NH, : NO, durchläuft; die schöne Arbeit von @. Oesterheld5) hat diesen Beweis erbracht. In zweiter Linie war zu prüfen, ob eine Reduktion von Am- moniumcarbaminat durch Hydroxylamin zu Formamid durchführbar ist. Hier setzen die neuen experimentellen Untersuchungen ein, von denen heute berichtet werden soll. 2. Einwirkung von Hydroxylamin auf Ammoniumcarbaminat und auf Kohlendioxyd (Dr. Steiger). In Fortsetzung und Ergänzung früherer Versuche 6) über die Môglichkeit der Reduktion von Kohlendioxyd durch Hydroxylamin haben wir reines, nach Lobry de Bruijn?) und W. Brühl) darge- stelltes Hydroxylamin auf Kohlendioxyd, auf Ammoniumcarbonat, und auf Natriumcarbonat, und zwar bei Gegenwart und bei Aus- schluss von Wasser, bei gewöhnlicher Temperatur durch bis zu 40- 3) Verh. Naturf. Ges. Basel 23, 222 (1912). 4) Beiträge z. chem. Physiol. u. Pathologie 6, 481 (1905). 5) Zeitschr. f. anorgan. Chem. 86, 105 (1914). 6) Verh. Naturf. Ges. Basel 23, 241 (1912). 7) Rec. trav. chim. Pays-Bas 10, 100 (1891); 11, 18 (1892); Ber. d. deutsch, chem. Ges. 25, Ref. 190, 684 (1892); 27, 967 (1894). 8) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 26, 2508 (1893). 68 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. tägiges Aufbewahren sowie bei höherer Temperatur (65, 100, 140°) in 10—20-stündiger Erwärmungsdauer einwirken lassen. Die Stoffe wurden in Glasröhren eingefüllt, welche vorher in einer Mischung von Kohlendioxydschnee und Aceton abgekühlt waren, wodurch die Zugabe des Kohlendioxyds in Form gepresster Pillen aus Kohlen- - dioxydschnee ermöglicht wurde; das Zuschmelzen erfolgte noch im der Kältemischung. Die früher angewandte Prüfung auf Ameisen- säure mit Mercurichlorid erwies sich dabei als unsicher, und auch in blinden Versuchen trat manchmal Reaktion ein. Deshalb wurde jetzt jeweilen nach Beendigung des Versuchs der Röhreninhalt in ein Kölbehen gespült, dort nach dem Ansäuern mit verdünnter Schwefel- säure mehrere Stunden am Rückfluss gekocht zur Verseifung des allfällig vorhandenen Formamids, und endlich nach Zusatz von mehr Wasser aus sauerer Lösung abdestilliert. Ameisensäure hätte sich im Destillat durch die saure Reaktion (die bei Kontrollversuchen noch mit 0.05 pro Mille HOOOH eintrat) bemerkbar machen müssen; ausserdem wurde mit Mercurichlorid und mit Kaliumpermanganat auf Reduktionskraft geprüft. Nie konnte saure Reaktion des Destil- lats, und nur in einzelnen Versuchen unsichere Zeichen von Reduk- tionsvermögen festgestellt werden. Tabelle I. Ver- | Erhitzungs- er CO, |NH,.OH Sonstige Zugaben cher grad und No Temp: -dauer 1 |22er| 0.33 gr — 11 Tage hr ANA NOR — JTE 10 Std., 650 3.122 OS SR OMIS STAR © MN 2 0 EC 00 4 |99 , | 033 , | 0.96 (NH )CO; Tele — 5 |22 , | 033 , |0.96 (NH,)2CO,, 0.18 H0 ale > = 6 |22 , | 0.33 , |0.96 (NH,)CO;,,018 H0 14 „ 20Std. 650 7 22272 NO SSID PNA COS ROMSEHEO LES — 822 72220080 DER 13162 ELU AOL, — 92 1222277 RO SSP RICE © |33 „ |21Std., 650 JON) 2 NO SSI ES OH O BSR — 1122.20 709337, DE92ENE)2 033.650, SS =- 12 2 „| 033 , |09 HO BI == (EE PO OS (NE) COS panO Std, 140? 14 — 0.5 „ | 1.0 gr (NH,)COz 22021020) 15 u Os) „| 1.0Fer(NEN)2COR = 1F8reraH, 02 are O0) 16 — OS AND er) (NE2)C03, 1:87 2222, 09) HO ON 2 0 OO 17 — 0.5 , | 0.84 gr NaliCO, SUR ADS" 130% | Bildung von Harnstoff aus Ammoniumearbonat. 69 Im Verlauf dieser mühevollen und durchaus negativen Arbeit, bei der ausserdem manches Rohr durch Explosion verloren ging, machten wir mehrfach die Beobachtung, dass Kohlendioxyd und Hydroxylamin miteinander zu reagieren vermögen. In der Literatur findet sich darüber eine kurze Notiz: „OO, und CS, werden von Hydroxylamin in grosser Menge unter geringer Erwärmung absor- biert, unter Bildung flüssiger Verbindungen, die auch bei — 10° nicht erstarren‘.?) Leitet man in D gr reines geschmolzenes Hydroxylamin mit Schwefelsäure getrocknetes Kohlendioxydgas, solange noch etwas ver- schluckt wird, so beobachtet man ziemlich erhebliche Erwärmung, weshalb mit Eis gekühlt wurde. Die Masse wird immer dickflüssiger und hält eine Menge Gasbläschen zurück: sie verflüchtigt sich all- mählich beim Stehenbleiben, und kann nur in geschlossenen oder zu- seschmolzenen Gefässen aufbewahrt werden, wobei sie sich nach wenigen Tagen unter Zerfliessen zersetzt. Die Kohlendioxydbestimmungen wurden im Bunsen’schen Ap- parat durchgeführt: sie ergeben unmittelber nach der Darstellung zu hohe Werte, weil das zähe Öl die unabsorbierten Blasen hartnäckig einschliesst. Die Bestimmung des Hydroxylamins gelingt alkali- metrisch mit Salzsäure und Methylorange, oder jodometrisch nach Haga.10) I. 0.5602 gr frisch dargestellte Substanz gaben 0.1450 gr CO. I. 0.5817 gr einen Tag alte Substanz gaben 0.1335 gr CO. IT. 0.4453 gr frisch dargestellte Substanz verbrauchten 17.0 ccm 0.5-normale Salzsäure. IV. 0.7640 gr einen Tag alte Substanz verbrauchten 30.1 ccm 0.5-normale Salzsäure. V. 0.1382 gr frisch dargestellte Substanz verbrauchten 56.2 ccm einer 0.09531-normalen Jodlösung. (NE, : OH), : H,CO, Gefunden Berechnet I II III IV V CO, 22.63% 25.85 22.950) — — — NH, : OH 68.11° — —_ 63.18 65.20 64.030, Verhältnis CO, : NH, - OH 1:4 li : 3.18 Es liegt demnach ein allerdings nicht ganz reines, einem häufig - bei Hydroxylaminsalzen vorkommenden Formeltypus entsprechendes 9) Gmelin-Kraut-Friedheim, Hdb. d. Anorg. Chem., 7. Aufl, Band I, 1, 235 (1907). 19) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 20, Ref. 802 (1887). 70 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. Di-Hydroxylamin-Carbonat (NH, - OH), : H,CO, vor; zu seiner Bil- dung aus Hydroxylamin und Kohlendioxyd ist Wasser notwendig, das infolge der Zerfliesslichkeit des Hydroxylamins trotz der ange- wandten Vorkehrungen zur Trocknung der Reagentien angezogen worden ist. Löst man die frisch dargestellte Hydroxylaminbase in absolutem Aethylalkohol und behandelt dann in der Kältemischung mit ge- trocknetem Kohlendioxyd, so entsteht ein kristallisiertes, harte Nadeln und Prismen bildendes Reaktionsprodukt. Offenbar ist die Möglich- keit zur Aufnahme von Wasser unter diesen Umständen beschränkter. In Glasröhrchen eingeschmolzen ist das zweite Salz einige Monate unverändert haltbar. Offen aufbewahrt, verflüchtigt es sich. I. 0.8531 gr Substanz lieferten 0.2500 gr CO,. IT. 0.6862 gr Substanz lieferten 0.2034 er CO,. III. 0.1254 gr Substanz verbrauchten 25.6 cem 0.09946-normaler Salzsäure. IV. 0.0960 or Substanz verbrauchten 19.65 cem 0.09946-normaler Salzsäure. NH - OH — COOH : 2 NH, : OH Gefunden Berechnet I Il IT IV CO, 30.70°% 29.80 29.49% — — NE, - OH 69.30% — — 67.21 67.38%) Verhältnis CO, : NE, - OH 1:3 1 : 3.03 Die Substanz enthält noch etwas anhaftenden Alkohol, aber es kann doch kaum zweifelhaft sein, dass sie ein dem Ammoniumcar- baminat entsprechendes Di-Hydroxylaminsalz der Oxycarbaminsäure darstellt, entsprechend der Formel H 10) Ho/N - Cox. 2 NH, . OH und entstanden durch direkten Zusammentritt der wasserfreien Kom- ponenten. Die das Verhältnis 1 CO,:3 NH,-OH ebenfalls befriedigende Formel 3 NH,-OH -H,CO,, welche an das Tri-Hydroxylamin-di- chlorhydrat 3 NE, : OH : 2? HCl erinnern würde, verlangt 27: 31%), CO,, 61 : 510/, NE, - OH und 11 : 18°%/, H,O und erscheint nament- lich wegen des hohen Wassergehaltes (die Summe der gefundenen Werte für NH, : OH und CO, differiert nur um 8.30/, gegen 100) ausgeschlossen. Aus der Natur der beiden, durch die Einwirkung von Kohlen- dioxyd auf Hydroxylamin erhaltenen Produkte muss man den Schluss Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcarbonat. 11 ziehen, dass Hydroxylamin genau wie Ammoniak einfach als Base und nicht als Reduktionsmittel mit Kohlendioxyd reagiert. Wir haben dann noch das kristallisierte trockene Di-Hydroxyl- amınsalz der Oxycarbaminsäure im Einschmelzrohr auf 120—1309 erhitzt. Dabei liess sich jedoch, ebenso wie in den früheren Versuchen, nıemals Formamid oder Ameisensäure nachweisen, sondern es trat die bekannte Zersetzung des Hydroxylamins ein, das Rohr enthielt Nadeln von Ammoniumcarbonat, alkalisch reagierendes Wasser, und Stickstoff, der beim Öffnen mit Gewalt entwich. 3. Beweis, dass die elektrolytische Harnstoffbildung nur im Anodenraum verläuft (Dr. Steiger). Nach den Ergebnissen des vorigen Abschnitts müssen wir die früher aufgestellte Hypothese, das Hydroxylamin sei imstande, Am- moniumearbaminat zu Formamid zu reduzieren, fallen lassen. Nun erhebt sich aber von neuem die Schwierigkeit, die wir eben durch jene Hypothese zu überbrücken suchten, dass nämlich Harn- stoff an der Anode durch Oxydation von ammoniakhaltiger Am- moniumcarbaminatlösung sich bildet, obschon Ausgangsmaterial und Produkt demselben Oxydationsgrad entsprechen. Es war jetzt nochmals genau zu prüfen, ob die zum Verständnis notwendige Reduktion vielleicht an der Kathode verlaufen könne. Man hat früher die elektrolytische Reduzierbarkeit der Kohlensäure wohl zu niedrig eingeschätzt. A. Coehn und St. Jahn!!) einerseits, und À. Ehrenfeld.12) andrerseits gaben an, dass die Reduktion von Bicarbonat zu Formiat nur an amalgamierten Zinkkathoden eintrete. Einer neueren Untersuchung von Franz Fischer und O. Prziza 13) ist aber zu entnehmen, dass unter gewissen Vorsichtsmassregeln auch Bleikathoden verwendbar sind, und dass unter CO,-Druck die Re- aktion geradezu in präparativem Masstab verläuft. Darum führten wir neue Versuche zur elektrolytischen Harn- stoffbildung unter möglichst wirksamer Trennung von Kathoden- und Anodenraum durch. Das Elektrolysiergefäss besass einen recht- eckigen Grundriss mit abgerundeten Enden, und enthielt zwei Ton- zellen, zum Einschluss der Kathode sowohl als der Anode: es wurde von aussen mit Eis abgekühlt, und enthielt ausserdem zwischen den beiden Tonzellen eine von Leitungswasser durchflossene Glasschlange. Die Kathodentonzelle war oben offen, als Kathode diente eine wasserdurchströmte Bleischlange. 1) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 37, 2836 (1904). 12) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 38, 4138 (1905). 13) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 47, 256 (1914). 72 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. Die Anodentonzelle war durch einen fünffach durchbohrten, paraffinierten Kork verschlossen. Sie enthielt als Anode ein Platin- U-Rohr von 4.85 mm Durchmesser und 160mm Gesamtlänge, durch Gummistopfen mit Glasröhren verbunden, von kaltem Wasser durch- flossen, und durch einen von oben her ins Innere geführten Kupfer- draht an die elektrische Leitung angeschlossen. Die dritte Bohrung des Stopfens trug ein Thermometer, während die vierte und fünfte zwei Glasröhren aufnahmen, mit Hilfe deren eine Zirkulation der Anodenlösung möglich wurde. Ein grösserer Vorrat der letzteren be- fand sich in einem hochstehenden Reservoir, floss von dort in ein mit Eiskochsalzmischung gekühltes Sättigungsgefäss, in welches fort- während Ammoniakgas eingeleitet wurde, und gelangte dann durch eine in Eis gebettete gläserne Kühlschlange auf den Grund der Anodenzelle. Die Ableitungsröhre entnahm die warm gewordene Anodenlösung dicht unter dem Stopfen und führte sie in eine Flasche, aus der sie mit Hilfe von Druckluft wieder in das Hochreservoir gehoben wurde. Die Einrichtung erlaubte die Aufrechterhaltung tiefer Temperatur und hoher Konzentration an Ammoniak in der Anodenflüssigkeit, was die Harnstoffbildung günstig beeinflusst. Kathodenraum, Trog und Anodenraumzirkulationssystem enthielten dieselbe Lösung, das auch früher stets verwandte ,,Carbaminat-Am- moniak“, hergestellt durch Eintragen von käuflichem festem Am- moniumcarbonat in konzentriertes Ammoniak und Sättigen mit Ammoniakgas, solange sich noch etwas von dem festen Salz oder von dem Gas löst. Eine solche Lösung enthält etwa 8 Val CO, und 16-17 Val NH, im Liter. Es wurden 100 Amperestunden durchgesandt; die Stromdichte an der Anode betrug 0.29—0.37 Amp/qem, die Temperatur im Anodenraum 18—220, Um der Diffusion vorzubeugen, wurden die Zellen während der Ruhepausen stets entleert; die Kathodenflüssig- keit wurde mehrmals erneuert, um den durch Abwanderung der Carbonatanionen anwachsenden Widerstand wieder herabzusetzen. Die Anodenflüssigkeit wurde nach 50 Amperestunden ebenfalls durch frische Lösung ersetzt, damit nicht der schon entstandene Harnstoff wieder zerstört werde. Nach Beendigung des Versuches wurden Anolyt, Trogflüssigkeit und Katholyt gesondert eingedampft und der vorhandene Harnstoff mit Xanthydrol nach der im nächsten Kapitel behandelten Analysen- methode bestimmt. Es fanden sich Inder Anodenlosunes ur PO GS lger. in der Trogflüssiskeit. . . . . . 0.0055 gr in der Kathodenlösung . . . . . 0.0008 gr. Bildung von Harnstoff aus Ammoniumearbonat. 73 Demnach ist nur die Anode an der Harnstoffbildung beteiligt: an der Kathode fand sich aber auch keine Spur eines Reduktionsproduktes wie Ameisensäure oder Formamid, was auch mit den Angaben von F.Fischer und O.Prziza harmoniert, denn nach ihnen kann man an Bleikathoden Kohlendioxyd reduzieren nur wenn überhaupt kein Platin im Apparat vorhanden ist, also sicherlich nicht bei Anwendung einer Platinanode. 4. Verbesserungen in der Harnstoffbestimmung (Dr. Steiger). Die klassische Harnstofftitration mit Merkurinitrat nach Liebig gibt nur dann gute Resultate, wenn die Harnstoffmengen nicht allzugering sind ; sie verlangt ausserdem Abwesenheit von Am- moniumsalzen. Die letzte Forderung ist nun in unserem Falle be- sonders lästig, denn bei der elektrolytischen Oxydation von Car- baminat-Ammoniak entsteht jedesmal Ammoniumnitrat, und man kann nur durch wiederholtes Eindampfen mit Baryumcarbonat das Ammoniak verjagen und den alkohollöslichen Harnstoff vom alkohol- unlöslichen Baryumnitrat trennen; diese Operation aber bringt Ver- luste an Harnstoff mit sich. Nun hat in den letzten Jahren R. Fosse gezeigt, dass eine methyl- alkoholische Lösung von Xanthydrol, C;,H,90> H OH € Se Ô in einer mit dem doppelten Volumen Eisessig versetzten, wässrigen Harnstofflösung (mit 1 pro Mille Gehalt) einen kristallinischen Niederschlag von Di-Xanthyl-Harnstoff O0 Nm co Leo ausscheidet, dessen Fällung nach ca. 1 Stunde vollständig ist.!*) Man saugt die feinen kristallinen Flôckchen auf gehärtetem Filter ab, wäscht gründlich mit absolutem Methylalkohol, trocknet im Dampf- trockenschrank, und kann dann leicht den Niederschlag quantitativ auf ein tariertes Uhrglas bringen und so wägen. Die neue Methode leistet ebenso gute Dienste für den qualitativen Nachweis wie für die quantitative Bestimmung kleinster Harnstoff- mengen; der Niederschlag ist sieben mal so schwer (Mol. — gew. 420 : 32) als der zu wägende Harnstoff (Mol. — gew. 60 : 06). 14) Comptes Rendus de l’Acad. des Sciences Paris 145, 813 (1907); 157, 948 (1913); 158, 1076 (1914); 158, 1432 (1914); 159, 253 (1914). 74 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. Die Gegenwart von Ammoniumsalzen, speziell des für uns in Betracht kommenden Ammoniumnitrats ändert nichts an der Richtig- keit der gravimetrischen Resultate, wie folgende Vergleichsversuche zeigen: I. 0.0656 gr Harnstoff ernten 0.4531 gr Dixanthylharnstoff ent- sprechend 0.648 gr. II. 0.0656 gr Harnstoff versetzt mit 0.2 gr nn, lieferten 0.4554 gr Dixanthylharnstoff di 0.651 gr. Der Dixanthylharnstoff lässt sich ausserdem identifizieren durch Umkristallisieren aus siedendem Pyridin, und durch seinen Schmelz- punkt 261° (unter Zersetzung). Endlich ist es möglich, den Dixanthylharnstoff mit alkoholischer Salzsäure wieder zu spalten und so den Harnstoff selbst noch durch andere Reagentien nachzuweisen. Nach unserer Erfahrung führt fol- gende Verseifungsmethode zum Ziel. Der Dixanthylharnstoff wird mit wenig (10 cem auf 0.5 gr) 2-normaler alkoholischer Salzsäure am Rückflusskühler erwärmt, wobei intensive Dunkelgrünfärbung (Xanthoxoniumsalz) 15) und völlige Lösung eintritt. Beim Versetzen mit Wasser scheidet sich das abgespaltene Xanthydrol aus und ballt sich allmählich zu gelblichen Klumpen zusammen. Das Filtrat ent- hält immer noch etwas Xanthydrol: es wird in der Platinschale trocken gedampft (erneute Grünfärbung), mit Wasser aufgenommen, mit Baryumhydroxyd bis zur alkalischen Reaktion versetzt, dann mit Kohlendioxyd gefällt, aufgekocht und abfiltriert. Das Filtrat ent- hält Harnstoff und Baryumchlorid und wird nach dem Eindampfen mit Hilfe von Alkohol getrennt. Zur völligen Reinigung ver- wandelten wir den Harnstoff mit konzentrierter Salpetersäure ins Nitrat, brachten dasselbe auf Tontellerstückchen, bis die Kristalle rein weiss erschienen und zersetzten dann wieder mit Baryum- hydroxyd. So gelang es leicht, prachtvoll kristallisierten, lange Nadeln bildenden Harnstoff vom richtigen Schmelzpunkt zu erhalten. 5. Bildung von Harnstoff aus Carbaminat-Ammoniak mit Hilfe von Hydroperoxyd und von Permanganaten (Dr. Steiger). Wir haben im dritten Kapitel, in völliger Übereinstimmung mit allen unseren früheren Versuchen, bewiesen, dass die elektro- chemische Harnstoffbildung ausschliesslich an der Anode verläuft. Wenn es sich dabei um eine Oxydationsreaktion handelt, so ist nicht einzusehen, warum gerade nur die Anode den Oxydationsprozess be- wirken sollte. Darum versuchten wir die Durchführung desselben 15) A. Werner, Ber. d. deutsch. chem. Ges. 34, 3300 (1901); Gomberg und Cone, Annalen d. Chemie 376, 188 (1910). Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcarbonat. 75 mit anderen, rein chemischen Oxydationsmitteln, und zwar speziell mit solchen, die erfahrungsgemäss ähnliche Effekte wie die Anoden- wirkung ergeben; wir wählten in erster Linie das Hydroperoxyd in Form von 30-prozentigem „Perhydrol“ von E. Merck. 200 cem Carbaminat-Ammoniak wurden im Verlauf einer Woche ganz allmählich mit 200cem Perhydrol versetzt, indem jeweilen ein cem des Reagens tropfenweise zugegeben, und dann die Beendigung der Gasentwicklung abgewartet wurde. Diese Vorsichtsmassregel schien uns notwendig, um die Verhältnisse der elektrolytischen Oxy- dation mit ihrem allmählichen Verlauf möglichst nachzuahmen, und um stärkerer Erwärmung der Lösung vorzubeugen, weil dabei der Ammoniakgehalt heruntergeht. In der Oxydationsflüssigkeit liess sich Nitrit nachweisen, und nach dem Eindampfen hivterblieben 3.6 gr eines gelblichen, haupt- sächlich aus Ammoniumnitrat bestehenden Rückstandes, der 0.022 gr Harnstoff (nach Fosse bestimmt.) enthielt. Der positive Erfolg dieses ersten Versuches ermutigte uns zu weiteren Experimenten in derselben Richtung, indem wir das kost- spielige Perhydrol durch Calciumpermanganat ersetzten. Eine kalt- gesättigte Lösung des Salzes befand sich in einem Tropftrichter, ‘ dessen Hals durch einen Stopfen mit feiner Glaskapillare verschlossen war, so dass die Permanganatlösung nach Massgabe des Luftzutritts trotz ganz geöffneten Hahns nur langsam abtropfte. Die Carbaminat- Ammoniaklösung war mit Eis abgekühlt und wurde fortwährend mit einem mechanisch angetriebenen Rührer durchgemischt; ausserdem wurde durch Einleiten von Ammoniakgas die Konzentration an freiem Ammoniak aufrecht erhalten. Das Permanganat wird ver- braucht, und gleichzeitig scheidet sich ein dicker Niederschlag von Calciummanganit ab. Man saugt ab, wäscht den Niederschlag durch viermaliges Dekantieren mit viel siedendem Wasser, dampft ein und bestimmt in dem viel Ammoniumnitrat enthaltenden Rückstand den Harnstoff mit Xanthydrol. ab e entr Carbaminat- Calciumper- | Versuchs- x 5 Ammoniak man at dauer | essen! | Hamnstoi | | 400 cem 174 or 2. Tage 9.3 er 0.0078 gr | 200 „ 13055, 2 n 86 „ 0.025257 200 „ | IN) Incl à DU 0028 200 , | 120 , 1ÉPARS HO) 0.024 , 200 , | 120 1 5 TOO 0.024 „ 200 „ | 120 , [Dell 5 SU 0.022 , 200 | 120 , 4 = 5.057, 0.034 , 76 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. Wir können also regelmässig durch Oxydation von Carbaminat- Ammoniak mit Calciumpermanganat kleine Mengen von Harnstoff erzeugen ; die Ausbeuten sind freilich sehr niedrig, aber mit Hilfe der Fosse’schen Methode bequem messbar. Die Erklärung dieser Harnstoffbildung auf chemischem Weg bietet genau dieselbe Schwierigkeit wie die Erklärung der anodischen Harnstoffbildung: man versteht nicht, wieso der Harnstoff durch einen Oxydationsprozess aus dem Carbaminat hervorgehen kann, ob- schon beide Körper derselben Oxydationsstufe entsprechen. Der Erfolg unserer Harnstoffbildung aus Carbaminat in am- moniakalischer Lösung mit Permanganat veranlasst uns noch zu einer Warnung bezüglich der Anstellung ähnlicher Versuche, wo aller- hand organische Körper in ammoniakalischer Lösung mit Perman- ganat oxydiert und auf die Möglichkeit der Bildung von Harn- stoff untersucht werden. Sind dabei die Harnstoffausbeuten gering und nur mit Xanthydrol nachweisbar, so kann ebenso gut das aus dem organischen Stoff durch endgiltige Oxydation entstandene Kohlen- dioxyd bezw. das ihm entsprechende Ammonium-Carbonat oder-Car- baminat, als irgend eine Zwischenstufe des Abbaus für die Harnstoff- bildung verantwortlich gemacht werden. Eppinger, der in diesem Sinne experimentierte, hat offenbar den Fehler vermieden, denn er erhielt nicht wahllos mit jedem organischen Ausgangsmaterial posi- tive Resultate. 6. Bildung von Harnstoff aus Ammonium-Carbaminat bezw. -Carbonat bei Gegenwart von überschüssigem Ammoniak durch Ozon (Dr. Steiger, Dr. Stanisch). Von allen energischen Oxydationsmitteln weitaus das bequemste ist das Ozon, weil der nicht verbrauchte Überschuss unmittelbar aus der Lösung entweicht, und weil im Verlauf der Reaktion keine Neben- produkte ausser etwas Wasser entstehen. In der Tat erwies sich auch das Ozon als das brauchbarste Reagens für unsere Versuche, umso- mehr, als seine Beschaffung durch die vom Krieg bedingte Preis- steigerung und Knappheit der meisten chemischen Präparate nicht beeinflusst wird. Die Versuchsanordnung wurde in folgender Weise variiert: 1. Einleiten von ozonisiertem Sauerstoff in eine Carbaminat-A m- moniaklösung, Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcarbonat. 77 {80} . Überleiten von ozonisiertem Sauerstoff über gepulvertes käuf- liches Ammoniumcarbonat. 3. Zusammenleiten von ozonisiertem Sauerstoff mit Ammoniak und Kohlendioxyd. Stets trat die Bildung von Harnstoff in regelmässiger Weise ein. Bei allen Versuchen ist starke Erwärmung festzustellen, die z. B. in einer Schicht von trockenem Ammoniumcarbonat langsam weiter- schreitet, während sich gleichzeitig Wassertröpfchen zeigen. Das Reaktionsprodukt enthält stets grosse Mengen von Ammoniumnitrat, so dass der beim Eindampfen erhaltene, nicht flüchtige Rückstand sewöhnlich mehrere Gramm schwer ist. Als Belege greifen wir einzelne Versuche aus den Serien heraus. 1. 100 cem Carbaminat-Ammoniak wurden in einem zylindrischen, mit Glasscherben gefüllten Gefäss während 6 Tagen mit Ozon be- handelt, wobei die Temperatur durch äussere Kühlung unter 20° gehalten und die Lösung fortwährend mit Ammoniakgas ge- sättigt wurde. Der Eindampfrückstand betrug 4gr, der Harn- stoff darin nach Fosse bestimmt 0.0198 gr. (0) . Ein Glasrohr von ca. 60 cm Länge und 2 cm Durchmesser wurde mit gepulvertem käuflichem Ammoniumcarbonat beschickt, das Salz zunächst durch Ansaugen von Wasserdampf etwas be- feuchtet, und dann während 10!/, Stunden mit einem raschen Ozonstrom behandelt. Nach dem Herauslösen und Eindampfen blieben 5.2 gr Rückstand mit 0.0338 gr Harnstoff. . In eine 5 Liter fassende, zweifach tubulierte Glaskugel wurden von der einen Seite Ozon und Kohlendioxyd und von der andern Seite Ammoniak eingeleitet. Auf derselben Seite, wo das Am- moniakgas eintrat, befand sich ein Ableitungsrohr, das in einen srossen Glaszylinder führte, in welchem sich noch ein Rest von festem Kondensät absetzte. Nach 15-stündigem Betrieb wurde das Kondensat von den Glaswänden abgespült, und gab beim Eindampfen 2.0 gr Rückstand mit 0.049 gr Harnstoff. Q2 Die Abhängigkeit der Harnstoffausbeute von der Ammoniak- konzentration in der Uarbaminat-Ammoniaklösung und von der Temperatur geht aus folgender systematischer Versuchsserie hervor; -es wurde dabei gleichzeitig mit dem Ozonstrom auch Ammoniakgas eingeleitet, um die Sättigung an letzterem aufrecht zu erhalten. Beim ersten Versuch lagen die Konzentrationen unter der Grenze der Reaktionsfähigkeit. 78 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. Naoelllle IDDE Je 100 cem Carbaminat-Ammoniaklösung. | Ozon entsprechend | Ammoniakgas | ccm 0.1-norm. Liter per Temperatur | Rückstand Harnstoff Jodlösung Stunde (950 langsam 10 0.024 — (2) 4026 12 40 . 1.30 0.0080 (3) 4026 12 19 1.60 0.0088 (4) 4026 32 60 1.25 0 0091 (5) 4026 32 20 1.28 0.0101 (6) 4026 32 — 40 1.50 0.0073 Die höhere Ammoniakkonzentration in den drei letzten Ver- suchen hat bei 4 und 5 ‘den Effekt einer höheren Ausbeute, nur bei 6 ist die Temperatur offenbar allzuniedrig, sodass zwar die Bil- dung von Ammoniumnitrat (Rückstand) begünstigt, diejenige von Harnstoff aber herabgesetzt wurde. Eine gewisse Temperaturernied- rigung wirkt indes fördernd, wie der Vergleich der Versuchspaare 2,3 und 4, 5 lehrt. Die Messung der Gasströme bei dieser Serie geschah mit Hilfe eines selbst konstruierten und selbst geeichten einfachen ,,Capo- messers‘.16) Um die Beweiskraft der im Vorstehenden beschriebenen Versuche zu stützen, möchten wir nicht unterlassen, zu betonen, dass wir das als Ausgangsmaterial dienende käufliche Ammoniumcarbonat sowie das daraus dargestellte Carbaminat-Ammoniak immer wieder auf einen allfällig schon vorhandenen Gehalt an Harnstoff geprüft haben, ohne indes auch nur Spuren davon nachweisen zu können. Ferner wurde der in den Versuchen entstandene Harnstoff nicht nur in Form seiner Dixanthylverbindung gewogen, sondern auch nach dem im vierten Kapitel beschriebenen Verfahren wieder daraus isoliert und durch seine sonstigen Eigenschaften und Reaktionen geprüft (mikro- skopisches Bild der Harnstoffkristalle, des Harnstoffnitrats, des Harnstoffoxalats; Schmelzpunkt des Harnstoffs; Reaktion mit Mercurinitrat und mit „Methylfuril“ nach H.J.H. Fenton).!') Wir haben unseres Erachtens die notwendige Kritik walten lassen, um mit voller Überzeugung den Schluss auszusprechen: Harnstoff ent- 16) L. Ubbelohde und M. Hofsäss, Journ. f. Gasbeleuchtung 55, 557 (1912); Zeitschr. f. Elektrochemie 19, 32 (1915). 17) Journal of the Chemical Society London 83, 187 (1903). Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcearbonat. 79 steht durch elektrochemische oder durch chemische Oxydation aus konzentrierten, ammoniakreichen Lösungen von Ammoniumcarbonat bezw. Ammoniumcarbaminat. 7. Neue Hypothese über die Bildung des Harnstoffs durch Oxydation von ammoniakalischen Ammoniumcarbaminatlösungen. Eine Oxydation von Ammoniumcarbaminat oder Ammonium- carbonat zu Harnstoff ist unmöglich ; die drei Körper unterscheiden sich durch ihren Wassergehalt, nicht aber durch ihren Oxydationsgrad voneinander. Wenn also Harnstoff bei der Oxydation von Carbaminat-Am- moniak entsteht, so ist die Oxydation nicht mit der Harnstoff bil- denden Reaktion identisch, sondern es handelt sich um zwei ver- schiedene, aber miteinander verknüpfte Vorgänge. Oxydiert wird stets das Ammoniak und das Produkt dieser Oxy- dation ist Ammoniumnitrat. Durch den Vorgang wird Wärme er- zeugt; das lehrt die unmittelbare Beobachtung, und das wird auch belegt durch die bei allen Versuchen als notwendig empfundene Küh- lung (wasserdurchflossene Platinanode bei den elektrochemischen, äussere Abkühlungsmittel bei den chemischen Oxydationen). Die erzeugte Temperaturerhöhung aber ist imstande, aus dem gelösten Ammoniumcarbaminat oder Ammoniumcarbonat Harnstoff zu bilden. F.Fichter und Bernhard Becker!8) haben vor 5 Jahren gezeigt, dass die zuerst von A. Basaroff,!?) dann von L. Bourgeois?!) untersuchte Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcarbaminat einem chemischen Gleichgewicht entspricht, und dass selbst in Mischungen von 1 Mol Harnstoff mit 6 Mol Wasser bei 135° nach 48 Stunden noch 2°/, Harnstoff unzersetzt blieben, oder also dass in Mischungen von 1 Mol Ammoniumcarbaminat mit 5 Mol Wasser nach der ange- gebenen Erhitzungsdauer 2°/, der möglichen Harnstoffmenge ent- stehen müssten. Überschlagen wir einmal aufdiesen Grundlagen, ob die Reaktions- wärme der Ammoniumnitratbildung, die Konzentration der verwen- deten Carbaminat-Ammoniaklösung und die tatsächlich erzielte Harn- stoffausbeute sich ungefähr mit jenen älteren Versuchen in Einklang bringen lassen. Nach den Tabellen von Landolt-Bürnstein-Roth?1) beträgt die Bildungswärme von Ammoniumnitrat nach 18) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 44, 3473 (1911). 19) Jo a f. prakt. Chemie (2) 1, 283 (1870). ) Bulletin de la Soc. chim. de France (5) 17, 474 (1897). ) 4. Auflage 1912, Tabellen 188, 189, 191. 20 21 80 Fr. Fichter, H. Steiger und Th, Stanisch. 2N+4H+30=NH,-NO,- 88.05 Cal. Da wir in Lösung arbeiten, ist die negative Lösungswärme — 6.2 Cal. des Ammoniumnitrats zu berücksichtigen : 88.05 — 6.2 = 81.85 Cal. Nun geht obige Bildungsgleichung von freiem Stickstoff, wir aber von Ammoniak aus; wir haben also die Bildungswärme der von uns zerstörten Ammoniakmolekel sowohl als die Bildungswärme der schon vorhandenen, in obiger Gleichung aber als erst entstehend ange- nommenen Ammoniakmolekel abzuziehen, oder da N+3H=NBH, selöst + 20.32 Cal., haben wir zweimal 20.32 — 40.64 Cal. abzuziehen: 81.85 — 40.64 —41.21 Cal. Nach unserer Oxydationsgleichung entsteht aber eine Molekel Wasser, deren Bildungswärme in flüs- sigem Zustand — 68.36 Cal. obigem Wert zuzuzählen ist, sodass sich als Endwert ergibt: 2 NH, gelöst + 40 = NH, : NO; gelöst + H,0- 109.57 Cal. Für je 1 Mol — 80.052 gr erzeugtes Ammoniumnitrat werden somit 109.6 Cal. frei. Wir fanden nun beispielsweise in einem mit Ozon ausgeführten Oxydationsversuch im Produkt 0.0109 gr Harnstoff und 1.4 gr Ammoniumnitrat. Dieser Menge entsprechen 1.91 Cal., die ihrerseits imstande wären, 1.91 Kilo Wasser um 1°, oder 14.1 ccm Wasser von 09 auf 1350 zu erwärmen; wir nehmen dabei die von Bernhard. Becker angewandte Temperatur als notwendig an. In Wirk- lichkeit gestaltet sich die Rechnung etwas günstiger, weil die kon- zentrierte Carbaminat-Ammoniaklôsung höchst wahrscheinlich eine niedrigere spezifische Wärme besitzt als reines Wasser; Bestim- mungen derselben fehlen. Nach häufig ausgeführten Analysen??) enthält die mit Am- moniumcarbonat und mit Ammoniakgas gesättigte Lösung von Car- baminat-Ammoniak 7—7.95 Val CO, und 16.9—-19 Val NH, im Liter. Ein Liter derselben setzt sich also zusammen aus _ 7 Val CO, = 7 mal ‘ 44.005= 154.02 gr 17 Val NH,=17 mal 17.034— 289.58 or Wasser Dora pe 1010.7 er, wobei das spezifische Gewicht bei 13.50 mit 1.0107 zugrunde ge- legt ist. Durch Verbindung von 7 Val CO, mit 7 Val NH, zu Am- moniumcarbaminat besitzt diese Lösung einen Gehalt von 273.26 gr 22) C. Stutz, Diss. Basel 1911, S.14; G. Oesterheld, Diss. Basel 1914, S. 115. Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcarbonat. - 8l NH, - COO - NH,, neben 10 Val = 170.34 gr freiem Ammoniak, _ und das Verhältnis von Ammoniumearbaminat zu Wasser beträgt in Molen fast genau 1 : 9. Bei dem höchsten von Becker angewandten Verhältnis 1 Mol NH, -COO :- NH, : 5 Mol H,O müsste die Aus- beute aus den 273.26 gr NH, : 000 : NH, betragen 4.2038 gr Harn- stoff, und aus den oben berechneten 14.1 cem mit 3.8529 gr NH, - COO :- NH, noch 0.059 gr Harnstoff, gegenüber den tatsächlich erhaltenen 0.0109 gr. Allerdings wird die prozentuale Ausbeute in- folge des ungünstigeren Verhältnisses von Wasser und Carbaminat niedriger sein als 20/,. Aber auf alle Fälle steht die erzielte Harn- stoffmenge der nach Gleichgewichtsreaktion zu erwartenden so nahe, dass die neue Hypothese als brauchbar und der näheren Prüfung würdig erscheint. Selbstverständlich würde sich die Rechnung wesentlich günstiger stellen, wenn schon eine niedrigere Temperatur als 135° zur Erzielung der Gleichgewichtsreaktion genügen würde. In der Tat ergaben einige Handversuche mit einer Carbaminat-Ammoniaklösung mit 258 gr NH, und 150 gr CO, im Liter, die in der von Bernhard Becker ver- wendeten verzinnten Stahlbombe?3) im elektrisch geheizten Ölbad je 48 Stunden lang erhitzt wurden, dass Ausbeuten in der Höhe der bei den chemischen Oxydationsversuchen erhaltenen sich schon bei 85° erzielen lassen, während Becker, dem die empfindliche Xanthydrol- methode noch nicht zur Verfügung stand, als untere Temperatur- grenze 1150 annahm. Es kamen jeweils 37 cem Lösung (die verzinnte Bombe wurde vollständig angefüllt) zur Anwendung. Tabelle IV. er Eindampfungs- Harnstoff nach der | a rückstand Xanthydrolmeth. 1000 0.0592 gr 0.0527 gr 950 0.0423 , OUEN 850 0.0178 , 0.0133 , 750 0.0048 „ VO 650 0.0040 , 0.0003 , Die 1.91 Cal. Reaktionswärme können 22.4 cem der Lösung von 0° auf 850 erwärmen; entspräche die Ausbeute derjenigen in der Bombe, wo 87 ccm 0.0133 gr ergaben, so wären 0.0081 gr zu erwarten, wäh- rend 0.0109 gr gefunden wurden. Die nahe Übereinstimmung stützt also wiederum die Brauchbarkeit der neuen Anschauung. 25) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 44, 3475 (1911). 82 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. Es darf dabei nicht unerwähnt bleiben, dass wir bei unseren Rechnungen bisher nur die Bildungswärme des Ammoniumpitrats in Betracht gezogen haben. Aus den von @. Oesterheld angegebenen Oxydationskurven nimmt aber bei Konzentrationen des Ammoniaks über 5 Val/Liter die Menge des Nitrats auf Kosten der Bildung von Nitrit und Hyponitrit ab, und bei 10 Val freiem Ammoniak im Liter (entsprechend unseren Lösungen) entstehen etwa 650%, NH,: NO, und 150%), (NH,)se' N°02 neben 201/, NH, : NO;. Da das Am- moniumnitrit zum Teil schon während des Oxydationsprozesses, zum Teil während der Aufarbeitung durch Zerfall in Stickstoff und Wasser sich der Bestimmung entzieht, so haben wir seine Menge bei unseren jetzigen Versuchen nicht gemessen, und ebenso seine Bil- dungswärme nicht in Betracht gezogen. Sie beträgt pro Mol 87.92 Cal., und fällt demnach sehr stark ins Gewicht. Die neue Hypothese verlangt folgende Vorstellung: Dort, wo der Tropfen des Hydroperoxyds oder des Permanganats, oder die Gasblase des Ozons mit dem Carbaminat-Ammoniak reagiert, ent- steht in engster örtlicher Beschränkung eine Temperatur in der un- gefähren Höhe von 80—100°%. Mit Hilfe des Thermometers lässt sich dies nicht konstatieren, im Gegenteil wird die mittlere Tem- peratur der Hauptmasse der Lösung sich durch Abkühlung niedrig einstellen lassen, und das hat sogar einen günstigen Effekt, weil dadurch die hohe Ammoniakkonzentration aufrecht erhalten bleibt. Die Temperatursteigerung erstreckt sich sozusagen nur auf molekulare Dimensionen, man könnte von „molekularer Heizung“ sprechen. Eine Harnstoffbildung in nachweisbarem Masse ist nur zu erwarten, wenn man die „molekulare Heizung‘ während längerer Zeit weiter- betreibt: darum haben J. T. Halsey?*) einerseits, und Fr. Gries- haber?>) andrerseits bei weniger vorsichtig geleiteten Oxydationsver- suchen aus Ammoniumcarbaminat mit Permanganat keinen Erfolg gehabt. Chr. Fr. Schoenbein schildert in einer „Denkschrift über das Ozon‘‘,26) dass er aus der Lösung, die bei der langsamen Oxydation von „mehreren Pfunden‘ Phosphor an feuchter Luft entstanden war, etwa 2 or Kaliumnitrat isoliert habe. Die Bildung der Salpetersäure ist doch wohl so zu erklären, dass der Luftstickstoff mit dem Luft- sauerstoff zunächst zu NO zusammentrat, und dass dann durch die bekannten, freiwillig verlaufenden weiteren Oxydationsprozesse schliesslich die höchste Oxydationsstufe erreicht wurde. Die Auffas- 24) Zeitschr. f. physiolog. Chem. 25, 325 (1898). 25) Diss. Basel 1912, S. 40—41. 26) Zur Einweihung des neuen Museums, Basel 1849. Bildung von Harnstoff aus Ammoniumearbonat. 83 sung Schoenbein’s, dass die Oxydation des Luftstickstoffs durch Ozon bewirkt werde, scheint nicht genügend begründet. Die Vereinigung von molekularem Stickstoff mit molekularem Sauerstoff verläuft in praktisch nachweisbarem Masstab nur bei sehr hohen Temperaturen, über 10000. Man muss also annehmen, dass am langsam sich oxy- dierenden, leuchtenden Phosphor mikrolokal ausserordentlich hohe Energiemengen auftreten, die mit dem Thermometer gar nicht nach- weisbar sind. Das Beispiel bietet keine volle Analogie mit unserer Reaktion, weil ein schroffes Temperaturgefälle in Gasen viel leichter verständlich ist als in wässrigen Flüssigkeiten. Dafür aber verlangt auch der Schoenbein’sche Versuch einen ganz enorm viel grösseren Temperaturunterschied. Am leichtesten kann man sich die elektrolytische Bildung des Harnstoffs vorstellen, denn die Annahme lokaler Temperatursteige- rungen an der Oberfläche einer arbeitenden Anode hat nichts be- fremdendes. Es gibt im Gebiet der elektrolytischen Oxydation or- ganischer Körper zahlreiche Beispiele von Reaktionen, die in vitro nur unter Wasserausschluss bei hoher Temperatur durchführbar sind, während sie an einer Anode in gekühlter wässriger Lösung verlaufen. Wir erinnern nur an die Acetamidinsynthese bei der elektrolytischen Oxydation von Alkohol in ammoniakalischer Lösung.??) Bei allen, den rein chemischen und den elektrochemischen Oxy- dationsversuchen, bringt die neue Hypothese den grossen Vorteil, dass sie die ausserordentlich niedrigen, in keinem Verhältnis zur ange- wandten Menge des Oxydationsmittels bezw. des elektrischen Stromes stehenden Ausbeuten verständlich macht. Die Notwendigkeit einer hohen Ammoniakkonzentration bei den Oxydationsversuchen erhellt aus drei Umständen. Erstens ist käuf- liches, bicarbonathaltiges Ammoniumcarbonat an sich in Wasser nicht sehr leicht löslich, sodass man genügenkd konzentrierte Lösungen erst durch Einleiten von Ammoniakgas unter Umwandlung in neutrales Ammoniumcarbonat bezw. Ammoniumcarbaminat erhält. Zweitens aber ist die „molekulare Heizung‘ bedingt durch eine reichlich ver- laufende Oxydation des Ammoniaks, diese ihrerseits jedoch ist von der Ammoniakkonzentration abhängig und verläuft nach den Mes- sungen von @. Oesterheld mit praktisch vollständiger Ausnützung des Anodensauerstoffs erst wenn die Konzentration an freiem Ammoniak mindestens 5 Val/Liter erreicht. Für die Wirkung des Permanganats, des Hydroperoxyds und des Ozons werden wohl ähnliche Bedingungen massgebend sein: daraus erklären sich die ziemlich widerspruchsvollen 27) Fichter, Zeitschr. f. Elektrochem. 18, 647 (1912); Verh. d. Naturf. Ges. Basel 23, 253 (1912). 84 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. Behauptungen der Autoren über die Oxydierbarkeit des Ammoniaks durch die genannten Mittel.28) Drittens ist die hohe Ammoniakkon- zentration notwendig, um die Oxydationswirkung vom entstandenen Harnstoff abzulenken, wie das aus den von Stutz mit fertigem Harn- stoff angestellten elektrolytischen Versuchen hervorgeht.??) Die neue Hypothese ist nach diesen Überlegungen brauchbar zur Erklärung der oxydativen Harnstoffbildung; sie auferlegt uns aber die Pflicht, die Gleichgewichtsverhältnisse bei der Bildung von Harn- stoff aus Ammoniumcarbaminat oder Ammoniumcarbonat bei Gegen- wart von Wasser einer erneuten Untersuchung zu unterziehen, wovon in den nächsten Kapiteln die Rede sein wird. 8. Das Wesen der Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcarbaminat (Dr. Stanisch). Seit A. Basaroff herrscht die Meinung, dass Ammoniumcar- baminat bei höherer Temperatur durch Wasserabspaltung in Harn- stoff übergehe. Diese, nach unseren üblichen Strukturformeln so einleuchtende Reaktion PO NH, NER C0 = (0 \NH, \NH, + H,O bedurfte augenscheinlich keiner besonderen Erklärung, und ist darum auch nie angezweifelt worden. Als vor einigen Jahren Bernhard Becker) im hiesigen Labora- torium die Basaroff'sche Reaktion ihrem Wesen nach als chemisches Gleichgewicht erkannte, bereitete ihm aber obige einfache Gleichung eine herbe Enttäuschung. Denn wenn man sie als Gleichgewicht schreibt, und die Anwendbarkeit des Massenwirkungsgesetzes prüft, so wird die nach 1) NH, - COO - NH, — CO(NH,), +H,0; Konz. CO(NE,), X Konz. H,O ee Konz. NH, : COO-NH, zu erwartende Konstante k, eben ganz und gar nicht konstant, sondern nimmt mit zunehmender Menge Wasser ab. 28) Gmelin-Kraut-Friedheim, Handb. d. Anorgan. Chem. I, 1, 220—221 (1907). 29) Verh. d. Naturf. Ges. Basel 23, 226 (1912). 30) Diss. Basel 1912. S. 21. Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcarbonat. 85 Tabelle V. Mol Mol unzersetzter k = Harnstoff Wasser Harnstoff, Mol-0/o 1 © 1 1 38.8 0.246 0.64 il 2 14.7 0.197 0.69 1 3 71 0.158 0.69 1 4 4.0 0.126 0.67 1 6 | 2.0 0.102 0.73 Zur Berechnung dienten uns die von Becker bei der Harnstoff- zersetzung erhaltenen Zahlen. Nennt man & die Anzahl Mole Harnstoff m die Anzahl Mole Wasser vor der Reaktion n die Anzahl Mole Ammoniumcarbaminat vor der Reaktion, so ergibt sich die Konstante nach der Formel en ; (n+x) in der für n=(, u Bee x wird. Aus dem Gang der Konstanten ist nur der Schluss möglich, dass das Wasser eigentlich stärker am Gleichgewicht beteiligt ist als die Gleichung: voraussehen lässt. Die Harnstoffzersetzung durch Wasser verläuft nun wie längst bekannt unter Bildung von Kohlendioxyd und Ammoniak, die sich ebensogut als Ammoniumcarbaminat wie als Am- moniumcarbonat kombinieren können. Bei letzterer Annahme würde das Gleichgewicht zu formulieren sein 2) NE), CO, eme CO NEN), 223,0 und die Massenwirkungsformel müsste lauten Konz. CO(NH,), X (Konz. H,O)?’ Konz. (NH,),CO, Der Berechnung nach diesem Ausdruck legen wir folgende An- nahmen zugrunde. Die Anzahl Mole unzersetzter Harnstoff ist analytisch bestimmt und wie oben durch (g—x) gegeben. Die An- zahl Mole freies Wasser wird der ursprünglich zugesetzten Molzahl proportional sein, sodass jene zur Rechnung benützt werden kann. Die Anzahl Mole Ammoniumearbonat endlich ist identisch mit der = 86 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. Anzahl Mole zersetzter Harnstoff und — x. So entsteht an Stelle obiger Zahlenreihe k, die zweite, daneben stehende k,, die allerdings auch noch keine völlige Konstanz aufweist (was durch die Versuchs- fehler genügend erklärt ist), aber doch erkennen lässt, dass offenbar eine dem Gleichgewicht 2) entsprechende Auffassung mit der Wahr- heit besser in Einklang steht als die frühere. Wenn bei den Versuchsanordnungen von Basaroff, von Bourgeois und von Becker Ammoniumcarbaminat als Ausgangsmaterial diente, so ist in Übereinstimmung mit Gleichung 2) vorauszusetzen, dass in erster Linie Ammoniumcarbaminat in Ammoniumcarbonat übergehen und erst letzteres dann sich in Harnstoff verwandeln werde; da die Beziehungen zwischen Ammoniumcarbaminat und Ammonium- carbonat nach den Forschungen von Fenton®!) ebenfalls als Gleich- gewicht aufzufassen sind, so haben wir es also im ganzen mit einem zusammengesetzten Gleichgewicht entsprechend 3), NH, : C0OO- NH, + H,0 = (NH,,CO, z CONE.), 2,0 zu tun, das auf den ersten Anblick, wenn man es auf die Bildung von Harnstoff hin prüft, geradezu jeder Vernunft Hohn spricht, in- sofern das dem Harnstoff nahestehende Carbaminat zuerst eine Molekel Wasser addieren müsste, um darauf zwei Molekeln Wasser abzuspalten ! In direktem Widerspruch zu 3) steht augenscheinlich die Fest- stellung von Fichter und Becker über die Bedeutung des Reaktions- volums für den Verlauf der Harnstoffbildung. Denn wenn man nur in mit Carbaminat angefüllten Gefässen gute Ausbeuten erhält, wäh- rend das gleiche Gewicht Carbaminat in einem grösseren Gefäss weniger Harnstoff liefert, so lässt sich doch daraus nur der Schluss ziehen, dass das unverdampfte Salz (das im Verlauf des Versuchs zu- sammenschmilzt) für die Reaktion notwendig ist, und als Salz wurde eben Ammoniumcarbaminat angewandt. Auf diesem Wege kamen Fichter und Becker auch zur Meinung, dass alle Verbindungen von Ammoniak und Kohlendioxyd bei 1350 in Ammoniumcarbaminat übergegangen seien, weil sie alle eine nur dem Verhältnis NH, : CO, : H,O entsprechende, von der ursprünglich vorliegenden Verbindung unabhängige konstante Ausbeute an Harnstoff geben. Diese Schlüsse sind indes durchaus nicht bindend. Es muss zu- gegeben werden, dass bei der angewandten Temperatur, weit über der Dissoziationsgrenze der verschiedenen Ammoniumcarbonate, Neu- ordnungen der Molekeln durchaus möglich sind. 31) Proceedings of the Royal Society London 49, 386 (1886). Bildung von Harnstoff aus Ammoniumearbonat. 87 Es muss zugegeben werden, dass die nach Gleichgewicht 3) er- forderliche Wassermenge, die einen Teil des Carbaminats in Carbonat umwandeln kann, in der Regel in dem Salz bereits drinsteckt. Fichter und Becker hatten die Erfahrung gemacht, dass die nach Basaroff in Alkohol dargestellten Präparate von Ammoniumcarbaminat keine regelmässigen Harnstoffausbeuten liefern, weil ein geringer Rück- halt an Alkohol das Carbaminat stabilisiert — die erforderliche Wassermenge zum Ingangsetzen der Reaktion 3) fehlt. Darum wurde das Carbaminat damals und für die heutigen Versuche in einem aus Glasröhren konstruierten, gut gekühlten Apparat direkt aus den Gasen hergestellt. Derartige Präparate sind hygroskopisch, man beobachtet das Zerfliessen am besten an frisch herausgenommenen dünnen Salz- schichten ; ist einmal oberflächlich etwas Wasser angezogen, so scheint freilich die Hygroskopizität wieder zu verschwinden, indem eine trockene Kruste von Ammoniumcearbonat entsteht, die ihrerseits kein Wasser mehr anzieht. Daraus erklärt sich auch der Widerspruch in den Angaben von Divers®2) und von Mente,?3) deren erster die Zer- fliesslichkeit beobachtete, während der zweite nur Aufnahme von Wasser ohne Feuchtwerden zugibt. Auf alle Fälle enthält das von uns angewandte Ammoniumcarbaminat kleine Quantitäten von Wasser bezw. von Ammoniumcarbonat, die sich freilich bei der analytischen Untersuchung nicht zu erkennen geben: 4.00 gr des Präparates ver- brauchten 102.5 und 102.65 cem Normal-Salzsäure zur Neutralisation und besassen demgemäss einen Gehalt an NH,:COO0-NH, von 100.03 °/, bezw. 100.180/,. Es muss endlich zugegeben werden, dass die Harnstoffbildung selbst, sobald sie einmal nach der rechten Hälfte von 3) einsetzt, Wasser entstehen lässt, das seinerseits die der linken Hälfte von 3) entsprechende Reaktion wieder reichlicher in Gang bringt. Aus dieser Überlegung folgt, dass absichtlicher Zusatz von Wasser die G'eschwin- digkeit der Harnstoffbildung befördert. Um dies zu konstatieren, muss man die Harnstoffausbeuten von Parallelversuchen mit und ohne Wasserzusatz miteinander vergleichen, und zwar in den ersten Stadien der Reaktion, denn im Endgleichgewicht (zu dessen Erreichung nach Becker bei 1350 48 Stunden erforderlich sind) kann der Wasserzusatz nur schädlich wirken. In der Tat lässt sich nun die Erhöhung der Bildungsgeschwin- digkeit des Harnstoffs durch geringen Wasserzusatz mit Leichtigkeit beobachten, wie folgende Zusammenstellung beweist. %) Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie 1870, 269. 33) Annalen d. Chemie 248, 235 (1888). 88 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. INDE en i 120 re Zeit ori gr | Proz 4) Temperatur 135° 3.0 gr 0.0 gr 37 ccm 18 Std. 0.303 13.3 SUR 0:07; SU I 1 0.595 25.1 AB) © D'OR DOI 13 à 0.355 10.2 Der 02 DORE IS 0.647 19.6 Temperatur 1259 4.5 gr 00 gr 37 ccm 24 Std. 0.060 17 ADS 04122, STE DAS 0.470 13.6 Aie 0.24 , DES 24:1, 0.780 22.5 LS à 0.36 , Sg DATE 0.680 119,8) Temperatur 1009 45 gr 0.0 gr 37 ccm 24 Std. 0.005 014 45 „ 02 GTS 24 „ 0.030 0.87 Zur Ausführung der Versuche ist kurz folgendes zu bemerken: Als Gefässe dienten verzinnte Stahlbomben, als Heizbad für Tem- peraturen über 1009 ein grosses, mit 11 Liter Öl beschicktes Bad von 30cm Durchmesser und 25cm Höhe mit elektrischer Widerstands- heizung, die, um möglichste Konstanz zu erzielen, mit Batteriestrom betrieben wurde. Das Carbaminat wurde in kompakten Stücken an- gewandt, um die von ihm angezogene Wassermenge möglichst zu beschränken. Die Harnstoffausbeuten sind nach dem Eindampfen und Abfiltrieren der nie fehlenden Verunreinigungen (Zinnsäure und kleine Mengen Eisenoxyd) nach Liebig titrimetrisch bestimmt. Der vorausgesehene günstige Einfluss kleiner Wasserzusätze auf die Geschwindigkeit der Harnstoffbildung geht aus der Tabelle schlagend hervor; besonders instruktiv ist die Zahlenreihe bei 125°, wo die günstige Wirkung noch bei 0.24 gr Wasser auf 4.5 gr Am- moniumcarbaminat eintritt, während mit 0.36 gr Wasser der schäd- liche Einfluss auf das Endgleichgewicht sich bereits zu erkennen gibt. Bemerkenswert ist noch die Serie bei 100°, denn nach Becker liegt bei 115° die untere Grenze der Harnstoffbildung, aber der be- schleunigende Einfluss des Wasserzusatzes lässt schon bei 1000 nennenswerte Ausbeuten erzielen (vergl. Tabelle IV). Nun könnte man freilich den Einfluss des Wassers noch in anderer Richtung diskutieren. Es ist bekannt, dass bei Gleichge- 34) Prozente der aus der Carbaminatmenge berechneten möglichen Maximal- ausbeute; 3.0 gr NH, : COO : NH, könnten geben 2.307 gr CO(NH3), 4.5 gr NH; - COO : NHy 5.46 gr CO (NH 2. Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcarbonat. 89 wichten, an denen Ammoniak teilnimmt, das Wasser als Katalysator unentbehrlich ist, so z. B. bei der Dissoziation von Ammoniumcehlorid nach den schönen Untersuchungen von H.B. Baker.?°) Auch für die Vereinigung von Ammoniak und Kohlendioxyd gilt diese Regel : die Reaktion tritt nur ein, wenn die Gase nicht allzu scharf getrocknet sind.36) Sicherlich ist aber der Trocknungsgrad, der zur Verhinderung der Reaktion erforderlich ist, ein ganz anderer, viel weiter gehender, als was wir jemals erreicht oder erstrebt haben. Sicherlich ent- halten schon die zur Darstellung des Carbaminats von uns ange- wandten, nicht besonders getrockneten Gase Kohlendioxyd und Am- moniak viel mehr Wasser, als zulässig wäre, wenn man die Reaktion völlig unterbinden wollte. Ein zweiter Einwand ist nicht so einfach zu beseitigen. Becker schon und wir von neuem haben die Beobachtung gemacht, dass die Reaktionsmasse schmilzt. Nach Van’tHoff:T) schmilzt Ammonium- carbaminat im Druckrohr ,,bei etwa 1400; will man also bei nied- rigeren Temperaturen Schmelzung erzielen, so muss man den Schmelz- punkt erniedrigen, was durch Wasserzusatz erreicht werden kann. Ammoniumcarbaminat ist namentlich in der Wärme in Wasser unge- mein leicht löslich, was bei Versuchen in Glasröhren bequem be- obachtet wird. 8 gr Carbaminat geben beispielsweise bei 770 mit 3.7 gr Wasser, also mit weniger als dem halben Gewicht, nach einigen Stunden eine klare Lösung. Auch fremde Salze müssen den Schmelz- punkt herunterdrücken;; dadurch erklärt sich die in der deutschen Patentanmeldung Kl. 12 o B. 77 103 der Badischen Anilin- und Soda- fabrik behauptete günstige Wirkung von allerhand Salzen. Wir haben selbst derartige Versuche mit Ammoniumcarbonat angestellt. arbre envi Temperatur 1359. | NHz + COO : au. yo Versuchs- CO(NH )2 | 3.0 gr 0.0 gr 37 ccm 18 Std. 0.303 13.2 PAR A DES GT 192 0.551 24.9 24 06 „ Ur, Lo 0.331 15.8 45 , (0(6) a HD, 18, 20.355 10.2 4.05 „ 0.45 , 55 OMIS | 0.647 19.6 D'OR QE 55 IRIS | GS) MAX 35) Journ. of the Chem. Soc. London 65, 611 (1894), 73, 422 (1898). 36) R. E. Hughes und F. Soddy, Chem. News 69, 138 (1894). 37) Ber, d. deutsch. chem. Ges. 18, 2089 (1885). 90 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. In beiden Dreiergruppen bewirkt ein mässiger Zusatz von käuf- lichem Ammoniumcearbonat eine Beschleunigung, während ein grosser Zusatz bereits auf das Endgleichgewicht drückt. Die Wirkung des Carbonats kann interpretiert werden als gleichwertig mit der Zugabe von freiem Wasser im Sinne der linken Seite der Gleichung 3), oder durch die Flussmittelhypothese. Wir sehen indes, trotz der Brauchbarkeit der Flussmittel- hypothese, das zusammengesetzte Gleichgewicht 3) für das beste Bild der wahren Verhältnisse an, denn, wie sich aus den unten folgenden Erörterungen ergibt, erlaubt es am einfachsten, alle Beobachtungen unter einheitlichem Gesichtspunkt zusammenzufassen. Hier ist nur noch ein Einwand zu erledigen, der sich aus der Arbeit von ©. E. Fawsitt38) über das Gleichgewicht Ammoniumeyanat X Harnstoff ergibt. Fawsitt kommt nämlich dort zum Schluss, dass die Zersetzung des Harnstoffs über Ammoniumeyanat CO(NH,), +2 H,O = NH, : CNO +2 H,0 = (NH,),00, nicht in messbarer Weise umkehrbar sei. Diese Behauptung ist falsch, man erhält aus allen Ammoniumcearbonaten, genügende Konzentration der Lösung, genügend hohe Temperatur und genügende Empfind- lichkeit: des Nachweises vorausgesetzt, Harnstoff. Die neue, im zusammengesetzten Gleichgewicht 3) niedergelegte Auffassung über die Bildung von Harnstoff aus Ammonium- carbaminat führt zu folgender Deutung der Reaktion. Das eigent- liche Ausgangsmaterial für die Harnstoffbildung ist das neutrale Ammoniumcarbonat. Da indess auf Grund des Gleichgewichts 9) (NH,),CO, = CO(NH,), +2 H,0 die Gegenwart von Wasser einen schädlichen Einfluss auf die End- ausbeute besitzt, so muss man mit einem vorteilhafteren Material arbeiten, das die Bestandteile des Ammoniumcarbonats, aber weniger Wasser enthält, also mit Ammoniumcarbaminat. Da wie bekannt Ammoniumcarbaminat durch Wasser in Ammoniumcarbonat über- geführt wird und zwar umso vollständiger, je höher die Temperatur liest, so ist bei der Reaktionstemperatur die geringe, durch die Hygroskopizität gewährleistete Wassermenge schon imstande, die Um- wandlung in Carbonat einzuleiten, und sobald die Harnstoffbildung in Gang kommt, wird reichlich Wasser erzeugt und die Hydrati- sierung des Carbaminats vervollständigt. In wasserfreiem Zustand 33) Zeitschr. f. physik. Chemie 41, 601 (1902); ältere Arbeiten stammen von J. Walker und J. Hambly, Journ. of the Chem. Soc. London 67, 746 (1896), und J, Walker und S. A. Kay, ebendaselbst 71, 489 (1897). Bildung von Harnstoff aus Ammoniumearbonat. 91 ist Ammoniumcarbaminat beständiger als Ammoniumcarbonat. Bei Gegenwart von Wasser aber wird im Gegenteil Ammoniumcarbaminat unbeständig, und von einem bestimmten Temperaturmaximum ab wird es gar nicht mehr existieren könmen. Im Gebiete oberhalb 135° haben wir nur noch mit dem reinen Gleichgewicht 2) (NH,),CO, => CO(NH,), +2 H,0 zu rechnen, das sich mit weiter steigender Temperatur zu Ungunsten des Harnstoffs verschiebt. Das geht sehr deutlich aus der Temperatur- Ausbeutekurve von Becker?) hervor, und wird ferner belegt durch die Giltigkeit der Massenwirkungsformel entsprechend 2), die wir oben erhärtet haben. Im Gebiete unterhalb 135° aber haben wir es mit dem zusammengesetzten Gleichgewicht 3) NH. -COO NH, +H,0 2 (NH,),CO, — CO(NH,), +2 H,0 zu tun, und dessen Lage wird im folgenden Kapitel zu untersuchen sein. Die auf den ersten Blick so frappierende Unwahrscheinlichkeit der ersten Hälfte des Gleichgewichts 3) lässt sich beheben durch die Annahme, das Ammoniumcarbaminat sei beständiger und weniger reaktionsfähig als das Ammoniumcarbonat. Leider fehlen thermische Daten für beide Salze unter vollkommen vergleichbaren Bedingungen. Das Maximum der Ausbeute bei 135° findet auf diese Weise eine ungezwungenere Erklärung als nach der Annahme von Becker, wonach oberhalb 1350 die Vergasung des Carbaminats der flüssigen Reaktionsphase einen immer grösseren Anteil entzieht. Bezüglich des zusammengesetzten Gleichgewichts 3) ist noch eine Bemerkung anzufügen. Sowohl Fawsitt als Becker beobachteten Am- moniumeyanat als Zwischenprodukt bei der Zersetzung von Harn- stoff durch Wasser, aber sie konnten bei der Harnstoffbildung das Cyanat nie nachweisen. Auch unsere neuen Versuche waren in dieser Richtung nicht erfolgreicher ; eswurde stets mit dem Blomstrand’schen Reagens Kobaltacetat auf Oyanat geprüft. Wir können also nichts darüber aussagen, ob das Gleichgewicht 3) eigentlich noch durch ein Glied zu ergänzen ist etwa nach SPANIEN COOO NE H,O > ((NH),C0, zu NHL. ENO 24,0, == CONH). 723,0 aber eine derartige Einschiebung ist auch für unsere Überlegungen ohne Bedeutung. 39) Diss. Basel 1912, S. 9; Ber. d. deutsch. chem. Ges. 44, 3476 (1911). 92 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. 9. Das Gleichgewicht Ammoniumcarbonat 2 Harnstoff - unterhalb 135° (Dr. Stanisch). Die Untersuchung war aus zwei Gründen auf niedrigere Tem- peraturen auszudehnen : erstens lässt sich nur unterhalb 135°, nur dort wo Ammoniumcarbaminat neben Wasser existieren kann, das zu- sammengesetzte Gleichgewicht 3) verwirklichen, und zweitens hatte uns die oxydative Harnstoffbildung den Wunsch erweckt, die Lage des Gleichgewichts auch bei tieferen Temperaturen zu untersuchen. Aus der unteren Hälfte der Zahlenreihe von Becker Tabelle VIII. Temperatur a der VerEnons- | Reason Pros ombe dauer in g1 1159 | 4gr/37 ccm 24 Std. 0.02 0.65 1200 475gr/41.8 ccm 48 , 0.32 8.75 1309 4 gr/37 ccm AO | 0.925 30.06 135° ë 48 „ 0.96 31.20 1400 5 48 „ 0.860 27.96 1500 | 3 112404 0.747 24.28 kann man erkennen, dass das Gleichgewicht 2) (NH) C0 ze eco .NE.), 22770 unterhalb 1350 zugunsten von Harnstoff verschoben wird. Das stimmt auch vollständig mit der Erfahrung, insofern unterhalb 80° Harnstoff gegen Wasser praktisch beständig ist, und seine Zersetzung erst oberhalb 1009 grössere Geschwindigkeit aufweist. Aber Becker hat unterhalb 1350 wieder bedeutend niedrigere Harnstoffausbeuten erhalten, es kommt also ein neues, ungünstiges Moment dazu, und dieses erblicken wir in einer Verminderung der Konzentration des Ammoniumcarbonats infolge des Gleichgewichts 4). 4) NH, - COO - NH, + H,0 > (NH,),CO, Ausserdem sind die Becker’schen Ausbeuten niedrig ausgefallen, weil er die Verminderung der Reaktionsgeschwindigkeit durch Tem- peraturerniedrigung nicht genügend berücksichtigte. Da ganz allge- mein eine Differenz von 100 eine Herabsetzung der Geschwindigkeit um das 21/,-fache herbeiführt, so hätte durch längere Versuchsdauer unterhalb 1350 ein Ausgleich herbeigeführt werden sollen. Bildung von Harnstoff aus Ammoniumearbonat. 93 Versuche bei 125°. Als Gefässe dienten verzinnte Stahlbomben, als Thermostat das elektrisch geheizte Ölbad. Da die Versuche zur Erreichung des End- gleichgewichts länger im Gang blieben, war der Angriff der Verzin- nung und, durch schadhafte Stellen hindurch, der Stahlwandung be- deutender als bei den Versuchen bei 135°. Infolge einer weiteren Um- wandlung: des bereits gebildeten Harnstoffs entstanden bei langer Dauer offenbar neue Verbindungen (Cyanamid ? Dieyandiamid ?), die teilweise in Form eines schwerlöslichen, glänzende Flitterchen bil- denden Stannosalzes beim Zinnsäureniederschlag zurückblieben, teil- weise aber als lösliche nicht flüchtige Körper mit dem Harnstoff zusammen im Abdampfrückstand der filtrierten Lösung sich fanden, jedoch bei der Titration kein Merkurinitrat verbrauchten. In Glas- gefässen entstehen zwar die Kristalle der Zinnverbindung nicht, wohl aber der lösliche, mit Harnstoff nicht identische Stoff. Wir geben in der Tabelle das Gewicht des Abdampfrückstands und das Gewicht des titrierten Harnstoffs. Zur Berechnung benützten wir vorsichts- halber nur die letztere Zahlenreihe, obschon aus der Abnahme der Harnstoffmenge mit steigender Versuchsdauer z. B. in der ersten Dreiergruppe deutlich zu ersehen ist, dass die maximale Ausbeute eigentlich höher liest und nur durch sekundäre Umwandlung ver- ringert wird. Die letzte Kolonne enthält die Konstante k,, be- rechnet nach _ Konz. CO(NE,), X (Konz. H,0)? Kr Konz. (NH,),CO, die bei 1350 wirklich konstante Werte ergeben hatte. Hier aber sieht man eine Zunahme der Konstanten, das Wasser hat nicht mehr den ganzen ihm in der Massenwirkungsformel zugeschriebenen Einfluss. (Wenn die wahren Ausbeuten an Harnstoff höher liegen als die aus den Titrationswerten berechneten, so steigen die Konstanten noch viel mehr an.) Im zusammengesetzten Gleichgewicht gilt für die rechte Hälfte die Konstante k,, und für die linke Hälfte eine Konstante k, k __ Konz. NH, - COO - NH, X Konz. H,O En Konz. (NH,),CO, und insgesamt also die Konstante k, k, Konz. CO(NH,), X (Konz. H,0)° X Konz. (NH,),CO, k, Konz. (NH,),CO, X Konz. NH, - COO : NH, X Konz. H,O _ Konz. CO(NH,), X Konz. H,O Konz. NH, : COO : NH, le = 94 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch die identisch ist mit der früher (S. 84) geprüften Konstanten k,. Die Konstante lässt sich für die vorliegende Tabelle nicht berechnen, weil die Konz. NH, : COO : NH, unbekannt, und kein Mittel vorhanden ist, um sie bei der Versuchstemperatur neben der Konz. (NH, ), CO; zu bestimmen. Abe EEE NH + COO Verhältnis Dauer NH H,O | von Mol Car- der Er. |Abdampf- Harnstoff k. Rene op | baminat zu 2. l'AC) Proz. 2 or < Mol Wasser Wal mung 5 16 ni — | 5 Tage | 4.90. | 485 594 | 065 16 = = re 4.75 4.69 16 a ONE LE 4.10 16 3.7 es Lee A ie 195 | 151 Le 16 3.7 HN Ne 0 1.89 1.47 | 12172 50.55 16 7.4 TR let 1403 | 1.100 16 74 Do | a 9 ) UE 16 all Bl, 0.900 | 0.720 | 585 | 0.99 Versuche bei 1000. Als Gefässe wählten wir, um den Verlusten durch Bildung von Zinnverbindungen zu begegnen, Glasröhren, was bei dem niedrigen Druck gefahrlos geschehen konnte. Man kann dabei sehr hübsch be- obachten, wie leicht sich Ammoniumcarbaminat in Wasser löst; bei geeigneten Mischungsverhältnissen kristallisiert beim Liegen neu- trales Ammoniumcarbonat aus. Als Thermostat diente ein Wasser- trockenschrank mit messingenem langen Rückflusskühler, der auf einem elektrischen ‚Prometheus‘ -Heizkörper wochenlang in gleich- mässigem Sieden erhalten wurde. Die Unterschiede zwischen dem Gewicht des Abdampfrückstandes und demjenigen des titrierbaren Harnstoffs sind hier geringer, erst bei längerer Dauer werden sie fühl- bar. Zur Berechnung dienten Mittelwerte aus den siebentägigen Ver- suchen. Die Konstante k Konz. CO(NH,), X (Konz. H,O)? Er Konz. (NH,),CO; zeigt wie bei 125° einen erheblichen Gang, aber die Konstante Konz. CO(NH,), X Konz. H,O Konz NE MC ODENIE wird nun fast konstant. Wir nähern uns also dem Gebiete, wo Car- baminat beständiger ist als Carbonat, und wo seine Anfangskonzen- tration direkt eingesetzt werden darf. Bildung von Harnstoff aus Ammoniumearbonat. 95 Nabelle 2% Verhältnis An C00 H20 | von Mol Car- Daner Abdampf- Harnstoff Ik Ik "NH, or baminat zu a rückstand gr Proz. 2 ı st Mol Wasser z 8 — — 14 Tage 0.0021 8 1.85 1:31 ale 0.538 8.8 0.38 | 0.19 8 3.70 182 Dos 0.195 | 8 3.70 ; Tate 0.374 16 7.40 5 RAR 0.710 | 60 | 0.56 | 0.19 8 3.10 , ENG 0.378 0.355 8 7.40 12:4 DEE 0.095 3 Ù I» 0185 | 30 | 078 | 016 8 7.40 5 (RER 0.175 8 7.40 = ARLES 0.179 0.155 8 9.25 26 TS 0.147 2.4 0.88 | 0.15 8 11.10 1:6 AIRES 0.125 ; y 8 |1110 / A io lock | ADN ERA ENRE 8 14.8 1278 Ts 0.090 1.5 1.23 | 0.14 8 22.2 811 Tee 0.061 1.0 1.70 | 0.15 8 29.6 lee TRES | 0.040 0.6 2.19 | 0.12 Bei dieser Tabelle fällt sofort der Umstand in die Augen, dass es bei 1000 Carbaminat ohne Wasserzusatz überhaupt keine nennens- werte Harnstoffausbeute mehr gibt. Das ist zweifellos begründet in der Beständigkeit des Carbaminats; die Reaktion wird erst recht in Gang kommen, wenn das durch sie selbst erzeugte Wasser eine ge- - nügende Bildung von Carbonat veranlasst. Doch kann man leider die Versuche nicht beliebig lange gehen lassen, weil sonst die Fehler durch sekundäre Umwandlungen des bereits gebildeten Harnstoffs das Ergebnis völlig entstellen würden. Die Mischung von 1 Mol Carbaminat mit 1 Mol Wasser, die der Zusammensetzung (NH,), CO, entspricht, gibt brauchbare Aus- beuten. Die grössere Reaktionsfähigkeit die Que gegenüber dem Gant ist damit bewiesen. Versuche bei 78°. Die Versuchsanordnung war dieselbe wie bei 100°, nur diente als Heizflüssigkeit im doppelwandigen Trockenschrank Aethylalkohol statt Wasser. Mit der Temperatur sind wir hier in ein Gebiet gelangt, wo die Beständigkeit des Carbaminats noch grösser ist als bei 100°, sodass die Berechnung der Konstante k, eine sehr regelmässige Reihe ergibt. Allerdings dürfen wir nicht ausser acht lassen, dass die Harn- 96 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. stoffausbeute sehr gering, der Versuchsfehler also gross und die Kon- stanz der k,-Werte mehr scheinbar als wirklich ist. Ma belle XL NH, - COO Verhältnis Nr H20 | von Mol Car- ee Harnstoff k | NE baminat zu CS or Proz L er . D D sr + Mol Wasser Manns 8 1.85 1:1 21 Tage 0.030 8 3.70 1102 al Le 0.082 1.32 0.027 8 7.40 ile dt IM) 0.030 8 5 3 16, 0.039 8 à 5 Ale 0.040 0.65 0.026 8 9.25 1:5 10 , 0.024 8 ” „ 16 » 0.029 8 E er DE, 0.030 0.48 | 0.025 8 11.1 1:6 1) 0.025 8 à 4 Ge 0.029 8 3 N al 0.029 0.47 0.028 8 14.8 1:8 CAO 0.021 0.34 0.027 8 22.9 118712 ale 0.014 0.23 0.028 8 29.6 1:18 al. à 0.010 0.17 0.031 Bei der verwendeten niedrigen Temperatur kommen wir zu dem überraschenden Resultat, dass das Verhältnis von 1 Mol Car- baminat : 1 Mol Wasser eine geringere Ausbeute ergibt als das Ver- . hältnis 1 Mol Carbaminat : 2 Mol Wasser, sodass also innerhalb ge- wisser Grenzen die Harnstoffbildung durch Wasserzusatz gefördert wird. Versuche bei 37—3689, Die Erwärmung erfolgte in verkorkten Glasgefässen in einem Wasserthermostaten. Es lässt sich durch eine Überschlagsrechnung übersehen, dass bei dieser Temperatur zur Einstellung des Gleichgewichtes eine sehr lange Zeit erforderlich wäre. Brauchen wir bei 1000 7 Tage, so wären bei 400 7 mal 2.56 — 1708 Tage oder rund 41/, Jahre zurErreichung des Endzustandes nötig. Nun sind aber die Versuchsfehler selbst bei nur mehrtägigen Versuchen angesichts der überhaupt sehr geringen Harn- stoffausbeuten ganz unheilvoll. Denn die Löslichkeit des Glases zer- stört durch die entstehende alkalische Reaktion den Harnstoff beim Eindampfen, und auch mit unseren Zinnbomben machten wir keine guten Erfahrungen, sodass wir uns einstweilen mit einem vorläufigen, mehr qualitativen Ergebnis begnügen müssen. Es bildeten sich in 24 Stunden Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcarbonat. 97 Tabelle XII. Verhältnis von | NH + COO - NH, | H,O Mol Carbaminat | Harnstoff zu Mol Wasser | 36 ca 0.0008 gr 8 er 11.1 or 1: I) 222 , 112 0.0012, 4% 22.2 „ | 1:24 »2.0:001055 1%; ADD 1 : 800 „ 0.0012 „ Es ist vollkommen sicher nachgewiesen, dass stets Harnstoff ent- stand ; dass bei dieser Temperatur die Verdünnung kaum mehr einen ungünstigen, sondern vielleicht geradezu einen günstigen Einfluss ausübt; dass in den verdünnten Lösungen die Reaktionsgeschwindig- keit gross genug ist, um selbst nach wenigen Stunden qualitativ Harn- stoff nachzuweisen, wenn auch zur Erreichung des Endgleichgewichts Jahre nötig wären. Aber mehr als diese allgemeinen Richtlinien können wir aus unseren zahlreichen, hier nicht wiedergegebenen Ver- suchen, der experimentellen Schwierigkeiten wegen, nicht herauslesen. Überblicken wir nun nochmals das Ineinandergreifen der Ein- flüsse der Temperatur und der Verdünnung vom Gesichtspunkt des zusammengesetzten Gleichgewichts 3) NH,-C00: NH,+H,0 2 (NH,),CO, = CO(NH,), + 2 H,O m ——— Sen En a 4) 72) so lassen sich folgende Fälle voraussehen. Die Erniedrigung der Temperatur stabilisiert in 4) das Oar- baminat, in 2) den Harnstoff. Die Vermehrung der Wassermenge wirkt in 4) und in 2) dem Temperaturfaktor entgegen. Je nach dem Überwiegen des einen oder anderen Effektes rechts oder links kann bei einem gegebenen Verhältnis Mol Carbaminat : Mol Wasser bei Tem- peraturen unterhalb 135° I. Die Begünstigung von 2) so gross werden, dass trotz an sich srösserer Beständigkeit des Carbaminats die Wassermenge ge- nügt, um so viel Carbonat zu erzeugen, dass die Harnstoffaus- beute steögt. II. Die Stabilisierung des Carbaminats in 4) gerade der Begünsti- sung der Harnstoffbildung in 2) die Wage halten, sodass die Ausbeute auch bei niedriger Temperatur gleich bleibt. III. Die Stabilisierung des Carbaminats durch die Wassermenge nicht kompensiert werden, sodass die Ausbeute sinkt. 4 98 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. Alle drei Fälle sind in unseren Versuchen verwirklicht und hier nochmals aus den einzelnen Tabellen zusammengestellt. Tabelle XIII. 1 I III 1:2 1:3 | 1:5 1:0 | 1:3 ten 1:2 1350 7.1 40 20 38.8 | 40 14.7 7.1 1250 8.9 :| 5.85 = 39.4 en 2 = | 1009 = a 24 ie: | 4.0*) 88 60 | Bei 1000 sind die drei Fälle deutlich ausgeprägt im Vergleich mit der Serie bei 135°; während bei den Verhältnissen 1:1 und 1:2 die Wassermenge zur Umwandlung des Carbaminats in Carbonat noch nicht hinreicht und die Ausbeute infolgedessen sinkt, ist beim Ver- hältnis 1: 3 bereits Ausgleich der beiden Effekte eingetreten, und von 1:5 ab muss die Harnstoffausbeute durchweg höher ausfallen. In der Serie 1250 ist der Ausgleich schon beim Verhältnis 1:0 vor- handen, und bei Wasserzusatz von 1:2 ab Verbesserung der Ausbeute gegenüber 135°. Diese Diskussion lässt voraussehen, dass beim Herabsteigen mit der Temperatur die Kompensation und a fortiori die Ausbeutesteige- rung gegenüber 1350 stets grössere Wassermengen verlangt, dass also die Reaktion umso vorteilhafter verläuft, je verdünnter die Lösung ist. Das springt aber auch aus unseren vorläufigen Versuchen bei 37° in die Augen, denn die Verdünnung scheint dort gar keine oder nur noch eine günstige Rolle zu spielen. Diese Zusammenfassung aller unserer Versuche über Harnstoff- bildung aus Ammoniumecarbaminat ergibt, dass die Anschauung vom zusammengesetzten Gleichgewicht Wärme Kälte verdünnte Lösung konzentrierte Lösung 3), NH, COOP NE + 1.0 222(NEN)CO, 22C0o0), 72238 konzentrierte Lösung verdünnte Lösung Kälte Wärme in klarer und einleuchtender Weise Rechenschaft ablegt von dem Gange der Reaktion, sodass sie gegenüber anderen, ebenfalls mög- lichen Theorien den Vorzug verdient. *) Interpoliert aus 1:2 (6.0) und 1:4 (3.0). Bildung von Harnstoff aus Ammoniumearbonat. 39 10. Einfluss von freiem Ammoniak auf das Gleichgewicht Ammoniumcarbonat < Harnstoff (Dr. Stanisch). Die Untersuchung über das Harnstoffgleichgewicht war veran- lasst worden durch den Wunsch, die oxydative Harnstoffbildung aus Carbaminat-Ammoniak zu erklären. Da nun bei jener Versuchsan- ordnung stets bei Gegenwart von viel freiem Ammoniak gearbeitet worden ist, so entstand die Frage, ob vielleicht Ammoniak auf das eben untersuchte Gleichgewicht einen die Harnstoffbildung beför- dernden Einfluss ausübt. Wir prüften diese Frage sowohl bei Aus- schluss als bei Gegenwart von Wasser. Im erstern Falle wurde ent- weder Ammoniakgas aus der Vorratsbombe in eine mit Ventil ver- sehene verzinnte Stahlbombe eingeführt oder flüssiges Ammoniak dem vorgekühlten Carbaminat zugesetzt und die Bombe sofort ver- schraubt. à Marhre eme NH, - COO Volum Ver- NH Fa0 der suchs- Ammoniak nusicH gr st Bombe dauer gr Proz. 135° 4.5 . — 37 ccm 24 Std. — 1.230 | 35.5 4.5 a SR 2, 10 Atm. 1.200 | 34.3 4.5 0.12 ln 42 „ — 0.984 | 28.3 4.5 0.12 ll 5 42 „ 10 Atm. 1.106 131.9 | 1250 4.5 — 7 DA es VOR | Kr | 4.5 — SU 24 „ 10 Atm. 0.340 9.8 \ 4.5 — ST DER 1 cem. flüss. 0.487 | 141 | 4.5 — > 24 „ 2—3 ccm flüss. | 0.143 4.3 4.5 0.12 En DT = 0.470 | 13.6 | 4.5 A en. 10 Atm. 0.405 | 11.7 J 45 OMIS DA Le 0.780 25) 4.5 0.24 SU 24 , 10 Atm. 0.740 | 21.4 4.5 0.36 SI 24 „ — | 0.680 u 4.5 026 16. 2 5 10 Atm. | 0.685 | 19.9 | 1009 | 4.5 = Su a 2 0.005 | 0.14 4.5 — Ds DAR, 10 Atm. 0.025 or) | 4.5 RC Mer 24 , 10 cem flüss. 0.006 0.17 (10 Atm. Ammoniak in 37 cem ergeben etwa 0.26gr NH,; 1 cem flüssiges Ammoniak ergibt etwa 0.65 gr.) 100 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. In groben Zügen bietet sich also folgendes Bild: Bei Abwesen- heit von Wasser übt Ammoniak einen günstigen Einfluss aus, der aber nur bei mässigem Zusatz bemerkbar wird, während grosse Mengen entschieden schädlich wirken. Man darf dies vielleicht so auffassen, dass der Ammoniakdruck der Vergasung des Carbaminats entgegenwirkt und somit den Anteil des geschmolzenen Salzes steigert oder also denselben Effekt hat wie eine grössere Füllung. Ein Zuviel an Ammoniak aber kann durch sekundäre Reaktion mit dem Harn- stoff (Bildung von Guanidin ?) wieder schaden. Die volle Erklärung der Erscheinung ist indes für den Augenblick unwichtig, denn bei der oxydativen Harnstoffbildung haben wir stets mit der Gegenwart von Wasser zu rechnen. Bei Anwesenheit von Wasser aber übt Ammoniak nach obiger Tabelle keinen, auf jeden Fall keinen günstigen Einfluss aus. Der Ammoniakgehalt der Lösung bei der oxydativen Harnstoffbildung ist demnach wohl unentbehrlich, weil ja freies Ammoniak oxydiert werden soll und daraus die nötige Reaktionswärme zur Harnstoff- bildung fliesst; er ist ferner sehr vorteilhaft, weil er erlaubt, viel konzentriertere Lösungen von Ammoniumcarbonat herzustellen ; aber er ist ohne wesentlichen Einfluss auf das Harnstoffgleichgewicht. Ja, er wird eigentlich in jener Richtung eher schaden, insofern freies Ammoniak das Carbaminat stabilisiert. Indes am Orte der Oxydation selbst wird die Konzentration an freiem Ammoniak infolge des Ver- brauchs niedriger sein, es wird vielleicht infolge der Bildung von Oxydationsprodukten saurer Natur Neutralisation eintreten, ja sogar freie Kohlensäure vorhanden sein. Dadurch würde das Carbaminat am sichersten zerstört, und es käme nur das eigentlich gesuchte reine Gleichgewicht zwischen Carbonat, Harnstoff und Wasser zustande, das bei niedriger Temperatur zugunsten von Harnstoff verschoben ist. Sowohl aus den Angaben von B. Becker als auch aus eigenen, hier nicht wiedergegebenen Versuchen geht in der Tat hervor, dass freie Kohlensäure der thermischen Harnstoffbildung durchaus nicht abträg- lich ist, denn käufliches, bicarbonathaltiges Ammoniakcarbonat lässt sich nicht nur genau so gut wie Ammoniumearbaminat zur Harnstoff- synthese verwenden, sondern auch noch die Einstellung des Gleich- gewichts in viel kürzerer Zeit erreichen. 11. Rückblick und Schluss. Unsere Aufgabe war, eine Erklärung zu finden für die Bildung von Harnstoff aus ammoniakhaltigem Ammoniumcarbonat bezw. Ammoniumcarbaminat bei der Elektrolyse. Nachdem wir zuerst fest- Bildung von Harnstoff aus Ammoniumcarbonat, 101 gestellt hatten, dass darin keine spezifische Wirkung des Wechsel- stroms vorliegt, sondern dass der Gleichstrom ebensogut oder noch besser dem genannten Zwecke dient, und dass die Reaktion aus- schliesslich an der Anode verläuft, gelang es uns, die Harnstoffbil- dung auch durch rein chemische Oxydationsmittel Wasserstoff- peroxyd, Calciumpermanganat und Ozon zu erzielen: in allen Fällen, sowohl bei den alten Drechsel’schen Versuchen, als bei den neueren elektrolytischen oder chemischen Oxydationen, wird eine erhebliche Menge Ammoniak oxydiert, und es bildet sich reichlich Ammonium- nitrat und Ammoniumnitrit; das letztere geht schon während des Versuches oder bei der Aufarbeitung durch Spaltung in Stickstoff und Wasser verloren. Die Harnstoffausbeuten sind bei allen Versuchen sehr niedrig und betragen selbst bei vielstündiger Behandlung grosser Massen der Carbaminat-Ammoniaklösungen nur Dezigramme. Auf Grund der bei der Oxydation des Ammoniaks entwickelten Reaktionswärme kamen wir zum Schluss, dass am Orte der Oxydationswirkung in lokaler Beschränkung eine wesentliche Temperaturerhöhung eintrete, die sich in der Gesamtmasse der Lösung freilich nicht messen lasse. Die örtlich gesteigerte Temperatur aber muss in den konzentrierten Lösungen Bedingungen schaffen, die eine rein thermische Umwand- lung von Ammoniumcarbonat oder Ammoniumcarbaminat in Harn- stoff ermöglichen. Bei einer Revision und Vervollständigung der Be- obachtungen über das Gleichgewicht zwischen Ammoniak, Kohlen- dioxyd und Wasser einerseits und Harnstoff andrerseits fanden wir, dass nicht Ammoniumcarbaminat, sondern Ammoniumearbonat das eigentliche Ausgangsmaterial für die thermische Harnstoffbildung darstellt. Beim Arbeiten mit trockenen Salzen werden die besten Ausbeuten erzielt, wenn man von Ammoniumcarbaminat ausgeht, denn es enthält infolge seiner Hygroskopizität genügend Wasser resp. Ammoniumcearbonat, um die Reaktion einzuleiten, und im Verlauf derselben entsteht ja reichlich Wasser; ım Endzustand aber weist dieses System eine geringere Wassermenge und somit einen grösseren Harnstoffgehalt auf als jede andere Kombination von Kohlensäure und Ammoniak. Bei 1359 und oberhalb davon ist bei Gegenwart von Wasser überhaupt nur Ammoniumcarbonat beständig ; mit steigender Temperatur verschiebt sich indessen das Gleichgewicht zu Un- œunsten des Harnstoffs. Unterhalb 1350 aber existiert neben Am- moniumcarbonat auch Ammoniumcarbaminat bei Gegenwart von Wasser, und zwar mit sinkender Temperatur in immer reichlicherem Anteil, sodass dadurch das Gleichgewicht ebenfalls zu Ungunsten von Harnstoff beeinflusst wird. Eine Gegenwirkung ist möglich durch Steigerung der Wassermenge, sodass die Lösungen bei tieferen Tem- 102 Fr. Fichter, H. Steiger und Th. Stanisch. peraturen immer verdünnter sein dürfen, ohne die Harnstoffausbeute zu gefährden. So lässt sich also voraussehen und experimentell be- gründen, dass die zur elektrolytischen oder chemischen Oxydation verwendeten Lösungen, welche ungefähr 1 Mol Carbaminat auf 9 Mol Wasser enthalten, bei einer Erwärmung auf bloss 1000 höhere Ausbeuten liefern als bei 135°. An sich sind die durch die direkte Erhitzung von Lösungen erhaltenen Harnstoffausbeuten meist viel höher als die bei den verschiedenen Oxydationsmethoden erzielten, aber bei den Erhitzungsversuchen wurde das Gleichgewicht erreicht, bei den Oxydationsversuchen ist das angesichts der kurzen Dauer der lokalen Erwärmung sicher nicht der Fall. Die Gesamtheit der Gleich- gewichtsversuche bietet nichts, das mit der Auffassung der oxydativen Harnstoffbildung durch ‚molekulare Heizung“ im Widerspruch stände. Die früher aufgestellte Hypothese über die anodische Harnstoff- bildung durch intermediäre Reduktion der Kohlensäure zu Ameisen- säure oder Formamid infolge der Wirkung des Hydroxylamins ist nicht stichhaltig, und der dort gesuchte Zusammenhang mit den Oxydationsversuchen von Hofmeister und Eppinger besteht nicht, so- weit Ammoniumcarbonat als Ausgangsmaterial in Frage kommt. Die Ursache der gesteigerten Harnstoffausbeuten bei der elektrolytischen Methode an Kohle- oder Graphitanoden muss noch näher geprüft werden. Wenn aber einerseits der Zusammenhang mit den Eppinger'schen Versuchen und seiner speziellen Theorie der physiologischen Harn- stoffbildung aufgehoben wird, so ist andrerseits die neue Erklärung in voller Übereinstimmung mit der allgemeinen Theorie der Harn- stofferzeugung im lebenden Organismus.4) Nur darf dort dem Car- baminat nicht mehr eine Hauptrolle als Zwischenprodukt zuge- schrieben werden. | Es ist uns allerdings bei Gleichgewichtsversuchen bei Körper- temperatur nicht gelungen, nennenswerte Harnstoffmengen aus Am- moniumcarbonatlüsungen zu erzeugen, allein die geringe Reaktions- geschwindigkeit kann im Organismus durch katalytische Wirkungen wesentlich gesteigert und die Konzentration des die Ausbeute vermin- dernden Carbaminats durch freie Kohlensäure heruntergesetzt sein. 4) E. Abderkalden. Lehrbuch der Physiologischen Chemie, 3. Auflage, Band I, S. 581 (1914). Bildung von Harnstoff aus Ammoniumearbonat. 103 Meinen beiden Mitarbeitern, den Herren Dr. phil. Heinrich Steiger und Dr.-Ing. Theophil Stanisch, deren Anteil jeweilen in den einzelnen Kapiteln angegeben ist, möchte ich auch an dieser Stelle für ihre ausgezeichneten Dienste den besten Dank aussprechen. Fr. Fichter. Basel, Anorganische Abteilung der Chemischen Anstalt, Sept. 1916. Die Chromatophoren-Verlagerung in den Palissadenzellen mariner Rotalgen und grüner Laubblätter. Von G. Senn. Am Schlusse meiner Ausführungen über die Anordnung der Chromatophoren im Palissadengewebe der Laubblätter und der Leber- moos-Thalli sprach ich die Vermutung aus (Senn 1908, S. 115), dass man in den palissadenartigen Assimilationszellen der histologisch hoch differenzierten Rhodophyceen und Phaeophyceen vermutlich die gleiche Chromatophoren-Anordnung und Verlagerung antreffen werde, wie im Palissadenparenchym der Laubblätter. Im Frühling 1914 hatte ich in der zoologischen Station Neapel Gelegenheit, über diese Frage einige Versuche anzustellen. Diese be- schränken sich auf die beiden Rhodophyceen : Peyssonnelia Squamaria (@ mel.) Decne und Platoma cyclocolpa Schmitz, da nur bei ihnen unter allen von mir beobachteten Meeresalgen mit Palissaden-Paren- chym die Chromatophoren auf photische Reize relativ prompt reagierten. Die an diesen beiden Objekten gewonnenen Resultate regten mich zu weiteren Versuchen mit Laubblättern an. Ich möchte nicht unterlassen, auch an dieser Stelle dem hohen Schweizerischen Bundesrate für die Überlassung des schweizerischen Arbeitsplatzes an der zoologischen Station Neapel im März und April 1914 meinen besten Dank auszusprechen. 1. Die Anordnung und Verlagerung der Chromatophoren mariner Rotalgen. a) Peyssonnelia Squamarva. Die typischsten Palissadenzellen weist Peyssonnelia auf, welche in Form dorsiventraler gelappter Thalli auf felsigem Meeresgrunde gedeiht: und ihre Ränder horizontal wie kleine Schutzdächer frei ins Wasser hinausstreckt. An radialen, zum Thallusrand senkrecht ge- richteten Querschnitten (Fig. 1) erkennt man in der Nähe der Thallus- Chromatophoren -Verlagerung. 105 unterseite einen radial verlaufenden Faden von basal etwas er- weiterten Zellen. Von ihnen zweigt nach unten je eine Zelle ab, die oft ein einzellreihiges Rhizoid trägt (Fig. 1 rechts). Nach oben gehen von jeder Achsenfadenzelle drei schräg gegen den Thallusrand ge- richtete Palissadenzellreihen ab, die alle drei aus einer Zelle der axilen Reihe hervorgegangen sind. Nägeli (1847, S. 249 f.) bildet nur zwei Palissadenzellreihen ab, führt aber für den von ihm als zweifelhaft betrachteten Fall, dass auch drei Reihen vorkommen, die dritte Reihe richtiger Weise auf eine nochmalige Längsteilung der vorderen Astzelle zurück. In den meisten meiner Präparate standen auf einer Achsenfadenzelle drei Palissaden-Zellreihen. In einigen fanden sich den Angaben Nägelö’s entsprechend nur zwei Zellreihen. In einem Thallus endlich konstatierte ich eine Verzweigung der dritt- äussersten Zelle einer Reihe (Fig. 1), sodass dort eine Achsenfaden- zelle vier Zellreihen resp. Äste trug. Die Zahl derselben ist somit keineswegs fixiert. Sämtliche Zellen des Thallus schliessen untereinander lücken- los zusammen. Zwischen ihnen befindet sich Membransubstanz oder Gallerte; lufthaltige Interzellularräume fehlen. Die in den Zellen der untern Thalluspartie enthaltenen roten Chromatophoren sind kurz bandförmig, oft gekrümmt und mit kleinen Zipfeln versehen, wie sie bei vielen Rhodophyceen anzutreffen sind. Mit zunehmender Annäherung an die Thallusoberseite runden sich die Rhodoplasten mehr und mehr ab und erscheinen in den äussersten Astzellen als ziemlich grosse Kugeln, die sich von den tiefer liegenden bandförmigen, weinroten Chromatophoren auch durch ihre schmutzig braunrote Farbe unterscheiden. Die Chromatophoren der Astzellen sind nun in der Weise ange- ordnet, dass sie an der der Thallusoberseite zugekehrten Querwand jeder Palissadenzelle einen dichten Belag bilden, der an der schrägen Zylinderwand gegen die untere Fugenwand hin allmählich abnimmt. Dabei wird die der Thallusoberseite zugekehrte Seite der schiefen Flanke gegenüber der abwärts gekehrten deutlich bevorzugt (Fig. 1). Die innere resp. untere Querwand ist dagegen von Chromatophoren ganz entblösst. Diese Anordnung erweist sich als eine rein photische,in der alle Ohromatophoren bestrebt sind, sich dem der Thallusoberfläche zugekehrten, am meisten Licht erhaltenden Zellende zu nähern. Da mit zunehmender Entfernung von der Thallusoberseite die Licht- intensität infolge der Absorption durch die Zellen noch rascher als nach dem Quadrat der Entfernung abnimmt, ist die Intensitätsab- nahme des Lichtes innerhalb einer Zelle trotz deren geringer Länge so beträchtlich, dass die Chromatophoren mit typischer positiver Phototaxis reagieren. Diese einseitige, der Lichtquelle zugewendete 106 G. Senn. Chromatophoren-Anordnung habe ich (Senn 1908, S. 67) als Vorder- lage oder Antistrophe bezeichnet. Fig. 1 und 2. Peyssonnelia Squamaria, radiale Längs- schnitte mit je zwei Achsen- fadenzellen und dazugehö- rigen Astsystemen. Vergr. 400. Die von jeder Achsen- faden - Zelle ausgehenden drei Zellenreihen sind vom benachbarten Astsystem durch dickere Konturen ab- gegrenzt, In den übrigen Achsenfaden - Zellen und ihren Abkömmlingen sind keine Inhaltsbestandteile eingezeichnet. Fig. 1. Oberseite des Thallus belichtet. In allen Astzellen Antistrophe der Rhodoplasten nach der Thallusoberseite zu. In den Achsenfaden- und den darunter liegenden Zellen Epistrophe oder Antistrophe nach der Unterseite zu. Die Achsenfaden-Zelle links ist ausnahmsweise in zwei Zellen geteilt. Im Astsystem rechts ist durch weitere Astbildung eine vierte Zellreihe entstanden. Fig. 2. Unterseite 4 Tage belichtet; in den drei bis vier äusseren Astzellen un- veränderte Antistrophe nach der Thallusoberseite zu. In ein bis zwei innern Astzellen, in den Achsenfaden- und unteren Astzellen ist Anti- strophe nach der belichteten Thallusunterseite hin eingetreten. In den Astzellen der Thallus-Unterseite liegen die Rhodoplasten der an das Meerwasser grenzenden freien Aussenwand an, zeigen also Epistrophe. Dasselbe gilt für die kleine freie Stelle der Membran jeder Achsenfadenzelle. Sonst sind in letzteren die Chromatophoren nicht einmal bei einem Individuum überall gleich gelagert. Diese Zellen er- halten eben infolge der starken Absorption durch den Thallus nur sehr Chromatophoren -Verlagerung. 107 schwaches Oberlicht, welches dem vom Meeresgrunde und vom Wasser nach oben reflektierten diffusen Licht an Stärke ungefähr gleich kommen dürfte. Es hat darum den Anschein, als ob sich ın den Achsenfadenzellen alle auf die Chromatophoren wirkenden photo- und chemotaktischen Reize gegenseitig ungefähr die Wage halten, sodass je nach den Schwankungen in der Intensität dieser Reize bald Anti- strophe (nach der Ober- oder Unterseite des Thallus hin) bald Peri- strophe zustande kommt. Die in den Astzellen der Thallusoberseite herrschende Anti- strophe nach oben hin bleibt aber nicht unter allen Umständen er- halten. Bringt man den Peyssonnelia-Thallus in inverser Lage unter einen schwarzen Zylinder, der nur senkrecht einfallendes Licht auf die Unterseite des Thallus gelangen lässt, so wandern die band- förmigen Chromatophoren der unteren Thalluspartie in die nunmehr dem Lichte zugekehrten morphologisch unteren Enden der Palissaden- zellen, sodass sie der von entgegengesetzter Seite wirkenden Lichtquelle gegenüber wiederum Antistrophe einnehmen (Fig.2). Die kugeligen Rhodoplasten der zwei bis drei äussersten Astzellen verharren jedoch in ihrer ursprünglichen Antistrophe. Da sie sogar bei direkter Be- sonnung keine Verlagerung ausführen, ist anzunehmen, dass sie einer solchen unfähig sind oder dass sie den Lichtreiz gar nicht perzipieren. Im Hinblick auf meine früheren Resultate (Senn 1908, S. 184), nach welchen Chromatophoren meristematischer und jugendlicher Zellen keine photischen Verlagerungen ausführen, ist diese Bewegungs- losigkeit nichts auffallendes; handelt es sich doch auch hier um Chromatophoren teilungsfähiger Scheitelzellen und ihrer direkten Nachkommen, also von Zellen, welche sich noch im meristematischen Zustand befinden. b) Platoma cyclocolpa. Die gleiche Lagerung ähnlich gestalteter Chromatophoren be- obachtet man bei Platoma cyclocolpa Schmitz, einer Nemastomacee, deren flacher weichknorpeliger Thallus mit einer zentralen Haft- scheibe dem Boden aufsitzt und mit seinen Ästen eine einfache Rosette oder einen flachen, durchbrochenen Kelch bildet. Der ana- tomische Bau dieser Alge zeigt den sogenannten Springbrunnen- Typus, also eine grössere Anzahl parallel verlaufender zentraler Längsfäden, welche nach der Peripherie radiale Äste entsenden. Ihre reichlichen Verzweigungen lagern sich dicht nebeneinander und bilden mit ihren bis zweimal so langen als dicken und zur Thallusoberfläche senkrecht orientierten Zellen ein Palissadenparenchym, das wie bei Peyssonnelia, jedoch im Gegensatz zu demjenigen der Laubblätter, 108 G. Senn. nach aussen nicht von einer Epidermis, sondern von den Scheitelzellen der letzten Verzweigungen abgegrenzt ist (Fig. 3). Die Wuchsform des Thallus erzeugt eine gewisse Dorsiventralität, die sich makroskopisch in der tiefer roten Färbung der Thallusoberseite äussert. Dies beruht darauf, dass die dem Lichte zugekehrte Thallusoberseite grössere Chro- matophoren aufweist als die Unterseite. Ferner bestehen die letzten Ver- Fig. 3, 4 und 5. Platoma cyclocolpa Querschnitte durch Thalluszipfel, Astzellen von der Seite gesehen. Vergr. 1200. Fig. 5. aus diffusem Licht. Rhodoplasten in Antistrophe an der äusseren Fugen- wand. Zellen der Thallusunterseite. Fig. 4. 21/2 Stunden konstant senkrecht von oben besonnt. Rhodoplasten in Parastrophe an der Cylinderwand, direkt besonnte Querwände entblösst. Zellen der Thallusoberseite. Fig. 5. 4 Tage verdunkelte Zellen der Thailusunterseite. Rhodoplasten auf beiden Fugenwänden in Apostrophe. zweigungen unter der Thallusoberseite aus relativ kurzen, dick tonnenförmigen Zellen mit einem Verhältnis von Dicke zu Länge, das zwischen 1,3 und 1,5 liegt. (Fig. 4.) Die Zellen der Unterseite dagegen sind viel höher; das Verhältnis ihrer Länge zur Dicke schwankt zwischen 1,75 und 2,28. (Fig. 3 und 5). Man ist deshalb im Stande auch an Querschnitten Ober- und Unterseite zu unter- scheiden. Jede dieser Zellen enthält einen bandförmigen, weinrot ge- färbten pyrenoidfreien Chromatophor, der je nach der Gestalt der Chromatophoren -Verlagerung. 109 Zelle in steileren oder flacheren Schraubenbändern der Membran anliegt. Im diffusen Licht liegen die Chromatophoren der drei bis vier äussersten Zellen der der Thallusoberseite zugekehrten Querwand an, nehmen somit Antistrophe ein, die sich bei der ungefähren Über- einstimmung in der Lage der Querwände darin äussert, dass (bei Betrachtung des Querschnittes) unter der Thallusoberseite mehrere rote Schichten mit farblosen Streifen abwechseln (Fig. 3). Dasselbe beobachtet man auch in der Thallusunterseite, nur dass dort die Anti- strophe entsprechend der geringeren Lichtintensität bloss etwa bis zur drittletzten Zelle jedes Fadenastes reicht. In der Mitte des Thallus liegen die Chromatophoren entsprechend der dort herrschenden schwach diffusen Beleuchtung in relativ steilen Schraubenbändern der Zylinderwand der Zelle an. Wird nun die Lichtintensität bei konstant senkrechter Strahlen- richtung: über die normale Höhe gesteigert, so geben die Chromato- phoren der direkt besonnten Seite ihre Antistrophe auf und gehen in Parastrophe an der Zylinderwand der Zelle über (Fig. 4), also gerade wie die Chromatophoren des Palissadenparenchyms eines Laubblattes, das konstant senkrecht zu seiner Oberfläche besonnt worden ist. Bei einer drei bis sechstägigen Verdunkelung wandern die Chromatophoren in Apostrophe, also nach den Fugenwänden, und zwar häufig so, dass ein Ende des langen Chromatophors an der inneren, das andere Ende an der äusseren Querwand liest (Fig.5). Im Prinzip also wieder dieselbe Lagerung wie im Palissaden- parenchym der Laubblätter. Wie bei Peyssonnelia geben auch bei Platoma die Rhodoplasten der endständigen Scheitelzellen bei allen diesen Reizungen ihre Anti- strophe nicht auf. 2. Die Chromatophoren-Verlagerung der beiden Rotalgen im Vergleich zu derjenigen grüner Laubblätter. Während ım intensiven Licht und in der Dunkelheit die Chroma- tophoren-Anordnung in den Palissadenzellen von Peyssonnelia und Platoma mit derjenigen der Laubblatt-Palissaden übereinstimmt, ist sie — entgegen meiner früheren Vermutung — im Licht mittlerer Intensität von dieser wesentlich verschieden. Im Laubblatt herrscht bei diffuser Beleuchtung Epistrophe an den Seitenwänden (Fig.7), bei den beiden Rotalgen dagegen Anti- strophe im vorderen Ende der Palissadenzellen. Dieser Unterschied 110 G. Senn. ist jedoch keineswegs prinzipieller Natur, sondern durch die be- sonderen optischen Verhältnisse bedingt. Ich habe s. Zt. nachweisen können (Senn 1908, S. 98), dass die Chromatophoren der Palissadenzellen in senkrecht von oben mit parallelen Strahlen belichteten Blättern sich an der vorderen und der hinteren Fugenwand ansammeln; sie nehmen, wie die Chromato- Fig. 6, 7 und 8. Taraxacum offieinale, Blatt- querschnitte. Vergr. 400. Fig. 6. Blatt mit parallelen Strahlen senkrecht von oben belichtet. Interzellularen mit Wasser injiciert. Palissadenparenchym : Diastrophe. Schwammparenchym: Dia- oder Antistrophe. Fig. 7 und 8. Blattoberseite mit convergenten Strahlen von 90° belichtet. Fig. 7. Interzellularen lufthaltig: Palissaden; parenchym Epistrophe. Schwamm- parenchvm Diastrophe. Fig. 8. Interzellularen mit Wasser injiziert: überall Antistrophe. phoren von Moosblättern, Diastrophe an (Fig.6). Noch bei einer Konvergenz der einfallenden Lichtstrahlen von 50° und 70° bleibt diese Anordnung wenigstens teilweise erhalten. Erst bei einer Kon- vergenz von 900 weisen die beiden Fugenwände kein Chlorophyll mehr auf. Die Zellen zeigen dann die gleiche Ohromatophoren-An- ordnung wie in der freien Natur, d. h. Epistrophe an der freien Zylinderwand (Fig.7). Um dieses merkwürdige Verhalten aufzu- Chromatophoren -Verlagerung. 111 klären, konstruierte ich mit Hilfe der von mir festgestellten Brechungsverhältnisse (zwischen lebendem Protoplasma samt Ein- schlüssen und wasserhaltiger Zellmembran einerseits, gegenüber Luft und Zellsaft anderseits) den Verlauf der Lichtstrahlen innerhalb der Zellen bei verschiedenen Einfallswinkeln. Zunächst zeigt es sich, dass die zwischen den Palissadenzellen verlaufenden engen Inter- zellularräume kein oder nur wenig Licht erhalten, da dieses infolge von Totalreflexion gewöhnlich gar nicht in sie hineingelangt. Wenn aber doch einige Strahlen eingedrungen sind, so werden sie von den Palissadenzellen bald aufgenommen und können dann diese nicht mehr verlassen. Das hat zur Folge, dass die Interzellularen dunkel bleiben und dass die Palissadenzellen mit Ausnahme ihres äusseren Endes kein Licht von den Interzellularen her erhalten, sondern nur durch ihre äussere Fugenwand. Fallen nun Lichtstrahlen senkrecht auf die Blattoberfläche, so werden sie beim Eintritt in die Palissadenzellen so stark gegen die Längsachse der Zelle zugebrochen, dass die Flanken der Zelle kein Licht erhalten, sondern nur die beiden Querwände. Daher die Diastrophe der Ohromatophoren (Fig. 6). Bei einer Konvergenz der Strahlen von 900 dagegen (Fig. 9), also einem Einfallswinkel von 45°, durchsetzen die Strahlen den Zell- saftraum der Palissadenzellen in schräger Richtung und treffen, nach- dem sie durch Plasma, Chromatophoren und Membran gebrochen worden sind, unter Einfallswinkeln, die meist zwischen 500 und 750 schwanken, auf die Aussenseite der Zellmembran. Sie vermögen aber die Grenze zwischen Membranaussenseite und Interzellular-Luft nicht zu durchsetzen, weil der Einfallswinkel von 50— 75° schon grösser ist als der Grenzwinkel der Totalreflexion. Diesen (@) findet man nach . 12 . . der Formel sin. =, wenn n der Brechungsindex des stark licht- brechenden Mediums (Zelle), v. der Brechungsindex des schwach lichtbrechenden Mediums (Luft, Wasser) ist. Da sich der Brechungs- index von wasserhaltiger Zellmembran und lebendem Protoplasma samt Einschlüssen zwischen 1,47 und 1,50 bewegt, gewöhnlich 1,48 beträgt, erhält man den Wert von @ (vergl. Senn 1908, S. 371 ff.) : Zelle von Wasser umgeben Zelle von Luft umgeben gp = 641/50 gp = 421/20 Alle Lichtstrahlen, die aus dem Saftraum einer von Luft um- gebenen Zelle auf deren Zylinderwand mit einem Einfallswinkel auf- treffen, der grösser ist als 421/,0, kommen nicht mehr aus der Zelle heraus, sondern werden an der Grenze von Zellmembran und Luft ins Zellinnere total reflektiert und so in die tiefer liegenden Blattzellen 112 G. Senn. geleitet (Fig. 9). Nur diejenigen Strahlen, welche die unterste zur Querwand umbiegende Partie der Zylinderwand treffen, treten in den Interzellularraum aus. Doch ist die Zahl der total reflektierten Strahlen so viel grösser, dass die die Zelle verlassenden Strahlen da- gegen nicht in Betracht kommen. Die Folge davon ist, dass die über- wiegende Menge des schief eintretenden Lichtes in den Palissaden- zellen weitergeleitet und dass das Protoplasma der Zylinderwand gleichmässig optimal belichtet wird. Unter diesen Umständen werden die Chromatophoren durch keine Unterschiede der Lichtintensität gereizt; sie befinden sich im photischen Gleichgewichtszustand. In diesem veranlassen chemo- taktische Reize die Chloroplasten, unter den völlig gleichmässig be- lichteten Stellen der Zellwand diejenigen zu besetzen, welche an die Luft der Interzellularräume grenzen und daselbst transspirieren. Diese Stellung wird als Freiwandlage oder Epistrophe bezeichnet Que, 7) Im Palissadengewebe der untersuchten Meeresalgen bestehen nun aber ganz andere optische Verhältnisse. Da keine Interzellularen vor- handen sind, können die Lichtstrahlen nicht nur durch die obere Fugenwand, sondern auch durch die Zylinderwand, somit allseitig von aussen her in die Palissadenzelle eindringen. Da ferner die zwischen den ‚einzelnen Zellen etwa vorhandenen Lücken durch Gallerte oder Membransubstanz ausgefüllt sind, deren Lichtbrechung von derjenigen des Plasmas jedenfalls nur wenig verschieden ist, wird der Grenzwinkel der Totalreflexion so gross, dass eine Totalreflexion gar nicht mehr vorkommt. Die in die Palissadenzellen eingedrungenen und vom Zellsaftraum her schief auf die Zylinderwand fallenden Strahlen treten deshalb ebenso leicht, wie sie eingedrungen sind, wieder aus der Zelle aus und in die nächste Nachbarzelle ein. Die dabei erfolgende Absorption der Lichtstrahlen bedingt eine vom Vorder- zum Hinterende jeder Palissadenzelle rasch fortschreitende Abnahme der Lichtintensität (vergl. S. 105 unten), auf welche die Rhodoplasten mit positiver Phototaxis reagieren; daher die ausge- sprochene Antistrophe bei Peyssonnelia und Platoma. 3. Die Chromatophoren-Anordnung in injicierten und nicht injieierten Laubblättern. Obwohl diese Erklärung des Unterschieds in der Chromatophoren- anordnung der Palissadenzellen von Laubblättern und Meeresalgen theoretisch nicht angefochten werden kann, musste sie doch noch experimentell auf ihre Richtigkeit dadurch geprüft werden, dass man in Algenthallus und Laubblatt dieselben Lichtbrechungsverhältnisse Chromatophoren -Verlagerung. 113 schuf und dann unter den nunmehr gleichen optischen Verhältnissen die Lagerung der Ohromatophoren untersuchte. In den Peyssonnelia- und Platoma-Thallus lufthaltige Interzellularen hineinzuzaubern, dürfte kaum möglich sein, dagegen ist es leicht, in die lufthaltigen Interzellularen eines Laubblattes Wasser zu injizieren und dadurch die Lichtbrechungsverhältnisse denen der Meeresalgen annähernd gleich zu gestalten. a) Versuchspflanzen. Zu meinen Versuchen habe ich Blätter von Taraxacum officinale, Phaseolus vulgaris, Amarantus Blitum, Rumex Acetosa und Urtica dioica verwendet. Da jedoch Phaseolus und Rumex unter der In- jektion litten, was sich in einer unregelmässigen Häufung der Chro- matophoren äusserte, beschränke ich mich auf die Wiedergabe der bei Taraxacum, Urtica und Amarantus erhaltenen Resultate. Bei Amarantus und Taraxacum sind die Palissadenzellen ziem- lich genau tonnenförmig (Fig. 6) mit gleich grosser innerer und äusserer Fugenwand. Diejenigen von Urtica dagegen haben Kegel- gestalt und legen sich mit ihrem erweiterten Ende der oberen Blatt- epidermis an, während sie sich nach ihrem inneren Ende zu allmäh- lich verjüngen. Wie bei den früheren so hatte ich auch.bei diesen Untersuchungen oft mit der Ungunst des Versuchsmaterials zu kämpfen, speziell mit dem grossen Stärkegehalt der Chloroplasten, der sie für Lichtreize wenig empfindlich macht (vergl. Senn 1908, S. 198). Ich habe darum die Pflanzen jeweilen 24 Stunden vor einem Versuch in einer kohlen- säurefreien Atmosphäre gehalten. Am Schluss des Versuchs, also nach fünf- bis achtstündiger Belichtung in gewöhnlicher kohlensäure- haltiger Luft, waren die Chloroplasten der injizierten Blätter noch fast völlig stärkefrei, während diejenigen der nicht injizierten Blätter etwas Stärke enthielten. Darauf ist wohl die Tatsache zurückzu- führen, dass die Chloroplasten der injizierten Blätter gewöhnlich prompter und allgemeiner reagierten als diejenigen der nicht injizierten. b) Versuchsanordnung. Injizierte und nicht injizierte Blätter der Versuchspflanzen kamen unter die schon früher verwendeten Lichtschirme, welche kon- vergentes Licht von bestimmtem Einfallswinkel eintreten lassen (Senn 1908, S.102, Fig. 41). Um die Konvergenz der Lichtstrahlen nicht zu verringern, durfte ich die injizierten Blätter nicht, wie in den früheren Versuchen, unter Wasser halten. Ich liess sie deshalb wie die nicht injizierten in direkter Berührung mit der Luft und verhinderte 8 114 G. Senn. durch nass gehaltenes dunkles Filtrierpapier, das ich in einer Ent- fernung von etwa einem halben Zentimeter hinter der Unterseite der Blätter ausspannte, eine zu starke Verdunstung. Das nasse Filtrier- papier durfte aber der Unterseite der Blätter nicht direkt anliegen, weil sonst die Luft- resp. Sauerstoffzufuhr allzu sehr erschwert wurde, was sich in einer Schädigung der Blätter äusserte. Wie die mikro- skopische Untersuchung nach Beendigung des Versuches zeigte, be- hielten die Blätter unter diesen Umständen ihr Injektionswasser bis zum Schluss. Die exponierten Blattstücke wurden zuletzt in der früher (Senn 1908, S. 103) beschriebenen Weise herausgeschnitten, fixiert, eingebettet und geschnitten. c) Versuchsresultate. Das Resultat der Versuche besteht darin, dass bei Konvergenzen von 500 und 70°, wie im parallelen Licht, die Chromatophoren der Palissadenzellen von Taraxacum Diastrophe annahmen, d.h. sich an den Querwänden der Palissadenzellen ansammelten, also an der der Epidermis anliegenden und der ihr gegenüberliegenden Wand (Fig. 6). Bei der Konvergenz von 700 war die von Chloroplasten ent- blösste Partie der Zylinderwand der Palissadenzellen bei Taraxacum und Amarantus schon bedeutend schmäler als in parallelem Licht und bei der Konvergenz von 500. Bei den Urtica-Blättern mit ihren nach innen stark verjüngten Palissadenzellen war bei der Kon- vergenz von 700 schon Epistrophe resp. Peristrophe eingetreten (vergl. Senn 1908, S. 105, Tabelle). Ein scharfer Unterschied in der Chloro- plasten-Anordnung injizierter und nicht injizierter Blätter war jedoch auch bei der Konvergenz von 70° nicht festzustellen. Bei einer Konvergenz von 909 zeigen die Palissadenzellen der nicht injizierten Blätter wie in der freien Natur Epistrophe (Fig. 7, 9), die Schwammparenchym-Zellen dagegen Diastrophe, während in den injizierten Blättern die innere Querwand der Palissadenzellen häufig entblösst, die Tonnenwand und die äussere Querwand dagegen dicht besetzt sind (Fig. 8). In der zweit- und drittobersten Schicht der Taraxacum-Palissaden, sowie im Schwammparenchym von Taraxacum, Amarantus und Urtica war an der oberen Zellwand ganz allgemein Antistrophe eingetreten (vergl. Senn 1908, S. 89). - Wird die Konvergenz der auf die Blattoberseite fallenden Licht- strahlen über 900 hinaus gesteigert, so tritt in den Palissadenzellen der injizierten Blätter die Antistrophe noch deutlicher hervor. So erhielt ich bei einer Konvergenz der Lichtstrahlen von 1000 in injizierten Blättern von Taraxacum und Urtica in mehreren Versuchen fast allge- meine Antistrophe, in den nicht injizierten dagegen Epi- oder Peri- strophe. Chromatophoren -Verlagerung. 115 Bei einer Konvergenz von 1/0° war auch in den nicht injizierten Blättern neben der Epistrophe die Antistrophe recht häufig; in den injizierten Blättern bildete sie die Regel. Bei der Konvergenz von 120% endlich konnte in der Chromato- phoren-Anordnung der injizierten und nicht injizierten Blätter weder im Palissaden- noch im Schwammparenchym ein Unterschied fest- gestellt werden, was nach meinen früheren Beobachtungen (Senn 1908, S. 105 £.) zu erwarten war. Meine auf Seite 110 geäusserte Vermutung, dass der Unterschied der Chromatophoren-Anordnung in den Palissadenzellen der Meeres- algen und der Laubblätter nur auf den Unterschieden der optischen Verhältnisse beruhe, wurde somit durch die Versuche als richtig er- wiesen. Die Konstruktion des Strahlenganges, welche mit Hilfe der von mir ermittelten Brechungsindices (Senn 1908, S. 365, 374) ausge- führt werden kann, bestätigt die Richtigkeit meiner Auffassung. Würden die unter 450 auf die Blattoberfläche einfallenden Strahlen ungebrochen bis auf die Flanken der Palissadenzellen gelangen, so würden sie da, wo die Flanken zur Blattoberfläche senkrecht ver- laufen, wieder einen Einfallswinkel von 450 bilden. Infolge der Brechung und Ablenkung der Strahlen durch die Epidermiszellen werden jedoch die Einfallswinkel an den Zellflanken vergrössert. In Fig. 9 betragen sie auf der einen Flanke 64, 53, 54°, auf der andern Flanke 73, 56, 38°. Die hohen Werte (64 und 73°) finden sich in den abgerundeten Zell- enden nächst den Epidermiszellen, die niederen Werte in der Nähe des inneren Endes der Palissadenzellen. Dies hat jedoch für die uns hier beschäftigende Frage keine Bedeutung, da beide Zellenden auch durch weniger schief einfallende Strahlen beleuchtet werden. Dagegen betragen die Einfallswinkel an den ausschliesslich von stark konvergenten Strahlen beleuchteten, zur Blattoberfläche an- nähernd senkrecht stehenden Zellflanken 53—56°. Bei niedrigeren und etwas stärker vorgewölbten Epidermiszellen habe ich bei der Kon- struktion etwas kleinere Werte, 50—53°, erhalten. In folgender Tabelle sind alle Einfallswinkel zusammengestellt, welche die aus dem Zellsaftraum kommenden Strahlen mit der Grenz- fläche zwischen Membran und Interzellularraum der Palissadenzellen von Taraxacum in meinen Konstruktionen bilden, und zwar bei ver- schiedener Konvergenz der auf die Blattfläche einfallenden Strahlen. Durch zwei vertikale Linien werden die Werte des Grenzwinkels der Totalreflexion für die an Luft (421/,0) und für die an Wasser (641/,0) grenzenden Zellen angegeben. Fig. 9. Taraxacum officinale. Epidermis und äusserste Palissadenzelle. Gang der Lichtstrahlen, welche mit einer Convergenz von 900 auf die Blattoberseite einfallen. Vergr. 2500. Die ausgezogenen mit Pfeilen versehenen Linien stellen den Gang der Lichtstrahlen dar. Nach ihrem Auftreffen auf die Aussenfläche der Palissaden- zelle ist ihr Verlauf bei Luftgehalt der Interzellularen ganz ausgezogen, bei Wassergehalt dagegen nur punktiert. Die einfallenden Strahlen bilden mit der Längsachse der Palissadenzelle Winkel von 452. Im vorliegenden Falle liegt die Blattoberfläche zu dieser Längs- achse nicht senkrecht, sondern um 7° geneigt. Prinzipiell ist dies jedoch für den Strahlengang nicht von Bedeutung. An den Flanken der Palissadenzelle sind die optischen Längsschnitte der Chloroplasten eingezeichnet. Chromatophoren-Verlagerung. | 117 Convergenz | | ur 641/2 900 38 50 52 53 54 56 63 64 13 1 1000 40 48 > was | um 1200 40 42 | AT 50 Die mit Einfallswinkeln unter 421/,0 auf die Zylinderwand der Palissadenzellen einfallenden Strahlen treten in wasser- und luft- haltige Interzellularen ein. Die mit Einfallswinkeln von 421/,0 bis 641/,0 einfallenden Strahlen treten in wasserhaltige, jedoch nicht in lufthaltige Interzellularräume ein. Bei Einfallswinkeln über 641/,0 werden die Strahlen auch an wasserhaltigen Interzellularen innerhalb der Palissadenzelle total reflektiert. Die mit einer Konvergenz von 90° auf die Blattoberfläche ein- fallenden Strahlen bilden innerhalb der Palissadenzellen auf der Grenze zwischen Membranaussenseite und Interzellularen mit dem Lote Winkel, die mit wenigen Ausnahmen grösser sind als 421/,0, als der Grenzwinkel der Totalreflexion. Sie können deshalb nicht in die Interzellularräume hinaustreten, sondern werden innerhalb des plasmatischen Wandbelegs weitergeleitet oder nach der gegenüber- liegenden Seite der Zylinderwand reflektiert (Fig. 9). Infolgedessen wird der ganze plasmatische Wandbeleg der Palissadenzellen unge- fähr gleich stark belichtet. Sind aber die Interzellularen mit Wasser injiziert, so können, da nun der Grenzwinkel der Totalreflexion 641/,0 beträgt, die Strahlen mit Einfallswinkeln von 50, 52, 53, 54, 56, 63 und 64° in die Inter- zellularen hinaus und in eine benachbarte Palissadenzelle hineintreten. Diese erhalten nun also das Licht nicht nur durch die äussere Quer- wand, sondern (wie die Palissadenzellen der Meeresalgen) auch durch die Zylinderwand hindurch aus Nachbarzellen und Interzellular- räumen. Dadurch entstehen innerhalb der Palissadenzelle injizierter Laubblätter wie in denjenigen der Meeresalgen Unterschiede der Lichtintensität: die vordere Querwand ist nunmehr am stärksten, die hintere am schwächsten belichtet, auf der Zylinderwand nimmt die Lichtintensität mit zunehmender Annäherung an die hintere Querwand ab. Nur wenige am äussersten Ende der Zylinderwand eintretende Strahlen werden bei einem Einfallswinkel von 750 auf die Zylinderwand innerhalb der Zelle reflektiert. Bei der bedeutenden Grösse des Reflexionswinkels tritt jedoch dieser Strahl nicht mehr aus dem Plasma in den Zellsaftraum hinein; er erfährt im plasmatischen Wandbeleg eine starke Absorption und ist nicht im- stande, der inneren Hälfte der Zylinderwand genügend Licht zuzu- 118 G. Senn. führen. Die Lichtverteilung innerhalb der Palissadenzellen injizierter Blätter von Taraxacum, Urtica und Amarantus ist somit im Prinzip dieselbe, wie in den Thallı von Peyssonnelia und Platoma. Dement- sprechend nehmen die Chromatophoren hier wie dort Antistrophe an. Die mit einer Konvergenz von 100% auf das Blatt fallenden Lichtstrahlen bilden auf der Zylinderwand der Palissadenzellen Ein- fallswinkel von 40 bis 550. Ein kleiner Teil der Strahlen mit Einfallswinkeln von 40 bis 421/,0 kann sogar in nicht injizierte Inter- zellularen austreten, die andern nur in injizierte. Bei einer Konvergenz von 110 und 1209 werden die Einfalls- winkel auf der Zylinderwand noch kleiner, sodass schon ein grosser Teil der Strahlen in die nicht injizierten Interzellularen hinaustreten kann, wie ich dies wenigstens für die Konvergenz von 1200 schon in meiner ersten Arbeit gezeigt habe (Senn 1908, S. 106, Taf. 7, Fig.3). Bei so starker Konvergenz besteht somit kein Unterschied mehr zwischen den Beleuchtungsverhältnissen injizierter und nicht injizierter Blätter, daher die Übereinstimmung i in der Lagerung der Chromatophoren. Die Einfallswinkel des die Blattoberseite treffenden Lichts, bei denen je nach Wasser- oder Luftgehalt der Interzellularen die Licht- strahlen seitlich aus den Palissadenzellen austreten oder nicht, liegen somit zwischen Konvergenzen von 90—110°. Unter 900 treten die Lichtstrahlen auch in wasserhaltige Interzellularen nicht ein. Zwischen 90° und 110° gelangen die Lichtstrahlen nur bei Injektion in die Interzellularen. Von der Konvergenz von 110° an beginnen die Lichtstrahlen auch in die lufthaltigen Interzellularen einzutreten. Bei allen diesen Versuchen mit starker Konvergenz der Strahlen trat in den Taraxacum-Blättern die Antistrophe in der zweit- und drittobersten Palissadenschicht allgemeiner ein als in der obersten. Diese Erscheinung ist jedenfalls darauf zurückzuführen, dass sich in den obersten, gerade unter der Epidermis liegenden Palissaden- zellen die Abstufungen der Lichtintensität wegen der noch schwachen Absorption weniger geltend machen, als in den Zellen der zweiten und dritten Schicht, welche ihr Licht, statt ausschliesslich aus den genau über ihnen liegenden Zellen, nun auch aus den neben und schräg vor ihnen befindlichen Interzellularen und Nachbarzellen erhalten. Dabei werden die Strahlen stark zerstreut und büssen bei ihrem weiteren Vordringen in das Gewebe ihre Intensität rascher ein, als bei ihrem Durchtritt durch die farblose Epidermis. Die Unterschiede der Chloroplastenanordnung können übrigens nur in denjenigen Partieen der Blattquerschnitte deutlich beobachtet werden, welche während des Versuches zur mittleren Einfallsrich- tung der Lichtstrahlen genau senkrecht gelegen haben. Bei den fast Chromatophoren -Verlagerung. 119 ebenen Endabschnitten der Taraxacum-Blätter war das fast allge- mein der Fall, während bei den stark unebenen Urtica-Blättern nur kleine Partieen den Anforderungen des Versuchs entsprachen. Welches diese waren, ergab die Anordnung der Chloroplasten selbst, indem diese nur in den zum Lichteinfall senkrecht liegenden Stellen zur Längsachse der Zelle symmetrisch angeordnet waren, während sie in den schief liegenden Blattpartieen auch eine schiefe Lagerung aufwiesen. Aber auch die weit verbreitete Vorwölbung der Aussenwand der Epidermiszellen beeinflusst bis zu einem gewissen Grade die An- ordnung der Chloroplasten. Konvexe Partieen sammeln die Strahlen, sodass die Einfallswinkel, unter denen die aus dem Zellsaftraum kommenden Strahlen auf die Zylinderwand der Palissadenzellen fallen, vergrössert werden. Konkave Partieen zerstreuen dagegen die Strahlen, sodass ıhr Einfallswinkel auf der Zylinderwand verkleinert wird. Im Hinblick auf diese mannigfaltigen Ablenkungen der Strahlen ist es begreiflich, dass die Chloroplasten nicht so physi- kalisch genau auf die Strahlenrichtung reagieren können, wie z. B. diejenigen von Vaucheria, deren Schläuche vom Licht unmittelbar bestrahlt werden. Versuche mit Belichtung der Unterseite, wie ich sie für den Thallus von Peyssonnelia beschrieben habe (S. 107), brauchte ich mit Laubblättern nicht mehr anzustellen, da ich sie früher schon mit Phaseolus ausgeführt und dabei in den Palissadenzellen (in Über- einstimmung mit Peyssonnelia) Antistrophe nach der Blattunterseite hin erhalten hatte (Senn 1908, S. 97f., Taf. 6, Fig. 4 und 5). 4. Schlussbetrachtungen. Aus diesen Versuchen mit Palissadenzellen von Rotalgen und Laubblättern geht hervor, dass der Unterschied in der Chromato- phoren-Anordnung im diffusen Licht mittlerer Intensität — Anti- strophe bei Rotalgen, Epistrophe in den Laubblättern — auf Unterschieden der Lichtbrechungsverhältnisse beruht. Werden die Brechungsverhältnisse der Laubblätter durch Injektion der Inter- zellularen mit Wasser denen der Meeresalgen gleich oder ähnlich ge- macht, so tritt unter der Wirkung von Lichtstrahlen, die in mittlerer Intensität mit einer Konvergenz von 90—110® einfallen, auch in den Palissadenzellen der Laubblätter Antistrophe ein, gerade wie in den- jenigen der roten Meeresalgen. Es mag vielleicht auffallen, dass es nur bei Anwendung starker Konvergenz der Lichtstrahlen gelingt, in den Palissadenzellen der Laubblätter die gleiche Chromatophoren-Anordnung hervorzurufen 120 G. Senn. wie in denjenigen der Meeresalgen. Diese Tatsache lässt sich aus den Lichtbrechungsverhältnissen leicht erklären. Naturgemäss kommen Unterschiede der Lichtbrechung im parallelen Lichte viel stärker zur Geltung als im diffusen Licht stark konvergenter Strahlen. Das ist ja auch der Grund, weshalb in der Mikroskopie stets Hohl- spiegel und Beleuchtungsapparat, zuweilen auch Schusterkugel, an- gewendet werden, wenn es sich um die Untersuchung relativ stark lichtbrechender Objekte handelt, während man schwach licht- brechende Objekte mit Vorteil im parallelen Licht, also unter Anwendung des Planspiegels betrachtet. Handelt es sich nun darum, die Brechungsunterschiede im Gewebe der Laubblätter zu eliminieren, um darin die im optisch viel homogeneren Thallus der Meeresalgen herrschenden Lichtverhältnisse herzustellen, so wird dies am besten durch die Anwendung konvergenter Strahlen, also diffusen Lichts erreicht. Da ich für die Landpflanzen nachweisen konnte, dass Palissaden- zellen mit Epistrophe der Chromatophoren für die Absorption des konvergenten diffusen Lichts, Grundgewebezellen mit Diastrophe der Chromatophoren dagegen für die Verwertung paralleler und wenig konvergenter Strahlen vorteilhaft sind (vergl. Senn 1908, S. 332, 334) könnte der Schluss gezogen werden, dass die untersuchten und überhaupt alle Meeresalgen mit Palissadenparenchym an stark kon- vergentes, also diffuses Licht angepasst seien. Aus der Tatsache, dass diffuses Licht in grossen Wassertiefen ausschliesslich vorhanden ist, während in den oberen Wasserschichten das weniger konvergente Oberlicht vorherrscht (vergl. Linsbauer 1905, S. 72) könnte weiter gefolgert werden, dass die Meeresalgen mit Palissadenzellen für grosse Tiefen, die Formen mit Grundgewebe dagegen für geringe Meeres- ‚tiefen eingerichtet seien. Wie eine Durchsicht der Zusammenstellung Bertholds (1882, S. 500ff.) über das Vorkommen der Meeresalgen im Golfe von Neapel ergibt, kommen allerdings die vorwiegend aus Grundgewebe bestehenden Braunalgen, wie Dictyota dichotoma, Padina Pavonia, Phyllitis debilis und Asperococcus compressus, sowie die Rhodophycee Nitophyllum punctatum vorwiegend in geringen Wassertiefen vor. Aber auch Peyssonnelia Squamaria und Platoma cyclocolpa steigen keineswegs tief hinunter. Da ferner aus Bertholds Beobachtungen hervorgeht, dass für die vertikale Verbreitung der Meeresalgen in erster Linie die Lichtintensität und nicht die Meerestiefe, somit auch nicht die durch sie bedingte Richtung der Lichtstrahlen ausschlag- gebend ist, scheint das Vorhandensein oder Fehlen von Palissaden- zellen bei den Meeresalgen keine Anpassungserscheinung, sondern Chromatophoren -Verlagerung. 121 durch die speziellen Wachstumsverhältnisse des Thallus bedingt zu sein. Trotz völliger Übereinstimmung der Chromatophoren-Anordnung in den Palissadenzellen injizierter Laubbläter und der Thallı der beiden untersuchten Rotalgen darf nicht übersehen werden, dass unter natürlichen Bedingungen beide Organe die Lichtabsorption in durch- aus verschiedener Weise bewerkstelligen. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass die Chromatophoren der beiden Meeresalgen Anti- strophe annehmen, gleichsiltig ob die Thalli von parallelen oder von konvergenten Strahlen beleuchtet werden, während die Chromato- phoren in den Laubblattpalissaden je nach der herrschenden Strahlen- richtung wesentlich verschieden angeordnet sind. Wie ich gezeigt habe, beruht diese Verschiedenheit der Chromatophoren-Anordnung in gleichgestalteten Zellen auf dem Vorhandensein oder Fehlen von lufthaltigen Interzellularen, demzufolge die Lichtstrahlen diese Ge- webe in ganz verschiedener Weise durchsetzen und auf verschiedenen Wegen in die einzelnen Zellen eindringen. Zusammenfassung der Resultate. 1. In den Palissadenzellen der roten Meeresalgen Peyssonnelia Squamaria und Platoma cyclocolpa sind die Chromatophoren bei diffuser Belichtung mittlerer Intensität in Antistrophe an den der Lichtquelle zugekehrten Querwänden gelagert. Durch Belichtung der Unterseite des Thallus von Peyssonnelia werden ihre Chromatophoren veranlasst, sich in den nun am besten belichteten anatomisch unteren Zellenden anzusammeln. 2. Durch längere Verdunkelung kann in den Zellen von Platoma Apostrophe, durch intensive Belichtung dagegen Parastrophe der Chromatophoren hervorgerufen werden. 3. Die Verschiedenheit zwischen der Chromatophoren-Anordnung in den Palissadenzellen der Meeresalgen (Antistrophe) und der Laub- blätter (Epistrophe) bei optimal-diffuser Beleuchtung ist auf die Ver- schiedenheit der optischen Verhältnisse zurückzuführen. Wird die Verschiedenheit dadurch aufgehoben, dass man bei den Laubblättern die lufthaltigen Interzellularräume, welche die Totalreflexion der in die Palissadenzellen eingedrungenen Lichtstrahlen bewirken, mit Wasser injiziert, so tritt bei einer Konvergenz der Lichtstrahlen von 90—110° in den Palissadenzellen der Laubblätter die gleiche Chroma- tophoren-Anordnung wie in denjenigen der untersuchten Rotalgen, nämlich die Antistrophe, ein. Schon bei einer Konvergenz von 110°, noch vollständiger aber bei 1200 gehen auch in nicht injizierten Blättern die Chloroplasten in Antistrophe über. G. Senn. 4. Im Gegensatz zu den Laubblättern scheint das Vorkommen von Palissadenparenchym bei Meeresalgen keine Anpassung an diffuse Belichtung, sondern durch die speziellen Wachstumsverhältnisse des Thallus bedingt zu sein. 1882. 1905. 1847. 1908. Literatur. berthold, G. Ueber die Verteilung der Algen im Golf von Neapel etc. Mitteilungen aus der zool. Station zu Neapel, Bd. 3. Linsbauer, L. Photometrische Untersuchungen über die Beleuchtungs- verhältnisse im Wasser. Sitz.-Ber. Kais. Akad. Wissensch. Wien Math.- naturw. Klasse, Bd. 114 Abt. 1. Nägeli, GC. Die neueren Algensysteme und Versuch zur Begründung eines eigenen Systems der Algen und Florideen. Neue Denkschr. d. Allg. Schweiz. Ges. f. d. ges. Naturwissensch. Bd. 9. Senn, G. Die Gestalts- und Lageveränderung der Pflanzen-Chromato- phoren. Leipzig, W. Engelmann. Botanisches Institut der Universität Basel, September 1916. Über Deckenbau im Gebiet von Djambi Sum). Mit einer Tafel (TI). Von Aug. Tobler. Inhaltsverzeichnis. Seite I. Die paläo- und mesozoischen Gesteinsformationen . . . . . . . 125 A. Des Schieferbarissan . . . a re ere nl B. Des Doeablas- und des Ta doi: ee ne Dr ee RIT CLEA LAS CMDESRUOLLATISS AN ES ea DUT Dre A ma en | RLNEHOSNEhicrDezirk MANU ce a a en 2 2MMeranein Bembesibezicke ee 0 2..0..2.2..20.22.220190 D. Des Hochbarissan. . . BEN ES SEE a || II. Die neozoischen Ben ormaticnen ET Re el A. Die Tertiärschichten des Vorlandes . . . RER PNR A EE Lol B. Die Tertiärschichten des östlichen Barissanrändes eg en al C. Die Tertiärschichten des westlichen Barissanrandes. . . . 21133 D. Die Tertiärschichten der Rawasbucht und der ten een becken ._. . RES Ce mn een ae DE E. Die tertiären Er setene D COR Sd N IE NE AE MALE Re EAST F. Die Pleistocänbildungen. . . RE MS EE AS ME ONE Te PTT TR AN NE 110) III. Autochthones und exotisches Cent RE 135 IV. Unterscheidung einer untern und obern Decke im oi ben Gehiet 140 V. Herkunft der beiden Ueberschiebungsdecken . . . . . . . . . 14 AniereaDeckes mr ee EEE MENT ed? B. Obere Decke. . . . ee NT OR 16 2 VI. Zeitliche Analyse der kekkomischen Tone DT ROLE NE SM N Le VIISESchlussbemerkune 400.120. AR EEE RE UE RAR TAG Im Jahr 1910 habe ich in einer in Indien verfassten Notiz!) eine gedrängte Übersicht gegeben über meine damalige, auf drei- - jähriger Feldaufnahme beruhende Kenntnis der Resident- schaft Djambi. Die Terrainuntersuchungen habe ich nach der Niederschrift jener Notiz weitergeführt bis Mitte 1912. Ich bin 1) Lit. 16. 124 A. Tobler. gegenwärtig damit beschäftigt, im Auftrag der Niederländischen Regierung eine ausführliche geologische Beschreibung von Djambi auszuarbeiten, in der die Resultate der ganzen, in den Jahren 1906 bis 1912 durchgeführten Expedition mitgeteilt werden sollen. Mit den vorliegenden Zeilen will ich dem in Vorbereitung befindlichen Bericht nicht vorgreifen; ich beabsichtige lediglich, hier an Hand der beiliegenden Karten- und Profilskizze meinen Standpunkt zu präzisieren in der Frage, ob für Sumatra, speziell für Djambi, Überschiebungen im Sinne der Deckentheorie anzunehmen seien. Es handelt sich demnach hier vornehmlich um theoretische Erörterungen, die nicht in den Rahmen der objektiven geologischen Beschreibung passen. Die in meiner Notiz von 1910 gegebenen Mit- teilungen über die in Djambi vorkommenden Gesteinsformationen werden hier kurz rekapituliert im Interesse derjenigen Leser, denen die genannte Publikation nicht zugänglich oder denen die holländische Sprache nicht geläufig ist. Dabei wird sich Gelegenheit bieten, den einen oder andern Punkt der frühern Darstellung zu verbessern bezw. zu ergänzen. Ich habe seinerzeit?) nach morphologischen und tektonischen Gesichtspunkten in dem zwischen dem 1. und 3. Breitegrad gelegenen, Djambi und die angrenzenden Gebiete umfassenden Segment von Sumatra folgende Elemente unterschieden: Westliche Küstenebene, Barissangebirge im weitern Sinn, Subbarissansenke, Tertiäres Vor- land (Peneplaine), Doeablasgebirge?), Tigapoeloegebirge und östliche Küstenebene. Innerhalb des Barissangebirges im weitern Sinn unter- schied ich drei Unterabteilungen: das Barissangebirge im engern Sinn, das Solok-Tabir-Rawas-Schiefergebirge und das Sangir-Poeloe Bajoer- und Poelasan-Plepathügelland. An dieser morphologisch-tektonischen .Gliederung halte ich sach- lich fest. Ich möchte aber der Übersichtlichkeit und Einfachheit halber die drei Unterabteilungen des Barissangebirges mit den kürzern Namen „Hochbarissan‘‘, ,,Schieferbarissan‘ und ,,Vorbarissan‘ be- zeichnen. - 2) Lit. 16, p. 6. (N.B. Ich zitiere die Paginierung der Notiz in der Zeit- schrift. Der Sonderabdruck ist besonders paginiert. Die Seitenzahlen des letztern sind um 2 kleiner als in der Zeitschrift.). 3) Bei den Eigennamen ist durchweg die holländische Schreibweise oe = deutsch u angewandt. Deckenbau im Gebiet von Djambi. 125 I. Die paläo- und mesozoischen Gesteinsformationen. A. Die paläo- und mesozoischen Gesteinsformationen des Schieferbarissan. Der Schieferbarissan wird, wie der Name andeutet, der Haupt- sache nach von Schiefergestein aufgebaut. Es ist meistens phyllitisch glänzender Tonschiefer; nur in der etwa 5 km breiten östlichen Randzone des Schiefergebirges, wo das Gestein weniger starkem Druck unterworfen war, ist der Schiefer matt und im Hand- stück manchmal kaum von gewissen miocänen Schiefertonen zu unter- scheiden. In den matten Schiefern der östlichen Randzone sind zahl- reiche Bänke von schwärzlichem Quarzitsandstein einge- schaltet. Im Gebiet des Batang Asai nehmen die klastischen Bestand- teile in einem bestimmten Niveau so grosse Dimensionen an, dass von einem Konglomerat gesprochen werden kann. Die Kom- ponenten bestehen aus Schiefer, Quarzitsandstein und Kalkstein. Sie erreichen Hasel- bis Baumnussgrösse. Im Schieferbarissan sind bis jetzt zwei Züge von Kalkstein- riffen bezw. -Schichten aufgefunden worden. Der eine Zug verläuft nahe seiner Südwestgrenze und ziemlich genau parallel zu ihr, der zweite zieht sich der Nordostgrenze entlang in dem zwischen der letztern und dem Batang Asai gelegenen Streifen. Der Kalkstein zeigt meistens keine Schichtung. In den meisten Fällen kann man aber er- kennen, dass es sich um primär in die Schiefer eingeschaltete Partieen und nicht etwa um Überschiebungsklippen handelt. Am Aufbau des Schieferbarissan beteiligen sich ferner in her- vorragendem Masse Granit und Diorit, die als Intrusionen in die Schiefermassen eingedrungen sind. Letztere zeigen denn auch prachtvolle Kontakthöfe im Umkreis der Granodioritmassive. Weit über diese Kontakthöfe hinaus, aber immer noch an die Nähe der Massive gebunden, sind die Schiefer von zahllosen Quarzgängen durchschwärmt. Was das Alter der Schiefer anbelangt, so kann mit Sicherheit angenommen werden, dass sie insgesamt prätertiär sind, da keine posteretaeischen Fossilien gefunden sind. Der tiefste, durch Fossilfunde bestimmte Horizont gehört dem Untern Jura an. Wir nehmen aber mit allen Fachgenossen, die sich über das Alter der sumatranischen Schiefer ausgesprochen haben, an, dass sie weit tiefer in die stratigraphische Reihenfolge, vielleicht bis in das Paläozoicum hinabgreifen. 