tem dt Eee à ar en Dm Ron à LE ar ARE À UN HUE) Nan ce RN EMA 1 Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft ın Basel Band XXIX Mit 1 Porträt, 14 Tafeln und 15 Textfiguren. Basel GEIORSHE CHEN Nenliag: 1918 Inhalt. Mineralogie. J. Stauffacher. Das Wismutfahlerz „Rionit“ aus der Grube Baicolliou bei Grimentz im Val d’Anniviers (Kt. Wallis) als Beispiel einer wiederholten Zementationsumwandlung : W. Grenouillet. Calcit aus einer Kluft des Fasasnn tent im Lötschbergtunnel ERNEST Na A PO RU 3 RLDERTER 0. Werdmüller. Neuere Funde von Anataskristallen im Binnental Geologie. A. Buxtorf. Ueber die tektonische Stellung der Schlieren- und der Niesen-Flyschmasse . . . , US AL RES re Geographie. P. Vosseler. Morphologie des Aargauer Tafeljura Botanik. H. Christ. Der Briefwechsel der Basler Botaniker des 18. Jahrhunderts, Achilles Mieg, Werner de La Chenal und Jacob Christoph Ramspeck, mit Albrecht v. Haller Zoologie. N. G. Lebedinsky. Eine Vierlingsgeburt beim Hausrind E. Schenkel. Neue Fundorte einheimischer Spinnen . Prähistorie. P. Sarasin. Ueber Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie und die Rechtshändigkeit in der historischen Zeit Gedächtnisrede. C. Schmidt. Worte der Erinnerung an Dr. Gottlob Niethammer, Dr. Fortunat Zyndel und Dr. Andreas Gutzwiller Bericht über das Basler Naturhistorische Museum für das Jahr 1916 von Dr. F. Sarasin Bericht über das Basler Naturhistorische Museum für das JEU 1917 von Dr. F. Sarasin Bericht über die Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums für das Jahr 1916 von Dr. F. Sarasin . Bericht über das Basler Museum für Völkerkunde für das Jahr 1917 von Dr. F. Sarasin Dr. J. M. Zieglersche Kartensammlung. Achtunddreissigster Bericht 1916. Dr. H. G. Stehlin Dr. J. M. Zieglersche Kartensammlung. Neununddreissigster Bericht 1917. Dr. H. G. Stehlin Chronik der Gesellschaft 1916/17 Jahresrechnung 1916/17 Chronik der Gesellschaft 1917/18 Jahresrechnung 1917/18. Nachtrag zum Mitgliederverzeichnis von 1917 L/IG@2IT Seite 276 299 AO A m à RENTE Verzeichnis der Tafeln. Barrel EP MT IV, v MI VIE und VIII zu Paul Sarasın: Ueber Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie und die Rechtshändigkeit in der historischen Zeit. Tafel IX zu J. Stauffacher: Das Wismutfahlerz „Rionit‘ aus der Grube Baicolliou bei Grimentz im Val d’Anniviers (Kt. Wallis) als Beispiel einer wiederholten Zementationsumwandlung. Tafel X zu O. Werdmüller: Neuere Funde von Anataskristallen im Binnental und zu W. Grenouillet: Calcit aus einer Kluft des Gasterngranits im Lôtschbergtunnel. Tafel XI, XII, XIII und XIV zu P. Vosseler: Morphologie des Aargauer Tafeljura. Be % 7 ae Der Briefwechsel der Basler Botaniker des 18. Jahrhunderts Achilles Mieg, Werner de La Chenal und Jacob Christoph Ramspeck mit Albrecht v. Haller. Von H. Christ. . Die Sammlung der 59 Originalbriefe Hallers an Ach. Mieg, auf welche Prof. Albrecht Burckhardt in seiner Geschichte der me- dizinischen Fakultät Basel 1917 8. 236 Note 4 aufmerksam macht, findet sich gebunden sub G. II 82 in der Universitätsbibliothek Basel. Vorgeklebt ist ein sympathisches Bild Miegs mit der Inschrift: Achilles Mieg Phil. et Med. Dr. Pract. in Univ. Basil. Prof. P. O,, gezeichnet von Müller 1785, also im Alter von 54 Jahren, ge- stochen von J. R. K. 1788. | Das erste Blatt des Heftes enthält eine Zuschrift des Dr. Fr. Miescher, Professors der Physiologie und Pathologie (von 1837 bis 1871), an die Bibliothek, worin er am 12. Dezember 1877, dem hundertsten Todestage Hallers, dieser die Briefe zum Geschenk über- gibt. Nach seiner Vermutung stammen sie von Apotheker Dr. Joh. Ludwig Mieg, geb. 1788, einem Seitenverwandten des Achilles. Hallers Briefe an Mieg umfassen den Zeitraum vom November 1755 bis zum 3. Dezember 1777, also bis neun Tage vor Hallers Tode. In den von Haller selbst herausgegebenen Epistolae ab eru- ditis viris ad Alb. Hallerum, Bern, 1773/1775, vol. IV bis VI sind 27 Briefe von Mieg an Haller abgedruckt, die zumeist Antworten auf Hallers Briefe sind. Diese gegenseitige Korrespondenz ist um so wertvoller, als Haller seine eigenen Briefe an seine vielen ge- lehrten Freunde nicht kopiert hat und also auch nicht veröffent- lichen konnte. Haller sagt selbst in der Vorrede zu den Epistolae I pag. 3: Responsorias meas non potui adjicere, quarum nulla mihi exempla servarim, quarum praeterea vestigia reperiri posse nulla spes sit, cum plerique amici mei dudum de vita excesserint. 2 H. Christ. Haller war es, welcher der Schweizertloristik die Wege wies, die sie jetzt noch geht, und welcher zuerst geobotanische Gesichts- punkte betonte, die erst unsere Zeit entwickelt hat. Aus seinem Briefwechsel mit den damals tätigen Basler Botanikern den Anteil nachzuweisen, den diese an Hallers Arbeit auf sich genommen haben, sollte auch die heutigen Fachgenossen interessieren können. An die Seite Miegs tritt unmittelbar Werner de La Chenal, dessen Briefe an Haller in den Epistolae vol. III. V. und VI. vor- liegen, 33 an der Zahl, vom Juni 1759 bis April 1772, während uns die Originalbriefe Hallers an La Chenal, nicht weniger als 62, im Besitz einer Basler Familie erhalten geblieben sind. Ehe wir nun dem Briefwechsel dieser Basler mit ihrem Meister näher treten, ist zu bemerken, dass derjenige mit Mieg im Laufe der Zeit immer mehr vom botanischen zum anatomisch-medizinischen Gebiet abschwenkt, und zuletzt geradezu in die Beziehung des kon- sultierenden ärztlichen Freundes zu dem todkranken Haller über- geht, so sehr, dass wir uns wundern, wenn die Freunde das steife Latein nicht zuletzt der intimern Muttersprache opferten. Trotz spürbarer Herzlichkeit kam man über das stereotype Vale Vir Cla- rissime et me ut soles ama nicht hinaus. Vorausgeschickt sei, anhand der Athenae Rauricae Basil. 1778 und der Fakultätsgeschichte Albr. Burckhardts, Einiges aus dem Leben der Basler Korrespondenten Hallers. Achilles Mieg wurde 1731 als Sohn des Basler Chirurgen J. Peter Mieg geboren. Er wurde Dr. phil. schon 1748. Aber noch ehe er die medizinische Doktorpromotion bestanden, ging er nach kaum abgelegtem Examen nach Holland, wo er drei Jahre lang als Arzt der Soldaten und Stadtarmen in Mastricht arbeitete. 1755 in der Vaterstadt zurück, suchte er, nachdem die medizinische und theologische Fakultät ihr Einverständnis gegeben, die Pocken- impfung in Basel einzuführen, was ihm auch 1756 mit vollem und andauerndem Erfolge gelang. In den Briefen zwischen Mieg und Haller, der in Bern ebenfalls um diese Zeit die Impfung empfahl und zuerst an der eigenen Tochter vollziehen liess, spielt der Aus- tausch der Erfahrungen über diese Praxis eine bedeutende Rolle. Trotz allen seinen anerkannten Verdiensten als Arzt, war dem A. Mieg erst 1777 das Los zur Erlangung der ordentlichen Professur günstig. Mit rührender Herzlichkeit beglückwünscht der sterbende Haller in seinem letzten Briefe vom 3. Dezember 1777 den Basler Freund zu seinem Erfolge, Die Bedeutung Miegs als Botaniker enthüllt sich erst aus der Korrespondenz mit Haller, mit dem er eifrig über floristische Fragen Einleitung. 3 sich bespricht und getrocknete Pflanzen mit ihm tauscht. Dieser Verkehr zeigt uns den Basler Doktor auch als Botaniker durchaus ebenbürtig. Er sammelt emsig, bis ihm, um 1763, die ärztlichen Pflichten dies verbieten; er kennt die Literatur, und einzelne Be- schreibungen, die er Haller liefert, sind durchaus auf der Höhe. Später weist er seinen, unablässig neue Aufschlüsse und neue Pflanzen heischenden Meister an den professionellen Botaniker La Chenal. Immerhin hat Mieg noch 1769 botanische Exkursionen in gratiam Theologorum und mit besonderer Berücksichtigung der Heilkräuter (siehe Albr. Burckhardt cit.) angekündigt. Nur kurze Notizen, meist über Gräser, hat er drucken lassen. Wir kennen von ihm: Specimen observationum Anatonicarum atque Botanicarum Basil. 1751. 4. Specimen obs. Botan. II. III. Basil. 1753. 1776. Homalocenchrus novum Graminis genus agri Basil. species unica, mit Textbild. In Acta helv. phys.-math.-anatom.-botan.- me- dica. Vol. IV p. 307. Basil. 1760. Diese Arbeit bezieht sich auf die Phalaris oryzoides L., jetzt Oryza clandestina, A. Braun. Illustratio quarundam Holci specierum, eod. vol. VIII p. 114. IT Mieg war ein Mann der Tat und der gesegneten Hand. Er starb kinderlos im Dezember 1799. Ganz anders war der Lebensgang von Werner de La Chenal. Als Apothekerssohn geb. 1736, war ihm die Scientia amabilis schon in die Wiege gelegt, doch stu- dierte er auch Anatomie, und war in Mömpelgardt und später in Basel als Arzt tätig. Ein Jahr früher als Mieg: 1776, gelangte er durch das Los zur Professur für Anatomie und Botanik, und arbeitete nun energisch an dem Wiederaufleben des botanischen Studiums, vor allem an der Reform des botanischen Gartens, zu welcher er freigebig beisteuerte. Er erwarb das Herbarium Caspar Bauhins, das Haller während seines Iter Helveticum 1739 noch in Händen eines Urgrosssohns, des Dr. med. Emanuel Bauhins fand und das jetzt eine Zierde des Basler botanischen Instituts bildet. Schon vorher: 1760 bereiste er die Südschweiz für seinen Gönner Haller und durchforschte unablässig die engere und weitere Um- gebung Basels, namentlich auch die Gegend von Mömpelgardt und den, seither so selten besuchten Burgundischen Jura. Seine Disser- tation vom 30. März 1759 behandelt Seltenheiten und neue Funde der Basler Flora. Der Briefwechsel mit Haller bietet einen wahren Reichtum wertvoller Notizen über unser Gebiet, auf die auch noch 4 H. Christ. C. F. Hagenbach in seinem Tentamen Fl. Basil. 1821 und 1834 hauptsächlich fusst. Er trug sich mit Herausgabe einer Basler Flora oder doch eines beschreibenden Verzeichnisses derselben, doch kam dieser Plan nicht zur Ausführung. Haller ermahnt zwar seinen Basler Freund mehrmals, seinen Basler Katalog vor dem grossen Haller’schen Werke erscheinen zu lassen, damit Haller, der keineswegs prioritätssüchtig sei, dessen Ergebnisse dann in sein Werk aufnehmen könne: aber dieserVorschlag scheint LaChenal wenig gelächelt zu haben. Überdies finde er auch keinen Basler Verleger. Die Ergebenheit La Chenals an seinen Berner Meister ist grenzenlos, namentlich auch in der Bereitschaft zur Korrektur der Haller’schen Druckbogen, in die sich anfangs Rud. Stähelin und Mieg teilten, wie denn Hallers Briefe unaufhörlich an diese Emendationes mahnen, antreiben, bitten oder flehen. Hallers Handschrift war eben ein- fach — unzulässig, flüchtig, in späteren Jahren oft direkt unleser- lich. Wenn je aus einer Handschrift fatale Schlüsse auf den Schreiber zu folgern wären, so wäre das beim grossen Haller der Fall. Zudem sind seine Briefe auf ein dünnes, rauhes, durch- lässiges Papier geschrieben. Mieg hat sich die Mühe genommen, die letzten Briefe Hallers Zeile für Zeile zu transskribieren, um sie für andere lesbar zu machen, und ein offenherziger Italiäner, Janus Plancus aus Rimini, hatte den Mut, in seinem Briefe vom 14. Dezember 1761 Hallern folgende wohlverdiente Ermahnung bei- zubringen (Epist. V. p. 81), der wohl alle Leser beigestimmt haben und noch beistimmen: Ad reliqua verba quae in espistola tua post mentionem Van- dellii et Haenii reperiuntur, responsionem non addo, quia legere ea non potui. Si vis, Vir Doctissime, ut litteris tuis per omnia re- spondeam, necesse est, vel ut per amanuensem ad me scribas, vel saltem charta bibula non utaris, in qua characteres praesertim mi- nores confunduntur, ut legi nequeant. Zlag6noıa quaeso parce mea, Vir Humanissime, et me uti soles amare perge. Vale. Auch ich Geringer zog hie und da Lücken und Auslassungen den gewagten Konjekturen vor. Ausser seiner Dissertation, einigen Artikeln in den Actis Hel- veticis und den vielen, sehr gediegenen Mitteilungen an Haller, hat La Chenal nichts geschrieben. Er starb kinderlos 1800. Mit Recht hat Peter Merian in seiner Eigenschaft als Prä- sident der botanischen Kommission dem verdienten Manne ein Standbild gestiftet. Hallers Originalbriefe an LaChenal sind durch die Sorgfalt der mit LaChenal verwandten Familie Schönauer erhalten und mir durch die Güte des Besitzers, Herrn Otto Schönauer in Basel, zu- Einleitung. fs) gänglich geworden, wofür ich ihm im Namen der schweizerischen Botanik herzlich danke. Diese Briefe finden sich noch genau so gefaltet und mit den verschiedenen Hallerschen Siegeln und Pet- schaften versehen, wie sie von der damaligen Post, mit einem 4 in Rötel (4 Batzen Porto) bezeichnet, befördert worden sind. Sie reichen vom 21. April 1759 bis 31. Juni 1774. Die Briefe La Che- nals an Haller, teilweise Antworten auf die Hallerschen Briefe, sind in den Epistolae vol. III bis VI enthalten. Sie umfassen den Zeitraum vom 15. Juni 1759 bis 11. April 1772. Ihrem Inhalt nach betrifft diese Korrespondenz ausschliesslich botanische Fragen, namentlich die Diskussion über die Merkmale und Fundorte von Arten, welche Hallern für seine im Zug be- findlichen Arbeiten über Schweizerflora wichtig waren, und in zweiter Linie die Korrektur des Drucks der Emendationes d. h. der Fortsetzung der Enumeratio etc., die schon bei Mieg eine grosse Rolle spielt und die um so nötiger war, als Haller mit dem Drucker Imhof in Basel auf gespanntem Fusse stand. Getreulich berichten sich beide Botaniker über ihre Reisen und Ausflüge und deren Aus- beute. Epochemachend war in dieser Beziehung die Ubersiede- lung Hallers als Salinendirektor nach Roche, das er Rupes nennt, und als Regierungsstatthalter des Bezirkes Aigle, wofür Haller den pseudoklassischen Namen Aquilegia gebraucht. Haller wird nicht müde, den Reichtum dieser für den Botaniker idealen Gegend und des nahen Wallis zu preisen und seinen Freund zu versichern, wie willkommen ihm ein Besuch sein würde „gratus eris hospes, siquando has laetissimas terras juvabit invisere“. 23. August 1759. Freilich fallen auch hier, wie im Verkehr mit Mieg, bald die schweren Schatten der Kränklichkeit und körperlichen Unbeholfenheit Hallers auf die Korrespondenz, wie denn auch Haller genötigt war, nach einem Aufenthalt in der Waadt von etwa sechs Jahren (von 1759 bis 1765) nach Bern zurückzukehren : schwerlich zu seinem körper- lichen Heil, wie die endlose Leidensgeschichte in den an Mieg gerichteten Briefen ausweist. La Chenal berichtet Hallern von seinen Funden im Basler Jura, in dem von ©. Bauhin her geliebten Michelfelden, um Mömpelgardt, wo LaChenal bei seinem Freunde, dem herzoglichen Arzt D. OC. E. Berdot viel verkehrte, und in den Vogesen. Hallers Spezialität war es, allerlei von ihm instruierte Leute: Rustici, Chirurgi, etc. als „venatores“, als eigentliche Pflanzen- jäger in die hohen Berge zu senden, „wo die Arola wächst“, und die ihm selbst nicht wohl zugänglich waren. Er nennt als solche den Chirurgen Ricou, einen De Coppet, Huber, Gagnebin, Dick und Thomas, welch letztern er nach Zermatt und zum M. Sylvius (dem Matterhorn) sandte. Dieser Abraham Thomas ist der Gründer 6 H. Christ. eines durch Generationen hindurch blühenden Handels mit getrock- neten Alpenpflanzen und Sämereien geworden. Der Sohn Emanuel war es, der später in Cogne so schöne Funde machte (Aethionema Thomasii Gay etc.). Eher auffallend ist es, dass La Chenal über die Ergebnisse und Erlebnisse seiner mit Chatelain cand. med. aus Neuenstadt im Jahr 1760 auf Hallers Antrieb und in seinen Kosten unternommenen botanischen Reise nach Mendrisio und dem M. Generoso fast nichts zum Besten gibt. Ausser von einer roten Achillea des ge- nannten Berges, der Päonia und der apokryphen Mandragora, er- fahren wir von LaChenals Beobachtungen alldort so gut wie nichts. Ubrigens ist die Annahme Hallers und La Chenals, dass dieses Ge- biet vorher noch von keinem Botaniker besucht wurde, nicht richtig, denn schon Conrad Gesner führt Standorte daselbst an, wie aus seinen Hortis Germaniae 1561 hervorgeht, er hat auch dem Dale- champ Pflanzen vom Generoso nach Lyon gesandt. La Chenal nennt übrigens die Gegend von Mendrisio weit ärmer an Seltenheiten, als er sich gedacht habe: ein Beweis, dass er sich über die Kulturregion um das Städtchen trotz dem, ihm durch Haller erwirkten besondern Schutze des dortigen Landvogts Brunner nicht weit scheint hinausgewagt zu haben. Der unglück- liche Begleiter, Kandidat Ohatelain erkrankte infolge der Reise, gab auf Briefe nie mehr Antwort, wurde für tot gehalten, erholte sich aber doch wieder. Schon vor Beginn der Reise musste Haller den Freund versichern, dass er keine Gefahren durch Abgründe (Praecipitia) laufen werde, da über den Simplon die Post, Rosse und Maultiere verkehren. In Bezug auf die ausgesetzten Reise- mittel versichert Haller zweimal, dass er als Vater von acht lebenden Kindern sich in gewissen Grenzen halten müsse Zu einem von Haller mehrfach gewünschten längern Aufenthalt La Chenals im Veltlin und in Lugano: zu einer Rusticatio daselbst, wie Haller sich ciceronisch ausdrückt, kam es nicht. Brief vom 10. September und 3. November 1760. Sehr interessant ist der Detailplan der Reise, den Haller den beiden Wanderern entwirft. Br. 13. Juni 1760. Dieses Itinerarium gibt in lakonischer Kürze ein Bild der damaligen Wegverbindungen durch und über die Alpen und der einzuhaltenden Etappen. Dass Haller für sich selbst zwar sehr reichlich Pläne zur Be- steigung der Alpen gemacht hat, bezeugen viele seiner Briefe, aber ich finde nicht, dass er sie auch ausführte. Er scheint nicht viel höher gekommen zu sein, als nach dem Enzeindaz und Col de Cheville. Br. 17. Juli 1659. Sein Podagra und seine Schwer- fälligkeit belasteten ihn zu sehr. Einleitung. 7 Man wird begreifen, wenn ich ausserhalb der Botanik einige Stellen der Briefe von allgemeinerem Interesse aufnahm: etwa zur Geschichte der Pockenimpfung in Bern und Basel, und über die Erregung in diesen Städten wegen der beantragten Einbürgerung neuer Elemente zur Hebung der stark sinkenden Einwohnerzahl um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Der, in den Kleinkram der Floristik nicht eingeweihte Leser wird darob nicht ungehalten sein, Über das viel erörterte Verhältnis Hallers zu Linn& finden sich auch im Briefwechsel mit La Chenal einige Andeutungen: Im Brief Hallers vom 14. Dezember 1759 hält er La Chenal vor, dass dieser das Trifolium fragiferum mit dem Linneschen Namen be- nannte. Diese Namen seien Hallern unbekannt und er habe nicht immer Musse, sie zu vergleichen; er ziehe vor, dass La Chenal seine (La Chenals, also wohl auch Hallers) Namen gebrauche. Im Brief vom 22. Dezember erklärt La Chenal, dass er jenen Linneschen Namen nur gebrauchte, weil ihm damals kein anderer feststand. Auch die Briefe Hallers vom 6. Juni 1761, 4. und 15. April 1767, werfen auf Hallers Stimmung gegenüber gewissen Arbeiten Linnés Licht: Characteres Linnaei (Juliferarum) plerique mali sunt, pessimi, De Buxo suspicor Linnaei characterem malum esse. Paupertatem Linnaei in Caricibus miror. Linnaeus pauperrimus est (in hac difficillima classe Graminum). Haller ist jedoch billig genug, in der Vorrede zu seinen Epistolae I p. 3 sich also auszusprechen: Ex Linnaeanis epistolis (es sind 26 abgedruckt) adparet, quam non invidus in virum fuerim, etiam cum suis objectionibus me la- cessivisset, neque displicuit mihi, injustam accusationem re ipsa et proprio Linnaei testimonio refutare. In illis epistolis immutata re- liqui omnia, neque vitia aliqua styli ex properatione nata emendavi, quae nolim Clari viri laudibus detrahere quidquam. Uber Einleitung und Charakter dieser Korrespondenzen möge noch folgendes erwähnt werden: Mieg trat 24 Jahre alt, als junger Doktor (1748) in Brief- wechsel mit Haller. Mieg hatte 1755 an Haller von dem Utrechter Professor Hahn, mit dem er infolge mehrjähriger ärztlicher Praxis in Holland verbunden war, eine Sendung von Büchern übermittelt und bot dem grossen Berner Gelehrten ein Verzeichnis der Utrechter Flora im Manuskript, Bemerkungen zur Basler Flora und ge- trocknete Pflanzen an. Wie lebhaft dieser Verkehr im Lauf der Jahre geworden ist, zeigt die uns vorliegende Korrespondenz. Und dass er, obschon Mieg durch überhäufte Praxis mehr und mehr 8 H. Christ. von der Botanik abgedrängt wurde, bis ans Lebensende Hallers (1777), also 22 Jahre lang andauerte, und gerade in der letzten Zeit durch die lebhafte Teilnahme Miegs an der ärztlichen Be- handlung Hallers sich steigerte, legt Zeugnis ab für die Wert- schätzung, welche beide Männer sich zollten. Rührend ist, dass der überbeschäftigte Mieg auch noch als Korrektor der in Basel ge- druckten Werke Hallers sich bemühte, bis diese Arbeit W. de LaChenal ihm abnahm. La Chenal gelangte auf ganz ähnliche Art, wie Mieg, in Hallers Intimität. Fast im gleichen Alter mit Mieg und ihm befreundet, schickte er an Haller im Jahre 1759 seine gleichen Jahres er- schienene Doktordissertation über kritische Arten der Basler Flora, Haller antwortete, indem er dem jungen Basler entfernte Aussicht auf eine vakante Professur in Göttingen eröffnete. Die Verwen- dung Hallers bei der dortigen Universitätsbehörde hatte zwar die Aufnahme LaChenals in das Ternarium: den üblichen Dreiervor- schlag zur Folge, zerschlug sich aber. Von da an blieb La Chenal Basel treu, obschon er erst nach langen Jahren: 1776 endlich durchs Los zur anatomisch-botanischen Professur gelangte. Einen Zeitraum von 18 Jahren überspannt der Haller-La Chenalsche Briefwechsel. 62 Briefe Hallers an den Basler Freund sind vor- handen: die LaChenals betrugen sicher eine grössere Zahl. Der grössere Teil des Inhalts besteht in zahllosen Detailbegehren und Anfragen Hallers bezüglich kritischer Pflanzen aller Art, nament- lich der Basler Flora. Auf all diese, stets freundlich, aber doch mit dem Imperativ des grossen Meisters gestellten Wünsche ist La Chenal unermüdlich eingegangen, sodass ihm ein ganz wesent- licher Anteil an den Werken Hallers: den Emendationes und da- mit auch der grossen, abschliessenden Historia Stirpium Helveti- carum 1768 gebührt. Es ist auch klar, dass wenn LaChenal kein grösseres Werk: weder die von ihm ins Auge gefasste Basler Flora noch monographische Arbeiten geschrieben hat, nichts anderes daran schuld ist als die unablässige Inanspruchnahme durch Haller, dem er fortlaufend all das Material geliefert hat, welches zu einer selbständigen Arbeit hätte dienen sollen. Aber ein namhafter Teil der Korrespondenz beschlägt eine zweite, sehr hoch anzuschlagende Beihilfe, die LaChenal Haller geleistet hat: eben die Korrektur der vom Buchdrucker Imhof in Basel edierten botanischen Werke Hallers, namentlich der sich durch Jahre hinziehenden Emendationes oder Nachträge zu Hallers Enumeratio helvetica. Hier wird die Sache fast tragisch, die Un- geduld Hallers, seine abscheuliche, mehr und mehr unleserlich werdende Handschrift, vereinigt mit der Hinlässigkeit des Druckers Einleitung. 9 — die einem solchen Manuskript gegenüber nur zu begreiflich ist: alles kam zusammen, um die Aufgabe LaChenals zu einer ganz unerfreulichen zu gestalten. Dennoch hat er mit einer Geduld und Treue ausgehalten, die uns die höchste Achtung abnötigen. Auch hier durfte er dem Haller’schen Monumentalwerke gegenüber sagen: cujus pars magna fui. Der grosse Treiber Jehu Haller war eben doch ein wahrer, echter und grosser Charakter, für welchen ein- zustehen und Lasten auf sich zu nehmen eine Befriedigung sein musste. Es sei erwähnt, dass die erste, sola nomina enthaltende Schrift Hallers über die Schweizer Flora, die Enumeratio Stirpium Helveticarum rarior. von 1760 ist, während von den (mit Ausnahme des zweiten Teils) in Basel gedruckten Emendationes et Auctaria ad Enumerationem Stirp. Helv. sechs Teile erschienen sind: Pars I und II 1760. Pars III und IV 1761. Pars V 1763. Pars VI 1765. Dann folgt die grosse Historia Stirp. Helv. in 3 Teilen Fol. 1768, und von 1773 bis 1775 noch 4 Arbeiten über Gräser im Anschluss an die Agrostographia des J. Scheuchzer. Haller (geb. 1708) war nahe an 50 Jahre alt, als er mit den beiden Baslern in Verkehr trat. Kein Misston ist aus den Briefen über eine so lange Zeit hin zu spüren. Seltsam berührt allein die in fast jedem Brief Hallers sowohl an Mieg als an LaChenal wiederholte Zusicherung möglichst reichlicher Erwiderung der Sen- dungen und Leistungen durch Gegendienste. Nur zweimal fand ich direkte Wärme Hallers La Chenal gegenüber: einmal nennt er ihn optime Wernere, und einmal sagt er, dass zwei so ideale botanische Reisende wie LaChenal und sein Genosse Chatelain noch nicht dagewesen seien. Uberall herrscht sachlicher Ernst in diesen Briefen: Humor hat ihnen der pathetische Haller nicht beige- mischt. Wenn uns heute der lateinische Verkehr von Schweizer Ge- lehrten unter sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hinaus fast als Ziererei erscheint, so hat die Sache doch eine andere Seite. Einmal standen die damaligen Gelehrten doch in ganz anderer Weise auf dem Boden der lateinischen Renaissance als wir. Dann aber beherrschten damals die Niederlande mit ihren zahlreichen Universitäten, besonders Leyden, Utrecht etc. die gelehrten Studien. Alles was irgend konnte, drängte sich dorthin, um die weltbe- rühmten Professoren zu hören. Diese waren aber, schon um recht verstanden zu werden, genötigt, im universellen Latein zu lesen und zu schreiben, da holländisch für all die fremden Nationen nicht in Frage kommen konnte. Und so ging auch den schweize- rischen Gelehrten das Latein als die Sprache der Wissenschaft lebendig in Fleisch und Blut über, und die uns seltsame Denk- 10 H. Cet, prozedur, moderne Gedanken und Begriffe in klassische Worte ein- zukleiden, war ihnen ganz zur Gewohnheit geworden. Übrigens erzielte schon die Eilfertigkeit, mit welcher Haller seine Briefe schrieb, eine sehr einfache, von allen Schnörkeln freie Latinität. Diese hat er einem Ramspeck und andern überlassen. Bei der grossen Zahl und Ausdehnung der Briefe musste eine Sichtung und Auswahl getroffen werden. Eine vollständige Wieder- gabe der lateinischen Originalien Hallers war schon durch die grosse Zahl der unleserlichen Stellen, aber auch durch zahlreiche Wiederholungen, und die endlosen, lediglich auf Korrektur und Druckbogen sich beziehenden Vorschriften ausgeschlossen. Obschon namentlich im Mieg’schen Briefwechsel viele, für den Mediziner und Anatomen wichtige Dinge verhandelt sind, musste ich mich, weil diesem Gebiete fremd, auf das Botanische beschränken. Aber auch da musste vieles ausfallen, denn ich durfte den Leser nicht zu tief in das Detail der Floristik von 1750 und folgender Jahre einführen. Dennoch musste ich eine Auswahl charakteristischer Arten aufnehmen, weil sich nur durch deren Anführung der Text belebt, und sich das brennende Interesse der Briefschreiber auf sie richtet. Wir sehen in Hallers Berichten über die Fortschritte in Erforschung der Walliser Flora all die Pflanzen vor uns er- stehen, welche heute noch dem Pflanzengeographen als Leitpflanzen dienen; für die Basler Flora sehen wir in den allmählich gemachten Entdeckungen Miegs und LaChenals vieles zum erstenmäl auf- tauchen (z. B. Oenanthe Lachenalii), vieles auch, was heute nicht bei uns vorkommt: eine atavistische, schon dahin geschwundene Florula, vieles auch, was damals noch reichlich vorkam, heute nur noch in Spuren vorhanden ist: während damals auf alle die petites espèces, die man heute unterscheidet, noch keine Rücksicht ge- nommen wurde: also bedeutende geschichtliche Bewegungen während der kurzen Zeit von 150 Jahren. Zum bessern Verständnis habe ich die Pflanzennamen mit fortlaufenden Nummern versehen, die auf Verzeichnisse weisen, in denen die heute üblichen Namen, so weit mir dies möglich war, beigegeben sind. Nur in dritter Linie kommt als botanischer Basler Korrespon- dent Hallers in Betracht Jacob Christoph Ramspeck, von dem die Epist. vol. II, III und IV Briefe abdrucken, von 1748 bis 1756. Von diesem vielseitigen und vielgereisten Professor wissen die Athenae Rauricae viel zu rühmen. Geboren 1722, studiert er in Göttingen bei Haller, in dessen singulärem Favor er stand, und den er auf einer zehntägigen Reise in den Harz und das Riesengebirge begleitete. 1748 zur Professur Eloquentiae in Basel gelangt, macht Ramspeck, 11 er 1753 eine botanische Reise in die Glarner und Bündner Alpen, Mit Zustimmung seiner akademischen Vorgesetzten besucht er nun für ein Semester die Universitäten der Niederlande, um sich in Botanik und Anatomie zu vervollkommnen, geht 1756 nach Eng- land und erfreut sich des Zutritts zu Miller’s berühmtem Garten in Chelsea und zu dem des Dillenius in Oxford; in Paris war ihm auch Bernard de Jussieu günstig. Im August 1757 in patriam redux officii publici negotia strenue gessit etiamque artem clinicam strenue exercuit. 1766 wurde ihm auf seinen Wunsch gravissimum gymnasiarchae munus auferlegt, dem er noch obliegt. So lautet das Curriculum der Ath. Raur., wozu wohl Herr Ramspeck selbst das Konzept geliefert haben mag. Aber Haller hat ihn ernst ge- nommen, in den Briefen erweist er sich als ein geschickter bota- nischer Beschreiber, und die mehrern Reisebriefe aus Leiden, Utrecht, Paris schildern anschaulich und farbig das dortige Treiben der grossen Gelehrten: eines Albinus, Muschenbroeck etc., auch ihre Eifersucht und ihre Intriguen. An akademischem Klatsch fehlte es damals nicht: hat doch selbst ein Linne an Haller geschrieben (Epist. I S. 287 und 319), ein Pariser Botaniker, Vaillant, sibi aperire studuit viam per cladem informatoris sui fidelissimi Tourne- fortii. Bei all diesen Gastreisen in Niederland und England blieb Ramspeck länger aus, als die Freunde erwarteten, was auch Hallers Briefe deutlich bekunden. Dass er auch damit den ihm von der Fakultät und Regierung erteilten Urlaub weit überschritt, scheint ihm keine Bedenken gemacht zu haben. Auf welche absonderliche Art übrigens Ramspeck von der Professio Matheseos zur Eloquenz gelangt sei, und wie er dabei doch noch mit einer anatomisch-botanischen Professur liebäugelt, schildert er in seiner Art Hallern im Brief Calend. Octob. 1748 Ep. II p. 414 Nr. 392: Praeteritis diebus favente sorte a Fautorum in Pro- fessorem Matheseos electus fui. Promotores mei erant D. Nicolaus Bernoulli J. U. D. et Prof. D. Burcardus S. Theol. Prof. D. Burc- hardus Scholarcha, atque optimus noster Staehelinus, neutiquam VERONEPE qui potius spartam hancce modo nactam mihi invidet (sed hoc obsecro sub rosa). Quum vero ab amplissimo Senatu aca- demico mutatio mihi cum Cel. Joh. Bernoulli Eloquent. Prof. fuerit proposita, non possum non huic petitioni aures praebere faciles, quapropter in posterum munus Professoris Eloquentiae in me sus- cipiam, hancce Spartam Deo volente circa medium novembris solem- niter auspicabor. Quamvis vero nunc in Facultatem philosophicam receptus fuerim, artem tamen Asclepiadeam, in qua Te, Vir cele- 12 H. Christ. berrime! per quoddam tempus Praeceptore uti tam felici mihi esse licuit, minime negligam, sed potius studio anatomico atque botanico maximopere me dabo, ut suo tempore vacante aliquando hacce ca- thedra reliquis competitoribus palmam reddere possim dubiam. Der botanische Inhalt von Ramspecks Briefen an Haller ist nicht sehr ergiebig: In einem Brief Nonis Junii 1748 Ep. Il p. 391 N. 380 schreibt Ramspeck an Haller: Commercii epistolici Casp. Bauhini cum re- liquis hujus aevi Botanicis potero Te forsan, si desideras, parti- cipem facere, und fügt in seinem folgenden Schreiben Sexto Iduum Augusti Ep. II p. 391 N. 380 bei: Commercii epistolici Casp. Bauhin de quo in ultimis meis litteris mentionem feci, id in 6 Volu- minibus in 4° possidet D. Huber J. U. D. Parentis mei amicus, Vir stupenda manuscriptorum farragine instructus, qui, ut id descri- batur, lubenti animo concedat. Placeat itaque tibi Vir Illustris! me certiorem reddere, anne velis ut Tuo nomine per studiosum quendam id describi curem, cujus etiam descriptionem Excell. Staehelinus optat. In spätern Briefen wird dieser Vorschlag nicht mehr erwähnt. Man begreift auch schwer, was eine durch einen beliebigen Stu- diosus angefertigte „Descriptio“ dieser Korrespondenz Haller hätte viel nützen können, Heute ist dieser Briefwechsel in Händen der Basler Universitätsbibliothek. Brief vom 24. Junii 1751 (Dabam e Museo) Ep. III p. 188 N. 505: Haller hat sich auch an Ramspeck wegen der 5 Blüten der Frangula (Rhamnus alpina L.) gewandt, und obschon der Adressat vicht recht verstand, welche Species Haller meine, hat er doch omnibus hisce dubiis postpositis jussui tuo Vir Perillustris, qui im- mortaliter de me meritus es, obsequium denegare religioni ducens (der Professor Eloquentiae kommt hier zu Worte!) jam praeterito mense majo Dornaco versus sum. Er fand dann auch später den Strauch in Blüte, und sendet nun eine Abbildung derselben quem- admodum a pictore ope lentis simplicis delineata est. Auch fand er Alsine tetrapetala foliis perangustis levissimis (Moehringia mus- cosa L.). Er bat auch den Pharmacopoeum Risler in Müllhausen, ihm einen dortigen kleinen Scirpus zu senden. Briet vom 6. Oct. 1751 Ep.’ III p. 2307N, 323 | Novam observationem botanicam, Praeceptor colendissime, hic Tecum communico cum icone: En Peloriam Linnaei, quam prae- terito mense in agro nostro reperi inter segetes demessas circa Grundeldingen. Es ist die Peloria der Linaria Elatine Mill, die Ramspeck einlässlich beschreibt. Auch sendet er Semina Rutae Ramspeck. 13 caninae und den obgenannten Scirpus, den er für den Sc. setaceus erklärt. Brief vom 1. Aug. 1752 Ep. III p. 305 N. 578. Ramspeck kommt nochmals auf den Rhamnus zurück; frutex noster eo minus me subterfugeret, amicis duobus Botanices satis peritis stipatus, omnesque recessus et abdita montis vicinorumque locorum debita per industria peragravi. Er sendet nun (eine zweite?) Abbildung der Blüte a Buchelio pictore nostro exactissime deli- neata, und fügt lange Erörterungen über die Synonymie der Pflanze bei. Die Montia hat er in ripa rivi Wiesen gefunden. Brief vom 15. Dec. 1752 Ep. III p. 353 N. 598: Ramspeck hat die Peloria wieder gefunden und sagt: difiert quam maxime Peloria mea ab illa quam Linnaeus in Suecia primo lectam describit; auch gibt er eine vergleichende Beschreibung. In 3 Briefen aus Leiden vom 4. Nov. 1755, 27. Feb. 1756 und 8. Juni 1756 Ep. III p. 519 N. 668, Ep. IV p. 6 N. 3, p. 19 N. 9 schildert Ramspeck seine Reise nach den Niederlanden und sein Semester an der Universität Leiden, seine Collegia und Pro- fessoren sehr anschaulich; überall ist er wohl eingeführt und ge- niesst aller, selbst des unnahbaren Albinus besondere Gunst: er sieht die stupenda farrago plantarum ad vivum magnis cum sum- tibus delineatarum des Joh. Burmann in Amsterdam, der jetzt die Icones des Plumier herausgibt. In dieser Stadt, quae compendium mundi haud incongrue vocari potest, hat ihm der Berner Chirurg Du Vernier alles gezeigt. In Utrecht macht er Hahn und Wachen- dorf seine Aufwartung. Der botanische Garten ist reich an Pflanzen, aber „de methodo vero Wachendorfii alia est quaestio“. Im Haag führt ihn König ein, wo ihm der Botaniker Schwenck die Volka- meria in Blüte schenkt. In Leiden hört er bei Royenus, Alla- mand, Albinus, der auf seine anatomischen Tafeln 25,000 Gulden verwendete; caeteroquin magna ipsum gılavrıa laborare suique aemulos non amare res est certissima; ferner hört er Ohemie bei Gaub, besucht das anatomische Theater des jüngern Albinus, Physik bei Muschenbroeck und ein Klinikum bei Winter. Überall ist er introductus ab honoratissimo Weissio meo. Täglich besucht er das Museum des Gronovius, der kürzlich Rauwolfs orientalische Flora herausgab und sie auch Herrn Ramspeck schenkte! Infolge des Verzichts von Haller auf einen Ruf nach Preussen singt ihn Rams- peck also an (Epist. IV p. 8. Leydae, 17. Febr. 1756.): Gratulor Patriae quam praesentia Tua cohonestare ita pergis, gratulor Amicis, qui dulcissima Tua consuetudine proporro fruentur, gratulor et mihi talem Fautorem, quem vicinum in posterum vene- rari continget. | 14 H. Christ. In betreff der Ergebenheitsbeteuerungen an Haller übertrifft Ramspeck geradezu dessen übrige Korrespondenten alle: so Ep. II p. 414 N. 392 oct. 1748: Ego sane ad ultimum usque cordis ictum omni studio eo änni- tar, ut nec in posterum me benevolentia tua, qua me hactenus com- plecti haud dedignatus es, prorsus indignum judices etc. etc. Briefwechsel zwischen Haller und Mieg. Haller an Mieg. Bern, 8. Novb. 1755. Coll. Miescher N. 1. A Monsieur Achille Mieg célèbre Docteur en médecine à Bâle. Exper. viro D. Achilli Mieg. Gratus accepi fasciculum ab ornatissimo Hahnio') missum, et in prioris Lambergii’) dissertationem de Belladonna. Weissius*) forte Ramspeckio“) diss. dedit, quibus subinde solet me donare. Catalogum M. S. stirpium circa Trajectum ad Mosam,’) notas de stirpibus patriis, plantas siccas: omnia cum maxima voluptate, ne- que ingratus accepero, et vicissim offero, sive alpinae plantae tibi placent, sive alia quaecunque mea. Praeparo enim in senis edi- turus novam editionem meae enumerationis, quam dictare et emen- dare mihi summa voluptas erit. Ipse quotannis itinera ad eum finem suscipio, et amicos, etiam chirurgos, venatores, aut quidauid hominum est, qui obseqium amice praestant, in scopulos alpinos mitto, et quotannis novas etiam cives, easque non nunquam pulcher- rimas detego, qualis fuit Tragacantha®) et Thlaspi saxatile flore roseo,’) Ruscus,*) aliaeque. Quare si quid in me est quo tibi pror- sum vicissim impera. | Mieg an Haller. Basel, 4. Feb. 1756. Ep. IV p. 2 N. 2. Mieg sendet an Haller eine von Rud. Staehelin®) verfasste Beschreibung der Frangula!’) ora folii serratae Enum. Helv. p. 164. Staehelin fand sie mense Junii initio florentem ad rupes Montis Dornacensis proxime viam, quae versus Hobel ducit, atque copiose etiam supra muros arcis Ramstein!!) rupesque, quibus illa arx in- sistit. Mieg fügt bei, dass eine Zeichnung der vergrösserten d' und 2 Blüte nebst Analyse diesem Briefe beiliege. NB. Sonderbarerweise liegt jedoch dieses, sehr gut in Farbe ausgeführte Bild dem Briefe Hallers an Mieg vom 11. Juni 1757 (Coll. Miescher N. 6) bei. Hat Haller das Bild etwa an Mieg wieder zurückgeschickt? C. Haller an Mieg. Bern, 9. Ap. 1756. Coll. Miescher N. 2. Dudum oportuerat respondisse perhumanis tuis quas 3 Martii dedisti (soH wohl heissen 4. Febr. C.). Verum Podagra, quae in Briefwechsel zwischen Haller und Mieg. 15 quinta jam septimana me torquet et adfigit lectulo, non permisit demonstrare tibi meam gratitudinem. Plurimum ergo et tibi et Staehelino clarissimo pro charactere masculae Rhamni debeo, cujus Gottingae possidebamus unice feminam, ex cujus ramis depactis etiam feminae natae sunt. Accepi autem plusculos siccos ramos masculae var. hoc vere. Haller bittet dann um einige ihm noch nicht genügend bekannte Orchideen, frisch oder wenigstens getrocknet, unter andern folgende von Basel: Die O. barbata foetida,'”) longissimis illis crusculis. Hanc unice recentem desiderarem, in scatula cum musco traditam cur- rui public. Haller will sie auch selbst zu Neuenburg suchen. Auch wünscht er die O. simiam referens!?) und den Cynos- orchis pratensis elatior floribus variegatis.1f) Publice et privatim animum gratum demonstrare minime cessabo. Haller an Mieg. Bern, 15. Mai 1756. Coll. Miescher N. 3. Video, et confirmat D. Berdot,'!?) vehementer tibi hanc diffhi- cilem provinciam Botanicam placere, quam facilem reddere adgressi sunt Linnaeus et Hoferus, dimidia, ad minimum, parte specierum expuncta. Haller spricht von den Gramineen, Valde gratum foret tecum iter aliquod suscipere. Nunc maxi- me Aquilegiensem !%) comitatum et vicinam Valesiam perreptare suscipio, uti plurima pulchrarum specierum seges est. Podagra vero vires genuum et nervorum totius corporis vehementer fregit, et adscensum difficilem reddit et descensum, ut omnino necesse est in nervis vitium poni. Wiederum mahnt Haller an die stinkende Orchis longissimis ligulis,'?) und wünscht davon wenigstens unicum florem per Büche- lium!7) meo aere rite delineando. Etsi enim haec stirps in patria passim crescat, difficulter tamen vero loco reperiuntur, et stirps ipsa rara est. Mieg an Haller. Basel, 10. Nov. 1756, Ep. IV p. 40 N. 20. Mieg versichert, vergeblich wegen der viel genannten Orchis die von Haller und Bauhin zitierten Standorte aufgesucht zu haben, ausser dem von Bauhin genannten ad Rhenum bey der Baar,'®) quem locum suo quidem tempore adii, debito vero modo neque tunc neque alio tempore absque periculo perlustrare potui, quod Rhenus ultra mediam aestatem, quod alias fieri raro solet, continuo per- magnus fuerit. Von allgemeinem Interesse ist eine weitere Stelle des Briefes: Insitio variolarum tandem etiam hoc anno apud nos inchoata est, celeberrimis quidem Bernoulliis!?) eam primo suadentibus, me vero 16 H. Christ. eam effectui dante, id quod forsan jam a Cl. Tissoto comperisti. Hactenus autem tria tantum capere experimenta licuit, quorum historiam vir modo laudatus proxime forsan Mercurio inserendum curabit, si equidem eam in literis ad ipsum datis perscriptam im- pressione dignam censebit. Haller an Mieg. Bern, 19. Nov. 1756. Coll. Miescher N. 4. Orchidem foetidam'?) nunc et pictam habeo et in testa vi- gentem quae proximo vere florebit. Immer aber sucht Haller noch die O. cercopithecophoram,'?) quam equidem Argentorati nasci ex Ehrhardo video, qui anthropophoram dixit. Varietas est nisi pluri- mum fallor orchidis galea et alis cinereis.?°) In Valle Lauterbrunnensi hat Haller gesammelt; proxima aetate Valesiam ni fallor adibo, gratissimam regionem, et forte aliquam partem Augustae Vallis.”') Mieg an Haller. Basel, 20. November 1756. Ep.IV.p.48. N.1. Mieg wünscht den richtigen Namen einer von ihm auch circa Hiltelingen gefundenen plantula aquatica, die in einem von Haller ihm gesandten Paket, aber von fremder Hand als Lentibularia vul- garis Vaillantii bezeichnet war.*?) Haller an Mieg. Bern, 29. Dezember 1756. Coll. Miescher, N.5. Haller will die ihm von Mieg zur Bestimmung geschickten Gräser im Frühjahr 1757 untersuchen. Die auch bei Gümlingen wachsende Wasserpflanze wird wohl die Lentibularia?”) sein. Es wird Haller eine Freude sein, den aus den Alpen zurückkehrenden Mieg in Bern zusehen et propius innotescere. Haller wird demnächst publico officio nach Kulm *) reisen, wo Römische Ruinen entdeckt wurden, dann zu den sa- linos fontes in Chamoscira,**) die er dem Staat Bern empfohlen habe als hoffnungsreich. Bei der Gelegenheit will er den noch nie besuchten Mons Bernhardi besteigen, in dessen Nähe die Spica Oeltica,”) Eruca Tanaceti f.°°) und andere Seltenheiten vorkommen. Ramspeck sei in Paris und habe Haller von da geschrieben. Mieg an Haller, Basel, 8. Juni 1757. Ep. IV. p.83.N. 32. Cel. Staehelinus?) consilium de instituendo itinere Alpino mu- tavit, et ejus loco hac aestate montem Bölchern’”’) adibit, quo eum, si modo negotia id patientur, comitabor. Mieg teilt dann seine glücklichen Erfahrungen bei Impfung der Familie Bernoulli mit. Ramspeckius‘) jam toties expectatus nondum Parisiis advenit et regentiam nostram longa sua absentia (vielsagende Lücke). Haller an Mieg. Bern, 11. Juni 1757. Coll. Miescher. N. 6. Haller meldet die günstige Impfung seiner ältesten Tochter und anderer Personen in Bern und Genf. Er wünscht von Mieg Exem- Briefwechsel zwischen Haller und Mieg, 7 plare der Eruca sylv. caule aspero *°) und eine genaue Untersuchung der frischen Blüte. Mieg an Haller: Basel, 22. Juni 1757. Ep. IV. p. 99. N. 35. Mieg wird Haller die Eruca**) senden, schickt aber schon mit diesem Brief eine zergliederte nebst einer bildlich dargestellten Blüte, hat auch infolge seines Wunsches eine einlässliche (zwei Druckseiten lange) Beschreibung dieser Blütenteile gegeben. Haller an Mieg. Bern, 24. Juni 1757. Coll. Miescher. N. 7. Haller verlangt neuerdings frische Eruca sylv. caule aspero *®) sowie der Eruca altera fol, pinnatis rariter serratis,’’) hujus etiam magis, quum ad Rhenum saepe lectam, nunc dudum nullam vidi. Intelligo tres ejusmodi satis similes plantas esse, quas velim : et oportet recte distinguere: foliis istis pinnatis parallelis,*) alteram foliis pinnatis rotunde crenatis,**) tertiam foliis fere similibus sed ochroleuco flore.°®). 3 Iterum Corallorhizae characterem perfeci, satis singularem. An- theres equidem duas habet, fere ut Epipactis, sed in iis loco farinae quatuor globuli sunt erystallini. Plus centum floribus aperui, nihil ultra didici. Die 7 Julii, quo olim a. 1728 cum Gesnero°') magnum iter helv. adgressus sum, suscipiam iter in agrum Valesiacum et Vera- gricum. Utinam minus corpore ad aestum essem tolerantior ! Valde vellem rediret Ramspeckius.‘) Varia habet mea, quo- rum novitas perit et gratia. Mieg an Haller. Basel, 29. Juni 1757. Ep. IV. p. 108. N.37. Mieg sendet die Eruca sylv. caule aspero”*) musco humido in scatula involuta per Rhedam meritoriam. Er fand sie ad Birsam, ad Wiesam et juxta Rhenum in agris circa Cliben et Parvam Hü- ningam °?) Aber die species fol. pinnatis rariter serratis””) hat weder er noch irgend jemand bei Basel gefunden. Haud equidem ignoro, eam Rheni ripas amare, et ipse olim, quum Trajectum ad Mosam iter facerem, eam infra Oppenheim ad Rhenum etiam legi. Quum -itaque ipsam plantam recentem, uti libenter quidem vellem, transmittere non detur, adjungam reliqua, quae olim Trajecti ad Mosam de ea adnotavi. Es folgt die Beschreibung der Pflanze, die ohne Zweifel Brassica Cheiranthus Vill. (Sinapis Koch) dar- stellt, und die noch von Hagenb. fl. Basil. Tent. II. 1834 p. 179 ın arenosis ad Rhenum circa Neudorf raro angegeben wird, jeden- falls zweifelhaft, denn die Art ist keine Sand-, sondern eine Felsen- und Mauerpflanze. Iter nostrum in monte Bölchern ?”) instituetur d. 11. Julii. Eum montem simul adibunt, Basilea praeter Dn. Profess. Staehelinum °) et me, Dn. cand. de laChenal, et quidam alii studiosi. Argento- 2 18 H. Christ. rato Dn. Prof. Spielmann, D. Pfeffinger, D. Berdot, et aliquot stu- diosi, Mülhusio vero Doctores Hofer et Rissler, et Gagnebin qui- dam, de quo nescio an forte ille sit, quem ita frequenter in opere Tuo Helvetico citas. Aliquot autem dies super montem manebimus, et spes est fructuosum fore tale iter. Vera causa diuturnae absen- tiae D. Ramspeckii *) etiam hic ignoratur. Haller an Mieg. Bern, 2. Juli 1757. Coll. Miescher. N. 8. In M. Bölchen ?”) Aretiam sp.) valde suspectam D. Kunig vellem quaereretis. Mieg an Haller. Basel, 3. August 1757. Ep. IV. p. 119. N. 41. Mieg erzählt seine kürzlich nach dem M. Bölchen vel Ballon?) unternommene Reise: Post meridiem (des 12. Juli) junctim vehebamus, usque ad pa- gum Jungholz ad basin montis situm, cujus partem eadem adhuc vespera conscendimus, ut in prima casa pernoctaremur, in dimidia propemodum montis altitudine locatae. Inde summo mane tertii diei divisis cohortibus alteram casam, quae medio fere loco inter primam et verticem montis sita est, et ipsum demum verticem adi- vimus... A basi usque ad primam casam fere ascenditur per syl- vam maximam, partim abietibus obsitam, quam viam a dextro latere longe comitatur saxosa et rivulo irrigua vallis. Circa utramque casam ampla sed acclivia pascua sunt... ipse tandem vertex late nudus est, solo saxoso, tenuique gramine obsito, atque ibi prae- cipue plantae quaedam occurrunt solis Alpibus alias familiares... Ex plantis montis Ballon solam Aretiam**) prae reliquis a Te deside- ratam nunc mitto, quae nempe commode Epistolae includi potuit. Ea quidem Aretia jam defloruit, quum eam reperiremus, sed Dns. D. Willius eandem plantam aliquot septimanis ante nos in M. Ballon lectam Mülhusium secum apportavit sub nomine Statices montanae minimae. Es folgt eine botanische Beschreibung der Aretia und ein reichhaltiges Verzeichnis der Ballonausbeute. Dabei findet sich die für das Jahr 1757 interessante Notiz über die Rosskastanie: Castanea folio multifido ©. B. P. 419. Hippocastanum vulgare T. In sylva ad dextram viae supra Jungholz abundat et absque or- dine posita est, quasi sponte ibi crevisset. Auch werden aufgezählt: Meum foliis Anethi ©. B. P. 148.%*) Sonchus levis laciniatus ©. B.5) Pulsatilla flore albo C. B.?) Filix tenuissime secta ex M. Ballon J.B.”’) Viola montana lutea grandiflora ©. B.°°) Ubrigens sei erwähnt, dass schon vor Mieg der Ballon von Schweizern botanisch untersucht wurde. Der Zürcher Korrespon- dent Hallers, Joh. Gesner,*!) berichtet am 2. Juni 1732 in seinem Briefwechsel zwischen Haller und Mies. 19 Brief Ep. I, S. 135, N. 51 von der Androsace folgendes: quae planta sit Androsace angustifolia glabra Tournef. difficulter assero, ob nullum synonymum additum; pro ea habeo plantulam in monti- bus circa Mülhusium lectam,'?) quae si glabritiem excipias et co- lorem floris purpureum, simillima est Androsacae nostrae alpinae, nisi quod caulis circa summitatem inaequaliter sit ramosus. Der- selbe Joh. Gesner schreibt Ep. I p. 330 N. 146: Androsacem flore purpureo ex Monte Mulhusiae vicino Basileam attulit 1728, D. Will. Und der Basler E. König”) schreibt an Haller Ep. I S. 158 N. 59, 17. Sept. 1732: Mons ille (M. Balon) quem nimio comitatu certe magis impeditus quam adjutus conscendi, 12 leucis Basilea distans ad confinia Alsatiae cum Lotharingia positus, ut satis altus, si qui- dem plus quam duarum horarum spatio opus antequam ad cacumen perveniatur, plantarum dives, si quis alius, cujus spoliis ditatus quam maxime rediissem, si multitudo sociorum commeatus citam nimis penuriam non effecisset, unicus enim dies pro lustrando monte con- cessus est, plantas minus obvias quasdem ibi repertas indicabo. Unter diesen zählt König auch ein zweifelhaftes Sedum X Clusü hist. auf, das Tournefort zu seiner Androsace alpina perennis an- gustifolia villosa et multiflora gezogen habe: (ohne Zweifel also un- sere Androsace carnea L.) Iudicabis coram adspectu planta, schreibt König am Haller, und hierauf bezieht sich Hallers Frage nach „Kunigs Aretia valde suspecta“ im Brief an Mieg vom 2. Juli 1757. Haller an Mieg. Bern, 3. September 1757. Coll. Miescher. N. 9. Haller zeigt Mieg den Empfang seiner Sendungen und Berichte an, und erzählt ihm, dass er satis diu abwesend war, retuli vero plantarum rarissimarum numerum ingentem quarum paucas citabo: Ranunculum Parnassiae f.‘%) Rhaponticum Enulae f.‘') Millefolium luteum.*?) Asparagum.‘?) Ruyschianam Boerhavii.**) Ranunc. calyce villoso“®) et graminifolium.‘°) Astragalum ochroleucum ramosum,*?) Spicam Celticam,”’) Melissam,‘*) Agaricum Laricis, Cerinthen ver- sicolore flore.*”) Video rediisse Ramspeckium.*) Clar. misit aliqua. Habet tamen plantas plantarumque icones, quas mihi destinat. Si per occm. velles meo nomine rogare ut mittat, rem facies per- gratam, ob icones inprimis Orchidis anthropophorae,?®) quam vehe- menter desidero, anno forte 1758 editurus Orchides. Mieg an Haller. Basel, 18. October 1757. Ep.IV.p.132.N. 44. Plantis M. Ballon addi potest Brassica perfoliata°!) und Alsine hederacea Column. = Stellaria fol. cordatis petiolatis Linn. Spec. Pl. 421.°°) Mieg beschreibt den Allosorus *’), hujus plantae unicum specimen legi, sed mittam primarium ejus ramum. Er fand dann an der Birs Blitum polyspermum ‘*), das damals bei Basel noch selten gewesen sein muss. 20 H. Christ. Haller an Mieg. Bern, 22. October 1757. Coll. Miescher. N.10. Haller sandte an Mieg in Lausanne gesammelte Pflanzen, so jene 2 Ranunculi altri,*°,*%) Pulsatilla lutea,”*) Aretia minima.”) Vom Blitum polysp.??) sagt er: potest casu reptasse. Autumno id saepe fit plurimis in plantis, quando praecipuos caules falx de- messit, tune enim reliqui novi rami terrae adplicantur. Mieg an Haller. Basel, 26. October 1756. Ep. IV. p.141. N. 46. Mieg beschreibt die Alsine hederacea des Columna vom Ballon.°*) Haller an Mieg. Bern, 7. Januar 1758. Coll. Miescher. N.11. Haller berührt hier baslerische und deutsche Politik: Vestram civitatem civilibus odiis agitari, utinam nihil quidquam in ea fama veri sit! uti quidem nihil veri inesse persuador. Ger- mania tota silet, cum ad necessitates vitae humani sumtus aegre sufficiant. Ad cultum autem et eruditionem nihil supersit, quo mi- seri cives possint carere. Gottingae tamen, quod miror satis fre- quentes disp. inaugurales prodeunt. Mieg an Haller. Basel, 11. Jan. 1758. Ep. IV. p. 149, N. 49. Mieg gibt auf Hallers Frage folgende Erklärung: Nolui tamen responsionem ad ultimas Tuas d. 7 hujus mensis ad me perhumaniter scripta differre, quod inde cognoverim, Te de statu Urbis nostrae esse sollicitum. Mieg kommt auf Gerüchte zu sprechen, die auch von Unruhen in Bern und Zürich wegen Auf- nahme neuer Bürger berichteten. Auch in Basel seien ähnliche Gerüchte entstanden: priori autem illi rumori ansam dedisse vide- tur deliberatio nuper, inita nec adhucdum finita, de optimo modo augendi civium numerum a pluribus jam annis per crebras mortes decrescentem, in quam rem varia quidem pro et contra aliquo cum zelo fuere dicta, attamen non tanta, ut unde seditio metuatur. Weiterhin sei durch eine falsche Anzeige vom Unterrhein her eine Panik entstanden, als ob einige Hundert Schwarzwälder die nahen Dörfer Riehen und Bettingen hätten ausrauben wollen. Den Anlass zu diesem Gerüchte gab publica quaedum venatio (eine Treibjagd), die damals abgehalten wurde. Sed sufficiant ista de terrificis ejus- modi mendaciis, faxitque Deus, ne quando vera infortunia se- quantur. Si gramina transmissa examinasti, percuperem scire, inter aliä nomen rarioris illius graminis Friedlingensis,’°) quod pro dubia Phalaridis specie misi. Haller an Mieg. Bern, 8. März 1758. Coll. Miescher. N. 12. Dudum respondissem ad humanissimas Tuas datas 11. Jan. nisi nimio et insolito laborum et officiorum onere pene fuissem obrutus. Libellum satis elegantem D. Iselii ab eo tempore legi, quo conatur cives suos ad extendendum civium numerum persua- Briefwechsel zwischen Haller und Mieg. 21 dere. Gratulor quod nihil asperius inde sit secutum. Etiam nostra civitas intra exiguum numerum subsistit, et quotannis fere aliqua patricia familia extinguitur. Verum possessio munerum est privi- legium, quod cum nemine quisquam velit communicasse. Mieg an Haller. Basel, 19. Mai 1758. Ep. IV. p.179. N. 61. Tarde respondeo, Vir perillustris, ad Tuas litteras d. 8. Martii ad me datos. Indicium quod promittis de graminibus meis pergratus accepero. Ipse mox etiam ad botanicas occupationes redibo, quibus jam fere per dimidium annum vix pauculos dies impendere potui. Initio hujus veris rursus in monte Örenzacensi?’) reperimus Cyperoidem I Enum.’®) et quidem duobus locis diversis, nempe juxta latiorem viam (Fahrweg) quae versus cornu°’) ducit, et supra ipsum cornu proxime eum locum, qui copiosam pulsatillam’°®) alit, ut mirer, illud gramen in dietis locis non pridem fuisse detectum. Specimen ejus addam novo fasciculo, quam sensim rursus pro Te colligo. Ferner sendet er zwei weitere Carices von der Schorenbruck °°) und dem Vallum Petrinum,‘') letztere ein Fund La Chenals, der in seiner demnächst erscheinenden Inaugural-Dissertation, quam ex miscellaneis observationibus botanicis componit, auch eine neue Pe- tasites®?) behandle, die er inter Villam Grut et Balneum Schauen- burg fand. Laetus audivi, virum perillustrem praefecturam acquisivisse, de qua ex animo gratulor. Haller an Mieg. Bern, 23. Juni 1758. Coll. Miescher. N. 13. Cras cum Bernam relinquam, Lausannam iturus Rupemque, ®) prius respondere volui. Carex est „ex spicis mollibus compositus“. La Chenalii disp. Petasitidem tomentosum °!) ego maxima copia reperi in valle Ormond secundum torrentis Grande Eau ripas. Nuper Scirpum inutilem °*) magna copia legi. Praefectura Salinae Rupensis a me electa fuit, quod otium ibi- dem nacturus et locus sit Boravıxorarog. Parabo ibi per otium novam Enum. Stirp. Helv. Mieg an Haller. Basel, 23. Jan. 1759. Ep. IV. p. 199. N. 71. Mieg dankt für ein durch den Buchhändler Imhoff ihm von Haller gesandtes Pflanzenpaket und verspricht, von Mieg und La Chenal gefundene Basler Pflanzen zu senden. Von LaChenal sagt er: qui percrebros excursus facit, et ipsum beatum Staehelinum in- dustria facile aequat. Novum etiam eumque diligentem stirpium Helveticarum indagatorem esse video Dominum Chatelain med. cand.°°) nunc in patria urbe Neuveville degentem, postquam per aliquot annos apud nos, et priori etiam aestate Monspelii medicinae discendae gratia commoratus esset. Dieser entdeckte in Vineis circa 22 AMC rISE patriam urbem ein vielleicht neues Allium, dessen Beschreibung Mieg hier mitteilt. Das Gras von Hiltelingen, von dem Mieg dem Haller eine Beschreibung sandte, erkennt er nun als Phalaris oryzoides Linn. sp. p. 55. N. 5.°°) Haller an Mieg. Roche, 23. April 1759. Coll. Miescher. N. 14. Quotannis, amicissime Miegi, soleo de plantarum in earum fasciculis decerpere, quae amicis placitura spero. Itaque minime decuisset oblivisci Tui. Grata erunt quae mittes, etiam nonnullarum plantar., rarior. Basil. sicca specimina, ut Alsines vernae glabrae,°®) Graminis minimi,°”) Alyssi lachenalliani,°®) Allii Cl. Chatelain. Ego quidem post hibernum morbum passim excurrui. Reperi Colchici verni,°?) quae varietas est, plurimum, Croci verni, in om- nibus pratis, Turritidis latif. sil. pendulis,’°) Anblati. Ribes dulcis,”') Gei rotundifolii minoris.’?) Cyclamini,’?) Anemonoidis lutei,’*) Or- nithogali lutei,”°) Linariae purpureae ") (ejusdem quae in alpibus pro- venit), Thymeleae sempervirentis,’”) Macalibi,’°) Cytisi alp. racemosi,’®) ulmi, Ariae majoris,°°) Rusci,°') Cornüs maris, Lichenis cinerei punctati,°?) Fontinalis florentis, Cardamines IV et Impatientis. Pri- mulae uniflorae,°*) Cochleariae (spontaneae) °*), Emecis aquat.°°) nec non aliarum florentium vim, mitissimum enim caelum est, terra inter paludes et rupes bipartita, ut tamen ad leucae distantiam etiam sicca prata habeamus, beatosque frugibus campos. Haller an Mieg. Rupe, 7. Jan. 1760. Coll. Miescher. N. 15. Accepi nuper Cl. Mieg fasciculum plantarum, quem mihi mi- sisti, verum absolveram cum otii mei partem, quam soleo plantis dare, neque ante proximum autumnum ad ea studia redibo. Alsine ea verna glabra Holosteum °%) est Germaniae vulgaris hospes. Gr. minimum’) abunde provenit ad oras Lacus Lemani. Alyssum con- sideratior.°®) Mieg an Haller. 31. Mai 1760. Ep. IV. p. 291. N. 111. Wegen überhäufter ärztlicher und Amtsgeschäfte musste Mieg den botanischen Verkehr mit Haller bisher dem überaus eifrigen La Chenal überlassen; nun, da dieser gestern nach Mömpelgardt abgereist ist, will Mieg wieder sein Möglichstes tun. Von da wird La Chenal dann Ende Juni mit Chatelain die von Haller vor- geschriebene Alpenreise unternehmen. Dass Haller ihm erlaubte, diesen Freund mitzunehmen, macht ihm unendliche Freude und wird ihn von der Hypochondrie befreien, die ihn infolge des Todes seiner Mutter und Grossmutter befiel. Virum sane ad ejus- modi propositum aptiorem eligere vix potuisses, quam neminem ad- huc viderim, majori industria ne dicam furore plantas persequentem, Briefwechsel zwischen Haller und Mieg. 23 cui non levis praetera eruditio juncta est, et in mandatis curandis sincera industria. Mieg teilt mit, er habe ad rivulum inter novam domum et par- vam Hüningam,’’) tum et in insula Rheni versus pagum Marchio- natus Mark”) das Thalictrum Aquilegiae folio weiss und rot ge- funden, und in prato udo juxta Rhenum supra modo dictum pa- gum Polemonium flore albo.°’) Die Phalaris oryzoides°*) Linn. hat Mieg in den Actis Helveticis als Homalocenchrus beschrieben. Haller an Mieg. Rupe, 12. Juli 1760. Coll. Miescher. N. 16. In diesem unleserlich hingeworfenen Briefe sagt Haller, dass er von De LaChenal und Castellanus sich viel verspreche. (Diese beiden hatte Haller, wie aus dem Briefwechsel mit La Chenal sich ergeben wird, zu einer Alpenreise auf Hallers Kosten angeworben. C.) In Genf habe sich Cl. Saussure bereit gefunden, für Haller zu sammeln. NB. In den Epist. V. p. 320 N. 266 ist von H, B. de Saussure eine sehr gute vergleichende Diagnose der Cerasa rubra acida (Prunus Ce- rasus L.) und der vulgaris nigra (Prunus avium L.) enthalten, sonst keine weitere botanische Korrespondenz. In seinen Alpenreisen er- wähnt übrigens Saussure mehrere Besuche, die er Haller in Roche ge- macht hat; der letzte — Saussure war damals 24 Jahre alt — dauerte acht Tage, und Saussure findet kaum Worte, um seine Be- wunderung für den grossen Mann auszudrücken. Saussure habe die Nächte damit zugebracht, um die von Haller Tages über ge- äusserten Gedanken zu notieren. C. Haller meldet noch als neue Funde Astragalum niveum, Pha- cam,‘”) Rus°°®) ©. vix notum, Hesperiam flore albo sil. longa Dil- lenii,°®) chloram,°°) Salicis genus villosissimum,°') Pirolam unifloram, Linaria Bellidi f.””) Er fügt im Fluge bei: Cras pergo ad iter in summos montes distantes non absque fructu uti spero futurum, etsi omnino praeferrem alpium tractum ad Italiam patulum et non valde frequentatum. O. palmatam tertiam Seg. abunde reperi. Credo varietatem esse, sed insignem palustris.”) Palmatam quae nigra esse solet, flore roseo etiam florentem habeo.°{) Mieg an Haller. Basel, 16. Aug. 1760. Ep. IV. p. 299. N. 115. Invisenti, elapso M. Julio, aliquot aegrotos qui ruri se con- tinebant, occasio se obtulit, diversos montes ditionis nostrae per- reptandi, präecipue montem Dornacensem, vicinam M. Wasserfall et oppiduli Wallenburg, in quibus excursionibus primo observaveram plantas a Bauh. in M. Wasserfall indicatas, plerasque etiam in aliis altioribus ditionis nostrae montibus reperiri, plusculas porro pro ra- rioribus habitas satis communes esse. Earum itaque, quae pro nostra 24 H. Christ. ditione rariores vulgo habentur, loco natalia, quod Viro perillustri non ingratum fore credidi, hic subnecto. Aus der Liste seien erwähnt: Spondylium alp. glabrum ©. B. fere cum solis adhuc seminibus, abunde a me repertum fuit in dumetis et pascuis inter casas Ull- matt et Bürden, montibus Ramstein et Vogelberg interjectas. Es ist das Heracleum alpinum L., das Casp. Bauhin im Beginn des 17. Jahrhunderts auf der Wasserfalle entdeckte. Siehe Casp. Bauhin, Catolog Basil 1622 p. 47. Trifolium lagopoides flore subluteo Tourn.°°) Hesperis alpina surrecta et magna J. B.7) Eadem crevit supra murum juxta superius Collegium urbis nostrae, ubi muro renovato nunc destructa est. Euphrasia tenuissime dissecto folio angusto Boccone Mus T. 60.%) In pascuo acclivi infra rupes Wallenburg. Buxus ibidem, et juxta viam ad introitum pagi Niederdorf. Bei Dornach, Neunbrunnen und Wallenburger Felsen fand Mieg ein Hieracium und beschreibt es.’’) Auch erörtert er sehr genau die in Frage kommenden Synonyme für einen Tithymalus °°) von Neudorf und Michelfelden, den auch La Chenal fand, quem feliciter iter suum perfecisse sine dubio jam nosti. Haller an Mieg. Rupe, 21. Sept. 1760. Ooll. Miescher. N. 17. Ego hac aestate plurimum plantarum corrasi, et inter eas novas cives, plus alias, novasque forte plantas. Astragalos dein addidi pluribus, albo flore, et flavo, tum Hieracium novum molli .... simile, folio crasso solidoque, fere barbarae '??); Ericam forte novam triquetris foliis®®), Laserp. minimum !°°), Salices alpinas aut novas aut nondum evolutas, muscos, interque novos cives, Sabinam, abunde Samolum Valerandi bis Rupe lectum. Ootinum°®) in Valesia abünde crescentem. Orchidem luteam palmatam D. Seguier aliasque, praeter eas quas Ol. viri la chenal et chatelain repererunt et inter quas tamen aliquae majoris momenti supersunt. Haller an Mieg. Rupe, 3. Oct. 1760. Coll. Miesch. N. 18. Proximo anno homines certos in Alpes Sempronias et Grajas mitto, ipse Peninos aditurus. Multa vero sperarem a quieto rusti- catione in helvetia transalpina. NB. Haller hoffte, La Chenal oder Chatelain werden sich zu einem solchen längern Aufenthalt in Mendrisio oder im Veltlin entschliessen, es kam aber nicht dazu. Haller an Mieg. Rupe, 17. März 1761. Ooll. Miesch. N. 21. Haller klagt über das ihn am Gehen hindernde Podagra. Er hat Jäger und Chirurgen angeleitet, um ihm Pflanzen zu suchen, und will, wenn er gesund wird, die Alpes Sedunenses besuchen. Briefwechsel zwischen Haller und Mieg. 25 Mieg an Haller. Basel, 24. März 1761. Ep. V. p. 31. N. 144. Mieg dankt für ehrenvolle Nennung seines Namens in Hallers Nachträgen (Emendationes) und empfiehlt die Moxa gegen das Podagra. Haller an Mieg. Roche, 5. Novb. 1761. Coll. Miesch. N. 3. Haller dankt für Pflanzen und hat für Mieg auch solche zu- recht gelegt: so Asterum Jacobeae similem '°'), Achilleam foliis pinnatis latis curtibus !%”), Betonicam alpınam '%®). Er ist stark mit Moosen beschäftigt: viele Hypnum des Dillenius kommen auf Bryum heraus. Mieg an Haller. Basel, 9. Jan. 1762. Ep. V p. 87. N. 171. In Antwort auf Hallers Brief vom 5. Nov. dankt Mieg für Schweizer Pflanzen, die er so vollständig als möglich zu haben wünscht. Zum Botanisieren fehlt ihm mehr als je die Zeit, da er im letzten Jahre nicht weniger als 457 Stadt- und 250 Landkranke allein an Dyssenterie zu behandeln hatte. Haller an Mieg. Rupe, 16. März 1762. Coll. Miesch. N. 24. Haller will im Sommer geeignete Leute in die Alpen senden und das Botanisieren wieder aufnehmen, er selbst aber in den Tälern bleiben: per vallem reptabor, ad conscendendos montes rapidiores porro inutilis. Die Regierung hat ihm das Gubernium Aquilegiense übertragen: viel Arbeit, aber auch Gelegenheit zur Forschung. | Mieg an Haller. Basel, 22. Sept. 1762. Ep. V p. 115. N. 182. Nur zweimal konnte Mieg dies Jahr Ausflüge machen, fand aber ausser der Gentiana coerulea oris pilosis '°*) prope Villam Dietisberg nichts seltenes. : Haller an Mieg. Rupe, 18. Oct. 1762. Coll. Miesch. N. 25. Haller meldet neue Funde: Epipogum 1°), Sibiricae Hellebo- nines aphyilae genus, Corallorhizam hanc abunde, tum Orchidem minimum 1°°), Cicut. latif.!%%) foetidam veram, umbelliferorum helv. maximam, Persicariam racemosam !%®), Staticem !%), Alyssum vestrum et Allonii°®) in summis Alpibus Grajis, Erucaginem !!°), Thesium sylvestre polyceratium. Klagen über die Gesundheit bilden den Schluss: cicuta et omnia venena displicent. Non resisterem ex- perimentis. Nach mehrern rein anatomischen Briefen schreibt Haller an Mieg. Apr. 1763. Coll. Miesch. N. 27. Vellem tamen plantulas non penitus desereretis. Valetudini inserviet labor et habet laetitiam. Cum pace fateor paulo minus convenit. Itain ipsa urbe minori ima, ad Rhenum, Epimedium !'!) nasci traditio est, qua re mereretur excuti. Ita dicitur Narbonensis 26 H. Christ, Lathyrus vobiscum provenire, et latifolius et angustifolius, qua res et ista eget confirmatione. Hyacinthus!!?) me passim est expertus, et Anemone bulbo- castani f.1%) et ipsum bulbocastanum !!!). Discrimen utriusque Scorzonerae perfeci. De missis gratias ago. Poteris Bernam curare ad D. Zerleder Aromatarium. Haller an Mieg. Rupe, 13. Juni 1763. Coll. Miesch. N. 28. Haller verspricht ein Spicilegium von Pflanzen. Non magnum est, nam plura exspecto a Dickio, fil mei informatori qui in vallem abüt Tellinam ubi moraturus. Negotia und pondus corporis verbieten ihm hier in Roche viel zu leisten. Mieg an Haller. Basel, 29. Juni 1763. Ep. V p.145 N. 197. Si olim, quod tamen nunquam audivi, Epimedium 11!) ad imam minorem urbem crevit, id jam debuit periisse, cum nunc Rhenus infra pontem in eo latere urbis murum fere continuo alluat, ut ibi nemo descendere possit. Lathyrum narbonensem angustifolium nunquam vidi, latifolius vero, si sub hoc nomine L. latifolius C. B. intelligendus est!"°), nonnisi in hortis apud nos crescit, quem praeter Bauhinum neminem Basileae reperiisse memini, neque spontaneum adhuc vidit ipse de la Chenal, tametsi paucos loculos ditionis nostrae reliquerit invisos. Hujus amici ardorem, quem habuit ad plantas, nunc ad se traxit sponsa, cum qua mox nuptias est cele- braturus. Nuperrime tamen duas adhuc novas detexit agri Basileen- sis cives: Corallorrhizam (Nidum) nimirum, et Gentianam alpinam pumilam vernam majorem ©. B.!'°) quas ambas stirpes pecuarius arcis Ramstein ad ipsum misit. Haller an Mieg. Roche, 4. Juli 1763. Coll. Miesch. N. 29. Excusa quæso importunitatem Miegi Clarissime. Lubenter alio modo eas disturbationes compensabo. Nach diesem Eingang teilt er mit, dass Dick aus dem Veltlin zurück sei, und wenn Haller Zeit genug finde, er Observationes über dessen Funde senden werde. (NB. um in den jahrelang sich hinziehenden Emendationes zur Hist. plant. helv. gedruckt zu werden, deren mühselige Korrektur Mieg für Haller aufopferungs- voll besorgt! C), so eine neue Saxifraga, die Viola laciniata 7), Chamam. 2 Clusi, Atragene alpina, Lilium purpureum ’'?), Gramen caryophyllaceum !!?) diu desideratum Jasminum!?”’) und andere novae cives. Mieg an Haller. Basel, 13. Juli 1763. Ep. V p.146 N. 198. Nuper Balnea Schinznach et Baden ipsumque Tigurum raptim invisi, qua occasione montem Bozberg dietum, qua parte vallem Frick (Frickthal) spectat, pedibus conscendi, ut in plantas inqui- rerem, sed nullam valde raram detexi; vidi solummodo aliquas non Briefwechsel zwischen Haller und Mies. 27 ubique communes ibi copiose occurrere, cujusmodi sunt Myagrum N. 678 rarior!°!); Iberis N. 693 rarior!??), Aparine semine levi Vaill. Bot. T, IV f 3. Pyrethrum rarior N. 935 flore majore’?®) in ascensu montis juxta viam et Iuncus rarior N. 304 qui nec circa Basileam rarus. Haller an Mieg. 16. Jan. 1764. Ooll. Miesch. N. 32. Eine Menge Schreibereien infolge des Ankaufs einer Villa in agro Aventico prope Echallens, nomine Goumoens-le Jux durch Haller hinderten diesen an der Korrespondenz und an Uebersen- dung der Veltliner Neuheiten: Saxifraga Burseri Linn. (NB. Hier bedient sich auch Haller eines Linne’schen Namens unter ausdrück- licher Anführung von dessen Autorität. ©.) Angelica, Matricaria Jacobeaefolia, Alsine nova etiam ab Oedero data, Geranium adfine illi glumis glabris, chenopodium hirsutum Romanum ©. B.'?'), aliae ex M. Wurmiensi'”’), Pasturo !?°), et etiam inprimis ex Sylvio 1?) eximiae altitudinis. | Mieg an Haller. Basel, 11. Sept. 1764. Ep. V p. 206 N. 223. Mieg seinerseits entschuldigt sich, auf den Brief Hallers vom 16. Jan. nicht geantwortet zu haben: ob multitudinem aegrotorum, quorum curae me tandem (muneri omni etiam professorio ex animo deleto) addixi totum. Haller an Mieg. Rupe, 24. Sept. 1764. Coll. Miesch. N. 33. Haller scheidet von seiner Praefektur, die ihm zu viele fastidia brachte. Haller an Mieg. Bern, 27. Oct. 1764. Ooll. Miesch. N. 34. Haller ist mit der Familie nach Bern zurückgekehrt. Er sucht Hilfe bei Mieg, in den Korrektur- und Druckschwierigkeiten der Emendationes, deren Drucker Imhofius den Haller im Stich liess. Er zeigt dem Freunde an, dass ihm das Göttinger Kanzleramt angetragen sei. Mieg an Haller. Basel, 10. Sept. 1765. Ep. V S.233 N. 235. Mieg kann wegen öfterer Abwesenheit die Korrektur der Emendationes nicht mehr besorgen. Die letzten Teile korrigierten Rud. Staehelin und de la Chenal. Auf einer Reise in die Vogesen- und Lothringischen Bäder konnte Mieg nur wenig Pflanzen einsam- meln. Caeterum steriles plerique illi montes existunt, solo fere Ballon excepto, quem plantis ditissimum esse aliquo tempore scripsi, nunc vero non invisi, et Bussangensi monte, ubi tamen Sorbus aucuparia, Alsine alpina glabra (Saponaria 4 Enum.)'?®) Digitalis purpurea, et Telephium vulgare !?°) rarissimas constituebant plantas, quae mihi (equitanti) in conspectum venerunt. Genista scoparia et Erica vulgaris omnes fere montes, et minus crebre macerrima pascua, tantum non solae obsident. 28 H. Christ. Haller an Mieg. Bern, 19. Sept. 1765. Coll. Miesch. N. 37. Haller berichtet über die in Bern ausgeführten Pockenimpfungen und anderes Medizinische. Von hier an tritt La Chenal für längere Ze als Korrespondent für Mieg ein. Erst vom Mai 1774 an folgt dann wieder bis zum 3. December 1777 ein lebhafter Briefwechsel, bestehend aus einlässlichen Schil- derungen Hallers über die Symptome seiner Krankheit und in Ratschlägen Miegs zu deren Linderung ohne botanischen Inhalt. Es sind 20 Briefe Hallers vorhanden: der erste vom 10. Mai 1774 mit folgender Aufschrift von Miegs Hand: „Dieser erste Brief ent- haltet die Hauptgeschichte der Krankheit mit meiner Antwort. SA Mens Mieg an Haller. Von den Antworten Miegs findet sich nur die vom 10. Sept. 1774 in den Ep. VI p. 150 N. 334 abgedruckt. Mieg schreibt: Cum nuper indicasses, Te frumentorum, quæ in Helvetia seruntur, historiam editurum, ideoque desiderasses spicas et des- criptionem eorum, quae minus vulgaria hinc inde occurrere possent, mitto hic, cum spicis aliquot maturis, descriptionem Tritiei turgidi Linn cum videatur id, quo tempore historiam plant. helvet. ederes, nondum in Helvetia notum aut satum fuisse, Es folgt eine 3 Druckseiten lange eingehende botanische Be- schreibung dieser Gretreidesorte. Alsdann: Panis inde confectus dicitur egregie albescere, saporeque grato placere. Und über die Einführungsgeschichte folgende Anekdote: Dicuntur primo duae solummodo spicae maturae hujus fromenti anno 1771 ab homine colonos consectante, pileo affixae ex Carolina in ditionem Basileensem fuisse apportatae, ut rustici ex aspectu eximii frumenti ad emigrationem allicerentur, quorum spicorum grana a rustico pagi Anwyl!°), qui eas spicas pro 10 assibus a praedicto homine conquisiverat, lapidoso solo commissa spatio trium annorum viginti saccos granorum produxerunt, singulos circiter 200 librarum, atque ab hoc rustico amplissimus Vir Dn. Leislerus Tribunus Plebis anno 1773 emit granorum minorem modium, seu octavam sacci partem, quam et ipse in solo macilento, lapidoso, nuperrime ex prato in campum mutato, nullo etiam fimo adhibito, laxe serendam curavit, proxime splendidum ipsius praedium ante portam Richanam 1) situm. Ibi frumentum satum mense Octobris 1773 floruit medio Junii 1774, sectumque fuit die 29 Julii hujus anni, vix satis quidem nn, ne passeres omnia denique grana raperent. Ex granorum minore ne consito (circiter 25 librarum) collectae fuerunt fasces decem, istique granorum nudorum modios Briefwechsel zwischen Haller und Mies. 29 octo vel saccum unum dederunt. Sed praeter id quod ager, cui grana committebantur, valde macer esset, et aestas praecalida atque sicca, passeres, priusquam grana penitus maturescerent, copiosissimi ea perquirebant, tantoque facilius excerpebant, quod firmis culmis facile insisterent deflexärum spicarum aristae ipsis non incommo- darent, et grana multo facilius, quam ex au tritici speciebus, ex- cerpi se sinerent. Der letzte, kaum leserliche, aber von Mieg Zeile um Zeile transskribierte Brief Hallers an Mieg ist vom 3. December 1777, der folgende rührende Stelle enthält: Si quid apud me gaudium posset excitare, excitasset tua pro- motio (Mieg ist nämlich am 26. Novb. 1777 endlich durch das, ihm lange ungünstige Los Professor Medicinae practicae geworden). Deo gratias ago, quia Sorti imperavit, ut, caeca cum sit, dignum Platerorum et Bauhinorum successorem seligeret. Languentem academiam digni estis qui excitatis. Sunt vero apud vos etiam aliae difficultates, quae vestrae academiae incrementa morantur. Nihil tamen desperandum. Dann geht Haller zur Schilderung seines multiplen Krank- heitszustandes über, bei dem die Oppressio pectoris die Haupt- rolle spielt. Hailer starb den 12. Dec. 1777. Erklärende Noten zum Briefwechsel Haller und Ach. Mieg. 1) Hahn Chr., Professor der Anatomie und Rektor der Universität Utrecht. 2) Lamberg, Prof. in Groningen. 3) Weiss, ein Schweizer, Chirurgus in Utrecht, 4) Ramspeck, Professor len Eloquenz in Basel, sen, 1722. 5) Trajectus ad Mosam = Mastricht. 6) Tragacantha = Astragalus aristatus L’Herit. 7) Thlaspi saxatile = Aethionema saxatile Br. 8) Ruscus aculeatus L. 9) Staehelin Joh. Rudolph, Prof, der Anatom. u. Botanik in Basel. 1753 bis 1800. 10) Frangula = Rhamnus alpina L, deren diözische Blüte die Basler Botaniker für Haller feststellten. 11) M. Dornacensis, Hobel, Hochwald und Ramstein. Standorte im solothurn. und Basler Jura. 12) Himantoglossum hircinum Spr. 13) Orchis simia Lam. 14) Orchis ustulata L. conf. Hagenb. flor. Basil. Tent. I. 356. 15) Berdot D., herzogl. württembergischer Arzt in Mömpelgardt. D ND D LD DD DW © OO I D U À SN NT, 28 H. Christ. Aquilegia, latinisiert aus Aigle C. Waadt. Büchel, bekannter Basler Maler. Baar, ein erhöhtes, jetzt überbautes Rheinufer am obern Ende Kleinbasels. Bernoulli Daniel, der grosse Mathematiker und seine Neffen Daniel und Jacob, von denen letzterer eine Promotionsrede über Pockenimpfung in Basel hielt, abgedruckt in Hallers Epistolae Erudit. vir. IV. 86. Orchis militaris L. Augusta Vallis = Aostatal. Lentibularia = Utricularia vulgaris L. Der Standort Hiltelingen ist sum- pfiges Land auf dem rechten Rheinufer im Grhzgt. Baden, wo einst ein Basler Lustschlösschen stand, das noch im 17. Jahrh. zerstört wurde. Vergl. Dan. Burckhardt: das Basler Landgut Basel 1912. S. 19. Kulm, bern. Ortschaft im jetzigen C. Aargau. Chamoscira, Chamossaire, Berg nördl. von Aigle. Spica Celtica = Valeriana Celtica L. Eruca Tanaceti f. = Hugueninia tanacetifolia Rb. im Bagne-Tal. Bölchern. Der Belchen oder Ballon de Soulz in den Vogesen. Eruca silv. = Erucastrum obtusangulum R. B. Eruca altera = Brassica Cheiranthus Vill. Eruca tertia = Erucastrum Pollichii Spenn. Gesnerus, Joh. Gesner, Prof. der Physik in Zürich. Haller nennt ihn Bota- nicum ex praecipuis und seinen ältesten Freund. Birs und Wiese, zwei bei Basel in den Rhein mündende Flüsse: ersterer aus dem Jura (Kalk), letzterer aus dem Schwarzwald (Urgebirg). Clibea (jetzt Klibeck) und Kleinhüningen sind benachbarte Dörfer. Aretia = Androsace carnea L. Meum athamanticum Jacq. Mulgedium Plumieri De. Anemone alpina L. Filix tenuissima = Allosorus crispus Bernh. Viola lutea Hds. Koenig Emanuel, Sohn, Prof. der Medizin in Basel, starb 1752. Ranunculus parnassifolius L. Centaurea Rhaponticum L. Achillea tomentosa L. Asparagus officinalis L. Dracocephalum Ruyschiana L. Ranunculus calyce villoso = R. glacialis L. Ranunculus graminifolius = R. gramineus L. Astragalus ochroleuc. ramosus = Phaca alpina Wulf. Melissa offieinalis L. Cerinthe versicolor = C. major L. Aceras anthropophora Br. Brassica perfoliata = Arabis pauciflora Garke. A. brassicaeformis Wallr. Alsine hederacea Column. = Stellaria nemorum L. vergl. Dissert La Chenals Basil. 1759. p. 4. Blitum = Chenopodima polyspermum L. Anemone alpina L. v. lutea. Aretia minima = wohl Androsace glacialis Hoppe. A. Pennina. Gaud. Gramen friedlingense = Oryza clandestina A. Braun. Phalaris oryzoides L. Homalocenchrus Mieg. Friedlingen, sumpfige Gegend auf dem rechten Rheinufer im Gr. Baden, unweit Hiltelingen siehe Nr. 22. 102) Briefwechsel zwischen Haller und Mieg. 31 Crenzach (jetzt Grenzach) und Cornu Crenzacense: Dorf und Kalkfelsen auf der rechten Rheinseite bei Basel. Cyperoides I = Carex humilis Leyss, noch alldort vorhanden. Anemone Pulsatilla L. dort fast ausgerottet. Brücke über einen Kanal der Wiese. Vallum Petrinum, St. Petersschanze, jetzt abgetragen. Petasites tomentosa = P. albus Grtr, Siehe Dissert. La Chenal cit. p. 8. Rupes, latinisiert aus Roche C. Waadt, wo Haller 1759 Salinendirektor wurde. Seirpus inutilis quid ? ) Chatelain D., cand. med. von Neuenstadt, Freund La Chenals. Aus Epist: Erndit I. p. 299 geht hervor, dass sich Haller schon 1737 dieses Kandidaten bediente, um an Linné nach Holland Bücher zu senden. Alsine verna glabra. Haller verlangt unter diesem Namen Moenchia erecta Fl. Wett, die bei Basel fehlt Gramen minimum = Scirpus setaceus L. Alvssum = Nasturtium pyrenaicum Br. Colchicum autumnale L. v. vernum. Turritis latifolia sil. pendulis = Arabis Turrita L. Ribes duleis = wohl. R. petraeum Wulf. Geum montanum L. Cyclamen vielleicht neapolitanum Tenore von Roche. Anemonoides lutea = Anemone ranunculoides L. Ornithogalum luteum. = Gagea Schult. Linaria alpina Mill. Thymelaea sempervirens = Daphne Laureola L. Macalibi = Physalis Alkekengi L. Cytisus alpinus Mill. Sorbus Aria Crantz. Ruscus aculeatus L. Lichen quid ? Primula acaulis Jacq. Cochlearia officinalis L., die zu Hallers Zeit sich hin und wieder in der Bergregion der Schweiz fand. Emex aquat. Ein Rumex. Holosteum umbellatum L. Polemonium coeruleum L. Rhus Cotinus L. (Coggygria Scop.) Hesperis matronalis L. Chlora perfoliota L. Salix vielleicht glauca L. Anarrhinum bellidifolium Desf. Orchis palmata III = O. incarnata L. Nigritella nigra Rb. v. rosea. Trifolium ochroleucum L. Siehe Dissert. La Chenal cit. p. 1. Euphrasia Salisburgensis Funck. Ist heute noch bei Waldenburg vorhanden. Hieracium amplexicaule L. Tithymalus = Euphorbia Gerardiana Jacq. Erica forte nov. vielleicht Empetrum nigrum L? Laserpitium minimum = Ligusticum simplex All. Aster Jacobeae similis = vielleicht Senecio unillorus L. Achillea fol. pinnat. latis curtibus = vielleicht A. Herba Rota der Grajischen Alpen. H. Christ. Betonica alpina = B. hirsuta L. Gentiana ciliata L. Epigogon aphyllus Sw. Orchis minima = Chamaeorchis alpina Rich. Cicuta virosa L. Persicaria racemosa wohl Polygonum alpinum All. Armeria alpina Willd. Bunias Erucago L. Epimedium alpinum L. Hyacinthus = Scilla bifolia L. Anemone bulbocastani f. wohl A. stellata Lam., die zu Hallers Zeit bei Roche noch vorkam. Bunium bulbocastanum L. Lathyrus latifolius L. Gentiana acaulis L. ) Viola pinnata L. Lilium purpureum = L. croceum Chaix. Gramen caryophyllaceum = Aira caryophyllea L. Jasminum officinale L. verwildert. Myagrum = Rapistrum rugosum Berg. Iberis amara L. ) Pyrethrum rarior = Chrysanthemum corymbosum L. Chenopodium ambrosioides L. M. Wurmiensis = Wormser Joch. Pasturo im Val Sasina am Lecco-See, an der später so berühmten Grigna. Sylvias = Matterhorn. Alsine alpina glabra = Silene rupestris L. Telephium = Sedum Telephium L. Anwyl, abgelegene Berggemeinde im C. Baselland. Porta Riehana, das nach Riehen führende Stadtthor. Hieracium lanatum L. Briefwechsel zwischen Haller und LaChenal. Haller an La Chenat. Roche, 21. Apr. 1759. Coll. O. Schönauer. Monsieur LaChenal Licentie très célèbre en Médecine à Basle. Grates agnosco Tuam clarissime vir humanitatem, quia egregio scripto me exhilarasti, cujus ut cum meritis laudibus fiat mentis diligenter curabo. Si placeret Bernam ad Zerlederum mercatorem stirpes aliquas rariores mittere, multum me delectares, tuamque comitatem aliis vicissim plantulis compensarem. Vellem autem ut stirpes mitteres de quibus agis, excepta Circaea, Polycnemo, Peta- site elatiori!) et plantis f. 14, 15 quibus non destituor. Hippo- marathr.?) nobis vulgare est. Si aliquando in montosis Jurae co- rallhorhizam *) offenderes, gratum faceres si quam accuratissime in stamina inquireres. Valde enim singularia mihi visa sunt. Vacabit in Academia celebri,*) ut vereor, cathedra botanica. Cum te totum his deliciis noverim immersum, dic quaeso candide, num ea sparta Tibi tuisque conveniat fortuna. Sed Tecum hanc cogitationem servabis nemini communicabilem. Si conditio Tibi in universum non displicet, consilium meum porro aperiam. NB. Dieser Brief Hallers ist die Antwort auf die Zusendung der Dissertation La Chenals: Specimen inaugurale observationum Botanicarum 30. mart. 1759. Basil, Typ. Joh. Henr. Decker. C. La Chenal an Haller. Basel, 28. Ap. 1759. Ep. IV p. 231 N. 85. Corallorhiza hat La Chenal von Chätelain®) getrocknet aus dem Jura von Brévine und will auf lebende Exemplare fahnden zur Be- obachtung der Stamina, ebenso auf die andern Wünsche Hallers; auch die Arabis siliquis recurvis,°) quae magna copia provenit in muro antiquo prope collegium Erasmianum will er senden. Die in Aussicht gestellte Cathedra findet LaChenal seinen fortunis et summo ardore, quo in stirpium noticiam feror, con- veniens accommodaque, dummodo humeris meis tale onus haud foret impar. Haller an LaChenal. Roche, 2. Mai 1759. Coll. ©. Schön. Modestia tua non impedit, quominus ternario additus sis, va- canti Gottingensi Botanicae cathedrae destinato. Utrumque supremi 3 34 H. Christ. Ministri de electione statuerint, erit certe honori meritumque labo- rum susceptorum praemium. In Corallorhiza velim valde roges Cl. Ohatelain,’) ut velit sta- mina solliciter observasse, lente vitrea adhibita, et si potest fieri delineare. Valde placerét cum Ol. Viro literarium commercium inire. Arabis sil. recurvis vulgo provenit. Est inter Orchides circa Basileam nascentes species Cercopi- thecum referens, olim a Stähelino mecum communicata, quam qui- dem suspicor non differre ab O. hiante cucullo, sed tamen mira gracilitate brachiorum et corpusculi adeo ludere.’) Gratum facies mi Cl. si in eam hoc optimo anni tempore oculos intenderes. Ego nuper reperi proximum pagum Anthropophoram feminam,°) inter alias plantas Hyacinthum stellarem?) quem et vos habetis, duo gramina prolifera ex duobus paniculatis vulgaribus nata, ali- qua alia. = LaChenal an Haller. Basel, 9. Mai 1759. Ep. IV p. 230 N. 84. La Chenal teilt mit, dass er bei Wyl die Genista 2 Enum. Helv.!°) und das Ornithopodium 1!) fand, und ebenda, sowie in pratis inter pontem Wiesae et Wyl und inter Neuhaus et Haltingen das Alyssum Allionii,'”) dessen Beschreibung er gibt. In steinigen Ackern bei Wyl und versus Haltingen stand in credibili copia Nasturtium petraeum fol. Bursae pastoris ©. B.'?). Haller an LaChenal. 18. Mai 1759. Roche. Coll. O. Sch. Accepi hodie Cl. LaChenal fasciculum stirpium quae gratae ad- venerunt. Pleraque nominibus respondent. Salices vulgatiores sunt. Jacea est .... cum squamis cilii instar pilosis. Alysson!?) est po- tius adfine Sisymbrio palustri, qui Raphanus aquaticus, foliis recti- lineis inprimis diversus. Si porro rariores mecum stirpes communicaveris, rem facies gratissimam. Ego meas mutuo offero. Nuper reperi Oenanthen rigidam,!**) Symphytum Echäi £.'%) Astragalum claviculatum,'°°) Scorzoneram an- gustifoliam Clus.,#) hanc nondum lectam in Helvetia, Phalang. non ramosum flore majori, ) Cardaminam Impatientem, omnino ape- talam. De Tua commendatione ad Curatorem Academiae scripsi ad- que Warthofium. Est semper honorato Tui mentis, etsi alius forte praemium auferat, ut fere fit. Amicissimum Berdotum plurimum saluto. De Corallorhiza gratum est, et fere necessarium fuerit audire. LaChenal an Haller. 15. Jun. 1759. Montbelgardi. Ep. IV p. 217 N. 81. Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 35 LaChenal dankt für Haller’s Verwendung in Göttingen: ut- cunque hoc negotium finietur, maximo mihi semper honori ducam ternario additum fuisse. Er verbreitet sich über das Alysson Allionii *) und glaubt, es sei zu den Sisymbria zu stellen. Er fand die Pflanze schon im Herbar von Hagenbach und von J. R. Zwinger. Am Grenzacher- horn fand er Orchis militaris major'®) in wenigen Exemplaren. Der Brief endigt mit einem Verzeichnis von Pflanzen von Mömpel- gardt. Haller an LaChenal. 17. Jul. 1759. Roche. Coll. O. Sch. Cum Hahnius Ultrajectensium professor conditiones Gottingenses rejecerit, non erit absque spe, cogitationes meas ad aliquam maturi- tatem, cum Tuo decore perventuras. Alysson!?) nunc intelligo esse speciem sisymbrii quod Raphanus aquaticus foliis valde divisis. (Cum eo ergo comparasse oportet, num vere nomen sit, Reliquas species recolam. A D. Chatelain non audivi. Catalogi quos dieis adierunt gratiosissimi, tum specimina Bunj.,'”) Petas. minoris *) ornithogali angustifolii.'?) Ego nuper duobus itineribus alpes nostras adıi, summus etiam M. Enzeinda?®) conscendi, eoque superato Valesiae M. Cheville. Varia rariora reperi, Uvulariam,?') Lychnitidem,?”) Saxifragam pe- talis quadridentatis, Aretiam sessilem®) etc. et in primis Alsinen **) quam novam suspicor, adfinem illi saxatili multifoliaceae et multi- florae, sed foliis succulentis, latioribus, obtusis. Post 15 dies aliud iter suscipere constitui, atque ita ex ordine, demum montana nostra exhaurire tentabo. LaChenal an Haller. Basel, 19. Aug. 1759. Ep. IV p. 233 NPASG: Jurae varios tractus adii in Burgundiam usque, imprimis rupes salutavi, quae oppidulum (Montisbelgardi) a D. Hippolyto dietum circumdant longa serie variasque rariores ibi plantas legi, eas ni- mirum, quae prope Montcheron indicantur, qui pagus dicto Hippo- lito vicinus est. Videntur mihi plantae dictorum locorum jure Hel- veticis stirpibus posse annumerari, cum hae regiones a jura M. undique circumdatae, et Episcopatui Basileensi conterminae sint. (NB. Diese reiche Felsenreihe, wo Iberis saxatilis, Erysimum ochroleucum und viele andere Jurapflanzen angegeben werden, ist schon seit langer Zeit durch Festungswerke unnahbar gemacht. C.) La Chenal meldet ferner die Lychnis noctiflora ©. B.*) vor dem St. ‚Johanntor tamen adhuc dubia, den Centunculus Dill.?°) circa Rothhaus, veronica procumbeus?”) Riv. zwischen Muttenz und Mönchenstein, Trifolium fragiferum frisicum C.B.*) ad Birsecum. 36 H. Christ. (NB. Der Name frisicum stammt von ©. Clusius, der die Pflanze (vergl. curae posteriores 1611 p. 73) aus Friesland von. Dortmann erhielt. C.) Über die res Göttingenses schreibt er: amore stirpium qui in dies augetur ductus, hancce conditionem valde desiderare incipio, licet alio respectu eam haud parum reformidem. Utcunque sors cadet, semper tibi ero obstrictissimus. Haller an LaChenal. 23. Aug. 1759. Coll. O. Sch. Accepi cl. La Chenal fasciculum plantarum, et in ceteris cata- logum helveticarum, quarum multae pergratae sunt, maxime Pha- laris oryzoides.*”) Lychnitiden vide ne sit alba dioicos. Si vero obsolete carnea est erit noctiflora,?°) quam bene novi, et germanicus Centunculus?®) hic copiosissime ad ripam lacus provenit, cum G. dactylo arundinaceo,*°) Lemna. Astero succisae f. Ruppii, Gratiola, aliisque. Trif. fragiferum **) Bernae et hic abunde. In alpinis mira cum laetitia incredibilem numerum plantarum nondum a me repertarum retuli, ut Cistum coeruleum cynoglossi f. Veronicam nummulariae f.?!) Sedum luteum novum, certe mihi non visum floribus sessilibus Aretias omnes, has majori copia, Rutam mura- riam longifoliam,°”) Thuam(?) (hanc olim repereram) Doronicum non- dum evolutum foliis laciniatis, Delphinium aconitif.*) Hoc vulg. adest. Coronillam minimam,**) Absinthium°’) ut videtur peculiare, adfine odorato sericeo, alios. Earum fasciculum Tibi curabo. Dis- tinctum etiam demum a vulgari Thysselino aliud non lactescens nobis®®) abunde cum allio radice tenuissima(?)°?”) nascitur, penitus non lactescens, radice simpliciori, caule stricto, rectissimo. An nusquam vidisti Peucedanum ? **) Ego in Helvetia nunquam, in Germania. Gottingae in Boehmerum Wittenbergensem inclinant, ut commendatio param sit habitura roboris. Varietates Pseudorchidis flore rubro, O. nigrae flore roseo,°”) numquam visas nunc etiam ex alpibus retuli, Orchidem luteam etiam ‘’) dudum. Gratus eris hospes si quando has laetissimas terras juvabit invisere, et in Valesia procul dubio novas plantas deteges. Nam etiam ego, ex quo hic dego, hieracium tomentosum Dill., Adonin perennem“) et alias multas ibidem partim habui partim ipse legi. LaChenal an Haller. Basel, 12. Sept. 1759. Ep. IV p. 245 N. 90. De Lychnide certum est esse Lychnidem noctifloram.?°) Trifolium fragiferum nunc ubique reperio. Quod Göttingae in alium potius quam in me meinen non miror neque aegre fero. Licet commendatio Tua sperato effectu caruerit, sola tamen voluntate in perpetuum me Vir illustrissime Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. a devinxisti. Non parum tamen doleo, domesticis rationibus suasu- que parentum me fore coactum, praxi medicae operam navare. De honorifica Tua invitatione grates maximas ago. Talia iti- nera botanica majora lubentissime jam instituissem, nisi patre jam dudum essem orbatus, qui necessarios pro iis sumtus suppeditare queat. LaChenal meldet neue Funde: Scirpus acicularis Linn. in su- periore piscina prope Kleinriehen, Carduus Tataricus Linn.‘) trans Birsam, Pseudocyperus maritimus Michel.‘?) s. Scirpus acutus Linn. infra Neudorf. Rhamnoides,‘‘) ebenda, Eruca sativa“) Fuchs cum E. inodora J. B.“°) incredibili copia eirca Neudorf. Orobanche ramosa inter cannabim copiose ebenda. Gramen paniculis elegantissimis minimum Scheuchz.*’) ad Wiesam et ripam Rheni extra portam Johanneam, ubi dudum jam invenerat Cl. Miegius. Haller an LaChenal. Roche, 14. Sept. 1759. Coll. ©. Sch. His jam scriptis, accipio Tuas datas 12. Sept. In Plantis quas mandas, desidero Gr. elegantiss.?”) Pseudocyperum maritimum hor- deaceum “) Tastorianum(?) Meas mittam exeunte M. octobri, neque spero tibi displicituras. Cum praxi poteris, ut ego feci, plantarum venationes conjungere. Sumtus itineris, si placet, largiar. Esset suscipiendum à. 1760 ad 1761. Faciendum per Valesiam, M. Grajos, Mendrisium, ubi amicum habeo praefectum, partem Vallis Tellinae, mensis eligendus Julius. Si placet, conditiones jam factae sunt. Feram itineris fruc- tus, neque deerit honestum corollarium. Quid agit Mieg a quo nihil inaudio. LaChenal an Haller. Basel, 17. octob. 1759. Ep. IV p. 247 IN. Iter, cujus sumptus largiri offers, lubentissime susciperem, nisi ob affectus hypochondriaco - vertiginosos, quibus satis sum ob- noxius, vias. illas angustas et abruptas locaque horrida praeci- pitiis imminentia, quae in alpibus vulgaria esse dicuntur, timerem. Er meldet neue Funde, auch dass er Phalaris oryzoides Linn.*°) in der piscina media bei Kleinriehen häufig fand und fügt die Be- obachtung bei: Panicula, semine ad maturitatem accedente, totam sese in va- gina supremi folii abscondit. CI. Miegius praxi medica ob dysenterias et variolas epidemice hic grassantes obrutus hactenus impeditus fuit. Haller an LaChenal. Roche, 2. Nov. 1759. Coll. ©. Sch. Mitto tibi ©. La Chenal satis spissum plantarum fasciculum, Pleraeque alpinae sunt, paucae exoticae, neque ea rara, diu enim 38 H. Christ. est quod e hortis absum. Nomina comparata Enumer. stirp. helv. facile intelliges. Observationes quas excitavi, in Excerpto Literario Bernensi edo. Iter facile, absque ullo periculo aut praecipitio et tamen utilissimum fieri potest, per viam regiam Gothardi M. Mendrisium, quo loco amicus meus Brunnerus praefectus loci, Te proteget, ut commode 15 diebus posses in ea ultima transalpina Helvetia plantas legere. Posses inde per Valesiam et M. Sem- pronium, qua posta et equi mulique incedunt, Rupem adire. Phalaridis oryzoidis??) aliquam copiam desiderarem. Vellem etiam et Sinapi,*°) simullimam Erucae äsperae, sed flore constanter flavo, aliquanto glabrum cum S. Erucae‘°) confinem, quae vobis vulgo provenit, ut haec flava nobis circa Bex et Agaunum. Ex manu dextra laboravi, ut nihil in plantis praestiterim. Nunc ad muscos redeo, neque tamen hic abundant, cum viarum humida- rum, Cavernarum et silvarum parum sit. Sed redeunte cum anno, si Deo videbitur, novis itineribus plantas alpinas persequar, qua- rum hic in vicinia dives certe seges est. Ruyschianam,*) Absinthium novum,*) aliasque raras plantas nondum misi, quod inter meas mihi destinatas lateant, sed si igno- tus, et cum graminibus advenient. Ex vestratibus desiderarem proximo vere Alsinen vernam gla- bram,5°) Tithymalum Myrsiniten,°') Petasiten album, Sedum ar- vense cum foliis, Gramen elegantissimum ‘’) vestras minimum, La- thyrum narbonensem??) et alterum angustifolium si diversum est. Optime factum est ne de Hippomarathro*, scriberes. Non est Hippomarathrum quam credidimus. Accepi ex Austria verum, iconi Rivini simile: quem nos habemus, Pimpinella est tenuifolia, a quo Hippomarathrum involucro umbellae unifolio, pelviformi serrato differt. Possis genera conjungere cum in Bupleuro non major in- volucri sit constantia. Sed species conjungere nequeas. LaChenal an Haller. 22. Nov. 1759. Basel. Ep. IV p. 254 N. 95. Iter eo quo scripsisti, modo lubentissime suscipiam, eoque ma- jori cum voluptate, quod loca illa Helvetiae transalpina stirpium gratia nondum, ni fallor, sint perlustrata. Über die von Haller verlangte Alsine verna glabra°®) ist La Chenal in Zweifel; der Lathyrus narbonensis°”) findet sich um Basel nicht. Andere von Haller verlangte Arten werden von ihm diskutiert. Haller an LaChenal: Rupe, 14. Dec. 1759. Coll. O. Sch. Plantas quas misisti Cl. LaChenal accepi, et vicissim Te ac- cepisse spero quas nuper misi. Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 39 Alsinen vernam glabram tetrapetalam °°) intelligebam. Nam Holosteum Göttingae vulgatissimum est. Certum est nostram plantam ab Hypomarathro °®) divisis ra- diis involucri differre, et monuit de pelviformi, mei-folio, involucro non hippomarathri Kramerus. Trifolium°®) a Linnaeo nominasti. Mihi haec nomina ignota sunt neque semper vacat camparare ejus species. Quare praeferam si ut Tuis utereris. Non de Raphanistro segetum ago, optime La Chenal, sed de Sisymbrio Erucae f. aspero flore luteo,‘) planta välde vicina vestrae Erucae sylv. f. aspero,‘°) sed diversa flore vere flavo, et nonnullis aliis notis. Cum nostram miserim, petieram ut conferes, et num nostra nuper Tibi missa a vestris differat rescri- bas. Item nunc ut facias rogo. Et musci, hypna imprimis, et lichenes difficultatem habent et varıabili ... aetatem facie. Haec nostra regio parum fert, alpes vicinae magis, non tamen magnà in earum muscis est varietas. LaChenal an Haller. Basel, 22. Dec. 1759. Ep. IV p. 266 N93: Trifolium?®) ex Linneo nominavi quod non aliud tune nomen constabat. Valde mihi vicinum videtur Trifolio repenti albo, La Chenal diskutiert die an Haller gesandten Basler Pflanzen. Inspiciendum nuper misit Cl. Respingerus pulcherrimam Tuam orchidei generis elaborationem, et ut mendarum typographicarum correctionem in me susciperem rogavit, quod lubentissime faciam. Von hier an nimmt die durch La Ühenal zu leistende Korrektur- arbeit der Hallerschen Drucke einen grossen Teil der Korrespondenz in Beschlag. Perhonorificum dissertationis meae in Nov. Litterar. Götting recensionem maximopere me Tibi obstrinxisti. Haller an LaChenal. 31. Dec. 1759. Coll. O. Sch. Haller versichert, er werde die Kosten der Reise, die La Chenal zur Bereicherung seiner Floren-Nachträge unternehme, reichlich vergüten. Ego interim silvas nostras alpesque revisero, non absque spe novarum civium. Anno sequente Valesiam peterem. Cum itineribus meis per Aquilegiensem ditionem cura mihi demandata sylvarum convenit. Diss. Tua aliter recenseri neque potuit neque debuit. Haller meldet, dass der von Wittenberg nach Göttingen be- rufene Böhmer abgeschlagen habe, und dass nun Büttner in Berlin in Frage komme, der aber auch zweifelhaft sei, sodass doch die Sache an LaChenal zurückgehen könne. 40 H. Christ. La Chenal an Haller. Basel, 20. Feb. 1760. Ep. IV p. 273 S. 103. La Chenal erfuhr von Mieg, dass Haller nun endlich das Alysson Allioni für eine neue Pflanze hält, und erbittet sich von ihm seine nähere Ansicht, ehe er davon eine Beschreibung den Act. Helv. einrückt. Haller an La Chenal. 17. März 1760. Rupe. Coll. O. Sch. Semper hærent suspensi Gottingenses. Geraniis disputatio Cl. Burmanni cujus specimen tibi servo. La Chenal an Haller. Basel, 12. Ap. 1760. Ep. IV p. 276 N. 106. La Chenal berichtet über zwei gelbe Ornithogalum, die eine°‘) aus den Aeckern vom Holee, Gundeldingen etc., die andere°?) aus den Wäldchen an der Wiese zusammen mit dem Ranunculus ne- morosus. Auch fand er den Tithymalus myrsinites fructu verru- coso°!) überall gemein, und verschieden von dem viel seltenern der Enum. Helv.°!) vom Rhein bei Kleinhüningen. Haller an La Chenal. 28. Ap. 1760. Rupe. Coll. O. Sch. De Ornithogalis subdubito optime la chenal. Nobis quidem ramosum et grandius in pratis provenit. Sie de Tithymalo myrsinite, quod mitte occasione data. Vereor ne sit alteruter nostratium praeter immerso fructu. Si Julio imminente Mendrisium proficisceris curabo tibi Bernæ 50 imp. apud Zerlederum, dein literas commendatitias ad Praefectum mendrisii Brunnerum amicum meum addam, ut pro desiderio tuo plus numeret pecuniæ, iter facilius conficietur in toto. Tu enim a Basilea ad Basileam ito. Haller führt dann in unleserlich hastiger Schrift aus, er könne La Chenal nur das Nötige geben. Dann kommt der rätselhafte Satz : Nummi 4 bernenses 8 et exiguæ divitiae facient, ut cum ardore, quo ad studia .... cogar conjungere parcimoniam. An Huber habe er 50 imp. für eine ähnliche Reise nach Mailand gezahlt. Dieser habe die von ihm gesammelten Pflanzen so verpackt, ut fere pro impedimento fuerint, astragali potissimum. Auch von fortes chartas ist undeutlich die Rede. La Chenal an Haller. Basel, 20. Mai 1760. Ep. IV p. 286 N. 109. Quam mihi offers pecuniae summam sufficiens omnino mihi videtur, jedoch wünscht La Chenal die Reise erst folgendes Jahr 1761 anzutreten wegen seiner infolge Todes seiner Mutter ge- schwächten Gesundheit, sodass er vorher eine Mineralwasserkur machen muss. Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 41 Bei Mert auf Sumpfwiesen am Rhein fand L. ein schönes Exemplar des Polemonium nebst Thalictrum, bei Wyl mit Ornitho- podium das Phalangium non ramosum ©) und magnam vim Knawel perennis°®) majori flore, endlich auf der Rütihardt bei Muttenz Nissolia°”), Lathyrus sil. hirsuta°®), Aphaca°®), L. arvensis rep. rub.®). Sedum arvense flore rubente°'). Uebrigens kommt L. in einem P.S. auf seine hypochondriaca suspiria und vertigo zurück und sagt: quæ forsan omnia hoc itinere melius quam ullis aliis remediis debellare possem. Haller an La Chenal. Roche, 25. Mai 1760. Coll. O. Sch. D. Chatelain schrieb gestern um die Erlaubnis, den La Chenal begleiten zu können. Haller ist einverstanden. Mit 100 floren, sollte es gehen, da man leicht noch etwas nachspenden könne. Præcipitia nulla eo in itinere sunt; hypochondriacum malum potius levabitur. Itaque si vis in consilio pergere, fac sciat D. Chatelain et cum eo conveni. Si displicent conditiones, perinde mone. Die anfangs schwer scheinenden Bedenken pflegen sich durch den Aus- gang fröhlich zu lösen. Es folgen nun die merkwürdigen Itinerarien, die Haller seinen beiden Reisenden vorschreibt, die freilich durch unleserliche Zeilen entstellt sind. Haller an La Chenal. 13. Jun. 1760. Coll. ©. Sch. Habes hic Ol. la Chenal schedulam quam per Berdotum nostrum promisi. Fructuosum sit felixque iter Tuum. Reddet tibi Bern» Zerlederus cum nummis literas Mendrisium ad D. Brunner Praefectum. Potes ibi aliquot dieb. quiesceri, et proxima percurrere. Iter facies a 1 Julii. Erit hoc iter uti scripsi ad D. Chatelain. Berna ob nummos. Lucerna biduum,. Altorf Dies 1. Hospital Dies 1. Airolo Dies 1 ut possis abunde Gothardi divitias exa- minare. Si die ho poteres vallem di Rittom visere. Rhætos re- giones. Rhodiam rad.) et alias plantas. Bellinzona sesquis dies. Mendrisio sesquis dies. Margozzo tantum d. Domodizula semi dies. Per Sempronium Brigam Sesquis dies. Sedunum Sesquis dies, Rupe Sesquis dies, Si a Domo dozula peteres per collem Eginam pagum Gestelen, adire posses glacialem montem ex quo surgit Rhodanus, plenam pulcherrimis plantis. Iter esset uno die longius. Potius passim quiescere. Noli parcere chartae. Si velis rusticus homo qui ferat onus ...., hune passim vice dua ne in pericula incidatis. Nulla reperietis præcipitia, .viamque ubique etiam equis et mulis apertam, Tithymalum Myrsiniten 5’) nunc distinxi, non credo prius man- dasse. Circo Grand champ crescit cum Geranio phaeo. 42 H. Christ. Caprifolium rubro flore) a D. Chatelain exspecto, anno priore desideratum. Multos plantas desideratas reperi, potissimum Orchidem palmatam fl. maculato D. Seguieri, abunde Caprifolium f. ovatis glabris integr.°°). Petasites tomentosum°®). Pr. nomine hujus generis oportebit mutare. Gagnebinius etiam iter se percep- turum scribit. Petit conditiones minimos, plantasque male con- servat, caeterum bonus venator stirpium. Haller an Monsieur La Chenal Docteur en Médecine à Mendris par Lucerne, recommandé à Monsieur le Baillif Brunner de Men- dris.2 Rupe, 8% Jul2 174607. 001207 Sch. Audio la Chenalli clarissime et optime Castellani, vos Bernæ fuisse D. 6 Juli. Nune ut Mendrisium feliciter attingatis vota mea sunt. His autem vos adire volui, uti faciatis maturius meas post cogitationes mihi videri, maturius fore, si Mendrisio lacum Comensem peteretis. Num certum? bene Chiavennam, Bernardinum M. Spelugam, Ouriam. Num Valesia mihi vicinior a me ipso aditur anno 1761. Si quid est difficultatis, nimire nolo vobis imparare pericula. Inter nuperas meas plantas est Orotis sibirica, Onobrychis alis bifidis, nova planta rupestris, aliasque non malas. Plura vero a vobis exspecto. Chiavennae Celtis provenit, et Oytisus perpulcher et alia forte si vacaret unum alterum diem ibi legere. Ita valete et ad gloriam porro vestram per labores emergite, quo nunquam dimittam illaudatos. La Chenal an Haller. Mendrisii, 21. Jul. 1760. Ep. IV p. 295 NE al: Felix faustumque fuit iter hucusque, ubi a D. Brunnero gra- tiosissime excepti sumus. Plantas in alpibus perpulchras legiums, novas nullas, si forsan aliquot Hieracia exceperis. Myrrhides tres distinxisse me credo. In Transalpina vero Helvetia quasdam novas cives detexi, Genistam scopariam‘?) frequentissimam ab Ayrolo Mendrisium usque, spergulam saginoidem Linn%). Flam- _ mulam rectam°%), Oxyn luteam °), Galium purpureum °°), Plantaginem angustissimo folio®), diversam ab Holosteo alpino nigricante°°), Fumariam luteam‘®). Alsines species multas legimus, Gentianas, Pediculares etc. perpulchras, etiam Ranunculum 1. En. Helv. Cyti- sum ’®) heic et Bellinzonæ atque prope Zollbrücke frequentissimum. Rusci aculeati maxima hic occurrit copia. Cras montem Generosum ascendemus, plenum, communi hic locorum fama, pulcherrimis stirpibus, Paeonia”!), Mandragora’?”) etc. Inter alia quae sumtus auxerunt, accesserunt pluviæ continuae, que nos per triduum in pago Wasen commorari coegerunt. Persuasum vero Te vellem vir illustrissime, praeter necessaria nos nihil desiderare. Jacea cum Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 43 squamis cilii instar pilosi J. B.’? ab Ayrolo hucusque in omnibus pratis et ad vias frequentissima est, Mirum est Jaceam nigram vulg. latif. hic loci ubi altera provenit, nullibi occurrere. Haller an La Chenal. Rupe, 9. Aug. 1760. Coll. Sch. Dubitavi respondere Cl. La Chenal quod de mora Tua Men- drisione nihil scripsisses, valdeque dubitarim quem in locum literas commendare præstaret. Interim Amic. Brunnero scripsi ut 4 L. L. aureos Tibi numeraret. Ita quidem ad ... destinati sumtus sunt, neque ego tot cum liberis insum in conditione, ut possim ejusmodi nostros negligere: interim tamen neque Te vellem, cum tuo labore, praeterea rei domesticae pati dispendium. Bernam te venire aut venisse aut proxime adventarum esse credo, avideque expecto, tum ante legam plantarum a vobis repertarum et charac- teres et deinde plantas ipsas. Plurimarum enim de Tua industria spem concepi. Quare fas est iis missis me porro exhilares. Literas remisi ad fratrem. Ego hic et ipse iter non mediocre sum molitus, et aliud in meam gratiam D. de Coppet et Ricou susceperunt, quorum, quum posteriori loco dico, anno 1761 in Valesiam, Sempronium M. et alpes Grajos iter suscipiet, meo sumtu. Ego astragalos duos habeo praeter priores, album flavumque, forte novos, Ericam mihi ignotam’*), Saxifragas duas in Enum. desideratas, Hesper. sil, strictissimis, Violas duas rariores, reniformem et Allionianam ”°) Geranium perpulchrum’®) et inprimis juncum triflorum (non trifi- dum)’”) pentaphylloides album °®), Oyclamen’®), fragariam nanam °°), Salices quatuor species parum notas, alias stirpes aut novas, aut quos nunc primum recte determinam. Earum specimina ad Te et D. Chatelain hac hieme mittam. Avite (sic!) a Te exspecto itineris descriptionem et reliqua. Huberus pluviis penitus infestatus, me- dicum in itinere adhibuit. La Chenal an Haller. 1. Aug. 1760. Ep. IV p. 305 N. 116. Missos hodie ad Zerlederum plantas cum catalogo brevi Te accepturum esse spero. Miror certe me tantum iter, aestum vali- dissimum, subitasque in montibus istis aeris mutationes absque magno incommodo perferre potuisse. Colica tamen satis atroci per aliquot dies afficiebar eo tempore, quo Spelugam conscendimus, quae impedibat quominus et Bernardinum M. satis praeterea a via nostra distantem adirem. Helvetia transalpina omnino non iter meretur, sed moram et quietam rusticationem, ut ipsissimis Tuis verbis utar, praeprimis loca lacui Luganensi adjacentia, mons Generosus, Clavennensis ditio, ubi quidem omnia tam exusta erant calore praegresso, ut exigua superfuerit rariorum plantarum copia. 44 H. Christ. Mendrisiana regio paucas plantas alit, cum praeter agros vineasque fere nihil sit. Majorem tamen, ut verum fatear, industriam adhibeo in planitie vel etiam in montibus humilioribus, quam quidem in alpibus, ubi minus hypochondriacis affectibus torqueor, ob aeris ut videtur le- vitate. Itineris descriptionem quam petis, alia vice mittam, cum nondum in ordinem digesta sit. La Chenal an Haller. Basel, 13. Aug. 1760. Ep. IV p. 298 N Feliciter tandem ad finem perductum est iter nostrum. Auf der Rückreise wurden gefunden Galium atropurpureum®!), Galium tinctorium Linn ?°?) Inula hirta Linn. Thymelaea folio lini? Cistus feminea salviae foliis®®), Lychnis parva flore rubello ex viscaginum genere°*), Celtis australis, Astragalus quem olim Gesnerus versus Curiam reperit®) etc. Speluga M. plenus est pulcherrimis plantis. Sibbaldia, Linnaea etc. Mandragora ?) omnino provenit in M. Ge- neroso, licet talibus in locis quorum aditus harum viarum insuetis nimis periculosus est. Fructum tamen recentem vidimus inde allatum. Paeonia femina 1) ibi in pascuis vulgaris est. Mendrisiana regio pauperrima est stirpium, quod mirabar. Plures proveniunt circa Chiavenna, ab aliis tamen jam ex parte detectae. Phytolacca°®) ibi in ruderosis valde frequens est. Novas igitur cives fere 12 ad 15 deteximus, minor copia quam sperabam, minime tamen nostra culpa. Haller an La Chenal. 20. Aug. 1760. Ooll. Sch. De feliciter superato itinere gratulor. Si anno insequente per vallem Tellinam et Engadinum aliud simile voles suscipere, similes adferam conditiones, Etiam nunc paratus adhuc, quam supra meos nummos congestis. Ftsi enim octo liberorum non dives pater, nihil tamen intentaturo relinquere constitui, ut plenissimus meus catalogus prodeat. Ego per meo itinere plus .. novos cives hac aestate detexi. Astragalum album alis bifidis, flavum®’) (hic Phaca est) Sabinam °°) multiformem, Andromedam triangulam °°), etsi non- dum floruit, novam certe plantulam, Saxifragam pyrenaicam tridact. latifoliam °°). Saxifragam serpylli folio. Samolum°!) (hunc prope Rupem) Earum omnium Tibi copiam faciam. Plantas vestras avidus exspecto. Nolim vos vestri laboris fructu privare, et facile video exempla vobis carissima harum stir- pium deberi. Quamplurimum vero praeter eo quae vobis servabitis, quaeso mittatis, cum et amici misissent, haec meo redimerem, et ipse soleam vix fidem descriptioni, nisi plures ad plantas factae. Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 45 Reperi satis circa Mason Ischaemum Gryllum *) et alia forte pulchra. Linnaea in helvetia rara est. Sibbaldia nobis frequens. Mature floret, ut fere alyssi flore reperiatur. Fragrans etiam fragaria helv. nova°). Anemone alpina minor”), Campanula et Viola Allion.’®). Salix utrinque villosa°), quam nunc nondum expedio, Rapunculus (?) gramineus°°), Iuncus biflorus?‘), Carex spicis obtusis”’) et aliae altiorum Alpium incolae. Paulatim pauciores requiro, et hanc regionem puto in quatuor annos pene exhausta. Supersunt aliae adeundae alpes parum visae. Haller an La Chenal. Roche, 23. Aug. 1760. Coll. O. Sch. Haller wartet ungeduldig auf die Ankunft der von La Chenal auf der Reise gesammelten Ernte. Er sandte einen Venator in die höchsten Berge des Tales Enceinda. Er spielt auf eine neue Fahrt Lachenals nach dem Veltlin, Chiavenna, Lugano an und in die gegen Italien gewandten Alpen. Gagnebin aptus est ad ne- gotium, conditiones autem faciebat, quas ego privatus et octo libe- rorum pater ad rem non seriosam non potui ferre. Non erat sperandum duos ejusdem ardoris sodales iter unum facturos. Non potest fieri quin alter peritia emineat et ardore hoc ageret. La Chenal an Haller. Montisbelgardi, 31. Aug. 1760. Ep. IV DES03EN. 118. Gaudeo plantas feliciter advenisse. Amicissimus Chatelain ut ab amico Neostadiensi accepi, nunc domi morbo affligitur. Da er auf 4 Briefe nicht antwortete, hält Lachenal seinen Zustand für ernst. Haller an La Chenal. Rupe, 10. Sept. 1760. Coll. ©. Sch. Nuper Valesiacis indigenis Cotinum’?) addidi, procul dubio et transalpinae helvetiae indigenam. La Chenal an Haller. Montbelgardi, 7. Oct. 1760. Ep. IV D, Ge) INENIPA0) Am. Chatelain tandem quod gaudeo, in morbo acuto feliciter liberatus est. Er war einen Monat krank und in Todesgefahr. Der Brief geht auf Pflanzen der Reiseausbeute und einhei- mische ein; La Chenal vermisst für die Bestimmung der erstern sehr die Hist. plant. des Joh. Bauhin, die er trotz aller Mühe sich nicht verschaffen kann. Bei Mömpelgardt fand er den Ranunculus aquaticus °) des Mappus. Den Centunculus findet er überall. Haller an La Chenal. Rupe, 3. Nov. 1760. Coll. O. Sch. Bespricht Reisepläne für nächstes Jahr, Tu si trans alpes in Valle Tellina aut Lugani viveres, procul dubio plurimas novas cives etiamsi non alpinas detegeres. 46 H. Christ. Haller selbst hofft nach Bagnes und dem praealtum Lioson zu gehen. Spezieskritik der gesammelten Pflanzen nimmt die folgenden Briefe ein. Haller an La Chenal. Rupe, 13. Mrz. 1761. Coll. O. Sch. Haller gibt seinem Schüler folgende Verhaltungsmassregel: Exest tibi firmanda, optime Wernere, ut unico specimini vix unquam credas quidquam, sed per omnes quantum poteris notatis, quamque stirpem persequeris, tum demum pro peculiari halben, si numerosissima exempla talem declarant. Ex ea lege multas species induxi. La Chenal an Haller. Montisbelgardi, 15. Ap. 1761. Ep. V p. 40 N. 147. Bericht einer Reise durch den Jura nach Biel: Folgende Funde: Primula acaulis scapis unifloris®') bei Biel abunde cum Trifolio hepatico.'°) Ceterach®’) an Felsen bei Corno eine Stunde von Bruntrut. Buxus magna copia in monticulis et collibus circa pagum Buis inter Dattenried et Bruntrut. Eine zweite Alpenreise kann Lachenal nicht wohl unternehmen, weil er zur Vertretung des Zwinger im Basler Spital aufgefordert wurde. Der Juncus acutus maritimus caule trigono ©. Bauhin°*) ist auf feuchtem Sande am Rhein unterhalb Neudorf und Klein- hüningen häufig. In Genf hat CI. de Saussure Dentem en”) pulchram certe civem abunde gesammelt. Haller an LaChenal (in Mömpelgard). Rupe, 24. Apr. 1761. Coll. ©. Sch. Saussure sandte von Genf narcissum odore gravi sed monan- thum spontaneum.°?.) Haller an LaChenal. Bern, 6. Jun. 1761. Coll. O. Sch. Orchidem cineream referentem detexi circa Echarpigny Aquile- siensium.°°) De horto et agro gratulor. Im Laufe der Diskussion über die Merkmale der Arten ereifert sich Haller über Linné in betreff der Juliferae: Characteres Linnaeani plerique mali sunt, pessimi. Betula cum Alno conjungatur. Ista tres flores habet quadrifidos, Betula squa- ınas tres majores et tres minores sex. Nullum flosculum rotatum. Nam squamas tres et stamina circa sex. De Buxo suspicor Linnaei characterem marem malum esse. LaChenal an Haller. Basel, 11. Juli 1761. Ep. V p. 55 NPA Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 47 Der Brief behandelt die Funde der von LaChenal im April gemachten Reise in den Burgundischen Jura: die Genista hyperici- foliae similis,?®) die Haller in den Emendationes beschrieb. Mahaleb °°) war überall häufig, und an sandigen Orten Eruca caerulea,'!'®) die an allen alten Mauern und Dächern von COherval,!%!) Palmae,!) Bisontii gemein ist. LaChenal hat die Huber’sche Apotheke für 10 Jahre über- nommen, sodass er nun durch Chemie und Praxis wenig freie Zeit für Botanik haben wird. (NB. Erst 1776 ist er durch das Los Professor der Anatomie und Botanik geworden. ©.) Das bei Mömpelgard gefundene Sedum arvense fl. rubente °') wird genau beschrieben. Haller an LaChenal. Roche, 28. Jul. 1761. Coll. O. Sch. Haller kündigt eine Reise nach dem summum M. Lioson et Praz Oornat an, und will seine Jägergesellschaft nach Charny, Ricou nach dem Simplon und der Dent du Midi senden. Haller an LaChenal. Rupe, 9. Dec. 1762. Coll. O. Sch. Haller ermahnt seinen Freund, schon um seiner Gesundheit willen die Botanik im freien Feld nicht aufzugeben. LaChenal an Haller. Basel, 11. Sept. 1763. Ep. V p. 167 N. 203. Erwidert: ne me Botanices studiosissimum et a Te discendi cupidissimum penitus derelinquas, cum potius spes elucescat, meliora ad hosce labores tempora esse successura. Indes habe er non- nullos cives Basileenses entdeckt: Digitalem purpuream,'°?) Filicem saxat. corniculatam,'*) Alsinen alpinam glabram,!) Coronillam frutesc. minimaın. !°°) Haller an LaChenal. Roche, 13. Dec. 1763. Coll. ©. Sch. Haller betont, dass die briefliche Erörterung der Species ohne gegenseitige Mitteilung der Pflanzen selbst parum utilitatis habe. Haller an LaChenal. 23. Jun. 1764. Goumoens-le-Jux. Coll, O. Sch. Haller zeigt seinen Rücktritt von der Präfektur von Aelen an, und meldet den Erwerb seltener Pflanzen: Viola laciniata,!0”) Ge- ranium striatum,'°®) Spondylium angustifolium vera planta,!®) Hel- leborus monophyllos monanthus. 1°) Haller an LaChenal. Roche, 31. Juli 1764. Coll. O. Sch. Haller kommt mehrmals auf eine von La Chenal herauszugebende Basler Flora, und wünscht, dass dieser dies bald tue, damit Haller deren Observationes in seiner Enumeratio berücksichtigen könne. LaChenal könne spätere Zusätze in einem Supplement ver- öffentlichen. 48 H. Christ. Haller an LaChenal. 30. Juni 1765. Coll. O. Sch. Er kommt auf den ein Jahr vorher geäusserten Wunsch zurück: Valde optarem ut tuus catalogus, certe tantum quod ad species cum nomine et natales locos pertinet, ante meam Enumerationem pärata essent, ut minus multa mihi deficerent. Neque enim glo- riam inventionis curo, opus minus imperfectum curo edere. Homines certos iterum misi in montes Valesiam inter et Ita- Ham positos, summasque alpes in quibus Arola prodit. quibus nihil potest esse aut exaltius aut ferius. Totus me trado Enumerationi, cum alioquin pondus mei corporis vix mihi permittat porro stirpium gratia excurrere. j Haller an LaChenal. Bern, 15. Febr. 1766. Coll. ©. Sch. Homines aptos in alpes mittam denuo, ipse in Goumoens rusti- cabor non sine spe plantarum aliquarum inveniendarum. Altior situs est, cäeterum pratis, nemoribus et agris varius. Haller an LaChenal. Bern, 28. Jun. 1766. Coll. ©. Sch. Importunus facile fuero Ol. LaChenal, sed urget improvisa necessitas. Asterum linariae folio rigidum !!!) non possides, quem dicitur vobis provenire. Si nascitur, mitte quaeso cum literis specimen vel duo. Haller an LaChenal. Bern, 3. Jul. 1766. Coll. ©. Sch. Non credis adeo Ol. LaChenal asterum linariae f. peculiarem civem Basileam reperiri ...''?) Et conyza capite nutante Michel- feldensis!!?) quae mihi Bidens visa est, et Filago vulgaris tenuis- simo f.114) carduus acanthoides,!!?) Scabiosa Clusii foliis integris.115) Placeret coronilla montana, orchis caryoph.!'’) cum loco. Spon- dylium glabrum.''°) LaChenal an Haller. Basel, 26. Jul. 1766, Ep. V p. 274 N. 248, Febre catarrhali qua per aliquot tempus decubui, impeditus fui, quo minus citius ad ultimas tuas literas respondeam. Die Conyza capite nutante hat L. nie selbst gefunden. Die Freunde und besonders Cl. noster professor Botanicus drängen ihn, eine Flora Basileensis herauszugeben; er will trachten, dies innert Jabresfrist zu tun. | Haller an LaChenal. 3. Aug., 16. Aug. 20. Aug. 1766. Coll: OÖ. Sch. Erkundigung nach vielen Basler und Schweizer Pflanzen, die Haller von La Chenal wünscht: Filagines 2 pares recentes et flexiles desiderem, ut possim characterem florum absolvere, an nunquam vidisti Melampyrum coeruleum.'”’; Suspicor in Helvetia repertum fuisse. Nunc tuam Jaceam ciliato capite’”) nusquam reperisti in Hi) Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 49 Helvetia? Einmal bemerkt Haller: Scripsi ad D. Chatelain, nihil respondit, puto mortuum ipse. LaChenal an Haller. Basel, 20. Aug. 1766. Ep. V p. 279 N. 250 und 3. Sept. 1766. Ep. V p. 282 N. 251. Laetus accipio ex litteris tuis Vir Ill. consilium meum Floram agri nostri ante opus tuum edendi Tibi haud displicere. Carduum acanthoidem !'’) nunquam vidi nec legi, neque Melam- pyrum coeruleum,'?