HARVARD UNIVERSITY. ind i eA RY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. VQ SS. Nowa Brut a0, ges - Oates vy 04 14 2 5 * : Y u P Psa ol tS ar 4 BR ‘ £ = J => +> Gee - Pe er iP = i > RK 5 e = s a r F ra a, ah" - a F \ ; Ba eR ti Yee ¥ Ta | ba “4 ig ei ‘ N EUR a a! yer i ‘4 aM - ; a. i u da Mt Pec a carey i ER wu u ee Tr N Be a Past Br... u Vi Ar | ee Hass orig: WOAtithe DI. — tea Treat } FIEBSE | | 4: - = u q Pe 5 Se 2 u iia amma acta isa TIEN li a Ls | | | | 1 Verhandlungen RE || Deutschen Zoologischen Gesellschaft auf der Vierundzwanzigsten Jahresversammlung zu Freiburg i. Br., vom 2. bis 4. Juni 1914. Im Auftrage der Gesellschaft herausgegeben von * | Prof. Dr. A. Brauer Schriftführer der Gesellschaft. Mit 3 Tafeln und 115 Figuren im Text. Berlin In Kommission bei W. Junk 1914. po | Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft auf der Vierundzwanzigsten Jahresversammlung zu Freiburg i. Br, vom 2. bis 4. Juni 1914. Im Auftrage der Gesellschaft herausgegeben von Prof. Dr. A. Brauer Sehriftführer der Gesellschaft. Mit 3 Tafeln und 115 Figuren im Text. £943 9 oe an a on ot Joy SCH Y x nat JR TERRA Te IBREIN DET ped 288 ENTRY / 82. 80,5 5 ey Figur 4. Keimung der Zygote von Closterium. a Zygote vor der Caryogamie, b 1. Mitose im aus- geschlüpften Zygoteninhalt, e Zweikernstadium, d 2. Mitose, e Zweizellstadium mit je einem Groß- und Kleinkern (Reduktionskern), f Ausgestaltung der Keimlinge. Nach Klebalhn aus Oltmanns. maler Verwendung der Kerne zur Zellteilung doch auch nur eine oder zwei einfache Zweiteilungen heraus und keinerlei besonderer Generation. Auf jeden Fall müssen wir an der Tatsache festhalten, daß die hologame Befruchtung ein von Fortpflanzung völlig unab- hängiger Lebensvorgang ist. Dieser Vorgang erscheint nicht einmal, wie die Fortpflanzung, zur Erhaltung der Art unbedingt notwendig, sondern der Organismus hat nur die Fähigkeit, unter besonderen äußeren und inneren Bedingungen eine Befruchtung durchzuführen, wie dies zuerst Kress 1893—96 durch seine zoolo- gischerseits lange nicht genug gewürdigten experimentellen Unter- suchungen über die Bedingungen der Fortpflanzung und Befruchtung DE a wa? 27 bei Algen zuerst nachgewiesen hat. Das gleiche Resultat haben auch neuerdings die Zuchten von Wooprurr an Paramaecien ergeben, der bei geeigneter Kultur tausende Generationen ohue Conjugation züchten konnte; ferner die Versuche von Erpmann an Amöba diploidea. Ja diese Amöbe verliert sogar bei fortgesetzter Kultur ohne Befruchtung die Befähigung, unter den sonst hierfür gültigen “ Außenbedingungen zu kopulieren, sie wird experimentell apogamn. Durch die fortgesetzte asexuelle Kultur haben die inneren Bedin- gungen eine Anderung erfahren, und die Amöbe kann nur auf ganz ‚kompliziertem Wege wieder zur Befruchtung gebracht werden. Doch wieder zurück zu unserm eigentlichen Thema, dem Generationswechsel. Ein solcher ist fakultativ bei Protozoen erst möglich, wenn die Befruchtung sich mit besonderen Vermehrungs- vorgängen kombiniert, und die Gameten nicht mehr gewöhnliche vegetative Individuen, sondern Kleinere Fortpflanzungskörper dar- stellen, gleichgültig, ob dieselben aus rasch aufeinanderfolgenden Zweiteilungen, oder aus einer Vielfachteilung (multiple Teilung, Zerfallteilung) hervorgehen. Der Übergang von der einfachen Zwei- teilung zu einer multiplen Vermehrung ist bei Protozoen außer- ordentlich leicht und kann z. B. bei manchen Amöben durch Kultur bei höherer Temperatur experimentell erzielt werden. Bei Trypano- somen findet häufig zu Beginn einer Infektion eine Vielfachteilung statt und auch bei manchen anderen Protozoen ist sie durch alle Übergänge mit der gewöhnlichen Zweiteilung verbunden. Eine multiple Teilung ist somit nur eine zeitliche Zusammenziehung verschiedener Zweiteilungen und darf zu letzterer nicht in so scharfen Gegensatz gestellt werden, wie dies Kress (1896 u. 1913) getan hat. Eine solche multiple Vermehrung kann nun in verschiedener Weise zwischen zwei Befruchtungsvorgängen zur Ausbildung kommen. Sie kann beliebig neben der gewöhnlichen Zweiteilung unter be- stimmten äußeren Bedingungen eintreten, wie bei den erwähnten Fällen von Trypanosomen und Amöben; oder sie kann an ganz bestimmter Stelle fixiert werden; sei es, daß nur die letzten Teilungen vor einer Befruchtung einen derartigen Charakter an- nehmen, oder nur die ersten Teilungen nach einer Befruchtung oder endlich, daß alle Vermehrungsvorgänge sich nach diesem Modus vollziehen. Nur in dem Falle, wo die Gameten aus einer fixierten multiplen Vermehrung hervorgehen, die Befruchtung sich also in Form einer sogenannten Merogamie vollzieht, kann man von einer geschlechtlichen Fortpflanzung, einer Gamogonie, reden. 28 Alle asexuellen multiplen Vermehrungsvorgänge bezeichnen wir als Agamogonie (Agameten). (Gameten und Agameten können morpho- logisch gleich sein, in weitaus den meisten Fällen tritt aber auch ein morphologischer Unterschied hinzu.) Manchmal wird die asexuelle Vermehrung durch einfache Zweiteilung auch bei merogamen Formen Figur 5. Schema des Entwicklungszyklus von Entamöba blattae.e Nach Mercier aus Hartmann. noch weiter beibehalten und nur die Gameten entstehen durch multiple Teilung, das ist z. B. bei den Entamöben sowie vielen Thecamöben der Fall (Fig. 5). Vor der Befruchtung scheint somit eine multiple Fortpflanzung am ehesten erblich festgelegt zu werden. Die Reduktion ist auch bei merogamer Befruchtung der Proto- zoen an die beiden letzten Kernteilungen vor der Befruchtung 29 geknüpft. Aber im Gegensatz zur fraglos primitiveren Hologamie werden keine abortiven Kerne gebildet, sondern die vier Kerne finden, wie bei der Spermatogenese der Metazoen gleichmäßig Verwendung, sie werden von Zellteilungen begleitet, jeder Kern wird hier zu einem Gametenkern. Eine echte Zahlenreduktion ist bisher nur bei Gregarinen von Mutsow (Fig. 6a u. b) sowie bei Opalina von Mrrcaur nachge- wiesen !). Doch sind nach Schaupmn, Lister und Winter bei Foramini- teren die beiden letzten Kernteilungen durch einen besonderen mito- tischen Teilungsmodus vor den früheren multiplen Kernvermehrungen aufgezeichnet, so daß sie mit größterWahrscheinlichkeit als Reduktions- teilungen angesprochen werden können. Bei Radiolarien sind, nach nicht ganz zu Ende geführten Untersuchungen von Hurs und mir Figur 6. Reduktion von Gregarinen (a, b) und Coccidien (c), Cyclospora caryolytica. an Thalassicolla und Collozowm die letzten Gametenkernteilungen offenbar mit einer Zahlenreduktion der Chromosomen verbunden. In der Gruppe der Sporozoen (Gregarinen-Coccidien), bei der alle Übergänge von morphologischer Isogamie bis zu extremer Oogamie sich finden, ist nun mit der Ausbildung der extremen Oogamie bei Coceidien — und dasselbe gilt für die Plasmodiden — zweifellos die Fortpflanzung in der weiblichen Generation unterdrückt, so daß die geschlechtliche Fortpflanzung hier sekundär wegfällt. Bei der Reduktion bleibt nur ein Kern erhalten, die übrigen werden, wie bei der Hologamie, hier aber sicher sekundär, abortiv. Eine solche 1) Auch bei den typischen Infusorien, deren Befruchtung durch Conjugation von einer Merogamie abzuleiten ist (LÜHE, POPOFF, HARTMANN), ist eine Zahlen- reduktion festgestellt (PRANDTL bei Didinium, CALKINS und CHULL bei Para- maectum, ENRIQUES bei Chilodon und PoPoFrF bei Carchesium). Hier gehen aber bekanntlich drei Gonenkerne zugrunde und nur einer bleibt erhalten. 30 Art der Reduktion mit abortiven Reduktionskernen ist bisher nur von Schaupmx für Cyclospora caryolytica (Fig. 6c) und von Jounos für Adelea ovata gefunden, und zwar bei der Art der Kernteilung der Coceidien ohne Nachweis einer Zahlenreduktion. Doch sprechen noch andere Beobachtungen dafür, daß bei Coccidien die Reduktion vor der Befruchtung stattfindet. So hat Reıcn bei dem Kaninchencoceid beobachtet, daß ähnlich, wie bei den Foraminiferen, die letzte oder die zwei letzten Kernteilungen bei der Microgametenbildung einen besonderen promitotischen Charakter aufweisen, und bei der Micro- gametenbildung von Adelea entstehen bekanntlich vier Microgameten, von denen drei abortiv werden und nur einer zur Befruchtung gelangt, beides Vorgänge, die, wenn sie auch keine Zahlenreduktion beweisen, so doch immerhin für das Vorhandensein der Reduktion an dieser Stelle im hohen Grade sprechen. Auch der Umstand, daß bei den so nah verwandten Gregarinen eine Zahlenreduktion an der gleichen Stelle sichergestellt ist, läßt sich zugunsten dieser Ansicht anführen. Ehe wir nun die Generationswechselfrage bei Protozoen mit merogamer Befruchtung näher besprechen, muß noch auf die Auf- fassung der Reduktion eingegangen werden, die HArcker seit einigen Jahren verschiedentlich vertritt. Harcker hatte bei Oroscena, einem monozoen Radiolar, die Aufteilung des großen polyenergiden Kerns in seine Einzelelemente beobachtet und als „Reduktion im _ großen Stile“ gedeutet. In derartigen Sporenbildungsvorgängen sieht er nun die phylogenetische Wurzel der Reduktionsteilungen. Die multiple Teilung der Radiolarien hat aber überhaupt nichts mit Reduktion zu tun, wie schon daraus hervorgeht, daß bei ihnen echte Zahlenreduktion an die letzten Kernteilungen bei der Gametenbildung geknüpft ist, wie das auch für alle anderen Proto- zoen mit merogamer Befruchtung zutrifft. Neuerdings faßt HAzcker auch seine Ansicht dahin, daß die Reifungsvorgänge den Charakter von rudimentären Sporenbildungsprozessen haben. Diese Ansicht ist fraglos insofern zutreffend, als bei Protozoen mit merogamer Befruchtung die Reduktion mit Sporen (Gameten) -bildung verknüpft ist, die teilweise abortiven Charakter annehmen kann, wie wir das bei der Reifung von Coccidien sowie den Microgameten von Adelea kennen gelernt haben. Das gilt auch, wie Harcker richtig aus- führte, für die Infusorien; denn deren Befruchtung durch Conjugation — ist offenbar (wie vor allen Dingen Lüse und Pororr gezeigt haben) eine abgeleitete rückgebildete Merogamie. Ganz unzulässig ist es dann aber, mit Harcrer die Kernvorgänge der Infusorien nach der a N ede Di vr 31 Conjugation, die zur Wiederherstellung der gewöhnlichen agamen Individuen führen und bei den meisten Formen mit abortiven Kern- teilungen verknüpft sind, mit den Reifungsvorgängen in Verbindung zu bringen. Harcker bezeichnet diese Vorgänge als Nachreife (metagame Reife) und stellt sie mit der echten Reduktion der conjugaten Algen in eine Reihe. Die betreffenden Vorgänge haben jedoch mit Reduktions- oder Reifeteilungen überhaupt nichts zu tun, was schon daraus hervorgeht, daß bei Chilodon derartige abortive Kernteilungen vollkommen fehlen (Enriquzs). Die sogenannte Nach- reife der Conjugaten ist dagegen, wie wir oben gesehen, eine echte Reduktion und als solche der echten Reduktion der Infusorien vor der Befruchtung („Vorreife“), bei der ja auch Zahlenreduktion sicher nachgewiesen ist, homolog. Es gibt eben im Entwicklungsgang eines Organismus zwischen zwei Befruchtungen nur eine Reduktion und das ist die Zablenreduktion, gleichgültig, ob sie nach oder vor einer Befruchtung stattfindet; gleichgültig auch, ob sie mit abortiven Kernen einhergeht, oder alle Kerne Verwendung finden. Die phylo- genetische Ableitung der Reduktion von Sporenbildung kann zudem aber überhaupt keine Erklärung der Reduktion geben, denn bei den primitiven Protozoen gibt es ja, wie wir gesehen haben, über- haupt keine Vielzellbildung, sondern nur Zweiteilungen und hier ist die Reduktion entweder mit abortiven Kernen verbunden, wie bei hologamen Protozoen oder ganz oder teilweise an gewöhnliche Zweiteilungen geknüpft, wie bei Ülosterium und Mesotaenium. Wie schon oben erwähnt, kann man bei allen Protozoen mit merogamer Befruchtung eine geschlechtliche Fortpflanzung (Game- togonie) und da außerdem die asexuelle Vermehrung unbehindert weiterbestehen kann, auch einen primären Generationswechsel annehmen. Dieser primäre Generationswechsel ist zunächst voll- kommen fakultativ ünd die sich verschieden fortpflanzenden Generationen können morphologisch entweder gleich oder ver- schieden sein. Kress hatte nun bei einer Reihe von Algen nach- - gewiesen, daß die agame resp. gametische Fortpflanzung von ver- schiedenen Außenbedingungen (Licht, Temperatur, Nährsalze usw.) abhängig ist, und dasselbe trifft wahrscheinlich auch für viele frei- lebende Protozoen zu. Experimentelle Beweise liegen zwar bisher über Protozoen, wenn wir von Amöba diploidea und Infusorien absehen, nicht vor. Bei verschiedenen freilebenden Formen, speziell Foraminiferen und Flagellaten, haben wir Versuche nach dieser Richtung begonnen, und bei dem Phytoflagellat Stephanosphaera hatte ich bereits vor elf Jahren die Ergebnisse von Kress experi- 32 mentell bestätigen können, war jedoch aus äußeren Gründen zu einer Wiederholung und eingehenden Publikation dieser Versuche bisher nicht gekommen. Wie Kress bei Vaucheria und Hydrodictium, so konnte ich auch bei Stephanosphaera nicht nur die sexuelle Fortpflanzung ausscheiden, sondern unter andern Bedingungen auch die agame, so daß aus den befruchteten Zygoten direkt wieder Figur 7. Schema des Entwicklungszyklus von Trichosphaerium sieboldi. 1—3 agame multiple Teilung, 5—7 Gametogonie, 8—10 Copulation. Nach Schaudinn aus Goldschmidt-Selenka. Geschlechtsformen hervorgingen. In ganz ähnlicher Weise sind bei Infusorien, besonders von Enrrquzs bei Chilodon Fälle von Wieder- conjugation bei Exconjuganten beobachtet worden. Diese Beob- achtungen und Experimente zeigen uns klar den rein fakultativen Charakter des Generationswechsels bei diesen Formen. Für Foraminiferen und Sporozoen erscheint dagegen der Generationswechsel im wesentlichen festgelegt, er ist nicht mehr fakultativ, sondern normalerweise obligatorisch und außerdem 33 mit mehr oder minder weitgehenden morphologischen Änderungen der Individuen wie ihrer Fortpflanzung, verbunden. So pflanzt sich nach Scauaupmn bei Trichosphaerium sieboldi (Fig. 7) die aus der Zygote entstehende durch einen Stäbchenbesatz ausgezeichnete ungeschlechtliche Form (Agamont) durch amoeboide Agameten fort, die sich stets zu gameten-liefernden Gamonten entwickeln. Durch die Copulation der geißeltragenden Gameten entsteht wieder die Zygote, worauf der Kreislauf von neuem beginnt. Bei Foramini- feren (Fig. 8) bildet das makrosphärische Individuum Gameten, Figur 8. Schema des Entwicklungszyklus von Polystomella. A bis C Makrosphärische Generation mit Gametenbildung (C), 1 Macronucleus, 2 Sekundärkerne, E u. F mikrosphärische Generation mit Agametenbildung (F). Nach Schaudinn aus Selenka-Goldschmidt. aus deren Copulation sich mikrosphärische Formen entwickeln. Diese bilden größere ungeschlechtliche Fortpflanzungskörper (Agameten), die wiederum makrosphärischen Individuen den Ur- sprung geben. Vielfach herrscht nun die Ansicht, daß makro- sphärisches Individuum mit Geschlechts-Individuum (Gamont) und mikrosphärisches mit ungeschlechtlichem (Agamont) gleichbedeutend Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 3 34 sei, daß also die morphologische Verschiedenheit der beiden Formen mit ihrer verschiedenen Fortpflanzung stets zusammenhänge. Das ist aber nur insoweit zutreffend, als wegen der Kleinheit der Gameten resp. Zygoten, die sich daraus entwickelnde Generation eine kleinere Anfangskammer besitzt, mikrosphärisch ist, während die aus den größeren Agameten (Amöbosporen) sich entwickelnden Formen größere Anfangskammern haben, also makrosphärisch sind. Die makrosphärischen Individuen müssen aber nicht Gameten bilden, sondern können wie das Lister bei Polystomella und andern Arten beobachtet hat, wieder Agameten liefern, so dab makrosphärisches Individuum und Gamont durchaus nicht immer identisch sind. Ich halte es für möglich, das (genau so wie bei Grünalgen und Phytoflagelleten, nach den Versuchen von Kıess, Presres und mir) sowohl die Gametenbildung beliebig lange aus- geschaltet werden kann, als auch vielleicht umgekehrt, die agame Generation sich unterdrücken ließe, so daß nur geschlechtliche Ver- mehrungen, und zwar in diesem Falle gerade bei mikrosphärischen Individuen stattfänden. Bestätigen sich meine Erwartungen, Ver- suche dazu an Trichosphaerium wie Polystomella sind im Gange, dann würde man den ausgesprochen obligatorischen Generations- wechsel experimentell in einen fakultativen umwandeln können. Streng obligatorisch ist nun der Generationswechsel bei den Sporozoen. Bei den Coccidien (Fig. 9) und in gleicher Weise bei den Malariaparasiten, vollzieht sich in der Cystozygote eine agame Vermehrung, die hier Sporogonie genannt wird, dann folgt nach Infektion eines neuen Wirtes eine unbestimmte Zahl von weiteren agamen multiplen Teilungen von ganz anderer morpho- logischer Ausbildung, die Schizogonien, und schließlich entwickelt sich eine Geschlechtsgeneration, die im weiblichen Geschlecht in- folge Rückbildung der Zellteilungen allerdings nur aus einer Zelle, der Macrogametocyte, besteht, während sie im männlichen Geschlecht ihren Charakter als merogamer Gamont, wie ihn die verwandten Gregarinen in beiden Geschlechtern aufweisen, beibehalten hat. Anfangs hatte man die erste Generation in der Zygote fälschlicher- weise zur Geschlechtsgeneration hinzugerechnet, was aber, wie ich schon vor elf Jahren zeigte, nicht angängig ist und zu ganz falschen Homologien führt. Denn überall sonst, bei Tieren, Pflanzen und Thallophyten schließt die Geschlechtsgeneration stets mit der Gametenbildung und Befruchtung ab, und die weiterhin am befruchteten Ei, der Zygote sich abspielenden Entwicklungs- und Vermehrungsvorgänge gehören der folgenden, der ersten agamen nn are a wer 35 Generation an. Wie die gametenbildende Generation eine besondere Form und besondere Vermehrung gewinnen kann, so kann sich auch die erste agame Generation infolge besonderer biologischer Bedingungen besonders ausbilden. Auch bei vielen Grünalgen finden wir vielfach die erste agame Generation besonders aus- Figur 9. Schema des Entwicklungszyklus von Eimeria stiedae. Nach Reich aus Hartmann. 3* 36 gebildet, wie Prmessem schon 1878 hervorgehoben hat. Nach der gegenwärtigen Auffassung der Botaniker würde man sogar eher umgekehrt die Schizogonien, deren Zahl ja variabel ist und außerordentlich abgekürzt werden kann — bei Malaria können schon beim ersten Anfall neben Schizonten Geschlechtsformen auf- treten —, als Nebenfruchtform mit zur Geschlechtsgeneration hin- zuziehen. Der Auffassung, daß die Geschlechtsgeneration nicht zur Sporogonie hinzugehört, hat auch Scuaupmx und die meisten Zoologen und Protozoologen zugestimmt (siehe Dorzzmw, Lüse usw.) und nur selten begegnet man in neueren Arbeiten der alten falschen Ansicht (was vielleicht nur einer gewissen Nachlässigkeit gegen- über exakter Begriffsbildung zuzuschreiben ist). Bei den Eugregrarinen (Fig. 10) finden sich nur zwei Gene- rationen, da die Schizogonie gegenüber den verwandten Coccidien hier fehlt. Der Verlust an Vermehrung wird ausgeglichen durch eine außerordentlich reiche Gametenbildung. Geschlechtsgeneration und Sporogonie sind außerdem innerhalb einer Cyste eingeschlossen, so daß die Vermehrung auf einen Punkt zusammengezogen wird. Mit diesen Vorgängen sind aber die Entwicklungsmöglich- keiten der Sporozoen nicht erschöpft. Bei manchen Gregarinen sowie den Malaria-Parasiten kommt nämlich noch eine partheno- genetische Entwicklung vor, die biologisch von großer Bedeutung ist. Wie Schaupmx gefunden hat, beruht nämlich das Auftreten von Recidiven bei Malariaerkrankungen auf parthenogenetischer Entwicklung der beim Abklingen des akuten Anfalles allein übrigbleibenden Macrogametocyten, die nach Ausstoßen eines Reduktionskernes, eventuell nach einem parthenogametischen Ersatz der Befruchtung direkt zu Schizonten werden. Hier fällt also normalerweise die erste agame Generation, die Sporogonie aus. Das legt den Gedanken nahe, daß es auch bei den Sporozoen möglich sein Könnte, den obligatorischen Generationswechsel zu brechen, wenn es gelänge, nach Beherrschung der Kultur die Be- dingungen für die verschiedenen Arten der Fortpflanzung festzu- stellen. Theoretisch bestände jedenfalls recht gut die Möglichkeit, auch hier die eine oder andere Generation auszuschalten. Die Schwierigkeiten dürften allerdings bei den Sporozoen ganz besonders groß sein. Immerhin liegt ganz neuerdings eine Angabe von Prrr- KROPOFF Vor, die dazu ermutigt. Bei künstlicher Kultur von Malaria- Parasiten auf Blutnährböden nach Bass soll nämlich die Zygote, die hier Ookinet genannt wird, in einen Erythrocyten einrücken, und wie ein Schizont sich vermehren. Wenn diese Angaben sich bei 37 weiterer Prüfung bestätigen — die gegebenen Beweise scheinen mir bisher noch nicht ausreichend —, dann läge hier schon der Fall einer experimentellen Ausschaltung der Sporogonie vor. ee Figur 10. Gametogonie und Sporogonie von Styllorhynchus longicollis. 1—9 Bildung der weiblichen (2) und männlichen (Z')) Gameten innerhalb der gemeinsamen Cyste, 10—12 Gameten, 13—16 deren Copulation, 17—20 Sporogonie in der Zygote (Sporocyste). Nach Léger, etwas schematisiert aus Tönniges. 38 Prinzipiell die gleichen Verhältnisse bezüglich des Generations- wechsels wie bei den merogamen Protozoen finden sich auch bei den merogamen Tallophyten. Als Hauptkomplikation kommt bei ihnen nur die Ausbildung kolonialer Verbände oder echter viel- zelliger Individuen hinzu. Im Gegensatz zu dem Generationswechsel der Foraminiferen und Sporozoen ist die Generationsfolge bei Grün- algen, teilweise auch bei den Braunalgen, meist vollkommen fakul- tativ und, wie die mehrmals erwähnten Versuche von Kress gezeigt haben, in weitgehendstem Maße von Außenbedingungen abhängig. Bei einer Reihe von Formen wie Acetabularia, ist die agame Fort- pflanzung gänzlich ausgefallen, bei anderen hat die erste agame’ Generation eine besondere morphologische Ausbildung gewonnen, indem die Zygote bei der Keimung entweder sofort vier Sporen liefert, wie z. B. bei Ulothrix oder eine noch größere Anzahl zur Ausbildung bringt, wie bei Coleochaete und Vedogoniwm. Auch die Carposporenbildung der Florideen ist meiner Meinung nach in dieser Weise aufzufassen und mit der Sporogonie der Sporozoen homolog zu setzen. Derartige Verhältnisse können sich offenbar in den verschiedensten Protistengruppen in paralleler Weise ausgebildet haben (Gegrarinen, Coccidien, verschiedene Grünalgen und Rotalgen). Bei der ursprünglichsten Gruppe unter den Grünalgen, den Chlamy- domonaden, die man mit demselben Recht auch zu den Protozoen (Flagellaten) stellen kann, werden bei der Keimung der Zygote bei nahverwandten Arten ein, zwei, vier oder mehr Flagellaten (Zoosporen) gebildet, ein Verhalten, das deutlich den noch labilen Charakter dieser ersten agamen Vermehrung zeigt, und ich ver- mute daher, daß es hier leicht gelingen wird, die Verhältnisse experimentell abzuändern und ineinander überzuführen. Aus einer solchen besonderen ersten agamen Generation nach Art der Sporogonie der Gegrarinen, der mikrosphaerischen Generation von Foraminiferen, der Carposporenbildung der Florideen und der Zoosporenbildung von Coleochaete und Oedogenium ist nun meiner Meinung nach auch der Sporophyt der Moose und Farne entstanden und wie bei den Gregarinen durch Ausfall der Schizogonie wäre auch der besondere obligatorische Generationswechsel der höheren Pflanzen durch Ausfall der späteren agamen Generationen, wie etwa der Zoosporenbildung der Grünalgen und der Tetrasporenbildung der Florideen zustande gekommen. Diese Auffassung deckt sich mit den Anschauungen, die Prmwessem schon im Jahre 1878 aus- gesprochen hatte. Diese Privesuem’sche homologe Theorie des Generationswechsels gilt zwar bei den Botanikern meist als ab- 39 getan, sie erhält jedoch durch den Vergleich mit den Verhältnissen bei den Protozoen sehr wesentliche Stützen. Demgegenüber vertreten nun die meisten Botaniker, die sich in der neueren Zeit über den Generationswechsel der Pflanzen geäußert haben, vollkommen andere Anschauungen, da, wie eingangs erwähnt, das Bestreben vorherrscht, den Generationswechsel mit dem Reduktions- vorgang in feste Verbindung zu bringen. Der Generationswechsel sei von Anfang an an den Wechsel der Chromosomenzahl geknüpft, er sei in Wahrheit ein antithetischer. Da die Pilze gegenüber den Algen keine wesentlichen Unterschiede aufweisen, letztere aber besser bekannt sind, sollen hier nur die Verhältnisse bei den Algen näher besprochen werden. Der Generationswechsel der Grünalgen wird meist so ausgelegt (Craussen, Bonner u. a.), daß unter der Annahme, die Reduktion vollziehe sich hier nach dem Schema der Conjugaten, der Sporophyt nur durch die diploide Zygote reprä- sentiert sei, und sämtliche agamen, zoosporenbildenden Generationen mit der geschlechtlichen zusammen den Gametophyten darstellten. Abgesehen von schwerwiegenden Bedenken, die wir teilweise ja schon kennen gelernt haben, liegt aber auch kein sicherer Beweis für die Richtigkeit der Annahme vor, daß die Reduktion stets in der Zygote stattfände. Zugunsten dieser Auffassung wird angeführt, daß bei Bildung der Gameten keine Chromosomenreduktion nach- gewiesen sei und bei der Keimung der Zygote vielfach vier Zoo- sporen gebildet würden, die dann die Gone oder Tetraden darstellten. Die bisher vorliegenden cytologischen Angaben bei der Gameten- bildung — meist bezieht man sich auf DangzArv’s Angaben bei Chlamydomonaden — sind aber nicht derart, daß eine Reduktion an dieser Stelle völlig ausgeschlossen erscheint, und die Vierteilungen in der Zygote beweisen erst recht nichts und sind auch in der- selben Gattung z. B. Chlamydomonas durchaus nicht konstant. Mit dem gleichen Rechte könnte man auch die Vier- und Achtteilungen in den Zygoten (Sporocysten) von Gregarinen und Coccidien als Reduktionsteilungen betrachten und hier ist doch echte Reduktion bei der Gametenbildung sichergestellt, wenn auch erst nach vielen anfänglichen Mißerfolgen, trotz eingehender cytologischer Unter- suchungen. Als sicherer Beweis, daß bei Grünalgen die Reduktion in der Zygote stattfinde, gilt nun allgemein die Angabe von Auten, daß bei Coleochaete die erste Kernteilung in der Zygote heterotypisch sel. Da aber Arsen diese Vorgänge nicht zusammenhängend ver- folgt und keine Zahlenreduktion der Chromosomen festgestellt hat, so kann auch das nicht als Beweis gelten. Denn der heterotypische 40 Charakter einer Kernteilung ist, wie von verschiedenen Seiten bei Metazoen (Harcker, Boxnevıe), Protozoen (Harrmann) und Pflanzen gezeigt wurde, durchaus nicht auf die Reduktionsteilungen beschränkt, sondern kann sich auch bei somatischen Kernteilungen finden. Ich will mit diesen Ausführungen durchaus nicht die Möglichkeit einer Reduktion in der Zygote mancher Grünalgen bestreiten, nur möchte ich darauf hinweisen, daß sie auch noch an anderer Stelle, speziell bei der Gametenbildung gesucht werden kann. Die botanischen Anhänger des antithetischen Generations- wechsels beziehen sich nun aber auf neuere Befunde bei Braun- und Rotalgen, bei denen die Reduktionsteilungen jetzt sichergestellt sind. Auch hier läßt sich jedoch die Generationswechselfrage noch in ganz anderem Lichte betrachten. Ich beschränke mich dabei auf die Besprechung der Verhältnisse bei den Phaeophyceen. Bei den primitiven Formen, den Ectocarpaceen, findet sich eine ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Zoosporenbildung und eine geschlechtliche durch von den Zoosporen sich wenig unter- scheidende morphologische Isogameten (die sich physiologisch jedoch als sexuell different erweisen). Beide Fortpflanzungsprodukte treten nacheinander an den gleichen Individuen auf, was ev. für ihre Abhängigkeit von Außenbedingungen spricht. Weibliche wie männliche Gameten können sich auch parthenogenetisch fortpflanzen; die Reduktion ist hier noch nicht gefunden, auch liegen noch keine experimentellen Ergebnisse über die Bedingungen der Unter- suchungen vor. Daher sind von cytologischen und experimentellen Untersuchungen an dieser Familie wahrscheinlich interessante Er- gebnisse zu erwarten. Bei Cutleriaceen ist. die ungeschlechtliche, zoosporenliefernde Generation von der gametenbildenden getrennt und auch morpho- logisch verschieden. Erstere wurde, ehe der genetische Zusammen- hang bekannt war, als besondere Gattung Aglaozonia bezeichnet, in ähnlicher Weise, wie man bei den Coccidien früher die Gattungen Eimeria und Coccidiwm unterschieden hatte (Fig. 11). Nach Yamanovucut (1912) findet nun bei der Zoosporenbildung die Reduktion statt. Die Aglaozonia ist ein diploider Sporophyt wie bei Moosen und Farnen, und aus ihren Sporen entsteht der haploide Game- tophyt, die Cutleria-Pflanze. Die von letzterer gelieferten Aniso- gameten (Fig. 12) geben nach der Befruchtung wieder die diploide Aglaozonia-Pflanze. Bei Dictyota (Fig. 13) liegen die Verhältnisse ebenso, nur sind der unbewegliche Tetrasporen liefernde Sporophyt und der Gameto- BEN H is “hy th Ty = EX Age] —_ eee SB oe ERDE Figur 11. Cutleria multifida a Cutleria-Form (Gametophyt), b Aglaozonia-Form (Sporophyt), e Querschnitt durch eine solche mit Zoosporangien (sp), d letztere stärker vergrößert. Aus Oltmanns. 42 phyt auch äußerlich gleich. Die Reduktion findet nach den Unter- suchungen von Wirzıams bei der Sporenbildung statt. Die Tetra- sporenpflanze ist diploid, die Geschlechtspflanze haploid. Stets geht die eine aus der anderen hervor, wie Hoyr (1910) auch durch Kultur bewiesen hat. Bei Fucus, dem Endglied der Braunalgenreihe, fehlt die unge- schlechtliche Entwicklung ganz und die Reduktion findet im Oogon bei der Eibildung statt (Srraspurcer, Yamanoucut). Die extremen Figur 12. Cutleria multifida. 1 weibliche Gametangien (Diozonien), 2 männliche Gametangien (Anthe- ridien), 3 Spermatozoiden, 4 bewegliches, 5 abgerundetes Ei im Moment der Befruchtung. Aus Oltmanns. Verfechter des antithetischen Generationswechsels schließen nun folgerichtig: die diploide Geschlechtspflanze sei kein Gametophyt, sondern ein Sporophyt, und der Gametophyt sei nur durch die haploiden Zellen im Oogon repräsentiert. Diese Auffassung dehnten CHAMBERLAIN und Wınkter konsequent auch auf die Tiere aus; sie betrachten auch hier die geschlechtlich sich fortpflanzenden Metazoen als Sporophyten und nur die reifen Keimzellen als Gametophyten. Trotz aller Logik in der Durchführung kann ich mich dieser Auffassung durchaus nicht anschließen, bin vielmehr mit Ourmanns, 43 Gösen und einigen anderen Botanikern der Meinung, dab die Reduktionsteilungen mit dem Generationswechsel als solchem nichts zu tun haben und daß mithin die Basis der Schlußfolgerungen von CHAMBERLAIN, WINKLER usw. nicht richtig ist. Die Reduktion ist wie oben eingehend begründet, eine Folge der Befruchtung, die je nach den verschiedenen Organismen einmal sofort in der Zygote erfolgt, ein andermal an die Gametenbildung geknüpft ist, und ein drittes Mal, wie bei dem antithetischen Generationswechsel der Angiospermen, sowie mancher Braunalgen und Florideen bei der Sporenbildung erfolgt. Es ist doch eine Verkennung des Begriffes Figur 13. Dictyota dichotoma. Querschnitte, 1 Sporophyt mit Tetrasporangien, 2 weiblicher Gametophyt mit Oogonien, 3 männlicher Gametophyt mit Antheridien, ¢Spermatozoid. Aus Oltmanns. Generation, wenn eine sog. Generation als solche überhaupt keine Vermehrung zeigt. Dazu führt aber die in Frage stehende Auffassung der Botaniker, die ohne weiteres den Gametophyten mit haploid, den Sporophyten mit diploid identifiziert, wenn man sie auf die Tiere (Metazoen wie Protozoen) und viele Algen anwendet. Bei fast allen Protozoen, und das gleiche gilt auch für die Diatomeen und für Fucaceen, bestünde der Gamont (Gametophyt) nur aus der Gamete, die als solche sich nicht fortpflanzt, sondern copuliert. Alle fort- pflanzungsfähigen Generationen zusammen aber würden den Sporonten (Sporophyten) ausmachen. Und umgekehrt ist bei den conjugaten +4 Algen der letztere auf eine Zelle beschränkt. Wenn man in dieser Weise den Generationswechsel faßt, dann muß jeder Organismus mit Befruchtung einen solchen besitzen; denn zu einer Befruchtung gehört stets auch eine Reduktion. Wie will man aber dann diesen Generationswechsel anwenden, auf ein Flagellat mit extremer Autogamie, das doch auch einen Wechsel von diploiden und haploiden Kernen aufweist. Hier hat die gleiche Zelle erst einen diploiden, dann zwei diploide, dann acht (resp. sechs) haploide Kerne, hierauf nach Resorption der Reduktionskerne zwei haploide und schließlich, wie am Anfang, einen einzigen diploiden Kern (Fig. 13). Daszeigt wohl deutlich, daß Fortpflanzung, Generationswechsel sowie Befruchtung und mit ihr die Reduktion ganz getrennte Vorgänge sind. Andererseits unterliegt es für mich auch keinem Zweifel, dab eben die Geschlechtsgeneration von Fucus der Geschlechtsgeneration von Dictyota homolog ist, genau wie die Geschlechtsgeneration der Coceidien der der Gegrarinen entspricht. Gerade die Cutlerien — und dasselbe gilt auch für die Florideen —, zeigen aber in ihrer Entwicklungsgeschichte noch andere Möglichkeiten, aus denen der neueren Fassung des antithetischen Generationswechsels erhebliche Schwierigkeiten erwachsen. Denn wie die Beobachtungen in der freien Natur, sowie die Zuchtversuche von Kuckuck, ÜHUuRcH und SauvaszAU zeigen, ist der Generationswechsel der Cutlerien kein obligatorischer, sondern wie bei Grünalgen und manchen Forniniferen, ein fakultativer. Aus Aglaozonia-Sporen können nämlich nicht nur geschlechtliche Cwtleria-Pflanzen entstehen, sondern auch wiederum ungeschlechtliche Aglaozonia-Formen, und ebenso umgekehrt aus den Gametophyten die eine wie die andere Form. Um diese Schwierig- keiten zu beseitigen, und mit der Chromosomentheorie in Überein- stimmung zu bringen, macht Bonner die Hypothese, daß im letzteren Falle haploide Parthenogenese, im ersteren diploide Apogamie vor- liege, wozu aber bisher keinerlei Beweise vorliegen. Theoretisch ist es jedenfalls genau so gut möglich, daß aus einer haploiden Spore eine ungeschlechtliche Aglaozonia-Form (Sporophyt) entstehe, und umgekehrt aus der einer diploiden Zygote wieder eine Cutleria. Und ich möchte nur daran erinnern, daß ja auch bei Metazoen aus haploiden Eiern ein normales Geschlechtstier (also im Sinne von CHAMBERLAIN ein Sporont) entstehen kann, wie die männliche Biene oder der experimentell parthenogenetische Seeigel. Auch bei der Amöba diploidea war es Erpmann gelungen, haploide agame Generationen zu erhalten, während sonst nur diploide Individuen vorkommen. 45 Genau dieselben Schwierigkeiten findet die herrschende Theorie der Botaniker, ja auch bei den Moosen und Farnen selbst durch die Fälle von diploider Apogamie, bei denen auch der Gametophyt zwei X-Chromosomen besitzt, sowie die von haploider Parthenogenese, bei denen auch der Sporophyt nur die einfache (X) Chromosomen- garnitur aufweist, Verhältnisse, die auch Farmer und Diesy sowie Gösen veranlaßt haben, sich gegen den Zusammenhang von Gene- rationswechsel und Chromosomen auszusprechen. Wenn wir nun das gesamte Tatsachenmaterial an Beobachtungen und Experimenten über den Generationswechsel und die Reduktion bei Protozoen wie Tallophyten überblicken. dann kommen wir zu dem Schluß, daß der Generationswechsel ursprünglich fakultativ und labil, in weitestem Maße von Außenbedingungen abhängig ist, daß er aber, wenn ich mich einmal der Kürze halber dieser Aus- drucksweise bedienen darf, in extremer Anpassung an besondere Lebensbedingungen genotypisch festgelegt werden und mit anderen Erscheinungen morphologischer und entwicklungsgeschichtlicher Art sich fest korrelativ verbinden kann. So kann dann ein halb obli- gatorischer Generationswechsel wie der bei Foraminiferen und Cutlerien, und schließlich ein ganz obligatorischer, wie der der Gregarinen, Dietyoten usw. zustande kommen. Zu den korrelativen Verknüpfungen eines obligatorischen Generationswechsels kann auch sein Zusammenhang mit dem Reduktionsvorgang gehören. Unberührt bleibt der Generationswechsel von der Reduktion, wenn sie ganz am Anfang in der Zygote oder ganz am Ende bei der Gameten- teilung statthat. Die Reduktionsvorgänge scheinen an der Stelle, an der sie einmal zur Ausbildung gelangt sind, mit großer Zähigkeit festgehalten zu werden, sehr wenig mutabel zu sein. So finden wir sie bei allen Tieren, mit Ausnahme der Infusorien, ferner bei den Diatomeen und Fucaceen, vielleicht auch bei einem Teil der Grünalgen an die letzten Gametenteilungen gebunden, bei den conjugaten Algen und ev. einem Teil der Grünalgen in der Zygote, und bei einem Teil der Braunalgen und Rotalgen sowie höheren Pflanzen bei der Sporenbildung. Bei niederen Braunalgen, den Eetocarpen Cutlerien, ist auch hier der Generationswechsel fakultativ und es wäre cytologisch von hohem Interesse zu untersuchen, ob nicht auch der Ort der Reduktion verschiebbar ist. Die Möglichkeit scheint mir, trotz der Zähigkeit, mit der der Ort innegehalten wird, wohl vor- handen. Die oben erwähnten Befunde von Aposporie (Farmer und Diesy) an Farnen sowie Befunde bei Infusorien und Diatomeen scheinen mir auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Bei den typischen Infusorien 46 ist im Gegensatz zu allen übrigen Protozoen und Metazoen die Reduktion um einen Teilungsschritt nach vorn verschoben ; denn die haploiden Gametenkerne teilen sich bekanntlich noch ein drittes Mal in Wanderkern und stationären Kern. Bei Opalina ist nun nach den Untersuchungen von Mrrcarr die Reduktion etwa 5 bis 6 Teilungen noch weiter nach vorn verschoben. Es ist das der einzige tierische Organismus, abgesehen von haploiden partheno- genetischen Tieren, bei dem mehrere haploide Zellgenerationen sich finden. Bei den typischen Diatomeen vollziehen sich, wie bei Tieren die Reduktionsteilungen bei der Copulation, einer, Hologamie (eine echte Zahlenreduktion, wie Karsren neuerdings festgestellt hat), während bei den Planktondiatomeen, spez. bei Corethron valdiviae die Angaben von Karsten dafür sprechen, daß bei der Keimung der Zygote die Reduktion stattfindet, also wie bei Conjugaten. Sollte sich letztere Ansicht weiterhin bestätigen, dann hätten wir die auffallende, aber in unserem Sinne durchaus verständliche Tat- sache, daß in derselben so einheitlichen Organismengruppe ein Teil der Arten diploide, ein anderer haploide Individuen besitzt, also eine Verschiebuug der Reduktionsteilung stattgefunden hat. Zusammenfassend können wir unsere Ergebnisse kurz folgender Maßen formulieren: Durch eine erste korrelative Verknüpfung von Fort- pflanzung und Befruchtung entsteht die geschlechtliche Fortpflanzung und somit die Möglichkeit eines primären Generationswechsels, der zunächst homolog und fakultativ ist (fakultativ-homologer Generationswechsel). Durch eine zwei- fache korrelative Verknüpfung durch Festlegung einer oder mehrerer besonderer agamen Generationen neben der geschlechtlichen Fortpflanzung entsteht der obli- gatorische, homologe Generationswechsel und durch eine drei- fache korrelative Verknüpfung von Reduktion mit einer besonderen ungeschlechtlichen, festgelegten Gene- ration entsteht der obligatorisch antithetische Generations-_ wechsel. Damit bin ich mit meinen Ausführungen zu Ende. Ich hatte zwar anfangs die Absicht, zugleich das Befruchtungsproblem eingehend zu erörtern; doch dazu wäre noch ein weiterer Vortrag nötig. Zudem erscheint es zweckmäßiger, eine Erörterung der Befruchtung und Sexualitätsfrage für eine spätere Zeit zu ver- schieben, da hier vieles im Fluß ist und neue Experimente unter andern Gesichtspunkten notwendig erscheinen. Aus den heute re 47 mitgeteilten Versuchen von Kress, Kuckuck und andern an Algen, Preeres und mir an Phytoflagellaten, Wooprorr an Infusorien und Erpmann an Amöben ergab sich schon meiner Überzeugung nach die Unhaltbarkeit der Verjüngungs- und Regulationshypothesen der Befruchtung. Daß die Weısmann’sche Amphimixis, deren Rolle für die Vererbung und Artbildung (Neukombination) auch für Protozoen experimentell erwiesen scheint, nicht die Bedeutung der Befruchtung erschöpfen kann, zeigt das so häufige Vorkommen von autogamer Befruchtung bei Protisten; die Amphimixis ist ja auch nur die Folge der Befruchtung und vermag über die Ursachen, wie Weısmann selbst stets betont hat, nichts auszusagen. Diese Ursachen aufzudecken, neue Wege zu ihrer experimentellen Erforschung einzuschlagen, muß die Aufgabe der nächsten Jahre sein und wenn auch meine heutigen Ausführungen über den (Generationswechsel der Protisten nur der begrifflichen Erfassung der tatsächlichen Erscheinungen von Fortpflanzung und Befruchtung galten, so werden Sie doch wohl den Eindruck gewonnen haben, daß die dargelegten Gesichtspunkte auch manche Anhaltspunkte zu solchen Experimenten bieten. Literatur. ALLEN, CH. E. (1905), Die Keimung der Zygote bei Coleochaete. Ber. deutsch. bot. Ges. Bd. 23. BERTHOLD, G. (1881), Die geschlechtliche Fortpflanzung der eigentlichen Phaeo- sporeen. Mitteil. d. zool. Stat. zu Neapel, p. 401—413. BLAKESLEE (1904), Sexualreproduction in the Mucorineae. Proc. Am. Acad. Vol. 40. — (1906), Zygospores-germinations in the Mucorineae. Annal. Mycol. BONNET (1912), Progressus Rei botanicae. Bower, F. O. 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Ich möchte Ihnen einige Versuche zeigen, deren Richtigkeit bestritten worden ist. Gestatten Sie, dab ich Ihnen mit ein paar Worten auseinandersetze, worum es sich handelt. v. Huss kam bei seinen vergleichenden Untersuchungen über den Lichtsinn der Tiere zu dem Resultat, daß die Säugetiere, Vögel, Reptilien und Amphibien einen Farbensinn besitzen, der dem unsrigen ähnlich ist, daß dagegen die Fische und die wirbellosen Tiere total farbenblind seien. Den Ausgangspunkt für seine Untersuchungen bilden folgende Tatsachen: Der normale, farbentüchtige Mensch sieht ein licht- starkes Spektrum als farbiges Band, das an verschiedenen Stellen verschieden hell erscheint; die heilste Stelle liegt im Gelb, von hier nimmt die Helligkeit nach dem langwelligen und nach dem kurz- welligen Ende des Spektrums kontinuierlich ab. Der total farben- blinde Mensch sieht ein Spektrum als farblos graues Band; auch ihm erscheint es an verschiedenen Stellen verschieden hell; die hellste Stelle liegt aber für ihn im Gelbgrün bis Grün, und ferner ist für ihn das Spektrum am langwelligen Ende verkürzt. In beiden Fällen lassen sich die relativen Helligkeitswerte der ver- schiedenen Spektralbezirke messend bestimmen und man erhält so einerseits für das farbentüchtige Menschenauge, andrerseits für das vr rar hn, 51 total farbenblinde Menschenauge Werte, welche sich in charakteri- stischer Weise voneinander unterscheiden. v. Hess suchte nun auch bei Tieren die relativen Helligkeits- werte der Spektralfarben zu bestimmen und fand, dab für alle untersuchten Fische und wirbellosen Tiere die Helligkeitsverteilung im Spektrum angenähert die gleiche ist wie für den total farben- blinden Menschen. Wenn er z. B. Jungfische, die positiv photo- taktisch waren und in weißem Lichte stets die hellste Stelle des Aquariums aufsuchten, in ein Dunkelzimmer brachte und in ihrem Bassin ein Spektrum entwarf, sammelten sich sogleich weitaus die meisten Tiere im Gelbgrün und Grün, also an der Stelle des Spek- trums, welche dem total farbenblinden Menschen am hellsten er- scheint. Indem er ferner einen Teil des Aquariums mit einer be- stimmten Spektralfarbe, den angrenzenden Teil mit weißem Lichte beleuchtete und die Intensität des weißen Lichtes so lange variierte, bis es den Fischen mit dem Spektrallichte gleich hell erschien (bis sie sich zwischen beiden Lichtern gleichmäßig verteilten), konnte er den relativen Helligkeitswert von jedem Spektralbezirke für die Fischchen bestimmen. Durch diese und ähnliche Methoden stellte v. Hess für Fische, ferner für Bienen, Käfer, Raupen, Cephalopoden und viele andere wirbellosen Tiere die Helligkeitsverteilung im Spektrum fest und fand überall eine weitgehende Übereinstimmung mit den für den total farbenblinden Menschen charakteristischen Helligkeitswerten. v. Hess zog aus diesen Befunden den Schluß, daß die Fische und die wirbellosen Tiere total farbenblind seien. Mir schien dieser Schluß nicht zwingend. Denn wir wissen zwar, daß beim Menschen eine gewisse Verteilung der relativen Helligkeitswerte im Spektrum stets mit totaler Farbenblindheit einhergeht. Daß dies aber bei Tieren allgemein so sein müsse, daß nicht bei Tieren ein Vorhanden- sein von Farbensinn mit einer Helligkeitsverteilung im Spektrum, wie wir sie vom total farbenblinden Menschenauge kennen, zusammen- treffen könne, dafür ist v. Hess den Beweis bis heute schuldig geblieben. Ich suchte nun auf andere Weise über das Vorhandensein von Farbensinn bei Fischen und wirbellosen Tieren Aufschluß zu er- halten und kam an Bienen (4, 5) und Fischen (1, 2, 3) bald zu Resultaten, welche sich mit der Auffassung, diese Tiere seien total farbenblind, nicht vereinigen ließen. v. Hess hat meine Versuche nachgeprüft und erklärt, sie seien „sämtlich unrichtig“ (8, p. 439; 9,p.105). Und dies ist der Grund, warum ich sie Ihnen zeigen möchte. . 4* 52 Ich muß mich hierbei naturgemäß auf solche Versuche be- schränken, die ich Ihnen vorführen kann, ohne Ihre Zeit zu sehr in Anspruch zu nehmen; und ferner will ich mich bei dieser Demonstration auf die Hauptfrage beschränken, ob den Fischen und Bienen ein Farbensinn zukommt oder nicht; auf die Beschaffen- heit ihres Farbensinnes und auf manche andere Fragen, die hiermit innig zusammenhängen, möchte ich hier nicht eingehen. Es wurden nun folgende Versuche besprochen und hernach demonstriert: I. Versuche an Fischen (Ellritzen und Stichlinge). 1. Nach v. Hess ist ein farbiges Papier für die Fische identisch mit einem grauen Papier, das für den total farbenblinden Menschen den gleichen Helligkeitswert besitzt. Hält man ein graues Papier, auf dem ein Fleckchen von farbigem Papier aufgeklebt ist, von außen an die Wand eines Fischbehälters, so schwimmen die hungrigen Fische nach seinen Angaben nur dann auf die Attrappe los, wenn diese sich in ihrem farblosen Helligkeitswerte wesentlich vom Grunde unterscheidet; „dagegen ließen sie dieselbe unbeachtet, wenn sie angenähert gleichen farblosen Helligkeitswert wie der Grund hatte, also dem unter entsprechenden Bedingungen sehenden total farben- blinden Menschenauge ähnlich oder gleich mit dem Grunde erschien und daher für ein solches kaum oder gar nicht sichtbar war“ (6,p.434). Demgegenüber hatte ich gefunden, daß Fische, welche durch mehrtägige Fütterung mit gelb gefärbtem Fleische auf gelbes Futter „dressiert“ sind, auf ein gelbes Papierfleckchen auch dann losschießen, wenn es auf einem grauen Grunde aufgeklebt ist, der für das total farbenblinde Menschenauge mit dem Gelb identisch ist (1, p. 221). v. Huss bemerkt hierzu, nachdem er die Versuche nachgeprüft hat, daß „auch die Ergebnisse der Attrappenversuche v. Friscx’s sämtlich unrichtig sind“ (8, p. 418). Ich hatte nun für die Demonstration ein gelbes Fleckchen auf ein Grau von gleichem farblosen Helligkeitswert aufgeklebt. Das Gelb und das Grau waren nach der Zusammenstellung von farbigen und farblosen Papieren ausgewählt, welche Herre von einem total farbenblinden Menschen hatte machen lassen und welche neben jedem farbigen Papier das graue Papier enthält, das dem total Farbenblinden mit dem farbigen Papier gleich erschien. Diese Zusammenstellung lag bei den Demonstrationen zum Vergleiche auf. Um dem Einwande vorzubeugen, die Fische könnten das farbige Fleckchen, unabhängig von seiner Helligkeit, an seinem (für uns 53 kaum wahrnehmbaren) Randschatten erkennen, hatte ich neben dem farbigen ein graues Fleckchen von der Helligkeit des Grundes auf- geklebt. Ich zeigte, daß die gelb-dressierten Fische auf das gelbe Fleckchen, und nur auf dieses, losschwammen, wenn die Schablone von außen an die Aquariumswand gehalten wurde’). 2. Auf einem grauen Grunde von mittlerer Helligkeit wurden zwei blaue, zwei gelbe und zwei graue Papierfleckchen, alle unter- einander von gleicher Größe und Gestalt, in beliebiger Anordnung aufgeklebt. Das Blau, Gelb und Grau waren so gewählt, dab für das total farbenblinde Menschenauge alle drei Papiere angenähert den gleichen farblosen Helligkeitswert besaßen. Nach v. Hess hätten die gelb-dressierten Fische wahllos nach allen sechs Fleckchen schwimmen müssen. Es wurde gezeigt, daß sie nur nach den zwei gelben Fleckchen schwammen. 3. Auf grauem Grunde wurde ein blaues Fleckchen aufgeklebt, welches für das total farbenblinde Menschenauge angenähert den gleichen farblosen Helligkeitswert besitzt wie das bei den zwei ersten Versuchen benützte gelbe Fleckchen. Daneben wurde ein sehr hell gelbes Fleckchen aufgeklebt. welches mit dem blauen Fleckchen gleiche Größe und Gestalt hatte, dem total farbenblinden Menschenauge aber wesentlich heller erschien als das blaue Fleckchen und als das oben erwähnte gelbe Fleckchen. Wenn für die gelb- dressierten Fische der farblose Helligkeitswert bestimmend war, als sie in den oben erwähnten Versuchen auf das gelbe Fleckchen losschwammen, so mußten sie jetzt auf das blaue Fleckchen los- schwimmen, welches angenähert den gleichen farblosen Helligkeits- wert hatte wie jenes gelbe. Sie taten dies aber nicht, sondern schwammen nach dem für das total farbenblinde Auge wesentlich helleren Gelb. 4. Nach v. Hess schossen die eine Woche lang auf gelbes Futter dressierten Fische „wahllos auf die blauen, roten, grünen und die grauen Objekte ganz ebenso wie auf die gelben“ (8, p. 416). Ich hatte nun auf grauem Grunde ein rotes, ein gelbes, ein grünes, ein dunkelblaues, ein hellblaues und ein violettes Fleckchen, alle untereinander von gleicher Größe und Gestalt, in beliebiger An- ordnung aufgeklebt und zeigte, daß die gelb-dressierten Fische nur auf das gelbe und auf das rote?), nicht aber auf die andersfarbigen Fleckchen losschossen. =) Über die hierbei zu beachtenden Kautelen vgl. 3, p. 46. *) Uber die Verwechslung von Rot und Gelb vgl. 3, p. 45ff. 54 5. Die bisher geschilderten Versuche zeigen nur, daß die An- gaben von v. Hzss unzutrefiend sind. Es wäre aber denkbar, daß die Fische dennoch total farbenblind sind, und daß nur die farblosen Helligkeitswerte der Farben für sie andere sind als für den total farbenblinden Menschen. Ich hatte mich daher früher (1, p. 220) einer Serie von grauen Papieren bedient, welche in zahlreichen Abstufungen von Weiß bis zu Schwarz führte, und hatte gezeigt, daß auf jeder Abstufung dieser Grauserie ein aufgeklebtes gelbes Fleckchen von den Fischen erkannt wird, daß es also in der ganzen Serie vom Schwarz bis zum Weiß kein Grau gibt, das für die Fische mit dem Gelb identisch wäre. Die Durchführung einer solchen Versuchsreihe erfordert eine beträchtliche Zeit. Ich änderte daher den Versuch zum Zwecke der Demonstration in folgender Weise ab: Aus einer Serie grauer Papiere, welche in 30 kontinu- ierlichen Abstufungen von Weiß bis zu Schwarz führte!), wurde je ein Fleckchen von ca. 3 mm Durchmesser ausgeschnitten. Die 30 grauen Fleckchen und ein gelbes ven gleicher Größe und Gestalt wurden nun in beliebiger Anordnung und unter Wahrung eines gegenseitigen Abstandes von ca. 11/, cm auf einer grauen Fläche aufgeklebt. Erscheint den Fischen das Gelb nur als ein Grau von bestimmter Helligkeit, so ist zu erwarten, daß unter den 30 grauen Fleckchen mindestens eines ist, das sie von dem Gelb nicht unter- scheiden können. Es wurde gezeigt, daß die Fische nur auf das gelbe Fleckchen losschwimmen. 6. An Fischen, welche durch mehrtägige Fütterung mit Fleisch, das durch Lithiumkarmin rot gefärbt war, an rotes Futter gewöhnt waren, wurde gezeigt, daß ein rotes Fleckchen, auf dunkelgrauem Grunde von gleichem farblosen Helligkeitswert aufgeklebt, mit Sicherheit erkannt wird. 7. Auf grauem Grunde wurde nebeneinander ein rotes und ein dunkelgraues Fleckchen aufgeklebt, beide von gleicher Größe und Gestalt und von angenähert gleichem farblosen Helligkeitswert. v. Hess sagt (6, p. 425): „Wird eine rote Attrappe neben einer dunkelgrauen von angenähert gleichem farblosen Helligkeitswerte auf dem gleichen hellgrauen Grunde sichtbar gemacht, so ist das Verhalten der Fische gegenüber der grauen kein anderes wie gegenüber der roten.“ Es wurde gezeigt, daß die rot-dressierten Fische nur auf das rote Fleckchen losschwimmen. 1) Die Grauserie lag bei der Demonstration auf. 55 8. Wie an den gelb-dressierten Fischen wurde auch an rot- ‚dressierten gezeigt, daß sie grüne, blaue und violette Fleckchen neben roten und gelben unbeachtet lassen (vgl. oben Versuch 4). 9. Es wurde ferner auch an rot-dressierten Fischen gezeigt, daß sie ein rotes Fleckchen aus 30 grauen Fleckchen der ver- schiedensten Helligkeit mit Sicherheit herausfinden (vgl. oben Versuch 5). II. Versuche an Bienen. Zum Nachweis eines Farbensinnes bei Bienen hatte ich (4, 5) folgende Anordnung getroffen: Eine Serie von grauen Papieren, welche in kontinuierlichen Abstufungen von Weiß bis zu Schwarz führt, wird in beliebiger Reihenfolge auf eine Tischplatte aufgelegt und an einer beliebigen Stelle ein blaues Papier von gleicher Größe in die Grauserie eingefügt. Auf jedes Papier wird ein Uhrschälchen gesetzt, jedoch nur das Uhrschälchen auf dem blauen Papier mit Zuckerwasser gefüllt. Etwa alle 20 Minuten wird das von den Bienen geleerte Schälchen auf dem blauen Papier von neuem gefüllt und hierbei der Platz des blauen Papieres in der Grauserie jedesmal gewechselt, um eine Dressur auf einen bestimmten Ort zu vermeiden. Legt man nach 1—2tägiger Dressur ein reines blaues Papier an eine beliebige, vom Ort der letzten Fütterung abweichende Stelle der Grauserie und setzt auf das blaue Papier ein leeres, reines Uhrschälchen, so umschwärmen die Bienen sofort das blaue Papier in auffallender Weise und lassen sich alsbald in Scharen darauf nieder. Sie unterscheiden es somit von allen Abstufungen der Grauserie, es besitzt für sie nicht nur Helligkeitswert, sondern auch Farbwert. v. Hess hat gegen diesen Versuch eingewendet (9, p. 89, 90), die Bienen könnten das blaue Papier an einem (für uns nicht wahrnehmbaren) spezifischen Geruch erkannt und von den grauen Papieren unterschieden haben, obwohl ich bereits in meiner ersten Mitteilung (4) Tatsachen erwähnte, welche mit dieser Annahme nicht wohl vereinbar sind. Ich habe mit Rücksicht auf diesen Einwand die Versuche in der Weise wiederholt, daß ich über alle Papiere eine große Glasplatte deckte oder die farbigen und grauen Papiere in Glasröhrchen einschmolz. Wie zu erwarten war, fiel der Versuch unter diesen Umständen ebenso aus wie ohne Glas. v. Hess behauptet hingegen: „Es ließ sich zeigen, daß sowohl die älteren Angaben Lussock’s und Forer’s wie auch die neueren v. Friscu’s, nach welchen eine „Dressur“ der Bienen auf bestimmte 56 Farben möglich sein sollte, sämtlich unrichtig sind. Sobald man den Bienen verschiedene Farben unter sonst gleichen Be- dingungen sichtbar macht, erweist es sich als völlig unmöglich, sie an bestimmte Farben zu gewöhnen und durch solche anzulocken“ (9, p. 105). Ich begann nun zwei Tage vor der ersten Sitzung, am 31. Mai, im Garten des Freiburger zoologischen Institutes Bienen des dortigen Bienenstandes in der geschilderten Weise auf Blau zu dressieren. Am Vormittage des 2. Juni wurde der Versammlung folgender Versuch demonstriert: Vom Futtertische wurden die von den Bienen beschmutzten Papiere entfernt und eine reine, aus 15 Abstufungen !) bestehende Grauserie aufgelegt, in welche an einer beliebigen, vom Orte der letzten Fütterung abweichenden Stelle ein blaues Papier eingefügt wurde. Die ganzen Papiere wurden mit einer Glasplatte bedeckt und auf diese, über die Mitte jedes Papieres, je ein reines, leeres Uhrschälchen gesetzt. Es war sofort deutlich, wie die Bienen gegen das blaue Papier anflogen. Nach kurzem Zögern ließen sie sich auf diesem (d. h. auf der entsprechenden Stelle der Glasplatte) nieder. Die nebenstehende Photographie, welche bereits im Sommer des vergangenen Jahres aufgenommen wurde, zeigt einen solchen Versuch. v. Hess erwähnt, daß schon eine oder zwei sitzende Bienen auf die neu anfliegenden Tiere eine gewisse Anziehungskraft aus- üben und meint, es sei leicht möglich, daß die übergroße Mehrzahl meiner Bienen auf dem Dressurpapier „lediglich durch die An- wesenheit einer oder einiger weniger Bienen, die sich dort nieder- gelassen hatten, nicht aber durch die farbige Unterlage herbei- gelockt wurde“ (9, p. 92). Mit Rücksicht hierauf verschob ich, sobald sich ein mächtiger Bienenknäuel über dem Dressurblau ge- bildet hatte, die Glasplatte samt den Bienen vorsichtig derart, dab der Bienenknäuel mitten auf ein graues Papier kam, das Blau da- gegen gänzlich von Bienen entblößt war. Binnen ?7/,—’/, Minute löste sich der Bienenknäuel vollständig auf und auf dem Blau war ein neuer entstanden. Ich habe diesen Versuch am 2., 3. und 4. Juni mehr als ein dutzendmal vorgeführt; er ist — wie ich nach meinen früheren Erfahrungen erwarten konnte — niemals mißlungen. 1) Eine solche Abstufung ist für diesen Versuch genügend fein. Denn es gelingt nicht, die Bienen auf eine bestimmte Abstufung dieser Grauserie zu dressieren; man kann also nicht einwenden, daß sie infolge eines außerordentlich fein ausgeprägten Helligkeitssinnes die Dressurfarbe doch an ihrem farblosen Helligkeitswerte erkannt hätten. u Sue nn u a 57 Ich zeigte auch oftmals den folgenden Versuch: Legt man auf ein beliebiges graues Papier des Futtertisches nebeneinander das blaue und das entsprechende graue Originalpapier der Hering’schen Zusammenstellung (vgl. S. 52), also zwei Papiere, welche für einen total farbenblinden Menschen den gleichen farblosen Helligkeits- wert besaßen, und deckt die Glasplatte darüber, so entsteht prompt auf dem Blau der Bienenknäuel, während das Grau unbeachtet bleibt. Verschiebt man nun die Glasplatte, so daß der Bienen- knäuel auf das Grau kommt, so löst er sich auf und bildet sich von neuem auf dem Blau. Es wurde bei Gelegenheit dieser Demonstrationen vielfach be- merkt, daß nach dem Entfernen des Futterschilchens die nach Nahrung suchenden, blau-dressierten Bienen in auffallender Weise blaue Kleidungsstücke umschwärmten. Ähnliche Beobachtungen hatte ich während der beiden letzten Sommer oftmals gemacht. Nach v. Hzss (9, p. 85ff.) wäre wohl anzunehmen, daß die mit blauen Krawatten versehenen Zuschauer und die mit blauen Kleidern und Hutbändern versehenen Zuschauerinnen diese Kleidungsstücke mit Honig beschmutzt hatten. Ich wurde mehrmals gefragt, wie bei einem so einfachen und so sicher gelingenden Experiment, wie dem oben geschilderten, das vollständige Mißlingen der v. Hxss’schen Dressurversuche zu er- klären sei. Der „eindringlichste“ von seinen Versuchen ist der folgende (9, p. 95 ff.): v. Hzss hatte sich ein aus Pigmentpapieren 58 zusammengestelltes „Spektrum“ verschafit, das durch Aneinander- reihen von 185 verschiedenen farbigen Papierstreifen gebildet war. Das Ganze war unter einer Glasplatte eingerahmt. Er zog nun einen langen Honigstreifen entsprechend der Mitte der Farben über die Glasplatte und setzte diese Anordnung den durch 3 Tage auf Blau dressierten Bienen vor. Sie „flogen regel- los bald zu dieser, bald zu jener Farbe des Spektrums“ und ließen sich überall am Honig nieder. v. Hess hätte kein wirksameres Mittel anwenden können, um eine gleichmäßige Verteilung der dressierten Bienen über die ganze Länge des Spektrums zu erzielen, als den frei sichtbaren, duftenden Honigstreifen. Auch ich habe mich, schon vor seiner Publikation, davon überzeugt, daß der Versuch unter solchen Bedingungen mißlingt. Auf andere Umstände, welche bei der v. Hzss’schen Versuchs- anordnung dem Gelingen der Versuche entgegenwirken mußten, komme ich in meiner ausführlichen Publikation zurück. v. Hess wird sich nun mit den vorgeführten Versuchen in anderer Weise abfinden müssen als durch die Erklärung, sie seien „sämtlich unrichtig“. } Zitierte Literatur. 1. Frisch, K. v., Uber farbige Anpassung bei Fischen. Zool. Jahrb., Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. Vol. 32, 1912. 2. — Sind die Fische farbenblind? Ibidem. Vol. 33, 1912. 3. — Weitere Untersuchungen über den Farbensinn der Fische. Ibidem. Vol. 34, 1913. 4. — Uber den Farbensinn der Bienen und die Blumenfarben. Münchn. medizin. Wochenschr. 1913. 5. — Zur Frage nach dem Farbensinn der Tiere. Verhandl. d. Gesellsch. deutscher Naturf. u. Ärzte 1913. 6. Hess, C. v., Experimentelle Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes. Archiv f. d. ges. Physiologie. Vol. 142, 1911. 7. — Untersuchungen zur Frage nach dem Vorkommen von Farbensinn bei Fischen. Zool. Jahrb. Abt. f. allgem. Zool. u. Physiol. Vol. 31, 1912. 8. — Neue Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes. Ibidem. Vol. 33, 1913. 9. — Experimentelle Untersuchungen über den angeblichen Farbensinn der Bienen. Ibidem. Vol. 34, 1913. 2 59 Zweite Sitzung. Dienstag, den 2. Juni, 21/,—5 Uhr. Herr Dr. Voss (Göttingen): Vergleichende Untersuchungen über die Flugwerkzeuge der Insekten’). 2. Abhandlung. Experimentelle Untersuchungen über den Flügelschlag und Flug der Insekten. In einer ersten Publikation ?) über die nunmehr weitergeführten Studien und Versuchsreihen hatte ich Gelegenheit, eine allgemeine Übersicht über den Stand unserer Kenntnisse von der biologischen Seite des Flugproblemes zu geben, sowie eine Skizzierung der Einzelprobieme zu versuchen, welche zunächst in Angriff genommen werden dürften. Auf der „Versammlung von Vertretern der Flugwissenschaft“ vom 3. bis 5. Nov. 1911 zu Göttingen, welche im April 1912 zur Gründung der ,, Wissen- schaftlichen Gesellschaft für Flugtechnik“ führte, wurde das Arbeitsgebiet der Lufttechnischen Forschung, der Luftschiffahrt und Flugtechnik, gemäß folgender Aufgaben abgeteilt®): 1. Meteorologische Fragen, 2. Aerodynamische Fragen, 3. Konstruktions- und Festigkeitsfragen, 4. Maschinenfragen, 5. Physikalische Fragen, 6. Geographische Ortsbestimmung. Mit der Anregung einer 7. Gruppe, der „biologischen Abteilung der Wissenschaften für Luftfahrt“ wurde schon 1911 die Notwendigkeit betont, durch planmäßiges Studium tierischer und pflanzlicher Flugeinrichtungen der biologischen Seite des Flugproblems die sehr notwendige Aufmerksamkeit zu schenken, dafür diese in Deutschland bis jetzt leider noch keine Pflegestätte mit einheitlichen Einrichtungen vorhanden ist. Eine umfassende und nach einheitlichen vergleichenden Gesichts- punkten vorgehende Durcharbeitung des Stoffes in genannter Rich- tung schien mir zunächst am meisten geeignet, eine Vervollständigung und Vertiefung unserer Anschauungen auf diesem Gebiete durch- zuführen. Neben den Ergebnissen spezifisch anatomisch-biologischer Natur würde man auf einem neuen Zweige — sit venia verbo — „angewandter Zoologie“ nicht zuletzt zu allgemeineren Ergebnissen gelangen, welche der Technik zur Beurteilung in faßlicher Form vorgelegt werden könnten, damit sie dieselben bei der Konstruktion 1) Hiermit beginne ich eine Reihe von Einzeluntersuchungen vergleichend- anatomischer bzw. flugkinematischer Art, welche im Rahmen des aufgestellten Programmes in zwangloser Aufeinanderfolge an verschiedenen Stellen erscheinen sollen. ®) Vgl. Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft a. d. 23. Jahresversammlung zu Bremen 1913, S. 118. ®) Vgl. die „Verhandl. der Versamml. von Vertretern der Flugwissenschaft zu Göttingen 1911“, herausgegeb. v. PRANDTL 1912, München. Berlin. 8. 30 u. S. 52. 60 von Drachenflugzeugen, insbesondere bei dem Bau von Schwingen- fllegern verwerte. Ein Besuch des „Institut Marey“ zu Boulogne sur Seine bei Paris, der mir durch die Unterstützung des preußischen Kultus- ministeriums und der Göttinger Akademie der Wissenschaften er- möglicht wurde, gab mir die Gelegenheit, selbst einigen der in Bremen aufgestellten Forderungen nachzugehen, zu deren Bearbeitung es in Deutschland keine Gelegenheit gibt. Von den gemachten Fortschritten sollen die nachfolgenden Ausführungen ein Bild nach jenen allgemeinen Gesichtspunkten entwerfen, welche bei der Weiterarbeit auf einem begrenzten Teilgebiet jener Vorschläge auftraten, ferner sollen einige der hauptsächlichen Ergebnisse mitgeteilt werden, deren einzelne Ausführung und Begründung späteren Veröffentlichungen vorbehalten bleibt. In der Voraussetzung, daß in dem der Erinnerung an den großen Förderer der kinematischen Biologie geweihten Institut Marey die Einrichtungen geboten seien, um die von Marer und seiner Schule gemachten Beobachtungen zu ergänzen und zu er- weitern, beschloß ich, vom Standpunkt des Anatomen !) ausgehend, zunächst vier der in Bremen aufgestellten Forderungen zu erfüllen zu suchen und an eine systematische Bearbeitung derjenigen kine- matischen Hauptfaktoren des Tierfluges heranzutreten, welche sich in Frequenz, Amplitude des Flügelschlages, in der Stellung des Flügels während der einzelnen Flugphasen ferner in den Kraftäußerungen des Flügelschlages darstellen. Auf die Bearbeitung des letzteren Problems mußte ich indessen bei dem Mangel an geeigneten Einrichtungen in Anbetracht der schwierigen Methodik, deren Ausbau von Bedeutung sein würde, vorläufig verzichten. Bei der Bearbeitung der übrigen genannten Punkte benutzte ich neben einem u. a. den Zwecken der Kardiographie dienenden Registrierapparat hauptsächlich den von Buu ausgearbeiteten Apparat für die kinematographische Aufnahme rapider Be- wegungen, dessen Einrichtung und Benutzung nebst Angabe einiger der erhaltenen Ergebnisse in Burr’s: La chronophotographie des mouvements rapides?) beschrieben worden ist. Die Technik für 1) Vgl. meine Arbeiten: Über den Thorax von Gryllus domesticus 1904/05 u. 1912, I.—V. Teil. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 78—95 u. die übrigen 1913 bereits genannten Abhandlungen. 2?) 1905. Travaux de l’association de l’institut MAREY, S. 121. Vgl. auch LEHMANN: Die Kinematographie, Bd. 358, „Aus Natur u. Geisteswelt 1911, S. 104: We 61 die Darstellung des Flügelschlages und fliegender Tiere hat seit den ersten Anfängen Marsy’s eine Reihe von Methoden bekannt gemacht, welche über einzelne Elemente des Flügelschlages mehr oder weniger zuverlässige Auskunft gaben. Ohne die Einzelheiten hier näher anzugeben, sei hinsichtlich der Darstellung der Frequenz des Flügelschlages an Marey’s Methode erinnert, welche die schwingenden Flügelspitzen festgehaltener Insekten an einer mit bestimmter Schnelligkeit rotierenden berußten Trommel vorbei- streifen und durch Abstreifen des Rußes die Zahl der Flügel- schläge von den Tieren selbst registrieren läßt, ferner an die Methode, welche durch Vergoldung der Flügelspitzen den von ihnen während des Schlages beschriebenen Weg im Sonnenlicht durch sie selbst bezeichnen läßt. Die Anwendung der photo- graphischen Methode und die Entwicklung der Kinematographie durch Marey führten über verschiedene Stadien, von denen die Versuche v. Lexpenrenv’s') besonders hervorgehoben seien, zu der durch den genannten Apparat von Butt erreichten Vervollkommnung, welche gestattet, Aufnahmen von ca. 54 Bildern auf einem Film- band von etwa 1m Länge mit einer Bildzeit bis zu 4/o999 Sekun- den herzustellen. — In Analogie zu dem Schnittverfahren der Mikrotomtechnik, welches die Zerlegung eines tierischen usw. Objektes in eine Serie fortlaufend aneinandergereihter Einzel- schnitte von bestimmter, untereinander annähernd gleicher Dicke und die Herstellung eines zusammenhängenden Schnittbandes er- möglicht, erhält man im Filmband durch eine Art von „Chronotom“ eine Schnittserie durch einen Vorgang, in welcher die Einzelbilder ebenso viele aufeinanderfolgende kleinste Zeitabschnitte repräsen- tieren, deren „Schnittdicke“, d. h. Dauer, innerhalb einer Serie an- nähernd gleich und je nach den Anforderungen für verschiedene Aufnahmen, wenn auch nicht genau, so doch abschätzbar ver- schieden einstellbar ist. Man erhält eine zusammenhängende un- unterbrochene Reihe von dicht aufeinanderfolgenden Teilphasen des Flügelschlages in vollendeter Schärfe. Die Bilder erscheinen infolge der Stellung des Objektes. zwischen Lichtquelle und Film- band als Silhouette, was bei der Durchsichtigkeit der Flügel zu- nächst nur einen geringen Nachteil bedeutet. Der Apparat gestattet jedoch sehr instruktive stereoskopische Aufnahmen, von deren Her- stellung ich vorerst absah, da meine nächstliegenden Ziele solche nicht erforderten. *) Vgl. 1903: Beitrag zum Studium des Fluges der Insekten mit Hilfe der Momentphotographie. Biolog. Centralblatt, Bd. 23, S. 297. 