126 A. Tobler. Die wichtigsten Fossilpunkte sind: Moeara Betoeng am Soengi Nilo: Korallen (Montli- vaultia), Pentacriniten und ein Belemnit des Untern Jura®) (Fund- ort 10 auf der Kartenskizze). Soengi Temalang, Nebenfluss des Batang Limoen: Bi- valven (Modiola u.s.f.) des Mittleren Jura’) (Fundort 9). Batoe Broego am Batang Asai: Gastropoden (Itieria) wahrscheinlich des Obern Jura®) (Fundort 8). Soengi Poboengo, Nebenfluss des Batang Asai: Nerineen der Untern Kreide?) (Fundort 7). Doesoen Poboengo am Batang Asai und Batoe Kapoer unterhalb Menkadai, am Batang Limoen: Echiniden, Bivalven, Ammoniten der Untern Kreide) (Fundorte 5 und 6). Boekit Telasi am Batang Asai: Bivalven und Gesropoder der Obern Kreide?) (Fundort 4). B. Die paläo- und ae Gesteinsformationen des Doeablas- und des Tigapoeloegebirges. Die Gesteinsformationen, die das Doeablasgebirge und das Tiga- poeloegebirge zusammensetzen, sind im wesentlichen dieselben wie diejenigen des Schieferbarissan. Der Hauptsache nach sind auch diese Gebirge aufgebaut aus Tonschiefern von sehr bedeutender, aber nicht näher bestimmbarer Mächtigkeit mit gelegentlichen Einlagerungen von Kalkstein, sowie aus Granit und Diorit. Die Schiefer sind teils matt, teils zeigen sie phyllitischen Glanz. Im Tigapoeloegebirge entfernen sie sich stellenweise von dem gewöhnlichen Typus, indem sie durch Aufnahme von Quarz und zer- setztem Feldspat arkose- bis tuffartiges Aussehen gewinnen. Fos- silien sind weder in den Schiefern noch in den Kalksteinen gefunden. Die Granite und Diorite sind wie diejenigen des Schiefer- barissan jünger als die Schiefer, die am Kontakte überall die Er- scheinungen der Pyrometamorphose zeigen. 4) Vgl. Lit. 16, p. 12. I) ya bie I, 05 112% Se NE, 5 US. 7) Lit. 16, p. 12—13 sind die Nerineen als oberjurassisch bezeichnet. Herr Dr. E. Baumberger in Basel hält sie für untercretacisch. 8) Vgl. Lit. 15, p. 484—488 und Lit. 16, p. 14. 9) Lit. 16, p. 14 ist Boekit Telasi kurzweg als Fundort für Kreidefossilien ohne nähere Altersbestimmung angegeben. Nach freundlicher Mitteilung von Herrn Dr. E. Baumberger ist die Fauna von Boekit Telasi obercretacisch. Deckenbau im Gebiet von Djambi. 127 Im Gegensatz zum Schieferbarissan treten namentlich im Doeablasgebirge häufig Ganggesteine auf: Pegmatit, Diorit- porphyrit und Spessartit.10) C. Die paläo- und mesozoischen Gesteinsformationen des Vorbarissan. Es ist kaum ein grösserer Gegensatz denkbar als derjenige zwischen den Gesteinsformationen des Schieferbarissan einerseits und denen des Vorbarissan andrerseits. Die schiefrigen Gesteine fehlen ım Vorbarissan fast vollständig, umso grössere Entfaltung gewinnen jungpaläozoische Effusivgesteine, basische wie saure, sowie deren Tuffe und sandsteinartigen bis konglomeratischen Dejek- tionsprodukte. Mesozoische Sedimente scheinen nur untergeordnet vorzukommen und zwar in einer Facies, die von derjenigen des Schieferbarissan gänzlich abweicht. Bei einer Prüfung der faciellen Verhältnisse innerhalb des Vorbarissan zeigt es sich aber, dass dieser selbst keineswegs einen einheitlichen Faciesbezirk darstellt. Vielmehr können auch hier wieder zwei Bezirke unterschieden werden, die in facieller Hin- sicht in ganz auffälliger Weise von einander abweichen. Die Aus- dehnung des einen — ich will ihn den Tebo-Tabirbezirk heissen — deckt sich mit dem Gebiet des ganzen Vorbarissan mit Aus- nahme eines schmalen Streifens, der sich vom Batang Mesoemai nach dem Batang Merangin und von da in südöstlicher Richtung bis über den Batang Tembesi hinaus erstreckt. Dieser Streifen entspricht dem zweiten Faciesbezirk, der Merangin-Tembesibezirk genannt sein soll (vergl. Tafel I, Kartenskizze). 1. Tebo-Tabirfaciesbezirk. Aus der Zusammensetzung des Tebo-Tabirfaciesbezirkes nehmen im wesentlichen folgende Gesteinsformationen teil: a) Diabas, Melaphyr und Porphyrit und deren Tuffe, eine mächtige konkordante Schichtserie (Diabasformation Verbeeks)1) bildend. In die Serie sind Schichten und Linsen von meist sehr fossilreichem Kalkstein eingeschaltet. b)Porphyr undQuarzporphyr und deren Tuffe, gleich- falls mit eingelagerten Kalksteinschichten (Porphyrformation). c) Rötlicher, stellenweise konglomeratischer Quarzsand- stein, weisser Sandstein und Schieferton (Tabirsandstein- formation). 10) Vel. Lit. 11. 11) Lit. 19, p. 270—314. 128 A. Tobler. d) Granst, Diorit. und Gabbro. Über das Alter. dieser Gesteinsformationen ist etwa folgendes zu sagen: a) Am wenigsten Schwierigkeit bereitet die Altersbestimmung der „Diabasformation‘“ dank dem Fossilreichtum der darin eingeschlossenen Kalksteine. In meinen früheren Publikationen hatte ich diese Kalksteine ins Obere Karbon gestellt nach Analogie des Verbeekinenkalksteins von Boekit Besih im Padanger Oberland, der noch von Fliegel!?) und Volz!3) zum Oberkarbon gerechnet wurde. Nachdem es sich gezeigt hat, dass der Kalkstein von Boekit Besih zur Permformation gehört,1) muss die Altersbestimmung auch der Kalksteine der djambischen Diabasformation dementsprechend korrigiert werden. Die Notwendigkeit der Korrektur wird bestätigt durch den Befund des Herrn Dr. O. E. Meyer in Breslau, der einen Teil meiner paläozoischen Aufsammlung durchgesehen und unter den Fossilien aus den Kalken der Diabasformation Verbeekina Verbeeki, Fusulinella spec. und Neoschwagerina Annae erkannt hat; also Fossilien, die auf Jüngeres Unterperm deuten. Die wichtigsten Fossilfundstellen sind: Soengi Selajau, Nebenfluss des Soengi Kiboel, Tabirt5) (Fundort 13). Pondok Damar und Batoe Mentjada am Batang Tabir (Fundort 14 und 15). Batoe Tjangap am Soengi Menkilam, Tantan (Fund- ort 16), Soengi Boengin, Nebenfluss des Soengi Loati, Tem- besi16) (Fundort 17). Die Fossilien sind übrigens nicht auf die Kalksteine beschränkt. An mehrern Stellen fand ich solche : vereinzelte Orinosdenbruchstücke und ganz selten Fusuliniden, auch in den Tuffen. Die ,,Diabasformation von Djambi würde ungefähr der Artinskstufe entsprechen, die ja auch anderwärts im Orient vor- wiegend aus Diabasmaterial aufgebaut ist, beispielsweise in Turkestan (Darwar), in Kaschmir (Srinagar) u.s.f. b) Als nächst jüngere, also oberpermische Bildungen folgen allem Anschein nach über der „Diabasformation“ die Por- phyre und Quarzporphyre mit ihren Tuffen. Auch mit ihnen sind Kalksteine verknüpft. Diese führen gelegentlich Crinoiden- 12) Lit. 5, p. 125. 13) Lit. 21, p. 110—111 und 177—194. M) Vol, u. A. Lit. 2, p. 586—587. 15) In Lit. 16, p. 9, schon aufgeführt. 16) In Lit. 16, p. 9, schon aufgeführt. _ Deckenbau im Gebiet von Djambi. 129 bruchstücke und Fenestellen. Man könnte diese Bildungen im Gegen- satz zu der „Diabasformation“ vielleicht als die „Porphyrfor- mation bezeichnen. c) Das Alter der am Batang Tabir zwischen Batoe Mentjada. (Fundort 15 auf der Kartenskizze) und Moeara Djernei ziemlich stark verbreiteten „Tabirsandsteinformation‘!?) kann nur annäherungsweise geschätzt werden, da die tektonischen Verhältnisse, sowie die Beziehungen zu den übrigen Gesteinsformationen des Tebo- Tabirbezirkes wenig aufgeklärt sind. Die Gesteine der Tabirsand- steinformation scheinen Becken, Mulden oder Gräben der permischen Gebilde auszufüllen, ohne dass ich angeben könnte, ob sie jene konkordant oder diskordant überlagern. Die geologische Situation deutet auf mesozoisches Alter. Abgesehen von einigen Schmitzen von mulmiger Kohle habe ich Fossilreste nur bei Batoe Kidjing, ca. 7 km oberhalb Moeara Djernei am Batang Tabir gefunden. Es sind Abdrücke von ge- falteten kleinen Austern, die nach gütiger Mitteilung von Herrn Geheimrat Prof. Dr. F. Frech in Breslau wahrscheinlich auf Oberen Malm weisen. d) Was das Alter der Granite, Diorite und Gabbros anbelangt, so ist bei der Lückenhaftigkeit der Beobachtungen in vielen Fällen schwer zu entscheiden, ob es prä- oder postpermisch ist. Für einen Teil ist postpermisches Alter nachweisbar. Denn mehrfach sind längs den Massivrändern pyrometamorphe Sedi- mente gefunden, die sicher jung-paläozoisch sind. Beiläufig sei hier darauf hingewiesen, dass die nordwest- liche Fortsetzung des Tebo-Tabirbezirkes sich ausserhalb unseres Kartengebietes bis weit ın das Padanger Oberland erstreckt. Dort gehören zu ihm die schon angeführten Kalksteine von Boekit Besih, wahrscheinlich auch die obertriadischen fossil- reichen Sandsteine und Tonschiefer von Loerah Tambang und Soengi Ketialo.18) Die Facies der Sandsteine erinnert an die Tabirsandstein- formation. An dieser Stelle möchte ich noch auf ein kleines Gebiet aufmerk- sam machen, das, ausserhalb des Vorbarissan mitten im Schiefer- barissan gelegen, aus Gesteinen zusammengesetzt ist, die grosse Ver- wandtschaft zeigen mit denen der Diabasformation im Tebo-Tabir- bezirk. Ich meine das Boekit Rajagebiet, das in einer Länge 17) Die „Tabirsandsteinformation“, die hier zum erstenmal so benannt wird, entspricht vielleicht der Schichtgruppe auf Malakka, die von Scrivenor als Gondwanarocks bezeichnet wird; vgl. Lit. 12, p. 349 ff. =) Wal, lbs 7. 130 A. Tobler. von 20 km und in einer Breite von durchschnittlich 5 km vom Batang Limoen an sich in südöstlicher Richtung bis über den Batang Rawas im Palembangischen erstreckt. An seiner Zusammensetzung be- teiligen sich ausser Granit und Diorit die verschiedenen Gesteine der Diabasformation,t?) sowie Kalkstein unbekannten Alters. Sie zeigen in der Nähe des Granites und Diorites dieschönsten pyrometamorphen Erscheinungen, im Gegensatz zu den benachbarten Schiefern, die am Granit- resp. Dioritkontakt keinerlei Veränderung zeigen. 2. Der Merangin-Tembesibezirk. Der Merangin-Tembesibezirk ist zusammengesetzt aus Gesteins- schichten, die dem Alter nach der Porphyrformation und zum Teil vielleicht auch der Tabirsandsteinformation des Tebo-Tabirbezirkes entsprechen. Die Gesteine sind Porphyr und Quarzporphyr, Keratophyr und Quarzkeratophyr, Sandsteine und Wacken, die als Quarzporphyrtuffe aufzufassen sind, ferner sehr mächtige Konglomerate, deren Komponenten fast ausschliess- lich aus Porphyr und Quarzporphyr (resp. Keratophyr) bestehen. Zwischen die Sandsteine resp. Wacken sind ganz untergeordnete Lagen von Kalkstein und Schieferton eingeschaltet. In der Schlucht des Batang Merangin unterhalb Ajerbatoe und in derjenigen des Batang Tembesi unterhalb Poeloe Bajoer, sind diese Bildungen in prachtvoller Weise aufgeschlossen. Das Meranginprofil ist in meiner Notiz von 1910 ausführlich mitgeteilt. Man hat es hier, wie ich schon damals vermutet habe,20) mit permischen Gesteinen zu tun, speziell mit oberpermischen, wie sich seither heraus- gestellt hat. Die Serie ist mindestens 1400 m mächtig und ist auf- gebaut von unten nach oben aus wackenartigem Sandstein (ca. 800 m), Konglomerat und Sandstein (500 m), Porphyr (300 m) und wieder Konglomerat (500m). Bei Telok Gedang ist im untern wacken- artigen Sandstein eine etwa 33 m mächtige Schicht von sandigem Schieferton eingeschaltet. Einige darin eingeschlossene Bänkchen von kieseligem Kalkstein haben Fossilien geliefert: Fusuliniden und Productiden (Fundort 11 der Kartenskizze), die nach Herrn Dr. Meyer denen des mittlern Productuskalk der Salt Range entsprechen. Demnach wäre der Fossilhorizont von Telok Gedang in das ältere Oberperm einzureihen. In Anbetracht, dass dieser Fossilhorizont so tief in der am Merangin und am Tembesi aufgeschlossenen Serie 19) Die Gesteine des Boekit Rajagebietes sind, soweit sie längs dem Ba- tang Rawas aufgeschlossen sind, schon besprochen von Verbeek, Volz und Milch; vgl. Lit. 20, p. 981", Lit. 21, p. 88-89 und Lit. 8. 20) Lit. 16, p. 10—11. Deckenbau im Gebiet von Djambi. 131 liegt, ist es wohl berechtigt, diese nicht nur als Vertreterin des Ober- perm anzusprechen, sondern anzunehmen, sie greife mit den obern Konglomeraten ins Mesozoicum hinein. Ich erinnere hier noch an das Vorkommen von Blattabdrücken (Pecopteris) am Soengi Garing (Fundort 12) und von Kohlen- flözchen am Batang Merangin, die in den untern wackenartigen Sand- stein aufgefunden worden sind.?!) Eine der von Telok Gedang ähn- liche Fauna, sowie Pflanzenreste sind auch am Batang Tembesi beı und unterhalb Poeloe Bajoer gefunden worden. Die Gesteinsformationen, die den Merangin-Tembesibezirk zu- sammensetzen, zeigen alle Merkmale von littoralen, lagunären und eventuell fluviatilen Bildungen, entstanden am Rande eines ausge- dehnten Festlandgebietes. Sie zeigen, wenn nicht Übereinstimmung, so doch unverkennbare Ähnlichkeit mit der gleichaltrigen Damuda- formation von Hindustan. Und die kleinen Kohlenflöze scheinen eine schwache Andeutung der mächtigen Kohlenlager zu sein, die den ökonomischen Wert der Damudaformation bedingen. D. Die paläo- und mesozoischen Gesteinsformationen. des Hochbarissan. Über die den Hochbarissan zusammensetzenden vortertiären Ge- steinsformationen ist wegen der ausgedehnten Bedeckung durch jung- vulkanisches Material wenig bekannt. An den wenigen Orten, wo sie unter der Decke zum Vorschein kommen, z. B. in Korintji, am obern Batang Tembesi und am Soengi Tankoi (Nebenfluss des Batang Asai), zeigen sie grosse Übereinstimmung mit derjenigen des T'e b o- Tabirbezirkes des Vorbarissan. Am meisten verbreitet ist im Hochbarissan die unterpermische „Diabasformation“, be- stehend aus subsedimentären Tuffen von basischen Eruptivgesteinen mit gelegentlichen Einlagerungen von Kalkstein. Doch ist auch die oberpermische ,,/Porphyrformation mehrerorts, z. B. am Soengi Tankoi, nachgewiesen. Sie besteht da aus Porphyr und Quarz- porphyr mit ihren Tuffen. Des fernern nehmen Granit und Diorit einen nicht un- wesentlichen Anteil am Aufbau des Hochbarissan. II. Die neozoischen Gesteinsformationen. A. Die Tertiärschichten des Vorlandes. Die Tertiärschichten des Vorlandes werden hier an erster Stelle genannt, da sie die normale Entwicklung des djambischen Tertiärs 31) Vgl. Lit. 16, p. 9. 132 A. Tobler. darstellen. In frühern Publikationen habe ich mich schon eingehend mit dem Gegenstand befasst.2?) Ich beschränke mich hier auf eine kurze Zusammenfassung und einige ergänzende Bemerkungen. a) Die Goemaischichten. Die Hauptmasse der Goemai- schichten des Vorlandes wird gebildet von hartem, bräunlichem Schieferton; dieser stellt die für Djambi normale ,, Telisafacies‘ der Goemaischichten dar. Die Goemaischichten schliessen einige Flöze von Pechkohle ein, die stellenweise eine Mächtigkeit von mehreren Metern erreichen. In verschiedenen Horizonten erscheinen auch kalkige Ablagerungen in der Form von lagenweise angeordneten Septarien. Am Rande des Doeablasgebirges ist die Schiefertonfacies in den tiefern Teilen mancherorts durch eine sandige bis konglomeratische Facies verdrängt. Hier habe ich Lepidocyclinen gefunden, die von _H. Douvillé als Nephrolepidina angulosa des Burdigalien23) erkannt worden sind (Fundort 2). Seitlich geht der Lepidocyclinensandstein in Korallenkalkstein über.) b) Die Palembangschichten. Die Untern Palembang- schichten (jüngeres Miocän) bestehen aus mehr oder weniger sandigem Schieferton und feinkörnigem tonigem Sandstein mit marinen Fos- silien,25) die Mittlern Palembangschichten (älteres Pliocän ?) aus Schieferton mit Braunkohlenflôzen und die Obern Palembang- schichten (jüngeres Pliocän ?) aus sandigem bis tonigem Tuff. Sie geben zu keinen ergänzenden oder korrigierenden Bemerkungen Anlass. B. Die Tertiärschichten des östlichen Barissanrandes. Sie sind in zwei verschiedenen Facies ausgebildet: Im Norden, am Batang Djoedjoehan, erscheinen die Goemaischichten, die Untern und Mittlern Palembangschichten wie im Vorland in rein sedimentärer 22) Vgl. Lit. 16 und 17, 23) Vgl. Lit. 2b, p. 37. 24) Es zeigt sich demnach, dass man nicht einfach jeden Quarzsandstein und jedes Quarzkonglomerat an der Basis des sumatranischen Tertiärs zum Paläogen, speziell zum Eocän rechnen darf, wie das bislang allgemein ge- schehen ist. 25) An einer Stelle, bei Plajang Gadja in der Djelapangantiklinale (Fund- ort 1 auf der Kartenskizze, Tafel I) habe ich eine linsenförmige Einlagerung von korallogenem Kalkstein mit Miogypsinen in den Untern Palembangschichten entdeckt. In Lit. 17, Speciaalaart 1, ist der Fundort Plajang Gadja unter dem Namen Batoe Kapoer angegeben. Um Verwechslungen mit dem Fundort Batoe Kapoer am Batang Limoen (Fundort 6) zuvorzukommen, ändere ich die Be- nennung in »Plajang Gadja«, unter welchem Namen die Stelle den Einge- borenen auch bekannt ist. Deckenbau im Gebiet von Djambi. 135 Ausbildung. Erst die Obern Palembangschichten sind tuffogen. Im Süden hingegen, vom Batang Tebo an bis zum Batang Rawas im Palembangischen, sind die Tertiärschichten des Randgebietes von den Goemaischichten an aufwärts als beinahe einheitliche Tuffmasse ausgebildet. Eine Gliederung derselben durchzuführen ist nicht mög- lich. Wohl sind an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Niveaux ächt sedimentäre Einlagerungen (Arkosesandsteine, Schieferton mit Kohlenflözen, polygene Konglomerate u.s. w.) beobachtet. Sie be- sitzen aber stets bloss lokale Ausdehnung. Diese tuffogenen Tertiär- bildungen sind insgesamt mariner Entstehung. Überall kann man an ihrer Basis verkieselte Korallen und — allerdings meist nur sehr schlecht erhaltene — Reste von marinen Mollusken auffinden. Neben den verkieselten Korallen liegen in erstaunlicher Menge verkieselte Hölzer. Es sind die Reste von Baumstämmen, die offenbar bei Eruptionskatastrophen mit den Tuffmuren in das Meer geschwemmt, dort in kieselreichem Aschenmaterial vergraben und versteinert worden sind. An mehreren Stellen habe ich marine Fossilien, Miogypsinen, Bryozoen und Mollusken auch in höheren Horizonten aufgefunden. Sie tun die marine Entstehung der gesamten Tuff- masse dar. Im tiefern Teil der Tertiärschichten am Djoedjoehan treten Kalksteine auf, die den lepidocyclinenführenden Sandsteinen (Burdi- galien) am Doeablasgebirge entsprechen dürften. Weiter südlich, im Gebiet der Tuffacies, ist das Burdigalien vielleicht durch die ver- kieselten Korallen angedeutet. Eigentliche Quarzsandsteine oder gar Quarzkonglomerate fehlen am ganzen Ostrand. C. Die Tertiärschichten des westlichen Barissanrandes. Die Tertiärschichten des Barissanwestrandes sind mir nur in zwei Taleinschnitten bekannt worden, im Tal des Batang Tapan und im Tal des Batang Impoe. Am Batang Tapan sind die Tertiärschichten nicht gut aufgeschlossen und zudem durch mannigfache vulkanische Durchbrüche gestört. Im Impoetal hingegen bilden sie eine sanft nach Südwesten einfallende, wenig gestörte Platte und sind der Unter- suchung ziemlich leicht zugänglich. Hier hat man es, abgesehen von einem nur lokal beobachteten festen Quarzkonglomerat, wiederum mit einer mächtigen, fast ganz aus submarinen Tuffen aufgebauten Schichtserie zu tun, die dem jüngern Tertiär (von den Goemai- schichten an aufwärts) der Ostseite entspricht. In einem verhältnis- mässig tiefen Horizont fand ich am Boekit Linggis (Fundort 3) auf etwa 600 m Höhe zahlreiche Korallen, die gleich denen des östlichen Barissanrandes zumeist verkieselt sind. Auch versteinerte 134 A. Tobler. Hölzer sind im Tertiär von Impoe zu finden, freilich seltener als am Ostrand. D. Die Tertiärschichten der Rawasbucht und der Interbarissanbecken. Schon früher?®) habe ich berichtet, dass vom obern Batang Rawas her in nordwestlicher Richtung bis an den Batang Asai Tertiärgebilde ins Gebirge hineingreifen (Rawasbucht). Sie sind scharf in zwei Partieen gegliedert, eine stratigraphisch tiefere, bestehend aus Quarzsandsteinen und Konglomeraten (teils Quarzkonglomerat, teils polygen), und eine stratigraphisch höhere, bestehend vorwiegend aus tuffogenen Sedimenten mit Einlagerungen von bituminösem Fischschiefer. Nachdem oben (Seite 132) gezeigt worden ist, dass Quarzsand- steine und Konglomerate bis in das untere Miocän hinaufreichen können, ist es nicht unwahrscheinlich, dass man auch für diejenigen der Rawasbucht?7) (Boekit Papan und Boekit Betoepang) oligocänes bis untermiocänes Alter annehmen darf. Die tuffogenen Schichten der Rawasbucht und die darin eingeschalteten Fischschiefer, deren Facies an die Telisaschiefer gemahnt, dürften hingegen zum jüngern Untermiocän und z. T. vielleicht noch zum ältern Obermiocän ge- rechnet werden. Für die Sandsteine, Konglomerate, kohlenführenden Schiefer- tone u.s. w. des wegen seiner Situation sehr merkwürdigen Kesiro- beckens am Batang Asai darf wohl gleichfalls oligocänes bis untermiocänes Alter angenommen werden.?®) Die mehr tuffogenen Tertiärbildungen von Nordkorintji (Sioelak Tenang) machen einen jüngern Eindruck. Sie führen gleich- falls Kohlenschmitzen und andere Pflanzenreste. Sie werden etwa den Untern Palembangschichten (Obermiocän) entsprechen.??) Soviel Unsicherheit in der Deutung und Altersbestimmung der Tertiärsedimente der Rawasbucht und der Intrabarissanbecken noch herrschen mag, soviel ist sicher, dass marine Eocänbildungen darin nicht vorkommen. 26) Vgl, Lit. 16, Kartenskizze. 21) In Lit. 16, p. 16 als „wahrscheinlich zum Paläogen gehôrend“ be- zeichnet. 28) 29 Vgl. Lit. 16, p. 17. ) Vgl. Lit. 16, p. 17. Deckenbau im Gebiet von Djambi. 135 E. Die tertiären Effusivgesteine. Anzeichen von vulkanischen Ereignissen in eogener Zeit fehlen. Die vulkanischen Ausbrüche haben in unserm Gebiet etwa zu Beginn des Neogen eingesetzt, um mit grösserer oder geringerer Intensität bis auf die heutige Zeit anzudauern. Im übrigen auf meine Notiz von 191030) sowie auf die beifolgende Kartenskizze verweisend, will ich hier nur darauf aufmerksam machen, wie wenig verbreitet die jungen Effusivgesteine im Vorbarissan sind im Vergleich zum Schiefer- und Hochbarissan. Im Vorbarissan erscheinen sie in an- sehnlichen Massen nur am Nordostrand, wo sie das malerische Kuppengebirge von Telago bilden. F. Die Pleistocänbildungen. Die Pleistocänbildungen bestehen zum grössten Teil aus vul- kanischen Auswurfsmassen. Diese haben sich aus dem Gebiet des Hochbarissan und Schieferbarissan — die pleistocänen Eruptions- schlote sind auf diese beiden Gebiete beschränkt — in breiten Strömen in das tertiäre Vorland hinunter ergossen. Im Gebirge und am Rande desselben weisen sie meist mehr oder weniger grobagglomeratischen Charakter auf und sind leicht von den neogenen Tuffschichten zu unterscheiden, die vornehmlich aus feinem Aschen- und Lapilli- material bestehen. Weiter im Vorland draussen sind die pleistocänen Auswurfmassen als feinkörnige Tuffe ausgebildet, deren fluviatiler Charakter sich durch Einlagerungen von Sand- und Geschiebebänken kundgibt. Dadurch unterscheiden sie sich von den tertiären Tuff- schichten, denen dort derartige Einlagerungen fehlen. III. Autochthones und exotisches Gebiet. In meiner Mitteilung von 191031) habe ich ohne weitere Dis- kussion die Frage aufgeworfen, ob nicht Hoch- und Vorbarissan als Deckgebirge, die Schiefergebiete als autochthones Gebirge aufzu- fassen seien. Heute möchte ich die Frage an Hand der beifolgenden Karten- und Profilskizze näher prüfen und meine Stellung zu derselben prä- zisieren. Oben ist dargetan worden, wie die morphologisch von einander unterschiedenen gebirgigen Elemente von Djambi durch strati- graphische Eigentümlichkeiten in zwei scharf von einander ge- 30) Lit. 16, p. 22—28. 31) Lit. 16, p. 33. 136 A. Tobler. trennte Gruppen zerfallen. Die erste Gruppe umfasst den Schiefer- barissan, das Doeablasgebirge und das Tigapoeloegebirge, sowie das nördlich von Djambi gelegene Lisong-Kwantan-Lalogebirge. Die zweite den Hoch- und den Vorbarissan.%?) Untersucht man nun die beiden Gruppen auf ihre tek- tonischen Verhältnisse, so gewahrt man, dass sie in dieser Hinsicht ebenso auffallend von einander verschieden sind wie in stratigraphischer Beziehung. Während in den Schieferge- birgen (erste Gruppe) durchweg steile, meist isoklinale nach Nord- osten überkippte Faltung Regel ist, so konstatiert man im Hoch- und Vorbarissan (zweite Gruppe) vollständiges Fehlen von iso- klinaler Faltung, Zurücktreten der Faltung überhaupt, dafür wenig steile, namentlich im Tebo-Tabirbezirk des Vorbarissan und im Hoch- barissan längs zahlreichen Brüchen unregelmässig erfolgte Auf- richtung. Diesen scharfen, auch in den Grenzgebieten durch keinerlei Über- gänge abgeschwächten Gegensatz in der faciellen Beschaffenheit so- wohl wie im tektonischen Styl der beiden Gruppen zu erklären, scheint mir nichts so geeignet als die Annahme, es stelle die eine Gruppe, nämlich die Schiefergebirge, autochthones Gebirge, die zweite Gruppe, Hoch- und Vorbarissan, dagegen exotische Schubmassen dar. Der gewichtigste Einwurf, der gegen die Annahme von Über- schiebungsdecken in unserm Gebiet gemacht werden kann,??) ist der Hinweis auf die Tatsache, dass es bis jetzt nicht gelungen ist, im Felde Überschiebungsflächen, wobei alte Gesteine auf jüngere zu liegen kommen, zu beobachten. Dieser Mangel an field evidence ist aber, wie mir scheint, leicht erklärlich, wenn wir daran denken, dass tief eingeschnittene Talrinnen fehlen, die vergleichbar wären etwa mit denjenigen der nördlichen Kalkalpen, an deren steilen Gehängen die Überlagerung der einen Decke durch die andere direkt sichtbar ist. 32) Es sei hier nachdrücklich daran erinnert, dass speziell nahe facielle Verwandtschaft zwischen Hochbarissan und dem Tebo-Tabirbezirk des Vorba- rissan festgestellt worden ist (siehe oben Seite 131). 33) Zu der Frage, ob Überschiebungen im Sinne der Deckentheorie in Sumatra anzunehmen seien, haben Hirschi (Lit. 6, p. 503) und Brouwer (Lit. 1, p. 1189—1190) Stellung genommen, der erste verneinend, der zweite be- jahend. Volz, dem wir eine Reihe von Publikationen über den Bau von Südost- asien und auch speziell von Sumatra verdanken, diskutiert sie nicht näher. Er scheint sie nicht durchaus verneinend zu beantworten, was aus einer An- merkung (Lit. 23, p. 36) hervorgeht, in der gesagt wird: „Ich möchte nicht unterlassen, ausdrücklich zu bemerken, dass natürlich auch bei diesen repe- tierenden Faltungen es sehr wohl unter geeigneten Verhältnissen zu Überschie- bungen kommen kann. Denn Überschiebung ist nur eine Frage lokaler Intensität.“ Deckenbau im’ Gebiet von Djambi. 157 Man denke sich einmal die Alpen zu einem niedrigen Hügellande abgetragen und zudem von schwerstem Urwald bedeckt. Da wäre das Vorhandensein von Überschiebungsdecken auch nicht mehr direkt wahrnehmbar, und man wäre auch da bei der geologischen Unter- suchung lediglich auf kleine Aufschlüsse in den Fluss- und Bach- betten angewiesen. Aus der Prüfung und Kartierung dieser Auf- schlüsse würde sich wohl die Existenz von faciell von einander ver- schiedenen Gebieten ergeben. Aber das deckenartige Aufliegen des einen Faciesgebietes auf dem andern wäre nicht mehr direkt wahrzunehmen, und das Ausstreichen der Überschiebungsflächen würde sich nur noch dadurch kundtun, dass längs den Faciesgrenzen anormale Kontakte, sowie starke Druck- und Gleiterscheinungen zu beobachten wären. G e- lingt es also längs den inDjambi nachgewiesenen Faciesgrenzen, d.h. längs den Grenzlinien des Hoch- und Vorbarissan, anormale Kontakte mit Anzeichen von Druck- und Gleitwirkung nachzu- weisen, so ist das ein Umstand, der zwar keine Be- weiskraft besitzt, der aber doch dasVorhandensein des Überschiebungsphänomens auch in Djambi wahrscheinlich macht. a) Für die Beobachtung derartiger Erscheinungen ist die Grenzlinie zwischen Hoch- und Schieferbarissan nicht günstig, da sie zumeist verdeckt ist von jungvulkanischem A us- wurfmaterial. b) Umso schöner können wir solche tektonische Erscheinungen wahrnehmen an der südwestlichen Grenze des Vor- barissan. Zwischen Batang Tabir und Batang Merangin, längs der Linie Ngaul-Tjanko-Ajerbatoe, zeigen die granodiori- vwischen Gesteine des zum Vorbarissan gehörenden Nalo-Ajerbatoemassivs%t) einerseits deutlichste An- zeichen mechanischer Einwirkung: Die Feldspäte sind kataklastisch und an manchen Stellen gewinnt das Gestein das Aussehen von Gneis. In den an das Granodioritmassiv angrenzenden Schiefern des Schieferbarissan andrerseits sind nicht etwa Spuren von Pyrometamorphose wahrzunehmen, umso deutlicher sind dagegen auch da wieder Druck- und Gleiterscheinungen. Die stark phyllitisch glänzenden Schiefer biegen gegen den Granit hin in horizontale bis flach nordwärts einfallende Lage über und sind gefältelt, gerade wie man das etwa an den Flyschschiefern der Alpen sieht, wo sie die Unter- lage der Klippen bilden. Vollends die in den Schiefern eingeschalteten Kalksteine zeigen ein arg strapaziertes Aussehen und sind von einem engen Netzwerk von Kalkspat durchzogen. Im Tjankotal, nicht 34) Siehe Kartenskizze Lit. 16. 138 A. Tobler. weit vom Fundort der durch P. Sarasin beschriebenen Artefakte des Magdalénien*5) sieht man eine mehrere Meter lange Kalksteinpartie, die abgequetscht und in die zerknüllten Schiefer hineingepresst worden ist. Weitere Anzeichen von zweifellos anormalem Kontakt konnte ich weiter südlich an derselben Südwestgrenze des Vorbarissan wahr- nehmen. Bei Poeloe Bajoer liegen kaum 1 km lange, schollen- artige, anscheinend flachliegende Partien von oberpermischem Kalk- stein, eng verknüpft mit Quarzporphyrtuff in beinahe unmittelbarer Nachbarschaft mit steilstehenden Schiefern, deren Alter gerade hier durch untercretacische Korallen festgelegt ist. Der Kontakt zwischen den Permgesteinen und den Schiefern ist zwar durch Vegetation ver- deckt, aber die Distanz zwischen beiden ist so gering, dass derselbe unmöglich ein normaler sein kann. c) Die nordöstliche Grenze des Vorbarissan ist auf djambischem Territorium durch die Tertiärbedeckung der Be- obachtung entzogen. Weiter im Norden3®) tritt sie dagegen unverhüllt zutage. Dort stösst das Vorbarissangebiet mit dem Poelasan-Plepat- massiv, dessen Alter nicht bekannt ist, an das Lisong-K wantan-Lalo- gebirge. Auf einer freilich in grosser Eile ausgeführten Durchquerung jener Gegend konnte ich immerhin konstatieren, dass die Schiefer des letztern keine Pyrometamorphose zeigen am Kontakt mit dem Granitmassiv. Auch Verbeek??) und Hirsch?) sprechen von keiner Pyrometamorphose allda. Ist nun der Poelasan-Plepatgranit jünger als die Schiefer, dann zeigt die mangelnde Pyrometamorphose der letztern an, dass der Kontakt nicht primär, also anormal ist. Ist der Granit aber älter, dann deutet der Mangel eines Transgressions- konglomerates zwischen Granit und Schiefer auf anormalen Kontakt. Durch alle diese Erwägungen und Beobach- tungen scheint mir erwiesen, dass die Grenzen von Hoch- und Vorbarissan Linien von anormalem Kontakt darstellen und dass also die Annahme, dass sie einer ausstreichenden Überschiebungs- fläche entsprechen, gerechtfertigt ist. Mag es dergestalt als feststehend gelten, dass Hochbarissan und Vorbarissan auf das autochthone Schiefergebiet überschobene Ge- 5) Auf der Kartenskizze auf Tafel I ist die Situation des Nalo-Ajerbatoe- massivs etwa durch die Wörter Ngaul und Tjanko sowie durch die Zahl 12 markiert. In Lit. 16 ist es irrtümlicherweise zum Schieferbarissan gerechnet. 36) Lit. 10 In der Legende zur Profilansicht p, 102 ist der Kalkstein als carbonisch? bezeichnet. Er ist aber wahrscheinlich mesozoisch. 37) Lit. 19. 38) Lit, 6. Deckenbau im Gebiet von Djambi. 139 birgsmassen sind, so ist nun zu prüfen, ob sie Teile eines einheitlichen, ursprünglich zusammenhängenden Deckensystems oder ob sie ver- schiedenen, von einander unabhängigen Deckensystemen angehören. Nachdem oben gezeigt worden ist, dass die Facies der Gesteins- formationen wie der tektonische Stil des Hochbarissan und des Vor- barissan — sofern wir den Merangin-Tembesibezirk ausser Betracht lassen — weitgehende Übereinstimmung zeigen, so liegt es nahe, beide als Teile eines einheitlichen, erst nachträglich durch Erosion zerstückelten Deckensystems aufzufassen. Die Richtigkeit dieser Auffassung ist, wie mir scheint, dargetan, wenn es gelingt, auf dem fensterartig zwischen Hoch- und Vorbarissan zutage tretenden Schieferbarissan Erosionsrelikte aufzufinden, deren Facies mit der Hoch- und Vorbarissanfacies übereinstimmt. Ich glaube nun tatsäch- lich ein solches gefunden zu haben indem BoekitRajagebiet, dessen Zusammensetzung Seite 130 angegeben ist. Zur Auffassung, dasselbe stelle ein loses, auf den steilstehenden autochthonen Schiefern ruhendes Schollenrelikt dar, bestimmen mich folgende Beobachtungen und Erwägungen: Erstens macht es schon die Tatsache, dass der Granit des Boekit Raja die autochthonen Schiefer nicht pyrometamorph beein- flusst hat, wohl aber die mit ihm vergesellschafteten Sedimente und Tuffe der Diabasformation, sehr wahrscheinlich, dass das Rajagebiet eine überschobene Masse sei. Zweitens erweisen sich speziell die Kalkberge von Boekit Boelan, die sich in nordwestlicher Richtung an den Boekit Raja an- schliessen, als schwimmende Massen: Zwischen den Kalkkogeln konnten mehrfach die Schiefer im Talboden anstehend beobachtet werden. Die Schiefer zeigen in ihrem Streichen keinerlei Ausweichen in der Nähe der Kalkmassen, was der Fall sein müsste, wenn diese in die Schieferformation eingeschaltete, linsenförmige Einlagerungen wären. Schliesslich spricht wohl am beredtesten für die Wahr- scheinlichkeit meiner Auffassung der Umstand, dass die im Schiefer- barissan so fremdartig anmutende Masse gerade da erscheint, wo dieser sich anschickt, nach Südosten hin zu versinken.®?) Wollte man die Boekit Rajamasse etwa als paläozoische Kerngesteine des Schiefer- barıssan auffassen, dann hätte man die widersinnige Erscheinung zu erklären, dass diese nur in seinem absteigenden Teil zutage treten, während sie weiter nördlich in den stärker gehobenen Partieen, wo sie naturgemäss am ehesten zu erwarten wären, nirgends wahr- zunehmen sind. 39) Vgl. die Kartenskizze auf Tafel 1. 140 | A. Tobler. Der Nachweis, dass die Boekit Rajamasse als eine Deckscholle auf dem Schieferbarissan schwimme, scheint mir gelungen zu sein. Und damit wäre das gewünschte Glied gefunden, das den Tebo-Tabir- bezirk des Vorbarissan mit dem Hochbarissan verbindet. Diese beiden erscheinen also als Teile eines und des- selben Deckensystemes. IV. Unterscheidung einer untern und obern Decke im exotischen Gebiet. Oben (Abschnitt IC) ist gezeigt worden, dass scharf ausgeprägte facıelle Unterschiede im Vorbarissan eine Gliederung desselben in zwei Bezirke, Tebo-Tabirbezirk und Merangin- Tembesibezirk, bedingen. Prüfen wir die beiden Bezirke auf ihre tektonische Gestaltung, so zeigt sich folgendes: Die Bauart des Tebo-Tabirbezirkes zeichnet sich durch eine ziemlich uner- freuliche Regellosigkeit aus. Dieser Bezirk erscheint als ein durch viel- fache, im Terrain übrigens schwer zu verfolgende Brüche zer- stückeltes Plateau, dessen Bau von Anbeginn infolge mannigfacher Einschaltungen von Eruptivgesteinen kein einfacher gewesen ist. Antiklinale Bauart konnte z. B. nirgends deutlich wahrgenommen werden. Ganz anders sind die Verhältnisse im kleinen Merangin-Tem- besibezirk. Dieser besteht aus einer mächtigen Serie von ungestörten oder doch nur wenig gestörten Schichten, die in ruhiger und gross- zügiger Weise nach Nordosten einfallen, wie das schematisch auf dem Profil (Tafel I) dargestellt ist. An einer Stelle am Batang Merangin und an der entsprechenden am Batang Tembesi konnte ich eine antiklinale Stauchung direkt beobachten. Auch sie ist auf dem Profil zur Darstellung gelangt. Wir konstatieren also auch in tek- tonischer Beziehung einen sehr merklichen Gegensatz der beiden Vor- _ barissanbezirke. Nachdem uns die Unterschiede in Facies und tektonischem Stil zu dem Gedanken geführt haben, Hoch- und Vorbarissan als Ganzes könnten als exotische Massen aufgefasst werden, die den autochthonen Schiefergebieten deckenartig aufliegen, drängt sich folgerichtig die Frage auf, ob man nicht eine ähnliche Erklärung finden könne für die auffallenden Differenzen in Facies und Tektonik, die die beiden Vor- barissanbezirke aufweisen. Könnte der kleine Merangin-Tembesibe- zirk nichtals Relikt einer höhern Decke aufgefasst werden, das auf einer tiefern, vom Tebo-Tabirbezirk gebildeten Decke auf- ruht? Eine solche Auffassung scheint mir wiederum nicht jeder Be- rechtigung zu entbehren. Freilich kann auch sie sich nicht auf direkten Nachweis von Überlagerung stützen. Wir sind auch hier Deckenbau im Gebiet von Djambi. 141 wieder gezwungen, uns nach andern Tatsachen umzusehen, die unsere Auffassung wahrscheinlich machen. a) In erster Linie werden wir auch hier wieder untersuchen, ob die Grenze zwischen den beiden Faciesbezirken einem anormalen Kontakt entspreche oder nicht. Tut sie das, dann ist das zwar wiederum kein Beweis der Richtigkeit unserer Deutung, aber immerhin ein Umstand, der in gewichtiger Weise zu ihren Gunsten in die Wagschale fällt. Im Südwesten grenzt der Merangin-Tembesibezirk an das Nalo- Ajerbatoegranitmassiv, das wir als Bestandteil des Tebo-Tabirbe- zirkes schon kennen gelernt haben. Die Grenze ist sowohl am Batang Mesoemai (bei m des Wortes Mesoemai auf der Kartenskizze), als auch am Batang Merangin (bei der Zahl 12) der Beobachtung zugänglich. An beiden Stellen lässt sich nach der gleichen Methode wie für die nordöstliche Grenze des Vorbarissan (siehe oben Seite 138) nach- weisen, dass sie tatsächlich keinem primären, bezw. normalen Kontakt entspricht, obschon auch hier das Alter des Granites nicht genau bekannt ist: Ist der Granit älter als die Oberpermschichten des Merangin-Tembesibezirkes, dann muss an ihrer Basis, das will sagen zwischen ihnen und dem Granit, ein Transgressionskonglomerat vor- handen sein, das im wesentlichen aus Granitkomponenten besteht. Ist der Granit postpermisch, dann müssen die Permschichten im Falle von Primärkontakt Merkmale von Pyrometamorphose zeigen. Tat- sächlich ist keines von beiden zu beobachten. b) Wenn schon dieser anormale Kontakt zu Gunsten einer Über- schiebung spricht, so scheint mir das ein anderer Umstand noch in weit überzeugenderer Weise zu tun. Das ist die lithologische Zusammensetzung der oberpermischen Wacken- sandsteine und Konglomerate, die fast ausschliesslich aus Porphyr, bezw. Quarzporphyrmaterial bestehen. Im Tebo-Tabirbe- zirk spielen, wie wir gesehen haben, die sauren Porphyrgesteine eine nur untergeordnete Rolle. Sie könnten niemals als Ursprungsort der gewaltigen Massen von Porphyrtuff und Porphyrkonglomerat des ‘Merangin-Tembesibezirkes in Betracht kommen. Umgekehrt fehlen die basischen Effusivgesteine und granodioritischen Tiefengesteine, aus denen der Tebo-Tabirbezirk im wesentlichen zusammengesetzt ist, beinahe vollständig in den Kongilomeraten des Merangin-Tembesibe- zirkes. Dieses Verhalten wäre ganz unverständlich, wenn man den Merangin-Tembesibezirk mit dem Tebo-Tabirbezirk zusammen als eine tektonische Einheit betrachten würde. Es erklärt sich aber glatt, wenn man den ersteren als den Überrest einer höheren Decke auffasst. 142 A. Tobler. V. Herkunft der beiden Überschiebungsdecken. Der Bau der beiden Überschiebungsdecken gibt uns kaum An- haltspunkte an die Hand, mit deren Hilfe wir die Fragen nach ihrer Herkunft entscheiden könnten. Die Scharniere der Stirn- ränder, die uns hierüber Aufschluss geben könnten, sind nicht be- obachtet. Aus der Längenerstreckung des Vorbarissan, sowie aus der innerhalb desselben herrschenden Streichrich- tung, die beide mit dem allgemeinen Nordwest-Südoststreichen von Sumatra parallel sind, geht aber mit grosser Wahrscheinlichkeit hervor, dass der Anschub nur von Südwesten oder von Nordosten her gekommen sein kann. Die Antwort auf die Frage, aus welcher dieser beiden Richtungen die Decken tatsächlich angeschoben seien, ergibt sich sodann aus der Bauart der autochthonen Gebirge, die uns lehrt, dass die gebirgsbildenden Kräfte auf Sumatra stets von Südwesten her gewirkt haben. Im ganzen sumatranischen Barissangebirge, wo immer die Schieferformation zum Vorschein kommt, beobachtet man überall Überfaltung der Schiefer nach Nord- osten. Desgleichen konstatiert man an den Tertiärfalten des Vorlandes ausnahmslos stärkeres Einfallen im Nordost-, schwächeres im Süd- westschenkel.40) Wir werden demnach auch für die Decken eine Be- wegung von Südwesten nach Nordosten annehmen müssen. A. Untere Decke. Woher stammt die untere, aus Hochbarissan und dem Tebo- Tabirbezirk des Vorbarissan bestehende Decke ? Mit andern Worten, wo befindet sich deren Wurzelgebiet? Auf diese Frage ergibt sich aus dem, was oben über Facies und tektonischen Stil mitgeteilt wurde, die Antwort, dass der Hochbarissan selbst die ge- suchte Wurzelregion darstellt. Zwar ist auch er etwas auf das autochthone Schiefergebiet hinaufgeschoben, ohne indessen den Zusammenhang mit den in situ befindlichen Teilen verloren zu haben. B. Obere Decke. Macht es also keine Schwierigkeit, im Terrain das Wurzelgebiet der untern Decke ausfindig zu machen, so ist das weniger leicht für die obere Decke. Es ist bislang auf empirischem Weg kein Gebiet bekannt geworden, das dieselbe charakteristische Facies aufzeigt, wie 40) Von E. Suess als » Rückfaltung« aufgefasst (Antlitz der Erde IL, 2 pag. 588.). ’ Deckenbau im Gebiet von Djambi. 143 der Merangin-Tembesibezirk und somit in Betracht käme als Wurzel- region der obern Überschiebungsdecke. Zu suchen wäre ein solches naturgemäss im Westen des Hoch- barıssan. Dort ist aber der Untergrund durch die jungen Bildungen der Küstenebene sowie durch das Meer bedeckt. Man ist aber durch theoretische Erwägung berechtigt, anzunehmen, dass unter den neozoischen Bildungen der Küstenebene und unter dem Meere tat- sächlich jungpaläozoische Gesteinsformationen von kontinentaler Facies anstehen. Muss doch der östliche Küstensaum des Gondwana- kontinentes, der bis ins Eoeän hinein die Stelle des Indischen Ozeans eingenommen hat, nahe dem Westrand des heutigen Sumatra ver- laufen sein.) Längs diesem Küstensaume müssen sich zu Lande kontinentale, zu Wasser littorale Gesteinsformationen gebildet haben.#2) Da hätten wir also auf theoretischem Wege das gesuchte Gebiet gefunden, das, im Westen von Sumatra gelegen, in facieller Hinsicht dem Merangin- Tembesibezirk so nahe steht, dass es als ihre ursprüngliche Heimat angesehen werden darf. VI. Zeitliche Analyse der tektonischen Vorgänge. Abgesehen von der tektonischen Bewegung, die angedeutet ist durch das Auftreten der konglomeratischen Bank in der Untern Kreide des Asaigebietes (Schieferbarissan)#3), ist der älteste tek- tonische Vorgang, dessen Alter mit Hilfe der in Djambi gemachten Beobachtungen annähernd bestimmt werden kann, die Faltung der autochthonen Schiefergebiete. Sie hat vermutlich gegen Ende der Kreidezeit stattgefunden. Das geht daraus hervor, dass keine jüngeren als obercretacische Bildungen nachgewiesen sind, die in die Schiefer eingefaltet wären. Wohl gleichzeitig mit der Faltung der Schiefer geschah die Intrusion der Granite und Diorite. 2. Das nächstfolgende tektonische Ereignis war sodann die Ver- frachtung der beiden Vorbarissandecken, von Süd- westen her. Diese Schubbewegung ging vielleicht Hand in Hand mit dem Absinken des Gondwanakontinentes und muss irgendwann in 41) Man vergleiche irgend eine paläogeographische Karte für die Perm- formation, z. B. diejenige in Haug's Traité de géologie p. 817. 42) Möglicherweise werden dereinst bei der geologischen Untersuchung der bis jetzt nur wenig bekannten subsumatranischen Inselreihe (Mentawai- reihe) kontinentale Oberpermschichten in situ nachgewiesen werden. 43) Viel mächtigere Einschaltungen von Konglomerat (Quarzitkonglomerat) sind in den Schiefergebieten nördlich von Djambi, z.B. am Batang Kwantan, Batang Kampar, und Batang Rokam) beobachtet. 144 A, Tobler. der Palaeogenzeit stattgefunden haben. Sieht man doch die ober- paläogenen und untermiocänen Sedimente und Tuffe in gleicher Weise den Schieferbarissan wie den Hoch- und Vorbarissan eindecken. Es ist aber einstweilen nicht möglich, den Zeitpunkt dieses Vorganges innerhalb der Paläogenzeit näher anzugeben. Dies wird erst mög- lich sein, wenn ‘weitere Untersuchungen Klarheit geschaffen haben in Bezug auf die tektonischen und die stratigraphischen Verhältnisse der Sandsteine und Konglomerate der Rawasbucht u. s. w. Eine bislang nicht überwundene Schwierigkeit bietet u.a. der Umstand, dass bunte, aus Vorbarissangesteinen zusammengesetzte Breccien und Konglomerate — solche müssen sich während und unmittelbar nach der Überschiebung in grosser Mächtigkeit gebildet haben — nur wenig bekannt geworden sind.) Sind sie vielleicht unter den neogenen und pleistocänen Bildungen der Subbarissandepressionen verborgen ? 3. Massgebend für die heutige Oberflächenform war die allge- meine Faltung, die gegen Ende der Neogenzeit einsetzte. Ihr Alter ist genau fixiert durch den Umstand, dass die jüngsten Neogenbildungen, die Obern Palembangschichten, noch von dieser Faltung mitergriffen sind, während die ältesten Pleistocän- bildungen horizontale Lagerung zeigen. Diese Faltung hat sich aber nicht etwa auf die Gebiete be- schränkt, die noch heute mit Tertiär bedeckt sind. Hier ist sie natur- gemäss am leichtesten nachzuweisen und wegen des ökonomischen Interesses der Petroleumantiklinalen schon bis in die Details bekannt. Vielmehr hat sie auch die Gebiete ergriffen, die heute von der Tertiär- bedeckung entblösst sind. Das zeigt sich schon am Doeablas- und am Tigapoeloegebirge, wo die vortertiären, isoklinal steilgestellten Schiefer als Kerne der am meisten gehobenen Tertiärantiklinalen er- scheinen.#°) Aber auch das Barissangebirge als Ganzes erscheint als Torso einer Tertiärfalte, allerdings von ganz gewaltigen Dimensionen: am Südwest- wie am Nordostrand sehen wir die Tertiärschichten vom Gebirge auswärts abfallen. Zeugen von der einstigen, allerdings durch Inseln unterbrochenen altmiocänen Meeresbedeckung sind an ver- schiedenen Stellen noch jetzt hoch im Gebirge erhalten : ich erinnere an den Korallenfundort von Boekit Linggis, etwa 600 m über Meer, in unserm Kartengebiet,*°) an das untermiocäne marine Tertiär- becken von Oembilin im Padanger Oberland, bis 400 m über Meer, ??) 44) Es sei hier erinnert an die polygenen Konglomerate der Rawasbucht, deren tektonische Position leider eben nicht ganz aufgeklärt ist, vgl. oben p. 134. 35) Siehe das Profil auf Tafel I. 4) Vgl. oben p. 133. 47) Vgl, Lit. 19, Profil 6. Deckenbau im Gebiet von Djambi. 145 und an die altmiocänen Schichten von Soengi Are im Goemaigebirge, die bis 1400 m über Meer ansteigen.$) Durch die jungpliocäne Faltung ist der Gesamtbarissan, d. h. das autochthone Schiefergebirge mitsamt dem darüberliegenden Deckge- birge und der Tertiärhülle, zu einer grandiosen Grossfalte emporge- staut worden. Die gleichzeitig mit der Hebung einsetzende, intensive Denudation entfernte im Sattel zunächst die Tertiärschichten, als- dann die Gesteine des Deckgebirges und legte so das den Kern bil- denden Schiefergebirge frei. Im Südwest- und im Nordostschenkel der Barissangrossantiklinale blieben die tiefer liegenden Teile des Deckgebirges von der Denudation verschont: dort den Hoch-, hier den Vorbarissan bildend. Der Vorbarissan nimmt dergestalt dem dahinter liegenden Schiefergebirge gegenüber eine ähnliche Position ein wie die helvetischen Kalkalpen gegenüber den autochthonen Zentralmassiven. Während die spätcretacische Faltung des Schiefergebirges be- gleitet gewesen war von granodioritischen Intrusionen, so ging die jungpliocäne Faltung Hand in Hand mit andesitischen und basaltischen Massenergüssen. Freilich hatten schon wäh- rend der ältern Neogenzeit fortdauernd kleinere oder grössere vul- kanische Ausbrüche stattgefunden, wie die tuffogene Natur der ältern Neogenschichten an den Barissanrändern beweist. Aber die mächtigen Ergüsse von Andesit- und Basaltlava ereigneten sich erst gegen Ende des Pliocän. 4. Die letzte nachweisbare tektonische Bewegung ist eine all- semeine Hebung des Landes um den Betrag von etwa 50 m, die während der Diluvialzeit vor sich ging. Erb#?) hat für die Westküste des südlichen Sumatra eine pleistocäne Hebung nachgewiesen, indem er in anschaulicher Weise Strandterrassen be- schrieb, die sich bis 40 m über den Meeresspiegel erheben. Auf der Ostseite der Insel, speziell in Djambi, ist wohl dieselbe Hebung manifestiert durch den Umstand, dass manche Flüsse, z. B. der Pengaboean-Toenkal, ihre Talwege durch die eigenen Diluvial- terrassen hindurch, noch mehrere Meter tief in die tertiäre Unterlage hineingeschnitten haben. Dies weist auf Tieferlegung der Erosions- basis, bedingt durch entsprechende Hebung des Landes. 48) Val. Lit. 18. Karte und Tafel II, Figur 6. 49) Lit. 4, p. 272—280. 10 146 A. Tobler. VII. Schlussbemerkung. Mit den oben gegebenen, skizzenhaften Ausführungen muss ich mich für heute begnügen. Wenn einmal alle meine in Djambi ge- sammelten Materialien und angestellten Beobachtungen bearbeitet sind, wird die Zeit gekommen sein, das Überschiebungsphänomen auf Sumatra weiter zu diskutieren und daraufhin auch die übrigen, nördlich und südlich von Djambi gelegenen Teile der Insel zu prüfen. Dann wird sich auch Gelegenheit bieten, die sumatranischen Über- schiebungen zu vergleichen mit solchen in andern Gebieten, zunächst mit denen, die im Osten des Archipels beobachtet sind.50) Diese stellen ein besonders interessantes Vergleichsobjekt dar, da auch ıhre Wurzelresionen zum Teil wenigstens in der Tiefe des Meeres be- graben sind. Von europäischen Gebieten mit Deckenbau werden be- sonders die Pyrenäen, die Karpathen und Sicilien mit Calabrien zum Vergleich heranzuziehen sein. Literaturverzeichnis. 1. Brouwer, H. A. Over den postcarbonischen ouderdom van granieten der Padangsche Bovenlanden. Verslag gew. verg. Wis en Nat. Afd. der Kon. Akad. van Wetensch. te Amsterdam van 27 Maart 1915, Deel XXIII, p. 1182 — 1190 (Lv. V. 2879). *) 2. Douvillé, H. Les calcaires à fusulines de l’Indo-Chine. Bull. soc. geol. de France. 4e Série, tome VI, p. 576 - 587. 1906. 3. Douvillé, H. Les couches à Lépidocyclines de Sumatra, d’après les explo- rations du Dr. Tobler. Compte rendu sommaire des séances de la soc. géol. de France, 1915, p. 36—38. 4 Erb, J. Beiträge zur Geologie und Morphologie der südlichsten Westküste von Sumatra. Zeitschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin, 1905, p. 251 — 284 (Lv. V. 1212). 5. Fliegel, G. Über obercarbonische Faunen aus Ost- und Süd-Asien. 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Deel II pag. 145—164. 16. 17. 18. 23. 24. Deckenbau im Gebiet von Djambi. 147 . Molengraaff, G. A. F. Folded mountain chains, overthrust sheets and block- faulted mountains in the East Indian Archipelago. Compte-rendu du XIIe Congrès géologique international, Toronto, 1913. Ottawa 1915, p. 689 — 702 (Lv. V. 2934). . Sarasin, P. Neue lithochrone Funde im Innern von Sumatra. Verhandl. der naturf. Gesellsch. in Basel, Bd. XXV, 1914, p. 97—111. . Schmidt, C. Neue Funde von A. Tobler in Südost-Sumatra. Zeitschr, d. d. geol. Gesellsch., LIX, 1907, Monatsber. p. 203—204 (Lv. V. 1388). . Serivenor, J. B. The geological history of the Malay Peninsula. Quart. Journ. geol. Soc. LXIX, 1913, p. 343-371 (Lv. V. 2766). . Tobler, A. Einige Notizen zur Geologie von Süd-Sumatra. Verhandl. der naturf, Gesellsch. in Basel, Band XV, 1903, p. 272—292 (Lv. V. 1402). . Tobler, A. Topogr. und geol. Beschreibung der Petroleumgebiete bei Moeara Enim (Süd-Sumatra). Tijdschr. Kon. Ned. Aardr. 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Atlas Amsterdam 1883 (Lv. V. 1451). . Verbeek, R. D M. Topographische en geologische beschrijving van Zuid-Su- matra, enz. Jaarb. Mijnw. 1881, I, p. 3-215 (Lv. V. 1446). . Volz, W. Zur Geologie von Sumatra. Geol. und paläontol. Abhandl., heraus- gegeben von E. Koken. Neue Folge, Band VI, Heft 2, p. 87 ff. Jena 1904 (Lv. V. 1458). . Volz, W. Der Malaiische Archipel, sein Bau und sein Zusammenhang mit Asien. Silzungsber. der physik. medizin. Sozietät in Erlangen. XLIV (1912), Erlangen 1913, p. 178— 204 (Lv. V. 2691). Volz, W. Süd-China und Nord-Sumatra. Mitteilungen des Ferdinand von Richthofen-Tages, 1913. Berlin 1914, p. 27—54 (Lv. V. 2793). Wanner, J. Geologie vor West-Timor. Geologische Rundschau, IV, 1913, p. 136 - 150 (Lv. V 2749). Manuskript eingegangen den 2. Dezember 1916. Beitrag zur Kenntnis der Entwicklung bachbewohnender Milben. Von C. Walter. Vor zehn Jahren machte der englische Acarinologe ©. D. Soar auf die Tatsache aufmerksam, dass die Familie der Hydracarinen über 60 Genera zähle; nur von etwa sechs unter ihnen sei der Verlauf der Entwicklung bekannt. Die Zahl der Gattungen hat sich bis heute um gut zwei Dutzend vermehrt. Die Artenzahl ist bedeutend ge- stiegen. Unsere Kenntnisse auf entwicklungsgeschichtlichem Boden sind fast stationär geblieben. Dieser Stillstand mag viel weniger einem Mangel an Interesse als den Schwierigkeiten zugeschrieben werden, die sich dem Forscher bei Züchtungsversuchen im Labora- torıum darbieten. Der Umstand, dass zur Laichablage bestimmte Örtlichkeiten aufgesucht werden, dass die Larve zu ihrer Verpuppung eine spezifische Tierform, meistens ein Insekt aufsucht, um sich an ihm festzuklammern und in diesem Zustande ihre Entwicklung zur Nymphe durchzumachen, dass auch für die Verwandlung der Nymphe in das geschlechtsreife Tier besondere Bedingungen erfüllt sein müssen, das alles sind Faktoren — und sie könnten leicht vermehrt werden —, welche bei der Vornahme von Versuchen im Aquarium in Betracht zu ziehen sind. Die Schwierigkeiten werden noch erhöht, sobald es sich um Formen des fliessenden Wassers handelt, Arten, deren Fortkommen nur in sauerstoffreichem, konstant tiefe Tem- peraturen aufweisendem Wasser gesichert ist. Darum ist es auch er- klärlich, dass die Metamorphose torrenticoler Hydracarinen so gut wie noch unbekannt ist. Fast alle entwicklungsgeschichtlichen Daten der Hydracarinen beziehen sich auf Formen stehender Gewässer. Meine Beobachtungen über die Entwicklung torrenticoler Arten stützen sich zum grössten Teil auf fixiertes Material, das in den Alpen gesammelt wurde. Zum andern Teil stand mir aber auch lebendes Material zur Verfügung, an welchem ich verschiedene Vorgänge unter- suchen konnte. Entwicklung bachbewohnender Milben. 149 Dem Genfer Forscher Claparède gebührt in erster Linie das Ver- dienst, die Entwicklung der auf Süsswassermuscheln parasitierenden Unionicola bonzi (Clap.) genauer untersucht und an ihr die für die grosse Mehrzahl der Milben so typischen Häutungen erkannt zu haben. Er beobachtete, wie sich unter der Eihaut eine Membran bildet, welche an Stelle der erstern den Embryo umhüllt. Er nannte sie Zwischenhaut. Diese Membran legt sich zunächst infolge ihrer grössern Oberfläche unter der Eihaut in Falten, bis diese dem Drucke des wachsenden Embryos weichen muss und schliesslich platzt. Nun tritt die Zwischenhaut zwischen den beiden abfallenden Hälften der Eihaut frei zutage, dehnt sich aus und nimmt die Gestalt einer eiähnlichen, völlig geschlossenen Hülle an, was Claparède dazu be- stimmte, diesem Stadium den Namen Deutovum beizulegen. Sie be- herbergt die in ihr sich entwickelnde sechsfüssige Larve bis zu ihrem Ausschlüpfen. Die Larve von Unionicola tritt nach kurzer Zeit schon in das Stadium der Verpuppung ein. Sie vergrössert ihr Volumen, nach Claparèdes Annahme infolge Wasseraufnahme. Dies bedingt eine Dehnung der Körperhaut, welche sich bald von der weichen, unter ihr befindlichen Körpermasse abhebt. Die Beine und Palpen entleeren ihren Inhalt nach innen, wo sich die Körpermasse zu- sammenballt. „Das Tier schwimmt also nun als kugeliger Klumpen in der die weitabstehende Outicularhülle erfüllenden Flüssigkeit‘, sagt Claparède selbst. Die leeren Bein- und Palpenscheiden, die chitinösen Hüftplatten ete. werden abgeworfen, sodass die Puppe die Gestalt einer Kugel annimmt. Nun aber sprossen aus der Körper- masse neue Palpen und Beine, diesmal acht Füsse wie beim er- wachsenen Tiere. Sämtliche Organe werden neu gebildet. Die aus- kriechende Nymphe besitzt bereits ein provisorisches Genitalorgan, das jedoch erst vier, statt zehn Näpfe wie die Imago besitzt. Die Nymphe hat nun, um zum geschleehtlichen Tier zu werden, eine zweite Puppenruhe durchzumachen, während welcher sich die eben geschilderten Vorgänge wiederholen. Claparède hat also richtig beobachtet, dass bei der Entwicklung einer Wassermilbe wichtige Häutungsprozesse eine Rolle spielen. Als erster erkannte er die Zwischenhaut unter der Eihaut. Obgleich er es nicht direkt ausgesprochen, so lässt sich doch aus der Beschreibung Claparèdes Ansicht herauslesen, die Verwandlung der Larve in die Nymphe spiele sich in der Haut der Larve ab, und die Metamorphose der Nymphe in die Imago gehe in der Nymphenhaut vor sich. Diese Auffassung stimmt jedoch nicht mit den Tatsachen überein, wie dies bereits Kramer nachweisen konnte. Der grossen verwandtschaftlichen Beziehungen wegen, welche zwischen den Trombididen und den Wassermilben bestehen, muss hier 150 C. Walter. der vorzüglichen Untersuchungen gedacht werden, die Henking an Trombidium fuliginosum angestellt hat. Es gelang ihm, den voll- ständigen Gang der Entwicklung dieser Milbe zu verfolgen, wobei er die Ausführungen Claparedes im grossen und ganzen bestätigen konnte, aber auch schon das wahrzunehmen vermochte, was dem Genfer Forscher entgangen war, nämlich das Auftreten einer Zwischenhaut nicht nur unter der Eihaut, sondern auch während den beiden nachfolgenden Verpuppungen unter der Larvenhaut bezw. unter der Nymphenhaut. Henking führte zur Hebung der infolge unrichtigen Gebrauches der einzelnen Bezeichnungen entstandenen Verwirrung eine neue Nomenklatur ein. Er liess den Ausdruck Zwischenhaut fallen und bezeichnete die im Ei und während der beiden Puppenstadien neuauftretenden Membranen als Apoderma. Seine Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Entwicklung von Trombidium in drei grossen Perioden abwickelt. Jede endet mit einem freilebenden Stadium, die erste mit der Larve, die zweite mit der Nymphe, die dritte mit der Imago. Jede Periode zerfällt wieder in drei Stadien, welche jeweilen durch das Auftreten des Apodermas und das Abwerfen desselben voneinander geschieden sind. Es ergibt sich folgendes Schema : Ruhende Stadien Freilebende Stadien a a a I. Ei 5 — Schadonophanstadium = > Larve = (Deutovum) = oO = < II. Nymphochrysalis — „ — Nymphophanstadium = > Nymphe (ob) T (1. Puppe) > B 8 III. Teleiochrysalis — © —> Teleiophanstadium = > Imago = (2. Puppe) 2 < < Die Henking’sche Nomenklatur hat später Kramer aufge- nommen, der sich in sehr eingehender Weise mit der Entwicklungs- geschichte der Hydracarinen befasst hat. Er wies besonders auf die grosse Übereinstimmung im Entwicklungsgang von Trombididen und Hydracarinen hin und hat auf die Verwandtschaft gewisser Larven von Wassermilben mit denjenigen der Laufmilben aufmerksam ge- macht. Er suchte deshalb den Beweis zu erbringen, dass die erstern von den letztern abstammen müssen. Das Vergleichen der einzelnen Hydracarinenlarven miteinander brachte ihn zur Überzeugung, dass die Familie der Wassermilben keine einheitliche sein könne, sondern aus verschiedenen Stämmen hergeleitet werden müsse. So kam er zur Aufstellung folgender Larventypen: der Hydrarachnalarve, der Pionalarve, der Diplodontuslarve und der Eylaislarve. Die auf- Entwicklung bachbewohnender Milben. 151 fallendste Ähnlichkeit mit der Trombidiumlarve zeigt aber ent- schieden die Diplodontuslarve. Ihre Vorfahren waren also Trom- bididen, deren Einwanderung ins Wasser erst vor relativ kurzer Zeit erfolgt ist. Dies prägt sich heute noch darin aus, dass die Larven dieses Typus nach dem Austritt aus dem Ei an die Wasseroberfläche steigen, sich an ein Insekt klammern, um sich an ihm zu verpuppen, während Nymphe und Imago bereits zu ausgesprochenen Bewohnern des Wassers geworden sind. Andere Milben, besonders die dem Typus der Pionalarve angehörenden, stammen auch von Trombididen ab, deren Übertritt ins flüssige Element jedoch in bedeutend weiterer Ferne zurückliegt, da nicht nur Nymphe und Imago typische Wasser- tiere sind, sondern sich auch ihre Larve ganz an das Leben im Wasser gewöhnt hat. An Hand seiner Untersuchungen über die Entwicklungsge- schichte konnte Kramer nachweisen, dass bei allen Hydracarinen auf das Ei ein Schadonophanstadium folge, das durch die Bildung eines ersten Apodermas eingeleitet werde. Er konstatierte aber auch das Vorkommen eines zweiten Apodermas im Nymphophanstadium und eines dritten im Teleiophanstadium, was Claparède übersehen hatte. Mit dem Eintritt der Puppenruhe haben sowohl Larvenhaut als auch Nymphenhaut ihren Zweck vollständig erfüllt: sie werden während der Puppenruhe gesprengt und abgeworfen. Im folgenden möchte ich den Versuch unternehmen, an Hand der Entwicklungsgeschichte zweier Gattungen, die ich verfolgen konnte, Kramers Ansichten über die verwandtschaftlichen Be- ziehungen zwischen Hydracarınen und Trombididen weiter auszu- bauen, scheinen sie doch eine grosse Berechtigung beanspruchen zu dürfen. Während der Bearbeitung des Materials bin ich noch auf zahlreiche andere Probleme gestossen. Die meisten harren noch ihrer Lösung, sodass dem Forscher reichliche Arbeit übrig bleibt. Mehr und mehr sollten entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen an Hydracarinen die volle Aufmerksamkeit des Spezialisten verdienen, da sie nicht nur in stammesgeschichtlichen Fragen, sondern auch in biologischen und solchen über die geographische Verbreitung dieser Tiergruppe wichtige Aufschlüsse zu geben vermögen. Die eine der beiden untersuchten Gattungen enthält -Arten, die in grosser Anzahl die moosreichen Quellen der Alpenbäche bewohnen. Es ist Lebertia. Starkfliessendes, stets tieftemperiertes Wasser bietet ihr die besten Lebensbedingungen. Sie erträgt keine grossen Tem- peraturschwankungen. Ihre Larve gehört dem Pionatypus an. Die andere, das Genus Thyas, vertritt als Larve den Diplodontustypus. Die Vertreter dieser Gattung leben in den Alpen meistens in schwach- 152 C. Walter. fliessendem Wasser, in reichbemoosten, sumpfigen Stellen, deren Wasser sich tagsüber bedeutend zu erwärmen vermag. Lebertia legt ihre kleinen, roten Eier nebeneinander auf Moos- blättchen oder unter Steinen ab. Je nach der Art ist deren Zahl etwas verschieden. Gleichzeitig werden die Eier mit einer farblosen, flüssigen Masse übergossen, einer Kittsubstanz, welche im Wasser aufquillt, erhärtet und ein weisses Aussehen annimmt. Ihre Ober- fläche ist dann von kleinen, rundlichen oder ovalen Öffnungen durch- brochen, von denen sich die grössern nach innen trichterförmig er- weitern. Diese Kittmasse erfüllt eine zweifache Aufgabe. Sie heftet den Laichklumpen an der Unterlage fest und umgibt die Eier bis zum Ausschlüpfen der jungen Larven mit einer ringsum ver- schlossenen Hülle. Die Decke dieser Hülle ist am stärksten, der Boden bisweilen sehr dünn. Zwischenwände zur Abtrennung der ein- zelnen Eier treten hie und da auf, sind jedoch nie so stark, dass sie nicht leicht durch die Bewegungen der frisch geschlüpften Larven durchbrochen werden könnten; sie bestehen meist aus einigen regel- los gespannten Fäden aus Kittmasse. Henking berichtet für Trom- bidium von einem Klebstoff, der gleichzeitig mit den Eiern ab- geschieden wird und vermutet, dass dieser im Uterus entstehe. Bei den Hydracarinen scheinen die Verhältnisse ähnlich zu liegen. Die Absonderung der Kittsubstanz muss wohl zu gleicher Zeit mit der Eiablage vor sich gehen. Es dürfte schwerlich der Fall sein, dass sich beide Prozesse zeitlich folgen, dass also zuerst die Eier abgegeben und erst dann mit Kittmasse übergossen werden. Man findet hie und da Laichklumpen mit langen, röhrenförmigen Anhängseln, an deren Ende noch ein Ei eingeschlossen ist. In solchen Fällen wird das Tier während der Eiablage aus irgend einem Grunde zu einem Platzwechsel veranlasst worden sein, welchem Umstande dann die bizarre Form des Klumpens zuzuschreiben ist. Über die ersten Vorgänge im Ei konnten nur wenige Beobach- tungen gemacht werden. Bereits Claparède erwähnt das Vorkommen zahlreicher Zellen, welche er als Hämamoeben ansieht. Henking nennt sie vacuolisierte Zellen. Ihr feinkörniges Plasma beschränkt sich auf eine periphere Zone. Der Kern wird nur schwer in einer verdickten Stelle derselben wahrgenommen. Den grössten Teil der Zelle bean- sprucht eine Vacuole, die eine klare Flüssigkeit enthalten soll. Henking scheint diesen Zellen die Möglichkeit zuzuschreiben, das Apoderma zu bilden. Sie sind in der Tat zunächst in grosser Anzahl vorhanden. Vor dem Ausschlüpfen der Larve aber treten sie nur noch vereinzelt auf. Sie scheinen nach und nach resorbiert zu werden. Meine Beobachtungen stimmen mit denjenigen Henkings überein. Doch habe ich häufig nicht nur eine Vacuole in der Zelle vorge- Entwicklung bachbewohnender Milben. 153 funden, sondern eine Reihe von verschiedener Grösse. Ob diese vacuolisierten Zellen wirklich an der Bildung des Apoderma beteiligt sind oder nicht, möge vorläufig dahingestellt sein. Frühzeitig ent- steht aber unter der Eihaut eine dünne Membran: Henkings und Kramers Apoderma. Mit diesem Momente tritt die Entwicklung in das Schadonophan- stadium ein. Das Apoderma vergrössert bald seine Oberfläche. Die Enge des Raumes zwingt es, sich unter der Eihaut in Falten zu legen. Jederseits bildet sich auf ihm eine kleine trichterförmige Ausstül- pung, welche innen zur Ansatzstelle eines fleischigen Stranges dient, der die Verbindung mit dem Embryo herstellt. Henking deutete das eigentümliche Organ auf dem Apoderma als Urpore und erblickte im Verbindungsstrang eine Urtrachee, deren Aufgabe darin zu suchen sei, den wachsenden Embryo stets mit frischer Luft zu versorgen. Kramer glaubte indessen, dieses Organ einfach als Suspensorium für das sich entwickelnde Tier ansprechen zu müssen. Seine Auffassung dürfte der Wirklichkeit am besten entsprechen. Infolge seines Wachs- tums sprengt der Embryo die alte Eihaut bald. Diese wird abge- worfen und liegt nun, vielfach zusammengelegt, in der Hülle aus Kitt- masse. Es muss hier der Irrtum mehrerer Forscher richtiggestellt werden, welche die durch die abgeworfenen und zusammengefalteten Eihäute entstandenen ritzenförmigen Figuren als spätere Austritts- stellen der Larve aus der Kitthülle beschrieben. Das Apoderma ver- mag sich nun auszudehnen. Es bläht sich auf, glättet seine Falten, nimmt eiförmige Gestalt an und rückt weit von der in Bildung be- griffenen Larve ab, ihr zu weiterem Wachstum einen gewissen Spiel- raum lassend. Das Apoderma selber erscheint nun als gänzlich strukturlose, durchsichtige Membran, deren einziges Merkmal im Vorhandensein der beiden Urporen besteht. Am Embryo erkennt man knospende Auswüchse, aus denen Beine und Palpen hervorgehen. Sein Körper nimmt mehr und mehr definitive Gestalt an. Mit der Anlage der Hüftplatten geht das Ab- trennen der einzelnen Bein- und Palpenglieder Hand in Hand. Die Augen, Borsten etc. werden angelegt. Mit dem Grösserwerden des Tieres aber wird der Verbindungsstrang nach und nach resorbiert. Man erkennt nun genau die Ansatzstellen dieser Stränge am Körper. Sie liegen zwischen der ersten und zweiten Hüftplatte. Die junge Larve füllt bald den Innenraum des Apodermas gänzlich aus. Vor dem Ausschlüpfen wird die Verbindung mit der Urpore gelöst. Wäh- rend des larvalen Lebens bleiben aber grosse, von Chitinringen um- fasste Poren zwischen den Ansatzstellen der beiden ersten Beinpaare zu sehen. Die Larve ist zum Ausschlüpfen bereit, durchreisst das Apoderma und tritt in die Hülle aus Kittsubstanz. Sie muss auch 154 C. Walter. deren Wandung durchbrechen, um endlich ihre völlige Freiheit zu erlangen. Wenn auch die Entwicklung von Thyas in dieser ersten Periode in den Hauptzügen ähnlich verläuft wie die eben von Lebertia be- schriebene, so sind doch eine Reihe von Abweichungen zu nennen, welche meiner Ansicht nach Kramers Auffassung zu bekräftigen ver- mögen, dass die Hydracarinen nicht alle von den gleichen Stamm- formen abzuleiten sind. Schon in der Art der Laichablage treten nennenswerte Ver- schiedenheiten auf. Hier wird jedes einzelne Ei von einer besondern Hülle aus Kittsubstanz umgeben, welche das Ei gleichsam mit einer dicken Schale umgibt. Die Kittsubstanz hat nicht mehr das von nach innen sich erweiternden Poren durchsetzte Aussehen, sondern gleicht einer Masse feinen, erstarrten Schaumes. Die so von besondern Kitt- schalen umgebenen Eier werden zu Reihen oder Klumpen zusammen- gefügt, jedoch so, dass die Ansatzstelle zwischen den Nachbareiern deutlich sichtbar bleibt. Die Eiablage muss bei Thyas langsamer vor sich gehen als bei Lebertia und so verzögert sein, dass die Kittschale eines Eies Zeit findet, sich zu erhärten, bevor das andere abgegeben wird. Unter der Eihaut wird das Apoderma gebildet, und bald darauf muss die Sprengung derselben, gleichzeitig aber auch der Kittschale vor sich gehen. Dass aber diese Arbeit für den Thyasembryo be- deutend schwieriger sein muss, als das blosse Sprengen der Eihaut bei Lebertia, dürfte ohne weiteres einleuchten. Seine Aufgabe wird aber durch das Vorhandensein verschiedener Hilfsmittel erleichtert. Das Apoderma trägt nämlich zwei auf dem Rücken und den Seiten querverlaufende Reihen langer, spitzer Dornen, die sich auf breiter, transversaler Basis erheben. Sie erreichen auf dem Rücken ihre grösste Länge und verkürzen sich auf den Seiten. Ihr Zweck dürfte darin zu suchen sein, dass sie bei der Sprengung der Eihaut und der Kitt- schale eine Rolle zu spielen haben, indem sie infolge des vom wachsenden Embryokörper ausgeübten Druckes wie Messer in die ihn umgebenden Hüllen hineindringen und sie lockern. Während der Faltung des Apodermas unter der Eihaut dürften die beiden Dornen- reihen unmittelbar hintereinander liegen und auch die Schale auf derselben Linie durchstossen, beim Ausdehnen des Apodermas aber und während des Glättens der Falten auseinanderweichen und einen Druck nach entgegengesetzten Seiten ausüben, was zur Folge das Klaffen der Schalenhälften hätte. Zwischen den Schalenhälften tritt das Apoderma als ovale Hülle frei zutage. In ihr führt der Embryo seine Entwicklung weiter. Sowohl das Kopfende wie auch das hintere Ende der Apodermahülle steckt noch in der mit der Eihaut aus- tapezierten halben Kittschale, deren vordere aber meist abgeworfen Entwicklung bachbewohnender Milben. 155 wird, während die andere am Klumpen befestigt bleibt. Sehr selten macht sich die Apodermahülle ganz frei. Dann aber erkennt man deutlich, dass sie im Gegensatz zu Lebertia nicht ohne Struktur ist. Den ganzen mittleren Teil umgibt ein breiter Gürtel niedriger, zuge- spitzter, aber wenig dicht gesäter Papillen, während die beiden Pole, welche ja gewöhnlich in der Kittschale verbleiben und keines weitern Schutzes bedürfen, vollständig glatt bleiben. Die Aufgabe dieses Papillenbesatzes, der sich auf den freiliegenden Teil der dünnen Membran beschränkt, dürfte wohl darin bestehen, das junge Tier vor raubgierigen Angriffen zu schützen. Die ausgeschlüpften Larven charakterisieren sich durch den Be- sitz von erst sechs Beinen statt acht, wie sie später die Nymphe und die Imago aufweisen. Naturgemäss sind auch nur drei Hüftplatten- paare entwickelt. Am Maxillarorgan, dem sog. Pseudocapitulum, sitzen zwei kurze fünfgliedrige Palpen. Die Haut ist feinliniert. Von einem Genitalorgan ist keine Spur zu erkennen. Bis jetzt wurde allge- mein angenommen, dass der Fuss der Larve aus fünf Gliedern auf- gebaut sei, während er später sechs zähle. Dies trifft für die Mehr- zahl der bisher bekannt gewordenen Larven zu. Auch die Lebertia- larve bildet keine Ausnahme von dieser Regel. Dagegen wurden bei zwei verschiedenen T'hyasspezies Beine vorgefunden, die bereits sechs- gliedrig waren. Zum mindesten war die Zweiteilung des zweiten Gliedes im Begriffe, sich zu vollziehen. Wenn auch die Larven zweier nahe verwandter Gattungen diese Eigenschaft mit Thyas teilen, so steht sie doch ziemlich vereinzelt da, und dieses Verhalten vermag noch nicht erklärt zu werden. Auch in der Ausstattung der Beine differieren die beiden Larven. Der Borstenbesatz ist bei Lebertia schwach. Die kurzen Beine tragen drei Krallen; sie sind zu Kletter- organen geworden. Die langen Beine der T’hyaslarve weisen besonders in ihren Endgliedern starke Beborstung auf und endigen mit einer Kralle. Sie tragen den Charakter von Gehfüssen, die dazu bestimmt sind, den Tierkörper auf der Wasseroberfläche zu tragen. Die Zahl der Unterschiede liesse sich leicht verdoppeln. Kurz, die Lebertialarve trägt den Habitus eines Wassertieres, die Thyaslarve gleicht jedoch ihren Verwandten auf dem Festlande, und mit Kramer lässt sich kon- statieren, dass erstere viel früher in das flüssige Element eingewandert sein muss als letztere. Noch eine Eigentümlichkeit der Thyaslarve muss erwähnt werden. In der Mitte der ventralen Fläche, da wo bei der Imago das Geschlechtsorgan sich vorfindet, fanden sich bei noch nicht ganz zur Larve entwickelten Embryonen nebeneinander zwei kleine napfähn- liche Gebilde, wie sie das spätere Genitalorgan aufweist. Sie scheinen vor dem Ausschlüpfen resorbiert zu werden. Ich konnte zwar die 156 C. Walter. Larven dieser Thyyasspezies nicht untersuchen. Bei nahe verwandten Arten konnte dieses Organ während des larvalen Lebens nicht mehr entdeckt werden. Welches ist nun das weitere Schicksal der beiden Larven ? Die allgemein unter den Hydracarinologen verbreitete Ansicht ist die, dass die Milben die Zeit ihrer ersten Verpuppung auf irgendeinem W asser- tiere verbringen. Die Tatsache aber, dass gewisse Arten, vor allem Bewohner kalter Bäche, Quellen und Seen, und unter diesen wieder einige Lebertia-Arten ihre Puppenruhe im Schutze der Blattachsen von Moosen oder unter Steinen, auch auf dem Grunde stehender Ge- wässer verbringen, möchte mich zur Vermutung verleiten, dass diese in keiner Weise zu zeitweiligem Parasitismus übergehen. Anders Thyas ; bald nach dem Ausschlüpfen entsteigt die Larve dem Wasser und hält sich auf der Oberfläche sumpfiger Wasseransammlungen auf. Bei der ersten Gelegenheit befällt sie das ihr zusagende Insekt, in dessen Haut sie sich mittels der Mundwerkzeuge einbohrt und äusserst fest hält. Das Insekt aber trägt sie von Ort zu Ort, und während dieses Wanderlebens in einem gänzlich andern Medium macht sie ihre Umwandlung zur Nymphe durch. Ist diese weit genug fortgeschritten, so sucht. sie wieder in das Wasser zu gelangen. Dazu dürfte sich besonders der Zeitpunkt eignen, wo das Insekt zur Laichablage sich auf die Wasseroberfläche niederlässt. Dass aber der Forscher, weil die Larve auf eine gewisse Zeit das Wasser verlässt, nicht immer den ganzen Verlauf der Entwicklung wird verfolgen können, findet darin seine direkte Bestätigung, dass die ganze zweite Entwicklungs- periode von T'hyas noch unbekannt ist. Diese kann jedoch an Lebertia verfolgt werden. Mit dem Eintritt der Puppenruhe beginnt die zweite Periode der Entwicklung. Sie wird eingeleitet durch das Nymphochrysaliden- stadium. Das Tier erscheint völlig leblos. Es hat seine Beine weit gespreizt; sie stehen in gestreckter Haltung vom Körper ab. Dieser schwillt beträchtlich an. Unter der Haut bilden sich die bereits wäh- rend des Schadonophanstadiums auftretenden vacuolisierten Zellen. Sie sind es, welche nach Henking die Haut von der darunterliegenden Körpermasse abtrennen. Letztere zieht sich aus Palpen und Beinen zurück, bis die Chitinscheiden ganz entleert sind, und ballt sich im Innern zu einem ovalen Klumpen zusammen. Es tritt eine Histolyse der Gewebe ein; gewisse Organe werden aufgelöst und wieder neuge- bildet. Andere, so vor allem der Lebermagen, scheinen ihr nicht unterworfen zu sein. Wohl aber muss eine beträchtliche Vermehrung der ganzen Körpermasse eintreten. Frühzeitig entsteht unter der Larvenhaut das Apoderma. Ihm fällt die Aufgabe zu, die sich in ihm entwickelnde Nymphe bis zu ihrem Austreten zu umgeben und Entwicklung bachbewohnender Milben. 157 zu schützen. Das Nymphochrysalidenstadium ist aber in das Nymphophanstadium übergegangen. Da die Nymphe die Larve an Grösse übertrifft, so wird, ähnlich wie im Ei, das Apoderma eine grössere Oberfläche aufweisen als die es umschliessende Larvenhaut, unter der es deshalb zunächst reichlich in Querfalten gelegt daliegt. Das wachsende Tier verursacht mit der Zeit das Sprengen der Larven- haut, wodurch das Apoderma seine ihm zugedachte Ausdehnung ein- nehmen kann. Während es sich zur eiförmigen Hülle aufbläht, lösen sich einzelne Teile der geborstenen Larvenhaut los und fallen ab. Die leeren Bein- und Palpenhüllen werden meist abgeworfen. Ihnen folgen die Hüftplatten ete., und in den günstigsten Fällen bietet das nun freiliegende Apoderma die Möglichkeit, seinen Bau genauer zu untersuchen. Seine Oberfläche ist nicht glatt; je nach der Art trägt sie spitze, stumpfe, kurze oder längliche Papillen, auch Chitin- leistehen. Sie weist aber noch ein zweites Charakteristikum auf: in der Mitte der ventralen Fläche liegen nebeneinander zwei kleine Näpfe von ähnlichem Bau wie die Genitalnäpfe, also an der gleichen Stelle, wo bei der Nymphe und bei der Imago das Geschlechtsorgan zu suchen sein wird. Die beiden Näpfe sitzen in einer papillenfreien Zone auf kurzen Stielen der Haut direkt auf und stehen nach innen in keiner Weise mit der sich entwickelnden Nymphe in Verbindung. Meines Wissens ist dieses Organ in der Literatur noch nirgends er- wähnt; ich möchte es deshalb als Nymphophanorgan bezeichnen. Im Innern der Apodermahülle entwickelt sich die Nymphe weiter. Die vacuolisierten Zellen nehmen an Zahl ab. Die Körper- masse wird mit einer Epidermis versehen. Es sprossen Auswüchse hervor, aus denen sich die Beine und Palpen bilden. Bereits sind vier Beinpaare vorhanden wie bei der Imago, und bei der nach- folgenden Abgrenzung der einzelnen Glieder erkennt man, dass je- weilen sechs Glieder angelegt werden. Frühzeitig bemerkt man die Augen, deren Pigment scheinbar direkt von der Larve auf den Nymphenkörper übergeht. Auf der Ventralfläche treten die Hüft- platten deutlich hervor, die bei Lebertia eine zusammenhängende Platte bilden. Hinter ihnen entsteht das provisorische Genitalorgan, bestehend aus vier kurzgestielten Näpfen, die im Viereck stehen und von zwei halbkreisförmigen Spangen aus Chitin eingefasst werden. Von einer Genitalöffnung ist noch keine Spur vorhanden. Mit der Zeit füllt die Nymphe den grössten Teil des Hohlraumes unter dem Apoderma an, ein orangegefärbter bis hellroter Körper in einer weiss- lichen Hülle. - Ihre beiden hintern Beine sind auf der Ventralseite nach vorn umgeschlagen, die beiden vordern Extremitäten werden nach hinten umgebogen. Bald werden kleine Bewegungen einzelner Glieder wahrgenommen. Diese werden von Tag zu Tag deutlicher 158 C. Walter. und zuletzt so stark, dass das Reissen der Apodermahülle erfolgt und die Nymphe durch die Öffnung auszutreten vermag. Bei der Thyasnymphe interessiert vor allem das provisorische Genitalorgan, das auf der mittleren Bauchseite seine Lage hat. Es besteht aus vier ziemlich langgestielten Näpfen, die auch im Viereck angeordnet sind, und seitlich von je einem chitinösen, mit wenigen Börstchen besetzten Leistchen eingefasst werden, aus dem später die Genitalklappe entstehen wird. Die Lebensweise der Nymphe ist nicht sehr von derjenigen der Imagines verschieden. Während der ganzen Dauer ihrer Existenz hält sie sich im Wasser auf; sie ist ein ausgesprochener Bewohner des Wassers. Wie lange das nymphale Leben dauert, konnte nicht bestimmt werden. Vor der eintretenden dritten Entwicklungsperiode zieht sich das Tier an einen geschützten Ort zurück, sucht einen Unterschlupf in den Achsen der Moosblättehen oder unter Steinen. Es wiederholt.sich nun in ganz analoger Weise der eben für die Metamorphose der Larve in die Nymphe beschriebene Prozess. Die Teleiochrysalide ruht scheinbar leblos mit weit auseinandergestreckten Beinen. Vacuolisierte Zellen treten auf. Der Körperinhalt ballt sich in der geblähten Nymphen- haut zusammen, nachdem Beine und Palpen entleert worden sind. Mit dem Auftreten des Apoderma beginnt das Teleiophanstadium. Die apodermale Hülle dehnt sich aus, sprengt das Kleid der Nymphe, welches sich fetzenweise loslöst und sich der Bein- und Palpenhäute entledigt. Im Innern geht die Neubildung der Imago vor sich. Unter der neugebildeten Epidermis erkennt man eine Anzahl dunkler Flecken, die halbkreisförmig die vordere Ventralfläche ein- nehmen. Sie sind die Ursprungsstellen der hervorsprossenden Ex- tremitäten und des Maxillarorgans. Ungefähr die Mitte der Bauch- seite nimmt das äussere Genitalorgan ein. Es besteht bei der ge- schlechtsreifen Lebertia aus einer Spalte, welcher jederseits in einer Reihe hintereinander drei Genitalnäpfe folgen. In geschlossenem Zu- stande überdecken die beiden seitlich befestigten Chitinklappen das ganze Organ. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Thyas: drei Paare hintereinanderliegender Näpfe neben der Geschlechtsöffnung, welche durch vorgewölbte Lefzen verschlossen sind. Während die beiden vordern Napfpaare kurzgestielt und durch einen weiten Abstand ge- trennt sind, so sitzt das hintere Paar auf längerm Stiele und ist nur wenig vom mittleren entfernt. Zwei seitlich [befestigte Genitalklappen vermögen einen Teil des Geschlechtsfeldes zu bedecken. Noch bleibt das dritte Apoderma etwas genauer zu betrachten. In beiden Genera erweist es sich wieder als eine mit Papillen oder Chitinleistchen bedeckte Haut. Ihr eigentümlichstes Merkmal besteht Entwicklung bachbewohnender Milben. 159 aber im Besitz eines wieder die Mitte der ventralen Fläche ein- nehmenden Organes, welches ganz an ein in Entwicklung begriffenes Geschlechtsorgan erinnert. Dieses, das Teleiophanorgan, ist wie das Nymphophanorgan bis zum heutigen Tage unbekannt geblieben. Bei der Gattung Lebertia besteht es aus zwei ovalen, von schwachen Chitinbogen umgebenen Stellen des Apoderma, welche in ihrem hintern Teile zwei Näpfe, meist von ungleicher Grösse tragen. Vor ihnen kann man bei gewissen Ärten hie und da noch zwei oder vier jedoch viel kleinere Näpfe wahrnehmen; bei andern Arten finden sich nur noch deren Ansatzstellen vor. Bei Thyas aber besteht es aus drei gutentwickelten, hintereinander liegenden Napfpaaren. Die beiden vordern stehen wie bei der Imago in der Grösse etwas hinter dem dritten zurück. Sie sind auch kürzer gestielt. Zwischen den beiden Napfreihen erheben sich, durch eine mediane, longitudinale Furche getrennt, zwei lefzenartige Vorwölbungen des Apoderma. Ihr Papillenbesatz ist viel dichter als auf den übrigen Partien der Hüll- membran. Die longitudinale Furche bezeichnet die spätere Lage der Genitalöffnung; ein Durchbruch findet aber auf dem Teleiophan- stadium nicht statt. Beim Vergleich der beiden Teleiophanorgane fällt sofort auf, dass dasjenige von Thyas noch bedeutend besser entwickelt ist als das- jenige von Lebertia. Die Ähnlichkeit des erstern mit dem Genital- organ der Imago ist frappant. Bei Lebertia dagegen kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass ihr Teleiophanorgan in Verfall begriffen ist. Es darf wohl angenommen werden, dass in frühern Generationen sämtliche sechs Näpfe in gleich ausgezeichneter Weise angelegt wurden. Wahrscheinlich infolge Nichtgebrauches ver- kümmert ein Teil nach dem andern, sodass heute nur noch wenige Reste vorhanden sind. Auch hierin dürfen wir wohl einen weitern Beleg für Kramers Ansicht erkennen, es seien gewisse Hydracarinen früher als die andern ins Wasser eingewandert. Nach vollendeter Entwicklung verlässt die Imago das Apoderma, nachdem sie es aufgebrochen hat. Für mich unterliegt es keinem Zweifel mehr, dass sowohl das Nymphophanorgan wie auch das Teleiophanorgan Stadien im Ent- wicklungsgange des Genitalorgans darstellen. Dafür spricht nicht nur die stets gleichbleibende Lage auf der Mitte der Ventralseite, die mit derjenigen des provisorischen Genitalorgans der Nymphe und mit dem definitiven der Imago übereinstimmt, sondern auch der Auf- bau der beiden Organe selber, besonders die Näpfe, bei Thyas die lefzenartigen Vorwölbungen im Teleiophanstadium, die Chitinbogen, die als Vorläufer der Genitalklappen aufgefasst werden können. Ob die beiden Näpfe im Schadonophanstadium, welche bisher nur bei 160 C. Walter. einigen Embryonen derselben Art entdeckt worden sind, als Vorstufe des ganzen Entwicklungsganges betrachtet werden dürfen, mag vor- läufig dahingestellt bleiben. Die vom Genitalorgan durchlaufenen Stadien sind also folgende: Nymphophanorgan, provisorisches Genitalorgan, Teleiophanorgan, definitives Genitalorgan, wovon man sich leicht durch direkte Anschauung bei günstigen Objekten über- zeugen kann. Im Nymphophanstadium liegen zwei Organe überein- ander: auf dem Apoderma das zweinäpfige Nymphophanorgan, darunter auf der neugebildeten Nymphenhaut das provisorische Genitalorgan. Im Teleiophanstadium liegen sogar drei Organe über- einander: zuoberst, auf der abfallenden Nymphenhaut, das provi- sorische Organ der Nymphe mit vier Näpfen, darunter, auf dem Apoderma, das sechsnäpfige, oder durch Reduktion vier- oder zwei- näpfige Teleiophanorgan, und zuunterst, auf der neugebildeten Epi- dermis der Imago, das sechsnäpfige, völlig entwickelte Organ. Mit der fortschreitenden Entwicklung geht also eine Erhöhung der Napf- zahl Hand in Hand. Ähnliche Beobachtungen wurden bei einer weitern sechsnäpfigen Hydracarine, einem Vertreter der Bachfauna, gemacht. Es ist die Gattung Sperchon, welche sich Lebertia näher anzuschliessen scheint als Thyas, weil auch da die Näpfe des Teleiophanorgans meist nur in reduzierter Zahl, nämlich zwei, auftreten. Es mögen schliesslich noch einige Fälle angeführt werden, die sich nicht auf sechsnäpfige Milben beziehen; sie bestätigen jeweilen die Ansicht, Nymphophan- und Teleiophanorgan seien frühe Stadien in der Entwicklung des Genitalorganes und dass die Napfzahl mit fortschreitender Metamorphose zunimmt. Von diesen Formen kenne ich jedoch nur die dritte Entwicklungsperiode. Die Nymphe einer nahen Verwandten der von Claparède so aus- führlich beschriebenen Unionicola bonzi (Clap.) ist am medialen Hinterrand der Ventralfläche mit zwei Paaren grosser Näpfe ausge- zeichnet. Die Napfzahl erhöht sich auf dem Teleiophanstadium auf sechs. Ihre Lage ist dieselbe, dagegen hat ihre Grösse eine Reduktion erfahren. Das erwachsene Tier besitzt wieder zehn grosse Näpfe an derselben Stelle wie die vorausgegangenen Stadien. Die Nymphe von Aturus scaber Kramer trägt am hintern Körper- rande ventral zwei Napfpaare. Das Teleiophanorgan besteht jeder- seits aus zwei Reihen winziger Näpfe, je 16 bis 17 an der Zahl, während die Imago zu beiden Seiten der Genitalspalte und längs des Körperrandes mit einer ähnlichen Anzahl grösserer Näpfe ausge- rüstet ist. Hydrovolzia placophora (Monti) besitzt im erwachsenen Zu- stand und als Nymphe gar keine Näpfe. Ihr Genitalorgan ist weit Entwicklung bachbewohnender Milben. 161 nach vorn verlagert. Ich hatte zweimal die Gelegenheit, die Entwick- lung während der dritten Periode zu verfolgen und unterzog besonders auch das Apoderma einer genauen Untersuchung. Dieses trug keine Näpfe, zeigte aber weit vorne auf der ventralen Fläche ein Organ, welches dem Teleiophanorgan entsprechen dürfte. Es besteht aus drei kleinen in einer querliegenden Reihe sich befindliche und von Chitin- ringen umfasste Stellen, die auf der Innenseite der Apodermahülle zum Ausgangspunkte eines röhrenförmigen, häutigen Anhanges von geringer Länge werden. Die eben geschilderten Verhältnisse betreffen bis auf eine Aus- nahme Formen fliessender Gewässer. Es ist jedoch kein Grund vor- handen, sie den Formen der Seen und Weiher abzusprechen. Ich bin überzeugt, dass jede Milbe Nymphophanorgan und Teleiophanorgan während der Puppenruhen ausbildet, es wäre denn, die beiden Organe seien schon so in Verfall geraten, dass von ihrer Anlage keine Spur mehr vorhanden ist. Ich habe vier verschiedene Arten in dieser Hin- sicht untersuchen können und jedesmal vollständig analoge Verhält- nisse vorgefunden. Sie betreffen die weiter oben genannte Unionicola, eine Pionacercus-Art und zwei verschiedene Vertreter des Genus Lebertia, Lebertia rufipes Koen. und Lebertia cognata Koen. aus Hochalpenseen. Wenn aber Nymphophanorgan und Teleiophanorgan wirklich frühe Stadien des Genitalorganes sind, so drängt sich unwillkürlich die Frage auf, welchen Zweck sie als einzige Organe auf einer mem- branösen Hülle zu erfüllen haben, Organe, die ausserdem bei ver- schiedenen Arten als im Verfall begriffen erkannt worden sind. Funktionellen Wert können sie gewiss keinen besitzen. Ob ihnen sekundär eine andere Aufgabe zugeschrieben worden ist, kann auch kaum angenommen werden. Sie sind ja verurteilt, in kürzerer oder längerer Zeit zu verschwinden. Aber eben dieser Punkt vermag viel- leicht die Spur zu weisen, wenn nämlich angenommen wird, dass sie früher nicht die einzigen Organe auf dem Apoderma darstellten, sondern auch Beine, Mundwerkzeuge, Palpen ete. vorhanden waren, dass sogar die nun ruhenden Stadien Beweglichkeit besassen. Schon Kramer hat sich die Frage vorgelegt, ob die nur von einem Apoderma umgebenen Schadonophan-, Nymphophan- und Teleiophanstadien als gleichwertige mit den freilebenden aufzufassen seien. Wenn nach den Entwicklungsverhältnissen bei andern Milbenfamilien Ausschau gehalten wird, so gewinnt diese Auffassung bedeutend an Wahr- scheinlichkeit. Wir finden z. B., dass sich bei den Oribatiden zwischen Ei und Imago ausser der Larve drei Nymphen einschalten. Bei einer Reihe anderer Familien werden bloss zwei Nymphen ausgebildet. Bei den Tarsonemiden geht sogar das geschlechtsreife Tier direkt aus 11 162 C. Walter. der Larve hervor; alle Nymphenstadien werden hier unterdrückt. Soviel ist jedoch gewiss, dass die meisten Milbenfamilien mehr Nymphenstadien ausbilden als die Hydracarinen. Es liegt nun auf der Hand anzunehmen, dass auch bei den Hydracarinen früher eine grössere Anzahl freilebender Stadien zwischen Larve und Imago eingeschaltet war. Es trat nicht allein eine Nymphe in der Entwicklungsreihe auf; es dürften ihrer drei vorgekommen sein. Früher ist das Nymphophanstadium eine frei- lebende erste Nymphe gewesen, die in Form des Nymphophanorganes einen Vorläufer des Geschlechtsorganes besass, aber auch mit Beinen, Epimeren, Mundwerkzeugen ausgerüstet war. Das Apoderma ist der Körperhaut dieser ersten Nymphe gleichzustellen. Die weitere Ent- wicklung der ersten Nymphe ging sehr rasch vor sich und zwar in direkter Weise ohne Bildung einer apodermaähnlichen Membran, so wie sie noch heute bei den Tetranychiden beobachtet wird. Der aus- schlüpfenden zweiten Nymphe entspricht die jetzige freilebende Nymphe, welche nach einer analogen Verwandlung zur dritten Nymphe umgebildet wurde, dem heutigen Teleiophanstadium. Apo- derma und Teleiophanorgan stellen die letzten Überreste dieser dritten Nymphe dar, die ausserdem Beine, Mundwerkzeuge etc. besass. Heute sind nun alle Organe der ersten und dritten Nymphe zurückgebildet worden; Nymphophanorgan und Teleiophanorgan und Apoderma er- innern allein noch an die vergangenen Zeiten, und auch deren Fort- bestehen ist ernstlich gefährdet. Ihr Verfall ist bei den frühen Ein- wanderern ins Wasser schon ausgeprägter als bei den Formen, deren Übertritt ins flüssige Element weniger weit zurückgreift. Wenn die Kenntnis der Hydracarinenentwicklung zahlreiche stammesgeschichtliche Probleme bei den Wassermilben ihrer Lösung näher zu bringen vermag, so dürfte sie uns in gewissen Fällen auch die Mittel in die Hand geben, biologische Fragen zu beantworten. Die Frage: ‚Wie hat die aquatile Tierwelt nach den Eiszeiten das Hochgebirge erreicht ?“ beschäftigt die Forscher immer noch, und die Vertreter der passiven Verbreitungsart haben sich noch immer nicht mit den Fürsprechern der aktiven Wanderung geeinigt. Für die Verbreitung der Wassermilben spielt die zweite Entwick- lungsperiode eine grosse Rolle. Es wurde weiter oben die Beobachtung festgestellt, dass die Thyaslarven sich an Insekten zur Vornahme ihrer ersten Puppenruhe festheften, dass aber die Nymphophanstadien von Lebertia an Moosblättchen ihre Entwicklung zur Nymphe durch- machen, sich also keiner Wirtstiere bedienen, die sie gleichzeitig einer andern Lokalität zuführen würden. Es scheint also, dass sich T'hyas auf passive, Leberlia aber auf aktive Weise verbreite. Inwiefern diese Ansicht zutrifft, kann heute nicht entschieden werden; unsere Kennt- Entwicklung bachbewohnender Milben. 163 nisse in dieser Frage sind noch viel zu dürftig. Trotzdem seien einige Bemerkungen gestattet. Sehr zahlreich sind die Fälle, wo Hydracarinenlarven als Para- siten anderer wirbelloser Tiere, aber auch von Wirbeltieren festge- stellt worden sind. Allgemein hält man dafür, dass alle Arten eine gewisse Zeit ihres jugendlichen Lebens parasitisch verbringen, und dass eben diese Periode dazu benützt wird, andere Wohnorte zu be- ziehen. Wohl die meisten Hydracarinen bedienen sich dieser Art, sich von einem Gewässer zum andern tragen zu lassen, vor allem die Formen der Seen und Weiher. Auf der ruhigen Wasseroberfläche warten sie das Erscheinen desjenigen Tieres ab, dem sie sich anver- trauen wollen. Mit Hilfe geflügelter Insekten und der Vogelwelt erobern Formen der Tiefebene die hochgelegenen Alpenseen und ver- mögen sich, ihrer grossen Resistenz wegen, an die so verschiedenen Verhältnisse anzupassen. Auch Arten, welche in ähnlichen Lokali- täten wohnen wie Thyas, gelingt es ohne Mühe, sich an die aus- schlüpfenden Mücken und Fliegen festzusetzen. Wie aber vollzieht sich die Verbreitung derjenigen Wassermilben, welche im schäumenden Bach mit stetig bewegter Oberfläche zu Hause sind ? Ist ihnen Möglichkeit geboten, sich passiver Transport- mittel zu bedienen oder sind sie darauf angewiesen, aktiv zu wandern ? Auf den ersten Blick scheint keine der beiden Arten in Betracht fallen zu können, und doch liegen Beobachtungen darüber vor, dass beide Wege beschritten werden. Taylor berichtet von Hydracarinen- larven, die er in den Puppengehäusen einer Tendipedide fand, und die sich am Thorax der Puppe festgeklammert hielt. Wenn die Puppe zum Ausschlüpfen an die Wasseroberfläche schwimmt, so nimmt sie die Hydracarinenlarve mit. Sobald die Puppenhaut platzt, schwingt ‚sich die Milbenlarve auf das ausschlüpfende Tier und wird von ihr im Fluge mitgeführt. Kieffer, Thienemann und andere Forscher haben in mehreren Fällen Larven von Wassermilben an Phryganiden- puppen gesehen. Wenn es ihnen jedoch nicht gelungen ist, Taylors Angaben zu bestätigen, so machen es ihre Beobachtungen doch sehr wahrscheinlich, dass auch in diesen Fällen die ausschlüpfenden Imagines von den auf diesen Moment harrenden Milbenlarven be- fallen worden wären. Für die aktive Wanderung spricht das Auf- finden von Milben an fast senkrechten, von reissendem Wasser über- fluteten Stellen, wohin die Tiere gewiss nicht von Insekten haben hingetragen werden können. In allen Fällen, wo sich die Milbe zur Verbreitung durch Insekten forttragen lässt, werden wir das Nymphophanstadium nur selten zu Gesicht bekommen. Was muss aber von Lebertia gehalten werden, deren erste Puppen aus dem Moos in manchmal grossen Mengen 164 C. Walter. herausgelesen werden können ? Wir dürfen nicht annehmen, dass sich ihre Larve nur für wenige Momente einem Insekt anvertraut, von ihm fortgeführt wird und sich dann fallen lässt und am neuen Ort ihre Entwicklung beendet. Sie würde zweifellos in den meisten Fällen von den Fluten mitgerissen werden. Noch weniger wahrscheinlich ist wohl der Fall, wo die Milbe mitten in der Verpuppungsperiode das Insekt verlässt. Es haftet zu fest an dessen Körperdecke. Zudem ist es bewegungslos, und es dürfte ihm deshalb wohl selten gelingen, den günstigsten Moment zur Rückkehr ins Wasser zu benützen. Auch ist nicht denkbar, dass sich die Apodermahülle am Insekt aus der alten Larvenhaut herausschält. Die aufgefundenen Nymphophan- stadien waren stets noch mit der Larvenhaut versehen. Jedesmal würde aber die ins Wasser gelangende Puppe der Gefahr des Fort- schwemmens nicht entrinnen, da sie sich nirgends festhalten kann. Gewisse Arten von Lebertia scheinen also ihre Entwicklung vollstän- dig im Wasser durchzumachen. Für sie würde dann folglich auch die passive Verbreitung nicht in Betracht fallen. Es dürfte sich aber hier nicht nur um eine noch grössere Anpassung der betreffenden Formen an das Wasserleben in Kramer’schem Sinne handeln, sondern auch um eine Lokalisierung dieser Arten. Soweit unsere Kenntnisse einen Schluss zulassen und unter der Voraussetzung, dass die Annahmen der Wirklichkeit entsprechen, kann dem Gesagten eine gewisse Berech- tigung nicht abgesprochen werden. Die Namen der in Frage kom- menden Spezies nennen zum grössten Teil Vertreter des Genus Lebertia: Lebertia zschokkei Koenike, Lebertia maculosa Koen., Lebertia tuberosa Thor, drei Formen, die jede Quelle manchmal zu Hunderten enthält, wahrscheinlich auch Lebertia rufipes Koen., die in allen hochgelegenen und kalten alpinen Becken und in der Tiefe der grossen subalpinen Seen massenhaft auftritt. Aber auch von einer Sperchonart besitze ich einige aus Bächen der nordschwedischen Hoch- gebirge stammende Nymphophanstadien. Alle diese Arten vermögen nur an solchen Lokalitäten zu leben, die ihnen Wasser von konstant tiefer Temperatur zu bieten vermögen. Sie sind wohl die Stenothermen unter den Stenothermen. Ihr heutiges Verbreitungsgebiet scheint auf die Alpen beschränkt zu sein. Voreiszeitlich sind sie alpinen Ur- sprungs, haben während der Eiszeit am Rande der Gletscher gelebt und sind den zurückgehenden Eismassen wieder auf dem Fusse ge- folgt. Sie halten sich heute noch in deren unmittelbarer Nähe auf, an Stellen, die ihnen allein ein Lebensoptimum darbieten. Ihre An- passungsfähigkeit an höhere Temperaturen ist gering. Sie müssen lokalisiert bleiben und haben die passive Wanderung ganz aufgegeben. Manuskript eingegangen 19. Oktober 1916. Über neue Skapolithfunde in den Schweizeralpen. Von H. Preiswerk. Historisches. Mineralien aus der Skapolithgruppe sind in den Schweizeralpen bis jetzt nur selten gefunden worden. Bis vor wenigen Jahren waren solche Vorkommen noch ganz unbekannt. Diese Armut an Skapolith in den Schweizer- und auch Piemonteser-Alpen ist besonders auffallend, wenn man die Alpen in dieser Hinsicht mit den Pyrenäen. vergleicht, die doch sonst mit den Alpen so viele Analogieen aufweisen. Die Pyrenäen sind das „Skapolithland par excellence“. Die Skapolithe finden sich dort an sehr zahlreichen und geologisch überaus mannigfaltigen Fundorten, die schon seit längerer Zeit hauptsächlich durch J. de Charpentier [1] bekannt gemacht und dann u.a. besonders durch A. Lacroix minera- logisch beschrieben worden sind [8, 9, 11]. Der Skapolith — von den französischen Mineralogen wesentlich als „Dipyr“ und ,,Cou- seranit‘ bezeichnet — finden sich in den Pyrenäen vielfach in metamorphen Gesteinen, die manchen inneralpinen Gesteinen zum Verwechseln ähnlich sehen. Dies bezieht sich ganz besonders auf metamorphe dunkle Knotenschiefer von St. Beat, Saleix und Seix im Ariège u.a.O., die den alpinen Knotenschiefern am Nufenpass gleichen. Charpentier hat die Knoten resp. Stengel jener Pyrenäengesteine Couseranit genannt, eine Skapolithspezies, die später von Zirkel mit dem Dipyr vereinigt wurde [12, pag. 170-171]. In den Nufenenschichten hat Charpentier im Jahre 1814 mit Lardy den berühmten Belemnitenfund gemacht, der diese Schichten als Jura erkennen liess [3]. Die schwarzen Knoten und Stengel, die an der angewitterten Oberfläche der Nufenenschiefer heraustreten und die der genaueren Bestimmung erhebliche Schwierigkeiten be- reiten, hat er in Analogie mit den Pyrenäengesteinen als Couseranit aufgefasst [4]. 166 H. Preiswerk. Dies wäre der erste Skapolithfund in den Schweizeralpen ge- wesen. Die Auffassung Charpentiers bestätigte sich jedoch nicht. Die fraglichen Gebilde wurden von Marignac [5] analysiert. K.v. Fritsch [6] hielt es nach dieser Analyse für sehr unwahrscheinlich, dass Couseranit vorliege und dachte eher an Zeolith. Eine genauere optische Untersuchung hat erst C. Schmidt ausgeführt und kommt auf Grund derselben zu dem Schluss, dass die prismenförmig herauswitternden Stengel der Nufenenschichten Zossitkristalle darstellen [10], deren Pinakoide mit den Längsflächen der Stengel zusammenfallen. Zu Beginn unseres Jahrhunderts erst wurden dann da und dort in den Schweizeralpen und den angrenzenden Teilen der Italienischen Alpen einzelne Funde von richtigem Skapolith gemacht. 1903 [13] fand @. Spezia ,,Wernerite‘* im Simplontunnel. Er erwähnt ihn ohne nähere Beschreibung aus den hochmetamorphen anhydritführenden Triasgesteinen, die den Antigoriogranitgneis im südlichen Teil des Tunnels umhüllen. — Ein skapolithführendes Stück aus jenen Trias- gesteinen, das mir vorliegt [siehe 21, pag. 28], zeigt die gelbliche Skapolithsubstanz teils unregelmässig verteilt zwischen den groben Gemengteilen des Gesteins: Caleit und Dolomit, Quarz, Biotit und Chlorit, teils in 3—4cm langen Prismen, deren Flächen meist von glänzenden Muscovitschüppchen bedeckt sind. Die ursprüngliche Skapolithsubstanz scheint völlig umgewandelt zu sein. ‚Jetzt bestehen die quadratischen Prismen aus einer ziemlich weichen, hellgelblichen bis weissen Masse, in der sich Talk und Oalcit nachweisen lässt. Weitere Funde wurden ebenfalls in Triasgestein gemacht. Der reichste bis jetzt bekannte Fundort von ,,Dipyr‘ wurde 1904 von A. Stella in weissem Dolomit der Trias bei Valdo im Formazza (Tosatal) entdeckt [15]. Dieses Vorkommen soll unten näher be- schrieben werden. Professor C. Schmidt und ich haben mehrmals die Stelle besucht und Material gesammelt, dessen Bearbeitung C. Schmidt begonnen hat. Für die gütige Überlassung seiner bisherigen Unter- suchungsresultate statte ich hiemit meinen besten Dank ab. In den mineralreichen Dolomitschichten des Campolungopasses wurde 1907 von @. Linck [16] Mejonit beobachtet. Nähere Angaben fehlen. Desgleichen hat man im zuckerkörnigen Dolomit der weltbe- kannten Minerallagerstätte am Längbach im Binnental in Hohl- räumen des Gesteins prismatische Gebilde gefunden, die ihrer Form nach wohl als Skapolith anzusprechen sind. Desbuissons gibt von dieser Stelle [18] Pseudomorphosen von Dolomit und Talk nach Skapolith an. Durch die Freundlichkeit von Herrn H. Sulger in Basel hatte ich Gelegenheit, eine solche Pseudomorphose zu sehen. Die Formen der quadratischen Prismen erster und zweiter Stellung sind Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 167 wohl daran zu erkennen. Die ziemlich ebenen Flächen sind von glän- zenden Talkschüppehen überzogen. Die Hauptmasse des etwa 2 cm langen Kristalls besteht aus einem wirrblättrigen Gemenge von Talkschuppen und andern Umwandlungsprodukten, vorwiegend Carbonaten. In neuster Zeit ist Skapolith nun mehrfach als mikroskopischer Gesteinsgemengteil im Simplongebiet und in den Tessineralpen ge- funden worden. E. Gutzwiller [19 und 20] hat 1912 den Skapolith in mehreren metamorphen Gesteinen des südlichen Tessin nachgewiesen, die in der Zone der von ihm als Injektionsgneise bezeichneten Ge- steinsgruppe liegen: im Kalksilikatfels von Castione, sowie den von Contra im Val Verzasca, im Marmor von Frasco im Val Verzasca und mehreren andern Marmorvorkommen [20] und endlich in Hornblende- Skapolithgneis von Bellinzona [19]. Besonders beachtenswert er- scheint mir das Zusammenvorkommen des Skapolith mit Augit (Diopsid) in den von Gutzwiller beschriebenen Hornfelsen, da diese Mineralkombination für die hohe Intensität der allgemeinen Meta- morphose dieser Region und ihre Tiefenstufe bezeichnend ist [vergl. 21 pag. 30, sowie 15 pag. 36]. Der Verfasser hat 1913 [21] Skapolith aus dem südlichen Teil des Simplontunnels beschrieben, wo er reichlich als mikroskopischer Gemengteil in den metamorphen Triassedimenten (4500-4613 m und 4795—4940 m ab Südportal) vorkommt, die dort in plagioklas- führende Kalkschiefer und Skapolithgneise umgewandelt sind. Bei den bis jetzt genannten Vorkommen war eine genauere Untersuchung der Skapolithsubstanz im einen Falle durch die innige Durchwachsung der mikroskopischen Gemengteile, im andern Fall durch die starke Umwandlung und Zersetzung verhindert. Auch die Untersuchung der grossen und zum Teil frischen Kristalle von Valdo bereitet wegen der zahlreichen mikroskopischen Einschlüsse erheb- liche Schwierigkeiten. Besseres Material liefern die neusten Funde ın der obern Leventina d.h. im Tessintale zwischen Airolo und Faido. Hier findet sich der Skapolith an mehreren Stellen, im Gegensatz zu den bisher bekannten Fundorten, als Kluftmineral. Das Material ist dement- sprechend leichter zu isolieren. Das erste Vorkommen dieser Art wurde von G. Klemm entdeckt beim Sommerdörfchen Valle unterhalb des Ausflusses des Piorasees. Professor Klemm hatte die Freundlichkeit, mir den Fundort zu zeigen (6. August 1912). Bei meinen geologischen Aufnahmen in diesem Gebiete habe ich hernach noch an folgenden weiteren Stellen Skapolith aufgefunden: 1. Am Riale Fog oberhalb Prato (25. Sept. 1912). 2. An der Gott- æ 168 : H. Preiswerk. hardstrasse unterhalb der Dazio Grande-Schlucht (23. April 1913). 3. Auf dem Monte Piottino, an der Fahrstrasse von Prato nach Cornone (7. Aug. 1915). 4. Im Rüale di Berri (Ronco di Berri) im vordern Canariatale nahe bei Airolo (1. Sept. 1916). Das beste bisher bekannte Material lieferte die Lokalität am Riale Fog, aus dem sich genügend reine Skapolithsubstanz zur Her- stellung einer quantitativen Analyse gewinnen liess. Die einzelnen Vorkommen in der Leventina sowie dasjenige von Valdo sollen im Folgenden kurz beschrieben werden. Beschreibung des Vorkommens von Valdo und der neuen Fundstellen in der Leventina. I. Skapolith im körnigen Dolomit der Trias bei Valdo im Val Formazza (Ossola, Italien). Unterhalb Wald (Valdo) im Formazzatale findet sich auf der rechten Seite der Tosa gegenüber Tuffald ein Kalkofen, in welchem die Dolomit-Marmore der Trias, die in der Nähe anstehen, gebrannt werden. In angebrannten weissen Dolomitstücken fallen hie und da durchs Brennen rötlich gefärbte Prismen auf. A. Stella hat diese Ge- bilde entdeckt und als Skapolith erkannt. Geologische Situation des Fundortes. Die anstehenden Felsen, aus denen die Stücke stammen, finden sich in südwestlicher Richtung, etwas höher an der Tallehne, da, wo der waldige steile Hang beginnt. Es sind nach einer Skizze von C. Schmidt flach bergwärts fallende Marmore, die von Antigoriogneis überlagert werden. Diese Marmore finden sich gerade an der Stelle (vergl. Fig. 1), wo die gewaltige Granitmasse des Antigoriogneis, der weiter südlich fast das ganze Antigoriotal und den untern Teil des Formazza bildet, sein nördliches Ende erreicht und talaufwärts ım Niveau des Talbodens von Kalkschiefern der Juraformation ab- gelöst wird. Die jurassischen Schiefer sind in ihren stratigraphisch tiefsten Teilen, also da wo sie an den Antigoriogneis grenzen, meist stark quarzitisch entwickelt. Diese Quarzite sind eventuell bereits als Trias aufzufassen. Sie bilden auf weite Strecken direkt das Hangende des Antigoriogranits in Vertretung der Triasmarmore. An einzelnen Stellen ist Quarzit auch zwischen Triasmarmor und Anti- goriogneis beobachtet worden. Die eigentlichen Triaskalke und Dolo- mite sind in dieser Gegend nur sporadisch entwickelt (Fig. 1). Frag- Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 169 lich bleibt, ob ihr Aussetzen auf facielle Substitution durch den Quarzit, oder auf Ausquetschung durch tektonische Vorgänge zurück- zuführen ist. Das tektonische Bild spricht für die letzte Auffassung. Tascatacdi:Lebendun — Se >, EN ln I me Jo —_ NT sh "4 (Amer & Tuffald/{S Michele) ; * | 5 5 à + tr + + d Er 2 + -E + + 28 + RE us ar ak Et ut I re Val Set et dE (a ge een Un Noah Era ze we le au ic Q SO 500 1000 7 = (EE RE PO ee] S ©) Antigoriogneis EI #zlkphyllite (Jura) Lebendungneis C7 Alluvium BB Trisscdolomit @SH Fundort der Shkapolitkrystalle Quarzitische HalkphyllitesQuarzite NW SE. Cascats di Lebendun Val Fig. 2: zeigt die Lagerungsverhältnisse in der Region des Skapolithmarmors von Valdo. Das tektonische Hauptelement ist die gewaltige antiklinale Gewölbeumbiegung des Antigoriogneis, die hier 170 H. Preiswerk. in klassischer Weise aufgeschlossen ist und auf Fig. 2 durch die Profile a und b dargestellt wird (Profil b ist im Vordergrund, Profil a im Hintergrund zu denken). Die flachliegende Gneisantiklinale ist in die Masse der jurassischen Kalkschiefer eingepresst, die im Liegenden des Gewölbekerns in umgekehrter Lagerung den Gneis als „Mittelschenkel‘“ unterteufen. Die Auflagerung des Gneis über die verkehrte Serie der mesozoischen Sedimente lässt sich vom Tosatal unterhalb Wald bis in die Gegend der Lebendunfälle nachweisen (Profil a). Diesem verkehrten Mittelschenkel gehört auch der Skapo- lithmarmor von Valdo an. Nach der Kartenskizze Fig. 1, die der geologischen Simplonkarte [17] entnommen ist, scheint der Marmor eine Umbiegung zu erleiden, deren hypothetischer Verlauf auf Profil a gezeichnet ist. Nordwärts keilt der Marmor aus, Quarzit stösst an den Gneis und erst im Scheitel der Gewölbeumbiegung bei „Unter Bech‘ ist wieder Marmor zwischen Schiefer und Gneis be- obachtet worden (Fig. 1 und 2). Diese Lokalisierung der Triasdolomite erweckt den Eindruck, dass dieselben an den gestreckten Faltenschenkeln ausgequetscht, an den Umbiegungen aber erhalten und aufgestaut worden seien. Die geologischen Verhältnisse der weitern Umgebung der hier beschriebenen Lokalität sind in den Erläuterungen zur Simplonkarte [17] auf Tafel II, speziell auf Profil 4, dargestellt. Die intensive Ver- faltung mesozoischer Sedimente mit den Gneismassen und die weit- gehende Auswalzung sämtlicher Formationen kommt dort deutlich zum Ausdruck. Der Skapolithmarmor. Das den Skapolith führende Triasgestein von Valdo ist ein ziem- lich feinkörniger heller Dolomitmarmor von bald braungelblicher, bald bläulicher, selten ganz weisser Farbe. Er nähert sich stark dem typischen „zuckerkörnigen‘“ Dolomit vom Campolungo. Die hellbraun- gelbe Farbe ist z. T. bedingt durch die zahlreichen hellbraunen, durch- sichtigen Phlogopitblättchen, die den weissen oder bläulichen Dolomit bald lagenweise, bald in vereinzelten Individuen durchschwärmen. Die Einförmigkeit des Gesteins ist stellenweise unterbrochen durch linsen- förmige Ausscheidungen grobspätigen weissen Dolomits, die meist von gröberen Glimmerblättern begleitet sind, ferner durch Büschel und Garben von strohgelbem oder weissem Tremolit, die stellenweise handgrosse Flächen bedecken, und endlich durch die Skapolith- prismen, die bald vereinzelt, bald zu divergent strahligen Büscheln lose vereinigt das Gestein durchspicken. Sie sind gelblich oder bläu- lich, je nach der Färbung des umgebenden Dolomits, der gewöhnlich in ihrer Umgebung glimmerfreie Höfe aufweist. Die Prismen er- Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 171 reichen oft mehrere Zentimeter in der Länge, im Durchmesser meist nur etwa 2 mm. Mikroskopisch erscheint das Gestein in der Hauptmasse als ein gleichkörniges Gemenge von rundlichen Dolomitkörnern in typischer Pflasterstruktur (granoblastisch). Der Hauptbestandteil ist Dolomit, bestimmt durch den qualitativen Nachweis von viel Magnesia sowie die ganz schwache Effervescenz der Gesteine in kalter Salzsäure. Weitere Bestandteile sind : Brauner Glimmer, Skapolith, Quarz, Tremolit, Turmalin, Pyrit. Der Glimmer erscheint ebenfalls oft in rundlichen Körnern, meist aber etwas nach der Basis abgeplattet, wobei die Basis eine idiomorphe Begrenzung gegen den Dolomit bildet. Seine Färbung ist schwach. Der Pleochroismus: Z u: z = licht gelbbräunlich, # — farb- los. Der Glimmer ist merkbar zweiachsig. Der Achsenwinkel aber äusserst klein. Mit dem Glimmer vom Campolungo scheint der vor- liegende identisch und darf demnach wohl ebenfalls zum Phlogopit gestellt werden. Als Einschlüsse im Glimmer finden sich: Dolomit, Quarz, Turmalin und Pyrit. Quarz findet sich nesterweise in körnigen Aggregaten. Er schliesst Hohlräume mit beweglichen Libellen ein. Die Libellen ver- schwinden beim Erwärmen auf 309 C., woraus auf das Vorhandensein flüssiger Kohlensäure geschlossen werden kann. Der Turmalin bildet schlanke, meist farblose Säulen mit Quer- klüftung. Hie und da enthalten sie dunkle Kernkristalle, deren inten- siver Pleochroismus in blaugrauen Tönen den Turmalin leicht er- kennen lässt. Tremolit erscheint vereinzelt in rosettenförmigen Aggregaten in Begleitung der Skapolithkristalle. Die Spaltstücke nach P zeigen 12° Auslöschungsschiefe. Rutilkörner finden sich da und dort verstreut; seltener zierliche Prismen mit Zwillingsbildungen nach 101. Pyrit trifft man in glimmerreichen Lagen des Gesteins, während andere Lagen pyritfrei sind. Selten bildet er wohlgeformte Kristalle, meist runde Körner. Zirkon in Körnern bildet nicht selten Einschlüsse im Skapolith. Der Skapolith. Mikroskopische Beschaffenheit. Aus dem Grundgewebe der beschriebenen Gemengteile heben sich als prachtvolle Porphyroblasten die Skapolithkristalle heraus (Fig. 3). Die isotropen Durchschnitte mit dem Austritt der optischen Achse von negativem Charakter stellen 172 H. Preiswerk. Quadrate dar mit abgestumpften Ecken, wie dies auf der Photographie (Fig.3) zu sehen ist. Die deutlichen Spaltrisse nach dem Prisma zweiter Stellung (100) verlaufen in der Diagonale der Quadrate. parallel den kleiner entwickelten kantenabstumpfenden Prismen- flächen. Die dominierende Form ist also das Prisma erster Stellung (110). Spaltung nach 110 ist nur selten, in groben Rissen wahr- nehmbar. Porphyroblasten von Skapolith im feinkörnigen Trias-Dolomit von Valdo. (Vergrösserung 1:20 ca.) Sehr zahlreich sind die Einschlüsse in den Skapolithkristallen. Sie häufen sich gewöhnlich im Zentrum so sehr, dass Siebstruktur ent- steht, während eine Randzone oft ganz einschlussfrei ist (Fig. 3). Es sind vorwiegend ovale Körner von Calcit resp. Dolomit. Dass Caleit vorhanden ist, erweist die starke Effervescenz mit kalter HCl, die in den Skapolithdurchschnitten im Gegensatz zum umgebenden Gestein beobachtet wird. Ausser den Carbonaten finden sich noch sämtliche oben beschriebene Gesteinsgemengteile gelegentlich als Einschlüsse im Skapolith. Eine bis jetzt unbestimmte Substanz bildet da und dort ım Skapolith runde Flecken, die durch etwas niedrigere Licht- Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 175 brechung, Isotropie und starke Bestäubung sich abheben. Die ein- zelnen Partikel der Bestäubung bestehen teilweise aus stark licht- brechenden kleinsten Körnchen. Vermutlich handelt es sich um die Reste umkristallisierter Gesteinsteile, deren Pigment durch die Kri- stallisation des Skapolith auf einzelne Punkte konzentriert worden ist. Optisches Verhalten und spezifisches Gewicht. Zur genauern Bestimmung und weitern Charakterisierung der Skapolithsubstanz ist noch folgendes beizufügen. Der Brechungsindex für © wurde im Schliff zwischen © und e des Dolomits liegend gefunden. Bei An- wendung der Einbettungsmethode an ausgesucht frischen Körnern wurde gefunden: Farbenränder gleicher Intensität traten auf für & bei Anwendung eines Gemisches gleicher Teile von Monobrombenzol und Nelkenöl, für & bei Anwendung von Nitrobenzol. (Da vorwiegend Spaltblättchen nach > P vorliegen, lassen sich € und © direkt mit dem Brechungsindex der umgebenden Flüssigkeit vergleichen.) Es ergeben sich daraus die Brechungsindices von © — 1,5770 ca.: & — 1,5486, die Doppelbrechung zu 0,028 ca. Aus den Gesteins- schliffen wurde die Doppelbrechung im Vergleich mit Phlogopit durch Anwendung der Michel-Levy’schen Farbtafeln zu 0,034 be- stimmt. Beide Bestimmungen weisen auf einen Myonit-reichen Skapolith mit hoher Licht- und Doppelbrechung hin. Das spezifische Gewicht wurde an möglichst frischen Prismen mit der Westphälschen Wage bestimmt und in einem Falle zu 2,672, in einem andern zu 2,692 gefunden. Eine ganz genaue Gewichtsbe- stimmung für die Skapolithsubstanz ist nicht durchführbar wegen der Einschlüsse einerseits, die eine Erhöhung des spezifischen Ge- wichtes (Caleit = 2,714) bedingen, sowie wegen der Zersetzung andrerseits, die 1m allgemeinen das spezifische Gewicht des Skapolith erniedrigt. Die Fehler heben sich somit teilweise auf, sodass die Be- stimmungen immerhin brauchbare Durchschnittswerte liefern können. Das Durchschnittsgewicht von 2,682 weist in Übereinstimmung mit den optischen Bestimmungen auf mejonitreichen Skapolith. Chemisches Verhalten. Vor dem Lötrohr schmelzen die Skapo- lithprismen meist leicht zu schaumigem, weissem Glase, das, mit Cobaltsolution geglüht, intensiv blau wird. Einzelne Kristalle zeigen sich kaum schmelzbar, was wohl auf vorgeschrittene Zersetzung zu- rückzuführen ist. Behandelt man das Pulver möglichst frischer Kristalle mit Salz- säure ın der Kälte, so stellt sich eine schwache Kohlensäureentwick- lung ein, die beim Erwärmen lebhafter wird. Lässt man wieder etwas erkalten, sodass die Effervescenz abnimmt und giesst nun etwas Fluss- säure zu, so beginnt von neuem lebhaftere Gasentwicklung. Dieses 174 H. Preiswerk. Verhalten deutet darauf hin, dass die Kohlensäure nicht nur in den Einschlüssen von Calcit und Dolomit vorhanden, sondern in der Skapolithsubstanz selbst gebunden ist. Die Prüfung auf Chlor fiel positiv aus. 1. Das Filtrat von dem in Salpetersäure gekochten feinen Pulver gab mit Silbernitrat schwache Trübung. (ne) . Das grobe Mineralpulver wurde mit einer wässrigen Lösung von 4%/, NHO,, 2%, Ag NO; erwärmt und mit einigen Tropfen HF] versetzt. Das Pulver wurde hierauf ausgewaschen und mit photographischem Entwickler (Metol-Hydrochinon) behandelt, worauf es sich schwärzlich färbte. Zersetzungserscheinungen machen sich äusserlich durch Trübung der Kristalle und Abnahme der Härte bemerkbar. Mikroskopisch geben sie sich durch Abnahme der Doppelbrechung längs Spaltrissen und Sprüngen kund. Grössere Sprünge resp. Klüfte sind von ganz schwach polarisierender Substanz angefüllt, in der einzelne hoch licht- brechende Körnchen eingestreut sind. Die Prismenflächen stärker umgewandelter Kristalle sind in der Regel mit glänzenden Schüppchen überzogen, die sich als Talk erwiesen. Derart umgewandelte Kristalle scheiden beim Erhitzen im Kôlbchen reichlich Wasser ab. Trennung und chemische Analyse. Die Skapolithe von Valdo sind von N. Sahlborn chemisch analysiert worden. Um fremde Beimengungen zu vermeiden, wurde wie folgt ver- fahren: Die aus dem Gestein herauspräparierten Kristalle wurden grob gepulvert und vom feinsten Pulver abgesiebt. Hierauf mit Essig- säure (20 0/,) behandelt, so lange bis die Prüfung mit kalter Salz- säure keine Kohlensäureentwicklung mehr erzeugte. Das so behandelte Material wurde mit Thoulet’scher Lösung ge- trennt, die schwersten und leichtesten Bestandteile entfernt und der Rest vom spezifischen Gewicht 2,506-_ 2,639 in zwei getrennten Proben n und m analysiert. 1. Die Probe » enthält das Material vom spezifischen Gewicht 2,906—2,616 mit einem pyknometrisch bestimmten Durch- schnittsgewicht von 2,553. id) . Die Probe m enthält das Material vom spezifischen Gewicht 2,616 2,639 mit einem Durchschnittsgewicht von 2,630. Das Analysenresultat ist folgendes : Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 179 Probe n Probe m Mittel SO, = 17070 Si, 14 49,97 A1,O, = 26,73°/o 23,40 25,06 Re,0,;, 0,66% 1,33 1,00 CaO = 15,20% 1, 14,45 MeO = 0,560, 1,82 1,19 RO 8,11% LOT 2,46 Na,O = 4,021 3,82 3,92 H,0° = 1,54% Cl = 1,04% (0 für Clabgezogen) 100,55 /o 97,660/ Die Analyse zeigt, dass das untersuchte Material kleinere Mengen von Stoffen aufweist, die reiner Skapolithsubstanz fremd sind, näm- lich: Eisen, Magnesia und Wasser. Auch die relativ beträchtliche Menge von Kalium ist auffallend. Es ist zweifellos, dass der Skapo- lith noch Verunreinigungen enthält, die teilweise aus Einschlüssen, teilweise aus Zersetzungsprodukten bestehen. Die mikroskopische Untersuchung hat gezeigt, dass die oben beschriebene Behandlung des Materials nicht genügen konnte, alle Verunreinigungen vom Skapolith zu trennen, zumal die Einschlüsse einerseits und die Umwandlungs- produkte anderseits sich im spezifischen Gewicht gegenseitig teilweise kompensieren können. Von Einschlüssen kommen in Betracht Dolomit, Caleit, Phlogo- pit, Quarz, Turmalin, Rutil, Zirkon. Davon sind nur die drei ersten quantitativ zu berücksichtigen. Die Proportion von Dolomit und Caleit ist schwer zu ermitteln. Von Umwandlungsprodukten ist im Skapolith von Valdo Talk nachgewiesen. Auch das Vorhandensein von Kaolın, des häufigsten Umwandlungsprodukts des Skapolith [14], darf wohl angenommen werden. Muskovit findet sich im Skapolith des Simplontunnels. Berechnung der Analyse. Ich habe verschiedene Versuche gemacht, die Fremdbestandteile aus der Analyse zu berechnen. Ein Versuch, das Kalıum als Bestandteil von Muskovit zu den Zersetzungskörpern zu rechnen, schlug insofern fehl, als die Propor- tion der übrigen Gemengteile dadurch stark verzerrt und Skapolith- unähnlich wurde. Ich habe daher bei den unten gegebenen Berech- nung das Kalium in der Skapolithsubstanz belassen und zum Ver- gleich mit der Normalzusammensetzung des Skapolith in Natrium umgerechnet. Bei der Beurteilung der Analysen n und m hat man zu berück- sichtigen, dass die spezifisch schweren Einschlüsse Dolomit, Oaleit, H. Preiswerk. 176 SiO» A1 Os Fe,03 Cao MeO K0 Na, 0 H,0 Cl Proz. Mol, Pr. Mol. Pr. Mol. Pr. Mol. Pr. Mol | Pr. Mol. | Pr. Mol. | Pr. Mol. Pre 2 = gen ur >: NEE ENTE ae Ex rer = Analyse n A TE 48,17 68,80 | 26,73 26,22 | 0,66 0,41 | 15,20 27,14 | 0,56 1,40 | 3,11 3,31 | 4,02 6,48 | 1,54 8,55 | 1,04 Talk: H,0-(MgO)3-(SiO,)% . 1,30 1,86 — — — 1056 1401| — — | — -— |0,88 0,46| — Phlogopit: (SiO,)6 + A1O3 + (Fe0)6 H20 + K,0 0,58 0,82 | 0,14 0,14 |0,66 O,41| — — |— — 10,12 014| — — |0,02 0,14| — Kaolin : (Si0, )? AbO3 (H90)2 5,56 7,95 | 4,05 3,97 | — — | — - | — — — | — /14 795 | — Rest = Skapolith n 40,73 — 22,54 — — — |15,20 — | — — 1299 — 1402 — | — — | 104 Rest auf 1009/o berechnet 47,08 — |26,05 — — — 11757 — | — — 13,45 — 465 — | — — | 1,20 Analyse m FREE 51,77 73,90 | 23,40 23,30 | 1,33 0,83 | 13,71 24,50 | 1,82 4,55 | 1,81 1,92 | 3,82 6,15 -- — | — Dolomit : CaO-MgO-(CO,)? nee oe nl ee rs 060 To) Phlogopit 1,16 1,66 | 0,28 0,28 133 083) — D De) ee D 06 DSi Kaolin BGE | oe er ER ee | AA T0 Rest = Skapolith m 45,05 — |1907 — |- -/95 — |- -)15 — 32 — — -| — Skapolith m + 1,04%/0 CI auf | 100°%/0 gerechnet . DD 7123402 27 — | 13,43 — — — 1190 — 1469 - | — — 1,27 Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 177 Phlogopit in der schwereren Probe m, die leichtern Zersetzungspro- dukte aber in der leichtern Probe n vorwiegen müssen. Dem ent- sprechend ist z. B. der Gehalt an Eisen (Phlogopit) in Probe m be- trächtlich höher als in n. Davon ausgehend habe ich in der unten gegebenen Berechnung die Magnesia in Probe n auf Talk verrechnet, in Probe m dagegen auf Dolomit. Leider ist in Probe m das Wasser und das Chlor nicht bestimmt worden, auch fehlt beiden Analysen die für Skapolith in neuster Zeit so wichtig gewordene Kohlensäure- bestimmung. Die Tabelle (Seite 176) gibt die Berechnung des Mineralbestandes aus den Analysen n und m, soweit sie mir bei dem vorhandenen Material als durchführbar erscheint innerhalb der Grenzen des Wahr- scheinlichen. Aus der Analyse n (spezifisches Gewicht 2,553) ist der Magnesiagehalt zur Berechnung von Talk verwendet worden, der Eisengehalt zur Berechnung von Phlogopit. Aus dem Rest an H,O wurde dann der Kaolingehalt gefunden. Der nach Abzug von Talk, Phlogopit und Kaolin erhaltene Rest wurde als Skapolithsubstanz an- gesehen und auf 100°/, umgerechnet. Bei der Analyse m wurde der Magnesiagehalt als Dolomit ver- rechnet, der Eisengehalt wiederum als Phlogopit. Da die H,0-Be- stimmung fehlt, wurde die gleiche Menge Kaolin, wie in Analyse n eingesetzt. Der Rest wurde gleichermassen als Skapolith auf 100 0/, berechnet. Diskussion der Untersuchungsresultate. In der Tabelle auf Seite 177 ist unter Kolonne A das Mittel aus den oben berechneten Skapolithsubstanzen n und m angegeben, wobei K,0 auf Na,0 um- gerechnet und das Ganze auf 100 °/, gebracht wurde. Diese Zahlen sollen also die durchschnittliche Zusammensetzung der reinen Skapo- lithsubstanz im untersuchten Material angeben. Die Werte differieren nebenbei bemerkt nur wenig von den Mittelwerten aus den Analysen- zahlen n und m selbst (vergl. Seite 175). A, Me3Ma | Me,Ma; | MeMa | Me;Ma, | MeMa, | T — — T m m — == = So 51,07 47,87 | 49,80 51,73 53,72 55,70 Al,03 | 24,95 29,35 | 28,01 26,65 | 25,29 23,91 GEO SN ET 17,02 | 14,96 12,88 | 10,78 8,67 NED 6,49 4,01. 2.2599 Te LES 9,59 CM ae 1,35 | 1,69 2,04 2,39 2,75 In den fünf folgenden Kolonnen ist die theoretische Zusammen- setzung nach Tschermak von einigen Gliedern der Skapolithreihe ge- geben, die dem hier untersuchten am nächsten stehen. 12 178 H. Preiswerk. Der Vergleich zeigt, dass der „Dipyr‘ von Valdo ein Skapolith von mittlerer, etwas gegen Mejonit hinneigender Zusammensetzung ist, annäherungsweise der Formel Me, Ma, entsprechend. Die optischen Eigenschaften und das spezifische Gewicht stimmen darin mit den Resultaten der chemischen Analyse überein, . dass sie auf einen Skapolith weisen, in dem das Mejonitmolekül vor- wiegt. Besonders die Höhe des ordentlichen Brechungsindex weist. dem Mineral nach den Diagrammen Borgströms [23, pag. 240-241] genau dieselbe Stellung in der Skapolithreihe an wie die Analyse. Dagegen würde das spezifische Gewicht einen etwas mejonit- reicheren Skapolith bedingen, ebenso die Höhe der Doppelbrechung. Nach Tschermaks Systematik [7, pag. 1178] ist das Mineral als Mizzonit zu bezeichnen.t) II. Skapolith als Kluftmineral in der Obern Leventina. 1. Riale Fos. Topographische und geologische Lage der Fundstelle. Drei von den oben (S. 167) genannten fünf Fundstellen befinden sich in der Nähe des Dorfes Prato am Monte Piottino. Die topographische und geologische Situation ist auf Fig. 4 und 5 skizziert. Der Talriegel des Monte Piottino wird zwischen Rodi Fiesse und Faido vom Tessin durchbrochen in der ,,Dazio Grande” ge- nannten Schlucht. Die Gotthardbahn überwindet die Talstufe in zwei Kehrtunneln. Die Schlucht und die Kehrtünnel liegen in der Granit- masse des „Tessinergneis‘‘, der die Basis der folgenden Formationen bildet. Auf dem Monte Piottino wird der Tessinergneis 2 Kilometer weit von einer Quarzitschicht bedeckt. Ich bin geneigt, diesen Quarzit als ein früh- oder vortriadisches Sediment aufzufassen. Sein Han- gendes bilden die Granatglimmerschiefer am Südhang des Monte Piottino. Diese unterteufen ihrerseits die Dolomite und Rauhwacken der Trias, welche den Kirchhügel von Prato aufbauen. Steigt man von Prato über Mascengo dem Riale Fog entlang bergwärts, so trifft man nach Unterbrechung des Anstehenden durch Moränen die dunkeln jurassischen Kalkphyllite der Bedrettomulde in grosser Mächtigkeit. Auf ca. 1300 m Höhe werden diese Kalkphyllitmassen durch eine Antiklinale älterer Gesteine unterbrochen, nämlich sedimentogene quarzreiche Sericitschiefer mit Granat, Disthen und Hornblende. Sie 1) Den Dipyr stellt Tschermak zum Marialith. [2°] — NE Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 179 % rn in +5 Freggio + + nm N. lessinergneis Granatglimerschiefer Quarzit Triasdolomit Halkphyllite (Jura) : Al a we, Lose Ablagerungen = zen, € ® Fundstellen von Skapolithkrystallen ze 4 o 500 1000m SW. NontePiottino Filo 2268 Cadonı - ghino Fass ı000om.