°) neque chamomillam Romanam.'”') Jaceam ciliatam flosculis omnibus androgynis!??) via quae Befort ducit, legi tribus ab urbe nostra horis. Aliam Crepis speciem !?°) nuperrime reperi, extra portam Ri- chanam haud longe ab urbe copiose, calyce longis et rigidis pilis sursum vergentibus non capitatis hispido. Hodie (3. Sept. 1766) in scatula musco involutos ad Te misi Filagines: recentissimam quidem illam tenuissimo folio;''*) suba- ridam vero minorem repentem ©. Bauh. Beide in agris versus Al- schweiler extra portam Spaleam. Dort fanden sich auch Centun- culus,?°) Centaurium palustre ramosissimum,!”) Hypericum humi- fusum, Myagrum siliqua longa ©. Bauh.,!°®) Orobanche ramosa, Mille- folium nobile,'!?°) Blattaria lutea,'?”) Hyssopifolia!*) und Sinapis incana Linn.,'?®) novam ni fallor helveticam civem, die La Chenal treflich beschreibt. Sie scheint durch fremden Lucerne-Samen eingeführt zu sein. Tantus sibi ejus est proventus, ut vix ac ne vix quidem amplius destrui possit. Spec. plant. p. 934 N. 7. Haller an LaChenal. 6. Sept. 1766. 8.1. Coll. O. Sch. Nudius tertius Cl. LaChenal redii ex itinere 9 dierum a Re- publica mihi imperato. Cum essent finiendi vicinorum limites, pas- sim datum fuit per paludosa prata excurrere. Reperi quae solent Lentibulariam,13°) oenanthea certo diversam a Rupense,'?”) Menthäm eimici odore s. varietatem, s. novam plantam, nam a sylv. longiori f. staminum brevitate differt, Glaucium '?') etc. Opus meum a. 1767 finietur, tu 1 legisti pro 7. accepi quae misisti. Melampyrum coeruleum certe helveticum est. Chamae- melum Romanum !?!) nondum repertum. Etiam atractylis sexu dis- tinguitur, floresque in ambitu mares habet. Crepis Tuat*) nova est. Conyza flore globoso'?*) in pago Goumoens abundat. Erysi- mum gratus accepero, quod describis. Potest ad Sinapin ob glan- dulas pertinere. Scabiosa integrifolia duae sunt, alteram frequenter,'??) alteram!!°) nunquam reperi. Intra mensem de plantis meis videbo et Tibi aliquos meliores seligam, cum primo folio operis. Haller an LaChenal. Nov. 1766, Bern. Coll. O. Sch. Ego quidem valde mallem prius Tuum catalogum ederes, quam interim. Ita et meum opus plenum foret et Tibi decus primi in- 4 50 H. Christ. venti certum tutumque maneret. Si id cum Tuo commodo feri posset, ederem catalogum meum adnotationibus, et pleniorem histo- riam seniorem in aetatem reservärem. Si nunc perfectum opus vo- lueris edere, metus est, ne intercidat Meum ante ver 1768 vix prodibit. Ecce iterum desideria aliqua. Genistae adfinis genistae tinctoriae sed minoris. Caucalidis tenuifoliae exemplum. Alsines segetalis 1?) unum alterum. Sed quod mihi imprimis: an Gentianam faucibus lanuginosis repereris calyce aequali,!?°) et exemplum. Nunc Sedum arvense rubrum®!) 5 num 10 Stamina habeat. Potamogetones minores exempla sicca ad conferendum, & latifolrum, caule tereti, 3 compresso, h glomerulis curvatis. Proxima hebdomade claudam meos labores botanicos. Tune seligam pro amicis proventus hujus anni. Misit CI. Gouan aliqua, non valde ad rhombum, exotica, etiam tamen patriae suae. In Saxifragiis (sic) alp. tridactylitis magnus mihi labor fuit, et credo tantum duo me habere, Saxifr. vulgarem tridact.1?°) cum ad- fini alp.?°) et alteram multiformem caule modo longo modo brevi, integrifoliam f. trifido flore minori, majori, semper viscidam, ochro- leucam, gracilibus foliis.!?”) LaChenal an Haller. Basil., 17. Dec. 1766. Ep. V p. 306 N. 258. La Chenal macht Bemerkungen zu den ihm von Haller zuge- sandten Pflanzen: Cum nullus nostrorum Bibliopolarum Enumera- tionis meae Stirp. Basil. editionis sumtus in se suscipere velit, ne- que ipse eos ferre consultum fore putem, invitus quidem serius in tempus reservare opus meum cogor. La Chenal sendet an Haller Burgundische Jurapflanzen: Genis- tam Burgundicam *) vere ut puto a Scoparia diversam, Alsinen sege- talem,!**) A. mediam, Sedum arvense rubrum°!) semper 10 stami- nibus instructum, quorum tamen quinque statim post floris apertu- ram evanescunt. LaChenal an Haller. Basil., 18. Jan. 1767. Ep. V p. 309 N. 260. La Chenal würde gerne nach Hallers Wunsch seinen Katalog vor Hallers Enumerationem herausgeben, wenn es ihm nicht an Musse gebräche, denn er will nicht nur kurze Diagnosen, auch die Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 51 Klassenunterschiede, sondern Beschreibungen seltener und wenig bekannter Arten geben, und möchte vorher noch pulcherrimos non- nullos agri nostri tractus, Botanicis hactenus inaccessos circa Kilch- berg, Rikeburg, Kaenerkinden etc. durchsuchen. Er führt dann eine Liste von 21 seltenen oder neuen Arten auf, die er verflossenen Sommer bei häufigen mit den Studenten unternommenen Exkursionen gefunden hat. Darunter erwähne ich: Thalictram pratense angustiss. fol. ©. B.'?®) Michelfelden. Oe- nanthe species'?®) a vulgari diversa neque in omnibus altissimae Tuae Rupe nascentis !°*) similis, ibidem, nova civis. Papaver capitulo longiore hispido,!‘?) Allschwyler, nova civis. Brassica arvensis per- foliata!?®) ad Wiesam non copiose, nova civis. Clypeola perennis #1) in rupibus arcis Birseck oppositis, eodem loco quo ©. B. indicavit. Als wesentliche Ausbeute eines Aufenthalts in Sancta Maria ad Mineras führt er auf: Rarissima vero erat umbellifera stirps #?) novo ut puto nemi- nique hactenus dicta planta, flosculis ex luteo viridibus, semini alato Angelicae etc. In pascuis nascebatur pinguioribus altissimis cacu- mini M. Bloutberg subjacentibus. Haller an LaChenal. Bern, 20. Jan. 1767. Coll. O. Sch. Ab eo tempore quo ad me literas dedisti satis serie aegro- tavi, ex abscessu sanguineo qui celerrima incrementa capit, nunc vero penitus sanatus est; ut tamen debilitatem summam mihi reli- querit. Alyssum est Oederi utique calyce diversissimo. Ecce aliqua desideria mea ad meum opus ornandum: Pulmonaria an palos habeat. Aquifoliam an Senna distinctum. Ribes num desit nobis ac peculiare subaculeatum. In Herbario Hagenbachii quid sit et an flores habeat Pota- mogeton perfoliatum alterum. Papaverem rhoeadum vulgare: loci natales. Gallium glauco folio.!*) Choerophyllum sylv. ©.B. Ein gut Exemplar. Meine sind schlecht. Viola hirsuta inodora.!*‘) Cirsium asphodeli radice.'*°) De transmissis gratias ago plurimas. Nuper de Bellardus pulchras alpinas stirpes misit, nam Allio- nius totum se praxi dedit. Ad rem herbariam proxime redibo. Folio 27 Emendationis meae sub prelo est. Caeterum novi nihil accepi, quod eo spectat, quum vidisti floram Mullerianam. LaChenal an Haller. Basil., 17. Mart. 1767. Ep. V p. 315 21263: Bemerkungen zu Basler Pflanzen und Antworten auf Hallers Anfragen betr. solche Pflanzen. 52 H. Christ. Haller an LaChenal. Bern, 4. Apr. 1767. Coll. ©. Sch. Pulmonariae flores recognovi. Habent folliculos sessiles ciliatos. Paupertatem Linnaei in Caricibus miror. Nostri helveti numerum excedunt, namque undique conquisivit. Scheuchzerianos quidem an omnes possideo, neque satis fido. Habesne characterem plantae Christophorianae?1*%) Meus a Linnaeano dissidet. Sed recentissi- mus nondum expansus flos requiratur. Erythronii characterem a Linnaeano diversum reperi. D. Duchesne misit plantas aliquas bonae notae, ex umbelliferis etiam potissimum. Ex iis videtur Aparine palustris Paris, alia a meis planta esse. Habetisne veram, semine hirsuto ? diversa a Galio uliginoso quod est varietas latior minoris f, aristatis. Crocus alp.!*?) differt a sativo stigmate brevissime trifido. Haller an LaChenal. Bern, 15. Apr. 1767. Coll. ©. Sch. Haec festine ad te do ut desiderem gramina aliqua in qua classe enodanda versor. Caricis tui arenarii, *) novae mihi plantae, adulta et paniculae exempla. Gramen caninum vineale 4°) si suppetit. In bac difficillima classe nunc versor. Linnaeus pauperrimus est. Hudsonus me varietatibus inundavit. Jacquinus maximum fas- ciculum plantarum misit, graminum nondum peritus, sed alias pas- sim novas plantas habet. Haller an LaChenal. 26.. May 1767. 8. L Coll. O. Sch. De Dysenteria miror; nobis vix alieni ruri aliquae querelae de eo morbo sunt, in urbe nullum. Saussurius detenet novam civem, Cyanum asperum Linn. %°) Thomas Lychnidem globulariae f.'°') sed hujus exempla fere omnia perierunt. Ricou Lilioasphodelum phoeniceum.!??) Multum me juvarunt numerosae plantae a Cl. Jacquino missae. Ipse ad finem operis proveni. Sed comparo mea Gramina Scheuch- zeri cum meis, deinde aliquas plantas. Neque emendationum finis est. De prelo plus dimidio opere prodiit. Novos libros botanicos non vidi. | La Chenal an Haller. Basil., 30. Mai 1767. Ep. V p. 321 N. 267. Wegen schlechten Wetters bis fast Ende Mai sind die Früh- lingspflanzen, die Haller in seinen 2 letzten Briefen wünscht, nicht früher zu beschaffen gewesen. Lachenal berichtet über Carices, die (hristophoriana !*°), Gräser etc. und teilt mit, dass die Orchis cimicem olens'!!’) in Gundeldingen seit 10 Jahren nie gefunden sei, aber copiosissime in pratis nonnullis versus Wyl vorkomme; odor deterrimus e longinquo nares feriens plantam mihi indicabat { Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 53 quam alias ob altiorem herbam hanc plantam penitus fere occul- tantem facile praeteriissem. Pratum nuper acquisivi in ipsa urbe haud longe ab aedibus meis, inque hortum transmutavi, in quo unice rariores agri nostri stirpes tam montanarum tam planiorum regionum alere animus est, Muro praealto antiquo cinctus est hortus ab una parte, alendis plantis campestribus aptissimo, cum jam a longo tempore Bar- barea muralis !%), cheiri!’*), Salvia lutea glutinosa'??) etc. sponte et laete 1b1 nascantur. Haller an La Chenal. Bern, 26. Juli 1767. Coll. ©. Sch. Nach Begehren um Pflanzen teilt Haller mit: Nova pulchra civis prope Fenalet detecta est Lilioasphodelus phoeniceus 1). Multa exspecto a Gen. de Saussure qui 20 dier. iter in glacialia Sabauda, hinc in M. S. Bernardi suscepit. Thomas in Sylvium M. provectus est, vallemque Zermatiam. Karte s. d. Haller an La Chenal. Coll. ©. Sch. Dudum non audi a Te Cl. la Chenali. Nunc si fieri potest desiderarem „buxi flores utriusque sexus. Prope Höllstein nas- citur, ibi forte flores nondum interierunt. Character meus a Lin- naeano dissentit. Rogo etiam ut hac aestate per occasionem ad Chenopodia adtendas, inprimis Opulifolio et f. sinuato candicante, quae ego non puto differentem de rubro et murali Linnaei. De Ribe me illo Linnaeano commendo. Vale et me ama Hallerus. La Chenal an Haller. Basil., 22. Aug. 1767. Ep. V p. 325 N. 269. Wegen schwerer Dysenterie-Epidemie kann La Chenal die 2 letzten Briefe und die Karte (Schedula) erst jetzt beantworten. Den Buxus fand er nicht mehr blühend. Ein anderer Ribes ausser der gewöhnlichen Uva Crispa kommt hier nicht vor. Die Salix purpurea kennt er nicht. Die Tunica petalis laciniatis entspricht dem Superbus) des Linné, den Jacquin abbildet. Sie ist in den Bergwäldern nicht selten, auch nicht in der Hardt und in Michel- felden. Die Crepis !??) mit borstigem Kelch finde ich nicht wieder, trotz mehrfachem Nachforschen. Haller an La Chenal. 8. Dec. 1767. Coll. O. Sch. Anfragen wegen kritischer Pflanzen. La Chenal an Haller. Basil., 6. Jan. 1768. Ep. V p. 330 Nord. La Chenal bittet um Aufschub wegen überhäufter Arbeit. Er berichtet von einer unerhörten Kälte: nudius tertius 251), Grad unter dem Gefrierpunkt und bis zu 30 Grad nach dem Ducretia- nischen Thermometer, bei 2!/a Pariser Fuss Schnee. 54 H. Christ. La Chenal an Haller. Basil., 17. Aug. 1768. Ep. V p. 347 NAT Eine Beschreibung der Carvifolia von Mömpelgardt, die ohne Blüten und Samen nicht zu bestimmen ist. Haller an La Chenal. Bern, 8. Jan. 1768 u. 2. Feb. 1768. Coll. ©. Sch. Klagen über die Kälte und infolge derselben über Krankheit Hallers. Weitere Briefe v. 13. Feb. u. 5. Mrz. 1768 behandeln die Herausgabe der Enumeratio, wozu La Chenal Material zu liefern hat. Haller an La Chenal. Bern, 30. Sept. 1769. Coll. O. Sch. Haller sucht La Chenal zur Herausgabe einer vereinfachten Pharmacopoe zu bestimmen, was ihm als Apotheker leicht falle und sehr verdienstlich wäre. Haller lässt nun auch seine botanische Bibliothek, sed tamen immensum opus, drucken, und verlangt hiezu den Katalog der Basler Bibliothek, falls ein solcher existiere. Haller an La Chenal. 14. Oct. 1769. Coll. O. Sch. Haller will für Gouanus ein Exemplar des Spondylium alpinum.!!?) Auf mehrere weitere Briefe Hallers, welche Bücher und Druck- angelegenheiten sowie Hallers schlechte &esundheit betreffen, folgt ein solcher von La Chenal an Haller. Basil., 4. Juli 1771. Ep. VI p. 55 N. 297. Ein Freund bittet den La Chenal, ihm conos vel semina Pini foliis quinis 1°”) zu verschaffen, und dieser wendet sich hiefür an Haller. L. dankt Hallern für die Vorrede zur helvetischen Pharma- copoe und seine Noten zur Materia Medica. Neue Funde bei Michelfelden: Lentibularia minor!°®), Typha minor'°®), Viola palustris tra- chelii folio1°%). In La Chenals Garten wächst wild das bei uns noch nicht bemerkte Marrubiastrum vulgare !*!) und Buphthalmum 1°) breitet sich aus. Die Anfrage wegen des Arvensamens wiederholt La Chenal mit Brief v. 10. Aug. 1771. Ep. VI p. 57 N. 298. Haller an LaChenal. Bern, 2. Feb. 1772. Coll. O. Sch. Pinus foliis quinis fert quotannis semina. Si ea ad sementum desideraris, tunc quidem necesse erit ex alpibus amisse, quod quidem curabo. La Chenal an Haller, Basil., 11. Ap. 1772. Ep. VI p. 89 N. 308. Lachenal gratuliert dem Haller zur Befreiung von seiner Haut- krankheit und klagt seinerseits über Hypochondria und Schwindel Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 55 den ganzen Winter über. Das Bauhinische Herbar sei nun in seinem Besitz, und gebe ihm viele erwünschte Aufschlüsse: so, dass die Dolde vom Bloutberg das Carvi alpinum C. B.'*) darstelle. Auch über andere Dolden, die Lachenal einst für das Hippoma- rathrum hielt, hat er nun Klarheit erhalten. Haller an La Chenal. Bern, 19. Jun. 1772. Coll. O. Sch. Der Brief beginnt mit Erörterung verschiedener Umbelliferen. Er gibt dann eine traurige Schilderung der schweren Krankheit Hallers, der sich für ganz gebrochen erklärt, mit aussetzendem Puls, drei Monate andauernder Verstopfung, und klebrigem Schweiss, in welchen der Patient sich fast auflöste. Haller an La Chenal. 31. Jan. 1774. Coll. O. Sch. Kurzer unleserlicher Brief, der letzte, zwei und sechszigste der ganzen Sammlung, in welchem die Namen Hill, Berdot und Schweighauser mehr oder weniger erkennbar sind. Erklärende Noten zum Briefwechsel Hallers und La Chenals. ) Petasites elatior = Petasites officinalis Mönch. ) Hippomarathrum = ohne Zweifel Seseli Libanotis L. ) [57 1 3) Corallhorhiza, Schreibfehler für Corallorhiza. 4) Wie aus den spätern Briefen hervorgeht, ist Göttingen gemeint. 5) Chätelain, junger Mediziner in Neuenstadt, der von Haller als Begleiter von W. de La Chenal auf einer 1760 unternommenen Alpenreise berufen wurde. 6) Arabis siliquis recurvis = Arabis turrita L. ?) Orchis hiante cucullo = O. Simia Lam. 8) Anthropophora femina = Aceras anthropophora Br. 9) Hyacinthus stellatus = Scilla bifolia L. 10) Genista II = Genista sagittalis L. 11) Ornithopodium = Ornithopus perpusillus L. 12) Alyssum Allionii = Nasturtium pyrenaicum R. Br. 13) Nasturtium petraeum = wohl Lepidium campestre R. Br. 14) Scorzonera angustifolia = S. austriaca W. 15) Phalangium = Anthericum Liliago L. 16) Orchis purpurea Hds. 17) Bunium = B. bulbocastanum L. 18) Petasites minor = P. albus Grtnr. 19) Ornithogalum angustifolium = OÖ. pyrenaicum L. 20) Enzeinda = Enzeindaz, Alpe oberhalb Gryon am Fuss der Diablerets, über welche der Col de Cheville nach Wallis führt. Hallers und Gaudin’s Lieb- lingsstandort. 21) Uvularia = Streptopus amplexifolius Mich. 2) Lychnis = wohl L. alpina L, 56 23) H. Christ, Aretia sessilis = Androsace helvetica Gaud. Haller hat die stengellosen, polsterigen Androsace nach dem Berner Botaniker des 16. Jahrh. Benedict Marti (latinisiert Aretius) Aretia genannt. Der Name ist von Linné aufge- nommen und noch von Koch für unsere Walliser A. vitaliana beibehalten worden, dann aber leider verschwunden, indem diese Pflanze nach einander Gregoria Duby, Douglasia Lindley und Vitaliana Bertol. getauft wurde. Alsine nova = Moehringia polygonoides M.K.=M. ciliata Dalla Torre, welche Felsenpflanze noch heute am Fuss der Diablerets häufig ist. Lychnis noctiflora = Melandryum noctiflorum Fr. Centunculus = C. minimus L. heute bei Basel nöch sporadisch auftretend. Veronica procumbens = V. prostrata. L. Trifolium fragiferum L. bei dessen Gelegenheit Haller und La Chenal über die Linneische Nomenklatur sich auseinander setzen. Siehe Brief Hallers an La Chenal v. 14. Dec. 1759 und dessen Antwort v. 22. Dec. Phalaris oryzoides = Oryza clandestina A. Br. Gramen dactylo. arundinaceum = Phalaris arundinacea L. Veronica nummulariae f. = V. serpyllifolia L. Ruta muraria longifolia = wohl Asplenium fontanum L., das am Fuss der Waadtländer Alpen häufig ist. ) Delphinium aconitifolium = D. elatum L. Coronilla minima entweder C. minima L. des Wallis oder C. vaginalis Lam. der Voralpen. € : Absinthium novum = Artemisia valesiaca All. Thysselinum = Peucedanum palustre Mnch. Allium = wohl A. angulosum L. Peucedanum. Haller fragt nach dem, in der Schweiz nicht vorkommenden Peucedanum officinale L. Pseudorchis flor. rubr. = Nigritella nigra Rb. var. rosea. Orchis lutea = wohl O. pallens L. Adonis perennis = A. vernalis L. Carduus tataricus Linn. Ein Cirsium = Bastard zwischen C. oleraceum L. und einer andern Art. Pseudocyperus maritimus = Scirpus maritimus L. Rhamnoides = Hippophae rhamnoides L. Eruca sativa = vielleicht ein verwildertes Vorkommen dieser bei uns nicht angepflanzten südlichen Crucifere. Eruca inodora C. B. = Erucastrum Pollichii Spenn. Gramen pan. eleg. minimum = wohl Eragrostis. Sinapi = Erucastrum obtusangulum Rb. Ruyschiana = Dracocephalum Ruyschiana L. Alsine verna glabra. Haller verlangt unter diesem Namen die Moenchia erecta Fl. Wett., während La Chenal das Holosteum umbellatum L. verstand. Tithymalus Myrsinites. Haller verstand unter diesem Namen die Euphorbia Gerardiana Jacq., während La Chenal zuerst die E. verrucosa Lam. dafür nahm. Lathyrus Narbonensis u. L. angustifolius, von Haller verlangt, fanden sich um Basel nie. Hippomarathrum = Seseli Hippomarathrum L., das der Basler Flora fremd ist. Ornithogalum = Gagea arvensis Schult. Ornithogalum — Gagea lutea Schult. Knawel perenne = Scleranthus perennis L. Nissolia = Lathyrus Nissolia L. Lathyrus sil. hirsuta = L. hirsutus L. Aphaca = Lathyrus Aphaca L. 93 ) 9) 95 96 97) 98 99) 100 — ) — ) Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 57 Lathyrus arv. = L. tuberosus L. Sedum rub. = Crassula rubens L. Genista = Sarothamnus scoparius Wimm. Spergula saginoides L. = Sagina saxatilis Wimm. Flammula recta = Clematis recta L. Oxys lutea = Oxalis corniculata L. Galium purpureum = G. rubrum L. Plantago angustiss. fol. = P. serpentina Vill. Holosteum alpinum = Plantago alpina L. Fumaria lutea = Corydalis DC. Cytisus = C. nigricans L. Paeonia = P. peregrina Mill. (P. feminea Desf. Schinz Kell.) heute noch häufig in der Buchenregion des Generoso. Mandragora. Aus dem Brief La Chenals vom 13. Aug. 1760 geht hervor, dass er Früchte dieser Pflanze vom Generoso sah und von deren Vorkommen daselbst überzeugt ist. Die Neuern wollen nichts mehr davon wissen. Jacea = Centaurea nervosa W. Die andere ist wohl C. nigra L. gemeint. Erica mihi ignota könnte etwa Empetrum sein, die auch Clusius Pannon noch zu den Erica rechnet. Viola Allioniana = V. rupestris Schmidt. Geranium perpulchrum = wohl G. rivulare Vill. Iuneus triflorus = I. triglumis L. Pentaphylloides album = Potentilla alba L. Cyclamen = vielleicht C. neapolitanum Ten. von Roche. Fragaria nana = Potentilla micrantha Ram. Galium atropurpureum = G. purpureum L. Galium tinctorium = Rubia tinctorum L. Cistus salvifolius L. Lychnis parva ex viscaginum genere = L. viscaria L. Astragalus = wohl Dorycnium. Phytolacca decandra L. Wenigstens ein sicheres Datum des Auftretens dieser amerikanischen Ruderalpflanze (1760) im Tessin. Ein zweites, noch früheres, gibt Joh. Gesner Ep. III. p. 414 N. 618 (1753) Phytolaccam in sepi- bus prope Bellinzonam collectam fuisse mirabar. Astragalus flavus (Phaca) = Phaca alpina Wulf. Juniperus Sabina L. Andromeda triangula. Vielleicht Empetrum ? Saxifraga pyren. tridact. latif. = S. adscendens L. Samolus = S. Valerandi L. Seither mit Austrocknung der Rhonesümpfe wohl verschwunden. Bei Genf noch vorhanden. Ischaemum Gryllus = Andropogon Gryllus L. Schinz u. Kell. fl. irren, wenn sie den Waadtländer Standort als ,angepflanzt“ bezeichnen. Haller konstatiert ihn 1760, ich fand ihn 1856 unzweifelhaft wild. Ebenso verhält sich dort Diplachne. Anemone alpina minor = A. Baldensis L. Salix utrinque villosa vielleicht S. glauca L. Ranunculus gramineus L. Iuncus biflorus quid? Cares spicis obtusis quid? vielleicht C. bicolor Bell. Genista hypericifol. similis = G. Halleri Regnier (Cytisus decumbens Spach). Mahaleb = Prunus L. Eruca coerulea = Arabis arenosa (L.) Scop. 101) Cherval Druckfehler für Clerval. 58 H. Christ. 102) Palmae = Baumes les Messieurs. 103) Digitalis purpurea ist von La Chenal kaum im Ernst als civis Basileensis genannt. 104) Filix saxat. = Asplenium septentrionale L. 105) Alsine alpina glabra = A. rupestris L. 106) Coronilla frut. minima = C. vaginalis Lam. 107) Viola laciniata = V. pinnata L. 108) Geranium striatum = wohl G. rivulare Vill, 109) Spondylium angustifolium = Heracleum Spondylium L. v. stenophyllum Gaudin. elegans Jacq. Koch. 110) Helleborus monophyll. = Eranthis hiemalis L. 111 na Aster linariae f. = Aster linosyris L. 113) Conyza cap. nutante = Carpesium cernum L. Eine auf Casp. Bauhin zurück- gehende Angabe. 114) Filago tenuiss. f. = F. gallica L. 115) Carduus acanthoides L. fehlt unserer Flora. 116) Scabiosa Clusii fol. integris = S. canescens W. K. noch von mir bei St. Ludwig und auf dem Kannenfeld gefunden UT) Orchis coriophora L. 118) Spondylium glabrum = Heracleum alpinum L. 119) Professor Botanicus war damals Rud. Staehelin, der bis 1800 im Amt blieb, aber sich später nicht mehr mit Botanik beschäftigte. 120) Melampyrum coeruleum = M. nemorosum L. von Hagenb. fl. II 119 nach Risler bei Mülhausen angegeben, nie bei Basel gefunden. In der Schweiz nur ob Vevey. 121) Chamomilla Romana = Anthemis nobilis L. 122) Jacea ciliata = Centaurea nigra L. 123) Crepis spec. = C. setosa Haller fil. 124) Centaurium = Erythraea pulchella Fries. 125) Myagrum siliqua longa = wohl Brassica orientalis L. Erysimum R. Br. 126) Millefolium nobile = Achillea L. 127) Blattaria = Verbascum Blattaria L. 128) Hyssopifolia = Lythrum Hyssopifolia L. 1%) Sinapis incana L. = Erucastrum Koch. 130) Lentibularia = Utricularia vulgaris L. 131) Glaucium luteum L. 132) Conyza squarrosa L. 153) Scabiosa integrifolia wohl S. succisa L. 134) Alsine segetalis = Delia Dumort. 135) Gentiana fauc. lanug. = wohl G. campestris L., im Basler Jura fehlend. 136) Saxifraga tridactylites L. 137) Saxifraga = wahrscheinlich die S. exarata Vill. var. leucantha Thomas des Unterwallis. 138) Thalictrum angustiss. = Th. galioides Nestler. 139) Oenanthe Lachenalii Gmel. 140 ) ) ) Papaver Argemone L. 141) Clypeola = wohl Alyssum montanum L. ) Angelica pyrenaea Spreng. ) Galium glauco f. = Asperula galioides M. Bieb. ) Viola hirsuta inodora = V. hirta L. ) Cirsium asphodeli rad. = Cirsium bulbosum DC. 116) Christophoriana = Actaea spicata L. 163) 164) Briefwechsel zwischen Haller und La Chenal. 59 Crocus alp. = C. vernus All. Carex arenaria Lachen. = vielleicht C. Schreberi Schrank. Gramen caninum vineale = vielleicht Triticum repens L. var. glaucum. Cyanus aspera L. Centaurea aspera L. ist eine westmediterrane Art, die Saussure wohl kaum bei Genf gefunden haben kann. Lynchis globulariaefolia leg. Thomas = Saponaria lutea L. von der S. Seite der Zermatter Alpen. Siehe Barrelier ed. A, Jussieu 1714. Tab. 498. Lilioasphodelus = verwilderte Hemerocallis fulva L. Barbarea muralis ist wohl Diplotaxis tenuifolia DC., früher um Basel sehr gemein. Syn. Brassica muralis Huds. Cheiri = Cheiranthus Cheiri L. 5 Salvia lutea = S. glutinosa L. Waldpflanze, merkwürdig als Mauerpflanze in La Chenals Stadtgarten. Tunica laciniata = Dianthus superbus L. Pinus fol. quinis = P. Cembra L. Lentibularia minor = Utricularia minor L. Typha minor = T. minima Hoppe. Viola palustris trachelii folio = V. elatior Fries. Marrubiastrum = Leonurus marrubiastrum L, Buphthalmum salicifolium L, Onosma Vaudense Greml. Oenanthe fistulosa L. 165) Wohl Astragalus monspessulanus L. 166) 167) Anemone hepatica L. Erythronium denscanis L. - Manuskript eingegangen 5. Dez. 1917. Errata des Verf. zu Seite 45 und 46: statt No. 79 lies 168 Rhus Cotinus L. » n» 80 „ 169 Ranunculus hederaceus L. we Se, 110 Brimulaacaulis, Jacg: » » 83 „ 171 Asplenium Ceterach L. » n» 84 „ 172 wohl Seirpus maritimus L. » » 85 „ 173 wohl Narcissus biflorus Curt. uniflor. " » 86 „ 174 Orchis Simia Lam. Eine Vierlingsgeburt beim Hausrind. Nebst einigen Bemerkungen über den »Kampf der Teile« um die Nahrung im Ovarium. Von N. G. Lebedinsky. „Dem Landwirt Graber im Talhaus bei Bubendorf hat eine junge Simmentaler Kuh vier gesunde und muntere Kälblein im Gesamtgewicht von ca. 180 Pfund geworfen. Auch das Muttertier erfreut sich bester Gesundheit.“ : Bei der Lektüre dieser im November vorigen Jahres in einer hiesigen Tageszeitung!) erschienenen Notiz beschloss ich dem seltenen Fall etwas genauer nachzugehen. fand jedoch erst viel später die nötige Zeit, die interessanten Vierlinge in Augenschein zu nehmen und zu photographieren?). Es stellte sich dabei folgendes heraus. Siebenjährige isabellfarbige Simmentaler Kuh. Vor unserem Falle vier normale Geburten. Am 14. November 1916 wurden 4 gesunde rotfleckige Kälber geboren, drei ?? und ein . Dieses in der Zeichnung dem Vater ganz ähnlich. Vater vierjährig, von rotfleckigem Simmentaler Schlag. Am 13. Mai 1917, im Alter von sechs Monaten, erreichten unsere Vierlinge an der Schulter gemessen, und zwar in der Reihenfolge von links nach rechts, wie sie in der Abb. 1 (hier sind sie noch vier Wochen alt) abgebildet sind: ad 92 cm b? 94 cm c ® 95 cm d ® . 100 cm Beim ersten Anblick der im Freien herumspringenden Jungen schien mir, als ob zwei davon (c und d) identisch, d. h. einander 1) „Basler Nachrichen“, Nr. 592 vom 21. November 1916. 2) Auch an dieser Stelle möchte ich Herrn Sekundarlehrer M. A. Herzog (hier) für seine freundliche Mithilfe bei der photographischen Aufnahme bestens danken. Eine Vierlingsgeburt beim Hausrind. 61 gleich, gefärbt wären. Bei näherer Betrachtung jedoch fiel mir ausser den zahlreichen kleineren Abweichungen als wichtiger Unter- schied zwischen den beiden Tieren das Verhalten der Haarzeich- = — u .2 — & AD © n n 2 TE © pre) SN el. ae E 53 FA), © u nm © me =, Ss & É 0 3 | Le} © 8 5 (de) . = 8 un © D © +. =. m © ke) 328 & a See un Ÿ [=] He} =) Ki = d © Lu ei — (= d = = ui un mit ihren Vierlingskälbern. Fig. 1. nung an der Aussenseite des rechten Vorderbeines auf. Während nämlich dieses bei d (vgl. Abb. 1 und 2D) bis tief unter das Knie mit dem übrigen Körper zusammenhängend braun gezeichnet 62 N. G. Lebedinsky. ist, weist c am sonst weissen Bein nur einen scharf umgrenzten braunen Kniefleck auf. Damit ist der Nachweis erbracht, dass wir es hier wirklich mit echten viereiigen Vierlingen, und nicht etwa mit zwei Zwillingspaaren, einem eineiigen und einem (wegen des verschiedenen Geschlechtes sicher festzustellenden) zweieiigen (ad und b?, Abb. 2A und B) zu tun haben. Einen ziemlich ähnlichen Fall hat 1914 Erhardt beschrieben. Es handelte sich um eine zirka acht Jabre alte Simmentaler Kuh, welche bereits vier Mal geboren, jedoch immer nur ein Kalb zur Welt gebracht hatte. Das fünfte Mal wurden gleichzeitig vier junge geboren, zwei dd’ und zwei 29. Alle Geschwister zu- sammen wogen 62,5 Kilo. Eine gesunde Vierlingsgeburt ist ein recht seltenes Vorkommnis. In der Regel werden bei der Kuh die vielen Früchte nicht ausgetragen; es tritt meistens Abortus ein, oder das Muttertier geht an Erschöpfung zugrunde. Werden solche Kälber lebend geboren, so können sie nur ausnahmsweise aufgezogen werden (Franck-Göring 1901). Bruin (1902) und neuerdings Schmaltz (1912) haben einige be- sonders interessante Fälle der Vielträchtigkeit beim Hausrind zusammen- gestellt. So ist ein Fall bekannt, wo eine achtzehnjährige Kuh fünf Kälber gebar, und zwar drei weibliche und zwei männliche; sie lebten jedoch bloss acht Tage. — In einem andern Falle wurde eine sieben- fache Trächtigkeit beobachtet. — Ja es wird von einer Frühgeburt von sechs Kälbern, die je 10—14 Kilo wogen, berichtet. — Den sonder- barsten Fall aber führt Kleinschmidt im Magazin von Gurlt und Hertwig Bd. 23 an. Bei einer Kuh, die ein kräftiges Kalb geboren hatte, aber wegen Erschöpfung geschlachtet wurde, fanden sich im Uterus und in der Scheide noch 15 Föten. — „In einem anderen Falle wogen die ge- borenen Drillinge 38, 34 und 32 Kilo und konnten alle aufgezogen werden“ (Schmaltz). — Bei manchen Individuen zeigt sich eine dauernde Anlage zur Vielträchtigkeit. So wird eine Kuh beschrieben, die im Jahre 1892 Drillinge, 1893 Drillinge, 1894 Zwillinge und 1895 Vier- linge von normaler Entwicklung zur Welt brachte. Wahrscheinlich ist die,Zahl der Zwillings-, bezw. Mehrlings- schwangerschaften bei normalerweise uniparen Tieren eine wesentlich grössere als nach der Statistik der ganz oder teilweise ausgetragenen Geburten gemeinhin angenommen wird. Diese von v. Neugebauer (1913) für das menschliche Weib ausgesprochene Annahme basiert auf der Erfahrung, dass eine grosse Anzahl von Zwillingsschwanger- schaften als solche oft nicht eruiert wird; weil der im Kampf ums Dasein im Uterus unterlegene Zwilling gar leicht übersehen werden kann. „Untersucht man gewissenhaft jede Placenta, so findet sich oft genug an derselben der übersehene Zwilling, sei es ein Foetus amorphus, acormus usw., oder es findet sich nur eine . rudimentäre zweite Eiblase mit rudimentärem Fötus“. Eine Vierlingsgeburt beim Hausrind. 63 C—c ® und d ® von der linken Seite. D—c © und d © von der rechten Seite. A—a g und b © von der linken Seite. B—a und b von der rechten Seite. | Fig. 2. Vierlingskälber 6 Monate alt. 64 N. G. Lebedinsky. Ueber die Ursache der zwei-, bezw. mehreiigen?) Schwanger- schaft findet sich wenig Positives in der einschlägigen Literatur. Hellin (1895) und Patellani (Zeitschr. f. Geburtsh. Bd. 35) fassen die Multiparität als Atavismus auf und führen zum Beweis ihre Erblichkeit an. Als eine zweite Stütze für diese Auffassung wird von vielen Autoren das häufige Zusammentreffen von Zwillings- schwangerschaft des Weibes mit der Persistenz der Geschlechts- charaktere auf einem primitiven Entwicklungsstadium angesehen: Polymastie, Uterus bicornis. Auch Berger (1914) glaubt neuer- dings auf Grund eigener klinischer Erfahrungen die histologischen Befunde von Hellin und Bumm (1907), wonach bei Multiparen das Ovarium durch seinen Reichtum an Follikeln dem fötalen Ovarıum sich nähere, bestätigen zu müssen. Diese Resultate der verdienst- vollen medizinischen Forschung scheinen mir aber nicht zwingend genug zu sein. Denn erstens kann Erblichkeit eines physiologischen oder morphologischen Charakters allein kaum als Kriterium seines phylogenetischen Alters dienen, wenn man an die Erblichkeit der Mutationen denkt, welche ja ihrer Natur nach jüngsten Datums sind. Und zweitens, wäre die individuelle Multiparität in den sonst uniparen Tieren tatsächlich von dem primitiveren Zustand des betreffenden Individuums abzuleiten, so müsste noch die Er- klärung für jene Tatsache beizubringen sein, warum dann solche Individuen statt ihr ganzes Leben lang Multiparität aufzuweisen, in durchaus „willkürlicher“ Abwechslung einfachen, zweifachen, bezw. mehrfachen Schwangerschaften unterworfen sind. — So sind wir noch weit davon entfernt, die spontane zwei-, bezw. vieleiige Multiparität der normalerweise uniparen Tiere erklären zu können. * * * Im Anschluss an die oben berührte Frage will ich hier ein anderes, ziemlich verwandtes Phänomen einer näheren Prüfung unterziehen. Welche Momente bestimmen individuelle Schwankungen in der Zahl der Jungen eines Wurfes bei multiparen Arten? Die Erscheinung an und für sich ist so bekannt, dass es sich erübrigt, sie mit Beispielen zu belegen. Weniger allgemein bekannt dagegen (wenn auch längst sicher beobachtet und für unsere Frage sehr bezeichnend) ist die gesteigerte Fruchtbarkeit domestizierter Tiere verglichen mit derjenigen ihrer wilden Stammformen, bezw. nächsten Verwandten. Zur Illustration dieser Erscheinung diene die folgende nach den Angaben der neuesten Auflage von Brehms Tierleben zusammengestellte Liste. 3) Die eineiigen Zwillingsbildungen werden in diesem Aufsatze überhaupt nicht berücksichtigt. Eine Vierlingsgeburt beim Hausrind. 65 Höchste Zahl der Jungen in einem Wurf Masa@lustela putorius) . . -°. : . 2... . 7 Birektonen ME putorius furo), . ... .. .0..... 8 Nerz (Mustela/Lutreola/vison) . . . . . . . . 6 Né -aumHarmen gezüchtet 0m 0. : 10 Präriewolf (Canis/Lyciscus/latrans) . . . . . . 10 Schakal al Re he at 8 Mono) .. 5 Be et 9 Dingo (Canis Ann) ee 2 el. 8 Haushund . . ELSE NE 23 Wildschwein (Sus sera) SE EN RATER 2 Hausschwein . . . MR OL Ra NT ne 20 Ausser vielen älteren Autoren hat auch Darwin sich mit der Fruchtbarkeit der Haustiere (und Kulturpflanzen) eingehend be- fasst. „In manchen Fällen“, schreibt er, „wie beim Schwein, Kaninchen USW EN en hat wahrscheinlich die direkte Auswahl der fruchtbaren Individuen zur Nachzucht ihre Fruchtbarkeit bedeutend vermehrt; und in allen Fällen mag dies wohl indirekt infolge der grösseren Wahrscheinlichkeit eingetreten sein, mit welcher die zahlreicheren, von den fruchtbareren Individuen produzierten Nachkommen die andern überdauert haben. Aber bei Katzen, Frettchen, Hunden REDEN kann Zuchtwahl nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben; und die Zunahme ihrer Fruchtbarkeit muss den günstigeren Lebensbedingungen zugeschrieben werden, unter denen sie lange existiert haben.“ Nach Darwin sind diese günstigeren Lebens- bedingungen in erster Linie ein regelmässiges und ergiebiges Futter, ohne die Mühe, es sich suchen zu müssen. Rein morphologisch genommen, basiert die Fähigkeit des tie- rischen Organismus, die Fruchtbarkeit zu steigern, auf dem be- kannten Ueberreichtum der jungen Ovarien an Eiern. So be- stimmte Waldeyer (1906) die Zahl der in einem Ovarium eines siebzehnjährigen Mädchens befindlichen Eier zu rund 17,500, also in beiden Ovarien 35,000. Rechnen wir mit v. Hansemann (1912), dass eine Frau vom 15. bis zum 50. Lebensjahre ovuliert, und zwar in jedem Jahre ca. 14 Mal, so würden auf diese Weise rund 500 reife Eier produziert werden. Es würden also während des ganzen Lebens weniger als 1,5 °/ aller beim Antritt der Pubertät vorhanden gewesener Eier als befruchtungsfähige Geschlechtszellen ausgestossen. Viele Tausende dagegen werden atretisch, d. h. fallen den Rückbildungsprozessen anheim. 5 66 N. G. Lebedinsky. Vor kurzem gelang es v. Hansemann (1912) auf Grund der histologischen Befunde, die ätiologischen Bedingungen festzustellen, welche für die merkwürdige Tatsache der Atresie so zahlreicher Eifollikel verantwortlich gemacht werden müssen. Bei einem nor- malen Kinde von 1 Jahr und 2 Monaten fand er in einem Ovarium‘) ca. 49,000, bei einem 2jährigen ca. 46,000 Eier. Ein Kind von S Jahren hatte nur 25,000 Eier, ein solches von 10 Jahren 21,000 Eier, ein solches von 14 Jahren ca. 16,000 Eier. Bei Achtzehn- jährigen findet man nur noch 5—7000 Eier. Aus diesen, von mir etwas abgerundeten Werten ergibt sich ohne weiteres, dass die Zahl der Eier mit zunehmendem Alter bedeutend abnimmt. Zieht man noch die bereits erörterte Tatsache in Betracht, dass über- haupt nur ca. 500 Eier zur vollen Entwicklung gelangen, so wird das überraschende Bild der enormen Ueberproduktion an Eiern vollständig. v. Hansemann erklärt diese Ueberproduktion folgender- massen „Da wir. von der Voraussetzung ausgehen müssen, dasssalleer ar Eigenschaften der Tiere durch allmähliche An- passung entstanden sind und auf der andern Seite wissen, dass die Nat. mit ausserordentlicher Oekonomie arbeitet ..... , so ist anzunehmen, dass in dieser scheinbaren Abundanz ein ganz be- sonderer Sinn liegen muss. Besonders Weismann hat ..... her- vorgehoben, dass die Zahl der ..... Eier ungefähr proportional ist der Grösse der Gefahren, denen die Eier bei ihrer Entwicklung ausgesetzt sind“. Neben dieser ausserhalb der Gonaden stattfin- denden Selektion sind nach v. Hansemann die Eier noch einem Kampf untereinander im Ovarium ausgesetzt. Und zwar sind es offenbar „molekulare Eigenschaften, die die Eier von einander unterscheiden und die es mit sich bringen, dass das eine Ei am Leben bleibt und sich weiter entwickelt, während die andern Eier, die sich zunächst doch unter den gleichen Bedingungen befinden, zugrunde gehen.“ Schliesst man sich dieser Ansicht an, „so dürfte sich der Kampf, der sich hier abspielt, wesentlich durch Stoff- wechselverschiedenheiten im Sinne Roux’s erledigen.“ Erst im weitern Verlauf der Ovarienentwicklung und der Reifung der Eier sollen rein mechanische Verhältnisse mehr in den Vordergrund treten und können dann besonders gut beobachtet werden dank 4) Autor vergisst, genau anzugeben, ob seine Zahlen für ein oder für beide Ovarien gelten. Weil seine Angabe von 16,390 Eiern für das 14. Lebensjahr mit der Waldeyer’schen Feststellung für das 17. Jahr (ca. 17,500), welche aber auf ein Ovarium sich bezieht, schön übereinstimmt, so gelten auch die obigen Zahlen wohl nur für je eine Gonade. Darum müssen die von v. Hansemann eruierten Zahlen der der Atresie anheimfallenden Follikel entsprechend geändert werden. Eine Vierlingsgeburt beim Hausrind. 67 der Lage der atretischen Follikel, welche stets am häufigsten in der Nachbarschaft grösserer, weiter entwickelter Follikel sich befinden. „Ich möchte also glauben“, resümiert v. Hansemann, „dass zwischen den Eiern mit ihren Follikeln untereinander ein Kampf stattfindet. Dieser Kampf hat den Sinn, dass der widerstands- fähigste Follikel..... schliesslich zur Reife kommt und dass in- folgedessen von den vielen Tausend Eiern, die ursprünglich in den Ovarien gebildet wurden, einige Hundert zur Ausstossung ge- langen.* — So weit v. Hansemann. Wie wir gesehen haben, wird seine Annahme ganz allgemein ausgesprochen. Es fällt aber jetzt meines Erachtens nicht schwer, die kausale Abhängigkeit zwischen seinen Feststellungen und der erwähnten Tatsache grösserer Fruchtbar- keit gut genährter domestizierter Tiere zu eruieren. Warum steigert reichlichere Ernährung die Fruchtbarkeit und worin besteht dieser Vorgang? Was geschieht, wenn der Nahrungs- zufluss zu den Ovarien, also auch zu den im Wachstum begriffenen Follikeln, sich verstärkt, wie dies bei den gut gefütterten Haus- tieren verglichen mit ihren wilden Verwandten zweifelsohne statt- hat? — Als unmittelbare Folge muss eine entsprechende Ab- schwächung der Schärfe des „Kampfes der Teile“ (Roux) um die Nahrungsmenge eintreten, und folgerichtig wird darum eine das Mittel übersteigende Anzahl von Eifollikeln zur Reife gelangen. Das betreffende Individuum kann eine zahlreichere Nachkommen- schaft produzieren. Was aber in unserem Falle für die Folgen der Domestikation gilt, darf wohl auch auf die Zustände in der freien Natur über- tragen werden. Auch hier gibt es ja Schwankungen in den Er- nährungsvorgängen, auch hier trifft man besser oder schlechter genährte Individuen mit entsprechend besser oder schlechter ge- nährten Ovarien. Dazu kommt noch, dass der Ernährungszustand der Ovarien, wie übrigens jedes einzelnen Organs im Körper, nicht nur direkt mit dem Ernährungszustand des Muttertieres in Kor- relation steht, sondern ebenso sehr von zahlreichen physiologisch- anatomischen Faktoren abhängt; so hängt er, um nur ein Beispiel anzuführen, von reichlicherer oder ärmerer Blutversorgung der Gonade ab, mag jene ihrerseits durch raschere Bewegung des Blut- stromes oder seine vorteilhaftere Verteilung im Ovarialgewebe be- dingt sein. Indem ich von den phylogenetisch festgelegten Grenzen der Fertilität jeder einzelnen Art absehe, stehe ich also nicht an, die individuellen Steigerungen der Multiparität einer und derselben 68 N. G. Lebedinsky. multiparen Tierspecies auf die durch die gesteigerte Nahrungszufuhr hervorgerufene Abnahme der Härte des „Kampfes der Eier im Ovarium“ (v. Hansemann) zurückzuführen. Durch den den mitt- leren Bedarf übersteigenden Zufluss wird ausser den kräftigsten, assimilationsfähigsten und also lebensfähigsten Eifollikeln auch noch einer Anzahl etwas schwächerer Elemente die Möglichkeit gegeben, sich bis zur Reife zu entwickeln. Und zwar wohl öfters zum Nachteil für das Gedeihen der betreffenden Art.*) *) Die Angabe S. 60, Zeile 10/11 v. o. ist unrichtig. Vor unserem Falle 2 Zwillingsgeburten (1913, 1914) u. 1 normale Geburt. Die ersten Zwillinge kurz nach der Geburt gestorben. Von d. Zw. 1914 (© ©) 1 geschlachtet, 1 auf- gezogen, dieser 1917 Zw. (4, ©) geworfen. Der norm. Geburt (1915) folgte unser Fall. 1917 zwei gesunde Stierkälber. (Zusatz während des Drucks.) Zitierte Literatur. Berger, B. Ein Fall von besonderer Fertilität (kombiniert mit konstanten Blutungen in der schwangerschaftsfreien Zeit). Zentralbl. f. Gynäkologie, 38. Jahrg., 1914. de Bruin, M. G. Die Geburtshilfe beim Rind. 2. Auflage. (Handb. der tier- ärztlichen Chirurgie und Geburtshilfe, herausgeg. v. Bayer und Fröhner, NII. Bd., I. Teil). Wien und Leipzig, 1912. Bumm. Grundriss der Geburtshilfe, 1907. (Zitiert nach Berger.) Darwin, Ch. Das Variieren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Domesti- kation. Il. Bd., Uebersetzt von Carus. Vierte Ausgabe, 1906. Erhardt. Fin Fall der Vielträchtigkeit. Schweiz. Landwirtschaftl. Zeitschrift, 32. Jahrg., 1904. Franck, L. — Göring, Ph. Tierärztliche Geburtshilfe. 4. Aufl., Berlin 1901. Hansemann, v. D. Ueber den Kampf der Eier in den Ovarien. Archiv für Entwicklungsmechanik der Organismen, 35. Bd., 1912. Hellin. Die Ursache der Multiparität der uniparen Tiere überhaupt und der Zwillingsschwangerschaften beim Menschen insbesondere. München, 1895. (Zitiert nach Berger.) Neugebauer, v. Fr. Kasuistischer Beitrag zur Frage der ungewöhnlichen Frucht- barkeit des Weibes. Zentralbl. f. Gynäkologie. Bd. 37. 1913. Patellani. Die mehrfachen Schwangerschaften, die Extrauteringraviditäten und die Entwicklungsanomalien vom anthropologischen Standpunkt aus betrachtet. Zeitschr. f. Geburtshilfe, Bd. 35. Roux, W. Gesammelte Abhandlungen über Entwicklungsmechanik der Orga- nismen. I. Band, Leipzig, 1895. Schmaltz, R. Das Geschlechtsleben der Haussäugetiere. (In Harm’s Lehrbuch der tierärztlichen Geburtshilfe, I. Teil.) Berlin 1912. Waldeyer, W. Die Geschlechtszellen. Hertwig’s Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwicklungslehre der Wirbeltiere. Erster Band, erste Hälfte. Jena 1906. Basel, Zoologische Anstalt, 4. August 1917. Neue Fundorte einheimischer Spinnen. Von E. Schenkel. Nachfolgende Mitteilungen sollen die Fundortsangaben im „Verzeichnis der Spinnen von Basel und Umgegend“ von Fr. Müller und E. Schenkel (diese Mitteil., 1894) ergänzen. Vorkommen, die sich vollständig mit den I. c. angegebenen decken, wurden nicht berücksichtigt und überall häufige Formen überhaupt nicht erwähnt. Für die Reihenfolge war mir der „Catalogue des invertébrés de la Suisse, Fasc. 3, Araignées par R. de Lessert“ massgebend. In letzterm Werk nicht aufgeführte Arten sind durch 2 Sterne (**), für die Umgebung Basels neue mit 1 Stern (*) gekennzeichnet. Atypus affinis Eichwald. Atypus piceus Sulzer, Müller u. Schenkel 1. c. p. 777. Das Endglied der grossen Spinnwarzen ist bei einigen Exem- plaren vollständig ungegliedert, bei andern zeigt es kaum erkenn- bare, bei weiteren merkliche Spuren von Segmentierung; eine scharfe Scheidung in 2 Arten war mir nicht möglich. Die zahlreichen, von mir ausgegrabenen Wohnschläuche ent- hielten immer nur Weibchen (vergl. L. Koch, Verzeichnis der bei Nürnberg beobachteten Arachniden, p. 159). Männchen habe ich überhaupt noch keine erbeutet (? IV— VII). Halden und Hohlwege im Löss von Binningen (Steinenkreuz, Tiefengraben), Allschwil (Ziegelhütte b. Weiher), Biel-Benken, Buschwiler, Wenswiler und Blotzheim (sehr zahlreich !), Tittingen (Schemel). Ein ganz junges Exemplar bei Münchenstein (Schiess- platz bei P. 278, 1. S. der Birs) aus Moos gesiebt. Herr Prof. Zschokke (diese Verh., Bd. XX VIII, 2. T. p. 47) zählt wohl vorliegende Art, unter der Bezeichnung A. piceus Sulzer, zu den wärmeliebenden Bewohnern der Südhalden; nach meinen Erfahrungen ist dieselbe vielmehr eine Charakterform des Lösses “0 E. Schenkel. und wohl überall zu trefien, wo diese Bodenart vorkommt. An den Wänden der Hohlwege, sofern dieselben mit Gras bewachsen und nicht direkt nach Norden gerichtet sind, lassen sich bei einigem Suchen fast regelmässig die Wohnschläuche auffinden; die früher angegebenen Fundorte beim Wenkenhof und bei der Villa De- bary ob Grenzach haben lössähnlichen Boden. Verbreitung: Deutschland, England, Ungarn, Atypus muralis Bertkau, Chyz. u. Kulc., Aran. Hung. A. piceus Sulzer, in Bösenberg, Spinnen Deutschlands. Die Wohnschläuche waren im scharfkantigen Sand der Schutt- kegel und Gehängeschutthalden angelegt, die freien Enden der Röhren unter Steinblöcken verborgen und oft zu zweit an einem Schlauch; letzterer war zuweilen von Z und © gemeinsam be- wohnt. Tessin: Claro und Preonzo ob Bellinzona (S © VD). Uloborus walckenaeri Latreille. Claro ob Bellinzona (2 VD. Hyptiotes paradoxus (C. L. Koch). Dornachberg, ©, IX, ab Gebüsch. Ciniflo claustrarius (Hahn). Lauwil (2 VIT). Ciniflo fenestralis (Ström). Birseck, Reichenstein, Bärenfels, Hochwald, Pfeffingen, Kehlen- graben, Kahl. Stansstad, Hasleberg, Claro b. Bellinzona. Ciniflo erberi Keys. Claro (8 V, VI. Ciniflo (Titanoeca) quadriguttatus (Hahn). Rogensteinhalde n. ö. von Schloss Birseck, im Gesteinsschutt nicht selten ( © IV, VI, VID). Ciniflo (Titanoeca) tristis (L. Koch). Schuttkegel auf der rechten Seite des Tessin, gegenüber von Claro, äusserst häufig (S © V, VD. Dictyna”” pusilla Thor. Grindelwald (3 VIT). Verbr: Deutschland, Schweden, Ungarn. Dictyna arundinacea L. Reinacherheide (Ÿ). Dysdera cambridgei Thorell. Stadt, Bruderholz, Neuewelt, Dornach-Aesch, Klus-Tschäpperli, Zwingen, Dittingen, Neudorf, Blotzheimer Hard. Fraumatt bei Ziefen, Hasleberg. Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 71 Harpactes* drassoides (Sim). Aus der nähern Umgebung der Stadt — Wartenberg, Reichen- stein, Birseck, Ingelstein, Hülzistein, Bärenfels — nur Weibchen und Junge; reife Männchen von Fraumatt und Bütschen bei Ziefen, vom Hasleberg und Bürgenstock, meist aus faulen Baum- stümpfen ( © VII). Harpacetes hombergi (Scop.). Wartenberg, Reichenstein, Ingelstein, Herrenmatt-Mariahilf, Keh- lengraben, Schleifeberg bei Liestal, Fraumatt bei Ziefen. Harpactes lepidus (©. L. Koch). In allen Wäldern der Umgebung sehr häufig. Chrischona, War- tenberg, Reichenstein, Ingelstein, Hülzistein, Bärenfels, Falken- fluh, Herrenmatt, Mariahilf, Bürenfluh, Pelzmühletal, Eggfluh, Burgengratweg, Kahl, Landsberg, Fringeli, Fraumatt bei Ziefen, Obbürgen am Bürgenstock. Segestria bavarica ©. L. Koch. Wenkenhof (unter Föhrenrinde S X), Claro ob Bellinzona, unter Steinplatten der Grenzmäuerchen (© VI). Segestria senoculata (L.). Hornberg, Hülzistein, Schleifeberg bei Liestal unter Föhrenrinde; Fraumatt bei Ziefen, Stansstad (S © IV, VII, IX, X). Drassodes lapidosus Walckenaer. Alpine Fundorte: Buochserhorn, Stanserhorn, Hasleberg (Reuti, Arnialp, Planplatte), Grindelwald (Waldspitz, Grindelalp, Bäregg, Kl. Scheidegg). Drassodes pubescens (Thor.). Tittingen-Blauen, Haberhäuser bei Michelfelden, Obbürgen, Grin- delwald (Bäresg, Kl. Scheidegg), Claro ob Bellinzona (3 V—VI, ? VI-VM). Drassodes Heeri (Pavesi). Hasleberg (Mägisalp, Planplatte, Hochstollen), Grindelwald (Kl. Scheidegg, Bäregg, Bänisegg, Zäsenberg, Schwarzegg. Gleckstein), (S ? VII— VIII), Alpen ob Olaro (2 VI). Drassodes troglodytes (C. L. Koch). Reinacherheide, Mündung der Wiese, Höhenweg zum Passwang, Blotzheimer Hard, Rosenau, Obbürgen, Buochserhorn, Stanser- horn, Hasleberg (Arnialp, Mägisalp, Lauber, Planplatte, Hoch- stollen), Grindelwald (Bäregg, Bänisegg, Schwarzegg, Zäsenberg, Hotel Wetterhorn, Gleckstein, Krinnenhorn, Waldspitz, Grindel- alp, Fuss des Schwarzhorns, Kl. Scheidegg). Bei einzelnen Exemplaren ist die mittlere Rinne der Epigyne verwischt, oder aber es erhebt sich in derselben ein niedriger, stumpfer Kiel. Die Exemplare aus der Umgebung der Stadt sind meist beträchtlich kleiner als die alpinen. 72 E. Schenkel. Drassodes** minusculus (L. Koch). Reinacherheide (& V), Neudorf (® VIII), Claro (S 2 V—VI). auf ödem Heideland unter Steinen. Verbr.: Mittelmeerländer, Frankreich, Ungarn. Drassodes** silvestris (Blackw.) Birseck (? X), Pelzmühletal (? X), Schneckenberg zwischen Grenz- ach und Wilen ( IV), an sonnigen, bewaldeten Abhängen unter Steinen. Verbr.: Deutschland, Frankreich, England, Belgien, Schweden, Ungarn. Poecilochroa”* variana (©. L. Koch). Claro ob Bellinzona (? V—VI) unter Steinen am Fuss der Fels- wände und im Schuttkegel von Preonzo. Verbr.: Frankreich, Deutschland, Schweden, Ungarn. Prosthesima subterranea (©. L. Koch). Claro ob Bellinzona (S ©). Die Epigyne des Weibchens ist mehr in die Länge gezogen, als der Abbildung in Kulc. Aran. Hung. entspricht; namentlich das Feld vor der mittleren Areole ist viel ausgedehnter. Prosthesima apricorum (L. Koch). Fraumatt bei Ziefen, Seewen, Höhenweg zum Passwang, Leopolds- höhe, Obbürgen, Pilatus, Hasleberg (Arnialp), Grindelwald (Grin- delalp, Fuss des Schwarzhorns, Bachalp-Faulhorn, Bäregg, Bänis- egg, Glecksteinweg), Claro ob Bellinzona. Prosthesima clivicola (L. Koch). Obbürgen, Hasleberg (Arnialp, Mägisalp), Grindelwald (Wald- spitz, Bachalp, Faulhorn, Schwarzegg, Glecksteinweg). Prosthesima serotina (L. Koch). Rheinvorland unterhalb Grosshüningen (© III, IV, XII), Claro (8 V—VD. Prosthesima petrensis (©. L. Koch). Mittlere Strasse beim Kannenfeld, Mündung der Wiese, Neue- welt, Tittingen-Blauen, Höhenweg zum Passwang, Blotzheimer Hard, Burgfelden, Haberhäuser, Gross-Hüningen, Grindelwald, + Claro. Prosthesima talpına L. Koch. Grindelwald (Waldspitz, Glecksteinweg, 2 VII). Prosthesima Latreillii Simon. Reinacherheide (© X), Tittingen (© V), Blotzheimer Hard, Ob- bürgen (? VII), Claro (S,8 V—V]). Prosthesima longipes (L. Koch). Reinacherheide (? X). Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 13 Prosthesima erebea Thor. Birseck (? X), Gipfel des Bürgenbergs (© VII). Unter flachen Kalksteinen an waldigen Südhalden. Prosthesima oblonga (©. L. Koch). Claro (8 V oder VI). Prosthesima* praefica (L. Koch). Höhenweg zum Passwang (d VII), Rheinufer bei Friedlingen (© VD, Claro (2 V oder VD). Prosthesima pusilla (C. L. Koch). Fischzuchtanstalt bei Neuweg (S IV). Prosthesima pumila (©. L. Koch). @laror(& 2V VD). Prosthesima* villica Thor. Birseck (© VI). Prosthesima pedestris (©. L. Koch). „ Claro (2 V oder VI). -"Prosthesima exigua Müller und Schenkel. 2 Weibchen vom gleichen Fundort wie das Typusexemplar; die Epigyne ist etwas abweichend von der Zeichnung, die de Les- sert in ,Observations sur les araignées du Bassin du Léman“, Pl, BIO Gnaphosa lucifuga Walck. Reinacherheide (S V), Tschäpperli (3 IV). Gnaphosa lugubris (C. L. Koch), Schuttkegel auf der rechten Talseite des Tessin gegenüber von Claro, äusserst häufig unter Steinen (S ® V— VI). #naphosa badia (L. Koch). Buochserhorn; Hasleberg (Mägisalp, Lauber, Planplatte, Hoch- stollen); Grindelwald (Waldspitz, Bachalp, Faulhorn, Fuss des Schwarzhorns, Kleine Scheidegg, Bäregg, Schwarzegg, Zäsenberg, Gleckstein). Gnaphosa tigrina Simon. Grindelwald (Haus zum Dorengaden, 1200 m, 2 d VI). Die Form der Palpen stimmt überein mit den Abbildungen 69 und 70, p. 78 im , Catalogue des Araignees“ von de Lessert; dagegen passt die Bestachelung der Tibien 1 und 2 (1—1, bezw. 1—2) besser für G. tetrica Simon; auch die Beschreibung und Zeichnung des Palps der letzteren Art in Arachn. de France IV p. 170, PI. XV Fig. 18 stimmt annähernd. Die Fundorte der Gn. tigrina werden sehr hoch (2000—3000 m) angegeben. Gnaphosa bicolor (Hahn). Birseck, Bärenfels, Landsberg, Fraumatt und Bütschen bei Ziefen, Höhenweg zum Passwang, Bretzwiler Stierenberg, Stansstad, Alp- nachstad, Obbürgen. 74 E. Schenkel. Gnaphosa petrobia (L. Koch). Hasleberg (Mägisalp, Planplatte, Hochstollen); Grindelwald (Bach- alp, Faulhorn, Schwarzegg, Zäsenberg, Gleckstein). Gnaphosa rhenana Müller und Schenkel. Rosenau, l. vom Kanal (Standort der Anemone pulsatilla) VII, ® mit Eiersack. Der Palp des Männchens ist sehr ähnlich Fig. 20 a in Chyzer und Kulczynski, Araneae Hungariae, Taf. VII (Gn. opaca Her- mann); die Epigyne passt eher zu Fig. 21 (Gn. suspecta Herm.). Eine dieser beiden Bezeichnungen ist vielleicht an Stelle der unsrigen zu setzen. Pterotricha exornata (C. L. Koch). Claro ob Bellinzona (S © VD. Callilepis nocturna (L.). Birseck (8 VIT); Ingelsteinfluh, an sonniger, felsiger Halde leb- haft herumlaufend (S VI); Arnialp (S); Waldspitz bei Grindel- wald (2); Claro (2). | Pholcus opilionides (Schrank). Claro und Preonzo ob Bellinzona (d © V—VT). Teilweise auch im Freien, unter Steinen erbeutet. Episinus truncatus Latreille. Wald zwischen Reichenstein und Birseck (7 © VII), Fuss der Terrasse unterhalb Arlesheim (© imm. VI), Fraumatt bei Ziefen (d VID, Claro (S imm. V od. VI). Euryopis flavomaculata (©. L. Koch). Neuewelt, Münchenstein, Reinacherheide, Blotzheimer Hard. ( und © unreif, X und IV). Theridion bimaculatum (Linne). Bruderholz, Allschwilerwald, Arlesheim, Fraumatt bei Ziefen, Michelfelden, Blotzheimer Hard. Theridion lineatum (Clerck). Arnialp, Obbürgen, Grindelwald. Theridion* lepidum (W alckenaer). Allschwilerplateau (2 VI, sehr klein), Friedlingen (S VI viel grösser). Theridion** suaveolens Simon. Blotzheimer Hard (1 & VI, ab Gebüsch). Verbr.: Frankreich, Italien. Theridion sisyphium (Clerck). Grindelwald beim obern Gletscher (S ? VII). Theridion impressum L. Koch. Lange Erlen, Fraumatt bei Ziefen, Obbürgen. Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 75 Theridion pietum (Walckenaer). Neuweg-Löchli, Leopoldshöhe. Theridion tinctum (Walckenaer). Bruderholz, Biel-Benken, Hofstetten-Blauen, Friedlingen. Theridion denticulatum (Walckenaer). Birseck, Michelfelden. Theridion* pinastri L. Koch. Tschäpperli (2 VI), Fraumatt bei Ziefen (S © VII); Friedlingen (d VI). Theridion formosum (Clerck). Kehrsiten-Stansstad-Alpnachstad, Bürgenstock (© mit Eiersäcken an den Felswänden neben den Strassen, VII). Theridion riparium Blackwall. Höhenweg zum Passwang (S VII). Theridion tepidariorum ©. L. Koch. Schleifeberg bei Liestal (VI, 5, sehr klein). Die Fundstelle ist von Grewächshäusern, überhaupt von mensch- lichen Wohnstätten, ziemlich entfernt. Theridion* vittatum ©. L. Koch. Bruderholz (S V), Hornberg (S), Tschäpperli (3 VD. Theridion simile ©. L. Koch. Reinacherheide (3 V). Dipoena melanogaster (©. L. Koch). Birseck (3° © VI), Ingelsteinfluh (? VI), Tschäpperli (© VD), auf (sebüsch an sonnigen Halden. Dipoena braccata (C. L. Koch). Tschäpperli (S © VI), Fraumatt bei Ziefen (S ? VII). - Dipoena** tristis (C. L. Koch). Reinacherheide (3 ©). Verbr.: Deutschland, Frankreich, England, Schweden, Ungarn. Crustulina guttata (Wider). Reichenstein (© X), Pfeffingen (© X), Herrenmatt-Mariahilf (© X), Claro ob Bellinzona (3 ® V—VI). Steatoda bipunctata (Linné). Kehrsiten-Stansstad-Alpnachstad, Hasleberg (Reuti), Grindelwald. Lityphantes corollatus (Linné). Blauenweide (V, d', Zu. juv.; VIIL, © mit Cocons und Pull.). An felsigen Stellen unter stark besonnten Steinen. Lithyphantes paykullianus (Walckenaer). Preonzo ob Bellinzona (? V). Unter Steinen eines Schuttkegels; bei den Nestern reichliche Überreste der Beutetiere. Asagena phalerata (Panzer). Tessinvorland bei Claro, sehr häufig. 76 E. Schenkel. Enoplognatha thoraciea (Hahn). Rheinvorland im Elsass (©), Claro und Preonzo (? V— VI, zahl- reich!). Robertus neglectus (Cambridge). Rheinvorland im Elsass (S). Robertus lividus (Blackwall). Bruderholz, Neuewelt, Reichenstein, Ingelstein, Dornachberg, Bürenfluh, Pelzmühletal, Eggfluh, Kehlengraben, Kahl, Blotz- heimerhard, Obbürgen, Hasleberg, Grindelwald. Robertus truncorum (L. Koch). Hasleberg (Reuti); Grindelwald (Waldspitz, Bachalp, Kleine Scheidegg). Pholcomma gibbum (Westring). Reichenstein (S © X). Ingelstein (J’), Bärenfels-Falkenfluh (© X), Pfeffingen (FF? X). Ceratinella* scabrosa (Cambridge). ? Hôürmnli (S). Fundort nicht ganz sicher! Könnte auch von der Falkenfluh stammen. Ceratinella brevis (Wider). Münchenstein, Reinach, Aesch; Bruderholz; Allschwilerwald ; Reichenstein; Herrenmatt, Mariahilf und Ziegelscheuer bei Hoch- wald; Pfeffingen, Kehlengraben, Kahl; Fringeli; Rehhag-Lauch- fluh; Blotzheimer Hard. Grindelwald (Hertenbühl). Ceratinella brevipes (Wider). Bruderholz (©), Münchensteiner Schiessplatz (? X), U. v. Pfef- fingen (? X). Areoncus humilis (Blackwall). Garten an der Lenzgasse (S VIT), Reinacherheide (J‘). Areoncus** crassiceps (W estring). U. Basel (genauer Fundort unbekannt!) «. Verbr.: Schweden, England, Deutschland. Areoncus*® anguineus L. Koch. Grindelalp (S ? VII). Verbr.: Tirol. Minyriolus pusillus (Wider). Allschwiler Wald, Bruderholz, Birsniederung von Münchenstein bis Aesch, U. v. Hochwald (Herrenmatt, Mariahilf, Ziegelscheuer), Bürenfluh, Pelzmühletal, U. v. Pfeffingen, Kahl, Fringeli, Reh- hag; Blotzheimer Hard; Grindelwald. Minyriolus servulus (Simon). Rheinvorland im Elsass (J' X). Neue Fundorte einheimischer Spinnen. art Panamomops diceros (Cambridge). Ingelsteinfluh (JS), U. v. Pfeffingen (S X). Diplocephalus cristatus (Blackwall). Bruderholz (3 X), Rheinvorland im Elsass (S), Hasleberg (Reuti, S VII), Grindelwald (3 ? VII). Diplocephalus latifrons (Cambridge). Allschwilerwald (3), 1. Birsufer von Münchenstein bis Dornach (S X), U. v. Hochwald (Herrenmatt, Mariahilf, Ziegelscheuer, SX), Pelzmühletal ( X), Kahl (X). Diplocephalus fuscipes (Blackwall). Beinahe an allen Fundorten in grosser Anzahl aus Moos ge- siebt, die meisten im Oktober. Allschwilerwald, 1. Birsufer von Münchenstein bis Dornach, In- gelstein, Pelzmühletal, Herrenmatt-Mariahilf-Ziegelscheuer, Büren- fluh, Kahl. Diplocephalus* kochi (Lebert). Reichenstein (S X), Ingelstein (S), Pfeffingen (S X). Diplocephalus insectus (L. Koch). Wenkenhof-Hörnli (5 X), Pelzmühletal (d X), Kahl (JS X). Tapinocyba pallens (Cambridge). Wenkenhof-Hornberg (S © X), 1. Birsufer von Münchenstein bis Dornach (S X), Reichenstein ( X), Pfeffingen (/ X), Kahl (OX); Entelecara acuminata (Wider). Wohnung an der Lenzgasse (S V), Bruderholz (3 V), Chrischona- Hornberg (S VI), Reichenstein (J), Arlesheim (9 © VI) Gempen (S VI), Falkenfluh (7 V), Höhenweg Augst-Schleifeberg (S V), Blotzheimer Hard (S ©), Haltingen (ehemalige Hiltalinger Ge- markung, d VI). Überall ab Gebüsch. Enntelecara” congenera (Cambridge). Ab Gebüsch am Rand der Bürenfluh (7 VI). Entelecara erythropus (W estring). Grartenterrasse an der Lenzgasse (S © X). Dicymbium nigrum (Blackwall). Allschwilerwald (3 © X), Eggfluh (f X), Rehhag-Lauchfluh ( XIT). Lophomma herbigradum (Blackwall). Allschwilerwald (S X), Ingelsteinfluh (4), Kahl (S X), Umge- bung von Hochwald (S X), Bürenfluh (d X), Pelzmühletal (© X), Grindelwald (Hertenbühl & VII). Walckenaera acuminata Blackwall. Uberall häufig im Moos; die meisten Funde im Oktober. 78 E. Schenkel. Wenkenhof-Hôrnli, Chrischona, Allschwilerwald, Bärenfels-Fal- kenfluh, Pelzmühletal, U. v. Hochwald, Bürenfluh, Eggfluh, Kahl, Blotzheimer Hard. Walckenaera ? nudipalpis (Westring). Blotzheimer Hard (2). ° Walckenaera obtusa Blackwall. Kahl (© X). Walckenaera mitrata (Menge). Bruderholz ob Reinach (S XI), U. v. Pfeffingen (S X). Walckenaera cucullata (©. L. Koch). Bruderholz (©), Reichenstein (3 © IX, X), Ingelstein (©), Pelz- mühletal (S X), Bürenfluh ( X), Fringeli (9 IT). Walckenaera antica (Wider). L. Birsufer von Reinach bis Aesch (S © X), Allschwilerwald (2), Bärenfels-Falkenfluh ( X), Rheinvorland im Elsass (9). Walckenaera fugax (Cambridge). Reinacher Heide (5). Walckenaera corniculans (Cambridge). Bruderholz ( XI), Reichenstein (3 X), Ingelstein (), Kehlen- graben (S X). Walckenaera unicornis (Cambridge). Rheinvorland im Elsass (J‘). Tigellinus** fureillatus Menge. Blotzheimer Hard (S V). Verbr.: Deutschland, Frankreich, GIE, England, Galizien. GFonatium hilare (Thorell). Reichenstein ( ©), Hilsenstein (5 IX). Gonatium isabellinum (©. L. Koch). Allschwilerwald (3 © XI), Wartenberg (S X), L. Birsufer von Münchenstein aufwärts (3 X), Ingelstein (S ? X), U. v. Hoch- wald (? X), Pelzmühletal (© X), Bürenfluh (S X), Eggfluh (RER) Dicyphus cornutus (Blackwall). Bruderholz (S), Rütihard (5 V), 1. Birsufer bei Münchenstein (8), Rheinvorland im Elsass (Ÿ). Dismodicus bifrons Be Rütihard (S V), U. v. Gempen (d’ VI), Hofstetterköpfli (S V). Hypomma** bituberculatum (Wider). Rheinvorland im Elsass (Neudorf, Michelfelden, Ziegelscheuer, Haberhäuser, Fischzuchtanstalt) in halbausgetrockneten Sümpfen, zwischen Schilf und Binsen im feuchten Moos sehr zahlreich (S 8 IV— VI). Verbr.: Deutschland, Schweden, Norwegen, Dänemark, England. Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 79 Oedothorax* apicatus (Blackwall). L. Wiesenufer bei Kleinhüningen (S X), Rheinvorland im Elsass (d), Claro ob Bellinzona (S). Oedothorax retusus (Westring). L. Birsufer bei Münchenstein (S X), Rheinvorland im Elsass (S). Oedothorax agrestis (Blackwall). L. Wiesenufer bei Kleinhüningen (J X). Trematocephalus cristatus (Wider). Chrischona-Hörnli (? VI) Allschwilerwald (& ? VI), Reichenstein (?), Arlesheim (4° 2 VI), Falkenfluh (& V), Blotzheimer Hard (9). Ab Gebüsch, nicht selten. Gongylidiellum latebricola (Cambridge). Allschwilerwald (d). Erigone dentipalpis (Wider). Bruderholz (S IX, ab Gebüsch), Rheinvorland im Elsass (J’). Erigone graminicola (Sundevall). Rütihard (S V). Nematogmus sanguinolentus (Walckenaer). Ruine Tschäpperli (S IV). Nematogmus obscurus (Blackwall). L. Birsufer bei Reinach (d’ X). Hilaira montigena (L. Koch). Grindelwald (? VID, Weg zum Faulhorn (2 VII), Hylyphantes nigritus (Simon). Leopoldshöhe (J’ V), ehemalige Gemarkung von Hiltalingen (J’VI). Centromerus bicolor (Blackwall). Herrenmatt-Mariahilf (4 X). _ Centromerus affinis (Wider). Wäldchen zwischen Reinach und Aesch (S X), U. v. Hochwald (S X), U. v. Pfeffingen (© X), Blotzheimer Hard (S © X). Centromerus silvaticus (Blackwall). Allschwilerwald (S ©), Birsvorland, rechte Seite, bei Neuewelt (S ? X), linke Seite von Münchenstein bis Aesch (zahlreiche 0° und ® X), Bärenfels-Falkenfluh (S X), Pelzmühletal (7 © X), Kahl (? X), Wenkenhof-Hörnli (d’ © X), Blotzheimer Hard ( ©), Rheinvorland im Elsass (J © X). Centromerus brevipalpis (Simon). An den meisten Fundstellen sehr zahlreich, aus Moos. Nur die S wurden bestimmt. Allschwilerwald, Bruderholz, 1. Birsufer von Münchenstein bis Dornach (X), Herrenmatt (X), Bürenfluh (X), U. v. Pfeffingen (X), Kahl (X). 80 E. Schenkel. Centromerus serratus (Cambridge). Bruderholz (0°), Reichenstein (5° X), Bärenfels-Falkenfluh (5 X). Centromerus** probrosus (Simon). Ingelstein (0), Bärenfels-Falkenfluh (X), U. v. Pfeffingen (IX). Verbr.: Frankreich. Macrargus rufus (Wider). Wohnung a. d. Lenzgasse (S IX), Allschwilerwald (3° ©), Birs- vorland, 1. Seite, von Münchenstein bis Aesch (7 © X), Reichen- stein (? IX), Ramstel-Ingelstein-Hülzistein (4 © X), U. v. Hoch- wald (Herrenmatt, Mariahilf, Ziegelscheuer, & © X), Bürenfluh (S 9 X), Bärenfels-Falkenfluh (© X), Pelzmühletal (S X), U. v. Pfeffingen (S © X), Kahl (S £ X), Blotzheimer Hard ( ©); U. v. Obbürgen (© VID. Aus Moos und Detritus, noch wesentlich häufiger als Centro- merus silvaticus. Macrargus adipatus (L. Koch). Weg zum Faulhorn (J' VII). Macrargus abnormis (Blackwall). Wenkenhof-Hornberg (? X), U. v. Pfeffingen (8 IV), Kehlen- graben (3 X). Leptorhoptrum huthwaithi (Cambridge). Hasleberg (Reuti, Mägisalp © VII), Grindelwald: Grindelalp (2 VII), Fuss des Faulhorns (© VII), Schwarzhorn ( © VII), Glecksteinhütte (8 VII), Zäsenberg (7? VII). Die Weibchen häufig, die Männchen selten, unter Steinen. Microneta viaria (Blackwall). Zahlreiche Exemplare beiderlei Geschlechts aus Moos und De- tritus, meist im Oktober. Bruderholz, Schönenbuch, Wartenberg, Reichenstein, Ingelstein, Dornachberg, Bärenfels, U. v. Hochwald, Bürenfluh, Kehlen- graben, Eggfluh, Fraumatt bei Ziefen (VII), Blotzheimer Hard, Michelfelden. Micryphantes corniger (Blackwall). L. Birsvorland von Münchenstein bis Reinach (9 © X), Reichen- stein (d X), Herrenmatt (d X) Bürenfluh (J X), Eggfluh ( X), Kahl (X), Landsberg (S IT). Micryphantes rurestris ©. L. Koch. Fraumatt bei Ziefen ( VII), Rheinvorland im Elsass (d), Neue- welt (I X). Micryphantes gulosus (L. Koch). Grindelwald (S VII). Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 8 Mieryphantes dilutus (Cambridge). Wenkenhof-Hornberg (3 X), Bruderholz (3), U. v. Pfeffingen (F X), Kahl (3 X), Ingelstein (S), Pelzmühletal ( X) Neue- welt (3 X). Männchen an einigen Fundorten häufig. Sintula* aërius (Cambridge). L. Birsvorland von Münchenstein bis Dornach (5 X). Batyphantes concolor (Wider). Die meisten Funde im Oktober, vereinzelte im Mai und De- zember. Gartenterrasse an der Lenzgasse, Allschwilerwald, Vorländer der Birs bei Neuewelt (rechte Seite) und Münchenstein (linke Seite), Ingelstein, Bärenfels, U. v. Hochwald, Pelzmühletal, U. v. Gem- pen, Pfeffingen, Kahl, Blotzheimer Hard. Bathyphantes dorsalis (Wider). Allschwilerwald, Rütihard, Arlesheim, Gempen, Augst, Rhein- vorland im Elsass. Von April bis Juni ab Gebüsch. Bathyphantes nigrinus (W estring). Allschwilerwald (2), L. Birsufer bei Münchenstein (S © X). Bathyphantes* mastodon Simon. Reichenstein-Birseck (7). Poeciloneta* globosa (Wider). Tiefental-Herrenmatt (5° V, ab Gebüsch). Lephthyphantes** crucifer (Menge). Reichenstein (? X), Ingelstein (2). Verbr.: Deutschland, Ungarn, Frankreich. Lephthyphantes** nebulosus (Sundevall). Mehrere Männchen und Weibchen in Topfscherben unter einer Gartenterrasse, ein d im zugehörigen Keller an der Lenzgasse (VIL, IX, X); 1 © von der Ingelsteinfluh (X). Verbr.: Schweden, Deutschland, England, Frankreich, Ungarn, Sibirien, Vereinigte Magiem. Lephthyphantes minutus (Blackwall). L. Birsufer bei Münchenstein (9 X), Hilsenstein (S IX unter Föhrenrinde), Bürenfluh (© X), Rheinvorland im Elsass (© XII). Lephthyphantes leprosus (Ohlert). Wartenberg (S X), Bärenfels (S X‘), Phbirsen (2 VII). Lephthyphantes* terricola (©. L. Koch). U. von Hochwald (© X), Bürenfluh (S © X, nicht selten), Pelz- mühletal (9 X), U. v. Pfeffingen (? X), Kahl (d © X, mehrere), Fringeli (S ? II), Rehhag (© XII), Obbürgen (2 VII), Hasleberg ‘à VII), Grindelwald (S & VII). 6 82 E. Schenkel. Lephthyphantes pulcher (Kulezynski). Grindelwald (S VIT). Lephthyphantes nodifer Simon. U. v. Hochwald (S X), Bürenfluh (4 X), Pelzmühletal (d ® X), Kahl (& ® X), Rehhag (3 © XII), Blotzheimer Hard (S). Lephthyphantes angulipalpis (Westring). Bärentels-Falkenfluh (d 2 X), Bürenfluh (3 X), Eggfluh (3 © X), Blotzheimer Hard (9). Lephthyphantes* kochi Kulezynski. Kehlengraben (S X). Lephthyphantes pallidus (Cambridge). Allschwilerwald (3 ©), Bruderholz (©), Eggfluh (X), Pelz- mühletal (d X), Rheinvorland im Elsass (). Lephthyphantes** alutacius Simon. Fraumatt bei Ziefen (S © VII). Verbr.: Frankreich. Lephthyphantes mansuetus (Thorell). Birsvorland, rechte Seite, bei Neuewelt, linke Seite bei Reinach (FR? X), Reichenstein (S), Ingelstein (g), U. Hochwald (© X), Pelzmühletal (© X), Bürenfluh (S X), Eggfluh (S X). Lephthyphantes lepidus (Cambridge). Grindelwald (J VII). Lephthyphantes mughi (Fickert). Grindelwald (3 © VIT). Lephthyphantes cristatus (Menge). Die gemeinste Art der Gattung; Funde vom Oktober bis De- zember. Birsvorländer bei Neuewelt, Münchenstein und Reinach, Rei- chenstein, Ingelstein, U. v. Hochwald, Bürenfluh, Pelzmühletal, Eggfluh, Kahl, Rehhag, Obbürgen, Blotzheimer Hard. Lephthyphantes tenebricola (Wider). Bruderholz (©), Fraumatt bei Ziefen (© VII), Grindelwald (J VID). Lephthyphantes tenuis (Blackwall). Die meisten im Oktober, vereinzelte im April, Mai und Sep- tember. Stadt, Wiesenufer bei Kleinhüningen, Lange Erlen, Hörnli, Hard, Wartenberg, Bruderholz, Reinacher Heide, Reichenstein, Ingel- stein, Dornachberg, Bärenfels, Falkenfluh, Pelzmühletal, Büren- fluh, Pfeffingen, Kehlengraben, Kahl, Augst, Blotzheimer Hard, Rheinvorland im Elsass. Lephthyphantes flavipes (Blackwall). Die meisten im Oktober, einzelne im April, Juli und September. Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 83 Lange Erlen, Hornberg, Chrischona, Bruderholz, Birsvorländer bei Neuewelt, Münchenstein bis Aesch, Reichenstein, Allschwiler- wald, Ingelstein, Bärenfels, Falkenfluh, Pelzmühletal, U. v. Hoch- wald, Bürenfluh, Pfeffingen, Wartenberg, Fraumatt bei Ziefen, Obbürgen, Blotzheimer Hard. Lephthyphantes mengei Kulezynski. Allschwilerwald (S X), 1. Birsvorland von Münchenstein bis Aesch (d’ © X, mehrere Exemplare), Kahl (© X), Neuewelt, (© X), Grindelwald (2 VII), Blotzheimer Hard (mehrere J’ und 9). Lephthyphantes”* zimmermannii Bertkau. Dornachberg (5 X), Fraumatt bei Ziefen (S © VIT). Verbr.: Deutschland, Skandinavien, England. Lephthyphantes obscurus (Blackwall). Rütihard-Gempen (9 VI, ab Gebüsch), Hofstetten-Tschäpperli (2 VI, ab Gebüsch), Blotzheimer Hard (Ÿ). Labulla thoracica (Wider). Besonders häufig im Moos und Detritus in der Umgebung der Rauracienklippen; reife Tiere im Juli, September und Dezember, die meisten im Oktober. . Reichenstein, Ingelstein, Hülzistein, Bürenfluh, Eggfluh, Bur- gengratweg hei Pfeffingen, Kehlengraben, Stansstad- Kehrsiten, Hasleberg, (Reuti). Linyphia phrygiana ©. L. Koch. Hasleberg (Arnialp-Baumgarten, © VII), Grindelwald, Waldspitz, ab Tannästen, d © VII). | Linyphia montana (Clerck). Burgengratweg bei Pfeffingen (© imm. X). Linyphia emphana Walckenaer. Stansstad-Kehrsiten, paarweise im Gespinst auf niedrigen Bü- schen (S © VII). Linyphia marginata ©. L. Koch. Allschwilerwald (0° © VI), Birseck (© VII), Fraumatt bei Ziefen (2 VII), Grindelwald, beim obern Gletscher (? VII). Linyphia peltata Wider. Tiefental-Herrenmatt (S © V), Augst-Schleifeberg (3 ? V), Nie- der-Ranspach i. Els. (S ® V). Linyphia hortensis Sundevall. Reife Tiere vom Mai bis Juli. Allschwilerwald, Bruderholz, Reinacherheide, Birseck, Herren- matt, Gempen, Augst, Fraumatt, Höhenweg zum Passwang, Blotz- heimer Hard, Hasleberg (Reuti). Linyphia pusilla Sundevall, var. 8 Simon. Blotzheimer Hard (2 V). 84 E. Schenkel. Linyphia clathrata Sundevall. Bruderholz, ab Gebüsch an Waldrändern, 1 d an einer Mauer bei Gundoldingen (CASA) Linyphia** furtiva Cambridge. Wäldchen zwischen Reinach und Dornachbruck, auf Tannästen (EM): Verbr.: Frankreich, Korsika, Süd-England, Algerien. Stemonyphantes bucculentus (Clerck). Wiesenufer bei Kleinhüningen (? X, häufig), Reinacherheide ( X, © V), Herrenmatt-Mariahilf (? X), Blotzheimer Hard (2 © imm. IX). Bolyphantes alticeps (Sandevall). Hasleberg (Reuti, © VII). Bolyphantes index (Thorell). Grindelwald, beim obern Gletscher (S VII). Tapinopa longidens (Wider). Münchensteiner Schiessplatz (2? X), Bürenfluh (© X), Kahl (© X). Pachygnatha listeri Sundevall Allschwilerwald ( © X), Bruderholz (mehrere & und © IX), L Birsufer von Münchenstein bis Aesch (div. d und © X), Blotz- heimer Hard (S © IX), Neuweg-Löchli (8 V). Pachygnatha clercki Sundevall. Ufer der Wiese bei Kleinhüningen ($ © X). L. Birsufer bei Münchenstein (© X), Sümpfe am Fuss der Niederterrasse von Michelfelden bis Neuweg (div. 3 und 8 IV, V, X, XIT). Tetragnatha extensa (Linné). Rheinvorland bei Märkt (© VI). Tetragnatha pinicola L. Koch. Bruderholz (S VI), Reinacherheide (S © V), Blotzheimer Hard (d V), Friedlingen-Märkt (S VI). Tetragnatha nigrita Lendl. Michelfelden-Haberhäuser-Kanal CS 2 VI), Friedlingen-Märkt ( CA'ADE Tetragnatha solandri (Scopoli). Vereinzelte melanistische Exemplare sehen der vorigen Art sehr ähnlich! Ueberall häufig; reife Ex. (V— VIII) wurden z. B. ge- sammelt: Wiesenufer bei Kleinhüningen, Bruderholz, Reinacher- heide, Neudorf, Rosenau, Michelfelden, Neuweg, Blotzheimer Hard, Niederranspach, Stansstad-Kehrsiten, Tessinebene von Magadino. Tetragnatha obtusa C. L. Koch. Hard (J’ VII), Reinacherheide (S 2? V). Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 85 Meta merianae (Scopoli). Kehlengraben (S imm. X), Falkenfluh (2 juv. X), Hasleberg (Reuti, in einem Keller, 2? VII). Meta menardi (Latreille). Höhle bei Hülzistein (d © IX), Obbürgen (d’ imm. VII). Nesticus cellulanus (Clerck). Steinbrüche bei Bettingen (? reif, 5 unreif v und Klein-Blauen (2 VII), Fraumatt (2 VIT). Argiope bruennichi (Scopoli). Im Sumpfgras am Bachgraben bei Neu- Allschwil (CMVAD) hier im Jahr 1916 häufig, aber Nachstellungen seitens der Schul- knaben ausgesetzt; dennoch und trotz der extremen Kälte des Januars auch im Sommer 1917 noch vorhanden, also nicht ge- rade ein typischer Vertreter der wärmeliebenden Fauna! Cyclosa conica (Pallas). Rütihard, Reinacherheide, Reichenstein, Birseck, Falkenfluh, Tiefental, Grempen, Augst, Höhenweg zum Passwang, Here Hard (V—VII, IX— XD. Cyclosa oculata (Walckenner). "and der Niederterrasse beim ehemaligen Hiltalingen (S VI). Mangora acalypha (Walckenaer). Fraumatt bei Ziefen (© VII), Blotzheimer Hard (5 V). Araneus angulatus Clerck. Ein Riesenexemplar von Claro, Tessin (© VI). Araneus circe (Savigny). Felsen ob Claro (2 VI). Araneus dromedarius (Walckenaer). Fluh ob Tiefental, auf Eichbüschen (S © V). Araneus gibbosus Walckenaer. Blotzheimer Hard (2 V). Araneus diadematus Clerck. Grindelwald (imm., VIT). Araneus marmoreus pyramidata Clerck. Bruderholz (© IX), Augst-Schleifeberg (imm., V), Blotzheimer Hard (S IX). | Araneus eucurbitinus Clerck. Grindelwald (2 VII). Ar. cucurb. opisthographa Kulezynski. Rütihard (SV). Araneus alpicus (L. Koch). Tiefental-Herrenmatt (S V), Arnialp am Hasleberg (© VIT). Araneus sturmi (Hahn). Stellenweise sehr häufig; reif von IV—VII. 86 E. Schenkel. L. Erlen, Neuewelt-Rütihard, Reinacherheide, Birseck, Tiefental- Herrenmatt, Fraumatt bei Ziefen, Blotzheimer Hard, Nieder- Ranspach. Araneus triguttatus Fabricius. Seltener als vorige Art; reife Tiere von V—VI. Allschwilerwald, Bruderholz, Rütihard, Birseck, Tiefental-Herren- matt, Blotzheimer Hard. Araneus redii Scopoli. Tschäpperlireben (© IV), Blotzheimer Hard (© V). Araneus ceropegius W alckenaer. Tschäpperli (immat. IV), Fraumatt bei Ziefen (© VII), Hasle- berg (Arnialp-Baumgarten, © VII), Grindelwald (Dorengaden, im Riedgras sehr häufig, © VII, Waldspitz, juv., VII). Araneus umbraticus Clerck. Grindelwald (S 2 VII). Araneus sclopetarius Clerck. Stansstad-Alpnachstad (© VII). Araneus folium Schranck. Stans-Ennetbürgen (© VIII). Araneus patagiatus Clerck. Rütihard (S © V), Tessinbrücke bei Claro (© V), Friedlingen- Märkt (9 S V, VI), Blotzheimer Hard (8 S IV). Araneus adiantus Walckenaer. Umgebung von Claro (2 u. juv. V). Araneus diodius Walckenaer. Stellenweise sehr häufig; reif V—VI. Bruderholz, Rütihard, Birseck, Dornachberg, Friedlingen-Hilta- lingen, Blotzheimer Hard. Araneus hamatus Clerck. Blotzheimer Hard (S © V). Araneus nitidulus (C. L. Koch). Rütihard (S V), Claro (8 V), Michelfelden-Neuweg (S 2? V, VI). Araneus prominens (Westring). Sümpfe am Fuss der Niederterrasse von Michelfelden bis Fisch- zuchtanstalt (2 IV, X). Araneus montanus (©. L. Koch). Hasleberg (Reuti, © VII), Grindelwald (Hertenbühl, 2 VIT). Ero furcata (Villers). Reife Exemplare (meist 2) IV, IX—XI. Allschwilerwald, Neuewelt, L. Birsufer Münchenstein-Reinach, Reichenstein, Bärenfels, Kahl, Wiesenufer bei Kleinhüningen, Obbürgen; Friedlingen, Bletzheimer Hard. Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 87 Ero aphana (Walckenaer). Rand der Niederterrasse beim ehem. Dorfe Hiltalingen (imm. V). Tmarus piger (Walckenaer). Stellenweise sehr häufig; reife Tiere im Mai und September, unreife im Oktober. Allschwilerwald, Neuewelt, Augst-Schleifeberg, Blotzheimer Hard. Pistius truncatus (Pallas). Im Mai und Juni auf Gebüsch, im Oktober aus Moos und Detritus gesiebt; mit Ausnahme eines d (V) alle unreif. Allschwilerwald, Rütihard, Münchensteiner Schiessplatz. Misumena tricuspidata (Fabricius). Bruderholz (5 V), Neuewelt ( © V, hier nicht selten), Michelfelden- Fischzuchtanstalt (S © IV, VI und X), Blotzheimer Hard (S © V). Diaea dorsata (Fabricius). Reife Exemplare V, VI und IX, unreife II, V, IX— XI. Burgfelderstrasse bei der Grenze, Allschwilerwald, Bruderholz, Rütihard, L. Birsufer Münchenstein-Reinach, Hülzistein, Tiefental, Hofstetten, Fringeli, Blotzheimer Hard, Michelfelden, Friedlingen, Hiltalingen, Märkt. Oxyptila horticola (©. L. Koch). RSS VII X, XI. Allschwilerwald, Reichenstein, Birseck, Mariahilf, Bürenflub, Clus- Tschäpperli, Eggfluh, Fraumatt bei Ziefen, Hasleberg (Arnialp), Grindelwald (Bäreggweg); Blotzheimer Hard. Oxyptila trux (Blackwall). Allschwilerwald (© X, XI), L. Birsufer von Münchenstein bis Aesch (mehrere ® V, X), U. v. Hochwald (S X), Pelzmühletal (S ? X), Obbürgen (d VII). Oxyptila rauda Simon. Ur y. Claro (2 V oder VI). Oxyptila scabricula (Westring). Wiesenufer bei Kleinhüningen (© X), Blotzheimer Hard (9). Oxyptila blackwalli Simon. Birseck (© X), Bärenfels-Falkenfluh (2 X), Herrenmatt-Mariahilf (EX), U. v. Pfeffingen (d © X), Hasleberg (Arnialp 2 VII). Oxyptila praticola (©. L. Koch). Birsvorländer bei Neuewelt und Münchenstein, U. v. Pfeffingen, Bettingen, Friedlingen, Sümpfe unterhalb Michelfelden. Oxyptila brevipes (Hahn). Friedlingen-Märkt (2 VI). Oxyptila simplex (Cambridge). Allschwilerwald, auf einem Feldweg (S VII), Michelfelden (© X), Rheinvorland bei Neudorf (J’ VIII). 88 E. Schenkel. Xysticus bifasciatus (©. L. Koch). Nur Weibchen, V— VI. Fraumatt bei Ziefen, Fringeli, Hiltalingen. Xysticus gallicus Simon. Grindelalp (VII, d, die Palpen stimmen gut mit der Abb. 23b in Kulez. Aran. Hung. überein). Xysticus kochi Thorell. Falkenfluh (? V), Aesch (S VD), Clus-Tschäpperli (? IV), Blotz- heimer Hard (S © V), U. von Claro (5 © V), Hasleberg (Arni- alp (9 VII), Kl. Scheidegg (© VII). Xysticus pini (Hahn). Reinacher Heide (” 2 V), U. v. Gempen (S © VI), Claro ( V). Xysticus** ferrugineus Menge. (ef. Chyzer und Kulczynski, Araneae Hungar. pl. III fig. 22). J von der Blotzheimer Hard; der Palp stimmt genau mit der zitierten Abbildung überein. Verbr.: Preussen, Ungarn. Xysticus** comptulus Simon. Umg. v. Claro, Tessin (S V). Verbr.: Süd-Frankreich, Korsika, Spa- nien. Xysticus lateralis (Hahn). Reif im Mai und Juni. Bruderholz, Neuewelt, Birseck, Tiefental- Xysticus comptulus Sim. Herrenmatt, Blauen, Augst, Bettingen, d, Palp. Chrischona, Blotzheimer Hard, Nieder- Ranspach. Aysticus glacialis L. Koch. Im Juli und August sind Weibchen mit Eiersäcken unter Steinplatten häufig. Die Epigyne ist oft unter einem verhärteten, braunen Sekret verborgen und beschädigt; namentlich die flache Mittelleiste ist zuweilen unterbrochen, bei einem Exemplar sogar schief. Hasleberg: Mägisalp, Planplatte, Hochstollen (S ©); Grindel- wald: Grindelalp, Bachalp, Faulhorn, Schwarzhorn, Bäregg, Bänisegg, Schwarzegg, Gleckstein, Kl. Scheidegg. Xysticus erraticus (Blackwall). Rheinufer bei Birsfelden ( VI), Gartenmauer bei Gundoldingen (S V), Grindelwald (JS VII), Claro (9 V). Xysticus ulmi (Hahn). R. Birsufer bei Neuewelt (? V), Biel-Benken (? VI), Sümpfe von Michelfelden bis Neuweg (3 2 IV—VI), Neudorf-Rosenau (J V). Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 89 Xysticus striatipes L. Koch. Neudorfer Heide beim Weiher (S © X), Fischzuchtanstalt (© X). Xysticus acerbus Thorell. Claro, auf einem Feldweg nach dem Heuet (? VI). Xysticus luctuosus (Blackwall). S.-Hang des Gempenstollens, ab Gehüsch (? VT). Xysticus kempeleni Thorell. Herrenmatt (© V), Blotzheimer Hard (? IV, V), Rosenau (J’ IV). Xysticus robustus (Hahn). Ennetbürgen (S VIl), Märkt (5 VI). Xysticus lineatus (Westring). Ufer des Kanals bei Neudorf (S V). Synaema globosum (Fabricius). Allschwiler Plateau (S © VI), Bruderholz (imm. IX), U. v. Pfef- fingen (imm. X), Blotzheimer Hard (9 V). Philodromus dispar Walckenaer. Ueberall häufig, reif V und VI; neue Fundorte: Biel-Benken, Ausst, Claro, Blotzheimer Hard, Nieder-Ranspach. Philodromus emarginatus (Schrank). Münchenstein-Reinach (J’ © V, VI), Reichenstein-Birseck ( © VI), U. v. Gempen (S ? VI), Bürenfluh (& VI), Tschäpperli (2 VI), Augst (S V), Fraumatt bei Ziefen (© VII), Blotzheimer Hard (S V), Märkt (d © VI). Phalodromus** fuscomarginatus de Geer. L. Ufer der Birs bei Münchenstein, an Föhrenstamm (2 imm. X). Oberseite einfarbig lehmbraun, mit gelblichweisser Behaarung, ohne deutliche Zeichnung. Verbr.: Deutschland, Frankreich, Schweden, Polen, Lappland. Phrlodromus rufus Walckenaer. Reif im Mai und Juni; stellenweise häufig. Bruderholz, Reichenstein, Birseck, Augst; Leopoldshöhe, Blotz- heimer Hard. Philodromus alpestris L. Koch. Hasleberg: Arnialp (© VID); Grindelwald: Waldspitz (© VII). Philodromus collinus ©. L. Koch. Reichenstein-Birseck ( VI), U. v. Gempen (S VI), Tschäpperli (8 VI), Buochserhorn (d VII). Thanatus formicinus (Clerck). _ Bergmattenhof bei Tittingen (S VI), Blotzheimer Hard (© XI). Thanatus sabulosus (Menge). Rogensteinhalde nordöstlich von Birseck (J V, Y mit Eiern VII). 90 E. Schenkel Thanatus”” vulgaris Simon. Schuttkegel auf der rechten Seite des Tessin, gegenüber von Claro, nicht selten unter Steinen (d © V—VI). Verbr.: Süd-Frankreich, Korsika, Sizilien, Spanien. Tibellus oblongus (Walckenaer). Sümpfe in der Nähe der Fischzuchtanstalt bis Neuweg-Löchli (S 2 V, VD, Blotzheimer Hard (S VI). Micrommata virescens (Clerck). Hasleberg: Arnialp (S © VII), Grindelwald: Waldspitz (5 VII). Clubiona* corticalis (Walckenaer). L. Erlen, unter Platanenrinde (” © imm. IX, X); Hornbers, unter Föhrenrinde (? ad X, juv. IV und X); Hülzistein, unter Föhrenrinde (juv. IX). Clubiona caerulescens L. Koch. Häutis;; reif Ve Va VI TORE L. Birsufer von Münchenstein bis Aesch, Hülzistein, Bürenfluh, Ausst, Blotzheimer Hard, Sümpfe unterhalb Michelfelden. Clubiona reclusa Cambridge. Allschwilerplateau (© VI, sehr dunkel), Bruderholz (S V), Linkes Birsufer bei Münchenstein (J’ VI), Tschäpperli (? VD), Hornberg (2 V), Obbürgen (© VII), Rand der Niederterrasse Leopoldshöhe- Hiltalingen (mehrere d und ® V), Sümpfe Michelfelden-Fisch- zuchtanstalt (einige S und ©, IV und VI), Blotzheimer Hard EN) Clubiona* stagnatilis Kulezynski. Sumpf unterhalb Michelfelden (S XII). Clubiona frutetorum L. Koch. In einem Schlafzimmer an der Lenzgasse (Sd VII), Neuewelt- Rütihard (S V), Reinacherheide (4 © V, das Weibchen sehr dunkel), Hornberg (© V), Leopoldshöhe-Hiltalingen-Märkt (meh- rere d und ®, V und VI), Blotzheimer Hard (einige d und ©, V), Sümpfe unterhalb Michelfelden CI ® VIT). bo hilaris Simon. Hasleberg: Reuti-Arnialp (1 S und zahlreiche © mit Eiern unter Steinen, VII). Grindelwald: Hotel Wetterhorn, Bänisegg (S © VIT. Clubiona similis L. Koch. Rheinufer bei der Wiesenmündung (J © IV, X), Claro (© V). Olubiona neglecta Cambridge. Bruderholz (3 V), Claro (S V). Clubiona lutescens W estring. Häufig; reife Exemplare V— VIII und X. Rheinhafen, Allschwilerplateau, Bruderholz, Reinacherheide, Bet- tingen - Hornberg - Chrischona, Obbürgen, Rheinniederung von Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 91 Michelfelden bis Neuweg und Grosshüningen bis Rosenau sowie von Leopoldshöhe bis Märkt. Clubiona terrestris W estring. Häufig; reife Stücke von IV—VII und IX—XI. Wohnung an der Lenzgasse, Bruderholz, Neuewelt, L. Birsufer Münchenstein bis Aesch, Reichenstein, Birseck, Ingelstein, Dor- nachberg, U. v. Benken, U. v. Pfeffingen, Wartenberg, Augst, Wiesenufer bei Kleinhüningen, Käferholz, Märkt. Clubiona germanica Thorell. Stellenweise nicht selten, IV— VIT, X. Allschwilerplateau, Neuewelt, Rütihard, L. Birsufer bei München- stein, Hard, Sümpfe unterhalb Michelfelden, Rosenau. Olubiona phragmitis ©. L. Koch. Sümpfe unterhalb Michelfelden (g © IV, VI-VIII, X). Olubiona brevipes Blackwall. Bruderholz (S V), Hard (S ® VD, U. v. Gempen (? VD. Olubiona compta ©. L. Koch. Nicht selten; reif V, VI und X. Bruderholz, Reinacherheide, Arlesheim, Gempen, Pfeffingen, Kehlengraben, Augst, Blotzheimer Hard, Friedlingen. Olubiona subtilis L. Koch. Sümpfe unterhalb Michelfelden ( 2 XII). Olubiona diversa Cambridge. N.-Abhang des Rehhag (S ® XII). Chiracanthium erraticum (Walckenaer). Torfmoor von Obbürgen (8 VII); Blotzheimer Hard (S V), Ufer des Kanals bei Neudorf (© V). Chiracanthium punctorium (Villers). Im Oktober waren an den angegebenen Orten die 22 mit Eiern in Grasrispen nicht selten. Neudorfer Heide, Fischzuchtanstalt, Blotzheimer Hard. Chiracanthium lapidicolens Simon. St. Johannbahnhof (© IV), Blotzheimer Hard (2 V). Zora spinimana (Sundevall). Im Moos und Detritus der Wälder überall zu finden; reif II, BDVANVDER EXT . Allschwilerwald, Neuewelt, Reinacherheide, Reichenstein, Ingel- stein, Clus-Tschäpperli, Fringeli, Blotzheimer Hard, Sümpfe un- terhalb Michelfelden. Zora nemoralis (Blackwall). Reichenstein (? 3 imm.. X), Herrenmatt (© X), Pelzmühletal (S imm. X), U. v. Pfeffingen (imm. X), Kahl (JS imm. X), Frin- geli (2 IT). 92 E. Schenkel. Liocranum rupicola (Walckenaer). Nur unreife Tiere; IV, VII, X. Wohnung bei den L. Erlen, Ingelstein, Steinbr. v. Seewen. Apostenus fuscus W estring. Alte Strasse Zwingen-Tittingen (S © IV), Tittingen-Blauen (2 V), Bruderholz (5° ®), Blotzheimer Hard (J). Seotina gracilipes (Blackwall). Junge Tiere — wegen der hellen Mittelbinde erst als Sc. ce- lans bestimmt — stellenweise sehr häufig, ausgewachsene seltener, alle im Oktober gefangen. Birseck, Reichenstein, Reinacherheide, U. v. Pfeffingen, Hornbere. Agroeca brunnea (Blackwall). Reif X— XI. Allschwilerwald, Neuewelt, Birsvorland Münchenstein bis Aesch, Birseck-Schönmatt, Ingelstein, Haberhäuser unterhalb Michel- felden. Agroeca chrysea L. Koch. Reichenstein (© X), Bärenfels-Falkenfluh (3 © X). Phrurolithus festivus (C. L. Koch). Reinacherheide (© X), Clus-Tschäpperli (5’ IV), Ziefen (2), Blotz- heimer Hard (9 V). Phrurolithus minimus ©. L. Koch. Höhenweg zum Passwang (S VII), Rheinniederung im Elsass (2). Phrurolithus* nigrinus (Simon). Reichenstein-Birseck (Ÿ). Micaria formicaria (Sundevall). Hasleberg: Mägisalp (d VIT). Micaria fulgens (Walckenaer). Reichenstein (© imm. X). Micaria pulicaria (Sundevall). Reinach (© X), Clus-Tschäpperli (5° IV), Grindelwald (© VID. Micaria””? nivosa L. Koch. ?, U. v. Basel (genauer Fundort verloren). Vordere Augenreihe stark gebogen; der untere Rand der mitt- leren und der obere der Seitenäugen liegen in einer fast geraden Linie; Seitenaugen oval, beträchtlich grösser als die mittleren. Mandibeln russig gelbbraun, mit Borsten und an der Basis mit wenigen zerstreuten, weissen Schuppen. Cephalothorax matt, braunschwarz, mit weissen, schwach perl- mutterglänzenden Schuppen, die stellenweise durch grössere Häu- fung undeutliche Radien bilden. Am Abdomen ist die weisse Behaarung ausgedehnter als bei M. pulicaria. Die vorderste Querbinde zeigt vorn und hinten eine Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 93 mediane, bogenförmige Einbuchtung, ist also in der Mitte am schmalsten, aber intensivsten. Hinter der vordern Binde liegt ein unregelmässig begrenzter Punkt. Die mittlere, breite Quer- binde ist hinten in der Mittellinie winklig eingebuchtet, gleich- sam als ob mit ihr ein Winkelfleck verschmolzen wäre. Hinter der Oeffnung des letztern liegt wieder ein unregelmässiger Punkt und darauf folgen mehrere gedrängt stehende, mit den Spitzen verschmolzene Winkelflecke bis zu den Spinnwarzen. Die Hinter- leibsseiten zeigen je 2 Schrägbinden, deren vordere auf die Bauch- fläche übergreifen und hinter der Epigyne fast zusammenstossen. Weissliche Beschuppung umgibt die Epigyne, ferner findet sich ein undeutlich dreieckiger Fleck in einiger Entfernung vor den Spinnwarzen. Sternum dunkelbraun, glänzend, mit zerstreuten, schwärzlichen Borsten und einigen weissen Schuppen. Hüften und Beine gelb- braun, die Schenkel, besonders die des ersten Paares, verdunkelt, fast schwarz; soweit die Beschuppung nicht abgerieben, scheint sie oben perlmutterfarben, an den Seiten weiss zu sein. Area der Epigyne lehmfarben, länger als breit, nach vorn schwach verschmälert; der Vorderrand ist scharf und kräftig wellenför- \\s al \ PN: mig gebogen, der Hinterrand stumpf und SA breit, ein nach vorn offener Halbkreis. . NY) Verbr.: Baiern, Ungarn. Micaria®* hospes Kulezynski. Micaria ? nivosa L K. Reinacherheide (2). Epigyne. Verbr.: Tatra. Micaria®* Rogenhoferi Hermann. Grindelwald (2 VII). Verbr.: Ungarn. Micaria breviuscula Simon. Grindelwald: Schwarzegghütte ( VIT). Micaria albostriata L. Koch. Bei der Irrenanstalt, unter Rosskastanienrinde, äusserst ‘häufig (I DIR) Cybaeus tetrieus (C. L. Koch). Fraumatt bei Ziefen (S © VII), Hasleberg: Arnialp (& VII). Textrix denticulata (Olivier). Felswände längs den Strassen von Stansstad nach Kehrsiten, Alpnach und Bürgenstock (© VII), Hasleberg: Reuti ( ©), Claro (Bei). Agelena labyrinthica (Clerck). Hasleberg: Reuti (* VII), Grindelwald (3 ? VII). 94 E. Schenkel. Agelena similis Keyserling. Terrassenmauer an der Lenzgasse (S VIIT), Blotzheimer Hard, auf der Oberseite niedriger, dichter Büsche (9). Tegenaria silvestris L. Koch. Dornachberg (? X), Herrenmatt? X), Fraumatt bei Ziefen (© VII), Höhenweg zum Passwang (© VII), Buochserhorn (2 VII), Claro (© V). Tegenaria derhami (Scopoli). Hasleberg: Reuti (2? VII). Tegenaria larva Simon. Felswand längs der Strasse von Stansstad nach Alpnach (S imm. ® VID). Tegenaria agrestis (Walckenaer). Blotzheimer Hard (©). Tegenaria torpida (C. L. Koch). Wohnung an der Lenzgasse (S IX), Allschwilerwald (©), Bru- derholz (S © XI), Ingelstein (S XII), Dornachberg (S © X), Fraumatt bei Ziefen (© VII), Hasleberg: Reuti, Arnialp (S © VID), Blotzheimer Hard (S XD). Amaurobius atropos (Walckenaer). Umg. v. Claro, Tessin (2 V). Amaurobius terrestris (Wider). In den Alpen auch oberhalb der Waldgrenze. Jura: Wysenberg, Höhenweg zum Passwang, Umgebungen von Ziefen, Reigoldswil, Lauwil, Bretzwil. Alpen und Voralpen: Obbürgen, Stanserhorn, Pilatus, Hasleberg (Reuti, Balisalp, Mägisalp, Planplatte, Lauber, Fuss des Hoch- stollen, Arnialp), Grindelwald (Waldspitz, Bachalp-Faulhorn, Grindelalp, Bäregg, Bänisegs, Kl. Scheidegg-Männlichen, Fuss des Schwarzhorns, Hotel Wetterhorn). Amaurobius inermis L. Koch. Allschwilerwald (S © X, XD), Herrenmatt-Mariahilf ( © X) Bü- renfluh (S X), Eggfluh (© X), Kahl (S X), Fraumatt und Büt- schen bei Ziefen (© VIF). Cicurina cicur Menge. Gartenterrasse an der Lenzgasse (© X), Reinacherheide (5 ? X), Bretzwiler Stierenberg (© VII), Obbürgen (© VII), Hasleberg: Reuti (© VII), Blotzheimer Hard (; XI), Haberhäuser (S X). Cryphoeca sylvicola (C. L. Koch). Ingelstein (SJ), Ziegelscheuer-Herrenmatt (3 © X), Bürenfluh (ÜFX), Pelzmühletal (? X), U. v. Pfeffingen (S © X), Kehlen- graben (S X), Kahl (d © X), Fringeli (d’ © II), Rehhag (S © XII), Grindelwald (© VIT). Stellenweise sehr häufig. Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 95 Hahnia mengei Kulezynski. L. Birsvorland von Münchenstein bis Aesch (S © X), Reichen- stein-Birseck (S © X), Bärenfels-Falkenfluh (© X), Rehhag (S XII), Blotzheimer Hard (S ©). Hahnia pusilla ©. L. Koch. Allschwilerwald (S X), Bruderholz (S), Reichenstein (S © X), L. Erlen (© XI), Augst-Schleifeberg (S V). Hahnia helveola Simon. _ Reif X. Bruderholz, Birsvorland von Münchenstein bis Aesch, Reichenstein-Birseck, U. v. Pfeffingen, Kehlengraben. Hahnia montana (Blackwall). Grindelwald (S VIT). Antistea elegans (Blackwall). Sümpfe unterhalb Michelfelden (S © X). Pisaura mirabilis (Clerck). Hasleberg: Reuti (© VIT). Dolomedes fimbriatus (Clerck). Obbürgen (juv. VIT). Im Torfmoor auf niedrigen Föhren sehr zahlreich. Lycosa nemoralis W estring. Hasleberg: Arnialp (S © VII), Kl. Scheidegg (5 © VIII), Stanser- horn | VIT). Lycosa miniata C. L. Koch. Hohe Strasse bei Binningen (5 VI), Rheinufer bei der strate- gischen Brücke unterhalb Friedlingen (S VI. Lycosa inquilina (Clerck). Ruine Ramstein (imm. VII). Lyeosa striata (Kulezynski). Bergmattenhof bei Tittingen (S V); zwischen Burgfelden und Blotzheimer Hard auf steppenartigem Boden unter Steinen in austapezierten Röhren (© XI). Lycosa barbipes Sundevall. Hasleberg (Arnialp, Planplatte, © VIT). Lycosa trabalis (Clerck). Reinacherheide ( © V), Zwingen-Tittingen-Blauen (S © immat. IV und V), Hasleberg: Arnialp, Balisalp, Mägisalp (© VIT), Grin- delalp, Weibchen mit kaum gezeichnetem Hinterleib (VII). Lycosa pulverulenta (Clerck). Hasleberg: Arnialp, Mägisalp (S © VII), Grindelwald: Waldspitz, Grindelalp ( 2 VII), U. v. Claro ( © V). Lyeosa aculeata (Clerck). Grindelwald: Waldspitz, Bäreggweg (5 © VII), Claro (S © V). 96 E. Schenkel. Lyeosa radiata Latreille. U. v. Claro (juv. V). Lycosa sulzeri (Pavesi). Maiensäss ob Claro (S V). Lycosa robusta Simon. Wenkenhof (© IV), Reinacherheide (© V), Birseck (S © V), Clus- Tschäpperli (5° © IV), Zwingen-Tittingen (© IV), Blotzheimer Hard (S IV). Lycosa cinerea (Fabricius). Am Tessinufer bei Claro, unter Steinen (© V). Lycosa maculata Hahn. Rheinufer beim Hörnli (S © IV). Lycosa leopardus Sundevall. Sümpfe bei Märkt (S VI), Obbürgen (S © VII); Grindelwald: Waldspitz, Grindelalp (4 © VII, VIII); Tessinebene von Maga- dino (FF? VI). Lycosa lucorum (L. Koch). Strasse von Kaltbrunnental nach Roderis (©). Lycosa hygrophila (Thorell). = Sümpfe unterhalb Michelfelden (© X), Märkt (© VI). Lycosa piratica (Clerck). Grindelwald, auf feuchten Stellen der Wiesen ( © VII). Lycosa latitans Blackwall. Rosenau (© mit Eiern, VIT). Aulonia albimania (Walckenaer). R. Birsufer bei Neuewelt (SZ X), L. Birsufer von Münchenstein bis Reinach (5 © V, X, XI), Birseck (S © X), Ingelstein (S X), Herrenmatt (© X), Claro (S V), Blotzheimer Hard (S © IV, X). Pardosa torrentum Simon. Stanserhorn (S VII), Grindelwald (S © VIT), Tessinvorland bei Claro (CAP AVI) Pardosa agrestis (Westring). Siimpfe unterhalb Michelfelden (J 2 VI), Claro (S V). Pardosa monticola (Clerck). Reinacherheide (S © V), die Weïbchen mit Eiersäcken, häufig. Blauenweide (9 VIII), Höhenweg zum Passwang (S © VII), Ob- bürgen (© VII), Stans (© VIII), Mägisalp (© VII), Olaro (S © V), Blotzheimer Hard (© X). | Pardosa mixta (Kulezynski). Mägisalp-Hochstollen (3 © VII). Pardosa saltuaria (L. Koch). Hasleberg: Mägisalp, Planplatte, Lauber (S © VII, VII), Grin- delwald: Grindeialp, Läger-Faulhorn, Gleckstein, Krinnenhorn, Zäsenberg (7 © VII). Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 97 Pardosa tarsalis (Thorell). Reinacherheide (© V), Höhenweg zum Passwang (S © VII), Ob- bürgen (d © VII), Tessinvorland bei Claro (S © häufig, V, VI), Arnialp-Baumgarten (S VII), Kl. Scheidegg-Männlichen (S © VIII, Fuss des Schwarzhorns (? VII, Epigyne hinten runzlig). Pardosa blanda (C. L. Koch). Hasleberg: Arnialp, Mägisalp, Planplatte (zahlr. S © VII—-VII); Grindelwald: Waldspitz, Bachalp, Grindelalp, Faulhorn, Schwarz- horn, Bäregg, Bänisegg, Kl. Scheidegg (zahlr. & © VII—VIIT): Alpen ob Olaro (S © VIT). Pardosa ? sp. nova (P. subalpina m.). Kl. Scheidegg-Männlichen (© VIII). Abgesehen von der Epigyne in jeder Hinsicht mit P. blanda (©. L. Koch) übereinstimmend (??Bastard mit einer nicht zur monticola-Gruppe gehörenden Art). a Cephalothorax schwarz, mit schmaler, nach vorn fein zuge- spitzter, bis zu den Vorderaugen reichender, weiss behaarter Mittelbinde und ebensolchen, stellenweise durch schwarze Striche unterbrochenen, dem Rande parallelen Submarginalbinden. Beine schwarz, schmal rotbraun geringelt. Oberseite des Hinterleibs schwarz, mit mittlerer Reihe rotbrauner Zeichnungen wie bei P. blanda; in der basalen Hälfte sind diese Zeichnungen trüber und bestehen aus einer schmalen Längsbinde, begleitet von Fleckenpaaren; in der distalen Hälfte sind es etwa 4 schmalere, aber deutlichere, hellere Winkelflecke. Das Sternum ist schwärzlich, die Hüften gelbbraun, ebenso der Bauch; dieser zeigt schwache, nach hinten convergierende dunkle Längsbinden. Die Platte der Epigyne ist mindestens doppelt so lang wie breit und hat keine seit- lich hervorstehenden Hinterecken; auf °/4 der Länge ist die Platte am breitesten; von dieser Stelle aus ist sie nach vorn allmäh- lich, nach hinten rasch verschmälert; ihr distales Ende senkt sich gegen die Bauch- fläche. Die Ränder der Epigynenöffnung sind nur vorn scharf, an den Seiten dagegen stumpf, rotbraun wie die Platte; sie enden distal in zwei schiefe, glänzende Beulen, die hinten ein wenig über das Plattenende hinausragen. Pardosa subalpina n. sp. Epigyne. Pardosa proxima subsp. tenuipes L. Koch. Neubad (5° V), Schönenbuch (J’ © IV), Claro (S V). 98 E. Schenkel. Pardosa pullata (Clerck). 5 Fraumatt bei Ziefen (© VII), Bretzwiler Stierenberg (S VII), Höhenweg zum Passwang (J’ © VII), Tittingen (© IV), Obbürgen (© VII), Stans (© VII), Buochserhorn (4 © VII), Hasleberg: Arni- alp, Mägisalp, Planplatte (© VII), Grindelwald (© VII), Claro (2 V). Pardosa* riparia (©. L. Koch). | Neuweg-Löchli (© V), Obbürgen (9 VIII), Grindelalp (S VID), Umg. v. Claro (S © V). Pardosa cursoria (©. L. Koch). Hasleberg: Arnialp, Mägisalp, Balisalp (5 © VII), Grindelwald: Grindelalp, Waldspitz, Bäreggweg, Kl. Scheidegg (S © VIE, VIII), Claro (S VI). Pardosa lugubris (Walckenaer). Hasleberg: Reuti, Arnialp (© VII), Grindelwald (5 © VII), Claro (CNE) Pardosa amentata (Clerck). Hasleberg: Arnialp, Mägisalp, Lauber, Planplatte, Balisalp (S © VII— VIII), Kl. Scheidegg-Männlichen (© VIII), Bachalp (S © VII), Weg zum Gleckstein (S VII), Fuss des Schwarzhorns (S © VII), Buochserhorn (© VII), Stanserhorn (S VII), Pilatus (CAVE) Pardosa ferruginea (L. Koch). Grindelwald: Waldspitz ( © VIT). Pardosa giebeli (Pavesi). Grindelwald: Grindelalp, Fuss des Schwarzhorns, Bachalp, Faul- horn — hier sehr häufig (S © VII). Pardosa** lignaria (Olerck). Grindelwald (9° © VII und VIII) auf besonnten, verwitterten Zaun- brettern häufig, aber schwer zu erhaschen; die Färbung ist dem Substrat sehr vollkommen angepasst. Verbr.: Schweden, Norwegen, Lappland, Finnland, Russland, Ungarn. Pardosa ludovici (Dahl). Pilatus (S VID), Hasleberg: Mägisalp, Lauber, Planplatte, Hoch- stollen (S 2 VII— VIII). Pardosa pyrenaea Simon. Grindelwald: Grindelalp, Bachalp-Faulhorn, U. des Schwarz- horns, Weg zur Glecksteinhütte, Schwarzegghütte (0 © VIT). Pardosa wagleri (Hahn). Stansstad-Kehrsiten, am Seeufer (© VII), Alpbachufer bei Reuti (8 VII), Tessinufer bei Olaro ( © V—V]). Pardosa wagleri var. nigra (©. L. Koch). Grindelwald (J VIT). Neue Fundorte einheimischer Spinnen, 99 Pardosa vittata (Keyserling). Umg. v. Claro, Tessin ( © V—V]). Pardosa bifasciata (©. L. Koch). Fraumatt bei Ziefen (© VII); Schuttkegel gegenüber von Claro, häufig ( 2 V—VI). Oxyopes ramosus (Panzer). Rheinvorland bei Rosenau (S V), Blotzheimer Hard (5 imm. IX), Obbürgen (imm, VILI). Ballus depressus (Walckenaer). Reif IV—VI, X. Allschwilerwald, Bruderholz, Rütihard, Reichenstein-Birseck, Wartenberg, Augst, Blotzheimer Hard. Myrmarachne formicaria (de Geer). R. Birsufer bei Neuewelt (J © X). Synageles venator (Lucas). Garten an der Lenzgasse (S), Rheinufer beim Hörnli (S IV), Grenzacher Rebberg (S © IV), an sonnigen Stellen der Terrassen- mauern. Heliophanus cupreus (Walckenaer). Obbürgen (9 VID), Claro 8 V—V]). Heliophanus aeneus (Hahn). Obbürgen (zahlreiche S ® VII—VIII), Stansstad-Alpnach (® VIT), Hasleberg: Reuti, Arnialp (S © VII), Grindelwald, beim obern Gletscher (S VII). Heliophanus patagiatus Thorell. Standort der Anemone pulsatilla bei Rosenau (? mit Jungen VII), U. von Claro, Tessin (© V). Heliophanus kochi Simon. U. von Olaro (5 2 V—V]). Heliophanus flavipes (Hahn). Neuweg-Löchli (SV), Friedlingen-Märkt ( © VI). Heliophanus auratus ©. L. Koch. Sümpfe unterhalb Michelfelden ( ® IV—VI), Rosenau (? VII). Heliophanus cambridgei Simon. Hofstetterköpfli (SV). Heliophanus** dubius ©. L. Koch. Hornberg (3 V), Bruderholz (©), Reinacherheide (©), Augst- Schleifeberg (S V), Fraumatt bei Ziefen (© VII). Verbr.: Deutschland, Frankreich, Polen, Ungarn. Evophrys erratica (Walckenaer). Olaro, Tessin (S VI). 100 E. Schenkel, Evophrys* lanigera (Simon). Wohnung an der Lenzgasse, an besonnten Fenstern, Zimmer- pflanzen etc. nicht selten (3 ® V— VII). Evophrys frontalis (Walckenaer). Bruderholz (2), Reinacherheide(S © immat. X), Reichenstein-Birs- eck (P X), Fraumatt bei Ziefen (©), Höhenweg zum Passwang (9.2 VII), Obbürgen, Stansstad, Stanserhorn (© VII), Hasleberg: Reuti, Arnialp (© VII), Grindelwald: Bäreggweg (© VIT). Evophrys petrensis C. L. Koch. Grindelwald, Bänisegg, Schwarzegghütte (S © VII), eines der © und einige ® haben weissliche „Augsbrauen“. Neon reticulatus (Blackwall). Reif VII und X. Allschwilerwald, Bruderholz, L. Birsvorland Münchenstein bis Aesch, Reichenstein, Birseck, Herrenmatt, Bürenfluh, U. v. Pfef- fingen, Kehlengraben, Kahl, Fraumatt bei Ziefen, Blotzheimer Hard. Sittieus pubescens (Fabricius). Claro, Tessin (S VI). Sitticus floricola (C. L. Koch). Sümpfe bei Haberhäuser und Neuweg (© V, VD. Sittieus rupicola (©. L. Koch). Hasleberg: Balisalp, Mägisalp, Arnialp, hier besonders häufig unter besonnten, auf grösseren Felsen liegenden Steinplatten (7 © VID); Grindelwald: Grindelalp, Umg. des Schwarzhorns; auf der Stirnmoräne des oberen Grindelwaldgletschers fand sich sozusagen unter jedem passenden Steine eine kleine Kolonie. Die Gespinnstsäcke, die meistens © mit Eiern einschliessen, kle- ben auf der Unterseite der Steine, meist in Gruppen nahe bei- sammen (S © VII). Attulus penicillatus (Simon). Wiesenmündung bei Kleinhüningen (2 VI), Reinacherheide (S ® V), Clus-Tschäpperli (? IV). Salticus scenicus (Clerck). Arnialp, Balisalp (imm. VII), Grindelwald, Grindelalp (© VIT). Salticus zebraneus (©. L. Koch). Bei der Irrenanstalt unter Rosskastanienrinde (mehrere © IX), Birseck (? VI), Rütihard (S VI), Hofstetterköpfli (S V). Marpissa muscosa (Clerck). St. Ludwig, unter Platanenrinde (8 IV), Obbürgen ( 2 VII), Olaro (8 V). Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 101 Marpissa pomatia (Walckenaer). Waldrand über dem Reinacher Rebberg (immat. V), Blotzheimer Hard, nicht selten auf Laubholzbüschen (S © V, VI, IX), Rhein- vorland zwischen Friedlingen und Märkt (mehrere 5 © VI). Pseudicius* encarpatus (Walckenaer). Strasse unterhalb St. Ludwig, unter Platanenrinde (2 IV). Dendryphantes rudis (Sundevall). Birsvorland von Münchenstein bis Aesch (S © V, X, XI), Hof-. stetterköpfli (© V), Tschäpperli (S VI), Kahl S X). Reife Exemplare im Frühjahr auf Ooniferen, im Herbst in Moos und Detritus. Kleine Stücke zeigen unter Alkohol einen hellen Bauch mit schmalem, scharfem, dunklem Mittelstreif, grös- sere oft vollständig verdunkelte Unterseite. Bianor aenescens (Simon). Clus-Tschäpperli (S IV). Aelurillus insignitus (Olivier). Neuewelt (? imm. V), Tschäpperli (S ? IV), Höhenweg zum Pass- wang (0 VII), Obbürgen (S VII), Claro (S VI), Standort der An. puls. bei Rosenau (S © IV). Phlegra fasciata (Hahn). L. Kanalufer zwischen Neudorf und Rosenau (S IV). Phlegra** ? n. sp. (P. de lesserti m.). Claro, VI, 3 S auf Fusspfaden in den Wiesen. Vordere Augenreihe mässig gebogen; eine Tangente am Ober- rand der Mittelaugen schneidet die seitlichen oberhalb der Mitte. Ueber und unter der vordern Augenreihe zieht sich je ein scharf begrenzter, schmaler, weisser Querstreifen hin, gebildet aus langen, dicht stehenden, weissen Haaren; besonders der untere der beiden ist sehr stark entwickelt, aus kammartig zusammenneigenden Haaren bestehend. Unterhalb dieses Streifens ist der Clypeus viel spärlicher und zwar gelblich behaart; die gelbe T'egument- färbung schimmert durch. Noch spärlicher und abstehender, an der Basis dunkler, gegen das untere Ende fast weisslich, sind die glänzenden, gelbbraunen, distal blasseren Mandibeln behaart. Blassgelblich ist auch die kurze Behaarung zwischen den Vor- deraugen. Das Augenviereck des Cephalothorax ist schwarz, der Rest des letztern aber mehr oder weniger rotbraun; eine Mittel- binde von wechselnder Breite und Intensität ist dunkel rauch- braun; ähnlich, nur undeutlicher, schwächer ausgeprägt und nach hinten verwaschen sind zwei der mittleren parallele Binden auf der seitlichen Abdachung, Die rötlichgelbe Grundfärbung zwischen diesen drei Binden bildet zwei an den Hinteraugen beginnende Längslinien. Die Behaarung des Augenvierecks ist schwarz; vorn 102 E. Schenkel. und an den Seiten ist dasselbe schmal weiss umrandet; der vor- dere, quere Teil dieser weissen Konturlinie ist schon vorhin er- wähnt worden, als über den Augen sich hinziehend; die seitlichen Teile setzen sich als weisse Längslinien über den Rest der Kopf- brust fort; wie bei Ph. lippiens beginnen somit die beiden weissen Längsstriche des Cephalothorax schon über den vordern Seiten- augen. Der Hinterleib bildet oben (in abgeriebenem Zustand) eine schwarze Fläche, die rundum von einem weissen Saum umgeben und längs der Mittellinie von einem entsprechenden, schmalen Streifen durchschnitten ist (bei allen drei Exemplaren ist aber diese Mittellinie mehr oder weniger durch Abreiben der Haare unterbrochen und nur vorn und hinten deutlich). Die Seiten des Abdomens und der Bauch sind weisslich behaart; das Tegument der Bauchseite ist bei zwei Individuen gelblich, beim dritten hinter der Querfalte an den Seiten verdunkelt. Mundteile, Hüften und Sternum gelbbraun, ebenso die Beine, deren Färbung nach dem distalen Ende zu, besonders beim er- sten Paar, dunkler, mehr rotbraun wird; beim grössten, dun- kelsten Exemplar sind nur die Femora grösstenteils gelbbraun, die andern Glieder mehr oder weniger schwärzlich braun. An den Palpen ist das Ende des Femurs, die Patella, Tibia und der Tarsus an der Oberseite mit dicht stehenden weissen Haaren bekleidet, unter welche einige schwärzliche eingestreut sind. Von den beiden Apophysen an der Aussenseite der Tibia ist die untere deutlich quer abgestutzt, an- scheinend etwas schmaler als die obere, deren Umrisse wegen der dichten, weissen Behaarung nicht deutlich erkennbar sind. Die Einbuchtung zwischen beiden Apo- physen scheint annähernd so breit wie die untere derselben und ist hinten gerundet. Das nach oben gebogene äussere Hinter- ende des Tarsus bildet einen plumpen Zapfen mit abgerundeter Spitze. Pellenes tripunctatus (Walckenaer). Neuewelt (3 V), Reinacherheide (S 2 V), Blauenweide, einen Azahl ganz junger Tiere in einem Gespinnst (VIII), Höhenweg zum Passwang (S VII), Obbürgen (© VII), Hasle- berg: Arnialp (© VII), Michelfelden-Fischzuchtanstalt (? IV, VI). Philaeus chrysops (Poda). Beide Vorländer des Tessin bei Claro ; unter den obersten Steinen der Grenzmäuerchen sehr zahlreich (S © V VI). Phlegra de lesserti m. dä R. Palp v. aussen. Neue Fundorte einheimischer Spinnen. 103 Carrhotus bicolor (Walckenaer). Augst-Schleifeberg (© V), Blotzheimer Hard (© V). Evarcha arcuata (Clerck). Ebene zwischen Stans und Ennetbürgen (© VII). Liobumum blackwalli Meade. Bruderholz (9). Liobumum limbatum L. Koch. Obbürgen (S © VI). Nelima aurantiaca (Simon). Rütihard-Gempen (S © VI). Dicranopalpus gasteinensis Doleschal. Grindelwald: Schmidigen Bidmer (S VII). Mitopus morio (Fabricius). Hülzistein, Fraumatt bei Ziefen, Bretzwil, Obbürgen, Pilatus, Hasleberg, Grindelwald: Zäsenberg, Fuss des Schwarzhorns. Oligolophus tridens (©. L. Koch). Bruderholz, Eggfluh, Ziegelscheuer bei Michelfelden. Strandibunus glacialis (Heer). Faulhorn, Fuss des Schwarzhorns, Grindelalp, Gleckstein, Zäsen- berg, Schwarzegghütte. Odius palpinalis (Herbst). Allschwilerwald, Ingelsteinfluh. Lacinius hispidus (Herbst). Reinach-Aesch, Fraumatt beiZiefen, Ziegelscheuer bei Michelfelden. Lacinius ephippiatus (C. L. Koch). Obbürgen. Phalangium cornutum L. Obbürgen; Hasleberg. Eudasylobus** nicaeensis (Thor.). Claro ob Bellinzona (S © V—VI); Val Calanca (S © VII); San Bernardino (? VI). Verbr.: Süd-Frankreich, Spanien. Platybunus pinetorum (C. L. Koch), Bruderholz, Rütihard, Fraumatt bei Ziefen, Grindelwald, Wald- spitz. Platybunus corniger (Herrm.). Rütihard; Obbürgen. Nemastoma lugubre (Müller) subsp. helvetica de Lessert. Allschwilerwald, Birsvorland zwischen Münchenstein und Reinach, Pelzmühletal, Eggfluh, Fraumatt bei Ziefen, Obbürgen, Grindel- wald; Blotzheimer Hard, Michelfelden. 104 E. Schenkel. Nemastoma quadripunctatum (Perty). Birsvorland zwischen Münchenstein und Reinach, Dornachbers, Bürenfluh, Pelzmühletal, Augst, Schleifeberg, Obbürgen. Nur 1 S 1 ® gehören zur typischen Form, alle übrigen zur Varietät aurosa L. Koch. Nemastoma dentipalpe Ausserer. Allschwilerwald, Umg. von Pfeffingen, Kahl, Bärenfels-Falkenfluh, Herrenmatt, Burn nn Fraumatt bei Ziefen ; Obbürgen ; Haslebers. Nemastoma chrysomelas (Herrm.). Wiesenmündung, Lange Erlen; Hasleberg (Reuti). Anelasmocephalus cambridgei (W estwood). Münchensteiner Schiessplatz, Ingelstein, Bärenfels- Falkenfluh, Pelzmühletal, Bürenfluh, Eggfluh, Fringeli, Fraumatt bei Ziefen, Obbürgen, Blotzheimer Hard. Trogulus nepaeformis (Scopoli). Allschwilerwald, Bruderholz, Birsvorland bei Neuewelt. und zwischen Münchenstein und Aesch, Ingelstein, Tschäpperli, Egg- fluh, Kahl, Pelzmühletal, Dittingen, Ziefen, Hornberg, Käferholz, Rheinvorland in Baden und Elsass. Trogulus tricarinatus (Linné). Birsvorland Münchenstein-Aesch, Arlesheim, Herrenmatt, Egg- fluh, Hornberg, Käferholz, Blotzheimer Hard. Manuskript eingegangen 8. Januar 1918. Worte der Erinnerung an Dr. Gottlob Niethammer, Dr. Fortunat Zyndel und Dr. Andreas Gutzwiller. Von C. Schmidt. Wo gleichgerichtetes Streben und gemeinsame Arbeit sich ver- binden, da legen sich die Schranken, welche unter den Menschen Zeitumstände, äusseres Geschick und innere Veranlagung bedingen. Und wenn der alles versöhnende Tod dem Tagewerk des Menschen sein Ziel gesetzt, bewahren wir in treuem Gedenken das Bild des Verstorbenen so, wie er dastand sein Leben lang, treu das ihm anvertraute Pfund verwaltend. Am 14. September 1917 ist im Alter von 72 Jahren Dr. Andreas Gutzwiller gestorben ; einundvierzig Jahre lang war er Mitglied unserer Gesellschaft. Am 16. November 1915 kam aus Batavia die telegraphische Nachricht, dass Dr. Gottlob Niethammer am 1. November gestorben sei, — und am 28. Februar 1917 mel- dete der Telegraph aus London, dass Dr. Fortuat Zyndel, Passagier der torpedierten „Laconia“, vermisst werde und vermutlich er- trunken sei. Unsere Naturforschende Gesellschaft betrauert den Verlust eines ihrer ältesten und getreuesten Mitglieder, den wir alle kannten und schätzten, und es sind ihr entrissen worden, in jungen Jahren, zwei Forscher, die erst ihre Hoffnung waren. Nicht nur im engen Rahmen unserer Gesellschaft, überall da, wo geolo- gische und mineralogische Forschung gepflegt wird, regt sich die Trauer um die Verstorbenen und wird ihrem Wirken dankbares Andenken bewahrt. Dr. Gottlob August Niethammer geb. 16. November 1882, gest. 1. November 1915. Gottlob August Niethammer wurde am 16. November 1882 in Basel geboren. Gottlob August durchlief die Schulen Basels und begann im Herbst 1900, nach Absolvierung der obern Realschule, 106 C. Schmidt. an der Universität Basel seine Studien. Im Sommer 1903 be- stand er das Examen für Mittelschullehrer in naturwissenschaft- lichen Fächern. Er arbeitete dann als Assistent an der osteo- logischen Abteilung des Basler Naturhistorischen Museums und war kurze Zeit als Lehrer in Basel und in Zürich tätig. Zum Beruf als Lehrer scheint er aber weder Neigung noch besondere Ver- anlagung in sich verspürt zu haben. Im Frübjahr 1905 begann Niethammer seine Fachstudien im geologischen Institut der Universität Basel. Bis zu seiner ersten Ausreise nach Indien im April 1910 war Niethammer eines der eifrigsten und getreuesten Mitglieder des Institutes. Sein Spezial- studium war die Petrographie. Wir verdanken ihm die Ordnung und Bestimmung von Hunderten von Gesteinsdünnschliffen. Die Untersuchung einer wenig umfangreichen Sammlung bemerkens- werter, geologisch interessanter Eruptivgesteine von „Lohoelo“ auf Java, die Dr. Tobler mitgebracht hatte, diente ihm als Inaugural- dissertation, und im Juni 1907 bestand er das Doktorexamen. Die genannte Arbeit kann als eine mustergültige petrographische Mono- graphie bezeichnet werden. Ueber die geologische Bedeutung der untersuchten Gesteine gibt sich der Verfasser genaue Rechenschaft, er zeichnet Karten und Profile. Ausserst sorgfältig werden die mannigfachen Gesteinstypen mikroskopisch untersucht und charak- terisiert. Leider liegt nur diese eine petrographische Unter- suchung Niethammers bis jetzt im Druck vor, tatsächlich ist sie aber nur ein kleiner Teil seiner Untersuchungen zahlreicher Ge- steine, die Dr. Tobler in Niederländisch Indien gesammelt hat. Diese petrographischen Diagnosen Niethammers leisten in der Tat Dr. Tobler die grössten Dienste und finden in seinen geologischen Arbeiten über Sumatra vollste Würdigung. Mit grossem Eifer, Verständnis und lebhaftestem Interesse widmete sich G. Niethammer geologischen Arbeiten. Im Jahre 1897 hatte Dr. Tobler von der schweizerischen Geologischen Kommission den Auftrag übernommen, die Klippengebiete von der Saarner Aa bis zu den Mythen zu untersuchen. Es ergab sich sehr bald die Notwendigkeit, das grosse Gebiet des Vierwaldstättersee’s überhaupt monographisch neu zu bearbeiten, und als die Frucht zwanzigjähriger Arbeit, vor- nehmlich der Basler Geologen: A. Buxtorf, A. Tobler, G. Niethammer, E. Baumberger, konnte die Geologische Vierwaldstätterseekarte 1:50,000 mit der von A. Buxtorf gezeichneten und zusammen- gestellten Profilserie vor kurzem erscheinen. Nachdem G. Niet- hammer mehrfach seine Lehrer Dr. Tobler und Dr. Buxtorf bei ihren Aufnahmen am Vierwaldstätter See begleitet und unterstützt hatte, wurde er zum offiziellen Mitarbeiter von der Geologischen Gottlob Niethammer. 107 Kommission ernannt; die Umgebung von Sarnen, die Flyschgebiete nordöstlich von Schwyz hat er selbständig bearbeitet, und zu- sammen mit Tobler wird er als Autor für die Aufnahme der Mythengruppe und der Bauen-Schwalmiskette "aufgeführt. Als im Jahre 1907 die Deutsche Geologische Gesellschaft gelegentlich der grossen Exkursion von Basel bis an den Lago Maggiore die Klippen der Giswilerstöcke am Brünig besuchen wollte, stellte Niethammer seine eingehenden Kenntnisse zur Verfügung, bereitete diese inte- ressante Exkursion vor und veröffentlichte seine Beobachtungen in einem kleinen Aufsatz. Derunermüdlichen, aufopfernden Arbeitsfreudigkeit Niethammers verdanken wir die kritische Verarbeitung und graphische Darstellung der Temperaturbeobachtungen am Simplon und die Berechnung der für den Simplon gültigen Temperaturgradienten. G. Niethammer hat mit dieser Arbeit für alle Zeiten den Dank aller derjenigen sich erworben, die mit der Frage über die Temperatur des Erdinnern sich zu befassen haben. Niethammer hatte grosses zeichnerisches Geschick, in wenig Tagen zeichnete er die geologische Reliefkarte der Schweiz zu ,0. Schmidt, Bild und Bau der Schweizeralpen“. Er war Mitarbeiter an der zweiten Auflage der geologischen Über- sichtskarte der Schweiz im Masstabe 1 : 500,000. Als eine neue Auflage der Internationalen Geologischen Karte im Masstabe 1 : 1,500,000 beschlossen worden war, hat G. Niethammer die Be- arbeitung der alpinen Gebiete von Frankreich, Schweiz und Italien übernommen und die Zeichnung für den internationalen Geologen- Kongress im Jahre 1910 in Stockholm fertiggestellt. Die Schweizerische Greotechnische Kommission brauchte Geologen zur geologischen Untersuchung der Steinbrüche; auch hier wieder war Niethammer bereit. Wir verdanken ihm die Aufnahmen in der Zentralschweiz und im Berner- und Solothurner Jura. Inzwischen waren ein paar Jahre verflossen; auch an Niet- hammer trat die Frage heran, sein Können in den Dienst der Praxis zu stellen in fernen Landen. Im Auftrag einer englischen Gesellschaft reiste er erst für ein Jahr (April 1910 bis Ende Juni 1911) nach British-North-Borneo. Nach einem kurzen Aufenthalt in Europa verpflichtete er sich von Neuem einer Holländischen Ge- sellschaft für drei Jahre und reiste im November 1912 zum zweiten Male nach British-North-Borneo. Von Ende Juni 1911 bis No- vember 1912 war also Niethammer zur Erholung in Basel. Er begann wieder zu mikroskopieren, er ordnete seine indischen Samm- lungen, er setzte seine Aufnahmen am Vierwaldstättersee fort und übernahm zwei grössere Arbeiten im Ausland. 108 C. Schmidt. Eine französische Gesellschaft wollte ein Tunnelprojekt durch den Kaukasus von Wladikawkaz nach Tiflis geologisch untersucht haben. Im Herbst 1911 reiste Niethammer ab, durchquerte vom 30. September bis zum 19. Oktober in Begleitung des schweize- rischen Ingenieurs Fehlmann den Kaukasus. Schon am 13. Januar 1912 war eine umfangreiche Untersuchung mit geologischen Karten, geologischen und thermischen Profilen vollendet. Im Jahre 1914 haben sechs russische Geologen eine grosse Monographie über diesen sog. Archotis-Tunnel veröffentlicht.) Die Arbeit Niethammers hält einem Vergleich mit derjenigen der russischen Kollegen sehr wohl stand. Wir erachten es als unsere Pflicht, nach petrographischer und palaeontologischer Bearbeitung des reichlich gesammelten Materials, diese Untersuchung Niethammers zu veröffentlichen. Im Frühjahr 1912 bot sich für Niethammer Gelegenheit, in Ost- galizien ein Erdölfeld zu untersuchen. Er lieferte eine Detailaufnahme der Gegend von Rypne-Perehinsko und verfolgte seine Untersu- chungen weiter gegen Südosten nach Solotwina-Bitkow. Nicht nur brachte diese Untersuchung schöne praktische Erfolge, sondern auch, indem Niethammer gewisse Horizonte, ältern Auffassungen gegenüber, stratigraphisch richtig deutete, konnte er das Vorhandensein einer grossen Überschiebungsdecke am Rande der Ostkarpathen tatsäch- lich beweisen. Leider ist auch diese Arbeit Niethammers bis heute unveröffentlicht geblieben. In Indien hatte Niethammer sowohl in den Jahren 1910/11 als auch 1913/15 die Küstengebiete von British-North-Borneo zu untersuchen. In erster Linie handelte es sich darum, eine ältere Untersuchung von ©. Schmidt auf der Halbinsel Klias, gegenüber Labuan, in allen Einzelheiten zu ergänzen. Obwohl Schlammvulkane und erdölführende Schichten tatsächlich vorhanden sind, erschien infolge der tektonischen Verhältnisse ein praktischer Erfolg von Bohrungen recht problematisch. Mit gewohnter Sorgfalt und rast- losem Eifer hat Niethammer das ganze Gebiet stratigraphisch und tektonisch durchforscht und in tadellos ausgeführten Monographieen beschrieben. Im Jahre 1913 wurde damit begonnen, ganz British-North- Borneo geologisch im Hinblick auf Erdölvorkommen zu untersuchen. Zwölf Geologen des Basler Institutes haben sich an diesen Unter- suchungen beteiligt. Niethammer zog wieder an die Nordwestküste 1) Recherches géologiques dans la region du Transcaucasien projeté, D. Beliankin, J. Kark, F. Loewinson-Lessing, W. Renngarten, A. Riabinin und G. Smirnoff. Petersburg 1914. Gottlob Niethammer. 