62 Durch Vergleich der Einzelbilder bzw. durch die Wiedergabe mittels eines gewöhnlichen Kinematographen erhält man einen sehr eingehenden Einblick in die Einzelheiten des Flugvorganges. In letztem Falle läßt die gegenüber der rapiden Umdrehung während der Aufnahme sehr beträchtlich herabgesetzte Geschwindigkeit der Projektion des Filmbandes den Flugvorgang sehr verlangsamt, unter deutlichem Erscheinen der einzelnen Flügelstellungen, wiederkehren. Indem gleichzeitig mit dem Flugvorgang ein ins Bildfeld ein- gestelltes Zeitsignal, eine schwingende Zeitnadel von bekannter Schwingungsdauer, bei Bedarf auch eine auf einer Glasplatte ein- geritzte Skala des Längenmabes mitphotographiert wird, erhält man Anhaltspunkte zur Berechnung der Frequenz, zur Beurteilung der absoluten Maße, zur Berechnung der Fluggeschwindigkeit und Messung der Flugstrecke. An dieser Stelle übergehe ich es, das Prinzip des Apparates sowie die Einzelheiten desselben zu charakterisieren. Auch auf die Technik der Aufnahmen und Versuchsanordnung, sowie auf die Besprechung einer Reihe von Fehlern des Apparates, welche bei starker Inanspruchnahme und bei der oft notwendigen schnellen Bedienung eine gewisse Schwierigkeit der Versuche und einen nicht unbeträchtlichen Prozentsatz meist aber durchaus nicht wertloser Fehlaufnahmen bedingen, gedenke ich später in anderem Zusammen- hange zurückzukommen. Ebenso möge hier über die Methodik der Frequenzberechnung nur folgendes gesagt sein: Indem man die identischen Phasen der Flügelstellungen während des Flügelschlags in den Einzelbildern aufsucht, etwa die Bilder extremer Tiefstellung des Flügels als Endbilder einer Flügelschlagperiode bezeichnet, erhält man eine bestimmte Bildzahl a für eine Flügelschlagperiode I. Indem man ebenso die identischen Phasen der mit bekannter Zeitdauer t schwingenden Nadel feststellt, erhält man eine bestimmte Bildzahl b für eine Nadelschwingungsperiode 1. Aus dieser letzteren Zahl ergibt sich die Bildzeit = Sek. des Einzelbildes und die Dauer eines Flügelschlages = Sek., d. h. die Anzahl der Flügelschläge in einer Sekunde. Meistens stimmen aber die erwähnten Endphasen der nacheinander folgenden Schwingungsperioden des Flügels bzw. der Zeitnadel nicht überein, und völlig identische Bilder kehren erst nach einem längeren, oft aber überhaupt nicht feststellbaren Turnus wieder (etwa Endphasen von I und VII bzw. 1 und 3 identisch). Oft 69 aber schaltet sich noch ein zweiter Turnus ein, und es fragt sich, wie groß bei auftretender Inkongruenz der Einzelbilder die Werte a und b angenommen werden dürfen bzw. wie groß bei Vernach- lässigung kleiner Bruchteile dieser Ziffern die Ungenauigkeit des Resultates ist, welches sich zwischen oft nennenswerten Grenz- werten vorfindet. Von der Ausrechnung der gefundenen Werte unterscheidet man also als wesentlichen Teil der ganzen Rechnung die vorher- gehende Berechnung der Werte selbst, d. h. die Kalkulation, die ich in Anbetracht der zahlreichen Aufnahmen und der verschieden- artigen Umstände, unter denen die verschiedenen Aufnahmen ge- schahen, so peinlich genau wie möglich anstellen zu müssen glaubte, um den verschiedenen Ursachen der oft beträchtlichen individuellen Variabilität der Schlagfrequenz nachgehen zu können. Die Rech- nungen an einem einzigen Film gestalteten sich infolgedessen oft äußerst zeitraubend. | Die Vorzüge dieser vervollkommneten photographischen Methode sind gegenüber allen anderen ganz erhebliche, da sie gegenüber der genannten Methode Marrr’s die Analyse der Flugerscheinungen unter wesentlich natürlicheren Bedingungen gestatten und durch die Auf- nahme fortlaufender größerer Bildreihen bei einer auf das höchste gesteigerten und von Fall zu Fall willkürlich veränderlichen Schnellig- keit der Bildfolge und bei Anwendung des Zeitzählers alle die gewünschten Einzelelemente des Flügelschlages, Frequenz, Amplitude und Flügelstellung an einem gleichen Objekt gleichzeitig zur Dar- stellung bringen. Indem Butt als Physiologe mit seiner erheblich verbesserten Methodik die von Margy angestellten Versuche wiederholte, gelangte er zu genaueren Ergebnissen, welche die Angaben Marry’s im wesentlichen bestätigen. Er stellte an den zum Teil schon von Margy in Betracht gezogenen Insekten an Agrion, Apis, Bombus, Tipula, Musca vomitoria und Musca domestica Neuberechnungen der Fre- quenzen an, gab eingehende Darstellungen über die von den Flügel- spitzen beschriebenen Kurven. Er machte Angaben über die ver- schiedenen Stellungen der Flügel und über longitudinale und trans- versale Deformationen, Biegungen und Torsionen während des Schlages derselben, um sie nur bei der Libelle zu einem einheit- lichen Gesamtbilde des Typus zu verwerten. Von den allgemeineren Ergebnissen Burr’s mag besonders die wichtige Feststellung hervorgehoben sein, daß die Abänderungen der Neigungswinkel des Flügels (Les variations d’inclinaison du 64 plan de Vaile, Bull. 1905 |. c. S. 71) dem Willen des Tieres unmittel- bar unterworfen sind, dab die beiderseitigen Flügel, von Biegungen und Torsionen in der Längsrichtung abgesehen, — bei synchronem Schlage, füge ich hinzu — je für sich Spezialbewegungen (Change- ments de forme de la surface de l’aile) willkürlich auszuführen vermögen, so daß die beiderseitigen Flügel in der jeweiligen Schlag- phase eine verschiedene unsymmetrische Stellung und Torsion besitzen können; alles Flugmanöver, welche dem Tiere zur Wiederherstellung des Gleichgewichts bzw. der Steuerung und der Erhöhung oder Minderung der Schnelligkeit des Fortschreitens im Raume dienen. Über die Aufnahme der genannten, meist schon von Marry berücksichtigten Tiere ging Buti jedoch nicht hinaus, und eine Berücksichtigung aller jener zahlreichen Fragestellungen und Ge- sichtspunkte, welche die Kenntnis der anatomischen Grundlagen des Flugapparates!) nahelegt, fand durch ihn nicht statt. Übersieht man zusammenfassend das Gesamtergebnis und den Hauptcharakter der Methodik Bvrr's, so sind zwei in theoretischer Hinsicht prinzipiell bedeutungsvolle Tatsachen hervorzuheben, auf deren Diskussion es mir besonders anzukommen scheint: 1. Die eindringliche Betonung der Notwendigkeit, die Insekten nicht im fixierten, sondern im freien Fluge zu photographieren, da nur so die von Marry nicht vermiedenen ungünstigen, den natürlichen Verhältnissen nicht entsprechenden Versuchsbedingungen ausgeschaltet werden können und da man nur so zu Ergebnissen und Zahlenwerten gelangen werde, die der Wirklichkeit entsprechen. Diese von der Überzeugung der fast ausschließlichen Bedingtheit der verschiedenen Flügelstellungen in den einzelnen Bewegungs- phasen durch den Luftwiderstand eingegebene, wenigstens auf sie gegründete Forderung müßte dann in aller Unbedingtheit aufrecht erhalten werden, wenn wirklich der Luftwiderstand die alleinige Ursache jener stereotypen Torsionen und Stellungen wäre und wenn er die Frequenz wesentlich beeinflussen würde. Immerhin bedeutet diese Forderung das letzteund vollkommenste Ziel aller Untersuchungen in dieser Richtung. Indem Butt auf die Aufnahme fixierter Tiere durchaus ver- zichtete, hat er durch die Konstruktion höchst sinnreicher und der Individualität der betreffenden Insektenart jeweils angepaßter Ab- flugvorrichtungen der Erfüllung dieser Forderung mit Erfolg die größte Sorgfalt gewidmet. Ihre vorläufige Grenze hatten diese 1) Vgl. Voss, 1913 1. ec. Verhandl. Bremen. WG Mn ~ 4 65 Bestrebungen allerdings sehr bald darin gefunden, daß die Zahl der Insekten, welche zu derartigen Versuchen tauglich sind, sehr be- schränkt scheint und dadurch, daß es zwar gelang, die Insekten im freien Abflug, nicht aber auf freier Flugstrecke zu photographieren. Immerhin bedeuten Burr’s wichtige Freiflug-, besser Freiabfiug- versuche theoretisch und praktisch einen sehr wesentlichen Fort- schritt gegenüber den Versuchen Marzy’s ausschließlich an fixierten Tieren. | 2. Die erneuten Betrachtungen über die Flügelstellungen während der einzelnen Schlagphasen und die genauere Ausarbeitung der von den Flügelspitzen während des Fluges beschriebenen Hauptkurve führten Burn zur Bestätigung der Ergebnisse Marey’s, zu dem all- gemeinen Hauptergebnis seiner Anschauungen, daß die Erscheinung der 8-Figur [la figure en huit de chiffre, das „trajectoire de l’aile“, die Lemniscate] aerodynamisch begründet werden müsse, daß sie eine Folgeerscheinung ausschließlich der durch den Luftwiderstand gegebenen Bedingungen sei. Burr’s Experiment mit dem künstlichen Flügel im luftleeren Raume!) schienen die Richtigkeit der An- schauungen zu bestätigen. Dieses Ergebnis steht jedoch in prinzipiellem Gegensatz zu den Anschauungen der Anatomen und Zoologen, welche seit Amans 1885 in den anatomischen Verhältnissen des Flugapparates die grundlegende Vorbedingung für die Eigenart des Flügelschlages sehen. Denn mit der Vergleichsbewertung seines Modellversuches ~ Im luftleeren Raume ließ Burn alle jene anatomischen Grundelemente und Hauptbedingungen für den Flügelschlag unberücksichtigt, welche in dem eigenartigen, in Buzr/s Modell nicht nachgeahmten feineren Bau der Fläche des Flügels (vgl. Amans’ Diedre-System) und in der Konstruktion der Flügelgelenkteile gegeben sind. Es ist das bereits 1913 (Verhandl. Bremen) von mir näher erläuterte Prinzip der Zwangläufigkeit, welches dem Flügel eine bestimmte, festgelegte, in der Nacheinanderfolge der Schläge stets wiederkehrende Bahn vorschreibt und welches dessen fundamentale Be- deutungfürden Flügelschlagnahelegen mußte. Inder eigenartigen Bahn, welche die Flügelspitze beschreibt, kommt neben den mehr sekun- dären Wirkungen des Luftwiderstandes als wesentliche Grund- bedingung ein von Amans begründetes ,axiome anatomique“ in Be- tracht, welches von mir 1905 und 1913 im einzelnen ausgearbeitet 1) Vgl. BULL: Comptes rendus 1904, Bd. 138,1 S. 590. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 5 66 und neuerdings durch Sreruwaast) des weiteren bestätigt wird; ein „anatomischer Grundfaktor“, dessen Ausgestaltung zu seiner heutigen Bedeutung, will man die Erscheinung phylogenetisch zu deuten versuchen, allerdings durch den Luftwiderstand wesentlich bedingt und auf dem durch Burr’s Vergleichsexperiment nahegelegten Wege vollzogen worden sein mag. Das Eindringen unserer Er- kenntnis der Flugerscheinungen, notwendigerweise von der anatomi- schen Grundlage aus, halte ich für die nunmehr zunächstliegende Aufgabe, für deren Lösung u. a. das 1913 zusammengestellte, auf der 1905 gegebenen Bearbeitung von Gryllus und den Arbeiten der Autoren beruhende Grundschema des Fluges”) maßgebend sein kann, unter Beziehung abgeleiteter Typen auf einfachere. Durch die Methodik Burr’s ist für derartige Untersuchungen ein neuer wertvoller Weg gegeben. Diese Andeutungen mögen hier vorläufig genügen. Immerhin verdient das Problem noch immer die größte Auf- merksamkeit. Denn die Lösung desselben weist auf den Weg, auf welchem man vielleicht zu einer brauchbaren Konstruktion des künstlichen Schwingenfliegers gelangen, oder in welcher Weise man Elemente des Schwingenfluges bei dem Drachenflug verwerten kann. Sie gibt einen Einblick in die aerodynamischen Beziehungen der Flächen- und Gelenkkonstruktion des Flügels, in die Art der Ge- lenkbeanspruchung und der Widerstandsausnützung. Der Verfasser, welcher sich den technischen Schwierigkeiten — besonders hinsichtlich der Materialbeanspruchung — bei der Konstruktion eines brauch- baren Schwingenfliegers nicht verschließt, möchte doch noch auf folgende Punkte hinweisen: a) Konstruktion von Drachenflächen, welche die Details der tierischen Modelle wiedergeben; vgl. hierzu die Arbeiten AMANS’. b) Bau der Flächen der Schraubenflügel nach dem Vorbilde des Tierflügels; vgl. hierzu AMANS. ec) Verwendung leichter frequenter Oscillationen mit geringerer Amplitude an besonderen Stabilisierungsflächen, wenn nicht an den Drachenflächen selbst. Von zahlreichen Beispielen seien die Deckflügel der Käfer genannt, deren Funktion mit der von STELLWAAG?®) gegebenen sehr wahrscheinlichen Deutung nicht er- schöpfend erklärt sein dürfte, und an die Mauersegler (Cypselus), bei denen der Segelflug auf der Grundlage des frequenten Schwirrfluges entwickelt ist und bei denen lange Segelflugstrecken mit kurzen Strecken oscillatorischen Schwirr- flages abwechseln, welche anscheinend stabilisierende Bedeutung besitzen. 1) Zeitschrift f. wiss. Zool. 1910, Bd. 95, Bau und Mechanik des Flug- apparates der Biene. — 1914, Bd. 108, Der Flugapparat der Lamellicornier. *) Vgl. 1913 Voss, 1, e. S. 130, „Tabelle für die kinematischen Grund- elemente. .“ *) 16: 1944. iti. 67 Neuerdings werden die Versuche zur Lösung des Problems des Schwingen- fluges von neuem in Angriff genommen, wie der Einblick in die Arbeiten französischer Biologen und Techniker und die Versuche LILIENTHALS zeigen. Die Durcharbeitung der genannten Fragen leitet auf die zahl- reichen Wege hin, welche die Anfänge des Schwingenfluges einge- schlagen haben mögen. Neben den Möglichkeiten, welche ich schon früher angab, möge einer dieser Wege besonders gekennzeichnet sein, in welchem mit Gleitflächen versehene Tiere bei einem Sprung oder Fall durch den Luftraum mittels leichter Oscillationen ihrer fest- stehenden Gleitflächen immer zahlreichere Luftteilchen unter den Bereich derselben einbezogen und mit dem Erfolge der Fallver- zögerung ausgenützt haben können, wie wir dies heute in den oscillatorischen Bewegungen der herabgleitenden Zanonia- und Bignonia-Samen noch eintreten sehen. Mit der willkürlichen Aktivierung solcher Gleitflächen durch Muskulatur und mit ihrer deutlicheren Abgliederung unter Gelenkbildung dürften die Anfänge der Flugbewegungen gegeben sein, wie sie in den heutigen Typen des Tierfluges vollendet erscheinen. Für die Beurteilung einer solchen Stufenfolge sind die Lepi- dopteren charakteristisch und bedeutungsvoll, deren Flugbilder im Einklang mit den verschiedenartigen Modellen, welche sie zeigen, so überaus verschieden sind. Die Ähnlichkeit des Flugbildes der Tagfalter speziell mit dem schaukelnden Gleitflug der Bignonia- Samen ist schon oft betont worden; es wird nachher gezeigt werden, daß von dem Flugmodell der Tagfalter aus, welches im aero- dynamischen Sinne einen nur geringen Grad der Vollkommenheit bzw. Leistungsfähigkeit besitzt, sich eine Stufenfolge von Vertretern des Lepidopterenfluges aneinanderreihen läßt, welche in den Sphin- giden die Verkörperung eines hohen Grades von Kraft, Dauer, Gewandtheit (Steuerung) und Schnelligkeit erreicht zeigt. Diese im aerodynamischen Sinne bedeutungsvolle Stufenreihe führt aber In ihren heutigen Vertretern keineswegs mehr eine phylogenetische Reihe vor, da die Rhopaloceren von der primitiven Wurzel des Lepidopterenstammes entfernte, spezialisierte Typen sind. Sie zeigt nur auf einer weiteren Linie bei den Insekten die Überlegenheit des Typs der indirekten Flugmechanik: Die Anfänge der Flugfähigkeit weisen auf allen Linien zunächst auf Trag- fähigkeit und Stabilisierung des Systems, wofür der automatisch stabile Gleitflug der Zanonia den genannten Vergleichswert besitzt. Erst die Vervollkommnung des Typs führt zur stärkeren Be- tonung der Kraft und Ausdauer, der Schnelligkeit, Gewandt- 5* 68 heit und der durchdas Bewußtsein vermittelten, weniger automatischen Steuerung und Stabilisierung, kurz zu in jeder Richtung er- höhter Leistungsfähigkeit des Systems. Es ist von Wert, hiermit die beiden Richtungen des Flugzeug- baus zu vergleichen, bei denen sich die grundsätzlichen Bestrebungen bevorzugter automatischer Stabilisierung und Tragkraft einerseits dem Prinzip größtmöglicher Schnelligkeit und bewußter Stabili- sierung, gewandter Steuerung andererseits gegenüberstehen. Die Wertschätzung der beiden Prinzipien richtet sich jedoch in diesem Falle nicht nach den Gesichtspunkten allmählicher Vervollkommnung im phylogenetischen Sinne, welche der Vergleich mit dem Tierflug nahelegt, sondern nach den realen Anforderungen aus Gesichts- punkten der praktischen Bedürfnisse. Von den neuen Aufgaben, welche auf dem Arbeitsfelde der biologischen Abteilung der lufttechnischen Wissenschaften liegen, möchte ich folgende als die nächstliegenden näher kennzeichnen. Zu diesen mehr flugphysiologischen Aufgaben gesellen sich jene bereits 1913 !) näher aufgeführten, welche auf eine gründliche ver- gleichende Analyse der anatomischen Verhältnisse hinzielen. Es handelt sich um genaue Bestimmungen der Frequenz, der Amplitude, Stellungen und der Torsionen der Flügel während des Schlages, der Richtung und der Kraft derselben, ferner um die Be- ziehungen dieser einzelnen Elemente zum Gewicht des Tieres, zur Größe, zur allgemeinen Form, zur „technischen“ Konstruktion der Flugflächen und zu deren Zahl. Aber nicht die genaue Kenntnis eines jeden dieser Einzelfaktoren an sich muß vorausgesetzt werden. Es liegt hier vielmehr ein System variabler Größen vor, deren komplizierte Wechselbeziehungen quantitativ und qualitativ durchschaut werden müssen, deren Kombination erst als ein Krite- rium für die Leistungsfähigkeit eines Flugtyps bzw. eines Modells zu gelten hat. So gibt z. B. nicht die Frequenz allein, die z. B. bei sehr vollkommenen Fliegern, wie bei den Libellen, nicht sehr hoch ist, so bezeichnend und wertvoll sie auch sein mag, einen ausschlag- gebenden Maßstab für die Bewertung eines Flugsystems. So gewinnt die Beurteilung jener genannten verschiedenartigen und variablen Größen erst dann eine sehr beträchtlich erhöhte Bedeutung, wenn man ihre jeweilige Zusammenordnung (Kombination) auf die Art der flugmechanischen Systeme bezieht, welche durch 1) Verhandl. d. Deutsch. Zoul. Ges. Bremen |. ce. 69 die anatomischen Verhältnisse charakterisiert sind und durch welche sie wirksam werden. Bekanntlich unterscheidet man das System der direkten Flug- mechanik von dem System der indirekten Flugbewegungen. Im "Anschluß an die 1913 1. c. gegebene Übersicht hierüber sei hier nur angedeutet, daß das System der direkten Flugmechanik, in welchem die antagonistisch bewegenden Kräfte beiderseits vom Unterstützungspunkte, direkt am inneren, kurzen, bzw. am äußeren langen Hebelarm {-Flügel, an dessen Basis) angreifen, das primi- tivere und phylogenetisch ältere ist, obwohl es im Libellentyp in gewisser Weise in eigener Richtung spezialisiert ist und eine hoch- vollendete Durchbildung erfahren hat; — dab daneben ein morpho- logisch noch mehr primäres System der Flugmechanik besteht, in welchem die Elemente direkter und indirekter Flugmechanik nebeneinander wirksam (Orthoptera usw.) vertreten sind, nach Maßgabe einer gleichmäßigen Anknüpfung an die im Bauplan der Ins ektenorganisation primär zugrunde liegende Muskelverteilung. Es ist dies der Typ der gemischten Flugmechanik, aus dem — analog der phylogenetisch älteren Richtung der direkten Flug- mechanik — durch Spezialisierung einzelner Elemente nach deranderen Seite das System der indirekten Flugmechanik hergeleitet ist, in welchem die beiden sich antagonistisch bewegenden Kräfte indirekt, mittels Übertragung durch die Rückenplatte und einwärts vom Unter- stützungspunkte des Flügels, d.h. am inneren kurzen Hebelarm des Flügels ansetzen. An dieses System knüpfen die Höchstleistungen der Flugmechanik an, wie sie sich u. a. in den hohen Frequenzen wieder- spiegeln, und man sieht dies System auf vielen Linien der Insektenorganisation in der Form konvergenter Entwicklungsreihen zu mehr oder minder hoher Vollendung gelangen. Soviel zur allgemeinen Übersicht über das vorliegende Gebiet. Indem ich durch den Besuch des Institut Marry nach der Möglichkeit suchte, wenigstens einen kleinen Teil des in Bremen aufgestellten Programms zu erfüllen, und indem ich die Arbeiten mit dem schon längere Zeit nicht mehr benutzten Apparate Bunr’s wiederaufnahm, suchte ich speziell eine Anschauung dariiber zu erhalten, in welcher Weise die Acht-Figur des Flügelschlages ein kombiniertes Ergebnis der Gelenkkonstruktion und des Luftwiderstandes sein kann. Ich ging dabei von Gedankengängen aus, welche die anatomischen Verhältnisse nahelegten, und konnte denselben unter den gleichen Arbeitsbedingungen an ebendemselben Orte nachgehen, an welchem die extreme Auffassung der ausschließlichen Bedeutung des Luft- 70 widerstandes für den Flügelschlag entstanden war. Unter Aus- arbeitung einer speziellen Methodik habe ich die Arbeit nach Mab- gabe folgender Gesichtspunkte aufgenommen: In der Erkenntnis, daß die anatomischen Verhältnisse der ausschlaggebende Faktor für die Eigenschaften der Schlagführung des Flügels sind, richtete ich meine Hauptsorgfalt zunächst auf eine möglichst vollständige Analyse des Flügelschlags fixierter Tiere, um unter Anknüpfung an Marry’s Versuche, aber unter den erheblich günstigeren Versuchsbedingungen verbesserter Methoden erst einmal eine sichere Grundlage für die Beurteilung aller Typen und Modelle des Insektenfluges zu erhalten. Dies zu allernächst liegende Ziel glaube ich einerseits durch den Vergleich meiner Ergebnisse mit den alten Angaben Marry’s und unter Erweiterung derselben unter prinzipiell gleichen Umständen erreicht zu haben. Die Erweiterung der Grundlage unserer Kenntnisse über den Flügelschlag fixierter Tiere suchte ich durch eine bestimmte Auswahl recht zahlreicher Objekte und durch Variation der Versuchsbedingungen zu erhalten, wodurch man ein reiches Material verschiedenartigster Befunde erhält. Außerdem sind gewisse Erscheinungen der Flügel- haltung mit Sicherheit nur an fixierten Tieren bei bestimmter An- ordnung im Raum zu erkennen. Die Untersuchung fixierter Tiere führt zudem im Umfange der an diese Methode geknüpften Erwartungen zu schnelleren und sicheren Ergebnissen. Ist erst einmal in soleher Weise eine Grundlage geschaffen, so gibt die ausreichende Analyse an fixierten Tieren andererseits Anhaltspunkte zur Bewertung der bei freiem Fluge vorliegenden aerodynamischen Faktoren, und man erhält Gelegenheit zu entscheiden, ob wirklich zwischen dem Ver- halten fixierter Tiere gegenüber freifliegenden ein wesentlicher und prinzipieller Unterschied besteht. In zweiter Linie suchte ich sodann die an fixierten Tieren gewonnenen Ergebnisse durch die Aufnahme freifliegender bzw. im Abflug begriffener Tiere nach Art der Methodik Buur’s zu ergänzen. Ich wiederhole noch einmal, daß solche Freiflugversuche das letzte Ziel aller derartigen Studien sein müssen, daß aber die beschränkte Möglichkeit ihrer Durchführung, wie wir sehen werden, nur zu begrenzten Ergebnissen führt. Solche Freiflugversuche müssen später noch ausführlicher wiederholt werden; ich bezweckte vorerst nur, durch dieselben Vergleichswerte zu erhalten. Dementsprechend unterscheiden wir prinzipiell die Darstellung des Flügelschlags an fixierten Tieren von den eigentlichen Flug- bewegungen, d. h. vom Fluge freifliegender Tiere, sei es, daß in fa letzterem Falle die Tiere im Abflug (Startflug) oder auf der freien Flugstrecke begriffen sind. Es bedürfte nunmehr einer eingehenden Erörterung darüber, ob ein Unterschied im Verhalten fixierter gegenüber freifliegenden Tieren wirklich angenommen werden darf, und in welcher Weise sich die Rechtfertigung der Fixiermethode durch die anatomischen Verhältnisse tatsächlich ausreichend begründen läßt. Ich komme auf die Diskussion dieser Umstände bei der späteren Darstellung meiner Ergebnisse zurück. Theoretisch muß zugegeben werden. daß die Aufnahmen des Freifluges unter allen Umständen die natürlichen Bedingungen am meisten wiedergeben. Die anatomi- schen Verhältnisse zeigen aber keinen Grund, daß ein nennens- werter Unterschied bestehen sollte, da die Gelenkkonstruktion (die Zwangläufigkeit) die Eigenschaften des Flugbildes ausreichend erklärt. Die von mir erhaltenen Ergebnisse, soweit sie sich schon jetzt übersehen lassen, scheinen anzudeuten, daß keine und zum Teil nur geringe Unterschiede auftreten, daß die vorhandenen Unterschiede weniger aerodynamischer als artlich physiologisch-psy- chologischer Natur sind, vgl. meine Aufnahmen an Syrphus und Musca, daß diese Unterschiede individuell, gemäß des Temperamentes, der Stimmung der Tiere auftreten, unter dem Einfluß von Licht (Sonnen- schein), Wärme, Wind, Belastung, von willkürlich wechselnderSchnellig- keit bestehen, daß daher schon bei normalen Versuchsbedingungen innerhalb der beiderseitigen Versuchsarten, an fixierten wie auch freifliegenden Tieren in ähnlicher Weise eine beträchtliche Variations- breite der Frequenzen beobachtet wird, daß schließlich den zwischen beiden Arten von Variationsbreiten gefundenen Unterschieden keine größere Bedeutung zuerteilt werden darf. Man erhält demnach durch die genannte Fixierung zwar nicht die natürlichen Bedingungen des freien Flugbildes, so aber doch eine genügende Zahl normaler Bedingungen für einen natür- ‘ lichen Flügelschlag. Aber noch ein zweiter Gesichtspunkt erscheint mir für die Beurteilung der Versuchsanordnungen von prinzipieller Bedeutung: Bisher war von Versuchen die Rede, welche die Darstellung des Flügelschlages und Fluges unter möglichst natürlichen bzw. denselben angenäherten Bedingungen anstrebten. Auch in dieser Hinsicht verdienen Freiflugversuche ohne weiteres den Vorzug, da fixierte Tiere trotz aller Vorsichtsmaßregeln unter unnatürlichen Verhältnissen ihre Flugbewegungen ausführen. Die Darstellung des normalen Fluges und Flügelschlages an freifliegenden bzw. 12 an fixierten Tieren entspricht etwa dem Sinne jenes Praparations- verfahrens, wenn wir unter größtmöglicher Sorgfalt und tech- nischer Vollendung nach Konservierung und Färbung ein mikro- skopischesSchnittserienpräparat von einem normalen, dennatürlichen Bedingungen unmittelbar entnommenen Tiere anfertigen, welclıes niemals einer experimentellen Behandlung unterzogen wurde. Es interessiert uns hier nur der Befund bzw. der Ablauf möglichst natürlicher Bedingungen. In beiden Fällen muß man jedoch fragen, inwiefern hat selbst schon dieses Darstellungsverfahren den normalen Zustand der Organe und Gewebe bzw. den Ablauf natürlicher Vorgänge beein- trächtigt, wie sehr ist das Objekt unter den angewandten methodi- schen Mitteln bereits verändert. In beiden Fällen der Analyse normaler Bedingungen stecken daher bereits zahlreiche Elemente kausalen, wenn auch unbeab- sichtigten Experimentierens, welches untersucht, wie sich das normale Verhalten der Objekte unter verschiedenartigen Bedin- gungen verändert. Hiermit sei die eine Art des Darstellungsverfahrens charakteri- siert, welches den Ablauf natürlicher Bedingungen erforscht, sich denselben anzunähern strebt, auch wenn sie dieselben durch gewisse Bedingtheiten der Methodik, deren unvermeidbare Mängel unbewußt verändert und nur innerhalb kleiner, in den meisten Fällen zu vernachlässigender Fehlergrenzen arbeitet. Solche Mängel haften nun einmal jeder wissenschaftlichen Methodik an, welche bemüht sein muß, vorerst die groben Fehlerquellen auszuschalten. Diese Art der wenn auch scheinbar experimentellen Darstellung schafft der Wirklichkeit entsprechende AÄnnäherungswerte. Anders ist es mit der zweiten Art des Experimentierens, dem eigentlichen kausal experimentellen Verfahren, welches unter Voraussetzung bestimmter Fragestellungen die Versuchsbedingungen willkürlich verändert, anormale Befunde und Zustände bzw. den anormalen Ablauf von Vorgängen absichtlich hervorruft, um aus den veränderten Befunden bzw. Ablauf der Erscheinungen auf die Gesetzmäßigkeiten zu schließen, welche sowohl unter normalen wie unnatürlichen Bedingungen die Erscheinungsformen beherrschen und bedingen. Wir unterscheiden demgemäß die Darstellung des Flügel- schlages und Flugvorganges von den eigentlichen experi- mentellen Untersuchungen über diese Vorgänge und fügen im Hinblick auf unser Verfahren hinzu, daß selbst die Aufnahme Ms & € 13 der Tiere im Moment des freien Abfluges (Start, vgl. bei Butz) noch soviel Elemente kausalen Experimentierens enthält, daß wir praktisch zwischen beiden erläuterten Arten der Analyse des Flugvorganges keine scharfe Grenze ziehen können, wie die später zu erörternden Tatsachen zeigen werden. Es fragt sich nun, ob wir auch hier einen möglichst gut angenäherten Grenz- wert bekommen, auf welchen jede Art naturwissenschaftlichen Er- kennens schließlich angewiesen ist. Es schien mir im Hinblick auf das Gesamtgebiet gerade speziell der im Flugvorgang- vorliegenden Erscheinungsformen und für die Beurteilung des Wertes jeglicher hier angewandter Methodik von besonderem Werte, durch Anwendung der begrifflichen Ana- lyse des naturwissenschaftlichen Untersuchungsverfahrens den Cha- rakter der Untersuchungen über den Insektenflug zu kennzeichnen. Es geschieht dies im Anschluß an neuerdings angestellte Er- örterungen über die Methodik der Psychologie). Mit dem Hin- weis auf den zum mindesten innewohnenden kausal experimentellen Charakter aller solcher Aufnahmen der Flügelbewegungen möchte ich insbesondere die Notwendigkeit möglichst zahlreicher Auf- nahmen unter gleichen Versuchsbedingungen befürworten und recht- fertigen. Mit der nachfolgenden Zusammenstellung sei zunächst eine Übersicht über die Ziele meiner Aufgaben, soweit sie nicht bereits angegeben wurden, gegeben, über das Untersuchungsverfahren, d.h. über die Mittel, welche ich anwandte, ferner über solche, deren zu- künftige Anwendung sehr wünschenswert erscheinen muß. Darstellende und experimentelle Methoden. I. Darstellende Methoden: 1. Untersuchung des Flügelschlages fixierter Tiere. a) Um den soeben skizzierten Problemen an fixierten Tieren näher zu kommen, bediente ich mich einer neuen Fixierungsart, welche dem flügelschlagenden Tiere größere Bewegungsfreiheit ge- stattet, den_ Flugmechanismus von hemmenden Einflüssen unab- 1) Vgl. W. BAADE: Über „Darstellende Psychologie“. Ber. üb. d. 6. Kongr. f. exp. Psych. 1914, S. 28 sowie: Zur Einführung der darstellenden Psychologie. 1914. Ausführlicheres über das Verhältnis darstellenden und kausalen Experimentierens in der Psychologie und deren Beziehungen zur naturwissen- schaftlichen Methodik findet sich in von mir eingesehenen, noch unveröffentlichten Manuskripten des genannten Autors, mit welchem ich mich über die einschlägigen Fragen des öfteren unterhalten konnte. 14 hängiger macht, welche besonders die Unabhängigkeit der thorakalen Flügelelemente nebst angeschlossenen vordersten Abdomen auch durch freien Spielraum der Beine garantiert. Diese Notwendigkeit wird durch die Tatsache nahegelegt, daß in den meisten Fällen wirksame Flügelmuskeln zugleich Beinmuskeln sind!). Zur Fixierung der Insekten benutzte ich eine Vorrichtung, in welcher zwei parallele Insektennadeln feinster Stärke (schwarze Stahlnadeln Nr. 00) mit den Spitzen nach oben orientiert und dadurch in bestimmter Lage zueinander gehalten werden, dab man sie, sowohl am oberen wie am unteren Ende, durch ein kleines Stück festen Korkes hindurchtreten läßt. Dadurch erhält man zwei frei nach oben ragende feinste Nadelspitzen, deren Stellung man durch Längsverschiebung gegeneinander variieren kann, die man auch gegebenen Falles einzeln oder schräg zueinander (konvergierend oder divergierend) benutzen kann. Dieser Doppelnadelapparat wird auf einer Korkunterlage derart befestigt, daß man eine dritte Insektennadel stärkeren Kalibers im umgekehrten Sinne, d. h. mit der Spitze nach unten zwischen den beiden Nadeln durch beide Korkstückchen hindurchsticht. Man nadelt das Insekt mittels dieses Apparates in solcher Weise auf, daß man die Doppelnadel mit möglichster Vorsicht in oder durch das Abdomen, wenn möglich nur in sein äußerstes Ende von unten einsticht, wodurch eine nur äußerst geringfügige Verletzung entsteht. Die Vorrichtung bezweckt die Sicherung der Lage des fixierten Tieres im Raume ein für allemal, so daß man es nur durch beliebige Drehungen hinsichtlich seiner Stellung zum Aufnahmeapparat verändern kann. Auf diese Weise ist es möglich, von einem Tiere nacheinander bzw. von drei verschiedenen Exem- plaren gleicher Art drei Aufnahmen zu machen, welche den drei Dimensionen des Raumes entsprechen: Eine Profilaufnahme, d. h. Seitenansicht, eine Frontalaufnahme, d.h. Ansicht von vorne, eine Dorsalaufnahme, d. h. Ansicht von oben. Das Ideal wäre eine solche Versuchsanordnung, welche gestattet, die drei Aufnahmen gleichzeitig am gleichen Tiere herzustellen. Dies Verfahren gewinnt eine besondere Bedeutung für die Feststellung der Amplitude. Diese drei Aufnahmen werden dann durch die unerläßlichen Aufnahmen des Freifluges ergänzt. Diese Art der freien Fixierung des Okjektes, über welche ich mich noch ausführlicher in einer späteren Publikation äußern werde, 1) 1905, ILL. Teil, S. 682ff., 687; aber 718. — 1913, S. 662 Nr. 56. an | 75 bedeutet selbst in ungünstigen Fällen zum mindesten, keinen Nach- teil gegenüber der Methodik Marny’s. Die Geringfügigkeit der Verletzung, die Unabhängigkeit der Physiologie der vegetativen Organsysteme des Abdomens vom Thorax, welche durch zahlreiche Beispiele belegt werden kann, läßt den Einstich, sogar Durchstich durch das Abdomen erlaubt erscheinen. Durch seitliche Nadelung kann man eine Verletzung des Bauch- marks umgehen, bei höheren Insektenformen mit nach vorne in den Thorax konzentriertem Zentralnervensystem würden im Abdomen zudem nur periphere Nerven verletzt werden. Das Allgemein- befinden der Tiere, die sich an der Nadel sehr schnell beruhigen, um sich nach Wunsch zum lebhaften Fluge anreizen zu lassen, wird, falls nur die Dauer des Experimentierens nicht zu sehr ermüdend gewirkt hat, nicht geschädigt, wie die zahlreichen Beispiele zeigen, in welchen die zu solchen Versuchen benutzten Tiere noch lange unter normalem Verhalten im Zimmer frei umherflogen. Schließlich könnte man ja die schnell zu handhabende Methode der Nadelung durch Ankleben der Tiere am Hinterleibsende und dergleichen Vor- richtungen ersetzen, die aber durch die Schwierigkeit, eine bestimmt gerichtete, dauernd gleiche Orientierung zu erhalten, nicht empfehlens- wert erscheinen. Bei der Beurteilung der Ergebnisse sind die aerodynamischen Folgeerscheinungen der Freifixierung von der physiologisch-psycho- logischen zu unterscheiden. b) Es ist darauf zu achten, daß die Beine des freifixierten Insektes weder die Unterlage, den Boden, noch sonst einen Gegen- stand berühren, wenn ein lebhaftes Flugbild erreicht werden soll. Andernfalls genügt die Berührung schon eines Fußes, daß das Tier normalerweise mit den Flugbewegungen aufhört. Hierdurch ist in allen Fällen die bereits 19051) gegebene Definition des Flug- Instinktes bestätigt worden. Gegebenen ungünstigsten Failes wird es nötig, die distalen Teile der Beine abzuschneiden. ec) Um die freifixierten Insekten zum Fluge anzureizen, können verschiedenartige Maßnahmen benutzt werden. Durch Anblasen von vorne, durch Erzeugung des nötigen Flugwindes, durch Beunruhigung anderer Art kann das Tier zum Flattern gereizt werden. Vielfach mit später zu erörterndem wechselndem Erfolge benutzte ich den beweglichen, im Moment der Aufnahme aufspringenden Arm der Haltezange, welche Burı für sein Frei- 1) Fr. Voss 1. c. 1905, IH. Teil, S. 668. 76 abflugexperiment benutzte. Gemäß zahlreicher noch zu erörternder Umstände lassen sich hier eine Reihe spezieller Erwägungen an- knüpfen. | d) Da die Aufnahmen an frischen normalen Individuen erfolgen sollen, ist auf die mehr oder weniger schnell eintretende Er- müdung der Tiere genau zu achten. Eine Reihe von Formen, z. B. Coccinella, zeigen allerdings eine erstaunliche Widerstands- fähigkeit. e) Es ist notwendig, unter den gleichen Versuchsbedingungen recht zahlreiche Aufnahmen am gleichen Individuum oder an Individuen der gleichen Art zu machen, oder normale Bedingungen zu variieren; nur auf solche Weise erhält man sichere Anhalts- punkte, das Zufällige vom Typischen zu unterscheiden, zur Be- urteilung des individuellen Verhaltens artlich gleicher Tiere, zur Beurteilung wechselnder Bedingungen und der Ermüdungserschei- nungen. Man erhält auf diese Weise aus einer Reihe von Werten Gesamtdurchschnittswerte zutreffender Art (vgl. die Frequenz- berechnungen) nach Maßgabe später zu erörternder Gesichtspunkte. 2. Untersuchung der Flugbewegungen freifliegender Tiere. f) Als vierte Art des Aufnahmeverfahrensist die Aufnahme frei- fliegender Insekten zur Ergänzung der drei genannten Arten der freifixierten Aufnahmen unbedingt notwendig. Man erhält durch dieselbe nicht nur die Darstellung des wirklichen Flugverhaltens, sondern eben auch Vergleichswerte für die gegenseitige Abwägung beider Arten von Aufnahmeverfahren, in dem bereits angedeuteten Sinne. Wir unterscheiden hier die Aufnahme des fliegenden Tieres auf freier Flugstrecke, die bisher noch nicht möglich geworden ist, und jene Aufnahme des freien Abfluges, Startfluges, welcher Butt als erster mit so großem Geschick seine Aufmerksamkeit zugewandt hat. Die Ermöglichung von Aufnahmen des vollkommenen Freifluges, d. h. auf freier Flugstrecke, ist das notwendige Ziel aller dieser Methoden. Einer Ergänzung bedürfen jedoch wie gesagt solche Freiflugversuche durch das fixierte Aufnahmeverfahren, da sich sehr zahlreiche Insekten im freien Fluge nicht aufnehmen lassen. Es muß angestrebt werden, durch Verwendung geeigneter starker Lichtquellen den bestimmt gerichteten Phototropismus der Insekten derartig auszunutzen, daß die Bilder der einzelnen freien Flugphasen während der Aufnahmezeit eine derart andauernd gleichgerichtete streng innegehaltene Orientierung zeigen, als wären sie auf der Doppelnadel fixiert. ‘ % + = Uf II. Experimentelle Methoden. a) Zu dieser Art von Versuchsanordnungen gehéren die Unter- suchungen über das Verhalten ermüdeter Tiere oder solcher Tiere, die auf andere Weise, z. B. Behandlung mit Äther in der Energie ihrer Lebensäußerungen beeinträchtigt sind. Auch hierüber soll an anderer Stelle Näheres gesagt werden. b) Durch schiefes Aufnadeln oder schiefe Orientierung des Nadelapparates zur Unterlage erhält man als Folgeerscheinungen der gegebenen Schräglage interessante Abweichungen vom nor- malen Flügelschlag, welche eine Wiederherstellung der normalen Lage im Raum anstreben. Man erhält diese Versuchsanordnung oft genug durch Fehlversuche bei dem normalen Darstellungs- verfahren. c) Von besonderem Interesse sind Fehlaufnahmen, welche man sehr oft bei Aufnahmen des Freifluges erhält. Je nach der Art des subjektiven Befindens und Verhaltens (Lage im Raum), in welchem die festgehaltenen, zum Abflug gereizten und bereits lebhaft flatternden Insekten im Augenblick der Momentaufnahme angetroffen sind — wenn sie zugleich durch Öffnen der Zange befreit werden —, erhält man mehr oder weniger normale Abflugbilder, über welche im einzelenen vieles zu sagen wäre. Solche Aufnahmen, deren Eintritt man absichtlich hervorrufen kann, zeigen Schräg- lagen und Rotationen der Tiere im Raume verschiedenster Art, an welchen sich die Stabilisierungs- und Steuermanöver studieren lassen. d) Weitere experimentelle Maßnahmen würden sich auf das Abschneiden, Stutzen und die Hemmung der Flügel und deren einzelner Teile beziehen, nach Maßgabe u. a. auch der Erkenntnis von dem verschiedenen Verhalten der Teilbezirke des Kostalfeldes und Analfeldes im Flügel. Man könnte auf diese Weise besonders bei freifliegenden Tieren einen Einblick in dieaerodynamische Bedeutung der einzelnen Flächenteile erhalten. e) Schwieriger gestalten sich die experimentellen Eingriffe in das Innere des Flugmechanismus. Abschneiden und Exstir- pation der Beine bis zur Wurzel würden gewiß eine Reihe von Flugmuskeln außer Funktion setzen. Bedeuten aber bereits diese Maßnahmen schwere Eingriffe in die Lebensfähigkeit des Tieres, so gilt dies in noch höherem Maße für Versuche, einzelne Muskeln zu exstirpieren oder durch verschiedene Maßnahmen zu lähmen. Alle derartige Versuche sind wertvoll für die gesonderte Analyse des Ablaufs der Teilmechanismen. Für derartige Versuchsreihen 18 müßten die Methoden erst noch ausgearbeitet werden; ihre zweckent- sprechende Realisierung dürfte vorerst noch nicht möglich erscheinen. Noch ein Wort wäre zu sagen über die Ergänzung der genannten Versuchsbedingungen durch: III. Technische Methoden. a) Die schon früher!) betonte Notwendigkeit der Modellkon- struktion nach den Vorbildern tierischer Organisationsverhältnisse würde nicht nur die peinliche Rekonstruktion der in den Flächen und Gelenkmechanismen gegebenen Einzelheiten in verschiedenen Maßstäben der Wiedergabe bedeuten, sie würde auch das Studium des Verhaltens dieser Modelle unter mutatis mutandis ähnlichen Versuchsbedingungen, wie sie beim Flügelschlag der Tiere vorliegen, in sich begreifen. b) Für die Erkenntnis der aerodynamischen Beziehungen der tierischen Flugapparate besonders der Flächensysteme am natür- lichen lebenden Objekt wurde die Übertragung der Rauch- schlierenmethodeauf das vorliegende Arbeitsgebiet neue Versuchs- möglichkeiten schaffen und durch die Veranschaulichung der durch den Flügelschlag erzeugten Strömungserscheinungen der Luft zu wertvollen Ergebnissen führen. c) Nicht zuletzt würde sich ein großer Teil der note methodischen Maßnahmen auf die Verbesserung vorhandener und auf die Konstruktion neuer Apparate beziehen müssen. Be- sonders notwendig erscheint hier die Verbesserung der Funken- strecke?) nach den Gesichtspunkten höherer Frequenz bis zu 5000, größerer Regelmäßigkeit der Funkenfolge und gleichmäßigerer und größerer Lichtstärke derselben. Insbesondere würden Aufnahmen bei auffallendem Licht, wie sie durch die Cranz’sche Anordnung bereits möglich sind, in Verbindung mit Bvrr’s stereoskopischem Aufnahmeverfahren für biologische Zwecke von besonderer Bedeutung sein. Eine größere Veränderungsmöglichkeit des Aufnahmefeldes und die Anwendung wenigstens schwacher Vergrößerungen, die willkürliche und im voraus meßbare Regelung der Bildzeit und des Ablaufs der Funktionen im Apparate überhaupt würden ferner von großem Werte sein. Hier liegt eine große Summe von Problemen vor, für welche das Stadium des Anfanges noch nicht überschritten scheint. 1) Voss 1. e. 1905, IH. Teil, $. 692 u. 1913 2) Vgl. GLATZEL: „Die Prinzipien moderner Hochfrequenzfunkenstrecken“. Aus der Natur, 9. Jahrg., 1913, S. 371. nn. € Se 19 Leider sind die Aussichten, allen genannten Forderungen gerecht zu werden, vorerst gering, da in Deutschland noch keine Einrichtung besteht, diesen biologischen Problemen der Aerodynamik erfolgreich nachzugehen. Es fehlt uns nicht an der Möglichkeit, wohl aber noch an der Gelegenheit, die Mittel zur Ausgestaltung neuer und verfeinerter Methoden an passender Stelle ins Werk zu setzen, zu denen eben das Zusammenarbeiten technischer und biologisch ge- schulter Faktoren notwendig ist, in Analogie zu Einrichtungen, welche im Institut Marry zu Boulogne sur Seine bestehen. Nur einen geringen Teil der vorgenannten und vorgeschlagenen Mittel fiir Versuchsanordnungen konnte ich vorerst zur Anwendung und Ausarbeitung bringen. Die Ergebnisse und die ihnen zu- erunde liegenden speziellen Gesichtspunkte, soweit letztere nicht bereits erwähnt wurden, mögen durch nachfolgende Übersicht an- gedeutet sein. Frequenzen. Die erneuten Untersuchungen und Berechnungen der Frequenzen an fixierten und freifliegenden Tieren geschahen gemäß folgender Anforderungen: 1. Nachuntersuchung, Bestätigung bzw. Verbesserung der An- gaben MaArrv’s und anderer Autoren. Besonders wichtig erschien es, den in neuester Zeit auftretenden Übertreibungen der Frequenz- ziffern zu begegnen, die —- besonders auf Grund der Abschätzung von Flugtönen — für Zweiflügler bereits die erstaunliche und ver- dächtige Ziffer von über 600 Flügelschlägen in der Sekunde zulassen. 2. Eine genauere Spezifizierung und Bestimmung der benutzten Tiere, deren Art-, ja Gattungszugehörigkeit bisher nicht immer genau betont worden war, trotzdem die verschiedene und abgestufte Organisationshéhe der Flugwerkzeuge selbst innerhalb der einzelnen Insektenordnungen eine gesetzmäßige Verschiedenheit der Fre- - quenzen nahelegt. 3. Eine Auswahl der Objekte nach überlegten bestimmten Er- wägungen, soweit das erhältliche Material dies zuließ. Es erschien besonders wünschenswert, eine möglichste systematische Voll- ständigkeit zu erreichen, insbesondere Versuche mit bisher noch nicht dargestellten Tieren, zumal mit Vertretern von Ordnungen anzustellen, die hinsichtlich ihrer Flugleistungen noch unbekannt, mit Tieren, die noch niemals zum Fliegen gebracht worden waren und angeblich schwer oder gar nicht zum Fliegen zu bringen sind. Hier verweise ich besonders auf die schwierigen Aufnahmen von 80 Heuschrecken (Orthoptera) und Rhynchoten, auch der Coleopteren, während Ephemeriden, Neuropteren und Trichopteren weniger schwer zum Fliegen zu bringen sind. So gelang es mir, fühlbare Lücken auszufüllen, auch wenn ich Aufnahmen von Plecopteren infolge Materialmangels, ferner solche von Forficula und Eetobia nicht er- reichte. Gerne erinnere ich an dieser Stelle an den schon 1869 (Annales des sciences naturelles Zool. Bd. 12) von Marry geäußerten Wunsch: „Il sera interessant de reprendre ces expériences sur un grand nombre d’especes bien determine.“ Ferner ist die Auswahl der Tiere nach stammesgeschichtlichen Gesichtspunkten geboten. Man erhält auf diese Weise ansteigende Reihen von Werten, welche die Vollendung der Organisationsverhältnisse zu beurteilen gestatten. Besonders lehrreich hat sich dieses Verfahren bei Lepidopteren gezeigt. Für die Berechnung der Frequenzen ist die Herkunft des Flügeltones maßgebend. Man will’) drei Quellen des Flugtones unterscheiden: den eigentlichen Flügelton, welcher auf der Frequenz des Flügelschlages beruht, den durch die schnelleren Schwingungen der thorakalen Skeletteile veranlaßten Ton, den Nebenflugton, und den Stigmenton. Der Flugton kann also ein zusammengesetzter sein. Es gibt hauptsächlich folgende Methoden der Frequenzberechnung: a) Die von Lanpois benutzte akustische Methode der Ana- lyse des Flugtons, dessen zusammengesetzter Charakter die Möglich- keit zahlreicher Irrtümer in sich begreift. Die Schwingungszahl eines Tones kann sehr genau berechnet werden, doch können die Werte bei unzutreffender Abschätzung der Höhe einer Oktave das Doppelte oder Mehrfache des betreffenden Grundwertes betragen. b) Die von Marry benutzte bereits S. 61 skizzierte Selbst- registriermethode mittels des rotierenden berußten Zylinders. c) Schließlich die in mehrfachen Etappen entwickelte Photo- graphie bzw. Kinematographie. Die von Procaxow 1907 angegebene mechanische Methode sei der Vollständigkeit halber erwähnt. Die von Marry benutzte Methode schließt die Möglichkeit von Fehlerquellen in sich ein, die durch folgende Nachteile hervor- gerufen sein Können: Das Anstreifen der Flügel an den schnell rotierenden berußten Zylinder, wodurch der Flügelschlag gehemmt, verlangsamt werden muß und im Sinne der Rotation beeinflußt werden könnte. 1) Vgl. PRocHNow: Die Lautapparate der Insekten, 1908, Berlin. £ 81 Die Ermiidung der benutzten Tiere, auch infolge vorgenannter Umstinde. Durch das Festhalten der Tiere an den Beinen kann infolge des Zusammenhangs der Bein- und Flugmechanik die Flügel- bewegung ungünstig beeinflußt werden, wie gleicherweise mittel- bar oder unmittelbar durch das Festhalten am Thorax und vorderen Abdomen eine Flugbehinderung vorliegen muß. Es fehlt die notwendige Kontrolle durch die Amplitude des Flügelschlags; denn es hat sich herausgestellt, daß eine normale Frequenz eine normale Amplitude zur Vorbedingung haben muß. Die Vorteile der photographischen Methode beruhen daher auf der Möglichkeit der ungehemmten Schlagführung infolge unbe- hinderter Flügelspitzen, worauf Buti hinwies, und auf der Möglich- keit, an der gleichen Aufnahme das Ergebnis einer Frequenz- berechnung durch die Abmessung der Amplitude und gemäß der Kenntnis der Flügelstellung zu bewerten. Die Vorteile der ge- nannten Art der freien Fixierung am Abdomen liegen darin, dab die Beine frei und außer diesen auch die Mechanik des Thorax ungehemmt bleiben. Ein solcherweise fixiertes Tier würde, falls es in normaler Haltung fliegt, auch den größten Teil des Eigengewichtes zu tragen haben. Bei anormaler, unbrauchbarer Flughaltung würde es herabhängend angetroffen, während es normalerweise sich auf- gerichtet halt. Die Notwendigkeit der beiden letztgenannten Um: stände, Kenntnis der Amplitude und freie Fixierung, glaubte ich hier ganz besonders betonen zu müssen. Man gelangt auf diese Weise zu zahlreichen Werten, die nach der S. 62 erwähnten Rechnungsart je im Einzelfalle exakte ab- solute maximale und minimale oder Durchschnittswerte, Annähe- rungs- oder Wahlwerte sein können und aus denen man unter Aus- scheidung der anormalen Fälle den Gesamtdurchschnittswert für fixierte oder freifliegende Tiere erhält. Eine Diskussion dieser verschiedenen Wertarten kann an dieser Stelle nicht stattfinden. Die Frage, welche Bedeutung den absoluten normalen Maximalwerten und Minimalwerten zukommt, darf wohl dahin entschieden werden, daß normale Maximalwerte der Frequenzen, welche an Tieren mit normalem Verhalten gewonnen sind, auch dann als Höchstleistungen aufzufassen und — den Durchschnittswerten gegenüber — als absolute Werte für das betreffende Tier maßgebend und charakteristisch sind, wenn die Frequenzen fixierter Tiere höher sein sollten als die freifliegender. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 6 82 Die Höhe der Frequenz kann von zahlreichen Faktoren ab- hängig sein, welche das normale Verhalten bedingen oder diesem gegenüber eine Erhöhung oder Erniedrigung der Frequenzziffer ver-. anlassen. Die Zahl der Flügelschläge erscheint je nach dem Flugsystem (Typ oder Modell usw.) abhängig von dem Bau der Fläche und Flächenteile, von den aerodynamischen Faktoren') der absoluten Flächengröße, dem Verhalten derselben zur Luft. Bei zunehmender Kleinheit der Formen würde immer mehr die Zähigkeit der Luft von Bedeutung werden, welche in steigendem Maße die Reibungsverhältnisse beeinflußt und schließlich bei der Schwebefauna der Luft an den spezifischen Schwebeeinrichtungen zur Bildung adhärenter Luftschichten führt °). Die Frequenz ist ferner abhängig von der Flächengröße relativ zum Gewicht, von der Größe und Beschaffenheit der tragenden Körperoberfläche, von der Lage des Schwerpunktes. Sie ist ferner im höchsten Maße bedingt durch die Art der mechanisch-technischen Faktoren des motorischen Systems, den Bau der Gelenkteile, die Qualität und Quantität der Muskel- bespannung; Faktoren, von denen die artlichen (spezifischen) und individuellen Unterschiede der normalen Äußerung von Kraft und Gewandtheit abhängig sind. Als weiteres typisches Moment tritt prinzipiell die auf der artlich bzw. individuell-physiologischen bzw. psychologischen nor- malen Veranlagung des Tieres beruhende Kraftquelle hinzu, das vitale Element der Energieäußerung. Hierzu kommen die Verschiedenheiten, welche durch die wech- selnden Bedingungen unter den natürlichen Verhältnissen des freien Lebens nach dem Willen des Tieres (Steuerung, Schnellig- keit, Stabilisierung) entstehen oder denen das Tier unterworfen ist, Umstände, wie sie in ähnlicher Weise unter den verschiedenen Versuchsbedingungen wiederkehren. Man beachtet die demgemäb bei normaler freier Fixierung oder bei Freiabflug, oder Freiflug entstehenden Unterschiede, die Einflüsse vom Temperament je nach wechselnder Lebhaftigkeit eines Individuums unter den Wirkungen verschiedener starker Reize, Wärme und Belichtung, Wetter, Tages-, Jahreszeit, Alter, Geschlecht, Geschlechtsreife besonders der © 9, Ermüdung, Schmerz und Fluchtversuch, Belastung, ferner unter allen möglichen pathologischen bzw. experimentellen Umständen. 4) Vpl: 1918 be. 8122: 2) Vgl. DINGLER 1889, Erläuterungen zu Typ I u. IV. 83 Die Schnelligkeit der Flügelspitze in Sekundenmetern aus- gedrückt (vgl. Buzz 1905) würde neben der Zahl der Flügelschläge und der Amplitude einen Maßstab für alle die genannten Faktoren abgeben, und des weiteren würde die Messung der Dauer von Auf- schlag (Hub) und Niederschlag (Senkung) die Angabe über die in der Zeiteinheit zurückgelegte Wegstrecke, d. h. die Schnelligkeit der Fortbewegung des Tieres, wünschenswert sein zur Erläuterung der Frequenzen. Ich lasse nunmehr die Übersicht über eine Reihe von Werten für die Frequenzen und Andeutungen zu deren Erläuterung folgen, deren Ausführung und Begründung im einzelnen die Aufgabe einer späteren Darstellung sein soll. Die nachfolgenden Werte beziehen sich auf einzelne herausgegriffene Zahlen, die mir von maßgebendem Interesse zu sein scheinen. Die betreffenden Versuchstiere zeigten während der Aufnahme und später im Bilde ein durchaus nor- males Verhalten. Die Ziffern geben die Zahl der Flügelschläge in der Sekunde an. Orthoptera: Stenobothrus Ne: GO; fixiert: Frequenzen 33, 34 in der Sekunde. Ältere Angaben fehlen. Odonata: Agrion spec.; fixiert: 25,3—29 in der Sekunde; Freiflug: 30. Ältere Angaben für eine unbestimmte Libelle: Zibellule nach Marry 28, Buu für Agrion 35. Ephemeridae: Cloéon dipterum ; fixiert 41—44 in der Sekunde. Ältere Angaben fehlen. Für die Beurteilung des Systems der Flugmechanik der Ein- tagsfliegen sind ihre näheren verwandtschaftlichen Beziehungen speziell zu den Agrioniden von Interesse. In näherer Beziehung zu Insektenformen, welche im Odonaten- typ das besondere System der direkten Flugmechanik entwickelt haben, zeigen sie als Endpunkt eines Parallelzweiges eine Flug- form, in welcher die indirekte Flugmechanik mit erhöhten Frequenzen bei enormer Amplitude angestrebt ist. Neuroptera: Chrysopa vulgaris; fixiert 22. Ältere Angaben fehlen. Vgl. Libellenähnlichkeiten des Flug- bildes und der anatomischen Grundlage. Trichoptera: Phryganiden spec.; fixiert 38. Altere Angaben fehlen. Lepidoptera: Die Schmetterlinge bilden eine Insektenordnung, innerhalb welcher die Flugmechanik nach Art des Systems und 6* 84 nach Leistungsfähigkeit eine große Mannigfaltigkeit zeigt. Die anatomische Grundlage weist auf eine dem Orthopteren- und Odonatentyp verwandte Mischung direkter und indirekter Flug- elemente hin, von denen die eine oder andere Art jeweilig vor- herrscht. Man kann die einzelnen Formen in einer durch die Frequenzziffern gegebenen aufsteigenden Reihe anordnen, welche von in zahlreichen Beziehungen unvollkommenen primitiven Flug- leistungen zu hohen Leistungsstufen führt. Diese nach ab- gestuft verschiedenartigen Leistungen geordneten Vertreter geben aber nicht notwendigerweise eine stammesgeschichtliche Reihe der Lepidopterenentwicklung, sondern zeigen, in welcher Weise die phylogenetische Entwicklung in dem S. 67 ausgeführten Sinne vollzogen worden sein mag. Die heutigen Vertreter der einzelnen Flugarten bei Schmetterlingen können neben- einander ebensogut Endergebnisse spezifischer Entwicklungsarten verwirklicht zeigen, die aber nacheinander geordnet für die mög- liche phylogenetische Grundlage der Entwicklung des Flugver- mögens von besonderem Interesse sind. Einen schwerwiegenden Hinweis auf die Tatsache, daß die Schmetterlinge eine allmähliche Entwicklung des Flugvermögens hinsichtlich dessen Leistungs- fähigkeit und insgesamt hierin primitive Verhältnisse veranschau- lichen, scheint mir der Umstand zu sein, daß in den primitiven Organisationsverhaltnissen der Mikropterygiden: Zriocephala_ cal- thella u. a. eine Andeutung der primitiven Wurzel der sonst gut und einheitlich charakterisierten Ordnung vorliegt. Dadurch würden archaistische Züge der Flugmechanik wohl begründet werden dürfen. Mit Berücksichtigung älterer Angaben für Pieris und Macroglossa erhalten wir nachfolgende Frequenzen in der Sekunde: Pieris nach Marey, fixiert 9. Lycaena argiolus, fixiert 11. Polyommatus phlaeas, fixiert 19. Pyralidae: Nemophila noctuella (hybridalis), fixiert 23. Geometridae: Acıdalva, fixiert 32. Noctuidae: Agrotis C. nigrum, fixiert 32—39. Tortricidae: Retinia bouoliana, fixiert 51. Macroglossa nach Marry, fixiert 72. Hymenoptera: Apis mellifica 9%, fixiert 180—203 in der Sekunde. Vgl. hiermit die Angaben Marey’s von 190 fiir Apis, 110 für Vespa, 240 für Bombus, die Angaben Sretuwaae’s') nach anderen IE 1) Die Umschau 1913, S. 30. 85 Autoren berichteten Zahlen von 220 für Bombus und 330—440 für Apis, die Angaben Procunow’s: Vespa (54), Bombus 240—220, Apis mellifica 440—450. Coleoptera: Rhagonycha melanura, fixiert 69—87. Coccinella (Adalia) bipunctata, fixiert 75—91. Altere Angaben fehlen. Strınwaact) gibt für Melolontha vulgaris auf Grund seiner Versuche der Tonbestimmung 220 (217,5) in der Sekunde an. Diese Differenz kann erklärt werden, wenn man die Möglichkeit einer irrtümlichen, weil subjektiven Auffassung der Tonhöhe in Betracht zieht und falls der erste Oberton als Grundton angenommen worden ist. Man erhält alsdann c. 109 Flügelschläge. Diese Ziffer hat nichts Auffallendes an sich, wenn man die Artverschiedenheit, die Mög- lichkeit der Variationsbreite der Frequenzen und den durch die Fixierung möglicherweise gegebenen Unterschied in Rechnung stellt. Rhynchota: Heteroptera: Capsus Schach, fixiert 100—109. Homoptera: T'hyphlocyba, fixiert 123. Ältere Angaben fehlen. Diptera: Tipulidae fixiert 44—73. - Culicidae: Culex spec., fixiert 248—295; Freiflug höhere Werte, 278—307. Nach älteren Angaben fiir Culex über 400, Procanow 596—660. Leptidae: Leptis, fixiert 122—126. Muscidae: Musca domestica, fixiert 115— 167; Freiabflug höhere Werte, 180— 197. Vgl. Angaben Marzy’s: 330 und die von Srrıuwaac |. c. 1913 nach Lanpois mitgeteilten Angaben 400 — 600. Musca vomitoria: fixiert 155; Freiabflug höhere Werte, 161 bis 185. Syrphidae: Eristalis tenax, fixiert 177—188; Freiabflug 177 bis 193. Hohe Ermüdungswerte bis 210. Syrphus vitripennis, fixiert 139—170; Freiabflug niedrigere Werte, 131 und 134! Die Begründung dieser auffallenden Unterschiede soll später erfolgen. Hiermit seien die vorläufigen Mitteilungen über die Frequenzen abgeschlossen, auf welche ich später an Hand eines z. T. schon berechneten großen Materiales zurückkommen werde. Ohne Zweifel 1) 1914, Der Flugapparat der Lamellicornier, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. 108. 86 stellt sich heraus, daß die Frequenzen von den Beziehungen zur Amplitude, Richtung der Schlagführung und von Abänderungen der Flügelstellungen überhaupt abhängig sind. Überall zeigt sich ein individuelles Variieren der Frequenzen bei normalem Verhalten des Objektes, oft innerhalb beträchtlich entfernter Extreme, wie man dies auch schon an den individuellen Verschiedenheiten der Flugtöne beobachten kann. Interessant werden die Ziffern, wenn man die Vermehrung der Frequenzen unter Verringerung der Amplitude, die Oszillationen ermüdeter Tiere in Rücksicht zieht. Ferner zeigt es sich, daß die Frequenzen innerhalb der einzelnen Ordnungen großen Verschiedenheiten unterliegen: Es steht die Anordnung der Objekte nach Maßgabe der normalen Frequenz- zittern im Einklang mit der Aufeinanderfolge aufsteigender Arten- reihen, in welchen die allgemeine Organisationshöhe zum Ausdruck kommt. Mit dieser steht also die Frequenzhöhe als Kriterium der Vollkommenheit eines Flugsystems (nach Ausnutzung des Systems und Materialbeanspruchung) in enger Beziehung und rechtfertigt wieder einmal die Einführung biologischer Merkmale (vgl. die Gallenkunde), funktioneller Eigenschaften in die Systematik bei der Abwägung natürlicher Verwandtschaftsfragen. Mit welcher Be- dingtheit dies geschieht, in welchem Maße dies geschehen darf, ist eine Frage, der hier nicht nachgegangen werden kann. Über die beiden nachfolgenden Punkte schließlich können an dieser Stelle nur allgemeine Andeutungen gegeben werden, deren Ausarbeitung später folgen soll: Amplitude. Die Amplitude oder der Schlagwinkel bedeutet bekanntlich den Winkelunterschied der Flügelstellung in extremer Hochstellung und extremer Tiefstellung. Ihre Elemente sind zu einem Teile von Parsevat 1889 erläutert worden. Das Studium dieses so wichtigen und charakteristischen Teilelementes der Flugerscheinungen ist nur an solchen Tieren mit ausreichender Genauigkeit möglich, welche eine bestimmte, in der Aufnahmerichtung unveränderliche Lage innehalten; erforderlich ist die genaue Einstellung zur Frontal- aufnahme. An freifliegenden Tieren mit meist ungeeigneter, weil unsymmetrischer oder wechselnder Orientierung ist sie nicht aus- reichend meßbar, wenn es nicht möglich sein wird, den Freifiug im Raume bestimmt zu orientieren. Buzz hat mit Recht wahrscheinlich gemacht, daß die Amplitude bei fixierten Tieren, welche sich zu befreien. suchen, größer sein = es a — 2 a Er - = » ‚3 87 mag als im natürlichen Flug; das gleiche würde von den Flügel- schlägen gesagt werden müssen, wenn das vorher fixierte und flatternde Tier durch Öffnen der Haltezange zum plötzlichen Freiflug gelangt. In späteren Mitteilungen werde ich die Größe und Be- deutung dieser Unterschiede näher angeben können. Wenn auch zur Bestimmung des Schlagwinkels die Frontal- aufnahme einen maßgebenden Einblick gewährt, so reicht diese allein zur Beurteilung des wahren Charakters der jeweilig beob- achteten Amplitude nicht aus. Die Frontalaufnahme bedarf der unbedingt notwendigen Ergänzung durch die Profilaufnahme, da sie von der Art, d. h. dem Winkel des Schrägschlages von hinten oben nach vorne unten, d. i. von der Steilheit des Flügelschlages ab- hängt. Zudem ist es zum mindesten vorteilhaft, die Profilaufnahme durch eine dorsale Aufnahme zu kontrollieren. Das Studium der Amplitude bedarf also der Darstellung nach drei Dimensionen, für welche ich die oben beschriebene Vorrichtung für möglichst freie Fixierung empfehle, mit dem leider noch nicht erfüllbaren Wunsche, die drei Aufnahmen am Objekte gleichzeitig machen zu können. Im übrigen steht die Amplitude in korrelativer Abhängigkeit von der Frequenz. In der unlösbaren Verknüpfung mit der Frequenz- berechnung und mit der Darstellung des Schrägschlages liegt das wahre Wesen des Schlagwinkels; mit dem Hinweis auf diese Not- wendigkeit möchte ich die begriffliche Fassung erweitern und den Begriff der Amplitude in vorliegendem Sinne von neuem aufgestellt haben. Bei hohen Frequenzen kann die Amplitude, deren Variabilität schon Butt betont hat, sehr gering, bei geringer Zahl der Flügel- schläge hingegen sehr bedeutend werden. Oft aber gehen sehr sroße Amplituden mit relativ hohen Frequenzen zusammen und zeigen Beispiele (Ephemeriden und Coccinella im freifixierten Zu- stande) enormer Flugleistungen. Ferner ist es wichtig, die Lage der Amplitude in bezug auf die durch die beiderseitigen Flügelwurzeln gelegte horizontale Ebene anzugeben, d.h. den Ausschlagwinkel zu messen, der im positiven Sinue die obere, im negativen Sinne die untere Abweichung der Flügellage von der Lage in der horizontalen Ebene bestimmt. Man mißt diesen Winkel zweckmäßig an der Vorderrandsader. Man kann in soleher Weise drei Arten von Amplituden oder Schlagwinkeln zur Unterscheidung bringen, die mittlere Amplitudenlage von + 45 bis — 45°, die obere und die untere, in denen die positiven bzw. negativen Werte größer sind als die negativen bzw. positiven Werte, und bei denen alsdann der negative bzw. positive Wert 88 45° nicht überschreitet. Überschreiten beide Werte 45°, so kann man von einer großen Amplitude reden. Von Bedeutung sind schließlich die Amplituden in ihrer Be- ziehung zur Steuerung und Stabilisierung und Schnelligkeit der Fortbewegung des Tieres. Eine große Zahl verschiedenartiger Kombinationen harrt hier der näheren Analyse. Unter völliger Wahrung des Synchronismus können die Flügel dennoch mit verschiedener Amplitude und verschiedenartiger Höhen- lage derselben sich bewegen. Es kann also auf der einen Seite des Tieres eine große, auf der anderen Seite eine kleine Amplitude herrschen, es kann diese Bewegungsordnung symmetrisch oder unsymmetrisch sein, ja es kann auf der einen Seite die Flügel- bewegung völlig aufhören (bei fixierten Tieren), anderseits aber kann der Synchronismus in solcher Weise abändern, daß der Flügel- schlag der einen Seite gegenüber dem der anderen Seite zeitlich verzögert erscheint, während das absolute Tempo auf beiden Seiten das gleiche ist. Die Flügelstellungen. In den Bereich dieser ganz allgemeinen Bezeichnung fällt die große Zahl aller jener Erscheinungen, welchen die gesonderten willkürlichen Funktionsäußerungen einer Spezialmuskulatur zugrunde liegen. Es ist dies jene Muskulatur, welche zwar nicht die Haupt- bedingung der allgemeinen Flugleistungen und Erscheinungsformen mitsamt deren Teilmechanismen bedingt, sondern eine Muskulatur, welche die Wirkungsweise derselben modifiziert, ändert. Praktisch wird diese Unterscheidung nicht in allen Fällen möglich sein. Die hier vorliegenden Untersuchungen beziehen sich auf die Neigungswinkel der Flügelflächen zur Bahn des Flügelschlages, Lage der Widerstandsebene (PArsevar) und auf die Formverände- rungen der Flügelfläche, auf die bereits Bunn (l. c. 1905) auf- merksam gemacht hat. Letztgenannte Beeinflussung der Biegungen, speziell der Torsion der Flächen, würden dem Begriffe der „Verwin- dung der Tragflächen“ gleichkommen. Als Äußerungen besonderer Art seitens der genannten Spezialmuskulatur würden schließlich hier die Veränderungen in Betracht zu ziehen sein, welche die Einstellung der Bahn des Flügelschlags, direction de trajectoire, in verschiedene Neigung zur horizontalen Ebene zur Folge haben. Es ist dies die Frage nach der mehr oder minder großen Winkel- abweichung des Flügelschlages von der Vertikalen, welche im wesentlichen spezifisch verschieden und für die betreffenden Formen 2 a aE “SPAR co, 89 charakteristisch festgelegt ist, aber willkürlichen Einwirkungen seitens des Tieres unterliegt, wie Burn an Agrion zeigte. Das Studium dieser Schlagführung geschieht zweckmäßig an Aufnahmen der genau gerichteten Profilstellung der Objekte, an seitlichen Profilaufnahmen. Daß diese verschiedene Richtung des Flügelschlages, Vertikal- schlag oder Schrägschlag, in engen Beziehungen zur Frequenz und Amplitude steht, möchte ich im Sinne der gegebenen Definition des Begriffes Amplitude hinzugefügt haben. Daß diese Unterschiede aber wesentlich durch das Flugsystem, durch die Typen der direkten und indirekten Flugmechanik und durch deren Mischtypen mit- bedingt werden, wurde bereits vorher angedeutet. Immer mehr dürfte sich dies durch die Analyse der verschiedenen Modelle der Typen erweisen und nach denselben beurteilen lassen. Endlich gelangt man zur Analyse der Bahn des Flügelschlages selbst, d. h. des Weges, welchen die Flügelspitze im Unterschiede von der Flügelbasis während eines Flügelschlages zurücklegt. Zu dieser Kurve (trajectoire de l’aile), welche durch die seit langem bekannte Acht-Figur charakterisiert ist, vereinigen sich die dem regelmäßig wiederkehrenden stereotypen Ablauf des Flügelschlages zugrunde liegenden Teilmechanismen, welche in den Hauptelementen der Muskulatur gegeben sind und vermittels der Gelenkkonstruktion zu typischem Ausdruck kommen. Die Analyse dieser Teilmechanismen und ihrer gegenseitigen Bedingtheit, das Verhalten der Kurven unter den verschiedenen Bedingungen des Fortschreitens des Tieres im Raum, ist das Ziel erneuter Studien. Einzelheiten der Teilphasen harren auch in ana- tomisch - kinematischer Beziehung zum Teil noch der Klärung, wenn auch die Hauptphasen, wie z.B. die Drehmomente während der Phasen ' extremen Hochstandes und Tiefstandes des Fluges in ihrer ana- tomischen Beziehung im allgemeinen bereits klar erkannt werden konnten. Die zwangläufig gegebenen Hauptelemente der Konstruktion bestimmen demnach das allgemeine Bild dieser Bahn und finden sich — von der Einwirkung aerodynamischer Faktoren, etwa Durch- biegungen der Flügelflächen begleitet — zu einer überall wieder- kehrenden Elementarkurve zusammen, welche der Bahn des Flügel- schlages bei den Insekten eine so große Einförmigkeit verleiht. Sie ist der Ausdruck des Zwanges aerodynamischer Faktoren, 90 welche auf den verschiedenen parallelen Linien der Entwicklung des Flugvermögens im Tierreich aus verschiedensten morphologischen Grundlagen heraus zu zahlreichen Konvergenten Einrichtungen und zu einem gleichartigen Ablauf der Erscheinungen geführt haben, für deren stufenweise Verwirklichung im phylogenetischen Sinne, wie bereits gesagt, allerdings der Luftwiderstand die maßgebende gestaltende Beziehung gewesen sein mag. Dank dem Entgegenkommen des Vorstandes der Deutschen Zoologischen Gesellschaft konnte eine größere Anzahl von Films, etwa 43, in einem Frei- burger Kinematographentheater (Weltkino) vorgeführt werden. Zu dieser Vor- führung sei folgendes bemerkt: Infolge zwingender Umstände konnte eine Umarbeitung der Negative in Positive nicht erfolgen. Das wäre an sich kein Nachteil gewesen; aber die vom BULL’schen Apparat stammenden Aufnahmen zeichnen sich hinsichtlich der Vorführung durch zwei Hauptnachteile aus: 1. die Einzelbilder sind nicht äquidistant, d. h. das Tempo der Bildfolge ist unregel- mäßig, da der photographierende Funke unregelmäßig überspringt; 2. da die Länge (in der Richtung des Filmbandes) eines Teilbildes etwas größer ist als die allgemein angenommene Normallänge, welche regelmäßig vier Löcherpaare der seitlichen Randperforation umfaßt (die Länge der vom BULL’schen Apparat stammenden Einzelbilder ist um etwa 1/¢ Bildlänge größer, d. h. auf 4><6 Bilder kommt ein Einzelbild hinzu), so wandert das Bild in störender Weise auf der Projektionsfläche, ohne jedoch den Eindruck der Flugerscheinungen zu hindern. Für Zwecke.der normalen Vorführung müßten umständliche Umarbeitungen vorgenommen werden 2). Andere Fehler des BULL’schen Aufnahmeapparates: Ungleichheiten der Belichtung traten weniger, Doppelbilder und Bildausfall an den ausgewählten Aufnahmen gar nicht hervor. | Die Wiedergabe der Flugerscheinungen erfolgte in äußerst verlangsamter Weise, welche einen genauen Einblick in die Teilphasen der Flügelbewegungen unter Berücksichtigung der Darstellung nach drei Dimensionen fixierter Tiere und in den Freiabflug gestattete, bei systematischer Anordnung der Insekten. Es wurden vorgeführt: Stenobothrus, Agrion, Cloéon, Chrysopa, Lycaena, Agrotis, Bombus, Rhagonycha, Coccinella, Capsus, Typhlocyba, Tipula, Musca domestica und vomitoria, Eristalis tenax, Culex. Plecoptera, Trichoptera und Libellula konnten nicht vorgeführt werden. Nachfolgende Abbildungen geben eine An- schauung von dem Prinzip der Vorführung. Nachtrag zur Arbeit 1913. Verhandl. d. deutsch. Zoolog. Gesellsch., Bremen, S. 140: Schwebefallflug bei den Nematocera, analog dem der Epheme- riden; vgl. die Analogie der verlängerten Extremitäten zu den Cerci nebst appendix dorsalis und verlängerten Vorderbeinen bei Ephemeriden. 