ü.M. N RSS NND NITRO N 180 H. Preiswerk. sind den Hornblendegarbenschiefern der Tremolaserie ähnlich, denen sie auch im Alter entsprechen. Von den liegenden und hangenden jurassischen Kalkphylliten sind sie durch reduzierte Lagen von Dolomit oder dolomitisch-chloritischem Mulm, als Vertretern der Trias, getrennt. Gegen Westen verschwindet die Antiklinale rasch im hangenden Kalkphyllit (Fig.4). Weiter bergwärts folgen in um- gekehrter Lagerung: jurassische Kalkphyllite, Triasdolomit, Quarzit und endlich die prätriadischen Granatglimmerschiefer der über die Bedrettomulde überschobenen Campo-Tencia-Masse. Die Bedretto- mulde ist also hier durch eine mediane, isoklinal gelagerte Antiklinale in zwei Teile geteilt (Fig.5). Die Skapolithfundstelle im Riale Fog findet sich nun im Ge- wölbeschenkel dieser medianen Antiklinale an der Basis der obern Kalkphyllitserie unmittelbar über den verquetschten Triasresten Cie 5, Brot1lV2). Die Stelle liegt an dem Fussweg der von Cheser nach Scontra führt (Blatt 503, Faido 1: 50 000). Dieser Weg überschreitet den Riale Fog bei Punkt 1272 und steigt dann auf der Westseite empor. In 1400 m Höhe etwa kehrt er wieder auf die Ostseite (rechtes Ufer) des Riale Fog zurück. Kurz vor diesem zweiten Bachübergang schneidet der Weg einen kleinen linken Zufluss des Riale Fog und quert sodann am rechten Ufer dieses Zuflusses einen steilen Felskopf. An diesem findet sich der Skapolith, in Brusthöhe über dem Weg. Form der Lagerstätte und Nebengestein. Das Mineral bedeckte eine blossliegende, etwas herausgewitterte Kluftfläche. Es bildet weissliche, grob quergeklüftete Stengel, von denen einzelne über 10cm Länge erreichen. Sie sind dem Gestein teilweise eingebettet und lassen nur prismatische Kristallformen er- kennen. Das Nebengestein der Mineralklüfte gehört den tiefern Teilen der Kalkphyllitserie an, die der Trias unmittelbar auflagern. Trias- gesteine sind wenige Schritte von der Skapolithfundstelle am Fuss- weg in dem Bette des kleinen linken Zuflusses zum Riale Fog auf- geschlossen. Es sind chloritische Schiefer und dolomitischer Mulm. Die der Trias unmittelbar auflagernden Schichten der Kalkphyllite sind in dieser Region häufig quarzitisch. Auch die Gesteine der Skapolithfundstelle verdienen kaum mehr den Namen von Phylliten. Es sind eher gneisartig aussehende Kalk- und Kalksilikatgesteine, oft von Hornfelscharakter. Ihre Farbe ist bald heller, bald dunkler bräunlich grau. Mikroskopisch erkennt man als Hauptgemengteile: Caleit, Biotit, basischen Plagioklas, Quarz. Daneben finden sich unterge- Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 181 ordnet: Skapolith, Zoisit, Muscovit, Pyrit, Rutil, Turmalin und Zirkon. Die Struktur ist granoblastisch. Sie nähert sich stark der Horn- felsstruktur mit schwach ausgeprägter Paralleltextur. Besonders charakteristisch ist die Zahnstruktur der unregelmässigen Biotit- lappen, sowie die Siebstruktur der Plagioklase und der Skapolithe. Die optische Bestimmung des Plagioklas weist auf die basischen Glieder: Andesin bis Labrador. Der Plagioklas ist oft mikrope- gmatitartig verwachsen mit einem andern Feldspat von schwächerer Licht- und Doppelbrechung, den ich für Orthoklas halte. Frappant ist die Ähnlichkeit, ja Gleichheit dieser Gesteine mit Triasgesteinen der Teggiolomulde im Simplontunnel, die ich als „Kalkschiefer mit Plagioklas und Skapolith“ und als ,,Skapolith- gneise [21, pag. 19] beschrieben habe, und die der Serie der anhy- dritführenden Schiefer angehören. Diese Übereinstimmung legt nahe, auch das Skapolith führende Gestein vom Riale Fog zur Trias zu rechnen, zumal für die genauere Altersbestimmung des Gesteins ausser der oben geschilderten geologischen Situation keine weitern Daten vorliegen. Die Untersuchung des Nebengesteins zeigt somit, dass der Skapo- lith sowohl als Kluftmineral in dessen Klüften, als auch, nur mikro- skopisch erkennbar, als Gesteinsgemengteil im Gestein selbst auftritt. Die Klüfte haben nicht den Charakter von richtigen Klüften mit deut- lichen Kluftwänden und scharf abgetrennter Füllmasse, sondern es scheint eine Art flächenförmige Umkristallisation des Gesteins vor- zuliegen, die stellenweise auch den Charakter von Gesteinsschlieren annimmt. Das Zentrum dieser Kristallisationen nehmen die Skapo- lithe ein, meist flächenförmig angeordnet. Die Kristalle sind ganz im Gestein eingewachsen. Zu beiden Seiten der Skapolithlage trifft man die Gesteinsgemengteile in etwas grobkörniger Ausbildung und in Lagen gesondert, sodass helle, caleitreiche Schichten mit schwarzen Glimmerlagen wechseln. Es hat demnach längs diesen Skapolith- klüften ein Umkristallisieren und Neuanordnen der Gesteinsgemeng- teile stattgefunden. Der Skapolith. Kristallographische und chemische Eigenschaften. Die Skapo- lithkristalle, besonders kleinere, sind teilweise völlig frisch glasio. Es lassen sich die Formen 110 und 100 bestimmen. Meist ist ein Teil, oft eine äussere Schale von ca. 1/, mm Dicke, in eine matt gelb- lich weisse, weichere Substanz umgewandelt, auch bilden sich bei vorgerückterer Umwandlung silberweisse Schüppchen, die teilweise als Muscovit bestimmt wurden. Es liess sich indes durch sorgfältige 182 H. Preiswerk. Auslese glasheller Körner genügend frisches und reines Material für eine chemische Analyse und andere Bestimmungen gewinnen. In physikalischer und chemischer Beziehung verhält sich das Mineral wie folgt: Am Mineralpulver lässt sich mikroskopisch sehr leicht und rasch die Einachsigkeit und die negative kräftige Doppelbrechung nach- weisen. Die Lichtbrechung wurde an einem parallel der Vertikalachse geschliffenen Prisma bestimmt und für Natriumlicht gefunden. & 16541820) rad. Die Doppelbrechung beträgt also: © - e= 0,029. Diese Zahlen sprechen für einen Mejonit-reichen Skapolith und stimmen am besten mit den am Skapolith von Laurinkari gefundenen Werten überein (Hintze, Handb. d. Min., pag. 1561, sowie 23, pag. 240). Das spezifische Gewicht wurde an zwei völlig frischen, glasigen Prismen zu 2,741 und 2,742 gefunden. Diese Bestimmung ist weit zuverlässiger als die am ,,Dipyr von Valdo ausgeführte. Die Werte stimmen wiederum mit denen des Skapolith von Laurinkari nahe überein, von welchem Bestimmungen zwischen 2,698 und 2,734 sp. Gew. vorliegen. Bei einigen Voruntersuchungen zur chemischen Analyse zeigte der Skapolith vom Riale Fog folgendes Verhalten : Vor dem Lötrohr schmilzt er in kleinen Splittern zu einem schaumig aufgeblähten weissen Glase unter Gelbfärben der Flamme. Chlor konnte in der salpetersauren Lösung mit Ag NO, nur in geringsten Spuren erkannt werden. Die pag. 174 beschriebene Be- handlung mit NHO,, Ag NO,, FIH und Metol-Hydrochinon ergab keine Reaktion. Dagegen wurde durch Heparreaktion ein Gehalt an Schwefel nachgewiesen. Ebenso durch Chlorbarium in der salzsauren Lösung der Sodaschmelze. Sehr bemerkenswert ist das Verhalten der Kohlensäure in der Skapolithsubstanz. Behandelt man das feine Pulver mit Salzsäure (50 %/,), so ist keinerlei Gasentwicklung zu beobachten, sogar beim Erwärmen nicht. Erst bei Zusatz von Flussäure tritt lebhaftes Brausen ein, also erst im Moment, in dem das Silikat aufgeschlossen wird. Borgström [22, pag. 24] hat ein ähnliches Verhalten am Skapo- lith von Laurinkari beobachtet. Er bringt es damit in Zusammenhang, dass die Kohlensäure ein integrierender Bestandteil des Skapolith- moleküls bildet, der, wie aus seinen Untersuchungen hervorgeht, auch für die physikalischen Eigenschaften der einzelnen Skapolithglieder von grösster Bedeutung ist. Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 183 Chemische Zusammensetzung und Formel. Eine chemische Analyse des Skapolithes vom Riale Fog wurde von Dr. F. Hinden in Basel ausgeführt mit dem unter I stehenden Resultat. I IT Sorten, 4605 ATOME D Scan CE OR AGE ne ent 17,94 MO TORI ed an Royale! ala. NES ONE or a aa. 08, ©0, = 3093. DAN RON OA CM ME SD Ne ee 0 Bee US 100,87 100,00 *) Glühverlust vermindert um das in besonderer Probe bestimmte H,0. Der Skapolith gehört ohne Zweifel zu den Mejonit-reicheren Gliedern. Er zeigt eine recht gute Übereinstimmung mit dem von Borgström analysierten Skapolith von Laurinkari [22, pag. 24], auf den schon die physikalischen Eigenschaften hinwiesen. Ein charak- teristischer Unterschied ist, dass das Verhältnis von Ol zu SO, noch mehr zugunsten der Schwefelsäure verschoben ist bis zur fast völligen Ersetzung des Chlor durch Schwefelsäure. Zur Berechnung habe ich mich der von Borgström aufgestellten neuen Formeln bedeint. Die Zusammensetzung des Skapolith vom Riale Fog kann durch folgende Formel ausgedrückt werden: Die prozentuale Zusammensetzung, aus dieser Formel berechnet, ist unter II (Seite 183) angegeben zum Vergleich mit dem Analysen- resultat unter 1. Wenn auch die Übereinstimmung keine ganz genaue ist, so lässt sich doch die Zusammensetzung des Skapolith vom Riale Fog sehr wohl mit den Annahmen Borgströms in Einklang bringen. Schon die bedeutenden Mengen von fest im Skapolithmolekül gebundener Kohlensäure sprechen für seine Überzeugung, dass bei der Berech- nung der Formel der ,,Oxydmejonit durch ,,Carbonatmejonit zu ersetzen sel. Die Besonderheit des Skapolith vom Riale Fog ist die, dass das Chloridmarialitmolekül fast völlig durch Sulfatmarialit ersetzt ist, 184 H. Preiswerk. sodass nur die beiden Verbindungen Sulfatmarialit und Carbonat- mejonit eine wesentliche Rolle im Moleküle spielen. Nach Tschermaks Nomenklatur ist das Mineral zum Mejonit zu stellen. 2 SNKomit ee Bikort ti mio! Die Strasse von Prato nach Cornone schneidet mehrfach die Quarzitschicht, die den Tessinergneis des Monte Piottino überdeckt. An der in Fig. 4 angemerkten Stelle findet sich der Skapolith in Quarzitklüften, die schief die Parallelstruktur des Gesteins schneiden. Die Klüfte sind ausgekleidet von hellgrünlichem Muscovit, sowie Biotit mit kleinem Achsenwinkel. Der Skapolith ist strahlen- bis büschelförmig angeordnet auf der Kluftfläche. Zwischen den ein- zelnen Stengeln ist häufig glasheller Quarz eingebettet. Auch der Skapolith ist glasig farblos an frischen Teilen, an einigen Stellen dagegen blass rosa gefärbt. Optisch verhält sich der Skapolith dem vom Riale Fog gleich. Im Mineralpulver erhält man infolge von Querklüftung auffallend oft Blättchen nach der Basis mit dem schönen negativen Achsenbild. Die Prüfung der Lichtbrechung mit der Einbettungsmethode ergab das gleiche Resultat e = 1,5486 ; «© = 1,5770 ca. Die Doppelbrechung (nach Gremengteilen des Quarzit bestimmt) wurde zu 0,03 gefunden. Für eine chemische Analyse ist das vorgefundene Material nicht ausreichend. Das Hauptinteresse der Lagerstätte knüpft sich an die Genese des Minerals. Das Nebengestein, der Quarzit, ist ebenfalls skapolithhaltig. Der Skapolith findet sich dort in unregelmässigen Massen, den übrigen Gemengteilen Quarz und Muscovit beigemengt. Der Mineralbestand des Quarzit ist recht mannigfaltig. Zwischen den Lagen von reinem Quarz, die schon dem blossen Auge sichtbar sind, finden sich solche, in denen Quarz mit reichlich Muscovit ge- mengt ist, ferner mit Biotit, Skapolith, Epidot, Klinozoisit, Caleit Orthoklas mit Mikroklinstruktur und saurem Plagioklas in grano- phyrischer Verwachsung mit Quarz (Myrmekit), Titanit, Zirkon und Pyrit. Der Quarzit dürfte als ein metamorpher Sandstein anzusehen sein, in dem die Skapolithsubstanz von den Klüften her ins Gestein eingedrungen ist zur Zeit der Umwandlung des Sandstein in Quarzit. 3. Dazıo Grande. Ein weiterer Fundpunkt von Skapolith findet sich an der Gott- hardstrasse unterhalb der Dazio-Grande-Schlucht, etwa in der Mitte zwischen den beiden Kehrtunneln der Gotthardbahn (Fig. 4). Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 185 Der Ort liegt geologisch mitten in der Masse des T'essinergneises. Dieser hat aber hier nicht seinen normalen Granitgneis-Charakter, snodern es herrscht eine biotitreiche, schiefrige Varietät vor, die mit muscovitreichen, hellen aplitartigen Lagen wechselt, offenbar basische und saure Schlieren, denen Linsen von Quarz sowie auch grobkörnige Caleitaggregate und kalksilikatreiche Gesteine eingelagert sind. Letztere dürften als Einschlüsse von Sedimentresten in der eruptiven Masse aufzufassen sein. Der Skapolith findet sich in steilen, ausgeprägten Klüften, die die flachliegenden Schieferungsflächen durchbrechen. Die Ausfül- lung der Klüfte besteht aus Quarz und Muscovit, seltener Caleit. Diese Kluftminerale werden stellenweise von groben Skapolith- büscheln verdrängt, die dann nur von feinsten Muscovithäutchen be- gleitet sind. Die Büschel bestehen aus Stengeln von ca. 1/,; em Dicke und mehreren Zentimetern Länge. Gutes Material zu gewinnen ist sehr schwer. Doch gelang an frischen Splittern die sichere Bestimmung als Skapolith. Die Lichtbrechung stimmt mit derjenigen der Skapolithe von Riale Fog und Monte Piottino überein. Das spezifische Gewicht 1st 2,029. A Valle Das Sommerdörflein Valle liegt auf 1700 m, etwa 1/, Stunde südlich vom Ritomsee im Val Piora. Die Skapolithe, die @. Klemm hier entdeckt hat, finden sich in Blöcken östlich von den obersten Häusern des Ortes. Anstehend sind sie meines Wissens noch nicht beobachtet worden. Bei keinem der bisher genannten Vorkommen ist der Kluft- charakter so deutlich ausgeprägt wie hier. Das Nebengestein ist ein ziemlich dunkler, dünnschiefriger Biotitgneis, der dem kristallinen Kern des Molaremassivs angehört. Die Schieferungsflächen werden scharf durchschnitten von kleinen Gängen von vorwiegend brauner Farbe. Die Gangart ist hauptsächlich eisenschüssiger Caleit. Die Saalbänder sind mit grob- blättrigem Chlorit bekleidet, der zu Rosetten und Kugeln gruppiert in die Gangmasse hineinragt. Die braune Calcitmasse ist nun stellenweise von weissen quadratischen Prismen von einigen Zentimetern Länge, dem Skapo- lith, kreuz. und quer durchspickt. Auch Nadeln von Rutil, sowie Muscovit finden sich da und dort in der Gangmasse. Den Skapolith habe ich nicht genauer untersucht. Vielleicht ist @. Klemm in der Lage, denselben an reichlicherem Material zu bearbeiten. Ich habe nur folgende zur Erkennung als Skapolith nötige Beobachtungen ge- 186 H. Preiswerk. macht: Das Mineral ist einachsig, optisch negativ. Licht und Doppel- brechung verhalten sich wie bei den oben beschriebenen Skapolithen der Leventina. Das spezifische Gewicht beträgt 2,704. Beachtenswert ist auch hier die Veränderung, die das Neben- gestein am Kontakt mit der skapolithführenden Kluft erleidet: Der dunkelgraue Biotitgneis ist in einer schmalen Zone (ca. 5 em) parallel der Kluft grün gefärbt. Die Verfärbung entspricht einer Um- wandlung des Biotit. Der gesteinsbildende Biotit von dunkel braun- grüner Farbe und normaler Doppelbrechung verwandelt sich in der NW SE. PTS O0TTHARD - 2 \ \ Massıv. / Por A MUR 2 Hr \ / \ 2” ı MOLARE - \ BEDRETTO \ ı Massiv. N MULDE. Tessıntal Stalvddro R Ag = Augengneıs Sg- = Dunkle Halkschiefer, Gr. « Granatglimmer - R =» Rauhwacke Granatglanzschiefer £ schiefer à G - Gyps quarzıtısche Halke. Jura ra - Tr + Hornblendegarben - PE ech Ts » Quarzitisch Halk- à À = Alluvıurm schiefer, Granat limer- schiefer, Biotitschiefer mit } Irias schiefer « Quarzite der Lagen von Dolomit und „Tremolaserıe” kôrrigem Halk SK: Srapolitfundstelle darin 79.6. Kontaktzone zunächst in optisch negativen Chlorit mit deutlicher Achsenapertur. Allmählich nimmt auch ein durch Muscovitausschei- dung bedingter Seidenglanz überhand. Am Rande der Kluft findet man deutliche Muscovitblättchen und optisch positiven, einachsigen Chlorit, der mit dem kugelförmigen Chlorit der Gangmasse identisch ist. Unter Einwirkung der in der Kluft zirkulierenden Agentien hat also eine Umwandlung des Biotit in Chlorit und Muscovit stattgefunden. 5. Riale (Ronco) dı Berri. Die topographische und geologische Situation dieser nahe bei Airolo gelegenen Fundstelle ist in Fig. 6 skizziert.?) Der Fundort 2) Unter Mitverwertung geol. Aufnahmen im Riale di Berri von W. Steuer. Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 187 liegt mitten in mesozoischen Sedimenten im nördlichen, überxippten Schenkel der Pioramulde. Das Nebengestein sind quarzige biotit- und muscovitführende, braungelbe Glimmerkalk- resp. Dolomit- schiefer im stratigraphisch höchsten Teil des Triaskomplexes. Diese Schiefer können etwa zu der Gruppe gerechnet werden, die von Niggli und Staub?) im Gotthardgebiet als Quartenschiefer aufgefasst werden. Das Auftreten des Skapolith ist dem von Valle durchaus ähnlich. Es sind quer zur Schieferung laufende Klüfte, die mit eisen- schüssigem Calcit, Muscovit und kreuz und quer liegenden Prismen von Skapolith erfüllt sind. Auch Rutilnadeln finden sich in der Füll- masse. Das gewonnene Material ist dürftig. Es genügt eben zum Nachweis von Skapolith, nicht aber zu weiterer Bearbeitung. Schlussfolgerungen. a) Mineralogische. Die Resultate der chemischen Untersuchung des Skapolith vom Riale Fog sprechen für die Richtigkeit der neuen Borgström'schen Skapolithformeln. b) Geologische. Der Skapolith hat in den Alpen der Tessin- und Simplonregion drei verschiedene Typen des Vorkommens, er findet sich : 1. Als mikroskopischer Gemengteil von körnigen Kalken und Kalk- silikatgesteinen in Körnern oder grössern Gesteinskomponenten mit Siebstruktur, ohne Kristallbegrenzung. Als idiomorphe Porphyroblasten in Dolomit der Trias. 3. Als Kluftmineral in ganz verschiedenen geologischen Körpern. (2) Die zwei letztern Vorkommen sind oben beschrieben worden: Der Mizzonit von Valdo im Triasdolomit und die Kluftskapolithe der Leventina. Die skapolithführenden Marmore von Valdo erinnern stark an manche pyrenäische Skapolithkalke, die als Produkte der Kontakt- metamorphose naher Eruptivkörper, besonders Ophit und Lherzolit aufgefasst werden. Es liegt daher nahe, auch für den Skapolith von Valdo eine Entstehung durch Kontaktmetamorphose anzunehmen. Die geologische Situation (Fig. 1) scheint dafür besonders ver- lockend, da das Skapolithgestein direkt an die mächtige Granitmasse des Antigoriogneis grenzt. Es ist ja gewiss anzunehmen, dass die Skapolithgesteine in den Pyrenäen und in den Alpen gleichartigen 3) Beiträge zur geol. Karte der Schweiz XLV pag. 68 und 69. 188 H. Preiswerk. Entstehungsbedingungen unterworfen waren. Dort wie hier mögen die Skapolithe pneumatogener oder hydato-pneumatogener Natur sein. Dagegen geht aus den geologischen Aufnahmen von C. Schmidt, A. Stella und mir deutlich hervor — und es steht dies im Einklang mit der Auffassung fast aller Geologen, die das Simplongebiet näher kennen gelernt haben: Gerlach, Lugeon, Heim, Schardt ete. —, dass der Antigoriogneis keine post-triadische oder post-mesozoische In- trusion sein kann, sondern passiv mit den Ablagerungen der Trias disloziert worden ist (vergl. Fig.2). Die Skapolithbildung kann also nicht mit der Intrusion des Antigoriogranits in Zusammenhang ge- bracht werden. Sie muss in die Zeit der grossen tertiären Alpenfal- tung fallen. Die tiefgreifende Gesteinsumwandlung dieser Epoche hat vielfach grosse Ähnlichkeit mit Kontaktmetamorphose [15]. Das Vor- kommen von Skapolith illustriert ihren teilweise pneumatogenen Charakter. Die dabei wirksamen Agentien sind von wenig tiefen Magmenresten herzuleiten, die zur Zeit der Alpenfaltung erstarrten, im Gebiet unserer Skapolithfunde aber die Oberfläche nicht erreichten. Ihre oberflächlichen Äquivalente sehen wir in den periadriatischen tertiären Graniten und Tonaliten [24]. Cornelius und Staub zählen dazu auch das Disgraziamassiv. R. Staub [25] glaubt die tertiären Eruptiva dieses Massivs bis ins Val Morobbia bei Bellinzona verfolgen zu können?) und bringt die Injektionen in den umliegenden Tessiner- eneisen damit in Zusammenhang. Das Vorkommen der Skapolithe in der Leventina hat einen durch- aus andern Charakter als das von Valdo. In der Leventina haben wir es mit Kluftausfüllungen zu tun, verbunden freilich mit einer be- schränkten Skapolithisierung auch des Nebengesteins. Die Skapo- lithklüfte treten sowohl in Sedimenten als in Eruptivmassen, in vor- und nachtriadischen Bildungen auf (Fig. 4). Sie dokumentieren da- durch ihre Unabhängigkeit von den aufgeschlossenen Bildungen und deuten auf einen gemeinsamen, tiefern Ursprungsort. Es ist wohl berechtigt, sie von denselben abyssischen tertiären Eruptivmassen her- zuleiten, wie die Skapolithe von Valdo. Während aber dort die Agentien aus der Tiefe ganze Gesteinskörper imprägnierten, ver- mochten sie in der Leventina mehr nur auf Spalten und Klüften vorzudringen. Ich möchte daraus schliessen, dass die Entfernung der Eruptiv- massen, die die skapolithbildenden Agentien absonderten, hier in der Leventina eine etwas grössere war und dadurch vielleicht eine mehr hydato-pneumatogene Mineralbildung bedingt war gegenüber der pneumatogenen, ganze Gesteinskörper mineralisierenden. 4) Vgl. auch Ed. Suess Antlitz der Erde IIl/2 pag. 143. Skapolithfunde in den Schweizeralpen. 189 Über das Vorkommen des Skapolith als Kulftmaterial sind die Angaben in der Literatur spärlich, verglichen mit denen über den Skapolith als metamorphen Gesteinsgemengteil. Von hohem Interesse für unsern Fall ist eine neuere Beschreibung der berühmten Skapolithlagerstätte von Laurinkari (bei Abo in Finnland) durch L. H. Borgström [22]. Auch hier füllt der Skapolith zusammen mit Quarz eine Kluft?) aus, begleitet von folgenden Mineralien in untergeordneter Menge: Calcit, Fluorit, Apatit, Magnetkies, Pyrit, Magnetit, Hornblende, Epidot, Phlogopit, Titanit, Orthit. Borgström vergleicht diese Paragenese mit den mineralreichen Apatitgängen von Norwegen und Canada, die ebenfalls Skapolith führen. Entsprechend den geologischen Unterschieden im Vorkommen der Skapolithe von Valdo und derer in der Leventina, ist auch ihre chemische Zusammensetzung verschieden : Die Skapolithe im Dolomit von Valdo sind Mizzonit, die Kluftskapolithe der Leventina Mejonit. Die erstern sind mehr Chlor-, die zweiten Sulfatskapolithe. Die überraschende Ähnlichkeit in der Zusammensetzung der Skapolithe vom Riale Fog und derer von Laurinkari, insonderheit der aussergewöhnlich hohe Schwefelgehalt beider lässt eine engere chemische Verwandtschaft der Kluftskapolithe unter sich vermuten. Benützte Literatur. 1. J. de Charpentier. Essai sur la constitution géognostique des Pyrénées 1823, pag. 226. 2. Des Cloizeaux. Manuel de Minéralogie 1862, pag. 234. 3. B. Studer. Geschichte der physischen Geographie der Schweiz 1863, p. 627. 4. — Index der Petrographie (Nufenenschichten). Bern 1872, p. 172. 5. E. Favre. Revue géol. Suisse pour l’année 1872. (Arch. des sciences 1873), pag. 13. 6. K. v. Fritsch. Das Gotthardgebiet. (Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz XV 1873), pag. 127. 7. G. Tschermak. Die Skapolithreihe. (Sitzungsber. Akad. Wien Bd. 88 I 1883, pag. 1142). 5) Die Kluft schneidet nach Bergströms Zeichnung quer durch Pegmatit- granit und verschiedenartige Gneise und zeigt evident ihre geologische Unab- hängigkeit von diesen Gesteinskörpern. Die Tatsache, dass an den Klufträndern Skapolithe mit den Mineralien des Pegmatitgranits sich mengen, möchte ich lieber auf Skapolitisierung des Pegmatitgranits von der Kluft aus zurückführen, statt eine genetische Beziehung zwischen dem Pegmatitgranit und dem Skapo- lith an Ort und Stelle anzunehmen, wennschon ich natürlich die Beziehungen des Skapolithganges als Ganzes zu den Pegmatitgranitintrusionen durchaus nicht bezweifeln will. Die Abspaltung der Gangmasse aus dem Pegmatitgranit dürfte tiefer liegen. 190 H. Preiswerk. 8. M. Lacroix. Contribution à l’étude des gneiss a pyroxène et des roches à wernerite. (Bull. Soc. Franc. de Min. XII 1889, pag. 83—360). 9, — Sur les phénomènes de contact de la syénite éléolitique de Pouzac etc. (Comptes rend. hebd. Acad. Sc. Paris X 1890, T. 110, pag. 1011.) 10. C. Schmidt. (Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz XV, 1891, p. 127). 11. A. Lacroix. Mineralogie de la France, T. II 1896, p. 203 ff. 12. W. Salomon. Über die Contactmineralien der Adamellogruppe. (Tschermak, Min. u. Petr. Mitth. Bd. 15. 1896, pag. 159—183. 13. G. Spezia. Sulla Anidrite micaceo-dolomitica etc. del Traforo del Sempione. (Atti R. Acc. Sc. Torino Vol. 38 1903.) 14. R. van Hise. Treatise on metamorphism. (Monographs N. S. geol. survey XLVII, pag. 312). 1904. 15. A. Stella. Il problema geo-tettonico dell’Ossola e del Sempione. (Boll. R. Comitato geol. d'Italia 1905 No. 1 pag. 33, 36, 37.) 16. G. Linck. Orthoklas aus dem Dolomit vom Campolungo. (Neues Jahrb. f. Min. Bd. I 1907, pag. 29.) 17. C. Schmidt und H. Preiswerk. (Geol. Karte der Schweiz. Erläuterungen Nr. 6 1908, pag. 18.) | 18. L. Desbuissons. La Vallée de Binn. (Lausanne, Georges Bridel 1909, pag. 66.) 19. E. Gutzwiller. Injektionsgneise aus dem Kanton Tessin. (Inaug.-Diss. Zürich 1912, pag. 48.) 20. —- Zwei gemischte Hornfelse aus dem Tessin. (Centralblatt f. Min. Nr. 12 1912, pag. 354—-361.) 21. H. Preiswerk. Die metamorphen Triasgesteine im Simplontunnel. (Verh. Nat. Ges. Basel, Bd. 24 1913, p. 19 u. 20.) 22. L. M. Borgström. Die Skapolithlagerstätte von Laurinkari. (Bull. Commission Geol. de Finlande, No. 41 1913.) 23. — Die chemische Zusammensetzung der Skapolithe, (Zeitschr. f. Kryst. u. Min. Bd. 54 H. 3 1914, pag. 238 - 260.) : 24. A. Spitz. Zur Altersbestimmung der Adamellointrusion. (Mitt. d. Geol. Ges. Wien, Ill. IV 1915, pag. 239.) 25. R. Staub. Zur Tektonik der östlichen Schweizeralpen. (Beitr. geol. Karte d. Schweiz N. F. XLVI 1916.) Mineralogisches und Geologisches Institut der Universität Basel, 17. Dezember 1916. Miocäne Säugetierreste aus der Gegend von Elm (Prov. Hessen). Von H. G. Stehlin. Bei einem Besuch im Senckenbergischen Museum in Frank- furt a/M. im Herbst 1913 zogen einige vor nicht langer Zeit einge- gangene Säugetierzähne aus Braunkohlen der Gegend von Elm am Ostrande des Vogelsberges, deren stratigraphische Stellung bisher nicht fixiert war, meine Aufmerksamkeit auf sich. Herr Prof. F. Drevermann hatte dann die grosse Freundlichkeit, mir dieselben zur näheren Untersuchung nach Basel zu schicken. Hier sah sie Herr Bergrat Schröder von Berlin und machte mich darauf aufmerksam, dass weitere derartige Funde beim Bau der Bahnlinie Frankfurt- Fulda, in dem Tunnel, welcher bei Elm den flachen Höhenrücken des Distelrasens durchsticht, gemacht und durch Herrn Dr. E. von Seyfried der königlich preussischen geologischen Landesanstalt in Berlin zugeführt worden seien. In der Folge wurden mir auf gütige Verwendung von Herrn Bergrat Schröder auch diese Materialien zur näheren Prüfung nach Basel gesandt. Da die Untersuchung der Elmer Säugetierreste zu einem Er- gebnis geführt hat, welches auch für die regionale Geologie von Interesse ist, scheint es mir angezeigt, die Besprechung derselben nicht länger hinauszuschieben. Herrn Prof. Drevermann und den Leitern der kgl. geologischen Landesanstalt in Berlin spreche ich für die Überlassung der Ma- terialien, Herrn Dr. W. Wenz in Frankfurt für verschiedene im fol- genden verwertete lokalgeologische Aufklärungen meinen verbind- lichsten Dank aus. 1. Braunkohlengrube von Elm. Die in der Elmer Grube ausgebeutete Braunkohle liegt, wie mir Herr Dr. Wenz mitteilt, direkt auf Muschelkalk. Die folgenden, aus derselben stammenden, Fundstücke der Frankfurter - Sammlung 192 H. G. Stehlin. waren von jeder Spur von Umhüllungsmasse befreit, als sie in meine Hände kamen. Brachyodus onoideus Gerv. (Fisur 1) Ein M, sup. dext., wenig angebraucht und offenbar von einem Individuum herrührend, das noch die Milchzähne benützte. Der Schmelz ist dunkel blaugrau, fast schwarz; die Wurzeln sind braun, oberflächlich hellgrau. | Der Zahn misst 0,036 Aussenwandlänge und 0,037 Breite vorn, d.h. er hat die Grösse der M, des Brachyodus onoideus aus den Sables de l’Orleanais. Strukturell ist er durch alle die Eigen- Figur 1. Figur 1. Brachyodus onoideus Gerv., M; sup. dext., von unten und von aussen. — Braunkohlengrube von Elm, — Senckenbergisches Museum in Frankfurt a/M., geschenkt von Herrn Dr. Fucar 1909. tümlichkeiten ausgezeichnet, welche Brachyodus von den Anthra- cotherien unterscheiden, vor allem die überaus charakteristische üppige und feine Rippung des Schmelzes in allen Partien der Krone; die schärfere Ausbildung aller Hauptkanten; die schärfere Zu- spitzung und auch etwas grössere Höhe der Hügel; die offenere, weniger zusammengekneifte Mesostylschlinge; die geringere Ent- wicklung der Mittelrippen an den labialen Abhängen der Aussen- hügel; das Fehlen gewisser stärkerer Schmelzfalten, die bei Anthra- cotherium bald da bald dort aufzutreten pflegen. Das Inneneingulum, welches an den Brachyodusmolaren gewöhnlich kontinuierlich ist, endigt am vorliegenden Exemplare vor dem hintern Innenhügel. Von dem schwachen Zementbelag, der sich an ältern Molaren manchmal in den Vertiefungen der Krone erhält, ist keine Spur nachzuweisen. "| * Miocäne Säugetiere von Elm. 195 Carnivoren. (Figur 2—4) 1. ein © sup. sin.; Krone am Hinterrande ein Stück weit be- schädigt (Figur 2). 2. ein © inf. sin.; Spitze abgebrochen (Figur 3). 3. die beschädigte Vorderhälfte eines M, inf. sin. (Figur 4e). 4. ein Incisiv, wahrscheinlich I, sup. dext. (Figur 4a). 5. ein vorderer Praemolar, an der Basis etwas beschädigt (Figur 4b). Figur 2. Figur 2. Felide?, GC sup. sin., von aussen, hinten und innen. — Braunkohlen- grube von Elm. — Senckenbergisches Museum in Frankfurt a/M. Diese kleinern Zähne zeigen eine etwas hellere Färbung des Schmelzes als der Brachyoduszahn, sonst ist ihr Erhaltungszustand durchaus analog. Sie sind wie jener im Abraum aufgelesen worden ; ihre Zusammengehörigkeit wird also durch die Fundumstände keines- wegs verbürgt. Dass die beiden Caninen von derselben Species und vom näm- lichen Individuum herrühren, scheint mir nicht zweifelhaft. Besonders charakteristisch ist die Gestalt des obern (Figur 2). Sein Querschnitt ist kurz und breit; an der Wurzel, etwas unterhalb der Krone, wo er am grössten ist, hat er 0,012 Länge auf 0,0092 Breite. Die Krone ist dolehförmig und auffällig hoch, höher als die - Wurzel (0,033: 0,026 auf der Aussenseite, wo der Schmelz wie ge- 13 194 H. G. Stehlin. wohnt weiter wurzelwärts vordringt, gemessen). Die Kronenkanten setzen sich dem konischen Körper unvermittelt auf und zeigen eine feine Horizontalstreifung des Schmelzes, welche sich wie eine Vor- stufe der Zähnelung von Machaerodus ete. ausnimmt. Die Innen- facette zwischen den beiden Kanten ist ziemlich konvex. Von hinten oder vorn betrachtet zeigt der Zahn die leise S-förmige Transversal- biegung, welche man an vielen Carnivoreneckzähnen beobachten kann. Der untere Canin (Figur 3) hat eine banalere Gestalt. Wurzel und Krone sind kompresser, die letztere ist relativ erheblich niedriger, innen abgeplatteter und dazu ziemlich stark gebogen. Die Kanten zeigen dıe gleiche Ausbildung wie am obern. Figur 3. Figur 3. Felide? C inf. sin., von aussen und von innen. — Braunkohlengrube von Elm. — Senckenbergisches Museum in Frankfurt a/M. Ich habe vergeblich nach einer genau übereinstimmenden Eckbe- zahnung gesucht. Unter den Amphieyoniden zeichnet sich das miocäne Genus Hemicyon durch besonders schlanke Eckzähne aus. Der obere der- selben, wie ihn Hofmann!) abbildet, stimmt im Profilcontour ziem- lich gut mit demjenigen von Elm überein und zeichnet sich auch durch die selbe S-förmige Transversalbiegung aus. Nach Filhol?), dessen Figuren übrigens nicht ganz mit den Hofmann’schen überein- stimmen, zeigt er überdies an der Hinterkante jene feine Horizontal- 1) A. Hofmann, Die Fauna von Göriach. Abh. k. k. geol. Reichsanstalt XV, 1893, p. 27, Tab. IV, Fig. 3 (»Dinocyon« göriachensis). . 2) H. Filhol, Etude sur les Mammifères fossiles de Sansan. Ann. Sc. o6ol. XXI, 1891, p. 126, Tab. VII—IX. Miocäne Säugetiere von Elm. 195 streifung des Schmelzes. Dass dieselbe auch der Vorderkante zu- kommt, wird jedoch nicht hervorgehoben. Auch scheint der Quer- schnitt nicht ganz derselbe zu sein und die Krone ist im Verhältnis zur Wurzel entschieden niedriger. Ich bin daher nicht überzeugt, dass wir es in Elm mit einem hemicyonartigen Tiere zu tun haben. Der Habitus der beiden Zähne, speziell der des obern, scheint mir im ganzen eher auf die Feliden- familie zu weisen, aber auch hier vermag ich vorderhand kein ge- naues Analogon nachzuweisen. Unter den recenten Feliden zeigt die ostindische Felis nebulosa Griff. einige frappante Anklänge, allein sie kombinieren sich mit deutlichen Abweichungen. Die Wurzel des C sup. ist bei der recenten Form bedeutend länger als die Krone; Wurzel und Krone sind transversal kompresser, die Vorderkante der letztern ist fast völlig verwischt, die äussere und die innere Kronenfacette, welche an dem Zahn von Elm völlig glatt sind, zeigen in der Mitte ein charak- teristisches Kerbenpaar. Und analoge Abweichungen zeigt auch der Mandibulareanin von Felis nebulosa, der überdies eine im Vergleich zum Antagonisten schwächere Krone hat. Von den Caninen des kürzlich durch Pilgrim?) aufgestellten Genus Sivaelurus aus dem indischen Mittelmiocän, das nähere Be- ziehungen zu Felis nebulosa haben könnte, sind bis jetzt leider nur die Wurzelstümpfe bekannt, welche zwar im Querschnitt an die Elmer Zähne erinnern, aber keine genügenden Anhaltspunkte bieten. Der Maxillarcanın aus dem Vindobonien von La Grive-St. Alban, welchen Deperet?) auf die dortige, freilich noch sehr zweifelhafte, Aelurogale bezieht, hat, bei nicht unähnlichem Profilcontour, eine stärker hervorgehobene Vorderkante und eine, durch begleitende flache Rinnen viel mehr zugeschärfte, Hinterkante als derjenige von Elm. Näher scheinen diesem die von Filhol?) und Gaillard6) abge- bildeten Maxillarcaninen von Pseudaelurus quadridentatus zu kommen. Aber auch hier ist der Querschnitt, den Beschreibungen nach, abgeplatteter, die Hinterkante schärfer und von der feinen Schmelzstreifung der Kanten wird nichts erwähnt. Ausserdem ent- 3) G. E. Pilgrim, Note on the new Feline Genera Sivaelurus and Para- machaerodus etc. Rec. Geol. Survey of India XLV, 2, 1915, Pl. 6. 4) Ch. Deperet, La faune des mammifères de La Grive-St-Alban. Arch. Mus. Lyon. V, 1892, p. 19, Pl. I, Fig. 2—3. >), & © 8, PL WM, De 34 5) Cl. Gaillard, Mammifères miocènes nouveaux ou peu connus de La Grive-Saint-Alban. — Archives du Museum de Lyon VII, 1899, p. 37, Pl. I, Fig. 8. 196 H. G. Stehlin. wickelt der Mandibularcanin von Pseudaelurus?) auf der Aussenseite eine Kerbe, von welcher an dem Elmer Zahn keine Spur wahrzu- nehmen ist. Aus dem Burdigalien des Orléanais, von der Lokalität Artenay, liegt in der Basler Sammlung ein an den Kanten durch Rollung ab- gescheuerter Maxillarcanin (S. O. 247), der mit demjenigen von Elm in den Dimensionen, im Profilcontour, im Querschnitt, in der S-för- migen Transversalbiegung ausnehmend gut übereinstimmt. Nur im Verhältnis der Kronenhöhe zur Wurzelhöhe (29: 30) zeigt derselbe eine Abweichung. Leider ist aber dieser Zahn isoliert gefunden worden. Ich habe ihn hypothetisch mit Backenzähnen von Pseudaelurustypus und von etwas hinter Ps. quadridentatus zurück- bleibenden Dimensionen, die mir aus den Sables de l’Orleanais vor- Figur 4. Figur 4. a. I,. sup. dext. eines Feliden? von hinten und von aussen. — b. P4 sup. dext. eines Amphicyoniden, von aussen und von oben. — c. Vorder- hälfte des M, inf. sin. eines Feliden(?). — Braunkohlengrube von Elm. — Senckenbergisches Museum in Frankfurt a/M. liegen, in Beziehung gebracht, kann aber die Richtigkeit dieser Kom- bination nicht verbürgen. Auch die Untersuchung der drei andern Carnivorenzähne hat mich zu keinen präzisen Schlüssen geführt. Das Fragment eines untern Reisszahnes (Figur 4c) stimmt im ganzen nicht übel zu Pseudaelurus und würde den Dimensionen nach zu der eben erwähnten Form aus dem Orleanais passen; die vordere Kante des Vorderhügels zeigt, obwohl sie ziemlich stumpf ist, unter der Lupe deutliche Spuren der feinen Rippung, welche die Kanten der Caninen auszeichnet, was sehr dafür spricht, dass der Zahn vom nämlichen Tiere wie diese herrührt. Allein der Einschnitt zwischen den beiden Hügeln dringt weniger weit basiswärts als bei Pseud- aelurus, sodass mir die Zugehörigkeit zu diesem Genus zweifelhaft bleibt; es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die weggebrochene hintere Partie der Krone noch stärker abwich. Gegenüber Felis 7) Gaillard \. c. Pl. I, Fig. 6 (Pseudaelurus Lorteti). — F. Roman, Le Neogene continental dans la basse vallée du Tage, Commission du service géo- logique du Portugal, 1907, p. 52, Pl. II, Fig. 7 (Pseudaelurus transitorius). Miocäne Säugetiere von Elm. 197 nebulosa ist der Gegensatz in der Ausbildung des Einschnittes zwischen den Haupthügeln noch schärfer. Der Incisiv (Figur 4a) erinnert am ehesten an den I, sup. dext. von Feliden, obwohl seine Krone weniger unsymmetrisch gebaut ist als die des I, von Felis nebulosa und anderer recenter Vertreter dieser Familie. Zwei Querstreifen, die sich vorn an den Kanten von der Spitze gegen die Basis ziehen, wären bei dieser Interpretation auf den untern Caninen und den untern I, zurückzuführen. Die Dimen- sionen des Zahnes sind ziemlich genau diejenigen, welche, nach Analogie von Felis nebulosa, bei einem Feliden, der mit der obigen Eckbezahnung versehen war, zu erwarten wären. Der kleine zweiwurzlige Praemolar (Figur 4b) dagegen rührt sicher nicht von einem katzenartigen Tiere her. Er ist stumpf, plump, miedrig wie die vordern Praemolaren von Ursiden und Amphi- cyoniden. Dem Umriss der Krone und dem Verlauf der Kanten nach scheint er ein P, sup. dext. zu sein. Der P, sup. von Hemicyon sansaniensis stimmt nach der Darstellung von Filhol3) in Grösse und Gestalt nahe mit ihm überein. 2. Elmer Tunnel, Fundstelle I. Die in der Berliner Landesanstalt aufbewahrten Materialien aus dem Elmer Tunnel stammen von zwei Fundstellen, die, wie mir mit- geteilt wurde, in „grabenartigen, mit tertiären Sanden und Tonen erfüllten Bildungen“ liegen und im Tunnelprofil durch eine mehr als drei Kilometer lange Strecke des Rötschiefers, aus dem sich der Distelrasen aufbaut, von einander getrennt sind. Die erste dieser beiden Fundstellen befindet sich 78,5 m vom Süd- portal des 3600 m langen Tunnels. Die folgenden, daselbst gesam- melten Dokumente erinnern nach Erhaltungsart und Färbung an die- jenigen aus der Braunkohlengrube, zeigen aber in den Höhlungen einen feinen Pyritüberzug. Sie waren von der Umhüllungsmasse vollständig gereinigt, als sie in meine Hände kamen. Anchitherium aurelianense Cuv. 1. Ein Fragment der linken Mandibel mit P;, der Wurzel des P, und 12mm Diastema. | 2. Der linke untere Canin in einem kleinen Stück Mandibelknochen, das sich unmittelbar an das vorige anschliesst. 3. Ein Fragment der Mandibularsymphyse mit dem linken I und den rare ann ten. der rechten I,—I;, offenbar zum näm- lichen Individuum wie die vorigen gehörig. Eu ca PIE IR 198 H. G. Stehlin. Der P, ist vorn etwas stumpfer abgestutzt als gewöhnlich und besitzt eine Länge von 0,018 und eine hintere Breite von 0,0125. Dies sind Dimensionen, welche innerhalb der Variationsgrenze der Burdigalienmutation des Anchitherium, aus den Sables de l’Orleanais, liegen, aber im Vindobonien nur sehr ausnahmsweise, z. B. in Georgensgmünd, beobachtet worden sind. Die Anchitherien von Sansan, La Grive-Saint-Alban, Steinheim etc. sind durchweg stärker. 3. Elmer Tunnel, Fundstelle II. Die zweite Fundstelle ım Elmer Tunnel befindet sich 3523,5 m vom Südportal und 76,5 m vom Nordportal. Die Tierreste, welche sie geliefert hat, zeigen die nämliche Erhaltungsart wie die von der ersten. Die Umhüllungsmasse, in welcher das eine der Fundstücke noch eingebettet liegt, ist ein feiner schwarzer glimmeriger Quarz- sand, der vereinzelte bläuliche Tonknötchen und sehr fragmentäre Fischreste enthält. Bei der Analogie des Erhaltungszustandes er- scheint es wahrscheinlich, dass dıe Materialien von Fundstelle I ın einem ähnlichen Sediment gelegen haben. Ursavus elmensis n. spec. (Figur 5—7) 1. Ein Fragment der linken Mandibel mit noch ganz frischen M;—P;, dem Alveolus von M; und der Hinterwurzel von P; (Figur 5). 2. Ein linker unterer Canin, ebenso frisch erhalten wie die obigen Zähne und offenbar zum selben Individuum gehörig (Figur 6). 3. Ein sehr defekter oberer M,, seiner fortgeschrittenen Usur nach von einem erheblich ältern Individuum herrührend (Figur 7). Ob eine zerquetschte Masse von Wirbelfragmenten, die mit diesen Fundstücken aufgehoben worden ist, ebenfalls zu Ursavus ge- hört, muss ich dahingestellt sein lassen. Überreste des Genus Ursavus sind bis jetzt von sechs Lokalitäten bekannt, die alle dem Vindobonien angehören : Kieferstädt! und könig- lich Neudorf bei Oppeln?) (Schlesien), Steieregg, Voitsberg!) und 9) R. N. Wegner, Tertiär und umgelagerte Kreide bei Oppeln (Ober- schlesien). Palaeontographica LX, 1913, p. 228. 10) A. Hofmann, Über einige Säugetierreste aus der Braunkohle von Voits- berg und Steieregg bei Wies, Steiermark. Jahrbuch der k. k. geol, Reichsanstalt XXXVII, 1887, p. 207. — Idem, Beiträge zur. miocänen Säugetierfauna von Steiermark. Ibidem, XLII, 1893, p. 63. — M. Schlosser, Uber die Bären und bärenähnlichen Formen des europäischen Tertiärs. Palaeontographica XLVI, 1899, p. 101. Miocäne Säugetiere von Elm. 199 Leobentt) (Steiermark) und La Grive-Saint-Alban!?) (Isère). Wegner fasst sie alle unter der Bezeichnung ,,Ursavus brevirhinus Hofmann“ zusammen, während Schlosser geneigt ist, die Form von La Grive- Figur 5. Figur 5. Ursavus elmensis n. spec., Mand. sin. mit M2—P», von aussen, oben und innen. — Elmer Tunnel 3523,5 m ab Südportal. — Sammlung der k. geol. Landesanstalt in Berlin. — 1/1. Saint-Alban als besondere Species ,,Ursavus primaevus Gaillard” gelten zu lassen. Die Materialien von La Grive, sowie auch die erst seit Schlossers Publikation bekannt gewordenen von Oppeln, rühren 11) K. Redlich, Neue Beiträge zur Kenntnis der tertiären und diluvialen Wirbeltierfauna von Leoben. Verhandl. d. k. k. Reichsanstalt 1906, p. 167. LCR Depererala er 218927 92 224 BEI Rice: 7 („Lutrardubian) Gt Gaillard, 1. c. 1899, p. 44. 200 H. G. Stehlin. in der Tat von etwas grössern und progressivern Individuen her als die übrigen; es ist sehr wohl möglich, dass sie auch chronologisch dem pontischen Ursus Böckhi Schlosser etwas näher stehen als diese. Ob man sie spezifisch von denselben abtrennen will, ist Geschmacksache. Die vorliegenden Materialien von Elm scheinen mir einen evi- denteren Anspruch auf einen besondern Speciesnamen zu haben, so- wohl wegen ihrer ausserordentlich schwachen Dimensionen, als wegen einer Reihe von strukturellen Abweichungen. Die Dimensionen der an. der Mandibel (Figur 5) erhaltenen Backenzähne sind folgende: IM, Br kängeer wer rer 22080025 Mesrllange ne nn ee il MosBreite vorn, 20. EN PE DD DOTE NEMBreitelhinten ar 2 02,7207057205,00,055) Mi ange; 3. 0 esse se RO Mr MasimalesBreitere 2 75.32352720,006% PB Bange. ann el Poeläugern. 0. 020 RE DD Dagegen betragen die Längen von M, und M, in Steieregg 0,0118 und 0,016, in Voitsberg 0,012 und 0,018, in Oppeln 0,0138 und 0,0192, in La Grive 0,014 (an einem Exemplar der Basler Sammlung) und 0,02 (0,018). Der M, war schräg eingepflanzt, wie an den Mandibeln von Oppeln und Voitsberg, indem der Kieferrand, wie dort, schon bei M; gegen den Ramus ascendens anzusteigen beginnt. Er hatte bloss eine einzige Wurzel, aber offenbar eine länglichere Krone als das von Hofmann und Schlosser abgebildete Exemplar von Voitsberg. Viel- leicht war er auch relativ etwas grösser. M, und M, sind relativ schmäler als bei den bis jetzt be- schriebenen Ursavi und haben zugleich schärfere Kanten und Spitzen, zeigen aber keinerlei Neigung zur Schmelzfältelung, sodass sich ihr Cresamthabitus etwas mehr von dem von Ursus entfernt. An M, ist auch die Verschmälerung des Umrisses nach hinten zu etwas accentuierter als bei den grössern Exemplaren. Die vordere Trigonidspitze steht unmittelbar vor der innern; sie ist sehr scharf ausgegliedert und noch ziemlich kräftig. An einem mir vorliegenden sleichfalls ganz frischen M, von La Grive-Saint-Alban finde ich dieses Element zwar deutlich entwickelt, aber weniger scharf aus- gegliedert und erheblich schwächer; an den Exemplaren von Voits- berg, Steieregg und Oppeln scheint es sich kaum geltend zu machen. Die beiden hintern Innenhügel sind sowohl an M, als an M, sehr scharf ausgegliedert und zwar ist an ersterm der hintere unbedeutend Miocäne Säugetiere von Elm. 201 stärker als der vordere, an letzterem dagegen der vordere erheblich stärker als der hintere. Die Einschnitte zwischen vorderer und äusserer und zwischen äusserer und innerer Trigonidspitze des M; sind etwas tiefer als bei U. brevirhinus und bilden einen etwas weniger stumpfen Winkel. Ein Aussencingulum ist nur vorn an M, ganz schwach ange- deutet. P, und P, sind durch ein etwas grösseres Diastama von einander getrennt als an den Mandibeln von Oppeln, Steieregg und Voitsberg. An beiden Zähnen zeigt die Basis an der Innenseite, etwas hinter- halb der Mitte, eine Ausbauchung. An P, ist sowohl die Vorderknospe als der Talon schärfer markiert als an dem Exemplar von Oppeln. Der Talon entwickelt Figur 6. Figur 6. Ursavus elmensis n. spec., C inf. sin., von aussen. — Elmer Tunnel 3523,5m ab Südportal. — Sammlung d. k. geol. Landesanstalt in Berlin. — 1/1. zwei hinter einander gestellte Warzen, deren hintere sich beiderseits nach vorn ein Stück weit in ein Cingulum auszieht. P, ist, wie an den Mandibeln von Voitsberg und Steieregg, relativ etwas stärker als bei dem Individuum von Oppeln. An beiden Praemolaren macht sich das Aussencingulum nur in der Vorderhälfte ganz schwach bemerkbar; etwas deutlicher, aber auch nur verschwommen, ist an P, ein Innencingulum markiert. Über P, lässt sich nur aussagen, dass er wie seine hintern Nach- barn zweiwurzlig war und dass er, wie an der Mandibel von Steieregg weniger unmittelbar an P, anschloss als bei dem Exemplar von Oppeln. Der Mandibelknochen erinnert sehr an das letztere, nur liegen die beiden Foramina mentalia etwas weiter vorn, das hintere unter der Hinterwurzel von P,, das vordere unter der Hinterwurzel von P3, was wohl mit der geringern Zusammendrängung der Praemolarreihe zusammenhängen wird. 202 H. G. Stehlin. Der untere Canin misst von der Kronenspitze bis zum Wurzel- ende in gerader Linie 0,03, der maximale Längsdurchmesser seines Wurzelquerschnittes 0,009. Er ist transversal komprimierter als der Ursuscanin und seine hintere Kronenkante hebt sich infolgedessen mehr hervor. An dem obern M, ist leider die grössere Hälfte der Krone, um- fassend die beiden Aussenhügel und ein Stück der Innenhügelbasis, weggebrochen. Was vorliegt, ist gleichwohl vollständig genug, um die bedeutsame Tatsache erkennen zu lassen, dass der Kronenumriss weniger längsgedehnt als bei M. brevirhinus und seine vordere Innenecke noch kaum markiert ist. Der Zahn steht also in seinem Gesamthabitus dem Ursustypus um einen Schritt ferner als der M, der bis jetzt bekannten Ursavi und erinnert in seinem Kronenumriss mehr an sein Homologon bei Hemieyon und weiterhin bei Cephalo- gale etc. Strukturell stimmt seine Innenhälfte mit Ursavus brevi- rhinus überein; wie dort erhebt sich der hintere Innenhügel von be- schränkterer Basis als der innig mit ihm verwachsene vordere, über- ragt denselben um ein weniges. Figur 7. Figur 7. Ursavus elmensis n. spec., M; sup. sin. von unten. — Elmer Tunnel 3523,5 m ab Südportal. — Samınlung der k. geol. Landesanstalt in Berlin. — 1/1. Die hervorgehobenen Abweichungen gegenüber den bisher be- kannten Ursavi scheinen mir vollauf genügend, um das Tier von Elm spezifisch von denselben abzutrennen. Man könnte sich sogar fragen, ob es nicht angebracht wäre, der Elmer Form einen neuen Genus- namen beizulegen. Da sie indessen zu Ursavus zweifellos in näherer Beziehung steht als zu Hemicyon, Hyaenarctos etc., so nenne ich sie vorderhand ,,Ursavus elmensis n. spec.“ Stratigraphische Schlussbetrachtung. Brachyodus onoideus ist ein Einwanderer des Burdigalien. Ich habe zwar vor einigen Jahren!?) geglaubt, eine auffallend kleine Brachyodusmandibel (Sammlung Bourgeois in Pontlevoy) von der 13) H. @. Stehlin, Notices paléomammologiques sur quelques dépôts mio- cènes des bassins de la Loire et de l’Allier. Bull. soc. géol. de France (4) VII, 1907, p. 535. {2} Miocäne Säugetiere von Elm. 205 Lokalität Chitenay bei Blois, welche das unterste Burdigalien zu repräsentieren scheint, auf ein Bindeglied zwischen dem Brachyodus- stamme unseres europäischen Oligocäns und Brachyodus onoideus be- ziehen zu dürfen, bin aber seitdem durch neue Beobachtungen eines bessern belehrt worden. Einerseits nämlich sind mir inzwischen von derselben Lokalität Brachyodusmaterialien bekannt geworden, welche denjenigen des typischen B. onoideus aus den Sanden des Orléanais ın der Grösse um nichts nachstehen, sodass ich mich heute gezwungen sehe, jene kleine Mandibel der Sammlung Bourgeois einfach auf ein ausnahmsweise schwaches Individuum des letztern zu beziehen.t#) Andererseits habe ich die machaerodusartigen obern Eckzähne der oligocänen Brachyodus kennen gelernt, welche, wie mir scheint, ent- schieden gegen eine direkte Beziehung dieser Tiere zu B. onoideus sprechen. Ein bei Eggenburg gefundener Eckzahn dieses letztern ist seinerzeit von Depéretl5) beschrieben und abgebildet worden. Er ist zwar auch scharfkantig, aber der Beschreibung nach transversal lange nicht so komprimiert und offenbar auch nicht so hochkronig wie derjenige des B. borbonieus; die für diesen charakteristische Zähnelung der Kanten fehlt ihm; dagegen zeigt sein Schmelzbelag dieselbe üppige Fältelung und Körnelung wie derjenige der Molaren, während der Eckzahn von B. borbonicus glatt ist. Dass die schon so hoch spezialisierte Eckbezahnung von B. borbonicus bei weiterer Ent- wicklung die Züge derjenigen von B. onoideus annehmen konnte, halte ich für ausgeschlossen. Die Gegenwart des B. onoideus gestattet uns also mit grosser Bestimmtheit auf Miocän zu schliessen. Ob sie ebenso bestimmt die unterste Stufe des Miocäns, das Burdigalien, anzeigt, könnte im Hin- blick auf den von Mayet!6) beschriebenen Fund aus den Faluns der 14) Mayet hat auf dieses Fundstück inzwischen eine neue Species, B. intermedius, gegründet. — L. Mayet, Etude des mammifères miocenes des sables de l’Orleanais et des Faluns de la Touraine. Annales de l’université de Lyon (I) XXIV, 1908, p. 174. 15) Ch. Deperet, Über die Fauna von miocänen Wirbeltieren aus der ersten Mediterranstufe von Eggenburg. Sitzungsberichte der Kk. Akademie der Wissenschaften in Wien CIV, 1895, p. 400, Tab. 1 Fig. 3. — Mayet bezieht l. ec. p. 178 einen, allem Anschein nach wesentlich anders gestalteten, oberu Caninen von Neuville-au-bois (Pi. VII, Fig. 2) auf B. onoideus, lässt sich aber weder auf eine Beschreibung desselben noch auf eine Erörterung der Ab- weichungen ein, die er gegenüber dem, schwerlich falsch gedeuteten, Exemplar von Eggenburg darbietet. Dieser Zahn von Neuville sieht demjenigen des B. borbonicus noch unähnlicher als der von Eggenburg. 16) L. Mayet, Etude sommaire des mammifères fossiles des Faluns de la Touraine. Annales de l’université de Lyon (I) XXVI, 1909, p. 39. — Mayet schlägt für diesen Zahn die Bezeichnung »B. onoideus mut. turonensis« vor, sibt derselben aber keine morphologische Begründung. 204 H. G. Stehlın. Touraine in Frage gezogen werden. Allein dieser ganz vereinzelte Zahn von Savigné-sur-Lathan kann doch kaum als hinlänglicher Be- weis dafür gelten, dass B. onoideus in Europa das Burdigalien über- dauert hat. Mayet selbst hat schon darauf hingewiesen, dass er an sekundärer Lagerstätte gefunden sein könnte. Es wäre vielleicht auch an die Möglichkeit zu denken, dass ein Teil der Faluns der Touraine ins Burdigalien zurückreicht. Ich weiss nicht, ob dieselbe schon hin- länglich geprüft worden ist. A priori wäre es wohl denkbar, dass die marine Transgression die Touraine früher erreicht hat als das Blesois, zumal da im Garonnebecken analoges festgestellt ist. Jedenfalls ergibt sich aus der Gesamtverbreitung des Brachyodus onoideus im europäischen Miocän ein hoher Grad von Wahrschein- lichkeit dafür, dass der Fund aus der Braunkohlengrube von Elm und damit diese Braunkohle selbst dem Burdigalien zuzuweisen ist. Die mit dem Brachyoduszahn gefundenen Carnivorenreste sind, wie wir gesehen haben, eher geeignet, diesen Schluss zu stützen als ihn zu widerlegen, fallen aber in Anbetracht ihrer Kümmerlichkeit kaum ins Gewicht. Anchitherium ist eine der charakteristischsten Gestalten in der Schar der miocänen Einwanderer; dass auch die Fundstelle I im Elmer Tunnel dem Miocän angehört, steht daher ausser Zweifel. Die Dimensionen der daselbst gefundenen Anchitheriumreste sprechen eher für Burdigalien als für Vindobonien, schliessen aber das letztere nicht sicher aus. | Ursavus elmensis, als eine bisher nirgends gefundene Species, gestattet uns keinen zuversichtlichen Rückschluss auf das Alter der Tunnelfundstelle II. Da er aber zu einer Vindobonienart in naher Beziehung steht und da im obern Oligocän, dessen Carnivorenfauna relativ reichlich belegt ist, noch keine Spur eines Tieres, das zum Bärenstamme in direkter Beziehung stehen könnte, gefunden worden ist, so werden wir wohl kaum fehlgchen, wenn wir auch ıhn zu den miocänen Einwanderern rechnen. - Nichts spricht somit dagegen, dass alle drei Fundstellen derselben Phase des Tertiärs angehören und vieles dafür, dass diese Phase das Burdigalien ist. Doch begrenzt unser Befund die Möglichkeit der strati- graphischen Rubrizierung nach oben weniger sicher als nach unten. In diesem Punkte, in dem sich die palaeontologischen Anhalts- punkte als unzulänglich erweisen, lässt sich unser Schluss nun aber noch durch ein Argument anderer Ordnung präzisieren. Nach den Herren Fischer und Wenz!?) treten in der uns beschäftigenden 17) K. Fischer und W. Wenz. Das Tertiär der Rhön und seine Beziehungen zu andern Tertiärablagerungen. Jahrbuch der k. preussischen geol. Landesan- stalt 1914. Miocäne Säugetiere von Elm. 205 Region in ziemlicher Verbreitung Ablagerungen auf, welche durch ihre Molluskenführung als Äquivalente der schwäbischen Sylvana- kalke, also als Vindobonien, gekennzeichnet sind. Diese Ablagerungen sind gleichzeitig mit dem Beginn der Basaltausbrüche in Rhön. Sie bestehen entweder selbst aus basaltischen Tuffen oder werden von solchen unterlagert.18) Im Profil der Elmer Braunkohlengrube treten nun aber, nach gütiger Mitteilung von Herrn Dr. Wenz, die basaltischen Materialien erst über dem Braunkohlenflöz auf, und die Ablagerungen im Tunnel enthalten nach den mir gewordenen Auf- klärungen auch keine solchen. Unser Säugetierhorizont ist also nachaquitanisch und vor- basaltisch. Ob „vorbasaltisch“ kurzweg gleichbedeutend ist mit ,,vorvindo- bonisch‘ bleibt immerhin noch etwas zweifelhaft. Es steht zu hoffen, dass neue Säugetierfunde aus der Braunkohlengrube auch diese letzte Frage bald entscheiden werden. Naturhistorisches Museum in Basel, 30. Dez. 1916. 15) Wie mir Herr Wenz schreibt, sind solche Tuffe mit Melania escheri und Vivipara auch beim Elmer Tunnelbau angetroffen worden, aber nicht an den Stellen, welche die Säugetierreste geliefert haben. Zur Theorie der isostatischen Reduktion der Schwerebeschleunigung,. Mit einer Tafel (I). Von Th. Niethammer. T: Es ist üblich, die beobachteten Schwerebeschleunigungen je nach dem Zweck ihrer Verwendung nach zwei verschiedenen Methoden auf ein einheitliches Niveau zu reduzieren. Beim Faye’schen Verfahren denkt man sich die äusseren, oberhalb des Meeresniveaus gelegenen Massen zu einer Flächenschicht im Meeresniveau kondensiert. Be- zeichnet man mit g die im Punkte P in der Meereshöhe H beobachtete Schwerebeschleunigung und mit Ag ihre Änderung in freier Luft beim Übergang vom Punkte P zu dem vertikal darunter gelegenen Punkte Q dicht über dem Meeresniveau, so stellt, wenn man den Wert 80-8 te () mit dem theoretischen Wert y, der Schwere im Meeresniveau ver- gleicht, die Differenz 80 = Yo = (8 + Ag) = Yo (2) die totale Schwerestörung im Meeresniveau dar. Dieses Verfahren liefert im allgemeinen für die Schwerestationen im Flachlande geringe Abweichungen 8, -7,; wird es dagegen auf Schwerestationen im Gebirge angewendet, so erhält man grosse posi- tive oder negative Differenzen, je nachdem sich die Station über oder unter der mittleren Höhe der umgebenden Massen befindet (vergl. z.B. Band XXIII dieser Verhandlungen, Seite 194 ff.). Sobald die äusseren Massen das Stationsniveau überragen, ıst die Anziehung der kondensierten Massen auf den Punkt Q nicht gleich gross wie die Anziehung der Massen vor der Kondensation auf den Punkt P; des- halb werden die Schwerebeschleunigungen von Gebirgsstationen durch das Faye’sche Verfahren nicht auf vergleichbare Werte zurückgeführt. Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 207 Das Bouguer’sche Verfahren unterscheidet sich vom Faye’schen dadurch, dass die Schwerewerte von der Anziehung der äusseren Massen in der Umgebung der Station befreit werden. Bezeichnen wir mit Ag, die vertikale Komponente der Anziehung dieser Massen auf den Punkt P, so ist en AE Ag: (3) derjenige Wert der Schwerebeschleunigung, den man im Punkte Q beobachtet hätte, wenn man sich die äusseren Massen in der Umgebung der Station weggenommen denkt. In der Differenz 80 He Gt Aa AS) yo (4) kommt also nur noch die Wirkung der Massenstörung unterhalb des Meeresniveaus zum Ausdruck. In Gebirgsgegenden sind die Differenzen g, — y, fast durchweg kleiner als null und nehmen im allgemeinen umso grössere negative Werte an, je grösser die durchschnittlichen Erhebungen der Ge- biresmassen sind. Beide Verfahren, sowohl das Faye’sche als das Bouguer’sche, lassen aber nicht erkennen, ob die auf Gebirgs- stationen beobachtete Schwere normal sei oder nicht; als normal ist die Schwere einer Gebirgsstation dann anzusehen, wenn der tatsäch- lich vorhandene Massendefekt unterhalb des Meeresniveaus durch die äusseren Gebirgsmassen vollständig kompensiert wird. Um diesen Nachteil zu vermeiden, hat Hayford ein Reduktions- verfahren vorgeschlagen, bei welchem die Wirkung des Massen- defektes unter den Gebirgen oder des Massenüberschusses unter den Meeren in Rechnung gezogen wird.!) Das wird möglich, wenn man die Pratt’sche Hypothese, wonach vertikale Prismen von gleichem Querschnitt, die von der äusseren Begrenzung der Erde bis zu einer gemeinsamen Niveaufläche im Erdinnern gehen, an verschiedenen ‚Stellen der Erde gleich viel Masse enthalten, so bedingt, dass die Grösse und Lage des Massendefektes oder Überschusses als bekannt angesehen werden kann. Hiezu nimmt Hayford an, es werde eine homogene Erdrinde erzeugt, wenn die äussern Massen lotrecht ver- schoben und unterhalb des Meeresniveaus gleichmässig bis zur Tiefe der gemeinsamen Niveaufläche, der sogenannten Ausgleichsfläche, verteilt werden oder wenn man den Massenüberschuss unterhalb des Meeres in gleicher Weise zur Kompensation der geringeren Dichte des Meereswassers verwendet. Mit andern Worten: die Hayford’sche Bedingung nimmt an, dass sich die Begrenzung der festen Erdober- !) Vergleiche: The effect .of topography and isostatic compensation upon the intensity of gravity, by John F. Hayford and William Bowie, Coast and Geodetic Survey, Special Publication N° 10, Washington 1912. 208 Th. Niethammer. fläche im Massendefekt oder Überschuss wiederspiegle oder dass die Pratt’sche Hypothese auch für Prismen von kleinstem Querschnitt als giltig anzusehen sei. Es wird schon von Hayford bemerkt, dass unzweifelhaft die Kompensation der äusseren Massen oder des Meeres- wassers nicht in dieser Weise erfolgen könne. Diese Annahme hat aber den grossen Vorteil, die Berechnung der isostatisch reduzierten Schwerewerte sehr zu vereinfachen, indem sie gestattet, die Resultante aus der Anziehung der äusseren Massen und der Wirkung des Massen- defektes oder Überschusses zu berechnen. Die Dichte des Massendefektes (oder Überschusses) an irgend einer Stelle der Erdrinde ergibt sich nach dieser Annahme auf fol- sendem Wege. Die äussere Erdrinde zwischen dem Meeresniveau und der Ausgleichsfläche in der Tiefe T sei ursprünglich eine homogene Schale von der Dichte ©, gewesen. Eine Massenerhebung über dem Meeresniveau von der Höhe h seı dadurch entstanden, dass die homo- gene Schicht unter gleichmässiger Dichteverminderung gehoben wurde, bis sie das Niveau h erreicht. hatte. Bezeichnen wir die neue Dichte mit d, so besteht, wenn man, wie Hayford, von der Erdkrüm- mung absieht, die Beziehung (M+hoô=T 06, (5) aus welcher man für die Dichte ® des Massendefektes erhält: h 0 mn (6) Statt dessen darf in ausreichender Annäherung angenommen werden: h DE TT. 9% (a) Die hiebei begangene Vernachlässigung läuft darauf hinaus, dass man den äusseren Massen statt der nach Gleichung (5) variabeln Dichte ö die konstante Dichte ©, zuschreibt, wie aus der Form T®=-h0, erkannt wird. Bei strengerer Rechnung hat man die Erdkrümmung zu berück- sichtigen. Sieht man die Erde als Kugel vom Radius R an, so hat man statt der Gleichung (5) die Beziehung IR+h’-R-NW°Jö-(R-R-N)&, © & : Ï T Entwickelt man nach Potenzen von — und 17 und setzt T T1-4)=T 2 > 1: h m MN so folgt, wenn Glieder von der Ordnung Een und —, vernachlässigt 2 R° werden, die der Gleichung (6) analoge Form: Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 209 h 9=6-%% TER 9 (8) Statt dessen darf wieder in ausreichender Annäherung gesetzt werden : h | = m %o (b) Berechnet man den Massendefekt nach dem Ausdruck (a) statt ö T 5 nach (b), so begeht man einen Fehler von der Ordnung => d.1. nahezu 2%, für T= 120 km. Für die Dichte © des Massenüberschusses unterhalb des Meeres erhält man, wenn die Tiefe des Meeresbodens gleich t und die Dichte des Meereswassers gleich ©, gesetzt wird, entsprechend der Gleichung (b): t / o = mr (9% 3 Oi) (b°) Auf Grund des Ausdruckes (a) oder (b) für die Dichte des Massendefektes (oder Überschusses) kann, wenn T als bekannt vor- ausgesetzt wird, die Resultante aus der Wirkung der äusseren Massen und des Massendefektes auf den Punkt P berechnet werden. Be- zeichnen wir die vom Massendefekt (oder Überschuss) allein her- rührende Komponente dieser Wirkung mit Ags, so ist die Resultante As; gleich Ag; = Ag, + As, Reduziert man die normale Schwere y, im Meeresniveau mittels der normalen Änderung Ag auf das Niveau der Beobachtungsstation : oe und vermehrt y um den Betrag Ag;, so erhält man für die normale Schwere y im Stationsniveau : Yı zz Yo Ag, de AE; In der Differenz zwischen dem beobachteten Wert g der Schwere- beschleunigung und dem £sostatisch reduzierten Normalwert y; : Sy (etAs Ag) yo (9) kommen nun diejenigen Massen zum Ausdruck, welche eine Störung darstellen gegenüber der ideellen Massenverteilung in der Erdrinde, die vorhanden wäre, wenn die Hayford’sche Bedingung der Wirk- lichkeit entspräche. Hayford hat nach diesem Verfahren die Schwereabweichungen g — y; von 89 Stationen, die über die Vereinigten Staaten von Nord- amerika verteilt sind, berechnen lassen, indem die Wasser- und Land- massen der gesamten Erde in die Rechnung einbezogen wurden, und 14 210 Th. Niethammer. findet zwischen den Mittelwerten von Stationsgruppen gleicher topographischer Lage überraschend kleine Differenzen (g -Y;).?) Das Verfahren wurde von Hayford auch auf die Schwerewerte einiger ausseramerikanischer Stationen angewendet, unter welchen sich zwei Schwerestationen der Schweizerischen Geodätischen Kommission be- finden, nämlich die Stationen St. Maurice und Gornergrat. Die Wahl dieser beiden Stationen ist offenbar dadurch veranlasst worden, dass sie topographisch sehr verschieden liegen, nach dem Bouguer’schen Verfahren aber die gleiche Schwereabweichung g, - y, aufweisen. Um die Brauchbarkeit des Hayford’schen Verfahrens für Schwerestationen im Gebirge zu prüfen, habe ich seinerzeit 11 weitere schweizerische Schwerestationen darnach berechnet. Das Ergebnis dieser Unter- suchung ist im Procès-verbal de la 56€ séance de la Commission géodésique suisse 1910, Seite 43 ff. publiziert. Dieser Stelle ist die nachstehende Zusammenstellung der Schwereabweichungen dieser 13 Stationen nach dem Bouguer’schen und Hayford’schen Verfahren ent- nommen: | S a | | Station | Se Länge | Ag, | 87 So 7o höhe Breite östlich | = | Hayford Bouguer Greenwich | | m cm sec”? em sec”? cm sec”? St. Maurice . | 419 | 46° 130 | 7 02 | — 0.091 | + 0.006 | — 0.108 Sen ol JU ERA 141 | 7 215 | - 0.082 | - 0.007 | - 0.150 Iselle. . . . | 630 12.5 | 8 12.1 | - 0.105 | + 0.004 | - 0.123 NAS D ee NE) 17.6 | 7 53.0 | - 0.090 | - 0.002 | - 0.136 Een. 683 ea. 8 OA | - 0.085 | - 0.003 | - 0.133 Eee a TES 93.2 | 7 16.2 | - 0.001 | + 0.022 | - 0:095 Zermatt . | 1603 15 | 7 45.0 | = 0.006 | + 0.041 | - 0.108 Simplonhospiz || 1998 140 SO 1.9022 010763 LOS | = CHA Sanetsch . . || 2041 192 | 7 17.2 | + 0.085 || + 0.021 | - 0.111 Chanrion . . | 2435 | 45 56.3 | 7 229 | + 0.113 | + 0.044 | - 0.113 Grd. St.Bernard | 2473 52,1 | 7 10.4 | + 0.131 | + 0.009 | - 0.136 Schwarzsee . | 2582 595 | 7 42.7 | 1 0.125 | + 0.055 | - 0.105 Gornergrat. . 3016 59.0 | 7 46.8 | + 0.165 | + 0.052 | - 0.109 Wie hieraus ersichtlich ist, liefert das Hayford’sche Verfahren, absolut genommen, erheblich kleinere Schwereabweichungen als das Bouguer’sche. Betrachtet man indessen die relativen Änderungen, so muss auffallen, dass innerhalb des die obigen Stationen umfassenden Gebietes nach dem Hayford’schen Verfahren grössere Variationen be- stehen als nach dem Bouguer’schen ; die Differenz zwischen Maximal- 2) Siehe a. a. O. Seite 75 ff. Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 211 und Minimalwert beträgt im ersten Fall 62, im zweiten Fall 41 Ein- heiten der dritten Dezimalstelle. Wenn man versucht, auf einer Karte Kurven gleicher Anomalie für die Hayford’schen Werte zu kon- struieren, so entsteht ein Bild, das einerseits mit dem Verlauf der Linien nach dem Bouguer’schen Verfahren grosse Ähnlichkeit hat, in dem sich aber andrerseits deutlich eine Abhängigkeit von der Stationshöhe und von der durchschnittlichen Erhebung der Gebirgs- massen ausdrückt. Man wird von vorneherein geneigt sein, hierin eine Folge der nicht zutreffenden Voraussetzung Hayfords zu sehen, wonach sich im Massendefekt die äussere Begrenzung der Erdober- fläche wiederspiegelt. Der wirklichen Massenverteilung in der Erd- rinde kommt jedenfalls die Annahme näher, dass für den Massen- defekt unterhalb einer Gebirgsgegend nur die durchschnittliche Ter- rainerhebung innerhalb einer bestimmten Fläche massgebend sei. Wie gross diese Fläche anzunehmen sei, darüber fehlen bis jetzt noch be- stimmte Anhaltspunkte. Doch wird man in jedem Falle einen zu- treffenderen Wert für die isostatische Reduktion berechnen, wenn man eine in horizontaler Richtung ausgeglichene Form der Erdoberfläche zu Grunde legt, insofern sich nur die Ausgleichung nicht über eine zu grosse Fläche ausdehnt. Wenn aber für die Dichte des Massen- defektes eine ausgeglichene Terrainform massgebend ist, dann kann die isostatische Reduktion Ag; nicht mehr nach Hayfords Vorgang berechnet werden, sondern es muss die Berechnung der Komponente Ag, der äussern Massen auf Grund der wirklichen topographischen Gestalt der Erdoberfläche und die Berechnung der Komponente go des Massendefektes auf Grund des ausgeglichenen Terrains erfolgen.?) Zur Berechnung von Ag, oder Ag, denkt man sich die Erdrinde in einzelne Zonen geteilt durch konzentrische Kegelflächen, deren. Spitze im Mittelpunkt der als Kugel vom Radius R angenommenen. Erde liegt, und deren Axe mit der Lotrichtung der Beobachtungs- station zusammenfällt. Die Zonen werden durch vertikale Ebenen, die sich unter gleichem Winkelabstand in dieser Lotrichtung schneiden, in einzelne Sektoren zerlegt. Nach dem Hayford’schen Verfahren hat man dann in jedem einzelnen Zonensektor die mittlere Höhe zu bestimmen und kann dann den entsprechenden Betrag von Ag, angeben. In der nächsten Umgebung der Station muss die Breite der Zonen sehr schmal angenommen werden, damit die wirkliche Ter- raingestalt genau berücksichtigt wird; die linear gemessenen Radien der ersten Zonen der Hayford’schen Einteilung sind in Metern: >) Vergl. Seite 48 des erwähnten Procès-verbal; ferner: 0. E. Schiötz, Ueber die Isostasie der Schwerkraftbestimmungen, und Erich Hübner, Beitrag zur Theorie der isostatischen Reduktion der Schwerebeschleunigung (Gerlands Beiträge zur Geophysik. XII. Band, Heft 4). 212 Th. Niethammer. 2, 68, 230, 590, 1280, 2290, 3520, 5240, 8440 etc. Wenn aber Ag, auf Grund einer ausgeglichenen Terrainform berechnet wird, kann die Zonenbreite von Anfang an grösser angenommen werden. Da mit der Zunahme der Zonenbreite die Zahl der zu be- stimmenden Höhen abnimmt, wird dadurch die Berechnung von Ag, viel expeditiver gestaltet. Die gesonderte Berechnung von Ag, und Ag, hat übrigens nur bis zu derjenigen Entfernung von der Station zu erfolgen, wo die Zonenbreite gleich oder grösser ist als die lineare Ausdehnung der Fläche, innerhalb deren die Erdoberfläche ausge- glichen wurde; für die weiter entfernt liegenden Massen genügt es, die Resultante Ag; zu berechnen. QUE 1. Wir stellen uns zunächst die Aufgabe, für den Fall, dass eine Karte vorliege, welche mittels Horizontalkurven eine ausgeglichene Form des Terrains gibt, denjenigen Anteil an der isostatischen Re- duktion Ag, zu bestimmen, der von den Massen innerhalb einer be- stimmten Entfernung a herrührt, und zwar für verschiedene An- nahmen für die Tiefe T der Ausgleichsfläche; dieser Anteil sei mit (Ag) bezeichnet. Die Erdrinde denken wir uns in der angegebenen Weise durch ein System von Kegelflächen und Vertikalebenen in einzelne Ab- schnitte zerlegt. Die durchschnittliche Höhe innerhalb des Sektors einer Zone werde auf der Karte der ausgeglichenen Erdoberfläche abgelesen. Die Dichte des Massendefektes in dem diesem Abschnitt entsprechenden Raume zwischen dem Meeresniveau und der Niveau- fläche in der Tiefe T ist dann durch den Ausdruck (b) gegeben. Die Vertikalkomponente der Anziehung, welche eine über diesen Raum gleichmässig verteilte Masse von der Dichte ® auf die Beobachtungs- station P in der Meereshöhe H ausübt, sei mit Up bezeichnet. Sum- mieren wir À über sämtliche Sektoren und sämtliche Zonen inner- halb der Entfernung a, so erhalten wir für (Ago) : (Ag,) = EU (10) Wenn wir den Radius R unendlich gross werden lassen, womit die Erde in der Umgebung der Station bis zur Entfernung a als eben vorausgesetzt wird, soll Up in Ab, d.1. in die Anziehungskomponente eines Hohlzylindersektors, übergehen. In jedem Abschnitt wird Wp in einem bestimmten Verhältnis zu Ap stehen, sodass wir setzen können: Up = ©. Ap (11) Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 215 wo der Faktor ® für die einzelne Zone konstant ist. Denken wir uns nun die Beobachtungsstation P lotrecht verschoben bis in den Punkt Q dicht über dem Meeresniveau, so soll Ap in den Wert A,, übergehen und man kann wieder setzen Ap = Qi Sr f) Ag. (12) A, bezieht sich auf eine beliebige Annahme für die Tiefe T. Für einen speziellen Fall T = T, gehe Ay in A4 über und es sei Aa LAS (13) Für Up erhält man somit durch die Einführung der Ausdrücke CD 02) und (13): HE, AG + En fAQ+(Ö-DERAGT(@ DE, FA, I Die beiden ersten Glieder der rechten Seite dieser Gleichung ent- sprechen der Annahme, die Berechnung von Up könne erfolgen unter der Voraussetzung, dass die Erdkrümmung vernachlässigt werden dürfe; die beiden letzten Glieder, die den Faktor (®-1) enthalten, berücksichtigen den bei dieser Voraussetzung begangenen Fehler. Zunächst suchen wir für A4 d. 1. die Vertikalkomponente der An- ziehung eines Hohlzylindersektors von bekannter Dichte auf den Punkt Q, einen möglichst einfachen Ausdruck; die übrigen in Formel I vorkommenden Grössen F,, f und (® -1) sind dann be- stimmt, wenn für die Tiefe T der Ausgleichsfläche und die Höhe H der Beobachtungsstation spezielle Annahmen eingeführt werden. Bestimmung von An. Die Anziehung eines Hohlzylinders von der Höhe T, und mit dem inneren Radius a, und dem äusseren Radius a, auf dem Punkt Q ist, wenn k? die Konstante der allge- meinen Massenanziehung und © die Dichte bezeichnet, gegeben durch den Ausdruck®) ae er Setzt man für © den aus der Formel (a) folgenden Wert l 9=--5 6, [0] . . 6 n . . . ein, so wird, wenn der Hohlzylinder durch — Vertikalebenen, die sich unter gleichen Winkeln in der Lotrichtung von Q schneiden, in Sek- Kr e: . O . = toren zerlegt wird, A, gleich: 4) Siehe z. B. Helmert, Die math. und physik. Theorien der höheren Geodäsie, II. Teil, Seite 141 ff. 214 Th. Niethammer. Ik, 5 do — A4 + Vera en 0 T [0] AQ = = > (IS) Die Radien a, und a, können bei gegebenen Werten von n, 9, und T, so gewählt werden, dass AQ gleich dem Produkt aus einer Potenz von 10 und der Höhe h wird. Als passende Annahme für die praktische Durchführung der Rechnung setzen wir, wenn h in Metern ausgedrückt wird: AG = —h: 107% cm sec”? (16) Das heisst: die Radien a, und a, müssen die Bedingung erfüllen: 2 3 Ve EC RUE Ce en Wi (5) O Wenn man für k? den aus der Gleichung 3 12 g = ru In R folgenden Wert einführt und die nachstehenden, speziellen Zahlen- werte annımmt: m =® ae: 980,6 cm sec”? (mittlere Schwerebeschleunigung) HEINO 5,52 (mittlere Erddichte) 1, = 20) km RR 6371 km (mittlerer Erdradius), I so wird die Bedingung (16) von dem folgenden Radiensystem erfüllt: Radien der Hohlzylinder zur Berechnung Zone von Ag Aute = 120 km 0,000 I 8,825 IT 18,405 TT 28 044 I 40,726 ÿ 54,160 VI 69,858 Vu 88,773 VIH 112,484 Le 143,801 x 188,269 Liest man somit für diese Zoneneinteilung in je 8 Sektoren die durchschnittliche Höhe h in Metern ab und bildet die Summe der 8% 10 Ablesungen, so stellt diese Summe, mit negativem Zeichen ge- Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 215 nommen, die isostatische Reduktion (Ag) dar in Einheiten der sechsten Dezimale von g in em sec? unter der Annahme, dass der Punkt P mit dem Punkte Q dicht über dem Meeresniveau zusammen- falle und dass von der Erdkrümmung abgesehen werden könne. Bestimmung von K,. Aus der Definitionsgleichung (13) für F, und der Gleichung (15) folgt: ha maté Ver m AD m or V2 IN 2 (18) Für die obige Zoneneinteilung und für die folgenden Annahmen von T: T= 80, 100, 140, 160 km resultieren aus der Gleichung (18) die nachstehenden Werte von Fy: Zone Ag T = 80 km 100 km 140 km 160 km I 1,4716 1,1908 0,8618 0,1572 Il 1,4072 1,1701 0,8725 0,7736 III 1,3329 1,1454 0,8857 0,7938 IV 1,2506 1,1169 0,9013 0,8185 V 1,1637 1,0848 0.9202 0,8485 VI 1,0762 1,0500 0,9425 0,8850 VII | 0,9920 1,0136 0,9684 0,9284 u 0,9143 0,9771 0,9976 0,9798 IX 0,8456 DONS 7 10296 710388 X, 0,7876 0,9095 | 1,0634 1,1046 | Bestimmung von £. Die Vertikalkomponente der Anziehung des Hohlzylindersektors auf den Punkt P in der Meereshöhe H ist durch den folgenden Ausdruck gegeben, wenn die Dichte nach Gleichung (a) angenommen wird: Ar 2ak? 9 V a+ H°—Vaè+(T+H)—V al + H°+V ai ++ m? = (0 = = m n T -h (19) Der Faktor f ist somit bestimmt durch die Gleichung: ee Ap Var Van) Mau + Var m)? nn Q (20) A9 — A + V à meet ne 216 Th. Niethammer. In den Tabellen Seite 218—221 ist das Produkt F,f für die verschiedenen Annahmen von T und für die einzelnen Zonen tabuliert. Bestimmung von ®. Die Anziehung einer sphärischen Scheibe mit dem inneren Radius (R—T) und dem äusseren Radius R auf den zentrisch über ihrer Mitte gelegenen Punkt P im Abstand r'= R+H vom Erdmittelpunkt ist durch den Ausdruck gegeben : R Fe 2 af Q m 27k°0 | 1-25 dr (21) à R-T Hierin bezeichnet # den Winkel, den die Lotrichtung in P mit dem vom Erdmittelpunkt nach dem äusseren Rand der Scheibe gezogenen Radius bildet, und E ist gleich: Lo Re BZ Vr +1 — 2rr'cosy Das Integral lässt sich, wie Hübner gezeigt hat?), ausführen ; sein Wert, der mit & bezeichnet seı, ist gleich 3 2 r ve rcosp 2 a = | —e ld Ar — —- + cos“ 3r PA ( STE Sr 3 Ÿ) R-T ax — cos» sin’. r' le (r — r'cosw + E) | (22) & a de . . Note à und #, = = erhalten wir somit für Wp den Ausdruck : In © jap n 1 Ink” | «a nie O 2 n IE T —p, oder ne ah (23) wenn der Wert, der aus der Gleichung (b) für die Dichte © des Massendefektes resultiert, eingeführt wird. Die Faktoren ® sind dann nach der Definitionsgleichung (11) bestimmt durch: Up D — 2 A P wo À, und Ap durch die Gleichungen (23) und (19) gegeben sind. 5) Siehe a. a. O. Seite 598 fr. Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 217 Der bedeutende Aufwand an Rechnungsarbeit, den die Bestim- mung von ® nach dieser Formel erfordert, lässt sich umgehen, wenn man annehmen darf, dass man für das Verhältnis von Vp zu A, in welchen Wert AL für H = o übergehen soll, setzen könne: el ee (24) 20 A9 N Denn dann braucht nur Ag berechnet zu werden und die langwierige Berechnung von AL für verschiedene Annahmen von H fällt weg. Um zu zeigen, dass die in (24) enthaltene Annahme, die Höhenände- rung sei bei Berücksichtigung der Erdkrümmung gleich gross wie bei Alter Vernachlässigung, gemacht werden darf, ist für einen be- stimmten Fall, nämlich T= 120 km und H = 2000 m, das Verhältnis Up yy berechnet und mit dem Verhältnis," verglichen worden. Aus Q Q der nachstehenden Übersicht ergibt sich, dass in der Tat durch die A | | P AP | Zone Te Ditfferenz l | 0,792 0,792 0,000 Il | 0,987 0,988 | — 0,001 III | 0,999 0,999 | 0,000 IV | 1,003 1,003 | 0.000 V | 1,006 1,007 | — 0,001 VI | 1,010 1,010: 0,000 VI 2001 1,013 | 0.001 NIIT | 1,016 1,017 — 0,001 De MENTON 1,020, | -o00 X 1,023 1,024 | — 0,001 Annahme (24) kein Fehler erzeugt wird, der mehr als 1 0/5, ausmacht. Setzt man demnach Ap = (1 + f) Un (25) und Ho =2, Ag (26) so geht die Formel I in die folgende über: doit, 29 I rare Di AO EC ae, M Th. Niethammer. Faktoren F,f zur Berück- Zone | I Il III IV V | N = = | T = 80 km Meter 200 0,0347 | +0,0005 | +0,0011 | +0,0017 | +0,0022 400 0,0686 | +0,0005 | +0,0021 | +0,0033 | 0,0044 600 0,1016 | +0,0002 | +0,0030 | -+0,0049 | +0,0064 800 0,1340 | - 0,0006 | +0,0037 | +0,0063 | —+0,0085 1000 0,1654 - 0,0018 | +0,0042 | +0,0077 | +0,0105 1200 0,1962 — 0,0034 + 0,0046 + 0,0090 + 0.0125 1400 0,2261 - G,0054 | +0,0049 | +0,0102 | +0,0144 1600 0,2553 | - 0,0078 | +00050 | +0,0114 | +0.,0162 1800 0,2837 | - 0,0105 | +0,0050 | +0.0125 | +0,0180 2000 0,3113 | - 0,0137 | +0,0049 | +0,0135 | +0,0198 2200, 21 7033837 T0 OT MO 001 M 910001248 72500215 2400 | -0,3645 | - 00211 | +0,0042 | 100153 | -+.0,0232 2600 0,3899 | - 0,0253 | +0,0086 | +0,0161 | --0,0248 2800 0,4147 - 0,0298 | +0,0029 | +0,0168 | —+0,0263 3000 0,4388 | - 0,0347 | +0,0020 | +00174 | +0,0278 T = 100 km 200 0,0278 +- 0,0002 + 0,0006 + 0,0010 + 0,0013 400 0,0550 0,0000 | -+0,0010 | +0,0018 | 0,0096 600 0,0815 | - 0,0005 | +0,0014 | +0,0027 | +0,0038 800 0,1074 | - 0,0012 | +0,0017 | +0,0034 | +0,0050 1000 0,1326 | - 0,0024 | +0,0018 | +0,0041 | +0,0061 1200 0,1573 — 0,0038 + 0,0018 + 0,0048 + 0,0072 1400 0,1813 | - 00056 | +0,0017 | +0,0054 | 0,0083 1600 0,2047 | - 0,0077 | +0,0015 | +0,0059 | +0,0094 1800 0,2274 | - 0,0101 | +0,0012 | +0,0064 | 0,0104 2000 0,2496 | - 0,0128 | -+0,0008 | +0,0068 | +0,0113 2200 02742, 001580 7 2.0.0002 727.000 ..20023 2400 0,2922 | - 0,0190 | - 0.0004 | +00074 | +00131 2600 0,3127 - 0,0226 | - 0,0012 | +0,0076 | +0,0140 2800 0,3326 | - 0,0264 | - 0,0020. | +0,0078 | +0,0148 3000 0,3519 | - 0,0305 | - 0,0080 | -+0,0079 | +0,0156 T = 120 km 200 | 0,0232 0,0000 + 0,0003 + 0,0005 + 0,0008 400 | - 0,0459 | - 0,0002 | +0,0005 | -+0,0010 | + 0,0016 600 | - 0,0680 | - 0,0007 | +0,0007 | +0,0015 | 0,0023 800 | - 0,0896 | - 0,0014 | +0,0007 | -+0,0019 | 0,0030 1000 || - 0,1107 - 0,0025 | -+0,0007 | +00023 | +0,0037 1200 | 0,1313 — 0,0038 + 0,0005 + 0,0026 + 0,0044 1400 0,1513 | - 0,0063 | +0,0003 | +0,0029 | -+.0,0050 1600 | - 0,1708 | - 0,0071 0,0000 | +-0,0031 +- 0,0056 1800 || - 0,1898 | - 0,0092 | - 0,0004 | +0,0033 | +0,0062 2000 || - 0,2088 | - 0,0116 | - 0,0009 | +0,0034 | -+ 0,0067 2200 || - 0.2264 | - 0,0142 | - 0,0015 | +0,0035 | 0,0073 2400 || - 02439 | - 00170 | - 0,002 | +0,0035 | 0,0078 2600 | - 0,2610 | - 0,0200 | - 0,0029 | +0,0035 | - 0,0082 2800 || - 0,2776 - 0,0233 | - 0,0088 | +0,0035 | 0,0086 3000 0,2937 - 0,0268 | - 0,0047 + 0,0034 | +0,0090 Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 219 sichtigung der Stationshöhe. VI VII VIII IX x Zone T = 80 km ML Meter + 0,0026 -+ 0,0030 + 0,0032 + 0,0033 + 0,0054 200 + 0,0052 + 0,0059 + 0,0063 + 0,0066 + 0,0067 400 + 0,0078 + 0,0088 + 0,0094 + 0,0098 + 0,0100 600 + 0,0103 + 0,0116 + 0,0125 + 0,0131 + 0,0134 800 + 0,0128 + 0,0145 + 0,0156 + 0,0163 + 0,0167 1000 + 0,0152 + 0,0173 + 0,0187 + 0,0196 + 0,0200 1200 + 0,0176 + 0,0201 + 0,0218 + 0.0228 + 0,0233 1400 + 0,0200 +. 0,0228 + 0,0248 + 0,0260 - 0,0266 1600 + 0,0224 + 0,0256 + 0,0278 + 0,0292 | —+0,0299 1800 + 0,0247 + 0,0283 + 0,0308 + 0,0524 + 0,0332 2000 + 0,0269 + 0,0310 + 0,0338 + 0,0555 + 0,0364 2200 + 0,0292 + 0,0337 + 0,0368 + 0,0387 + 0,0397 2400 + 0,0314 + 0,0364 + 0,0397 + 0,0417 + 0,0429 2600 + 0,0335 + 0,0389 + 0,0426 + 0,0449 + 0,0462 2800 + 0,0357 + 0,0415 + 0,0455 + 0,0480 + 0,0494 3000 T = 100 km + 0,0017 + 0,0020 + 0,0024 + 0.0026 + 0,0029 200 + 0,0033 + 0,0040 + 0,0047 + 0,0052 + 0,0057 400 + 0,0049 -+ 0,0060 + 0,0070 + 0,0079 + 0,0086 600 + 0,0065 + 0,0080 + 0,0093 + 0,0105 + 0,0114 -800 + 0,0081 + 0,0099 + 0,0116 + 0,0130 + 0,0143 1000 + 0,0096 + 0,0118 + 0,0138 + 0,0156 + 0,0171 1200 +0,0111 + 0,0137 + 0,0161 + 0,0182 + 0,0199 1400 + 0,0126 + 0,0156 + 0,0183 + 0,0207 + 0,0227 1600 + 0,0140 + 0,0175 + 0,0206 + 0,0233 + 0,0255 1800 + 0,0154 + 0,0193 + 0,0228 + 0,0258 + 0.0283 2000 + 0,0168 + 0,0211 + 0,0250 + 0,0283 | + 0,0311 2200 + 0,0182 + 0,0229 + 0,0271 + 0,0308 + 0,0339 : 2400 + 0,0195 + 0,0247 + 0,0293 + 0,0333 + 0,0367 2600 + 0,0208 + 0,0264 + 0,0314 + 0,0358 + 0,0394 2800 + 0,0221 + 0,0282 + 0,0336 + 0,0383 + 0,0422 3000 T = 120 km + 0,0011 + 0,0014 + 0,0018 + 0,0021 + 0,0024 200 + 0,0021 + 0,0028 + 0,0038 + 0,0041 + 0,0048 400 + 0,0032 + 0,0042 + 0,0052 + 0,0062 + 0,0072 600 + 0,0042 + 0,0055 + 0,0069 + 0,0082 + 0,0096 800 + 0,0052 + 0,0069 + 0.0086 + 0,0103 + 0,0120 1000 + 0,0062 + 0,0082 + 0,0102 + 0,0123 + 0,0144 1200 + 0,0072 + 0,0095 + 0,0119 + 0,0144 + 0,0168 1400 + 0,0081 + 0,0108 + 0,0136 + 0,0164 + 0,0191 1600 + 0,0091 + 0,0121 + 0,0152 + 0,0184 + 0,0215 1800 + 0,0100 + 0,0133 + 0,0168 + 0,0203 + 0,0238 2000 + 0,0109 + 0,0146 + 0,0184 + 0,0223 + 0,0262 2200 + 0,0117 + 0,0158 + 0,0200 + 0,0243 + 0,0285 2400 + 0,0126 + 0,0170 + 0,0216 + 0,0263 + 0,0308 2600 + 0,0134 + 0,0182 + 0,0232 + 0,0282 + 0,0544 2800 + 0,0142 + 0,0194 + 0,0248 + 0,0302 + 0,0355 3000 Th. Niethammer. Faktoren F,f zur Berück- | Zone | I Il 111 IV V bébé H | T = 140 km Meter | | 200 | - 0,0199 0,0000 -+ 0,0002 + 0,0004 | +0,0005 400 - 0.0393 - 0,0002 +,0,0003 + 0,0007 + 0,0011 600 = 0,0583 — 0,0007 + 0,0004 + 0,0010 + 0,0016 800 - 0,0769 - 0,0014 + 0,0003 + 0,0012 + 0,0020 1000 - 0.0949 - 0,0023 + 0,0002 + 0,0014 + 0,0024 1200 — 0,1126 - 0,0035 0,0000 | +-0,0016 + 0,0029 1400 — 0,1298 — 0,0048 - 0,0002 + 0,0017 + 0,0032 1600 — 0,1465 — 0,0065 — 0,0006 + 0,0018 + 0,0036 1800 - 0,1628 - 0,0083 - 0,0010 | + 0,0018 + 0,0040 2000 - 0,1787 - 0,0103 - 0,0015 + 0,0018 + 0,0043 2200 - 0,1942 - 0,0126 - 0,0021 + 0,0017 + 0,0046 2400 - 0,2092 - 0,0150 - 0.0028 + 0,0016 + 0,0048 2600 - 0,2238 — 0,0177 — 0,0035 + 0,0015 + 0,0050 2800 - 0,2381 — 0,0206 — 0,0044 + 0,0014 + 0,0052 3000 - 0,2519 — 0,0236 — 0,0052 + 0,0011 + 0,0054 | T = 160 km 200 - 0,0174 0,0000 | -+0,0001 | -+0,0002 | + 0,0004 400 - 0,0344 — 0,0002 + 0,0002 + 0,0005 + 0,0007 600 | - 0,0511 - 0,0007 +0,0002 | +0,00066 | +0,0011 800 || - 0:0673 | - 0,0013 +0,0001 | +0,0008 | -+ 0,0014 1000 || - 0,0831 — 0,0022 0,0000 + 0,0009 + 0,0017 1200 | - 0,0986 - 0,0032 - 0,0003 + 0,0009 + 0,0019 1400 - 0,1136 — 0,0044 - 0,0006 + 0,0010 + 0,0022 1600 || - 0,1283 - 0,0059 - 0,0009 + 0,0010 + 0.0024 1800 | - 0,1426 — 0,0075 - 0,0013 + 0,0009 +0,0026 2000 | — 0,1565 — 0,0093 — 0,0018 + 0,0008 + 0,0028 2200 - 0,1700 | - 0,0113 - 0,0024 + 0,0007 + 0,0029 2400 - 0,1832 - 0,0135 — 0,0030 + 0,0006 + 0,0030 2600 - 0,1960 - 0,0158 - 0,0037 + 0,0004 + 0,0031 2800 | - 0,2084 - 0,0183 - 0,0045 + 0,0002 + 0,0032 3000 - 0,2265 - 0,0210 - 0,0053 — 0,0001 + 0,0033 Die Werte des Faktors ___ Die Werte des Faktors (©, — 1)F, sind nachstehend angegeben: — 1)F, sind nachstehend angegeben: I} | | Faktoren (Do -1) F | o zur Berücksichtigung der Erdkrümmung Zone T = 80 100 120 = ei km I 0,014 0,015 0,0144 0,016 0,016 IT 0,011 0,012 0,0139 0,014 0,014 III | 0,009 0,010 0,0112 0,012 0,012 IV | 0,010 0,011 0,0110 0,012 0.012 V | 0,013 0,012 0,0121 0,012 0,013 VI | 0,014 0,014 0,0138 0,014 0,014 VII | 0,021 0,020 0,0188 0,018 0.018 | VIII | 0,026 0,025 0,0240 0,023 0,023 IX | 0,035 0,034 0, 0336 0,033 0,032 | X 0,050 0,050 0,0492 0,048 0,047 Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 221 sichtigung der Stationshöhe. VI NII VIII IX X | Zone | av n “ | Meeres- T= 140 km ce höhe H j | || Meter 0.0008 | +0,0010 | +0,0013 | +0,0017 | +0,0020 | 200 10.0015 | +0,0020 | +0,0026 | +0,0033 | +0,0041 | 400 + 00022 | +0,0030 | +0,0038 | +0.0049 | +0,0061 | 600 + 0,0029 + 0,0039 + 0,0052 + 0,0065 +0,0081 | 800 + 0,0036 + 0,0049 + 0,0064 + 0,0082 + 0,0101 1000 +- 0,0042 + 0,0058 + 0,0077 + 0,0098 + 0,0121 1200 + 0,0049 + 0,0068 + 0,0089 + 0,0114 + 0,0141 1400 + 0,0055 + 0,0077 + 0,0101 + 0,0129 + 0,0160 1600 400061 | +0.0086 | +0,0113 | +0,0145 | +0,0180 1800 1.0.0067 | +0,0094 | +0,0125 | -+0,0161 | +0,0200 2000 #0,0073 | +0,0103 | +00137 | +0,017%6 | +0,0219 2200 10.0078 | +00112 | +0,0149 | +00192 | +0,0239 2400 +0:0084 | +0,0120 | +0,0161 | +0.0207 | +0,0258 2600 1.0.0089 | +0,0128 | +00172 | +00222 | +0,0277 2800 + 00094 | +00136 | +00184 | +00238 | +0,0297 3000 0,0050 | +0,0074 | +0,0104 | +0,0139 | +0.0182 2200 + 0,0054 | +00080 | +00112 | +0.0152 | +0,0199 2400 T = 160 km +0,0005 | +0,0007 | +0,0010 | +0,0013 + 0,0017 200 +0,0010 | +0.0015 | -+0,0020 | +0,0026 + 0,0033 | 400 + 00016 | +0,0022 | +0,0029 | +0,0039 + 0,0051 600 +0,0020 | +0,0029 | -+0,0039 | + 0,0052 + 0,0067 800 +0,0025 | +0,0036 | +0,0048 | +0,0064 + 0,0084 1000 +0,0030 | +0,0042 | +0,0058 | -+0,0077 + 0,0101 1200 +0,0034 | -+0,0049 | 0,0067 + 0,0090 + 0,0117 1400 +0,0038 | +0,0056 | -+0,0076 | +0,0102 +.0,0134 1600 +0,0042 | +0,0062 | +0,0086 | +0,0115 + 0,0150 1800 + 0,0046 + 0,0068 + 0.0095 + 0,0127 + 0,0166 2000 | + 0,0057 +0,0086 | + 0,0121 +0,0164 | +0,0215 2600 + 0,0061 +0,0092 | +0,0130 | +0,0176 + 0,0231 2800 +0,0064 | +0,0098 | +0,0138 | +0,0188 | 0,0247 3000 Wie hieraus ersichtlich ist, sind die Faktoren (9, —1)F, für verschiedene Annahmen von T einander so nahe gleich, dass es ge- nügt, den Einfluss der Erdkrümmung nur für einen Fall, etwa T, = 120 km, zu berechnen. Der zweite, sphärische Faktor (®,- 1)Fof ist so klein, dass das letzte Glied in Formel II vernachlässigt werden darf; es macht im ungünstigsten Fall 0,5. 10 °? em see ? in (Ag,) aus. 2. Für diejenigen Massen, die ausserhalb des äussern Radius der Zone X (a—=188 km) liegen, berechnen wir Ag, und Ag, nicht mehr gesondert, sondern nur ihre Resultante, die mit (Ag;) bezeichnet sel; es ist dann [A [A2 ID Th. Niethammer. N Ag; = (Ag,) + (Ag,) + (Ag;) (27) Massen innerhalb ausserhalb a = 188 km. Hiezu machen wir zwei vereinfachende Annahmen und behalten uns vor, In einer späteren Untersuchung die Fehler anzugeben, die durch die Vereinfachung in (Ag;) erzeugt werden. Die erste Annahme be- steht darin, es seı (Ag,) für den Punkt Q dicht über dem Meeres- niveau gleich gross wie für den Punkt P in der Meereshöhe H. Ferner setzen wir voraus, dass die äusseren Massen auf das Meeres- niveau kondensiert werden, d. h. dass die Wirkung der äusseren Massen auf den Punkt Q ersetzt werden dürfe durch die Wirkung der aufs Meeresniveau kondensierten Massen. Die Anziehung einer sphärischen Scheibe von der Dichte ©, und der Dicke dr, die sich im Abstand r vom Erdmittelpunkte befindet, auf den über ıhrem Zentrum im Abstand r’=R-+H gelegenen Punkt P ist durch den Ausdruck bestimmt: r’cosW — r E 9 2rk°0, : (dl ) dr O r wo # und E die schon angegebene Bedeutung haben. Unter den obigen Annahmen nimmt dieser Ausdruck, da © dr in die Flächendichte € I 2 ® h übergeht, wenn Glieder von der Ordnung — vernachlässigt werden, und r=r’=R wird, die folgende Form an: 2rk® (1 + sin 3): 0, h (28) Setzt man zur Abkürzung (1 + sın 2) = N, so wir die vertikale Komponente der Anziehung eines Zonensektors der äusseren Massen gleich : 2rck? 2 2. 2 n LBolm : 00h (29) Bezeichnen wir den Wert des Integrales in (21) für r’—=R mit«,, so ist die entsprechende isostatische Reduktion gleich: > © (30) n 0 Jp Die Dichte © des Massendefektes ergibt sich aus der Bedingung: = IR: Re D] =_R?.0,h (31) Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 225 1 R Setzt man Br —— r3 _— R2 = TP (32) R-T ; h so wird Dre, (c) Setzt man diesen Wert in den Ausdruck (30) ein, so wird die Re- sultante aus den Vertikalkomponenten der Anziehung der äusseren, kondensierten Massen und des Massendefektes für den einzelnen Zonensektor gleich: h res) F@ mp7 1 und (Ag;) wird gleich der Summe dieses Ausdruckes über alle Sek- toren und Zonen. Wie bei der Bestimmung von A können die Grenzen 4, und 4, der Zonen so gewählt werden, dass bei einer bestimmten Annahme von T und n der Ausdruck (33) übergeht in x —2 h - 10 em sec wenn h in Metern ausgedrückt wird und x eine ganze Zahl be- deutet. Hiezu muss der Ausdruck. Bo = — =) als Funktion von % bekannt sein. Diese Funktion ist auf Seite 224 tabuliert für die Normaltiefe T, — 120 km (entsprechend T, = 117,754 km).6) Bei der Wahl eines Zonen- und Sektorensystems wird man darauf Bedacht nehmen, dass Zonensektoren von regelmässiger Gestalt ent- stehen; für die Konstruktion des Netzes ist es ferner angenehm, wenn die Zahlen n Potenzen von 2 sind. Eine Einteilung, die diesen Wünschen Rücksicht trägt, ist auf Seite 225 gegeben; für die Kon- stanten in (33) sind die Seite 214 angeführten Werte benützt. Die neuen Zonen sind absteigend nummeriert; der erste Wert von # ent- spricht dem äusseren Radius der Zone X. 6) Die Funktion ist nur auf soviel Stellen berechnet worden, als es der praktische Zweck, das Zonensystem auf Karten von kleinem Masstabe zu zeichnen, erfordert; die letzte der angegebenen Dezimalstellen ist nicht durchweg als sicher anzusehen, da ungefähr die Hälfte der angegebenen Funktionswerte nicht direkt berechnet, sondern aus den einschliessenden Werten interpoliert wurde. 224 Th. Niethammer. ae ae {1 = NN Differenz {N = Na Differenz oO [0] 20 0 0,2531 170 0,03123 15 0,2279 5 18 0,02943 30 0,2071 na 19 0,02782 es 45 | 0,1896 ne 20 0,026369 Van 30 0,1748 en 22 0,023828 re 15 0,1620 Be 24 0,021691 el 30 0,1510 N 26 0,019903 TU 45 0,1413 an 28 0,018371 Ne 20 0,1328 en 30 0,017023 Zr 15 0,1252 pi 32 0.015830 fee 30 0,1184 TR 36 0,013817 me 45 0,1123 nor 40 0,012193 LAS 5 0 0,1068 ae 44 0,010830 to 15 0,1018 De 48 0,009691 N 30 0,0973 Bi 52 0,008702 © 45 0,0931 a 56 0,007842 a 60 0,0893 pe 60 0,007084 AS 15 | 0,08575 as 64 0,006410 2 30 | 0,08248 ES 68 0,005805 nu 45 | 0,07944 ve 72 0006259 | = 75 © 0,07662 En 76 0,004764 15 0,07399 I 80 0,004312 Er 30 0,07155 Ge 84 0,003898 u 45 0,06924 Br; 88 0,0035 18 a 3.0 0,06708 Le 92 0,003168 ie 30 0,06312 ne 96 0,002845 He 9 0 0,05961 ne 100 0,002547 je 30 0,05646 u 104 0,002272 a 19 ® 0,05363 pe 112 0,001 782 2 30 0,05104 120 0,001363 BI (0 0,04869 ö 128 0.001010 5 30 0,04654 Le 136 0,000715 ie 12 0 0,04458 144 0,000474 13 0,04111 1. 152 0,000285 | 7 à 14 0,03813 de 160 0,000145 ae 15 0,03553 Sr 168 0,000052 u 16 0,03324 2 176 0.000006 17 0,03123 DE 180 0,000000 | Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 225 Zoneneinteilung der Erdkugel zur Berechnung von: (Ag,) q ao V2 Unter- Zone ap Bo - m” 5 nal ONE En ee 10 ns 0,29213 6 N 11 3 30 48 0,15045 — 0,14168 UT 16 20 19 10 Ba ji 0,07960 = D,un0Es Dr 8 4 38 9 ie 64 0,044181 — 0,03542 DT + 8 40 BU 809 0030013 | - 0014168 |10-7| 16 | 14 23 fl 31 585 0,015844 - 0,014169 U: 16 228 nue | am nome) à | sé 7 72 18,9 0,005218 | : : 2 2 over | - 0003542 |10-"| 4 | 888 le © ous mel |» me 155 29 0 000259 Te gs DR: 7 il 180.0 0,000000 — 0,000259 | 10 4 161,1 IR a ]?2 Da in der letzten Zone 1 die Differenz | 8, — A ; — 0,000259 ist, statt, wie es bei 4 Profilen > a gleich 0,000354, so sind die Höhen h der letzten Zone mit 2° d.i. rund = zu multiplizieren. Die sr in der letzten Kolonne „Unterteilung“ Grenzen zerlegen die einzelnen Zonen so, dass die in den entstehenden Unterabschnitten abgelesenen Höhen h einfach gemittelt werden dürfen. Der Einfluss des Massenüberschusses unterhalb des Meeres kann auf Grund des gleichen Zonensystems berechnet werden, wenn die Meerestiefen t mit einem konstanten Faktor multipliziert werden und wenn eine kleine von der Tiefe t abhängige Korrektion angebracht wird. Bezeichnet nämlich ©, die Dichte des Meereswassers, so ist der Massendefekt des Meeres gegenüber der ursprünglich homogen geschichteten Erdrinde von der Dichte ©, gleich 8, - 0, Denkt man sich diesen Massendefekt wieder aufs Mecresniveau kon- densiert, so ist die Flächendichte in gleicher Annäherung wie früher gleich (OS 9.) 226 und die Vertikalkomponente der Anziehung eines Zonensektors ge- geben durch: 15 226 Th. Niethammer. 2ak” Va n [Bo] (9 de @) a (34) Y Der Massenüberschuss © unterhalb des Meeres ist durch die Be- dingung bestimmt: s|R-9°-@-7)°) 6-R"(6, -@,)-t = 5 Setzt man: 2 RE = TT (35) en ! t ; so wird: 9 = T7 (9, — A) (d) Bezeichnen wir mit @ den Wert des Integrals in (21) zwischen den Grenzen (R—T,) und (R—t) für r = R, so ist die Vertikalkom- ponente der Anziehung des Massenüberschusses im einzelnen Zonen- sektor gleich ee (36) 1 n Statt a dürfen wir hierin @, d. i. der Wert des Integrales zwischen den Grenzen (R—T,) und R einführen, wenn man sich die im Raum zwischen dem Meeresboden und Meeresniveau zugefügte Masse wieder weggenommen denkt. Die Wirkung dieser zugefügten Masse können wir kompensieren durch eine aufs Meeresniveau kondensierte Flächen- schicht von der Dichte —@t. Statt (36) erhält man dann Ik” - v, Ink” v, Oo ? Q — o HOT 37 [ I, [8 n (37) n 1 Führt man für © den durch die Gleichung (d) bestimmten Wert ein, so erhält man aus der Summe der Ausdrücke (34) und (37) für die Vertikalkomponente der Resultante aus der Wirkung des Massen- defektes im Meere und des Massenüberschusses unterhalb : OÙ nv — Va 2 Bo | (9, - I) t (38) 9 Dieser Ausdruck wird für ,=0° als untere und 4, = 1800 als obere Grenze nicht streng gleich Null, wie es unter den gemachten Voraussetzungen für die isostatische Reduktion Ag; einer vollen Kugelschale der Fall sein sollte, weil die Wirkung der im Meeres- raume zugefügten Massen und diejenige der aufs Meeresniveau kon- Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 227 densierten sich nicht genau aufhebt; er wird aber streng gleich Null, wenn man (T° +t) durch TV ersetzt, womit im Faktor von ß, höchstens ein Fehler von der Ordnung 0,0001 entsteht. Setzt man somit Io de nr To und IN = 14e so geht der Ausdruck (38) über in den folgenden: = mi &o a 2 Zr 5 AE O To n (9% cd 9.) t: (1 Zi €) (39) Sieht man vom Faktor e und vom Zeichen ab, so stimmt dieser Ausdruck mit (33) überein, wenn man (9, — 9) an Stelle von © setze Dar tür 9, = 2,0 und 9, = 1,02% ist, hat man somit, um bei der gleichen Zoneneinteilung die isostatische Reduktion (Ag;) für die vom Meere bedeckten Teile der Erdrinde zu erhalten, die in den Zonensektoren abgelesenen Meerestiefen t mit dem Faktor 0,620 zu multiplizieren und noch eine der Grösse & ent- sprechende Korrektion anzubringen, die leicht angegeben werden kann, da man sie der Tiefe t proportional annehmen darf. In welchem Masse sich der nach dem entwickelten Verfahren er- mittelte Betrag von (Ag;) ändert, wenn statt T,= 120 km eine andere Annahme für die Tiefe der Ausgleichsfläche eingeführt wird, ist der folgenden Zusammenstellung zu entnehmen; sie gibt für die Zonen 11 bis I die Reduktionsfaktoren ® nach der Gleichung SE 5 UN, | Bo ar j x; ut ce ne 2 To = | Po = ie I =, wo mit @p der Wert des Integrales in (21) für eine beliebige Annahme von T und mit ar, der Wert für die Annahme T,—120 km be- zeichnet ist. 228 Th. Niethammer. Faktoren ®’ | Zone S 180 100 140 160 km 11 0,722 0,870 1,112 1,206 10 0,683 0,844 1,150 1,293 9 0,670 0,836 1,162 1,322 8 0,668 0,834 1,165 1,330 7 0,67 0,83 7 1,33 6 0,67 0,83 Pal 1,33 5 0,67 | 0,83 17 1,33 4 0,67 0,83 1,17 1,33 3 0,66 0,83 1117 1,33 2 0,66 0,83 1,17 1,33 1 0,7 0,8 1,2 1,3 NUR Da die Grösse des Querschnittes der Prismen, die nach der Pratt’schen Hypothese gleich viel Massen enthalten sollen, nicht be- kannt ist, wird man die Aufgabe umkehren, das heisst: für ver- schieden starke Ausgleichungen der äusseren Massen in horizontalem Sinn die isostatische Reduktion berechnen und unter diesem System verschiedener Lösungen diejenige als der Wirklichkeit am besten ent- sprechend annehmen, welche die beste Darstellung der beobachteten Schwerebeschleunigungen liefert. Als ein erster Schritt zur Lösung dieses Problems ist die Karte mittlerer Höhen anzusehen, die dieser Abhandlung (siehe Tafel IT) beigegeben ist. Die mittlere Höhe in einer beliebigen Lotrichtung definieren wir als das Verhältnis des Volumens der äusseren Massen in einem bestimmten Umkreis zu dessen Flächeninhalt. Aus praktischen Gründen ist die Karte der Tafel II nicht für eine Ausgleichung der Massen innerhalb Kreis- flächen, sondern für eine Ausgleichung innerhalb Quadraten kon- struiert worden; bei quadratischer Anordnung kann das einer ersten Karte zugrunde liegende Zahlenmaterial leicht zur Bildung ausge- glichener Höhen in grösseren Quadraten wieder verwendet werden. Dass bei diesem Verfahren die Symmetrie nicht gewahrt wird, ist insofern nicht von Bedeutung, als es sich vorerst nur um die Grössen- ordnung handelt, d. h. ob Isostasie innerhalb Flächen von 10 x 10 km? oder 100 x 100 km? oder innerhalb noch grösserer Flächen vorhanden ist. Übrigens würde auch die Bildung mittlerer Höhen innerhalb Kreisflächen durchaus nicht der strengen Lösung des Problems ent- sprechen; denn diese hat nicht von der Gleichheit der Massen aus- zugehen, sondern von der Gleichheit des Druckes in der Ausgleichs- fläche. Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 229 Die Karte mittlerer Höhen der Tafel II (im Masstab 1: 2 000 000 mit Horizontalkurven von 200m Abstand) ist in folgender Weise konstruiert worden. Die schweizerische Schulwandkarte (Masstab 1: 200 000 mit Horizontalkurven von 100 m Abstand) trägt am Rand ein Koordinatensystem, dessen Nullpunkt sich in der Südwestecke be- findet und dessen Axen parallel sind den Axen des Bonne’schen Pro- jektionssystems, das den schweizerischen Karten zugrunde liegt.‘ ) Entsprechend der am Rande angegebenen Kilometrierung wurde die Schulwandkarte in Quadrate von lcm Seitenlänge zerlegt und in jedem dieser Quadrate durch einfaches Abschätzen mittels der Hori- zontalkurven die mittlere Höhe bestimmt. Durch Mittelung von je 4% 4 dieser Höhenablesungen wurde dann die mittlere Höhe von Quadraten von 4 cm Seitenlänge, entsprechend 8 X 8 km? des Terrains, gebildet. Die Mittelpunkte dieser lückenlos aneinander stossenden und sich nicht überdeckenden Quadrate liegen auf Parallelen zu den Rändern der Schulwandkarte in folgenden Abständen vom Null- punkt: in der West-Ost-Richtung: x=4,12,20,28,... km in der Süd-Nord-Richtung: y=4,12,20,28,... km. Diese mittleren Höhen wurden sowohl in der West-Ost- und Süd- Nord-Richtung als auch in der Diagonalrichtung von Nordwesten nach Südosten graphisch aufgetragen und durch eine kontinuierlich verlaufende Kurve miteinander verbunden, welche als das Profil der ausgeglichenen Terrainfläche angesehen werden kann. Diesen Profilen wurde die Lage der Schnittpunkte der Horizontalkurven, deren Wert ein gerades Vielfaches von 100 m ist, mit den Parallelen zur x-, y- und zur Diagonalrichtung entnommen; der Verlauf der Horizontal- kurven der ausgeglichenen Terrainfläche ergab sich dann durch Ver- bindung der entsprechenden Höhenkoten, die in der Originalzeichnung im Masstab 1: 1 000 000 aufgetragen wurden, mittels eines zwanglos verlaufenden Linienzuges. Ausserhalb des auf der schweizerischen Schulwandkarte ent- haltenen Gebietes wurden die mittleren Höhen auf folgenden Karten abgelesen: im Westen, Süden und Osten auf der italienischen Karte 1: 500 000 mit Horizontalkurven von ungleichem Abstand (Wert der Kurven : 200, 300, 500, 800, 1000, 1300, 1600, 2000, 2400 m ete.); im Norden auf der topographischen Übersichtskarte des deutschen Reiches 1:200000 mit Horizontalkurven von 20 m Abstand; im 7) In diesem „Randkoordinatensystem“ betragen die Koordinaten des Null- punktes des Bonne’schen Systems in der Richtung West-Ost 130,0 km, in der Richtung Süd-Nord 138,0 km. 230 Th. Niethammer. Nordwesten auf der Carte de la France 1: 200 000 mit Horizontal- kurven von 20 m Abstand. Auf diesen Karten wurden im allge- meinen zur Bestimmung der mittleren Höhe des Grundquadrates von 8 km Seitenlänge nur noch 4 Einzelablesungen gemacht. Um ein Urteil zu gewinnen, wie genau die mittlere Höhe eines 8 km-Quadrates durch die einfache Mittelung der 16 Einzelab- lesungen erhalten wird, ist für die nachstehend angegebenen Quadrate die mittlere Höhe durch Planimetrierung ermittelt worden. Die Lage der Quadrate ist durch die „Rand‘koordinaten x und y der Eck- punkte bestimmt; die Zahlen sind die Korrektionen in Metern, die an den durch einfache Mittelung der Ablesungen abgeleiteten Höhen anzubringen sind, um sie auf die planimetrisch ermittelten zurück- zuführen. | 0-8 |24.32|48.56 | 72.80 96 - 104 120. 1281144 - 1521168 - 176 a Î b | c 96-104 | + 12 gell RENE AGP) eg 12280, RES Se TO 25) DATE PS AMEN ON ER 48-56 | + 19 | = 7 rif-ul+s MS INETOA 0 l 24.32 | + 29 ON] RARES ENS een LS | = 0-8 oe Werne en reise on ee. © Die unter „a“ zusammengefassten Werte beziehen sich auf Quadrate, die im Jura liegen, die unter „‚b“ auf solche im Mittelland und unter „ce“ auf solche im Alpengebiet. Der quadratische Mittel- wert sämtlicher Korrektionen beträgt + 22m. Zu einem Betrag von nahezu derselben Grösse gelangt man durch die Annahme, die Un- sicherheit der einzelnen Ablesung sei gleich dem Abstand der Hori- zontalkurven, also gleich + 100m; die Unsicherheit des Mittels aus 16 Einzelwerten ist dann gleich + 100 : 4 — + 25m. Diese Genauig- keitsangabe gilt nur für die direkt bestimmten Höhen; für die mittels des Profilzuges interpolierten Werte ist die Unsicherheit etwas höher anzusetzen. Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 251 Bildet man den Durchschnittswert der obigen Korrektionen für jeden der drei Fälle, so erhält man: a) im Jura + 4 m b) im Mittelland — 2m c) im Alpengebiet = 7 m Erhebliche systematische Fehler sind nach diesen Beträgen nicht an- zunehmen. Ausserhalb des Gebietes der Schulwandkarte ist wegen der Mit- telung aus nur 4 Einzelhöhen die Unsicherheit grösser anzusetzen. Dieser geringere Grad an Genauigkeit ist indessen ohne Bedeutung für die Berechnung der isostatischen Reduktion schweizerischer Schwerestationen, da in den weiter entfernt liegenden Gebieten nur mittlere Höhen aus Flächen, die erheblich grösser sind als das Grund- quadrat von 8km Seitenlänge, in Betracht kommen. Die Karte der Tafel wird ausser ihrem eigentlichen Zwecke auch anderen Untersuchungen, z. B. solchen meteorologischer oder pflanzengeographischer Natur, eine Grundlage bieten können. IV. Es bleibt einer besonderen Untersuchung vorbehalten zu zeigen, was für Resultate die Anwendung der Karte mittlerer Höhen auf die Stationen des schweizerischen Schwerenetzes auf Grund der im zweiten Abschnitt entwickelten Formeln liefert. Im Folgenden soll nur die Berechnung von (Ag,) an einer Station gezeigt und das Re- sultat der entsprechenden Rechnung für die auf Seite 210 angeführten Stationen mit dem Ergebnis der Hayford’schen Methode verglichen werden. Für die Station Gsteig sind in der nachstehenden Tabelle unter >h die Summen der in je 8 Sektoren abgelesenen Höhen für die Zonen I bis X angegeben. Die einfache Summe über alle Zonen: 106475 m, sagt aus, dass im Punkte Q die Schwere infolge des Massendefektes, dessen Dichte auf Grund der Karte mittlerer Höhen 2 vermindert angenommen wird, für T — 120 km um 0,106,,, em sec” wird. Multipliziert man die Zonensummen Ih mit den Faktoren F, (Seite 215), so erhält man die entsprechenden, auf verschiedene An- nahmen von T reduzierten Beträge, die in der folgenden Zusammen- stellung unter „„I(F >$h) - 10°°°“ angegeben sind. Addiert man hiezu die in der nächsten Kolonne stehende Höhenkorrektion X(fF Ih)10 "® und bringt noch die sphärische Korrektion I((®,—1)F,h)10"° — 0,00186 cm sec”? an, die für die verschiedenen Annahmen von T gleich gross angesetzt werden kann, so resultieren die angegebenen [8 (se) [Ro] Th. Niethammer. Station Gsteig. Faktoren f. F, für H = 1185 m und T gleich: : Zone Zh (D -1)F, Zh10% 80 km | 100 km | 120 km | 140 km | 160 km | ° Fe m 10* 105 10* 10 10° em sec” I 14 550 || -1939 | - 1554 | -1298 | -1112 | - 974 0,000 21 IT 12.9504 27330 30,2 7 ara NAS 02251 18 II | 11250 | + 4| + 183|+ 5 Bl... 8 13 IV 12000 || + 89 | + 48 | + 26 | + 16 | 9 15 V 12475 | + 124 | + 71 | + 44 | + 29 | + 19 15 VI 11 800 | + 150 | + 95 | + 61 | + 42 | + 30 16 VII | 10500 | + 171 | + 117 | + 81 | + 57 | + 42 20 VIII 9 150 | + 185 | + 136 | + 101 | + 76 | + 57 22 IX 6230 || + 194 | + 154 | + 122 | + 97 | + 76 21 X 5570 | + 198 | + 169 | + 142 | + 120 | + 100 |, 27 Sunme: |106 475 | 0,001 86 Werte von (Ag). Aus den beigeschriebenen ersten und zweiten Diffe- renzen geht hervor, dass (Ag,) leicht auf eine beliebige Annahme von T zwischen 80 und 160 km interpoliert werden kann. T ZE, 2m 10° | (LE, zu) 10° (Ag,) 1te Diff. | 2te Diff. I 5 km em sec 2 cm sec. 2 em sec _ À 80 | 0,12529 - 0,00180 = 0,1254 [0 100 | 0,11521 _ 0,00159 - 0,1155 vo = 43 120 | 010648 _ 0.00144 - 0,1069 Br A 140 | 0,09885 - 0,00130 = 0,0994 lé z UE | 160 | 0,09204 - 0,00120 | - 0,0927 e Die Anziehung der äussern Massen auf den Punkt P in der Meereshöhe H ist in den Veröffentlichungen der Schwerebestim- mungen (siehe: astronomisch-geodätische Arbeiten in der Schweiz, herausgegeben von der schweizerischen geodätischen Kommission, 12.. 13. und 15. Band) angegeben. Die Berechnung erstreckt sich dort nur bis zu einer Entfernung von 33 resp. 42 km und ist nach dem üblichen Verfahren ausgeführt, wonach die Anziehung der äusseren Massen gleich der Differenz. zweier Grössen gesetzt wird, von denen die erste die Anziehung einer ebenen, unendlich ausgedehnten Platte von der Höhe H darstellt, während die zweite, die sogenannte topo- sraphische Reduktion, die Abweichung der Erdoberfläche in der Um- eebung der Station von dieser ebenen Platte berücksichtigt. Die Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung,. 233 Differenz dieser beiden Grössen ist in den erwähnten Publikationen mit —(Ag’+4Ag”) bezeichnet. Die Anziehung der mehr als 42 km entfernten Massen muss unter Berücksichtigung der Erdkrümmung berechnet werden; die Tabellen, die wir dieser Berechnung zugrunde gelegt haben, beruhen auf dem Ausdruck (21), der numerisch integriert wurde für die gleichen Zonen, die zur Berechnung von A angenommen wurden. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass die zur Berechnung von Ay, abgelesenen Höhen von der Zone V an auch zur Berechnung der Anziehung der äusseren Massen verwendet werden können.8) Da bei der Berechnung von Ag’ die ebene Platte unendlich aus- gedehnt angenommen wurde, ist an Stelle von — Ag’ die Anziehung Ag, einer zylindrischen Platte vom Radius a = 42 km einzuführen ; die Differenz Ô zwischen Ag, und Ag’ beträgt 0 = Ag’ — Ag; 2 CAE 2 Om Für die Station Gsteig sind die numerischen Daten zur Be- rechnung der Anziehung der äusseren Massen bis 188 km Entfernung nachstehend zusammengestellt: le 9) cm sec — Anziehung der ebenen unendlich ausgedehnten Platte: + 0,1504 von 0 bis 33 km: — 0,0147 Tone epische Reduktion | nn 0 | von 33 bis 42 km: — 0,0001 Differenz ö der Anziehung der ebenen Platte und des Zylinders: - 0,0019 Anziehung der äussern Massen von 42 bis 188 km für @=2,70: + 0,0023 Anziehung der äussern Massen von 0 bis 188 km: (Ag1) = + 0,1160 A Anziehung des Massendefektes für T = 120 km: (Ag, Isostatische Reduktion für die Massen von 0 bis 188 km: (Ag}) + (Ag) = + 0,0091 Die Resultate der Berechnung von (Ag,) und (Ag) für die übrigen Stationen sind nachstehend zusammengestellt. Zum Vergleich mit den nach dem Hayford’schen Verfahren berechneten Beträgen wurden die Werte von (Ag,) zunächst auf die diesem letztern zugrunde liegende Tiefe der Ausgleichsfläche, nämlich T — 113,7 km, inter- poliert. Da ferner die Hayford’schen Werte Ag, der Seite 234 sich auf die Massen der ganzen Erde beziehen, wobei aber für die mehr als 167 km entfernten Massen ein konstanter Beitrag von — 0,010 em sec ? $) Für die vorliegende Karte mittlerer Höhen läuft dieses Verfahren auf dasselbe hinaus, wie wenn schon für die mehr als 42 km entfernten Massen nur die Resultante Ag; und nicht die Komponenten Ag; und Ag getrennt be- rechnet worden wären. — Von einer Wiedergabe dieser Tabellen, die bei graphischer Darstellung die Berechnung sehr einfach gestalten, sehen wir der Kürze halber ah. Th. Niethammer. 234 —_—————__eeeeeeeeeee, Tu. (Ass) (Agı) + (4g2) a Ua) bis zur Entfernung a = 188 km bis a = 167 km en an a | ir T=100km| 120km | 140 km | 113,7 km | 113,7 km | „Karte | Hayford- | = Höhen | Verfahren | m 107 "em sen” 10° cm sec? 10°®cm sec”? St. Maurice : 419 + 23,0 | = 111,1 | - 103,2 | - 96,3 | = 105,6 | = 103 - 80 — 81 0 L Sitten . 514 SP. = 126 ee = OR MIN = - 18 - 72 + 1 Iselle . 5 630 + 22,4 | - 124,0 | - 114,7 | - 106,6 | = 1175 | = 114 - 92 - 95 - 3 Visp . . 649 re re ee ee 102 - 78 — 80 - 2 Brig . 683 149,058 1152,00 82121598 TN PT Er - 77 - 75 + 2 Gsteig | 1185 + 116,0 | - 115,5 | - 106,9 | - 99,4 | - 109,5 | - 107 + 9 + 9 | 0 Lermatt 1603 +143,4 | - 143,9 | - 131,9 | - 121,1 | - 135,2 | - 132 + 11 + 4 - 7 Simplonhospiz. . 1998 + 2190| - 132,0 | - 121,4 | - 1124 | - 124,6 | = 121 + 98 + 86 - 12 Sanetsch 2041 + 216,2 || = 118,3 | - 109,4 | - 101,5 | - 112,1 | -109 + 107 + 9 - 12 Chanrion 2435 + 267,4 | - 139,6 | - 127,6 | - 117,7 | - 131,3 | - 128 + 139 + 123 16 Grd. St. Bernard 2473 + 278,4 || - 134,4 | - 1233 | - 113,8 | - 126,6 | - 124 + 149 + 141 = 8 Schwarzsee . : 2582 + 281,8 || - 141,4 | - 1292| - 119,1 | - 132,9) - 129 +153 + 135 - 18 Gornergrat 3016 +3204 | - 1395 | - 127,6 | 117,6 | - 181,1 | - 128 + 192 + 175 17 Zur Theorie der isostat. Reduktion der Schwerebeschleunigung. 235 angenommen wurde, ist in der letzten Kolonne der Werte (Ag) der- jenige Betrag angegeben, der der Berücksichtigung der Massen bis 167 km Entfernung entspricht, und die Hayford’schen Werte Ag, sind durch Vermehrung um 0,010 em sec ? ebenfalls auf die Massen innerhalb dieser Entfernung reduziert. Wie aus den letzten Kolonnen der Zusammenstellung, Seite 234, hervorgeht, sind die Differenzen zwischen den beiden Rechnungsarten für Talstationen nicht bedeutend; sie erreichen nur wenige Einheiten der dritten Dezimalstelle von g in cm see 2 Für Gebirgsstationen nehmen aber die Differenzen erhebliche Beträge an, die bis nahezu 20 Einheiten geben. Wenn man der Rechnung eine noch stärker aus- geglichene Terrainform zugrunde legte, so würden auch bei den Tal- stationen grössere Differenzen, und zwar im positiven Sinne, auf- treten. Bei dieser relativ weitgehenden Abhängigkeit scheint der Ver- such, auf Grund von verschieden starker Ausgleichung der äusseren Massen in horizontalem Sinn die bestmögliche Darstellung der be- obachteten Schwerewerte eines Gebirgslandes zu suchen und dadurch die Pratt’sche Hypothese genauer zu präzisieren, nicht ohne Aus- sicht auf Erfolg zu sein. Erst dann wird man auch auf die Frage nach den Beziehungen zwischen geologischen Vorgängen in der äussersten Erdrinde und den Anomalien isostatisch reduzierter Schwerewerte näher eintreten können. Manuskript eingegangen den 15. Januar 1917. Für Basel und für die Schweiz neue Lepidopteren, nebst einigen neuen Formen und biologischen Angaben. Von Eugen Wehrli. Für die Faunistik unseres Gebietes hat der schon so lange dauernde Abschluss der Grenze wenigstens in einer Hinsicht etwas Gutes mit sich gebracht, dadurch, dass, infolge der Konzentration auf die schweizerische Seite, die Kenntnis des grossen Reichtums an Arten und der Mannigfaltigkeit an eigenartigen Formen ganz besonders unseres Juras sich wesentlich erweitert und vertieft hat, während früher unsere Basler Sammler zum Teil ausschliesslich, zum Teil mit Vorliebe den Seltenheiten des Schwarzwaldes, der Vogesen und der Rheinebene nachspürten. Sonst wäre es nicht denkbar gewesen, im Laufe von 21/, Jahren einen solchen Zuwachs von 13 Gattungen, 127 Arten und 132 Formen für die baslerische Umgebung, von einigen Arten und Aberrationen für die Schweiz und von einigen unbe- schriebenen Formen buchen zu können, trotz der vorausgegangenen vorzüglichen Arbeiten Christ’s,1) Courvoisier's,2) Seilers in Liestal?) und trotz der im Jahre 1914 erfolgten gründlichen und um- fassenden Neubearbeitung der Lepidopteren der Schweiz von Vorbrodt. Von Interesse ist der Nachweis einiger alpiner Falter, deren Vorkommen im Jura bisher gar nicht, z. B. Agrotis ocellina Hb. und Lar. laetaria Lah., oder nicht mit genügender Sicherheit (Lar. minorata Tr.) bekannt war. Besondere Aufmerksamkeit wurde der in Färbung und Zeichnung oft recht beträchtlichen Ver- schiedenheit der jurassischen Formen von den alpinen und vor- alpinen Stücken an beiden Orten vorkommender Spezies geschenkt; 1) Christ, Uebersicht der um Basel gef. Tagfalter und Schingiden. Ver- handlg. d. Naturf. Gesellsch. Basel 1877, p. 368. 2) Courvoisier, Uebersicht über die um Basel gefundenen Lycaeniden. Ibid. Bd. XXI, pag. QTE. 155. 3) Seiler, Bombyeiden, Noctuiden, Geometriden, von Liestal. Tätigkeitsber. Naturf, Ges. Baselland 1900, 1901, 1902, 1903, 1907, 1911. Für Basel und die Schweiz neue Lepidopteren. 237 besonders die an Felsen sich aufhaltenden Arten sind regel- mässig im Jura viel heller und oft schärfer gezeichnet als in den Alpen; Einzelheiten sind aus dem Text zu ersehen. Manche in der Schweiz als grosse Seltenheiten geltende Tiere wie E. virgaureata Dbld., laquearia HS., pulchellata pyrenaeata Mab., expallidata Gn., valerianata Hb. scheinen im Basler Klima die Bedingungen zu häu- figem Vorkommen zu finden. — Erwähnen möchte ich noch, dass der Lichtfang um Basel, wegen der unzähligen starken elektrischen Lampen überall, ganz bedeutend weniger ergiebig ist, als an licht- ärmern Orten z. B. in der Ostschweiz; und doch hat diese Methode zur Wiederauffindung eines am Rhein seit vielen Jahren verschollenen Falters, der Tapinostola extrema Hb., geführt. — Sämtliche Tiere dieser Liste, soweit sie vom Verfasser gefunden wurden, sind entweder (die überwiegende Mehrzahl) im Freien gefangen, oder aus im Freien gesammelten Raupen gezogen worden; ex ovo habe ich gar nichts gezüchtet und glaube damit in der Natur fehlende Zucht-Kunst- produkte vermieden zu haben. Fundortsangaben und Notizen, hinter welchen kein Name gesetzt ist, rühren vom Verfasser her. Abkürzungen: Courv. =Courvoisier; Vorbr. = Vorbrodt; Hon. = Honegger; gez. = gezogen; gef.=gefangen; St. = Stück; Expl. = Exemplar. * Neu für Basel (in bisherigen Publikationen nicht oder irrtümlich, un- sicher erwähnt, oder als erloschen gemeldet). ** Neu für die Schweiz und Neubeschreibungen. Rhopaloceren. Papilio machaon L. *immaculatus Schultz. Basel e. L Hosp. P. apollo L. *Pseudo-Nomion Christ: Roter Kern im äussern schwarzen Flecken des obern Randes der Vfl. Oseite. Sissacher- Fluh 1875 Christ!) seither wie es scheint nicht mehr. Am Weissen- stein 2 St. *nivatus Fruhst. Im Jura herrschende Lokalform. Einzelne meiner Falter vom Weissenstein sind von valesiacus Fruhst. — Formen von St. Niklaus nicht zu unterscheiden. . napi L. *bryoniae O. Hasenmatte mehrfach. . cardamines L. *turritis O. Basel Hosp. e. 1. . edusa F. **pyrenaica Gr. Gr. Hüningen Hosp. . atalanta L. Mit weissrosa Mittelbinde. Basel Hosp. A. *Ino Esp. Christ schreibt über diesen Falter p. 378: „Kommt im Elsass, in Baden und in der Schweiz jenseits des Jura vor, fehlt bis jetzt unserer Gegend.‘ Am hintern Weissenstein-Weg vielfach. Melanargia galathea L. ** minor Vorbr. Basel Hosp. ONE 238 E. Wehrli. : Maniola stygne O. Hasenmatte, Hauenstein. euryale Esp. *helvetica Vorbr. Hauenstein, Weissenstein häufig. e. **ocellaris Stgr. Hasenmatte. Eumenis fagi Scop. |= Hermione L. | *selene Fourer. Juraform. An felsigen Orten nicht selten. Pararge maera L. *herdonia Fruhst. Blauen. Die typische adrasta Hb. scheint uns zu fehlen, nach Vorbr. egeria L. *elegantia Fruhst. Lange Erlen. Epinephele tithonus L. **quadripunctata Hosp. Nenzlingen Hosp. Coenonympha iphis Schiff. *carpathica Horm. und anaxagoras Assm. Blauen. Chrysophanus hippothoe L. **albido-lunulata Rev. Weissenstein. tityrus Poda *straminea Blach. Blauen. phlaeas L. *caeruleopunctata Rühl. Blauen. Lycaena medon Esp. **pseudocramera Courv. Basel Courv. icarus Rott. **pusillus Gerh. Basel Courv. 1. *arcuata-retrojuncta Courv. Les Raimeux. *thersites Cantener Baslerjura Courv. hylas Esp. *nigropunctata Wh. Basel Hosp. bellargus Rott. *albolineata Tutt. Flüh, Reinach Hosp. b. *minor Tutt. Basel Courv. corridon Poda. *suavis Schulz. Baslerjura Courv. Basel Hosp. c. *calydonius Wheel. Basel Courv. semiargus Rott. *impura Krul. Baslerjura, Egerkinden Courv. s. **rufomaculata Courv. Langenbruck Courv. alcon F. latimargo Courv. Blauen Courv. a. *nigra Wh. Baslerjura Courv. Sphingiden. Acherontia atropos L. **imperfecta Tutt. Basel Hosp. Celerio euphorbiae L. *rubescens Garb. Basel Hosp. Bombyces. Pigaera *anastomosis L. Hüningen, Elsass. Schupp. Drepana *binaria Hufn. Dornach 1 St. Grellingen: Schupp. *lacertinaria L. Allschwil 1 St. Lophopteryx camelina L. *giraffina Hb. Basel. Lymantria monacha L. *nigra Frr. und *eremita O. Grellingen und Lörrach Schupp. Dendrolimus pini L. *unicolor-brunnea Rbl. Chrischona. Eine nach Vorbr. der *montana Stgr. nahestehende, dunkle Zwischenform bei Dornach. Für Basel und die Schweiz neue Lepidopteren. 239 Noctuiden. Colocasia coryli L. *medionigra Vorbr. Dornach 1 sehr schönes Expl. Agrotis janthina Esp. *latemarginata Röb. Hard, Basel. *]inogrisea Schiff. Arlesheim. — Gempen e. L., Basel e. 1. Hon. (In den 80er Jahren von Wullschlegel am Belchen angegeben, seither nicht mehr im Gebiet gefunden. fimbria L. *solani F. Basel. *brunnea und *rufa Tutt Basel Hon. und Schupp. Sissach Müller. pronuba L. *brunnea Tutt. Basel, Gempen. p- *hoegei HS. Sissach Müller. comes Hb. *adsequa Tr. und *subsequa Esp. Sissach Müller e. 1. . castanea Esp. neglecta Hb. Pfeffingen. baja F. *orisea Tutt. Sissach Müller. xanthographa Schiff. *rufa und *obscura Tutt. Sissach Müller. x. *nigra Tutt. Basel. candelarum Stgr. *signata Stgr. Dornach, Arlesheim. *margaritacea Vill. Wie vorige, seltener. multangula Hb. *dissoluta Stgr. Nach Vorbr., der meine Tiere sah, ausschliessliche Form im Jura. Moutier, Dornach. *ocellina Hb. Sonst alpin. Neu für den Jura. 1 St. auf der Hasenmatte. Nach Vorbr. ein zweiter, noch unveröffentlichter Fundort im Waadtländerjura. *decora Hb. Moutier L. (Vide Bemerk. sub linogrisea.) Nach Vorbr. 1. 1. im ganzen Jura nicht selten. *latens Hb. Dornach 1 St. (Vide Bemerk. sub linogrisea.) *corticea HB. Sissach Müller. *Charaeas graminis L. Auf dem Weissenstein im August 1916 sehr häufig vormittags im Sonnenschein fliegend. **albipunctata Lampa. Chrischona 1 St. Vorbr. det. Sora *leucographa Schiff. Allschwil. Mamestra *aliena Hb. Neudorf, Elsass, Hon. e. ]. nana Hufn. *ochrea Tutt. Gempen. Dianthoecia *magnoli B. 1 Expl. von Basel e. 1. albimacula Bkh. Raupe nach Schupp Mordraupe. Miana *ophiogramma Esp. Hard, Basel. * latruneula Hb. und *aethiops Hw. Gempen. bicoloria Vill. *vinetuncula Hb. Kleinhüningen. Sissach Müller. Hadena *platinea Tr. Bei Dornach mehrfach. monoglypha Hufn. *intacta Peters Chrischona. *sublustris Esp. Chrischona. Sissach Müller. Binningen Schupp. Kleinhüningen Beuret. 240 E. Wehrli. gemina Hb. *remissa Tr. Hard, Basel, 1 St. Vorbr. bestät. Allschwil. | *unanimis Tr. Hard, Basel, 1 Expl. Vorbr. bestät. rurea F. *alopecurus Esp. Allschwil, Gempen. *illyria Frr. 2 geflogene aber sichere Expl. von Dornach. (Vorbr. bestät. ) secalis L. *leucostigma Esp. Chrischona. Polia rufocincta H.G. *mucida Gn. Moutier. *xanthomista Hb. Stammform Basel, 1 St. Hon. x. *nivescens Stgr. Basel, 1 Paar. *Callopistria purpureofasciata Pill. 1 Raupe bei Grellingen. Mania maura L. *striata Tutt. Sissach Müller. Hydroecia nictitans Bkh. *erythrostigma Hw. Sissach Müller. *micacea Esp. Hard, Basel. Sissach Müller. Wird häufig mit M. acetosellae F. und Cosmia paleacea Esp. verwechselt. Nonagria *cannae O. Binningen Schupp. | Tapinostola *fulva Hb. Stammform Allschwil. fluxa Tr. Blauen. *kextrema Hb. 2 St. bei Schweizerhalle. Neu für die Schweiz. Reutti und Spuler geben für diese Seltenheit an: ,, Auf beiden Rheinufern von Philippsburg bei Mannheim öfters be- obachtet,“ pag. 79. Berge-Rebel 1910, pag. 224: „In der Rheingegend und im ‚südwestlichen Deutschland ehemals einzeln gefunden, in neuerer Zeit wieder bei Wien und in Eng- land.‘ Spuler, p. 220, Bd. I: ‚In Mitteldeutschland und in der Rheingegend von Speyer bis zum Main, in letzter Zeit nicht mehr beobachtet, auch in Württemberg, bei Wien, in Ungarn.“ *Calamia lutosa Hb. Wallbach Schindler. Leucania pallens L. *arcuata Stph. Allschwil. vitellina Hb. Kleinhüningen Beurret. turca L. Wie vorige. Caradrina *selini B. *jurassica R.St. 1 Expl. bei Dornach. Vorbr. det. *respersa Hb. Arlesheim, 2 St. *alsines Brahm. Basel Hon. mehrfach. * Petilampa arcuosa Hw. Selten. 2 St. bei Allschwil. Taeniocampa puverulenta Esp. *rufa Tutt. Allschwil. p- “*nigropunctata m. Mit sehr deutlichen dunklen Querstreifen und Punkten der Vorderflügel. Münchenstein 2 St. *populi F. mehrfach von Allschwil. *atropunctata Geest. Allschwil. *opima Hb. Sissach Müller. Basel. incerta Hufn. *atra Tutt. Trans. Basel. Für Basel und die Schweiz neue Lepidopteren. 241 Taeniocampa gracilis F. *brunnea Tutt. Münchenstein ; rosea Tutt. Basel. or. **fasciata m. Raum zwischen äusserm Querstreifen und Mittelschatten dunkel ausgefüllt. Basel. munda Esp. *immaculata Stgr. Sissach Müller. m. *geminatus Hw. 1 Trans. Arlesheim. Mesogona *acetosellae F. Arlesheim. Ein äusserst interessantes Tier fing ich zu gleicher Zeit mit dem vorigen. Etwas kleiner als acetosellae, von gleicher Gestalt und Färbung; Saum der Vorderflügel gerundeter; äusserer Rand der Nierenmacel weniger stark eingebuchtet, gerader ; der äussere Quer- streifen der Vorderflügel fehlt; die Punktquerreihe an der Wellen- linie zu einer auffallenden, der Wellenlinie innen anliegenden und wie letztere verlaufenden, schwärzlichen Querlinie zusammen- geflossen. Der innere Querstreifen gegen die Wurzel gerückt. Hinterflügel mit nur einem Bogenstreifen nahe dem Saum. Auf der Unterseite beider Flügel die Bogenlinien hinter der Mitte stark (um die Hälfte des Abstandes bei acetosellae) saumwärts verlegt. — Es handelt sich hier um einen unbeschriebenen Falter, den ıch wegen der abweichenden Vorderflügelform für eine neue Art halte, und für den ich den Namen **Vorbrodti vorschlage. Vorbrodt und Culot tendieren mehr dahin, das sehr interessante Stück für eine individuelle Aberration anzusehen; immerhin will Culot dasselbe in einem Nachtrage zu seinem Werke Noctuelles et Geometres d’Europe abbilden und beschreiben. Calymnia trapezina L. *grisea und *ochrea Tutt. Münchenstein. tr. **]utescens m. Vorderflügel normal, Hinterflügel glänzend gelb, nicht schwärzlich. Basel e. 1. Orthosia macilenta Hb. *nigrodentata Fuchs Arlesheim. circellaris Hufn. *macilenta Hb. und *ferruginea Esp. Basel e. I. Xanthia aurago F. fucata Esp. und *rutilago F. Arlesheim. Orrhodia vau punctatum Esp. *immaeulata Stgr. Sissach Müller. vaccinii L. *canescens Esp. *mixta Stgrs *glabroides Fuchs Basel, am Köder. Cucullia *campanulae Frr. Falter von Gänsbrunnen; 3 Raupen von Crémines, alle gestochen. * Anarta myrtilli Hb. Vom Schweiz. Blauen und ob Brennet (Baden), Schupp. Die Raupe von Moutier. Erastria venustula Hb. Chrischona. | *argentula Hb. Hard, Basel, mehrfach. Bei Kleinhüningen nach Seiler erloschen. Prothymnia viridaria Cl. *fusca Tutt. Blauen. 942 . E. Wehrli. Plusia *C. aureum Knoch. Hard, Basel. gamma L. *rufescens Tutt. Allschwil. *pallida Tutt. Gempen Hon. Euclidia mi Cl. *ochrea Tutt. Blauen Hon. 1 Übergangsstück. Catocala fraxini L. *maerens Fuchs. Sissach Müller. Zanclognata *tarsiplumalis Hb. Pfeffingen. 1 St. Herminia *derivalis Hb. Lutterbach, Elsass, Hon. Hypena rostralis L. *variegata Tutt. Allschwil, Chrischona. *unicolor Tutt. Basel Hon. Bomolocha fontis Thnbg. *terricularis Hb. Lutterbach, Elsass, Hon. Cymatophora or F. *unifasciata Gml. und *unimacula Auriv. All- schwil. Ebenfalls bei Allschwil 1 Expl. mit schmalerem und durch Zusammenfliessen der Querstreifen am Innenrand geschlossenen Mittelfeld, das man mit f. **clausa bezeichnen könnte. *duplaris L. Hard, Basel, 1 St. Geometriden. * Aplasta ononaria Füssl. *faecataria Hb. Beide Formen bei Basel e. 1. Schupp. Pseudoterpna pruinata Huf. **grisescens Reutti. Dornach. Euchloris pustulata Hufn. Hard, Basel, 2 St. Acidalia *muricata Huf. Lutterbach Hon., Elsass. macilentaria HS. Dornach. herbariata F. 1915 in meiner Wohnung 2 St. 1916 ebenda und im Nachbarhaus 6 St. In einem Garten Kleinhüningens 1 Exp. am Abend fliegend. 20. Juli 1916. Auch von Schneider, Basel, in Anzahl unabsichtlich an Thee e. 1. gez. bisetata Huf. **schaefferaria Fuchs. Im Saumfeld dunkler und schärfer gezeichnet. Basel. *dilutaria Hb. Blauen, Muttenz, Gempen. *deversaria HS. Dornach 2 St. aversata L. *latefesciata Wehrli.*) Die dunkle Binde nach innen verbreitert, derart, dass auch die Mittelpunkte der Vorder- flügel in derselben liegen. Gempen ein weiteres St. *emarginata L. Kleinhüningen vielfach. Auch von Beuret dort gefangen. rubiginata Hufn. **ochraceata Stgr. Bei Otterbach auf Ödland. *incanata L. Gänsbrunnen, Arlesheim je 1 St. (Vorbr. det.) strigaria Hb. Schweizer Blauen, Neudorf, Elsass, Hon. ?Submutata Tr. Ein wohl zu marginepunctata Goeze gehöriger Falter mit hellerer Grundfarbe und schärfern Vorderflügel- spitzen, ein etwas geflogenes Stück, von Arlesheim. 4) Vorbr. Lep. der Schweiz, Bd. II, pag. 658. Für Basel und die Schweiz neue Lepidopteren, 245 Codonia *pendularia Cl. An einem Baumstamm 1 St. Basel. punctaria L. *naevata Bastelb. Basel mehrfach. Auch von Sis- sach Müller. Am gleichen Standorte der **foliata Fuchs nahestehende Formen mit zusammenhängenden Flecken auf allen, auch den Hinterflügeln. *quercimontaria Bastelb. Mehrfach um Basel in 2 Generationen Mai und August. linearia Hb. *strabonaria Z. Unter der Art nicht selten. Ortholitha bipunctaria Schiff. Genau so, wie bei plagiata L. tangens Fritsch, gibt es Exemplare, deren beide Mittelbinden in der Mitte zusammenfliessen und wieder auseinanderlaufen, die also ebensogut die Bezeichnung **tangens verdienen. Nicht allzu selten unter der mt: Odezia *tibiale Esp. Vom Weissenstein Stahlberg. Schupp. Minoa murinata Sc. Während meine 11 Falter aus dem Hügelgebiet des Thurgau fast alle heller oder dunkler grau sind, variieren meine jurassischen von hell ockergelb — *monochroaria HS. bis gelbbraun. St: Lobophora sertata Hb. Im Aargauer und Basler Jura häufig. Wie bei plagiata L. und bipunctaria Schiff. kommen auch bei dieser Art nicht selten **tangens-Formen vor. *viretata Hb. Basel 1 Expl. Operophthera brumata L. *hyemata Huene Basel 2 Expl. Triphosa dubitata L. *cinereata Stph. An felsigen Jurahängen nicht selten, ein ganz kleines Exemplar mit 13 mm Vorderflügellänge von Gempen. Lyeris *reticulata (SV.) Thnbg. Rheinfelden Hon. Grellingen Schupp. *ovulata Borgm. Blauen Schupp. Larentia variata Schiff. *obeliscata Hb. Nach Mitteilungen Vorbrodt’s eigene Art. *mediolucens Rössl. Blauen (Schupp) ist Aberrat d. obeliscata Hb. (Vorbr.) * juniperata L. Aus dem Baslerjura mehrfach. Gez. vom Blauen von Hon. und Schupp. immanata Hw. *marmorata Hw. Delitsch, Arlesheim, je 1 St. truncata Hfn. *mediorufaria Fuchs. 