109 Borneos. Vom Juni 1913 bis Juli 1915 hat er 12 eingehende, mit Karten und Profilen reichlich ausgestattete Rapporte einge- liefert. Die ganze, grosszügig angelegte geologische Durchforschung von British-North-Borneo hat kein nennenswertes praktisches Re- sultat ergeben ; trotzdem sind die Untersuchungen ganz methodisch durchgeführt worden, und ein grosses Material, zu dem Niethammer einen bedeutenden Teil geliefert hat, harrt der wissenschaftlichen Bearbeitung. In British-North-Borneo West arbeiteten gleichzeitig mit Niet- hammer seine Basler Kollegen Jos. Zurkirch und Walter Hotz. — Jos. Zurkirch ist am 26. November 1914 in seinem Camp auf der Nordspitze der Kliashalbinsel einer tückischen Tropenkrankheit plötzlich erlegen. Auf Herbst 1915 ging der dreijährige Kontrakt Niethammers zu Ende, die ihm übertragene Arbeit war getan, er rüstete sich zur Heimkehr. Drei grosse Kisten „Ethnographica“ und drei Kisten „Gesteine“ wurden nach Basel expediert. Die ununter- brochene Folge seiner bei uns eintreffenden Arbeiten, kurze Briefe und Postkartengrüsse lassen erkennen, dass in der ersten Zeit die Fährlichkeiten der Tropen Niethammer unberührt liessen. Später hörten wir dann von heftigen Malariaanfällen. Von Jesselton in British-North-Borneo reiste Niethammer im Herbst 1915 über Singapore nach Java. Dort war er im Hochland von Garoet mit seinem Freunde Walter Hotz zusammen, um mit ihm den Schluss- rapport über die Untersuchungen in British-North-Borneo auszu- arbeiten. Hier, schon an der Schwelle der Heimat, gewann die Krankheit Macht über ihn. Infolge häufiger Malariaanfälle litt er an nervöser Ueberreiztheit und tiefen melancholischen Depressionen und Wahnideen. Sein Freund Walter Hotz pflegte ihn und sorgte für ıhn. Hotz machte ihm den Vorschlag, einen Ausflug nach „Lohoelo“ zu machen, um doch mit eigenen Augen das Gebiet, das er in seiner Dissertation beschrieben hat, kennen zu lernen und selbst die Gesteine zu sammeln, die er so gründlich erforscht hatte. Auf der Reise von Garoet nach Bandjarnegara musste er in der sumpfigen Niederung von Maos die Nacht verbringen. Am Abend des 1. November verliess er das Hotel, Gepäck und Geld zurücklassend; zuletzt wurde er noch am Schalter im Postamt gesehen. Vermutlich ist er im Fluss ertrunken. Sein Leichnam wurde nicht aufgefunden. 110 €. Schmidt. Dr. Fortunat Zyndel geb. 21. Juli 1882, gest. 25. Februar 1917. Fortunat Zyndel wurde am 21. Juli 1882 in Maienfeld (Kanton Graubünden) geboren. Sein Vater war Lehrer. Neunzehn Jahre alt verliess er, mit dem Primarlehrerpatent, die Kantonsschule in Chur. Er ging zu weiterer Ausbildung nach Neuenburg und wäh- rend der drei Winterhalbjahre von 1901 bis 1904 amtierte er als Lehrer an der Sekundarschule in Flims. Schon im Sommer- semester 1903 und dann vom Frühjahr 1904 bis zum Frühjahr 1906 studierte Zyndel an der Universität Bern. Der junge Schul- meister und Student war eifriger Soldat. Er absolvierte in rascher Folge alle Kurse und wurde 1903 Leutnant im Gebirgs-Infanterie- bataillon 92. Im März 1906 bestand Zyndel in Bern das Examen als Se- kundarlehrer in den Fächern: Deutsch, Mathematik, Physik, Chemie, Mineralogie und Geologie, Zeichnen. Der junge Mann war reich begabt an geistigen und körperlichen Kräften. Bergsteiger ersten Ranges, zeigte er grosses Verständnis für Naturwissenschaften, er war hervorragend mathematisch und, was öfters damit verbunden ist, musikalisch begabt. Er hatte das vollwichtige bernische Lehrer- patent eben in der Tasche — und auf den ersten Ruf kam er nach Basel, um den von allen andern Lehrern verschmähten Unterricht in der Spezialklasse der „Haarkranken“ an der Sekundarschule zu übernehmen. Der Weg über den Münsterplatz von der Sekundarschule „zur Mücke‘ ins Mineralogische und Geologische Institut war nicht weit. Sofort belegte hier Zyndel, alle seine freie Zeit benutzend, alle Vorlesungen und Kurse und bemächtigte sich in Bälde sowohl der geologischen als auch der mineralogischen Arbeitsmethoden. Vom Frühjahr 1906 bis zum Frühjahr 1911 war Zyndel Lehrer an der Sekundarschule. In dankbarer Erinnerung gedenken wir der Schulbehörde, die ihm entgegen kam durch günstige Verteilung der Stunden und durch Gewährung von Urlaub. Im Frühjahr 1908 übernahm Zyndel weiterhin den Unterricht in Mineralogie und (Geologie am Obern Gymnasium. Nach Aufgabe des Sekundar- schulunterrichtes im Jahre 1911 blieb er noch Lehrer am Gym- nasium bis Neujahr 1913. Für die wissenschaftliche Tätigkeit und Befähigung Zyndels ist es bezeichnend, dass, als er sich 1912 zum Doktorexamen meldete, wir im Zweifel waren, ob er eine krystallographische Unter- Fortunat Zyndel. 111 suchung über Quarzzwillinge oder eine geologische Untersuchung über die Gebirge Mittelbündens als Dissertation einreichen solle. Beide Untersuchungen, jede in ihrer Art die subtilsten Probleme behandelnd, überragen an wissenschaftlichem Gehalt das Mittelmass dessen, was für eine Doktor-Dissertation zu gelten hat. Die Liebe zu den Bergen, eine aussergewöhnliche Bergtüch- tigkeit, rasche Formenauffassung und die Freude an mechanischen Problemen wiesen Zyndel von vornherein auf die Alpengeologie. Besser als in den Bergen am Urnersee, unter erster Führung von Prof. Buxtorf, hätte er wohl kaum sein erstes Übungsfeld wählen können. Bald aber wandte er sich den heimischen Bergen Bündens zu. Die äussere Veranlassung dazu bot der Umstand, dass C. Schmidt im Jahre 1907 von einem internationalen Komitee mit der Aufgabe betraut worden war, die Splügengegend als Ganzes zu studieren zur Aufstellung einer Prognose für den projektierten Splügentunnel, und zu dieser Arbeit Assistenten brauchte. Viele Tage haben wir zusammen die Berge von Oberhalbstein bis Chiavenna, im Avers und Misox durchquert. Die Berichte an das Splügen- komitee sind abgegeben, aber weitaus der grösste Teil des Materiales ist noch nicht verarbeitet. Es war nicht Zyndels Art, bei einer relativ so engumgrenzten Aufgabe zu bleiben — wo er zudem doch nur Assistent war. Er dehnte seine Untersuchung aus gegen Osten über Tiefenkastel nach der Lenzerhaide bis in den Rhätikon, nach Süden in die Aela- und Errgruppen, weiter ins Julier- und Bernina-Gebirge bis ins Puschlav und Unterengadin. In den Jahren 1911, 1912 und 1913 hatte er bestimmte Aufgaben von Seiten der Schweizerischen Geologischen Kommission in Graubünden übernommen. Jetzt be- sonders, nachdem ein grausames Geschick sich erfüllt hat, freuen wir uns der einen grossen Gabe, die er uns geschenkt hat, mit seiner „Min.-geol. Inst. der Universität Basel, April 1912“ datierten Publikation „Ueber den Gebirgsbau Mittelbündens“. Das Literatur- verzeichnis zu dieser Arbeit Zyndels enthält 75 Nummern. Von West und Ost, von Süd und Nord ist Bünden der Tummelplatz sich widerstreitender geologischer Meinungen und Deutungen ge- worden. Im Sinne der modernen Alpentektonik sind da und dort die Pforten des Verständnisses geöffnet worden. Unstreitig hat Zyndel es verstanden, überall am richtigen Ort mit reichem, tat- sächlichem Beobachtungsmaterial einzusetzen und er ist nicht davor zurückgeschreckt, die schwierigsten Probleme, wie „die Gliederung der Bündnerschiefermassen“ lösen zu wollen und weit greift er aus: Ortler, Tauern, Semering, Karpathen und die exotischen Massen am Nordrand der Ostalpen und der Schweizeralpen werden in Beziehung gesetzt zu den Bergmassen Mittelbündens. 106 C. Schmidt. Als Schüler am Mineralogischen und Geologischen Institut folgte er anfangs — ich möchte fast sagen „willig“ aber doch „eclectisch‘ — dem normalen Gang der Uebungen. Lange hielt er sich nicht auf mit dem Bestimmen von Petrefakten, auch am Be- schreiben von Gesteinsdünnschliffen fand er weniger Gefallen. Die optischen Bestimmungsmethoden der Mineralien verfolgte er sofort bis zu den Aufgaben der höheren Optik; wir verdanken ihm z. B. ein Modell der Schnittkurven der Bertin’schen Flächen mit den drei Symmetrieebenen für Axenwinkel verschiedener Grösse. Er begann Krystalle zu messen; Zeichnungen von regulären oder hexagonalen Krystallen besitzen wir keine von ihm, wohl aber hatte er in kürzester Zeit den flächenreichsten Anorthitkrystall gemessen, berechnet und gezeichnet. Neue organische Krystalle wurden be- schrieben. — Auf den Goldpyritgängen von Brusson in Piemont waren in Menge Quarzzwillinge, anscheinend nach dem sogenannten Japanergesetz gefunden worden. Ich ersuchte Zyndel, diese Zwillings- bildungen auf ihre Gesetzmässigkeit zu prüfen. Daraus ist seine „Quarzliebe“ entstanden, der er bis zur letzten Stunde treu blieb. Er begann mit Hülfe aller zur Verfügung stehenden physikalischen Methoden (optische Anomalien und Anomalien der Aetzfiguren etc.) den inneren Mechanismus der Zwillingsbildung zu studieren; seine Untersuchungen bildeten das Thema einer im Jahre 1910 gelösten Preisaufgabe der philosophischen Fakultät; in unserer Gesellschaft hat er über seine Untersuchungen vorgetragen. Als Dissertation aber schickte er, nachdem er im Juni 1912 das Doktorexamen bestanden hatte, im September 1913 aus Forest Reserve auf Trinidad eine krystallographische Untersuchung zum Druck, betitelt „Ueber Quarzzwillinge mit nichtparallelen Hauptachsen“. Diese Publikation, die uns den Vorläufer zu seinen Studien über die Natur der Ver- wachsungen gleichartiger Krystalle, erläutert an den Japaner- Zwillingen des Quarzes, überhaupt darstellt, ist die letzte, die Zyndel zum Druck gegeben hat. In diesen Untersuchungen ist Zyndel hauptsächlich durch die Arbeiten von V. Goldschmidt in Heidelberg beeinflusst worden. Im Sinne der Goldschmidt’schen Anschauungen erkennt Zyndel 16 Gesetze von Quarzzwillingen mit nichtparallelen Hauptachsen, 8 derselben waren bereits bekannt, 5 Gesetze fand Zyndel neu und 3 Gesetze bleiben hypothetisch. Rasch verflossen die Jahre auch für Zyndel. Immer grösser wurden die Anforderungen, die die Wissenschaft an ihn stellte. Wir verdanken ihm aus jener Zeit die krystallographische Be stimmung aller Krystalle der mineralogischen Institutssammlung. Zu Neujahr 1913 hatte er sich auch vom Unterricht am Gymna- sium frei gemacht. Er sollte seine Quarzstudien vollenden, die Fortunat Zyndel. 115 Splügenarbeit mit mir fertigstellen; der Geologischen Kommission war er verpflichtet; akademische Stellung stand ihm in naher Aus- sicht — da verfiel auch er der Oelgeologie. Diesmal war es eine englische Gesellschaft, die ihn und Dr. Tobler für Trinidad in ihre Dienste nahm; Dr. Schider und Dr. Suter sind ihm von Basel aus gefolgt. Vorläufig war es für Zyndel verlockend, dass ihm lange Ferien in Europa gewährt wurden. Erstmals blieb er von Februar 1913 bis August 1913 in Trinidad und war dann bis Dezember 1913 in der Schweiz. Als Hauptmann machte er damals einen Wiederholungskurs mit seinem Gebirgsinfanterie- Bataillon. Im Schams erholte er sich von tropischen Fieberanfällen. Für die Fortsetzung seiner alten Arbeiten vertröstete er uns auf nächstes Jahr und reiste im Dezember 1913 wieder nach Trinidad. Mehr als drei Jahre war Zyndel auf den Erdölfeldern von Trinidad tätig. Unvereinbar mit seiner Natur ist es, dass er in seinem neuen Beruf ein Söldling war. Mit Feuereifer begann er das rationelle geologische Studium der Insel Trinidad. Rücksichts- los schaffte er sich freie Bahn. Er freute sich über neue wissen- schaftliche Forschungsergebnisse, und für seine Gesellschaft erzielte er schönen praktischen Erfolg. Es war ihm vergönnt, auch die neu erschlossenen Oelfelder von Oklahoma in Nordamerika kennen zu lernen. Die wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Untersuchungen auf Trinidad sind der Obhut von Dr. Tobler anvertraut, der die- selben verarbeiten und gemeinsam mit seinen eigenen Resultaten veröffentlichen wird. Neuerdings hat das Studium der von Dr. Zyndel und Dr. Tobler gesammelten Orbitoiden es dem franzö- sischen Palaeontologen H. Douvillé ermöglicht, die Tertiärablage- rungen Trinidad’s zu gliedern und mit den Horizonten in Amerika und Europa zu vergleichen. Immer wieder schrieb Zyndel aus Trinidad über Graubünden und von seinen Untersuchungen über Quarz: „in schlaflosen nächt- lichen Stunden taucht trotz aller Tropenherrlichkeit immer wieder das kahle Splügener „Kalkgebürge“ vor meinem Auge auf“ (25. Juli 1915) — „ich möchte „in Ehren“ Graubünden erledigen, soweit es auf mich wartet, und auch die Quarzliebe erneuern.“ (3. Aug. 1916.) Der grosse Krieg ist es, der Zyndels Geschick in den letzten Jahren bedingt hat. Von echter Vaterlandsliebe beseelt, als be- geisterter Soldat, kehrte er im August 1914 in die Heimat zurück. In London übergab ihm damals der Schweizer Konsul die Füh- rung des durch Frankreich fahrenden Schweizerzuges, mit dem er am 20. August in Bern eintraf. Bis Ende Januar 1915 diente er als Hauptmann; Ende September erst aber konnte er seine alte Stelle als Kompagniechef wieder einnehmen, aber leider, von. 8 114 C. Schmidt. Malaria geplagt, nervös und überreizt, konnte er nicht heimisch werden und im Februar 1915 reiste er zum dritten Male nach Trinidad. Unbezwingliche Sehnsucht nach der Heimat war es, die Anfang dieses Jahres Zyndel dazu drängte, Trinidad zu verlassen. Er ordnete sorgfältigst alle seine Sammlungen, seine Rapporte und reiste nach New York. An seine Freunde nach Europa schickte er kurzen Gruss und seine Photographie. In New York übergab er dem Schweizer Konsul eine Mappe zur Verwahrung mit umfang- reichen Manuskripten und Tafeln, seine weitergeführten Quarz- studien betreffend. „Wenn ich auf der Heimreise verunglücke“, fügte er bei, „so wollen Sie die beiden Dokumente an das geo- logische Institut der Universität Basel senden.“ Der grosse Dampfer , Laconia“ der Ounard-Gesellschaft näherte sich auf der Fahrt von New York der Westküste Irlands; am 25. Februar 9 Uhr abends traf ihn der vernichtende Torpedoschuss. Von den 300 Passagieren des Dampfers konnten alle bis auf wenige gerettet werden. Unter den Geretteten fehlte Zyndel. Dr. Andreas Gutzwiller geb. 12. Sept. 1845, gest. 14. Sept. 1917. Mit Porträt. Andreas Gutzwiller wurde am 12. September 1845 in Ther- wil bei Basel geboren. Bis 1862 besuchte er Primar- und Be- zirksschule seines Heimatortes, und dann trat er in die zweite Klasse der jetzigen Obern Realschule ein. Erst hatte der Knabe vom Lande Mühe, mit den Städtern Schritt zu halten; aber bald zählte er zu den ersten der Klasse. Den 14 km langen Weg von Basel nach Therwil legte Gutzwiller während der zweijährigen Basler Schulzeit täglich zu Fuss zurück ohne einen einzigen Tag zu fehlen. Dem Wunsche seiner Eltern, Lehrer zu werden, folgte er willig und begann im Herbst 1864 an der Abteilung für Fach- lehrer des Eidg. Polytechnikums in Zürich seine Studien. Nach dreijjährigem Studium bestand er die Diplomprüfung. Er selbst schreibt: „Drei schöne Jahre habe ich in Zürich verbracht, wenn auch die Geldmittel, die mir zur Verfügung standen, nicht reichlich waren. Ich konnte nicht in eine Studenten-Verbindung eintreten wie meine Kameraden, ich musste immer bei den Wilden bleiben. Doch war es auch so ganz schön.“ Mehr noch als beschreibende Naturwissenschaften studierte Gutzwiller Mathematik, Physik und Chemie; seine Diplomarbeit war eine physikalisch-mathematische. DA 2 Ps Andreas Gutzwiller. 115 Geologie war damals kaum offizielles Unterrichtsfach am Poly- technikum, Arnold Escher von der Linth las nur im Winter. Um so machtvoller aber war der Einfluss dieses seltenen Forschers, den er auf eine kleine, auserwählte Schar junger Männer ausgeübt hat. „Hätte es keinen Arnold Escher von der Linth gegeben, der mich an allen Fingern zur Geologie hinüberzog, ich hätte die Physik als mein Spezialfach gewählt.“ Auf Eschers Einfluss ist es wohl zurückzuführen, dass Gutz- willer 1867 von Zürich nach Paris ging. An der Sorbonne lehrte Ed. Hebert; der Hauptinhalt der Geologie war damals die Strati- graphie, als deren Meister Hébert galt. Der geniale Munier-Chalmas war der Assistent Héberts, in ihm fand Gutzwiller den wenig ältern und befreundeten Leehrmeister. Das eingehendste Studium der Tertiärablagerungen im Becken von Paris wurde die solide Grundlage für die späteren Studien über das Tertiär der Heimat. Schöne Sammlungen von Fossilien schickte Gutzwiller an Escher nach Zürich. Seine Mittel in Paris waren etwas knapp, sodass er „das sog. Pariserleben“ kaum geniessen konnte. Im Frühjahr 1869 übernahm Gutzwiller, direkt von Paris aus die Lehrstelle für Naturkunde und Geographie an der neuge- schaffenen Mädchenrealschule in St. Gallen, die er bis zum Jahre 1876 innehatte. Im Jahre 1875 verheiratete er sich; seine Frau war eine seiner Schülerinnen. Verwandtschaftliche Beziehungen und nicht zum mindesten die Erinnerung an fruchtbare, wissen- schaftliche Tätigkeit liessen Gutzwiller bis in die letzten Tage St. Gallen als zweite Heimat erscheinen. Von 1876 bis 1912, während 36 Jahren, wirkte Gutzwiller als Lehrer an der Obern Realschule in Basel. In ununterbrochener Arbeit widmete er sein ganzes Dasein der Schule und der wissen- schaftlichen Forschung, bis die Krankheit ihn darniederwarf. Bei einer kraftvollen Persönlichkeit, harmonisch aus einem Guss, wie Gutzwiller sie war, hält es schwer, seine Tätigkeit als Lehrer und als Forscher zu scheiden. Er sagt selbst, dass eigent- lich mehr äussere Umstände, als innerer Drang ihn zum Lehrer- beruf geführt hätten. Wenn trotzdem Gutzwiller für Generationen wie kaum ein anderer ein eindrucksvoller, fruchtbarer Lehrer ge- worden ist, so ist das dem Umstande zuzuschreiben, dass er sein tatkräftiges, durch und durch reales, originelles wissenschaftliches Fühlen und Denken mit in die Schule gebracht hat. Im Unter- richt ging er seine eigenen Wege, der Schüler musste sehen und begreifen lernen. Vollständig fern lag ihm die Pädagogik als Wissenschaft, sogar die offiziellen Lehrbücher, die er doch ge- brauchen sollte, waren ihm von Grund aus verhasst. Als endlich, 116 C. Schmidt. ums Jahr 1900, Geologie auch in den Lehrplan der Obern Real- schule aufgenommen worden war, lebte er auf; ein Jungbrunnen war es für ihn, seine Schüler hinauszuführen und sie zu lehren, was die Steine bedeuten und wie Berg und Tal geworden sind. Fast zu viel schon wussten die vielen seiner Schüler, die von ihm zu uns gekommen sind. Die Schulung Eschers von der Linth, die palaeontologischen und stratigraphischen Studien in Paris wurden lebendig, als Gutz- willer nach St. Gallen gekommen war. Von neuem trat er in engste Beziehung zu Escher. Er wurde ein eifriges Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft von St. Gallen. — Die Geologie der Eiszeit hat in den Sechsziger Jahren einen mächtigen Impuls in der Schweiz erfahren und das Interesse weiter Kreise erregt. Schon im Jahrbuch der Naturforschenden Gesellschaft St. Gallen vom Jahre 1870/71 konnte Gutzwiller eine eingehende Arbeit über das Verbreitungsgebiet des Säntisgletschers zur Eiszeit veröffentlichen. Die eben erst gegründete Geologische Kommission der Schwei- zerischen Naturforschenden Gesellschaft versicherte sich sofort der Arbeitskraft und Tüchtigkeit Gutzwillers. Es wurde ihm die Be- arbeitung der tertiären und quartären Ablagerungen auf den Blättern IV (Frauenfeld-St. Gallen) und IX (Schwyz-Sargans) übertragen. Namentlich in der Region des Speer und des Hörnli nahm Escher selbst lebhaften Anteil an den Untersuchungen Gutzwillers. Am 1. Mai 1872 war Escher mit Gutzwiller auf dem Speer. Es war das die letzte Exkursion Eschers, am 17. Juli 1872 erlag er einem Halsübel. Im Jahre 1877 sind Text und Karte von Blatt IX, im Jahre 1882 diejenigen von Blatt IV veröffentlicht worden. Absolute Zuverlässigkeit der Beobachtung, präzise und klare Darstellung bedingen den bleibenden Wert dieser Arbeiten Gutzwillers. Gewagten Theorien ohne hinreichendes Beobachtungsmaterial war Gutzwiller abhold. Beachtenswert ist folgende Episode. Auf den Profilen der Nagelfluhgebirge von Speer und Stockberg war auf Tafel I zum Text von Blatt IX am Rande gegen die Kreidekette im Süden die auf den damaligen Alpenprofilen gebräuchliche, mulden- artige Umbiegung der Schichten, eine gewisse Theorie über die Art der Verknüpfung von Alpen und Voralpen andeutend, einge- zeichnet worden. Beim Druck des Textes erklärte Gutzwiller in einer besondern Anmerkung kurzweg, dass man die nach unten gebogene, punktierte Linie sich in allen Profilen gestrichen denken müsse. Noch jahrelang ist aber diese Linie auf den meisten andern Alpen- profilen geblieben — jetzt ist sie allerdings überall verschwunden. In die nächste Nähe seiner Heimat, nach Basel, zurückgekehrt, blieb Gutzwiller seiner Arbeit ohne Unterbruch treu. Tertiär und Andreas Gutzwiller. 117 Diluvium der Umgebung von Basel sind von ihm so gründlich durchforscht worden, dass er der unbestrittene Meister in diesen Fragen geworden ist. Naturgemäss ist Gutzwiller in der Universitätsstadt Basel sehr bald in enge Beziehung getreten zu den Stätten, wo die Natur- wissenschaften gepflegt werden. Er selbst schreibt, „in Basel hatte ich zunächst mein Wissen zu ergänzen.“ Er hörte die Vor- lesungen in Botanik, Anatomie und in Mineralogie und Geologie. In enge Fühlung trat er zum Mineralogischen und Geologischen Institut, dessen Kommission er von Anfang an angehörte. Im Frühjahr 1890 wurde er Mitglied der Naturhistorischen Kommission des Museums, und im November 1890 ernannte ihn die Philo- sophische Fakultät der Universität Basel Honoris causa zum Doktor der Philosophie. Im Jahre 1890 ist in den Verhandlungen unserer Gesellschaft sein „Beitrag zur Kenntnis der Tertiärbildungen der Umgebung von Basel“ erschienen. Die Tertiärbildungen, die von Norden her durch die rheinische Tiefebene bis an den Rand unseres Jura sich erstrecken, sind reich gegliedert; Meer- und Süsswasserbildungen liegen in wechselvoller Folge aufeinander. Gutzwiller hat eine äusserst klare Gliederung derselben gegeben, anknüpfend an die Untersuchungen von Andreae im Elsass. In jahrelanger, zäher Verfolgung derselben Untersuchungen konnte Gutzwiller lediglich weiter bauen in dem aufgerichteten Gebäude Tatsächlich ist es heute nicht die Wissenschaft, von der wir eine Erweiterung un- serer Kenntnisse über das Tertiär Basels zu erwarten haben, son- dern die Technik, die uns unbekannte Tiefen eröffnen soll. Der Erforschung des Diluviums der Umgebung von Basel widmete Gutzwiller weiterhin seine grösste Aufmerksamkeit. Zuerst be- schrieb er eingehend die beiden auffälligen Gebilde dieser For- mation: die löcherige Nagelfluh und den Löss. Als die Wissen- schaft des Diluviums das Niveau weit ausgreifender, vergleichender Forschung und genetischer Erklärung erreicht hatte, war Gutzwiller nicht zurückgeblieben. Im Jahre 1894 erschien seine grosse Ab- handlung über die Diluvialbildungen der Umgebung von Basel. Auch hier ist Gutzwiller in allen Punkten den Anforderungen strengster Wissenschaftlichkeit gerecht geworden. Von Basel aus hat er die entscheidenden Vergleichspunkte nach der Ostschweiz, wo er seine alten Studien wieder aufgenommen hatte, sowie über den Jura und an den Fuss von Schwarzwald und Vogesen verfolgt. Die grösste Genugtuung für die Arbeit des Geologen ist es, wenn er seine Beobachtungen Schritt für Schritt auf der Geolo- gischen Spezialkarte einzeichnen und für alle Zeiten fixieren kann. 118 C. Schmidt. Unermüdlich hat Gutzwiller an der „Geologischen Karte der Um- gebung von Basel“ gearbeitet. Für die an Tertiär und Diluvium angrenzenden Gebiete der mesozoischen Formationen fand er einen treuen Mitarbeiter in Dr. Ed. Greppin. Es war für ihn der Trost seiner letzten, schweren Tage, dank der unermüdlichen, aufopfern- den Mithilfe von Dr. Ed. Greppin, die drei Blätter der Geolo- gischen Karte von Basel i. M. 1: 25,000 mit Erläuterungen noch fertig gedruckt vor sich zu sehen. Die absolut sachliche, jedem Dilettantismus ferne liegende Arbeitsweise wies Gutzwiller von vornherein auf die Notwendigkeit hin, das wissenschaftliche Rüstzeug sich zu verschaffen. Die Auf- sammlungen mussten geordnet, präpariert und untersucht werden. Das Bild der wissenschaftlichen Tätigkeit Gutzwillers wäre unvoll- ständig, würden wir im besondern nicht seiner Arbeit im Natur- historischen Museum Basels gedenken. Die Sammlungen des Dilu- viums, des Tertiärs und der fossilen Pflanzen waren seiner Obhut anvertraut; in den Jahresberichten des Museums gibt er jeweilen Bericht über seine Arbeit. Nichts bewegte ihn mehr in den letzten Jahren seiner Lehrtätigkeit als der Wunsch, seine ganze Zeit den Arbeiten im Museum widmen zu können. Als dann dieser Wunsch, leider zu spät und nur aut kurze Zeit in Erfüllung ge- gangen, da arbeitete er ununterbrochen, unterstützt von seiner Gattin, in seinem engen Arbeitszimmer im Museum. Zu Hause festgebannt auf das Schmerzenslager, als die Sinne sich ihm ver- wirrten, wähnte er sich oft noch im Museum. Gutzwiller war stark, kerngesund, voller Lebenskraft und Lebensfreude. Schon im besten Mannesalter aber machten sich Anzeichen einer tückischen Krankheit bemerkbar. Am Arm, an der Hand litt er an schmerzhaften Neuromen. Anfänglich konnte die Kunst des Chirurgen noch helfen, allein immer schwieriger wurden die Operationen, immer mehr verbreitete sich die Krank- heit. Nur wenige Jahre nach seinem Rücktritt vom Schuldienste im Jahre 1912 war es ihm noch vergönnt, ganz seiner Wissenschaft sich widmen zu können. Der Tod, der am 14. September 1917 ihn erreicht hat, war eine Erlösung. Jo) G. Niethammer, F. Zyndel, A. Gutzwiller. 119 I. Publikationen von Dr. G. Niethammer. 1907. Die Klippen von Giswyl am Brünig. — Centralblatt für Mineralogie etc. Jahrg. 1907. Nr. 16. 1909. Die Eruptivgesteine von Loh Oelo auf Java. — Tschermak’s Min. u. petrogr. Mitteilungen. XXVIIL Bd., 3. Heft. (Referat. Neues Jahrb. f. Min. etc. 1911, Bd. 2, S. 391.) 1910. Die Wärmeverteilung im Simplon. — Eclogae Geol. Helv. Vol. XI. Nr. 1. 1911. Geologische Karte der Schweiz. II. Aufl. 1911, unter Mitwirkung der Herren Niethammer, Erni, Argand, Arbenz, ergänzt von Albert Heim. 1915. Die natürlichen Bausteine und Dachschiefer der Schweiz. — Beitr. zur Geologie der Schweiz. Geotechn. Serie. V. Lieferung. (G. Niethammer: Jura der Kantone Solothurn, Bern u. südl. Aargau.) II. Publikationen von Dr. F. Zyndel. 1908. Krystallographische Untersuchung der B-Cinensäure, in: Rupe u. Altenburg: Ueber #-Cinensäure. Berichte d. deutsch. chem. Ges. (1908), Bd. 41, S. 3956. 1910. Ueber Quarzzwillinge nach £ (1122) P 2 von Brusson (Piemont). Centralbl. f. Min. Geol. etc. 1910. S. 356—59. 1910. Regelmässige Verwachsungen gleichartiger Krystalle. Ecl. geol. Helv. XI, p. 266—267 u. Verh. d. Schweiz. Naturf. Ges., 93. Jahresvers. Basel 1910. Ba. I, S. 208—210. 1910. Ueber die Tektonik von Mittelbünden. Ecl. geol. Helv. XI, S.294—296, und Verh. d. Schweiz. Naturf. Ges. 93. Jahresvers. Basel 1910. Bd. I, S. 241— 244. 1912. Ueber den Gebirgsbau Mittelbündens. Beiträge z. geol. Karte d. Schweiz. N. Folge. Liefg. 41. (Vgl. auch die Besprechung von A. Spitz in d. Verh. der k. k. geolog. Reichsanstalt, 1913, S. 204—213.) 1912. Ueber Quarzzwillinge von Seedorf (Uri). .Ecl. geol. Helv. XII, p. 166—168 u. Verh. d. Schweiz. Naturf, Ges., 95. Jahresvers. Altdorf 1912. 2. Teil, S. 193—195. 1913. Quarzzwilling nach dem Zinnwalder Gesetze von Crapteig (Viamala), Graubünden. LIV, Jahresbericht der Naturf. Ges. Graubündens 1912—1915, S. 30-33. 1913. Kurze Mitteilung über die Bündner-Schiefer-Region des Schams und Avers. Ecl. geol. Helv. XII, S. 498. 1913. Ueber Quarzzwillinge mit nichtparallelen Hauptaxen. Zeitschrift f. Krystallographie usw. LIIH. Bd., 1. Heft, S. 15—52 und Tafel I—III. III. Publikationen von Dr. A. Gutzwiller. 1873. Das Verbreitungsgebiet des Sentisgletschers zur Eiszeit. Ein Beitrag zur Karte der Quartärbildungen der Schweiz. Bericht über die Tätigkeit der St. Gallischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft während des Vereins- Jahres 1871/72, p. 80—155. 120 9 10. 108 13. 14. 15. 16. C. Schmidt. 1875. Ueber die bei St. Gallen und Rorschach ausgeführten Bohrversuche zur Herstellung artesischer Brunnen. Bericht über die Tätigkeit der St. Gallischen naturw. Ges. während des Vereinsjahres 1873/74, p. 370—418. 1875. Verzeichnis der erratischen Blöcke, welche im Jahre 1874 erhalten worden sind. Ber. üb. d. Tätigkeit d. St. Gallischen naturw. Ges. w. d. Vereinsjahres 1873/74, p. 419—433. 1877. Das Bergwerk am Gonzen: a) B. Zweifel: Geschichte und Betrieb, p. 174—190. b) A. Gutzwiller: Geognostische Verhältnisse, p. 190—200. Ber. üb. d. Tätigkeit d. St. Gallischen naturw. Ges. w. d. Vereinsjahres 1875/76. 1877. Molasse und jüngere Ablagerungen enthalten auf Blatt IX des eidgenöss. Atlas. Mit Benutzung des Nachlasses von A. Escher v. d. Linth. Beiträge z. geol. Karte d. Schweiz. Liefg. 14, 1. Abt. 1879. Die Entstehung der Gebirge. Vortrag, geh. d. 2. Febr. im Bernoullianum in Basel u. d. 5. Okt. i. d. Sitzung d. naturw. Ges. in St. Gallen. Ber. üb. d. Tätigkeit d. St. Gall. naturw. Ges. w. d. Vereinsjahres 1877/78, p. 171—201. 1880. Die löcherige Nagelfluh. Ihre Beziehungen zu den tertiären und quartären Ablagerungen. Wissenschaftl. Beilage z. Bericht d. Gewerbeschule z. Basel 1879/80, p. 1—30. 1881. Entwurf eines geologischen Profiles durch die Nekaralpen. Ber. üb. d. Tätigkeit d. St. Gall, naturw. Ges. w. d. Vereinsjahres 1879/80, p. 290 — 304. 1883. Molasse und jüngere Ablagerungen, enthalten auf Blatt IV und V des eidgen. Atlas mit Ausnahme des Gebietes nördlich vom Rhein. und vom Bodensee. Beiträge z. geol. Karte d. Schweiz. Liefg. 19. 1890. Beitrag zur Kenntnis der Tertiärbildung der Umgebung von Basel. Verhandl. d. Naturf. Ges. in Basel, Bd. IX, H. 1. (Bd. IX, 1893), p. 182—242. 1892. Die tertiären und pleistocänen Ablagerungen der Umgebung von Basel. Ber. üb. d. Vers, d. Oberrhein. geol. Ver. 25. Versamml. zu Basel, 1892, p. 11—13. 1894. Der Löss mit besonderer Berücksichtigung seines Vorkommens bei Basel. Wissenschaftl. Beil. z. Bericht d. Realschule zu Basel, 1893/94, p. 1-31. 1895. Die Diluvialbildungen der Umgebung von Basel. Verhandl. d. Naturf. Ges. in Basel. Bd. X, 1895, p. 512—690. 1895. Die erratischen Gesteine der prähistorischen Niederlassung zum Schweizersbild und das Alter dieser Niederlassung. Denkschriften d. Schweiz. Naturf. Ges. Bd. XXXV, p. 183—194. 1900. Aeltere diluviale Schotter in der Nähe von St. Gallen und von Bischofszell. Ecl. geol. Helv. VI, 1899/1900, p. 371—377. 1901. Der Löss des Hohröderhübels und der Wittenheimer Sandlöss. Ber. üb. d. Versamml. d. Oberrhein. geolog. Ver. 34. Vers. zu Diedenhofen am 10. April 1901, p. 12—18. , 1901. Zur Altersfrage des Löss. Verhandl. d. Naturf. Ges. in Basel. Bd. XIII, H. 2, p. 271—286. 1904. Zur Altersfrage des Randengrobkalkes und der Austernagelfluh von F. Schalch und A. Gutzwiller. Centr. f. Min. etc., 1904, p. 135—142. 1905. Die eocänen Süsswasserkalke im Plateaujura bei Basel. Abhandl. d. schweiz. paläont. Ges. Vol. XXXII. 1908. Das Alter der fossilen Pflanzen von St. Jakob an der Birs bei Basel. Verhandl. d. Naturf. Ges. in Basel, Bd. XIX, H. 3, p. 208—221. 26. 27. A. Gutzwiller. 121 1909. Eine Studienreise nach den canarischen Inseln. Wissenschaftl. Beil. zum Bericht d. Realschule zu Basel 1908/09. 1910. Die Wanderblöcke auf Kastelhöhe. Verhandl. d. Naturf. Ges. in Basel, Bd. XXI, p. 197—208. 1910. Die Juranagelfluh des Laufenbeckens. Verhandl. d. Schweiz. Naturf. Ges., 93. Jahresversamml. vom 4.—7. Sept. 1910 in Basel. Bd. I, p. 240— 241. 1912. Die Gliederung der diluvialen Schotter in der Umgebung von Basel. Verhandl. d. Naturf. Ges. in Basel, Bd. XXIII, p. 57—75. 1915. Uebersicht über die Tertiärbildungen in der Umgebung von Basel auf dem Gebiet der Blätter 1, 2, 7, 8 und 10 der Karte 1:25000. Ecl. geol. Helv. Vol. XIII, No. 3, p. 352. 1915. Das Oligocän in der Umgebung von Basel. Verhandl. d. Naturf. Ges. in Basel, Bd. XXVI, p. 96 —108. 1916. Geologische Karte von Basel. I. Teil: A. Gutzwiller und E. Greppin: Gempenplateau und unteres Birstal, 1910—1914. Spezialkarte Nr. 77. Erläuterungen Nr. 18, 1916. 1917. Geologische Karte von Basel. II. Teil: A. Gutzwiller: S.-W. Hügelland mit Birsigtal (unter Benützung der Aufnahmen von Dr. B. Förster für den elsäss, Teil), 1909—1914. Spezial- karte Nr. 83. Erläuterungen Nr. 19, 1917. Manuskript eingegangen 5. Februar 1918. Über Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie und die Rechtshändigkeit in der historischen Zeit. Mit 8 Tafeln (1I— VIII). Von Paul Sarasin. Als ich Gelegenheit nahm, eine grosse Masse von Steinwerk- zeugen aus der paläolithischen Kulturstufe des Moustérien, die der bekannten Station von La Micoque an der Vézère in Südfrankreich entstammten, zu durchmustern, da geriet ich bei der Deutung bestimmter Formen dieser Fundstelle in schwankende Ungewissheit, weil ich die Art und Weise ihrer Handhabung für’s erste nicht ver- stehen konnte. Bevor ich indessen auf diesen Gegenstand näher eintrete, muss ich in kurzen Zügen an die charakteristischen Merk- male der paläolithischen Stufe des Mousterien erinnern. Die prähistorische Kultur des Menschen, insbesondere des europäischen Menschen, zerfällt bekanntlich in die drei Haupt- stufen der Stein-, Bronze- und Eisenzeit, die ich, um internationale wissenschaftliche Benennungen zu gewinnen, mit den Termini: Litho-, Chalco- und Siderochronie bezeichnet habe (48). In der Steinzeit oder Lithochronie unterscheiden wir eine ältere Hauptstufe oder die paläolithische Stufe von einer jüngeren oder neolithischen, der eine zur Bronzezeit überführende oder mesolithische ange- gliedert wird, und in der paläolithischen wiederum werden bis jetzt fünf Unterstufen unterschieden, nämlich die des Chelléen, des Acheuléen, des Moustérien, des Aurignacien, des Solutreen und des Magdalönien. Vor dem Chelléen muss noch ein Prächelléen vor- handen gewesen sein, wovon sich auch schon Spuren gefunden haben; doch ist dasselbe noch nicht wissenschaftlich einwandfrei nachgewiesen. Es ist nun eine sehr merkwürdige Erscheinung, dass der erste Eindruck, den wir von einem flüchtigen Blick auf eine systematisch ausgelegte und chronologisch geordnete Reihe der paläolithischen Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 123 Kulturstufen gewinnen,') der ist, dass die Steinwerkzeuge von ihrem ersten bis jetzt einwandfrei nachgewiesenen Auftreten im Chelléen bis zum späten Magdalenien in der Grösse im allgemeinen stets ab- nehmen; mit groben und schweren keilförmigen Steinwerkzeugen im Chelléen beginnend, die aus freier Hand gebraucht wurden, enden die Steingeräte im Magdalénien mit so feinen Instrumenten, dass man glauben könnte, im Chelléen hätte ein Geschlecht von Riesen gelebt, das im Laufe der paläolithischen Jahrzehntausende oder vielleicht besser Jahrhunderttausende in Zwerge sich verwandelt hätte. Dies ist aber nur bildlich zu nehmen für die so auffallende Entwicklung des Steingerätinventars vom Grossen ins Kleine, in- dem die in den verschiedenen Stufen aufgefundenen Skelettreste ein etwaiges, den Geräten entsprechendes Kleinerwerden des Körperwuchses nicht bestätigen. Auch ist daran zu erinnern, dass vom Beginn der paläolithischen Steinzeit bis zu ihrem Ende eine stufenweise Differenzierung der Geräte sich feststellen lässt, inso- fern die Monotonie im Chelléen sich zugleich mit der Verkleinerung und Verfeinerung der Geräte stufenweise zu immer grösserem Formenreichtum entfaltet, wie die Zweige der Baumkrone aus dem plumpen Stämme, ein Formenreichtum, der besonders auch durch Hevanziehung anderen Materiales, als des ausschliesslich steinernen, nämlich von Knochen und von Holz, gewonnen wurde. Unter dieser paläolithischen Kulturstufenreihe lässt nun die dritte Stufe oder das sogenännte Moustérien ein besonders interes- santes Bild erkennen: Für’s erste ist sicher nachzuweisen, dass alle vorgefundenen Glyptolithen, ?) die ich wegen ihrer besonders charakteristischen Gestalt „Mousteriolithen“ genannt habe (50), aus freier Hand gebraucht wurden, somit nicht in hölzerne Fassungen gebracht waren, um ihren Gebrauch zu erleichtern; man erkennt dies leicht an dem Umstand, dass an diesen Steinwerkzeugen meistens ganz bestimmte Verdickungsränder für die Anlage des Zeigefingers und ebenso näpfchenfürmige Hohlkehlen für die An- lage der Daumenendphalange festzustellen sind. Damit behaupte ich nicht, dass dieser Satz für alle Steingeräte des Mousterien Gel- tung habe, wohl aber gewiss für die am meisten charakteristischen, 1) In der prähistorischen Abteilung des Basler Museums für Völkerkunde habe ich eine solche logische, stufenförmig abgeteilte Entwicklungsreihe der prähistorischen Kulturstufen auf dem gesamten Erdball ausgelegt, eine syste- matische Anordnung, die, sonst nicht gebräuchlich, doch für ein weiteres Publi- kum, dem ja die öffentlichen Sammlungen dienstbar gemacht werden sollen, mehr unterrichtend ist, als nebeneinander ausgelegte Massen lokaler Ausgra- bungen, deren Inventar sich ermüdend wiederholt. 2) Über diesen Ausdruck für Steingeräte siehe 47, und 48, p. 245. 124 Paul Sarasin. nämlich die keilförmigen, spitzenförmigen und schaberförmigen Mousteriolithen, soweit diese eine unsymmetrische Zurichtung er- kennen lassen, und diese letzteren sind es allein, welche für die uns hier beschäftigende Frage von Interesse sind. Dass auch die Glypto- lithen der dem Mousterien vorhergehenden Kulturstufen unmittelbar mit der Hand gebraucht wurden, diese Auffässung ist so allgemein und sie gründet sich auf so sichere Merkmale, dass die französische Prä- historie auf den Vorschlag von Gabriel de Mortillet hin die keil- förmigen Steingeräte des Chelléen und Acheuléen ohne weiteres als Faustschlegel oder coups de poing bezeichnete, ein Ausdruck, der international sich eingebürgert hat. Und ebenso zwingend hat sich die Auffassung Bahn gebrochen, dass auch noch im Mousterien die Steinwerkzeuge mit der blossen Hand, also ohne Vermittlung eines Stieles, gegriffen und verwendet wurden und dass wir des weiteren in dieser Lithoglyphie*) nur eine verfeinerte Weiterbildung der massiveren des Acheuléen vor uns haben; speziell die coups de poing des letzteren erscheinen in der Form der sogenannten Moustierspitzen einfach verkleinert; aber auch für die sogenannten Schaber des Mousterien finden wir ver- srösserte Vorbilder im Acheuléen und dem noch älteren Chelléen. Die soeben erwähnten Moustierspitzen treten nun aber in zwei verschiedenen Formen im Moustérien auf, nämlich in der Form von plankonvexen oder auch biplanen Spitzen und in solchen von bikonvexen Spitzen, und diese letzteren entsprechen auf’s genauste den bikonvex gearbeiteten coups de poing der beiden vorhergehenden Lithoglyphien, sie sind ächte coups de poing en miniature. Dabei bemerke ich aber mit Nachdruck, dass neben den bikonvexen coups de poing auch im Chelléen und Acheuléen plankonvexe und biplane vorkommen, die dann in den ebensolchen des Moustérien in ver- kleinerter Form uns entgegentreten. Auf weiteres in der Unterscheidung der erwähnten Litho- glyphien einzutreten, kann hier nicht meine Aufgabe sein; ich hebe nur als allgemeines Ergebnis meiner diesbezüglichen Betrachtungen hervor, dass unter den verschiedenen als Mousterien erkannten Lithoglyphien, so von den Stationen Le Moustier, La Micoque, La Quina und vielen anderen in Frankreich, sowie von den beiden neu entdeckten in der Schweiz, Wildkirchli und Cotencher, ferner von den in Deutschland und Grossbritannien und weiterhin bis Tasmanien bekannt gewordenen keine von so ausgeprägtem Eigen- 3) Uber diesen von mir vorgeschlagenen Ausdruck für „Steinindustrie* siehe 42, p. 25. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 125 charakter sich gefunden hätte, dass sie sich aus den andern rein herausgehoben hätte, wonach sie einer besondern Kulturstufe neben den vier anderen des Paläolithikums hätten den Namen geben können; wohl aber dürften lokale Ausprägungen, lokale Facies des Mousterien erkennbar sein. Und nun nach diesen kurzen einleitenden Worten kehre ich zu meinem Bericht über die Beobachtung zurück, die ich bei der Durchmusterung einer grossen Serie von Mousteriolithen aus der Station La Micoque zu machen Gelegenheit fand. Während es mir ohne Schwierigkeit gelang, die gewöhnlichen biplanen Spitzen und Schaber als ächte Mousteriolithen zu erkennen, während auch die oft recht zierlich gearbeiteten bikonvexen kleinen coups de poing als solche sehr leicht auszuscheiden waren, fanden sich zahlreiche plan- konvexe Spitzen oder coups de poing en miniature vor, die, wenn man die plane Fläche als ventrale nach unten legte, sodass die konvexe Fläche zur dorsalen des Steines wurde, das eine Mal eine Zuschärfung des linken Seitenrandes durch sorgfältige Retuschierung erkennen liessen, das andere Mal eine solche des rechten Seiten- randes. Dabei erschien jeweilen die gegenüberstehende Seitenkante des Glyptolithen unretuschiert, als plumper Wulst, als stumpfe Verdickung belassen, oft die ursprüngliche rauh angewitterte Rinde des Knauers tragend, woraus das Steingerät zurecht geschlagen worden war. Eine sorgfältige experimentelle Manipulierung führte mich nun mit einem Mal zu der Erkenntnis, dass die keilförmigen Steinchen oder die Sphenisken, wie ich sie nennen möchte, mit linksseitiger Zuschärfung für den Gebrauch mit der rechten Hand, während die mit rechtsseitiger Zuschärfung für den Gebrauch mit der linken Hand bestimmt waren. Ich hatte also an diesen Moustérien-Sphenisken augenscheinlich Rechtser und Linkser vor mir, Steinwerkzeuge für dexiochire und läochire Individuen, um mit den Ausdrücken Dexio- und Läochirie der uns beschäftigenden merkwürdigen Erscheinung eine international wissenschaftliche Be- zeichnung zuzuteilen. Solche Glyptolithen zeigen ferner die fölsenden Merkmale: Fast ausnahmslos ist der Abschlagknollen, der sogenannte bulbe de percussion, deutlich erkennbar an der Basis des Keilchens er- halten geblieben, und er dient zum Festhalten des Steines mit den Endphalangen des Daumens und des dritten Fingers, während der Zeigefinger der wulstartig stumpfen Kante des Glyptholithen, die der geschärften gegenüberliegt, sich auflegt; in der überwiegenden Mehr- zahl der Fälle findet sich noch ein besonderer hohlkehlen- oder muschelförmiger Aussprung, durch geschickten Anschlag hergestellt, zur bequemen Einlage des Daumenendgliedes. 126 Paul Sarasin. Wenn wir also einen solchen Sphenisken auf seine ursprüng- liche Handhabung prüfen, haben wir folgende Umstände zu be- achten: Der Glyptolith muss auf seine plane oder ventrale Fläche ge- lest werden, mit der Spitze nach vorn gerichtet; damit unter- scheidet sich auf den ersten Blick die geschärfte von der unge- schärften Seitenkante, sowie die Spitze vom basalen Anfassknollen, dem die Basis des Steingerätes bezeichnenden bulbe de percussion. Da nicht alle diese Glyptolithen schematisch deutlich ihr läo- oder : dexiochires Wesen schon auf den ersten Blick verraten, so wird ein sorgfältiges Abtasten doch in fast allen Fällen mit Sicherheit die Läo- oder Dexiochirie erkennen lassen. In den mitfolgenden Tafeln habe ich jeweilen einige der am meisten bezeichnenden Stücke in Photos wiedergegeben; doch be- merke ich dazu das folgende: Die Photographien der betreffenden Steinwerkzeuge sehen sehr unscheinbar und für die uns beschäf- tigende Frage wenig überzeugend aus; das, was sie zeigen sollen, springt von ferne nicht so deutlich in die Augen, wie an den Gegenständen selbst. Dies hängt mit dem Umstand zusammen, dass wir mit der Photographie das binokulare oder stereoskopische Sehen, womit wir ein wenig hinter die Vorderfläche eines Gegen- standes blicken und ihn so aus der Fläche herausheben, nicht wiedergeben können; die Photographie ist monokular und darum gerade für unsern vorliegenden Zweck mangelhaft; sie vermag etwaige Zweifel nicht zu zerstreuen; ich muss darum den Kritiker auf die Prüfung der Steinwerkzeuge selbst verweisen. In den Figuren 9—12, Tafel III habe ich zwei typische Exem- plare von Sphenisken der Moustérienstation La Micoque zur Dar- stellung gebrächt, jeden von der konvexen oberen und der planen unteren Fläche gesehen. Dabei gilt die Regel, wie die Figuren beweisen: rechtskantig retuschierte Sphenisken sind läochir, links- kantig retuschierte dexiochir. Alle diese läo- und dexiochiren Sphenisken haben die Eigenschaft, asymmetrisch zu sein, und nur diese asymmetrisch gearbeiteten Stücke lassen entscheiden, ob wir Steinwerkzeuge für Linkser oder für Rechtser vor uns haben; die vielen symmetrisch gearbeiteten Spitzen, die in der Regel bikon- vexe Form haben, fallen für unsere Frage völlig ausser Betracht, da sie für beide Hände mit gleichem Vorteil zu gebrauchen waren. Ich trat nun mit Spannung der Frage näher, wie sich unter den asymmetrischen Spherisken des Mousterien von La Micoque das Zahlenverhältnis der läo- und der dexiochiren Exemplare ver- halten würde. Zu diesem Behuf war zuerst eine sorgfältige Aus- scheidung der in Betracht fallenden Glyptolithen aus der grossen Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 127 Gesamtmasse notwendig, eine Auswahl der asymmetrischen Mousterio- lithen also, und zwar zunächst der Sphenisken; denn wir werden sehen, dass zum Teil auch die biplanen Spitzen, sowie die schaber- artigen Mousteriolithen für unsere Frage heranzuziehen sind. Von asymmetrischen Sphenisken nun aber konnte ich die namhafte Anzahl von 207 Stück aussondern, die ich nun partienweise sorg- fältig durchprüfte, worauf das folgende merkwürdige Resultat zum Vorschein kam: es fanden sich 101 Linkser oder läochire Sphe- nisken neben 106 Rechtsern oder dexiochiren Sphenisken, und in- dem ich in Berücksichtigung zog, dass einzelne Stücke äuf die Be- stimmung hin zweifelhaft waren, so wurde ich auf den Satz ge- führt, dass unter den asymmetrisch gearbeiteten Sphenisken der Moustérienstation La Micoque im wesentlichen ebensoviele für Linkser als für Rechtser zugerichtet waren. Dieses Resultat kam mir so unerwartet, dass ich fleissige Nach- prüfungen vornahm; aber im wesentlichen fand ich es stets be- stätigt. Wie schon bemerkt, kommen neben den asymmetrischen Sphe- nisken zahlreiche asymmetrisch gearbeitete biplane Spitzen vor, die nach ihrer Charakteristik als Linkser oder Rechtser mit Sicherheit zu unterscheiden sind. In den Figuren 17—20, Tafel V, sind zwei solche dargestellt, eine läochire und eine dexiochire Spitze. Für ihre Bestimmung dienen dieselben Merkmale wie für die Sphenisken, und sie sind in dieselbe Lage zu bringen: die Spitze ist nach vorn zu richten, die Abschlagfläche vom ursprünglichen Feuersteinknauer als Ventralfläche nach unten zu legen; sie ist fast immer leicht als solche zu erkennen ; dann bezeichnet der eine zugeschärfte Rand das Wesen des Steines; der verdickte Rand für die An- lage des Zeigefingers liegt jenem gegenüber. Dasselbe ist von den Schabern zu sagen, die sehr oft ein spitzenartiges Vorderende und stets eine dorsale Fläche mit zahlreichen muschelartigen Aus- brüchen und eine glatte ventrale Fläche unterscheiden lassen; so- bald sich deshalb das Vorderende und die Ventralfläche einwand- frei bestimmen lässt, so ist auch unmittelbar das Wesen des Stein- gerätes, ob läo- oder dexiochir, festzustellen. In den Figuren 13—16, Tafel IV, sind zwei Schaber dargestellt, der eine, Figur 13, für läochiren, der andere, Figur 14, für dexiochiren Gebrauch. Die stets symmetrisch gearbeiteten Disken und messerartigen Lamellen kommen für unsere Untersuchung in Wegfall. Von insgesamt 135 sicher auf ihre Charakteristik bestimm- baren Schabern oder schaberartigen Glyptholithen erwiesen sich 55 als Linkser oder läochir und 57 als Rechtser oder dexiochir, wieder 128 Paul Sarasin. also, wie bei den Sphenisken, rund ebensoviele Linkser als Rechtser. Daneben schied ich 23 als symmetrische aus. Was die typischen Moustérien-Spitzen anbetrifft, so war eine reinliche Sonderung in Sphenisken und Spitzen undurchführbar; es finden sich alle Übergänge, wonach sowohl die asymmetrischen als die symmetrischen Sphenisken mit den entsprechenden Spitzen in lückenloser Reihe verbunden sind. Dies erschwert sehr die Be- mühung, einzelne Fälle morphologisch klar zu definieren; die sta- tistische Zahl muss eben zum wahren Sachverhalt so nahe hinführen, als es die Schätzung der einzelnen Stücke erlaubt. Ich gelangte aber nach zwei Durchprüfungen der Sphenisken und Spitzen, die ich vereinigt mir durch die Hände gehen liess, zu folgendem Re- sultat: Gesamtzahl der Stücke: 301, davon symmetrische, also für beide Hände brauchbare oder wie ich diese nenne, amphidexe Stücke 130; asymmetrische 171, davon läochire 81, dexiochire 90. Da nun endlich doch alle die drei Sorten von Steingeräten: Sphenisken, Spitzen und Schaber durch unmerkliche Übergänge miteinander verbunden waren, so nahm ich eine zweimalige Prü- fung der Gesamtmasse vor, wobei ich zu folgendem Ergebnis kam: (Gesamtzahl der auf ihr Wesen geprüften Mousteriolithen von La Micoque 436. Davon ergab die erste Prüfung als läochir symmetrisch dexiochir 138 139 144 Zusammen 416 Stück; 20 Stück liess ich weg als ihrem Wesen nach in keine der drei Kategorien sicher passend. Die zweite Prüfung der von neuem zusammengeschütteten Masse ergab als Resultat: läochir symmetrisch dexiochir 136 153 147 Hier hatte ich auch die zuerst ausgeschiedenen 20 Stück in die drei Kategorien aufgeteilt. Da es sich nun empfiehlt, eine Durchschnittszähl zu gewinnen, um der Wahrheit möglichst nahe zu kommen, so wollen wir 10 Stück als unbestimmbar ausscheiden und gelangen endlich zu dem folgenden Durchschnittsergebnis: von insgesamt 426 Mousteriolithen der Station La Micoque erwiesen sich als läochir symmetrisch dexiochir 155 145 146 also fast gleiche Zahlen, die sich bei Erhöhung der Gesamtzahl gewiss einander immer mehr nähern würden, sodass wir feststellen Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie ete. 129 können: die Mousteriolithen von La Micoque sind in gleicher Zahl für links-, rechts- und beidhändigen Gebrauch hergerichtet. Bevor wir nun an die weitere Auswertung dieses Ergebnisses herantreten, empfiehlt es sich noch, bei den Mousterienlithoglyphien anderer Stationen eine kurze Umschau zu halten. Es liegt in Be- ziehung auf solche in unserer prähistorischen Sammlung ein ziem- lich reichliches Material vor von den Stationen Le Moustier und La Quina in Frankreich. Wenden wir uns einer Prüfung der Glyptolithen von Le Moustier zu, soweit sie für unsere Frage in Betracht kommen können. Das mir zur Verfügung stehende Material der Station Ze Moustier an der Vézère hatte ich zum Teil selbst dort gesammelt, zum Teil an Ort und Stelle käuflich erworben; ausserdem kam mir eine grössere Sammlung von Mousteriolithen aus der dortigen Gegend zu, denen zwar keine nähere Fundortsangabe beigeschrie- ben war, die sich aber soviel wie gewiss als Material aus der Station Le Moustier bestimmen liessen. Ich habe ferner voraus- zuschicken, dass im Mousterien der Station Le Moustier ebenso wie in dem von La Micoque die drei Sorten von Glyptolithen: doppelt oder einseitig konvex gearbeitete Spenisken oder coups de poing en miniature, ferner Spitzen und Schaber neben den sym- metrischen Disken und Lamellen sich unterscheiden lassen; einen wesentlichen Unterschied des Mousterien von Lie Moustier gegen dasjenige von La Micoque kann ich nicht feststellen, wenn auch die an das Acheuléen sich anschliessenden Sphenisken in La Micoque gegenüber Le Moustier in überwiegender Zahl vorzukommen scheinen. Auch in anderen Moustérienstationen finden sich die Sphenisken reichlich und zwar zum Teil in so namhafter Grösse, wie sie das Acheulden kennzeichnen, ich erinnere nur an die von V. Commont veröffentlichten neusten Mousterienfunde in den Tälern der Möve und der Verse (8). Ich unterwarf nun unsere Sammlung von Glyptolithen der Station Le Moustier drei wiederholten Durchmusterungen und zwar in Zeitabschnitten von rund drei Monaten, sodass mir einzelne Stücke, die sich ja ausserdem im Mousterien sehr ähnlich sehen, durchaus nicht mehr in Erinnerung waren. Ich gelangte zu dem folgenden Resultat: Erste Musterung: läochire dexiochire 64 51 die symmetrischen wurden in der ersten Musterung nicht gezählt. 9 130 Paul Sarasin. Zweite Musterung: läochire symmetrische dexiochire 82 60 62 Dritte Musterung: läochire symmetrische dexiochire 88 84 65 Man sieht sofort, dass die Zahlen bei den drei Musterungen recht verschieden sind, ein Umstand, der mit der Schwierigkeit der Unterscheidung zusammenhängt; so hatte ich bei der ersten Muste- rung viele als nicht sicher bestimmbar ausgeschieden; indessen nimmt bei Wiederholung der Prüfung die Übung im Unterscheiden zu, sodass die letzten Zahlen der Wahrheit am nächsten kommen dürften. Ich habe aber aus den jeweilen erhaltenen Zahlen Durchschnitts- zahlen berechnet, was ich umso eher durfte, als das Verhältnis der Linkser, Rechtser und Symmetrischen bei den drei Musterungen im grossen ganzen dasselbe geblieben ist. Die erhaltenen Durch- schnittszahlen sind die folgenden: läochire symmetrische dexiochire 78 66 59 wobei ich für die symmetrischen der ersten Musterung, wo sie nicht gezählt waren, eine aus den beiden anderen Musterungen gewonnene Verhältniszahl einsetzte. Ich rechnete 82 + 62 = 144 verhalten sich zu 60, wie 64+51=115 zu 48, und ebenso 88 +65 =153 ver- halten sich zu 84 wie 115 zu 63; dann halbierte ich die Summe 63+48= 111 und erhielt für die symmetrischen der ersten Muste- rung 56, woraus die oben angegebene Durchschnittszahlenreihe zum Vorschein kam. Im allgemeinen ergeben die drei vorgenommenen Durchmuste- rungen ein starkes Überwiegen der Linkser über die Rechtser und ein nicht geringes Überwiegen der Linkser über die symmetrischen; ich lasse die Frage offen, ob eine Untersuchung an noch grösserem Material die Zahlen einander nähern würde, sodass wie bei La Micoque ein nahezu gleiches Verhältnis zutage träte, aber das Über- wiegen der Linkser über die Rechtser war doch bei allen drei Musterungen ein annähernd gleich grosses, und zwar kommen auf 100 Linkser bei der ersten Musterung 80, bei der zweiten 76, bei der dritten 74 Rechtser, im Durchschnitt kommen somit auf 100 Linkser 77 Rechtser. Ich muss also bis auf weiteres, d. h. bis Untersuchungen von anderer Seite vorliegen, die das Resultat modifi- zieren, den Satz aufstellen: von den Mousteriolithen von Le Moustier überwiegen die linkshändigen über die rechtshändigen und zwar an- nähernd im Verhältnis von 4 zu à. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 151 >} In den Figuren 21—24 der Tafel VI findet sich je ein läo- und ein dexiochirer Glyptolith von Le Moustier dargestellt. In der Station des jüngeren Moustérien Za Quina erscheinen die Glyptolithen feiner zugerichtet als in den angezogenen älteren Stationen La Micoque und Le Moustier; die einseitige Verdickung der asymmetrischen Stücke tritt weniger hervor, und die Unter- scheidung in Vorder- und Hinterende ist weniger einwandfrei er- kennbar. Darum geben viele Glyptolithen von La Quina dem Zweifel Raum, ob sie als Linkser, Rechtser oder als symmetrische aufzu- fassen seien; indessen liessen drei vorgenommene Musterungen ein Fortschreiten in der Übung der Unterscheidung wie bei den Mousterio- lithen der älteren Stationen erkennen. Bei der ersten Musterung erhielt ich 38 Linkser und 38 Rechtser, also genau in gleichem Verhältnis läo- und dexiochire Stücke; die symmetrischen wurden nicht gezählt, weil viele zweifelhaft waren. Bei der zweiten Muste- rung. veränderte sich das Verhältnis zugunsten der Linkser, indem ich 55 läochire gegen 50 dexiochire unterscheiden konnte, bei 23 symmetrischen. Bei der dritten Musterung endlich erhielt ich 55 läochire gegen 47 dexiochire, wobei ich die sehr schwer ein- schätzbaren symmetrischen unberücksichtigt liess. Im allgemeinen schliesst sich La Quina in den Verhältniszahlen an La Micoque an, soweit es die Linkser und Rechtser betrifft; wir dürfen mit der Durchschnittszahl von 49 läochiren und 45 dexiochiren den Satz aufstellen, dass in La Quina Läo- und Dexiochirie in unge- fähr gleichem Masse vertreten ist; denn eine Untersuchung grösserer Massen von Glyptolithen aus jener Station dürfte die Zahlen ein- ander immer näher bringen.‘) In allen drei Fällen aber, in La Micoque, Le Moustier und La Quina erweisen die gefundenen Durchschnittszahlen, die ein- ander sehr nahe kommen, mit Gewissheit, dass in der Schätzung der Glyptolithen, wie ich sie vorgenommen habe, nicht willkürliche Deutung im Spiele war; vielmehr gilt auch bei Zulassung von Fehlern in der Deutung einzelner Stücke doch im wesentlichen der Satz, dass in den Moustérienlithoglyphien der genannten drei Sta- tionen in Frankreich Linkshändigkeit ‚und Rechtshändigkeit an- nähernd in gleicher Weise sich vertreten findet, dass von den da- maligen Menschen, die dem Neandertaltypus, nämlich der Spezies 4) Es würde von Interesse sein, zu erfahren, ob auch in den beiden schweizerischen Stationen Wildkirchli im Kanton Appenzell I.-Rh. und Cotencher im Kanton Neuenburg, die dem älteren Mousterien angehören, sich ebenfalls links- und rechtshändige Mousteriolithen unterscheiden lassen. In der im Museum von St. Gallen ausgelegten Suite von Wildkirchlimousteriolithen glaubte ich einige wenige als dexio- und als läochir bestimmen zu können. 132 Paul Sarasin. Homo neandertalensis zuzurechnen sind, im allgemeinen ebenso viele Individuen Linkser als Rechtser waren; denn rechnen wir die für die drei Stationen erhaltenen Zahlen zusammen, so bekommen wir von im ganzen 512 asymmetrischen Glyptolithen 262 läochire und 250 dexiochire, es ergibt sich also als Gesamtresultat an- nähernd ein gleiches Verhältnis. Ob die symmetrischen Glypto- lithen auf eine entsprechende Prozentzahl amphidexer Individuen hinweisen, solcher nämlich, die mit gleicher Fertigkeit die linke wie die rechte Hand zu benützen imstande waren, oder ob diese symmetrischen Stücke für besondere Zwecke eine allseitige Be- arbeitung erfuhren, sodass sie sowohl für Linkser als für Rechtser zu brauchen waren, ist aus dem vorliegenden Material nicht zu entscheiden; für das Bestehen von Amphidexie gewinnen wir aus symmetrischen Werkzeugen, in welcher Kulturstufe bis zur Gegen- wart sie auch auftreten mögen, keine Anhaltspunkte. Die Frage indessen, ob bei allgemein bestehender Amphidexie es nicht gleich- giltig gewesen sein könnte, ob Steingeräte für die linke oder die rechte Hand zugerichtet wurden, wird später zu erörtern sein bei der Behandlung der allgemeinen Frage, ob Links- und Rechts- händigkeit auf einer konstitutionellen Basis beruht, also einen physiologischen Grund hat oder ob die einseitige Ausbildung aus ursprünglich neutraler doppelseitiger Anlage durch Anlernung, be- ziehungsweise einseitige Ausbildung im Laufe des individuellen Lebens erworben wurde. Bevor wir an diese Frage herantreten, wollen wir nun noch andere Lithoglyphien in Beziehung auf die uns interessierende Frage einem näheren Augenschein unterwerfen. Treten wir zunächst an die Frage heran, ob sich an den Stein- geräten der beiden ältesten Stufen des Paläolithikums, nämlich denen des Chelléen und des Acheulden?) schon Links- und Rechts- händigkeit nachweisen lässt, ob sich also auch schon hier Glypto- lithen finden, die sich in ihrer Zurichtung spiegelbildlich zueinander verhalten. Da die beiden genannten Kulturstufen auf den ersten Blick durch grosse und vielfach auffallend sorgfältig zurechtgearbeitete Faustkeile oder coups de poing, die ich hinfort ebenfalls Sphenisken nennen will, charakterisiert sind, so könnte man dem irrtümlichen Vorurteil anheimfallen, dass diese oft bikonvex gearbeiteten Glypto- lithen als rein symmetrische Steinwerkzeuge für unsere Frage ausser Betracht fallen würden; aber eine nähere Prüfung eines grösseren 5) Von den hypothetischen Vorstufen der Eolithen und des Praechelleen sehe ich hier ab, aus Gründen, die aus meinen Abhandlungen: „einige Bemer- kungen zur Eolithologie“ (46) und „über die Fehlerquellen in der Beurteilung der Eolithen“ (49) zu ersehen sind. Rechts- und Linkshändiekeit in der Prähistorie etc. 133 {>} Materiales, so wie es mir zur Verfügung steht, lässt die Sachlage in einem anderen Lichte erscheinen. Bevor ich die Resultate meiner Untersuchung bekanntgebe, habe ich die folgenden Bemerkungen vorauszuschicken: Beide Kulturstufen, sowohl das frühere Chelléen als das spätere Acheuléen, sind im wesentlichen durch dieselben Steinwerkzeuge gekennzeichnet, nämlich grosse und kleine Sphenisken, von denen die letzteren in Grösse und Form ohne Grenze in die Sphenisken des Moustérien übergehen, sodass zwischen dem Acheuléen und dem älteren Moustérien, das durch das Vorhandensein kleiner Sphenisken sich kennzeichnet, ein unmittelbarer Übergang besteht, ein Ubergang, wie er sich ja auch als solcher zwischen den späteren Kulturstufen feststellen lässt. Das Acheuléen ferner schliesst sich unmittelbar an das Chelléen an, insofern es wie das letztere durch wohl zugearbeitete grosse Sphenisken wesentlich charakterisiert er- scheint; doch fehlen kleine solche auch schon dem Chelléen nicht. Neben diesen Sphenisken kommen aber noch ovale oder ellip- tische Glyptolithen vor, oft von sehr plumper Zurichtung und un- mässiger Grösse; doch finden sich auch feiner zugerichtete Stücke darunter. Sodann treten die für unsere Betrachtung fortfallenden stets rein symmetrisch gearbeiteten Disken oder Wurfscheiben auf, und Lamellen, die wohl auch als Messer in Gebrauch gezogen wurden, fehlen gleichfalls nicht; auch diese kommen für unsere Untersuchung in Wegfall, da sie symmetrisch sind und keine retuschierten Ränder zeigen, wenigstens soweit mir dergleichen bekannt sind. Unterwerfen wir zunächst die Sphenisken einer näheren Be- trachtung, so haben wir, wie schon beim Moustérien, zwischen doppelt konvex und plankonvex bearbeiteten zu unterscheiden. Erstere fallen, wenigstens in der Mehrzahl, aus unserer Betrachtung fort, da an diesen rein symmetrisch zugehauenen Stücken die Frage nicht zu entscheiden ist, ob sie für linkshändigen oder rechtshän- digen Gebrauch bestimmt waren. Die letzteren jedoch, die plan- konvexen, lassen wie die entsprechenden des Mousterien eine plane Unterfläche, die meist noch durch den Abschlagsknollen gekenn- zeichnet ist, von einer konvexen, sorgfältig zugerichteten Ober- seite unterscheiden, und bei mehreren Stücken zeigt sich an der einen oder der anderen Seitenkante eine Verdickung zur Anlage der Hand und des Zeigefingers. Dadurch werden die Stücke un- symmetrisch und passen genau entweder in die linke oder in die rechte Hand, die Spitze des Spheniskus natürlich immer nach vorne gerichtet, so genau, dass der Gebrauch eines läochiren Sphenisken 134 Paul Sarasin. mit der rechten Hand einfach unmöglich erscheint, und dasselbe gilt für den umgekehrten Fall. Bei der Durchprüfung der Chelléo-Acheuléensphenisken habe ich somit in erster Linie die asymmetrischen von den symmetrischen ausgeschieden und letztere als auf ihr Wesen unbestimmbar fort- gelassen. Die mir zur Verfügung stehende Sammlung von Chelléo- und Acheuleolithen sollte nun freilich zur Erledigung der uns be- schäftigenden Frage viel grösser sein, als sie es tatsächlich ist; aber ich brachte doch im Laufe der Jahre ein ziemlich ansehnliches Material aus dem Chelléen von Frankreich und Vorderindien, sowie aus dem Acheuléen von Frankreich und Agypten zusammen, sodass immerhin ein brauchbares Resultat gewonnen werden konnte. Ich erhielt bei der ersten genaueren Durchmusterung die folgenden Zahlen: 1. Grosse asymmetrische Sphenisken: läochir dexiochir 4 2 2. Kleine asymmetrische Sphenisken: | d 5 4 3. Elliptische asymmetrische Glyptolithen: | d a 1 Bei der zweiten genauen Durchmusterung gelangte ich zu folgenden Zahlen: 1. Grosse asymmetrische Sphenisken: | d 8 9 2. Kleine asymmetrische Sphenisken: I d 5 5 3. Elliptische asymmetrische Glyptolithen: | d 6 1 Überblicken wir die beiden Reihen, so geht zunächst auch hier wieder, wie bei den verschiedenen Durchmusterungen der Mousterio- lithen die Tatsache hervor, dass die Übung in der Unterscheidung von einer Musterung zur andern zugenommen hat, insofern ich bei der ersteren bloss 25 Stück als auf ihr Wesen bestimmbar ausscheiden Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc, 135 konnte, bei der zweiten dagegen 34. Wie die beiden Tabellen er- weisen verhält sich aber die gewonnene Verhältniszahl sehr ähn- lich; bei der ersten genaueren Musterung erhielt ich im ganzen zusammengerechnet 13 Linkser auf 12 Rechtser, bei der zweiten 19 Linkser auf 15 Rechtser. Beide zusammengezogen und die Summe halbiert ergibt als Durchschnitt 16 Linkser auf 13,5 Rechtser. Bei grösserem Material dürften sich diese Zahlen der Gleichheit immer mehr nähern, sodass auch für das Chelléen und das Acheuléen der Satz gilt, dass beim damaligen ilensehen Linkser und Rechtser sich ungefähr die Wage hielten. In den Figuren 1—4, Tafel I sind von zwei spitzenartigen Glyptolithen des Chelléen je ein Rechtser und ein Linkser in zwei- drittel Grösse und in den Figuren 5—8, Tafel II von zwei Glypto- lithen des Acheuléen je ein Rechtser und ein Linkser in halber (srösse dargestellt. Von den jüngeren paläolithischen Stufen, nämlich den auf das Mousterien folgenden Lithoglyphien des Aurignacien, Solutréen und Magdalenien, besitze ich keine Mousteriolithen; das Moustérien er- scheint in denselben durch feinere und fast ausschliesslich symme- trische Steingeräte, sowie durch Knochengeräte abgelöst; doch fällt die jüngere Paläolithik für unsere Untersuchung keineswegs ausser Betracht; denn die Lithoglyphie des ihnen vorhergehenden Mousté- rien zeigt sich auch in diesen Kulturstufen festgehalten, eine Tat- sache, für die ich zwar selbst keinen Beleg beibringen kann, die aber durch einen Fund festgestellt ist, der von J. Heierli aus der Höhle Kesslerloch bei Thaingen mit den Worten angemeldet wurde (19, p. 170 und 213): „Die Breitschaber weisen zum Teil in entlegene Zeiten zurück. Betrachten wir die Figur 4 auf Tafel IX, so fällt uns die Aehnlichkeit mit den racloirs von Le Moustier auf. Drei Exemplare derartiger Stücke kamen in Schicht IIs vor.* „Was die Typen von Le Moustier angeht, so fanden sich in der Tat einige Schaber, die ebensogut aus einem Fundort des Mousterien stammen könnten, auch nannten wir einige atypische Formen der pointes à cran; aber was wollen diese wenigen Feuersteinstücke, vielleicht ein bis höchstens zwei Dutzend, be- sagen gegenüber ca. 15,000 Objekten, die sicher dem Magdalénien angehören ? Zudem fanden sich dieselben nicht etwa ausschliesslich in den untersten Kultur- schichten.“ Die von Heierli beigegebenen photographischen Abbildungen erweisen die Richtigkeit der von ihm gemachten Angabe, dass ächte Mousteriolithen in der allbekannten Schaffhauser Höhle an- getroffen wurden. Durch das verdankenswerte Entgegenkommen von Herrn Professor .J. Meister, dem wir den geologischen Ab- schnitt des Heierli’schen Werkes verdanken, erhielt ich drei Stücke dieser Mousteriolithen zugesandt, die ich also einer genauen Be- 136 Paul Sarasin. sichtigung unterwerfen konnte. Darnach sind diese Mousteriolithen des Magdalenien der Form nach als typische solche zu erklären; dagegen fehlt an ihnen jede Kantenretuschierung; dennoch lassen sich, eben der Form nach und vom Gesichtspunkte ausgehend, dass der Abschlagsknollen die Basis des Stückes, die glatte Abschlags- fläche die Unterseite bezeichnet, zwei Rechtser und ein Linkser unterscheiden. Ich schalte hier noch die folgende Beobachtung ein: In den hier eingefügten Textfiguren 1 und 2 finden sich zwei bohrerartige Stein- instrumente wiedergegeben, die gedreht gearbeitet sind, und zwar das eine mit der schneidenartig zugerichteten zum Bohren dienenden Fig. 2. Spitze nach links (Figur 2), somit als Bohrer für die Linke be- rechnet, das andere (Figur 1) nach rechts, für die rechte Hand bestimmt. In den Abbildungen ist das zum Bohren bestimmte Ende nach oben gerichtet; am untern Ende sind die Steine zu Gravier- sticheln zugerichtet, sie stellen also Bohrerstichel dar; sie verhalten sich spiegelbildlich zueinander. Ferner gebe ich in den Figuren 3 und 4 zwei Schaberstichel wieder, von denen entsprechendes zu sagen ist, indem beim einen (Figur 4) die Gravierspitze, in den Abbildungen nach oben gerichtet, nach links gewendet ist, wodurch das Stück als für die rechte Hand bestimmt gekennzeichnet wird, während das andere Stück (Figur 3) die Spitze nach rechts gewendet zeigt, wonach es zum Gebrauch für die Linke berechnet war; beide Stücke zeigen ferner Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 137 Figur 3. Figur 4. den für viele solcher Instrumente charakteristischen seitlichen Aus- schnitt, der vielleicht zum Glätten von Holzschäften gedient hatte, am einen rechts, am andern links angebracht; die Steine verhalten sich also spiegelbildlich zueinander. Am untern Ende in den Ab- bildungen findet sich die sorgfältig zugerichtete Schaberkante. Die Abbildungen lassen diese Verhältnisse, die an den Stücken selbst sofort in die Augen springen, nicht mit befriedigender Klarheit erkennen. Auch unter den allbekannten Feuersteinbohrern mit fein ge- arbeiteter Spitze glaube ich Rechtser und Linkser unterscheiden zu können; aber ich gewann darüber keine völlig zufriedenstellende Sicherheit; noch weniger wirken Photos solcher Stücke überzeugend; doch mögen zwei sich spiegelbildlich zu einander verhaltende in Figuren 5 und 6 widergegeben sein. Da nun also bei den meisten Figur 5. Figur 6. 138 Paul Sarasin. dieser Instrumente die Untersuchung auf Läo- oder Dexiochirie unsicher ist, so habe ich davon Abstand genommen, eine darauf bezügliche Statistik vorzunehmen, indem ich es vorziehe, die Prüfung dieser Frage kommenden Untersuchungen anheimzugeben. Um auf die Mousteriolithen zurückzukommen so stelle ich fest, dass sie sich auch in den jüngeren paläolithischen Kulturstufen als glyptolithische Relikte im Gebrauch erhalten haben, insofern sie auch in den Stufen des Aurignacien und Solutréen sich gewiss noch finden werden, wenn man die Aufmerksamkeit speziell darauf richten wird; und ich betone, es handelt sich hier um ein Festhalten einer von früher her gegebenen Steinwerkzeugform neben den das Kulturbild beherrschenden und charakterisierenden neuen Formen- erfindungen, um ein technisches Relikt also aus einer früheren Kulturstufe in einer späteren, eine Erscheinung, wozu Analogien sich bis zur Gegenwart erhalten haben. Heierli lässt in der Deutung der Magdalénien-Mousteriolithen ein Schwanken erkennen, wenn er schreibt (19, p. 214): „Warum sollen wir nicht denken dürfen, dass der Zufall auch in späterer Zeit ausnahmsweise einmal eine ganz alte, längst verschwundene Form neu hervorgebracht habe, besonders da eine ähnliche Technik und gleiches Material vorliegt? Und Uberlebsel, wie ja aus allen prähistorischen und historischen Perioden, können sich auch in Thaingen erhalten haben.“ Um es zu wiederholen, so glaube ich nicht an eine zufällige neue Hervorbringung einer alten Form, wohl aber um ein Fest- halten einer solchen in den späteren Kulturstufen; und dieses zähe Festhalten an der Lithoglyphie des Moustérien konnte ich nun auch noch für die neolithische Zeit feststellen (50), wo ich erst in jüngster Zeit das Vorkommen einwandfreier Mousteriolithen entdeckte und zwar bei der Durchmusterung einer grossen Menge von neolithischen Glyptolithen aus dem Bielersee, die ich als Abraummasse bei einem Fischer daselbst vorfand, zurückgelassen von wissenschaftlichen Sammlern sowohl als von Liebhabern, die sich ausschliesslich die sogenannten „besseren“, das heisst die ihnen verständlichen Stücke, wie die symmetrisch gearbeiteten Schaber u.a. m. ausgewählt und den unansehnlichen Rest liegen gelassen hatten. In dieser Masse aber fand ich eine Reihe von typischen Mousteriolithen. Ferner vermochte ich solche aus einer Aufsammlung neolithischer Glypto- lithen aus dem Wauwylermoos auszuscheiden, durch welchen Fund- ort ihre zeitliche Bestimmung als neolithischer Steinwerkzeuge erst recht sichergestellt ist. Von diesen neolithischen Mousteriolithen kommen für unsere Frage lediglich die asymmetrischen Stücke in Betracht, da die sym- metrischen in die gewöhnlichen Schaber übergehen; von den asym- Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie ete. 139 metrischen aber konnte ich im ganzen 59 ausscheiden, von denen sich nach wiederholten Musterungen durchschnittlich 29 als läochir und 30 als dexiochir erwiesen; auch hier schwankten die Zahlen nach den verschiedenen Durchprüfungen; aber im allgemeinen ge- langte ich wie bei den paläolithischen Mousteriolithen zu dem Resultat, dass Linkser und Rechtser noch beim neolithischen Menschen in ungefähr gleicher Zahl vorhanden gewesen waren. Auch unter den neolithischen Bohrern und Sticheln fanden sich deutlich ausge- prägte läochire neben dexiochiren; doch habe ich hier wie schon bei den entsprechenden Steingeräten aus den paläolithischen Stufen keine Statistik vornehmen mögen. In den Figuren 27 und 28, Tafel VII, ist je ein läochirer und ein dexiochirer neolithischer Mousteriolith dargestellt; der in meiner oben angezogenen Ab- handlung 50, Tafel III, Figur 10 abgebildete ist läochir.‘) Dem soeben mitgeteilten habe ich noch eine Beobachtung hin- zuzufügen, die ich ganz neuerdings zu machen Gelegenheit fand. Ich hatte eine grössere Sammlung von Steinwerkzeugen aus Pata- gonien erwerben können, im ganzen 154 Stück, von einer Fund- stelle am Mittellauf des Rio Santa Cruz, worüber der Verkäufer nur kurz das folgende bemerkte: „die Stücke sind von einem Farmer in den verschiedenen Zeiten seines Dortseins gesammelt“. Diese patagonischen Glyptolithen lassen zunächst typisch ameri- kanisch-neolithische Pfeil- und Lanzenspitzen erkennen, erstere mit breiter, für die patagonischen Pfeilspitzen charakteristischer Haft- zunge ; ferner symmetrisch gearbeitete kleine Schaber von typisch neo- lithischer Zurichtung, die offenbar in irgend einer Fassung gebraucht waren, weiter symmetrische und doppelt konvex gearbeitete halb- mondförmige Steinwerkzeuge, die ich, wenn sie in Europa oder in Agypten gefunden wären, als Sichelsteine ansprechen würde; end- lich aber eine grössere Reihe ganz typischer asymmetrischer Schaber vom Moustérientypus, ächte Mousteriolithen, vielfach mit flügel- oder dornartiger vorderer Spitze, den von mir im euro- päischen Neolithikum aufgefundenen genau entsprechend, ja sie an typischer Ausbildung noch übertreffend, zweifellos ursprünglich aus freier Hand gebraucht, von so typischer Ausbildung, dass, wenn sie für sich allein gefunden worden wären, man sie als eine Fund- 6) Neuerdings hat Herr Joseph Maeder in Bevaix nach brieflicher Mitteilung an mich vom 27. Januar 1918 in der altbekannten Pfahlbautenstation Trevtel am Neuenburgersee ächte Mousteriolithen aufgefunden und mir einige charakter- istisch ausgeführte Zeichnungen von denselben zugesandt. Darunter zeigt eine Spitze zweifellose Läochirie. Auch fanden sich Glyptolithen vom Charakter der Sphenisken des Acheuléen: „Acheuleolithen“ in dieser neolithischen Station, also alt-paläolithische Relikten in der jüngeren Steinzeit. 140 Paul Sarasin. stelle des Moustérien selbst bezeichnen müsste.) Indessen sind sie ohne Zweifel mit den anderen Stücken zusammen gefunden worden; denn es kommen einige wenige Spitzen vor, die den Übergang zu typischen Lanzenspitzen bilden, sodass sich nicht sagen lässt, ob sie als Mousteriolithen oder als Lanzenspitzen zu bezeichnen sind. Von besonderem Interesse ist nun der Umstand, dass diese asym- ınetrischen amerikanisch-neolithischen Mousteriolithen sich ebenso wie alle andern in läochire und dexiochire sondern lassen, und zwar erhielt ich von 32 einwandfreien asymmetrischen Mousterio- lithen von Patagonien gerade 16 als Linkser und 16 als Rechtser, eine Übereinstimmung, deren mathematische Genauigkeit natürlich auf Zufall beruht, die aber doch den Satz beweist, dass auch beim amerikanischen neolithischen Menschen Links- und Rechtshänder in gleicher Zahl vertreten gewesen waren. In den Figuren 29—32, Tafel VIII, gebe ich je zwei läochire und dexiochire Mousteriolithen aus dem patagonischen Neolithi- kum wieder; die betreffenden Stücke verhalten sich genau spiegel- bildlich zueinander. Ich notiere noch die folgenden Zahlen: von Pfeilspitzen fanden sich 47, Lanzenspitzen 42, symmetrische Schaber 9, halbmond- förmige symmetrische Glyptolithen 24; endlich kommen jene 32 Mousteriolithen hinzu. Dieses Vorkommen von Mousteriolithen im amerikanischen Neolithikum ist meines Wissens bis jetzt noch nicht bemerkt worden, viel weniger noch ihre Läo- und Dexiochirie; wenigstens finde ich in den zwei Abhandlungen, die ich über patagonische Steinwerkzeuge aufgefunden habe, von dergleichen nichts erwähnt; nur in derjenigen von A. Lane Fox (14) findet sich in Figur 4 seiner Tafel II ein asymmetrischer Schaber abgebildet, wie ich einen völlig gleichen erhalten habe und den ich als Mousteriolithen, als ein aus freier Hand gebrauchtes Steinwerkzeug von allerdings untypischer Ausbildung, auffasse und als solchen gebucht habe. Mein eigenes Stück ist dexiochir, das von Lane Fox abgebildete augenscheinlich läochir; er bezeichnet diesen Glyptolithen, im Gegensatz zu den symmetrischen Schabern, als „thumbflint“. Weiter habe ich daran zu erinnern, dass die Lithoglyphie der erst im 19. Jahrhundert ausgerotteten Urbewohner der Insel Tas- manien typisches Mousterien gewesen ist, wie ich in meiner ange- zogenen Schrift (50) dargelegt habe, ein Moustérien augenscheinlich bis zur Gegenwart lebendig geblieben, nicht also fossil wie die anderen, was zwar nicht sicher zu beweisen, aber doch wenigstens T) Paläolithische Fundstellen fehlen in Amerika, siehe dazu: Brinton, 6. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 141 wahrscheinlich zu machen war,°) und auch in dieser tasmanischen Mousterienlithoglyphie fand ich sowohl Linkser als Rechtser ver- treten, und zwar erwiesen sich von 14 in Betracht fallenden Glypto- lithen 6 als läo- und 8 als dexiochire. Ein grösseres Material, als es mir zur Verfügung steht, wird wohl eine annähernde Übereinstim- mung der Zahlen ergeben, wie bei den anderen Moust£erienlitho- glyphien. Die Figuren 25 und 26, Tafel VII, sind Kopien der Figuren 7 und 8 der Tafel II meiner Abhandlung über Mousteriolithen (50) und stellen je einen läochiren und einen dexiochiren Moustérien- schaber dar. Die in jener Abhandlung Figur 6 abgebildete Spitze ist dexiochir. Wir können also den Satz aussprechen, dass während der ganzen Steinzeit, und zwar schon vom uralten Chelleen bis zum späten Neolithikum, ebenso viele Individuen Linkshänder als Rechtshänder gewesen sind, dass eine Bevorzugung der einen Hand vor der anderen während der ganzen Steinzeit nicht stattgefunden hat. Bevor wir uns nun zu der Kulturstufe der Bronzezeit oder der ersten Stufe der Metallzeit wenden, um auch diese einer Prü- fung auf unsere Frage zu unterwerfen, wollen wir uns mit der Literatur beschäftigen, soweit dieselbe mir zugänglich geworden ist; denn wie bei fast allen wissenschaftlichen Erkenntnissen hat auch die uns beschäftigende von der Läo- und Dexiochirie des prä- historischen Steinzeitmenschen ihre Entdeckungsgeschichte; und hier begegnen wir zuerst dem bei den Prähistorikern rühmlich be- kannten Namen Gabriel de Mortillet, der im Jahre 1883 zu dem Resultate gelangte, dass die Faustkeile der frühsten Perioden des Paläolithikums,?) nämlich des Chelléen und des Acheuléen, mit der rechten Hand gegriffen, dass sie alle, oder fast alle, intentionell zu rechtshändigem Gebrauch zugehauen worden seien. Er veröffent- lichte dieses Ergebnis in seinem Werke: Le Préhistorique; und noch in der dritten Auflage desselben Werkes (34, p. 140, 141), die nach seinem Tode mit Benutzung seines Manuskriptes von seinem Sohne Adrien veröffentlicht wurde, findet sich die wieder- gegebene Anschauung festgehalten mir den Worten: „Si on les étudie avec soin, on reconnait que tous ou à peu pres tous sont iaillés, de manière à être saisis facilement et commodement par la main droite“; und dieser Satz findet sich noch ausdrücklich wiederholt mit den Worten: 8) Die Frage bedarf indessen der kritischen Nachuntersuchung an Ort und Stelle; siehe dazu meine Bemerkungen 50, p. 207. 9) D. h. soweit diese Perioden als solche bis jetzt wissenschaftlich einwand- frei nachgewiesen sind; siehe dazu 46 und 49. 142 Paul Sarasin. „ces échantillons ont été taillé intentionellement pour être empoignes facilement avec la main droite.“ Auf einer beigegebenen Abbildung ist demgemäss ein Faustkeil wiedergegeben, hineingelegt in die ihn umgreifende rechte Hand. Da wir nun aber sogleich sehen werden, dass G. de Mortillet im Jahre 1890 das Vorkommen von Linkshändigkeit neben der Rechtshändigkeit für das Neolithikum behauptet hat, so vermute ich, es sei die Stelle von der Rechtshändigkeit des Chelléen- und Acheuléenmenschen durch ‘ein Versehen in der dritten Auflage des Prehistorique stehen geblieben, umsomehr als im Dictionnaire des sciences anthropologiques (11) sich ein Artikel von G. de Mortillet über die Faustkeile findet, worin die Angabe der Rechtshändigkeit weggelassen ist. Demnach glaube ich, dass G. de Mortillet seine Auffassung von der exklusiven Rechtshändigkeit des Chelleo-Acheu- léen-Menschen selber hat fallen lassen; und in der Tat muss sie als irrtümlich bezeichnet werden; denn die symmetrisch gearbeiteten Faustkeile geben, wie oben (Seite 133) schon betont, nicht den mindesten Anhaltspunkt für die Frage, ob sie mit der rechten oder mit der linken Hand gegriffen worden waren; wohl aber gewinnen wir einen solchen aus den asymmetrischen, und wie gleichfalls oben schon gezeigt, fand ich unter diesen einzelne, die nur mit der linken Hand gebraucht, nur für diese bestimmt gewesen sein konnten. In einem Aufsatz betitelt: Formation des varietes. Albinisme et gauchissement, 1890 (33), kommt &. de Mortillet am Schlusse darauf zu sprechen, dass im Neolithikum neben der Rechtshändig- keit auch Linkshändigkeit vorkomme. Es scheint mir von Wichtig- keit, die Stelle hier in extenso wiederzugeben, sie lautet (33, p. 579): „L’influence de la gauche et de la droite remonte des animaux inférieurs jusqu'à l’homme. C’est ainsi qu'il y a des gauchers et des droitiers; qu’il y a et qu'il ya eu de tout temps des gauchers et des droitiers. Les instruments en pierre préhistoriques nous permettent de le constater. Parmi ces instru- ments, les grattoirs néolithiques, qui se maniaient directement à la main, per- mettent presque toujours de reconnaître sûrement si ceux qui s’en servaient étaient droitiers ou gauchers. J’ai essayé 354 grattoirs néolithiques, sur lesquels 105 étaient pour des droitiers, 197 pour des gauchers. Il en reste 52 pouvant être employés des deux mains ou tout au moins n’etant pas assez nettement tranchés pour qu’on, puisse les attribuer sûrement à l’une ou l’autre des deux catégories.“ Es folgt nun eine Tabelle, wofür ich auf die Aue ver- weise, darauf fährt der Forscher fort: „Les gauchers étaient done deux fois plus nombreux en France que les droitiers. La proportion était un peu moins considérable en Suisse.“ „Ce qu'il y a de certain, c’est que, pendant le préhistorique, les gauchers étaient beaucoup plus abondants que de nos jours dans nos regions.“ Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 143 In dem schon erwähnten Dictionnaire des sciences anthropo- logiques (11) gibt G. de Mortillet unter dem Stichwort „grattoirs“ seine Auffassung etwas verändert wieder mit folgenden Worten: „Le résultat de mes recherches sur les grattoirs robenhausiens 10) du Musée de Saint-Germain et de la collection d’Adrien de Mortillet, est qu'à cette époque les habitants de la France et de la Suisse se servaient à peu près indistinctement ou du moins en nombre égal de la main droite et de la main gauche.“ Wir sehen also von vornherein ein Schwanken in der Auffas- sung G. de Mortillet’s in Beziehung auf die Frage des Vorkommens von Links- und Rechtshändigkeit beim neolithischen Menschen; nach seiner ersten Aussage erklärt er für gewiss, dass Linkshändigkeit im Neolithikum zweimal so häufig war als Rechtshändigkeit, nach der zweiten, dass sich beide ungefähr die Wage hielten, und es ist auch nicht zu verwundern, weshalb Mortillet ins Schwanken kam; denn die von ihm angewendete Methode ist durchaus beanstandbar. Er hat sich nämlich sein Urteil an den neolithischen Schabern ge- bildet, die in der weitaus grössten Mehrzahl streng symmetrisch gearbeitet sind und deshalb keinen Anhaltspunkt für die Frage geben, ob sie mit der. linken oder der rechten Hand gebraucht wurden. Es kommen allerdings ausnahmsweise neolithische Schaber vor, die an der einen Seitenkante in grösserer Länge retuschiert sind als an der anderen und die darum für unsere Frage in Be- tracht kommen können; aber sie sind selten und lassen sich meist unter meine neolithischen Mousteriolithen subsummieren, die als solche Mortillet wie auch allen anderen Prähistorikern verborgen geblieben sind. Es fehlt uns also die Handhabe zur Beurteilung seiner Ergebnisse, und sein eigenes Schwanken in der Auswertung derselben bestätigt den Satz, dass mit Hilfe der neolithischen symmetrischen Schaber in der beregten Frage zu einem wissen- schaftlich brauchbaren Resultate nicht zu gelangen war. Dass Mortillet mit den Worten: „ce qu'il y a de certain c’est que, pen- dant le préhistorique, les gauchers étaient plus abondants que de nos jours dans nos régions“ die Meinung von der Links- und Rechts- händigkeit, wie er sie sich im Jahre 1890 an neolithischen Schabern gebildet hatte, auf alle prähistorischen Kulturstufen übertrug, er- scheint, selbst wenn wir die prähistorische Metallzeit ausnehmen, obschon das nicht ausdrücklich gesagt ist, als nicht gerechtfertigt. Es ist nun also festzustellen, dass G. de Mortillet die ge- samte prähistorische Menschheit zuerst als Rechtser, dann über- wiegend als Linkser, endlich in ungefähr gleicher Zahl sowohl als Rechtser wie als Linkser auffasste, und wenn nun auch seine Be- weisführung für diese sich widersprechenden Konstatierungen be- 10) Darunter sind die neolithischen verstanden, wie ich erinnere. 144 Paul Sarasin. anstandbar ist, so gebührt ihm doch das Verdienst, die uns be- schäftigende Frage zuerst aufgeworfen zu haben. Ich stelle noch fest, dass in der zweiten Auflage des Musée prehistorique vom Jahre 1903 (35) die Angabe von einem Vorkommen von Links- und Rechtshändigkeit beim prähistorischen Menschen überhaupt keine Aufnahme gefunden hat. Aus demselben Jahre 1883, in dem G. de Mortillet der uns beschäftigenden Frage zuerst näher getreten war, stammt eine brief- liche Ausserung des englischen Prähistorikers Sir John Evans, die den folgenden Wortlaut hat: !!) „LE think there is some evidence of the flint-workers of old having been right-handed; the particular twist, both in palaeolithie implement as in one in my own possession from Hoxne,l?) and in some American rifled arrow-heads, being due to the manner of chipping and being most in accordance with their being held in the left hand and chipped with the right“; und in einem Briefe von 1902 1?) schreibt er: „As to the palaeolithie implements I think that as a rule they are better adapted for being held in the right hand than in the left. There is often a flat portion of the side which seems intended to receive the right forefinger.“ Evans stützt sich also bei der Beurteilung der Steinwerkzeuge in der uns beschäftigenden Frage auf zwei verschiedene Gesichts- punkte: 1. auf eine besondere Drehung in der Art des Absplitterns bei der Zurichtung des Glyptolithen, die darauf hinweisen soll, dass der Stein mit der linken Hand festgehalten, während mit der rechten die Absplitterung vorgenommen wurde und 2. wird auf das öftere Vorhandensein einer Randverdickung für den rechten Zeige- finger Wert gelegt und daraus geschlossen, dass in der Regel die Steingeräte mit der rechten Hand gebraucht wurden. Um die letztere Auffassung vorauszunehmen, insofern ich die erstere noch in Verbindung mit einem anderen Autor sogleich werde zu be- handeln haben, so ist Evans entgangen, dass eine Randverdickung ebenso oft für den linken Zeigefinger vorkommt als für den rechten, und da dieser Autor weder eine genaue statistische Untersuchung ausgeführt hat noch Abbildungen gibt, wonach wir seine Argumen- tierung wissenschaftlich einschätzen könnten, so sind seine diesbe- züglichen Angaben für uns ohne wegweisende Bedeutung. Im Jahre 1896 betrat der amerikanische Forscher D. @. Brinton den Weg, den Evans 1883 eingeschlagen hatte. In einer Abhandlung betitelt: „left-handedness in North American aboriginal art“(5), die ich mir leider im Original nicht verschaffen konnte, die aber in der 11) Siehe Cunningham, 9, p. 278. 12) In Suffolk, Fundstelle alt-paläolithischer Faustkeile, siehe Evans, 19,8p too it 13) Siehe Cunningham 1. c. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 145 „Anthropologie“ im Auszug wiedergegeben ist, kam Brinton zu dem Resultate, dass in der prähistorischen Zeit zwar die Rechtshändig- keit vorherrschte, dass aber doch 33 Prozent der prähistorischen Menschen Linkser waren. Nach dem Zitat bei Cunningham sind seine eigenen Worte diese: „Ihe hand preferred was no doubt the right hand, but the notably large proportion of 33 per cent for probably left-handed work indicates either that there were more left-handed persons or as I prefer to believe that there were more who were ambidextrous. This may have been due to the fact that the methods of flint-chipping favoured the development of the use of both hands, but it is likely that it indicates a general physiological tendency.“ Ich habe die Evans-Brinton’sche Untersuchungsmethode nach- geprüft, speziell auch an amerikanischen Lanzen und Pfeilspitzen, von denen mir eine grosse Menge zur Verfügung stehen; aber es war mir nicht möglich, zu irgend einem sicheren Resultate in Be- ziehung auf unsere Frage zu gelangen; ja ich wage zu bestreiten, dass überhaupt mit dieser Methode über eine rein subjektive Ab- schätzung hinauszukommen sei. Ieh bin überzeugt, dass an Hand dieser Methode verschiedene Beobachter zu ganz verschiedenen Resultaten kommen würden oder überhaupt zu keinem Resultate, wie denn auch Evans zum Schlusse gelangt, es habe in der Prä- historie soviel wie ausschliesslich Rechtshändigkeit bestanden, wäh- rend nach Brinton die Rechtshändigkeit sich zu Linkshändigkeit verhalten würde wie 2 zu 1.) Es ist somit dieser Methode der wissenschaftliche Wert abzuerkennen. Dass spezifisch läochire und dexiochire Glyptolithen im Acheu- leen und Mousterien überhaupt vorkommen, ist, wie ich hier ein- schalte, schon bemerkt worden, so von V. Commont, 7, p. 551 und 552, von H. Jacob, 22, p. 26, und gewiss auch noch gelegentlich von anderen Autoren. Wir kommen zu einem weiteren Gesichtspunkt, der bei der Beurteilung der Links- und Rechtshändigkeit beim prähistorischen Menschen leitend war, nämlich dem von Sir D. Wilson zuerst und zwar im Jahre 1883 hervorgehobenen Umstand, dass bei den be- kannten Tierfigurenzeichnungen und Malereien des prähistorischen Menschen die einen nach links und die anderen nach rechts schauen, und er zieht daraus den Schluss, dass die nach links schauenden von Rechtsern, die nach rechts schauenden aber von Linksern gefertigt worden seien. Cunningham bestreitet den Wert dieser Methode mit der Begründung, dass die betreffenden Abbil- 14) Nach Brinton selbst wie 3:1, was aber nicht richtig sein kann, da er auf 100, resp. 99 Fälle 33 Linkser fand, infolgedessen die Rechtser die doppelte Zahl der Linkser betragen müssen, nämlich 66. 10 146 Paul Sarasin. dungen nach der Natur gezeichnet seien, wobei das abgebildete Tier die Stellung hatte, in der es sich wiedergegeben findet; er erklärt demnach den aus der Zeichnung gezogenen Schluss auf Links- und Rechtshändigkeit für absurd. Anders Æ. Weber (61, p. 14) und Stier (55, p. 83), die im Gegenteil erklären, dass man mit dieser Methode fast zur Gewissheit gelangen könne. Ich selbst möchte nur daran erinnern, dass es unter den prähistorischen Zeichnungen zahl- reiche gibt, wo auf derselben Darstellung nach links und nach rechts gewendete Figuren vorkommen, bei deren Anfertigung der prä- historische Künstler doch schwerlich mit den Händen gewechselt hat. Als Beleg für das Uberwiegen der Rechtshändigkeit beim prä- historischen Menschen zitiert Cunningham (9, p. 279) die Abhandlung von R. Lehmann-Nitsche, der nach Messungen an Skeletten aus Reihengräbern in Bayern ein Uberwiegen an Länge und Mächtig- keit der rechten Armknochen über die linken fand. Aber diese Reihengräber gehören ja der späten historischen Zeit an, durchaus nicht der prähistorischen, indem der Autor selbst ausdrücklich be- merkt (26, p. 208): „Die ausgedehnte Anlage des Gräberfeldes spricht für eine langdauernde Benützung, während das Fehlen von Schwertern usw. in dem zuletzt ausge- grabenen Teil ein Eindringen christlicher Kultur zeigt. Man wird also die Gräber etwa vom Beginn des 5. bis vielleicht gegen das Ende des 7. Jahr- hunderts n. Chr. ansetzen müssen. Die Anlage beweist auch, dass hier der Friedhof eines sesshaften Clans, eines Dorfes war, wahrscheinlich doch des kaum 1 km entfernten Allach, dessen Name schon in Urkunden des 8. Jahr- hunderts vorkommt.“ Der Irrtum von Cunningham wurde von allen späteren Autoren unbesehen übernommen; keiner forschte in der Originalarbeit dar- über nach, welcher Kulturstufe jene Reihengräber überhaupt zuzu- teilen waren. Es sei nun aber festgestellt, dass nach Cunningham (9, p. 274) für den prähistorischen Menschen Rechtshändigkeit ebenso charakte- ristisch war wie für den historischen Menschen, womit er sich so- mit auf den ursprünglichen Standpunkt von G. de Mortillet stellt. Wenn wir die hier wiedergegebenen Ansichten verschiedener Forscher, die sogar bei einem und demselben mitunter völligem Wechsel unterworfen sind, überblicken, so sehen wir, dass ein streng wissenschaftliches Resultat nicht gewonnen wurde, dass die bisher angewandten Methoden zu den grellsten Widersprüchen geführt haben. Demgegenüber muss ich behaupten, dass die von mir an- gewendete Methode zu einem wissenschaftlich brauchbaren Resul- tate geführt hat, das auch an Hand meines Materiales jedem nach- zuprüfen offensteht, nämlich zu der Erkenntnis, dass für den prä- historischen Steinzeitmenschen vom Beginn des Paläolithikums bis Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 147 zum Ende der neolithischen Kulturstufe Links- und Rechtshändig- keit in annähernd gleichem Verhältnis vertreten gewesen waren. Dennoch muss ich zuletzt einem sehr bedeutsamen Forscher, nämlich M. Boule, das Wort geben, der auf anatomischem Weg zu dem Resultat gelangte, dass der Mousterienmensch, also die Spezies Homo neandertalensis, ausschliesslich rechtshändig gewesen sei; er sagt darüber (3, p. 124) wörtlich folgendes: „Chez l’homme fossile de La Chapelle-aux-Saints l’humerus droit est no- tablement plus fort que le gauche. Pareille différence existe, à peu pres dans les mêmes proportions, entre les deux humerus du squelette de Neandertal et, a un degré moindre, entre les deux mêmes os du squelette de la Férassie T. Cette différence de robustesse des humérus correspond, chez l'Homme de la Chapelle-aux-Saints à une dissymétrie assez nette de l’encephale, l'hémisphère cérébral gauche étant un peu plus volumineux que le droit. Il en était de même chez les Hommes de Néandertal, de Gibraltar et de La Quina, dont nous pos- sédons également les moulages introcraniens.“ Weiter heisst es darüber auf Seite 204: „La légère dissymetrie cérébrale, qu’on observe à la fois sur les mou- lages endocraniens de Néandertal, de Gibraltar (Keith), de La Chapelle-aux- Saints, nous autorise à penser, et c’est la un caractère indéniable de supé- riorité, que les Néandertaloides étaient déjà unidextres. Cette dissymétrie, rare et toujours três peu marquée chez les Singes, même les Anthropoides, est le plus souvent très accusée chez les Hommes actuels, où elle paraît être en rapport avec la spécialisation de la main pour le tact de la préhension. Les hommes du type de Néandertal constituent encore à cet égard un terme de transition entre ces derniers et les Primates supérieurs.“ Nach Boule lassen also die Skelette des Moustérienmenschen von La Chapelle-aux-Saints, Neandertal, La Férassie, La Quina und Gibraltar, also fünf Individuen, auf Rechtshändigkeit schliessen. Dass das von diesem Autor beschriebene Skelett von La Chapelle- aux-Saints Rechtshändigkeit erkennen lässt, geht aus der auf Seite 128 seiner Abhandlung gegebenen Abbildung der Humeri als wahrscheinlich hervor, sowie auch aus den Abbildungen von Ulna und Radius, die rechts ebenfalls etwas stärker sind (l. c. p. 129), auch lässt das Skelett I von La Férassie etwas stärkere Ausbil- ‚dung des rechten Humerus erkennen. Was aber die linken Arm- knochen des Skelettes aus der Neandertalhöhle betrifft, so wird an Gipsabgüssen, die wir davon besitzen, sofort ersichtlich, dass sowohl der erste Beschreiber Schaaffhausen als nach ihm Rud. Virchow recht hatten, wenn sie dieselben als durch schwere krankhafte Ver- änderung verkleinert erklärten. Schaaffhausen sagt in seinem Ori- ginalberichte darüber (54): „Das linke Oberarmbein ist so viel dünner, dass es von einem anderen Menschen herzurühren scheint; das linke Ellenbogenbein ist krankhaft verbildet, indem der Processus coronoideus durch Exostose so vergrössert ist, dass die Beugung gegen den Oberarmknochen, dessen zur Aufnahme jenes Fortsatzes be- 148 Paul Sarasin. stimmte Fossa anterior major auch durch Knochenwucherung verschwunden ist, nur bis zum rechten Winkel möglich war; dabei ist der Processus anconaeus stark nach unten gekrümmt. Da der Knochen keine Spuren rachitischer Er- krankung zeigt, so ist anzunehmen, dass eine Verletzung während des Lebens Ursache der Ankylose war. Diese linke Ulna mit dem rechten Radius ver- glichen lässt auf den ersten Blick vermuten, dass beide Knochen verschiedenen Individuen angehört haben; denn die Ulna ist für die Verbindung mit einem solchen Radius um mehr als einen halben Zoll zu kurz. Aber es ist klar, dass diese Verkürzung sowie die Schwäche des linken Oberarmbeins Folgen der an- geführten krankhaften Bildung sind.“ Rud. Virchow (58, p. 161) fügt diesem Gutachten die folgenden Bemerkungen bei: „Schaaffhausen erwähnt, dass das linke Ellenbogengelenk krankhaft ver- ändert ist, wie er vermutet, infolge einer Verletzung. Die Veränderung ist so stark, dass, wie er richtig bemerkt, die Meinung entstehen könnte, dass diese Knochen der linken Seite nicht zu demselben Skelett gehören. Ich stimme ihm auch darin bei, dass eine genauere Erwägung diese Möglichkeit zurückweist, aber ich finde nichts, was auf eine Verletzung hinwiese. Vielmehr handelt es sich unzweifelhaft um diejenige Krankheit, welche man als Gicht der Alten be- zeichnet (Malum senile, Arthritis chronica deformans). Die Veränderung ist so ausserordentlich stark, dass das Präparat zu den ausgezeichnetsten der Art ge- hört, welche ich gesehen habe. Die Veränderung betrifft sowohl das übrigens verhältnismässig dünne Oberarmbein als die Ulna; der Radius dieser Seite fehlt. Die Ulna ist an der Gelenkfläche so tief ausgerieben, dass eine merk- bare Verkürzung infolge davon eingetreten ist.“ Es scheint mir, dass durch Nicht-, oder genauer, Untergebrauch hier Knochenatrophie oder Knochenschwund eingetreten ist, der bekanntlich die Verkleinerung eines Knochens in allen seinen Di- mensionen herbeiführen kann, wie andererseits Übergebrauch eine Verstärkung des Armskelettes nach Länge und Masse hervorzu- rufen scheint, ein Punkt, worauf ich noch zurückkommen werde. Aus den obigen Erörterungen geht nun aber hervor, dass die linken Armknochen des Neandertalmenschen für die uns be- schäftigende Frage nicht verwertbar sind. | Wichtig wäre eine Prüfung der Armknochen des Moustérien- menschen von Spy auf grössere Stärke rechts oder links; in der Originalabhandlung von Fraipont und Lohest (15) finde ich nichts dar- über ausgesagt. Bei den Rechtshändern der Gegenwart erscheint das Skelett des rechten Armes ein wenig verlängert und zweifellos auch verstärkt, wie Hasse und Dehner (18) gelehrt haben; aber da diese Autoren zu dem ganz unmöglichen Resultat kamen, dass nur ein Prozent des europäischen Kulturmenschen linkshändig sei — ich verweise dafür auf die unten folgende Tabelle —, da sie ferner in einem Falle bei einem Linkshänder den rechten Arm verlängert fanden, so sind bei dieser Untersuchungsmethode Fehlerquellen im Spiel, die Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 149 wenigstens den Satz von Boule, dass alle die fünf von ihm nam- haft gemachten Mousterienskelette Rechtser seien, als ungenügend gefestigt erscheinen lassen. Damit möchte ich aber die von Boule angewendete Methode, bei überwiegender Stärke des rechten Humerus über den linken auf Rechtshändigkeit zu schliessen, nicht bemängelt haben, hat doch Braune (4, p. 261) bei einem Falle von Rechtshändigkeit (No. 4 der von ihm gegebenen Tabelle) tatsächlich den rechten Hu- merus 1/, cm länger gefunden als den linken, bei einem andern (No. 12 seiner Tabelle) ebenfalls den rechten Humerus länger und 0,3 gr schwerer als den linken. Was ferner die sehr entschieden lautenden Angaben von Boule betrifft, wonach bei den erwähnten Skeletten ein Uberwiegen der linken Hirnhälfte über die rechte konstatierbar sei, so findet sich dieselbe Anschauung auch von Klaatsch vertreten, der sich dar- über folgendermassen äusserte (25): „Ich habe im Anschluss an die Arbeiten von Elliot Smith die Asymmetrie im Bereich der Occipitallappen des Grosshirns untersucht und gefunden, dass bei allen Menschenrassen in der Majorität die linke Hirnhemisphäre stärker nach hinten vorspringt als die rechte. Fast an jedem Schädel kann man die stärkere Aushöhlung der Innenfläche der Squama oceipitalis nachweisen, wo hingegen die Vertiefung für das Gerebellum rechts stärker ausgeprägt ist. Auch am Lebenden kann man fast stets ohne weiteres das stärkere Vorspringen der linken Seite der Hinterhauptsschuppe feststellen. Die einzigen Ausnahmen, die ich bisher gefunden habe, betrafen typische Linkshänder.“ Ich verweise aber doch auf die Untersuchung von W. Braune (4), derzufolge er nach einer äusserst gewissenhaften Wägung von 100 menschlichen Gehirnen zu den folgenden Resultaten kam: „Es ergibt sich, dass beide Hälften des Gesamthirns nur in einem Falle gleich schwer waren; dagegen war 47 mal die rechte Hälfte schwerer, 52 mal die linke. Nach den vorliegenden Wägungen wird man also nicht ein wesent- liches Überwiegen der einen Hirnhälfte über die andere annehmen dürfen. In den fünf Fällen, bei denen die rechte Hirnhälfte beträchtlich mehr wog als die linke, wurde auf Linkshändigkeit untersucht, aber kein Zeichen dafür gefunden, ') sodass also auch der Satz von Ogle, wonach bei Linkshändigkeit das rechte Hirn ausnahmslos schwerer als das linke sei, nicht haltbar ist,“ Wenn wir nun in Betracht ziehen, dass fossile Schädel von so hohem Alter, wie die aus dem Mousterien, doch vielfach durch verschiedene formverändernde Faktoren gelitten haben, so erscheint die Konstatierung von Klaatsch und Boule, wonach die linke Hirn- hemisphäre in der überwiegenden. Majorität sowohl beim fossilen (Boule) als beim Menschen der Gegenwart (Klaatsch) voluminöser 15) Drei von den fünf Individuen hat Braune während ihres Lebens unter- suchen können. 150 Paul Sarasin. sei, als die rechte, zu apodiktisch, und schwerwiegende Bedenken verbieten uns, sie ohne weiteres als zutreffend zu akzeptieren. Dabei aber leugne ich keineswegs, dass der menschliche Schädel vielfach deutliche Asymmetrie zeigt; man kann geradezu neben streng symmetrischen, die selten sind, dexio- und läotrope Schädel unterscheiden, d. h. solche, die als Ganzes eine Kurvenbiegung nach rechts und solche, die eine ebensolche nach links erkennen lassen. Damit scheinen sich noch weitere Formumbildungen kausal zu verknüpfen. Diese Rechts- und Linksbiegung des Schädels, resp. des Kopfes, die cephale Dexio- und Läotropie, wie ich diese Er- scheinung nennen möchte, erkenne ich auch schon deutlich an einigen Schädeln des Schimpansen. Die Frage, ob sie mit der Dexio- und Läochirie im Zusammenhang steht oder ob sie vielleicht eine kausale Folge der Lage des Fetus im Uterus sein könnte, wünsche ich hier nur anzudeuten, nicht aber weiter zu erörtern. Wichtig wäre nun eine Prüfung der in der Höhle von La Chapelle-aux-Saints gefundenen Steinwerkzeuge auf die Frage von etwaiger Läo- oder Dexiochirie. Mit dem Auftreten der Metallzeit ändert sich das Verhältnis der Rechts- und Linkshändigkeit mit einem Schlage. Da das Instru- mentarium der ersten Kulturstufe der Metallzeit, nämlich der Bronze- zeit, auf eine flüchtige Betrachtung hin in seiner Gesamtheit sym- metrischen Charakter erkennen lässt, wonach der Entscheid, ob neben Rechtshändigkeit auch Linkshändigkeit bestanden haben könnte, wie dies in sämtlichen Kulturstufen der Steinzeit der Fall ist, unmöglich geworden wäre, so legte ich mir die Frage vor, ob nicht irgend ein Ge- rät der Bronzeperiode einseitigen Gebrauch würde erkennen lassen, und als ich die verschiedenen Werkzeuge überblickte, da fiel mir denn alsbald eines auf, das gerade zu den wichtigsten und am allgemeinsten gebrauchten gehört und das unsymmetrische Zurichtung erkennen lässt, nämlich die Bronzesichel. Diese weist eine durch längs verlaufende Verstärkungsrippen verzierte obere (Figur 8) und eine völlig flache untere Seite (Figur 7) auf; zugleich ist sie stets halbmondförmig nach links ausgeschweift, sie ist also durchgehends zum Gebrauch mit der rechten Hand berechnet; und wer etwa den Einwurf wagen wollte, es könnte ja auch die flache Seite beim Sicheln nach oben gerichtet ge- wesen und die Auffassung, wonach alle Sicheln der Bronzezeit für die rechte Hand bestimmt gewesen wären, nicht einwandfrei sein, der mag daran erinnert werden, dass hölzerne Handhaben von Bronze- Sante wie sie schon in Mehrzahl gefunden wurden, eine sorg- fältige "Zuzeehtschnitzung erfahren haben, die auf’s genaueste für die re Hand berechnet ist, wie ich umstehend zum Überfluss die Abbildung eines Stückes aus dem Schweizerischen Landesmuseum bei- Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 151 füge (Figur 9).'%) Das Stück ist von derjenigen Seite aufgenommen, an der man die für den rechten Daumen bestimmte Furche sieht. 17) Ich füge noch bei, dass in unserer Sammlung ein kleines Bronzemesser sich findet, das eine verzierte Oberseite von einer flachen Unterseite unterscheiden lässt, das demnach unsymmetrischen Charakter hat und das wie die Sichel für die rechte Hand berechnet ist. Es stammt nach Angabe des Verkäufers aus dem Bielersee. Sonst wüsste ich in der Bronzekultur kein Werkzeug zu nennen, das einseitigen Gebrauch erkennen liesse, alle anderen erscheinen vielmehr symmetrisch gearbeitet; doch mag erwähnt sein, dass, wie Figur 7. Figur 8. ich in Dechelette’s Handbuch (10, 2, p. 273) lese, als grosse Seltenheit Schrauben aufgefunden wurden, und zwar im Depötfund von Larnaud 16) Ich verdanke Herrn Vizedirektor Dr. D. Viollier die leihweise Ueberlassung dieses Gipsabgusses. 17) Es scheinen aber doch bei der Herstellung der Sicheln zur seltenen Ausnahme auch die ja stets vorhandenen Linkser berücksichtigt worden zu sein, wie das zur Seltenheit auch jetzt noch bei gewissen Instrumenten vorkommt, worauf ich unten zurückkommen werde; denn in Obermaiers Handbuch (37, p. 450) findet sich eine linkshändige Sichel abgebildet; es heisst dabei: „Bronze- zeitliche Handsichel aus Velem Sankt Veit (Ungarn). Nach K. v. Miske.“ Ein näherer Literaturnachweis fehlt; auch ist im Text kein Bezug darauf genommen ; die Möglichkeit, dass bei der Reproduktion des Bildes eine Vertauschung von links und rechts vorgekommen ist, erscheint nicht ausgeschlossen. 152 Paul Sarasin. im Jura und in der Bronzestation des Lac du Bourget; an diesen müsste die Richtung der Windung für unsere Frage wegleitend sein. Aus dem Gesagten geht hervor, dass mit der Bronzezeit eine einseitige Bevorzugung der rechten Hand eintrat, und diese Be- vorzugung wurde von da ab festgehalten bis zur Gegenwart; denn dass auch das Instrumentarium der letzteren einseitig die Rechts- händigkeit berücksichtigt, das beweisen, wie Æ. Stier (55, p. 13 und Figur 9. 14) erinnert, die Bohrer, Schrauben, Pfropfenzieher, sowie die Kaffee- mühle, die Krümmelbürste und die grossen Tuchscheren; nur als seltene Ausnahme finden sich Zimmerbeile, die für Linkser ge- schmiedet erscheinen; doch stört-dieser Umstand nicht den Satz, dass die gesamte Kultur mit dem Auftreten der Metallzeit im Gegensatz zur früheren, die ungeheuer viel länger gedauert hatte, im wesent- lichen eine rechtshändige geworden ist. Dies ist eine höchst merk- würdige Tatsache, mit der wir uns jetzt befassen wollen, um zu unter- suchen, ob sich dafür eine Erklärung könnte finden lassen. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 153 Wenden wir uns zuerst dem Problem zu, wie die Gleichmässig- keit im Gebrauch der rechten und der linken Hand während der sämtlichen lithochronen Kulturstufen zu verstehen sein möchte; und hier wirft sich zuerst die Frage auf: sind wir gezwungen anzu- nehmen, dass während der Steinzeit allgemein Amphidexie!°) ge- herrscht hat, d. h. dass die damalige Menschheit fähig war, die rechte und die linke Hand in gleicher Weise zu gebrauchen, oder ist der andern Auffassung der Vorzug zu geben, wonach es da- mals ebensoviele physiologisch veranlagte Rechtser als Linkser gab, wonach also schon damals, wie heutzutage, konstitutionell begründete Dexio- und Läochirie je nach den verschieden veranlagten Indivi- duen bestanden hat. Für den ersteren Gesichtspunkt könnte die folgende Beobach- tungsreihe ins Feld geführt werden: Schon eine ganze Reihe von Forschern hat sich mit der Frage beschäftigt, wie es sich mit dem Gebrauch der Hände bei den Affen verhalten möchte. Ich fand nun im Basler Zoologischen Garten Gelegenheit, Versuche in dieser Richtung anzustellen, wo- bei mir Herr Direktor Wendnagel in verdankenswerter Weise be- hilflich war. Da mir leider kein anthropoider Affe zur Verfügung stand, eine Lücke, die ich noch speziell als solche zu erörtern haben werde, so war ich auf weniger wegleitendes Material ange- wiesen, unter dem ich drei Arten auswählte, nämlich Cebus capu- cinus ö, Cercopithecus sabaeus © und Macacus rhesus ©. Zwei von diesen, nämlich der Kapuzineraffe und der Makak, eigneten sich besonders gut für die Versuche, da sie völlig zahm sind und darum im Freien auf die uns beschäftigende Frage geprüft werden konnten; die Meerkatze ist bösartig, Versuche konnten nur vorgenommen werden, während sie sich im Käfig befand. Ich verwendete zu den Versuchen Traubenbeeren, die ich auf den Boden rollen liess, so- dass der betreffende Affe ihnen einige Schritte weit nachlaufen musste. Nachdem er an der Beere angelangt war, notierte ich, mit welcher Hand er sie aufnahm; ich hatte mich zuvor verge- wissert, dass bei den Versuchsaffen beide Hände ganz unverletzt waren. In meinen Aufzeichnungen bedeutet 1 die Fälle, wo der Affe mit der linken Hand die Beere auflas, r, wo er dies mit der rechten tat. Die Resultate meiner Beobachtungen sind die folgenden: 18) Ich ziehe die gut griechische Bezeichnung Amphidexie, von dugıdeäuos, der von Andern gebrauchten Ambidextrie, wofür es kein lateinisches in dieser . Weise zusammengesetztes Wort gibt, vor, 154 Paul Sarasin. 1. Cebus capucinus. | r erste: Mersuchsreihe,.). 2. sw 2 re 13 9 zweiten Vlersuchsreiher.sn 2 A PR REP 11 20 dritte @Viersuchsreihen er Su RE 7 22 vierte \Zersuchsreiher 2 RP RE 14 18 50 69 Bei den angestellten 119 Versuchen wurde in 50 Fällen mit der linken Hand gegriffen, in 69 Fällen mit der rechten; auf 100 Versuche reduziert ergibt dies das Verhältnis von 1 42 zu r 58, also fast genau von 1 3 zu r 4. Unser Kapuzineraffe gebraucht somit zwar beide Hände, bevorzugt aber durchschnittlich die rechte; aber eben nur durchschnittlich; denn bei der ersten Versuchsreihe gab er der linken Hand den Vorzug, bei der vierten beiden nahezu gleichmässig, bei der zweiten und dritten der rechten Hand. Ich halte es für wahrscheinlich, dass bei noch grösserer Versuchsreihe die Zahlen von 1 und r sich einander nähern würden, dass also . Wahllosigkeit im Gebrauch der Hände als Endergebnis her- auskäme. 2. Cercopithecus sabaeus. Das Tier hatte ein Junges bei sich, das sich mitunter an die Brust der Mutter anklammerte und sie etwas behinderte. l r erste. Versuchsreihe cr 00 a 14 21 zweite. Versuchsreihe.e. 20, ee 15 11 dritte. ‚Viersuchsreiher Zu m ee a 17 16 vierter Versuchsreihe NP 4 8 50 56 Von 106 Versuchen fielen 50 für die linke, 56 für die rechte Hand aus. Auf 100 Versuche reduziert ergibt sich das Verhältnis von 1 47 zu r 53. Daraus erfolgt, dass der Gebrauch der Hände bei Cercopithecus wahllos ist. 3. Macacus rhesus. | r erste, Versuchsreihene a. um 2 ee 18 15 ZWelte Versuchsreiher SR re ENRENR ARE 22 15 dritte Vieersuchszeihen 1 er ae er 28 26 68 36 19) Die Versuchsreihen wurden bei allen drei Affen an den folgenden Daten vorgenommen: 26. August, 30. August, 1. September und 27. Oktober 1916. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 155 Bei total 104 Versuchen wurde die Beere in 68 Fällen mit der linken, in 36 Fällen mit der rechten ergriffen; auf 100 redu- ziert ergibt sich das Verhältnis von 1 64,5 zu r 35,5, also rund von links 2 zu rechts 1. Das Tier zeigt also mehr Neigung zum Gebrauch der linken Hand, was aber nur aus der Durchschnitts- zahl hervorgeht, nicht aber aus den ersten beiden Versuchsreihen, in der die Bevorzugung der linken Hand gering ist; die einseitige Bevorzugung der linken in der dritten Versuchsreihe dürfte darum auf Zufall beruhen. Auf 300 Versuche bei den drei Affen zusammengerechnet er- gibt sich das Verhältnis von 1 153,5 zu r 146,5; auf 100 Versuche reduziert rund 151 zu r 49, also ungefähr das gleiche Verhältnis. Somit fand ich bei den drei untersuchten niederen Affenarten im wesentlichen Amphidexie. Es sind in Beziehung auf die uns beschäftigende Frage schon viele Versuche an Affen vorgenommen worden, von deren Ergeb- nissen wir im Vergleich zu den unsrigen nun Kenntnis nehmen wollen. Dabei scheide ich zunächst die Versuche an den anthro- poiden Affen aus, welch letztere wegen ihrer starken somatischen Annäherung an den Menschen für sich betrachtet werden müssen. Ich lasse für’s erste Cunningham.) welcher Autor die schwer zu beschaffende Literatur sehr gut übersieht, für mich sprechen; er schreibt: „Opinion is divided upon this point, Dr. Ogle,?1) who wrote, in 1871, an interesting and instructive paper on „„Dextral Pre-eminence“* was fully con- vinced that monkeys are as a rule right-handed. He states that in twenty-three monkeys be found twenty right-handed and three left-handed. More recently, at the last meeting of the Physiological Congress in Turin (1901) K. Osawa?) of Tokyo, urged the opinion that monkeys are either right-handed or ambi- dextrous, only a very few being left-handed. Martin,®) Dwight,4) Seeligmüller,®) Langkavel®) and others, are all more or less committed to the same view. I wish I could range myself alongside these authorities, because by so doing I could smooth over certain difficulties in my mind in regard to the question at issue; but for many years I have had an intimate experience of both the higher and lower apes in the Gardens of the Royal Zoological Society of Ireland, and 1 have never been able to satisfy myself that they show any decided prefe- rence for the use of one arm more than the other. Hollis?%) and Brinton?”) 20) 9, p. 285. 21) Med. Chirurg. Trans., 36, p. 279. 22) Ueber Linkshändigkeit. (From abstract obtained at the Congress.) 2 23) Bull. Soc. Anat., 1820, p. 42. e) Scribner’s Magazine, 9. 25) Deutsche Revue, 27, 1902, p. 51. 26) Journal Anat. and Physiol., 9, 1874, p. 263. 27) The American Anthropologist, 9, 1896, p. 175, siehe Nr. 5 des Literatur- verzeichnisses. 156 Paul Sarasin. entertain similar views on this matter. If I am correct in my observations on the monkey, if the ape is truly ambidextrous, it is reasonable to conclude that in the evolution of man right-handedness did not assert itself until the upper limb had been set absolutely free from the office of locomotion.“ Ich nehme hier kommender Erörterung voraus, dass Cunningham ausschliesslich die Rechtshändigkeit des Menschen auf ihre Ent- stehung zu erklären versucht, nicht auch die Linkshändigkeit oder die Gleichwertigkeit der Hände, wo eine solche vorkommt. E. Rollet (39)kam durch Messungen des Humerus zu dem Resul- tat, dass die niederen Affen amphidex seien. Sfier**) fügt der Reihe von denen, die bei den niederen Affen jeglichen Unterschied im (sebrauch der Hände in Abrede stellen, die Namen Æumphrey.”*) Klippel?®) und Morselli?!) an. Er selbst nahm ebenfalls Unter- suchungen vor und berichtet darüber: °?) „Wegen der Bedeutung der Sache habe ich selbst monatelang Veranlas- sung genommen, die Affen des Berliner Zoologischen Gartens zu beobachten und habe gefunden, dass alle Affenarten, zum Teil sogar die Lemuren, ganz deutlich aber die Vertreter der Gattungen Cebus und Cercopithecus, beim Zugreifen und Abnehmen der Leckerbissen, wie Feigen, Bananen, Erdnüssen, aus den Händen der Menschen die rechte Hand bevorzugen und zwar in einem deutlich fest- stellbaren Verhältnis von 3:1. Aus diesen Tatsachen aber den Schluss zu ziehen, dass die genannten Affen rechtshändig in dem von mir früher definierten Sinne seien, halte ich für unberechtigt.“ Als Grund führt er an, dass es für die Affen eine Erleichte- rung im Abnehmen der Leckerbissen sei, wenn sie die mit der rechten Hand ihnen gereichten Objekte auch mit der rechten er- greifen; denn, sagt Stier: „Wir nehmen am besten aus der linken Hand des andern mit der linken Hand und umgekehrt aus seiner rechten Hand mit unserer rechten Hand ab.“ So machten es auch die Affen. Diese Auffassung ist nicht einwandfrei; denn die Arme des uns Gegenüberstehenden sind den unsrigen spiegelbildlich entgegengesetzt, und stellen wir uns vor, unser Gegenpartner sei amphidex, so wird er am bequemsten unsere rechte Hand mit seiner linken und unsere linke Hand mit seiner rechten ergreifen, und wenn wir die Affen ebenfalls für amphidex halten, so werden sie zweifellos das ihnen mit der rechten Hand gereichte mit ihrer linken ergreifen und umgekehrt, vorausgesetzt, dass wir vor ihnen sitzend die Arme parallel miteinander vor- strecken und in jeder Hand ihnen etwas hinreichen würden; reichen 28) 55, p. 86. 29) The human hand, 1861. 30) La non-équivalence des deux hémisphères cérébraux, Presse médicale, 1898, p. 58. ) Quellenangabe fehlt. 53,02 8% Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 157 >) wir nur mit der einen Hand etwas hin, so unterscheidet der Affe natürlich nicht, ob diese die rechte oder die linke sei. Die Versuche von Stier führten also, im Gegensatz zu denen von Cunningham und einigen andern, sowie von mir selbst, zu dem Ergebnis, dass die niederen Affen durchschnittlich mit Vorliebe die rechte Hand gebrauchen. Stier fügt aber eine wichtige Beobachtung hinzu, er sagt:°®) „Noch beweisender und leichter zu beobachten aber ist eine andere Natur- handlung der Affen, bei der man sie zu jeder Zeit beschäftigt sehen kann, näm- lich das Absuchen des Ungeziefers. Bei dieser Arbeit streichen sie ganz wahl- los bald mit der rechten Hand gegen die Wuchsrichtung der Haare und fangen mit der linken, bald streichen sie umgekehrt mit der linken Hand und fangen mit der rechten. Gerade bei dieser schwierigen, grosse Gewandtheit und Ge- schicklichkeit erfordernden Arbeit müsste aber die bessere psychomotorische Veranlagung einer Hand sich am ehesten zeigen, da der im wahren Sinne des Wortes fühlbare Nutzen dieser Arbeit einen steten Antrieb zur möglichst guten Erlernung in sich birgt. Ich glaube also, wir können auf Grund der Gleichheit beider Hände beim Ungezieferfangen mit Sicherheit behaupten, dass die Aifen, und zwar sämtliche Affen bis zu den Anthropoiden hinauf, völlig ambidextrisch sind und dass sich keine Anzeichen einer Rechts- oder Linkshändigkeit bei ihnen finden.