1) Die Firma MeBter-Projection Berlin erklärte sich außerstande, diese Umarbeitung vorzunehmen. Be a | 91 Professor Konrap GurentHeR (Freiburg): Gedanken zur Deszendenztheorie. Meine Herren! Die Stätte, die sich die Deutsche Zoologische Gesellschaft in diesem Jahre zu ihrer Tagung gewählt hat, ist mehr als vierzig Jahre eine Hochburg der Deszendenztheorie gewesen. Das wurde ja bereits gesagt. Und auch meine Ausführungen sollen Ihnen die Erinnerung an Freiburgs biologische Bedeutung wachrufen. Man hört heute nicht selten die Meinung äußern, die Periode deszendenztheoretischer Forschung sei vorüber. Die einen — und das ist die Mehrzahl — meinen, das sei deswegen der Fall, weil die Deszendenztheorie zum bleibenden Bestand der Wissenschaft geworden sei, dessen weitere Begründung sich erübrige. Die anderen sind entweder Gegner der Deszendenztheorie überhaupt, oder sie halten doch ihre Ausbeutungsmöglichkeit für gering. Vor allem meinen sie, Darwry’s Selektionstheorie ablehnen zu müssen oder überhaupt Versuche, die Entwicklung der Lebewesen aus physiko- chemischen Vorgängen und Stoffen abzuleiten. Und ebenso herrscht bei vielen eine starke Abneigung gegen die Aufstellung phylo- genetischer Stammbäume. Aber selbst wenn dem so wäre, wenn die Deszendenztheorie ihre Rolle in der biologischen Forschung ausgespielt hätte, dürfte man sich doch nicht dabei beruhigen, sie einfach beiseite zu legen. Wie es dem Künstler, dem Handwerker zuwiderläuft, etwas noch Unvollendetes wegzutun, so sollte auch der Forscher in einer Arbeit, die ihn Jahrzehnte lang beschäftigt hat, nicht aufhören, ohne sie zu Ende geführt zu haben. Wer aber gar der Ansicht ist, daß die Deszendenztheorie noch lebenskräftig und berufen sei, zu der Er- forschung der Organismenwelt weiter mitzuhelfen, für den ist es geradezu Pflicht, zuerst einmal das Handwerkszeug selbst genau zu studieren, seine Leistungsfähigkeit und Bedeutung zu erproben, ehe er mit ihm weiterarbeitet. Und das ist durchaus noch nicht in genügendem Maße geschehen. Ich erinnere mich, wie einmal ein Darwinist sich dagegen wehrte, die Deszendenztheorie als Gesetz bezeichnet zu haben, ohne doch hinzuzufügen, was sie nun eigentlich sei. Theorie, Gesetz, Prinzip, Tatsache, das alles sind Begriffe, die in der ganzen Literatur der Entwicklungslehre vielfach durchein- andergemengt werden, und gerade aus der Unklarheit über der- artige Grundbegriffe erklären sich die vielen Ungenauigkeiten und Mißverständnisse, die in wenig Gebieten so häufig sind, wie gerade 92 in den Entwicklungstheorien. Wendungen, wie: es ist eine Tatsache, daB der Mensch aus niederen Tieren sich entwickelt hat oder ähnliche, die eben einfach Unwahres behaupten, finden sich auch in den Werken von Fachgelehrten, die durchaus als Autoritäten in diesen Sachen angesehen werden wollen. Die Mathematiker streben heute eine „Axiomatisierung“ ihrer Wissenschaft an. Es ist Zeit, daß ihnen die Biologen folgen. Ich möchte Ihnen, meine Herren, nun zeigen, dab das deszen- denztheoretische Handwerkszeug gerade dann, wenn wir es genau prüfen, den Wert seiner Gebrauchsfähigkeit und deren Grenzen erkennen, neue und fruchtbringende Arbeit zu leisten imstande ist. Wir werden uns dann vor zweckloser Arbeit hüten können, mit der leider eben wegen der Verkennung des Machtgebietes der Entwick- lungslehren schon viel zu viel Zeit verloren wurde und werden wissen, was von dem Erarbeiteten wir als wohlfundamentiertes Gemeingut der Wissenschaft einordnen können. Bei der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit kann ich dabei nur in kurzen Sätzen und Hinweisen sprechen, muß Ihnen gewissermaßen einen Extrakt vorsetzen. Wer ausführliche Begründungen wünscht und Durchsprechung der Literatur, den muß ich auf diejenigen meiner Arbeiten’), die diese Themen behandeln, verweisen. Auch hoffe ich im nächsten Jahre eine weitere Arbeit über das Gebiet, das, je mehr man es erschließt, um so weitere Ausblicke bietet, zu ver- öffentlichen. 1. Die Deszendenztheorie. Wir beginnen damit, das Machtgebiet der Deszendenztheorie zu untersuchen. Als was müssen wir diese Theorie bezeichnen, als Axiom, Gesetz oder Prinzip? Von ersterem können wir gleich im vorhinein bei ihr, wie bei den anderen biologischen Theorien absehen. Ein Axiom ist ein Satz von einleuchtender Gewißheit, der keines Beweises bedarf, noch fähig ist. In der Mathematik werden in systematischer Anordnung alle Lehrsätze auf solche Axiome zurück- geführt, die die Voraussetzungen, die Grundlagen des ganzen mathematischen Gebäudes bedeuten. In den Naturwissenschaften ist die Kausalität das wichtigste Axiom; die Kausalität ist durchaus kein Gesetz, wie man in biologischen Schriften noch so oft liest, 1) Der Darwinismus und die Probleme des Lebens. Freiburg i. Br. 1904. Rückkehr zur Natur? Leipzig 1907. Vom Urtier zum Menschen. Stuttgart 1909. Die Lehre vom Leben. Stuttgart 1909. 5: > 1 93 sondern die unbewiesene, unzubeweisende, aber unbedingt not- wendige Voraussetzung zu allen Gesetzen. Wer sich also richtig ausdrücken will, darf nur von einem Kausalitätsaxiom reden. Ist die Deszendenztheorie ein Gesetz? In unserer Wissenschaft ist Gesetz gleichbedeutend mit Naturgesetz. Die beste Definition eines solchen hat der Philosoph Heryratcu Rıckerr!) gegeben. Nach ihm hat ein Naturgesetz drei Merkmale. Es enthält das Gemein- same einer Anzahl von Vorgängen, es hebt dieses Gemeinsame in bestimmter Fassung hervor und hat endlich allgemeine Gel- tung. Der Forscher kommt zu einem Gesetz, indem er gewisse Vorgänge miteinander vergleicht und nachsieht, was ihnen gemeinsam ist, er liest also das Gesetz aus einer beschränkten Anzahl von Vorgängen ab, verlangt aber, daß es nicht nur für diese, sondern überall gelte, wo derartige Vorgänge sich abspielen, er weist ihm also die Macht über eine unendliche Anzahl von Vorgängen zu, und zwar unabhängig von Zeit und Raum. Findet sich nur ein derartiger Vorgang, in dem das Gesetz nicht exakt zur Geltung kommt, so ist es umgestoßen, denn Naturgesetze unterscheiden sich dadurch von grammatikalischen Regeln, daß sie keine Ausnahme vertragen. Gauıner erschloß seine Fallgesetze aus der direkten Beobachtung fallender Körper vom schiefen Turm von Pisa. Er formulierte sie in Regeln, wie die Körper fallen. Derartige Gesetze befriedigen uns aber noch nicht ganz. Wir wollen nicht nur wissen, wie sie gelten, sondern auch, warum sie gelten. Dazu müssen wir sie auf ein anderes, umfassenderes Gesetz zurückführen. In dem eben er- zählten Falle tat das Nzwrox. Er erklärte die Fallgesetze durch das Gravitationsgesetz, in dem er das Fallen von Körpern auf die allgemeine Anziehung von Körpern zurückführte. Dieses letztere Gesetz gilt nicht nur für fallende, sondern für Körper in jedwedem Bewegungszustand, und nicht nur auf der Erde, sondern auch im ganzen Weltenraum. Es ist also umfassender als die Fallgesetze. Newrox verband die Fallgesetze und die durch Beobachtung und Berechnung gefundenen Planetenbahnen durch einen Schluß, das ergab das Gravitationsgesetz. Dieses ist also nicht, wie die Fall- gesetze aus der unmittelbaren Beobachtung hervorgegangen, es ist ein theoretisches Gesetz; daher spricht man mit Recht von der Gravitationstheorie. 1) Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung. Tübingen, Leipzig 1902. Jetzt in 2. Auflage. 94 Ist nun mit ihr die Deszendenztheorie zu vergleichen? In der Tat, auch diese Theorie wird aus einem Gesetz und einer Beobachtung erschlossen. Ein Gesetz, das wir als Grundgesetz des Lebens bezeichnen können, das wir überall aus der unmittel- baren Untersuchung ablesen können und von dem noch keine tat- sächliche Ausnahme bekannt geworden ist, heißt: Kein Organismus entsteht von selbst, immer nur von anderen Organismen'). Omne vivum e vivo. Wir können für die Zoologie dieses Gesetz kurz folgendermaßen fassen: Jedes Tier hat Eltern oder besser Ahnen. Die Beobachtung nun lehrt uns, daß in früheren Erdepochen andersgestaltige Lebewesen auf der Erde ihr Wesen trieben. Beides verbinden wir durch einen Schluß: Wenn die Tiere Ahnen haben, dann müssen in vergangenen Erdepochen auch die Ahnen der heutigen Tiere gelebt haben. Wir finden aber in den geologischen Schichten jener Zeit nur andersgestaltige Formen, und wenn unter diesen die Vorfahren der heutigen Tiere zu suchen sind, so müssen sich die Tiere seit jenen Zeiten umgewandelt haben. Faßt man jetzt die Deszendenztheorie folgendermaßen: Die Organismen einer Erdepoche sind aus denen vorausgegangener Erd- epochen entstanden, indem sich ihre Formen umwandelten, so ist die Ahnlichkeit mit den theoretischen Gesetzen der Physik und Chemie in der Tat groß. Aber die Deszendenztheorie enthält auch noch zwei andere Behauptungen. Diese besagen, daß erstens die komplizierteren aus einfacheren Organismen entstanden sind und daß zweitens, je weiter wir in der Erdgeschichte zurückgehen, um so mehr Ahnenreihen zusammenlaufen, bis schließlich alles in den - einfachsten Lebewesen endet. Auch diese Erweiterungen der Deszendenztheorie sind Schlüsse, die aus der Beobachtung stammen. Und zwar nicht nur aus der Erschließung der geologischen Erdschichten und der darin ent- haltenen Tierreste, sowie ferner aus der vergleichenden Untersuchung des Baues der Tiere und ihrer Entwicklung, sondern auch aus der allgemeinen Betrachtung des Naturgeschehens überhaupt. Überall, auch in der leblosen Welt und in den astronomischen Erscheinungen sehen wir, daß das Kompliziertere aus dem Einfacheren entsteht, und daß Vielfaches und Verschiedenes von Einfachem ausgeht. Die !) Man darf dabei nicht vergessen, daß dieser Satz zur Voraussetzung hat, daß die Bedingungen zum Leben gegeben sein müssen. Ein derartiges Be- dingungsmoment läßt sich bei der Betrachtung der Organismenwelt nicht aus- schalten, ist auch der Grund, daß man, wenn man mit ihm wechselt, andere Lebensbedingungen voraussetzt, die Theorie einer Urzeugung einschalten kann. i i i A Bi LL «<<€« = we patel apa MMM a : - ww.‘ Bl a ci ar A A ee 95 soeben genannten Zusätze zur Deszendenztheorie sind also gewisser- maßen dem Naturforscher sehr naheliegende Übertragungen von alleemeinen naturwissenschaftlichen Vorstellungen auf biologische. Haben sie solchergestalt viel Wahrscheinliches für sich und liegen sie auf einem Wege, den die Naturforschung immer wieder als den für sie wichtigsten und allein befriedigenden erkannt hat, nämlich dem zur Einheit, so nehmen sie doch auch andererseits der Deszen- denztheorie das streng Gesetzliche. Denn in dieser erweiterten Fassung verliert die Deszendenztheorie ein für ein Gesetz unent- behrliches Charakteristikum, das ist die bestimmte Fassung. Wir können nicht scharf und eindeutig sagen, die komplizierteren Organismen entwickeln sich aus einfacheren, sondern wir müssen da die Worte hinzufügen: im Durchschnitt der Fälle, im allge- meinen, wenn wir größere Erdepochen zusammenfassen. Denn in Einzelfällen entwickeln sich oft auch einfache Tiere aus kompli- zierten, wie uns z. B. viele Parasiten beweisen. Nur im großen Verlauf der Entwicklung gilt obiger Satz. Man versuche aber nur einmal, bei physikalischen Naturgesetzen die Worte: im Durchschnitt, im allgemeinen hinzuzusetzen und man wird sofort sehen, daß das unmöglich ist. Ein Gesetz, das nicht in jedem es betreffenden Falle zur Geltung kommt, ist kein Gesetz mehr, und somit können wir die Deszendenztheorie, bei der das der Fall ist, nicht mehr als Gesetz bezeichnen, sondern als ein Prinzip, einen naturwissen- schaftlichen Begriff, von dem noch die Rede sein wird. Die Abstammungsgeschichte. (segner der Deszendenztheorie haben nicht selten dieser Lehre vorgeworfen, daß es in vielen Fällen nicht gelänge, die Ahnen- reihen von Tieren oder ganzen Tierklassen einwandfrei festzulegen. Schon deshalb, meinten sie, müsse an ihrer Berechtigung gezweifelt werden. Diese Anschauung beruht aber auf der Durcheinander- mengung gänzlich verschiedener Begriffe. Deszendenztheorie und Abstammungsgeschichte sind zwei vollkommen getrennte Dinge, und selbst wenn die eine versagte, würde die andere dadurch in keiner Weise erschüttert werden. Die Abstammungsgeschichte beschäftigt sich, wie jede Geschichte, mit einmaligen historischen Vorgängen, denn solche sind die Entwicklungsreihen, die die Ahnengeschichte eines Tieres bilden. Wir wollen, wenn wir die Abstammungsgeschichte eines Lebewesens erforschen, die ganz be- stimmten und eigenartigen Organismen kennen lernen, aus denen sich gerade dieses Tier entwickelt hat und die ebenfalls nur für 96 dieses geltende einmalige Weise, wie das geschehen sein konnte. Und an den Ahnenformen wird uns das interessieren, was sie von anderen unterscheidet, denn das bringt sie ja gerade in Be- ziehung zu dem einen Tier, dessen Vorfahren wir suchen. Das alles sind historische Probleme, mittels historischer Methoden zu erschließen, die den naturwissenschaftlichen Gesetzen, Prinzipien und Theorien genau entgegengesetzt sind. Denn zu einem Gesetz kommen wir, wenn wir gerade das Bestimmte, Eigenartige, nur für den einen Fall Geltende weglassen und das Gemeinsame suchen, das den beobachteten Fall mit anderen Fällen verbindet. Ein Gesetz, das nur für einen Fall gilt, ist ein Unsinn, und von der Deszendenztheorie zu verlangen, sie solle uns die Abstammungs- geschichte eines Tieres aufdecken, wäre ebenso töricht, wie aus Gauiters Fallgesetzen erschließen zu wollen, welche Körper es waren, die der Gelehrte fallen ließ, zu welcher Stunde er es tat und an welcher Säule des Turmumgangs er dabei stand. Es gibt wohl einen Weg vom Speziellen zum Allgemeinen, aber nicht vom Allgemeinen zu einem bestimmten Speziellen zurück. Kommen wir also durch Vergleichung der Entwicklungen der Tiere zur Deszendenztheorie, so wird an dieser nichts geändert, ob wir nun — in einem anderen Wissensgebiet und mit anderen Methoden — die Entwicklungsreihen im einzelnen finden oder nicht. Geschichte wird aus Urkunden erschlossen. Auch die Ab- stammungsgeschichte hat solche Urkunden, von denen die wichtigste die Schichten der Erde mit den Resten der vorweltlichen Tiere ist. Diese teilt mit den historischen Urkunden die Eigenart, um so un- vollständiger zu werden, je entlegenere Zeiten sie behandelt. Aber ein fundamentaler Unterschied ist vorhanden. Die historischen Urkunden dürfen wir, wenn auch mit Kritik, doch stets ohne weiteres benutzen. Sie haben eine eigene Sprache, die von Taten redet, die ein Werden vermittelt. Die paläontologischen Urkunden hingegen enthalten nur ein Sein. In den ägyptischen Aufzeich- nungen heißt es zum Beispiel, dieser König wäre der Sohn von jenem gewesen. Die Paläontologie zeigt uns hingegen nur Formen, und wir sind es, nicht die Urkunde, die die Formen in Beziehung zueinander bringen, die eine aus der anderen entstehen lassen. Das mögen sich diejenigen recht vor Augen halten, die immer wieder von den „Tatsachen“ der Wirbeltierabstammung des Menschen oder ähnlichem sprechen. Die Reste der vorweltlichen Tiere sind so- zusagen Punkte, die nur dann von Werden und Entwicklung reden, wenn wir sie durch Linien verbinden. Sc nn 97 Ein solches Verfahren wäre willkürlich und unwissenschaftlich, wenn wir nicht die Berechtigung nachweisen könnten, daß wir die paläontologische Urkunde derartig umarbeiten dürfen. Und diese Berechtigung ist es, nichts anderes und nicht mehr, was uns die biologischen Theorien, Gesetze und Prinzipien geben. Sie helfen uns nicht bei der Aufstellung der Abstammungsreihen selbst, sind aber die notwendige Voraussetzung zu dieser Arbeit. Zunächst gibt uns die Deszendenztheorie die Berechtigung, überhaupt unter den Tieren der Vorzeit und auch unter anders- gestaltigen, nach den Vorfahren der heutigen zu suchen, denn sie lehrt, daß die heutigen Organismen in der Vorzeit Vorfahren gehabt und sich im Laufe der Generationen umgewandelt haben. Welche Wesen wir nun für die Ahnengeschichte einer bestimmten Art zu wählen haben, das sagt uns ein Gesetz des Lebens, daß die Orga- nismen einander um so ähnlicher sehen, je näher sie miteinander blutsverwandt sind. Auch dieses Gesetz ist besser Prinzip zu nennen, da wir es ebenfalls durch die Worte „im Allgemeinen“ abschwächen müssen, denn es gibt Konvergenzerscheinungen im Tierleben, durch die auch weiter verwandte Tiere — in Anpassung an dieselbe Lebensweise — ähnlich werden können, wie. etwa Distomum und Pentastomum. Da aber die Ähnlichkeit im Bau, die auf Verwandtschaft beruht, älter und durchgreifender ist, als die durch Konvergenz hervorgegangene, gelingt es doch meistens, den Unterschied festzustellen. Wir müssen also, wenn wir die Ahnen einer Tierart suchen, die dieser ähnlichsten Formen aus der _ letztvergangenen Erdepoche herauswählen, dann die ähnlichsten aus den vorletzten und so fort. So erhalten wir eine lange Reihe von Formen, die Schritt für Schritt sich nach der heutigen Tierart umwandeln. „Natura non facit saltum“ sagt uns ein drittes Gesetz, und ist uns eine derartige allmähliche Überführung gelungen, so gibt uns dieses Gesetz die Berechtigung, die Ahnenreihe als im hohen Grade wahrscheinlich anzuerkennen. Derartige Reihen konnten nun freilich in nur ganz ver- einzelten Fällen zusammengebracht werden, und das liegt an der Unvollständigkeit der paläontologischen Urkunden. Daß eine der- artige Unvollständigkeit vorhanden sein muß, ist so oft und so einleuchtend nachgewiesen worden, daß es gänzlich unangebracht ist, aus der Schwierigkeit, ja häufigen Unmöglichkeit der Arbeit auf eine falsch gestellte Aufgabe zu schließen. Theorie und Praxis sind Dinge von sehr verschiedener Art, wir dürfen nicht die eine für die andere verantwortlich machen. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914, 7 98 Und gerade dort, wo die paläontologische Urkunde schweigt, nämlich vor allem in dem, was die Weichteile der Tiere betrifft, tritt eine zweite Urkunde ein: die vergleichende Morphologie. Wieder sind es erstens Deszendenztheorie und zweitens das Prinzip von der Ähnlichkeit blutsverwandter Tiere, die uns die Berech- tigung geben, die heutigen Tiere nach größerer und geringerer Ähnlichkeit zusammenzustellen und das ganze System als Aus- druck einer Blutsverwandtschaft zu betrachten. Ein solches System gab es schon früher, aber erst Darwm und Harcxen haben uns die wissenschaftliche Erklärung dafür gegeben, warum es sich auf- stellen läßt, und uns gesagt, nach welchen Prinzipien das zu geschehen hat. Das Prinzip von der Ähnlichkeit blutsverwandter Tiere ist das der Vererbung. Je mehr es durchforscht wird, um so mehr wird auch die Abstammungsgeschichte von ihm haben, denn es wird dieser immer wieder neue Berechtigungen geben, ihr Material nach der oder jener Richtung zu untersuchen. Hier liegen noch große Möglichkeiten für die Zukunft. Das Vererbungsprinzip erlaubt uns aber nicht nur, die heutigen Tiere als „Brüder, Vettern usw.“ miteinander in Zusammenhang zu bringen, sondern auch das Bild des längst dahingegangenen Ahnen wieder aufleben zu lassen. Wir beobachten nämlich beim Studium der Vererbung, daß im allgemeinen Merkmale, welche Geschwistern gemeinsam sind, von ihren Vorfahren ererbt wurden. Wenn sämtliche Kinder eines Elternpaares eine besonders geformte Nase aufweisen, so ist anzunehmen, daß auch einer der Eltern eine solche Nase besessen hat. Diese Beobachtung berechtigt uns, die verwandten Tiere auf das ihnen Gemeinsame zu untersuchen, und letzteres als Charakteristikum des Ahnen hinzustellen. Wenn wir z.B. bei allen Klassen der Wirbeltiere ein Achsenskelett finden, so werden wir mit Recht dieses Organ auch dem gemein- samen Ahnen, dem „Urwirbeltier“ zuschreiben, und zwar in der einfachsten Form, in der wir es beobachten, wozu uns wieder der Satz der Deszendenzlehre, daß das Kompliziertere aus dem Ein- facheren entsteht, die Berechtigung gibt. Natürlich erhalten wir auf solche Weise nicht ein genaues Bild des Vorfahren, sondern stellen nur seine Organisationsstufe fest, die eine sehr ver- schiedene Ausbildungsmöglichkeit zuläßt. Das beweisen z. B. die unendlich verschiedenen Tierformen, die alle auf der Organisations- stufe der Fische stehen. Es gibt noch eine dritte Urkunde der Abstammungsgeschichte. Diese sei, als prinzipiell noch am wenigsten geklärt, besonders behandelt. + . er ac Eu ; 99 Das biogenetische Prinzip. Die dritte Urkunde, die imstande ist, die Abstammungs- geschichte der Organismen zu erhellen, ist die Entwicklungs- geschichte. Die Berechtigung, sie zu benutzen, geben uns jene Beziehungen zwischen Ontogenese und Phylogenese, die Frirz Mürter und Ernst Hasoren als „Biogenetisches Gesetz“ formuliert haben. Die Aufstellung dieses Gesetzes war eine der wichtigsten Taten in der Biologie, und sie hat unübersehbare Früchte getragen. Alle Bewunderung vor seinen Begründern darf uns aber nicht zurückhalten, die Formulierung, ja schon den Namen des Gesetzes auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Denn in der Wissenschaft ist die unrichtige Benennung eines Begriffes nicht gleichgültig, hat sie doch einerseits oft falsche Verwendung im Gefolge und hält andererseits die Eröffnung richtiger, ‘ vielleicht aussichtsreicher Verwendungsmöglichkeiten zurück. Daß aber die Bezeichnung „biogenetisches Gesetz“ unrichtig ist, daran kann nach dem, was wir über das Wesen von Natur- gesetzen nun gehört haben, kein Zweifel sein. Fehlen diesem „Gesetz“ doch alle Charakteristika eines Naturgesetzes. Eine bestimmte Fassung, die: „die Keimesgeschichte wiederholt die Stammesgeschichte“ lauten müßte, ist unmöglich, weil ontogenetische Anpassungen die Ahnenbilder, die in der Keimesentwicklung auf- tauchen sollten, verwischen. Deswegen heißt es ja auch, die Onto- genese wiederhole die Phylogenese im allgemeinen, oft mehr, oft weniger unvollständig, und Haxcxer selbst, der das sehr wohl erkannte, hat die Worte „Genogenese“ und „Palingenese“ eingeführt und von der „Fälschung“ dieser letzteren gesprochen. Ein Natur- gesetz kann aber weder gefälscht, noch auch nur im geringsten verändert werden, sonst ist es eben kein Gesetz. Man versuche doch einmal die Fallgesetze zu „fälschen“! Ein Gesetz muß ferner allgemeine Geltung haben, es verträgt nicht eine Ausnahme. Das biogenetische „Gesetz“ jedoch hat deren so unzählige, dab diese fast die Fälle überragen, in denen es zutrifit. So sagt ein so gründlicher Kenner der Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere wie Keıser!), daß „je höher man in der Reihe der Wirbeltiere aufwärts steige, desto weniger es möglich sei, von einer Geltung des biogenetischen Gesetzes zu sprechen“. Und ein ganzer großer Stamm folgt dem biogenetischen „Gesetz“ in seiner Organisations- 1) In OÖ. HERTWIG’s Handbuch der Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere. Jena 1906, | 7 100 stufe überhaupt nicht. Das sind die Protozoen, die von Anfang ihrer Entwicklung an das Stadium der Zelle zeigen, trotzdem wir uns vorstellen müssen, daß in ihrer Phylogenese zellenlose Stadien dem der Zelle vorausgingen. Die Unzulänglichkeit des biogenetischen Gesetzes erkennend, hat Oskar Herrwie') vorgeschlagen, seine Fassung derartig zu ändern, daß statt „Wiederholung von Formen ausgestorbener Vor- fahren“ gesagt würde: „Wiederholung von Formen, welche für die organische Entwicklung gesetzmäßig sind und vom Einfachen zum Komplizierten fortschreiten.“ Wenn gewisse Formzustände, meint O. Herrwie, in der Entwicklung der verschiedenen Tierarten mit so großer Konstanz und in prinzipiell übereinstimmender Weise wiederkehrten, so läge das hauptsächlich daran, daß sie unter allen Verhältnissen die notwendigen Vorbedingungen lieferten, unter denen allein sich die folgende höhere Stufe der Ontogenese hervorbilden könne Ist das aber auch wirklich der Fall, so müssen wir fragen. Freilich gibt es Formzustände, die in der Entwicklung von fast allen Tieren wiederkehren, wenn es gilt, eine ebenso allgemeine, weiterführende Stufe der Ontogenese zu schaffen. Notwendig aber sind sie deswegen doch nicht, da wir auch Tiere kennen, bei denen sich die letztere Stufe aus einer andersgestaltigen vorhergehenden entwickelt. Ich erinnere an die gänzlich verschiedenen Darmbildungen bei den Hydrozoen, Scyphozoen und Ctenophoren, die alle ein übereinstimmendes Organ schaffen. Und wenn wir gar die Darmbildung der Schwämme hinzunehmen, so wird uns klar, daß die Gastrula keine notwendige Vorstufe zum Darm ist, sondern daß sich ihre Häufigkeit nur aus Ererbung erklären kann. Was aber ererbt ist, das können Neu- anpassungen verändern oder gar zum Schwinden bringen. Ferner schreitet die Ontogenese durchaus nicht nur vom Ein- facheren zum Komplizierteren vor, sondern sie macht auch Umwege, läßt Organe entstehen und vergehen, wie die „Kiemenspalten“ der Säugetiere, läuft in Sackgassen, aus denen sie wieder zurück muß. Es ist unnatürlich, auch diese Umwege für notwendige Vorstufen zu halten, weit einfacher hingegen, sie als ererbt zu betrachten und darauf hinzuweisen, daß sie der Phylogenese entsprechen. Ganz gewiß ist die von O. Herrwie gestellte Aufgabe an die Entwicklungsgeschichte wichtig und lösenswert. Aber es ist nicht die einzige, die gestellt werden kann. Man kann das Material des 1) In seiner „Allgemeinen Biologie“ und entwicklungstheoretischen Arbeiten, | | 101 Lebens naturwissenschaftlich-gesetzsuchend behandeln oder historisch. Bei der ersteren Methode wird das Individuelle, Spezielle in der Untersuchung beiseite gelassen, denn allgemeine Gesetze können nicht von dem erzählen, was nur für eine Tierart Geltung hat. Das Individuelle, dessen Vorhandensein niemand leugnen kann, ist aber ebenfalls der Erforschung wert. Es wird mittels der histo- rischen Methode erschlossen, die gerade das Einmalige, Eigenartige zu ergründen sucht, also z. B. in der Entwicklungsgeschichte des Menschen das, was diese von der anderer Tiere unterscheidet. Zu einem Gesetz kann man in einem solchen einmaligen Fall nie kommen, wohl aber ist es umgekehrt das „Gesetz“, das durch Ver- gleichung des Gemeinsamen mehrerer Fälle gewonnen, nun auch jeden neuen in die bestimmte Kategorie gehörigen Fall erklärt. Oder vielmehr, wie bereits nachgewiesen, es ist ein Prinzip. Unter einem Prinzip versteht man den Anfang, das Erste oder, besser gesagt, das Übergeordnete einer Reihe von Erscheinungen, von dem diese alle abgeleitet werden können. Und das ist in der Tat das Wesen des biogenetischen Prinzipes. Wenn wir wissen wollen, ob ein Tier von einem anderen abstammt (präziser ausge- drückt, ob beide von gemeinsamen Eltern abstammen, deren Typus das zweite besser bewahrt hat), dann müssen wir die Entwicklungs- geschichte jenes Wesens von der des letzteren ableiten. Denn das Kind erbt nicht nur das Aussehen der Eltern, sondern auch deren Art und Weise der Lebenstätigkeit, Fortpflanzung und Entwicklung. Das ist der Grund für das Wirken eines biogenetischen Prinzips. Der ererbte Gang der Entwicklung kann sich immer nur allmählich ändern, bildet sich ein komplizierteres Tier aus einem einfacheren, so wird die neue Abänderung an dem Ende der ererbten Ontogenese ansetzen, so daß deren vorletztes Stadium in der Tat im Prinzip dem Bilde der Ahnen entspricht, und verfolgt man diesen Gedanken nach rückwärts, so kommt man allerdings zu der Vorstellung, daß prinzipiell die Ontogenese aus den aufeinanderfolgenden Stadien der Ahnen besteht. Doch hat schon AusxAanper Gorrrel) mit Recht darauf hin- gewiesen, daß dieses vorletzte Stadium nicht genau das Bild des letzten Vorfahren wiedergeben könne, weil es ja in der Ontogenese noch zur Entwicklung gehöre, jener Ahne aber ein fertiges, geschlechtsreifes Tier gewesen wäre. Und je weiter wir in der ') Vorrede zu: „Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Würmer.“ Hamburg und Leipzig 1884, 102 Ontogenese zurückgehen, um so mehr gilt das für die in ihr ent- haltenen Ahnenbilder. Ganz abgesehen von cenogenetischen Ab- änderungen ist schon das ein Grund dafür, daß die Ontogenese nicht genau der Phylogenese entsprechen kann. Auch dürfen wir nach Gorrre nicht vergessen, daß die Stadien der Entwicklungsgeschichte keine voneinander unabhängigen Glieder sind, sondern verschiedene Phasen ein und desselben Vorgangs. Jedes folgende Glied hat seine Ursache im Vorhergehenden, muß es also verändern, wenn es selbst verändert wird, und das geht so fort bis an den Anfang. Eine cenogenetische Änderung eines Stadiums muß solchergestalt alle vorhergehenden und folgenden mit verändern, „ein anderes Produkt der Ontogenese setzt auch einen anderen Verlauf derselben voraus“. Damit kommen wir auf den evolutionistischen Kern unseres Problems. Jede Verschiedenartigkeit des erwachsenen Tieres oder auch eines Stadiums seiner Ontogenese muß schon im ersten Stadium von dieser, also im Ei vorhanden sein. Wenn wir hier eine der- artige Verschiedenheit noch nicht sehen, so liegt das an der Klein- heit des Objekts, an der Unzulänglichkeit unserer Instrumente. Wir können uns die Verschiedenartigkeit gewissermaßen als ein kleines Pünktchen denken, das erst zu einem sichtbaren Felde wird, wenn das allgemeine Wachstum des Eies beträchtlich vorgeschritten ist, etwa wie umgekehrt unser Freiburg, ja ganz Baden in nichts verschwinden würde, wenn die Erde zur Kleinheit eines Balles zu- sammenschrumpfte. Je durchgreifender die Veränderung, je größer sie am Erwachsenen, um so früher in der Ontogenese muß sie sichtbar werden. Mit dieser Vorstellung haben wir eine Norm für den Gebrauch des biogenetischen Prinzips gewonnen. Zwei Tiere werden dann miteinander nahe verwandt sein, wenn der Gang ihrer Ontogenesen derselbe ist und erst ganz am Ende auseinanderweicht, um hier das, dort jenes Wesen erstehen zu lassen. Und die Probe stimmt. Der Mensch hat die ersten Vorgänge seiner Entwicklung mit allen Tieren gemein, die späteren nur mit den Wirbeltieren, die darauffolgenden nur mit den Säugetieren, die letzten nur mit den Menschenaffen und das entspricht seinen verwandtschaft- lichen Verhältnissen im Stamme der Wirbeltiere. Es werden uns also über den Stammbaum der Tiere nicht einzelne Stadien ihrer Ontogenese belehren, sondern der ganze in sich zusammenhängende Verlauf der Entwicklung. Ontogenese muB mit Ontogenese verglichen werden. Wenn wir z. B. sehen, daß der Mensch eine andere Entwicklung hat, wie die Fische und wissen 105 wollen, ob er trotzdem von diesen abstammt, so müssen wir zwischen beiden Ontogenesen so lange Entwicklungen von anderen Tieren einschalten, bis wir die genaue Stufenfolge haben, wie sich die Ontogenese des Fisches allmählich in die des Menschen umwandeln konnte. Nur so ist auch das Gastrulationsproblem der Wirbeltiere zu lösen. Nach einem biogenetischen Gesetz müßten die Säuge- tiere eine Einstülpungs-Gastrula aufweisen. Sie haben sie aber nicht, alle Versuche, eine solche zu konstruieren, sind Künstliche Konstruktionen, und so genügt nicht einmal in diesem „Haupt- stadium“ der Ontogenese ein biogenetisches „Gesetz“ den Ansprüchen, die man an ein Gesetz unbedingt zu stellen hat. Nach einem biogenetischen Prinzip aber muß die Darmbildung der Säugetiere von der Gastrulation der anderen Wirbeltiere abgeleitet werden, es muß an Übergängen gezeigt werden, wie die erstere sich aus der letzteren durch allmähliche Umgestaltung entwickeln konnte. Und das scheint möglich zu sein). So erhalten wir in der Abstammungsgeschichte zu einer Ahnenreihe von erwachsenen Formen noch eine von Entwicklungen. Diese letztere aber ist die zuverlässigere. Das Selektionsprinzip. Die Abstammungsgeschichte hat bei der großen Unvollständigkeit ihrer Urkunden nur dadurch zu ausgedehnteren Resultaten kommen können, daß sie eben drei solcher Urkunden hatte, und daß die aus einer erschlossenen Ahnenreihe an Gewißheit gewann, wenn die zweite oder gar noch die dritte sie bestätigte. Man kann aber auch die Urkunden in mehrfacher Weise verwenden und daraus Vorteil ziehen. Die Berechtigung zu der Art und Weise der Verwendung geben, wie bereits mehrfach gesagt, die natur- wissenschaftlichen Gesetze, Prinzipien und Theorien. Wir können also auch eine der Theorien in der Abstammungsgeschichte befragen, die uns nicht das Wie, sondern das Warum der Phylogenese erklären. Bisher ist das freilich wenig geschehen, so hat man z. B. das Wichtigste dieser Erklärungsprinzipien, Darwım’s Lehre von der Naturzüchtung, noch kaum zur praktischen Erforschung der Ab- stammungsgeschichte verwandt. Ich glaube aber, daß gerade diese manche sonst hoffnungslos klaffende Lücke schließen kann. !) Siehe die Darlegungen in meinem Werk: „Vom Urtier zum Menschen“ Kapitel VI. 104 Wir fassen die Naturzüchtung am besten in folgende Worte: „Von den Organismen gelangen im Durchschnitt immer die zu längerem Leben und damit zu erfolgreicherer Fortpflanzung, welche mit ihren Lebensbedingungen am besten harmonieren, so daß die nächste Generation hauptsächlich ihre Eigenschaften erbt.“ Aus dieser, wie auch jeder anderen Fassung der Lehre geht ohne weiteres hervor, daß es kein Selektionsgesetz geben kann. Natürlich, denn durch Zufall geht ja auch manches besser angepaßte Tier zugrunde und manches schlechter angepaßte entzieht sich lange seinen Feinden. Die Wirkung der Selektion kommt nur in großen Zeit- räumen zur Geltung, da dann auch der Durchschnitt der Fälle etwas Positives ergibt. Aus diesem Grunde ist sie aber kein Natur- gesetz, sondern ein Prinzip. Aber in der soeben aufgestellten Form fördert uns das Selektions- prinzip in der Erforschung der Abstammungsgeschichte noch nicht. Durch einfache Naturzüchtungsvorgänge kann nur die ganze Masse der Organismenwelt umgewandelt werden, im gleichmäßigen Flusse. Die Urkunden der Paläontologie und Morphologie aber geben uns keinen fließenden Strom des Lebens, sondern einzelne Bilder, nämlich lauter wohlumrissene Arten. Und aus solchen Etappen- stationen, wenn ich so sagen darf, obgleich es natürlich keine Stationen sind, sondern nur Ausschnitte aus dem Wechsel des Lebens, müssen wir unsere Ahnenreihen zusammensetzen. Ihre Entstehung müssen wir verstehen lernen. Zur Erklärung der Bildung neuer Arten, der Spaltung von einer Art in zwei oder mehrere und ähnlichen Vorgängen wird man in den weitaus meisten Fällen die Selektion nicht ohne Vereinigung mit dem Isolationsprinzip verwenden können. Das ist nicht nur deswegen notwendig, weil etwaige Variationen, selbst wenn sie von der Naturzüchtung bevorzugt werden, wieder in der Masse verschwinden, wenn ihre Träger nicht irgendwie isoliert werden. Nein, noch ein zweiter Grund ist maßgebend. Nach dem Selektionsprinzip verstehen wir die körperlichen Eigenarten eines Tieres als Anpassungen an seine Lebensbedingungen. Diese rufen gewissermaßen die Umwandlungen hervor, und neue Um- wandlungen, Veränderungen nach einer anderen Richtung, mit anderen Worten, die Entstehung einer neuen Art, werden veranlaßt werden, wenn neue Lebensbedingungen anderes verlangen. Wenn aus einem braunen ein weißer Hase werden soll, so muß das betreffende Tier aus den Lebensbedingungen des Waldes in die des Schnees geraten. Kommt dann der weiß gewordene Hase in 105 die alte Heimat zurück, so stellt er sich als neue Art neben die alte. Die Neuerungen an seinem Körper aber erklären die Lebens- bedingungen, die ihn während seiner Isolation umgaben. Und damit haben wir denn auch schon festgestellt, in welcher Weise das Selektionsprinzip Ausblicke in die Abstammungsgeschichte eröffnen kann. Wenn wir mit Hilfe unserer Urkunden dazu kommen, eine Tierart für den Vorfahren einer zweiten zu halten, dann untersuchen wir, worin sich diese von jener unterscheidet. Die neuen Merkmale sind, so schließen wir, Anpassungen an die Lebens- bedingungen, in denen die neue Art entstand. Können wir nun erkennen, an welche Lebensbedingungen die Merkmale An- passungen darstellen, dann steigt die Urheimat der neuen Art vor unseren Augen auf. Leuchtet uns die Möglichkeit einer solchen Urheimat ein, so haben wir für die Theorie eine neue Stütze gewonnen. In meinem Werke über die Abstammungsgeschichte des Menschen hatte ich mehrfach Gelegenheit, zwischen Ahnenstadien durch Anwendung einer derartigen Gedankenreihe noch fehlende Brücken zu ziehen oder eine sonst unsichere Vorfahrenform wahrscheinlich zu machen. Ich kann hier auf alle diese Fälle nicht eingehen, nur ein besonders prägnantes Beispiel sei genannt. Die drei Haupt- merkmale der Säugetiere, die diese von ihren Vorfahren, den Reptilien, unterscheiden, sind: eigene Körperwärme, das Fell und das Austragen und Säugen der Jungen. Fragen wir uns, an welche Lebensbedingungen diese drei Eigenarten Anpassungen sein können, so ist die Antwort, welche am meisten für sich hat: an die Kälte. Wir haben uns vorzustellen, daß die Vorfahren der Säuge- tiere ursprünglich in einem warmen Lande lebten, dessen Klima sich nun aber, innerhalb langer Epochen natürlich, in das einer Polarlandschaft verwandelte. Als Anpassung an diese entstand bei den Ursäugetieren die Eigenwärme, denn Tieren mit wechsel- warmem Blut schraubt die Kälte die Körpertemperatur derartig herunter, daß ihre Lebensfunktionen meistens zum Stillstand kommen. Die Eigenwärme wieder bedurfte eines Isolators, und so entstand als Wärmeschutz das Fell. Endlich hatten bei zunehmender Kälte diejenigen Tiere die beste Aussicht, ihre Jungen durchzubringen, die die Eier beim Brüten am meisten mit warmer Haut umgeben konnten (denn die Sonne war auf dem Schnee dazu nicht mehr imstande) oder die sie gar ganz mit sich herumzutragen imstande waren (im Beutel), wodurch jene überhaupt nicht mehr mit dem kalten Boden in Berührung kamen. Ebenso erklärt der mit der 106 fortschreitenden Abkühlung Hand in Hand gehende Nahrungs- (Insekten-) Mangel die Entwicklung der Mammardrüsen und ihrer Milch. Die ganze Umwandlungsweise entspricht durchaus unseren, besonders durch die Arbeiten von Bresstav gewonnenen Vorstellungen über die Entstehung des Mammarapparates. Sie wird nun aber dadurch zur Wahrscheinlichkeit, daß diejenigen vorweltlichen Reptilien, welche die meiste Ähnlichkeit mit den Säugetieren haben und bereits mehrere der Merkmale dieser Klasse an sich tragen, ich meine die Theromorphen, in ihrem größten Artenreichtum in der Karrooformation Südafrikas vorkommen. Für diese Formation haben aber die Geologen nachgewiesen, daß damals eine Eisdecke Südafrika überlagerte. Das ist eine Probe auf das Exempel, die auf das verblüffendste stimmt. ~ Ebenso bringt das Selektionsprinzip dadurch, daß es uns be- rechtigt, die Eigenarten der Organismen als Anpassungen auf- zufassen, das Problem der Menschwerdung seiner Lösung näher. Die Neuerungen, welche Mensch und Affe miteinander teilen, müssen als Anpassungen an die Lebensbedingungen des gemeinsamen Vorfahren entstanden sein. Dieser muß aber dann ein Baumbewohner gewesen sein. Denn alle jene Kigenarten lassen sich am leichtesten als Anpassungen an ein Baumleben verstehen, so vor allem die Greifhand, die Verkürzung des Rumpfes, die Be- schränkung der Milchdrüsen auf die Brust, welch letztere Eigen- art einen Sprung von Ast zu Ast mit dem Jungen an der Brust gestattet. Das Zusammenrücken der Augen ermöglicht ein zur Bemessung der Abstände wichtiges perspektivisches Sehen, über- haupt verlangt ein Baumleben gute Sehorgane, während die Nase rückgebildet werden kann, da die Luft keine Spur hinterläßt. In diesen beiden Eigenarten harmonieren darum Mensch und Affe mit den Vögeln, wie ferner auch in der Modulationsfähigkeit der Stimme. Auch die Rückbildung der Hautmuskulatur läßt sich aus dem Baumleben erklären, weil es in den Wipfeln weniger Insekten gibt, als unten. Man sieht, das alles weist auf einen Vorfahren hin, der durch seine Anpassungen an das Baumleben affenähnlich gewesen sein mußte, womit die Hypothese von dem menschen- ähnlichen Ahnen von Mensch und Affe fällt. Das nächste Stadium der Menschwerdung wird, wie oft genug auseinandergesetzt worden ist, durch die Ausbildung des Fußes, die Annahme einer aufrechten Haltung charakterisiert. Wenn der Mensch zu einem gehenden Lebewesen wurde, so mußte der Wechsel seiner Lebensbedingungen sich dergestalt vollzogen haben, daß sein 107 Vorfahre zum Verlassen der Bäume gezwungen wurde. Der Wald, in dem dieser gelebt hatte, mußte sich also langsam in Steppe ver- ‚wandeln, indem er sich allmählich in immer kleinere Waldinseln auflöstee Nicht das Bestreben, sich aufzurichten, konnte den Fuß geschaffen haben, denn was kann ein vierfüßiges Wesen zwingen, immer wieder eine für seinen Körper unnatürliche Haltung anzunehmen? Nein, der -Wechsel der Landschaft bevorzugte unter den Menschenahnen immer die, welche die allmählich weiter werdenden Steppenteile zwischen den Waldinseln am besten über- winden konnten, besonders dann, wenn die letzteren so klein ge- worden waren, daß sie nicht mehr genug Nahrung boten. Um die Früchte auf den Bäumen noch weiter erbeuten zu können, blieb dem Menschen die vordere Greifhand bewahrt, Insekten und andere Tiere bot die Steppe, die mit ihrem hohem Grase einen aufrechten Gang, bei dem man über die Halme wegschauen konnte, begünstigte, wie ja überhaupt viele Steppentiere aufgerichtete Springer sind. Eine derartige Landschaft hat auch vor allem deshalb als Urheimat des Menschen viel für sich, weil sie vielseitige Lebensbedingungen bietet, und so den Menschen, dem keine Nahrungsquelle allein genügen konnte, sondern der sie sich alle zunutze machen mußte, zu vielseitiger Ausbildung zwang. Vielseitigkeit ist in der Tat das hervorstechendste Merkmal des Menschen im Vergleich zu den Tieren. Der Mensch hat Füße und Hände, ist Angriffs- und Flucht- wesen, nimmt Nahrung aus dem Tier- und Pflanzenreiche zu sich. Vor allem ist sein wichtigstes Merkmal, der Verstand, eine viel- seitige Anpassung. Das geht auch aus der weiteren Entwicklung des Menschen hervor. Die Tiere erhalten entweder ein dickes oder dünnes Fell angezüchtet, der Verstand verleiht auch dem in die Nordländer wandeınden Menschen ein Fell als künstliche An- passung, so daß er nunmehr in allen Teilen der Erde leben kann. Die Tiere erhalten Zähne, Krallen, Hörner gegen ihre Feinde, der Verstand erfindet dementsprechende Waffen. Alle Werkzeuge, alle Kulturmittel sind künstliche Anpassungen, die an- und abgelegt werden können, je nachdem veränderte Lebensbedingungen sie ver- langen oder unnötig machen. Sie sind aber nunmehr nicht ferner das Werk der Naturzüchtung, sondern das des Verstandes ihres Trägers. Da der Verstand allen Lebensbedingungen gerecht wird, erübrigt sich eine Weiterzüchtung des Körpers des Menschen durch die Natur. Diese steigert nur noch die eine universelle Anpassung, den Verstand, der dem Körper die notwendigen Anpassungen selbst verleiht. Da aber der Verstand den Körper nicht umschmilzt. 108 sondern seine künstlichen Anpassungen ihm nur äußerlich aufsetzt, sinkt dieser allmählich von seiner Höhe herab. So sehen wir, daß auch der Mensch noch unter der Natur- züchtung steht, auch er wird an die Lebensbedingungen immer besser angepaßt, aber vorwiegend nur noch in einer Eigenschaft, dem Verstande. Wird der Verstand gesteigert, so wird er als universelle Anpassung jedweden Lebensbedingungen gerecht. Die Anpassung im speziellen, die er nunmehr selbst durch seine künst- lichen Anpassungen besorgt, schafft er aber in anderer Weise, wie die Naturzüchtung, nämlich mit teleologischen, Ziele erstrebenden und verwirklichenden Methoden. Deshalb geht es nicht an, für die weitere Entwicklung des Menschen, für seine Kultureinrichtungen, für Recht und Sitte auf Naturprinzipien, wie es die Selektion ist, zu exemplifizieren, und Soziologen, die solches versuchen, stellen sich in Widerspruch mit der Naturwissenschaft, die uns immer nur sagen kann, was ist, nicht, was sein soll. Die sexuelle Zuchtwahl. Über die Anwendungsmöglichkeiten der anderen Erklärungs- prinzipien der Organismenumwandlungen kann ich an dieser Stelle nichts sagen, nur auf eine Theorie muß ich noch eingehen, die von Darwi selbst aufgestellt und von ihm der Naturzüchtung an die Seite gestellt wurde. Ich meine die geschlechtliche Zuchtwahl. | | Die Sexualselektion besteht, wie bekannt, aus zwei Teilen. Der erste Teil ist nichts anderes, als ein spezieller Fall der Natural- selektion, bei dem sich die Auslese nur, statt auf die ganze Art, auf das eine Geschlecht erstreckt. In ihm wird einbegriffen die Züchtung von besonders entwickelten Sinnesorganen (siehe z. B. Spinnerschmetterlinge usw.), Waffen, Kopulationsorganen der Männ- chen usw. und es erhellt ohne weiteres,- daß die Männchen am ehesten zur Fortpflanzung kommen und daher ihre Eigenschaften der nächsten Generation aufprägen, die die Weibchen zuerst auf- finden oder im Kampf mit dem Nebenbuhler diesen abschlagen. (Ganz anders aber verhält es sich mit dem zweiten Teil der sexuellen Zuchtwahl Darwm’s, der , Weibchenwahl“. Schon Warxzaor, der Mit- begründer der Naturzüchtungslehre, konnte sich nicht dazu ver- stehen, die Weibchenwahl anzunehmen, er fand, daß die Beob- achtungen einem solchen Vorgang widersprächen. Es läßt sich aber auch direkt zeigen, daß die Weibchenwahl kein Erklärungsprinzip ist, und daß sie der Naturalselektion direkt gegeniibersteht. Während nämlich die Naturzüchtung ein mechanistisches Prinzip ist, läßt sich 109 aus der Weibchenwahl ein teleologisches Moment nicht ausschalten. Ein Beispiel wird das am besten klar machen. Nach der Naturzüchtungslehre ist der Schneehase aus einem braunen Hasen entstanden, weil seine Vorfahren in eine Polarland- schaft gerieten, und hier immer die, welche ein wenig heller gefärbt waren, als ihre Geschwister, am ehesten den Nachstellungen der Feinde sich entziehen konnten; daher lebten sie am längsten und konnten der nächsten Generation hauptsächlich ihre Eigenschaften, also auch die hellere Farbe aufprägen, und das ging so fort bis zum reinen Weiß. Nach der Theorie von der Weibchenwahl ist die rote Brust des Gimpelmännchens dadurch zustande gekommen, daß von allen Farbenvariationen der ursprünglich grauen Gimpel- brust gerade rot erregend auf die Weibchen wirkte, so dab jede Steigerung dieser Farbe ihre Träger im Kampf um die Weibchen siegen ließ. Die nächsten Generationen erhielten also immer mehr von einem rötlichen Schimmer vererbt, bis das grelle Rot bei allen zustande gekommen war. Eine jede Theorie, ein jedes Naturprinzip oder -gesetz muß auf durch die Beobachtung feststellbaren Tatsachen beruhen, von denen dann durch die Theorie ein Gemeinsames herausgehoben wird, dem sich diese und alle ähnlichen Fälle einordnen lassen. Die Grundlagen für die obigen beiden Theorien sind nun zunächst folgende drei Tatsachen. Es gibt Variationen in jedem Wurf von Tieren, also konnten unter den jungen Hasen stets auch hellere, unter den Gimpeln solche mit rötlichem Anflug geboren werden. Diese Variationen können vererbt werden. Drittens, es kann von den Hasen sowohl als von den Gimpeln nur eine bestimmte Anzahl zur Vermehrung kommen, denn es gibt einen Überschuß sowohl in der ganzen Art, als auch im männlichen Geschlecht. Also ist die Grundlage für eine Auslese gegeben. Es fragt sich nun, ob sich noch eine vierte Tatsache dafür finden läßt, daß diese Auslese nach einer bestimmten Richtung vor sich gehen muß. Im ersten Beispiel ist das ganz gewiß der Fall. Es ist eine Tatsache, daß Helleres auf weißem Schnee weniger auffällt als Dunkleres, aus dieser Tatsache und der Beobachtung können wir schließen, daß im Durchschnitt die helleren Hasen am längsten lebten, weil sie ihren Feinden am wenigsten auffielen. Im zweiten Bei- spiel müßte die Tatsache heißen: Rot erregt am meisten. Ja, das genügt noch nicht einmal, sonst müßten ja die Männchen aller Tiere rot gefärbt sein. Es muß vielmehr heißen, rot erregt die Gimpel- weibchen am meisten, und zwar im besonderen eine rote Brust, 110 während z. B. die Blaukehlchenweibchen von einer blauen Brust erregt werden. Dabei darf nicht nur schlechtweg die Farbe auf die Weibchen wirken, sondern jede Steigerung derselben, es ist also, als ob diesen das endgültige Rot als Ideal vorschwebte, bevor sie noch von ihm wissen. Das ist das Teleologische, das in der Weibchenwahl liegt, das Streben nach einem Ziel. Der tatsächliche, allgemeingültige Untergrund fehlt hier. Man muß das, was man erklären will, in das Herz des Weibchens vorher hineinlegen, und zwar in jedem speziellen Falle das, was man braucht. Ehe man nicht nachweisen kann, daß aus anderen Gründen, als denen der Weibchenwahl, die Gimpelweibchen sämtlich durch Rot und dessen Steigerung erregt werden, ist diese Theorie keine Erklärung, sondern eine Behauptung. Ich habe mich nun bemüht, die Fälle, die früher die Weibchen- wahl zu erklären glaubten, auf andere Weise verstehen zu lernen. Ich suchte dabei an den ersten, wohlbegründeten Teil der sexuellen Zuchtwahl anzuknüpfen. Die Auslese besserer Männchenwaffen verstehen wir ja sehr wohl, denn daß schärfere und größere Waffen den Nebenbuhler eher abschlagen können, ist eine allgemeingültige, nicht extra für diesen besonderen Fall zurechtgemachte Tatsache. Ist es aber nun notwendig, daß die Waffen stark sind, genügt es nicht, wenn sie nur so scheinen? In der Tat, wenn wir die Tiere beobachten, sehen wir, daß es nur selten zu einem wirklichen Kampf kommt, meistens weicht das Tier vor dem, welcher sich recht gewaltig und siegessicher zeigt oder überhaupt stärker scheint, als er ist, zurück. Nun gibt es aber viele Waffen im Tierreich, die gefahrdrohender aussehen, als sie sind, ja durch übermäßige Ausbildung geradezu als Waffe verloren haben. Ich erinnere an das Geweih des Hirsches. Ein solches Geweih ist aber weithin sichtbar, und wir können uns vorstellen, daß es dadurch zustande kam, daß immer vor denen, welche es in der stärksten Ausbildung besaßen, die anderen zurückwichen und jenen den Kampfpreis, die Weibchen, überließen. Man hat mir eingeworfen, meine Theorie setze etwas Ähnliches voraus, wie die Weibchenwahl. Dem muß ich aber widersprechen. Das „Sich-imponieren-lassen“, das Zurückweichen vor stärker Scheinenden ist keine für den zu erklärenden Fall zurechtgemachte Behauptung, sondern etwas Allgemeingiiltiges. Es handelt sich hierbei um eine allgemeine Eigenschaft der Tiere, die im Interesse der Arterhaltung liegt und durch Naturzüchtung zustande gekommen sein kann. Das ist bei den speziellen Wirkungen bestimmter Farben Til auf die Weibchen nicht der Fall, und hierin ist ein prinzipieller Unterschied zwischen beiden Theorien zu sehen. Ich habe die Theorie von der „geschlechtlichen Ein- schiichterungsauslese* vor etwa 10 Jahren aufgestellt, und seitdem immer mehr gesehen, daß sie eine große Zahl von Fällen zu erklären imstande ist. Nicht nur vergrößerte Waffen fallen in ihren Wirkungsbereich, sowie ferner Mähnen und Federkragen, die den Angreifer größer und stärker erscheinen lassen, wie ja auch schon der angreifende Hund, die verfolgte Katze ihr Fell sträuben, wodurch sie größer wirken und manchen Feind zurück- scheuchen. Auch die Tänze der Wildhühner und anderer Vögel gehören dazu, die ja wie wahre Kriegstänze aussehen und bei denen die Weibchen meistens überhaupt nicht dabei sind. Ja, ich stehe auch nicht an, eine Geltung der geschlechtlichen Einschüch- terungsauslese für die Männchenfarben und den Gesang der Vögel in Anspruch zu nehmen‘). Die Warracr’sche Theorie von den Arterkennungsmerkmalen gibt für diese beiden Eigenschaftskate- gorien die Grundlage, sowie die Überlegung, daß, jemehr das Weibchen im Interesse des Brutgeschäfts mit einer Schutzfarbe versehen wird, um so auffallender das Männchen die Artmerkmale tragen muß, da es nunmehr diese Eigenschaft für beide Geschlechter übernimmt. Aber auch im Kampf der Nebenbuhler müssen der- artige Merkmale gesteigert werden. Wie wiederholt nachgewiesen worden ist, durchziehen z. B. bei den Vögeln immer ziemlich große Zahlen von paarungslustigen Junggesellen die Brutgebiete. Da ist es wichtig, daß das Männchen jedes Brutgebietes seine Anwesenheit weithin sichtbar und hörbar macht, damit die Junggesellen von dem Weibchen seines Gebietes abstehen. Und jeder singende Vogel sucht sich zu zeigen, er setzt sich auf die Spitze des Baumes und benimmt sich so auffallend wie nur möglich. Das Weibchen ist fast nie in der Nähe und hört kaum zu, und auch der Sänger ‚achtet seiner nicht, stürzt sich aber, sobald ein anderes Männchen sich zeigt, sofort laut singend auf dasselbe. So kann die direkte Einschüchterung zu einem bloßen Sichzeigen, seine Anwesenheit bemerkbar machen, abgeschwächt werden; der Erfolg ist, wie die Beobachtung lehrt, der gleiche. Hier hätten 1) Neuerdings ist durch Untersuchungen von v. HEss in Frage gestellt worden, ob die Farben von Fischen und Insekten überhaupt von ihren Art- genossen als solche erkannt werden. Aber dem ist von Vv. FRISCH widersprochen worden, und die Nachweise dieses Forschers, daß Bienen und Fische doch Farben erkennen, sind recht einleuchtend. 112 wir auch eine Erklärung für den langanhaltenden Vogelgesang; die Gegenwart des Männchens soll eben möglichst ununterbrochen dargelegt werden. Auch beim Menschen spielt die Einschüchterung eine große Rolle. In ihr haben die Tänze, hat überhaupt die Kunst ihre Wurzeln, sind doch die ursprünglichsten Tänze Kriegstänze und dienen doch die ersten Kunstbetätigungen, die Bemalung und Tatauierung des Körpers, das „Schmücken“ desselben mit Federn und Tierfellen dazu, dem Gegner Furcht einzuflößen. Das läßt sich von den Ur- völkern, besonders auch den Indianern an, bis zu den homerischen Helden mit ihren „fürchterlich nickenden Helmbüschen“, den (Germanen mit ihren Tierkopfhelmen und Wisenthörnern und den Kriegern früherer Jahrhunderte mit ihren „grimmig“ gesträubten Schnurrbärten verfolgen. Und es ist höchst interessant, dem im einzelnen nachzugehen, lassen sich doch manche geradezu ver- blüffende Vergleiche zwischen derartigen Abschreckungsmitteln des Menschen und entsprechenden Eigenarten der Tiere ziehen!). Und wenn wir nicht nur die Urvölker, sondern auch unsere eigenen Kinder beobachten, die nach dem biogenetischen Prinzip in ihrem Wesen dem Menschen der Vorzeit näher kommen als wir, so bemerken wir immer wieder, wie oft beiihnen die Lust, sich „groß zu machen“, zu übertreiben, aufzufallen, hervortritt. Ja, auch beim erwachsenen Menschen ist der Drang, zu imponieren, mehr zu scheinen, als man ist, so groß, daß man ihm fast dieselbe Macht in der Beeinflussung des menschlichen Handelns zuschreiben möchte, wie den anderen beiden Triebfedern, Hunger und Liebe. Prof. L. Prare (Jena): Übersicht über zoologische Studien auf Ceylon. (Manuskript nicht eingegangen.) Diskussion: Dr. F. Sarasty, Prof. Dorsem, Prof. PraArr. 1) Siehe meinen Artikel: Zur geschlechtlichen Zuchtwahl. Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie. Bd. 2. 1905. ‘ 113 Herr Prof. L. Puate: Demonstration ceylonischer Vögel (Formolverfahren). Die Vögel wurden nach dem Sezey’schen Verfahren behandelt, d. ih. nach der Rückkehr von der Jagd durch einen Bauchschnitt geöffnet und in 2% Formaldehyd (50 ccm des käuflichen Formalin [40% Formaldehyd] auf 11) gelegt und dafür gesorgt, dab dieses ordentlich in den Kadaver eindringt. 40 und mehr Vögel können in dieselbe Blechtrommel gelegt und monatelang in dieser Weise aufbewahrt werden. Bei Vögeln von der Größe einer Gans und mehr ist es zweckmäßig, um Platz zu sparen, nur den Balg in Formaldehyd aufzuheben. Die Flüssigkeit darf auf keinen Fall stärker als 2% sein, weil die Vögel sich sonst nicht mehr abziehen ‘lassen. Sobald die Vögel ausgestopft werden sollen, werden sie zunächst 2 Tage lang gründlich gewässert. Das Abbalgen erfordert etwas mehr Zeit als bei einem frischen Vogel, macht aber sonst keine Schwierigkeit. Die von mir gesammelten Vögel — etwas über 200 — haben 3—5 Monate in dünnem Formalin gelegen, ehe sie ausgestopft wurden, und trotzdem tadellose in den Farben unveränderte Stopfpräparate geliefert. Es ist anzunehmen, daß selbst ein längeres Liegen in 2%, Formaldehyd nicht schaden wird. Das Verfahren hat für den reisenden Naturforscher den großen Vorteil, daß das zeitraubende Abbalgen fortfällt, und nicht nur das Federkleid, sondern auch alle übrigen Organe für spätere Studien erhalten bleiben. Herr Prof. Scazeıe (Freiburg) demonstrierte Präparate von der Innervation der Hypodermis von Dixipus, Herr Dr. Nackrseeım (München) solche von der Entwicklung von Schizaster. Herr Prof. L. Ruumszer (Hann.-Münden): Trajektorien-Modell zur Demonstrierung einer automatischen Entstehung der Innentrajektorien eines fotalen Femurknochens durch dessen Ober- flächenwachstum. Das aus Tüllstoff hergestellte Modell (Fig. 1) soll zeigen, daß die im menschlichen Femur vorkommenden, bekannten (Fig. 2 u. 3) Trajektorienstrukturen der Knochenspongiosa dadurch entstanden gedacht werden können, daß schon zur Zeit der Fötalentwicklung die spumoiden (= wabigen) kolloidalen Binde- Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 8 114 gewebsmassen von der oberflächlichen Periostschicht des Knochens in die Trajektorienkurven automatisch eingeordnet werden. Es reicht also eine typische Determination des Oberflächenreliefs des Femur aus, um gleichzeitig auch auf automatischem Wege die erste Anlage der Spongiosa im Inneren des Knochens in ihrem gesamten Kurvenverlauf verständlich zu machen. Der Beweis für diese Denkmöglichkeit ist dadurch erbracht, daß in dem Tüllgewebe, das die hexagonalen Maschen der kolloi- dalen Grundmasse (Fig. 3) vorstellt, den Trajektorienbahnen ent- sprechende Maschenzüge allein durch die auf dem Tüllrande auf- gesteckten Nadeln (ohne jede Faltenbildung im Tüll) aufrecht erhalten werden; so daß die durch die Nadelanordnung deter- minierte Außenform zugleich die Innenstruktur festhält. Figurenerklärung. Fig. 1. Das Modell im Glaskasten mit den begleitenden Photographieen montiert; ca. 1:4,5 der wirklichen Modellgröße. Fig. 2. Photographie eines Femurdurchschnittes. Fig. 3. Photographie eines entkalkten Femurs mit dem kolloidalen Trajektoriensystem. Fig. 4. Kurven der Spongiosa (nach Wolff); Z= Zugtrajektorien der lateralen Femurseite; D=Drucktrajektorien der medialen Femurseite. Fig. 5. Tüllmaschenverlauf nach der Aufspannung ohne Einziehung der Kurven. Fig. 6. Modell mit Einzeichnung der Kurven zum Größenvergleich mit den Naturvorlagen (Fig. 1—4). Man beachte, daß die aufgezeichneten Linien die unter ihnen liegenden Maschenbahnen streng einhalten. Es genügt ein, dem noch nicht erwachsenen Femur entsprechend ausgeschnittenes, Tüllstück unter einer bestimmten Orientierung des Tüllgewebes [Wandmitte- Höhenrichtung des Maschenwerkes (Fig. 7)] in die spätere, durch Wachstum vergrößerte, Form des Femur hinein- zuziehen, um eine, dem Spongiosabälkchenverlauf in allem Wesentlichen entsprechende Anordnung der Tüllmaschen zu erzielen. (Fig. 4—6.) Demzufolge ergibt sich, daß das differentielle Wachstum der Oberflächenschichten einer Knochenanlage’) genügen würde, um gleichzeitig auch die erste Grundlage der Innenstruktur des Knochens auf automatischem Wege (noch ehe sie in Funktion tritt, also „präfunktionell“) durch den spumoiden Aufbau der Innen- 1) In der von mir (RH. 14 p. 569) vorgeschlagenen Bezeichnungsweise würde demnach die, das Wachstum des Gesamtknochens „führende und leitende“, Öberflächenschieht des Knochens als „dukatorisches“ Wachstumselement anzu- sehen sein; die Spongiosa dagegen, die von dem dukatorischen Oberflächen- wachstum geleitet und in ihre Architektur eingeführt wird, wäre als ein „assektatorisches“ Wachstumsprodukt anzusprechen, 115 substanzen im Knochen zu veranlassen. Wir hätten die Ent- wicklungsmechanik des Knochens von der Aufgabe entlastet, in der ersten Roux’schen Periode der Organanlage!) besondere Deter- minanten für die Aufstellung der Spongiosatrajektorien enthalten zu müssen; es genügt vielmehr, daß die Wachstumsgeschwindig- keiten der Oberflächenteile der Knochen determiniert werden, um gleichzeitig auch auf automatischem Wege die inneren trajektoriellen Organstrukturen aufzustellen, die dann in den Rovx’schen Perioden II und III in bekannter Weise während ihrer Funktionierung durch „funktionelle Selbstlöhnung“ (Roux 1912, S. 371) weiter aus- gebildet werden. Wir wären somit auf Grund des von Bürscauı (1858, S. 338, 339) nachgewiesenen Spumoidbaues der hyalinen Knorpelgrundmasse zu einer „minimalen Determination“ (Rovx 1912 S. 95) des ersten Auftretens der Spongiosatrajektorien der ersten Periode gelangt, die seither noch als gegebene komplizierte Aus- gangsprodukte für die II. und III. Periode mechanisch unerklärt hingenommen werden mußten. Ander gegebenen Auffassung stößt vielleicht zunächst an, daß die Spongiosatrajektorien, die man nach unserer derzeitigen Anschauung als Zug- „und“ „Drucksystem“ anzusehen hat, im Sinne des Modells aus- schließlich nur als „Zugtrajektorien“ gedeutet werden könnten. Be- kanntlich stellen nach H. Meyer (67) nur die, von der lateralen Femur- halsseite ausstrahlenden, Spongiosatrajektorienbälkchen Zugtrajek- torien dar (Fig. 4, Z), die kurz als Z-Trajektorien bezeichnet werden sollen, während die von der medialen Seite des Femurhalses nach der oberen Tragfläche des Femurkopfes aufsteigenden Spongiosabälkchen als Drucktrajektorien (Fig. 4, D) oder, wie der Kürze wegen gesagt werden soll, als D-Trajektorien aufzufassen wären. Diese Auffassung zeigt aber zum mindesten, daß wenigstens ein Teil des Spongiosa- 1) Roux (1911 und 1912, S. 297) unterscheidet bekanntlich 4 Perioden der Ontogenese (oder kausale Gestaltungsperioden der typischen und normalen Entwicklung) I. Periode der sog. Organanlage oder der rein vererbten Gestalt- bildung, bei der durch den Vererbungsmechanismus also durch schon im Keim enthaltene „gestaltende Determinationsfaktoren“, aber ohne Beihilfe der Funk- tionierung, die Organe angelegt und eine Strecke weit ausgebildet werden. — II. Periode ist die gemischte Zwischenperiode, in welcher sich die Faktoren der Periode I mit denjenigen der Periode III vermengen. — ILI. Periode ist diejenige der „vorherrschenden funktionellen Reizgestaltung“; in ihr wird die Ausbildung eines Organs durch seine „Funktionierung vervollkommnet und in Betriebsfähigkeit erhalten“. — Schließlich ist die IV. Periode diejenige des reinen Seniums, also des von krankhaften Veränderungen freien Greisenalters, dessen Charaktcristikum nach Rovx in vererbtem Altersschwund beruht. gr 116 systems — und zwar derjenige, der die größten Trajektorienkurven enthält — auch hier durch Zugwirkung provoziert angesehen wird, also dem Sinne des Modells unterworfen erscheint; und es bliebe nur die Frage, ob bei Beibehaltung der Auffassung der D-Trajektorien (Fig. 4) als Drucksystem diese D-Trajektorien trotz ihrer nachmaligen eventuellen Druckfunktion nicht auch als Zugsysteme wenigstens in der drucklosen Fötalzeit, in der sie ja bekanntlich bereits zur Ausbildung gelangen, ihre erste Entstehung nehmen könnten. Sie würden unter Zugwirkung in der Fötalzeit angelegt und dann nach der Geburt als Stemmsäulchen gegen den Druck der Körperlast zur Verfügung stehen. Vorweg ist klar, daß bei der Ähnlichkeit der Z- und der D-Bälkchen eine von dem Modell postulierte ähnliche Entstehungsweise beider sehr viel wahrscheinlicher ist als eine verschiedenartige Entstehung, wie sie aus der späteren differenten Funktion irrtümlich als notwendig gefolgert werden könnte (nämlich einerseits durch unbestrittenen Zug bei den Z-Trajektorien und andererseits durch Druck bei den D-Trajektorien). Die Spongiosa- trajektorien würden bei Anerkennung der Gültigkeit des Modells nach einer ursprünglich gleichen fötalen Entstehungsweise in post- nataler Zeit, wenn es die Körperlast zu tragen gilt, zum Teil als Z-Trajektorien ihre Position in einer Zugbahn beibehalten, zum Teil aber als D-Trajektorien in Druckbahnen hineingeraten, und in diesem Teil dann gegebenen Falls als Drucktrajektorien funk- tionieren. Die Umschaltung der Funktionierbarkeit von Zug auf Druck bei den D-Trajektorien wäre sehr wohl begreiflich, weil die unter Zugwirkung entstandenen spumoiden Trajektorien mit Kalk- salzen ausgesteift werden’) und weil plastische und zähe Stoffe bei einer gewissen Dicke gegen Zug und Druck eine ähnliche Widerstandskraft entfalten’), so daß Strukturen, die, wie unsere, unter Zugwirkung aufgestellt und durch kalkige Imprägnierung verzähigt worden sind, auch Druckwirkungen ebensogut wie Zug- wirkungen standzuhalten vermögen?). 1) Man kann sich vorstellen, daß aus den hydrosmotisch permeablen Spumoidkämmerchen der Spongiosagrundsubstanz, wenn sie in die Länge gezogen werden, was aus mathematischen Gründen nur unter Volumverringerung des Kämmercheninhaltes geschehen kann, Wasser entweicht, und daß dieser Wasser- verlust auf irgendeine Weise zur Ausfällung der Kalksalze führt. 2) Vgl. v. KARMAN „Festigkeit“ in: Handwörterb. d. Naturwissensch. Jena 1913; v. 3 p. 1023. 3) Die Spumoidmechanik brachte dieser Auffassung zufolge von vorn- herein eine zweckmäßige Ausgestaltung des Femurinneren allein unter der Führung des differentiellen Wachstums des Femuroberflächenreliefs zustande. E17 Ich halte indessen nicht für absolut ausgeschlossen, daß die seitherige Auffassung der vom medialen Femurhalse ausstrahlenden Spongiosabälkchen als D-Trajektorien (Fig. 4, D) für den „tragenden“ Femur vielleicht ebensowenig zutrifft wie für den fötalen, sondern halte immerhin für erwägens- und prüfungs- wert, ob nicht auch dieses mediale Trajektoriensystem ein Z-System bleibt, nachdem es als Z-System in fötaler Periode aufgerichtet worden ist. Die Spongiosabälkchen sind reichlich dünn, um gegen die Gewichtsbelastung die nötige Biegungsfestigkeit aufbringen zu können, während sie Zugbeanspruchungen sehr viel leichter widerstehen müssen, wie man etwa mit einer dünnen Schnur relativ beträchtliche Lasten fortziehen, aber nicht fortstoßen kann. Man kann sich vorstellen, daß die Verfestigung des ganzen Femursystems mit „Zug“trajek- torien unter Materialersparnis stattgefunden hat, etwa ebenso, wie man dem leichten Rad eines Zweirades nicht durch dicke, druckkräftige Speichen, sondern dureh dünnere, aber „angezogene“ Stahldrähte zur druckbeständigen Aussteifung seines Reifens verholfen hat, oder wie man bei manchen Brückensystemen die Leistungsfähigkeit der tragenden Teile durch zwischengespannte, diagonal sich kreuzende Drahtseile oder ebenso angeordnete, auf Zug gespannte, dünnere Eisenschienen bei möglichst geringer Gewichtserhöhung steigert. Bei dieser Anschauung wäre der aktiv tragende Teil des Femurs, der den Gegendruck gegen das Körpergewicht in letzter Instanz zu leisten hat, überhaupt nicht in den Knochenbälkehen der Spongiosa zu suchen, sondern wäre einerseits in der sehr festen und dieken Compacta, vor allem in derjenigen des Diaphysenteiles und andrerseits in der plasmatischen Zellfüllung zwischen den Spongiosamaschen gegeben. Die tragende Außenform des Femurs wäre dann durch die gekreuzten Spannsysteme der Spongiosa festgesteift und in der festgesteiften Außenform als Hülle würde die inkompressible (weil aus flüssigen Teilen aufgebaute, im festen Femurgefäß abgesperrte) plasmatische Zellfüllung ein äußerst wirksames Wider- lager gegen schädigende Überdrucke der Körperlast abgeben. Eine derartige Auffassung ließe sich aber nicht verallgemeinern, denn bei pneumatischen Vogel- knochen kommen Spongiosazüge vor, die, wie hier nicht weiter ausgeführt werden kann, m. E. nur gegen Druck wirksam sein können. Das veranlaßt mich, die in diesem kleingedruckten Abschnitt angegebene Möglichkeit vorläufig nur mit größter Reserve anzuführen. Auf alle Fälle zeigt das Modell, daß Trajektoriensysteme, die denen der Spongiosaanordnung im menschlichen Femur in allem Wesentlichen entsprechen, ohne Beihilfe von Außendrucken, allein Die Spongiosastruktur brauchte, wie hier nebenbei bemerkt werden mag, gar nicht erst auf selektionistischem Wege in ihrer zweckmäßigsten Form gezüchtet zu werden. Sie war von Anbeginn an brauchbar; sie besitzt eine primäre Zweckdienlichkeit, und es wäre ganz unverständlich, warum der erwachsene Organismus nicht diese primär zweckdienliche, automatische Struktur auch in das Stadium der eigentlichen Funktionierung des Femur als Tragestütze über- nommen haben sollte. Wäre die automatische Struktur mechanisch unbrauchbar ausgefallen, so hätte erst auf umständlichem Wege (etwa durch Osteoklasten) diese Unbrauchbarkeit irgendwie weggeräumt werden müssen. So aber benutzt auch der „tragende“ Knochen die primär zweckdienlichen Strukturbahnen der Fötalzeit bei seinem Weiterbau im späteren Leben, indem er neue Massen in diese Bahnen einschiebt und alte entfernt. 