1 Prachtsexpl. vom Gempen. *firmata Hb. Vielfach von Waldenburg, Blauen, Dornach. *laetaria Lah. Diese Art, von Frey (Lep. d. Schweiz, pag. 228) ohne genauere Standortsangabe im Berner Jura angegeben, ist von de Rougemont, der sie mit einem Fragezeichen anführt, im Kanton Neuenburg nie gefunden worden; ein bei Dornach gefangenes und durch Vorbrodt bestimmtes Expl. beweist, dass 244 E. Wehrli. Frey mit der Angabe ,, Jura” im Recht ist. pose (Schwarzwald), La Vancelle6) (Vogesen ?). *aptata Hb. In der Form *suplata Frr. mehrfach vom Were stein, Delitsch, Dornach. Die alpine grüne Form fehlt. *aqueata Hb. An felsigen Hängen des Basler und Solothurner Jura schon in geringer Erhebung nicht selten, in zwei Gene- rationen. Die Färbung variiert von lebhaft grün bis heller und dunkler grau. Nach Vorbr. sind die ihm von mir zugesandten Expl. aus dem Jura viel heller, schärfer und kontrastreicher gezeichnet als die alpinen, einzelne auch lebhafter grün: f. ** jurassica m. salicata Hb. und ablutaria Bdv. Die jurassischen Tiere heller grau als die des Hügellandes und die alpinen. Für den Neuen- burger Jura ist nach de Rougemont nur eine Generation im Mai beobachtet worden; in unserm Gebiet kommt aber eine reichliche zweite Generation im August— September vor. Von 50 Basler Expl. meiner Sammlung gehören nur 23 der ersten, die übrigen der zweiten Generation an. Von Schupp. gez. Tiere schlüpften schon im März, als Raupe im Gespinnst überwintert. fluetuata L. **acutangulata Cl. Ein nicht ganz extremes Stück von Dornach. montanata Schiff. *constrieta Strand. Muttenz. *suffumata Hb. Blauen, Gempen; auch Sissach Müller. quadrifasciata Ol. ** Thedenii Lampa. Sissach Müller. ferrugata Cl. *unidentaria Hw. Um Basel mehrfach. *spadicearia Bkh. Von vielen Lokalitäten um Basel. Auch Sıs- sach Müller. *pomoeraria Ev. Rheinfelden Honegger. Blauen Schupp. *designata Rott. Um Basel vielfach, in zwei Generationen, April, Mai und August. autumnata Bkh. **approximaria Weawer. Münchenstein, Neu- dorf Hon. **latifasciata Vorbr. Basel Hon. *caesiata Lang. Häufig im Hochwalde des Weissensteingebietes, der Hasenmatte und des Delitsch. Von letzterm Ort ein nach Vorbr. der Form *calcarata Vorbr. nahestehendes Stück, aber ohne durchgehendes Mittelfeld. *infidaria Lah. Gänsbrunnen, Weissenstein, Gempen. Auch vom Hauenstein Müller und vom Blauen Schupp. *cyanata Hb. Weissenstein, Hasenmatte, Dornach. **flavomixta Hirschke. Weissenstein. 5) Meess, Nachtrag, Mitt. Bad. zool. Verein Nr. 18, 1907, p. 122. 6) Peyerimhoff, Cat. d. Lep. d’Alsace. Bulletin de la Soc. d’Hist. nat. de Colmar, 1880, p. 322. Für Basel und die Schweiz neue Lepidopteren. 245 tophaceata Hb. *jurassica Vorbr. An warmen felsigen Hängen des Basler Jura nicht selten. Kommt auch in dunkleren Stücken vor. *verberata Se. Im ganzen Weissensteingebiet ungemein häufig . bis ins Tal herab; auch in der Form *bassiaria Feisth. und *tenuifasciata Höfner. | *nebulata Tr. Weissenstein, Arlesheim. *achromaria Lah. Vorbr. de. Auf dem niedern Basler und Solothurner Jura in grösserer Zahl gefangen. 2 Generationen. *alpicolaria HS. Im Jura bisher nur von de Rougemont am Mont d’Amin gefunden. Ich habe die Raupe vom Passwang- gebiet bis zum Weissenstein und Hasenmatte an verschiedenen Lokalitäten in den Kapseln des gelben Enzians nachweisen können. Die Puppenruhe dauert meist 2 Jahre. Auch Schupp hat an einer dieser Stellen die Raupe erbeutet und den Falter erhalten. *scripturata Hb. Sehr selten. 1 Expl. von Pfeffingen. *transversata ThB. Thbg. (= lugubrata Stgr.) Weissenstein. *subhastata Nolck. Reuchenette Schupp. *affinitata Stph. Blauen 2 St. Hard, Basel, eine Zwischenform zu folgender. *turbaria Stph. Weissenstein, Blauen (Hon.). *hydrata Tr. Falter gefangen bei Dornach. Aus Raupen vom Blauen gez. 19. und 22. Mai 1915. *unifasciata Hw. Bei Stetten (Baden) unweit der Grenze (Hon.). *minorata Tr. Weissenstein zwischen 800 und 900m. 2 Expl. an Felsen, das eine tadellos, das andere abgeflogen ; ein drittes, alle an derselben Stelle, ist mir entwischt. Vorbr., der das bessere derselben sah, schreibt, dass es sehr schön, wesentlich anders als seine 9 alpinen sei. — Vorbr. sagt pag. 92, Bd.II: „Der Falter ist in den alpinen Teilen desLandes weit verbreitet, scheint aber dem Jura-Hügelgebiet fast ganz zu fehlen.‘ Keine Standortsangabe. De Rougemont, der den Falter im Neuen- burger Jura nie gefunden und ihn mit einem Fragezeichen versieht, schreibt pag. 237: „Frey l’indique au Jura bernois. (Unbestimmte Angabe Verf.) Sauf cela aucune mention. M. de Rougemont ne l’a jamais rencontré qu'aux Alpes.“ — Jeden- falls ist die Art im Jura sehr lokal und selten, und an Orten zu suchen, wo an Felsen Euphrasia-Arten wachsen. Der Nach- weis ihres Vorkommens im Gebiet ist durch meine Fänge ge- sichert. albulata Schiff. Auf Bergwiesen ob Dornach und Arlesheim, und auch anderwärts, sehr gemein. Bei Liestal selten (Seiler). 246 E. Wehrli. *obliterata Hf. Basel 3 Expl. Auch von Schupp bei Grellingen und Reinach. *flavofasciata Sebaldt. Binningen (Schupp), Basel (Wolfs- gruber und Hosp). bilineata L. *infuscata Gmpbg. Unter der Art nicht selten. sordidata F. *fusco — undata Don. Gempen, Hard. Sissach (Müller). Vom Delitsch und vom Gempen dunkle Stücke, deren hell weissliches Mittelfeld breit schwarz abgeschnürt ist, so dass isolierte, breit schwarz gerandete, helle Flecken (ähn- lich Augenflecken) entstehen, die analog der varıata Schiff. stragulata Hb., ebenfalls als **stragulata bezeichnet werden könnten. Verdunkelte, der *ınfuscata Stgr. nahestehende Formen vom Hard und vom Gempen. *capitata HS. 1 sicheres Expl. von Basel am Licht. E. 1. gez. vom Blauen (Schupp) und Rheinfelden (Hon.). *silaceata Hb. *ınsulata Hw. Sissach (Müller). Dornach. *comitata L. Kleinhüningen am Licht, ein St. Beuret. Asthena *anseraria HS.7) Um Basel vielfach, meist von Anfang bis Mitte Juni (alle meine hiesigen Falter sind zwischen 1. und 16. Juni gef.), gewöhnlich etwas später als die erste Generation der candıdata, Schiff., die in den Mai fällt. Hard Basel, Riehen, Chrischona, Blauen. Sıcher auch im benachbarten Baden, wo sie von Reutti und Spuler nicht aufgeführt wird. Lepid.-Fauna Badens 1898. *Chloroclystis coronata Hb. Die seltene Art an verschiedenen Stellen um Basel gefangen; Hard Basel, Ohrischona, Allschwil, Gempen. Die Raupe im August mehrfach gefunden auf dem Blauen, bei Dornach, Les Raimeux, an Eupatorium cannabinum und Solidago, gleichzeitig mit derjenigen der E. virgaureata Dbld. Färbung und Zeichnung entsprechen den Abbildungen auf Taf. 4, Dietze, Biol. der Eupithecien. Hon. und Schupp fanden am Blauen die Raupe auf Hypericum, das als Nährpflanze von Dietze nicht angegeben wird, also wohl zwei Generationen. Falter im Mai und Juli gef. Callielystis *debiliata Hb. Rheinfelden (Hon.). rectangulata L. *subaerata Hb. Sissach (Müller). *cydoniata Bkh. Basel Hard. Binningen (Schupp). Eupithecia (— Tephroclystia) *abietaria Goeze. Die Raupe in den Zapfen der Rottanne bei Wegenstetten gefunden. *Strobilata Hb. Falter in 2 Expl. am Blauen erbeutet. *laquearia HS. Hon. und Schupp holten sich die Raupe in grosser 7) Vergl. Wehrli, Mitt. Schweiz. entomol. Gesellsch. Bd. XII. 2, p. 50. — Wehrli, Grosschmetterlinge von Frauenfeld. Mitt. Thurg. Naturf. Gesellsch., Heft XX. 1913. Für Basel und die Schweiz neue Lepidopteren. 247 Zahl im Juli vom Blauen an Hypericum, also eine bisher in der Schweiz nie beobachtete Sommergeneration. Die Raupen der andern Generation an Euphrasia strieta Host. und Odontites lutea L. im Herbst. *pulchellata Stph. *pyreneata Mab. Im Jura bisher nur bei Fenin von de Rougemont aus Raupen der Digitalis grandiflora Lam. gez. worden. In der nähern jurassischen Umgebung Basels habe ich die Raupe öfter und bisher ausschliesslich an der in unserm Gebiete vorherrschenden, kleinblütigen Digitalis lutea L. angetroffen. Es hat sich die Vermutung Dietze’s pag. 35, es möchte die Raupe der pulchellata ausser auf Dig. purpurea und ambigua Murr. auch auf andern Digitalis-Arten vorkommen, bestätigt; es scheint dies bisher nicht bekannt ge- wesen zu sein. Vorbr. gibt Dig. grandiflora und ambigua an, also Synonyme, pag. 108, II. Bd. Reutti und Spuler erwähnen nur purpurea und grandifl. pag. 143. Die von mir beobach- teten Raupen waren rötlich, äuf dem Rücken dunkler, ohne distincte Zeichnung, entsprechend den zwei vergrösserten, blassroten Fig. rechts der Tafel 10 Dietze’s. 11 Falter sind mir ausgekommen, vom 12. Mai bis 4. Juni; zwei davon wiesen ein helles aufgelichtetes Mittelfeld mit auf den Mittel- fleck und nächste Umgebung beschränkte dunklere Stelle auf, wohl entsprechend der forma reducta Bastelb. Dietze p. 36. *linariata Schiff. Scheint hier keineswegs häufig zu sein. Bis- her nur eine einzige halberwachsene Raupe bei Dornach, gelb- lich-grün, mit angedeuteter Rückenzeichnung, an Linaria vulg. gefunden. oblongata Borgstr. Die Raupe von Dornachbrugg an Um- belliferen. Falter von der Chrischona. Liestal (Seiler). *extraversaria HS. Selten und vereinzelt. In der Schweiz bis- her nur 8 Standorte bekannt; im Jura nur von Dombresson. Falter von der Chrischona und von Dornach. Die Raupe mehr- fach bei Waldenburg und bei Moutier. Scheint der Fauna Badens zu fehlen. Reutti p. 147: ?silenata Stf. 4 Raupen, auf der Hasenmatte in den Blüten der Silene inflata Sm. gefunden, ganz verschieden von oblongata, mehr in der Zeichnung an laquearia erinnernd, dürften viel- leicht als Falter diese Art ergeben. “expallidata Gn. In der Schweiz nur in wenigen Stücken er- beutet worden, wie Vorbr. p. 111 schreibt, nur 8 Standorte. Sie ist aber in der Umgebung Basels an warmen, felsigen Orten keineswegs selten und von mir vielfach gefangen und e. 1. ge- zogen worden. Falter und Raupe in der Erscheinungszeit 248 E. Wehrli. später als absinthiata Ol.; erstere gezogen und gefangen zwischen dem 27. Juli und 28. August, nur 1 Stück im Juli; absinthiata hingegen vom 15. Juni bis 2. August nur 1 St. im August. Die verschiedene Erscheinungszeit dürfte für die Artberechtigung dieser Species sprechen. Ich besitze auch Falter mit zwei schwarzen Hinterleibsringen. — Ganz be- sonders sei hier noch auf die für diese Art bis jetzt nicht be- kannten carnivoren Eigenschaften der im Oktober an Solidago virgaurea L. lebenden Raupe aufmerksam gemacht. Ein aus- gewachsenes Exemplar wurde angetroffen, als es eben gerade zwei in Häutung begriffene Spanner ihrer Art oder der absinthiata, an der Gaze des Topfes sitzend, verzehrte. — Fehlt laut Reutti und Spuler der Fauna Badens, p.147. absinthitata Ol. Falter und Raupe häufig. satyrata Hb. Wie vorige. Die Raupe auf Scabiosen und Centaurea angetroffen, aber auch ausnahmsweise an Campanula rotundi- folia. *cauchiata Dup. Den seltenen und sehr vereinzelten Falter aus Raupen gezogen, von Dornach, vom Blauen, von Waldenburg und von Moutier. Die langgestreckte, grüne Raupe, stets einzeln, selten zu zweien, an einem Stock, sitzt abstehend an den Rippen oder Rändern des Blattes, nährt sich in unserm Gebiete ausschliesslich von den Blättern der Solidago vir- gaurea, und wurde von mir nie an den Blüten fressend ge- funden, wie Favre) und Vorbr.?) angeben. Die Raupe zahl- reich auch von Schupp bei Grellingen und anderorts nur an den Blättern, der Falter von Müller zu Sissach in 1 St. erbeutet. *isogrammaria HS. Das kleine Tierchen wird vielfach wegen seiner geringen Grösse übersehen, findet sich indessen um Basel nicht allzuselten, so am Wartenberg, bei Dornach, auf der Chrischona, im Hard Basel. Die Raupe in den Knospen von Klematis von Schupp mehrfach gefunden. tenuiata Hb. Aus Raupen von Kätzchen der Salix caprea den Schmetterling in grösserer Zahl erhalten. Darunter zwei helle Individuen mit weisser Grundfarbe, vielleicht der f. **nivei- pieta Bastelb. entsprechend. Dietze, Eupithecien p. 26. Wäh- rend niveipieta B. nach Dietze albinotische Formen bezeichnet, hält Vorbrodt meine Tiere eher für eine helle Kalkform und auch ich neige mehr zu letzterer Auffassung. Die Abweichung bedarf noch weiterer Prüfung. — Der Falter erscheint hier ent- 5) Favre, Faune de M.-Lepid. du Valais, pag. 311. 9) Vorbrodt, Lepid. der Schweiz, pag. 113, Il. Bd. Für Basel und die Schweiz neue Lepidopteren. 249 sprechend der frühen Blütezeit der Weiden früher, als in den Büchern angegeben (Berge-Rebel z.B. den Juli, IX. Aufl., - pag. 374), schon Ende Mai, auch im Freien, zu welcher Zeit Schneider denselben bei Münchenstein in Menge beobachtet hat. * subeiliata Guenée = inturbata Hb. Wiederum eine sehr seltene in der Schweiz bisher nur an zwei Orten, Dombresson (de Rou- gemont) und am Jorat (Rob.) nachgewiesene Art, von welcher ich am Blauen drei Raupen an Ahorn fand, deren eine den Falter am 25. Juli 1916 ergab (Vorbr. bestät.). — Fehlt der Fauna Badens. *plumbeolata Hw. Falter bei Allschwil in ziemlicher Zahl ge- fangen. 2 Raupen Ende Juli bei Muttenz an Melampyrum pratense L., genau übereinstimmend mit den, Abbildungen Dietze’s auf Taf. 4. Interessanterweise hat der bekannte Tephrologe de Rougemont10) die Raupe nie gefunden, obwohl er den Schmetterling bei Dombresson fing. Es mag dies wohl daran liegen, weil die meisten Autoren die Erscheinungszeit derselben auf den Monat September verlegen, was wohl nur für höhere Lagen zutreffen dürfte. *immundata Zell. Zwei stark abgeflogene Tiere sind mir von Vorbr. als wahrscheinliche immundata Z. mit ? bestimmt worden. Da die Nährpflanze im Gebiet wächst, ist das Vor- kommen dieser Art als sicher anzunehmen. *denotata Hb. Die Raupe ziemlich häufig in den Kapseln von Campanula Trachelium L. an verschiedenen Lokalitäten um Basel, so von Riehen, vom Wartenberg, Münchenstein, Blauen. Den Falter von Dornach 2 St. Auch von Sissach Müller. Eın dunkleres Stück e. Il. der Form *atrarıa HS. nahekommend (Vorbr. det ?). *albipunctata Hw. Nicht sehr selten um Basel. Die Raupe viel- fach, oft zu mehreren, an den Dolden besonders der Angelica silvestris L. und von Heracleum Sphondylium L. Muttenz, Chrischona, Eggfluh, Blauen, Gänsbrunnen, Weissenstein. *assimilata Gn. Öfter vom Hard Basel, Muttenz, Allschwil. Entgegen den Angaben der Autoren, dass die Raupe an den Blättern zu finden sei, die sie verzehre, habe ich von 2? Raupen die eine völlig in, die andere an den Kätzchen von Humulus Lupulus L. angetroffen. Auch Schupp fand bei Binningen . und am Blauen die Raupen stets in den Hopfenkätzchen ver- borgen, nicht an den Blättern. Vorbrodt sammelte sie an der Unterseite der Blätter von Ribes nigrum L. 10) De Rougemont, Lepid. du Jura neuchätelois, pag. 249. 250 E. Wehrli. *austerata Hb. = vulgata Hw. Mehrfach von Basel und Dornach- Arlesheim am Licht. Basel Hon. *çastigata Hb. Keine Seltenheit. Hard Basel, Allschwil, Dor- nach. Die Raupe an verschiedenen Blütenpflanzen, mehrere sogar an Campanula rotundifolia am Weissenstein. Auch von Schupp e. Il. vom Blauen. subfulvata Hw. Stammform bisher nicht angetroffen. s. *oxydata Tr. Mehrfach von der Chrischona. Vorbr. det. s. *ligusticata Donz. 1 Expl. von Gänsbrunnen. Vorbr. det. *millefoliata Rôssl. 1 Expl. von Dornach. (Vorbr. det.) Die Raupe an Achillea millefolium vom Weissenstein. subnotata Hb. Liestal Seiler, nach Vorbr. pag. 120, Bd. II. Trotz intensivster Fahndung um Basel weder Falter noch Raupe erhalten. *valerianata Hb. Nur wenige Standorte in der Schweiz bekannt, im Jura nur von Dombresson. Favre gibt für das Wallis an: „Tres rare.“ Und doch ist die Raupe dieser Art überall in der Umgebung Basels häufig, von der Chrischona bis nach Gänsbrunnen, ausschliesslich auf Valeriana officinalis L. Aber auch der Falter fiel an verschiedenen Orten in meine Hand. Hon. und Schupp besitzen denselben e. l. von Rheinfelden, in Anzahl. *actaeata Wald. Sehr selten. Nur drei Standorte in der Schweiz. 1 Expl. von Arlesheim. Vorbr. und de Rougemont det. *trisignaria HS. Hinsichtlich Häufigkeit gilt für diese Art das- selbe, was für valerianata gesagt wurde. Die Raupe ist im Jura sehr häufig anzutreffen, besonders in den Dolden des Heracleum, aber auch an andern Umbelliferen, wie Angelica, Peucedanum Cervaria und Oreoselinum, Laserpitium, Pim- pinella. Falter in Menge gez. *innotata Hfn. Hfn. In der Nähe Basels schweizerseits die Raupe der Stammform in Anzahl auf Artemisia campestris gefunden. Auf andern Artemisia-Arten konnte dieselbe, auch in nächster Umgebung der campestris, nie, trotz eifrigen Suchens, nach- œewiesen werden. Nach den Angaben Honeggers ist die Raupe bei Neudorf (Elsass) häufig. Von der Sommergeneration *fraxinata Crewe kam Hon. am 30. August 1916 ein St. in Basel ans Licht. *tamarisciata Frr. Bei Hüningen, Elsass, häufig Hon., Schupp. *euphrasiata HS. Bei Dornach ein Expl. Vorbr. det. Bis jetzt nur vier Standorte in der Schweiz. Die Nährpflanze Euphrasia lutea kommt im Grebiet vor. Für Basel und die Schweiz neue Lepidopteren. 251 *pimpinellata Hb. Die Raupe ist im ganzen Gebiet an felsigen warmen Hängen, wo Bupleurum falcatum L. in Menge wächst, nicht selten, oft mehrere an einer Pflanze, zu finden. Auch in den Dolden von Pimpinella saxifraga L. und Peucedanum Oreoselinum Mönch. habe ich sie gesammelt. — Die Rot- färbung der einzelnen Raupen scheint nicht von der Ernährung mit den rötlichen Bupleurum-Früchten abzuhängen, da einer- seits halberwachsene rote Raupen an Stöcken nur mit Blüten, ohne rote Früchte, sich finden, anderseits erwachsene, völlig grüne, Tiere an ganz abgeblühten Pflanzen mit fast lauter roten Früchten fressend leben. scabiosata Bkh. Diese Art, in der Ostschweiz häufig gefangen, ist mir hier weder als Falter noch als Raupe begegnet, wohl durch Zufall. Seiler gibt sie für Liestal als nicht selten an. impurata Hb. Falter und Raupe von zahlreichen Orten des Basler und Solothurner Jura; *modicata Hb. 2 St. von Dornach. Vorbr. det. Die impurata-Raupe geht im Jura bis über 1000 m; die Angabe, dass dieselbe in den Samen- kapseln der Nährpflanze sich verpuppe,!!) kann ich nicht bestätigen, da alle meine zahlreichen Expl. an der Erde unter Pflanzenteilen ein mit Erdpartikelchen bekleidetes Gespinnst verfertigten, keine einzige innerhalb einer Kapsel. Am Südhang des Weissenstein habe ich noch am 15. Oktober 1916 an Campanula rotundifolia eine hell-ocker- gelbliche, schlanke Raupe mit isolierten dunklen Punkten auf den Subdorsalen, in einigen Exempl. angetroffen, welche nicht schlecht mit der Abbildung der denticulata-Raupe auf Dietze’s Tafel 36 übereinstimmt. Der auszuschlüpfende Falter wird darüber Klarheit bringen, ob impurata oder denticulata Tr. vorliegt. Die späte Erscheinungszeit spricht eher für letztere. semigraphata Brd. Viel seltener als vorige. 2 Expl. bei Dornach. distinetaria HS. Sehr selten. Ein einziges Stück bei Dornach (Vorbr. bestät.). Blauen Hon. Sehr wahrscheinlich die Raupe auf Thymus von Grellingen. Schupp. *indigata Hb. Drei stark geflogene Falter aus dem Basler Jura wurden von Vorbr. mit ? als indigata Hb. bestimmt. Am Vor- kommen dieser Art im Gebiet ist nicht zu zweifeln. *sobrinata Hb. Falter vom Gempen vielfach. Vom Blauen öfter e. I. gez. Schupp, Hon. 1 Transit. zu *graeseriata Rätz. Gempen. subumbrata Hb. =pusillata Schiff. Häufig. 11) Vorbrodt, pag. 127, Bd. IL. D or [80] E. Wehrli. s. *tantillaria Bdl. Zwei dieser Form sehr nahestehende Falter vom Blauen. s. **nmoricaria Vorbr. Scharfgezeichnete, schwärzlich-graue, nicht schmutzig-ockergelbe (Dietze) Form d. subumbrata, die Vorbr. nach 6 am Blauen von mir gefangenen und ihm zugesandten Tieren aufgestellt hat. *lariciata Frr. Nicht häufig. Falter von Dornach und vom Blauen. Die Raupe in Anzahl von Hon. und Schupp auf dem ‚Blauen gefunden. *virgaureata Dbld. Diese Art, von der Vorbr. schreibt: ‚Eine nur von wenigen Orten bekannt gewordene Seltenheit‘ und de Rougemont: ‚„Rarissime,‘“ habe ich an warmen südlichen Abhängen der Umgebung Basels bis zum Weissenstein als Raupe, nicht aber als Falter, keineswegs selten, stellenweise sogar häufiger wie die gemeine absinthiata Ol. angetroffen und in Menge gezogen, e. L., an Solidago, Eupatorium, ver- einzelt auch an Heracleum. Die Falter erschienen von März an bis 1. Mai, die meisten im April. (Im ungeheizten Zimmer.) Überliegen der Puppe bis zur zweiten Generation 20. August wurde von Hon. beobachtet, der mit Schupp das Tier öfter, auch von Rheinfelden, e. l. erhalten hat. exiguata Hb. Falter in Mehrzahl von der Chrischona und bei Dornach. Liestal Seiler und Sissach Müller. *nanata Hb. Ob Brennet, Baden, Schupp. | Phibalapteryx *aemulata Hb. Gempen. E. 1. vom Blauen durch Schupp. Abraxas marginata L. *naevata Hb. Chrischona, Allschwil. Über- sänge zu migrofasciata Schöyen. ebendort. *Stegania trimaculata Vill. cognataria Ld. Allschwil (Schneider), Hüningen (Schupp). Ennomos *autumnaria Wernb. Basel Hon. Wallbach Schindler. quercinaria Huf. *carpinaria Hb. Leimental Hon. Opisthograptis luteolata L. *aestiva Vorbr. Binningen Schupp. Hibernia *bajarıa Schiff. 1 © in Kopulation mit © O. brumata L. Lange Erlen. Schweiz. Blauen, bad. Rheinufer e. 1. Schupp. Raupe im Mai an Liguster, Falter im November. *obscura Helf. e. 1. Basel. Biston *pomonarius Hb. Rheinfelden Hon. e. 1. Boarmia repandata L. *nigricata Fuchs 1 Trans. Basel e. l. Hon. rep. **simulata Vorbr.1?) — Repandata-Form, bei welcher es zu einer analogen Fleckbildung in Zelle 3 der Vorderflügel ge- 12) Vorbrodt, WI. Nachtrag Schweiz. entom. Gesellsch. Mitteil. 1917. Für Basel und die Schweiz neue Lepidopteren. 255 kommen ist, wie bei mac. bastelbergeri Hirschke. (Aber wohl nicht zu so tiefschwarzer wie bei dieser; der Verf.) Nach sehr zahlreichen, an Vorbrodt eingesandten Expl. vieler Basler "Sammler, um Basel keineswegs selten und von vielen Lokali- täten. rep. **destrigaria Hw. Trans. Mehrfach um Basel: München- stein Schneider. Binningen Schupp. Gempen. *maculata Stgr. bastelbergeri Hirschke 2 St. bei Dornach. roboraria Schiff. *infuscata Stgr. Basel e. 1. *bistortata Goeze. Scheint in der Umgebung Basels sehr häufig zu sein. Alle, aus 8 Sammlungen von mir an Vorbrodt ge- sandten, sehr zahlreichen ‚erepuscularia Hb.“ haben sich als bistortata Goeze entpuppt, darunter auch vielfach die Gen. aestiva **baeticaria Scharf. Vergl. auch Vorbr.!?) Nur zwei nicht einmal sichere erepuscularia Hb., mit zwei Paar Sporren an den Hinterschienen, statt mit nur einem, wie es der crep. zukomme, von Grenzach, Schindler. consortaria F. M. *consobrinaria Bkh. Schwörstadt (Baden) Schindler. cinetaria Schiff. *pascuaria Brahm. Birs Schneider. *Pachyenemia hippocastanarıa Hb. Ob Brennet, Baden. Gnophos obscuraria Hb. *argillacearia Stgr. Dornach, Arlesheim. Blauen Hon. pullata Tr. *impectinata Gn. bei Dornach. Vorbr. det. *olaucinaria Hb. *falconaria Frr. Dornach. gl. plumbearia Stgr. Vorbr. schreibt mir über die ihm zugesandten Stücke: „Stimmt genau mit der Beschreibung, nur soll diese (plumbearia) kleiner sein. Ich hatte ein solches Stück an Püngeler gesandt, der mir lediglich schrieb: Nicht plum- bearia.‘“ Demnach eine grössere gleichgefärbte f. **inter- media m. *variegata Dup. 1 Expl. von Pfeffingen. * Diastictis artesiaria F.M. Leimental (Schupp), Neudorf, Elsass, Hon. Arctiiden. - Nola *cucullatella L. Münchenstein und Basel Hon. Celama *cicatricalis Tr. **infumatalis Spul. Grellingen 1 St. Sarrothripus reveyanus Sc. *dilutana Hb. Basel Hon. *Nudaria mundana L. Bei Dornach 1916 häufig. Phragmatobia fuliginosa L. *fervida Stgr. 1 Expl. Chrischona. Arctia caja L. confluens Rbl. Basel e. 1. Hyppyus. 189) QT > E. Wehrli. Zygaeniden. achilleae Esp. *Apicali-elongata Vorbr. und *anali-elongata Vorbr. Blauen. filipendulae L. *quinquemaculata Vorbr. 1 Trans. Blauen. *basi-medio-confluens Vorbr., *apicali-confluens Vorbr. *medio-apicali-confluens Vorbr. Blauen. lonicerae Esp. *basiconfluens Vorbr. Weissenstein. Limacodiden, * Heterogenea *asella Schiff. Chrischona 1 Expl. Psychiden. *Sterrhopteryx hirsutella Hb. Hard Basel. * Rebelia plumella HS. 1 geflogenes Stück aus dem Hard Basel von Vorbr. mit ? det. * Fumea casta Pall. Basel. Aus einem gefundenen Sack 1 Falter. Später an derselben Stelle sehr zahlreiche Säcke vorhanden, die meisten an Eichen. Zum Schlusse bleibt mir noch die angenehme Pflicht zu erfüllen, allen meinen Mitarbeitern meinen besten Dank auszusprechen, vor allem Herrn Oberstl. Vorbrodt, Bern, Herrn de Rougemont, Dombresson, und Herrn Prof. Dr. Courvoisier, Basel, für die wertvolle Mithilfe bei der Bestimmung schwieriger und strittiger Arten und Formen, die ein grosses Vergleichsmaterial erforderte; ferner den Herren vom Entomologen-Verein Basel, die mir zahlreiche Fundortsangaben und biologische Notizen lieferten, besonders Herrn Honegger, der mir seine sehr reichhaltige Sammlung zur Verfügung stellte, sowie den Herren Müller Sissach, Schupp Binningen, Schneider, Beuret und andern, Basel, Schindler, Wallbach. In dankenswerter Weise über- mittelte mir Herr Vorbrodt die Basel betreffenden Angaben des Manuskripts für den III. Nachtrag seines Schweizerischen Lepi- dopterenwerkes. Mitt. d. Schweiz. entomol. Gesellsch. 1917. (An- zaben Courvoisier und Hosp.) Manuskript eingegangen 30. Dezember 1916. Über eine Oszillographenkonstruktion. Von Hans Zickendraht. Mehr und mehr hat sich der Oszillograph als Hilfsmittel der Experimentalvorlesung über angewandte Elektrizitätslehre einge- führt. Schon bei der Veranschaulichung verschiedener Gleichstrom- vorgänge, bei denen Stromstärke oder Spannung als Zeitfunktionen erscheinen und dann namentlich auf dem Gebiete des Wechselstroms leistet der Apparat unschätzbare Dienste. So manche Begriffe aus der Lehre vom Wechselstrome, die dem studierenden Anfänger zu- nächst einige Schwierigkeiten bieten — ich nenne nur gewisse Fragen über Kurvenformen, dann den Begriff der Phasenverschiebung — werden durch die präzisen Bilder auf Mattscheibe oder Photographen- platte dem Verständnis in kürzerer Zeit nahegebracht, als es der Vor- trag des Dozenten zu tun vermag. Dies ist der Grund, weshalb auch mehrfach versucht wurde, einfache Oszillographen für den Unter- richt zu bauen. Wie immer bei derartigen Problemen weisen die ver- schiedenen Lösungen wechselnde Vorzüge und Nachteile auf. Um ein Beispiel zu nennen: Der masselose, augenblicklich reagierende Kathodenstrahl der Braun’schen Röhre vermag auf dem besten Leuchtschirm doch nur verhältnismässig geringe Lichtintensitäten zu entwickeln; auf diesem Wege kann also keine Demonstration in grossem Raume vorgenommen werden, auch wird der Lichtfleck nur durch besondere Massnahmen genügend klein und scharf begrenzt erhalten. Dem gegenüber steht die grosse Lichtstärke des Schleifen- oszillographen, dessen nie ganz zu überwindenden Nachteile Trägheit und Eigenperiode der Messchleife sind. Das Fehlen jeglicher Eigen- periode, das augenblickliche Ansprechen auch bei den höchsten Frequenzen infolge der Masselosigkeit hat dem Kathodenstrahl als Messystem die Aufmerksamkeit der Physiker eingetragen, die Be- _ quemlichkeit der Handhabung, die Lichtstärke und die verhältnis- mässig kompendiöse Apparatur sicherten dem Schleifenoszillographen die Verwendung in der Technik. Dorther schöpften wohl. auch 256 H. Ziekendraht. Wehnelt!) und Wittmann?) die Anregungen zur Konstruktion ihrer Demonstrationsinstrumente, die eine wertvolle Bereicherung der Vor- lesungsapparatur darstellen. Der im Folgenden zu beschreibende Oszillograph geht direkt vom Wehnelt’schen aus; es wurde versucht, unter Anbringung einiger ein- facher Modifikationen am Wehnelt’schen Modell im Zusammenbau mit der notwendigen Optik sowie einer kleinen Schalttafel für den bequemen Anschluss der Spannungs- und der Stromschleife an das zu untersuchende Objekt (Transformator, Lichtbogen und dergl.) eine Apparatur zu schaffen, die erstens jederzeit rasch für Vorlesungs- zwecke bereit ist und sich zweitens auch für Messzwecke mit und ohne photographische Aufnahme der Kurven eignet. Über den Grad der erreichbaren Messgenauigkeit später mehr. Für die Vorversuche wurde zunächst vom Institutsmechaniker ein Wehnelt’scher Doppel-Oszillograph d. h. je ein vollständiges System aus Schleife und Elektromagnet gebaut und die beiden durch grosse Kugelgelenke allseitig beweglich gemachten Apparate über- einander an gemeinsamem Stative zu einem Ganzen vereinigt. Eine der Schleifen diente der Strom-, die andere der Spannungsmessung. Hierauf wurde ein schmales von einer kräftigen Bogenlampe kom- mendes Strahlenbündel durch zwei stark geneigte Beleuchtungs- spiegel, der eine belegt, der andere unbelegt, so geteilt, dass zwei im Abstande der beiden Oszillographenspiegel einander parallel laufende Strahlenbündel entstanden. Durch passende Neigung der Beleuch- tungsspiegel gelingt es bekanntlich, die Intensitäten beider Bündel gleich gross zu wählen. Je eine feine Lochblende und eine Linse bil- deten die Vervollständigung der Optik. Es geriet, die scharfen Bilder der Lochblenden unter Vermittlung der beiden Oszillographenspiegel, die leicht zu einander geneigt wurden, auf einer beliebigen Stelle des Projektionsschirmes zur Deckung zu bringen. Schliesslich liess sich noch durch einen rotierenden Spiegel der Doppel-Lichtfleck zur horizontalen Linie auseinanderziehen, aus der dann beim Vibrieren der beiden Spiegel Strom- und Spannungskurve gemeinsam ent- standen. Viel einfacher wird natürlich die ganze Anordnung, wenn es sich nur um die Darstellung einer einzigen Kurve handelt, aber die meisten Fälle des Unterrichtes verlangen gerade die gleichzeitige Dar- stellung von Strom- und Spannungskurve vornehmlich wegen gegen- seitiger Verschiebungen, die ja meist auftreten. Die oben gegebene Beschreibung der Versuchsdisposition lässt den hauptsächlichsten Mangel der Anordnung, ihre Unbequemlich- 1) Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 5 178 (1903). 2) Katalog des Phys. Mech. Instituts von Prof. Dr. M. Th. Edelmann & Sohn. Über eine Oszillographenkonstruktion. 257 keit, deutlich hervortreten. Da der ganze Fehler aber lediglich in dem zu grossen Abstande der beiden Oszillographenspiegel liegt, so lässt sich die ganze Optik unmittelbar durch Zusammenrücken beider Schleifen vereinfachen. Der Gedanke ist keineswegs neu, sondern beim Siemens’schen Oszillographen schon längst verwertet. So ergab sich die Zweiteilung des Magnetfeldes durch Zwischenschaltung eines Eisenklötzchens zwischen die Magnetpole und damit das Zusammen- rücken der beiden Schleifen bis zu einem gegenseitigen Abstande der Schleifenaxen von 7 mm. Die Optik vereinfacht sich durch diese Massnahme beträchtlich, indem sie sich auf den Beleuchtungsapparat, bestehend aus Lichtbogen und Kondensor, eine Lochblende, ein Pro- jektionsobjektiv, die vibrierenden und den drehenden Spiegel be- schränkt. Die Forderung, mit dem Apparate auch photographische Auf- nahmen der Kurven machen zu können, bedingt den Einbau von Oszillograph, Drehspiegel und Objektiv in einen lichtdichten Kasten ; in eine Wand desselben können Mattscheibe oder photographische Kassette eingeschoben werden. Die Lochblende sitzt verschiebbar auf einer einfachen optischen Bank ausserhalb der Kamera. Damit sind die Grundlagen für den Bau des Instrumentes vor- gezeichnet und wir gehen an Hand der Illustrationen zur kurzen Be- schreibung über.?) (Fig. 1 auf der folgenden Seite.) Ein Linsensystem wirft ein scharfes Bild des positiven Kraters einer Bogenlampe auf die Lochblende A, wobei die Öffnung des projizierenden Strahlenkegels vor der Blende tunlichst so zu wählen ist, dass das Objektiv B gerade eben erfüllt wird. Dieser Bedingung ist leicht zu genügen, indem man den Querschnitt des Strahlenkegels, der sich auf dem zugeklappten Objektivdeckel abzeichnet, passend einreguliert. Der Oszillograph C steht nun, an einer der geneigten Wände der Kamera befestigt, dem Objektive B in einem solchen Ab- stande gegenüber, dass der Querschnitt des hier sich verjüngenden Beleuchtungskegels eben noch beide Spiegel sicher deckt. Diese An- ordnung gewährleistet günstigste Lichtausnutzung. Da das Einfalls- lot auf den Oszillographenspiegeln mit dem einfallenden Strahle einen Winkel von 320 bildet, so wird auch unter diesem Winkel das doppelte Strahlenbündel auf den Drehspiegel D geworfen. Es sind zwei solcher Drehspiegel vorgesehen, von denen jeder für sich in die Fassung eingesetzt: werden kann. Die Demonstration der Kurven verlangt eine möglichst häufige Wiederholung des auf der Mattscheibe E er- scheinenden Bildes; deshalb wurde für diese Zwecke eine zwölfteilige ?) Der Apparat kann durch die Firma Fr. Klingelfuss in Basel, welche die Herstellung übernommen hat, bezogen werden. 17 ickendraht. G #1 H. Über eine Oszillographenkonstruktion. 259 Spiegeltrommel gewählt. Die Trommel läuft zwischen Spitzen und erhält ihren Antrieb vermittels Schneckenrades von aussen. In Figur 1 ist auch die ausserhalb der Kamera liegende Schnurscheibe, welche dem motorischen Antrieb der Spiegeltrommel dient, dargestellt. Zum Zwecke der photographischen Kurvenaufnahme ersetzt man die Spiegeltrommel, die sich leicht herausnehmen lässt, durch einen ein- zigen auf der Vorderseite versilberten Spiegel, der bei einer Um- drehung um seine vertikale Axe nur eine Kurve auf der Mattscheibe entstehen lässt. Selbstverständlich muss der Moment, in welchem die Projektion der Kurve auf die an Stelle der Mattscheibe tretende photographische Platte erfolgt, von aussen erkennbar sein. Um dies zu ermöglichen, treffen bei der Spiegeldrehung einige in das Schneckenrad eingelassene Stifte eine kleine Feder und geben so mehrere kurze aussen hörbare Tonsignale. Während des Vorbei- passierens der Kurve auf der Platte bleiben die Signale aus, der Beobachter hat also während dieser Pause den Objektivdeckel offen zu halten und ist sicher, in diesem Zeitraume nur eine einzige Kurve auf der Platte aufgenommen zu haben. Der Lichtkreis auf dem ge- schlossenen Objektivdeckel bürgt dabei für die richtige Einstellung der Beleuchtungsvorrichtung. Der Oszillograph C selbst soll noch in einigen Einzelheiten -be- schrieben werden. Sein Elektromagnet ist verhältnismässig kräftig angelegt, die Wicklung hat bei Zimmertemperatur 5,3 Ohm Wider- stand. Versuche mit Gleichstrom in einer Schleife bei verändertem Magnetisierungsstrom ergaben, dass sich bei 2 Amperes in den Magnetwicklungen eine Annäherung an die Sättigung bereits deutlich bemerkbar macht. Ein dreizelliger Akkumulator direkt an die Magnetwicklung angelegt, erwies sich als günstigste Strom- quelle.*) Der Anschluss geschieht wie bei den beiden Schleifen dureh unverwechselbare Stecker von aussen (vergl. Fig.2). Die Schleifen selbst bestehen aus Silberdraht von ca. 10 cm Länge und 0,01 cm Durchmesser. Sie können einzeln mittels einfacher Schraubvorrich- tung angespannt werden, ausserdem ist es möglich, die beiden Drähte jeder Schleife gegeneinander zu verdrillen. So gewinnt man nämlich eine gute Justiermöglichkeit für die kleinen, vorne versilberten Oszillographenspiegel. Durch einen einfachen, von aussen ausführ- baren Handgriff lassen sich die beiden Lichtpunkte auf der Matt- scheibe, die der Strom- und der Spannungsschleife entsprechen, ent- weder zur Deckung bringen, etwa wenn es sich um die Aufnahme von Phasenverschiebungen handelt, oder trennen, wenn man Strom und 4) 2 Ampères erwärmten die Magnetwicklung bei Dauerversuchen etwas zu viel. 3 Akkumulatoren liefern etwa 1,2 Amperes Magneterregung. 260 H. Zickendraht. Spannungskurve gesondert zeigen will. Wie schon beim Magneten erwähnt, führen die Enden der beiden Schleifen zu zwei Steckdosen auf der Aussenseite der Kamera. Der Oszillograph selbst ist mit seinem Grundbrette, einer Kastenwand, jederzeit leicht herausnehm- bar und damit bequem zugänglich. Desgleichen lässt sich die von Objektiv und Spiegelantrieb durchsetzte Wand entfernen, was jeweils beim Übergang von der Projektion mittels Spiegeltrommel zur Pho- tographie mittels des Einzelspiegels nötig wird. Die drehenden Spiegel können entweder durch einen Wechselstrom-Synchronmotor oder auch durch einen Gleichstrommotor angetrieben werden. Durch Einregulierung der Tourenzahl des Motors sorgt man bei Verwendung der Spiegeltrommel für ein möglichst ruhiges Bild der Kurven auf der Mattscheibe. Der Bequemlichkeit der Handhabung wegen wurde schliesslich noch ein einfaches Schaltbrett angefertigt, welches den richtigen An- schluss von Strom- und Spannungsschleife erleichtern soll. Auf dem Brette befinden sich drei Schieberheostaten und drei Glühlampen- fassungen zur Aufnahme verschiedener Lampenwiderstände. Die Schaltung versteht sich beinahe von selbst. Über die zwei dick- drähtigen Schieberheostaten, die vom Hauptstrome durchflossen wer- den, ist die Stromschleife im Nebenschluss gelegt. Diese Rheostaten sind praktisch als induktionsfrei zu betrachten. Der ‘dritte fein- drähtige Schiebewiderstand bildet mit den drei Lampen den Vor- schaltwiderstand zur Spannungsschleife. Da der Rheostat etwas Selbstinduktion besitzt, so ist der Vorschaltwiderstand zur Span- Über eine Oszillographenkonstruktion. 261 nungsschleife tunlichst durch die drei Lampen zu bilden und der Rheostat nur zur Zwischenregulierung zu benutzen. Jede Lampe lässt sich einzeln kurz schliessen und dadurch ausschalten. Da die vorliegende kurze Abhandlung sich zunächst nur auf eine alleemeine Beschreibung des Oszillographen beschränken soll, so mögen hier nur noch einige vorläufige Betrachtungen über das Messen mit dem Apparate Platz finden: Die Voraussetzungen für das korrekte Arbeiten eines Oszillo- oraphen sind bekanntlich grosse Empfindlichkeit der Schleifen, kurze Eigenschwingungsdauer und gute Dämpfung. Die ersten beiden Anforderungen bekämpfen sich leider, indem bei Verkleinerung der Eigenschwingungsdauer durch Anspannen der Sehleife notwendig: eine Verringerung der Empfindlichkeit eintreten muss. Als Dämpfungsmittel wurden vorderhand mit recht gutem Er- folge Watteunterlagen in gleichmässiger Verteilung unter den stark sespannten Schleifen versucht. Ein Mass für Empfindlichkeit und Eigenfrequenz ist durch die folgenden Aufnahmen gegeben : Einer der Wechselstromgeneratoren der physikalischen An- stalt?) wurde auf eine Frequenz von 83 pro Sekunde bei einer Span- nung von 100 Volt eingestellt und mittels der gedämpften Schleife I die Kurve aufgenommen; der infolge von Erschütterungen vibrierende Spiegel der Schleife II zeichnete dann eine wellenförmige Null- 5) Vgl. die Abhandlung von A. Hagenbach in dieser Zeitschrift Bd. XX VII (1917). Daselbst auch weitere Oszillogramme. 262 H. Zickendraht,. linie, an welcher aus der bekannten Periodendauer der Wechselstrom- kurve die Eigenfrequenz gemessen werden konnte. Eine Gleichstrom- eichung der Ablenkungen bei einer Magneterregung von 1,5 Amperes gibt die Empfindlichkeit der Anordnung an. Auf der Mattscheibe resp. der Photographenplatte stellt also dar: 1 cm Ablenkung 0,48 Amp. Gleichstrom in der Schleife.6) Ferner ist die: Zahl der Eigenschwingungen der Schleife II 913 pro Sekunde. Eigenschwingungsdauer ,, 3 0,00109 Sekunden. Noch genauere Resultate lieferte eine photographische Aufnahme der Stromkurve eines Stimmgabelunterbrechers. Bei beiden unge- dämpften Schleifen wurden dabei die Eigenschwingungen erregt, die sich bei der einen Schleife der Stromkurve überlagerten. So wurde ermittelt Eigenschwingungszahl der Schleife I 845 Schw. pro Sek. Schwingungsdauer 0,00118 Sek. Eigenschwingungszahl der Schleife II 896 Schw. pro Sek. Schwingungsdauer 0,00112 Sek. Berücksichtigt man, dass bei der ersten Messung an Schleife II die etwas unsichere Angabe des technischen Frequenzmessers an der Wechselstrommaschine als Grundlage diente, so ist die Übereinstim- mung zwischen den beiden Ergebnissen für die Schleife IT als be- friedigend zu erachten. 6) Vol. hierüber die Wertung der Gleichstromeichung weiter unten. Über eine Oszillographenkonstruktion. 263 Hier ein Vergleich der Eigenschwingungsdauern T anderer Oszillographen :7) Doppelter Hochfrequenzoszillograph von Duddell T = 0,000125 bis 0,000100 Sek. Einfacher Oszillograph mit Permanentmagnet von Duddell T = 0,000200 Sek. Oszillograph von Siemens und Halske T = 0,000250 bis 0,000167 Sek. Oszillograph von Blondel mit kurzem Al.-Band T = 0,000100 bis 0,000067 Sek. Demonstrations-Oszillograph von Wehnelt T = 0,003 Sek. Bei allen Untersuchungen mit technischen W echselströmen, deren Frequenz in der Gegend von 50 und darunter liegt, wird also der oben beschriebene Oszillograph vollauf genügen ; auch bei 80 Perioden machen sich zufolge der guten Dämpfung die Eigenschwingungen noch nicht geltend. Es möge hier noch bemerkt werden, dass bei den verhältnismässig starken Schleifenströmen die Erwärmung der Schleifendrähte zu einer Vergrösserung der Eigenschwingungsdauer durch thermische Ausdehnung führt. Die Drähte erschlaffen etwas, infolgedessen nimmt die Empfindlichkeit der Anordnung mit stei- gender Stromstärke in der Schleife zu. Untersucht man, wie an anderer Stelle näher erläutert werden soll, den Drehwinkel des Schleifenspiegels bei konstantem Magnet- feld als Funktion der Stromstärke ın der Schleife, so findet man bei kleinen Stromstärken nahezu Proportionalität zwischen Stromstärke und Drehwinkel; gleichzeitig bemerkt man aber mit wachsender Schleifenbelastung die oben erwähnte Empfindlichkeitssteigerung, in- dem beim Gleichstromversuch schon bei etwa 0,5 Ampères eine zu- nehmende Erwärmung der feinen Silberdrähte und damit ein Kriechen des Spiegels bis zu einem gewissen Gleichgewichtswert ein- tritt. Die Drehwinkel des Spiegels wachsen dann rascher als pro- portional mit der Stromstärke. Beispiel: Magneterregung von 1,45 Amperes. Schleife ohne be- sondere Dämpfung: Strom in der Schleife II 0,32 0,44 0,607 0,83 Amp. Drehwinkel we 1907107410277, 2218078253: Wird die Schleife von Wechselstrom durchflossen, so entsteht in kurzer Zeit ein gewisser mittlerer Gleichgewichtszustand bezüglich 1) Vel. E. Orlich. Aufnahme und Analyse von Wechselstromkurven. (Braunschweig 1906) p. 52. 264 H. Ziekendraht. der Erwärmung; es stellt sich, da die Schleifentemperatur den Momentanstromstärken nicht folgen kann, eine mittlere Empfindlich- keit her, die von Stromstärke, Frequenz und Kurvenform des unter- suchten Wechselstromes abhängig ist und somit von der Gleichstrom- eichung abweichen muss. Auch diese Verhältnisse werden sich am beschriebenen Oszillographen näher untersuchen lassen. Schliesslich ist noch die Frage nach der optischen Übertragung der Spiegeldrehungen g auf die Mattscheibe resp. Photographen- platte als Ordinaten der Kurve kurz zu beleuchten. Eine einfache geometrische Betrachtung liefert die Kurvenordinaten als Funktion der Spiegeldrehung 9, der Neigung @ des beleuchtenden Einfalls- strahls bis zum Oszillographenspiegel (vergl. Fig. 1) und der Ab- stände Oszillograph— Drehspiegel D, und Drehspiegel Mattscheibe D.. Die Rechnung mit den diesbezüglichen Daten des ausgeführten Appa- rates ergab für das im obigen Beispiel angeführte Intervall von 0 bis 40 Spiegelneigung an den Oszillographenschleifen noch nahezu vollständige Proportionalität zwischen Kurvenordinate und Spiegel- nelgung. Die Kurven sind also umsoweniger verzerrt, je geringer die Schleifenstromstärke gewählt wird. Innerhalb der zulässigen Schleifenstromstärken (bis etwa 0,5 Amp.) sind die Drehwinkel der Schleifenspiegel und die Kurven- ordinaten dem Schleifenstrome nahezu proportional. Bei Wechselstrom liegen die Verhältnisse, welche eine getreue Kurvendarstellung bedingen, wegen der gleichmässigen Schleifen- temperatur und damit der konstanten Empfindlichkeit günstiger als es bei der Gleichstromeichung erscheint. Die letztere ist somit für die Momentanstromstärken beim Wechselstrome nicht ohne weiteres mass- sebend. Physikalische Anstalt Basel, Abteilung für angewandte Physik 1. Februar 1917. Über Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. Von L. Courvoisier. Die Erforschung der Veränderlichkeit der Arten bei den Schmetterlingen überhaupt und bei den Lycaeniden im Besondern bietet einen eigentümlichen Reiz. Denn gerade die letztere Familie zeichnet sich durch grosse Mannigfaltigkeit der Formen aus. Die alten Autoren waren meist rasch bereit, ungewohnte Er- scheinungen in der Falterwelt als Ausgeburten einer Laune der per- sönlich gedachten Natur, als „Spielarten‘“, als „Lusus naturae” zu bezeichnen. Heute vermeidet man gern eine solche Auffassung und die auf ihr beruhenden Ausdrücke. Dafür hat man andre erfunden, die zwar zum Teil, wie der Ausdruck ,,Varietät", einfach die Tat- sache einer Veränderung angeben, zum Teil aber wieder eine Hypothese aussprechen. Denn Bezeichnungen wie „Unterart— Subspecies“ entspringen offenbar der Vorstellung, dass die Form, der sie gelten, einer über ihr stehenden „Art— Stammart‘“ untergeordnet, ıhr nicht ebenbürtig sei. Vollends kann der Ausdruck „Abart-Aberration” nur so ausgelegt werden, dass er ein „Ausderartgeraten‘, eine Ent- sleisung: bedeute. | Diese Auffassung hat dazu geführt, dass manche systematische Werke zweierlei Artveränderungen unterscheiden, nämlich: 1. ‚die Varietät, 2. die Aberration.“ Gelegentlich ist dann ein Verfasser im Zweifel, zu welcher der beiden Gruppen eine Form zu stellen sei; oder er lässt eine und dieselbe Form das eine Mal als Varietät, das andre Mal als Aberration auftreten (z. B. bei Staudinger-Rebel, Catalog 1901: No. 488 michaëlis Var. an Ab. ? gabrielis; No. 506 thersamon Var. et Ab. omphale; No. 592 eumedon Ab. et Var. fyloia etc. ete.). | Wollen wir aber ehrlich sein, so müssen wir gestehen, dass, wenn wir bei einer Spezies eine „Stammart‘ annehmen und Abweichungen von dieser als „Varietäten“ bezeichnen, wir nur einem praktischen 266 L. Courvoisier. Bedürfnis entsprechen; dass wir aber im Grund kläglich wenig darüber wissen, was bei einer Art ursprünglich, primär und was nach- träglich, sekundär ist. Besonders gewagt erscheint die Unterscheidung zwischen Varietät und Aberration. Gewiss gibt es Fälle, wo wir mit einem Schein von Recht von einer Verirrung reden dürfen; so z. B. bei den sogenannten „Zeichnungsaberrationen‘, bei denen etwa die für eine Spezies charakteristischen Ocellen abnorm vermehrt oder zu- sammengeflossen sind oder im Gegenteil fehlen. Das sind individuelle Ausnahmen, die vielleicht allerdings überall, aber oft unter Hun- derten, ja Tausenden von Exemplaren erst einmal vorkommen. Und doch kann man auch bezüglich soleher Erscheinungen merkwürdige Beobachtungen machen: so fing ich z. B. bei Zermatt auf einer nur wenige Quadratmeter messenden Stelle 4 Exemplare einer und der- selben Aberratio disco-elongata von argus L.; vermutlich stammten alle aus der gleichen Brut. Um über die Entstehung der Varietäten einigermassen klar zu werden, hat man seit langer Zeit zum Experiment gegriffen. Man hat Puppen teils dem Frost, teils der Hitze ausgesetzt (Standfuss und andre). Mat hat die verschiedenen Strahlen des Sonnenspektrums auf sie wirken lassen (Kathariner). Man hat sie in reine Sauerstoff- oder Stickstoff- oder Kohlensäure-Atmosphären gebracht (Gräfin Linden). Man hat ferner durch verschiedene Fütterung der Raupen die Färbung der zukünftigen Bilder zu beeinflussen gesucht. Bei diesen Versuchen hat man merkwürdige Überraschungen erlebt. So hat man z. B. aus einer und derselben Brut bei Anwendung einer und derselben Temperatur einmal ganz verschiedene, ein andres Mal bei Frost wie bei Hitze die gleichen Färbungen entstehen sehen. Jeden- falls sind durch diese Experimente die Geheimnisse, welche in freier Natur bei der Ausbildung der Varietäten walten, nur zum kleinsten Teil ergründet worden. Namentlich bleiben uns die Wirkungen, welche im Freien durch die Kombination verschiedener physikalischer und chemischer Agentien hervorgebracht werden, vorläufig rätsel- haft. Ehe wir aber darüber besser aufgeklärt sind, als es tatsächlich der Fall ist, empfiehlt sich bei der Wahl der Bezeichnungen für die beobachteten Veränderungen der Arten die grösste Vorsicht. Besonders zurückhaltend sollte man meines Erachtens mit dem Ausdruck „Rasse“ sein, der sich neuerdings grosser Beliebtheit erfreut. Derselbe darf doch nur angewendet werden, wo eine Form in zahlreichen Exemplaren, gehäuft auftritt und nachweislich durch In- zucht und unter Weitervererbung ihrer wichtigen Merk- male sich vermehrt. Denn nur die Erfüllung dieser Bedingungen verbürgt diejenige Abschliessung gegenüber andern Formen, die zum Begriff der Rasse gehört. Jede Vermischung mit andern Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 267 Formen muss die Rasse zerstören; und sobald zwischen zwei Rassen Übergänge nachweisbar sind, hören sie auf, es zu sein. Man darf sich aber auch nicht daran stossen, wenn gelegentlich mitten unter der sogenannten „Stammform“ einzelne Individuen auf- treten, die mit denjenigen einer ihrer „Rassen“ übereinstimmen. Im Gegenteil erscheint die Annahme erlaubt, dass, wenn einmal einer Art die Fähigkeit innewohnt, eine bestimmte Nebenform hervorzubringen, diese überall wird entstehen können, wo die für 1hre Entwicklung erforderliche Kombination von innerer Veranlagung mit äusseren Einflüssen gegeben ist. Es hat somit keinen Sinn, solche vereinzelte Erscheinungen unter der Bezeichnung ,,Aberration der „Rasse“ gegenüberzustellen. Alle Formen einer Art sind einander gleichwertig. Darum passt für sie eben am besten der Ausdruck ‚Form‘, der nichts über das Wesen aussagen, sondern nur die äussere Erscheinung angeben will. Und nur aus Zweckmässigkeitsgründen mag man „Stammformen“ und Nebenformen“ unterscheiden. Nach dieser Darstellung meines Standpunkts in der Auffassung der Varietäten etc. beginne ich mit einer Betrachtung derjenigen Farbenveränderung, welche als sogenannte „Geschlechts - Zweifarbig- keit. Sexual-Dichroismus‘‘ häufig vorkommt. Leuchtende, bei den Lycaenen blaue, bei den Chrysophanusarten roteoldene Färbung der ©, matte, bei den Bläulingen braune, bei den Goldfaltern bräunliche bis schwarze Färbung der OO, so lässt sich in Kürze diese Erscheinung beschreiben, die oft als Regel gilt, es aber selten wirklich ist. Eine richtige, beständige Zweifarbigkeit findet sich nämlich nur bei wenigen Lycaenen. Ich nenne hier z. B. arcas Fbr., dolus Hbn., besonders aber Everes alcetas Hbn. (fälschlich coretas Ochs.), der früher allgemein als Aberration von argiades Pall. aufgefasst wurde, aber eine gute Art ist und sich unter anderem eben dadurch von letzterem unterscheidet, dass sein © nie anders als einfarbig schwarz ist. Annähernd beständig dichroisch, im © Geschlecht blau, im © braun, sind unter unsern einheimischen Lycaenen damon Schiff. und semiargus Rott. Höchst selten kommen bei ihren 99 geringe Be- stäubungen der Flügelwurzeln vor. Von ersterem hat das Basler Museum ein schönes blaues © von Bormio, von letzterem besitze ich selbst ein armenisches. Etwas weiter vom strengen Dichroismus entfernt sich eine An- zahl unserer Bläulinge, indem ihre OO, die zwar gewöhnlich braun‘ 268 L. Courvoisier. sind, öfters ein vom Körper aus verschieden weit in die Disci hinein- reichendes Blau aufweisen. Hier wären z. B. zu nennen: /ycidas Trapp, dessen OO (wie 2 von Berisal in meiner Sammlung beweisen) ausnahmsweise sogar ein lebhaftes Blau in fast gleicher Ausdehnung wie die SO zeigen: F. caerulea m. ;sodann orbitulus de Prunner (ein- zig richtiger Name für die Spezies, die seit mehr als einem Jahr- hundert infolge einer unbegreiflichen Verwechslung pheretes Hbn. ge- nannt worden ist); bei ihm wird die von W heeler als caeruleopunctata bezeichnete © Form mit blauem Fleck um den Mittelmond des Vorder- flügels öfters beobachtet, selten dagegen die von mir benannte, stark blaue F. caerulea. Weiter tithonus Hbn. (eros Ochs.), dessen von Oberthür aufgestellte Form caerulescens hie und da vorkommt, wäh- rend ein als caerulea zu bezeichnendes ©, das vom Blau des © ist, von mir erst einmal bei Zinal im Wallis gefangen wurde. Endlich hylas Esp. mit gelegentlich vorkommenden OO, deren sämtliche Flügel von leuchtenden blauen Streifen durchzogen sind : F. metallica Favre (gabrielis Obth.). Bei sebrus Hbn. sind basal bläulich über- gossene OO (F. saportae Dup., violetta Verity) ziemlich häufig, ganz blaue wohl unerhört. Bei wieder andern Arten zeigt sich die Blaufärbung der OO wesentlich häufiger. So ist bei bellargus Rott. die Zahl der OO, die mindestens blaue Flügelwurzeln haben, sehr gross, ja stellenweise, z. B. um Basel, grösser als diejenige rein brauner. Aber höhere Grade der Blaufärbung, wie sie die F. thetis Rott. (ceronus Esp.) zeigt, indem höchstens die Flügelsäume braun bleiben, kommen, wenn auch‘ vielerorts, so doch nur in einzelnen Exemplaren vor. Bei der nord- afrikanischen Form punctifera Obth. jedoch scheinen mit wenigen Ausnahmen alle OO stark blau zu sein bis zu einem Grad, wo buch- stäblich alle Flügel himmelblau sind. Diese letztere F. coelestis Obth. ist anderwärts kaum beobachtet; doch besitze ich ein ganz typisches Stück von Magdeburg. Auch bei icarus Rott. scheinen mehr oder weniger blaue OO in den meisten Gegenden durch alle Generationen und neben braunen ungefähr gleich häufig zu sein. Dabei kommen alle Abstufungen vor, von leichter blauer Bestäubung der Flügelwurzeln, wie sie das in meinem Besitz befindliche Originalexemplar der F. caerulea Fuchs zeigt, durch alle die, unsinniger Weise mit etwa 10 eigenen Namen versehenen Nüancen hindurch, bis zu ihrem von Gillmer als amethystina bezeichneten Superlativ hinauf. Unter den öcarus-Formen scheinen sich celina Aust. und kashgarensis Mre. durch starkes Über- wiegen, aber doch nicht durch Ausschliesslichkeit blauer QQ auszu- ‘zeichnen. Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 269 Dem icarus durchaus parallel verhält sich sein Doppelgänger thersites Cantener, dessen @Q ebenfalls sehr häufig und in allen Graden blau sind. Eine ähnliche Häufung blauer OO, wie bei den eben genannten Arten, kommt bei ödas L. (argyrognomon Bestr.) vor. Auch hier halten sich braune und blaue QQ nahezu die Wage. Letztere er- scheinen in allen Graden der Blaufärbung. Während aber derartige Formen an vielen Orten einzeln sich finden, herrschen in gewissen Gegenden blaue QY so sehr vor, dass sich der Gedanke an eine Rassen- bildung aufdrängen könnte. Frey hat 1880 gewissen 29, deren © © er aber gleichfalls beschreibt, den Namen argulus erteilt. Es ist das eine kleine idas-Form, die er von Anderegg in Anzahl aus dem Rhone- tal erhielt, die übrigens bis ın alle Walliser Alpen hinauf gesellig auftritt, aber genau gleich durch alle schweizerischen, piemontesischen, pyrenäischen und tiroler Gebirge, sowie als lapponica Gerhard in Skandinavien verbreitet ist. Ihre OO zeigen alle Abstufungen vom einfachen Braun bis zu leuchtendem Blau; die Stücke, die Frey er- hielt, waren blau. Im untern Rhonetal aber treten sie besonders reich- lich in jener durch einen eigentümlichen schwarzen Wisch auf dem Vorderflügel ausgezeichneten Form auf, welche Oberthür valesiaca genannt hat, und von welcher Wullschlegel mir mitteilte, dass ihre Raupen auf Hippophaë rhamnoides weiden. — Der Pfynwald im Wallis beherbergt eine andere Form von blauen zdas-QQ, die ich bis- her nur dort, aber in grosser Menge gefunden und, weil Wullschlegel ihre Raupen in den Schoten von Astragalus exscapus entdeckt hat, astragaliphaga getauft habe: sie sind ausnahmslos gross, selten bräun- lich, meist dunkler oder heller blau und bei voller Ausbildung längs aller Flügelsäume oben mit prächtigen rotgelben Girlanden ge- schmückt. Eigentümlich sind die Verhältnisse bei argus L. (aegon Schiff.). Seine OO sind gewöhnlich braun. Esper hat aber blaue OO desselben als leodorus abgebildet. Ich habe früher an ihr Vorkommen nicht ge- glaubt: kein Autor hat sie erwähnt, Meyer-Dür sogar ihr Vor- kommen geleugnet. Unerwartet stiess ich aber einst am Vierwald- stättersee auf gewisse Stellen, wo neben ganz vereinzelten braunen fast nur schön hellblaue, mit roten Randmonden gezierte OO flogen. Ich fand dann in meiner Sammlung ein ähnliches © vom Simplon; und allmählich haben sich bei mir einige weitere aus verschiedenen euro- päischen Gegenden zusammengefunden, diese allerdings nur von der durch Ebert abgebildeten Form coeruleo-cuneata, mit blauen Keilen in den sonst braunen Flügeln. Umsomehr überraschte mich eine Sen- dung aus Norwegen, die eine grössere Zahl von argus, darunter aber nur blaue DO enthielt, von grosser Ähnlichkeit mit jenen schweizerischen. 270 L. Courvoisier. Mancher würde hier von einer weiblichen ,,Ortsrasse reden; nur treten diese blauen QQ eben in mehreren, weit auseinander liegenden Gegenden auf. Eine gewisse ähnliche Bewandtnis hat es mit blauen IQ von coridon Poda. In unsern Gegenden ist es schon eine Ausnahme, wenn seine QQ blaubestäubte Flügelwurzeln haben. Noch seltener sind Stücke, bei denen einzelne blaue Streifen die Flügelflächen durch- ziehen: F. radiosa Gaschet; oder die ganzen Hinterflügel, wie bei F. semibrunnea Mill., oder die ganzen Vorderflügel, wie bei F. oppo- sita Tutt, blau sind. Immerhin habe ich eine Anzahl solcher DO selbst gefangen. Eine ganz besondere Rarität aber ist bei uns jenes durchweg männlich-blau gefärbte, meist auf den hintern, seltener auch auf den vordern Flügeln mit roten Randmonden geschmückte 9, das von Boisduval und Keferstein die ‚nomina nuda‘“ mariscolore und syngrapha erhalten hat und seither unter letzterem Namen geht, aber von Rechts wegen den ältern und durch eine unverkennbare Ab- bildung gestützten Namen tithonus Meigen tragen muss. Dieses blaue ® ist bei uns so selten, dass ich es trotz aller Aufmerksamkeit durch Jahr- zehnte erst zweimal um Basel und noch nie anderswo erbeutet habe. Auffallenderweise soll es aber um Paris und Bordeaux geradezu die Regel bilden, jedenfalls viel häufiger sein, als das braune ©. Nach dem üblichen, verkehrten Sprachgebrauch wäre also das Pariser blaue © ‚‚Varietät‘, ja beinahe „Stammform‘, das unsrige-da- gegen ,,Aberration ! ! Von escheri Hübn. hat Turati 1903 eine © Form beschrieben, die er subapennina nennt. Typisch ist für sie eine mässige blaue Be- stäubung oder Bestrahlung der vordern, dagegen eine leuchtende Blau- färbung der hintern Flügel. Nach seiner Darstellung erscheint es als vorläufig annehmbar, dass es sich dabei um eine für das apenninische Hügelland charakteristische Form handelt. Bei amandus Schn. zeigen die OO gewöhnlich keine Spur von Blau; ausgedehnte Blaufärbung ist jedenfalls eine grosse Seltenheit. Das geht auch daraus hervor, dass in neuerer Zeit schon drei Namen dafür erteilt worden sind : eyanea Aigner 1906, azurea Blachier 1908, caerulea Rebel 1910. ‚Jeder der drei Autoren war offenbar der Mei- nung, als erster einen solchen Fund gemacht zu haben. Aber auch hier kommt vielleicht eine gehäufte Blaufärbung vor. Hübner hat als Typus der Spezies ein stark blau überlaufenes © abgebildet, das aus Schweden stammte. Ob es nun Zufall ist, dass die zwei einzigen blauen 22 des Basler Museums und das einzige meiner Sammlung ebenfalls schwedisch sınd, oder ob ın ihrer Heimat die blaue Farbe vorherrscht, kann ich nicht entscheiden. Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 271 Während die bisher besprochenen Lycaenen mehr ausnahmsweise blaue OC erzeugen, sind bei alexis Poda (cyllarus Rott.) in unsern Gegenden OO ohne deutliches Blau selten, wenn auch solche, die fast ganz blau sind, wie bei der F. schneider: Strand, höchst selten sind. Südliche Gegenden aber: Riviera, Wallis, Tessin, Südtirol bis Steier- mark bringen jene oben gleichmässig dunkelbraunen, auch unten sehr dunkeln, grossäugigen, an der Basis messingglänzenden QQ hervor, die Poda zuerst beschrieben und eben alexis getauft hat. Mehr als ein Jahrhundert später hat Rühl, offenbar ohne eine Ahnung, dass Poda 1hm zuvorgekommen sei, für solche OO den Namen andereggii erteilt, der nun aber kassiert werden muss. — Eine vollkommen schwarze, nur noch von einem leisen bläulichen Schimmer überlaufene © Form, von der ich je ein Stück aus der Nähe von Basel und von Saillon im Rhonetal besitze, und die jedenfalls äusserst selten ist, habe ich nigra genannt. Einen schroffen Gegensatz zu dem Dichroismus, der bei manchen blauen Lycaenen zwischen © und © herrscht, der sich sogar bei ein- zelnen bis ins © Geschlecht eindrängt und bald braune, bald blaue Färbung bewirkt, bildet der Monochroismus einer Anzahl anderer, deren beide Geschlechter beharrlich braun sind. Älteren Autoren kam diese Möglichkeit so unglaublich vor, dass sie nach den blauen © der betreffenden,Arten suchten; wie denn z. B. Rottemburg annahm, der © von medon Hufn. sei oben blau, wie bei den übrigen „Argus- arten“. Von unsern europäischen sind hier zu nennen: chiron Rott., medon Esp. (astrarche Bgstr.), psylorita Freyer, admetus Esper; dazu felicis Obth. aus Tibet etc. Sehr verschieden ausgesprochen ist der geschlechtliche Dichrois- mus auch bei den Goldfaltern. Zwar zeigen einzelne, für welche phlaeas L. als typisch gelten mag, bei © und © fast gleiche Färbung und gewöhnlich auch ähnlichen Glanz. Bei andern dagegen, so bei alciphron Rott., gordius Sulz, hippothoë L. und amphidamas Esp. kennzeichnet der wunderbare Veilchenschimmer, bei virgaureae L. der strahlende Goldglanz, der über die Flügelflächen ausgegossen ist, so- fort den © gegenüber dem matt gefärbten und zugleich mit schwarzen Punkten versehenen ©. Bei einigen jedoch werden die geschlechtlichen Unterschiede in Färbung (und oft auch Flügelschnitt) so gross, dass man die Ver- wechslung einigermassen begreift, welche von alten Autoren begangen worden ist, indem sie die beiden Geschlechter für eigne Arten hielten. Das gilt zumal von tityrus Poda (false dorilisHufn. ), dessen schwarzen © die sonst so guten Beobachter Schiffermüller und Denis 1776 als eörce vollständig getrennt vom rotgelben © als zanthe auf- führten; wie denn noch Fabricius 1787 in den gleichen Fehler ver- 272 L. Courvoisier. fiel und nur statt cöirce den Namen garbus (1793 garbas) brauchte. Immerhin findet bei dieser Spezies gelegentlich eine Annäherung der Färbung beider Geschlechter statt. Bei der Form locarnensis Tutt (monterfilensis Obth.) hat der © die oben schwärzliche Farbe gegen eine mehr kupferige vertauscht, aus welcher die schwarzen Punkte besonders deutlich hervortreten. Diese Form ist selten, aber nicht auf die Örtlichkeiten beschränkt, auf welche die zwei Namen deuten; ich besitze sie ausser von Locarno und einigen Orten am Luganersee auch aus der Fuchs’schen Sammlung von Bornich am Rhein. Noch grösser wird die Ähnlichkeit zwischen © und © bei der spanischen Form bleusei Obth., bei der beide rotgelb sind, so, wie bei uns die meisten OO der Stammform. Umgekehrt kommt bei der Form subal- pina Speyer (montana M. Dür) das © dem © entgegen, indem es dessen typisch schwärzliche, zeichnungslose Oberseite nachahmt. Am allerdeutlichsten ist der Dichroismus bei der alpinen Form von hippothoe L., die irrtümlich unter dem Namen eurybia Ochs. geht, aber richtig den älteren Namen euridice Esp. (nec Rott.) tragen muss. Ein grösserer Gegensatz, als der hier zwischen dem goldglän- zenden © und dem einfach schwarzbraunen © bestehende, ist un- denkbar. Sehr verschieden verhalten sich inbezug auf die geschlechtliche Zweifarbigkeit die palaearktischen Theclinen. Beim Genus Thecla kommt sie nur dadurch zur Geltung, dass das © gewöhnlich ausge- prägtere rotgelbe Randmonde auf den Flügeln trägt. Eine bei ver- schiedenen Arten wiederkehrende Erscheinung besteht darin, dass das © auf dem Vorderflügel einen bald kleineren, bald grösseren rotgelben Fleck trägt. Nun kann aber auch der © diesen hellen Diskus zeigen; so bei der von Hübner abgebildeten iicis-Form cerri, wo © und © die Erscheinung zeigen (so dass es eben so unrichtig ist, wenn cerri nur als © Form angesehen wird, wie wenn man jedes ÿicis-OQ als cerri be- zeichnet). Auch bei /ynceus Esper (false spini Schiff.) kommt, ob- schon äusserst selten, der gelbe Fleck auf dem Vorderflügel des © vor. Bei der tibetanischen Spezies v-album Obth. aber zeigen © und © den gelben Diskus. Bei den ostsibirisch-chinesisch-japanischen Vertretern des Genus Zephyrus mit gelber Oberseite: jonasi Jans., Iutea und saepestriata Hew., michaëlis und raphaëlis Obth. ete. unterscheiden sich die OO nur durch breitere dunkle Flügelsäume. Dagegen haben die in den gleichen Gegenden wohnenden metallgrünen Arten: orientalis Murr., smaragdina und faxila Brem., syla Koll., saphirina und brellantina Stder. bläuliche oder braune 99. Auch unser Z. quercus L. mit seinem dunkeln, violett schimmernden © und dem schwarzen, durch hellblauen Diskus ausgezeichneten © lässt die Verschiedenheit der Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 275 Geschlechter gut erkennen, die freilich bis weit ins letzte Jahrhundert hinein vielfach verwechselt worden sind. Bei betulae L. unterscheidet sich das © mit dem orangefarbigen Nierenfleck auf dem Vorder- flügel deutlich vom einfach braunen ©. Ausnahmsweise begegnen sich aber beide darin, dass auch das © statt des grellen Nierenflecks nur einige kleine, lehmfarbige Wische hat, wie sie bei Gerhard’s © Form spinosae en finden; QQ dieser Form besitze ich aus Bayern und England. Bei exotischen Lycaeniden ist der Geschlechts-Dichroismus oft sehr stark entwickelt. Doch will ich darauf hier nicht näher ein- gehen, um nicht endlos zu werden. Indem ich zur Besprechung derjenigen Farben- und Formen- Varietäten übergehe, die man als Jahreszeit- oder Saison- oder Hora- Dichroismus und -dimorphismus zu bezeichnen pflest, will ich nur andeuten, was wir uns, in Ermangelung einer sichern Kenntnis von ihrer Entstehung, über diese etwa denken können. Man stellt es sich oft sehr einfach vor, dass die meteorologischen Verhältnisse, wie sie den verschiedenen Jahreszeiten eigen sind, die Entwicklung der Nachkommenschaften in verschiedene Richtungen leiten. Wenn aber manche es als selbstverständlich betrachten, dass die Sommergeneration einer Art sich von ihrer 'Frühlingsgeneration durch unzweideutige Merkmale unterscheiden, jedem einzelnen Individuum also gleichsam der Stempel der betreffenden Jahreszeit aufgedrückt sein müsse, in der es entstanden ist; so vergisst man dabei, dass zu- nächst in unsern Breiten Frühling und Sommer häufig einander in ihrer Witterung ähnlich sind, und dass sie von Jahr zu Jahr einen ganz verschiedenen Charakter haben können. Aber auch in den Tropen, mit ihren zeitlich scharf abgesetzten und meteorologisch stark gegen einander kontrastierenden Regen- und Trockenzeiten, werden, wie wir von zuverlässigen Beobachtern (z.B. de Nicéville, Swinhoe, Bingham) lernen, keineswegs immer Saisonformen erzeugt, die sich voneinander wesentlich unterscheiden; und Übergänge zwischen den einen und den andern Formen sind ungemein häufig. Ich kann übrigens an meinem eigenen Material nachweisen, dass z. B. zwischen den Trocken- und den Regenzeitformen von Lampides celeno Cr., wie zwischen denjenigen von Ticherra frigga Fbr. allerlei Zwischen- formen vorkommen. Diese Beispiele liessen sich leicht vermehren. Wir können uns aber auch vorstellen, dass ein Wechsel der Nahr- ung der Raupen, wie er vermutlich oft mit dem Beginn einer neuen Jahreszeit verbunden ist, für sich allein oder kombiniert mit Witter- ungsänderungen, Färbungsverschiedenheiten hervorrufen mag, wie man solche bei den oben erwähnten Fütterungsversuchen beobachtet 18 274 L. Courvoisier. hat. Aber auch darüber wissen wir nichts Sicheres, und mit allen noch so geistreichen Annahmen kommen wir hier nicht weiter. Die Haupt- sache ist jedenfalls, dass wir nur auf Grund eines sehr grossen Materials aus verschiedenen Jahreszeiten, sowie aus ver- schiedenen Gegenden urteilen. Im Nachfolgenden möchte ich an einigen Beispielen zeigen, zu welchen Trugschlüssen man gelangen kann, wenn man diesen Grundsatz nicht befolgt. Seitdem Zeller 1849 gemeldet hat, dass er aus Eiern der soge- nannten Sommergeneration des Everes argiades Pall. im April den ab- weichenden polysperchon Bestr. gezogen hat, gilt es bis heute als fast unbestreitbarer Glaubenssatz, dass letzterer die typische Frühlings- generation des ersteren darstelle. Leider sind aber die Autoren nicht einmal einig über die jeder Brut zukommenden Merkmale. Wie ich nun bereits in meinen „Entdeckungsreisen“ 1910 nachgewiesen habe, besteht in Färbung und Zeichnung beider Formen durchaus keine scharfe Grenze; sie gehen so unmerklich ineinander über, dass man bei einzelnen Exemplaren im Zweifel sein kann, zu welcher Form sie gehören. Ich kann Gillmer’s Ausspruch (Soc. ent. 1908) vollständig bestätigen, dass „nicht alle Frühjahrsexemplare dem polysperchon genau entsprechen, sondern Übergänge zwischen beiden Zeitformen statthaben. Ja man kann, genau genommen, überhaupt nicht von richtigen Zeitformen reden. Alte gute Beobachter (Rottemburg, Esper, Borkhausen) kannten bereits zwei Generationen; dass aber der Frühling eine typisch andre Form liefere, als der Sommer, liest man bei ihnen nicht. Engramelle lässt seinen (mit polysperchon über- einstimmenden) myrmidon im August und September, gleichzeitig mit argiades fliegen; Schott letztern im Mai und im Juli. Neuer- dings haben verschiedene Autoren beide, zum Teil neben einander, durch den ganzen Sommer beobachtet. Ich selbst habe um Basel polysperchon im August, argiades im Mai gefangen und besitze von beiden je ein Stück, die gleichzeitig im ersten Frühjahr neben ein- ander gefangen worden sind. Somit fällt auch die Annahme eines regelmässig und mit den Jahreszeiten zusammenfallenden Wechsels der Generationen dahin. Die Augustbrut des polysperchon müsste ja gegen alle Vorschrift im Mai eine Frühjahrsbrut argiades, diese eine Sommerbrut polysperchon erzeugen ete. Æveres argiades ist also mit seiner Nebenform ein typisches Beispiel für die falschen Schlüsse, die man aus ungenügendem Material so leicht ziehen kann. Von Lycaena medon Esper (nec Hufn.; astrarche Bostr.) hat Meyer-Dür 1853 folgendes behauptet: 1. „Die Frühlingsexemplare haben auf der Oberseite nur Spuren rotgelber Randmonde“ (gleiches sagt er von „alpinischen‘“ Exem- plaren). Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 275 3. „Die Sommerexemplare haben deutliche rotgelbe Randmonde über alle vier Flügel.“ 3. „Unsere (d.h. die Burgdorfer) beiden Generationen sind unten _ hellgrau; im Süden aber bekommt die Sommergeneration unten einen schönen braungelben Ton.“ Bellier hat später eine oben stark gefleckte, unten bräunliche corsikanischeForm calida, Staudinger eine ähnliche südliche aestiva genannt. Frey bestätigt in seinen Lepidopteren der Schweiz 1880 Meyer-Dür’s Behauptungen fast wörtlich; und in der neueren Literatur begegnet man öfters ähnlichen Äusserungen. An meinem reichen Material kann ich aber leicht nachweisen, dass jene Behaupt- ungen höchstens insofern zutreffen, als man bei uns, wenigstens in der Ebene, während des Sommers kaum ein Exemplar finden wird, das nicht deutliche rotgelbe Randflecken, meist auf allen Flügeln, besässe. Als ganz verkehrt muss ich aber die Angabe bezeichnen, wonach im Frühling die Art stets nur Spuren von Randmonden auf- weisen soll. Ich besitze sehr viele damit reichlich versehene Stücke beider Geschlechter, die im April und Mai um Basel gefangen worden sind, ja nicht wenige, die der canarischen Form cramera Esch. mit ihren fast bindenartig zusammenfliessenden grossen roten Monden ganz ge- nau gleichen. Und wenn auch im allgemeinen unsre Exemplare, zu- mal im Frühjahr, unten grau sind, so kommen doch in beiden Gene- rationen immer einzelne unten rôtlichbraune vor. Deshalb muss ich es für unmöglich erklären, einem Exemplar von medon mit Sicherheit anzusehen, aus welcher Generation es stamme. Von icarus Rott. habe ich durch Händler wiederholt Serien an- geblich verschiedener Jahreszeitbruten erhalten. Bald sollte die Ober-, bald die Unterseite derselben in der Färbung sich unterscheiden. Ich habe aber an einem sehr bedeutenden Material der allerverschiedensten Herkunft in dieser Hinsicht nie etwas typisch Unterscheidendes her- ausfinden können: OO mit wechselnden Nüancen der Oberseite, braune und blaue OO, Exemplare beider Geschlechter mit allen mög- lichen hellen oder dunkeln Färbungen der Unterseite kommen gleich- zeitig in der ganzen Reihe der Generationen des icarus vor, die vom ersten Frühjahr bis in den späten Herbst einander ablösen. Doch will ich mich anheischig machen, recht schöne Serien von angeblichen Frühjahrs- oder. Sommergenerationen aus meiner Sammlung durch entsprechende Auswahl zusammenzustellen. Genau dasselbe kann von bellargus Rott. gesagt werden, der bei uns in der Ebene und im Hügelland mindestens in zwei Generationen erscheint, ohne dass ich je trennende Merkmale bei denselben hätte entdecken können. 276 L. Courvoisier. Unter den Goldfaltern sind zwei einheimische Arten, die auch mindestens zwei Generationen liefern und über die ebenfalls gewisse unrichtige Angaben immer weiter kolportiert werden: Phlaeas L. erscheint von Mitte April bis in den September hinein in immer wieder frischen. Stücken. Nun hat Zeller 1847 eine Form verna und eine aestiva aufgestellt. Erstere soll leuchtend-rotgoldene Vorder- und ungeschwänzte Hinterflügel, letztere braun übergossene Vorder- und geschwänzte Hinterflügel haben und grösser sein als jene. Seither sind, offenbar in Unkenntnis der Zeller schen Bezeich- nungen, mehrere neue Namen sowohl für ungeschwänzte, als für ge- schwänzte verdunkelte Exemplare erteilt worden (turcicus Gerhd, turanica Rühl, suffusa und fuscata Tutt). Dabei will ich, wie schon in früheren Arbeiten, nochmals betonen, dass es ein Misbrauch ıst, wenn verdunkelte und geschwänzte Exemplare fast in allen syste- matischen Werken immer wieder als eleus Fabr. bezeichnet werden ; dieser hat nämlich eine aschgraue (‚‚cinerea‘‘) Unterseite, was der gewöhnliche phlaeas nicht hat; ein richtiger eleus ist ungeheuer selten. Andrerseits ist offenbar die von Tutt aufgestellte Form vgnita identisch mit der Zeller’schen verna, sodass der neue Name über- ‘ flüssig ist. Wie steht es nun mit der Aberenzung der Frühlings- und Sommerformen bei phlaeas? Schon Meyer-Dür hat eine solche für unmöglich erklärt; und in der Tat gibt es in allen Jahreszeiten leuchtende und verdunkelte, geschwänzte und ungeschwänzte Stücke, und obendrein zwischen ihnen alle erdenklichen Übergänge. Es ist also ein tadelnswert unnötiges Verfahren, wenn einzelne auch noch diese Übergänge eigens benannt haben (transiens Fuchs, intermedia und fuscata Tutt), zumal da von keinem eine Abbildung vorhanden ist, jeder sich also dabei etwas andres denken kann. Wie wenig übrigens von einer Einheitlichkeit des Aussehens in verschiedenen Generationen die Rede sein kann, ergibt sich z. B. auch daraus, dass Caflisch 1895 der Frühjahrsbrut des Bergells grössere Gestalt, dunkle Farbe und geschwänzte Hinterflügel zuschreibt und sie aus letzterem Grund caudata nennt, während diese drei Eigenschaften ge- wöhnlich bei der Sommerbrut erwähnt werden, und Tutt letztere als caudata bezeichnet. Auch tıtyrus Poda (1761; false dorilis Hufn. 1766) hat min- destens zwei Generationen; und auch von diesen ist mehrfach be- hauptet worden, dass sie sich scharf unterscheiden. Meyer-Dür hat den © der Frühlingsbrut sehr deutliche rotgelbe Randmonde, den PQ helle Färbung der Vorderflügel zugesprochen, den SC der Sommerbrut dagegen verlöschende Randmonde, den QQ düstere Vorderflügel. Ziemlich genau das Gegenteil liest man bei Rebel Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 277 (Schmetterlingsbuch 1910). Er hat sogar der angeblich verdunkelten Frühlingsform den eigenen Namen vernalis gegeben. Nimmt man nun die Aussagen beider Autoren zusammen, so entspricht das Er- gebnis der Tatsache: dass jede Jahreszeit ganz verschiedene Formen hervorbringt. Das kann ich aus den hunderten von Exemplaren meiner Sammlung beweisen. Ich habe oft im Mai, wie im Hochsommer neben einander Stücke gefangen, welche in Färbung und Zeichnung Ex- treme darstellten. Somit bedarf es überhaupt für keine Generation eines besondern Namens, es sei denn, dass man alle Frühlings- exemplare vernalis, alle Sommerexemplare aestivalis nennen will, un- bekümmert um ihre Beschaffenheit. Diese Darlegungen dürften genügen, um zu zeigen, dass manche sogenannte Zeitformen von Lycaeniden voreilig, auf Grund viel zu spärlichen Materials und unzureichender Beobachtung aufgestellt worden sind. Weitergehende Prüfung wird vielleicht ergeben, dass das Bestehen scharf gegen einander abgegrenzter Frühjahrs- und Sommergenerationen überhaupt ein Phantasiegebilde ist. Ganz verkehrt ıst es unbedingt, von vernalen und aestivalen „Rassen“ zu reden. Denn, wie ich im Eingang erörtert habe, passt dieser Ausdruck einzig auf gut abgeschlossene, durch keinerlei Über- gänge mit andern verbundene Formen; von zwei Generationen aber, die sich gegenseitig abwechselnd immer wieder erzeugen, ist natürlich keine die „Rasse“ der andern. Fordern Erfahrungen, wie die soeben mitgeteilten, zu grosser Vorsicht in der Aufstellung sogenannten Jahreszeitformen auf, so lehren Beobachtungen, die man hinsichtlich des Auftretens ver- schiedener Artformen an verschiedenen Örtlichkeiten machen kann, dass bei der Aufstellung sogenannter ,,0rts:, Lokal-, Areal-, Regional-, geographischer Rassen‘ mindestens ebensoviel Zurückhaltung ange- zeigt, ist. Die Verteilung der Lycaeniden über die Erdoberfläche ist eine ausserordentlich ungleiche; und es sind dabei eine ganze Reihe von Möglichkeiten verwirklicht. Nicht selten handelt es sich um eine Lokalisation, die so eng um- schrieben ist, dass wir für die betreffenden Arten eigne „Schöpfungs- zentren annehmen dürfen, wie sie vielfach auch in der übrigen Zoologie und in der Botanik angenommen werden. Allerdings sind die Ortlichkeiten fast ausschliesslich Inseln, und wir kennen manche Spezien und Formen, die ganz auf solche beschränkt sind. So besass einzig England vor 70 Jahren noch die seither ausgerottete Stamm- form des Chrysophanus dispar Haworth: Corsika hat in den Formen bellieri Obth. und corsica Bell. eigene Vertreter der Lycaenen idas L. 278 L. Courvoisier. und argus L.; Kreta die überhaupt nur vom Berg Ida bekannte psylorita Freyer. Wir verstehen eine solche isolierte Entstehung an Stellen, die weit und breit vom Meer umgeben sind; viel weniger ein Auftauchen eigner Arten mitten im Festland. Lycaena pyrenaica Pierret aber, die nur in einem engen Bezirk der Pyrenäen vorkommt, und deren nächste Verwandte dardanus HSch. und aegagrus Chr. Kleinasien bewohnen, verdient als Beweis für eine solche Möglichkeit genannt zu werden. Vielleicht ist sie durch sehr hohe umgebende Ge- birge, vielleicht auch durch eine bestimmte Futterpflanze an ihrer Ursprungsstätte zurückgehalten worden (ähnlich wie das vermutlich für die bis jetzt nur im Walliser Laquintal und in dessen nächster Umgebung beobachtete Erebia christi Rätzer zu gelten scheint). In vielen Fällen sehen wir Lycaeniden zwar innerhalb der Kon- tinente weithin, aber schliesslich nicht über gewisse Bezirke hinaus verbreitet. So ist die Gruppe der Lipteninen ganz auf Südafrika und sind die Genera Axiocerses und Phasis Hbn. auf die ostafrikanischen Küstenländer und die Kapkolonie beschränkt. Eigentümlicher ist das Auftreten einzelner Arten in zwei weit auseinander liegenden Gegenden eines Kontinents. So finden sich einige unsrer häufigsten alpinen Bläulinge: cyparissus Hbn., nicias Meig. (false donzelii Bsd.), tithonus Hbn. (false eros Ochs. ), orbitulus de Prunn. (false pheretes Hbn.) genau gleich, rustica Edw. (false orbitulus) wenigstens als Nebenform im hohen Norden. Zwischen dem skandinavisch-sibirischen (sibirica Stdgr.) und dem zentral- alpinen cyparissus vermittelt allerdings die in den Zwischenländern stellenweise häufige Stammform optilete Knoch., die übrigen Arten jedoch haben zwischen ihren getrennten Standorten keine solche Ver- bindung. Diese Erscheinung, die übrigens in mehreren andern Schmetterlingsfamilien und in manchen andern Tierordnungen ihre Analogien hat, erklärt sich daraus, dass ein ursprünglicher Zusammen- hang der Wohnorte durch gewisse geologische oder klimatische Um- wälzungen, vermutlich durch eine Eiszeit, unterbrochen worden ist. Die heutigen Vertreter der Arten wären deshalb als „Reliktformen zu bezeichnen, wobei es allerdings unentschieden bleiben muss, welche der jetzt bewohnten Gegenden die erste Heimat derselben gewesen sein mag. Manche Genera und sogar einzelne Arten teilen sich in den gleichzeitigen Besitz zweier Kontinente. Wo diese, wie es zwischen Europa und Asien der Fall ist, breit mit einander zusammenhängen, darf man sich, wenn man nicht ein gleichzeitiges Entstehen auf breiter Grundlage an vielen Stellen annehmen will, wohl vorstellen, dass die Ausdehnung der Falter von einem Land zum andern durch Wanderungen stattgefunden hat. Hier ist zu erwähnen, dass ge- Nehenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 279 wisse Lepidopteren zeitweise ihre Heimat verlassen und weite Flug- reisen unternehmen. So ist vom Oleanderschwärmer bekannt, dass er in heissen Sommern von seinen gewöhnlichen Standorten in Südeuropa bis nach Norddeutschland streicht; und von einzelnen Pieriden und Nymphaliden weiss man, dass sie gelegentlich, wie die Heuschrecken, in unglaublichen Mengen gemeinschaftliche Züge ver- anstalten, bei denen sie binnen weniger Tage hunderte von Kilometern durcheilen können. Bei den Lycaeniden ist ähnliches meines Wissens nicht beobachtet worden. Aber dass es in früheren Zeiten geschehen sein könnte, muss zugegeben werden. Immerhin werden solche Wanderflüge wohl immer über Land und jedenfalls nicht über breite Meere hinüber stattgefunden haben. Wahrscheinlich erklärt sich aber das bikontinentale Vorkommen gewisser Lycaeniden durch ganz allmähliche, Schritt für Schritt vor sich gehende Ausbreitung; so z. B. bei einigen Genera, die sowohl in Adfrıka, wie in Asıen auftreten: Aphnaeus und Castalius Hbn., Catochrysops Bsd., Hypolycaena Feld., Lycaenesthes und Talicada Mre. An die vielen afrikanischen Aphnaeus-Arten, zumal an die nordafrikanischen, die von einzelnen dem Subgenus Cigaritis Luc. zugewiesen werden, schliesst sich in Syrien und Kleinasien die Spezies acamas Klug an, die weit nach Zentralasien hineinreicht und dort gleichsam die Verbindung herstellt mit den himalayanischen und indischen Arten der Gattung. Die afrikanischen Arten Catochrysops malathana Bsd. (asopus Hopff.) und Lycaenesthes amarah Guer. kommen genau gleich in Arabien vor. Dort begegnen sich ferner malathana und die Form Ælugi Stgr. des indischen Catochrysops cnejus Fbr., mit welchem die ostafrikanische osiris Hopff. sehr nahe verwandt, wo nicht identisch ist. — Von Talicada nyseus Guer. lässt sich sagen, dass sie genau gleich in Afrika und Indien, nur dort un- geschwänzt, hier geschwänzt, vorkommt, dazwischen aber nicht be- obachtet ist. Die Hypolycaenen endlich weisen auf beiden Kon- tinenten sehr ähnliche Formen auf. So liegt denn der Gedanke nahe, dass diese (und noch andre) Genera und Arten einst über die Land- enge von Suez und weiter über Arabien und Syrien mit ihren indischen Genossen in ununterbrochener Verbindung dürften gestanden haben. Wir kennen aber noch auffallendere Beispiele eines bikon- tinentalen Auftretens: Lycaena bellargus in der wundervollen Form punctifera Obth., Callophrys avis Chapm., Laeosopis roboris Esp., Thecla ilicis in den Formen esculö Hbn. und mauretanica Stdgr. be- wohnen das südlichste Frankreich, die iberische Halbinsel und die nordafrikanischen Küstenländer. Sie müssen also einst den Weg über die jetzige Meeresenge von Gibraltar in der einen oder andern Rich- tung zurückgelegt haben; aber dieser Austausch erfolgte schwerlich 280 L. Courvoisier. über Meer, sondern wahrscheinlich über eine später durch Boden- senkung zerstörte Landbrücke. Auf ähnliche Weise erklärt sich wohl die Tatsache, dass die palaearktische und die neoarktische Falterfauna nicht nur viele parallele, sondern sogar einige identische Lycaeniden aufweisen. Ächte Lycaenen kommen überhaupt nur auf diesen so weit von einander ge- trennten Kontinenten vor. Unsern argus L. und idas L. (argyros- nomon Bgstr.)stehen die nordamerikanischen acmonW wd., annaReak., scudderii Edw., melissa Edw. (welche letztere Staudinger, wohl irrig, als ödas-Form auffasste) sehr nahe. Die von Elwes im Altaı entdeckte Art argali bezeichnet der Autor als eng verwandt mit den nordamerikanischen /ygdamus Dbl. und couperi Grote; letztere, so- wie antiacis Bsd. dürfen als kalifornische Vertreter unsres semiargus Rott. gelten. Everes comyntas God., in ganz Nordamerika verbreitet, gleicht sehr unserm argiades Pall., und amyntula Bsd. aus Kalifornien ist sicher nur eine Form des letztern. Chrysophanus editha Mead, ebenfalls kalifornisch, nähert sich unserm tityrus Poda. Lyc. optilete Knoch und rustica Edw. (false orbitulus) kommen genau gleich in beiden Erdteilen vor; und was manche unter dem Namen hypophlaeas Bsd. (americana d’Urb.) als eigne Chrysophanus-Art aufgefasst haben, ist einfach eine kleine, aber durch kein wichtiges Merkmal abweichende Form unsres phlaeas L. Alle diese, übrigens auch in vielen andern Falterfamilien und Tierordnungen wiederkehrenden Parallelen und Identitäten beruhen vermutlich darauf, dass zwischen Asien und Nordamerika in der Gegend der jetzigen Behringsstrasse und der Aleuteninseln einst eine alte Landverbindung bestanden hat. Auch zwischen den Antillen und Zentralamerika müssen früher Landbrücken existiert haben, welche das auf jene Gegend, be- schränkte Auftreten der Genera Eumaeus Hbn. und Theorema Hew. ermöglicht haben. Die auffallende Ausbreitung vieler Genera über die indo- malayischen Gebiete wird ebenfalls nur verständlich, wenn man be- rücksichtigt, dass an Stelle jetziger breiter Meere in Urzeiten gewisse Landbrücken bestanden. Es steht z. B. fest, dass die Halbinsel Malakka einst ununterbrochen mit der Insel Sumatra, diese mit den sämtlichen Sunda-Inseln bis Timor verbunden war. Daraus erklärt es sich, dass die Genera Curetis, Jamides und Lampides Hbn., Naca- duba und Poritia Mre., sowie die Gruppe der Gerydinen, die alle zu einem kleinen Teil palaearktisch, hauptsächlich aber indisch sind, sich über alle Sunda-Inseln haben zerstreuen können. Weitere Verbin- dungen aber zwischen letztern und den Philippinen, sowie zwischen diesen und den Molukken, Neu-Guinea, Australien ete. gestatteten sowohl eine Ausstrahlung einzelner der genannten Genera bis in die Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 281 entferntesten oe en Archipele, wie umgekehrt eine Auswan- derung von Australien her bis zu den Sunda- Inseln. So konnten z. B. die Genera Hypochrysops Felder und Thysonotis Hbn., ursprünglich australischen und ozeanischen Ursprungs, je eine Art bis Celebes vor- schieben. Die übrige Zoologie liefert hiezu Parallelen, wie z. B. das Vordringen gewisser Beuteltiere aus ihrer ursprünglichen australischen Heimat bis zu den Philippinen. Es ist nun wohl erlaubt, sich vorzustellen, dass im Verlauf einer solehen, über ungeheure Zeiträume verteilten Ausbreitung nach immer weiteren Stationen, unter wechselnden örtlichen Einflüssen, innerhalb der wandernden Genera immer neue Arten, innerhalb der Arten neue Formen sich entwickelt haben. Eine solche Auffas- sung erhält eine gewisse Stütze durch Beobachtungen, wie die folgende, von mir schon einmal (Entomol. Mittlgn. 1912) ange- führte: Drupadia lisias Fbr. liefert teils auf dem asiatischen Festland (Birma, Siam, Malakka), teils auf verschiedenen Sunda-Inseln (Sumatra, Nias, Java, Borneo, Jolo) 8 Formen, die zwar, als Ab- kömmlinge einer und derselben Art, alle gewisse gemeinsame Merk- male, namentlich des Flügelschnitts und der Zeichnung der Unter- seite, aufweisen, aber jede von allen andern durch eigne Färbung des © so abweicht, dass der Kenner beim Anblick eines einzigen Exem- plars seine Herkunft zu erraten vermag. | Es ist das eine Parallele zu dem Polychroismus der berühmten Ornithoptera priamus, die auf den Molukken gelbe, auf Neu-Irland grüne, in Australien blaue Färbung zeigt, ohne ihre übrigen Merkmale zu verändern. | Hier. ist auch als merkwürdiges Beispiel für die Richtung, in welcher ört- liche Einflüsse sich geltend machen können, die Tatsache anzuführen, dass die Insel Formosa in auffallender Weise von Lycaeniden, die auf dem benachbarten Festland helle Farben zeigen, verdunkelte, melanistische Formen erzeugt. Von solchen besitze ich selbst: u saronis Mre. F. lucifuga Frhst., acuta Mre. F. brunnea Wilem. Ohliaria kina Hew. F. vanavasa Frhst.; Horaga onyx Mre. eine et schwarze Form, die ich nigra nenne. Ob auf Formosa auch andre Falterfamilien ähnliche Beispiele aufweisen, ist mir unbekannt. Rätselhafter nun, als alles bisher Erwähnte, ist das Auftreten gleichartiger Formen in Afrika und Südamerika. Butler hat das Genus Cyclyrius aufgestellt, als dessen Typus er den Canaren-Bläu- ling webbianus Brulle (fortunatus Stgr.) bezeichnet, dem er aber auch die ostafrikanischen Arten aequatorialis Sharpe und juno Butler zuteilt. Mit gleichem Recht darf man demselben aber eine Anzahl Arten zuweisen, welche die höchsten Anden von Peru, Chile und Bolivia bewohnen. Da ist zunächst callanga Stgr. (in lit.), die mit webbianus, allerdings nicht durch ihre anders gefärbte obere, wohl 282 L. Courvoisier. aber durch ihre fast genau gleich gezeichnete untere Seite eng ver- wandt erscheint. Da sind die ebenfalls von Staudinger benannten: coca, speciosa und vapa, die ım ganzen Habitus, in Färbung und Zeichnung beider Flächen eine so verblüffende Ähnlichkeit mit den erwähnten ostafrikanischen aufweisen, dass man kaum eine Analogie dazu finden kann. Am ehesten mag noch der Vergleich gestattet sein mit jenem eben so geheimnisvollen Auftreten von Beuteltieren und Edentaten in Australien, wie in dem südlichsten Amerika, von Straussvögeln in Neuseeland und Australien, wie in Südafrika und Südamerika, von je einem, tropische Süsswassertümpel bewohnenden Lungenfisch in Australien, Südafrika und Südamerika. Endlich stehen wir vor der Tatsache, dass gewisse Genera in fast ununterbrochener Weise über die ganze Erde verbreitet sind. In viele Arten aufgelöst, ist z. B. das Genus Cyaniris Dalm. (Lycaenopsis Feld.) in ganz Nordamerika vertreten durch den formenreichen pseudargiolus Bsd., in Zentral- und teilweise Südamerika durch gozora Bsd., im ganzen palaearktischen Gebiet durch argiolus L. und ım indomalayischen durch etwa 10 weitere Arten. Ihm steht das Genus Tarucus Mre. wenig nach. | Hier lasse ich die neuerdings vorgeschlagene Spaltung in die Subgenera Leptotes Scudder, Syntarueus Butler, Syntarucoides Kaye unberücksichtigt, weil mir die Untersuchung der Androconien der betreffenden Typen eine sehr grosse Übereinstimmung ergeben hat. | Von diesem Genus haben die südlichen Vereinigten Staaten, Zentral- und Südamerika cassius Cr. mit der Nebenform marina Reak., Chile hat trigemmatus Butler. Die iberische Halbinsel und Nordafrika liefern theophrastus Fbr., der über Vorderasien in mehreren Nebenformen bis Indien geht; das ganze südliche Europa felicanus Lang, der in der Form eleusis Dem. Ägypten bewohnt und in der Form plinius Fbr. durch ganz Afrika, aber auch in Indien und im weiten malayischen und australischen Gebiet vorkommt. Madagaskar endlich besitzt rabe- faner Mab. Ausserordentlich verbreitet ist ferner die Gattung Thecla Fbr. Sie herrscht in Südamerika mit vielen hundert meist farbenprächtigen Arten so sehr vor, dass neben ihr die spärlichen sonstigen Lycaeniden geradezu verschwinden, und dass man versucht wird, die neotropischen Gegenden als die ursprünglichen Ausgangsgebiete des Genus zu be- trachten. Einzeln dringen schöne Arten desselben durch Zentral- amerika bis Kalifornien vor. Aber die übrigen Vereinigten Staaten besitzen davon nur noch wenige und zwar unscheinbare Arten. Auch Europa und das nördliche Asıen, sowie Japan, liefern nur einige wenige auffallende Spezien. Ergänzend schliesst sich das nahe ver- wandte Genus Zephyrus Dalm. an, das im Amurgebiet, im japanischen Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 285 Inselreich, in der Mongolei vorherrscht und aus vielen stattlichen und schön gefärbten Arten besteht. Europa besitzt davon nur die dunkeln betulae und quereus L., während ein sonderbarer Ausläufer, erysalus Edw., den Vereinigten Staaten Utah und Kalifornien angehört. Im südlichen Asien und auf einigen Sunda-Inseln aber wird das Genus Thecla durch das gleichfalls nahestehende Genus Heliophorus Hbn. (Ilerda Dbl.) ersetzt. Das Mitgeteilte genügt zur Darlegung der ausserordentlichen Mannigfaltigkeit der Verteilung der Lycaeniden. Wir sehen Formen, die offenbar von jeher auf die umschriebene Stätte ihrer Entstehung beschränkt geblieben sind; andre, welche dieselbe verlassen, sich ın engerem oder weiterem Umkreis ausgebreitet und dabei entweder, von den Verhältnissen der neu eroberten Gebiete unberührt, sich un- verändert angepasst haben, oder durch dieselben gewissen Verände- rungen unterworfen worden sind. Wir sehen aber andrerseits ganz nahe verwandte Formen in weit getrennten Gegenden, ja schliesslich an vielen Stellen der Erdoberfläche so unabhängig von einander auf- tauchen, dass wir nicht an ihre Entstehung aus einer einzigen Urform _ glauben können, sondern nur noch ihre selbständige, autochthone Ent- stehung annehmen, sie als eingeboren betrachten müssen. Es kommen also tatsächlich „Ortsformen‘, bezw. „geo- graphische Rassen“ vor. Man kann auch, ohne den Tatsachen Zwang anzutun, besondere Ebenen-, Steppen-, Küsten-, Insel-, Hügel-, Berg-, Alpen-, nordische-, südliche-, Tropen- ete. Formen unterscheiden. Aber die Abtrennung einer solchen ,,Ortsform” von einer „Stammform‘ ist nur dann berechtigt, wenn zugleich bewiesen wird, dass sie einzig in der einen Gegend und ohne Anwesen- heit einer andern Form der gleichen Art vorkommt. Darum erscheint die vielfach übliche Aufstellung neuer ‚Ortsrassen“ auf Grund einiger spärlicher Stücke, etwa gar eines einzigen Pärchens, das von der ,,Stammform‘ etwas abweicht, bedenklich. Denn irgend ein weiteres Stück, das von den beschriebenen wieder abweicht, muss die schöne Rasse verderben. Auch hier kann nur grosses Material ent- scheiden, das aber leider oft nicht zur Verfügung steht. Ich werde deshalb, je länger und gründlicher ich mich mit den Lycaeniden be- schäftige, um so skeptischer in der Anerkennung so vieler aus den- selben ausgeschiedener Rassen. Im Nachfolgenden möchte ich diesen meinen zurückhaltenden Standpunkt an Hand einiger Beispiele näher begründen. Von argus L. hat Bellier 1862 eine Varietät corsica benannt. Sie scheint bisher auf Corsika allein beobachtet zu sein (Sardinien ?). Von andern Formen der Spezies unterscheidet sie sich scharf dadurch, dass auf der Unterseite beider Geschlechter die Ocellen nicht schwarz 284 L. Courvoisier. gekernt, sondern von gleicher Farbe, wie die ganze Flügelfläche, beim oO grau, beim © braun sind und sich nur deshalb von derselben ab- heben, weil ungewöhnlich breite weisse Ringe sie umgeben. Ein ähn- liches Bild kenne ich von keinem andern Bläuling (s. die Fig. 288—9 bei Oberthür, Lépid. comp. 1910), und es erscheint mir nicht ausge- schlossen, dass es sich hier sogar um eine eigne Art handle. — Die von mir 1910 beschriebene Form alpina (nicht zu verwechseln mit der zu idas L. = argyrognomon Bgstr. gehörigen Form alpina Berce) hat mit ihrer kleinen Gestalt, ihrem sehr dunkeln Kolorit, den meist deutlichen Mittelmonden der Vorderflügel und den breiten, einwärts scharf begrenzten schwärzlichen Flügelsäumen etwas sehr Eigen- tümliches. Sie ist in den Walliser, Tessiner, Graubündner, Piemon- teser, Tiroler und Kärnthner Voralpen und Alpen die herrschende Form, ohne indessen im Hügelland zu fehlen. Tirol, Kärnthen, Krain, Herzegowina beherbergen aber auch die Form, die ich 1913 carinthiaca genannt habe. Ihr gehören die grössten und am breitesten schwarz umsäumten Exemplare der Spezies an, die ich je gesehen habe. Zwischen alpina und carinthiaca aber gibt es allerlei Übergänge, so dass keine von beiden eine gute Regionalrasse sein kann. Ein ähn- liches Verhältnis besteht zwischen der zuerst aus Andalusien bekannt gewordenen Form hypochiona Ramb. und der 1910 von Fruhstorfer aufgestellten sogenannten „Lokalform“ Iydiades aus den Seealpen. Erstere unterscheidet sich allerdings in ausgeprägten Stücken durch ihre hell rötlichblaue Ober- und ihre schneeweisse Unterseite deutlich von mitteleuropäischen Stücken; sie ist aber keine spanische Lokal- form, da sie laut Seitz auch auf den Ionischen Inseln und in Griechen- land regelmässig und als ‚Aberration“ auch anderwärts, so bei Digne, ja „sogar in England“ vorkommt. Die Form Iydiades soll oben auch hellblau sein und eben durch diese Färbung, sowie durch ihre helle Unterseite von den Südtiroler und Walliser Exemplaren ,,hinüber- leiten“ zu hypochiona. Eine hinüberleitende Form kann aber keine Lokalform sein, und in der Tat besitze ich Stücke, die genau zur Fruhstorfer’schen Beschreibung von /ydiades passen, aus Kärnthen, Krain, den Sabinerbergen, den Seealpen, den Pyrenäen. Somit stelle ich fest, dass /ydiades nur aus Übergängen zwischen unserm gewöhn- lichen argus und hypochiona besteht. — 1910 habe ich eine unten dunkel rauchgraue argus-Form, die ich als „anscheinend ständige Lokalform“ in Anzahl im Südtirol erbeutet hatte, als nögrescens be- zeichnet. Seither habe ich aber genau gleiche Stücke teils im Wallis gefangen, teils aus Kroatien und aus der Umgebung von Wien er- halten; demnach ıst auch hier von einer Ortsrasse keine Rede. | Es hätte nahe gelegen, nun auch einige typische Formen von idas L. (argyrognomon Bestr.) zu besprechen. Wie ich aber in meiner Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 285 Androconien-Arbeit (Vhdlen. d. naturforsch. Ges. Basel 1915) gezeigt habe, müssen schon zwei bisher zu èdas gezählte Formen: planorum Alph. und insularis Leech als eigne Arten gelten, und weitere Unter- suchungen lassen mich vermuten, dass auf Grund abweichender Androconien noch einige andre Formen als Arten von èdas abgetrennt werden müssen. Ich verzichte daher hier auf ihre Besprechung. | ') Bezüglich der Spezies, die seit, Esper’s grundlegender Verwechs- lung (1800) allgemein fälschlich für orbitulus de Prunner gegolten hat, herrscht noch jetzt unglaubliche Verwirrung. Ich habe 1914 (Int. Ent. Ztschr. Guben) nachgewiesen, dass orbitulus die Art ist, die später von Hübner pheretes genannt wurde, und dass die als orbitulus eingeführte Spezies rustica Edw. heissen muss. Nun ist zum alten orbitulus eine ganze Anzahl andrer Arten gezählt worden, welche dessen Varietäten sein sollten; so pyrenaica Pierr., dardanus HSch., aegagrus Chr. Jene beiden sind aber, wie aus ihren ganz verschiedenen Androconien hervorgeht, eigne Arten; aegagrus Ohr. jedoch ist eine Nebenform von dardanus. Richtige Nebenformen von rustica, denen zum Teil der Charakter eigentlicher Lokalrassen zugesprochen worden ist, sind in ziemlicher Anzahl aufgestellt worden, darunter europäische, zentralasiatische, ostsibirische, neoarktische. Ich kann über mehrere derselben wegen zu geringen Materials nicht urteilen. Doch will ich wiederholt feststellen, dass ich von verschiedenen schweizerischen Alpen die typische sogenannte Pyrenäenform oberthüri Stgr. in mehreren Exemplaren und vom Piz Languard im Engadin ein unver- kennbares © der lappländischen Form aquilina Stgr. (aquilo Auriv.) besitze, und deshalb nicht bezweifle, dass im schweizerischen Alpen- gebiet diese angeblichen ,,Ortsrassen‘ auch anderswo noch auf- sefunden werden dürften. Von medon Esper (astrarche Bgstr.) habe ich oben schon mitge- teilt, dass die öfters behaupteten versehiedenen Färbungen der beiden Generationen in Wirklichkeit nicht durchgreifend existieren. Er- gänzend füge ich hier bei, dass auch Meyer-Dür’s Angabe, wonach „alpinische“ und südeuropäische Exemplare Färbungsextreme dar- stellen sollen, in so kategorischer Form keineswegs stimmt. Ich be- sitze aus verschiedenen schweizerischen Alpentälern Stücke, zumal O9, die in der Entwicklung der rotgelben Randmonde der Ober- und in der rötlichbraunen Grundfarbe der Unterseite hinter manchen meiner Sommerexemplare aus südlichen Gegenden durchaus nicht zurück- stehen. Hier erinnere ich an meine frühere Mitteilung, wonach ich um Basel schon im Frühjahr zahlreiche © und © Stücke erbeutet habe, die wegen ihrer völligen Ähnlichkeit mit canarischen von der 1) Seither habe ich in der Tat gefunden, dass armoricana Obth., bellieri Obth., ligurica m. und nivea m. eigene Arten sein müssen. 286 L. Courvoisier. Form eramera Esch. für diese ausgegeben werden könnten. — Dagegen muss ich auch jetzt wieder zugeben, dass ich die gänzlich ungefleckte, unten graue Form allous Hbn. (nec Gerhard!) bisher nur in alpinen Höhen gefunden habe, wo sie ungemein verbreitet zu sein scheint. Vielleicht ist es hier wirklich gestattet, von einer Alpenrasse zu reden. — An keine Örtlichkeit gebunden, auch für keine charakteristisch, ist jedenfalls die oben und unten stark rotfleckige, unten reinweisse Form albicans Auriv. (sarmatis Gr. Gr., ornata Stdgr.); ich besitze sie von Basel, Frankfurt, Lugano, Rom, Tirol, Odessa und Klein- asien. — Als richtige, vermutlich durch eine besondere Futterpflanze bedingte Ortsrasse darf dagegen wohl artaxerxes Fbr. gelten, jene albinotische medon-Form, die sich oben durch weisse Mittelmonde der Vorder-, ausnahmsweise (F. quadripunctata Tutt) auch der Hinterflügel, und unten durch lauter weisse Ocellen ohne schwarze Kerne auszeichnet und bis jetzt nur in gewissen beschränkten Teilen Schottlands nachgewiesen ist. Über öcarus Rott. und einige seiner wichtigeren Rassen habe ich mich ebenfalls 1914 ausgesprochen und wüsste dem damals Gesagten wenig beizufügen. Doch will ich nicht unterlassen zu erklären, dass, so sehr ich durch Untersuchung der Androconien darin bestärkt worden bin, in celina Aust. nur eine icarus-Form zu sehen, ich andrer- seits dadurch erkannt habe, dass lucida Culot eine gute Art ist. Von bellargus Rott. ist zu sagen, dass die einzige Form desselben, die trotz seinem ungeheuren Verbreitungsgebiet einigermassen die Geltung einer geographischen Rasse beanspruchen darf, die bisher meines Wissens nur in Nordafrika, Spanien und Provence festgestellte punctifera Obth. ıst. Sie besitzt die Androconien der Stammform. (Vor ihrer Verwechslung mit der überall häufigen Form, die einige schwarze Punkte auf den Hinterflügeln trägt, von Tutt puncta ge- nannt und von Händlern gern für punctifera verkauft wird, aber mit dieser nichts zu tun hat, ist immer wieder zu warnen.) Was die Form polona Zeller betrifft, die im Staudinger-Rebel-Katalog 1901 wieder, wie schon früher, als teils preussische, teils orientalische Varietät aufgeführt wird, so handelt es sich dabei, wie Tutt schlagend nachgewiesen hat, um Bastarde von bellargus und coridon, die ge- legentlich überall vorkommen, wo diese beiden Arten zusammen fliegen, nicht aber um Lokalformen. Wenn je von einer Art im Voraus zu erwarten war, dass sie bei ihrer enormen Verbreitung über ganz Europa und einen guten Teil von Asien eine Anzahl Rassen erzeugt haben werde, so ist es coridon Poda, dessen einzelne © und © Individuen schon in einer und der- selben umschriebenen Gegend in Färbung und Zeichnung oft so er- staunlich variieren. Hat doch Tutt in seinem Furor nomencelatorius Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 287 es dahin gebracht, hier für jedes Geschlecht einige Dutzend Aberrationen allein der Oberseiten-Färbung herauszuklügeln. Von dieser wissenschaftlich wertlosen Spielerei abgesehen, sind allerdings in älterer und neuerer Zeit zahlreiche Formen aufgestellt worden, die von den betreffenden Autoren mehr oder weniger als geographische Rassen aufgefasst worden sind. Das geht schon z. B. hervor aus den Namen: apennina Zeller, arragomensis Gerhd., hispana HSch., cau- casica und olympica Leder., graeca Rühl, meridionalis Tutt, florentina Verity ete. Dazu kommen die aus ähnlicher Voraussetzung erteilten, aber nicht geographisch lautenden Namen: albicans und corydonvus HSch., rezniceki Bartel, constanti Reverdin, reverdini Verity, sowie die von Neustetter stammende Bezeichnung altica für eine angeblich verbreitete alpine Rasse. Es ist nun merkwürdig, wie verschieden die Urteile der Autoren über allfällige Selbständigkeit dieser Formen oder über ihre Identität mit andern lauten. Den einen gelten apennina und graeca, oder arragonensis und albicans als synonym, während andre alle trennen. Oberthür lässt apennina und rezniceki ineinander übergehen, Tutt erklärt letztere und constanti für identisch mit seiner meridionalis und bezeichnet altica als unnötigen Namen. Verity ist überzeugt, dass im Gegenteil im Alpengebiet noch mehrere besondre Rassen zu entdecken wären, und unterscheidet im zentralitalienischen Hügel- und Bergland ausser apennina noch drei weitere gute Rassen. Ich selbst besitze kleinasiatische Exemplare, welche Übergänge zwischen caucasica und corydonius darstellen. In neuster Zeit hat nun Verity auf Grund eines gewiss unerreicht grossen Materials zwei getrennte Arten coridon und arragonensis verfochten, und zu letzterer rezniceki, constanti und florentina gezählt, während alle andern Formen zu coridon gehören sollten. Hier kann ich diesem Autor nicht folgen, da ich aus seiner Beschreibung die Merkmale der einzelnen Formen nicht genügend erkennen kann, Abbildungen aber von ihm nicht geliefert werden. Ich muss mich deshalb jedes Urteils in dieser Sache enthalten. Dagegen muss ich auch jetzt, wie schon früher, auf die Fähigkeit hinweisen, kraft welcher gewisse Arten, darunter gerade coridon, ihre da oder dort rassenartig auftretenden Formen plötzlich in einer weit entfernten Gegend, mitten unter der Stamm- form, gehäuft oder einzeln reproduzieren können. Oberthür hat ein- mal als auffallende Tatsache erwähnt, dass coridon im Orient ausge- sprochen blaue, im mittleren und südlichen Europa mehr hellgrün- blaue, in Spanien milchweisse Formen hervorbringe. Das stimmt nun wohl im allgemeinen; aber Spanien hat doch nicht nur die weisse albicans, sondern auch den mitteleuropäischen coridon und die blaue hispana HSch. Ferner hat Oberthür selbst 1896 einen bei Vernet in den Pyrenäen gefangenen himmelblauen coridon als caucasica Led. 288 L. Courvoisier. abgebildet; ich besitze zwei um Basel erbeutete SC, die gleichfalls mit caucasica vollständig gleich sind und gerade so gut aus Armenien stammen könnten. Das zeigt, dass die Abgeschlossenheit der soge- nannten Ortsrassen nur eine bedingte ist. Die Formen admetus Esp. und rippertii Bod. (nec rippartii Freyer), die sich auf den ersten Blick durch den nur bei letzterer auftretenden weissen Streifen der Hinterflügel-Unterseite unter- scheiden, sind von Boisduval und noch 1871 auch von Staudinger als zwei Arten aufgefasst worden; auch Oberthür scheint, wenn ich seine Erörterung richtig verstehe, 1910 dieser Ansicht gewesen zu sein. Indessen haben beide Formen die gleichen Androconien. Es muss deshalb rippertii als Form des admetus gelten. Beide sind aber nicht etwa geographisch getrennt, kommen vielmehr in den gleichen Gegenden neben einander vor. Der Staudinger-Rebel-Katalog gibt z. B. für beide Aragonien, Osteuropa und Kleinasien als gemeinsame Heimat an; ich besitze beide, sowie Übergänge zwischen beiden mit schwach angedeuteten weissen Streifen, aus den Seealpen, Ungarn, Griechenland und Taurus. Auch dolus Hbn. und seine unten weiss gestreifte Form vittata Obth. sind keineswegs auf bestimmte Gegenden beschränkt und scharf geschieden; ich besitze beide z. B. aus Marseille, den Seealpen, Bordighera und den zentralitalienischen Gebirgen. Gleiches gilt von hopfferi HSch. und seiner unten streifenlosen Form hadjina Rühl, die ich beide aus Kleinasien besitze. Von semiargus Rott. erwähne ich zunächst die von Meyer-Dür beschriebene, angeblich alpine Form montana. Dass diese nicht eine richtige, selbständige Rasse sein kann, geht schon aus seiner Dar- stellung hervor, wonach die Art mit zunehmender Höhe kleiner, schlanker, oben und unten dunkler wird, schliesslich bei 6400 Fuss (ca. 2000 m) nur noch die Grösse von aegon erreicht. Demnach ginge also die Ebenenform Schritt für Schritt in die Hochalpenform über. Auch hier will ich ferner wiederholen, was ich schon 1914 betont habe: es ist mir noch gar nie, auch nicht ım letzten Sommer, wo ich in Meyer-Dür’s beliebtestem Jagdgebiet, an der Gemmi, ge- sammelt habe, die Erbeutung eines seiner montana entsprechenden Exemplars gelungen; und von Händlern habe ich stets, wenn ich diese Form verlangte, nur kleine dunkle Stücke erhalten, die nie alle Meyer- Dür’schen Merkmale zeigten. Mehr und mehr vermute ich deshalb, dass der Autor nur auf einige ungewöhnlich beschaffene Exemplare seine Bergrasse aufgebaut hat. — Was sodann die von Fruhstorfer aufgestellte Ortsrasse von Cogne, salassorum betrifft, so habe ich eben- falls 1914 erklärt, dass ich seine mir zur Einsicht gesandten Originale von manchen aus verschiedenen alpinen Gegenden stammenden meiner Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 289 Sammlung nicht abweichend gefunden habe. — Von der durch Stau- dinger benannten helena, die bisher zu semiargus gerechnet worden ist, aber von diesen sehr abweicht, glaube ıch, dass sie eine gute Art ist. Entscheidend wäre hier die von mir bisher noch nicht vorge- nommene Untersuchung der Androconien. Als letzte Lycaene will ich areon besprechen, mich aber auf zwei seiner Formen beschränken. 1910 habe ich eine oben an sich sehr helle, aber meist, zumal bei den OO, stark rauchgrau übergossene Form, von der mir damals zahlreiche Exemplare aus Narün zur Ver- fügung standen, naruena genannt; dabei aber ausdrücklich bemerkt, es solle damit nicht gesagt sein, dass es sich um eine „Lokalform“ handle. 1911 habe ich in der Iris ein besonders verdunkeltes © ab- ‚gebildet. Die Form hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Eversmann’s cyanecula, die aber laut Beschreibung dieses Autors, sowie laut den Ab- bildungen bei Herrich-Schäffer, Gerhard und Seitz im ganzen Habitus dem europäischen arion nahesteht, nur oben heller blau, unten im Bereich der Hinterflügel viel breiter metallgrün ist. Meine naruena aber weicht von unserm arion so sehr ab, dass ich zuerst an eine neue Art gedacht habe, bis mir die völlige Übereinstimmung der Androconien zeigte, dass beide zusammen gehören. Immerhin wage ich nicht, naruena als selbständige geographische Rasse aufzufassen, weil zwischen ihr und cyanecula allerlei Übergänge denkbar sind. — Eine andre, immer noch nicht aufgeklärte Form ist obscura Christ, benannt (in den Vhdlen. d. natforsch. Ges. Basel 1878) nach einem bei Liestal im Baselland gefangenen Stück. Die ganze Beschreibung dazu lautet: „Kleiner, Oberseite schwärzlich und dadurch Flecken verwischt. Liestal Juni 1876. Ident. aus Zermatt 1. Jenner. Diese spärlichen Angaben sind vielfach übersehen worden. Frey brachte 1880 folgende Notiz: „In den Alpen und zwar schon bei mässiger Er- hebung kleiner und mit mehr und mehr verdunkelten Flügeln. Dieses bildet die Var. obscura, welche von Zermatt bis zum Stelvio getroffen wurde. Schon bei Liestal erhielt Dr. Christ ausnahmsweise ein der- artiges stark verdüstiertes Stück.‘ Von jetzt an hiess diese Form fälsch- lich obseura Frey ! und wurde ohne weiteres als alpin bezeichnet, trotz- dem das Ohrist’sche Original aus ca. 450m Höhe stammte. Leider ist dieses Stück, wie meine Erkundigungen ergaben, nicht mehr vor- handen. Es steht somit jedermann frei, irgendwelche verdunkelte kleine Exemplare obscura zu nennen. So denke ich mir z. B. die Form wesentlich kleiner und dunkler, als sie bei Seitz abgebildet ist. Nun hat aber Rätzer (Mitt. d. schweiz. ent. Ges. 1884) aus dem Simplon- gebiet „jene prächtige arion-Form“ beschrieben, „wo das Schwarz der Flecken zur Grundfarbe geworden, welche bis zur Flügelmitte bald voll, bald mehr strahlenförmig mit dem herrlichsten Blau über- 19 290 L. Courvoisier. gossen erscheint.‘ Es ist klar, dass das eine andre Form war, als Christ’s obscura. Überdies verweist Rätzer ausdrücklich auf eine gleiche Figur bei Gerhard. Diese (Taf. 38. 1) gibt eine „Aberration“ unbekannter Herkunft wieder, auffallend gross, bis auf die scharf abgegrenzten blauen Wurzelfelder aller Flügel tintenschwarz. Rätzer nennt 20 Seiten später in einer Liste seiner Simplonausbeute die Form alpina; und trotz dem Widerspruch zwischen beiden Beschrei- bungen haben seither mehrere Autoren (z. B. Vorbrodt 1911) obscura und alpina als synonym bezeichnet. Herr Dr. Steck, Custos der ento- mologischen Sammlung in Bern, war nun so freundlich, mir drei sichere Rätzer’sche Originalstücke vom Simplon, sowie einige von andern Gegenden stammende, als alpina bezeichnete, zur Einsicht zu senden. Dabei überzeugte ich mich, dass weder die ersteren, noch - die letzteren Gerhard’s Bild gleichen, noch mit Christ’s Beschrei- bung stimmen, alle aber Rätzer’s Schilderung entsprechen, d.h. recht gross und auf allen Flügeln mehr oder weniger verdunkelt, nur basal blau sind. Nun aber behaupte ich auf Grund langjähriger, besonders auf diesen Punkt gerichteten Untersuchungen, dass, wenn auch in alpinen Gegenden häufiger, als ım Hügelland oder in der Ebene, kleine und verdunkelte Exemplare vorkommen, man doch auch in den höhern Alpen (wie Rätzer’s Stücke beweisen) sehr grosse und teil- weise blaue findet; dass aber auch in tiefen Lagen neben hellblauen stark verdunkelte vorkommen. Überhaupt gibt es auch hier wieder alle Übergänge, und von einer strengen Lokalisierung der einen oder andern Form ist wohl nirgends die Rede. — Mich auf eine Be- urteilung der vielen andern, neuerdings von mehreren Autoren, be- sonders von Fruhstorfer aufgestellten, meist ausserschweizerischen „geographischen Rassen“ einzulassen, verbietet mir mein dafür unge- nügendes Material. Übergehend zum Genus Chrysophanus, will ich zunächst einige virgaureae-Formen besprechen, ın erster Linie zermattensis Fallou. Wie ich öfters betont habe, hat der Autor diesen Namen nicht nur einer © Form, sondern auch den dazu gehörigen © gewidmet. Die PQ haben eine sepiabraune, kaum glänzende Oberseite, beide Ge- schlechter unten schwärzliche (besser dunkelgraue) Vorderflügelsäume und Hinterflügel. Unbekümmert um diese Originalbeschreibung, hat man sich allmählich angewöhnt, alle oben verdunkelten OD von Zer- matt, gleichgültig wie sie unten beschaffen sein mochten, als zer- mattensis aufzufassen. Andrerseits hat sich vielfach der Glaube ein- genistet, diese Form sei eine typische, sonst nirgends zu findende Ortsrasse. Beide Annahmen sind unhaltbar. Meine Sammlung ent- hält nicht nur eine ganze Anzahl von mir selbst gefangener Zermatter So und 99 mit einer Färbung, wie sie bei solchen aus den ver- >)» Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 291 schiedensten andern Gegenden auch vorkommt, sondern manche der Fallou’schen Darstellung entsprechende zermattensis beider Ge- schlechter aus andern Wallisertälern (Saas, Evolena, Eifischtal, Lötschental, Berisal, Binn), ferner aus dem piemontesischen Cogne und aus mehreren Tiroler Gegenden. Wheeler führt auch das Maderanertal und das Engadin und von ausländischen Fundorten Courmayeur, die Basses und Hautes Alpes, das Dauphiné an. Die Form zermattensis darf aber auch deshalb nicht als ächte Zermatter Ortsrasse gelten, weil sie keineswegs gegen gewisse anders gefärbte Formen gut abgegrenzt ist. Das Hasletal und das Gadmental 1m Berner Oberland, das Meiental im Kanton Uri liefern vergaureae, von denen Fruhstorfer mir (in literis) eine Anzahl GO und 99 als „‚cissites, Rasse der Zentralschweiz‘ bezeichnet hat. Sie sind aber zum Teil von meinen Walliser zermattensis nicht verschieden, oder stellen zwischen solchen und den Vertretern der Spezies aus andern schweizerischen Gegenden Übergänge dar; eine selbständige Form bilden sie nicht. Dazu kommt, dass cissites-ähnliche Stücke nach einem mächtigen Sprung aus der Zentralschweiz über die ganze Ost- schweiz hinüber im Ortlergebiet auftauchen, wo wieder Übergänge zu den dortigen zermattensis festzustellen sind. — Die Fruhstorfer’sche Subspezies osthelderi sticht sicherlich in ihren ganz typischen Exem- plaren sehr von allen sonstigen Varietäten der Spezies ab, herrscht auch auf der Südseite des Simplon und in den verschiedensten Tessiner Tälern vor. Aber ich besitze aus denselben Gegenden einzelne © und © Exemplare, welche mitten unter ausgesprochenen osthelderi ge- fangen worden sind, aber völlig mit ganz anders beschaffenen aus dem Berner Jura oder aus Deutschland übereinstimmen. Ferner aus dem Hasletal einen ©, den Fruhstorfer selbst mir als den ,,ausge- sprochensten „osthelderi‘‘ bezeichnete, den er je gesehen.‘ Auch bilden gewisse mir von Fruhstorfer zugesandte Exemplare aus Piorra auffallende Zwischenstufen zwischen seinen osthelderi des untern Tessins und seinen cissites vom Hasletal. — Noch fraglicher ist mir das Rassenrecht der von Fruhstorfer aufgestellten Form athanagild des Engadins. Die von mir dort gefangenen SO und 99 stimmen mit seiner Beschreibung nicht überein; keines gleicht dem andern, und ich besitze ganz ähnliche Stücke z.B. aus den verschiedensten Walliser Tälern von Finshauts bis Binn. — Was Fruhstorfer’s bayerisch-ungarische Subspezies juvara betrifft, so enthält meine Sammlung ganz entsprechende Exemplare aus der Zentralschweiz, von der Südseite des Simplon, aus dem Berner Jura, sowie aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands; dazu allerlei Übergänge zu seiner nörddeutschen Form galsnintha. Endlich kann ich auch zwischen letzterer und der, nicht nur in den zentralitalienischen Ge- 292 L. Courvoisier. birgen, sondern genau gleich in den Seealpen vorkommenden Form italica Calb. durchaus keine tiefgreifenden und beständigen Unter- _schiede herausfinden. Von hippothoë L. wird bekanntlich eine alpine Form euridice Esp. (false eurybia Ochs.) abgetrennt. Vielfach scheint nun, seitdem Meyer-Dür mit besonderer Schärfe die Merkmale jeder Form her- vorgehoben hat (immerhin unter Stellungnahme gegenüber der An- sicht, als wären beide gute Arten), der Glaube zu bestehen, als ob jede eine ganz bestimmte Höhenlage bewohne, in welcher nur sie zu finden sei. Das stimmt durchaus nicht: hippothoë fliegt z. B. ober- halb Mürren noch in 1800 m, bei St. Antönien im Graubünden in 1500 m Höhe; euridice aber geht zuweilen bis tiefer als 1200 m herab; ein typisches © besitze ich sogar von Martigny (500 m), und bei Gryon hat ein Freund am gleichen Tag beide Formen neben ein- ander gefangen. Ich kann aber auch, nachdem ich jahrelang sorg- fältig darauf geachtet habe, feststellen, dass zwischen beiden, sowohl im © als im © Geschlecht, die allerverschiedensten Mittelstufen vor- kommen, welche ununterbrochen von der einen zur andern führen und jede Behauptung, dass eurödice eine gut abgegrenzte Bergrasse bilde, widerlegen. Hier will ich auch an die Form obscura erinnern, die ich auf Grund zweier böhmischer aus 600 m Höhe stammender JO aufgestellt und 1911 in der Iris abgebildet habe. Beide sind mit ihrer ausserordentlich stark violett übergossenen Oberseite gleichsam der Superlativ der Ebenenform hippothoë, zugleich aber mit ihrer durch- weg tief rauchgrauen Unterseite der Superlativ der Bergform euridice. Ein diesen gleichendes Stück habe ich nun auch 1913 oberhalb Mürren erbeutet. Von tityrus Poda (false dorilis Hufn.) hat zuerst Speyer die Bergform subalpina (montana M. Dür) unterschieden. Von den beiden Formen könnte ich wiederholen, was ich von hippothoë mit- geteilt habe: zunächst, dass sie in sehr verschiedenen Höhenlagen ge- troffen werden. So hat Caflisch die Talform am Stilfser Joch (2600 m), die alpine Form bei Chur (600 m), Wullschlegel letztere bei Martigny (500m) gefangen. Sodann habe ich selbst bei Mürren grosse Reihen von allen erdenklichen Übergängen zwischen beiden gesammelt. Dadurch wird die einmal von einem erfahrenen Ento- mologen mir gegenüber geäusserte Ansicht, als ob es sich hier um zwei Arten handle, gründlich vernichtet. — Mehrere Autoren haben sich verpflichtet gefühlt, von tetyrus © je nach der Färbung der Oberseite besondre Varietäten oder Aberrationen zu unterscheiden. Angesichts der bei diesem. Geschlecht an den gleichen Orten und zur gleichen Jahreszeit oft von Stück zu Stück wechselnden Färbungen und der zahllosen Übergänge verstehe ich die Bemühungen nicht, aus denen Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden. 293 die Namen : obscurior de Selys, fulvior Stef., fulvomarginalis Schultz, fusca Gillmer hervorgegangen sind. Damit ist doch meines Erachtens nur eine neue nomenklatorische Verwirrung geschaffen, der Wissen- schaft aber nicht gedient worden. Am Schluss dieser Arbeit angelangt, bin ich auf den Vorwurf gefasst, dass ich an der modernen Neigung zur Aufstellung immer neuer Subspezien, Rassen und dergl. doch eine gar zu strenge Kritik übe. Mir aber lag daran, stets wieder darauf hinzuweisen, dass auch auf diesem Gebiet das Heraklit’sche Wort gilt: ‚„wavr@ dei“ — Alles fliesst — Alles geht ineinander über ! Manuskript eingegangen den 31. Januar 1917. Die zwei neuen Umformergruppen in der physikalischen Anstalt der Universität Basel. Von Aug. Hagenbach. Die physikalischen Institute der Universitäten und der tech- nischen Hochschulen haben in den letzten Jahrzehnten grosse Umge- staltungen erlebt, wofür vor allem die grosse Entwicklung der Elek- trızıtätslehre verantwortlich zu machen ist. Zu einer Zeit, in der die Elektrostatik im Vordergrund stand, stellte man zum Experimen- tieren Elektrisiermaschine und Apparate neben einander auf, bald im Hörsaal, bald im Laboratorium, wo man sie gerade benötigte; als dann aber mit der Entwicklung des Galvanısmus und des Elektro- magnetismus das Bedürfnis nach grossen Stromintensitäten wuchs, brauchte man umfangreiche galvanische Batterien, die man in be- sonderen Räumen unterbringen musste, und die elektrische Energie wurde mittels Leitungen zu den Apparaten hingeleitet. Mit der Ent- deckung der dynamoelektrischen Maschinen verschwanden die Bat- terien von galvanischen Elementen, und Generatoren von immer grösseren Leistungen traten an deren Stelle. Neben den Gleichstrom- dynamos, die für viele Zwecke keine genügende Konstanz aufwiesen, kamen die Akkumulatorenbatterien in Verwendung, die wegen der Schwefelsäuredämpfe immer in besonderen Räumen untergebracht werden. In der Technik vor allem gewann der mittels Generatoren erzeugte Wechselstrom an Boden, und die wissenschaftlichen physi- kalischen Institute mussten sich die Hilfsmittel für diese Stromart, die in mancher Beziehung vom Gleichstrom ganz abweichende Eigen- schaften besitzt, verschaffen. Die Variation beim Gleichstrom liegt in der Spannung. Wünschenswert ist für die experimentellen Untersuchungen und Demonstrationen, alle möglichen Spannungen jederzeit zur Ver- fügung zu haben. Aus praktischen Gründen muss man hier unter- scheiden sowohl für Akkumulatoren wie für Maschinen die Er- zeugung von mittleren (niederen) und von hohen Spannungen. Da Neue Umformergruppen in der physikalischen Anstalt. 295 jeder Akkumulator 2 Volt gibt, so muss man für mässige Spannungen, sagen wir 200 Volt, schon eine respektable Batterie von Akkumu- latoren zusammenstellen. Für grosse Stromintensitäten, wie man sie Akkumulatoren zumuten darf, kann man also schon aus finanziellen Gründen keine hohen Spannungen fordern, denn grosse Stromstärken verlangen eben grosse Elektroden respektive grosse Zellen. Wünscht man etwa tausend oder mehrere tausend Volt Spannung, so müssen eigentliche Hochspannungsbatterien zusammengestellt werden, be- stehend aus vielen kleinen Zellen, die aber eine ganz andere Kon- struktion haben wie die gewöhnlichen Akkumulatoren. Auch Hochspannungsgeneratoren sind gebaut worden, aber auch diese können nur für kleine Stromstärken konstruiert werden. Die Stromabnahime an einem lamellierten Kollektor ist bei den Hoch- spannungsgeneratoren immer eine delikate Sache. In der Technik haben deshalb diese Maschinen kaum Verwendung gefunden. Zu wissenschaftlichen Untersuchungen sind sie aber in vielen Labo- ratorien beliebt. Die Variation beim Wechselstrom ist eine doppelte, einmal die Spannung und dann die Frequenz. Die Spannung einer Wechsel- strommaschine von mittlerer Spannung kann leicht mit einem Trans- formator auf höhere Spannung, aber auch auf tiefere gesetzt werden. Die Änderung der Frequenz ist aber wesentlich schwieriger, wenn nicht gleichzeitig auch die Spannung verändert werden darf. Wir sehen aus dem Gesagten, dass ein modernes physikalisches Institut an Stromquellen folgendes gebraucht: Akkumulatorenbat- terien für mittlere Spannungen und grosse Energieabgabe, daneben eine Hochspannungsbatterie, Gleichstromgeneratoren für mittlere, am besten variable Spannung, daneben einen Generator für hohe Span- nung, Wechselstromgeneratoren für mittlere Spannungen, für ver- schiedene Frequenzen und Transformatoren zur Änderung der Span- nung. Alle diese Stromarten sollten jederzeit in jedem Hörsaal oder Laboratorium gebraucht werden können. Dementsprechend entstand überall, je nach verfügbaren finan- ziellen Hilfsmitteln, ein mehr oder weniger umfangreicher Maschinen- raum, von dem dann über ein zentrales Schaltbrett die elektrische Energie in der gewünschten Form nach den Arbeitsräumen geleitet werden konnte. In der physikalischen Anstalt der Basler Universität bestehen Einrichtungen für einige dieser Stromarten, aber für keine war eine grössere Energiemenge zur Verfügung. Der Mangel, mit grösseren Strommengen arbeiten zu können, machte sich so unangenehm fühl- bar, dass von den Behörden ein Kredit verlangt wurde, um neue Ein- 296 A. Hagenbach. richtungen zu schaffen. Der Grosse Rat hat eine namhafte Summe bewilligt, über deren Verwendung ich hier kurz berichten möchte. Wenn es sich einfach um den Ankauf gangbarer Maschinen handeln würde, so würde es kaum Interesse bieten, hier darüber zu berichten, aber da ein Aggregat von Maschinen nach unsern Angaben gebaut und aufgestellt wurden, wie es, so viel ich weiss, in keinem physikalischen Institut geschehen ist, so darf ich wohl eine kurze Be- schreibung der Anlage folgen lassen. Die bis dahin allein zur Verfügung stehende Maschine ist ein Asgregat eines Gleichstrommotors, der mit 440 Volt Stadtstrom läuft, und als Einankerumformer mit drei Schleifringen versehen, Dreh- - strom oder einphasigen Wechselstrom von sechs verschiedenen Span- nungen und 50 Perioden gibt. Mechanisch gekuppelt damit ist ein Gleichstrommotor, der bis etwa 100 Volt Spannung liefert. Der Strom diente zum Laden einer 64-voltigen Akkumulatorenbatterie oder zum Experimentieren. Die Wechselstromenergie betrug maximal 2, die des Gleichstrom 3,5 Kilowatt. Der Motor diente daneben noch als mechanischer Motor für eine Vakumpumpe, Luftverflüssigungs- maschine etc. Die vielfache Verwendung und die kleine Leistung dieser Maschine veranlasste uns, eine leistungsfähigere, aber auch für mehr Zwecke dienende Maschinengruppe bauen zu lassen. Die Aufgabe, die wir uns stellten, war folgende. Als Gleichstrom sollte bei Dauerbetrieb mindestens bis 150 Amperes bei allen Span- nungen bis etwa 150 Volt, an Wechselstrom und zwar sowohl Dreh- strom wie gewöhnlichen Wechselstrom mit allen Frequenzen zwischen 15 und 80 Perioden und allen Spannungen von 50 bis 500 Volt zur Verfügung stehen. Spannung und Frequenz sollte unabhängig von einander eingestellt werden können, so dass man z. B. ebensogut Wechselstrom von 73 Perioden und 256 Volt wie etwa Drehstrom von 17 Perioden und 500 Volt herzustellen vermöge. Die Forderung ist bei Wechselstromgeneratoren, wie sie in der Praxis vorkommen, niemals erfüllt. Obschon diese Ansprüche ungewöhnliche waren, in der technischen Ausführung einige Schwierigkeiten boten, sind wir auf der Forderung bestanden, weil sie uns durch unsere Arbeiten im Laboratorium aufgezwungen wurde. Als motorische Kraft stand uns der städtische Drehstrom von 500 Volt Spannung zur Verfügung. Aus dem Lichtstromnetz von 220 oder 440 Volt ist nicht erlaubt, grössere Energiemengen heraus- zunehmen, da die dadurch verursachten Spannungsschwankungen un- angenehme Schwankungen in der Lichtintensität der Glühlampen der ganzen Umgegend verursachen. Das Elektrizitätswerk hat schon in 3etreff unserer kleinen Umformergruppe den Wunsch geäussert, dass derselbe besonders in der Beleuchtungszeit weniger benützt werde. Neue Umformergruppen in der physikalischen Anstalt. 