“ Weitere Untersuchungen müssen lehren, ob die von einigen Autoren beobachtete leise Hinneigung zur Bevorzugung der rechten Hand bei den niederen Affen das richtige trifft oder ob noch grössere Beobachtungsreihen zur Bestätigung der Schlussfolgerung führen, dass alle niederen Affen vollständige Amphidexie, ohne jede Hin- neigung zur Bevorzugung der einen oder andern Hand, erkennen lassen, was ich für wahrscheinlich halte. Ich füge noch bei, dass Mollison (31, p. 112ff.) auf Grund von Messungen der Armknochen bei niederen Affen zu dem Ergebnis kam, dass bei den Prosimiern, Cebiden und Cercopitheciden im wesentlichen Gleichheit in der Länge der vordern Gliedmassen be- steht; nach Mollison sind demnach die niederen Affen amphidex, eine anatomische Bestätigung meines aus Versuchen gewonnenen Er- gebnisses, wonach bei den niederen Affen im grossen ganzen Am- phidexie besteht. Wie schon bemerkt, halte ich es für ratsam, die Anthropoiden für sich gesondert auf die uns beschäftigende Frage zu prüfen, da sie sich somatisch und somit phylogenetisch sehr hoch über alle anderen Affen erheben, ja in vielen bedeutsamen Eigentümlichkeiten sich den Hominiden annähern. Ich erwähnte auch schon, dass ich leider nicht Gelegenheit fand, Versuche an einem anthropoiden Affen anzustellen, ich bin also dafür ganz auf die Literatur ange- 3) 55, p. 88 und 89, 158 Paul Sarasin, wiesen. Soweit mir dieselbe zugänglich war, habe ich folgende An- gaben gefunden: E. Rollet (39) fand als Gesamtresultat von Längenmessungen der Armknochen der drei Anthropoidenarten Orang, Schimpanse und Gorilla bei 42 untersuchten Individuen 10 amphidexe, 27 Linkser und 5 Rechtser. Cunningham (9, p. 285) unterwarf die sorgfältig präparierten Armknochen eines männlichen Schimpansen einer Prüfung auf ihr (sewicht und fand sie gleich schwer, nur eine leise Differenz zu- gunsten des linken Armes machte sich bemerkbar. Mollison (31, p. 112) nahm Längenmessungen der Armknochen von Hylobates, Orang, Schimpanse und Gorilla vor, wobei er zu folgenden Resultaten kam: „Hylobates und Orang sind ausgesprochene Rechtshänder, der Schimpanse erweist sich dagegen deutlich als Linkshänder. Immerhin ist diese Linkshändig- keit nicht so deutlich betont, wie bei den andern Anthropoiden die Rechtshändig- keit. Ganz ähnlich wie der Schimpanse scheint sich auch der Gorilla zu ver- halten; doch reicht die Zahl meiner Individuen nicht aus, um Schlüsse zu ziehen.“ „Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Differenz zwischen rechts und links bei den Anthropoiden viel geringer zu sein pflegt, als beim Menschen.* v. Bardeleben (1, p. 49ff.) kam nach seinen Längenmessungen zu den folgenden Ergebnissen: Der im allgemeinen rechtshändige Hylobates zeigt doch einen erheblichen Teil Linkser; der Schim- panse ist nicht so entschieden Linkshänder, wie er nach Mollison’s Tabellen erscheint, insofern von 9 gemessenen, ausgewachsenen In- dividuen sich zwar 5 als Linkser, 3 aber als Rechtser erwiesen, während 2 keinen Unterschied ergaben. „Die Messungen von Mollison und mir geben aber den unzweifelhaften Beweis, dass Rechts- und Linkshändigkeit bereits bei den Affen, besonders bei den anthropoiden, einschliesslich Hylobates, besteht.34)“ Stier (55, p. 87) berichtet über einen weiblichen Schimpansen: „Die bei den Berlinern sehr beliebte Schimpansin Missi verwendet bei den kompliziertesten Handlungen, z. B. beim Aufschliessen eines Schlosses mit dem Schlüssel, beim Essen, beim Kaffeetrinken aus einer Tasse, beim Zigaretten- rauchen und anderen Manipulationen die rechte Hand, bei den etwas einfacheren, wie beim Eingiessen des Kaffees, dem Festhalten der Nahrung die linke Hand.“ Aus diesen nicht experimentell exakten Beobachtungen den Schluss zu ziehen, wie Stier es tut, dass die Anthropoiden ebenso wie die andern Affen amphidex seien, scheint mir nicht ge- rechtfertigt, so wenig wie sein Urteil, dass Messung der Knochen- längen und Wägung der Extremitätenknochen wegen ihres geringen Wertes zu übergehen seien; ich möchte vielmehr den Satz auf- stellen, dass die Hinneigung zur Bevorzugung der einen Hand vor 34) Dieser Satz gilt, wie ich erinnere, ausschliesslich für die anthropoiden Affen, und nicht auch für die niederen, die vielmehr amphidex sind. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 159 der andern, sei es der rechten vor der linken oder umgekehrt, bei den Anthropoiden schon merkbar zur Erscheinung kommt. Dieses Ergebnis ist, wie ich sogleich näher ausführen werde, von solcher Wichtigkeit, dass seine Sicherstellung gar nicht ge- festigt genug sein kann, weswegen es dringend wünschbar erscheint, dass viele neue, ganz exakte Versuchsreihen mit lebenden Affen möglichst zahlreicher verschiedener und genau bestimmter Arten angestellt werden sollten, um eine definitive Erkenntnis ein für allemal festzulegen, auf der mit Sicherheit weitergebaut werden könnte. Es ist dabei zu empfehlen, sich zunächst anatomisch auf die obere Extremität, physiologisch auf den Gebrauch der Hände, genau der Vorderhände, zu beschränken, was ich bemerke, da bei den Untersuchungen auch die hinteren Extremitäten auf die uns beschäftigende Frage geprüft worden sind, Untersuchungen, auf die ich hier nicht eintrete, da die hinteren Extremitäten wegen ihrer Gleichförmigkeit im Gebrauche viel grössere Schwierigkeiten für unsere Frage bilden, als die vorderen, und also erst nach vollständiger Sicherstellung der an den letztern gewonnenen Resultate ebenfalls herangezogen werden mögen. Dies sei, späteren Ausführungen vor- greifend, auch für die Untersuchungen am Menschen bemerkt, wo wir ebenfalls eine starke Unsicherheit in der Schätzung der Rechts- und Linkshändigkeit finden werden. Indem ich nun aber das bisher gewonnene Ergebnis als wenigstens wahrscheinlich richtig annehme, wonach bei den niederen Affen Amphidexie besteht, während die höheren Affen schon eine gewisse Hinneigung zur Bevorzugung der einen Hand, resp. Vorder- extremität, vor der andern erkennen lassen, so schliesst sich daran das Ergebnis meiner Studien an den Werkzeugen des prähisto- rischen Steinzeitmenschen, die mich zu dem Satze führten, dass bei ihm Rechts- und Linkshändigkeit in ungefähr gleichem Masse vertreten und zwar unverkennbar deutlich ausgesprochen gewesen ist. Vorbehältlich der Nachprüfungen durch andere Beobachter glaube ich doch als mindestens wahrscheinlich den Satz aufstellen zu dürfen, dass der Gebrauch der Vorderextremitäten bei den niederen Affen sich noch gewissermassen neutral verhält, dass so- dann bei den Anthropoiden sich bereits Einseitigkeit fühlbar macht, die dann bei den Hominiden zu völliger Spaltung, zu entschiedener Bevorzugung sei es der rechten, sei es der linken Extremität ge- führt hat, Ich glaube so eine allmähliche phylogenetische Ent- wicklung dieser Einseitigkeit in der Reihe der Primaten vom ur- sprünglich neutralen Zustande bei niederen Affen bis zur einseitigen Bevorzugung der einen Extremität beim Menschen, ein phylogene- tisch stufenweises Fortschreiten von der physiologisch gleichwertigen 160 | Paul Sarasin. Zweihändigkeit zur physiologischen Einhändigkeit zu erkennen oder, um dafür wissenschaftliche Ausdrücke in Vorschlag zu bringen, von der Amphrdexie zur Heterochirie. Wir werden noch zu erörtern haben, dass diese allmähliche Heranbildung der Einhändigkeit in der Stufenleiter der Primaten augenscheinlich mit dem gleichfalls allmählichen Erwerb der auf- rechten Körperhaltung im Zusammenhange steht, sodass wir, wie mir scheint, berechtigt sind, aus der Körperhaltung einen physio- logischen Einteilungsgesichtspunkt für die gesamte Primatenreihe zu gewinnen; ich möchte demnach die niederen Affen, die sich auf dem Boden auch ihrer vorderen Extremitäten als Schreitorgane be- dienen, bezeichnen als Primates prostrati; die anthropoiden Affen, die ihre Arme beim Schreiten auf dem Erdboden gewissermassen als Krücken gebrauchen,*) als Primates claudicantes, die Hominiden endlich als Primates erecti, und wir kämen zum Satze: Die pro- strati sind amphidex, die claudicantes zeigen beginnende, die erecti vollendete Heterochirie. Ich betone schon jetzt, dass der neutrale Zustand der ächten Amphidexie auch bis zu den Hominiden in gewissem Prozentsatz sich erhalten zu haben scheint, ein Umstand, worauf ich nochmals zu sprechen kommen werde. Die Tatsache, die ich mit Nachdruck schon hervorgehoben habe, dass mit dem Eintritt des Menschen in die Kulturstufe der Metallzeit völlig unvermittelt ausschliessliche, ich möchte sagen offi- zielle Bevorzugung der rechten Hand auftritt, dass der Mensch plötzlich dexiochir zu werden scheint, diese Erscheinung kann un- möglich auf einer plötzlichen physiologischen und bis zu einem ge- wissen Grade anatomischen Veränderung des menschlichen Körpers beruhen, da sie ja die gesamte Menschheit betrifft; wir müssen uns dafür nicht sowohl nach einem phylogenetischen oder physiologischen Grunde umsehen, als nach einem solchen ganz anderer Art, worüber ich mich noch eingehend auszusprechen haben werde. Es gilt zunächst noch den folgenden Gesichtspunkt ins Auge zu fassen: Da während der ganzen Steinzeit Rechts- und Links- händigkeit in annähernd gleichem Verhältnis vertreten gewesen sind und da das Ende der Steinzeit, der Abschluss der neolithischen Kulturstufe also, direkt an die historische Zeit heranrückt, also erst verhältnismässig ganz kurze Zeit hinter der Gegenwart zurück- liest, da ferner, wie schon erwähnt, das plötzliche Auftreten der ausschliesslichen Rechtshändigkeit mit Beginn der Metallzeit, mit 35) An einem ausgestopften Gorilla bemerkte ich, wie die Haut des Rückens: der zweiten Fingerphalangen zu einer eigentlichen Sohle verhärtet war; das Tier hatte also seine Arme tatsächlich als Krücken gebraucht. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 161 der ersten historischen Kulturstufe also, anatomisch und physio- logisch nicht erklärt werden kann, insofern ja eben die gesamte damalige Menschheit davon betroffen erscheint, so halte ich den Schluss für zwingend, dass die ausschliessliche Rechtshändigkeit der historischen Zeit nur eine scheinbare ist, dass das für die Steinzeit von mir nachgewiesene Verhalten eines physiologischen Gleichgewichtes von Dexio- und Läochirie tatsächlich auch später und zwar bis zur Gegenwart fortbestanden hat, also zur Stunde noch besteht, dass sich unter der offiziellen Dexiochirie ein ebenso grosser Teil von Läochirie verbirgt, dass vom Beginn der histo- rischen Zeit an bis heute neben der allein als zu Recht anerkannten Dexiochirie in vielleicht ebenso starker Vertretung eine clandestine Läochirie, eme Kryptoläochirie, bis zur Gegenwart fortbestanden hat und sonach heutzutage noch besteht. Dieser für mich zwingende Schluss setzt mich aber in einen so schroffen Gegensatz zu den Ergebnissen aller derjenigen, welche systematische Untersuchungen über Rechts- und Linkshändig- keit am Menschen der Gegenwart vorgenommen haben, dass ich mich im folgenden sowohl mit den Resultaten, als mit den Methoden, die zu ihrer Gewinnung geführt haben, auseinandersetzen muss. Ich beginne mit den Ergebnissen, welche aus Untersuchungen am europäisch-amerikanischen Kulturmenschen gewonnen wurden. Leider ist mir in diesem Gebiete die Originalliteratur zum grössten Teil nicht zugänglich, ich sehe mich daher im wesentlichen auf Referate angewiesen; ich gelange mit Hilfe derselben zu der folgenden Tabelle von Verhältniszahlen, die, sei es durch Befragen, sei es durch physiologische oder anatomische nun grösserer Reihen von Individuen gewonnen worden sind. Es wurden Linkshänder in Prozenten gefunden von Prozent Linkshänder Hasse und Dehner (18) 1 Mattauschek®°) bei Österreichern eg: 1 El). AR a Re 2 Delaunay”) . BR. baser | RENE ee 2,5 „se pealo 9) AMOR ES 2—3 36) Einiges über die Degeneration des bosnisch-herzegowinischen Volkes, Jahrb. f. Psych. 29, 1908. Zitiert nach Stier, 55, p. 68. 37) Zitiert nach Cunningham, 9, p. 279. Quellenangabe fehlt. 38) Pathologie générale. Etudes de Biologie comparée, Paris, 1878, zitiert nach Merkel, 29, p. 724. 39) Die linke Hand, Berlin, 1893, zitiert nach Merkel, 29. it 162 Paul Sarasin. Prozent Linkshänder Theile °°) . NEE 2—3 PA 00 en) ME AR NN RCA EE IDE Co D do. 2.0 3 Brintone)unt ee eine EME DA Pelman*?) 2—4 Dombrosoa). et me 4 Schäfer à) 0e Beeren 4,06 Ogley: anne Busen 4,25 RD RE ee Marro“). . alien re 6 Tedeschi und Kaya! Da do 6,2 Ogles) esse „ER 6,7 Hansen) für Bosnien md eresiien, ee Ü Malgaigne?*)» u Ara. une ee 8 ‚Brancaleoner). nun a 9 Ireland se) PR 12 Stier °°) bei Disons alien Bo 13 Biervhietl yes. an en a AR ee 22 vo. »Bardeleben>) AR SEX vun ee 20—30 Überblicken wir die vorstehende Tabelle, so erkennen wir eine grosse Ungleichheit in den Ergebnissen, die sich in der sehr aus- gedehnten Prozentenzahlenreihe von 1—30 ausdrückt, ja, einzelne 40) Gewichtsbestimmungen zur Entwicklung des Muskelsystems und des Skeletes beim Menschen, Nova acta acad. Caes. Leop. Car., 46, 1884, p. 198, 244, zitiert nach Merkel, 29. 41) Zitiert nach Merkel, 29, ohne Quellenangabe. 42) American Anthropologist, 9, 1896, p. 175, zitiert nach Cunningham, 9. 43) Psychische Grenzzustände, Bonn, 1909, p. 21, zitiert nach Stier, 55, p. 69. 44) Annales de psychiatrie et d’Anthropologie criminelles, 1883 und 1884, zitiert nach Merkel, 29. 45) Siehe bei v. Bardeleben, 2, p. 50. 46) On dextral pre-eminence, Med, Chirurg. Trans., 36, 1871, p. 279, zitiert nach Cunningham, 9. AED, AD. DT. 48) Caratteri dei delinquenti, Torino, 1887, zitiert nach Merkel. 49) Zitiert nach Stier, p. 68, ohne Quellenangabe. 50) Nach Stier, p. 12 und 68. 51) Zitiert nach Stier, p. 68. 52) Traité d’anatomie chirurgicale, Bruxelles, 1838, zitiert nach Merkel. 53) Studio antropologico del militare delinquente, Torino, 1894, zitiert nach Stier, p. 68. 54) Zitiert nach Merkel, p. 724, ohne Quellenangabe. 55) 55, p. 60. 56) L’asymmetrie sensorielle. Bulletins de l’Académie Royale de Belgique, 1897, p. 326, zitiert nach Merkel. 51) 2, p. 48. — Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 163 Autoren gelangen sogar je nach dem von ihnen untersuchten Ma- terial zu ganz verschiedenen Zahlen; so findet Mattauschek bei Österreichern 1°/o Linkser, bei den Bewohnern von Bosnien und Herzegowina indessen 7°/o, Ogle fand einmal 4,25°/, das andere Mal 6,7%), Stier bei vielen Soldaten als Durchschnitt 4,6°/o, bei Bewohnern von Elsass und Lothringen aber 13%/,. Im allgemeinen fand er die relative Zahl der Linkser in Süddeutschland etwa doppelt so gross als in Norddeutschland, speziell im östlichen Teile Norddeutschlands (55, p. 347). In diesen ganz widersinnigen Resultaten erkenne ich mit Sicher- heit einen Fehler der angewendeten Methoden. Ohne mich auf Einzelheiten einlassen zu wollen, was mich zu weit von meinem eigentlichen Thema abführen würde, mache ich nur darauf auf- merksam, dass kursorische Durchprüfung grosser Reihen von In- dividuen, namentlich von Soldaten, die unter einem gewissen Druck der Einschüchterung stehen, uns über den Kern der zur Behand- lung stehenden Frage keinen irgendwie exakten Aufschluss geben kann. Der Kern der Frage besteht aber darin, zu erfahren, wie viele konstitutionell links veranlagte Individuen in der heutigen Kulturmenschheit vorhanden sind; als konstitutionell veranlagte Linkser aber sind diejenigen zu bezeichnen, die mit dem Heraus- treten aus der frühesten Kindheit läochire Veranlagung erkennen liessen. Da nun aber bekanntlich alle linkshändigen Kinder von ihren Müttern und Wärterinnen, ja auch von Lehrern gewaltsam zu Rechtshändern umgewöhnt werden, wenigstens versuchsweise, so bleiben für kursorische Zählstatistik bei Herangewachsenen nur diejenigen übrig, bei denen die linkshändige Veranlagung so stark ausgesprochen war, dass sie sich den Bemühungen der Erziehung zum Trotz durchsetzte, was nur ausnahmsweise der Fall ist; die andern ursprünglich links veranlagten aber, die rechtshändig ge- worden sind, haben davon vielfach gar keine Kenntnis, und sie werden deshalb fälschlich als Rechtshänder gebucht werden. Und die törichte Misshandlung bei der gewaltsamen Umgewöh- nung von Linkshändern zur Rechtshändigkeit scheint mitunter weit zu gehen; schreibt doch F. Lueddeckens darüber (27, p. 75): „Nicht nur im Volke, sondern auch vielfach bei Lehrern und Aerzten trifft man die Ansicht, es handle sich bei der Linkshändigkeit um eine üble Ange- wohnheit, die man, wenn nötig, mit Schlägen unterdrücken müsse. Unter meinen Linkshändern hat eine ganze Reihe lebhaft Klage darüber geführt, dass ihnen ihre Eigenheit in der Jugend viele unverdiente Züchtigungen eingetragen habe. Manchen sei die linke Hand zeitweise am Körper, ja sogar auf dem Rücken festgebunden worden.“ Weiter haben einige Autoren unter die Rechtshänder auch die amphidexen Individuen einbezogen, die aber gerade zu den 164 Paul Sarasin. Linkshändern gerechnet werden müssen, da bei ihnen die gewalt- sam anerzogene Dexiochirie nicht völlig die konstitutionell vor- handene Läochirie zu verdrängen vermocht hat.”*) Welcher Bruch- teil der Bevölkerung ächte, ursprünglich konstitutionelle amphi- dexe Veranlagung hat, darüber wissen wir noch gar nichts. Ferner geben sich viele linkshändig Veranlagte aus Scham für Rechtshänder aus, besonders unter den Soldaten und in unge- bildeten Kreisen, bei denen Linkser als ungeschickte und unmanier- liche verspottet werden; sind sie doch nach Stier (55, p. 56) ge- radezu mit „einer Art Makel“ behaftet. So lange somit nicht jeder einzelne Fall von Rechtshändigkeit auf exakte Weise auf die Frage geprüft wird, ob nicht ursprügliche Linkshändigkeit vorliegen könnte, die durch die Erziehung sekundär in Rechtshändigkeit umgewandelt wurde, eine Erkenntnis, die niemals durch kursorisches Abfragen grösserer Reihen von Individuen zu erlangen sein wird, solange ist von keinem brauchbaren Resultate zu sprechen; wir gewinnen höchstens aus solchen Reihenbefragungen eine Zahl, welche an- gibt, wie viele ursprünglich konstitutionierte Rechtser einschliess- lich der zur Rechtshändigkeit durch die Erziehung umgewöhnten Linkser vorhanden sind, Zahlen, wie sie sich auf der ganzen vor- stehenden Tabelle kundgeben und die darum für die wahre Erkennt- nis der konstitutionellen Linkshändigkeit beim heutigen Kultur- menschen keinen Wert haben, umsoweniger, als ausserdem die verschämten Linkser mit unter die Rechtser einbezogen er- scheinen. Sodann ist hier noch auf den folgenden Umstand hinzuweisen: Die konstitutionelle Läo- oder Dexiochirie wird von Müttern oder Kinderwärterinnen erst dann bemerkt werden, wenn sie sich ent- schieden manifestiert, nicht aber in den Anfängen, d. h. wenn sich die Heterochirie aus dem neutralen amphidexen Zustand allmählich zu entwickeln beginnt. Wird nun das Kind schon im amphidexen Zustand oder kurz darauf nach der dexiochiren Seite hin erzogen, so bleibt eine läochire Hinneigung überhaupt verborgen, sie wird, wenn sie sich nicht durch besondere Stärke der Veranlagung durch- zusetzen weiss, völlig übersehen, und das Kind erscheint vom frühesten, d. h. vom amphidexen Zustand an als Rechtser, obschon es konstitutionell läochir veranlagt sein konnte; die Läochirie kommt also überhaupt nie erkennbar zum Vorschein, sie bleibt den er- 58) Ich finde mich in dieser Auffassung in Uebereinstimmung mit Merkel (29, p. 716), der geneigt ist, „die Ambidextri im allgemeinen für Linkshänder zu halten, welche sich nur eine gewisse Fertigkeit im Gebrauch der rechten Hand angeeignet haben,“ und Gaupp, 16, p. 14, schliesst sich dieser Auffas- sung an. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 165 zieherischen Personen, die ja gewissermassen instinktiv das Kind nach der dexiochiren oder der eigentlich „rechten“, im Sinne von korrekten Seite hin drängen, völlig verborgen, und die Frage, ob das Kind ursprünglich linkshändig gewesen sei, wird bona fide verneint. Das ist dann ächte Kryptoläochirie, die nie zur Be- obachtung kam. Es ist darum eine schwierige und von wissen- schaftlich ungeschulten Personen nicht durchführbare Untersuchung, ein Kind, das aus dem amphidexen Zustand heraustritt, auf die An- fänge der Heterochirie zu prüfen, festzustellen, ob Läochirie in ihrem ersten Beginn sich zeigt, wo sie dann eben, wenn die Er- ziehung bei läochir veranlagten Individuen von vornherein nach der dexiochiren Seite drängt, sehr leicht gewissermassen mit der Wurzel zu beseitigen ist und sich infolgedessen für ein ungeschultes Auge überhaupt nicht erkennbar macht. Darum stelle ich den Satz auf, dass in der wissenschaftlich exakten Untersuchung des Kindes beim Übergang von der Amphi- dexie zur Heterochirie, deren Ergebnis allein uns ein Urteil über das prozentuale Vorkommen der Läochirie beim heutigen Kultur- menschen an die Hand geben würde, noch fast alles getan werden muss, insofern eben die bis jetzt angestellten Beobachtungen uns nur diejenigen Fälle zur Kenntnis bringen, bei denen die Läo- chirie mit voller Deutlichkeit sich offenbarte. Es lassen also diein oben gegebener Tabelle verzeichneten Zahlen den grossen Betrag der Kryptoläochirie oder der für das betreftende Individuum unbewussten konstitutionell bestehenden Linkshändig- keit, sowie den der clandestinen Läochirie oder der aus Scham verschwiegenen Linkshändigkeit nicht erkennen, es erscheint die ganze Masse dieser Fälle unter die Dexiochirie subsummiert. Mit dieser Auffassung finde ich mich mit K. von Bardeleben (2, p. 41, 42, 47, 48) in Übereinstimmung, dessen Ausführungen ich erst kennen lernte, nachdem vorstehende Sätze schon geschrieben waren. Eine sehr umsichtige Untersuchung an Schulkindern, deren Gesamtresultat ich meiner obigen Tabelle nachträglich eingefügt habe, führte ihn zu den folgenden Feststellungen: „In den Verhandlungen der Anatomischen Gesellschaft 1910 hatte ich nach- träglich die mir damals noch nicht bekannten Ziffern über die Häufigkeit der Linkshändigkeit im deutschen Heere, und zwar bei 266,270 im Oktober 1909 eingestellten Mannschaften, mitgeteilt. Die Zahl der gefundenen Linkshänder betrug im ganzen 10,322 Mann oder 3,880/0, also fast 40/0. Wie ich schon da- mals hervorhob, können alle diese Zahlen nur als Minimalzahlen betrachtet werden, da die Leute zunächst nur gefragt, nicht körperlich untersucht wurden und sehr viele Menschen es nicht wissen, dass sie Linkshänder sind, und, wie ich gleich betonen möchte, im Alter von 20 Jahren wirklich sehr viele frühere Linkshänder es nicht mehr sind, ausserdem auch im Heere wohl manche ihre 166 Paul Sarasin. Linkshändigkeit verschweigen.“ „Ein zweiter Punkt, der nach meinen für die Linkshändigkeit gewonnenen Anschauungen für die grosse Mehrzahl der Links- händer auf falsche Bahnen geführt hat, ist die bewusste oder unbewusste Idee, die bei Aerzten nicht minder als beim grossen Publikum herrscht: die Links- händer seien minderwertig, eventuell sogar degeneriert oder doch nicht so absolut vollwertig wie die Rechtshänder.“ „In breiten Schichten der Bevölke- rung wird die Linkshändigkeit als eine Art von Makel bezeichnet.“ „Die Links- händigkeit beim Menschen ist sehr viel, etwa 5 oder 6mal häufiger, als man bisher annahm.“ Bedeutsam für meine Auffassung, wonach möglicherweise noch beim heutigen Menschen Links- und Reclıtshändigkeit sich unge- fähr die Wage halten, war folgende Feststellung: „Sehr interessant sind die zahlreich von mir beobachteten Fälle von Zwillingen, von denen der eine Linkshänder, der andere Rechtshänder ist.“ Ich willnun noch das wenige namhaft machen, was ich selbst über die uns hier beschäftigende Frage beizubringen habe; es handelt sich dabei um einige Mitteilungen, die mir auf genaues Befragen gemacht worden sind. Ich bekam Kenntnis von 21 Linksern, darunter 10 aus meiner nächsten Bekanntschaft. Aus diesen ganz gelegentlich erhaltenen Mitteilungen, die aber von voll- kommen vertrauenswerten Personen stammen, ziehe ich den Schluss, dass, wenn die Erkundigungen sorgfältig und nur bei gebildeten, also vorurteilslosen Personen eingezogen werden, man zu viel höheren Prozentzahlen für die Livkshändigkeit gelangen wird, als sie in der obigen Tabelle enthalten sind. Ausserdem bemerke ich noch nebenbei, dass es sich unter meinen Befragten durchweg um ethisch ganz einwandfreie Persönlichkeiten handelt, sowie dass nicht weniger als vier Universitätsprofessoren darunter sind, um von vorn- herein die oft wiederholte sensationelle Angabe, dass Linkshändig- keit bei Verbrechern und bei geistig Beschränkten besonders häufig und dass sie somit ein Merkmal von moralischer und intellektueller Dekadenz sei, als eine Albernheit erscheinen zu lassen. Ich werde darauf unten noch zurückkommen. Zur weiteren Begründung des Gesagten mögen noch die fol- genden Ausführungen von Bardeleben dienen (2, p. 51 und 52): „Bei den weitaus meisten Linkshändern führt die bisher übliche Erziehung, vor allem das Schreiben mit der rechten Hand, eine allmähliche Verwandlung des Linkshänders in den Rechtshänder herbei; denn bei den meisten links- händigen Kindern ist die Linkshändigkeit nicht so stark ausgebildet, dass sie nicht durch die mehr oder weniger sanfte, aber lang dauernde und konsequente Einwirkung der Erziehung, durch Gewöhnung im Hause und in der Schule, Einfluss der Mitschüler u.a. m., unterdrückt werden könnte. Da wir nun der Minorität zuliebe nicht eine zwiefache Art von Schrift einführen können, so sollen wir nach wie vor die zwar zahlreichen — sehr viel zahlreicheren Links- händer, als man bisher annahm — veranlassen, mit der rechten Hand zu schreiben und damit ihr rechts gelegenes Sprachzentrum im Gehirn auf die Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 167 linke Seite zu verlegen. Aber wenn es sich zeigt, dass das Kind trotz allen Bemühungen Linkshänder bleibt, wenn das Gehirn des Kindes unter dem Zwange des Rechtsschreibens leidet, wenn Sprachstörungen und die anderen sattsam bekannten, Eltern, Lehrern und dem Kinde gleich unerfreulichen Störungen im Sprechen und Lernen überhaupt auftreten, sollte ein Sachverständiger, also ein theoretisch genügend vorgebildeter Arzt zur Entscheidung berufen werden, ob eine so starke, so irreparable Linkshändigkeit vorliegt, dass linkshändige Schrift und linkshändige Erziehung überhaupt an der Stelle ist. Da es vermutlich (Liepmann) für die höhere geistige Entwicklung des einzelnen Menschen und des Menschengeschlechtes erforderlich ist, dass eine Hemisphäre, ein Sprach- zentrum die Herrschaft hat, so soll man eben bei denen, wo die Verlegung auf die andere Seite Schwierigkeiten — manchmal unüberwindliche — macht, es dort belassen, wo es ist, also rechts. Ob rechts, ob links, dürfte wohl gleich- gültig sein; das Entscheidende ist, dass es einseitig ist und dass es das andere beherrscht. Die Sprachstörungen bei den Linkshändern haben also nach meinen Erfahrungen nichts mit der Linkshändigkeit als solcher oder mit der rechts- seitigen Lage des Sprachzentrums zu tun, sondern sie sind auf die mehr oder weniger misslungenen Versuche, das rechte Zentrum auf die linke Seite zu ver- legen, zurückzuführen. Also nicht der Linkshänder an sich ist minderwertig, sondern der auf dem Wege der Verlegung des Sprachzentrums Steckengebliebene, der nun weder ein rechts noch ein links herrschendes Sprachzentrum besitzt.“ Es ist weiter ein Wort über die anatomische Untersuchungs- methode, über die Längenmessung der Arme und die Wägung der Armknochen zu sagen. Auf diesem Wege gelangten Hasse und Dehmer (18) wie schon aus der Tabelle ersichtlich, zu dem Resultate, dass die Linkshänder einen Prozent der Bevölkerung ausmachen. Da nun aber diese Zahl unmöglich richtig sein kann, so ist die von den Autoren angewendete Methode irreführend. Der Satz indessen, zu dem diese Autoren gelangt sind und welcher lautet: „Die grössere Länge des rechten Armes bei Rechtshändern, die des linken hei Linkshändern ist eine funktionelle Hypertrophie entsprechend dem häufigeren Gebrauch des einen Armes“ ist durchaus einleuchtend, trifft aber ohne Zweifel auch für den Fall zu, wo einem konstitutionell veranlagten Linkshänder durch die Erziehung Rechtshändigkeit aufgenötigt wurde, sodass bei ihm der rechte Arm hypertrophisch wurde. Ich halte es für möglich, dass in solchem Falle, sei es nun bei ausgesprochener Rechts- oder Linkshändigkeit, nicht allein die Muskulatur im Vergleich mit dem Arm der anderen Seite vergrössert wurde, sondern dass auch die Armknochen durch entsprechende Hypertrophie sich ein wenig in ihrer Gesamtmasse verstärken und demgemäss auch verlängern; bei der Verlängerung aber mag auch eine Verstärkung der knorpligen Gelenkenden mitwirken. Die Gewichtsvergrösserung und die Ver- längerung des rechten Armes wäre dann eine während des indivi- duellen Lebens durch einseitigen Gebrauch, durch einseitige Ubung erworbene Eigenschaft, wie etwa eine Niere durch kompensatorische Hypertrophie sich vergrössert, wenn die andere ausser Funktion 168 Paul Sarasin. gesetzt oder exstirpiert wird. Nach Gaupp (16, p. 25) besitzt in der Tat nicht nur die Muskulatur, sondern auch der Knochen die Fähigkeit zur funktionellen Hypertrophie bei stärkerer Inanspruch- nahme; er äussert sich dazu folgendermassen: „Es gibt doch wohl Beschäftigungen, die beide Arme in gleichem oder vielleicht sogar den linken in höherem Masse in Anspruch nehmen und dadurch auch bei einem Rechtshändigen die Vorbedingung für eine energischere Ent- faltung des linken Ärmes schaffen werden, für grösseres Längenwachstum, unter der Voraussetzung, dass sie schon von Jugend an, also in der Zeit des Knochen- wachstums, ausgeübt werden. Dass es sich hierbei nicht um eine blosse Spekulation handelt, lehrt jener Porzellanmaler in Sevres, von dem (nach Joberts®) Mitteilung) Dupargue berichtet. Der Mann arbeitete seit mehr als 30 Jahren in der Porzellanmanufaktur in der Weise, dass er, den rechten Ellen- bogen auf den Tisch gestützt und somit den rechten Arm fast unbewegt lassend, mit der rechten Hand den Pinsel führte, während die linke Hand das zu be- malende Objekt hielt und fortwährend in Bewegung war. Die Messung ergab einen Längenunterschied beider Arme zugunsten des linken um 21/2 cm. Hier haben wir also einen Rechtshänder im gewöhnlichen Sinne des Wortes, bei dem doch durch die Eigenart der Beschäftigung der linke Arm mehr in Anspruch genommen wurde und auf diese stärkere Beanspruchung mit stärkerem Längen- wachstum reagiert hatte. Jedenfalls liegt also die Möglichkeit vor, dass auch einmal bei einem Rechtshänder die bessere Entwicklung des linken Armes eine Folge des Mehrgebrauchs ist.“ Mollison (32, p. 187) bemerkt dazu: „Ein häufiges Ueberwiegen des linken Armes hat auch Schmidt) bei Glas- arbeitern festgestellt.“ Es könnte ferner noch die Frage aufgeworfen werden, ob diese stärkere Ausbildung des rechten Armes die Fähigkeit sich zu vererben gewonnen habe — eine bekanntlich sehr heikle Dis- kussion. Nachdem wir nun einen Blick auf das Verhältnis der Rechts- und Linkshändigkeit bei den europäisch-amerikanischen Kultur- völkern geworfen haben, ist noch einiges über dieser Erscheinung bei den Trägern von Halbkulturen und bei Naturvölkern zu sagen, insofern das freilich bitter wenige, was sich darüber in der Lite- ratur findet, wegen der Wichtigkeit als Material zur Gewinnung der richtigen Einsicht zur Erwähnung kommen muss. Ich habe schon berichtet, dass die Steinwerkzeuge der Patagonier Rechts- und Linkshändigkeit ebenso deutlich als zu gleichem Verhältnis bestehend erkennen lassen, als dies bei allen Volksstämmen, bei allen Kulturstufen der prähistorischen Steinzeit der Fall ist. Es 59) Jobert, L., les gauchers comparés aux droitiers aux points de vue anthro- pologique et médico-légal. Thèse présentée à la faculté de Médecine et de la Pharmacie de Lyon. 1885. Zitiert nach Merkel, 29. 60) Schmidt, Armmuskulatur bei Glasarbeitern. Monatsschrift für Unfall- heilkunde und Invalidenwesen, 9, 1902, p. 40; zitiert nach Mollison. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 169 geht daraus die Tatsache als zwingende Folgerung hervor, dass die indianischen Stämme zur Zeit der Entdeckung von Amerika, also vor rund 500 Jahren, Rechts- und Linkshändigkeit noch gleich- mässig verteilt zeigten, und wenn dies Verhältnis zugunsten der Rechtshändigkeit sich geändert hat, so ist das die Folge euro- päischen Einflusses. Immerhin erscheint es von vornherein wahr- scheinlich, dass bei solchen Völkerstämmen, die erst seit kurzer Zeit die lithochrone Kulturstufe überwunden haben, die Links- händigkeit sich noch stark vertreten zeigen sollte, ja bei solchen, freilich sehr seltenen, die noch völlig in der Steinzeit sich befinden, dürfte noch der ursprüngliche Gleichgewichtszustand sich nach- weisen lassen. Wir wissen über die beregte Frage noch ausserordentlich wenig, insofern fast alle Forschungsreisenden derselben keine Aufmerk- samkeit geschenkt zu haben scheinen, es ist mir in der Literatur nur das folgende zur Kenntnis gekommen: Cunningham (9, p. 279) gibt einen Brief von Dr. MeDougall wieder, der über die Æingeborenen der Murray-Insel in der Torres- strasse das folgende berichtet: „In some cases there was very little difference in strength or skill or preferential use of either hand. I took readings with a squeeze dynamometer from both hands of thirty men and boys, taking as many readings with either hand as I could obtain without indications of fatigue or of loss of interest-gene- rally six or seven with either hand-either hand being used alternatively to ob- viate differences due to practice or fatigue. Of these thirty cases twenty-four made a stronger average squeeze with the right hand. Of the others, four®!) gave almost equal average squeezes with the two hands and one only gave stronger with the left. I think the difference in manipulative dexterity between the two hands and also the preference for the use of the right hand was less marked than in ourselves.“ McDougall fand also bei den Murray-Insulanern unter 30 untersuchten Fällen 24 Rechtser, fünf amphidexe und einen aus- gesprochenen Linkser. Rechnen wir die amphidexen zu den Linksern als kryptoläochire,°?) so erhalten wir 800/, Rechtser bei 20°/ Linksern, was ein Verhältnis ergibt von r 4 zu 11. In einem Briefe von Dr. Haddon an Cunningham (ib.) heisst es dagegen: „Rivers told me that in Murray Island out of a total of 450 there was the same proportion of left-handedness as in Europe. He noticed two left-handed men and one child.“ Das ergäbe nur 0,7°/, Linkser, eine Angabe, die zu der des andern Beobachters an denselben Eingeborenen in schroffem Wider- spruch steht. 61) Sollte wohl heissen five. 62) Siehe darüber oben Seite 163—165. 170 Pau! Sarasin. Die an den Murray-Insulanern angestellten Untersuchungen von McDougall und Rivers waren also nicht einwandfrei und be- dürfen deshalb der Nachprüfung. Nach Heat und Forest‘®) soll bei den Papuas Linkshändigkeit sehr häufig sein, was für die Feststellung von McDougall bei den Murray-Insulanern sprechen würde. Mason‘*) fand, dass von ungefähr 100 australischen Bumerangs nur drei für Linkshänder gearbeitet waren. Dies würde für fast völlig überwiegende Rechtshändigkeit der heutigen australischen Eingeborenen sprechen. Indessen berichtet doch Mollison (32, p. 188): Fast scheint es, als ob bei niederen Rassen der linke Arm etwas häufiger überwöge als bei höheren; denn bei einigen Australierskeletten, deren Masse ich Herrn S. Breitbach verdanke, ergab sich folgendes Verhältnis: | Humerus | Radius | LR || rechts | links 1 | rechts | links | i | : | länger | länger an | länger | länger | Le? | Individuenzahl | 6 | 2 | 0 | 4 | 1 | Ji | | 2 Die von Mason angewendete Methode führt also zu unsichern Ergebnissen. Wilson) teilt mit, dass ein Korrespondent der „Times“ im Jahre 1876 bei den Fidji-Insulanern Linkshändigkeit häufiger be- obachtet habe, als bei den Kulturvölkern. Nach einer Angabe im Medical Record von 1886°°) sollen auch die Buschmänner und Hottentotten in Südwestafrika in ihrer Mehr- zahl die linke Hand bevorzugen. Stier sagt dazu: „Ueber die letztere Behauptung kann ich hinzufügen, dass ich eine Reihe von Kollegen, die unseren Krieg in Afrika mitgemacht haben, über diese An- gabe befragt habe und dass ihnen etwas gleiches nicht aufgefallen ist, wenn auch die betreffenden Herren ihr besonderes Augenmerk auf diese Frage nicht gerichtet hatten.“ Bei den Ureinwohnern von Bolivia soll nach Heat und Forest Linkshändigkeit sehr häufg sein. (Die Literaturstelle ist die oben zitierte.) 63) Zitiert nach Stier, 55, p. 74. Die Originalarbeit soll im Bull. Soc. Anthr. Paris 1884 erschienen sein; ich kann sie dort nicht finden. 64) American Anthropologist, 9, 1896, p. 226; zitiert nach Cunningham, 9. 65) Zitiert nach Stier, 55, p. 73. 66) Zitiert nach Stier, 55, p. 74. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 171 Nach Platon konnten die Skythen dazumal den Bogen eben- sowohl mit der rechten als mit der linken Hand spannen. Ich werde auf diese Stelle noch zurückkommen. Stanley°') erzählt, „dass die zentralafrikanischen Wilden den Speer mit der Linken ebenso geschickt zıı werfen verstehen wie mit der Rechten, und er glaubt, dass sie diese Fertigkeit in be- wusster Erkenntnis ihres praktischen Nutzens planmässig pflegen und so gegenüber den Europäern im Vorteil sind“. E. Warren (59, p. 162, 163, 190) hat auf die uns beschäftigende Frage alt-ägyptische Skelette geprüft, Material aus dem Gräberfeld von Näqada, ca. 30 englische Meilen nördlich von Theben auf der Westseite des Nil, das von seinem Entdecker Flinders Petrie in das 4. Jahrtausend a. C. gesetzt wird, also vollständig der ägyptischen Bronzezeit angehört. Er fand dementsprechend den Humerus und den Radius der rechten Seite in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle deutlich länger als die der linken, und zwar hatten von 33 untersuchten männlichen Skeletten 27 einen etwas längeren rechten Arm, während bei 6 Individuen der linke Arm den rechten an Länge übertraf, was also für die Linkser 18,2°/ ergibt. Bei weib- lichen Skeletten konnte er nur 5,8°/o Linkser feststellen. Es ist beachtenswert, dass er für die Länge der Beinknochen gerade das gegenteilige Verhältnis fand: die mit längerem rechtem Arm hatten ein längeres linkes Bein. Hier schälte ich als Kuriosität eine Angabe ein, die sich in den Eclogae des Stobaeus‘°) findet, wonach die Völker Libyens vor- wiegend Linkshänder seien, die aber nicht ernst zu nehmen ist, da sie auf der grotesken Vorstellung beruht, die Erde sei einem auf dem Rücken Recent Menschen zu vergleichen, dessen Leibes- mitte in Agypten liege mit dem Kopf nach Süden gerichtet, dessen linke Seite somit Libyen repräsentiere, weshalb eben die dortigen Einwohner Linkser seien. Nach von Meyer (30, p. 27) 67) Zitiert nach Katscher (24, p. 214); nähere Quellenangabe fehlt. 68) 56, 2, p. 992. Stobaeus lebte um 500 p. C.; die betreffende Ecloga ent- hält ältere ägyptische Phantastik; denn diese Anschauung findet sich schon bei Plutarch de Iside 32, nur dass damals, im 1. Jahrhundert p. C., die Aegypter ihren „Mann in der Erde“ — nebenbei eine offenbare Analogie zum Mann im Mond — um 90° gedreht sich dachten, den Kopf nach Osten gerichtet, wonach dann also die linke Seite des auf dem Rücken liegenden nach Süden gewendet war. Diese Vorstellung fusst doch wohl auf der uralt ägyptischen, derzufolge die Erde als ein Gott gedacht war, nämlich Keb, in Umarmung mit dem als weiblich gedachten Himmelsgewölbe Nut, das hernach durch Schu, die Luft, von ihm getrennt wurde. 172 Paul Sarasin. „wissen wir, dass die, durch den Instinkt so viel stärker als wir beherrschten Naturvölker doch den ungleichen Gebrauch beider Hände weit weniger als wir beobachten; ja, dass einige derselben die Rechte und Linke ganz oder beinahe sleichmässig verwenden“. Für diesen Satz fehlen die Belegstellen. Der Kleinstamm der Weddas von Ceylon scheint vorwiegend Rechtshändigkeit zu manifestieren; denn auf Photos von pfeil- schiessenden Männern sieht man deutlich, dass der Bogen mit der linken Hand gehalten, die Sehne mit dem Pfeil aber mit der rechten angezogen wird. Ich habe Dr. Fritz Sarasin ersucht, an den von uns s. Z. gemeinschaftlich gesammelten Skeletten Messungen der Humeri vorzunehmen, er gelanste zu der folgenden Tabelle: Messung des Humerus an Skeletten einiger männlichen Weddas: | = FETE | Grösster Durchmesser | Kleinster Durchmesser | | LÉREE CES Innere der Diaphysenmitte der Diaphysenmitte | | 1 r 1 r 1 r | 1080108515 314 21 21 17,5 17,5 2 321 329 21 22 16 17 3 309 310 18 19 15 15 4 | 302 305 20 20 16 16 5 1 7303,5 306 20 20 155 16 6 | 308 308 21 21 16 15 2. oa 312 20 20,5 14 14,5 | 8 | 322 318 22 22 16 16 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass von 8 untersuchten männ- lichen Individuen 5 den rechten Humerus ein wenig länger als den linken hatten, mit welcher grösseren Länge bei zweien auch ein stärkerer Durchmesser verbunden ist. Bei einem Individuum, No. 8, war der linke Humerus länger als der rechte, bei zwei Individuen bestand kein Unterschied. Ich empfehle nicht, aus diesen doch sehr kleinen Zahlen, wobei zwei Individuen der einen oder der anderen Gruppe zugewiesen werden könnten, Prozentzahlen abzu- leiten, da wir damit auf zu unsicherem Boden stehen würden; doch bestätigt die Untersuchung der Armknochen den oben aufgestellten Satz, dass bei den Weddas die Rechtshändigkeit vorherrscht. Ich erinnere aber dabei, dass bei ihnen die Kultureinflüsse der Sing- halesen sich sehr stark geltend gemacht haben. Die von uns im Jahre 1907 in Ceylon aufgedeckte prähisto- rische Lithoglyphie der Weddas (42), die das Magdalenien repräsen- tiert, ergibt für unsere Frage nicht die geringsten Anhaltspunkte. Nach W. Johnston (Bericht von L. Jobert, les gauchers com- pares aux droitiers au point de vue anthropologique et medico- Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 173 legal. These de Lyon. 1885, No. 300, zitiert nach Merkel, 29, p. 724) sollen bei den Bewohnern des Pendschab 70°/o Linkshänder vor- kommen. Hier muss ein Beobachtungsfehler oder eine Verschrei- bung vorliegen. Ich habe noch über einen malayischen Volksstamm der Insel Celebes, nämlich die mohammedanisierten Bewohner der Landschaft Gorontalo am Golf von Tomini, eine Beobachtung beizufügen; in unserem Reisetagebuch findet sich nämlich unterm 5. Januar 1894 die folgende Notiz: „Die Mehrzahl der Leute hier arbeitet mit der linken Hand, führt den Klewang (das Haumesser) beim Holz- schlagen mit der Linken.“ In unserem Reisebuch (41, 1, p. 144) findet sich diese Bemerkung mit den Worten wiedergegeben: „Es fiel uns die merkwürdige Erscheinung auf, dass die Mehrzahl der Eingeborenen von Gorontalo Linkser sind, d. h. sie arbeiten mit der linken Hand, selbst heim Holzschlagen führen sie das Hau- messer mit der Linken.“ Da wir indessen dazumal von der Tragweite dieser Beobach- tung noch keine Vorstellung hatten, so dürfte die daraus gezogene Folgerung, dass die Mehrzahl der Eingeborenen von Gorontalo Linkser seien, noch nicht genug gefestigt sein, und ich schliesse mich Gaupp (16, p. 2) an, der darüber schreibt: „Der Gegenstand wäre wohl wert, einmal in ähnlicher Weise vermittelst Umfrage bei Missionaren untersucht zu werden, wie es seinerzeit Ch. Darwin bezüglich der mimischen Ausdrucksbewegungen tat.“ Ich hoffe, eine solche Untersuchung mit Hilfe von massgebenden Persönlichkeiten im malayischen Archipel anregen zu können, woraus dann hervorzugehen hätte, ob es sich in Gorontalo um eine rein lokale Erscheinung handelt oder ob die, ja überall vorhandene Linkshändigkeit auch an anderen Stellen dieses Gebietes unein- geschränkt zutage tritt; denn es ist ja möglich, dass bei gewissen malayischen Stämmen das Vorurteil gegen die Manifestierung der Linkshändigkeit ein abgeschwächtes wäre, und hier wäre die fol- gende Angabe von Katscher (24, p. 211) beizuziehen, welche lautet: „Auch heutzutage gibt es ein durchaus doppelhändiges Volk: die Japaner, sie sind es seit sehr langer Zeit.“ Sollte diese merkwürdige Angabe richtig sein, so würde in Japan mit dem Vorurteil gegen die Linkshändigkeit, d. h. den un- beschränkten Gebrauch der linken Hand, schon frühe gebrochen worden sein, und es könnte diese fortschrittliche Gesinnung auf umliegende Völkerschaften und damit auch auf malayische Kultur- völker sich verbreitet haben. Weiter könnte man daran denken, dass lokal ein Überwiegen von Linkshändigkeit durch Vererbung zum Durchbruch gekommen 174 Paul Sarasin. wäre, insofern die Küsten von Celebes in historischer Zeit, ja bis nahe an die Gegenwart heran, durch kleine malayische Kolonien oder auch durch Familien besiedelt wurden. Indessen wenn wir den Gedanken der Vererbbarkeit soweit verfolgen, dass jeder Fall von Rechts- und Linkshändigkeit auf Vererbung zurückzuführen sei, so gelangen wir zu der Schlussfolgerung, dass Dexio- und Läochirie, oder also Heterochirie im allgemeinen, in der phylogenetischen Ent- wicklung nur ein einziges Mal erworben worden war, und zwar müsste diese Erwerbung in die Zeit vor der Erfindung von Stein- werkzeugen fallen, da sich ja bereits an den ältesten derselben Heterochirie feststellen lässt. So gelangt denn auch tatsächlich Stier (55, p. 113), der den Gedanken der Vererbbarkeit bis in seine letzten Konsequenzen verfolgt, zu dem Schlusse: „Jeder Linkshänder der Jetztzeit stammt von einem linkshändigen Vor- fahren ab“ und „die heutigen Linkshänder müssen wir ansehen als den Rest einer im Aussterben begriffenen Varietät der Gattung‘) Homo sapiens.“ Aus diesen Sätzen geht die Vorstellung hervor, dass eine Menschenart oder -varietät einmal bestanden haben könnte, die ausschliesslich läochir war und dass diese sich mit einer anderen mischte, die ausschliesslich dexiochir war und dass noch heutzutage durch Vererbung, resp. Atavismus Heterochirie, speziell Läochirie, zum Vorschein käme. Wir besitzen indessen nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass eine solche Menschenart jemals existiert hat, und Stier selbst drückt sich an einer anderen Stelle (55, p. 152) in dieser Beziehung vorsichtiger aus, indem er bloss feststellt, dass „in prähistorischen Zeiten sowohl die Doppelhändigkeit als auch die Linkshändig- keit in einer sehr viel grösseren Häufigkeit bestanden hat als heute (r:1 etwa ol) Dass die Rechts- oder Linkshändigkeit stets auf Vererbung zu- rückzuführen sei, kann ich nun nicht glauben, ich bin vielmehr der Meinung, diese Eigenschaft der ausgesprochenen Heterochirie könne individuell fortwährend neu erworben werden im Zusammenhang mit dem aufrechten Gange, in ihrer Ausbildung sich stets ver- stärkend vom Zustand der Anthropoiden an, wo diese Funktions- spaltung in ihrem Beginne auftrat, d. h. wo die ursprüngliche Amphi- dexie der Primates prostrati in die Heterochirie sich zu differen- zieren begann. Dass sodann eine nach dieser oder jener Richtung drängende funktionelle Ausbildung von der Vererbung ergriffen wurde, halte ich nicht nur für möglich, sondern für wahrschein- lich; in welchem Masse aber die Vererbung mitspielt, halte ich zu- nächst für nicht entscheidbar. Ich neige darum zur Vermutung, 69) Sollte heissen: „der Art“. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 175 es sei das Auftreten der Heterochirie überhaupt eine Folge von mechanischen inneren Spannungsverhältnissen beim Wachstum des° aufgerichteten Körpers der Primates erecti, und es sei darum Sache des Zufalls, ob diese Spannung nach links oder ob sie nach rechts ihren Ausgleich sucht. Ich denke an einem anderen Ort Gelegen- heit zu nehmen, mich darüber ausführlicher zu verlautbaren, indem ich glaube, dass wir noch jetzt, bei der heutigen Menschheit, an der Lösung des Problems durch die Erforschung der mechanischen Ursachen der Heterochirie uns versuchen könnten. Ich schliesse hier an, dass auch nach Gaupp (16, p. 14) die Linkshändigkeit ausser durch Vererbung „natürlich auch sporadisch und unvermittelt in einer Familie auftreten kann“. Die einseitige Heranziehung der Vererbung zur Erklärung der Entstehung gewisser Eigenschaften, sei es nun dass sie als normale, sei es dass sie als abnorme aufgefasst werden, erscheint überhaupt nur als eine Verschiebung der Erklärung rückwärts nach einem dunkel belassenen Anfange, und es fehlt nicht an Analogien, die ebenso wie die Heterochirie durch Vererbung „erklärt“ wurden und wobei man auf die Annahme einmaliger Entstehung und fort- währender Weitervererbung dieser einmalig entstandenen Eigen- schaft geraten ist; ich erinnere nur an die Dolicho- und Brachy- cephalie; weiter aber würde überhaupt die Ausbildung eines jeden Organes, das von der Vererbung ergriffen wird, in diesen Betrach- tungskreis heranzuziehen sein, ja selbst der sexuale Dimorphismus, der mitunter in der Form des Uberwiegens männlicher oder weib- licher Individuen in gewissen Familien Neigung zur Vererbung zu zeigen scheint, dürfte dann aus der angezogenen Betrachtungsweise nicht ausgeschaltet werden, was uns aber auf ganz nebulose Ge- biete führen würde. Wenn ferner Merkel (29, p. 736) zu dem Schlusse kommt: „die Rechtshändigkeit und Linkshändigkeit sind begründet in einer ursprüng- lich besseren Organisation hier der linken, dort der rechten Hälfte des Gross- hirns, so erscheint hier das Problem nicht gelöst, sondern bloss von einem peripherischen Organ, das der Träger der fraglichen Eigenschaft ist, nach dem Zentralorgan verschoben; ich bin ausserdem der Meinung, dass das ursprüngliche Auftreten, die allmähliche Heranbildung der Heterochirie peripherische und nicht zentrale Ursachen ge- habt hat. Wir haben uns noch einem weiteren Gesichtspunkt zuzu- wenden. Es besteht bei den Autoren Übereinstimmung über den Umstand, dass das Neugeborene noch keinen Unterschied im Ge- 176 Paul Sarasin. brauch der Hände wahrnehmen lässt, es repräsentiert den neutralen Zustand der Amphidexie. So sagt schon vw. Meyer (30, p. 34): „Ich habe mich bei sehr vielen Müttern und Ammen erkundigt, alle meinten, dass das Kind zunächst ebensowohl die linke als die rechte Hand ge- brauche.“ Wenn R. Virchow (ib.) ihm widersprach mit dem Satze: „die Mehrzahl der Kinder braucht von Natur mehr die Rechte“, so kann diese Behauptung nicht aufkommen gegen die Überein- stimmung aller anderen Beobachter. Merkel (29, p. 720) stellt da- rüber zusammenfassend das folgende fest: „Bei Feten und Neugeborenen ist eine vollkommene Gleichheit beider Ex- tremitäten vorhanden; die Verschiedenheit tritt erst im Laufe der Kinderjahre auf und zwar bald früher, bald später.“ Stier führt den Schlussatz dahin weiter aus, dass er sagt (55, p. 9): „Beim Greifen nach Gegenständen wird gegen Ende des ersten Lebens- jahres die eine Hand häufiger benutzt, als die andere; klarer zutage tritt der Unterschied erst mit dem ersten Versuche, selbständig zu essen, also im zweiten Lebensjahre; wirklich deutlich wird die Einhändigkeit erst nach Entwicklung der Sprache und tritt dann ausser beim Essen am schärfsten bei dem Versuche des Ballwerfens hervor, da dies unter allen Kinderspielen die erste und schwierigste wirklich einhändige Verrichtung zu sein pflegt.“ In dieser Tatsache, dass der Mensch zuerst amphidex ist, so- lange er sich beim Gehen seiner vier Extremitäten bedient, sodann während der Zeit, da er sich aufzurichten beginnt, aber noch der Stütze bedarf, die er in Ermangelung genügender Länge der Arme an Gegenständen findet, allmähliche Ausbildung der Heterochirie erkennen lässt, um endlich, aufgerichtet, diese in voller Ausbildung zu zeigen, in diesem individuellen Entwicklungsgang erkenne ich eine palingenetische Wiederholung der phylogenetischen Entwick- lung, indem das Kind im frühesten Lebensalter den Zustand der Primates prostrati repräsentiert, worauf das Bild der Primates claudicantes erscheint, der Vorstufe zum letzten Zustand der Pri- mates erecti, und damit Hand in Hand gehend bildet sich zugleich, phylogenetisch wie ontogenetisch, die endliche Heterochirie aus dem ursprünglich neutralen Zustande der Amphidexie hervor. Die von E. Hückel als biogenetisches Grundgesetz, von mir wie ich glaube objektiver als palingenetisches Phänomen bezeichnete Erscheinung (51, p. 317) würde somit auch im allmählichen Erwerb der Hete- rochirie sich erkennbar machen. E. Weber (60, p. 425 und 61, p. 1) äussert sich ebenfalls schon in dem besprochenen Sinne 1905, indem nach seiner Auffassung „die erste Entwicklung des Menschen in der Urgeschichte ungefähr dem Ent- wicklungszustand des heutigen Menschen bei der Geburt entsprach“, Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 177 und da das Neugeborene amphidex ist und Weber annimmt, das sein „Urmensch“ — darunter wird von ihm der Mensch der paläo- lithischen Kulturstufe verstanden — ebenfalls amphidex war, so kommt er zum Schlusse (60, p. 431): „Die Parallele, die wir zwischen der Urgeschichte der Menschheit und der Entwicklung des Kindes gezogen haben, ist eine vollkommen zutreffende: beim Urmenschen, wie beim Kinde, gibt es eine Periode, in der die Rechtshändigkeit noch nicht vorhanden ist.“ Aber das Neugeborene entspricht nicht dem paläolithischen Menschen, sondern einem viel früheren phylogenetischen Zustande, als Weber meint, nämlich dem der Primates prostrati; ferner war der Mensch der Steinzeit nicht amphidex, sondern heterochir. Über den Umstand, dass die Gesamtform der Neugeborenen eine schon ganz menschliche und nicht etwa äffische Ausprägung hat, habe ich mich an einem anderen Orte geäussert, wo ich dafür den Be- griff der „Prosikasie“ aufstellte (51, p. 327). Immerhin mag fest- gestellt sein, dass E. Weber an die Palingenese in der Ontogenese des Menschen gedacht hat, wenn sie auch in ganz anderer Gestalt uns entgegentritt, als er irrtümlich annahm (siehe dazu auch Gaupp, 16, p. 5, Anmerkung). An E. Weber lehnt sich Stier (55, p. 147) an, wenn er schreibt: „Im Individualleben des Menschen wird die Einhändigkeit im allgemeinen erst im Anfange des zweiten Lebensjahres manifest, also zu der Zeit, wo das Kind den aufrechten Gang erlernt und mit Sprechübungen beginnt. Da wir nun auf Grund der Tatsachen über die Doppelhändigkeit der Affen ©) wissen oder doch annehmen können, dass die Einhändigkeit des Menschen langsam in den Urzeiten der Menschheit von dieser als eine neue Eigentümlichkeit erworben ist und dass sie in ihren Anfängen zusammenfällt mit den Zeiten, wo die Menschheit nach dem aufrechten Gang allmählich auch die Sprache erlernt hat, so sehen wir eine schöne Uebereinstimmung zwischen der Ontogenese und der Phylogenese.“ — Nachdem wir uns nun überzeugt haben, dass mit der Metall- zeit eine unvermittelte Bevorzugung der rechten Hand vor der linken eintrat, so erkennen wir auch aus mehreren Stellen in der antiken griechischen und hebräischen Literatur, dass gelegentlich sich zeigende Linkshändigkeit als seltsame Kuriosität mit Ver- wunderung bemerkt worden ist; die Tradition, dass ursprünglich Links- und Rechtshändigkeit gleichwertig war und in gleichem Ver- hältnis bestand, war frühe schon völlig aus dem Gedächtnis der ganzen Kulturmenscheit ausgelöscht; setzte sich die Linkshändig- keit aus physiologischen Zwangsursachen dennoch durch, so erschien dies als bemerkenswerte Abnormität, die auch im Zweikampf einem Linkser über den Rechtser, der ja im Fechten nur mit Rechtsern 7) Sollte genauer heissen: der niederen Affen, siehe oben p. 158. 12 178 Paul Sarasin. eingeübt war, Vorteil gab, wie das noch heutzutage beim Duellieren bekanntlich der Fall ist. So wurde nach Ilias 21, V. 162ff. Achill vom Heros Asteropaios am rechten Ellenbogen verwundet, weil dieser den Speer mit der Linken warf. Allerdings wird nach der angezogenen Stelle Asteropaios nicht als ein eigentlicher Linkser be- zeichnet, sondern er wird zwegıdEsıog‘') genannt, d. h. mit beiden Händen gleich gewandt, weshalb er zwei Lanzen schleuderte und zwar dupis, eine mit der Rechten, eine mit der Linken. Asteropaios war also eigentlich amphidex. Die Nachricht stammt aus dem 9. Jahr- hundert a. ©., in welche Zeit die Ilias bekanntlich verlegt wer- den darf. Ob die unrichtige Behauptung, dass keine Frau amphidex sei: „yvvn oùdeuia dugıöefıos“, mit Recht auf den berühmten Arzt Hippokrates von Kos?) zurückgeführt wird, darf wohl bezweifelt werden. Auf eine Erörterung der Amphidexie bei Platon und Aristoteles werde ich am Schlusse zurückkommen. Der Beiname des Mucischen Geschlechtes Scaevola, der Linkser bedeutet, darf in unserem Zusammenhang nicht beigezogen werden, da der Stammvater Mucius bekanntlich deswegen Scaevola ge- nannt wurde, weil er sich die rechte Hand versengt hatte. Wir haben also streng genommen aus dem klassischen Alter- tum keine Berichte von Läochirie, sondern nur einige wenige von Amphidexie, ein Punkt, worüber ich noch einige Worte zu sagen haben werde. Eine Stelle im alttestamentlichen Geschichtsbuche der Richter III, 15, das bekanntlich im 6. Jahrhundert a. C. verfasst wurde, gibt eine alte Tradition wieder, die vielleicht in ein noch früheres Jahrhundert als das neunte, als das der Ilias also, zurückverlegt werden darf, da sie auf die Zeit vor den Königen, somit auf das 12. Jahrhundert sich bezieht und die besagt, dass Ehud „gebunden, gehindert an der rechten Hand“ war, wir würden vielleicht am besten übersetzen: „er hatte eine Hemmung an der rechten Hand.* Eine andere Stelle in demselben Buche XX, 15, 16 spricht von 26,700 Mann, von denen 700 an der rechten Hand gehemmt waren und doch mit der Schleuder auf’s Haar trafen. Wenn Merkel (29, p. 724) dazu schreibt: „würden damit alle Linkshänder unter den 71) regıd££iog steht hier statt des später vorkommenden dugudesios, welch letzteres Wort nicht in den Hexameter passen würde, cf. Pape, Handwörterbuch der griechischen Sprache. 72) Das Zitat stammt von Ogle, siehe Gaupp, p. 7, Anm. In den vielen Hippokrates von Kos mit Recht oder Unrecht zugeschriebenen Schriften konnte ich die Originalstelle nicht ausfindig machen. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie ete. 1779 26,700 Mann gezählt sein, dann würden 3,80/, herauskommen“, so dürfte die Verlässlichkeit der schon damals, als die Schrift verfasst wurde, ungefähr 600 Jahre alten Tradition überschätzt sein. Das ist auch die Auffassung von Stier (55, p. 7%). Wenn aber dieser Autor es nur als wahrscheinlich, nicht aber als sicher bezeichnet, dass mit dem Ausdruck: „gehemmt an der rechten Hand“ Links- händigkeit gemeint gewesen sei, so kann ich ihm darin nicht bei- treten; denn eine andere Deutung bleibt nicht übrig. Ich werde auf diesen etwas gewundenen Ausdruck für Linkshändigkeit noch zurückkommen. Die Stelle aus dem Buch der Chronik I, Kap. 12, 2, wo von Bogenschützen die Rede ist, die ausserdem mit der rechten und mit der linken Hand Steine schleuderten, sei ebenfalls hier herange- zogen; es würde damit Amphidexie gemeint sein. Mit den hundert und zwanzigtausend Bewohnern der Stadt Ninive, „die nicht zwischen rechts und links zu unterscheiden wissen“, im Buch Jona, sind nach B. Duhm,‘?) die kleinen Kinder zu ver- stehen. Vielleicht war schon damals die Amphidexie der Kleinen eine bekannte Tatsache.) Recht weit zurück geht ein Hinweis auf die Bevorzugung der rechten Hand in der griechischen Sprache; ich habe schon in einer früheren Abhandlung folgendes ausgeführt: „Es braucht ein Volks- stamm keineswegs tief in der phylogenetischen Stufenleiter des Genus Homo zu stehen, um von sich aus nicht über 5 zählen zu können; denn die griechische Sprache hat ein altmodisches Wort für zählen, nämlich weundlew, das wörtlich „fünfern“ bedeutet und doch wohl darauf hinweist, dass auch von den Urgriechen, also wohl überhaupt auch von allen Urbewohnern von Europa, an den 73) 12, p. XXXVIIL Herr Prof. Dr. K. Marti bestätigt mir diese Er- klärung und schreibt dazu: „Der Ausdruck ist eine Variation zu der 5 Mose 1, 39 gebrauchten Kennzeichnung der kleinen Kinder mit den Worten: „„Kinder, die nicht zwischen gut und bôs zu unterscheiden wissen.“ Auch ist zu ver- gleichen Jesaja 7, 16.“ 74) Die Zeit der Abfassung des Buches Jona, das bekanntlich auch einen Sonnenmythus enthält, ist unsicher; nach Duhm ist es „jung“. Herrn Professor Marti verdanke ich darüber noch die folgende Aufklärung: „Das Buch Jona ist keine historische, sondern eine didaktische Schrift; man hat es schon mit Recht „„eine märchenhaft gehaltene Novelle mit lehrhafter Tendenz“ genannt (so Baudissin). Es benutzt zu seinem didaktischen Zweck eine wahrscheinlich alte Erzählung, die bei den Leuten von dem Propheten Jona im Umlauf war. Nach II Könige 14, 25 hat dieser Prophet Jona ben Amittaj in der Zeit Jero- beams Il. (ca. 783—743) gelebt, also zu einer Zeit, da Ninive noch lange un- zerstört war. Nach dem Sprachcharakter, der dem des „Predigers“ nahekommi, und der ganzen Haltung gehört das Buch in den Zeitraum zwischen 400 und 200, aber näher zu dem letzteren Termin.“ 180 Paul Sarasin. Fingern gezählt wurde und dass man dabei für’s erste über 5 nicht hinauskam.“ Ich schliesse daran folgende Stelle aus Gaupp, 16, p. 5”): „Wie Wilson im Anschluss an Grimm mitteilt, ist in verschiedenen Sprachen der Stamm für links und fünf der gleiche, ebenso wie der für rechts und zehn, wie beispielsweise im Lateinischen dexter und decem, im Griechischen de£ıos und dere zusammenhängen. Der tiefere innere Zusammenhang ist darin zu suchen, dass der Naturmensch zum Zählen bis 5 die Finger der linken Hand benutzt und erst, wenn er über 5 hinaus bis 10 zählt, die der rechten hinzu- nehmen muss. Das setzt aber Rechtshändigkeit voraus. Es ist wohl nicht zu weit gegangen, wenn man aus diesen sprachlichen Beziehungen die Folgerung herleitet, dass die Rechtshändigkeit älter ist als die Sprache und dass schon seit langen Zeiten die Linkshändigkeit immer nur als Ausnahmeerscheinung auftrat.“ Dieser Schluss ist nicht richtig, die ausschliessliche Rechts- händigkeit ist viel jünger als die Sprache; aber das Zählen über 5 hinaus wurde erst erfunden, nachdem die ausschliessliche Rechts- händigkeit schon erworben war, also verhältnismässig spät und zu einer Zeit, als die griechisch-lateinische Ursprache schon bestand. Der Begriff zehn galt dann schon für eine sehr hohe Zahl, wie ich auch glaube, dass sich diese Vorstellung noch in den von uns ge- brauchten Ausdrücken: zehnmal besser, zehnmal geschwinder usw. erhalten hat. Übrigens möchte ich nicht unterlassen, beizufügen, dass eine sehr hohe linguistische Autorität mir über die Grimm’sche Auffassung schrieb: „Jene Kombination Défsos Öexa und dexter decem gehört zu den Etymologien, mit denen man besser nicht arbeitet.“ : Von Interesse im Zusammenhang mit zeund£ew ist die folgende Notiz, die ich in Ratzel’s Völkerkunde (38, 1, p. 234) finde: „In den afrikanischen Bantusprachen sprechen verschiedene Andeutungen dafür, dass ursprünglich nur bis 5 gezählt und dann eine neue Reihe begonnen wurde.“ Bei der Untersuchung des Zählvermögens bei heutigen Natur- völkern oder Volksstämmen niederer Kultur kommt es natürlich darauf an, die ursprünglich, d. h. vor der Berührung mit der euro- päischen oder asiatischen Kultur, vorhanden gewesene Fähigkeit zu zählen aus der durch jene Berührung sekundär erlernten höheren Fertigkeit im Rechnen herauszuschälen; die letztere festzustellen hat ethnologisch keinen Wert, ebenso wie man in Europa die ur- sprünglich vorhandene Fähigkeit des Zählens bei Analphabeten er- forschen müsste, an die kein Unterricht herangekommen ist; denn in der Tat sind alle Naturvölker, soweit sie von höherer Kultur 75) Das Werk von Sir D. Wilson Left-handedness, London, 1883, das Gaupp als die wichtigste Quelle für die uns hier interessierenden sprachlichen Beziehungen bezeichnet, war, wie schon bemerkt, mir leider nicht zugänglich ; nach einer Mitteilung des Verlegers in London ist es ganz vergriffen. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie ete. 181 unberührt sich erhalten haben, und damit die gesamte Menschheit his zum Ende der Steinzeit als Analphabeten zu bezeichnen. Aber die rechte Hand galt vom Schluss der Steinzeit her nicht nur als die von Natur geschicktere, während die Linke als ungeschickt, als eigentlich „linkisch“ missachtet ward, sondern die rechte Hand galt auch von der Zeit ihrer Bevorzugung an als die edlere, die reinere Hand, ebenso wie die rechte Seite zum Rang des ehrenhaften fortschritt, während die linke zu dem des ver- ächtlichen herabsank. Damit finden wir die Quelle, aus welcher wir, wie ich glaube, am ehesten eine Erklärung für die Bevor- zugung der rechten Hand vor der linken schöpfen können, nämlich die Religion; und hier habe ich nun einfach auf die sehr inhaltreiche Abhandlung des Anatomen @. H. von Meyer‘) zu verweisen (30), worin eine gedrängte Fülle von Angaben aus der antiken Literatur- und Kulturgeschichte, und zwar aus allen Kulturen, sich zusam- mengestellt findet, die sämtlich darauf hinweisen, dass die Be- vorzugung der rechten Hand, die ja, insofern sie allgemein und un- vermittelt mit der Metallzeit, speziell der Bronzezeit, auftrat — ein Umstand, wovon v. Meyer allerdings noch nichts wusste — eine physiologische Ursache gar nicht haben kann, eben darum einen psychologischen Grund haben muss, um diese Bezeichnung von Æud. Virchow (ib., p. 34) zu übernehmen. Es hat keinen Zweck, die Argu- mente v. Meyer’s hier zu wiederholen, ich gebe nur einige zu- sammenfassende Sätze wieder; er schreibt mit Heranziehung von Beispielen aus einer grösseren Reihe von Sprachen: „Durchgängig erscheint die rechte Hand als die gute oder bessere und berührt sich immer auch etymologisch mit den Begriffen des Geraden und Wahren, des Behenden und Geschicklichen, des Treffenden, Richtigen, des Braven und Rechtlichen, des Rechts, Gerichts und der Gerechtigkeit, und ins- besondere auch mit dem religiösen Begriffe des Rechten und Gerechten, der von Gott und Gewissen gebotenen rechten Wahl und Entscheidung. Die linke Hand dagegen erscheint als die schlechte, mangelhafte, als zusammenhängend mit den Begriffen des Schwachen und Hülflosen, des Unfreien und Uneben- bürtigen, des Unbeholfenen und Linkischen, des Unsicheren und Zweifelhaften, des Schiefen, Verkehrten und Unrechten und insbesondere auch mit dem reli- giösen Begriffe des Unrechten, des von Gott und Gewissen verbotenen Bösen und Strafwürdigen, des Unglücklichen und Sinistern. Und was ist also nun der Grund einer so allgemein uralten Bevorzugung der einen Hand vor der andern? Wo wurzelt diese so scharf ausgeprägte mensch- liche Einseitigkeit ?“ v. Meyer sieht den Grund in der Sonnenverehrung. Er sagt: „Emporblickend zum himmlischen Lichte, diesem ersten Urquell und fortdauernden reinsten Gleichnis seines Gottesbewusstseins, sah der Mensch den himmlischen Körper dieses Lichtes aus dem Dunkel hervorbrechen, sich von 6) Der Name ist nur mit „von Meyer“ angegeben; ich vermute, es ist der obige. 182 Paul Sarasin. einem Ende des Horizontes zum andern über ihm dahinbewegen und fand in den Hauptpunkten dieser Bewegung die natürlichen Merkmale zur Erkenntnis sowohl der vier verschiedenen Seiten des Himmelsgewölbes als seiner eigenen Scheitel- und Queraxe, seines eigenen Rechts und Links und Vorn und Hinten,“ „Die südliche Himmelsgegend, nach der die Sonne sich hinbeweste, bot dem Menschen einen natürlichen Fingerzeig für den religiösen Wert seiner eigenen beiden Seiten und Hände und lehrte ihn die eine als die dem Lichte zu-, die andere als die dem Lichte abgewandte, die eine als die gute, gottbegünstigte Rechte, die andere als die böse, unglückliche Linke empfinden und unterscheiden.“ Es ergibt sich somit „ein religiöser Zusammenhang zwischen Rechts, Süd und Gottheit, sowie von Links, Nord und Dämon.“ Diesen Satz belegt v. Meyer mit vielen Beispielen, die zum Teil schon Jakob Grimm zusammengestellt hat, der von v. Meyer nicht zitiert wird. Zu diesem Satze ist aber einiges weitere zu erörtern. Ich halte es für wahrscheinlich, dass die Verehrung der Sonne zur Bevorzugung der rechten Hand und der rechten Seite des Menschen ge- führt hat. Nach der aufgehenden Sonne wendet sich der antike Mensch zur Anbetung, wie. Grimm (17, p.981) mit folgenden W orten feststellt: „Wie der Tag mit dem Morgen beginnt, wendet im Altertum der er- wachende Mensch sein Antlitz gegen die Sonne und betet: was hinter ihm liegt ist Westen, was zu seiner Rechten Süden, was zu seiner Linken Norden. Darum drückt das hebräische jamin zugleich recht und südlich, smaul link und nördlich aus. Nicht anders bedeutet das sanskritische daksina ausser dexter auch meridionalis (Bopps gloss. 162b). Merkwürdig begegnet man der- selben Vorstellung wieder bei den keltischen Völkern. Den Iren und Galen bezeichnet deas dexter und australis, tuaidh sinister und septentrionalis; den Welschen deheuol recht und südlich, chwith link und nördlich, cledd the left und north.“ Diese Feststellung, dass bei vielen Völkern ein und dasselbe Wort rechts und südlich bedeutete, ist an und für sich schon be- weisend für den Satz, dass zwischen rechts und Sonne ein reli- giöser Zusammenhang sich hervorgebildet hat, und es ist dann auch gewiss, dass für die ursprüngliche Betrachtungsweise die Sonne sich nach rechts hin bewegt. Im Zusammenhang mit dieser Be- wegung der Sonnengottheit nach rechts hin musste die rechte Hand und die rechte Seite zur religiösen, zur reinen werden, wo- gegen links zunächst für finster, unglücklich, unrein, dämonisch galt. Dagegen ist es, wie ich glaube, doch nicht richtig, den Süden im allgemeinen als die heilige Stätte aufzufassen, weil die Sonne im Mittag im Süden steht; vielmehr galt der Sonnenort im Mittag, und zwar wohlgemerkt im Sommer, primitiver Vorstellung offenbar nicht sowohl als Süden, sondern eher als Zenith; wohl aber galt dafür die tiefe Stellung der Sonne im Wintersolstitium, wo der Sonnengott, der bunten Fülle orientalisch-griechischer Sonnenmythen zufolge, in die Unterwelt hinabtaucht; denn im fernsten Süden, im Nadir in südlicher Richtung, dachte man sich Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 185 diese Gegend; am Orte, wo die Sonne im Wintersolstitium unter dem Horizonte verschwindet, dort befindet sich die Pforte zum Hades, nach Homer (Od. 10, V. 507) südlich von der im fernen Westen gelegenen Insel Aia. Im fernen Süden also liest nach antik griechischer Anschauung der mit Dämonen erfüllte Hades, wogegen, wie schon .J. Grimm betont, der Norden als die Wohnung der Götter von den Griechen, Römern und Germanen gedacht war; auch befindet sich, wie ich erinnere, der Olymp der Hindu auf dem Himalaya, im Norden also, doch aber nicht im hohen, im polaren Norden. Die Wohnung der Götter erscheint vielmehr dem Sonnerorte am Mittag nahe gerückt, wenn auch in nördlicher Richtung davon; der ferne polare, mitternächtlich finstere Norden aber - musste mit dem fernen polaren finsteren Süden zum Dämonenreich verschmolzen werden, in das die Sonne im Westen hinabtaucht, aus dem sie im Osten heraufkommt, und die Mitternacht wurde zur Stunde der Dämonen oder Gespenster, die um diese Zeit aus dem Hades emportauchen. Ich halte demnach die Auffassung von J. Grimm (17, pag. 981) wonach bei den Christen der Norden deshalb der Sitz des Teufels wurde, weil die vorchristlich antike Anschauung ihren Olymp im Norden hatte, nicht für wahrschein- lich; vielmehr glaube ich, dass in dieser christlichen Auffassung die uralte Vorstellung vom Orte der Dämonen, der Hölle also, als im fernen mitternächtlichen Norden befindlich sich erhalten hatte. Es konnte somit auch in der vorchristlichen Zeit ein Zeichen, sei es Blitz oder Donner oder ein Vogel und dergleichen, das, wenn man sich nach Osten richtete, von der linken Seite, also von Norden kam, als günstig, als Ö&£ıos, dexter gelten, wenn man seine Herkunft auf den Götterort bezog, ungünstig wurde aber dasselbe Zeichen, wenn man seine Herkunft auf den nördlichen Dämonenort bezog, und dasselbe gewann für südliche Zeichen Geltung: günstig waren die Zeichen, wenn man sie auf den Sonnenort, ungünstig, wenn man sie äuf den südlichen Dämonenort bezog. Es führte das zu einer heillosen Verwirrung in der Deutung der Zeichen durch die Auguren, wie man bei Cicero (de div. II, 38, 39) nachlesen kann, der ja selbst Augur war und sich doch darüber moquierte, dass in der Deutung der Zeichen die grellsten Widersprüche bestanden. Immerhin ist festzuhalten, dass ursprünglich mit rechts der Begriff des heilvollen verbunden war; denn die Worte ö&$ıos und dexter bezeichnen beides zugleich, rechts und heilvoll, wie Aaıös, oxaıds und scaevus, sinister links und unheilvoll. 7) 71) Ich erinnere hier daran, dass man noch heutzutage von einem „Pech- und Glücksvogel“ spricht (20); desgleichen von „Unstern“; der Begriff von rechts und links verbindet er aber nicht mehr damit. 184 Paul Sarasın. Ich füge hier an, dass mit dem religiös-psychologischen Grund der Bevorzugung der rechten Hand sich wohl die schon von J. Grimm, (17, p. 980) vertretene Auffassung verbinden lässt, dahin- sehend, um mit Æ. von Martens (28, p. 461) zu reden: „Imdem ich dem Gegenüberstehenden die Hand, die sonst die Angriffs- waffe führt, unbewehrt darreiche, gebe ich zu verstehen, dass ich nicht angreifen will, das Schwert in der Scheide, der Kriegszustand beendet ist.“ Die Darreichung der Rechten, die ja so schon die geheiligte ist, wird hier zum Symbol des Friedens. Ich zitiere in diesem Zusammenhang noch einen Satz aus der v. Meyerschen Abhandlung (30, p. 26): „Mit der Rechten segnet Jakob den Ephraim vor Manasse; mit der Rechten begrüssen sich die homerischen Helden; rechtsum im Kreise zeigt der Herold das dem Ajax zugefallene Loos des Zweikampfes mit Hektor; rechtsum bettelt Odysseus, rechtsum hinkt als Weinschenke Hephästos, rechtshin wendet sich beim Gebet der Grieche; mit der Rechten bei allen Völkern weiht der Priester, richtet der Richter, herrscht der König; von der Rechten donnert Zeus, wenn er Glück und Sieg verkünden will.“ Ich erinnere hier an eine Stelle in Xenophon’s Anabasis (I, 6, 7), derzufolge Cyrus und Orontes zur Versöhnung sich die rechte Hand reichten, und an eine neutestamentliche Erzählung, wonach die Apostel bei einer Verabredung dasselbe taten (Gal. 2,9). Nach Tacitus (Hist. I, 54) „miserat civitas Lingonum vetere in- stituto dona legionibus dextras, hospitii insigne“ d. h. die Völkerschaft der gallischen Lingonen (das heutige Langres) sandten den Le- gionen rechte Hände zum Zeichen der Gastfreundschaft. X. L. Roth") bemerkt dazu: „Handschläge, symbolische Zeichen der Verbrüderung, ausgedrückt durch metallen verschlungene Hände, wurden an diejenigen gesandt, mit denen man sich verbrüdern wollte. Solche Hände von Bronze finden sich noch in den Sammlungen zu Lyon.“ Im Anschluss an das Gesagte mag erwähnt sein, dass es noch im Mittelalter z. B. in Irland, bei einer dienenden Frau für gute Sitte galt, sich nach rechts umzuwenden, wie ich einer irischen Erzählung aus dem 12. Jahrhundert entnehme (57). Die Wendung nach rechts entspricht aber dem scheinbaren Lauf der Sonne, sie bringt Glück, die nach links Unglück. Und schliesslich wird noch heute, einer uralten Tradition fol- gend, an der Tafel rechts herum serviert. Auch soll mit der rechten Hand der Wein eingeschenkt werden. Die moralische Bedeutung des gerechten ist zweifellos sekundär aus der primären Vorstellung des rechts, heilvoll, hervorgegangen; so fehlt in der alt-ägyptischen Religion, so lange sie noch rein 7°) Tacitus Uebersetzung in der Langenscheidt’schen Bibliothek p. 45. = Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 185 solaren Charakter hat, das moralische Element vollständig; wir sehen dasselbe erst in der Stelle des Totenbuches auftreten, die das Gericht enthält (86, p. 114, 155, 159). Ob und inwieweit rechts und links im Sinne von recht und unrecht in der alt-ägyptischen Religion vorkommt, muss einem Aegyptologen zur Beantwortung anheimgestellt werden; was mir bisher in dieser Literatur in Ueber- setzungen vor Augen gekommen ist, hat mir soviel wie keine Ausbeute ergeben; auch das Totenbuch liess mich darin im Stiche; von einiger Bedeutung mag aber der Umstand sein, dass das Augenamulett sowohl als rechtes wie als linkes Auge vorkommt, das Augenpaar des Gottes Rä vorstellend, wobei das rechte Auge die Sonne darstellt und als solche der Spender alles Guten ist, während das linke den Mond repräsentiert; das rechte würde sonach als das Auge des Tages vor dem linken als dem der Nacht eine gewisse Präponderanz haben. Mit den malerischen und plastischen Darstellungen aus Alt- Aegypten ist nicht viel anzufangen, da sich der ägyptische Künstler in Beziehung auf rechts und links in seinen Figuren von der Sym- metrie leiten liess; es mag immerhin daran erinnert sein, dass die berühmte Holzstatuette des Schech el beled aus der ersten Hälfte des 3. Jahrtausends den Stab in der Linken hält; aber in der Rechten hält er auch etwas, und der nicht weniger berühmte „Schreiber“ aus derselben Zeit schreibt mit der rechten Hand. Im allgemeinen gewinnt man den Eindruck, dass die rechte Hand bevorzugt war. Den Einwurf, dass auf der südlichen Halbkugel die Sonne zur Rechten auf- und zur linken untergeht, dass also bei den Menschenstämmen der südlichen Halbkugel die linke Hand be- vorzugt sein sollte, weist schon. v. Meyer mit dem Hinweis zurück, dass unsere menschliche Entwicklung der nördlichen Halbkugel angehört, und gewiss tut er das mit Recht; denn neue Vorstel- lungen, besonders religiöser Art, haben sich jeweilen über den ganzen Erdball so sicher und rasch verbreitet wie neue Erfin- dungen, ein Satz, wofür ich viele Belege herbeibringen könnte, wozu aber hier nicht der Ort ist. Im Anschluss an die Auffassung v. Meyer’s weise ich auf das Zusammentreffen zweier wichtiger Umstände hin, nämlich auf das Emporkommen der Sonnenverehrung am Schluss der Steinzeit und auf die Bevorzugung der rechten Hand mit dem Beginn der Bronzezeit. Die erstere Tatsache erkennen wir in der Orientierung der Gräber, die schon in der neolithischen Zeit fast durchweg Ost-Westrichtung zeigen; ich habe schon 1907 darüber das folgende aufgezeichnet :"°) 79) 45. Es steht dort der Druckfehler NNW. statt WNW.; siehe auch 43. 186 Paul Sarasin. „bei der Untersuchung eines neolithischen Grabes bei Aesch unfern von Basel versäumten wir nicht, die Richtung, nach welcher das Grab orientiert ist, festzustellen, sie läuft OSO-WNW, im grossen ganzen also ostwestlich, wie bei anderen Gräbern aus der jüngeren Steinzeit, welche man zum Teil rein ost-westlich orientiert gefunden hat. Dies spricht für eine Beziehung des Bestattungsortes zur Sonne und weist mit leisem Finger darauf hin, dass dem Tagesgestirn schon in der jüngeren Steinzeit religiöse Verehrung gezollt worden ist.“ Ich füge hier bei, dass das Schwanken in der Richtung der neolithischen Gräber von WNW-OSO über W-S zu WSW-ONO mit der ‚Jahreszeit zusammenhängen dürfte, in der die Gräber an- gelegt und nach Sonnenauf- resp. untergang ausgerichtet wurden; damit oszilliert die Richtung der Gräber nach der Stellung der Sonne bei Auf- und Untergang in den beiden Solstitien über die Tag- und Nachtgleiche hin; und diese Ausrichtung der Gräber nach Sonnenauf- und untergang hat sich durch das historische Altertum bis zur Gegenwart erhalten, wo man sie noch auf vielen Friedhöfen und an der Längsaxenrichtung von Kirchen erkennt. Auch sei daran erinnert, dass der erste Tag der Woche, der zu- gleich geheiligt ist, wenigstens in den germanischen Sprachen seinen Namen von der Sonne hat, und wir bevorzugen noch immer die rechte Hand als die reine, als die Sonnenhand. So durch- strahlt die uralte Sonnenreligion bewusst oder unbewusst noch das Denken der heutigen Kulturmenschheit. Mit der Verehrung der Sonne und der Vorstellung des rechten als des guten und des linken als des unguten kam auch der Be- griff der Reinheit und der Unreinheit in die Menschheit, womit die Rechte als die Hand des Lichtes zur reinen, während die Linke als die Hand der Finsternis zur unreinen wurde. Dieser Begriff des moralisch reinen tritt schon früh auf, ich sehe ihn schon im ägyptischen Totenbuch fertig vorhanden, und zu welcher allbeherrschenden Macht er sich besonders bei semitischen Völkern entwickelt hat, ist allbekannt. Er hat sich auch bei uns in spezieller Verbindung mit der rechten Hand erhalten. Schon Jakob Grimm (17, p. 987), weist darauf hin, dass Mütter und Kinderwärterinnen die Kinder auffordern, das „schöne“, d. h. also doch das reine Händchen zu reichen °°), womit eben das rechte gemeint ist und womit zugleich gesagt wird, dass das linke unschön, also eben unrein sei. Aber link bekam nicht nur den Sinn des unreinen, sondern auch des Bio der Ausdruck: poevöder En’ doısteo@ bas, 2 Dies erwähnt auch v. Meyer ; ich finde es nach eigenen Erkundigungen bestätigt. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 187 du wichest links hin, d. h. vom Rechten ab, du gerietest auf die schiefe Bahn, findet sich bei Sophokles (Aias 189), und wir sehen an diesem Beispiel in sinnfälliger Weise, wie der Begriff des un- moralischen sich aus dem des dämonischen, unheilvollen, unreinen schrittweise entwickelt hat, wonach eine Stufenleiter der Begriffe un- glücklich, unrein, unrecht besteht. Daher kommt es auch, dass die fein- fühligen Griechen sogar das Wort Zaıös, oxaıds, links, gerne mit den euphemistisch beschönigenden Ausdrücken dgıorsgös,‘') edwvvuog vertauschten, oder man nannte die Linke # évéoa, die andere Hand, °°) und diese Empfindung mögen auch andere Völker des Altertums gehabt haben, weswegen ich glaube, dass ein Linkser, wenn er sich als solcher durchsetzte, resp. aus physiologischen Gründen durch- setzen musste, weder in der alttestamentlichen noch in den antik griechischen und römischen Schriften als solcher bezeichnet wurde; für den Griechen und Römer wurde er amphidex, für den alt- hebräischen Schriftsteller ist er an der rechten Hand gehemmt; denn, wie noch heutzutage, war ein Linkser offenbar schon dazumal mit einer levis macula behaftet. Der Islam hat sogar ein direktes Gebot Mohammeds über den Grebrauch der rechten Hand; „denn der Prophet sagte: Wenn einer von euch isst, so soll er mit der rechten Hand essen, und wenn er trinkt, soll er mit der rechten Hand trinken; denn der Satan isst mit seiner linken und trinkt mit seiner linken Hand.“ °°) „Aut alten Gemälden hantiert, z. B. fiedelt der Teufel mit der linken Hand.“ °*) Ich erinnere mich dabei an das folgende: Als wir in Celebes dem König von Paloppo unsere Aufwartung machten, da reichte er uns die linke Hand, auch brach er die Unterhaltung plötzlich si) Es scheint mir zweifellos, dass &gıoreoog eine euphemistische Bezeich- nung für die nur mit Bedenken, „unberufen“ wie einige Leute heutzutage sagen, mit ihrem eigentlichen Namen zu nennende Linke ist. Nach J. Grimm 17, pgg. 985 und 993 ist &oıoreodg der Komparativ zu deıcros; nach seiner Auffassung war diese Bezeichnung von der Rechten, die ursprünglich als die beste be- . zeichnet wurde, auf die Linke sekundär übertragen worden, was aber äusserst unwahrscheinlich ist, da ja diese Uebertragung vom ganzen Volke, resp. von allen urgriechischen Volksstämmen wie auf höheren Befehl vorgenommen worden wäre. 32) Nach J. Grimm, 17, p. 986, „herrscht für das rechte unter allen ur- verwandten Völkern grosse Einstimmung, für das linke desto grössere Ver- schiedenheit.“ Ich erkläre das damit, dass man die Rechte bei ihrem Namen nennen durfte, die Linke aber, wie ausgeführt, euphemistisch zu umschreiben für geraten hielt; und diese euphemistischen Umschreibungen waren nach Zeit und Ort fortwährendem Wechsel unterworfen. 33) Ich verdanke diese interessante Stelle Herrn Professer Dr. K. Marti. #4) Meyer’s Konv. Lex.: rechts und links. 188 Paul Sarasin. ab mit den Worten: „er müsse seine Notdurft verrichten.“ Darauf sagte uns unser Dolmetscher, der Umstand, dass er uns die Linke gereicht habe, sei ein Ausdruck seiner tiefsten Verachtung gewesen, und es bedeute das eine schwere Beleidigung; denn die linke Hand sei die unreine, da nach der Defäcation mit ihr die Waschung vor- genommen werde. Dazu stimmt denn auch, wie mir jetzt nachträglich einfällt, das Schlusswort der königlichen Unterhaltung.*) Es ist hiebei daran zu erinnern, dass die Faeces als Nahrung der unreinen Dämonen gelten, wie sich das noch in der Gegenwart in einem gewissen Brauch der Diebe erhalten hat, die nach glücklich voll- endetem Einbruch ihre Faeces zurücklassen, offenbar zur Belohnung oder zur Beschwichtigung der Dämonen, und solche Vorstellungen sind weltweit verbreitet. Die Nahrung der Dämonen aber ist selbst dämonisch und damit auch die Hand, die sie berührt. Und da ich gerade von den unsauberen Gebräuchen der Diebe handle, erinnere ich daran, dass im alten Rom. beim Stehlen die linke Hand benutzt wurde: natae ad furta sinistrae (Ovid). °°) Herr Professor Dr. B. Duhm wies mich in einem Ge- spräche darauf hin, dass man bei der Frage der religiösen Rein- heit und Unreinheit durchaus unterscheiden müsse zwischen Rein- heit und Reinlichkeit; der religiöse Begriff der Reinheit sei aus- schliesslich in Beziehung auf das dämonische zu verstehen, der böse Dämon macht unrein; viele uns als unreinlich vorkommende Dinge können religiös genommen rein sein und umgekehrt. So seien der Kot und Urin von Kühen für rein gehalten worden, da sie von einem reinen Tier stammten, was, wie ich nebenbei be- merke, auch heute noch für Indien gilt; andrerseits habe das Bibelbuch für unrein gegolten, da die Möglichkeit bestand, es könnte eine Maus, die als ein unreines Tier galt, darüber gelaufen sein. Ich erinnere auch an den allgemein im Volke gebrauchten Ausdruck, wenn von einem Orte gesprochen wird, wo es nach dem Glauben der Leute spukt: „hier ist es nicht sauber“; einige brauchen dafür das hebräische Wort „koscher“, wonach also noch in der Gegenwart Unreinheit sich mit dem Begriff des Dämonismus verbindet. (Creisteskranke galten bekanntlich als von „unreinen Geistern besessen“ und gelten es bei ungebildeten Leuten noch %) Herrn Professor Dr. E. Hoffmann-Krayer verdanke ich nachträglich den Hinweis auf die folgende Stelle in: de la Rogue, Beschreibung der Reise nach Palästina ete. Uebersetzung, Leipzig, 1740, p. 169: „Von den Beduinen werden alle Speisen mit der Hand anstatt der Gabel angefasst, doch keine mit der linken, sondern nur allein mit der rechten; denn jene ist zum waschen bestimmt, wenn man seine Notdurft verrichtet hat.“ 86) Siehe Georges Lexikon bei „sinister“. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 189 heutzutage. Und so kam mir auch der Gedanke, ob nicht in dem sogar in die moderne Naturwissenschaft eingedrungenen Verdacht, es könne Linkshändigkeit mit verbrecherischen Neigungen zu- sammenhängen, die altabergläubische Vorstellung in neuem wissen- schaftlichem Gewande uns entgegenträte, die Vorstellung nämlich, dass, da die linke Hand unrein, dämonisch ist, ein Linkser als ein von einem bösen Dämon Besessener und somit eben als ein Verbrecher oder zum mindesten als suspekt, als nicht koscher anzusehen sei. Der wunderliche Zombroso hat dazu den Anstoss gegeben, und es ist ja klar, dass, wenn wir die Lebensführung oder die Eigenheiten linkshändiger Personen unter die wissenschaftliche Lupe nehmen, wir an ihnen allerhand Mängel entdecken werden, wobei nur ver- gessen wird, dass dasselbe der Fall sein würde, wenn wir auch die Rechtshänder und, falls wir das sind, uns selbst „bis auf die Nieren“ prüfen wollten (siehe dazu oben Seite 166). Es ist jedoch noch anzufügen, dass bei solchen, die als Ver- brecher zur Aburteilung kommen, die Erziehung oft eine völlig vernachlässigte war, sodass sich eben niemand darum bemühte, etwaige vorhandene Linkshändigkeit in Rechtshändigkeit umzu- gewöhnen. So sagt auch Æ. Weber (61, p. 65): „Verbrecher stammen in den meisten Fällen von Eltern ab, die schon im Kontlikt mit den Gesetzen leben und ihre Kinder oft dem Schulzwang entziehen; oder sie entlaufen frühzeitig ihren Eltern und der Schule, geniessen jedenfalls in den wenigsten Fällen eine so geregelte Erziehung wie die andern; und da diese nun bei ihnen nicht so wie bei anderen wirken kann, so bleiben viele von ihnen, die sonst vielleicht Rechtser geworden wären, ihrer Natur zufolge Linkser. Auch das Beispiel der Mehrheit hat bei ihnen nicht die Wirkung, wie bei anderen; denn in der Natur des Verbrechers liegt es begründet, gegen die Mehrheit zu kämpfen und sich nicht von ihr beeinflussen zu lassen.“ Nachdem ich nun durch meine Ergebnisse am prähistorischen Menschen der Steinzeit und die daran geknüpften Folgerungen zu der Auffassung geführt worden bin, dass die Rechtshändigkeit des historischen Menschen’) einen psychologischen Grund hat, nämlich die Folge ist einer neu emporgekommenen Religion, so halte ich es nicht noch für meine Aufgabe, mich eingehend mit der Be- sprechung physiologischer Erklärungsversuche zu befassen, die von verschiedenen Autoren zur Erklärung der von ihnen als allgemein geglaubten und konstitutionell begründeten Rechtshändigkeit beige- bracht worden sind; einige derselben sind auch schon widerlegt 37) In der alt-ägyptischen Kultur fällt das Ende der Steinzeit und damit der Beginn der Bronzezeit mit dem, was wir historische Zeit nennen, im grossen ganzen zusammen, weshalb die sonst als prähistorisch geltende Bronzezeit oder Chalkochronie, von höherer Warte betrachtet, zur historischen Zeit zu rechnen ist; nördlich von den Alpen aber ist sie rein prähistorisch, und ebenso sind es daselbst noch ein paar Jahrhunderte der Eisenzeit oder der Siderochronie. 190 Paul Sarasin. worden, so die irrtümliche Hypothese, dass Linkshändigkeit eine Folge des Situs inversus viscerum sein könnte, indem gezeigt wurde, dass dies nicht zutreffen kann, indem es zahlreiche Rechtshänder mit Situs inversus gibt (vergl. Stier, 55, p. 139, wo die Literatur zu- sammengestellt ist). Ferner hat die Annahme eine grosse Verbreitung, die Links- händigkeit entstehe dadurch, dass von den Kinderwärterinnen die Kinder auf dem linken Arm getragen würden, wodurch der rechte Arm der letzteren behindert und deshalb wesentlich der linke aus- gebildet würde; aber Stier (55, p. 96), weist mit Recht darauf hin, dass das Tragen der Kinder auf dem linken Arm allgemeine Regel sei, da die Trägerin ihre rechte Hand für alle nötigen Ver- richtungen freihalten wolle, und doch werden die rechtshändig ver- anlagten Kinder zu Rechtsern; auch erinnert Stier daran, dass die Kinder ja gar nicht die meiste Zeit getragen würden, eine viel grössere Zeit vielmehr liegen sie im Bette oder im Wagen; sitzen sie aber auf dem linken Arm der Wärterin, so haben sie das grösste Vergnügen daran, mit der rechten Hand nach dem Gesicht der Wärterin zu greifen, das ihnen leichter erreichbar ist, als ein Spielzeug. Eine physiologische Erklärung der Linkshändigkeit ist also auf diese Weise nicht zu erlangen. Endlich sei noch kurz die zuerst von Pye-Smith**) 1871 und und in weiterer Ausführung von Mme Clémence Royer 1883 (40) ver- tretene Hypothese erwähnt, wonach die linke Lage des Herzens auf dem Wege der Darwin’schen Selektion zur Rechtshändigkeit geführt habe. Der Gedanke ist kurz dieser: Im Gefechte ist eine Verletzung der linken Seite wegen der Herzlage gefährlicher als eine der rechten; so kam es, dass ausschliesslich mit der Rechten kämp- fende Stämme solche, die Linkser waren oder doch nur zum Teil Rechtser, im Lauf der Zeiten austilgten, besonders, da die Rechtser mit dem Schild die Herzseite schützten. Dieser Erklärungsversuch, der schon von vornherein einen gekünstelten Eindruck macht, hat doch grossen Erfolg gehabt und ist mehrfach in breiter Ausführung wieder- holt worden. Aber dem ist zu entgegnen, dass der fechtende Arm, sei es der linke oder der rechte, gerade die betreffende Seite selbst am wirksamsten schützt, wie wir aus der Fechtkunst, besonders bei Linksern, sehen können, er ersetzt den Schild: ausserdem ist die Erfindung des Schildes wahrscheinlich keine alte: ich finde wenigstens bisher keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie weit in die Steinzeit zurückgeht. Dass Schleudersteine die Herzgegend bei Linksern eher treffen werden, als bei Rechtsern, mag vielleicht 88) Zitiert nach E. Weber, 61, p. 57. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 191 zugegeben werden; aber dass dies selektorisch wirken könne, wobei also diese Todesursache äusserst häufig eintreten musste, halte ich für ganz unwahrscheinlich ; tötliche Verwundungen durch Schleuder- steine werden doch meistens den Kopf betreffen. Ich erwähne dies, weil gerade auch bei diesem Erklärungsversuch auf Schleuder- steine hingewiesen worden ist. Damit verlasse ich diese Phanta- siespiele. (Siehe dazu auch Mollison, 32, p. 139.) Wir wollen uns nun noch mit drei grossen Philosophen unter- halten, die der uns beschäftigenden Frage der Rechts- und Links- händigkeit ihr Interesse zugewandt haben; und hier haben wir zuerst Platon zu nennen, der in seinen Gesetzen (VII, 794) von dem Gesichtspunkte ausgeht, dass wir von Natur für gleichmässigen Gebrauch der rechten und linken Hand veranlagt, dass wir also konstitutionell amphidex seien, dass aber die einseitige Bevor- zugung der rechten Hand vor der linken den Müttern und Kinds- mägden zur Last falle, die herkömmlicher Sitte folgend einseitig auf Ausbildung der rechten Hand bei ihren Zöglingen Bedacht nähmen. Dadurch sei es geschehen, dass wir alle auf der linken Seite soviel wie gelähmt wurden, was Platon als einen grossen Nachteil auffasst. Er wünscht, dass von den Erziehern und Er- zieherinnen beide Hände gleichmässig ausgebildet würden, wie dies z. B. bei den Skythen der Fall sei, die den Bogen ebenso gut mit der Rechten wie mit der Linken spannen könnten. Er empfiehlt darum die gleichmässige Ausbildung beider Hände, besonders auch für militärische Zwecke. °°) Nach der dargelegten Auffassung von Platon sind wir also alle konstitutionell amphidex, was unrichtig ist; aber richtig ist seine Auffassung, dass die kleinen Kinder amphidex sind und dass sie erst durch die Mütter und Kinderwärterinnen gewaltsam zu einseitigen Rechtsern erzogen werden, auch wenn sie konstitutionell Linkser sind. Die Kinder wurden also schon damals wie heute dazu angehalten, das „schöne Händchen“ zu geben. Die von Platon aufgeworfene Frage, ob eine gleichmässige Ausbildung beider Hände Vorteil bringen könnte gegenüber der einseitigen Ausbildung nur der einen Hand, steht heute in lebhafter Diskussion, es be- steht schon eine ganze Literatur darüber; ich verweise dafür nur auf die Abhandlung von Z. Katscher (24). Ich gehe darauf nicht ein, 83) Daraus geht hervor, dass die amphidexe Einübung beim griechischen Heere zur Zeit Platon’s noch nicht eingeführt war; wenn also Katscher, 24, p. 214 schreibt: „in den altgriechischen Heeren mussten die Pikenmänner und die Hellebardiere, weil die Vorderlinie der Bataillone bildend, mit beiden Hän- den gleich gut kämpfen können“, so wäre dafür eine nähere Quellenangabe be- sonders erwünscht. 192 Paul Sarasin möchte aber doch betonen, dass Platon recht hat, wenn er rügt, dass durch die Erziehung unsere linke Hand geradezu gelähmt wird; und ich erinnere gerne daran, dass, wie auf so ausserordent- lich vielen Gebieten so auch hier der grosse Leonardo da Vinci Pionier gewesen ist, der mit offenbarer Absicht sich beide Hände zu allen Zwecken dienstbar machte und der, wie Jakob Burck- hardt es bezeichnend ausdrückt, ein eigentlicher „Tausendkünstler“ war; und daran anschliessend mögen noch folgende Worte von Lueddeckens (27, p. 75) herangezogen sein: | „Es ist in der Tat nicht recht einzusehen, warum man jemandem einen besonders geschickten Gebrauch der linken Hand mit oder ohne Prügel abge- wöhnen sollte. Im Gegenteil, abgesehen davon, dass gerade im Arbeiterstande Verletzungen der rechten Hand, nach denen die linke ergänzend eintreten muss, immerhin nicht selten sind, liesse sich unschwer nachweisen, dass in vielen’ Berufen, ob sie nun blosse Aeusserungen der rohen Kraft oder besonderes Geschick und angelernte Tätigkeit erfordern, schon mit Rücksicht auf die Er- miüdung einer Hand der Besitz einer zweiten ebenso brauchbaren von hohem Werte ist. Ausserdem gibt es viele Gelegenheiten, wo der Gebrauch der linken Hand geradezu notwendig wird: so konnte ein linkshändiger Maler mir nicht genug versichern, wieviele Vorteile seine Anlage ihm stets gewährt habe.“ ' Platon’s Schüler Ayistoteles”) bestritt die Auffassung seines Lehrers, derzufolge jeder Mensch ursprünglich rechts und links gleichmässig veranlagt sei, indem er sich dafür ausspricht, dass von Natur allgemein die rechte Hand die stärkere sei, dass es aber wohl einige geben könne, die von Geburt amphidex seien, wörtlich: „gdbosı yao 1 OeËia xosittov, xaitvor Evötygerai Tiwas dugıdeSiovs yev&odaı.*“ Aristoteles vertritt also die Ansicht von der konstitutionellen Dexiochirie, wogegen Platon sich für konsti- tutionelle Amphidexie ausspricht. Beide haben bis zu einem ge- _ wissen Grade recht, Platon für das erste Lebensalter, Aristoteles für das Lebensalter nach Hervortreten der Heterochirie; dass freilich diese allgemein dexiochir sei, wie er meint, ist unzutreffend. Zuletzt zitiere ich noch einen dritten grossen Philosophen, näm- lich Kant, der in seiner Schrift über die Macht des Gemütes (23) sich kurz dahin ausspricht: „die linke Seite ist überhaupt genommen die schwächere.“ In der von Hufeland beigefügten Anmerkung heisst es: „Es ist ein unrichtiges Vorgeben, dass, was die Stärke im Gebrauch seiner äusseren Gliedmassen betrifft, es bloss auf die Uebung und wie man frühe ge- wohnt worden, ankomme, welche von beiden Seiten des Körpers die stärkere oder schwächere sein soll; ob im Gefechte mit dem rechten oder linken Arm der Säbel geführt, ob sich der Reiter im Steigbügel stehend von der Rechten zur Linken oder umgekehrt auf das Pferd schwinge usw. Die Erfahrung lehrt aber, dass, wer sich am linken Fuss Mass für seine Schuhe nehmen lässt, wenn 9) Nikomachische Ethik, ed. J. Bekker, 1861, V, 10. Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie etc. 193 der Schuh am linken genau anpasst, er für den rechten zu eng sei, ohne dass man die Schuld den Eltern geben kann, die ihre Kinder nicht besser belehrt hätten. So wie der Vorzug der rechten Seite vor der linken auch daran zu sehen ist, dass der, welcher über einen tiefen Graben schreiten will, den linken ansetzt und mit dem rechten überschreitet: widrigenfalls er in den Graben zu fallen Gefahr läuft.“ Aus dem gegebenen Zitat geht hervor, dass Kant, und mit ihm Hufeland, sich auf die Seite von Aristoteles stellt; aus den angezogenen Urteilen aber ersehen wir, dass die Frage der Rechis- und Linkshändigkeit auch die grössten Philosophen von der Antike bis zur neuesten Zeit beschäftigte, so dass eine umfangreiche Li- teratur sich hervorgebildet hat, die durch die glänzenden Namen Platon und Kant gewissermassen eingefasst erscheint. Und um nun noch einmal uns recht deutlich vor Augen zu führen, wie tief die Vorstellung des religiös heilvollen der rechten Hand im Gegensatz zum unheilvollen der linken Hand sei es be- wusst in uns lebt, sei es unterbewusst in uns schlummert, sollen noch zwei Worte Göthe’s uns den Schluss verzieren: „Warum reicht ihr mir die Linke? Bin ich die ritterliche Rechte nicht wert?“ sagt der Bruder Martin zu Götz, und Iphigeniens letzte Worte an Thoas lauten: „Leb’ wohl und reiche mir Zum Pfand der alten Freundschaft deine Rechte.“ Literatur, soweit sie von mir selbst eingesehen werden konnte, 1. Bardeleben, K. v. Ueber bilaterale Asymmetrie beim Menschen und bei hö- heren Tieren. Verh. Anat. Ges. Giessen, Anatom. Anz., 34, Erg.-heft, 1909. 2. — Weitere Untersuchungen über Linkshändigkeit. Anat. Anz., 38, 1911, Erg.- -_ heft, Verh. anat. Ges. Leipzig. 3. Boule, M. L'homme fossile de La Chapelle-aux-Saints, Annales de Paléonto- logie, 6, 1911. 4. Braune, W. 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Zwei Glyptolithen des Acheuleen, je ein Linkser und ein Rechtser von oben und von unten in 1/2 wirklicher Grösse; siehe dazu Seite 135. Zwei Sphenisken von der Mousterienstation La Micoque, je ein Linkser und ein Rechtser von oben und von unten in wirklicher Grösse; siehe dazu Seite 126. Zwei schaberartige Mousteriolithen von der Mousterienstation La Micoque, je ein Linkser und ein Rechtser von oben und von unten in wirklicher Grösse; siehe dazu Seite 127. Zwei Spitzen von der Mousterienstation La Micoque, je ein Linkser und ein Rechtser von oben und von unten in wirklicher Grösse; siehe dazu Seite 127. Zwei Mousteriolithen von der Station Le Moustier, je ein Linkser und ein Rechtser von oben und von unten in wirklicher Grösse; siehe dazu Seite 131. Figuren 25 und 26: Zwei schaberartige Mousteriolithen von Tas- manien, je ein Linkser und ein Rechtser in wirklicher Grösse; siehe dazu Seite 141. Figuren 27 und 28: Zwei neolithische Mousteriolithen von der Pfahlbautenstation im Wauwylermoos, je ein Linkser und ein Rechtser in wirklicher Grösse; siehe dazu Seite 139. Vier neolithische Mousteriolithen von Patagonien, je zwei Linkser und zwei Rechtser in wirklicher Grösse; siehe dazu Seite 140. Manuskript eingegangen 28. Januar 1918. Corrigendum. Im zweiten. Abschnitt der ersten Seite ist ein Flüchtigkeits- versehen zu ändern, es muss heissen: „In der Steinzeit oder Lithochronie unterscheiden wir eine ältere Hauptstufe oder die paläolithische Stufe, der eine zu der darauf folgenden überführende mesolithische angegliedert wird, von einer jüngeren oder neolithischen Hauptstufe, und in der paläo- lithischen wiederum werden bis jetzt sechs Unterstufen unterschieden“ U. S, W. Basel, 25. Mai 1918. Paul Sarasin. Das Wismutfahlerz ,,Rionit aus der Grube Baicolliou bei Grimentz im Val d’Anniviers (Kt. Wallis) als Beispiel einer wiederholten Zementationsumwandlung. Von J. Stauffacher. Mit einer Tafel (IX). Im August 1913 hatte ich Gelegenheit, die einzige, damals noch im Betriebe befindliche Kupfergrube im Val d’Anniviers, näm- lich Baicolliou (1950 m) südlich von Grimentz, zu besuchen. Die (rube Baicolliou verdiente dazumal ein besonderes Interesse durch den Umstand, dass seit dem Jahre 1911 von der Société fermière des Mines du Val d’Anniviers der Versuch gemacht wurde, aus dem Wismutfahlerz „Rionit“, welches dort mit Kupferkies zusam- men vorkommt, mittels des Elmore-Verfahrens das Wismut mit Vorteil zu gewinnen. In erster Linie interessierte aber den Lager- stättengeologen die Frage, wie sich das Wismutfahlerz „Rionit“ und der Kupferkies genetisch zu einander verhalten. Aus meinen Beobachtungen in der Grube ging nun mit einer gewissen Wahr- scheinlichkeit hervor, dass der „Rionit“ durch Zementationsumwand- lung aus Kupferkies entstanden ist. Mehr Licht in diese Frage, die von grösster praktischer Bedeutung ist, konnte aber nur die mikros- kopische Untersuchung der Erze erbringen. Das Dünnschliffmaterial über Baicolliou stammt teils aus eigener Aufsammlung her, teils konnte ich ältere Aufsammlungen aus der Schweizer-Lagerstätten- sammlung des Mineralogisch-Geologischen Instituts der Universität Basel benützen. Die interessanten Erzlager des Val d’Anniviers und des Turt- manntales sind seit Ende des 18. Jahrhunderts mehrfach abgebaut worden. Die umfangreiche Literatur ist von C. Schmidt im Artikel Montanindustrie (Erze) des Handwörterbuches der Schweiz. Volks- wirtschaft ete. 1907 zusammengestellt, und eine kurze Charakte- ristik der Lagerstätten gibt C. Schmidt neuerdings in den „Erläute- rungen zur Karte der Fundorte von Mineralischen Rohstoffen in der Schweiz“. 1917. 198 J: Stauffacher. Der „Rionit“ von Baicolliou tritt mit Kupfer- und Schwefel- kies und den Gangarten Bitterspat, Quarz, Calcit und Schwerspat zusammen als ein durchschnittlich nur 20 cm mächtiges Fahlband in den Glimmerschiefern der St. Bernhardzone auf. Die Glimmerschiefer und das Fahlband fallen flach, mit ca. 30° südwärts. In den süd- westlichen Abbauen der „Grande Descenderie“ schwankt die Mäch- tigkeit des Fahlbandes zwischen 5cm und 180 cm und beträgt im Durchschnitt 38 cm. In den ausgedehntern nordöstlichen Abbauen der „Region Nord“ variiert die Mächtigkeit zwischen 2cm und 52cm und beträgt im Mittel 16cm. Das Fahlbandgestein ist teils eigentlicher Sericitglimmerschiefer und Sericitschiefer, teils Sericit- gneiss durch Hinzutritt von viel Feldspat, besonders Plagioklas. Die Sericitschiefer sind gelegentlich so quarzreich, dass sie als Sericitquarzite oder Quarzitschiefer zu bezeichnen sind. Die Erze Rionit, Kupfer- und Schwefelkies und die Gang- arten Bitterspat, Quarz, Calcit und Schwerspat sind mit den Ge- mengteilen des Fahlbandgesteins (Quarz, Sericit, Feldspat, Chlorit) meist massig verwachsen und zwar ist die Verwachsung häufig eine sehr innige. Nicht selten jedoch finden sich die Gangarten, beson- ders der Bitterspat, aber auch der Quarz in grössern Brocken oder in Bändern, sodass entweder eine grobmassige oder eine bänder- förmige Verwachsung entsteht. Das Mengenverhältnis zwischen Rionit, Kupfer- und Schwefelkies unterliegt auf kleine Entfernung grossen Schwankungen. Es kommt somit nicht zur Ausbildung eines bestimmten Erzmittels in konstanter Entwicklung durch die ganze Lagerstätte. An erster Stelle finden sich rionitreiche Erztypen, die eine wesentliche Menge von Kupferkies und eine stark wechselnde Menge von Schwefelkies enthalten. An zweiter Stelle beobachten wir kupferkiesreiche, aber rionitarme und an dritter Stelle rionitreiche, aber kupferkiesarme Erztypen. Es sind nun gerade die an zweiter und dritter Stelle erwähnten Erztypen, die uns bei der örtlichen Untersuchung einige Anhaltspunkte über das genetische Verhältnis von Rionit und Kupferkies liefern. Bei den rionitreichen, aber kupferkiesarmen Erztypen ist zu beobachten, dass der Kupferkies vereinzelte, unregelmässig gestaltete, meist kleine Fetzen innerhalb grösserer, mehr oder weniger zusammenhängender Rionitmassen bildet, welche mit unsichern Grenzen, wie verschwommen, in den Rionit übergehen, Diese Art des Auftretens des Kupferkieses wider- spricht der Deutung als gleichzeitige Bildung mit dem Rionit und macht wahrscheinlich, dass wir es mit Überresten noch nicht in Rionit umgewandelten Kupferkieses zu tun haben. In analoger Weise tritt in den kupferkiesreichen, aber rionitarmen Erztypen das Rionit auf. Das Wismutfahlerz „Rionit“. 199 Die örtliche Untersuchung ergab also mit einer gewissen Wahr- scheinlichkeit das Resultat, dass der Rionit von Baicolliou durch Zementationsumwandlung aus Kupferkies entstanden ist. Die mikroskopische Untersuchung bestätigte in erster Linie das Resultat der örtlichen Untersuchung und stellte ferner fest, dass der Kupferkies 2. T. seinerseits durch Zementationsumwandlung aus Schwefelkies hervorgegangen 1st. 1) Bei den sionitreichen Erztypen, die eine wesentliche Menge von Kupferkies und eine stark wechselnde Menge von Schwefelkies enthalten (vel. Fig. 1), beobachten wir unter dem Mikroskop fol- gendes: der Rionit und der Kupferkies treten zusammen teils zwischen den Gemensteilen des Fahlbandgesteins, teils aber besonders in enger Verknüpfung mit Bitterspat auf, in dessen Spaltrisse sie eindringen und sich von dort aus ausbreiten. Beim Rionit ist aufs deutlichste zu sehen, dass er die Stelle des Kupferkieses einnimmt, diesen also 2. T. verdrängt hat. Der Schwefelkies bildet grösstenteils zahlreiche, winzige, scharf begrenzte Körner ausschliesslich zwischen den Ge- mengteilen des Fahlbandgesteines, oder er findet sich in beliebiger Gestalt in Verknüpfung mit denjenigen Rionitpartien, die zwischen den Gemengteilen des Fahlbandgesteins auftreten. Niemals findet sich Schwefelkies allein oder in Verbindung mit Rionit innerhalb des Bitterspates. Auffallenderweise ist reiner Schwefelkies mit der typischen graulichgelben Farbe selten, meistens ist die Farbe mehr oder weniger stark grünlichgrau, 2. T. sogar gelbgrün, ähnlich der Farbe des Kupferkieses. Diese Abweichung vom typischen Glanz des Schwefelkieses rührt von beigemischtem Kupferkies her, wie wir es: von vielen kupferhaltigen Schwefelkiesen kennen. Teilweise ist nun ein dünnes Kupferkieshäutchen auf dem Schwefelkies aufzemen- : “tiert, teilweise dürfte es sich aber um ein sehr inniges Gemenge von Schwefel- und Kupferkies handeln. 2) Bei den kupferkiesreichen, aber rionitarmen Erztypen be- obachten wir unter dem Mikroskop folgendes: Der Kupferkies ist weitaus vorherrschend und findet sich mit dem Rionit zusammen entweder zwischen den Gemengteilen des Fahlbandgesteins, auch dieselben häufig einschliessend, oder in engster Verknüpfung mit Bitterspat. Der Kupferkies und der Rionit dringen häufig in alle Spaltrisse des Bitterspates ein, so dass dieser ein Mosaik von Erz und Bitterspat bildet. Gelegentlich verdrängen Kupferkies und Rionit den Bitterspat vollständig. Der Rionit verdrängt in der Hauptsache in ganz unregelmässiger Weise den Kupferkies, manchmal tritt er aber merkwürdigerweise in z. T. grössern, länglichen, abgerundeten, wie kan- tengeschmolzenen Körnern innerhalb des Kupferkieses auf (vgl. Fig. 2 und 3). Da gelegentlich der Pyrit in genau derselben Form im Kupfer- 200 J. Staulfacher. kies auftritt, ist anzunehmen, dass die beschriebenen Fahlerzkörner Ver- drängungspseudomorphosen nach Pyrit darstellen. Sehr wahrschein- lich war dieser Pyrit sehr kupferhaltig. Untergeordnet findet sich auch etwas Buntkupferkies z. T. für sich allein, z. T. in engster Verknüpfung mit Kupferkies. Im letztern Fall kann das genetische Verhältnis zwischen Buntkupferkies und Kupferkies sicher fest- gestellt werden. Im dunkel bronzebraunen Buntkupferkies treten häufig noch gelblichgrüne Partien von verschiedener Grösse auf, die Reste von Kupferkies darstellen. Manchmal ist im Buntkupfer- kies sogar nur noch ein grünlicher Schimmer zu beobachten, der ganz verschwommen in den bronzebraunen Buntkupferkies übergeht. Der Buntkupferkies ist also aus dem Kupferkies hervorgegangen. 3) Bei den sionitreichen, aber kupferkiesarmen Erztypen be- obachten wir unter dem Mikroskop folgendes: Der Rionit herrscht bei weitem über den Kupferkies vor (vgl. Fig. 4). Pyrit ist in stark wechselnder Menge vorhanden. Der Rionit und der Kupferkies treten entweder zwischen den Gemengteilen des Fahlbandgesteins auf oder sie finden sich wieder in engster Verknüpfung mit Bitterspat und 2. T. auch mit Caleit. Der Calcit ist etwas älter als der Bitterspat, da er von Bitterspatadern durchzogen wird. Meist hat der Rionit den Kupferkies vollständig verdrängt, manchmal trifft man aber innerhalb des Rionits mehr oder weniger verschwommene, 2. T. über- aus zahlreiche, winzige Reste von Kupferkies an. Der Pyrit bildet fast ausnahmslos entweder idiomorphe oder scharf begrenzte rund- liche und längliche Körner (vgl. Fig. 5), die häufig von zahlreichen Rissen durchzogen werden (vgl. Fig. 6). Gelegentlich beobachtet man in diesen Rissen die Ansiedelung von Kupferkies oder von Rionit. Bisweilen findet sich etwas Rionit in diesen Pyritkörnern, ohne dass es möglich ist, nachzuweisen, dass diese Rionitansiedelung mit einem Riss in Verbindung steht. Aus der mikroskopischen Untersuchung der beschriebenen Erztypen von Baicolliou gewinnen wir das folgende Bild über die Genesis der Erze. Das älteste Erz ist Schwefelkies, so dass wr- sprünglich ein armes Pyritfahlband in den Glimmerschiefern vorlag. Später folgte aus der Tiefe eine Zufuhr von bitterspätigen Kupfer- lösungen, die im Pyritfahlband unter dem Einfluss des reduzierenden Schwefelkieses teilweise Kupferkies und Bitterspat, häufig unter Verdrängung von Schwefelkies, absetzten, teilweise im vorhandenen Schwefelkies Kupfer anreicherten. Diese Verdrängung von Schwefel- kies durch Kupferkies und die Anreicherung von Kupfer im wr- sprünglich gering kupferhaltigen Schwefelkies durch die aufsteigenden bitterspätigen Kupferlösungen wird als primäre Zementation be- zeichnet. Die durch diese ascendierenden Lösungen entstandenen Das Wismutfahlerz „Rionit“. 201 Sulfide Kupferkies und kupferhaltiger Schwefelkies werden nach- träglich teilweise in die noch reichern Sulfide Rionit und Bunt- kupferkies umgewandelt. Beim Rionit ist die Anreicherung von Kupfer allerdings nicht gross (Rionit 37,520/, Cu, Kupferkies 34,5°/0 Cu), da- gegen sind die hohen Gehalte an Bi (13,07°/) und As (11,44°/o) und die geringern Gehalte an Sb (2,19°/) und Co (1,20°%),) sehr auffallend (s. Analyse unten). Ob dieser hohe Bi-Gehalt des Rionits auf niedersinkende oder aufsteigende Wismutlösungen zurückzuführen ist, kann auf Grund unserer Dünnschliffuntersuchung allein nicht entschieden werden. Auch der chemische Weg liefert uns kein Re- sultat, da es bei der innigen Verwachsung von Rionit und Kupfer- kies nicht möglich ist, eine reine Kupferkiesprobe zu erhalten, so dass die Frage offen bleiben muss, ob der Kupferkies ursprünglich einen gewissen Gehalt an Bi (As, Sb, Co) hatte‘), der bei der Um- wandlung des Kupferkieses in Rionit durch niedersinkende Kupfer- lösungen aus den höhern Lagerstättenteilen angereichert wurde oder ob der gesamte Bi- (As, Sb, Co) Gehalt aus der Tiefe durch aufsteigende Lösungen neu hinzugeführt wurde. Im ersten Fall läge sekundäre, im zweiten dagegen wiederum primäre Zementation vor. Die Entscheidung darüber wird vielleicht möglich, wenn die Auf- schlüsse in der Grube die tiefsten Lagerstättenteile erreicht haben. Ist der Rionit durch sekundäre Zementation entstanden, so haben wir nach unten eine Abnahme der Rionitmenge zu erwarten, wäh- rend im andern Fall in der Tiefe vermutlich reichere Rionitmassen anstehen, als sie bis jetzt in der Grube bekannt sind.) Der Rionit von Baicolliou ist also das Endglied in einer Reihe von Zementationsvorgängen. Aus dem ursprünglich gering kupferhaltigen Schwefelkies entsteht durch primäre Zementation d. h. durch Empordringen von bitterspätigen Kupferkieslösungen Kupferkies und kupferhaltiger Schwefelkies, die später durch einen neuen Zemen- tationsvorgang in Rionit und Buntkupferkies umgewandelt werden. 1) Die chemische Untersuchung des Kupferkieses von Allée ob Zinal (Val d’Anniviers) durch Dr. F. Hinden im Mineralog.-geolog. Institut der Universität Basel ergab völlige Abwesenheit von Bi, As und Sb. Da das Kupferkiesvorkommen von Allee aber nicht in den Glimmerschiefern der St.. Bernhardzone liegt, son- dern in Diabasschiefern auftritt, die mesozoischen Kalkphylliten eingelagert sind, so ist ein Rückschluss auf den primären Gehalt an Bi, As und Sb im Kupferkies von Baicolliou kaum gestattet. 2) Andernorts konnte häufig der Beweis erbracht werden, dass Fahlerz durch sekundäre Zementation entstanden ist, da es sich ausschliesslich in der sog. Zementationszone findet, d. h. jener Zone sekundärer Reichsulfide, die da- durch entsteht, dass die (Normal) Sulfide an der Tagesoberfläche von den Tage- wässern aufgelöst werden, in die Tiefe sinken und hier bei gänzlichem Verlust an Sauerstoff von dem intakt gebliebenen (Normal) Sulfid reduziert werden, wobei natürlich eine Schwermetallanreicherung stattfindet, 202 J. Stauffacher. Der Rionit von Baicolliou hat nach der Analyse von Brauns (N. Jahrb. für Mineral. etc. 1870, S. 590) folgende chemische Zu- sammensetzung: SE: 29 ON /0 As 11,44 „ Sb 210) Bi N Cu 37,52 „ Ag _ 0,04, Ber Galle, Come 208 101,07 %o Danach ist der Rionit wahrscheinlich ein Gemenge von Arsen- (Antimon) Fahlerz [4 (Cu AgFe)’S. (As Sb)’ 8°”) mit Wittichenit [3 (Cn, S) Bi? S?]. Der Rionit von Baicolliou hat von allen bekannten wismuthaltigen Fahlerzen den höchsten Wismutgehalt. In seiner Zusammensetzung am nächsten steht ihm erstens das Wismutfahlerz von Neubulach in Württemberg mit 6,330/ Bi und 4,28°/ Sb (Neues Jahrb. f. Mineral. etc. 1870, S. 464), zweitens der Annivit von Barma, von den „Moulins de St. Luc“ und von Bourimont im Val d’Anniviers mit 4,940/, Bi und 8,8°/o Sb (Mittlg. naturf. Ges. Bern 1854, S. 57) und drittens der Studerit von Ausserberg bei Gross- trog im Ober-Wallis mit 0,58% Bi und 15,58°/ Sb (Mittlg. naturf. Ges. Bern 1864, 8. 178). Der wismutreiche Rionit würde also mehr Wittichenit enthalten als das Fahlerz von Neubulach, als der An- nivit und Studerit; der höhere Gehalt an Antimon im Fahlerz von Neubulach, im Annivit und Studerit wäre bedingt durch stärkere Beimengung des Arsen-Antimonfahlerzes, wobei beim Studerit das Antimon über Arsen etwas vorherrscht. Während der Rionit von Baicolliou und das Wismutfahlerz von Neubulach silberarm bis silberfrei sind, hat der Annivit, allerdings nur zum Teil, einen Silbergehalt bis 3°/o und der Studerit bis 10. Was die wirtschaftliche Bedeutung des Rionits betrifft, so musste der Versuch, aus dem Rionit das Wismut mit Vorteil zu gewinnen, als ein ganz unberechtigt optimistischer bezeichnet werden. Es ist bekannt, dass andernorts grosse und reiche Wismutvorkom- men (mit gediegenem Wismut und Wismutglanz) nicht voll produ- zieren können, weil der Bedarf an Wismut auf dem Weltmarkt nicht gross ist. Kleine und arme Wismutvorkommen, zu denen auch das Rionitkupferkiesfahlband von Baicolliou zu zählen ist, kommen also für den Wismutmarkt nicht in Betracht. Mineralogisch-Geologisches Institut d. Universität Basel, Febr. 1918. Calcit aus einer Kluft des Gasterngranits im Lötschbergtunnel. Von W. Grenouillet. Hiezu Tafel X, Fig. 2—6. Bei einem Besuch des Lötschbergtunnels am 29. April 1911 fand Prof. C. Schmidt, Basel, Kalkspatkristalle auf einer Kluft im Gasterngranit bei der Progressive km 5,34 ab Nordportal. Die Stelle liegt im Granit des Burgwaldes ca. 1300 m bergwärts des Beginns von Granit im Tunnel, auf 1225 m Meereshöhe und unter einer Überlagerung von 335 m. Die saigere Kluft hat die Richtung N 60° W, läuft also parallel der Kandernschlucht und der Schlucht des Burghubels, die tief in den Granit eingeschnitten sind. Der allgemeine Charakter des Granits auf der Strecke zwischen km 5 und km 6 ab Nordportal ist im Quartalbericht Nr. 16 der Berner Alpenbahn-Gesellschaft beschrieben.!) Nach den vorliegen- den Handstücken ist das Gestein richtungslos-körnig. Es besteht hauptsächlich aus Feldspat, und zwar kann man den Orthoklas mit seinen glänzenden Spaltflächen vom grauen, körnigen Plagioklas schon makroskopisch unterscheiden. Der Glimmer ist braun, idio- morph ausgebildeter Biotit. Der Quarz tritt in unregelmässigen, körnigen Aggregaten auf. Die Farbe des Granits ist weiss, er wird zuweilen grau und führt dann zahlreiche Kiesimprägnationen, vor- herrschend Pyrit. Die Caleitkristalle sind den Wänden einer Kluft aufgewachsen, teilweise Überzüge bildend, teilweise in grossen Individuen einzeln auftretend. Der Calcit ist vergesellschaftet mit Quarz und Chlorit, In der Bildung dieser drei Mineralien kann man deutlich drei Phasen unterscheiden. Zuerst wurde der Quarz ausgeschieden. Er sitzt in dünnen bis 5 mm langen Prismen auf dem Granit. Dann folgte die Bildung des Chlorits, der in Überzügen auf dem Granit und dem Quarz auftritt. Als drittes und letztes Glied der Aus- scheidung folgte der Calcit, der auf Granit, Quarz und Chlorit aufgewachsen ist. 1) Vergl. auch: Berner Alpenbahn-Gesellschaft, Schlussbericht Blatt IL. Bern, Selbstverlag der Gesellschaft, 1914. 