118 durch Zugwirkungen zustande kommen können. Das Modell gibt somit eine Erklärungsmöglichkeit für die automatisch-mechanische Entstehung solcher Trajektorien, die entweder „noch nicht“ oder sogar während ihrer ganzen Existenz nicht unter der Wirkung von Außendrucken stehen, wie der fötale Femur einerseits, der erst postnatal die Körperlast zu tragen hat, und andrerseits die ähnlichen Trajektorienstrukturen an der oberen Extremität und am Unterkiefer des Menschen oder am ganzen Skelett von Knochen- fischen [Ravuser (1902, p. 339)], bei welchen vom Tragen der . Körperlast oder von sonstigen irgendwie namhaften Außendrucken unter normalen Verhältnissen gar nicht die Rede sein kann, während sich leicht für alle Fälle eine Zugwirkung ableiten läßt, die von der sich im Wachstum ausdehnenden Knochenoberfläche auf das Knocheninnere ausgeübt wird, oder die auch durch, der Oberfläche ansitzende, Muskeln bewirkt oder lokal gesteigert sein kann. Vielleicht möchte mancher annehmen, daß die Imitation des Trajektoriensystems durch die Tüllmaschen eine banale Selbstver- ständlichkeit und in dem von mir angegebenen Sinne gar nicht beweisend wäre. Man könnte denken, daß sich ganz beliebige Kurvenlagerungen des Maschenwerkes durch Zug an dem Tüllrande erzeugen ließen und unter diesen beliebigen eben auch das Spongiosa- system. Eine solche Beliebigkeit der Kurvenziehung wäre aber nur dann möglich, wenn man den Tüll dabei beliebig in Falten legen würde; so aber, ohne Faltenbildung, gibt der Tüll nur bei einer ganz bestimmten Gestalt und bei einem Anziehen seiner Ränder nach denjenigen Richtungen, die dem Vordringen der sich beim Wachstum vergrößernden Knochenoberfläche entsprechen, das Spongiosatrajektoriensystem wieder. Wie engbegrenzt die Bedingungen für die Entstehung der Modellähnlichkeit mit dem Spongiosaverlauf sind, davon kann man sich leicht überzeugen, wenn man das Trajektorienmodell nachzu- bauen versucht; man wird dann erfahren, daß es zwar leicht ist, an einem beschränkten Ort zwei Kurvensysteme zur Schneidung und zur Knochenähnlichkeit zu bringen, daß es aber sehr schwer fällt, ein drittes Kurvensystem des Knochens an einer anderen Stelle den beiden vorigen zuzugesellen, ohne die anderen zu zerstören. Der geringste Fehler in einer Kurvenlage macht auch die genaue Kopie der übrigen unmöglich; die Kurvenlagerung ist durch die Femurgestalt und die Zugrichtung eindeutig bestimmt. Auch mir ist, wie ich an einem anderen Orte (Ru. 1914, p. 564) angegeben habe, die richtige Spongiosakopie des Femurs lange Zeit eee —— a 119 mißglückt, bis ich darauf aufmerksam wurde, dab das obere Tüll- ende nach dem Femurkopfende hin bezüglich seiner Maschenachsen- stellung eine winklige Drehung durchmachen muß, die der Ab- knickung der Femurachse im Gebiete des Femurhalses nach dem Gelenkkopf hin entspricht (Fig. 7). Nachdem diese Erfahrung gemacht war, hat mein mir verständnisvoll assistierender Gehilfe, Herr Forstaufseher Braarz, die ausgestellten Modelle in der vor- liegenden Form (Fig. 1) angefertigt. Das Modell ist auf den Boden eines Kastens montiert, der oben mit einer Glasscheibe gedeckt ist. Auf dieser Glasscheibe Figur 7. Tüllstreifen vergrößert, mit Finzeichnung der Zugrichtung im Hauptteil des Femur und im Femurhals; die gebrochene weiße Linie gibt die Schwenkung der Zugrichtung im Femurhals an. Vergr.: 6,6:1. sind von unten her und so verteilt, daß die Besichtigung des Modells dadurch nicht gehindert wird, die Photographien von Natur- vorlagen aufgeklebt, so daß diese leicht mit einer Lupe vergrößert und mit dem in größeren Dimensionen gehaltenen Tüllmodell ver- glichen werden können. Um auch ohne Lupe den Vergleich führen zu können, sind außerdem auch Photographien der Tillfigur selbst in gleichem, verkleinertem Maßstabe neben diejenigen der Natur- vorlagen gestellt. Das in dieser Art (Fig. 1) montierte Modell kann von Herrn Forst- aufseher BRAATZ [Hann.-Münden, Zoologisches Institut der Forst-Akademie] bis auf weiteres gegen eine Vergütung von 9 M, geliefert werden. 120 Zitierte Literatur (kein maßgebendes Literaturverzeichnis für das Gesamtthema). BÜTSCHLI, O., „Untersuchungen über Strukturen, insbesondere über Strukturen nichtzelliger Erzeugnisse des Organismus und über ihre Beziehungen zu Strukturen, welche außerhalb des Organismus entstehen“. Leipzig 1898, Mit Atlas von 26 Taf. MEYER, H., „Die Architektur der Spongiosa“ in: Arch. f. Anat. Physiol. usw. (von REICHERT u. DUBoIs) 1867. RAUBER, A., „Lehrbuch der Anatomie des Menschen“. 6. Aufl., v. 1; Leipzig 1902. RHUMBLER, L.: „Das Protoplasma als physikalisches System“ in: Ergebn. der Physiol., Jahrg. 14; p. 474—617; 59 Textfig. Roux, W., „Die vier kausalen Hauptperioden der Ontogenese, sowie das doppelte Bestimmtsein der organischen Gestaltungen“ in: Mitteil. d. naturf. Gesellsch. zu Halle, v. 1; 1911, p. 1—30. Roux, W. (12), CORRENS, C., FISCHEL, A. und KÜSTER, E., „Terminologie der Entwicklungsmechanik der Tiere und Pflanzen“. Leipzig 1912; 405 p. Dritte Sitzung. Mittwoch, den 3. Juni, 9—1 Uhr. Zunächst wurden einige geschäftliche Mitteilungen ge- macht. Herr Prof. Zmerer (Stuttgart) sandte eine Einladung zum Besuch der biologischen Abteilung auf der Hygiene- Ausstellung in Stuttgart. Herr Prof. Hemmer berichtete über die Verhandlungen auf der — letzten Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Wien | über die Frage eines eventuellen Zusammentagens der wissenschaft- lichen Gesellschaften mit der Versammlung der Naturforscher und Ärzte. Herr Prof. Hrınır wurde mit der weiteren Vertretung der Gesellschaft bei den künftigen Verhandlungen über diese Frage beauftragt. Dann folgte die Wahl eines Delegierten für den Ausschuß für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unter- richt an Stelle des Herrn Prof. Cuun. Es wird auf Antrag des Vorstandes beschlossen, Herrn Prof. Dr. v. Hanstem oder Prof. Dr. Marzporrr zu fragen, und falls beide ablehnen sollten, den Schriftführer provisorisch mit der Vertretung der Gesellschaft im Ausschuß zu beauftragen. Für die Wahl des nächsten Versammlungsortes liegen Ein- ladungen des Herrn Prof. Prarz für Jena und der Herren Prof. ZIEGLER, Lampert und Fraas für Stuttgart vor. Auf Antrag des Vorstandes wird beschlossen, für 1915 Jena, oder falls infolge des großen Burschenschafterfestes, das auch Pfingsten 1915 in 121 Jena stattfindet, die Versammlung in Jena nicht stattfinden kann, Stuttgart zu wählen, sonst Stuttgart für 1916 in Aussicht zu nehmen. Auf Antrag des Herrn Prof. Srexerun soll in der Ein- ladung zur nächsten, der 25jährigen Jahresversammlung besonders zum Ausdruck gebracht werden, daß es sich um eine Jubelfeier handelt. Auf Antrag von Herrn Prof. R. Herrwie wird weiter be- schlossen, die Gründer der Gesellschaft zur nächsten Jahresver- sammlung besonders einzuladen. Der Vorsitzende verliest ein Danktelegramm von Herrn Prof. Weismann und ein Begrüßungstelegramm von Herrn Prof. Korscheur. Letzterem wird gedankt. Darauf verliest der Schriftführer den folgenden Bericht des Herausgebers des „Tierreichs“, Herrn Prof. F. E. Scauuze. Seit dem letzten Bericht (Mai 1913) in Bremen sind folgende Lieferungen vom „Tierreich“ fertiggestellt: 35. Lieferung: Turbellaria II. Rhabdocoelida von Prof. L. VON GRAFF in Graz. 504 Seiten, 394 Figuren. 36. & Pteropoda von Dr. J. J. TESCH in Helder. 170 Seiten, 108 Abb. 37. 5 Gymnophiona (Amphibia apoda) von Dr. FR. NIEDEN in Berlin. 41 Seiten, 20 Abb. 38. % Solenogastres von Prof. J. THIELE in Berlin. 67 Seiten, 28 Abb. 39. ri Cumacea von Rev. R. R. T. STEBBING in Tunbridge Wells. 226 Seiten, 137 Abb. 40. x Cyclomyaria et Pyrosomida von Dr. G. NEUMANN in Dresden. 47 Seiten, 19 Abb. Die Lieferungen konnten dank dem Entgegenkommen des Ver- legers wiederum reichlicher mit Abbildungen ausgestattet werden, _ was natürlich ihre Brauchbarkeit beim Bestimmen erheblich erhöht. Ich habe daher einen Zusatz zu dem § 51 der „Redaktionellen Bestimmungen für das Tierreich“ drucken und an die Mitarbeiter versenden lassen, in dem es heißt: „Außer den die Terminologie illustrierenden Figuren ist — wenn nötig — möglichst für jede Gattung ein Übersichtsbild zu geben. Für Arten sind Figuren nur dann zu liefern, wenn schwer zu beschreibende Verhältnisse dadurch klar darzustellen sind. Der Text kann in diesem Falle sehr gekürzt werden, ev. genügt ein Hinweis auf die betreffende Figur.“ Den genannten sechs Lieferungen sind 706 Figuren beigegeben worden. Behandelt sind in den Lieferungen 69 Familien mit 224 Genera und 1055 Spezies. 122 Im Druck befindet sich: 41. Lieferung: Bethylidae von Prof. J. J. KIEFFER in Bitsch. Die Bethylidae sind eine Familie der Proctotrupoidea und um- fassen 1116 Spezies. An diese Lieferung werden sich die übrigen fünf Familien der Proctotrupoidea anschließen, von denen schon die Manuskripte zu den Serphidae (= Proctotrupidae), Calliceratidae (= Ceraphronidae) und Diapriidae vorliegen. Durch das schnellere Erscheinen der Lieferungen und ihre bessere Ausstattung mit Figuren ist zu erhoffen, daß die wissen- schaftlichen Kreise immer mehr Interesse für das Werk als bisher zeigen werden, und daß der Absatz des Werkes dadurch auch eine Steigerung erfahren wird. Herr Dr. J. ScHaxEu (Jena): Rückbildung und Wiederauffrischung tierischer Gewebe. Gerät der noch in seiner gestaltlichen Ausbildung begriffene oder bereits hauptsächlich auf die Betriebsfunktionen beschränkte tierische Organismus in so ungünstige Lebensbedingungen, daß ihm die Fortsetzung der Gestaltungen oder die völlige Aufrechterhaltung seines Betriebes nicht mehr möglieh ist, so muß er nicht sogleich notwendig dem Tode verfallen, sondern er kann, wenigstens für einige Zeit, Entbehrungen und Störungen überdauern, ja sogar in seiner Organisation entstandene Schäden durch besondere Vorgänge wieder beheben. Da jede Art nur in einer bestimmten Umwelt zu leben vermag, die ihr eben das bietet, was sie zu ihren Gestaltungs- und Betriebsfunktionen bedarf, so läßt sich für den speziellen Fall angeben, welche Veränderungen der Realisationsfaktoren den typischen Lebensablauf aufhalten. Allgemein kommen hierfür Sauerstofi- und Nahrungsmangel, Alterationen in der chemischen Beschaffenheit des Mediums, extreme Temperaturen und dergleichen in Betracht. Ferner können an dem Organismus selbst durch Entfernung oder Verlagerung von Teilen hervorgerufene Störungen tiefgreifend genug sein, um seine typischen Leistungen zu sistieren, ohne schon tödlich zu wirken. Man nennt die meist ohne weiteres als atypisch betrachteten Prozesse, die den Organismus nach Störungen wieder dem Typus annähern, Regulationen. Hier befassen wir uns mit regulatorischen Prozessen, die mit einer Rückbildung von Geweben einhergehen und bei denen durch eben diese Rückbildung, zusammen mit eng 123 damit verbundenen Neubildungen, die Wiederherstellung des Typischen geschehen soll. Solche regulatorische Reduktionen werden durch die vorhin genannten Anomalien des Komplexes der Realisations- faktoren und durch die Restitutionen entnommener Teile erheblichen Umfangs veranlaßt. Je nach ihrem Bereich treten die Reduktionen äußerlich mehr oder minder auffällig in Erscheinung. In sehr tief- greifenden Fällen zeigt der in Reduktion begriffene Organismus die Kennzeichen der vita minima. Partielle Reduktionen kommen wohl bei allen Regenerationen vor und spielen auch bei den typischen Metamorphosen eine Rolle. Im Hungerzustande werden nach dem Verbrauch der sogenannten Reservegewebe einzelne Organapparate, z. B. die Kopulationsorgane der Planarien, rückgebildet. Totale Reduktionen, die die gesamte Organisation betreffen, haben sich in mehreren Fällen experimentell erzeugen lassen. Bei Spongien, Hydra, marinen Hydroiden, Ephyren der Scyphomeduse Chrysaora, Bryozoen und Ascidien werden sie durch Einflüsse des Mediums hervorgerufen. Durch Restitutionen, die im Hinblick auf das Wiederherzustellende von sehr unvoll- ständigen Stammstücken ausgehen, veranlaßte Reduktionen sind bei Planarien, Nemertinen und Ascidien beobachtet worden. Was in dem Organismus, der seine typische Organisation verliert und nach einigem Verharren in dem reduzierten Zustande von neuem typische Bildungen zeigt, im einzelnen eigentlich vorgeht, ist wenig aufgeklärt. Im Anschluß an meine der Analysis der ontogenetischen Entwicklung gewidmeten Untersuchungen, die den intrazellulären Vorgängen besondere Beachtung widmen, habe ich die Reduktions- erscheinungen in den Kreis meiner Betrachtungen gezogen. Ich ging dabei von der Erwartung aus, daß für die Beurteilung der im reduzierten Organismus vermuteten Rückbildungen, Umbildungen und Neubildungen der histologische und cytologische Befund Ent- scheidendes liefern würde. Im folgenden teile ich auszugsweise die an der Ascidie Clavelina lepadiformis Mtu., Var. rissoana Eopw. gewonnenen Ergebnisse mit. Clavelina ist historisch und sachlich für das Reduktionsproblem von großer Bedeutung. Aus ihrem Verhalten haben die früheren Untersucher eine ziemlich verbreitete Theorie der Reduktion er- schlossen, die kaum einer anderen als der vom Neovitalismus ver- tretenen Anschauung über die Natur des Lebens sich einfügt. Da diese die einzige eigentlich durchgeführte Reduktionstheorie ge- blieben ist, so muß unser Objekt bei dem an den allgemeinsten Fragen der Biologie Interessierten besondere Anteilnahme finden. 124 Bei Clavelina kommt zudem die Reduktion des gesamten Tieres unter den Einflüssen des Mediums sowie die regulative Reduktion bei der Bildung eines Ganzen aus einem sehr unvollständigen Teil vor. Endlich zeigt diese kleine Ascidie, die in dem nördlichen und südlichen Meere Europas häufig und experimentellen Maßnahmen leicht zugänglich ist, typischerweise Einrichtungen und Vorkommnisse, die wir mit den anscheinend atypischen Phänomenen der Reduktion in die engste Beziehung zu bringen haben werden. H. Demsch (1902b) isolierte den Kiemenkorb der Clavelina und beobachtete, daß durch Sprossung von der Wunde aus die fehlenden Teile in typischer Weise regeneriert wurden. Nicht immer aber wurde dieser anderen bekannten Fällen von Regeneration sich anreihende Restitutionsmodus befolgt, sondern es wurde vielfach „ein Prozeß totaler Rückbildung aller vorhandenen äußeren Organi- sation der Objekte“ beobachtet. Die Kiemenspalten und die Siphonen . verschwinden, die charakteristische weiße Zeichnung des Kiemen- korbes wird immer undeutlicher und weniger präzis und geht all- mählich in eine Weißfärbung des ganzen Gebildes über. „Ein runder, weißer, äußerlich strukturloser Klumpen ist das endliche Resultat dieser ... Vorgänge“ (S. 261). „Von zehn bis zu dreißig Tagen vermögen die zu weißen Klumpen degenerierten Kiemenkörbe der Clavelina zu ruhen. Endlich aber schlägt für jedes Objekt einmal die Stunde der Auffrischung und Verjüngung. Der Prozeß beginnt mit einer Längsstreckung, der eine allmähliche Aufhellung der Masse parallel geht; bald sieht man das Herz schlagen, gewahrt die Örtlichkeit der späteren Kiementaschen und Siphonen vor- — gebildet, die weiße Zeichnung bildet sich aus der allgemeinen Pigmentierung wieder bestimmt hervor, und zum Schluß ist die neue kleine Ascidie fertig. Sie weist stets drei oder vier Kiemen- taschenreihen mit je nur wenig zahlreichen Kiemenspalten auf, während alle beobachteten Objekte ursprünglich sieben bis neun solcher Reihen besaßen“ (S. 262). Drrescu sagt, daß es sich dabei um „eine wirkliche, totale Neubildung“ handelt, die aus dem „total reduzierten“ ursprünglichen Objekt durch einen „Verjüngungs- oder Auffrischungsprozeß“ hervorgegangen ist. Er zeigt weiter, dab zu der Bildung einer Kleinen typischen Ascidie nicht der ganze Kiemen- korb nötig ist, sondern daß die verschiedenartigsten Bruchstücke, nämlich die oberen, unteren oder seitlichen Hälften, dieselbe Ganz- bildung zu leisten vermögen. Außer von der regenerativen Sprossung von der Wundfläche aus und von den regulatorischen Reduktionen berichtet Drssch noch von einem gemischten Restitutionsmodus, der 125 ihm in dem Ineinandergreifen der zwei Arten regulativen Form- geschehens zu bestehen scheint. „Das Objekt beginnt regenerativ; aber offenbar ist die Restitution in dieser Form aus irgendwelchen Gründen nicht durchführbar, und daher hilft es sich weiter durch Reduktion, durch Einschmelzung seiner Organisation, und endet mit allgemeinen Verjüngungsprozessen“ (S. 160). Wie Stücke des Kiemenkorbes verhalten sich nach Deissch (1902 a) beliebige abgetrennte Stücke der röhrenförmigen Stolonen von Clavelina, aus denen typischerweise neue Knospen als seitliche Aussackungen hervorsprossen. Nach der Operation treten starke Schrumpfungen in dem ausgeschnittenen Stolostück sowohl der Länge wie der Breite nach ein. Gleichzeitig verliert das Objekt seine Durchsichtigkeit. Nach einiger Zeit der Ruhe treten am proximalen Ende die ersten Anzeichen einer beginnenden Diiferenzierung auf, als deren endlicher Effekt eine vollkommene kleine Ascidie erscheint. Deissch betont, „daß der geschilderte Prozeß der Umgestaltung eines beliebig gewählten Stolostückes zu einer kleinen Ascidie mit der normalen, seitlich am Stolo geschehenden Knospung der Clave- lina nicht das mindeste zu tun hat: in der Richtung seiner Längs- achse wandelt sich das Stolostiick zur Ascidie um“ (8. 232). Über das, was bei den Restitutionen der Clavelina eigentlich vor sich geht, teilt Drmscn nichts mit, er spricht zwar von der Notwendigkeit eingehender histologisch-genetischer Forschungen, umgeht sie aber mit dem Hinweis auf die besondere Schwierigkeit solcher Untersuchungen, die wegen der individuell äußerst ver- schiedenen Geschwindigkeit der Entwicklung und der Undurch- sichtigkeit der geschrumpften Objekte zu überwinden ist. Um so mehr ist er bereit, das Ergebnis seiner auf den äußeren Verlauf der Vor- gänge beschränkten Beobachtungen im Sinne der ihn beherrschenden Ideen zu verwerten: ,,Clavelina kann so recht als Paradigma har- monisch-äquipotentieller Systeme gelten“ (1902b, S. 27). Es ist ihm der Prototyp dieser begrifflich von ihm umschriebenen morpho- genetischen Systeme, auf deren Differenzierung er zu wiederholten Malen seinen ersten Beweis für die Autonomie der Lebensvorgänge gegründet hat. An den drei Modi der von ihm an den isolierten Kiemenkörben der Clavelina entdeckten regulatorischen Restitutionen (der echten sprossenden Regeneration, der mit totaler Durchgangs- reduktion verbundenen Verjüngung und der Kombination beider) hebt er vor allem ihre Äquifinalität hervor. Bei aller Variabilität in dem Vorgange ihrer Herstellung zeigen die Gestaltungen Konstanz in ihrem harmonischen Endprodukt. Das Ziel, nicht der Weg steht 126 fest. Wir haben es nach Drresch mit dem maschinell nicht faßbaren Wirken der Entelechie zu tun, der Reduktion und Destruktion, Um- differenzierung, Verjüngung und Wiederauffrischung nur Mittel zu dem Zwecke sind, den sie formbildend verwirklicht. Es genügt Derizsch, die Mittel als solche begrifflich zu kennzeichnen; auf die Einsicht in ihre tatsächliche Beschaffenheit verzichtet er. Die Reduktion ist also nur ein Durchgang. „Wir dürfen es wohl mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aussprechen: Zellen, die vor der Reduktion etwas Spezifisches, Funktionierendes waren, sind auch nach der Reduktion ein solches; man müßte denn annehmen, daß alle vor der Reduktion spezifisch gewesenen Zellen total auf- gelöst, nicht nur, daß sie organisatorisch reduziert wären, und daß alle Verjüngung von vorher indifferent gewesenen Zellen ausgehe“ (1902b, S. 276). Driıssca stellt die Prognose, daß eine künftige genaue histologische Untersuchung wohl auf eine „Umdifferenzierung“, auf ein „Hervorgehen von positiven Bildungen aus anderen posi- tiven“, stoßen möchte (S. 276, 285). Diese Umdifferenzierung dürfte vielleicht mit einer der Differenzierung entgegenlaufenden Dedifferen- zierung eingeleitet werden. Driırsca hält es für wahrscheinlich, „daß bei den Entdifferenzierungen des Clavelina-Kiemenkorbes sich an den einzelnen Elementen diejenigen Vorgänge rücklaufend ab- spielen, welche bei ihrer Differenzierung vorwärts verliefen, so dab also alle Elemente als solche bewahrt bleiben“ (S. 285). Mit vor- — sichtigem Zurückhalten wird dem hinzugefügt: „Wir stehen also — nicht an, bis zu einem gewissen Grade die Möglichkeit der Um- kehrung von Formvorgängen an Lebewesen hypothetisch zu be- haupten“ (S. 286). | E. Scauutz (1907) hat Drimscn’s Versuche mit Olavelina wieder- holt und ist zu einer „vollen Bestätigung der Drrescn’schen Befunde“ gelangt, die er dadurch ergänzen will, daß er die von Drissca auber acht gelassenen histologischen Einzelheiten mitteilt. Es muß frei- lich gleich gesagt werden, daß weder aus der textlichen noch aus der bildlichen Darstellung recht klar wird, was eigentlich beobachtet wurde. Auf jeden Fall läßt Scauurz die von Drisscan zurückhaltend geäußerte Hypothese von der umkehrbaren Entwicklung zur Tat- sache werden. „Der Kiemenkorb legt bei der Reduktion, die durch Einschmelzung der Kiemenspalten und Rückbildung der Flimmer- bogen geschieht, den Weg zur Embryonalanlage zurück“ (S. 513). Über Darm, Ganglion, Subneuraldrüse, Flimmergrube, Epikard, Peri- kard und Herz werden weniger präzise Angaben gemacht. Immer- hin wird von der Reduktion der Clavelina im allgemeinen gesagt, 127 daß sie „ein Beispiel umgekehrter Entwicklung und der Rückkehr zu einem früheren Entwicklungsstadium“ bietet (S. 507). Über die intimen Vorgänge der Reduktion erfahren wir zunächst nichts. In einer theoretisierenden, der Bedeutung der umkehrbaren Entwick- lungsprozesse gewidmeten Schrift (1908) sagt Scuunrz unter Bezug- nahme auf Clavelina und andere Beispiele: „Die Zellen dedifferen- zieren sich und differenzieren sich darauf von neuem, aber schon in anderer Richtung und anderen Bahnen“ (S. 20). Was dabei in den Zellen vor sich geht, wird nicht einmal geschildert. Dafür er- halten wir die Aufklärung: „Die rückgängige Entwicklung ist der elementare Grundprozeß, der dieselbe Stelle wie der ontogenetische Entwicklungsprozeß einnimmt, also fürs erste als eine Grundeigen- schaft der lebenden Materie einfach hingenommen werden muß“ (S. 20). Das Vorkommen rückläufiger Entwicklung, die, soweit es sich um experimentell beherrschtes Geschehen handelt, zusammen mit ihrem vorhergehenden und nachfolgenden Korrelat von umkehrbarer Entwicklung zu sprechen erlaubt, würde für die Beurteilung des Lebens überhaupt und vieler biologischer Probleme, im besonderen der ontogenetischen Determination, der Vererbung, der Phylogenesis usw. von großer Wichtigkeit sein. Mir scheint aber das bisher zu- gunsten der rückläufigen Entwicklung von den genannten und anderen Autoren Vorgebrachte den Anforderungen, die an einen so folgen- schweren Nachweis zu stellen sind, nicht zu genügen. Wer die Reversibilität ontogenetischer Prozesse beweisen will, hat die Aufgabe zu zeigen, daß ein Gestaltungsvorgang, der typischer- weise die Stadien a-b-c-d-e...n durchläuft, gezwungen werden kann, von n aus die umgekehrte Folge n... e-d-c zurückzulegen, wobei er allerdings nicht bis a zurückzukehren braucht, sondern schon früher, etwa bei c, Halt machen kann. Die Strecke n-c ist die Rückbildung, an die sich, um nicht nur Umkehrung, sondern Um- kehrbarkeit zu erweisen, die Erneuerung c-n wieder anzuschließen hat. Wo bei der rückläufigen wie bei der wieder vorwärtsgehenden Entwicklung der typischen Entwicklung gegenüber Stadien über- sprungen (Abkürzung des Vorgangs), in ihrer Reihenfolge vertauscht (Heterochronien) oder gar neue Bahnen eingeschlagen werden, ist es notwendig, die besondere Veranlassung solcher Vorkommnisse zu ergründen. In dieser Weise ist der allgemeine Verlauf des Ge- schehens darzustellen, gleichgültig, ob es sich um die Entwicklung und ihre fragliche Umkehrung von ganzen Individuen in bezug auf das Ei oder die Knospe, oder um die Bildung und Rückbildung einzelner Teile in bezug auf ihre Anlagen handelt. 128 Soll nun, wie Drwsscr es für wahrscheinlich hält und Scruurz es behauptet, die Umkehrung der Entwicklung durch reduktive Entdifferenzierung des Differenzierten und Neudifferenzierung des Entdifferenzierten geschehen, so muß die Reversion der typischen histogenetischen Prozesse und die abermalige Histogenesis derselben Elemente in allen Einzelheiten gezeigt werden. In bezug auf ihren Gegenstand unbestimmte Ausführungen über regulative Destruktion, Entdifferenzierung, Wiederauffrischung und Verjiingung sagen nicht nur nichts darüber, ob etwa Umkehrung der Entwicklung statthabe, sondern lassen überhaupt unaufgeklärt, was eigentlich vor sich geht. Wir wollen aber über Zeit, Ort, Quantität und Qualität des fraglichen Geschehens unterrichtet werden, um be- urteilen zu können, ob und inwieweit von der Umkehrbarkeit der Entwicklung durch Rückbildung und Wiederauffrischung der Ge- webe gesprochen werden kann. Weder für die regulative Reduktion von Clavelina noch für ähnliche Vorgänge bei anderen Tieren, auf die wir hier nicht ein- gehen, sind die von uns zu dem Beweise der umkehrbaren Entwick- lung geforderten Angaben gemacht worden. Wir werden sehen, daß diese Unterlassung ihren guten Grund hat. Meine eigenen Versuche mit Clavelina bestehen in der Auf- zucht ganzer Clavelinen aus isolierten Stücken des Körpers und des Stolos und aus den klumpigen Redukten ganzer zur Rückbildung gebrachter Tiere. Die Absicht, histologische und cytologische Untersuchungen auszuführen, versetzte mich in die Notwendigkeit, die bisher nicht eingehend durchforschte typische Histologenese und Histologie durchzuarbeiten. Dadurch und durch die Verfolgung der einzelnen Zellarten, die sich als recht mannigfaltig heraus- stellten, wurde meine Arbeit ziemlich umfänglich. Die Mitteilung der vielen Einzelheiten ist ohne Beigabe zahlreicher Abbildungen nicht möglich. Daß sich die an der Rückbildung und Wiederauf- frischung beteiligten histologischen Elemente gerade in den wesent- lichen Zügen übereinstimmend verhalten, gestattet die Bevorzugung eines Beispieles. Aus denselben Gründen behandeln wir hier von den isolierten Körperabschnitten nur die auch von früheren Unter- suchern wegen der klaren Ausprägung ihres Baues bevorzugte Thorakalregion mit dem Kiemenkorb, und zwar nicht die ganze, sondern Teile, die einhalb bis dreiviertel der distalen Partie ausmachen. Dem äußeren Verlauf nach sah ich die Reduktion der isolierten Kiemenkorbstücke sich so vollziehen, wie Drıssca es schildert. Ich 129 teile nur noch einige ergänzende Beobachtungen mit, die Beziehungen zu den nachher zu schildernden inneren Vorgängen ergeben. Sofort nach der Operation kontrahiert sich die Längsmuskulatur kräftig, wodurch eine Verkürzung und ein mehr oder weniger dichter Ver- schluß des proximal offenklaffenden Kiemendarmes entsteht. Auch die Siphonen schließen sich durch ihre Sphinkter. Auf diese Weise wird der an Volumen bedeutend verringerte Gewebskomplex all- seitig von dem Zellulosemantel umhillt. Im Laufe der ersten Tage nimmt das Volumen des Gewebskomplexes durch Schrumpfung der Linge und der Breite nach-noch mehr ab. Die Durchsichtigkeit des Gebildes geht durch Trübung verloren. Bei den einzelnen Fallen bieibt die freilich verzerrte Gestalt des Kiemenkorbes ver- schieden lange Zeit erkennbar. Von 20-schlieBlich alle völlig reduzierten halben Kiemenkörben eines Versuches ist sie beispiels- weise bei 9 nach 5 Tagen, bei den übrigen nach und nach erst nach 12 Tagen verschwunden. Namentlich Andeutungen der Si- phonen sind oft lange zu sehen. Es wird sich zeigen, inwiefern dieser Umstand auf die von Demsch gemachte Annahme seines gemischten Modus der Restitution (s. S. 125) ein Licht wirft. Schließlich verschwinden die Siphonen immer. Mir ist es nicht vorgekommen, daß wenn überhaupt Reduktion eintritt, auch nach- trägliche im Sinne Deissc#’s (1902 b, p.258), die alten Siphonen als solche in die aus dem Reductum hervorgehende neue Clavelina ein- bezogen werden. Die Gestalt der Reduktionskörper ist die ab- gerundeter Klumpen von kugeliger oder länglicher Form. Zuweilen kommen hantelförmige Gebilde vor, indem zwei rundliche An- schwellungen durch ein dünnes Mittelstück verbunden sind, während eine einheitliche Zellulosemasse das Ganze umschließt. Aus solchen Redukten, die von einem Kiemenkorbstück ihren Ausgang genommen haben, gehen zwei Clavelinen hervor. Im reduzierten Zustande verweilen die Tiere kürzer oder länger. Die äußeren Umstände sind dafür nicht allein ausschlag- gebend; denn unter gleichen Bedingungen nach gleicher Operation ausgesetzte Kiemenkorbstücke, die von derselben Kolonie stammen, verhalten sich doch nicht gleich. Immerhin ist die Beschaffenheit des Mediums von großem Einfluß, indem niedere und hohe Tempe- raturen sowie Sauerstoffmangel den Eintritt der völligen Reduktion beschleunigen und sie andauern lassen und eine von dem natür- lichen Standort des Tieres abhängige optimale Temperatur und Sauerstoffreichtum die Wiederauffrischung herbeiführen und er- leichtern. Die kürzeste Zeit, die ich von der Operation bis zu der Verh. d. Dtsch. Zool. Ges, 1914, 9 130 Bildung einer fertigen Clavelina nach Reduktion beobachtet habe, beträgt 6, die längste 96 Tage. Es ist aber sicher, namentlich bei im ganzen reduzierten Clavelinen, eine noch längere Reduktionsdauer möglich. Ich habe vier Monate ruhende Reducta histologisch untersucht und die Anzeichen gefunden, die wir als die Voraus- setzung der Wiederauffrischung kennen lernen werden. Aus dem Reductum scheint die neue Clavelina sehr rasch hervorzugehen. Die Autoren bewundern daher die Geschwindigkeit des Verjüngungsvorganges. KEinigermaßen wird aber der rasche Verlauf des Prozesses dadurch vorgetäuscht, daß die Betrachtung des lange unverändert bleibenden Äußeren des Reductums nicht offenbart, was in seinem Inneren vor sich geht. Die Reduktion desselben Objektes kann sich mehrmals wieder- holen. Ich habe in einem Falle vier Generationen von Clavelinen durch Isolierung des Kiemenkorbes gezogen. Das vierte Exemplar war eine Kümmerform, die. zum Zwecke der histologischen Unter- suchung konserviert wurde. Die Vorgänge, die sich bei der Reduktion in den Geweben der isolierten Kiemenkörbe abspielen, und sie also eigentlich ausmachen, lassen sich durch die Untersuchung zahlreicher in Längs- und Querschnitte zerlegter Stadien feststellen. Auf alles Technische der Untersuchung soll hier nicht eingegangen werden. Es sei nur gesagt, dab die der folgenden Darstellung zugrunde gelegten Prä- | parate 5 u dicke Schnitte durch Objekte sind, die mit Fremmıne’schem Gemisch fixiert und mit Eisenhämatoxylin und Lichtgrün gefärbt worden sind. Andere Verfahren zeigen Übereinstimmendes. Als Beispiel des Verhaltens typisch differenzierter Zellen bei der Reduktion verfolgen wir die Elemente der Längsmuskelstränge der Leibeswand, die bei Clavelina eine ansehnliche Ausbildung haben. Sie gehen bei der typischen Entwicklung aus Mesenchym- zellen hervor, die sich aneinander lagern und deren fibrilläre Differenzierungen uns in ausgebildetem Zustande als durchlaufende Stränge entgegentreten. Die Fig. 1 zeigt Stücke von Längsmuskelsträngen aus der Kiemenkorbregion unmittelbar nach der Isolation des Kiemenkorbes. Sie befinden sich im Zustande der Kontraktion und sind anscheinend glatt, wenngleich zuweilen, wohl mit dem funktionellen Zustande wechselnd, eine mehr oder minder ausgeprägte Querstreifung vor- kommt. Den Fibrillensträngen liegen die Zellkerne in kleinen Höfen von klarem Cytoplasma an. Sie enthalten einen Nucleolus und spärliches in Flocken auf dem achromatischen Kernnetz ver- 131 teiltes Chromatin. Die Beschaffenheit der Kerne und ihr Lage- verhältnis zu dem fibrillären Differenzierungsprodukt ihrer Zelleiber, das jetzt das beherrschende Kontinuum vorstellt, ist charakteristisch für Zellen, die nach Beendigung der Gestaltungsvorgänge nur mehr Betriebsfunktionen zu leisten haben. Die erste Veränderung, die an den Muskelsträngen des in Reduktion begriffenen Kiemenkorbes wahrzunehmen ist, besteht in einer gewissen Lockerung der Fibrillen. Sie ist kaum durch das Aufhören der Kontraktion veranlaßt, da eine Ausdehnung des isolierten Kiemenkorbstückes überhaupt nicht mehr stattfindet, AR Figur 1. Figur 2. Figur 3, abgesehen davon, daß die zum Vergleiche herangezogenen nicht kontrahierten Fibrillenbündel im Zustande der narkotischen Lähmung fixierter Clavelinen diese Lockerung nicht aufweisen. Mit der fort- schreitenden Lockerung der Bündel geht eine eigentümliche Zer- stückelung der einzelnen Fibrillen einher. Die Zellkerne werden trübe, indem ihr Chromatin staubartig zerfällt. Die Fig. 2 gibt dieses Stadium wieder. Daß es sich um Zerfallserscheinungen handelt, die durch die Auflockerung eingeleitet werden, wird aus dem, was folgt, völlig klar. Die Fibrillenstückchen werden zu körnigen Gebilden, die hintereinander aufgereiht liegen. Wo sich die Fibrillen einander überkreuzend berührt haben, fließen die Körner zu größeren länglichen Klümpchen zusammen. Die Masse g* 132 der ehemaligen Fibrillenstränge hat jetzt sehr an Volumen ver- loren. Die trüben Kerne sind dagegen gequollen und die Be- grenzung des Zelleibes ist auf den freien Seiten und gegen die Fibrillenkörner unscharf geworden (Fig. 3). Schließlich sind die Kerne inmitten der zerfallenen Fibrillen, die ungefähr ihren ehe- maligen Verlauf vermuten lassen, nur noch als chromatische Häufchen zu: erkennen. Die Muskelstränge samt ihren Bildnerinnen sind in zellenlosen, unorganisierten Detritus verwandelt, indem, nach der Reaktion auf Osmiumtetroxyd zu schließen, fettartige Stoffe vorherrschen. Mit dem Zusammenbruch der Form gehen also chemische Veränderungen einher. In dem Muskeldetritus herrscht nicht die Ruhe des Todes, sondern aus der primären Leibeshöhle, die bei den Ascidien von mS N ; tt iy es 3 Poly a rs rg fs N WY § /s N N \ = Y ¢ ? Y er nA ; v a4 i uae ER Russ 28 Di) 3 4 si? Yee’ Ri cone =i 4 I: i& 5 u Figur 4. Figur 5. mannigfachen, freien oder in lockerem Verbande befindlichen Zellen bevölkert wird, gelangen amöboide Wanderzellen dahin. Sie er- weisen sich als Phagocyten und. beladen sich mit den Zerfalls- produkten der Muskeln (Fig. 4). Man findet alle Übergänge zwischen Wanderzellen, deren Zelleib aus schlierigen Substanzen besteht, über solche mit kleineren Körnelungen und größeren Kugeln bis zu den dicht mit Körnern und Kugeln erfüllten. Die Phagocyten räumen ziemlich gründlich mit dem Muskeldetritus auf, so daß sie vollgepfropft in mitten spärlicher Reste angetroffen werden (Fig. 5). Das Zerstörungswerk betrifft nicht nur die Muskulatur, sondern alle Teile des Kiemenkorbes auf große Strecken hin, so daß bald Kiemendarm, Peribranchialräume, Kloakalraum und Leibeshöhle bis zu dem widerstandsfähigeren ektodermalen Epithel unter dem Zellulosemantel in offener Kommunikation miteinander stehen. Überall sind Phagocyten in Tätigkeit, deren Wanderungen die zer- fallenden Gewebe kein Hindernis bieten. Ihr Schicksal ist, nach- 133 dem sie sich mit Gewebsdetritus voll beladen haben, ein sehr eigen- tümliches. Man begegnet in ihnen, soweit man den reduzierten Kiemenkorb auch verfolgt, keinem Fortschritt der Assimilation der in überreichem Maße aufgenommenen Stoffe, die ihre Zelleiber so dicht erfüllen, daß von ihrem eigenen Cytoplasma kaum mehr etwas wahrzunehmen ist. Sie liegen nicht mehr einzeln verstreut allent- halben umher, sondern nähern sich einander, um sich zu mehreren kleinen Häufchen zusammenzulagern. Die fixen Präparate zeigen oft die Stadien der noch zerstreuten und der da und dort einander genäherten, beladenen Phagocyten in großer Zahl. Was die Zellen zu der Vereinigung in Konglommeraten veranlaßt, ist schwer zu sagen. Man mag von Cytotropismus im Sinne W. Roux’s sprechen, um die Erscheinung einem weiteren Begriffe unterzuordnen, ohne aber über die die Annäherung bewirkenden Faktoren etwas Be- stimmtes aussagen zu können. Wahrscheinlich zwingen dieselben Faktoren die Phagocyten zu der Zusammenlagerung, die sie bei dem Vorhandensein kleinbröckeliger Zerfallsprodukte diese auf- Figur 6. Figur 7. Figur 8. nehmen lassen, bei ihrem Fehlen aber die Wanderzellen selbst an- einanderpressen, während ein gegenseitiges Umschließen wegen des gleichen Volumens, ein Zusammenfließen aber zunächst aus inneren Ursachen, etwa durch die Beschaffenheit der Oberfläche, nicht möglich ist. Die Fig. 6 zeigt einen Schnitt durch eine Ansammlung einander genäherter Zellen. Sie zeigen noch die wechselnde Form, die die amöboide Bewegung mit sich bringt. In dem Stadium der Fig. 7 ist bereits eine innige Berührung der Zellen eingetreten. Der ganze Komplex hat ungefähr Kugelform. Die Zellkonturen sind im Inneren durch die gegenseitige Abflachung bestimmt, während die freien Oberflächen abgerundet sind. Der Inhalt der Zelleiber verrät Neigung, zu größeren Tropfen zusammenzufließen. Es ist also eine Verflüssigung des aufgenommenen Detritus in den Vacuolen vor sich gegangen. Die bisher sehr klaren Kerne werden von einer zunehmenden Trübung ergriffen. | 134 Die Kugeln aus Zellen mit trüben Kernen und Zelleibern von fettigem Vacuoleninhalte erfüllen das Reduktum, das außer ihnen der Hauptsache nach nur noch aus ruinösen Gewebsfragmenten besteht, in großer Zahl. Noch ist an ihnen das Zerstörungswerk nicht vollendet. Nach längerem Verweilen in dem eben genannten Zustande schwinden die Zellgrenzen, und die Kerne gehen in den zusammenfließenden Massen unter. Es scheint, daß der Inhalt der Vacuolen die schwachen trennenden Plasmawände durchbricht und so zuerst die einzelnen Zellen, deren Kerne schon in Degeneration begriffen sind, zugrunde gehen. Schließlich wird das Zellgefüge überhaupt aufgehoben. Die Fig. 8 stellt ein solches Gebilde dar, das nicht mehr als lebend betrachtet werden kann. Was später aus seinesgleichen wird, werden wir noch sehen. Das Schicksal der Muskelzellen und der von ihnen gebildeten Fibrillenstränge ist charakteristisch für alle histogenetisch diffe- renzierten Zellen bei der Reduktion. Die genaue Verfolgung der Ganglienzellen und der Fasermasse des Gehirnganglions, der Nervenstränge, der Zellen der Flimmergrube und der Neuraldrüse, der verschiedenartigen Flimmer- und Drüsenzellen des Endostyls, der ekto- und entodermalen Anteile der Kiemenspalten und -bögen, der Peribranchialepithelien, der mannigfachen Abkömmlinge des Mesenchyms, der Zellulose abscheidenden Zellen des Ektoderms und schließlich der lebenden Bestandteile des Zellulosemantels während | | der Reduktion ergibt immer dasselbe, eben die vollständige Auf- lösung der für den Aufbau der Organe differenzierten Gewebe. Immer schreitet die Histolyse bis zum zellenlosen Detritus fort, meist tritt dazu noch Phagocytose und auch die überfütterten Phagocyten verfallen der Degeneration. Was mit Sicherheit für keine Gewebsart beobachtet wird, ist die Umkehrung der histo- genetischen Differenzierung im Sinne der Verjüngung, die indiffe- rente in derselben oder in einer anderen Richtung zu neuen Bildungen befähigte Zellen liefert. Von einem Embryonalwerden irgendwelcher Gewebe im Dienste der rückläufigen Entwicklung kann keine Rede sein. | Die Reduktion als Rückbildung typischer Organisation ist Zerstörung dieser Organisation, und zwar Zerstörung von der Art, die keine Wiederauffrischung mehr duldet und endgültig zum Tode führt. Eine mitunter beträchtliche Anzahl der zu der Reduktion gezwungenen Organismen und Organismenteile geht in der Tat zugrunde, und die Untersuchung der Leichen lehrt, daß sie aus nichts bestehen als aus den beschriebenen Zerfallsprodukten, von 135 denen man wohl auch ohne weitere Verfolgung ihres Verhaltens keine Neubildung mehr erwarten würde. Wenn durch Umdifferenzierung des typisch Differenzierten die Neubildung aus dem Reduktum nicht geschehen kann, weil alles Differenzierte der Destruktion verfallen ist, wie geht dann das Er- wachen des neuen Lebens vor sich? Die Antwort auf diese Frage läßt schon die genaue histologische Durchforschung der ungestörten normalen Clavelina vermuten. Wir finden in den verschiedenartig differenzierten ektodermalen und entodermalen Epithelien und unter den imesenchymatischen Elementen der Leibeshöhle Zellen, die sich von ihren Nachbarn wesentlich unterscheiden, unter sich aber sehr ähnlich sind. So Figur 10. enthalten z. B. die Peribranchialepithelien namentlich in der äußeren Wand des Peribranchialraumes allenthalben zerstreut rund- liche Platten von ungefähr kubischen Zellen, die auf Schnitt- bildern sich deutlich von den gewöhnlichen Epithelzellen abheben. Während diese klein sind, ein körnerreiches Cytoplasma und einen kleinen abgeflachten Kern mit relativ großem Nucleolus aufweisen, sind jene groß, in Kern und Zelleib sehr saftreich, haben ein klares Cytoplasma und einen prallen wenig färbbaren Kern mit einem winzigen Nucleolus. Die Fig. 9 gibt eine solche einschichtige Platte im Querschnitt wieder. Im Entoderm begegnet uns Ähn- liches. Die Fig. 10 zeigt ein Schnittbild durch eine zweischichtige solche Platte, die dem äußeren entodermalen Epithel eines Kiemen- bogens entstammt. Auch hier tritt der Unterschied zwischen den saftreichen großen Zellen und den gewöhnlichen Epithelzellen her- vor. Unter den Zellen der Leibeshöhle entsprechen mäßig ver- zweigte Zellen vom Habitus des embryonalen Mesenchyms und 136 einlagerungsfreie Wanderzellen den genannten epithelialen Platten. Was alle diese Zellen auszeichnet, ist ihre Indifferenz in histo- logischer Hinsicht. Sie gleichen vollkommen den Elementen am Ende der Furchung nach der Formierung der Organanlagen, ehe die in der Produktion von Plasmaderivaten bestehende histogenetische Differenzierung einsetzt. In der typischen Entwicklung aus dem Ei oder der Knospe sind sie an die Orte, an denen sie sich jetzt befinden, gelangt und undifferenziert geblieben, während um sie her die Histogenesis vor sich gegangen ist. Sie sind Reservezellen im vollen Sinne des Wortes. Von ihnen nehmen die Neubildungen ihren Ausgang, wenn bei der Reduktion alles Differenzierte zu- srunde geht. Nicht alle Reservezellen eines isolierten Thorakalabschnittes der Clavelina leisten die Neubildung. Das allseitig in differenziertes (Gewebe eingeschlossene indifferente Material teilt meist das Schicksal der Degeneration seiner Umgebung. Nur in den Reservaten in der Nähe der durch den Schnitt erzeugten Wunde sind bald nach der Operation Veränderungen zu bemerken. Während die Zellen bisher in Teilungsruhe verweilt haben, setzen hier jetzt Zellteilungen ein. Es erfolgt eine lebhafte Vermehrung der indiffe- renten Zellen eines jeden Keimblattes. Als auslösender Faktor für ihre Aktivierung ist wohl die Aufhebung der Nachbarschafts- wirkungen (W. Roux) anzusehen, die durch die Operation ver- anlaßt wird. Indem die ruhenden Reservezellen von den sie um- grenzenden Geweben auf einer Seite befreit werden, wird ihnen Gelegenheit gegeben, ihre Potenzen nach dieser Seite hin zu ent- falten. Auf diese Weise wachsen von den angeschnittenen oder dem Wundrande benachbarten Reservaten des Entoderms und des Ektoderms Proliferationen aus, von denen die gleichartigen sich unter sich vereinigen. Die über der Wunde sich ergebende Neu- bildung besteht daher aus einem entodermalen und einem ektoder- malen Blatte, zwischen denen sich indifferentes Mesenchym reichlich ansammelt. Betrachtet man den in Umbildung begriffenen, isolierten Kiemenkorb bei durchfallendem Licht, so ist der distale in destruk- tiver Rückbildung befindliche Teil undurchsichtig oder trüb, während die Region der Neubildungen hell und durchscheinend ist. Es be- stehen weitgehende individuelle Unterschiede insofern, als bald die Neubildung gleich nach der Operation eine gewisse Mächtigkeit erreicht und die Destruktion des Differenzierten gleichsam erst nach sich zieht, bald zuerst alles Vorhandene zerstört wird und 137 erst dann die Neubildungen einsetzen. Drrmscn’s „gemischter Modus der Restitution“ (siehe S. 125) ist; wohl auf den ersten Fall zurück- zuführen. Tatsache ist jedenfalls, daß immer eine totale Destruk- tion der differenzierten und eine totale Neubildung aus indifferenten Zellen statthat. Da es vom Zufall abhängt, in welchem Maße der operative Schnitt Lager von Reservezellen bloßlegt, und so ihre Aktivierung auslöst, werden manche Objekte rascher zu Neu- bildungen gelangen als andere. Es liegt also nicht eigentlich an einer individuellen Disposition zu langsamer oder beschleunigter Neubildung, sondern die Operation schafft zufällig eine günstige oder eine ungünstige Ausgangssituation. Figur 11. Über den Verlauf der Gestaltungsvorgänge in ihren Einzel- heiten orientieren Längs- und Querschnitte. Die Fig. 11 zeigt das ‘ proximale Ende eines Längsschnittes durch das Stadium, in dem die aus den Reserven auswachsenden Proliferationen epithelialen Zusammenschluß gefunden haben. Die in Vermehrung begriffenen indifferenten Zellen sind vor den degenerierenden differenzierten Geweben durch ihr klares Plasma ausgezeichnet. Die zu einer kuppenförmigen Bildung gediehene entodermale Partie hat von den Reservaten angeschnittener Kiemenbögen ihren Ausgang genommen, während die ektodermale Partie der Leibeswand entstammt. Zwischen Ektoderm und Entoderm finden sich zahlreiche Mesenchymzellen mit anastomosierenden Ausläufern, Phagocyten und Blutzellen. Distal- 138 wirts liegen die zerfallenden Gewebe des Kiemenkorbes, in denen die Zellen nur noch undeutlich gegeneinander abgegrenzt sind. In der Leibeshöhle begegnet man den Stadien der phagocytären Riick- bildung. Im Ektoderm sind die Mantelbildner noch ziemlich gut erhalten. Der Zellulosemantel selbst weist kaum Veränderungen auf. Der ektodermalen Neubildung liegt er nicht wie sonst dem Ekto- derm an, sondern ist darüber abgehoben. Er ist auch nicht das Produkt dieses noch nicht sezernierenden Ektoderms, sondern der alte über der Schnittwunde zusammengeschlossene Mantel. Figur 12, Als bedeutungsvolles Stadium der Neubildung betrachten wir jenes, das aus zwei an beiden Enden geschlossenen Röhren besteht, von denen die innere entodermale von der äußeren ektodermalen umschlossen wird. Den Raum zwischen den beiden Röhren nimmt das Mesenchym und der Detritus der rückgebildeten Gewebe ein.- Oft sind die Röhren nicht viel länger als weit, so daß von fast kugeligen Blasen gesprochen werden kann. Die Fig. 12 zeigt einen Querschnitt durch ein solches Gebilde. Bei der auf das 139 Äußere beschränkten Betrachtung wird man es noch als „Reduktum“ ansprechen. Es ist aber viel mehr als ein Stadium der Rückbildung; denn wir kennen es ja als die gleichzeitig mit oder nach der Rück- bildung vor sich gegangene Neubildung. Die wenigen indifferenten Zellen, die es durch fortgesetzte Teilung gebildet haben, ohne dabei ihr Volumen zu verringern, bedürfen natürlich der Ernährung, und wir müssen annehmen, daß ihnen die fettig degenerierten Gewebe der Kiemenkorborganisation die benötigte Nahrung liefern. Über die Physiologie der wohl während des Teilungswachstums vor sich gehenden Nahrungsaufnahme und -assimilation können wir Keine Angaben machen. Das letzte beobachtete Stadium der Phagocyten- degenerate (Fig. 14) spricht für eine Verflüssigung dieser Gebilde. Die dreischichtige Blase (Ektoderm, Mesenchym, Entoderm), mit der wir bei der Betrachtung der Neubildung Halt machen, gleicht in allen wesentlichen Zügen einer Bildung, die in der typischen Entwicklung der Clavelina eine bedeutsame Rolle spielt. Die Clavelina vermehrt sich bekanntlich auf ungeschlechtlichem Wege dadurch, daß das aus dem befruchteten Ei hervorgegangene Oozooid Ausläufer, die Stolonen, treibt, aus denen durch Knospung die Blastozooiden sprossen. Der Stolo zeigt an den Stellen, wo er sich zu der Bildung einer Knospe anschickt, morphologisch, histo- logisch und cytologisch dieselbe Zusammensetzung wie die bei der Reduktion von uns beobachtete Neubildung. Die Fig. 13 stellt einen Querschnitt durch den zylindrischen Stolo prolifer dar. Unter dem Zellulosemantel liegt das Ektoderm, das außer den Zellulose absondernden Zellen mit sekretführenden, spitzen Ausläufern auch rundliche undifferenzierte Zellen aufweist. Bei der neugebildeten Blase, die noch keinen eigenen Mantel abgeschieden hat, besteht das Ektoderm nur aus solchen undifferenzierten Zellen. Das Mesen- chym beider Gebilde stimmt völlig überein. Es kommen sogar in der Höhlung des typischen Stolos häufig Konkremente degenerierter Gewebe vor. Das Entoderm des Stolos, das sogenannte Stoloseptum, ist zwar im auswachsenden Stolo keine Röhre mit deutlichem Lumen, in der Knospenbildungsregion aber formt es sich zu einer geschlossenen Aussackung um. Mit der dreischichtigen Blase nach der Reduktion von Kiemen- korbstücken und der typischen Knospenanlage am Stolo prolifer zeigt noch ein Drittes übereinstimmenden Bau, nämlich dasjenige Gebilde, das als Formierung aus der „Reduktion“ eines ausge- schnittenen Stolostückes hervorgeht. Letzteres erweist sich als nichts anderes als eben eine Knospenanlage, die ausdauert und 140 weiterwächst, während der Rest des Stolostückes zugrunde geht, alle drei genannten Gebilde haben dieselbe Zusammensetzung und dieselbe Herkunft. Sie sind in jedem Fall die Bildungen be- stimmender indifferenter Zellen. Wie kaum anders zu erwarten, stimmen sie auch in ihrem weiteren Verhalten überein. Die beiden Epithelien samt der Zwischenschicht lassen die Organe der Clave- lima in der für die Entwicklung aus der Knospe typischen Weise entstehen. Auf die Schilderung der Bildung der Anlagen Figur 13. im einzelnen muß bei der hier gebotenen Kürze der Darstellung vorläufig verzichtet werden. Es sei nur wieder auf unser schon bei der Besprechung der Destruktion herangezogenes Beispiel der Längsmuskelstränge der Leibeswand verwiesen, um zu zeigen, dab auch die histogenetische Differenzierung in der Neubildung durch- aus typisch verläuft. Nach der vorausgehenden Chromatinanreiche- rung in dem Kern, sondert sich in den peripherischen Teilen der spindelförmig gewordenen Zellen dichtes Plasma zu parallel ver- laufenden Fibrillen. Die sich mehr und mehr ausstreckenden Spindelenden enthalten fast nur mehr fibrillär differenziertes Plasma. 141 Schließlich durchsetzen die Fibrillen auch die zentralen Partien der Zellen und verschweißen an den auslaufenden Enden miteinander, so daß das durchgehende Kontinuum die Grenzen der Bildnerinnen aufhebt. Die Fig. 15 zeigt ein mittleres Stadium der Myogenese. Ein Vergleich mit dem inzwischen bis zur Verflüssigung gelangten Degenerat der differenzierten Zellen der Kiemenkorborganisation (Fig. 14) lehrt, daß kein genetischer Zusammenhang zwischen den rückgebildeten Geweben und den nunmehr in Histogenesis begriffenen bestehen kann. Erwähnt sei, daß bei der Neubildung von Clavelinen aus Bruchstücken der Thorakalregion und aus Stolostücken zuweilen nicht eine, sondem zwei, bei Stolostücken eventuell sogar mehr Ganz- bildungen hervorgehen. Dergleichen kommt da- durch zustande, dab zu- fällige Einschnürungen oder Zerreißungen des so nochmals geteilten Stückes eine oder mehrere Knospenan- lagen entstehen lassen. Die Reduktion gan- ae zer Clavelinen wird Figur 14. Figur 15. durch extrem hohe oder tiefe Temperaturen herbeigeführt. Sie tritt im Hafen von Palma de Mallorca, dem meine Objekte entstammen, Anfang Juli als Ein- leitung einer Sommerruhe regelmäßig ein. Durch eine Temperatur von ca. 26° C habe ich sie jederzeit herbeiführen und durch Ver- meiden einer Temperatur von mehr als 20° C ihren Eintritt verhindern können. Daß niedere Temperaturen ebenfalls reduzierend wirken, zeigen. die Angaben von H. Krrz (1908) über die Überwinterung der Clavelinen der nördlichen Meere. Die Reduktion der ganzen Olavelina besteht in einer völligen Zerstörung der Organisation bis auf die Herde von Reservezellen, die sich am Fußende da befinden, wo das Tier mit dem alle Individuen der Kolonie verbindenden Stolo verwachsen ist, also der Stelle seiner eigenen Knospung, wenn es sich um ein Blastozooid handelt. Es bleibt wie bei dem isolierten Stolostück eine Knospenanlage erhalten. Außer den typischen dreischichtigen ruhenden Anlagen finden sich auch ekto- dermale Blasen, die nur fettigen Detritus, ein wenig Mesenchym und kein Entoderm enthalten. Es scheint mir zweifelhaft, ob aus 142 ihnen noch irgend etwas werden wird. Sie sind wohl unvollständige Bildungen, denen eine Weiterentwicklung nicht möglich ist. Uberblicken wir das, was wir über die die Rückbildung und Wiederauffrischung der Gewebe und über die die Umbildung der ‚Organisation bewirkenden Vorgänge festgestellt haben, so ergibt sich folgendes: Bei der Reduktion von Stücken des Körpers oder des Stolos der Clavelinen und von ganzen Tieren wird die aus histogenetisch differenzierten Geweben bestehende Organisation vollständig zerstört, indem die Gewebe auf dem Umweg der Phagocytose oder gerade- wegs der histolytischen Degeneration verfallen. Gelegentlich der Destruktion des Differenzierten werden die bei der typischen Onto- oenesis indifferent gebliebenen Zellkomplexe von den Nachbarschafts- wirkungen befreit und ihnen die bisher aufgehaltene Weiterentwick- lung ermöglicht. Es kommt zu der Bildung einer typischen Knospen- anlage aus drei in sich indifferenten Zellschichten, die in durchaus typischer Entwicklung die Bildung der neuen Clavelina leisten. Auf diesen Tatsachenbestand zurückgeführt, verlieren die Um- bildungen der Clavelina und ihrer Teile das Wunderbare und Selt- same, das den Erscheinungen bei der bloßen Betrachtung ihres äußeren Verlaufes anhaftet. Von höchster Bedeutung ist vor allem die Erkenntnis, daß, was auch geschieht, die Grenzen des Typischen nicht überschritten werden, also der Organismus nicht mehr leistet, als seine ursprüngliche Determination in sich begreift. Atypisch ist eigentlich nur die vorzeitige Vernichtung unvollständiger Orga- nisation bei der Reduktion der Bruchstücke und ganzer Organisa- tionen bei erheblicher Störung der Realisationsfaktoren. Gerade diese von außen induzierten, nicht durch im Organismus selbst ge- legene Faktoren bewirkten Atypien veranlassen die typisch vor- gebildeten Reserveanlagen zu der eigenen typischen Bildung. Von einer eingehenden theoretischen Verwertung des Falles Clavelina soll hier abgesehen werden. Sie kann vorteilhafter zu- sammen mit den gleichsinnigen Ergebnissen von Versuchen an an- deren Objekten und im Rahmen einer Theorie der ontogenetischen Determination, die sich auf breiter Basis erhebt, vorgenommen werden. Wir begnügen uns mit kurzen Andeutungen in Rücksicht auf die eingangs genannten Ansichten jener Autoren, die sich auf die erst jetzt einigermaßen durchschauten Vorkommnisse bei Clavelina stützen. | Mit Sicherheit in Abrede zu stellen ist die von E. Scauurz angenommene Umkehrung oder gar Umkehrbarkeit des Entwick- 143 lungsgeschehens. Wo das, was an Organisiertem vorhanden ist, nicht nur in der speziellen Organisation schlechthin zerstört, sondern auch das aufbauende Material einfach aufgelöst wird, wird niemand von „rückläufiger Entwicklung“ als einer „elementaren Grund- eigenschaft der lebenden Materie“ sprechen wollen. Im besonderen gibt es keine Entdifferenzierung bereits einmal in irgendeiner Richtung histogenetisch differenzierter Zellen. Gerade die genaue Verfolgung der reduktiven Prozesse bei Clavelina bestätigt aufs neue die Einsinnigkeit und Spezifität aller auf der Produktion von Plasmaderivaten beruhenden Differenzierungen, die die cytologische Analysis der Entwicklungsvorgänge schon früher gelehrt hat. Wie die Entwicklung der Einzelzellen eine durchaus einsinnige ist, ist es auch die der von ihnen aufgebauten Gewebe, in denen wir nichts als eben den Effekt des Zusammenwirkens der Einzelzellen sehen können. Der Fall Clavelina kann nicht als die Verjüngung eines ge- alterten Individuums oder eines ausgebildeten Teiles eines solchen betrachtet werden. Eine unfaßliche Individualität wird überhaupt nicht über die Reduktion hinaus erhalten, namentlich da nicht, wo aus einem Reduktum mehr als eine Ganzbildung hervorgeht. Es handelt sich vielmehr um die Zerstörung eines Individuums und die Bildung eines oder mehrerer neuer Individuen aus dafür prä- disponiertem Material, sozusagen um einen Fortpflanzungsakt, wie wir ihn in der Knospung vor uns haben. | Mit der Aufgabe der Individualität erledigt sich auch die Frage der Polarität; denn es hängt von Zufälligkeiten ab, welche Lage die Formierung der Reservezellen in bezug auf die vorher bestehende Organisation einnimmt. Nach unseren Untersuchungen sind weder die ganze Clavelina, noch ihre einzelnen Körperabschnitte, noch der Stolo harmonisch- äquipotentielle Systeme im Sinne von H. Deısscnh. Damit sind aber seine an die Existenz solcher Systeme geknüpften Schlüsse noch nicht widerlegt. Er wird jetzt vielmehr die drei Schichten der aus indifferenten Zellen formierten Blase als eine Dreiheit in sich harmonisch-äquipotentieller Systeme ansehen. Sein bevorzugtes Paradigma verliert dadurch zwar an Großartigkeit, bleibt aber doch noch brauchbar. Bedenklicher ist, daß von Äquifinalität, von der Variabilität der gestaltenden Wirkungen bei der stets folgenden Konstanz im harmonischen Effekt, nicht mehr gesprochen werden kann; denn wir haben gesehen, daß es sich immer nur um typisches, einsinnig determiniertes Geschehen handelt. Wir sind allerdings 144 augenblicklich nicht in der Lage, den Determinationskomplex der Clavelina- Entwicklung restlos in seine Kinzelfaktoren aufzulösen. Wenn wir uns aber daran erinnern, daß wir in der frühesten Onto- genesis bei der Entwicklung aus dem Ei, nämlich in der Furchung und der sich daran anschließenden Formierung der Organanlagen, ein in sukzessiven Akten determiniertes Geschehen erkannten, also die von Drissch für seine „Elementarorgane“ gemachte Annahme harmonisch-äquipotentieller Systeme als unhaltbar nachweisen konnten, werden wir bei der Entwicklung aus der Knospe der Be- hauptung harmonisch-äquipotentieller Systeme mit äußerster Skepsis begegnen. Wir werden es jedenfalls für ein gewagtes Spiel halten, wenn das vorläufige Unterbleiben der Analysis als Kennzeichen der Unauflösbarkeit angesehen und mit solcher Begründung der Vita- lismus proklamiert wird, ein Verfahren, das sich schon einmal, eben für die Furchung, als folgenschwerer Irrtum herausgestellt hat. Nachwort: Die Experimente mit Olavelina wurden zusammen mit anderen ähnlicher Art nach in der Stazione zoologica zu Neapel angestellten Vorversuchen in dem Laboratorio biolögico-marino zu Porto-Pi bei Palma de Mallorca (Balearen) ausgeführt. Herr Opon pr Burn, Professor an der Universität Madrid, hatte mir in der von ihm errichteten und mit allen Forschungsmitteln ausgerüsteten Anstalt von April bis September 1913 ein Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt. Ihm und den anderen spanischen Freunden, die der sprich- wörtlichen Gastfreundschaft ihres Landes alle Ehre machten, bleibe ich zu verbindlichem Danke verpflichtet. Wegen aller Einzelheiten der Anordnung und der Ausführung der Versuche, der Verarbeitung des experimentell gewonnenen Materials und der theoretischen Verwertung der Ergebnisse im Zusammenhang mit den in der Literatur vorliegenden Angaben anderer Autoren sei auf spätere Publikationen verwiesen. In dem vierten Teil meines Versuchs einer cytologischen Analysis der Ent- wicklungsvorgänge findet sich bereits manches auch hier Ein- schlägige und vorläufige kurze Bemerkungen sind in dem Vortrag zur Kritik des Neovitalismus gemacht. Zu den hier gegebenen Abbildungen sei gesagt, daß die Fig. 1—10 und 14, 15 bei der mit der homogenen Apochromat- immersion n. A. 1,3, 2 mm und dem Kompensationsokular 12 von Cart Zeiss erzielten Vergrößerung auf der Höhe des Objekttisches 145 gezeichnet und in der Originalgröße reproduziert sind. Die Fig. 11 bis 13 sind mit dem Objektiv D und dem Okular 4 gezeichnet und bei der Reproduktion auf zwei Drittel der Originalgröße verkleinert worden. Literaturverzeichnis. DRIESCH, H., 1902a, Uber ein neues harmonisch-aequipotentielles System und über solche Systeme überhaupt, in: Arch. Entw.-Mech., Vol. 14. — 1902b, Studien über das Regulationsvermögen der Organismen. VI. Die Restitutionen von Clavellina lepadiformis, in: ibid., Vol. 14. Kers, H., 1908, Biologische Beiträge zur Frage der Überwinterung der Ascidien, in: Arch. mikrosk. Anat., Vol. 71. SCHAXEL, J., 1912—14, Versuch einer cytologischen Analysis der Entwicklungs- vorgänge. I—III, in: Zool. Jahrb., Anat., Vol. 34, 35, 37; IV, ibid., Physiol., Vol. 35. — 1914, Zur Kritik des Neovitalismus. Jenaische Zeitschr. Naturw., Vol. 52. ScHuLtz, E., 1907, Über Reduktionen. III. Die Reduktion und Regeneration des abgeschnittenen Kiemenkorbes von Clavellina lepadiformis, in: Arch. Entw.-Mech., Vol. 24. — 1908, Über umkehrbare Entwicklungsprozesse, in: Vortr. u. Aufs. Entw.-Mech., hrsg. v. W. Roux, H. 4. Diskussion: Herr Prof. Hrıpkr. Herr Prof. Herzsr bestreitet, daß die vom Vortragenden mit- geteilten Tatsachen die Existenz harmonisch-äquipotentieller Systeme bei Tunicaten und Echinodermen irgendwie in Frage stellen. Herr Prof. Seemann: Herr Scoaxen verwechselt nach meiner Ansicht den Begriff resp. das Problem des harmonisch-äqui- potentiellen Systems mit den Schlußfolgerungen, die Drwsca daran knüpft. Man kann die letzteren ablehnen und doch in dem ersteren ein Grundproblem der Entwicklungsphysiologie erblicken. Herr Dr. Schaxeu verweist wegen der die Furchung betreffenden Versuche, ihrer Ergebnisse und der seiner Meinung nach daraus folgenden Beurteilung der Drisscn’'schen Begriffe auf seine diese Gegenstände betreffende ausführliche Publikation. Herr Dr. A. Tatenemann (Münster i. W.): Die Notwendigkeit der Begründung eines Institutes für die Hydrobiologie der Binnengewässer. Vor drei Jahren erstattete Wıraeım Rovx für die Kaiser- Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften ein „Gut- achten über dringlich zu errichtende Biologische Forschungsinstitute, insbesondere über die Errichtung eines Institutes für Entwicklungs- Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 10 146 mechanik“!). Wenn nach ihrem Programme es Aufgabe der Kaiser- Wilhelm-Gesellschaft ist, wissenschaftliche Forschungsinstitute zu errichten und zu unterhalten, die nötig sind, um Deutschlands wissenschaftliche Stellung zu wahren, so handelt es sich, wie Roux im Beginn. seines Gutachtens ausführt, dabei um zwei (gruppen von wissenschaftlichen Disziplinen: einmal um solche, „in denen Deutschland an der Spitze steht und in Gefahr ist vom Auslande überholt zu werden, oder um Disziplinen, in denen Deutschland an der Spitze stand und schon überholt worden ist“; zweitens aber verdienen nach Rovux’s Meinung solche Förderung „vor allem neue Disziplinen, welche bereits Wichtiges geleistet haben, von denen aber noch viel zu er- warten ist“. Eine solche neue Disziplin, die bereits Wichtiges geleistet hat, von der aber noch viel zu erwarten ist, ist die Hydro- biologie : Die Errichtung eines Institutes für die Hydrobiologie, speziell der Binnengewässer, 715% dringend notwendig, wollen wir Deutschen nicht von anderen Nationen — vor allem den Amerikanern — in unserer Wissenschaft in kurzer Zeit überflügelt werden! Vor kurzem habe ich dies in einem Aufsatze über „Hydro- biologie als selbständige Wissenschaft und die Gründung einer Anstalt für die Hydrobiologie der Binnengewässer“?) eingehend auseinandergesetzt; es würde von ganz besonderem Werte für meinen Vorschlag sein und ihn der Verwirklichung schon ein gut Stück näherbringen, wenn die offizielle Vertretung der deutschen Zoologen, die Deutsche Zoologische Gesellschaft, sich meinen Ausführungen anschließen und, wenn möglich, eine entsprechende den maßgebenden Stellen zuzusendende Resolution fassen wollte. Meine programmatischen Auseinandersetzungen liegen Ihnen in Sonderabzügen hier vor; auf ihren Hauptinhalt möchte ich indessen hier doch noch einmal wenigstens zum Teil eingehen, um so mehr, als seit der Ausgabe der Sonderabzüge ein ziemlich lebhafter Brief- ') Gedruckt als Heft XV der Vorträge und Aufsätze über Entwicklungs- mechanik der Organismen. Leipzig 1912. 2) Int. Revue d. ges. Hydrobiol. und Hydrograph. Bd. VII. Vgl. hierzu: ZACHARIAS, Neue Ziele und Aufgaben der Gewässerbiologie. Archiv f. Hydrobiol. u. Planktonkunde IX. 1914, p. 389—410. | FRANZ, Zum Plan eines Forschungsinstitutes für Hydrobiologie. ibid, p. 503—51l. 147 wechsel mir manche Einzelheit in eine neue und andersartige Be- leuchtung gerückt hat. Die Hydrobiologie ist eine neue Disziplin: mit F. A. Forsr’s und Weısmann’s Forschungen im Süßwasser, mit der Heimkehr der Challengerexpedition von der Hochsee beginnt das Interesse weiterer wissenschaftlicher Kreise sich ihr zuzuwenden, und die Klärung und Vertiefung ihrer Probleme in den letzten zwei Jahrzehnten, besonders aber in den allerletzten Jahren hat _dargetan, daß die Hydrobiologie auch ein durchaus selb- ständiger Zweig an dem großen Baume der biologischen Wissenschaft ist. Wie Tscuutox!) kürzlich gezeigt hat, findet die biologische Wissenschaft, die sich auf sich selbst besinnt, sieben Fragen, die in bezug auf den Organismus beantwortet sein müssen, damit unser rein wissenschaftliches Interesse sich vollständig befriedigt fühlt; und so lassen sich auch sieben selbständige Hauptdisziplinen inner- halb der großen Wissenschaft vom Leben unterscheiden: 1. Die Verteilung der Organismen auf Gruppen nach dem Grad ihrer Ähnlichkeit (Klassifikation oder Taxonomie). 2. Die Gesetz- mäßigkeiten der Gestalt (Morphologie). 3. Die Lebensvorgänge in den Organismen (Physiologie). 4. Die Anpassungen der Organismen an die Außenwelt (Ökologie). 5. Die Verteilung der Organismen im Raume (Chorologie). 6. Das zeitliche Auftreten der Organismen in der Erdgeschichte (Chronologie). 7. Die Herkunft der organischen Wesen (Genetik). Der vierte dieser sieben völlig inkommensurablen materiellen Gesichtspunkte der biologischen Forschung, der 6ko- logische, behandelt die Beziehungen der Organismen zueinander und zu ihrem Aufenthaltsorte, zum Medium; Grundbegriff der Ökologie ist die Anpassung, oder, wenn man lieber will, die Lebenserhaltung. Unter den biologischen Instituten, deren Errichtung Rovx in seinem Gutachten nach dem Institut für Entwicklungsmechanik ‘empfiehlt, befindet sich (p. 22) auch eine Anstalt „für die Ermitt- lung der Wirkung der äußeren Lebensbedingungen“, d. h. also ein allgemein ökologisches Institut. Wenn ich hier nur die Begründung einer Anstalt für Hydro- biologie, also für das Ökologische Studium der Wasserorganismen 1) TSCHULOK, Das System der Biologie in Forschung nnd Lehre. Jena 1910. Vgl. auch: TscHULoK, Logisches und Methodisches. In ARNOLD LANG’s Handbuch der Morphologie der wirbellosen Tiere. Bd. 2. Auch separat als Züricher Habilitationsschrift. Jena 1912. 