297 Fig. 1. Man hätte nun daran denken können, auf eine Axe einen Wechsel- strommotor und zwei Generatoren, einen für Gleichstrom und einen für Wechselstrom zu setzen, dann aber hätte man unmöglich die Frequenz in weiten Grenzen variieren können, denn Drehstrom- motoren lassen leider keine grosse Veränderlichkeit der Umdrehungs- geschwindigkeit zu. Auch an die Kombination eines Drehstrom- Gleichstromumformers mit einem Einankerumformer hat man ge- dacht, aber unsere Forderungen wurden nicht in vollem Umfange er- füllt. Man entschloss sich deshalb, statt drei Maschinen vier zu nehmen, wodurch dann folgende Einrichtung zur Ausführung kam. Mit dem 500-voltigen, 50-periodigen Drehstrom des Stadtstromes wird ein Motor I (vergl. Fig. 1) betrieben, der mit einem Gleich- stromgenerator II mit variablem Feld auf gleicher Axe sitzt. Mit dem hier erzeugten Gleichstrom betreibt man den Gleichstrom- motor III (vergl. Fig. 2) mit beliebiger Geschwindigkeit entsprechend IV I () 298 A. Hagenbach. der verwendeten Stromstärke. Letzterer ist wiederum mit einem Wechselstromgenerator IV auf gleicher Grundplatte gekoppelt mon- tiert und bildet so eine zweite Umformergruppe. Die Felder der Maschinen II, III und IV werden durch eine auf der Axe des ersten Aggregates aufgesetzte Erregergleichstromdynamo V, die maximal 65 Volt und 25 Ampere, also 1,63 Kilowatt entwickeln kann, ge- speist. Zur Vereinfachung der Erklärung verweisen wir auf das Schaltungsschema Fig. 3. Einphasen. Ar ff nach Schalltafe/ I Fe 5 TH Go | = SR D © RER D) À ÉTANG RES ER ———— + Dre D Delle) es ee aa - s Dreiphasen 3 IF I TREETRTIIB Friend, RSS 0 0 : À GED ET Prciphasen EIEERTIREETR 6 0 ROME 0 FE BR PAIE Den dee nach Schaltlafel IT. à T Z 100! À } Patronen 100 Amp|] |] || Patronen À 9 N 100 Amp l \ SE!) Aubo-Transformator ; 47-550 Vo/t. ı 15-:375K VA. | 80--20K VA, | TZ.100 Ratronen 100 Amp. TZ 200, À TZ.200 Patronen 190 Amp|| Patronen 790 Ampl| | 0 - 200 Amp (© 0 - 200 Amp(A) Gleichstrom- Motor. o- 31 PS 1 von E W. Base), Neue Umformergruppen in der physikalischen Anstalt. 299 Der Motor I ist ein Asynchron-Dreiphasen-W echselstrommotor von 40 P.S. Dauerleistung bei 500 Volt Betriebsspannung und 50 Perioden, mit 1500 Touren im Leerlauf und 1450 beı voller Be- lastung. Rotor sowie Stator besitzen eine Drehstromwickelung. Die Wickelung des Rotors führt nach drei Schleifringen, von denen mittels feststehenden Bürsten imehr oder weniger Widerstand eingeschaltet werden kann. Dieser Anlasserwiderstand ist so stark bemessen, dass er auf jeder Stufe dauernd belassen werden kann, wodurch man die Tourenzahl des Motors in gewissen Grenzen, bei voller Belastung um 509/,, bei kleiner Belastung allerdings viel weniger regulieren kann. Es sind sechs Stufen, die durch ein Handrad nach Wunsch gestellt werden. Diese Regulierung war vor allem deshalb notwendig anzu- bringen, weil der Motor nebenbei zum Antrieb von andern Maschinen dient, wobei eine bestimmte Tourenzahl vorgeschrieben ist. Aus diesem Grund ist auch die Leistung dieses Motors reichlich bemessen, damit er neben der zu treibenden Dynamo noch etwas anders leisten kann. Die Leistung des Gleichstromgenerators beträgt 25 Kilowatt, also 34 P. S. Sie ist eine Gleichstrom-Nebenschlussdynamo mit Hilfs- polen und liefert je nach dem Feld, das durch den Feldregler gestellt wird, null bis 160 Volt und kann eine Stromstärke von 156 Amperes dauernd hergeben. Die Erregermaschine hat in ihrem Feldstromkreis einen regulier- baren Widerstand eingeschaltet, sodass auch ihre Spannung verändert werden kann. Ferner um die Spannung des Gleichstromgenerators auf null herunter bringen zu können, hat man deren Feld an einen regulierbaren Nebenschluss gelegt, wie es in Fig. 3 zu ersehen ist. Der Generator arbeitet auf diese Weise ausserordentlich rationell. Man stellt auf die Spannung ein, die gerade verlangt wird. So wird die im Jahre 1914 aufgestellte Akkumulatorenbatterie von 60 Elementen resp. 120 Volt ohne Vorschaltwiderstand geladen und zwar ebensogut mit allen Elementen hinter einander wie mit zwei parallelgelegten Hälften, was durch einen Umschalter geschehen kann. Die Kapazität dieser Batterie beträgt beiläufig gesagt 216 Amperestunden. Sie ist von der Akkumulatorenfabrik Örlikon bezogen. Soll nun Wechselstrom erzeugt werden, so leitet man den Gleich- strom nach dem Gleichstrommotor des zweiten Aggregates. Beide Maschinen desselben besitzen regulierbare Felder, die von der Erreger- maschine aus über je einen Widerstand gespeist werden. Je nach der Spannung des Gleichstromgenerators wird die Geschwindigkeit des Motors III ausfallen. Dies bedeutet aber für den im Wechselstrom- motor erzeugten Wechselstrom die Frequenz, welche eben der Touren- zahl proportional ist. 300 A. Hagenbach. Nun ist aber auch die Spannung der Umdrehungszahl pro- portional und die Spannung sinkt deshalb mit der Frequenz. Eine gewisse Regulierung besteht nun zwar in der Verstärkung des. Feldes doch nur in mässigen Grenzen. Wir griffen deshalb zur Transfor- matıon des Wechselstromes. Der Gleichstrommotor ist ein Nebenschlussmotor mit einer Dauerleistung von 3,5 bis 31 PS je nach der Betriebsspannung von 28 bis 150 Volt. Die Tourenzahl nimmt dabei von 300 bis 1600 pro Minute zu. Nebenbei bemerkt kann der Motor noch wesentlich langsamer rotieren, bis zu 50 pro Minute, wobei dann natürlich die Wechselstromspannung entsprechend niedrig ıst, aber gerade für oszillographische Untersuchungen bequem. Der Wechselstromgenerator ist ein Dreiphasen-Synchron-Gene- rator, bestimmt für eine Dauerleistung von 20 Kilovoltampere bei einer Frequenz von 80 Perioden pro Sekunde. Bei niedriger Perioden- zahl nimmt die Leistung proportional ab, aber selbst bei 15 Perioden beträgt sie noch 3,75 Kilovoltampere, eine für die meisten Zwecke ge- nügende Leistung. Der Frequenzbereich 15 bis 80 ist so gewählt worden, weil man damit die am meisten in der Grosstechnik ge- brauchten Frequenzen herstellen kann. Als untere Grenze wurde ein geringes Unterschreiten der bei elektrischen Bahnen bis jetzt allge- mein üblichen 161/, vorgeschrieben. Nach oben musste man beträcht- lich über die gewöhnlichen 50 Perioden hinauskommen. Durch die Zentrifugalkraft ist natürlich eine Grenze gesetzt. Für sehr hohe Frequenzen sind so wie so wieder anders gebaute Generatoren erfor- derlich. Die Spannung steigt mit der Tourenzahl von 47 bis 250 Volt entsprechend den Frequenzen 15 und 80. Ist nun bei einer gewünschten und eingestellten Periodenzahl die Spannung des Wechsel- oder Dreiphasenstromes zu niedrig, so schaltet man den Strom auf den Transformator, wie im Schaltungsschema Abb. 3 ersichtlich ist. In der Abbildung: 4 sieht man ihn; er ist ein Autotransformator in Sparschaltung, also mit nur einer Wickelung für jede der drei Phasen. An jeder Säule sind 11 Anzapfungen vor- handen, die man auf der Abbildung erkennt. Drückt man dem Auto- transformator die bei voller Tourenzahl entwickelten 250 Volt auf, so liegen an den 11 Anzapfungen die Spannungen 250, 300, 350, 450, 990, 700, 880, 1050, 1350, 1800 und 2930 Volt. Durch Riegel können an jeder Säule eine oder zwei nach den hohen Volt liegenden Spulen abgetrennt werden. Dies hat einmal den Vorteil, dass keine wesentlich höheren Spannungen erzeugt werden als notwendig, und dann kann man den Transformator als gewöhnlichen Transformator gebrauchen, indem die abgeschalteten Spulen als sekundäre Spulen benützt werden. Die Übersetzungsverhältnisse sind so gewählt, dass Neue Umformergruppen in der physikalischen Anstalt. 501 auch bei einer Primärspannung von 47 Volt noch 550 Volt erzielbar sind. Der Autotransformator gibt natürlich nur sprungweise Ände- rung, indem man von einer Anzapfstelle zur nächsten übergeht, aber da man auch noch das Feld regulieren kann und zudem die Touren- zahl des Wechselstrommotors des ersten Aggregates wie früher mit- geteilt wurde, werden die Stufen kontinuierlich durchschreitbar. Die Konstruktion ist so gewählt, dass auch bei niederen Fre- quenzen noch ein guter Nutzeffekt zu verzeichnen ist. Dazu war not- wendig, den lamellierten Eisenkern sehr stark zu nehmen. Der Ver- kettungspunkt bei der Sternschaltung ist mit dem Gehäuse und der Erde verbunden. Es ist ohne Gefahr zulässig, auch bei voller Be- lastung eine, zwei oder drei Phasen zu verwenden. Bei Maschinen von den genannten Leistungen und Spannungen ist eine zentralisierte Schalteinrichtung im Interesse der Sicherheit 302 | A. Hagenbach. und der raschen Manövrierfähigkeit unerlässlich. Wir sind zu fol- gender übersichtlicher Schalteinrichtung geführt worden. Der Motor I, der mit 500 Volt Drehstrom betrieben wird, ist von der übrigen Schaltanlage ganz getrennt. Der Anlasser steht abseits, sodass diese Spannung mit den übrigen elektrischen Teilen in gar keiner Verbindung steht. Vor dem Anlasser ist ein Hebeleinschalter und ein einstellbarer automatischer Maximalausschalter in einem eisernen Kasten vereinigt. Bei Überlastung des Motors wird er aus- geschaltet, bevor Sicherungen durchbrennen. Derartige Schutzein- richtungen sind bei Maschinen, mit denen experimentiert wird, un- umgänglich. Fig. 5. Die übrigen Schalt- und Reguliereinrichtungen sind auf einem dreiteiligen Schaltapparat vereinigt, den die Abbildung 5 zeigt. Der linke Teil enthält den Gleichstromgenerator und die Erregermaschine samt den beiden dazu gehörenden Regulierwiderständen, die mittels den unten sichtbaren Handrädern eingestellt werden. Volt und Amperemeter der beiden Dynamos befinden sich über den Schaltern. Widerstände und Schalter liegen hinter dem Schaltbrett, nur die Griffe resp. Handräder sind vorn. Dadurch, dass alle stromführenden Teile auf der Rückseite liegen, ist jedes Manipulieren auf der Vorder- seite gefahrlos. Neue Umformergruppen in der physikalischen Anstalt. 305 Nach dem rechten Teil der Schalttafel ist die zweite Umformer- oruppe geführt. Demnach findet man dort die Schalter, mit dem man den Gleichstrommotor in Betrieb setzt, nebst den beiden Schaltern für die Felderregung und den Handrädern der Feldregler. An Ampere- und Voltmeter ist die Stromstärke und Spannung des Motor- stromes ablesbar. Die Spannung und die Frequenz des Drehstromes kann nach Wunsch (Stöpselschaltung) in jeder Phase abgelesen werden. Der Frequenzmesser hat zwei Messbereiche, 15-45 und 30 . bis 90 Volt, durch einen Umschalter einschaltbar. | Das mittlere Feld der Schalttafel dient dann zur Abnahme der Ströme. Mit den dort liegenden Schaltern kann man den Gleich- oder den Wechselstrom direkt oder über den Autotransformator, der hinter dem mittleren Teil der Tafel aufgestellt ist, nach dem Stromverteiler schalten. Dieser Verteiler besteht darin, dass die Stromquellen mit vertikal isolierten Kupferschienen in Verbindung gebracht werden und dass horizontal dahinter liegende Schienen an die Leitungen nach dem Hörsal, Laboratorien ete. angeschlossen sind. Durch besondere ‚stark gebaute Kontaktbügel (Stecker) kann an jeder Kreuzungs- stelle Horizontalschiene mit Vertikalschiene verbunden werden, d.h. es kann jede Leitung auf jede Stromquelle geschaltet werden. Man sieht die Einrichtung schematisch in Fig. 3 und in einer Photographie ın Abbildung 6. Unter dem Verteiler sieht man noch drei Spulen des Autotransformators. Sämtliche Maschinen sowie die Instrumente sind durch Sicherungen geschützt, die auf besonderen Marmortafeln auf der Rückseite der Schalttafel übersichtlich und mit Aufschriften ver- sehen aufmontiert sind. Ebenso sind auf der Vorderseite der Schalt- tafel alle Schalter und Widerstände bezeichnet. Die Schalttafel- instrumente sind nicht von hoher Präzision, aber doch von guter Qualität, sodass Messungen damit durchgeführt werden können. Wir haben viel Gewicht auf Übersichtlichkeit der ganzen Anlage gelegt, denn man darf nicht vergessen, dass die Einrichtung auch zu Unterrichtszwecken dient, und da liegt es auch im Interesse der Er- haltung der Maschinen, dass durch klare Dispositionen unrichtige Schaltungen vermieden werden. Die interessanteste Maschine ist der Wechselstromgenerator in Verbindung mit dem Autotransformator. Sie ist in bezug auf Leistung und Verluste schon vor der Abnahme untersucht worden. Der Eisenverlust ist als Funktion der Erregung bei allen möglichen Tourenzahlen festgestellt worden. Reibung, Ventilation, Wirbelstrom und Hysteresisverlust bei verschiedenem Strom als Funktion der Tourenzahl ist ermittelt, so dass auch die Kupferverluste bekannt sind. Der Wirkungsgrad, als Quotient der abgegebenen zu den aufge- nommenen Watt beträgt bei Dauerbetrieb und 300 Touren 71,5 %/,, 304 À. Hagenbach. bei 1600 Touren 89,00/,. Der Verlust verteilt sich auf Kupferver- lust, Erregung, Eisenverlust, Reibung, Ventilation und Bürstenver- lust. Auch die Spannungskurve, Spannung als Funktion der Er- regung. bei 1000 und 1600 Touren ist bekannt. Natürlich sind noch lange nicht alle Variationen durchprobiert und gemessen. Bei uns ist die Maschine hauptsächlich ein Hilfsmittel, indem sie uns in Stand setzt, Untersuchungen z. B. mit dem elektrischen Lichtbogen anzu- stellen, die wir bis jetzt nicht durchführen konnten. Die Einzelheiten des Baus der Maschinen zu veröffentlichen hätte wenig Zweck; übrigens ist es uns von der Firma Brown, Boveri & Co. in Baden, die die beiden Aggregate gebaut hat und dabei allen unsern Wünschen in verdankenswerter Weise entgegen- Neue Umformergruppen in der physikalischen Anstalt. 305 Fig, 7. gekommen ist, aus begreiflichen Gründen nicht erlaubt, uns sind sie aber bekannt. Ich lasse nun noch ein Resultat folgen, welches sich ebenfalls auf den Wechselstromgenerator bezieht. Mit dem von Herrn Zicken- draht konstruierten und in diesem Band beschriebenen Oszillographen sind die Kurvenformen aufgenommen worden. In Fig. 7 sieht man den zeitlichen Verlauf der Spannung des Wechselstromgenerators bei 161/, Perioden und einer effektiven Spannung von 70 Volt. Der Schleifenstrom betrug wie auch bei den folgenden Oszillogrammen 0,5 Ampere, der Magnet des Oszillographen wurde mit 1,13 Ampere erregt. Die Eigenschwingungsdauer der Schleife betrug zirka 1/90 Sekunden. Die Schwingungen wurden durch Watte gedämpft. Der untersuchte Wechselstrom ist von zwei der drei Phasen abgenommen. Die Kurve zeigt Oberschwingungen, die wohl mit der Polzahl zu- sammenhängen, aber noch nicht genauer studiert sind. Fig. 8 ist bei 83 Perioden und 100 Volt erhalten. Der drehbare Spiegel des Oszillographen wurde ungefähr mit derselben Geschwin- digkeit wie bei der vorherigen Aufnahme bewegt. Die kleinen Zacken (Oberschwingungen) sind hier durch die Eigenschwingung der Schleife vergrössert. Die Zacken sind beim Auf- und Abstieg der Kurve versetzt. Fig. 9 gibt Strom und Spannung mit beiden Oszillographenschleifen zugleich aufgenommen. Die Spannung (höhere Kurve) ist in diesem Fall an den Enden eines fast induktionsfreien Widerstandes aus Glüh- lampen abgenommen. Die Spannung betrug 65 Volt, die Frequenz 50. 20 306 A. Hagenbach. Riez 8) Die Strom- und Spannungskurven sind in diesem Fall ohne Phasen- verschiebung und ohne merkliche Deformation. | Ganz anders liegen die Verhältnisse in Fig. 10. Der induktions- freie Widerstand ist ersetzt durch eine Spule, die um einen Eisenring gewickelt ist. Beide Kurven zeigen starke Deformation und zugleich ist zwischen der Spannungskurve (höhere Amplitude) und der Strom- kurve eine Phasenverschiebung eingetreten. Die Frequenz betrug 16,5 Perioden, die Spannung 100 Volt. Wir haben auch die Spannungskurve des Autotransformators aufgenommen. Der Spannungsverlauf bei einem Übersetzungsver- hältnis von 250/300 Volt und einer effektiven Spannung am Trans- formator gemessen von 100 Volt ist ein für uns erfreuliches Resultat, indem die Deformation gegenüber der Maschinenspannung nur ganz unbedeutend ist. Hiemit sollen nur einige Beispiele der zahlreichen und lehr- reichen Variationen angedeutet sein. Ich hoffe durch diese kurze Darstellung das Wesentliche der beiden Maschinenaggregate auseinandergesetzt zu haben und möchte es zugleich als Dank aufgefasst wissen gegenüber den Behörden, die uns die Anschaffung dieses wertvollen Hilfsmittels ermöglicht haben. Fig. 10. Physikalische Anstalt in Basel, den 17. Februar 1917. Das Rheintal zwischen Waldshut und Basel. Mit zwei Tafeln (III und IV). Von G. Braun. Im ersten Teil dieser Studien über die Morphologie der Um- gebung von Basel, der 1914 in eben dieser Zeitschrift erschien,!) wurde versucht, die neueren geologischen Ergebnisse über den Bau der südlichen mittelrheinischen Senke morphologisch auszuwerten und die in der Umgebung des Rheinknies zu beobachtenden Ober- tlächenformen mit den Ablagerungen in der Senke zu verknüpfen, um Anhaltspunkte für die Datierung derselben zu gewinnen. Es er- gab sich aus diesen Studien naturgemäss die Frage nach der weiteren Ausdehnung dieser Flächen, in Sonderheit ihr Verhältnis zum Rhein, das damals ebenso wie die Existenz älterer Landoberflächen im Jura nur gestreift wurde. Im Laufe der verflossenen drei Jahre konnte ich diesen Pro- blemen auf zahlreichen Exkursionen, meist in Begleitung meiner Schüler, nachgehen. Ein Abschluss ist noch nicht erreicht; immerhin drängte die Gelegenheit der Herausgabe des Festbandes zu einer vorläufigen Zusammenfassung der Resultate in einer Publikation, die im Folgenden versucht wird, nachdem schon mehrfach im Kreise meiner Hörer und Exkursionsteilnehmer öffentlich davon die Rede gewesen Ist. Überblick. :) Das Rheinknie bei Basel wird von beiläufig 500 m hohen Hoch- flächen umgeben, denen ein präglaziales bis pliocänes Alter zuge- schrieben werden muss. Die heutigen Täler sind steil und scharf um !) Verh. Naturforsch. Ges. Basel 25. 1914. 128 — auch in Verh. 19. D. Geogr.-Tag in Strassburg 1914. Berlin 1915. 125. ?) Blatt 26 Mülhausen der Vogel’schen und der Lepsius’schen Karte 1:500 000. — Blatt Basel der Übersichtskarte 1 : 300 000. — Blatt 185 Freiburg, 192 Oltingen der Topographischen Übersichtskarte d. D. R. 1: 200 000. 308 G. Braun. 200 bis 250 m in die Hochflächen eingeschnitten. Diese setzen sich, linksrheinisch ohne weiteres erkennbar, rechtsrheinisch zunächst nur im Dinkelberg wohl entwickelt, bis in den Aaredurchbruch hinein fort. Wer sie ersteigt, sieht sich aber noch keineswegs dem Nordrand des Kettenjura gegenüber; er steht vielmehr vor einer neuen, meist etwa 200 m hohen Stufe, nach deren Erklimmen erst in nun mühe- loser Wanderung auf weiten Hochflächen die Überschiebungsstirn der Ketten erreicht wird. Diese mit tertiären Ablagerungen bedeckten, 650 bis 750 m hoch gelegenen Ebenheiten sind von Ed. Brückner, A. Buxtorf, F. Nussbaum und mir als Reste einer jungtertiären Land- oberfläche gedeutet worden; zugleich wurde ihr ziemlich allgemein der Charakter als Rumpffläche zuerkannt, sie für recht eben erklärt und ihr Alter zu Mittelmiocän (Ed. Brückner: Pliocän) bestimmt. Eine solche regionale Einebnungsfläche muss eine weite Ausdeh- nung haben. Es galt für den Morphologen, der sich mit dem Rheintal beschäftigt, also sie in anderen Teilen der vorliegenden Landschaft zu suchen und die heutigen Oberflächenformen aus ihr heraus zu er- klären. | Die Laufstrecke Waldshut-Säckingen. Übersicht. Zwischen Waldshut und der Albmündung durchbricht der Rhein in obsequenter Laufrichtung die triadischen Glieder der Sediment- decke des Schwarzwaldes ;*von Albbruck bis Säckingen ist er Schwarz- waldrandfluss und fliesst im Schichtstreichen; bei Säckingen tritt er in die mittelrheinische Senke ein (vgl. Bl. 657 Waldshut der Karte des Deutschen Reiches 1: 100 000; die Namen auch auf Abb. 1, S. 812). Das Landschaftsbild dieser Laufstrecke ist reizvoll; in Strom- schnellen und Wirbeln überwindet der wasserreiche Fluss die sich ihm entgegenstellenden ‚Hindernisse harter Schichten und eng nur windet sich die Niederterrasse zwischen den steilen Hängen an- stehenden Gesteines hindurch. Auf die Weitung von Waldshut und Leibstadt folgt die Enge von Schwaderloch, wo Buntsandstein und Muschelkalk sich auf das nördliche Ufer hinüberziehen, die Durch- bruchstelle. Unterhalb folgen wieder Weitungen, indem der Rhein augenscheinlich wiederholt gegen das südliche Ufer gedrückt und dort die Muschelkalkhänge zurückgeschoben hat. Hinter Laufenburg wird das Niederterrassenfeld dann 1 und 2 km breit und es bereitet sich der Charakter der nächst tiefer gelegenen Laufstrecke darin vor. Unterhalb Schwaderloch ist der Bau beider Gehänge ganz ver- schieden. Im Norden senkt sich der kristalline Schwarzwald in Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 309 mässiger, aber im Grossen und Ganzen gleichförmiger Böschung gegen den Fluss. Im Süden begrenzen steile Hänge die Niederterrasse, oberhalb deren in 500m Höhe weit gedehnte Hochflächen folgen, auf denen man in welligem Auf und Ab an den steilen Fuss einer Reihe über 700 m hoher Berge gelangt. Das Gebiet südlich des Rhein besteht aus einem System wechselnd harter und weicher Schichten, die — mit einigen Komplikationen — im Ganzen ein- fach nach Süden ein wenig geneigt sind. Der Rhein fliesst also an der Grenze zweier ganz verschiedener Landschaften und ist daher für einfache Erklärung als ein subsequenter Fluss anzusehen, der dem Streichen einer weichen Schicht folet. Versuchen wir, ob und wie sich die hier eben aufgezählten Tat- sachen unter Zuhilfenahme einer jungtertiären Einebnungsfläche er- klären lassen. Wir treten dazu vor allem an die Untersuchung dieser selbst heran, wobei gute geologische Vorarbeiten zur Verfügung stehen. A. Buetorf. (Nicht gedruckte) Habilitationsvorlesung (in welche mir vor längerer Zeit freundlichst Einsicht gewährt wurde). 1908. — Oberflächengestaltung und geol. Geschichte d. nordschweiz. Tafeljura. Verh. Schweiz. Naturforsch. Ges. 93. Vers. zu Basel 1910. I (auch Ecl. geol. helv. XI 284). — Über Prognosen und Befund beim Hauensteinbasistunnel und die geol. Geschichte und Oberflächengestaltung des Tunnelgebietes und seiner Umgebung. I. Tätigkeitsber. d. Naturforsch. Ges. Baselland 1911—16. Liestal 1917.) E. Schaad. Die Juranagelfluh. Beitr. z. geol. K. d. Schweiz. N. F. 22. 1908. F. Nussbaum. Über die Fortschritte d. morph. Erforschung der Schweiz in neuer Zeit. Zeitschr. Ges. f. Erdk. Berlin 1914. 747. Weitere Literatur s. G. Braun im 1. Teil dieser Studien 1914 1. ce. Die geologische Forschung hat uns belehrt, dass die im südlichen Tafeljura lagernden Tertiärmassen der sog. Juranagelfluh angehören, einer Fazies der oberen Süsswassermolasse. Ihre Mächtigkeit wird auf 80 bis 100m angegeben; sie überlagert Meeresbildungen der helvetischen Stufe und ist jedenfalls als Schuttkegelbildung von Norden kommender Flüsse aufzufassen, die an einer Flachlandsküste akkumulierten und ihre Aufschüttungen weiter und weiter nach Süden gegen das.weichende Meer verschoben. Über der Juranagelfluh folgen 3) Herr Koll. Buxtorf machte mir diese noch nicht erschienene Arbeit in Korrekturfahnen zu einer Zeit zugängig, als die vorliegende Studie schon abge- schlossen war. Er bleibt im wesentlichen auf dem Standpunkt, den er bereits 1908 vertreten und seither mehrfach ausgesprochen hat, dem sich bisher die übrigen Autoren, die sich über die Morphologie des Tafeljura äusserten, ange- schlossen haben, dass nämlich dessen Uroberfläche mittelmiozän (vindobon) sei. Ich glaube nunmehr zeigen zu können, dass vielmehr eine obermiozäne (tortonisch-sarmatische) Fläche die Ausgangsfläche sei, die noch im Tafeljura und im Schwarzwald erhalten ist vgl. im Text die folgenden Abschnitte. 310 G. Braun. wenig mächtige Süsswasserkalke mit Helix-Steinkernen u. a., die dem Öninger Kalk parallelisiert werden, der sarmatischen Stufe (nach E. Haug), also dem Obermiocän angehören. Die morphologischen Folgerungen aus diesen geologischen Tat- sachen sind die folgenden: zur Zeit des mittleren Miocän (des Vindo- bon nach E. Haug) transgredierte von Süden her das helvetische Meer über das flache Land der Jurakalke und vollendete dessen Ein- ebnung. Darauf erfolgte im Norden eine kräftige Heraushebung des noch mit seinem Sedimentärmantel bedeckten Schwarzwaldes. Es ent- wickeln sich konsequente Flüsse, die stark abtragen und den groben Schutt nach Süden in das weichende Meer vorschieben. Die Ab- tragung und Aufschüttung hören im Obermiocän (Tortonien) auf — jedenfalls weil das Gleichgewicht der Erosion erreicht war; die Süss- wasserkalke beweisen uns geologisch das Vorhandensein einer Ebene oder Fastebene in beiläufig 600 m Höhe. Von einem Rhein kann da- mals noch nicht die Rede sein, denn noch bestand jedenfalls das mittelmiocäne Gewässernetz, das vom Schwarzwald nach Süden ins Mittelland führte, wenn es auch wohl stark gealtert und inkonsequent geworden war; es bestand, wie Funde im Delsberger Becken zeigen, auch noch zur pontischen Zeit. Diese Ebene ist nicht identisch mit der Auflagerungsfläche der Juranagelfluh, ist vielmehr durch Abtragung im Hinterland und Aufschüttung im Süden aus dieser hervorgegangen; sie schneidet sie unter spitzem Winkel. Es genügt daher wohl für erste Orientierung, sie ,,mittelmiocän oder ‚„vindobon“ (Buxtorf) zu nennen, dagegen nicht für feinere Untersuchungen. Sie ist „obermiocän“ nach älterer Nomenklatur, ober,,vindobon‘ oder ‚tortonisch“ nach E. Haugs Gliederung — vielleicht noch etwas jünger, da die Öninger Kalke von Haug in das Sarmatien gestellt werden. Diese obermiocäne Rumpfebene ist die Uroberfläche der Land- schaftsformen dieser Gegend. Wir dürfen sie erst auf dem Schwarz- wald in ziemlicher Höhe wiederzufinden hoffen; hatte sie doch als Ganzes ein Gefäll nach Süden und dürfte sie in der Zone des Rhein- tales und seiner nächsten Zuflüsse völlig zerstört sein. Eine Analyse des Schwarzwaldsüdabhanges ergibt, dass in der Tat um beiläufig 700m ein Wechsel der Formen in der Weise eintritt, dass oberhalb weite wellige Fastebenen liegen, während unterhalb dieser Höhen eine gleichförmigere Böschung zum Rheintal hin folgt, freilich auch noch mit Verebnungen, deren Charakter weiterhin zu erörtern sein wird. Wir verfolgen unsere Hypothese in den einzelnen Landschaften. Rheintal zwischen Waldshut und Basel. Sal Der Schwarzwaldabhang. Karten: Badische Messtischblätter 154 Wehr. 155 Görwihl. 156 Waldshut. 166 Säckingen. 167 Klein Laufenburg. Karte des Deutschen Reiches 1: 100 000 Bl. 657 Waldshut. Énteratuins Beitr. z. Statistik der inneren Verwaltung d. Grossherzogtums Baden. 23. Geol. Beschr. d. Umgebungen von Waldshut (von Jul. Schill); m. Karte 1 : 50 000. Carlsruhe 1866. L. du Pasquier. Die fluvioglazialen Ablagerungen d. Nordschweiz. Beitr. z. geol. K. d. Schweiz. N. F. 1. 1891. R. Frei. Monographie d. schweizerischen Deckenschotters. Beitr. N. F. 37. 1912. Wer den Schwarzwaldabhang von den Aussichtspunkten der schweizerischen Seite, wie z. B. Heuberg bei Laufenburg, die allein genügenden Überblick bieten, überschaut, dem fallen drei grössere Züge vor allem auf: die langgestreckte Stufe des Hohenegg von Ober- wihl in Richtung Gebisbach-Atdorf, die Waldkircher Muschelkalk- plateaus nordwestlich Waldshut und ein weit offenes, zwischen diese beiden Höhen eingesenktes Albtal. Alles was unter diesen Formen- gruppen liegt, ist schon Rheintal mit seinen Absätzen, von denen der oberste in beiläufig 550 bis 600 m Höhe zu liegen scheint. Die Stufe des Hohenegg scheint eine Bruchstufe zu sein. Der Höhenunterschied gegenüber ihrem Vorland beträgt 150 bis 200 m; sie streicht etwa NW und lässt sich auf 10 km Länge verfolgen, bei auffällig geradlinigem Verlauf. Der geologische Bau ist nur auf Übersichtskarten dargestellt; danach liegt auf der Höhe der Stufe bei Oberwihl,*) 700 m, Buntsandstein dem kristallinen Untergrund auf, derselbe dann wieder am Fuss derselben zwischen Hänner und Hottingen, 650 bis 700 m, dazwischen eben die scharfe Stufe. Von Flüssen quert die Murg die Stufe in einem engen Talstück, während zahlreiche andere Bäche an ihr entspringen. Auf ihrer Höhe finden wir um Herrischried ein weites, 1000 m hohes, muldenartig weich um 150m zerschnittenes Plateau, im Osten dagegen sanfte Lehnen zur Alb hin, die in gleicher Richtung von zahlreichen Bächen durch- schnitten werden. Es ist nach dem Gesagten wohl mindestens eine grosse Wahrschein- lichkeit dafür vorhanden, dass diese auffällige Stufe auf einen Bruch zurückgeht. Es erhebt sich die Frage, ob eine Bruchstufe oder eine Bruchlinienstufe vorliegt. Der südwestliche Sporn des Schwarz- 4) Einige Angaben über denselben s. bei C. Moesch: Aarg. Jura. Beitr. IV. 1867. S. 10. Anm. 312 G. Braun. waldes ist hier abgesunken. Der Bruch ist die Verlängerung des Bruches, der den Schwarzwald zwischen Kandern und Hasel begrenzt. Von Hasel springt dann die Wehratal-Linie in südlicher Richtung ab. Alle diese Verwerfungen gehören augenscheinlich zusammen und sind daher wohl gleich alt d.h. etwa Unter-Miocän. Es ist damals das Dreieck Atdorf-Albmündung-Säckingen gegenüber dem Ganzen des Schwarzwaldes ein wenig nur abgeknickt. Die mittelmiocäne Ab- tragungsphase hat auf diesem Dreieck den Buntsandstein in weiterem Umfang erhalten gelassen als auf den nicht eingesunkenen Teilen des Schwarzwaldes, wo er im Murggebiet völlig fehlt. Ich glaube daher, dass man die Oberfläche dieser Buntsandsteinfetzen ungefähr in die Gleichgewichtsfläche der obermiocänen Rumpfebene einordnen darf, da seither kaum irgend bedeutende Abtragung ausserhalb der Tälchen e ARE Alphen ji Waldshut e Etzwihl a 480 Pratteln e Wertenbg. ggler 666 * ‚Schauenburg 765 Liestal Ÿ eBirmens- { N dorf Abb. 1. Namen und Gewässerskizze. 1: 600 000. stattgefunden hat. Die Höhenlage der Rumpffläche ergäbe sich dann für den Schwarzwaldrand an dieser Stelle zu (650 bis) 700 m. Die Stufe wäre eine Bruchlinienstufe. In den Waldkircher Muschelkalkplateaus steigt der Sedimentär- mantel des Schwarzwaldes bereits hoch hinauf, von 500 auf über 700 m. In dieser Höhe findet sich nördlich Waldkirch ein ganz all- mählicher Übergang von den in Muschelkalk liegenden Plateau- flächen zu denen im kristallinen Gestein des Schwarzwaldes. Der „Bühl“ ob Waldkirch ist mit 747 m Hauptmuschelkalk, ebenso der „Samlisbuck“ 779,9 m des Messtischplattes, der „Gupfen“ 779 m der Karte des Deutschen Reiches 1: 100 000; dann folgt an Bann- holz vorbei bis zum Waldhaus 788 m die Anhydritformation und der Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 313 Wellenkalk, bis „Kalkofen“, an der Stelle wo der Weg nach Brunn- adern links abzweigt, 810 m, Buntsandstein, worauf man auf kristal- linem Grund bis zur „Kapelle“, 880 m, ansteigt, dann auf der Höhe fortwandern kann. Hier schneidet also eine vom Gupfen bis zur Kapelle auf 3300 m Abstand um 100 m (d.h. mit 3 0/90) ansteigende Fläche alle Schichten vom Hauptmuschelkalk bis zur kristallinen Grundlage ab. Es liegt also eine wohl erhaltene Rumpfebene vor, die auch noch die höheren Teile des Waldkircher Plateaus und seiner Verzweigungen überzieht, die sich mit gleichem oder nur unbedeutend stärkerem Gefäll nach Süden senken. Beweismaterial zur Datierung fehlt, doch ist der Ana- logieschluss wohl zwingend, dass es sich auch hier um ein Stück der obermiocänen Fläche handle, nicht der vindobonischen, die nach Buxtorf's neuem Profil (a.a.O.) am südlichen Schwarzwaldrand in über 1000 m Höhe zu liegen kommt. Wir wenden uns dem Flussgebiet der Alb zu. Hier ist die Fläche weithin erkennbar entwickelt; bei Görwihl (700 bis 750 m), bei Wilfingen 800 m, nordwestlich Unteralpfen (700 bis 725 m) tritt Buntsandstein in grösseren oder geringeren Resten auf. Gegen den Austrittspunkt der Alb bei Tiefenstein führen zahlreiche Bäche zu- sammen, oberhalb deren sanft gewellte Hänge gleichmässig geböscht zur Alb hinunterleiten. Oberhalb 800 bis 900 m stellen sich dann erst die von diesem Gewässernetz unabhängigen welligen Buckel und Hochflächen des eigentlichen ‚hohen‘ Schwarzwaldes ein, die einer anderen Generation von Oberflächenformen angehören. Der Aargauer Tafeljura. Karten: Blatt 20 Laufenburg; 21 Koblenz; 22 Klingnau; 32 Frick; 33 Bözen; 35 Velt- heim; 36 Stilli des Siegfriedatlas 1:25 000. Literatur: G. Moesch. Geologische Beschreibung des Aargauer Jura. Beitr. z, geol. K. d. Schweiz. 4. 1867. C. Schmidt. Geologische Beschreibung d. östl. Aargauer Jura in Livret-Guide u.s. w. 6. internat. geol. Kongr. 1894. 41. E. Brändlin. Z. Geologie d. nördl, Aargauer Tafeljura zwischen Aare- und Frick- tal. Verh. Naturforsch. Ges. Basel 22. 1911. Karte 1:100000; wichtige Profilserie (Herr Prof. Schmidt gestattete mir gütigst die Benützung der Originalkarte 1 : 25 000). Ich möchte hier unter Aargauer Tafeljura das Gebiet zwischen dem Friektal und dem Aaredurchbruchstal verstehen, im Norden be- grenzt vom Rhein, im Süden vom Faltenjura. Über diesen Raum 314 G. Braun. kann ich mich hier sehr kurz fassen, da demnächst aus der Feder von cand phil. P. Vosseler eine ausführliche Monographie und Diskussion seiner Oberflächenformen erscheinen wird, auf die hier verwiesen sei. Ich bin in der Lage, in den folgenden Sätzen schon einige seiner Er- gebnisse mitteilen zu können und danke ihm für die Genehmigung dazu. Danach ist die obermiocäne Landoberfläche auf den südlichen, noch mit Juranagelfluh bedeckten Plateaus des Bözberges, Brenn- garten u. s. w. in 550 bis 650 m Höhe erhalten. Die an der Mandacher Linie aufgeschobenen Hauptrogensteinberge vom Typus des Schin- berges überragten das durchschnittliche Niveau der Fastebene um etwa 100 m. Nordwärts der Linie lag die Rumpffläche in weichen Schichten oberhalb des Muschelkalk, in Keuper, Lias und Opalinus- tonen, die bei der Tiefenerosion alsbald abgeräumt wurden. So kamen die Muschelkalkplateaus mit einzelnen Tafelbergen des Keuper (Heu- berg bei Laufenburg) heraus, die heute den Rhein begleiten. Die Aufbiegung des Muschelkalk längs der Leibstadter Linie erscheint als ein Härtlingszug mit Höhen von 570m (Egghalde, Schlatt, Stutz u.s. w.), hinter dem subsequente Ausräumung einsetzt (Becken von Sulz, Gansingen, Wil). Die Hochflächen sind Landterrassen, ihre Anlage war zur Risseiszeit beendet, denn es kommen Rissmoränen in dünner Decke auf ihnen vor. Das Rheintal zwischen Waldshut und Säckingen. Karten: Blatt III der Dufourkarte 1 : 100 000. — Die oben S, 307 Anm. 2 genannten Über- sichtskarten. — Blatt 19 Sisseln, 20 Laufenburg, 21 Koblenz, 22 Klingnau, 23 Zurzach, 32 Frick, 33 Bözen, 36 Stilli des Siegfriedatlas 1 : 25 000. Literatur: Jul. Schill. Geol. Beschreibung der Umgebungen von Waldshut. Beitr. z. Stat. d. inn. Verw. d. Grossherzogt. Baden. 23. 1866 m. K. u. Prof. C. Moesch. Geol. Beschreibung des Aargauer-Jura u.s.w. Beitr. z. geol. K. d. Schweiz. 4. Bern 1867 m. Bl. III der geol. Karte (Ausgabe mit Grenzge- bieten) und Profilen. E. Brändlin. 72. Geologie d. nördl. Aargauer Tafeljura zw. Aare- und Fricktal. Verh. Naturforsch. Ges. Basel. 22. 1911. H. Walter. Über die Stromschnelle von Laufenburg. Vierteljahrsschr. Naturforsch. Ges. Zürich. 46. 1901. 232. Wenn man die Anordnung des Gewässernetzes südlich des Schwarzwaldes im Ganzen betrachtet, so fällt die Stelle von Koblenz oberhalb Waldshut besonders ins Auge, vereinigen sich doch hier die Schlücht, die Steina, die Wutach, die Bäche der Kraichgau-Niede- Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 315 rung, der Bodensee-Rhein und die Aare, deren Einzugsgebiet in einem vollen Halbkreis um Waldshut herum angeordnet ist. Alle diese Ge- wässer durchbrechen vereinigt als „Rhein“ zwischen Koblenz und Schwaderloch den Muschelkalk des Sedimentärmantels des Schwarz- waldes. Derartige Gewässerknoten gerade vor dem Eintritt in eine harte Schichteruppe sind nichts seltenes; man könnte an den Knoten bei Donaueschingen und den der Altmühl u.a. im fränkischen Jura er- innern. Immerhin besteht ein grundsätzlicher Unterschied: dort fliessen die Flüsse konsequent, hier obsequent; dort weiten sie ihre Eintrittsstelle zu einem grossen Trichter aus, hier vereinigen sich schmale — nur z. T. glazial veränderte — Täler mit einander. Die alloemein übliche Erklärung lautet für jene Vorkommnisse dahin, dass sich die Flüsse auf einer Rumpffläche entwickelt hätten, welche sich in der gleichen Richtung, aber unter einem geringeren Winkel neigte, wie die Schichten; bei Senkung der Erosionsbasis wären sie in das Schichtsystem eingesenkt worden. Ein Analogon zu diesen Gewässerknoten mit Trichterbildung liest in unserem Gebiet in dem Eintritt von Alb und Ibach in den Sedimentärmantel vor, wo allerdings nur die eine Hälfte des Trichters in dem Muschelkalkrand von Ober- und Unteralpfen und Hechwihl erhalten ist. Beim Koblenzer Knoten liegen die Verhältnisse anders. Ausgangsfläche ist wieder die obermiocäne Rumpfebene. In ihr treten in dieser Gegend zwei Zonen wenig widerstandsfähiger Ge- steine auf: die Zone der Anhydritformation und die Gruppe Trigo- nodusdolomit-Keuper-Lias-Opalinustone, die, durch den Haupt- muschelkalk von ersterer geschieden, weit mächtiger als diese ist. Ein Blick auf eine geologische Übersichtskarte belehrt uns, dass die Keuper-Lias-Zone heute durchweg südlich des Rhein liegt; denken wir sie uns in das Niveau der obermiocänen Rumpffläche verlängert, so kommen wir in die Zone des Rheintales (vgl. Taf. III). Die Anhy- dritformation quert den Rhein zwischen Laufenburg und Schwaderloch, tritt von Laufenburg an südlich von ihm auf; verlängern wir auch sie nach oben in das obermiocäne Niveau, so kommen wir in eine Zone 5 km nördlich des heutigen Rhein: in ihr fliesst der Steinbach von Oberalpfen nach Tiefenstein der Alb zu. Weiter westlich ist der Sedi- mentärmantel entfernt. Wir finden also in dieser Laufstrecke den Keuper-Lias-Streifen als günstig gelegen zur Aufnahme und Ent- wicklung eines grösseren Flusses. Der Anstoss zu dieser Entwicklung musste indes von ausserhalb kommen ; wir suchen ihn, mangels irgend welcher Anzeichen tektonischer Bewegungen in dieser Gegend, weiter unterhalb in der Laufstrecke Säckingen- Basel. 316 G. Braun. Die Laufstrecke Säckingen-Basel. Übersicht.) Auf dem Wege Säckingen-Basel, genauer Birsfelden, quert der Rhein eine hintere, höhere Staffel der mittelrheinischen Senke. Die Untersuchung wird hier dadurch schwieriger, dass wir einmal der Anlehnung an den festen Sporn des Schwarzwaldes entbehren, andererseits das Gebiet tektonisch stark gestört ist. Die zunächst auffallendste Tatsache bei der Betrachtung einer geologisch-tektonischen Karte, wie z. B. der von Regelmann, ist die fast völlige Unabhängigkeit des Flussnetzes von der Tektonik. Während die Verwerfungen und Grabenbrüche von NO etwa nach SW verlaufen, folgen nur kleine Rinnsale dieser Streichrichtung, die meisten halten eine ausgeprägt nordwestliche Richtung ein. Auch hier dürfte die Entwieklung wiederum nur zu verstehen sein, wenn man ihr eine jetzt vielleicht verschwundene Oberfläche zugrunde legt. Wir wollen diese Hypothese auch hier einer Prüfung unterziehen. Die weiter östlich nachgewiesene und in Resten erkennbare ober- miocäne Rumpfebene kehrt auch im südlichen Basler Tafeljura unter ähnlichen Verhältnissen wieder. Es gehören die ganzen Plateau- flächen des Ergolzgebietes dazu, die noch mit tertiären Landbildungen bedeckt oder gerade eben von ihnen durch Abschwemmung befreit worden sind. Die Höhenlage beträgt auch hier etwas über 600 m; die Fläche stieg gegen Norden hin an, wo das nördlichste grössere Tertiärvorkommen 660 m erreicht und war dort um 80 bis 100 m von Tafelbergen überragt, wie Kienberg, Farnsburg u.a. Nördlich des Rheines ist ihre Fortsetzung wohl erst wieder im kristallinen Schwarz- wald nachweisbar. Bereits vor der Zeit der Herausbildung dieser Rumpfebene waren die Verwerfungen der vorhergehenden Zeit durch Abtragung topo- graphisch beseitigt, denn die tertiären Sedimente transgredieren über dıe Verwerfungssysteme und die verworfenen Schollen mit nahezu ebener Basis. Es schnitt die obermiocäne Einebnungsfläche daher ein wahres Mosaik verschiedenartiger Strukturen ab: im Süden die alles gleichmässig verhüllende Tertiärdecke; im Gebiet des Möhliner Baches lag sie in weichen Schichten etwa des Keuper-Lias, in die harte bandförmig eingesunken waren; das gleiche Bild bot sich auf dem Dinkelberggebiet. Jenseits der Linie Zeiningen- Maisprach aber bis gegen und über den Rhein hin schnitt sie die 5) Überdruck Aarau der Dufourkarte 1:100000. — Bil. 656 Mülhausen, 657 Waldshut d. Karte d. Deutschen Reiches 1: 100 000. — Die Umgebung von Basel, Exkursionskarte 1 : 100 000. Basel 1914 Helbing und Lichtenhahn. Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 317 Zeininger Flexur und Bruchzone ab und verlief dann infolge deren Einwirkung in wesentlich jüngeren Horizonten, etwa des oberen Dogger bis unteren Malm, Callovien bis Oxford, vorwiegend auch weichen Bildungen (vgl. Taf. III). Heute ist die obermiocäne Einebnungsfläche in dem ganzen Raum nördlich der Tertiärvorkommnisse nicht mehr erhalten. An- nähernd in ihrem Niveau liegen einerseits die Oberflächen der Tafel- berge im Liestaler Doggerplateau bis zum Sonnenberg hin, anderer- seits die höheren Teile der Muschelkalkplateaus von Blatt Maisprach (600 bis 650 m). Angesichts dessen ist es denn auch schwer möglich, ım Einzelnen die Vorgänge nachzuweisen, die den Rhein hier in diese Landschaft gebracht haben. Wir wollen ihnen in den Landschaften zu beiden Seiten der Laufstrecke Säckingen-Basel nachgehen : Das Dinkelberg-Plateau. Karten: Badische Messtischblätter 153 Schopfheim ; 154 Wehr ; 165 Wyhlen ; 166 Säckingen. Geologische Karte der Dinkelberge von S. von Bubnoff 1:25000 (hand- schriftlich im Geologischen Institut Basel; Benützung von Herrn Prof. Schmidt gestattet). Literatur: Fr. Brombach. Beiträge z. Kenntnis d. Trias am südwestlichen Schwarzwald. Mitt. Grossherz. Bad. Geol. L. A. IV. 1903. S. von Bubnoff. Die Tektonik d. Dinkelberge bei Basel I. Mitt. Grossh. Bad. Geol. L. A. VI. 1912. (Profile). Jul. Wilser. Die Perm-Triasgrenze im südwestlichen Baden. Ber. Naturforsch. Ges. Freiburg i. B. XX. 1913. J. L. Wilser. Die Rheintalflexur nordöstl. von Basel zw. Lörrach und Kandern und ihr Hinterland. Mitt. Grossherz. Bad. Geol, L. A. VII. 1914. (Karte). Der Dinkelberg ist nach den Untersuchungen von $. von Bubnoff vorwiegend eine Platte von Hauptmuschelkalk, die in rund 500 m Höhe liest. Dass auch jüngere Schichten zur Zeit der Verwerfungen noch darüber lagen, wird durch das Vorkommen solcher in den Gräben bewiesen. Das jüngste vorkommende Gestein sind Opalinustone in der Wehratalversenkung. Zählen wir zu den 500 m die Mächtigkeiten dieser Deckschichten hinzu, so erhalten wir (Keuper 75 m, Lias 20 m, Opalinustone 60 m) eine Höhe von 655 m, d.h. wir kommen an- nähernd in das Niveau der obermiocänen Rumpffläche. Rechnen wir noch das Bajocien hinzu mit noch etwa 50-60 m, so haben wir sicher- lich deren Niveau erreicht und sind immer noch in der Zone weicher Gesteine unterhalb des Hauptrogenstein. Wenn dieser nun stellen- weise mit eingesunken war, so musste er, sobald die Erosionsbasis auch nur bis 500m sank, doch angesichts der Mächtigkeit der ihn um- 318 G. Braun. gebenden weichen Schichten verschwinden. Danach wäre also die heutige Oberfläche des Dinkelbergplateau eine Rumpfebene, ent- standen durch Abräumung mächtiger weicher Schichten, zur Klasse der Landterrassen gehörig. Die Anlage mochte etwa im Oberpliocän fertig gewesen sein. Es bleibt die Gegenhypothese zu prüfen: die Dinkelberghoch- fläche sei ein Teil der allgemeinen obermiocänen Rumpffläche und nachträglich durch Absinken vom Schwarzwald abgetrennt. Dem widerspricht — von allem anderen abgesehen — das Vorkommen von Opalinustonen in derjenigen Versenkung, welche dieses Absinken be- grenzt. Lag die obermiocäne Oberfläche im Hauptmuschelkalk, dann konnten auf ihr nicht die 100 m höher vorkommenden weichen Opalinustone erhalten sein. Der Dinkelberg zerfällt heute in drei wohl zu scheidende Teile: die über 500 m hohe Südwestecke (Chrischona-Plateau), einen 400 bis 450 m hohen breiten Mittelstreifen (Adelhäuser-Plateau) und den wieder über 500 m hohen Ostteil. Diese Anordnung erklärt sich leicht im Sinne obiger Darlegung durch den geologischen Bau: es ist hier ein NW streichender 6—7 km breiter Graben vorhanden, in dem zur Obermiocänzeit noch der Hauptrogenstein auf weiten Flächen die Oberfläche bildete. Rings von weichen Schichten umgeben und von Brüchen durchsetzt, wurde er dann in so unmittelbarer Nähe des Rhein bald abgetragen und der ganze Graben ebenfalls bis auf den Muschelkalk ausgeräumt — nur dass dieser hier eben tief liest. Die Schichtstufenlandschaft nördlich der Wiese. Karten: Bad. Messtischblatt: 153 Schopfheim. Literatur: Jul. L. Wilser. Die Rheinthalflexur nordöstl. von Basel zw. Lörrach und Kandern und ihr Hinterland. Mitt. Grossh. Bad. Geol. L. A. VII. 2. 1914 m. Karte 1 : 25 000. Diese schon ausserhalb des eigentlichen Themas liegende Land- schaft muss hier noch mit ein paar Worten berücksichtigt werden, da sie den nördlichen Anknüpfungspunkt der obermiocänen Rumpf- ebene bildet. Der Munzenberg ragt mit 700 m gerade in ihr Niveau hinein und nördlich setzt sie sich, besonders schön am Steinenberg 759 m, am Krandel 743 m und Nollen 767 m erkennbar in den Schwarzwald hin fort, der z. T. ganz auffällige Ebenheiten in dieser Höhenlage aufweist. Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 319 Aus der Rumpffläche ist hier, wo das Einfallen immerhin ein wenig steiler ist als im Tafeljura, die Schichtstufenlandschaft heraus- geschnitten worden. Der Impuls ging dabei von der Wiese aus, die ihrerseits ein subsequenter Fluss ist, der die konsequenten von Norden her kommenden Gewässer abfängt. Die Stufe von Wehr. Karten: Bad. Messtischblatt 154 Wehr. 166 Säckingen. Literatur: 0. G. Erdmannsdörffer. Geol. und petrographische Untersuchungen im Wehra- tal. Mitt. Bad. geol. L. A. IV. 2. 1901 m. Karte 1:25 000. R. Neumann. Eine Juraversenkung im untern Wehratale. Zentralbl. f. Min. u.s.w. 1906. 40. Profil. H. Preiswerk. Profil in Führer z. d. Exkurs. d. d. geol. Ges. u. s. w. 1907. 9. Die Stufe von Wehr ist jener Höhenrand, mit dem der Schwarz- wald auf der Linie von Säckingen bis nördlich Wehr gegen den Dinkelberg abbricht. Der untere Teil des Wehratales verschärft die Trennung beider Gebiete noch. Wie bei jeder Stufe stellt der Morphologe auch hier die Fragen: Schichtstufe ? Bruchstufe ? Bruchlinienstufe? Die erste Annahme scheidet hier an der Grenze von kristallinem Gestein gegen den Sedi- mentmantel ohne weiteres aus. Dagegen habe ich 1914 beiläufig aus- gesprochen, dass es sich um eine Bruchstufe handle, indem ich die Schwarzwaldhochfläche mit der Dinkelbergfläche identifizierte. Da sich das als untunlich erwiesen hat (s. den vorhergehenden Abschnitt), muss der Stufe der Charakter als Bruchlinienstufe zuerkannt werden, d.h. der Bruch und die Verwerfung waren im Zusammenhang mit der allgemeinen Bruchphase im Untermiocän entstanden; die damals ge- schaffene Stufe war der Abtragung im Mittelmiocän nahezu zum Opfer gefallen und im Obermiocän grenzten hier weite Ebenen des Dinkelbergplateaus in Opalinustonen und Bajocienhorizont gegen Rumpfhügel des Schwarzwaldes. Die Talverjüngung arbeitete die Härteunterschiede heraus und liess die Stufe neu erstehen. Die Muschelkalkplateaus der Blätter Maisprach und Frick. Karten: Blatt 29 Maisprach; 30 Frick des Siegfriedatlas 1:25 000. 320 G. Braun. Literatur: R. Suter. Geologie d. Umgebung von Maisprach. Diss. Basel. 1915. — Verh. Naturforsch. Ges. Basel 26. 1915 m. Karte 1:25 000. L. Braun. Blatt Frick geol. kartiert; noch unveröffentlicht. 1:25 000 (mit Ge- nehmigung von Herrn Prof. Schmidt benutzt). Die Muschelkalkplateaus der Blätter Maisprach und Frick werden im Norden zwischen Eiken und Zeiningen vom Rheintal, im Nordwesten zwischen Zeiningen und Wintersingen von der Zeininger Bruchzone und ıhr folgenden Senken, im Süden von den Tafelbergen nördlich der Ergolz bis zum Thiersteiner Berg hin und gegen Nord- osten durch das Fricktal begrenzt. Ihre Höhen liegen zwischen 550 und 600m, der Rigiberg mit 641 m nördlich Hemmiken ist- eine Ausnahme. Es sind landschaftlich einförmige Tafeln, an deren steilen Rändern der Hauptmuschelkalk heraustritt, während die Hochflächen fast durchweg noch eine Decke von Trigonodusdolomit sowie Reste von Keuper tragen. Das Talnetz ist ein doppeltes: die grösseren Tälchen führen nach Nordwesten hinaus; ihre Quellen und Einzugsgebiete liegen an den Hauptrogensteintafelbergen. Die Zuflüsse dieser Bäche dagegen sind an die zahlreichen, die Plateaus durchsetzenden Grabenbrüche und die in diese eingesunkenen weichen Schichten geknüpft und halten dementsprechend fast rein nordsüdliche Richtung inne. Nach alledem liest hier ein Analogon zum Dinkelberg vor. Wenn wir auf den Trigonodusdolomit in 575m mittlerer Höhe uns den Keuper aufgesetzt denken (90 bis 110 m Mächtigkeit auf Blatt Mai- sprach ), so kommen wir schon um so höher über das Niveau der ober- miocänen Rumpfebene hinaus, als wir zu der Mächtigkeit des Muschelkalks noch etwa 50m für Auslaugungen in der Anhydrit- zone hinzufügen müssen. Die obermiocäne Rumpfebene verlief daher hier jedenfalls im Keuper, also auch minder weichen Schichten. Das Gewässernetz erscheint nur auf Grund der Annahme einer Verbiegung derselben nach Nordwesten verständlich. Die Zeininger Flexurzone. Karten: Blatt 29 Maisprach, Blatt 28 Kaiseraugst, Blatt 30 Liestal des Siegfriedatlas. Literatur: R. Suter. Geologie der Umgebung von Maisprach. Diss. Basel 1915. — Verh. Naturforsch. Ges. Basel 26. 1915; mit Karte und Profilen. Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 321 F. von Huene. Geol. Beschreibung d. Gegend von Liestal im Schweizer Tafel- jura. Diss. Basel 1900. — Verh. Naturforsch. Ges. Basel 12. 1900; m. Karte und Profilen. K. Strübin. Beiträge zur Kenntnis der Stratigraphie des Basler Tafeljura (spez. Blatt 28). Diss. Basel 1901. — Verh. Naturforsch. Ges. Basel 13. 1902. E. Blösch. Zur Tektonik des Schweiz. Tafeljura. Diss. Zürich 1910. — N. Jahrb. f. Min. usw. Beil. Bd. 29. 1910. Längs der Zeininger Bruchzone zwischen Wallbach und Liestal vollzog sich ein in Brüche übergehendes flexurartiges Absinken der nordwestlich dieser Linie gelegenen Scholle von Rheinfelden. Die jüngsten in dem abgesunkenen Teil heute noch erhaltenen Horizonte sind die Spatkalke und Variansschichten des obersten Bathonien, die nach der Absenkung 600 m hoch liegen. Die Sprunghöhe der Zei- ninger Verwerfung wurde auf 400 bis 500 m geschätzt. Das mag für die tiefsten Versenkungen zutreffen, im Mittel erscheint es mir zu viel. Jedenfalls ist die eine morphologisch wichtige Folge der Ver- werfung die, dass hier Hauptrogenstein in ein Niveau mit dem be- nachbarten Muschelkalk kam und bei Abtragung infolge Senkung der Erosionsbasis stehen bleiben musste, da er einer Serie weicher Schichten aufruht. Sonnenberg (635 m), Önsberg (609 m), Halmet (606 m) und Domberg (604 bis 624 m) sind derartige durch die Abtragung heraus- seschälte Hauptrogenstein-Härtlinge, während der Küller (604 m) noch z. T. in den umgebenden weicheren Schichten darinsitzt. An der Südostseite wird diese Härtlingszone von einer Reihe subsequenter Tälchen und Einsattelungen von 500 m Höhe begrenzt, mit oft ver- wickelter Topographie im Einzelnen, je nachdem die Ausräumung harte oder weiche Schichten traf. Die Plateauflächen von Blatt Kaiseraugst. | Kanes Blatt 28 Kaiseraugst d. Siegfriedatlas 1 : 25 000. Literatur: K. Strübin. Beiträge zur Kenntnis der Stratigraphie des Basler Tafeljura spez. d. Geb. von Kartenbl. 28. Diss. Basel. 1901. — Verh. Naturforsch. Ges. Basel 13. 1902 (die handschriftlich, aber unvollendet vorliegende Karte konnte ich benutzen). J. H. Verloop. Die Salzlager der Nordschweiz. Diss. Basel 1909. K. Strübin. Geologische Beobachtungen im Rheinbett bei Augst. Tätigk.-Ber. der Naturforsch. Ges. Baselland. 1904/06. 97. R. Suter. Profil Rheinfelden-Farnsburg 1:25000 (nach Angaben von Prof. Buxtorf; unveröffentlicht im Exkursionsbuch der Geologischen Anstalt in Basel. 23. Febr. 1913.) 21 322 G. Braun. Wir betreten auf Blatt Kaiseraugst insofern etwas unsicheren Boden, als die Kartierung gerade dieses einen Blattes des Tafeljura bisher noch nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Immerhin ist es stratigraphisch von Strübin so gut untersucht und skizzenhaft kartiert, dass es dem Geomorphologen nicht schwer ist, sich über die Grundzüge im Bau dieser Plateauflächen zutreffend zu unterrichten. Diese sind etwa so, dass vom Rhein zwischen Rheinfelden und Augst her eine Schichtserie, die vom Rotliegenden, das im Rheinbett an- steht, bis zum Hauptrogenstein reicht, leicht in südsüdöstlicher Rich- tung einfällt, wo dann ihr Rand an der Zeininger Linie aufgebogen und zerbrochen ist. Einige dieser Linie parallele Brüche mögen auch hier durchstreichen, vermögen aber das Bild nicht wesentlich zu ver- ändern. Die vom Rhein aus allmählich gegen Südosten von 400 bis gegen 500 m ansteigenden Riedel este in ihrem nördlichen Teil aus Muschelkalk, dann folgen Keuper, Lias, über dem die Hauptrogen- steinberge aufragen. Rekonstruieren wir die obermiocäne Rumpf- ebene, so verläuft sie auch hier vorwiegend in den mächtigen weichen Schichten zwischen Muschelkalk und Hauptrogenstein, wobei letzterer jedenfalls in einem Streifen etwas nordwestlich der heutigen Härt- linge die Oberfläche erreichte. Die weichen Schichten wurden ausge- räumt, die Oberfläche bilden heute Hauptmuschelkalk und die Arietenkalke des Lias. Bis 425 m kommen Deckenschotter vor: der nördliche Teil der Plateaus ist daher schon früheres Rheinbett. Die Tafelbergzone nördlich der Ergolz. Karten: Blatt 29 Maisprach, 30 Liestal, 31 Gelterkinden des Siegfriedatlas. Literatur: F. von Huene. Geol. Beschreibung der Gegend von Liestal im Schweizer Tafel- jura. Diss. Basel 1900. — Verh. Naturforsch. Ges. Basel XII. 1900; m. K. A. Bustorf. Geologie der Umgehung von Gelterkinden. Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz. N. F. XI. 1901; m. K. R. Suter. Geologie der Umgebung von Maisprach. Diss. Basel 1915. —- Verh. Naturforsch. Ges. Basel 26. 1915; m. K. A. Buxtorf. Prognosen und Befunde beim Hauensteinbasis- und enehenham- tunnel usw. — Verh. Naturforsch. Ges. Basel 27. 1916. S. 240f. Wer von der Schauenburger Fluh (Punkt 666 südl. Pratteln) d.h. von Westen her den Tafeljura überblickt, sieht überwiegend in 600 m Höhe (oder ein wenig höher) liegende Flächen vor sich, die vom Sonnenberg nach rechts hin bis zum Kettenjura das Bild be- herrschen. Über sie erheben sich allein: der Kienberg mit der Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 323 Sissacher Fluh (743 m), der Kegel des Staufen (702 m), der Farns- berg (762 m), dahinter Thiersteiner Berg (750m) und einige der Berge des Aargauer Jura. Mit Ausnahme des Staufen tragen alle diese Berge leicht nach Süden geneigte ebene Oberflächen, die also um 100 bis 150 m höher liegen als ihre Umgebung; zugleich setzen sie scharf und deutlich gegen dieselbe ab. Diese Berge bestehen in ihrem oberen Teil aus Hauptrogenstein. Es sind echte Tafelberge und zwar sind sie um so höher, je weiter sie nach NW, dem Zentrum der Schichtenwölbung zu, liegen. Der vielgezackte Anwiler Riedel, der im Thiersteiner Berg ausläuft, zeigt diese Berge in statu nascendi: es sind durch normale Erosion losge- löste Auslieger der Schichtstufe des Hauptrogenstein, an denen durch die harten Bänke des Bajocien verursachte weitere Terrassierungen zu beobachten sind. Ihre Oberfläche ist augenscheinlich ident mit der Auflagerungsfläche der helvetischen Meeresabsätze im Süden. Etwas anderes ist der Staufen; schon seine Gestalt verrät Ab- weichungen. In der Tat ergab die geologische Kartierung, dass er zwar auch aus Hauptrogenstein besteht, aber aus einem eingesunkenen, dann seiner Härte wegen wieder aus weicheren Horizonten heraus- geschälten Stück, das im Zuge eines jener Gräben liegt, welche die Muschelkalkplateaus von Blatt Maisprach durchsetzen und dort fast nur Keuper und Lias enthalten. Hier an der Wasserscheide zwischen Ergolz und Rhein haben wir noch ein Stück der höheren Ausfüllung dieser Gräben erhalten, hier gibt es Opalinustone, Bajocien und Bathonien. Es repräsentiert uns daher der Staufen sozusagen ein Stück pliocäne Topographie, als noch in den langgestreckten Gräben langgestreckte Streifen des Hauptrogenstein steckten und nun bei Beginn der Herausschälung als lange Bergrücken herausschauten, unter völliger Reliefumkehr. Was hier vom Staufen gesagt wurde, gilt ebenso vom Wischberg, der uns ein früheres und von Punkt 663 Gogel auf Blatt Maisprach, der uns ein späteres Stadium gibt, bei dem nur noch ein kleiner Fetzen Hauptrogenstein erhalten ist. Die Ergolzplateaus. Karten: Blatt 30 Liestal, 31 Gelterkinden, 34 Wölflinswil, 146 Hölstein, 147 Läufelfingen. F. Mühlberg. Geol. Karte des Hauensteingebietes 1:25000. Beitr. z. geol. K. d. Schweiz. Spez.-K. 73. 1914. 324 G. Braun. Literatur: A. Buxtorf. Geologie der Umgebung von Gelterkinden im Basler Tafeljura. Beitr. z. geol. K. d. Schweiz. N. E. XI. 1901; m. K. A. Buxtorf. Nicht gedruckte Habilitationsvorlesung. — Oberflächengestaltung und geolog. Gesch. d. nordschweiz. Tafeljura. Verh. Schweiz. Naturforsch. Ges. 93. Vers. zu Basel 1910. I. (auch Ecl. geol. helv. XI. 284.) Unter diesem Namen fasse ich die über 600 m hohen Plateaus im Quellgebiet der Ergolz zusammen, die im Norden von dieser begrenzt werden und vom Diesterbach, Homburgerbach, Eibach und der Ergolz selbst in die Riedel von Zunzgen, der Tenniker Fluh, von Rünenberg, Wenslingen und Anwil zerlegt werden, deren letzterer nach Norden in den Thiersteiner Berg übergeht. Die Entschleierung der Geheimnisse des Baus dieser Plateaus verdankt die Wissenschaft A. Buxtorf. Sie bestehen in ihrer Haupt- masse aus Hauptrogenstein; ihm gelang es festzustellen, dass in diese Hauptrogensteintafeln in Form meist schmaler Gräben weiche Malm- schichten eingebrochen liegen und dass die tertiären Schichten, be- ginnend mit Meeresbildungen des Mittelmiocän über die Ver- werfungen und die verworfenen Stücke transgredieren, ohne von den Brüchen noch betroffen zu sein. Die Aufnahme der südlich an Blatt Gelterkinden angrenzenden Plateaustücke durch Mühlberg hat diese Anschauungen durchaus bestätigt. Buxtorf hat auch bereits morphologische Schlüsse aus seinen geologischen Aufnahmen gezogen, indem er schreibt: „Die ursprüng- liche Anlage der Tafeljurahochfläche ist entstanden bei der Trans- gression des mittelmiocänen, helvetischen Meeres. Diese alte miocäne Abrasionsfläche ist bis heute da erhalten geblieben, wo sie in harte Kalke zu liegen kam.“ Nach diesen Ausführungen tritt hier also an der Basis der ter- tiären Sedimentdecke eine ebene Fläche auf, die Buxtorf später vindobonische Fläche genannt hat. Ob sie durch Abrasion gebildet ist oder nicht schon vor der Transgression als subaöril entstandene Fastebene dalag, wofür manches spricht, sei hier dahingestellt. Für den Morphologen fragt es sich nur, ob man die Auflagerungsfläche der tertiären Sedimente mit der heutigen Oberfläche identifizieren darf. Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir erstens die beiden Oberflächen: die untere, vindobonische Fläche ist ganz eben, die obere, heutige ist wellig. Die erstere fällt gegen Süden stark, die heutige schwach, oder sie steigt sogar. Schliesslich ist zweitens die Mächtigkeit der tertiären Sedimente doch nicht unerheblich: auf Blatt Gelterkinden etwa 30 m, weiter südlich (östlich von Hölstein) Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 325 nach Angabe von F. Mühlberg 60 m, bei Lampenberg 100 m. Aus allen diesen Gründen kann man Buxtorf wohl Recht geben, wenn er die Anlage der Hochflächen in die helvetische Phase (oder das Vindobon) ansetzt, man darf aber die heutige Oberfläche nicht mit ihr identifizieren, die vielmehr nur da in die heutige Hochfläche eintritt, wo das Tertiär im gegenwärtigen Zyklus gerade abgedeckt ist. Die Tertiärdeeke besteht (von unten nach oben) aus Muschel- agglomerat, Süsswasserkalken und roten Mergeln (zusammen auf Blatt Gelterkinden 10 m) aus etwas mächtigerer Juranagelfluh, die nach oben wieder in Süsswasser-Kalke und Mergel übergeht, die schon dem Obermiocän angehören. Die Anlage der heutigen, fast ebenen Hochflächen ist daher ebenfalls in das Obermiocän zu setzen. Sie haben seither in ihrer Gesamtheit in dieser Gegend eine Verbiegung nach Süden dadurch erlitten, dass sich der Kettenjura von dort aus auf sie hinaufschob und sie ein wenig hinabdrückte. Die heutigen Flüsse behaupteten sich dieser Bewegung gegenüber — müssen also älter sein — und die Talbildung konsequent zu dieser Verbiegung, die man z. B. bei Känerkinden beobachten kann, ist erst sehr gering. Der Nordrand der Hochflächen gegen das Ergolztal hin ist die Schichtstufe des Hauptrogenstein über den weicheren Schichten an seiner Basis. Infolge der zahlreichen Grabenbrüche mit eingesunkenen weicheren Schichten und der kräftigen Erosion von der tiefliegenden Ergolz her ist der Rand der Schichtstufe ungewöhnlich gezackt und derselbe ist nur stellenweise leidlich erhalten. Im Anwiler Riedel ist der frühere Zusammenhang mit den Tafelbergen im Norden noch sichtbar. Der Westrand der Ergolzplateaus gegen die Frenkenplateaus be- darf noch einiger Worte. Er verläuft in nordsüdlicher Richtung auf der Höhe des Zunzger Riedel, dessen Oberfläche in Juranagelfluh in 600 m Höhe liegt. Sie ist im südlichen Teil von Mühlberg, im nördlichen von Huene geologisch dargestellt. Von der Plateaukante folgt im südlichen Teil eine ziemlich gleichmässige Böschung gegen Hölstein, die bis 530 m hinunter in Juranagelfluh liegt. Im Norden aber schaltet sich bei Ramlinsburg zwischen die Plateaufläche und das heutige Tal ein Absatz ein, auf dem in rund 500 m Höhe Ramlinsburg selbst liegt und von dem aus dann ziemlich steil das Plateau in 580 m Höhe erreicht wird. Dieser obere steile Hang liegt in Effinger-Schichten und hat mit den heutigen Tälern nichts zu tun. Ich möchte ihn als erosiv ansprechen, als aus einer Zeit stammend, zu der noch die Frenken-Plateaus die lokale Erosionsbasis waren. 326 | G. Braun. Die Frenkenplateaus. Karten: Blatt 10 Gempen, 30 Liestal, 146 Hölstein des Siegfriedatlas. F. Mühlberg. Geol. Karte des Hauensteingebietes 1:25000. Beitr. z. geol. K, d. Schweiz. Spez.-K. 73. 1914. m. Erl. Literatur: F. v. Huene. Geologische Beschreibung der Gegend von Liestal im Schweiz. Tafeljura. Diss. Basel 1900. — Verh. Naturforsch. Ges. Basel XII. 1900 mit Karte u. Profilen. Ed. Blösch. Zur Tektonik des schweiz. Tafeljura. Diss. Zürich 1910. — Neues Jahrb. f. Min. usw. Beil. Bd. 29. 1910. 593. H. Cloos. Tafel- und Kettenland im Basler Jura usw. Diss. Freiburg i. B. 1910. — N. Jahrb. f. Min. usw. Beil. Bd. 30. 1910. 97. Unter dem Namen „Frenkenplateaus“ fasse ich die im Mittel 500 m hohen Flächen zusammen, die sich südlich Liestal im Gebiet der Vorderen und Hinteren Frenke sowie des Orisbaches ausdehnen. Ihre Grenze gegen Osten bildet der über 600 m hohe Zunzger Riedel, die gegen Westen das Gempenplateau (über 700 m) mit seinen Vor- stufen. Wie die Karte von F. von Huene zeigt, sind die Frenkenplateaus sehr kompliziert gebaut, durch eine ganze Schar NNW streichender Grabenbrüche in schmale, in dieser Richtung lang gestreckte Schollen zerlegt. Die Grabenspalten konvergieren nach der Tiefe und ent- sprechen im ganzen Verhalten dem, was wir schon mehrfach aus unserem Gebiet kennen gelernt haben. Es besteht daher auch kaum ein Zweifel darüber, dass es sich auch hier um vormittelmiocäne Störungen handelt, die zur Obermiocänzeit wie auch sonst im Tafel- jura eingeebnet waren. Wenn wir den formgebenden Hauptrogenstein zugrunde legen, so ist mit dieser Zerstückelung ein sukzessives Absinken desselben gegen Westen verbunden: im Zunzger Riedel 600 m, erreicht er bei Seltisberg noch 490 m, im Sichtern-Feld und bei Nuglar nur noch 460 m Höhe. Bei dieser Lagerung ist es klar ersichtlich, dass in der obermiocänen Rumpffläche hier die über dem Hauptrogenstein liegenden Schichten in Streifen auftreten mussten, die annähernd nord-südlich verliefen. In der vindobonischen Fläche aber scheint hier eine tiefere Zone vorhanden gewesen zu sein : nördlich der Ergolz trägt der Schward, 656 m, Reste alttertiärer Bohnerze, im Süden ist bei Lampenberg in den schönen Aufschlüssen am Ramstelbach Alt- tertiär in nur 500m Höhe erhalten. Kleckenberg 532m, Blomd554m, Murenberg 530 m, das Sequan bei Lampenberg 570 m geben hier das ungefähre Niveau der höheren Teile der vindobonischen Fläche an. Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 327 Diese ganze Gegend wurde dann wohl von den Ablagerungen eines Stromes verschüttet, der seine Gewässer über dem heutigen Dinkelberg sammelte. Die Juranagelfluh geht hier bis über 600 m hinauf; ist also etwa 100 m mächtig; sie ist seither zum grössten Teil ausgeräumt, wo sie nicht auf harter Basis ruht. Von einer Ein- drückung nach Süden wie im Bereich der Ergolzplateaus ist hier nichts zu bemerken; im Gegenteil sind hier, wo die vindobonische Fläche augenscheinlich tiefer lag als weiter östlich, die Klippen des Falten- jura weit nach Norden hin vorgerutscht, wo die Tertiärauffüllung wenig Widerstand bot. Vom Faltenjura aus entwickelte sich dann das Gewässernetz nach Norden hin, das die Tertiärdecke durchschnitt, ausräumte und weiter- hin die Strukturen der vindobonischen Fläche zur Richtlinie nahm. Der Fazieswechsel im Malm zwischen Lupsingen und Büren — Über- sang der weichen argovischen Schichten in die harten rauracischen Kalke — wurde dabei für die Topographie von grösster Bedeutung. Östlich der Zone des Wechsels wurden die wenig mächtigen Malm- kalke bis auf geringe Reste entfernt, westlich entwickelte sich die hohe Schichtstufe des Gempenplateau. Das Gempenplateau. Karten: Blatt 8 Muttenz, 10 Gempen, 97 Bretzwil des Siegfriedatlas. Geol. Karte von Basel. I. Gempenplateau und unteres Birstal; aufgenommen von A. Gutzwiller und Ed. Greppin 1910—14. Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz. Spez.-Karte 77 m. Erl. 1915. Literatur: A. Tobler. Der Jura im Südosten der oberrheinischen Tiefebene. Diss. Basel 1896. — Verh. Naturforsch. Ges. Basel XI. G. Braun. Zur Morphologie der Umgebung von Basel. Verh. Naturforsch. Ges. Bas. 25. 1914. 132. Das Gempenplateau ist der hohe Abschluss des Tafeljura gegen Westen hin, begrenzt im Süden von den vordersten Ketten des Falten- jura, im Westen von der Flexur zur mittelrheinischen Senke, im Norden vom Rheintal, im Osten von dem Steilrand, der von der Schauenburger Fluh (Punkt 666 südlich Pratteln) bis in die Gegend von Seewen zieht. Die Plateaufläche gliedert sich in einen höheren (über 700 m) südlichen Teil und in einen tieferen nördlichen Teil. An der Grenze beider zieht sich der Schartenwald hin, dessen Nordrand ursprünglich Bruchstufe, nun aus der Bruchlinienstufe zur Schicht- stufe geworden ist, indem die tiefer greifende Erosion an der Basis der Malmkalke die Oxfordtone entblösste. 328 G. Braun. Es erhebt sich die Frage nach dem Alter der Plateauflächen und ihrer Zugehörigkeit zu anderen Flächen im Tafeljura. Von tertiären Ablagerungen kommen vor: Süsswasserkalke des Eocän nördlich Hochwald, augenscheinlich an einer Versenkung erhalten; südlich Hochwald in ungestörter Lagerung etwas Molasse alsacienne, Blätter- sandstein des Oberoligocän. Diese Vorkommnisse liegen auf Malm; es scheint demnach die Anlage der Hochfläche zum mindesten in ihrem südlichen Teil bis in das Alttertiär zurückzugehen, weshalb ich sie auch schon 1914 zur germanischen Rumpfebene gestellt habe. Die tektonische Stellung des Plateaus ist am ehesten noch dem Bözberg-Plateau am östlichen Ende des Aargauer Tafeljura zu ver- gleichen: auch dort haben wir harte Malmschichten (allerdings einen etwas anderen stratigraphischen Horizont), die dort nach OSO, hier nach WSW einfallen. Der Südrand wird an beiden Stellen vom Kettenjura gebildet und zeigt eine Depression. Wir befinden uns also auf beiden Plateaus auf der Aussenseite der grossen, flachen Kuppel, welche der Sedimentärmantel des Schwarzwaldes etwa um das Zentrum bei Zuzgen herum bildet. So weit geht die Ähnlichkeit. Der Hauptunterschied besteht wohl darin, dass das Bözberg-Plateau ganz und gar mit mächtiger Nagel- fluhdecke verhüllt ist, während das Gempenplateau frei davon zu sein scheint. Eine irgend stärkere Decke ist sicher nicht vorhanden, Relikte vielleicht; jedenfalls kommen solche unmittelbar im Süden auf „Stollenweid“ am Pelzmühlental in 620 m Höhe vor und auch südlich Hochwald habe ich ortsfremde Gerölle gefunden. Es lag also wohl das Gempenplateau etwas über dem mittleren Niveau der Auf- schüttungen in der obermiocänen Rumpfebene. Die Oberflächenformen des Plateau sind ziemlich mannigfaltig. Der Nordteil, das Plateau von Schönmatt, ist recht eben. Die Ver- biegung zur rheinischen Flexur hin kündigt sich durch eine Reihe von Verwerfungen in der Umgebung des Hofes Schönmatt an, die diesem Teil ein etwas unregelmässiges, in nordwestlicher Richtung angeordnetes Relief verleihen. Der Schartenwald mit der Schartenfluh 765 m, deren Aussichts- turm einen schönen Überblick bietet, ist ein in die weichen Schichten oberhalb des Hauptrogenstein eingesunkener, dann unter Relief- umkehr wieder herausgearbeiteter Streifen der Malmkalkplatte. Da die Erosion bereits die die Malmkalkplatte unterteufenden weichen Oxfordschichten auf beiden Seiten angegriffen hat, geht der Scharten- wald wohl vergleichsweise rasch seinem Untergang durch Abtragung entgegen. Bewegter als im Norden ist das Relief im Plateau von Hoch- wald. Im Westen des Ortes zieht eine auf 2,5 km Länge schön Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 329 entwickelte Stufe entlang (im Maximum 70m Höhe), deren Ge- strecktheit auf den ersten Blick darauf hinweist, dass es sich um eine Stufe, veranlasst durch einen Bruch, handelt. Die Richtung, in der er verläuft, die Tatsache, dass an ihm Alttertiär eingesunken ist, beides deutet darauf hin, dass die Verwerfung gleichaltrig mit den übrigen des Tafeljura ist, also prämittelmiocän. Seither ist die wohl damals allgemein vorhandene Sequandecke von dem höher gelegenen Flügel entfernt, in der Senke erhalten. Ihrer Ausräumung möchte ich das Wiederaufleben der Stufe in der Gegenwart zuschreiben, dieselbe also als Bruchlinienstufe auffassen. Da an ihrem Nordrande auch schon das Oxford durch die Erosion erreicht ist, geht sie ebenfalls dort in eine Schichtstufe über. Der Westrand des Plateau wird durch die Flexur zur mittel- rheinischen Senke gebildet, die erosiv zerschnitten ist. Da über dieselbe eine besondere Studie eines meiner Schüler in Vorbereitung ist, will ich mich hier nicht weiter darüber äussern. Der Ostrand ist in seiner Genese schon oben gelegentlich der Darstellung der Frenken- plateaus berührt : er ist die normale Schichtstufe der Malmkalke, ent- wickelt aus dem Ausstreichen derselben in der vindobonischen Rumpf- fläche. Stellenweise wie bei Büren liegen Störungen vor, an denen die Malmkalke in die Tiefe gesunken sind: sie werden dort jetzt von ihrer Umhüllung weicherer Schichten befreit. In grosser Höhe münden am Rand der Stufe ausgereifte Täler, die wohl noch dem obermiocänen Zyklus angehören, so nördlich Büren und östlich Schön- matt gegen Bad Schauenburg. Besondere Probleme bietet noch der Nordrand gegen das Rhein- tal. Wie die neue geologische Spezialkarte von Basel (Blatt 1) sehr schön zeigt, zieht hier in ostwestlicher Richtung eine Antiklinale durch, in der Lias, Keuper und — an einer Stelle entblösst — auch Muschelkalk so aufgefaltet sind, dass die ganze Antiklinale ein wenig nach Norden hin gedrückt erscheint. Dieselbe setzt sich nach Osten in das Gebiet von Kaiseraugst fort. Ihrem Nordschenkel sitzen als. Hauptrogensteinberge noch der Wartenberg (480 m), der Adler bei Pratteln (528 m) und der Büchlihau bei Füllinsdorf auf, letzterer schon an der Einwalmung der Antiklinale und in sich kompliziert gebaut. In dieser Zone ist wohl die nördlichste Jurafalte zu sehen, wie das Tobler zuerst angedeutet hat; in ihr werden heute die im Kern entblössten weichen Schichten ausgeräumt und es bleibt eine Reihe markanter Einzelberge stehen. Wir treten damit unmittelbar in das Rheintal und wenden uns dessen Betrachtung zu. 330 G. Braun. Das Rheintal zwischen Basel und Säckingen. Karten: Blatt 185 Freiburg der Topographischen Übersichtskarte d. D. R. 1: 200 000. — Blatt 2 Basel-Riehen, 8 Muttenz, 17 Rheinfelden, 18 Möhlin, 28 Kaiseraugst, 29 Maisprach des Siegfriedatlas 1 : 25 000. Literatur: Ph. Platz. Das Steinsalzlager von Wyhlen. Verh. Naturwiss. Ver. in Karlsruhe. 6. Heft. 1873. K. Strübin. Geol. Beobachtungen im Rheinbett bei Augst. Tätigk.-Ber. d. Na- turforsch. Ges. Baselland 1904/06. 97. Joh. H. Verloop. Die Salzlager der Nordschweiz. Diss. Basel 1909, K. Disler. Geologische Skizze von Rheinfelden. Jahresber. u. Mitt. Oberrhein. geol. Verein. N. F. 2, Heft 2. 1912. E. Brändlin. Über tektonische Erscheinungen in den Baugruben des Kraft- werkes Wyhlen-Augst am Oberrhein. Mitt. Grossh. Bad. Geol. L. A. VI. 2. 1912. GC. Disler. Stratigraphie und Tektonik des Rotliegenden und der Trias beider- seits des Rheines zwischen Rheinfelden und Augst. Diss. Basel 1914. — Verh. Naturforsch. Ges. Basel 25. 1914. E. Greppin. Zur Kenntnis des geol. Profils am Hörnli bei Grenzach. Verh. Na- turforsch. Ges. Basel. 18. 1906. 371. Zwei Profile durch das Gebiet der Rheintalflexur am Hörnli bei Basel von A. Buxtorf und J. H. Verloop im Führer zu d. Exk. d. Deutsch. Geol. Ges. im südl. Schwarzwald usw. 1907. Die Zone des diluvialen und alluvialen Rheintales zwischen Basel und Säckingen ist ihrem Bau nach ungewöhnlich gut bekannt, da sie in ihrem Untergrund im Verband der triadischen Schichten die ein- zigen Salzlager der Schweiz enthält und weil zweitens bei Augst der Bau eines Kraftwerkes eingehende geologische Untersuchung erfor- derlich und durch Anlage von Aufschlüssen auch möglich machte. Schliesslich schneidet der Rhein auf der ganzen Laufstrecke schon durch die Niederterassenschotter hindurch in deren Grundlage ein, dadurch günstige Profile entblössend, die bei niedrigem Wasserstand im Winter meist auch leicht zugängig sind. Eine übersichtliche Zusammenfassung der geologischen Unter- suchungsergebnisse liegt noch nicht vor — da die von Verloop schon etwas veraltet ist — wird auch dadurch erschwert, dass der Rhein hier die politische Grenze bildet und die Untersuchungen auf beiden Ufern nicht Schritt mit einander hielten. Immerhin ist das Eine ganz klar und sicher: das ganze Gebiet ist stark von Verwerfungen und Flexuren durchsetzt, deren Streichrichtung fast durchweg senk- recht gegen die Laufrichtung des Rhein gerichtet ist — es ist eben das Bindeglied zwischen dem Schollenland des Dinkelberges und des Tafeljura. Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 331 Die Grundzüge des Baues sind die folgenden: das kristalline Grundgebirge mitsamt seinem Sedimentmantel neigt sich vom Schwarzwald an allmählich nach Westen bis in die Gegend von Grenzach, wo es an der Rheintalflexur rasch in die Tiefe abbiegt. Zwischen Wallbach und Rheinfelden ist ein nordnordwestlich streichender, 7 km breiter Graben vorhanden, an dem triadische Sedi- mente bis einschliesslich Keuper so eingesenkt sind, dass sie ein klein wenig gegen Osten einfallen, wo längs der Wehratal-Zeininger-Zone erhebliche Komplikationen auftreten (s. S. 321). Stärkere Störungen zeigen dann bei Pratteln etwa die Nähe der grossen Rheintalflexur an, die der Rhein zwischen Grenzach und Birsfelden schneidet. Diese Angaben gelten für das Längsprofil; betrachten wir nun- mehr die Querschnitte. Diese zeigen (siehe z. B. Verloop) durchweg ein leichtes Südfallen der Schichten. Es verläuft daher das Rheintal in der Möhlin-Rheinfelder-Scholle im Muschelkalk, dann im Bunt- sandstein und Rotliegenden, bei Augst wieder im Muschelkalk und so hinaus bis an die Flexur. Ergänzen wir den Schichtverband nach oben bis in das Niveau der obermiocänen Rumpfebene, so befinden wir uns ganz augenscheinlich im Streifen Keuper-Lias-Opalinustone d.h. durchweg wenig widerstandsfähigen Schichten. Diese 200 m, ja bis zum Hauptrogenstein hinauf sogar 250 m mächtige Schicht- gruppe ist eine der für die Entwicklung des Rhein bestimmenden Vorbedingungen. In ihr verschwanden gewissermassen die prämittel- mioeänen Störungen und tauchten erst wieder auf, als der Rhein beim Einschneiden und Ausräumen in der Tiefe die Härteunterschiede herausarbeitete. Wir finden daher hier wie weiter oberhalb günstige Bedingungen für einen grossen Strom vor, der durch von aussen kommende Ein- flüsse in dieser Zone entstand. Welcher Art diese Einflüsse waren, können wir jetzt nur mutmassen. Wir werden aber kaum fehl gehen, wenn wir sie in der Jurafaltung erblicken. Dieselbe schuf ostwestlich streichende Depressionen im heutigen Faltenjura und an seinem Nord- rand. Eine der Falten lässt sich, wie wir sahen, unmittelbar südlich des heutigen Rhein als Antiklinale, demzufolge am Rhein selber als Synklinale nachweisen. Eine solche Depression musste anziehend wirken und von ihr aus rückwärts mag sich der Vorrhein entwickelt haben, der somit zunächst keine Beziehungen zur mittelrheinischen Senke und deren Tektonik aufweist. 332 G. Braun. Das Rheinproblem. Karten: Blatt 185 Freiburg, 192 Oltingen der Topographischen Uebersichtskarte d. Deutsch. Reiches 1 : 200 000 bieten vielleicht den besten Ueberblick. Blatt 656 Mülhausen, 657 Waldshut der Karte des Deutsch. Reiches 1: 100000. Ueberdruck Aarau der Dufourkarte 1:100000 (leider fast ohne Geländedar- darstellung für deutsches Gebiet). Blatt 25 Mülhausen der Vogel’schen und Lepsius’schen Karte 1 : 500 000. Eitteraituere L. du Pasquier. Ueber die fluvioglazialen Ablagerungen der Nordschweiz. Bei- träge z. geol. Karte d. Schweiz. N. F. I. Bern 1891. Ed. Brückner. Das Schottergebiet im Nordwesten der Schweiz in A. Penck - Ed. Brückner. Die Alpen im Eiszeitalter. II. Leipzig 1909 (1905). O. Frey. Talbildung und glaziale Ablagerungen zwischen Emme und Reuss. N. Denkschr. allg. schweiz. Ges. f. d. ges. Naturwiss. 41. 2. 1907. R. Frei. Monographie des schweiz. Deckenschotters. Beitr. z. geol. Karte der Schweiz. N. F. 37. Bern 1912. G. Braun. Beiträge zur Morphologie der Umgebung von Basel I. Verh. Natur- forsch. Ges. Basel 25. 1914. Fassen wir zusammen: in dem weiten Gebiet zu beiden Seiten des Rhein zwischen Basel und Waldshut lassen sich alle beobachtbaren Oberflächenformen restlos mit der Annahme einer obermiocänen Rumpfebene in 600 bis 700m Höhe erklären. Diese obermiocäne Rumpfebene ist heute nur noch in weiter Entfernung vom Flusse erhalten, dessen gewaltige Erosionskraft sie im Vereine mit seinen Zuflüssen so stark zerstört hat, dass kaum noch Anzeichen für die Flussgeschichte aus der Periode zwischen der Obermioeänzeit und dem ältesten Diluvium vorhanden sind. Bei dieser Sachlage verspricht nur zeitlich wie örtlich weiter ausgedehnte Betrachtungsweise Er- gebnisse zu liefern. Nach dem endgültigen Verschwinden des Meeres vom Schweizer- boden erkennen wir daselbst in den Grundzügen folgende Anord- nung des Gewässernetzes: auf weiten Fussebenen, die sich im Norden von Schwarzwald und Vogesen nach Süd und Südost, dort von den Alpen her nach Norden abböschen, fliessen die Gewässer einer Strom- ader zu, einer Ur-Aare, die sich nach Nordosten zur Donau wandte oder besser, die selber die obere Donau war, der die heutige Donau von Nordwesten her zuströmte. Die Zustände mögen denen der Po- ebene in der Gegenwart geglichen haben, wo die mächtigen Zuflüsse der Alpen den Po nach Süden drängen wie sie ihn hier nach Norden zu verschieben trachteten. Sie blieben so bis zur Jurafaltung, also bis ins Pliocän. Während der Jurafaltung entstand in der Zone des heutigen Rheinlaufes oder ein wenig nördlich davon in der Laufstrecke west- Rheintal zwischen Waldshut und Basel, 333 lich Basel und oberhalb Basel bis Augst nachweisbar eine flache Einsenkung, die nördliche subjurassische Niederung, wie ich sie 1914 nannte, in der sich ein Vor-Rhein entwickelte, der überdies noch durch das Auftreten wenig widerstandsfähiger Schichten in seinem Längs- verlauf vor anderen Gewässern begünstigt wurde. Der Vor-Rhein sammelte seine Gewässer in der Gegend von Waldshut, nahm im Weiterlauf von rechts die Abdachungsflüsse der obermiocänen Rumpffläche auf, von links neue Abdachungsflüsschen, die sich vom Kamm der Jurafaltung aus auf nach Norden geneigtem Vorland der- selben entwickelten. Dieser Faltungskamm oder besser die hinter einander liegenden Wellen desselben, die sich aus dem Tertiärschutt der obermiocänen Rumpffläche heraus aufwölbten, unterbrachen die nach Süden-Süd- osten gerichteten Wasserläufe des obermiocänen Systemes und nur kleine Rinnsale blieben übrig, die von den Faltungswellen aus der Donau-Aare von Norden her zuströmten. Da nun der Druck der von Norden kommenden grösseren Nebenflüsse aufhörte, drängten gleich- zeitig die südlichen, alpinen Zuflüsse die Donau-Aare gegen den Rand des sich auffaltenden Landstreifens. Die Aare scheint dabei die vom Jura abirrende „Born‘-Falte zwischen Olten und Aarburg antezedent - durchbrochen zu haben; das gleiche möchte ich für den Kestenberg vermuten, an dessen Nordrand die Donau-Aare dann unter Anlehnung an die Lägern-Kette ihren Weg nach Osten fortsetzte. Auf dieser Laufstrecke, auf der sie von rechts her nach einander die Reuss, die Limmat und die Glatt aufnahm, wurde sie von Norden her von einer „Rhein-Aare‘“ angezapft, deren Analogon in der Gegenwart etwa die Sisseln sein mag, die aus verschiedenen Gründen (geringe Änderungen in der Lagerung) in der Entwicklung den anderen linksrheinischen -Zuflüssen dieser Laufstrecke weit voraus ist. Die Anzapfung durch die „Rhein-Aare‘‘ dagegen wurde durch den Fazieswechsel innerhalb des Doggers erleichtert, infolgedessen gerade in dieser Zone der so mächtige und widerstandsfähige Hauptrogenstein fortfällt und gegen die Lägern hin durch Mergel und tonige Kalke ersetzt wird.) Den Ort dieser Anzapfung vermag ich noch nicht anzugeben. Zwei Möglichkeiten gibt es; erstens: die Aare durchbrach die Gislifluh- falte wie oben angenommen antezedent — dann vermute ich die An- zapfungsstelle etwa in der Gegend von Birmensdorf; oder zweitens — die Aare wurde durch die Gislifluhkette abgedrängt und floss von 6) s. M. Mühlberg. Vorl. Mitteilung über die Stratigraphie des Braunen Jura im nordschweiz. Juragebirge. Ecl. geol. Helv. VI. 4. 1900. — F. Mühlberg. Erl. zur geol. K. d. Lägernkette. Bern 1902. — F. Mühlberg. Erl. zur geol. K. d. unteren Aare-, Reuss- und Limmat-Tales in 1 : 25 000. Bern 1905. — A. Bux- torf spricht in seiner neuesten Arbeit den gleichen Gedanken aus. 334 G. Braun. Wildegg zur Lägern hinüber — dann liegt das Ablenkungsknie bei Wildegg, wo die Aare jetzt so scharf nach Norden wendet. Wie dem auch sei, worüber nur Spezialuntersuchungen der Gegend Auskunft geben können: die Anzapfung erfolgte präglazial und in einer Höhe von etwa 550m, dem Niveau des älteren Deckenschotters, denn zu seiner Zeit waren Reuss und Limmat bereits dem Rheinsystem an- geschlossen und es fand jene mächtige Seitenerosion und Verschüt- tung der durchbrochenen Falten statt, die alle Autoren zu der An- nahme brachte, die Durchbrüche wären antezedent. Ich glaube nicht, ich halte vielmehr die ganze Biegung Aarau-W ildegg-Brugg-Walds- hut-Laufenburg für ein gewaltiges Ablenkungsknie. Ob vielleicht der Durchbruch bei Wildegg ganz jung ist, weil er nicht die für Aare- Reuss-Limmat charakteristische seitliche Ausweitung zeigt, diese Frage sei hier nur aufgeworfen. Mit dieser Ablenkung entstand der Rhein in heutigem Sinn als ein Fluss mit alpinem Einzugsgebiet; seine ersten kenntlichen Ab- lagerungen sind die oberpliocänen (?) Sundgauschotter. Die Um- bildung eines seiner älteren Quellflüsse zum „Bodensee-Rhein“ ist erst ein Erzeugnis der Einwirkung diluvialer Gletschermassen. Als Fremdling griff er in das Donau-Aare-System ein, es völlig auf- lösend. Er zog dessen Oberlauf mit dem grossen alpinen Einzugs- gebiet an sich und er griff und greift noch heute weiter im Donau- bereich um sich, dessen ganze Zuflüsse mitsamt der Donau ihm ver- fallen sind. Die Kraft zu dieser Entwicklung verliehen ihm seine grossen Wassermengen und sein Anschluss an die mittelrheinische Senke, in der die Erosionsbasis während des Diluvium unaufhörlich einsank, während die der Donau gleich blieb. Die Entwicklung während der Diluvialzeit ist noch keineswegs ganz aufgeklärt. Oberhalb von Säckingen floss der altdiluviale Rhein jedenfalls 2 bis 3 km nördlich des heutigen in 400 bis 460 m Höhe und die heutigen Hochflächen des Südufers müssen sein Aufschotte- rungsniveau schon damals überragt haben, da sie frei von Decken- schottern sind. Durch die Schwarzwaldzuflüsse ist der Rhein seither auf dieser Laufstrecke dauernd nach Süden gedrängt worden. Umge- kehrt weiter unterhalb: dort finden wir die Deckenschotter weit in den Tafeljura hinein, während sie am Dinkelberg kaum oder nur schmal entwickelt sind. Hier hat eben der Gletscher der Risseiszeit, der das Möhliner Feld erreichte, seinerseits den Rhein nach Norden gedrängt. Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 335 Zusammenfassung. Die für die erklärende Erdbeschreibung wichtigen Ergebnisse dieser mit geologischen Methoden durchgeführten Untersuchung kann man in folgenden Sätzen zusammenfassen : Das Rheintal zwischen Basel und Waldshut ist infolge tek- tonischer Einflüsse in einer Subsequenzzone einer obermiocänen Rumpfebene angelegt worden. Infolge der dadurch geschaffenen Be- günstigungen ist es dem Vor-Rhein gelungen, räuberisch in das Donau-Aare-System einzudringen und dasselbe zu zerreissen, ein Vor- gang, der auch jetzt noch nicht sein Ende gefunden hat. In Verfolg des seit der Oberpliocänzeit sichtbar werdenden sukzessiven Ein- schneidens des Flusses entwickeln sich zu beiden Seiten desselben an das Auftreten harter Schichten geknüpfte Ebenheiten vom Charakter der Landterrassen. Das Landschaftsbild wird von den etwa zur Oberpliocän- bis Altdiluvialzeit angelegten, zur Risseiszeit fertigen Muschelkalkflächen in beiläufig 500 m Höhe beherrscht, die sich im Aare-Reuss- und Limmatdurchbruch bis nach der Innerschweiz fort- setzen. Über ihnen bilden Lias und die harten Bänke des Bajocien kleinere Landterrassen, von denen aus der Aufstieg zu den im süd- lichen Tafeljura erhaltenen, seither nur wenig veränderten Resten der regionalen obermiocänen Einebnungsfläche erfolgt, die ihrerseits von Restbergen und der Stirne des Kettenjura überragt werden. Es gehört das Rheintal daher im System der Oberflächenformen in die Reihe von Grand Canyon des Colorado und Elbsandstein- gebirge; es ist geologisch sehr jung und doch überraschend breit ent- wickelt, dank eben der schon mehrfach hervorgehobenen glücklichen Vorbedingungen. Die in unserem Gebiet systematisch verfolgte und dargestellte obermiocäne Rumpffläche passt auf das Beste in den Gürtel gleich- altriger Verebnungen rings um die Alpen hinein, den man im letzten Jahrzehnt kennen gelernt hat. Aus der Nachbarschaft hat H. Reck im Anschluss an A. Penck u. a. im oberen Donaugebiet 1912 eine ähn- liche Entwicklung, wie wir sie fanden, wahrscheinlich gemacht; immerhin bedürfen seine mit regionalen Arbeitsmethoden gewonnenen Ergebnisse einer Nachprüfung im Einzelnen.”) Für den nördlichen Hegau habe ich 1914 auf Grund von Exkursionen und Kartenstudien ausgeführt,8) dass dort die Jurahochfläche ebenfalls obermiocän, näm- lich „postbasaltisch“ — um einen in Mitteldeutschland bequemen 7) H. Reck. Die morphologische Entwicklung d: südd. Schichtstufenland- schaft usw. Zeitschr. Deutsch. geol. Ges. 64. 1912. 81. 8) G. Braun. Deutschland. Berlin 1916. I, 265. 336 G. Braun. Ausdruck zu gebrauchen — sei. Für den Plateaujura der Westschweiz und den anschliessenden französischen Jura ist die Frage des Alters der dort vorhandenen Rumpffläche noch nicht spruchreif. Immerhin ist nach F. Machatschek’s?) A. Gutzwiller's10) und meinen hier niedergelegten Studien die ältere Brückner’sche Auffassung!1) von einer über die Rumpffläche hinweg von den Alpen her direkt in den Sundgau hinein erfolgten Entwässerung, die zu ihrer Zeit so frucht- bar war, nicht mehr aufrecht zu erhalten. Ich kann den interessanten und wichtigen Fragen der Verbrei- tung obermiocäner Rumpfflächen hier nicht weiter nachgehen. Es sei nur noch auf die von mir im Appennin nachgewiesene1?) — und damals ,,postmiocän genannte — Fastebene hingedeutet, um die weite Verbreitung des Phänomens zu zeigen. Bemerkungen zu den Tafeln. 1. Rekonstruktion der Uroberflächen. Der Versuch, die Strukturkarte zum grossen Teil verschwundener Oberflächen zu rekonstruieren, um aus ihr die heutigen Formen abzuleiten und um dadurch die im Text gegebene Entwicklung und darauf gegründete erklärende Beschreibung der vorliegenden Landschaft zu prüfen, ist wohl der erste seiner Art. Er konnte nur in einem Gebiet unternommen werden, in dem so gute — wenn auch keineswegs schon vollkommene — stratigraphische und tektonische Grundlagen vorliegen wie im Tafeljura. Dieselben sind im Text mehrfach erwähnt worden, ich brauche sie daher nicht noch einmal zusammenzustellen. Es geht zugleich aus dem Text hervor, dass sie für verschiedene Teile des Gebietes noch sehr ungleich vorhanden sind, wonach also auch die Sicherheit der Rekonstruktion verschieden ist. Jedenfalls wurde das gesamte mir vorliegende Profilmaterial benutzt und durch neue Konstruktionen in umfassender Weise erweitert. 9) Zuletzt in Zeitschr, Ges. f. Erdk. Berlin 1916. 615£. 10) A. Gutzwiller, Die Gliederung d. diluv. Schotter in der Umgeb. von Basel. Verh. Naturforsch. Ges. Basel 23. 1912. ; 11) Ed. Brückner in Penck-Brückner. Alpen im Eiszeitalter. S. 476f. 1903. 12) G. Braun. Beitr. z. Morphologie d. nördl. Appenin. Zeitschr. Ges. f. Erdk. Berlin 1907. — Ich halte meine Beobachtungen und deren Deutung dort vollkommen aufrecht gegenüber der Anschauung von A. Hetiner in Geograph. Zeitschr. 1913. 194 —- es liegen im heutigen Appenin ja in der Tat mehr- fach aus der postmiozänen Fastebene herausgeschälte Landterrassen vor, sie sind aber von dieser zu unterscheiden — und Al. Supan in Phys. Erdkunde 6. Aufl. 728, dessen Bemerkung schon F. Machatschek (a. a. O. S. 677 Anm. 1) als nicht zutreffend zurückweist, 331 Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 59195 MOM OX9IdWOY AOZUBS Joyeux =") UayosISopoydrou up June ayawpara spe oıydeası -2.8 9]S9NBU9$8 Fne 19StuoM JOIU 9PINM U9BUUWO(T ‘JUOIS -19qN OPuasseJuawues -NZ IU9JOS AUI9 JIOMUISIO “yaew aeafyunJ uoluoy} -egqg WI 9IMOS ‘u9lWweaney WI UOUHUIHOUIOA UOIS J9P ‘S9J91{01) S9p qfeyaauur [os -UD9MSOIZET OMIS 191 L'SU ZIEGE SIT N A ‘109$ "ury1lsgg ‘HIN u ‘Sauf "Saogqfoyurg we Tyoadjewaon : Jouqgng uoa "S : TO6L ‘TS 'SSIQ "eanf -[9JB,L 191S84 Sp 9Ju9uıpaSg J9P SIUJUU9Y Anz Seymag Juogeng ‘Y Aout] ‘COGT I2S84 'Tseg uoA Junges -U{] 19P UL 2S[OJU9JUOIUOS I9pP Sun[9JSUauUUeSNZ OUPSHBTIOURL ‘421007 °F oımos “ap pun ge Sg 's) ue FG8T SOSSOASUoy-uaSor -091) ‘UPIMQQUI ‘9 SOp onbr$0[09$ Eu, JOIATT UL JPHUYOS °) UOA 91p ur U9IS JUUOI JOEL IQ S9pu9S91lioM IE LER EUR x u1sJspuwsyung wor ucr u AIENUSTIOM = Ut I0T—08 w 001-069 M oddnaspapiyuy | 2 Ut 07 Ut Gr uu NleyToyasnundney = Et = u 0% u GZ M NWOLOT-SNPOUOSLLT, Ze uoyueg 9IYONU9OT _ z y aodnaoysdıy ® era me ru UT9ISPUESJITUOS 3 M PSN Yung = wu08 u GG M ser] A MM uayyoros-snuredO |= > RT] UT 06 U 09 "UOS-9BUOSsIyımN | F uoyueg USJYOTYOS-TÄLIOMOS U uoyaryas-mzneg |=2.> ed ugs us quuu "yog-rsoruydung | + |. a M U9JUOIUIS-TU9PSEIY = . . . . 3 I ar} [En UOTISdT ag wu e nn U (2 uy ursjsussogdney |? E = (8 En 5 U9FUDIUDS-SUEUBA | warn ey dl MG Wu 06 uoyurg "yOS-snpeydooossem | or) = U “A'UOOT FU9IU9S yruu = ES ; 93I9WPAOFK EN eydıy M es ui CG} N I PAOJXO 2: = LSUUFH = 6794 M ‘U ‘YU wog (1) = "U2S-819qSS101) ut OF Ua ale) AU San uuewposoy 'y ‘U ATZIASOTZEA AITZIASOIZBI JRIOUTO[SSEIOUISNIN a = = uauoz (A9Y9STAOSAR) (Joyosroeinet) = = a + ungpseuean | =| à Er UOUPSITRMUIS I9911}S90 JIOUOIISOMPION oSrowusnomn |E ? | = = MSP ET SAR) SEEN) 19}ou9Su9390(] WUNIANTI(T Sunaoismorpwaeg | SOp OJIEUISO | SEp yTeyIsoM = DER JUOZTIOT UONEULIOAT ‘oudaon ‘07/2Q0829YDY9DTA pun -SU01/DUL10 A 338 G. Braun. Bei der Rekonstruktion wurde in folgender Weise vorgegangen : aus den im Text niedergelegten Untersuchungen ging hervor, dass die Rumpffläche im Schwarzwald über 700 m, im südlichen Tafeljura 600 m hoch liege, dass sie hier aber 100 m mächtige Aufschüttungen abschnitt. Es hätte keinen Wert gehabt, diese hier darzustellen, da sie — für die epigenetische Anlage eines Teiles des Gewässernetzes gewiss von Bedeutung — doch im Ganzen für die heutigen Formen hinter der Struktur der unter ihnen begrabenen Oberfläche an Wert zurücktreten. Somit stellt die Rekonstruktion im nördlichen Teil die obermiocäne, im südlichen aber die vindobonische Fläche in ihrem Bau dar, während die Isohypsen ganz die der obermiocänen Fläche sind. Wo die Aufschüttungen im Norden begannen, wissen wir nicht. Nördlich der Ergolz trägt noch die Lucheren eine 60 m mächtige Nagelfluhkappe. Jedenfalls lassen sich zwei Stromgebiete unterscheiden: ein westliches, dessen Ablagerungen die Frenkenplateaus verschütteten und ein östliches, das in die Bözberggegend strömte. Dazwischen lag höheres nicht verschüttet gewesenes Land. Dieser Zustand wurde durch den Zug der Isohypsen anzudeuten versucht. Nach vorläufiger Isohypsenkonstruktion wurde in die Profile die obermiocäne resp. vindobonische Oberfläche in entsprechender Höhenlage eingetragen und dann der geologische Bau unter genauester Beachtung der Mächtigkeiten und Fazies nach oben bis die neue Profillinie ergänzt. Der Auslaugung der Anhydritformation wurde, wo es nötig war, Rechnung getragen. Die Arbeit war leicht und das Ergebnis gut, wo gute geologische Profile vorlagen, sie wurde schwierig und unbefriedigend, wo diese Grundlage versagte. Das ist vornehmlich in der Rheintalzone, im Dinkelberg und im Gebiet von Blatt Liestal der Fall gewesen, wo daher auch die vorliegende Rekon- struktion die ungenauesten Teile aufweist. Zum Schluss wurde aus den Profilen wieder die Karte zusammen- gesetzt, wobei mancherlei Schwierigkeiten räumlicher Vorstellungen und missverstandener Tektonik zu überwinden waren. Als noch nicht darstellbar erwiesen sich die Zeininger Flexurzone und das Gebiet junger Faltung östlich Basel. Nachdem die Strukturen in der Karte festgelegt waren, wurden die definitiven Isohypsen entworfen unter Anwendung der Methoden vergleichender Morphologie und steter Be- rücksichtigung des Verhaltens der Gesteine in der heutigen Ober- fläche. Der geringe Abstand musste gewählt werden, um überhaupt Isohypsen auf das Vorland des Schwarzwaldes zu bringen. Bei der Profilkonstruktion und dem Ausarbeiten der Karte unterstützte mich mit viel morphologischem Verständnis und grossem Fleiss Herr cand. phil. H. Kugler. Die Reinzeichnung führte Herr Rheintal zwischen Waldshut und Basel. 339 cand. phil. P. Haberbosch aus. Beiden Herren sei hier für ihre Mit- arbeit bestens gedankt. Der Zweck der Karte ist eine Nachprüfung des Textes zu er- möglichen. An Hand beliebiger Profile lassen sich aus ihr die heutigen Oberflächenformen — bei bestimmter Annahme über die Lage der Erosionsbasis — leicht entwickeln. Um die einigermassen zutreffende Entnahme der Lagerung zu ermöglichen, wurden Fall- zeichen eingefügt. Immerhin wird derjenige, der ernsthafte Prüfungen vornehmen und Studien dieser Richtung treiben will, gut tun, jeweils die vorhandenen Spezialprofile der im Text genannten Arbeiten heranzuziehen. Für häufigeren Gebrauch auf Exkursionen empfiehlt es sich, die Signaturen mit Buntstift oder Tusche farbig zu unter- scheiden. Ich hoffe, dass aus eingehenderer weiterer Durchforschung des Gebietes dieses Entwurfes einmal eine zuverlässigere Rekon- struktion hervorgehen möge. 2. Flächengliederungskarte. Die Isohypsen der Flächengliederungskarte beruhen 1. auf der Exkursionskarte von Basel und Umgebung 1: 100 000 Basel, Verlag Helbing und Lichtenhahn, 2. auf einer Isohypsenkarte des Tafeljura, die À. Menzi in der Geographischen Anstalt der Universität Basel auf Grundlage der Exkursionskarte unter genauem Vergleich mit den Blättern des Siegfriedatlas zeichnete, 3. auf einer Isohypsenkarte des Aargauer Jura, die P. Vosseler in der Anstalt nach den Blättern des Siegfriedatlas konstruierte, 4. auf Ergänzung dieses Materials nach Nordosten nach eigenen Konstruktionen auf Grund der Höhen- schichtenkarte von Baden 1:25000. Angesichts der Verschieden- artigkeit dieser Grundlagen sind kleine Fehler in der Führung der Linien unvermeidlich gewesen, dieselben sind durch die Reduktion verringert und beeinträchtigen jedenfalls den Zweck der Karte nicht, ein naturgetreues Bild der Formen des Tafeljura zu geben. Die Eintragung der verschiedenen Flächen geschah nach dem Siegfriedatlas und den badischen Messtischblättern auf dem Umweg über einen Überdruck Aarau der Dufourkarte. Da die Isohypsen ja die Formen geben, konnte die Gliederung der Flächen eine ganz ein- fache sein und auf jede erklärende Bezeichnung (Schichtstufe, Tafel- berg oder dgl.) ganz verzichtet werden. Für den Gebrauch empfiehlt sich auch hier ein farbiges Anlegen und zwar der Höhenschichten. Geographisches Institut der Universität Basel den 5. März 1917. Die Sternkarten des Johannes Honterus Coronensis. Mit zwei Tafeln (V und VI). Von M. Knapp. Im Jahre 1911 wurde ich von dem an unserer Universitäts- Bibliothek unermüdlich forschenden und alte Schätze ans Tageslicht hebenden Kunstgelehrten, Herrn Hans Koegler-Bachofen, auf die beiden Sternkarten aufmerksam gemacht, die in alten Basler Drucken des Almagest sich finden. Eine erste flüchtige Orientierung zeigte damals neben ihrer Verwandtschaft mit den Sternkarten Dürers, dass diese beiden bescheideneren Stücke bisher nicht beachtet waren; eine gründlichere Durchsicht der Literatur hat dies bestätigt. Koegler, dem es gelang, den Autor der Karten in Johann Honter von Kronstadt nachzuweisen, hat seine Bemerkungen über die beiden Blätter in einem kurzen Aufsatze des Sonntagsblattes der Basler Nachrichten (vom 7. Mai 1911) festgelegt, und so für sich die Priorität des Fundes und des Nachweises des Autors gesichert. Die nachfolgenden Untersuchungen der Blätter lehnen sich naturgemäss an diese Vorarbeit an. Über Johann Honter, den Reformator des siebenbürgischen Sachsenlandes, den „Apostel Ungarns“, wie ihn Luther nannte, sind unsere Kenntnisse sehr bescheiden. Trotzdem sein Leben und Werk mehrmals behandelt worden ist, sind die Aufschlüsse über ihn gering. Im Auftrage des Ausschusses zur Errichtung des Honterus-Denkmals in Kronstadt hat Dr. Oskar Netoliczka, 1898, ein Werk über ihn, betitelt Johannes Honterus’ ausgewählte Schriften (1) veröffentlicht, das das meiste Material zusammenfasst. Darnach ist Honter 1498 im siebenbürgischen Kronstadt als Sohn einer begüterten und ange- sehenen Familie geboren. Über Schul- und Lehrjahre versagen die Quellen ganz;!) wir finden ihn als Herausgeber einer lateinischen 1) Nach persönlichen Mitteilungen, die uns im Auftrage von Herrn Prof. R. von Kövesligethy Herr Dr. Joseph Wodetzky zukommen liess, findet sich in Szinnyei J.: Magyar Irök Bd. 4. pg. 1053ff. folgendes über Honter (übersetzt): »Honter (Honterus), Sohn des Gerbermeisters Georg Gras und der Dorothea Sternkarten des Johannes Honterus. 341 Grammatik 1530 in Krakau. Im selben Jahre erschienen ebendort seine Rudimenta cosmographica, ein kurzer Abriss in Prosa (dem später eine poetische Fassung folgte), über Himmels- und Erdbe- schreibung, der mehrmals aufgelegt wurde. Unter diesen Auflagen sind drei in Basel gedruckt, die von 1534 in Verbindung mit einer Ausgabe des Dionysius Apher, die von 1561 und 1585 in Verbindung mit Proclus spaera. Schon sie weisen auf einen Aufenthalt in Basel hin, der mehrfache Bestätigung findet. Die grosse in Holzschnitt hergestellte Karte von Siebenbürgen, die Corographia Transylvaniae, in einem einzigen Exemplare im Nationalmuseum in Budapest er- halten, bei Netoliezka reproduziert, ist Basileae anno M.D.XXXII. signiert; auch Honters Freund Verantius erwähnt in einem Briefe Basel als Druckort. Im Album Oltardianum, der Chronik des 1660 verstorbenen Stadtpfarrers Andreas Oltard von Hermannstadt findet sich der Passus: „Magister Johann Honterus ist zu Haus von Basel kommen 1533 und weil er ettliche Schriftgiesser und Buchdrucker- gesellen mit sich in comitatu bracht, als hat er, weil er sehr reich, in diesem Jahr 1533 und folgendem 1534 ihm eine eigene Typografia mit denselben propriis sumptibus anrichten und allerhand schöne opuseula drucken lassen.“ Hiezu kann Koegler ergänzen, dass der Basler Arzt Albanus Torinus in dem Vorwort zu der durch Henric- petri in Basel 1534 gedruckten Ausgabe von Honters kleiner Cos- mographie ihn „Honterus meus‘ nennt, ein Ausdruck, der auf per- sönliche Bekanntschaft schliessen lässt. Weitere Bestätigungen von Honters Aufenthalt in Basel scheinen mir in folgendem zu liegen, dass Christoff Iselin in seinem Lexikon von Honter sagt: ,,studirte zu Basel, als die Protestirende lehre sich hervor that.‘ Auch die Beziehungen zu Sebastian Münster, dem Basler Hebraisten und Kosmographen, bestätigen dies. Netoliezka berichtet schon über einen Brief Honters, angeblich an Münster. Viktor Hantzsch in: Seb. Münsters Leben, Werk, Wissenschaftliche Bedeutung (2) urteilt über Münsters Karte CXXIX der Cosmographiae universalis (Lab. VI Basileac 1550), Polen und seine Nebenländer darstellend : „Münster hat sie ohne wesentliche Änderung aus Tafel 8 der Rudimenta cos- mographica des Siebenbürgischen Geographen Johannes Honter ent- lehnt.“ (Ähnlich über Karte CXXXI.) Endlich findet sich nach August Wolkenhauer: Sebastian Münsters handschriftliches Kol- legienbuch aus den Jahren 1515—1518 und seine Karten (3) auf Seite 52, handelnd über 2 Kopien Münsters nach Waldseemüllers Honnes, geb. zu Brassö (Kronstadt) 1498; begab sich um 1515 nach Wien, 1530 nach Krakau, dann nach Basel, von wo er im Sommer 1533 in sein Vaterland zurückkehrte.« 342 M. Knapp. Weltkarte von 1507, der handschriftliche Eintrag: ,,Coroma, Hie habitat presbyter Johannes.“ Auch dies scheint mir auf persönliche Bekanntschaft gedeutet werden zu dürfen. ° Stehen so die Beziehungen Honters zu Basel für 1532 ausser Zweifel, so ist es mit ebensolcher Sicherheit Koegler gelungen, die in Frage stehenden Sternkarten Honter zuzuweisen, die zudem wieder nach Basel als Ort der Herstellung führen. Auf Honters 1532 in Basel erschienener Landkarte von Sieben- bürgen steht auf hübsch geschwungener Bandrolle in der Nähe von Kronstadt (Corona Transylvanıae), der Heimat Honters, sein abge- kürzter Namenszug J.H.C.: zu lesen Johannes Honterus Coronensis. Ebendieseibe Bandrolle mit den gleichen Buchstaben J.H.C. findet sich nun auf der Sternkarte des südlichen Himmels in unmittelbarer Nähe der südlichen Krone, der Corona meridionalis, also mit dem- selben Wortspiele. Auf der Karte des nördlichen Himmels steht auf ähnlicher Bandrolle die Jahreszahl 1532. Die Sternkarten selbst finden sich in den beiden lateinischen Ausgaben des Ptolemäischen Almagest, die 1451 von Hieronymus Gemusaeus (4) und 1551 von Erasmus Osvaldus Schrekhenfuchsius (5), beides Schüler von Sebastian Münster, in Basel herausgegeben worden sind. Mit beiden Ausgaben hat die Karte zunächst nichts zu tun, als dass der Drucker Henricpetri sie alle herausgegeben hat. Herr Koegler konnte hier erklärend nach- weisen, dass die Karten gar nicht zu den Almagesten, in denen sie sich heute finden, gehören, sondern zu einer Aratus-Übersetzung, die 1535 bei Henriepetri in Basel gedruckt wurde (6). Über diese be- richtet Conrad Gessner in seiner Bibliotheca universalis (7) (pag. 426): ,,Joannis Honteri Coronensis de Cosmographiae rudimentis libri duo: impressi Ba /sileae apud Henricum Petrum, 1534. in 4. chartis 5. cum Dionysij Afri uersione. / etc. Tabulae duae in Aratum Solensem (cum eiusdem uersione im- pressae Basileae, 1535.) quibus cireuli coelestes, & omnes syderum imagines ob oculos ponuntur. / etc. Das Verhältnis ist also nach Koegler nun folgendes: „Diese Aratus-Übersetzung, die 1535 bei Henricpetri in Basel gedruckt wurde, ist ein kleines Oktavhändchen, dem die doppelfolio grossen Sternkarten Honters wohl niemals beigebunden waren. Die mit der Jahreszahl 1532 versehenen Sternkarten wurden von Honterus in Basel zu einer (eigenen ?) Aratus-Übersetzung hergestellt, vermutlich im Auftrag des Basler Buchdruckers Henricpetri. Die Übersetzung selbst druckte Henricpetri erst 1535 in Oktavform, die Karten wurden wohl gleichzeitig verkauft, aber jedenfalls räumlich getrennt von dem Büchlein, so dass nicht nur der Zusammenhang beider Teile in Vergessenheit geriet, sondern auch die losen Karten verloren gingen, Sternkarten des Johannes Honterus. 343 von denen wir heute kaum mehr Exemplare übrig hätten, wenn nicht die Holzstöcke in Basel geblieben wären und der Drucker Henriepetri sie noch später verwendet hätte, indem er Abzüge davon auch seinen Folioausgaben der Gesamtwerke des Claudius Ptolemäus (ohne die Geographie) 1541 und 1551 beim siebten Buch von Ptolemäus Almagest einheften liess, wo sie bei der Beschreibung des Fixstern- himmels auch wohl angebracht waren. Ohne die Buchstaben J.H.C. auf der Bandrolle der einen Sternkarte wäre Honters Urheberschaft wohl immer vergessen geblieben, denn auch derjenige, der Gessners Notiz gekannt hätte, konnte die Karten nicht leicht finden, weil sie nicht im Aratus, sondern nur im späteren Ptolemäus vorkommen. So hat sowohl die Geschichte der Astronomie als auch die Spezial- forschung über Honterus bisher von Honters Sternkarten keine Kenntnis genommen. ‚Auch der wissenschaftlich so genaue Gesamt- katalog der Bibliothek des Britischen Museums beschreibt anlässlich der Ptolemäus-Ausgabe von 1541 die Sternkarten ohne Vermutung über deren Autor." Über die künstlerische Leistung an den Karten hat Koegler schon sein Urteil abgegeben dahingehend, dass die Figuren wenig an- sprechend sind. „Gegenüber den Dürer’schen Vorbildern müsste man sie roh nennen, wenn sie von einem berufsmässigen Zeichner sollten hergestellt sein. Anders müsste freilich die Beurteilung ausfallen, wenn man annehmen könnte, dass sie von einem Dilettanten gezeichnet wurden; dann würden die zum Teil ganz freien Abweichungen von Dürer doch für ein ziemlich zeichnerisches Geschick sprechen. Honters Sternkarten sind in Basel in einem Jahre entstanden, in dem durch die mehrjährige Anwesenheit des aus England zurückgekehrten Holbein der gesamte Basler Holzschnitt einen ganz sichtlichen Auf- schwung gegenüber den letztverflossenen Jahren genommen hatte und nur gute Arbeiten aufweist. Mit solchen Basler Arbeiten haben die Honter’schen Sternkarten gar keine Stilgemeinschaft; anderseits stimmen sie auffallend gut mit der Zeiehnung von Honters Sieben- bürger Karte (aus dem gleichen Jahre) und überhaupt mit dem Stil des Buchschmuckes überein, den Honter in seiner bald nachher ge- gründeten Druckerei in Kronstadt verwendet.“ Ob nun Honter eine künstlerische Kraft extra für seinen Buchschmuck sich von Basel mitgenommen hat oder ob ‚die zeichnende Hand, die ihm von Basel nach Kronstadt folgte, seine höchst eigene Hand war,“ erscheint um so weniger fraglich, als Honter selbst in einem Briefe an Verantius ziemlich deutlich sagt, dass er die Holz- schnitte für die Karten seiner späteren, in Versen verfassten Cos- mographie selbst ausgeführt habe, was auch mit anderer Überlieferung übereinstimmt. Koegler hält es darum für wahrscheinlich, dass 344 M. Knapp. Honter auch bei den Sternkarten das an und für sich nicht hohe künst- lerische Verdienst nebst dem wissenschaftlichen zukomme. ,,Für einen Mann, der kirchlicher Reformator, Schulgründer, Grammatiker, Geograph, etwas Jurist und kundig in der Astronomie war, zudem auch praktischer Buchdrucker, ergibt das doch eine Vielseitigkeit, die, wie seine Verehrer mit Recht sagen, auch im Zeitalter des Humanismus etwas ungewöhnlich war.‘ ?) Soweit die künstlerische und historische Beurteilung der beiden Karten. Es bleibt uns übrig, kurz auf deren astronomischen Inhalt einzugehen. Dass Honters Sternkarten des nördlichen und südlichen Himmels, Imagines Constellationum Borealium et Australium, sich direkt an die Dürer’schen Karten (8) Imagines coeli Meridionales und Imagines coeli septentrionales cum duodecim imaginibus zodiaci anlehnen, er- scheint auf den ersten Blick klar. Beidemale sind die Ekliptikpole Zentrum, beidemale ist die Zeichenebene parallel zur Ekliptik, die den äussersten Begrenzungskreis bildet, in allen vier Blättern. Die Karten stellen also genau nicht Nord- und Südhimmel dar, sondern den Sternhimmel nördlich und südlich der Ekliptik. Beide Künstler verwenden die stereographische Projektion, die schon Ptolemäus im Almagest gelehrt hat. Beide Werke benützen als Ausgang der Längenzählung (0 Grad des Aries) einen Breitenkreis, der durch das Auge des Widders gezogen ist. Was zu dieser Einteilung führte, ist mir gerade so wenig ersichtlich, wie dem Bearbeiter der Dürer’schen Sternkarten, Prof. Edmund Weiss, dem langjährigen Direktor der Wiener Sternwarte. Er sagt darüber (9): „Als Ausgangspunkt der Längenzählung ist eigentümlicher Weise weder der Frühlingsnacht- gleichenpunkt des Ptolemäus, noch auch jener der damaligen Zeit‘ (die Karte stammt aus dem Jahre 1512) ‚angenommen, sondern ein Breitenkreis, welcher den von den heutigen Astrognosten zur zweiten, von den älteren aber zur dritten Grösse gerechneten, im Kopfe des Widders stehenden hellsten Stern dieses Sternbildes streift. Dieser von den Arabern Elnath benannte Stern wird übrigens von Ptolemäus schon als ausserhalb des Bildes stehend (dusepwrog) angegeben und demgemäss von Dürer in den freien Raum zwischen den Kopf und das rechte Horn gesetzt. Infolge dieser Annahme, welche eine Ver- kleinerung aller Längen des Ptolemäus um 100, 15° bedingte, sind auch die auf der Ekliptik abgelesenen Sternkoordinaten strengge- nommen keine Längen, wenigstens keine für eine nahe gelegene Epoche geltenden. Denn will man sie als Längen im gewöhnlichen Sinne des Wortes auffassen, so geben die Karten ein Bild des Himmels, wie er 2) Netoliezka: pag. II. Sternkarten des Johannes Honterus. 345 sich vier bis fünf Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung darstellte. Es verdient übrigens noch bemerkt zu werden, dass höchst wahrscheinlich nach dem Vorbilde dieser Himmelskarten eine Reihe von späteren Kartenwerken die Längen ebenfalls von dem durch Elnath gehenden Breitenkreise an zählt, wobei die Figur des Widders zuweilen auch so gezeichnet wird, dass der eben genannte Stern sein Auge bildet.“ Soweit Weiss; unsere Honteruskarte (Nordhimmel) setzt den Stern Elnath (@ Arietis) auch zwischen Kopf und Horn des Widders, der erste Breitenkreis geht aber nicht durch diesen Stern, sondern sicher zwei bis drei Grad westlich davon durch den äusseren Augenwinkel des Widders; bei Dürer ist es der innere. Gehen wir die Zeichnung der Sternbilder im Einzelnen durch und die Astrothesie der Karten, so sehen wir auf Schritt und Tritt Honter in fast peinlicher Abhängigkeit von den Dürer’schen Vorbildern. Beide wieder benützen nur die 48 Sternbilder des Almagest (Buch 7 und 8) und in der Hauptsache die Stellungen, die dort den Figuren vorgeschrieben sind als Grundlage. War dieses Fundament für die damalige Zeit eigentlich selbstverständlich, so sind doch sicher die Dürer’schen Karten Honter nicht unbekannt gewesen. Da Weiss über die Dürer’schen Karten nachweisen kann, dass der Hofmathematicus Maximilians I., Johann Stabius, der Konstruktor des Gradnetzes, Konrad Heinfogel der Einzeichner der 1022 Sternpositionen war, und Albrecht Dürer der Künstler, der die Figuren rahmte, da ferner „diese Sternkarten, soweit mir bekannt, überhaupt die ersten Stern- karten sind, die je erschienen‘‘), so ist das Vorbild von 1512, dem Herstellungsjahre, resp. 1515, dem Erscheinungsjahre, für den 1532 zeichnenden Honter an sich sehr wahrscheinlich bei der Berühmtheit der Wiener astronomischen Schule seit Purbach. Auch die Ge- staltungskraft eines Vorbildes wie Dürer, wagte Honter nicht zu übertreffen. So sehen wir die Abhängigkeit in fast allen Einzel- zügen ständig. Aber auch der Unterschiede sind viele da, die von selbständiger Arbeit zeugen. Schon Honters Einteilung der Ekliptik, gleichmässig: durch alle 12 Tierkreiszeichen in Schwarz-Weiss durchgeführt, während Dürer nur Aries, Leo und Sagittarius, ohne ersichtlichen Grund in Dreiteilung des Himmels, so auszeichnet, die übrigen nur strichelt, ist konsequenter. Dann zeichnet Honter neben Breiten- kreisen und Ekliptik auch die Himmelspole, die beiden Polarkreise, 3) Vgl. hiezu die neuerdings von Thiele: (10) (pag. 164-169), von Boll: (12) und Sitzungsberichte der Münchner Akademie. 1899. pag. 110 ff., von Usener: Monumenta Germaniae Historica, Chronica minora III. pag. 355 ff. u. A. m. nachgewiesenen alten handschriftlichen Planisphären, die bald eine lückenlose Reihe von Hipparch weg bis zur Renaissance darstellen. 346 M. Knapp. die beiden Wendekreise und den Äquator (alle als konzentrische Kreise!) ein, die bei Dürer fehlen. Dass Honter die nackten Figuren Dürers, mit Ausnahme von Andromeda, Wassermann und den Zwil- lingen, alle bekleidet, sei nebenbei bemerkt. Wenn Dürer wie Honter die Jungfrau in wallendem Gewande darstellen, entspricht dies nur der alten Tradition; spricht doch schon Ptolemäus von den Sternen in der „Schleppe“. (Ausg. Manitius.) Ein wesentlicher Unterschied aber besteht in der Ansicht aller Figuren. Dürers Sternbildfiguren kehren dem Beschauer den Rücken zu, die Honters aber die Vorderseite. Dies entspricht der ganzen Anordnung. Dürers Tierkreisbilder*) und seine Längenzählung schreiten im Kreise entgegengesetzt der Uhrzeiger-Bewegung, Honters im Sinne derselben fort. Beide Zeichnungen der Sternpositionen entsprechen sich also spiegelbildlich. Das kommt von der ver- schiedenen Anschauung her. Im Almagest wird von Ptolemäus (Buch VIII, Kap. 3) das Rezept zur Herstellung eines Sternglobus gegeben, einer Kugel, auf die die Sternbilder von aussen aufgetragen wurden (vergl. den Globus des Hipparch bei Thiele) (10). Die octava sphära, auf der die Fixsterne vorgestellt wurden, wird also dabei von aussen gesehen, während die Erde im Innern der Kugel gedacht ist, als deren Zentrum. Die Sternbildfiguren sehen darum nach innen, nach der Erde hin, bieten dem aussen stehenden den Rücken, wenn- gleich Dürer mit Geschick ihre Gestalten so wendet, dass die Gesichter doch meist in Profilstellung dabei kommen. Das hatte Honter nicht mehr nötig. Seine Sternkarten entsprechen dem Anblicke des Himmels, wie er von der Erde aus, also vom Innern der Kugel ge- sehen wird. Die Figuren zeigen ihre Vorderseite, sie kehren ihre ganze Gestalt nach der Erde hin; die Konstellationen sind also nicht Spiegel- bilder des Himmelsanblickes, sondern direkte Bilder. | Macht dies für die in Rück- oder Frontansicht gegebenen Stern- bilder keinen Unterschied im Detail der Stellung aus (rechts bleibt rechts), so entsteht doch der Konflikt bei den von beiden in Seiten- ansicht dargestellten Figuren, wie Bär, Löwe ete. Nach Ptolemäus muss im grossen Bären der rechte Vorderfuss gebogen und gehoben vorangehen, der linke nachfolgende Vorderfuss aufgestellt, ihn aber überschneiden. Das war im Spiegelbild der Sternpositionen für die Figurenzeichnung nicht zu lösen. Bei Honter schreitet darum der linke Vorderfuss erhoben voran, der rechte überschneidet ihn. Damit kommt aber Honter in Konflikt mit den Ptolemäischen Vorschriften, namentlich dort, wo Sternpositionen gerade auf die Überschneidungs- partien einzuzeichnen waren. So sind weiter rechts und links ver- 4) Nordhimmel. Sternkarten des Johannes Honterus. 347 tauscht gegenüber Dürer und Ptolemäus bei des Stieres Protome die Hörner und Vorderfüsse, bei den Zwillingen Arme und Beine, beim Löwen die Füsse, die Hörner und Füsse beim Ziegenfisch, die Füsse bei dem grossen und kleinen Hund, die Flügel beim Corvus, bei letzterem ohne besondere Angaben im Almagest. Halb vertauscht sind grosser Bär, Vorderfüsse vertauscht, Hinterfüsse nach Vorschrift, ähnlich der Schütz als Centauer, wo Vorder- und Hinterbeine ver- tauscht, die Bogen spannenden Arme aber vorschriftsgemäss darge- stellt sind. Desgleichen beim Hasen sind Vorderbeine richtig, Ohren und Hinterbeine in Vertauschung gegeben. Richtig nach Ptolemäi Rezept sind Bootes, Hercules, Perseus, Auriga, Ophiuchus, Andro- meda, Virgo, Aquarius, Centauer und Orion. In gleicher Ansicht, wie bei Dürer, also von oben gesehen, erscheinen der Schwan und der Adler, natürlich deshalb ohne Vertauschung von rechts-links. Hier ist also Honter in der Wiedergabe des Himmelsanblickes nicht kon- sequent; denn einzig diese Vögel, die doch auch in Natura vom Menschen im Fluge von unten gesehen werden, nun an der Sternsphäre von oben zu zeichnen, ist ohne Sinn, ist aber ein Argument mehr für die direkte Abhängigkeit vom Dürer’schen Vorbilde. Spätere Dar- steller der Himmelssphäre von Innen sind hier Honter nicht gefolgt; speziell möchte ich bei dieser Gelegenheit einer alten, namen- losen Darstellung der Sternbilder in Form eines Kartenspieles (K. m. VIII, 12 der Basler Bibliothek), das auch sonst des Originellen viel bietet, Erwähnung tun. Bode (11) gibt den Schwan von unten gesehen, den Adler schräg von links unten, mit merkwürdiger Ver- drehung des rechten Flügels etc.5) Solche Unstimmigkeiten müssen wir Honter also zugute halten. Auch andere Unrichtigkeiten und Ungenauigkeiten in der Ein- zeichnung der 1022 Sternpositionen finden sich gelegentlich. Dass der schon erwähnte erste Breitenkreis am Südhimmel (Honter zeichnet im Gegensatze zu Dürer, die zwölf Tierkreisbilder auch am Süd- himmel ein) durch «@ Arietis und damit durch die Schnauze des Widders führt, am Nordhimmel aber durch das Auge, gehört mit hieher, zeigt uns aber auch zugleich, dass mit etwelchen Versuchen zur Errechnung der Präzession, die den Karten zugrunde gelegt sein könnte, (schon gute Kenntnis derselben bei den arabischen Astronomen, noch mangelhafte bei den Griechen,) oder gar, dass die Trepidation, die damals Mode war, mit könnte hereingezogen werden wie bei Apian, nichts auszurichten ist. Auch Bode’s Erklärung (11) möchte ich mich nicht anschliessen, da es sich hier nur um ein mehr oder 5) Ueber die Literatur ähnlicher Vertauschungen von Hipparch an, vgl. u. A. Baumgartner, Adolf: Zur Geschichte und Literatur der Griechischen Sternbilder. (Basel, Lendorff 1904.) 348 M. Knapp. weniger genaues Kopieren alter Vorlagen handelt, und der Stamm- vater der ganzen Reihe, Bode vermutet Eudoxus (374 a. Chr.), noch aus dem Detail der Figuren müsste im Einzelnen nachgewiesen werden. In einem Punkte bedeuten die Sternkarten Honters einen Rück- schritt gegenüber dem Dürer’schen Vorbilde. Von den sechs ver- schiedenen Sterngrössen, die der Ptolemäuskatalog enthält, hat Dürer drei in der Zeichnung veranschaulicht. Die Sterne der ersten Grösse sind durch einen schwarzen Sechsstrahl mit innen weissem Ringlein, die der zweiten und dritten Ordnung (letztere nicht konsequent) durch einen schlichten schwarzen Sechsstrahl dargestellt, die der niedrigeren Ordnungen durch kleine Ringlein. So fein war die Schneidekunst Honters nicht. Er benützt nur zweierlei Zeichen, den schwarzen Sechs- strahl für Sterne erster und zweiter, selten für einige dritter Ordnung, für den Rest aber durchwegs schwarze runde Punkte. Was die astrognostisch so überaus wichtig gewordenen Beigaben der Einzelfiguren betrifft, so brauche ich dem Eingeweihten über den Wert von deren Ausnützung nicht mehr viel zu sagen; die For- derung Bolls (12) nach einer streng archäologischen Geschichte der Sternbilder, abgeleitet aus der ganzen antiken Literatur, namentlich auch mit Berücksichtigung der bisher fast gänzlich vernachlässigten astrologischen, kann ich von astronomischen Gesichtspunkten aus nur aufs allerlebhafteste unterstützen. Es verspricht eben eine ganz ge- waltige Fülle von astronomischen Beobachtungen, chronologisch, astrometrisch und zum Teil sogar astrophysikalisch (Pleias, Sirius ete.) wertvoll, nach den ersten gegebenen Proben aus diesem überreichen Materiale zu quellen; sind es doch zum mindesten eben Beobach- tungen, die den astrologischen Aussagen zugrunde liegen, und diese sind zum Teil sicher nicht weniger genau, als die noch bis in die neueste Zeit hinein, z. B. von Newcomb, ausgenützten Angaben des Ptolemäus. Die unwissenschaftliche oder scheinwissenschaftliche Schale.kann den besten Kern bergen. Die Abhängigkeit von Dürer zeigt sich bei Honter gerade in diesen Einzelzügen am besten. Bootes ist mit Speer statt mit Keule (Ptolemäus) bewaffnet; Hercules (Engonasin) trägt Keule und Löwenfell nach antikem Vorbilde und tritt mit dem linken Fuss der Schlange auf den Kopf. Die Kassiopeia hat den rechten Arm er- hoben, die Linke trägt eine Palme. Perseus ist mit Schwert in der Rechten, dem Medusenhaupt in der Linken und Flügelschuhen aus- gestattet. Der Auriga ist Erichthonius bezeichnet; er trägt nur eine Ziege ohne Zicklein an der linken Schulter, das Zaumzeug rechts. Des Schützen Oberkleid ist zum Kopfschmucke geworden, dessen Bänder rückwärts flattern (vergl. Boll: Sphära pag. 432). Der Aquarius hält in der Linken statt eines Mantelendes eine Art Hals- Sternkarten des Johannes Honterus. 349 tuch. Orion trägt rechts die vorgeschriebene Keule, links statt dem Fell ein Tuch mit Fransen. Andromeda hat weder Gürtel noch Schleppe, einzig die Kette läuft ihr um den blossen Leib. Der Schwanz des Aries ist verkümmert. Pleias, „Epheublattgruppe“, und Coma sind vorschriftsgemäss &u6ooporoı. Die Argo mit bewimpeltem Maste und schrägem gerefftem Segel ist fuiparÿs, endigt in Wolke, wie Stier, Pegasus und Equleus; die vorgeschriebenen beiden Steuerruder sind vorhanden, es fehlen aber die kleinen Schildchen am Mastbaume und die Gans. Die wulstartig gewundenen Henkel des Krater sind bei beiden identisch. Der Centauer trägt den Speer statt dem Thyrsus und hat bei Dürer und Honter ein eigentümliches Schildehen vor der Brust, dessen Vorbild ich nicht kenne. Der kleine Hund trägt ein Halsband, der grosse nicht. Die Ara ist bei beiden genau gleich, ohne Brennröhre, nur deutet Honter Hölzer unter dem Feuer an. Die Zackenzahl und Art der beiden Kronen ist beidemale dieselbe; zum Knie des Schützen steht die südliche in keiner Beziehung bei Honter ; Dürer zeichnet die Tierkreisbilder nur beim Nordhimmel. Die Unterschiede von Honter gegen Dürer bestehen meist in Nebendingen, ausser dem Anblick vom Innern der Sphäre und der Bekleidung der Gestalten nach damaliger Tracht. Die Windungen bei Draco, Anguis und Hydra sind ungeschickter gezeichnet. Des Kepheus Tiara wird zur Krone. Der Kassiopeia Thronsessel hat keinen Baldachin. Der Auriga steht, traditionsgemäss ; bei Dürer kniet er links. Cancer und Scorpion haben neben den zwei Scheren nur 6 Füsse, statt 8 wie bei Dürer. Der Scorpion hat am Nordhimmel Honters eine Art Fresswerkzeuge, während ihn Dürer kopflos zeichnet; am Südhimmel ist er bei Honter genau gleich dem Dürer’schen. Endlich ist der flügellose Equuleus bei Honter nicht benannt, wohl aber bei Dürer, und für die Tierkreiszeichen verwendet Honter die gebräuchlichen Zeichenabkürzungen, Dürer schreibt die Namen aus. Auch der Orion steht bei Honter mit beiden Füssen auf dem Hasen, entgegen des Ptolemäus Vorschrift; diese hat bei Dürer durch das geforderte Hochstellen des linken Fusses zu einer ganz sonderbar hüpfenden Figur geführt, während seine antiken Vorbilder die Figur ansteigen lassen. Speziell sei auch noch auf den um das (bei Honter rechte, bei Dürer linke) Hinterbein geschlagenen Schwanz des Löwen, den übrigens Apian in seinem Astronomicum Caesareum (13) auch genau beibehält, hingewiesen. Alles dies sind keine wesent- lichen Änderungen und deuten kaum auf neue Quellen oder Vorbilder hin. Einzig bei Auriga könnte noch ein weiteres Anschauungs- material vermutet werden. Beim Sternbilde der Leier (mit Lyra bei Dürer und Honter be- nannt, wie übrigens die Benennungen fast durchwegs dieselben sind), 300 M. Knapp. zeichnet Honter ein schlichtes Saiteninstrument von sechs Saiten, statt sieben bis zehn anderer antiker Vorbilder (vergl. Thiele: ,Farnese“). Der Astronom der Dürer’schen Karten kannte noch mehr Quellen ; er kannte den vultur cadens der Araber (14), den auch unsere berühmte Basler Germanicus-Handschrift (15) zeigt. So sehen wir eine Kombination von Leier und Adler bei Dürer, ebenso, nach ihm, bei Apian und bis in die neueste Zeit hinein (Flamsteed, Bode etc.) (16). Nicht umsonst fügt Dürer als Quellen für seine Karten die Porträts von Ptolemäus, Aratus, Manilius und Al-Sufi in Eckbildern hinzu. Führen uns diese Details schon tief in die Astrognosie, so weist uns eine andere Abweichung Honters von Dürer zur reinen Quellen- forschung des Almagest hin. Schon Weiss hat den in sich ge- krümmten Piscis notius des Dürer’schen Südhimmels behandelt und ihn als Druckfehler oder Handschriftfehler im Almagest nachgewiesen. Er sagt darüber: ,, Der Stern erster Grösse Fomalhaut kommt im Katalog des Ptolemäus zweimal vor: das erste Mal im Wassermann, dem vorletzten Bilde des Tierkreises, als am Ende des Flusses stehend, welcher dem Eimer des Wassermanns ent- strömt: das zweite Mal als ein Stern im Rachen des Südlichen Fisches. Am letzteren Orte hat jedoch Ptolemäus den Stern bloss angeführt ohne Angabe seiner Position und Grösse (bei Heiberg und Manitius ist sie beigegeben) (17) „und ohne ıhn zu den Sternen dieses Stern- bildes zu zählen. Diesen Umstand übersehen einige Abschreiber und Übersetzer und rücken die Positionen aller Sterne dieses Bildes eine Zeile hinauf, indem sie zu Fomalhaut die Position des ersten Sternes, zum ersten die des zweiten u.s.f. bis zum Ende schreiben, wo ihnen jetzt natürlich eine Position fehlte. Aus der Verlegenheit half man sich damit, dass man die beiden letzten Sterne des Ptolemäus in einen zusammenzog.“ Weiss zeigt dann, dass dieser Fehler sich im ersten (lateinischen) Venediger Druck des Almagest von 1515 (Peter Liechtenstein) (18) findet, der nach der lateinischen Übersetzung aus arabischer Quelle des Gerhard von Cremona, des Arztes und Astro- logen Friedrich Barbarossas (1175), gedruckt wurde. Die nächste lateinische Venediger-Ausgabe des Almagest von 1528 (19) hat ihn nicht mehr, ebensowenig die beiden Basler lateinischen Ausgaben von Gemusäus (4) und von Schrekhenfuchs (5); natürlich auch nicht die erste griechische Neu-Ausgabe, die 1538 der Basler Simon Grynäus (20) besorgte, und die nun für Jahrhunderte die beste Quelle blieb. Während nun Apian noch 1540 den Südlichen Fisch ebenfalls in gekrümmter Form gibt, wohl in direktem Anschluss an Dürers Vor- bild, zeigt Honters Darstellung den Fisch in riehtiger Gestalt und Sternkarten des Johannes Honterus. 