204 W. Grenouillet. Nach der Art des Auftretens und nach der Formentwicklung unterscheiden wir drei im folgenden beschriebene Typen. Typus I. Grosse aufgewachsene Einzelindividuen und Kri- stallgruppen. Typus II. Mittelgrosse Kristalle, dicht gedrängt, mit Quarz zusammenhängende Krusten auf dem Granit bil- dend. Typus III. Kleine Kristalle in Einzelgruppen dem Granit aufsitzend. Typus I. (Fig. 2—5.) Der kleinste der von mir untersuchten Kristalle dieses Typus misst von einer Rhomboederfläche zur gegen- überliegenden 15 mm, der grösste 6 cm. Folgende Formen treten auf: RR (670 Do) ar: (daD) 6R 556 WAR, (Fraser ® © 5) 8 A Am stärksten ausgebildet ist däs Rhomboeder 4/3 R, das den Kristallen den Habitus gibt. Der Polkantenwinkel ist 92° 50’. Die Fläche zeigt stark ausgebildete Kombinationsriefung parallel der kürzeren Diagonale. In der Nähe der Polecke liegen die Streifen 3 bis 4 Millimeter auseinander, gegen die Mittelkante hin treten sie näher zusammen, so dass an der Mittelkante drei bis vier Streifen auf einen Millimeter fallen. Die Fläche, die die Kombina- tionsstreifung verursacht, hat in der Nähe der Mittelkante eine Neigung von ca. 161/° zur Fläche (11 1 1). Gegen die Polecke hin nähert sich diese Fläche immer mehr dem Grundrhomboeder, (11 1 1) tritt immer mehr zurück, so dass unmittelbar bei der Pol- ecke oft (100) selbständig auftritt. Die Form (11 1 1) ist von Goldschmidt nicht angeführt, °) weshalb ich die Resultate einiger Messungen und Berechnungen angeben will. Tabelle der Polkantenwinkel in der Form (11 1 1). | | mr Winkel (11 1 1) :(1 11 1 gemessen berechnet 18. 5 bei der Mittelkante 920 49 920 491/2” 6 He : 920 50’ 920 491/2' 2 PR = 920 50’ 920 491/2” 2 in der Nähe der Polecke 1030 00’ 1) 105005 2) 2 an der Polecke 105004’ 2) 105005 2) | 1) Allmählicher Uebergang in die Form (100). 2) Form (100). 2) Goldschmidt, Index der Kristallformen der Mineralien. Calcit aus einer Kluft des Gasterngranits. 205 Der Fläche 4/3 R schliesst sich ein steileres Rhomboeder an, 7 R von der gleichen Beschaffenheit wie das erste. 7 R geht über in eine Reihe nicht gut auseinander zu haltender steiler, negativer Rhomboeder, wovon nur drei bestimmt werden konnten, da die Flächen stark gerieft oder gewölbt sind: (7 7 11), (5 5 6), (7 75). Die beiden ersten Flächen sind nur schwach ausgebildet, die dritte hingegen (7 7 5) tritt wieder stark hervor. Sie ist noch stärker gestreift als das positive Rhomboeder (11 1 1) und oft auch stärker gewölbt. Die Form (7 7 5) zählt Goldschmidt (siehe Anmerk. pag. 204) zu den „unsichern Formen“, es seien deshalb auch einige Mes- sungen angegeben. Tabelle der Winkel in der Zone pos. Rhomb.—neg. Rhomb: Er Winkel | gemessen | berechnet | ig. | ; 5 CU 0622 280 51’ | 280 17’ as 5 ag 80051 **) | 330 ar 5 zo en os) 1003 | 5 G5 5) #06 za 160 52° | 170.007 *) Reflexe schlecht. **) Reflexe sehr schlecht. Zu diesen Rhomboedern tritt noch ein Skalenoeder (5 0 3), R 4, mit sehr feiner Kombinationsstreifung parallel der Mittelkante. Die Kombinationskanten von Rhomboedern und Skalenoeder sind, infolge der Streifung, stark gebrochen. Gerade sind nur die Mittel- kanten des Skalenoeders und die Kanten in der Zone pos. Rhombo- eder —neg. Rhomboeder. Die Kante (11 1 1):(5 0 3) zieht sich oft nicht bis zur Pol- kante durch, sondern setzt aus, bevor sie diese a Die Fläche (5 0 3) geht dann allmählich in die Fläche (11 1 1) über, aber die Streifung von (5 0 3) setzt sich dann auf (11 1 1) fort, ohne die Richtung zu ändern. (Füg. 1.) Neben diesen immer vorhandenen Flächen, finden wir als Ab- stumpfung von Kanten und Ecken oft Ubergangsflächen. Diese sind durchgehends stark gewölbt und zeigen keine Streifung. Sie konnten nicht sicher festgelegt werden. Die Kante 7 R:-6 R wird oft durch einige steile positive und negative Rhomboeder abgestumpft. Nach- gewiesen werden konnte nur das sichere Fehlen des Prismas. Ferner finden wir an der Ecke 7 R :-6 R : R 4 zwei stark gewölbte Flächen auf R4, die nur ungefähr bestimmt werden konnten. Einige nicht ganz einwandfreie Messungen ergaben: (10 4 11) 3 R 7/3 und 206 W. Grenouillet. (10 7 11) 5/2 R 7/3. Diese Zahlen können, wie schon bemerkt, keinen Anspruch auf vollständige Sicherheit erheben, sie sollen nur zur ungefähren Orientierung dienen. (Fig. 3.) Neben den symmetrisch ausgebildeten Kristallen dieses Typus, finden wir auch vollständig unregelmässige Individuen. Eine Fläche der Form R4 kann stark zurückgebildet sein, zuweilen sogar ganz fehlen, sodass die trigonale Symmetrie scheinbar ganz verloren geht. (Fig. 6.) Die Kristalle des Typus I sind nie allseitig ausgebildet. Ge- wöhnlich ist nur eine Mittelecke ausgebildet (Fry. 5), während die andern fehlen. Wir haben dann nur 4 Flächen des Skalenoeders, 3 der positiven und eine der negativen Rhomboeder. Weniger häufig ist zur Mittelecke auch noch eine Polecke ausgebildet. Ziemlich häufig finden wir, dass nur eine Polecke mit 4 Flächen von (11 1 1) ausgebildet ist, während alle übrigen Ecken und Flächen fehlen. Fig. 4 zeigt die ideale Ausbildung eines Kristalls des Typus I. Fig. 5 zeigt die gewöhnliche Ausbildung der Kristalle dieses Typus. Eine Mittelecke ist vollständig ausgebildet, eine Polecke nur zum Teil. Von (11 1 1) sind 3 Flächen zur Ausbildung gelangt, von (7 7 5), (5 5 6), @ 7 11) und (5 2 2) je eine Fläche, von (5 0 3) 4 Flächen. Der Kristall misst in seinem vertikalen Durchmesser 4,5 cm. Fig. 6 zeigt einen angespaltenen, unregelmässig ausgebildeten Kristall des Typus I. Eine Fläche von R 4, die Fläche (5 0 3) ist nicht zur Entwicklung gelangt. Der Ver- tikaldurchmesser misst 2 cm. Typus I. Die Kristalle sind bis 15 mm gross. Der Habitus wird gegeben durch 2 Skalenoeder: (2 0 1) und (3 0 1), R 3 und ® 2. (2 0 1) ist stark gewölbt und parallel der spitzeren Polkante gestreift. Die Flächen von (3 0 1), die weniger stark gewölbt sind, zeigen Streifung parallel der Mittelkante. Die Polkantenwinkel sind : Von (2 0 1)=102°10’ und 155° 44 Von (3 0 1)= 104° 36’ und 144° 25’ Die Kristalle dieses Typus sind allseitig und vollständig sym- metrisch ausgebildet. Typus II. Es sind kleine Kristalle, deren Durchmesser weniger als 1 mm misst. Es treten nur ein flaches Rhomboeder, ein steileres Skalenoeder und die Basis auf. Die Rhomboeder- und Calcit aus einer Kluft des Gasterngranits. 207 Skalenoederflächen sind stark gewölbt, die Basisflächen vollständig eben. Wegen der allzu grossen Wölbung der Flächen konnten diese nicht genau bestimmt werden. Diese Kristalle sind meistens an der Basis aufgewachsen. Von Interesse ist es, das Auftreten des Calcits als Kluftmineral in Granit in Beziehung zu bringen zu den Quellwassern, die beim Bau des Tunnels in Granit angefahren worden sind. Herrn Prof. ©. Schmidt verdanke ich darüber die folgenden Mitteilungen: Die kristallführende Kluft selbst führte kein Wasser. Im all- gemeinen waren auf der 6976 m langen Strecke, auf welcher der Tunnel den Gasterngranit durchfuhr, wasserführende Klüfte, das heisst bemerkenswerte Quellen überhaupt nicht sehr häufig. Nach einer Mitteilung von Æ. Hugi und M. Lugeon*) fanden sich Quellen mit 90 und 60 Min.-Ltr. Erguss nur auf einer 739 m langen Strecke am Südrande des Granitmassives. Nach den unveröftent- lichten Beobachtungen von C. Schmidt sind jedoch ausser den von Hugi erwähnten feuchten Stellen des Granites (suintements) mehrere tatsächlich wasserführende Klüfte auch im übrigen Teil des Gastern- granites angefahren worden. In der nördlichen Randpartie des Granites, 4500 m ab Nordportal, das heisst auf 520 m Länge ab Granitanfang, wurden 5 Quellen und. dann wieder in der zentralen Partie des Granites von 6086 m bis 8095 m ab Nordportal, vier Quellen angetroffen, deren Wasser analysiert werden konnten. In der folgenden Tabelle sind die von Dr. Hinden im Mineralogischen Institut der Universität Basel ausgeführten Analysen zusammen- gefasst. Es ergibt sich, dass die Wasser der Quellen, die auf einer relativ kurzen Strecke der nördlichen Randpartie auftreten, wesent- lich differieren von denjenigen, die der längern Strecke des zen- tralen Teils angehören. Während die randlichen Quellen 3,5 —4,0 gr pr. Ltr. gelöste Bestandteile enthalten, sind in den zentralen Quellen nur 0,3—1,2 gr pr. Ltr. nachzuweisen. Die nördlichste Quelle des zentralen Teils (bei 6086 m ab N. P.) nähert sich in ihrer Zusammensetzung den Quellen des Nordrandes. Die Berechnung der Analysen ergibt, dass der vorherrschend gelöste Bestandteil der Quellen des Nordrandes Ca SO, ist, 1,25 3) M. Lugeon. Les sources Thermales de Loeche-les-Bains (Leukerbad). Mat. carte géol. Suisse, N. Ser. Livr. 38. Berne 1912. rag 208 W. Grenouillet. Quellen der nördlichen Randpartie | Quellen des zentralen Teils des Granites des Granites Gelöste Bestandteile = 3,5—4 gr Gelöste Bestandteile per Liter = 0,5—1,2 gr per Liter Progressiv ab N P. | 4030 | 4042 | 4095 | 4459 in Metern ab SP. 4500 | 6086 | 7140 | 7595 | 9095 6935 | 5435 gr im Ltr |gr im Ltr. \er im Ltr.|or im Ltr. gr im Lir. er im ir. er im Ltr. \gr im Ltr. |er im Ltr. Si 0, 0,0104 Spur | 0,0040 0,0060) 0,0020) — — — — Fes03 u. Al,0,| Spur | 0,0052| 0,0100 Spur | Spur | — == — — CaO - |0,6916| 0,5788| 0,5112| 0,7820| 0,7580] 0,2680| 0,0120| 0,0240 0,0280 Me 0 0,1904 0,1344 0,1436 0,0136 0,0043] — _ — | Spur Na, O 0,7410 0,7197| 0,7898, 0,6649| 0,7028| — u“ KO Spur Spur Sour 0,0098 Spur | — — 10.1140 ol SO; 1,8130, 1,6780| 1,6560, 1,5160) 1,5110; 0,5560| 0,0360 0,1230 0,1270 Cl | 03809 0,2201 9,3124| 0,3705 0.118] 0,0533| 0,0106| 0,0106 0,0124 | 1,2300. 0,1800] 0,3250 0,3054 Summa resp. Glührückstände 4,0107 3,4010, 3,4560 3,3626, 3,3899 NaCl |0,6434 0,3632) 0,5155 0,6018! 0,6786] 0,0877| 0,0173| 0,0173 0,0205 Na,SO, |0,7971| 1,0409) 1,1300 0,7810| 0,7845] 0,3070 0,0333| 0,1473] 0,1643 K SO, me ee | DOI Meet MesO, |0,5681| 0,4010) 0,4284 0,0408| 0,0129) — | — — | CaSO, [1,6780 1,4040| 1,2500) 1,7681| 1,8019| 0,6510 0,0292] 0,0680 0,0584] Na(HC0:) [0.0858 0,1210 000 Zr az ze | CO) En eı oeen = Ve | — | — | 1 bis 1,8 gr pr. Ltr. Offenbar haben die Wasser dieser Quellen das sedimentäre Deckgebirge durchflossen, während die zentralen Quellen dem Granit allein entstammen. Unsere Calcit führende Kluft bei 5340 m ab Nordportal liegt etwa in der Mitte zwischen der ersten zentralen und der letzten randlichen Quelle. Die Kluft ist wohl ebenfalls von Ca-haltigen Wassern durchflossen worden, die vom Deckgebirge in den Granit eingedrungen sind. Mineralogisches und Geologisches Institut der Universität Basel. Febr. 1918. Neuere Funde von Anataskristallen im Binnental. Von O. Werdmüller. Hiezu Tafel X, Fig. 1. Unter den gelegentlichen neuern Erwerbungen von Anatas- kristallen von dem bekannten Fundorte Lercheitini im Binnental sind besonders bemerkenswert die Funde von prismatischen Kri- stallen aus dem Jahre 1895 und von bipyramidalen aus dem Jahre 1913. Diese letzteren stellen einen neuen Typus dar, der hier be- schrieben werden soll. Klein teilt in seinen „Beiträgen zur Kenntnis des Anatas“ (Neues Jahrbuch für Mineralogie 1875, Mineralogische Mitteilungen V) die von ihm untersuchten Anatase der Alp Lercheltini im Binnental (Wallis) in 4 Typen ein, von denen zwei, nämlich der säulenförmige nach © P © (100) und der stumpfpyramidale nach !/- P (117) mit dem „Wiserin* Kenngotts identisch sind. Er unterscheidet: a) einen spitzpyramidalen Typus nach P (111), b) einen stumpfpyramidalen Typus nach '/; P (117), c) einen säulenförmigen Typus nach x P « (100), d) einen pyramidalen Typus nach */; P (223). .. Zwischen den einzelnen Typen finden sich eine ganze Anzahl Ubergangsformen. Diese Einteilung wird auch von Desbuissons in seiner Mono- graphie „La vallée de Binn“ 1909 übernommen, worin er den Anatasen des Binnentales ein Kapitel widmet. Die Anatase des ersten Typus a) sind nach Kleins Angaben klein, ihre längste Ausdehnung beträgt 1—2 mm. Es sind dunkel- braune oder lichtgelbe Kristalle, die die Grundpyramide P allein oder in Kombination mit einer ganzen Anzahl abgeleiteter Pyra- miden zeigen. Dieser Typus ist in der mineralogischen Sammlung der Universität Basel, die mir zur Verfügung stand, in mehreren Exemplaren vertreten. 14 210 0. Werdmüller. Dem zweiten, flachpyramidalen Typus b) gehören die zwei folgenden Sammlungstücke an. Der eine Kristall ist hellgelb durch- scheinend, 3,5 mm hoch und 11,3 mm breit. Neben der grossen flachen Pyramide '!/; P (117) weist er die Formen ‘/6 P (116), 1}; P (115), P (111), 2 P (221), P « (101), © P (110), «P«& (100), ‘2 P °/3 (532) auf. Weniger flächenreich, dafür aber bei- nahe modellähnlich ausgebildet ist ein zweiter Kristall von den Dimensionen 2,6 mm /4,7 mm. Er ist auf Gneiss aufgewachsen; Messungen konnten keine gemacht werden. An die Basisfläche oP (001) schliesst sich die grosse flache Pyramide '/: P (117) an, auf die zwei kleinere, steilere Pyramiden folgen. An den Ecken tritt eine Pyramide zweiter Stellung auf, ferner lässt sich in ganz kleinen Flächen die Anwesenheit einer Bipyramide feststellen. Der Kristall ist tief gelbbraun und durchsichtig, sämtliche Flächen sind voll- kommen eben und glänzend. Zum dritten prismatischen Typus c) sind ausser einer Anzahl kleinerer Kristalle (Länge bis 15 mm) zwei, durch ihre Grösse be- sonders bemerkenswerte Exemplare zu zählen, die der mineralogischen Sammlung des Museums in Basel angehören. Der eine Kristall ist isoliert; er ist undurchsichtig, dunkelgelbbraun und misst in der Längsrichtung 37,5 mm, in der Querrichtung 19,7 mm. Gross und uneben schiefrig glänzend sind die Prismenflächen «© P «. Auf das Prisma ist mit matten, fein gestreiften Flächen die Pyramide 1/; P (113) aufgesetzt; ausserdem findet sich in schlechter Entwick- lung eine Pyramide II. Stellung. Dieser Kristall wurde von Herrn Prof. ©. Schmidt im Jahre 1895 zugleich mit einer grossen Anzahl kleinerer Individuen im Kollergraben gesammelt. Das zweite Exemplar!) ist auf Grneiss aufgewachsen; es ist von dunkelhoniggelber Farbe und besitzt einen Durchmesser von 17,3 mm. Messungen konnten nur mit dem Anlegegoniometer ge- macht werden. In grossen, spiegelglatten Flächen, die sich gegen die Pyramide II. Stellung und gegen die Bipyramide hin etwas ab- runden, ist das Prisma & P & (109) entwickelt. In glänzenden schmalen Flächen ist die Pyramide II. Stellung P © (101) ausge- bildet, flankiert von einer rauhflächigen, längshöckerigen Bipyramide, die aber nur in einem Quadranten regelmässigen Bau, in den übrigen je eine grosse und eine ganz kleine Fläche zeigt. Die Lage der Flächen und die mit dem Anlegegoniometer vorgenommenen, rohen Winkelmessungen lassen erkennen, dass es sich um die Bipyramide P 3 (813) handelt. Gross, matt und quergestreift ist die Pyramide 1) Von der mineralogischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Basel im Jahre 1897 erworben und wahrscheinlich aus derselben Fundperiode wie das erste Stück stammend. Neuere Funde von Anataskristallen im Binnental. 211 2/; P (225), nach oben schliesst sich eine flachere, stark querge- kerbte, terminale Pyramide an, deren Winkelmasse sich denjenigen von !/; P (115) nähern. Kristalle des vierten Klein’schen Typus d) mit ?’/s P (223) als Hauptform, sind in der Sammlung nicht vorhanden. Beim dritten Klein’schen Typus ist das Auftreten der acht- seitigen Pyramide P 3 (313) bemerkenswert. Durch Weiteraus- bildung dieser Pyramidenflächen und Zurücktreten des Prismas er- halten wir den uns vorliegenden neuen 5. Typus, der durch die matte Fläche P 3 (313) charakterisiert ist. Dieser Typus ist durch 9 Anataskristalle der Sammlung ver- treten, die von dem Mineralienhändler Albin Kiechler in Binn im Jahre 1913 geliefert worden sind. Die Kristalle sind gut ausgebildet, lichtbraun durchscheinend und besitzen ein spezifisches Gewicht von 3,95. Die Dimen- sionen des grössten Exemplares betragen 14 mm / 16 mm, senkrecht und parallel zur c-Axe. Ich habe folgende Flächen feststellen können: P 3 (133), ‘/: P (113), © P & (100), ‘2 P (112), P + (101), P (111), 3 P (331). Die Flächen der Bipyramide, die hier zur unbeschränkten Hauptform geworden ist, sind gross und rauh. Klein und glänzend fügt sich an sie die flachere Pyramide 1} P an und etwas grösser und ebenfalls glänzend, als terminale Flächen, die Pyramide !/s P (113). Jede zweite Polkante der Bipyramide P 3 (313) ist durch die Grundpyramide II. Steilung, einer sehr schmalen, schwach glänzenden Fläche abgestumpft. An den dazwischen liegenden Ecken findet man als sehr kleine, aber wohl ausgebildete Flächen die Grundpyramide P (111) und die steile Pyramide 3 P (331). Nur in einer oder zwei kleinen rauhen Flächen tritt das Prisma II. Stellung © P & auf. Das grösste Exemplar dieses Typus ist etwas flächenärmer; es besitzt nur die Formen P 3 (133), '/s P (113), © P & (100) und an einer Stelle als sehr kleine Abstumpfung ‘> P (112). Das Axenverhältnis wurde berechnet als a:c = 1:1,7799 (Miller 1:1,7771; Schrauf 1 : 1,7844). Eine Zwischenform zwischen dem prismatischen und diesem neuen Typus scheint das folgende Sammlungsexemplar zu sein. P 3 (133) ist in ziemlich grossen, matten und schwer mess- baren Flächen vorhanden. An P 3 setzt sich als Endfläche, glänzend und gestreift, 1/3 P (113) an, ebenfalls glänzend ist die Pyramide II. Stellung P ©, welche abwechslungsweise die Kanten der Bipyramide gerade abstumpft. Mit ausgeprägter Horizontal- streifung ist °/s P (335), in einer Fläche °/s P (223) entwickelt. O. Werdmiüller, [no mi [Lo Gemessene Winkel. | | berechnet gemessen | | 1/3 P: 1/3 P über O P 1000 0° 1000 0’ 1/3 P : 1/2 P | 1680 28° 1680 26’ L2HPIERE. | 1630 12’ 1630 15: PI: 3. P a 01527000) 1650 52° 3 P:3 P (Randkanten) | 1649 56’ | 1640 52’ 1/3 P: ls P (Polkanten) = 1250 56 | 1250 49’ BEE | 1380 55’ | 1380 56’ PSE PS (Kante2xX) 1470 56’ | 147030’ (Anlegegoniometer) B2357 2232 Kante) 1350 30° | 1340 (Anlegegoniometer) BES Ba Kante Z) 1230 52' 1249 (Anlegegoniometer) Besonders glänzend und vollkommen eben sind die Prismenflächen x P x und » P, von denen x P & sich durch seine Grösse aus- zeichnet. In winzigen Flächen, zu beiden Seiten von æ P ist eine weitere achtseitige Pyramide erkennbar, deren Messungswerte aber unsicher sind. Der Kristall ist licht gelbbraun, durchscheinend; seine grösste Ausdehnung beträgt 8,7 mm. Eine ähnliche Form beschreibt À. A. Solly (Min. Mag. 1904, 14, 16): „Anatase. — Some very brilliant and highly modified crystals of a light brown colour were obtained from the Ofenhorn in 1903. The largest crystal measures nearly an inch across. The form (313) is largely developed; other forms present are (100), (110), (111), (311), (221), (223), (335), (112), (113), (117) and also a new (hkl) plane close to (110) and (221), which is en (24. 14. 7.). These crystals resemble Seligmanns fig. 3 (Krist. Zeitschr. 1886, Bd. 11, pag. 337).“ In der Tat zeigt de Abbildung der von Se ligmann besehchwacn Kristalle grosse hante mit unserm Sammlungsstück, sodass wir auch die Solly’schen Kristalle als Zwischenform zwischen dem prismatischen und dem pyramidalen Typus nach P 3 betrachten dürfen. Vorkommen: Die besprochenen Anataskristalle stammen, mit Ausnahme des von R. H. Solly beschriebenen Kristalles, alle aus dem Kollergraben (Lercheltini) im Binnental (vergl. C. Schmidt und H. Preiswerk, Geologische Karte der Simplongruppe, 1898 bis 1906, und Erläuterungen, pag. 63). Die Anatase finden sich hier als Kluftmineralien in einer dünn- schiefrigen, zweiglimmerigen Varietät des „Monte Leone-Ofenhorn- gneisses“ und zwar liegt die Fundstelle ca. 300 m über dem mineral- Neuere Funde von Anataskristallen im Binnental. 213 reichen Triasdolomitzug des Lengenbaches. Im Gneiss findet sich akzessorisch Anatas, in mikroskopischen Individuen. Bemerkenswert ist, dass die zu verschiedenen Zeiten gefundenen Anatase verschiedenartigen Habitus zeigen. In ältern Zeiten wurden hauptsächlich die flächenreichen, pyramidalen Typen a und b (Klein) gefunden. Um das Jahr 1895 waren besonders reichlich vertreten die Repräsentanten des säulenförmigen Typus ce und neuerdings sind in grosser Zahl die hier besonders beschriebenen, bipyramidalen Kristalle des neuen, fünften Typus gefunden worden. Diese Differenz in der Ausbildung der Binnentaler Anatase weist darauf hin, dass gewisse Klüfte, die je zu gewissen Zeiten aufgefunden werden, durch bestimmte Anatastypen charakteri- siert sind. Mineralogisches und Geologisches Institut der Universität Basel. Januar 1916. Morphologie des Aargauer Tafeljura.') Von Paul Vosseler. Mit vier Tafeln (XI—XIV). Inhaltsverzeichnis. Seite Weberblicke 2 372 no ZA Geologischer Bebe DCI N AR AU RER Qt, Po O7 Die obermiocäne Rumpffläche. Einleitung . . ei 2 Der Mensen ou de Hochtäche von ale BE Mens 0 Die Hochfläche des Bötzbergs . . | Die Höhenzone zwischen dem Brio und Nee. no A) Zusammenfassung, der’ Ergebnisse 1.0. nn 3 Ausräumungsgebiete. Das obere Fricktal . . . . + io li. Das Ausräumungsgebiet im Suden dor Rare ee cote CU) Das Rheintal zwischen Leibstadt und Säckingen . . . . . . . 251 Das PAaretal eee M 0 CS Ausräumungsgebiete Westlich de Mare re ae a do: AD Das. Gewässernetzi N... a ee 0 Zusammenfassung . . a ee u GE Uebersicht über Kar fenmatenisl du eine En + DES) Bemerkungen zu den Tafeln. . . . 2 Stereogramm des Aargauer Ta re A Kartenskizze der obermiocänen Rumpffläche. . . . . . . . . 263 Strukturkarte des Aargauer) Tafeljura 2 22 22 pr 00 Geologische Karte des Aargauer Tafeljura . . . . . . . . . 266 Morphologische Karte des Aargauer Tafeljura . . . . . . . . 268 Profil zwischen Schwarzwald und Kettenjura . . 268 Vier Profile zur Erläuterung der Entwicklung der Landschette men 269 Formations- und Mächtigkeitstabelle . . . . 265 Tabellarische Zusammenstellung der Vorgänge im Aasprnen Tafeljura > 5. O0 1) Das Gebiet ist dargestellt auf Blatt III der Dufourkarte 1 : 100 000, ebenso auf den Blättern des Siegfriedatlasses 1 : 25000, BI. 19. Sisseln, 20. Laufenburg, 21. Koblenz, 22. Klingnau, 32. Frick, 33. Bözen, 34. Wölfliswil, 35. Veltheim, 36. Stilli, 38. Brugg. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 215 Überblick. Das Gebiet, das dieser Arbeit zugrunde liest, und das ich unter dem Namen des Aargauer Tafeljura zusammenfasse, ist die Landschaft, die sich zwischen Rhein und Faltenjura ausbreitet. Nach Westen möchte ich es begrenzen durch eine Linie, die vom Thiersteinerberg nach Sisseln verläuft, denn westlich dieser Linie treten die letzten, in NS-Richtung verlaufenden Keilgräben auf, die A. Buxtorf?) als Pressungs- und Torsionserscheinungen der Se- dimentplatte in der Nähe des Rheintalgrabens auffasst. Im E bildet die Aare die Grenze, denn östlich dieses Flusses treten andere, durch die Eiszeiten bedingte Formen auf. Im Norden fliesst der Rhein in einem breiten, doch tiefen Tal. Er scheidet die in geologischer Hinsicht zusammenhängenden Landschaften des Schwarzwald und des Tafeljura in zwei, morpho- logisch ganz verschiedene Gebiete. Im Norden senkt sich der Schwarz- wald in flach geneigten Hängen zum Rhein hinunter. Nur da, wo Brüche das Gelände durchziehen, wie südlich dem Eggberg, fällt er in steiler Bruchstufe ab. Diesen allmählichen Übergang von den Höhen zum Tal zeigen sogar die Muschelkalkberge N Waldshut. Ein ganz anderes Bild zeigt sich auf der linken Rheinseite. Steil, unvermittelt erheben sich die Muschelkalkberge zwischen Stein und Felsenau. Ihr Fuss ist bedeckt von mächtigen Gehängeschutt- und Bergsturzdecken. Nur ganz schmale Terrassenreste legen sich an das Rheinufer. Der Fluss scheint sich immer mehr nach Süden einzuschneiden, und nur da, wo diluviale Schottermassen und Schutt- kegel grösserer Bäche ihn nach Norden drängen, sind die Hänge von seinen Angriffen geschützt. In mühevollem Anstieg gelingt es uns, auf die Höhe dieser Muschelkalkstufen zu gelangen. Hier dehnen sich ebene Hochflächen aus, die in ca. 500 m Höhe liegen und sich schwach gegen Süden senken. Als charakteristisches Bei- spiel, dessen Name schon seine Form andeutet, sei der Ebneberg bei Laufenburg erwähnt. Diesen Ebenheiten sind sanfte Kuppen aufgesetzt, die sie etwa um 60 m überragen. Sie bestehen aus oberen Keuper mit schwachen Liasrelikten. Südlich dieser Tafel- berge erhebt sich ein Muschelkalkhöhenzug. Er beginnt im Kaistertal bei Käsiberg und zieht sich in ENE-Richtung bis zur Wandfluh. Sein Nordhang steigt leicht an, doch im Süden ist er begrenzt durch einen steilen von Gehängeschutt bedeckten Abhang. West- lich des Kaistertales gehen die Tafelberge über in steil aufsteigende Hauptrogensteinhöhen. Diese überragen sie um 200 m. Südlich des Höhenzugs zwischen Käsiberg und Wandfluh aber ist eine 2) A. Buxtorf. Prognosen. a. a. 0. 240. 216 P. Vosseler. Schichtstufenlandschaft entwickelt. In kleinen Restbergen ist noch der Hauptrogenstein vorhanden, dessen obere Fläche dann auch in die höhere Hauptrogensteinstufe übergeht. Diese steigt bis über 700 m und bildet eine zusammenhängende Höhenzone, die nur von schwachen Einsenkungen unterbrochen ist. Im Osten übernehmen die Malmkalke die höhenbildende Rolle des Hauptrogensteins. Auf dem Tiersteinerberg und dem Bötzberg finden wir eine ausgedehnte Ebene. Nach sehr steilem Anstieg über den nörd- lichen Abhang wird es uns möglich, stundenlag auf einer mässig nach Süden geneigten Fläche fortzuwandern. Es wird später ent- wickelt werden, dass wir eine Rumpffläche vor uns haben. Zwar ist sie nur noch an den erwähnten Orten vorhanden. Die Erosion hat grosse Teile zerstört und hat eine Schichtstufenlandschaft ent- wickelt. So befinden wir uns in der Gegend von Frick in einer weiten Talung, die das Aussehen einer Ausräumungsmulde besitzt. Im Halbkreis umgeben sie hohe steile Berghänge von Hauptrogen- stein. Bäche haben ihren Zusammenhang zerstört und haben die Stufe in trapezförmige Stücke zerlegt. Im S. und E. bedingen dann die weichen, von dunkeln Föhren- und Tannenbeständen bewachsenen Effingerschichten das Aussehen der Gegend. Nicht mehr ist wie in Frick ein Ausräumungskessel vorhanden, sondern es treten niedere langgestreckte Riedel mit sanften Abhängen auf. Über sie erheben sich dann die steilen Malmkalkstufen. Auch sie sind in schmale hohe Riedel zerlegt und die Bäche greifen mit steilem Gehänge in die sie trennenden Täler ein. Südlich einer Linie, die von Oltingen über Linn nach Vill- nachern zieht, verändert sich das Bild. Das Relief wird nicht mehr gebildet von weiten Ebenheiten und steilen Stufen, sondern bis zu 400 m absoluter Höhe reichende Berge türmen sich auf. Es ist der Kettenjura, der sich hier mit seinen nördlichsten Falten und Überschiebungen auf die Sedimenttafel des Tafeljura legt. Er zeigt Formen, die von den bis jetzt besprochenen gänzlich verschieden sind. In diese Landschaft haben Flüsse ihre Täler eingegraben. In einem sehr breiten Tal fliesst die Aare. Ihr Lauf ist begleitet von zum Teil hochgelegenen Schotterterrassen, die uns sein Alter be- stimmen lassen. Sie fliesst quer zum Streichen der Schichten, die zwar nur selten bis an den Fluss herantreten. Sie strömt bei Felsenau-Koblenz in den Rhein, oder, wenn man die Wasser- mengen vergleicht, empfängt sie ihn als Zufluss. In einem Bogen biest dann der Strom bei Waldshut nach SW. um und behält ungefähr diese Laufrichtung, hin und her schlängelnd, bis Stein- Säckingen. In ihn ergiessen sich Bäche mit kleinem Einzugsgebiet und gestrecktem Unterlauf. Morphologie des Aargauer Taleljura. 217 Nur der Sisselnbach greift in seinen Quellflüssen bis in den Kettenjura hinein. Diese sammeln sich in der Gegend von Frick und fliessen durch das breite, von Schotterterrassen erfüllte untere Fricktal. Eingesenkt in seine Anschwemmungen und in die Rhein- niederterrasse, ergiesst sich dann diese Sammelader bei Sisseln in den Rhein. Gegen Osten fliessen nur schwache Bäche der Aare zu, die zum Teil auf der Bötzberghochfläche ihren Anfang nehmen. Der Aargauer Tafeljura ist ein Gebiet grosser Ursprünglich- keit. Wohl finden sich überall Rodungen in der ursprünglich die ganze Gegend überziehenden Walddecke, doch bedecken noch grosse ausgedehnte Forste die Höhen. Die Besiedlung ist ziemlich dicht, doch sie zieht sich in den Tälern in grossen Dörfern zusammen. Über das ganze Gebiet sind aber auch Einzelsiedlungen zer- streut, die oft noch recht altertümliche mit Strohdächern bedeckte Einheitshäuser zeigen. Die Mannigfaltigkeit des Landschaftsbildes macht den Aargauer Tafeljura zu einer recht lieblichen, wohl sehenswerten Gegend. Es ist nun Aufgabe der folgenden Zeilen, dieses in grossen Zügen gegebene Bild durch Beschreibung der einzelnen natürlichen Landschaften zu vervollständigen und dann zu versuchen, zum Ver- ständnis der Formen zu gelangen. Geologischer Überblick. Karten: J. Schill: Geol. Karte d. Grossht. Baden, Sektion Waldshut. 1:50000. F. Mühlberg: Geol. Karte des untern Aare-Reuss- und Limmattales. 1:25000. _ E. Brändlin: Geol. Karte d. nördl. Aarg. Tafeljura zwischen Aare und Fricktal. 1:100000 und Handschriftliche Originalaufnahme. L. Braun: Geol. Karte des Blattes Frick. Handschr. Originalaufnahme. (Herr Prof. Dr. C. Schmidt hatte die Liebenswürdigkeit, mir die Benützung dieser handschriftlichen Karten zu gestatten.) Geol. Karte der Schweiz. 1:100000. Blatt III. ITteratur: Peter Merian: Beiträge zur Geognosie. Basel 1821. Peter Merian: Über den Aare. Jura. Bericht. ü. d. Verh. der Basler naturf. Ge- sellsch. 1851. 137. Cas. Moesch: Der Aarg. Jura und die nördl. Gebiete des Kantons Zürich. Bei- träge IV. 1867. Jul. Schill: Geol. Beschreibung der Umgebung v. Waldshut. Beitr. zur Statist. d. innern Verwalt. d. Ghzt. Baden. 23. 1867. A. Gutzwiller: Die löcherige Nagelfluh. Ber. d. Gewerbeschule Basel. 1880. F. Mühlberg: Kurze Skizze der geol. Verhältnisse des Bötzbergtunnels etc. Mitt. d. aarg, nat. Ges: V. 1889. 218 P. Vosseler. J. J. Früh: Beiträge zur Kenntnis der Nagelfluh in der Schweiz. Neue Denk- schrift der allgem. Ges. für die gesamten Naturwissensch. 30. 1890. L. du Pasquier: Über die fluvioglacialen Ablagerungen der Nordschweiz. Beitr.: NIESIRELSIE F.-Mühlberg: Berichte über Exkursionen 1892: Eclogae XXIII. 1892. 181. 413. 1894. Compte-rendu du congrès international 6° session 1894. 1901. Eclogae VII. 1902. Jul. Sitzenberger: Über die beim Bahnbau zwischen Koblenz u. Stein im Aargau zu tage getretenen Triasgesteine. Vierteljahrsschrift d. nat. Ges. in Zürich 38. Heft 2. 1892. F. Mühlberg: Geol. Exkursionen im östl. Jura und aarg. Quartär. Livret-guide 1894. C. Schmidt: Geol. Beschreibung des östl. Aargauer Juras. Livret-guide 1894. 41. Aug. Buxtorf: Über vor- oder alt-miocäne Verwerfungen im Basler Tafeljura. Eclogae VI 1899. 176. M. Mühlberg: Brauner Jura in der Nordschweiz. Eclogae VI 1900. 293. A. Buxtorf: Geologie der Umgebung von Gelterkinden. Beiträge NF. XI. 1901. F. Mühlberg: Bericht über die Erstellung einer Quellenkarte des Ktons. Aargau. 1901. F. Mühlberg: Erläuterungen zu den geol. Karten des Grenzgebietes zwischen Ketten- u. Tafeljura. I. Lägernkette. Eclogae VIT. 1902. 246. II. Aare- Reuss- u. Limmattal. Eclogae VIII. 1904. 487. F. Brombach: Beitr. zur Kenntnis des Trias. am SW. Schwarzwald. Mitt. d. Grh. Bad. Landesanstalt. IV. 1903. 429. F. Schalch: Nachträge zur Kenntnis des Trias am Südöstl. Schwarzwald. Mitt. d. Grh. Bad. Landesanstalt. V. 1906. E. Schaad: Die Juranagelfluh. Beiträge. N.F. XXII 1908. J. H. Verloop: Die Salzlager der Nordschweiz. Diss. Basel 1909. Ed. Blösch: Zur Tektonik des schweizerischen Tafeljura. N. Jb. für Min. etc. Bei- lage Bd. XXIV. 1910. 593. A. Buxtorf: Oberflächengestaltung u. geol. Geschichte des nordschweizerischen Tafeljura. Verh. d. schweiz, nat. Ges. 93. Jahresber. 1910. Bd. I. E. Brändlin: Zur Geologie des nördl. Aargauer Tafeljuras zw. Aare u. Fricktal. Verh. d. nat. Ges, Basel. XXII. Heft 1. 1911. F. Mühlberg: Der Boden des Aargaus, Festschrift u. Mitt. d. aarg. nat. Ges. XII. bl, el) S.von Bubnoff: Zur Tektonik des schweizer. Jura. Jahresber. u. Mitt. d. oberrh. geol. Vereins. N.F. II. 1912. 103. R. Frei: Monographie des schweiz. Deckenschotters Beiträge N.F. XXXVII. 1912. A. Amsler: Tektonik des Staffeleggebietes. Diss Zürich 1915. Eclogae XIII. H.4. 1915. A. Buxlorf: Über Prognosen und Befund beim Hauensteinbasistunnel und die geol. Geschichte und Oberflächengestaltung des Tunnelgebietes und seiner Umgebung. Tätigkeitsbericht d. nat. Ges. v. Baselland. 1916. 178. A, Buætorf: Prognosen und Befunde beim Hauensteinbasis- und Grenchenberg- tunnel und die Bedeutung des letzteren für die Geologie des Juragebirges. Verh. nat. Ges. Basel. XXVII. 1916. 184. Alb, Heim: Geologie der Schweiz. Leipzig 1916. Lief. 2. Über die Geologie des Aargauer Tafeljura orientieren die zum Teil veralteten Arbeiten von P. Merian (1851), Cas. Moesch (1867), ©. Schmidt und F. Mühlberg. Erst in neuerer Zeit wurden Teile Morphologie des Aargauer Tafeljura. 219 der Gegend genau geologisch kartiert und behandelt. So unter- sucht E. Brändlin den Tafeljura zwischen Höhenzone und Rhein und behandelt besonders die beiden WE. verlaufenden tektonischen Zonen. R. Suter bespricht Blatt Maisprach, L. Braun hat das Blatt Frick kartiert. Von der Gegend des Aare-Reuss-Limmatzusammen- flusses haben wir die Aufnahmen und Erläuterungen von F. Mühl- berg, dem wir auch Aufnahmen der Ubergangszone zwischen Ketten- und Tafeljura verdanken. Ebenso hat S. Amsler in die Überschiebungszone des Staffeleggebietes Klarheit gebracht. Strati- graphische Horizonte behandeln die Arbeiten von Max Mühlbers, Schaad und Roman Frei. Ein zusammenfassendes Bild über die Tektonik gibt uns Ed. Blösch. Es sei mir hier erlaubt, in grossen Zügen ein zusammen- fassendes Bild der Geologie vom Aargauer Tafeljura zu geben. Zur Orientierung diene die beigefügte geologische Karte, Tafel XII und das Profil. Wir befinden uns auf der Sedimenttafel des Schwarz- walds, die mit etwa 3° Neigung gegen S 20° E. einfällt. Sie baut sich auf aus Rotliegendem und Buntsandstein, die in sehr wech- selnder Mächtigkeit die Unebenheiten der permokarbonischen Rumpf- fläche ausfüllen. Darüber legen sich Mergel und Kalke der Wellen- bildungen. Diese Schichten sind für die Morphologie unseres Ge- bietes nicht von grossem Einfluss, da sie nur an wenigen Orten des Rheintales zutage treten. Die Anhydritformation, die beson- ders an der Fullhalde in einer mächtigen Gipsgrube äufgeschlossen ist, führt unter dem Grundwasserniveau Salz. Die Auslaugung dieser Gyps- und Salzhorizonte bedingt eine sehr starke Vermin- derung der Mächtigkeit beim Zutagetreten und ein Einsinken des Hangenden, wie das durch Verloop experimentell bei der Saline Schweizerhall festgestellt wurde. Am Rande des Rheintales sind diese Schichten, die auch als Quellhorizont immer durchfeuchtet sind, die Ursache von Bergstürzen und Schlipfen. Diese erzeugen dann die Flühe des Hauptmuschelkalkes, der aus 50 m mächtigen zerklüfteten grauen Kalkbänken besteht. Ihn überlagert der weiche Trigonodusdolomit. Der Keuper, der ca. 100 m mächtig wird, ist im obern Teile durchsetzt von Sandstein und Dolomitbänken, die Stufen bilden. Der untere Keuper ist ein Horizont zahlreicher Schlipfe. Starke Durchfeuchtung der Mergel und Auslaugung der Gipse sind ihre Ursache. Der Lias, mit harter, aber nicht mäch- tiger Kalkbank über dem Keuper auflagernd, schliesst diese merge- lige Schichtserie, nach oben Stinkkalkbänke führend, ab. Darüber lagern ca. 90 m Opalinustone, die noch mehr als der Keuper zu Schlipfbildung geneigt sind. Das Hangende bildet die mit harten Kalkbänken wechsellagernden Mergel des Bajocien, die dann in die 220 P. Vosseler. hellen Kalke des Hauptrogensteins übergehen. Er wird im W bis 80 m mächtig. Wie der Muschelkalk, da er auch wie dieser leicht abspühlbare, weiche Schichten überlagert, bildet er hohe Flühe, deren Fuss von mächtigen, bewaldeten Schutthalden verhüllt ist. Gegen E, östlich der Linie Wessenberg-Geissberg, findet im Haupt- rogenstein ein Facieswechsel statt. Seine Mächtigkeit nimmt stark ab und sinkt bis auf 30 m. Auch schalten sich immer mehr Mergel- lager zwischen die dünner werdenden Kalkbänke ein. Der obere Dogger und das Callovien, die im Westen noch bis 30 m mächtig sind, verschwinden fast vollständig und nur noch die Spatkalke bleiben als harte Bänke bestehen. Mit ihnen zusammen bilden die Birmensdorfer Schichten eine deutliche Stufe. Es sind fossilreiche Schwammkalke, die die Höhen von Wessenberg, Berg und Bötten- berg krönen und sich von der Höhenzone nach Süden unter die jungen weichen Effingerschichten senken. Ihre untern Lagen bilden spröde, an der Luft leicht verwitterbare Mergelkalke, die mit den Mergeln bis 150 m Mächtigkeit erreichen. Nach oben gehen sie wieder in Kalkbänke über, die dann von den Geissberg-, Wangener- und Letzikalken überlagert werden. Aus ihnen bestehen die steilen Ränder des Bötzbergplateaus und des Geissberges. Gegen Westen keilen sie aus, da sie von einer Rumpffläche geschnitten sind. _ In diesen mesozoischen Sedimenten haben wir also eine ab- wechslungsreiche Reihe von weichen Mergeln und harten Kalken. Nach ihrer Ablagerung trat eine längere Pause ein. Die land- fest gewordenen Kalkhochflächen verkarsteten. Mit rotem Lehm durchsetzte Breccien füllen Taschen der mittleren Malmkalke. In diese Zeit fällt auch die Bildung des Schwarzwaldes und mit ihr wohl die Aufwölbung der Schichten zu einer flachen Antiklinale von NS-Streichen. Die lang einwirkende Erosion trug sie zu einer Rumpfebene ab, über die dann im Süden und Westen das helvetische Meer transgredierte. Auf sie wurde durch später zu besprechende Vorgänge die Juranagelfluh abgelagert, ein bis 100 m mächtiges Konglomerat von Gesteinen der Sedimenttafel des Schwarzwaldes. Ihre Wechsellagerung mit roten Mergeln, den Helizitenmergeln, sagt uns, dass wir es mit einer rein fluviatilen Bildung zu tun haben. Die Flüsse hatten also in den sarmatischen See des Mittel- landes eine Küstenebene aufgebaut. Im westlichen Teile des Ge- bietes treten bis 80 m mächtige Süsswasserkalkablagerungen. Sie sind wohl Ablagerungen eines Sees, der die Juranagelfluhschutt- kegel des Aargaus von denen des Baselbiets trennte. Jüngere Bildungen treten auf als fluvioglaciale Schotter und Moränen. Erstere bilden im Rhein-Aarewinkel ausgedehnte Ter- Morphologie des Aargauer Tafeljura. 221 rassen; die Moränebedeckung reicht hinauf bis zu den höchsten Tafelbergen. Der Aargauer Tafeljura ist nicht die ungestörte Schichttafel, wie sie über dem Grundgebirge des Schwarzwaldes abgelagert wurde. Wohl ist sie nicht so stark von Störungen durchzogen, wie der westlichere Teil des Tafeljuras. Die NS-Störungen, die sich dort als Folge der Rheintaleinsenkung und alpinen Druckes bildeten, treten hier in den Hintergrund. Nur ein kleiner Keil- graben in NE—SW-Streichen auf dem Feuerberg, den Ed. Blösch?) als Verwerfung besprochen hat, bringt die Effingerschichten ins Niveau des Hauptrogensteins. Andere, W—E verlaufende Stö- rungszonen kennzeichnen hier die Tektonik des Gebietes. Es sind die von Brändlin‘) so genannten Aufbruchszonen von Frick- Mandach, die wir in Zukunft kurz Mandacherzone, und.die von Ifental-Leibstadt, die wir Mettauerzone nennen wollen. Die erstere begleitet den Rand des Faltenjura in 6-7 km Entfernung und ist ihm parallel. Die andere begleitet den Schwarzwaldrand. Sie begrenzen ein dreieckiges Tafelstück und treffen sich in spitzem Winkel N Itental. Früher vermutete man, es hier mit einer grabenartigen Versenkung zu tun zu haben, doch Brändlin und seine Profile zeigen uns, dass die Neigung und Höhenlage der drei Tafeln sich gleich bleiben und dass die Störungen sich als gebrochene, auf das mittlere Tafelstück überschobene Antiklinalen zeigen; es sind also Zonen, die unter tangentialem Druck sich von der Basis abscherten. Deshalb nahm ich auch an, dass der Unter- grund ungestört ist und habe das an meinen Profilen so angedeutet; es wären Kettenjuraüberschiebungen im kleinen. Die Aufwölbung der Mettauerzone setzt sich gegen E fort. Sie ist in den Gips- und Steinbrüchen bei Felsenau und am Aarberg bei Waldshut zu kon- statieren und tritt im Brand bei Thiengen als langgestreckter Höhenzug deutlich in Erscheinung. Ihre Axe ist bei Leibstadt durch eine Querstörung nach Norden verschoben. Die Mandacher- zone klingt nach Westen aus und ist auch noch als Verwerfung mit kleiner Sprunghöhe an der Glurhalde westlich Frick zu konstatieren. Möglich ist auch, dass eine Einsenkung der Schichten in der Rich- tung des untern Fricktales mit ihr in Zusammenhang steht. Die Zone scheint jenseits der Aare in die Endinger Flexur, wie Blösch vermutet, überzugehen. Die Tafel des Wessenberg ist an einer Ver- werfung von NS-Richtung abgesunken. Wahrscheinlich steht diese Zone im Zusammenhang mit der Querstörung bei Leibstadt, ist 3) E. Blösch. a. a. O. 624. 4) E. Brändlin. a. a. O. 84. 222 P. Vosseler. überhaupt wohl eine Begleiterscheinung einer Einmuldung im Ge- biet des Rhein-Aarezusammenflusses. Der südliche Teil des Tafeljuras ist bei der Jurafaltung flach eingedrückt worden. Vor diese Mulden legen sich flache Falten.) So haben wir zwischen Anwil und Herznach eine solche Anti- klinale, die wohl der von Mühlberg und Buxtorf‘) beschriebenen Sprüselfalte im nördlichen Hauensteingebiet entspricht. An der Aare sinkt der Tafeljura an der Siggentalflexur gegen Süden ab. Die tektonischen Erscheinungen sind aus der beigelegten Struktur- karte zu ersehen. (Tafel XI, Fig. 3.) Das Alter der NS-Störungen hat Buxtorf”) als prämiocan erkannt, denn sowohl vindobonische, als auch sarmatische Sedi- mente liegen im Baselbiet ungestört auf einer sie schneidenden Fastebene. Nach Cloos haben noch später Dislokationen in dieser Richtung stattgefunden, doch in kleinem Masstab, mehr als Pres- sungen und Verbiegungen sich äussernd. Für die Bestimmung des Alters der WE-Störungen nehmen wir die Juranagelfluh zu Hilfe. Doch ist die Auseinandersetzung und Begründung dieses Problems einem spätern Abschnitt vor- behalten. In postmiocäner Zeit wurde der Jura überschoben und gleich- zeitig die seinen Rand begleitenden Flexuren und Senkungen ge- schaffen. Beweis dafür ist, dass das Tertiär diese Verbiegungen auch mitmacht, wie die Befunde im Hauensteinbasistunnel gelehrt haben. Die obermiocäne Rumpffläche. Einleitung. Bisher hat in unserm Gebiet ausser Mackatschek, der ihm nur einen kleinen Abschnitt widmet, G. Braun versucht, zu einer Er- klärung der Landschaftsformen zu gelangen. Er hat meine, durch eine Mobilisation unterbrochenen Sudien weiter verfolgt und in kurzer Zusammenfassung °) in seinem zweiten Teil der „Morpho- logie der Umgebung von Basel“ veröffentlicht. Diese Unter- suchungen fussen auf einer im Tafeljura zu findenden regionalen Ein- ebnungsfläche und es wurde versucht, aus ihr die jetzige Ober- flächengestaltung zu entwickeln. 5) A, Buxtorf. a. a. O. Über Prognose etc. 204. 6) À, Buxtorf. Prognosen. a. a. O. 200. 7) A. Buxtorf, Gelterkinden. a a. O, 96 und Prognosen. a. a. 0. 198. 8) G. Braun. a. a. O. 313. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 223 gie € g j Schon die geologische Forschung hat uns einige Rumpfebenen kennen gelehrt. So wird am Schwarzwald die alte permokarbo- nische Rumpffläche°) aufgedeckt, doch ist lediglich die der Erosion viel Widerstand bietende Konsistenz der Gesteine an ihrer Er- haltung schuld. Während des Mesozoikums kennen wir keinen langen Unterbruch der Sedimentation, erst postjurassisch wurde unser Gebiet Festland und blieb es bis auf kurze Transgressionen im Süden bis heute. Während dieser Zeit haben sich zwei Ver- ebnungen vollzogen und die dritte ist im Werden. Die vindo- bonischen und sarmatischen Ablagerungen liegen auf einer Fläche, die die Keilgrabenstörungen des Tafeljura schneidet und das ganze frühere Relief eingeebnet hat. Es ist die von A. Buxtorf be- schriebene vindobonische Fläche.'%) Sie schneidet die flache NS- Antiklinale des Tafeljura, so dass wir von W. nach E., in ihrem E-Schenkel, vom Hauptrogenstein bis zu den mittleren Malmkalken kommen. Nach Norden spitzen sich in ihr die Schichten auch aus. Sie wird über dem Schwarzwald in ca. 1000 m Höhe zu treffen sein. Sie senkt sich jetzt mit ca. 4°/o gegen Süden, wenn man sie an der Auflagerungsfläche der Juranagelfluh zwischen Hommel 660 m und Kalofen 460 m, misst. Sie ist die Auflagerungslläche des Tertiär und kommt morphologisch nur da zum Ausdruck, wo sie in Hauptrogenstein oder Malmkalken liest. Diese Fläche stimmt wohl überein mit der in ganz Mitteldeutschland konstatierten präo- ligocänen Rumpffläche oder, da sie ja jünger ist, mit der prä- basaltischen Fläche, die im schwäbisch-fränkischen Jura nach- gewiesen wurde. Auch sie ist uns nur dort erhalten geblieben, wo die Widerstandsfähigkeit der Gesteine das bedingte. Auf diese alttertiäre Rumpffläche transgredierte nun das vindo- bonische Meer, nach dem sie wohl schwach schiefgestellt war. “Vom Schwarzwald herunter strömten Flüsse, die Täler eingruben, in die sie dann in sarmatischer Zeit die Juranagelfluh aufschütteten. Die Schuttkegelbildung wurde unterbrochen durch lokale Stag- nation. F. Mühlberg nimmt an, dass eine flache Aufwölbung im Gebiete des Ketten- jura diese Ablagerung bedingt habe. [ch bin der Ansicht, dass dies nicht der einzige Grund verstärkter Geröllbildung war. Im Norden war die Sedimentdecke des Schwarzwald ziemlich abgetragen. Das zeigen uns die Gerölle von Granit und Buntsandstein in der Baselbieter Juranagelfluh. Diese fehlen im Aargau ganz, bis auf einige fragliche Gerölle. Dafür bestehen hier die Schottermassen aus Gesteinen des Hauptrogenstein und des Malm. Aeltere Gesteine sind keine ver- 9) H. Schmitthenner. a. a. O. 19) A. Buxtorf. Über Prognosen etc. a. a. 0. 183. DIA P. Vosseler. treten. Auch sind die Gerölle zum Teil gross, schlecht gerollt und deuten auf sanz kurzen Transport. Sie müssen daher aus dem Jura selber gekommen sein. Nun ist ja die das Gebiet von W nach E durchlaufende Mandacherzone in nächster Nähe, und Grösse und Zusammensetzung der Nagelfluhgerölle bieten uns Anhaltspunkte, das Alter dieser Störungslinie zu bestimmen. Die Hauptrogensteinschichten wurden an dieser Zone jedenfalls kurz vor der Ab- lagerung der Juranagelfluh aufgeschoben. Die vom Schwarzwald kommenden Flüsse schnitten sich antezedent in diese Aufbruchszone ; durch die neue Höhen- dilferenz wurde die Erosion neu belebt und die Erosionsprodukte in grossen Deltas in den nahen sarmatischen See gelagert. Vielleicht wurde die Ablage- rung durch die Aufwölbung des Faltenjura besonders mächtig, doch sind solche tektonische Erklärungen in diesem Gebiet nicht nötig. Nun ist da, wo die Überschiebung nur in einer schwachen Verwerfung und Flexur ausklang, am Tiersteinerberg in der Gegend des heutigen Fricktals, keine Juranagelfluh. Bis 80 m mächtige Süsswasserkalke mit schlecht erhaltenen Helix- und Clausilia- steinkernen nehmen da ihre Stellung ein. Sie sind wie diese mit Heliziten- mergeln in Wechsellagerung. (Aufgeschlossen in einem Erdschlipf in der Rüti- matt, nordwestlich Kienberg.) Erst auf dem Bollrain E Wölfliswil und auf Egg- wald und Hübstel, westlich Herznach, treten wieder Gerölle auf, doch nur in dünnen Bänken. Ihre grösste Mächtigkeit und typische Ausbildung erreicht die Juranagelfluh erst auf dem Bötzberg, an dessen Hang ihre Bänke sogar als Bausteine abgebaut wurden. Auf der Linie Umiken-Remigen geht sie über in obere Süsswassermolasse. Die Zone ihres Auftretens ist also an die der grössten Erhebung in der Mandacherzone geknüpft, die von Frick zum Geissberg geht. Sind diese Schlüsse richtig, so muss also östlich der Linie Wessenberg-Geiss- berg die Aufwölbung nur noch schwach gewesen sein. Das ist zum Teil der Fall, aber die erwähnte Linie ist ja die Zone des Facieswechsels Die Park- insonischichten waren schnell abgetragen und bis zu den Geissbergschichten reichte die Aufbiegung nicht mehr, Diese liegen auf dem Geissberg ganz nor- mal. Was die Juraaufwölbung anbelangt, so mag sie hier sicher nicht bestanden haben, da ja auf dieser Linie ein Auseinandertreten und nach Süden Umbiegen der Ketten eintritt. das Amsler 1) mit dem Ausklingen der Intensität der Faltung erklärte. Das Fehlen der Juranagelfluh im Gebiet der Aare ist also kein Argu- ment, die Erklärung ihrer lokalen Bildung in diesem Gebiet zu widerlegen. o ©) e Diese Überlegungen scheinen mir viel klarer zu sein, als die Amslers!?), der in seiner Arbeit zu einem ganz andern Schluss gelangt. Die Verschieden- heit der Juranagelfluhabsätze in W und E führt er darauf zurück, dass, ge- trennt durch den Schwarzwaldsporn, der von Laufenburg gegen den Hauenstein verlief, schon miocän eine Wasserscheide existierte. Er nimmt an, dass im Westen durch den Abbruch des Rheintales und Dinkelbergs die älteren Schichten entblösst wurden, wogegen im E noch der ganze Sedimentmantel bis hinauf zum Malm erhalten war. Dem möchte ich aber die vorhin erwähnte Tatsache von der Schottergrösse und der im Schwarzwald im Urgestein noch zu findenden vindobonischen Formen, ebenso die Juranagelfluhzusammensetzung auf Bohl und Randen entgegenstellen. In diesen sind Gerölle des ältern Mesozoikums stark verbreitet und erst nach NE verlieren sie sich. Es sind also da unmittelbar in der Nähe die die Gerölle liefernden Schichten anstehend, während sie über dem westlichen Schwarzwald nirgends mehr zu finden sind, 11) A. Amsler. a. a. O. 448. 12) A. Amsler. a a. O. 467. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 225 Wir erhalten also aus vorliegender Besprechung das Resultat, dass die prämiocäne Fläche für die heutige Morphologie nicht mehr in Frage kommt. Zugleich finden wir aber, dass sie in spätvindo- bonischer Zeit verändert wurde durch Krustenbewegungen, die die Ursache der Juranagelfluhablagerung waren. Literatur. Alfr. Hettner: Gebirgsbau und Oberflächengestaltung der sächsischen Schweiz. Forsch. z. D. Landes- u. Volkskde. I. Heft 4. 1887. F. Mackatschek. Der Schweizer. Jura. Ergh. Pet. Mitt. 1905. 16. E. Schaad: Die Juranagelfluh. Beiträge NF. XXII. 1908. E. Scheu: Zur Morphologie d. schwäbisch-fränk. Stufenlandschaft Forsch. z. D. Landes- u. Volkskde. XVIII. 1909. A. Buxtorf: Oberfl.-Gest. u. geol. Geschichte des nordschweiz. Tafeljuras. Verh. Schweiz. nat. Ges. 93. Jahresber. 1910. 1. E. Philippi: Über die praeologicaene Landoberfläche in Thüringen. Zeitschr. Deutsch. geol. Ges. 62. 1910. 305. H. Reck: Die morphol. Entwicklung d. süddeutschen Schichtstufenlandschaft. Zeitsch. Deutsch. geol. Ges. 64. 1912. 81. J. E. Hibsch: Die Verbreitung der oligoc. Ablagerungen und die voroligocäne Landoberfläche in Böhmen. Sitz.-Ber. der kais. Akad. der Wiss. Wien. 122. I. 1913. 485. H. Schmitthenner: Die Oberflächengestaltung des nördl. Schwarzwaldes. Diss. Heidelberg. 1913. G. Braun: Zur deutschen Landeskde. V. Der Schwarzwald. Zeitschr. d. Ges. für Erdkde. Berlin 1914. 199. G. Braun: Vortrag am 19. Deutschen Geographentag zu Strassburg 1914. Pet. Mitt. Juli 1914. G. Braun: Zur Morphologie der Umgeb. v. Basel I. Verh. nat. Ges. Basel. 25. 1914. 128. Fr. Nussbaum: Über die Fortschritte der morphol. Erforschung der Schweiz in neuer Zeit. Zeitschr. d. Ges. für Erdkde. Berlin 1914. 745. E. Seefeldner: Morphogenetische Studien aus dem Gebiete des fränk. Jura. Forsch. zur D. Landes- u. Volkskde. XXI. 3. 1914. A. Amsler: Tektonik des Staffelegg-Gebiets. Eclogae XIll. H.4. 1915. W. Meckenstock: Morphologische Studien im Gebiete des Donaudurchbruchs von Neustadt bei Regensburg. Mitt. des Ver. d. Stud. d. Geogr. a. d. Univ. v. Berlin I. 1915. 3. H. Reich: Stratigraphische u. tekt. Studien im Uracher Vulkangebiet. Diss. Frei- burg i. Br. 1915. M. Bräuhäuser: Die Bohnerzbildung im Muschelkalkgebiet am obern Neckar. Jahreshefte d. Vereins für Vaterl. Naturkde. in Wtbere. 72. 1916. 210. G. Braun: Deutschland. Berlin 1916. A. Buxtorf: Prognosen und Befunde beim Hauensteinbasistunnel etc. Verh. d. nat. Ges. Basel. XXVII 1916. A. Buxtorf: Über Prognosen und Befunde beim Hauensteinbasistunnel etc. Tätigkeitsber. d. Nat. Ges. Baselland. 1916. A. Heim: Geologie d. Schweiz. Leipzig 1916. 2. Lieferung. G. Braun: Zur Morphologie der Umgebung v. Basel. II. Das Rheintal zwischen Waldshut und Basel. Verh. Nat. Ges. Basel. XXVIM. 1917. 307. 15 226 P. Vosseler. Der Thiersteinerberg und die Hochfläche von Anwil.") Vom Thiersteinerberg senkt sich eine Hochfläche sanft nach Süden. Sie erreicht im Norden die Höhe von 750 m. Seine Decke bildet dort 12—15° nach SSE einfallender Hauptrogenstein. Auf Fazentellen 707 m fand ich Ferrugineenschichten. Im Eich bei Punkt 627 sind die Fossilien der Variansschichten verbreitet. Auf diese folgen Malm- und Tertiärschichten, deren Ausstreichen in der Ebene aber von Glacialschutt bedeckt ist. Die Süsswasser- kalkbänke des Sarmatien streichen im Buchholz in einer schwachen Kante aus. Am Hang gegen Kienberg erreichen sie eine grosse Mächtiskeit. Drei ca. 10 m mächtige Kalkbänke wechsellagern mit gelben und roten Tonen. Die oberste bildet eine Stufe, die E. von Punkt 626 zum Egghof verläuft und die Strasse beim n von Hinter- horben quert. Weitere Stufen ziehen sich oberhalb und unterhalb des Hofes Neuling von 620 auf 590 m und von 580 auf 540 m bei Kienberg. In der Oberfläche des Thiersteiner Berges haben wir also eine Rumpffläche vor uns, die die Schichten des Hauptrogensteins bis hinauf ins Tertiär in spitzem Winkel schneidet. Südlich Anwil steigt das Gelände an. Es ist von Muschelkalkschutt bedeckt, der die Stirn der Kettenjuraüberschichtung verhüllt. Nach den Befunden am Hauensteinbasistunnel !*) taucht die Rumpfebene unter diese Überschiebung. Sie ist also älter als die Jurafaltung; da sie aber die Anwiler sarmatischen Kalke schneidet, ist sie jünger als diese, also obermiocän. Von einem Aussichtspunkt betrachtet, zeigt sich der Thier- steinerberg als eine schwach gegen Süden geneigte Tafel mit scharfer Umrandung. Bei Ebnet zeigt ein flacher Geländeknick, dass der nördliche Teil ein wenig steiler ansteigt, als der südliche. In die Hochfläche selber sind erst wenige Tälchen gegraben, so bei Anwil; doch ist sie am Rande in schmale kurze Riedel zer- lest. Das Plateau fällt in sehr steilen Hängen zum tieferliegenden Land ab. Diese sind bedingt durch die bis 80 m mächtige Haupt- rogensteintafel, die aber zugleich die Hochfläche vor Abtragung beschützt. Die Riedel, mit ihren noch ebenen Oberflächen und ihrer Vergratung an der Aussenkante, boten, da sie nur von der Hochfläche leicht zugänglich waren, willkommene Plätze für die Anlage von Refugien und Burgen. Thiersteinerberg, Homberg und Horn treten so nach E. vor. Der Reichberg ist zum Teil schon vom Plateau abgeschnürt. Im Westen greifen die Bäche tiefer ein. Das Dubachbächli schneidet weit zwischen Thiersteinerberg und 13) Siegfriedblätter, 31. Gelterkinden, 32. Frick, 34. Wölfliswil. 14) A. Buxtorf. Über Prognosen. a. a. O. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 227 Kei-Sohl ein und hat auch fast eine Abgliederung zustande ge- bracht. Ebenso steht bei Fatzentellen eine Abschnürung bevor, da dort die Hochfläche kaum noch 100 m breit ist. In die Hauptrogensteinstufe schneiden kleine Nebentälchen, doch bilden sie, da seine Durchnagung lange Zeit erfordert, Hänge- täler mit Wasserfällen. Als Zusammenfassung hätten wir also folgendes festzustellen: Die Hochfläche des Thiersteiner Berges und von Anwil schneidet die Schichten des Hauptrogenstein bis ins Miocän, sie liegt in einer Höhe von 750-600 m und senkt sich von Norden nach Süden mit ca. 12 °/0. Über sie sind die Falten des Kettenjura geschoben. Die heutige Erosion schneidet in tiefen Tälern ein und hat sie in nur durch schmale Brücken zusammenhängende Riedel zerlest. Doch geht die Zerschneidung sehr langsam vorwärts, da die Rumpf- fläche grösstenteils im Hauptrogenstein liest. Die Hochfläche des Bötzbergs.'?) Der alte, schon von den Römern benützte Übergang zwischen Aare- und Fricktal verläuft auf der Höhe über eine ausgedehnte Hochebene. Diese senkt sich von den nördlichen Höhen, um in 575 m bei Neustalden ihre tiefste Stelle zu erreichen und flach wieder gegen Süden anzusteigen. Die ganze Fläche liest im Ter- tiär und zwar ausser einem schmalen Streifen bei Linn, wo die obere Süsswassermolasse in 590 m ausstreicht, in Juranagelfluh und ihren Zwischenbildungen. Diese erreicht im Hommel Punkt 679 nur Y»—1 m; ihre Mächtigkeit nimmt aber nach Süden zu und erreicht am Jurarand bis 100 m. Die Fläche, die man, da sie die Juranagelfluhschichten schneidet, wohl als Rumpffläche ansprechen darf, fällt mit ca. 15°/oo gegen Süden. Da sie in der Höhe mit der des Tiersteinerberges übereinstimmt, so ist sie wohl ihr analog. Südlich Linn taucht sie unter die Ketten des Faltenjura, ist also älter als diese; da sie aber von oberer Süsswassermolasse über- lagert wird, so ist hier ihr Alter noch genauer zu bestimmen, als auf dem Thiersteinerberg. Sie ist obermiocän und war zum Teil im Sarmatien, zur Zeit einer schwachen Transgression des sar- matischen Sees schon ausgebildet. Auch diese Hochfläche ist nicht mehr vollständig erhalten. Sie ist von flachen Talmulden durch- zogen. In der Bötzbergstrasse ist sie sogar um ca. 25 m erniedrigt. Kleine Bächlein durchfliessen diese Mulden. So entspringt bei Ursprung eine Wasserader und fliesst nach Norden, vereinigt sich vor Unterbötzberg mit einer andern, die auf ihrem Weg von 15) Siegfriedblätter: 33. Bötzen, 35. Veltheim, 36. Stilli, 38. Brugg. 228 P. Vosseler. Roggenacker kleine Schichtstufen der Juranagelfluh in Wasser- fällen überspringt. Sie fliessen vereinigt über Unterbötzberg und haben hier das Liegende, die harten Malmkalke angeschnitten. Diese Schichten liegen unter der Bötzberghochfläche entsprechend ihrem Fallen verschieden tief; sie treten uns im W viel stärker als Rand des Plateaus entgegen, als im E. Nur kurze, steile Tälchen haben dort ihren Rand zerschnitten und in Riedel zer- legt, die noch mit der Hochfläche zusammenhängen. Nur der sich in NS-Richtung erstreckende Brenngarten, auf dem auch an drei Stellen Relikte der Juranagelfluh auftreten, ist als Ausleger abgetrennt. Im E. dagegen greifen die Bäche viel tiefer ein. Das zeigen die Tälchen bei Übertal und besonders bei Unterbötzberg. Auch werden die Riedel niedriger. Sanft nach E. senkt sich die Bötzberghochfläche. Sie hat im Homberg 611 m, nördlich Ober- bötzberg noch 564 m und sinkt dann im Iberg auf 511 und 470 m und im Plattenfirst auf 475 m. Auch der Südrand gegen die Aare wird niedriger, Neustalden liest auf 573m, Vierlinden auf 516 und Bergesmatt nur noch in 462m. Wo haben wir nun die Ursache dieser Erniedrigungen zu suchen? Sind sie der Zustand der alten Landoberfläche oder hat erst neuere Erosion sie gebildet? Gegen eine so starke Erniedrigung der Hochfläche spricht, dass sie dann bei diesem Gefälle unmöglich mehr eine Rumpffläche hätte sein können. Gegen tektonische Einbiegungen in NS-Richtung sprechen die geologischen Verhältuisse. Wohl ist eine Flexur vorhanden, aber diese verläuft in WE-Richtung und ist in den Schichten des Bötzbergs nur noch schwach angedeutet. Es bleibt somit nur noch die Annahme, dass spätere Erosion diese Neigung geschaffen. Im W, wo das Tertiär nur als eine dünne Decke den Jurakalken aufgelagert ist, ist die Zerstörung der alten Hochfläche noch wenig fortgeschritten. Im S aber und besonders im E., wo die Oberfläche der Malmkalke tiefer liegt, haben wir auch nur noch kleinere Höhen. Bei Riniken sinkt sie sogar unter die diluvialen Anschwemmungen und da verschwindet überhaupt jeder Rand des Bötzberges.. Wie beim Thiersteinerberg der Hauptrogenstein, so wirken hier die Malmkalke schützend auf die Rumpffläche und nur da, wo die Erosionsbasis noch weit entfernt ist und da, wo die Kalke in ihr Niveau kommen, blieb diese erhalten. In der Nähe von Villnachern bilden Juranagelfluhbänke den Rand des Bötzbergs. In steilen Tälern greift die Erosion ein und hier ist auch die schmälste Stelle des Plateaus. Wohl bedingen hier harte Nagel- fluhbänke und bei Kalofen liegender Malmkalk den steilen Abhang, wohl ist das Ausräumungsgebiet trotz der Nähe der Aare klein, doch auch die Bäche sind klein und ihre Wasserführung gering. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 229 Zusammenfassend gelangen wir also zu folgenden Ergebnissen: Eine Rumpffläche, die sich mit einem Gefäll von 15 °/oo von 680 bis 600 m nach S senkt, schneidet die Bänke der Juranagelfluh. Sie ist zwar nur noch da in kleinen Resten erhalten, wo die Malm- kalke sie schützen. Die Erosion hat schon stark in diese Rumpf- fläche eingegriffen und trägt, entsprechend der leichten Abtragungs- möglichkeit des Miocäns, die Tendenz, dieses bis auf dünne Relikte auszuräumen und so langsam eine Malmkalktafel, die der Erosion viel grössern Widerstand entgegensetzt, herauszuarbeiten. Die Höhenzone zwischen dem Frick- und Aaretal.) Vom Thiersteinerberg zieht sich in ENE Richtung eine Reihe von Bergen bis zur Aare. Sie erheben sich bis zur Höhe von ca. 700m. Gegen Norden sind sie von steilen Flühen und Schutthalden begrenzt. Sie bilden östlich des Fricktals eine nur durch flache Einschnitte unterbrochene Höhenzone. Ihre Oberfläche senkt sich als Ebene gegen Süden und ist oder war fast überall gerodet. Weite Bergmatten dehnen sich auf ihnen aus und ihr lichtes Grün bildet einen scharfen Gegensatz zum dunkeln der bewaldeten Hänge. Sie bilden gute Aussichtspunkte, von denen aus der Blick den ganzen Tafeljura überstreicht. Zwischen Frick und Hornussen erhebt sich der Frickberg (653 m). Nur durch einen schmalen Grat, der bis 526 m Höhe abgetragen ist, hängt er mit dem weiter östlich sich erhebenden Schinberg zusammen. Seine Hochfläche reicht nach Süden bis 580 m, um dann auch in einen steilen Abfall überzugehen. Im Süden befindet sich in 591 m Höhe ein fast wagrecht liegender Absatz, der Kapf. Der Frickberg wird gebildet von einer Hauptrogensteintafel, deren Liegendes im Norden in 590 m, im Süden in 500 m ausstreicht. Das Gefälle des Hauptrogensteins ist also ungefähr das seiner Oberfläche. Nur der oberste Teil von 640 m an ist flach. Die Lage des Tafel- stücks Kapf ist wohl auf Einsenkung durch Unterspühlen der liegenden Schichten zurückzuführen. Am Hang zeigen sich Ausbruch- nischen, besonders in den Bajocienschichten. Ihre Oberfläche bildet auch kleine Ebenheiten, so bei Graubühl. An die steilen obern Hänge schliessen sich die milden Formen der Opalinustone, die durch ihre wellige Form das Schlipfgebiet verraten. Als Liegendes dieser Doggertafel sind weiter unten Lias und Keuper aufgedeckt. In die Tafel greifen steile stark mit Schutt gefüllte Tälchen ein. — Gegen Norden fällt das Gehänge stark bis 560 m. Der 16) Sieofriedblätter: 32. Frick, 33. Bötzen, 36. Stilli. 230 P. Vosseler. bewaldete Steilabsturz des Hauptrogensteins geht über in Schutt- halden und in eine in 500 m liegende Ebenheit. Auch der Schinberg zeigt eine sich nach Süden senkende Oberfläche. Er ist aber nicht so isoliert wie der Frickberg. Wohl greifen tiefe Tälchen von Itental und Sulz herein und drohen, ihn mit der Zeit auch zu einem Zeugenberg zu machen. Seine Höhe ist 730 m. Seine Oberfläche schneidet mit 7° Fallen die 10° fallenden Schichten des Hauptrogensteins ab. Im Süden er- hebt sich eine Schichtstufe der Birmensdorferschichten und Effinger- kalke, die im mit schönem Tannenwald bewachsenen Moos und Marchwald 619 und 648 m Höhe erreichen. Auch diese Höhen fallen steil ab gegen die sie vom Schinberg trennenden Tälchen. Während an diesen Steilabfällen die Schlipfe der untern Dogger- schichten zurücktreten, ist der ganze nördliche Hang des Schin- berges von ihnen begleitet. Das ist wohl darauf zurückzuführen, dass diese nur weiter nördlich unter dem Schuttmantel zu Tage treten. Die beiden von Itental her eingreifenden Täler biegen nach E um. Das nördliche endet in einer Subsequenzzone in den obern Doggerschichten zwischen Schinberg und Marchwald, das südliche endet ohne Talschluss in einer flachen Einsenkung auf Talacker. Die obern Teile dieser Täler verlaufen also in EW Richtung, im Streichen der Schichten. Es sind wohl in den weichen Schichten des obern Doggers gebildete Subsequenztälchen, die sich später antezedent in den Hauptrogenstein eingeschnitten haben. Dieses Umbiegen der obern Talenden wird weiter östlich noch mehr auftreten. Die Steilstufe des Marchwaldes ist von kleinen obse- quenten Bächen angegriffen. Der Schinberg geht bei 520 m in eine sich nach Norden erstreckende Ebenheit über. An seinem Hang gegen Itental bilden oberer Keuper und Lias niedere Stufen, die sich im Fallen der ganzen Tafel nach Süden verlieren. Auch Schinberg, Moos und Marchwald bilden, wie der Frick- berg, eine nach Süden fallende Sedimenttäfel, doch ist diese von einer weniger geneigten Hochfläche geschnitten, die von 630 bis 730 m ansteigt. Die Ränder der Tafel sind sehr steil. Nur ganz kleine obsequente Bäche suchen sie zu zerschneiden und erst, wo dieselben die Mergel des obern Dogger erreichen, zeigen sie in ihrem Oberlauf subsequente Talstrecken. Doch im ganzen findet die Zurücklegung der Stufe durch Unterspülung statt und diese Art der Abtragung wirkt viel mehr linienhaft. Gleiche Formen wie bei den beiden erwähnten Bergen treten uns beim Geissacker entgegen, Trotzdem die Schichten noch steiler einfallen, ist eigentlich die Oberfläche noch weniger nach Süden geneigt. Schon nahe beim 702 m hohen Gipfel zeigt sich der Morphologie des Aargauer Tafeljura. 231 obere Dogger und die Malmstufe. Sie zieht vom Grundbühl zum Hof Geissacker und nach E zum Eggenried, wo Callovienoolithe und Birmensdorfer Schwammkalke an dem neuen Strässchen auf- geschlossen sind. Von dort streichen sie zum Sulzerloch, wo in einem Steinbruch Effingerkalke, die auch den 623 m hohen Hügel Dimmiswald bilden, ausgebeutet werden. In der Weid nördlich Ampferen ist das Liegende des Malm auch in einem Fenster an- geschnitten und Unterspülung hat den Rutsch eines grossen Teiles der Birmensdorferdecke zur Folge gehabt. Eine ca. 10 m breite und 500 m lange Abrisskluft, der sog. Eisengraben, hat sich weiter oben gebildet. Wie dem Schinberg, so steht auch dem Geissacker eine Ab- trennung bevor. Ein Tai, das sich erst bei Obersulz nach Norden wendet, hat im Streichen der weichen Malmschichten eingeschnitten und sich dann in den Dogger vertieft. Ein ebenfalls subsequent angelegtes Tälchen greift von E her ein; zusammen mit einem analogen Bächlein durchbricht es obsequent die Hauptrogenstein- stufe gegen Ober-Büren. Vom Geissacker aus sehen wir, dass die Bötzberghochfläche mit der Geissackerfläche zusammenfällt. Nur das durch den Ein- griff des Sulzer- und Ampferenbaches weggeräumte Stück der Fläche fehlt. Deshalb können wir füglich annehmen, dass auch der Geiss- acker zu der auf dem Bötzberg gefundenen obermiocänen Rumpf- fläche gehört. Das Fehlen der Nagelfluh beweist nicht das Gegen- teil, da sie ja im Hommel schon sehr dünn war. Es führt uns aber, wie das etwas steilere nach Süden Einfallen der Geissacker- hochfläche zu andern Schlüssen, die später zu erläutern sein werden. Der Nordhang des Geissackers ist ebenso steil wie der des Schin- bergs und zeigt die gleichen Erscheinungen: Erdschlipfe, Flühe, Schutthalden. Auch treten gegen Sulz Liasterrassen am Hang auf. Der Geissacker ist also auch eine Schichttafel, die aber noch deutlicher als die vorhin erwähnten Berge von einer Rumpffläche geschnitten ist. Diese ist identisch mit der auf dem Bötzberg vorhandenen, ist aber da, wo sie in weichen Schichten lag, durch subsequente Bachläufe zerstört. Die Schichttafel ist begrenzt von der steil abfallenden Stufe des Hauptrogensteins, dessen Fuss von einem Schuttmantel umhüllt ist. Im Bürerhorn treffen wir auf einen kleinen Teil der nämlichen Rumpffläche. Ein Subsequenztälchen hat ihren Zusammenhang im Süden bis auf 550 m erniedrigt. Südlich der Pechhütte ist es einem obsequenten Bach auch gelungen, die Ausräumung der Malmschichten fortzusetzen. Die Birmensdorfer Stufe. liegt jetzt ‚südlich dieser Tälchen. Sie bildet langgestreckte Hügel, die 232 P. Vosseler. 575, 581 und im Sparberg 632m Höhe erreichen. Zwischen ihnen liegen flache Einsenkungen, die Strassen zwischen Gransingen und Remigen benützen. Eine grössere, doch jetzt trockene Subsequenz- zone liegt südlich der Malmhügel, doch über sie erheben sich die langen schmalen Kalkberge der Burghalde und des Bützbergs. Da sie die Höhe von 650 m erreichen, so ist wohl ihre oberste Fläche zur obermiocänen Rumpfebene zu rechnen. Geissberg- und Wangener- kalke krönen diese Berge und fallen in Flühen ab gegen die sich um ihren Fuss ausbreitenden Effingerschichten. Trockene, doch breite, gestreckte Täler legen sich zwischen sie bis zur nördlichen Subsequenzzone. Sie enden in den Einsenkungen der Birmens- torferstufe. Da ihr Lauf auch nach SE fällt, also mit dem Fallen der obermiocänen Rumpffläche gleich gerichtet ist, so muss man annehmen, dass sie ihren Lauf früherer konsequenter Entwässerung verdanken. Bürerhorn, Burghalde und Bützberg tragen kleine Reste der obermiocänen Rumpfflächen. Zwischen ihnen hat jüngere Erosion die untern Malmschichten stark ausgeräumt und eine schwache Stufe gebildet, die aber durch die Einsenkungen, die sich am obern Ende breiter, die Fläche konsequent zerschneidenden Trockentäler befinden, zerschnitten ist. Östlich Bürersteig tritt im Dogger Facieswechsel ein. Die harten Bänke des Hauptrogenstein gehen allmählich über in die mergeligen der Parkinsonischichten. Das tritt auch in der Mor- phologie in Erscheinung. Das Hottwilerhorn reicht zwar noch in die Höhe von 657 m, kann also noch einen kleinen Rest der Rumpf- flächen tragen. Weiter östlich aber, auf Röth, Egg und Rothberg werden höchstens 640 m Höhe erreicht. Die Hauptrogensteinstufe -wird immer niedriger und bildet mit den Spathkalken einen flachen Kamm. Schon der Hottwilerbach fliesst in einem ziemlich breiten, obsequenten Tälchen durch die Stufe. Noch viel mildere Formen zeigt das Tälchen östlich des Hottwilerhornes und sein Gefälle wird erst beim Einschneiden in den untern Malm unausgeglichen. Diese Stufe ist zwar auch in kleine Hügel zerschnitten. Doch südlich davon erhebt sich die gestreckt verlaufende zusammen- hängende Stufe der Malmkalke, als Nordrand des Geissbergs. Von 701 m Höhe senkt sich eine ausgedehnte Hochebene nach SE. Sie schneidet die Geissberg- (Signal), Crenularis-, Wangener-, Badener- und Wettingerschichten. Taschen dieser Kalke sind mit Boluston angefüllt. Das weist darauf hin, dass wir uns vor einer Fläche befinden, die schon zur vormiocänen Zeit blossgelegen hatte. Jüngeres Tertiär ist bis jetzt auf dem Geissberg keines sefunden worden. Es müsste obere Süsswassermolasse da liegen, Morphologie des Aargauer Tafeljura. 233 da wir schon über das Gebiet des sarmatischen Facieswechsels hinaus sind. Doch diese ist vielleicht vollständig abgetragen oder da starke Moränenbedeckung alles verhüllt, ist sie nur sehr schwer aufzufinden. Auf der schwachen Erhebung des Nack 582 m liegen ca. 12 m mächtig die Wettingerkalke. In ihnen und in den sie unter- teufenden Badenerschichten liegen eocäne Verwitterungsprodukte. Seit jener Zeit muss also die Platte des Geissberg nicht stark er- niedrigt worden sein. Seine Oberfläche bildete also sowohl vor- miocän als obermiocän eine Rumpffläche. Sie liegt hier gegen- über den im Bötzberg erhaltenen Flächenstücken etwas tiefer im SW und daraus ist wohl der Schluss zu ziehen, dass wir zur Miocän- zeit hier schon eine Einsenkung hatten, in die dann das helvetische Meer und der sarmatische See in einer Bucht eingriff und die Erosionsbasis für vindobonische und sarmatische Flüsse bildete. Die ersteren haben dann mehr im Westen mächtige Schuttkegel aus Juranagelfluh abgelagert. Die Annahme einer Einsenkung ist umsomehr berechtigt, als die Malmtafel des Geissbergs vollständig ungestört ist. Die Einflüsse der Jurafaltung machen sich erst weiter im Süden geltend. Der Geissberg wird mehr durch Unterspülung der Malmtafel abgetragen als durch Eingreifen von Bächen. Deshalb verlaufen auch seine Ränder ziemlich geradlinig. Nur im Osten sind kurze Riedel abgegliedert, deren nördlichsten ein praehistorisches Refugium und eine Burgruine krönt. In steilen Flühen fallen die Kalkbänke ab, die liegenden Effingerschichten in einen Schuttmantel kleidend. Während weiter westlich die nördlichste noch erhaltene Zone der obermiocänen Fläche in Hauptrogenstein liest, wird sie östlich des Facieswechsels im obern Dogger von Malmkalken gebildet. Sie scheint sich in SE-Richtung gesenkt zu haben. Zusammenfassung der Ergebnisse. Es ist uns möglich geworden, annähernd die behandelten Flächen auf Thiersteiner Berg, Bötzberg, Rogenstein- und Malmbergen ins Obermiocän zu verlegen. Die Rumpffläche ist entstanden vor der Jurafaltung, denn ihre Falten schieben sich auf die Fläche, aber nach der Ablagerung der Juranagelfluh, sogar noch während der Bildung der obern Süsswasser-Molasse. Nur noch im Thiersteiner- berg zeist sie sich als zusammenhängende Fläche. Dort ist sie von dem liegenden Hauptrogenstein geschützt. Überall sonst ist sie durch Ausräumungszonen zerschnitten, die entweder kleine Stücke 234 P. Vosseler. vollständig isolierten, oder doch wie zwischen Bötzberg und Geiss- acker die Verbindung erniedrigten. Sie ist nur noch erhalten, wo harte poröse Kalkbänke des Dogger und Malm sie schützen. Am Geissberg bildet sie eine flache Mulde. Diese Fläche zeigt gegen Norden ein plötzliches Ansteigen gegen die nördlich gelegenen Kalktafeln. Nördlich davon ist sie gänzlich von der Erosion zerstört. Erst im Schwarzwald finden wir wieder in 700 m und darüber eine ausgedehnte Rumpffläche, die &. Braun !”) in seiner neuesten Arbeit beschrieben hat. Das Alter dieser Verebnungsfläche ist direkt richt bestimmbar. Da aber ihre Höhenlage derjenigen der Rumpffläche des Tafeljura entspricht, ist der Schluss zwingend, dass wir es hier mit der obermiocänen Fläche zu tun haben. Konstruieren wir nun die Rumpffläche nach ihren vorhandenen Resten, so zeigt sich, dass die im Norden gelegenen Kalktafelberge diese Fläche überragen. Bei ihrer Besprechung wurde auch beob- achtet, dass die Neigung ihrer Oberfläche nach Süden stärker ist, als die der in südlichen Resten erhaltenen Hochfläche. Am Thier- steinerberg zeigt sich auf 660 m ein Gefällsknick. Diese Berge überragen die Rumpfebene um 50—100 m. Nach meinen Unter- suchungen über die Bildung der Juranagelfluh sind diese Kalk- platten zum Teil an der Mandacherzone aufgebogen worden. Nur für Thiersteinerberg und Geissberg kommt diese Aufbiegung nicht in Betracht. Die Erosion griff die Zone sofort an mit dem Schluss- erfolg, dass uns einige Härtlinge übrig blieben. Im Frickberg, wo die Erosion in weichen Malmschichten arbeiten konnte, wurde der Berg bis aufs Niveau der Fastebene erniedrigt. Schinberg und Geissacker boten mehr Widerstand und letzterer scheint so- gar den Riedel Brenngarten-Hommel geschützt zu haben. Trotz- dem im Bürerhorn die Mächtigkeit und Festigkeit des Hauptrogen- steins schon kleiner ist, blieb dieses doch als Härtling durch die starke Steilstellung seiner Schichten erhalten. Im Geissberg und Thiersteinerberg haben wir ältere Formen vor uns. Die Wider- standsfähigkeit der Kalktafeln verhinderte in der relativ kurzen Zeit zwischen Vindobonien und Sarmatien die Abtragung. Wir haben in ihnen Reste der vindobonischen Fläche, deren Bildung sich über eine sehr lange, wahrscheinlich vom obern Jura bis ins Miocän dauernde Zeit erstreckte. Die Härtlingszone zwischen Frick- und Geissberg kann man, infolge ihrer Lage an einem Bruch, als Bruchlinienstufe bezeichnen. Zwar hat sie seit der Bildung nie das Stadium einer vollständigen 17) G. Braun, zur Morphologie etc. II. p. 312 u. 313. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 235 Einebnung durchlaufen; dennoch ist es keine Bruchstufe, weil die Härte der Gesteine sie bedingt hat. Es fragt sich nun, ob wir im heutigen Relief noch Spuren von Flüssen finden, die in der obermiocänen Rumpfebene flossen. Erosionsrelikte finden wir keine. Nirgends hat eine Auf- stauung durch den sich bildenden Jura jüngere Ablagerungen her- vorgerufen. Die Spuren der Talläufe können wir aber noch im Schwarzwald als breite Mulden in der Richtung der heutigen Täler der Alb und Murg erkennen. In diese Talungen haben sie jetzt ihr heutiges junges Erosionstal eingeschnitten. Im Aargauer Jura finden wir nur sehr kleine Bäche, die in grossen weiten Tälern fliessen, deren obere Talwand aus Malm- kalken bestehen. Diese Täler enden ohne Talschlüsse in Ein- senkungen der Birmensdorferschichten und eine Fortsetzung nach Norden fehlt. Betrachtet man von Gansingen aus nach Süden die Bruchlinienstufe zwischen Geissacker und Hottwilerhorn, so schauen die Geissbergkämme von Burghalde und Bützberg über sie hinaus und dazwischen liegen die erwähnten Einsenkungen. Auf der gegenüberliegenden Bötzberghochfläche zeigen sich ausser einer schwachen Einsattelung nördlich Oberbötzberg, die aber ebensogut als Tieferlegung des trennenden Kammes durch beidseitigen An- griff der Erosion erklärt werden kann, keine Merkmale, dass hier eine Fortsetzung dieser Täler sich gefunden hätte. Ich nehme deshalb an, dass diese obermiocän angelegten Flüsse den Bötzberg nicht überflossen haben, sondern sich in die beim Geissberg bestehende Senke ergossen. Dafür spricht auch das Umbiegen des Bächleins von Möntal und die grosse Ausräumung. Subsequenz hat hier die Laufrichtung nicht bedingt, denn die harten Malmkalke bildeten eine zusammenhängende Decke. Erst diese Flüsse haben sie durch- sägt. Es scheint auch wahrscheinlich, dass zwischen Brenngarten und Hommel-Letzi ein Tal bestanden hatte. Der Talschluss ist auch hier unvollkommen. Hommel und Brenngarten haben ihrer Höhenlage nach als Riedel über die obermiocäne Rumpfebene hinausgeragt. Diese konsequenten Wasserläufe hatten ihr Tal zum Teil in den harten Malmkalken. Die Gestrecktheit des Tales zeigt, dass es kurze Laufstrecken waren, die sie wohl mit steilerem Gefäll durchflossen. Die Breite der Täler und das Zusammenfliessen gegen die Talung südlich des Geissbergs, sowie die vollständige Zerlegung der Malmkalke in schmale Tafeln sind genügend Be- weise für ihr sehr hohes, eben obermiocänes Alter. Sie sind jetzt nur noch in den untern Teilen von schwachen Rinnsalen durchflossen. 236 P. Vosseler. Es sind die Reste kleiner Kümmerflüsschen, deren Oberläufe durch den Eingriff des Rheins abgezapft und zerstört wurden. Nördlich der Härtlinge der Mandacherzone lag die Rumpt- fläche in weichen Schichten. Wohl war noch eine ansehnliche Hauptrogensteintafel vorhanden, doch war diese flachliegend. Eben- so streichen in der Umgebung von Frick weiche Schichten in die Fläche aus. Die Rumpffläche ist daher an dieser Stelle nicht mehr vorhanden. Weite Ausräumungsgebiete nehmen ihren frühern Raum ein. Diese sollen in den folgenden Abschnitten behandelt werden. | Ausräumungsgebiete. Das obere Fricktal. Karten: Siegfriedblätter: 32. Frick, 33. Bözen, 34. Wölfliswil, 35. Veltheim. Literatur: Cas. Mösch: Der Aargauer Jura und die nördlichen Gebiete des Kantons Zürich. Beiträge IV. 1867. A. Amsler: Tektonik des Staffelesggebietes und Betrachtungen über Bau und Entstehung des Juraostendes. (Geol. Karte und Profile.) Eclogae XIII. 1915. L. Braun: Geologische Karte und Profile des Blattes Frick. Handschriftliche Originalaufnahme. Zwischen Thiersteiner Berg und Bötzberg fehlt ausser auf den Rogensteinbergen südlich der Mandacherzone die obermiocäne Rumpf- fläche vollständig. Es treten zwar auch ausgedehnte Ebenheiten auf, auf denen sogar Juranagelfluh liegt; doch steigt im Eggwald 606 und auf Rub 595 am Fuss des Faltenjura, das Tertiär auf 600 m Höhe, während die sich nach Norden ziehenden Flächen unter diesem Niveau liegen. Nun sind im Basler Tafeljura *) wohl Aufwölbungen und Faltungen längs dem Nordrand des Ketten- jura nachgewiesen, bei denen das Tertiär mit verbogen wurde. Doch ist hier seine Lagerung normal, schwach nach Süden ein- fallend. Wir müssen also annehmen, dass das ganze Land süd- lich und östlich von Frick ein Produkt der Ausräumung durch den Sisselnbach uud seiner Zuflüsse ist. Von Frick aus sehen wir im Süden steile Berge aufsteigen. Es ist die Stufe des Hauptrogensteins. Durch Flüsse ist ihr Zu- sammenhang gestört und sie ist in einzelne Teile zerlegt, die ein trapezförmiges Aussehen haben. Diese Gliederung macht sich schon am Rande der Hauptrogensteintafel des Thiersteiner Berges geltend, nur sind dort die Riedel lang und schmal und an ibren Kanten 18) A. Buxtorf: Ueber Prognosen etc. a. a. O. 204. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 237 vergratet. So wird Homberg, Horn und Lindberg abgegliedert. Der Reichberg ist nahe daran, überhaupt abgeschnürt zu werden. Weiter im E sind breitere Tafeln. Reste der Malmdecke finden wir noch auf ihnen. Der Hauptrogenstein bildet eine nach Süden fallende Tafel. Ebenso erhebt sich die Fläche, die seinen Steil- abfall nach Süden ablöst, am meisten im Norden, im Oltig 594 m, in Kornberg 588 m und senkt sich nach Süden. Natürlich fällt diese Fläche nicht so steil nach Süden ein, wie die Schichttafel, da in der Nähe des Erosionsniveaus stärkere Abtragung stattfindet. Sie kann aber trotzdem als Landterrasse aufgefasst werden, weil der Unterschied im Einfallen von Oberfläche und Schicht sehr klein ist. Eine Rumpffläche haben wir keine vor uns, denn da. wo nicht Glacialschutt alle feinen Formen verhüllt, tritt uns der untere Malm in einer Stufe entgegen. Einzeine Flüsse haben breite Täler in diese Tafel einge- schnitten. Im untern Lauf ist ihr Gefälle gut ausgeglichen, sie schlängeln sogar auf ihren Flussauen. Die grössern Gewässer ent- springen im Kettenjura, während ihre Nebenflüsschen nur kleine, obsequente Schichtstufenflüsschen sind, die aber alle nach Norden umbiegen. Hinter Kienberg entspringt der Altbach. Er durchfliesst in breiter Aue das Eital. Der Riedel des Altenberg trennt ihn vom Wölfliswiler Bach, der südlich Oberhof seine Quelle hat. Ein kleineres Bächlein entwässert das Korntal. Seine Nebenflüsschen haben die Bildung des Riedels des Feuerbergs bewirkt. : Eine grössere Wasserader kommt erst weiter östlich von der Staffelegg. Der Altenberg bildet eine nach Süden geneigte Landterrasse. Bei Bächlimatt legt sich auf sie die Birmenstorferstufe, die aber bald verschwindet und von einer Süsswasserkalkstufe abgelöst wird, die sich von der Rub bis unterhalb Kienberg ins Tal zieht. Gegen Wölfliswil fehlt jede Stufenandeutung, da hier die Süsswasserkalke in weiche Helizitenmergel und Juranagelfluh übergehen. Auf dem Feuerberg befindet sich ein tektonischer Graben. Die Effinger- schichten liegen beim Hof Feuerberg neben Varians- und Haupt- rogensteinschichten. Er hat keinen grossen Einfluss auf die Boden- gestaltung, nur verflacht sich bei seinem Eintreten in den westlichen Talhang dieser bedeutend. Auch scheint er die Anlage des Tälchens zwischen altem und neuem Feuerberg begünstigt zu haben. Da wo die Schichten flexurartig unter den Faltenjura einsinken, hat sich in den weichen Tertiär- und obern Doggerschichten eine Subsequenzzone gebildet. Die Birmenstorferschichten senken sich in ihr als schwache Stufe von P. 538 zur Riedmatt und ver- schwinden dänn hinter der Mühle im Wölfliswilertal. Auf ihnen 238 P. Vosseler. liegen Helizitenmergel mit schwachen Juranagelfluhbänken. Diese bilden die Höhe 600 beim Eggwald. | Wie der Altenberg, so bildet auch der Kornberg eine sich nach Süden senkende Ebenheit. Der Übergang vom Dogger zum Malm ist durch Glacialschutt verdeckt. Gegen Frick sucht ein kleines obsequentes Tälchen die Stufe des Hauptrogensteins zu zerschneiden. Gegen Herznach räumen kleine Bäche die Tertiär- schichten aus. Es ist ihnen gelungen, im Hübstel 532 m einen Hügel mit Juranagelfluhbedeckung loszutrennen. Denn diese tritt von hier an in ihrer typischen Ausbildung auf und bildet deshalb in diesen Tälchen auch niedere Stufen. Bei Ueken setzt der Haupt- rogenstein über das Tal und bildet in der Egg noch einen, zwar schon von Malm gekrönten Tafelberg. Doch beginnen hier die Formen der Effingerschichten. Das Fricktal durchschneidet bei Hornussen die Hauptrogen- steinstufe, die dann nördlich zum Frickberg ansteigt. Bei den Richtungen der Flüsse des Gebietes lässt sich eine gewisse Gesetzmässigkeit erkennen. Sie strömen alle auf einen bestimmten Punkt zu, der in der Nähe von Frick liegt. Doch die Lösung dieses Problems wird erst bei der Betrachtung des weiter östlich gelegenen Gebiets gelingen. Um Frick sind die untern Dogger- und Liasschichten stark aus- geräumt. Ihre Abspülung bewirkt das Zurückwandern der Haupt- rogensteinstufen und als Rest bleibt ein mächtiger Schuttmantel, der ihren Fuss verhüllt. Im Tal, das eine grosse Weitung dar- stellt, liegen diluviale Ablagerungen. Vom Abhang des Feuerbergs bis zur Kirche von Frick erstreckt sich ein langer schmaler Ter- rassenrest in 400—372 m Höhe, ca. 25 m über dem Bach. Er ist von Löss bedeckt, der im Enzberg aufgeschlossen ist. Seine Schotter sind teils jurassischer, teils alpiner Herkunft. Auf einer andern Terrasse steht die protestantische Kirche und der Bahnhof, in 365 m. Die Ziegelei beutet einen blauen Lehm aus, der spär- lich mit alpinem Geröll durchsetzt ist. Darüber liest Moräne mit grossen Geschieben, die aus den Alpen- oder der Umgebung stammen und zum Teil geschrammt sind. Diese Moräne verknüpft sich nun mit der vorhin erwähnten Terrasse. Es ist also die Hoch- terasse, da nur Rissmoränen so weit reichten. Auch ca. 20 m über dem Bach, in der Guggerhalde bei Wittnau, ist die gleiche Terrasse aufgeschlossen, doch ist hier das alpine Material viel spärlicher. Aus der Verbreitung von Schotterterrassen mit alpinem Material und Grundmoräne in der Tiefe der Täler ist zu schliessen, dass zur Zeit der grössten Vergletscherung die Täler schon in ihrer ganzen Tiefe angelegt waren. Die breiten Talböden und das aus- Morphologie des Aargauer Tafeljura. 239 geglichene Gefäll der Flüsse sprechen ebenfalls für ihre frühe Anlage. 5 Meter über dem Bachniveau liest wieder eine Schotter- terrasse. Es ist wohl ein tieferes Niveau der Niederterrasse und entspricht der in 320 m liegenden Terrasse nördlich Eicken. Östlich der Linie Herznach, Hornussen, Moos kommt man in die Zone der Effingerschichten. Ihre weichen Mergel sind durch- setzt von harten, aber leicht verwitternden Kalkbänken. Diesen ist wohl einige Widerstandsfähigkeit zuzuschreiben. Die Effinger- schichten bilden langgestreckte Riedel, die, wenn überhaugt mit Wald bedeckt, lichte Kiefernbestände tragen; diese spärliche Wald- bedeckung weist darauf hin, dass die Kultivierung dieses Bodens noch nicht seit langem vernachlässigt wurde. Im Riedel Eich- Egg erscheint als Unterlage noch Hauptrogenstein. Er bildet gegen Hornussen noch eine steile Stufe, eine ebensolche, doch niedrigere, im Mühleberg. Die Stufe der Birmensdorferschichten lassen sich von Herznach nach Egg und hinunter über Beertal, dann über den Mühleberg nach Bötzen verfolgen, wo auf ıhr die Kirche steht. Sie zieht sich das Elfinger Tälchen hinauf bis Ecken- ried, bildet die Unterlage des Heuigriedels und zieht sich gegen Wolftal. Beim Moos tritt sie wieder auf und geht über in die schon beschriebene Stufe des Marchwaldes. In den hangenden weichen Eiffingerschichten, deren Oberfläche ein starker Quell- horizont ist, ist es den Bächen leicht gewesen, ein zentripetales Flussnetz anzulegen. Sie flossen gegen ihr Erosionsniveau, das in der Nähe von Frick lag. Ihr Lauf ist, entsprechend einem raschen Einschneiden, gestreckt, doch sind überall breite Talauen gebildet. Was ist nun aber der Grund dieses Zusammenfliessens? Ich glaube ihn gefunden zu haben in einer schwachen wohl mit der Jurafaltung in Zusammenhang stehenden Einbiegung in der Gegend des jetzigen Untern Fricktales. Diese Einbiegung tritt im Struktur- kärtchen deutlich hervor. Sie muss nach der Bildung der ober- miocänen Fastebene entstanden sein, sonst müsste in der Ebene der Hauptrogenstein in der Gegend des Fricktales viel weiter nach Norden gereicht haben und wäre also ein Hindernis für spätere Talbildung gewesen. So wurde durch die Einbiegung die Haupt- rogensteintafel flacher gelegt und der Erosion Möglichkeit geboten, die Stufe rascher abzutragen. Zugleich aber wurde durch sie der Anlass zur Anlage eines Flussnetzes gegeben und die Quellflüsse strömten gegen den nördlichsten Punkt dieser Mulde zusammen. In diese Zeit muss das Eingreifen der Rheinerosion in das Ge- biet fallen. Denken wir uns nun das Gewässernetz in hohem Niveau angelegt, in dem der obermiocänen Rumpfebene, so lag es 240 PAVOSSeler bis Frick überall in weichen Schichten, sei es in den Effinger- mergeln, sei es in dem Tertiär, das die Malmkalke fast gänzlich zudeckte. Auf kürzestem Wege konnten da die Flüsschen dem Muldenzentrum zuströmen, ungehindert durch schwer angreifbare Schichten. Beim Sinken der Erosionsbasis schnitten sie sich epi- genetisch in den Hauptrogenstein und legten so ihre alten Tal- richtungen fest. Entsprechend ihrem Zusammenströmen in der Nähe von Frick wurde auch dort die Hauptrogensteinstufe so stark zurückgelegt. Südlich Zeihen legt sich über die Effingerschichten die Stufe der Malmkalke. Sie ist aufgelöst in schmale Riedel. Auch das lässt sich erklären durch die Epigenese des Flussnetzes. Dieses hätte sich auf den ziemlich weichen Tertiärschichten gebildet und dann eingeschnitten. Diese Schichten sind jetzt stark abgetragen und durch ihre Ausräumung wird auch die obermiocäne Rumpffläche zerstört. Die Geschichte der Ausräumung von Frick würde sich also wie folgt abgespielt haben: Von NW her floss in vindobonischer Zeit ein Fluss ohne Geschiebe zu führen und ergoss sich in einen See südlich Frick. Durch die Aufwölbung der Mandacherzone wurden in diesen Schuttkegel hinausgebaut, die Höhen wurden erniedrigt und es entstand eine greisenhafte Landschaft mit Härtlingen, die obermiocäne Rumpfebene. Bald drang aber das Rheinsystem als Räuber in das Gebiet ein. Zu gleicher Zeit wurde, veranlasst durch die Jurafaltung, die Mulde von Frick-Stein gebildet. Diese zog die Entwässerung an sich und bildete so eine lokale Erosions- basis. Sie verlief nördlich Frick im Hauptrogenstein. Auf den weichen Effingerschichten und dem leicht zerstörbaren Tertiär bildete sich ein zentripetales Flussnetz, das dieser Mulde zuströmte. Durch Erniedrigung der Erosionsbasis schnitten die Bäche epi- genetisch in Hauptrogenstein und Malmkalke ein und legten die Ränder dieser Stufen zurück, indem sie diese noch in schmale Riedel teilten. Durch Ausräumung der weichen Schichten wurde die obermiocäne Rumpffläche fast ganz zerstört und die Oberfläche der harten Kalke als Landterrassen herausgeschält. Vor der Zeit der grössten Eisbedeckung wurden die grösseren Täler vollständig ge- bildet, das Relief wies ebensolche Formen auf wie heute, und auf den Boden der Täler wurden Moränen und Schotter abgelagert. Das Ausräumungsgebiet im Süden des Rheims. Karten: 9 Siegfriedblätter: 19. Sisseln, 20. Laufenburg, 32. Frick, 35. Bötzen. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 241 Liter atur: Cas. Mösch: Der Aargauer Tara etc. Beiträge IV 1867. E. Brändlin: Zur Geologie des nördlichen: Aargauer Tafeljuras zwischen Aäre ‘und Fricktal. Verh. nat. Ges.: Basel XXIL, 1911: mit 1, Karte, und guten Profiltafeln. F. Mühlberg: Der Boden des Aargaus. Mitt. der Aarg. nat. Ges. XII. 1911. 149. H. Walter: Ueber die Stromschnellen von Laufenburg. Vierteljahrsschrift der nat. Ges. Zürich 46. 1901. 232. Zwischen dem Rhein und der Mandacherzone liegt ein mor- phologisch einheitliches Gebiet. Es besteht aus einer Sediment- tafel, die die Flüsse, die an der Mandacherzone entspringen, in Riedel zerlegt haben. Diese Bäche sind klein, mit kleinem Ein- zugsgebiet mit Ausnahme des Sisselnbachs, dessen Quellen dank der Begünstigung seines Laufs in einer Einbiegung bis in den Kettenjura reichen. Zwischen dem kleinen Tälchen, das bei Eicken das Rheintal erreicht, und dem Tal von Wittnau erstreckt sich eine von sanft welligen Hängen bedeckte Vorbergzone des Thiersteiner Berges. Seine steilen, von Schutthalden bedeckten Nordabhänge gehen über in Ebenheiten, die im Wollberg und Schönbühl in 560 m liegen. Diese Landterrassen sind von ziemlich steilen, bewaldeten Stufen begrenzt, den Stufen des obern Keupers. Diese gehen dann über in die. Landterrasse des obern Muschelkalkes. Sie liest bei Seckenberg in 450 m, bei Moos in 400 m, sinkt also nach Süden wie die sie bildende Muschelkalktafel und verschwindet dann bei Frick. Gegen die Täler bildet der Muschelkalk eine steile Stufe, in der Steinbrüche angelegt sind und deren Fuss von einer mäch- tigen Schuttdecke eingehüllt ist. Auf der Glurhalde liegt eine Ebenheit im obern Lias. Seine: tiefe Lage ist durch die hier in einer Flexur ausklingende Mandacherzone zu erklären. Dieser Riedel stellt also herausgearbeitete Schichtstufen und Landterrassen des Hauptmuschelkalkes und obern Keupers dar. Das überall als dünne Decke lagernde Glacial stört hier die Klar- heit der Formen nicht. 4 Einige kleinere Bäche entwässern das Gebiet. Der Kellen- graben, der seinen Anfang im Keuper nimmt, ist nur 2 km lang, hat aber schon in einem tiefen Tal die Muschelkalktafel zer- schnitten. ‘Seine geringe Wasserführung macht es fraglich, ob wirklich dieses Bächlein solch ein Tal mit ausgeglichenem Gefälle einschneiden konnte. Die Vermutung liegt nahe, dass früher das Einzugsgebiet weiter nach Süden reichte und grösser war, beson- ders noch, da das Tal ein Schlängeltal ist: ‘Denn die Quellflüsse des benachbarten Fischingerbaches zeigen SN Laufrichtung. 'Mög- 16 242 P. Vosseler. lich wäre, dass hier eine Enthauptung des Bächleins vorläge und dass wir im Kellengraben nur noch ein Kümmerflüsschen haben, Zu diesem Schluss drängt uns auch das Trockentälchen am Fuss des Schönbühl. Die andern Wasseradern bilden im Keuper ge- streckte Bachrisse. Die steilen Schutthalden des Frickbergs gehen in ca. 500 m über in eine ebene, langgestreckte, doch schmale Fläche. Es ist die Landterrasse des obern Keupers, auf dem spärlich Liasrelikte liegen. Sie senkt sich vom Wolfgarten 506 m nach S bis 483 m bei Müllersacker. Diese Landterrasse ist stark von der Erosion angegriffen. Der untere Keuper bildet ausgedehnte Rutschgebiete. Wie beim Seckenberg erhebt sich diese Keuperstufe über einer Muschelkalkebenheit in 440 m, die auch nach Süden einsinkt. Der Rand ist sehr steil gegen Norden. Zahlreiche Abrissklüfte begleiten ihn und mächtige Schutthalden bedecken seinen Fuss. Diese Stufe ist gar nicht gegliedert und verläuft in einem flachen konkaven Bogen. Der Ubergang der Keuperebenheit zum Fuss des Frickberges ist ein stetiger. In leichtem Anstieg überschreiten wir die Über- schiebungszone, die hier äusserlich gar nicht zur Geltung kommt. Der Ubergang ist in 500 m. Er bildet also eine kleine Vereb- nungsfläche, die noch von keiner Subsequenzzone angegriffen wurde. Wohl streichen an der Überschiebung neben dem nördlich ein- tauchenden Lias Keuper und Lias zu Tage, doch da sie steil stehen, wären sie ja subsequenter Abtragung bereits zum Opfer gefallen. Das verhindert aber die mächtige, den Fuss des Frickbergs ganz einhüllende Schuttdecke. Der Heuberg bei Laufenburg ist auch ein kleiner Lias-Keuper- Tafelberg. Der Dolomit und Schilfsandstein bilden nach allen Seiten steile Hänge. An sie legt sich im Norden in 510 m Höhe die ausgedehnte Muschelkalkterrasse des Ebneberges. Diese senkt sich gegen Süden und Westen rasch und liegt in Espeln 450 m, im Keistel sogar 398 m. Nach den Profilen und Karten von Brändlin und Blösch streicht in diese Zone eine Flexur durch. Gegen Süden ist die Verbindung durch einen ziemlich starken Bach zerstört. Er hat im untern Keuper eine ausgedehnte Aus- räumungszone geschaffen und hat die Tafel des Heuberg isoliert. Die Ränder der Muschelkalktafel sind steil, wieder von Schutt- halden begleitet, unter denen bei Laufenburg die Wellenbildungen heraustreten und in 400 m eine kleine Terrasse bilden. Die Stufe ist geschlossen und springt in einem starken Winkel bei Laufen- burg gegen Norden vor. Nur drei kleine Bachrisse, die kaum bis zum Keuper hinauf reichen, aber grosse Schuttkegel gebildet haben, Morphologie des Aargauer Tafeljura. 245 sind südlich des Kaisterkopfs in die sonst zusammenhängende Wand gegraben. Zwischen dieser fast ungestörten Tafel und dem Schinberg ist der Riedel von verwickeltem geologischen Bau. Hier verläuft die - Mettauer Aufbruchszone, die sich in einer Aufwölbung und Uber- schiebung der Schichten auf die südlich lagernde ungestörte Sedi- menttafel äussert. Schon nördlich Itental, auf der linken Talseite bei Emischwand zeigt sich die Aufbiegung und der Muschelkalk ist in einem ca. 20 m hohen Hügel herausgeschält. Das ist noch in weit stärkerm Masse beim Käsiberg der Fall. Kleine Subsequenz- flüsschen haben sich im Keuper entwickelt, der bei Lauberten den Anfang der Uberschiebung noch verhüllt. Erst bei der Egghalde tritt der Muschelkalkzug wieder heraus und kommt neben den widerstandsfähigen Keuperdolomit und Lias zu liegen. Deshalb ist der Übergang bei Sulzerberg und Voregg über die Störungs- zone nicht sichtbar, währenddem der Hang gegen die nördlich gelegene Subsequenzzone dem steilen Nordschenkel der Autbiegung entspricht. Über Degenacker-Brücklimatt-Obersulz zieht sich die Man- dacher Störungslinie. Zwischen den beiden Aufbruchszonen liegt nun eine Schichttafel, die ungestört nach Süden einfällt. Im Tal bei Sulzhalde und Bütz ist noch der Muschelkalk dieser Tafel angeschnitten und er bildet auch einen kurzen Steilhang. Die Stufe des obern Keupers zieht sich von Vor Egg 480 m nach Lochmatt 430 m. Bäche bei Sulz räumen die weichen Keuperschichten aus, haben aber die im Sulzerberg erhaltene Liasebenheit noch nicht zerschnitten. Von ihr findet ein merklicher Übergang zum schutt- bedeckten Doggerfuss des Schinberg statt. Wie auf dem weiter westlich gelegenen Riedel finden wir hier also Tafelberge, die durch widerstandsfähige Schichten gebildet werden. Neu hinzu kommt die Herausschälung des Muschelkalk- zuges der Mettauer Zone. Ahnlich gebaut ist der Riedel zwischen Sulz und Mettauertal. Über den Muschelkalkebenheiten des Schwarzrain 465 m und der Frohnhalde 454 m erhebt sich ein kleiner Keupertafelberg in 523 m. Der Rand der Muschelkalktafel verläuft im Norden in einem dem Rheinlauf parallelen, flachen Bogen. Drei Bächlein, die auf seiner Oberfläche im Keuper entspringen, versiegen im Muschelkalkschutt, der den Fuss der Stufe bedeckt. Gegen Leidiken öffnet sich ein kleines Tälchen, das sich subsequent im Streichen der Keuper- schichten entwickelt hat. Es hat mit dem im E im Hofer ver- laufenden Bächlein geholfen, die Aufwölbung der Mettauerzone, 244 P. Vosseler. die uns im Hoh Bützig und dem langen Rücken von Altenackern entgegentritt, herauszuschälen. Diese beiden Bäche fliessen im untern Keuper, münden ‚dann aber über die Stufe des Muschel- kalks mit steilem Gefäll hineilend in Sulz- und Mettauer Bach. Entsprechend dem grössern Fortschritt der Erosion kommt die erwähnte Aufbruchszone in der Nähe des Tales morphologisch am stärksten zur Geltung. Während bei Hoh Bützig und Nuss- baumen ihr Südschenkel nur klein und abgequetscht: ist, bildet sie weiter östlich eine Antiklinale mit ziemlich flachen Schenkeln. Entsprechend diesem geologischen Bau besteht auch von P. 523 ein flacher Übergang nach Nussbaumen in 528 m. In Altenackern wird 563 m erreicht. Dort tritt auch noch eine kleine Decke von Trigonodusdolomit auf, wie übrigens auch bei Nussbaumen, der die Rodung lohnte, während die Muschelkalkhänge dichter Wald deckt. dé Der Übergang von der Aufbiegung zur ungestörten Schicht- tafel im Süden ist unmerklich. Die Hänge, an denen der weiche Keuper ausgeräumt ist, deckt Gehängeschutt. An den Rändern der Schichttafel, deren Oberfläche hier in 489 und 528 m liegt und von Opalinustonen gebildet wird, treten wieder die Keuper- stufen auf. Sie ziehen sich im Westen von Nussbaumen 480 m nach Espenegg 470 m, Ried 430 m, im E von Röthberg 460 m, wo im Schilfsandstein und Dolomit Steinbrüche angelest sind, über Kaltenbrunnen nach Unter Büren. Der Muschelkalk bildet bei Steghalden südlich Mettau einen steilen Felshang. Der untere Keuper ist ein Gebiet starker Ausräumung. Bis zum Lias schneiden einige Bächlein ein und suchen kleine Flächenstücke loszutrennen und abzutragen. Der Galtenbach hat sich tief nach Süden hinein- gearbeitet und es ist ihm gelungen, die Landstufen des Gugli- und des Röthelhölzli von einander zu trennen, ja noch in die Bruchlinien- stufe am Geissacker eine Bresche zu legen. Gugli 611 m und Röthelhölzli 580 m sind kleine Reste der früher ausgedehnten Bajocien- und Hauptrogensteintafel. Das Gugli besteht zu oberst aus einer kleinen Hauptrogensteinplatte. An seine Kuppe schliesst sich in 580 m Höhe die Landterrasse des Bajocien, die dann gegen Süden die Verbindung mit dem Geissacker bildet. Im Röthelhölzli ist nur sie noch vorhanden. Entsprechend der Härte und Mäch- tigkeit der Bajocienkalke sind die Hänge dieser beiden Hügel ziemlich steil. Gegen Süden schliessen sie sich in ca. 580 m dem schuttbedeckten Fuss des Geissackers an. Da bei der Uber- schiebung gleichwertige Schichten aneinanderstossen, so bildet in der Eselsmatt in 560 m eine Liasterrasse die Fortsetzung der Bajocienebenheit auf Gugli und Rötelhölzh. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 245 Das ganze Gebiet tritt uns als reif zerschnitten entgegen. Die widerstandsfähigen Schichten sind als Landterrassen. heraus- präpariert, ebenso der Zug der Mettauerzone als Härtling. Im Rütiberg tritt uns wieder eine, von dünner Keuperdecke verhüllte Muschelkalklandterrasse entgegen. Sie senkt sich von Norden, 511 m, nach Süden, 450 m, doch auch gegen NE Senn- hof 450 m, Himmel 446 m. Zudem verschmälert sie sich in dieser Richtung, um dann nur noch am Hang der Wandfluh in kleinen Flächenstücken erhalten zu bleiben und ganz zu verschwinden. Die Ränder bieten das schon mehrfach beschriebene Bild und verlaufen parallel dem Rheinlauf. Die Zerschneidung ist noch wenig fort- geschritten, doch trennt ein südlich Sennhof in subsequentes Streichen umbiegender Bach bei Schwaderloch ein Flächenstück ab. Auch gegen Mettau schneidet ein kleiner Bach ein. Gegen den Stutz, der zur Mettauer Härtlingszone gehört, hat eine Flussrinne die Verbindung weit zurückgelest. Doch besteht sie noch bei 490 m. Entsprechend einem flachen Ansteigen des nördlichen Faltenschenkels steigt auch das Gelände zwischen Schiltegg und Wandfluh flach an. Im Süden dagegen ist der Hang steil, von Schutthalden be- deckt. Das ist wohl darauf zurückzuführen, dass der Muschelkalk auf den weichen Keuper geschoben wurde, und durch seine Aus- räumung wurde der steile Südhang erzeugt. Erst da, wo die Erosion die Keuper-Liastafel noch nicht erreicht hat, besteht ein ebener Übergang von der Aufbruchszone zur Tafel. Die Subsequenz ist also auch hier nicht vollständig. Die aufgewölbte Muschelkalk- tafel ist in der Wandfluh durch die Erosion quer zu ihren Streichen angeschnitten. Es treten da die gleichen Erscheinungen auf, wie an den einfachen Muschelkalkstufen. Ihre Höhenlage und ihr gegen Nordenfallen begünstigen das Abgleiten grosser Schichtpackete auf der weichen Unterlage. Nur eine dichte Walddecke verhindert hier ein schnelleres Zurückweichen der Fluh, auf deren Rand sich lange Abrissklüfte bilden. Die gegen Norden umbiegende Mettauerzone lässt bei Leib- stadt den Muschelkalk nur noch in viel geringerer Höhe auftreten. Sein Steilhang tritt dort unter der starken Diluvialbedeckung fast nicht mehr in Erscheinung. In die schwach gewölbte Oberfläche der Wandfluh ist im Ifangerboden eine flache, mit Glacialschutt bedeckte Talmulde ein- gesenkt, die dann am Rand der Fluh unvermittelt endet. Wir haben es hier mit einem alten Tälchen einer frühern Erosions- periode zu tun. Beim Zurückwandern der Stufe blieb nur noch ein Talschluss. 246 P. Vosseler. Wie vorhin erwähnt geht die Hochfläche der Wandfluh und des Weisstannenkopfes in die Liasebenheit von Olspel 522 und Odenholz über. Wir befinden uns auf dem ungestörten Tafelstück. Dieses ist wieder zerschnitten. Da zum Teil noch der Muschel- kalk an der Basis des Wilertales heraustritt und dort eine Stufe bildet, so ist der untere Keuper in seiner ganzen Mächtigkeit auf- geschlossen und bedingt eine weitgehende Ausräumung. Diese besorgen auch der Hottwiler- und Grundbach mit ihren Neben- flüsschen. Die milden Hänge krönen die Stufen des Keuperdolo- mits und Lias. Von Steigrüti ziehen sie sich unter dem Ebnet durch in 490 m, senken sich dann im Aureigraben, um vor Hott- wil im Tal zu verschwinden. Am linken Talhang steigen sie dann gegen Eschbühl 530 m, sinken gegen Süden, um bei Gansingen wieder das Tal zu erreichen. Sie sind nach oben von Ebenheiten begleitet, die im Ebnet eine ziemlich grosse Fläche von 538 m bilden, im Runnifirst 497, Scheuer und Rüteli aber nur kleine Ebenheiten bilden. Die 90 m mächtigen Opalinustone bilden über ihnen ein Gebiet starker Schlipfe, über das sich einzelne Haupt- rogensteintafeln erheben. Der 1 km lange 100—300 m breite Laubberg 653 m trägt eine flache Ebenheit, die nach allen Seiten scharf begrenzt ist. Besonders im E liegt 200 m tiefer die Erosions- basis sehr nahe, in nur 1'/g km Entfernung. Das bedingt einen sehr steilen Hang. Deshalb gliedern sich nur gegen Süden und Westen in 570 m Höhe Landterrassen des Bajocien an. Die Stufen sind allgemeinen gekennzeichnet durch Busch- und Waldbedeckung. Der Ubergang zum Bürer Horn ist schmal und liegt in 583 m. Das Bisletenbächlein fliesst hier im Scheitel der Aufbruchszone. Ein kleinerer Rest der Hauptrogensteinplatte bildet den Mühl- berg. Sie ist bis auf ein dünnes Relikt erodiert. Erst das Bajocien bildet wieder Landterrasse und Steilabhang. In 577 m findet der Ubergang zum Hottwiler Horn statt. Wir haben also in diesem Teil des Aargauer Tafeljuras eine tief zerschnittene Sedimenttafel. Durch die morphologisch wider- standsfähigen Schichten wird der Zerschneidung Einhalt geboten, der natürlich um so länger anhält, je mächtiger und fester die Schicht ist. In den weichen Horizonten wurden ausgedehnte Aus- räumungsgebiete geschaffen. Laubberg und Mühlberg tragen Re- likte der früher weiter verbreiteten Hauptrogensteintafel. Im Stutz und Weisstannenkopf haben wir Flächen, die viel- leicht-frühern Erosionsperioden angehörten. Dafür spricht das in der Wandfluh eingesenkte Trockentälchen. Die Täler, welche die eben besprochenen Riedel voneinander scheiden, werden von Bächen durchflossen, welche in den obern Morphologie des Aargauer Tafeljura. 247 Dogger- und Effingerschichten der Mandacherzone ihren Anfang nehmen. Eine Ausnahme macht der Sisselnbach. Entsprechend seiner starken Wasserführung ist sein Tal breit. Die Muschelkalk- hänge treten stark zurück und ihren Fuss bedecken Diluvialterrassen. Sie führen zum Teil alpines Material, das stark verkittet und von Löss bedeckt ist. Aus diesen Tatsachen folgere ich, dass sie Terrassen der Risseiszeit sind. Ihre Oberfläche liegt bei Frick in 372 m, beim Bahnhof in 365, im Eilenz in 351 m, westlich Eicken beim Bahneinschnitt in 341 m. Sie würden also ihrer Höhenlage nach mit der Hochterrasse von Möhlin übereinstimmen. Ausser _ dieser, nur noch in unzusammenhängenden Terrassenstücken vor- handenen Hochterrasse begleitet eine Stufe der Niederterrasse den Sisselnbach hoch über dem Bachniveau. x Die obern Teile des Tales zwischen Frick und Oschgen zeigen entsprechend den weichen Schichten des Untergrundes milde Formen. Tief hat die Erosion in die Dolomitplatte des Wolfgarten ein- geschnitten und die sanften Keuperformen sind von Steilstufen gekrönt. Nördlich Oschgen treten die Muschelkalkbänke ins Tal- niveau, um gegen Norden anzusteigen. Sofort werden die Gehänge steiler, auch verengert sich das Tal ein wenig. In Leimgruben und Weingarten hat der Bach Prallhänge geschaffen. Jetzt hat er sich in die 10 m Terrasse ein neues Bett eingesenkt. Bei Eilenz- matt fliesst er aber nicht wie sonst in seiner frühern Schotter- auffüllung, sondern er schneidet den Wellenmergel an. Der Ter- rassensporn des Eilenz ist somit geschützt, ihre Nagelfluh reicht bis auf die liegenden Sedimente. Von der Brücke an schlängelt der Bach auf seinem, in die 310 m hohe Rheinterrasse eingesenkten Verebnungsboden, um dänn bei Sisseln den Strom zu erreichen. Nur auf einer kurzen ca. 100 m langen Strecke fliesst also der Sisseln- bach in liegendem Gestein. Sonst arbeitet er immer noch, jetzt - durch Seitenerosion, an der Zerstörung früherer Schotterfelder. Das Tal muss also, da Schotter der grössten Vergletschung auf seinem Boden vorkommen, das zeigt uns die Terrasse von Eilenz, vor dieser Vergletschung erodiert gewesen sein. Die östlicheren Bäche haben nur einen viel kürzeren Lauf. Der Kaisterbach greift mit seinen zwei Quellästen bei Itental bis ins Niveau des Malm der aufgeschobenen Sedimentplatte. Im Tal- acker haben wir ein Trockental, das vermuten lässt, dass der kleine Bach von Wolftal da enthauptend eingegriffen hat. Ostlich Itental greift der andere Quellast bis zur March hinauf. Doch fängt die Wasserführung erst an der Basis des Hauptrogenstein an. In schmalem Tälchen fliesst nun der Kaisterbach durch die Keuperstufe, erweitert dann den Talboden bis zum Käsiberg, wo 248 :P. Vosseler. der beginnenden und angeschnittenen Muschelkalkaufwölbung halber das Tal sich wieder verengt. Unterhalb dieser Stelle befinden wir uns im Ausräumungsgebiet des untern Keupers, in das auch weit hinein der Bach von Oberkaisten greift. Erst bei Kaisten wird der Muschelkalk durchbrochen, und zwar in einem ziemlich breiten Tal mit gut entwickeltem Talboden und hier hat sich als Nachfolger einer Römersiedlung das Dorf entwickelt. Ausserhalb des Durchbruchs durch den Muschelkalk hat der Bach auf die Rheinniederterrasse seinen Schuttkegel aufgeschichtet und mäandriert jetzt auf ihm und auf der Niederterrasse bis zur Mündung in den Rhein. | Terrassen finden wir im Kaistertal nur als kleine undeutliche Reste. Sie liegen 5—10 m höher als das Bachniveau. Die Hänge sind bis ins Tal hinunter mit Moränenschutt bedeckt, ein Zeichen wieder, dass das Relief hier älter ist, als die Rissvergletschung. Die Talböden sind ziemlich breit und sogar in den epigenetischen Talstrecken am Käsiberg und bei Kaisten ist das Gefälle aus- geglichen. Ein nicht viel grösseres Einzugsgebiet hat der Sulzerbach. Seine Quelläste sind teils subsequent angelegte Callovientälchen, teils schneiden sie obsequent in die Hauptrogensteinstufe. Nur der östliche Ast hat eine grössere Länge. Er entspringt in den Malmschichten, doch ist seine grösste EW Laufstrecke epigenetisch in den Hauptrogenstein eingesenkt. Erst vor Sulz biegt er nach Norden um, ein Zeichen, dass zur Zeit jener Anlage die Stufe etwa 500 m weiter nach Norden reichte, in die er dann obsequent ein- schnitt. In seinem obersten Teil ist das Gefälle steil. Erst bei Talmatt in 460 m ist sein Lauf: von einem Talboden begleitet. Zwischen Obersulz und Bütz begleitet den Bach eine Terrasse, in die er sich wieder neu einschneidet. Enger wird das Tal wieder gegen Leidiken. Da fehlt auch der Talboden. Erst gegen den Rhein zu, wo der Bach in weichen Anhydritschichten ausräumen konnte, finden wir wieder Terrassen in 340 m Höhe, die dann in die Niederterrasse des Rheins übergehen. Auf der Laufstrecke von Leidiken zum Rhein pendelt der Bach auf einer kleinen Verebnungsfläche im Schotter und schneidet. nirgends dessen Liegendes an. Wir müssen also, da auch in diesem Tal die Glacialbildungen und ihre Schotter bis zum Talboden reichen, annehmen, dass dieses Tal vor der grossen Vergletschung gebildet war. Oberhalb Mettau treffen zwei Bäche zusammen, die in die Sedimenttafel zwischen der Mandacher- und Mettauerzone eine starke Ausräumung geschaffen haben. Oberhalb Oberbüren greifen Morphologie des Aargauer Tafeljura. 249 sie über die Bruchlinienstufen hinauf. . Der westliche schwächere Quellast fliesst, nachdem er in Bannhalde und Tal eine Subse- quenzzone geschaffen, in kurzem, steilem Lauf obsequent durch den Hauptrogenstein, der östliche verläuft überhaupt ganz im Streichen der Stufe. Seinem Talboden nach zu schliessen, scheint das der ältere Quellast zu sein, der sich epigenetisch in den Haupt- rogenstein eingeschnitten hat. Er besitzt ein ausgeglichenes Ge- fälle, während das obsequente Bächlein noch in sehr steiler Stufe in einem Hängetälchen ins Haupttal übergeht. Unterhalb Gansingen treten längs des Baches 5 m höher als dieses Terrassen mit alpinem Material auf. Auch gehen die Mo- ränen, die überall die Hänge in dünner Decke überziehen, bis zum Talboden hinunter. Erst kurz vor der Vereinigungsstelle mit dem Wiler Bach wird der Muschelkalk angeschnitten und dieser bildet dann auch sehr steile Talgehänge. Der Wiler Bach greift auch über die Mandacherzone hinaus. Die ostwestliche Richtung einzelner Quelläste zeigt subsequente Anlage. Das Gefälle ist ausgeglichen, der Talboden breit. Neben- bäche räumen den Keuper aus. Zwischen Wil und Oberhofen, ebenso in Ritterhalden zeigen sich Reste alter Talböden, die aber ebensogut, da sie nur lokal über Muschelkalk auftreten, seine Felsterrassen sein können. Sie liegen in Engleten 370—390 m, in Ritterhalden 410-430 m, bei Wil 420 m. Sie sind von Glacial- schutt bedeckt. In ziemlich engem Tale wird der Muschelkalk durchflossen. Wieder begleiten Terrassen den Bach, die 20—30 m über ihm liegen und nicht so starkes Gefälle aufweisen. Sie gehen auch in die Niederterrasse des Rheins über, die bei Etzgen im Pfannenstiel 340 m hoch wird. Die Terrasse ist zum Teil geschützt, da der jetzt seitlich erodierende Bach bei Etzgen die Wellenkalke an- geschnitten hat. Alle besprochenen Täler haben verschiedene Züge gemeinsam. Sie greifen sämtliche über die Mandacher Linie hinaus, fast alle mit epigenetisch eingesenkten Subsequenztälchen beginnend, durch- fliessen eine Ausräumungszone mit milden Talhängen und durch- brechen in kurzem gestrecktem Lauf den Muschelkalk. Glacial- bedeckung bis ins Tal hinunter verweist die Bildung dieser Täler in die Zeit vor der grossen Vergletscherung. In der ganzen Zone nördlich der Mandacher Bruchlinienstufe finden wir also die Herausarbeitung der härteren Schichten am Werk, die Bildung einer Schichtstufenlandschaft. Es lässt sich kein einheitliches Niveau erkennen, das uns als Rest einer frühern 250 P. Vosseler. Verebnungsfläche erscheinen könnte. Denn nur da, wo widerstands- fähige Schichten die weichen schützen, sind diese erhalten geblieben. Auch weisen die gestreckten Unterläufe und die ziemlich engen Täler der Flüsse darauf hin, dass die Erosion nie zum Stillstand gekommen ist. Entsprechend diesen Tatsachen fügen sich sämt- liche Bodenformen ganz dem gegebenen geologischen Bau ein. Bei Kaisten, wo eine flache Einbiegung ist, sinken die Landterrassen, ebenso nach Süden, entsprechend dem Schichtfallen. Die Auf- bruchszone von Mettau ist als Härtlingszug des Muschelkalks herausgebildet. Wohl wurde ja nicht direkt die Schichtfläche als solche herausgeschält, denn schliesslich schneiden auch die Land- terrassen die Schichten schief. So liegt noch auf fast allen Muschel- kalkebenheiten Keuper, der Scheitel der Aufbiegungszone ist auch stärker abgetragen als die Schenkel. Die harten Niveaus dienen eben als lokale Erosionsbasis, bis zu denen das Hangende abge- tragen wird. So lange die Gefällsverhältnisse über der harten Platte gross sind, wird das auch schneller vor sich gehen, doch wo sie fast weggeschafft sind, wird es eine lange Zeit dauern, bis alle Resten der hangenden Schichten verschwunden sind. Ich habe bei der Besprechung der Wandfluh erwähnt, dass in ihrer Oberfläche, in 530 m, sich ein Tälchen befinde, das einer früheren Erosionsperiode zuzuweisen sei. Nun sind aber, wie schon dargelegt, im Aargauer Tafeljura keine jüngeren post-miocänen Flächen zu finden, die als Reste von Rumpfflächen zu deuten wären. Man müsste schon die Übergänge über die Aufbruchs- zone als solche Flächenstücke ansehen. Diese liegen ungefähr in 500 m Höhe. Nun treten im Schwarzwald in gleicher Höhe zwischen 500 und 600 m solche Verebnungsflächen auf, die sich in der harten Unterlage des Urgesteins gut bewahrt haben. Auch ist die junge Erosion der Haupttäler der Alb und Murg erst etwa bis 600 m Höhe fortgeschritten. Über diese Höhe öffnet sich ein weites Tal mit breiten Talboden und bietet einen scharfen Gegensatz zum klammartig eingesenkten Unterlauf. In diesem Unterlauf sind aber auch Spuren früherer Ausgeglichenheit des Grefälles. Bei Tiefen- stein findet sich ein Umlaufberg von 545 m Höhe. Diese würde ungefähr ins Niveau der erwähnten Ebenheiten reichen. Alle diese Befunde lassen uns das Bild eines ehemaligen Rheintales kon- struieren. Es lag höher als das praeglaciale Rheintal, auf dessen Sohle der Deckenschotter liegt, wäre demnach auch älter. Vielleicht ist dieses Rheintal mit der Basisfläche der Sundgauschotter zu identifizieren. Pliocäne Schotter sind im Tafeljura keine zu finden. Der Schwarzwald ist nur mangelhaft kartiert, deshalb können wir in dieser Beziehung nur Vermutungen aufstellen. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 251 Warum wir im Jura so wenig Anhaltspunkte für einen plio- cänen Talboden finden, liegt in der Tatsache, dass zu jener Zeit der Rhein noch weiter nördlich floss. Die Schichtstufe des Muschel- kalkes war wohl schon gebildet und die Erosion des Rheines wirkte immer gegen Süden, konnte also da keine Schotter ablagern. Da sich die Erosionsbasis immer mehr näherte, so war die Mög- lichkeit eines Stillstandes der Erosion im Süden ausgeschlossen. Das Rheintal zwischen Leibstadt und Säckingen. Das Bild des Rheintales ist ein sehr abwechslungsreiches. Weitungen mit grossen Schotterfeldern wechseln ab mit engen Laufstrecken, wo der Rhein in Wirbeln und Schnellen die sich ihm darbietenden Hindernisse wegzuschaffen sucht. Nach der Tal- weitung von Leibstadt durchschneidet er bei Schwaderloch den Muschelkalk des Schwarzwälder Sedimentmantels. Von der Alb- mündung bis Laufenburg fliesst er dann in engem Tale, mäandrierend Prall- und Gleithänge schaffend. Auf dieser Strecke schneidet er auch zu mehreren Malen in das Urgestein des Schwarzwaldsockels. Unterhalb von dem erwähnten Städtchen ist wieder eine Weitung, die ein ausgedehntes Terrassenfeld ausfüllt. Überhaupt ist der Rheinlauf von Terrassen begleitet, die nur in seiner obsequenten Laufstrecke zwischen Schwaderloch und Hauenstein fehlen. Zwar sind die Terrassenreste oft klein und nur noch am Eingang in die Seitentäler vorhanden, wo sie auch weit hinauf greifen. Sie gehören grösstenteils dem Alter der Niederterrasse an und liegen ca. 40 m über dem heutigen Flussniveau. Die Hochterrassenreste sind spärlich. Sie sind im Eilenz 351 m und vor der Halde 341 m, durch die Niederterrasse vor Abtragung geschützt, zu finden. Südlich des Rheintales erheben sich die steilen Muschelkalk- stufen. Das Vorspringen oder Zurückweichen ihrer Formen ver- dient näher betrachtet zu werden. Wären diese Schichtstufen einfach unabhängig von einem so grossen Subsequenzfluss ent- standen, denn als solchen muss man den Rhein in dieser Haupt- strecke auffassen, so wären ihre Formen bedingt durch tektonische Aufwölbungen oder Einbiegungen. Bei einer Aufwölbung müsste die Stufe zurücktreten, bei einer Einbiegung vorspringen. Hier finden wir ganz andere Ergebnisse. Bei Kaisten springt die Stufe in flachem Bogen nach Süden zurück. Hier befindet sich aber eben eine tektonische Mulde in NS-Streichen, an der Wandfluh ist der Muschelkalk der Mettauer Antikinale einfach schief ange- schnitten. Die andern Bögen und Winkel werden auch nicht durch die Tektonik bedingt, sondern die Stufe springt da zurück, wo der 252 P. Vosseler. Rhein weit eingreift, und wo er Gleithänge bildet, springt sie vor. Die Form der Muschelkalkstufe ist also nur der Rheinerosion zu- zuschreiben. Da, wo Schwarzwaldflüsse seinen Lauf nach Süden drängten, griff er weit ein und wo er am Schwarzwald seinen Prallhang schafft, bleibt die Stufe geschont. Nun ist im allgemeinen der Abhang des Schwarzwaldes ein sanfter, während der Tafeljura in steiler Stufe gegen den Rhein abfällt. Auch finden sich die eiszeitlichen Schuttkegel der Schwarz- waldflüsse hoch oben am Schwarzwaldrand.'