10* 148 empfehle, so liegt der Grund vor allem darin, daß eine Geobiologie, d. h. eine eigene Wissenschaft, die die Wirkung terrestren Lebens im Gegensatz zum Aufenthalt im Wasser auf die Organismen erforscht, zurzeit nicht existiert. Sımroras geistvolles Buch über „die Entstehung der Landtiere“ bedeutet einen ersten und einzigen Versuch in dieser Richtung. Es lassen sich auch Gründe genug angeben, aus denen heraus sich die Bevorzugung der Wasser- organismen gegenüber ihren Geschwistern auf dem Lande bei ökologischen Studien sachlich verstehen läßt. [In meinem Aufsatz über „Hydrobiologie als selbständige Wissenschaft“ habe ich sie angeführt, so daß ich mich hier mit einem Hinweis darauf be- snügen kann.| Hydrobiologie ist also nicht etwa nur „Wasserzoologie“ oder „Wasserbotanik* im allgemeinen, sondern die Wissenschaft von den Besonderheiten der Organismenwelt des Wassers, die als An- passungen an die Besonderheiten des Mediums, des Wassers erscheinen. Die Hydrobiologie versucht also spezifische Form und Leben, sowie die Verteilung der Pflanzen und Tiere des Wassers aus den besonderen Lebensbedingungen, die das Wasser im Gegensatz zum Lande bietet, zu verstehen. So definiert aber ist die Hydrobiologie eine in ihren Zielen durchaus selbständige Wissenschaft oder zum mindesten ein selbständiger Zweig der allgemeinen biologischen Wissenschaft. Vor 26 Jahren trat Orro ZacHarias zum erstenmal mit einem „Vorschlag zur Begründung von zoologischen Stationen behufs Erforschung der Süßwasserfauna“') an die Öffentlichkeit. In zahl- reichen Publikationen hat er das Interesse weiter Kreise für die limnologische Forschung geweckt und schließlich ja auch die staatliche Unterstützung seiner Station am Plöner See erreicht. Aber nicht allein die Wichtigkeit der zu behandelnden wissenschaftlichen Fragen gab den Ausschlag für die Bewilligung von Geldmitteln seitens der Behörden; nein neben, oder vielleicht sogar vor dem rein wissen- schaftlichen Interesse mußte immer wieder der Nutzen hervorgehoben werden, den die Praxis von einem solchen Institute haben könne. Sei es nun die fischereiliche Ausbeutung unserer Binnengewässer, für deren Verbesserung eine derartige Station durch ihre Studien wertvolle wissenschaftliche Grundlagen schaffen konnte, sei es die Praxis des naturkundlichen Unterrichtes, dem sich in den Süßwasser- organismen, speziell den planktonischen, ein stets leicht erreichbares 1) Zoolog. Anzeiger 1888. Nr. 269. 149 und bequem zu verarbeitendes Material für biologische Demonstrationen und Übungen darbot. Ich halte es nicht mehr für nötig, ausdrücklich und ausführlich auf die Wichtigkeit der hydrobiologischen Forschung für die Praxis einzugehen. Was sie in dieser Hinsicht leisten kann, hat sie in den letzten Jahrzehnten hinreichend gezeigt; es sei nur an die Erfolge der internationalen Meeresforschung, an die vielseitigen fischereibiologischen Studien im Süßwasser, an den Ausbau der sog. biologischen Wasseranalyse usw. erinnert. Die Zeiten haben sich geändert: auch den rein wissenschaftlicher Forschung ferner stehenden, in der Praxis des staatlichen Lebens führenden Persönlichkeiten ist es voll bewußt geworden, daß eine jede Erweiterung und Ver- tiefung der rein theoretischen naturwissenschaftlichen Forschung auch ohne weiteres eine wesentliche Förderung der angewandten Disziplinen und damit der Praxis selbst bedeutet. Darum kann ich mich hier darauf beschränken, auf die wissen- schaftliche Bedeutung der Hydrobiologie hinzuweisen. Wissenschaftlich wichtig und bedeutungsvoll aber wird ein jeder biologischer Forschungszweig dann, wenn er uns hineinführt in die Tiefe der Probleme des Lebendigen! Indessen: es hieße Eulen nach Athen tragen, wenn ich Ihnen, meine Herren, die Sie mitten im Getriebe des wissenschaftlichen Lebens stehen und die qualitativ wie quantitativ, extensiv wie Intensiv so stattlichen Leistungen verfolgen, die die zoologische und. biologische Forschung überhaupt, fast möchte man sagen, tag- täglich aufzuweisen hat, hier etwa eine eingehende Schilderung der Ergebnisse und Fortschritte der modernen hydrobiologischen Forschung geben wollte. Um so weniger wäre das angebracht, als ja mancher unter Ihnen selbst in so hervorragendem Maße an der Entwicklung, dem Aufblühen und der stetig größeren Reife dieser Wissenschaft Anteil hat. Doch darf ich wohl einiges Wenige, es aus der Fülle des gleich Wichtigen, Wertvollen und Erwähnenswerten herausgreifend, Ihnen in die Erinnerung rufen. Grundlegendes ist in den letzten Jahren im Gebiete des hydro- biologischen Formproblems geleistet worden, des Problems, das die Beziehungen zwischen der Form und damit auch der Lebensweise der Wasserorganismen einerseits und den Eigen- tümlichkeiten ihres Wohnmediums anderseits aufzudecken bestrebt ist. Was kürzlich hierbei für die Planktonorganismen insbe- sondere Wesenzerc-Lunp und Wotrerick — die von ganz ver- schiedenen Seiten und mit ganz verschiedenen Methoden an die 150 gleiche Aufgabe herangetreten sind — geleistet haben, ist bekannt. Und ebenso wissen Sie, wie gerade diese Untersuchungen schließlich hineingeführt haben in eines der Zentralprobleme der Wissenschaft vom Lebendigen, in das der Beziehung zwischen den aktuellen Faktoren der äußeren Lebensbedingungen und der historisch, durch die Vererbung bedingten, in Form und Lebensweise sich ausprägenden Eigenart des Organismus. Weniger bekannt dürften vielleicht manchem von Ihnen die feinsinnigen Untersuchungen des Genfer Forschers Fr. Broc#er sein über die Atmung der wasserbewohnenden Insekten sowie besonders auch über die biologische Bedeutung der Kapillarphänomene, die sich an der Wasseroberfläche abspielen, Untersuchungen, die uns eine große Menge von Organisationseigen- tümlichkeiten luftatmender Wasserinsekten als Anpassungen an die eigentümlichen Verhältnisse des Flüssigkeitshäutchens verständlich gemacht haben und die inhaltlich und formal geradezu kleine Kabinetstücke ökologischer Forschung darstellen. Aber mehr noch als in dem Gebiete des Formproblems entfaltet in dem des Verteilungsproblems die Hydrobiologie ihre Eigenart und Selbständigkeit; hier zeigt sich, „dab sie uns ganz neue, besondere, nicht mehr nur zoologische oder botanische oder physiologische, sondern eben hydrobiologische Aufgaben stellt, zu deren Lösung auch ganz besondere Methoden nötig sind. Hier wird die Hydrobiologie zu einem wissenschaftlichen Grenz- oder, besser gesagt, Zwischengebiete, das, selbständig in seinen Aufgaben und Zielen, seine Ausgangspunkte von den verschiedensten Nachbardisziplinen nimmt und ihnen zum Teil wenigstens auch seine Methoden entleiht.“ Die Faktoren geographisch-geologischer, physikalisch-chemischer und dkologisch-biocoenotischer Art, die die Verbreitung der Wasser- organismen regeln, zu untersuchen, und das Bild der durch das Zusammenwirken dieser Faktoren entstandenen Fauna und Flora der einzelnen Wasseransammlungen zu entrollen, ist die Aufgabe dieses zweiten Hauptteils hydrobiologischer Forschung. Denn die Verteilung der Organismen auf unserem Planeten ist ebensowenig etwas Zufälliges, wie es die Form des einzelnen Organismus ist. Wie im Organismus alle Teile in Wechselbeziehung zueinander stehen, wie ihr Werden und Sein von inneren und äußeren Faktoren bedingt und gesetzmäßig geregelt ist, so bilden auch die durch die notwendige Vergesellschaftung mehrerer oder vieler Organismen an einer und derselben Stelle entstandenen Lebensgemeinschaften zusammen mit ihrem Lebensraum (Biotop) 151 gleichsam Organismen höherer Ordnung. Daß der See einen Mikrokosmos darstellt, ist ja häufig ausgeführt worden. Den Gesetzen nachzuspüren, die eine Lebensgemeinschaft zusammenhalten und in ihrer Eigenart bestimmen und wiederum mit anderen Biocoenosen ‘ zu höheren Einheiten (Biosynoecieen) verbinden, dürfte eine Aufgabe sein, der wissenschaftlich die gleiche Bedeutung zukommt, wie z. B. den Versuchen, die Faktoren zu analysieren, die den Werdegang und damit auch das morphologische und physiologische Bild des erwachsenen Einzelorganismus bedingen. Gerade diesem Teil der hydrobiologischen Forschung haften naturgemäß ganz besondere Schwierigkeiten an; viel Interessantes haben uns die Arbeiten der letzten Zeit gebracht, aber das meiste ist der Zukunft vorbehalten, und bei der überaus intensiven Tätigkeit, die gerade auf diesem Gebiete zurzeit an vielen Stätten wissen- schaftlicher Forschung herrscht, ist, vielleicht schon für die nächste Zukunft, in diesem Gebiete „noch viel zu erwarten“. Um welche Probleme es sich dabei handelt, mögen einige lose aneinandergereihte Stichworte zeigen: biologische Bedeutung der im Wasser gelösten Gase und Salze; Rolle der Temperatur, des Lichtes, der Bewegung; geographische Lage, geologische Vergangenheit der Gewässer; Be- ziehungen der Organismen zueinander: Kreislauf der Stofie im Wasser, Bedeutung der einzelnen Lebensgemeinschaften dafür; Ur- sachen für den zeitlichen Wechsel in der Zusammensetzung der Organismenwelt an einer Stelle; Einfluß der Organismen auf die ‘ chemisch-physikalischen Verhältnisse im Wasser sowie ihre geo- graphisch-geologische Bedeutung für die Entwicklung der Wasser- becken usw. Wenn man sich aber die Mittel und Wege vergegenwärtigt, mit denen die Lösung dieser Probleme zu erstreben ist, so sieht man ein, daß hierfür weder die Kräfte und Mittel eines Einzelnen ausreichend, noch auch die bestehenden Institute im allgemeinen geeignet sind. Denn geographische und geologische, botanische und zoologische und physiologische, chemische und physikalische For- schungen müssen hier Hand in Hand gehen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen. Darum ist die Gründung einer Anstalt für hydrobiologische Forschung dringend erwünscht. Einzelfragen, Teilprobleme lassen sich natürlich an den schon bestehenden Instituten, die den einzelnen für die Hydrobiologie grundlegenden Wissenschaften gewidmet sind, lösen und sind auch gelöst worden. Ich brauche hier ja nur auf die Nachbaruniversität Basel zu verweisen, an deren zoologischem Institut die Schule 152 ZSCHOKKES in so hervorragender Weise die Erforschung der Gewässer vor allem unter tiergeographischen Gesichtspunkten betreibt. Aber sobald für die Lösung hydrobiologischer Fragen eingehende Be- schäftigung mit den im übrigen ferner gelegenen Wissensgebieten, z. B. der Wasserchemie, nötig wird, so erheben sich oft die aller- größten Schwierigkeiten und machen erfolgreiches Arbeiten gar oft zur Unmöglichkeit. Ein Jeder von uns, der in der hydrobiologischen Forschung darinsteht und bemüht ist; den Problemen von allen Seiten und bis in ihre Tiefen zu Leibe zu gehen, macht diese Er- fahrung. Und darum, bei aller, größter Anerkennung dessen, was in hydrobiologischer Beziehung unsere zoologischen, botanischen — und, muß ich im Hinblick auf das Institut für Meereskunde hinzu- fügen, — geographisch-hydrographischen Universitätsinstitute an Er- folgen zu verzeichnen haben, muß ich betonen, daß für eine plan- mäßige allseitige Durcharbeitung der großen Probleme der Hydrobiologie die Schaffung eines besonderen For- schungsinstituts unentbehrliche Voraussetzung ist. Denn auch die bei uns schon bestehenden Anstalten, in deren spezielles Arbeitsgebiet die Erforschung der Binnengewässer fällt, können hydrobiologische Studien in dem eben skizzierten Sinne nur in Auswahl und mit Beschränkung treiben. Das gilt in erster Linie für die der angewandten Hydrobiologie dienenden Institute (Kgl. Institut für Binnenfischerei in Friedrichshagen, Landesanstalt für Wasserhygiene in Dahlem, Kgl. bayerische biologische Versuchs- station für Fischerei in München usw.); hier muß die reine theo- retische Forschung natürlich zurückstehen hinter den wissenschaft- lichen Aufgaben, die von der Praxis gestellt werden. Das gilt aber auch von der von Zacuarias begründeten Biologischen Station zu Plön, der ersten und einzigen Anstalt in Deutschland, die sich die reine limnologische Forschung‘ zur Aufgabe gemacht hatte. Schon die durchaus ungenügenden materiellen Hilfsmittel der Plöner Station mußten allseitige hydrobiologische Arbeiten fast zur Un- möglichkeit machen und sie mehr auf das Gebiet der deskriptiven Süßwasserzoologie und -botanik drängen. Auch widmet zurzeit Plön seine Kräfte zum großen Teil der Fortbildung der Lehrer der Naturkunde. Wir brauchen aber jetzt ein ausschließlich der For- schung dienendes, mit allen für die moderne hydrobio- logische Arbeit nötigen Mitteln ausgerüstetes Institut. Hervorragendes versprechen, nach den schon vorliegenden Er- gebnissen zu schließen, die Seeuntersuchungen des Institutes für 153 Meereskunde in Berlin. Doch bilden solche süßwasserbiologischen Studien ja nur einen kleinen Teil der vielen und großen, diesem Institute gestellten Aufgaben; Aufgaben meereskundlicher Natur müssen hier in den Vordergrund treten. Nur für die marine Hydrobiologie sind in Deutschland Institute vorhanden, die planmäßige, allseitige, gründliche Forschung er- möglichen. Und deshalb trete ich hier nicht für ein allgemeines hydro- biologisches Institut ein, sondern für eine Anstalt für die Hydro- biologie der Binnengewässer. Doch auch im übrigen erscheint die Trennung beider Zweige der Hydrobiologie begründet. Schon deshalb, weil sich wohl kaum ein Ort finden läßt, von dem aus sich ozeanographische und limno- logische Arbeit gleich bequem durchführen läßt. Dazu kommt, dab die Methoden und technischen Hilfsmittel, die beide Schwester- wissenschaften nötig haben, doch sehr verschieden sind. Und schließlich und vor allem bringt es auch die Eigenart der Unter- suchungsgebiete mit sich, daß die Probleme der Meeresforschung und Süßwasserforschung vielfach weit auseinandergehen. Ein Institut für die hydrobiologische Erforschung der Binnen- gewässer, so wie es mir in Gedanken vorschwebt, muß, wenn es gründliche und tiefgehende Arbeit möglich machen soll, so viel Einzelabteilungen haben, als es Grundwissenschaften für die Hydro- biologie gibt. D. h. es muß eine Hydrographisch-Geographische, eine Chemische, eine Zoologische, eine Botanisch-Bakteriologische und eine Physiologische Abteilung umfassen. Und jede dieser Abteilungen muß vor allem das nötige wissenschaftliche Personal sowie die für die moderne wissenschaftliche Praxis erforderlichen Einrichtungen besitzen. | Erstrebenswert ist natürlich von vornherein ein selbständiges Institut. Sollten aber hierzu sich die Mittel nicht beschaffen lassen, so würde zur Not ey. auch an eine Vereinigung mit schon bestehenden Institutionen gedacht werden können, wobei aber die Selbständigkeit der wissenschaftlichen Arbeit des Instituts unbedingt gewahrt bleiben müßte. Aufgabe des vorgeschlagenen Institutes ist die Pflege aller Zweige der Hydrobiologie; stehende wie fließende Gewässer werden gleichermaßen das Arbeitsgebiet bilden. Indessen wird doch die Seenforschung aus Gründen, die in der Sache selbst liegen, wohl stets eine Hauptrolle spielen. Darum solite das Institut in der Mitte eines großen Seenkomplexes liegen, unmittelbar an einem See, 154 an einem Platze, von dem aus eine möglichst große Anzahl recht verschiedenartiger Seen leicht zu erreichen ist. Dieholsteinischen Seen würden hierfür durchaus geeignet erscheinen. Vielleicht aber wäre auch an die Mark zu denken; die Nähe der Reichshauptstadt mit ihren vielseitigen wissenschaftlichen Anregungen und ihren Hilfsmitteln würde besonders hierfür sprechen. Eine zentrale Lage wäre auch deshalb erwünscht, weil so am leichtesten auch die Seengebiete der Alpen und des Ostens zu erreichen wären. Auf jeden Fall würde ich als Stätte für die Anstalt einen See des norddeutschen Flachlandes vorschlagen. Denn eine alpine Seen- station besitzt unsere Wissenschaft ja schon in der von KuPrELWIESER begründeten und von WOourErEck organisierten biologischen Station in Lunz (Niederösterreich. Käme es zu der Gründung eines Institutes in Norddeutschland, so würde ein „Zusammen- oder Parallelarbeiten beider, unter so ganz verschiedenen geographischen Verhältnissen gelegenen Institute unsere Wissenschaft ganz auBer- ordentlich fördern können“. Die Arbeiten der Anstalt würden in erster Linie mit der genauen hydrobiologischen Erforschung der nächsten Umgebung des Institutes beginnen; alle weiteren Untersuchungen werden sich daran anschließen. Ihr Ziel wird im allgemeinen eine vergleichende biologische Gewässerkunde sein; zur Erreichung dieser Aufgabe aber werden häufig auch Untersuchungen an entfernt gelegenen Gewissern nötig sein, und so müssen Mittel und Arbeitskräfte zur Ver- fügung stehen, zur Lösung besonderer Probleme zeitweise Außen- stationen zu errichten. Und aus dem gleichen Grunde wird auch ganz besonderer Wert zu legen sein auf ein Zusammenarbeiten der Anstalt mit andern, ähnlichen Instituten. Es wäre natürlich verfrüht, jetzt, wo die Möglichkeit der Verwirklichung des Planes noch durchaus unsicher erscheint, hier auf Einzelheiten einer ev. späteren Ausgestaltung des Instituts einzugehen. Nur die gröbsten Umrisse konnten angedeutet werden. Erwähnen möchte ich hier nur noch eine mir ganz kürzlich durch Herrn Prof. Hans Bacumann übermittelte Anregung’). Er erinnert an die Neapeler Station, „die doch ganz den Charakter eines deutschen Institutes trägt, dabei aber durch die Besetzung der Arbeitsplätze international geworden ist“. Ähnlich könnte die Organisation der hier vorgeschlagenen Anstalt auch eingerichtet 1) Er wird in einem besonderen Aufsatz „zur Gründung einer Anstalt für Hydrobiologie der Binnengewässer“ (im Archiv f. Hydrobiol. und Planktonkunde) Stellung nehmen. | | 155 werden; und es ist gewiß, daß durch die Schaffung eines inter- nationalen Interessentenkreises die Arbeit des Institutes, vor allem in bezug auf eine vergleichende Gewässerbiologie, ganz wesentlich gefördert werden könnte. Bacumann’s Gedanke erscheint mir durchaus beachtenswert. Aber nun die Hauptsache: wer soll die Anstalt für die Hydro- biologie der Binnengewässer errichten und unterhalten ? Vielleicht ist der preußische Staat dafür zu gewinnen, vielleicht entschließt sich die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften zur Errichtung des Institutes. - Wer es tut, ist im Grunde genommen für die Sache als solche gleichgültig, wenn es nur geschieht. Soll sich die Hydrobiologie in Deutschland in dem Maße weiterentwickeln, wieesbeiihrertheoretisch-wissenschaft- lichen wie auch praktisch- wirtschaftlichen Bedeutung drinsend erwünscht ist, so ist es jetzt an der Zeit, die Gründung einer Anstalt für die Hydrobiologie der Binnen- gewässer mit allen Kräften zu betreiben. Und ich habe die gewisse Zuversicht, daß auch die Deutsche Zoologische Gesellschaft diesem Plane ihre Sympathie bekunden und ihn wenn möglich tatkräftig unterstützen möge! „Nicht für die alten, anerkannten und in vielen Anstalten bei uns gepflegten Richtungen, sondern für das Neue, sich Empor- ringende ist bei uns Hilfe dringend nötig!“ (Rovx). Auf Antrag des Vorstandes wird beschlossen, folgende Ein- gabe an die Kaiser- Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissen- schaften zu machen: Der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissen- schaften erlaubt sich die Deutsche Zoologische Gesellschaft ganz ergebenst die Bitte auszusprechen, die Errichtung eines Zentral- instituts für die Hydrobiologie der Binnengewässer ins Auge fassen zu wollen. Während für die Erforschung der marinen Organismen dem deutschen Forscher drei große Institute, die zoologischen Stationen in Neapel und in Rovigno und die Biologische Anstalt in Helgo- land zur Verfügung stehen, besitzen wir noch keine Anstalt, welche eine Erforschung der vielen Probleme, die die Form, das Leben und die Verbreitung der Süßwasserorganismen bieten, in grob- zügiger Weise ermöglicht. Zwar hat dieser Forschungszweig in den letzten beiden Jahrzehnten einen großen Aufschwung genommen, 156 aber es hat sich auch gezeigt, daß wegen des synthetischen Charakters der Hydrobiologie der Einzelforscher nur in sehr be- schränktem Maße und in Auswahl an den großen Problemen mit- arbeiten kann, wenn ihm nicht die Hilfe eines Zentralinstituts zu- teil wird, von dem alle für die Hydrobiologie wichtigen und grundlegenden Zweige der Nachbarwissenschaften gepflegt werden (Hydrographie, Hydrochemie, Physiologie, Zoologie, Botanik). Das Ziel der Forschung muß sein, die Form und Verbreitung der Organismen des SiiBwassers als das Ergebnis der Wechselbezie- hungen zwischen ihnen und der sie umgebenden organischen und anorganischen Welt zu verstehen. Genaueste Kenntnis der Orga- nismen, ihres Baues und ihrer Lebenserscheinungen (Ernährung, Wachstum, Bewegung, Fortpflanzung, Entwicklung) und genaueste Kenntnis der geologischen, physikalischen, chemischen Verhältnisse der Gewässer ist hierfür notwendig, also ein Zusammenwirken ver- schiedener Wissenschaften und ihrer verschiedenen Methoden. (Gegenüber der marinen Hydrobiologie besitzt die des Süßwassers den Vorzug, daß die Lebensräume für die Süßwasserorganismen meist begrenzt, und dadurch in ihren Eigentümlichkeiten leichter analysierbar sind, und daß durch ihre Mannigfaltigkeit in bezug auf horizontale und vertikale Ausdehnung, Bewegung, Temperatur, Pflanzenreichtum, Bodenbeschaffenheit, Nahrungsmenge usw. im ganzen Jahr und in den verschiedenen Jahreszeiten auf natürliche Weise eine so große Variationsmöglichkeit geschaffen ist, wie sie sonst kaum experimentell gewonnen werden kann. Daß eine derartige rein wissenschaftliche Erforschung des Süßwassers und seiner Bewohner allein die Grundlage für eine rationelle wirtschaftliche Ausnutzung der Gewässer geben kann, braucht hier, wo nur die wissenschaftliche Bedeutung in Frage kommt, nicht hervorgehoben zu werden. Zur näheren Begründung unserer Bitte erlauben wir uns auf die beigefügten Druckschriften, „Hydrobiologie als selbständige Wissenschaft und die Gründung einer Anstalt für die Hydrobiologie der Binnengewässer“ sowie „die Notwendigkeit der Begründung eines Instituts für die Hydro- biologie der Binnengewässer“ hinzuweisen. Ein solches Zentralinstitut für die Hydrobiologie der Binnen- gewässer wäre am besten in einem Seengebiet der norddeutschen Tiefebene zu errichten. Die einmaligen Kosten würden etwa 200000 M., die dauernden etwa 30 bis 40000 M. betragen. Der Vorstand der Deutsehen Zoologischen Gesellschaft. 157 Herr Prof. H. Lonmayn (Hamburg): Die Appendicularien der Valdivia-Expedition. Die Bedeutung der Ergebnisse, welche die Verarbeitung des reichen Appendicularien-Materiales der von Cuun geleiteten Deutschen Tiefsee-Expedition gehabt hat, liegt wesentlich auf allgemein bio- logischem Gebiete, während der zahlenmäßige Ertrag von neuen Arten, wie von vornherein zu erwarten war, nur recht bescheiden gewesen ist. Die 8000 Copelaten, die aus den Fängen ausgesucht wurden, verteilten sich auf 9 Gattungen und 35 Arten.” Von diesen waren 6 Arten und 2 Gattungen neu. Charakteristischerweise kam von den neuen Arten auf die beiden artenreichen Gattungen: Orkopleura und Fritillarıa nur je eine antarktische Art. Da dieses Meeres- gebiet von der Valdivia zum 1. Male genauer auf Plankton- organismen erforscht wurde, ist das leicht verständlich. Die beiden neuen Genera und 4 neue Arten gehören dagegen zu jenen artenarmen, isoliert stehenden Gattungen der Oikopleuriden, die in der Gegenwart sehr volksarm zu sein scheinen, da sie immer nur vereinzelt in den Fängen gefunden werden. Es ist wohl an- zunehmen, daß derartige Formen noch weiterhin werden entdeckt werden, weil sie wegen ihrer Individuenarmut meist den Netzfängen entgehen. So wurden von der Gattung Althoffia, die bisher nur in einer Art (A. tumida) aus dem Atlantischen Ozean bekannt war, eine zweite Art im Guineastrom (St. 55, A. oppressa) und eine dritte Art im Indischen Ozean (St. 214, A. verticals) gefunden, von jeder aber nur ganz wenige Individuen erbeutet. Mit einer pazifischen Art (A. gracilis), die Daru im Bismarck-Archipel fing, besteht daher jetzt diese aberrante Gattung aus 4 Arten!). Von 1) Die 4 Arten von Althoffia Lohm. charakterisieren sich kurz folgender- maßen: 1. Althoffia tumida Lohm. (Fig. 7, Nr. 3b). Der taschenförmige einheitliche Magen steht mit seiner Fläche quer zur Medianebene, ist bei den jungen Tieren senkrecht gestellt, wird aber später mit seinem Unterrande emporgehoben, bis seine Fläche vollständig horizontal gelagert ist. Die Speiseröhre mündet rechts, der Darm links in den dorsalen, später vorderen Rand des Magens ein. Der Schwanz enthält nahe seiner Spitze neben der Chorda rechts und links je eine Reihe großer Zellen. — Größtes Exemplar 1150 u Rumpflänge. — Atlantischer, Indischer, Stiller Ozean. 2. Althoffia oppressa n. sp. Der nahezu kugelige, nur leicht abgeflachte, einheitliche Magen steht mit seiner Fläche in der Medianebene des Rumpfes; dorsal 158 Megalocercus sind 2 Arten bekannt, die 4 anderen Gattungen aber (Stegosoma, Folia, Chunopleura (Fig. 11), Bathochordaeus) werden vorläufig nur von je einer einzigen Art gebildet. Um so größeres Interesse bieten der Bau einzelner Formen sowie die geographische Verbreitung anderer von der Expedition gefundener Arten. Das gilt in erster Linie von jenem riesenhaften Dathochordaeus charon, den Cuun bereits in dem Reisewerke abgebildet und kurz beschrieben hat. Die eingehende Analyse ist fiir das systematische wie biologische Verständnis der Organisation des Appendi- cularienkörpers von großem Werte Tiergeographisch sind die in der Antarktis von der Valdivia gefangenen mündet die Speiseröhre ein, vorn oben geht der Darm ab. Der Schwanz enthält im distalen Abschnitt rechts und links unregelmäßig gelagerte kurze Reihen wenig zahlreicher Zellen. Der Rumpf ist bei dem bisher allein bekannten jungen Tier dorso-ventral niedergedrückt. — Einziges Exemplar 530 u. — Atlantischer Ozean (Guineastrom, St. 55 d. Valdivia- Expedition). 3. Althoffia verticalis n. sp. (Fig. 7, Nr. 3a). Der Magen ist wie bei der vorigen Art gestellt, aber sehr stark seitlich abgeflacht, ventral breit gerundet, dorsal stark verjüngt; Ansatz von Speiseröhre und Darm wie bei Alth. oppressa. Im Schwanze sind die Zellen rechts und links zu 3 —4 kleinen rundlichen oder spindelförmigen Gruppen zusammengeordnet, die in weiten Abständen voneinander stehen. — Beide Exemplare von 1050 u Rumpflänge. — Indischer Ozean (St. 214 d. Valdivia-Expedition). 4. Althoffia gracilis n. sp. Der Magen ist wie bei Alth. oppressa und verticalis gestellt, aber nach hinten spitz ausgezogen; Einmündung von Speiseröhre und Darm gleich- falls wie bei den beiden vorigen Arten. Schwanz ohne besondere Zell- reihen oder Zellgruppen. Der Rumpf ist bei älteren Tieren durch die Keimdrüsen ganz außerordentlich lang nach hinten verlängert, so dab er geradezu die Gestalt einer gestreckten Spindel erhält. — Größtes Exemplar 2200 u Rumpflänge. — Stiller Ozean (Bismarck-Archipel). Charakteristisch für die Gattung ist die sehr einfache Gestalt des Darmtraktus, der aus einem großen Magensack gebildet wird, von dem dicht nebeneinander die Speiseröhre und der Darm abgehen, so dab Cardia und Pylorus nur durch einen kleinen Abstand getrennt sind. Ferner werden die Keimdrüsen ventral vom Darmtraktus angelegt, wachsen aber schalenförmig dorsalwärts und nach vorn aus. Die Kiemengänge besitzen einen wohlentwickelten proximalen und distalen Abschnitt und einen geschlossenen Wimperring, der kreisförmig oder schmal schlitzförmig sein kann. Wenn im Schwanz besondere Zell- gruppen vorkommen, sind sie symmetrisch rechts und links (dorsal und ventral) von der Chorda verteilt. 159 Arten und die im Indischen Ozean überall verbreitete Gattung Megalocercus bemerkenswert. Endlich geben uns die quantitativen Untersuchungen von Arsreın zum ersten Male die Möglichkeit, verschiedene Gebiete des Welt- meeres ihrer Bevölkerungsdichte nach zu vergleichen und dadurch neues Material zu der wichtigen Frage beizu- tragen, ob die Tropen- oder Polarmeere die dichteste Bevölkerung besitzen. 4 na N Fr Eptwraetts SP osetdye | —— fl A Kai u Br 5 3 We ay i te y sie P Boss Den ss ews OX Figur 1. Karte mit der Reiseroute der Valdivia-Expedition. Nur über diese vier Ergebnisse, die allgemeinere Bedeutung beanspruchen können, soll im folgenden gesprochen werden. Alles Weitere bleibt hingegen der ausführlichen Veröffentlichung in den wissenschaftlichen Ergebnissen der Valdivia-Expedition vor- behalten. Der Weg, den die Expedition nahm, ist zur besseren Orientierung in Fig. 1 wiedergegeben. Die Erklärung für die Buchstaben in den Textfiguren findet sich am Schlusse des Vortrages. 160 1. Bathochordaeus charon Cuvun aus dem Benguelastrom (Stat. 88). In dem südwestlichen Gebiete des atlantischen Beckens, wo auf dem Wege nach Capstadt der Benguelastrom durchfahren wurde, machte die Valdivia eine der interessantesten Entdeckungen der ganzen Reise, indem in Stat. 88 zwei Exemplare einer riesenhaften Appendicularie (Fig. 2) erbeutet wurden, deren Rumpf nicht weniger als 2'/, cm lang ist und deren Bau in sehr auffälliger Weise.von dem aller anderen Copelaten abweicht. Caun hat sie Bathochordaeus charon genannt und in seinem Reisewerke (Aus den Tiefen des Weltmeeres, 2. Auflage, S. 554—556) in drei vortrefflichen, nach dem Leben ausgeführten Figuren abgebildet. Diese Zeichnungen sowie die Untersuchung des einen der beiden konservierten Exemplare liegen den nachstehenden Ausführungen zugrunde. Wie sehr diese neue Art an Größe ihre Klassengenossen überragt, gelıt daraus hervor, daß die Mehrzahl der letzteren nur eine Rumpflänge von 1 mm selten übertrifft und die größten — Arten, die bisher bekannt waren, nur einen Rumpf von 5—8 mm Länge besitzen (Megalocercus abyssorum Caun bis 8 mm). Beide Exemplare wurden in einem Vertikalfange von 2000—0 m Tiefe mit dem offenen Netze gefangen. Es ist also nicht bekannt, in welcher EN Tiefe sie in das Netz gerieten. Trotz- Nat. Größe. Nach Chun. dem ist es sehr wahrscheinlich, daß sie | Tiefsee-Organismen sind. Schon der Riesenwuchs spricht deutlich hierfiir, denn auch bei vielen anderen Tiergruppen (Globigerinen, Radiolarien, Siphonophoren, Sagitten, Ostracoden, Copepoden) sind die Tiefenformen durch ihre abnorme (sröße vor den Oberflächenformen ausgezeichnet. Figur 2. Es ist jedoch keineswegs die enorme Größe allein, durch welche Bathochordaeus sich vor den übrigen Copelaten auszeichnet; viel- 161 mehr ist sein Bau beinahe noch merkwürdiger (Fig. 2 und Fig. 7 Nr 5, Big. 8: Nr. 1). Die Einreihung in das System ist allerdings ohne jede Schwierig- keit. Der Bau seiner Verdauungsapparate zeigt sofort, daß er zur Familie der Oikopleuriden geliört: Kiemenkorb und Kiemenöiinung sind durch einen deutlichen Kiemengang verbunden, wie er allen Fritillariden fehlt; die Speiseröhre mündet von der Dorsalfläche her in den Magen, der ein viel- und kleinzelliges Drüsenepithel besitzt, an der linken Rumpfseite mächtig entwickelt ist und nach rechts in den Darm übergeht; der Enddarm ist Schlauchförmig und mündet median unter dem vorderen Abschnitte der Speiseröhre ventral aus. Bathochordaeus gehört also zu derselben Familie, zu der auch die anderen durch ihre Größe ausgezeichneten Arten, wie Oikopleura vanhöffeni und Megalocercus abys- sorum, gehören. Aber innerhalb dieser Familie ist die Stellung der neuen Art eine völlig isolierte. Zwar finden sich einige bemerkenswerte Be- ziehungen zu den Gattungen Althoffia und Megalocercus und wahr- scheinlich auch zu der neuen Gattung Chunopleura (vgl. weiter unten und Fig. 11). Aber sie ändern an der Isolierung nur wenig” Nach der Verbindung zwischen äußerer Kiemenöffnung und Kiemenkorb kann man nämlich alle Appendicularien in drei, wahr- scheinlich natürliche Gruppen scheiden. Bei allen Fritillariden (Fritillaria, Appendicularia, Kowalevskia (Fig. 5 und 6)) fehlt ein eigentlicher Kiemengang vollständig oder ist nur ganz schwach entwickelt. Der Wimperring liegt unmittelbar vor der Außenöffnung oder wird doch nur durch einen ganz schmalen Saum von dieser getrennt. Bei Ovkopleura, Stegosoma, Foha und Althoffia (Fig. 7 und 8) ist dagegen ein deutlicher und ab und an recht langer Kiemengang ausgebildet, der durch den Wimperring in einen proxi- malen und distalen Abschnitt zerlegt wird. Stets liegt der Wimper- ring in beträchtlichem Abstande von der Außenmündung des Ganges. Bei Chunoplewra indessen und Megalocercus schwindet der distale Abschnitt, der Wimperring liegt wie bei Fritillaria oberflächlich, und bei Megalocercus wird sogar der Wimperring selbst bis auf ein ganz kleines vorderes Stück riickgebildet. Dathochordaeus schließt sich nun dieserletzten Gruppe an, indem der proxi- male Teil des Kiemengangs gut entwickelt, der distaleaber vollständig geschwunden ist. Der Wimperring ist dabei wohl erhalten, aber im Gegensatz zu fast allen anderen - Werh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 11 162 Oikopleuriden von vorn nach hinten zu einem langen schmalen Schlitz ausgezogen. Mit Megalocercus und Althoffia verbindet die neue Art ein bandförmiger Fortsatz des Oikoplasten- epithels, der vom Hinterrande des letzteren schräg nach hinten zieht und wahrscheinlich als Rudiment einer früher weiter nach hinten gehenden Erstreckung des Oikoplastenepithels aufzufassen ist, dem jetzt die Aufgabe zufällt, die zarte, weiche Haut des Hinterrumpfes zu stützen. Endlich ist die Wachstumsart der Keimdrüsen bei Althoffia und Chunopleura (Fig. 11) eine ganz ähnliche wie bei Batho- chordaeus. Bei ihnen allen wachsen Hoden und Ovar schalenförmig an der Wand der Leibeshöhle von der Bauchfläche her dorsal auf- wärts und lassen die Rumpfhöhle selbst völlig frei. Dabei dringen sie weit nach vorn hin bis über den After und in die Gegend der Kiemenöffnungen vor. Endlich ist bisher nur bei Althoffia eine spalt- förmige Außenmündung der Kiemengänge beobachtet (A. verticalis). Diese Beziehungen sind sicher bedeutungsvoll und weisen auf eine engere Verwandtschaft hin. Doch bleiben jene Gattungen ihrem ganzen Bau nach in naher Übereinstimmung mit der Haupt- gattung der Familie: Ovkoplewra. Bathochordaeus hingegen weicht vor allem in der Ausbildung des Oikoplastenepithels und des Darm- traktus so weit von ihr ab, daß eine Zurückführung auf große Schwierigkeiten stößt und zum Teil heute überhaupt noch nicht möglich ist. Was zunächst das Oikoplastenepithel betrifit, so endet das- selbe dorsal weit vor der Einmündung der Speiseröhre in den Magen (Fig. 7 Nr. 5), hat also eine ebensolche dorsale Längenentwicklung wie bei Althoffia verticalis (Fig. 7 Nr. 3a); ventral dagegen ist es im Gegensatz zu allen Oikopleuriden auf einen ganz schmalen Streifen unterhalb der Mundöfinung und vor den Kiemenöfinungen reduziert. Der freie Seitenrand des Drüsenepithels berührt nirgends die Bauch- fläche, liegt vielmehr vollständig dorsal und läßt rechts und links noch die breiten Streifen der Rückenfläche frei, unter denen die Keimdrüsen sich nach vorn vorschieben. Am Vorderrand des Rumpfes bezeichnen zwei Einkerbungen die Punkte, wo das Oikoplastenepithel seitlich endet und auf die Bauchfläche übertritt (Fig. 8 Nr. 1). Die Figuren 7 und 8 zeigen deutlich die verschiedene Ausbreitung des Gehäuse-bildenden Drüsenepithels innerhalb der Familie der Oikopleuriden. Es hat nirgends auch nur annähernd eine solche Einschränkung erfahren wie bei Bathochordaeus; ventral ist es fast ganz verdrängt, dorsal bildet es nur noch eine leicht gewölbte, in membranösem Epithel eingelagerte schildförmige Platte. 163 Die Oikoplasten selbst sind leider bei dem einen, von mir bis jetzt allein untersuchten Exemplare sehr schlecht und unvollkommen erhalten. Eine sichere Zurückführung auf die Gehäusebildner der anderen Oikopleuriden gelang daher noch nicht. Jedenfalls hat die Anordnung der Zellen große Eigentümlichkeiten. Ob Ersen’sche Oikoplasten, die die Gitterfenster und Einströmungstrichter des Ge- häuses bilden, vorkommen, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen. Sie fehlen aber bekanntlich manchen Arten sonst typischer Oiko- pleuren, so daß ihr Nachweis nicht von solcher Bedeutung sein würde. Die For’schen Oikoplasten, denen die Bildung der Fang- apparate obliegt, und die ausnahmslos allen Oikopleuriden eigen sind, kommen auch hier vor, aber in einer sehr merkwürdigen und abweichenden Ausbildung. Während dieser Zellkomplex sonst stets aus einer axialen Reihe mächtiger Zellen gebildet wird, hinter denen drei Reihen kleiner kubischer Zellen und vor denen ein halbkreis- förmiges Feld spindelförmiger Zellen gelegen ist, treten hier, so- weit der Erhaltungszustand das erkennen läßt, vier hintereinander Besende Reihen solcher Riesenzellen auf (Fig. 7 Nr. 5); allerdings ist die hinterste bei weitem die kräftigste, und an ihr ließ sich auch am besten die Übereinstimmung mit den gleichen Zellen der anderen Oikopleuriden nachweisen. Hinten waren ihnen jene kleinen kubischen Zellen dicht angelagert, die die Gallertfäden des Fangapparates ausscheiden. Die drei vor ihnen liegenden Reihen von Riesenzellen schienen den gleichen Bau zu besitzen und gleich- falls von den Fadenbildnern begleitet zu sein. Es ist aber sehr erwünscht, noch weitere Studien an dem zweiten Exemplare, das mir bisher nicht vorlag, zu machen, um möglichste Klarheit hierüber zu erhalten. Die vier Oikoplastensysteme, deren jedes demnach einem For’schen Oikoplasten entsprechen würde, treten deutlich hervor, aber die einzelnen Zellen sind größtenteils zerstört. Im Leben sind sie gleichfalls mit aller Schärfe gesehen, wie sowohl die sofort an Bord ausgeführte Zeichnung, wie auch Cuun’s Beschreibung, in der von vier Schnurrbart ähnlichen Zellgruppen die Rede ist, beweisen. Wir würden demnach zu folgern haben, daß der Fangapparat von Bathochordaeus einen wesentlich komplizierteren Bau besitzen muß als bei den anderen Oikopleuriden, bei denen nur eine For’sche Gruppe ausgebildet ist. Auffällig ist schließlich noch die eroße Übereinstimmung, die die Ausbildung der ganzen Oikoplasten- zone von Bathochordaeus mit derjenigen von Fritillarıa zeigt. Hier wie dort ein dorsales Oikoplastenschild, das nur in der Umgebung des Mundes in ganz schmalem, vor den Kiemenöffnungen liegenden it 164 Bande auf die Ventralfläche übergreift; bei beiden Gattungen in dem hinteren Teile des dorsalen Schildes mächtige, platten- förmige Oikoplasten. Es ist deshalb von ganz besonderem Interesse, daß bei der Fritillaria nahestehenden Gattung Appendieularıa — jederseits zwei Fangapparate bildende Zellgruppen vorkommen (Fig.5 Nr. 2), ein Verhalten, das also direkt zu dem von Bathochordaeus mit je vier solchen Gruppen überführen würde. Noch merkwürdiger als das Gehäuse-bildende Epithel des Rumpfes ist jedoch der gesamte Darmtraktus um- gebildet. Bei den übrigen Oikopleuren ist der letztere von leicht ver- ständlichem und relativ einfachem Bau. Der Mund führt in den Kiemenkorb; durch Wimperbänder an der Wand desselben wird der Schleim der hinter der Mundöffnung gelegenen Endostyldrüse der hinten und dorsal gelegenen Speiseröhre zugeführt, wobei alle Nahrungspartikelchen von ihm festgehalten und mitgeführt werden. Vor der Speiseröhre staut das Wasser sich an, sinkt an der Vorder- wand des Magens herab und wird durch die hier liegenden Kiemen- gänge nach außen fortgeleitet. Schleim und Nahrung gelangen aus der Speiseröhre in den weiten, taschen- oder sackförmigen Magen, von dort in den schlauchförmigen Darm und Enddarm. Letzterer ist stets spindel- oder eiförmig gestaltet und nimmt den großen Fäkalballen auf. Im Magen findet deutliche Säurebildung statt, wie die Farbenveränderung von eingeführten Farbstoffen bei lebenden Tieren beweisen. Die Kiemengänge sind, wie die Bauchansicht von Oikopleura und Megalocercus zeigt, nach hinten gerichtet, so daß — das durch den Endostylschleim filtrierte Wasser ohne Umweg und Richtungsänderung direkt nach außen gelangt. Durch den in den Kiemengang eingeschalteten Wimperring ist eine feinste Regulierung der AbfluBgeschwindigkeit möglich gemacht. Bathochordaeus zeigt einen ganz anderen Bau der Kiemengänge. Nicht hinten gehen sie von dem außerordentlich kleinen, spindelförmigen Kiemenkorb ab, sondern in der Mitte der Seitenwände; sie stehen ferner rechtwinklig zu diesen und münden in einem kleinen Schlitz in die Kiemenhöhle, statt schräg zur Längs- achse abzugehen und trichterförmig in jene zu münden. Nicht erleichtert ist demnach der Abfluß des filtrierten Wassers aus der Kiemenhöhle, sondern im Gegenteil nach Mög- lichkeit erschwert. In ihrem proximalen Abschnitt sind die Kiemengänge dünn röhrenförmig und verlaufen horizontal seitwärts, bald aber biegen sie rechtwinklig zur Bauchfläche um und erweitern 165 sich nun schnell kegelförmig, so daß sie mit einer elliptischen Basis die Ventralfläche erreichen. Statt nun aber, wie bei Megalocercus, sich in ihrem ganzen Querschnitte nach außen zu öffnen, durch- brechen sie die Haut nur in einem schmalen Längsspalt, der rings von dem Wimperbande umsäumt wird. Bei Megalocercus scheint der- selbe Vorgang eingeleitet zu sein, indem nur der vorderste Teil der Kiemenöffinung sich spaltförmig geschlossen hat; und interessanter- weise ist hier genau wie bei Bathochordaeus das Wimperband auf diesen spaltförmig verengten Abschnitt beschränkt! Das kann keine zufällige Übereinstimmung sein, sondern weist auf phyletische Beziehungen hin. Die als Sammelraum wirkende kegelförmige, distale Erweiterung der Kiemengänge und die Re- duktion der Öffnung auf einen schmalen bewimperten Spalt müssen eine außerordentlich feine Regulierung des Abflusses aus der Kiemen- höhle ermöglichen, wodurch jede Störung der Fangwirkung des Endostylschleimes und der in normaler Weise verlaufenden Wimper- bänder nach Möglichkeit trotz der Kleinheit des Kiemenraumes verhindert wird. Die weitgehende Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Kiemengänge für den Wasserabfluß hat aber bei Bathochordaeus sicherlich noch eine ganz andere Bedeutung, die viel wichtiger ist An den Kiemenkorb setzt sich hinten die Speiseröhre an; aber sie mündet nicht mit weitausladendem Trichter in ihn ein, und führt ebensowenig mit schlauchförmigem Abfluß direkt in den Magen. Vielmehr ist der Trichter in einen weiten, schräg von vorn nach hinten ansteigenden Sack umgewandelt, der rechts hinten dem Darme aufruht. Das hintere Ende der Speiseröhre ist dagegen unverändert geblieben und mündet als Schlauch in die hintere Magenpartie, vom Rücken her sich niedersenkend, ein. Die Speiseröhre ist also in zwei Abschnitte gesondert, deren vorderer einen mächtigen Sammelraum von etwa dreifachem Inhalt der Kiemenhöhle darstellt, während der hintere nur als Zu- leitungsrohr vom Sammelraum zum Magen dient. Gegen den Kiemenkorb setzt die Speiseröhre sich durch ihr kleinzelliges, plasmareiches Wimperepithel scharf ab, so daß über die Zugehörig- keit des Sammelraumes zum Ösophagus kein Zweifel bestehen kann. Merkwürdigerweise ist nun auch der Magen und Darm zu einem mächtigen halbmondförmigen Sack aufgebläht, wobei sehr beachtenswert erscheint, daß der bei allen anderen Oikopleuriden vertikal orientierte Darm seiner ganzen Länge nach horizontal ver- lagert ist, so daß er mit dem Magen zusammen einen morphologisch 166 einheitlich wirkenden Körper bildet, der durch seine Hufeisenform die Grundlage des ganzen Hinterrumpfes abgibt. An das vordere Ende des Darmschenkels setzt sich dann direkt der ganz dünne, einfach schlauchförmige Enddarm an, der horizontal zur Mediane läuft und darauf senkrecht zur Bauchfläche sich niedersenkt. Sehen wir von der Kiemenhöhle ab, so besteht also der übrige Darmtraktus bei Bathochordaeus aus zwei großen, hintereinander liegenden Säcken, dem Speise- röhrensack und dem Magen-Darmsack; beide sind durch ein dünnes Röhrenstück des Ösophagus miteinander ver- bunden; jener empfängt seinen Inhalt vom 3mal kleineren Kiemenkorbe, und befördert ihn in den 6mal größeren Magen-Darmsack'). Dieser entleert sich durch den ganz engen, röhrenförmigen Enddarm. Der Inhalt beider Säcke ist in durchströmender Bewegung; eigentliche Fäkalballen können nicht gebildet werden, es müssen die Exkremente also in flüssiger Form entleert werden. Im Magen-Darmsack findet Verdauung und Resorption statt; im Ösophagus-Sack muß eine Vorbereitung der einge- führten Nahrung erfolgen. Um eine solche herbeizuführen, ist wahrscheinlich nichts weiter als die Stauung des vom Kiemenkorbe eingeführten Wassers nötig, dem fortgesetzt neue Fangmassen des Fangapparates zusammen mit Endostylsekreten zugeleitet werden. Erstere werden aus Detritus und kleinen Planktonten bestehen. Ein Teil derselben wird bald absterben, ein anderer aber auf das üppigste in dem an organischen Stoffen angereicherten Wasser ge- deihen. Nach Beobachtungen über die Organismenwelt, die in den Fangapparaten leerer Gehäuse sich entwickelt, wird das vor allem bei den Bakterien, einer Reihe kleiner Diatomeen, vielen Gymno- 1) Nach dem Ausmaß von Glasmodellen verhält sich der Inhalt von Kiemen- korb, Speiseröhre und Magen-Darmapparat bei Fritillaria haplostoma, Oikopleura albicans und Bathochordaeus charon folgendermaßen zueinander: Fritillaria Oikopleura Bathochordaeus 1. Kiemenkorb *) cf 12 1 2. Speiserohre**) 1 1 3 3. Magen-Darmapparat 3 14 6 Das Ubergewicht des Kiemenkorbes bei Fritillaria, des Darmapparates bei Bathochordaeus und das annähernde Gleichgewicht zwischen Kiemenhöhle und Darmknäuel bei Oikopleura tritt gut hervor. Doch sind diese Verhältnisse in den Gattungen Fritillaria und Oikopleura nicht konstant. *) Mit Kiemengängen. **) Mit trichterförmigem Anfangsteil. 167 dinien, zahlreichen Amöben und Zooflagellaten der Fall sein. Der Gewinn für die Copelate würde in der möglichst weitgehenden Aus- nutzung bestehen, welche sie auf diese Weise von der dichten An- -hiufung von Detritus, absterbenden und lebenden Mikroorganismen, organischen Sekreten usw. macht, die durch die Fangapparate dieser Tiere ermöglicht wird. Die im Ösophagussack sich entwickelnde Organismenwelt führt dies zum Teil sehr schwer verdauliche Material in lebende, leicht zu verarbeitende Massen über, und verleiht der Fangmasse dadurch einen vielfach höheren Nährwert für das Tier. Solche Steigerung der Nutzung ist aber vor allem in der nahrungs- armen Tiefsee von ganz besonderer Bedeutung. Wir gewinnen daher aus der Betrachtung über den Bau und die Leistung des Verdauungsapparates von Bathochordaeus einen neuen Grund mehr, sie als echte Tiefseeform zu betrachten. Ist die hier entwickelte Auffassung von der Ernährungsart des Bathochordaeus richtig, so erklärt sich die Kleinheit des Kiemen- korbes und die merkwürdige Umbildung der Kiemengänge ebenso wie die Umgestaltung der Speiseröhre und des Magen und Darmes aus der Verwendung, die das Tier von dem Kiemenhöhlenwasser und der Fangapparat-Ausbeute macht. Der Wasserstrom geht nicht nur durch den Kiemenkorb, wie bei den übrigen Oikopleuriden, sondern zugleich durch den Darm. Aber es kommt für das Verständnis des Baues von Bathochordaeus noch ein weiteres wichtiges Moment in ‚Betracht, nämlich die Schwebfähigkeit des Körpers. Die Klasse der Copelaten hat eine außerordentlich klare Gliederung'). Jede der beiden morphologisch begründeten Familien *) vA) = .S Systematische 2 2 8 Ss R 3 Gliederung und | S | & = Saks iio ee FE 2 OES ee: Spelels eis .8is | 2 erbreitung der 3S Ss 8 S S S S = = S = B AppendicularienIS 2° ı S|SsS|s Se) eh Seo wee te tg SIGE IS ISIS (A(R ILS] ais 1. Nordliches Polar- | | | ODIO SP ek 2/—}| —}] —}; —- | — | — L|—|}—f 8 2 2. Aquatoriales Ge- | Bieta. ne ip tee to) to ae 4d | 17-|- 1 |. 84-43) 10 3. Südliches Polar- | 2 Seer 2;—)—}]— | — |— || 2|—)|—] 4 | 2 Anal PP eta |e} 1] 20| 1108750 [10 Familien: | l. Oikopleuriden l2. Fritillariden| 168 besteht aus einer Reihe von Gattungen. Jedoch nur eine Gattung jeder Familie ist artenreich: Ovkoplewra hat 16, Fritillaria 20 Arten; keine der anderen acht Gattungen hat mehr als vier Arten, die Mehrzahl von ihnen nur eine einzige Art. Nur Oikopleura und Fritillaria sind ferner über äquatoriale und polare Gebiete verbreitet und bewohnen tat- sächlich das gesamte Weltmeer; alle anderen Genera sind vollständig auf das warme Wasser und dessen Ausläufer beschränkt. Die beiden artenreichen und kosmopolitischen Gattungen sind nun biologisch und morphologisch die Repräsentanten zweier grund- Figur 3. Gallertblasen von Fritillaria, die den Rumpf des Tieres unverhüllt lassen, meist unter der Kapuze zusammengeschnurrt liegen (2b) und nur zum Nahrungsfange durch Eintreiben von Wasser aufgeblasen werden (1, 2a). — Die Tiere sind Rumpfschweber.'— Gleiche Vergrößerung wie in Fig. 4. Fig. 4. Gehäuse von Oikopleura, die dauernd ausgespannt bleiben und das ganze Tier voll- ständig umhüllen. Das kleinste Gehäuse (Oikopleura dioica) hat einen Durchmesser von 5 mm, die größere (Oikopleura allicans) hat eine Länge (ohne Schleppfäden) von 17 mm. — Die Tiere sind Gehäuseschweber. — Gleiche Vergrößerung wie in Fig. 3. verschiedener Lebensweisen (Fig. 3 und 4). Oikopleura (Fig. 4) bildet (sehäuse, die das ganze Tier umhüllen; der Körper der Tiere ist dem Aufenthalt im Gehäuse angepaßt und besitzt keine besonderen Schwebeanpassungen. Fritillaria (Fig. 3) dagegen bildet lediglich Fangapparate, die nur zum Gebrauch ausgespannt, sonst aber unter einer Kapuze verborgen getragen werden. Der Körper bewegt sich also meist frei im Wasser umher und hat daher Schwebean- passungen nötig. Wir können beide Gattungen daher als 169 Gehäuseschweber (Oikopleura) und Rumpischweber (Fri- tillaria) einander gegenüberstellen. Bx Figur 5. Typische Vertreter der Familie der Fritillariden in Seitenansicht des Rumpfes. Die oberste Figur zeigt eine vollkommen als Rumpfschweber ausgebildete Fritillaria (Fr. borealisf. typica Lohm.). Die beiden anderen Figuren geben Gehäuseschweber wieder, und zwar Nr. 2 Appendicularia sicula Fol, die durch ihren riesenhaften Enddarm aus- gezeichnet ist, Nr. 3 Kowalevskia tenuis Fol, die durch die Ausbildung des Kiemenkorbes und des Oikoplastenepithels ganz aberrant erscheint. Was aber von den zwei Gattungen gilt, hat keineswegs auch für die nach ihnen benannten Familien Gültigkeit. Unter den Fritillarien sind die Gattungen Appendicularia und Kowalevskia 170 Gehauseschweber, unter den Oikopleuriden zeigen Althoffia, Chunopleura, Megalocercus und Dathochordaeus mehr oder weniger weitgehende Schwebeanpassungen, und es lohnt eine Untersuchung, wie weit wirkliche Rumpfschweber etwa auch unter den Oikopleuriden anzunehmen sind. Wir wollen ausgehen von den Fritillariden (Fig. 5 und 6), da hier die Verhältnisse vollkommen klar und einfach liegen. Bei den Rumpfschwebern, zu denen die zahlreichen Arten der Gattung Fritillarıa gehören, sind die verschiedenen Organsysteme in langer Reihe hintereinander gelagert. Dies tritt am besten in der Seiten- ansicht des Rumpfes hervor (Fig. 5, Nr. 1). Auf den kurzen Kiemenkorb folgt der langgestreckte Ösophagus, der zum Darm- knäuel verläuft. Hinter dem letzteren liegt das Ovar, hinter diesem der Hoden. In der Flächenansicht (Fig. 6, Nr. 1) erkennt man die enorme Entwicklung des Gallert oder Schleimgewebes, durch welches der ganze Rumpf die Form einer breiten Scheibe erhält, in deren Längsachse die Eingeweide eingebettet sind. Vielfach, doch nicht bei allen Arten, nehmen die Kapuze und die Keimdrüsen an dieser flächenhaften Entwicklung in die Breite lebhaften An- teil, wie auch die abgebildete Fr. bicornis zeigt. (Ganz anders ist die Lagerung der Organe bei den Gehäuse- schwebern der Gattungen Appendicularıa und Kowalevskia (Fig. 5 und 6, Nr. 2 und 3). Alle Organe sind eng zusammengerückt und der Rumpf ist dadurch kurz und gedrungen gemacht. Die Speiseröhre ist ganz verkürzt und der Kiemenkorb da- durch so dicht an den Darmknäuel herangezogen, daß das über ihm liegende Oikoplastenepithel sich mit seiner hinteren Fläche noch dorsal über den Darmknäuel hinüberschiebt. Die Keimdrüsen ferner haben sich von hinten dem Darmknäuel auf das engste angeschmiegt und bedeckeu bei Appendicularia wie ein Überzug den Enddarm. Nirgends ist Gallertgewebe zu nennens- werter Ausbildung gekommen. Das seines Gehäuses beraubte Tier vermag sich daher auch gar nicht im Wasser schwebend zu erhalten, der Rumpf sinkt vielmehr wegen seiner Schwere nach unten und zieht den Schwanz nach, der nur durch gewaltsame Kontraktionen seiner Muskulatur das Tier zeitweilig drehen und mit dem Rumpf voran kurze Zeit emporschwimmen machen kann. Bei Appendicularia (Fig. 5 und 6, Nr. 2) findet sich noch eine besondere Anpassung an dasLeben im Gehäuse, indem der Enddarm (endd.) zu einem kolossalen Sack aufgetrieben ist, der beinahe das halbe Volumen des Rumpfes ausmacht und als Sammelraum für etwa 50 Fäkalballen dient. 171 Diese gefährden nämlich, wenn sie in das Gehäuse entleert werden, die zarten Wandungen desselben, und daher ist es ein großer Gewinn, daß diese zunächst im Enddarm aufgesammelt werden Links Fritillaria bicornis Figur 6. Lohm. (Rumpfschweber), rechts Kowalevskia tenuis (Gehäuseschweber) und in der Mitte Appendicularia sicula (gleich- Typische Vertreter der Familie der Fritillariden in Bauchansicht des Rumpfes. können. Bei Kowalevskia (Fig. 5 und 6, Nr. 3) ist der Kiemenkorb ganz aberrant gebildet, indem eine Schleimdrüse ganz fehlt und ihre Funktion 2 Paar Reusengitter (rs.) aus bewimperten fingerförmigen falls Gehäuseschweber). 172 Fortsätzen der Kiemenwand übernommen haben. Dieseiben grenzen den Mittelraum der Kiemenhöhle, der von der Mundöffnung zur Speiseröhre führt, gegen die langgestreckten und weiten Kiemen- öffnungen ab und halten alle Nahrungspartikel in der Kiemenhöhle zurück. Die Speiseröhre ist bis auf ein ganz kurzes Stück unmittelbar am Mageneingange zurückgebildet. Bei den Oikopleuriden (Fig. 7 und 8) zeigt Ovkoplewra (Nr.1 resp. 3) in ihren zahlreichen Arten die Eigenheiten der Gehäuseschweber am schärfsten ausgebildet. Die Zusammendrängung der Organe ist hier noch erheblich weiter getrieben als bei den Fritillariden, indem der Darmknäuel bis über die Kiemenöffnungen nach vorn vorgeschoben und die Speiseröhre und der hintere Teil der Kiemenhöhle an der Vorderwand des Magens steil aufgerichtet sind. Der Ösophagus mündet daher nicht vorn und ventral, sondern dorsal, unter der Rückenfläche des Rumpfes in die Cardia ein. Sehr bemerkenswert ist ferner die mächtige Entwicklung des Oikoplastenepithels, das dorsal durch steile, dachförmige Aufrichtung, ventral durch Aus- dehnung bis zum Darmknäuel hin seine Fläche gewaltig vergrößert. Diese Vermehrung der Oikoplastenregion steht in unmittel- barer Beziehung zu der Verwendung der Gallertgehäuse zu Bewegungsapparaten oder Fahrzeugen, wozu natürlich eine viel festere und reichere Gallertbildung erfordert wird, als wenn die Gehäuse, wie bei den Fritillariden, lediglich als Stütze des Fangapparates und als Schwebe- apparate dienen. Folia und Stegosoma (Nr. 2) zeigen im wesentlichen gleiche Verhältnisse, doch bleibt bei der letzteren Gattung der Darmknäuel zum größten Teil vom Oikoplastenepithel unbedeckt. Anzeichen einer wirklichen Reduktion des Gehäuse-bildenden Epithels treten aber bei Althoffia und Megalocercus (Nr. 3 u. 4, resp. 2) auf, und damit verbinden sich bei Althoffia auffällige Umgestaltungen von Darmknäuel und Keimdrüsen, die nur auf Schwebeanpassungen bezogen werden können. Zunächst kommt der ganze Darm- und Keim- drüsenapparat frei vom Oikoplastenepithel, und dieses selbst läßt auch seitlich einen großen Teil des Rumpfes bis zu den Kiemenöffnungen unbedeckt. Dieser Rückzug des Drüsenepithels wird gleichsam dokumentiert durch ein schräg nach hinten und unten ziehendes Band kleiner Oikoplastenzellen (Fig. 7, Nr. 3 und 4rd.), das als letztes Rudiment aus der Zeit stehengeblieben zu sein scheint, als das Epithel noch weiter nach hinten reichte. Auch auf der Bauchseite hat sich die Oikoplastenzone weit nach vorn zurückgezogen (Fig. 8, Figur 7. Typische Vertreter der Familie der Oikopleuriden in Seitenansicht des Rumpfes. Die Anordnung ist so, daß zu oberst die Gattung Oikopleura steht, bei der der Rumpf am vollkommensten die Kennzeichen des Gehäuseschwebers zeigt, während die unterste Figur in Bathochordaeus die weitgehendste Umbildung zum Rumpfschweber gibt, die in dieser Familie bekannt ist. Die übrigen Gattungen stehen zwischen diesen beiden Extremen. 1. Oikopleura rufescens Fol; 2. Stegosoma magnum Lgh.; 3a Althoffia verticalis n. sp.; 3b Althoffia tumida Lohm.; 4. Megalocercus huzleyi Ritt.; 5. Bathochordaeus charon Ch. ; 174 Nr. 2). Dabei ist jedoch die Gruppierung der Oikoplasten zu For’schen und Eisen’schen Oikoplasten, wie sie für Otkopleura charakteristisch ist, unverändert geblieben. Fangapparat und Ein- strömungsöffnungen müssen also bei den Gehäusen dieser Gattungen ebenso wie bei Ovkoplewra gebildet werden. Damit ist aber noch nicht entschieden, ob sie auch als Fahrzeuge oder nur als Nahrungs- fänger und Schwebeapparate dienen. Bei Althoffia tumida wird nun ferner der ganze hintere, von Oikoplastenepithel freie Rumpf- Figur 8. Typische Vertreter der Familie der Oikopleuriden in Bauchansicht des Rumpfes. Rechts ist ein ausgesprochener Gehäuseschweber (3. Oikopleura albicans Leuck), links der Rumpfschweber Buthochordaeus charon Chun (1) abgebildet. Megalocercus huxleyi Ritt. steht auch seinem Baue nach zwischen beiden (2). abschnitt zu einer mächtigen Blase aufgetrieben (Nr. 3b), deren Wand von den flächenhaft entwickelten Keimdrüsen und dem horizontal verlagerten Magen ausgekleidet wird, während ihr weiter Hohlraum nur von Gallertgewebe und Leibeshöhlenflüssigkeit erfüllt ist. Es ist von ganz besonderem Interesse, daß bei den jungen Tieren der Magen noch seine normale Lage hat und erst später gehoben und gedreht wird. Die Keimdrüsen wachsen bei der Reife immer weiter dorsal empor und weiter nach vorn vor, so daß sie schließlich die Seitenwände des Magens berühren und vorn noch weit über den After seitlich vom Kiemenkorbe vorwärts reichen. Eine ganz 175 ähnliche Ausbildung scheinen die Keimdrüsen bei Chunopleura (Fig. 11 Nr. 1) zu erfahren. In Messina hatte ich Gelegenheit, einen Megalocercus vom Boot aus zu schöpfen und lebend eine Zeitlang zu beobachten. Nach meinen damaligen Aufzeichnungen (1896) verhielt sich das Tier ganz anders als die Oikopleura. Es sank nicht mit dem Rumpf nach unten und brauchte keine krampfhaften Anstrengungen seines Schwanzes, um sich in einem bestimmten Niveau zu halten; viel- mehr genügten ruhige Undulationen des Schwanzes voll- ständig, das Tier schwebend zu erhalten. Allerdings war es ein altes Tier, dessen mächtige Keimhöhle bereits entleert war. Jüngere Tiere werden sich vielleicht anders verhalten, aber es ist anzunehmen, daß jene merkwürdige Umgestaltung des hinteren Rumpfabschnittes bei Althoffia und Chunoplewra eben die Bedeutung hat, ein Schweben auch des gehäuselosen Tieres zu ermöglichen. Das würde bedeutungsvoll werden, wenn die Neubildung von Gehäusen längere Zeit in Anspruch nähme als bei Oikopleura oder überhaupt seltener erfolgte. Beide Vorgänge, die Reduktion des Oikoplastenepithels und die Ausbildung von Schwebeanpassungen erreichen nun aber eine ganz extreme Entwicklung bei Bathochordaeus (Nr.5 resp.1). Ganz wie bei Fritillaria greift das erstere nur als ganz schmales, die Kiemenöffnungen freilassendes Band auf die Ventralfläche über und auch dorsal bildet es nur eine flachgewölbte Platte, die seitlich von nichtdrüsiger Haut eingefaßt wird. Das rudimentäre Band findet sich interessanter- weise hier ebenso wie bei Althoffia und Megalocercus. Zugleich erscheint nun aber auch die Gruppierung der Oikoplastenzellen wesentlich anders als bei den übrigen Oikopleuriden, indem eine Vielheit von Fangapparatbildnern (4 jederseits) auftritt. Dadurch wird die Ähnlichkeit mit den Fritillariden noch mehr gesteigert, da bisher etwas Ähnliches nur von Appendicularia bekannt ist. Die Keimdrüsen sind wie bei Althoffia tlächenhaft entwickelt und wachsen von der Ventralfläche parallel der Wand des Hinter- rumpfes aufwärts und vorwärts. Dabei dringen sie ganz wie dort bis seitlich vom Kiemenkorbe vor, und nach der Ausdehmung des drüsenlosen Epithels zu schließen, erreichen sie schließlich sogar das Vorderende zur Seite der Mundöffnung. Jedenfalls setzt sich die Darm- und Keimdrüse enthaltende Höhle bis hierher fort, und ihr vorderes Ende ist in einer rechten und linken Vorwölbung zur Seite des Oikoplastenepithels der Mundpartie auf das deutlichste gekennzeichnet. Der Hinterrumpf hat also bei Bathochordaeus eine 176 ganz gewaltige Ausdehnung erhalten, so daß er hufeisenförmig den Vorderrumpf seitlich umfaßt, und dem ganzen Rumpf des Tieres seine charakteristische breite und flache Form verleiht. Die Um- bildungen des Darmtraktus und Kiemenkorbes sind schon weiter oben besprochen; hier bleibt nur noch darauf hinzuweisen, daß auch in der Reduktion - der Kiemenhöhle und der Umgestaltung der Kiemengänge ein Übergreifen des Gallertgewebes der Leibeshöhle vom Hinterrumpf auf den Vorderrumpf zutage tritt. Der ganze Rumpf des Tieres wird zu einem echten Schweberumpf umgebildet, derinschärfstem Gegensatzezudemkompakten und gedrungenen, schweren Rumpfe von Oikopleura steht. Die weitgehende Reduktion des Oikoplastenepithels beweist nicht, daß Bathochordaeus unfähig ist, ein Gehäuse zu bilden, da bei Appendicularia und Kowalevskia dieses Epithel auch keine starke Entwicklung hat. Aber die Form des Rumpfes und vor allem die mächtige Entfaltung von Gallertgewebe machen es sehr unwahr- scheinlich, daß Bathochordaeus ein seinen ganzen Körper umhüllendes (sehäuse ausscheidet. Dazu kommt die riesenhafte Größe des Tieres, die eine ganz besonders mächtige Entfaltung des Oikoplastenepithels erwarten liebe, falls Gehäusebildung stattfände, und die abweichende Gruppierung der Fangapparatbildner. Es führt daher der eigen- artige Bau des Tieres zu dem Schlusse, daß es aller Wahr- scheinlichkeit nach ein echter Rumpfschweber ist, der nur zum Zwecke der Nahrungsgewinnung seine Fangapparate ausspannt, aber kein Gehäuse bildet. Kowalevskia und Bathochordaeus würden demnach die gleiche aberrante Stellung in ihrer Familie einnehmen. Erstere ist die- jenige Gattung der Fritillariden, welche am vollkommensten und eigenartigsten als Gehäuseschweber ausgebildet ist im Gegensatz zu den Rumpfschwebern der Hauptgattung Fritillaria; letzterer steht in dem gleichen Gegensatz zu der Gattung Oikopleura, in- dem er als ganz eigenartiger Rumpfschweber sich darstellt, während Oikopleura nur typische Gehäuseschweber enthält. Am nächsten verwandt ist Bathochordaeus entschieden mit Althoffia (rudimentärer Oikoplastenstreifen, Wachs- — tumsform der Keimdrüsen, spaltförmiger Wimperring) und vorallem mit Megalocercus (Fehlen des distalen Kiemen- gangabschnittes, Form des distalen Kiemengangendes und spaltförmige Lagerung des Wimperbandes; rudimen- tärer Oikoplastenstreifen); aber von beiden entfernt sich 177 Bathochordaeus sehr weit durch die Umgestaltung des Darmtraktus und die Schwebeanpassungen des Rumpfes. Der Fundort lag im südlichen Teile des Benguelastromes, der typische Warmwasserformen enthielt. Zugleich mit Bathochordaeus wurden Althoffia tumida Loum., Stegosoma magnum Leu., Oiko- pleura intermedia Loxum., cophocerca Gucens., longicauda Voer. fusiformis Fou, albicans Levcx., Fritillaria pellucida und borealis forma sargassı gefangen. Er wird daher zunächst als Bewohner des südäquatoriaien Stromzirkels zu betrachten sein, der wie die übrigen artenarmen Gattungen auf das Gebiet des warmen Wassers beschränkt sein wird. 2. Die Appendicularien der Westwindtrift und des südlichen Eismeeres'). Am 22. November 1898 bei einer Oberflächentemperatur des Wassers von nur 3,2° traten zuerst die typischen Kaltwasserformen der Appendicularien auf: Orkopleura valdıvıae und Fritillarıa borealis forma typica. Alle die zahlreichen Arten des warmen Wassers waren geschwunden, und nur diese beiden Arten, die zugleich Ver- treter der beiden dominierenden, artenreichen Gattungen sind, bildeten die ganze Ausbeute. So blieb es während der ganzen Fahrt über die Bouvet-Inseln nach Enderby-Land und Kerguelen, wobei die Temperatur des Oberflächenwassers zeitweise bis auf —1,7° sank und niemals auf 5° stieg. Erst in Stat. 162, am 1. Januar 1899 bei 8,8° Wasserwärme schwand die Oikopleura valdwiae, und neben der Fritillarıa borealis forma typica erschienen wieder die dem Warmwassergebiet eigenen Arten, wie Oikopleura longicauda und fusiformis. Vor der Valdivia-Expedition war unsere Kenntnis über die Appendicularien der Antarktis äußerst gering. Zwar hatte schon der Challenger große Oikopleuren nahe dem Polarkreise südlich von Amerika gefangen, aber sie waren nicht beschrieben, und eine Nachuntersuchung ist jetzt nicht mehr möglich. Dann hatte MicHArLsen an der Südküste Feuerlands Material gesammelt, das den interessanten Nachweis brachte, daß von der kosmopolitischen Fritillaria borealis Losm., im kalten Wasser der Südhemisphäre ganz die gleiche Form (forma typica) vorkommt wie im Norden. 1) Ein erster Bericht hierüber findet sich in: H. LOHMANN, Die Appen- dieularien des arktischen und antarktischen Gebiets, Zoolog. Jahrbücher, Suppl. VIL, p. 355ff. 1905. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 12 178 Die Valdivia wies nun auch für Ovkopleura eine ganz über- raschende Übereinstimmung mit den Arten des nördlichen polaren Wassers nach. Die von ihr entdeckte Art (Oikopleura valdiviae) steht nämlich der im Norden auftretenden Orko- pleura labradoriensis außerordentlich nahe und besitzt Figur 9. Die 3 Arten der bipolaren Labradoriensis-Gruppe der Gattung Oikopleura. 1. Oikopleura lubradoriensis Lohm. aus dem arktischen Meere. 2. Oikopleura gaussica, Lohm aus dem antarktischen Meere. 3. Oikvpleura valdiviae Lohm. aus dem antarktischen Meere. la. 2a, 3a zeigt die verschiedene Form, Lagerung und Zahl der Suhchordalzellen im Schwanz der 3 Arten. 