351 Lage, den Mund neben dem Ende des Wasserergusses. Er kannte also den Fehler, benützte somit wohl die zweite Venediger-Ausgabe von 1528 bei seiner Kartenzeichnung bereits. Dass eines der beiden Exemplare des alten ersten, heute überaus seltenen Venediger-Druckes von 1515 der Basler Bibliothek, neben vielem handschriftlichem Ein- trage, eine Korrektur gerade an der Stelle jenes Sternes trägt, ist viel- leicht, wie überhaupt das ganze Exemplar, bedeutungsvoll ; muss doch in Basel als Quelle der griechischen Neu-Ausgabe des Grynäus das von Regiomontan durchgesehene Exemplar nach Kardinal Bessarion’s Handschrift, die beste damals mögliche Quelle, gewesen sein. Dies nebenbei. Hier steht also Honter als Verbesserer seines Vorbildes und als Benützer des besten Materiales da. Ebenso ist seine Zeichnung des kleinen Bären viel richtiger als die Dürers, wo der Stern am äussersten Schwanzende (@ Ursae minoris), der Polarstern, um 20 Grad zu weit westlich eingetragen wurde (beim 20. Grad des Taurus), und darum das ganze Sternbild verschoben erscheint. Dagegen ist bei Honter die Andromeda zu kurz gekommen, sowohl in Länge als Breite; sie erscheint auf gut zwei Drittel verkürzt. Entsprechend falsch stehen die Sterne in ihr. Es sieht so aus, wie wenn Honter zwischen Pegasus, oberem Fisch, Perseus und Kassiopeia keinen Platz für die Zeichnung gefunden, und so die Sterne nachträglich in die Gliedmassen des verkleinerten Bildes eingesetzt hätte. Der Verlauf der Milchstrasse ist bei Dürer und Honter nur ange- deutet; bei beiden sind dieselben Abweichungen von Ptolemäus da, die aber auf Ungenauigkeit und Unkenntnis. des Objektes am Süd- himmel auch wohl zum Teil zurückzuführen sind ; so wenn die Tren- nung der Milchstrasse am Südhimmel nicht durchgeführt ist, und der dünnere Streifen der Milchstrasse bei der Trennung am Nordhimmel nur bis zum Schlangenträger, dem Ophiuchus, reicht. Der Pfeil liegt bei beiden nicht vorschriftsgemäss ganz in der Milchstrasse, sondern nur zur Hälfte. ‘ Dass vor allem des Ptolemäus Almagest-Positionen ausschlag- gebend bei beiden Zeichnern waren, glaube ich damit sicher nach- gewiesen zu haben. In wie weit Aratus hineinspielt, ist viel weniger sicher zu sagen, da eben dort nicht sichere Positionen gegeben werden, nur allgemeinere Wendungen über die Stellungen der Figuren. Sicher ist seine Benützung auch bei beiden, da neben den Namen der lateinischen Almagestquellen auch solche von Aratus verwendet werden, so Deltoton des Aratus für das Triangulum der lateinischen Ptolemäus-Ausgaben. ®) Die Zuweisung des alten Gessner ist also auch aus der Karte selbst als richtig zu begründen. 6) Im griechischen Almagest ist es mit Toıy@vov doregıouög bezeichnet. 352 M. Knapp. Zusammenfassend sind also die Sternkarten des Johannes Honterus Coronensis als selbständige Neuarbeiten auf Grund der da- maligen, neu auflebenden Almagest-Quellenforschung, die gerade in Basel im Kreise Sebastian Münsters betrieben wurden, anzusehen, die sich in der Zeichnung dem einzigen leicht zugänglichen Vor- bilde, den Stabius-Heinfogel-Dürer’schen Karten anschliessen, aber dies in kritischer Wesie tun. Nach Martin Behaims noch im germanischen Museum zu Nürnberg erhaltenen Himmelsglobus von von 1492, nach Johann Stöfflers Himmelsglobus von 1493 (ebendort erhalten), erscheint Dürers Darstellung als erster Holzschnitt in die Ebene projiziert, aber noch als Kugel-Aufsicht gedacht. Honters Karten dürfen wir als erste bisher bekannte unseres Wissens ansehen, die den Himmel so geben, wie das Auge ihn sieht, als Innenansicht der Sphäre. Wenn daher Rudolf Wolf in seinem Handbuch der Astronomie (21) von Purbach bemerkt, dass er „die Kristallsphären der Alten, wenn auch nicht wegliess, doch wenigstens zum Teil aushöhlte, und damit seinen Nachfolgern das Zerschlagen erleichterte‘“, so haben wir in unserem Basler Gaste von 1532, dem Sıebenbürger Reformator Honter, einen weiteren Astronomen, den Aushöhler der Fixsternsphäre im reinen Sinne des Wortes, vor uns, der uns zum ersten Male den Sternhimmel so darstellte, wie wir ihn sehen und damit das Studium des Naturobjektes selbst näher rückte, im Vereine mit den Humanisten der Basler Hochschule, die die damals besten Quellen sichteten. Er mag mit seiner nicht zwar künstlerischen, aber doch fleissigen Leistung im Jubeljahre der Basler Naturforschung und der Reformation darum ein bescheidenes Plätzchen finden. Literatur. 1. Oskar Netoliczka. Johannes Honterus’ ausgewählte Schriften. Wien und Hermannstadt 1898. 2. Viktor Hantzsch. Sebastian Münster, Leben, Werk, wissenschaftliche Be- deutung. Abhandlg. d. kgl. Sächs. Ges. d. Wiss. phil.-hist. Klasse: Band 18. XLI. Nr. III, pag. 120 ff. 3. August Wolkenhauer. Sebastian Münsters handschriftliches Kollegienbuch aus den Jahren 1515—1518 und seine Karten. Abhandle. d. kgl. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Phil.-hist. Klasse. Neue Folge, Bd. XI, Nr. 3. 4. Claudii Ptolemaei, Pelusiensis Alexandrini, omnia, quae extant, opera, Geographia excepta, herausgegeben von Hieronymus Gemusaeus. Basileae apud Henricum Petrum. Mense Martio Anno M.D.XLI. D. Claudii Ptolemaei, Pelusiensis Alexandrini omnia quae extant opera, praeter Geographiam, ab Erasmo Osualdo Schrekhenfuchsio. Basileae in officina Henrichi Petri. Mense Martio. Anno M.D.LI. 6. Arati Solensis, Apparentia, (anonym), Basileae 1535. Deutsche Übersetzung davon: Des Aratos Sternerscheinungen und Wetter- zeichen, übersetzt und erklärt von Johann Heinrich Voss. Heidelberg 1824. 18. 19) 20. 21. Sternkarten des Johannes Honterus. 353 Konrad Gessner. Bibliotheca universalis Tiguri 1545. Z.B. nach Dürer, Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben. Bd. IV. Stutt- gart, Leipzig 1904. Blatt 267 und 268. Edmund Weiss. Albrecht Dürers geographische, astronomische und astrologische Tafeln. Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchsten Kaiserhauses Bd. VII, pag. 207. Wien 1888. Georg Thiele. Antike Himmelsbilder, Berlin 1898. J. E. Bode. Vorstellung der Gestirne. Berlin und Stralsund 1805. Franz Boll. Sphära. Leipzig, Teubner 1903. Petri Apiani, Astronomieum Caesareum. Ingolstadt 1540. Vgl. z.B. L. Ideler: Untersuchungen über den Ursprung und die Bedeutung der Sternnamen. Berlin 1809. (pag. 67. 70.) Butimann : Ueber die Entstehung der Sternbilder auf der griechischen Sphäre. Abhandlg. d. kgl. Akad. d. Wiss. zu Berlin, 1826. (pag. 24.) Manuskript der Basler Universitätsbibliothek: A. N. IV. 18. Flamsteed. Atlas coelestis. London 1753. Glaudii Ptolemaei, Opera Vol, I. Syntaxis Mathematica, edidit J. L. Heiberg. Lipsiae, Teubner 1903. Des Claudius Ptolemäus Handbuch der Astronomie, Karl Manitius, Leipzig, Teubner 1912. Almagestum GI. Ptolemaei, Pheludiensis Alexandrini, astronomorum prinzi- pis. Ductu Petri Liechtenstein Coloniensis Germani, anno Virginei Partus 1515, die 10. Jan. Venetiis ex officina eiusdem litteraria. Gl. liolemaei, Pheludiensis Alexandrini Almagestum seu magnae con- structionis mathematicae opus plane divinum, latina donatum lingua ab Georgio Trapezuntio usque quaque doctissimo, per Lucam Gauricum. Veneta 1528. Claudii Ptolemaei, Magnae Constructionis Lib. XIII (Simonis Grynaei Praefatio). Basileae, apud Joannem Vvalderum, AN. M.D.XXX VIIT, Rudolf Wolf. Handbuch der Astronomie. Zürich, Schulthess 1890. Bd. TI, pag. 18. Manuskript eingegangen 14. März 1917. Über Fell- und Kindermasken aus Ceylon. Von L. Rütimeyer. Im folgenden möge kurz über zwei Maskenvorkommnisse aus Ceylon berichtet werden, die anscheinend noch nicht bekannt sind; jedenfalls konnte ich dieselben in einigen der grössten völkerkund- lichen Museen in Deutschland, Österreich und Italien trotz speziell darauf gerichteter Nachfrage nicht finden. Auch aus der Literatur scheint darüber nichts vorzuliegen. Die Fundumstände zunächst der Fellmasken sind kurz folgende. Als wir, die Herren Drs. F. und P. Sarasin und der Unterzeichnete, auf einer Reise in Ceylon im Januar 1902 in dem im südöstlichen Niederland gelegenen Dorf Lunagalla, unweit des in der Gegend von Nilgala und Bibile gelegenen Weddagebietes, abends einige singhalesische Teufelstänzer, die dort vorzufinden sein sollten, be- stellten, kamen drei solcher Tänzer nach eingebrochener Nacht unter Tamtamklang ins Resthaus. Die drei boten einen höchst originellen Anblick: der eine trug eine Teufelsmaske aus Holz mit Stielaugen, einem mit grossen Eberzähnen besetzten Maule, wobei er in wahr- haft scheusslicher Weise mittelst des beweglichen Unterkiefers der Maske die Zähne fletschte ; der zweite trug eine Maske aus A ffenfell ; beide hatten um die Hüfte einen Gürtel von Strauchwerk gebunden und repräsentierten wirkliche Waldteufel. Der dritte war in ein rotes Gewand gekleidet und trug ebenfalls eine Maske aus Affenfell. Die zwei letztgenannten Masken konnten wir nach der Produktion der Tänzer für unser Museum erwerben. Wir zweifelten keinen Augen- blick, dass die beiden erstgenannten affenartigen Waldteufel Yaka’s, resp. Weddas darstellen sollten. Sie tanzten, besonders der mit der hölzernen Teufelsmaske, ganz rabiat mit klonischen Zuckungen aller Muskeln, sowohl aufrecht und mit rechtwinklig gebogenen Knieen hüpfend und springend. Dabei schlug der letztgenannte Teufels- tänzer das Rad, fiel hin, kurz bewegte sich so heftig, dass ihm die Maske abfiel, wobei sein Gesicht mit einem starren, versteinerten Aus- druck hochgradiger Ekstase zum Vorschein kam. Zum Schluss warf Fell- und Kindermasken aus Ceylon. 355 er sein langes Haar abwechselnd über das Gesicht und den Nacken herab und tanzte so mit auf- und abwallender Haarmähne, ähnlich wie wir dies bald später in Nilgala und Bibile beim Tanze wirklicher Weddas sahen. Beim Schlusse des Tanzes konstatierte ich bei ihm einen enormen sicht- und fühlbaren Herzschlag bei einer Pulsfrequenz von 160 Schlägen in der Minute. Der wilde Tanz, exekutiert unter einem hohen Baum bei Fackel- schein und Trommelklang, bot in der sternenklaren Tropennacht ein ungemein eindrucksvolles und phantastisches Bild. Der Zustand der Ekstase oder der sogenannten Besessenheit, welcher natürlich bei wirklichen, nicht nur bestellten, für die Zu- schauer berechneten Teufelstänzen ein ungleich intensiverer ist, als dies hier der Fall war und regelmässig mit Hinfallen im Zustand höchster Erschöpfung endet, dieser Zustand der vollständigen ,,Be- sessenheit” ist sowohl bei den Teufelstänzen der Singhalesen wie bei den Tänzen der Weddas, die man als primitive kultische Tänze an- sehen darf, der Gipfelpunkt der Zeremonie. Übrigens verliert dabei der von dem zu beschwörenden Dämon ‚‚besessene“ nach den sorgfältigen Untersuchungen von Seligmann!) das Bewusstsein nie ganz, immer- hin weiss er nicht völlig, was er als Diktat des ihn in Besitz nehmenden Geistes aussagt, heisse dieser ein Yaka oder Ahnengeist wie bei manchen Weddas oder sei er ein Mitglied des unzählbaren Pandämoniums der Singhalesen. Bei Beginn und Ende der Besessen- heit sollen die Tanzenden eine Sensation von Nausea und Schwindel empfinden, während sie das Gefühl haben, der Boden schwanke und schwinge unter ihren Füssen. Im übrigen soll aus der oben skizzierten Szenerie vor allem auf das hier beobachtete Vorkommen von Fellmasken bei dem angeführten Teufelstanze hingewiesen werden, deren Beschreibung und Abbildung hier £folst. Grünwedel?) sagt in seiner Arbeit über die singhalesischen Masken der Teufelstänzer, dass sie durchweg aus Holz geschnitzt und mit bunten Farben bemalt sind. Auch im grossen Kataloge von Umlauff,?) in welchem eine Kollektion von 348 ceylonesischen Masken abgebildet sind, kommen nur solche aus Holz vor. In der ein- gehenden Arbeit von Hildburgh,t) eines englischen Autors, der sich bei langem Aufenthalt in Ceylon durch sehr sorgfältige Studien über 1) G. und B. Seligmann, The Weddas. Cambridge 1911, p. 134. 2) A. Grünwedel, Sinhalesische Masken, Internat. Archiv für Ethnographie Bd. 6, 1893, p. 7Lff. 3) Die Ceylon-Sammlung des Museum Umlauff, Katalog 113, 1900. 4) L. Hildburgh, Notes on Sinhalese Magic. Journal of the Royal Anthro- pological Institute, 1908. p. 148. S. Plate XIII. 356 L. Rütimeyer. die interessanten kultischen und magischen Gebräuche der Sing- halesen verdient gemacht hat, finden wir bei Maskenkostümen wohl einzelne mit Fell stark be- setzte Masken, wobei aber das Haare und Bart darstellende Fellwerk, wie ich einer freund- lichen brieflichen Mitteilung Hüldburgh's entnehme, aus- nahmslos auf Holzmasken be- festigt ist. Er fügt ausdrück- ‚lich bei, dass er in Ceylon nie etwas gehört oder gesehen habe von Masken, die nur aus Fell: verfertigt wären. Die Teufelstänze und Teufels- masken spielen bekanntlich ge- rade in Ceylon eine ausseror- dentlich grosse Rolle, wie schon der diese Materie aufs genaueste kennende De SiluaGooneratneÿ) es ausspricht, wenn er sagt, dass der Glaube an eine unsichtbare Welt böser das tägliche Leben influenzierender Geister nir- gsends in so gigantischen Pro- portionen entwickelt sei wie in 5) De Silva Gooneratne, On Demo- nology and Witchcraft in Ceylon. Jour- nal of the Ceylon Branch of the Ro- yal Asiatic Soc. 1865 —66. Vol. III, p. 1. Figur 1. Fig. 1. Flache, ovale Maske aus Affenfell (nach einer freundlichen Mitteilung von Herrn Dr. Roux handelt es sich um das Fell von Macacus und Semnopithe- cus). Die Augen sind gebildet aus zwei kleinen nusserossen Kugeln aus dunkel- grünem Glas, umgeben von einer kittartigen weissen Masse. Unter diesen künstlichen Augen sind zwei Sehlöcher angebracht. Die obern Augenränder, die Stirnmitte und Nase sind auf dem Fellstücke markiert durch Streifen von rotem Baumwolltuch, ebenso die Lippen. Aus der Oberlippe ragen einige bis 4 cm lange gerade oder hauerförmig gebogene Zähne aus Holz hervor. Am Kinn stellen einige lange Haarsträhne den Bart dar. Auf der Rückseite des Fellstücks eine Schnur zum Tragen der Maske. Länge 34 cm. Breite 24 cm. Fell- und Kindermasken aus Ceylon. 307 Ceylon. Die Dämonen heissen teilweise Yakas, welches auch der buddhistische Name für die ältesten nicht arischen Bewohner Ceylons ist bei der 543 v. Chr. stattfindenden Einwanderung der indischen Singhalesen auf der Insel unter Vijaja. Yaka war also auch der Name der Weddas. Denn dass die Weddas, jener anthro- pologisch und ergologisch so über- aus interessante menschlicheklein- wüchsige Primärstamm, welcher in spärlichen, bald definitivem Untergang geweihten Resten die Wald- und Felswildnisse von Figur 2. Fig. 2 besteht ebenfalls aus einem Stück Affenfell, dem aber zur Verstärkung und zu plastischer Darstellung eines Gesichtes auf der Innenseite einige Lagen Stoff und Papier unterlegt sind. Die konischen Augen ebenfalls aus Papier ge- bildet, darunter zwei Sehlöcher. Die Lippen mit rotem Papier markiert, im Maul viereckige Zähne aus Weissblech. Auf der Rückseite eine Schnur zur Befestigung. Länge 25 cm. Breite 16 cm. Südost-Ceylon heute noch bewohnt, in der Tat die Urbevölkerung der Insel seit prähistorischer Zeit darstellen, ist durch den wichtigen Nachweis der Steinzeit der Weddas durch P. und F. Sarasinf) schlagend bewiesen. Ebenso geht aus den Angaben der genannten Forscher in ihrem grossen Weddawerk, aus denjenigen von Seligmann und anderer Autoren zweifellos hervor, dass unter den im Mabavansa, dem Helden- und Sagenbuch der Singhalesen, verfasst am Ende des 5. Jahrh. n. Chr., erwähnten Dämonen, die die Einwanderer in Ceylon antrafen, Weddas zu verstehen sind, welche eben als Dämonen ange- sehen und von den Singhalesen mit dem ihre eigenen Teufel be- deutenden Namen Yakas bezeichnet wurden. Man kann im Gewirre der singhalesischen Dämonologie nach Parker?) im grossen ganzen die Yakas als bösartige menschliche oder 6) P. und F. Sarasin, Die Steinzeit auf Cevlon. Ergebnisse naturwissen- schaftlicher Forschungen auf Ceylon. Bd. 4, Wiesbaden 1908. — P. und F. Sarasin, Die Weddas von Ceylon und die sie umgebenden Völkerschaften. Er- gebnisse naturw. Forsch. auf Ceylon. Bd. 3, 1892—93, p. 586. 7) Vide B. Z. Seligmann, A Devil Ceremony of the Peasant Sinhalese, Journal of Royal Anthropological Institute 1908, p. 379. 358 L. Rütimeyer. übermenschliche Geister bezeichnen im Gegensatz zu den Devas, die gütige übermenschliche Wesen sind. Diese Yakas sind nach singhales- ischem Glauben vielfach lokal und die Anschauungen über sie wie die mit ihnen verbundenen Teufelstänze variieren sehr in den ver- schiedenen Teilen der Insel. Bei den echten Naturweddas sind die Yakas nach den Unter- suchungen von Seligmann®) die Geister der Toten und sind ebenfalls oft an bestimmte Orte gebunden gedacht. Nach letztgenanntem Autor hat der Toten- und Ahnenkult der alt-weddaischen Ureinwohner den Glauben der eingewanderten Singhalesen vielfach infiltriert und modifiziert. Anderseits spielt natürlich auch die umgekehrte Strömung eine grosse Rolle, welche vielleicht von Selögmann etwas zu leicht eingeschätzt wird. Die Teufelstänzer nun, um zu unserer Szenerie zurückzukehren, werden vor allem therapeutisch zur Heilung von Krankheiten berufen. Sie repräsentieren nach Hildburgh die den Kranken peinigenden Dämonen oder stärkere Dämonen, welche die eigentlich krank- machenden Teufel kontrollieren und verjagen. Eine dritte Art stellt die Krankheit des Patienten selbst vor; der den Kranken besitzende Dämon soll, wie sich Hildburgh ausdrückt, hier durch den Teufels- tänzer suggeriert werden, den Kranken zu verlassen und zu seinen „Fellow-devil‘ sich zu gesellen. Es ist nun von Interesse, dass in der genannten Arbeit von Hild- burgh, in der ein Teufelstänzer aus einem Dorfe nahe bei Colombo mit verschiedenen Masken, Gesichtsbemalungen und Kostümen 18 ver- schiedene Teufel darstellt, einer derselben als Wedda-Sanniya (Sannıya = Krankheit) ‚a devil in the form of a Wedda an aboriginal of Ceylon‘‘?) bezeichnet wird. Derselbe sieht zwar weit weniger aus wie ein Waldteufel als einige andere Repräsentanten und hat ausser Pfeil und Bogen, die ihn als Wedda markieren, sonst wenig typisches an sich. Sein Gewand scheint eine Art Feder- oder Blätterkleid zu sein. Der Bogen dieses Wedda-Teufels hat nach den Informationen des Autors die Bedeutung, dass dieser Dämon sein Opfer mit einer Krankheit schlägt, die so rasch tötet, als ein Pfeil sein Ziel erreicht. Immerhin ist der heute noch in der Umgebung von Colombo nachge- wiesene Name eines Dämon als Wedda-Teufel und seine Ausstattung mit den den Singhalesen längst abhanden gekommenen Waffen von Pfeil und Bogen sehr bemerkenswert. Im übrigen bleibe dahingestellt, ob nicht auch andere der bei Hildburgh abgebildeten waldteufelähn- lichen Maskenkostümen auch ohne dass dies in der heutigen Auf- 3) Seligmann, The Weddas p. 125 und 141. 9) L. c. plate XIII, No. 8. Fell- und Kindermasken aus Ceylon. 909 fassung noch lebendig geblieben wäre, auf eine ähnliche Quelle der Vorstellung zurückzuführen wären. Es ist daher, wie mir scheint, sehr wohl denkbar, dass in Lunagalla, so nahe dem heutigen Weddaland, die Erinnerung an die Weddas als Yakas mit den ihnen von ihren singhalesischen Vorfahren zugeschriebenen dämonischen Eigenschaften, wozu auch die Gabe ge- hörte, sich unsichtbar zu machen, gewissermassen im Unterbewusst- sein der heutigen Singhalesen noch lebendig dasteht und in ihren typischen Teufelstänzen noch zum Ausdruck kommt. Die Masken aus Affenfell, wie die mit grossen Hauern versehene Teufelsmaske, sollten sie wohl in ihrer Eigenschaft als affenartige Waldteufel charakterisieren. Es würde dies recht wohl zu einer uns wenige Tage später im eigentlichen Weddaland, vom Resthauskeeper in Bibile, einem sehr intelligenten Singhalesen gemachten Angabe stimmen, der auf die Frage, woher die Weddas herstammen, uns antwortete, sie stammten von Teufeln ab, die früher diese Wälder bewohnten, bevor die Singhalesen ins Land kamen. Als weitere Weddaattribute wären auch die Gürtel aus Busch- werk aufzufassen, wie wir solche auch bald später von einem wirk- lichen Wedda anfertigen und anziehen sahen. Allerdings kommen solche auch bei andern von Hüldburgh abgebildeten Teufelstänzern vor, aber eben vielleicht auf die gleiche Quelle zurückzuführen. Das Auf- und Niederwerfen der Haarmähne über Gesicht und Nacken ist bei den Teufelstänzen der Singhalesen und den Zeremonialtänzen der Weddas gleich. Die Glotzaugen unserer Masken sehen wir bei vielen Masken der verschiedensten Naturvölker und Halbnaturvölker, wo sie sich von einem starken Exophthalmus bis zu kürzern und längern Röhren oder soliden Stielen ausbilden und wie z.B. in melanesischen Schädel- masken zu lang gestielten — bis 10 cm langen — eigentlichen Teleskopaugen auswachsen. Wir können diese Augenform bei Masken aus Westafrika, Indien, Ceylon, Melanesien etc., sogar noch bei uns bei den bekannten Maskengebräuchen im Lôtschental10) nachweisen. Was die Grundidee ist, die diese eigentümliche Augendarstellung, die über so weite Erdräume verbreitet ist, veranlasst, ist mir unbe- kannt. Ich möchte vermuten, dass vielleicht durch diese gestielten Augen der Maske resp. dem durch sie in vielen Fällen dargestellten Dämon oder Ahnengeiste, die Fähigkeit desselben angedeutet werden soll, wie das Chamäleon oder der Krebs ähnlich dem Argus der Sage zugleich nach den verschiedensten Richtungen, z. B. gleichzeitig nach 10) Vergl. L. Rütimeyer, Sonderbeilage zu Globus, Bd. 91 1907, Nr. 13, Figur 2. 360 LS L. Rütimeyer. hinten und vorn sehen zu können, durch welche Allsichtigkeit die Macht seines Einflusses erhöht würde. Ich möchte auch annehmen, dass unsre Affenfellmasken, wenn auch wohl dem Verfertiger unbewusst, noch etwas anderes ausdrücken sollten, nämlich die eigentümliche Doppelstellung der Wertung der Weddas bei den Singhalesen, eine Doppelstellung, auf die auch im Sarasin schen Weddawerk sehr eingegangen wird. Einerseits waren die Weddas als Dämonen oder Yakas offenbar für die Singhalesen etwas unheimliche Wesen, eben eine Art von Waldteufeln, also auch mit übermenschlichen Kräften begabt. Sie gehören seltsamerweise der obersten Kaste der Singhalesen, jener der Wellala an, und hatten früher bei den singhalesischen Königen gewisse Vorrechte. Anderseits stehen sie gegenwärtig in der Wertung der Singhalesen und Tamilen ungemein niedrig, wie ich mich in drastischer Weise überzeugen konnte, als in Nilgala ein kleiner Trupp von Felsen- veddas, wirklich fast ähnlich Walddämonen, plötzlich in Erscheinung tretend — so völlig unbemerkt war ihr geräuschloses Herannahen aus dem Walde geblieben — vor uns auftauchte. Der Älteste der aus fünf Gliedern bestehenden Familie trug eine in einem Holzgriff be- festigte grosse Pfeilklinge, Aude genannt, eine Art Zeremonialpfeil, und als ich ihn durch unsern tamilischen Dolmetscher fragen liess, ob er den Griff selbst gemacht habe, antwortete der Tamile: ‚Ja, der König der Tiere machte ihn,“ womit er eben das Familienhaupt meinte. Auf meine zweite direkte Frage an den Diener, ob er denn wirklich glaube, dass die Weddas Tiere und nicht Menschen seien, versicherte er des bestimmtesten: ,,Nein Herr, es sind keine Menschen, es sind Waldtiere (jungle animals)!“!1) So werden auch noch nach Sarasin1?) im alten indischen Heldengedicht Ramayana die Weddas als Affen bezeichnet. Unsere singhalesischen Teufelstänzer, die ja dazu bestellt waren, sollten und wollten uns gewiss, wie das vielfach geschieht, nur die Art und Weise vorführen, wie bei Krankenheilungen die Therapie des Teufelstanzes ausgeführt wird und der Tanz, fast bis zur Er- schöpfung getrieben, entspricht auch durchaus den anderweitigen Be- schreibungen. Der Umstand aber, dass dabei Affenmasken aus Affenfell, eine solchen Kennern dieser Materie wie Hildburgh und auch Grünwedel unbekannte Form singhalesischer Teufelstänzermasken, getragen und damit offenbar Waldteufel dargestellt werden sollten, der Umstand 11) Vergl. Derselbe. Die Nilgalaweddas in Ceylon, Globus, Bd. 83 1903, Fell- und Kindermasken aus Ceylon. 361 ferner, dass ein Wedda-Sanniya, ein Weddateufel belegt ist bei Colombo, lässt es, wie mir scheint, hier in nächster Nähe des Wedda- landes höchst wahrscheinlich erscheinen, dass die Tänzer Weddas dar- stellen sollten. In dieser Form von Fellmasken, und darin scheint mir ihr Interesse zu liegen, können wir vielleicht den Ausdruck jener alten auf 21/, Jahrtausende zurückgehenden Doppelschätzung der Weddas, der Ureinwohner Ceylons, durch die eingewanderten indischen Singhalesen und Tamilen noch durchschimmern sehen, eine Doppelschätzung, nach welcher jene einerseits als Yakas, böse Geister, als übermenschliche Wesen, also mit geheimnisvollen Kräften begabt, wie z.B. Krankheitserzeugung, anderseits als untermenschlich, als Waldtiere, als Affen anzusehen sind. i Kindermasken. Ganz kurz kann ich mich über weitere Masken aussprechen, die wir bei Anlass der gleichen Reise fanden und die anscheinend für Ceylon ebenfalls neu sind. Es war beim Herabsteigen vom Adamspik, auf dem wir einen unvergesslich grossartigen Sonnenaufgang genossen hatten, als wir nahe beim Weiler Madama auf der Ostseite des Berges eine Anzahl kleiner singhalesischer Kinder im Alter von etwa 5 bis 7 Jahren sahen, die sich, es mögen ihrer 10 gewesen sein, mit kleinen Holzmasken angetan, vergnüglich beim Spiele unterhielten und herumhüpften. Die kleinen Masken waren gearbeitet und bemalt genau wie die gewöhnlichen Masken der Teufelstänzer. Sie sind alle, wir konnten drei derselben erwerben, aus einem Stück Holz geschnitzt. Unter den Augen, die jeweilen ebenfalls stark prominent gebildet sind, sind kleine Sehlöcher für die kindlichen Träger angebracht. Zwei derselben stellen affenähnliche Fratzen dar und sind grau und gelb bemalt, die dritte weist eine grosse zwischen den Zähnen ge- haltene Cobraschlange auf, deren Kopf sich über die Stirn hinauf- bäumt. Die Dimensionen sind : Länge: 111/,, 13 und 15 cm, Breite: 362 L. Rütimeyer. 10—111/, em. Über ihre nähere Bedeutung vermag ich nichts auszu- sagen, ich habe auch wie schon angedeutet nirgends sonst solche ge- sehen oder in der Literatur erwähnt gefunden. Im Katalog von Umlauff finden sich allerdings eine Anzahl kleinerer Teufelsmasken, die aber in ihren Dimensionen nicht unsern Kindermasken ent- sprechen. Auch Herr Hildburgh, der genaue Kenner des singhalesischen Maskenwesens, an den ich mich mit der Frage wandte, ob ihm etwas von Kindermasken auf Ceylon bekannt sei, schreibt, er habe nie von solchen gehört, doch sei es immerhin möglich, dass solche in be- stimmten Jahreszeiten möchten gebraucht werden und fügt bei, dass zu gewissen Zeiten die Kinder der Hindu mit Masken von Hanumann spielen, die sie dann tragen. Etwas ähnliches könnte also sehr wohl auch bei den Kindern von Singhalesen vorkommen. Seine weitere Ver- mutung, unsere Kindermasken könnten vielleicht abgebrochene Teil- stücke von einer zerstörten jener grossen Masken des Teufels Mahä- Köla-sanni-yaksayä, die Grünwedel1?) beschreibt und bei welchen um eine zentrale grosse Maske dieses Dämons in einem Rahmenwerk 18 kleine Masken seiner Begleiter angebracht sind, trifft nicht zu. Unsere kleinen Masken sind vollständig selbständig gearbeitet und zeigen keine Spuren, dass sie je in den genannten Zusammenhang gehört hätten. Eine genaue Erklärung ihrer Bedeutung vermag ich also nicht zu geben. Sie sind wohl, wie wir ja dies bei so manchen Kinder- spielen sehen, eine Äusserung des kindlichen Nachahmungstriebes, der eben prägnante und dem kindlichen Geiste besonders eindrück- liche Handlungen der Erwachsenen in Spiel und auf seine Weise in die Tat umsetzt. Auch dürften sie hier, in der Gegend der Adamspik, in einem zentralen, abgelegenen Teile des Landes mit fast rein singhalesischer Bevölkerung, aufzeigen, wie tief diese Maskenge- bräuche in der Ergologie und Mentalität dieses Volkes wohl seit ältesten Zeiten eingegraben sind und wie sie familiär schon durch das kleine Kind weiter getragen und vererbt werden. 13) Grünwedel 1. e. Bd. VI, Taf. VI und VI. Manuskript eingegangen den 8. März 1917. Über die Kroneckersche Grenzformel für reelle quadratische Körper und die Klassenzahl relativ-Abelscher Körper. Von E. Hecke. Bekanntlich spielen die Dirichletschen Reihen f)=2 lm, m)”, (1) m,n wo p(m, n) = am? + bmn + en? eine positiv definite quadratische Form mit ganzen Zahlkoeffizienten ist, in der Theorie des imaginären Zahlkörpers k(YDb? — 4 ac) eine grosse Rolle. Die Summation ist in (1) über alle ganzen Zahlen m, n zu erstrecken mit Ausnahme des Systems 0, 0 was durch den Akzent an dem Summenzeichen an- gedeutet sei. Nun weiss man, dass diese Reihen, als Funktionen von s betrachtet, eindeutige analytische Funktionen mit dem Pole s=1 sind, also eine Entwickelung A = — Ah he Di besitzen. Der Koeffizient A_,, das Residuum, ist bereits durch Dirichlet bestimmt worden, durch seine klassische Methode zur Er- mittelung der Klassenzahl des Zahlkörpers. Zu den schönsten Ent- deckungen Kroneckers gehört die Bestimmung von A,. Es ist ıhm gelungen — sogar für den allgemeinen Fall, dass die Form (a, b, c) beliebige reelle Koeffizienten mit b’—4ac 1. Ich setze nun rs) Ir fe rl dt en r(5) "fer Ur I gr 0 und führe in dem Doppelintegral T(S lu [fer N al ara neue Variable w, v durch die Gleichungen tue, Vue? ein, wodurch man erhält (+ ) paf fe use u) an UV=- U=O Für das Integral nach 4 führen wir wieder die I'-Funktion ein und erhalten so 8 \2 ne) Statt die Integration über alle v zu vollziehen, reduzieren wir, wie ich es in der zitierten Note getan habe, das Intervall auf die Strecke — log € bis +log € und erhalten dafür eine Summe über alle zu u assozilierten Zahlen, wodurch endlich für unsere Funktion f(s) fol- sende Darstellung sich ergibt oo Is dv : 276) | 2 _m8 Ga et) ne) —+loge 2 / ’ > 12 _9\ 8 mo [IR (ue tue) }d —10q & na Hierin ist jetzt die Summe über sämtliche ganzen Zahlen m,, Ms mit Ausschluss von 0,0 zu erstrecken. In dem einzelnen Summanden steht offenbar jetzt eine positiv definite quadratische Form der Summationsbuchstaben. Kroneckersche Grenzformel für reelle quadratische Körper. 367 Dieser Integrand ist nun eine analytische Funktion von s, die bei s= 1 einen Pol erster Ordnung hat und sonst im Endlichen regulär ist. Die Kroneckersche Grenzformel?) liefert folgende Entwickelung nach s—1 : ARE D Am +2 Bm, m; + Cm?) ° = nn QU A,(s — 1) + M5 Mo mit den Werten PA A_,= ee 2zT(l) 2% (o)n-o)V m = = — lo = da V°m Vm 09 VA Zur Abkürzung ist hier gesetzt: m AO Br. Ym > 0 B+iV m NB if D — ae ‚oo= un , Am,” + 2 Bm, m, + Um? = A(m; + om) (m, + om). Für den Logarithmus ist der reelle Wert zu nehmen. n(®) bedeutet die „Diskriminante“ io n(@) = 2 12 Jba ve œrinc) In unserm Falle haben wir die quadratische Form v ® 2] ® ue? + we” =(ue? + iwe >) (we? — iwe 2) Nehmen wir @,, @, so, dass die Determinante so sınd v -v ape? ide ? ape +ias D v Zu, v = Ge EUR DA AUEE aje“+tia, e [2] Sp 7) — —oe+ia @ = == ae 2 (4) ae ion Al RCE CRC m= — A’(o — ©) = 4(a, & — 0,0, ) = (24) Damit erhalten wir endlich für die Entwickelung unser Funktion ray ; Vgl. etwa H. Weber, Ellipt. Funkt. u. algebr. Zahlen, 2. Aufl. (1908) pg. 531. 7) Ns) um den Punkt s=1 durch Integration nach v 368 E. Hecke. Das Residuum hat den Wert log e TC — da = a ES E DA dv (CAL = Co \ log — log & Das konstante Glied hat den Wert + log e à à 2x (1"(1) + log 4) loge — De an ‚ [109 OS) dv (5) (di & - 0,0, ) (di > — @ Ga) ige V a 26° +æ?e ? Dieses Integral ist eine Funktion allein von @,, @,, die sich ihrer Entstehung nach nicht ändert, wenn man @,, @, einer linearen ganz- zahligen Transformation mit Determinante +1] unterwirft; es ist eine „arithmetische Invariante‘‘ im Sinne von Poincaré. Die Invarianz lässt sich auch direkt aus den Eigenschaften der n-Funktion herleiten. Führt man in dem Integral etwa © an Stelle von v als Variable ein, so wird der Integrationsweg in der Ebene der komplexen Variabeln « ein Teilbogen des Halbkreises, der die beiden Punkte ur GA dieses Teilbogens sind aequivalent vermöge einer solchen Trans- formation der Modulgruppe, welche die beiden reellen Punkte zu Fixpunkten hat. Wir gelangen so in den Kreis der Ideenbildungen von St. Smith über den Zusammenhang der elliptischen Modul- funktionen mit den indefiniten quadratischen Formen. Diese Theorie ist bisher wenig bearbeitet worden; *) ıhr Auftreten bei unserm Problem deutet darauf hin, dass ihr für die Untersuchung der reellen quadratischen Körper eine viel grössere Bedeutung zukommt, als man bisher bemerkt hat. | 82 Allgemeine Zahlkörper. Liegt an Stelle des reellen quadratischen Zahlkörpers ein be- 1: 2 1 liebiger Zahlkörper k=k" vom n-ten Grade zu Grunde, unter dessen , k9,... %% reell sind (r, > 0), während die konjugierten Ak" übrigen 1° imaginär sind (ihre Anzahl 2r, > 0), so lässt sich das a Sole. die Ermittelung des A,, vermöge der Methode zur Erledigung bins, die ich an der oben zitierten Stelle bei Unienswohrme der Emaille &,.(s) angewendet habe. 1) Vgl. insbesondere die Ausführungen in Klein-Fricke, Ellipt. Modulfunktionen, Bd. IT. pg. 165 ff. über die Smith’sche Kurve. Kroneckersche Grenzformel für reelle quadratische Körper. 369 Man gelangt indessen rascher zum Ziele, wenn man wie im vorigen Paragraphen die betr. Dirichletsche Reihe auf eine Klasse von Funktionen zurückführt, welche von mehreren Autoren, insbesondere Herrn Epstein *) bereits untersucht worden und von ihm als „all- gemeine Zetafunktionen“ bezeichnet worden sind, Es sei etwa @,, &,:a, ein System von Basiszahlen eines Ideals a im Körper k=KkV, ferner &,, &,-8& (r=r,+r,-—1) ein System von Grundeinheiten, endlich verstehen wir unter uvm. tm += +m, a, eine Zahl aus a (+0). Die Nummerierung der konjugierten Körper seiferner so getroffen, dass für einen imaginären Körper Le (p An ( = S Zn Ta 7 = 7 8.00 820.0 2 9 #I(S) IXs) |N(u) St iR fe p=L1 li be, by t) 0 dt, RAC dt, + 1 PRES Hierbei ist zu vereinbaren, dass für 7, + 1

| NW” = F(s) (8) setzt, so ist unter Benutzung der Abkürzungen (6), (7) +3 ns H9=f IS Ga te + un ++ ame) tam. dm, 0) In der Summe ist über alle ganzen Zahlen m,,:-: m, in U=Mm &t+t'+m,%, Kroneckersche Grenzformel für reelle quadratische Körper. 371 mit Ausschluss von m, = ::: m, = 0 zu summieren. In dem Summanden steht jetzt eine definite quadratische Form der Summationsbuch- staben. Die Reihe konvergiert, wenn s > 1 und ist nichts anderes als eine von Herrn Epstein ‚allgemeine Zetafunktion n-ter Ordnung“ genannte Funktion. Durch diese Formel erhält die Benennung Zetafunktion eine unerwartete Rechtfertigung von der Theorie der algebraischen Zahlkörper her. An der zitierten Stelle hat Herr Epstein vermittels der Theorie der Thetafunktionen das Verhalten einer Zetafunktion bei dem Pole s—1 untersucht. Für das konstante Glied in der Entwickelung nach s—1 findet er einen Ausdruck, der, von unwesentlichen Konstanten abgesehen, sich aus zwei Bestandteilen zusammensetzt: erstens dem Werte einer Zetafunktion (»—1)-ter Ordnung bei s — 1, welche ent- steht, wenn man in der Summe nur die Glieder mit m; =0 nımmt, und zweitens dem Logarithmus eines (n —- 1)-fach unendlichen Pro- duktes, das als die genaue Verallgemeinerung der 7-Funktion aus der Theorie der elliptischen Funktionen zu bezeichnen ist. Nach denselben Prinzipien lässt sich die Summe (8), wenn u noch linearen Kongruenzen genügen muss, auf die Epsteinschen Zetafunktionen zurückführen, und ihre Entwickelungskoeffizienten bei s=1 lassen sich aus derselben Formel angeben.) Ich gedenke an anderer Stelle eine ausführlichere Darstellung dieser Theorie zu geben, in der ich auch eine direkte Berechnung der fraglichen Koeffizienten durchführen werde, welche die Einführung der Thetafunktionen ver- meidet. 838. Die Klassenzahl relativ Abelscher Zahlkörper. Die oben entwickelten Formeln gestatten eine Darstellung der Klassenzahl relativ-Abelscher Zahlkörper in einer ähnlichen Gestalt, wie sie Kummer für die Kreiskörper gegeben hat. Sobald für einen Grundkörper k die Zerfällung seiner Primideale in einem Ober- körper K bekannt ist, lässt sich die zu K gehörige Ö-Funktion durch die zu k gehörige und ähnliche Reihen vom Typus (2) darstellen, deren Wert für s=1 bei dem Klassenproblem in Frage kommt. Auf diese Art ist es möglich, den Quotienten aus der Klassenzahl von K und von k vermöge der Grössen darzustellen, die oben allgemein mit A, bezeichnet wurden. Der einfachste Fall nach den Kreiskörpern ist derjenige, wo k ein imaginärer quadratischer Körper und K ein relativ-Abelscher 6) Vgl. meine im Februar 1917 der Göttinger Ges. d. Wissenschaften vor- gelegte Arbeit: Ueber die L-Funktionen und den Dirichletschen Primzahlsatz für einen beliebigen Zahlkörper. 372 E. Hecke. Körper ist, wie er durch die komplexe Multiplikation der elliptischen Funktionen geliefert wird. Die in der Hauptsache bekannten Zer- legungsgesetze in K führen dann bei der Bestimmung der Klassen- zahl gerade auf die Kroneckersche Grenzformel, vermöge deren, wie Herr Fueter?) gezeigt hat, sich für die Klassenzahl von K ein Aus- druck ergibt, der neben einer damals noch unbekannten Grösse die Logarithmen der n-Funktion ebenso enthält wie die Kummersche Formel die Logarithmen der Kreiseinheiten. Nehmen wir nun für k einen beliebigen Grundkörper, welcher noch die /-Einheitswurzel enthalte (l eine ungerade Primzahl). Der l Relativkörper der durch die /-te Wurzel aus einer Zahl von k, Yo erzeugt wird, sei K. Ist alsdann © eine Primärzahl in k oder was dasselbe ist, ist die Relativdiskriminante von K bezüglich k zu dem Grad / prim, so gibt das Hilbert-Furtwänglersche Rezi- prozitätsgesetz über die Zerfällung der Primideale aus k im Ober- körper K folgenden Satz: Alle Primideale, welche mod. & in die- selbe Klasse gehören, zerfallen in X in derselben Art. Dies hat zur Folge, dass man die Funktion &,(s) durch &,(s) und die ge- wöhnlich mit Z{s, x) bezeichneten Funktionen ausdrücken kann, wo- bei x ein Charakter mod. © ist. Der Quotient der Klassenzahlen von À und %k wird dann durch die Werte von Z(s, x) bei s=1 be- stimmt und diese sind nach den oben angegebenen Prinzipien durch die Logarithmen gewisser transzendenter Funktionen, wie Gl. (5) zeigt, darstellbar. Ähnliches gilt, falls in k nicht die /-te Einheitswurzel vorkommt, wenn K ein relativ-cyclischer Körper vom Relativgrade / ist, dessen Relativdiskriminante zu ! prim ist. Dieser Zusatz ist notwendig, weil man gegenwärtig das Reziprozitätsgesetz für nicht primäre Zahlen noch nicht kennt. Nimmt man z. B. für k den absoluten Rationalitätsbereich, und für K einen auflösbaren, d. h. durch Wurzelzeichen darstellbaren Körper, so erhält man folgenden allgemeinen Satz: Die Klassenzahl eines jeden auflösbaren Körpers, dessen Dis- kriminante und Grad. prim zu einander sind, lässt sich durch die Integrale über Logarithmen gewisser transzendenter Funktionen dar- stellen, in derselben Weise, wie Kummer die Klassenzahl der Kreis- körper durch die Logarithmen der Kreiseinheiten dargestellt hat. 7) Die verallgemeinerte Kroneckersche Grenzformel und ihre Anwendung auf die Berechnung der Klassenzahl. Rendiconti del Circ. Mat. di Palermo 1910 I. Von dem damals noch unbekannten Faktor F habe ich gezeigt, dass er den Wert 1 hat. Manuskript eingegangen 15. März 1917. Über Knochenmarksherde in der Milz und über experimentelle Transplantation von Knochenmark in die Milz. Von Ernst Hedinger. Befunde einzelner Knochenmarkzellen in der Milz können ın der Human- wie in der Tierpathologie sehr oft und unter recht ver- schiedenen Bedingungen erhoben werden. . Die Kenntnis dieser Be- funde ist so allgemein, dass ich es mir schenken kann auf eine nähere Besprechung dieses Themas einzugehen. Bei diesen myeloiden Herden handelt es sich teils um eine Reihe diffus zerstreuter Knochenmark- zellen, teils um kleinere Häufchen von Myelocyten, Myeloblasten oder ‘eventuell auch von Erythroblasten. Die Literatur erwähnt aber nirgends das Vorkommen grösserer aus gemischtem Knochenmark be- stehender Herde in der Milz. Ich habe vor einigen Jahren eine solche Beobachtung machen können. Eine Publikation dieses seltenen Be- fundes unterblieb, weil ich hoffte, bei weiteren Untersuchungen einen analogen Befund erheben zu können, und weil ich namentlich durch experimentelle Untersuchungen Aufklärung für dieses eigentümliche Vorkommen eigentlicher Knochenmarksherde in der Milz erwartete. Die Knochenmarksherde innerhalb der Milz fand ich bei der Autopsie eines ältern männlichen Leoparden. Wir haben hier in Basel den grossen Vorzug, die Tiere, die im zoologischen Garten sterben, sezieren zu können. Der Leopard war im Jahre 1912 unter etwas unklaren klinischen Darmsymptomen gestorben. Bei der Sektion fand man vollkommen normale Verhältnisse in Lungen und Herz. Bei den Zirkulationsorganen ist bemerkenswert eine ziemlich ausgedehnte Verkalkung der Wand der Aorta thoracica und abdominalis. Die Untersuchung der Abdominalorgane ergab einen normalen Bauchsitus. Im Darmtraktus war eine geringgradige katarrhalische Enteritis nachweisbar, die vielleicht durch eine ganz auffallend grosse Zahl von Exemplaren von Ascaris mystax bedingt war. Die übrigen Bauchorgane waren völlig normal mit Ausnahme der Milz. Die Milz zeigte normale Grösse. Die Kapsel ist zart. Die Pulpa ist braunrot, von normaler Konsistenz. Die Follikel sind ziemlich klein, die 374 E. Hedinger. Trabekel sind deutlich. In der Pulpa zerstreut liegen in grosser Zahl 1—3—5 mm messende Herde, deren Deutung mir völlig unklar war. Ich dachte zunächst am ehesten an irgendwelche parasitäre Herde. Am Knochensystem war nichts besonderes nachzuweisen ; irgendwelche ältere, durch stärkere Dislokation der Fragmente auf- fallende Frakturen waren nirgends nachweisbar. Von allen Organen, besonders von der Milz, wurden Stücke in Formol fixiert und dann mikroskopisch untersucht. Die mikro- skopische Untersuchung der Milz zeigte nun ein ganz unerwartetes und sehr auffallendes Bild. Wie aus den beigegebenen Figuren ohne weiteres hervorgeht, handelt es sich um eine Reihe von Knochen- marksherden, die ganz diffus in der ganzen Milz zerstreut sind. Die Follikel der Milz sind ziemlich klein und bestehen aus einer nicht Figur 1: Knochenmarksherd in der Milz eines Leoparden: Lupenvergrösserung, Der Herd besteht vorwiegend aus Fettmark. In der Milz zerstreut vereinzelte kleine Follikel. verdickten Follikelarterie, der meist nur an einer Seite lymphatisches Gewebe angelagert ist. Die Pulpa ist ziemlich blutreich, mässig zell- reich. Die Zellen sind teils Lymphocyten, teils etwas grössere Zellen mit mehr exzentrisch gelagertem Kern und kräftigem Protoplasma. An wenigen Orten, z. T. in der Nähe der gleich näher zu be- schreibenden Knochenmarksherde, findet man ganz vereinzelte Mega- karyocyten meist mit kräftigem eosinrotem Protoplasma und grossem dunklem pyknotischem Kern. Myelocyten konnte ich ausserhalb der Knochenmarksherde in der Milz nirgends nachweisen. Die Trabekel sind den normalen Befunden bei diesen Tieren entsprechend sehr gut ausgesprochen und enthalten reichlich feine elastische Fasern. Die Knochenmarksherde zeigen recht differente Grösse. Die kleinsten be- stehen aus zwei bis drei grossen Fettzellen; die grössern sind aus typischem gemischtem Mark zusammengesetzt. Häufig sind nament- lich im Zentrum der grössern Herde reichlicher Fettzellen angehäuft, während das myeloide Gewebe, besonders auch die protoplasma- Knochenmarksherde in der Milz. 375 haltigen Megakaryocyten in der Peripherie der Herde liegen. Gerade bei Herden mit reichlichern Megakaryocyten in der Peripherie be- merkt man dann auch in der umliegenden Milzpulpa diffus zerstreute Knochenmarksriesenzellen. In den grössern Knochenmarksherden findet man nicht selten Milztrabekel oder auch einige Follikel oder auch kleinere Inseln von Pulpagewebe. Eine bindegewebige oder knöcherne Begrenzung, wie man sie bei experimenteller Knochenmarkstrans- plantation in die Milz finden kann, fehlt hier durchwegs. Die zellreichen myeloiden Anhäufungen innerhalb der Knochen- marksherde in der Milz bestehen vorwiegend aus einkernigen, viel- Figur 2. Knochenmarksherd in der Milz eines Leoparden: Leitz Oc 1, Obj. 3: Man erkennt einen hauptsächlich aus Fettgewebe bestehenden Knochenmarksherd. Der Herd liegt ohne bindegewebige Abgrenzung in der Milzsubstanz. Zwischen den Fettläppchen erkennt man an einzelnen Stellen etwas stärkere Anhäufung von Knochenmarkszellen mit vereinzelten Megakaryocyten. fach mehr oder weniger deutlich eosinophil gekörnten Zellen mit zentral gelagertem mittelgrossem, ziemlich chromatinreichem Kern und einem kräftigen Protoplasma. Es handelt sich also um typische Myelocyten. Viel seltener sind ähnliche, etwas grössere und unge- körnte Zellen, also Myeloblasten. Daneben findet man auch selten einkernige Zellen mit etwas exzentrisch gelagertem Kern mit An- deutung von Radspeichenanordnung des Ohromatins, hellem Hof um den Kern und stark ausgesprochenem Protoplasma. Es liegen also Zellen vor, die wohl am ehesten Plasmazellen entsprechen. Dann kann man mitten unter diesen Zellen, bei denen die gekörnten Myelocyten aber ganz bedeutend überwiegen, vereinzelte Lymphocyten und mehr- 376 E. Hedinger. kernige Leukocyten nachweisen. Selten sind rundliche Zellen mit hämoglobinhaltigem Protoplasma und dunklem kleinen chromatin- reichem Kern, also Erythroblasten. Wechselnd ist der Gehalt an Megakaryocyten. Sie sind, wie ich bereits hervorgehoben habe, oft in den äussern Teilen der Knochenmarksherde stärker angehäuft. Einzelne Herde entbehren hingegen der Megakaryocyten fast völlig. Es handelt sich bei diesen Knochenmarksriesenzellen z. T. um mehr- kernige Riesenzellen, meist aber um einkernige Gebilde, wobei der Zellkern oft allerdings sehr bizarre Formen aufweist. Die Kerne sind auffallend chromatinreich und fast durchwegs von einem kräf- tigen eosinroten Zelleib umgeben. Sogenannte freie Kerne sind kaum nachweisbar. Ich konnte innerhalb der Herde ebensowenig: wie in deren Umgebung Knochengewebe nachweisen. Die mikroskopische Untersuchung der andern Organe verlief fast völlig negativ. Ich kann mich deswegen sehr kurz fassen. In einigen Lymphdrüsen fallen die ziemlich stark erweiterten Lymphsinus auf; die Keimzentren der Sekundärknötchen sind überall gut entwickelt. In den geraden Kanälchen der Nieren findet man hie und da einige Kalkzylinder, ein bei Tieren ja häufig zu erhebender Befund. Die Leber zeigt hie und da in den Glissonschen Scheiden einige Lympho- cyten. Veränderungen im Sinne einer myeloiden Metaplasie konnte ich weder in der Leber, noch in den Lymphdrüsen, noch in den Nieren nachweisen. Pankreas, Hoden und Nebenhoden zeigen keine Veränderungen. Die mikroskopische Untersuchung der Aorta ergibt in den innersten Schichten der Media, selten auch auf die Intima übergreifende zir- kumskripte Verkalkungsprozesse, die völlig der experimentellen Medianekrose und Mediaverkalkung der Kaninchen entsprechen. In den Lungenkapillaren kann man einige freie Megakaryocyten- kerne und dann ganz selten auch Megakaryocyten mit Zelleib nachweisen. Wenn ich den Befund kurz rekapituliere, so finden wir bei einem ausgewachsenen männlichen Leoparden, der klinisch unter Darm- störungen unklarer Natur zugrunde gegangen ist und bei dem die Autopsie einen geringen Darmkatarrh zeigt, in der Milz bei der makroskopischen Betrachtung eine Reihe weisser, mässig transparenter Herde, die sich mikroskopisch als typische Knochenmarksherde er- weisen, bestehend aus Fettzellen, Myelocyten, Lymphocyten, Myelo- blasten, Leukocyten, Erythroblasten und Megakaryocyten. Eine myeloide Metaplasie konnte in der Milz weder in der Pulpa noch in den Follikeln nachgewiesen werden. Die übrigen Organe zeigen ausser den Lungen, die in ihren Knochenmarksherde in der Milz. 377 Kapillaren stellenweise mehr oder weniger degenerierte Megakaryo- cyten aufweisen, keine nennenswerten Veränderungen. Ich habe seit dieser Beobachtung Gelegenheit gehabt, eine ziem- lich grosse Zahl wilder Tiere z. T. aus derselben Spezies wie der Leopard und auch anlässlich einer Reise in Südafrika eine sehr grosse Zahl von Haustieren zu sezieren, konnte aber, obschon die Milz fast immer auch mikroskopisch untersucht wurde, nie mehr einen analogen Befund erheben. Bei der Betrachtung dieser eigentümlichen Knochenmarksherde in der Milz erheben sich zunächst zwei Fragen: haben wir es zu tun mit eingeschleppten und dann weiter gewucherten Knochenmarks- elementen oder handelt es sich hier um eine autochthone Bildung von Knochenmark, die nichts anderes zu bedeuten hat als eine weitere Entwicklung der hämatopoetischen Funktion, die der Milz im intrauterinen Leben unter normalen Verhältnissen zukommt. Gegen die zweite Hypothese spricht allerdings a priori die enorme Selten- heit soleher ausgebildeter Knochenmarksherde in der Milz. Eine Entscheidung konnte hier nur auf experimentellem Wege gebracht: werden. Dr. Matsuoka unternahm mit mir eine grössere experimentelle Untersuchungsreihe. Der Gang der Experimente war ohne weiteres klar vorgezeichnet. Wir mussten zunächst feststellen, ob es gelingen würde, Knochenmark in die Milz zu transplantieren und dieses unter verschiedenen Eingriffen und Reizungen als lebens- fähiges Transplantat nachzuweisen. Dann musste eruiert werden, ob man eventuell experimentell eine myeloide Metaplasie der Milz er- zeugen konnte, bei der mit der Zeit aus den myeloiden Herden eigent- liches gemischtes Knochenmark wurde. Diese Untersuchungen ver- sprachen uns ferner, ganz abgesehen von der speziellen Fragestellung, noch Aufklärung in einigen strittigen Punkten der Lehre der myeloiden Metaplasie der Organe. Ich gebe in dieser Arbeit nur eine kurze Übersicht über die ge- wonnenen Resultate. Dr. Matsuoka wird über diese Untersuchungen in verschiedenen Arbeiten, die nächstens im Journal of pathology and bacteriology erscheinen werden, ausführlich referieren und dort auch die einzelnen Protokolle über die verschiedenen Experimente und die einschlägige Literatur bringen. Ausserdem wird Dr. Matsuoka über mehrere andere Fragen, die durch diese Experimente aufge- worfen wurden und die ihre Beantwortung fanden, berichten. Ich bringe die Experimente nur insoweit, als sie uns helfen, den eigentüm- lichen Befund von Knochenmarksherden in der Milz zu erklären. Um einwandsfreie Resultate zu bekommen, haben wir unsere Untersuchungen auf eine ziemlich breite Basis gestellt. Die ge- 318 E. Hedinger. wonnenen Untersuchungsresultate stützen sich auf die Erfahrungen an 77 Kaninchen. Über die Möglichkeit, Knochenmarksgewebe in die Milz mit Er- folg zu transplantieren, sind wir nur sehr unvollkommen orientiert. O. M. Chiari berichtet im Jahre 1912 in einer vorläufigen Mitteilung über einen Fall einer erfolgreichen Transplantation in die Milz. Das Kaninchen wurde einer intensiven Röntgenbestrahlung mit Ab- deckung der Milzgegend ausgesetzt und zeigte 5 Monate nach der Transplantation ein ziemlich intensives Wachstum des transplantierten Knochenmarkes. Wir haben nun in 32 Fällen autoplastisch Knochenmark in die Milz transplantiert. Wir entnahmen in Narkose Knochenmark dem Femur und brachten es in die Milz desselben Tieres. In 7 Fällen wurde eine homoioplastische Transplantation vorgenommen, d.h. wir brachten Femurmark eines Kaninchens in die Milz eines andern Kaninchens, wobei wir darauf achteten, wenn irgendwie möglich, die Transplantation an gleichaltrigen und gleichgefärbten Geschwistern des gleichen Geschlechtes vornehmen zu können. In drei Fällen wurde autoplastisch Knochenmark sowohl in die Milz wie in die Leber trans- plantiert; in zwei Fällen transplantierten wir nur in die Leber allein. Um das Knochenmarksfett mit andern Fettsorten vergleichen zu können, transplantierten wir bei sechs Kaninchen autoplastisch Peritonealfett und in drei Fällen Fett aus der Nackengegend in die Milz. Eine weitere Untersuchungsreihe wurde unternommen, um die biologische Wertigkeit des Transplantates festzustellen und dann um die sogenannte myeloide Metaplasie der Organe, besonders der Milz, hervorzurufen. Diese Untersuchungen sollten zeigen, ob es eventuell möglich wäre, bei starker, lange dauernder myeloider Metaplasie die Bildung von eigentlichem gemischtem Knochenmark in der Milz zu erzwingen. Unsere Untersuchungen ergaben, um dies gleich vorwegzu- nehmen, dass die Transplantation des Knochenmarkes in die Milz mit grosser Regelmässigkeit positiv verläuft, und dass das Trans- plantat in der Milz sich sehr lange, bis über ein halbes Jahr, in voll- kommener Funktionstüchtigkeit halten kann. Bei der autoplastischen Transplantation von Knochenmark aus dem Oberschenkel in die Milz sieht man in der ersten Zeit nach der Transplantation in der Umgebung des Transplantates mehr oder weniger ausgesprochene Blutungen, durch die das Transplantat schon nach kurzer Zeit in ziemlich innigen Kontakt mit dem Milzgewebe kommt. Schon nach einigen Tagen kommt es zur Resorption dieser Blutungen, sodass im allgemeinen 11 Tage.nach der Transplantation Knochenmarksherde in der Milz. 379 diese Blutungen verschwunden sind. Infolge der Blutungen zeigen oft die peripheren Partien des Transplantates etwas seröse Durch- tränkung. Dann wirken das Transplantat an und für sich und auch die Blutungen in dem Sinne, dass in der Milz eine Behinderung des Abflusses des Venenblutes zustande kommt und gleichzeitig auch eine geringe Auswanderung von Leukocyten und Lymphocyten. Fast zur gleichen Zeit, etwa 12 Stunden nach der Transplantation, wuchern Bindegewebszellen der Milzpulpa und dringen stellenweise in die Peripherie des Transplantates ein. Gleichzeitig zeigen sich auch ver- einzelte Plasmazellen vom Typus Marschalkos. Vom zwölften Tage an sieht man hie und da Knochengewebe auftreten. Man kann nun ziemlich leicht den Nachweis leisten, dass hier neugebildeter Knochen vorliegt, und nicht eventuell Knochen aus der Spongiosa des Femur, der mittransplantiert wurde, weil dieser Knochen, wenn er mittrans- plantiert wird, sehr rasch nach der Transplantation zerfällt und ge- wöhnlich schon 6 Tage nachher zugrunde geht. Diese Knochenneu- bildung nimmt allmählich zu. Sie kann z.B. 6 Monate nach der Transplantation solche Grade erreichen, dass dann das Transplantat fast kontinuierlich von Knochen umgeben werden kann. Im Gegen- satz zu dem raschen Zerfall des mittransplantierten Knochengewebes aus dem F'emur halten sich nun die Markzellen ausserordentlich gut, und man kann bereits 5 Tage nach der Transplantation Regenerations- erscheinungen der Markzellen nachweisen, indem sowohl in den Myeloblasten als auch in den Myelocyten Kernteilungsfiguren er- kennbar sind. 50 Tage nach der Transplantation wird im allgemeinen die Regeneration des Knochenmarkes besonders deutlich. Die Rege- neration ist vorzugsweise in der Peripherie des Transplantates aus- gesprochen, während im Zentrum des Transplantates mehr atrophische Prozesse, meist aber in geringem Masse, nachzuweisen sind. 5 Monate nach der Transplantation zeigt das Transplantat mehr und mehr den Typus eines gemischten Markes, d.h. eines Markes, das aus Mark- und Fettzellen besteht. Es kommt mit zunehmendem Alter des Trans- plantates immer mehr ein Mark zum Vorschein, das vollkommen dem- jenigen entspricht, das man in den Oberschenkeln nachweisen kann. Durch diese Untersuchungen ist also mit Bestimmtheit der Be- weis geleistet, dass die spezifischen Knochenmarkselemente sich ausserordentlich gut in der Milz umzüchten lassen. Diese leichte Um- züchtbarkeit der Markelemente in der Milz steht mit manchen An- gaben in der Literatur in einem gewissen Gegensatz ; so erwähnen, um nur einige Autoren zu nennen, z. B. Bruns und Maas, dass bei Trans- plantation des Knochenmarkes unter die Haut, in die Bauchhöhle und zwischen die Muskeln, die Knochenmarkselemente sehr rasch ver- schwinden, und dass später nur neugebildeter Knochen vom Trans- 380 E. Hedinger. plantat übrig bleibt. Die erfolgreiche Autoplastik des Knochenmarkes - in unsern Fällen ist hauptsächlich bedingt durch die Wahl der Milz als Mutterboden. Die Milz ist erstens sehr gut vaseularisiert und stellt dann auch in biologischer Beziehung für das Mark einen ziemlich adäquaten Boden dar. Die Fettzellen des transplantierten Knochenmarkes zeigen in den ersten Stunden nach der Transplantation stellenweise seröse Durch- tränkung und seröse Atrophie. Der Gehalt der Fettzellen an Neutral- fett nimmt ab, während die Blaufärbung mit Nilblau zunimmt. Die Fettzellen werden mit der Zeit mehr und mehr spindel- bis stern- förmig und enthalten zum Schluss nur noch ganz geringe Mengen von Fett. Im allgemeinen erreicht allerdings das transplantierte Fett nicht den Grad der Atrophie und der Degeneration wie die transplantierten Markzellen. Es zeigt also mit andern Worten im grossen und ganzen mehr Resistenzfähigkeit als die spezifischen Markzellen. Diese grössere Resistenzfähigkeit ist auch den Knochenmarksriesenzellen oder den Megakaryocyten gegenüber nachzuweisen. Man findet in den ersten Stunden nach der Transplantation sowohl im Transplantat als auch in der umgebenden Milzsubstanz ziemlich reichlich Mega- karyocyten. Diese Megakaryocyten zeigen sehr häufig, besonders wenn sie verschleppt sind, starke Schrumpfung des Kerns und Zerfall. Häufig liegen einfach nackte, degenerierte Megakaryocytenkerne vor. Was nun das weitere Schicksal der Fettzellen des transplantierten Knochenmarkes betrifft, so treten sie namentlich in der Peripherie des Transplantates in der Periode, in der das Transplantat stärkere Markhyperplasie aufweist, zurück ; später aber, wenn das transplan- tierte Knochenmark mehr und mehr zur Ruhe kommt, kann man im ganzen Transplantat manchmal ausserordentlich reichlich typische grosse Fettzellen nachweisen. Das vorher genannte Ödem des Transplantates und seiner Um- gebung geht meistens schon nach einer Woche vollkommen zurück. Man findet sehr häufig im Anschluss an die Transplantation von Knochenmark in die Milz eine stärkere Pigmentierung der Milz- substanz, wobei mit der Berlinerblaureaktion das Pigment sich als Haemosiderin erweist. Dieses Pigment liegt entweder frei in der Milzsubstanz verstreut oder besonders um das Transplantat herum, oder dann intrazellulär und besonders in den Reticuloendothelzellen. Diese Pigmentierung kann schon 4 Tage nach der Transplan- tation ihren Anfang nehmen und z.T. auch auf die Follikel der Milz und auf das Transplantat selber übergreifen. Es ist selbstver- ständlich, dass z. T. die Intensität der Pigmentierung abhängig ist von der Intensität der Blutung bei der Transplantation. Wenn das Transplantat nach Wochen und Monaten wieder allmählich zur Ruhe Knochenmarksherde in der Milz. 381 gelangt, so tritt auch der Pigmentgehalt der Milz mehr und mehr zurück, bis normale Werte entstehen. Bei der Autoplastik des Knochenmarkes in die Milz kann man nun mit grosser Regelmässigkeit weitere Veränderungen in der Milz- pulpa nachweisen. 5 Tage nach der Transplantation treten regel- mässig zum Teil ganz entfernt vom Transplantat in der Milzsubstanz myeloide Herde auf. Das Auftreten dieser Herde in der eigentlichen Milzsubstanz fällt ziemlich mit dem Momente zusammen, in dem regenerative Wucherungen der Markzellen des Transplantates pin- setzen. Im Beginn der Bildung der myeloiden Herde bestehen diese fast ausschliesslich aus Myeloblasten. Je grösser und zahlreicher die myeloiden Herde werden, umsomehr nehmen die Myelocyten in diesen Herden zu, wobei auch z. T. Mitosen nachzuweisen sind. Man kann auch einzelne Megakaryocyten finden, während die Vorstufen der roten Blutkörperchen, die Erythroblasten, meist erst später sich zeigen. Diese können bei geringgradigerer Ausbildung der myeloiden Herde eventuell auch ganz fehlen. | Die myeloiden Herde der Milzsubstanz treten im Beginn nur um das Transplantat auf; sobald aber die Wucherung der Markzellen im Transplantat stärker wird, findet man in der ganzen Milz myeloide Herde. Ausserordentlich interessant ist, dass solche Herde auch in Nebenmilzen, die zufälligerweise ja nicht selten vorkommen, auf- treten können. Wenn das transplantierte Knochenmark zur Ruhe ge- langt, d.h. ungefähr nach 4—5 Monaten, gehen auch die myeloiden Herde in der Milz vollkommen zurück. Was nun die feinere Lokalisation dieser myeloiden Herde in der Milz betrifft, so zeigen sich die ersten Herde zunächst ausschliesslich in den Pulpasträngen; erst später treten dann auch myeloide Herde in den venösen Kapillaren der Milzpulpa und eventuell auch in den Lymphfollikeln auf. Bei der Erklärung dieser myeloiden Herde liegt es natürlich am nächsten, sie rein mechanisch durch Einschwemmung von Seiten der Transplantatzellen her entstehen zu lassen, umsomehr, als z. B. eine Transplantation von reinem Fettgewebe, wie ich später noch zeigen werde, keine myeloide Metaplasie der Milz nach sich zieht. Eine weitere Möglichkeit zur Erklärung der myeloiden Metaplasie wäre darin gegeben, dass bei der operativen Schädigung des Femurmarkes Zellen in die Zirkulation hinein gelangen, die dann die Lungen- kapillaren passieren und in der Milz abgelagert werden, und dort weiter wuchern. Diese Erklärung kann ich deswegen ablehnen, weil wir myeloide Metaplasie auch bei der Homoioplastik des Knochen- markes nachweisen konnten. Dass diese myeloide Metaplasie eventuell durch den bei der Operation entstandenen Blutverlust bedingt 382 E. Hedinger. würde, kann auch sehr leicht ausgeschlossen werden, da der Blut- verlust bei den Tieren nie derart war, dass daraus eine sekundäre Anaemie resultiert wäre. Wir haben dann, um namentlich die An- nahme einer Einschleppung von Markzellen aus dem Knochenmark auszuschliessen, das Blut genauer untersucht; wir konnten dort keine Markzellen nachweisen. Was nun die Frage der Verschleppung der Markzellen aus dem Transplantat in die Milzpulpa betrifft, so lässt sich folgendes sagen. Bei den Experimenten sah man in den ersten Tagen nach der Transplantation in den Venensinus der Milz Mega- karyocyten, während andere Markzellen fehlen. Wenn die myeloiden Herde auftreten, findet man gewöhnlich in den Venensinus keine Megakaryocyten mehr. Wenn wirklich die myeloiden Herde aus den Myelocyten des Transplantates hervorgehen würden, so müsste man erwarten, dass die ausgeschwemmten Zellen hauptsächlich aus den ziemlich ausgereiften Markzellen und nicht aus Myeloblasten be- stehen. Ich habe nun bereits vorher hervorgehoben, dass dem nicht so ist, sondern dass die ersten Zellen besonders Myeloblasten sind. Dieser Befund und die Berücksichtigung der Lokalisation in den Pulpasträngen und nicht in den Blutgefässen der Milz sprechen da- für, dass hier eine autochthone Genese der myeloiden Elemente vor- liegt. Wir bekamen bei unsern Experimenten z. T. Bilder, die fast völlig den Bildern entsprechen, wie man sie im embryonalen Organis- mus finden kann, bei dem die Haematopoese noch im vollen Gange ist. Was nun die Mutterzellen dieser myeloiden Herde betrifft, so ist es wahrscheinlich, dass diese myeloiden Zellen weder aus den Pulpaelementen, noch aus den Lymphzellen im weiteren Sinne des Wortes, noch aus Gefässendothelien im Sinne von Schridde und Lobenhofer hervorgehen, sondern aus Bindegewebselementen, die den Adventitiazellen von Marchand am ehesten entsprechen. Bei der Homoioplastik von Femurmark in die Milz erhielten wir folgende Befunde: die Adaptation des Transplantates an den Mutter- boden ist bei der Homoioplastik ebensogut wie bei der Autoplastik. Die Bindegewebswucherung um das Transplantat und auch im Trans- plantate selbst ist im allgemeinen stärker als bei der Autoplastik und nimmt. mit zunehmendem Alter noch zu. Das transplantierte Knochenmark zeigt bei der Homoioplastik viel mehr regressive Prozesse als progressive. So ist es ohne weiteres erklärlich, dass dieses Transplantat, obschon auch in ihm Regenerationserscheinungen der Markzellen nachzuweisen sind, 4—5 Monate nach der Trans- plantation meistens auf kleine Herde von Bindegewebe und Paren- chymzellen reduziert ist. Die Fettzellen erweisen sich auch bei der Homoioplastik resistenter als die spezifischen Markzellen. Bei der Homoioplastik von Knochenmark in die Milz kommt es ebenfalls Knochenmarksherde in der Milz. 383 zur Bildung von myeloiden Herden in der Milzpulpa, die manchmal sehr stark ausgeprägt sein können. Auch hier zeigt es sich, dass die ersten Zellen besonders Myeloblasten sind. Mit zunehmendem Alter treten auch bei der Homoioplastik die myeloiden Herde wieder zurück. Interessant sind die Befunde in den operierten Oberschenkeln. Die mikroskopische Untersuchung zeigte unmittelbar nach dem operativen Eingriff ziemlich intensive Blutungen, die zu regressiven Prozessen der Fettzellen und auch der spezifischen Markzellen in diesen Bezirken führen. Dann tritt eine exquisite Wucherung der Markelemente auf, so dass meistens schon 3 Wochen nach der Operation weitgehende Regeneration des Knochenmarkes nachzu- weisen ist und meistens nur der stärkere Pigmentgehalt der operierten Stelle eine Unterscheidung von andern Stellen des Knochenmarkes 1m Oberschenkel erlaubt. Bemerkenswert ist, dass in einer Reihe von Fällen bei Autoplastik des Knochenmarkes in die Milz neben den myeloiden Herden in der Milz auch solche in der Leber und in einigen Fällen auch in der Niere nachgewiesen werden konnten. Wir haben nun auch versucht, Knochenmark in die Leber zu transplantieren und zwar autoplastisch. Der Versuch wurde an fünf Tieren vorgenommen. Die Verklebung des Transplantates mit dem Lebergewebe geschieht im allgemeinen fast ebenso rasch wie in der Milz. Auch in der Leber kommt es durch das Transplantat selbst und durch die Blutungen zu einer im allgemeinen allerdings nur ge- ringeradigen, lokalisierten Stauung. Im Zentrum des Transplantates kann man in den ersten Tagen nach der Verpflanzung noch geringe Zeichen von Wucherung nachweisen. Eine heterogene Regeneration von Seiten der eigentlichen Lebersubstanz in der direkten Umgebung des Transplantates ist nicht nachzuweisen; es fehlen auch die myeloiden Herde in der Leber und auch in der Milz konnten wir in diesen Fällen keine Rückwirkung des Transplantates der Leber in dem Sinne nachweisen, dass eine myeloide Metaplasie sich ausge- bildet hätte. Auch bei dieser Art von Transplantation erweisen sich die Fettzellen resistenter als die Markzellen; zum Schlusse aber wird doch das ganze Transplantat in der Leber resorbiert, so dass schon nach 1—2 Monaten das Transplantat gewöhnlich völlig verschwunden ist. Diese rasche Resorption des Transplantates entspricht den Befunden, die Minura erheben konnte, indem auch bei ihm bei Transplantationen des Knochens das Knochenmark etwa ein Monat nach der Ver- pflanzung in der Leber verschwunden war. Wir versuchten nun Fettgewebe in die Milz zu transplantieren, um die Reaktion der Milz auf eine solehe Transplantation festzu- stellen und namentlich auch um eventuelle Differenzen in der Re- 384 E. Hedinger. aktion und der Vitalität des Fettes des Knochenmarkes und des Fettes, wie man es im subcutanen Fettgewebe oder auch im peritonealen Bindegewebe findet, festzustellen. Diese Versuche stützen sich auf 9 Experimente. Ich habe schon bei der Autoplastik und bei der Homoioplastik des Knochenmarkes hervorgehoben, dass im allge- meinen die Fettzellen des Markes resistenter sind als die Mark- elemente. Das Fettgewebe des Peritoneums und aus dem sogenannten primitiven Flemmingschen Fettorgan der Nackengegend erwies sich bei der Verpflanzung als sehr resistenzfähig. Die Milz reagierte z. T. mit einer stärkeren zelligen Infiltration bei der Transplantation, die aus Lymphocyten und Leukocyten besteht. In den ersten Tagen nach der Fettransplantation sieht man manchmal in der ganzen Milz ver- einzelte verschleppte Fettrôpfchen in den Venensinus. Gleichzeitig kann man meistens auch eine ‚Erhöhung des Lipoidgehaltes der Reticulo-Endothelzellen nachweisen. Die Fettzellen des Transplan- tates werden z. T. etwas atrophisch. Später aber erholt sich das Fett- gewebe mehr und mehr; man kann dann sehr leicht nachweisen, dass auch einzelne Bindegewebezellen der benachbarten Milzpulpa zu Fett- zellen umgewandelt werden. Eine besondere bindegewebige Umhül- lung um das Transplantat ist nicht nachweisbar. 100 Tage nach der Transplantation ist das Fettgewebe bereits völlig adaptiert. Ein Unterschied in dem Verhalten des transplantierten Peritonealfettes oder des transplantierten primitiven Fettorganes ist nicht nach- weisbar. Wir sehen also aus diesen Experimenten, dass sowohl das Knochenmarksfett als auch das Fett im Peritoneum, wie endlich das- jenige des sogenannten primitiven Fettorganes der Nackengegend mit Erfolg in die Milz transplantiert werden können. Bei diesen Transplantationen von Fettgewebe fand sich nirgends eine myeloide Metaplasie weder in der Milz noch in andern Organen. Eine grössere Untersuchung und eine Reihe von Experimenten wurden dann dadurch bedingt, dass wir die Vitalität des transplan- tierten Knochenmarkes zu bestimmen suchten. Wir wollten feststellen, ob eventuell durch bestimmte Einflüsse Veränderungen des Trans- plantates bedingt werden können, die mit den Veränderungen des Knochenmarkes in den Knochen korrespondieren. Wir haben zu dem Zwecke zunächst mehrere Tiere, bei denen eine Transplantation von Knochenmark in die Milz vorgenommen war, mit Kulturen von Staphylokokken, Streptokokken und Tuberkelbazillen behandelt. Ich möchte nur kursorisch auf die dabei gewonnenen Resultate eingehen. Bei den Kaninchen, die 4—7 Wochen nach der Injektion von Strepto- und Staphylokokkenkulturen an chronisch verlaufender Sepsiszugrunde gegangen waren, fand man erstens eine Umwandlung des gewöhn- Knochenmarksherde in der Milz. 385 lichen Knochenmarkes in den Knochen in ein zellreiches Mark und merkwürdigerweise auch eine ganz analoge Metamorphose des Trans- plantates. In andern Fällen fand man sowohl im Mark der langen Röhrenknochen, als auch im transplantierten Knochenmarke stellen- weise gallertige Umwandlung neben zellreichem Gewebe. Interessant ist, dass man bei chronischer Infektion in der Milz noch myeloide Herde zu einer Zeit nachweisen konnte, in der bei nicht behandelten Tieren solche Herde nach der- Transplantation nicht mehr gefunden werden. Die mikroskopischen Befunde sprechen hier ebenso für eine autochthone Genese der myeloiden Herde. Das Auftreten dieser myeloiden Herde bei chronischer Infektion stimmt gut mit Be- funden der Humanpathologie überein. Die Infektion mit Tuberkelbazillen, die bei 3 Tieren mit Milz- transplantation vorgenommen wurde, zeigte, dass hier eine Reaktion auf das Knochenmark und auch eine Reaktion auf das Transplantat und die Milzpulpa nur in geringem Grade eintritt. Besonders wertvoll war für die Prüfung der biologischen Resistenz des transplantierten Knochenmarkes ein Versuch mit Blut- giften und mit wiederholten Aderlässen. Wir konnten durch Aderlässe die Tiere ziemlich anaemisch machen. Diesen Untersuchungen liegen zum Teil wieder Fälle mit Transplantation zugrunde. Das in die Milz transplantierte Knochenmarkstück war in den meisten Fällen nach den Aderlässen vergrössert und meistens zu einem zellreichen Marke um- gewandelt. Man sah auch hier, dass die Reaktion des Transplantates ganz parallel ging der Reaktion des Knochenmarkes in den Knochen. Die Milz antwortete mit einer myeloiden Metaplasie und mit einer Vermehrung des Lipoidgehaltes der Retieulo-Endothelzellen. In- teressant ist, dass die myeloide Metaplasie in der Milz, in die Knochenmark transplantiert wurde, gleich stark ausgesprochen ist, wie bei Tieren, bei denen keine Transplantation vorgenommen und bei denen ebenfalls Aderlässe stattgefunden haben. Eine geringgradige myeloide Metaplasie war auch in der Leber und in den Nieren nach- weisbar. Die myeloiden Herde waren auch hier in der Milz besonders in den Pulpasträngen gelagert, und bestunden vorzugsweise aus Myelocyten und Myeloblasten und wenig Normoblasten. Man konnte auch zeigen, dass, wenn einmal durch eine Reihe von Aderlässen ein bestimmtes Stadium einer posthaemorrhagischen Anaemie sich ausge- bildet hat, dann in spätern Zeiten schon sehr geringgradige Blutent- ziehungen genügen, um diese Anaemie aufrecht zu erhalten, indem die Regenerationskraft des Knochenmarkes allmählich abnimmt. Wir haben dann auch Tiere, bei denen wir zunächst die Milz operativ entfernten, einer Reihe von Aderlässen ausgesetzt, um die Frage der experimentellen myeloiden Metaplasie der Leber etwas ge- 25 386 E. Hedinger. nauer zu studieren. Wir konnten im allgemeinen bei solchen Tieren in der Leber viel weniger myeloide Herde finden als bei nicht entmilzten Tieren. Eine weitere Versuchsreihe beschäftigte sich mit den Ver- änderungen, die nach Darreichung von Pyrogallol entstehen. Pyro- gallol ist schon seit langer Zeit als ein schweres Blutgift bekannt und wurde stets bei experimentellen Anaemien benutzt. Wir nahmen hier drei Versuchsreihen vor, indem wir die Pyrogalloleinwirkung bei nor- malen Tieren, dann bei Tieren, bei denen zunächst die Milz entfernt war und endlich bei Tieren, bei denen Knochenmark in die Milz transplantiert wurde, untersuchten. Unsere Befunde waren folgende: das transplantierte Knochenmark war bei allen Versuchen in ein ziem- lich zellreiches rotes Mark umgewandelt, in dem Myeloblasten und Erythroblasten vorwiegen konnten. Die Milz war stets vergrössert und zeigte eine starke Anhäufung von Blutpigment und dann zahl- reiche, oft in Gruppen zusammenstehende, myeloide Herde. In der Leber fand man ebenfalls ziemlich reichlich Blutpigment, nament- lich in den Kupfferschen Sternzellen und einzelne myeloide Herde, die auch in den Nieren nachzuweisen waren. Im Knochenmark der Knochen konnte man zellreiches Mark nachweisen. Bei schweren Vergiftungen fand man hie und da auch Partien von Gallertmark im Femur. Kam Gallertmark im Knochenmark des Oberschenkels vor, so konnte man meistens auch im Transplantate Inseln von Gallertmark nachweisen. Bei den entmilzten Kaninchen konnten wir durch Pyro- gallol ebenfalls eine starke Anaemie hervorrufen, die z. T. fast noch stärker war als bei den milzhaltigen Tieren. In der Leber waren nur wenig myeloide Herde nachzuweisen. Interessant war, dass bei ent- milzten Tieren besonders die Lymphdrüsen stark pigmenthaltig wurden. Unsere Befunde sprechen also ebenfalls dafür, dass bei fehlender Milz die Lymphdrüsen die Fähigkeit bekommen, Eisen zurückzuhalten. Da wir auch bei entmilzten Tieren, allerdings in ge- ringerer Menge, in der Leber myeloide Herde bekommen, so spricht dieser Befund gegen die Theorie, nach der die myeloiden Herde der Leber besonders durch Einschwemmen von Myelocyten aus der Milz zustande kommen. Man kann die gewonnenen Resultate in einigen Sätzen folgendermassen zusammenfassen. Bei Kaninchen gelingt es, konstant autoplastisch Knochenmark in die Milz zu transplantieren. Das transplantierte Knochenmark zeigt dieselbe Reaktionsmöglichkeit wie das übrige Knochen- marksgewebe in den Knochen, indem es durch verschiedene Blutgifte und durch Aderlässe in selbem Sinne beeinflusst wird. Kurze Zeit nach der Transplantation tritt eine mye- Knochenmarksherde in der Milz. 387 loide Metaplasie der Milz auf, die dann aber verschwindet, wenn das transplantierte Knochenmark zur Ruhe gelangt. Diese myeloide Metaplasie ist, wie die Berücksichtigung der topographischen Verhältnisse zeigt, nicht die Folge einer Verschleppung von Knochenmarkszellen aus dem Transplantat oder aus dem Knochenmark der langen Röhrenknochen, sondern sie entsteht autochthon aus Mar- chand’schen Adventitiazellen in der Milz. Durch das Knochenmark, das in die Milz transplantiert wird, wird also ein myeloider Proliferationsreiz auf die Milz ausge- löst. Die homoioplastische Transplantation von Knochen- mark in die Milz gelingt ebenfalls sehr leicht; nur wird dann nach Ablauf von ca. 5—6 Monaten das Transplantat resorbiert. Bei der homoioplastischen Transplantation kommt es ebenfalls zu einer myeloiden Metaplasie der Milz. Die Fettzellen des Knochenmarkes sind im allgemeinen etwas resistenter als die Markzellen; sie verhalten sich im allgemeinen biologisch ganz gleich wie gewöhnliche Fett- zellen. Bei der Transplantation von Knochenmark in die Leber wird das Transplantat rasch resorbiert. Eine mye- loide Metaplasie ist in der Leber kaum ausgesprochen und fehlt in der Milz dabei vollkommen. Wenn in der Leber und auch in den Nieren myeloide Metaplasie vorkommt, so sind die Herde meistens extravasculär. Diese myeloiden Herde der Leber entstehen auch dann, wenn zunächst ein Ka- ninchen entmilzt worden ist. Auffallend ist allerdings, dass die milzhaltigen Kaninchen bei experimentell be- dingter Anaemie reichlicher myeloide Herde in der Leber haben als die entmilzten. Merkwürdigerweise sind auch degenerative Prozesse im Leberparenchym bei der experi- mentellen Anaemie bei milzhaltigen Kaninchen stärker als bei den entmilzten Tieren. Man steht also unter dem Eindruck, dass bei den milzhaltigen Tieren aus der schwer geschädigten Milz Stoffe in die Leber kommen, die dort be- sondere Veränderungen hervorzurufen befähigt sind. Diese ausgedehnten experimentellen Untersuchungen haben er- geben, was ja völlig mit Experimenten anderer Autoren überein- stimmt, dass selbst bei einer sehr schweren und lange dauernden myeloiden Metaplasie der Milz ein Weiterwuchern der myeloiden Herde in dem Sinn, dass typisches gemischtes Mark daraus wird, nicht vorkommt. Diese Befunde sind wohl so eindeutig, dass ich ohne weiteres es ablehnen kann, die Knochenmarksherde in der Leoparden- milz als Endstadien einer einmal aus irgend welchen Gründen einge- 388 E. Hedinger. tretenen postuterinen myeloiden Metaplasie zu bezeichnen. Diese Be- funde machen es auch sehr unwahrscheinlich, dass diese Herde ge- mischten Knochenmarkes in der Milz eine eigentümliche Weiterent- wicklung der normalen myeloiden Herde der embryonalen Milz dar- stellen. Unsere Experimente scheinen dafür zu sprechen, dass wir es hier bei den Knochenmarksherden in der Milz mit Produkten einer durch das Tier selbst besorgten autoplastischen Transplantation von Knochenmark zu tun haben, d.h. dass hier eine ausgedehnte Paren- chymembolie vorliegt. Über das Schicksal embolisierter Parenchym- zellen und ganzer Gewebe existiert eine ausgedehnte Literatur. Ich möchte hier nur etwas genauer auf die Veränderungen eintreten, welche embolisierte Knochenmarkselemente und ganze Knochenmarks- fetzen durchmachen. Durch zahlreiche Untersuchungen sind wir orientiert, dass Knochenmarkszellenembolien, namentlich Megakaryocytenembolien und selbst Knochenmarksgewebsembolien sehr häufig bei Menschen und auch bei Tieren durch mechanische oder toxische oder infektiös- toxische Prozesse bedingt werden können. Dr. Matsuoka und ich konnten auch bei unseren Experimenten fast konstant Embolien von Knochenmarksriesenzellen in den Lungenkapillaren nachweisen, wo- bei man auf freie pyknotische Kerne und auf protoplasmahaltige Riesenzellen stiess. Für unsere Beobachtung von Knochenmarks- herden in der Leopardenmilz ist interessant, dass man beim Töten der Kaninchen durch Nackenschlag nicht selten ausgedehnte Embolien von Knochenmarksgewebe fand. Dabei handelte es sich bald um reines Fettmark, bald um gemischtes Mark. Bei den pyknotischen Kernen, die man bei embolisierten Knochenmarksriesenzellen in der Lunge findet, braucht es sich auch nach unseren Untersuchungen nicht um Kernalterationen zu handeln, die sich erst in den Lungenkapillaren ausbilden, da man auch bei operierten und nicht operierten Tieren die gleichen pyknotischen Kerne im Knochenmark finden kann. Diese verschleppten Knochenmarksriesenzellen und auch die ver- schleppten Knochenmarksgewebsfetzen gehen nach den Unter- suchungen von Lubarsch, seines Schülers Lengemann, von Maximow, Ogata, um nur einige Autoren zu nennen, in den Lungengefässen schon nach einigen Tagen völlig zugrunde. Für unsere Beobachtung von Knochenmarksgewebe in der Milz nehme ich als weitaus das Wahrscheinlichste an, dass hier durch eine spontane autoplastische Transplantation Knochenmark in die Milz gelangt ist. Wenn man die bereits kurz genannten Erfahrungen der Pathologie berücksichtigt, so ist eine solche Annahme wohl ohne weiteres gegeben. Wir haben allerdings bei der Autopsie des Knochenmarksherde in der Milz. 389 Leoparden keine Knochenläsion, die für die Verschleppung des Knochenmarkes in Betracht kommen könnte, nachweisen können, wo- bei wir aber ohne weiteres zugeben, dass eine geringere ältere Läsion sehr leicht übersehen werden kann. Der positive oder negative Be- fund einer solchen Läsion ist allerdings im Prinzip ziemlich gleich- gültig, da schon ganz geringgradige und nicht immer traumatische Beeinflussungen des Knochenmarkes genügen, um ausgedehnte Em- bolien von Parenchymzellen und. von ganzen Parenchymstücken herbeizuführen. Eine viel grössere Schwierigkeit besteht darin, den Weg festzu- stellen, auf dem die Knochenmarksherde in die Milz gelangt sind. Bei ganz intakter Zirkulation müssen wir annehmen, dass die Knochen- marksherde die Lungenkapillaren passiert haben. Bei der Grösse der einzelnen Milzherde ist diese Annahme allerdings etwas gezwungen. In Berücksichtigung unserer experimentell gewonnenen Resultate können wir uns aber sehr wohl vorstellen, dass die zunächst kleinen Knochenmarksherde nach ihrer Ansiedelung in der Milz weiter ge- wachsen sind. Viel unwahrscheinlicher ist die Annahme, dass vielleicht durch ein offenes Foramen ovale eine paradoxe Embolie sich ausgebildet hat. Das Protokoll bemerkt nichts von einem Offenbleiben des Foramen ovale. Zur Zeit, in der die Knochenmarksherde in die allge- gemeine Zirkulation gelangten, wurden sicher Herde in die ver- schiedensten Organe verschleppt. Wir konnten sie aber trotz ausge- dehnter histologischer Untersuchung nur in der Milz nachweisen. Dieser Befund von Knochenmarkselementen nur in der Milz erklärt sich aber sehr leicht erstens in Berücksichtigung der früher kurz skizzierten Literatur über Knochenmarksembolien und dann auch in Berücksichtigung der Resultate der experimentellen Transplantation von Knochenmark in die verschiedenen Organe. Unsere Transplan- tationsresultate waren auch nur für die Milz positiv, während z. B. das Transplantat in der Leber schon nach kurzer Zeit verschwand. Die Milz ist deswegen für die Transplantation so günstig, weil sie einen adäquaten Boden für das Knochenmark darstellt. Durch unsere experimentellen Untersuchungen sind wir auch in den Stand gesetzt, über das Alter der Knochenmarksherde in der Milz Auskunft zu geben. Die Herde in der Milz entsprechen völlig einem ruhenden, ganz der neuen Umgebung angepassten, gemischten Knochenmark. Wir erhielten solche Bilder 4—5 Monate nach erfolg- reicher Transplantation. Unsere experimentellen Befunde machen es also sehr wahrscheinlich, dass die Milzherde beim Leoparden min- destens 4 Monate alt sind; es ist aber selbstverständlich, dass sie viel älter, vielleicht Jahre alt, sein können. 390 E. Hedinger. Mit einem Wort will ich noch auf die gefundenen Mega- karyocyten ausserhalb der Knochenmarksherde in der Milz und auf die Knochenmarksriesenzellen in den Lungenkapillaren eingehen. Bei den erstern handelt es sich wohl um ganz lokale Verschleppungen aus den Knochenmarksherden in der Milz, da man sie besonders in der Nähe solcher Herde findet, in deren Peripherie ziemlich reichlich Knochenmarkriesenzellen vorkommen. Bei den Megakaryocyten der Lungen liegen wohl die gewöhnlichen Knochenmarksriesenzellen vor, wie man sie so häufig unter den verschiedensten Bedingungen finden kann. Welches Moment gerade bei dem Leoparden diese Ausschwem- mung in die Lungenkapillaren bedingt hat, vermag ich nicht an- zugeben. Dieser Befund von Knochenmark in der Milz, der die Veranlas- sung zu ausgedehnten experimentellen Untersuchungen war, ist um- gekehrt wieder eine sehr hübsche Bestätigung unserer durch das Experiment gewonnenen Resultate. In diesem Falle hat die Natur selbst durch eine ausgedehnte autoplastische Transplantation von Knochenmark in die Milz dokumentiert, dass solche Herde in der Milz angehen und sich dort wohl Monate, eventuell auch Jahre hin- durch als vollwertiges gemischtes Mark halten können. Literatur '). Chiari, O. M. Vorläufige Mitteilung über Knochenmarkstransplantation. Münch. med. Wochenschr. 1912 Heft 46. Foa—. Beitrag zum Studium des Knochenmarks. Zieglers Beiträge zur patho- logischen Anatomie und zur allgemeinen Pathologie, Bd. 25, 1899. Lengemann, R. Ueber die Schicksale verlagerter und embolisierter Gewebsteile im tierischen Körper. Dissert. Rostock 1897. Lengemann, P. Knochenmarksveränderungen als Grundlage von Leukocytose und Riesenkernverschleppung. Zieglers Beiträge zur pathologischen Anatomie und zur allgemeinen Pathologie, Bd. 29, 1901. Lubarsch. Zur Lehre der Parenchymzellenembolie. Fortschritte der Medizin, 1893. Lubarsch. Ueber Knochenmarksgewebsembolie. Virchows Archiv, Bd. 151, 1898. Lubarsch. Zur Lehre von den Geschwülsten und Infektionskrankheiten. Wies- baden 1899. Verlag von Bergmann. Lubarsch. Die allgemeine Pathologie. Bd. 1, 1. Abteilung. Wiesbaden 1905. Verlag von Bergmann. Maximow. Zur Lehre von der Parenchymzellenembolie der Lungenarterien. Virchows Archiv, Bd. 151, 1898. Ogata, S. Megakaryocytenembolie und Knochenmarksembolie in Lungenkapillaren. Zieglers Beiträge zur pathologischen Anatomie und zur allgemeinen Pathologie, Bd. 53, 1912. Pathologisch-anatomisches Institut der Universität Basel, 16. März 1917. 1) Eine ausführliche Literaturbesprechung findet sich in den Arbeiten von Dr, Matsuoka im Journal of pathology and bacteriology 1917. Ein neuer Fall von Symbiose zwischen einem Bakterium und einem Pilz. Von W. Bally. Als Zederbauer in einer 1903 erschienenen Abhandlung er- klärte, die von Zukal, Thaxter und früheren Autoren unter dem Namen Myxobakterien beschriebenen Organismen seien nichts anderes als eine Symbiose von Pilzen und Bakterien, ,, Spaltpilzflechten”, wie er sich in Anlehnung eines Vorschlags von Wettstein ausdrückte, stiess er auf ein allgemeines Schütteln des Kopfes. Schon der erste Kritiker der Arbeit, Solms-Laubach, hat auf die stark anzu- zweifelnden Resultate Zederbauers hingewiesen und bei der Ge- legenheit daran erinnert, dass er selbst bei einem früheren Aufenthalt in Java echte Myxobakterien gesehen habe. 1904 haben sich dann gleichzeitig der Entdecker der Myxobakterien, Thaxter, und E. Baur zu den Zederbauer’schen Angaben geäussert. Thaxter konnte den Vorwurf Zederbauers, er selbst habe Symbiosen von Pilzen und Bakterien als ,,Myxobakterien ange- sehen, zurückweisen und zu gleicher Zeit zeigen, dass es sich bei den ihm in Kulturen und Präparaten von Zederbauer übersendeten an- geblichen Myxobakterien 1m einen Fall, bei Myxococcus incrustans, wahrscheinlich um ein ausgetrocknetes, verschimmeltes Plasmodium eines Myxomyceten, das durch reichliche Fruktifikationen eines Torula-ähnlichen Hyphomyceten geschwärzt erscheint und in dem sich natürlich auch Bakterien ansiedeln können, im andern, bei dem von Zederbauer als Chondromyces glomerulatus beschriebenen Or- ganismus um die wohlbekannte Tremellinee Coryne sarcoides (Jacg.) Tul. (= Tremella sarcoides Fries) handelt, die wohl meines Erachtens zufällig in Bakterienkolonien hineingeraten ist. Kürzer wird Zederbauer von E. Baur abgefertigt: „Ich bin überzeugt, Zederbauer hat überhaupt nie ein richtiges Myxo- bakterium gesehen, sonst hätte er eine derartige verkehrte Ansicht ganz unmöglich vertreten können. Die von ihm beschriebenen Or- 392 W. Bally. ganismen mögen ja so etwas wie eine Symbiose zwischen Fadenpilzen und Bakterien sein, mit den von Schröter, Thaxter, Zukal u.a. beobachteten Myxobakterien haben sie aber auch nicht das mindeste zu tun.“ Die schönen Untersuchungen von Thaxter, Baur, Quehl und Vahle lassen denn auch heute jeden Zweifel an dem Vorhandensein von Myxobakterien, die sogar eine recht formenreiche Familie dar- stellen, nichtig erscheinen, mag man auch über ihre systematische Stellung noch so verschiedener Ansicht sein. Das musste schliesslich auch Zederbauer (06) in seiner letzten Arbeit, die ich leider nur nach dem Sammelreferat von Pavillard kenne, zugeben. Ein Teil der als Myxobakterien beschriebenen Organismen seien echte Myxo- bakterien, ein anderer Teil richtige Bakterien, ein dritter endlich Symbiosen von Bakterien und Pilzen, Spaltpilzflechten, zu diesen ge- höre zum Beispiel — was mir nach der sorgfältigen spätern Arbeit Vahles höchst unwahrscheinlich vorkommt!) — auch Chondromyces crocatus. Vorsichtiger drückt sich der Lehrer Zederbauers, Wett- stein, in seinem Handbuch der systematischen Botanik aus: ‚Die Auffassung E. Zederbauers, nach der die Myxobakterien eine Ver- einigung von Pilzen und Spaltpilzen darstellen, ist irrtümlich und beruht auf der Untersuchung von zur Entscheidung der Frage nicht geeigneten Materials, die Tatsache, dass eigentümliche Verbindungen von Pilzen und Spaltpilzen existieren, geht aber aus seinen Unter- suchungen hervor, nur haben diese Formen mit den echten Myxo- bakterien nichts zu tun.“ Viel Anklang haben diese ,,Symbiosen‘ auf keinen Fall ge- funden, denn sie werden weder in dem inzwischen erschienenen Ar- tikel ‚Symbiose des Handwörterbuchs der Naturwissenschaften, noch in dem trefflichen Aufsatz des früher auch in Wien tätigen. und mit den Arbeiten Zederbauers wohl sicher bekannten Vouk erwähnt. Es deutet das wohl darauf hin, dass-solche Symbiosen nicht allzu häufig sind. In den Fällen, wo Pilze oder Algen Schleim aus- scheiden, bietet dieser natürlich manchmal einen willkommenen Nähr- boden für alle möglichen Bakterien. Aber man wird sich hüten müssen, dabei gleich von Symbiose zu sprechen. Ein mehr oder weniger unschuldiger Parasitismus dürfte das gegenseitige Verhältnis besser bezeichnen. Um was es sich bei dem von mir untersuchten 1) Während der Korrektur bin ich in den Besitz der Arbeit von Zederbauer (06) gelangt. Ein erneuter Vergleich mit den Angaben Vahles stimmt mich jetzt etwas mehr für Zederbauer. Die Gründe dafür anzuführen, fällt ausser- halb des Rahmens dieser Arbeit. Immerhin scheint mir trotz der vielen bis- herigen Forschungen eine erneute Untersuchung von Chondromyces crocatus nicht überflüssig. Symbiose zwischen einem Bakterium und einem Pilz. 393 Fall handelt, das soll nach der Beschreibung des Vorkommens, Aus- schens und der Kulturen der zu beschreibenden Lebensgemeinschaft diskutiert werden. Fig. 1. Koremium van Dendrostilbella macrospora. in Wasser. 2. DD.!) .) Alle Figuren sind mit der Abbeschen Camera gezeichnet. Die arabischen Ziffern geben die zur Zeichnung verwendeten Oculare, die Buchstaben die Objektive des Zeiss- schen Mikroskopes an. > 394 W. Bally. Im Februar 1917 zeigten sich auf Pferdemist, den ich, um Pilze für das Praktikum zu gewinnen, hielt, und der einige Zeit unter einer Glasglocke auf dem Heizkörper der Dunkelkammer des Instituts, bei einer Temperatur, die wohl um 30° betragen haben mag, gestanden hatte, besonders an dunkeln Stellen und da wieder Strohstücke bevor- zugend 1/, bis 1/, mm hohe, mit einem auf Berührung hin leicht zerfliessenden Köpfchen versehene an Mucorineensporangien er- innernde Gebilde. Eine flüchtige mikroskopische Untersuchung einiger dieser in Fig. 1 abgebildeten Pilze liess mir den Pilz als eine Myxobakterie erscheinen. Auf einem keine deutlichen Hyphen er- kennen lassenden, etwa. 200 u langen Stiel sassen in Schleim einge- bettet ausserordentlich grosse, an die Cysten von Chondromyces er- innernde sporenartige Gebilde. Bei stärkerer Vergrösserung waren auch in diesem Schleim zahlreiche Bakterien zu erkennen. Ich war also der Meinung, ich habe es mit einem Chondromyces zu tun, der sich allerdings durch seine weisse Farbe von den bisher beschriebenen Arten unterscheidet. Die Verfolgung der Lebensgeschichte im hängenden Tropfen und besonders auf Mistdekoktagarkulturen sollte mich bald eines andern belehren. Impfte ich dem Köpfchen entnommenes Material auf eine Petri- schale mit Mistdekoktagar, so bot sich mir stets das Bild einer matt- weissen, später gelb werdenden, etwas opaleszierenden mit scharfem Rand begrenzten Bakterienkolonie, an deren Peripherie nach ein bis zwei Tagen Pilzhyphen aussprossten. Bald vermochte die Bakterien- kolonie dem nach allen Seiten auswachsenden Pilz nicht mehr zu folgen, die Hyphen wuchsen nun bakterienfrei weiter. Nicht lange dauerte es auch, bis sich auf der Bakterienkolonie die oben be- schriebenen Fruktifikationen des Pilzes zeigten, sie wuchsen bald zu äusserst stattlichen Gebilden an, es konnte auch gelegentlich einmal vorkommen, dass zwei oder drei solcher schleimiger Köpfchen zu- sammenflossen und dass dann die Sporenmasse wie ein grosser Klumpen auf zwei oder drei Füssen stand. Auch hier zeigten sich im Schleim, der die Sporen zusammenhielt, stets die Bakterien. Sie lassen sich besonders gut mit den in der Bakteriologie üblichen Färbe- methoden nachweisen. So färben sie sich intensiv mit dem Ziehlschen Karbolfuchsin, eine Färbung, bei der die Pilzsporen infolge allzu intensiver Speicherung keine deutlichen Inhaltsbestandteile mehr er- kennen lassen (Fig. 2). Was ich sonst bis jetzt über die Bakterien ermittelt habe, sei gleich beigefügt. Eine nähere Beschreibung behalte ich mir für später vor. Es sind 4u lange, 1/, u breite, lebhaft bewegliche Stäbchen. Über die Begeisselung habe ich mich noch nicht orientiert. Sporenbildung ist deutlich wahrzunehmen. In jungen Kulturen finden sich selten, in Symbiose zwischen einem Bakterium und einem Pilz. 395 alten häufiger sporenbildende Stäbchen mit ein oder zwei Sporen. Das Bild erinnert ganz an den altbekannten Bacillus subtilis. Auf zweiprozentigem Mistdekoktagar lassen sie sich, wie erwähnt, gut kultivieren; auf zehnprozentiger Bierwürzegelatine erfolgt lang- sameres Wachstum ohne Verflüssigung. Auch das kulturelle Verhalten soll noch näher untersucht werden,, hier sei nur bemerkt, dass die Kultur der Bakterien ohne den zugehörigen Pilz ganz gut zu be- werkstelligen ist. Verfolgen wir das weitere Schicksal der der Bakterienkolonie entwachsenen Pilzfäden! Zu meinem Erstaunen traten in einiger Fig. 2. Fig. 2. Teil eines Köpfchens auf dem Deckglas angetrocknetes mit Ziehlschem Karbolfuchsin gefärbtes Präparat. Von den Konidien sind nur die Umrisse ein- gezeichnet. 12. Ap. Imm. Entfernung von dem Rand der Bakterienkolonie in ringförmiger An- ordnung neue Fruktifikationen auf, die den in der Mitte stehenden bakterienhaltigen Köpfchen durchaus glichen, nur gewöhnlich in der Masse der produzierten Sporen etwas hinter jenen zurückstanden. Aussen an diesem Ring wuchs das Mycel weiter, um nach einiger Zeit in einem weiteren konzentrischen Ring neue Köpfchen zu bilden, so zeigte sich das bekannte Bild der Hexenringbildung. Von diesen bakterienfreien Köpfchen liessen sich direkt Sporen auf neuen Nähr- boden impfen und so gelangte ich zu sicher bakterienfreien Kulturen des Pilzes. | 396 W. Bally. Bevor ich auf die Bedeutung der leichten Trennbarkeit der beiden Komponenten für die Beurteilung des ganzen als Symbiose eingehe, sollen der Entwicklungsgang des Pilzes, soweit ich ihn in meinen Kulturen verfolgen konnte, und seine systematische Zuständigkeit dis- kutiert werden. Gehen wir von den von mir zuerst als Cysten angesprochenen Ge- bilden aus. Sie müssen, was sich aus dem folgenden ergibt, als Konidien, nach einem neueren Vorschlag von Renner, dem ich mich gerne anschliesse, richtiger als Ektogonidien bezeichnet werden. Ein- zig der Kürze halber und einem alteingewurzelten Brauche der Myko- logen folgend, spreche ich in der Folge von Konidien. Was uns zuerst auffällt, ist ihre für Pilzkonidien sehr stattliche Grösse. Es sind läng- liche Gebilde, deren Längsachse 24—30 u misst und deren Breite durchschnittlich 8 w beträgt. Bei dieser ansehnlichen Grösse ist es denn hier auch leichter als wie bei andern Pilzkonidien, sich über die Fig. 3. Fig. 3. Konidien nach Färbung mit Ehrlichschem Methylenblau und nachheriger Behandlung mit 10/oiger Schwefelsäure. 12. Ap. Imm. Inhaltsbestandteile etwas näher zu orientieren. Schon bei Lebend- betrachtung sind an den beiden Enden Höfe, die von stark licht- brechenden Körnern umgeben sind, zu sehen. Diese Höfe sind, so viel ich bis jetzt beurteilen kann, Vacuolen. Die stark lichtbrechenden Körner färben sich mit Ehrlichschem Methylenblau und behalten den Farbstoff nach Behandlung mit ein- prozentiger Schwefelsäure; sie färben sich gleichfalls mit Karbol- fuchsin, nach einprozentiger Schwefelsäurebehandlung bleiben sie allein als schwarzgefärbte Gebilde in der Zelle sichtbar; setzt man nach Methylenblautinktion Jodjodkali zu, so erscheint der Protoplast gelbbraun, die Körner schwarz gefärbt, in fünfprozentiger Natrium- karbonatlösung verblasst die Schwarzfärbung nur sehr langsam, in kochendem Wasser sind die Körner unter Hinterlassung von kleinen Vacuolen löslich. Alle diese Reaktionen deuten nach A. Meyer auf Volutin hin, und wir werden wohl nicht fehl gehen, wenn wir die Körner als Volutinkörner (corpuscules metachromatiques nach Guil- Symbiose zwischen einem Bakterium und einem Pilz. 397 lermond) bezeichnen (Fig. 3 und 4). Über die Kernverhältnisse bin ich, trotz vieler Mühe, die ich darauf verwandt habe und trotzdem ich mich an die Fixierungs- und Färbemethoden eines der besten Kenner der Pilzeytologie, Guillermond, hielt, noch nicht ins klare ge- kommen. qe Die Keimung der Konidien ist besonders gut an auf Agar aus- gesätem Material, das 24 Stunden gestanden ist, zu verfolgen. Als erstes Wahrzeichen kommender Keimung kann ein starkes Heran- wachsen der Konidien, das Auftreten einer einzigen zentralen Vacuole, die wahrscheinlich durch Zusammentreten der beiden endständigen entsteht und eine Ansammlung der Volutinkörner um diese Vacuole gelten. Es bildet sich dann, ohne dass ein Aufreissen der äussern Membran zu beobachten ist, ein Keimschlauch, in den bald zahlreiche gl Fig. 4. Fig. 4. Konidien nach Färbung mit Karbolfuchsin und 1P/oiger Schwefelsäure- behandlung. 4 E. Volutinkörner eintreten. Verzweigungen stellen sich früher oder später ein und auch die Querwandbildung dürfte von Kulturbedingungen ab- hängig sein. Im hängenden Tropfen gekeimte Konidien gliederten sehr früh den Keimschlauch durch eine Membran ab, solche, die auf Mistdekoktagar wuchsen, konnten zu stattlicher Länge anwachsen, bevor sich eine Septierung zeigte. Deutlich ist aber immer zu sehen, wie das Cyptoplasma der gekeimten Sporen vacuolig wird, wie die Volutinkörner verschwinden, teils wandern sie wohl in das junge Mycel aus, teils werden sie möglicherweise aufgelöst (Fig. 5 und 6). Das alles spricht dafür, dass wir es hier wie in andern Fällen mit einem eiweisshaltigen Reservestoff, der bei der Keimung teils ver- braucht wird, teils auswandert, zu tun haben. Wenn wir den konidienbildenden Ring einer Kultur genauer durchmustern, so gelingt es ohne grosse Mühe, alle Stadien der Ent- 398 W. Bally. Fig. 5. Keimende Konidien. Präparat in Wasser. 4 E. stehung der köpfchentragenden Fruktifikationen aufzufinden. Schon eine etwas sorgfältigere Untersuchung eines ausgewachsenen Kultur- exemplars zeigt, dass ein Koremium vorliegt; die einzelnen Hyphen die es zusammensetzen, sind manchmal im untern Teil nicht mehr Fig, 6. Fig. 6 Keimende Konidien. Präparat in Wasser. 4 E. Symbiose zwischen einem Bakterium und einem Pilz. 399 ganz gut zu erkennen, zerdrücken wir aber das ganze, so können wir namentlich an der Spitze mit aller Deutlichkeit die fächerförmig auseinandergespreizten Fäden, die an ihrem Ende die Konidien ab- schnüren, wahrnehmen. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 7. Konidientragende aufgerichtete Myceläste. 4. DD. Fig. 8. Junges Koremium. 4 DD. Wie kommt nun das Koremium zustande ? Der erste Schritt zu seiner Bildung ist das Aufrichten einer einzelnen Hyphe, die an ihrem Ende eine Konidie abschnürt. Ist die Konidie fertig ausgebildet, so trennt sie sich wohl durch eine Membran von ihrer langgestreckten, am Ende etwas keulig angeschwollenen Mutterzelle, bleibt aber doch durch den inzwischen abgeschiedenen Schleim mit ihr in lockerem Zusammenhang. Dann wächst die konidienerzeugende Zelle an der Konidie vorbei, so dass diese nach einiger Zeit seitlich von ihr zu 400 W. Bally. liegen kommt, worauf durch Ausbildung einer weitern Querwand eine neue Konidie entsteht. Das kann nun so weiter gehen, und leicht lassen sich einzelne aufgerichtete Hyphen erkennen, die an ihrer Spitze ein kleines Schleimtröpfehen mit einigen Konidien tragen. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 9. Junges Koremium. 4 DD. Fig. 10. Partie aus einem etwas älteren Koremium. 4 DD. Häufiger aber sind verzweigte Hyphen. Die Verzweigung geht dabei in den allermeisten Fällen vom akropetalen Ende der Zellen aus, dem zwei bis drei wirtelig gestellte Äste entspriessen. Diese sind entweder in einem spitzen Winkel abgespreizt oder lehnen sich, was häufiger vorkommt, an die Hauptachse an, die sie schliesslich in ihrem weitern Verlauf sogar überschneiden können. In jungen Koremien ist dieser Verzweigungsmodus ganz leicht zu eruieren (Fig. 7 und 8), später (Fig. 9 und 10) begegnet die Verfolgung der Symbiose zwischen einem Bakterium und einem Pilz. 401 einzelnen Hyphenäste schon grösseren Schwierigkeiten. Ich konnte mich aber überzeugen, dass durch solche wirtelige, akropetale Ast- bildung, die sich letzten Endes auf einen einzigen Mycelfaden zu- rückführen lässt, alle, auch die ältesten Koremien zustande gekommen sind. Zeichnerisch das darzustellen, hält ausserordentlich schwer, ich muss unter Bezugnahme auf meine Figuren, die immer nur die Spitzenpartien von Koremien darstellen, an die Phantasie des Lesers appellieren und darf noch auf die Figur 8 der Tafel I bei Vuillemin (10) hinweisen, wo meines Wissens zum ersten Mal eine derartige Koremienbildung für eine Graphium-ähnliche Koremienform von Rhinocladium Lesnei etwas deutlicher abgebildet ist. IR Ju 11. Chlamydosporen aus einer eintrocknenden Kultur. 4. E. Die Details der Konidiogenese sind aus meinen Figuren ohne weitere Erklärung ersichtlich. Der Vollständigkeit halber seien noch in austrocknenden Kulturen im hängenden Tropfen einmal entstandene Chlamydosporen erwähnt und abgebildet (Fig. 11). Zu welcher Gattung gehört nun der beschriebene Pilz? Dass es sich um einen Hyphomyceten handelt, ist ohne weiteres ersichtlich, und da werden wir, Lindau folgend, auf die Familie der Stilbaceae Fries geführt und stossen, wenn wir der Bestimmung einzig die Koremien zugrunde legen, an folgende Stelle: X Konidientragende Hyphen unverzweigt Stilbella. XX Konidientragende Hyphen baumartig verzweigt Dendrostilbella. Wenn wir uns nur an diese Stelle der Bestimmungstabelle halten, so kommen wir zweifellos zu Dendrostilbella. Sehen wir uns jedoch die Diagnose von Stilbella näher an, so finden wir dort: „Stiel aus 26 402 W. Bally. parallelen, meist verzweigten Hyphen zusammengesetzt, die nach oben divergieren und das Köpfchen bilden. Letzter Ausläufer der Hyphen als Konidienträger dienend, nicht regelmässig verzweigt, sondern meist ganz unverzweigt, am Ende eine Konidie oder wohl meist nach einander mehrere erzeugend.‘‘ Es kommt also ganz darauf an, was wir als „letzten als Konidienträger dienenden Ausläufer der Hyphen‘“ gelten lassen wollen. Ist als solcher Ausläufer eine einzige Zelle zu verstehen, so muss unser Pilz als Stilbella, ist unter Konidien- träger ein mehrzelliges Gebilde zu verstehen, als Dendrostilbella zu bezeichnen. Die zweite Auffassung wird wohl richtiger sein, und ich schlage deshalb vor, unsern Pilz der Gattung Dendrostilbella Höhn. zuzurechnen. Da ich die Species weder in Rabenhorsts Krypto- gamenflora, noch in Saccardos Sylloge fungorum beschrieben ge- funden habe, so sei ihr als nova species nach ihrem auffälligsten Merk- mal, den grossen Sporen, der Name Dendrostilbella macrospora ge- geben. Die Systematik der Fungi imperfecti steht, wie jeder Mykologe weiss, auf sehr schwachen Füssen. Das ist erstens darin begründet, dass wohl die allermeisten ihrer Vertreter nur Nebenfruchtformen anderer Pilze darstellen, und dass ferner bei genügend langer Kultur die verschiedensten Formen der Konidienbildung eintreten können, die, wenn man sie in der Natur isoliert finden würde, in sehr ver- schiedenen Gattungen untergebracht werden müssten. So sehen wir im vorliegenden Falle, dass die Bildung der Koremien, die ich zur Charakterisierung der Art herbeigezogen habe, sicher von äussern Be- dingungen abhängig ist, wie das ja für die Koremien von Pemicillium durch Wächter und Munk festgestellt werden konnte. Die besonders in etwas trockenen Kulturen vorgefundenen einfachen und ver- zweigten Konidienträger müssten, wenn wir sie für sich finden wür- den, zu andern Gattungen gezogen werden. Der systematisch sehr wenig wertvollen Einteilung der Hypho- myceten, wie sie Lindau im Anschluss an frühere Autoren in der Rabenhorstschen Kryptogamenflora durchgeführt hat und die sich in erster Linie auf die Farbe des Mycels und auf das Fehlen oder Vorhandensein von Koremien oder lagerartigen Polstern stützt, hat Vuillemin ein anderes Einteilungsprinzip, ‘das sich in erster Linie auf die Art der Entstehung der Sporen gründet, entgegengestellt. Folge ich seiner, meiner Ansicht nach richtigeren Einteilung, so komme ich auf die Klasse der Conidiospores und unter diesen auf die Familie der Sporophores. Eine weitere Bestimmung nach der 1912 gegebenen Tabelle führt dann allerdings zu keinem befriedigenden Resultat. Symbiose zwischen einem Bakterium und einem Pilz. 403 Die wirtelige, akropetale Verzweigung, auf die sich, wie wir gesehen haben, letzten Endes auch die Koremienbildung zurückführen lässt, würde, wenn wir keine Koremien zu Gesicht bekämen, auf die Gattung Verticillium unter den Mucedineen hindeuten. Ich hätte diese Ähnlichkeit gar nicht angeführt, wenn ich nicht kurz vor Abschluss dieses Manuskripts auf die von de Bary Seite 69 gegebene Abbildung von Dactylium macrosporum Fr. gestossen wäre, die mich sehr stark an meinen Pilz erinnert hat. Was de Bary Dactylium macrosporum Fr. nannte, ist nach Lindau als Diplocladium macrosporum (Link) Lindau zu bezeichnen. Die Konidien sind nämlich nicht, wie das für Dactylium charakteristisch ist, mehrzellig, sondern immer bloss zwei- zellig. Es ist ein mit zweizelligen Konidien versehenes Verticillium. Wenn wir aber von dieser Zweizelligkeit absehen, so stimmt die Ver- zweigung der konidientragenden Hyphen, die Konidiogenese und vor allem die Grösse der Sporen recht gut mit meiner Dendrostelbella über- ein, besser als mit irgend einem echten Verticillium. Anderseits führt die Einzelligkeit der Konidien unbedingt zu Verticillium, das aller- dings keine durch schleimige Ausscheidung zu Köpfchen vereinigten Konidien hat. So würden wir unsere Dendrostilbella wohl am besten als ein koremienbildendes Verticillium bezeichnen und es dem Urteil der Systematiker überlassen, ob der Pilz eher zu Dendrostilbella oder zu Verticillium zu stellen sei. Nach dieser etwas lang geratenen systematischen Abschweifung muss ich noch einmal auf die Frage der Symbiose zurückkommen. Zwei Anforderungen, die sich allerdings nicht immer strikt durch- führen lassen, werden häufig an eine Lebenserscheinung, für die die Bezeichnung Symbiose gerechtfertigt sein soll, gestellt. Einmal das gesetzmässige Zusammenleben der Komponenten und dann soll weiterhin ein Nutzen ersichtlich sein, der bei diesem Zusammenleben den beiden Teilen zugute kommt. Dass wir es am natürlichen Standort mit einem recht gesetz- mässigen Zusammenleben zu tun haben, darüber kann kein Zweifel, herrschen. Jede vom Pferdemist entnommene Dendrostilbella zeigt im Schleim des Köpfchens die Bakterien. Dass es hier sehr leicht ge- linst, die beiden Komponenten zu trennen, spricht auch nicht gegen die Bezeichnung der Lebensgemeinschaft als Symbiose, denn schliess- lich gelingt eine solche Trennung auch bei einem so festen Verband, wie er von Pilz und Alge in den Flechten dargestellt wird. Finden sich die beiden Commensalen, wenn sie zusammengebracht werden, wieder, so ist damit ein weiteres Argument für meine Anschauung gegeben. Nun ist mir so gut wie die Trennung auch die Synthese der beiden Komponenten gelungen. Ich brauchte bloss auf eine gut wachsende, reine Kolonie der Bakterien einige Konidien zu bringen, so traten 404 W. Bally. nach einigen Tagen auf dieser Kolonie wieder prachtvolle Koremien auf, die im Schleim der Köpfchen wieder die Stäbchen führten. Weiterhin wäre noch zu zeigen, dass es immer dieselbe Bakterien- species ist, die sich dort ansiedelt, und dass sich aus der reichlichen Bakterienflora des Mistes gerade diese Art an die symbiotische Lebensweise angepasst hat. Bis jetzt habe ich allerdings nie eine andere als wie die oben erwähnte, durch die Form und Farbe ihrer Kolonien, durch ihre Beweglichkeit und ihre Sporenbildung vorläufig einiger- massen charakterisierte Species vorgefunden, damit soll aber durch- aus nicht gesagt sein, dass uns nicht auch einmal eine andere Bakterie auf diesem so günstigen Nährboden begegnen könnte. Das würde aber an und für sich noch nicht gegen Symbiose sprechen, sehen wir doch, wie bei den Basidiolichenen dieselbe Thelephoree einmal mit einem Chroococcus die Flechte Cora, ein andermal mit Scytonema die Flechte Dictyonema bilden kann. Über das Nützlichkeits- oder Schädlichkeitsverhältnis der beiden Komponenten wage ich noch kein definitives Urteil abzugeben. Dass eine gewisse Förderung der beiden in ihrem Zusammenleben eintritt, scheint bis jetzt aus meinen Kulturen hervorzugehen. In den Bak- terienreinkulturen finden sich nach kurzer Zeit viel mehr Sporen als wie im Schleim der Dendrostilbellenküpfchen. Das mag für eine günstigere Zusammensetzung der dort gebotenen Nahrung sprechen. Anderseits scheinen mir bis jetzt die auf Bakterienkolonien er- wachsenen Koremien kräftiger und grösser zu geraten als die bak- terienfrei erzeugten. Ich mache jedoch diese Mitteilung unter allem Vorbehalt, verfüge ich doch erst über kulturelle Erfahrungen, die sich auf einen Zeitraum von fünf Wochen erstrecken. Über die Frage, worin ein eventueller Nutzen der beiden Kom- ponenten für einander besteht, zu spekulieren, scheint mir noch mehr verfrüht. Da können erst Kulturversuche auf gut bekannten Nähr- böden, die ich vorhabe und die mehr aussagen werden als die schönsten Theorien, Aufschluss erteilen. War es mir doch vorläufig nur darum zu tun, zu zeigen, dass hier ein zweifelloses und offenbar nicht rein zufälliges Zusammenleben eines Pilzes mit einem Bakterium vorliegt, das wir meines Erachtens so gut als Symbiose bezeichnen können, wie etwa die Lebensgemein- schaften von Bakterien und Schleimpilzen, die Vouk in seinem Ar- tikel anschliessend an die Arbeiten von Nadson und Pinoy auch als solche anspricht. Symbiose zwischen einem Bakterium und einem Pilz. 405 Zusammenfassung der Resultate. Auf Pferdemist wurde ein als Dendrostilbella macrospora nov. spec. beschriebener Fungus imperfectus gefunden, in dessen schlei- migen Köpfchen sich Bakterien vorfinden, die bewegliche sporen- bildende Stäbchen darstellen und die immer derselben Art angehören. In Kulturen wachsen die bei der Keimung der Konidien entstandenen Mycelfäden rascher als die gleichzeitig übergeimpften Bakterien. So ist leicht eine Trennung der beiden Symbionten möglich, anderseits lässt sich durch Aufimpfen der Konidien auf junge Bakterien- kulturen wieder eine Synthese erzielen. Diagnose der neuen Spezies. Dendrostilbella macrospora mihi. Vegetatives Mycel am natür- lichen Standort schwer zu erkennen, in der Kultur aus reich ver- zweigten, 3—4 u breiten, septierten Hyphen bestehende Rasen bildend. Konidien auf einfachen oder durch akropetale Astbildung wirtelig verzweigten Konidienträgern oder auf Koremien entstehend, durch Schleim in ein Köpfchen zusammengeballt, oval oder rundlich, Länge 24—30 u, Breite 8—10 u, meist zwei Vacuolen, die von Volutinkörnern umgeben sind, erkennen lassend. Koremien aus der wirteligen Verzweigung eines einzigen Mycelastes hervorgegangen, Höhe des Stiels 200—250 u, Breite bis 40 u. Auf Pferdemist bei höhern Temperaturen, Strohhalme und dunkle Stellen bevorzugend (Basel). Zitierte Literatur. de Bary, A. Vergleichende Morphologie und Biologie der Pilze. Leipzig 1884. Baur, E. Myxobakterienstudien (Archiv für Protistenkunde. Bd. V, 1904). Guillermond, A. Recherches cytologiques sur les levures (Revue générale de botanique XV. 1903). Handwörterbuch der Naturwissenschaften. Artikel Symbiose von Reichensperger, A., Nienburg, W. und Burgeff, H. Bd. IX, Jena 1913. Lindau, G. Fungi imperfecti. Hyphomyceten (Rabenhorsts Kryptogamenflora. Pilze. Bd. VIII 1907 und Bd. IX 1910). Meyer, A. Orientierende Untersuchungen über Verbreitung, Morphologie und Chemie des Volutins (Botan. Zeitung, Bd. LXII 1904). Munk, M. Ueber die Bedingungen der Coremienbildung bei Penicillium. (Myco- logisches Centralblatt, Bd. I, 1912). Pavillard, J. L’etat actuel de la protistologie vegetale (Progressus rei botanicae, Bd. III, 1910). Quehl, A. Untersuchungen über die Myxobakterien (Centralblatt für Bakt. etc. Abt. II, Bd. XVI, 1906). 406 W. Bally. Renner, O. Zur Terminologie des pflanzlichen Generationswechsels. (Biol. Centralblatt, Bd. XXXVI, 1916). Solms-Laubach, F., zu. Referat über die Arbeit von Zederbauer (Bot. Zeitung LXII, Abt. II, 1904). Thaxter, R. Notes on the Myxobacteriaceae (Botanical Gazette XXXVII, 1904). Vahle, C. Vergleichende Untersuchungen über die Myxobakteriazeen und Bak- teriazeen etc. (Centralbl. f. Bakt. etc. Abt. II, Bd. XXV, 1909). Vouk, V. Die Lebensgemeinschaften der Bakterien mit einigen höhern und niedern Pflanzen (Die Naturwissenschaften, Bd. I, 1913). Vuillemin, P. (10) Les Conidiospores. (Bull. de la soc. des sciences de Nancy, 1910). Vuillemin, P. (12) Sur une nouvelle espece de Tilachlidium et les affinites de ce genre (Bull. de la soc. mycologique de France. T. XXVII, 1912). Wächter, W. Ueber die Coremien des Penicillium glaucum (Jahrb. f. wiss. Botanik. IL. L., 1910). Wettstein, R. Handbuch der systematischen Botanik. 2. Auflage. Leipzig und Wien 1911. Zederbauer, E. [03) Myxobacteriaceae, eine Symbiose zwischen Pilzen und Bakterien. (Sitz.-ber. der kaiserl. Akad. der Wissensch. Wien, Math. nat. Klasse. Bd. CXII, Abt. I, 1903). Zederbauer, E. (06) Spaltpilzflechten (Oesterreichische botanische Ztschr. Bd. 1906). Zukal, H. (96) Myxobotrys variabilis Zuk., ein Repräsentant einer neuen Myxomycetenordnung. (Ber. der deutsch. bot. Ges. Bd. XIV, 1896). Zukal, H. (97 a) Notiz zu meiner Mitteilung über Myxobotrys variabilis Zuk. im 9. Heft des Jahrgang 1896. (Ibid. Bd. XV, 1897). Zukal, H. (97 b) Ueber die Myxobakterien (Ibid. Bd. XV, 1897). Basel, Botanisches Institut, 23. März 1917. Über eine Klasse von Funktionalgleichungen. Von O. Spiess. Einleitung. Ist x, = f(x) eine gegebene analytische Funktion, so nenne ich jede Funktion, die der Gleichung genügt (1) F(x,)= Fix) einen Ring von f(x). Jede Lösung der Gleichung (2) D) = aD(x) soll eine Axe von f(x) heissen, die Konstante a der Regulator der Axe. Gleichungen der Form (2) (Axengleichung, gewöhnlich Schrosder’sche Gleichung genannt) treten in der Theorie der automorphen Funk- tionen auf. Man betrachtet dort ® als gegeben und sucht algebraische Funktionen f(x), die zu verschiedenen Werten von a gehören. Man spricht dann von einem Multiplikationstheorem. Andere Fragen der Analysis (Funktionalgleichungen, Transformationsgruppen, Itera- tionsrechnung) führen auf das umgekehrte Problem, das uns hier allein beschäftigt, zu einem gegebenen f(x)Lösungen D zu bestimmen. Um dieses Problem zu lösen, bietet sieh als natürliches Hilfsmittel der Iterationsprozess dar, angewandt auf die Funktion f(x). Es ist vor allem das Verdienst von Koenigs,t) diese wichtige Operation auf einen exakten funktionentheoretischen Boden gestellt zu haben. Ihm und seinen Nachfolgern Grevy,?) Leau*) u.a.*) mehr gelang es damit, für allgemeine Klassen von Funktionen f(x) die Existenz einer analytischen Lösung von (2) nachzuweisen. Besitzt nämlich f(x) einen Fixpunkt ©, in dessen Umgebung die Funktion sich in eine reguläre Reihe entwickeln lässt, so liefert die Iterationsrechnung in 1) Koenigs. (Bull, d. Sciences Math.) (2) VII 1883. — Ann. d. l'Ec. Norm. Sup. (3) I (1884), II (1885). 2) Grévy. Ann. d. l’'Ec. Norm. Sup. (3) (1894) (1896). 3) Leau. Ann. de Toulouse XI. 1897. 4) Vgl. besonders Niccoletti. Mem. d. Soc. ital. d. Sc. 3a XIV (1906) mit Literaturverzeichnis. 408 O. Spiess. der Umgebung von & eine Lösung ®(x). Nur im Fall fo) = e?”ie (wo 0 irrational) versagt die Methode. Aber ausser der Existenz weiss man von diesen Funktionen ® so gut wie nichts. Der Zusammen- hang der Axen, die zu verschiedenen Fixpunkten gehören, die Gestalt von Existenz- und Wertbereich ete. ist unbekannt. Von trivialen Fällen abgesehen (in denen sich f(x) in geschlossener Form iterieren lässt), ist es in keinem Fall gelungen, von der Gleichung (2) aus- gehend, die Natur der Funktion ® zu erschliessen. Eine Ausnahme bildet bis zu einem gewissen Grade das Beispiel, mit dem Gauss?) eigentlich dies ganze Problem ins Leben gerufen hat. Seine Untersuchungen über das arithmetisch-geometrische Mittel führten ihn auf die Gleichung (2), in der 2 > a=2 war. Er fand die 2 Lösungen, die unsern späteren Formeln (3:) (3) ent- sprechen, doch ist aus den hinterlassenen Fragmenten nicht ersichtlich, inwieweit er rein auf jenen Reihen weiterbaute oder Resultate der anderweitig begründeten Theorie der elliptischen Funktionen heran- z0g,5) wie er dies in der fertigen Abhandlung über das arithmetisch- geometrische Mittel wirklich tat. Dort erscheint ® als Quotient zweier Funktionen %,, %,, die den Gleichungen genügen (B) vl 5, le) Gauss löst diese Gleichungen durch Potenzreihen, deren Gesetz er errät und die sich als Integrale derselben Differenzialgleichung er- weisen: (C) 2 (1x?) w" + (1-38) w' - cv = 0 Schliesslich ergeben sich %,, #, als bestimmte elliptische Integrale. Spätere Bearbeiter haben versucht, das empirische Moment aus- zuschalten und direkt von (B) auf (C) zu schliessen. Durch rein formale Prozesse geht dies natürlich nicht, da die Gleichungen (B) unendlich viele Lösungen besitzen, aber nur je eine, die bei 0 (resp. 1) reguläre, der Gleichung (C) genügt. Daher besitzt die Abhandlung von Borchardt?) eine wesentliche Lücke. Gänzlich ungenügend ist ferner ein Versuch von Schering in Gauss’ Werke Bd. III. Dagegen gibt Lohnstein®) eine richtige Ableitung, die freilich ohne Kenntnis des Resultats kaum zu finden war. Es war nun seit Jahren mein Ziel, das Problem der Gleichung (2) 5) Gauss. Werke II. 6) Vel. Schlesinger. Monatsher. d. Berliner Ak. 1898 (pag. 346). ?) Borchardt. Crelle 58 (1861). 8) Lohnstein. Ztschr. f. Math. u. Phys. 33 (1888). Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 409 mit den Mitteln der Iterationsgleichung allein durchzuführen, ohne etwa bei der Theorie der Differenzialgleichungen Anleihen zu machen. Es gelang mir, die Gedanken, die den zitierten Arbeiten zugrunde liegen, zu einer Methode auszubauen, die es tatsächlich gestattet, in verschiedenen Fällen mit wenig Rechnung ans Ziel zu gelangen. Ich werde diese Methode im folgenden an dem klassischen Beispiel (A) sowie an zwei andern Funktionen erläutern, bei denen das Resultat nicht a priori bekannt war. Darüber hinaus bin ich zu allgemeinen Sätzen gelangt, von denen in $ 4 einige gegeben werden. Es war vor allem nötig, den Begriff der Iteration einer analytischen Funktion in geeigneter Weise zu präzisieren, wodurch auch Funktional- gleichungen wie (1) und (2) erst einen exakten Sinn bekommen. Da- bei zeigt es sich, dass man bei mehrdeutigen Funktionen i. A. un- endlich viele Iterationsarten zu unterscheiden hat, die sich ganz ver- schieden verhalten können. Diese Dinge werden in $ 1 auseinander- gesetzt, $2 und $3 sind den speziellen Beispielen gewidmet, während $ 4 die allgemeinen Betrachtungen von $ 1 weiterführt. 81. Die Funktionen, deren Axen wir bestimmen werden, sind die folgenden: 2Vyx x (3 — x) æ(1 x) Eee Sie führen alle drei auf Modulfunktionen, was bei der zweiten und dritten neu ist. Im Folgenden sind auch die allgemeinen Betrach- tungen der notwendigen Kürze halber auf diese Beispiele zuge- schnitten. A. Kritische Punkte. Ist f(x) eine analytische Funktion, f-1=f ihre Inverse, so be- zeichne ichdie durch Iteration aus ihnen entspringenden Funktionen mit fe» fe: : : fi-2), fc. Verschiedene Zweige werden durch obere Indizes unterschieden. fm(x) heisse das n-te Iterat von f(x), wobei n, wie immer in dieser Arbeit, jede ganze (positive oder negative Zahl inkl. 0) bedeutet. Bezeichnet durchweg p eine positive ganze Zahl, so heisst f(x) ein aufsteigendes, f(p)(x) ein absteigendes Iterat. Die Verzweigungspunkte (V-Punkte) sämtlicher fa) heissen „kritische“ Punkte. Ist w ein V.-Punkt von f(x), so sind die sämtlichen Werte von f(pjw) V-Punkte von fy Im allgemeinen ist die Zahl der kritischen Punkte unendlich, doch können auch bloss endlich viele vorkommen. Diese bilden dann in bezug auf die Substitutionen f und "eine endliche Gruppe. Das ist der Fall bei den obigen Bei- 410 O. Spiess. spielen, für welche man die Gruppe der V-Punkte aus dem folgenden Schema abliest. B. Fixpunkte. Wir unterscheiden Fixpunkte erster bis vierter Art, je nachdem ein Zweig der Funktion x, = f(x) in der Umgebung eines solchen eine der folgenden Entwicklungen besitzt I x, — @=a(x -o)R ; la] Æ 1 Il =c(&—-0o) R ; a> 0 und #1 IT = e(x — o)R & = Einheitswurzel IV = e(x- ©) R a =irrational. Hierin bedeutet R eine Reihe der Form Belinea Lee) Es ist klar, dass die inverse Funktion f eine Entwicklung der gleichen Art besitzt, wobei an Stelle der Zahlen a, &, e” ihr reziproker Wert tritt. Die obigen Funktionen haben (ausser g(æ)) bloss Fixpunkte zweiter Art und zwar ist speziell » = 1, und a für f oder f gleich 2, d.h. eine ganze Zahl. Das letztere ist ein wesentlicher Umstand. Die Funktion g(x) besitzt ausserdem zwei Fixpunkte vierter Art in = BW a > , die hier keine Rolle spielen. C. Analytische Iteration. Sei & ein „gewöhnlicher“ d. h. nicht-kritischer Punkt und 5} einer der Punkte f(&). Wir verbinden Ë mit &, durch eine die kritischen Punkte vermeidende Linie W,. Wir bezeichnen denjenigen Zweig von f(x), der für æ — £ den Wert &, annimmt, mit x, und behalten diese Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 411 Bezeichnung bei beliebiger Bewegung von x bei. Wandert nun x von 5 über W, nach $,, so geht x, längs einer Kurve W,, zu einem Punkt 5,. Geht weiter x über W,, nach &,, so begibt sich x, über die Linie W,, nach &, u.s.f. Die so erhaltenen Werte ee bilden die zu W, gehörige „aufsteigende Iteralfolge“. Lassen wir jetzt die Variable x, von 5, über W, nach 5 wandern, so läuft + über eine Linie W Be zulgenem&lunktzssn Soeht>xr, mach EE æ über W 5, nach Ë , ete. So finden wir die „absteigende Iteral- folge“ zu W, so gelangt En a ee Die sämtlichen 8, bilden die totale Iteralfolge (zu W 9. Diese ist offen- bar durch die definierende „Bahn“ W, eindeutig bestimmt. Die aus den Linien ::: W, We W, W., ::: gebildete Kurve heisst totale Bahnkurve der Iteration. Wir bezeichnen nun den Zweig von fat) der für &=& den Wert 5, hat, mit x, und behalten diese Bezeichnung bei, wenn x von seiner Anfangslage & aus beliebige Wege beschreibt. Lassen wir also x längs einer Linie Z laufen, so beschreibt jeder Punkt x, eine Bildkurve Z, und bei jeder Lage von x bilden die Werte. die zu (x, L, W,) gehörige Iteralfolge. Offenbar können wir diese Folge statt durch analytische Fort- - setzung der x, aus den $ auch direkt nach derselben Methode entstehen lassen, indem wir dem x eine Bahn W, zuordnen, nämlich die aus den Kurven ZW.L, gebildete Linie. In der Tat, geht x über LW,L; nach æ,, so wandert x, über L;,W,L, nach x, etc. Es ist ferner klar, dass man dieselben (£,) und damit (x,) erhält, wenn man die Gestalt der Linie W, abändert, solange dabei nur kein kritischer Punkt über- schritten wird. Denken wir uns die Punkte x und x, durch einen dehnbaren Faden verbunden, der für x —£ die Lage von W ; hat und der bei Bewegung von x, x, mitgezogen wird, doch ohne jemals einen kritischen Punkt zu berühren. Wird nun für ein beliebiges x, das von 5 auf einem Wege L erreicht wurde, eine mögliche Lage des Fadens mit W „bezeichnet, so kann dieses W „als definierende Bahn der zu (x, L) gehörigen Iteralfolge dienen. Zwei auf die geschilderte Weise ineinander überführbare Bahnen W,, W, sollen „äquivalent‘‘ heissen oder „zur gleichen. Iterationsart y gehörig“. Dieselbe Bezeichnung gelte auch für die zugehörigen Iteral- 412 O. Spiess. folgen (2) (y,). Diese sind also durch analytische Fortsetzung längs einer x und % verbindenden Linie ineinander überführbar. Zwei Iteralfolgen hingegen, die aus nicht-äquivalenten Bahnen entspringen, gehen auf keine Weise Glied für Glied ineinander über, sie gehören verschiedenen Iterationsarten an. Führt æ eine geschlossene Bahn aus, die kritische Punkte um- kreist, so geht die Folge (x,) in eine Folge (æ*,) über, die sich von jener in mindestens einem Gliede (bei unsern Beispielen sogar in allen Gliedern von einem bestimmten Index an) unterscheidet. Jeder Punkt + der Ebene gehört somit 1. A. unendlich vielen Iteralfolgen an, die durch Angabe des Weges L zu unterscheiden sind. Wenn ich sage, „wir iterieren f(x) n-mal‘, so ist gemeint, dass die Variable von ihrem Anfangswert x an längs einer zu (x, L, W.) gehörigen Bahn- kurve nach x, geht. Denkt man sich indess eine Riemann sche Fläche, auf der sämtliche Funktionen Ten) eindeutig sind, so gehört jeder Punkt dieser Fläche einer einzigen Iteralfolge (der gewählten Iterationsart) an, und die Wahl einer Bahnkurve ist überflüssig. D. Konvergenz. Wir nehmen jetzt an, dass f(x) einen Fixpunkt © besitzt, bei dem ein Zweig die Entwicklung hat & = @=(x — &) (C0, + C(x = w)+ ) worin a eine positive ganze Zahl ist. Ein solcher Punkt heisse ein „regulärer Konvergenzpunkt zweiter Art‘. Ich nehme weiter an, dass ein Kreis © um ® existiert, in dem (ausser ©) keine weiteren kritischen Punkte liegen (‚‚isolierter‘‘ Fix- punkt). Dies trifft bei unseren Beispielen zu. Wir können dann den Kreis C so verengern, dass für alle Punkte x im Innern oder auf dem Rand (mit Ausnahme von ®) [x -o|l<|x-o| Verbinden wir ein bestimmtes x mit +, durch eine ganz innerhalb C gelegene Bahn W _,, so gilt für die so definierte Iterationsart lim x,= für alle x innerhalb C: p=co Bei einem Umlauf von x um « geht die absteigende Iteralfolge 2, in eine andere über, die Bahn W, in W’. Wir errichten über der Kreisfläche © ein Riemann’sches Flächenstück, das sich unendlich oft um den Punkt ® herumwindet und das ich den „Windungskreis C heisse. Jedem Punkt x dieser Fläche entspricht dann eine einzige aufsteigende Iteralfolge, die gegen Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 415 & konvergiert. Beschreibt x die Randlinie I’ des Windungskreises, so durchläuft x, eine ganz im Innern gelegene Linie 1", die mit I’ ein (unendlich gewundenes) Ringgebiet @ begrenzt. @ heisst ein Fundamentalbereich der Iteration. Durchläuft x den Bereich G, so beschreibt x, den Bildbereich G,: Die Bereiche G, @,, Go... füllen die Fläche C gerade einfach aus. Wir setzen nun die Fläche C dadurch fort, dass wir G durch die inverse Funktion I) sukzessive abbilden. Lassen wir x, den Bereich @ durchlaufen, so erzeugt der Punkt x (den wir uns mit flächebildender Materie belastet denken) einen an G anschliessenden Bereich G_,, aus diesem entsteht analog ein G@_,ete. Wo x an schon gebildete Fläche anstösst, schiebt sich ein neues Blatt über das alte. Die Gesamtheit aller Bereiche @,, bildet eine unendlich-blättrige Fläche K_, von folgenden Eigenschaften : 1. K, besteht aus der Gesamtheit aller Punkte, deren auf- steigende Iteralfolge nach © konvergiert. Daher heisst K,, der zu © gehörige Konvergenzbereich (der zugrunde gelegten Iterationsart I). 