?) Auch Deckenschotter sind dort zu finden, die im Tafeljura gänzlich fehlen. Erst zur Zeit der grossen Vergletscherung, wo auch in diesem die Formen schon vollständig wie heute gebildet waren, treten Hochterrassenschotter auf. Aus diesen Gründen schliessen wir, dass der Rhein sich auf der harten Unterlage des Schwarzwaldes langsam gegen Süden schiebt und die weichen Schichten des untern Muschelkalks erodiert. Jetzt bildet er eigentlich nur im Schutt früherer Akkummu- lationsphasen sein Bett und nur da, wo er seinen Lauf verfehlt hat, schneidet er epigenetisch das Grundgebirge an. Seine heutige Wirkung auf die Stufen ist also nur gering. Diese wurden schon vor der Risseiszeit so weit zurückgelegt, und die lange Zeit ermög- lichte dann den südlichen Nebenflüssen, ‚sie mit ausgeglichenem Ge- fälle zu durchfliessen. Sie ermöglichte auch. die Bildung und Ver- kittung so mächtiger Schuttdecken, die jetzt den Fuss der Stufe überziehen. Suchen wir nun die Bildung des Rheintales in der obermiocänen Fläche zu verstehen, so sehen wir, dass er sich dort in die weichen Keuper-, Lias- und Opalinusschichten eingegraben hat und deshalb war es ihm auch möglich, ein eigentlich für seine Jugend breites Tal anzulegen. In einem spätern Abschnitt wird näher über seine Bildungsgeschichte zu sprechen sein. Das Aaretal. Karten: Siegfriedblätter: 21. Koblenz, 22. Klingnau, 36. Stilli, 38. Brugg. F. Mühlberg. Geol. Karte des untern Aare-, Reuss- und Limmattales. 1 : 25000. A. Favre. Carte du phénomène erratique et des anciens glaciers, Bl. II. Literatur: Léon du Pasquier. Ueber die fluvioglac. Ablagerungen der Nordschweiz. Bei- träge N.F. I. 1891. F. Mühlberg. Erläuterungen zur geolog. Karte des untern Aare-, Reuss- und Limmattales. Eclogae VIII. 1904, 487. R. Tschudi. Zur Altersbestimmung der Moränen im untern Wehratale. Diss. Basel. 1904. DE 7,2Schll san a.s0 27 t: a Morphologie des Aargauer Tafeljura. 253 Oskar Frey. Talbildung und glac. Ablagerung zwischen Emme und Reuss. Diss. Zürich 1907. | Ed. Brückner. Das Schottergebiet in der N.-W.-Schweiz. In Penck und Brückner: Die Alpen im Eiszeitalter. II. Leipzig 1909. 442, Ed. Blösch. Die grosse Eiszeit in der Nordschweiz. Beiträge NF XXXI. 1911. 27. R. Frei. Monographie des schweiz. Deckenschotters. Beiträge NFXXXVII 1912. In einem weiten, von ausgedehnten Schottermassen angefüllten Tale fliesst die Aare. In einem jungen Einschnitt durchbricht sie die Gislifluh-Kestenbergfalte, wendet sich dann westwärts, um bei Windisch und Turgi zwei weitere grosse Mittellandflüsse, Reuss und Limmat, aufzunehmen. So verstärkt schlängelt dann der Fluss auf seinen frühern Aufschüttungen, nur bei Böttstein das Liegende, den Lias anschneidend. Erst bei Felsenau verengt ihr Lauf sich wieder beim Durchbruch durch den Muschelkalksporn, um dann, mit dem Rhein vereinigt, in grossem Bogen ins SW laufende Rheintal zu fliessen. Die weite Talung wie die auf den Höhen liegenden alten Schotter deuten auf hohes Alter des Aarelaufs. Nur bei Brugg, wo er in enger, epigenetischer Schlucht die Malmkalke angreift und bei Felsenau haben wir jüngere Formen. Roman Frei hat durch die Konstruktion seiner praeglacialen Hochfläche, die E. Brückner *°) zuerst beschrieben hat, an Hand der Basisflächen des Decken- schotters nachgewiesen, dass schon vor der Günzeiszeit ein Tal existierte. Während der Risseiszeit floss dann der Fluss über Riniken und Rüfenach und über den Strich ins Rheintal und der spätere Durchbruch bei Felsenau ist einer Anzapfung durch den nahen Rhein oder dem Ausgreifen des Mäanders über die trennende Wasserscheide des Muschelkalkzuges zuzuschreiben. Der alte Aare- lauf floss in viel weitern Windungen, als der heutige. Rekon- struieren wir seine Richtung, so floss er in einem Bogen vom Kettenjura dem Rhein zu. Während der Zeit, in der die Aare nun dieses Tal durch- floss, übte sie auch einen Einfluss aus auf die umgebende Land- schaft. Sie schuf in den weichen Schichten ihrer Nähe Ausräumungs- zonen, die sie dann zum Teil mit mächtigen Schotterablagerungen ausfüllte, Ausräumungsgebiete westlich der Aare.??) In frühern Abschnitten wurde schon beschrieben, wie die Tafel der Geissberg- und Wangenerkalke in Sporne, ja in lange schmale Tafeln aufgelöst worden sei. So sind Burghalde, Bütz- 20) Ed. Brückner a. a. O. 470. 21) Siegfriedblätter: 21. Koblenz, 22. Klingnau, 35. Veltheim, 36. Stilli, 38. Brugg. 254 P. Vosseler. berg und Geissberg gänzlich vom Bötzbergplateau abgetrennt. Auch die Malmtafel des Bötzbergs selber, die mit Tertiär bedeckt ist und gegen SE ins Aaretal einfällt, ist durch die Bächlein von Ubertal und Unterbötzberg am Rande zerschnitten. Die Fluss- läufe müssen, während andere Abdachungsverhältnisse bestanden, gebildet worden sein. Sie fliessen in der Nähe von Remigen am Fusse des Geissberg zusämmen. Während der Bach von Unter- bötzberg ein schmales Schlängeltal benützt, haben die viel weniger Wasser führenden Rinnsale von Norden breite Talböden. Diese Tatsachen sprechen dafür, dass diese Täler schon in der ober- miocänen Hochfläche angelegt wurden. Sie flossen da schon in Geissbergschichten und haben in ihnen ihren Tallauf festgelegt. Sie strömten einer Niederung zu, die südlich des Geissberges lag. Beim tiefern Einschneiden durchschnitten sie die Kalktafel und hatten jetzt ein Leichtes, in den Effingerschichten ein breites Tal anzulegen. Eine Einbiegung der Schichten in der Gegend von Koblenz hatte wohl ein Rückwärtserodieren der Gewässer zur Folge, sobald die Erosion des Rheins bis in diese Gegend vor- gedrungen war. Mit dieser Einbiegung hängt wohl auch die Ver- werfung von Wessenberg und die Leibstadter NS-Störung zu- sammen. Nach diesem Eingreifen erfolgte Neubelebung der Erosion. Die Juranagelfluh des Bötzbergs fiel ihr zum Teil zum Opfer und die obermiocäne Fläche wurde zum grossen Teil zerstört. In flachen Tälern ging diese Abspülung vor sich, denn der Rand der Malmkalke hielt raschere Tiefenerosion auf. Praeglacial flossen schon die Mittellandflüsse durch die Talung dem Rhein zu. Da wo die harte Kalkunterlage nicht freigelegt ist, ist der Rand der Bötzberghochfläche sanft geneigt. Erst da, wo diese angeschnitten wird, zeigt sich ein steiler Abfall. Bei Kalofen ist das der Fall. Kleine steile Bäche greifen da bis auf die Hochfläche und zerschneiden die mächtigen Juranagelfluhablagerungen und ihre Kalkunterlage in schmale Grate. Der Bach von Unterbötz- berg, dessen Quelle viel weiter von der Erosionsbasis entfernt ist, hat sich ein längeres Tal geschaffen. Sein Gefälle ist bedeutend ausgeglichener, als bei den südlichen Randbächen. Däs weist auf sein höheres Alter. Der gewundene Lauf lässt seine epi- genetische Anlage vermuten, doch kann sein Alter höchstens dilu- vial sein, da er schon die nördliche Richtung besitzt und die Malmstufe noch in einem Wasserfall überspringt. Da der Höhen- lage entsprechend, sein Lauf zur ersten Eiszeit noch im Tertiär floss, kann er erst später sein Bett gegraben haben. Bis zur Risseiszeit war die Ausräumung auf die jetzige Tiefe gelangt, denn sowohl im Talausgang als im Tal selber sinkt die Hochterrasse Morphologie des Aargauer Tafeljura. 255 unter die spätern Aufschüttungen. Gleiche Verhältnisse zeigen sich bei den alten Tälchen bei Möntal und Remigen. Da liegt bis 40 m über dem Bachniveau die Hochterrasse, und ihre Schotter senken sich unter dasselbe. Auf diesen Rissschottern liegen noch Moränen, die auch die Bergsturzhügel bei Möntal bedecken. Nördlich von Villigen geht die Ausräumung in Effingerschichten vor sich. Diese bilden isolierte Hügel: Guglen und Nollen. Ihre Widerstandsfähigkeit ist dem Auftreten von harten Kalkbänken zuzuschreiben. Nördlich der Mandacher Zone, die bei Böttstein an die Aare tritt, treten noch einige Tafelberge auf. Ihre Oberfläche bilden dünne Malmschichten. Die sie erhaltenden, widerstandsfähigen Schichten sind Spatkalke. Die Bruchlinienstufe besteht fort. Sie zieht sich als flacher Kamm über Rothberg und Egg 537 m und sinkt dann zur Aare ab. Ihre Oberfläche reicht nicht mehr ins Niveau der obermiocänen. Rumpffläche, da die Facies des obern Dogger, die Parkinsonischichten, leicht zerstörbar sind. Der Scheitel der Mandacher Zone liest hier in einer Subsequenzzone. Nördlich davon liegen die Tafelberge des Wessenbergs 617 m, Bergs 562 m und Böttenbergs 582 m. Ihre Oberfläche, eine Landterrasse, ist stark verkleinert, besonders im Böttenberg, der nach allen Seiten steil abfällt. Der Westhang des Wessenberges bildet eine Bruchlinienstufe; seine Tafel ist ca. 20 m abgesunken. Wo aber an der Verwerfung Parkinsonischichten und Bajocien als morphologisch gleichwertig zusammenstossen, hört sie auf und setzt sich etwas umbiegend als Schichtstufe des Bajocien fort. Auf dem Berg finden wir auch eine von Malm bedeckte Ebenheit, die 562 m, bei Hirzingen 536 m erreicht, und sich entsprechend dem Schicht- fallen von W nach E senkt. Zwischen diesen einzelnen Erhebungen greifen Bäche bis zum Rothberg ein. Sie räumen die weichen Gesteine der Aufbruchs- zone aus und fliessen dann in die nördlich gelegene Schotterzone. Ein kleines Bächlein greift direkt von der Aare her ein. Die Opalinustone bilden in seiner Nähe ein schlipfreiches Grebiet.??) Gegen die Aare haben wir auch eine Ausräumungszone. Sie zeigt ähnliche Formen wie die schon beschriebenen. Die harten Malmkalke schützen die obermiocäne Rumpffläche vor Abtragung und ihre bestehenden Flüsse mussten ihre Laufrichtungen bei- behalten. In den Tertiärschichten des Bötzbergs bemerken wir eine mehr flächenhafte Abtragung. Erst in den widerstandsfähigen Schichten wird ihr Lauf festgelegt. Diese bilden am Talrand Stufen 22) A. Balzer. Der Erdschlipf von Böttstein 1877. 256 P. Vosseler. und ihre Oberflächen werden zu Landterrassen erniedrigt. Vor der dritten Eiszeit war das Relief der Landschaft fertig gestaltet, das beweisen die Rissschotter und Moränen in den Tälern. | Das Gewässernetz. In obermiocäner Zeit finden wir also im Tafeljura eine Rumpf- fläche, die sich nach Süden abdacht. Die Sammelader ihrer Flüsse floss ungefähr in der Längserstreckung des heutigen Faltenjuras. Reste der obermiocänen Entwässerung finden wir noch in den Bächen zwischen Geissberg und Schinberg. Schon in alttertiärer Zeit hatte sich der Rheintalgraben gebildet. So lange aber der Tafeljura noch fast im Niveau des Meeres lag, bestand zwischen ihm und dem Transgressionsmeer der Rheinsenke keine Höhen- differenz. Erst bei der Tieferlegung dieser Senke und dem Ver- schwinden der Meere in diesen Gegenden, musste sich ein Fluss bilden, der rückwärts einschneideid, ins Gebiet des nach Süden entwässerten Schwarzwaldrandes einschnitt. Er zapfte, von W nach E fortschreitend, die Schwarzwaldbäche ab, und diese münden jetzt noch in einem spitzen Winkel in den Fluss. Die rückwärtige Erosion gelang um so leichter, als weiche Schichten in der ober- miocänen Ebene ausstrichen. In diesen eben entwickelte sich der Rhein subsequent. Die Rümpfe dieser südlich fliessenden Bäche blieben nur noch als kleine Kümmerflüsschen erhalten. Am süd- lichen Hang des neuen Tales entwickelten sich obsequente Wasser- adern, die aus der Rumpffläche eine Schichtstufenlandschaft heraus- schnitten. | Be Der Jurafaltung vorausgehend, scheinen nun in der Richtung des heutigen Juratales und Aarelaufs Einmuldungen entstanden zu sein. Diese benützten Wasseradern, die dem eingreifenden Rhein zuströmten. So ist zu erklären, dass die Sisseln ein so grosses Einzugsgebiet eroberte und dass es einem Flüsschen gelang, bis zum Jurarandfluss vorzudringen und ihn abzuzapfen. Die harten Haupt- rogensteinkalke hinderten die Sisseln an einem raschen Einschneiden und nur nach und nach gelang es ihr, bis in die Gegend des Falten- jura vorzudringen. Wo aber ein Facieswechsel keine harten Kalke mehr austreten liess, gedieh natürlich die Erosion schneller und es gelang ihr, die Uraare, die immer noch dem Donaubecken zufloss, abzulenken. Schon Osk. Frey) hat diese Anzapfung für wahr- scheinlich angenommen, nur vermutete er eine solche über den Bötzberg, und nach ihm hätten Reuss und Limmat das jetzige Aare- 23) O. Frey. a. a. ©. 354. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 257 tal geschaffen. Die Aare hätten sie dann ihrerseits wieder an- gezapft. Das scheint aber nicht wahrscheinlich zu sein, denn das Fricktal gibt gar keinen Anhaltspunkt für die Annahme eines so gerichteten Aarelaufes, dafür ist die Talung zu eng. — Wir hätten also im Lauf der Aare von Wildegg bis in den Rhein ein grosses Anzapfungsknie vor uns. Gleichzeitig und nach dem Eingriff des Rheines in das alte Flussystem begann die Auffaltung des Kettenjura und zwar wurden die südlichen Ketten wohl zuletzt gebildet.) Die wasserreiche Aare konnte sich antezedent in diese sich aufwölbenden Ketten ein- schneiden. Dass das Talstück durch die Gislifluh-Kestenbergkette noch sehr jung zu sein scheint, da in ihm grössere Ausräumung fehlt, ist wohl ein Beweis, dass diese Kette jünger ist, als die weiter nördlich gelegenen. Die Anzapfung war pliocän beendet, wenn man die Sundgau- schotter als Akkumulationsprodukte dieser Zeit ansehen will. Wäh- rend dieser Zeit wurde ein Talboden geschaffen, der uns noch im Schwarzwald in 500—600 m Höhe entgegentritt. Eine neue Ero- sionsphase schuf dann die praeglaciale Landoberfläche, die sich im Mittelland gegen die Talmulde des Aare-Rheinlaufs senkte. Bis zur Risseiszeit war dann das Maximum der Vertiefung des Tales erreicht. Nur kleine Unterschiede bestanden noch im Reuen- talersporn. Diese grösste Vergletscherung hat dann die ganze Ge- gend mit glacialem Material überschüttet und in den Hochterrassen treten uns ihre Abschmelzungsprodukte entgegen. Nach einer er- neuten Erosionsphase wurde die Niederterrasse aufgeschüttet, in die sich jetzt die Flüsse wieder hineingraben und nur da, wo sie ihr altes Bett verfehlten, sägen sie epigenetisch in die Gesteinsunterlage. Das räuberische Eingreifen des Rheins ins Donausystem tritt uns im ganzen obern Donaugebiet entgegen. Von W nach E greifen die Ablenkungen weiter und in kurzer Zeit wird wohl der ganze Oberlauf der Donau dem Rhein tributär sein. Literatur: G. Braun: Zur Morphologie der Umgebung von Basel. II. Verh. Nat. Ges. Basel XXVIl. II. 307. 1917. W. M. Davis. Die erklärende Beschreibung der Landformen. Bearb. v, A. Rühl. Leipzig u. Berlin 1912. Oskar Frey. Talbildung u. Glac. Ablagerungen zw. Emme u. Reuss. Diss. Zürich 1907. A. Göhringer. Talgeschichte der obern Donau u. des obern Neckar etc. Diss. Freiburg 1909. Mitt, Bad. Geol. Landes-Anstalt VI. 24) A. Buxtorf. Prognosen etc. a. a, O. 117 258 P. Vosseler. A. Penck. Talgeschichte der obersten Donau. Schr. des Ver. für Gesch. d. Boden- sees. XXVIII. 1899. 117. H. Reck. Die morphol. Entwicklung der süddeutschen Schichtenstufenlandschaft etc. ZA D: (Geoll ‚Ges. 64. 1912781. E. Scheu. Zur Morphologie d. Schwäbisch-fränkischen Stufenlandschaft. Forsch. z. deutsch. Landes- u. Volkskd. XVII. 1909. Zusammenfassung. Die für die Beschreibung des Aargauer Tafeljura wichtigen Tatsachen sind folgende. In obermiocäner Zeit wurde ein Stillstand der Erosion erreicht. Die gebildete Rumpfebene senkte sich vom Schwarzwald in 700 m bis auf die Höhe von 600 m in der Gegend der jetzigen Falten- jurastirn. Uberragt wurde sie von einem Zug von Härtlingen zwischen Thiersteinerberg und Geissberg, in der uns zum Teil Reste einer früheren Rumpffläche und zum Teil bis auf den harten Doggerkalk erodierte Oberflächen einer Bruchlinienstufe entgegen- treten. Diese Rumpfebene ist auch im westlichen Tafeljura von G. Braun nachgewiesen worden. Sie ist nicht die Basisfläche der Juranagelfluh, sondern schneidet sie in einem spitzen Winkel. Ihr Alter ist nach den neuen Gliederungen des Tertiärs”’) sarmatisch, die Basisfläche der Juranagelfluh vindobonisch. Sie gehört wahr- scheinlich einer grossen regionalen Verebnungsfläche an, da sie auch im Hegau°’®) und im schwäbischen und fränkischen Jura?) vor- kommt. Die Entwässerung geschah vom Schwarzwald gegen Süden. Andeutungen sind noch in kleinen Tälchen zwischen Schinberg und Geissberg erhalten. Durch das Eingreifen der Rheinerosion wurde das Gebiet voll- kommen umgestaltet und nur da, wo harte Kalke die obermiocäne Fläche schützten, blieb diese noch erhalten. In den weichen Schichten des untern Dogger, Lias und Keuper hat der Rhein ein weites subsequentes Tal geschaffen und das der Donau tributäre Flussnetz zu sich abgelenkt. So bilden die Schwarzwaldflüsse nur noch die Anfänge der frühern konsequenten Entwässerung. Im Sisselntal und im Aareunterlauf griff die Erosion weit in die ober- miocäne Fläche ein, weil sie dort aus weichen Schichten bestand und jüngere Einbiegungen das Zusammenfliessen der Wasseradern begünstigten. Im Aaretal gelang die Anzapfung der Uraare und wir haben hier ein grosses Ablenkungsknie. Die Nebenbäche griffen jetzt in grossen Ausräumungszonen ein und arbeiteten eine Schicht- 5), A. Heim. 343.0. p. 131. 6) G. Braun, Deutschland. p. 265. 7) Reck. a. a. O., Seefeldner. a. a. O. ND DD & Morphologie des Aargauer Tafeljura. 259 stufenlandschaft heraus. Die Stufen und Landterrassen sind aber nicht zusammenhängend, sondern sie zeigen starke Auflösung in Riedel. Die harten Schichten der Mandacherzone wurden durch die Erosion als Bruchlinienstufe herausgearbeitet, während in der mehr antiklinal gebauten Mettauerzone die Muschelkalkaufwölbung als Härtlingszug herausgeschält wurde. Zu Beginn der Diluvialzeit waren die Stufen schon gebildet, aber noch nicht so weit nach Süden zurückgelegt. Der Rhein floss ca. 3 km weiter nördlich. Seither bis zur Risseiszeit ist er auf dem Urgebirgssockel des Schwarzwaldes nach Süden geglitten und hat die heutigen Formen seines Tals gebildet. Auch seine Nebenflüsse haben ihre Täler bis aufs heutige Niveau ausgeräumt und die grösste Vergletscherung fand schon ein ähnliches Relief, wie die Gegend es heute bietet. Uebersicht über Kartenmaterial und Literatur. Karten: Topographische Karten: Topographische Karte der Schweiz 1 : 100,000. Blatt III. Ueberdruck Aarau. Topographischer Atlas der Schweiz (Siegfriedkarte) 1 : 25,000. Blätter 21. Koblenz. 19. Sisseln. 20. Laufenburg. 22. Klingnau. 32. Frick. 33. Bözen. 36. Stilli. 34. Wölfliswil. 35. Veltheim. 38. Brugg. Grh. Badische Messtischblätter 1:25,000. Bl.: 154. Wehr. 155. Görwihl: 156. Waldshut. 166. Säckingen. 167. Kleinlaufenbure. 168. Dangstetten. Geologische Karten: Geol. Karte d. Schweiz 1:100,000 Bl. III. u. VIIL H. Eck: Geognostische Uebersichtskarte des Schwarzwalds. Südl. Bl. 1:200,000 1886. GC. Regelmann: Geol. Uebersichtskarte v. Württemberg, Baden etc. 1: 600,000. 8. Auflage. 1911. Tektonische Karte (Schollenkarte) Herg. v. Oberrhein. Geol. Verein. Bearb. v. C. Regelmann. Bl. I. I. Aufl 1897. J. Schill: Geol. Karte d. Grossh. Baden. Sektion Waldshut. 1:50,000. 1862. F. Mühlberg: Geol. Karte des untern Aare-, Reuss- u. Limmattales. 1: 25,000. Beitr. z. geol. Karte d. Schweiz. Spezialkarte No. 34. 1904. E. Brändlin: Geol. Karte d. nördl. Aargauer Tafeljura zw. Aare u. Fricktal. 1: 100,000. Verh. d. nat. Ges. Basel. Bd. XXII. 1911. Tafel I. u. hand- schriftl. Originalaufnahmen 1 : 25,000. ; L. Braun: Geol. Karte des Blattes Frick 1:25,000. Handschriftliche Original- aufnahme. Literatur: A. Amsler. Tektonik des Staffeleegebietes u. Betrachtungen über Bau u. Ent- stehung d. Juraostendes. Diss. Zürich 1915. Eclogae XIII. 4. 1915. 260 P. Vosseler. A. Balzer. Der Erdschlipf von Böttstein 1877. Ed. Blösch. Zur Tektonik des Schweiz. Tafeljura. N. Jb., für Min. etc. Beilage- band XXIX. 1910. 593. Ed. Blösch. Die grosse Eiszeit in der Nordschweiz. Beiträge N. F. XXXI. 1911. 27—36. Ed. Blösch. Diluviale Schuttbildungen im Fricktal. Festschrift der Aarg. naturf. GES XIE TE 3 E. Brändlin. Zur Geologie des nördl. Aargauer Tafeljura zwischen Aare und Fricktal. Verh. nat. Ges. Basel. Bd. XXII. 1911. 1. M. Bräuhäuser. Die Bohnerzbildung im Muschelkalkgebiet am obern Neckar. Jahreshefte d. Ver. für Vaterl. Naturkde. in Württemberg. Jg. 1916. Bd. 72. 210. G. Braun. Zur deutschen Landeskunde. V. Der Schwarzwald. Zeitschr. d. Ges. für Erdkde. Berlin 1914. 199. G. Braun. Vortrag am 19. Deutschen Geographentag zu Strassburg 1914. Pet. Mitt. Juli 1914. G. Braun. Zur Morphologie der Umgeb. von Basel. I. Verh. nat. Ges. Basel. XXV. 1914. 128. G. Braun. Deutschland. Berlin 1916. G. Braun. Zur Morphologie der Umgebung v. Basel. II. Das Rheintal zwischen Waldshut und Basel. Verh, nat. Ges. Basel. XXVII. 1917. 307. F. Brombach. Beiträge zur Kenntnis des Trias am SW. Schwarzwald. Mitt. d. grossh. Bad. Geol. Landesanstalt. Bd. IV. 1903. 429. Ed. Brückner. Das Schottergebiet in der Nordschweiz, in Penck u. Brückner: Die Alpen im Eiszeitalter. II. Leipzig 1909. 442. S. v. Bubnoff. Zur Tektonik des Schweizer Jura. Jahresber. u. Mitt. d. oberrhein. Geo Ver NE Bari 2719122103: Aug. Buxtorf. Ueber vor- oder altmiocäne Verwerfungen im Basler Tafeljura. Eclogae. VI. 1899/1900. 176. Aug. Buxtorf. Geologie d. Umgebung v. Gelterkinden im Basler Tafeljura. Bei- träge N.F. XI. 1901. Aug. Buxtorf. Oberflächengestaltung u. geol. Geschichte des nordschweizerisch. Tafeljura. Verh. schweiz. nat. Ges. 93. 1910. Bd. I. Aug. Buxtorf. Die mutmasslichen geol. Profile des neuen Hauenstein- u. Gren- chenbergtunnels im Schweizer Jura. Verh. Nat. Ges. Basel XXIIL 1913. Aug. Buxtorf. Prognosen u. Befunde beim Hauensteinbasis- u. Grenchenberg- tunnel. Verh. Nat. Ges. Basel XXVII. 1916. 184. Aug. Buxtorf. Ueber Prognosen u. Befunde beim Hauensteinbasistunnel u. geol. Geschichte u. Oberflächengestaltung des Tunnelgebiets u. seiner Um- gebung. Tätigkeitsbericht d. Nat. Ges. Baselland. 1911/16. 178. Hans Cloos. Tafel- u. Kettenland im Basler Jura u. ihre tekt. Beziehungen. Diss. Freiburg 1910. N. Jb. für Min. etc. Beilageband 30. Arthur Erni. Das Räth im Schweiz. Jura. Eclogae. Bd. XI. 1909/10. 1. Roman Frei. Monographie des schweiz. Deckenschotters. Beitr. N.F. XXXVN. 1912. Roman Frei. Ueber die Verbreitung d. diluv. Gletscher in der Schweiz. Beitr. N. F.- XXXXI. 1912. Oskar Frey. Talbildung u. glaciale Ablagerung zwischen Emme u. Reuss. Diss. Zürich 1907. N. Denkschriften d. Allg. Schweiz. Ges. für die Ges. Natur- wissensch. 41. 2. J. J. Früh. Beiträge zur Kenntnis der Nagelfluh in der Schweiz. Neue Denk- schriften d. Allg. Schweiz. Ges. für d. Ges. Naturwissensch. 30. 1890. A. Göhringer. Talgeschichte der obern Donau und des obern Neckar. Diss., Freiburg 1909. Mitt. Bad. Geol. Landesanstalt VI. Morphologie des Aargauer Tafeljura. _ 261 A. Gutzwiller. Die löchrige Nagelfluh. Bericht d. Gewerbeschule Basel 1879/1880. A. Gutzwiller. Die Diluvialbildungen der Umgeb. von Basel. Verh. nat. Ges. Basel X. 1894. A. Gutzwiller. Die Gliederung des diluvialen Schotters in der Umgebung von Basel. Verh. nat. Ges. Basel. Bd. XXIII. 1912. Alb. Heim. Geologie der Schweiz. Leipzig 1916. Lief. 2. Alfr. Hettner. Gebirgsbau und Oberflächengestaltung der sächsischen Schweiz. Forsch. z. deutsch. Landes- und Volkskde. Il. H. 4. 1887. J. E. Hibsch. 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Gesellschaft, Eclogae VII 1902. F. Mühlberg. Erläuterungen zu den geol. Karten des Grenzgebietes zwischen dem Ketten- und Tafeljura. I. geol. Karte der Lägernkette. Eclogae VII 1902. 246. II. geol. Karte des uhtern Aare-, Reuss- und Limmattales. Eclogae VII 1904. 487. F. Mühlberg. Einige Ergebnisse der staatl. Kontrollbohrung auf Steinsalz bei Koblenz im Jahre 1903. Eclogae IX. 1906. 1. F. Mühlberg. Weol. Gutachten über den projektierten Hauenstein-Basistunnel. Schweizerische B. B. (Generaldirektion.) Neue Linie von Sissach über Tecknau nach Olten. Beil. No. 11. 262 P. Vosseler. F. Mühlberg. Der Boden des Aargaus. Festschrift der aarg. nat. Ges. Mitt. d. aarg. nat. Ges. XII. 1911. 149. Max Mühlberg. Brauner Jura in der Nordschweiz. Eclogae VI. 4. 1900. 293. Alb. Müller. Geologische Skizze des Kantons Basel und der angrenzenden Ge- biete. Beiträge I. 2. Aufl. 1884. Fr. Nussbaum. Ueber die Fortschritte der morphol. Erforschung der Schweiz in neuerer Zeit. Zeitschr. d. Ges. für Erdkunde zu Berlin 1914. 745. L. du Pasquier. Ueber die fluvioglacialen Ablagerungen der Nordschweiz. Bei- träge N. F. 1. 1891. A. Penck Talgeschichte der obern Donau. Schriften d. Ver. für die Geschichte d. Bodensees. XXVIIT. 1899. 117. E. Philippi. Ueber die präoligocäne Landoberfläche in Thüringen. Zeitschr. d. Deutsch. geol Gesellschaft 62. 1910. 305. Reck. Die morphologische Entwicklung d süddeutschen Schichtstufenland- schaft. Zeitschr. d. Deutsch. geol, Ges. 64. 1912. 81. Reich. Stratigraphische uud tektonische Studien im Uracher Vulkangebiet. Diss. Freiburg i. Br. 1915. Se L. Rollier. Structure et Histoire géologique de la partie du Jura central com- prise entre le Doubs, le Val de Delémont, le lac de Neuchâtel et le Weissenstein. Beitr. VIII 1893. 1. et. 2. supplément. G. Rüetschi. Einige geographische Beobachtungen in den Plateaubergen des Sisselntales. Mitt. d. ostschw. geogr. kommerziellen Ges. in St. Gallen 1910. E. Schaad. Die Juranagelfluh. Beiträge N. F. XXII. 1908. F. Schalch. Das Gebiet nôrdl. vom Rhein. Beiträge XIX. 2. F. Schaleh. Nachträge zur Kenntnis des Trias am südöstl. Schwarzwald. Mitt. d. grossh. Bad. geol. Landesanstalt V. 1906 E. Scheu. Zur Morphologie der schwäbisch-fränkischen Stufenlandschaft. Forsch. zur Deutsch. Laudes- und Volkskunde. XVII. 1909. Jul. Schill. Geol. Beschreibung der Umgebung von Waldshut. Beitr. zur Statistik der innern Verwaltung des Grossh. Baden. H. 25. 1867. C. Schmidt. Geol. Beschreibung des östl. Aargauerjuras. Livret guide 1894. 41. C. Schmidt, A. Buxtorf, H. Preiswerk. Führer zur geol. Exkursion durch den südl. Schwarzwald, Jura und Alpen. 1907. H. Schmidihenner. Die Oberflächengestaltung des nördl. Schwarzwaldes. Diss. Heidelberg 1913. Abhandl. z. Bad. Landeskunde. 2. Erich Seefeldner. Morphogenetische Studien aus dem Gebiete des fränkischen Jura. Forsch. z. Deutsch. Landes- und Volkskunde XXI. 3. 1914. Jul. Sitzenberger. Ueber die beim Bahnbau zwischen Koblenz und Stein im Aarcau zu Tage getretenen Triasgesteine. Vierteljahrsschrift d. nat. Ges. in Zürich. 38, 72. 183. G. Steinmann. Bemerkungen über die tekt. Beziehungen der oberrheinischen Tiefebene zu dem Nordschweiz. Kettenjura. Ber. d. nat. Ges. in Freiburg i.Br. VI 1892. 150. i K. Strübin. Beiträge zur Kenntnis der Stratigraphie des Basler Tafeljura. Verh. nat. Ges. Basel 15. 1900. Rud. Suter. Geologie der Umgebung .von Maisprach. Verh. nat. Ges. Basel XXVI 1915. A. Tobler. Tabellarische Zusammenstellung der Schichtenfolge in der Umgebung von Basel. Basel 1905. Rob. Tschudi. Zur Altersbest. d. Moränen im untern Wehratal. Diss. Basel 1904. J. H. Verloop. Die Salzlager der Nordschweiz. Diss. Basel 1909. Heinr. Walter. Ueber die Stromschnelle von Laufenburg. Vierteljahrsschrift d. nat. Ges. in Zürich 46. 1901. 232. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 263 Abkürzungen: Beiträge = Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz. Eclogae = Eclogae geologicae Helvetica. Verh. nat. Ges. = Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft. Bemerkungen zu den Tafeln. Stereogramm des Aargauer Tafeljura. (Tafel XI, Fig. 1.) Um ein anschauliches Bild von den Oberflächen des behandelten Gebietes zu geben, wurde dieses Stereogramm gezeichnet. Als Grundlage benützte ich die Siegfriedblätter. Das Original wurde im Masstabe 1:50000 als Parallelprojektion mit einer Tiefen- verkürzung auf ‘/ der Länge konstruiert. Mit Hilfe von Photo- graphien und nach eingehender Bekanntschaft mit dem Relief des Landes wurden dann zu dessen Darstellung Schraffen gezeichnet. Um eine leichte Orientierung zu ermöglichen, wurden einige Höhen- zahlen und Namen beigefügt. Das Stereogramm greift ein wenig über das behandelte Gebiet hinaus. Im Hintergrunde treten noch Wischberg und Farnsberg als dem Thiersteinerberg äquivalente Härtlinge heraus. Im Süden ist die Stirn des Faltenjuras durch ein Profil geschnitten. Kartenskizze der obermiocänen Rumpffläche im Aargauer Tafeljura. (Tafel XI, Fig. 2.) In seiner jüngst erschienenen Arbeit hat G. Braun”) eine Tafel veröffentlicht, die die Struktur der obermiocänen Rumpffläche darstellt. Die dort beschriebene Methode habe ich auch für mein Gebiet angewendet. Dass die Karten ein wenig differieren, ist darauf zurückzuführen, dass G. Braun die Rumpffläche ein wenig tiefer liegend annahm. Zuerst wurde die Form und Lage der Fläche durch Isohypsen konstruiert. Nach den Erläuterungen im Text liegt sie im Schwarz- wald über 700 m; am Südrande des Tafeljura in 600 m. Aus dieser Fläche ragen 50— 100 m die Härtlinge der Mandacherzone. Zwischen den einzelnen Bergen sind Einsenkungen, die durch obermiocäne Flüsse gebildet wurden. Sie haben die Höhenzone in zum Teil flache Riedel zerlegt. Mit Hilfe von 50 Profilen, die nach den Aufnahmen von E. Brändlin, L. Braun, F. Mühlberg und J. Schill konstruiert und in 500 m Distanz gelest wurden, zerlegte ich das 28) G. Braun. à. a. O. 336. 264 P. Vosseler. ganze Gebiet in Streifen. Auf die Profile wurde nun die Höhe der Rumpffläche eingetragen und die Mächtigkeit der Schichten bis zu ihrer Profillinie ergänzt. Um zu genauen Ergebnissen zu gelangen, sind zahlreiche Profile im Gelände mit dem Barometer nachgeprüft und die mangelhaft kartierten Gebiete der südlichen Blätter neu aufgenommen worden. Im südlichen Schwarzwald, der jetzt nicht begangen werden kann und von dem wir ausser der alten Aufnahme von Jul. Schill keine geologischen Karten besitzen, kann die Karte nicht mehr so genau sein. Nachher wurden dann nach morphologischen Gesichtspunkten die Isohypsen der Rumpf- fläche endgültig festgelegt. An den Schwarzwald, der in einem Sporn gegen SW vor- dringt, legen sich die Sedimentschichten der Trias. In der Gegend von Laufenburg bilden sie einen flachen Knick, um dann in nord- östlichem Streichen gegen den Randen zu ziehen. Dieser Knick kommt schon im Profil J. H. Verloops”) zum Ausdruck. Die Sedimente steigen dann rasch an, um in der Mettauerzone eine gebrochene und überschobene Antiklinale zu bilden. Während in der vorgelagerten Mulde sich noch dünne Hauptrogensteinfetzen finden, wird in der Aufbiegung der Keuper in Fenstern aufge- schlossen. Deutlich zeigt sich dann auf der Karte die flache Ein- biegung von Koblenz, die die Aufwölbung, die im Lias angeschnitten ist, mehr nach Norden verlegt. Das ungestörte Tafelstück südlich der Mettauerzone besteht noch aus einer Hauptrogensteintafel, die im E in die weichen und weniger mächtigen Parkinsonischichten übergeht. Die flache Lagerung hat es ermöglicht, dass jetzt der Hauptrogenstein nur noch in Resten erhalten ist, dass aber, dank seinem Vorhandensein, die Ausräumung nicht weiter fortschreiten konnte. Südlich der Mandacherlinie, an deren Rand die südliche Tafel ziemlich steil aufgerichtet ist, sinken ihre Schichten unter die tertiäre Bedeckung. Nur im E sind die Malmkalke freigelegt. Verfolgen wir nun die Entwicklung des Flussnetzes, so können wir aus der Karte klar erkennen, dass der Rhein sich als Sub- sequenzfluss in weichen Schichten gebildet hat. Ebenso erkennen wir die Entstehung der Ausräumung des obern Fricktals in weichen Schichten und wir können uns das epigenetische Einschneiden seines zentripetalen Flussnetzes in die harten Malm- und Doggerkalke wohl denken. Die Kettenjurastirn, die im Süden die Karte abschliesst, bildet eine ziemlich gestreckt verlaufende Linie. Es ist ein Zeichen, dass bei der Faltung des Jura die Fläche als Fastebene vorhanden war und nur unbedeutende, sehr flache Täler aufzuweisen hatte. 29) J. H. Verloop. a. a. O. Morphologie des Aargauer Tafeljura. morphol. Formation Horizont Wert Mächtigkeit Diluvium Schotterterrassen h W. Wessenberg E Juranagelfluh und Heli- : 0. SÜSSW.- = Sarmatien wh |bis 100 m œ | ,5 citenmergel Molasse 5|3 2 = Vindo- r : Meeresmolasse bonien Wangenerschichten hh Sequan . : Crenularisschichten 30 m = Geissbergschichten hh > d Argovien | Effingerschichten wh | i 5 150 m Birmensdorferschichten h Callovien | Macrocephalusschichten hw | Ba 30 m | 1-10 m = Variansschichten W l ras : = Bathonien 2 Parkinsoni- — Hauptrogenstein hh |70-90 m Son on 0 S Blagdenischichten S | Bajocien | Humphriesischichten =) Sa hw 55 m Sauzeischichten Sowerbyischichten Aalénien | Murchisonaeschichten h Opalinustone ww 90 m Lias hw 30 m Bunte Mergel Bi Gansinger Dolomit hw bis 30 m SE Schilfsandstein © = Gipskeuper ww 70 m. Gips u Lettenkohle P = RZ Trigonodusdolomit w 20 m ul Br — Hauptmuschelkalk hh 40 m = 2 Anhydritgruppe W 90-120 m. Gips, Steinsalz = Wellenbildungen wh 50 m Buntsandstein h bis 40 m Rotliegendes hh Formations- und Mächtigkeitstabelle. morphologischen Charakter der einzelnen Formationen dienen. Sie soll uns als Uebersicht über den Einteilung und Mächtigkeit wurden zusammengestellt aus den im Text zitierten geologischen Arbeiten. 266 P. Vosseler. Strukturkarte des Aargauer Tafeljura. (Tafel XI, Fig. 3.) Ein ähnliches Bild wie Figur 2 gibt diese Strukturkarte. Sie gibt die Lage der verschiedenen Basisflächen in Isohypsen von 25 m Aequidistanz an. Sie wurde konstruiert aus genauen Punkten dieser Basisflächen und gibt hauptsächlich von der Tektonik des Gebietes ein gutes Bild. Man liest äus ihr das südliche Einfallen der Tafeln, die Aufwölbungen in den Aufbruchszonen und die Lage der jungen Einbiegungen und Flexuren, die zum Teil die Richtungen von Sisseln und Aare bestimmten. Ein Vergleich mit der topographischen Karte lehrt, dass das Rheintal vollkommen unabhängig von der Tektonik ist. Es schneidet sowohl Mulden als Einbiegungen. Auch sieht man, dass die Eben- heiten der Ausräumungsgebiete sich ganz an die Lage der harten Sedimente halten, dass wir also in ihnen Landterrassen vor uns haben. Die südöstliche Ecke wurde in Anlehnung an A. Amsler°®) ge- zeichnet. Geologische Karte des Aargauer Tafeljura. (Tafel XII.) Tafel XII gibt einen geologischen Überblick über das ganze Grebiet. Sie wurde gezeichnet nach den Aufnahmen von ©. Mösch, F. Mühlberg, E. Brändlin, L. Braun und A. Amsler. Den südwest- lichen Teil habe ich ergänzt und die andern Aufnahmen neu ge- prüft. Entsprechend meiner Aufgabe habe ich die Schichten nach morphologischen Gesichtspunkten ausgeschieden und mit bestimmten Signaturen belegt, um zugleich ein morphologisches Bild zu erhalten. Harte Schichten sind so hell gehalten und weiche dunkel. Lias und oberer Keuper wurden ihrer morphologischen Gleichwertigkeit halber zusammengefasst, ebenso das Bajocien mit den Murchisonaekalken. Durch die Signatur kommen in den Ausräumungsgebieten die Land- terrassen als helle Flächen heraus, ebenso die Teile der obermio- cänen Rumpffläche, die ja nur im Tertiär und in den harten Kalken noch erhalten ist. Ohne Signatur wurden die Talauffüllungen gelassen und nur die ältern Schotterhorizonte ausgeschieden. Die Moränenbedeckung wurde vernachlässigt, um das Bild nicht zu stören. Bezeichnet wurden noch besonders grosse Schutthalden im Rhemtal, am Fusse 30) A. Amsler. a. a. O. 455. 267 Morphologie des Aargauer Tafeljura Js ss, Te Zeit Zustand Sedimente Tektonische Vorgänge Morphologische Vorgänge junge Ausfüllung der Alluvium Täler, Schuttkegel, Erosion Gehängeschutt Würm Eiszeit Niederterrasse Dislokationen Aufschüttung von Ter- = = Loss der Rheintalsenke rassen, abwechselnd = Riss 5 Ress Hochterrasse, Moränen mit Ausräumung 5 = Le = ; : Bildung der Landter- = Mindel „ junge Deckenschotter > ' Te a rassen und Täler Günz ñ ältere Deckenschotter Sundgauschotter Grösste Intensität 2 = : N CRIME) 2) Eingreifen der Rhein- Pliocän 5 der Faltung re re re. E BE = erosion, Zerstörung der =“ | DE Ss Muldenbildung sarmatischen Rumpff. de & ; : = En Obere Süsswasser- z im Aare- und Obermiocän lt 5 ee molasse Fricktal Bildung der sarmatischen a Juranagelfluh und Heli- = x Rumpffläche Sarmatien citenmergel, Süss- = = Were) 9 icta A 1: an wasserkalk v. Anwil Küstenebene = Bildung der Mandacher ES Mittelmiocän Sp. ae E Meeresmolasse u. Mettauer Aufbruchzonen Vindobonien æ fi as =; Bildung der Vindo- ntermiocän 2 syamık : ne ü 2 Rheintalsenke bonischen Rumpf- igocän x = fläche u. Verkarstung Eocän Festland Kreide Bolus sammenfassung der in vorliegender Arbeit gefundenen Gesichtspunkte. Tabellarische Zusammenstellung der Vorgänge im Aargauer Tafeljura als Zu- 268 P. Vosseler. der Muschelkalk- und Hauptrogensteinstufe, ebenso die Bergsturz- hügel bei Möntal. Als Grundlage diente eine Zusammenstellung der Topographie aus den Siegfriedblättern mit Isohypsen in 20 m Aequidistanz. Kleine Unregelmässigkeiten, die schliesslich bei einer so grob an- gelegten Karte entstehen können, fallen bei der Reduktion weg. Morphologische Karte des Aargauer Tafeljura. (Tafel XIII.) In die kleine topographische Grundlage eingezeichnet wie Tafel XII, ermöglicht sie einen guten Vergleich mit ihr. Die Ver- ebnungsflächen wurden hell gehalten. Um ein besseres Verfolgen der Schichtstufen zu ermöglichen, wurden diese mit Schraffen ein- gezeichnet. Auch Bruchlinienstufen wurden, so weit sie heraus- treten, markiert. Mit dunklen Schraffuren wurden die Oberflächen der verschiedenen Schotterterrassen belegt, doch bei der Nieder- terrasse nur die Ränder ausgezogen. Auf der Karte bemerken wir die Teile der obermiocänen Rumpffläche und ausser diesen eine ausgedehnte, durch den Eingriff des Rheins geschaffene Ausräumungszone, die als Stufenlandschaft entwickelt ist. In sie sind die zum Teil mit breiten Talböden ver- sehenen Täler gesenkt. Die Mettauer Aufwölbung äussert sich als langgestreckter Härtlingszug. In der Bötzbergegend sind noch die als obermiocän erkannten Talrichtungen eingezeichnet. Profil zwischen Schwarzwald und Kettenjura. (Tafel XIV, Fig. 1.) Den Einblick in die Geologie und Morphologie des Gebietes ergänzt das Profil, das vom Schwarzwaldrand über das Rheintal und den Bötzberg gelegt wurde. Im Norden finden wir die Trias- sedimente, welche die obermiocäne Rumpffläche schneidet. Dann folgt der breite Einschnitt des Rheintals. Südlich des Flusses erheben sich die Steilstufen der Muschelkalktafel. Man gewinnt den Ein- druck, dass das nach Südengleiten des Stroms auf der harten Unterlage immer noch weiter vorwärts geht. In den nördlichen Tafelbergen und dem Mettauer Härtlingszug sieht man, wie sich das Relief den harten Schichten anpasst. Erst südlich davon, im (eissacker und Bötzberg, finden wir die obermiocäne Rumpfebene wieder, die zwar auch in den weichen Schichten zerstört ist und über die als Härtlinge und Riedel Geissacker und Hommel hinausragen. Morphologie des Aargauer Tafeljura. 269 Um einen Vergleich mit A. Buxtorfs®!) vindobonischer Fläche zu ermöglichen, die ja die Basisfläche der Juranagelfluh bildet, ist diese auch eingezeichnet. Die Aufbruchszonen wurden entsprechend den Befunden E. Brändlins gezeichnet und nach A. Buxtorfs Auffassung als Ab- scherungen nach unten ergänzt. Dieser Auffassung nach greift also die Störung nicht unter die Anhydritschichten und ist nur auf tangentiellen Druck zurückzuführen. Vier Profile zur Erläuterung der Entwicklung der Landschaftsformen. (Tafel XIV, Fig. 2.) In diesen Profilen habe ich versucht, durch sukzessive Er- niedrigung der Erosionsbasis aus der obermiocänen Landoberfläche die heutigen Formen abzuleiten. Während jeder Periode treten uns Formen entgegen, die zum Teil noch heute in der Landschaft auftreten; diese wurden als entsprechende Typen angeführt. In Profil I wurde die obermiocäne Rumpffläche rekonstruiert; deutlich sehen wir das Ausstreichen weicher Schichten in der Gegend des heutigen Rheintales und die Härtlingszone der Malm- kalke. Südlich derselben haben obermiocäne Flüsse flache breite Talmulden angelegt. In Profil II liegt die Erosionsbasis in ca. 550 m. Sie entspricht der Höhe der als pliocän vermuteten Flächenstücken am Schwarzwald und der Basisfläche der Sundgau- schotter, die westlich Basel in 480—440 m liegen.**) Die Aus- räumung des Rheins hat schon grossen Umfang angenommen und der nördliche Teil des Tafeljuras bildet schon eine Schichtstufen- landschaft. Die Malmkalktafel ist schon stärker zerschnitten, und der Bach von Unter-Bötzberg hat sich nel schon in die Tertiär- schichten eingesenkt. In Profil III liegt das Erosionsniveau an der Basis des ältern Deckenschotters, die Vo Birkingen im Schwarzwald in 440—490 m liest. Das Profil stellt also die praeglaciale Landoberfläche dar, die also hier nichts weniger als eine Fastebene ist. Die alten Bäche der Malmtafel haben diese durchsägt und in Riedel zerlest und räumen in den Effingerschichten aus, der Bötzberger Bach schneidet sich epigenetisch in die harte Unterlage ein. Im Profil IV sind die heutigen Verhältnisse dargestellt. Die Auffüllung der Täler mit Schottern zeigt, dass die Erosion schon tiefer gegriffen hatte. 31) A. Buxtorf: Ueber Prognosen etc. a. a. O. 208. 32) A. Gutzwiler, 1912 a. a. O. 2. Manuskript eingegangen Oktober 1917. Über die tektonische Stellung der Schlieren- und der Niesen-Flyschmasse. Von A. Buxtorf. Vor einer: Reihe von Jahren bin ich durch meine Aufnahmen im Pilatus- und Schlierengebiet und namentlich durch das Ver- folgen der sogenannten Leimernschichten zur Vermutung ge- führt worden, es müsse die gesamte Schlierenflyschmasse als ein fremdartiges,(?) exotisches Element aufgefasst werden, das durch Überschiebung auf das helvetische Tertiär der Alpenrand- kette (Pilatus-Niederhorn) zu liegen komme und zwischen diese und die Brienzerrothornkette eingeklemmt erscheine. Ich wies bei dieser Gelegenheit auch darauf hin, dass die Schlierenflysch- masse wohl mit dem Niesenflysch verglichen werden müsse.') In der Folge hat diese Auffassung von verschiedener Seite her Bestätigung und weiteren Ausbau erfahren; ich erinnere nur an die zahlreichen Arbeiten von P. Beck, J. Boussac, R. Schider u. A. Auch mir selber war es möglich, seither noch zahlreiche, die tektonische Selbständigkeit des Schlierenflysches beweisende Beobachtungen zu sammeln, auf die ich später in meiner Beschrei- bung des Pilatus-Schlierengebietes eintreten werde. Zu ähnlichen entscheidenden Ergebnissen ist auch mein Schüler, Dr. 7. Mollet, im Schimberggebiet gelangt, worüber Näheres wohl schon in nächster Zeit veröffentlicht werden wird. Es darf demnach die Auffassung, es sei die Schlierenflyschmasse eine den helvetischen Decken aufruhende UÜberschiebungsmasse heute als ge- sicherte Tatsache betrachtet werden. Schwieriger gestaltet sich dagegen die Beurteilung der ge- nauern tektonischen Stellung des Schlierenflysches im System der die nördlichen Schweizeralpen aufbauenden Überschiebungsdecken, und diese Frage möchte ich darum im 1) Zur Tektonik der zentralschweizerischen Kalkalpen. Zeitschr. Deutsche geol. Ges. Bd. 60, 1908, S. 192 u. ff. Schlieren- und Niesen-Flyschmasse. 271 Folgenden einer kurzen Prüfung unterwerfen, wobei das Schlieren- gebiet als Ausgangspunkt dienen möge. Allgemein beobachten wir in den randlichen Partien der Schlierenflyschmasse Folgendes: 1. Die Unterlage des Schlierenflyschs bilden in der Regel die hellgrauen, obereocänen Stadschiefer der angrenzenden helvetischen Serien der Randkette bezw. der Brienzerrothornkette. Darüber folgt 2. Wildflysch; ausserordentlich stark verfältete und verknetete dunkle, oft fast schwarze Schiefer mit mannigfachen Einschlüssen (Olquarziten, Sandsteinen, Breccien, Kieselkalken), bald mit scharfer, häufig mechanisch diskordanter Grenze die Stadschiefer überlagernd, bald auch durch eine „Verknetungszone“ mit diesen verknüpft. Im Wildflysch sind eingebettet die bekannten kristallinen Exotica, ferner Linsen und Schichtpakete mesozoischer Sedimente (Trias, Jura und Neocom, besonders bei Habkern); etwas allge- meinere Verbreitung (besonders im Abschnitt Thunersee-Kleine Emme) besitzen bald nur dünne und rasch auskeilende, oder mäch- tigere und dann aufweitere Strecken verfolgbare Züge von „Leimern- schichten“, die wohl am richtigsten als Obere Kreide (Turonien) aufzufassen und nach Facies und Foraminiferenführung den , Couches rouges“ zu vergleichen sind. Die Verknüpfung der hellen „Leimern- schichten“ mit dunkeln Wildflyschschiefern ist dabei oft eine so ausserordentliche enge, dass wir entweder eine intensive, mecha- nische Verwalzung und Ineinanderschiebung von Kreide und Flysch- schiefer annehmen müssen, wenn wir nicht die Hypothese vorziehen, es gehöre ein Teil der schwarzen gequälten Wildflyschschiefer mit zur Obern Kreide. Von einem Teil des Wildflyschs wissen wir, vor allem durch J. Boussac, dass er sehr wahrscheinlich mitteleocänen Alters ist. Im alleruntersten Wildflysch sind sodann eingebettet: ver- schürfte Linsen helvetischer Sedimente: Assilinengrünsand, Complanatakalk und Pectinitenschiefer (im Schlierengebiet gelegent- lich unter sich noch in stratigraphischem Schichtverband!), ferner Wangschichten (erstmals 1913 von H. Mollet und dem Ver- fasser im Schimberggebiet erkannt, später von H. Mollet an zahl- reichen Stellen im Oberlauf der grossen Entlen aufgefunden). Als Herkunftsort aller dieser Eocän- und Wangschichten-Linsen, auch der entsprechenden im subalpinen Flysch (vgl. R. Schider, Schrätten- fluh) und im Wildflysch der Klippenunterlage (A. Tobler, Stanser- horn), ist wohl in erster Linie der südliche Teil der Wildhorn- Drusbergdecke in Betracht zu ziehen. 272 A. Buxtorf. 3. Nach oben zu verliert der in seiner Mächtigkeit recht schwankende Wildflysch nach und nach die für ihn so bezeichnende Knetstruktur, die Schichten glätten sich mehr und mehr und in all- mähligem Übergang entwickelt sich eine wohl 100—300 m mächtige, gut geschichtete Folge von Mergeln, Mergelschiefern und einzelnen dünnen quarzitischen Sandsteinlagen und gelegentlich (namentlich im untersten Teil) eingeschalteten kalkigen Fucoidenschiefern (Schlierenmergel R. Schider’s). Endlich folgt dann durch Zu- rücktreten der Mergel und Vorherrschen der Sandsteine die fast geschlossene, ca. 6—800 m mächtige Masse der oft brecciös bis feinkonglomeratisch entwickelten Schlierensandsteine, deren obereocänes Alter durch Nummulina variolaria Sow., erstmals von F. J. Kaufmann gefunden, erwiesen ist. Es liegt mir daran, nachdrücklich hervorzuheben, dass in all den vielen, von mir im Schlierengebiet untersuchten Profilen die gesamte Schichtfolge vom Wildflysch bis hinauf zum obersten Schlierensandstein durchaus den Eindruck einer einheitlichen, zusammengehörenden (Eocän-)Serie erweckt, als deren ältestes Glied der Wildflysch, als deren jüngstes der Schlierensandstein zu deuten ist. Das gilt sowohl für den Randbezirk als auch für das Innere der aus 3—4 bogenförmig ge- schwungenen Wildflysch-Schlierensandstein-Schuppen (bezw. Falten) zusammengesetzten Schlierenmasse. Die Knetstruktur des Wild- flysches erklärt sich ohne weiteres aus der Gesteinsbeschaffenheit und der Lage an der Basis der überschobenen Masse. Wenden wir uns nun dem Niesengebiet zu, so möchte ich vor allem den ungemein interessanten. Feststellungen M. Lugeon’s in der Gegend von Gsteig grösste Bedeutung zumessen.’) ZLugeon fand hier als direktes Liegendes der Niesensandsteinmasse ein redu- ziertes Profil: Triasdolomit und -Schiefer, Triasquarzit und grüne Casannaschiefer, wodurch nicht nur die Annahme Æ. Argand’s, es sei die Niesenzone als Stirne der Bernharddecke aufzufassen, grösste Wahrscheinlichkeit gewinnt, sondern auch eine ungemein scharfe Trennung der Niesenflyschserie von der unterlagernden bunt zu- sammengesetzten „Zone des Cols“ (= Zone interne des Préalpes) gegeben ist. Ein Zufall wollte es, dass ich im Jahre 1917 zweimal Gelegen- heit hatte, die abgelegene Gegend von Gsteig zu besuchen und die interessanten Aufschlüsse eingehend kennen zu lernen. Ich schliesse 2) M. Lugeon: 1. Sur la presence de lames cristallines dans les Prealpes et sur leur signification. C. R. Ac. Sc. t. 159, p. 685, 16. Nov. 1914. 2. Sur quelques conséquences de la présence de lames cristallines dans le soubasse- ment de la zone du Niesen, ib. p. 778, 7. Dez. 1914. Schlieren- und Niesen-Flyschmasse. 273 mich in allen Punkten den Darlegungen Lugeon’s an, einzig die von ihm unter Vorbehalt als Lias bezeichneten grauen Kalke möchte ich eher noch bei der Trias belassen. Was mir aber bei Gsteig am meisten auffiel, war, dass innerhalb der „Zone des Cols“ zusammen mit mesozoischen Schichtpaketen, in grosser Verbreitung Wildflyschgesteine (dunkle Schiefer mit Olquarziten, Breccien etc.) auftreten, die von denen des Schlieren-Habkerngebietes nicht zu unterscheiden sind und die ich demnach hinsichtlich Alter und Facies diesen gleichstellen möchte. Während nun aber im Schlieren- gebiet über diesem Wildflysch in allmähligem Ubergang die Schlieren- sandsteinmasse folgt, ist die Niesensandsteinserie gegenüber der „Zone des Cols“ und ihrem Wildflysch ganz unabhängig. Daraus aber glaube ich den weitern Schluss ableiten zu dürfen, dass Schlierensandstein und Niesensandstein unmöglich ein und derselben tektonischen Einheit angehören können, wie dies bis jetzt ange- nommen worden ist: die Niesenmasse muss vielmehr im Ver- gleich zur Schlierenmasse als tektonisch höhere Über- schiebungsdecke bezeichnet werden. Das Vorhandensein gleichartiger Wildflyschbildungen ist mir aber auch Veranlassung, die Schlierenflyschmasse in ganz direkte Beziehung zur „Zone des Cols“ (Zone interne des Préalpes) zu setzen: Von Adelboden aus streicht diese Zone durchs Kandertal hinaus zum Thunersee, unterlagert dabei kontinuierlich die Niesen- decke und umhüllt und bedeckt gleichzeitig die Stirnfalte der Wild- horndecke und ihre untern Abzweigungen. Jenseits des Thuner- sees finden wir sie wieder bei Habkern, von wo sie ununterbrochen nordostwärts nach dem Schlierengebiet weiterstreicht, um hier als jüngstes Glied den mächtigen Schlierensandstein aufzunehmen. Im Gebiet des Kandertals und der Pässe zwischen Adelboden und Les Ormonts fehlt die zur „Zone des Cols“ (Zone interne) ge- hörende ,Schlierensandsteinserie“: sie ist bei der Überschiebung der „Prealpes medianes“ und der Niesenstirne abgeschürft worden und liest draussen am Alpenrand (Niremont, Berra, Gurnigel), be- gleitet von mitverschleppten Paketen mesozoischer Sedimente (Zone externe). Es wird uns dadurch ohne Weiteres verständlich, wes- halb mit dem Aussetzen der Prealpes medianes an der Thuner- seelinie auch die mächtige Gurnigelsandsteinzone fast ganz auf- hört: wir dürfen ihre östliche Fortsetzung vermuten über dem Wild- flyschgebiet von Habkern; aber erst in der tiefen Weitung des Schlierenbeckens ist sie als Schlierensandstein bis heute vor Ero- sion geschützt geblieben. Den subalpinen Wildflysch und die in ihm vorkommenden mesozoischen Einschlüsse am Alpenrande zwischen Thunersee und Pilatus aber können wir beliebig als Fort- 18 274 A. Buxtorf. setzung der „Zone externe“ oder „Zone interne“ (Zone des Cols) auffassen, denn beide gehören ja, wie A. Schardt s. Z. dargelegt hat, ursprünglich ein und derselben tektonischen Einheit an.) Nord- östlich des Thunersees hat diese ihren Zusammenhang besser ge- wahrt und bildet die Umhüllung der helvetischen Alpenrandkette; freilich erscheint die Hülle heute in zwei Zonen zerlegt: subalpiner Flysch und Habkernflysch. Es kann nicht Aufgabe dieser kurzen Mitteilung sein, die mannigfächen, mit den alpinen Flyschgebieten verknüpften Probleme weiter zu verfolgen und zu prüfen, ob alle unter, zwischen und über den helvetischen Decken sich findenden Wildflyschvorkommen in letzter Linie mit der so kompliziert gebauten „Zone des Cols“ (Zone interne) in Beziehung gebracht werden dürfen, wie dies z. T. schon .J. Boussac andeutet. Wäre dies der Fall, so würde der Wildtlysch die Bezeichnung „exotisch“ eigentlich nicht verdienen; man könnte ihn parahelvetisch nennen, da das Deckschuppen- system der „Zone des Cols“ der ständige Begleiter ist der Deck- falten rein helvetischer Facies. — Andererseits darf nicht über- sehen werden, dass auch im Flysch der Préalpes médianes Gesteins- folgen sich finden, die mit dem Wildflysch des Schlierengebietes lithologisch die grösste Ahnlichkeit besitzen. Ich denke da vor allem an die ölquarzitführenden Flyschbildungen im normalen Hangendflysch der Gastlosenserie, die ich 1917 am Jaunpass unter der freundlichen Führung von F. Rabowski kennen lernte. — Es ergibt sich daraus, dass nur die sorgfältigste Untersuchung des gesamten stratigraphischen und tektonischen Verbandes die Mög- lichkeit schafft, die tektonische Stellung irgend eines grössern Flysch- bezirkes mit einiger Sicherheit zu beurteilen. Wenn P. Beck vor einigen Jahren den Versuch wagte, recht verschiedenartige Flyschbildungen der Schweizeralpen zu einer tektonischen Einheit zu vereinigen und mit dem Sammelnamen Niesen-Habkerndecke zu belegen,‘) so kann heute diese Inter- pretation nicht mehr befriedigen; denn Niesen und Habkern ge- hören nach dem oben Gesagten verschiedenen Decken an. Dafür spricht übrigens schon das Niesenprofil,. das P. Beck a. a. O. 8. 85 3) Ausser auf die Arbeiten von P. Beck sei in diesem Zusammenhang auch verwiesen auf die Notiz von E. Gagnebin: La tectonique des Pleiades et le probleme du „Wildilysch“; Extr. d. proc.-verb. Soc. vaudoise Sc. nat. séance du 4 avril 1917; ferner auf meine kleine Mitteilung: Über ein Vorkommen von Malmkalk im subalpinen Flysch des Pilatusgebietes (Verh. Naturf. Ges. in Basel, Bd. XXVII, 2. Teil, S. 436). 4) P. Beck: Die Niesen-Habkerndecke und ihre Verbreitung im helvetischen Faciesgebiet. Ecl. geol. Helv. XII Nr. 1 S. 65, 1912. Schlieren- und Niesen-Flyschmasse. 275 veröffentlicht hat: die Gipfelpartie des Berges zeigt SE-NW -Streichen, d. h. verrät queres, axiales Ansteigen; der Sockelflysch dagegen streicht S-N und führt in seiner Basis Linsen mesozoischer Sedi- mente: Der Gipfel gehört zur Niesendecke i. e. S., der Sockel dagegen zur „Zone des Cols“ und damit zu ER Übrigens vermutet schon Beck (S. 90) eine getrennte Herkunft der beiden Schichtgruppen, ohne aber das allem weiter zu verfolgen. Die Bezeichnung Niesendecke wird man also zunächst nur für die eigentliche Niesenkette verwenden dürfen und es bleibt zu prüfen, ob — wie dies oft angenommen wird — auch draussen am Rand der Freiburgeralpen ver einer Niesenflysch sich findet, ein- geschaltet zwischen „Zone externe“ und „Pröalpes medianes“. Eine östliche Fortsetzung der Niesendecke im Gebiet der helvetischen Decken und der Klippen jenseits des Thunersees kennen wir bis heute nicht mit Sicherheit, und als durchaus verfrüht möchte ich es bezeichnen, wenn gelegentlich brecciöse Gesteine im Liegenden der ostalpinen Decken Graubündens kurzweg der Niesen-(Bernhard-) Decke gleichgestellt werden.’) Hier kann es sich wohl um analoge Bildungen handeln, ohne dass aber jetzt schon von einer tekto- nischen Homologie gesprochen werden könnte. Der von Beck vorgeschlagene Name Habkerndecke und die von mir gelegentlich gebrauchte Benennung Schlierendecke aber werden überflüssig oder dürfen zum mindesten nur in lokaler Be- schreibung Verwendung finden; denn beide gehören in letzter Linie zur „Zone interne“ oder „Zone des Cols“. 5) Vgl. den Hinweis M. Lugeon’s in der 2. der oben (S. 272) genannten Notizen. Geol.-palaeont. Anstalt d. Univ. Basel. 5. Juni 1918. Bericht über das Basler Naturhistorische Museum für das Jahr 1916. Von Fritz Sarasin. Die baulichen Veränderungen im Ostflügel des Museums sind zu Beginn dieses Jahres zum glücklichen Abschluss gelangt. Der Custos, Herr Dr. J. Roux, konnte seine beiden neuen Arbeitsräume im Parterre, die früher vom Prähistorischen Kabinett waren einge- nommen gewesen, beziehen, und die im Entresol, der früheren Ab- wartswohnung, neu hergerichteten vier Arbeitszimmer wurden an die Herren Drs. W. Bigler, G. Bollinger und E. Schenkel und den Unter- zeichneten verteilt. Die entomologische Sammlung in den Räumen hinter der Aula ist dem Publikum wieder zugänglich gemacht worden. Dagegen ist der durch den Auszug der Völkerkunde frei gewordene Parterre-Saal, der allerlei Reparaturen benötigt, einstweilen unbe- nützt geblieben und wird es voraussichtlich auch bleiben bis zur definitiven Neuordnung der Dinge und Instandstellung des alten Hauses nach Vollendung und Bezug des neuen Kunstmuseums. Die Laboratoriums- und Arbeitshausfrage des Naturhistorischen Mu- seums hat leider auch dieses Jahr noch keine Erledigung gefunden. Die regulären Beiträge des Staates und des Museumsvereins sind im verflossenen Jahre die üblichen gewesen, wogegen die Gesellschaft des Guten und Gemeinnützigen wiederum sich genötigt gesehen hat, ihren Zuschuss auf die Hälfte herabzusetzen. Des weiteren ist die Allgemeine Museumskommission nur in der Lage gewesen, uns einen Beitrag von Fr. 300.— an die Installationskosten zukommen zu lassen, da die wenigen eingegangenen Eintrittsgebühren fast ganz von der Hausverwaltung in Anspruch genommen werden mussten. Es be- deutet dies für uns einen empfindlichen Ausfall, da infolge davon die Betriebsunkosten der naturhistorischen Sammlungen beinahe aus- schliesslich aus den für Anschaffungen bestimmten Krediten gedeckt werden mussten. Der Akademischen Gesellschaft verdanken wir einen Beitrag von Fr. 320.— für Anschaffung eines Mikroskops und dem Erziehungsdepartement eine Zuweisung von Fr. 600.— für Bibliothekszwecke aus dem Restkredit. Die Rütimeyerstiftung endlich ist dieses Jahr der Zoologischen Abteilung zu gut gekommen. Im Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1916. 277 Mitgliederbestand unserer Kommission ist keine Veränderung einge- treten, dagegen hat eine Verschiebung in der Vorsteherschaft der Ab- teilungen stattgefunden, indem Herr Prof. F. Zschokke die Leitung der Sammlung wirbelloser Tiere zu übernehmen die Güte gehabt hat, Zoologische Sammlung. a) Wirbeltiere. (Bericht des Vorstehers, Dr. Fritz Sarasin.) Säugetiere. Im Hinblick auf die zukünftige neue und erweiterte Ausstellung ist begonnen worden, in systematischer Weise eine Re- vision verschiedener Gruppen vorzunehmen, schadhafte oder schlecht montierte Stücke durch neue zu ersetzen und allzu klaffende Lücken auszufüllen, wofür vornehmlich die Mittel der Rütimeyerstiftung ver- wandt worden sind. Dieses Jahr kamen in erster Linie die Affen, Halbaffen und Carnivoren an die Reihe. Von Raubtieren wurde Cyon alpinus Pall. vom Altai und Lycaon pictus Temm. aus Abes- sinien angekauft und zur Aufstellung in Arbeit gegeben, von Halb- affen 2 Galagoarten aus Kamerun und Hapalemur griseus E. G. aus Madagaskar. Des weitern wurden verschiedene, meist gemeine Affenarten angekauft, um alte Bälge zu ersetzen; von uns bisher fehlenden Arten seien erwähnt Callicebus personata E.G. aus Bra- silien und Cercocebus albigena Gray aus Uganda. Einige kleine amerikanische Nagetiere, wie Cavia cutleri Benn. und Liomys alleni Coues wurden fertig aufgestellt angeschafft. Im hiesigen Zoologischen Garten verendete an einer Rückenmarkskrankheit der männliche Scmalilöwe, den im Jahre 1902 Kaiser Menelik von Abessinien durch seinen Minister //g der Stadt Zürich zum Geschenk gemacht hatte und der seit 1905 im Basler Garten lebte. Das trotz seinem Alter immer noch sehr stattliche Tier, das uns von der Direktion nach Anfrage beim Zürcher Stadtrat überwiesen worden ist, wird in der Sammlung im nächsten Jahr zur Ausstellung gelangen. Die Abteilung einheimischer Säugetiere erhielt als sehr wert- volles Geschenk ein fertig aufgestelltes Exemplar eines Hirsches aus dem Prättigau von Herrn Alb. von Speyr-Bölger. Als Donatoren kleinerer schweizerischer Arten haben sich verdient gemacht dieHerren Dr. Th. Engelmann, Dr. E. Graeter, Dr. J. Roux, Dr. P. Revilliod, Dr. E. Schenkel, J. Stuber und F. Zimmermann. Manche davon sind in der Sammlung zur Ausstellung gelangt. Der Gesamtzuwachs an neuen Säugetieren beträgt 4 Gattungen und 14 Arten. Vögel. Der Bestand der Vogelsammlung wuchs um 35 Gattungen und 59 Arten. Das meiste davon (31 neue Genera) wurde angekauft, und zwar sind in diesem Jahre hauptsächlich die Gruppen der 278 Fritz Sarasin. Picidae. Galbulidae, Prionopidae, Dicruridae und Meliphagidae ver- vollständigt worden. Ein weiterer bedeutender Zuwachs konnte durch Tausch gegen caledonische und celebensische Bälge vom Museum in Neuenburg erhalten werden, 25 für uns neue Arten aus Südafrika und 1 aus Südamerika (4 neue Gattungen). Unter den Geschenken ist besonders hervorzuheben eine Sammlung von 61 Nestlingen in 33 Arten, in Sprit und Formol, teilweise aus dem Nachlass des Herrn Prof. Rud. Burckhardt durch Herrn Dr. S. Schaub. Es bildet diese Nestlingsserie ein ausgezeichnetes Studienmaterial für eine ganze Reihe von Fragen. Die einheimische Vogelsammlung verdankt Herrn Chs. Eckel- Labhardt ein von ihm selbst geschossenes und von Zollikofer aufge- stelltes, sehr schönes Exemplar eines männlichen Auerhahns aus der Gegend von Waldshut, andere Arten den Herren E. Schmutz und A. Wendnagel, letzterem auch eine Anzahl von Vogelnestern. Ange- kauft wurde, wenn auch mit etwas schlechtem Gewissen, ein Nestling des Steinadlers, der 1915 mit seinem Genossen von Bergführer Mani am Golderenhorn im Kiental ausgenommen worden war, ferner Trin- goides hypoleucus (L.) aus Nidwalden. Reptilien und Amphibien. Der in friedlichen Zeiten lebhafte Tauschverkehr mit ausländischen Museen, unsere Hauptzuwachs- quelle, ist leider durch den Krieg fast völlig unterbunden worden; unsere Sammlung hat daher nur um 1 neue Gattung und 6 Arten und Varietäten zugenommen. Als Donatoren seien erwähnt die Museen von Freiburg (2 Arten aus China) und von Neuenburg (2 Arten aus Peru, darunter die für uns neue Gattung Batrachophrynus), sowie die Herren R. Graber, Dr. Ed. Graeter, Dr. A. Masarey, Haupt- mann A. Linder, Dr. P. Revilliod, Dr. J. Roux und die Direktion des Zoologischen Gartens. Der letzteren verdanken wir ein ausge- zeichnet schönes männliches Exemplar von Testudo elephantina D. B. Dieses war im Jahre 1904 samt dem noch lebenden Weibchen von Herrn Alfred und Fräulein Louise Merian in Mahe, Seychellen, dem Garten geschenkt worden. Der Panzer des Kolosses misst in der Länge 1,06 m, ın der Breite 75 und in der Höhe 65cm. Die ursprünglich von Aldabra stammenden Schildkröten werden auf den Seychellen zu Nahrungszwecken gezüchtet. Nach Mitteilung von Fräulein L. Merian erhält ein neugeborenes Kolonistenkind eine junge Schildkröte, die dann an dessen Hochzeitsfest verspeist wird. Fische. Herr E. Schmutz schenkte eine für uns neue Art aus dem Amazonenstrom; durch Tausch mit dem Museum in Lausanne gingen 24 Arten aus dem Gabun ein, die sämtlich noch nicht ver- treten gewesen waren, endlich durch Tausch gegen Ichthyophis- Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1916, 279 material von Herrn Prof. B. Grassi in Rom schöne Jugendstadien- serien von Conger vulgaris Cuv. und Anguilla vulgaris Turt. b) Wirbellose Tiere (ausser Insekten). (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. F. Zschokke.) Im verflossenen Jahre wurde die systematische Durcharbeitung der Sammlung wirbelloser Tiere planmässig weitergeführt. Herr Dr. J. Roux beendete die im Vorjahre begonnene Revision und Katalogi- sierung der Crustaceen und bestimmte für das Naturhistorische Mu- seum in Amsterdam einen grösseren Bestand indischer Krebse. Bei dieser Gelegenheit blieben im Besitz des Basler Museums 38 Arten, von denen 23 und 2 Gattungen noch nicht vertreten gewesen waren. Eine Arbeit des Herrn Dr. Roux über die Crustaceen der Neu-Guinea- Expedition wird in nächster Zeit im Sammelwerk ‚Nova Guinea“, Bd. 5, erscheinen. Herr Dr. W. Bigler hat sich der weitschichtigen und mühsamen Arbeit der Herstellung eines ausführlichen Zettel- katalogs der bestehenden einheimischen und exotischen Diplopoden- arten unterzogen. Dadurch wurde für die Zukunft der Weg zur rich- tigen Bearbeitung und Einreihung der in der Sammlung vorhandenen Arten geebnet. In erster Linie wurden die Ausbeuten der Herren P. und F. Sarasin aus dem Malayischen Archipel und von Ceylon gesichtet und bestimmt. Durch eigene und fremde Beiträge vervoll- ständigte und erweiterte Herr Dr. Bigler bedeutend die Kollektion der einheimischen Diplopoden. Um die Spinnensammlung hat sich in sehr verdankenswerter freiwilliger Betätigung Herr Dr. E. Schenkel ver- dient gemacht. Er unternahm die Bestimmung schweizerischer Arachniden und ergänzte den Bestand durch zahlreiche eigene Ge- schenke, zu denen sich Zuwendungen anderer Donatoren als will- kommene Vervollständigung der Sammlung gesellten. Auch in der Abteilung der Mollusken schritt die Arbeit in erfreulicher Weise vorwärts. Herr Dr. @. Bollinger beschäftigte sich vor allem mit der Katalogisierung der prosobranchiaten Schnecken. Er erledigte durch Einreihung und Etikettierung 13 Familien derselben mit gegen 500 Arten. Der Katalog wuchs im Laufe des Jahrs von Nr. 1640 auf Nr. 2200 an. Verschiedene Schenkungen wurden eingereiht. Die um- fangreichste war die von 97 ostasiatischen Arten durch P. und F. Sarasin, durch welche unsere Sammlung um 6 neue Gattungen und 82 neue Arten vermehrt wurde. Da die zur Aufnahme der wirbel- losen Tiere bestimmten Räume einstweilen noch nicht zur Verfügung stehen, musste auch im Jahre 1916 von Aufstellungsarbeiten und von Ankäufen abgesehen werden. Die Vermehrung der Sammlungsbe- stände erfolgte ausschliesslich durch Geschenke und durch Tausch. 280 Fritz Sarasin. Doch brachte dieser doppelte Weg manchen Gruppen einen recht er- freulichen Zuwachs. Von Donatoren seien, ausser den bereits er- wähnten, die folgenden (siehe die Geschenkliste) namhaft gemacht: Die Herren Dr. G. Bollinger, cand. phil. P. A. Chappuis, Dr. A. Gansser, Dr. E. Graeter, Dr. H. Helbing, Dr. G. Niethammer Ÿ, Dr. P. Revilliod, E. Ritter, Dr. J. Roux, Dr. E. Schenkel und J. Stuber. Aus der Sammlung der Zoologischen Anstalt der Universität wurden bei Anlass einer durchgreifenden Revision alle diejenigen Objekte ausgeschieden und in das Museum übergeführt, denen ausschliesslich wissenschaftlicher und nicht pädagogischer Wert zukommt. So er- hielt die Museumssammlung reichhaltigen und erwünschten Zuwachs an parasitischen und freilebenden Würmern, an Mollusken, Tunikaten und Crustaceen. Das Material ist geeignet, manche Lücken in den bisherigen Beständen auszufüllen. Der Tauschverkehr mit dem Berliner Museum lieferte 2 für uns neue Gattungen und Arten von Crustaceen; sie entstammen dem Material der Deutschen Südpolarexpedition.e Vom Museum in Amsterdam wurden 3 Arten Krebse aus Neu-Guinea eingetauscht. Insekten. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. L. G. Courvoisier.) Durch Herrn Dr. J. Roux und Herrn H. Sulger wurde eine gründliche Revision aller Bestände entomologischer Dubletten und nicht bestimmter Insekten vorgenommen und die noch gut erhaltenen Exemplare nach Ordnungen und Provenienz zusammengestellt, sodass die bisher fehlende Übersicht von jetzt an leicht gewonnen werden kann. Im übrigen wurde von Herrn Sulger mit der Einreihung teil- weise schon früher eingegangener, teilweise neu erworbener Arten fortgefahren, sowie der Katalog der Schmetterlinge ergänzt. Herr Dr. F. Neeracher hat die Odonaten-Dubletten geordnet, die Perliden bestimmt und eingereiht, die vorhandenen Ephemeriden revidiert, die Trichopteren bestimmt und geordnet und die im Laufe des Jahres eingegangenen Coleopteren, Hymenopteren und Orthopteren einge- reiht. Geschenke (siehe die Liste) verdanken wir den Herren Dr. F. Neeracher und P. Fontana. Japanische und apenninische Schmetterlinge wurden angekauft. Studienmaterial aus der Zoologischen Sammlung wurde ausge- liehen an Frl. Dr. N. de Rooy, Amsterdam (Schlangen aus Nieder- ländisch Indien) und an die Herren Doebeli, Aarau (Hymenoptera), Dr. R. de Lessert, Genf (schweizerische Spinnen), Dr. R. Menzel, Basel (Isopoden der Schweiz) und Dr. F. Ris, Rheinau (Odonata). Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1916. 281 Über Materialien der Zoologischen Sammlung ist dieses Jahr er- schienen: K. M. Heller, Käfer aus Neu-Caledonien und den benach- barten Inselgruppen in Nova Caledonia, Zool., vol. 2, L. 3. Führungen in der Sammlung wurden abgehalten von den Herren Drs. Roux, Bollinger und Graeter. Osteologische Sammlung. (Bericht des Vorstehers, Dr. H. G. Stehlin.) Wie im Vorjahre sind wir für das Aufsammeln von Fossilien auf das Gebiet der Schweiz angewiesen gewesen. Der Jahreszuwachs der palaeontologischen Sammlung ist daher im Vergleich zu früheren Zeiten ein sehr bescheidener. Aus dem obern Hauterivien von Le Mail in Neuenburg hat Herr Prof. Aug. Dubois einen Saurierwirbel geschenkt. Aus dem Lutétien von Egerkingen sind fünf Sendungen einge- sangen, die nicht sehr viel neues enthalten. Da das Ergebnis der Grabungen schon letztes Jahr nicht mehr recht befriedigte, haben wir ım Frühjahr 1916 auf die Erneuerung des Pachtvertrages mit der Gemeinde Oberbuchsiten verzichtet. Von dem fossilführenden Süsswasserkalk am Fusse der Ravellen- fluh bei Oensingen, welcher dem Stampien angehört, ist ein grosser Vorrat Rohmaterial in das Museum gebracht worden, dessen Auf- arbeitung aber erst begonnen hat, sodass erst später über das Er- gebnis derselben berichtet werden kann. Durch eifriges Sammeln ist es gelungen, die Säugetierfaunula des, in diesen Berichten schon öfters genannten, Fundortes bei der Rickenbacher Mühle am Born zu vervollständigen. Sie umfasst jetzt zwanzig Arten und ist die vollständigste unserer untern Süsswasser- molasse. Neben Präparator Huber haben die Herren Drs. Baum- berger, Schaub und Helbing zu der Erzielung dieses erfreulichen Re- sultates beigetragen. Auch von der Fundstelle im Olögocän der Losenegg im Eriz sind wieder einige Dokumente beigebracht worden. Ferner sind Materialien aus dem Oligocän von Vaulruz (Freiburg) und von Humbel (Baselland) durch die Herren Prof. Dubois und Bauführer P. Hess geschenkt worden. Das Miocän ist unter den diesjährigen Eingängen durch einige Kleinigkeiten aus dem Muschelsandstein und durch umfassendere Materialien aus dem Vindobonien, welche, mit Ausnahme eines Ge- schenkes von Herrn Dr. Fischli in Winterthur, durchweg von Prä- parator Huber gesammelt worden sind, vertreten. Die letztern stammen von den Fundstellen Rümikon bei Winterthur, Schwamen- 282 Fritz Sarasin. dingen bei Zürich, Waid bei Wipkingen, Watt bei Regensdorf, Stein a/Rh. und Büron bei Sursee. Besonders bemerkenswert ist die Suite von Rümikon, in welcher neben Raritäten wie Dorcatherium peneckii, Seiuropterus spec. und Pliopithecus antiquus einige ganz neue Formen aus den Ordnungen der Insectivoren und Nager belegt sind. Die Faunula dieses Fundortes ist gegenwärtig die artenreichste unserer ganzen Molasseformation; sie umfasst über dreissig Säuge- tierspecies. Auch Schwamendingen hat eine grosse Zahl von Arten geliefert, die jetzt mit wenigen Ausnahmen in unserer Sammlung vertreten sind. Die Ausbeute, welche der uns stetsfort durch seine trefflichen Dienste verpflichtende Herr Pfarrer Iselen dieses Jahrim Pliocän von Val d’Arno gemacht hat, lagert gegenwärtig noch in Florenz und wird bei späterem Anlass erwähnt werden. Aus dem Pleistocän unserer Umgebung sind einige Elephas- knochen aus Lehm über dem untern der beiden Münchensteinerstein- brüche zu erwähnen. Herr F. Sartorius schenkte uns Reste von Rangifer und Hyaena aus der Mousterienstation La Micoque, der Vorsteher des prähistorischen Kabinetts, Herr Dr. Paul Sarasin, diverse Säugetierreste aus westschweizerischen Pfahlbauten. Der ver- storbene Herr Dr. J. Nüesch in Schaffhausen hat uns eine Serie Säugetierreste vom Schweizersbild vermacht, welche unser Beleg- material von dieser, durch seine Ausgrabungen berühmt gewordenen, Station auf das vorteilhafteste ergänzt. Einige weitere Geschenke pleistocäner und jüngerer Skelettmaterialien finden sich in der Ge- schenkliste aufgeführt. Äusserst verlockende Angebote, die sich durch den Tiefstand des Markkurses noch vorteilhafter gestalteten, haben uns zum An- kauf der grossen Zahl von rezenten Skeletten und Schädeln veran- lasst, welche unten aufgeführt sind. Besonders bemerkenswert ist die schöne Serie von Pinnipedierskeletten (Trichechus, Zalophus, Otaria, Arctocephalus); bisher war diese interessante Gruppe in unserer Sammlung nur mangelhaft vertreten. Zu diesem Ankauf ge- sellten sich dann noch, wie die Geschenkliste zeigt, eine ungewöhn- lich grosse Zahl von Geschenken, von denen diejenigen der Herren Jezler, Lebedinsky und Schaub ganz besonders willkommen waren. Auch unser alter Gönner, der Zoologische Garten, hat uns dieses Jahr besonders reichlich bedacht. Für die überwiesene Löwenleiche haben wir auch der Stadtbehörde von Zürich zu danken, welche zu unsern Gunsten auf sie verzichtet hat. Im Gegensatz zu allen früheren Jahren seit dem Bestehen der osteologischen Abteilung ist also 1916 die Sammlung rezenter Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1916. 285 Osteologica an dem Jahreszuwachs stärker beteiligt gewesen als die Sammlung der Fossilien. Wie in den Vorjahren hat Herr Dr. Revilliod die Katalogisierung der recenten Osteologica besorgt, während sich die Herren Drs. Schaub und Helbing der Montierungen annahmen. Mit vielem Dank sei er- wähnt, dass der Vorsteher des Erziehungsdepartements, Herr Regie- rungsrat Mangold, die Hand zu einer Einrichtung geboten hat, nach welcher die beiden letzteren Herren seit vergangenem Frühjahr ihrer Museumsarbeit drei, anstatt wie bis dahin bloss zwei, Nachmittage widmen können. Der Extrakredit für Montierungen, welcher der Abteilung zur Vorbereitung der neuen Schaustellung seit einigen Jahren gewährt wird, ist von den Behörden in verdankenswerter Weise von Fr. 500.— im Vorjahre wieder auf Fr. 1000.— erhöht worden. Fertig montiert wurde ein seit 1903 in der Sammlung befindliches Skelett des, durch Hornlosigkeit ausgezeichneten, weiblichen Bos etruscus aus dem obern Pliocän von Val d’Arno, ein Unikum, das einen Glanzpunkt der künf- tigen Schaustellung bilden wird. Zur Montierung vollständig zuge- rüstet ist gegenwärtig ein Skelett des grossen Hirsches von Senèze. Ausserdem wurden zahlreiche weitere Materialien von Seneze prä- pariert. Um diese schwierigen und umständlichen Arbeiten rascher als bisher fördern zu können, ist Ende Oktober Präparator Æ. Huber von Zürich als Hilfskraft angestellt worden. Je mehr die Zahl der montierten Objekte wächst, desto akuter wird die Raumnot der Abteilung. Wir sind daher dem Präsidenten der ethnographischen Kommission sehr zu Dank verpflichtet für die Überlassung eines weitern frei gewordenen Lokals im Rollerhof. Herr Dr. Revilliod hat im Berichtsjahre eine vorwiegend auf Materialien unserer Sammlung basierte Studie über die Fluganpas- sung der Fledermäuse!) veröffentlicht; der Vorsteher den zweiten Teil des siebenten Fascikels seiner „Säugetiere des schweizerischen Eoeäns‘.2) Weitere Arbeiten, über die das nächste Jahr zu berichten sein wird, sind dem Abschluss nahe. Die Sammlung der rezenten Vogelskelette ist benützt worden von Herrn Dr. Lebedinsky. 1) A propos de l’adaptation au vol chez les Microchiropteres. Verh. der naturf. Ges. in Basel Band XXVII, 1916. 2) Abhandlungen der Schweiz. pal. Ges. Band XLI, 1916. 284 Fritz Sarasin. Geologische Sammlung. A. Petrographische und Indische Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. C. Schmidt.) a) Sammlung alpiner Gesteine. Prof. H. Preiswerk hat im Val Canaria gesammelt und seine ältern Aufsammlungen im nördlichen Tessin bearbeitet. Als Resultat seiner langjährigen Untersuchungen liegt die geologische Karte des nördlichen Tessin druckfertig vor. Ferner hat Prof. Preiswerk die Dipyrgesteine der südlichen Schweizeralpen untersucht. Dr. W. Grenouillet hat am Iorio-Pass, im Misox und Hinterrhein gesammelt. Dr. Tobler schenkte eine Suite von Gesteinen aus dem Blegnotale. Prof. A. Buxtorf übergab uns eine grössere Anzahl von Gesteinsproben aus dem Lötschen- und Visper- tal. "Gelegentlich ihrer Teilnahme an den Exkursionen der Schweiz. Geolog. Gesellschaft im Engadin haben Prof. C. Schmidt, Prof. A. Buxtorf und Dr. Werdmüller Belegstücke zu einem grossen Teil der neuern petrographischen Untersuchungen im Berninagebiet ge- sammelt. Bei genannter Gelegenheit wurde der Nephrit von Piatte di Canciano bei Poschiavo entdeckt. Prof. €. Schmidt und A. Tobler haben nachträglich dieses Asbest- und Nephrit-Vorkommen im Speziellen studiert. Die Publikation einer Untersuchung darüber ist in Vorbereitung. b) Lagerstättensammlung. Einige schweizerische Erzlagerstätten sind als Abschluss der Untersuchungen von Prof. €. Schmidt besucht worden. Es wurden hauptsächlich gesammelt: Garnierit in der Clemgia-Schlucht bei Tarasp, Bleierze im Scarltal, Manganradiolarite am Piz Lischanna, Blei- und Arsenerze am Berninapass und im Val Minor, Pyrit von Aproz bei Sitten etc. Prof. Buxtorf schenkte Kupfererze von Lawin im Unterengadin und Bleiglanz aus dem Lötschental, Ing. Büchler in Sitten schöne Stufen von Molybdaen- glanz aus dem Baltschiedertal. Gelegentlich der Untersuchung der Gasquelle von Cuarny sammelte Prof. C. Schmidt sehr schöne Schwefelabsätze. Die seit 1898 von Basel aus mehrfach besuchte Goldlagerstätte bei Brusson im Piemont ist von Th. Reinhold in seiner Dissertation abschliessend beschrieben worden. Die Belegsammlung zu dieser Untersuchung ist durch mehrere schöne Frei-Goldstufen bereichert worden, die von Herrn Reinhold erworben worden sind. Dr. Fr. Müller hat Mitteilungen über die Magneteisenerzlagerstätte von Cogne (Piemont) und über Mineralien aus dem Manganerzlager des Oberhalbstein veröffentlicht; Prof. ©. Schmidt beschrieb das Vor- kommen von goldhaltigem Leukopyrit von Salanfe im Kanton Wallis. Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1916. 285 Wir erwähnen ferner, dass eine Übersicht über „Bergbau und Mine- ralische Rohstoffe“ auf Grund unserer Sammlungen von Prof. H. Preiswerk in dem betreffenden Fachbericht der Schweiz. Landesaus- stellung in Bern 1914 gegeben worden ist. Von ausländischen Eingängen erwähnen wir als Geschenke: Prachtvolle Wolframit- und Zinnerzgangstücke aus Böhmen und Kalisalze aus Spanien durch den Vorsteher. c) Die Indische Abteilung ist wiederum durch die Herren Dr. A. Tobler und Dr. van Rheden besorgt worden. Dr. Tobler ist weiter- hin mit Ausarbeitung seiner Untersuchungen in Djambi (Süd- Sumatra) beschäftigt. Spezielle Sorgfalt wurde auf die Bestimmung der stratigraphisch wichtigen Foraminiferen verwendet. Prof. Frech in Breslau hat die Doggerfossilien von Sanyı Temalang untersucht, drei Tafeln Abbildungen sind fertig gezeichnet. Zur Untersuchung des Herrn Dr. Baumberger über Kreidefossilien sind 15 Tafeln ge- zeichnet. Über die Untersuchungen von Dr. van Rheden auf der Halbinsel Sanggar von Sumbawa steht eine Veröffentlichung nahe bevor. Dr. Werdmüller hat die reichhaltige Sammlung von Alkalige- steinen, die Prof. ©. Schmidt aus der Gegend des Pik von Maros (Celebes) mitgebracht hat, monographisch bearbeitet. Ergänzt wurde diese Suite durch sehr interessante Stücke, welche die Herren Drs. P. und F. Sarasin 1902/03 in Celebes gesammelt hatten. B. Alpin-sedimentäre Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Prof. A. Buxtorf.) Da der Vorsteher im Sommer 1916 seine Aufnahmen im Vier- waldstätterseegebiet unterbrochen hat und eine Gelegenheit zu Er- werbungen sich nicht einstellte, ist der Bestand der Sammlungen un- verändert geblieben. Das sehr umfangreiche Material aus den Frei- burger-Alpen wurde gereinigt, nummeriert und, soweit es sich dabei um Bestände der Gilliéron'schen Sammlung handelt, nach dessen alten Katalogen geordnet. Auf Wunsch von Herrn Prof. Lugeon in Lau- sanne sind an dessen Schüler, Dr. L. Horwitz, der mit geologischen Aufnahmen in den Freiburgeralpen beschäftigt ist, aus der Samm- lung Güilliéron einige grössere F'oossilreihen, ca. 400 Nummern, zur Re- vision überlassen worden. Als Entschädigung für die viele Mühe, die das Aussuchen dieser Materialien verursacht hat, zumal die Samm- lung an einem schwer zugänglichen Orte im Rollerhof untergebracht ist, haben die Herren Lugeon und Horwitz sich bereit erklärt, eine erste Auswahl von Dubletten der Horwitz’schen Materialien später unserem Museum zukommen zu lassen. Die im letzten Jahre an Herrn 286 Fritz Sarasin. Prof. Schardt in Zürich ausgeliehenen, von Ratsherr Peter Merian gesammelten Fossilien von Tremona bei Mendrisio sind wieder den Beständen eingeordnet worden. Als erfreuliche Tatsache ist zu melden, dass im Laufe des Jahres 1916 zwei geologische Karten erschienen sind, deren Bearbeitung teils vom Berichterstatter, teils von ihm in Gemeinschaft mit anderen, vor- wiegend baslerischen Geologen durchgeführt worden ist. Es sind dies: 1. Geolog. Karte der Rigihochfluhkette von A. Buxtorf, mit Beiträgen von E. Baumberger, @. Niethammer und P. Arbenz ; hiezu eine geolog. Profiltafel. 2. Geologische Vierwaldstätterseekarte von A. Buxtorf, A. Tobler, G. Niethammer, E. Baumberger, P. Arbenz und W. Staub ; hiezu eine Profiltafel. Die zu diesen Karten gehörenden Beleg- materialien (es enthalten solche die Sammlungen Stutz, Tobler, Niethammer, Baumberger, Buxtorf) befinden sich grösstenteils unter den Beständen des hiesigen Museums. Nachdem nun die schwierigste und zeitraubendste Arbeit, die geologische Kartierung, erledigt ist, wird im Laufe der Zeit die Sichtung und Bearbeitung der gesam- melten Materialien (Gesteine und Versteinerungen) folgen. C. Mesozoisch-Jurassische (ausseralpine) Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Dr. E. Greppin.) Die mesozoischen Sammlungen haben dieses Jahr infolge einer bedeutsamen Schenkung einen grossen Zuwachs erhalten. Leider be- deutet dieselbe zu gleicher Zeit den Verlust eines unermüdlichen Gönners unserer geologischen Sammlungen, des Herrn Dr. Karl Strübin in Liestal. Herr Dr. Strüben hatte noch bei Lebzeiten verfügt, dass sein gesamtes geologisches Material nach seinem Tode dem Basler Naturhistorischen Museum solle übergeben werden. Nur zu frühe musste diese Bestimmung in Kraft treten. Die Sammlung Strübin ıst aus den verschiedensten Elementen zusammengesetzt. Vor allem sind es Fossilserien und Gesteinsproben aus beinahe allen geologischen Horizonten, welche in der Nähe von Liestal, seiner Arbeitsstätte, vorkommen; ferner eine prächtige Sammlung von Keuperpflanzen aus der Moderhalde beı Pratteln, welche Fundstelle er ım Jahre 1907 wieder entdeckt hat; dann Proben der erratischen Blöcke des Basler Jura, denen Strübin mit grosser Zähigkeit nach- gegangen ist. Es fanden sich auch im Nachlass die Belege zu seiner letzten Arbeit: ,,Nerinea basileensis Th. aus dem untern Haupt- rogenstein der Umgebung von Basel“. Der Umfang der Schenkung wird am besten dadurch gekennzeichnet, dass einzig für das jurassische Fossilmaterial 800 Etiketten geschrieben werden mussten. Herr Dr. A.Tobler hat die Güte gehabt, mit seinem Assistenten die Überfüh- Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1916. 287 rung der Sammlung nach Basel zu besorgen. Schon zu seinen Leb- zeiten hatte Dr. Strübin beinahe Jahr für Jahr unserer Sammlung seltene Stücke oder Belege zu seinen wissenschaftlichen Arbeiten über- geben. Möge nun das mit so grosser Liebe zusammengetragene Ma- terial in unserm Museum einen unvergänglichen Gedenkstein an Dr. Strübins treue und selbstlose Mitarbeit bilden ! Als weitere Donatoren sind zu nennen die Herren Dr. Brändlin, Prof. A. Buxtorf, Präparator Huber und F. Wegel (siehe die Ge- schenkliste). Ganz besonders hervorzuheben sind 2 Prachtstücke von Dendrogyra rastellina aus dem oberen Malm, welche Herr Dr. E. Baumberger der Sammlung verehrt hat. Es ist endlich zu erwähnen, dass die Belegsammlung zum Grenchenbergtunnel eine bedeutende Vervollständigung dadurch erfahren hat, dass die Berner Alpenbahn- Gesellschaft dem Museum geschenkweise drei Kisten mit Gesteins- proben des Tunnelprofils überwiesen hat, die gegenwärtig mit den früher gesammelten Materialien zu einer möglichst vollständigen Be- lessammlung dieses interessanten Durchstichs vereinigt werden. Um die Fossiliensammlung aus dem Hauenstein-Basistunnel zu erweitern, ist eine grosse Zahl schöner Stücke erworben worden, ebenso Fossilserien aus dem mittleren Rauracien von Blauen, aus dem Callovien der Hinteren Clus bei Pfeffingen und endlich aus der Um- gebung von Zeiningen. Der Zettelkatalog hat infolge der schönen Schenkungen um 415 Nummern zugenommen und heute die Zahl 10,970 erreicht. Zum Schlusse sei noch erwähnt, dass zu Studienzwecken Herrn Prof. Rollier Austern und Herrn Dr. Oppliger unsere jurassischen Kalk- schwämme übergeben worden sind. D. Mesozoisch-cretacische (ausseralpine) Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Dr. E. Baumberger.) Die Kreidesammlungen haben im vergangenen Jahre keinen grossen Zuwachs erhalten. Wie fast jedes Jahr, so konnte der Be- richterstatter auch diesmal der Abteilung einige wohlerhaltene Hop- liten aus den Hauterivienmergeln der Combe von Cressier übergeben ; die genannten Mergel werden dort seit Jahren für die Zementfabri- kation ausgebeutet und liefern gelegentlich noch neue oder wenig be- kannte Formen, mit denen wir unsere reichen Aufsammlungen aus dem erwähnten Horizont der westschweizerischen Kreide gerne er- gänzen. Ankäufe von Fossilien sind keine gemacht worden. Von den in der Abteilung ausgeführten Arbeiten ist zu erwähnen, dass mit der Neuordnung und Bestimmung der Sammlung Choffat be- gonnen worden ist. Leider ist die sonst dem Berichterstatter für 288 Fritz Sarasin. Museumstätigkeit zur Verfügung stehende freie Zeit durch andere Arbeiten stark in Anspruch genommen worden, besonders durch die mit grossen Schwierigkeiten verbundene Bearbeitung der Kreide- faunen Sumatras (Sammlung Dr. A. Tobler). Bis jetzt ist der Text zu 5 Ammonitentafeln (Fauna von Poboengo) druckfertig geworden. Eine weitere Arbeit, die Geologie des Dünnerntales, zwischen Bals- thal und Gänsbrunnen, betreffend, brachte es mit sich, dass die aus diesem Gebiet und vom Jurarande stammenden Molassefossilien unseres Museums, besonders die aus der Sammlung Cartier, näher untersucht und bestimmt werden mussten. Es hat sich auch im Laufe des Sommers Gelegenheit geboten, neue und alte Fundstellen von Tertiärfossilien im genannten Gebiet auszubeuten, zum Zwecke einer sicheren Horizontierung unserer ältesten. Molassesedimente. Bei den Feldaufnahmen im Gebiet des Dünnerntales hat der Berichterstatter eine bedeutende Zahl von hoch gelegenen Findlingen kennen gelernt, die alle in bezug auf ihren Transport älter sind als die Würmver- gletscherung; eine Sammlung von Handstücken der auffälligeren Findlinge ist angelegt worden. Alle die genannten Materialien sollen nach Abschluss der Arbeit über das Dünnerntal den entsprechenden Museumsabteilungen übergeben werden. E. Tertiäre und Quartäre (ausseralpine) Abteilung und Sammlung fossiler Pflanzen. (Bericht des Vorstehers, Dr. A. Gutzwiller.) Die Sammlung fossiler Pflanzen hat dieses Jahr eine sehr be- deutende Vermehrung erfahren und zwar durch das hochherzige Legat des Herrn Pfarrers Aug. Jenny von Basel, welcher bestimmt hat, dass seine Keuperpflanzensammlung, die ihm stets so viele Freude bereitet hat, nach seinem Tode dem Basler Naturhistorischen Mu- seum zu übergeben sei. Herr Dr. E. Greppin schreibt darüber: Herr Pfarrer Jenny ist viele Jahre hindurch Seelsorger der Gemeinde Münchenstein gewesen und hat in seinen Mussestunden die bekannte Fundstätte fossiler Pflanzen an der Birs bei der Neuen Welt mit vieler Mühe und grosser Sachkenntnis ausgebeutet. Auf diese Weise hat er nach und nach eine prächtige Fossilserie zusammengebracht, welche heute den Wert unserer phytopalaeontologischen Sammlung sanz bedeutend erhöht. Beinahe die sämtlichen von dieser Fund- stelle bekannten Arten sind in dem Jenny'schen Legat vertreten, teilweise durch wahre Prachtstücke, Dokumente schönster Art der vorweltlichen Basler Flora. Wir erwähnen besonders eine Platte, von der Grösse 60 zu 35 cm, mit drei beinahe vollständig erhaltenen Wedeln von Pterophyllum longifolium. Gleich nach Empfang der Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1916. 289 Sammlung sind, dem Wunsche des hochherzigen Gönners ent- sprechend, die schönsten Stücke in zwei Vitrinen des Geologischen Saales provisorisch aufgestellt und so dem Publikum zugänglich ge- macht worden. Derselben Schenkung gehören auch 47 Stück fossiler Pflanzen aus der Molasse alsacienne von Dornachbruck an. Aus dem in Herrn Dr. Greppins Bericht erwähnten Legat des Herrn Dr. K. Strübin wurden 103 Stücke von Keuperpflanzen von der Moderhalde bei Pratteln der Abteilung eingereiht. Um das geologische Niveau dieser Fundstelle festzustellen, wurden von Herrn Dr. Greppin umfangreiche Schürfungen in deren Nähe ausgeführt, die indessen noch nicht zu einem abschliessenden Ergebnis geführt haben. An der Fundstelle selbst wurden einige schöne Stücke ge- hoben und der Sammlung übergeben. Endlich sind uns durch Herrn Dr. H. @. Stehlin Pflanzenreste aus dem Vindobon von Schwamen- dingen und andern Fundstellen zugekommen. Ebendemselben verdanken wir zahlreiche Belegstücke mit Fos- silien aus tertiären Süsswasserbildungen und marinen Ablagerungen verschiedener schweizerischer Fundstellen, sowie solche aus dem oberen Pliocän von Senèze. Sehr reiche und wichtige Tertiär- materialien von einer grossen Reihe von Fundstellen sind endlich mit dem Strübin’schen Legat dem Museum zugeflossen. Die geologische Aufnahme von Blatt 7 (Therwil) ist vom Be- richterstatter vollendet und der Geolog. Kommission der Schweiz. Naturforsch. Gesellschaft zur Veröffentlichung eingesandt worden. Dagegen konnten die Blätter 1 und 2 (Allschwil und Riehen), deren geologische Bearbeitung etwa zur Hälfte fertig gestellt ist, gesund- heitshalber nicht weiter geführt werden. Herr Dr. Greppin hat es übernommen, sie zu vollenden. Mineralogische Sammlung. (Bericht des Vorstehers, Dr. Th. Engelmann.) Unter den Erwerbungen für die mineralogische Sammlung er- wähnen wir in erster Linie eine Goldstufe aus den Goldbergwerken Brusson des Val d’Evancon, Piemont, eines der schönsten und reichsten Stücke dieser Fundstelle, die Dr. Th. Reinhold erforscht und darüber eine ausführliche Arbeit verfasst hat. Es bedeutet dies eine schöne Vermehrung unserer an interessanten Goldstufen der verschiedenen Fundorte reichen Schausammlune. Auch die nächsten Verwandten des Goldes, die Silberstufen der Sammlung, wurden vermehrt durch ein schönes baumförmiges Vor- kommen von gediegenem Silber aus dem Silbererzlager von Kongs- berg, Schweden. 19 290 Fritz Sarasin. Ferner erwähnen wir noch unter Anderm: ein Schaustück von Wismutglanz von Tellmarken, Norwegen, Sphärosiderit von Ungarn, sehr schönen Cuprit in grossen Kristallen von Alghero Sassari, Sar- dinien, sowie ein interessantes Stück sog. Schwefelbanderz mit Oaleit, aus Sizilien, weiter interessante birnenförmige Quarzknollen, unter dem Namen pere del gargano (Birnen von Gargano) seit langer Zeit bekannt, aus Gargano, Provinz Foggia, Italien. An Geschenken erhielten wir: Diverse Stücke Anthracit von Bramois, Wallis, von Herrn R. Graber, Basel; einige sehr schöne Stufen. von Gelbbleierz, Wulfenit, aus dem Höllthal bei Garmisch, Oberbayern, schenkte uns Herr Prof. ©. Schmidt, der die Gruben untersuchte und über das Resultat in der Zeitschrift für prakt. Geologie, Jahrgang 1915, eine Arbeit veröffentlicht hat. Ebenfalls von Herrn Prof. Schmidt erhielten wir einen grossen Quarzzwilling aus Brusson, Piemont, über die Herr Dr. Zyndel seinerzeit eine Arbeit veröffentlicht hat. Eine schöne Bleistufe aus den verlassenen alten Bleibergwerken bei Goppenstein im Lötschental übergab uns Herr Prof. Buxtorf. Vom Vorsteher der Sammlung wurden eine Anzahl seinerzeit selbst gesammelter Binnentaler Mineralien geschenkt. Die dortigen Gruben werden schon seit längerer Zeit nicht mehr ausgebeutet, da sie zum Teil durch Wasser zerstört sind; so werden mit der Zeit diese schönen schweizerischen Vorkommen schwer erhältlich sein. Bibliothek. (Bericht des Vorstehers, Dr. H. G. Stehlin.) Das Defizit des letzten Jahres konnte dank einem Zuschuss von Fr. 600.— aus dem Restkredit, den wir im Januar 1916 erhielten, gedeckt werden, desgleichen die im Berichtsjahre entstandenen Aus- lagen für Buchbinder- und Katalogisierungsarbeiten. Der kleine An- schaffungsfonds, herrührend aus dem Verkauf von Dubletten der Mieg’schen Bibliothek, wurde zur Ergänzung zweier aus demselben Legat stammender Serien verwendet. Die Katalogisierung, die nun zu Ende geführt ist, wird in Zukunft, da auf die neuen Eingänge sich beschränkend, nur noch geringe Kosten verursachen ; wohl aber sollten einige Mittel für Buchbinderarbeiten verfügbar sein, nament- lich für die regelmässig als Geschenk eingehenden Periodika. Es sind dies von Frau Müller-Mechel die Transactions of the Ento- mological Society, von Herrn Dr. A. Gutzwiller die Beiträge zur Geolog. Karte der Schweiz (Hauptserie und Geotechnische Serie), von den Herren P. und F. Sarasin die Berichte der Senckenbergischen Naturforsch. Gesellschaft und die Abhandlungen der schweiz. Basler Naturhistorisches Museum, ‚Jahresbericht 1916. 291 Palaeontologischen Gesellschaft (letztere auch vom Vorsteher; ein Exemplar dient zum Tauschverkehr), von der Basler Naturforsch. Ges. ihre Verhandlungen, endlich vom Vorsteher die Eklogae, die Verhandlungen der Schweiz. Naturforsch. Ges., das Bulletin de la Soc. Geologigue de France, die Palaeontologische Zeitschrift und L’Anthropologie. Andere Geschenke verdanken wir den Herren K. Lang-Vonkilch, Prof. E. A. Stückelberg, Prof. A. Buxtorf, F. Sarasin und J. Roux und dem Vorsteher. Noch sei beigefügt, dass die Universitätsbibliothek in entgegenkommender Weise die Hand zu einer erheblichen Erweiterung des ständigen Depositums ge- boten hat. Wir schliessen diesen Bericht mit dem Ausdruck des Dankes an alle die, welche es möglich gemacht haben, sei es durch eigene Arbeit, sei es durch Geschenke, dass auch während dieser harten Kriegszeiten, die fast täglich die hohen Mauern unseres Gebäudes von fernem Kanonendonner widerhallen lassen, dennoch unser Museum eine Periode gedeihlicher Entwicklung hat erleben dürfen und empfehlen aufs neue unsere Anstalt dem Wohlwollen der hohen Behörden und dem werktätigen Interesse der Einwohnerschaft unserer Vaterstadt. Verzeichnis des Zuwachses des Naturhistorischen Museums im Jahre 1916. Zoologische Sammlung. Säugetiere. a) Geschenke. Herr Dr. Th. Engelmann, Basel: Putorius ermineus L., Basel. Herren Dr. E.Graeter, Dr. P. Revilliod, Dr. J. Roux, Dr. E. Schenkel, J. Stuber und F. Zimmermann, Basel: Kleine Insektivoren und Nagetiere aus der Schweiz. Herr Alb. von Speyr, Basel: Cervus elaphus L. aus der Gegend von Schiers, Prättigau, aufgestelltes Exemplar. Tit. Zoologischer Garten, Direktion: Diverse Säugetiere, u.a. Felis leo somaliensis Noak, ©, Abessinien; Meles meles (L.) von Inzlingen. 292 Fritz Sarasin. b) Tauschverkehr. Tit. Senckenberg. Museum, Frankfurt a/M.: Hipposiderus cervina Gld. von den Aru-Inseln, für uns neu. c) Ankäufe. Cyon alpinus Pall. vom Altai, Lycaon pictus Temm. aus Abessinien, Herr at Galogo elegantulus pallidus Gr. und alleni Wat. von Kamerun (Umlauff, Hamburg); diverse Affen, u.a. Callicebus personata E.G. aus Brasilien und Cerocebus albigena Gray aus Uganda (Schlüter, Halle); Hapalemur griseus E.G. aus Madagaskar (Ward, London); Cavia cutleri Benn. aus Peru und Liomys alleni Coues aus Texas (Deyrolle, Paris); ferner diverse In- sectivoren, Rodentia und Carnivoren aus der Schweiz. Vögel. a) Geschenke. Chs. Eckel-Labhardt, Basel: Tetrao urogallus L., ©, aus der Gegend von Waldshut, aufgestellt. Dr. S. Schaub, Basel: 61 Nestlinge von 33 Arten in Sprit und Formol, teilweise aus dem Nachlass von Herrn Prof. Rud. Burckhardt, darunter 3 für uns neue Arten. E. Schmutz, Basel: Rallus aquaticus L. und Gallinula chlo- ropus (L.) aus der Umgebung von Basel. A. Wendnagel, Basel: Diverse einheimische Arten, darunter Halbalbino der Amsel. . Zoologische Anstalt der Universität, Basel: Nestlinge des Sperbers in Sprit. Zoologischer Garten, Direktion: Verschiedene Arten. b) Tauschverkehr. Musee d’Histoire Naturelle, Neuchätel: 25 für uns neue Arten aus Süd-Afrika und 1 aus Süd-Amerika. Neu 4 Gattungen: Amydrus, Urobrachya, Coccopygia, Parabuteo. c) Ankäufe. Nestling des Steinadlers aus dem Kiental, Kanton Bern; Tringoides hypoleucus (L.) von Nidwalden (Girtanner); 31 für uns neue Gattungen aus verschiedenen Teilen der Erde: Ipocrantor, Tiga, Grecinulus, Gauropicoides, Hemicurus, Verreauxia, Hypoxan- thus, Liopicus, Jacamaraleyon, Jacamerops, Grallina, Pinaro- lestes, Sigmodus, Eurocephalus, Hemipus, Phaeornis, Phaino- Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1916. 293 pepla, Gymnocorax, Bhringa, Chaptia, Chaetorchynchus, Disse- murulus, Melitograis, Melirrhophetes, Melidectes, Stigmatops, Plectrorhamphus, Cleptornis, Sarcops, Cosmopsarus, Melidora (Rosenberg, London). Reptilien und Amphibien. a) Geschenke. Herr R. Graber, Basel: 7 Arten aus der Schweiz, 1 Schlange aus Nord-Amerika. Dr. Ed. Graeter, Basel: 2 Amphibienarten aus Syrien (1 für uns neu), 1 aus der Schweiz. Hauptmann A. Linder, Basel: 2 Schlangenarten aus dem Tessin. „ Dr. A. Masarey, Zürich: 1 Schlangenart aus Ägypten. Tit. Naturhistorisches Museum, Freiburg: 2 Schlangenarten aus China (1 für uns neu). Tit. Naturhistorisches Museum, Neuenburg: 2 Amphibienarten aus Peru (1 für uns neue Gattung Batrachophrynus). Herr Dr. P. Revilliod, Basel: 1 Amphibienart aus Graubünden. „ Dr. J. Roux, Basel: Reptilien und Amphibien aus der Schweiz. Tit. Zoologischer Garten, Direktion : Diverse Arten, darunter Testudo elephantina D. B., ©”, von Aldabra. 22 ah b) Tauschverkehr. Tit. Senckenberg. Museum, Frankfurt a/M.: 9 Arten Reptilien aus der Südsee (1 für uns neu). c) Ankäufe. Reptilien aus Cochinchina. Fische. a) Geschenke. Herr E. Schmutz, Basel: 1 Art aus dem Amazonenstrom (für uns neue Gattung). b) Tauschverkehr Tit. Naturhistorisches Museum, Lausanne : 24 Arten aus dem Gabun (10 Gattungen und alle Arten für uns neu). Herr Prof. B. Grassi, Rom: 12 Exemplare von Jugendstadien von Conger vulgaris Cuv. und 20 von Anguilla vulgaris Turt. 294 Fritz Sarasin. Wirbellose Tiere. a) Geschenke. Coelenteraten und Echinodermen. Herr Dr. G. Bollinger, Basel: Seeigel aus Südfrankreich. Dr. G. Niethammer Ÿ: Korallen und Spongien aus Nordost- Borneo. 29 Vermes. Herr Dr. J. Roux, Basel: Oligochaeten aus dem Kanton Waadt. „ Dr. E. Schenkel, Basel: Oligochaeten aus Grindelwald. „ J. Stuber, Basel: Oligochaeten aus der Umgebung von Basel. Tit. Zoologische Anstalt der Universität, Basel: Parasitische und frei- lebende Würmer. Mollusken. Herr Dr. G. Bollinger, Basel: Mollusken aus Zermatt. » Dr. @. Niethammer Ÿ : Mollusken aus Nordost-Borneo. „ Dr. P. Revilliod, Basel: Mollusken aus St. Moritz. » E. Ritter, Basel: Mollusken aus Palästina. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: 97 Arten von den Philip- pinen, Hinterindien etc. Tit. Zoologische Anstalt der Universität, Basel: Diversa. Crustaceen. Herr cand. phil. P. A. Chappuis, Basel: 6 für die Sammlung neue Gattungen und Arten. „ Dr. A. Gansser, Basel: 1 Art aus Argentinien. „ Dr. E. Graeter, Basel: 2 Arten aus Syrien. Myriapoden und Arachniden. Herren Drs. @. Bollinger, H. Helbing, P. Revilliod, J. Roux und E. Schenkel, Basel: Schweizerische Arten aus Grindelwald, Zermatt, St. Moritz, Waadt, Freiburg, Tessin (1 Art aus dem Engadin für die Schweiz neu). b) Tauschverkehr. Tit. Naturhistorisches Museum, Berlin: Orustaceen (2 für uns neue Gattungen und Arten). Tit. Naturhistorisches Museum, Amsterdam : Crustaceen (2 für uns neue Arten). a Basler Naturhistorisches Museum. Jahresbericht 1916. 29 Insekten. a) Geschenke. Herr P. Fontana, Chiasso : Schmetterlinge aus dem Engadin. „ Dr. F. Neeracher, Basel: Schmetterlinge aus dem Tessin. b) Ankäufe. Schmetterlinge aus Japan und den Apenninen. Osteologische Sammlung. a) Geschenke. Herren Drs. E. Baumberger, H. Helbing, S. Schaub, H. G. Stehlin, Basel: Säugetierreste aus dem Mitteloligocän bei der Ricken- bacher Mühle (Kt. Solothurn). Herr Prof. Aug. Dubois, Neuenburg : Saurierwirbel aus dem Hauter- rivien von Le Mail, Neuenburg; Panzerplatte von Trionyx spec. aus dem Stampien von Vaulruz (Kt. Freiburg). „ Dr. Th. Engelmann, Basel: Schädel von Putorius erminea L. „ Dr. H. Fischli, Winterthur: Insectivorenkiefer aus dem Vin- dobonien von Rümikon. „ Dr. H. Helbing, Basel: Schädel von Phoca grönlandica Fabr., Erinaceus europaeus L., Galago galago Schr., Becken von Ursus arctos L. juv. „ P. Hess, Bauführer, Basel: Rhinoceridenzähne aus dem Oli- gocän des Humbel bi Waldenburg. „ Hubert Jezler, Basel: Schädel von Simia satyrus L. @), Bibos sondaieus Müll. und Schl., Crocodilus porosus Schn. (2). „ Dr. Lebedinsky, Basel: Skelett von Pavoncella pugnax L. „ Ad.Löw, Präparator, Basel: Scnädel von Mustela foina Erxb. „ E. Klingele, Basel: Kadaver von Chrysothrix sciurea L. Legat von Herrn Dr. J. Nüesch Ÿ, Schaffhausen : Säugetierreste aus der palaeolithischen Station am Schweizersbild. Herr Dr. A. Oes, Basel: Knochen eines Boviden aus Sand zwischen Therwil und Oberwil. » Dr. P. Revilliod, Basel: Kadaver von Eliomys quercinus L. juv. (2). „ Cand. phil..W. Ris, Basel: Säugetierreste aus der prä- historischen Station von La Micoque. » Dr. F. Sarasin, Basel: Säugetierreste aus Fuchs- und Dachs- höhlen bei Dornach und bei Wenslingen. 296 Fritz Sarasin. Herr Dr. P. Sarasin, Basel: Säugetierreste aus westschweizerischen 22 Pfahlbauten und von jungpalaeolithischen prähistorischen Sta- tionen in Südfrankreich. Dr. S. Schaub, Basel: Skelett von Symphalangus syndactylus Desm., Skeletteile von Antigone antigone L., Sarcorhamphus aequatorialis Sharpe, Ardea cinerea L. Dr. E. Schenkel, Basel: Schädel von Pithymys subterraneus de Selys. G. Schneider, Präparator, Basel: Schädelfragmente von Canis (Chrysocyon) jubatus Desm. Dr. H. G. Stehlin, Basel: Säugetierreste aus dem oligocänen Süsswasserkalk an der Ravellenfluh bei Oensingen, Elephas- knochen von Münchenstein. :J. Stuber, Basel: Schädel und Skeletteile von Canis fami- lıarıs L. Tit. Zoologischer Garten, Direktion: Kadaver von Meles meles (L.) (2), Tragelaphus gratus Scl. neonatus, Felis leo L., Felis par- dalis L., Rana tigrina Daud., Sciurus (Neosciurus) carolinensis leucotis Gapp., Ibis aethiopica Lath., Macropus giganteus Zimm. (2), Bufo marinus Schn., Cervus axis Erxl. neonatus, Evotomys glareolus helveticus Miller, Rangifer tarandus L., Amazona aestiva L., Ardea cinerea L., Pica pica L., Macropus ruficollis bennetti Waterh. neonat., Anthropoides virgo L., Putorius putorius L., Tragelaphus sylvaticus Sparrm., Icterus vulgaris Daud., Mustela foina Erxl., Skeletteile von Felis tigris L., Testudo gigantea elephantina D. B., Canis lupus L. b) Ankäufe. Säugetierreste aus dem Lutétien von Egerkingen, dem Stampien von Rickenbacher Mühle und Losenegg, dem Vindobonien von Rümikon, Schwamendingen und verschiedenen andern Lokali- täten. Skelette von Cyon alpinus Pallas, Lycaon pictus Temm., Papio cynocephalus E. Geoffr., Viscacia viscacia Mol., Tricho- surus vulpecula Kerr, Tamandua tetradactyla L., Capreolus pygargus Pall., Arctocephalus pusillus Schr., Nyeticebus tardi- sradus L., Phyllostomus discolor Wagn., Idiurus macrotis Miller, Buffelus caffer aequinoctialis Blyth, Galera barbara L., Alouatta seniculus L., Trichechus rosmarus L., Otaria byronia Blainv., Zalophus californianus Lesson, Cebus fatuellus L., Midas spec.; Schädel von Felis (Catolynx) chaus affinis Gray, Crossarchus spec., Mustela flavigula Bord., Lynx lynx (L.), Genetta genetta rhodanica Matschie (2). Herr Basler Naturhistorisches Museum. Jahresbericht 1916. 297 Geologische Sammlung. a) Geschenke. Dr. E. Baumberger, Basel: Prachtexemplare von Dendrogyra rastellina aus einer Breccie in der Huppererdegrube von Matzen- dorf; Hopliten aus den Hauterivienmergeln von Cressier. Tit. Berner Alpenbahn-Gesellschaft, Bern: Gesteinsproben aus dem Herr Grenchenbergtunnel. Dr. Brändlin, Basel: Fossilserien und Gesteinsproben aus der schwäbischen Trias. Ing. Büchler, Sitten: Stufen von Molybdaenglanz aus dem Baltschiedertal. à Prof. Dr. A. Buxtorf, Basel: Gesteinsproben aus dem Lötschen- und Vispertal; Kupfererze von Lawin, Unterengadin; Opa- linusthone von Wachtbruck; Fossilien aus den Cordatus- schichten von Herznach. Dr. W. Grenouillet, Basel: Gesteine aus dem Misox, Hinter- rhein u. s. w. Dr. E. Greppin, Basel: Keuperpflanzen von der Moderhalde beı Pratteln, 83 Stücke. Präparator E. Huber, Basel : Fossilien, insbesondere Schwämme aus den Orenularisschichten von Baden. Pfarrer Aug. Jenny, Legat: Umfangreiche und wertvolle Sammlung von Keuperpflanzen von der Neuen Welt. Prof. H. Preiswerk, Basel: Alpine Gesteine verschiedener Fundstellen. Dr. Th. Reinhold, Basel: Belegsammlung der Goldlagerstätte bei Brusson im Piemont. Prof. Dr. C. Schmidt, Basel: Garnierit aus der Clemgia- schlucht, Bleierze aus dem Scarltal, Manganradiolarite vom Piz Lischanna, Blei- und Arsenerze vom Berninapass ete.; gold- haltiger Leukopyrit von Salanfe; Wolframit- und Zinnerz- gangstücke aus Böhmen; Kalisalze aus Spanien. Herren Prof. C. Schmidt, Prof. A. Buxtorf und Dr. Werdmüller, Herr Basel: Petrographische Belegstücke aus dem Berninagebiet. Dr. H. G. Stehlin, Basel: Pflanzenreste aus dem Vindobon von Schwamendingen u.s. w., Fossilien von verschiedenen Tertiär- fundstellen der Schweiz und aus dem Pliocän von Senèze. Dr. K. Strübin, Liestal, Legat: Bedeutende Sammlung von Fossilien und Gesteinsproben aus den verschiedenen geo- logischen Horizonten der Umgebung von Liestal. Dr. A. Tobler, Basel: Gesteine aus dem Blegnotale. F.Wegel, Basel: Fossilien aus dem Randengebiet. IN (de) Q0 Fritz Sarasin. b) Ankäufe. Fossilserien aus dem Hauenstein-Basistunnel ; Fossilien aus der Um- gebung von Zeiningen; Fossilien aus dem Mittl. Rauracien von Blauen, aus dem Callovien der Hint. Clus bei Pfeffingen, aus den Humphriesischichten von Münchenstein. Mineralogische Sammlung. a) Geschenke. Herr Prof.Dr. A. Buxtorf, Basel: Bleistufe von Goppenstein, Wallis. „ Dr. Th. Engelmann, Basel: Mineralien aus dem Binnental. „. R. Graber, Basel: Anthracit von Bramois, Wallis. „ Prof. Dr. C. Schmidt, Basel: Gelbbleierzstufen aus dem Höll- tal bei Garmisch, Oberbayern; Quarzzwilling aus Brusson, Piemont. b) Ankäufe. Goldstufe von Brusson, Piemont; gediegenes Silber von Kongsberg, Schweden ; Wismutglanz von Tellmarken, Norwegen; Sphaero- siderit aus Ungarn; Cuprit aus Sardinien; Schwefelbanderz mit Calcit aus Sizilien; birnenförmige Quarzknollen aus Gar- gano, Italien. Manuskript eingegangen 23. Dezember 1916. Bericht über das Basler Naturhistorische Museum für das Jahr 1917. Von Fritz Sarasin. Die Kommission hat in diesem ‚Jahre den schmerzlichen Ver- lust eines langjährigen Mitgliedes, des Herrn Dr. Andreas Gutz- willer zu beklagen. Der Verstorbene hat der Kommission seit dem Jahre 1890 angehört und mit vorbildlicher Gewissenhaftigkeit die Abteilung des ausseralpinen Tertiärs und Quartärs, sowie die Sammlung der fossilen Pflanzen verwaltet, bis ihn in den letzten Jahren sein zunehmendes Leiden mehr und mehr an der Aus- übung dieser seiner Lieblingsarbeit gehindert hat. Unter Gutz- willers Leitung hat sowohl der Umfang, als der wissenschaftliche Wert der genannten Abteiluugen in sehr bedeutendem Masse zu- genommen, wozu er selber dadurch, dass er stets die Belege zu seinen eigenen Forschungen dem Museum einreihte, einen grossen Teil beigetragen hat. Der verwaisten Abteilungen hat Herr Dr. E. Baumberger sich anzunehmen in dankenswertester Weise zugesagt. Über bauliche Veränderungen ist dieses Jahr nur zu berichten, dass die photographische Dunkelkammer in Betrieb genommen und mit einem Vergrösserungsapparat versehen worden ist. Der nach dem Auszug der Sammlung für Völkerkunde in den Besitz der Naturwissenschaft übergegangene Parterresaal ist der Kunst- sammlung zur Unterbringung des Kupferstichkabinets überlassen worden. An diese Übergabe wurde die Bedingung geknüpft, dass nunmehr vom Staate der Naturwissenschaft die ehemals Wittmer’ sche Liegenschaft zum weissen Bären zur Verfügung gestellt werde. Der Herr Erziehungsdirektor hat dies zugesast, und es dürfte in der Tat dieser längst geheste Wunsch nunmehr der Verwirk- lichung entgegengehen, indem die in dieser Angelegenheit schwe- benden Verhandlungen einen günstigen Verlauf zu nehmen scheinen. Die regulären Beiträge des Staates, des Museumsvereins und der Gemeinnützigen Gesellschaft sind dieselben gewesen wie im 300 Fritz Sarasin. letzten Jahr. Dem Museumsverein haben wir ausserdem ein Ge- schenk von 1500 Fr. zu verdanken zur Anschaffung und Aufstellung eines männlichen Schimpansen. Dagegen ist der Beitrag der All- gemeinen Museumskommission an die Jahr für Jahr sehr hohen Installationskosten ganz ausgeblieben, da die Ausgaben für die Hausverwaltung bei den teuren Zeiten zugenommen haben, wäh- rend andererseits der Erlös aus Eintrittsgebühren infolge des völligen Stillstands des Fremdenverkehrs nur ein recht bescheidener ge- wesen ist. Sehr dankbar sind wir in dieser Zeit finanzieller Be- drängnis für das hochherzige Legat von 2000 Fr., das uns die Museumskommission aus der ihr von Frau Sophie Merian - Burck- hardt sel. legierten Summe von 5000 Fr. hat zu teil werden lassen. Die Rütimeyerstiftung ist dieses Jahr der Osteologischen Abteilung zugewandt worden. Zoologische Sammlung. a) Wirbeltiere. (Bericht des Vorstehers, Dr. Fritz Sarasin.) Säugetiere. Den gewichtigsten Zuwachs des Jahres bildet ohne Zweifel der weibliche Ceylon-Elephant „Kumbuk“, der im Zoolo- gischen Garten im vergangenen Sommer einging. Das Tier war am 9. Juni 1885 am Kumbukanfluss im südlichen Ceylon gefangen worden, bei Gelegenheit der von P. und F. Sarasin zum Zwecke entwicklungsgeschichtlicher Untersuchungen ausgeführten Elephanten- jagden. Damals noch Säugling, wurde er mit Reis, Milch und wildem Honig aufgezogen und im Sommer 1886 nach Basel ge- bracht, wo er während mehr als 30 Jahren der Liebling der Gartenbesucher gewesen war. Die Singhalesen unterscheiden unter den Elephanten eine grössere Reihe von Kasten. Kumbuk gehörte wegen seiner ausgezeichnet schönen, geraden Rückenlinie zur höchsten derselben ; er war ausserdem bemerkenswert durch seine bis ins Alter konservierte rotbraune, an das Mammut erinnernde Behaarung. Zur Zeit seines Todes war er der drittälteste der gegenwärtig in europäischer Gefangenschaft lebenden Elephanten. Die sehr schwierige Präparation des Kolosses wurde unter Herrn G. Schneiders kundiger Leitung ausgeführt. An die Aufstellung werden wir aber erst herantreten, wenn die Materialpreise wieder normale sein werden. Zufälligerweise hat das Museum in diesem Jahre neben dem Riesen der Landsäugetiere, auch den Zwergen unter denselben er- Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1917. 301 halten, ein Exemplar der Zwergmaus, Mus minutus Pall., von Michel- felden bei Basel (Geschenk von Herrn E. Schmutz). Im Jahres- bericht für 1909 habe ich ein durch Herrn E. Schenkel am Bahn- damm zwischen Bäumlihof und Hörnli erbeutetes Exemplar dieser winzigen Maus signalisiert, wodurch die von Dretscher 1904 für die Schweiz noch als fraglich bezeichnete Art als sicher in der Schweiz heimatberechtigt nachgewiesen war. Das jetzige Exem- plar stammt bereits von einem um ein kleines jenseits der elsässi- schen Grenze gelegenen Fundort, ragt gewissermassen nur noch mit dem Schwanz in die Schweiz hinein. Um gerade bei der helvetischen Fauna zu bleiben, sei hier eine andere Seltenheit erwähnt, ein stattliches männliches Exem- plar der Wildkatze, geschossen Ende Januar im Berner Jura und zwar auf einer Tanne in La Combe, nahe bei Montvoie, Gemeinde Audincourt, Das Weibchen soll nach dem Tode des Männchens zwei- oder dreimal in der Gegend gesehen worden sein. Die Wild- katze scheint in abgelegenen Gegenden des Berner und Neuen- burger Jura glücklicherweise noch nicht allzu selten zu sein. Als Donatoren verschiedener kleinerer schweizerischer Säuger seien erwähnt die Herren Baumgartner, P. A. Chappuis, Dr. Lab- hardt, A. Löw und Dr. P. Revilliod; mehrere Arten wurden in An- wil angekauft. Unter den fremdländischen Säugetieren ist neben dem Ele- phanten in erster Linie zu nennen ein erwachsenes, tadellos er- haltenes Exemplar eines männlichen Schimpansen, Anthropopithe- cus troglodytes L., aus Westafrika, Geschenk des freiwilligen Museums- vereins. Von Geschenken ist ferner hervorzuheben eine schöne Serie kleiner Raub- und Nagetierbälge aus dem Gebiet des Altai, von Herrn Dr. R. Biedermann-Imhoof in Eutin. Auch der Zoologische Garten hat uns, wie immer, manches Erwünschte zugewandt, da- runter ein Exemplar des uns noch fehlenden Malayenbären. Angekauft wurde ein aufgestelltes Exemplar eines Delphins, Phocaena phocaena (L.), von der Elbemündung, ferner ein Balg der gefleckten Hyäne, Hyaena crocuta Erxl., und solche des seltsamen Wüstennagers Ctenodactylus gundi Pall. Aufsestellt, aber teilweise wegen Platzmangels noch nicht in die Sammlung eingereiht wurden der im letzten Jahresbericht erwähnte Somali-Löwe, den Kaiser Menelik durch den verstorbenen Minister Ilg der Stadt Zürich geschenkt hatte, ferner die ebenda aufgeführten Bälge von Oyon alpinus Pall. vom Altai und Lycaon pictus Temm. aus Abessinien, weiter der Malayenbär, Ursus malayanus Rafil., des Zoologischen Gartens, die Wildkatze aus dem Berner Jura und 302 Fritz Sarasin. eine Zwergmaus mit Nest. Der Zuwachs umfasst 4 neue Gattungen und 8 neue Arten. Vögel. Von den im Jahresberichte 1915 namhaft gemachten sieben unserer Sammlung fehlenden Vogelfamilien konnte dieses Jahr eine eingereiht werden, indem es gelang, einen Vertreter der kleinen antarktischen Gruppe der Chionididae, Chionis alba (Gm.) von den Falklandinseln, in London zu erwerben. Ein freund- liches Angebot des Freiburger Museums ermöglichte uns ferner den Ankauf einer grösseren Serie von Vögeln aus Fokien, südl. China, von denen 14 Gattungen und 39 Arten bisher nicht re- präsentiert gewesen waren. Schweizerische Arten gingen sowohl durch Kauf, als durch Geschenk ein. Es mögen davon erwähnt sein eine Zwergtrappe, Tetrax tetrax (L.), aus der Gegend von Lugano und wegen ihres hoch gelegenen Vorkommens ein Mauer- segler, Cypselus apus L., der 3000 m hoch auf dem Ravetschgrat tot aufgefunden wurde und ein Steissfuss, Dytes auritus (L.), vom Flüela-See, 2400 m, der letztere Geschenk der Zoologischen Anstalt. Als Donatoren von Vögeln seien ausserdem genannt die Herren Dr. H. Helbing, Dr. S. Schaub, A. Wendnagel, F. Zimmermann und die Direktion des Zoologischen Gartens. Der Gesamtzuwachs ketrug 15 neue Gattungen und 43 neue Arten. Aufsestellt in der Sammlung wurden einige neucaledonische Arten und Vertreter ver- schiedener anderer noch nicht repräsentierter Gattungen. Reptilien, Amphibien und Fische. In diesen Gruppen sind keine für das Museum neuen Arten eingegangen. Als Geber bereits vertretener Formen seien namhaft gemacht die Herren Dr. G. Bollinger, R. Graber, Dr. Ed. Graeter. Dr. H. Helbing, die Zoologische Anstalt der Universität und die Direktion des Zoolo- gischen. Gartens. Die in der Sammlung durch Herrn Dr. J. Roux ausgeführten Arbeiten beschränkten sich, angesichts des wenig bedeutenden Jahres- eingangs, vornehmlich auf Ordnung und Etikettierung der im Keller aufbewahrten, wissenschaftlichen Materialien. Im ersten Semester, als es galt, im neuen Museum für Völkerkunde die Sammlungen zur Aufstellung zu bringen, hat der Kustos einen guten Teil seiner Zeit dieser Aufgabe gewidmet, wofür ihm die Kommission des ge- nannten Museums zu grossem Dank verpflichtet ist. Materialien aus der zoologischen Sammlung wurden ausgeliehen an die Herren Dr. J. Carl in Genf (Dekapoden und Amphipoden) und Dr. À. de Lesserl, Genf (Spinnen). Führungen leiteten die Herren Drs. Bollinger, Graeter und Ra Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1917. 303 b) Wirbellose Tiere (ausser Insekten). (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. F. Zschokke). Der Bericht für 1917 muss die für das Vorjahr geltenden Bemerkungen wiederholen, dass bei den gegenwärtigen Verhält- nissen von einer Aufstellung und durchgreifenden Ordnung der Sammlung wirbelloser Tiere nicht die Rede sein konnte. Was sich weiterführen liess, war die systematisebe Bearbeitung einiger Gruppen durch unsere wissenschaftlichen Hilfskräfte und die Entgegennahme einiger Geschenke. Herr Dr. @. Bollinger hat die wertvolle Samm- lung celebensischer Landmollusken, die dem Museum durch die Herren P. und F. Sarasin übergeben wurde, katalogisiert und ein- geordnet. Sie umfasst 112 für das Museum neue Arten und ent- hält die Originalien zu dem Werk von P. u. F. S.: „Die Land- mollusken von Celebes“. Viele Zeit beanspruchte die Bearbeitung der von den Herren S. während der zweiten Üelebes-Reise ge- sammelten, noch unbestimmten Landmollusken. Das Manuskript hierüber steht unmittelbar vor dem Abschluss. Ausserdem machte die Ordnungsarbeit in der Molluskensammlung befriedigende Fort- schritte; sie wurde für die umfangreiche Klasse der Prosobranchier beendet und für die Bivalven in Angriff genommen. Herr Dr. W. Bigler benützte die kurzbemessene, militärfreie Zeit, um sich in die Literatur über die ausländischen Diplopoden einzuarbeiten. Vor allem aber bemühte er sich, die noch recht lückenhafte Samm- lung jurassischer und alpiner Diplopoden durch reichliches, von ihm selbst gesammeltes und geschenktes Material zu ergänzen und zu erweitern. Die Bearbeitung desselben wird Anlass zu einigen Veröffentlichungen geben. Herrn Bigler ist auch das Studium der Myriapeden des schweizerischen Nationalparks im Unterengadin von der zuständigen Kommission übertragen worden. Durch Herrn Dr. E. Schenkel wurde die Bestimmung und Ordnung der Samm- lung schweizerischer Spinnen ausgiebig weitergeführt. Allen Herren Mitarbeitern gebührt für ihre verdienstvolle Tätigkeit warmer Dank. Die Geschenkliste der Abteilung wirbelloser Tiere (siehe unten) umfasst die Namen der Herren Dr. W. Bigler, Cand. phil. P. A. Chappuis. Dr. H. Helbing, Präp. E. Huber, Dr. P. Revilliod, Dr. J. Roux, Drs. P. und F. Sarasin und C. Schmid. c) Insekten. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. L. G. Courvoisier.) Der neue Assistent der Sammlung, Herr Dr. A. Huber, hat im Berichtsjahr die völlige Umordnung der Orthopteren-Abteilung durchgeführt, verbunden mit einer neuen Katalogisierung und einer 304 Fritz Sarasin. Ausscheidung des Dublettenmaterials. Den Anlass hiezu boten die reichen Eingänge aus Neu-Caledonien und von den Neuen Hebriden. Ausserdem hat er, zusammen mit Herrn Hans Sulger, in der Lepidopteren-Sammlung viele Eingänge der letzten Jahre eingereiht, eine teilweise Neuetikettierung dieser Abteilung durch- geführt und die Dubletten neu geordnet. Die unbestimmten Be- stände der Hymenopteren hat Herr S. Döbeli in Aarau bearbeitet und in Ordnung gebracht. Endlich ist durch den Vorsteher die ganze Lepidopteren-Sammlung durchgesehen worden, um zahlreiche fehlende Provenienzetiketten zu ergänzen. Geschenke (siehe die Liste) verdankt die Abteilung den Herren Dr. P. Bohny, Dreyfus, Cand. phil. Rob. Müller und Frau Müller-Mechel. Osteologische Sammlung. (Bericht des Vorstehers, Dr. H. G. Stehlin.) Die osteologische Abteilung hat im Jahre 1917 nur einen be- scheidenen Zuwachs, dagegen, dank der Herbeiziehung besonderer Hilfskräfte, erhebliche Fortschritte in den Präparations-, Montie- rungs- und Organisationsarbeiten zu verzeichnen. Neben dem schon seit Oktober 1916 angestellten Präparator E. Huber ist seit Januar Präparator F. Zimmermann beschäftigt worden. Für Mon- tierungen stand wiederum ein staatlicher Extrakredit, diesmal im Betrage von 500 Fr., zur Verfügung. Ferner floss der Abteilungs- kasse der Zins der Rütimeyerstiftung zu. Trotzdem schliesst die- selbe — infolge der grossen Auslagen, welche die Vermehrung des Personals verursacht hat — mit einem recht beträchtlichen Defizit ab. Die Jahreseingänge sind in Geschenk- und Anschaffungsliste vollständig aufgeführt; es seien hier nur einige der wichtigsten hervorgehoben: Die Fledermausreste aus dem bituminösen Schieferthon von Messel bei Darmstadt sind der Sammlung von der Gewerkschaft Messel überlassen worden als Erkenntlichkeit für die viele Mühe und Sorgfalt, welche Herr Dr. Revilliod auf die Bearbeitung des gesamten Fledermausmaterials von dieser Lokalität verwandt hat. Bis jetzt sind die Messeler Fledermäuse, die dem untersten Lutétien angehören, die ältesten aus dem europäischen Tertiär bekannten. Die Fossiliensuite aus dem Bohnerzgebilde von Ober-Güsgen (oberes Ludien) ist von Präparator E. Huber aufgesammelt worden und stellt eine sehr erfreuliche Bereicherung unserer Sammlung dar, in der diese Lokalität bisher nicht vertreten war. Von den Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1917. 305 früher schon in Gösgen festgestellten Arten sind in derselben blos zwei nicht vertreten; andererseits enthält sie Belege von drei für den Fundort neuen Spezies : Ohoeropotamus parisiensis Cuvier, Cebochoerus spec. und Rodens gen. indet. Allerlei neues und wichtiges haben auch die Aufsammlungen an den Oligocänfundorten Rickenbach (E. Huber, J. Stuber, F. Zimmermann) und Küttigen (E. Huber, J. Stuber) gebracht. Die Funde von der „Brochenen Fluh“ bei Waldenburg und von Rüfi im Kanton St. Gallen sind zwar viel bescheidener, aber insofern wertvoll, als sie Aussicht auf künftige grössere Sammelerfolge eröffnen; an beiden Stellen handelt es sich um Fundschichten, deren chronologische Fixierung durch Säugetiere besonders erwünscht wäre. Während der Krieg viele unserer alten Bezugsquellen zum Ver- siegen gebracht hat, eröffnet er auch hin und wieder neue. Ueberall werden, infolge der herrschenden Kohlennot, alte als minderwertig aufgegebene Gruben wieder in Betrieb gesetzt oder bisher über- haupt nicht der Ausbeute gewürdigte Brennstofflager zu Ehren gezogen, wobei — bei einiger Aufmerksamkeit — meistens auch für die Paläontologie etwas abfällt. Neben dem eben erwähnten Funde von Rüfi gehören auch diejenigen von Gondiswyl und der von unserem unermüdlichen Mitarbeiter Herrn Pfarrer A. Iselin eingesandte aus der Provinz Grosseto zu dieser Art von Kriegs- gewinnen. Eine sehr wertvolle Ergänzung unserer Pleistocänmaterialien bildet die von Herrn Dr. F. Sarasin geschenkte paläontologische Ausbeute seiner Grabungen an den prähistorischen Stationen von Birseck, Kaltbrunnental und Thierstein. Unter den Geschenken an die Sammlung rezenter Osteologica dürfen wir wieder eine sehr willkommene Gabe unseres bewährten Gönners Herrn Prof. AR. Biedermann-Imhoof in Eutin verzeichnen, wie mehrere frühere grösstenteils aus der Ausbeute der von ihm ausgerüsteten Sammelexpedition nach dem Altai herrührend. Viele Lücken in unseren Beständen hat die von Herrn Dr. S. Schaub geschenkte Serie von Vogelkadavern ausgefüllt. Ein besonders stattliches Sammlungsstück, das aber kaum in der Schaustellung unterzubringen sein wird, bildet das von den Herren Drs. P. und F. Sarasin gestiftete Knochengerüste des leider verendeten Elefanten Kumbuk. Einer wichtigen Reform ist im Berichtsjahre die zum grösseren Teil in früheren Jahrzehnten angelegte osteologische Vogelsamm- lung unterzogen worden. Bis jetzt hatte dieselbe vorwiegend aus ganzen, unter Konservierung der Gelenkbänder montierten, Ske- 20 306 Fritz Sarasin. letten bestanden und in diesem Zustande bei osteologischen Spezial- untersuchungen nur beschränkte Dienste zu leisten vermocht. Um sie den Bedürfnissen der wissenschaftlichen Forschung besser an- zupassen, sind nun sämtliche Skelette, welche nicht in der künf- tigen Schausstellung figurieren sollen, — neben den altvorhandenen auch die von Herrn Dr. Schaub geschenkten und die zur Ergänzung der Bestände neuangeschafften (s. Verzeichnis der Ankäufe) — in ihre Einzelknochen aufgelöst worden. Die so gewonnene Masse von sorgfältig gereinigten Knochen wurde dann anatomisch ge- ordnet; zur bequemeren Orientierung des Benützers wurde auf jedes Stück nicht nur die Sammlungsnummer, sondern auch der Name aufgeschrieben; die kleinsten Objekte, bei denen dies nicht möglich ist, wurden mit Etiketten in Gläschen eingelegt. In dieser Weise sind wir rasch in den Besitz einer Handsammlung von vor- züglicher Brauchbarkeit gelangt. Allerdings zeigt dieselbe noch viele Lücken; die empfindlichsten derselben sollen in den nächsten Jahren ausgefüllt werden. Die Einrichtung der Sammlung ist von Herrn Dr. Revilliod mit gewohnter Gewissenhaftigkeit besorgt, die Präparations- und Schreibearbeit von Präparator Zimmermann durchgeführt worden. Eine ähnliche Handsammlung für Säugetierosteologie war schon 1908 angelegt, aber nicht so perfekt organisiert worden. Das Bedürfnis, sie auf dieselbe Höhe wie die Vogelsammlung zu bringen, machte sich nach Fertigstellung der letzteren sofort geltend. Vor- derhand hat Herr Dr. Helbing dazu einen Anfang gemacht; die vollständige Durchführung des Planes wird erst möglich sein, wenn in den kläglichen Raum- und Mobiliarverhältnissen der Abteilung eine Besserung eingetreten ist. i Sehr intensiv ist im Berichtsjahre unter Leitung von Herrn Dr. Schaub die Aufarbeitung der palaeontologischen Rohmaterialien gefördert worden. Neben Präparator Huber haben Präparator Zimmermann und der Diener Sfuber an derselben mitgewirkt. Von den gewaltigen Vorräten aus dem oberen Pliocaen von Senèze ist nun so viel präpariert, dass wir hoffen dürfen, den Rest im kom- menden Jahre bewältigen zu können. Auch ein beträchtlicher Teil der Materialien aus dem Oligocaen von St. André bei Marseille ist fertig präpariert. Montiert worden sind ein Skelett von Üervus senezensis Dep., eine grössere Serie von Hirschgeweihen von Senèze und aus Val di Chiana und eine Reihe von kleineren Objekten. Je mehr die Zahl der montierten Stücke wächst, desto schwieriger wird es, allen eine einigermassen geschützte Unterkunft anzuweisen; davon, sie Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1917. 307 sämtlich unter Glas zu bringen, wie es sich für so wertvolle Gegen- stände geziemte, haben wir von vorneherein abstrahieren müssen. Im Jahre 1917 sind folgende, vorwiegend auf Materialien der Abteilung basierte Publikationen erschienen: P. Revilliod, Contribution à l’étude des chiroptères des ter- rains tertiaires. Première partie. Mém. soc. paléont. suisse, XLIII, 1917. H. Helbing, Zur Kenntnis einiger Carnivoren aus dem Phry- ganidenkalk des Allierbeckens. Verh. d. Naturf. Ges. in Basel, XXVIIN, 1917. H. @. Stehlin, Säugetiere und Th. Studer, Vögel in: F..Sarasin, Die steinzeitlichen Stationen des Birstales zwischen Basel und Dels- berg. Neue Denkschriften der schweizerischen Naturf. Gesellschaft, LIV, 1917—1918. Zu Vergleichszwecken herbeigezogen sind Objekte der Samm- lung in: P. Revilliod, Fledermäuse aus der Braunkohle von Messel bei Darmstadt. Abhandl. d. grossh. hessischen geol. Landesanstalt zu Darmstadt, VIE 2, 1917. H. @. Stehlin, Miocaene Säugetierreste aus der Gegend von Elm, Prov. Hessen. Verh. der Naturf. Ges. in Basel, XX VIII, 1917. Seit vergangenem Sommer arbeitet neben den Herren Revilliod, Schaub und Helbing auch Herr Dr. N. Lebedinsky an der Abteilung. Geologische Sammlung. A. Peirographische und Indische Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. C. Schmidt.) a) Sammlung alpiner Gesleine. Die im vorjährigen Bericht erwähnten Nephrite und Asbeste von Poschiavo sind vom Vor- steher untersucht worden. Eine Publikation darüber ist in der Zeitschrift für prakt. Geologie erschienen. In Oberstein wurde das Material geschnitten, sodass ca. 20 schönste Platten zur Verfügung stehen. Herr Prof. A. Preiswerk hat seine Untersuchungen im obern Tessin fortgeführt; seine geologische Karte ist im Druck. Herr Prof. A. Buxlorf übergab uns Gesteine aus dem Wallis. Infolge des Umstandes, dass fünf neue Schränke für die petro- graphische Sammlung zur Verfügung gestellt werden konnten, war es möglich, endlich mit der Ordnung unserer aussergewöhnlich grossen Bestände alpiner Gesteine zu beginnen. Herr Prof. Preis- 308 Fritz Sarasin. werk hat mit Herrn stud. E. Ritter diese grosse Arbeit in ihren ersten Grundzügen durchgeführt. Wir erwähnen noch, dass in Erfüllung eines besonders aus- gesprochenen Wunsches, Herr stud. X. Dreher eine Karte und zwei Profilansichten zur Erläuterung des Simon’schen Jungfraureliefs gezeichnet hat. b) Lagerstältensammlung. Naturgemäss sind dieses Jahr aus- ländische Lagerstätten nur wenig studiert worden. Zu erwähnen sind Aufsammlungen von Prof. Schmidt aus dem Gelbbleibergwerk Höllental bei Garmisch. Im Jahre 1911 in Kleinasien unter- suchte Kupfererzlager sind von ebendemselben beschrieben worden. Ganz besonderes Interesse musste aber den schweizerischen Lagerstätten zugewandt werden. Die Karte der Fundorte Mine- ralischer Rohstoffe der Schweiz mit Erläuterungen wurde veröffent- licht und @. Schmidt ist von der Abteilung Bergbau des Schweiz. Volkswirtschaftsdepartementes mit der Untersuchung sämtlicher schweiz. Lagerstätten betraut worden. Diese Untersuchungen werden unsern Sammlungen ungewöhnlich reiches Material zuführen. c) Die Indische Sammlung ist durch die Herren Drs. Aug. Tobler, J. J. Pannekoek van Rheden und E. Lange besorgt worden. Herr Dr. Tobler hat die Ausarbeitung seiner Untersuchungen in Djambi zu einem vorläufigen Abschluss gebracht und darüber berichtet in der im Jubiläumsband der Naturforschenden Gesell- schaft in Basel veröffentlichten Schrift: Über Deckenbau im Ge- biet von Djambi (Sumatra). Infolge des Krieges machten die Unter- suchungen desjenigen Djambimateriales, das an Mitarbeiter über- geben worden ist, nur geringen Fortschritt. Von diesen Unter- suchungen ist einzig diejenige von Herrn H. DouvillE in Paris ab- geschlossen. Uber sie liest vor die Publikation: AH. Douvillé, Les couches à Lépidocyclines de Sumatra, d’après les explorations du Dr. Tobler, Compte-rendu sommaire des séances de la société géologique de France, 1915. Neben der Bearbeitung des Djambimateriales einher gingen Präparation, vorläufige Bestimmung und Ordnung eines grossen Teiles unseres permischen und tertiären Foraminiferenmateriales. Herr Dr. Punnekoek van Rheden hat die Bearbeitung der von ihm auf der Halbinsel Sanggar (Sumbawa) gesammelten petro- graphischen Serien durchgeführt. Eine Publikation. über seine Untersuchungen ist im Druck, mitsamt einem von Dr. Tobler ver- fassten Anhang über das palaeontologische Material von Sanggar. Herr Dr. Lange hat zunächst die von Dr. Tobler im Padanger Oberland (Sumatra) gesammelte Suite von Triasfossilien durch- bestimmt. Es sind Topotypen zu L. Krumbeck, Obere Trias von Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1917. 309 Sumatra, Palaeontographica, Supplement IV. Des Fernern hat Dr. Lange die Bearbeitung der permischen Fauna aus demselben Ge- biet durchgeführt. Das Resultat seiner Studien ist niedergelegt in einem umfangreichen Manuskript, das von 15 Tafeln begleitet ist. Die indische Sammlung hat im abgelaufenen Jahre reichen Zuwachs erhalten. Da ist zuerst zu nennen die schon im Vor- jahre eingegangene, aber erst in diesem Jahre ausgepackte Samm- lung von Gesteinen und Fossilien, die Herr Dr. @. Nielhammer + in Nord-Borneo gesammelt und für unsere Sammlung bestimmt hat. Ferner ist die indische Sammlung vermehrt worden durch eine umfangreiche (6 grosse Kisten) Schenkung von Seite des Herrn Dr. Max Mühlberg in Aarau. Sie betrifft vornehmlich Tertiär- material aus Borneo, aus Japan und aus Mexiko. Durch die Niethammer’schen und Mühlberg schen Schenkungen, die sich namentlich durch prachtvolles Foraminiferenmaterial aus- zeichnen, ist unsere indische Tertiärsammlung wohl zu einer der reichhaltigsten angewachsen, die bestehen. Leider konnten die beiden Sammlungen wegen Mobiliarmangel nicht in Schränken untergebracht, sondern mussten nach kurzer Besichtigung und flüch- tiger Bestandesaufnahme wieder verpackt werden. Als weiterer Eingang ist zu nennen eine kleine Suite von vul- kanologischen Schaustücken, die Herr Dr. F. Speiser auf den Neuen Hebriden gesammelt hat. Zum Schluss sei eine kleine, aber als Vergleichsmaterial sehr willkommene Suite von permischen Fora- miniferengesteinen von Timor erwähnt, die Herr Prof. J. Wanner in Bonn unserer Sammlung übergeben hat. B. Alpin-sedimentäre Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Prof. A. Buxtorf.) Die Ordnungsarbeiten in der Abteilung sind leider nicht vor- wärts geschritten, weil der Vorsteher durch den Grenzbesetzungs- dienst stark in seiner Tätigkeit beeinträchtigt war. Dagegen hat der Bestand der Sammlungen Vermehrung erfahren durch Auf- sammlungen, welche der Vorsteher in verschiedenen Teilen der Schweizeralpen ausgeführt hat. Anlässlich einer Exkursion mit Studierenden wurden Gesteinsproben und Fossilien aus der sogen. rhätischen Decke des Simmentals, einer fremdartigen, überschobenen Schichtfolge, gesammelt, die bis jetzt im Museum nicht vertreten gewesen war. Desgleichen sind auch aus anderen Teilen der Frei- burgeralpen (Massiv von Arsajoux, Spillgerten etc.) Materialien ge- sammelt und den Sammlungen Gülliéron als Anhang beigefügt wor- den. Weiter Materialien der helvetischen Kreide und des Eocäns 310 Fritz Sarasin. aus dem Gebiet von Wildhorn und Rawilpass, endlich solche aus den helvetischen Kalkalpen am Vierwaldstätter See, speziell aus- dem Pilatusgebiet, anlässlich der Aufnahmen für die Schweiz. Geo- logische Kommission. C. Mesozoisch-jurassische (ausseralpine) Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Dr. E. Greppin.) Zur Ergänzung der Fauna bestimmter Niveaus sind im Be- richtsjahre verschiedene Fundstellen ausgebeutet worden, so u.a. Thiergarten bei Vermes (Glypticien), Klus von Pfäffingen (Callovien), Münchenstein (Bajocien) und ganz besonders Herznach (Oxfordien). Aus der letztern Fossilschicht wurde beträchtliches Rohmaterial nach Basel übergeführt und hier verarbeitet, wobei einige kleinere, seltene Ammonitenarten gewonnen werden konnten, welche in der Sammlung gefehlt hatten. Infolge der intensiven Ausbeutung des Huppers am Lenzberg bei Aesch musste in der Grube ein grösseres Quantum Abraum entfernt werden, wobei eine Anzahl Blöcke, vollgespickt mit schönen Exemplaren von Planorbis pseudammonius, zum Vorschein ge- kommen sind; einige tadellose Faciesstücke wurden für das Museum geschlagen. Aus derselben Grube verdanken wir Herrn Polier Schmidlin in Aesch verkieselte Korallen aus der Gattung Montli- vaultia. Auch Herr Präparator Huber hat diese Fundstelle im Laufe des Sommers mit Erfolg ausgebeutet. Ansschliessend an diese Funde sind sämtliche jurassische Montlivaultien, welche viele Schubladen der Sammlung einnehmen, revidiert worden. Fossilien von verschiedenen Fundstellen und Horizonten (siehe die Geschenkliste) erhielten wir von Herrn Georg Schneider-Jaszy, worunter besonders prächtige Exemplare der seltenen Korallen Pachygyra choffati und Dendrogyra rastellina erwähnt seien; ferner von den Herren Drs. S. Schaub und H. Helbing Suiten aus dem Terrain à Chailles von Glaserberg (Prachtexemplar von Peltoceras constanti), aus dem Oxford des Birstales, aus dem schwäbischen Jura und anderen Fundstellen; weiteres von Herrn Alfred Sarasin und Herrn Präparator E. Huber. In diesem Jahre war auch Gelegen- heit geboten, durch Ankäufe verschiedene Lücken auszufüllen, wo- für man die Anhangsliste konsultieren möge. Neben den alljährlich weitergehenden Ordnungsarbeiten ist mit der Anlegung eines Zettelkatalogs begonnen worden, enthaltend die Titel der paläontologischen Arbeiten über Mollusken etc. aus meso- zoischen Schichten, wobei besonders die Juraformation berücksich- tigt wurde. Dieser Katalog, der bereits an 600 Zettel umfasst, Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1917. Bil wird bei Bestimmungsarbeiten gute Dienste leisten zum raschen Auffinden der Literatur. Die Eintragungen des neueingegangenen fossilen Materials ergaben eine Zunahme um 273 Nummern (heutige Gesamtzahl der Nummern 11,243). D. Mesozoisch-cretacische (ausseralpine) Abteilung. (Bericht des Vorstehers, Dr. E. Baumberger.) Die Fossilienbestände haben im Berichtsjahr keinen grossen Zuwachs erhalten. Einige gut erhaltene Ammoniten aus dem Haute- rivien von Vingelz am Bielersee konnten erworben werden. Ge- schenkweise übergab der Vorsteher dem Museum eine Kollektion von Kreidegesteinen aus allen Kreideabteilungen des westschweize- rischen Juragebietes. Diese Sammlung ist im Laufe des Jahres neu etikettiert und geordnet worden. Sie wird später bei der Neu- aufstellung der Schausammlung zur Darstellung eines Kreideprofils in jurassischer Facies Verwendung finden. Diese Gesteine und deren Faunen haben eine eingehende Besprechung gefunden in folgenden Arbeiten des Berichterstatters: Über Facies und Trans- gressionen der untern Kreide im westschweizerischen Jura vom Jahre 1901, ferner in den stratigraphischen Darstellungen, welche der Arbeit über die Ammonitiden der untern Kreide im west- schweizerischen Jura (1903—1909) beigegeben sind. Die Sichtung und Ordnung der Sammlung Choffat konnte in diesem Jahr zum Abschluss gebracht werden, dank der Assistenz von Cand. phil. E. Ritter. Für die Bestimmung der reichen Ma- terialien dagegen reichte die zur Verfügung stehende Zeit nicht aus. Der vom Vorsteher seiner Zeit angelegten Sammlung von Gipsabgüssen, welche namentlich viele südfranzösische Typen ent- hält, sind nun auch die Gipsabgüsse seiner ln ZU- gewiesen worden. Auf Wunsch von Herrn Prof. Schardt in Zürich wurden an seinen Schüler, Herrn H. Baschong, zum Zwecke wissenschaftlicher Bearbeitung die untercretacischen Bryozoönbestände unserer Samm- lungen ausgeliehen. E. Tertiäre und Quartäre (ausseralpine) Abteilung und Sammlung fossiler Pflanzen. (Bericht des Vorstehers, Dr. E. Baumberger, an Stelle des verstorbenen Dr. A. Gutzwiller.) Herrn Dr. A. @utzwiller war es leider im Berichtsjahre wegen zunehmender Krankheit nicht mehr möglich, in den ihm unter- stellten Sammlungen zu arbeiten; im Juli 1917 ist seine letzte Ar- 312 Fritz Sarasin. beit, die geologische Aufnahme des Blattes Therwil, erschienen, deren Belegmaterialien sich unter den Beständen des Museums befinden. An seiner Stelle hat Frau Dr. Gutzwiller die schon 1912 angefangene Neuetikettierung der reichhaltigen Tertiärsammlungen weiter gefördert, speziell der Bestände aus dem Saöne- und Rhone- gebiet, aus dem Mainzer- und Wienerbecken, sowie aus Aegypten. Nach der Übernahme der tertiären Abteilung im Herbst 1917 hat der Berichterstatter seine im Laufe von mehr als 20 Jahren zusammengetragene Tertiärsammlung aus dem Rollerhof ins Mu- seum verbracht und diesem unter der Voraussetzung geschenkt, dass sie ihm für wissenschaftliche Benützung jederzeit zur Ver- fügung stehe. Diese Sammlung umfasst Gesteine und Faunen der verschiedensten Lokalitäten des Jura und des Mittellandes. Später sollen diese Materialien in die bereits vorhandenen Bestände ein- geordnet werden. Gleicherweise hat der Vorsteher dem Museum die folgenden, ihm gehörigen und bisher getrennt verwalteten Samm- lungen übergeben: a) Die Belegmaterialien zu den Aufnahmen der subalpinen Molasse des Rigigebiets, Gesteine, Fossilien und Er- ratika, b) eine Sammlung von Rhoneerratika aus dem Bielersee- gebiet und aus dem Bucheggberg, e) Aareerratika aus der Um- gebung von Bern, d) Rhoneerratika der grossen Eiszeit aus dem Dünnerntal. Als weitere Geschenke seien erwähnt zahlreiche Fossilien aus den ältesten oligocänen Ablagerungen bei der Rickenbacher- mühle von Herrn Dr. $. Schaub und dem Vorsteher, worunter als Schaustücke besonders hervorragen zwei Gesteinsplatten mit wohlerhaltenen stampischen Unioniden; Pisidiensande, Hydrobien und Charasamen aus dem französischen Tertiär von Herrn Dr. H. @. Stehlin; fossile Pflanzen vom Randeckermaar in Württemberg von den Herren Drs. S. Schaub und H. Helbing. Die Ankäufe sind in der Anhangsliste aufgeführt. Im Frühjahr 1917 wurde die im geologischen Institut unter- gebrachte Sammlung aus der eocänen Bohnerzformation des Jura- gebietes, umfassend die von E. Baumberger in den Jahren 1893 bis 1904 gesammelten Bestände und eine ältere, von Quiquerez her- rührende Kollektion, neu geordnet. Ferner sind die im letzt- jährigen Bericht erwähnten Tertiärmaterialien aus dem Legat des Herrn Dr. Karl Strübin gesichtet und etikettiert worden. Endlich ist mit der Bestimmung der reichen Fossiliensammlung des Vor- stehers aus der subalpinen Molasse bei Luzern begonnen worden; diese schwierige Arbeit wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen, Der Vorsteher gedenkt überhaupt in den nächsten Jahren den Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1917. 313 Ordnungsarbeiten in der Abteilung weniger Zeit zuzuwenden, dafür aber die Faunen stratigraphisch wichtiger Lokalitäten des Molasse- gebietes zu bestimmen. Mineralogische Sammlung. (Bericht des Vorstehers, Dr. Th. Engelmann.) Von den Erwerbungen für die mineralogische Sammlung im Jahre 1917 erwähnen wir u. a. besonders eine Gruppe von strahlen- förmig kristallisiertem schwarzem Turmalin in Glimmerschiefer von Cornoschit bei Ekaterinenburg, Ural; Grosse Pyrit- und Calcit- kristalle mit rötlichen grossen Fluoritkristallen von der Insel Giglio ; ein schönes Vorkommen von Olivin, Jackson Co., Nord Carolina; gelben Opal (Forcherit) von St. Nectaire, Puy de Dôme; ein grosses Schaustück von Erzbergit, Erzberg, Steiermark; gut kri- stallisierten Bournonit von Hohrhausen, Rheinprovinz; neue Species Betafit in schönen Kristallen von Ambolotara bei Betafe, Mada- gaskar; die seltene Varietät von Aurocaleit (Messingblüte), den Buratit von Campiglia maritima Elba. Aus der Gruppe der seltenen Vanadin- und Tantalerze: Monazit- kristalle von Norwich, Connecticut; Columbit von Grönland und Yttrotantalit von Ytterby, Schweden. Von Schweizerischen Mineralien erwarben wir ein Vorkommen von Nickel-Magnesium-Silicat, Garnierit, aus der Clemgiaschlucht bei Tarasp, Graubünden. Leider ist es nur eine bescheidene Lagerstätte und nicht abbauwürdig wie der Garnierit von Neu- caledonien, der uns die Hauptmenge des wichtigen Nickels liefert. Aus dem Gotthardgebiet erwarben wir eine hübsche kristalli- sierte Kalkspatplatte und ein grösseres Schaustück von Quarz- kristallen mit Adular. Geschenke erhielten wir von Herrn J. H. Peelen, dipl. Ingenieur in Arlesheim durch Vermittlung des Herrn Dr. Greppin: eine grosse Amethystmandel mit Kalkspatkristallen von Idar und eine Platte Eisenspat mit Pyrit und Kalkspatkristallen (Nassau); von Herrn Hans Sulger: Kalkspat (Papierspat) von Medels, Graubünden, und schönes Bleihornerz von Matlock, England; vom Vorsteher der Sammlung eine Anzahl der nun seltenen Funde von rotem Fluss- spat, Chlorit und Sphenkristallen von Guttannen und ein schönes Vorkommen von grössern Pyromorphitkristallen aus den alten Gruben des Schwarzwaldes. 314 Fritz Sarasin. Bibliothek. (Bericht des Vorstehers, Dr. H. G. Stehlin.) Die Bibliothek hat im Berichtsjahre Geschenke von Frau Müller-Mechel, den Herren Drs. P. und F. Sarasin, Dr. A. Gutz- willer +, Prof. A. Buxtorf, Dr. J. Roux, sowie vom Vorsteher er- halten. Die Bibliotheksrechnung schliesst mit einem Defizit von Fr. 175.70, das in der Hauptsache von Buchbinder-Auslagen her- rührt. Pro 1918 sollten aus irgend einer Quelle Fr. 300. — für Bibliothekszwecke flüssig gemacht werden. Zum Schlusse empfehlen wir, wie üblich, auch dieses Jahr unsere Anstalt dem Wohlwollen der hohen Behörden und der Einwohnerschaft Basels. Verzeichnis des Zuwachses des Naturhistorischen Museums im Jahre 1917. Zoologische Sammlung. Säugetiere. a) Geschenke. Herr Baumgartner, Basel: Nyctalus noctula (Schreb.), Basel. Herr Dr. R. Biedermann-Imhoof, Eutin: Säugetierbälge vom Altaı, eine Art, Putorius sibiricus Pall., für uns neu. Herr Cand. phil. P, A. Chappuis, Basel: Myotis myotis (Bechst.), Gorges de l’Areuse. Herr Dr. Labhardt, Basel: Putorius ermineus L., juv., Basel. Herr A. Löw, Basel: Putorius emineus L., d, Muttenz. Tit. Museumsverein, Basel: Anthropopithecus troglodytes L., d‘, Westafrika, neu für die Sammlung. Tit. Museum für Völkerkunde, Basel: Hystrix africæ-australis Pts. ebenso Herr Dr. P. Revilliod, Basel: Mus musculus poschiavinus Fatio, Münstertal, Sciurus vulgaris L., St. Luc, Wallis. Herren Drs. P u. F. Sarasin, Basel: Elephas indicus L., ©, Kum- bukanfluss, Süd-Ceylon, neu für die Sammlung. Herr E. Schmutz, Basel: Mus minutus soricinus Herm., ©, Michel- felden bei Basel. Tit. Zoologischer Garten, Direktion, Basel: Diverse Säugetiere, da- runter Ursus malayanus Raffl., neu für die Sammlung. Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1917. 315 b) Ankäufe. Phocaena phocaena (L.), Elbemündung, Hyaena crocuta Erxl., Kili- mandjaro (Umlauff, Hamburg); Otenodactylus gundi Pall., 9, 2 (G. Schneider); Felis catus L., d, Berner Jura (gek. in Montvoie); diverse schweizerische Nagetiere (gek. in Anwil). Vögel. a) Geschenke. Herr Dr. H. Helbing, Basel: Larus ridibundus L. vom Rhein. Herr Dr. S. Schaub, Basel: Coracopsis nigra (L.) von Madagaskar, neu für die Sammlung, Nestlinge verschiedener Arten in Sprit. Herr Ad. Wendnagel, Basel: Verschiedene schweizerische Arten. Herr F. Zimmermann, Basel: ebenso. Tit. Zoologische Anstalt, Direktion, Basel: Steissfuss vom Flüela See, 2400 m. Tit. Zoologischer Garten, Direktion, Basel: Verschiedene Arten, 2 für die Sammlung neu. b) Ankäufe. Chionis alba (Gm.), Vögel von Fokien, China, darunter die für uns neuen Genera Oreicola, Rhyacornis, Janthia, Horornis, Abrornis, Jole, Alcippe, Staphidia. Juhina, Janthocincla, Paradoxornis, Suthora, Dryonastes, Machlolophus; schweize- rische Vögel. Reptilien und Amphibien. a) Geschenke. Herr R. Graber, Basel: Tropidonotus fasciatus L., Nordamerika, Molge waltlii Mich., Spanien. Herr Dr. Ed. Graeter, Basel: 1 Molge-Art aus dem Tessin. Herr Dr. H. Helbing, Basel: Vipera berus (L.), Pontresina. Tit. Zoologische Anstalt, Basel: Lacerta viridis Daud., Maggiatal. Tit. Zoologischer Garten, Direktion, Basel: Verschiedene Schild- kröten, Schlangen, Eidechsen und Amphibien. b) Ankäufe. Chamaeleon johnstoni Blgr., Congo-Staat. 316 Fritz Sarasin. Fische. Geschenke. Herr Dr. @. Bollinger, Basel: 1 Art aus dem Wallis. Herr R. Graber, Basel: 1 Art von Neudorf. Wirbellose Tiere. Geschenke. Herr Dr. W. Bigler, Basel: Diplopoden und Chilopoden aus Jura und Alpen. Herr Dr. P. Bohny, Basel: Deilephila celerio von Basel. Herr Cand. phil. P. A. Chappuis, Basel: 7 Arten Crustaceen von der Südpolarexpedition; Spinnen aus dem Tessin. Herr Dreyfus, Basel: Sphinx convolvuli. Herr Dr. H. Helbing, Basel: Euscorpius italicus aus dem Tessin. Herr Präp. E. Huber, Basel: Spinne aus Schännis. Herr Cand. phil. R. Müller, Basel: Falter und Käfer aus Togo. Frau Miller-Mechel, Basel: Gallensammlung. Herr Dr. P. Revilliod, Basel: Helix adspersa von Genf. Herr Dr. J. Roux, Basel: Astacus pallipes aus dem Tessin. Herren Drs. F. Sarasin und J. Roux, Basel: Grylliden und Phas- miden von Neu-Caledonien und den Loyalty-Inseln, 15 Typen neuer Arten und 1 neuen Gattung. Herren Drs P. und F. Sarasin, Basel: Landmollusken aus Celebes, 54 Typen neuer Arten. Herr @. Schmid, Makassar: Perlen aus Tridacna gigas aus Ma- kassar. Osteologische Sammlung. a) Geschenke. Tit. Baudepartıment des Kantons Baselstadt, Tiefbauamt: Backen- zahn von Elephas primigenius Bl. aus der Niederterrasse bei Birsfelden. Herr Dr. E. Baumberger, Basel: Säugetierreste von Rickenbach. „ Dr. R. Biedermann-Imhoof, Eutin: 8 Geweihe von Capreolus pygargus Pall, wovon 5 mit Schädel; Gehörn von Gazella gutturosa Pall.; Skelett von Mustela zibellina L.; Schädel von Canislupus L., Vulpes vulpes (L.), Putorius ermineus L. (2), Lutreola lutreola (L.) (2), Sciurus varius Pall., Arvicola spec., Sciuropterus russicus Thiedem. (2), Ochotona spec. (3), alle aus der Altairegion, sowie Schädel verschiedener einheimischer Säugetiere. Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1917. 317 Herr E. Fuesch, Riehen: Kadaver von Gecinus viridis (L.). Gewerkschaft Messel, Hessen: Belegstücke von Palaeochirop- teryx tupajodon Rev. und Palaeochiropteryx spiegeli Rev. aus dem bituminösen Schieferthon von Messel (unteres Lu- tetien). R. Graber, Basel: Schädel von Tropidonotus fasciatus L. R. Graber, Sohn, Basel: Säugetierreste aus dem Stampien von Klein-Blauen. | Herren Drs. A. Helbing und H. G. Stehlin, Basel: Knochen von Cervus elaphus L. und Capreolus capreolus (L.) aus der Schie- ferkohle von Gondiswyl (Kt. Bern). Drs. H. Helbing, S. Schaub und H. G. Stehlin, Basel: Skelett- reste von Arctomys marmotta L. und Cricetus cricetus L. aus einer Kiesgrube bei Burgdorf. Herr Dr. H. Helbing, Basel: Pferdezahn aus Gehängelehm am Lenzberg bei Aesch. Dr. Fr. Jenny, Basel: Saurierzahn aus dem Muschelkalk von Bettingen. „ Pfarrer H. K. Iselin, Florenz: Zahn von Bos etruscus Falc. aus einem Lignit der Gegend von Monte antico, Provinz (srosseto. » Dr. P. Narbel, Lausanne: Schädel von Scalops aquaticus L. Prähistorisches Kabinett: Säugetierreste der Magdalenienzeit von un- bekannter Fundstelle und von Liesberg (Sammlung Thiessing). Herr Dr. F. Sarasin, Basel: Säugetier-, Vogel-, Amphibien- und Fischreste aus den palaeolithischen Stationen von Birseck- Schlossfelsen, Kaltbrunnental, Thierstein; Wirbeltierreste un- bestimmten Alters aus Höhlen im Schelloch bei Zwingen und bei Soyeres. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel; Kadaver von Elephas in- dicus L. (Kumbuk). Herr Dr. S. Schaub, Basel: 55 Vogelkadaver in Formol zur Ver- wertung für die Skelettsammlung. Schmidlin, Aesch: Knochen von Cervus elaphus L. aus Grehängeschutt am Lenzberg bei Aesch. G. Schneider, Basel: Eine Suite rezenter Osteologica, worunter Schädel von Vulpes (Megalotis) zerda Zimm., Paradoxurus hermaphroditus Schreb., Epomophorus gambianus Ogilby und von einer neuen Hydropotesform. Fräulein Hanny Schwarz, Basel: Zähne von Elephas primigenius Bl. und Rhinoceros tichorhinus Cuw., Kiefer von Bos spec. aus der Niederterrasse an der Hägenheimerstrasse. 318 Herr Fritz Sarasin. Dr. Carl Stehlin, Basel: Tibia von Cervus elaphus L. aus der Niederterrasse bei der Fabrik Sandoz; Knochenfragmente von Rangifer tarandus L. und Bos spec. aus der Nieder- terrasse beim „steinen Brückli“ bei Muttenz. Dr. H. @. Stehlin, Basel: Tibia, Tarsus und Metatarsus von Equus caballus L. aus dem Löss des Bruderholzes; Fragment eines Mammutstosszahns aus der Niederterrasse von Birsfelden. Dr. Felix Speiser, Basel: Säugetierreste aus der prähistorischen Station bei Angenstein; diverse Unterkiefer von Sus vittatus L. domesticus von den Neuen Hebriden. Tit. Zoologischer Garten, Direktion: 16 Kadaver, worunter solche von Taurotragus oryx Pall. , Camelus bactrianus L. juv. (2 Exempl & und ©), Felis tigris L. d, Ursus (Helarctos) malayanus Raffles 5, Python reticulatus Schn. ©, Struthio camelus L. ©. b) Ankäufe. Säugetierreste aus dem Obereocän von Ober-Güsgen, aus dem Oligocän von Rickenbach, Küttigen, Rüfi bei Schännis, Brochene Fluh bei Waldenburg, sowie von Montaigu-le-Blin (Allier), aus dem Miocän von Waid (Zürich); Mammutstoss- zahn aus der Niederterrasse von Birsfelden. Skelette von Serpentarius serpentarius (Müller), Palamedea cornuta L., Herr Nyctea nyctea (L.), Spheniscus demersus (L.), Corvultur crassi- rostris Rüpp., Nestor notabilis Gould, Cariama cristata L., Larus marinus L., Rissa rissa (L.), Sula bassana L. Geologische Sammlung. a) Geschenke. Dr. E. Baumberger, Basel: Kreidegesteine aus allen Kreide- abteilungen des westschweizerischen Juragebietes; Gipsabgüsse von Kreidefossilien; Gesteine und Fossilien der verschiedensten Tertiärlokalitäten des Jura und des Mittellandes; Beleg- materialien zu den Aufnahmen der subalpinen Molasse des Rigigebiets; Erratika aus demselben Gebiet; Rhone- und Aaregletscher-Krratika etc. Prof. A. Buxtorf, Basel: Belegstücke aus der sog. rhätischen Decke des Simmentals und aus anderen Teilen der Freiburger Alpen; Materialien aus dem Gebiet des Wildhorn-Rawil- passes, sowie aus den helvetischen Kalkalpen am Vierwald- stättersee; Gesteine aus dem Wallis. Basler Naturhistorisches Museum, Jahresbericht 1917. 319 Herr Dr. Ed. Greppin, Basel: Faciesstücke aus dem Planorbenkalk vom Lenzberg bei Aesch; Fossilserie aus den Cordatus- schichten von Herznach. Präp. E. Huber, Basel: Arietites scipionianus aus dem Arieten- kalk von Pratteln. Dr. M. Mühlberg, Aarau: Tertiärmaterial aus Borneo, Japan und Mexiko. Dr. @. Nielhammer +: Gesteine und Fossilien aus Borneo. Alfr. Sarasin, Basel: Montlivaultia ovata From. aus dem Glypticien vom Tschäpperli bei Aesch. Dr. S. Schaub, Basel: Fossilien und Gesteinsproben aus der Gegend von Moutier und aus dem oberen Rauracien von Zwingen; Fossilien aus oligocänen Ablagerungen bei der Rickenbacher Mühle (zus. mit Dr. £. Baumberger). Herren Drs. S. Schaub und H. Helbing, Basel: Fossilien aus dem Herr Oxford von Glaserberg, aus dem schwäbischen Jura und aus dem Birstal; fossile Pflanzen vom Randecker Maar, Württemberg. Schmidlin, Aesch: Korallen aus dem Glypticien vom Lenzberg bei Aesch. Prof. @. Schmidt, Basel: Mineralien aus dem Gelbbleiberg- werk im Höllental bei Garmisch. @. Schneider-Jaszy, Basel: Fossilien aus dem Kimméridien von Valfın, aus dem Callovien und Oxfordien von Herznach und Oensingen, aus den Movelierschichten von Schmieden- matt (Solothurn); Nerineen aus dem Kimméridien von COrêt de l’Anneau, Val de Travers. Dr. F. Speiser, Basel: Vulkanische Gesteine von den Neuen Hebriden. Dr. H. G. Stehlin, Basel: Pisidiensande von Senèze; Hydrobien und Chara-Samen von St. André bei Marseille. Prof. J. Wanner, Bonn: Permische Foraminiferengesteine von Timor. Fr. Wegel, Basel: Fossilien vom Randen und von Istein. b) Ankäufe. Ammoniten aus dem schwäbischen braunen Jura; Fossilserien aus dem Hauenstein-Basistunnel und ganz besonders aus den umgelagerten Sowerbyschichten; Ammoniten aus den Murchi- sonaeschichten von Oberfrick; Suiten aus dem oberen Lias des Eisenbahneinschnittes bei Gelterkinden und aus den Wangenerschichten von Ober-Gösgen; Kreide- Ammoniten Herr Fritz Sarasin. aus dem Hauterivien von Vingelz am Bielersee; oligocäne Unioniden vom Byfang bei Küttigen; oligocäne Planorben von Schännis; oligocäne Fossilien von der Brochenen Fluh bei Waldenburg; Ostrea callifera aus dem Meeressand von Klein- Blauen. Mineralogische Sammlung. a) Geschenke. Dr. Th. Engelmann, Basel: Roter Flusspat, Chlorit und Sphenkristalle von Guttannen; Pyromorphitkristalle vom Schwarzwald. J. H. Peelen, Arlesheim : Amethystmandel mit Kalkspatkristallen von Idar; Eisenspat mit Pyrit und Kalkspat, Nassau. H. Sulger, Basel: Kalkspat (Papierspat) von Medels; Blei- hornerz von Matlock. b) Ankäufe. Schwarzer Turmalin in Glimmerschiefer, Ural; Pyrit und Calcit mit Fluoritkristallen, Insel Giglio; Olivin, Nord-Oarolina; gelber Opal, Puy de Dôme; Erzbergit, Erzberg; Betafit, Madagaskar; Buratit, Elba; Monazit, Connecticut; Columbit, Grönland; Garnierit, Clemgiaschlucht; Kalkspatplatte und Quarzkristalle mit Adular vom Gotthard. Manuskript eingegangen 26. Dezember 1917. Bericht über die Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums für das Jahr 1916, Von Fritz Sarasin. Wie wir es im letzten Jahresbericht vorausgesagt haben, dass die Neuaufstellung der Sammlungen im Laufe des Jahres 1916 nicht werde zu Ende geführt werden können, ist es auch eingetroffen. Vieles ist zwar geschehen, und einige Abteilungen sind auch in be- friedigender Weise vorgeschritten; andere aber sind zurückgeblieben, sei es infolge verspäteter innerer Einrichtung der Säle, sei es infolge von Überlastung der Vorsteher mit anderweitiger Arbeit. Ein Teil der Verzögerung beruht auch auf ungenügender manueller Beihilfe. Wir haben zwar fast unsere ganzen Jahresmittel und den Rest des vom Initiativkomitee gestifteten Mobiliarfonds auf die innere Ein- richtung des Museums, vornehmlich auf Bezahlung von Hilfskräften, verwandt, ebenso den vom Staate für einen Aufseher gewährten Zu- schuss von Fr. 1600.— ; aber all das reichte nicht hin, um die Sache genügend zu fördern. Namentlich verursachten die Herstellung und Bemalung hunderter von grösseren und kleineren Piedestalen für Aus- stellungsobjekte sehr viele Unkosten und grossen Zeitverlust; auch sahen wir uns genötigt, einige dringend notwendig gewordene Aus- stellungsschränke nachzubestellen. Überdies ist mit dem Druck der vielen hunderte von neuen Etiketten, an deren Kosten uns aus dem Restkredit vom Erziehungsdepartement Fr. 400.— zugesprochen worden sind, noch kaum begonnen worden. All das bringt es mit sich, dass wir im nächsten Jahr ein Defizit von einigen 1000 Fr. zu gewärtigen haben werden, falls uns nicht, wie wir bestimmt hoffen, ein staatlicher Nachtragskredit für die Fertigstellung des Museums gewährt werden sollte. Wenn wir uns umsehen, welche Teile der neuen Ausstellung am weitesten gefördert sind, so ist als die der Vollendung am nächsten stehende Partie das erste Stockwerk mit den Sammlungen aus Australien, Melanesien, Polynesien und Amerika zu bezeichnen ; aber auch hier fehlt neben allerlei Detailarbeit noch die ganze Etikettierung 21 322 Fritz Sarasin. der Objekte und die Ausstattung mit Karten und Photographien. Im Parterre sind als nahezu fertig, aber gleichfalls mit der eben namhaft gemachten Beschränkung, zu bezeichnen der Saal mit den Sammlungen aus dem Malayischen Archipel, ein weiterer mit den Objekten aus Ceylon und Vorderindien und der Lichthof mit der vergleichenden Sammlung der Ackerbaugeräte. Dagegen verlangt der grosse Saal mit den vergleichenden Gruppen der Schiffahrt, der Transportmittel, der Weberei etc. noch viele Arbeit, und auch der Eingangssaal mit der chinesisch-japanischen Sammlung hat noch manche Retusche nötig. Leider liegen die drei grossen Buddha- Figuren, welche diesem Saal zur besonderen Zierde hätten gereichen sollen, immer noch im Hafen von Padang, Sumatra, wo sich bei Aus- bruch des Krieges der Norddeutsche Lloyddampfer, der die von uns in Japan angekauften Stücke an Bord hatte, in Sicherheit gebracht hat. Das zweite Stockwerk, enthaltend die ausgedehnten Bestände aus Afrika, die Sammlung der Polarvölker und die Prähistorische Ab- teilung, verlangt zur Vollendung gleichfalls noch der angestrengten Arbeit von einigen Monaten, und dasselbe gilt für die europäische Sammlung im dritten Stock, welche am meisten unter verspäteter Fertigstellung der inneren Ausrüstung ihrer Räume mit Mobiliar und Schäften zu leiden gehabt hat. Obschon im Laufe von 1916 die Aufstellung einen bedeutenden, Schritt vorwärts getan hat, scheint es uns dennoch verfrüht, heute schon mit Sicherheit den Zeitpunkt der Eröffnung festlegen zu wollen. Wir können nur die Hoffnung aussprechen, dass dies anfangs Mai 1917 möglich sein werde, obschon auch dann noch manches un- vollendet, namentlich die Etikettierung noch nicht völlig durchge- führt sein wird. Was uns angeht, so dürfen wir mit gutem Gewissen sagen, dass alles, was uns möglich war, geschehen ist, um die Sache tunlichst zu fördern. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht ver- fehlen, der ausgezeichneten und hingebenden Hilfe dankbar zu gedenken, die der Kustos des Naturhistorischen Museums, Herr Dr. J. Roux, soweit es seine anderen Verpflichtungen gestatteten, unserer Aufstellung hat zuteil werden lassen. Die Subsidien des Staates und des Freiwilligen Museumsvereins sind dieses Jahr die seit lange üblichen gewesen, während die Gesell- schaft des Guten und Gemeinnützigen der Anforderungen halber, die die Kriegszeiten an sie stellen, uns nur die Hälfte ihres jährlichen Zuschusses und die Allgemeine Museumskommission infolge des ge- ringen Betrags der Eintrittsgebühren nur einen sehr bescheidenen hat gewähren können, und doch sind unsere Auslagen für Installations- bedürfnisse noch nie so hohe gewesen wie gegenwärtig. Dem Museums- 5) Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 323 verein verdanken wir endlich herzlich ein Geschenk von Fr. 600.— zur Anschaffung einer alten chinesischen Cloisonné-Vase. Wir lassen nun die Berichte der einzelnen Abteilungen folgen: ‚Polarvölker, Afrika und Vorderasien. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. Leop. Rütimeyer.) Die Zunahme der Sammlungen dieser Abteilungen war ange- sichts der äussern Umstände, namentlich des Mangels an Spezial- krediten, sowie der Umzugs- und Aufstellungsarbeiten im neuen Ge- bäude, die alle freie Zeit des Vorstehers in Anspruch nahmen, eine sehr bescheidene. Angenehm war, dass bei Gelegenheit dieses Umzuges eine Anzahl Stücke, welche als „alter Bestand der Sammlung‘ vor ihrer Neu- organisation im Jahre 1892 unkatalogisiert geblieben waren, nun ihre teilweise sehr lange erdauerte Einreihung finden konnten. Ein Teil dieser Stücke ist vom Bund 1889 auf der Pariser Ausstellung gekauft: und dem Basler Museum damals zugewiesen worden, die Provenienz anderer ist unbekannt. Polarvölker. Zu der eben genannten letztern Kategorie gehört eines jener jetzt selten gewordenen Gewänder aus Seehunds- oder Fischdarm- haut, wie wir sie speziell in Sibirien von den Golden kennen. Es ist ein Rock mit Kapuze, zusammengenäht aus breiten Streifen von ge- trockneten Fischdärmen, versehen mit zwei Ärmeln und ohne weitern Dekor. Die Totallänge beträgt 110 cm. Aus schwedisch Lappland schenkte uns Herr Schmid-Muth in Basel 4 hübsche Beutel aus buntfarbigem Leder. Afrika. Der Zuwachs beträgt hier dank mehrfacher Geschenke — An- käufe können zur Zeit nur schwer gemacht werden — 131 Nummern. Vor allem ist hervorzuheben die mit grösster Sorgfalt von Herrn Dr. F. Speiser bei Anlass seiner Reise zu den deutschen Gefangenen- lagern in Marokko im Januar 1916 zusammengebrachte und uns geschenkte Originalsammlung, welche aus 50 durchwegs guten Nummern besteht und eine äusserst erwünschte Erweiterung unserer marokkanischen Bestände bedeutet. Nordafrika. Algerien. Eine grössere Anzahl Topfscherben und Stücke einzelner Gefässe in den schönen Farben der alten kabylischen Töpferei gehören jenem oben ‘genannten Ankauf auf der Pariser Weltausstellung 1889 ‘an. 324 Fritz Sarasin. Marokko. Aus der Speiser’schen Originalsammlung seien fol- gende Stücke hervorgehoben: Von Töpferei einige sehr schöne Stücke der Fayence-Töpferei aus Fez, vor allem eine grössere Schüssel älterer Arbeit (40 cm Durchmesser) mit hübschem farbigem Dekor, sowie einige kleinere Gefässe, alle mit buntem Dekor und Glasur. Von Waffen zwei schön ornamentierte Pulverhörner aus Messing und ein prachtvoller Yatagan mit Einlage von Silber, Email und Steinen auf Griff und Scheide. Von Lederarbeiten ist eine grössere Tasche er- wähnenswert in buntem Leder, ferner einige der bekannten Leder- kissen in bunter ausgeschnittener Arbeit von Rosetten, Blumen- ranken etc., sowie ein Pferdezaumzeug. Kleidungsstücke und Stickereien: Aus dem Sus, Süd-Marokko, stammt ein prächtiger Burnus aus dunkelbraunem Wollstoff, am untern Ende mit orangerotem Einschlag mit Franzen und hübschem buntem Dekor in Wollstickerei. Originell ist ein aus einer Menge dunkelviolett gefärbter, gedrehter Schnüre zusammengesetzter Strang aus schwerster Seide, dekoriert mit Quasten und kleinen Scheibchen aus Weissmetall, wie solche die Frauen in Rabat gekreuzt um Brust und Schultern tragen, um die weiten Ärmel des Gewandes zurückzu- halten; ferner sind zu erwähnen ältere hübsche Seidenstickereien auf Baumwolltuch in Form geometrischer Ornamente, Blumendekor, Rosetten etc., auch zwei lange seidenbestickte Baumwollbänder. Von Metallarbeiten seien genannt eine schöne ältere Messing- platte aus Fez mit eingestanzten Ornamenten, ein grosser Kessel und ein Räuchergefäss aus Messing mit durchbrochener Arbeit des Deckels. Von kultischen Objekten ist vorhanden eine Doppelaxt der Sekte der Aissoua. Der Sammler konnte das interessante Stück nur er- werben mit Zustimmung des Paschas von Casablanca. Mit diesen Äxten fügen sich die Derwische des Ordens der Aissoua bei ihren Tänzen blutige Kopfwunden bei. Ein Amulett, die Hand der Tochter des Propheten, Fatma, darstellend, 13 cm lang und 8 cm breit, mit einer Eidechse als Dekor, besteht aus massivem Silber, es stammt aus Rabat. Einige Kinderspielzeuge (Kreisel, Pfeifen, eine Art kleiner Bogen), Schmucksachen in Form von Fibeln wie die kabylischen unserer Sammlung, Musikinstrumente, sowie einzelne Gegenstände wie Schere, Ahle, Steigbügel, Reitersporn u. a. m., vervollständigen diese höchst willkommene Kollektion. Westafrika. Goldküste und Asante. Eine kleineOriginalsammlung von 18 Nummern aus Asante verdanken wir Herrn Dr. L. Ramseyer in Zürich. Sie stammt aus dem Nachlass seines Vaters, des namentlich durch seine Gefangenschaft beim König von Asante im Jahre 1869 in weitesten Kreisen bekannt gewordenen Missionars Ramseyer. Das wichtigste Objekt ist ein Stück des Trauergewandes ,,Ademkra“, Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 325 welches, aus weissem Baumwollstoff bestehend, mit eigentümlichen schwarzen Mustern bedruckt — ein hölzerner Stempel hiezu liegt bei —, früher bei den Begräbnis- und Trauerzeremonien der Könige von Asante oder anderer hochgestellter Persönlichkeiten als Trauerge- wänder — diese Stoffe dienten auch zum Behang von Trommeln etc. — zur Trauerzeit getragen werden mussten. Solche Gewänder werden übrigens auch noch heute beim Tode hochstehender Persönlichkeiten während der Leichenfeierlichkeiten ca. 10—14 Tage lang getragen. Für eine Anzahl von Amuletten dieser Sammlung verdanke ich die Bedeutung der Freundlichkeit des Herrn Missionar Lädrach in Bern. Es sind darunter mohammedanische mit eingenähten Koransprüchen und heidnische: mit diversen kleinen Objekten behangene Leder- schnüre brauchen die Fetischpriester zur Heilung von Krankheiten, ähnliche Amulette werden kleinen Mädchen umgehängt und sollen baldige Verheiratung und Gravidität sichern; ein peitschenförmiges Häuptlingsamulett verhindert das Fortlaufen von Sklaven, ein anderes soll den Häuptling sichern gegen Regierungsneider und politische Wühler. Einige andere Objekte, wie Kalebassen und eine Peitsche aus einem Rochenschwanz mögen gleichfalls erwähnt sein. Ebenfalls von der Goldküste, den s. Z. von Herrn Missionar Lädrach mitgebrachten Sammlungen angehörend, stammt ein Kopf eines Ahnenbildes aus schwarzem Thon von einem Grabe, wie sie speziell in der Dörfergruppe Agyimakö sich finden, wo auf den Gräbern, je nach dem Ansehen des Verstorbenen, ein bis zwei Dutzend solcher Köpfe, auch ganze Figüren aus Thon, aufgestellt werden. Die- selben sind Ersatzfiguren für die s. Z. den Geistern der Verstorbenen an den Gräbern dargebrachten Menschenopfer. Auch eine Kinder- trommel und ein Goldgewicht aus Bronze, den Königsstuhl von Asante darstellend, gehören hieher (Gesch. v. L. Rütimeyer). Herr Dr. H. Bächtold erfreute uns ebenfalls mit einigen Ob- jekten von der Goldküste, die einer s. Z. von seinem Bruder von dort mitgebrachten Sammlung entstammen. Es sind eine schöne Streitaxt der Haussa aus Messing mit buntem Lederüberzug des Stiels, ein Ledergürtel und Dolch der Haussa und zwei Kalebassen. Aus Togo schenkte uns unser langjähriger Gönner, Herr P. Stau- dinger in Berlin, einen Häuptlingswedel aus einem Rossschweif mit Griff. Von der Elfenbeinküste erhielten wir von Herrn K. ImObersteg ein Stück Eisengeld, von ebendemselben aus Westafrika ohne nähere Angabe der Provenienz einen Helm aus buntem Grasfasergeflecht, einen Dolch von eigentümlicher Form mit winklig abgebogener Klinge, ein Wurfeisen, sowie ein Pulverhorn aus Kuhhorn, mit hübscher Schnitzerei in Hautrelief. 326 Fritz Sarasin. Aus Kamerun schenkte L. Rütimeyer eine grössere Tabakpfeife aus Messing mit hübschem Dekor. Zentralafrika. Aus dem Kongogebiet und zwar von den Batetela am Subefu, einem Nebenfluss des Sankurru und dem östlicher ge- legenen Gebiete der Manjema, wurde eine 20 Nummern umfassende Originalsammlung, von Herrn J. Junod, langjährigem Kongobe- amten, an Ort und Stelle zusammengebracht, erworben und grössten- teils vom Vorsteher geschenkt. Eine eiserne Häuptlingsglocke und eine Jacke aus Baumwollstoff, welche die Arabisierung der Kleidung der Manjema zeigt, schenkte Herr Junod selbst. Genannt seien aus dieser Sammlung 3 originelle Idole, wovon 2 aus Elfenbein geschnitzt, 2 schöne Elfenbeinlöffel, einige hübsch geschnitzte Haarnadeln aus Holz, sowie ein Holzbecher der Batetela, einige hübsche Dolche mit Dekor in Kupfer- und Messingblech am Griff, endlich eine Anzahl sehr gut gearbeiteter Lanzen der Varega, vom Uëlle und der Niam-Niam. Vom Gabun schenkte der Vorsteher einen Fischspeer, bestehend aus 5 an der Basis in einem Holzgriff zusammengehaltenen, geraden Holzpfeilen mit einfacher scharfer Spitze; gekauft wurde von eben- daher eine Strohmatte und ein geflochtenes Körbchen. Aus Südafrika verehrte uns Herr K. ImObersteg eine äusserst ori- ginelle, 25 cm lange Puppe der Herero. Sie ist neben den am walzen- förmigen Leib aufgehängten Extremitäten in Form kleiner Eisen- kettehen mit ebensolehen Händen und Füssen, bemerkenswert durch den in feinster Arbeit hergestellten Schmuck aus Schnüren kleinster Scheibehen von Strausseneierschale, ganz analog denjenigen, wie sie die Hererofrauen in grossem Format tragen. Vorderasien. Aus Syrien schenkte uns Herr Dr. Camenisch ein Brot in Form eines runden, flachen Fladens. Zwei sehr interessante archäologische Stücke, als Anfänge einer künftigen Abteilung für vorderasiatische Altertümer, erhielten wir geschenkt von den Herren Pfarrer S. Preiswerk-Sarasin, zur Zeit in Boll und Herrn F. Sartorius-Preiswerk in Basel. Der erstere, unser altes Vorstandsmitglied und lang erprobter Gönner und Förderer unsrer Sammlung, hatte schon etwa im Jahre 1890 einen Gipsabguss der berühmten, im Jahre 1880 aufgefundenen Siloah-Inschrift in Jerusalem geschenkt, wofür ihm erst jetzt der gebührende Dank ge- sagt sei, da das Stück bis jetzt nirgends Aufstellung finden konnte. Die Inschrift wurde in dem als Wasserleitung dienenden Siloah-Tunnel entdeckt und soll nach Gesenius-Kautzsch (hebräische Grammatik) schon 736 v. Chr., zur Zeit der Regierung Hiskias, existiert haben, während sie nach Guthe (Bibelwörterbuch 1903) zwischen die Jahre Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 327 727-699 (ebenfalls unter Hiskia) zu setzen ist. Sie wird auch im alten Testament erwähnt, so 2 Könige 20, 20, ferner 2 Chron. 32, 30, an welch letzterer Stelle es heisst: „Und er, Hiskia, verstopfte den oberen Ausfluss des Wassers Gihon, und leitete es hinunter abendwärts von der Stadt Davids. Und Hiskia war glücklich in all seinem Thun.“ Sie ist kulturhistorisch von hohem Interesse, einerseits sprachlich, da. sie neben dem berühmten Mesastein eines der wenigen erhalten ge- bliebenen althebräischen resp. kanaanitischen Schriftmonumente dar- stellt und dann technisch-ergologisch, weil sie über eine Wasserleitung berichtet, die unter König Hiskia von der Quelle Gihon nördlich bis zu der Teichanlage von Siloah südlich, in Form eines durch den Fels der Davidsburg durchgeschlagenen Tunnels in einer Länge von ca. 540 m, einer Höhe von 0,46—3 m und einer Breite von 60—80 cm erstellt wurde. Diese alte städtische Wasserleitungsanlage ist tech- nisch deshalb besonders bemerkenswert, weil, wie das bei den mo- dernen Tunnelbauten geschieht, gleichzeitig von Nord und Süd be- gonnen wurde, was sich daraus ersehen lässt, dass die Meisselhiebe von der Nord- und Südhälfte entgegengesetzt laufen. Bewundernswert für die damalige Technik ist es, dass die Arbeiter von beiden Seiten beim Zusammentreffen nahe der Mitte des Tunnels nur eine Niveau- differenz von 30cm hatten. Die Achse des Tunnels verläuft aller- dings nicht gerade, sondern S-förmig und würde in der Luftlinie nur 335m betragen haben, statt der ausgebohrten 540 m. Es irrten sich eben die nur durch den Schall der Werkzeuge geleiteten Stein- hauer hie und da, sodass einige kurze wieder verlassene Sackgassen entstanden. Die Inschrift lautet in Übersetzung (Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd.5, 1913, p.631): ‚Und dies war der Hergang der Durchstechung. Als noch ... die Hacke der Eine zum Andern hin (erhob ?) und noch 3 Ellen zu durchbrechen waren (hörte man ?) die Stimme des Einen, die dem Andern zurief, denn es war eine Spalte im Felsen der Südseite . ... und am Tage der Durchbrechung schlugen die Steinhauer einander entgegen, Hacke auf Hacke. Da floss das Wasser von der Quelle in den Teich 1200 Ellen weit und 100 Ellen war die Höhe des Felsens zu Häupten der Steinhauer.‘ Das andere ebenfalls sehr interessante Stück, welches wir der Freundlichkeit des Herrn F. Sartorius verdanken, ist ein Ossuarium, eine rechteckige, ca. 50 cm lange, 31 em hohe und 23 cm breite Kiste aus Kalkstein, die auf der Vorderseite zwei hübsche, in Basrelief ge- arbeitete Rosetten in einem Kreise zeigt, genau von der Form der- jenigen, wie wir sie aus dem Mittelalter kennen und in Wallis und Graubünden auf Truhen und Schachteln heute noch finden. Dieses Ossuarium wurde im Garten einer Privatbesitzung in Jerusalem im 328 Fritz Sarasın. Jahre 1884 gefunden, als bei Anlass einer Grabung dort unter dem Humus eine im anstehenden Felsboden ausgehauene Grabkammer er- öffnet wurde. In dieser befanden sich in etwa 8 offenen Nischen je eine solche Knochenkiste, die mit einem Steindeckel verschlossen war. Die Kisten enthielten ausser Knochen keine weitern Beigaben. Was die wirkliche Bedeutung dieser Ossuarien war, ist nicht ganz klar, ebensowenig die Zeit, in welche jene Grabanlage fällt. Ob es sich hier etwa, da nur Knochen, keine Asche in den Kisten waren, um eine Form zweistufiger Bestattung handelt, bleibe dahingestellt. Herr Sartorius fand im Keller des Kaiser Friedrich-Museums in Berlin eine gleiche Knochenkiste unter den vorderasiatischen Altertümern mit der Angabe, hellenistisch-römische, resp. syrische Zeit. Sie würde also wohl aus den ersten vorchristlichen Jahrhunderten stammen. Aus der Literatur konnte ich, einer freundlichen Hinweisung von Herrn Pfarrer E. Iselin folgend, nur etwas ähnliches finden in der Angabe von Prof. Dalmann in Jerusalem (Mittlg. des deutschen Palästina- Vereins 1903, p.30), dass 1903 am Abhange des Ölbergs in einem Grabe eine ähnliche Knochenkiste von gleichen Dimensionen aus Kalkstein gefunden wurde mit der Aufschrift Ooxavos Nixolaov. Eine bestimmte Handhabe für genauere Zeitbestimmung liess sich nicht eruieren. Jedenfalls ist unser Stück für die Begräbnisbräuche von grossem Interesse. Vorderindien, Hinterindien und Malayischer Archipel. (Bericht des Vorstehers, Dr. Fritz Sarasin.) Vorderindien ist in unserem Museum leider immer noch recht schwach vertreten, was umsomehr in die Augen fällt, als das ihm südlich vorgelagerte Ceylon eines der am besten bei uns dokumen- tierten Gebiete der Erde ist. Auch dieses Jahr ist der Zuwachs aus Vorderindien nur ein sehr bescheidener gewesen. Herr K. Zahn- Burckhardt übergab uns 25 Architekturzeichnungen, Herr Ben. Stähelin-Burckhardt 12 Malereien auf Mika und 2 auf Seide, Herr Prof. A. Buxtorf eine silberne Gebetmühle aus den Himalayaländern, P. und F. $S. einen reich ornamentierten Bronzeteller aus Kaschmir. Von ebendenselben erhielten wir aus Ceylon ein altes singhalesisches Luxusschwert und ein Messer, beides Arbeiten aus der besten sing- halesischen Kunstperiode und einen alten, reich geschnitzten Elfen- beinkamm mit mythologischem Dekor, hiezu noch einige moderne, aus Elfenbein geschnitzte Elephanten. Sehr viel reicher ist im Einlauf dieses Jahres der Malayische Archipel repräsentiert. Schon im letzten Bericht ist vorläufig ge- meldet worden, dass mit Jahresschluss eine grossartige Borneosamm- Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 329 lung eingetroffen sei, die der leider inzwischen verstorbene junge Geologe, Dr. G. Niethammer, für das Museum zusammengebracht habe. Diese mit grosser Liebe angelegte und vortrefflich etikettierte Sammlung umfasst etwas über 90 Nummern; sie stammt aus Britisch Nord-Borneo, einem bisher bei uns sehr wenig repräsentierten Teil der Rieseninsel und zwar sowohl von den Kulturstämmen der Küste, als den primitiveren Bewohnern des Innern, vornehmlich Dusunen und Murut. Die Kleidung ist vertreten durch eine grosse Serie teilweise reich dekorierter und mit zierlichen Flechtwerkmustern geschmückter Hüte, Jacken aus Baumbaststoff, Kriegskleid aus Fell mit Schmuck von Nashornvogelfedern, sowie zahlreicheGrewebe seltener, alter, durch geschmackvolle Farben ausgezeichneter Technik, als moderner, in schreienden Anilinfarben sich gefallender Fabrikation ; hiezu ein voll- ständiger Webstuhl mit allem Zubehör vom Rohstoff bis zum fertigen Gewebe. Der letztere hat in der vergleichenden Sammlung der Web- stühle der Erde seine Aufstellung gefunden. An Schmuckgegen- ständen ist gleichfalls eine reiche Auswahl vorhanden: Haarpfeile aus Knochen und Nashornvogelschnabel, Arm- und Hüftbänder aus Messingspiralen, scheibenförmige Halskragen aus Messing, Hüft- bänder aus Rotang, mit oder ohne daran aufgereihte Metallringe, Halsbänder aus Glasperlen u.a.m. Zum Hausgerät mögen gerechnet sein geflochtene Speisedeckel, Feuerzeug- und Tabakbehälter, Tabak- pfeifen, diese letzteren Objekte teilweise mit geschmackvollen Brand- ornamenten verziert, ein Büffelsattel ausserordentlich hübscher Ar- beit, Holzmörser, zahlreiche Taschen und Tragkörbe, Thongefäss und Fackelhalter aus Thon (der letztere aus Sumatra). Auch einige Waffen mögen erwähnt sein und als ein sehr wertvolles Stück eine Schädel- trophäe, ein aufgehängter Menschenschädel aus einem Hause der Kedaian-Dajak. Die berühmte Gelbgussindustrie des Sultanats Brunei ist in der Sammlung durch einige Vasen, eine Lampe, Kuchen- formen u. dergl. vertreten; einige weitere Sachen dieser Herkunft wurden uns von der Familie des Verstorbenen in Basel zur Vervoll- ständigung freundlichst überlassen. Die Niethammer’sche Sammlung lässt uns tief bedauern, dass unser Museum diesen tätigen und auf- opferungsvollen Gönner hat verlieren müssen. Im Berichtsjahr haben wir auch vom Museum in Bern durch Tausch eine Anzahl guter Proben der Brunei-Metalltechnik erhalten und von Herrn Chs. Schmutz-Vandelle einen schönen alten, mit Drachen, Nagas, in Hochrelief verzierten Bronzegong ebendaher. Der Schenker hatte ihn seinerzeit in Penang erworben. Ein neuer Förderer unserer Sammlung ist uns in der Person des Herrn G. Forrer in Tebingtinggi, Sumatra, erstanden. Nicht nur hat uns derselbe eine Anzahl höchst wertvoller Objekte der Battak 330 Fritz Sarasin. zum Geschenk gemacht, prachtvolle alte Gewebe, aus Horn geschnitzte Kugelbewahrer, Kalendertäfelchen und ein sehr seltenes, wie es scheint, aus einer Büffelrippe bestehendes Amulett, eine sog. Kriegs- feder, mit eingeritzten Figuren und Schriftzeichen, sondern auch eine Anzahl weiterer Gegenstände ersten Ranges, darunter zwei reich ge- schnitzte Zauberstäbe der Battak, unserer Sammlung als Depositum anvertraut. Von einer Sendung wundervoller Photographien aus den Battakländern am Toba-See wird an anderer Stelle die Rede sein. Aus Java sind zu erwähnen zwei alte Wajangfiguren aus Leder (Depositum @. Forrer) und ein reich ornamentiertes, messingenes Sirihbesteck, Geschenk von Herrn Dr. A. Tobler. Aus Bali wurde eine alte Bronzedose mit Pflanzendekor käuflich erworben. Aus einer in Zürich zum Verkauf gekommenen, reichen Samm- lung der Bontok Igorroten in Nord-Luzon, Philippinen, wurden an- geschafft: 4 sehr schöne Lanzen mit teilweise phantastisch ausge- stalteter Eisenspitze, 1 Tragkorb mit Casuarinanadeln bekleidet, 1 Holzidol (stehender Mann mit Schild und Speer), 2 Mützen, 3 Löffel mit Figurengriff, 4 Tabakpfeifen von guter Schnitz- und Metall- arbeit, Ohr- und Halsringe aus Metall etc. Bogen, Pfeile und Lanze aus Mindanao wurden vom Museum in Bern eingetauscht. Der Gesamtzuwachs der asiatischen Abteilung (ohne China- Japan) beläuft sich auf 149 Nummern. China-Japan. (Bericht des Vorstehers, Dr. Felix Speiser.) Die Abteilung China-Japan hat im Berichtsjahre eine erfreu- liche Bereicherung erfahren. Von unsern alten Gönnern, den Herren K. und F. Zahn wurden uns zwei prächtige Porzellan-Vasen, die schon lange als Deposita unsere Sammlung schmückten, definitiv als Geschenk überlassen. Die Herren P. und F. Sarasin schenkten uns eine ca. 30cm hohe Porzellanfigur eines japanischen Priesters, eines dunkelhäutigen Mannes, in orangegelbem Mantel, den der Wind in prächtige Falten wirft. Bemerkenswert ist die feine Ausarbeitung des Gesichtes, der Hände und Füsse und die virtuose Behandlung des Gewandes. Von denselben erhielten wir eine dreiviertel lebens- grosse Porträtbüste eines vornehmen Japaners aus Gips, die als Kunstwerk ausgezeichnet, wegen der Darstellung der Haartracht und Kleidung auch ethnographisches Interesse bietet. Herr Dr. Fritz Sarasin schenkte eine ca. 40 em hohe Porzellanfigur aus Japan, den Gott des Reichtums darstellend ; hierdurch ist die Satsuma-Technik in unserer Sammlung durch ein typisches und imposantes Stück ver- treten. Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 391 Es bot sich ferner im Laufe des Jahres Gelegenheit zum Ankauf kunstgewerblicher Gegenstände. Es schenkte uns bei diesem Anlass Herr Dr. R. Geigy-Schlumberger einen schön geschnitzten Nilpferd- zahn, dem zwei Heilige und zwei Drachen kunstvoll angepasst sind. Der Freiwillige Museumsverein erwarb eine alte chinesische Cloisonné- Vase, die als Depositum der Sammlung einverleibt worden ist. Altes Cloisonné hatte uns bis jetzt gefehlt. Frau Ratsherr Sarasin schenkte eine Elfenbeinschnitzerei: die Göttin Kwannon auf einem Lotosaltar stehend, ein Stück, das, wenn auch selbst nicht alt, so doch nach einem guten alten Vorbilde herge- stellt ist. Der Vorsteher schenkte ein Netzke: fünf sıch raufende Blinde darstellend; erworben wurden ferner noch eine sitzende Kwannon mit Drache und eine Gruppe spielender Knaben und Hunde, beide aus Elfenbein, für die sich noch keine Schenker gefunden haben; weiter eine Anzahl Netzke, die als kleine, anspruchslose Er- zeugnisse japanischen Kunstgewerbes Bedeutung haben. Herr Dr. J. Roux schenkte ein Netzke, Herr Pfarrer E. Miescher ein Buch mit japanischen Holzschnitten. Herr G. Forrer in Sumatra übermachte uns als Deposita zwei Bronze-Vasen und eine -Schale, die, alte chinesische Arbeit, in Sumatra erworben, Zeugen des längst vergangenen chinesischen Kul- tureinflusses in Indonesien sind. Herr Dr. Armin Im-Obersteg übergab uns als Depot ein voll- ständiges Mandarinenkleid mit Zubehör: Hut, Fächer, Taschen, Halskette ete. Das Kleid wird, montiert, aufs trefflichste den Reich- tum der Tracht eines hohen chinesischen Beamten zur Anschauung bringen. Es ist sehr erfreulich, dass das Berichtsjahr trotz den un- günstigen äusseren Umständen, dank den zahlreichen Geschenken unserer Freunde, der chinesisch-japanischen Abteilung einen reichen Zuwachs gebracht hat. Australien und Melanesien. (Bericht des Vorstehers, Dr. Fritz Sarasin.) Der Zuwachs des Jahres beschränkt sich auf einige Obsidian- speere von den Admiralitätsinseln, Geschenk des Herrn P. Staudinger in Berlin, zwei Wurfspeere aus dem Bismarckarchipel, Geschenk von Herrn Dr. G. Bollinger und zwei Objekte aus Neu-Caledonien vom Vorsteher. Das eine ist ein Steinbeil, das in London erworben werden konnte und einen Typus repräsentiert, der auf Neu-Caledonien selbst trotz vieler Nachfrage nicht mehr zu finden gewesen war; das andere ist ein Felsblock mit einer der rätselhaften Petroglyphen, wie sie 332 Fritz Sarasın. vornehmlich von M. Archambault beschrieben worden sind. Die heutigen Eingeborenen haben von der Bedeutung dieser Felsskulp- turen, die über die ganze Insel hin zerstreut vorkommen, keine Kennt- nis mehr. Das Stück ist vom Gouverneur der Insel den Reisenden freundlichst geschenkt worden. Amerika. (Bericht des Vorstehers, Dr. K. M. Forcart.) Die jetzigen kriegerischen Zeitläufte haben nicht eben fördernd auf die Vermehrung der Sammlung eingewirkt. Forschungsreisen werden bei den unsichern Verhältnissen zu Land und zu Wasser nur wenige unternommen, und auch der Transport in Europa selbst ist mit Schwierigkeiten verbunden. Angeboten wurden uns allerdings Gegenstände aus einer Samm- lung in Berlin, aber die, höchstens für Kriegslieferanten erschwing- lichen Preise hielten uns von einem Ankauf ab. Selbst bei unsern bewährten Gönnern kann das Geld hiezu jetzt, wo nach so mancher Seite hin ausgeholfen werden muss, nicht aufgetrieben werden. Um so mehr freute es uns, dass die Südamerikanische Sammlung durch ein sehr seltenes Stück bereichert wurde, dessen Deponierung in unserem Museum wir der Güte des Herrn K. ImObersteg ver- danken. | Es handelt sich um einen vollständigen, wundervoll erhaltenen Tanzschmuck, bestehend aus einer Kopfbedeckung, Arm- und Bein- spangen, sowie einem Lendengürtel, alles mit ausgesuchtem Ge- schmack hergestellt aus buntfarbigen Federn. Als Beigabe hierzu ist eine kleine, mit Schilffasern umflochtene Pfeife zu erwähnen, auf der wohl die Tanzmusik gespielt wurde. Der ganze Schmuck war verpackt in einem ovalen, aus Palmblättern hergestellten Korb, welcher an und für sich auch wieder ein Sammlungsobjekt darstellt. Die genaue Herkunft dieser in den 70er Jahren von dem ge- nannten, verständnisvollen Sammler erworbenen Gegenstände konnte nicht ermittelt werden. Da sie aber aus dem Gebiet des Rio Branco in Nordbrasilien stammen, kann es sich nur um die drei Caraiben- stämme: Wapischuni, Macuschi und Arecuna handeln. Bei den letztern sind noch jetzt ähnliche Tanzbekleidungen im Gebrauch. Von Herrn Ernst Vogt-Meyer, wohnhaft in Medellin, erhielten wir, anlässlich seines Besuches in Basel, ein leider stark beschädigtes Thongefäss, Gräberfund aus der Nähe von Antioquia in Columbien. Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 339 Europa. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. Ed. Hoffmann-Krayer.) Wir beginnen unsern Bericht mit dem sachlichen Zuwachs, aus dem wir, wie üblich, nur das Wesentlichere herausheben. Angesichts der schwierigen Verhältnisse und der Finanznot, unter der naturgemäss auch unsre Sammlung zu leiden hatte, darf der Zuwachs unserer Abteilung um 508 Nummern (gegen 313 1m Jahr 1915) als ein recht erfreuliches Zeugnis für ihre Lebensfähig- keit angesehen werden, eine Vermehrung, die freilich in erster Linie durch das schöne Legat von Fr. 500.— möglich gemacht wurde, das der Abteilung Europa durch dieWitwe unseres verstorbenen Freundes, R. Forcart-Bachofen, zugewendet worden ist. Wiederum sind durch die rege und verständnisvolle Sammeltätigkeit von Herrn Prof. Rüti- meyer und durch seine Vermittlung wertvolle Objekte (namentlich Masken, Lampen und primitives Spielzeug) aus dem Wallis und Grau- bünden, wo besonders Herr G. G'iovanoli in Soglio Interesse für unsere Sammlung gezeigt hat, erworben und geschenkt worden. Diesen Gruppen reihen sich organisch an die kleineren, aber ebenfalls mit Ver- ständnis angelegten Kollektionen aus dem Deutschwallis von Frl. Wess (Basel) und aus dem Welschwallis von Herrn H. Gams (Zürich). Einige bedeutungsvolle Gegenstände, besonders Tesseln, haben wir durch Tausch von Herrn Prof. Gmür in Bern erhalten; spezifische Graubündner Volkskunst, vorwiegend Kerbschnittarbeiten, .wurden durch den Vorsteher in Churerworben und geschenkt. Aus dem gleichen Kanton stammen die s. Z. von Herrn Peyer-Neher (Schaffhausen) in und um St. Antönien gesammelten Gegenstände, die uns kürzlich von seiner Witwe schenkweise übermacht wurden und in erster Linie wieder die typischen Prättigauer Kerbschnittarbeiten und Bünder Eisen- lampen aufweisen. Ebenfalls der Ostschweiz, aber einem völlig anderen Stoffgebiet, gehören die in St. Gallen erworbenen silbernen Votivglieder und anderen Gegenstände aus der religiösen Volkskunde an, die unsre an sich schon stattliche Sammlung dieses bedeutungs- vollen Zweiges volkstümlicher Geisteskultur in willkommener Weise vermehren und ergänzen. Endlich seien unter diesen grösseren Gruppen noch die von Herrn August Weitnauer in Basel geschenkten und die aus dem Nachlass Stamm-Preiswerk bei Schreinermeister Muffler erworbenen Gegenstände, meist Hausrat und Handwerks- gerät, erwähnt. Wir gehen nun zu den einzelnen, stofflich geordneten Gruppen über. Von landwirtschaftlichem Gerät ist ein im wesentlichen noch ziemlich primitiver Pflug aus Grüsch im Prättigau zu nennen, der, 334 Fritz Sarasin. mit schmaler, spitz verlaufender Schar und Sech versehen, aber ohne Streichbrett am nächsten mit dem in der Sammlung vorhandenen Typus von Lugnetz verwandt erscheint. Wetzsteinköcher sind in ver- schiedenen Formen eingelaufen: der primitivste, ein einfaches Kuh- horn, aus Zernez, dazu ein Wetzstein, wurde von Herrn Prof. Rüti- meyer geschenkt, ein einfacher hölzerner aus Birchen (Wallis) von Herrn Otto Linder, zwei reich geschnitzte aus Luzein und Davos vom Vorsteher. Eine Sensenstütze und einen Maulwurfsrechen verdanken wir Herrn Dr. J. Roux. Zur Viehhaltung gehört ein Schafhirtenstock mit Wurfriemen und Rasselringen aus Evolena, den uns Herr Otto Linder eingesandt hat. Zwei primitive Hirtenhörner stammen aus Imfeld im Binntal und Zernez (Graubünden), letzteres geschenkt von Herrn Prof. Rütimeyer. Zum Handwerk und der Technik übergehend, erwähnen wir zu- nächst ein vollständiges und betriebsfähiges Modell einer Sägemühle, das von Herrn Isaak Thommen in Basel hergestellt und der Samm- lung käuflich abgetreten wurde. Aus Raron (Wallis) stammt eine äusserst primitive Kornmühle mit Handbetrieb, die uns durch Ver- mittlung von Herrn Prof. Rütimeyer zugegangen und vom Vor- steher geschenkt worden ist. Einige Schreinerwerkzeugmodelle schenkte Herr Weitnauer aus Basel. Erworben wurden eine roh und primitiv gearbeitete Säge aus Gempen, eine Zimmerbeilklinge aus Andeer und ein seit mehr als hundert Jahren in derselben Familie gebrauchtes schweres, breitklingiges Messer zum Zuschneiden von Holzschuhen aus Fully (Wallis). Als Geschenk erhielten wir von Frl. Brügger in Bevers einen Hornausschnitt, wie er zum Einfüllen des Wurstgehäcks in den Darm verwendet wird, von Herrn Glaser, Hafner in Binningen, eine Glasurmühle in der alten Form mit schwerem Untersatzstein, auf dem der obere rotiert. Zwei Hand- werksschilde aus dem 18. Jahrhundert wurden in St. Gallen erworben. Aus der höheren und niederen Jagd seien genannt: ein lederner Jagdgurt (Gesch. von Hrn. Weitnauer), ein mit Rochenhaut über- zogenes Pulverhorn unbekannter Herkunft (Gesch. von Hrn. von Brunn), ein Messer zum Anlegen von Maulwurfsfallen aus dem Jura und ein Haken zum Hervorholen der an den Felsüberhängen haftenden Schnecken aus dem Lötschental (Gesch. H.-K.). Zum Transportgerät rechnen wir zwei Kinderwagen: einen höl- zernen mit Kerbschnittornamentik aus Peist (Graubünden) und einen älteren Typus des Federwagens aus Zürich. Eigenartig in der Form ist eine geflochtene Misttrage aus Ins (Gesch. H.-K.). Ein Tragref aus dem Kanton Zug wurde von Herrn Dr. B. Baumgartner in Cham, ein ledernes Felleisen von Herrn Weitnauer geschenkt. Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 335 Am reichsten ist naturgemäss der vielgestaltige Hausrat ver- treten. Zwei hölzerne Brotlaibformen (,,Leipsern“) aus Goppenstein wurden durch den Vorsteher geschenkt; ebenso ein Holzschloss unbe- kannter Herkunft und ein hölzerner Gelenkschlüssel aus La Sage. Von Herrn Giovanoli in Soglio erhielten wir zwei bisher noch nicht vertretene Typen von Kesselhaken aus Holz, die in der Mauer einge- lassen werden. Ein sehr zierlich gearbeitetes Tessiner Steinkesselchen erwarben wir in Basel, während ein grösserer Lavezsteintopf uns von Herrn Claraz in Lugano als Geschenk zuging. Eine eiserne Kaffee- mühle zum Anschrauben schenkte Herr Max Krayer, eine Gewürz- mühle und ein hölzerner Pfannenknecht wurden käuflich erworben. Von Herrn Gabbud in Lourtier erhielten wir ein primitives Fett- büchschen aus Kuhhorn, von Herrn Otto Linder eine grössere ge- drechselte Büchse zum gleichen Zweck aus Birchen im Wallis. Ein Elsässer Kokosnuss-Fläschehen (sog. ‚„Schnaps-Gütterli‘‘) wurde in Basel gekauft, zwei Kalebassen aus Rossa und Vicosoprano (offenbar mediterraner Kultureinfluss) von Frl. Denicola und Herrn Prof. Rütimeyer geschenkt, ebenso durch den Vorsteher ein zierlich ge- arbeitetes Feldfässchen (,,Trinkete‘‘) aus dem Safiental. Unsre Holz- löffelsammlung wurde in willkommener Weise vermehrt durch vier von Herrn Dr. E. A. Koechlin geschenkte Stücke, von denen eines skandinavischer Herkunft zu sein scheint. Einen beachtenswerten Typus der Schnellwage erhielten wir aus Birchen im Wallis; sie weist das grösste bisher bei Schnellwagen beobachtete Format auf und hat ausser dem Haken noch einen Teller zur Aufnahme des zu wägenden Gegenstandes. Aus Buchs bei Aarau stammt ein ge- schnitzter Ellstab mit primitivem Ziekzackornament, aus dem Kanton Graubünden ein ebenfalls bäurisch geschnitzter Kalenderrahmen (Gesch. H.-K.). Vermischten kleineren Hausrat hat uns Herr Weitnauer schenkweise übermacht, darunter auch diverse Formen von Zündholzbüchsen und Tabakspfeifen. Ein ganz burleskes Stück von einer letztern ist uns durch einen Zürcher Antiquar aus Bütikon im Kanton Aargau geschickt worden, wo es von einem Arbeiter im Boden gefunden worden sein soll. Der Pfeifenkopf stellt einen aus Thon roh geformten menschlichen Kopf von ungefähr 10 cm Durchmesser dar, bedeckt von einem schweren, ebenfalls thönernen Hut, der die Inschrift trägt: „Der Taback ist mir so lieb, Das mengem Ma sis eige Wib;‘ offenbar eine Spielerei eines dort arbeitenden Hafner- oder Zieglergesellen. Eine Schnupftabaksdose aus Rinde sandte Herr Gabbud in Lourtier ein. Zum Hausrat dürfen wir endlich auch das Beleuchtungsgerät rechnen. Wieder sind einige höchst beachtenswerte Steinlampen hin- zugekommen: zwei allerprimitivster Art, einfache, prähistorische 336 Fritz Sarasin. Steinschalen, aus der Umgebung von Sitten, fünf Specksteinlampen aus dem Lötschental, darunter zwei mit Daten 1607 und 1610, ein Exemplar aus dem Eifischtal und eines aus dem graubündnerischen Fextal, wo solche Steinlampen äusserst selten geworden sind. Von diesen 9 Stücken sind 7 von Herrn Prof. Rütimeyer, zwei vom Vor- steher geschenkt. Ein Gipsmodell einer Magdalenien-Steinlampe, das als Vergleichsobjekt sehr willkommen ist, verdanken wir Herrn Dr. P. Sarasin. Als Lampen wurden uns auch bezeichnet zwei mörser- artige Näpfe aus Granit und Speckstein, die uns durch Frl. Weis in Basel aus Schmidigenhäusern und Imfeld mitgebracht wurden. Da beide aber in letzter Zeit nicht als Lampen, sondern als Futtertrog und als Weihwassergefäss verwendet wurden und ohnehin in ihrem Umfang über das übliche Mass der Steinlampen hinausgehen, so er- scheint ihre Bedeutung zweifelhaft. Herr Prof. Eugene Pittard, dem die Stücke vorgewiesen wurden, lehnte die Möglichkeit von Lampen ‘ebenfalls ab und dachte an Maasse oder, wie auch Prof. Rütimeyer, an Mörser. Immerhin sind die Stücke als primitive Steingefässe merk- würdig genug und der Konservierung wert. Von Eisenlampen für Öl oder Talg sind fünf Stück hinzugekommen, jeeine aus Kippel (Wallis) und Rabius (Graubünden) und drei aus St. Antönien (Graubünden), die erstern von dem Vorsteher, die letztern von Frau Peyer-Neher in Schaffhausen geschenkt. Eine seltene, in ihrer Form an die mittel- alterlichen Ampeln erinnernde Kupferlampe konnten wir durch die gütige Vermittlung von Herrn Pater Notker Curti daselbst erwerben. Solche Stücke sind uns bis jetzt ausser der Klostersammlung von Disentis noch nirgends zu Gesicht gekommen. Aus Fully (Wallis) sandte Herr Gams in Zürich ein messingenes Ollämpchen mit schwerem hölzernen Untersatz; zwei schöne dreiteilige Tessiner Öl- lampen mit allem Zubehör erwarben wir in Basel, eine Holzlaterne aus dem Jura und eine solche aus dem Fextal schenkten die Herren Dr. Roux und Prof. Rütimeyer, Lichtputzscheren, Scherenteller, Wachsrodelbüchsen und ähnliches Herr Weötnauer ; von demselben er- hielten wir auch den Prototyp einer sog. Moderateurlampe, ein frei- lich schon ziemlich raffiniertes System, das 1. J. 1836 von Franchot ‘erfunden wurde und seinerseits schon eine Verbesserung der 1. J. 1800 von Carcel erfundenen Uhr- oder Pumplampe darstellte. Wir werden das Stück erst ausstellen können, wenn wir eine vollständige Entwick- lungsreihe der Uhrwerklampen besitzen. Aus dem Gebiete der Tracht wurde unsrer Abteilung durch Herrn Dr. Forcart ein bunt gesticktes Hemd, anscheinend süd- slavischer Herkunft, übergeben, das sich unter den magazinierten Gegenständen bei den Ausräumungsarbeiten gefunden hatte; ein Männerfilzhut aus der Bretagne (oder Normandie ?) wurde uns durch Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 337 einen anonymen Geber auf den Tisch gelegt. Wir möchten an die un- bekannt bleiben wollenden Freunde unsrer Abteilung bei dieser Ge- legenheit die Bitte richten, doch wenigstens die Provenienz der ge- heimnisvoll dargebotenen Geschenke angeben zu wollen. Aus Buchs bei Aarau wurden zwei jener charakteristischen flachen Frauenhüte, ein Stroh- und ein Filzhut, eingesandt, wie sie ehemals durch das ganze Freiamt getragen wurden. Zum Schmuck gehören 50 Filigran- knöpfe und -Schnallen aus dem Emmental, zur Tracht im weiteren Begriff ein in Basel erworbener, vermutlich aus dem Elsass stam- mender geschnitzter Spazierstock. Korbgeflechie sind in diesem Jahre ausser einigen noch nicht katalogisierten nur drei angeschafft worden; ein durch seine Form und sein Tannwurzelgeflecht besonders merkwürdiges Stück mit ornamentierten Holzdeckel stammt aus Kleinwangen (Gesch. H.-K.), aus Ins ein überaus zierlich geflochtenes kleines Knopfkörbchen. Etwas grösseren Zuwachs haben die Holztechniken erfahren. So haben die Herren Prof. Rütimeyer und Dr. W. Vischer eine reich mit kräftigem Kerbschnitt ornamentierte Schachtel aus Saas-Grund ge- schenkt. Eine ganz ähnliche, wohl ebenfalls dem Wallis entlehnte Kerbschnittechnik weisen gewisse Gegenden des Kantons Graubünden, namentlich das Prättigau auf. In Chur hat der Vorsteher eine ge- schnitzte Schachtel aus dem Schanfigg und zwei Wetzsteinfässer aus Davos und Luzein gekauft und der Sammlung geschenkt; ein drittes W etzsteinfass, sowie eine kleine Truhe von 1735, ein Schreibpültchen von 1758 und ein Schächtelehen von 1766, sämtlich aus St. Antönıen, sind uns von Frau Peyer-Neher geschenkweise zugegangen; bemalte Drechslerarbeit stellt eine von Frl. C. Ellinger in Basel geschenkte rumänische Feldflasche dar, während figürlichen Kerbschnitt eine fast prähistorisch anmutende Zeichnung auf dem Rücken einer Kehrichtschaufel zeigt. Das Stück stammt aus Imfeld (Wallis) und wurde eingesandt von Frl. Wess. In der Keramik fehlen die bekannten Berner Produkte diesmal ganz; dagegen ist das selten gewordene St. Antönien durch zwei Ob- jekte vertreten: ein offenbar als Nippsache gedachtes Häuschen (Gesch. H.-K.) und eine Schüssel mit Jahrzahl 1846 (Gesch. Peyer- Neher). Ob eine ebenfalls aus der Sammlung Peyer-Neher stam- mende, weiss glasierte Fayenceflasche derselben Töpferei angehört, ist zweifelhaft. Eine zum Verwechseln grosse Ähnlichkeit mit den Heimberger Produkten gewisser Perioden (namentlich der schwarz- braunen Familie) hat das st. gallische Bernecker Geschirr, das der Vorsteher kürzlich im Historischen Museum von St. Gallen näher kennen gelernt hat. Ein sicher dahin zu lokalisierendes Giessfass ist mit einem solchen aus dem Jura in Basel erworben worden. Ganz 22 338 Fritz Sarasin. abseits liegt die Technik, weisse Fayenceteller mit Ölfarben zu bemalen, wie wir ihr bei den im Kanton Appenzell hergestellten Schmucktellern begegnen. Wir haben ein freilich nicht mit bäurischem Sujet bemaltes Exemplar von Herrn Prof. Gmür in Bern als Tausch- objekt erhalten. Zu den Steintechniken könnten die obenerwähnten Näpfe aus Schmidigenhäusern und Imfeld gerechnet werden; ebenso ein von Herrn Prof. Rütimeyer geschenkter, von einem Knaben mittelst einer Steinkugel ausgehöhlter Speckstein aus dem Fextal, der die Arbeit des Aushöhlens durch den prähistorischen Menschen veranschaulichen mag; immerhin darf nicht verhehlt werden, dass die Höhlung auch Spuren eines scharfen Instruments, wohl eines Messers, trägt. Dürftig repräsentiert sind diesmal Textilgeräte und -Produkte. Erworben wurden eine Klöppelgarnitur und zwei Spindeln, letztere in Imfeld durch Frl. Weis. Ein Tüchlein in bunter Wollweberei aus dem Bündner Oberland verdanken wir Herrn Pater Notker Curti im Stift Disentis, drei Hecheln Herrn Dr. B. Baumgartner in Cham. Ein noch gang ungenügend ausgebautes Gebiet ist das volkstüm- liche Bildwerk (,,Imagerie populaire”). Als Vergleich belehrend sind zwei Blätter, das „Neue Jerusalem‘ darstellend, das eine ein kolorierter Holzschnitt, das andere eine offenbar auf ein etwas ab- weichendes Original zurückgehende Aquarellkopie, beide aber an- scheinend schweizerischen Ursprungs und wegen der naiven Auffas- sung sowohl, als wegen der Trachtendarstellung volkskundlich be- achtenswert. Zwei gemalte und eingerahmte Denksprüche wurden durch den Vorsteher in Chur gekauft und der Sammlung geschenkt. Von Gegenständen der volkstümlichen Religionsübung seien vor allem 13 silberne Votivglieder von verschiedensten Formen erwähnt, die in St. Gallen erworben und wohl auch hergestellt worden sind, während uns Herr Gams 7 ın Fully angefertigte Wachsexvotos schenkweise übersandte. Kaum schweizerisch ist dagegen ein stark verwittertes, aber echt volkstümlich geschnitztes Votivbild, darstellend die Errettung .eines Mannes vor einem umstürzenden Baum. Ganz eigenartig und in dieser Technik bis jetzt bei uns noch nicht vertreten ist ein zylindrisches Taschenaltärchen, das uns kürzlich aus St. Gallen zugekommen ist und aus Bludenz stammt. Die Figuren (Kreuzigungs- gruppe, zwischen den Heiligen Peter und Paul) sind aus dünnen Holz- schindeln zusammengesetzt und bunt koloriert. Drei in Guache kolo- rierte Photographien mit volkskundlichen Darstellungen kultischer Handlungen bei der Wallfahrtskapelle von Adelwil (Kt. Luzern) übergab uns Herr C. R. Seiler in Basel als Geschenk. Dem Aberglauben gehört an ein von Herrn A. Steiger in St. Gallen geschenkter Zettel mit der „Sator-Arepo‘‘-Formel und den Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 339 heiligen Zeichen J. N. R. J. und ©. M. B. (Caspar, Melchior, Balthasar : die heil. Dreikönige). Eine wertvolle Bereicherung hat der Volksbrauch erfahren. Drei Taufzettel aus verschiedenen Gegenden und Zeiten sind erworben worden. Unter diesen ist namentlich ein von Herrn August Meyer in Sissach schenkweise übermittelter bemerkenswert, weıl er als Symbol des Reichtums und der Fruchtbarkeit einige Weizenkörner enthält. Aus dem Totenbrauch sei ein Totenkopf aus Eisenblech erwähnt, den Herr Dr. Max Bider in Chiggiogna erworben und uns geschenkt hat. Über die Verwendung konnten bestimmte Angaben nicht gemacht werden; doch war das Stück vermutlich am Eingang eines Beinhauses angebracht. Unbekannter Herkunft ist eine anonym geschenkte Karfreitagsratsche, ähnlich wie sie in unsrer stattlichen Sammlung solcher Objekte bereits vertreten sind. Ein Stück Holz vom Johannisfeuer (bou de Saint-Dzan), das von den Hausfrauen slimmend nach Hause getragen und bei Gewitter in das Herdfeuer selest wird und ein segenbringendes Kreuz aus Johannisblumen, beide aus Fully, sandte Herr Gams in Zürich schenkweise ein. Be- sonders stark war aber auch in diesem Jahre wieder der Zuwachs an Lötschentaler Fastnachtsmasken. Käuflich erworben wurden drei Masken aus Blatten mit allem Zubehör: Pelzen, Schellen, Leder- gürteln, Ärmeln, Handschuhen, einer aus Lappen zusammengesetzten Schürze, einer burlesken Tabakspfeife und an den Gürtel zu hän- senden Trinkgefässen; ferner ein schönes, offenbar altes Stück aus Ferden. Geschenkt wurden von Herrn Prof. Rütimeyer eine mit einem Horn auf der Stirn versehene Larve und eine besonders merk- würdige aus angesengter Lärchenrinde, beide aus Kippel stammend, vom Vorsteher zwei höchst burlesk anmutende mit ungeheuern lachenden Mäulern und eine schwarze Teufelsmaske, erstere aus Blatten, letztere aus Goppenstein. Zu den Lötschentaler Fastnachts- umzügen gehört auch eine geschwärzte, mit einer aufgenagelten Fratze aus Tierhaut versehene hölzerne Spritze, aus der namentlich die Mädchen und Weiber mit Jauche, zuweilen auch mit Blut be- spritzt wurden, ein jedenfalls weit in die vorchristliche Zeit zurück- reichender Ritus (Gesch. Prof. Rütimeyer). Noch stärker ist die Gruppe Spielzeug angewachsen. Namentlich die primitiven Formen sind wieder gut und teilweise durch neue Typen vertreten. Die Mehrzahl derselben sind uns von Herrn Prof. Rütimeyer, andere von Frl. Gadmer in Clavadel, Frl. Weis in Basel, Herrn Giovanoli in Soglio und Herrn Architekt Schlatter in St. Gallen geschenkt worden. Das primitivste Spielzeug, ohne alle Bearbeitung, stellen einige Maserknollen des Kastanienbaums dar, die zuweilen eine entfernte Ähnlichkeit mit Tiergestalten haben 340 Fritz Sarasin. mögen und von den Kindern von Campocologno als Spieltierchen ge- braucht werden. Eine weitere Stufe ist der mit Beinen aus Ästchen versehene Tannzapfen, wie wir ihn aus Vicosoprano besitzen. Von den aus Astragalknochen dargestellten Tierchen sind uns 14 Stück aus dem bündnerischen Sertigtal (Frl. Gadmer) zugegangen, von primi- tiven Holztierchen folgende Gruppen : 7 Stück aus dem Val de Bagnes (Herr Gabbud in Lourtier), 17 kleine und ein grosses aus Saflisch- matten (Frl. Weis), 1 aus Ulrichen, 1 aus dem Simmental, 4 aus Leysin (Herr Prof. Rütimeyer), 3 st. gallisch-appenzellische, 2 vom Braunwald (Herr Schlatter), 2 aus dem Sertigtal (Frl. Gadmer), 7 von Langwies, 6 aus Zernez, 1 aus Feldis, 3 aus Tavanasa, 18 aus dem Oberhalbstein (Prof. Rütimeyer), endlich 8 aus Soglio (Herr Giovanoli). Diesen Spieltierchen schliessen sich zwei drollige Wagengespanne aus Rofna und Oberhalbstein an, deren eines durch einen aus einem Astragalus hergestellten Wagen, das andere durch ein Jochgespann aus Tannzapfen charakterisiert wird. Ausser diesen ältesten Spieltierformen sind noch andere Spielzeuge zu ver- zeichnen. Sogenannte „Kartoffeltrüllen“ haben wir aus Mörel im Wallis (Frl. Imesch) und Wohlen im Aargau (Herr S. Meier) er- halten, eine „Knebeltrülle“ ebendaher (S. Meier), einen Holzkreisel aus dem Lötschental (Prof. Rütimeyer), einen elfenbeinernen aus Basel (Hr. Weitnauer). Sehr primitiv sind wiederum die mittelst kleiner, noch am Aste haftender Tannzäpfchen dargestellten fin- gierten „Tabakspfeifen“. Die uns (wie auch 2 hölzerne Hufhäm- merchen) von Herrn Prof. Rütimeyer übermachten Stücke stammen aus dem Kanton Graubünden, sind mir aber auch aus meiner Jugend- zeit recht wohl erinnerlich. Ebenso weit verbreitet sind die Weiden- flöten und -pfeifen, wie sie uns in 8 verschiedenen Exemplaren von Herrn Gabbud aus dem Val de Bagnes eingeschickt worden sind. Mehrere kleine Pfeifen und Lärminstrumente erhielten wir auch von Herrn Weitnauer in Basel geschenkt, zwei Schlehbüchsen von Herrn S. Meier in Wohlen; vereinzelte kleinere Spielsachen verdanken wir den Herren Jehl und Weitnauer. Von Verwaltungsgegenständen sind vor allem wieder Tesseln zu nennen. So schenkte uns Herr Prof. Rütimeyer eine Milchtessel aus Soglio, wie sie jetzt noch in einem dortigen Gasthof bei der Milch- lieferung verwendet werden, Herr Giovanoli eine Milchkauf- und 6 Milchabtauschtesseln aus Soglio; von Herrn Prof. Gmür erhielten wir in Tausch eine Schaftessel aus Visperterminen, 2 ‚Loose‘ mit Haus- zeichen aus Kippel und Wiler und eine Schafhuttessel aus Mühle- bach. Ein Brenneisen mit Baselstab wurde uns von Herrn O’Radiguet in St. Ursanne geschenkt. Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 341 Unter Varia mag endlich eine Taschensonnenuhr erwähnt sein, die aus der Sammlung Stamm-Preiswerk erworben wurde. Anthropologische Sammlung. (Bericht des Vorstehers, Dr. F. Sarasin.) Den wertvollsten Zuwachs bilden 3 Dajakschädel mit genauer Herkunftsbezeichnung aus dem Innern von Britisch Nord-Borneo, geschenkt von Herrn Dr. G. Niethammer. Vom Historischen Museum überwiesen wurden einige Alamannenschädel, aus Grabungen im Hause, Elisabethenstrasse 13, herstammend. Der eine davon zeigt eine Trepanationsöffnung. Eine weitere, von Herrn Dr. K. Stehlin ausge- führte Grabung am Gotterbarmweg förderte sehr zahlreiche Skelett- reste gleichfalls alamannischer Zeit zutage, von denen die best- erhaltenen unserer Sammlung eingereiht worden sind. Sammlung der Photographien. (Bericht des Vorstehers, Dr. Felix Speiser.) Die neugegründete Photographien-Sammlung hat sich im ver- gangenen Jahre stark vermehrt, zum guten Teil infolge eines Auf- rufs, den der Vorsteher in den Tagesblättern hatte erscheinen lassen. Erwähnt seien vor allem 10 Albums mit prächtigen Photographien, welche die Herren K. und F. Zahn s. Zt. von ihrer Reise um die Welt mitgebracht haben und welche sie insgesamt dem Museum geschenkt haben. Japan, China, Indonesien, Indien und Ägypten sind darin reich durch Bilder vertreten, die sich zum Teil auch ausgezeichnet zur Ergänzung der Ausstellung eignen. Herr Dr. Pannekoek van Rheden übergab uns eine Serie Bilder von Sakais, die das einfache Leben dieser primitiven Menschen im Innern der Malayischen Halbinsel trefflich illustrieren. Herr Dr. A. Tobler schenkte 25 Photographien aus Sumatra, Herr Prof. E. Hoffmann-Krayer ethnographisch wichtige Ansichten aus Frank- reich, Herr Dr. J. Mähly-Eglinger 50 Stück grosser Photographien aus Indien und Ägypten, Herr Dr. Kurt Forcart volkskundlich wert- volle Ansichten aus der Bretagne, Herr E. Schmid-Muth eine grosse Sammlung von Photographien und Ansichten aus Japan, Amerika u.s.w., Herr Pfarrer E. Miescher eine Mappe mit den geschätzten Reproduktionen Hildebrand’scher Aquarelle, Herr G. Forrer 17 prächtige Photographien aus den Battakländern in Sumatra, endlich Herr E. Barth Bilder aus Dahome und Nigeria. Dem Danke an die Geber sei die Bitte angeschlossen, es möchten doch auch andere Besitzer von Photographien-Sammlungen, die in 342 Fritz Sarasin. Basel ja recht zahlreich sein müssen, uns mit Kopien beschenken, oder ihre Platten zum Kopieren zur Verfügung stellen, damit die Sammlung des Museums sich vergrössere. Verzeichnis des Zuwachses der Sammlung für Völkerkunde im Jahre 1916. Polarvölker. Geschenke. Herr Schmid-Muth, Basel: 4 Täschchen aus farbigem Leder, ‘ Herr 29 schwedisch Lappland. Afrika. Geschenke. Dr. H. Bächtold, Basel: Axt, Dolch, Ledergürtel, 2 Kalebassen, Goldküste. Karl ImObersteg, Basel: Eisengeld, Helm aus Grasfaserge- flecht, Dolch, Wurfeisen, Pulverhorn aus Westafrika; Puppe der Herero. J. Junod, Kongostaat und Basel: 1 eiserne Häuptlingsglocke, 1 Baumwolljacke, Manjema. Dr. L. Ramseyer, Zürich: Ein Stück Ademkra mit Holz- stempel, eine Anzahl Amulette, Kalebassen, Peitsche, Hand- fessel, Asante (18 Nummern). Prof. L. Rütimeyer, Basel: 1 Tabakpfeife aus Messing, Kamerun, Bali; Kopf eines Ahnenbildes, Kindertrommel, Goldgewicht, Goldküste; Fischspeer, Gabun; 3 Idole aus Holz und Elfenbein, 2 Elfenbeinlöffel, 1 geschnitzter Holzbecher, 3 Haarnadeln, 2 Dolche der Batetela und Manjema. Dr. Felix Speiser, Basel: 50 Objekte aus Marokko, Töpferei aus Fez, Waffen, Lederarbeiten, Kleidungsstücke, Stickereien, Metallarbeiten, kultische Objekte, Kinderspielzeug, Schmuck- sachen, Musikinstrumente etc. P. Staudinger, Berlin: Häuptlingswedel aus Togo. Ankäufe. Objekte aus dem Kongogebiet und Gabun. Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 343 Vorderasien. Geschenke. Herr Dr. Camenisch, Basel: 1 Brot aus Syrien. Pfarrer S. Preiswerk-Sarasin, Basel: 1 Gipsabguss der Siloah- Inschrift in Jerusalem. F. Sartorius-Preiswerk, Basel: 1 Ossuarium aus Jerusalem. 29 Vorderindien und Ceylon. Geschenke. Herr Prof. Dr. A. Buxtorf, Basel: Silberne Gebetmühle, Himalaya- länder. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Altes Luxusschwert und Messer, Elfenbeinkamm und Elefantendarstellungen aus Elfen- bein, Ceylon; Bronzeplatte aus Kaschmir. Herr K. Zahn-Burckhardt, Basel: 25 Architekturzeichnungen aus Vorderindien. Ben. Stähelin-Burckhardt, Basel : 12 Malereien auf Mika, 2 auf Seide, ebendaher. 29 Malayischer Archipel und Philippinen. Geschenke. Herr @. Forrer, Sumatra: 10 Gegenstände der Battak. » Dr. @. Niethammer 7: 92 Gegenstände aus Britisch Nord- Borneo, 1 aus Sumatra. Ch. Schmutz-Vandelle, Basel: Bronzegong aus Brunei. Dr. A. Tobler, Basel: Messingenes Sirihbesteck, Java. 22 29 Tauschverkehr. Ethnographisches Museum, Bern: 3 Gegenstände aus Brunei, 4 von den Philippinen. Ankäufe. 1 Bronzedose von Bali; 18 Objekte der Bontok-Igorroten, Luzon. Depositum. Herr G. Forrer, Sumatra: 2 Zauberstäbe, altes Buch, 2 Tabak- büchsen, Amulett aus Knochen der Battak; 2 Wajangfiguren, Java. 344 Fritz Sarasin. China-Japan. Geschenke. Herr Dr. J. R. Geigy-Schlumberger, Basel: Geschnitzter Nilpferd- zahn, Japan. „ Pfr. E. Miescher, Basel: Japanisches Buch mit Holzschnitten. Tit. Freiwilliger Museumsverein, Basel: Alte Oloisonne-Vase. Herr Dr. J. Roux, Basel: Japanisches Netzke. Frau Ratsherr E. Sarasin-Sauvain, Basel: Göttin Kwannon, Elfen- beinschnitzerei. Herr Dr. F. Sarasin, Basel: Porzellanfigur, Satsumatechnik, Gott des Reichtums. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Japanische Porzellanfigur, einen Priester darstellend; Porträtbüste eines Japaners. Herr Dr. Felix Speiser, Basel: Elfenbeinschnitzerei, Netzke. Herren Fritz und Karl Zahn, Basel: Zwei grosse chinesische Por- zellanvasen. Depositum. Herr G. Forrer, Sumatra: 2 alte chinesische Bronzevasen und eine Bronzeschale. » Dr. A. Im Obersteg, Basel: Kleid eines Mandarinen mit allem Zubehör. Australien und Melanesien. Geschenke. Herr Dr. @. Bollinger, Basel: 2 Wurfspeere aus dem Bismarck- archipel. „» Dr. F. Sarasin, Basel: Steinbeil und Felsblock mit Petro- olyphen aus Neu-Caledonien. » P. Staudinger, Berlin: 4 Lanzen von den Admiralitätsinseln. Amerika. Geschenke. Herr E. Vogt-Meyer, Medellin: Thongefäss aus Columbien. Depositum. Herr K. ImObersteg, Basel: Vollständiger Federschmuck eines Indianers aus Nordbrasilien. Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 345 Europa. Geschenke. a) An Gegenständen. (Die im obigen Bericht erwähnten Geschenke werden hier nicht mehr aufgeführt. Die beigefügte Zahl bedeutet die Anzahl der geschenkten Gegen- stände.) Frau L. Bachofen-Burckhardt : thönerne Sparbüchse: 1. — Herr Dr. B. Baumgartner, Cham: 4. — Herr Dr. M. Bider: 1. — Frl. F. Brügger, Bevers: 1. — Herr von Brunn-Flury : 1. — Herr Claraz, Lugano: 1. — Herr P. Notker Curti, Disentis: 1. — Frl. Denicola, Rossa : 1. — Frl. ©. Ellinger: 1. — Frl. Frida Gadmer, Clavadel: 16. — Herr Gams, Zürich: 9. — Herr Giovanoli, Soglio: 18. — Herr Glaser, Binningen: 1. — Herr Prof. Hoffmann-Krayer, ausser dem Erwähnten: Tessiner Kopftuch, Taufzettel aus Bern, altröm. Schlüssel und dito Gefässscherben, Fusswärmer, Filter, Leistenhaken, 2 Körbe: 47. — Herr Jehl: vermischtes Spielzeug, Perlmutter- schnitzereien: 10. — Herr Dr. E. A. Koechlin: 4. — Herr Max Krayer: 1. — Herr H. Labhardt, Thun-Hofstetten: Mütze aus Baumschwamm: 1. — Herr O. Linder, ausser dem Erwähnten: Schuhschnalle aus dem Wallis: 4. — Herr $. Meier, Wohlen (Aargau), ausser dem Erwähnten: „Chlöpfbriefli“, blechernes Zwitscherinstrument: 6. — Herr Aug. Meyer, Sissach: 1. — Herr O’Radiguet, St. Ursanne: 1. — Herr Paravicini-Engel: Hufmesser aus Altdorf. — Frau Peyer-Neher, Schaffhausen, ausser dem Er- wähnten: Fayence-Vase: 11. — Herr Dr. Roux: 3. — Herr Prof. Rütimeyer, ausser dem Erwähnten: 3 Trüegel: 65. — Herr 8. Schlatter, St. Gallen: 5. — Herr E. R. Seiler : 3. — Herr À. Steiger, St. Gallen: 1. — Herr J. Stuber : 2 Scheren, Schindelschachtel : 3. — Herr Dr. W. Vischer: 1. — Frl. A. M. Weis: 7. — Herr Aug. Weit- nauer, ausser dem Erwähnten : Spritze unbekannter Verwendung, Ge- würzmühle, Brettspiel, Steingutkrüglein, alte Füllfeder, Noten- linienfeder, 2 Federmesser, Brillenfutteral, 2 Etuis, geschnitzter Schirmknopf, 3 Freimaurerabzeichen, 2 Feuerstahle, 2 Flecht- maschinchen (?), Schrotgefäss, Nussknacker, Stimmpfeife, 7 Spiel- pfennige: 58. — Anonym: Filzhut von französischer (?) Tracht, Karfreitagsratsche. b) An Geld. Legat R. Forcart-Bachofen, Fr. 500. — Frau Bachofen-Vischer, Fr. 50. — Herr Prof. Dan. Burckhardt, Fr. 10. — Frau Forcart- Bachofen, Fr. 20. — Herr Gemuseus-Passavant, Fr. 20. — Herr 346 Fritz Sarasin. Hoffmann-LaRoche, Fr. 500. — Herr Dr. K. R. Hoffmann, Fr. 50. — Herr @. Krayer-LaRoche, Fr. 20. — Herr M. Krayer- Freyvogel, Fr. 20. — Frau A. Sarasin-VonderMühll, Fr. 20. — Herr E. R. Seiler, Fr. 10. — Herr A. Vischer-Krayer, Fr. 20. — Herr G. Zimmerlin-Boelger, Fr. 10. Anthropologische Sammlung. Geschenke. Tit. Historisches Museum, Basel: Alamannenschädel aus der Elısa- bethenstrasse, Basel. Herr Dr. G. Niethammer Ÿ : 3 Dajakschädel, Britisch Nord-Borneo. Dr. K. Stehlin, Basel: Alamannische Skelettreste vom Gott- erbarmweg, Basel. | 29 Bibliothek. Geschenke. Herr Prof. Dr. Ed. Hoffmann-Krayer, Basel: ca. 40 Bände ethno- logischer Werke. Tit. Museum für Völkerkunde, Hamburg: Abhandlungen des Ham- burger Kolonialinstituts, Bd. 31 und 11 (Reihe B. 17 und 8) Seidenstücker, Süd-Buddhistische Studien, 1916; Dempwolff, Die Sandawa. Herr Prof. Dr. L. Rütimeyer, Basel: 12 Bände ethnologischer Werke, Anthropos. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Zeitschrift für Ethnologie, 1896 bis heute. Jahresberichte der Museen von Bern, Freiburg i/Br., Hamburg, Leiden, St. Gallen, Walee. Bildersammlung. Geschenke. Herr E. Barth, Basel: Photos aus Dahome und Nigeria. Dr. K. M. Forcart, Basel: Ethnologische Bilder aus der Bre- tagne. » G. Forrer, Sumatra: 17 Photos aus den Battakländern, Sumatra. » Prof. Dr. E. Hoffmann-Krayer, Basel: Ethnologische Bilder aus Frankreich. » Dr. J. Mähly-Eglinger, Basel: 50 Photos aus Indien, Ägypten etc. Basler Sammlung für Völkerkunde, Jahresbericht 1916. 347 Herr Pfr. E. Miescher, Basel: Mappe mit Reproduktionen Hilde- brand’scher Aquarelle. Dr. van Rheden, Basel: Serie von Bildern der Sakais, Malakka. E. Schmid-Muth, Basel: Ansichten aus Japan, Amerika etc. » Dr. A. Tobler, Basel: 25 Bilder aus Sumatra. Herren K. und F. Zahn, Basel: 10 grosse Albums mit Bildern aus aller Welt. 29 22 Manuskript eingegangen 5. Januar 1917. Bericht über das Basler Museum für Völkerkunde für das Jahr 1917. Von Fritz Sarasin. Das Jahr 1917 bedeutet für unsere Sammlung einen Mark- stein wichtigster Art. Am 23. Juni wurde, bei Gelegenheit der Jahrhundertfeier der Basler Naturforschenden Gesellschaft, das neue Museum für Völkerkunde feierlich eröffnet. Einer Schilderung dieser Feier können wir an dieser Stelle entraten, da eine solche, begleitet von den beim Festakt in der Martinskirche gehaltenen Reden, im Jubiläumsband (28) der Naturforschenden Gesellschaft erschienen ist. Wir wollen nur hervorheben, dass die Aufstellung den vollen Beifall der Festteilnehmer und des Publikums gefunden hat. Das letztere erschliessen wir aus dem andauernd starken Besuch des neuen Museums. Durch verschiedene Führungen, veranstaltet von den Herren Rütimeyer, Speiser und Roux, sind einzelne Abteilungen dem Pu- blikum näher gebracht worden. Herr Dr. Speiser hat ausserdem am Tage nach der Eröffnung in der Aula einen öffentlichen Vor- trag über die Ziele und die Bedeutung völkerkundlicher Museen im allgemeinen und des -unsrigen im speziellen gehalten und ferner Kurse für junge Leute aus den oberen Schulklassen und eine Führung für Pfadfinder geleitet. Ein erfreuliches Zeichen erblicken wir auch in der starken Benützung der Sammlungen durch Zeich- nungsklassen. So wenig wie auf die Eröffnungsfeier, soll hier, obschon der Anlass dafür geboten wäre, auf die Geschichte unserer Sammlung eingegangen werden. Es wird sich, um dies nachzuholen, Gelegen- heit bieten, wenn einmal der geplante Führer durch das Museum in Angriff genommen werden wird. Hier sei nur erwähnt, dass fast alles auf freiwilligem Wege zusammengekommen ist, wie wir auch den Neubau zu einem guten Dritteil privater Munifizenz zu verdanken haben. Wir dürfen wohl beifügen, dass die ganze Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 349 Museumsarbeit, mit Ausschluss natürlich der vom Staate besoldeten manuellen Beihilfe, bis heute eine freiwillige Leistung gewesen ist. Die Kosten des durch die Herren Eduard, Ernst und Paul Vischer ausgeführten Neubaus, ohne das Areal, aber mit Einschluss der notwendig gewordenen baulichen Eingriffe und Veränderungen im anstossenden alten Museum, mit Einschluss ferner des Aus- stellungsmobiliars, haben sich auf rund 770,000 Fr. belaufen. Die Bodenfläche der Ausstellungsräume des neuen Museums beträgt 2331 Quadratmeter, die der Magazinräume im Untergeschoss 431. Hiezu kommt das mit den Sammlungsräumen verbundene Arbeits- haus am Schlüsselberg, enthaltend Bibliothek- und Sitzungszimmer, 7 Arbeitszimmer für die Abteilungsvorsteher, Packraum und Diener- werkstätte mit 411, zusammen 3173 Quadratmeter. Die Verteilung der Sammlungen im neuen Hause ist die fol- sende. Im Parterre enthält der noch im Bereich des alten Mu- seums liegende Eingangssaal von 162 Quadratmeter Bodenfläche (in früherer Zeit amphitheatralischer Hörsaal, später zur Auf- nahme der Reptilien- und Fischsammlung hergerichtet, jetzt gründ- lich umgebaut und erhöht durch Entfernung eines Zwischenstocks unterhalb der Aula) die Sammlungen aus Japan und China. Von hier betritt man den Neubau. Zwei kleine Räume, von denen der eine den Vorraum zur neuen Haupttreppe bildet, sind den reichen Beständen aus Ceylon und den noch wenig bedeutenden aus Vorder- und Hinderindien gewidmet. Dann erleidet die geo- sraphisch logische Aufstellung eine Unterbrechung, indem der Saal mit den Sammlungen aus dem Malayischen Archipel nicht unmittelbar an die genannten sich anschliesst, sondern durch zwei umfangreiche Räume mit vergleichenden Ausstellungen von diesen getrennt ist. Der kleinere davon (152 Quadratmeter) und mit Oberlicht versehene, birgt die vergleichende Sammlung der Ackerbaugeräte der Erde vom Grabstock der Wedda, Australier, Melanesier usw. angefangen bis zu den in unserem Museum reich- lich vertretenen, verschiedenen Formen von Pflügen. Eine Gruppe für sich bilden die Hackbaugeräte der afrikanischen Neger. Zusammen- gestellt sind ferner die Spaten und Hacken der Erde, die mannig- fachen Vorrichtungen zum Dreschen (Dreschwagen, Dreschschlitten, Dreschwalze, Dreschkeule, -Ruten und -Flegel), die Eggen, die Heu- gabeln, die Joche und noch manches andere; hiezu einige Wagen. Der andere, grössere (263 Quadratmeter) Raum illustriert die Webe- technik der Erde vom Beginn der Flachs- und Hanfbearbeitung bis zum fertigen Gewebe. Die wegen der aufgespannten Tücher oder Bänder Schädigungen ausgesetzten Webstühle (3 afrikanische, 5 asiatische, 3 amerikanische, Brettchenwebstuhl des Kaukasus und 1 von den 350 Fritz Sarasin. Sta. Cruz-Inseln) sind in einem grossen Glaspavillon vereinigt; während rohere Formen frei aufgestellt sind. Derselbe Raum enthält die Schiffe, unter denen ein grosses, sumatranisches Flussboot beson- ders hervorragt; deneben Einbäume aus Sumatra, Kamerun und der Schweiz, Flossboote von Ceylon und vom weissen Nil, Aus- legerboot der Sta. Oruz-Inseln, Fellboote der Eskimo und aus Wales, England (Coracle), Schwimmschlauch vom Tigris. An den begleitenden Saalwänden haben die Ruder und die Anker ihren Platz gefunden. Endlich sind hier zur Aufstellung gebracht die Mühlen, Pressen, Stampfen und die Transportmittel (Tragkörbe usw.). Der letzte Parterreraum (127 Quadratmeter) ist unseren reichen Beständen aus dem Malayischen Archipel gewidmet, wo wieder das geographische Prinzip zur Geltung kam und die Sammlungen nach den Inseln angeordnet sind, beginnend mit Java, endend mit den Aru-Inseln und den Philippinen. Im ersten Stockwerk sind die Kollektionen aus Australien, Melanesien, Polynesien und Amerika untergebracht, im Treppen- vorraum zunächst die grossen Holzskulpturen, Seitentürstücke und Hüttenaufsätze aus Neu-Caledonien. Hieran reiht sich ein kleinerer Raum mit den australischen Sammlungen, in den Fensterpulten Steingeräte und Tschuringas, in 4 grossen Vitrinen Zeremonial- geräte, Schmuck, Hausrat und Waffen. Der melanesische Saal entspricht in seiner Grösse dem darunter liegenden mit den Schiffen usw. Die Sammlungen beginnen hier mit Neu-Guinea. Daran reihen sich Bismarckarchipel, Trobriandinseln, Admiralitäts- inseln, Maty etc. und die Salomonen. Den Schluss der Ausstellung bilden Neu-Caledonien, Loyalty-Inseln und die Neuen Hebriden. Die Anordnung ist hier eine rein geographische, ohne aber allzu- sehr ins Detail zu gehen. Eine Ausnahme bilden blos zwei grosse Glaspavillons, von denen der eine Masken und Maskenpfähle des Bismarckarchipels, grosse Idole und eine Riesentrommel aus Neu- Guinea, sowie eine Ahnenstatue und einen Maskenträger der Neuen Hebriden, der zweite Maskenträger aus Neu-Caledonien, Masken und Farnstammidole der Hebriden enthält. Endlich beginnt der an- stossende Saal mit den Sta. Cruz-Inseln; er birgt ferner die Bestände aus Neu-Seeland, Fidji, Tonga, Samoa, den östlichen polynesischen Inseln, Mikronesien und Amerika. Wo irgend das vorhandene Material ausreichte, wurden in jeder Gruppe die Gegenstände in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet, beginnend mit den Kult- und Zauberobjekten, woran sich die Trommeln und Tanzgeräte anreihen, hierauf die Waffen, Körperschmuck, Kleidung und Hausrat. Das zweite Stockwerk enthält Altägypten, Vorderasien, ganz Afrika, die Polarvölker und die Prähistorische Sammlung, das - Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 351 Dachgeschoss die Abteilung Europa. Ueber die darin befolgte An- ordnung der Sammlungen möge man weiter unten die Berichte ihrer Vorsteher einsehen. Im ganzen Museum ist die Etikettierung aufs sorgfältigste durchgeführt worden, sowohl für die einzelnen Gegenstände, als auch in Form kurzer Uebersichten über die Kultur verschiedener Gebiete. Reichlich ferner‘ sind Karten und Photographien zur Ilustrierung herangezogen worden. Eine kleine Anzahl von Modell- figuren sollen die Art und Weise, wie Kleidung und Körperschmuck getragen werden, dem Verständnis näher bringen. Ueber die Verwaltung des Museums im abgelaufenen Jahr ist noch zu berichten, dass die regulären Beiträge des Staates, des Museumsvereins und der Gemeinnützigen Gesellschaft dieselben gewesen sind wie im Vorjahr. Zur Vollendung der Ausstellung ist uns vom Grossen Rate ein Nachtragskredit von 8000 Fr. in liberaler Weise bewillist worden. Leider hat derselbe bei den gegenwärtigen, sehr hohen Material- und Arbeitspreisen nicht aus- gereicht, so dass wir uns veranlasst gesehen haben, um einen weiteren von 5000 Fr. nachzusuchen. Mit besonderem Danke be- grüssen wir in diesen schlechten Zeiten das Geschenk von 2000 Fr., das uns die Museumskommission aus dem ihr zugefallenen, hoch- herzigen Legat der Frau Sophie Merian-Burckhardt sel. hat zu- kommen lassen. Neben dem langjährigen Diener Horne ist nun auch eine jüngere Kraft in der Person des Schreiners J. Bowald eingestellt worden. Beide besorgen neben ihrer laufenden Museums- arbeit einen Teil des Aufsichts- und Reinigungsdienstes. Bevor wir zu den einzelnen Abteilungen übergehen, möchte ich die Hoffnung aussprechen, dass das neue Museum sich dauernd der Gunst der hohen Behörden und der Einwohnerschaft Basels erfreuen und nicht nur eine edle Unterhaltungs- und Bildungsquelle für die Besucher bilden, sondern auch als Stätte wissenschaftlicher Forschungsarbeit auf dem weiten Gebiet der Völkerkunde unter den Anstalten ähnlicher Art eine ehrenvolle Stellung einnehmen möge. Prähistorische Sammlung. (Bericht des Vorstehers, Dr. P. Sarasin.) Der letzte über die prähistorische Sammlung veröffentlichte Jahresbericht war für den Jahrgang 1913 erstattet worden; seit- dem sind verhältnismässig wenige Einläufe zu verzeichnen, da die Sammlung in ihren Grundzügen vollendet war und es nur darauf ankam, noch einige besonders empfindliche Lücken zu ergänzen 352 Fritz Sarasin. zum Zweck der Aufstellung im neuen Museum für Völkerkunde, welche jetzt, Ende 1917, soviel wie vollständig zur Ausführung gebracht worden ist. Was bis zum genannten Datum vom Anfang 1914 an der Sammlung zukam, soll jetzt kursorisch erwähnt werden: Aus der Kulturstufe des Acheuleen einige Faustkeile von Sainte Marthe d’Eymet, Dordogne, und ein Silexspahn ebendaher; don. Dr. H. @. Stehlin. Eine Sammlung von Mousteriolithen aus verschiedenen Mou- stérienstationen der Vézère, käuflich erworben. Die gesamte prähistorische Ausbeute von Ceylon, die Kultur- stufe des Magdalenien repräsentierend, von der Kampagne des Jahres 1907, beschrieben in: Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf Ceylon, 4, die Steinzeit auf Ceylon, 1908; dons. F. und P. Sarasin. Eine Sammlung von Glyptolithen aus Australien, zum Teil von mesolithischem, zum Teil von neolithischem Charakter, insofern sich neben erstaunlich rohen Steinwerkzeugen sehr sorgfältig zugerichtete finden, wie namentlich feingesägte Pfeilspitzen. Die australische Lithoglyphie bedarf noch an Hand eines sehr grossen und auf Her- kunft genau bestimmten Materiales der wissenschaftlich-kritischen Durcharbeitung ; don. Dr. F. Sarasin. Dem Neolithikum zuzurechnen ist eine Sammlung von Glypto- lithen aus Neuseeland, meist aus Obsidian gefertigt, käuflich er- worben. Die prähistorische Sammlung aus Schweizer Pfahlbauten vom verstorbenen Dr. Thiessing wurde zur Ergänzung unseres Bestandes käuflich erworben, da sie viele sehr schöne Stücke enthält, deren Aufzählung aber keinen Zweck hätte, da keines derselben eine wissen- schaftliche Novität darstellt. Erwähnt sei nur die grosse Selten- heit eines wohlerhaltenen Hirschhornbechers. Geschenk des Frei- willigen Museumsvereines (1915). Einige Steinbeile von Michelsbach wurden der schon vor- handenen grossen Sammlung solcher aus der näheren und ferneren Umgebung von Basel eingereiht. Eine neolithische Lanzen- und eine Pfeilspitze, beide schön gearbeitet, von Sumano, Provinz Vincenza; don. Dr. F. Sarasin. Ein Steinbeil aus dem seltenen Fibrolith von Vialette, Haute- Loire; don. Dr. H. @. Stehlin. Eine grosse Sammlung neolithischer Glyptolithen aus Pata- gonien, durch Ankauf erworben, enthielt viele sehr typische Mousterio- lithen, wie solche innerhalb des Neolithikums auch in der Schweiz vom Berichterstatter nachgewiesen wurden. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 353 Aus der Kulturstufe der Bronzezeit brachte die schon erwähnte Sammlung Thiessing wertvolle, den bisherigen Bestand ergänzende Objekte. Ein kleiner Bronzefund mag des lokalen Intesesses wegen nam- haft gemacht werden; der Berichterstatter fand nämlich im Kies- schotter des Trottoirs am untern Rheinwes das Fragment eines Bronzedolches. Vielleicht stammt es aus dem Alluvialschotter der Wiese, entsprechend wie in dem der Birs schon Bronzefunde ge- macht worden sind. Der prähistorischen Eisenzeit sind sechs Münzen zuzurechnen, die 1904 auf dem Grossen St. Bernhard gefunden wurden; don. Prof. Dr. E. A. Stückelberg. Und nun gestatte man mir noch einige Bemerkungen über die wichtigste Tätigkeit, die ich im Laufe des letzten Jahres auszu- üben hatte, nämlich über die Aufstellung unserer gesamten prä- historischen Sammlung im neu errichteten Museum für Völker- kunde. Es sei hier von vorneherein hervorgehoben, dass die vor- treffliche bauliche Disposition, die Helligkeit des zur Verfügung gestellten Raumes mit seinen harmonischen, angenehmen Dimensi- onen, sowie die Solidität des zweckmässig konstruierten Mobiliars zu besonderer Sorgfalt in der Auslegung der Objekte einluden, sodass der mir vorschwebende Zweck, den Anfänger an Hand logisch an- geordneten Sammelmateriales in die Wissenschaft der Prähistorie mühelos einzuführen, vollständig erreicht werden konnte. Gerne ergreife ich diese Gelegenheit, um auch meinerseits den Herren Architekten E. Vischer und Söhne meine dankbare Anerkennung auszusprechen. Der Gedanke, welcher mich bei der Anordnung der Sammlung leitete, war derselbe, der von Anfang an, da ich die prähisto- rische Abteilung übernahm, für mich leitend wär, nämlich der, ein Bild von der Prähistorie der gesamten Erdballs in den Grundzügen zu entwerfen, oder, um mich eines, dafür von mir vorgeschlagenen Ausdruckes zu bedienen, ein augenfälliges Bild der globalen Prä- historie vor dem Beschauer auszubreiten. Er war mir schon frühe klar geworden, dass es ebenso aussichts- als zwecklos sein würde, im Zusammenbringen der schweizerischen Pfahlbautenindustrie mit den übrigen Museen unseres Landes in Wetteifer treten zu wollen; denn von Beginn der prähistorischen Forschung in der Schweiz an hatten jene Museen sich in den Besitz reichster Schätze aus den Pfahlbautenstationen gebracht, was hier in Basel nicht geschehen war, sodass ich mich darauf beschränkte, im Laufe der Jahre nur die am meisten typischen Stücke, diese aber in mög- lichster Vollkommenheit der Erhaltung, aus der Pfahlbautenzeit 23 354 Fritz Sarasin. der Schweiz zusammenzubringen. Was aber den anderen Museen fehlt, das ist eine Sammlung prähistorischer Typen über den ganzen Erdball hin, in welche Sammlung sich die schweizerischen Pfahl- bauten nur als eine lokale Ausprägung der neolithischen Kultur- stufe einreihen, und nicht nur auf die Heraussetzung dieser natio- nalen neolithischen Kulturstufe kam es mir an und in Verbin- dung damit auf die vorwiegende Berücksichtigung der in der Schweiz aufgefundenen paläolithischen Stationen, für deren Ver- tretung ich natürlich ebenfalls besorgt war, vielmehr war mir vor allem an einer Darstellung sämtlicher prähistorischer Kulturstufen vom Chelléen bis zur Eisenzeit über den ganzen Erdball hin ge- legen. Ich kenne noch keine öffentliche Sammlung, auch nicht in auswärtigen Museen, wo diesem Gedanken, der doch der wissen- schaftlich allein zulässige ist, in der Schaustellung des aufge- sammelten Materiales sichtbarer Ausdruck gegeben worden wäre, nämlich mit Zurücksetzung nationaler und lokaler Aufsammlungen das gesamte System der Prähistorie dem Beschauer, der nicht so- wohl flüchtige Unterhaltung als eindringende Belehrung sucht, in prägnanten Zügen vor das Auge zu bringen, damit er eine brauch- bare Frucht für seine Erkenntniss mit sich davon trage, und ich möchte zugleich die Hoffnung aussprechen, es möge dieses Vor- gehen auch in anderen Museen Nachahmung finden, es möge auch in anderen Museen, besonders in denen grosser Weltstädte, wo ein gewaltiges Material globaler prähistorischer Ergologie aufgehäuft liegt, eine dem Beschauer umfassende Belehrung bietende Schau- sammlung, nach Art der in unserem Museum für Völkerkunde auf- gestellten, in systematisch übersichtlicher Anordnung ausgebreitet werden. | Nach diesen Worten hat es keinen Zweck auf Einzelheiten einzutreten, in den früheren Jahresberichten ist ja jeweilen darauf hingewiesen worden; speziell bemerke ich nur, dass ich unsere neolithische Sammlung, welche die Pfahlbautenfunde in sich ein- schliesst und die im Gegensatz zu den früheren Kulturstufen eine sehr reiche Spezifizierung der Ergologie zeigt, ebenfalls nicht nach lokalen Funden angeordnet habe, wonach die beständige Wieder- holung von Werkzeugtypen den Betrachter nur ermüdet hätte, ohne seine Einsicht zu fördern, sondern ich ordnete das gesamte Ma- terial systematisch nach den Gewerben, zu denen es gebraucht wurde, eine Arbeit, die, scheinbar leicht ausführbar, doch viele Mühe mit sich gebracht und vieles Nachdenken nötig gemacht hatte. Was jetzt als selbstverständlich und äusserst einfach er- scheint, das erforderte die umständlichste Kombination der ja ohne systematische Ordnung, so wie sie eben einliefen, jeweilen ge- Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 355 buchten Sammlungsobjekte. Wer aber jetzt in der ausgelesten Sammlung von der ersten Kulturstufe an sorgsam betrachtend bis zur jüngsten fortschreitet, wird den Eindruck einer Kulturentwicklung empfangen, die einem Baume zu vergleichen ist, der mit einfachem Stamme beginnend, sich immer mehr verästelt und verzweigt, um endlich eine reiche Krone mit Blättern und Blüten auszubreiten; und zugleich wird der stille Betrachter erkennen, dass in der prä- historischen Ergologie der gesamten Erde eine gesetzmässige Fort- entwicklung deutlich sich ausprägt. “ Diese gesetzmässige Fortentwicklung gibt sich vor allem auch, und das auf den ersten Blick, in der merkwürdigen Tatsache zu erkennen, dass in der paläolithischen Kulturstufenfolge, um diese gegenüber dem Neolithikum einheitlich zusammenzufassen, die Stein- werkzeuge von Stufe zu Stufe kleiner werden, um sich in der letzten Stufe, der des Magdalénien, geradezu zu verfeinern; zugleich aber mit der allmähligen Verkleinerung der Steinwerkzeuge bereichert sich die Ergologie durch Heranziehung eines anderen Materiales, näm- lich des Knochens, sowie des Holzes,!) zur Herstellung von Werk- zeugen. Mit dem Neolithikum zeigt sich ein ganz neues Bild; eine viel reichere Kulturindustrie tut sich vor uns auf, vor allem auch durch die Erfindung der Keramik gekennzeichnet, und der im Chelléen zuerst auftretende Faustkeil, der im Mousterien zur Moustierspitze sich verkleinert und nachher ganz verschwindet, zeigt sich in neuer Form im neolithischen Steinbeil, das in der älteren Unterstufe des Mesolithikum zuerst in roher Zurichtung auftritt, um dann zuge- schliffen das eigentliche Leitartefakt, soweit es das Material aus Stein angeht, auszumachen und zwar als völlige Neuerscheinung; denn während das betreffende Steingerät, der keilartige Fauststein, im Ohelleen und Acheuléen unmittelbar mit der Hand gebraucht wurde, wird das neolithische Steinbeil an einen Axtstiel gefasst; der Arm wird durch einen Holzstiel künstlich verlängert, die Fas- sung des Beilsteines am Stielkopf ersetzt die Hand. Die gesetzmässige Kulturentwicklung, wie sie in der prähisto- rischen Ergologie der ganzen Erde erkennbar wird, zeigt sich auch beim Überblick über unsere Sammlung sogleich darin, dass gewisse Werkzeugtypen allenthalben in gleicher Ausbildung wiederkehren und zwar in so genauer Übereinstimmung, dass der Gedanke, sie könnten an verschiedenen Orten des Erdballs selbständig erfunden 1) Die Verwendung des Holzes im jüngeren Paläolithikum erfahren wir durch die Höhlenmalereien, auf denen wir die Wurflanzen und den Pfeilbogen auftreten sehen; erhalten haben sich paläolithische Holzgeräte nur ganz aus- nahmsweise und fragmentarisch. 