1b und 2b gibt die Dorsalansicht der Keimdrüsen von Oik labradoriensis und gaussica wieder. a 179 vor allem ganz gleichgebaute Häutungskörper in der Ge- hauseanlage. Diese Körper, welehe zur Absprengung der Cuti- cula von der Matrix und zur richtigen Leitung der Entfaltung der Gehäuseanlage dienen, sind bei Otkopleura labradoriensis (Fig. 9, Nr. 1 Kpr.) ganz eigenartig gebaut und in ganz charakteristischer Weise angeordnet. Wie die Figur zeigt, besteht jedes einzelne Körperchen aus dickem Schwellkörper und einem langen, feinen Faden, der von ihm ausgeht. Mehrere Hundert solcher Körper sind in einer langen, in Schleifen zusammengelegten Linie an- einandergereiht und stets so orientiert, dab bei einer Geradestreckung von vorn nach hinten alle Fäden der Rückenlinie zustreben und die Schwellkörper die untere Begrenzung der Linie bilden würden. Durch den gewundenen Verlauf der Reihe entstehen zwei Schleifen und eine hintere und eine vordere Endlinie. Die hintere Schleife ist spitzwinkelig nach vorn geknickt, die vordere Schleife in leichtem Bogen nach hinten gebogen. Die hintere Endlinie ist sehr lang und biegt dorsalwärts ähnlich der hinteren Schleife nach vorn um; die vordere Endlinie ist nur kurz. Bei Oikopleura valdıviae (Fig. 9, Nr. 3) sind beide Schleifen gleichfalls zur Ausbildung gekommen, außerdem ist die hintere End- linie vorhanden, aber hinter dieser erscheint noch eine weitere Linie angeleet. Eine vordere Endlinie konnte dagegen nicht gefunden werden. Überhaupt sind die Schleifen wie Endlinien nur unvollkommen ausgebildet und die Körperchen in viel geringerer Zahl als bei Ovk. labradoriensis vorhanden. Die großen Mund- _ drüsen, ebenso der Besitz von Subchordalzellen im Schwanz zeigen, daß Oik. valdwiae gleichfalls in die Labradoriensis-Gruppe gehört, deren verschiedene Arten sich gut nach der Art ihrer Häutungs- körper unterscheiden lassen. Später fand die Gauß-Expedition noch eine zweite antarktische Oikopleura, die durch die Subchordälzellen, die Schmalheit des -Muskelbandes und die geringe Erstreckung des Oikoplastenepithels nach hinten gut von Oik. valdwiae unterschieden ist. Auch diese Art (Oik. gaussica, Fig. 9, Nr. 2) zeigt die gleiche Form und An- ordnung der Häutungskörper, nur ist ihre Zahl viel größer und ihre Linienführung viel vollkommener als bei Ovk. valdiviae. Sie läßt sich Zug für Zug auf die von Ovk. labradoriensis zurückführen, doch sind die Schleifen viel steiler aufgerichtet, die hintere Endlinie übermäßig stark geknickt und die vordere Endlinie ganz ausgefallen. Da auch die Subchordalzellen ganz mit denen von Otkopleura labradoriensis übereinstimmen, so vermittelt Oik. gaussica aus- 12* 180 gezeichnet zwischen Ovk. valdiviae und der nordischen Art. Doch unterscheiden sich beide Arten des südlichen Polargebietes durch die Form des linken Magenlappens und den schalenförmigen Wuchs der Hoden, die den Darmknäuel seitlich umwachsen, sehr deutlich von der Art des Nordpolargebietes. Wir sehen hier also eine scharf umschriebene Arten- gruppe auf das Polargebiet beider Hemisphären beschränkt; im Norden lebt eine, im Süden leben zwei Arten, keine derselben kommt an beiden Polen zugleich vor. Alle drei aber sind auf das engste untereinander verwandt. Ovrko- pleura labradoriensis wird 2,4 mm lang, Oik. valdiviae 3,5 mm und Oik. gaussica 3,9 mm. Neben diesen bipolaren Formen kommen aber in den Polar- meeren auch unipolare Arten vor, und zwar wiederum in jeder der beiden Gattungen. Fritillarıa antarctica ist nur im antarktischen Wasser, Oikopleura vanhoffent Loum. nur im arktischen Meere heimisch. Jene steht der Warmwasserart Fritillaria fraudax Loum. sehr nahe, unterscheidet sich aber durch die Länge des Schwanzes, die Schmalheit der Muskulatur, das Fehlen der Nesselzellen in der Haut und die Lagerung des bandförmigen Ovar sehr deutlich von ihr. Mit Fritillaria borealis hat sie dagegen keine näheren Beziehungen. Die Valdivia-Expedition fand sie in Stat. 127 im Osten der Bouvet- Insel, die Südpolar-Expedition fing sie gar nicht selten unter dem Polarkreise an der Winterstation. Oikopleura vanhiffeni ist die größte Orkopleura, die bisher be- kannt geworden ist, und erreicht eine Rumpflänge von 7 mm. Sie wird also nahezu ebenso groß wie Megalocercus abyssorum Caun. Sie ist ausgezeichnet durch die große Zahl kleiner bohnenförmiger Häutungskörper, die regellos über die ganze Gehäuseanlage verteilt sind. Durch die großen Munddrüsen und die Subchordalzellen gehört sie der Labradoriensis-Gruppe an, und durch die zahlreichen kleinen Häutungskörperchen schließt sie sich innerhalb derselben am nächsten dem kleineren Kreise polarer Arten an, der oben beschrieben wurde. Jedoch unterscheidet sie von ihnen die regellose Verteilung der kurzen, gedrungenen, fadenlosen Häutungskörper. So beobachten wir also ein doppeltes Verhalten der polaren Appendicularien zu den Arten des warmen Wassers: 1. Im Norden und Süden treten gleiche Formen oder Formengruppen auf, die im dazwischenliegenden Warm- wassergebiet vollständig fehlen. Die Varietät von Fri- tillarıa borealis: forma typica ist echt bipolar, ebenso die 181 aus Oikopleura labradoriensis, valdiviae und. gaussica gebildete Artgruppe, die durch die Anordnung und Form der Häutungskörper charakterisiert wird. 2. In jedem der beiden Polargebiete treten ihm eigen- tümliche Formen auf, die sowohl dem Warmwassergebiet wie dem anderen Polargebiete fehlen: Fritillarıa antarc- tica und Oikopleura vanhöffeni. Die einfachste Deutung dieser Verhältnisse ist die, dab sowohl die bipolaren wie die unipolaren Formen. sich mit der Sonderung der Kaltwassergebiete aus der bis zu jenem Zeitpunkte das ganze Weltmeer bevölkernden Warmwasserfauna herausgebildet haben. Da diese letztere völlig einheitlich war und im Norden wie im Süden an den späteren Grenzgebieten kalten und warmen Wassers aus den gleichen Arten bestand, kann es nicht überraschen, daß die gleiche Änderung der Existenzbedingungen auf beiden Hemi- sphären auch zu dem gleichen Ergebnis führte und bipolare Varietäten, Arten und Artgruppen, Gattungen usw. schuf. Bei den Appendicularien kam es nur zur Bildung einer bipolaren Varietät | und einer bipolaren Artengruppe. Daneben aber war natürlich die Möglichkeit gegeben, daß andere Artbildungsvorgänge nur auf einer Hemisphäre erfolgreich sich durchsetzten, auf der anderen entweder ganz unterblieben oder mißglückten. So mußten unipolare Formen und Formgruppen entstehen; bei den Copelaten sind nur unipolare Arten gebildet. Für diese Deutung spricht vor allem ein Umstand, der bei anderen Tiergruppen viel schärfer hervortritt als bei den Appen- dicularien, daß nämlich auf der Südhemisphäre im allgemeinen eine stärkere Formbildung stattgefunden hat als im Norden. Das ist leicht verständlich, weil hier die Berührungsfläche zwischen warmem und kaltem Wasser eine ungleich größere ist als auf der nörd- lichen Halbkugel und daher auch Jahr für Jahr bei einer ungleich größeren Zahl von Individuen der umgestaltende und auslesende Einfluß der sich ändernden Existenzbedingungen wirksam wurde. Das Experiment wurde in der Antarktis in einem viel gewaltigeren Umfange angestellt als im Norden. Bei den Appendicularien stehen nur 4 antarktische Arten den 3 arktischen gegenüber; bei den Pteropoden aber ist die Zahl der antarktischen Arten 9, die der arktischen dahingegen nur 4! Die die Erdkugel umspannende Berührungsfläche zwischen dem kalten Wasser der Antarktis und dem Warmwassergebiet führt aber noch zu einer anderen Erscheinung von allgemeinerer Bedeutung. Im 182 Osten der Bowvet-Insel (Stat. 127 und 128, 25. und 26. XI. 1898) wurde nämlich auf der Valdivia-Expedition eine sehr merk- würdige Mischung von Warmwasser- und Kaltwasserarten beobachtet, und zwar wurden gefunden: Station 128. Vertikalzug 0—20 m. Oikopleura valdiviae (aut- arktisch). Station 127. Vertikalzug 0—200 m. Ovkoplewra valdiviae (ant- arktisch); Fritillaria borealis. f. typica (antarktisch), Fritillaria antarctica (antarktisch); Fritillaria haplostoma (warmes Wasser), Fritillarva megachile (warmes Wasser). Die Warmwasserformen machten etwa 5% aller Individuen aus. In den oberflächlichen Wasserschichten wurden also nur Formen des kalten Wassers gefunden; erst in den tieferen Schichten wurden die Warmwasserformen erbeutet. Später hat die Deutsche Siidpolarexpedition bei 64° südl. Breite nordwestlich von der Winterstation die gleiche Erscheinung noch genauer studieren können. So wurden am 15. März 1903 bei einer Oberflächentemperatur von — 1,80 und einer Bodentemperatur in 3646 m Tiefe von — 0,25° folgende Appendicularien erbeutet: 1. Vertikalzug 0—50 m: nur antarktische Arten (Fritillaria borealis f. typica, Oikopleura valdiviae). 2. Vertikalzug 0—300 m: dieselben antarktischen Arten, aber daneben 6,5 % Individuen von Warmwasserformen (Oikopleura parva, Stegosoma magnum, Fritillaria haplostoma, formica und gracilis). Dies erklärt sich dadurch, daß im Süden überall warmes © Wasser in 200—2000 m Tiefe zum Ersatz des äquatorwärts strömenden polaren Bodenwassers in das Eismeer einströmt (Ergeb- nisse der Deutschen Tiefsee-Expedition, Bd. I. Scuorr, Ozeanographie, Taf. 32, 1907). Die Überlagerung des warmen Wassers durch kaltes Wasser läßt eine Abkühlung nur ganz allmählich eintreten und gestattet so den Warmwasserarten, sich ohne Schädigung an diese ganz extreme Temperaturerniedrigung zu gewöhnen. 3. Die Appendicularien des Indischen Ozeans. Vor der Valdivia-Expedition war nur wenig über die Appendi- cularien des Indischen Ozeans bekannt. Scuorr, Freymapı und Brunn hatten an verschiedenen Orten Plankton gefischt, das von mir untersucht und in den Ergebnissen der Plankton-Expedition (1896) verwertet wurde. Es enthielt neun Arten (Fritillaria pellueida, borealis forma sargassi; Appendicularia sicula; Oikopleura longicauda, — 185 fusiformis, cophocerca, rufescens, dioica, Stegosoma magnum), die alle auch aus dem atlantischen Becken bekannt waren. Später wurde von der Westküste Australiens eine neue Fritillaria (frit. abjürnseni Loum.) beschrieben, die Mrcnarnsen und HArımeyer in dem salzigen Wasser des Unterlaufes des Swan-River fanden. Figur 10. Megalocercus huxleyi Ritt. aus demIndo-Pazifischen, Megalocercusabyssorum aus dem Mittelmeer-Gebiet. 1. Megaloc. hualeyi, Seitenansicht des Rumpfes; 1a ganzes Tier von links gesehen; 1b Mundöffnung von oben gesehen. — 2. Megaloc. abyssorum, Seiten- ansicht des Rumpfes; 2a Darmtraktus von links gesehen; 2b Darmtraktus in Ventralansicht; 2c Mundöffnung von oben gesehen. Durch die zahlreichen Fänge der Valdivia-Expedition sind 18 weitere Arten hinzugekommen. Wie von vornherein zu erwarten war, stimmt die Fauna im allgemeinen vollständig mit der des atlantischen Warmwassergebietes überein. Allerdings wurden zwei 184 neue Arten (Althoffia verticalis und Chunopleura microgaster) erbeutet; es sind dies aber seltene Formen, die nur ganz vereinzelt bisher gefunden sind, und über deren Verbreitung sich vorläufig nichts angeben läßt. Anders verhält es sich mit Megalocercus huxleyi Rırrer (Fig. 10, Nr. 1), einem Verwandten des von Caun im Mittelmeer entdeckten Megalocercus abyssorum (Fig. 10, Nr. 2). Diese Art, die eine Rumpflänge von 3,5 mm erreicht, und erst 1905 von Rırrer von der Nordküste Neu-Guineas als Oikopleura huxleyi beschrieben wurde, ist nachher in dem westlichen Teile des pazifischen Ozeanes an verschiedenen Punkten gefangen (als Oikopleura megastoma von der japanischen Küste durch Ara, 1907; aus dem malayischen Archipel während der Siboga-Expedition durch Inte als Megalocercus huxleyr Rırr. 1906; ich selbst fand die Art im Material, das Dann im Bismarck-Archipel gesammelt hatte, veröffentlichte darüber aber bisher nicht). Auf der Valdivia-Expedition wurde nun diese große Oikopleuride im ganzen Indischen Ozean gefangen. Sie war unstreitig im äquatorialen Gebiete am häufigsten, kam aber auch sonst vereinzelt vor. Der reichste Fang wurde direkt unter dem Aquator an der Somaliküste gemacht (Stat. 250), wo ein einziger Zug mit dem Planktonnetz aus 0—100 m nicht weniger als 19 Individuen er- beutete, fast 1/, der gesamten Ausbeute im Indischen Ozean. Jedoch war dies gleichzeitig die Station, an welcher überhaupt die größte Menge von Appendicularien während der Expedition gefangen wurde (100000 unter 0,1 qm Meeresfiäche). Dieses Meeresgebiet ist daher nicht nur für Megalocercus huxleyi besonders günstig, sondern war damals überhaupt ganz besonders dicht mit Copelaten bevölkert. Als ständiger Bestandteil der Fauna trat hier deshalb auch Megalocercus besonders zahlreich auf. Im Norden konnte Megalocercus bis in das Rote Meer verfolgt werden; im Süden wurde er an der Südspitze Afrikas im Agulhasstrom (Stat. 102) und westlich von Australien in Station 172 gefunden. Beide Orte bezeichnen von Norden her die letzten Stationen, an denen das Meer eine Oberflächentemperatur von 20° besab und als unvermischtes warmes Wasser des Indischen Ozeans anzusehen war. Das Mischgebiet kalten und warmen Wassers, in dem noch eine ganze Reihe der Warm- wasser-Appendicularien vortrefflich gedeihen, ertragt Megalocercus nach diesen Befunden nicht. Damit stimmt überein, daß an nicht weniger als 21 Fangorten die Ober- 185 flächentemperatur über 269 (26—29,3°) und nur an zwei Stationen (!) 20—21° betrug. Diese Art ist daher ganz besonders wärmeliebend. Daß sie unmittelbar an der Ober- fläche vorkommt, zeigte ein Horizontalfang in Station 207. Eine besondere Vorliebe für die Tiefe tritt in den Fängen nicht hervor. In dem Material aus den Schließnetzfängen wurde kein Individuum gefunden. Es ist nun sehr auffällig, daß diese Appendicularie, die durch ihre Größe auffällt und daher nicht leicht übersehen werden kann, nirgends im Atlantischen Ozean beobachtet ist, obwohl dieses Meer viel gründlicher untersucht wurde als der Indische und Pazifische Ozean. Da ferner Megalocercus huxleyi, wo er gefunden ist, nicht besonders selten zu sein pflegt, so daß er durchschnittlich an jeder zweiten bis dritten Station, wo die Appendicularien ausgesucht wurden, nachgewiesen werden konnte, so kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, daß diese Art den bis jetzt untersuchten Teilen des Atlantischen Beckens wirklich fehlt. Sehr bezeichnend ist es in dieser Hinsicht, daß auf der Valdivia-Fahrt das erste Exemplar sogleich bei dem ersten Eintritt in das warme Wasser des Indischen Ozeans am 1. November an der Südspitze Afrikas in Station 103 erbeutet wurde, während auf keiner der zahlreichen Stationen im atlantischen Wasser unter den vielen Appendicularien, die gefangen wurden, auch nur ein einziger Megalocercus war. Wir haben hier also den tiergeographisch sehr merk- würdigen Fall, daß ein Planktonorganismus auf das indo-pazifische Gebiet beschränkt ist, dem atlantischen dagegen fehlt. Die Erklärung hierfür liegt offenbar in dem großen Wärmebedürfnis von Megalocercus huxleyi, das ihn ver- hindert, in den Mischgebieten warmen und kalten Wassers aus- zuhalten wie die weitaus überwiegende Zahl der übrigen Copelaten. Denn dann würde es ihm ein leichtes sein, um die Südspitze Afrikas herum in das atlantische Gebiet einzuwandern. Aber die Sachlage kompliziert sich dadurch noch bedeutend, daß die zweite Art der Gattung Megalocercus abyssorum Cuun auf das Mittelmeer beschränkt ist und gleichfalls im Atlantischen Becken nirgends gefunden ist. Diese Art ist bei Ragusa im Adriatischen Meer und bei Neapel von Cuun, an der Ostküste Siziliens bei Messina und Syrakus von mir und vor Monaco von Krücer gefangen. Sie ist also nicht so selten, daß man damit ihr Fehlen in den zahlreichen atlantischen Fängen der Plankton- und Valdivia-Expedition erklären könnte. Auch haben Caun und ich selbst wiederholt mehrere Individuen in 186 den Fängen erbeutet. Wahrscheinlich bildet auch für diese Megalo- cercus-Art die Wassertemperatur die Verbreitungsgrenze Für das Mittelmeer charakteristisch ist bekanntlich, daß die Wärme bis zu den größten Tiefen hinab nicht wesentlich unter 13° hinuntergeht. Im Ozean dagegen sinkt die Temperatur rapide mit zunehmender Tiefe, und gerade vor der Straße von Gibraltar liegt ein Gebiet kalten aufsteigenden Tiefenwassers, das hier besonders niedrige Temperaturen schafft. Dazu kommt, dab das eintretende Mittelmeer- wasser jenseits der Gibraltarschwelle vermöge seines abnorm hohen Salzgehaltes schnell in große Tiefen (600—1200 m) absinkt (vgl. Scaorr, Geographie d. Atlant. Ozeans, 1912, pag. 160, Fig. 49). Daneben mag auch die Erniedrigung des Salzgehaltes von Bedeutung sein, insofern sie auf die Sekretions- und Quellungsvorgänge bei der Gehäusebildung von wesentlichem Einfluß sein könnte. Die Hauptschwierigkeit liegt aber nicht darin, zu ver- stehen,daß sowohl Megalocercushuxleyiwieauchabyssorum unter den heutigen ozeanographischen Verhältnissen nicht aus ihrem jetzigen Wohngebiet in das Atlantische Becken einwandern können, sondern vielmehr darin, daß eine Gattung von Planktonten des warmen Wassers im Atlan- tischen Ozean nie gefunden ist, im Indo-Pazifischen Becken aber und im Mittelmeer mit den gleichen Netzen regelmäßig gefangen wird. Die Mittelmeerform und die indo-pazifische Art stehen sich sehr nahe. Bei Megalocercus abyssorum ist die Unterlippe erheblich breiter, der Magen lang schlauchförmig, die Endostyldrüse weit kürzer als bei M. huxleyi, deren Rumpflänge (bis 3,5 mm) weit hinter der von M. abyssorum (bis 8 mm) zurückbleibt. Das sind alles nur Unterschiede des Grades, wesentliche Differenzen bestehen im Bau beider Arten überhaupt nicht. Die einzige Hypothese, die die gegenwärtige Verbreitung der Gattung ohne besonderen Zwang zu erklären vermag, ist, soweit ich sehe, die Annahme, daß Megalocercus ursprünglich, wie wahr- scheinlich alle anderen Appendicularien, über das warme Wasser aller Ozeane verbreitet war, aber im Atlantischen Becken allmählich ganz selten geworden oder völlig verschwunden ist. Als Ursache ist vielleicht, worauf Braver mich aufmerksam macht, der Einbruch des ark- tischen Wassers aus dem Polarmeere zu betrachten, der zugleich die Ablenkung des nordatlantischen Strom- zirkels nach Norden bedingte und eine fortgesetzte 187 Ausfuhr warmen Wassers herbeiführte. Der Indische Ozean steht nur mit der Antarktis in Wasseraustausch; der Stille Ozean empfängt zwar durch die Behringstraße auch arktisches Wasser, aber im Vergleich zu den Mengen, die der Atlantische Ozean er- hält, sind diese, vor allem wenn man die verschiedene Wasser- führung beider Ozeane in Betracht zieht, ganz gering, und auber- dem entsendet er keine Warmwassermasse in das Polarbecken fort. Sein nordäquatorialer Stromzirkel bleibt vielmehr vollständig ge- schlossen. Wenn diese Annahme richtig ist, so wäre es nicht ausgeschlossen, daß sich an besonders geschützten Stellen des Atlantischen Ozeans mit hoher Erwärmung des Wassers noch Megalocercus- Kolonien erhalten hätten. Vor allem wäre das Amerikanische Mittel- meer einer Untersuchung wert, ob hier nicht Megalocercus abyssorum oder eine dritte ihm nahestehende Art sich erhalten hat. Gehen wir dagegen von der Voraussetzung aus, daß die Gattung Megalocercus dem Atlantischen Ozean von Anfang an geiehlt hat, so müssen wir schon annehmen, daß ihre Entstehung in eine so späte Zeit fiel, daß die jetzige Gliederung des Weltmeeres bereits vollzogen war. Dann ist aber unverständlich, wie die Einwanderung in das Mittelmeer erfolgte. Zur Charakterisierung der neuen Gattung Chunopleura (Fig.11),die westlich vonSumatraimNias-Südkanal(Stat.198, Vertikalzug aus 0—520 m bei 677 m Bodentiefe und 27,9° Oberflachentemperatur) in einem, leider nur sehr mäßig erhaltenen Exemplare gefangen wurde, mögen noch einige Worte dienen. Der ganze Vorderrumpf samt dem Oikoplasten- epithel war zu einer unkenntlichen Masse zusammengeschrumpft; es gelang mir jedoch die beiden Kiemenöfinungen herauszupräparieren. Sie sind rundlich und werden direkt von dem rings geschlossenen Wimperringe umzogen. Ein distaler Kiemengangabschnitt fehlt also wie bei Megalocercus und Bathochordaeus. Der Hinterrumpf bildet wie bei Althoffia tumida eine große Blase, in ihrem Zentrum liegt der Darmtraktus, der ganz abnorm schmächtig entwickelt ist. Speise- vohre, Magen und Darm bilden einen spitzwinkligen, nach vorn offenen, senkrecht stehenden Winkel. Der linke Magenlappen steht wie bei Stegosoma nur noch in ganz dünner stielartiger Verbindung mit dem übrigen Magen, der auf einen medianen nur leicht spindel- förmig angeschwollenen, schlauchförmigen Abschnitt reduziert ist. Die Magentasche ist nach hinten in einen langen Fortsatz aus- 188 gezogen, erweitert sich aber nach vorn beilförmig, und ist an beiden Enden durch feine Plasmafortsätze seiner Zellen in der Leibes- höhle befestigt. An der Umbiegungsstelle des Darmtraktus, die dem Darm entspricht, erweitert sich dieser zu einer Darmtasche, Be IB ¥ te ‘4 ie Fe ye & ‘ \ ir } u i dl US ws = Figur 11. Chunopleura microgaster n. gen. n. sp. 1. Ganzes Tier; Rumpf von unten gesehen; 2. Stück der Bauchhaut mit den Kiemenöffnungen; 3. die Keimdrüsen der einen Seite; 4a Darmtraktus von der linken Seite, 4b vom Rücken aus gesehen. die wie der Magenblindsack plasmatische Verbindungen mit dem — Fadenwerk der primären Leibeshöhle besitzt. Ventral und vorn geht vom Darm ein dünnes röhrenförmiges Verbindungsstück zum End- darm, dem einzigen Abschnitt der ganzen Darmschlinge, der einen größeren Querschnitt besitzt und auf die Bildung konsistenter Exkremente hinweist. Verglichen mit der Rumpfgröße des Tieres ist aber auch dieser Darmabschnitt zwerghaft klein. Eigentümlich 189 erscheint, daß der Enddarm in sanftem Bogen nach der rechten Seite abbiegt. Wahrscheinlich sind aber im Leben die Speiseröhre, Magen und Darm nach links verschoben, während der Enddarm median gelegen ist, und erst bei der Konservierung ist nachträglich eine Verlegung des letzteren eingetreten. Die Keimdrüsen sind ganz wie bei Althoffia tumida schalenförmig gebildet. Der Schwanz hat keine Subchordalzellen; seine Muskulatur ist nur wenig breiter als die Chorda — Größte Rumpflänge des Tieres war etwa 1800 bis 2000 v1), Chunopleura gehört ihrem Baue nach zu den Oiko- pleuriden und schließt sich im Bau des Darmtraktus am meisten Stegosoma, im Bau der Keimdrüsen Althoffia und im Bau der Kiemen- gänge Megalocercus an. Charakteristisch sind der zierliche eigen- artig gestaltete Darmtraktus und die geschlossenen, rundlichen, aber oberflächlich gelegenen Wimperringe. 4. Die Bevölkerungsdichte der Appendicularien. Die Valdivia-Expedition gibt zum ersten Male die Möglich- keit, verschiedene Ozeanbecken auf die Dichte ihrer Bevölkerung mit Planktonorganismen zu vergleichen. Die Plankton-Expedition hatte nur den Atlantischen Ozean und in erster Linie den küsten- fernen und nördlich vom Äquator gelegenen Teil erforscht; über den Aquator nach Süden war sie nur bis Ascension (in etwa 9° südl. Br.) vorgedrungen. Die Deutsche Tiefsee-Expedition durch- fuhr gerade den östlichen küstenahen Abschnitt und ging bis Capstadt hinunter. Ganz neu war aber die quantitative Untersuchung der West- - windtrift und des südlichen Eismeeres, sowie des Indischen Ozeans. Auf der Plankton-Expedition waren 15000 Appendicularien unter 0,1 qum (Netzéfinung des großen Hensen’schen Plankton- netzes), die größte Zahl, die überhaupt gefangen wurde. Sie wurde angetroffen nahe unter dem Aquator, nordöstlich von Para, vor der Nordküste Brasiliens, und übertraf den größten Fang, der im kalten Wasser der Irmingersee (23. VII.) gemacht wurde, um rund 1000 Individuen. Jedoch fand ich 1905 in dem flachen Wasser der Ost- see einmal 19000 Appendicularien unter gleicher Fläche, also noch 4090 Tiere mehr als vor der Mündung des Amazonenstromes. Die Valdivia-Expedition hatte im Atlantischen Ozean durchweg eine sehr viel ärmere Ausbeute nach den Fängen und Zählungen Arsreıss, deren Ergebnisse für die Copelaten er 1) Der stark geschrumpfte Rumpf, dessen Form Fig. 11 Nr. 1 wiedergibt, war in diesem verkürzten Zustande 1640 p. lang. 190 mir freundlichst zur Verfügung stellte. Der maximale Befund be- betrug nämlich nur 6000 Appendicularien, also noch nicht die Hälfte von dem der Plankton-Expedition. Aber bemerkenswerter- weise fiel auch dieser Fang fast unter den Aquator (Stat. 67,05 nördl. Br., südl. Kamerun). Die Armut aber erklärt sich leicht aus dem Verlauf der Fahrt in der Nähe einer Küste, die durch kaltes Auftriebwasser gekennzeichnet ist. In der Westwindtrift und dem Antarktischen Meere war die Ausbeute an Appendicularien noch geringer als im Warmwassergebiet des Atlantischen Ozeans, während man in Analogie mit den Ergebnissen quantitativer Untersuchungen im Norden gerade hier recht-hohe Werte hätte erwarten dürfen. Aber der reichste Netzzug') brachte noch nicht 4000 (3700) Cope- laten herauf. Das hängt indessen sicher mit der Jahreszeit zusammen, in welcher die Valdivia diese Gebiete besuchte. Denn nach Vanxorren’s Beobachtungen an der Winterstation der Gauss ist gerade in den Monaten Dezember und Januar die Menge des Planktons am niedrigsten (XV. Deutscher Geographentag in Danzig, 1905, Zoogeographische Ergebnisse, p. 17). Zu anderer Jahreszeit werden hier also sicher bedeutend höhere Zahlen beob- achtet werden. Solche besonderen Verhältnisse, die die Bedeutung der Volkszahlen einschränken, liegen nun nicht vor bei den Fängen, die im Indischen Ozean ausgeführt wurden. Die Jahreszeit kann hier keinen solchen Einfluß ausüben, wie in den polaren Meeren und die Netzzüge wurden sowohl in großer Küsten- ferne wie in der Nähe der Küste gemacht. Der reichste Fang lag auch hier wiederum unter dem Äquator, und zwar nahe der Somali- kiiste. Er enthielt nicht weniger als 100 000 Appendicularien und war also, wenn wir die Volkszahl unter 0,1 qm Meeresfläche ver- gleichen, fünfmal so groß wie der Maximalfang aus der Ostsee. Im ganzen wurden 8 Fänge von mehr als 10000 Copelaten erhalten; 5 davon lagen in unmittelbarer Nähe des Aquators (00 46’—2° 38’), 2 etwa 4—5° von ihm entfernt und nur 1 (Busen von Aden) nahezu 130 nördlich. Im Warmwassergebiet des Atlantischen Ozeans machte die Plankton-Expedition viermal Fänge von mehr als 10 000 Individuen, davon lagen 2 unmittelbar unter dem Äquator (0,40 Br.; 21. IX. und 9.1X., vor der Küste Nordbrasiliens), 1 nur 3° nördlich von demselben und 1 rund 16° nördlich (bei den Capverden). 1) Station 149 (0—200 m) ist der siidlichste Punkt, an dem Appendieularieu auf der Expedition gefangen wurden, nordöstlich von Enderby-Land. | 291 Es ist also das stark erwärmte Wasser der äqua- torialen Tropen sowohl im Warmwassergebiet des Atlan- tischen wie des Indischen Ozeans am dichtesten mit Appendicularien besiedelt und der Indische Ozean nach den bis jetzt vorliegenden Bestimmungen wiederum er- heblich reicher bevölkert als der Atlantische. Für die Gebiete kalten Wassers ist ein Vergleich verschiedener Gebiete noch nicht möglich, da die Plankton-Expedition im Nord- atlantischen Ozean die Zeit reicher Planktonentwicklung, die Valdivia in der Antarktis aber gerade die Zeit der Planktonarmut antraf. Ich habe mich hier absichtlich auf die Maximalfänge beschränkt, da ich nur die allgemeinsten Resultate anführen und alles einzelne auf die ausführliche Darstellung im Expeditionswerk aufsparen wollte. Jedenfalls wird man aber nicht sagen können, dab die Tropen irgendwie an Bevölkerungsdichte durch die Appendicularien den kalten Gebieten nachstehen. Bis jetzt sind im Gegenteil die reichsten Fänge direkt unter dem Äquator gemacht. Im polaren Wasser wie in den Tropen kommt es zur Heraus- bildung großer Volksmengen; während sie aber in den Tropen voraussichtlich das ganze Jahr sich halten werden, erscheinen sie in den kalten Meeren naturgemäß nur für kurze Zeit. Die Appendicularien besiedeln daher aller Wahrscheinlichkeit nach das Tropenmeer viel dichter als das kalte Wasser. Ist das aber der Fall, dann muß auch im warmen äquatorialen Wasser ausreichende Nahrung für sie vorhanden sein und ein reiches, schnell sich er- neuerndes und die Freßverluste wieder ersetzendes Nanno- plankton das Meer beleben. Dieser Nachweis ist aber bisher noch nicht gelungen. Buchstabenerklärung für die Textfiguren. bl. = Blindsack. d. = Darm. dr. 1—4. = Reihen großer Drüsenzellen der Oikoplasten bei Bathochordaeus. Eis. oik. = EISEN’sche Oikoplasten (Bildungszellen der Einströmungstrichter und Gitterfenster). end. = Endostyl. endd. = Enddarm. F. oik. = Fou’sche Oikoplasten (Bildungszellen des Fangapparates). 9. = Keimdrüsen. gh. = Gehäuse-Anlage. gl. = Gallertausscheidung der Oikoplasten. h. = Hoden. 192 kg. = Kiemengang. kö. = äußere Öffnung des Kiemenganges. kp. = Kapuze, kpr. = Häutungs- oder Entfaltungskörper der Gehäuseanlage. md. = Munddrüsen. mg. = Magen. ob. = Oberlippe. oes. = Speiseröhre. oes‘. = sackförmiger vorderer Abschnitt der Speiseröhre bei Bathochordaeus. oes''. = schlauchförmiger hinterer Abschnitt der Speiseröhre bei Bathochordaeus. oik. = Oikoplastenepithel. oik. h. = Hinterrand des Oikoplastenepithels. ov. = Eierstock. rd. = bandförmiger hinterer Fortsatz des Oikoplastenepithels. rs. = Reusenapparat. sch. = Subchordalzellen. ul. = Unterlippe. = Wimperband des Kiemenganges. S by | Herr Prof. R. W. Horrmann (Göttingen): Die embryonalen Vorgänge bei den Strepsipteren und ihre Deutung’). Obgleich die Strepsipteren nun seit über 100 Jahren bekannt sind und fast ebenso lange ihre eigenartige Stellung unter den Insekten gewürdigt worden ist, besaßen wir bisher doch nur eine einzige kleine und dazu höchst lückenhafte Arbeit von Bruzs?), über die Embryonalgeschichte dieser Formen. Zudem liegt das Hauptgewicht dieser, aus dem Jahre 1903 stammenden kleinen Studie, auf dem Gebiet der Eibildung. Der Verfasser gibt nur einige unzusammenhängende Stadien, (wahrscheinlich sind manche nicht einmal ganz richtig beobachtet), aus denen nicht zu ersehen ist, wie sich der Embryo weiter entwickelt. Was jedoch gezeigt wird, ist so eigenartig und so sehr verschieden von dem, was man während der Embryonalentwicklung anderen Insekten zu sehen be- kommt, daß das Studium dieser Verhältnisse als eine sehr dankens- werte und lohnende Aufgabe erscheinen muß. Es soll an dieser Stelle nur kurz ein Teil meiner Resultate behandelt werden und zwar vor allem jener, welcher ein allge- 1) Eine größere vorläufige Mitteilung über einige meiner Resultate, ohne Bezugnahme auf andere Insekten, findet sich unter dem Titel: „Zur Embryonal- entwicklung der Strepsipteren“ in „Nachrichten der Ges. d. Wissensch. zu Göttingen“. Math. physikal. Klasse 1913. 2) CH. TH. BRUES: A Contribution to our knowledge of the Stylopidae. Zoolog. Jahrb. Abt. f. Anat, u. Ontogenie. 18. Bd. 1913. 195 meineres Interesse in Bezug auf die embryonalen Vorgänge der Insektenentwicklung überhaupt darbietet. Die Form, welche ich zu meinen Studien verwandt habe, stammt aus Paraguay'). Es handelt sich um eine neue Art der Gattung Xenos; ich nenne sie nach ihrem Erbeuter Xenos Bohlsi. Ihr Wirt ist Polistes canadensis L, eine Wespe, die über beide Amerika ver- breitet ist. Die Stylopisierung des Wirts findet auf die gewöhnliche Weise an dessen Hinterleib, durch Austritt des Parasiten an den Segmentgrenzen statt. Von Interesse ist die bisher unbekannte Tatsache, daß sich sämtliche Entwicklungsstadien in einem einzigen Weibchen vorfinden können. So lieferte mir ein einziges, wohlkonserviertes Weibchen das Material für alle meine Untersuchungen. Welche Folgerungen aus dieser Tatsache, sowie aus der Verteilung der einzelnen Stadien im Mutterkörper, vielleicht zu ziehen sind, will ich an dieser Stelle nicht weiter erörtern. Allerdings ist dies Verhalten keineswegs die Regel. Meistens finden sich in einer Mutter nur wenige verschiedene Entwicklungs- stadien. Im reifen Zustande stellt das Weibchen kaum etwas anderes als einen Sack dar, der neben den wenigen, stark rudi- mentierten Organen eine große Menge Fettkörper enthält, in welchem die unreifen Embryonen eingebettet liegen. Wenn sie fertig ausgebildet sind, wandern die Triungulini durch die Brutschläuche in den Brutkanal. Eine federnde Zunge, welche die Öffnung der Ersteren abschließt, ermöglicht wohl den Austritt der Triungulini in diesen, jedoch nicht mehr ihre Rückkehr in den Mutterleib. Die reifen ovalen Eier umgibt eine derbe Hülle, deren zellige Herkunft sich noch ziemlich lange nachweisen läßt. (Fig. 3 Cho.). Sie spaltet sich später in zwei Lagen, die jedoch gegen das Ende der Entwicklung wieder miteinander verbacken. Auf den frühesten Entwicklungsstadien, die mir zur Ver- fügung standen, finde ich eine Anzahl von Zellen im Zentrum des Kies vereint. Eine größere Anzahl hat sich bereits an die Peripherie des Eies begeben und bildet dort ein Netzwerk relativ weit auseinanderstehender, platter Zellen, die durch Plasmafort- sätze miteinander verbunden sind. Ein eigentliches Keimhant- 1) Die Diagnose der neuen Art, in Verbindung mit der Beschreibung zweier interessanter Mißbildungen an Triunguliniformen, soll demnächst im Zoologischen Anzeiger erscheinen. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 13 194 blastem fehle Von den im Centrum angehäuften Zell- massen bleiben 3 im Dotter zurück. Ziemlich häufig sind es auch vier, nur in seltenen Fällen fand ich zwei Zellen und nur in einem Falle eine einzige. Auf älteren Stadien traf ich immer drei oder vier Zellen an. Diese Zellen sind Vitellophagen. Neben dieser ihrer physiologischen Bedeutung kommt ihnen aber auch eine morphologische zu: sie bilden im Verein mit dem Dotter das Entoderm. Wie wir gesehen haben, sind die Vitellophagen, von Anfang an im Eiinnern. Vom Blastoderm aus erhalten sie später keinerlei Gefährten. Paracyten wurden eben- falls nicht beobachtet. Ihre morphologische Sonderstellung zeigt sich, außer in ihrem späteren kolossalen Umfang, der in ursäch- lichem Zusammenhang mit ihrer Funktion als Dotterverarbeitungs- zentralen steht, in der ganz gesetzmäßigen Weise ihrer Wanderung, ihrer Anordnung im Dotter und ihren Beziehungen zu dem Em- bryonalgewebe. Ich vermute, daß ihre Kerne auch heute poten- tiell nicht gleichwertig sind, denn äußere morphologische Diffe- renzen in den späteren Stadien stehen in inniger Beziehung zu ihrer Lagerung. Aus der Art ihrer Stellung zu einander, von einem gewissen Zeitpunkt an, möchte ich schließen, daß ursprüng- lich vier Vitellophagen vorhanden waren. Das Dreierstadium würde alsdann sekundär durch Reduktion entstanden sein. Daß die Vitellophagen sich anfangs äußerlich nicht von den übrigen Fur- chungszellen unterscheiden, und erst infolge ihrer Tätigkeit ihre gigantische Form annehmen, habe ich bereits angedeutet. Kehren wir zu der Blastodermbildung zurück, so verwandelt sich das anfängliche Zellennetzwerk in eine kontinuierliche Zellhaut, die den Dotter als Mantel umkleidet. Dieser Mantel hat am einen Pol eine Öffnung. Die Stelle ist auch dadurch gekennzeichnet, daß an ihr die Polkörperchen liegen!). Betrachten wir den jungen Keim, vorausblickend, in bezug auf sein Verhältnis zum späteren Embryo, so stellt die Gegend, wo der Dotter zutage tritt, die spätere Dorsalseite dar, der entgegengesetzte Pol die spätere Ventralseite. Bekanntlich wird nach dem Vor- gang Heymons’ von vielen Forschern das Blastodermstadiu m als das Gastrulastadium angesehen, wobei für viele allerdings der Gastrulationsakt zu einem zweiphasigen geworden ist. Auch ich halte dieses Stadium für homolog dem Gustrulastadium ur- 1) Allerdings liegen dieselben nicht genau an der Polspitze, sondern etwas von dieser entfernt. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 4. Figur 1. Figur 3. Blo. AHu.Bl. Figur 2. Figur 4. Embryonalstadien von Xenos Bohlsi n. sp. Der junge Keim im Fettkörper (Sagittalschnitt). Bl.—Blastoderm; Blo.— „Blasto- porus“; Cho. = Chorion; Do. = Dotter; Fe. = Fettkörperzellen; Vi. = Vitellophagen (noch unentwickelt). Vergrößerung 440fach. Späteres Stadium (Sagittalschnitt). Das Blastoderm hat sich schon etwas gegen den animalen Pol verschoben. Aus einem Syncytium hat es sich in ein kubisches Epithel verwandelt. Bezeichnungen wie vorher. Vergrößerung 440fach. Das Blastoderm hat sich auf das letzte Drittel des Dotters zurückgezogen und bildet hier eine aus Zylinderzellen bestehende Zellkappe. Der Dotter ist an der bedeckten Stelle in einen Zapfen ausgezogen, der auf dem nächsten Stadium resorbiert wird. Das Chorion beginnt sich in zwei Schichten zu zerspalten, eine kernhaltige und eine kernlose (optischer Sagittalschnitt). Ri.—=Richtungskörper, in den Dotter gepreßt. Übrige Bezeichnungen wie vorher. Vergrößerung 440 fach. Die Zellkappe hat sich zu einer Keimblase geschlossen. Der in ihrem Innern befind- liche Dotter ist resorbiert worden. Ein Keimstreifen hat sich gebildet (optischer ' Sagittalschnitt). Ho. = Hohlraum der Keimblase; Hü.Bl. = Hüllenblastoderm; Kei. = Keimstreifen. Übrige Bezeichnungen wie vorher. Vergrößerung 440 fach. 196 sprünglicherer Organismen. Dies gilt auch für den Fall, daß wir die polare Öffnung des Blastoderms nicht für einen primären Urmund halten, sondern für eine sekundäre Erwerbung. Auch bei anderen, vivipaaren Insekten, wie z. B. der vivipaaren Generation gewisser Aphiden, ist ein derartiger „Blastoporus“, als häufig vorkommende Bildung, beobachtet worden. Zu erinnern ist auch an das Verhalten des Gryllotalpaeies, bei dem ebenfalls das Blasto- derm sich nicht auf die Dorsalseite des Eies erstreckt. Bei dieser Auffassung entspricht der Dotter mit seinen drei Zellen dem Entoderm. Das Ganze würde sich in unserem Fall ver- halten wie eine epibolische Gastrula, bei der der Dotter die Ausbildung eines Urdarms verhindert. Was nun weiter folgt, ist sicher ein sekundäres Verhalten, und doch scheint es mir ein bezeichnendes Licht auf die Potenzen des Blastoderms und seine Vergleichbarkeit mit dem Ektoderm einer Gastrula zu werfen: Es findet nun eine Art sekundären Gastrulationsprozesses statt, wobei das Entoderm zunächst von der Umwachsung ausgeschlossen wird. Hierbei kontrahiert sich die Zellhaube über dem Ei, bis sie nur noch ein Drittel des Dotters bedeckt. Mit diesem Prozeß Hand in Hand gehend, sehen wir, wie die flache Zellage des Blastoderms, die anfangs ein Syn- cytium darstellt, sich in eine wahrscheinlich bestimmte Anzahl Zellen abgrenzt, die immer höher und höher werden, erst Cylinder- gestalt und schließlich Keilform annehmen. Auf diesem Stadium verharrt die Zellkappe eine Weile. Der Dotter wird, soweit sie ihn bedeckt, stark angenagt. Er verwandelt sich an der bedeckten Stelle in einen immer dünner werdenden Zapfen, der schließlich ganz resorbiert wird. Alsdann wandern die den Rand der Kappe begrenzenden Zellelemente aufeinander zu, bis sie sich treffen und zur Vereinigung schreiten. Hierdurch wird einerseits eine Gastrula ähnliche Hohlkugel erzeugt, andererseits die gesamte Dottersubstanz von dem plasmatischen Teil des Keims ausge- schlossen. Ich bin natürlich weit davon entfernt, die Hohlform als eine Gastrula anzusprechen; es dürfte jedoch nicht überflüssig sein, darauf hinzuweisen, daß bei ihrer Bildung ganz ähnliche Kräfte am Werk sind wie bei der Entstehung einer richtigen Ga- strula. Kräfte, die dann erst in Aktion treten konnten, als sie von dem Einfluß des sie behindernden Dotters befreit wurden. Ein wesentlicher Unterschied gegenüber einer echten Gastrula besteht nun darin, daß das primäre Entoderm, wie es durch die Dotterzellen repräsentiert wird, von der Keimblase ausgeschlossen II. Max. Th.Exf. Figur 6. Embryonalstadien von Xenos Bohlsi n. sp. Fig. 5. Der Dotter wird von dem Keimstreifen umwachsen. Er hat sich — entsprechend Fig. 6. der Anzahl seiner Vitellophagen — in drei Makromeren zerklüftet. Ko. = Kopflappen; Schw. = Schwanzlappen; Mak. = Makromeren (plastische Totalansicht von der Seite). Vergrößerung 440fach. Späteres Umwachsungsstadium. Der Keimstreifen ist bereits so lang, daß er auf der dem Beschauer abgewandten Seite, links vom Kopfe, abgebogen ist (plastische Totalansicht von der Seite). Ma.—Mandibel; I. Max.—= erste Maxille; II. Max. = zweite Maxille; T%.Ext.—= Thoracalextremitäten. Übrige Bezeichnungen wie vorher. Vergrößerung 440fach. 198 ist. Am Schluß dieses Prozesses finden wir eine ringsum ge- schlossene Hohlform, die aus einem einschichtigen, gegen den Dotter hin erhöhten Epithel besteht und der Dotterkugel uhrglasförmig aufsitzt. Das Innere der Blase ist anfangs noch von Dotter- elementen erfüllt, die jedoch sehr bald der Resorption unterliegen. Die weitere Entwicklung vollzieht sich nun derart, daß die Keimblase den entblößten Teil des Dotters wieder umwächst, wobei die dem Dotter anliegende Zellage zum Keimstreifen, der der Außen- welt zugekehrte Teil zur Embryonalhülle wird. Die durch diesen eigentümlichen Entwicklungsprozeß hervorgerufenen Verhältnisse weichen äußerlich nicht unwesentlich von jenen ab, die wir bisher für die Insektenentwicklung kennen gelernt haben. Betrachten wir zunächst die Lage des Keimstreifens, so tritt er zuerst am einen Pol — wir wollen ihn den animalen nennen — auf. Dieser animale Pol wird später zur Ventralseite, wobei sukzessive der Keim in die Breite wächst, während er an Höhe verliert. Vergleichen wir ein Stadium wie das auf Fig. 5 ab- gebildete mit einem solchen eines anderen höheren Insektes, so scheint der einzige Unterschied der zu sein, daß statt zweier embryonaler Hüllen — abgesehen von dem Chorion — nur eine vorhanden ist. Aber das Studium der Embryogenese lehrt doch etwas anderes: nämlich daß gerade aus dem Teil des Blastoderms, aus dem für gewöhnlich der Keimstreifen hervorgeht, eine Embryonal- hülle wird, während der letztere sich durch Zusammentritt von Elementen formt, welche ehedem die Öffnung im Blastoderm um- gaben. Das wichtigste Ergebnis dieser Betrachtungen ist jedoch die Tatsache, daß der Keimstreifen samt der vom Embryo stammenden Keimhülle auch hier aus dem Blastoderm hervorgeht. Welche Homologie ergibt sich nun für die blastodermale Embryonalhülle? Nun, sie ist zu homologisieren, dem sogenannten Hüllenblastoderm der Collembolen, d. h. jenem Teil der Blastodermschicht, welcher sich nach oben an den Keimstreifen anschließt, nur dab derselbe bei unserer Form nicht der Dottermasse anliegt, sondern über den Keimstreifen als Hülle geschlagen ist. Das Hervorgehen des Keimstreifens aus anderen Bezirken des Blastoderms wie üblich, kann nicht als prinzipieller Unterschied gegenüber den Verhältnissen anderer Insekten aufgefaßt werden, da, wie schon Hrymons ausgesprochen hat, früher sicher das ganze Blastoderm zur Bildung des Embryos verwandt worden ist und die Ausbildung eines besonderen Keimstreifenbezirks wohl dem Einfluß des Dotters zu verdanken sein dürfte. Haben wir nun auch in der 199 merkwürdigen Verwendung des Hüllenblastoderms (hier verdient diese Haut diesen von PHıLiprschenko stammenden Namen eigentlich in noch höherem Maße, als bei den Collembolen, wo sie mit der einen Seite an den Dotter grenzt) eine sekundäre Modifikation zu sehen, so ist der Ausgangspunkt für diese Bildung doch ein ur- sprünglicherer Zustand als jener, den die höheren Insekten zeigen, bei denen es zur Bildung von Amnion und Serosa kommt. Auch das Auftreten eines superfiziellen Keimstreifens stellt einen Charakter dar, der gegenüber dem bei höheren Formen vor- kommenden invaginierten Keimstreifen als primitiv bezeichnet werden muß. Allerdings bleibt der Einwand, daß ersterer für unsere Form eine sekundäre Erwerbung darstelle, unwiderlegbar, wenn auch kaum berechtigt, da sich wohl keine Handhabe für eine derartige Annahme finden dürfte. Dieser Hinweis ist vielleicht nicht be- deutungslos, da die Strepsipteren, wie wir noch sehen werden, auch sonst noch primitive Charaktere aufweisen, die wohl nur zum Teile auf eine durch den Parasitismus hervorgegangene Verein- fachung zurückzuführen sind. Schildern wir nun zuerst kurz die Herausbildung der äußeren Form, so sehen wir, wie der anfangs uhrglasförmige, einschichtige Keimstreifen sich in die Länge streckt und zu einem vorne breiten, hinten sich verjüngenden Band umgestaltet, daß sich mit starker Krümmung um die Dottermasse legt, die jedoch zunächst dorsal und lateral noch unbedeckt bleibt. Während dieser Umwachsungsvorgänge sehen wir, wie die freie Wand der Blase sich sukzessive verdünnt. Hierbei sind zwei Pro- zesse wirksam: ein Dehnungsprozeß und ein Degenerationsprozeß. Der erstere wirkt infolge des Längenwachstums des Keimstreifens bei geringer oder fehlender Zellteilung der oberen Blasenwand. Der letztere zeigt sich in einer starken Vakuolisierung des distalen Teils der Blasenwand und einer Abschnürung dieser Teile, welche als schaumige, umfangreiche Masse längere Zeit dem vorderen und hinteren Teil ‘des Keimstreifens anhaften. Die zellige Natur der oberen Blasenwand, die hierdurch zur Hüllmembran wird, läßt sich auch noch auf den spätesten Stadien nachweisen (siehe auch Fig. 5, Hi. Bl.). Während der Umwachsung des Dotters durch den Keimstreifen sehen wir den ersteren sich der Form des letzteren anpassen: der ganze Embryo nimmt die Gestalt einer dicken Platte an. Sobald der Keimstreifen Bandform erlangt, und etwas mehr als die Hälfte des Dotters überwachsen hat, zerfällt er in eine 200 Anzahl von Regionen. Man erkennt die Kopflappen, ein Rumpf- stück und eine Schwanzlappenregion. Es erfolgt nun die Zerlegung in einzelne Segmente. Auf diesen Teil meiner Untersuchung sei hier nur ganz kursorisch eingegangen. Auf die bekannte Weise treten nun, in der Richtung von vorn nach hinten, die Extremitäten- anlagen auf. Daß am Kopf sämtliche bekannte Extremitäten, also auch die Antennen, sowie die ersten und zweiten Maxillen auftreten, beweist daß die Triunguliniform eine sekundär stark reduzierte Larve darstellte. Aus den Mandibeln gehen die auch bisher von den Forschern bei der Triungulini- form als Mandibeln angesprochenen beweglichen An- hänge in der Nähe des Mundes hervor, während die erste Maxillenanlage das Palpusrudiment der Larve liefert. Als eine sehr eigentümliche Tatsache muß es erscheinen, daß, im Gegen- satz zu der starken Reduktion der ersten Maxille, bei der aus- gebildeten Larve die erste Maxille lange Zeit während der embryonalen Entwicklung eine prädominierende Stellung unter den Mundwerkzeugen einnimmt. Anfangs haben alle drei Ex- tremitätenpaare ungefähr denselben Umfang. Bald jedoch gewinnt die erste Maxille sehr bedeutend an Volumen, während die zweite Maxille ziemlich schnell wieder zurückgebildet wird. Eine Gliederung in eine Stipes- und Palpusanlage konnte embryonal mit Bestimmtheit für die erste Maxille, dagegen nur andeutungsweise für die zweite Maxille festgestellt werden. Von einem gewissen Stadium an werden die Mandibeln in das Innere des Kopfes versenkt, während die erste Maxille einer teilweisen, die zweite einer völligen Reduktion erliegt. In bezug auf eine im Munde der ausgebildeten Form vor- kommende hypopharyxnartige Bildung verweise ich auf meine erste Mitteilung. Den Thorax mit seinen Extremitätenanlagen übergehe ich als nicht besonders interessant in seinem Verhalten, und wende mich zum Abdomen. Für dieses bin ich mittlerweile zu einer anderen Auffassung gekommen, als die es ist, welche ich in meiner vorhergehenden Arbeit vertreten habe. Allerdings nicht in bezug auf die tat- sächlichen Verhältnisse, sondern nur hinsichtlich ihrer Deutung. Ich nahm bisher an, daß sich embryonal nur 10 Segmente anlegen, entsprechend der Organisation der ausgebildeten Triunguliniform. Das ist nur insofern richtig, als es sich hierbei um gut ausgebildete Segmente handelt. Als 11. Segment fasse ich jetzt die An- lagen der Springborsten auf. Untersucht man nämlich ein ganz 201 junges Abdomen, das eben seine Gliederung erlangt hat, so erkennt man 8 vordere Segmente und davon abgesetzt ein Endstück, das nochmals in 3 Abschnitte zerfällt (Fig. 7 fu. g). Die 2 vorderen er- weisen sich als einwandfreie Segmente; das letzte, das Terminal- stück, würde ebenfalls als ein solches gelten können, wenn es nicht zweiteilig wäre. Ein medianer Schlitz spaltet es bis zu seiner Basis; ng nn SÄNNES H = wg SS er dorsal ventral lateral ventral Figur 7. | Halbschematische Figuren zur Erläuterung der äußeren Gestalt der fertigen Triungulini-Form N und ihrer Entwicklung. a, b, c, d, e ausgebildete Triungulini-Form von Enpathocera spheci- | darum Duf. f, g jüngeres, A älteres Embryonalstadium des Hinterleibsendes von Xenos Bohlsi | n. sp. Bei der ausgebildeten Triungulini-Form unserer Art sind die Verhältnisse nicht ganz | so deutlich mehr zu sehen, wie bei der von Enpathocera, weshalb ich statt ersterer die fertige | Larve letzterer Art gebe!) — Auf c sind die Springborsten nach der Ventralseite geschlagen, | wobei die Afteröffnung hervortritt. Das auf h dargestellte Hinterleibsende ist an der Stelle, wo es sich nach vorn umschlägt, abgeschnitten. — Da. = Darm; I.—XI.=1.—11. Abdominal- segment. Die übrigen Bezeichnungen wie vorher. Alle Figuren nach einer vom Verfasser | entworfenen Wandtafel. Vergrößerungen: a 269fach; b, c,d,e538fach; f, g 253fach; h 262fach. | 1) Ich verdanke das 2 von Enpathocera sphecidarum Duf, das die von mir studierten Triungulini-Formen enthielt, der Freundlichkeit des Herrn cand. rer. nat. Stich, Leipzig, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen besten Dank aussprechen möchte. — ‘ 202 aus diesen beiden Teilen gehen die Springborsten hervor. Ich be- trachte sie gleichwohl als die Derivate des langsgeteilten 11. Segments, das in sie auswächst. Die Art, wie aus diesen beiden Teilen zuerst 2 kegelartige Fortsätze hervorgehen, die sich erst ganz allmählich in 2 schlanke Borsten umwandeln, ist eine zu auffällige Erscheinung und weicht zu sehr von der üblichen Entstehungsweise derartiger Gebilde ab, als daß man nicht auf den Gedanken kommen müßte, ihnen einen anderen Ursprung zuzuschreiben). Es kommt nun aber hinzu, daß der After sich sowohl hinter dem 10., wie hinter dem hypothetischen 11. Segment, in einem besonderen Abschnitt anlegt, der wohl ein 12. Segment repräsentieren dürfte. Allerdings liegt der Teil des Keimstreifens, auf dem sich die Proctodaealeinstülpung befindet, nicht in der Richtung der übrigen Abdominalsegmente, sondern er erscheint zu diesem anfangs gleichsam eingeknickt. Dieses Moment ist indessen für unsere Auffassung ohne Bedeutung, da ja derartige Ein- knickungen auch an dem Keimstreifen anderer Insekten vielfach beobachtet worden sind. Damit stände unser Ergebnis zugleich im schönsten Einvernehmen mit den bezüglichen Resultaten von Hrvymoxs’ klassischer Arbeit über die Embryonalentwicklung der Dermapteren und Orthopteren, die seitdem zu wiederholten Malen bestätigt worden sind. Bei diesen Formen entstehen am 11. Abdominalsegment aus Extremitätenanlagen die Cerci. Nun zeigt sowohl das 9., wie das 10. Abdominalsegment unserer Form Extremitätenanlagen, die von einer Borste gekrönt werden (beide Borsten sind auch bei der erwachsenen Triunguliniform erhalten). Da derartige Extremitätenanlagen auch ehedem auf dem 11. Segment vor- handen gewesen sein dürften, wie es Hrymon’s für die oben erwähnten Formen nachgewiesen hat, so können wir wohl auch annehmen, daß in der Springborstenanlage, die heute aus dem ganzen 11. Segment entsteht, die Cercianlage enthalten ist. Dies ist von Wichtigkeit, weil diese Auffassung uns erlaubt, mit einer gewissen Einschränkung die Cercider Orthopderen und Dermapteren 1) Bei der ausgebildeten Triunguliniform sitzen übrigens die Springborsten dem 10. Segment nicht dicht auf, sondern am Ende eines scharnierartig dem 10. Segment angefiigten Blättchens, dessen Federkraft bei ventralwärts einge- schlagenen Springborsten den Sprung verursacht (siehe Textfig. 7c). Ich lasse es vorderhand dahingestellt sein, ob dieses Blattchen durch nachträgliche Ver- schmelzung der Basalteile der sich entwickelnden Springborsten entstanden ist und in diesem Falle ein echtes Derivat des 11. Segments darstellt, oder ob es ein sekundär vom 10. Segment abgegliedertes Stück ist. 203 mit den Springborsten der Strepsipteren-Triungulini zu vergleichen. Hingewiesen mag an dieser Stelle noch auf die Tatsache werden daß das 8. Segment, namentlich auf frühen Stadien, sich besonders scharf gegen das 9. Segment absetzt (siehe Fig. 7 fund g). Auch bei der ausgebildeten Triunguliniform ist der hintere Teil des Körpers vom 8. Segment an noch etwas abgesetzt. Es zeigt sich dies auch in einer gewissen leichteren Verschiebbarkeit dieses Abschnittes. Zum Teil wird dies beim Embryo da- durch hervorgerufen, daß die neunten Abdominalextremitäten- rudimente stärker ausgebildet sind als die vorhergehenden und sich seitlich über letztere etwas hervorwölben. Diese Extremitäten- stummel werden übrigens nicht zurückgebildet, sondern entwickeln sich an der Triunguliniform zu 2 Höckern, die von einigen Borsten gekrönt werden (siehe Fig. 7 a, b u. c). Auch vom 10. Abdominal- extremitätenpaar erhalten sich Reste). Wir wollen nun noch kurz die Lageveränderungen betrachten, welche der Keimstreifen bis zur Ausbildung der fertigen Larve durchmacht. Wir haben gesehen, daß der Keimstreifen an der Ventralseite des Keims entlang wächst, und zwar geschieht dies anfangs sowohl am nunmehrigen vorderen, wie am nunmehrigen hinteren Pol ziemlich gleichmäßig, bis Vorderteil und Hinterteil des Keimstreifens etwa in der Mitte der Dorsalseite aneinanderstoßen. In diesem Stadium etwa suspendiert das Vorwärtsrücken des Vorderendes, während das Schwanzende immer weiter wächst. Da die Kopflappen seinem Wachstum ein Hindernis entgegenstellen, so weicht der Schwanzteil links oder rechts aus, wobei auch die Kopflappen eine entsprechende Ausweichebewegung machen. Der Keimstreifen verläßt jedoch bei dieser Bewegung niemals die Oberfläche des Dotters. An das Stadium der größten Längenausdehnung des Keimstreifens schließt sich unmerklich eine allmähliche Größenreduktion an, wobei er denselben Weg wieder zurücklegt, den er anfangs eingeschlagen hatte. Natürlich können die entsprechenden Stadien der fort- schreitenden und rückläufigen Bewegung nicht miteinander ver- wechselt werden, da mittlerweile die äußere und innere Ausbildung des Keimstreifens bedeutende Fortschritte gemacht hat. Wenn das 1) Die stärkere Entwicklung des 9. Segments findet übrigens ihre Parallele in Embryonalstadien anderer Formen, wie z, B. der Donacia crassipes L. (nach HIRSCHLER). An diesem Segment findet sich bei diesem Käfer überdies das letzte und größte Stigmenpaar. 204 Schwanzende den Kopf wieder erreicht, hat es sich ein Stück vom Dotter abgehoben. Auf Sagittalschnitten erkennen wir, daß auf diesem Stadium der Dotter bereits von dem Keimepithel über- wachsen ist und zwar in gleichem Maße vorne wie hinten. Noch deutlicher zeigt sich das auf einem etwas späteren Stadium, wo das Hinterende schon ein gutes Stück vom Kopfende entfernt ist: Man sieht dann in der Mitte des Rückens über dem Dotter die beiden Hüllhäute aufsteigen, die sich hier bis zur Berührung ein- ~ ander nähern. Endlich nimmt der Embryo eine völlig gestreckte Lage ein, so dab sein ganzer Körper nun in einer Achse zu liegen kommt. In dieser Stellung verweilt er eine Zeitlang; dann erfolgt ein plötzliches Umklappen des Hinterteils nach der Ventralseite. Anfangs liegt ersteres der letzteren ziemlich dicht an. Auf späteren Stadien entfernt sich das Hinterende wieder etwas aus der Rumpfnähe. Es behält jedoch im wesentlichen seine anfängliche Krümmung bis zum Ausschlüpfen des Tieres bei. Die Befreiung aus der Eischale muß der Larve nicht viel Mühe verursachen, da erstere gegen Ende der Entwicklung sehr brüchig wird. Wir wollen uns jetzt zu der inneren Entwickung wenden. Hierbei sollen uns jedoch nur einige besonders interessante Fragen beschäftigen, und zwar vor allem die Entodermfrage, soweit sie die Entstehung des Mitteldarms betrifft, und im Zusammenhang damit die Frage nach der Bedeutung und dem Schicksal der Dotterzellen. Es sollen dann noch einige Bemerkungen über die Ausbildung und Verlagerung des Nervensystems folgen. Was die Bildung des unteren Blatts anbelangt, so will ich mich darüber kurz fassen. Einen in der Mediane des Keimstreifens auftretenden Wucherungsprozeß, wie er so häufig für die niederen und höheren Insekten geschildert worden ist, verbunden mit einer vom Ektoderm ausgehenden Überschiebung, fand ich nicht, sondern eine sukzessive Umwandlung der einzelligen Keimstreifen- wand in eine vielschichtige Zellschicht, durch Teilung und Ver- schiebung der Zellen nach höheren Lagen. Das Auftreten der beiden Neuralwülste, zwischen welchen eine Neuralrinne entsteht, deren Boden den Mittelstrang des Bauchmarks liefert, vollzieht sich auf die übliche Weise. So weit ich die feineren histologischen Ver- hältnisse bisher verfolgt habe, bieten sie nichts Auffalliges. Nur die ganz bedeutende Größe des Bauchmarks und die Tatsache, dab — von Anfang an seine ganze Masse als ein einziger dicker Strang angelegt wird, dürfte als Besonderheit angeführt werden. Durch 205 den bedeutenden Umfang der nervösen Teile wird die später ent- stehende Leibeshöhle nicht unwesentlich eingeengt. Zugleich sehen wir, daß die Nervenmasse infolge ihrer Ausdehnung lange Zeit dem Dotter, bzw. dem sich formierenden Mitteldarm, dicht angepreBt erscheint. Dagegen fand ich keine vom unteren Blatt ausgehende Mittelplatte. Nach Bericht einer ganzen Anzahl von Forschern bildet nun eine solche Platte vielfach das sekundäre Entoderm, das später die Anlage des Mitteldarms liefert. Es wäre natürlich auch denkbar, daß sich Entodermelemente aus mehr seitlichen Partien des unteren Blatts entwickelten. Das Entscheidende wäre dann eben, daß sie die Mitteldarmanlage bildeten. Wir haben ja bisher kein ver- läßliches Kriterium, welches uns befähigt, einwandfrei aus dem morphologischen Verhalten von Zellen auf ihre Keimblattherkunft zu schließen. Etwas derartiges ist jedoch bei unserer Form nicht zu beob- achten. Der Mitteldarm entsteht vielmehr, wie wir gleich sehen werden, völlig aus dem Ektoderm. Ich erwähne noch, aus Gründen der Vollständigkeit, daß sich aus den seitlichen Partien des unteren Blattes die Coelombläschen entwickeln, und daß am Abdominalsegment ein bis jetzt noch nicht an der Larve beobachtetes Stigmenpaar zur Anlage kommt. Sehr bald erfüllt sich der Epineuralsinus mit saftreichen Zellen, die durch Plasmaausläufer miteinander in Beziehung stehen. Später erweisen sich viele dieser Zellen, die sich dann besonders abkugeln, als Blutzellen. Andere entwickeln in sich Muskelsubstanz und . werden zu Muskelzellen. Keine dieser Elemente (außer den Muskel- zellen auf alten Stadien) haben die Tendenz, sich dem Dotter an- zulegen. An weiten Stellen des Embryos ist übrigens der Epineural- sinus sehr arm an zelligen Elementen; aber auch dort, wo er reicher daran ist, scheinen sich diese nicht um den Dotter zu kümmern. Es liegt in der Natur der Sache, daß an den stomo- daealen und proktodaealen Teilen des Körpers die Beziehung ‚solcher zelliger Elemente zu den Darmabschnitten eine innigere ist, da hier die räumlichen Verhältnisse sehr beschränkt sind. Die primäre Darmanlage besteht nun nach meiner Auffassung aus drei Teilen: dem Stomodaeum, dem Dotter, einschließlich der Vitellophagen, und dem Proktodaeum. Daß der Dotter hierbei dem - Entoderm zuzuzählen ist, wurde schon oben erwähnt. Diese An- sicht wird heute von einer ganzen Reihe von Forschern vertreten. Allerdings bestreiten wieder andere Forscher, wie z. B. Pmuum- TSCHENKO, Jede Beziehung der Dotterzellen zu den Keimblättern. Ich glaube nun, daß unser Objekt besonders geeignet ist, die betreffende 206 Frage zu studieren und sie der Lösung näher zu bringen, und zwar wegen der geringen Anzahl von Dotterzellen, sowie der Eigenart ihres Verhaltens. Wir wollen uns nun zunächst mit dem Verhalten des Dotters in den späteren Stadien beschäftigen. Wenn der Keimstreifen etwa 2/3 des Dotters umwachsen hat, zerklüftet sich letzterer in drei Partien (Fig. 5, Max.). Daß dieser Vorgang unter Einfluß der Vitellophagen geschieht, ist ganz zweifellos, denn jede der drei hierdurch entstehenden Dotterkugeln enthält stets, zentral oder benachbart dem Zentrum, einen Dotter- kern. Dies geht auch aus dem Umstande hervor, daß in den Fällen, wo der Dotter mehr oder weniger als drei Vitellophagen enthält, derselbe stets in die entsprechende Anzahl von Abschnitten zerfällt. Die Teilung ist in jedem Falle völlig deutlich. Die Isolierung der einzelnen Dotterkugeln ist gelegentlich eine so voll- kommene, daß eine oder die andere fast völlig von den übrigen getrennt erscheint. Aus diesen Gründen und dem ganz bestimmten Verhalten der Dotterzellen auf allen späteren Stadien, halte ich es für berechtigt, die Dotterzerklüftung als einen echten, verspätet ein- setzenden Furchungsprozeß und die Dotterzellen selbst als Makromeren zu betrachten. Wie wir sehen werden, erhalten sich die Makromerengrenzen eine ziemliche Zeit lang. Sie verschwinden zwar auf älteren Stadien. Aber auch dann müssen die Dotterzellen noch lange Zeit ihre Individualität bei- behalten. Dies geht daraus hervor, daß dann die Kerne mit ihrem Zytoplasma ganz bestimmte Bewegungen vollziehen, die, wie wir gleich sehen werden, zu einer sehr bedeutsamen Gruppierung dieser Elemente innerhalb des Dotters führen. Indem der Keimstreifen die Makromeren immer weiter um- wächst, werden letztere wieder zusammengepreßt. Sie bilden nun wieder peripher eine einheitliche Masse (Fig. 6). Innerlich sind sie aber, nach wie vor, durch deutliche Scheidewände voneinander getrennt. Diese drei Makromeren, die anfangs nicht voneinander zu unterscheiden sind, zeigen von jetzt ab ein ganz individuelles Verhalten. Es lassen sich durch Gestalt und Anordnung eine vordere Makromere von zwei hinteren unterscheiden. Im Laufe der weiteren Entwicklung beginnt die vordere mehr und mehr über die beiden hinteren zu überwiegen, und zwar sowohl in bezug auf die Größe ihres Kerns, wie auf das Volumen der ganzen Zelle. Es ist möglich, daß diese Differenzen durch Beziehungen, welche 207 diese Zelle zu dem Stomodaeum nimmt, bedingt sind, insofern viel- leicht hierdurch eine intensivere Verarbeitung des Nahrungsdotters stattfindet. Im Laufe der weiteren Entwicklung ziehen sich nun die beiden kleineren Dotterzellen ganz nach der Ventralseite zurück. Die große Zelle schließt dann die gesamte Dottermenge oberhalb der beiden Zellen ein. Älterer Embryo im Stadium der Zurückweichung des Hinterendes (paramedianer Sagittal- schnitt). Ba. =Bauchmark; Cer. = Cerebralganglion; Me. —= Mesodermzellen; Pr. = Procto- daeum (das Lumen nicht getroffen); St.—Stomodaeum; St.-Pl.—=Stomodaealplatte; Ze. = Zellgrenzen der beiden unteren Makromesen. (Der rechte Hinweisestrich müßte weiter nach unten bis zu der dicken Horizontallinie reichen). Die übrigen Bezeichnungen wie vorher. Vergrößerung 778fach. Mittlerweile spielen sich am Dotter selbst ziemliche Ver- änderungen ab: durch die Tätigkeit des Dotterkerns erfolgt eine allmähliche Verflüssigung des Dotters; dies zeigt sich in riesigen Vakuolen (Fig. 8, Va), die in unmittelbarer Nähe der Kerne auf- treten. Die anfänglich runden Dotterkerne werden sternförmig und langgestreckt. Im Stadium der Zurückweichung des Keim- streifens hat sich schon ein ziemlich großer Lückenraum zwischen der ventralen Keimstreifenwand und dem Dotter gebildet. Dies 208 Verhalten erreicht zunächst seinen Höhepunkt in dem Augenblick, wo der Embryo eine völlig gestreckte Lage erlangt hat. Es vollzieht sich nun das schon geschilderte Umklappen des Hinterendes. Hiermit verbunden ist auch eine Veränderung der ganzen Körpergestalt. Indem sich die Spannungsverhältnisse im Embryo anders verteilen, wird zu- gleich der Dotter in eine längliche Wurst verwandelt. Durch starkes Wachstum des Bauchmarks erfolgt alsdann wieder eine Verengung des dorsalen Raumes, in dem er sich befindet, und so sehen wir, dab in diesem Stadium, trotz zweifellosen Substanzverlustes des Dotters, dieser doch wieder in der Sagittalebene der Rückendecke und ventralwärts dem Bauchmark dicht anlegt (Fig. 10). Die innere Struktur des Dotters hat alsdann ebenfalls ein ganz anderes Gepräge angenommen. Sie besteht nun aus einem gleich- mäßigen, feinen Schaumwerk. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich diese Strukturveränderung auf einen Flüssigkeitsverlust zurück- führe, der durch mechanische Auspressung der vorerwähnten großen Vakuolen, infolge des Umschlagens des Hinterleibes, zustande kommt. Von diesem Stadium an lassen sich keine Zellgrenzen mehr für die Dotterzellen feststellen. Trotzdem behalten sie auch jetzt noch ihre Eigenart. Die Gestaltdifferenz ihrer Kerne ist jetzt recht auffällig und ebenso ihre Lage. Während die kleinen Makro- merenkerne nun ganz flachgedrückt sind und an der äußersten ventralen Grenze des Dotters dicht nebeneinander liegen, sehen wir den großen Makromerenkern, nur ganz wenig abgeplattet, dorsal davon im Dotter ruhen. In dem nächsten Stadium voll- ziehen sich nun die folgenden Bewegungen der Dotterkerne: der sroße Kern zieht gegen das mit dem Dotter in Verbin- dung stehende Stomodaealende, wo er kolossal heran- wächst, und die Dotterverarbeitung intensiver fortsetzt. Häufig sieht man ihn gegen das Stomodaealende zu pseudopodien- artige Fortsätze ausstrecken. Die beiden kleineren Kerne hingegen kehren nach dem Innern des Dotters zurück und ordnen sich derart gegeneinander an, daß sie sym- metrisch zu einer gedachten Längsachse des Dotters zu liegen kommen. Zwischen ihnen erstreckt sich ein dunkler, plasmatischer Streifen bis zu dem großen Dotterkern hin?). Es lassen sich alle Zwischenstadien dieser Wanderung mühelos nachweisen. Sind vier Dotterkerne vorhanden, so sind zwei im vorderen Drittel und zwei im hinteren paarweise angeordnet. 1) Siehe Fig. 6 meiner ersten Strepsipterenarbeit. — 209 Zwischen diesen Kernen zieht sich stets in der Längsachse des Dotters die vorerwähnte kanalartige Sekretbahn, die dem ganzen Gebilde das Aussehen eines Darmabschnittes mit rudimentärem Lumen gibt. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, daß sich in diesem Stadium der Dotter von den übrigen Gewebeteilen loslöst und in ein schlankes, darmartiges Gebilde verwandelt hat. In der Tat muß der Dotter in diesem Stadium als die rudimentäre Anlage des primären Mitteldarms betrachtet werden. Inzwischen hat allerdings die Anlage des sekundären Mittel- darms schon längst begonnen. Um diese verstehen zu können, müssen wir zunächst zur Bildung von Stomodaeum und Prokto- daeum zurückkehren. Die erste Anlage des Stomodaeums fand ich auf einem Stadium, wo der Keimstreifen noch eine flache Scheibe bildet, jedoch bereits eine mehrschichtige Zellenplatte darstellt. Die Einstülpung ragt dann noch nicht in den Dotter vor, sondern steckt noch im Keim- streifen. Sie liegt etwa am Ende seines ersten Drittels. Von einer Proktodaeumanlage ist dann noch nichts zu sehen. In diesem frühen Stadium findet sich häufig am Keimstreifen, gegenüber der Stomodaealeinstülpung, einer der Vitellophagen. Ein anderer findet sich häufig gegenüber dem Ende des sich einstülpenden Prokto- daeums. Ich bemerke jedoch ausdrücklich, daß diese Vitello- phagen zur Zeit der bald auf dieses Stadium folgenden Dotter- furchung diese Lage wieder verlassen und mehr nach dem Innern des Dotters wandern. Im Laufe der Entwicklung wächst das Stomodaeum in sanftem Bogen und in schiefer Richtung gegen die Ventralseite des Embryos zu. Das Proktodaeum hingegen, das, wie wir gesehen haben, hinter dem 11. Segment, aus dem die Springborsten hervor- gehen, an einem eingeknickten Ende des Keimstreifens entsteht, verläuft zunächst parallel dem. dorsalen Abschnitt des Keim- streifens. Beide Organanlagen bilden zwei aus Zylinderepithel bestehende Einstülpungen. Ich verzichte darauf, die einzelnen Etappen der Entwicklung der beiden ektodermalen Darmanlagen eingehend zu schildern, und wende mich gleich zu einem älteren Stadium, auf dem der dorsale Teil des Keimstreifens schon ein Stück zurückgewichen ist. Auf einem solchen sehen wir das Stomodaeum zu einer langen Röhre ausgewachsen, während das Proktodaeum noch immer einen kurzen Sack darstellt. In dem Hohlraum zwischen Stomodaeum und Körperwand sieht man nur ganz vereinzelte Zellen liegen; Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 14 210 an der Stomodaealwand findet sich kaum eine fremde Zelle ange- lagert. Auf paramedianen Sagittalschnitten sieht man nun, daß das Ende des Stomodaealrohres eine andere Form angenommen hat, indem es gegen die Ventralseite hin scheinbar einen Fortsatz bildet, der sich rund und glatt von dem Dotter in dem Figur 9. Ähnliches Embryonalstadium wie auf vorhergehender Figur (Querschnitt in der Gegend der Stomadaealplatte). Mit. = Mittelstrang des Bauchmarks. Die übrigen Bezeichnungen wie vorher. Vergrößerung 1112 fach. Hohlraum abhebt, an dem ebenfalls keine fremden Zellelemente anliegen (Fig. 8 St. Pl.). Die eigentliche Beschaffenheit dieser Bildung läßt sich jedoch erst auf Querschnitten studieren. Wir erkennen auf solchen, daß der Fortsatz den seitlichen Teil einer Platte darstellt, in welche der ventrale Teil des Stomodaealrohrs ausläuft (Fig. 9 St. Pl.). Diese Platte geht allmählich nach hinten in zwei Fortsätze über, die 211 sich latero-ventral dem Dotter anlegen. Diese ventrale Platte des Stomodaeums und die aus ihr hervorgehenden nach hinten gerichteten Fortsätze bilden die sekundäre Mittel- darmanlage. Auf späteren Stadien erfolgt auch wohl von Figur 10, Älterer Embryo, auf dem schon die Umklappung des Hinterendes erfolgt ist (Querschnitt in der Gegend kurz hinter dem Stomodaealende). E.=Enddarm; Mi.= Anlage des sekundären Mitteldarms. Die übrigen Bezeichnungen wie vorher. Vergrößerung 1112 fach. dem dorsalen Ende des Stomodaeums aus eine geringe Pro- liferation von Zellen, die an dieser Stelle zu einer teilweisen Um- wachsung des Dotters führt. Doch hat diese gegenüber dem anderen Modus nur eine relativ geringe Bedeutung. 14* 212 Da ich die Genese dieser Zellplatte, sowie ihren Zusammen- hang mit dem Stomodaealrohr einwandfrei feststellen Konnte, so halte ich die eventuelle Detttung, daß es sich hierbei um Elemente des unteren Blatts handeln könnte, die sich am distalen Ende des Stomodaealrohrs angesiedelt haben, für völlig unberechtigt. Im Laufe der Entwicklung sprossen nun die seitlichen Fort- sätze der Platte immer weiter nach hinten vor. Die ventrale Stomodaealplatte wird hierbei mehr und mehr aufgebraucht; auf älteren Stadien ist sie nicht mehr zu sehen. Ja, die aus ihr her- vorgehenden Fortsätze können sogar zeitweilig ihr festeres Gefüge mit dem Stomodaealende verlieren. Die seitlichen Zellmassen wachsen nun so lange weiter, bis sie mit dem Proctodaeum in Verbindung getreten sind. Von dem Ende dieses Teils erfolgt ebenfalls eine Zellwucherung, die sich jedoch nicht auf bestimmte Bezirke beschränkt, sondern in der ganzen Zirkumferenz des Organs stattfindet. Nun breiten sich die Zell- massen allmählich nach oben und unten aus. Sehr lange bleibt die dorsale und ventrale Oberfläche des primären Mitteldarms von Zellen unbedeckt. Zum Teil mag dies ja wohl daran liegen, daß nach der Umklappung des Hinterendes, durch die hierdurch hervorgerufene sekundäre Verengung der Leibeshöhle, namentlich in der Sagittal- ebene, und das bedeutende Dickenwachstum des Bauchmarks, der Dotter an dieser Stelle wieder dicht der Körperdecke und dem Nervensystem anliegt. Andererseits werden aber auch die für die Anheftung von Zellelementen zugänglichen Partien des Dotters nicht von freien, in der Leibeshöhle befindlichen Zellen besetzt, und dies geschieht auch dann nicht, wenn der primäre Mitteldarm sich zu einem schlanken, frei in der Leibeshöhle liegenden Gebilde reduziert hat. Auch in dem Stadium, wo die Dotterkerne die oben ge- schilderte Endanordnung erlangt haben, zeigen Sagittalschnitte durch solche Embryonen an der dorsalen und ventralen Fläche des Mittel- darms keinerlei Zellbedeckung. Die Augen sind schon längst an- gelegt, und alle wesentlichen äußeren und inneren Organe der Larve ausgebildet, wenn endlich der Mitteldarm sich ganz geschlossen hat. Verfolgen wir nun noch schnell die Entwicklung des Darms bis zu seiner definitiven Ausbildung, so sehen wir, wie freie Zellen der Leibeshöhle, die natürlich aus dem sogenannten unteren Blatt herstammen, sich an die Epithelien der drei Absclinitte legen und auf die oft geschilderte Weise die äußere Muskelschicht bilden. Der Vorderdarm verlängert sich ganz beträchtlich. Er beträgt bei unserer Form über ?