2. K, enthält keine nicht-zerstückelnde Rückkehrschnitte in seinem Innern noch kritische Punkte. Daher verhalten sich sämt- liche Funktionen Yen auf Æ, eindeutig. Jeder Punkt gehört einer einzigen totalen Iteralfolge an. 3 Beispiel. 2 , x =Vx Die kritischen Punkte sind 0 und , die zugleich reguläre Fixpunkte zweiter Art sind. Verbindet man x mit x; durch Bahnen W, W', W”, die den Nullpunkt keinmal, einmal und zweimal umkreisen, so zeigt ein positiver Umlauf von x, dass W” äquivalent mit W ist, während W’ zu W nicht-äquivalent ist. Jede andere Bahn, die den Nullpunkt endlich oft umkreist, ist mit W oder W’ äquivalent. Es gibt also nur zwei Ite- rationsarten, { und /'. Die aufsteigende Folge (bei beiden Arten) konvergiert gegen 0 oder&, je nachdem |æ|$1. Das zu 0 gehörige Konvergenzgebiet K, ist also der um 0 sich windende, unendlichblättrige Einheitskreis. Die absteigende Folge konvergiert für I gegen den Fixpunkt erster Art (+1), für 7’ gegen (-1), wie man sich durch Rechnung überzeugt. Konvergenzgebiet RK, oder K_, ist beidemal die ganze bei 0 und & verzweigte logarithmische Windungsfläche (mit Ausnahme der Punkte 0 und ©). 414 O. Spiess. E. Iteralsummen und Iteralprodukte. Seien p(x), (x) analytische Funktionen, die sich in K , überall rational verhalten und in der Umgebung von © regulär sind. Speziell sei BZ 5 TO Dann sind die Reihe und das Produkt Do)=-Npa) , Wa)= ZU ve, für alle Punkte von K , konvergent und zwar gleichmässig für jedes Gebiet, das mit seinen Randpunkten ganz innerhalb K , liegt; ® und Ÿ sind analytische Funktionen, die in À, eindeutig und bis auf Pole regulär sind und daselbst den Funktionalgleichungen genügen D(x,) = D(x) + pa) , Pan) x): x) Bei © ist Diow) = 0 À Yo) = 1. Solche Iteralsummen und -Produkte, wie ich sie nenne, sind in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Die Reihen konvergieren sehr stark und dürfen gliedweis beliebig oft differenziert werden. Ist K,, was oft der Fall ist, mit dem Existenzbereich von ® oder Y identisch, so wird die 1. A. unendlich vieldeutige Funktion durch einen einzigen analytischen Ausdruck vollständig dargestellt. 8.2. A. Wir wenden uns jetzt zu der Axengleichung (2), die also fol- gendes präzise Problem stellt. Gegeben ist eine Funktion fx der oben angenommenen Art und für jeden Punkt x eines endlichen Gebiets eine Bahn W,; gesucht ist eine Funktion ®(x), die bei Fortsetzung längs W,, (was wir durch ein beigefügtes (W_) andeuten), einen Wert D(x,) annimmt, der die Gleichung erfüllt (2) Ö(x,)= a D(x) (W.) Wir können sofort in der Funktion (3) D (x) = lim Be DZ a eine Lösung angeben, die sich in der Umgebung von ® verhält wie log (x— ©). In der Tat, setzt man 2 - = (2 - 0) R(x me o) R(x so folgt durch Iteration x, = (x Dr h ) und hieraus Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 415 log(æ,, — ® es R — ne = log (x - ©) + : log R(x) + . log R(x:) + : -: = log Rx.) [47 a In einem geeigneten Kreis C um o ist | R| zwischen festen positiven Zahlen enthalten, woraus folgt, dass die Reihe rechts für p= © gleich- mässig konvergiert. Es ist also log(æ,, -@) (3a) lim = D{x)= log(x = w)+V = log R(&,) p=c @ o à eine Funktion der genannten Art. Dass sie der Gleichung (2) ge- nügt, ist evident. Beschreibt x auf der Fläche K,, einen geschlossenen Weg U, so durchläuft x, einen ebensolchen Weg, der von einem be- stimmten Index an ganz innerhalb C liegt. Dabei geht D(x,) in sich über, und da (x) = a? ©(z,) ist, so folgt . (logie, - ©) Satz l. Die Funktion © (x) = lim De Œ ist eine innerhalb des Komvergenzbereichs K,, eindeutige und reguläre Axe von f(x), die in der Umgebung von © eine Entwicklung besitzt der Form ® ‚= log(x — w) + reguläre Reihe. Sei jetzt ®(x) irgend eine (zu W, gehörige) Lösung von (2), die wenigstens in einem Teil von X, existiert. Wir können dann sagen Satz 2. Eine Axe DO(x), die in der Nähe von © nicht beliebig grosse Werte annimmt, ist identisch = 0. Denn ist D(x) + 0, so wächst |D(x )|=a?|D(x)| wegen a > 1 mit p über alle Grenzen, wobei © Häufungsstelle der x, ist. Satz 3. Verhält sich ®D(x) bei © wie ein Logarithmus, d. h., ist daselbst D=c:log(£ —- w)-+reg. Reihe, so stimmt O(x) mit D (x) bis auf einen konstanten Faktor überein. Denn alsdann ist auch ®=® — «D, eine Axe, die aber bei © regulär und also nach Satz ?2=0 ist. Somit ist D=c®,. Jede zu W, gehörige Axe von f(x) ist offenbar in der Form enthalten D-D, F wo F eine Lösung der Gleichung . Fix,)= F(x) (W,) d. h. ein Ring bedeutet. Von diesen Funktionen erkennt man sofort 416 O. Spiess. Satz 4 Ein Ring ist entweder eine Konstante oder er hat in œ eine Stelle der Unbestimmtheit. Denn wegen F(x,)=F(x) nimmt F in der Umgebung von ® jeden Wert, dessen f überhaupt fähig ist, unendlich oft an. B. Ich nehme jetzt an, dass wenigstens in einem Teil von K, auch die absteigende Folge x_, gegen einen Fixpunkt « konvergiert, und zwar soll dieser von gleicher Beschaffenheit sein wie ®, also regulär, isoliert, und mit demselben Regulator a. Mit andern Worten 1 es verhalte sich x, — a wie (ce -a)® oder z.,-—a wie (x— a). Die Funktion ö a? 1 (3b) 2:5 AR log(x ,=@) log(x-a)+reg Reihe ist dann ebenfalls eine Lösung der Gleichung (2), die sich auf einer Riemann’schen Fläche K, eindeutig und regulär verhält. Im folgenden mache ich zunächst von den Flächen K , K, deren Gestalt wir a priori nicht kennen, keinen Gebrauch, sondern deute x als Punkt der Ebene. In Praxi findet man zunächst ein schlichtes Gebiet G, das « und © zu Randpunkten hat und in dessen Innerem die Iteralfolge (x) beidseitig konvergiert. Wir besitzen nun in ®, D, zwei Lösungen von (2), die sich bei @ und ® resp. verhalten wie ee und /og(x — ®). Die Frage ist, welche Beziehungen diese beiden Axen zu einander haben. Könnte man zeigen, dass ®, sich bei & verhält wie log(x — ©), so würde nach Satz 3 folgen dass D,=c®D, wäre. Ich werde in diesem Abschnitt zeigen, dass dies davon abhängt, ob eine gewisse Funktionalgleichung eine Lösung besitzt, die bei & und © endlich bleibt. Im Fall der Funktionen 9, h, ? lässt sich jene Gleichung durch eine ganze rationale Funktion befriedigen, wodurch die Frage entschieden ist. Es ist praktisch und entspricht auch dem historischen Gang, ®, und ®, nicht direkt unter sich, sondern beide mit einer dritten Axe zu vergleichen, was auch zu interessanten analytischen Darstellungen führt. Da bei © und & die Entwicklungen gelten 1 % —-@—=(x &)(Q+--- ) 2 0 (0 oa) so ist in der Umgebung jener Punkte de 2-0 da a-a/[l — 1 (+...) 4 resp. L = | +.) dx ZX — 0 ‘ Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 417 Man kann daher (auf viele Arten) dem Wert von 1 die folgende Gestalt geben re da, _ Pia) . r(x) | P(«) = P(o)=0 | de P(x) a r(@) =1, r(@)=a Hierin bedeuten P(x), r(x) Funktionen, die (wenigstens im ersten Blatt, falls sie mehrdeutig sind) bei @ und wo reguläre Entwicklungen haben der Form _ 6) Bei den Funktionen g, h, j können wir für P, r ganze rationale Funktionen wählen. Z.B. ist für P=(x-a)(a; +:::) resp. =(x—&)(b, +::::) r=1+c{(x-a@)+::: resp. = a+do(x — @)+::: ale ds; ae -1) (A+x)? 2 —ı1tx 2 TEE æ(x?— 1) 2 ’ (@=0, o=1, Ur) X Nach $ 1. E. existieren dann innerhalb G die Funktionen oo oO (6) wa en we ren 1 0 und genügen den Gleichungen (7) ver vo : va)= +4. DATENT TIENNE Folglich genügt der Quotient ne der Axengleichung Ya) Y.®) 8 ee RE ) Po) Vo) %,, %, sind bei den gleichnamigen Fixpunkten regulär, werden aber bei den ungleichnamigen se. Wir fragen nun nach der Be- dingung dafür, dass jener Quotient sich verhält bei @ wie CS , bei © wie log(x — w) Dann muss er nämlich nach Satz 3 mit jeder der Axen ®,, ®, bis auf einen konstanten Faktor übereinstimmen. Nun folgt aus (8) | 0 , Ya) / , , (D, De QD). ; = — a a (0, u D) 1 und weiter wegen (4) (7) 418 O. Spiess. Pa), UV. Vi Yo EU Vo Var Ka Oz ee, DW, D) ist ein Ring von f(x). Wenn nun z.B. %, bei «@ logarithmisch unendlich wird, so besitzt 7 in æ= a einen endlichen Wert und folglich ist nach Satz 5 (9) H= Pod DE, %)=6= const. Umgekehrt, wenn (9) gilt, schliesst man sofort auf die Entwieklungen Va C 2 Yo C (9a) 2 Po Le CE s vet Die Frage ist also zurückgeführt auf die nach der Gültigkeit von (9). Ich beweise nun auf zwei Arten den Satz 6. Die notwendige und hinreichende Bedingung für das Be- stehen von (9) ist die, dass die Funktionalg a (10) 2 PQ = PQ= Pt PP eine Lösung os besitzt, für die (10a) _ Q(a) à Q (a) endliche Werte haben. Hierin ist P,Q, geschrieben für P(x,), Q{x;) wie wir überhaupt im Folgenden qg{x,) durch 9 abkürzen wollen. C. Erster Beweis. | Differenziert man (9), so lässt sich das Resultat schreiben (Pur) + Queue, = [PJ + Quel = wo @ eine beliebige Funktion ist. Wählt man Q'so, dass die erste Klammer = 0 ist, so verschwindet auch die zweite, d.h. es besteht die Gleichung (11) Py" + Py’ + Qu=0 (für y=w, und = y.) Umgekehrt folgt aus (11) wieder (9). Ich zeige nun direkt, dass unter der Annahme (10), (10a) die Funktionen (6) der Gl. (11) genügen. Ich fasse die Gleichungen (7) zusammen in die eine (12) | = V und differenziere zweimal unter Benützung von (4). Es folgt Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 419 ; Pr Pr Po 00 19 pr" — ar"? d ; 2 are A 5 By) Per EP) + EE PP + a 2% Hiezu addiert R r3 a? P r4P,Q 5 ONE ke Do aD (a gibt 1 ‚ 9 (Pa Wa) + Qu] Pu? = a Pla ; rd P.,Q rr’’ = ar’? pets rm (5 p4 pP) Gilt (11), so folgt hieraus (10) (10a). Umgekehrt, gilt (10), so ist die innere Klammer rechts gleich Q. Setzt man noch für r nach (12) y (2 ein, so erhält man für die Funktion Da Evo) die Gleichung a? U) TE In Li«) Für = ist w=1, L-L, für v=w, ist u=a, L=L, zu setzen. Z,, L, genügen also den Gleichungen (13) Leur) = ae) L,, (x) = & L, (x) = a? ln) Wächst jetzt p ins Unendliche, so konvergiert x gegen @, x, gegen wo. Nun sind #,, , samt ihren Ableitungen in den gleichnamigen Fixpunkten endlich, ebenso sind nach (10a) Q(a), Q(w) endlich, Somit nähert sich der mit P multiplizierte Teil von Z,, L, einem end- lichen Grenzwert. P selbst verschwindet nach (5) na, © in der ersten Ordnung, und folglich verschwinden P&,) P(&,) resp. wie (@,— a), (x, -@), d.h. wie (x—a)", (©- @)”- Somit ist sicher (14) lim a” Pix )=lim a” P(x,)=0 p=c p= Die rechte Seite von (13) wird also mit wachsendem p beliebig klein, und somit ist identisch Z,=0, Z,=0, d.h. aber, w,, w, erfüllen Gleichung (11). D. Zweiter Beweis. Die Gleichungen (6) logarithmisch differenziert ergeben (15) Yale z Vo_S'r, Ve Ar, 7, a 420 O. Spiess. Nun folgt aus (4) mit Hilfe von (7) die Formel dacı EBEN SUP AC) Br © d TE = XL y —= P D, (&) P y) p,@) woraus fur jedes N dx, er r P Van LAC ) (16) de "nn Pal) vo@) Führt man dies in (15) ein und setzt noch = Pa 0) = C, so folgt UD Pyw=>0, , Powu=->C, und also ist ENT 0 + co (18) H=PY,Y,vv)= NC, Ich zeige nun, dass unter der Voraussetzung (10) (10a) Z’= 0 also 7=konst. ist. Dabeı ist zu beachten, dass alle die auftreten- den Reihen absolut und gleichmässig konvergent sind, so dass die damit vorgenommenen Operationen alle erlaubt sind. Differenziert man (18) unter Benützung von (16) so erhält man ’ y (19) Py,v, : H' = Sp 2 Dual Pu?) vr a) + + S DE + we) (x, Nun folgt aus (17) sofort P U les )=S C,; ) AURA CAURCA) Er > C; i=n-1 i=n Damit wird die zweite Summe in (19) gleich + DO D DO, So) N=-& i=n— % i=n Multipliziert man aus, so erkennt man, dass jedes Produkt ©, C; zweimal auftritt mit entgegengesetztem Zeichen und also wegfällt, ausser wenn i=n. Die Doppelsumme reduziert sich daher auf die einfache: nn ‚ die wir mit der ersten Summe in (19) vereinigen zu Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 421 Der Ausdruck unter dem >) ist aber nach (10) gleich r4 2 9 > Os ya 0, D En) was sich wegen 7, W,(x,) = w, (x ntı) — Wo @)=Yvl 2.) auf die Form bringen lässt u P,Q, y” (x) dx.) + Je Qt Ver) Die rechte Seite von (19) bekommt dadurch schliesslich die Gestalt +00 2 (u, me Un + :) Diese Summe hat aber den Wert 0, falls «, und w, für p= 0 gegen Null konvergieren. Nun lässt sich U, = IE On WE) WU (&,) wegen ee - TER —— je nachdem n = + p ist, in die Form bringen Mo ? 2 2 on an One ve) y? À Up = ge Qp Pr ar) + Yo (x,) und also ist in der Tat nach (10a) und (14) lim u_, = lim u,—0. p== p=c Damit ist Gl. (9) von neuem bewiesen und zugleich für die Kon- stante c die merkwürdige a gefunden (nach (18)) oo (20) = Pa Ve) ble ») E. Wir betrachten jetzt die Gl. (10), auf die die Frage nach dem Zusammenhang von ®,, D,, also zurückkommt. Es wäre nun leicht zu zeigen, dass in der Umgebung jedes der beiden Punkte «& und ® je eine Lösung @ existiert, die sich daselbst regulär verhält. Doch nützt uns dies nichts, da im allgemeinen doch nicht zu erweisen ist, ob eine solche Lösung sich auch im andern Fixpunkt endlich ver- hält, d.h. ob (10a) erfüllt ist. Ich werde aber jetzt zeigen, dass im Fall der Funktionen g, h, j die Gleichung (10) eine ganze rationale Funktion als Lösung besitzt, womit natürlich (10a) von selbst ér- füllt ist. Wir wählen für P(x) diejenige ganze Funktion, welche die sämt- lichen (endlichen) Verzweigungspunkte zu Wurzeln besitzt, die man aus dem Schema in $ 1 A. abliest. Man findet dann für die 3 Fälle: 422 O. Spiess. 2 P= rie x) 5 r=(1 +x) à = % Die Funktionalgleichung (10) lautet jetzt A+x)t ; alu )g el x) Valle) er) x, Q, = À R,,benützen = EZ IN me. 1+x? 1 “a (= 2 so bleibt nach Division mit x(1 — x): | Wir setzen Q = A—x)R, -x({ +2)R=x +27 —1 was unmittelbar À = R, =—1, also Q=- x ergibt ee II x, : P=zs1-29)9-29) , ne (1 + x) Jp? rar N PQ=P Ars DIET Man setzt wieder Q==sR, und zeigt dass x, P Se + ai ist. Es folgt so nach Multiplikation mit A —a; nee ee — 3% Man macht den Ansatz R=bx’+c und findet, dass er genügt für b=4, c=12. Also ist Q=4x(@? +3) : 1- III x = ja /1® D ee), lee, = Zu 2p' Pa PQ = PL | Setzt man wieder Q =xR, benützt x, P, = - on = und multi- pliziert mit nn , so erhält man (@ +28 — 1)(L +R +ar(l +) R=8P — Eine ganze rationale Lüsung muss die Form haben R = ax + bx* + cx? + d Gibt man x die Werte 0, ©, 1,7, so ergibt sich leicht R=9r° - 72° +1. Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 423 Ich bemerke zu diesen Beweisen noch das Folgende. Die erste Methode (C) enthält den Grundgedanken des Borchardt’schen Ver- suches. Man könnte auch so vorgehen, dass man die lineare Dif- ferenzialgleichung für W ersetzt durch die zugehörige Riccatische Gleichung für I=), und dann zeigt, dass dieser durch die Reihen (15) genügt wird. Das wäre der Beweis von Lohnstein, auf seine einfachste Form gebracht. Gedanklich einfacher wäre es übrigens, die Funktionen ®,, D, ohne Vermittlung der w,, W, direkt zu ver- gleichen. Bezeichnet [®] die Schwarz’ische Derivierte von ® nach æ, so setze man [® | = R (x), [D,|= R,®: Aus der Axengleichung und den Eigenschaften der Operation |] folgt dann, dass R, R, Lösungen der Funktionalgleichung sind 21) Ra) = U Ria,) + [2] welche an Stelle von (10) tritt. Im Fall unserer Beispiele g, h, 7 wird dann R eine gebrochen-rationale Funktion, deren Auffindung aber mühsamer ist als die der ganzen Funktion Q. Die Gleichung (21) hat bereits Appell?) zu verwandten Untersuchungen betrachtet, doch bloss für die Umgebung eines einzigen Fixpunkts. 88 A. Wir nehmen künftig an, dass für die Funktion f(x) die Bedingungen von Satz 6 erfüllt sind. Dann ist also wegen (9a) und Satz 3 [04 C (22) MERE on 2 Po) =, D und also ce & Wir führen nun an Stelle von ®,, ®, eine neue Funktion ® ein, indem wir setzen (23) D®=-ın® = — D, wo also 2 2 (24) h = — roro gesetzt ist ® existiert dann jedenfalls in einem Teil der Ebene, der diePunkte a, © im Innern enthält, und erleidet bei Umläufen um diese Punkte die linearen Substitutionen 9) Appell. Acta mathematica 15. 424 O. Spiess. 10 1 27 (25) br Dh, Bei den Funktionen g, h, j zeigt sich nun, dass diese Kenntnis ge- nügt, um mit alleiniger Berücksichtigung der Relation D(x,) = a D(x) die Funktion ® auch um die übrigen Verzweigungspunkte herum fort- zusetzen, und zwar gehört zu jedem solchen Punkt eine lineare Um- laufsubstitution, die sich aus S,, S, in einfacher Weise berechnen lässt. Dabei ergibt sich von selbst der Wert der Konstanten h. Ich behandle der Reihe nach die 3 Fälle. I %=8X) Die längs der negativen Axe aufgeschnittene Zahlenebene möge E, heissen. Für alle Punkte von %, (mit Ausnahme der kritischen Punkte 0,—1, ce) beweist man leicht (etwa indem man Æ, durch die daselbst eindeutige Funktion g(x) wiederholt abbildet) dass vum tl Schneidet man analog die Ebene längs der reellen Axe auf mit Ausnahme der Strecke (- 1) bis (+1), so gilt für alle Punkte dieses Gebiets Æ, (excl. die Punkte + 1, ce) lim æ =0 Dec © Die Funktion ® existiert also in der ganzen Ebene und ist ausser in den 4 Punkten 0, 1, —1, © überall regulär. Ich wähle nun zunächst einen Punkt x auf der reellen Axe zwischen O0 und 1, und definiere die Umläufe um die 4 kritischen Punkte durch die in beistehender Figur gezeichneten Schleifen. Ich denke mir eine solche Schleife z. B. $, durch einen geschlossenen Faden realisiert, der, wenn wir nun x beliebig bewegen, so mitge- zogen wird, dass kein kritischer Punkt überschritten wird. Für jedes Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 425 x definiert dann eine mögliche Lage des Fadens den zu x gehörigen Umlauf S,. Die einem Umlauf entsprechende lineare Substitution soll mit demselben Zeichen benannt werden. Ferner bezeichne ich die Linien sn St die æ mit - x) und =) verbinden, als „halbe Umläufe“ von æ um O0 und 1. Einem halben Umlauf von x entspricht ein ganzer Umlauf von &, um den- selben Punkt. Dadurch entsteht aus der Gleichung ®(2)= + &(x,): So Da)= 39% Dr) = 3 502 X) Die rechte Seite ist eine lineare Funktion von ®, also ist das Re- sultat des halben Umlaufs S$,”° die Substitution 1 1 0 Dior) Analog wird 7-38.) - (o 1 ) was übrigens auch direkt aus dem logarithmischen Verhalten von ® bei 0, 1 geschlossen werden könnte. Es gelten also die Gleichungen (26) Ö-2)-5,,0) : 2) = S,”d(&) Macht x den Umlauf $,, so führt (-x) den Umlauf $S_ |, aus. Die erste Gleichung (26) geht dadurch über in SD à) = 5" 5, Dix) = 88,8," D- 2) Das Resultat des Umlaufs S, auf ® ist also die Substitution 12 21 1+2h, 2h S,=5 Si So == ( 2h, a) Führt x dagegen $, aus, so beschreibt - einen Umlauf um ce, der offenbar äquivalent ist mit SS. Die zweite Gl. (26) wird somit Woraus -1/ 1/2 1 2h. 2h? S,= Soi =| Andrerseits ist aber | si go pi 1-6h+4h2, 4h - 4h? Ba) Die Vergleichung der beiden Darstellungen von 5, gibt h=2 und damit berechnet man 426 O. Spiess. e 10 14 b 4 5 8 (26) S= Lan, > (61) Te =. =, Aus (24) ergibt sich für ce der Wert c =? und damit erhält man nach (20)(22) die folgenden Reihen, von denen die beiden letzten aus der ersten durch Umformung mittelst der Relation Sun -?" el entstehen Yol®) Yı®) + 1=+ Dal —«,) wir, ve) co (27) Zend | += 5 = 2 2 rd pe 2) Vo) II x,=h(x) Es gibt hier 4 Fixpunkte 0, 1, &, (- 3) bei denen sich h(2) verhält 8 P He (op. =)", (043). Zu den Fixpunktpaaren (0, 1),(&, 3) kann man sofort 2 Iterationsarten J, J* definieren, nämlich durch die beiden Bahnen W, W* der Figur 3. Es gilt dann bei J : lim ,=1, lim &,=0 p=c = OO bei J*: Jim x, —=—38, lim £_ == p 2 -p p=co p=c und zwar jedesmal für alle nicht-kritischen Punkte der schlichten Ebene. Die Funktion x, —h(x) geht durch die folgenden 3 Trans- formationen, zu denen noch die identische hinzukommt, in sich über: Sr 88 (8%) Fr Sie entsprechen den 4 Möglichkeiten, die 4 Fixpunkte ohne Änderung des Doppelverhältnisses zu vertauschen. Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 427 Durch &(x) geht eine Iteralfolge von J oder J* wieder in eine Folge derselben Iterationsart über, wobei sich nur die aufsteigende und die absteigende Folge vertauschen, d. h. die Transformation ist „gegensinnig“. Durch #*«@), £*x) vertauschen sich die beiden Iterationsarten und zwar transformiert 4*(x) „gleichsinnig“, £*(x) = gegensinnig. Ich beschränke mich daher auf die Festsetzung .. Indem man die Umläufe um die 6 kritischen Punkte durch die in Figur 4 gezeichneten Schleifen definiert, findet man mit der am vorigen Beispiel erläuterten Methode die Substitutionen : 10 16 76 EN see = = er nn) Sen) Sie gehören einer Untergruppe der Modulgruppe an, die charakteri- siert ist durch die Kongruenzen a=0=1, B=0 (mod 6), y=0 (mod 2) wenn «, ß, y, Ô die Elemente einer Substitution bedeuten. Die Konstante h ist hier =3 und damit wird ‚27 PA III x, = j(x) Fixpunkte sind 0, @, 0’, ©, wobei Bela) d 0, Rene 70 ‚(&) verhält sich an diesen Punkten wie æ, (& — o}, (x — =) Zu dem Paar (0, e) gehört eine Iterationsart J (definiert durch eine da- zwischen liegende Bahn W analog Fig. 3), für welche in der ganzen Ebene gilt (J) lim 2,0 um 0 =Ù p=co p=c 428 O. Spiess. Dagegen entspringt aus einer links von _’ liegenden Bahn W* eine Iterationsart J*, für welche Jim 4*, = o', lim a* = ist. Durch pP= p=c 1 5 en à 5 SR gehen diese Folgen in jene zu J gehörigen über. Für die Iteration J definieren wir die Umläufe durch die (bloss schematische) Fig. 5. Figur 5, in der die Schleifen für die links resp. rechts von (x) ge- legenen V-Punkte nach dem Muster von $, resp. S,, zu denken sind, und führen noch die halben Umläufe Sue Sa ein, welche æ mit den Punkten (- x) und ol) = verbinden und denen die gleichnamigen Substitutionen entsprechen 12 10 1/2 1h Ska) se (51) Es gilt also (28a) D(— 2) =," Da) (28b) Do) = 5," D(x) Führt nun x einen Umlauf S, um einen der Punkte 2= 0, 1, —_’ aus, so beschreibt (- x) den Umlauf $, um eo, -1, +0) Gl. (28a) wird damit zu | S, DC à) = 5° $, Da) = 8° 8,5 D a), also ist (29) SE = ISA 5, SET (2 = 4, À, à: o') Geht ferner x auf 5, um die Punkte w=0, -o, —1, à herum, so beschreibt o die Umläufe Say wo.ow)=1, no! <, 3 ist. So ergibt sich aus (28b) die Beziehung € Y 1) Y Ve = 0, =! = il; 0 (30) So ch I) ou) | DL OR ET Eine Klasse von Funktionalgleichungen, 429 Aus den bekannten Substitutionen S,, 8, folgt damit zunächst Be 1+2h, 2h 1-2h, 2h2 San): So, are Ich berechne nun auf 2 Arten S,, um h zu bekommen. Dem Weg S, für æ entspricht S; für z,. Dies angewandt auf die Gl. Dx,)=2 D(x) liefert | 1+2h, 4h Se 2 Se (5) 7 Ê h, 1-2) Führt æ aber 8, aus, so beschreibt 4, eine Schleife um 1, die äquivalent ist dem Umlauf 8," 8,8,. So findet man ee) Die Vergleichung ergibt k — 4. Durch abwechselnde Anwendung von (29) (30) ergeben sich jetzt ohne Mühe die folgenden 10 Sub- stitutionen: S-[21), Si), Se-ls-n). S=ka 4). (8.2) 8-2) Sl) Se (à 2) la), el à) die sich übrigens als zweite, vierte oder achte Potenzen einfacherer Substitutionen erweisen. Es sind Modulsubstitutionen einer Gruppe, die durch die Kongruenzen a=ö6=1, ß=0, y=0, 2, 4 oder 6 (mod 8) charakterisiert ist. Für die Konstante c ergibt sich „_ 100 IT B. Wir haben im Vorhergehenden für jede der Funktionen g, h, 7 eine Lösung der Gleichung (2) bestimmt, unter Zugrundlegung einer ganz bestimmten Iterationsart, die ich die Hauptart nenne. Diese Lösung gestattet nun das Problem auch für jede andere Iterationsart zu lösen. Ich muss mich indess damit begnügen, für das eine Beispiel g(x) die wesentlichen Resultate zu skizzieren. Ist V eine die Punkte x, x; verbindende, von W verschiedene Bahn, so kann man V aus W und einem geschlossenen Weg S zusammensetzen in der Form V= SW. Jedem S entspricht einerseits eine Iteralfolge (x,), anderseits eine Substitution EC ) der durch (26) definierten Substitutionsgruppe. Ich gehe kurz auf die folgenden 3 Fragen ein: 430 O. Spiess. 1. Wann sind die zu zwei Substitutionen S, 8’ gehörigen Iteral- folgen im Sinn von $ 1 C. äquivalent ? 2. Existiert zu jeder Iterationsart von g(x) eine Axe? 3. Was lässt sich über die Konvergenz einer zu $ gehörigen Iteral- folge (©) aussagen? Ad 1. Soll die Folge (&,), die aus der Bahn V = SW entspringt, äquivalent sein der Folge, die zu V’'=S’W gehört, so muss ein geschlossener Weg U existieren, so dass, wenn & den Umlauf U ausführt (wobei +, einen Umlauf U, beschreibt), die (x,) in die (x!) übergehen. M. a. W., die geschlossene Linie U VU, V”" umschliesst keinen kritischen Punkt. Lässt man also in ®(x) die Variable das einemal die Bahn V’, das andremal U’'VU, beschreiben, so muss der Effekt dieselbe lineare Funktion von ®(x,) sein. Beachtet man, dass für die Substitutionen U, U, die Beziehung gilt: U, D(x,) = 2U x) und setzt noch =) so erhält man die Relation 2406 = He) PO EN 2yö)\cd Wenn also in der zu g(&) gehörigen Substitutionsgruppe zu den ge- gebenen S, S’ sich eine dritte Substitution U finden lässt, die dieser Relation genügt, so definieren S, S’ dieselbe Iterationsart. Die Dis- kussion dieser Beziehung führt auf den einfachen Satz 7. Die Bahnen SW, S'W sind äquivalent für die Funktion er x), wenn die quadratischen Formen (#’, 20’ -6', —2y) (B, 2a— 0, — 2y) im Sinn der Zahlentheorie eigentlich äquivalent sind. Ad 2. Zu jeder Iterationsart lässt sich eine Axe angeben in Ge- stalt einer linearen Funktion der zur Hauptart gehörigen Axe P(x). Bezeichnet man den Wert von ® in x, beim Übergang über V = sw mit D*#x.), so gilt DXx,) = SD(x, ) = À a 2y D(x) \ - Ds ) Fa 2 ar Setzt man also Q(x) = De) = - , Q(x,)= Er wo 6, 0, die Wurzeln der Gleichung 2y 6° +(6-20)0—- B=0 sind, so ist EDER | Q(x,)= aQ(x) a = EE (s = 2a + Ô) s+ys2-8° Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 451 Der Regulator a ist ausser bei der Hauptart (s — 3) von 2 verschieden. Da aber a bloss von s abhängt, so können 2 zu verschiedenen Iterationen gehörige Axen 2, Q* denselben Regulator besitzen. Der Quotient 2*: Q ist aber dann natürlich kein Ring. Ad 3. Im Fall s=1 sind o,, 6, konjugiert komplexe Zahlen 34 7 : i : : ; und en eine „ıirrationale‘“ Einheitswurzel. Daher liegen die zu einem festen Wert von & gehörigen Punkte z, = &(z,) in der z-Ebene auf einem Kreis um den Nullpunkt, den sie überall dicht bedecken. Den Kreisen um z2=0 entspricht in der y-Ebene (y = D(x)) das Kreisbüschel mit den Grundpunkten 6,, o,. Dem in der oberen Halbebene liegenden Punkt o,, für den also alle dx, ) = 0, sind, entspricht im Innern von X, -ein Punkt x, für den alle.x, = x sind. Dies muss also einer der beiden Fixpunkte vierter Art [0 = - Sven sein, die in $ 1. B. erwähnt sind. Da für ein festes x (das von er beiden Punkten verschieden ist) die Punkte y, = ®x,) einen ganz in die obere Halbebene fallenden Kreis dicht überdecken, so können auch ihre Bildpunkte in K , welche die Iteralfolge (x bilden, nach keiner Seite konvergieren, sondern sie bedecken eine Kurve überall dicht, die einen der genannten Fixpunkte vierter Art umschliesst. Damit ist also für die Funktion g(x) eine Iterationsart nachgewiesen, deren Iteralfolgen in keinem Punkt konvergieren. Im Fall s> 1 liegen die Punkte y, auf einem zur reellen Axe senkrechten Halbkreis und konvergieren für n = + gegen die End- punkte desselben. Das Verhalten der entsprechenden Punkte (x,) ist dann nicht ohne weiteres zu entscheiden. 4 Die Methode, durch welche in den vorhergehenden Paragraphen die Natur der Funktion ® erschlossen wurde, bildet den Abschluss einer Gedankenreihe, welche in den Untersuchungen von Gauss über das arıthmetisch-geometrische Mittel ihren Ursprung nahm. Sie ist charakterisiert durch die Zuziehung einer linearen Differenzial- gleichung zweiter Ordnung (die auch bei unserem „zweiten Beweis“ in $ 2 nur formell umgangen wird). Zwar spielen die Eigenschaften dieser Differenzialgleichung weiterhin keine Rolle, nur der Nach- weis ihrer Existenz muss, gewissermassen nebenbei, erbracht werden. Der Angelpunkt der Theorie und ihre einzige Schwierigkeit liegt nämlich in dem Nachweis, dass die aus der aufsteigenden Iteralfolge 432 O. Spiess. entspringende Lösung ®, sich auch beim Konvergenzpunkt «@ der absteigenden Folge wie ein (reziproker) Logarithmus verhält, und hiezu eben bedarf es der zweimaligen Differenziation. So natürlich sich nach unserer Darstellung auch die Differenzialgleichung dar- bietet, so erscheint doch ihr Eingreifen in einer sonst ganz auf den Iterationsprozess aufgebauten Theorie als Schönheitsfehler. Diese ganze Theorie gewinnt nun an Klarheit, dadurch, dass man sie mit der Theorie der konformen Abbildung in Verbindung bringt. Dies ge- schieht durch die nachfolgenden allgemeinen Sätze, die sich unmittel- bar an die Betrachtungen von $ 1 anschliessen. Die vorhin genannte Schwierigkeit wird damit zurückgeführt auf die prinzipiell wichtige Frage nach der Gestalt des Konvergenzbereichs K ,. Könnte man bei unseren Beispielen zeigen, dass À, keine Randlinien besitzt, d.h. dass die Iteralfolge (.,) bei beliebiger Bewegung von x konvergent bleibt, so würde der linearpolymorphe Charakter von ®, sich ohne weiteres ergeben. Zur Zeit kann jener Nachweis freilich erst ge- leistet werden (durch das Spiegelungsprinzip), nachdem die Gruppe der Modulsubstitutionen bereits gefunden ist. Ich nehme an, der Punkt © sei ein regulärer Konvergenzpunkt erster oder zweiter Art, d.h. ein Zweig von f(x) habe in seiner Um- gebung eine der beiden Entwicklungen I 4 -o=alt-o)l+:::.) art ILE 2 —o=(t—0) (+) a=ganze positive Zahl In jedem Fall existiert nach Koenigs und Grévy1) eine Lösung der Axengleichung, nämlich C.-0@ I D (a) = lim | 5 5 | = (2 — w)(1 +reg. Reihe) zoo Œ n 5 181 D (2) = lim a) = 2 log(£ — ®) + reg. Reihe p=co i - a? C Ich nehme weiter an, dass © „isoliert“, d.h. keine Häufungs- stelle von kritischen Punkten sei. Dann kann in der Umgebung von o ein (im Fall I schlichtes, im Fall II unendlich oft gewundenes) Ringgebiet @ definiert werden, das von kritischen Punkten frei ist und das die Eigenschaft hat, dass von jeder gegen konvergierenden Iteralfolge x, gerade ein Punkt zu @ gehört (Fundamentalbereich der Iteration). Die durch iterierte Abbildung (mittelst f und f) von G entstehenden Gebiete G, erzeugen ein Flächenstück Æ,, das „zu © gehörige Konvergenzgebiet“. K, enthält in seinem Innern (0) uk rer Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 433 keine kritischen Punkte (auch © wird im Fall II als Randpunkt be- trachtet). Daher sind die sämtlichen Funktionen +, innerhalb K, eindeutig und einwertig. Diese Eigenschaften übertragen sich nun auf die Funktion D. Dass D, eindeutig ist auf der Fläche K_, folgt sofort aus ihrer Definition (siehe S 1. D). Ich beweise nun weiter Satz 8. Die Funktion D, nimmt innerhalb K, jeden Wert nur einmal an. Angenommen es wäre PD (£) =® (m) wo & n zwei verschiedene Punkte von X, bedeuten (deren Projektionen in der Ebene natür- lieh nicht notwendig auch verschieden sind), so folgt aus der Axen- gleichung, dass für jedes p A) wo auch ME En, Da die > n, gegen & konvergieren, so gibt es also im be- liebiger Nähe von & Punkte x, +’, für welche die Differenz P(x) - D(x") gleich Null ist. Im Fall I ist aber der Quotient Umgebung von © beliebig wenig von 1 verschieden, kann also nicht =() werden. Im Fall I ist = (x — o)(y +), (9 #0) und also in ge- nügender Nähe von & aus demselben Grunde einwertig. q. e. d. D(x) - D(x') . a . ee). genügend kleiner æ 2 IC Damit ergibt sich jetzt der wichtige Satz 9. Durch die Funktion y=® (a) wird das Innere der Fläche K,, umkehrbar eindeutig und konform abgebildet im Fall 1: auf die schlichte Vollebene (excl. den Punkt ») im Fall Il: auf die obere Halbebene (excl. die reelle Axe). Beweis. I. Ein Kreis C um ©, der ganz in X, liegt, wird durch D(x) auf ein einfach zusammenhängendes, schlichtes Gebiet 7’ der y-Ebene abgebildet, das den Nullpunkt im Innern enthält. Sei y ein beliebiger endlicher Punkt, so gibt es eine positive Zahl p, für die der Punkt y, = ay innerhalb I’ fällt (weil |a| <1). Diesem y, entspricht eindeutig ein Punkt x innerhalb C, für den P(x) = Y, ist. Dann existiert aber in X, der Punkt OR für den Da) = a” 5 D(x) = a” y, = y ist. Also nimmt in der Tat D(x) in K, jeden end- lichen Wert gerade einmal an. II. Der Windungskreis © wird durch den logarithmischen Teil von ® abgebildet auf den Teil der Ebene oberhalb einer Parallelen 28 454 O. Spiess. zur reellen Axe, durch die Funktion ®, also auf ein Gebiet T7, das sich von jenem mit abnehmendem © beliebig wenig unterscheidet. Jedenfalls lässt sich in der oberen Halbebene eine Parallele zur reellen Axe ziehen, so dass der obere Teil der Ebene (excel. ©) ganz zu Î' gehört. Ist y ein beliebiger Punkt der oberen Halbebene, so gibt es einen Exponenten 9, für den y, = Y in J' liegt (da a reell > 1). Ist D(x) = y, so ist Bw )=y, womit der Satz bewiesen ist. Wir betrachten jetzt die Umkehrfunktion x = D(y), über welche wir sofort folgende Aussagen machen können. Ims Kallaı eilt: Satz 9. D(y) ist eine in der ganzen Ebene eindeutige ana- lytische Funktion, die höchstens im Punkt « eine wesentlich sın- quläre Stelle besitzt. Je nachdem also der Punkt x = » innerer Punkt von K, ist oder nicht, ist D(iy) eine ganze oder eine mero- morphe Funktion. Sie genügt der @l. (32) Play) = FO) d. h. die Gleichung x, = f(x) lässt sich dadurch uniformisieren, dass man setzt x = Dy), x, = Day). Anmerkung. Einen Konvergenzpunkt kann man mit einem Kreis O umgeben, in dem nicht nur die Reihe für &,, sondern auch die 9-mal iterierte Reihe konvergiert. Wenn nun © Häufungsstelle kritischer Punkte ist, so können dies nur Verzweigungspunkte der inversen Funktion f sein. Ist also f(x) eine eindeutige, speziell eine rationale Funktion, so ist jeder Konvergenzpunkt von f sicher isoliert und folglich die zugehörige Funktion ® (im Fall D 2. A. meromorph. Diesen Spezialfall des obigen Satzes hat bereits Poin- caré") bemerkt und in anderer Richtung verallgemeinert. Im Fall Il ist nach Satz 8 ®(y) innerhalb der oberen Halb- ebene eindeutig und bis auf Pole regulär. Was das Verhalten auf der reellen Axe betrifft, so sind 2 Möglichkeiten vorhanden. Besitzt K,, Randlinien, über die man ®(x) fortsetzen kann, so lässt sich auch D(y) in die untere Halbebene fortsetzen und man kann mit Hilfe des Spiegelungsprinzips weitere Schlüsse ziehen. Ist aber (x) nicht fortsetzbar, so ist die reelle Axe für (y) natürliche Grenze. Speziell gilt Satz 10. Ist K, bloss von diskreten Punkten oder offenen Linien begrenzt, so ist der Exwistenzbereich von (y) die obere Halb- 11) Poincaré. Journal de Math. (4) 6. 1890. Eine Klasse von Funktionalgleichungen. 435 ebene. ® besitzt im Imnern derselben den Charakter einer ratio- nalen Funktion, ist um 2x periodisch, und genügt der Gleichung (52). (Ich bemerke, dass auch für isolierte Fixpunkte dritter Art analoge Sätze existieren. Bei nicht-isolierten Fixpunkten sind hin- gegen die Funktionen ® nicht mehr eindeutig.) In allen Fällen, wo man nun die Gestalt der Konvergenzbereiche feststellen kann, lassen sich mittelst der Sätze über konforme Ab- bildung weitere Aufschlüsse gewinnen. Zum Beispiel: 1. Die Theorie der Funktionen g, h, j wird sehr einfach, sobald man weiss, dass der Bereich K,, keine Randlinien besitzt. Man sieht dann leicht ein, dass die Fläche À, regulär-verzweigt ist, woraus sich der linear-polymorphe Charakter von ®(x) von selbst ergibt. Die Substitutionen 5 findet man mit der Methode von SEO. 2. Kennt man 2 isolierte Konvergenzpunkte & und © der gleichen Art und kann man zeigen, dass die zugehörigen Gebiete K,, K, identisch sind, so folgt, dass jede der Axen ®,, ®, eine lineare Funktion der andern ist. Denn durch die Gleichungen y=® (x), y =D, (x) wird die ganze resp. die halbe y-Ebene ein-eindeutig und konform auf sich selbst bezogen. (& und © können entweder „unterer“ und ‚oberer‘ Konvergenzpunkt derselben Iteralfolge sein oder zu verschiedenen Iterationsarten derselben oder ver- schiedener Funktionen f gehören.) 3. Aehnliche Schlüsse können gemacht werden falls © von der ersten, @ von der zweiten Art ist und K, ganz zu K, gehört. Man betrachte etwa das Beispiel x, =V x, für welche die Kon- vergenzgebiete K,, MH das Innere resp. Aeussere des Einheits- kreises (unendlich oft) überdecken und sich zur logarithmischen Windungsfläche X, ergänzen. Es ist hier ®, =®,=-P_=log x. Die Frage nach der Begrenzung der Bereiche K , gehört in das Gebiet des Picard’schen Satzes. Ein Fortschritt in dieser Richtung wird also auch der vorliegenden Theorie zugute kommen. Manuskript eingegangen den 17. März 1917. Über ein Vorkommen von Malmkalk im subalpinen Flysch des Pilatusgebietes.') Mit Tafel (VD). Von A. Buxtorf. Ein grosses Interesse haben von jeher die ganz sporadisch auf- tretenden Einschlüsse mesozoischer Schichtpakete beansprucht, die an zahlreichen Stellen im subalpinen Flysch des Alpennordrandes nach- gewiesen worden sind. Erst die Lehre von den Überschiebungsdecken und die durch sie bedingte Vertiefung unserer Kenntnisse von der Natur und der Tektonik der Flyschbildungen haben aber die mannigfachen Probleme, die an diese kleinen Schollen geknüpft sind, unserm Verständnis näher zu bringen vermocht. Die Bedeutung, die jedem einzelnen Vorkommen zukommt, ist damit freilich nicht ver- kleinert worden, und so mag es denn berechtigt erscheinen, wenn ich in der nachfolgenden vorläufigen Mitteilung kurz auf ein Malm- vorkommen im subalpinen Flysch des Pilatusgebietes hin- weisen möchte, das ich schon im Herbst 1912 anlässlich meiner ım Auftrage der Schweiz. geolog. Kommission ausgeführten Unter- suchungen gefunden habe. Über die Lage der Malmscholle orientiert die 1916 er- schienene ,,Geolog. Vierwaldstätterseekarte“, 1: 50 000.2) Etwa 4 km westlich ob Hergiswil liegt mitten in der subalpinen Flyschzone die Alp Fräkmünt, 1309m ü. M.; das Malmvorkommen ist ziemlich genau 300 m östlich der Alphütten gelegen; die genannte Karte ver- zeichnet an der betreffenden Stelle ein schmales hellblaues Feldchen mit zwei roten Punkten. Da die topographische Karte (1: 50 000) fehlerhaft ist, mögen folgende Angaben das Auffinden der in- teressanten Stelle erleichtern: Der aus dem Sumpfgebiet direkt nörd- lich Fräkmünt entspringende Bach (I) fliesst nicht, wie die Karte angibt, dem Hölloch zu, sondern biegt bald nach Südosten zu um 1) Veröffentlicht mit Bewilligung der Schweiz, geol. Kommission, ?) „Geologische Vierwaldstätterseekarte“ 1:50,000, aufgenommen von A. Buxtorf, A. Tobler, G. Niethammer, E. Baumberger, P. Arbenz und W. Staub, herausgegeben v. d. Schweiz. geol. Kom. 1915 als „Spezialkarte No. 66a“ mit „Profiltafel 66 b“, im Kom.-Verlag von A. Francke in Bern. A, Buxtorf, 437 und vereinigt sich südlich vom Heuschlag mit dem vom Pilatus her- kommenden Wildbach. Geht man von Fräkmüntalp genau ostwärts, so findet man eine kleine Bachrinne (II), die West-Ost gerichtet sehr bald in den Bach I einmündet. Der niedrige Rücken nun, der nach Osten zu ausspitzend, die Bäche I und II vor ihrer Vereinigung trennt, ist auf seiner Ostseite durch Abrutschung vom Humus ent- blösst und hier treten, freilich leider micht in kontinuierlichem Auf- schluss, hellgrau anwitternde, in frischem Bruch graue, dichte, von spärlichen kohligen Häuten durchzogene Kalke auf, die besonders im südlichen Teil in Schieferkalke und Kalk- schiefer übergehen. Das ganze Vorkommen ist als eine schätzungs- weise ca. 15—25 m mächtige Linse im subalpinen Flysch einge- schaltet; Oelquarzit-führender Wildflysch zeigt sich im Bach (I) direkt nördlich der Kalke, während mergelig-kalkige, mit 60° nach SSW fallende Flyschschiefer an den beidseitigen Böschungen des süd- lichen Baches (II) beobachtet werden können. Die Gesteinsbeschaffenheit und namentlich auch das vollständige Fehlen von Fucoiden in den Kalkschiefern liessen nun schon von An- fang an gewisse Unterschiede gegenüber ächten Flyschkalken er- kennen und legten auch den Verdacht nahe, es könnte sich eventuell um „exotischen Malmkalk“ handeln. Leider gelang es bisher trotz langem Suchen nicht, Makrofossilien nachzuweisen. Umso erfreulicher war dann aber, dass die Untersuchung von Dünnschliffen der dichten Kalke zahlreiche Schnitte der hübschen, krugförmigen und zu den Lageniden gehörenden Foraminiferenart Calpionella alpina, Lorenz ergab, die neben andern nicht näher bestimmbaren Organismen- resten, sich sehr schön von der grauen, ziemlich dicht erscheinenden Grundmasse des Kalkes abheben.) Die Calpionellen erscheinen bald als Längsschnitte und zeigen dann deutlich die halsförmige Mündung des Kruges, bald sind sie quer getroffen und bilden dann kleine Ringchen. Die Form der Schälchen, wie überhaupt das ganze Schliff- bild stimmen in allen Einzelheiten mit der von Th. Lorenz gegebenen Beschreibung und Abbildung überein; ich verweise im übrigen auf die Wiedergabe einer Mikrophotographie (vgl. Tafel VII), die mich weiterer Beschreibung enthebt.f) Schon Th. Lorenz hat darauf hingewiesen, dass Calpionella in weiter Verbreitung die obersten Malmschichten (Tithon) aus- 3) Vel. Th. Lorenz: Geologische Studien im Grenzgebiete zwischen helveti- scher und ostalpiner Facies. II. Der südliche Rhaetikon. Ber. d. Naturf. Ges. zu Freiburg i. Br. Bd. XII. 1901, S. 34 u. ff. u. Taf. IX. 4) In freundlicher Weise haben es die Herren cand. geol. Peter Christ und Dr. Fr. Hinden übernommen, während meiner Abwesenheit im Grenzbesetzungs- dienst die Mikrophotographie herzustellen. Herr Christ hat auf mein Ersuchen 438 Malmkalk im subalpinen Flysch des Pilatusgebietes. zeichne; er kennt sie bereits von mehreren Stellen im Falknisgebiet, vom Berglittenstein bei Grabs und aus den Iberger Klippen, ferner auch aus dem Biancone des Alpensüdrandes. Lorenz’ Angaben haben später durch Alb. Heim und E. Blumer (Breggiaschlucht), Arn. Heim (Berglittenstein), D. Trümpy (Falknisgebiet) Bestätigung und Erweiterung erfahren ; ausserdem hat Arnold Heim Calpionella alpina neuerdings auch aus dem Tithon (Zementsteinschichten) der Chur- firsten beschrieben, womit ihre Anwesenheit auch im helvetischen Faciesgebiet erwiesen ist. Alles deutet darauf hin, dass spätere Unter- suchungen eine noch viel weitere und allgemeinere Verbreitung werden feststellen lassen. Durch ihr Gebundensein an obern Malm wird so die kleine Foraminifere zur ausgezeichneten Leitform, sie berechtigt uns darum auch dazu, die grauen Kalke im subalpinen Flysch von Fräkmünt mit Bestimmtheit gleichfalls dem obersten Malm, d.h. dem Tithon zuzuweisen. Schwieriger gestaltet sich die Beantwortung der Frage, mit welcher tektonischen Zone der Alpen das isolierte Vor- kommen von Fräkmünt am ehesten in Zusammenhang ge- bracht werden darf. Selbstverständlich müssen wir uns an dieser Stelle mit wenigen Hinweisen begnügen, eine ausführliche Diskussion würde viel zu weit führen. Nachdem Calpionella auch im Tithon der helvetischen Facies nachgewiesen ist, darf es a priori nicht als aus- geschlossen bezeichnet werden, dass die Kalke von Fräkmünt irgend einer tiefen helvetischen Decke (parautochthone Deckenfetzen oder aber Axendecke) entstammen könnten. Allein die etwas abweichende Gresteinsbeschaffenheit und die enge Verknüpfung mit Wildflyschge- steinen machen es doch wahrscheinlicher, dass wir es mit exotischem Malm zu tun haben. Und da wir ja den gesamten Pilatus nur als unterste und nördlichste Kreidestirnfalten der Wildhorndecke auf- fassen müssen, so führt uns das Verfolgen dieser Stirne und der ihr vorgelagerten Flyschzone nach SW zu, unmittelbar ın das Gebiet der „Zone interne des Pr6alpes“ (Zone des Cols) bezw. in die von dieser abzuleitende „Zone externe“ (Gurnigel). Mit dieser letztern, vor allem mit den sie begleitenden mesozoischen Einschlüssen glaube ich darum am ehesten die Malmkalke von Fräkmünt in Vergleich setzen zu dürfen. Ein Zusammenhang mit den Klippen und ,,Préalpes me6dianes“ ist dagegen wohl entschieden von der Hand zu weisen. Manuskript eingegangen im März 1917. hin auch die auf Tafel VII angegebenen Maasse der Calpionellenschälchen bestimmt, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank sage. Die von ihm gefundenen Werte sind etwas kleiner als die von Lorenz (a. a. S. 60) angegebenen, das Verhältnis der Höhe zum Durchmesser der Krügchen bleibt sich dagegen gleich. Zur Kenntnis einiger Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. Von H. Helbing. Die Fleischfresserüberreste der berühmten oberoligocänen Fund- stellen im Phryganidenkalk des Allierbeckens gehören ihrer quanti- tativen Vertretung nach hauptsächlich der aquatilen Form Potamo- therium Valetoni an. Reste anderer Carnivoren sind seltener. Die folgenden Beiträge beschränken sich darauf, einige dieser seltenen Belegstücke zu studieren. Sie liegen alle in der Basler Sammlung und ich spreche Herrn Dr. H.G.Stehlin für die Überlassung des wert- vollen Materials meinen besten Dank aus. Eine sehr erwünschte Vorarbeit bot sich mir in der Neubearbeitung der Carnivoren des Quercy durch P. Teilhard-de-Chardin. Der Nachweis eines Restes echter Miaciden und des vollständigen Fehlens von Viverren in der Phosphoritfauna kann auch auf die Beurteilung des jungoligocänen Carnivorenbestandes nicht ohne Einfluss sein. Bevor aber weiter-. gehende Schlüsse möglich sind, bedarf es erst gründlicherer Durch- arbeitung des in Betracht kommenden Materials, wozu die folgenden Zeilen ihren Teil beitragen möchten. I. Genus Palaeogale Schlosser. Pomel fasste ursprünglich alle hierher gehörigen Formen im Genus Plesiogale zusammen. Teslhard-de-Chardin weist nach, dass zuerst Gervais und später Filhol mit demselben Genus Unterkiefer aus den Phosphoriten vereinigten, die zu Palaeoprionodon ‚und Stenogale gehörten. Schlosser schied dann diese Quercyformen in seiner Revision mit der Aufstellung des H. v. Meyer’schen Genus Palaeogale aus. Letzteres ist in der Phosphoritfauna vorläufig nur 440 H. Helbing. durch Mandibeln belegt, während das Aquitan von St. Gerand-le-Puy reichlichere Materialien geliefert hat. Diejenigen der Basler Samm- lung verteilen sich auf zwei verschiedene Arten, angustifrons und minuta, von denen die maxillare Bezahnung und von der ersteren auch der Schädel vorhanden ist. A. Palaeogale angustifrons Pomel. Die Typusspecies, ein Gesichtsschädel mit fast vollständiger Be- zahnung, ist schon 1846 von Pomel in der Gaumenansicht abgebildet worden. Möglicherweise gehörte dieses Stück einem jungen männ- lichen Individuum an, da einerseits die Suturen zwischen Nasale, Frontale und Maxillare noch vorhanden und da andererseits die Alveolen der oberen P, noch nicht verschwunden sind. Das Typus- stück gelangte nach P. Gervais’ Notiz ins Britische Museum, wo es später von Fülhol eingesehen worden ist. Dieser bildet sodann in seiner Hauptarbeit über St. Gerand auf PI. 25 im Zusammenhang mit angustifrons-Mandibeln in der Fig. 14 den oberen P, und den oberen M, eines lutra-artigen Tieres ab, die Schlosser darüber im Zweifel liessen, ob die Form überhaupt noch zu Palaeogale zu rechnen sei. Fülhols Text hebt zwar die Ähnlichkeit des oberen P, mit demjenigen von Mustela foina hervor, was wohl am ehesten darauf hinzudeuten scheint, dass die Fig. 14 als irrtüm- lich aufzufassen ist. Pomels Abbildung der Typusspecies wird von Schlosser wahr- scheinlich übersehen worden sein, da die Zugehörigkeit des Schädel- fragments zum Genus Palaeogale kaum zu verkennen ist. Der Schädel S.G. 2894 von Montaigut der Basler Beleg- sammlung stimmt mit Pomels Typusspecies in folgenden Massen überein: 1. Länge der Zahnreihe, vom Caudaleck der Caninalveole bis zum hinteren Ausseneck des oberen M, 0,025, 2. Entfernung der Postorbitalfortsätze vom medialen freien Ende der Nasalia 0,026, 3. Vom Caudalrand der I-alveolen bis ans Ende des Palatinums längs der Mediane 0,034; 4. Transversalabstand der Caninalveolen auf der Höhe des Caudal- randes der Foramina palatina anteriora 0,008, D. Transversalentfernung zwischen den Innenhügeln beider Reiss- zähne 0,013, 6. Abstand zwischen den Lateralwänden der Foramina infraorbi- talıa 0,024 Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. 441 7. Der Transversalabstand der Postorbitalfortsätze Pomels Species 0,016 S. Gr. 2894 0,018, 8. Die postorbitale Einschnürung, unmittelbar vor der Erweiterung zum Gehirnschädel. Pomels Species 0,013, S. G. 2894 0,014, Der Unterschied bei 8. ist für die Feststellung der spezifischen Zusammengehörigkeit der hier in Betracht kommenden Schädel ohne Belang, da die Differenz nach Hensels Mass f der Craniologischen Studien für individuelle Unterschiede innerhalb adulter Tiere ein und derselben Species mehr als den doppelten Betrag ausmacht. Figur 1. Figur 1. Palaeogale angustifrons Pomel. Schädel in der Obenansicht. S. G. 2894. 1/1. Die linke Schädelhälfte ist fast vollständig erhalten geblieben, nur die Oceipitalwand und Teile der Schädelbasis in der Umgebung der linken Bulla sind weggebrochen. In der rechten Schädelhälfte fehlt ein ziemlich grosses Stück der oceipito-parietalen Region, die Bruchstelle greift an ihrem cranialen Ende 4 mm auf die linke Schädelhälfte über. Hinter dem rechten Postorbitalfortsatz hat die Schädelwand etwas gelitten, vom Jochbogen ist hier nur der Proc. zygomaticus des Temporale stehen geblieben, im übrigen ist auch diese Schädelhälfte noch recht gut erhalten. Der Schädel erscheint von oben gesehen langgestreckt und schmal, der Caudalrand des Schädeldaches ist zu beiden Seiten der Mediane auf eine kurze Strecke von ungefähr 0,010 aufgebogen. Im Niveau seiner grössten Transversaldehnung ragen die basalen Abschnitte der Occipitalleiste in beträchtlicher Ausdehnung hervor. Die Orbitae 442 H. Helbine. treten im Vergleich zur Schädelgrösse an Umfang eher etwas zurück, sie werden caudal durch einen kräftigen Proc. postorbitalis des Iugale begrenzt, dagegen sind die Postorbitalfortsätze des Frontale nur durch schwache Vorsprünge der hier auslaufenden paarigen Abschnitte des Sagittalkammes angedeutet. In der Seitenansicht fällt die geringe Höhe des Schädels im Ver- gleich zu seiner Länge auf. Die Bullae springen ventral stark hervor, auch sind sie sagittal etwas verkürzt gegenüber denjenigen rezenter putoriiner Formen. Der knöcherne Auslauf des Gehörgangs nimmt die craniale Seitenwand in Anspruch, während sich bei rezenten Mardern der ventrale Abschnitt des Gehörgangendes etwas in die Länge zieht. Eine lang ausgezogene äussere Pterygoidgrube hebt sich deutlich von dem über dem Foramen opticum gelegenen Abschnitt der Fossa temporalis ab (nicht in die Figur eingezeichnet). Am Figur 2. Figur 2. Palaeogale angustifrons Pomel. Schädel in der Seitenansicht. S. G. 2894. 1/1, Caudalende der innern Pterygoidgrube liest das Foramen ovale, zwischen ihm und dem Foramen lacerum anterius zeigt sich keine Spur eines Alisphenoidkanals. Die Grenzlinie zwischen den beiden Pterygoidgruben setzt sich über das Foramen sphenopalatinum cranial fort und verbindet sich schliesslich mit einer dünnen Scheide- wand, die den Infraorbitalkanal von dem darüber liegenden Tränen- kanal trennt. Die dorsale Brücke des ersteren verdickt sich caudo- ventral, seine Öffnung steht nicht wie bei rezenten Musteliden über dem vorderen Abschnitt des Reisszahns oder gar des M, (Meles), sondern weiter vorne über der hinteren Wurzel des P3. Die Incisiven und der Canin der oberen Zahnreihe sind von Pomel abgebildet worden, am Schädel S.G.2894 fehlen sie. Ein Diastem von 0,004 trennt den P, vom caudalen Rand der Caninalveole, die Krone ist hoch und schmal, ihre kürzere vordere Schneide verläuft in leicht S-förmiger Biegung, die dadurch zustande kommt, dass sich Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. 443 ein Schmelzgrätchen aus dem lingualen Cingulum der cranialen Kronenbasis erhebt, das sich labıal wendet und schliesslich das Distal- ende der vorderen Schneide bildet. Über der Grenze beider Alveolen schmilzt das Innencingulum in die Kronenbasis ein. Die längere hintere Schneide geht von einer Schmelzverdickung des caudobasalen Kronenendes aus und verläuft bis zur Zahnspitze genau sagittal. Der Figur 3. Figur 3. Palaeogale angustifrons Pomel. Maxillargebiss in der Gaumenansicht, S. G. 2894. 2/1. P, wird vom P, durch ein kleines Diastem getrennt, dafür legt sich aber das Vorderende des Reisszahnes so über das Caudalende des P,, dass dieses letztere von aussen nicht eingesehen werden kann. Die Schneiden sind gleich lang geworden und ein kontinuierliches, kräf- tiges Aussencingulum verbindet die beiden Enden der basalen Krone, deren Querschnitt sich durch eine Vorwölbung der Lingualwand un- mittelbar hinter der Wurzelgrenze vom entsprechenden Bild des P, 444 H. Helbing. unterscheidet. Von den beiden Basalhöckern erscheint der caudale be- sonders accentuiert. Der P, ist dadurch eigentümlich modernisiert, dass die hintere scharfe Kante des Haupthügels ohne Unterbrechung in den schneidenförmig entwickelten Teil der Zahnkrone übergeht. Bei der kleinsten Form des Genus — Palaeogale minuta — fehlt die Kontinuität zwischen diesen Kronenhauptabschnitten — hier senkt sich wie am D, ein tiefer Spalt zwischen Haupthügel und Schneide ein, der auch dem oberen P, viverroider Formen eigen ist. Der obere M, gleicht schon dem entsprechenden Zahn des rezenten putoriinen Gebisses. Zwei transversale Längskanten zeigen die Tendenz, die Krone hantelförmig einzuschnüren. Da sich der linguale Kronenab- schnitt erst wenig gedehnt hat, scheint auch der Grad der Ein- schnürung noch nicht so weit gediehen, wie bei vielen rezenten musteloiden Formen. Das Cingulum der vorderen Aussenecke ver- bindet sich durch einen einheitlichen Grat mit dem Innenhügel. Vom caudalen Schenkel der Trigonumkanten sind keine Spuren mehr vor- handen, er ist auch bei rezenten Mardern und Melinen verloren ge- sangen. Im labialen Kronenabschnitt treten die beiden Aussenhügel sehr nahe zusammen, ihr ungleiches Volumen gibt dem Kronenrelief ein wesentlich moderneres Aussehen, als es uns Matthew für den oberen M, der White-River-Form Bunaelurus lagophagus Cope be- schrieben hat. Ein ursprüngliches Merkmal tritt dagegen im viver- roiden Verlauf der Kronenaussenkante und in der weit ausgezogenen vorderen Aussenecke zutage, in deren Umgebung sich das Cingulum parastylartig verdickt. Dazu kommt die bogenförmig verlaufende und gegen das Parastyl gerichtete eraniale Schneide des vorderen Aussen- hügels, die dem Kronenrelief ebenfalls ursprünglicheren Schnitt verleiht. Bunaelurus lagophagus Cope und Palaeogale angustifrons Pomel. Der Schädel aus den oberen Oreodonschichten der White-River- Formation ist bedeutend kleiner als derjenige von Palaeogale angusti- frons, doch ist eine gewisse Ähnlichkeit der allgemeinen Schädelform nicht zu verkennen. Die Postorbitalfortsätze beider Formen sind rudimentär, dagegen besass Bunaelurus keinen Proc. postorbitalis des Iugale. Die Bullae bleiben kurz und springen ventral stark hervor, bei der amerikanischen Form tritt aber der Gehörgang in Form einer kreisrunden Öffnung aus der lateralen Bullawand hervor, während er sie am Palaeogaleschädel röhrenförmig verlässt. In der Verlänge- rung des Palatinums nimmt Palaeogale eine Mittelstellung zwischen Bunaelurus und rezenten Putoriinen ein. Beide Formen unterscheiden Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. 445 sich durch den verschiedenen Grad der Reduktion des Vordergebisses, der sich besonders am P, dadurch kundgibt, dass dieser Zahn bei Palaeogale beträchtlich kleiner werden kann, als sein Nachfolger in der Reihe. Der Lingualabschnitt der M,-Krone von Bunaelurus hat sich noch nicht verbreitert, auch ist es noch nicht zur Anlage eines Inneneingulums gekommen, dagegen persistieren bei der ameri- kanischen Form die beiden ursprünglichen Trigonumkanten, während der M, von P. angustifrons den caudalen Schenkel vollständig ver- loren hat. Figur 4. Figur 4. Palaeogale angustifrons Pomel. Mand. dext. mit M,—P;, von aussen, oben und innen. S. &. 2896. 1/1. S. G. 2896 Mand. dext. M, —P; und S. G. 2895 Mand. sin. M;,—P, von Montaigut. Die beiden Mandibeln gehören zu dem oben beschriebenen Schädel von Palaeogale angustifrons. Sie stimmen sehr gut zu den beiden Unterkieferhälften aus der Sammlung Milne- Edwards, auf die Filhol seine Species „lemanensis“ gegründet hat. Sie sollte sich dadurch von andern Palaeogalearten unterscheiden, dass die Länge der mandibularen Zahnreihe nur 0,027 beträgt, also etwas weniger als diejenige der Species angustifrons. Schlosser musste die Zugehörigkeit der lemanensis zum Genus Palaeogale nur deshalb als fraglich dahingestellt sein lassen, da er aus Fülhols Abbildungen keinen Einblick in den Bau des unteren M, gewinnen konnte. Unseres Erachtens liest kein Grund vor, der zur spezifischen Abtrennung von 446 H. Helbing. angustifrons zwingen könnte. Filhol gibt übrigens selber zu: „peut- être, lorsque l’on aura pu réunir un plus grand nombre d’échantillons, devra-t-on le considérer comme appartenant à une race descendant du Mustela angustifrons.“ Um zu einem Urteil zu gelangen, wie weit überhaupt die Kieferlängen innerhalb der Art variieren können, haben wir Hensels Messungen am Iltisschädel zu Rate gezogen. Namentlich lag uns daran zu prüfen, wie sich die Längen der Zahnreihen ver- halten, wenn nicht nur Schädel von gleicher Grösse, sondern auch solche verschiedenen Geschlechts miteinander verglichen werden. Das Mass q der Craniologischen Studien, das die Länge einer Zahnreihe in der Entfernung von dem vorderen Rande der Canin- alveole bis zum Hinterrand der Alveole des unteren M, ausdrückt, gibt uns hiefür die besten Anhaltspunkte. Unter 77 männlichen adulten Schädeln variierte das Mass zwischen 0,025, im Maximum und 0,020, im Minimum. Unter 46 weiblichen Schädeln dagegen zwischen 0,022, im Maximum und 0,019; im Minimum. Aus diesen Messungen geht hervor, dass die Längenvariation der mandibularen Zahnreihe unter den männlichen Schädeln allein schon nahezu 20°/, des Maximums betragen kann; zieht man dann aber erst noch das Minimum der weiblichen Schädel in Rechnung, so er- reicht die Differenz ein Viertel vom männlichen Maximum. Nach den Variationstabellen im Catalogue of the Mammals of Western Europe des Britischen Museums steht für den Iltis einem männlichen Maxi- mum der unteren Zahnreihe von 0,025, ein weibliches Minimum von 0,016, gegenüber, was doch nichts anderes besagt, als dass die Längen der kleinsten weiblichen Mandibeln den grössten männlichen um die Drittelslänge dieser letzteren nachstehen können. Wenden wir nun diese am rezenten Material gewonnenen Erfahrungen auf die Vor- kommnisse der grossen Palaeogalearten im Phryganidenkalk des Allierbeckens an, so ergibt sich folgendes Bild. Die grösste Art, die Pomel mit der Bezeichnung robusta belegt hat, unterscheidet sich durch kräftigere Entwicklung der vorderen Basalknospe des P, und durch ein kleines Diastem zwischen P; und P, von den übrigen Arten. Solche Merkmale reichen wohl kaum hin, eine Species genügend zu begründen, da derartige Erscheinungen im Gebiss ein und derselben Species nachgewiesen werden können. Schlosser bemerkt, dass das von Filhol gegebene Längenmass für die mandibulare Zahnreihe von robusta nicht hinreicht, die Species von Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. 447 angustifrons zu trennen. Gervais gibt die Mandibularreihe der letzteren mit 0,031 an. Da keine durchgreifenden Unterschiede in Betracht kommen, liegt die Annahme nahe, dass die Arten robusta und lemanensis nur als Grenzfälle einer Grössenvarlation innerhalb derselben Art angusti- frons aufzufassen sind, gehen doch die Längendifferenzen nicht ein- mal über die Grenzwerte hinaus, die schon innerhalb der Species durch die Geschlechtsdifferenzen möglich sind. Wahrscheinlich bilden die grossen Palaeogale einen Formenkomplex, dessen Individuen der Grösse nach variieren, im übrigen aber keine tiefergreifenden spezifischen Unterschiede erkennen lassen, sodass die Trennung einer Varietas major von einer Varietas minor innerhalb der Species angusti- frons geeigneter erscheint, als eine ungenügend begründete Unter- scheidung von Arten. Palaeogalemandibeln sind wiederholt Gegen- stand einlässlicher Beschreibung gewesen, sodass ich mich an dieser Stelle mit dem Hinweis auf die beigegebenen Textfiguren 4a, b, c begnügen darf. B. Palaeogale minuta P. Gervais. Der Typus dieses kleinsten Vertreters des Genus ist ein rechts- seitiges Mandibelfragment mit M, und M, das 1848 von Gervais ab- gebildet worden ist. H. von Meyer beschrieb zwei Jahre später sehr ähnliche, aber etwas grössere Unterkiefer von Weissenau und Haslach, die er mit der Speciesbezeichnung fecunda belegt. Schlosser publizierte die H. v. Meyer'schen Zeichnungen und liess die Art fecunda neben minuta bestehen. Teilhard-de-Chardin findet keinen ernsthaften Grund dafür, diese Trennung aufrecht zu erhalten. Was sodann Filhol an craniologischem Material zur Beschreibung der Mustela mustelina — Palaeogale fecunda H. v. Meyer beigebracht hat, gehört wohl nur zum Teil hierher. Wir werden im folgenden Kapitel zeigen, dass der Gesichtschädel wenigstens sicher ausgeschieden werden muss. Von der maxillaren Bezahnung der Palaeogale minuta ist bisher nur ein isolierter P, sup. von Eggingen bei Ulm bekannt geworden, den Schlosser abgebildet hat. Das Basler Museum besitzt von Palaeogale minuta eine rechte Maxilla S. G. 676 mit P,—P, in situ aus der Gegend von St. Gerand-le-Puy, sowie ein rechtes Mandibel- fragment S.G.675 mit M,—P,. Ziehen wir die Species fecunda zugunsten der älteren minuta ein, so gehört noch eine linke Mandibel S. G. 921 hierher, die ausser dem C und dem P, die Reihe M,—P, trägt. ï 448 H. Helbing. S. G. 676. Maxilla dext. mit P,—P, von P. minuta P.Ger- vais. Die Incisiven und der Canin sind ausgefallen. An die Stelle des Diastems, das hinter der Caninalveole nach Analogie mit angustifrons zu erwarten wäre, tritt ein P,, der mittelst einer kräftigen vorderen und einer schwächeren hinteren Wurzel im Kiefer befestigt ist. Die nach rückwärts gekrümmte Kronenspitze liegt noch im Niveau der vorderen Alveole, da der flache eraniale Abhang steiler abfällt, als der mehr schneidenförmige caudal gerichtete. Der ebenfalls zwei- wurzelige P, erscheint bedeutend kräftiger als der vorderste Figur 5. Palaeogale minuta P. Gervais. Maxilla dext. mit P,—P,, von aussen und unten. S.G. 676. 5/1. Praemolar. In der Seitenansicht ähnelt die Asymmetrie des Haupt- hügels derjenigen des P,. Die auffallende Ähnlichkeit dieses P, mit dem entsprechenden Zahn der grösseren Art angustifrons setzt die senerische Zugehörigkeit des kleinen Oberkieferchens ausser Zweifel. Am Grunde des Haupthügels gliedert sich je eine craniale schwächere und eine caudale kräftigere Basalknospe aus. Dementsprechend ver- stärkt sich auch die hintere Wurzel, die das talonartige Gebilde trägt, auf dessen Oberfläche eine kleine sagittale Kante als Fortsetzung der anstossenden Schneide verläuft. Der P, fällt durch die beiden kräftigen Basalknospen und die Umkehrung des Längenverhältnisses beider Schneiden auf. In der Mitte der labialen Kronenbasis setzt Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. 449 eine cingulumartige Schmelzverdickung ein, die aber kontinuierlich in den Schmelz der Krone übergeht. Etwas distinkter tritt das Cin- gulum auf der lingualen Seite des Zahnes auf, wo es sich besonders über dem Cranialende der hintern Alveole auf eine kurze Strecke wulstartig verdickt. Den Reisszahn — P, — kennzeichnet der Spalt, der sich zwischen den klingenförmigen Teil der Krone und deren Haupthügel einsenkt. Der Zahn erinnert dadurch, wie wir oben schon hervorhoben, eher an den D, sup. der Musteliden oder an den oberen P, der Viverren, als an das entsprechende Element des Gebisses von Palaeogale angustifrons. Der Haupthügel wendet sich sagittal schräg nach hinten, an seiner cranialen Basis sitzt ein kräftiger Nebenhügel, der zur Gestalt des unteren P, passt, er ist deutlich grösser als der Innenhügel des Zahnes, was besonders in der Gaumenansicht deutlich wird. à Figur 6. Figur 6. Palaeogale minuta P. Gervais. Mand. dext. mit M—P;. S.G. 675. 3/ı. S. G. 675. Mand. dext. M,—P, Gegend von St.Gerand- le-Puy. Die Bestimmung der soeben beschriebenen oberen Bezahnung von Palaeogale minuta stützt sich in erster Linie auf ein rechtes Mandibelfragment der Basler Belegsammlung, das denselben Erhal- tungszustand aufweist wie die Maxilla und in der Grösse gut zu ihr passt. Die charakteristische Zurückbiegung der Spitze des Haupt- hügels, das vollständige Fehlen eines Innenhügels, das kurze schneidende Talonid, sowie die Beschaffenheit der kleinen M,-Krone lassen keine Zweifel an der Zugehörigkeit der Mandibel zum Genus Palaeogale aufkommen. Der M, hat die charakteristische lateral komprimierte Form, er ist zweiwurzelig und mit einer Schneide ver- sehen, die im Profilcontour dreiteilig erscheint. Der hole P, trägt auf der Hinterkante einen kleinen Nebenhügel, an der caudalen Kronenbasis gliedert sich ein talonartiges Gebilde aus, das die vordere Basalknospe an Grösse übertrifft. Die kleine Mandibel S.G.675 stimmt genau mit der Typus- species Mustela minuta überein, die P. Gervais 1848 erstmals abge- bildet hat. 29 450 H. Helbing. S. G. 2860. Mand. sin. M,—-P,; C Montaigut. Dieser Unterkiefer gehört seiner Grösse nach zu Palaeogale fecunda, die H.von Meyer 1846 beschrieben, aber nicht abgebildet hat. Schlosser identifizierte die Species mit Pomels Plesiogale mustelina. Tatsäch- lich ist aber, wie Teilhard-de-Chardin bemerkt, die Trennung der beiden Arten minuta und fecunda nicht genügend begründet, da ausser der geringen Grössendifferenz keine Merkmale in Betracht kommen, die zur Unterscheidung der Arten verwertbar wären. Ich reihe daher die beiden kleinen Mandibeln unter der Bezeichnung P. minuta ein. ; Die Materialien, die Filhol 1879 PI. 25, Fig. 1—7 abbildet, können nur zum Teil auf diese Species bezogen werden. Ich werde im nächsten Kapitel zeigen, dass namentlich die mitabgebildeten Ge- Figur 7. Figur 7. Palaeogale minuta P. Gervais. Mand. sin. mit M,, P,, P;, C. I Al, ht sichtschädel unmöglich zum Genus Palaeogale gehören können. Hier sei nur erwähnt, dass Filhol im Text betont, die Öffnung des Gehör- ganges bilde keine röhrenförmige Verlängerung, wie bei den Plesicten, sondern sie falle direkt mit der Aussenwand der Bulla selbst zu- sammen. Meine Beobachtungen am Schädel von Palaeogale angusti- frons bestätigen diese Darstellung keineswegs. Ich trete hier absicht- lich auf keine weiteren Einwände ein, da mir die Besprechung des folgenden Genus, Stenogale, hiezu Gelegenheit bieten wird. II. Genus Stenogale Schlosser. Schlosser schied unter dieser Bezeichnung ursprünglich nur die Proailurus des Quercy aus, die entsprechenden Formen von St. Gérand- le-Puy sollten dagegen ihren alten Genusnamen beibehalten. Teilhard- de-Chardin, der die Genusdiagnose für die Stenogale des Quercy präzisiert, weist neuerdings auf die Gründe dafür hin, warum auch Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. 451 Proailurus Julieni, Filhol, aus dem Phryganidenkalk von St. Gerand als eine Stenogale aufzuführen ist. Wir wenden daher im folgenden die neue Genusbezeichnung an. Leider ist es mir trotz aller Be- mühungen nicht gelungen, Frlhols Proailurusmonographie (Obser- vations sur le genre Proailurus) in die Hände zu bekommen. Figur 8. Figur 8. Stenogale brevidens H. v. Meyer. Mand. sin. mit Ma—P,, von aussen, oben und innen. S.G. 2436. 2/1. Stenogale brevidens H. v. Meyer. S. G. 2432. Mand. sin. M,—P,. Die kleine Mandibel von Jaligny unterscheidet sich durch die Kieferform sowie durch die weiter fortgeschrittene Reduktion des P, von der Species Hermann von Meyers, auch nach der Gestalt des Reisszahns dürften diese Formen nicht ohne weiteres vereinigt werden. Da jedoch die beiden 452 H. Helbing. Unterkiefer sowohl in der Grösse als auch in den generischen Merk- malen übereinstimmen und da sie ferner Horizonten gleichen Alters angehören, ziehen wir vor, die schon bestehende Speciesbezeichnung in Anwendung zu bringen. Die Mandibel könnte zwar auch auf Steno- gale Julieni, Filhol, bezogen werden, da der geringe Längenunter- schied der Zahnreihe, der keine 0,004 beträgt, kaum zur spezifischen Abtrennung nötigen dürfte. Letztere wird dadurch veranlasst, dass wir einen kleinen Gesichtschädel aus der Gegend von St. Gerand- le-Puy mit der Mandibel von Jaligny in Beziehung bringen, dessen oberer M, nicht wohl zu demjenigen der Form Julieni passt — wenn auch — wie wir sehen werden, gemeinsame Züge zwischen beiden nicht zu verkennen sind. Von den drei in situ befind- lichen Zähnen der Mandibel ist der Reisszahn am besten er- halten geblieben, sein Vorderhügel neigt zu transversaler Stellung und seine Schneide steht von der entsprechenden Linie des Haupt- hügels (Protoconid), die stark nach rückwärts neigt, weit ab. Am Haupthügel fällt der hohe Hinterabhang auf, dessen basal-linguale Kante den reduzierten Innenhügel (Metaconid) trägt, der in der Aussenansicht nicht eingesehen werden kann. Er ist aufrecht und zugespitzt. Das Talonid ist kurz, aber bei weitem nicht so stark reduziert wie bei den echten Proailurus. Ein gestreckter schneiden- förmiger Aussenhügel (Hypoconid) fällt zum Lingualrand ab, der nur spurweise erhöht erscheint. Der M, hat die charakteristische Knopfform, der Schmelzüberzug der Krone ist so stark korrodiert, dass kein Relief mehr zu erkennen ist. Die caudale Kronenbasis des P, bildet eine Art Talonid, das sich satt an die lateral-basale Vorderhügelwand des M, legt. Der grosse Nebenhügel auf dem Hinterabhang der P,-Krone ist in der Oberan- sicht, sowie in der Aussenansicht zu erkennen. Der P, wich den Alveolen nach nur unbedeutend vom hintern Nachbar in der Reihe ab; der Entwicklungsgrad des P, steht hiezu in schroffem Gegen- satz, während der P, wiederum normal entwickelt ist. Form und Lage der C- und I-Alveolen werden am besten aus den beigegebenen Abbildungen klar. S. G. 617. Gesichtschädel, M,—P, sin. et dext. aus der Gegend von St. Gerand-le-Puy. Das Schädelfragment passt in mehrfacher Beziehung zu der eben beschriebenen Mandibel, sodass wir glauben, die beiden Fossilien aufeinander beziehen zu dürfen. Dem hohen Haupthügelgipfel des unteren Reisszahns ent- spricht im Oberkiefer eine tiefe napfartige Grube des Maxillare, die sich auf der Lingualseite des Kontaktes von P, und M, be- findet. Diese Vertiefung erinnert lebhaft an eine ähnliche Bil- Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. 453 dung im Obergebiss von Viverravus angustidens, wo sie nicht wohl anders als durch den hohen Haupthügel des unteren M, zustande kommen kann (cfr. Qu. U. 322 der Basler Sammlung). Damit soll nicht gesagt sein, dass dieses Merkmal andern adulten Carnivoren- schädeln fehle, es erscheint nur im Viverravusgebiss besonders deut- lich ausgeprägt. Wird nun der untere M, der Stenogalemandibel auf diesen Fixpunkt eingestellt, so legt sich der vordere Aussenhügel des oberen Molaren satt an den zwischen Talonid und Haupthügel ausge- sparten Winkel an, zugleich stellen sich auch die Caninalveolen in ihre natürliche Lage ein, sodass also der Cranialrand der oberen Alveole senkrecht über den Caudalrand der unteren zu stehen kommt. Auf Figur 9. Figur 9. Stenogale brevidens H. v. Meyer. Gesichtsschädel von unten. S. G. 617. 2/1. die Zusammengehôrigkeit der beiden Fossilien fällt aber auch noch von anderer Seite einiges Licht. Filhol bildet auf Pl. 25, Fig. 1—5 Schädel und Mandibeln einer kleinen Palaeogaleart — Mustela mustelina — Palaeogale minuta — ab, die wohl kaum zusammen ge- hören können, namentlich scheint der dort abgebildete Gesicht- schädel in keiner Beziehung zu diesem Genus zu stehen. Dagegen weist er unverkennbare Anklänge an unsern Stenogaleschädel S.G. 617 auf, obschon er dessen Dimensionen nicht erreicht. Betrachten wir den letzteren zunächst von der Gaumenseite her (Textfig. 9), so tritt schon in der Stellung und in der relativen Grösse der I-Alveolen ein Merkmal zutage, das eher zu Stenogale-, als zu Palaeogalecranien von annähernd gleicher Grösse passt. Fülhols Fig. 1 der Pl. 25 gibt den oberen P, mit drei deutlich gesonderten Alveolen wieder. Wir 454 H. Helbing. kennen bisher keinen Vertreter des Genus Palaeogale, dessen P, durch eine Innenwurzel gestützt würde, dagegen ist bekannt, dass der P, sup. von Stenogale Julieni Filhol dreiwurzlig ist, obgleich die Innen- seite des Zahnes weder Fortsatz noch Zacken trägt. Der P, des Ge- sichtschädels S. G. 617 ist durch eine gespaltene hintere Wurzel ge- kennzeichnet, wie sich aus dem Bild der Alveolen ersehen lässt. Setzt man die Länge der Zahnreihe hinter dem Caudalrand der Canin- alveole = 100 und drückt man die Länge des Reisszahns in Prozenten der ersteren aus, so ergeben sich für den von Fülhol auf Palaeogale bezogenen Gesichtschädel genau dieselben Werte, wie für den P, sup. von S.G.617, der übrigens nach Filhols Urteil „absolument sem- blable à une dent de chat.” In gleicher Übereinstimmung finden wir das Längenverhältnis der vor dem Reisszahn stehenden Pr-Reihe zur Länge der Zahnreihe hinter dem C. Filhol Pl. 25 S. G. 617 Eis, 1. Länge der Zahnreihe hinter der Caninalveole 0,012 0,019, use des BR, sup... HO AO OUT 0,007, Länge der Pr-Reihe vor dam 12 sch. OO ONE 0,011 Die grossen und normalen Alveolen der oberen beiden vordersten Praemolaren sind keine Belege für entsprechend robuste Zahnformen der betreffenden Partien des Vordergebisses. Der P, sup. von Steno- gale Julieni im oberen Aquitan von St. Gerand besass z. B. eine sehr gedehnte Kronenbasis, während der Zahn selbst nach Filhol kaum zwei Millimeter Höhe erreichte. Trotzdem besteht zwischen dem P; und seinem Nachfolger in der Reihe, dem P,, eine den Antagonisten des Unterkiefers korrelative Disproportion. Der obere Reisszahn des Gesichtschädels S.G. 617 ist in beiden Kieferhälften erhalten, doch sind vom Haupthügel beiderseits nur die basalen Abschnitte stehen geblieben. Die allgemein feliden Züge des Zahnes treten am meisten im Übergang der Schneide zum Haupthügel hervor. Der klingen- förmig entwickelte Kronenabschnitt setzt sich mittelst eines tiefen Spaltes vom Haupthügel ab, am freien Ende des Spaltes divergieren die Linien genau wie am Reisszahn einer Katze. Der Innenhügel ist weniger voluminös als die craniale Haupthügelbasis, wo es zur Entwicklung eines kräftigen Sekundärhügels kommt, dessen Schmelz- oberfläche an unseren Exemplaren sehr stark von Korrosionen mit- genommen ist. Beim P, der Katze ist das Verhältnis oft gerade um- gekehrt, der Innenhügel erscheint gedehnter als der anstossende Ab- schnitt der Aussenwand. Das Merkmal ist indessen nicht konstant. Durch die auffallende Ähnlichkeit des oberen P, mit demjenigen der Katze gewinnt aber unsere Annahme an Wahrscheinlichkeit, dass Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. 455 der in Frage kommende Gesichtschädel tatsächlich auf Stenogale be- zogen werden darf. Noch in höherem Masse scheint der eigenartige und bisher wohl nicht bekannte Bau des oberen M, dafür zu sprechen. Beide M, des Schädels S.'G.617 sind erhalten geblieben, der rechtsseitige ohne Spur von Korrosion des Schmelzes. Der trianguläre Kronenumriss wird durch tiefe Ausbuchtungen der Aussen- und Hinterkante etwas entstellt. Die cranial gerichtete Langseite des Drei- ecks erscheint eigentümlich unduliert und die beidseitige Konkavität auf Vorder- und Hinterkante führt zur Entwicklung einer schmalen Brücke, die den gedehnten lateralen Kronenabschnitt mit dem Innen- hügel verbindet. Die freien Ränder der Brücke setzen sich lingual etwas abrupt in zwei scharfe Kanten fort, die in dem Gipfel des Innenhügels zusammentreffen. Der innere Abschnitt der Krone scheint im Vergleich zum äusseren auf ein Minimum reduziert zu sein. Eine sehr kleine, kreisförmig contourierte Usur, nicht über die mittlere y] Figur 10. Figur 10. Stenogale brevidens H. v. Meyer. M, sup. dext. $S. G. 617. 5/1. Transversale der Krone hinausreichend, berührt den caudalen Brückenrand. Die Usur spricht wohl für die Existenz eines knopf- förmigen minimen M, des Unterkiefers. Die transversale Linie, welche dem Caudalrand des Innenhügels und demjenigen der Brücke folgend gedacht wird, trifft die Stelle, wo beide Aussenhügel sich berühren. Ihre Kammlinie verläuft in medial gerichtetem Bogen, dessen Scheitel der Gipfel des Vorderhügels ist, sie nimmt ıhren Anfang in der parastylartigen Bildung der vorderen Aussenecke und läuft in das Labialende der Hinterkante aus. Die Grenze beider Aussenhügel wird durch eine kleine grubige Vertiefung bezeichnet, in die sich ein schmaler Spalt hinabsenkt. Der hintere Aussenhügel erscheint neben dem kräftigen Nachbar schon bedeutend reduziert. Der Vergleich dieses M, sup. mit demjenigen der Stenogale Julieni lässt gewisse Analogien zwischen beiden Gebilden nicht ver- kennen. Vor allem sei auf die schmale Lingualpartie der Krone hin- gewiesen und auf ihre relativ grosse Aussenwand mit dem kräftigen vorderen Ausseneck, das Filhol allerdings nur für den linksseitigen 456 H. Helbing. oberen M, eingezeichnet hat, während er andererseits im Text eine sehr geringe Entwicklung des labialen Kronenrandes betont. Bei der Anwesenheit eines Talonides des unteren M, und eines knopfförmig entwickelten M, inf., ist natürlich nicht ohne weiteres einzusehen, warum auch die Aussenwand des oberen Molars denselben Reduktions- grad aufweisen soll, der dem M, sup. der Feliden eigen ist, die den unteren M, bereits vollständig verloren haben. Ich zweifle aber nicht daran, dass bei grösseren Formen, wie Stenogale Julieni, die Re- duktion des letzten Elementes in der maxillaren Zahnreihe weiter fortgeschritten sein kann, als bei kleinen, weniger evoluierten Formen. Am allerwenigsten stimmt das verkürzte, felid entwickelte Palatinum zu Palaeogale, von dem Fühol sagt: „l’orifice postérieur Figur 11. Figur 11. Stenogale brevidens H. v. Meyer. Gesichtsschädel von oben. S. G. 617. 2/1. des fosses nasales correspondait comme chez les’ chats à l’extrémité interne de la tuberculeuse.“ Ein Blick auf die Textfig. 3, welche die Gaumenansicht des Schädels von Palaeogale angustifrons zur Dar- stellung bringt, genügt, um darzutun, dass auch in dieser Hinsicht der Anschluss an Stenogale viel näher liegt. In der Obenansicht er- innert der von Filhol Pl. 25, Fig. 4 abgebildete Gesichtschädel im Contour und namentlich in der speziellen Beschaffenheit des Nasen- daches, das an seinem freien Ende in besonders charakteristischer Weise ausgebuchtet ist, an den Schädel S. G. 617, den wir in Text- fig. 11 zum Vergleich in der Frontalansicht wiedergeben. Stenogale brevidens wäre demnach gegenüber der grösseren Stenogale Julieni Filhol durch einen oberen M, charakterisiert, dessen hinterer Aussenhügel reduziert, aber noch nicht hinfällig geworden ist. Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. 457 III. Genus Plesictis. Plesictis stenoplesictoides n. sp. Teilhard-de-Chardin zeigt in seiner schon mehrfach zitierten Arbeit über die Carnivoren des Quercy, dass sich der Prozess fort- schreitender Stenoplesiktisation an verschiedenen Stellen des Carni- Figur 12. Figur 12. Plesictis stenoplesictoides n. sp. Mand. sin. mit M,—P, von aussen, oben und innen. S.G. 2098. 2/1. 458 H. Helbing, vorenstammbaumes verfolgen lässt, und dass vermutlich dieselbe mor- phologische Erscheinung auch unter den mustelinen Plesieten des aus- gehenden Oligocäns Formen hervorgebracht habe, die schon sehr leb- haft an den Typus der Palaeogale erinnern. Eine Plesictismandibel S. G. 2098 Mandib. sin. M,—P, von Chavroche, die eine in diesem Sinne fortschreitende Mutation repräsentiert, führe ich unter der Speziesbezeichnung: Plesictis stenoplesictoides ein. Die Mandibel besitzt musteloiden Schnitt, ıhr vorderster Teil ist mit der Caninalveole weggebrochen. Der M, blieb allein vollständig intakt, der P, wenigstens zum grössten Teil. Dem Condylus fehlt das laterale Ende. Die Anordnung der Alveolen im Unterkiefer er- innert wie die Gestalt des M, inf. an die Bezahnung der rezenten Mustela foina, mit dem Unterschied allerdings, dass der Habitus der ganzen Mandibel bedeutend kräftiger erscheint. Der Coronoidfort- satz sitzt einer breiten Basis auf, die Umgrenzung der Massetergrube hebt sich allseitig schärfer ab, die Kieferhöhe ist beträchtlicher. Der Haupthügel des M, ragt im Verhältnis zur Länge des Zahnes deutlich höher empor, als derjenige des M, rezenter Musteliden. Die Bezahnung weicht dadurch vom allgemein plesictoiden Typus ab, dass sie sich in der oben angedeuteten Richtung spezialisiert. Die Zähne rücken sehr nahe zusammen. Der P, wird, der winzigen Alveole nach zu beurteilen, auf ein Minimum reduziert. Der ursprünglich kräftige Innenhügel des M, ist sehr klein geworden und weit nach hinten gerückt. Das Talonid stellt eine kurze Schneide dar, die wahr- scheinlich dadurch zustande kam, dass der gehobene Lingualrand der einstigen Talonidgrube im Zusammenhang mit fortschreitender Aus- ebnung des medialen Talonidabhangs verschwunden ist. So entsteht ein Gebilde, das an die entsprechende Partie des unteren M, von Potamotherium Valetoni erinnert, nur dass sich der Übergang des taloniden Lingualrandes zum Innenhügel am M, der Mandibel von Chavroche nicht so abrupt vollzieht wie dort, und dass vom ursprüng- lichen „hypoconide bifide‘“ nicht mehr so viel zu sehen ist wie am M, der aquatilen Form. Der Reisszahn der letzteren kann schon wegen seines massiveren Habitus und der meist kräftiger entwickelten Cingula nicht wohl mit dem M, von Plesictis stenoplesictoides ver- wechselt werden. Plesictis stenoplesictoides n. sp. Länge der Zahnreihe M.-P,. . . . 2. 2....00% Eängerdes MI ET REFERENT 0009 Höhe des M,-(Haupthügel) über dem Alveolenrand 0,005, Länge, des Mr = Talonidest ee re 002 Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens. 459 Schlussbetrachtungen. Das Genus Palaeogale ist erst vor kurzer Zeit von Schlosser auf Grund neuer Funde in der Eichstätter Gegend umschrieben worden. Da sich die Diagnose des Gebisses ausschliesslich auf Mandibeln gründet, bedarf sie in einer Hinsicht der Berichtigung. Der kleine P, kann, wie das Maxillargebiss von Palaeogale minuta zeigt, zwei- wurzlig sein. Der obere P, ist innerhalb des Genus ebensowenig wie die Zahnzahl selbst von konstantem gleichmässigem Gepräge. Der obere Reisszahn der Palaeogale minuta stellt mit seiner scharfen Tren- nung von Haupthügel und Schneide einen wesentlich anderen Typus dar, als der im Sinne rezenter Musteliden modernisierte obere P, von Palaeogale angustifrons. Ich komme im folgenden auf diesen Unterschied zurück. Unter den aquitanen Formen klingt P. minuta am aller- meisten an die ältere P. felina aus den Phosphoriten an. Ob jene aber, wie Schlosser annimmt, phylogenetisch auf diese letztere zurückzuführen ıst, kann vorderhand noch nicht entschieden werden. Teilhard-de-Chardin hält die Quercyform mit Rücksicht auf die Spezialisierung des Mandibulargebisses, die sich morphologisch wenigstens verfolgen lässt, für eine relativ sehr junge Form. Die Palaeogale robusta im Aquitan von St. Gerand-le-Puy, die wir als Varietas major der Species angustifrons glauben auffassen zu dürfen, betrachtet er als Abkömmlinge gewisser Plesictis, da unter diesen mustelinen Carnivoren Mutationen in dieser Richtung tatsächlich zu beobachten sind. Jedenfalls geht aus dieser Auffassung hervor, dass auch die Palaeogalearten des Aquitans zum jüngsten Bestand des hier verbreiteten Fleischfresserkomplexes gerechnet werden. Damit ist aber auch der Möglichkeit Raum gegeben, dass das Genus Palaeogale polyphyletischen Ursprungs sein könnte und dass dessen Arten Terminalformen repräsentieren, die an mehr als bloss einer Stelle des Carnivorenstammes entstehen. Das ist auch ein Grund mehr dafür, warum wir die Palaeogale ultenia aus dem Obermiocän von Attenfeld nicht ohne weiteres als Nachkomme der aquitanen P. minuta oder fecunda gelten lassen dürfen, wie dies Schlosser anzunehmen scheint. Für die polyphyletische Herkunft mancher Palaeogalearten spricht ausser der verschiedenen Gestalt des oberen Reisszahns auch die Inkonstanz der Zahnzahl im Vordergebiss. Die von Flhol aufgestellte und später von Schlosser für unsicher gehaltene Species der P. lemanensis aus dem Phryganidenkalk von St. Gerand-le-Puy fällt dahin. Die beiden Mandibeln, auf die sie ge- gründet war, gehören, wie schon F%lhol vermutungsweise andeutete, 460 H. Helbing. zum Variationskreis der Palaeogale angustifrons. Filhol schreibt dem oberen M, der letzteren wiederholt felide Eigenschaften zu, was mit unseren Ergebnissen keineswegs im Einklang steht. Natürlich hat auch der obere P, ebensowenig etwas mit Lutra zu tun, wie Schlosser aus Filhols Abbildungen glaubte entnehmen zu müssen. Das Genus Stenogale ist bisher nur auf Grund der mandibularen Bezahnung charakterisiert worden; was Schlosser an Maxillen auf die Stenogale der Phosphoritfauna glaubte beziehen zu dürfen, kam nicht zur bildlichen Darstellung. Ein wichtiger Schritt zur er- weiterten Kenntnis der aquitanen Vertreter des Genus war damit ge- tan, dass Teilhard-de-Chardin die Stenogalenatur der Form Proailurus Julieni von St. Gerand erkannte. Die Möglichkeit, dass Fülhol mit den Mandibeln von Palaeogale minuta Gervais (Mustela mustelina Filhol) den Schädel einer kleinen Stenogale aus dem Aquitan abge- bildet hätte, kann nach den Erfahrungen, die wir an den Materialien von P. angustifrons gemacht haben, durchaus nicht befremden. Die Stenogale von St. Gerand-le-Puy nehmen gegenüber den im Quercy als solche bestimmten Carnivorenmandibeln eine Mittelstellung ein. Die Species intermedia der Phosphorite scheint dem feliden Typus näher zu stehen, als eine der beiden Arten des Aquitans, während andererseits die kleinere Species gracilis des Quercy bedeutend weniger reduzierte vordere Praemolaren trägt. In der Phosphoritfauna sind von Teilhard-de-C'hardin drei verschiedene Quellen namhaft gemacht worden, die Stenogale geliefert hätten. Ob nun eine von diesen auch für die aquitane Linie in Betracht kommt, kann hier nicht ent- schieden werden. Wir verzichten darauf, über die Wurzelformen der oberoligocänen Stenogale irgendwelche Vermutungen auszusprechen. Die Kenntnis von Obergebiss und Schädel wird indessen die erste Voraussetzung dafür sein, um einige Sicherheit über die Stellung des Genus zu gewinnen. Die Beschreibung des Schädelfragmentes der Stenogale brevidens von St. Gerand-le-Puy gibt uns einstweilen fol- sende Anhaltspunkte: Der P, sup. neigt zur Entwicklung einer Innenwurzel, der obere Reisszahn ist von felidem Schnitt, doch liegt der Innenhügel eine Spur weiter zurück. Der nachfolgende M, mit seiner schmalen Lingualpartie stellt ein Gebilde dar, das mit dem Reduktionsmodus der mandibularen Bezahnung im Einklang steht. Ferner lässt auch der schon kleine hintere Aussenhügel auf einen M, schliessen, der demjenigen der Stenogale Julieni von St. Gérand nicht mehr ferne steht. Das Palatinum reicht nur bis auf die Höhe der beidseitigen M,-Innen- hügel. Die oben beschriebene Mandibel von Plesictis stenoplesictoides n. sp. spricht für die Möglichkeit einer noch weiter fortschreitenden Carnivoren aus dem Phryganidenkalk des Allierbeckens, 461 Mutation von Plesicten zu Formen, die den Palaeogale sehr ähnlich sehen. Der P, ist schon ausserordentlich klein geworden, der Innen- hügel des M, hat kaum mehr etwas mit demjenigen echter Plesicten zu tun, ebenso geht das sich verkürzende Talonid in eine Schneide über. Wird der Coronoidfortsatz noch etwas breiter und niedriger, und biegt sich der Gipfel des Haupthügels am M, etwas zurück, so wird der Typus einer Palaeogale entstanden sein. Mit Rücksicht auf den hohen Grad der Entfernung dieser Mandibel vom ursprünglichen Bauplan der Plesictis, wäre die Errichtung eines besonderen Genus durchaus gerechtfertigt gewesen, doch würden dadurch die klaren genetischen Beziehungen dieser peripheren Form zum zentralen Genus nur verwischt. Literatur. H. Filhol. Mammifères fossiles de l’Allier. Annales des sciences géologiques. T, X. 1879. P. Gervais. Zoologie et Paléontologie franc. I. R. Hensel. Craniologische Studien. Nova Acta 1881, Bd. 42. W. D. Matthew. On the Skull of Bunaelurus, a Musteline from the White River Oligocene. Bull. Am. Mus. Nat. Hist. 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Die Stromleitung in einem dichten, homogen ionisierten Gase zwischen ebenen, zylindrischen oder kugelschalenartigen Flächen ist mehrfach der. Gegenstand theoretischer und praktischer Unter- suchungen gewesen.t) Allen theoretischen Ausgangsgleichungen ist die Vernachlässigung des Einflusses der Beschleunigung der Ionen auf das elektrische Feld gemeinsam. Bei den meisten Autoren, wie bei J..J. Thomson, Mie, Seeliger, wird auch der Einfluss der Diffusion der Ionen vernachlässigt. Der Rekombinationsvorgang wird nach Analogie einer bimolekularen chemischen Reaktion angesetzt. H. See- mann?) hat in einer sehr sorgfältigen Arbeit die Mie-Seeliger’schen Formeln durch Messungen am ebenen Schutzring-Kondensator für den Fall der Ionisierung durch Röntgenstrahlen geprüft und fest- gestellt, dass bis zu einem Sättigungsgrade von ca. 700/, die Be- ziehung zwischen Stromdichte und Elektrodenspannung praktisch mit der theoretisch geforderten übereinstimmt, dass dagegen oberhalb dieser Werte systematische Abweichungen von den exakten Formeln Seeligers vorliegen. Zur Erklärung dieser Diskrepanz können ver- schiedene Gründe angenommen werden. Erstens wäre denkbar, dass die Diffusion eben nicht zu vernachlässigen ist (in diesem Falle sollten aber gerade bei kleinen Sättigungsgraden merkliche Abweichungen auftreten !), zweitens, dass der Rekombinationsvorgang nicht so ein- fach verläuft, wie im Ansatz vorausgesetzt wurde. Neuerdings hat in 1) J. J. Thomson, Phil. Mag. 42, p. 392, 1896, (Conduction of Electricity through Gases, Cambridge 1906). — E. Riecke, Göttinger Nachrichten 1901, p. 11, Ann. d. Phys. 12, p. 52, 1903. — G. Mie, Ann. d. Phys. 13, p. 857, 1904. — R. Seeliger, Diss. München 1910, Ann. d. Phys. (4) 33, p. 319, 1910. 2) H. Seemann, Diss. Königsberg 1912, Ann. d. Phys. 38, p. 781, 1912. Eindimensionale Strömung. 463 der Tat Sutherland?) gezeigt, dass die vorliegenden Beobachtungen über Rekombination mindestens ebenso exakt aus der Annahme erklärt werden können, dass die Änderungsgeschwindigkeit der Ionen-Dichte auf Grund von Rekombination proportional der 5/, Potenz der Ionen- Dichte verläuft, und zwar versucht er dieses Gesetz in zweiter An- näherung gastheoretisch zu begründen. Ausserdem ist zu beachten, dass aus der wenigstens teilweisen Übereinstimmung der gemessenen und berechneten Stromcharakteristik noch nicht gefolgert werden darf, dass das tatsächliche Feld mit dem berechneten annähernd überein- stimmt. Vielmehr könnte die angenäherte Übereinstimmung zwischen Semessenem und berechnetem Feldintegral auch dadurch erklärt werden, dass gewisse, bei der Aufstellung der Ausgangsgleichungen nicht berücksichtigte Einflüsse im Bereiche kleiner Sättigungsgrade sich zufällig so weit kompensieren, dass sie sich der Bralsandhen Beobachtung entziehen. Neuerdings hat P. Langevin*) das Problem wieder aufgenommen und zwar unter Berücksichtigung von Diffusion. Für sehr kleine Plattenabstände werden praktisch brauchbare, sehr einfache Formeln gefunden. Doch muss hierzu allgemein bemerkt werden, dass in diesem Falle die Einflüsse der zur Zeit noch so gut wie unbekannten Grenzbedingungen aller Wahrscheinlichkeit nach sehr beträchtlich sein werden. Eine näherungsweise Lösung des Problems für endliche Plattenabstände ist im Anschluss an Langevin von J.Jaffé5) gegeben. Aus dem angeführten ist zu entnehmen, dass es einstweilen wohl zweckmässig ist, die Ansätze der Gasionentheorie systematisch an dem theoretisch einfachen Fall der unipolaren elektrischen Strömung, d.h. derjenigen bei Vorhandensein von Ionen nur einerlei Tanszichen, zu untersuchen. Denn bei dieser fallen eine Reihe von Komplikationen fort. Erstens braucht der Vorgang der Volumenionisation nicht be- rücksichtigt zu werden, zweitens findet keine Rekombination statt. Ausserdem gewährt das Strömungsfeld den Vorteil, dass der Einfluss der Diffusion ausgeprägter und mithin der Beobachtung exakter zu- gänglich wird. Diese Erwägungen waren in erster Linie für die im nachfolgenden mitgeteilten Berechnungen bestimmend. Die Differentialgleichungen der unipolaren Strömung. Sl. Ein dichtes, aus lauter gleich beschaffenen Molekülen von der Masse m} bestehendes Gas enthalte normale »-wertige Gasionen 3) W. Sutherland, Phil. Mag. 6. Jan. 18, p. 341, 1909. 4) P. Langevin, Le Radium, 10. p. 113, 1913. 5) J. Jaffe, Ann. d. Phys. (4) 43, p. 249, 1914. 464 W. Matthies. einerlei Vorzeichens, d.h. solche Moleküle von der trägen Masse ms, die entweder »-positive oder negative Elektronenladungen e besitzen. Es soll » als für alle Ionen wirklich konstant zu betrachten und ins- besondere bei negativen Ionen der Fall ausgeschlossen sein, dass die v- Elektronenladungen zeitweilig frei, also von der Masse m, getrennt existenzfähig sind. Bei den positiven Ionen ist erfahrungsgemäss eine derartige Einschränkung überflüssig, da bisher keinerlei Anhalts- punkte für die Isolierbarkeit sogenannter positiver Elektrizität von träger Materie möglich gewesen ist. Unter Zugrundelegung eines rechtwinkligen Bezugssystems sollen bedeuten: 0 die räumliche Massendichte, w,,, v,,2 w,,4 die Komponenten des Geschwindigkeitsvektors V,,, der geordneten Gesamtbewegung, Ë,,9 Miro Gus die Geschwindigkeitskomponenten der Wärmebewegung, Pr21,2 PYyi,a SO PES CT 7 ES OS SO = SON PY21,2 7 SE die Komponenten des Partialdruck-Tensors, fire : d&1,2 : dmsa * db, die Anzahl der dem Geschwindigkeitselement dé,» : da: dd,,. angehôrenden Geschwindigkeitspunkte in der Volumeneinheit. Die Indices 1 und 2 sollen sich beziehungsweise auf die neutralen oder geladenen Moleküle beziehen.‘ ) Zunächst gilt allgemein die Kontinuitätsbedingung : do}, — + div (Qu » - Vas) = 0 (1) Die x-Komponente des in der Volumeneinheit enthaltenen Ge- samtimpulses ist definiert durch: +00 My, 2 Jf, à Cine Core bonds Cire di à (2 Wenn die mittlere, auf die Volumeneinheit wirkende äussere Kraft durch K,, a bezeichnet wird, so ist in bekannter Weise die zeitliche Änderung der nach (2) gegebenen Impulskomponente : 7) d (O1, 2 Us, à) & dpax,, 9 a: dpzy;, à an dpazj, 2 a N) dt dx dy de dx d(Q1, > Us > Us 2) , AG, 2 Una Wir a) + dy dz + Kay. + Bilémis (3) 6) Vergl. L. Boltzmann, Vorlesungen über Gastheorie, I. Teil. Leipzig 1910. pag. 117, 143 u. s. w. T1) Ich benütze in nachfolgendem die Heunsche Bezeichnungsweise vekto- rieller Grössen (vergl. z. B. J. Hamel, Elementare Mechanik, Lpzg. u. Berlin 1912). Eindimensionale Strömung. 465 wo B(Ëm) = — B,(&,m), den durch die Wechselwirkung zwischen den. Molekülen erster und zweiter Art herbeigeführten Anteil der Änderungsgeschwindigkeit der Impulskomponente in der Maxwell- Boltzmann’schen Bezeichnungsweise bedeutet. Als äussere Kraftfelder kommen in Betracht: 1. Das Gravitations-Feld. 2. Das elektro-magnetische Kraftfeld. Wenn 9, E und H die Vektoren der Erdbeschleunigung, des elektrostatischen Feldes, beziehungsweise des magnetischen Feldes sind, so ist mithin: K, = 9:9 1 | Ren lm] | My C ev Die Gültigkeit der Gleichungen (3) und (4) soll durch die fol- senden Voraussetzungen beschränkt sein : 1. Es bleibt die Massendichte der Ionen gegenüber derjenigen des neutralen Gases unter allen Umständen verschwindend klein: 01% 2. Die Massendichte 0, des ungeladenen Gases bleibt stets ober- halb von Werten, die bei normalen Temperaturverhältnissen (72739) einen mittleren Druck von | p > --- ca. 20mmHg (4) entsprechen, was in der Sprache der kinetischen Gastheorie der For- derung einer oberen Schranke der mittleren freien Weglänge gleich- kommt. 3. Die durch die äusseren Kräfte oder inneren Druckgefälle be- wirkte geordnete Bewegung der Moleküle und Ionen (V),,, bleibe stets klein gegenüber der mittleren Geschwindigkeit der Wärmebe- wegung cet. par., d.h. also auch: É 0 a 0 Dub to aD 4. a) Die Wirkung des Gravitations- und magnetischen Feldes bleibe stets verschwindend klein gegenüber derjenigen des elektrischen Feldes: = je 2» 74 — Mg eh EI», a (wenn künstliche Magnetfelder ausgeschlossen werden, also nur das magnetische Erdfeld in Frage kommt, wird beiden Forderungen 30 466 W. Matthies. wegen (3) bei normalen Gasionen, deren träge Masse von der Grössen- ordnung der neutralen Molekülmasse ist, genügt, wenn BDD Poser bleibt.) b) Andererseits ist die Intensität von Æ nach oben durch (3) begrenzt und zwar muss erfahrungsgemäss bei normalen Gasionen Da en. IE) <10®e-st.E gi bleiben, wenn @*, die Gasdichte des Gases beim Normaldruck von 760 mm kg bedeutet. Durch (4b) ist dann zusammen mit (6) die Möglichkeit des Eintrittes von Stossionisation ausgeschlossen.®) 5. Alle variablen und messbaren Grössen, die den ionisierten Gas- zustand charakterisieren, sollen wesentlich als nur von einer Raum- koordinate (x) abhängig angesehen werden dürfen (Beschränkung auf das eindimensionale Problem). 6. Der Betrag der Dichte des elektrischen Konvektionsstromes soll in allen Fällen unterhalb solchen Grenzen bleiben, dass der unter Beachtung der für LE durch (4) festgelegten Schranke zur Auf- rechterhaltung eines stationären elektrischen Feldes erforderliche Joule’sche Wärmeeffekt das Temperaturgleichgewicht im Strömungs- gebiet nicht merklich beeinflusst. Auf Grund der Voraussetzung (3) darf in bekannter Weise an- genommen werden, dass der Geschwindigkeitsverteilungszustand an- genähert der dem Maxwell-Boltzmann’schen Zustande entsprechende ist und mithin in (3) die tangentiellen Druckkomponenten ver- schwinden und die Normaldrucke einander gleich werden. pyz = Dry = paz = Pix = pyx = pay = 0 | (4) PT, 9 = PYYı,a — M5 9 — Pise | Unabhängig von speziellen Hypothesen über die Kraftgesetze zwischen den Molekülen und Ionen erhält man in erster Annäherung für die Funktion B,(m$) einen Ausdruck von der Form :°) B,(m$) = 091, (ui—u2) (2) 8) Vergl. hierzu J. S. Townsend, The Theory of Jonisation of Gases by Collision. London, Constable & Co. 1910. — J. Franck u. P. Hertz. Verh. d. D. Phys. Ges. (16) 12, 1914. — J. Franck u. E. v. Bahr, Verh. d. D. Phys. Ges. (16) 57, 1914. Wir schliessen also den Fall negativer Jonen in Edelgasen aus, da in diesen ja erfahrungsgemäss keine eigentlichen negativen Gasionen vor- handen sind, insofern nach Franck u Hertz u. a. die Elektronen frei existenz- fähig sind. 9) L. Boltzmann, 1. c. p. 90, u. P. Langevin, 1. c. (8) Bd. 5 p. 245. — D. Enskog, Phys. Z. S. 12, p. 56—60 u. 533. 1911. Eindimensionale Strömung. 467 wo C bei Erfüllung der Voraussetzungen (1) bis (4) lediglich eine Funktion der absoluten Temperatur und der die Gasmoleküle und Ionen bestimmenden Parameter ist. Die Form dieser Funktion ist natürlich durch die Natur des vorausgesetzten Kraftgesetzes bedingt. Nach Reinganum und Sutherland darf die Temperaturabhängigkeit in recht; befriedigender Übereinstimmung mit der Erfahrung durch: ! Y _1/2 0590, 1 + a: 1? (6) angesetzt werden, wo (! die bekannte Sutherland’sche Konstante der Temperaturabhängigkeit der innern Reibung des neutralen Gases ist.10) Unter Berücksichtigung der Voraussetzungen folgt aus (1), (3), (4), (5) für den stationären Zustand: AU à 01 ren a _— + COQ — us) = 0 m dus dPs = = ut, te re E + ObiQalus — u) = 0 wo das Vorzeichen von E etwa dadurch festgelegt sei, dass die Rich- tung wachsenden elektrischen Potentials mit der positiven Axen- richtung x übereinstimmt. Gemäss (4) und den allgemeinen Voraussetzungen dürfen die mittleren Partialdrucke durch: ine = „RT | (8) approximiert werden, wo R die absolute Gaskonstante, T die absolute Temperatur und N die auf das gr-Molekül bezogene Loschmidt’sche Konstante sind. Bei Beachtung der Voraussetzung (1) folgt, dass die Dielektri- zitätskonstante & mit derjenigen des neutralen Gases identifiziert werden darf, so dass eE e dE e ain( SE) - on. © ar zu setzen ist, womit zum Ausdruck gebracht ist, dass die Divergenz- stellen der dielektrischen Verschiebung mit der wahren von den Ionen- ladungen herrührenden Elektrizitätsdichte übereinstimmen. Die Dichte des elektrischen Konvektionsstromes ist durch: 10) M. Reinganum, Phys. Z. S. 12.Jg. pg. 575 u. 666. 1911. — W. Sutherland, Phil. Mag. 6. Ser. 13, p. 344. 1909. Vergl. hierzu auch: D. Enskog, Inaugural-Dissertation Upsala 1917. 468 W. Matthies. +» ; ve „= + fhamats né, = Ep Us (10) definiert und für den stationären Zustand von + unabhängig. Setzen wir in gebräuchlicher Weise zur Abkürzung : v.e = - (11) Cmser wo C sich auf die Wechselwirkung der positiven Ionen und Gas- moleküle beziehen möge und k die sogenannte Beweglichkeit dieser Ionen bezogen auf absolutes Mass ist, vernachlässigen wir wegen Vor- aussetzung (1) (es bleibt in physikalisch realisierbaren Fällen SE meist unterhalb der Grössenordnung 10-1° bei normalen Zustande” verhältnissen !) die geordnete Strömung des neutralen Gases gegen- über derjenigen der Ionen, so folgt aus (7,,) unter Berücksichtigung von (8-11) die Differentialgleichung für das elektrische Feld: 47, | (dazt)?m, 1 ORNE | Den) le 2 — 2 — oe Nos do de ee bezw. 1 AT) Me Il, a0) & :) AT mE on CE oh ame N 4 (12% wo das obere Vorzeichen sich stets auf positive, das untere auf negative Ionen bezieht und wegen der Festlegung der Feldrichtung im ersteren Falle die Strömung j! negativ, im zweiten positiv zu nehmen ist. Das elektrische Feld ist nach (12) demnach unter den verein- fachenden Annahmen, insbesondere unter Vernachlässigung von Wärmeleitung, durch eine Differentialgleichung zweiter Ordnung und zweiten Grades bestimmt. 8.2. Grenzbedingungen. Das die Ionen enthaltende Gas werde durch die beiden ebenen, unendlich ausgedehnten Metallplatten æ— 0 und 2=L (Schutzring- Kondensator) begrenzt. Die Oberfläche von x — L sei der Sitz flächen- haft verteilter Quellen z. B. positiver Gasionen von zeitlich und räum- lich konstanter Ergiebigkeit ; I) (13) Unter Annahme einer unipolaren negativen Ionisation werde x = 0 als Quellgebiet aufgefasst, sodass cet. par. in diesem Falle: JE) Eindimensionale Strömung. 469 zu nehmen ist. Über die Natur des Bildungsprozesses der Ionen sollen zunächst keine Annahmen gemacht werden. Wir stellen nur die For- derung, dass in physikalisch messbarer unmittelbarer Nähe vor x — L ein Zustand herrsche, der im wesentlichen den Voraussetzungen 1-6 genügt, sodass auch hier noch (12) gelten. Ganz allgemein ist bisher bei allen die Vorgänge in ionisierten Gasen behandelnden Untersuchungen als Grenzbedingung an der Oberfläche von Metallen, unter Voraussetzung der Abwesenheit von flächenhaft verteilter Ionısation an dieser Grenze, das Verschwinden der Dichte der Ionen > = 0 und mithin auch der Divergenz von E div E = 0 angenommen worden.!!) Dieser Voraussetzung liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Ionen selbst bei Abwesenheit äusserer Feldkräfte in unmittelbarer Nähe der metallischen Grenzen unter dem Einfluss ihrer eigenen Influenzfelder mit praktisch unendlich grosser Geschwindigkeit in Richtung der Flächennormale auf die Metallflächen getrieben werden, sodass an diesen selbst die mittlere Ionendichte wegen der Endlich- keit der Quellen als verschwindend klein anzusehen sei. Mit Rücksicht auf die den Gleichungen (12) zugrunde liegenden Voraussetzungen muss kurz auf die Frage der Begründung des An- satzes dieser allgemeinen Grenzbedingung eingegangen werden. Denn, wenn an der Grenze x — 0 u, wirklich über alle Grenzen wächst, so verliert die Differentialgleichung (12) an der Grenze ihre Bedeutung. Es bleibt dann nur übrig, die Grenze selbst und dasjenige Gebiet vor ihr auszuschliessen, in welchem die Geschwindigkeit der geordneten Ionenbewegung grösser oder gleich der mittleren Geschwindigkeit der Wärmebewegung ist. Zur Entscheidung der prinzipiell wichtigen Frage muss aber der Vorgang der Ionenbewegung im eigenen Influenzfelde untersucht werden, was natürlich ohne stark ideali- sierende Annahmen über die Beschaffenheit der Grenzzone und ohne Voraussetzung eines Gesetzes für die „Influenzwirkung‘ zwischen Ladung und ungeladenem Metall nicht möglich ist. Aus den ver- schiedenartigsten optischen, elektrischen und allgemeinen molekular- physikalischen Beobachtungen an makroskopisch ebenen Metallflächen 11) Vergl. hierzu: J. J. Thomson, Phil. Mag. 47, pag. 257, 1899 und Con- duction of Eletricity through Gases, Cambridge 1906. — E. Riecke, Ann. d. Phys. (4) 12, 1903, Göttinger Nachrichten math. phys. Kl. 1903, 1. u. 33. — G. Mie, Ann. d. Phys. (4) 13, 857, 1904. — R. Seeliger, Diss. München 1910, Ann. d. Phys. (4) 33, 319, 1910. — P. Langevin, Le Radium. 10, p. 113. 1913. 470 W. Matthies. darf mit einiger Sicherheit der Schluss gezogen werden, dass die Grenze nicht einen unstetigen Übergang zwischen der Massendichte des Metalles und der mittleren Gasdichte darstellt, sondern dass an der Grenze eine Schicht von Gasmolekülen vorhanden ist, deren mittlere Dichte wesentlich grösser als der durchschnittliche Wert im Gasinnern ist. (Vergl. hiermit auch die gastheoretischen Ansätze Boltzmanns, wonach die Gasdichte mit Annäherung an einen schweren Körper exponentiell wachsen muss, falls dessen Gravitationsfeld berücksichtigt wird.) Von dieser „Gashaut‘“ ist zu erwarten, dass sie den eindringenden geladenen Molekülen einen merklichen ,,Wider- stand‘ entgegensetzen wird. Indessen ist einstweilen eine analytische Berücksichtigung dieses Einflusses ohne willkürliche Hypothesen nicht möglich. Bezüglich des Ansatzes für die Anziehung des Gases durch die metallische unendlich ausgedehnte Ebene liegt es nahe, ihn nach Analogie der für endliche Punktladungen von W. Thomson ent- wickelten bekannten Methode der elektrischen Bilder zu gestalten,1?) d.h. die Anziehungskraft als quasi statische zu betrachten und die Massenbeschleunigung des Ions zu setzen: d’x He e?v: QUE 4x? also die Anziehung als durch eine im jeweiligen Bildpunkte des Gases befindliche gleiche aber entgegengesetzte Ladung bewirkt an- zusehen. Als Integrationsgrenzen von æ wird man als obere Grenze einen Abstand x =/ wählen, der von der Grössenordnung der ,,freien mittlern Weglinge“ im Gasgebiet ist, während man als untere Grenze, ausgehend von der Vorstellung, dass die Ladung des Gases als im Kern des Atomkomplexes befindlich angesehen werden darf, einen Abstand x—=6 von der Grössenordnung des Radius der Wirkungssphäre der Moleküle nehmen wird. | Man erhält so für den Betrag der erreichten Endgeschwindigkeit im Mittel a er w DA. 2m # om VE wenn der Mittelwert der Geschwindigkeit der geordneten Ionenbe- wegung im Abstande 2 vernachlässigt und von der Existenz der Gas- haut abstrahiert wird. 12) Vergl. P. Lenard, Ann. d. Phys. 8, p. 185, 1902. — P. Debyl, Ann. d. Phys. 33, p. 467, 1910. Eindimensionale Strömung. 471 Für 1-2-wertige Gasionen, deren Masse m, von der Grössen- ordnung der Masse der ungeladenen Moleküle ist, würde für normale Zustandsverhältnisse eine obere Grenze von «', bei 105 bis 10°. [em sec. 1] liegen, d.h. sie würde gleich oder grösser der mittleren Geschwindig- keit der Wärmebewegung cet. par. werden. Zur Methode dieser Ab- schätzung ist zunächst zu bemerken, dass die für endliche Ladungen vom Standpunkt eines unbegrenzt unterteilbaren elektrischen Fluidums entwickelte Lösung des Influenzproblems nicht ohne weiteres für elementare Ladungen unter Zugrundelegung einer ato- mistischen Struktur der Elektrizität anwendbar zu sein braucht, worauf ja kürzlich H. A. Lorentz besonders hingewiesen hat.1?) Dass der Schätzung einer oberen Grenze für die Geschwindigkeit nach dieser Methode indessen doch praktische Bedeutung zukommt, kann aus der mehrfach gemessenen Austrittsarbeit eines Elektrons aus einem Metall geschlossen werden. Man findet nämlich in allen Fällen Werte für diese, die der Grössenordnung nach mit der von der „Bildkraft“ geleisteten Arbeit übereinstimmen.!#) Es liegt nahe, den Einwand zu erheben, dass das Eingehen auf die mikroskopischen Vorgänge (in Gebieten, deren Dimension unter- halb der Ordnung der mittleren freien Weglänge liegt) deswegen keinen Sinn habe, weil den vorhergeschickten Ansätzen nur makro- skopische Betrachtungen zugrunde liegen. Demgegenüber ist jedoch zu beachten, dass an einer ebenen metallischen Grenze, wenn überhaupt von einer solchen gesprochen werden darf, die Voraussetzungen einer molekularen Anordnung eben nicht mehr erfüllt sind. Denn aus der Schärfe der metallischen Reflexion an ebenen Flächen muss doch ge- schlossen werden, dass die Metallatome den Gasionen gegenüber bis zum gewissen Grade eine regelmässige Anordnung besitzen. Wenn die Schätzung der Grössenordnung der Endgeschwindig- keit einigermassen zutreffend ist (sie kann nicht wesentlich höher sein, weil sonst in der Grenzschicht Stossionisation eintreten müsste, die aber bisher nicht beobachtet worden ist), so würde folgen, dass die Annahme der Grenzbedingung 13) H. A. Lorentz, Vorträge über die kinetische Theorie der Materie und der Elektrizität (Vorträge der Wolfskehlstiftung in Göttingen), pag. 188. Leipzig u. Berlin bei Teubner, 1914. 14) Siehe W. Germershausen. Leipziger Dissertation 1916. — Ann. d. Phys. 51, p. 870, 1916. 472 W. Matthies. nur für sehr kleine Stromdichten als Näherungsformel Berechtigung besitzt. Jedenfalls ist also wohl aus dem vorstehenden zu schliessen, dass zurzeit die Möglichkeit einer analytischen Berücksichtigung allge- meiner Grenzbedingungen an einer metallischen, Gasionen auf- fangenden Elektrode nicht besteht, insbesondere auch deswegen nicht, weil wir noch keinerlei Kenntnisse von dem Mechanismus der ,,Neu- tralisation“ bezw. „Entladung“ der Gasionen an der Elektrode be- sitzen. Allgemeine Bedingungen für die Bestimmung der Integrations- konstanten kommen demnach eigentlich nicht in Betracht; auf alle Fälle scheint es ratsam, sich einstweilen spezieller Hypothesen zu enthalten. 88. Integration der Differentialgleichung des Feldes. Wir setzen in (12), unter Beachtung von (13) rs € ev À RT _D (14) Nve k Ar) Ê ek BE wo D als Diffusionskonstante derjenigen Ionen zu bezeichnen ist, auf welche sich » und k beziehen, wählen die Vorzeichen für positive Gasionen und erhalten die Differentialgleichung in der Form: d | 1 DdE = x a ana a nes (le dessen erstes Integral : L EEE a how (15) + — À dE)dx Tonrdlos 2 wird. Da im Gültigkeitsbereich von (15) x stets ausserordentlich klein bleibt (für 7—10 el. st. E. wird x unter Voraussetzung normaler = D 1—2-wertiger Ionen von der Ordnung 10°, während 7, von der Ord- nung 10°, von der Ordnung 10" ist), können wir zweckmässig das 24° Integral von (14), in der Form ansetzen: BZE, tYEs Ft (16) wo die Æ; zu bestimmende Funktionen von x und der Parameter w, D/k, ©, sind. Unter Beachtung, dass nach (15): Eindimensionale Strömung. 473 Er pn(e), _ y GS DT “ande, wird, falls Æ, u. pe) die der Ebene x = o entsprechenden Grössen sind, setzen wir: De a ea, DER a Dir dx À 1 B= gun (4E/dx) a = D/k Wird (16) in (15) eingetragen, so folgt in bekannter Weise durch Koeffizientenvergleichung der nach Potenzen von y zusammen- gefassten + BE, - 5 -f- Be u ae = 0 a ae +22 8.) -E.(Lr,+2E;) EEE: +6) El: 27, +f)= U. S. W. Dieses System von Differentialgleichungen für die E; spaltet sich dem quadratischen Charakter von (15) entsprechend in die beiden Lösungssysteme: ra 0 | 1 E,- — = 0 (17)a : jet’ Dr | PA CRE BE, 9) 0 U. S. W. ge , 2 ù ar zn a, 0 sh, 2 D) = oo ho (D 03, m — 2 (Herz, + U. S. W. Die Funktionen E, lassen sich sukzessive aus den vorstehenden linearen Differentialgleichungen berechnen; geht man bis zur nr -Annäherung, so erhält man naturgemäss n-Integrationskon- stante, zwischen denen jedoch (» —1) willkürliche, von einander unab- hängige Relationen angenommen werden dürfen. 474 W. Matthies. Lösungssystem I. Aus (17)a folgt sofort: E, = const. = E, , Wir können E, so wählen, dass es mit dem wahren Feldwert E an der Elektrode x = 0 übereinstimmt; damit ist dann für die weiteren Integrationskonstanten in dem Sinne verfügt, dass die B=E=H,=:: E=V0 für 20 werden müssen. Für die zweite Näherungs-Funktion folgt unmittelbar: 1 D GE E, = — lg (À + (2 Fra | (17)e und für die dritte BET dæ /o WE a + v8 CRIE + QE + — AT), ) Say 174 D/k , wo dE 1 Om Din 9E a = E, gesetzt ist. US We Lösungssystem Il. a) Erste Annäherung. Zum Zweck der Integration von- (17,1) werde gesetzt: k(C; — wa) = Ë | AE UN AD (18) A | 1 TE me dE sodass nach Substitution in (17,1) entsteht: O2: Dean, 1 hieraus wird durch die Transformation Eindimensionale Strömung. 475 = palE)e 20 die Differentialgleichung Riccatischen Normaltypus : d’z am Cl =, 0 2 ) ds 2 Zah ( 1) gewonnen, die ihrerseits in bekannter Weise durch die Substitution: = 3/2 : ne een 2) D — (/ 3)? Ser in die Differentialgleichung der Besselschen Funktionen: ae, j? — ) = À 23 Don Ne EU (/3)) (23) übergeht. Das allgemeine ee von (23) ist: 5 = Ji. (y) + BJ s 0) (24) Unter Beachtung der Differentialeigenschaften der Besselschen Funktionen erster Art J (1): AED = 7 ep dy dy" , (y) | v \e = — à LUE (a ) a NY, folgt aus (18) bis (24) sofort für das Feld erster Annäherung: (25) 3 ” 1/3 Co 0) EB no C J any) = Fly) EE, Ne = V2(C, = wa) ) (0) 2 k CCE CI, y) + I wo (, eine D Eniohe Konstante und J,), I, I, I_2,Y) die Besselschen Funktionen erster Art von den Ordnungen !/s, —!/s, 2/3, —2/3 sind und das Argument nach (22): 2 3/2 —1/2 2 2 y = ko, - vol") (26) zu setzen ist, worin wir im Nachfolgenden stets den positiven Wert 1/2 von (C, — x) nehmen. Die Potentialdifferenz erster Annäherung: (Here fi E, dx zwischen zwei beliebigen Ebenen im Strömungsgebiet (x,, x) wird auf Grund von (18,3)- (25) unmittelbar: 476 W. Matthies. 2 D : BC, ) + I, log rs — 27 2 0). 2) (= V:h D In allen Fällen, wo VE) 2) = ist, wird das Feld erster Annäherung genügend genau nach (23) durch: Aa a En 98 ÿ dy? fe Ty eo zo dargestellt, deren allgemeines Integral & = Ay) + BY) | ist, wo Jo(y) und Y,(y) die Besselschen Funktionen erster bezw. zweiter Art von der Ordnung Null sind. Das Feld nimmt in diesem Falle die Form an: -1 —1 D == CPE "(sy Joy — Ji) + sy Yo) = PQ) (29) l; 1. July) + Yoly) während die Potentialdifferenz 1/3{ Gr Ber Tr en (80) v N KR) wird. Jı(y)Yı(y) sind die Besselschen Funktionen der Ordnung 1. (29) und (30) eignen sich für die praktische Berechnung des Feldes bezw. der Potentialdifferenz gut, weil in den meisten vorkom- menden Fällen sehr weitgehend (y)2»1/, erfüllt ist; sie haben die An- nehmlichkeit, dass man auf schon vorhandenes Tabellenmaterial zu- rückoreifen kann!) und dass sie für sehr grosses rein imaginäres Argument bequeme asymptotische Darstellungen ermöglichen. b) Zweite Annäherung. Das Feld zweiter Annäherung ergibt sich durch Integration der linearen Differentialgleichung (17,2), wo E, und dE,/dx die durch (25) und (17,1) bestimmten Funktionen von x sind. Man findet als allgemeines Integral sofort: En i IE 1 - KIDfEıd: ah = 0. et /DJEi dx ne et k/D/SEı ale e x dx : ; D (dE,/dx) K/DSE:ı dx neh = (81) N DRE k/D JE1 c Le) Pe k/D JE: dx, dx }o 15) Siehe Jahncke und Emde, Funktionentafeln b. Teubner 1909, Abschnitt XIII, pag. 110 u. s. w. Eindimensionale Strömung. 477 10 iD ma a, 0) Gi und en Te | | | de a u er were) ne BL) zu setzen ist. Verfügen wir über die Konstanten ©, und C, wieder so, dass für wird, so ist in (31) OC; = 0. Setzen wir zur Abkürzung: D, = Co _ (y) = a (31) D, Ts Ca, (y) as J 07 ) so wird demnach das Feld in zweiter Annäherung: (32) 1 Y, D © d 1 Oh — dx E=(2(C,- vo)” | + 240, ee dx 1 D, 1) 2 DE) gp? U e 0 $ 4. Diskussion der Feldintegrale. Für jede vorgegebene stationäre Strömung 7 sind nach dem vor- hergehenden also theoretisch zwei wesentlich verschiedene elektrische Felder cet. par. existenzfähig. Nach (15) gilt nämlich für die der Divergenz proportionalen Grösse in jedem Feldpunkt: oe | ee | " k (SE) | RC Zn où CU CUT = Een onen el aa a MVP ann Da nun im allgemeinen stets: 4? Es | le turc ist, so folgt, dass das erstere System einem wesentlich homogenen, das zweite einem merklich variablen Felde entspricht. Demgemäss baut sich die durch (17)e gegebene angenäherte Darstellung des ersten Feldes aus einem homogenen Felde auf. » 15 478 W. Matthies. Der Einfluss des Beschleunigungstermes gegenüber demjenigen der Diffusion bleibt unter allen Umständen klein, wie aus dem fol- genden folgt. Nach (12)a ist nämlich: dE du Nev(4nj)m, ; 3 u? xl doc | or _ RTe*ev(4xj) “re wo € das mittlere Geschwindigkeitsquadrat der Wärmebewegung, u? dasjenige der geordneten Ionenströmung ist. Nach Voraussetzung (3) ist also im Gültigkeitsbereich der vorstehenden Differential- gleichungen obiger Quotient stets als wesentlich klein gegenüber der Einheit zu betrachten. Nur für den Fall, dass: RT dE GE a > wird, würde praktisch der Einfluss des Beschleunigungstermes gegen- über den andern Gliedern bemerkbar werden. Da nun bei von Null verschiedenem 7 im ganzen Felde sicher nirgends E’ verschwinden kann, für den Grenzfall +x— 0 (kleine Stromdichte und kleine Trägheitsmasse der Ionen, vergl. $ 3, 14) das Feld durch ele = = = fa) = 0 also wegen E +0 durch : E? sl approximiert wird d.h. durch die erste Annäherung des Lösungs- systems II, ist es gerechtfertigt, als physikalische Lösung das System II durchweg zu betrachten. Wir befassen uns daher im nachfolgenden nur mit dem Lösungssystem IT. Das Feldintegral (32) repräsentiert bei bekannten Werten der die Strömung als solche bestimmenden stets positiven Parametern %, D/k, w eine zweifach unendliche Kurvenschar : F(E,&,0,,0,) = 0 im E-x-Diagramm, bezw. eine einfach unendliche Kurvenschar : F,(E,y, C2) = 0 im E-y-Diagramm (vergl. hierzu Fig. 1). Eindimensionale Strömung. 479 Das Feld einer ganz bestimmten Strömung hängt mithin von fünf Konstanten ab. Wird die mittlere Temperatur des Feldes, die Dielektrizitätskonstante des neutralen Gases und die Stromdichte als vorgegeben angesehen, so ist nach (14) u.s. w. das Feld und damit der Potentialverlauf sowie die Verteilung der Ionendichte @,, die Be- weglichkeit bezw. Diffusionskonstante der Ionen, die träge Masse und Ladung eines einzelnen Iones vollständig bestimmt, falls min- destens fünf von einander unabhängige Werte von E, — 2 oder JE dx dx an, resp. zwischen bekannten Feldebenen durch direkte Messung ermittelt worden sind. Es ist nicht ohne Interesse, dass bei dem in den oekeschiekeen Formeln angestrebten Genauigkeitsgrade formal die Möglichkeit der Bestimmung der Masse und der Ladung, also auch des Elementar- quantums besteht. Bei den bisher durchgeführten Untersuchungen über die Stromleitung in Gasen, insbesondere der allein genauer ver- folgten bipolaren Strömung sind die von x abhängenden Terme ver- nachlässigt. '%) Nach (7) ist dies nur statthaft, wenn die räumliche Änderung der Geschwindigkeit der Gesamtbewegung im ganzen Felde klein bleıbt, und zwar derart, dass: dpa — ze O0 dx Mm du u 02 Us FE ist. In den meisten Fällen ist diese als durchaus gerechtfertigt (vergl. $(3) 15). Wird dieselbe acceptiert, so stellt nach (17,1) bis (25) das Feld E, die exakte allgemeine Lösung der schon früher von J.J. Thomson und E. Riecke hergeleiteten Differentialgleichung CP) dar. Geht man in der Vernachlässigung noch einen Schritt weiter, indem man: « E + 091 04a dps dx TJ m + 001 05 Us |: d.h. die räumliche Variation ae Partialdruckes der Ionen als sehr klein gegenüber den übrigen Termen ansieht, entsprechend einer Unterdrückung des Vorganges der Diffusion, so reduziert sich nach (17,1) das Feld auf die wohlbekannte Feldparabel E = (20, = wa)” 16) J. J. Thomson, Mie, Seeliger 1. c. vernachlässigen nicht nur den Beschleu- nigungseinfluss, sondern auch die Diffusion. P. Langevin 1. c. berücksichtigt für den Grenzfall sehr kleiner Elektrodenabstände die Diffusion. Jaffé 1. c. hat Nähe- rungslösungen für endlichen Elektrodenabstand unter sonst gleichen Voraus- setzungen angegeben, 480 W. Matthies. Nach (32) kann mithin die tatsächliche Feldkurve unter Berück- sichtigung der Beschleunigung und Diffusion der Ionen als durch Deformation der Feldparabel entstanden aufgefasst werden. Ein einfacher Grenzübergang unter Beachtung der Hankelschen asymptotischen Darstellung der Besselschen Funktionen ergibt: EE +259 = (20, - va)" in Übereinstimmung mit (33). Bei der von uns angestrebten zweiten Annäherung erscheint die Feldparabel mithin als Grenzfall der gegen Unendlich konver- gierenden Feldstärke. Abgesehen davon, dass dieser Fall bei der Auf- stellung der Differentialgleichungen ausdrücklich ausgeschlossen wurde (vergl. Voraussetzung 4, b) verliert die Parabel in der Grenze wegen der Endlichkeit des Plattenabstandes natürlich jede reale Be- deutung; denn nach (33) verschwindet wegen der Endlichkeit von von W, der variable Term gegenüber ©, d.h. das Feld wird homogen. Die Diffusion und die räumliche Änderung der Geschwindigkeit der geordneten Bewegung verschwinden in der Tat, falls wirklich noch in der Grenze k von E unabhängig wäre.!?) Die Bedeutung der Feldparabel geht klarer aus der folgenden geometrischen Betrachtung hervor, falls man sich auf die erste An- näherung beschränkt. Die Enveloppe der einfach unendlichen Kurvenschar F(E,y,G) = 0 3 A 1/3 In (y) ie (vi) 2a n Um den Verlauf dieser Kurve im E -y-Diagramm zu übersehen, betrachten wir die drei folgenden Gebiete von y (vergl. $ 5): ist nach (25) 1. Das Gebiet grosser rein imaginärer Werte von y (©, > wx) 2. Das Gebiet grosser rein reeller Werte von y (Wx > C:) 3. Das Gebiet grosser sehr kleiner rein imaginärer oder reeller y. Für den Bereich 1 nähert sich die Enveloppe: d.h. im E-x-Diagramm dem Kurventeil: 17) Indessen ist zu bemerken, dass für endliche, nicht zu kleine Feldstärken der Argumentwert |y| meist so gross ist, dass die Deformation der Feldparabel praktisch klein bleibt (vergl. hierzu p. 488 und Fig. 4 p. 498). Eindimensionale Strömung. E = +(2(0, - wa)” also der Feldparabel. Für den Bereich (2) nähert sich die Enveloppe: SU IM = (ef) ÿeotg (y SF I = 0 d.h. im E-x-Diagramm der oscillierenden Kurve: E = H2(wx - C, ed 1 , El (di. = oh) Für den Bereich 3 nähert sich die Enveloppe : A m a le) = :(r) TGS — d.h. im E-x-Diagramm dem Kurventeil: 24/3 E((wx — O,)) +(e2) TER = 0 also einer gleichseitigen Hyperbel (vergl. hierzu $ 5). TT 4 ze JE KA ho] deal ! | ma [I T | | [al | | Le) el | | 2eme E rvenschar IE | = 2 "4 2 C A ala DE NED) er | 20 Cst JU) 22.10 82 ]73 -8)B2]3 10 4 ME arermelerwarte d,| I N .0$, 09 Zu 1,00h, 1Jo1, 1, 1b | als I er 0 c:bs 1 1 doi où eh | zu [eh | se | ill ff at | à Vo REREME 1 EN) ie FH = CHAR HE | imäginänes|Gäbier neelles Gebïe 4 LL EE me] = | T It zu | 3 JL 7 je) AN CE = Fe 1 <=1 = E 3 = = 5 51001 C5101 11 C52Cze 31 481 482 W. Matthies. Zur Veranschaulichung des Verlaufs der Enveloppe sei auf Fig. 1 verwiesen (Kurve C =»). Die Parameter beziehen sich auf normale positive Gasionen unter Annahme der folgenden Zahlenwerte: T = 978 abs. 7 cr — 2,8965 - 10 (eZ. st. E.) (Faraday’sche Konstante) 27 SES | I N) 1 (el. st. E.) Die = 70.34.2100 (026.58) = 409: 10? QE su 72) ©) 3 2 | = 2504107 I | 1 = 1 p = 760 mm Hg € v Sen: Praktische Bestimmung des Feldes und der Konstanten. Von besonders zu behandelnden Extremfällen abgesehen, ist, wie schon bemerkt, die durch die erste Annäherung erreichte Genauig- keit durchaus hinreichend. Wir beschränken uns im folgenden auf diese und schreiben das Feldintegral demgemäss: E = (%(C, + va) GC) wo zur Abkürzung © J, A m JA O(y1 C2) DS TA EP y) /: y) (34) CID + Te gesetzt ist und als direktes Mass für die durch die Diffusion herbei- geführte Deformation der Feldparabel anzusehen ist (vergl. Fig. 4). Allgemeine Regeln für die Berechnung der Konstanten D/k, y, C;, ©, lassen sich aus den vorhergehenden Formeln nicht abstrahieren. Der zu wählende Weg wird sich wesentlich nach der Natur der durch die Messungen am Felde bestimmten Grössen richten. Im allgemeinen läuft aber selbst in den einfachsten Fällen die Aufgabe auf die Lösung eines Systems transzendenter Gleichungen hinaus. Wir wollen voraussetzen, dass die Parameter D/k und w be- kannt seien und der für die Rechnung einfachere, für praktische Untersuchungen aber wohl weniger wichtige Fall vorliegt, dass die 18) Wellish, Phil. Trans. Roy. Soc. London, Ser. A, Vol. 202, p. 249. 1909. Eindimensionale Strömung. 483 ersten und zweiten Ableitungen des Potentials nach der Feld- À CDN 0 R \ koordinate, also E, und | für eine bestimmte Feldebene & = xy A F0 (etwa — 0) vorgegeben seien. Nach (15) und (25) erhält man für die Konstanten C, und O3 unmittelbar die Ausdrücke: E? D{dE = ro + 1 | 85) AT , (y : Gi LOT, (36) a An me y) wo 1 RE 5 DENN À = ——— nn le 2 De 37 N „D_\ (dE I on ‘ le) - SRE dx J° ist. Da für positive Ionen überall dE a 0 ist, so wird allgemein: 9D 1 (dE > fe EB? HE = d.h. A sowohl reell als imaginär. Die Doppelwertigkeit von A hat auf C, keinen Einfluss, da die Besselschen Funktionen von einer ungeraden Potenz von A abhängen und J,,(y) und J,,(y) ungerade Funktionen, J,,(y), J.,,(y) gerade Funktionen von y sind. Wählt man insbesonders das Wertepaar E,, ei für eine der auffangenden Elektrode (z.0) sehr benachbarte Ebene, so darf, wenn wir extrem kleine Werte der Feldstärke an dieser Stelle ausdrück- lich ausschliessen, allgemein ,D 1 (ar he \dx 0 als sogar gegen 1 sehr kleine Grösse angesehen werden. Denn D/k wird für 1—2-wertige Gasionen nach (14), ganz unabhängig von ihrer Natur, für normale Temperaturverhältnisse (T 273°) von der Grössenordnung 10°. Wenn bisher auch keine genaue, auf Tatsachen dx Elektrode möglich ist, so darf aber doch indirekt aus verschiedenen sich stützende Abschätzung von (an der Grenze der auffangenden 484 W. Matthies. Diffusionsbeobachtungen mit ziemlicher Sicherheit geschlossen wer- den, dass für Strömungen, die der Voraussetzung (6) genügen, (2) , sehr klein gegen 1 bleibt. Wir gelangen so unter gewissen Vorbehalten also zu der Grenz- bedingung lim dE AB = 1 A er 0 (38) diese Grenzrelation wird um so genauer erfüllt sein, je grösser der Feldwert an der Kathode x © 0 wird. Praktisch stimmt also (38) mit der schon früher allgemein benutzten Grenzbedingung 2 = 0 0 überein (vergl. $ 3); wegen der erheblichen Vereinfachungen, die sich aus (38) ergeben, wollen wir im folgenden daher Gebrauch von ihr machen. Es wird mithin näherungsweise : ds 4ye) + Jo) AE Jo >= Ep E? Tan an en (39) G TA ER, das variable Argument y nähert sich: = - 40 Va m a ua) (40) Die Konstanten ©, und C, sind also direkt bestimmt, sobald die Feldstärke an der Kathode bei bekannter Stromdichte und Be- weglichkeit gegeben ist. (C, ist ein reiner Zahlenfaktor, der sofort angebbar ist, wenn die Besselschen Funktionen erster Art I) D ln ik bekannt sind. | Da bisher, soweit aus der Litteratur zu ersehen ist, keine Tabellen für die vorliegenden Funktionen existieren, sei in Tabelle I und II eine kleine Zusammenstellung von Funktionswerten der obigen vier Besselschen Funktionen gebracht, die sich auf rein imaginäre und reelle Argumente beziehen. Sie sind nach der bekannten Formel: a” J (y) = 1) Serra ; | en II(n+») ermittelt, in der die Werte der Gauss’schen Funktion //(n + ») aus Eindimensionale Strömung. 485 der bekannten Potenzentwicklung für log I») berechnet wurden.!