356 Fritz Sarasin. worden sein, von der Hand zu weisen ist; denn die Faustkeile oder, wie ich sie nennen will, die Sphenisken des Chelléen und Acheuléen von Europa, Afrika und Indien sind ebenso gleichge- staltet, wie die Mousteriolithen von Europa und Tasmanien, wie die neolithischen geschliffenen Steinbeile auf dem gesamten Erd- ball, und gerade die letzteren beweisen durch ihre lückenlose geo- graphische Aufeinanderfolge, dass alle diese ergologischen Typen von einem Orte aus, wo sie einmal erfunden worden sind, von Volks- stamm zu Volksstamm sich verbreitet haben, dass sie Wandertypen sind, die überall, wo sie sich hin verbreiteten, als neue Erfindungen bereitwillig aufgenommen wurden und so den bisherigen Werkzeug- schatz bereicherten. Die ergologische Typenwanderung scheint sich verhältnismässig rasch vollzogen zu haben, so wie ja auch z. B. der Tabak, die Kartoffel, der Mais nach der Entdeckung von Amerika rasch bis zu den primitivsten Völkerstämmen vorgedrungen sind; ausserdem leistete in prähistorischer Vergangenheit die gewaltige Länge der Zeit einer solchen ergologischen Typenwanderung Vor- schub. Wer auf diesen Gesichtspunkt hin unsere prähistorische Sammlung durchgeht, der wird dem Gedanken, als wären die sich gleichenden ergologischen Typen an vielen Orten selbständig ent- standen, den Abschied geben, ein Gesichtspunkt, den ich jetzt wie schon früher?) betone, da der Irrtum der selbständigen Erfin- dungen von in globaler Ausbreitung gleichgeformten Werkzeugen immer wieder auftaucht und man denselben auch immer noch mit dem konfusen Begriff des „Völkergedankens“ Bastian’s verknüpft findet. Um es kurz zu sagen: ein hochbegabtes Volk, resp. gewisse einzelne hochbegabte Individuen machen die neuen Erfindungen, die andern übernehmen sie und stilisieren sie entsprechend ihrer geistig konstitutionellen Eigenart. So soll die Betrachtung unserer Sammlung den Gedanken der gesetzmässigen Entwicklungsfolge der prähistorischen Kulturstufen, wobei die neuen jeweilen in globaler Ausbreitung schichtweise sich über die älteren legen, im Beschauer lebendig werden lassen.?) 2) P.S. Zur Einführung in das prähistorische Kabinett der Sammlung für Völkerkunde im Basler Museum, 1906, p. 37. 3) Bei einer Erfindung hat sich sogar die Tradition, dass sie von einem einzelnen Menschen der ganzen Menschheit gegeben wurde, erhalten, nämlich beim Feuer; ja, bis zu gewissem Grade für alle Gewerbe, indem man die in Aeschylos Prometheus gegebene Darstellung ruhig im obigen Sinne generalisieren darf, und in Alt-Aegypten erscheint Prometheus durch Osiris vertreten. Dass dieser Gesichtspunkt aber nicht auf die moderne Wissenschaft anzuwenden ist, die vermöge ihrer systematisch sich aufbauenden Arbeitsweise, deren Ergebnisse literarisch sogleich überall hin verbreitet werden, verschiedene Köpfe zu gleicher Zeit einen neuen Gedanken, eine neue Erfindung gewinnen lässt, ist wohl ohne weiteres einleuchtend. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 357 Diese schichtweise Aufeinanderfolge der Kulturstufen erleidet freilich mit dem Auftreten der Metallzeit, im speziellen der Bronze- zeit, eine Störung, insofern die Herbeischaffung des Materiales für die Bronze, von Kupfer und Zinn also, und die Schmelzung und Herstellung der Werkzeuge mit Hilfe von Gussformen für viele primitive Völkerschaften unmöglich war und es noch ist. Stein findet sich ja überall; aber mit den Metallen ist es eine andere Sache, und auch das Eisen, das erst nach umständlicher Verhüt- tung brauchbar wird — wenn es nicht, wie in ausnahmsweisen Fällen, in gediegenem Zustand an Stelle von Stein zu Beilen ver- mittelst Zuhauung und Polierung verwendet wurde — drang nur langsam vor und nur zu solchen Völkerstämmen, die durch nahe und dauernde Berührung mit in der Kultur vorgeschrittenen Völkern die Verhüttung erlernt hatten; ja, auch dann bedarf es besonders geschickter Individuen, die von Alters her auch bei Kulturvölkern im Geruch höherer Fähigkeiten, als sie dem gemeinen Mann erreichbar waren, standen und bei zahlreichen Völkern noch stehen; es hängt ihnen etwas dämonisches an, etwas phantastisches, man glaubt sie im eigentlichen Sinne des Wortes mit dem Teufel im Bund. Die Bearbeitung des Steines aber ist für jeden erlern- bar, und so stand der schichtenweisen Ausbreitung der lithochronen Kulturenfolge nicht das Hindernis der Schwierigkeit in der Be- schaffung des Materiales und der Herstellung der Werkzeuge ent- gegen, wie bei denen aus Bronze und Eisen. Es ist nun weiter noch ein sehr wichtiger Umstand in der Be- handlung einer prähistorischen Sammlung namhaft zu machen, er betrifft die Etikettierung. In vielen Museen fehlt dieselbe entweder ganz oder sie ist ungenügend durchgeführt; durch ihr Fehlen aber wird die Sammlung für den Anfänger, ja auch für den Kenner, geradezu stumm gemacht. Eine knapp gefasste Aufschrift, die ge- wissermassen die Sprache der Objekte sein soll, kann aber nur durchgeführt werden, wenn alle Objekte vorerst einer sorgfältigen Katalogisierung unterworfen worden sind, und diese Katalogisierung, womit eine vorläufige, vor jeder Störung sichere Aufbewahrung zu verbinden ist, habe ich von Anfang, im Jahre 1903 an, in der folgenden Weise vorgenommen: Von jeder neu hinzugekommenen Sammlung oder auch jedem Einzelobjekte wird zuerst, so genau als es nach den mitgeteilten Angaben möglich ist, die Herkunft, der Fundort also, festgelegt; sodann werden die Objekte wissenschaftlich nach den durch sie repräsentierten Kulturstufen und jedes einzelne nach seinem Wesen und Gebrauch bestimmt. Darauf erhält ein jedes seine fortlaufende Zahl, welche die des Kataloges ist, je nach heller oder dunkler 35 O0 Fritz Sarasin. Färbung mit schwarzer oder weisser Farbe aufgeschrieben, was nur in seltenen Fällen wegen der Kleinheit der Objekte untunlich wird; solche werden in eigenen kleinen Schachteln oder in Glas- tuben verwahrt, denen die Katalogzahl beigelegt wird. In den weitaus meisten Fällen lassen sich bis 4 Zahlen nebeneinander mit der Tuschfeder anbringen, sodass ich also bis 9999 ohne Kür- zung numerieren konnte. Darauf begann ich von neuem mit der 1, fügte aber über den neuen Zahlen einen Punkt bei, sodass also das zweite Zehntausend einen Punkt über den Zahlen hat; für das folgende Zehntausend würden zwei Punkte anzubringen sein und so weiter. Darauf kommen die Objekte partienweise nach Ver- wandtschaft geordnet, z. B. Spitzen, Messer, Schaber, usw., in offene Schachteln, deren jede auf einer Etikette die Zahlen der in ihr deponierten Objekte aufgeschrieben zeigt. Diese Schachteln werden in staubfreien Schubfachkasten autbewahrt; jedes Schubfach be- kommt wieder eine Etikette mit den Zahlen der in ihm enthaltenen, in den Einzelschachteln deponierten Gegenstände. Ist dies ge- schehen, so wird die neu eingelaufene Sammlung in das Eingangs- buch mit kurzer Aufschrift und den durch sie repräsentierten Zahlen eingetragen. Endlich bietet den Schlüssel zum Ganzen ein Zettelkatalog, der die Lokalitäten- und die Donatorennamen ent- hält; zu jeder dieser beiden Kategorien werden die Zahlen der Objekte beigeschrieben. Für diejenigen Gegenstände, die in der Schausammlung ausgelegt sind, wird dies in den Schachteln, denen sie entnommen wurden, angemerkt. Muss ein Objekt wegen seiner Grösse an einem besonderen Orte untergebracht werden, weil es im Schubfachkasten nicht Platz findet, so weist ein Zettel an der Stelle, wo seine Nummer im Schubfach sich finden sollte, auf den Ort der Unterbringung hin. So kann jedes Objekt sofort aufge- funden und sei es zum eigenen Studium, sei es auf Wunsch von Drittpersonen herbeigebracht und aufgezeigt werden. Für die Schausammlung ist auch der folgende Gesichtspunkt von Bedeutung: die Objekte, die fast durchgehends auf kleinen Holztabletten ausgelegt sind, müssen, besonders wenn ihrer zahl- reiche kleine nebeneinander gruppiert werden, eine möglichst har- monische Anordnung erkennen lassen, um das Auge nicht zu er- müden; das ist nun Sache eigenen Empfindens und kann nicht nach Regeln erläutert werden, umso weniger, als ja die Anordnung ganz vom Wesen der Objekte abhängt und also für jede Tablette ver- schieden ist. Als farbiger Untergrund wurde durchgehends, wie übrigens im ganzen Museum, ein gelbgrauer Anstrich gewählt, der vom ver- storbenen Zoologen K. Möbius. dem Direktor des Berliner Natur- Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 359 historischen Museums, empfohlen worden ist und der das Auge nicht ermüdet, weil er, wie Helmholtz bestätigte, keine Nachbilder im Auge hinterlässt. Auf dem so gefärbten Untergrund scheinen die Objekte wie auf einer Nebelwand zu schweben; sie kommen als solche zur Geltung mit der kärglichen Färbung, die fossilen Objekten eigen ist, und werden nicht durch grellen Anstrich des Untergrundes übertönt. Nichts schädigt die Wirkung eines schlicht gefärbten Objektes mehr, als ein greller, etwa wie das öfter beliebt wird, rot gefärbter Untergrund; sogar schwarz macht den Objekten eine viel zu starke Konkurrenz, mag aber zur seltenen Ausnahme bei hellgrauen oder durchsichtigen Objekten verwendet werden. Ich habe es nirgends getan, da sich eine schwarz gestrichene Tablette aus der Suite der andern zu grell hervorhebt. ‚Jeder, der sich wirklich unterrichten will — und für blosse Unterhaltung bietet eine Sammlung prähistorischer Fundstücke keine Handhabe — wird dem Möbius’schen Anstrich den Vorzug vor jedem anderen geben, weil nur durch diesen das Objekt zur vollen Geltung kommt, und darum kann es sich ja allein handeln. Ich übergehe die Fülle von Einzelheiten, die sich vor dem Auge des forschenden Betrachters ausbreiten und die sowohl in den Objekten selbst, als in den aus ihnen zu gewinnenden Erfah- rungen auf Grund logischer Schlussfolgerungen sich aussprechen, und weise nur noch auf den grossen Unterschied hin, der uns nach einer Besichtigung der ethnographischen Sammlung, der aktuellen Ergologie also, beim Betreten der prähistorischen Sammlung als erster Eindruck entgegensprinst: es ist derselbe, den wir emp- fangen, wenn wir nach der Besichtigung einer Sammlung bunter noch lebender Tierformen einen Saal betreten, worin die fossilen Reste derselben zur Ausstellung gebracht sind. Wie die aktuelle Ergologie der farbenbunten Aufstellung noch lebender Wesen zu vergleichen ist, so die prähistorische Ergologie einer paläontolo- gischen Sammlung, und es ist darum gerechtfertigt, die Prähistorie im Gegensatz zur Ethnographie oder der aktuellen menschlichen Ergologie als fossile menschliche Ergologie oder mit einem Worte, dem Ausdruck Paläontologie entsprechend, als Paläergologie zu be- zeichnen. Polarvölker, Afrika und Vorderasien. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. Leop. Rütimeyer.) Das Berichtsjahr, über welches hier referiert werden soll und welches endlich die Erfüllung längstgehegter Wünsche brachte, war vor allem der Arbeit des Ordnens und des Einreihens unserer 360 Fritz Sarasin. Sammlungsbestände im neuen Museum gewidmet, weit weniger der Sammeltätigkeit selbst. Bevor über letztere berichtet wird, ist es am Platze, etwas über die Prinzipien und Gesichtspunkte zu sagen, nach welchen diese Aufstellung durchgeführt wurde. Im ersten Vorraum der II. Etage (Ausstellungsfläche 33 m’) wurde in Wandschränken und Pultvitrinen unsere kleine Sammlung altägyptischer und vorderasiatischer Altertümer untergebracht; der zweite (Grundfläche 48 m?) ist der arabischen Architektur, speziell der Innenarchitektur gewidmet. Die Mitte des Raumes nimmt ein aus unsern altarabischen Muscherabijen, grossenteils dem 16. Jahr- hundert angehörig, hergestelltes Gremach ein, dessen Decke der präch- tige Plafond eines altarabischen Hauses aus Tunis bildet. Im Innern ist die Gewandfigur einer Agypterin und einiger Hausrat aufge- stellt. An den Wänden hängen verschiedene Innenarchitekturstücke, wie Muscherabijen, schönes Holzgitterwerk, Deckengebälk, dann das Tor eines Kabylengehöftes mit altberberischem Dekor, bemalte Abgüsse der Alhambra-Architektur und Nachbildungen von Fliesen derselben. Die Fenster sind teilweise besetzt mit altarabischen Fenstern aus buntem Glase aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Es folgt der grosse Hauptsaal (Flächeninhalt 263 m?), der die Sammlungen aus dem Kaukasus und Vorderasien, die afrikanischen und arktischen Sammlungen enthält. Dass letztere hier unterge- bracht wurden, erscheint allerdings nicht sehr logisch, war aber durch einen schon bei Einräumung des neuen Museums sich be- merkbar machenden Raummangel unausweichlich. Allerdings bildet dann wieder in mehr logischer Weise die kleine arktische Abtei- lung den Übergang zur erense im nächsten Saale. Die Aufstellung im grossen Hauptsaal ist so durchgeführt, dass innerhalb einer Aufstellung in den Schrankreihen, welche die Mitte einnehmen, nach geographischen Gesichtspunkten ausgestellt wurde, doch so, dass einige sachlich zusammengehörende Gruppen in die fortlaufende geographische Serie eingereiht wurden. Die Pultvitrinen an den Fenstern, sowie die Wände blieben sachlichen Spezialgruppen, sei es aus Afrikä allein, sei es aus allen drei, dem Referenten unterstellten Gebieten, Vorderasien, Afrika und Polar- länder, reserviert. Dieses Nebeneinander von geographischer und sachlicher Spezialausstellung bietet namentlich auch für das Pu- blikum grosse Vorteile der Übersichtlichkeit. Bei grösseren Mengen von Ausstellungsobjekten wurde übrigens auch in den geographischen Serien so verfahren, dass jeweilen gewisse materielle Gruppen wie Kleider, Hausgeräte, Waffen etc, zusammengestellt wurden. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 361 Die Reihen der grossen, senkrecht zur Längsaxe des Saales aufgestellten, von beiden Seiten Licht erhaltenden Schränke beginnen mit den Beständen aus dem Kaukasus, dem Agypten, Tripolis, Tunis, Algier und Marokko folgen. Daran schliesst sich die Spe- zialgruppe afrikanischer Musikinstrumente, die eine ganze Querreihe von vier grossen Schränken ausfüllt. Es folgen die Bissagos-Inseln mit Senegambien, Sierra Leone und Hinterland, der französische West-Sudan und die Goldküste, Togo und Dahome. Bei der Goldküste sind als Spezialgruppe die Kultgegenstände, speziell Fetischdienstobjekte von der Goldküste und Asante, ein- geschaltet. In der Mitte des Saales ist vorläufig zum Zwecke spätere Aufstellungserweiterung ein grösserer Raum freigehalten, dessen Mitte ein grosser Glaspavillon einnimmt mit dem Panzerreiter von Bornu und afrikanischem Sattelzeug. Es folgen dann wieder in geographischer Reihenfolge Benin, Süd- und Nord-Nigeria, Kamerun mit einer Spezialgruppe von Kult- objekten, die Geheimbünde illustrierend, vor allem den früher so gefürchteten Mungilosango. Weitere Schränke enthalten die Bestände der Kongoländer mit einer Spezialgruppe der Pygmäenergologie der Wambutti vom Ituri; es folgt wieder ein grosser Glaspavillon mit afrikanischen Kultobjekten, Masken und Idolen (ca. 160 Idole und 55 Masken); den Schluss machen Süd- und Ostafrika, die Gebiete der grossen Seen und des obern Nil; Osthorn, Abessynien und der östliche Sudan mit Nubien schliessen sich wieder an den Anfang mit Agypten an. Teils in diesen Schrankserien, teils in einem Extra- schrank sind aufgestellt einige Gewandstatuen, so ein Berber aus Süd-Marokko, ein Bunduteufel, ein Wakambatänzer in voller Aus- rüstung, sowie eine Hererofrau. Ein fernerer Wandschrank enthält eine reiche Sammlung afri- kanischer Amulette, deren innere Bedeutung, soweit sie bekannt, auf numerierten Tafeln angegeben ist und die wieder geogra- phisch und nach ihren spezifischen Zwecken geordnet sind. Die andere Hälfte dieses Schrankes nimmt eine Sammlung afrikanischer Tabakpfeifen ein, sowie eine Gruppe von Puppen aus Afrika, Vorder- asien und den Polarländern. Die Fensterpultschränke endlich sind ausschliesslich für Spe- zialgruppen reserviert, so vier derselben für männlichen und weib- lichen Körperschmuck in Metall, Holz, Stein, Federn, Leder, Glas- perlen etc., diese wieder nach geographischen Provinzen geordnet aus Vorderasien, dem Kaukasus und ganz Afrika. Drei fernere Vitrinen zeigen die hochentwickelte Metalltechnik der Kongostämme 362 Fritz Sarasin. durch Ausstellung von (Grebrauchs-, Kriegs- und Prunkmessern, Wurfmessern, Kriegs- und Prunkäxten (ca. 90 Stück), zwei weitere die afrikanischen Geldsorten von der riesigen Longanda des Kongo bis zum Kaurigeld West-Afrika’s, endlich eine vergleichende Gruppe Kinderspielzeuge und afrikanische Feuerzeuge. An den Wänden sind ebenfalls in geographischer Anordnung angebracht die afrikanischen Lanzen, Schilde, Bogen und Pfeile (202 Lanzen, worunter 75 der Kongoländer, 37 Schilde und 24 afrikanische Bogen). Zur Illustration des Ausgestellten dienen ein- zelne Photographien. Die arktische Sammlung endlich nimmt die südliche Schmal- wand des grossen Saales ein und beherbergt in vier Schränken die Objekte aus Ost- und West-Grönland, die schon ziemlich ansehn- lich gewordene Sammlung der finnischen, russischen, schwedischen und norwegischen Lappen, einige Objekte der Samojeden und aus Sibirien, endlich etwas weniges von den Aleuten und von Alaska. An der Wand ist angeordnet eine kleine Spezialgruppe lap- pischer Netze und Fischereigeräte. Polarvölker. Zuwachs des Jahres 1917. Im Berichtsjahre verdanken wir wieder der unermüdlichen und äusserst fachkundigen Sammeltätigkeit von Herrn Konietzko in Ham- burg, der ausser für einige grosse deutsche Museen auf seiner Reise im schwedischen Lappland (Nord-Jämtland) im Herbst 1916 auch für uns einiges sammelte, eine sehr wertvolle Kollektion von 30 Nummern, jede eine Ergänzung unserer sonstigen Lappenbestände. Von besonderm Interesse ist eine kleine Gruppe von Objekten, die aus Birkenrinde gefertigt sind. Birkenrinde ist bekanntlich gerade für arktische Völker von grosser Wichtigkeit, da sie zu allen möglichen Zwecken verwendet werden kann. Die Birke hat hier einen hohen wirtschaftlichen Wert. Die Birkenrinde dient, und das gilt gewiss zum Teil auch für unsere Schweizer Pfahlbauten, in denen oft Birkenrinde gefunden wird, zum Dachdecken, zur An- fertigung von Geräten und zum Flechten von Schuhen, Körben und Grefässen. Aus der Rinde wird Birkenteer gewonnen, aus den Blättern Farbstoff für Wolle.*) Eine weitere wichtige Anwendungs- weise der Birkenrinde, über die sich in der Literatur. fast nichts findet, ist die Anfertigung von Birkenkerzen und Fackeln, wie sie 4) Vergl. Krause. Die indogermanischen Namen der Birke und Buche in ihrer Beziehung zur Urgeschichte, Globus, Bd. 62, 1892 p. 157. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 363 heute noch gebraucht werden in abgelegenen Teilen von Spanien, in Polen und wie jetzt Herr Komietzko, den ich bat, hienach in Lappland zu forschen, nachwies für Herbergsdalen, Nord-Jämtland und schwedisch Lappland. Doch sind sie auch dort seit 15—20 Jahren obsolet. Exotisch fand Herr Dr. Th. Schneider?) bei den Chippewai-Indianern Fackeln aus Birkenrinde. In der Schweiz konnte Referent solche Birkenkerzen im Be- richtsjahre auch nachweisen für einige Gegenden des Tessin und des Misox; ebenso sind nach Abbé Breuil zweifellos der grösste Teil von in Pfahlbauten gefundenen Birkenrollen als solche Birkenkerzen zu deuten, wie auch hiefür Herr Sul/zberger für den Pfahlbau „Weiher“ den endgiltigen Beweis erbracht hat, indem er eine solche Birken- kerze fand, deren Ende noch verkohlt war. Andere Objekte unserer Sammlung aus Birkenrinde sind ein Salzgefäss, ein Trichter für Rentiermilch, ein grosser Tragkorb aus Birkenrindengeflecht. Weitere direkt an prähistorische Ergologie sich anreihende Geräte dieser Lappen sind eine ca. 10 cm lange Holznadel zum Nähen der Birkenrindengefässe, ein Schaber aus Renhorn zum Auskratzen von Holzschalen, ein Löffel aus Elchhorn und ein Messer aus dem Mittelfussknochen eines Elches. Für Jagd und Fischfang dient eine Fangschlinge für Auerwild, ein Bärenspeer mit Spitzen- schutz aus Renhorn, sowie zwei dreschflegelartige Geräte aus ge- flochtenen Birkenruten, mit denen die Forellen, nachdem das Wasser aus gestauten Forellenbächen zumeist abgelassen, geschlagen werden. Einige Kleidungsstücke, worunter ein schöner Fellrock und Pelzmütze aus Rentierfell, zwei Gürtel mit Zinndrahtdekor für Weiber, eine Rückentrage (Räf) aus Holz, geflochtenen Zweigen und Knochen, verschiedene Körbchen und eine originelle Art von Schachspiel, bei dem kleine geschnitzte Holzfiguren die Lappen und die nach Norden vordringenden Bauern darstellen, setzen mit noch einigen andern Objekten die interessante Kollektion zusam- men, der der Referent noch ein Gerät zum Fellgerben von den Samojeden des Izmadistriktes hinzufügte. Afrika. Der Zuwachs ist dieses Jahr ein sehr bescheidener, er beträgt nur 59 Nummern, die wir fast ausschliesslich alten und neuen Gön- nern und Freunden unsrer Sammlung verdanken. 5) Aus dem Leben von Dr. Th. Schneider. Basel 1902, p. 53. 364 Fritz Sarasin. Aus Alt-Ägypten schenkte der Referent eine kleine Vogel- mumie und ein Collier aus Glas- und Thonperlen, deren Authen- tizität allerdings kaum durchwegs gesichert sein dürfte. Nordafrika. Zwei Gefässe aus schwarzem Thon aus Assiut ver- danken wir Herrn Dr. Th. Engelmann. Aus Tunis kommt ein Schmuck, Alaka, der bei Umzügen über die Prozessionsfahnen ge- hängt wird (Donator Herr Prof. E. Hoffmann-Krayer). Eine Anzahl schöner alter Gefässe, die einer Privatsammlung entstammen, deren Ankauf uns dieses Jahr ohne die Hilfe bewährter Gönner nicht möglich gewesen wäre, schenkte Herr Dr, Rud. Merian. Hieher gehört ein schöner Henkelkrug, der alten kabylischen Töpferei angehörig und neben einigen kleineren Gefässen zwei grosse Fayence- platten aus Fez, ferner, ebenfalls aus Fez, zwei Ziergefässe aus Thon, bei denen auf hellrotem Grunde Blumen und Rosettenorna- mente in grellen Farben aufgetragen sind. Der interessante Dekor scheint als Nachahmung der bunten marokkanischen Lederarbeiten aufzufassen zu sein. Aus Marokko stammt ferner ein schönes Pulverhorn; eine Dop- pellampe aus Messing scheint aus Arabien zu kommen (Geschenk von Herrn Dr. À. Merian). Westafrika. Aus den Senegalländern stammt ein grosses Amu- lett mit einem Gehänge aus Messingscheiben, die eine Schlange und die Hand Fatma (Choms) aufgetragen haben, sowie aus Schweins- hauern (Geschenk von Herrn Prof. Hoffmann-Krayer). Von der Goldküste schenkte uns Herr Missionar Lädrach ein criginelles Rätselspiel der Tschineger, wie sich solche auf den Dorf- märkten öffentlich aufgehängt finden. Es werden dabei an Bastfäden auf einer Schnur aufgereiht eine grössere Anzahl kleinerer Objekte ausgestellt, wie Vogelfedern, Elephantenschwanzhaare, Menschen- haarbüschel, Früchtchen, Papier- und Tuchfetzen, Muscheln etc. Jedes Objekt hat seine Bedeutung und Beziehung auf ein Sprich- wort, und die Marktleute unterhalten sich damit, dieselbe zu er- raten. So bedeutet z. B. eine Kaurimuschel: Wenn zwei Menschen drei Muscheln teilen sollen, gibts gern Streit; bei Schwammfasern ist die Bedeutung: Der Badeplatz ist schon nass, bevor es regnet etc. Herr E. Ramseyer schenkte aus dem Nachlass seines. Vaters einen kleinen vollständigen Webstuhl und einen Pfeifenkopf aus Asante, Herr Dr. Engelmann einen hübschen Korb aus Flechtwerk von der Goldküste, aus Dahome erhielten wir ein Paar Sandalen und ein Musikinstrument von Herrn @. Schneider. Kongoländer. Von Herrn Prof. E, Hoffmann-Krayer erhielten wir Eisengeld der Fan und vom Kongo, letzteres in Form einer flachen Klinge, ebenso einen originellen Helm aus Flechtwerk. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 365 Eines der merkwürdigsten afrikanischen Geldsubstitute in Form einer (hier allerdings ungewöhnlich grossen) Lanzenklinge, Länge 155 cm, Breite 8 cm, schenkte uns Herr Major E. Federspiel in Liestal. Das Verbreitungsgebiet des seltenen Stückes, welches der Donator als Gabe für die Museumseröffnung uns reserviert hatte, ist das Land der Basoko bis Stanleyville, wo dieses „Geld“ bei den Stämmen der Uferbevölkerung in Gebrauch ist. Von den Fan erhielten wir weiter von Herrn @. Schneider einen Schädelfetisch „Nsieghebiri“, wie solche in Schachteln auf- bewahrt — es sind meistens die Hirnschädel der Vorfahren — von den Häuptlingen bei wichtigen Anlässen konsultiert werden; ferner einen Esslöffel aus Holz geschnitzt. Von den Bafioti, Bezirk Brazzaville, erhielten wir von Frl. A. Döring ein gutes altes Idol. Südafrika ist vertreten durch einige Gürtel und Colliers in Perlenstickerei der Basutos, die Frl. G. Wackernagel uns stiftete. Aus Ostafrika kam uns von Frl. A. Döring, Missionarin der amerikanischen Mission, ein Ohrschmuck der Wakamba und eine kleme Holztrommel der Wakikuju zu, endlich aus dem Ost-Sudan oder Nubien ein Geldbeutel in Form eines getrockneten Straussen- halses und zwei Amulette (don.: Herr Prof. Hoffmann-Krayer). Vorderasien. Aus Josgad in Anatolien schenkte uns Herr Dr. A. Vischer einen reichen Kopf- und Halsschmuck der Frauen in Form einer roten Tuchmütze, auf deren Oberfläche eine Scheibe von massivem Silber ruht mit einem Gehänge von Filigranarbeit. Dazu gehört ein Hals- und Brustschmuck von Kettchen, kleinen Scheibchen und Rosetten in Weissmetall. Ebendaher sind zwei Esslöffel aus gelb lackiertem Olivenholz. Vorderindien, Hinderindien und Malayischer Archipel. (Bericht des Vorstehers, Dr. Fritz Sarasin.) Vorderindien ist blos vertreten durch einen kleinen dreibeinigen Tisch aus Kaschmir, Papiermachéarbeit, reich und bunt mit Blumen- ornamenten bemalt, Ceylon durch eine alte Münze in Form eines umgeknickten Silberstäbchens — dieses sogenannte Angelhakengeld ist persischer Herkunft — (P. und #. S.), Hinderindien durch eine mit roten Ziegenhaaren dekorierte Lanze der Naga und das längst schmerzlich vermisste pneumatische Feuerzeug aus dem chinesisch- birmanischen Grenzgebiet (eingetauscht von der Zürcher Sammlung gegen Speiser’sche Objekte aus den Neuen Hebriden). Diese Feuer- 366 Fritz Sarasin. zeuge, bei denen durch Kompression der Luft Hitze erzeugt wird, werden nach Angabe des Sammlers, Prof. H. Wehrli, wenig mehr gebraucht. Unsere sumatranischen Freunde haben uns auch dieses Jahr nicht im Stiche gelassen. Herr @. Forrer sandte 2 Kämme der Battak und Herr Dr. Rud. Pfister eine Reihe von Battakobjekten, darunter ein durch sein figürliches Schnitzwerk hervorragendes, altes Schwert, gute Gewebe und eine höchst geschmackvolle Messing- dose, hiezu 1 Battiksarong aus Java. Ebenfalls von den Battak stammt eine hölzerne Flasche, Geschenk des Herrn @. Schneider. Willkommen waren ferner vier in Bronze trefflich gearbeitete, grosse, sumatranische Hausmodelle, die uns Herr @. W. Bronner verehrte. Als Nachtrag der Sarasin’schen Celebessammlung ist zu nennen ein grosser Behälter für geernteten Reis aus der Minahassa. Es ist dies eine 90 cm breite und 4m 45 lange Rolle aus Baum- rinde, verstärkt durch Einfassung mit Holz und hölzerne Quer- stäbe. Je nach Bedarf wird die Rolle enger oder weiter zu- sammengezogen; als Boden dient eine Matte. Ferner ein Thon- gefäss aus einer Totenhöhle in Süd-Celebes von einer für das Land ungewöhnlichen Form. Durch Tausch gegen Speiser’sche Neu Hebriden-Objekte gingen ein vom Berner Museum 4 Schwerter, 1 Rundschild und eine Bronzeplatte aus Atjeh, durch Kauf Lanze und Schwerter von Nias und Engano. Gesamtzuwachs der Abteilung 30 Nummern. China-Japan. (Bericht des Vorstehers, Dr. Felix Speiser.) Die Sammlung hat um einige Nummern zugenommen trotz den finanziellen und materiellen Schwierigkeiten, die zur Zeit Neu- erwerbungen im Wege stehen. Durch Tausch erlangten wir vom Museum in Bern drei alte chinesische Porzellanschalen, die in Singa- pore erworben worden sind. Schon in sehr frühen Zeiten wurden chi- nesische Porzellanwaren nach dem malayischen Archipel und nach Hinterindien exportiert, so dass in jenen Gegenden heute noch mit relativer Leichtigkeit Produkte der altchinesischen Töpferei zu erwerben sind. Herr Prof. Hoffmann-Krayer schenkte eine Schachtel mit chinesischer Tusche, und durch Kauf ging eine Tier- maske ein, wie solche an öffentlichen Festtagen bei Strassenum- zügen angelegt werden. Die Maske stellt wahrscheinlich einen Haifischkopf dar, soweit sich dies aus der phantastischen Form des mit vielen Zieraten aus Drähten, Glasperlen und Tuchlappen überdeckten Objektes erkennen lässt. Endlich übermachte uns nn te à de Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 367 Herr Karl Geigy-Hagenbach eine schön geschnitzte chinesische Holzdose. Aus Japan stammen zwei Netzke, die von Frau Speiser- Riggenbach und von Fräulein Ch. Riggenbach geschenkt wurden. Unsere Serie von figürlichen Elfenbeinschnitzereien wurde durch zwei prächtige Stücke, japanische Fischer darstellend, vermehrt, die Herr Dr. Th. Engelmann der Sammlung verehrte, so dass jetzt dieser Zweig des japanischen Kunstgewerbes bei uns wohl vertreten ist. Herr Dr. J. Olswanger schenkte ein japanisches Amulet und Herr Dr. Rudolf Geigy ein vollständiges japanisches Frauenkleid mit zierlich gearbeitetem Holzkopf und Händen, so dass das Kleid, einer Figur umgelegt, eine lebendige Vorstellung von der Erscheinung einer vornehmen japanischen Dame geben wird. Bei der Aufstellung unserer ost-asiatischen Sammlungen wurde prinzipiell nach geographischen Gebieten getrennt: Im ersten Schranke findet man das, was wir vom Kulturbesitz der Ainu, der Urbevölkerung Japans, besitzen. Daran schliesst sich die Japanische Sammlung an: Waffen und Sattelzeug, Kleidung, Puppen, Kunst- gewerbe. Hierauf folgen die chinesischen Musikinstrumente, die in der Sammlung recht gut vertreten sind. Ein Schrank enthält chinesisches Porzellan, ein anderer Holzschnitzereien und Bronzen, hierauf folgt Kleidung und Schmuck. In den Fensterpulten sind japanische und chinesische Produkte gleichfalls getrennt aufgestellt, von. ersteren hauptsächlich Bücher, während von China neben Büchern und Bildern die kleineren Gegenstände des Kultus, der Wissenschaft und die Münzen nach Kategorien geordnet aufgestellt sind. Die drei japanischen Rüstungen sind in einem besondern Schrank an der Fensterwand untergebracht. Im Saäle frei aufgestellt sind die grossen Gegenstände, die in den Schränken keinen Platz finden: Das chinesische Prunkbett, die japanische Sänfte u. dgl, und an den Wänden hängen Bilder und Stickereien, auch eine Sammlung chinesischen Handwerkzeuges, während das chinesische und japanische Ackerbaugerät sich bei der vergleichenden Ausstellung in der Glashalle befindet. Australien und Melanesien. (Bericht des Vorstehers, Dr. Fritz Sarasin.) Ueberaus ärmlich, blos 10 Gegenstände umfassend, war der diesjährige Zuwachs der Abteilung. Geschenke blieben ganz aus. Angekauft wurden ein alter Schild aus N. S. Wales und eine austra- lische Holzkeule, ferner eine schöne Obsidianlanze von den Admi- ralitätsinseln und 2 Speere aus Neu-Britannien. Gegen Speiser’sche 368 Fritz Sarasin. Objekte sind von der Zürcher Sammlung eingetauscht worden 2 vielspitzige Fischspeere von Thursday Island, Nord-Australien, wo- von der eine durch den Umstand bemerkenswert ist, dass statt der sonst üblichen, hölzernen Spitzen das Speerende bewehrt ist mit einem Büschel von Rochenstacheln, weiter ebendaher ein Speer mit Knochenspitze und ein Schnitzgerät, bestehend aus einem an einer breiten Handhabe festgebundenen Känguruhzahn, endlich ein Speer mit aufgestecktem Schweinswirbel aus Kaiser Wilhelmsland, Neu-Guinea. Polynesien. (Bericht des Vorstehers, Dr. Felix Speiser.) Die Sammlung von Polynesien hat sich nur durch wenige Stücke vermehrt. Herr Prof. Staudinger schenkte uns eine prächtig geschnitzte Keule aus den Marquesas-Inseln. Da Gegenstände von dort heute sehr selten sind, bildet das Stück einen erwünschten Zuwachs Durch Kauf erwarben wir ein Stück Rindenstoff (Tapa) aus Samoa und zwei der seltenen Holzspeere aus Fidji, durch Tausch einen steinernen Netzsenker aus Neu-Seeland. Es ist sehr nötig, dass nach dem Kriege die Sammlung von Polynesien, die noch recht bescheidenen Umfang aufweist, vermehrt werden könne, und an alle Günner unseres Museums wird die Bitte gerichtet, etwaige Be- ziehungen zu Weissen, die mit Polynesien Berührung haben, zum Vorteil unserer Sammlung auszunützen. Amerika. (Bericht des Vorstehers, Dr. M. K. Forcart.) Im Berichtsjahr fand die Neuaufstellung unserer amerika- nischen Sammlung ihren Abschluss. Sie ist in der Weise ange- ordnet, dass der Beschauer von Norden nach Süden geführt wird. Den Gegenständen aus Alaska und Britisch-Columbien folgen die- jenigen der Wald-, Prärie und Pueblo-Indianer; der europäisch- indianischen Kultur von Mexiko ist ein eigenes Schrankfeld gewidmet. Hieran reiht sich Südamerika in der Reihenfolge: Guyana, Vene- zuela, Brasilien, Bolivien, Paraguay und schliesslich Feuerland. Je eine Modellfigur zeigt einen nordamerikanischen Indianer in seiner Lederkleidung mit Federkopfaufsatz und einen Amazonas- Indianer im bunten Federtanzschmuck. Den Abschluss der Aus- stellung bilden die Kulturen aus der Zeit vor der Entdeckung Amerikas: Gräberfunde aus Altperu und unsere reichen Bestände aus Altmexiko. An der Saalwand ist in guter Belichtung die Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 369 berühmte Holztafel von Tikal angebracht. Die Fensterpulte ent- halten kleinere Objekte, die einer näheren Betrachtung bedürfen, wie Gewebemuster aus altperuanischen Grabstätten, fein geschnitzte Pfeifenköpfe aus Britisch-Columbien und kleinere Geräte, Idole und Schmucksachen aus Altmexiko. Der Eingang des Jahres war ein mehr als bescheidener. Von unserem bewährten Gönner, Herrn K. /mObersteg, erhielten wir ein trichterförmiges Sieb aus Bastfasern, von Herrn J. Oeri-Simonius ein Thonfragment, Frauenkopf mit hoher Kopfbedeckung, und eine Thonpfeife aus den Gräberfeldern von Oaxaca, ferner einen primi- tiven Webstuhl aus Mexiko, an welchem ein angefangenes Stück Stoff mit vielfarbigen Mustern die Art des Gewebes veranschaulicht; hiezu eine kleine wollene, gewobene Decke mit mexikanischen Or- namenten. Angekauft wurden zwei Pfeilbogen und eine Lanze der Konibo-Indianer. Was diese Gegenstände auszeichnet, ist eine Umwicklung der Schäfte mit dünnem Faden, auf dessen Oberfläche verschiedenfarbige Muster aufgemalt sind. Der Vorsteher möchte diesen Bericht nicht schliessen, ohne einen besonders warmen Dank an Herrn Dr. J. Roux gerichtet zu haben, der während seiner Abwesenheit im Militärdienst einen grossen Teil der amerikanischen Sammlung aufgestellt und etikettiert, ferner den Zettelkatalog vervollständigt und die Dubletten ge- ordnet hat. Europa. (Bericht des Vorstehers, Prof. Dr. Ed. Hoffmann-Krayer.) Wie schon die Jahresberichte der Abteilung Europa seit dem Gründungsjahr 1904 zeigen, weicht der Ordnungsgrundsatz hier insofern von den übrigen Abteilungen ab, als die Gegenstände im wesentlichen nicht nach ihrer geographischen Herkunft, sondern nach ihrer sachlichen Zugehörigkeit rubriziert wurden. Dieses Prinzip hat seinen Grund zunächst in der Anschauung des Vor- stehers, dass die Möglichkeit eines Vergleichs ähnlich oder gleich- gearteter Objekte aus verschiedenen Gegenden und Zeiten von hervorragend instruktivem Werte sei.°) Aber dieses Anordnungs- prinzip ist auch durch die gesammelten Gegenstände selbst be- dingt. Da die bescheidenen Mittel ein systematisches Bereisen der ergologisch bedeutenden Länder Europas einstweilen nicht gestatten, stammt die überwiegende Mehrzahl der Gegenstände naturgemäss aus der Schweiz, und so würden sich neben dieser gewaltigen Gruppe 6) Ein Versuch, diese Prinzipien klarzulegen, ist in Bd. VI, Heft 2 (1910) der Zeitschrift „Museumskunde“ gemacht worden. 24 370 Fritz Sarasin. die übrigen Länder mehr als dürftig und lückenhaft ausnehmen. Aber auch innerhalb der Schweiz ist eine geographische Anord- nung, etwa nach Kantonen, aus zwei Gründen nicht angezeigt: einmal weil auch hier die quantitativen Unterschiede empfindlich fühlbar würden, sodann aber — und das scheint uns das wichtigere Moment — weil unbedingt Zusammengehöriges getrennt würde. So hielten wir es z. B. geradezu für fehlerhaft, wenn der in diesem Bericht genannte Kastanienrost aus Hospental von den Requisiten der tessinischen Kastanienkultur getrennt und zu einer ganz spär- lichen Gruppe Uri gestellt würde. Abgesehen davon würden in vielen Kantonsgruppen dieselben Gegenstände sich wiederholen (man denke an die Lampenformen), gar nicht zu reden von der Unmög- lichkeit, manche Gegenstände mit Sicherheit dem Kanton, in dem sie erworben wurden, zuzuweisen. Diesen Grundsätzen entspricht daher auch die jetzige Auf- stellung der Abteilung Europa, ohne dass wir uns anmassen wollten, dieselbe als die einzig ideale und deshalb unveränderliche zu be- trachten. So weist gerade die Textilgruppe im Treppenhaus und Vorraum durch ihren ungleichen Ausbau und ihre Systemlosigkeit erhebliche Mängel auf und wird im Laufe des Sommers eine gründ- liche Umänderung erfahren müssen. Durch die Tür in die eigent- lichen Ausstellungsräume eintretend, gelangen wir zunächst in den Nordraum, der die Gruppen Volksbrauch und Spiel, nebst volks- tümlichen Musikinstrumenten und Waffen enthält. An den Volks- brauch anschliessend, folgen im Hauptraum die religiöse Volkskunde, der Aberglaube und die Volksmedizin ; ein besonderes Glaspult ist der jüdischen Kultur gewidmet. An den gegenüberliegenden Wän- den ist das volkstümliche Bildwerk angebracht, bei dem durch er- läuternde Etikettierung namentlich auf die verschiedenen Techniken hingewiesen werden soll. Eine dazwischenliegende Pultvitrine zeigt die Darstellung menschlicher und tierischer Figuren und Glieder in primitiveren und raffinierteren Formen, sowie ihre Anwendung als Ornament. Der erste grosse Schrank und die benachbarte Fensternische enthalten die in der Volkskunst gebräuchlichen Holz-, Glas-, Stein- und Metalltechniken, die südöstliche Fensternische Kerbhölzer und Verwandtes. In dem Schrank mit den Keramiken war durch charakteristische Kennzeichen gewisser schweizerischer Töpfergegenden eine geographische Gruppierung ermöglicht, während in den Nischen einerseits die keramischen Techniken und Krug- formen, anderseits die feineren zinnglasierten Schweizer-, sowie die ausländischen Keramiken dargestellt sind. Der nächste Schrank soll in seiner Vorderseite verschiedene Gefüssformen veranschau- lichen; in seiner Rückseite ist eine noch sehr systemlose Kollektion Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 371 von bemerkenswerteren Trachtenstiicken untergebracht. Die beiden folgenden Nordwestnischen sind der Flechttechnik und dem Bauern- schmuck, die Südostnische dem Schloss und Schlüssel gewidmet; der übrige Raum enthält die grosse Gruppe des Hausrats mit den Beleuchtungs- und Küchengeräten an den Wänden und den klei- neren Gegenständen (darunter auch das @ebäck) in den Pultvitrinen. Dem Südflügel mussten, seines weniger guten Lichtes wegen, das gröbere Füscherei-, Landwirtschafts- und Handwerksgerät zuge- wiesen werden. Zu den im Berichtsjahr eingelaufenen Gegenständen über- gehend, dürfen wir vor allem einen trotz den schwierigen Ver- hältnissen erfreulich starken Zuwachs hervorheben, indem nicht weniger als 776 Objekte neu hinzugekommen sind,’) von denen allein 506 als Geschenke (das alphabetische Verzeichnis s. hinten). Numerisch (gegen 200 Nummern) und auch qualitativ das Bedeu- tendste hat wiederum der unerschöpfliche Kanton Wallis geliefert, wo im Binntal Fräulein A. M. Weis aus Basel, im Saastal diese und der Abteilungsvorsteher gesammelt haben; die Steinlampen- sammlung aus diesem Kanton ist wiederum durch Herrn Prof. Rülimeyer um einige sehr altertümliche Stücke vermehrt worden; namentlich aber hat dieser seinen Aufenthalt im Kt. Tessin benutzt, um uns gegen 30 Objekte von grösstem ergologischem Interesse, unter denen das Gerät zur Kastanienkultur hervorzuheben ist, zu- zuwenden. Ausserdem sind zwei grössere Gruppenerwerbungen, die eine vorwiegend aus dem Gebiete der Volkskunst, in St. Gallen, und eine zweite, bestehend aus einer ganzen Kollektion alten Schmiedegeräts in der Hammerschmiede von Schmiedrued zu er- wähnen. a Unserer Ubung gemäss teilen wir den Zuwachs in einzelne Sachgruppen auf. Aus dem Gebiete der Lundwirtschaft nennen wir zunächst eine höchst primitive Egge aus Castello bei Chiasso (R.°), vom Typus derjenigen aus Euseigne im Wallis und aus China, d.h. fächerartig zusammengereihte Aste, die schlichtend über die Erde hingleiten. Eine Sense von besonderer Konstruktion aus derselben Gegend schenkte Herr V. Chiesa in Chiasso. Ein Sensenwetzstein mit Hornfassung ging aus dem Val de Bagnes, mit altertümlicher Holzfassung aus dem Tessin (R.) zu, aus Kuhhorn gefertigte Wetz- 7) Der Zuwachs verteilt sich auf die 14 Jahre des Bestehens der Abteilung wie folgt: 1904: 288, 1905: 192, 1906: 984, 1907: 607, 1908: 566, 1909: 673, 1910: 1038, 1911: 683, 1912: 401, 1913: 454, 1914: 495, 1915: 313, 1916 : 508, 1917: 776. 8) R. bedeutet: Geschenk von Prof. Dr. L. Rütimeyer. 372 Fritz Sarasin. steinköcher aus den Kantonen Solothurn und Tessin (2 R.). Die für das Walliser Saastal kennzeichnende Art des Heutransportes ist durch eine sogen. „Heiw-Kamme“ (H.?) vertreten; von Seil- knüpfern („Trüegel“) sind namentlich solche aus Ziegenhorn, wie sie wiederum im Saastal üblich sind, bemerkenswert (3H.). Ein gedrechselter Garbenknebel stammt aus Lupsingen, Baselland (H.). Zu den bereits vorhandenen Dreschruten ist eine neue Form aus Binn hinzugekommen; besonders willkommen aber ist eine Dresch- keule aus Bosco (R.), in genau der gleichen Gestalt („fustis“), wie sie von lateinischen Agrarschriftstellern geschildert wird. Charak- teristisch für den Kanton Tessin ist auch ein rechenartiges In- strument (R.), mit dem die Furchen in die Beete gezogen werden. Von Hacken ist ein Kartoffelgraber aus Binn und eine kleine Feld- hacke aus dem Tessin (R.) zu nennen. Eine Art Grabstock haben wir in den heute noch von Gärtnern allgemein gebrauchten „Setz- hölzern“ zu sehen; sechs derselben in verschiedener Ausführung aus der Umgebung von Genf verdanken wir den HH. J. Gros in Genf und Dr. J. Roux. Der Landwirtschaft im weiteren Sinne mag auch ein tessinisches Buschmesser mit merkwürdigem Griff aus Leder- riemen ängehören, das von Herrn Prof. Siebenmann geschenkt wurde, sowie zwei zierliche Streu- und Reiserrechen aus dem Tessin (R.) und Saastal (H.). Von Bewässerungsgeräten sind eingelaufen : eine „Wasserschaufel“, mit der die schmalen Bewässerungskanäle in den Wiesen schleusenartig abgestaut werden, eine „Wasserhaue“ zum Ausheben dieser Kanäle und eine „Hohlaxt“ zum Aushöhlen der Holzkänel, sämtlich aus Almagell im wall. Saastal (3 H.) Eine besondere Gruppe bilden endlich die Requisiten zur Kastanien- kultur, die wiederum durch die unermüdliche und erfolgreiche Forschertätigkeit unseres Kollegen Rütimeyer ausfindig gemacht und der Abteilung schenkweise zugewendet worden sind. Sie be- stehen aus einem Rechen zum Zusammenraffen der abgefallenen Kastanien, einem solchen zum Entfernen der Stachelschale, drei hammer- bezw. keulenförmigen Instrumenten („mazza“) und einem Sack zum Enthülsen der geräucherten Kastanien, zwei Klöppeln („spadigia“) zum Lösen der innern Haut, einer Holzschüssel, in der der Kastanienbrotteig ausgerührt, einer Steinplatte, auf der er ge- backen wird, und einem Brotfladen aus '/s Kastanien- und ?/s Roggenmehl. Dazu kommen noch 2 Röstpfannen, deren eine aus dem Tessin (H.), die andere aus Hospental (Geschenk H. W. Bröcket- mann) stammt. Die Viehwirtschaft ist vertreten durch eine Hornzwinge aus Almagell (H.), zwei Entwöhnungszapfen aus dem Berner Jura (Ge- 9) H. bedeutet: Geschenk vom Abteilungsvorsteher. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 373 schenk von Dr. Forcart), ein mit Kerbschnitt ornamentiertes Kuhhalsband aus dem Val Calanca (R.), 2 Ziegenhalsbänder aus Almagell (H.) und Val Calanca (R.), 2 Schafscheren aus dem Wallis (H.) und einen sehr primitiv aus einem Baumstück mit drei Asten gearbeiteten Melkstuhl aus dem Val Calanca (R.). Zur Milchwirtschaft gehören: ein Milchtrichter („Volle“) aus Almagell (H.), ein Rahmlöffel aus dem Tessin (R.), eine Zigerkelle aus Binn (Geschenk von Frl. Weis), ein Stossbutterfass ebendaher und 5 Käseformen aus den Kantonen Wallis und Tessin (Gesch. Frl. Weis und R.). Bescheiden ist der Zuwachs aus dem Transportwesen. Er besteht aus zwei Binner Rückentragreffen, einem massiv gearbeiteten Basler Hockerschlitten mit Rasselringen (Gesch. Herr W. Schmid), einem mit reicher polychromer Flachschnitzerei und Vollrädern ver- sehenen Kinderwagen aus dem 17. Jahrh. (Depositum des Histo- rischen Museums) und einem bemalten Laufstühlchen des 18. Jahrh. aus Sent im Unterengadin (H.). Ein von Herrn W. Uebelin in Basel geschenktes Modell einer Rheinfähre ohne Seilbetrieb, mit Ruder und Haken, mag hier angereiht werden. Von Jagdgerät seien erwähnt: ein Tellereisen zum Bärenfang aus Rossa (R.), eine Murmeltierfalle aus Almagell (H.),. eine höl- zerne Mausefalle aus dem Kanton Zug und drei Pulverhörner, von denen eines, aus Binn stammend, mit rätselhaften in Bein geritzten Ornamenten versehen ist, von Fischereigerät eine vierzinkige eiserne Gehre aus dem Basel-Land (Geschenk von Frau Merian-Preiswerk) und ein im schlammigen Seeboden bei Küssnacht am Rigi gefun- dener angeblicher Anker von grossen Dimensionen aus einem Stück Tanne mit strahlenförmig herausragenden Asten, den wir Herrn Dr. Fritz Sarasin als Gabe verdanken dürfen. Das eigentliche Handwerk ist in erster Linie vertreten durch 43 verschiedenartige Requisiten einer alten Hammerschmiede in Schmied- rued (Kt. Aargau), deren Einrichtung der Vorsteher im Januar 1917 mit dem Konservator des Aarauer Antiquariums, Herrn Dr. A. @ess- ner, besichtigte und aus der er die schöne Kollektion von teilweise veraltetem Schmiedegerät, namentlich Feuerzangen, erwarb, die jetzt im Südraum der Abteilung ausgestellt ist. Einen Plan der ganzen Hammerschmiede liess Herr Dr. Gessner anfertigen und sandte uns eine Kopie schenkweise zu. Zur Müllerei können wir 5 teilweise mit reichem Ornament und Eigentümernamen bemalte Mehlsäcke aus dem Kanton Bern rechnen, die uns durch Vermittlung von Herrn CG. A. Hintermann in Basel von der Sack- und Rohprodukten A.-@. in Bern überwiesen wurden; zur Bäckerei: 2 Leibseren (Teig- schalen) aus dem Binntal, 2 Brotstempel ebendaher (Geschenk von 374 Fritz Sarasin. Frl. Weis), 18 Gebäck- vielleicht auch teilweise Butter-model in ver- schiedensten Formaten aus den Kantonen Wallis, Tessin und St. Gallen, darunter Geschenke von Frl. Weis, R. und H. Zwei „Hähliböcke,“ das typische Einsiedlergebäck, gingen uns von Herrn H. W. Bröckelmann zu. Weiterhin sind von Handwerkszeug zu nennen: 3 geschnitzte Hobel und ein Gargelreisser aus Binn, zwei Holzzirkel aus Almagell (H.), 2 Winkel aus Willeren, ein altertüm- liches Zimmerbeil aus Andeer, eine Blechschere aus dem Schwarz- wald (Geschenk von Frl. Weis), 2 primitive Besenbinderpfriemen aus Binn (ebenso) und ein Universalinstrument, vermutlich aus dem 18. Jahrh. (Geschenk von Frau Dr. F. Speiser). Ein Stock mit star- ker Eisenspitze zum Ausbrechen der Kristalle („Strahlstock“) aus Imfeld im Binntal mag ebenfalls hier Erwähnung finden. Eine beachtenswerte Vermehrung, sowohl quantitativ, wie qua litativ, haben die Utensilien zur Spinnerei und Weberei erfahren. Zum Abköpfen der Fruchtkapseln des Flachses dienen 2 Flachs- kämme („Richter“) mit eisernen Zähnen aus Schmiedigenhäusern. Die primitivste Form des Spinnrockens ist der Handrocken (im Binntal „Küchla“, d.i. „Kunkel“, genannt); solche mehr oder we- niger reich geschnitzte Kunkelstäbe haben wir aus dem Wallis 5, aus dem Tessin 2 (R.) erhalten. Schon einen weiteren Fortschritt bildet der auf einem Fuss stehende Kunkelständer, der ebenfalls nicht selten reiches Schnitzwerk aufweist; von dieser Kategorie sind 4 gute Exemplare im Binntal erworben worden. Zwei zierlich geschnitzte Kunkelpfeile, mit denen das die Kunkel zusammen- haltende Band festgesteckt wird, wurden in St. Gallen, ein dritter, einfacher gearbeiteter, im Wallis gekauft. Spindeln, teilweise mit Wolle besponnen und mit steinernen Wirteln besteckt, stammen aus dem Binntal (Geschenk von Frl. Weis), Indemini und Rossa (4 R.). Ebendaher mehrere Spinnwirtel aus Stein, Holz und Thon (4 geschenkt von Frl. Weis); einen steinernen, in der Ruine Witt- wald bei Eptingen gefundenen, schenkte Herr À. Sarasin-Vischer. Das primitivste Stück aber ist ein in Willeren (Binntal) erwor- bener Wirtel aus dem Gelenkkopf eines Knochens (H.), wie sie in der Urzeit des Spinnens schon mögen gebraucht worden sein. Des weiteren sind von Walliser Spinngerät zu nennen: ein Spin- delkorb und ein Spindelschäftchen zur Aufnahme der vollgesponnenen Spindeln (Wallis), letzteres von Frl. Weis geschenkt, ein Holzknebel zum Strecken des Wollfadens (ebenso), eine Spulschachtel mit schmied- eiserner Spulachse (H.) und 3 leere Spulen; von Webegerät: ein Zettelsamnler, d. h. ein 12fach durchlochtes Brettchen, durch das die von 12 Spulen abgewickelten Fäden gezogen werden, die sich dann auf dem Zettelrahmen zur Kette ordnen (H.) und ein Web- Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 375 stühlchen für Wollenbänder. Von Herrn H. Volkart in St. Gallen erhielten wir durch Tausch ein durch Brettchenweberei hergestelltes Stück Band aus Island. An die Textilien schliessen sich enge die HKorbgeflechte an. Erworben wurde ein zierlich geflochtenes Fadenkörbchen aus Ma- schwanden und 4 verschiedene Korbformen aus der Innerschweiz, durch den Vorsteher geschenkt ein grosser Standkorb aus Lupsingen zum Aufbewahren gedörrten Obstes und ein originell geformtes Henkelkörbehen aus Almagell. Die Strohmosaikarbeiten sind um 3 kleine Kassetten aus Fusio (R.), Sent (H.) und Mollis (H.) vermehrt worden; die letztere dürfte russischer Provenienz sein. Wenden wir uns nun den Holztechniken zu. Als älteste Or- namentalschnitzerei nehmen wir wie üblich den Kerbschnitt voraus. Die altertümlichsten Formen, vertreten durch 3 Schachteln, weist auch hier wieder das Wallis auf; zierlichere Kerbarbeit zeigen ein st. gallisches Gewürzkästchen, datiert 1756, und 2 kleine Schachteln mit Schiebedeckel aus Staad am Bodensee, deren eine das Ader- lassmesser eines Tierarztes enthält; erworben wurden die letztern in Basel (H.), wie auch ein Rasiermesseretui aus Solothurn (H.) und ein teilweise mit Flachschnitzerei ornamentiertes Kästchen, vermutlich graubündnerischer Herkunft (H.), durch Tausch erworben ein reich geschnitztes und bemaltes Grabkreuz aus St. Gallen. Ein Fadenbecherchen aus Binn (wohl Berneroberländerarbeit) schenkte Frl. Weis. Der im Berichtsjahr zahlreich eingelaufenen Holzmodel mit Tiefschnitt ist oben bei der Bäckerei gedacht worden, die ein- facheren Holzgefässe werden unter dem Hausrat Erwähnung finden. Von schlichter, noch unglasierter Keramik ist ein ornamen- tierter Dachziegel aus dem Kanton Luzern zu nennen, datiert 1750, mit eingepressten Stern-, Halbsonnen- und Kreuzmotiven, ein Spar- topf in Mammaform aus Locarno (R.) und ein Blumentopf mit auf- gemalter Jahrzahl 1776 aus der Innerschweiz. In das Mittel- alter reicht teilweise zurück eine Serie von 14 Ofenkacheln, die uns das Schweizerische Landesmuseum in Zürich zur Eröffnung des Museums verehrt hat, darunter gotische Exemplare von bedeutendem Wert. Das älteste Stück ist eine in der Ruine Maschwanden ge- fundene,.noch unglasierte, becherförmige Kachel, die wohl noch dem frühen Mittelalter angehört. Sie ist schon deshalb beachtenswert, weil sie durch ihre Gestalt den Ursprung der Bezeichnung „Kachel“ aufklärt, wie übrigens auch eine um ein halbes Jahrtausend spätere aus dem Kanton Appenzell. Künstlerisch das wertvollste Exemplar ist eine aus dem 15. Jahrhundert datierende, zürcherische Hohlkachel mit enger Öffnung, zu deren beiden Seiten ein Menschenpaar in 376 Fritz Sarasin. Relief dargestellt ist. Einen der appenzellischen Kachel entgegen- gesetzten Typus vertritt ein in der Ruine Wittwald bei Eptingen gefundenes und von Herrn A. Sarasin-Vischer geschenktes Stück, indem hier die Höhlung unglasiert ist, also am Ofen nach innen schaut, während die nach aussen schauende Bodenfläche Glasur auf- weist. Fünf Krüge verschiedenen Alters und verschiedener Form sind aus Biel-Benken eingegangen, wo schon in früheren Jahr- hunderten Töpfereien bestanden haben müssen; ein grosser dunkel- braun glasierter aus dem Heimberg, mit Weidenstrickmotiv am Aus- gussrohr, und ein grünglasierter aus Langnau wurden in Bern er- worben (2 H.); aus der nächsten Umgebung von Klein-Wangen, woher wir bereits ein datiertes Hafnerexemplar mit deutlichen Lang- nauer Einflüssen besitzen, stammt ein honiggelb glasiertes Giess- fass mit Girlandenaufsätzen. Von Platten wurden gekauft eine Simmentaler äus der guten Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts (H.) und eine Basellandschäftler, vielleicht aus Reigoldswil (H.). Bairischen oder mährischen Ursprungs dagegen ist eine schon vor Jahren erworbene und jetzt vom Vorsteher geschenkte Bauernplatte mit leuchtend-blauem Dekor und Spruch. Endlich seien ein später Bäriswiler Teller (H.) und 2 fayencene Tintenzeuge aus dem Basel- biet erwähnt (H.), von denen das eine, milchig-grün glasierte, ver- mutlich von Hafner Frei in Reigoldswil hergestellt, das andere Matzendorfer Produkt ist. Das volkstümliche G/aswerk ist im Berichtsjahr nur dürftig vertreten; es sind 2 Flaschen und 3 Gläser, teils mit Oel-, teils mit Emailbemälung, sämtlich aus dem Kanton Bern (H.). Die interessanten Glastechniken verdienten einen systematischeren Aus- bau, als er ihnen bis jetzt zuteil geworden ist. Beachtenswerter ist der Zuwachs der aus Stein gearbeiteten Gegenstände. Abgesehen von den Steinlampen, die unter dem Beleuchtungsgerät aufgeführt werden, sind 4 rohgearbeite Mörser und Schalen von verschiedenen Dimensionen aus dem Wallis zu nennen, von denen einer zum Zerstampfen von Knochen, ein an- derer als Getreidemörser (H.) gedient haben soll; leider fehlen zu beiden die Stössel; ferner 4 gedrechselte Laveztöpfe aus dem Tessin (R.) und graubündnerischen Münstertal (Dr. Tramer), unter erstern ein besonders grosses Stück aus Oavargno zur Aufbewah- rung von Salz und Mehl. Seltenere Formen sind 2 aus Speckstein geschnittene Tintengeschirre aus Grimentz und Grengiols (H.) und ein mit volkstümlichen Ritzornamenten und Jahrzahl 1744 ver- sehener Briefbeschwerer aus Grimentz. Ein Prunkstück bäuer- licher Steinhauerarbeit ist der Mittelstein eines runden Speckstein- ofens aus Almagell, datiert 1775, auf dem das Jesusmonogramm, Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 377 flankiert von den Wappen der Bauerngeschlechter Andenmatten und Anthamatten und umrankt von Blumenmotiven dargestellt ist. Am obern Rand ziehen sich die Initialen der 6 Hausbesitzer hin. Die ganze Ornamentik ist ausgespart und der Grund vertieft, eine typische Technik des Saastales, in dessen Häusern nirgends ein Specksteinofen mit Schildstück fehlt. Der erworbene Stein ist freilich der reichste von den vielen, die uns zu Gesicht gekommen sind, und auch durch seine Rundung von der Norm abweichend. . Verhältnismässig zahlreich sind naturgemäss die heterogenen Gegenstände aus dem Hausrat. Teile des Hauses selbst bilden Schlösser und Schlüssel. Von erstern sind je zwei eiserne in Binn und Lupsingen erworben worden (Geschenk Weis und H.), von Schlüsseln ein eiserner von mittelalterlicher Form in Langental (H.); den Gipsabguss eines altrömischen Beinschlüssels in genau gleicher Form wie die zu unseren schweizerischen Holzschlössern sandte Herr Dr. R. Forrer in Strassburg als Geschenk ein. Tür- beschläge und Schlüsselschilde mit Punzornament erhielten wir 2 aus Basel (Geschenk A. Ammann-Hauser) und 4 aus dem Kanton Bern (H.). In Almagell wurde ein hauenförmiges Instrument zum Auskratzen des Kamins erworben (H.); schmiedeiserne Herdketten von verschiedenen Formen erhielten wir aus dem graubündnerischen Münstertal (Geschenk Dr. Tramer), Oberland (H.) und Baselland (H.), einen eisernen Kesselknecht für Laveztöpfe aus dem Val Calanca (R.), einen Pfannenknecht aus dem Münstertal (Dr. Tramer) und einen solchen aus dem Wallis. Sehr altertümlich ist ein Kieselstein mit flachem Boden, der im Binntal zum Zerreiben des Salzes gedient hat, schon raffinierter ein hölzerner Mörser mit demselben Zweck von ebendaselbst. Gleichfalls aus dem Wallis stammen eine Käsreibe (H.), ein Pfefferfass und eine hölzerne Zuckerdose, aus dem Val Calanca ein hölzernes Messer zum Schneiden der Polenta (R.), während ein schwereres Eisenmesser mit eingemeisselten Darstellungen, das eingetauscht wurde, ver- mutlich nicht schweizerischer Herkunft ist. Holzlöffel verschie- denster Gestalt sind 13 Stück eingegangen (H., R. und Frl. Weis). Besonders beachtenswert sind aber einige als Wasserbecken und ähnliches dienende Schalen aus dem Binntal, die von Hand aus Holzklötzen oder Knorren ausgeschnitten wurden, und zum Primi- tivsten gehören, was wir von Holzgefässen in unserm Museum be- sitzen. Holzbecher aus denselben Gegenden sind 8 hinzugekommen (4 H.), gedrechselte Holzflaschen aus dem graubündnerischen Münstertal (Dr. Tramer), Grengiols und Almagell (H.). Auch die Kürbisflaschen sind um neue Formen vermehrt worden und zwar durch 2 aus dem Münstertal (R. und Dr. Tramer), 5 aus dem 37 [o 2) Fritz Sarasin. Tessin, darunter ein Miniaturexemplar mit merkwürdigen Ein- ritzungen und eine linsenförmige mit seitlichen Schnürösen ver- sehene und mit Schweinsblase und Murmeltierfell überzogene Feld- flasche (5 R.), endlich eine aus Ajaccio stammende Kalebasse mit Ritzdekor (Dr. J. Roux). Wiederum aus dem Binntal sind ein- gesandt worden 2 Feldfässchen („Lageli*) und ein aus einem Stück Holz von Hand geschnitzter Trichter. Sehr willkommen, weil bis jetzt erst schwach in unserer Sammlung vertreten, sind aus Rinde hergestellte Gegenstände. Einen taschenförmigen Behälter dieser Art hat Prof. Riütimeyer im Val Calanca erworben und uns schenk- weise zugewiesen. Zum Hausrat dürfen weiterhin auch noch ge- rechnet werden 2 Walliser Glätteisen in alter Form (H.), ein bleiernes Tintenfass aus Almagell mit Jahrzahl 1666 und einge- punzten Herzen und Kreuzen (H.)''), ein eiförmiges silbernes Büchschen mehr städtischen Aussehens, dessen Verwendung mir unbekannt ist (Geschenk von Herrn E. Schmid-Muth) und 4 sog. Schnellwagen, deren Gebrauch ja bekanntlich schon bei den alten Römern nachgewiesen ist. Das beachtenswerteste Stück häuslichen Mobiliars ist jedoch eine muldenförmige Kinderwiege aus Korb- geflecht, wie sie zu Anfang des 19. Jahrhunderts aus Italien in das Tessin eingeführt worden sind.) Als eine besondere Gruppe des Hausrats sei die Beleuchtung behandelt, der auch das Feuer- und Rauchzeug angereiht werden mag. Die Steinlampen sind fast lawinenartig auf uns hereinge- stürzt, indem nicht weniger als 48 Stück zu unserer schon vorher stattlichen Kollektion hinzugekommen sind, davon allein 41 aus dem Wallis, während auf Graubünden 6, auf den Tessin 1 ent- fallen. Die grösste Zahl derselben, d. i. 14 Stück, wurden von Prof. Rütimeyer geschenkt, 10 weitere von dem Abteilungsvorsteher, eine (aus dem Lötschental) von Herrn Dr. Leemann in Basel. Eine Beschreibung der einzelnen Stücke, so beachtenswert viele davon sind, müssen wir uns versagen. Manche haben übrigens bereits Aufstellung in der Sammlung gefunden. Einige ganz wenige mögen hier wegen ihrer eigenartigen Form doch Erwähnung finden. Da ist vor allem als kleines Meisterstück eine in Form eines Specksteinofens ausgeschnittene Oel-Lampe mit kugeligem Glas- behälter zu nennen, die Frl. Weis in Ausserbinn erwerben konnte; ferner weicht von der üblichen Form wesentlich ab eine gedrechselte, an einen Kerzenstock gemahnende Lampe mit breitem Schmutz- teller aus Fusio (R.), und endlich bilden einen neuen Typus in- 10) Andere Tintenfässer s. unter Keramik und Stein. 11) Helvet. Almanach, 1812, S. 216. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 379 bezug auf die Form wie das Material die hochgestelzten Stein- lampen, die von Herrn Dr. Tramer im graubündnerischen Münster- tal gefunden und von Herrn Prof. Rütimeyer geschenkt worden sind. Die nicht speziell angeführten Stücke stammen zum grössten Teil aus dem Binntal, einige aus Grimentz, Lötschen, Almagell. Eisenlampen sind 2 aus Binn (Geschenk Frl. Weis), eine aus dem Münstertal (Geschenk Dr. Tramer) und eine aus Rossa (R.) zuge- sangen, je eine Glas- und eine Zinnlampe für Oel aus dem Wallis (letztere H.) Fine Moderateurlampe älteren Systems schenkte Herr E. Schmid-Muth. Hölzerne Untersätze in primitiven Formen wurden 3 im Wallis erworben (1 H.), besonders eigenartig ist ein solcher aus Rossa, dessen 3 Füsse den menschlichen nach- gebildet sind (R.). Eine noch primitivere Art der Beleuchtung aber stellen die Kerzen und Fackeln aus Birkenrinde dar, die Herr Prof. Rütimeyer zuerst im Tessin, dann aber auch im an- grenzenden Misoxertal ausfindig gemacht und in 10 verschieden- kalibrigen Exemplaren geschenkt hat. Dadurch ist unsere Beleuch- tungsgruppe um ein höchst bedeutungsvolles Element bereichert worden. Von den 4 neu eingegangenen Kerzenstöcken möchten wir ein hübsches in Bern erworbenes Stück aus Kupfer mit reichem Punzornament erwähnen (H.), das aber eher tessinischer oder italienischer Herkunft ist. Kerzenmodel, Dochten mit zugehörigen Stäben (Frl. Weis) und ein Dochtenmass stammen aus Binn. Eben- daher eine mit Schweinsblase überzogene Laterne von eigenartig gebauchter Form (H.). Innerschweizerischen Ursprungs ist ein hölzernes Model, in das der als Brennmaterial verwendete Obstabfall (Trester) gepresst wird. Einen Walliser Feuerstahl schenkte Frl. Weis, eine auf dem Wege vom Melchtal nach der Frutt gefundene Tabakspfeife aus Eisen Herr H. Stauder in Zofingen, 2 birkenrindene mit einge- schlagenen Ornamenten verzierte Schnupftabaksdosen aus dem Misox Herr Prof. Rütimeyer, eine gleiche in grossem Format aus Almagell der Vorsteher. Auch Tracht und Schmuck haben etlichen Zuwachs erfahren: so je 1 Paar Holzsandalen verschiedenen Typs aus dem Tessin und Val Calanca (R.), 1 Paar Schneeschuhe aus Almagell (H.), 4 Haarpfeile aus den Kantonen Appenzell, St. Gallen und Glarus, eine angeblich im Rhein gefundene Silberbrosche mit Granaten (H.), ein silberner Fingerring aus dem Kanton Solothurn (H.) und 2 bäurische Sackuhren mit in Messing getriebener bezw. gemalter Darstellung auf dem Zifferblatt (H.). Ein wasserdicht imprägniertes kompletes Kostüm eines bretonischen Fischers hat uns Herr Dr. G. Imhof-Schnetzler schenkweise übermacht. 580 Fritz Sarasin. Zum Spiel übergehend, erwähnen wir vor allem eine in die Hunderte gehende Hochflut von primitiven Spieltierchen, deren Zahl nunmehr solche Dimensionen angenommen hat, dass davon nur noch die Haupttypen in je einem Exemplar zur Ausstellung gelangen können. Wir zählen die Einläufe summarisch auf. Mehr oder weniger primitiv in Holz geschnitzte: Kanton Wallis 32 (teil- weise H.), Hospental (Uri) 14 (R.), Saanen einige Hundert, davon 43 für die Sammlung ausgewählt (R.), Jaun 8 (R.), Münstertal 2 (Dr. Tramer), Appenzell A.-Rh. 1 (S. Schlatter, St. Gallen); un- bearbeitete Knochen: Almagell 20 (Frl. Weis); Tannzapfen: Val de Bagnes 1, Saanen |Schafe darstellend] 2 (R.); kleine Schoten: Val de Bagnes (M. Gabbud, Lourtier); Schneckenhäuschen |Hühner darstellend]: Saanen (R.). Die primitivste Form sind wohl die natürlich durchlochten Steine, durch die eine Schnur gezogen wird. Solche „Kühe“ sind heute noch in Dänemark gebräuchlich und wurden auf unsere Bitte hin durch Herrn Pastor Dr. H. F. Feilberg in 7 Exemplaren schenkweise eingesandt. 2 menschliche Figuren aus Holz wurden in Binn erworben, solche aus Papier in Alma- gell (Frl. Weis), aus Laub in Arosa (Frl. Beity Ernst, Zürich). Ein älteres Basler Spielzeug, einen Akrobaten darstellend, übergab Herr W. Uebelin als Depositum. Von Mustkinstrumenten ging nur eine Birkenrindentrompete („Birchel“) aus Schwyz ein, die wir Frl. stud. Stockmeyer als Ge- schenk verdanken. Mit dem Spiel enge verwandt ist der Volksbrauch, aus dessen Grebiet einige nicht uninteressante Gegenstände neu hinzugekommen sind. Die Taufzettel sind sowohl als Sitte, wie als Dokument der Volkskunst und Volksdichtung zu beachten. Oft sind dieselben geschrieben, öfter jedoch gedruckt und mit handkoloriertem Blumen- dekor, seltener figürlichen Darstellungen, etwa dem Taufakt selbst, versehen, die dann wieder als Trachtendokumente wertvoll sein können. Aus der Ostschweiz haben wir 6, aus dem Kanton Bern 4 (H.) Taufzettel erhalten. Von geringerer Bedeutung, weil schmuckloser und rein religiös gerichtet, sind die zur Konfirmation verabreichten Zettel; ein älteres Exemplar stammt aus dem Kanton Bern (H.); farbenreicher dagegen und kulturgeschichtlich beachtens- werter sind die Bräuche und Gegenstände, die zu Liebe und Hoch- zeit in Beziehung stehen. Da ist vor allem ein im St. Galler Fürstenland oder katholischen Thurgau zu lokalisierender Kunkel- spruch zu nennen, der uns von Herrn Heinr. Volkart in St. Gällen als Tausch gegen kaukasische Brettchenwebereien eingesandt worden ist. Diese Kunkelsprüche >?) sind lange Spruchbänder, welche in 12) Siehe Schweiz. Archiv f. Volkskunde, 17, 59 ff. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 381 einem geschmückten Ei oder einer Nuss (beides sind alte Frucht- bärkeitssymbole) durch Kurbelvorrichtung aufgewickelt werden können, ähnlich den Bandmetermassen. Solche Sprüche wurden den Mädchen von ihrem Burschen zu Ostern geschenkt und dienten ursprünglich dazu, die äbzuspinnende Kunkel zu umwinden. Der Spruch unseres Exemplars enthält nichts auf die Liebe Bezügliches, sondern erfleht von St. Joseph den Segen auf das Haus herab. Die Kapsel besteht aus einem ausgeblasenen Ei, das mit Blumen im bäuerlichen Geschmack beklebt ist. Mit der Sitte des Kunkel- spruchs sind verwandt die gemalten Liebesbriefe und Denkzettelchen, die sich Liebende zusenden. Einige charakteristische Stücke habe ich in St. Gallen erworben (siehe auch unter „Bildwerk“), eben- dort ein Hochzeitscarmen aus Winterthur und zwei aus künstlichen Blumen hergestellte Jungfernkränze von seltener Form aus dem Kanton Thurgau, während 7 Hochzeitssträusschen aus Lup- singen im Baselland stammen (H.). Dem volkstümlichen Kalender- brauch gehört an eine Fastnachtsfackel (faie) aus Fontenay im Berner Jura (Geschenk von Æ. Hoffmann jun.), ebenso eine Kar- freitagsratsche grossen Kalibers aus Rossa (R.) und einige gefärbte und mit Ritzdekor geschmückte Ostereier aus Basel (Geschenk Frl. Dr. M. Eberle), während als ganz besondere Gruppe 16 verschiedene Requisiten des spanischen Stiergefechts zu nennen sind, die von Herrn Dr. Schumacher-Kopp in Luzern eingesandt und von dem Vorsteher geschenkt worden sind. Von Gegenständen der religiösen Volkskunde seien genannt ein Hausaltärchen aus dem Kanton Luzern in Form eines mit ver- bleiten Scheibchen verschlossenen Kästchens, an dessen Wänden Heiligenbildchen und Ahnliches angebracht sind (H.); aus dem gleichen Kanton dürfte ein sogenanntes Christkindchen in Glasge- häuse stammen (H.). 5 Votivbilder mit dem heiligen Fromont von Bonfol schenkte Herr Dr. Forcart, ein solches mit Maria wurde in St. Gallen erworben, 13 Votivglieder im Wallis (9 H.): wiederum in St. Gallen ein in Silber gefasster amulettartiger Anhänger mit heiligem Mönch(?), während ein aus Bein geschnitztes Figürchen, das Herr P. Fontana in Chiasso geschenkt hat und von ihm als Amulett bezeichnet wurde, von noch unklarerer Bedeutung ist. Ausserdem mag ein in 2 Täschchen eingefalteter Segen mit dem Anfang des Johannesevangeliums u. A. aus dem Kanton Zug, ein gedruckter Haussegen aus dem Kanton Bern (H.) und eine hand- schriftliche „Auslegung des Eidschwurs“ von ebendaher (H.) er- wähnt werden. Bemerkenswerten Zuwachs haben die Gegenstände aus Kultus und Volkstum der Juden erfahren. In allererster Linie haben wir 382 Fritz Sarasin. hier Herrn Jacques Marx in Basel die Schenkung von 2 versilberten Thorarollenhaltern mit getriebenen Renaissanceornamenten, je 3 Glöckchen und, als Spitze, dem Löwen .Juda’s, der das Wappen- schild des Hexagramms hält, zu verdanken. Ebenfalls religiösen Charakter haben 2 Gebetsriemen in Sammttasche und 2 Mesusen, die, mit den folgenden Gegenständen, Herr Dr. Olswanger in Bern, ein verständnisvoller Kenner des jüdischen Volkstums, der Samm- lung verehrt hat. Die Riemen (tephillin) wurden, in buchstäblicher Auslegung der Bibelstelle Exodus 13, 16, während des Gebets an die Stirn gebunden, die Mesusen, Pergamentblättchen mit dem he- bräischen Text des „Höre Israël“ auf der Vorder- und „Schadaj“ (Allmächtiger) auf der Rückseite, werden von allen gläubigen Juden an den Türpfosten der Zimmer angebracht, um den Eingang zu segnen. Mehr im volkstümlichen Glauben wurzeln die folgenden von Herrn Dr. Olswanger geschenkten Gegenstände: eine aus bunten Glasperlen zusammengesetzte Halskette, die bei den Arabern, sefar- dischen und jemenitischen Juden den Menschen oder Tieren zum Schutz gegen den bösen Blick umgehängt wird. In den dickeren Zwischenstücken befindet sich geriebener Alaun, am untern Ende sind zwei Knoblauchknollen, das verbreitete übelabwehrende Mittel, angehängt. Eine andere Halskette, bestehend aus Bernsteinperlen, die an einem roten Baumwollband aufgereiht sind, wird von den spanischen Juden und Arabern in Palästina als Amulett namentlich gegen Krankheit getragen. Auch als Diagnostikon wird die Kette verwendet, indem die Ränder der Bernsteinperle schmutzig werden, sobald der Träger des Amuletts krank wird. Die rote Schnur ist insofern von Bedeutung, als mit ihr das Grab Rahels gemessen wurde, in welchem Zusammenhang auf die magische Handlung des Messens überhaupt hingewiesen sein mag. Ein seltenes Stück ist ein Pergamentamulett, dessen Inschrift sowohl den Spruch enthält: „Und Pinchas ständ auf und betete und die Pest hörte auf“ als in verschiedenen Kombinationen den Namen „Jahwe“; die Inschrift war mit Rudagras bestreut, das seines starken Greruches wegen im Volksglauben der palestinensischen Juden und Araber eine grosse Rolle spielt. Das Amulett wurde mir ausdrücklich als Abwehr- mittel gegen die Cholera bezeichnet, während der Spruch auf die Pest schliessen lässt. Dem jüdischen Volksbrauch gehört eim hölzerner Kreiselwürfel an, mit dem die Kinder am Makkabäerfest (Chanukkah) spielen. Auf vier Seiten des Würfels sind die Buch- staben Schin, He, Nun und Gimel eingebrannt, die Initialen der Worte „scham haja ness 'gadöl* („dort geschah ein grosses Wunder“). Die Buchstaben haben aber gleichzeitig auch folgende Zahlenwerte: schin = 300, he = 5, nun = 50, gimel = 3, die beim Spiel Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 389 dann die betreffenden Gewinne an Geld oder Früchten ergeben. Ein Trachtenstück ist das Kopftuch der jüdischen Spaniolinnen in Palästina, das, auf vorschriftsmässige Art gefaltet, das Haar ver- hüllen soll. Endlich sei eine Öllampe aus unglasiertem Thon er- wähnt, auf deren altertümliche Form neuerlich auch Thomson in seiner Schrift über Palästina'?) durch einen Vergleich mit frühzeit- lich kanaanitischen Lampen hingewiesen hat. Ein kammartiges Eisen zum Durchlochen der Mazzen schenkte Herr Josef Messinger in Bern, eine kleine Mesusakapsel aus Silberfiligran und eine Psom- büchse wurden käuflich erworben. Gering ist der Zuwachs an Gregenständen aus dem Aberglauben. Es ist ein Zauberspruch auf Papier, enthaltend magische Buch- staben und einen Segen, sich beliebt und für die Feinde unsichtbar zu machen (H.), ein Anhänger-Amulett aus Jaspis in Herzform, eine Figa aus roter Koralle und ein Hufeisen, das über einem Keller in Mendrisio angebracht war zur Abwehr des Ubels (R.). Zur Volksmedizin gehört ein Gichtring mit zwei verschiedenen Metallen an der Schildfläche (Geschenk J. Lörch) und einige Stücke Lärchenschwamm und Baumflechte, wie sie im Wallis zur Wünden- heilung aufgebunden werden (Geschenk von Frl. Weis). In die Gruppe Verfassung und Recht mögen 4 Holztafeln eingereiht werden, auf die im graubündnerischen Münstertal der Milchertrag mit Kreide aufgeschrieben wird (Geschenk Dr. Tramer). Einen erfreulichen Zuwachs haben auch die Tesseln verschiedenster Verwendung erfahren; es sind solche für die Milchrechnung aus dem Tessin (R.) für die Alpbewirtschaftung aus Almagell (H.), für Schaf- und Ziegenhut aus Binn (Geschenk Frl. Weis) und Bosco (R.), für Bewässerung aus Grengiols, für Sandfuhren aus Chiasso, für Wellenverkauf aus dem Val Muccio (letztere zwei von Herrn P. Fontana in Chiasso geschenkt), endlich für Gemeinwerk über- haupt aus Almagell (Geschenk von Herrn LP. J. Burgener daselbst). Davon sind am bemerkenswertesten einige der aus Bosco stam- menden Exemplare, weil sie sich wegen ihres Materials direkt mit den gekerbten Knochen des Paläolithikums vergleichen lassen. Eine sehr primitive Art der Tessel, die einfache Zähltessel, ist vertreten durch zwei Kerbhölzer, an deren Kanten die Zahl der Unservater eingekerbt ist, die ein Kind während 4 Wochen vor dem St. Ni- klaustag gesprochen hat, welche Hölzer dann dem strafenden und schenkenden St. Niklaus vorgewiesen werden. Beide Stücke sind von Hilfsarbeiter Ad. Ammann-Hauser hergestellt worden, wie er sie aus seiner Heimat, dem badischen Wutachtal, noch in Erinne- rung hatte. 13) „Aus Natur und Geisteswelt.“ Leipzig (Teubner), 1917, S. 57. 384 Fritz Sarasin. Das volkstümliche Bildwerk ist im Berichtsjahr durch eine ganze Anzahl guter Stücke bereichert worden. Käuflich erworben wurden solche namentlich in St. Gallen, wo, wie überhaupt in der Ostschweiz, dieser Zweig der Volkskunst rege Pflege zu finden scheint: es sind meist handgemalte Zettel mit figürlichen und Blumendarstellungen, teilweise mit Text, der sich auf Liebe, An- gedenken, Glück und Segen, Frömmigkeit u. dgl. bezieht. Zuweilen sind es auch illuminierte Taufzettel, Hochzeitscarmina (s. o. Volks- brauch) und Sprüche zum Gedächtnis an Verstorbene; endlich Rät- selbilder, Symbolisches oder nur kalligraphische Kunststücke, oft mit reichverzierten Initialen. 6 der letztern, schöne Appenzeller Examenarbeiten aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts, überwies uns Herr Pfarrer Paul Christ schenkweise, 3 gingen aus dem Kanton Bern zu (H.), 7 Bildchen verschiedener Art schenkte Fräulein Dr. A. Stoecklin, ein aus künstlichen Blumen hergestelltes ein- gerahmtes Denkbildchen der Vorsteher. Von physikalischen Objekten mag vor allem Erwähnung finden eine in Speckstein eingeschnittene Sonnenuhr, beidseitig graviert für Sommer- und Winterzeit, aus Willeren im Binntal; Taschen- sonnenuhren, wovon eine mit Kompass, schenkten Herr Schmid- Muth und der Vorsteher, letzterer auch einen gläsernen Barometer, während ein sehr primitiver, nur aus einem entrindeten Fichtenzweig bestehender Barometer aus Aosta durch Herrn Dr. Aug. Gansser eingesandt wurde. Zum Schluss sei noch ein vorderhand nicht zu bestimmendes Instrument erwähnt, das aber seiner ganzen Ausführung wegen Beachtung verdient. Es ist ein elephantenzahnartig gestalteter Haken aus Knochen von ca. 20 cm Länge, der am oberen, dicken Teil eingeritztes Schuppenornament trägt. Dieser Teil ist quer durchlocht und ein Lederriemchen durchgezogen. Der Verkäufer vermutete, er könnte von einem Sattler zum Anziehen der Näh- riemen verwendet worden sein; eher diente er zum Abhäuten er- legten Wildes. Geschenke: 506, Leihgaben : 2, Tausch: 4, Kauf: 264. Qt Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 58 Verzeichnis des Zuwachses des Museums für Völkerkunde (mit Ein- schluss der Bibliothek und der Bilder-Sammlung) im Jahre 1917. Prähistorische Sammlung. Geschenke. Tit. Freiw. Museumsverein, Basel: Beiträg von Fr. 400 an den Ankauf der Sammlung Thiessing aus schweizerischen Pfahl- bauten (1915). Herr Dr. F. Sarasin, Basel: Australische Glyptolithen ; neolithische Pfeil- und Lanzenspitze aus der Provinz Vicenza. » Dr. P. Sarasın, Basel: Fragment eines Bronzedolches, Basel. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Umfangreiche Sammlung von Steingeräten aus Ceylon. Herr Dr. A. @. Stehlin, Basel: Acheuléen-Faustkeile; neolithisches Steinbeil (Hte Loire). Prof. E. A. Stückelberg, Basel: 6 prähistorische Münzen vom Grossen St. Bernhard. ” Polarvölker. Geschenke. Herr Prof. L. Rütimeyer: Gerät zum Fellgerben, Samojeden. Afrika. Geschenke. Fräulein A. Döring: Kleine Holztrommel der Wakikuyu, Ohr- schmuck der Wakamba, Idol der Bañoti. Herr Dr. Th. Engelmann: 1 Korb, Goldküste; 2 Thongefässe Assiut. „ Major E. Federspiel: 1 Longanda (Eisengeld) vom Kongo. Prof. E. Hoffmann-Krayer: Eisengeld vom Kongo und der Fan; geflochtener Helm, Kongo; 3 Amulette vom Senegal und aus Nubien; 1 Prozessionsdekor, Tunis; 1 Geldbeutel aus einem Straussenhals, Nubien. » Missionar Lädrach: 1 Rätselspiel der Tschineger, Goldküste. »n Dr. À. Merian: 1 Pulverhorn, 2 grosse Fayenceplatten, 2 Ziergefässe aus Thon, 1 Tintenfass, Marokko; Thonlampe und ‘ Henkelkrug der Kabylen; Doppellampe aus Messing, Arabien. » E. Ramseyer: 1 Webstuhl, 1 Pfeifenkopf, Asante, 25 386 Fritz Sarasin. Herr Prof. L. Rütimeyer: 1 Vogelmumie, 1 Collier, Alt-Aegypten; 1 Thonbecher, Tanger. „ G. Schneider: 1 Schädelfetisch, 1 Esslöffel der Fan; 1 Paar Sandalen, 1 Musikinstrument, Dahome. Fräulein @. Wackernagel: 1 Hut aus Strohgeflecht, 3 Gürtel, 2 Col- liers in Perlenstickerei, 1 Messer, Basutos; 1 Peitsche, Zambesi. Vorderasien. Geschenke. Herr Dr. A. Vischer: 1 Kopf- und Halsschmuck der Frauen, Josgad, Anatolien. Ankäufe. Eine Sammlung aus Schwedisch-Lappland (30 Nummern). 2 Nach- bildungen der Fliesen der Alhambra. Tauschverkehr. Stücke von Gürtelbändern in Brettchenweberei aus Algerien, Tunis, Bulgarien und Samarkand. Vorderindien, Ceylon und Hinterindien. Geschenke. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Alte Silbermünze, Ceylon. Tauschverkehr. Ethnographische Sammlung, Zürich: Lanze der Naga, pneumatisches Feuerzeug, Hinterindien. Kauf. Bemalter Tisch aus Kaschmir. Malayischer Archipel. Geschenke. Herr G. W. Bronner, Basel: 4 Hausmodelle in Bronze, Sumatra. „ G. Forrer, Sumatra: 2 Kämme der Battak, Sumatra. „ Dr. Rud. Pfister, Sumatra: 6 Gegenstände der Battak, Su- matra; Sarong aus Java. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Reisfass und altes Thon- gefäss, Celebes. Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 387 Herr G. Schneider, Basel: Holzflasche der Battak, Sumatra. » Dr. A. Tobler, Basel: Matte, Sumatra. Tauschverkehr. Ethnographische Sammlung, Bern: Schild, 4 Schwerter, 1 Bronze- platte, Atjeh. Ankäufe. Lanze und 2 Schwerter von Nias und Engano. China-Japan. Geschenke. Herr Dr. Th. Engelmann, Basel: 2 Elfenbeinfiguren, Japan. » K. Geigy-Hagenbach, Basel: Holzdose, China. » Dr. R. @eigy-Schlumberger, Basel: Vollständiges Frauenkleid, Japan. „ Prof. Ed. Hoffmann-Krayer, Basel: Tuschschachtel, China. „ Dr. J. Olswanger, Basel: Amulet, Japan. Frau Speiser-Riggenbach und Fräulein Ch. Riggenbach, Basel: 2 Netzke, Japan. Tausch und Kauf. 3 alte chinesische Porzellanschalen (Mus. Bern); Tiermaske, China. Australien und Melanesien. Tauschverkehr. Ethnographische Sammlung, Zürich: 3 Speere und 1 Schnitzgerät, Australien; 1 Speer, Neu-Guinea. Ankäufe. Schild und Keule, Australien; 2 Speere, Neu-Britannien; Obsidian- lanze, Admiralitätsinseln. Polynesien. Geschenke. Herr P. Staudinger, Berlin: Keule von den Marquesas-Inseln. Tausch und Kauf. Netzsenker, Neu-Seeland (Ethnogr. Sammlung Zürich), Tapa, Samoa; 2 Holzspeere, Fidji. 388 Fritz Sarasin. Amerika. Geschenke. Herr K. Im Obersteg, Basel: Sieb aus Bast. J. Oeri-Simonius, Basel: Thonfragmente von Oaxaca, Web- stuhl aus Mexiko. 7 Anküufe. 2 Bogen und 1 Lanze der Konibo-Indianer. Europa. Geschenke. a) An Gegenständen. (Bei der. grossen Zahl der geschenkten Gegenstände, über 500, ist eine Aufzählung im Einzelnen nicht möglich. Alles wichtigere ist übrigens im Jahres- bericht erwähnt. Die beigefügte Zahl bezeichnet die Anzahl der geschenkten Gegenstände. Wo nichts weiteres bemerkt ist, sind die verehrlichen Donatoren in Basel wohnhaft.) Herr Ad. Ammann-Hauser 5, Herr A. W. Bröckelmann 3, Herr P. J. Burgener, Almagell 3, Herr Prof. Dr. A. Buxtorf 1, Herr V. Chiesa, Chiasso 1, Herr Pfarrer P. Christ 6, Fräulein Dr. M. Eberle 3, Fräulein Betty Ernst, Zürich 2, Herr Pastor Dr. H. F. Feilberg, Askov in Dänemark 7, Herr P. Fontana- Prada, Chiasso 4, Herr Dr. K. Forcart 9, Herr Dr. R. Forrer, Strassburg 1, Herr M. Gabbud, Lourtier (Wallis) 5, Herr Dr. Aug. Gansser 1, Herr Prof. Dr. A. Gessner, Aarau 2, Herr J. Gros, Genf 1, Herr Prof. Dr. E. Hoffmann-Krayer 158, Herr Ed. Hoff- mann jun. 1, Herr @. Horne 1, Herr Dr. @. Imhof-Schnetzler 1, Schweizerisches Landes-Museum, Zürich 14, Herr Dr. J. Leemann 1, Herr J. Lörch, Kemmatten (Kt. Zug) 3, Herr Jacques Marx 2, Frau Merian-Preiswerk 1, Herr Jos. Messinger, Bern 1, Herr Dr. Olswanger, Bern 8, Herr Dr. Jean Roux 6, Herr Prof. Dr. L. Rütimeyer 151, Sack- und Rohprodukten A.-G., Bern 5, Herr Dr. Fritz Sarasın 5, Herr À. Sarasin- Vischer 2, Herr Sal. Schlatter, St. Gallen 1, Herr Æ. Schmid-Muth 7, Herr Walther Schmid 1, Herr Dr. Schumacher-Kopp, Luzern 2, Herr Prof. Dr. J. Sieben- mann 1, Frau Dr. Fehx Speiser 1, Herr Herm. Stauder, Zofingen 1, Fräulein Dr. A. Stecklin 7, Fräulein M. Stockmeyer 3, Herr J. Stuber 1, Herr Dr. D. Tramêr 12, Herr Zahnarzt W. Uebehn 3, Fräulein A. M. Weis 54. b) Geldbeiträge. Frau M. Bachofen- Vischer Fr. 50.—, Herr Prof. Dr. Daniel Burckhardt Fr. 10.—, Frau A. Forcart-Bachofen Fr. 20.—, Herr R. Gemuseus-Passavant Fr. 20.—, Herr F. Hoffmann-La Roche Basler Museum für Völkerkunde, Jahresbericht 1917. 389 Fr. 500.—, Herr Dr. X. R. Hoffmann Fr. 50.—, Herr G. Krayer- La Roche Fr. 20.—, Herr M. Krayer-Freyvogel Fr. 20.—, Frau A. Sarasin- Von der Mühll Fr. 20.—. Herr E. R. Seiler Fr. 10.—, Herr A. Vischer-Krayer Fr. 20.—, Herr @. Zimmerlin- Boelger Br. 10.—. Anthropologische Sammlung. (Vorsteher Dr. F. Sarasin.) Geschenke. Herr Prof. L. Rütimeyer, Basel: Gipsabguss der Mandibel von Homo heidelbergensis. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Menschliche Skelettreste aus Weddahöhlen, Ceylon. Herr Dr. F. Speiser, Basel: Männlicher Schädel von den Salomons- inseln. » Dr. À. Stehlin, Basel: Schädelreste aus dem Gallischen Gräber- feld in der Chemischen Fabrik Sandoz, aussen an der Gas- fabrik. » Prof. Ad. Streckeisen, Basel, Erben: Skelettreste aus einem Alamannengrab bei Arlesheim. Bildersammlung. (Vorsteher Herr Dr. F. Speiser.) Geschenke. Herr Dr. @. Bollinger, Basel: Afrikanische Photos. » Prof. E. Hoffmann-Krayer, Basel: Schweizer Typen- und Trachtenbilder. 2 »„ Pfr. E. Iselin, Riehen: Bilder aus Palästina und Agypten, Arch. H. E. Linder, Basel: Bilder aus aller Welt. » L. A. Ramseyer, Riehen: Photos aus Asante. » Dr. J. Roux, Basel: Photos von den Aru- und Kei-Inseln. »n £. Schmid-Muth, Basel: Photos aus Kamerun etc. (von Frl. Wuhrmann); Photos von Guatemala. » Dr. F. Speiser, Basel: Photos aus Arizona und von den Neuen Hebriden. Bibliothek. (Vorsteher Dr. P. Sarasin.) Geschenke. Herr Prof. A. Buxtorf, Basel: Nieuwenhuis, Tanz in Niederländisch Indien. 390 Fritz Sarasin. Herr Dr. K. Forcart, Basel: de Rosny, Documents écrits de l’an- tiquité américaine. » Dr. M. Fankhauser, Burgdorf: Précis de la Géographie uni- verselle par M. Malte-Brun, vol. 5. » @. Forrer, Sumatra: Batakspiegel und Suppl. » Prof. E. Hoffmann-Krayer, Basel: Sapir, Time Perspective in Americ. Culture; Hauser, La Micoque; Schmidt, Aruaken ; Hawkes, Labrador Eskimo; Ribbe, Zwei Jahre unter den Kannibalen der Salomo-Inseln; Haberlandt, Völkerkunde; Hoessly, Ost-Grönland; Knight, Craniometry; diverse Bro- churen. >» Bir ih lsehm, Basel: Dessels, Amerikanische Nordpolexpe- dition; Catlin, North American Indian. Eh Fo ee Basel: Die Vierlande bei Hamburg. Tit. Museen von Bern, Hamburg, Leiden, Lübeck, National Mu- seum America, Nat. Mus. Wales, Neuchätel, St. Gallen: Jahresberichte. Tit. Museen von Biel, Leipzig, Lübeck : Führer. » Ungarisches Nationalmuseum: Bd. VIII, 1, 1909. Rijcksmuseum Leiden: Katalog, Bd. X and XI. Eier Prof. L. Rütimeyer, Basel: Mungo Park, Reisen im Innern von Afrika; Sprengel, Bibliothek der neuesten Reisebeschrei- bungen; König, Hornemanns Reise von Kairo nach Murzuk; v. Maltzan, Reisen in Algerien und Marokko; Wackernagel, Voces variae animalium; Sarasin, Neu-Caledonien und Loy- alty-Inseln; Archives Suisses d’Anthropologie générale, No. 1 —2; Anthropos Bd. XII bis heute; diverse Brochuren. Herren Drs. P. und F. Sarasin, Basel: Prühistorische Zeitschrift, Bd. 1—7; Zeitschrift für Ethnologie, Schweiz. Archiv für Volkskunde, Anzeiger für schweiz. Altertumskumde, Fort- setzungen. Fräulein Schaffroth, Burgdorf: Handbook to the Ethnogr. Coll. of the Brit. Mus, Smithonian Institution, Bureau Americ. Ethnolog.: Bulletins 56, 57, 62, 87; Reports 29, 30. Ankäufe. Gennep van, Tissage aux Cartons; Buschan, Sitten der Völker. Manuskript eingegangen 5. Januar 1918. Achtunddreissigster Bericht über die J. M. Ziegler’sche Kartensammlung LING: Da wir uns durch den Krieg nach wie vor in der Ergänzung der ausländischen Kartenbestände gehemmt sehen, haben wir im Berichtsjahre den grössten Teil der disponibeln Mittel auf die An- schaffung der neuesten Auflagen von 542 Blättern des Siegfried- atlasses verwendet. Der 1914 begonnene neue Katalog ist wie im Vorjahre intensiv gefördert worden, so dass seine Vollendung nahe bevorsteht. Auch ın anderer Hinsicht wird die Benützung der Sammlung den Interessenten demnächst erleichtert werden. Auf eine Eingabe, welche wir am 22. Mai 1916 an das verehrl. Erziehungsdepartement gerichtet hatten, hat uns dieses am 8. Juni die formelle Zu- sicherung gegeben, dass das historische Seminar, welches seit 1906 im Kartenzimmer einquartiert ist, in das, durch den Auszug der Frauenarbeitsschule freigewordene Gebäude an der Martinsgasse verlegt werde, sobald es in Stand gestellt sei. Wir dürfen daher hoffen ım nächsten Berichte melden zu können, dass das Karten- zimmer seiner ursprünglichen Bestimmung zurückgegeben ist. 392 J. M. Ziegler’sche Kartensammlung. I. Geschenke. Staatskanzlei: Bibliographie der Schweizer. Landeskunde. Fase. IV.3 a,V. 10c. Fr. Heusler: Stadtplan von Augsburg von H,. J. Ostertag 1719. II. Anschaffungen. Kriegskarten der Münchener Kriegshilfe. No. 65—100. 36 BL Schweizer Landestopographie, Bern: Siegfried-Atlas. Neueste Aus- gabe. 542 Bl. Gaston Michel: Verkehrskarte der Schweiz. Carte du Trafie de la Suisse. Bern, Geogr. Kartenverlag Kümmerly & Frey, 1916. 1:200000. 1 Bl. aufgezogen. Den verehrlichen Donatoren und Spendern von Jahresbeiträgen sprechen wir für ihre Zuwendungen den verbindlichsten Dank aus. Wir empfehlen ihnen unsere Sammlung auch fernerhin aufs wärmste. Basel, den 3. Juli 1917. Im Namen des Vorstandes der Naturforschenden Gesellschaft, Der Sekretär: H. G. Stehlin. J. M. Ziegler’sche Kartensammlung. Rechnung für das Jahr 1916. Einnahmen. Aktivsaldo voriger Rechnung Jahresbeiträge . Zinsen Ausgaben. Honorare Anschaffungen Buchbinder Bankspesen Aktivsaldo auf 1917 Status. Angelegte Kapitalien À Aktivsaldo auf neue Rechnung . Status pro 31. Dezember 1916 . Status pro 31. Dezember 1915 . Vermögenszunahme 1916 . Basel, den 3. Juli 1917. 393 ro 0620 7 120. — er 898. 55 Fr. 4,400. 65 Fr 345. — a 432. 80 a 108. 20 Le 3. 95 Fr 889. 95 LU SOUDE NT) Fr. 4,400. 65 Fr. 15,000. — N; 3,510. 70 Er 18 /910710 18,382. 10 nr 128. 60 C. Chr. Bernoulli. 1) In offenem Dépôt beim Schweiz. Bankverein mit den der Universitäts- Bibliothek gehörigen Kapitalien. Neununddreissigster Bericht über die J. M. Ziegler’sche Kartensammlung ORTE Mit Anschaffungen ist im Berichtsjahre sehr zurückgehalten worden, da die Kaufgelegenheiten durch den Krieg nach wie vor stark eingeschränkt sind. Eine Anzahl Blätter, für welche eine Verstärkung besonders wünschenswert war (Proche Karten in 1:80,000), sind aufgezogen worden. Der 1912 begonnene neue Katalog (8 Bände Folio) ist nun insofern fertiggestellt, als er sämtliche in die Ziegler’sche Samm- lung eingereihten Bestände sowie die in der Vaterländischen Biblio- thek verwahrten Karten und Ansichten aufführt und ausserdem Hinweise auf das sonstige ausserhalb des Kartenraums befindliche Material enthält. In den kommenden Jahren soll noch eine An- zahl uneingereihter älterer Kartenwerke verglichen und aufgenommen werden. Im vergangenen September hat das Historische Seminar das Kartenzimmer verlassen, sodass dieses nun wieder, seiner ursprüng- lichen Bestimmung entsprechend, ganz zur Verfügung der Karten- sammlung steht. Sobald einige Umordnungsarbeiten, welche der Auszug des Seminars nach sich zieht, und einige Anderungen an den Schränken erledigt sind, sollen den Interessenten Erleichte- rungen in der Benützung der Sammlung geboten werden, über die wir nächstes Jahr zu berichten gedenken. Es ist ursprünglich die Absicht des Vorstandes gewesen, bei Anlass des hundertjährigen Jubiläums unserer Gesellschaft eine Schaustellung von Blättern aus der Ziegler’schen Sammlung zu veranstalten. Nachdem in Rücksicht auf die Zeitverhältnisse be- schlossen worden war, die Jubiläumsfeier mit der Eröffnung des neuen Museums für Völkerkunde zu verbinden, haben wir diesen Plan aufgeben müssen. Doch ist dann die Idee, der Öffentlichkeit wieder ci etwas von den Schätzen der ne vorzuführen, J. M. Ziegler’sche Kartensamnilung. 395 in anderer Weise verwirklicht worden. In der Sitzung vom 21. Fe- bruar 1917, die im Lesezimmer der Bibliothek abgehalten wurde, hielt Herr Professor Braun einen Vortrag über „Bedeutung und Verwertung der Ziegler’schen Kartensammlung“ und illustrierte denselben durch Lichtbilder und durch eine instruktive Auswahl von Kartenblättern. Die Diapositive zu den Lichtbildern sind aus der Kasse des Kartenvereins bestritten und nachher dem geo- graphischen Institut überwiesen worden. Die Schaustellung von Karten war auch noch an zwei folgenden Tagen zugänglich und zog eine stattliche Zahl von Interessenten an. Der Kartenverein hat bei diesem Anlass eine Reihe neuer Mitglieder gewonnen, sodass sich die Summe der Jahresbeiträge von Fr. 120.— im Vorjahre auf Fr. 210.— im Berichtsjahre erhöht hat. In der Geschichte unserer Gesellschaft, welche den Festband zum hundertjährigen Jubiläum derselben eröffnet, ist der Entwick- lung der Kartensammlung unter der Fürsorge von Kartenverein, Kartenkommission und Bibliotheksverwaltung ein besonderes Kapitel gewidmet. Eine Anregung von Herrn Prof. @. Braun, der Kartenverein möge sich dem Verband schweizerischer geographischer Gesell- schaften anschliessen, haben wir abschlägig beschieden in der Meinung, es liege nicht in unserer Kompetenz, einen solchen Schritt namens des Kartenvereins zu beschliessen und dieser sei überhaupt nicht die geeignete Instanz, um dem genannten Verbande als Stütz- punkt in Basel zu dienen. I. Geschenke. Staatskanzlei: Bibliographie der Schweizer. Landeskunde. Fasc. V 9 c?. Prof. Dr. G. Braun: Oberhämmer. Bericht der Kommission für die Reproduktion alter Karten. (S.-A.) 1914. Braun, G. Die J. M. Ziegler’sche Kartensammlung in Basel. (S.-A.) 1917. Dr. J. Mähly-Eglinger: Zehn ältere Karten. Von Rizzi-Jannoni, ©. F.Weiland u.a. 10Bl. Frl. Eug. Hübscher : Schweizerkarten, gest. von J. Scheurmann. Orell Füssli. 4 Bl. 396 J. M. Ziegler’sche Kartensammlung. II. Anschaffungen. Kriegsschauplatzkarten, hg. von der Münchener Kriegshilfe. No. 101 bis 160. 60 Bl. Brockhaus. Karte der baltischen Provinzen. 1: 650 000. 1 Bl. Geschiedkundige Atlas voor Nederland. Kaart 5. Holland, Zeeland en Westfriesland in 1300. Blad 1. Kaart 7. De Bourgondische Tijd. Blad 1—4. Kaart 15. De Rechterlijke Indeelingen na 1795. Blad 1—3. Haag, M. Nijhoff, 1917. 8 Bl. Gerhard Mercator. Drei Karten. Europa, Britische Inseln, Weltkarte. Facsimile-Lichtdruck. Hg. von der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Berlin, Kühl, 1891. Fol. 41. Tafeln. M. Greil. Ozeankarten. 1 : 20 000 000. Braunschweig, Westermann, 1915. 3 Bl. Flemmings Friedenskarten No. 1. Berlin 1917. 1 Bl. Gaston Michel. Industriekarte der Schweiz. 1 : 200 000. Bern, Kümmerly & Frey [1917]. 1 Bl. Den verehrlichen Donatoren und Spendern von Jahresbeiträgen sprechen wir für ihre Zuwendungen den verbindlichsten Dank aus. Wir empfehlen ihnen unsere Sammlung auch fernerhin aufs wärmste. Basel, den 23. März 1918. Im Namen des Vorstandes der Naturforschenden Gesellschaft, Der Sekretär: H. G. Stehlin. J. M. Zieglersche Kartensammlung, Rechnung für das Jahr 1917. Einnahmen. Aktivsaldo voriger Rechnung. Jahresbeiträge. . 5 Geschenk von Frau 8. À Zinsen Ausgaben. Honorare Anschaffungen . Buchbinder . . Sitzung der Nat. Bt. Projektionen Bankspesen und Porti . A Aktivsaldo auf 1918 Status. Angelegte a Ol Kassasaldo . Status pro 31. De ner 1917 Status pro 31. Dezember 1916 Vermögenszunahme 1917 Basel, den 28. Februar 1918. Fr. 3,510. 70 3 210. — à 100. — M 888. — Fr. 4,708. 70 Fr 333. 19 ss 201. 60 à 174. 60 212920 h 4. 10 Fr 843. 25 » … 3,600.4D Fr. 4,108. 70 Fr. 15,000. — n 3,865. 45 Fr. 18,865. 45 Aer F1 354. 75 . Chr. Bernoulli. 1) In offenem Dépôt beim Schweiz. Bankverein mit den der Universitäts- Bibliothek gehörigen Kapitalien. - 1. Nov. 13. Dez. 10. Jan. Herr Herr Herr 1 Chronik der Gesellschaft. Geschäftsjahr 1916—17. Vorstand. Dr. F. Sarasin, Präsident. Prof. Dr. A. Hagenbach, Vizepräsident. Dr. H. G. Stehlin, Sekretär. L. Paravicini-Müller, Kassier. M. Knapp, Schriftführer. 1916. Prof. Dr. F. Fichter: Ueber die Bildung des Harn- stoffes aus Ammonium-Carbonat und verwandten Verbindungen. Dr. A. Tobler: Zur Geologie von Sumatra. Prof. Dr. A. Hagenbach: Neue Methode zur Be- stimmung des aerodynamischen Feldes. E. Hindermann: Luftspiegelungen in Basel. Dr..R. Menzel: Beiträge zur Basler Fauna 1: Fund, Anatomie und Stellung von Bathynella natans, Vejdowsky. Prof. Dr. C. Schmidt: Edelnephrit aus dem Puschlav. Dr. K. Stehlin: Beobachtungen über die Boden- gestaltung von Basel und Umgebung. 1917. Prof. Dr. E. Hedinger: Knochenmarktransplantation in die Milz (nach Untersuchungen von Herrn Dr. Matsuoka). Prof. Dr. C. Schmidt: Die Steinkohlenformation innerhalb und ausserhalb der Schweiz. Dr. K. Bassalik: Die Bedeutung der Oxalsäure bei den grünen Pflanzen. Chronik der Gesellschaft 1916—17. 399 2. Febr. Herr Prof. Dr. G. Braun: Ueber Bedeutung und Ver- wertung der Ziegler’schen Kartensammlung, mit Demonstrationen aus derselben. 7. März » M.Knapp: Die Sternkarten des Johannes Honterus Coronensis. „Prof. Dr. L. Rütimeyer: Ueber ceylonesische Fell- und Kindermasken. »„ Dr. G. Jegen: Beiträge zur Basler Fauna 2: Die Lebensgeschichte des SperlingsparasitenCollyriclum faba (Koss.). Dr. W. Bally: Ein neuer Fall von Symbiose zwischen einem Pilz und einem Bakterium. 25. April „ Prof. Dr. H. Zickendraht: Ueber zwei neue Oscillo- graphen-Konstruktionen. 9. Mai „ Dr. E. Baumberger: Ueber die Geologie des Rigi- gebietes. SU „ Prof. Dr. G. Senn: Einfluss der Lichtfarbe aut die Lageveränderung verschieden gefärbter Chro- matophoren. 13. Juni » Prof. Dr. H. Preiswerk: Geologische Mitteilungen aus dem Simplongebiete. 23. n» » Feier des hundertjährigen Jubiläums, verbunden mit der Eröffnung des neuen Museums für Völker- kunde (s. Festbericht Band XX VIII, erster Teil, p. 189). Ein vollständiges Verzeichnis der Mitglieder, abgeschlossen auf den 23. Juni 1917, ist schon in Band XXVIII, 1 p. 108—123 erschienen. Jahresrechnung der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. 1. Juni 1916 bis 31. Mai 1917. Einnahmen. Jahresbeiträge Legat Johann Jacob inter Kapitalzinsen : Konto-Korrentzinsen Erlös aus Verhandlungen . Ausgaben. Druckkosten der Verhandlungen Band XXVII Vorbereitungen zu Band XXVIII Tauschverkehr und Buchbinderrechnungen . Sitzungskarten und Zirkulare Vorträge und Beihilfe . 3 Einzugskosten der Beiträge, Por ni ag an Bund für Naturschutz Verschiedenes . REN 9ER Mehreinnahmen Basel, den 31. Mai 1917. Der Kassier: Fr. 4,983. — Bl 00 — 19105 nr Fr. 5,911.80 Fr. 3,650.30 ee „oe ea 2 1006 er a „. 15:60 Fr. 5,313.85 . 597.95 Fr. 5,911.80 L. Paravicini. Geprüft und richtig befunden: Basel, den 10. Juli 1917. Die Rechnungsrevisoren: Prof. Dr. A. Buxtorf. Dr. R. Menzel. Genehmigt am 7. November 1917. Chronik der Gesellschaft. Geschäftsjahr 1917—18. Vorstand. Herr Prof. A. Hagenbach, Präsident. »n Prof. H. Preiswerk, Vizepräsident. »„ Dr. H. G. Stehlin, Sekretär. „ L. Paravicini, Kassier. „ Dr. M. Knapp, Schriftführer. Der Vorstand hat beschlossen, im neuen Jahrhundert, das die Gesellschaft mit dem Geschäftsjahr 1917/18 angetreten hat, der herkömmlichen Jahreschronik eine etwas erweiterte Form zu geben. Ausser einem Verzeichnis der Sitzungen und Vorträge, soll sie in Zukunft auch einen kurzen Bericht über gefasste Beschlüsse und andere wichtigere Ereignisse bringen, sodass sie gewissermassen als eine Fortsetzung der im Jubiläumsbande der Verhandlungen (XX VIII, 1) erschienenen Geschichte der Gesellschaft gelten kann. Als ein sehr erfreuliches Andenken hat uns das hundertjährige Jubiläum den schönen, von Mitgliedern und Freunden der Gesell- schaft zusammengelegten KFonds hinterlassen, der nach Abzug einiger Spesen mit Fr. 58,609.65 der Gesellschaftskasse überwiesen werden konnte, Wie von vornherein vorgesehen, waren aus dem- selben zunächst die Unkosten der Jubiläumsfeier, sowie ein nam- hafter Beitrag an die Herstellung des Jubiläumsbandes zu be- streiten. Der Rest ist dann, zusammen mit dem früher schon vorhandenen Vermögen und dem auch an dieser Stelle nochmals wärmstens zu verdankenden Legat aus dem Trauerhause J. R. Geigy- Merian in Titeln angelegt worden. Dieses in Titeln angelegte Kapital, das gegenwärtig mit Fr. 56,088.75 gebucht ist, soll laut Gesellschaftsbeschluss vom 6. Februar 1918 unantastbar sein. Da- neben besteht, wie bisher, eine Betriebsreserve, die sich auf den Tag des Rechnungsabschlusses auf Fr. 5702.29 beziffert. Zu Ende des Berichtsjahres, im Juni 1918, ist der Gesell- schaft von den Hinterlassenen unseres früheren Präsidenten, Herrn Prof. H. Vöchting-Burckhardt, ein weiteres Legat von Fr. 1000.— übergeben worden. Da unsere Jahresrechnung auf den 31. Mai 26 402 Chronik der Gesellschaft 1917 — 18. abschliesst, wird es erst in der nächsten figurieren. Es sei aber gleich hier aufs beste verdankt. Die Vermehrung der finanziellen Mittel hat einige organisa- torische Veränderungen nach sich gezogen. Der Vorstand soll in Zukunft zu Beginn des Geschäftsjahres der Vereinsversammlung ein Budget zur Genehmigung vorlegen. Für das Geschäftsjahr 1917/18 ist dies, etwas verspätet, am 6. Fe- bruar 1918 geschehen. Sodann wurde das Verhältnis der Gesellschaft zur Universitäts- bibliothek durch einen Vertrag geregelt, laut welchem unsere jähr- liche Zahlung an die Bibliothekverwaltung von Fr. 900.— auf Fr. 1200.— erhöht wird und diese sich dagegen zur Nachführung des Spezialinventars der Gesellschaftsbibliothek, zur Besorgung des Stockes unserer Verhandlungen sowie der Korrespondenz in Sachen des Tauschverkehrs und endlich zur periodischen Bereinigung des Tauschgesellschaftenverzeichnisses für den Druck verpflichtet. Dieser Vertrag ist von der Gesellschaft in der Sitzung vom 7. November 1917 gutgeheissen worden und auf 1. Januar 1918 in Kraft getreten. Ferner wurde eine Partialrevision der Statuten vorgenommen, durch welche der Vorstand um ein Mitglied vermehrt und die Besorgung der Sekretariatsgeschäfte, die in den letzten Jahren an Umfang zugenommen haben und sich infolge der finanziellen Besserstellung der Gesellschaft noch weiter mehren werden, auf drei, anstatt wie bisher auf zwei Beamte verteilt wird. Der Re- daktion der Verhandlungen wird sich in Zukunft ein besonderer Redaktor annehmen, der Verkehr mit Verlagshandlung und Biblio- theksverwaltung sowie die Besorgung des Archivs wird einem Bibliothekar übertragen, während der Sekretär die Mitglieder- diplome auszustellen und Protokoll und Mitgliederverzeichnis zu führen hat. Diese Statutenrevision, die auch noch einige weniger wesentliche Neuerungen einführt, ist vorschriftsgemäss in einer ersten Sitzung (13. März 1918) durchberaten und in einer zweiten (24. April 1918) beschlossen worden. Gleichzeitig hat die Gesellschaft auch neue Bestimmungen über die Publikation von Arbeiten in den Verhandlungen gutgeheissen (13. März 1918). Jedes Mitglied hat ein Exemplar derselben zu- gestellt erhalten. Unter den Mitgliedern, welche der Gesellschaft im Berichts- jahre durch den Tod entrissen worden sind (s. unten), befinden sich mehrere, die ihr lange Jahre besonders treue Dienste geleistet haben. Einem derselben, Herrn Dr. Andreas Gutzwiller, hat Herr Prof. Schmidt im vorliegenden Bande einen Nachruf gewidmet. Auf andere wird der nächste Band zurückkommen. Chronik der Gesellschaft 1917—18. 405 Die Gesellschaft hat im Berichtsjahre, wie aus umstehendem Verzeichnis ersichtlich, eine Geschäftssitzung und fünfzehn ordent- liche Sitzungen abgehalten. In der Sitzung vom 5. Juni waren die Freiwillige Akademische Gesellschaft und der Ingenieur- und Architektenverein unsere Gäste. Der letztere hat uns seinerseits zweimal zu sich eingeladen, am 2. November 1917, um einen Vortrag von Herrn Ingenieur Andreae über den Bau des Simplontunnels, am 8. Mai 1918 um einen solchen von Herrn Prof. ©. Schmidt über Asphalt, Erdöl, Erdgas und Bitumen in der Schweiz anzuhören. An die Schlussitzung vom 3. Juli 1918 schloss sich, wie alljährlich, ein einfaches Nachtessen im Schützenhaus an. Der Vorstand hat die laufenden Geschäfte in 5 Sitzungen erledigt. Für das Geschäftsjahr 1918/19 ist der Vorstand am 19. Juni 1918 wie folgt bestellt worden: Herr Prof. Dr. H. Preiswerk, Präsident. Prof. Dr. H. Zickendraht, Vizepräsident. » Dr. W. Bally, Sekretär. » L. Paravicini, Kassier. » Prof. Dr. A. Buxtorf, Redaktor. » Dr. M. Knapp, Bibliothekar. Verzeichnis der Sitzungen und Vorträge. 1917. 7. Nov. Herr Prof. Dr. H. Veillon: Bedeutung der elektrischen Nichtleiter und Versuche zur Messung ihrer Haupt- eigenschaft. » Prof. Dr. C. Schmidt: Worte der Erinnerung an Dr. G. Niethammer, Dr. F. Zyndel und Dr. A. Gutzwiller. » Prof. Dr. H. Rupe: In memoriam R. Nietzki. 5. Dez. »n Dr. 0. Schüepp: Ueber Wachstum und Formbildung am Vegetationspunkt der Blütenpflanzen. „ Herr Prof. G. Senn: Nachruf an Herrn Prof. Dr. H. von Vöchting. RO » Prof. Dr. H, Rupe: Reduktionen mit Wasserstoff und Nickel. » Prof. Dr. F, Fichter: Zwei Vorlesungsversuche. » Dr. P. Casparis i. V. von Herrn Prof Dr. H. Zörnig: Pharmazeutisch wichtige Simarubaceen. 28. Nov. Chronik der Gesellschaft 1917—18. 1918. 16. Jan. Herr Dr. P. Sarasin: Ueber Rechts- und Linkshändigkeit 23. 7 6. Febr. 20. 6. März N EX So: ler} = D alu in der Prähistorie. Prof. A. Labhardt: Ueber Strahlungstherapie. Prof. Dr. E. Hedinger: Demonstrationen über ver- schiedene Sektionsbefunde an verstorbenen Insassen des Zoologischen Gartens. Dr. P. Vosseler: Morphologie des Aargauer Tafel- Juras. Dr. N. G. Lebedinsky: Ueber eine Vierlingsgeburt beim Hausrind, nebst einigen Bemerkungen über den Kampf der Teile um die Nahrung im Ovarium. Prof. Dr. L. Rütimeyer: Weitere Mitteilungen über die schweizerische Ur-Ethnographie aus den Kan- tonen Wallis, Graubünden und Tessin, und ihre prähistorisch-ethnographischen Parallelen. Dr. E. Banderet: Ausbreitung elektromagnetischer Wellen im Gebirge. Dr. F. Speiser: Steingeräte aus den neuen Hebriden und die europäische Prähistorie. (reschäftssitzung. Prof. Dr. H. Preiswerk: Der Gebirgsbau des Campo lungo im Tessin. Dr. A. Lotz: Zum Gedächtnis an Prof. Dr. L. Courvoisier. Dr. M. Knapp: Stella Magorum. Dr. W. Bally: Ueber Geschlechtszellenbildung und Vererbung bei Pflanzenbastarden. Prof. Dr. H. Zickendraht: Die Entwicklung der Radiostation Basel und ihrer Apparatur. Prof. Dr. A. Buxtorf: 1. Vorlegung der neuen geo- logischen Vierwaldstättersee-Karte. 2. Geologie der Axenkette und des Isentales. (Schlussitzung). Prof. Dr. F. Zschokke: Der Rhein als Wanderstrasse und Verbreitungsweg der Tiere. Jahresrechnung der Naturforschenden Gesellschaft in Basel. 1. Juni 1917 bis 31. Mai 1918. Einnahmen. Ausserordentliche Beiträge an einen Jubiläumsfonds, zuzügl. Konto-Korrentzinsen, abzügl. Spesen Geschenk aus dem Trauerhause J. R. Geigy-Merian Verkauf von Fr. 4000.— 5°/o Stadt St. Gallen v. 1915 Jahresbeiträge 11 ordentliche pro 1917 Fr. 132.— iSerhöhter prostoe ven 20 357 ordentliche pro 1918 „ 4,284. — 38 erhöhter progkalon vn 661.— Kapitalzinsen Konto-Korrentzinsen krlös aus Verhandlungen Ausgaben. Ankauf von Wertschriften, Es Marchzinsen und Kommission NAT SES Kosten von Band xx VI der Verhandlungen (Jubiläumsband) à Tauschverkehr und Buchbinder on Sitzungskarten, Zirkulare Vorträge und Beihilfe Einzugskosten der Beiträge, Por ti Beitrag an den Bund für Naturschutz . Verschiedenes Kosten der near Mehreinnahmen (der Betriebsreserve überwiesen) Fr. „ ” 58,609.65 2,000. — 4,066.65 1,737.50 304.90 158.75 r. 71,974.45 . 56,628.95 11,241.50 1.050.2 136.56 2,240.94 . 71,769.36 205.09 . 71,974.45 406 . Jahresrechnung der Naturforschenden Gesellschaft 1917 - 18. Status des Vermögens per 31. Mai 19i8. Unantastbares Vermögen. Fr. 25,000.— 31/2°% Bundesbahn- Anleihen, Serie A-K Fr. 19,406.25 „ 10,000.— 4°/o Kanton Basel- Stadt von 1910 . . , 9,462.50 » 10,000.— 4!/4°/o Kanton Basel- landschaft von 1912, 79,232.30 » 10,000.— 4?/4°/o Kanton Schaff- hausen von ITS "man OST » 8,000.— 5°/» VIII. Schweiz. Mobilisations - An- leihen von 1917. . „ 8,000.— Fr. 56,083.75 Betriebsreserve. Guthaben bei der Schweiz. Kredit- anstalt, Baser 2 2 © Fr. 5,181.05 Guthaben bei der Bandererkirbiok, Basel 2.9 5 203.30 Guthaben auf Poule Rechnung 1 20 Barschatt. a. nee 5 6.651100 "0010229 Fr. 61,791.04 Basel, den 31. Mai 1918. Der Kassier: L. Paravicini. Greprüft und richtig befunden: Basel, den 17. Juni 1918. Die Rechnuugsrevisoren: Prof. Dr. A. Buxtorf. Prof. Dr. H. Zickendraht. Genehmist am 19. Juni 1918. Nachtrag zum Mitgliederverzeichnis von 1917. Seit dem 23. Juni 1917 sind als ordentliche Mitglieder in (Bd. XXVIIL erster Teil, p. 108—-123) abgeschlossen den 3. Juli 1918. Gesellschaft aufgenommen worden: Herr Carl Brenner-Senn . 1 2 Dr. DDr, 4. Dr. DW. 6 Dr. St: 8 Dr; 9. Dr. phil. Hanns Bächthold Fr. Amstein jun Bl. di Passavant Sarasin-Iselin jur. P. Speiser- Wihunneysen,. Jost-Blumer, Chemiker phil. Paul Vosseler med. A. Voirol I Eror DEAN Stoll lan Dr. DRM. phil. ©. Billeter, Chemiker A. Herzog, Lehrer 13. „ Dr. phil. W. Grenouillet . 14. , Dr. phil. Ernst Burckhardt, Chemiker lo Dr, phılsBaula@asparis, Andıhaler MALE, 16. „ Dr. phil, R. Burckhardt-Heimlicher, Chemiker Dr med Schwartz. EN. 18. „ Dr. phil. Jacob Stauffacher, Geologe. 19. „ Cand. phil. Alfred Keiser OS, 20. , Dr. phil. E. Bodmer-Zuppinger, Chemiker . De Dr. a ele D Dr: 2A Dr: DM Dr ONE Dr; med. Fr. Uhlmann A Müller-Wild, Stadtförster . phil. Hans Schumacher . med. vet. Arnold Nuesch med. Ernst Buser . ing. Emile Hatt, 27. „ Cand. phil. Hellmuth Schnitter . die 191% LT 1917 1917 1917 LIT 297 1917 1917 1917 1917 1917 1917 1917 1917 1918 1918 1918 1918 1918 1918 1918 1918 1918 1918 1918 1918 408 Nachtrag zum Mitgliederverzeichnis von 1917. 28. Hierr Dr. med. Andreas Vascher-Oerı . 2 29. °„ . Benediet Vischer-Kochlim 2222 2.2 20.0, Brot, Dr. med. Alfred Vos Pr IE 3l. Frl. Oand. phil? Hedwig in IE 32. Herr Dr. phil. Armin Grob, Chemiker 2 7 EAN Das Verzeichnis der am 23. Juni 1917, anlässlich des hundert- jährigen Jubiläums der Gesellschaft, ernannten elf Ehrenmitglieder und zwanzig korrespondierenden Mitglieder ist schon im Jubiläums- bericht, Band XXVIIL. erster Teil p. 189ff., mitgeteilt worden. Seit dem 23. Juni 1917 sind aus der Gesellschaft ausgetreten: Mitglied von bis 1. Herr Dr. phil. A. Besson, Chemiker . . . . 1914-1918 22: = Prof. Dr. phil. G. Braun. „072 OO ENS sur 2 WDrömed, Hr Hoss er HEURE arg AMP Brot Dr: medeherde Qnoevai A 01910 Durch Tod hat die Gesellschaft im gleichen Zeitraum verloren die ordentlichen Mitglieder: Mitglied von bis 1. Herr Dr. phil. Moritz Wolf Chemiker 7 77 1790297 200 00 Prof Dre. phil. Hlermann Vochtine2 STE) 32, Dre. phil2 AndreasGutzwallen EN SI 4. „ . A. Rurger-von Arx, Nierarzt 2... 2:1 DA Ji Schmid-Baganını, Direktor 27.7 727221903198 Ge ND oui Ei Keller 2 INS 7, Disur bie Burekhardı- ötschern . . . 1917—1918 8:40; Prof. Dr: med. LE. G. Courvoisier .. 2... 1889 1988 9% Brot. Dr. Julius Kollmann EE AOC die korrespondierenden Mitglieder: + Herr. Prof. Dr phil En Gold PS OI 2. 5, Prof. Dr phil. /EMBenecke M TO RMS STE TON Mitgliederbestand am 3. Juli 1918: Ehrenmitglieder . . a 0) Korrespondierende Miele SE) Ordentliche Mitcliederga 0, 272405 P. Sarasin, Rechts- und Linkshändigkeit Verh. d. Naturf. Ges. in Basel in der Praehistorie etc. Band XXIX, Taf. I. Lichtdruckanstalt Alfred Ditisheim, Basel, RAN LUE RE NY î \ DEN NR Re ER ph CS P. Sarasin, Rechts- und Linkshändigkeit Verh. d. Naturf. Ges. in Basel in der Praehistorie etc. Band XXIX, Taf. Il. ah a 1 P. Sarasin, Rechts- und Linkshändigkeit Verh. d. Naturf. Ges. in Basel in der Praehistorie etc. Band XXIX, Taf. I. 11 12 P. Sarasin, Rechts- und Linkshändigkeit Verh. d. Naturf. Ges. in Basel in der Praehistorie etc. Band XXIX, Taf. IV. Sarasin, Rechts- und Linkshändigkeit in der Praehistorie etc. Verh. d. Naturf. Ges. in Basel Band XXIX, Taf. V. P. Sarasin, Rechts- und Linkshändigkeit Verh. d. Naturf. Ges. in Basel in der Prachistorie etc. Band XXIX, Taf. VI. NER ATEN P. Sarasin, Rechts- und Linkshändigkeit Verh. d. Naturf. Ges. in Basel in der Praehistorie etc. Band XXIX, Taf. VII. n. RN HN N N s P. Sarasin, Rechts- und Linkshändigkeit Verh. d. Naturf. Ges. in Basel in der Praehistorie etc. Band XXIX, Taf. VIII. Stauffacher: Das Wismutfahlerz „Rionit* aus der Grube Baicolliou bei Grimentz im Val d'Anniviers (Kt. Wall is Verhandl, d. Naturlor schenden Gesellschalt in Basel Band XXIX Tafel IX K - Kupferkies Die einheitliel dunl grauen bis schwarzen Par- tıen bestehen aus d mengteilen des Fahlband- Feldspat, CGhlorit und der Gangarten Bitterspat, Quar Aufnahme bei künstlichem auffallenden Licl ” st Verhandlungen der Naturf. Ges. 1) anni ( Anataskristalle (Big. O0. Werdmüller, X XXIX, Tafel , Band Basel 10° ig. cit im Gasterngr FE al \W. Grenouillet, € ” j ae x ER 3 E « 3 È 7 û à i PRE: Li 7 Ca NR, y R 3 5 5 $ 2 5 . w r “ t f ñ AE N I re Bo : ER = % Ban J | 2 \ PAGES Se Mr ; i : \ Rn ; E ; 5 1 Ë = Ei . . à % R 2 Va r + P. Vosseler: Aargauer Tafeljura. Verhandluı sen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXIX. Talel XI Der Hargauer Tafalzura. 7 Dre Ai, à TD SNS AN BB —n LS Syn es = LET I Ze 17 — —, TS Æ 7, = 5 + A N 7, = Uns En TR Su LINE EN Be Nu = \ ug <<) DS Ch, SM NN 7 = Ty UM In 1 m) Re 7 N DZ FR = RS 4 ZT ———— — Ichwarz wald did N < N TL Tu ZN ON) a || 7 | LD I % ln] N | | | LR TA Il El A TT | Hi a Pr à NUS | 1 ) I 762 Gm D. TS RN EN TEAI/PIN no me CE EIN ER & I N / mA de Y m ee ZEN NN ET / Mer NAN U X ne Cr Q SU TS > Un u RT Tee. ER NS < Bere BL "4 DT LA (ASS ZN, UN NN N Al DANS N er RE BET FI à S IE SS Sa SE NS ADN TE ur < BR — SHE 1 TAN er faltenjuraranol erwerfungen |Antiklinale LL 1 QU ; se 660 LT, Dogs IM UC, 2277 222 N | Éd 2 A | 20 / ] 2 10 | | 4 Anhyaritor. a Marlenshizze nr obere ec ARurmpfflache ım Aargauer 78fel jure. Nassl2bd /:200000 Figur 2. Struklurkarte des Hargauer lafeljura. /fasstab 1200000 IhWwasrzwald 7 rundgebirge Fallzeichen À „20 769 ThiersteinerBe Ség Schinberg & Gég Gelssberg Bb9 Bölzberg 4 AE ET Ze TL 22 IT Cr asisagHauptroge CET TT 3 BZ > GE teins 89 - ZT 2 n === erodı ert Figur 3. out 7051 02277 Jsohypsen der Basis Fléchen unter lertiärbetechung sr = LA 3 1 j : ; le 3 | , t | R x “ ” = ’ 1 ï L, ; « 4 F P. Vosseler: Aargauer Tafeljura. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXIX. Tafel XI. Geolborsche Karte aesHargaler Vajelıra Wachcen Aufnahmenvon Aflmsler, Ea.Blösch£Beindinl Braun Rreitas/tosch fPühlberg und eigenen Ergänzungen flasstab | :/00000 Arguudisierz 10m © Lauffenburg icken Dee — Wartho] KP & Kaisten nie S = & à I Z Hollberg Prensterner Berg Schinberg x Frich Fick berg Hem be fin o9 All! ER | Le] o > G ARS, 6 fl z RN li N ornberg., | N Se) 1. SS N N ) El N Al Su Es Er Sy i 6 tend TEE 4 iR HomusanL ü RB Hi \ al { = \ N I A bstel su & I IN Heranach ij Effingen Zeihen N (Gansingen: ER Kauglı, erssacher} Laubberg 7, meer ++] Legende Bergsturz Gehängeschutt Würmterrasse Alluvıum Rissterrasse Mindelterrasse Günzlerrasse Ier nu N Malmkalke hart Effingermergel weich un Malmkalke hart weich Hauptrogenstein hart Bajocien hartweich | Opalinustone weich Lias.ob.Keuper hart unt Keuper weich obMuschelkalk hart mitt sunt. Muschelk weich Verwerfungen | Schichtgrenze des Tertiärs P. Vosseler: Aargauer Tafeljura. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXIX. Tafel XIII | Atchonsequentr Taler Ms] Schichtsturen Bruckimienstufen Landterrassen Valboden | Ill Gerzeeresse mm = Mneellerrasse HR IH, Rısstrrasse N Sr Morohoharsche KarleaesHargauer &fura - NES = —) = < CE ng eG, ce ==" | Aändera- Würmerrasse Masstab / /00000 Acoudstenz 20/%4r P. Vosseler: Aargauer Tafeljura. Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel, Band XXIX. Tafel XIV, Meltauerzone Mandachezone Überschiebung ” Schwarzwald ea | Beh, CAR pe s Kapelle 880 Bannholz Gupfenrre Ahein Rütibero Melau Altenachern Gugh Geissacher Hommelé7s Alt Stalden Linn - en — SR ES ET nee al UV CARS Te Ent Ir à HET id —— 22 A à LE \ vie f " Gründigebirge, | \ Pr of! l'awischen Schwarz wald una Fallen YUra. = untsandstein = ner Figur 1. ajocien und Hauptrogenslein alm /Tergel una Halke Tertiar /Masstab 100000 Wellenbildungen Anhydritgruppe U] Las una Vpalinustone Vier Profile zur Erläuterung der Entwick! ung der Landschaftsformen N Profil 1 Séutz 7 \ À ; - N TT Mühl berg Holtwilertrneissberg.Bützberg UnterBolzberg y Frofil 2 Rnresn Marthof Wolfgarten Wessenberg nn >> - al JAN NAME Frofil 3 Ahein > Ebneberg Hay Eog- Se Laubberg ] Figur 2. Paul Panel #7 Heuper = Malmkalke Gugli nochheuleauffretendeformen Pofil 7, Rekonstruktion, des Oberrmiscin Obererftuschel kalk Fr 1/Yalmmergel u ResteallerOberflachen Profil 2 | derlandoberfläce | de Hndgeuscholer = pere 'schelhath | Hauptrogenstein ASS und Würmschotter Prafils' zur Zeit desbünzSchaklers IR Buntsandsten = Bayocen AD \Günzschotter Profils heutige Landoberflache NiGrundgeerge = == 25 una Gpahnustone LE \ Tertiar Masstab derlänge ı: 100000 , der föhe 1:30000 re 1 # D re Ve gr { an Kr er WE ONE Sm 2) Le FE) Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft ın Basel Band XXIX Mit 1 Porträt, 14 Tafeln und 15 Textfiguren. Basel Georg & Cie, Verlag 1918 Verzeichnis der Tafeln. Tafel I, II, III, IV, V, VI, VII und VIII zu Paul Sarasin: Ueber Rechts- und Linkshändigkeit in der Prähistorie und die Rechtshändigkeit in der historischen Zeit. Tafel IX zu J. Stauffacher: Das Wismutfahlerz „Rionit‘“ aus der Grube Baicolliou bei Grimentz im Val d’Anniviers (Kt. Wallis) als Beispiel einer wiederholten Zementationsumwandlung. Tafel X zu OÖ. Werdmüller: Neuere Funde von Anataskristallen im Binnental und zu W. Grenouillet: Calcit aus einer Kluft des Gasterngranits im Lôtsch- bergtunnel. ; Tafel XI, XII, XIII und XIV zu P. Vosseler: Morphologie des Aargauer Tafeljura. GEORG & C°, Verlag, Basel. Separat-Abdrücke aus den Denkschriften der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft. Bärtschi, Ernst. Das westschweize- rische Mittelland. Versuch einer morphologischenDarstellung, 1913, NIIL und 157 Seiten, 1 Karte und 19 Textfiguren Fr. 10.— Becker, W. Die Violen der Schweiz, 1910, VIII und 82 Seiten, 4 Tafeln Fr. 6.— Braun, Josias. Die Vegetationsverhält- nisse der Schneestufe in den Rätisch-Lepontischen Alpen. Ein 3ild des Pllanzenlebens an seinen äussersten Grenzen, 1913, VIE und 347 Seiten, 4 Tafeln, 1 Isochionen- karte und Textfiguren Fr. 25. — Bretscher, Dr. K. Der Vogelzus im schweizerischen Mittelland in seinem Zusammenhang mit deu Witterungsverhältnissen, 1915, 45 Seiten node Ganz, Ernst. Stratigraphie der mittleren Kreide (Gargasien, Albien) der oberen helvetischen Decken in den nördlichen Schweizeralpen, 1912, VII und 149 Seiten, 11 Tafeln, 20 Textfiguren und 2 Kartenskizzen Fr. 15. - Gockel, Alb. Luftelektr. Beobachtungen im Mittelland, Jura und Alpen, 1917, 76 Seiten, 9 Textfig. Fr. 6.— Hössly. Kraniolog. Studien aus Ost- Gronland, 1916, 54 S., 3 Taf. Pr. 6.— Jahrhundertfeier der Schweiz. Natur- forsch. Gesellschaft. Notices histo- riques et Documents réunies par la Conimission historique de la Session annuelle de Genève (12 au 15 septembre 1915), 1915, VI und 316 Seiten RE = Keller, Dr. Conrad. Studien über die Haustiere der Mittelmeer-Inseln Ein Beitrag zur Lösung der Frage nach der Herkunft dereuropäischen Hlaustierwelt, Tafeln und 20 Textfiguren Fr. 10.— 1911, 87 Seiten, 8| | Keller, Dr. Conrad. Studien über die | Haustiere der Kaukasusländer, 1913, 61 Seiten, 8 Tafeln und 21 Textfiguren Fr. 10.— | Rikli, Dr. M. Die Arve in der Schweiz. Ein Beitrag zur Waldgeschichte und Waldwirtschaft der Schweizer- alpen, 1909, XL und 455 Seiten, mit einer Arvenkarte der Schweiz, einer Waldkarte von Davos, 19 Spezialkarten, 9 Tafeln und 51 Textkildern. T. Teil: Text. II. Teil: Tafeln und Karten Fr. 30.— Rollier, Dr. Louis. Revision de la Stratigraphie et de la Tectonique de la Molasse au Nord des Alpes en general et de la Molasse sub- alpine suisse en particulier, 1911, 101 Seiten, 2 Tafeln Fr. 7.— Sarasin, Fritz. Die steinzeitl. Stationen des Birstals zwischen Basel und Delsberg, 1918, 210 Seiten, 32 Tafeln u. 21 Textfiguren Fr. 25.— Schaub, Samuel. Das Gefieder von Rhinochetus jubatus und seine postembryonale Entwicklung, 1914, 120 Seiten, 1 Tafel und 12 Text- figuren Ip | Schwerz, Franz. Versuch einer anthro- pologischen Monographie des Kts. Schaffhausen speziell des Klett- gaues. Von der philos. Fakultät li. Sektion der Universität Zürich mit dem ersten Preise gekrönt, 1910, VIII u. 210 Seiten, 89 Textfig., | 1 Karte u 87 Tabellen Fr. 14,— Tröndle, Arthur. Untersuchungen über | die geotropische Reaktionszeit und über die Anwendung variations- statistischer Methoden in der Reiz- physiologie, 1915, 84 Seiten und 2 Textfiguren Nes — ‚ Vermessungen am Rhonegletscher, 1874 bis1915 1916, 191 Seiten, 10 Pläne und 96 Textfiguren HE, QU Inhalt. H. Christ. Der Briefwechsel der Basler Botaniker des 18. Jahr- hunderts, Achilles Mieg, Werner de la Chenal und Jacob Christoph. Ramspeck, mit Albrecht v. Haller N. G. Lebedinsky. Eine Vierlingsgeburt beim Hausrind - E. Schenkel. Neue Fundorte einheimischer Spinnen C. Schmidt. Worte der Erinnerung an Dr. Gottlob Niethammer, Dr. Fortunat Zyndel und Dr. Andreas Gutzwiller P. Sarasin. Ueber Rechts- und Linkshändigkeit in der Pre historie und die Rechtshändigkeit in der historischen Zeit J. Stauffacher. Das Wismutfahlerz „Rionit“ aus der Grube Baicolliou! bei» Grimentz im Val d’Anniviers (Kt. Wallis) als Beispiel einer wiederholten Zementationsumwandlung W. Grenouillet. "Caleit ‘aus einer Kluft des Gasterngranits im Lötschbergtunnel } ' -0. Werdmüller: Neuere Fund: von Anataskristallen im Binnental . P. Vosseler. Morphologie des Aargauer Tafeljura A. Buxtorf. Ueber die ktoniche Stellung: der Schlieren- und der Niesen-Flyschmasse .F. Sarasin. Bericht über das Basler Naturhistörische Museum für das Jahr 1916. F. Sarasin. Bericht über das Basler Naturhistorische Museum für das Jah 1917. F. Sarasin. Berieht über die Sammlung für Völkerkunde des: Basler Museums für das Jahr 1916 F. Sarasin. Bericht über das Basler Museum für Völker- kunde für das Jahr 1917 H.:G. Stehlin. 4Dr. J. M. Zieglersche Kartensammlung. Achtunddreissigster Bericht 1916. Sal. Re H. G.' Stehlin. Dr. J. M. Zieglersche Kartensammlung. “ Neununddreissigster Bericht 1917 Chronik der Gesellschaft.1916/17 . Jahresrechnung 1916/17 Chronik der’ Gesellschaft 1917/18. Jahresrechnung 1917/15 : Nachtrag zum Miteliederverzeichnis von 1917 . Seite Frs stand FÜ fe es A en Hr re OU Bar u Th CA Lin RS en Rene ee wer net Atem CL a ut grau ee TE se Ta pen D rare, pi