/; der Länge des ganzen Tieres. Noch bevor 213 er in den Mitteldarm durchgebrochen ist, was sehr spät geschieht, schwillt er terminal in einen kugeligen Endabschnitt an, den wir als Kropf bezeichnen können. Später bildet sich auch etwas wie ein Pharyngealabschnitt aus, der bis zum 3. Thoracalsegment hin- ~ unterzieht, dessen wenig beträchtliche Elemente jedoch auf keinen eigentlichen Gebrauch schließen lassen. Der Mitteldarm wird zu einem sehr dünnen, häutigen Sack. Sehr wahrscheinlich hat er bei der ausgebildeten Triunguliniform gar keine Funktion mehr. Lange Zeit sieht man ihn noch mit Dotter erfüllt, in dem die Reste der degenierten Dotterkerne eingestreut liegen. Bei der fertigen Larve scheint der Darm kaum mehr zu funktionieren, da er dann eine fast gänzlich von Substanzen entblößte häutige Blase darstellt, deren Epithel nur aus einer ganz dünnen Membran gebildet wird. Diese Auffassung wird auch durch die Tatsache bestärkt, daß der Enddarm in sie nicht mehr durchbricht. Die Larven werden sich wohl, nachdem sie den Mutterleib verlassen haben und in den Brut- kanal gelangt sind, nicht allzulange in diesem aufhalten. Sobald sich eine Gelegenheit dazu findet, werden sie ihren Käfig verlassen und ins Freie gelangen. Einige Stunden, oder vielleicht auch Tage, werden sie wohl ohne Nahrung aushalten können; dann findet sich vielleicht Gelegenheit zur Infektion eines Wirts, oder sie gehen eben zugrunde. Der Enddarm, der sich, wie wir gesehen haben, als Einstülpung des Keimstreifens anlegt, gliedert sich sehr bald in zwei deutliche - Abschnitte, in eine sich trichterartig erweiternde Röhre und eine davon gut abgesetzte Ampulle. Während sich die Endröhre aus kleinzelligen Elementen zusammensetzt, besteht die Ampulle aus nur wenigen Zellen mit großen, bläschenartigen Kernen. Sehr wahr- scheinlich ist die Ampulle eine Exkretionsblase. Dafür sprechen auch ihre großen, drüsigen Zellelemente und weiterhin der Umstand, daß sie sich an einer Stelle des Darms befindet, in deren Nähe bei anderen Insekten die malpighischen Gefäße hervorsprossen. Eine Andeutung dieser Organe scheint sich übrigens auch bei unserer Form vorzufinden. In der Zone zwischen der Exkretionsblase und dem Ende des Mitteldarms finden sich nämlich auf älteren Stadien einige fingerförmige Fortsätze, die wohl ihrer ganzen Lage und Beschaffenheit nach als die Anlagen malpighischer Ge- fäße angesprochen werden dürfen. Ich möchte dieses Kapitel über die Entwicklung des Strep- sipterendarms nicht schließen, ohne noch einmal mit einigen Worten die Keimblatterfrage bei den Insekten zu streifen: 214 Schon Hrymoxs hat in seiner Arbeit über die Embryonalent- wicklung der Dermapteren und Orthopteren festgestellt, daß der gesamte definitive Darmtraktus dieser Formen aus dem Ektoderm - hervorgeht, und daß der Dotter mit seinen Vitellophagen das primäre Entoderm darstellt. Seitdem sind zahlreiche entwicklungs- geschichtliche Untersuchungen an Insekten gemacht worden, und es haben sich allmählich die Forscher in zwei Hauptlager gespalten: die einen halten an der Hrymons’schen Auffassung fest, die anderen behaupten, daß der Mitteldarm überall aus Derivaten des unteren Blatts hervorgehe. Wieder andere geben wenigstens zu, daß am Aufbau des Mitteldarms ektodermale Elemente beteiligt sein kénnen. In letzter Zeit neigen die Forscher vielleicht etwas mehr zu der Ansicht von der entodermalen Herkunft des Mitteldarms. Was die Auffassung des Dotter anbelangt, so gibt es neuer- dings eine Richtung, wie sie z. B. von Nussaum und Fotisx1, sowie von Phiuiprschenko vertreten wird, welche ihm jede Be- ziehung zu den Keimblättern abspricht. Andere moderne Forscher, wie Hirschter, halten allerdings, nach wie vor, an der Entoderm- natur des Dotters fest. Ich glaube nun dieser letzteren Annahme durch die vorliegende Studie eine nicht unwesentliche Stütze ver- liehen zu haben. Andererseits glaube ich, daß bei den höheren Insekten, insofern man die den Mitteldarm bildenden Derivate des unteren Blattes für Entoderm hält, alle Übergänge zwischen dem völligen Aufbau des definitiven Insektendarms aus Ektodermzellen und seinem völligen Aufbau aus Elementen des unteren Blatts vor- kommen können. Unser Fall würde dann am einen Ende der Ent- wicklungsreihe stehen. Es ist nun auch mehrfach behauptet worden, daß gewisse Insekten ihren Mitteldarm nur aus Elementen der Dotterzellen bildeten, in anderen Fällen sollen wenigstens eine Anzahl Dotter- zellen am Aufbau des Mitteldarms beteiligt sein. Ich will hier nicht untersuchen, ob diese zum Teil bezweifelten Angaben richtig sind. Auf jeden Fall liegen sie nach meiner Auffassung von dem morphologischen Wert der Dotterzellen durchaus im Bereich der Möglichkeit. Sie würden dann mehr oder minder primitive Zu- stände darstellen. Soviel scheint mir sicher zu stehen, daß der entodermale Anteil des Insektenmitteldarms innerhalb der ganzen Gruppe vielfach eine Degeneration erleidet — eine Degeneration, die wahrscheinlich auf den schädigenden Einfluß des Dotters zurückzuführen ist. Indem die primären Entodermzellen sich zu Vitellophagen spezialisieren, 215 verlieren sie die Fähigkeit zur Fortpflanzung und Organbildung. Wahrscheinlich stellen bei unserer Form die drei Vitellophagen die Mutterzellendesganzen Entoderms dar, das sie, infolge des Verlustes ihrer Teilfähig- keit, nicht mehr zu liefern imstande sind. Hingegen scheint bei ihnen die Fähigkeit, den Mitteldarm zu bilden, soweit dies ihre geringe Zahl zuläßt, bis zu einem gewissen Grade noch erhalten geblieben zu sein. Die Degeneration des Entoderms würde sich aber auch viel- fach dort zeigen, wo ein sekundäres Entoderm aus dem unteren Blatt auftritt; denn einerseits ist dieses vielfach nicht mehr imstande, den gesamten Mitteldarm zu liefern, sondern bedarf hierzu der Bei- hilfe ektodermaler Elemente, andererseits verliert es zum Teil auch seine physiologischen Potenzen. Gradezu ein Schulbeispiel für diesen letzten Fall bildet die vivipare Generation gewisser Aphiden (Rhopalosiphum), bei denen das untere Blatt (nach HirscaLer) nur noch ein winziges Stückchen des Darmkanals liefert, das zudem nicht einmal jenem Abschnitt des Verdauungstraktus angehört, der seiner ganzen äußeren Beschaffenheit und Funktion nach dem Mitteldarm anderer Insekten zu vergleichen ist, sondern einem Stück der in ihn einmündenden dünnen Röhre, die aus analogen Gründen als Ösophagus zu bezeichnen ist. Welche Parallele im organischen Geschehen findet sich nun aber für die Bildung des definitiven Mitteldarms bei unserer Form? Nun, ich denke, daß die sich hierbei vollziehenden Vorgänge etwa jenen Wachstumserscheinungen zu vergleichen sind, die eintreten, wenn man einen Oligochaeten in Stücke zerteilt! Es erfolgt alsdann die Ergänzung des fehlenden Darmabschnittes (abgesehen von den andern Organen) durch Auswachsen des Stumpfes und Differenzierung der Neubildung, ganz unabhängig davon, ob das entfernte Darmstück aus demselben Keimblatt hervorgegangen war wie der restierende Teil, oder nicht. Mit anderen Worten: die Bildung des Mitteldarms unserer Form stellt sich dar als ein physiologisch gewordener Regenerationsvorgang. Zum Schluß möchte ich noch kurz einen letzten Punkt aus der Embryonalgeschichte unserer Form erwähnen: nämlich die Entwicklung des Nervensystems. Zwei Besonderheiten sind hier zu vermerken: seine allmähliche Reduktion und seine Verschiebung. Besonders modifiziert erscheint das Bauchmark. Auch embryonal kommt es hier nicht mehr zu 216 einer Ganglienkette mit gut voneinander abgesetzten Ganglien. Das ganze Bauchmark bildet einen sehr umfangreichen, dicken Stab. dessen Zusammensetzung aus Ganglien nur durch die innere Struktur erweislich ist. Soviel sich erkennen läßt, besteht es aus 5—6 Ganglienmassen. Auf dem Stadium der Verkürzung des embryonalen Hinterendes reicht es etwa bis zum achten Ab- dominalsegment. Von da an erfolgt eine ständige Verkürzung und Konzentration des Bauchmarks, dessen Hauptmasse später in der Triunguliniform von Neocholax Jacobsont De Mes nur bis zum 3. und 4. Abdominalsegment reicht. Es bildet alsdann eine rinnenförmig vertiefte Platte mit stark aufgekrämpten Rändern, die zwischen sich den Mitteldarm aufnehmen. Die interessanteste Tatsache in der Entwicklung des Zentralnerven- systems bildet jedoch seine ganz merkwürdige Rückverlagerung. Noch bis zu Ende des letzten Stadiums vor dem Umklappen hat die obere und untere Schlundganglienmasse ihre gewöhnliche Lage. Von da an rückt der ganze Komplex immer weiter nach hinten. Bis endlich die Cerebralganglien nur noch bis zur vorderen Mesothoraxgrenze, die Unterschlundganglien bis etwas über die hintere Mesothoraxgrenze reichen. Diskussion: Herr Prof. Heymons. Herr Prof. Srpemann (Rostock): Über verzögerte Kernversorgung von Keimteilen. Als ich im vergangenen Sommer einem Schüler zeigte, wie man Tritoneneier einschnürt, kam ich auf den Gedanken, es müßte möglich sein, durch Schnürung gleich nach der Befruchtung den Furchungskern in der einen Eihälfte zurückzuhalten, und erst einen späteren Abkömmling desselben durch die Substanzbrücke in die andere Hälfte des Eies hinüber zu lassen. So würde die bis dahin unentwickelte Hälfte statt mit !/,, je nach dem Grad der Schnürung mit 1/4, 1/g, Yıg Furchungskern versehen. Dieser Versuch gelang aufs erste Mal. Ich habe ihn in diesem Frühjahr wieder aufge- nommen, und möchte ihnen nun über meine bisherigen Ergebnisse berichten. Am unbefruchteten Ei von Triton taemiatus sieht man den ersten Richtungskörper als kleinen, dunklen Punkt in einem helleren Feld. Der zweite Richtungskörper wird erst nach der Befruchtung 217 gebildet. Es dringen Spermatozoen in größerer Zahl ins Ei ein, von denen eines sich mit dem Eikern vereinigt; die übrigen gehen zugrunde. Die Eintrittstellen der Spermatozoen erscheinen als dunkle Flecken (trous vitellins Van Bampecxe). Schnürt man daher das Ei kurze Zeit nach der Ablage oder nach der künstlich vor- genommenen Befruchtung mit einer Haarschlinge ein, so kann man voraussagen, welche Eihälfte den Eikern enthalten wird, und kann erkennen, ob Spermatozoen dabei sind (Fig. 1). Figur 1. Ei von Triton taeniatus (N 7), Vergr. >< 30, etwa 20 Minuten nach der künstlichen Be- fruchtung stark eingeschnürt. Rechts ziemlich in der Mitte der Oberseite der „Richtungs- fleck“, rechts am Rande zwei „Dotterlöcher“. Die Entwickelung derartig geschnürter Eier beginnt annähernd gleichzeitig mit der von Kontrolleiern, auf der den Eikern ent- haltenden Hälfte, mit einer ersten Furche, welche meist schräg verläuft und eine kleine Zelle abschneidet. Die zweite Furche halbiert diese kleinere Zelle und schneidet von der größeren wieder ein Stück ab. Der Keim besteht dann aus vier Zellen, von denen drei kleinere ganz der einen Hälfte angehören, von einer großen vierten ein kleiner Teil, der den Kern enthält, während die kernlose Hauptmasse dieser großen Zelle auf der anderen Seite der Ligatur 218 liegt. Diese Teilungen auf der einen Hälfte können sich noch mehrmals wiederholen, bis eine Furche den die beiden Eihälften verbindenden Stiel durchtrennt. Damit ist auch ein Kern über die Brücke in die andere Hälfte hinüber gewandert. Nach starker Schnürung weichen hierbei die beiden Eihälften meist ganz ausein- ander, und bleiben dauernd getrennt (Fig. 2). Nun beginnt auch diese bisher ungeteilte Eihälfte sich zu furchen, zunächst natürlich langsamer, als die schon kleineren Figur 2. Furchungsstadium von Triton taeniatus (G6); Vergr. >< 30, war 16 Minuten nach der künst- lichen Befruchtung stark eingeschnürt worden, hatte sich dann 10 Stunden 20 Minuten weiter entwickelt. Die rechte Hälfte besteht aus (wahrscheinlich) 30 Zellen, die linke Hälfte ist noch ungeteilt, teilte sich einige Stunden später. Beide Hälften sind durch eine tiefe Furche getrennt, die sich ausbildete, nachdem ein Kern (wohl !/,, Furchungskern) in die bis dahin kernlose Eihälfte hinüber gewandert war. Zellen der älteren Hälfte. Der so zustande gekommene Unterschied im Entwickelungsgrad der beiden Hälften ist noch in späteren Stadien deutlich erkennbar. Um die weitere Entwickelung zu verstehen, muß man berück- sichtigen, wie sich normalkernige Eihälften von Triton taeniatus nach Trennung ihres Zusammenhangs verhalten. Sie entwickeln sich bekanntlich entweder beide zu einem Embryo von halber 219 Größe, aber normalen Proportionen, oder aber nur die eine von ihnen, während die andere ein Bauchstück ohne Achsenorgane bildet. Das kommt daher, daß die erste Furchungsebene nicht immer die- selbe Lage hat, indem sie manchmal der Medianebene des Embryo entspricht, manchmal einer frontalen Ebene, welche Rücken und Bauch trennt; durch schwache Einschnürung im Zweizellenstadium läßt sich das mit Sicherheit feststellen. Dasselbe nun erhält man auch nach Einschnürung des eben befruchteten Eies nnd später erfolgender Trennung der Hälften während der Furchung; also entweder Zwillinge, oder aber nur aus der einen Hälfte einen Embryo, aus der anderen ein Bauchstück. Bei medianer Schnürung kann demnach sowohl die eine Hälfte, welche z. B. 15/,g des Furchungskerns, also viel zu viel, erhalten hat, einen normalen Embryo bilden, als auch die andere, der viel zu wenig, nur 1/,, des Furchungskernes, zugekommen ist. Nach frontaler Schnürung dagegen nützt es der ventralen Hälfte nichts, 15/,6, ja den ganzen Furchungskern zu besitzen, sie bildet doch nur ein Bauchstück, während die dorsale Hälfte jedenfalls mit 1/, Furchungs- kern noch zum Embryo wird. Es liegt also am Eiplasma, nicht an den Kernen, zu welchem Teile des Embryos sich die Teile des Keimes entwickeln. Es ist mir aufgefallen, daß ich bis jetzt einen dorsalen Embryo wohl mit 1/,, niemals aber mit !/,g Kern erzielte; in mehreren Fällen, wo ein Bauchstück mit 15/,, Kern entstand, wo also sicher quer geschnürt worden war, ging die dorsale Eihälfte ohne erkennbare Ursache zugrunde Nur nach einer großen Anzahl negativer Er- gebnisse bei sonst gut gelungenen Versuchen wird sich sagen lassen, ob das Zufall war oder ob es eine Bedeutung besitzt. Es könnte der in einer ventralen Hälfte herangezüchtete Kern die Fähigkeit verloren haben, in einer dorsalen Eihälfte normal zu funktionieren. Im Gegensatz zur starken Schnürung tritt nach mittlerer Schnürung meist keine dauernde Trennung der beiden Eihälften ein; dann entstehen, wenn median geschnürt worden war, verschiedene Arten von Doppelbildungen, deren Hälften verschieden „alt“ sind. Die daraus sich ergebenden interessanten Konflikte kann man dadurch noch verschärfen, daß man durch rechtzeitiges Lockern und Lösen der Ligatur eine nachträgliche Vereinheitlichung des Embryos veranlaßt. Solche Embryonen, die auf der einen Seite älter sind als auf der anderen, suchte ich vor vielen Jahren zu Anfang meiner Experimente am Tritonei dadurch zu erzielen, daß ich die Entwicklung der beiden Eihälften in verschieden warmem Wasser anstrebte. 220 Wesentlich andere, aber nicht weniger interessante Vorgänge werden veranlabt, wenn man die beiden Eihälften gleich nach der Befruchtung völlig trennt. Die eine enthält dann den Richtungsfleck und später den Eikern; wenn sie außerdem ein Spermatozoon mitbekommen hat, was man an dem Vorhandensein eines Dotterlochs erkennt, so entwickelt sie sich je nach der Lage der Eiachse zu einem seitlichen oder dorsalen Embryo oder zu einem Bauchstück. Aber auch die andere Hälfte kann sich unter Figur 3. Ei von Triton taenialus (O-), Vergr.>< 30. 7 Stunden nach der künstlichen Befruchtung; war 55 Minuten nach der künstlichen Befruchtung zerschnürt worden. Umständen entwickeln. Bei den Urodelen herrscht nämlich physio- logische Polyspermie; von den oft zahlreichen eingedrungenen Spermatozoen entwickelt sich nur das eine, das sich mit dem Eikern verbindet, die übrigen gehen früher oder später zugrunde. Entfernt man aber einen Teil des Eies mit dem Eikern, so treten im Rest des Eies eines oder mehrere der überzähligen Spermatozoen in Tätigkeit. Daraus folet, daß diese sonst direkt oder indirekt durch den Eikern, respektive den ersten Furchungskern gehemmt werden. Das Tritonei besitzt also einen wesentlich anderen Befruchtungs- mechanismus als die Eier, welche nur einem Spermatozoon Einlab u 221 gewähren und in Unordnung geraten, wenn ein zweites und drittes mit eindringt, aber auch anders als diejenigen, bei denen normaler- weise mehrere oder viele Spermatozoen eindringen und dann vor- übergehend in den Dienst der Entwicklung gestellt werden. Solche haploide Stücke furchen sich sehr häufig; mehrmals bei verhältnismäßigen wenigen Versuchen habe ich aus ihnen einen Embryo erhalten (Fig. 3). Die Gunst des Objektes besteht nun einmal darin, daß es nicht sehr schwer hält, Tritonlarven, auch solche aus halben Eiern, auf- zuziehen, daß daher Aussicht vorhanden ist, solche haploide Embryonen bis zu dem Alter zu bringen, wo sie geschlechtsreif werden sollten. Ferner hat man immer den diploiden Zwillingsembryo aus demselben Ei zum Vergleich daneben, könnte daher z.B. feststellen, wie sich beide bezüglich ihres Geschlechts verhalten. Endlich ist es möglich, die Ligatur zu lösen und die beiden Eihälften, die vielleicht schon verschiedenes Geschlecht besitzen, durch den Druck des Dotter- häutchens wieder zur Vereinigung zu bringen. Um den hemmenden Einfluß des Eikerns auf die überzähligen Spermatozoen abzuschneiden, ist es nicht unbedingt nötig, ihn völlig zu entfernen; es genügt manchmal schon, das Ei stark einzuschnüren, um auch in der eikernlosen Hälfte wenigstens Versuche zur Ent- wicklung anzuregen. Dann ist also offenbar die Plasmabrücke zwischen den beiden Eihälften zu dünn, um den hemmenden Einfluß genügend schnell oder in genügender Stärke durchzulassen. Eine Verwechslung dieser Entwicklung unter der Wirkung überzähliger Spermatozoen mit jener anfangs geschilderten, durch einen Furchungs- kern angeregten, ist aber bei sorgfältiger Verfolgung der äußerlich sichtbaren Vorgänge nicht möglich. Vierte Sitzung. Mittwoch, den 3. Juni, 3—51/, Uhr. Herr Prof. Reısısca (Kiel): Die Bodenfauna von Nord- und Ostsee. Die Kenntnis der Fauna unserer deutschen Meere setzt, wie das ja für die meisten Meeresfaunen gilt, mit der systematischen Erforschung der Tiere eines schmalen Küstengürtels ein. Hieran schließen sich später zahlreiche anatomische Arbeiten über einzelne Arten und ganze Tiergruppen, während mit der Vertiefung der 222 biologischen Denkweise Bau und Entwicklung der Meeresbewohner in Zusammenhang mit den spezifischen Bedingungen ihres Wohn- ortes gebracht wurden. Formen, die nicht in flachem Wasser, d.h. in Landnähe, lebten, kamen nur zufällig zur Beobachtung; in erster Linie wurden solche durch die Fischer geliefert, die durch ihr Gewerbe immer weiter auf die hohe See vordrangen. Eine plan- mäßige Durchforschung der freien Nordsee, also etwa des Gebietes, das jenseits der 40-m-Linie liegt, hat erst im Jahre 1872 mit der Pommerania-Expedition der Kommission zur wissenschaftlichen Unter- suchung der deutschen Meere begonnen. Auf dieser wurden mit verschiedenerlei Geräten Fänge in dem Gebiete zwischen der deutschen, norwegischen und schottischen Küste gemacht, die schon ein reich- haltiges Material zutage brachten, das zum Teil von den benach- barten Küsten nicht bekannt war. Mit der Gründung der Biologi- schen Anstalt auf Helgoland war dann die Gelegenheit geschaffen, zunächst den südöstlichen Teil der Nordsee gründlich kennen zu lernen. Drei im Jahre 1890 noch vor Eröfinung der Anstalt auf Fischdampfern unternommene Fahrten lieferten den ersten Grund- stock für die nun folgenden faunistischen Arbeiten. Durch den Zusammenschluß der Uferstaaten von Nord- und Ostsee zu dem „Conseil permanent international pour l’exploration de la mer“ im Jahre 1902, dem neuerdings auch die Vereinigten Staaten beigetreten sind, ist nun die Gelegenheit zur Erforschung der Bodenfauna der nordeuropäischen Meere bedeutend erweitert worden, für das auf Deutschland entfallende Untersuchungsgebiet besonders noch durch Einstellung des für wissenschaftliche Fischerei- untersuchungen gebauten Reichs-Forschungsdampfers „Poseidon“. Das deutsche Arbeitsprogramm ist den folgenden Instituten zur Ausführung überwiesen: 1. Dem zu diesem Zweck gegründeten und der Kommission für die wissenschaftliche Untersuchung der deutschen Meere angegliederten Laboratorium für internationale Meeresforschung in Kiel, mit einer biologischen und einer hydrographischen Ab- teilung; 2. der Biologischen Anstalt auf Helgoland; 3. dem Deutschen Seefischerei-Verein in Berlin. Wenn entsprechend der Veranlassung zum Zusammentritt der nordischen Staaten in dem Programm von Kristiania die Unter- suchungen über die Lebensverhältnisse der wichtigeren Nutzfische den Vordergrund einnehmen, denen eingehende hydrographische und planktologische Forschungen zur Seite stehen, so sind doch Unter- suchungen über Bodenorganismen ebenfalls als wichtig einbezogen, und speziell auf den deutschen Fahrten sind sie, wo die Erreichung % 225 des Hauptzweckes nicht direkt dadurch gefährdet wurde, immer durchgeführt worden. Schon die „Beifänge“ der großen Fischnetze geben reiche Ausbeute: aber aus der freien Nordsee handelte es sich jetzt auch um die Gewinnung von Material, das im Boden selbst lebt und meist nicht von den groben Maschen der Schleppnetze festgehalten wird. Hierzu wird eine Dreikant-Dredge benutzt, deren Maschen- netz aber nur zum Schutz des inneren Leinwandsackes dient. Mit diesem Netz wird fast reines Bodenmaterial heraufgebracht, das erst an Bord ausgesiebt wird. Die so gewonnenen Organismen zu- sammen mit denen der Beifänge haben das Material geliefert, auf Grund dessen von deutscher Seite bereits eine ganze Anzahl Arbeiten erschienen sind, die unsere Kenntnis der Bodenbesiedelung der freien Nordsee und der Ostsee recht wesentlich vertieft haben. Ebenso kommen auch die hydrographischen Arbeiten über diese und die benachbarten Meeresabschnitte, die eine Zeitlang von allen be- teiligten Staaten regelmäßig: viermal im Jahre ausgeführt wurden, einer wissenschaftlichen Durchdringung des Besiedelungsproblems zugute. Trotz der geringen Tiefen der Nordsee — abgesehen von der Norwegischen Rinne wird die 200-m-Linie erst nördlich von den Shetland-Inseln erreicht — ist der Unterschied zwischen der Küsten- fauna und der Bodenfauna der landfernen Fläche sehr groß. Zu- nächst ist hierbei die Tatsache von Bedeutung, daß nur ganz wenige felsige Küstenstrecken, denen noch die nächste Umgebung von Helgo- land angehört, mit Pflanzen bewachsen sind. Reine Pflanzenfresser sind deshalb auf diese beschränkt und auch hier meist schon von Tiefen von 6—8 m unter Niedrigwasser an nicht mehr anzutreffen. Für die Zuwanderung von Formen aus dem Atlantischen Ozean ist von Bedeutung, daß der Boden der Nordsee allmählich von Süden nach Norden hin abfällt. Der Zugang durch den Kanal ist, abgesehen von isolierten Mulden, weniger als 40 m tief. Auch zwischen den Orkney- und Shetland-Inseln beträgt die Tiefe noch weniger als 100 m, und erst nordwestlich von den Shetlands fällt der Meeresboden ziemlich steil zunächst bis unter 1000 m ab, um dann im Norden und Südwesten wieder mehr allmählich in die ozeanischen Tiefen von 2000 m überzugehen. Bei der Frage nach der Herkunft der Bodenfauna der Nordsee muß man zwischen Formen mit pelagischen Larven und solchen, ‚deren Entwicklung am Boden verläuft, unterscheiden. 224 Die Verbreitung der pelagischen Larven geht wohl in der Mehrzahl der Fälle durch Oberflächenströme vor sich, denn die Larven halten sich zumeist in den planktonreichen höheren Schichten auf. Da nun in die Nordsee sowohl durch den Kanal wie im Norden atlantisches Wasser von 35°/o9 Salzgehalt an der Oberfläche ein- strömt, so können an beiden Stellen solche Jugendstadien atlantischer Bodenformen eindringen. Die Dauer der pelagischen Lebensweise ist sehr verschieden, meist beträgt sie nur einige Wochen. Eine Anpassung der Larven an stärkere Temperaturänderungen erscheint in diesem Falle nicht erforderlich, wohl aber spielen die Temperatur- verhältnisse der Gebiete, an denen die Larven zum Bodenleben übergehen, eine wichtige Rolle für die weitere Existenzmöglichkeit. Die jährliche Temperaturschwankung am Boden beträgt nun im Südosten der Nordsee ungefähr bis zu einer Linie Humbermündung- Skagen zum mindesten 9° C, und die gleiche Schwankung findet sich noch zwischen Dover und Calais. Im ganz flachen Küsten- gebiete oberhalb 20 m steigt sie bis zu 14 und 15" C. Am west- lichen Eingang zum Kanal beträgt die Schwankung dagegen nur 3°. Im nördlichen Einströmungsgebiet sind die Temperaturverhaltnisse südlich und östlich von den Shetlands nicht gleich. Unterhalb des Strömungsabschnittes, der zwischen Orkneys und Shetlands durch- tritt, schwankt die Bodentemperatur noch bei mehr als 100 m Tiefe zwischen 2° und 4° C, nördlich und auf der freien Platte östlich der Shetlands erreicht diese Schwankung stellenweise noch bei weniger als LOO m Tiefe nicht ganz 1°. Ausgesprochen stenotherme Bodentiere können sich also im Norden ansiedein; die Existenz- bedingungen sind für sie um so günstiger, je ferner ihr Aufenthalts- ort der schottischen Küste liegt und je mehr er sich der norwegi- schen Küste nähert. Dringen die pelagischen Larven dagegen durch den Kanal ein, so finden nur die Individuen, die noch am west- lichen Eingang des Kanals zum Bodenleben übergegangen sind, entsprechende thermische Verhältnisse vor, um sich völlig ent- wickeln und fortpflanzen zu können. Die bis in die südliche Nord- see gelangten Tiere gehen dagegen, wenn sie vielleicht auch zu- nächst eine passende Bodentemperatur vorfinden, an der starken Temperaturänderung, der sie spätestens nach 3/, jährigem Aufenthalt ausgesetzt sind, zugrunde. Aus der Hauptrichtung des Oberflachen- stromes im Kanal ist dann noch weiter zu schließen, daß die Be- siedelung des Kanals durch solche stenotherme Formen mit pelagi- schen Larven immer wieder neu durch Larven erfolgt, die aus dem Atlantischen Ozean eingedrungen sind, während die Larven, die von 225 Eltertieren des Kanals stammen, nach Osten in die südliche Nordsee geführt werden, wo sie sich nicht dauernd halten können. Für eurytherme Bodenformen mit planktonischen Larven aus dem atlantischen Küstengebiet ergeben sich ohne weiteres die ent- gerengesetzten Möglichkeiten für die Ansiedelung in der Nordsee. Die durch den Kanal eingedrungenen Larven finden beim Übergang zum Bodenleben in der südlichen Nordsee günstige Bedingungen zur vollen Entwicklung vor. Die Weiterverbreitung von hier aus erfolgt dann durch Strömungen, die an der friesischen und an der englischen Küste entlangziehen. Für derartige Einwanderer vom Norden her sind die Temperaturverhältnisse für dauernden Aufent- halt um so günstiger, je näher ihr Besiedelungsort der schottischen Küste liegt. Bei Tieren, deren Lebenszyklus am Boden abläuft, liegen die Verhältnisse etwas anders. Die Schnelligkeit ihrer Verbreitung hängt zum großen Teil von ihrer Beweglichkeit ab. Durch aktive Fortbewegung dehnen sie das Wohngebiet der Art allmählich so weit aus, als die Bedingungen ihre Existenz ermöglichen. Die Herbi- voren unter ihnen müssen sich in der Nordsee in einem ganz schmalen Küstenstreifen halten, und ihrer Ausbreitung wird ein Ziel gesetzt, wenn die Kontinuität des Pflanzenbewuchses auf größere Strecken unterbrochen ist. Allerdings tritt hier häufiger eine passive Verbreitung durch losgerissene treibende Pflanzenstücke, vor allem durch Seegras und Tange, helfend ein. Die Möglichkeit für das Eindringen reiner Bodenformen vom atlantischen Ozean in die Nordsee hängt ebenfalls von der Anpassungsfähigkeit der Art vor allem an die Temperaturschwankungen ab. Ausgesprochen stenotherme Formen können daher nur vom Norden her eindringen, während die Eurythermen durch den Kanal oder vom Norden her an der schottischen Küste zuwandern. Da die Erwachsenen, be- sonders die der leichter beweglichen Bodenformen, vielfach eine weitere Anpassungsfähigkeit an Abweichungen der Existenzbedin- gungen besitzen als die Jungen, so finden sich diese gelegentlich in Gebieten, in denen die Jungen sich nicht entwickeln können. Bei Formen mit schwimmenden Larven ist, wie eben erwähnt, bei entsprechender Stromrichtung das Umgekehrte der Fall. An der norwegischen Küste sind durch die Norwegische Rinne mit Tiefen zwischen 350 und 800 m die Bedingungen für die Zu- wanderung etwas modifiziert. In bezug auf die Existenzmöglichkeit von stenothermen Tieren schließt sich die Norwegische Rinne direkt , an das etwas flachere Plateau der nördlichen Nordsee an; sie bietet Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 15 226 aber dadurch, daß sie eine direkte Tiefenverbindung zwischen Nordsee und Nordmeer darstellt, günstige Verhältnisse für das Vor- dringen von arktischen Formen in die Nordsee und das Kattegat. Die Verbreitung der Bodenfauna in der Nordsee zeigt nun deutlich, daß sie den jetzt herrschenden hydrographischen Verhält- nissen in den Zuwanderungsgebieten entspricht. Die Bodenfauna des südöstlichen Küstengebietes der Nordsee einschließlich Helgo- lands stimmt in weitem Umfang mit der der englischen Ostküste überein. Viele Formen finden sich auch kontinuierlich von hier bis zur nordschottischen Küste und den Orkneys, andere zeigen dagegen in ihrem Vorkommen an der südschottischen Küste eine Lücke. Diese sind also an zwei verschiedenen Stellen in die Nord- see eingedrungen. Ihre Wohngebiete in der Nordsee sind aber nicht verschmolzen, sei es, daß ihr Vordringen erst in neuerer Zeit begonnen hat, sei es, daß die Bedingungen im mittleren Teil der großbritannischen Küste ihnen nicht günstig sind. Auch werden von den Orkneys und Nordschottland manche Arten erwähnt, die in den Kanal bisher nur in dessen westlichen Abschnitt vor- sedrungen sind. Für diese beiden Gebiete besteht aber auch die gleiche mittlere jährliche Temperaturschwankung von etwa 6° C. In der mittleren Nordsee ist die Verteilung so, daß die steno- thermen Tiere von Norden her vordringen und, ganz ihrer An- passungsbreite entsprechend, mehr oder weniger weit nach Süden gelangen können. Der Umstand, daß das Gebiet mit einer jähr- lichen Temperaturschwankung von weniger als 2° in der Nordsee teilweise noch oberhalb der 80-m-Linie liegt, hat zur Folge, daß sich hier noch bis zu 80 oder 60 m Tiefe Formen finden, die an den westeuropäischen Küsten erst von mehreren 100 m Tiefe ab- wärts leben, die dagegen im Norden, besonders in der warmen Jahreszeit, gelegentlich in ganz flachem Wasser sich aufhalten. Vor allem unter den Echinodermen ist durch die Fahrten des Po- seidon eine Anzahl solcher Formen nachgewiesen worden. Im südlichen Teil der Nordsee, etwa von der Doggerbank an, lehnt sich auch in den Tiefen unter 40 m die Fauna so genau an die des benachbarten Küstengürtels an, daß sie nach Zusammen- setzung und Herkunft dieser fast gleich ist. Isolierte Funde einzelner Arten in der Tiefe lassen allerdings erkennen, daß sowohl vom Kanal wie von dem nördlichen Plateau Formen vordringen, deren dauernde Festsetzung in diesem Abschnitt aus solchen Einzel- befunden aber noch nicht gefolgert werden kann. Als Beispiel für die Ausbreitung von Norden her kann Spatangus purpureus gelten, 227 der auf der nördlichen Fläche unter 60 m Tiefe sehr verbreitet ist, südlich der Doggerbank aber nur ganz vereinzelt auftritt, während er im Kanal, besonders in dessen westlichem Abschnitt, wieder häufig ist. Der Salzgehalt am Boden der Nordsee liegt im allgemeinen zwischen 34 und 35°/,, und sinkt nur an der Küstenstrecke von Belgien bis Jütland durch Süßwasserzufluß tiefer. Für die Ver- breitung der Bodentiere erscheint der Unterschied im Salzgehalte in der Nordsee nur von untergeordneter Bedeutung. Denn ein großer Teil der in der Nordsee heimischen Arten kommt auch in (Gebieten mit geringerem Salzgehalt vor; es gilt das besonders von den weiter nach Norden vorgedrungenen Arten. Das Vorkommen einer Art in der Nordsee ist also im wesentlichen abhängig von ihrer Anpassungsfähigkeit an die Temperaturverhältnisse. Und da zeigt es sich, daß Formen, deren Hauptverbreitung mehr südlich liegt, im allgemeinen im Süden und in der Küstenzone der Nordsee sich aufhalten. Die verhältnismäßig hohen Sommertemperaturen des flachen Wassers sind für diese Tiere notwendig, ohne daß die niedrigen Wassertemperaturen, denen sie z. B. im Mittelmeer und an den atlantischen Küsten südlich vom Kanal nicht ausgesetzt sind, ihren dauernden Aufenthalt in der Nordsee hindern. In Gebieten mit Temperaturen, die sich im Maximum nicht über 10—12° C erheben, können sich viele südliche Formen dagegen nicht mehr halten. Wenn südliche Formen in solchen Gebieten sich ansiedeln, dann handelt es sich um stärker anpassungsfähige Formen, die einerseits schon im Süden häufig in größeren Tiefen mit niederen Temperaturen leben, andrerseits auch meist eine Aus- dehnung ihres Vorkommens weiter nördlich vollzogen haben. In den größten Tiefen der nördlichen Nordsee und vor allem auch der Norwegischen Rinne, in denen das jährliche Temperatur- maximum 7° C nicht erreicht, treffen schließlich Tiefenformen aus südlichen Gegenden mit Formen zusammen, deren Hauptverbreitungs- gebiet weiter nördlich liegt. Daneben gibt es aber auch zahlreiche Arten, die eine weite Verbreitung nach Norden und nach Süden hin besitzen. Finden sich diese im Süden nur in größeren Tiefen des mittleren Atlantie, dann ist zu folgern, daß niedere Temperaturen für ihr Gedeihen erforderlich sind; kommen sie dagegen auch in den Tiefen des Mittelmeeres vor, dann muß es sich um streng stenotherme Formen handeln, für die eine möglichst geringe Schwankung in der Temperatur für das einzelne Individuum Be- , dingung ist, während die absolute Höhe der Temperatur für die 15* 228 Verbreitung der Art von untergeordneter Bedeutung ist. Alle solche Formen sind nebeneinander auf dem nördlichen Plateau und vor allem in der Norwegischen Rinne nachgewiesen. Ihr Ein- dringen in die Nordsee kann nur von Norden her erfolgen, und das weitere Vordringen in die mittlere Nordsee ist von der An- passungsfähigkeit der einzelnen Arten abhängig. Für das Gebiet von Helgoland ist vor allem von Hernexe für die Fische und Mollusken und von Micuartsen für die polychäten Anneliden ein starkes Überwiegen südlicher Arten nachgewiesen worden. Wenn bei anderen Gruppen, z. B. bei den Echinodermen, das nicht der Fall ist, so beruht das auf der Fähigkeit eines großen Teiles der dahin gehörigen Arten, sich an die verschiedensten Temperaturen anzupassen und dementsprechend auch weit in das arktische Gebiet vorzudringen. Viele der bisher aus geringeren Tiefen, z. B. von Finmarken, bekannten Echinodermen dringen an der Norwegischen Küste nach Süden und gelangen so in die Nordsee und auch vielfach ins Skagerak und Kattegat. Bei manchen wird es sich hier um wesentlich arktische Formen handeln; doch ist auch bestimmt anzunehmen, daß bei erweiterter Forschung besonders an dem europäisch-atlantischen Abfall das Verbreitungsgebiet für viele hierhergehörige Arten sich als weit ausgedehnter erweisen wird. Vor allem die von Irland (Fisheries, Ireland, Sci. Invest.) an dem Abfall der atlantischen Küste planmäßig ausgeführten Untersuchungen haben unsere Kenntnis in dieser Richtung schon wesentlich erweitert, und neuerdings haben auch schottische Ver- öffentlichungen von den Fahrten des „Goldseeker“ in dem Gebiet nördlich der Shetlands und im Faröer-Kanal neues Material hierzu beigetragen. Die Fauna des nördlichen Teiles der Nordsee stellt sich so als aus eurythermen und stenothermen Formen zusammen- gesetzt dar, die in der Hauptsache eine weite Verbreitung nach Norden wie nach Süden aufweisen. Eigentlich arktische Formen scheinen zum größten Teil auf die Tiefen der Norwegischen Rinne beschränkt zu bleiben. Uber die Bodenfauna der norwegischen Küste hat G. O. Sars ausgedehnte Untersuchungen ausgeführt. Beim Vordringen südlicher Arten zur norwegischen Küste bildet natürlich der Golfstrom ein wesentliches Transportmittel. Außerdem bewirkt aber die Wärme- menge, die er der Küste zuführt, hier zum wenigsten bis an die Lofoten heran eine Temperatur, die ähnlich der der flachen südlichen Nord- see ist und dementsprechend die dauernde Ansiedelung südlicher Formen ermöglicht. Das gilt aber in erster Linie für Tiere mit ‘ie — 229 pelagischen Larven, vorausgesetzt, daß die schwimmenden Stadien derselben für einen Transport etwa von der Küste der Shetlands bis nach Norwegen genügend lange währen. Bei Gruppen, für die der Golfstrom als Transportmittel ausscheidet, wie bei den Amphi- poden, die dauernd am Boden leben, überwiegen im Gegensatz z. B. zu den Mollusken an der norwegischen Küste die nordischen Formen die südlichen. | Von großer Wichtigkeit vor allem auch für die Beurteilung der Bodenfauna der Ostsee ist die ebenfalls von Sars festgestellte Tatsache, daß im Innern der Fjorde, und zwar nicht nur in den Tiefen derselben, die Fauna im Gegensatz zu der der gestreckten Küstenteile einen ausgesprochen arktischen Charakter trägt. Das- selbe gilt für das Kattegat (Prrersen) sowie für die Ostsee. Die Temperaturverhältnisse können hier nur zum Teil zur Erklärung herangezogen werden; denn im westlichen und südlichen Kattegat und in der westlichen Ostsee ist, der geringen Tiefe dieser Ge- wässer entsprechend, die jährliche Temperaturschwankung auch eine recht große. In der Kieler Bucht beträgt die jährliche Temperaturschwankung freilich schon bei 14 m Tiefe nur 9° C (Maximum 12°, Minimum 5°), eine Schwankung, wie sie in der südlichen Nordsee bei Dover-Calais und in der mittleren Nordsee zwischen Humbermündung und Skagen erst bei etwa 40—60 m Tiefe auftritt. Aber ein großer Teil der in der westlichen Ostsee einheimischen Arten beschränkt sich nicht auf die tiefere Zone mit geringer Wärmeschwankung, sondern lebt auch in flachem Wasser mit entsprechend größerer Schwankung. Der ausgedehnte Pflanzenwuchs, der bis zu 3) und 40 m herabreicht, bietet wieder- um manchen Tierarten Aufenthalt, die z. B. auch bei Helgoland zwischen Algen sich finden und eine ausgesprochen südliche Ver- breitung aufweisen (Opisthobranchier). Dagegen kommt allerdings die Mehrzahl der Lamellibranchier und der polychäten Anneliden von überwiegend nördlicher Verbreitung in der Mud-Region vor, in der schon bei 20 m Tiefe ein jährlicher Temperaturverlauf ähnlich dem der nordwestlichen Nordsee bei etwa 60—80 m sich zeigt. Die im Vergleich mit der Nordsee und auch dem Kattegat geringe Artenzahl der Ostseetiere hängt in der Hauptsache mit dem niedrigen Salzgehalt der Ostsee zusammen. Auf dem Boden schwankt dieser in der westlichen Ostsee im allgemeinen zwischen 13 und 20°/,,, sinkt aber nach Osten hin immer weiter, zunächst östlich von Rügen auf etwa 8°/,,, um im Finnischen und Bott- 230 nischen Busen schließlich bis auf 2°/,, herunterzugehen. Nur in den tieferen Mulden des Ostens (Bornholm-Tiefe, Danziger Bucht, Gotland-Tiefe) steigt er wieder bis zu 10 und 12°/,,. Mit der Verringerung des Salzgehaltes geht die stetige Abnahme der Artenzahl von Meerestieren und eine entsprechende Zunahme von Süßwassertieren von Westen nach Osten hin Hand in Hand. Die direkte Abhängigkeit der Bodenfauna der Ostsee von hydro- graphischen Bedingungen, speziell vom Salzgehalt, tritt in diesen zuerst von Mosrus klar erkannten Beziehungen deutlich zutage. Aber bestimmte Bestandteile der Ostseefauna erfordern für ihr Vorkommen noch eine weitere Erklärung. Da sind zunächst einige Arten zu erwähnen, die außer in der Ostsee in den größeren nordeuropäischen und zum Teil auch nordamerikanischen Süßwasser- seen vorkommen. »„Dieselben oder doch sehr ähnliche Arten finden sich aber auch im marinen arktischen Gebiet. Ein Zusammenhang zwischen diesen weit auseinander liegenden Fundorten ist in der Jetztzeit nicht vorhanden. Man muß solche Arten daher als Relikte der Eiszeit betrachten und zwar aus der Zeit, als die Ostsee als Yoldia-Meer durch Ladoga- und Onega-See mit dem Eismeer in Zusammenhang stand. In postglazialer Zeit schwand dieser Zusammenhang ebenso wie der mit dem Atlantischen Ozean durch Hebung. In dem nun allseitig abgeschlossenen Ostseebecken fand eine allmähliche Aussüßung statt, und einige der aus dem Eismeer zurückgebliebenen Formen paßten sich, zum Teil jeden- falls unter geringen morphologischen Veränderungen, den geänderten Bedingungen an. Als dann das „Ancylusmeer“ durch das Kattegat erneut in Verbindung mit dem Atlantischen Ozean trat und sich sein Salzgehalt infolgedessen allmählich wieder hob, erhielten sich die Eiszeitrelikte in dem tieferen östlichen Becken, insbesondere fand keine Rückanpassung dieser ursprünglichen Salzwasserformen an einen höheren Salzgehalt, etwa durch eine Verschiebung des Wohnortes nach Westen, statt. Diese Relikte gehören verschiedenen Crustaceen-Ordnungen, den Copepoden, Isopoden, Amphipoden und Schizopoden, an. Aber als Eiszeitrelikte der Ostsee wird noch eine Anzahl anderer Formen in Anspruch genommen, die nicht im Süßwasser vorkommen, auch nicht in solchen Seen, die zur Ancyluszeit dem Ostseebecken angehörten. Ihr gleichzeitiges Vorkommen in der östlichen Ostsee und im nördlichen Eismeer hat zu dieser Annahme geführt. Bei manchen Arten stützt sich diese Hypothese noch darauf, daß ein kontinuierliches Vorkommen auf der jetzigen Ver- 231 bindungsstrecke der beiden Wohngebiete in Ostsee und Kismeer, also etwa entlang der norwegischen Küste, nicht besteht, oder doch bis jetzt nicht nachgewiesen werden konnte. Aber schon der vor- wiegend nordische („arktische“) Charakter der Faunen von Ost- see, Kattegat, Skagerrak und dem inneren Teil der norwegischen Fjorde wird vielfach dahin gedeutet, daß die jetzige arktische Fauna früher eine weitere Verbreitung gehabt habe, und daß sich bei ihrem allmählichen Rückzug in den genannten Meeresteilen Reste erhalten haben, die eben deshalb auch als arktische Relikte gelten. Zunächst muß hierbei hervorgehoben werden, daß sich die ins Süßwasser vorgedrungenen Eiszeitrelikte nicht gleichzeitig mit den jetzigen Salzwasserformen der Ostsee in diesem Gebiet angesiedelt haben können. Die letzteren müßten sich denn während der An- cyluszeit an den Aufenthalt im Süßwasser angepaßt und später wieder den Übergang zum Leben im Seewasser vollzogen haben, in den isoliert gebliebenen Becken aber ausgestorben sein. Dab die Mehrzahl dieser halophilen sogenannten arktischen Relikte in der Ostsee um so besser gedeiht, je höher der Salzgehalt ist, geht ja deutlich daraus hervor, dab ganz im allgemeinen die-Größe der marinen Ostseetiere mit der Abnahme des Salzgehaltes, also mit der Verbreitung von Westen nach Osten hin, abnimmt. Diese jetzigen Salzwasserformen können daher erst in die Ostsee gelangt sein, nachdem durch eine erneute Senkung das Ancylus-Meer wieder mit dem Ozean in Verbindung trat, und durch allmähliches Steigen des Salzgehaltes den Seetieren der Aufenthalt von neuem .ermög- licht wurde. Der Salzgehalt des Kattegat muß vor dieser letzten Senkung höher gewesen sein als jetzt, da er durch das ständige Eindringen von schwachsalzigem Ostseewasser herabgesetzt wird. Auch die Artenzahl im Kattegat muß durch Aussterben von Formen, die sich dem schwächeren Salzgehalt nicht anpassen konnten, seit der Wiederverbindung mit der Ostsee geringer geworden sein, die Neubesiedelung der letzteren mit Seetieren ist aber notwendig von dieser reduzierten Kattegat-Fauna aus erfolgt. Die Weite des Vor- dringens in die östliche Ostsee hinein kann hierbei im allgemeinen als ein Maß für die Anpassungsfähigkeit der einzelnen Arten an - einen geringeren Salzgehalt gelten. Da die Anpassungsfähigkeit an bestimmte Änderungen der äußeren Bedingungen — im vorliegenden Fall an die Herabsetzung oder auch das Schwanken des Salzgehaltes — zu den eine Art charakterisierenden Eigenschaften zu rechnen ist, so müssen die 232 Arten, die vom Kattegat in die Ostsee vordringen konnten, auch an anderen Stellen ihres Verbreitungsgebietes ähnliche Möglichkeiten zur Ausdehnung desselben verwertet haben. Durch einen geringeren Salzgehalt zeichnen sich nun an den europäischen Küsten besonders die inneren Abschnitte der langgestreckten norwegischen Fjorde mit ihrem verhältnismäßig starken Süßwasserzufluß aus. Aber auclı an den Küsten des arktischen Gebietes wird im Sommer der Salz- gehalt stark herabgesetzt, in erster Linie durch die Gletscherflüsse, dann aber auch durch das Schmelzwasser des Treibeises. Das Vor- kommen der gleichen Tierarten im arktischen Gebiet, dem Inneren der norwegischen Fjorde, im Kattegat und in der Ostsee ist also auf die Ähnlichkeit eines bestimmten Existenzfaktors zurückzu- führen, dem sich nur ein Teil der Seetiere anzupassen vermag. Es handelt sich in dem vorliegenden Falle um Formen des boreal- atlantischen Gebietes, die als euryhaline Tiere ihr Vorkommen auf Binnenmeere oder auch Küstenstrecken auszudehnen vermochten, deren Salzgehalt durch dauernden oder periodischen starken Zufluß von Süßwasser beträchtlich unter dem für den Ozean typischen von etwa 35/5, gehalten wird. Wenn die Zusammensetzung der Bodenfauna der genannten Bezirke nicht die gleiche ist, so ist das in der Hauptsache auf die verschiedenen Temperaturverhältnisse zurückzuführen. Durch den Golfstrom wird die Temperatur der europäischen Nordküste und anderer arktischer Küstenstriche, wie auch der flachen Teile der Barents-See wesentlich erhöht. Abschnitte des arktisch-atlantischen Gebietes, die nicht vom Golfstrom berührt werden, zeigen dem- gegenüber Temperaturen, wie sie der geographischen Breite ent- sprechen, oder es kann die Temperatur durch kalte Strömungen besonders im Sommer noch unter diese Norm heruntergehen. Von den borealen Formen der europäischen Westküste können daher Arten, die bis in die Ostsee vordringen, auch mit Ausläufern des Golfstromes recht weit in das arktische Gebiet hineingelangen, ohne dab es einer Anpassung an eigentlich arktische Temperaturen be- dürfte. In den faunistischen Listen werden aber gewöhnlich schon Tiere, die nördlich von den Lofoten gefunden sind, als arktisch be- zeichnet. Der „arktische Charakter“ der Faunen von Kattegat und Ostsee beruht wesentlich auf der Ausbreitung von zahlreichen Elementen derselben innerhalb der Ausstrahlungen des Golfstromes. Ist die Fähigkeit solcher Arten im Ertragen niederer Temperaturen stärker ausgebildet, dann können sie sich natürlich auch von den durch den Golfstrom beeinflußten Zonen freimachen und sich in rein a er Pe. $ = ’ * 4 = GF 233 arktischen Gebieten ansiedeln. Fiir die Mehrzahl der in der Ostsee nachgewiesenen Arten scheint das aber nicht der Fall zu sein. Die Temperaturverhältnisse am Boden der Ostsee hängen wie in der Nordsee im wesentlichen von der Tiefe ab. Aber während, wie schon erwähnt, eine Jahresschwankung von 9° C dort erst bei Tiefen zwischen 40 und 60 m einsetzt, und die Nordsee südlich der Linie Humbermündung— Skagen größere Schwankungen aufweist, tritt in der Ostsee die Schwankung von 9° schon bei etwa 14 m ein. In dem größten Teile der Ostsee entsprechen daher die Bodentempe- raturen solchen, wie sie in der nördlichen Nordsee herrschen. Vor allem gilt das für den Abschnitt östlich von der Darsser Schwelle, also die eigentliche Ostsee, in dem nur an einem schmalen Küsten- streifen größere Temperaturschwankungen auftreten. In der flachen westlichen Ostsee ist nun auch die Zahl der eurythermen Formen noch ziemlich groß, während in der östlichen Ostsee und haupt- sächlich in deren tieferen Mulden fast ausschließlich stenotherme Arten angetroffen werden. Die Bedingungen in der östlichen Ostsee sind also für steno- therme, euryhaline Formen günstig, wie das auch für den tieferen östlichen Teil des Kattegat gilt. Die Abnahme in der Artenzahl, die sich in der Ostsee beim Vorschreiten von Westen nach Osten zeigt, kann nun für die tieferen Mulden des Ostens nicht der. Ab- nahme im Salzgehalt zugeschrieben werden, denn dort beträgt der Salzgehalt selten unter 120/90, eine Konzentration, wie sie viel weiter westlich in flachen Gebieten mit größerer Artenzahl nicht erreicht wird. Es kommt hier ein weiterer Faktor in Betracht, und zwar die geringe Menge an gelöstem Sauerstoff, die dadurch bedingt ist, daß in den Mulden des Ostens das Wasser meistens stagniert. Nur bei lange anhaltenden Oststiirmen, durch die der Wasserspiegel im Osten fällt und im Westen steigt, wird am Boden ein Unterstrom von entgegengesetzter Richtung hervorgerufen, der stärker salziges Wasser, besonders aus dem Sund, nach Osten führt, das wegen seines höheren spezifischen Gewichtes auch das Boden- wasser in den tiefen Mulden -- Bornholmtiefe, Danziger Bucht, Gotlandtiefe — verdrängt. Durch solche unregelmäßig eintretenden Vorgänge werden die Existenzbedingungen in diesen Mulden für einige Zeit verändert, vor allem wird der Sauerstoffgehalt gehoben. Das salzreichere Wasser führt aber unter Umständen auch Larven von Arten mit sich, die sonst nicht im Osten vorkommen und nun für einige Zeit dort günstige Verhältnisse für ihre Entwicklung vorfinden. 234 Von polychäten Anneliden ist im Februar 1904 auf einer Poseidonfahrt ein Fang gemacht worden, der ein gelegentliches Vorschieben von Kattegatformen in die östliche Ostsee klar ver- anschaulicht. Von Maldaniden war bisher aus der Ostsee nur eine Art, Rhodine gracilior, südlich vom Sund bekannt. Auch wir haben sie in der Cadet-Rinne gefunden. Mitraria-Larven werden zwar ganz selten auch bei Kiel gefangen, Bodenformen von Malda- niden sind aber in der westlichen Ostsee noch nicht nachgewiesen. Sehr auffällig war es daher, dab in der Danziger Bucht in einem Fang gleichzeitig 3 Maldanidenarten erbeutet wurden, Rrhodine loveni, Leiochone borealis und Asychis biceps’). Aus den bei GEHRKE”) zusammengestellten Daten ist dieser Befund dadurch zu erklären, daß etwa Mitte Februar 1903 ein salziger Unterstrom von dem Sund nach der östlichen Ostsee geflossen ist; unter dessen Einfluß ist im Mai 1903 in der Danziger Bucht ein Salzgehalt von reichlich 13°/,, und ein Sauerstoffgehalt von 5,4 ccm pro Liter vor- handen gewesen. Bis zum Fangtage der 3 Maldanidenarten im Februar 1904 ist dann der Salzgehalt auf unter 12 °/,,, der Saueı- stoffgehalt auf 1,6 ccm gefallen. Es waren dementsprechend zu- nächst 65°/,, dann, nach 3/, Jahren, nur noch 19°/, von der unter den obwaltenden Bedingungen überhaupt löslichen Sauerstoffmenge da; es ist also anzunehmen, daß die dort angesiedelten Maldaniden sehr bald an Sauerstofimangel zugrunde gegangen sein werden. Auch diejenigen Formen, welchen Temperatur und Salzgehalt in der östlichen Ostsee zusagen, haben in den tiefen Mulden zeit- weise unter Sauerstoffmangel zu leiden, und darauf ist es zurück- zuführen, daß dort nur selten ein intensiveres Tierleben herrscht. Meist finden sich in diesen Tiefen nur vereinzelte Tiere von geringer Größe. Manchmal werden aber in den Mulden zahlreiche Individuen einer Art gefangen, von Dimensionen, wie sie von ihnen selbst inder westlichen Ostsee kaum erreicht werden. Eine solche Art ist unter den Polychäten Antinoé sarsi, unter den Sipunculoideen Priapulus caudatus. Für diese selbst noch im Finnischen Busen vorkommenden Formen ist die Annahme, daß Larven derselben erst durch einen salzigen Unterstrom vom Westen herübergeführt werden müssen, hinfällig. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß für sie die geringe Temperaturschwankung in den größeren Tiefen besonders günstig ist. 1) W. NoLTE, Zur Kennt:is der Maldaniden der Nord- und Ostsee. Wissensch, Meeresunters. N. F. 15. Bd. Abtlg. Kiel. 1912. 2) JOHAN GEHRKE, Beiträge zur Hydrographie des Ostseebassins. Publi- cations de Circonstance No. 52. Copenhague 1910. N en 235 Wenn daneben die übrigen nötigen Bedingungen, vor allem eine ent- sprechende Sauerstoffmenge, vorhanden sind, dann können die Indi- viduen bis zu der für die Art überhaupt erreichbaren Größe heran- wachsen. Antinoé sarsı wird nach Mac Iyrosn im arktischen Gebiet bis zu 47 mm lang; in der Kieler Bucht erreicht sie selten 45 mm, während sie in der Gotlandtiefe von uns einmal in zahl- reichen großen Individuen bis zu 40 mm Länge gefangen wurde. Herr Prof. Spemann (Rostock): Erläuterungen zu Präparaten zur experimentellen Ana- lyse der Wourr’schen Linsenregeneration (Präparate von Herrn H. Wacus (Rostock). | Diskussion: Herr Dr. G. Worrr (Basel), Herr Prof. Spemann. Herr Prof. Prarz (Jena): Herr Spemann und Herr Worrr be- streiten, daß die Selektion bei der Entstehung der Linsenregene- ration eine Rolle gespielt hat. Nach meiner Ansicht liegt kein Grund vor, die Selektion auszuschließen, denn die Linsenregene- ration ist zweifellos eine nützliche Eigenschaft und kann nach demselben Prinzip wie andere nützliche Merkmale beurteilt werden. Natürlich erklärt die Selektion nicht das erste Auftreten einer Variation, sondern macht uns nur verständlich, wie eine zuerst bei wenigen Individuen vorhandene erbliche Eigenschaft allmählich zu einem Artmerkmal wurde. Als Feinde der Amphibienlarven, welche deren Augen anfressen, so daß die Linse herausfällt, kommen na- mentlich Dytiscuslarven und Blutegel in Betracht. Wir nehmen an, daBedie nichtregenerationsfähigen Larven über kurz oder lang zu- erunde gehen, da sie in ihrem Sehvermögen erheblich geschädigt sind, auch wenn nur eine Linse verloren ging. Die Regeneration einer Linse spielt sich nach mündlicher Mitteilung des Herrn Kollegen Raumsrer, welcher viele derartige Versuche gemacht hat, in ca. 14 Tagen ab, so daß man annehmen darf, daß die meisten regenerationsfähigen Individuen am Leben bleiben, weil die Ver- letzung in kurzer Zeit wieder ausgeglichen ist. Unter diesen beiden Voraussetzungen muß die Zahl der regenerationsfähigen Tiere von Generation zu Generation einen höheren Prozentsatz ausmachen, denn es werden ja immer diejenigen Individuen aus- gemerzt, welche jene Eigenschaft nicht besitzen. Schließlich muß 236 sie durch die Mitwirkung der Selektion zu einem Artmerkmal werden, wie es tatsächlich bei Triton der Fall zu sein scheint. Herr Prof. Spemann. Herr Prof. Harrmann (Berlin): Erläuterungen zu Prä- paraten von Kernteilungszentren bei verschiedenen Pro- tisten-Gruppen. Herr Dr. Küns (Freiburg): Erläuterungen zu Präparaten und Mikrophotogrammen von Amöbenteilungen. Herr Prof. W. Scutzre (Freiburg i. Br.): Die Entwicklung zentrifugierter Eier von Clepsine sexoculata. Die Eigenart des Baues und der Entwicklung des Eies von Clepsine sexoculata, über welche ich in einer kürzlich erschienenen Arbeit!) berichtet habe, regte mich zu dem Versuche an, den Ursachen, welche die Entwicklungsweise dieses Eies bestimmen, auf experimentellem Wege nachzugehen. Vor der Darstellung der dabei erzielten Ergebnisse muß ich kurz an den normalen Verlauf der Furchung des Clepsine-Eies erinnern. 1. Überblick über die normale Entwicklung. Sie schließt sich in den meisten wesentlichen Merkmalen eng an den sog. Spiraltypus der Furchung an, weicht aber in manchen Einzelheiten recht auffällig von diesem ab. Durch zwei meridionale und senkrecht zueinander gerichtete Teilungsebenen zerfällt das Ei in vier Quadranten, die Makromeren A, B, C und D. Jede dieser Zellen schnürt am animalen Pol nacheinander drei Mikro- meren ab, wobei die spiralige Einstellung der Spindeln gar nicht zu bemerken oder viel weniger deutlich ist als bei andern Anneliden- eiern. Das zweite Mikromer des D-Quadranten, das die Bezeichnung 2d führt und den sog. ersten Somatoblasten darstellt, unterscheidet sich von den übrigen sehr kleinen Mikromeren durch seine beträcht- liche Größe. Soweit folgt die Entwicklung im wesentlichen durch- aus dem Spiraltypus der Furchung; wenn dies für den folgenden Teilungsschritt ebenfalls zuträfe, müßte in jedem Quadranten ein weiteres Mikromer abgeschnürt werden, und das im D-Quadranten 1) W. SCHLEIP, 1914, Die Furchung des Eies der Rüsselegel, in: Zoul. Jahrb., Abt. f. Anat. u. Ont., Bd. 37. 237 gebildete, also 4d, müßte den zweiten Somatoblasten darstellen und somit die Anlagen für die beiden Mesodermstreifen enthalten, während die Schwesterzelle, das Makromer 4D, nur noch Entoderm liefern dürfte. Tatsächlich aber setzt bei diesem Furchungsschritt eine Abweichung von dem Spiraltypus ein: Denn erstens teilt sich in den Makromeren des A-, B- und C-Quadranten — in letzterem wenigstens meistens — nur der Kern und nicht auch das Plasma; diese Abänderung ist aus Gründen, die hier nicht wiederholt zu werden brauchen, geringfügiger Natur. Zweitens teilt sich das Makromer des D-Quadranten nicht in ein Mikromer und ein Makromer, sondern in eine linke und rechte Zelle von gleicher Größe, welche die beiden Urmesodermzellen darstellen. Da von diesen allem Anscheine nach keine Entodermzellen abgespalten werden, hat mithin bei Clepsine das Makromer 3 D etwa die gleiche entwicklungs- geschichtliche Bedeutung, wie bei der typischen Spiralfurchung seine eine Tochterzelle 4 d. Wie bei anderen Eiern mit Spiralfurchung sind auch bei Clepsine die vier Makromeren nicht gleich groß. Durch den ersten Furchungsschritt entsteht eine größere Zelle CD und eine kleinere AB, und beim zweiten teilt sich AB aequal, CD inaequal, so dab ein größeres Makromer D und drei kleinere, unter sich aber annähernd gleiche, nämlich A, B und C entstehen. Es stimmt ferner mit den Erfahrungen, die an andern nach dem Spiraltypus sich entwickelnden Eiern gewonnen wurden, überein, daß auch bei Clepsine die größeren und daher absolut plasma- reicheren Zellen sich früher teilen als die kleineren; es eilt also CD dem kleineren Blastomer AB voraus und beim dritten Furchungs- schritt D den drei anderen Makromeren. Die Teilungsbeschleunigung ist aber auch weiterhin bei allen großen Abkömmlingen von D zu beobachten, einerlei ob sie als Mikromeren oder als Makromeren zu bezeichnen sind, und zwar ist dies der Fall, obwohl sie zum Teil gar nicht mehr umfangreicher sind als die Makromeren A, B oder ©, welche eine geringere Teilungsgeschwindigkeit besitzen. Nun bleibt noch der Bau des normalen ungeteilten Eies von Clepsine zu besprechen, er ist durch eine Besonderheit ausgezeichnet, die sich in übereinstimmender Weise, so weit bekannt, nur noch bei dem Ei des Oligochaeten Rhynchelmis findet. Nach der Vollendung der Richtungsteilungen und vor Ausbildung der ersten Furchungsspindel sammelt sich nämlich am animalen, d. h. Richtungs- körper-Pol sowie am vegetativen Pol Bildungsplasma an; ich habe 238 diese seit langem schon bekannten Differenzierungen das animale und das vegetative Polplasma genannt. Die Entstehung dieser eigenartigen Bildungen im ungefurchten Ei legt den Gedanken sehr nahe, daß sie in kausalem Zusammen- hang mit der Furchungsweise des Clepsine-Kies stehen. So habe ich denn auch in meiner schon genannten Arbeit versucht, die Besonderheiten in der Furchung von Clepsine mit diesen Polplasmen in Beziehung zu bringen. Doch sollten diese Überlegungen nur den Weg zeigen, auf welchem man der Erkenntnis der Entwicklungs- ursachen näher kommen könnte, und dieser Weg kann natürlich nur ein experimenteller sein. Wenn diese Entwicklungsursachen in der Verteilung der Ei- substanzen zu suchen, insbesondere also in den Polplasmen gelegen sind, so muß eine bestimmte Änderung des Eibaues eine bestimmte Abänderung der Furchungsweise zur Folge haben. Die einfachste Methode, den normalen Eibau zu verändern, besteht bekanntlich in dem Zentrifugieren der Eier, wodurch bewirkt wird, daß die Ei- substanzen entsprechend ihrem verschiedenen spezifischen Gewicht sich innerhalb des Eies umlagern und schichtenweise anordnen. Diese Methode hat man schon bei Eiern vieler und sehr verschiedener Arten in Anwendung gebracht, auch bei solchen Eiern, die sich nach dem Spiraltypus furchen, und gerade bei diesen ist man zu überraschenden Ergebnissen gelangt. Das Ei von Clepsine sexoculata erscheint für solche Zentrifugierungsversuche in vieler Hinsicht äußerst geeignet, andererseits verhindern gewisse in dem Material liegende Schwierigkeiten — insbesondere die Größe und Undurch- sichtigkeit der Eier sowie der Umstand, daß die genannte Clepsine- Art ihre Eier innerhalb ganz kurzer Zeit ablegt —, daß die Analyse der Entwicklungsursachen nicht bis zu dem wünschenswerten Grade durchgeführt werden kann. Doch glaube ich trotzdem zu einigen Ergebnissen gekommen zu sein, welche zur Erklärung der Furchungs- vorgänge beitragen dürften, und über die wesentlichsten von ihnen möchte ich hier kurz berichten. 2. Der Bau der zentrifugierten Eier. Zunächst war festzustellen, welche morphologisch unterscheid- baren Substanzen im Ei vorhanden sind, welche Anordnung sie im normalen und im zentrifugierten Ei besitzen, und wie sich die Hauptachse des zentrifugierten Eies zu der des normalen verhält. Vor und unmittelbar nach Beendigung der Richtungsteilungen ist im normalen Ei der Dotter ganz gleichmäßig verteilt; zwischen 239 den Dotterschollen ist Plasma nur in sehr geringer Menge vor- handen, und auch die plasmatische Oberflächenschicht des Eies, das Ektoplasma, ist überall sehr dünn. Zwischen den Dotterschollen liegen im Plasma kleine, mit Osmium schwärzbare und daher wahr- scheinlich fettartige Granula. Schon im eben abgelegten Ei ist die erste Richtungsspindel ausgebildet und liegt an einem Ende des Figur 1. Figur 2. Figur 3. Figur 4. Fig. 1. Normales Ei auf dem Stadium der zweiten Richtungsteilung; Meridianschnitt. Fig. 2. Normales Ei nach Ausbildung der Polplasmen; Meridianschnitt. Fig. 3. Ei, zentrifugiert nach Vollendung der Richtungsteilungen und vor Entstehung der Polplasmen; Schnitt meridional in bezug auf die sekundäre Eiachse. Fig. 4. Ei, zentrifugiert nach Ausbildung der Polplasmen; Schnittrichtung wie oben. Bei sämtlichen Figuren (auch den folgenden) ist der animale oder der Plasmapol nach oben gerichtet; die Fettkappe, nur in Fig. 3 und 4 sichtbar, ist schwarz, das dichte Plasma dicht punktiert, das lockere weniger dicht punktiert und der Dotter weiß. deutlich längsgestreckten Eies (Fig. 1). Der Spermakern findet sich ganz unregelmäßig an irgendeiner Stelle im Ei. Nach Beendigung der Richtungsteilungen, die von eigenartigen, peristaltisch vom vegetativen zum animalen Pol fortschreitenden Einschnürungen des gesamten Eies begleitet sind, und während der Vereinigung der ‚ Vorkerne geht das Ei zunächst von seiner länglichen Gestalt in 240 eine kugelige über, und dann bilden sich kurz darauf die Polplasmen aus. Das am animalen Pol gelegene stellt im fertigen Zustand einen Ring dar, dessen Öffnung an der Stelle liegt, wo die Richtungs- körper sich abschnürten; es besteht aus einer dichten, stärker färb- baren Außenschicht und einer weniger dichten und weniger stark färbbaren inneren Schicht von Plasma, welche meist die Ringöffnung schließt (Fig. 2). Das vegetative Polplasma besitzt keine Öffnung am vegetativen Pol; es bildet also eine Kappe, die ebenfalls aus einer dichteren, am Rande verdickten äußeren Schicht und einer weniger dichten Innenlage besteht. Im übrigen ist der Bau des Eies an- scheinend unverändert, die Abnahme des oberflächlichen und des zwischen dem Dotter verteilten Plasmas ist nur gering. Die Vor- kerne haben sich etwa im Mittelpunkte des Eies vereinigt, und die Richtungskörper liegen mehr oder weniger dem animalen Pol, d. h. der Öffnung des animalen Polplasma-Ringes benachbart. So erkennen wir, daß in der Zeit zwischen den Richtungs- teilungen und dem Beginn der Furchung die Organisation des Eies eine wesentliche Umwandlung erfährt, und zwar besteht diese haupt- sächlich in einer stärkeren Ausbildung der Polarität des Eibaues: Vorher war die Hauptachse erkennbar an der Längsachse des Eies und an der Stelle der Richtungskörperbildung, nun aber an der Anordnung der Eisubstanzen. Auch bei Eiern vieler anderer Arten erfährt der Bau des Eiplasmas in der Zeit zwischen Richtungs- teilungen und Anlage der ersten Furchungsspindel eine auffällige Veränderung im Sinne einer stärkeren Betonung der Polarität. Wenn man das Clepsine-Ei 1/,—!