°) Es liegen die Zahlenwerte zu Grunde: T‘(/s) = 0,89297885 T‘®Js) — 0,90274400 Tabelle I. 3 Die Besselschen Funktionen der Ordnungen "Js, —'/s, */s, —”/s a) rein imaginären Argumentes %: ! | el 2 2 mA) | t ” J,, (y) t | J 1,4) | t “ JT, (y) | ? J (y) 0,001 0,08888235 9,3043846 0,00697828 59,254946 0,005 0,1519873 5,4412862 0,02040470 20,265273 0,01 0,1915271 4,3188729 0,0323908 12,767038 0,05 0,3275988 2,5279656 0,0947454 4,3741266 0,1 0,4133292 2,0120908 0,1505674 2,7710328 0,2 0,5236938 1,6149337 0,2400886 1,7847976 0,3 0,6050969 1,4371161 0,3169648 1,4122460 0,4 0,6747065 1,3594804 0,3879115 1,2244345 0,5 0,73896795 1,2842663 0,4562766 1,1211616 0,6 0,8012496 1,2561487 0,5236831 1,0655464 0,7 0,8636220 1,2476438 0,5915247 1,0407643 0,8 0,9275733 1,2546119 0,6608592 1,03789715 0,9 0,9942515 1,2746576 0,7325863 1,0520196 1,0 1,0646321 1,3063528 0,8075223 1,0801406 1,1 1,1395845 1,3488749 0,8864421 1,1204781 1,2 1,2199310 1,4018054 0,9701027 1,1719889 1,3 1,3064762 1,4650143 1,05927035 1,23412565 1,4 1,4000307 1,5385928 1,1547284 1,30668935 1,5 1,5014392 1,6228107 1,2572936 1,3897444 1,6 1,6115488 1,7180917 1,3678124 1,4837978 1,7 1,7315281 1,8249983 1,4872413 1,5886563 1,8 1,8617165 1,9442237 1,6165177 1,1054582 1,9 2,0038222 2,0765883 1,7566974 1,8349199 2,0 2,158 7909 2,2230396 1,9089091 1,9777781 25 3,1743399 3,2093765 2,89812025 2.935145 3,0 4,7559531 4,7754301 4,4289341 4,4494412 0) 7.2299847 7,2409493 6,82099765 6,8324443 4,0 11,1138460 11,1200824 10,5899396 10,5964074 19) Laska, Sammlung von Formeln u. s. w. p. 289. Braunschweig 1888 bis 1894. 486 W. Matthies. b) reellen Argumentes: y Ji (y) J (4) J, (y) JT, (y) 0,001 + 0,08888232 + 9,3043777 + 0,0069783 + 59,254857 0,005 0,1519859 5,4411842 0,0204045 20,26451 0,01 0,1914876 4,3185491 0,0323898 12,765124 0,05 0,3272919 2,5232302 0,0946743 4,357754 0,1 0,4117821 1,9970566 0,1501164 2,129772 0,2 0,5158970 1,5672329 0,2372247 1,680840 0,3 0,5850152 1,3432968 0,3085212 1.233739 0,4 0,6354117 . 1,1879355 0,3698166 0,96245665 0,5 0,6728261 1,0644303 0,4233045 0,7683525 0,6 0,7000276 0,95820655 0,4700623 0,6155535 0,7 0,7185620 0,8623218 0,5106320 0,4878360 0,8 0,7294382 0,7730537 0,5453458 0,3769033 0,9 0,7333595 0,6883121 0,5744057 0,2779880. 1,0 0,7308769 0,6068884 0,59795075 0,1833404 1,1 0,72244575 0,5280989 0,6160901 0,1062583 1,2 0,7084758 0,4515861 0,62892665 0,0306972 1,3 0,6893510 0,3772038 0,6365640 — 0,0390134 1,4 0,6654458 0,3049456 0,6391208 — 0,1032745 1,5 0,6371020 0,2348999 0,6367332 — 0,1623264 1,6 0,6047903 0,1672173 0,6295500 -- 0,2165363 1,7 0,5687883 0,1020897 0,6177777 — 0,2653289 1,8 0,5295592 0,0397331 0,6015958 — 0,3092627 1,9 0,4874717 — 0,0196239 0,5814072 -- 0,3482447 2,0 0,4429333 — 0,0757500 0,5570133 — 0,8823160 2,8 0,1983094 — 0,3004902 0,3872130 — 0,4781969 3,0 — 0,0449581 — 0,4181636 0,1683304 — 0,4575940 3,0 — 0,2405661 — 0,4241210 — 0,0527130 — 0,5415276 4,0 — 0,3554278 — 0,3330922 — 0,2325213 — 0,16565835 Die Reihen für die Besselschen Funktionen sind durchweg bis auf die 8. Dezimale genau berechnet; die Fehler der mitgeteilten Zahlen sollten allgemein erst einige Einheiten der letzten Dezimale be- tragen. Die Berechnungen sind mit einer ,,8-stelligen Rechen- maschine durchgeführt. Wir berücksichtigen im folgenden allgemein nur die rein reellen oder imaginären Funktionswerte. (Die in Frage kommenden Funk- tionen sind ja dreiwertig; die konjugiert komplexen Werte werden aus der Tabelle in bekannter Weise durch Multiplikation mit den, dritten Einheitswurzeln erhalten. ) Eindimensionale Strömung. 487 Tabelle II enthält einige nach (39) berechnete Werte der Kon- stanten C, für verschiedene Werte des Argumentes an der Kathode (x = 0); die Konstante liegt also stets im Intervall zwischen Null und 1 und zwar nähert sie sich sehr schnell mit wachsendem Argument asymptotisch dem Grenzwerte 1.*) Schon bei dem Argument (-iy)=3,5 beträgt der Unterschied gegen diesen nur noch */,56000- Wir wollen im nachfolgenden den Grenzwert lim FUISES œ I durch C> bezeichnen. Tabelle II. 0 Col 0,00 0,0 0,001 0,15689 0,005 0,267505 0,010 0,303772 0,100 0,67972 0,500 0,938278 1,000 0,986217 1,500 0,99500 2,000 0,99880 3,000 0,99977 3,500 0,99997 4,000 0,9333 co 1,000 Da für 1—2-wertige normale Gasionen der Koeffizient von 3 3 IE) in (39,) Su nt A J6wD 24nD von der Grössenordnung 8 : 104 (bei normaler Temperatur) ist, so kann nach dem vorhergehenden allgemein geschlossen werden, dass für alle Feldwerte an der auffangenden Elektrode, bei denen |#,? > 510° bleibt, (41) in der Berechnung des Feldes der Grenzwert C, x = 1 benutzt werden 20) Auf Grund der Grenzrelation (38) ist y, rein imaginär; wird für æxw0,E, dagegen hinreichend klein, so werden A und y, zugleich imaginär bezw. reell und damit nach (36) C2 wieder reell. Wir verzichten auf die Angabe von Zahlen- : à ie dE werten, da sie bestimmte Annahmen über (a) und E, zur Voraussetzung hätten. CN ax ]0 488 W. Matthies, darf. Wir gelangen somit zur Unterscheidung zweier Fälle; wir werden denjenigen, bei denen ZX, der Ungleichung (41) genügt, kurz den Fall grosser Argumente nennen. Er ist dadurch charakterisiert, dass die Konstante C, praktisch den Grenzwert (5% besitzt. 1. Das Feld H(x, 05). Im vorliegenden Falle wird nach (34): E JT, (y) PER J, (4) 9 (y, 9) el J,, (y) + J,,(y) (42) Wir geben in Tabelle III eine Reihe von Zahlenwerten an, die nach Tabelle I und II berechnet sind; sie lassen erkennen, dass der Einfluss der Diffusion auf das Feld sich in der Weise geltend macht, dass die Feldstärke mit zunehmender Entfernung von der auf- fangenden Elektrode langsamer als ohne Diffusion abfällt. Dieser „verflachende‘“ Einfluss ist physikalisch ja auch durchaus zu erwarten (vergl. hierzu auch Fig. 4). Tabelle III. (-iy) I; 3,0 125 2 1,5 1,0 0,5 0,1 0,01 0,005 | 0,001 OyiCice) | 1044 | 1,060 1,057 | 1,072 1,115 | 1,150, 1,220 1,6375 | 3,087) 3,826 | 6,435 y 3,9 | 3,0 | 2,5 a. DE 1,0 | 0,5 0,1 0,01 | 0,005 | 0,001 -i9(y1 03%) N —2,557 | —0,916 | —0,306 | +0,1985 Il 142,82 | +3,62 LEE Da für grössere Argumentwerte die Besselschen Funktionen (vw —1/3, —1/, 2/3, —2/3) einander sehr nahe kommen, mithin in (42) ihre Differenzen entsprechend klein werden und andererseits die Reihenentwickelungen für Argumente |y|> 2 sehr langsam konver- gieren, die Erreichung einer grösseren Genauigkeit in © (y) also äusserst mühselig würde, ist es zweckmässig, in solchen Fällen direkte Potenzentwickelungen von (7) nach negativen Potenzen von y zu verwenden. Ein Blick auf (42) zeigt, dass die asymptotischen Dar- stellungen der Besselschen Funktionen im Gebiet grosser, rein imaginärer Argumente unbrauchbar werden, da man für @(y) Aus- 0 drücke von der Form 0 erhält. Man gelangt jedoch sofort zum ge- wünschten Ziel, indem man @ (y, 0,2) durch die Näherungsformel (29) ausdrückt. Eindimensionale Strömung. 489 a) Näherungsweise Darstellung von O (y) im Gebiet grosser, rein imaginärer Argumente. Man findet unmittelbar aus (29): tim 01, — Ju Yo) = PO) = Poly) _ ya HR, (as False 3) — 59 Ay) + Ay) ay - À Mithin wird: 1/34 Joy) — ne — à ne + 47.) 1 wi Es nähern sich asymptotisch SU ie" RO ——— $ Jly) > ————— 05 V- Qniy : 1%) Ve 2riy ï 0." où Cr 2,0” PC | + }: Y, (y) .{ }s o(9) V=2xiy V- 2miy eo N-2niy A 2miy a 7 N f ea NS io DANS 1—8iy) 21.—85y7 31.|—8iyP LA 3 ee ne Ei a eg TITTEN Tee -77TE sind. Aus der Forderung, dass 9 (y, C',+) reell werde, folgt sofort die brauchbare a 1 1 1 = a ee 2) Ei en) So me CROIRE Drückt man hierin noch (—#y) durch den nach (26) gegebenen Wert-aus und setzt zur Abkürzung: so schreibt sich (45) auch in der Form: (46) N je 32 33 D 3 O (y C'ace) = Î (y 2m - 0 = Erw) UE’p- a Zu einer praktisch mit der vorstehenden übereinstimmenden Ent- wickelung gelangt man auf etwas direkterem Wege, indem man das Integral von (17,1) nach Potenzen von D/k entwickelt, d.h. setzt: B = ee 490 W. Matthies. wo sich die E, sukzessive aus: E, = Ep= (EH, - 2a)” dE; _ 2E,E, + 2 Dr 0 2 EE: + DE, + 2 - 0 2E,E, + 2 E,E, + en - td Tom berechnen. Man findet sofort durch Vergleich mit (17)b (46) ‘ 30) D COOP) = 1 + (v2) = | wp) Ep + 5) SE n De . Die Abweichungen des Zahlenkoeffizienten vom dritten Gliede an erklären sich daraus, dass (46) aus der nur für grosse Argumente gültigen Differentialgleichung (29), (46)a dagegen aus der allge- mein gültigen, ohne besondere Einschränkungen abgeleitet worden ist. Die durch (46) und (46a) erreichte Approximation ist schon für relativ kleine Argumente eine durchaus befriedigende. (Der aus (46a) folgende Wert von 9 (y, C'>) für das Argument (—iy) —=2 wird unter Berücksichtigung der ersten drei Glieder: 1,0746, während der mittels der Besselschen Funktionen nach Tabelle I direkt ermittelte Wert 1,072 beträgt; für (-iy) = 3,5 ist entsprechend j jener: 1,04356, dieser: 1,04395. ) Für den Gültigkeitsbereich dieser Näherungsformeln können Feldstärke und Potential mithin durch: DE Leo. JD) | BND ONE wu a à | (47) —_ log E, + konst. | ausgedrückt werden. Die en a sofort erhalten, wenn in der nach dem zweiten Gliede abgebrochenen Reihe (46) E, unter Berücksichtigung der zulässigen Vernachlässigumgen entwickelt wird. Sie dürften sich zur praktischen Bestimmung von Ey, w, D/k eignen, falls etwa für j=konst. der Potentialverlauf im Felde durch Mes- sung vorliegt. V=- 5 + SVxE, + SU 2. b) Näherungsweise Darstellung im Gebiet sehr kleiner Argumente. Das Argument = Yin (ac Wr))” Eindimensionale Strömung. 491 wird klein, falls entweder: 2 1) CO =— - D/k =, sowohl als auch: wx klein bleiben. 2) Falls C, > 0 ist und gleichzeitig C, angenähert gleich Wx wird. Je kleiner cet. par. w ist, umso ausgedehnter ist der Bereich kleiner Argumente. Im allgemeinen bleibt also y] in grösseren Gebieten klein, wenn gleichzeitig die Stromdichte und die an der auffangenden Elektrode vorhandene Feldstärke klein bleiben. Für alle Stellen des Feldes, an denen |y| merklich kleiner als 1 vorausgesetzt werden darf, wird das Feld genügend genau durch: D 1/3 ke) D oil (48) E Sue: 2/3 2/3 = BA al Mo 7 2/3 A eu ! r (22) (1) Ci ° JR 0 k ist und X der durch T-Funktionen bestimmte Zahlenfaktor: K = 3"), = 1,45802... ist. Die Entwicklung (48) ergibt sich unmittelbar aus (25) und den Definitionsreihen der Besselzchen Funktionen (46), wenn konsequent Glieder höher als zweiter Ordnung, gegenüber niedrigerer Ordnung in Ep = (ac — yx))” vernachlässigt werden. Die Feldkurve ist im vorliegenden Bereich mithin eine gleich- seitige Hyperbel. Für die Stelle verschwindenden Argumentes (y=0) wird: dargestellt, wo: 1/3 3p 113 T5) Bo = -CD/kw#)" C,- K = ae) d.h. also, die Funktion ©(y) wächst in diesem Punkte so über alle Grenzen, dass y @(y) endlich bleibt (vergl. Fig. 1 und 4). Die Potentialdifferenz zwischen zwei Stellen des Feldes wird unter den vorliegenden Voraussetzungen in erster Annäherung AL An R al Ar 8 und das Feld in zweiter Annäherung nach (pag. 476—477): V, -V, = D/k log (49) 492 W. Matthies. a mare (A + a) — 4° | (50) ANT 10 (A+Ba) 6 (4 +») (dEJax)lo Für praktische Untersuchungen an unipolaren Strömen wird neben (47) in erster Linie (48), (49), (50) in Betracht kommen. c) Das Gebiet reeller Argumente. Wird we > |C,| so ist y stets reell; die durch Æ, bezeichnete Grösse, sowie die Funktion @(y) dagegen rein imaginär (wegen der speziellen Wahl der Besselschen Funktionen. Nach (34) bleibt also für alle reellen Argumente y die Feldstärke reell. Für genügend kleine reelle Werte von y gelten natürlich die Formeln (48-50). Im reellen Argumentsbereich, aber auch nur in diesem, wie man sofort allgemein an der Hand der vorhergehenden Formeln feststellen kann, gibt es Stellen verschwindender Feldstärke. Allgemein sind diese Orte durch die Wurzeln y, der transzen- denten Gleichung C JU ÿ Ze DPA ) 0 bestimmt. Für solche Feldkurven, deren Ausgangsfeldstärke der Un- gleichung (41) genügen, darf, wie früher gezeigt, für C, der Nähe- rungswert Co =1 benutzt werden. Die Feldstärke wird für alle diese Kurven zum ersten Male Null am Argumentwerte y, der kleinsten Wurzel von: TU) mn 2 PAU) = À Durch bekannte Näherungsverfahren findet man: y, = 0,685535 oder für die entsprechende Raumkoordinate : 8x) 2/3 à (2.056605 > pp) PU (52) = Be k Die Dichte 0, bleibt in x), wie unmittelbar aus (31b) ersichtlich, endlich und zwar hat sie den Wert: CDN 2 49, AT D Cv — (bar C:) (23) Für dasjenige Feld, welches mit y = 0 in x © 0 ausgeht, ist nach (Tab. I) C, =0; in diesem Falle ist die erste Stelle ver- schwindenden Feldwertes durch die kleinste Wurzel von: Eindimensionale Strömung. 495 J, (1) — 0 gegeben, d.h. durch y, =. Grosse reelle Argumente. Für die Berechnung von (y) im Gebiete grosser reeller Argu- mente gilt das gleiche wie für jene im Bereich grosser imaginärer Argumente ausgeführt wurde. Wir geben im nachfolgenden prak- tisch brauchbare Näherungsformeln unter der Voraussetzung, dass die Bedingungen für x © 0 der Forderung (41) genügen, sodass an- genähert Co = Cox — 1 genommen werden darf. Die Erweiterung auf den allgemeinen Fall lässt sich übrigens ebenfalls leicht durchführen. Wir finden im vorliegenden Fall direkt aus (25), ohne den Um- weg über die Näherungsformel (29), die gewünschte Näherungsformel für ©(y) nach negativen Potenzen von y entwickelt, wenn wir von den semikonvergenten Reihenentwicklungen der Besselschen Funk- tionen :21) ya x), A (y) = 2 ny + Eh 5 + 006 + où 092, "12/% (23 J, (y) = 2 sy = 2). 17 COS - 12 | h TT sin + as COIN RE ms 4 DAR. Bn\ , Il) = Vz sul hu Ps, + cos ausgehen, wo: (4v? = 19) (4v? — 8°) Sp = 1p, 2/3 el 21 (8y)° (4v? — 1°)(4y? — 3°)(4y° — 59) (iv? — 7?) 2 41 (8y) ;” re (4v? — 1?) = (4v? — 1?) (4v? — 3?) (4v? - 5?) je Ne 3!(8y)° Hieraus folgt sofort für: Sucatg| 1 + : sy Sn = Ga oral +) 21) Siehe H. Nielsen, Handbuch u. s. w. pag. 156. Ou Cox) = Hi 494 W. Matthies. Für unbegrenzt wachsendes y nähert sich dieser Ausdruck: lim O(y, Cr) = ti cotg Ir + : Ha Ya 4 ; d. h., die strenge Gültigkeit der Ausgangsformeln vorausgesetzt, einer rein periodischen Funktion des Argumentes y, die zwischen +oo oszilliert. | Formel (54) gestattet eine sehr bequeme und zugleich genaue numerische Berechnung des Feldes; für gröbere Abschätzungen ge- nügt sogar (54a) schon. Als Beispiel sei die Berechnung der Stelle ver- schwindender Feldstärke angeführt. Nach (52) verschwindet das Feld zum ersten Male für Mm= 000. während der entsprechende nach (54) geschätzte Wert Bi | wird. em ae: Die Feldstärke kann im reellen und endlichen Argumentbereich über alle Grenzen wachsen, allgemein werden Extremwerte von E erreicht, wo: Ca, (9) Ar J (Y) = 0 oder näherungsweise für Co= C9 = 1 und grosses y, wo: , „ IT Selle Scota(r + 7) = () wird. Die kleinste Wurzel für die Integralkurven ©, © 1 wird: Y, = 2,326 während der nach (54)a geschätzte Wert : y = Em = 0888... ist. Für die Integralkurven C, £ 0 (y,| = 0) (sehr kleine Ausgangs- Feldstärke) wird ein Extremwert von E für die kleinste Wurzel von Ty) = 0 d. h. angenähert für Mr) zum ersten Male erreicht. 22) Jahncke u. Emde 1. c. geben auf pag. 106 den von Greenhill berechneten, (Pr. Cambr. Phil. Soc. 468), von dem obigen merklich abweichenden Wert: 1,88. Da die kleinsten „Wurzeln“ der vorliegenden Besselschen Funktionen gele- sentliches Interesse besitzen können, seien die von mir berechneten Werte mitgeteilt: Jau(u) 0 1 = 1,243046 Ta,W) = 0 y1 = 1.866453 (lo) = Ü 11 = 2,902587 div) = 0 y = 3,37570 Eindimensionale Strömung. 495 Im Gegensatze zum Gebiet imaginärer Argumente, in welchem die Ionendichte mit gegen. Unendlich konvergierender Feldstärke gegen Null geht, wächst im reellen Bereich die Dichte nach (31)b mit Unendlich werdender Feldstärke ebenfalls über alle Grenzen. An den Stellen verschwindender Feldstärke besitzt die Dichte relative Minima, deren Beträge wie die entsprechenden Argumentwerte y, d. h. wie (4x, — C’,) oder im E — x-Diagramm linear ansteigen. Das Potential wird im Gültigkeitsbereich von (54) durch: (55) 7 = ef log y — log |(sin y + cos y) Sin — (cos y — sin sr) ] + konst. approximiert, welcher Ausdruck mit unbegrenzt wachsendem y in: lim V = D (re log y — log sy “+ =) + konst. (55h y > © k 4 übergeht. Die physikalische Bedeutung des Verhaltens der Feldkurven im reellen Argumentbereich liegt zunächst in folgendem. Da Stellen un- endlich grosser Feldstärke und Ionendichte auf Grund der einleitenden Voraussetzungen auszuschliessen sind, so folgt aus dem soeben allge- mein abgeleiteten Resultat, dass schon für endliche reelle Argument- werte die Feldstärke und Dichte über alle Grenzen wächst, eine allge- meine Beschränkung der räumlichen Dimensionen des Strömungs- bereiches. Bei vorgegebener endlicher Stromdichte kann der Abstand % zwischen Quell- und Senkgebiet nicht willkürlich vorgegeben werden. Vielmehr muss unter allen Umständen das jeweilige %s kleiner als diejenige Koordinate x, bleiben, welche dem Argument y; entspricht, für welche die transzendente Gleichung: Co (y) al JU) = 0 zum ersten Male identisch erfüllt wird. Da nun die Integralkurven im ÆZ—y-Diagramm allgemein zwischen den beiden, durch die Parameterpaare : (Ci = 0, C; = 0) (C, =», C3 = 1) charakterisierten Grenzkurven liegen, für die erstere aber y, = 1,87, für die zweite y, —2,33 wird, so folgt nach (37), dass ganz allge- mein für den Abstand x; zwischen Quelle und Senke die Ungleichung erfüllt sein muss: A 2 477 wo Y,, ein zwischen 1,87 und 2,33 liegender Zahlenwert ist und C; der entsprechende Parameterwert ist, der dem Intervall 0 — 6 ange- 2477 7 2m la u Cf — > LL 496 W. Matthies. hört. Der Wert ö ist durch die Voraussetzung (4)b festgelegt. Er muss im allgemeinen für normale Gasionen kleiner als 104 bleiben. ER SEROSFERSEE I SEOSSaEE a 8 6. Zusammenfassung. Es wird die Differentialgleichung für die stationäre, eindimen- sionale unipolare Strömung normaler Gasionen in einem dichten Gase unter Vernachlässigung von Wärmeleitung aus den allgemeinen gas- kinetischen-hydrodynamischen Grundgleichungen aufgestellt. Die Zu- lässigkeit allgemeiner Grenzbedingungen für die Oberfläche eines in ein ionisiertes Gas eintauchenden Metalles wird diskutiert und nach- gewiesen, dass die Annahme des Verschwindens von div. E an der Auffangende Elektrode. _ Eindimensionale Strömung. 497 Grenze nur als Näherungswert angesehen werden darf, falls die _Normalkomponente der Stromdichte 7 sehr klein bleibt. Es wird die Integration der Differentialgleichung bis zur zweiten Näherung durchgeführt und gezeigt, dass die erste Annäherung, welche der Ver- nachlässigung der von der Beschleunigung der Ionen abhängenden Terme entspricht, sich streng mittels Besselscher Funktionen darstellt. Die hierdurch erreichte Annäherung des Feldes entspricht durch- aus dem zurzeit möglichen Genauigkeitsgrade praktischer Messungen an stromleitenden Gasen; in den meisten Fällen geht sie sogar ganz erheblich über den letzteren hinaus. Es werden Tabellen der Besselschen Funktionen erster Art von den Ordnungen 1/,, —1/,, 2/3, —2/; sowohl für reelles als rein imagi- näres Argument mitgeteilt, mit deren Hilfe die numerische Berech- nung des Feldes möglich wird. Für sehr kleine und grosse Argumente der Besselschen Funktionen werden allgemeine, praktische Näherungsformeln entwickelt, mit deren Hilfe die Stromparameter relativ bequem ermittelt werden können, falls etwa Stromdichte und Potentialverlauf als durch Messung gegeben vorausgesetzt werden dürfen. TETE Rene CH (mi BE ae baise Aus ngswert I JS er/feldstärke art dar auffengendeni Elektrode 1 I DE Dame mem a a Bi bel IL IL romrichlun == an ae EEE 444 1 2 | hp 6 7 8 10 | 1 12 IL 3 14 15 | 16 | 17 | 18|| 19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 498 W. Matthies. Es wird gezeigt, dass die Entfernung zwischen Quell- und Senk- gebiet der Ionen bei vorgegebener Strömungsdichte unterhalb be- stimmter, genau angebbarer Grenzen bleiben muss; annäherungsweise wächst der zulässige Abstand cet. par. umgekehrt wie die Stromdichte, direkt wie das Quadrat der Feldstärke an der Sinkstelle der Ionen und direkt wie die Beweglichkeit der Ionen. Die im vorhergehenden mitgeteilten Formeln werden durch die Fig. 1—4 ergänzt; Fig. 1 gibt ein Bild der Integralkurven im E-y-Diagramm; diese besitzen im imaginären Argumentsbereich, der für die praktische Anwendung in erster Linie in Frage kommt, ein Minimum, das für die Kurve C,—0 bei y — 0, für die Kurve C, =1 bei y=i» und C,— wieder im Endlichen, bei y® 2 liegt. Wird die Annahme acceptiert, dass an der auffangenden Elektrode die Ableitung der Feldstärke nach der Feldkoordinate annäherungs- weise verschwindet, so entspricht dem, dass jene Minimalstellen der auffangenden Elektrode zuzuordnen sind; die Feldkurve ist dann dem Kurventeile mit abnehmendem imaginärem bezw. zunehmendem Tja eo ea] Fon] TEN a] sa Tee IE ISSEBEIIEEIBFaEHSETE INT) | D I | u [| | | | FE ail | A = EEE | CHE pan MEN ss I [TT] +) VOIRE RACE as. FE | ANLN a en EESSUANEZ PE NSÉTCRTIEEEE NÉE Ê AVER An | - EEE N a IE i EEE HT] imaginäres Gebiet reelles Gebiet Eindimensionale Strömung. 2 499 reellem Argument y zugeteilt. Für alle Integralkurven mit grösserem Ausgangsargument y, an der Elektrode wird das Feld in einigem Abstande von der Elektrode praktisch mit demjenigen identisch, das durch C, = 1 charakterisiert ist und das in Gebieten grösseren Argu- mentes parabelartig ist. Fig. 2 und 3 geben eine direkte quantitativ richtige Darstellung des Feldes für normale positive Luftionen für verschiedene spezielleWerte der Stromdichte und der Feldstärke an der auffangenden Elektrode. Fig. 4 gibt endlich eine graphische Dar- stellung der Funktion (y, C,), die als direktes Mass für die durch die Diffusion der Ionen herbeigeführte Deformation der Feldparabel angesehen werden kann. | Die im vorliegenden mitgeteilten Resultate lassen sich zur Be- handlung des lichtelektrischen Stromes zwischen parallelen ebenen Platten und analoger unipolarer Stromleitungsvorgänge mit wesent- lich flächenhaft verteilter Ionisation verwenden, sobald die Existenz eigentlicher negativer Ionen in der nach $ 1 näher festgelegten Be- deutung gesichert ist. Die allgemeinen Formeln für diese Phänome ergeben sich aus bestimmten Hypothesen über die Natur der Ionen- erzeugung an der lichtelektrisch bestrahlten Platte etc. Die Mitteilung der Ergebnisse der hierauf bezüglichen Untersuchungen muss an dieser Stelle unterbleiben.?® ) 23) Zum Teil wurden diese schon vor Jahresfrist in einer Vorlesung über Gasionen und Elektronen mitgeteilt. Manuskript eingegangen im März 1917. Über Methylencampher und einige seiner Derivate. Von H. Rupe. I. Camphorylidenaceton. Bearbeitet mit H. Takagi. Vor einem Jahre wurden von dem einen von uns zusammen mit Martin Iselin!) und mit Ernst Burckhardt?) mehrere Reihen von Abkömmlingen des Methylencamphers beschrieben. Die optische Untersuchung?) dieser die Ebene des polarisierten Lichtes stark drehenden Substanzen ergab manche neue, interessante Gesichts- punkte, sodass es sich bald als wünschenswert erwies, diese Arbeiten nach verschiedenen Richtungen fortzusetzen. Besonders reizvoll er- schien die Lösung des Problemes, ein ungesättigtes Keton des Camphers, ausgehend von einem Derivate des Methylencamphers, dar- zustellen. Zur Erreichung dieses Zieles wurde folgender Weg einge- schlagen : Claisen, Bishop und Sinclair*) haben in ihrer berühmten Arbeit über den Oxymethylencampher die Camphorylidenessigsäure (Me- thylencampher-Carbonsäure) beschrieben: 0 = CH - COOH CsHi4 | NCO Wir konnten die Darstellungsmethode dieses Körpers verbessern, stellten sein Chlorid. dar, und liessen darauf diese Substanz auf Natrium-Malonsäureester einwirken. Bei dieser Reaktion konnte bloss eine Verbindung in reiner Form erhalten werden, welche durch 1) Rupe u. Iselin. Ber. 49. 25. (1916.) 2) Rupe u. Burckhardt. Ber. 49. 2547. (1916.) 3) Diese Untersuchungen sind noch nicht vollkommen abgeschlossen, sie werden deshalb erst später im Zusammenhang mit andern Arbeiten veröffent- licht werden. 4) Annalen 281. 387. (1894.) Methylencampher und einige seiner Derivate. 501 Kondensation von zwei Molekeln des Säurechlorides mit 1 Mol. Malonsäureester entstanden war: © = CH - CO CI 2 CsHia |! + Na C(CO:C2H5} : SCO st À os LES ‚003 Ce Hi \CO oe Hl +2 NaOl. Ja C2 Hs "eo_cH CO CsHı4 | NCO ‚Bisher hatte man einen derartigen Verlauf der Reaktion nur bei sehr stark ungesättigten (sauren) Resten feststellen können,?) aber schon in einer früheren Arbeit®) ist von Æ. Burckhardt gezeigt worden, dass der Campherrest sich wie eine sehr stark saure Komponente ver- hält. Es gelang aber trotzdem, durch Verseifung diese hochmolekulare Substanz aufzuspalten zu dem gesuchten Keton (1) und zu Methylencamphercarbonsäure (2): | /C=CH-CO Cs Ha ! ) = C (CO: C2 Hi CO C = CH — CO — CH: -CO.-CH=C +2H:0 = Se | | DO Er NCO 7 OC +9 CO: + 2 C2 H OH /C=CH-CO:CH:.CO-CH= CN CsHi4 | | Cs H14 + H20 = NCO OC” ‚„C=CH-CO:CH; COOH. CH = CsHi4 | SF | CsH:4 NCO 1.) OC 2. Das Keton Camphorylaceton konnte von dem bei der Hydrolyse des Dicamphorylidenacetyl-Malonsäureester entstandenen Camphory- lidenessigsäureäthylester nicht vollkommen getrennt werden.7) Bei den Versuchen, diesen Ester zu verseifen, wurde das Keton weit- gehend verändert (kondensiert und polymerisiert). Dagegen konnte leicht das Semicarbazon des Ketones erhalten werden, wie die Analysen zeigen, war es vollkommen rein, aber es zeigte sich dermassen widerstandsfähig allen Versuchen gegenüber, es durch Hydrolyse zu spalten, dass auch auf diesem, sonst immer zum Ziele führenden Wege, das Camphorylidenaceton nicht rein zu erhalten war. 5) Vergl. Lellmann u. Schleich, B. 20. 434. Reissert. Ber. 29. 633. 6) Rupe u. Burckhardt. Ber. 49. 2548. (1916.) 7) Die Analysen ergaben immer ca. 10/o Kohlenstoff zu wenig. 502 H. Rupe. Bei der Zersetzung des Dicamphorylidenacetylmalonsäureesters durch Kochen mit Schwefelsäure in alkoholischer Lösung entstand als Nebenprodukt eine schön kristallisierende, gelbe Substanz von verhält- nismässig hohem Schmelzpunkt. Der Analyse nach ist sie ein Konden- sationsprodukt von 2 Mol. Camphorylidenaceton, entstanden unter Abspaltung von 1 Mol. H,O: 0=CH.C0.CH=C-CH=C\ Cs H14 | \00 CH; OC Lässt man das Chlorid der Methylencamphercarbonsäure auf Natriumacetessigester einwirken, so erhält man den Dicamphoryliden- acetylacetessigester : ( 0-CH- = „C0- CR: Os H:: Cs H14 \CO NCO: C2 Hi der beim Kochen mit Schwefelsäure neben Methylencamphercarbon- säure das gleiche Keton liefert: +3 H,O =C,,H,4 0; ‚© = CH - CO: CE: + 003 + Ce HOH + CH: CO: H + Cs Hia \co Die Doppelbindung der a: ß ungesättigten Methylencamphercar- bonsäure lässt sich leicht unter Aufnahme von 2 Atomen Wasserstoff reduzieren, man erhält die gesättigte Camphorylessigsäure : AE CH: CO: H Cs Ha \CO Die Reduktion lässt sich mit Natriumamalgam durchführen, be- sonders leicht verläuft sie direkt mit Wasserstoff bei Gegenwart von Nickel. Bei dem Versuche, das Chlorid der Methylencamphercarbonsäure mit Zink und Essigsäure zu reduzieren, wurde eine merkwürdige Reaktion beobachtet. Sie wurde durch einen Zufall entdeckt, dann konnten die Versuchsbedingungen lange nicht mehr aufgefunden wer- den, bis es sich zeigte, dass nur sehr wenig Essigsäure angewendet werden darf, dafür aber Chlorwasserstoff nötig ist. Dabei entsteht ein gemischtes Anhydrid der Essigsäure und der Methylencampher- carbonsäure, dann aber wird letztere zur gesättigten Säure reduziert : nes 70 CH: CO(CI + H)0 00: CH: = 8 14 /0 = CH: 00.0.00.CHs CO (+ HC) AO CH: :CO:0:C0O.:CH3 + He = CO His GS = Cs H14 Methylencampher und einige seiner Derivate. 503 Da diese Reaktion nicht ohne Chlorwasserstoff verläuft, so wirkt das zunächst entstandene Chlorzink wohl als Katalysator, ähnlich wie bei der Synthese von Zinke (Darstellung von Benzolhomologen). Die Konstitution dieser Verbindung konnte sicher durch quantitative Auf- spaltung zu den beiden Säuren festgestellt werden. Camphoryliden-3-essigsäure (Methylencamphercarbonsäure) (3) Claisen®) sagt, man könne das Cyanhydrin (2) aus dem Oxy- methylencampher (1) mit Blausäure erhalten ‚C=CH:OH | Os Ha” | CH: CH(OH): CN NCO + HON = Cs Hi: \ 4 (1) NCO = (2) ‚© = CH-COOH = Cs His | NCO (3) doch sei dieses Verfahren nicht zu empfehlen. Es ist aber entschieden der beste Weg zur Gewinnung dieses Körpers, da die Darstellung von Blausäure und das Arbeiten damit ihre Schrecken verloren haben. In einem mit Rückflusskühler und Chlorcalciumrohr versehenen Kolben von 75 cem Inhalt löst man 10 & Oxymethylencampher unter Schütteln in 25 cem frisch bereiteter wasserfreier Blausäure Dann wirft man rasch eine Messerspitze fein gepulvertes Cyankalium in den Kolben, nach wenigen Sekunden tritt Reaktion ein, die Blausäure beginnt zu sieden. Nach beendigter Reaktion lässt man das gut ver- korkte Kölbehen im Dunkeln 10—12 Stunden stehen. Man giesst jetzt auf Eis, saugt nach 2—3 Stunden die fest gewordene Masse ab, wäscht mit Wasser gut aus, presst zwischen Fliesspapier ab und trocknet im Vacuum. Zur Reinigung kristallisiert man aus einem Ge- mische von 2 Teilen Benzol und 3 Teilen Benzin um. Weisse seidenglänzende Nadeln vom Schmpt. 119—1200 (Claisen gibt 1220 bis 1239 an). Die Ausbeute beträgt (Rohprodukt) 9,38 g = 81,5 %/, der Theorie. Die Verseifung zur Säure (3) (mit gleichzeitiger Wasserab- spaltung) führten wir nach Claisen’s Methode aus durch Erhitzen des Nitriles mit Eisessig-Salzsäure im Rohre, da hierbei nur wenig Druck entsteht, so konnte mit weiten Glasröhren gearbeitet werden. Ein Ansatz bestand aus 35 g Cyanhydrin, 105g (109 cem) Eisessig und 70 g (68cem) rauchender Salzsäure, erhitzt wurde zuerst während einer Stunde auf 1150, dann 2 Stunden lang auf 120—122°. Der feste Inhalt der Röhren wurde auf eine Nutsche gebracht und abge- 8) Claisen. A. 281. 387. (1894.) 504 : H. Rupe. sogen, Ausbeute 27,49 (77,70/, der Theorie). Aus Benzin umkristal- lisiert zeigte die Verbindung den von Claisen angegebenen Schmpt. 100—102°. Aus dem stark mit Wasser verdünnten Filtrate schieden sich noch einige Gramm der Säure aus, das Filtrat davon wurde aus- geäthert, der Äther abdestilliert und das hinterbleibende Öl in flachen Schalen stehen gelassen. Allmählich bildeten sich darin Kristalle, die zuerst auf Ton gestrichen, dann in Sodalösung mit Tierkohle ge- kocht wurden. Nach dem Ansäuren konnte auf solehe Weise noch etwas von der Methylencamphercarbonsäure gewonnen werden, die unreine Säure wurde zweckmässig zur Darstellung des Esters benützt. Chlorid der Camphoryliden-3-Essigsäure a CH:CO:0CI Cs Hı4 CO 43,5 g der Säure lösten wir in 40 g Thionylchlorid, wobei keine Reaktion zu beobachten war und liessen über Nacht unter Chlorcalciumverschluss stehen. Tags darauf erwärmten wir noch eine Stunde lang bei 40°, hierbei trat starke Salzsäureentwicklung ein. Das überschüssige Thionylchlorid destillierten wir unter vermindertem Drucke bei ca. 40° ab, dann das Chlorid, das unter 13 mm bei 1400 bis 141° überging. Das Öl erstarrte bald zu einem Magma von schönen weissen, derben Nadeln, deren Schmelzpunkt bei 34—350 lag. 0,2469 g Sbstz. = 0,1577 g AgCL. C}2H,;05C1 Ber. Cl 15,65. Gef. 15,80. Camphoryl-3-Essigsäure (Methylcamphercarbonsäure) ue CH - CE: - COOH 814 | NCO In eine Pulverflasche von 400 cem bringt man eine Lösung von 16 & Camphorylidenessigsäure in der nötigen Menge Soda, kühlt mit Eis gut ab und trägt allmählich 150g Natriumamalgam von 30/, in grossen Stücken unter fortwährendem gutem Rühren ein. Wenn alles Amalgam verbraucht ist, wird die vom Quecksilber abdekantierte Lösung mit verdünnter Schwefelsäure schwach sauer, dann mit Soda wieder alkalisch gemacht und mit Kaliumpermanganatlösung bis zur bleibenden Rotfärbung versetzt. Dann wird mit Bisulfit entfärbt, angesäuert und gründlich mit Äther extrahiert. Nach dem Abdestil- lieren des Äthers bleiben weisse Kristalle zurück in einer Ausbeute von 16,15 g. Die neue Säure bildet nach dem Umkristallisieren aus Benzin sehr kleine, prismatische Kristalle vom Schmpt. 83—84°. Leicht löslich in den gebräuchlichen Lösungsmitteln, ausgenommen in Wasser und kaltem Bann. Methylencampher und einige seiner Derivate, 505 0,1611 g Sbstz. = 0,4051 g CO: 0,1227 g H 0. Cı2 HısO3 Ber. C. 68,52 H 8,63 Gef. 68,57 8,52. Die Reduktion der ungesättigten Säure kann auch sehr gut mit Wasserstoff durchgeführt werden bei Gegenwart von fein verteiltem Nickel als Katalysator unter gewöhnlichem Drucke und bei Zimmer- temperatur. Dazu löst man 5 g der Säure in soviel verdünnter Kali- lauge, sodass die Lösung ungefähr neutral ist und nur ganz schwach alkalisch auf Lackmus reagiert. Man fügt dann, in einer Kohlensäure- atmosphäre, 25 g frisch reduziertes Nickel dazu (den gleichen Kataly- sator wie er zur Reduktion des Oxymethylencamphers benützt wurde, siehe die folgende Abhandlung), verdrängt die Kohlensäure durch Wasserstoff und schüttelt nun unter Einleiten von Wasserstoff, in einer geeigneten Schüttelflasche. Die Reduktion verläuft sehr rasch, da schon nach 11—12 Minuten die berechnete Menge Wasserstoff gleich 538 cem H,, aufgenommen wird. Zeit in Minuten 5 10 15 18 Verbrauchter H2 in ccm 336 486 602 648 Die Lösung wurde vom Nickel durch Filtration getrennt, das Nickel zweimal mit Wasser ausgewaschen, die vereinigten Filtrate säuerte man mit verdünnter Salzsäure an und schüttelte sie mit Äther aus. Nach dem Verdampfen des Äthers blieben 5 g Säure zurück, ganz beständig gegen Permanganat; aus Benzin kristallisierte sie in kleinen Prismen, welche bei 83—84° schmolzen. Mit der Säure ge- mischt, die durch Reduktion vermittelst Natriumamalgam hergestellt worden war, zeigte der Schmelzpunkt keine Erniedrigung. Äthylester der Camphoryl-3-essigsäure. Wir kochten 14,5 g der Säure während 8 Stunden mit 50 cem 'absolutem Äthylalkohol und 2 g reiner konzentrierter Schwefelsäure unter Rückfluss. Dann destillierten wir 25 cem Alkohol ab, gossen den Rest in Eiswasser, machten mit Soda alkalisch und ätherten aus. Unter einem Drucke von 10 mm destillierte der Ester bei 154 bis 155°, zur Analyse wurde ein Produkt verwendet, das-unter 10,5 mm konstant bei 1550 kochte. | 0,1786 g Sbstz. = 0,4623 g CO: und 0,1478 g H0. Ci4H203 Ber. C 70,54 H 9,31 Gef. 70.60 9.26 Der Ester ist ein dünnflüssiges Öl, schwerer als Wasser, von schwachem, aromatischem, an Acetessigester erinnerndem Geruche. 506 H. Rupe. Reduktion des Chlorides der Camphorylidenessigsäure : Anhydrid der Camphoryl-3-essigsäure und der Essigsäure. : CH. CH: .CO-0.00.0H3. " Cs His | NCO Bei einem Versuche, das Chlorid der Camphorylidenessigsäure in Eisessiglösung mit Zinkstaub zu reduzieren, wurde ein schön kristallisierender, halogenfreier Körper erhalten, der bei ca. 1180 schmolz. Später gelang es längere Zeit nicht mehr, unter den- selben Versuchsbedingungen diese Substanz darzustellen. Da das für die erste Probe benützte Säurechlorid möglicherweise noch etwas Thionylchlorid enthielt, so wurde dem Reduktionsgemenge ein Tropfen von diesem Reagens zugesetzt, tatsächlich konnte auf diese Weise der neue Körper wieder erhalten werden, wenn auch in schlechter Ausbeute; sie wurde etwas besser, als statt Thionyl- chlorid ein Tropfen konzentrierte Salzsäure hinzugefügt wurde. Wir arbeiteten nun zunächst so, dass wir mit Salzsäuregas ge- sättigten Eisessig anwandten, auf 1 Chlorid 6 cem Eisessig, aber das Resultat liess noch viel zu wünschen übrig. Endlich fanden wir, dass möglichst wenig Essigsäure genommen und in Benzollösung ge- arbeitet werden muss, und so kamen wir schliesslich zu folgendem Verfahren: In eine Lösung von 9 g Methylencamphercarbonsäure-Chlorid in 30 & trockenem Benzol und 7,5 cem Eisessig leitet man gasförmige Salzsäure bis zur Sättigung. Zu der in einem mit Rückflusskühler versehenen Kolben befindlichen Mischung fügt man eine kleine Menge Zinkstaub, worauf sofort eine heftige Reaktion einsetzt, welche bis zum Sieden der Flüssigkeit führt. Man wartet, bis diese Wirkung nachlässt und fährt dann mit dem Eintragen des Zinkes fort, bis 30 g davon verbraucht sind, dann erwärmt man noch eine halbe Stunde auf dem Dampfbade. Nun rührt man mit Wasser durch, dekantiert vom Zinkschlamm ab, wäscht diesen zweimal gründlich mit Wasser und Äther durch und vereinigt alle diese Flüssigkeiten. Nachdem man durch Zugabe einiger Tropfen Salzsäure basisches Zinksalz in Lösung gebracht hat, zieht: man mit Äther aus, wäscht den Äther sorgfältig mit Sodalösung und destilliert ihn nach dem Trocknen über Magnesiumsulfat ab. Die zurückbleibende weisse Kristallmasse be- trägt nach dem Trocknen 6 g. Durch Umkristallisieren aus Benzin erhält man weisse, feine Nadeln oder grosse durchsichtige Tafeln, welche bei 118—1200 schmelzen. Der Körper ist leicht in den ge- bräuchlichen Lösungsmitteln löslich, ausgenommen in Wasser und in kaltem Benzin. | Methylencampher und einige seiner Derivate. 507 0,1702 g Sbstz. = 0,4157 g CO: u. 0,1207 g H 0. 0,1830 g Sbstz. — 0,4483 g CO: 0,1307 g HrO. Cia Ho O1 Ber. © 66,62 H 7,99 et Kos ae Bestimmung des Molekelgewichtes (kryoskopisch) 0,1891 g Sbstz. gelöst in 13,25 g Benzol bewirkten eine Gefrierpunktserniedrigung von 0,290. Ci4H:004 Ber. Mol. Gew. 252. Gef. 246. 4g des reinen Körpers erhitzten wir während 5 Stunden mit 25 cem methylalkoholischem Kali (1:2) und 5 cem Äthylalkohol am Rückflusskühler. Darauf versetzten wir mit Wasser, verdampften den Alkohol, machten mit Phosphorsäure sauer und trieben die Essig- säure mit Wasserdampf über (unter Benützung eines Reitmeyerauf- satzes). Das Destillat wurde auf einen Liter aufgefüllt. Durch Titration mit 1/,, n Natronlauge konnten wir feststellen, dass 1,2 g - Essigsäure bei dieser Verseifung entstanden waren, während 0,95 g berechnet waren. Die Lösung des Natriumacetates dampften wir auf ein kleines Volumen ein, versetzten mit Silbernitratlösung, das Silber- salz wurde dreimal aus Wasser umkristallisiert. Die Analyse stimmte auf Silberacetat. 0,2033 g Sbstz. 0,1744 g AgOI. C,H,0, Ag. Ber. Ag. 64,63. Gef. 64,57. Der Rückstand im Destillierkolben wurde ausgeäthert, die nach dem Abdestillieren des über Magnesiumsulfat getrockneten Äthers hinterbleibende Säure wog 3,1 2, berechnet — 3,3 g. Aus Benzin um- kristallisiert bildete sie schöne weisse Prismen, welche den Schmelz- punkt der Camphoryl-3-essigsäure, 83—84° besassen, das Gemisch mit dieser Säure zeigte keine Schmelzpunktserniedrigung. Wir versuchten dann noch, dieses gemischte Anhydrid synthetisch darzustellen durch Einwirkung des Chlorides der Camphorylessig- säure auf trockenes Natriumacetat. Das Säurechlorid wurde erhalten durch Auflösen von 10 g der Säure in 10g Thionylchlorid und ein- stündiges Erwärmen auf 400. Unter 13 mm Druck destillierte die Verbindung als schwach gelbes Öl bei 158,5—160° über. Indessen gelang es nicht, auf diesem Wege das neue gemischte Anhydrid zu erhalten.?) | 9) Das umgekehrte Verfahren: Einwirkung von Acetylchlorid auf das Natrium- salz der Camphorylessigsäure wurde noch nicht benützt. Die Konstitution des gemischten Anhydrides kann als sicher bewiesen gelten. 508 H. Rupe. Di-[Camphoryliden-3-acetyl]Malonsäureester [ Di-Methylencamphercarbonyl-] Malonsäureester CsHi4 ! CO\ CO: GH; CO (9) co’ “00: C2 Hi; /0= CH CsHis | NCO Der Natrium-Malonester muss für diese Synthese besonders sorg- fältig dargestellt werden. 3,5 g staubfein gekörntes Natrium werden portionenweise zu 29,2g Malonester gegeben, der in 30 cem Äther gelöst ist. In einem mit Tropftrichter, Rückflusskühler und Rühr- werk versehenen Dreihalskolben wird, anfangs unter Kühlung, eine Stunde kräftig gerührt, dann wird noch 2 Stunden auf der Maschine geschüttelt, bis keine Natriumkügelchen mehr zu beobachten sind. Unter Kühlung und starkem Rühren lässt man dann 20 g des Camphorylidenessigsäure-Chlorides gelöst in 50 ecem Äther eintropfen. Die Reaktion ist nur schwach, doch nimmt der Natriumsalzbrei all- mählich eine orangegelbe Farbe an. Nun wird noch eine Stunde unter Erwärmen auf dem Wasserbade gerührt, dann wird mit Eiswasser zersetzt und die Ätherschicht abgehoben, die wässrige Lösung wird noch zweimal mit Äther ausgeschüttelt, die Extrakte vereinigt man. Nach dem Abdestillieren des Äthers wird mit Wasserdampf unver- änderter Malonsäureester abgetrieben, der Rückstand in Äther wieder aufgenommen und mit Magnesiumsulfat getrocknet. Das Lösungs- mittel wird verjagt, und das zurückbleibende Öl in einer Schale im Vacuum-Exsiccator stehen gelassen, es scheiden sich allmählich Kri- stalle ab. Sie werden auf Ton von Schmieren befreit (zweckmässig lässt man in einer Benzol-Atmosphäre stehen) und aus Benzin um- kristallisiert. Feine, schwach gelbe Nadeln vom Schmpt. 90—910 oder kleine zu Sternen vereinigte Prismen. | 0,1656 g Sbstz. = 0,4182 g COz, 0,1090 g H:0. 0,1631 g Sbstz. = 0,4130 g CO», 0.1096 g HO. Csı :H400s Ber. C 68.85 H 7.46 Gef. 68.87. 69,06. 7,37. 7,52. Molekulargewichtsbestimmung (kryoskopisch) 0,1836 g Sbstz. in 10,69 & Benzol gaben eine Gefrierpunktserniedrigung von 0,1709. 0,1612 g Sbstz. in 10,30 g Benzol gaben eine Gefrierpunktserniedri- gung von 0,1579. Ca H008 Ber. Mol. Gew. 540,3. Gef. 504. 498. Methylencampher und einige seiner Derivate. 509 Der Körper ist leicht löslich in reinem Alkohol, in Benzol, Äther, Chloroform, Eisessig, ziemlich schwer in kaltem Benzin. Zum Um- kristallisieren eignet sich Benzin oder verdünnter Alkohol. Die wässrige alkalische Lösung, die, wie oben beschrieben, bei der Synthese dieses Körpers entstand, wurde mit Phosphorsäure an- gesäuert, ausgeäthert und der Äther dreimal mit Soda ausgeschüttelt. Aus der Sodalösung konnten nach dem Ansäuren und Ausäthern 0,5 g Methylencamphercarbonsäure gewonnen werden. Camphoryliden-3-aceton. € =CH:CO.CHs CsHi:4 | NCO 302 der Malonsäureester-Verbindung, 100 cem Schwefelsäure von 50 0/, und 200 cem Alkohol wurden 96 Stunden lang am Rück- flusskühler gekocht, die Farbe der Lösung wurde schliesslich dunkel- braun. Während der ganzen Dauer des Kochens konnte die Abspal- tung von Kohlensäure festgestellt werden. Darauf goss man in Wasser, neutralisierte mit Sodalösung und destillierte mit Wasser- dampf zuerst den Alkohol über, dann das Keton. Im Kolben blieb eine braune, körnige Substanz zurück. Das Destillat zog man mit Äther aus, trocknete mit geglühtem Magnesiumsulfat und destillierte nach dem Entfernen des Äthers unter vermindertem Drucke. Die rohe Substanz ging unter 10 mm Druck von 145—152° über, die Hauptmenge von 151—152°. Die Ausbeute betrug 108, bei einem andern Versuche, wo 10 g des Esters, 40 cem Schwefelsäure und 127 cem Alkohol angewandt wurden, betrug sie 5 g. Die bei der Wasserdampfdestillation im Destillierkolben ver- bliebene Flüssigkeit wurde durch Filtration von den darin sus- pendierten braunen Körnern (Ketonkondensationsprodukt, siehe weiter unten) getrennt, durch Ausäthern konnten daraus noch 0,13 g desselben Körpers erhalten werden. Dann wurde etwas eingedampft und angesäuert, es fielen weisse Nadeln aus, dienach dem Umkristalli- sieren aus Benzin bei 100-1020 schmolzen, also aus Methylen- camphercarbonsäure bestanden. Das Filtrat wurde ausgeäthert, auf diese Weise konnte ihm noch der Rest der Säure entzogen werden. Im ganzen wurden 2,3 g davon erhalten. (Theoretisch wären 3,8 g der Säure zu erwarten gewesen, es ist indessen sehr wahrscheinlich, dass diese durch das lange Kochen mit Schwefelsäure teilweise weiter zersetzt, wurde. ) Das rohe Keton unterwarfen wir einer sehr sorgfältigen frak- tionierten Destillation unter vermindertem Drucke in einem Qlaisen- 510 H. Rupe. kolben, dessen zweite Röhre bedeutend verlängert und mit kleinen Glasröhren-Stückchen (Raschig’schen Ringen) gefüllt war. Die Fraktion 151—152° (unter 10 mm Druck) wurde analysiert, immer wieder fraktioniert und analysiert, aber der Kohlenstoffgehalt blieb immer um 1 Prozent unter dem berechneten, dasselbe war der Fall _ mit den Vor- und Nachläufen. 0,1826 g Sbstz. = 0,4994 g CO: u. 0,1176 g H:0. Cı3HısO2 Ber. C 75,67 H 8,80 Gef. 74,59 8,73. Der Kôrper bildet ein hellgelbes, schwach aromatisch riechendes Öl. Es ist kein Zweifel, dass das Keton durch einen zweiten Körper verunreinigt war, der denselben Siedepunkt hat, dies kann nur der Äthylester der Camphorylidenessigsäure sein. Denn diese Säure ent- steht ja bei der Verseifung des Malonesterderivates mit Schwefelsäure und Alkohol. Tatsächlich konnten wir feststellen, dass der (bisher noch unbekannte) Ester unter 10 mm Druck bei 150—152° siedet. Wir versuchten daraufhin, das Keton durch sein Semicarbazon zu reinigen. CH; | ‚„C=CH:-C=N-NH-CO.NBH? Semicarbazon CsHı4 & à 15 g Keton (Rohprodukt) wurden mit einer konzentrierten wässrigen Lösung von 9g Semicarbazidchlorhydrat vermischt, mit Alkohol bis zur klaren Lösung geschüttelt, worauf 9 g festes Kalium- acetat hinzugefügt wurden. Das Semicarbazon scheidet sich rasch aus, nach zweitägigem Stehen wurde scharf abgesogen und getrocknet, Ausbeute: 7g (aus dem Filtrate fiel auf Zusatz von Wasser ziem- lich viel Öl aus). Zum Umkristallisieren löst man in heissem Alkohol und fügt etwas Wasser dazu. Zu Büscheln vereinigte prismatische Nadeln oder kleine durchsichtige Plättchen. Schmpt. 223—224° unter Zersetzung. 0,1806 & Sbstz. -0,4239 g CO: 0,1320 g H:0 0,1738 g Sbstz. = 0,4077 g CO2 0,1276 g H20 0,1555 g Sbstz.= 22,7 ccm N (20°, 736,4 mm) 0,2360 g Sbstz. = 34,1 ccm N (19,5°, 740 mm) C14 Ha: ON: Ber. © 63,83 H 7,98 N 15,97 Gef. 6401.63,98 8,17-8,02 16,07-16,08. Aus diesen Analysen geht hervor, dass wir das Semicarbazon des vollkommen reinen Camphorylidenacetones in Händen hatten, leider aber war daraus das reine Keton nicht zu gewinnen, denn alle Ver- Methylencampher und einige seiner Derivate. 511 suche scheiterten an der erstaunlichen Beständigkeit des Semicar- bazones gegenüber verseifenden Mitteln. Tagelanges Kochen mit 10—25-prozentiger Schwefelsäure in alkoholischer Lösung war ganz wirkungslos; die Substanz wurde dann mit 50 0/,iger Schwefelsäure zerrieben, worin sie sich grösstenteils auflöste und auf dem Wasser- bade unter Zusatz von wenig Alkohol drei Stunden lang erwärmt. Die Aufarbeitung ergab aber neben ziemlich viel unverändertem Semi- carbazon und Schmieren nur eine sehr kleine Menge eines braunen Öles. Nun wurde das Semicarbazon in einer Mischung von 5 Teilen Eis- essig und 1 Teil 50-proz. Schwefelsäure zum Kochen erhitzt. Nach einer Stunde war der grösste Teil der Verbindung noch unverändert, bei längerem Erhitzen aber entstanden bloss Schmieren. Von der Spaltung des Semicarbazones wurde zunächst abgesehen und dafür versucht, das Keton vom Ester zu befreien, indem dieser verseift wurde. 19g Keton, 16 cem methylalkoholisches Kali (1: 2) und 16 cem Alkohol wurden vermischt, unter Selbsterwärmung färbte sich die Lösung tief dunkelrot. Dann kochte man drei Stunden am Rückflusskühler. Nach dem Erkalten wurde angesäuert, es fiel eine halbfeste Masse aus, von der sich ein Teil in verdünnter Natronlauge auflöste. Aus dieser Lösung schieden sich beim Ansäuern Kristalle aus, nach dem Umkristallisieren aus verdünnter Essigsäure zeigten sie den Schmelzpunkt der Camphoryliden-3-Essigsäure. Auch der Misch-Schmelzpunkt mit dieser Säure war der gleiche (100-1029). Damit war bewiesen, dass dem Keton der Ester dieser Säure beige- mengt ist. Wenngleich nun auch der Ester durch Verseifung leicht entfernt werden konnte, so liess sich doch das Keton auch auf diesem Wege nicht rein erhalten, da es durch die Wirkung des Alkalis voll- ständig zu harzigen Massen kondensiert wird.10) Versuche, das Keton über das Oxim zu reinigen, verliefen ebenfalls resultatlos, das Oxim widersteht der Verseifung ebenso wie das Semicarbazon. Di-/[ Camphoryliden-5-acetyl]- Acetessigester -0H.CO, _CO:CH; NCO Ce ‚C=CH:00° ‘CO: Co Hi Cs H14 | NCO Cs Ha Zu 2,5 g fein gekörntem Natrium, suspendiert in 200 cem Äther, wurden in demselben Apparate, wie er zur Darstellung des Malon- säureester-Derivates benutzt wurde, unter gutem Rühren 17 g frisch 10) Wir sind jetzt damit beschäftigt, das Keton auf einem ganz andern Wege darzustellen. 512 H. Rupe. destillierter Acetessigester getropft. Nach Vermischen mit weitern 100g Äther wurde sodann noch zwei Stunden auf der Maschine ge- schüttelt und über Nacht stehen gelassen. Unter starkem Rühren liess man nun 20g des Säurechlorides, gelöst in 30 cem Äther, langsam hinzufliessen, zur Vollendung der Umsetzung erwärmte man noch zwei Stunden auf dem Dampfbade. Die orangefarbene Masse wurde mit Eiswasser zersetzt, der Äther abgehoben, abdestilliert und der Rück- stand mit Wasserdampf behandelt, um noch vorhandenen Acetessig- ester zu entfernen. Dann wurde wiederum in Äther aufgenommen, nach dem Abdestillieren des Extraktionsmittels blieb ein braunes Öl zurück, in dem sich allmählich Kristalle bildeten. Sıe liessen sich, durch Abpressen auf Ton von anhaftendem Öle befreit, aus Alkohol gut umkristallisieren. Weisse, feine, wollige Nadeln vom Schmelz- punkt 149—150°. Ziemlich schwer löslich in kaltem Alkohol und Benzin, leicht löslich in heissem Alkohol und Benzin, ferner in Benzol und Chloroform. 0,1574 g Sbstz. = 0,4097 g CO», 0,1045 g HO 0,2189 g Shstz.=0,5686 g COs:, 0,1482 g H>O. Csc H3s O7 Ber. C 70,54 H 7,50 Gef. 70.98. 70.80 7,43. 7,57. Molekulargewichtsbestimmung (kryoskopisch) 0,2644 g Sbstz. in 13,89 & Benzol ergaben eine Gefrierpunktserniedrigung von 0,1500. 0,1923 g Sbstz. in 13,214 Benzol ergaben eine Gefrierpunktsernied- rigung von 0,1439. C;0H330, Ber. Mol. = 510,3 Gef. 490,2. 508,8. Zur Verseifung des Acetessigesterderivates wurden 6,5 g mit 20 cem Schwefelsäure von 20 °/, und so viel Alkohol als nötig war zur Lösung bei Siedetemperatur, während 7 Stunden gekocht. Dann wurde ausgeäthert, der Äther mit Magnesiumsulfat getrocknet usw. Bei der Destillation ging ein gelbliches Öl unter 9,5 mm Druck von 140—152° über, die Hauptmenge bei 1470. Bei einem zweiten Ver- suche wurden 24,49 des Esters, gelöst in 120 cem Sprit mit 50 cem Schwefelsäure von 50°/,, während 96 Stunden gekocht. Das Produkt der Verseifung lieferte ein Semicarbazon, das nach dem Umkristalli- sieren aus Alkohol bei 223-2240 unter Zersetzung schmolz. Den gleichen Schmelzpunkt zeigt auch das Semicarbazon des Ketons aus dem Malonesterderivat, und der Schmelzpunkt des Gemisches zeigt keine Erniedrigung. Die beiden Ketone sind demnach identisch. à PCECH CO CHIC CE CHEN Keton = CsH:4 | | Cs Hu. NCO OC Methylencampher und einige seiner Derivate. 513 Bei der Wasserdampfdestillation des durch Aufspaltung des Malonesterderivates erhaltenen Ketones blieben im Destillierkolben braune, feste Körner zurück, die, nach dem Abfiltrieren, Auswaschen und Trocknen in heissem Alkohol gelöst wurden. Auf Zusatz von etwas Wasser schieden sich bald hübsche Kristalle aus. Nach mehr- maligem Umkristallisieren bildet der Körper blassgelbe Blättchen oder kurze derbe Prismen vom Schmpt. 151—152°. Er ist ziemlich schwer löslich in kaltem Alkohol und Benzin, leicht in Benzol. 0,1780 g Sbstz. = 0,5183 g CO, 0,1427 g H»O 0,1748 g Sbstz. = 0,5068 g CO:, 0,1317 g HO 0,1674 g Sbstz. = 0,4860 g COz, 0,1299 g H>O Cie H3ıO3 Ber. ©. 79.13 H 8,69 Gef. 79.40. 79,08. 79.18 8,97. 8,43. 8,68. Bestimmung des Molekulargewichtes (kryoskopisch) 0,1784 © gelöst in 12,400 & Benzol, Gefrierpunktserniedrigung : 0,175°. Ca; 3103 Ber. Mol. == 394,2. Gef. 411,0. Versetzt man eine alkoholische Lösung des Körpers mit einem Tropfen Natronlauge, so färbt sich die Lösung tief dunkelblau. II. Die Reduktion des Oxymethylencamphers. Bearbeitet mit H. Takagi und A. Akermann. Die Darstellung eines leicht zugänglichen, stark optisch aktiven primären Alkoholes ist seit langer Zeit ein Postulat der experi- mentellen Stereochemie. Bis jetzt ist dieses Problem noch nicht voll- kommen gelöst worden, die in Frage kommenden Alkohole sind ent- weder nicht genügend stark drehend, in reinem Zustande sehr schwer zugänglich, wie der optisch aktive Amylalkohol z. B., oder aber nicht immer mit Sicherheit in genügender Menge zu beschaffen, wie etwa das sonst sehr brauchbare Myrtenol.!!) Vor einiger Zeit versuchten Rupe und Bürgin den verhältnismässig leicht zu erhaltenden Pulegen- säureester zu einem primären Alkohol zu reduzieren,1?2) das Reduk- tionsprodukt zeigte aber eine zu schwache Drehung. Der Ester der Jetzt bequem zu erhaltenden Campholsäure wurde von dem einen von uns zusammen mit Jantsch13) reduziert, der so gewonnene Alkohol 11) Vergl. Rupe. Ann. 409. 344. (1915.) 12) Rupe u. Bürgin. Ber. 43. 1228. (1910.) 13) Noch nicht veröffentlichte Arbeit. 33 514 H. Rupe. besass eine starke optische Drehung, aber seine Darstellung in grösseren Mengen begegnet bedeutenden Schwierigkeiten. Durch Einwirkung von Ameisensäureestern bei Gegenwart von Natrium auf optisch aktive cyclische Ketone nach der Methode von Claisen und seiner Schüler entstehen.die Oxymethylenverbindungen, ‚C=CH:0OH wie z.B. der Oxymethylencampher CsHia | CO Gelänge es in diesen meist leicht zugänglichen Verbindungen die Doppelbindung zu reduzieren,so käme man zu primären optisch aktiven Alkoholen (Ketoalkoholen). Die Reduktion des Oxymethylencamphers mit Natrium und Alkohol ist seinerzeit schon von den Farbwerken Höchst a/M., vormals Meister, Lucius und Brüning, ausgeführt ‚CcH:CH: OH worden,t#‘ dabei entstand das Camphylglycol CsHi4 |. SCH:OH Wie der eine von uns fand, ‘erhält man bei der Reduktion des Oxymethylencamphers mit Natriumamalgam unter verschiedenen Bedingungen komplizierte Produkte, über welche später berichtet werden soll. Im Jahre 1912 unternahmen Kötz und Schaeffer!?) die Re- duktion der Oxymethylenverbindungen mit Wasserstoff bei Gegen- wart von Palladium oder Platin nach dem Verfahren von Paal und von Skita. Dabei wurde die interessante Tatsache gefunden, dass diese Reduktionsmethode Methylketone liefert, indem nach der Ansicht der Autoren zunächst unter Reduktion der Doppelbindung Ketoalkohole entstehen, dann aber werden unter Wasserabspaltung Methenketone gebildet, welche darauf weiter hydriert werden zu Methylketonen. NC = CH - OH NOHMCELOEHMMNCEICEC | Ro Sa + HO — + He ‚co Ar H> ‚co C0 NCH : CH: = ‚co Nur bei der Reduktion des Oxymethylendihydrocarvones konnte als Nebenprodukt in schlechter Ausbeute der Ketoalkohol in Form seiner Benzoylverbindung erhalten werden. Auch konnte eine vollkommene Hydrierung nie erreicht werden. Oxymethylencampher liess sich über- haupt nicht mit Wasserstoff und Palladium oder Platin reduzieren, und Kötz und Schaeffer nehmen an, dass dieser negative Befund 14) D. R. P. 123909. (1901.) 15) Kötz u. Schäffer. B. 45. 1952. (1912.) J. prakt. Chemie. 88. 604. (1913.) 4 Methylencampher und einige seiner Derivate. 515 zurückzuführen sei ‚auf den stark sauren Charakter dieser Verbindung und die geringe Additionsfähigkeit ihrer Doppelbindung“. Diese Erfahrungen von Kötz und Schaeffer bewogen uns, die Reduktion des Oxymethylencamphers zum Ketoalkohol mit Wasser- stoff und Nickel zu versuchen, wir waren dabei von Erfolg be- günstigt, da diese Hydrierung bei Zimmertemperatur und unter ge- wöhnlichem Drucke vollständig in der gewünschten Richtung gelang. Wenn wir absehen von den Versuchen von Sabatier und Senderens, so ist Nickel in der letzten Zeit häufig zur Reduktion mit Wasser- stoff benützt worden, besonders seitdem W. Normanns!®) die wich- tige Entdeckung machte, dass flüssige Fette durch katalytische Re- duktion vermittelst fein verteiltem Nickel und Wasserstoff in feste umgewandelt, d.h. „gehärtet‘‘ werden können. Dabei wird in den ungesättigten Säuren die doppelte Bindung der flüssigen Fette hydriert. Enthalten die Fette Oxysäuren, wie z. B. Ricinolsäure, so wird häufig die Hydroxylgruppe ebenfalls reduziert, oder aber sie wird abgespalten. Die interessanten Versuche von Jurgens und Meigen!?) zeigen, dass beide Reaktionen neben einander verlaufen und von der Temperatur abhängen, bei niederer Temperatur (unter- halb 2000) wird in den Ricinolsäureestern nur die Doppelbindung abgesättigt, bei höherer Temperatur wird auch die Hydroxyl- gruppe rasch reduziert. Das gleiche könnte also auch der Fall gewesen sein bei den Reduktionen der Oxymethylenverbindungen von Kötz und Schaeffer. Brochet!3) führte Hydrierungen mit Nickel und Wasserstoff aus unter sehr hohen Drucken — 15 Kilo pro cm? — oder auch bei höherer Temperatur (300°), so z. B. die Reduktion von Zimtsäure, Octen und Anethol, während es Haller und Cornubert!?) gelang, Benzylidenderivate des Cyclopentanons mit Nickel und Wasser- stoff bei gewöhnlichem Drucke und bei Zimmertemperatur zu redu- zieren. Ebenso hat vor kurzem Kelber20) erfolgreich mit fein ver- teiltem Nickel ohne Träger und auf Träger verschiedene ungesättigte Substanzen mit Wasserstoff bei Zimmertemperatur und ohne Über- druck reduziert, während es Windaus?1) gelang, Cholesterin bei 2000 mit Wasserstoff in Gegenwart von Nickel zum y-Cholestanol zu hydrieren. 16) D. R. P. Nr. 141029. (1902.) 17) Jurgens u. Meigen, Chemische Umschau auf dem Cri der Fette, Oele, Wachse u. Harze. 1916. 1. 18) Brochet. C. r. 158. 1351. (1914.) 159. 190. (1914.) 19) Haller u. Corunbert, C. r. 159. 398. (1914.) 20) Kelber. Ber. 49. 55. (1916.) 21) Windaus. Ber. 49. 1724. (1916.) 516 H. Rupe. Einige Versuche zeigten uns, dass Wasserstoff bei Gegenwart von frisch reduziertem Nickel tatsächlich Oxymethylencampher zum primären Ketoalkohol zu reduzieren vermochte, doch verlief die Re- duktion langsam und blieb zunächst unvollkommen. Wir stellten dann verschiedene Präparate dar von Nickel auf Träger, benützten dazu die von Kelber empfohlenen Substanzen : Tierkohle, geglühter Kiesel- guhr, Talk, doch waren wir mit dem Ergebnisse dieser Versuche noch nicht zufrieden. Den gewünschten Erfolg hatten wir aber schliess- lich, als wir folgendermassen verfuhren: Tonteller-Stücke werden möglichst fein pulverisiert,2?) und 100 g dieses Pulvers mit 250 g Nickelsulfat (krist. technisch) gelöst in 400 cem Wasser zu einem dünnen Brei verrieben, dann lässt man unter kräftigem Turbinieren konzentrierte Sodalösung zufliessen bis zur alkalischen Reaktion, oder die berechnete Menge verdünnter Natronlauge. Im ersteren Falle wird ein basisches Nickelkarbonat erhalten, im zweiten Nickelohydroxyd, das letztere liefert den wirksamsten Katalysator. Man kocht sodann mit 2-3 Liter Wasser auf, giesst in viel kaltes Wasser, dekantiert von dem Niederschlage ab und saugt letzteren ab oder noch besser man zentrifugiert ihn. Das Verfahren wird wiederholt, bis die Masse keine alkalische Reaktion zeigt. Man trocknet. zunächst auf dem Wasserbade, dann im Xylolbade bei 1390 und zerreibt im Mörser zu einem staubfeinen Pulver. Zur Reduktion benutzen wir einen einfachen elektrischen Ofen. Um eine Röhre aus Kupfer ist ein Widerstandsdraht gewickelt, die Röhre selbst steckt in einer weiteren Röhre, der Zwischenraum ist mit Kieselguhr aus- gefüllt. In der Kupferröhre liegt ein Glasrohr, dessen Dimensionen so bemessen sind, dass ca. 100—120 g des Ton-Nickelpulvers bequem darin Platz finden und noch genügend Raum bleibt zum Durchleiten des Wasserstoffes. Das an beiden Enden mit Gummistopfen ver- schlossene Glasrohr besitzt eine Schalteinrichtung, die es möglich macht, den Wasserstoff abwechselnd von beiden Seiten einzuleiten, was unbedingt nötig ist; das Gas, einer Bombe entnommen, wird zuerst durch Waschflaschen mit Permanganatlösung, dann durch konzentrierte Schwefelsäure und durch einige Chlorealeiumröhren ge- leitet. Zum Heizen wird Einphasen-Wechselstrom von 110 Volt be- nützt. Durch viele Vorversuche wurde festgestellt, dass die günstigste Temperatur zur Reduktion dieses Katalysators 370—3800 beträgt, dafür war bei unserer Einrichtung eine Stromstärke von ca. 5,8—6 Amp. nötig. Da der Wechselstrom mittags und abends grossen Schwankungen unterworfen ist — bis zu 15 Volt — so wurde noch 2) Wir benützen dazu eine einfache Kugelmühle aus einer eisernen Queck- silberflasche bestehend, in der einige Stahlkugeln rotieren. Methylencampher und einige seiner Derivate. 517 ein Widerstandsregulator eingeschaltet, mit dessen Hilfe es gelang, den Strom bei tagelangem Dauerbetriebe auf ca. 0,2 Amp. konstant zu halten, dies entspricht ungefähr einer Temperaturschwankung von 10-15%. An eines der aus dem Ofen herausragenden Enden des Glasrohres ist mit einer einfachen Klammer ein 20 cm langes Holzstück aufgeschraubt, ein langsam laufendes, durch einen kleinen Motor angetriebenes Exzenterrad hebt und senkt diesen Hebelarm, dadurch wird das Pulver im Innern des Rohres beständig hin und her geschüttelt und gut durchgemischt. Diese einfache Einrichtung ermöglicht nicht nur eine viel gründlichere Reduktion, sondern sie spart vor allem Zeit, da der Reduktionsprozess damit um ca. 12 Stunden abgekürzt wird. Zur vollständigen (oder wenigstens ge- nügenden) Reduktion sind 24 Stunden nötig. Man lässt dann zuerst im Wasserstoff-, dann im Kohlensäurestrom ganz erkalten. Das auf solehe Weise erhaltene schwarze bis schwarz-braune Pulver, das an der Luft sich sogleich entzündet und verglimmt, enthält ungefähr 33 0/, Nickel. Es kann, in mit Kohlensäure gefüllten Glasröhren eingeschmolzen, scheinbar beliebig lange aufbewahrt werden, ohne viel von seiner Wirksamkeit zu verlieren; mit einer Probe, welche 61/, Monate aufbewahrt blieb, konnte Oxymethylencampher nur wenig: langsamer, als mit frisch bereitetem Katalysator, vollständig reduziert werden. Zur Hydrierung des Oxymethylencamphers verwenden wir Drechsel’sche Gaswaschflaschen, an deren Einleitungsröhren zwei Reitmeyer’sche Aufsätze (Kugeln) angeschmolzen sind, um das Über- spritzen beim Schütteln zu vermeiden; der Wasserstoff wird unter einem kleinen Überdruck von ca. 1,30 m Wassersäule eingeleitet,23) während die Flasche auf einer Maschine rasch geschüttelt wird. Der Oxymethylencampher wurde gewöhnlich in der 10-fachen Menge 50% igen Alkohols gelöst, doch kann man ihn auch als neutrales Natriumsalz in wässriger Lösung hydrieren. Die Geschwindigkeit der Wasserstoffanlagerung hängt sehr von der Menge des Katalysators ab, sie geht viel rascher, wenn auf ein Teil des Methylencampher- derivates 2 Teile des Nickelpulvers angewendet werden, als z. B. bei dem Verhältnis 1:1; trotzdem versuchten wir später mit möglichst wenig Katalysator auszukommen, um möglichst viel Substanz damit reduzieren zu können. Das Einfüllen des Nickelpulvers in die Schüttelflasche geschieht in einer Kohlensäureatmosphäre. 50 g Oxymethylencampher in 500 cem Alkohol von 50 0/, 90 g Katalysator. 23) Nötig ist dieser kleine Ueberdruck nicht, wir wenden ihn hauptsächlich an, um Undichtigkeiten der Apparate zu kompensieren. 518 H. Rupe. Zeit in Minuten 5 10 15 25 35 45 55 80 Wasserstoff in ccm 1465. 2900. 4005. 4896. 5130. 5375. 5620. 6255. berechnet: 6227 cem. 3 g Oxymethylencampher in 30 cem verd. Natronlauge 9 g Katalysator. Zeit in Minuten 5. 10. 45 150 200. 422. 1142 Wasserstoff incem 65. 145. 190 240 250 300. 400 berechnet: 373 cem. 39 g Oxymethylencampher in 50°/,igem Alkohol, 52 g Katalysator. Zeit in Minuten 5 10 20 30 60 120 180 240 480 Wasserstoff in ccm 650 1290 2370 3070 3425 3700. 3925 4135 4853 berechnet: 4852 cem. 105 g Oxymethylencampher in 700 cem Alkohol von 50 °/, und 105 g Katalysator. Zeit in Minuten 5 15 45 60 120 180 300 470 755 Wasserstoff in cem 1320. 3360 7260 7690. 8300 8690 9410 10000 11560 berechnet: 13062 cem. Zu diesem Versuche muss bemerkt werden: Bei dieser hohen Konzentration der Oxymethylencampher-Lüsung und der verhältnis- mässig kleinen Menge Katalysator wurden scheinbar nach ca. 12 Stunden nur 90 °/, der berechneten Menge Wasserstoff aufgenommen. Trotzdem wurden bei der Aufarbeitung nur 0,1—0,2g unveränderter Oxymethylencampher zurückgewonnen. Die Sache verhält sich näm- lich so: Beim Verdrängen der Luft aus dem Schüttelgefässe durch Wasserstoff beim Beginne des Versuches, wobei mehrere Liter Wasser- stoff durchgeleitet werden, findet bereits eine ziemlich beträchtliche Reduktion statt, sodass in diesem besonderen Falle die Hydrierung wahrscheinlich schon nach 9—10 Stunden beendigt war. Einfluss des Eisens. Da das Tonpulver etwas eisenhaltig ist, so wurde es anfangs mit Salzsäure ausgekocht zur Entfernung des Eisens. Dann kam ein Versuch, bei welchem auf 25 g Tonpulver 62 g krist. Nickelsulfat und 2,62 Eisenvitriol angewendet wurden; mit 268 dieses Katalysators reduzierte man 11 g Oxymethylencampher, die be- rechnete Menge von 1370 cem Wasserstoff war nach 85 Minuten aufgenommen, die Reduktion war somit ganz normal verlaufen. Als dagegen auf 40 g Nickelsulfat 10 g krist. Ferrosulfat genommen wurden, konnte die Reduktion von 10 g Oxymethylencampher nicht zu Ende geführt werden, die Aufnahme des Wasserstoffs ging von Methylencampher und einige seiner Derivate. 519 Anfang an viel zu langsam und hörte schliesslich ganz auf, nachdem 2/, der berechneten Menge verbraucht worden waren. Da wir ferner ein etwas kupferhaltiges Nickel zu verarbeiten hatten, so musste auch der Einfluss des Kupfers festgestellt werden. Beim ersten Versuche kamen auf 10 g Oxymethylencampher 20 g Katalysator, der 1,5—20/, Kupfer enthielt in Bezug auf das Ni. Damit verlief die Reduktion in 4 Stunden, also bedeutend langsamer als mit kupferfreiem Präparate. Zu einem zweiten Versuche wurden auf 67 g Oxymethylencampher 92 g Katalysator angewendet, der (auf Nickel bezogen) ca. 2,5°/, Kupfer enthielt. Die Reaktion verlief von Anfang an sehr langsam, als 380/, der berechneten Menge Wasserstoff nach 15 Stunden aufge- nommen waren, hörte die Reduktion vollkommen auf. Es geht hieraus hervor, dass zur Katalyse bestimmtes Nickel schon dich geringe Kupfermengen ‚vergiftet‘ wird. Nach beendigter Hydrierung wird der Alkohol mit Wasserdampf übergetrieben (starker Geruch nach Acetaldehyd), dann wird die rückständige wässrige Lösung mit dem Nickel und Tonpulver, das die Hauptmenge des Carbinols wie ein Schwamm festgesogen hat, in einem Extraktionsapparate mit Äther gründlich ausgezogen. Der Äther wird, zur Entfernung von suspendiertem Nickel, mit verdünnter Säure gewaschen, dann mit etwas verdünnter Natronlauge durchge- schüttelt zur Entfernung kleiner Mengen von unverändertem Oxy- methylencampher,?*) schliesslich über geglühtem Magnesiumsulfat ge- trocknet. Bei der Destillation unter 10,5 mm Druck lieferten 172 g Roh- carbinol, welche aus 173g DC pie dargestellt worden waren, folgende Fraktionen: (1) 87—88° = 20,9g. (2) 81—136° = 8,1g. (3) 136—143° = 134 g Da Fraktion (2) grösstenteils aus Carbinol besteht, so beträgt die Ausbeute an diesem ca. 800/, der Theorie. Fraktion (1) lässt sich nur durch sehr langsames, sorgfältiges Destillieren ganz abtrennen. Der Ketoalkohol, das Camphylcarbinol, siedet unter 9 mm Druck bei 139— 1400, bei 10 mm: 141—1429, unter 11 mm : 143— 144° F. 1. D. Zur Analyse wurde eine durch sechsmaliges Fraktionieren gereinigte Probe benützt. 0,1760 g Sbstz.= 0,4685 g COz, 0,1566 g HO. 0,1769 g Sbstz. = 0,4694 g OO», 0,1555 g H20. Or His Oz Ber. C. 72,47. H 9.96 Gef. 72,60. 72,41. 9.96. 9.84. 24) Manchmal konnten bloss Spuren davon nachgewiesen werden, in der Regel aber waren es einige Decigramme. 520 H. Rupe. Molekulargewichtsbestimmung (kryoskopisch) in Benzol. 0,2353 g Sbstz. in 13,23 g Benzol ergaben eine Gefrierpunkts- erniedrigung von 0,4769. C,ıHıs03 Ber. Mol. Gew. 182,1. Gef. 186,7. Der Körper bildet eine farb- und geruchlose Flüssigkeit von glyzerinartiger Konsistenz, seine Dämpfe riechen schwach campher- artig, der Geschmack ist bitter-brennend. Etwas im Wasser löslich, ein Teil Carbinol in ungefähr 90 Teilen Wasser von Zimmer- temperatur. Da der bei der Reduktion von Oxymethylencampher als Neben- produkt entstandene niedrig siedende Körper (Methylencampher, siehe unten) nur durch häufig wiederholtes mühsames Fraktionieren von Camphylearbinol vollständig zu trennen ist, so zogen wir es vor, dieses durch seine Chlorcalciumverbindung zu reinigen. Zu diesem Zwecke wird die rohe, nicht destillierte Substanz mit dem gleichen Gewichte fein gepulverten Chlorcalciums innig verrieben, bis eine harte Masse entstanden ist. Man lässt 24 Stunden stehen, zerreibt die Chlorcalcium- verbindung unter trockenem Benzol, saugt ab und wäscht dreimal mit Benzol gründlich nach. Die gut abgepresste Substanz wird mit wenig Wasser geschüttelt, bis alles Feste gelöst und der Ketoalkohol sich als Öl abgesondert hat. Bei der Destillation unter 9 mm wurden aus 32g Rohcarbinol 28,8 g vom Siedepunkt 138—141° erhalten, ohne jeden Vorlauf. Benzoylderivat. Es war noch näher zu prüfen, ob das Reduktionsprodukt des Oxymethylencamphers ganz einheitlich ist. Denn bei dieser Hydrie- rung wird ein neues asymmetrisches Kohlenstoffatom gebildet, sodass also mehrere stereoisomere Formen entstehen können, wenngleich eine vielfache Erfahrung auf diesem Gebiete uns lehrt, dass häufig in solchen Fällen nur eine Form gebildet wird.25) Deshalb wurde der Benzoesäureester dargestellt. 18,2g Camphylcarbinol, gelöst in. 12g Pyridin?®) (Pyridin I, Kahlbaum), wurden unter Eiskühlung tropfenweise mit 21 g Benzoyl- chlorid versetzt, unter häufigem Schütteln, dann wurde noch einige 25) So haben z. B. Haller und seine Schüler bei der Reduktion der Methy- lencampher-Derivate mit Natriumamalgam anscheinend nie ein zweites Stereo- isomeres gefunden, die gleiche Erfahrung machten auch Rupe u. Iselin. 26) Ein Ueberschuss von Pyridin ist zu vermeiden, da sonst schmierige ölige Produkte entstehen, Methylencampher und einige seiner Derivate. 521 Stunden auf dem Wasserbade erwärmt. Die ziemlich harte Masse wurde mit Wasser und wenig verdünnter Salzsäure verrieben, abge- sogen und getrocknet, das Rohprodukt wog 24,82. Zum Umkristalli- sieren löste man in heissem Alkohol und gab vorsichtig Wasser dazu bis zur beginnenden Kristallisation. Der Körper bildet glänzende, farblose Platten oder anscheinend vierkantige, häufig an einem Ende zugespitzte Prismen, vom Schmpt. 95—97°. Ziemlich schwer löslich in kaltem Alkohol und Benzin, leicht in Benzol und Äther. 0,1473 g Sbstz. : 0,4065 g CO. 0,1005 g H2O. CısH22 03 Ber. C. 75,48 H 7,75 Ge 1528 00763. Das Benzoylderivat kann auch nach der Methode von Schotten- Baumann hergestellt werden, doch sind dann die Ausbeuten weniger befriedigend. Verseifung des Benzoylderivates. Unerwarteter Weise machte die Verseifung des Benzoesäureesters Schwierigkeiten. Sie verläuft zwar sehr rasch beim Kochen mit alko- holischem Kali, doch wurde dabei keine Spur des Ketoalkoholes er- halten, sondern nur ein sehr konstant unter 100° siedender Körper. Es wurde deshalb die berechnete Menge Kalı (in Alkohol gelöst) zu der kochenden alkoholischen Lösung allmählich in Portionen gegeben, das Resultat war dasselbe. Die berechnete Menge Benzoesäure konnte leicht zurückgewonnen werden (für 7,5 g verseiftes Benzoylderivat ber. Benzoesäure — 3,2 g, gefunden: 3,1 g), aber daneben entstand bloss ein Körper vom Schmpt. 10 mm : 88-900. Mit Säuren dagegen geht die Verseifung sehr langsam. Wurden 18,5g des Benzoylesters mit 50 cem 50-prozentiger Schwefelsäure und so viel Alkohol als gerade zur Lösung nötig, unter Rückfluss 6 Stunden gekocht, so war immer noch etwas unveränderter Ester vor- handen. Es wurde in Wasser gegossen, ausgeäthert, der Äther gründ- lich mit Soda ausgeschüttelt und über Magnesiumsulfat getrocknet. Beim Destillieren wurden 4,5 g Ketoalkohol erhalten, daneben 7,5 g eines Gemisches von Benzoesäureäthylester und Methylencampher. Unter dem Einflusse der Schwefelsäure war also aus dem Alkohol Wasser abgespalten worden. Ausserdem konnten noch 2,5 g der nicht verseiften Benzoylver- bindung zurückgewonnen werden. Als aber 20 g des Benzoylderivates mit demselben Gemische 15 Stunden lang gekocht worden waren, konnte zwar keine unveränderte Substanz mehr aufgefunden werden, dafür aber waren 12,8 g des niedrig siedenden Gemisches entstanden, neben bloss 4,0 g Camphylcarbinol. Das aus dem Benzoylderivate er- 522 H. Rupe. haltene Präparat besass denselben Siedepunkt wie das aus der Chlor- caleiumverbindung dargestellte. Für die optische Untersuchung dieser Substanzen wurde die Rotationsdispersion für die 4 Lichtarten C, D, E (grüne Quecksilber- linie 2 = 546,3 uu) und F bestimmt. Alle Körper sind rechtsdrehend. I. Camphylcarbinol, durch Destillation gereinigt. 5 cm-Rohr. d” = 1,0502. | F (21 48,640 65,240 81,570 | lg), 1070 [al» | 46,319 | 62,110 | 77,670 | 113,480 2,45 578,9 II. Camphylcarbinol aus der Chlorcaleiumverbindung. 5 cm Rohr. d” = 1,0502. | [ao |! 48,780 | 65,340 | 81,64 | 119,620 | [129 46,450 | 62,220 | 77,140 | 113,900 2,45 | 578,2 III. Camphylcarbinol, aus dem Benzoylester durch Verseifung dargestellt. 5 cm Rohr. d® = 1,0502. ia al= C0 51,600 69,020 86,580 | 126,880 [le] 49,130 65,730 82,440 | 120,820 2,450 578 Während ein durch sorgfältige Destillation gereinigtes Präparat sich von einem aus der Chlorcalciumverbindung gewonnenen optisch kaum unterscheidet, so dreht die Substanz, welche durch Verseifung des Benzoylderivates dargestellt wurde, etwas stärker, wenn auch die Unterschiede in Anbetracht des grossen Drehungsvermögens nicht be- deutend sind. Immerhin ist nur die letztere Verbindung als voll- kommen optisch rein zu betrachten. Bei der Reduktion des Oxy- Methylencampher und einige seiner Derivate. 523 methylencamphers wird ein neues asymmetrisches Kohlenstoffatom gebildet bei * x ‚„C=CH:HO _ „CH-CH.-OH Cs Ha ! — Os Hi4 | \CO NCO sodass das Auftreten von wenigstens zwei neuen stereoisomeren Formen theoretisch zu erwarten ist. Zwar ist in sehr vielen Fällen bei der- gleichen Operationen nur eine Form aufgefunden worden, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass bei dieser Reduktion in kleiner Menge ein zweites Stereoisomeres entstand, welches durch die Chlorcaleiumver- bindung natürlich nicht abzutrennen ist, sondern erst beim Um- krystallisieren der Benzoylverbindung entfernt wurde. Was nun 4a, die „charakteristische Wellenlänge“ betrifft, so ist sie etwas kleiner, als bei den Derivaten des Methylencamphers, Cam- phylcarbinol: 578,5 uu, Methylencampher-Derivate: 596 uu. Das heisst, dass die Kurve der Rotationsdispersion, welche ja durch a charakterisiert wird, für den Ketoalkohol ein wenig steiler verläuft, weil 4a mehr nach Blau verschoben ist. Im allgemeinen entspricht das einem mehr ungesättigten Charakter, doch lässt sich darüber vorläufig noch nicht viel sagen, erst muss noch eine Reihe von Abkömmlingen dieser neuen Verbindung polarimetrisch untersucht werden. Bromwasserstoffsäure-Ester des Camphylcarbinols CH — CEk. Br. (Camphylbrommethan )Os Hi nn NCO In einer Pulverflasche, durch deren Stopfen ein Tropftrichter und ein Rührer geführt sind, werden 20 g Camphylcarbinol allmäh- lich unter kräftigem Rühren mit 23 g Phosphortribromid (1,5 Mol.) versetzt, wobei mit Eiswasser gekühlt wird. Die Mischung wird bald diek-gelatinös, schliesslich scheiden sich Kristalle aus. Man rührt noch 2 Stunden weiter und fügt dann Eis hinzu, das Bromid fällt als weisses, schweres Pulver aus. Nach dem Absaugen und Aus- waschen trocknet man im Exsikkator, erhalten an schon sehr reinem _ Rohprodukt: 24,7 g —920/, der Theorie. Zum Umkristallisieren löst man in heissem Alkohol und fügt vorsichtig Wasser dazu. Lange weisse, flache Nadeln, vom Schmpt. 64,5-65°. Ziemlich schwer löslich in kaltem Alkohol. 0,1914 g Sbstz. = 0,1461 g Ag Br. 0,1676 g Sbstz. = 0,1285 g Ag Br. C;1 Hs OBr Ber. Br 32,60. Gef. 32,48. 32,62. 524 H. Rupe. Chlorwasserstoffsäure-Ester (Camphylchlormethan). CH - CH: OI CsHis | NCO Zu 20 g Camphylcarbinol lässt man unter Kühlung mit Wasser 20 g Thionylehlorid tropfen, die Reaktion ist anfangs recht heftig. Man erwärmt dann auf dem Wasserbade bis zur Beendigung der Salzsäure-Entwicklung. Nach einigem Stehen destilliert man unter vermindertem Drucke zuerst das überschüssige Thionylchlorid, dann das Camphylehlormethan über, es siedet unter 14 mm bei 125—1270, dünnflüssigesÖl, bald kristallinisch erstarrend. Ausbeute: 17g=800/, der Theorie. Man kann den Körper aus Alkohol unter Eiskühlung umkristallisieren und unter starkem Abkühlen absaugen. Schnee- weisse Blättchen vom Schmpt. 52,5—53°. 0,2374 g Sbstz.: 0, 1716g AgCl. C1 Hy7 0Cl. Ber. Cl 17,68. Gef. 17,88. ‚„e >= CH; Methylencampher Cs His | SCO Wie oben mitgeteilt, entsteht bei der Reduktion des Oxymethylen- camphers neben Oamphylcarbinol noch ein zweiter Körper in einer Ausbeute von 20 °/,, doch sinkt diese gelegentlich auch bis 10, ja bis 50/, herunter. Vom Ketoalkohol kann diese Substanz entweder durch sorgfältiges Fraktionieren oder viel bequemer dadurch getrennt werden, dass man den Alkohol in die C'hlorcaleiumverbindung über- führt, wobei der zweite Körper in das zum Auswaschen dienende Benzol übergeht. Nach mehrfach wiederholtem Fraktionieren unter vermindertem Drucke bildet die Verbindung eine weisse, undeutlich kristallinische oder eine farblose, glasartig-durchsichtige Masse (ähnlich wie Camphen) von wachsartiger Konsistenz, von starkem Campher-Ge- ruche. Sie ist leicht mit Wasserdämpfen flüchtig. Ihr Schmelzpunkt liegt bei 740, der Siedepunkt unter 10 mm Druck bei 82—84°. In allen gebräuchlichen Lösungsmitteln ist sie, auch bei starkem Abkühlen, so leicht löslich, dass es bisher nicht ge- lang, sie umzukristallisieren. Eine grössere Reihe von Analysen ergab im Mittel C = 79,900/;, H = 10,00°/,. Für Methylencampher berechnet sich: C = 80,47%, H—9,819/;. Es stellte sich heraus, dass dieser zweite bei der Re- Methylencampher und einige seiner Derivate, 525 duktion des Oxymethylencamphers entstandene Körper Methylen- campher ist. Dass es nicht gelang, eine vollkommen analysenreine Verbindung zu erhalten, ist darauf zurückzuführen, dass Methylen- campher leicht Sauerstoff aufnimmt — auch beim Destillieren unter vermindertem Drucke — und sich dabei gelb bis orange färbt. Doch liess sich leicht ein sicherer experimenteller Beweis dafür finden, dass wir es hier mit Methylencampher zu tun haben: der Körper addiert quantitativ 2 Atome Brom oder 1 Mol. Bromwasserstoff. : /€C : Br. CH» Br. Methylencampherdibromid Os Ha, 5 à 4e Methylencampher, in Chloroform gelöst, werden mit einer Chloroformlösung von 48 Brom (1 Mol.) tropfenweise versetzt. Im zerstreuten Lichte verschwindet die Farbe des Broms sehr langsaın, rascher dagegen im Sonnenlichte, dabei tritt nur sehr wenig Brom- wasserstoff auf. Lässt man die Lösung dann in einer flachen Schale verdunsten, so beginnt bald die Kristallisation des neuen Körpers. Man presst die Kristalle zur Befreiung von Schmieren auf Ton ab und reinigt durch Umlösen, zuerst aus Benzin, dann aus Spiritus. Man erhält weisse, glänzende, an Harnstoff oder Salpeter erinnernde Spiesse von feinem, aromatischem Geruche, sie schmelzen bei 108° lis 1090! 0,3328 g Sbstz. = 0,3859 g Ag Br. 0,2340 g Sbstz. = 0,2349 g Ag Br. Ci: Hıs OBr> Ber. Br 49,33. Gef. 49,34. 49,49. Methylencampher-Hydrobromid = Bromwasserstoff-Ester des __ „CH :-CEH: Br. Camphylcarbinols Os Hi4° | \CO 5 g Methylencampher werden in einer mit Glasstöpsel verschliess- baren Flasche mit 25 cem bei 00 gesättigtem Eisessigbromwasserstoff geschüttelt, unter spontaner Erwärmung erfolgt rasch Lösung. Man lässt über Nacht stehen und giesst auf Eis, wobei ein weisser, sandiger, schwerer Niederschlag sich abscheidet. Nach dem Absaugen, gründ- lichem Auswaschen und Trocknen wird in Alkohol gelöst und vor- sichtig mit Wasser bis zur beginnenden Kristallisation versetzt. Man erhält auf solche Weise flache, kreidig-weisse Nadeln vom Schmpt. 64,5-65°. Genau denselben Schmelzpunkt besitzt aber auch der Brom- wasserstoff-Ester des primären Camphylcarbinols, ein Gemisch der beiden Substanzen zeigte keine Schmelzpunktserniedrigung, sodass an ihrer Identität nicht zu zweifeln ist. Damit ist aber auch bewiesen, 526 H. Rupe. dass das Nebenprodukt von der Reduktion des Oxymethylencamphers die Konstitution des Methylencamphers?6) besitzt.27) 26) (Nachtrag während der Korrektur.) Die Entstehung des Methylencam- phers bei der Reduktion des Oxymethylencamphers ist jetzt vollständig auf- geklärt. Lässt man nämlich das Reduktionsgemenge nach dem Abblasen des Alkohols mehrere Monate stehen, so wird beim Aufarbeiten bloss Methylen- campher erhalten und gar kein Camphylcarbinol. Das fein verteilte Nickel hat demnach das Carbinol bei längerem Kontakte damit zersetzt nach der Gleichung: ‚CH - CE - OH = /G = CH2 CsH1 | CsHu | + H20. NCO NCO 27) Methylencampher wurde zuerst von Minguin (C. rend. 1903. 136. I. 752) dargestellt aus Brommethylcampher durch Kochen mit alkoholischem Kali /C:Br. CH3 SCH CsH14 | =CsH4 | + H Br. Es sei bei dieser Operation eine Flüssig- NCO NCO keit vom Siedept. 2180 entstanden, aus der beim Erkalten Krystalle sich aus- schieden, welche, rasch abgepresst, „un solide à forte odeur de camphre“ bildeten, vom Schmpt. 30-359. Es ist natürlich unmöglich, auf diese Weise ein reines Produkt zu erhalten, trotzdem findet sich dieser Körper von Minguin in der gesamten chemischen Literatur immer als reiner Methylencampher aufgeführt, obgleich er, wie sich jetzt zeigte, ganz andere Eigenschaften hat, so liegt der Schmpt. bei 749. Dagegen hat Minguin aus diesem unreinen Präparate mit Bromwasserstoff bereits das reine Hydrobromid vom Schmpt. 650 erhalten. Die Einwirkung von alkoholischem Kali auf Brom-metylcampher verläuft nämlich gar nicht so einfach, wie man aus den Angaben von Minguin ent- nehmen könnte. Hierbei entstehen nach unseren Versuchen wenigstens drei Verbindungen : 1. Methylencampher, 2. eine flüssige Substanz vom Siedep. 9mm: 88-890, 3. eine Flüssigkeit vom Siedep. 9 mm: 116—118%. Die genaue Unter- suchung dieser Körper konnte noch nicht durchgeführt werden. Das gleiche Gemisch scheint auch in den Vorläufen enthalten zu sein, welche bei der Ver- seifung des Benzoyl-camphyl-carbinols entstehen, allerdings scheint darin der feste Methylencampher zu überwiegen. Chemische Anstalt der Universität Basel 30. März 1917. Mitteloligocänes Profil (Stampien) zwischen Therwil und Reinach bei Basel. Mit einer Tafel (VID). Von Fridolin Jenny. Die Strasse, welche Reinach mit Therwil verbindet, steigt von beiden Orten langsam an bis gegen 330 m. Dann wird im Käpelirain die Steigung grösser, da die Strasse rasch ihren Kulminationspunkt 341 m erreicht. Um diese den Verkehr erschwerenden Verhältnisse zu heben, wurde die Strasse hier wesentlich tiefer gelegt. Der höchste Punkt der neuen Strasse liegt um 5,5 m tiefer als derjenige der alten Strasse. Da auf der Nordseite der alten Strasse im ansteigenden Terrain frühere Abgrabungen bei der Erstellung der Böschung für den tiefen Einschnitt der neuen Strasse noch erweitert werden mussten, wurde an der Stelle ein Profil auf 8,5 m Mächtigkeit sichtbar. Der Einschnitt hat eine Länge von 300 m. Das Profil durch den Käpelirain habe ich entsprechend den mir zur Verfügung gestellten technischen Querschnitten in zehn Abschnitte von je 30 m Länge ein- geteilt I-XI. Die hier freigelegten Ablagerungen gehören mit Ausnahme der obersten Partien, die aus Humus und Lehm bestehen, in das oberste Stampien. Nach der Gliederung des Oligocäns durch A. Gutzwiller (Das Oligocän in der Umgebung von Basel, Verhandlungen der naturf. Ge- sellschaft in Basel, Band XXVI, 1915) sind diese Schichten zu seiner Molasse alsacienne oder zum Ob. Cyrenenmergel zu rechnen. Weitere Literatur: A. Gutzwiller: 1. Beitrag z. Kenntnis d. Tertiärbildungen der Umgebung von Basel. Verhandl. d. naturf. Gesellschaft in Basel, Band IX, 1890. 2. L. Rollier: Matériaux pour la carte géologique de la Suisse. Troisieme supplement. 1910. Die angeschnittene Schichtserie setzt sich wie folgt zusammen. Die Decke wird gebildet durch einen graugelben Sandstein mit Glimmerblättehen (Schicht 2). i 528 F. Jenny. Die Sandkörner sind eher gross, scharfkantig und eckig. Im obersten Teil ist der Sandstein hie und da dünnplattig entwickelt. Hier finden sich reichlich kreideartige Kalkausscheidungen, die den Schichten entsprechend das Gestein in Form von Schnüren durch- ziehen. Diese Kalkkonkretionen erreichen Nuss- bis Faustgrösse; an einzelnen Stellen bilden sie eine eigentliche Schicht. Der Sandstein ist vielfach etwas mürbe und zerfällt unter dem Einfluss der Atmosphärilien leicht zu Sand. Dann aber treten häufig knauer- förmige, sehr harte Teile von Kalksandstein hervor. Diese sind aus- gesprochen plattenförmig und orientieren gut über die Schichtung. Diese ist bis Punkt VII im Detailprofil annähernd horizontal (3—4 Neigung gegen Nordosten). Zwischen Punkt VII und Punkt X sind die Platten in ihrer Lage stark gestört. Neigungen von 30—50° sind häufig und zwar der Hauptsache nach gegen Osten, Nordosten und Südosten. Eine ganze Anzahl kleiner Verwerfungen sind durch Eisen- ausscheidungen im weichern Sandstein deutlich gekennzeichnet. Öst- lich Punkt IX zeigt eine Sandsteinbank einige Grade westliches Ein- fallen. Es weist somit der Sandstein von Punkt VII an stark gestörte Lagerung auf. Seine Mächtigkeit beträgt im Maximum 6—7 m. Fossilien konnten trotz vielfachem Suchen keine gefunden werden. A. Gutz- willer erwähnt aus dem Sandstein eine schlecht erhaltene Helix deflexa. Der Sandstein wird unterteuft von einem gelblichgrauen Letten, der auf vorhandenen Spalten etwas dunkler aussieht (Schicht 3). Er ist gut geschichtet und besitzt ebenfalls die vorhin erwähnten krei- digen Ausscheidungen, wodurch die Schichtung noch deutlicher wird. Die Mächtigkeit ist stark schwankend von nur 0,5 m bis 2,4m. Bis Punkt VII weist der Letten ähnlich wie der darüber lagernde Sand- stein beinahe horizontale Lage auf (3—4° nordöstliches Einfallen). Die Oberfläche des Lettens zeigt typische Erosionswirkungen. Es muss somit zwischen dem Hangenden und Liegenden ein Unter- bruch in der Sedimentation bestanden haben, während welchem fliessendes Wasser die Lettenoberfläche nach verschiedenen Rich- tungen durchfurcht hat. Die so entstandenen Vertiefungen wurden bei der wieder einsetzenden Sedimentstation ausgefüllt und der Sand- stein darüber abgelagert. Es ıst dies auch nicht verwunderlich, denn wir werden sehen, wie die Sedimentationsbedingungen zu dieser Zeit rasch wechselten. In diesem gelben Letten fand ich gegen die obere Grenze hin ein Exemplar von Helix rugulosa (v. Mart) v. Ziet. Die Bestimmung verdanke ich Herrn Prof. Rollier in Zürich. Oligocänprofil zwischen Therwil und Reinach, 529 Zwischen Punkt VII und Punkt IX wechseln auch die Lagerungs- verhältnisse dieses Letten. Er weist sehr schöne Fältelungen auf und ist mit kleinen Verwerfungen durchsetzt. Dass es sich hier nicht um Faltung der ganzen Sedimentplatte handelt, ist selbstverständlich. Die Fältelung des Lettens ist eine Folge von seitlich wirkendem Druck, der, wie früher bemerkt, auch auf den darüber lagernden Sandstein seinen Einfluss ausgeübt hat. Auf diese tektonischen Störungen soll später eingetreten werden. Unter dem gelblichen Letten folgt eine ziemlich konstante Sand- steinbank von Punkt III VIT mit einer Mächtigkeit von 45—60 cm. Schicht 4. Der Sandstein ist weich und enthält gegen die Mitte des Einschnittes knauerartige Kalksandsteinplatten. Im Liegenden findet man ein dunkles Lettenband mit gleich- bleibender Mächtigkeit von 80—90 cm, Schicht 5. Der Letten ist sehr fett, dunkelgrau und ändert in seinem Aussehen nur insofern, als gegen Westen die obersten Partien des Lettenbandes heller werden. Darunter ist westlich von Punkt V ein graugrüner, sandiger Mergel aufgeschlossen, Schicht 6, der wegen seiner bedeutenden Festigkeit beim Erstellen des Einschnittes Schwierigkeiten machte. In zwei Niveaux wird der Sandgehalt grösser, sodass zwei sandige Bänder entstehen, die aber unmerklich in den Mergel übergehen. Die Mächtigkeit beträgt im Maximum 2,5 m. Im westlichen Teil des Einschnittes erscheint dann eine gelbliche, sandige Lettenschicht, Nr. 7, welche in der Mitte eine weiche Sand- steinbank aufweist, die vom Letten sich deutlich abhebt. Darin sind einige Kalksandsteinknauer vorhanden. Die Mächtigkeit be- trägt 1,7 m. Das neue Strassenbett des westlichsten Teiles befindet sich auf einem weichen, blaugrauen, sehr fetten Letten, Schicht 8, der einen guten Wasserhorizont bildet. Trotzdem weiter oben angeschnittene Wasseräderchen in Zementröhren abgeleitet sind, ist bis jetzt an der Stelle das Strassenbett nicht ruhig. Diese blaugrauen Letten könnten den blaugrauen, tonigen Mergeln, die A. Gutzwiller vom Kaibhölzli zitiert und die Ostrea cyathula in Menge enthalten, entsprechen. Das Niveau der Strasse beträgt hier 330 m, und im Kaibhölzli liegt der Horizont dieser Auster auf ungefähr gleicher Höhe. Diese blaugrauen Letten sind durch den Strassenbau nur wenig angeschnitten worden. A. Gutzwiller betont, dass Ostrea cyathula meistens in blaugrauen bis grünlich grauen, tonigen Mergeln vorkommt. Danach zu schliessen, würden die tiefern, durch den neuen Strasseneinschnitt freigelegten Tonmergel dem Cyathulahorizont entsprechen. Da diese Auster hier leider nicht ge- funden wurde, ist es unmöglich nur nach petrographischen Merkmalen 34 530 F. Jenny. diesen Horizont genauer zu bestimmen, umso mehr als Ostrea eyathula. auch in Sand und Sandsteinen vorkommt. Der häufige Wechsel in der Sedimentation bis zum obersten be- deutenden Sandsteinkomplex entspricht sehr gut dem Profil, das A.Gutzwiller vom Kaibhölzlı gibt. Es sind in unserer Gegend ab- wechselnd marine, brackische, lacustre und limnische Bildungen. Auf der Südseite des „Vorder-Rebberges‘ östlich der letzten Häuser von Therwil sind durch das Erstellen der Fundamente zu zwei Häusern in einer Höhe von etwa 320—325 m die untern Cyrenen- mergel vorübergehend freigelegt worden. Wir haben somit von Therwil zum Käpelirain ansteigend das vollständige Profil des obern und untern Cyrenenmergels vor uns (310—343 m). Freilich ist es nicht möglich, die genaue Lage des Cyathulahorizontes festzustellen, immerhin ist soviel sicher, dass die untern Letten und Mergel des Einschnittes diesem Horizont ent- sprechen. Hingegen bin ich im Falle, eine neue Fundstelle dieser Auster anzugeben. Diese befindet sich in der Nähe der Rodersdorfermühle etwa 200—300 m nordöstlich von Punkt 368 der Siegfried-Karte am Weg nach Liebenzweiler in einer Höhe von zirka 370 m. Die Stellen westlich vom Birsig, von denen Ostrea eyathula bekannt ist, befinden sich nach A. Gutzwiller bei Bottmingen im Fuchshag, 320 m, ober- halb Biel-Benken bei 335 m und auf elsässischem Boden bei Gross- biehli (unweit der Schweizergrenze) auf gleicher Höhe. Im allge- meinen ist ein nordöstliches Absinken des Austernhorizontes zu kon- statieren, immerhin lehrt uns die neue Lokalität, dass von Biel-Benken gegen Rodersdorf ein stärkeres Ansteigen stattfindet. Doch wieder zurück zum Käpelirain. Während im der Zeit zwischen dem untern und oberen Cyrenenmergel die Sedimentations- verhältnisse häufig wechselten, sehen wir über der Erosionsfläche des gelben Lettens gleichbleibende Bedingungen und daher einen Sand- steinkomplex von 6—7 m Mächtigkeit. Für die folgenden Betrachtungen verweise ich auch auf das Über- sichtsprofil Therwil-Arlesheim. Östlich vom Käpelirain tritt die Molasse alsacienne bei Dornachbrugg wieder zutage bei etwa 288 m. Bei niederem Wasserstand ist die Bank mit Ostrea cyathula in einem mürben Sandstein bei 280 m leicht zu konstatieren. Der Dornach- bruggsandstein, wie man die Molasse alsacienne auch nennt, tritt uns hier in einer Mächtigkeit von 7—8m entgegen. Allein auch hier schiebt sich über dem Austernhorizont eine lettig mergelige, graue Schicht ein, die nach Norden bald abnimmt und auskeilt. Durch A. Gutzwiller sind von dieser Stelle viele Blattabdrücke bekannt ge- worden, daher kommt auch der Name Blättermolasse. Oligocänprofil zwischen Therwil und Seinach. 531 Trotzdem am Käpelirain Blattabdrücke nicht gefunden worden sind, entspricht diese Stelle ganz sicher dem Sandstein an der Birs bei Dornachbrugg. Am Käpelirain liegt die oberste Partie der Molasse alsacienne bei 343 m, an der Birs bei Dornachbrugg bei 288 m. Es ist somit eine Höhendifferenz von 55 m auf eine Distanz von etwa 2700 m vorhanden. Ein flaches, nordöstliches Einfallen wurde am Käpelirain und eine gleichsinnige, etwas stärkere Neigung an der Birs beobachtet. Das ist das allgemeine Einfallen gegen die Flexur. Damit allein können die oben erwähnten Niveaudifferenzen nicht erklärt werden. In Reinach, 308m Höhe, ziemlich genau in der Mitte zwischen Birs und Käpelirain, existiert eine Kiesgrube, die auf 7 m Tiefe abgebaut ist, ohne dass dabei die Unterlage freigelegt wurde. Der darunterliegende Sandstein ist also im besten Fall bei etwa 300 m zu erwarten. Es ergibt sich somit von der Birs bis nach Reinach eine Steigung von etwa 12 m, die mit dem nordöstlichen Einfallen erklärt werden kann. Zwischen Reinach und Käpelirain beträgt die Niveau- differenz des Sandsteines 43m. Zur Erklärung dieses Höhenunter- schiedes genügt das Einfallen in keiner Weise, es müssen vielmehr hier tektonische Störungen stattgefunden haben. Durch die Erstellung des Strasseneinschnittes am Käpelirain sind die zu erwartenden Lagerungsstörungen tatsächlich aufgedeckt worden. Von Punkt VII an sind die vorher fast horizontalen Kalksand- steinplatten in ganz verschieden schiefe Stellungen gebracht worden. Neigungen von 30—50° gegen Osten, Nordosten und Südosten sind leicht zu beobachten. Damit stehen im Zusammenhang Verwerfungen im weichen Sandstein, die durch Eiseninfiltrationen recht deutlich ge- worden sind. Bei Punkt IX fällt eine Sandsteinscholle sogar in ent- gegengesetzter Richtung mit 120 gegen Westen ein. Die darunter- liegenden weniger starren Letten sind durch den herrschenden, seit- lichen Druck schön gefältelt worden. Auch hier haben sich zwei kleine Verwerfungen gebildet. Diese tektonischen Verhältnisse müssen offenbar mit der Ent- stehung der oberrheinischen Tiefebene in Zusammenhang gebracht ‚werden. Dass bei solchen Absenkungen nicht die Sedimenttafel als Ganzes, immer gleich geneigt, absinkt, sondern in einzelne Schollen zerspringen kann, ist genügend bekannt. Eine solche stärker geneigte Scholle, die offenbar selber wieder zersprungen ist, befindet sich zwischen Reinach und dem Käpelirain. Damit erklären sich die voll- ständig zufällige Orientierung der Kalksandsteinplatten und die Ver- werfungen im Sandstein sehr leicht. Begreiflich wird dadurch auch die bedeutende Anhäufung des losen Materiales im östlichen Teil des Einschnittes. Über dem An- 532 F. Jenny. stehenden finden wir zwischen Punkt IX und Punkt X braune Sande, die den grauen des Sandsteines vollkommen entsprechen. Diese sind bei der Absenkung seitlich abgerutscht und später durch eisenhaltige Sickerwasser braun gefärbt worden. Darüber lagert sandiger Lehm, dessen Mächtigkeit aus dem gleichen Grunde hier auch grösser ist. Bei Vertikalverschiebungen einzelner Schollen kann seitlicher Druck ausgeübt werden. Dass solche Kräfte sich hier ebenfalls ge- äussert haben, sehen wir sehr schön in der Fältelung des Lettens von Punkt VII bis Punkt IX. Die tektonischen Störungen sind also zurückzuführen auf das Absinken einer oder mehrerer Schollen und auf den darauffolgenden, seitlichen Druck. Es ist wahrscheinlich, dass so bedeutende Störungen auch ander- wärts am Ostrande des südlichen Bruderholzes sich geltend gemacht haben. Eine solche Stelle scheint mir im Galgenrain zu sein, wo A. Gutzwiller für den über der Molasse alsacienne gelegenen _ Tüllingerkalk ein Einfallen von 14—150 nach Südosten angibt, wäh- rend der gleiche Süsswasserkalk bei Münchenstein 5—6° nach Nord- osten fällt. Die tektonischen Verhältnisse zwischen Galgenrain und München- stein sind somit ähnlich wie zwischen Käpelirain und Dornachbrugg. Die Molasse alsacienne macht die Flexur mit. Die geologische Karte von A. Gutzwiller und E. Greppin gibt diese Ablagerung an verschiedenen Orten östlich von Arlesheim an. In der Umgebung von Arlesheim und Oberdornach tritt in der Flexur auch Meeressand an verschiedenen Orten zutage. Eine solche Stelle mit einer Ostrea callifera, die ich s. Z. A. Gutz- willer abgab, konnte ich südlich von Ober-Dornach vor vielen Jahren nachweisen. Die Erstellung des Einschnittes am Käpelirain hat nach zwei Seiten hin belehrend gewirkt. Erstens ist ein Profil des oberen Cyrenenmergels von 13 m Mächtigkeit mit dazwischenliegender Erosionsfläche bekannt geworden, und zweitens haben sich tektonische Störungen am südöstlichen Bruderholzrande sicher nachweisen lassen. Manuskript eingegangen am 25. April 1917. Grundzüge einer elektrodynamischen Theorie der Serienspektren. Von A. L. Bernoulli, In einer im vorigen Jahre erschienenen Arbeit hat der Ver- fasser!) auf Grund einer neuen elektrodynamischen Definition der Pianck’schen Konstanten h zeigen können, dass es nunmehr möglich geworden ist, die Viskosität der Gase und die absolute Masse und ebenso die Durchmesser der Gasmoleküle zu berechnen aus der Grenze der Hauptserie ihres Emissionsspektrums, ohne dass irgend welche andern Materialkonstanten ausser dem Gewicht eines Liters des be- treffenden Gases bei Null Grad und einer Atmosphäre Druck ge- geben sein müssen. Auch die Avogadro’sche Zahl braucht nicht be- kannt zu sein, wohl aber die Planck’sche Konstante, und die Masse des Elektrons, also zwei universelle, bereits sehr genau bekannte Kon- stanten. Die dort gewonnenen Resultate liessen den Versuch als aussichts- reich erscheinen, jene als Ausgangspunkt gewählte neue Definition der Planck’schen Konstanten und die daraus gewonnenen neuen Be- ziehungen zu andern physikalischen Konstanten anzuwenden auf die Spektralserien selbst, nicht nur auf den Grenzfall, die Seriengrenze. Wir stellen uns somit die Aufgabe, die bereits als empirische Formeln oder theoretisch auf Grund anderer Spektraltheorien abge- leiteten Gesetze aus unsern neu gewonnenen physikalischen Anschau- ungen herzuleiten und damit auf einem neuen Wege die Zweckmässig- keit der letztern zu erweisen. Da, wie Zeeman zuerst gezeigt hat, die einzelnen Spektrallinien durch starke Magnetfelder im Spektrum um messbare Beträge ver- schoben werden, also ihre Farbe und somit auch ihre Schwingungszahl in messbarer und reversibler Weise willkürlich innert der durch die Stärke der experimentell herstellbaren Felder gesteckten Grenzen ver- 1) Berichte der Deutschen Physikal. Ges. 18. pag. 308. 1916. — Arch, de Genève. (4) 42. pag. 24. 1916. 534 A. L. Bernoulli. ändert werden kann, liegt es nahe, nach dem Vorgang von Zeeman und H. A. Lorentz anzunehmen, dass die Träger der Lichtemission Elektronen sind. Diese sollen sich nach Ritz?) und Paschen?) in sehr intensiven, von den Molekülen selbst herrührenden Magnetfeldern be- wegen. Die Grössenordnung dieser Feldstärken ergibt sich ungeheuer hoch zu 109 Gauss.?) Da nun aber sowohl für die Ladung als für das Verhältnis der Ladung zur Masse des Elektrons sich nach den verschiedenen Methoden innert der Fehlergrenzen der Versuche identische Werte ergeben haben, müssen nicht nur diese Werte, sondern auch die Grössenord- nung der molekularen Feldstärken als erwiesen gelten. Das Neue, was dıe bereits erwähnte Arbeit des Verfassers noch zur weitern Präzisierung dieser physikalischen Voraussetzungen hin- zugebracht hat, lag in der folgenden, zunächst ganz willkürlichen Hypothese: „Bewegen sich ein (oder mehrere) Elektronen in einem mole- kularen Magnetfelde in geschlossenen Bahnen, so wird die Summe der magnetischen Kraftlinien, welche ihre Vektorradien bei jedem Umlauf schneiden, stets gleich sein ein und derselben universellen Kraftlinienzahl.“ Wir haben diese Grösse mit u bezeichnet. Ihr numerischer Wert ergibt sich durch folgende einfache Überlegung aus der Energie U eines Elektrons, welches mit der Tourenzahl » in einem Felde H die Fläche f=rr? umfährt. Da unabhängig von jeder speziellen Hypo- these die Gesamtenergie U gleich dem doppelten Betrage der kinetischen Energie des Elektrons sein muss, ist somit U=2E=2e> fHv (1) Demnach wird, wenn wir für das Produkt aus der Bahnfläche f in die Feldstärke H den damit identischen Induktionsfluss # ein- führen und noch durch die Tourenzahl » dividieren, Gl. (1) über- gehen in U „2a a Da der Induktionsfluss # und die Ladung e gleichfalls universell und konstant sind, so muss auch ihr doppeltes Produkt und wegen Gl. (2) auch der Quotient aus der Energie des Elektrons in seine Tourenzahl unabhängig von der Tourenzahlv sein. Da die rechte Seite 2) Ann. de Physik. 25. 660. 1908. 3) Jahrbuch der Radioaktivität. VIII. pag. 14. 1910. 4) Vgl. Paschen. 1. c. pag. 186. 5) A. L. Bernoulli. 1. c. pag. 309. Elektrodynamische Theorie der Serienspektren. 535 unserer Gleichung (2) nicht nur nach Dimension und Grössenord- nung, sondern auch dem absoluten Werte nach mit der Planck’schen Konstanten identisch ist, so liegt es nahe, wie wir das erstmals in unserer mehrfach erwähnten Mitteilung getan haben, diese Konstante mit Hilfe von Gl. (2) auf eine neue Art zu definieren als das doppelte Produkt der spezifischen Ladung eines Elektrons oder einwertigen Ions in die wie oben definierte universelle Kraftlinienzahl (Induk- tionsfluss) u, indem wir setzen: 2eu=h. (3) Gleichung (2) nimmt dadurch die Form an U=hv (2a) Die Planck’sche®) Definition für h erscheint somit hier als eine unmittelbare Folge unserer Annahme, dass der Induktionsfluss eine universelle Konstante ist. Führen wir jetzt noch mit Hilfe der unab- hängig von jeder Molekulartheorie gültigen elektrodynamischen Be- ziehung À =2rm/e: v an Stelle der Feldstärke und der Ladung die Tourenzahl in Gl. (3) ein, indem wir uns zunächst erinnern, dass u—f" A, wodurch h = 4rım - f: v = 4n°mr°rv (4) Letztere Form entsteht, wenn die Bahn mit genügender Annähe- rung als ein Kreis vom Radius r angesehen werden kann. Dies ist nichts anderes als die Bohr'sche Definition?) der Planck’schen Kon- stanten h als eine Grösse, welche durch ein konstantes universelles Winkelmoment h/2 x = 2rrmr?v ausgezeichnet ist. Demnach folgen die beiden wichtigsten bisher bekannten Arten der Definition von h un- mittelbar aus unsrer Hypothese der ,,Universellen Kraftlinienzahl‘. Letztere lässt sich kürzer als oben wie folgt aussprechen : „Alle geschlossenen Bahnen strahlender Elektronen sind Quer- schnitte durch ein und dieselbe universelle magnetische Kraftröhre vom Induktionsfluss u=2 eh.“ Gleitet das umlaufende Elektron auf der Oberfläche des als Zentralkörper gedachten Moleküls, so wird » gleich dem Grenzwerte v0 der kurzwelligsten Hauptserie des betreffenden strahlenden Dampfes und hier wird der Bahnradius mit dem Molekülradius 0, zu- sammenfallen. Somit kann man, wie ich früher bereits gezeigt habe, entweder die Dimensionen der Gasmoleküle und daraus ausschliesslich aus optischen Daten dieViskosität, also eine fundamentale mechanische Eigenschaft der Gase berechnen oder aber das Wirkungsquantum, 6) M. Planck. Theorie der Wärmestrahlung. Leipzig. 1906. pag. 153. 7) Niels Bohr. Phil. Magazine. 26. pag. 1. 1913. 536 A. L. Bernoulli. also Planck’s Konstante } aus der Gasreibung und der Grenze der Hauptserie auf einem neuen, ganz unabhängigen Wege bestimmen. Auf Grund der Werte von Regener®) und von Millikan?) für die spezifische Ladung e eines Elektrons in elektrostatischem Mass er- gaben sich für À die folgenden Werte: Konstante h von Planck. e= 4,88 : 10° (Regener) e= 4,891 : 107 °° (Millikan) Wasserstoff » = 6,55(2) - 10° h = 6,53(4) - 1077 Helium h = 6,53(4) : 10° h = 6,54(6) : 107 Mittelwerte für A demnach berechnet aus: —27 Schwarze Strahlung (Planck) . . . . 6,548-10 Viskosität der Gase (Bernoulli) . . . . 6,549-10 Für die Zahl N der Moleküle im Mol. und für die absolute Masse a eines Wasserstoff-Atoms ergaben sich demnach folgende Werte: 27 Masse des Avogadrosche Wasserstoffatoms Zahl Berechnet aus Viskosität und Serien- erenze, (Bernoalb) 002 Ve one Berechnet aus Schwarzer Strahlung (Planche BE a. (naked. AE OMS ANDRE Auch die Berechnung der Gasreibung auf dem angedeuteten Wege ausschliesslich aus optischen Daten und aus der spezifischen Ladung ergibt, wie die folgende Tabelle zeigt, eine gute Koinzidenz, wenn man für Helium zwei, für Wasserstoff und Sauerstoff je ein Elektron voraussetzt. à DIRE EN ä berechnet beobachtet emperatur Wasserstoff 0° 0,0000843 0,0000841 (Markowsky) Sauerstoff 0) 0,0002481 . 0,0001926 à Helium 0° 0,0001875 _0,0001879 (Rankine) Für weitere Formeln und vor allem für den Vergleich der nach unserer neuen Methode berechneten, mit den aus der Gastheorie er- mittelten Weglängen der Gasmoleküle, sowie der Werte für die Quer- schnittsumme aller Moleküle in der Volumeinheit muss ich auf meine frühere Publikation verweisen.10) 8) Physikal. Z. 1911. 12. 135. 9) Physikal. Z. 12. 163. 1911, 10) A. L. Bernoulli. 1. c. pag. 311. =, Elektrodynamische Theorie der Serienspektren. 537 Wir werden im folgenden zeigen, dass es möglich ist, aus nur drei Grundannahmen eine sehr allgemeine Strukturformel für Serien- spektren abzuleiten, welche dann durch entsprechende Umformungen, jedoch ohne die Hinzufügung neuer Bedingungsgleichungen, über- geht teils in schon bisher bekannte Serienformeln,!!) teils in solche, welche jenen nahe stehen. Ausserdem folgt aus unserer neuen allge- meinen Serienformel sowohl eine den Rydberg’schen Regeln!?) analoge numerische Beziehung zwischen den Grenzen je zweier kon- " jugierter Serien desselben chemischen Elementes und überdies, was besonders wichtig, auch das bis jetzt physikalisch so schwer zu inter- pretierende „Kombinationsprinzip“ von Ritz,!?) welches bekanntlich mit Hilfe einer einfachen arithmetischen Regel erlaubt, gewisse früher noch nicht durch Serien darstellbare Spektrallinien nunmehr doch in numerische Beziehung zu den Serienlinien zu bringen. Nach unserer Gleichung (12) (s. u.) wird es sich ergeben, dass jedes Seriensystem von zwei „konjugierten“ Serien nur drei spezifische Materialkonstanten enthält, nämlich den Moleküldurchmesser 6, sowie ferner zwei für dieses System charakteristische Zahlverhältnisse, welche definiert sind als Quotienten der ‚„Planetendurchmesser“ zum Moleküldurchmesser. Ausserdem enthalten unsere Gleichungen zwei universelle physikalische Konstanten, nämlich die Masse m des Elek- trons und die Planck’sche Konstante h. Es ist wichtig, hervorzuheben, dass diese beiden universellen Konstanten nicht nur unabhängig von jeder Spektralmessung definiert sind, sondern auch sich in einwand- freier Weise jede nach mehrern unabhängigen Methoden haben ex- perimentell bestimmen lassen. Die erwähnten drei Grundannahmen, welche wir für unsre Dar- stellung voraussetzen, sind: A. Das Prinzip der universellen Kraftlinienzahl nach Gl. (1). B. Eine mechanische Stabilitätsbedingung, Gl. (5). C. Die Annahme, dass die als Erreger der Serienlinien sup- ponierten „Himmelskörper‘‘ Agglomerate von Elektronen seien, sodass deren Massen somit ganzzahlige Multipla der universellen Elektronen- masse m werden. Daraus folgt notwendigerweise, dass diese Massen untereinander in rationalen Zahlverhältnissen stehen müssen. Ob und inwieweit die allgemeinere Annahme, dass diese Massen nur zum Teil elektromagnetischer Natur seien, für die Darstellung gewisser Serien Bedeutung gewinnen kann, möchte ich vorerst noch dahingestellt sein lassen. Jedenfalls würde sie die Einführung neuer 11) Am eingehendsten orientiert hierüber: H. Konen. »Das Leuchten der Gase und Dämpfe«. Braunschweig 1913. 12) Rapports du Congrès Int. de Physique. 2. pag. 214. Paris. 1900. 13) Physikal. Z. 9. S. 521. 1908. 538 A. L. Bernoulli. Materialkonstanten in unsre Hauptformel zur Folge haben und damit deren Bedeutung, zunächst nur herabsetzen. Die Betrachtung von Ionen mit Massen von der Grössenordnung der Atomgewichte führt im allgemeinen nach unsern Gleichungen bei Bahndurchmessern nahe den Moleküldurchmessern auf Wellenlängen von der Grössenordnung des Millimeters, sie fallen also, wenn nicht weitere willkürliche Hypo- thesen hinzutreten, für uns ausser Betracht. Zunächst handelt es sich darum, unsere Annahme B mathematisch zu formulieren. Sei d der Abstand der Schwerpunkte der zwei Massen M und M, so berechnen sich die Abstände r und s vom gemeinsamen Mittelpunkt beider Planetenbahnen und zwar ohne jede einschränkende Voraussetzung, also für ein beliebiges Massenverhältnis von M zu M’ bekanntlich wie folgt: M' ol Due 0) M a none Nur wenn Gl. (5) erfüllt ist, wird das System stabil gein können. Besteht nach unserer Hypothese B die Masse M aus p und die Masse M’aus q Elektronen von der Masse m, wobei also p und q ganze positive Zahlen sind, so folgen als mathematischer Ausdruck für unsere dritte Grundannahme C die Beziehungen: M—p:m und M'=gq:m, woraus M/p — M'/q und mit Rücksicht auf Gl. (5), also als gemeinsame Konsequenz unserer Hypothesen B und C die wich- tige Beziehung (6) folgt, wonach die Bahnhalbmesser je zweier kon- jugierter Planeten stets sich wie ganze Zahlen verhalten und zwar um- gekehrt wie die zugehörigen Elektronenzahlen, denn wir finden 20 RT p (6) So wichtig und anschaulich diese letzte Beziehung ist, erweist es sich dennoch für die Herleitung unserer Seriengleichung als zweck- mässiger, den Abstand d der beiden Massenschwerpunkte nicht zu eliminieren, sondern die aus C folgenden Werte der Bahnradien r und s in die Gleichung (5) einzuführen, wodurch TEN BR Ba È Ar ; ad E T j > Nach dem von uns früher aufgestellten und bereits im Spezial- fall der Hauptserien-Grenzen quantitativ bestätigten „Prinzip der universellen Kraftlinienzahl‘“, also nach Grundannahme A oder Gl. (1) muss die Summe der Kraftlinien, welche bei einem Umlauf des Systems umfahren oder von den Fahrstrahlen geschnitten werden, Elektrodynamische Theorie der Serienspektren. 539 gleich derselben universellen Kraftlinienzahl u =h/2e sein. Für h=6,548-10°” (Planck) 4) und e=4,891:10"/3x10” (Mil- likan) 15) nimmt dieselbe den Wert u= 2,231 : 10" C.G.S.an. Sind die Planetendurchmesser nicht zu vernachlässigen gegen die Bahn- radien r und s der beiden Massenschwerpunkte, so darf auch die Zahl derjenigen Kraftlinien, welche zwar ausserhalb der von dem be- treffenden Massenschwerpunkt gezogenen Bahnkurve liegen, jedoch noch von der peripher vom Schwerpunkt liegenden Hemisphäre der Masse M oder M’ geschnitten werden, nicht ausser der Berechnung bleiben. Ist « der konstante Radius der Masse M und D die ent- sprechende Konstante für die Masse M, so bedeuten die Strecken 7 und 2 die entsprechenden Peripherieradien, also die als „Kraftlinien- Abschneider‘ wirksamen wie eben definierten Strecken, so wird = EC 2=s+b (7) Denken wir uns das Magnetfeld des betreffenden Systems als zeitlich konstant und als irgendwie symmetrisch um die Rotations- achse, so lassen sich für jede der beiden Einzel-Bahnen mit Hülfe der für die zwei Bahnflächen charakteristischen einzelnen Induktions- flüsse 7 und 7 der Bahnflächen 7? und x z2?die beiden mittlern mole- kularen Feldintensitäten 7 =7/nn? und K — j'/x2? definieren. Nach dem Prinzip der ,,Universellen Kraftlinienzahl‘ wird nach Gl. (1) BZ = au JENS ie (8) Führen wir zunächst an Stelle der Peripherie-Radien 7 und z, also an Stelle der elektrodynamisch wirksamen Radien die mechanisch aus- schlaggebenden Schwerpunktsradien » und s und die halben Planeten- durchmesser a und b ein, so geht Gl. (8) über in: wa Hr + a)? + Kis+ b°= H (2° +a) + K(2 + o) Führen wir mit Hilfe von Gl. (3) an Stelle der universellen Kraftlinienzahl # die Planck’sche Konstante h und die Elektronen- Ladung e ein, so bleibt die linke Seite unserer Gl. (8a) gleichfalls universell. Wenn wir überdies noch beide Seiten mit dem universellen Faktor e/2rzm, also dem Quotienten der Ladung in die 2x-fache Masse des Elektrons multiplizieren, so wird schliesslich (8a) übergehen in le dad, ns Ke BER Anm 27m \p+q 2 27m \p + q Nun sind aber, wie wir uns beispielsweise aus der elementaren Theorie des normalen Zeemaneffekts her erinnern oder wie sich auch 14) ]. c. pag. 162. 15) Physikal. Z. 12. pag. 163. 1911. 540 A. L. Bernoulli. aus der Ablenkung der Kathodenstrahlen im Magnetfeld unmittelbar ergibt, die beiden vor den Klammern stehenden Koeffizienten nichts anderes als die Tourenzahlen eines geladenen Körpers vom Ladungs- verhältnis e/m in dem betreffenden Magnetfeld; diese beiden Fre- quenzen sind definiert durch eH eK : OS - und »’= —— , wodurch wenn wir noch durch d? dividieren 27m 27m : h AR q a \2 of a b \2 er) Br +) 9) Sind a, b und d Konstanten und durchlaufen die (ganzzahligen) Elektronenzahlen p oder q jede für sich die Reihe der ganzen Zahlen, so entstehen vser Reihen von Schwingungszahlen nach folgendem Schema : Konstant Variabel Typus (1. Näherung) 2 2 I v',p (», q) y = À, — (ir + Ci) 2 u v,q (”, p) Dei (= + Cs) IH »', q (v, p) v = (0 (p?, v)) IV v,p (v', q) v'= (0 (g?,v) Wir erkennen sofort, dass die Typen I und II je einer Spektral- serie vom Typus der tatsächlich vorkommenden Serien mit je einer Häufungsstelle bei endlicher Frequenz, aber auch endlicher Wellen- länge entsprechen. Die Typen III und IV dagegen müssen wegen ihrer positiven Exponenten Bandenspektren entsprechen, denn sie lassen sich beide auf die Deslander-Fabry’sche Bandenformel v= A+ Bn+ On? bringen, wo n eine beliebige ganze Zahl. Damit ist aber die Leistungs- fähigkeit unserer Gleichung (9) noch keineswegs erschöpft, denn wenn wir die speziellere Annahme einführen, dass die Konstante d sehr gross gegen a und b sei, so wird beispielsweise eine Serie ent- stehen von der Form ER (24 1)» (2) (10) 4An2d?m \ q was für extreme Werte von d übergeht in no EPA) E v=-v.(?) (104) q Nun sind ja aber die p die Anzahlen der Elektronen oder Ladungen des Zentralkörpers, und dann ist (10a) bis auf eine additive Kon- stante nıchts anderes als die im Jahre 1913 von Moseley16) entdeckte, 16) Phil. Magazine (6). Bd. 26. 1024. 1913. Elektrodynamische Theorie der Serienspektren. 541 höchst merkwürdige Beziehung der fundamentalen Röntgenfrequenz des betreffenden Elements zu seiner Kernladungszahl. Eine speziellere Diskussion dieser Gleichungen und ebenso derjenigen für Banden- spektren des Typus III und IV soll später an anderer Stelle gegeben werden. Hier wollen wir uns vorerst darauf beschränken, die Typen I und II, also die Serienspektren im speziellen Sinne des Wortes, kurz zu diskutieren. Setzen wir zur Abkürzung a/d=a, b/d=ß und h 4 amd? Grenzwerte ergeben: = C, so würden für imp=& und lmqg=c die folgenden C=vya?’+v, (1+ BP) p= CRUE) EUR q=© woraus %, (1 + 2a) = »,'(1 + 26) (11) Berücksichtigen wir ferner, dass die Typen I und II in ausge- schriebener strenger Form dargestellt sind nach (9) durch a h iE» 2 1 -2 12 fe 2 ee) nn q 2 h q 2 1 —2 a Pe (+ «) | ( ui (12b) D so erkennt man zunächst, dass diese zwei konjugierten Seriensysteme als Spezialfall, den durch Rydberg entdeckten Zusammenhang zwischen Hauptserie und II. Nebenserie mit umfassen. Ob Gl. (11) oder die ihr formal sehr nahe stehende empirische sogenannte 5. Regel von Rydberg, welche sich auf folgende Form bringen lässt VA +85} =» + e)’ den Tatsachen besser gerecht wird, kann erst eine speziellere Unter- suchung lehren. Direkt ablesen lassen sich aber die folgenden Resultate bezüg- lich der Form der nach Gleichung (9) bezw. (12a) und (12b) postu- lierten Serien : Für grosse Werte von q in Gleichung (12a) verschwindet zunächst das variable Glied der zweiten Klammer. Die erste Klammer allein stellt eine Seriengleichung vom Typus Kayser-Runge dar. Auch in eine der Rydberg’schen Form nahestehende lässt sie sich leicht transformieren. Führt man jedoch die zweite Klammer mit, so ent- stehen F'ormeln, welche denjenigen von Ritz oder Hicks-Mogendorff sich nähern. Alles das haben wir ableiten können ohne jede neue 542 A. L. Bernoulli. Hypothese ausser den oben mit A, B und C bezeichneten drei Grundannahmen. Der Vergleich mit den Resultaten unserer frühern Mitteilung?) lehrt, dass für die Hauptserie die Schwerpunktsdistanz d gleich dem halben Moleküldurchmesser © zu setzen ist, also 6 = 24. (13) Eine ins einzelne gehende Untersuchung darüber, inwieweit die bisher in unsern Formeln mitgeführten Glieder ausreichen werden, auch die langwelligen Serienglieder genau wiederzugeben, muss spätern Untersuchungen vorbehalten bleiben, doch erscheint mir das nach den bisherigen vorläufigen Resultaten als durchaus wahr- scheinlich. Es ist jedoch zu bedauern, dass das noch viel interessantere Problem der Prüfung der Beziehungen zwischen Viskosität oder Wärmeleitfähigkeit, allgemeiner zwischen dem Molekülradius und der Hauptseriengrenze, sich bis jetzt weder für die Alkalien noch für die alkalischen Erden hat prüfen lassen, weil hierüber alle experimentellen Daten noch fehlen. Anders beim Wasserstoff. Hier lassen sich, da sowohl die Gas- reibung als die Hauptseriengrenze hinreichend genau bekannt sind, aus h, m und der Gasreibung direkt die einzelnen Wellenlängen berechnen und mit den durch Messungen am Geisslerrohr und an den Gestirnen erhaltenen Werten der Wellenlängen vergleichen. Wir berechnen für die ersten vier sichtbaren Wasserstofflinien die folgenden Werte: berechnet gefunden 13) Ha Rot 6581 6563 Aß Blau 4875 4861 Hy Indigo 4353 4341 H0 Violett 4113 4102 Fixstern-Linie von £-Puppis 4701 4688 Die Ritzsche Konstante nimmt für Wasserstoff den Wert 1,094 x 105 an. Wie man sieht, ist die Übereinstimmung zwischen den aus der Gasreibung berechneten Werten der Wellenlängen mit den optisch ge- messenen Daten eine überraschend gute, denn z. B. für die blaue Linie Hp ist die Differenz zwischen Rechnung und Beobachtung nur doppelt so gross wie der Abstand der beiden D-Linien des Natriums. 17) A. L. Bernoulli. 1. ce. 15) A. Hagenbach und H. Konen. Spektral-Atlas. Jena 1905. pag. 51. Elektrodynamische Theorie der Serienspektren. 543 Nach der Theorie von Bohr wird nach den Angaben von E. Riecke!?) der berechnete Wert für die Grenze um etwa 90/, zu hoch. Demnach müssen die Wellenlängen um zirka 90/, zu klein sich ergeben, d. h. die eben erwähnte blaue Linie 78 würde nach Bohr im gelbgrünen Bereich des Spektrums liegen, anstatt wie beobachtet im blauen. Bei unserer Darstellung beträgt die Abweichung dagegen nur etwa 0,250/, der Wellenlänge dieser Linie, ist also 36 Mal geringer. 19) Physikal. Z. 16. 224. 1915. Basel, Physikalisch-Chemisches Laboratorium der Universität. 30. März 1917. Aug. Tobler: Ueber Deckenbau im Gebiet von Djambi (Sumatra) Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXVIII, Zweiter Teil. Tafel I WICHTIGSTE FOSSILFUNDSTELLEN 1.Plajang 020) 2 [ Où Miecan) T3-Soengi Selayau [Unteres Farm 2Joenang dıGaung/Unt = ) 14Pondok Damarj * - N ) +BceAlt Telası (obere Nreide | I6.Batoe Tanggapl 7 © ) = ) JBoehit Lnggrs { = * | ISBztoe Menyadal - 5.Doesoen Poboengofum = |) fSoeng/ Boenginf * * “ CHINESISCHES He éBatos Hapoer | ) 7-Soengi Foboenge | #Baroe Broege (0b 1 9 Soeng'Temz/ang(” " ı 10Moezrz Beroenglunt ) N.Telok Gedang (oberes À 5 1B.Joangı Garıng lidém Hlanzeni 3 RIES: PAD A) 2 û © B OV IL è 8 DE À Le) ss 5 71 \ \ » x I) AN N Ÿ 268 CLILTAN Æ N ri ER vn 8° BETUEPANG GEOTEKTONISCHE KARTENSKIZZE DER RESIDENTSCHAFT DJAMBI [SUMATRA] MAASSTAB. /:/000000 — — | 16 26 3e % Am | OCEAN NE DOEABLAS GEB. SUBBARISSAR --VORBARISSAN MAASSTAË 1: 200000 ns Autechlhone Ich Autochthone Grana dieriimassire SCHEMATISCHES QUERPROFIL DURCH VORBARISSAN UND UMGEBUNG hen Reduktion der Schwerebeschleunigung. Teil, Tafel IL, asel, Band XXVII, Zweiter M | ‚Karte mittlerer Höhen für die Schweiz | Te — und die angrenzenden Gebiele. fasssfab 1:1000000 G. Braun: Rheintal zwischen Waldshut und Basel. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXVIII, Zweiter Teil. TAFEL m ++ + a 35 Kartenskizze der V2 zwischen Waldshut und Basel rekonstruiert von G. BRAUN, 1917 Masstab 1:200000 1 cm —2km Abstand des Isohypsen 20 m 24 47°30' {7 SK ——— m NS EIS == Malmkalk, hart 10—40 Et] Hauptmuschelkalk, hart 4060 72:0 SS —— : N 5 NN } Malm u. ob. Dogger, vet SS unt. und mittl. Muschel- 4 NS i Buntsandstei EN NS N Hauptrogenstein, hart 50-80 ÉREA Rotliegendes 20-300 = Grundgebirge ++} HA N ——_— 7 E = | N Bajocien, weich 50-75 Opalinustone, weich 60-90 FT sonicntgrenzen Lias, weich 20—30 Bruchlinien MalmHalk Keuper, weich 85—135 Fallzeichen. 1 mm —1° 72e 50° 8° OO! 7° Er CA \ Ç er ; D TS . EVA N ie N ES STONES em | 3 IB z Amir pe N NS LS VS ia rs ao ST, N ET NZ PE SL € zz... RS RSS RE sen, Cal tn IE BEZIEHEN ] CES CRE SSR sans Ne VAN STEIN SE INES Zt BEN ETS LE Ne Ten VER NÉE PR STR EZ AN NE RES RU, | VESTE DEN CPU PARUS SZ ACTA ENT Se DCS = SS 2 ZEN N Ne 2 NEN ESS INS a USE NS FIISD ES RG, en DELL Nez IN RER LE AR AN wc ME er FAN III III DTA > ec RUN DA PSE RN EN ER, NE ZEN RSS ps a N TK LS SAS = ZEN EN | SX rest he FENSTER, ST 2 LINE ANA NRC ES LE, a en a Morphologische Uebersichtskarte des Rheintales zwischen Waldshut und Basel. 1151200000, One NN 2 ES A 5 ENG Te cn Aquidistanz — 50 m. 500 m — Linie gestricheit. Reste der obermiocänen Rumpffläche ED Diluviale Pliocäne Landterrassen Talbildung des Rhein N RR M. Knapp: Sternkarten des Johannes Honterus. Verhandl. d. Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXVII, Zweiter Teil. Tafel V, IMAGINES CONSTELLATIONVM BOREALIVM = = = = N (ARIE EN M. Knapp: Sternkarten des Johannes Honterus. Verhandl. d. Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXVIII, Zweiter Teil. Tafel VI. NSTELLATIONVM AVSTRALIVM N | 2 a ZUR; > TAFELI. A. Buxtorf: Malmkalk im subalpinen Verhandl. der Naturforsch. Gesellschaft in Flysch d. Pilatusgebietes. Basel, Bd. XX VIIT, Zweiter Teil. Tafel VII, & d c ba DA d [© ba Calpionella alpina, Lorenz aus einer Malmkalklinse im subalpinen Flysch des Pilatusgebietes, Vergrösserung ca. 47 fach. Maasse der 4 Exemplare a—d in u. en | | Längsschnitt | Querschnitt a 52.5 | = 43.5 b 51.5 41.0 c 55.0 | 40.5 | R 49.5 | | 44. 5 FE J Mitteloligocänes Profil (Stampien) zwischen Therwil und Reinach bei Basel Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXVIIT, Zweiter Teil. Tafel VIII F. Jenny: Mi gocänes Ste £ einac Rorılrelurch den Meaepelralm Der ee BR Fr N 5 > BEN: x &- West 2 - = 5 = - w- à SSL 2 Ss IR Ost ER. : S VIT 334,3 D IX :3331 = L: 3319 T 33/6 soft ay a Blaugrauer Leften 7Gelbsand.Leften 6 Graugrüner Mergel 5Dunkleletten #Sandsfein 3 Gelber Leften 2Hnauermolasse 1Lehm, Sand. Uebersichtsprofil Therwil - Arlesheim. : 1 Austernhoriz. | 380m. | Arlesheim. \ 340m. Käpelirain. Dornachbrugg. ! : 343m. 295m. | Therwil. N Rermach Austernbank. ; 310 m. Birs ! À *0*, " O », q j 2 => ne I — 9 LS OS) Löss, Lehm, Schuft. == Aquitan, Ob.Oligocan. Rauracien. ce] Nrederterrasse. Ber Cyrenenmergel m. Gyathulahoriz. Oxfordien. EN ES 20282 Hochferrasse. ES, Sepfarienthon undMeeressand. HT Dogger. Verhandlun gen der Naturforschenden Gesellschari ın Basel | Band XXVIIT Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum _ mit 18 Tafeln, 25 Porträts und 101 Texifiguren. HR. Basel Georg & Cie, Verlag 1917 S € & Verzeichnis der Porträttafeln zum ersten Teil. Tafel I. Daniel Huber 1768—1829. Tafel II. Carl Friedrich Hagenbach 1771—1849; Christoph Bernoulli 1782—1863. Tafel III. Peter Merian 1795—1883. Tafel IV. Carl Gustav Jung 1794—1864; Friedrich Meisner 1800—1874; Ludwig Imhoff 1801—1868; Johannes Roeper 1801—1885. Tafel V. Christian Friedrich Schönbein 1799—1868. Tafel VI. Friedrich-Miescher-His 1811—1887; Gustav Wiedemann 1826—1899; Ludwig Rütimeyer 1825—1895. Tafel VII. Fritz Burckhardt 1830-1913; Albrecht Müller 1819—1890; Wilhelm His-Vischer 1831—1904; Eduard Hagenbach- Bischoff 1833—1910. Tafel VII. Victor Gillieron 1826—1890; Fritz Miescher-Rüsch 1844—1895; Fritz Müller 1834— 1895; Carl Vonder Mühll 1841—1912. 3 Tafel IX. Jacob Melchior Ziegler 1801—1883. Tafel X. Die Senioren der Gesellschaft im Jubiläumsjahre 1917. Hermann Christ geb. 1833, Julius Kollmann geb. 1834; Friedrich Goppelsroeder geb. 1837; Simon Schwendener geb. 1829. Verzeichnis der Tafeln zum zweiten Teil. Tafel I zu A. Tobler: Ueber Deckenbau im Gebiet von Djambi (Sumatra). Tafel II zu Th. Niethammer: Zur Theorie der isostatischen Reduktion der Schwere- beschleunigung. Tafel III und IV zu G. Braun: Das Rheintal zwischen Waldshut und Basel. Tafel V und VI zu M. Knapp: Die Sternkarten des Johannes Honterus Coronensis. Tafel VII zu A. Buxtorf: Ueber ein Vorkommen von Malmkalk im subalpinen Flysch des Pilatusgebietes. Tafel VIII zu F. Jenny: Mitteloligocänes Profil (Stampien) zwischen Therwil und Reinach bei Basel. VERLAG, BASEL D cEorG a Ce, Letzte Neuerscheinung unseres Verlags: FRITZ SARASIN: - NEU-CALEDONIEN UND DIE LOYALTY-INSELN REISE - ERINNERUNGEN EINES NATURFORSCHERS Mit 184 Abbildungen, 8 Tafeln und einer Karte. In Original-Ganzleinwandband Fr. 20.-. „Neu-Caledonien und die Loyalty-Inseln“ von Dr. Fritz Sarasin gehört zu den bedeutendsten Reisewerken des Jahres TOI7. Der Ver- fasser schildert darin seine Forschungsreisen und seine verschieden- artigen Studien auf den selten besuchten Südsee-Inseln Neu-Caledonien und der Loyalty-Gruppe: Mare, Lifou und Ouvéa. Ein grosser Teil des Buches ist der Naturgeschichte des genannten Gebietes und der Beschreibung der Sitten und der Geräte der dortigen, höchst inte- ressanten Eingeborenen gewidmet. Dabei paart sich auch in diesem neuesten Werke des bekannten Forschers streng wissenschaftliche Gründlichkeit mit einer angenehmen, leicht verständlichen Schreib- weise. Dadurch wird sich ohne Zweifel das Buch in weiten Kreisen Freunde erwerben. Für jeden Liebhaber der Erdkunde, der Ethnologie und der Kolonialgeschichte, kurz für jeden Gebildeten ist der vornehm ausgestattete, umfangreiche Band ein prächtiges Geschenk von blei- bendem Wert. Aus dem Inhalt. Nouméa. Von Nouméa nach Oubatche. Oubatche. Reise nach dem Tal des Diahot-Flusses und den Grotten von Tchalabel. Hienghène. Besteigung des Panie. Reise zu Schiff nach Koné an der Westküste, und über Land zurück nach der Ostküste. Besteigung des Humboldt. Aufenthalt in Kanala. Reise nach der Westküste und zurück durch das Houailou-Tal. Aufenthalt in Yat& und Reise durch die Pleine des Lacs nach Prony und Nouméa. Die Loyalty-Inseln: Mare, Lifou, | Ouvéa usw. usw. Inhalt. Erster Teil. Geschichte der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 1817—1917 ; von H. G. Stehlin à Bericht über das hundertjährige Jubiläum der Gesellschaft Zweiter Teil. F. Sarasin. Streiflichter aus der Ergologie der Neu-Caledonier und Loyalty-Insulaner auf die europäische Prähistorie F. Zsehokke. Die Tierwelt der Umgebung von Base! nach neueren Forschungen ; F. Fiehter, H. Steiger u. Th. 'Stanisch. Ueber die Bildung des Harn- stoffs aus Ammoniumearbonat u. aus’ verwandten Verbindungen G. Senn. Die Chromatophoren-Verlagerung in den Palissadenzellen tnariner Rotalgen und grüner Laubblätter . NE A. Tobler. Ueber Deckenbau im Gebiet vom Djambi (Sumatra) C. Walter. Beitrag zur Kenntnis der Entwicklung bachbewohnender Milben > H. Preiswerk. Ueber neue 'Skapolithfunde in den Schweizeralpen H. G. Stehlin. Miocäne Säugetierreste aus der Gegend von Elm a 0 NE Th. Niethammer. Zur Theorie der isostatischen Reduktion der Schwerebeschleunisungg . m Nasa ea. SE ARE E. Wehrli. Für Basel und für die Schweiz neue Lepidopteren, nebst einigen neuen Formen und biologischen Angaben . , H. Ziekendraht. Ueber eine Oszillosraphenkonsiruktion L. Courvoisier. Ueber Nebenformen, Rassen und Zwischenformen bei Lycaeniden A. Hagenbach. Die zwei neuen Umformergruppen in der physi- kalischen Anstalt der Universität Basel. . . RU Man G. Braun. Das Rheintal zwischen Waldshut und Basel . | M. Knapp. Die Sternkarten des Johannes ‚Honterus Coronensis L. Rütimeyer. Ueber Fell- und Kindermasker aus Ceylon E. Hecke. Ueber die Kroneckersche Grenzformel für reelle quadratische Körper und die Klassenzahl relativ-Abelscher Körper E. Hedinger. Ueber Knochenmarksherde in der Milz und über experimentelle Transplantation von Knochenmark in die Milz W. Bally. Ein neuer Fall von a zwischen einem Bakterium und einem Pilz . 5 0. Spiess. Ueber eine Klasse von Funktionalgleichungen A. Buxtorf. Ueber ein Vorkommen von Malmkalk im subalpinen Flysch des Pilatusgebietes , H. Helbing. Zur Kenntnis einiger Carnivoren aus dem Phryganiden- kalk des Allierbeckens i W. Matthies. Ueber die unipolare, eindimensionale elektrische Strömung in dichten Gasen . H. Rupe. Ueber Methylencampher und einige seiner Derivate . F. Jenny. Mitteloligocänes Profil 1 Bi zwischen Therwil und ieinach bei Basel A. L. Bernoulli. Grundzüge einer "elektrodynamischen "Theorie der Serienspektren EMA ASS ARE ATOME RE SR Et TEN ? SR TE = Lors ee pre RE A Or eng a er er à CRT Sr arc