/, Stunde lang kräftig zentri- - fugiert, so ordnen sich seine Substanzen nach ihrem spezifischen Gewichte schichtenweise an. Ich will nicht erst das Aussehen der lebenden Eier nach dem Zentrifugieren schildern, sondern diese Änderung des Eibaues gleich an einem Schnittbild (Fig. 3) erläutern. Der nach der Achse der Zentrifuge gerichtete, also der zentripetale Eipol wird von einer dünnen Kappe dicht aneinander gedrängter Granula bedeckt, welche mit den Fettgranula identisch sind, die vor dem Zentrifugieren im Ei gleichmäßig verteilt waren. Diese Fettkappe ist nur in den nach Fiemmine fixierten Eiern erhalten, in den mit Sublimat behandelten, nach welchen die meisten der folgenden Zeichnungen angefertigt sind, ist sie durch den Alkohol vollkommen aufgelöst. Nur einige kleine Vaknolen in der äußersten Schicht des Eies bezeichnen noch die Lage der tieferliegenden Fettgranula. Ich konnte die Fixierung nach Fiemme nicht viel anwenden, weil sie für das Objekt ungeeignet ist und den Dotter 241 sehr spröde macht. Unter der Fettkappe folgt eine Zone von wenig dichtem und wenig färbbarem Plasma, und der übrige, größere und zentrifugal gerichtete Teil des Eies wird von dicht aneinander- gedrängten Dotterschollen eingenommen. Das besprochene Bild bezieht sich auf ein Ei, das nach Beendigung der Richtungsteilungen und vor Ausbildung der Polplasmen zentrifugiert wurde. Wenn man ein Ei nach deren Entstehung mit der Zentrifuge behandelt, so findet man die eben beschriebenen drei Substanzen in gleicher Anordnung vor. Dazu kommen aber noch, wie Schnitte (Fig. 4) zeigen, zwei Plasmamassen, welche sich durch ihre dichte Struktur und durch ihre stärkere Färbbarkeit, insbesondere nach Fixierung mit Fremmisescher Flüssigkeit und Färbung mit Safranin, unzweifel- haft als die dichte Außenschicht der beiden Polplasmen zu erkennen geben. Die eine von diesen Plasmamassen zeigt auch stets noch die charakteristische Ringform des animalen Polplasmas. Sie liegen in der lockeren Plasmazone, und zwar stets einander diametral gegenüber, an der Grenze zwischen Plasmazone und Dotter und zugleich dicht an der Eioberfläche. Sie haben durch ihre größere Dichtigkeit gewöhnlich viele Fettgranula verhindert, ihre Wanderung an den zentripetalen Pol des Kies zu vollenden. Wenn Eier auf etwas vorgeschrittenerem Stadium der ersten Furchungsteilung zentri- fugiert werden, so sind die Polplasmen nicht mehr so kompakt, sondern stellen unscharf begrenzte Verdichtungen in der Plasmazone dar. Das beruht darauf, daß zu dieser Zeit auch in normalen Eiern die Grenze zwischen der äußeren und inneren Schicht der Polplasmen verschwindet (Fig. 7). Wenn wir uns nun zu der Frage wenden, wie die Hauptachse des normalen Eies, welche als die primäre bezeichnet werden soll, zur Hauptachse des zentrifugierten Eies gerichtet ist, die senkrecht zur Schichtung steht und die sekundäre genannt werden soll, so ist zunächst zu betonen, daß in dieser Hinsicht die Eier sich sehr verschieden verhalten, je nach dem Entwicklungsstadium, auf welchem sie zentrifugiert wurden. Schon vor der Entstehung der Polplasmen ist die animale Eihälfte leichter als die vegetative; denn wenn die Richtungskörper abgeschnürt, die Polplasmen aber noch nicht zu erkennen sind, dreht sich das Ei beim Liegen im Wasser mit dem animalen Pol nach oben. Worauf aber die größere Leichtigkeit der animalen Eihälfte beruht, habe ich noch nicht feststellen können. Während der Richtungsteilungen orientiert sich das Ei noch nicht in deı - geschilderten Weise; ob das darauf beruht, daß zu dieser Zeit die Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 16 242 animale Eihälfte noch nicht leichter ist, oder nur auf dem Umstand, daß das Ei noch längliche Form hat, habe ich nicht entschieden. Jedenfalls darf man danach erwarten, daß Eier, die während der Richtungsteilungen zentrifugiert werden, sich nicht regelmäßig mit dem animalen Pol zentripetal orientieren. Das wird nun auch durch Fig. 5 bewiesen, die nach einem Schnitt durch ein so behandeltes Ei gezeichnet ist. Man sieht die zweite Richtungsspindel an der Stelle der Eioberfläche, welcher außen der erste Richtungskörper anliegt; aus dieser Tatsache und aus der häufig gemachten Erfahrung, daß die Richtungsspindeln nur selten durch die Zentrifugalkraft von ihrer ursprünglichen Stelle entfernt werden, ist mit Sicherheit zu schließen, daß es auch hier nicht eingetreten ist. Mithin deckt sich der animale Pol nicht mit dem zentripetalen Pol, und primäre Figur 5. Figur 6. Fig. 5. Ei, zentrifugiert während der zweiten Richtungsteilung; Schnittrichtung nicht meridional. Fig. 6. Zentrifugiertes Ei mit nur einem Polplasma; Meridionalschnitt. und sekundäre Eiachse fallen nicht zusammen. Ich fand indessen die Stelle der Richtungskörperbildung in verschiedenen zentrifugierten Eiern verschieden weit entfernt von dem zentripetalen oder „Plasma- Pol“ des Kies. Ganz anders verhalten sich die Eier, die bald nach der Ent- stehung der Polplasmen, also zu Beginn der ersten Furchungsteilung in die Zentrifuge kommen. In diesen ist die animale Eihälfte jedenfalls beträchtlich leichter als die vegetative, da die nun ziemlich kugelrunden Eier beim Liegen im Wasser den animalen Pol stets nach oben wenden. Daraus müßte man den Schluß ziehen, daß sie in der Zentrifuge den animalen Pol zentripetal einstellen. Es verhält sich aber merkwürdigerweise nicht so, wie aus folgendem hervorgeht: Einmal fand sich unter den zentrifugierten Eiern eines, das nur das ringförmige animale Polplasma ausgebildet hatte — 243 einen derartigen Fall hat schon Vxspovskr!) beschrieben — und dieses lag nun gerade am zentripetalen Pol (Fig. 6); das ist selbst- verständlich, wenn die animale Eihälfte leichter als die vegetative und das Polplasma leichter als der Dotter uud das übrige Plasma ist. Im allen andern Fällen sind zwei Polplasmen vorhanden, und liegen wie erwähnt stets in der Plasmazone, an ihrer Grenze gegen den Dotter und einander diametral gegenüber. Das ist nicht ver- ständlich, wenn die animale Eihälfte zur zentripetalen wird und die Polplasmen nur entsprechend ihrem spezifischen Gewicht ver- lagert werden. Die einzige Erklärung für dieses regelmäßige Verhalten ist folgende: die äußere Schicht der Polplasmen haftet fest an dem Ektoplasma des Eies, wie ja auch in den zentrifugierten Eiern erkennbar ist, und die beiden Polplasmen sind annähernd gleich schwer. Nun stellt sich der Ektoplasmasack mit den an ihm haftenden Polplasmen unter dem Einfluß der Wirkung der Zentrifugalkraft ins Gleichgewicht, d. h. er dreht sich so, daß die Verbindungslinie der beiden Polplasmen senkrecht zur Richtung der Wirkung der Zentrifugalkraft zu liegen kommt. Die Substanzen des Eiinnern aber ordnen sich nach ihrer Schwere schichtenweise an, ganz zentripetal die Fettgranula, dann das Plasma, das vorher zwischen den Dotterschollen verteilt war (und mit ihm ist offenbar die Innenlage der beiden Polplasmen vermengt), und schließlich zentrifugal die Dotterschollen. Wenn die Richtungskörper nach ihrer Abschnürung ihre Lage nicht mehr verändern würden, müßte man sie stets in der Nähe des animalen Polplasmarestes finden (Fig. 8), sie wandern aber schon bei normalen Eiern mehr oder weniger weit von ihrer Bildungsstelle weg, so daß man sie nicht immer an dem genannten Orte antrifft. Wenn man Eier auf dem Stadium von zwei oder mehr Zellen zentrifugiert, so orientieren sie sich wieder in anderer Weise. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Eier auf dem Vier-Zellen- stadium den animalen Pol zentripetal wenden, und daß daher die primäre Eiachse etwa mit der Richtung der Wirkung der Zentri- fugalkraft zusammenfallt. Denn die durch die beiden Teilungs- ebenen eindeutig bestimmte Furchungsachse fällt in diesen Eiern mehr oder weniger genau mit der Schichtungsachse, d. h. der sekundären Achse zusammen, und da die animale Eihälfte die leichtere ist, wird sie sich auch zentripetal wenden. Sehr wahr- 1) VEJDOVSKY, FR., 1888, Entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen, faeh 1; > Prac: 16* 244 scheinlich ist es auch so bei Eiern, die auf dem Zwei-Zellenstadium zentrifugiert wurden, da in ihnen die Schichtungsachse ganz oder annähernd in der Ebene der ersten Teilung liegt. Wie stimmt das aber mit dem vorhin geschilderten Verhalten der Polplasmen überein? Nach Beendigung der ersten Teilung und besonders im Beginne der zweiten sinken die Polplasmen in das Eiinnere, ver- lieren also den festen Zusammenhang mit der Außenschicht des Eies und außerdem vermischen sich ihre beiden Schichten. Ich habe das in meiner eingangs genannten Arbeit ausführlich geschildert. So können nun die Polplasmen ebenso wie die andern Substanzen im Elinnern ganz nach ihrem spezifischen Gewicht in die zentripetale Eihälfte verlagert werden. Das Aufheben der scharfen Begrenzung der dichten Außenschichten aber ist die Ursache, daß man jetzt in der zentripetalen Eihälfte überhaupt keine deutlich abgegrenzten Polplasmareste findet, man erkennt nur unregelmäßig gelagerte und unregelmäßig geformte Verdichtungen in der Plasmazone. Ich habe diese Verhältnisse so ausführlich geschildert, weil sich eine theoretisch wichtige Folgerung daraus ergibt. Liızuıel) ist bei seinen Zentrifugierungsversuchen an den Eiern von Chae- topterus zu der Ansicht gekommen, daß die Verlagerung nur die in der Grundsubstanz verteilten Granula und Dotterkügelchen betrifft, nicht aber die Grundsubstanz selbst. Deren Organisation und damit die primäre Polarität des Eies bleibt also erhalten, und diese bestimmt allein die Teilungsrichtungen. Es müssen diese also trotz der Verlagerung gewisser Substanzen in den zentrifugierten Eiern ganz normal ausfallen. Bei Clepsine kann es sich so nicht ver- halten, falls die Grundsubstanz identisch ist mit dem Bildungs- plasma, das zwischen den Dotterschollen verteilt und in den Pol- plasmen enthalten ist. Denn auch ohne eingehende Erläuterung ist aus den besprochenen Abbildungen ohne weiteres ersichtlich, dab die Verteilung des Bildungsplasmas durch das Zentrifugieren verändert wird. Die Ansicht von Lier wäre nur unter der Vor- aussetzung zu halten, dab das Wesen der Organisation des Clepsine- Eies auf einer morphologisch nicht zum Ausdruck kommenden Intimstruktur, einem das ganze Ei durchziehenden Netzwerk einer Substanz beruht, welche von der Verlagerung nicht betroffen wird und kein Hindernis für die Wanderung anderer Substanzen darstellt. Diese Annahme findet zwar keine Stütze in dem Bau des Eies von 1) LILLIE, FR. R., 1909, Polarity and bilaterality of the annelid egg. Experiments with centrifugal force, in Biol. Bull., Vol. 16. 245 Clepsine, man könnte aber zu ihr gedrängt werden durch die Teilungsweise der zentrifugierten Eier, und diese soll daher im folgenden behandelt werden. 3. Die Einstellung der Spindeln beim ersten bis dritten Teilungsschritt. Die Spindeln des ersten (Fig. 7) und des zweiten Furchungs- schrittes normaler Eier liegen erstens in der Äquatorialebene des Eies, zweitens sind sie senkrecht zur (primären) Eiachse gerichtet, und drittens stehen die Spindeln des zweiten Teilungsschrittes senkrecht zur Achse der ersten Furchungsspindel. Die Ursachen der letzteren Erscheinung, die in der Alternanzregel zum Ausdruck kommen, sollen nicht weiter erörtert werden. Von der Eintrittsstelle des Spermas kann es nicht bedingt sein, daß die Spindeln in der Äquatorialebene liegen, und der Me- ridian des Sperma-Eintritts kann die erste Teilungsebene nicht determinieren; denn diese ist keine Meridianebene, weil das Ei sich inaequal teilt.- Die geschilderte Einstellung der Spindeln kann auf zweierlei Weise erklärt werden: Entweder ist sie auf eine näher nicht bekannte Art bestimmt durch die Anordnung der sichtbaren Eisubstanzen, insbesondere also der Polplasmen; oder sie beruht auf dem Vorhandensein einer Intimstruktur des Eies, so daß die An- ordnung der sichtbaren Eisubstanzen die Teilungsrichtung nicht kausal bedingt. Das Verhalten der zentrifugierten Eier muß die Entscheidung darüber bringen. In denjenigen Eiern, die vor Ausbildung der Polplasmen in die Zentrifuge kamen, liegt die erste Furchungsspindel parallel der Schichtung, und die Teilung ist inbezug auf die neugeschaffene sekundäre Eiachse meridional. Es scheint also, daß die Spindel- einstellung von der neuen Anordnung der Eisubstanzen bestimmt wird. Obgleich ich diesen Schluß für richtig halte, kann er doch nicht als bewiesen gelten, da ich aus bestimmten Gründen zu wenige derartig behandelte Eier besitze, und da das Lageverhältnis von primärer und sekundärer Eiachse in diesen Eiern nicht mehr sicher festzustellen ist. In Eiern, die nach Ausbildung der Polplasmen zentrifugiert wurden, war die Spindel zu Beginn des Versuches schon mehr oder weniger ausgebildet oder ihre Einstellung durch die Richtung der Verbindungslinie der beiden Teilungszentren angedeutet. Nach dem Zentrifugieren liegt die Spindel erstens dem zentripetalen Pol ge- nähert, meist in der Plamazone oder aber auch an ihrer Grenze 246 gegen den Dotter; die verschieden starke Verlagerung der Spindel führe ich im Einklang mit. Beobachtungen anderer Autoren darauf zurück, daß die Spindel weniger verschieblich ist, wenn sie durch eine stark ausgebildete Strahlung fest verankert ist. Zweitens liegt die Spindel etwa in gleicher Entfernung von beiden Pol- plasmaresten und senkrecht zu der Verbindungslinie derselben. Und drittens steht sie auch senkrecht zur sekundären Eiachse und liegt daher parallel zur Schichtung (Fig. 8 u. 9). Figur 8. Figur 9. Figur 10. Fig. 7. Normales Ei auf dem Stadium der ersten Furchungsteilung; Meridionalschnitt; Grenze zwischen Außen- und Innenschicht der Polplasmen verwischt. Fig. 8. Ei, zentrifugiert zu Beginn der ersten Furchungsteilung. Schnitt parallel zu der. sekundären Eiachse und der Verbindungslinie der Polplasmen. Fig. 9. Ebenso, Schnittrichtung aber parallel der sekundären Eiachse und senkrecht zur Verbindungslinie der Polplasmen; diese daher nicht sichtbar. Fig. 10. Ein gleiches Ei, aber auf dem zweiten Furchungsschritt begriffen; Schnittrichtung wie in Fig. 9. Beim zweiten Teilungsschritt liegen die beiden Spindeln erstens wieder gleichweit von den beiden Polplasmaresten entfernt und senkrecht zu ihrer Verbindungslinie; zweitens aber senkrecht zur Schichtung und damit parallel zur sekundären Eiachse (Fig. 10). Daß sie zugleich senkrecht zur Richtung der ersten Furchungs- spindel stehen, soll, wie oben schon bemerkt wurde, nicht näher erklärt werden. 247 Es liegen also die Spindeln des ersten und zweiten Teilungs- schrittes im zentrifugierten Ei in bezug auf die Verbindungslinie der Polplasmareste genau so, wie die Spindeln des normalen Kies inbezug auf die primäre Eiachse. Wenn wir nun die Annahme machen, daß in den zentrifugierten Eiern die hypothetische Intim- struktur ungestört erhalten ist, und daß ihre Achse — die primäre Eiachse — mit der Verbindungslinie der Polplasmareste zusammen- fällt, so erscheint die Ansicht begründet, dab die Intimstruktur es ist, welche ungeachtet der Anordnung anderer Substanzen die Teilungsrichtung bestimmt. Doch macht der Umstand, daß die erste Furchungsspindel — von zwei gleich zu erwähnenden Ausnahme- fällen abgesehen — stets parallel zur Schichtung orientiert ist, das Figur 11. Figur 12. Fig. 11. Gleiches Stadium wie Fig. 10; Schnitt parallel der sekundären Eiachse und der Verbindungslinie der Polplasmen. Fig. 12. Gleiches Stadium und gleiche Schnittrichtung. Zugeständnis nötig, daß neben der Intimstruktur die schichten- weise Anordnung der sichtbaren Eisubstanzen auch von Einfluß auf die Spindeleinstellung ist. Es gibt aber Ausnahmefälle von dem geschilderten Verhalten: in einem Falle muß die erste Furchungsspindel nicht senkrecht, sondern parallel zur Verbindungslinie der beiden Polplasmareste gelegen haben, wie die vollzogene Teilung (Fig. 11) beweist; in zwei andern hatte die erste Furchungsspindel senkrecht zur Schichtung gelegen, und in einem dieser beiden Eier waren die Spindeln des zweiten Teilungsschrittes parallel zur Verbindungs- linie der Polplasmen gerichtet (Fig. 12). Das beweist also eben- falls, daß die hypothetische Intimstruktur die Teilungsrichtung nicht unabänderlich bestimmt. Die Entscheidung bringt der Verlauf des dritten Teilungs- schrittes. Normalerweise werden bei diesem am animalen Pol Mikromeren abgeschnürt; daß die Teilung jetzt ganz anders aus- 248 fällt als vorher, kann man sich durch die Hypothese von Boveri?) verständlich machen, nach welcher der Ablauf eines Teilungs- schrittes einen Entwicklungsfaktor darstellt, indem er den Zu- stand des Eiplasmas verändert. Das kommt in der Entwicklung von Clepsine auch morphologisch zum Ausdruck, da nach Been- digung des zweiten Furchungsschrittes die Polplasmen sich end- gültig vom Ektoplasma trennen und ins Eiinnere einsenken; auch bei zentrifugierten Eiern tritt dies ein (Fig. 12). Wenn nun die auf der vorausgesetzten Intimstruktur beruhende Polarität des Eies den Ort der Mikromerenbildung bestimmt, und wenn, was nach den beiden ersten Teilungsschritten annehmbar erscheint, die Achse der Intimstruktur mit der Verbindungslinie der Polplasmareste zusammenfällt, so müssen sich die Mikromeren Figur 13. Figur 14. Fig. 13. Mikromerenbildung eines Eies, das zu Beginn der ersten Furchungsteilung zentri- fugiert wurde. Schnitt parallel der sekundären Eiachse. Fig. 14. Zweiter Teilungsschritt eines gleich behandelten Eies; dieselbe Schnittrichtung. der zentrifugierten Kier an der Stelle des animalen Polplasmarestes abschnüren, also jedenfalls, wenn dieser nicht mehr erkennbar ist, an der Grenze von Plasmazone und Dotter. Das aber tritt nicht ein, es kommt überhaupt in diesen Eiern nie zur Bildung eines annähernd normalen 8-Zellen-Stadiums. Wenn Mikromeren über- haupt zustande kommen, schnüren sich zwei von den an den Plasma- pol anstoßenden Zellen ab, während die Teilung in den beiden andern stets ganz anormal und individuell sehr verschieden verläuft (Fig. 13). Vielleicht sind die seltenen Fälle, in denen zentrifugierte Eier schon auf dem 2-Zellenstadium dazu neigen, Mikromeren am Plasmapol zu bilden (Fig. 14), mit der Hypothese Boveri's nicht unvereinbar: die Teilung zentrifugierter Eier ist sehr stark ver- langsamt; daher kann die Zustandsänderung des Plasmas, welche 1) BovERI, TH., 1910, Die Potenzen der Ascaris- Blastomeren bei abge- änderter Furchung. Zugleich ein Beitrag zur Frage qualitativ ungleicher Chromo- somen-Teilung. Festschr. f. R. HERTWIG, Bd. 3. 249 Mikromerenbildung bedingt, bei diesen unter Umständen schon nach der ersten Teilung erreicht sein. Aus den mitgeteilten Tatsachen aber ergibt sich, dab bei Clepsine keine Grundsubstanz vorhanden ist, deren Organisation durch das Zentrifugieren ungestört bleibt, und welche ohne Rück- sicht auf die Verlagerung der übrigen Eisubstanzen die Teilungs- richtungen in normaler Weise weiterbestimmt. Denn weder unter der vorhin gemachten Voraussetzung, daß die Hauptachse einer solchen Intimstruktur mit der Verbindungslinie der Polplasmen zu- sammenfällt, noch wenn wir etwa annehmen, dab sie sich mit der sekundären Eiachse deckt, sind die Teilungsrichtungen des zentri- fugierten Eies als normal zu bezeichnen. Dagegen lassen sich die Tatsachen zwanglos mit der Auffassung vereinigen, daß die Teilungs- richtungen ausschließlich durch die Anordnung der sichtbaren Ei- substanz in einer allerdings nicht näher bekannten Weise deter- miniert werden: Im normalen Ei stellen sich die Spindeln der beiden ersten Furchungsschritte in einer Ebene ein, die in bezug auf die beiden Polplasmen äquatorial liegt; bei der Entwicklung zentri- fugierter Eier ist es ebenso, nur kommt dazu noch der Einfluß der künstlich hergestellten Verteilung der übrigen Eisubstanzen. Wenn dieser Einfluß individuell variabel ist, wofür Gründe vorhanden sein können, so sind auch die oben geschilderten Ausnahmefälle ver- ständlich. Im normalen Ei werden, nachdem die Polplasmen ihren ursprünglichen Ort verlassen und sich verändert haben, die Mikro- meren am animalen Pol abgeschnürt, und da dieser der leichtere ist, kann die Determinierung der Bildungsstätte der Mikromeren wieder auf Substanzanordnung zurückgeführt werden. In den zentrifugierten Eiern schnüren wenigstens die beiden Zellen, welche an dem leichteren Plasmapol liegen, an diesem Mikromeren ab, in den beiden andern Zellen verläuft die Teilung ganz anormal. Das stimmt also mit der Auffassung überein, daß der Ort der Mikro- merenbildung durch die Substanzanordnung bestimmt wird. Das Verhalten der zentrifugierten Eier gab entgegen meinen Hofinungen keinen sicheren Aufschluß über die Beziehung der Substanzanordnung zur Ausbildung heteropoler Spindeln und damit zur inäqualen Natur der Teilung des Eies und des Makromers CD. Ich gehe deshalb auf diese Frage hier nicht ein. 4. Die weiteren Teilungen im D-Quadranten. Die Eier, welche zu Beginn der ersten Furchungsteilung zentri- fugiert wurden, bringen es nicht zu einem annähernd normalen 250 8-Zellen-Stadium; die Ursachen hierfür habe ich im vorstehenden angegeben. Bei Eiern, welche nach der ersten Furchungsteilung in die Zentrifuge kommen, fallen die primäre und die sekundäre Eiachse, der animale und der Plasma- oder zentripetale Pol ganz oder nahezu zusammen, wie oben ausführlich besprochen wurde. Für die Eier, die auf dem 2-Zellen-Stadium zentrifugiert wurden, konnte dies allerdings nur sehr wahrscheinlich gemacht werden, doch stimmt ihr weiteres Verhalten sehr gut mit dieser Annahme überein. Nun handeltessich darum, die fernere Teilungs- weise dieser Eier ie wobei in der Hauptsache nur der entwicklungsge- schichtlich so bedeutungsvolle D-Quadrant berücksichtigt werden soll. In den auf dem 2-Zellen-Stadium zentrifugierten Eiern werden die Spindeln nach dem zentripetalen Pol verlagert; sie liegen im Plasma, und zwar unter sich | und mit der ersten Teilungsebene wie es an mit der Schichtung parallel, daher senk- zentrifugiert wurde. Rekon- recht zur sekundären und höchstwahr- an scheinlich auch senkrecht zur primären Eiachse. Die zweite Plasmateilung wird, vermutlich wegen der Lage der Spindeln, nicht oder unvollkommen durchgeführt. Dann werden Mikromeren am Plasmapol abgeschnürt (Fig. 15). Nur bis zu diesem Stadium verläuft die Entwicklung normal, die Entstehung eines ersten Somatoblasten habe ich bei diesen Eiern nie beobachtet. Wenn Eier auf dem 4-Zellen-Stadium zentrifugiert werden — wie wir gesehen haben, stets in der Richtung der primären Ei- achse —, dann liegen zunächst die vier Kerne ganz in der Nähe des animalen Poles im Plasma. Danach kommt es zur Abschnürung eines typischen ersten Mikromeren-Quartettes. Das Makromer des D-Quadranten ist selbstverständlich weitaus das plasmareichste, da es ja die Überbleibsel der Polplasmen enthält, und das Plasma ist natürlich im zentripetalen Teil dieser Zelle angesammelt. Nach Abschnürung von 1d geht der Kern von 1D wieder zur Mitose über, und die Spindel ist nun nicht wie in normalen Eiern im Sinne einer laeotropen Spirale gelegen, sondern parallel zur Schichtung und damit in einer senkrecht zur Furchungsachse stehenden Ebene (Fig. 16). Einmal fand ich die Teilung des Plasmas auch durch- seführt; es war 1D ganz entsprechend der Spindelstellung in zwei Figur 16. 251 gleichgroße, durch eine meridionale Ebene getrennte Blastomeren geteilt. Leider bin ich infolge einer Lücke in meinem Material nicht imstande festzustellen, wie die weitere Entwicklung dieser Eier verläuft. Immerhin ist es sicher, dab in Eiern, die nach Sonderung des Makromers D zentrifugiert wurden, die nächste Teilung dieser Zelle ganz normal, die zweite bis zu einem ge- wissen Grade annähernd normal vor sich geht. Schließlich wurden noch Eier zentrifugiert, in denen die Mikro- meren 1d und le abgeschnürt und la und 1b in Bildung begriffen waren. In diesen ist, wie die normale Entwicklung zeigt, die Spindel von 1 D ausgebildet und hat eine Orientierung, welche einer läotropen Spirale entspricht. Unmittelbar nach dem Zentrifugieren Kai = SH ENDE >) Figur 16. Figur 17. Fig. 16. Teilung von 1D in einem Ei, das auf dem 4-Zellenstadium zentrifugiert wurde; Rekonstruktion. Fig. 17. Ei, das auf dem 6-Zellenstadium zentrifugiert wurde; Teilung von 1D vollendet; Schnitt parallel der sekundären Eiachse. fand ich die Spindellage nur sehr wenig oder nicht verändert, was wohl wieder auf dem Umstand beruht, daß die Strahlung stark ausgebildet ist. Die Teilung des Makromers 1D erfolgte denn auch ganz entsprechend dieser Spindelstellung, indem ein mehr animalwärts und rechts gelegener erster Somatoblast, und ein mehr gegen den vegetativen Pol zu und links gelegenes Makromer 2 D entstand (Fig. 17). Allerdings variierte die Lage und das Größen- verhältnis dieser beiden Zellen mehr als normal. Abweichend verhält sich regelmäßig nur ihr Plasmareichtum, denn das Plasma sammelt sich beim Zentrifugieren im zentripetalen Teil von 1D an und wird daher zum größeren Teil dem ersten Somatoblasten mitgegeben und nicht wie normal auf beide Blastomeren etwa gleichmäßig verteilt. Die weitere Entwicklung verlief, so weit ich das an den Abkömm- lingen des D-Quadranten verfolgt habe, mehrere Teilungsschritte hindurch bis auf eine später zu besprechende Abänderung ganz normal. 252 Einen zum Ausschlüpfen bereiten Embryo habe ich aus keinem zentrifugierten Ei erzielt. Das ist nicht zu verwundern, da selbst ganz normale Eier, wenn sie aus dem Kokon genommen werden und sich daher unter anormalen Bedingungen entwickeln müssen, früher oder später Abweichungen von der typischen Entwicklung zeigen und danach absterben. Die Beobachtungen an den auf dem 2-Zellen-Stadium oder später zentrifugierten Eiern zeigen aber einwandfrei, daß die nor- male Entwicklung des D-Quadranten an das Vorhandensein und die typische Anordnung der ihm normalerweise zukommenden Sub- stanzen gebunden ist. In Eiern, die auf dem 2-Zellen-Stadium in die Zentrifuge kamen, bekommt infolge der Ansammlung des Plasmas am zentripetalen Pol des Blastomers C D die Zelle © abnorm viel, D abnorm wenig Plasma, oder es trennen sich die beiden Makromeren gar nicht; und in solchen Eiern kommt es auch nicht zur Bildung eines ersten Somatoblasten. Wenn Eier auf dem Stadium von 4 Zellen zentrifugiert werden, muß sich die Spindel in 1 D unter dem Einfluß einer abnormen Substanzanordnung anlegen, und die Teilungsrichtung ist daher auch abgeändert. 5. Die Teilungsgeschwindigkeit. Schon aus der normalen Entwicklung hatte ich den Schluß gezogen, dab bei Clepsine eine Zelle sich um so rascher teilt, je mehr Polplasmasubstanz sie erhält und je größer ihr absoluter Plasma- gehalt ist. Das stimmt mit längst bekannten Erfahrungen überein. Schwierigkeiten schien mir nur der Umstand zu bereiten, daß das Makromer C, obwohl es kein Polplasma erhält, sich doch erheblich rascher teilt als A und B. Ich bin aber seitdem darauf aufmerksam geworden, daß während des Verlaufes der zweiten Furchungsteilung Anzeichen dafür vorhanden sind, daß sich ein Teil der Polplasma- substanz schon wieder zwischen den Dotterschollen verteilt; daher muß also C doch plasmareicher sein als A und B. Das Verhalten der zentrifugierten Eier bestätigt dieses Ergebnis ganz ausnahmslos. Ein Blick auf die Fig. 10—15 zeigt, daß die plasmareichere Zelle stets in der Teilung voran ist (auch läßt sich feststellen, daß sie sich vollkommener teilt als eiue fast nur Dotter enthaltende; vgl. Fig. 12). Ich will nur Fig. 17 genauer besprechen. Normalerweise teilt sich der erste Somatoblast langsamer als das Makromer 2D, da er zwar etwa ebensoviel Polplasmasubstanz wie dieses besitzt, aber nur halb so groß ist und daher absolut genommen weniger zwischen den Dotterschollen verteiltes Plasma enthält. 253 In den Eiern, die auf dem Stadium von 6 Zellen zentrifugiert wurden, kommt in den ersten Somatoblasten mehr Polplasmasubstanz zu liegen, als in das Makromer 2D, ersterer wird dadurch absolut plasmareicher und teilt sich tatsächlich nun auch rascher; da dies nur aus einer Reihe von Schnitten zu ersehen ist, muß ich bezüglich der Abbildungen auf die ausführliche Arbeit verweisen. 6. Ergebnis. Wie ich schon aus der normalen Entwicklung des Clepsine- Eies geschlossen hatte, beweisen auch die mitgeteilten experimenteilen Ergebnisse, daß die morphologisch zum Ausdruck kommende Ei- struktur, also die Anordnung der sichtbaren Eisubstanzen einen wesentlichen Einfluß auf die Teilungsrichtung, die Teilungsweise bestimmter Zellfolgen und die Teilungsgeschwindigkeit besitzen. Irgend einen Anhaltspunkt für die Annahme, daß eine morphologisch nicht zum Ausdruck kommende Intimstruktur des Eies die Ent- wicklung beherrscht, fand ich nicht. Die Frage, ob die sichtbaren Eisubstanzen auch die entwicklungsgeschichtliche Bedeutung der Zeilen, in die sie gelangen, determinieren, ob sie also als sogenannte organbildende Stoffe anzusehen sind, wird durch diese Beobachtungen nicht entschieden. Ein näheres Eingehen auf die Literatur, das aber in dieser kurzen Mitteilung nicht angängig ist, würde zeigen, dab zwar eine Reihe von Beobachtungen mit meinen Ergebnissen übereinstimmt, aber viele andere, namentlich auf experimentellem Wege gewonnene Resultate mit den meinigen in auffälligem Wider- spruch stehen. Ich möchte daher meine Resultate durchaus nicht ohne weiteres verallgemeinern, wie ich auch anerkenne, daß sie noch Lücken offenlassen, die ich durch weitere experimentelle Unter- suchungen auszufüllen hoffe. Im Zoologischen Institut waren Präparate zu den Vorträgen der Herren Dr. Schaxer, Prof. Horrmany, Prof. Harrmany, Dr. Kun ausgestellt. Fünfte Sitzung. Donnerstag, den 4. Juni, 9—1 Uhr. Auf Antrag der Rechnungsrevisoren wird dem Schriftführer Entlastung erteilt. 254 Herr Dr. Srenpett (Frankfurt a. M.): Morphologische Studien an Mormyriden. Die Mormyriden sind vor allen anderen Fischen — und Verte- braten überhaupt -- durch den Besitz eines eigenartigen Hirnteils ausgezeichnet. Dieser, das Mormyrocerebellum (Franz), ist ein gvewaltiger Abschnitt des Kleinhirns und überdeckt mehr oder weniger das übrige Gehirn. Bei Mormyrus, Gnathonemus und Mormyrops (Fig. 1c) ist er besonders groß und ragt mit seinem rostralen Ende über das Vorderhirn (vh), kaudalwärts über die Rautengrube hinaus, dabei das normale Fischkleinhirn (Ichthyo- cerebellum Franz) fast völlig umhüllend, während bei Gymnarchus (Fig. 1b) das Mormyrocerebellum weniger ausgedehnt, aber bei starker Breitenentwicklung noch ein ansehnlicher Teil des ganzen Gehirns ist. Die in Fig. 1 gegebene Zusammenstellung des gewöhn- lichen Knochenfischgehirns eines Barbus (la) und zweier Mormy- ridengehirne (1b und c) macht den grundlegenden Unterschied leicht klar. Ohne Zweifel ist dieser abweichende Hirntypus eine der merkwürdigsten Erscheinungen der vergleichenden Wirbeltier- anatomie, während sich zugleich in einer so tiefgreifenden Sonder- stellung im Bau des nervösen Zentrums eine vermutlich recht be- deutende biologische Eigentümlichkeit dokumentiert, die bei den lebend wenig beobachteten Fischen noch nicht ermittelt worden ist. Bei der Lösung des Problems dieser eigenartigen Fischfamilie werden zugleich einige allgemein morphologische Fragen aufgerollt und dank der einseitigen bzw. übertriebenen Bauverhältnisse der betreffenden Mormyridenorgane ihrer Lösung näher gebracht. Den Anschluß aller übrigen wichtigeren Hirnstationen an das riesige Mormyrocerebellum habe ich früher geschildert und dabei auch bereits die gegenseitige Abhängigkeit der damit Hand in Hand gehenden Hypertrophien im Mormyridengehirn dargetan. Es galt nun die Ursprungsstätte zu finden, von der diese Umbildungen aus- gegangen sind. Dabei stand zu vermuten, dab der Anstoß im Verkehr mit der Außenwelt durch die Vermittlung eines besonders spezifizierten Reizes zum Hirn gelangt sei, und daß dort im An- schluß daran die Veränderungen weiter Platz gegriffen haben. Es mußte also ein sensibeler Nerv vorhanden sein, der in engem Zu- sammenhang mit dem hypertrophierten Zentralapparat steht, selbst starke Ausbildung zeigt und eigenartige periphere Endapparate besitzt. In der Tat haben die Mormyriden einen Nerven, der allen diesen Anforderungen entspricht. Ich habe ihn als Nervus lateralis 255 beschrieben, während er von anderen Autoren schlechthin Nervus facialis genannt wurde. Weiter unten soll darauf noch eingegangen werden. Fig. l zeigt uns schwarzgetönt diesen Nerven, der bei anderen Knochenfischen (la) in Form kleiner von den übrigen Hirn- nerven schwer unterscheidbarer Stämmchen erscheint, deren vorderes mit dem Facialis-Trigeminus-Komplex, deren hinteres mit dem Um RS er ee ie & 7 un a cd ak mh ©. Figur 1. Gehirne von Barbus (a), Gymnarchus (b) und Mormyrops (c). Grau getönt: Mormyrocerebellum, punktiert: Ichthyocerebellum, schwarz: Nervus lateralis; vk. = Vorderhirn, zh. = Zwischen- hirn, mh, = Mittelhirn 256 Vagussystem das Gehirn verläßt, wogegen bei den Mormyriden (1b und e) sich beide Äste durch Kaliber, gemeinsames Kerngebiet und übereinstimmende Hypertrophie scharf von den anderen Nerven unterscheiden und als Einheit erweisen. Ich habe das früher bereits eingehend gezeigt. Jetzt handelte es sich darum, an den peripheren Endigungen dieses Nerven nach Eigenarten zu suchen. Der hintere Anteil des Nervus lateralis, der nicht einmal der stärker hyper- Bes EEE - - .. - ee — » - = - ben oa ni ne -.. =’, - ae ’ aA „en “ae at. BESSERE TEE te edd, «| nee acess westss ese - Bud we ”_. a7 een eur, A rec = eee rn „u. tents = arte ” eae pP Me SR rt ° ot es 2, e «are eh ie. er te, att ge San nt .? u Le ea yet os * ey I OFF a * Pa Pi a NP vast de «7 2 SOs Get 5 ee te * et wee “ Br ou ety Meet es eee 6 .. ” * a,”°.» .+%. ... . .n. nr „9,8% bee | « oo eee ae o P%e gr. ne ee es an ne #0 6 OF a % Sa Wee Oe Pa ee etd » ,ueletet Pet s%ee u 2% “et .* et .. wieee hase 24 ne e. ee 4 x =. res 2 PRT ee DIOR RL TN oe oat? Pelt ot we Be Fre tet a, @ @ 44, IE Bye ae ‘ , ot? 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Doch wissen wir, daß dieser Ramus posterior Nervi lateralis durchaus nicht allein für die Innervation der Seitenlinie bestimmt ist. Ich richtete daher mein Hauptaugenmerk auf den Vorderast. Es ist auffällig, daß die Schnauzenpartie der Mormyriden in mehr oder weniger starkem Maße ausgebildet ist. In den Lippen und rüsselartigen Verlängerungen aber konnte ich in der Tat eigenartige Organe finden, welche die 257 Haut dicht durchsetzen (Fig. 4). Die Organe werden kaudalwärts in immer spärlicherer Zahl angetroffen und sind in der Gegend der Augen und der Kehle fast ganz verschwunden. Bei den verschiedenen Formen sind die Organe im Prinzip übereinstimmend gebaut (s. dazu Fig. 2 und 4). Das eigentliche Organ steckt in der Epidermis (ep) und wird von innen her durch eine hohe Cutispapille (cup) umhüllt. An dem Organ von Mormyrus und Gnathonemus, bei denen es fast von gleichem Bau ist, können wir unterscheiden: einen von zwiebelschalenartig geordneten Epi- dermiszellen umschlossenen kapselartigen Hohlkörper (ska) und nach innen darum geordnete maschenförmige, von gelockertem Epithelgewebe gebildete Räume, welche durch enge Öffnungen mit der Kapsel in Kommunikation stehen. Unter diesen Maschen gibt es einfach gestaltete und kompliziertere von Flaschenform (flo). Beide Formen von Maschen enthalten Drüsenzellen (drz), welche deutlich in die Kapsel hineinsezernieren. Eine Öffnung der Kapsel nach aufen scheint 2 b nur bei den auf der Stirn ge- legenen vorhanden zu sein, den en e Schemata für die Schnauzenorgane von Mor- Organen der Lippen dagegen nor- myrus und Gnathonemus (a) und Gymnarchus malerweise zu fehlen. Bei Gym- (9. Oben Sinneskapsel, unten Drüsenapparat, : der Pfeil deutet den Sekretionsstrom an. marchus finden sich statt der maschenförmigen Organe zu einem dichten, die Kapsel rosettenartig umgebenden Epithel geordnete Drüsenzellen, unter denen — wohl den flaschenförmigen Organen (flo) entsprechend — einzelne eigen- artig gebaute Riesenzellen auffallen. Diese haben ein der Kapsel zugekehrtes becherförmiges Lumen, welches mit einem Flimmersaum — ausgekleidet ist. Fig. 3 zeigt schematisch den Unterschied der Organe von Mormyrus und Gymnarchus. Wir haben somit ein drüsiges Organ vor uns, mit welchem allein der Nervus lateralis nichts zu tun haben könnte. Doch lehrt uns die Nervenversorgung der Organe eines anderen. In Fig. 4 sehen wir die reichliche Verzweigung des Lateralis inner- halb der Schnauzenhaut, welche in der Richtung auf die Organe strahlenförmig erfolgt. Silberpräparate aber lassen feine End- Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 17 Figur 3. 258 apparate in den Organen selbst erkennen. Die Nervenstämmchen (Fig. 2ne) ziehen durch die Cutispapille (2 cup) peripheriewärts zum eigentlichen Organ, treten dort an die Kapsel (2 ska) heran und verzweigen sich mit feinen Endbäumchen (2 neb) in der Kapselwand und den Drüsenmaschen. Die Endbäumchen (Fig. 5) Figur 4. Verzweigung des Nervus lateralis in der Schnauzenhaut von Mormyrus caschive; Teilbild, mit Zeichenapparat gezeichnet. Schwarz: Epidermis. sind zierlich verzweigt und tragen Endplättchen. Die Kapsel ist also ein echter Sinnesapparat, der mit einem Drüsensystem in Ver- Verbindung steht. Zwischen den Drüsenzellen finden sich zudem noch echte Sinneszellen, die in der Fig. 2 nicht hervortreten. Das Ganze stellt daher ein höchst kompli- ziertes Organ dar. | Es ist nun auch verständlich, warum der Ramus anterior Nervi lateralis seine Hauptverzweigungsstellen erst vorn in der Schnauze, auBer etwa in der Stirn- gegend, hat (Fig. 6). Durch das Auf- finden der dicht gehäuften, zahlreichen und eigenartigen Endapparate haben Figur 5. wir aber auch eine Erklärung für die Nervenendbäumchen mit Endplatten Hypertrophie des vorderen Lateralis- aus dem Schnauzenorgan eines Mor- . é : en astes und damit vielleicht auch zum guten Teil der übrigen Hirnumbildungen. Die Mormyriden, von deren Lebensweise wir leider allzuwenig wissen, haben also in ihren Schnauzen offenbar einen eigentümlichen Sinnesapparat zur Ausbildung gebracht, der sie wohl zu einer noch unbekannten Reizvermittlung befähigt. Aus der zu vermutenden merkwürdigen Lebensweise mag auch die Bildung des großen Asso-: 259 ziationszentrums, als welches ich das Mormyrocerebellum ansprechen möchte, erklärbar sein. Experimente mit lebenden Tieren und Beobachtungen in der freien Natur müssen hier Klarheit schaffen. Einen gewissen Fortschritt in allgemein morphologischen An- schauungen bringen uns die Mormyridenuntersuchungen auberdem noch. Der „Nervus lateralis“ ist ein Stiefkind der vergleichenden Hirnmorphologie. Der eine ordnet seinen Ramus anterior zum Figur 6. Verteilung des Lateralis-, Fazialis- und Trigeminussystems im Kopf von Mormyrus caschive. Schwarz: Nervus lateralis, Punktstrich: Ramus palatinus superior nervi facialis, schraffiert: zur Zungen- und Mundschleimhaut ziehender Ast, grau: Nervus trigeminus, punktiert: Gehirn, Ggl.— Ganglien des Ramus anterior nervi lateralis, des Nervus facialis ’ und des Nervus trigeminus. Facialis, der andere zum Trigeminus, während der hintere zum Vagus gerechnet wird. In der Tat scheinen die Verhältnisse bei vielen Tieren so zu liegen. Andererseits hat man die Bestrebung — und ich schließe mich darin z. T. an —, den Lateralis mit dem Acusticus im Hinblick auf ihre Übereinstimmung und Ähnlichkeiten in den Zentralstationen und in den peripheren Endstätten zusammen- zuordnen, wobei man den statoakustischen Apparat von Hautsinnes- organen (Nervenhügeln) ableiten würde. Und tatsächlich liegt auch in den Endolymphräumen des primitiven statischen Organes und den 17° 260 Seitenschleimkanälen, wie auch den Savrischen Bläschen, den Gallert- röhren, den Lorexziwr’schen Ampullen usw. eine gewisse Überein- stimmung. In die Reihe dieser Organe aber stelle ich der Nervenver- sorgung nach die Schnauzenorgane der Mormyriden. Daher glaube ich auch, daß wir es in der Drüsentätigkeit möglicherweise nur um eine Ab- sonderung des in der Sinneskapsel nötigen Schleimes zu tun haben. Ich erkenne also in gewisser Beziehung ein Akustiko-Lateral- system an. Andererseits verkenne ich nicht die Verwandtschaft des Lateralis mit dem Trigeminus und speziell die Beziehung zum Fazialissystem. Die Zuordnung des Ramus anterior Nervi lateralis zum Fazialis erscheint bei vielen Tieren nicht unlogisch, wiewohl gerade daran der Unterschied in dem ganzen System der wasser- und landlebigen Tiere unverkennbar ist. Ein eigentlicher Fazialis bei Fischen ist oft unbedeutend, und das, was. man so bezeichnet, vom Kopflateralis ebenso leicht lösbar wie der Vagus vom Ramus posterior. Die Mormyriden zeigen aber noch mehr. (Siehe hierzu Fig. 6, in welcher die Anteile des Lateralis schwarz, die des Trigeminus grau getönt sind). Bei Mormyrus zieht ein kleiner Ast des unteren Kopflateralisanteiles zur Schleimhaut der Zunge, um dort Geschmacksknospen zu innervieren. Dieser Ast ist eine echte Abzweigung des Lateralis, indem er zentralwärts nirgends von ihm abscheidbar ist: Hier sind also im zentralen Gebiet „Lateralis“ und „Fazialis“ noch ungetrennt. Dieser Ast entspricht gewissermaßen dem Nervus hyoideomandibularis, ist aber jedenfalls rein sensorisch. So liegt hier der Fall vor, daß der „Lateralis“ eine dem „Fazialis“ zukommende Aufgabe übernimmt. Weiter jedoch fand ich merkwürdigerweise bei Mormyrops, dessen Gehirn samt Nervus lateralis dieselben Eigenarten wie andere Mormyridenhirne aufweist (Fig. 1c), in der Schnauzenhaut und am übrigen Kopf keine eigentümlichen Mormyridenorgane, sondern einfache End- knospen, wie in der Mundschleimhaut. Auch diese Endknospen werden vom Lateralis versorgt. Wir sehen also, dab Endapparate, wie die Mormyridenorgane, die dem Akustikolateralsystem ange- hören, durch ebenso innervierte Endknospen, die gemeinhin zum Fazialis gezählt werden, ersetzt werden können, daß also der Unterschied zwischen Nervenhügeln (akustikolateral) und End- knospen (fazial) nicht wohl durch das Nervengebiet, dem sie unter- geordnet sind, ausgedrückt werden sollte. — Ein Ast des ganzen Systems allein ist ein echter visceraler Fazialis. Es ist der mit Punktstrich wiedergegebene der Figur 6. Er durchzieht das große Ganglion (Ggl.) des Lateralsystems, von dem aus rostral- 261 wärts alle Äste ausgehen. Man muß ihn als Ramus palatinus superior Nervi facialis ansprechen. Er versorgt unter anderem echte Geschmacksknospen in der Mundschleimhaut und ist mit dem Lateralis nirgends vermischt. Die Beziehungen zwischen „Fazialis“ und „Lateralis“ sind also auch bei den Mormyriden vorhanden. Sollte man nun nicht einfach den Lateralis dem Fazialis unterordnen oder direkt als solchen bezeichnen ? Keineswegs, — denn wir verlören damit eine der Klarheit dienende differenzierende Bezeichnung und verfielen wieder in die verwirrende Schematisierung, zu der uns die zwölf Hirnnervennamen geführt haben. Man darf höchstens sagen, daß der Lateralis der Wassertiere gewissermaßen potentiell Teile des Fazialis in sich birgt. Gerade durch ihre hypertrophischen Ver- hältnisse heben die Mormyriden den Nervus lateralis als einen eignen Nerven hervor, dessen beide Äste nicht getrennt und unter andere Nerven subsumiert werden dürfen. Beide Anteile sind zu einer organischen Einheit verwachsen. Wenn man also den hinteren zur Seitenlinie ziehenden Ast als Lateralnerven anspricht, darf man diese Bezeichnung dem vorderen, die eigenartigen Hautorgane des Kopfes innervierenden nicht versagen, zumal beide typisch allein für wasserlebende Vertebraten sind und sich weder mit einem Vagus, noch einem Fazialis der landlebenden homologisieren - lassen. Der Lateralis ist ein bei wasserlebenden Vertebraten spe- zialisierter, vom Facialis abgetrennter Nerv, welcher besondere, nicht viscerale Hautorgane versorgt. Eingehende Beschreibungen der verschiedenen Organe werde ich als weitere Beiträge zu meinen Mormyridenstudien anderen Orts erscheinen lassen. Herr Prof. Worrereck (Leipzig) gibt Erläuterungen l. experimentell veränderter Daphnien-Rassen und 2. einiger Formenreihen und Formextreme bei Cladoceren. Diskussion: Herr Prof. Dorzem: Ich mache Kollegen WoLrtEREcK ; darauf aufmerksam, daß auch bei höheren Krebsen ähnliche Ge- wichtskompensationen vorkommen, welche in interessanter Weise den von ihm beschriebenen ähneln. So gibt es Garnelen, bei denen die Weibchen, besonders die eiertragenden, riesige Rostra haben, welche den Männchen fehlen. Ich habe auf solche und ähnliche Dinge in meiner Ostasienfahrt und neuerdings im Tierbau und Tierleben hingewiesen. 262 Herr Dr. A. Koax (Freiburg i. Br.): Versuche über die reflektorische Erhaltung des Gleichgewichts bei Krebsen. (Mit Demonstration.) Zahlreiche Tiere befinden sich in Ruhelage und gleichförmiger Bewegung nicht in einem stabilen physikalischen Gleichgewicht, sondern erhalten durch aktive Muskeltätigkeit dauernd ein labiles Gleichgewicht. Dieses „physiologische Gleichgewicht“ der Tiere stellt keineswegs immer eine gleichbleibende Orientierung im Raume dar, bei der etwa dauernd die Unterseite des Tieres dem Erdmittel- punkte zugekehrt wird. Wir können vielmehr bei zahlreichen Tieren viele „Gleichgewichtslagen“ unterscheiden. So schwimmen und fliegen die meisten Arthropoden und Wirbeltiere mit gleichmäßiger Ein- stellung der Unterseite zur Erdmitte, während oft dieselben Tiere bei Berührung mit festen Körpern ganz andere Ruhelagen einnehmen und in ganz anderen Stellungen zur Erdachse sich regelmäßig und gleichförmig fortbewegen. In jeder Ruhelage oder andauernden gleichförmigen Bewegung befindet sich der Organismus im physiologischen Gleichgewicht gegenüber den Reizen seiner Umgebung, die während der ver- schiedenen Tätigkeiten seines Lebens wechseln können. Die Er- haltung des Gleichgewichts durch reflektorische Beantwortung der Umgebungsreize scheint nun ein ganz besonders geeignetes Gebiet, in das Reflexleben der Tiere einzudringen; denn einmal sind die Reize, die das physiologische Gleichgewicht bestimmen, verhältnis- mäßig einfach übersehbar, und dann pflegen die Antwortreaktionen auf Störungen des Gleichgewichts relativ eintönig zu sein. Ich möchte nun versuchen, die Komponenten der Gleichgewichtserhaltung bei Krebsen aufzuweisen. Einen besonders auffälligen Anteil an der Erhaltung des Gleich- gewichts haben, wie die Untersuchungen von DELAGE, BEER, ÜLARK, Kreıpı, Beree, Lyon, Prentiss, FröruicH, v. BUDDENBROCK U. a. zeigten, die Statocysten. Daneben kommen als wichtige orientierende Faktoren die Augen in Betracht. Eine eingehende Besprechung der Literatur soll hier nicht gegeben werden. Ich verweise auf die sorgfältige . zusammenfassende Darstellung von Maxsornt), die einen guten Uber- blick über die älteren Ergebnisse bietet, und auf die schöne neue Untersuchung v. Bupprensrocks?). 1) MANGOLD, E., Gehörsinn und statischer Sinn, in: Handb. d. Vergleich. Physiol., herausgeg. v. H. WINTERSTEIN, Vol. 4. 1913. 2) vy. BUDDENBROCK, W., Uber die Orientierung der Krebse im Raum, in: Zool, Jahrb., Abt. Allg. Zool. u. Physiol., Vol. 34. 1914. 263 Als Okjekt meiner Untersuchung wählte ich zunächst den Fluß- krebs, Astacus flwviatilis, obwohl dieses vorwiegend bodenbewohnende Tier nach den bisherigen Angaben von Brerue!) und Bunte?) nicht sehr günstig für die Analyse der Statocystenfunktionen zu sein schien. Indessen fand ich doch, daß gerade der Flußkrebs bei ent- sprechender Versuchsanordnung einen sehr guten Einblick in die Funktion der Statocysten und der andern bei der Gleichgewichts- erhaltung beteiligten Faktoren gestattet. _ Beree findet den Gang beiderseits „entstateter“ Krebse etwas schwankend; die Tiere sollen häufiger fallen als normale und sich nicht durch Schwanzschläge umzudrehen vermögen. Auch mit den Beinen gelinge es ihnen nur sehr schlecht sich umzudrehen, wen» sie auf dem Rücken liegen. So findet Bernz die Gleichgewichts- störungen bei Astacus nicht groß, aber doch schon beim Gehen wohl erkennbar. Ich war nun zunächst erstaunt, die Wirkung der Statocystenausschaltung noch geringer als Berue zu finden: Ganz frische und muntere Krebse unterscheiden sich einige Stunden und stets einige Tage nach der Statocystenentfernung in der Sicherheit des Ganges und der Umdrehreaktion am Boden nicht irgendwie erheb- lich von normalen Krebsen. Aber man muß sich zunächst fragen, unter welchen Umständen wir nach unsern Erfahrungen an andern Tieren ein starkes Her- vortreten der Statocystenwirkungen überhaupt erwarten dürfen. Ein Vergleich mit Wirbeltieren sei hier gestattet. Wenn ‚man niedere Wirbeltiere, die sich auf der Erde schreitend oder kriechend fortbewegen, wie die meisten Amphibien und Reptilien, ihrer statischen Organe beraubt, so bemerkt man an ihnen keine heftigen Störungen der Ortsbewegung, solange sie sich einfach auf der Erde hinbewegen. Wenn sie klettern oder sich sehr rasch bewegen, zeigt sich manchmal eine gewisse Unsicherheit, aber keine Orientierungsstérung, die die Bewegung unmöglich machte. Ganz anders verhalten sich dieselben Tiere, wenn sie im Wasser schwimmen. und der Berührung mit einer festen Unterlage entzogen sind. Im Schwimmen treten bei Fröschen, Eidechsen und Schlangen alsbald lebhafte Störungen hervor (Schwimmen auf dem Rücken, Rollungen um die Längsachse, Überschlagen). 1) BETHE, A,, Über die Erhaltung des Gleichgewichts, in: Biol. Ctrbl., Vol. 14. 1894. 2) BUNTING, MARTHA, Über die Bedeutung der Otolithenorgane fir die geotropischen Funktionen von Astacus fluviatilis, in: PFLUGER’s Arch. ges, Physiol., Vol. 54. , 1893. 264 So können wir auch beim Flußkrebs erheblichere Stato- eystenwirkungen erwarten, wenn er nicht auf einer Unterlage kriecht, sondern seiner Gleichgewichtserhaltung eine schwierigere Aufgabe gestellt wird, also besonders bei freiem Schwimmen. Erwachsene Flußkrebse schwimmen verhältnismäßig wenig, indem sie mit einigen kräftigen Schwanzschlägen rückwärts rudern. Erwachsene Krebse zeigen sich hierbei nach Statocystenentfernung nicht sehr stark desorientiert, ihre Stabilität beim Rückwärtsschwimmen ist auch durch die vorwärtsgestreckten Scheren schon physikalisch ziemlich ero}. Buntwe hat an jungen Krebsen, die weitere Strecken schwimmend zurücklegen, die Scheren abgeschnitten und gefunden, daß die Krebse bald auf die Seite, bald auf den Rücken fielen und auch längere Strecken in Rückenlage schwammen, ohne dabei einen Versuch zur Lagekorrektion zu machen. Nun ist aber die Fort- nahme der Scheren kein ganz einwandfreies Mittel; denn die Scheren stellen offenbar ein Erfolgsorgan der Lagekorrektion dar, und durch ihre Wegnahme wird auch eine etwa von anderen Sinnesorganen ausgehende Lagereaktion beeinträchtigt. Die Krebse führen nun noch eine andere Bewegung im freien Wasser aus, bei der man deutlich eine aktive Erhaltung der senk- rechten Lage der Dorsoventralachse wahrnimmt: wenn sie auf einem steilen Stein angekommen sind und mit Schreitbewegungen nicht mehr weiter kommen können, so sieht man sie häufig „ab- sinken“ oder „abschweben“. Dabei wird der Schwanz steil nach aufwärts gebeugt, die Extremitäten mäßig gespreizt und das Tier kommt stets auf den Gangbeinen in normaler Haltung am Boden an, worauf dann der Schwanz sich wieder senkt. Ein solches Ab- sinken schließt sich auch häufig, besonders bei jüngeren, leichteren Tieren, an die Schwimmbewegung durch Rückstoß an, ganz ent- sprechend wie dies DorLem!) für Garnelen beschrieben hat. Wenn man einen Krebs im Wasser frei losläßt, kann man dieses Absinken sehr gut beobachten und nun auch sehen, daß das Tier eine Schieflage, die man ihm zu Anfang der Bewegung er- teilt hat, durch aktive Bewegungen seiner Extremitäten korrigiert, so daß es doch in normaler Stellung am Boden anlangt. Diese Reaktion erscheint ziemlich unbeträchtlich und bei ihrem raschen Verlauf nicht sehr geeignet für eine eingehende Analyse der einzelnen sie zusammensetzenden Komponenten. So kam mir 1) DoFLEIN, F., Lebensgewohnheiten und Anpassungen bei dekapoden Krebsen, in: Festschr. z. 60. Geburtstag R. HERTWIG’s, Vol. 3. 1910. See u 2 u Zei ir SU N 265 der Wunsch, diese „Schwimm“- oder „Schwebephase“ mit der darin stattfindenden Lageerhaltung dauernd zu machen. Das gelingt nun sehr leicht durch eine einfache Versuchsanordnung: man hängt den Krebs frei an einem Faden auf oder befestigt ihn an einem Stäbe, an welchem man ihn frei ins Wasser halten kann. Auf diese Weise kann man ihm freischwebend eine Schiefstellung erteilen und die Reaktion auf diese Lageänderung längere Zeit beobachten. Hängt man einen normalen Krebs senkrecht im Wasser auf, so führt er meist zuerst einige Schwanzschläge aus, beugt Figur 1. Normaler Flußkrebs an einem Faden senkrecht im Wasser aufgehängt. Ruhelage, von vorn gesehen. dann den Schwanz nach oben und spreizt die Beine zum Absinken. Doch bald kommt er zur Ruhe, hält den Schwanz ziemlich gerade und breitet die Beine symmetrisch seitwärts aus (Ruhelage, Fig. 1). Wenn man den normalen Krebs schiefstellt, findet man eine ganz bestimmte Bewegungsreaktion, die, wie der Vergleich zeigt, auch völlig übereinstimmt mit der Lagekorrektion bei frei absinkenden Krebsen. Ich nenne diese Bewegungsreaktion: die „Lagereaktion“ (Fig. 2). Sie besteht zunächst in einer Kompen- sationsstellung der Augen: die Augenachsen haben sich der Drehung der Querachse des Körpers entgegengedreht und stehen 266 wie bei der aufrechten Lage des Körpers annähernd horizontal. Aber auch die Extremitäten des Cephalothorax zeigen ein sehr charakteristisches Verhalten. Die zweite Antenne der hochliegenden Seite ist steif nach vorn gerichtet, während die zweite Antenne der tiefen Seite in horizontaler Ebene nach außen gedreht ist. Die Gangbeine der tiefen Seite führen intensive Ruderbewegungen nach innen und abwärts aus (Fig. 2, punktierter Pfeil), während die Thorakalbeine der hochliegenden Seite ziemlich steif hochgehalten Figur 2. Normaler Flußkrebs an einem Stabe im Wasser schief nach links geneigt. Lagereflex. werden. Vor allem fällt die Stellung der großen Schere der höheren Seite auf: sie wird über die Höhe des Körpers emporgehalten und führt nur sehr geringe Schwingungen aus, ihre Endglieder sind dabei meist mäßig gespreizt und gerade nach vorn gewandt. Die große Regelmäßigkeit dieses Verhaltens kann man dadurch fest- stellen, daß man zahlreiche normale, lebhafte Krebse in der an- gegebenen Anheftung nach rechts und links beugt; immer tritt auf der höher- und tieferliegenden Seite das charakteristische Ver- halten der Extremitäten und der Augen auf. Es ist ohne weiteres klar, daß die nach innen und abwärts gerichtete Ruderbewegung 267 der. tiefen Beine die Wirkung hat, die Dorsoventralachse des Körpers aufzurichten (Fig. 2, gestrichelter Pfeil). Ich bezeichne, um einen kurzen Ausdruck zu haben, die Seite, auf der die Extremitäten die Ruderbewegungen ausführen, als „Ruderseite“, die, auf welcher die Extremitäten hochgestellt werden, als „Stellungsseite“. Von dem Verhalten der Abdominalbeine und Mundgliedmaßen können wir hier zunächst absehen. _ Es fragt sich nun, ob diese Reaktion auf Schieflage des Körpers im freien Wasser durch eine Statocystenerregung ausgelöst wird, oder durch andere Sinneserregungen, oder durch ein Zusammen- Figur 3. Beiderseits entstateter Flußkrebs an einem Stabe im Wasser schief geneigt. wirken mehrerer Sinnesgebiete. Nach beiderseitiger Zerstörung der Statocysten tritt die Reaktion nicht mehr ein, wenn man in diffusem Licht den Krebs im Wasser schief hält (Fig. 3). Die Augen zeigen keine Kompensationsstellung, sondern bilden beide mit der Querachse des Tieres denselben Winkel. Die Antennen werden beide schräg leicht zur Seite gebeugt gehalten. Die Beine sind mäßig gespreizt und schlaf. Weder „Stellung“ noch „Ruderbe- wegung“ tritt ein. Also wird tatsächlich die ganze oben als Lage- reaktion bezeichnete Bewegungsreaktion auf Schieflage des Körpers durch Erregungen ausgelöst, die dem Nervensystem von dem Statocystenapparat zufließen. | | 268 Die nächste Frage, die sich erhebt, ist die nach der Verteilung der Reaktionsauslösung auf die beiden statischen Organe. Hier sind drei Möglichkeiten vorhanden: entweder können. l. beide Statocysten in gleichem Sinne wirken und jede auf der je- weils tieferen Seite Ruderbewegung der Extremitäten und Hochdrehung des Auges und auf der höheren Seite die Stellung der Extremitäten und Abwärtsdrehung des Auges auslösen, so daß also eine Stato- cyste qualitativ denselben Effekt gäbe wie beide zusammen; oder aber 2. die eine Statocyste kann nur auf eine Seite wirken und bei der einen Schieflage Stellung, bei der entgegengesetzten Schieflage Ruderbewegung auf der ihr zugeordneten (der gleichen oder sekreuzten) Seite auslösen, dann würde sich die ganze Reaktion auf Schieflage in zwei Komponenten zerlegen lassen, die von getrennten Statocysten ausgelöst würden; oder 3. bei jeder Schief- lage kommt nur eine Statocyste überhaupt in Tätigkeit und löst dann die ganze Reaktion aus: auf der einen Seite Stellung (gleich- seitig oder gekreuzt) und auf der andern Bewegung (gekreuzt oder gleichseitig). Ä Die Entscheidung hierüber kann durch Beobachtung einseitig „entstateter“ Tiere gefällt werden. Zunächst ein Wort darüber, was für Erscheinungen überhaupt bei einseitig entstateten Tieren bekannt und auch in unserem Falle von vornherein etwa zu erwarten sind. Bei zahlreichen Wirbel- tieren und Wirbellosen hat sich gerade bei einseitig operierten Tieren eine deutliche Veränderung der Ruhehaltung der Tiere gezeigt, die in der von J. R. Ewarn!) für Wirbeltiere begründeten Theorie der „tonischen Statocystenfunktion“ („Tonuslabyrinth“ Ewatp) ihre Erklärung findet. Nach dieser Anschauung wird der Tonus bestimmter Teile der Bewegungsmuskulatur dauernd dadurch reflektorisch erhalten, bzw. gesteigert, dab von den Statocysten dem Nervensystem beständig, auch in der „Ruhelage“ des Körpers, wenn keine kompensatorischen Bewegungen ausgeführt werden, Erregungen zuflieBen. Diese Tonusfunktion macht sich besonders nach ein- seitiger Statocystenausschaltung bemerkbar, wenn jede Statocyste nur mit bestimmten Muskeln einer Seite (gleichseitig, halb oder ganz gekreuzt) verbunden ist, da dann die Muskeln, die der fehlenden Statocyste zugeordnet sind, erschlaffen. In der kompensatorischen Bewegung bei einer Lagever- änderung treten zu diesem Dauertonus noch die regulatorischen 1) EWALD, J. R., Physiologische Untersuchungen über die Endorgane des N. octavus, Wiesbaden 1892. u A ee: 269 Reflexe hinzu; und auch an ihnen kommt häufig sehr deutlich die streng einseitige (ungekreuzte, halb oder ganz gekreuzte) Verbindung jeder Statocyste mit ganz bestimmten Muskelgruppen zum Ausdruck. Als Beispiel möchte ich die Statocystenreaktionen der Eidechsen anführen, die in sehr ausgesprochener Weise die Beziehung der ‚einseitigen regulatorischen Lagereflexe auf die Tätigkeit des ein- zelnen Labyrinthes gestatten!). Die Rollungen der Eidechsen im Wasser und die Reaktionen einseitig entstateter Tiere auf der Drehscheibe zeigen, daß von jedem Labyrinth aus nur nach einer Seite hin Reflexe erhalten werden können. In den Rollbewegungen läuft eine Körperbewegung nach der labyrinthlosen Seite ungehemmt weiter. Reflektorische Hemmung dieser Bewegung, bzw. Gegen- bewegung kann also nur von dem gegenüberliegenden Labyrinth, das in diesem Falle fehlt, ausgelöst werden. Die einseitigen kompensatorischen Gegendrehungen und Nachdrehungen bei der Drehung auf der Drehscheibe zeigen ebenfalls, daß Drehungen nur nach der Operationsseite hin ausgeführt werden, daß also nur Lage- änderungen nach der gesunden Seite durch kompensatorische Gegen- drehung ausgeglichen werden. Die Versuche beweisen, daß bei den Eidechsen jedes Labyrinth nur in der Lage ist, Reflexe auszulösen, die eine Lageänderung nach der einen Seite, und zwar nach der Seite des Labyrinthes regulieren. Lageänderungen nach der anderen Seite erregen dieses Labyrinth offenbar überhaupt nicht. Wenden wir uns nun zu den Ergebnissen am Flußkrebs. Im Gehen und Stehen auf dem Boden zeigt ein einseitig entstateter Krebs keine auffallenden Besonderheiten. Sehr deutlich wird aber der Ausfall des einen statischen Organes, wenn man den ein- seitig -entstateten Krebs frei im Wasser aufhängt. Während ein normales Tier bald ruhig und symmetrisch seine Extremitäten hält und einen „reizlosen“ Eindruck macht, beginnt der einseitig entstatete Krebs (Fig. 4) alsbald genau die Bewegung auszuführen, welche ein normaler macht, wenn man ihn in Schief- lage bringt; und zwar verhält sich die normale Seite als Ruderseite, die statocystenlose Seite (die in der Figur durch Fehlen der An- tenne gekennzeichnet ist) als Stellungsseite. Es wird also ohne einen „Lagereiz“ die typische „Lagereaktion“ ausgeführt, und zwar 1) Vgl. TRENDELENBURG, W., u. A. KUHN, Vergleichende Untersuchungen zur Physiologie des Obhrlabyrinthes der Reptilien, in: Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1908. 270 in allen Einzelheiten; das Auge auf der Ruderseite wird hochgedreht, wie das bei Tieflage dieser Seite der Fall wäre (vgl. Fig. 2), das Auge der Stellungsseite ist nach unten gedreht. Die zweite Antenne der Ruderseite ist seitwärts gebogen und schlägt langsam von außen nach innen, die zweite Antenne der Stellungsseite schaut gerade aus. Neigt man den Krebs nach der Seite der erhaltenen Statocyste, so wird diese Lagereaktion verstärkt, stellt man ihn Figur 4. Rechts entstateter Flußkrebs senkrecht im Wasser aufgehängt. Lagereflex, ausgelöst durch die „Ruheerregung“ der vorhandenen Statocyste. nach der Gegenseite schief, so tritt keine entsprechende Gegen- reaktion ein, sondern die Bewegung dauert wie in senkrechter Stellung fort. Daraus läßt sich nun schließen: 1. von jeder Statocyste geht auch in der Normallage des Körpers eine dauernde Erregung aus; 2. die Lagereaktion auf Schieflage nach einer Seite wird nur von einer Statocyste allein, und zwar von der tieferliegenden aus- gelöst, die Lagereaktion ist also ein typischer, beiderseitig Koordi- EUREN 271 nierter Reflex, welcher der Statocystenerregung zugeordnet ist. Der „adäquate“ Reiz für jede Statocyste ist Schieflage nach ihrer Seite; auf die „inadäquate“, Schieflage nach der Gegenseite, spricht sie nicht an). . Die Folgen der „kuheerregung“ der Statocyste sind aber beim Flußkrebs sehr eigenartig im Vergleich zu den Folgen deı Ruheerregung, die bei Wirbeltieren beschrieben wurden: bei diesen hat das nicht durch eine Körperverschiebung gereizte Labyrinth lediglich eine „Tonusfunktion“; die Erregungen, die dem Nerven- system von den Statocysten zufließen, versetzen bestimmte Muskel- gruppen in eine gewisse Spannung. Beim Flußkrebs vermag die „Ruheerregung“ unmittelbar den typischen Reflex auszulösen, der beim normalen Tier infolge Lageveränderung aus dem Erregungs- zuwachs in der tieferliegenden Statocyste erfolgt. Diese Reflex- auslösung hat ein Minimum von Intensität, wenn der Körper in auf- rechter Lage sich befindet; sie wird verstärkt, wenn der Körper nach der Seite der Statocyste geneigt wird; sie wird aber nie, auch nicht durch Neigung nach der Gegenseite der Statocyste ganz aus- gelöscht. Beim normalen Krebs halten sich in aufrechter Lage die „Ruhe- erregungen“ der beiden Statocysten die Wage, bei Schiefneigung führt die einseitige Erregungssteigerung zum regulatorischen Reflex. In Anbetracht dieser Tatsachen scheint es erstaunlich, daß sich der Statocystenausfall nur durch eine ganz besondere Versuchs- anordnung zeigen läßt, und nicht stärker im Leben auf dem Boden zum Ausdruck kommt. Nur an den Augen läßt sich dauernd eine „tonische“ Stellungsänderung bemerken, die im Sinne des Lage- reflexes liegt: auch beim Gehen ist das Auge der Statocystenseite deutlich mehr nach oben, das andere mehr nach unten gedreht. Alle anderen von der Statocyste ausgelösten Stücke des Lagereflexes werden offenbar durch andere Reize gehemmt. Das führt uns zu der Frage nach dem Verhalten des Lagereflexes zu anderen Reizgruppen. Ist der „Lagereflex“ ein reiner Statocystenreflex, kann er nur durch die Statocyste ausgelöst werden, oder auch durch andere Reize? Das letztere ist in der Tat der Fall; der Lagereflex stellt die Tätigkeit der „letzten gemeinsamen Strecke“ (Suerriveron) für 1) Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem, was v. BUDDEN- BROCK (1. c.) über Palaemon mitteilt: hier wirken bei geringer Neigung beide Statocysten zusammen, während bei stärkerer wie bei Astacus in beiden Statocysten gegensinnig wirkende Erregungen entstehen. 272 die Reaktion auf eine Anzahl verschiedener Sinneserregungen dar. Zunächst ist das sehr leicht für den Tastsinn zu zeigen. Wenn man einen statocystenlosen Krebs, der auf Schieflage frei im Wasser keine Lagereaktionen mehr zeigt (vgl. Fig. 3), mit den Extremitäten der einen Seite einen festen Gegenstand, z. B. die Glaswand des Gefäßes, berühren läßt, so tritt sofort die typische Lagereaktion auf, und zwar wird die Seite, auf welche der Be- rührungsreiz einwirkt, zur Ruderseite, die andere zur Stellungs- seite mit allen Eigentümlichkeiten in Beinbewegung und -haltung, Antennen- und Augenhaltung. Figur 5. Beiderseits entstateter Flußkrebs an einem Stabe im’ Wasser gehalten, rechts in Berührung mit der Wasseroberfläche. Lagereflex, ausgelöst durch die Tastreizung. Besonders scharf tritt dieses Verhalten hervor, wenn man einen sehr schwachen Tastreiz einwirken läßt, nämlich die Be- rührung mit dem Wasserspiegel (Fig. 5). In diesem Falle wird die reine Auslösung durch den Tastsinn dadurch besonders deutlich, dab alle Teile der Reaktion gerade entgegen der Raumesorientierung auf Statocystenreizung auftreten: die gereizte Seite ist jetzt oben (Fig. 5), nicht wie dort (infolge der Erregung der tiefen Statocyste) unten (Fig. 2); dementsprechend rudert das Tier mit den Extremi- täten, die den Wasserspiegel berühren, und dreht das obere Auge steil aufwärts, das untere Auge abwärts, so daß bei einer freien Bewegung ein Umschlagen der Körperachse (im Sinne des ge- strichelten Pfeiles in Fig. 5) zustande käme, und dab die Augen- achsen von der normalen Horizontalen soweit wie möglich abweichen. a = Te m da a 273 Auch durch einseitige Wirkung optischer Reize kann der Lagereflex ausgelöst werden, aber erheblich schwächer als bei ein- seitiger Berührung. Eine Einstellung der Augen tritt zwar immer ein; auch Antennenstellung sowie Haltung und Bewegung der Beine kann sich anschließen, aber das letztere geschieht nur bei starken Lichtreizen, besonders hoher Erregbarkeit, oder unter besonderen Hilfsumständen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Der Verlauf der ganzen Lagereaktion auf einseitige Lichtreizung verläuft aber ganz so, daß bei dem normalen Lichteinfall von oben Figur 6. Normaler Krebs senkrecht im Wasser aufgehängt und stark von links beleuchtet. Lage- reflex, ausgelöst durch einseitige Beleuchtung. in der freien Natur dadurch eine Erhaltung der aufrechten Lage im Raum zustande kommt: Belichtet man einen Krebs im Dunkel- zimmer von einer Seite (Fig. 6), so wird das Auge der belichteten Seite abwärts gedreht, das der beschatteten aufwärts. Dazu kann dann unter günstigen Umständen noch als Ergänzung zum ganzen Lagereflex kommen, daß die belichtete Seite in die „Stellung“ geht, die andere zu rudern beginnt (Fig. 6, punktierter Pfeil) und sich die Antennen dementsprechend einstellen. Diese Bewegung erteilt der Dorsoventralachse des Tieres eine Neigung nach abwärts zur Lichtquelle hin (gestrichelter Pfeil in Fig. 6), führte also, wenn sie frei weiter ginge, dazu, das Tier mit dem Rücken gegen das Licht hin einzustellen („Lichtrückenreflex“ von Buppengrock). Diese Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 18 274 Reaktion ist bei normalem Lichteinfall von oben her eine regula- torische Reaktion auf Schieflage des Körpers; denn wenn bei Licht- einfall von oben der Krebs auf eine Seite geneigt wird, so wird die Beleuchtung auf der höheren Seite stärker als auf der tiefen. So kann also deiselbe einseitig wirkende Lagereflex von ganz verschiedenen Sinnesgebieten aus erhalten werden: von der Tätigkeit der Statocyste der einen Seite, durch Tastreizung auf derselben Seite und durch überwiegende Belichtung von der Gegenseite. Die Auslösung des Lagereflexes durch optische Reize soll hier nicht weiter auf die Erregung der einzelnen Teile des Sehapparates zurückgeführt werden. Das Verhältnis von Statocystenerregung und Tasterregung ist besonders beachtenswert: es wirkt beim Fluß- krebs die Statocystenerregung qualitativ ganz gleich wie eine Erregung der Tastnerven der gleichen Seite. Sobald derselbe Reflex, also die Tätigkeit derselben Nerven- endstrecken, von verschiedenen Sinnesapparaten her ausgelöst werden kann, ist ohne weiteres die Möglichkeit gegeben, daß mehrere Reize miteinander interferieren können. Was wird geschehen, wenn auf der einen Seite ein Tastreiz, auf der andern eine Statocystenerregung angreift? Wenn man einen normalen Krebs frei schief ins Wasser hält, so wird die tiefere Seite Ruderseite und die obere Stellungsseite (vgl. Fig. 2); wenn man nun aber die höhere Seite mit einer festen Unterlage in Berührung bringt (Fig. 7), so wechselt das Bild: die höhere, berührte Seite rudert, die tiefere wird hochgestellt, und auch die Stellung der Augen fügt sich dem ganzen Reflex ein. Dadurch wird die Dorsoventralachse des Tieres noch stärker schief gestellt (gestrichelte Linie in Fig. 7), und das Tier erreicht mit den Extremitäten beider Seiten den festen Unter- grund, der nunmehr zu seiner Schreitfläche wird. Das Uberwiegen der Tasterregung über die Statocystenerregungen zeigt sich sehr ausgesprochen auch darin, daß selbst ein einseitig entstateter Krebs, der in „Lageruhe“ und „inadäquater Schieflage“ (vgl. oben S. 171) dauernd den Reflex der vorhandenen Statocyste ausführt, doch durch Tasterregung von der entgegengesetzten Seite zur Umkehrung des Reflexes zu veranlassen ist. Daß sowohl beim normalen als auch beim einseitig operierten Krebs ein Einwirken von Tastreizen auf der Seite der Statocystenerregung den Reflex verstärkt, braucht kaum noch hervorgehoben zu werden. Wenn Lichtreize mit Statocysten- oder Tasterregungen inter- ferieren, zeigt sich die überwiegende Kraft der beiden letztgenannten Reizgruppen. 275 So sehen wir also bei der Auslösung des „Lagereflexes“ beim Flußkrebs die Tastreize am stärksten wirken, dann die Statocysten- reize und am schwächsten die Lichtreize. Das entspricht offenbar der Wichtigkeit der Rolle, die diese Reizgebiete in der Orientierung des im wesentlichen bodenbewohnenden Tieres spielen. In einer „Galeichgewichtslage“ befindet sich der Krebs dann, wenn die ins Nervensystem einfließenden Erregungen derart sind, dab keine Reflexe ausgelöst werden, welche die Lage verändern. Figur 7. Normaler Krebs im Wasser an einem Stabe schiefgehalten, rechts in Berührung mit einer festen Unterlage. Lagereflex, ausgelöst durch die Tastreizung entgegen der Statocystenreizung. Da einseitige Erregungen der Augen, der Tastsinnesorgane oder der Statocysten einseitig wirkende Reflexe auslösen, so ist ein Gleich- gewicht nur verwirklicht, wenn von den Lagereflexe auslösenden Sinnesorganen der beiden Seiten des bilateralsymmetrischen Körpers in der Gesamtheit gleichstarke Erregungen dem Nervensystem zu- fließen, dieses sich also in einem „Erregungsgleichgewicht“ befindet. Die Rezeptionsstelle dieser Erregungen kann auf den beiden Seiten verschieden sein; es kann z. B. ein Tastreiz von bestimmter Intensität auf der einen Seite einer gewissen Statocysten- erregung der andern Seite die Wage halten und so eine Schief- 18* 276 stellung von bestimmtem Betrag eine „Gleichgewichtsstellung“ oder „Ruhestellung“ des Tieres werden. Wenn unter gewissen Bedingungen nur ein Sinnesapparat gereizt wird, müssen natürlich die von ihm kommenden Erregungen das Erregungsgleichgewicht herstellen; das bedeutet bei der freien, senkrechten Aufhängung normaler Tiere (Fig. 1), daß die in den Statocysten selbst auch während der „Ruhelage“ entstehenden Erregungen auf jeder Seite gleich stark sein müssen. Wodurch werden nun diese Ruheerregungen in den Sta- toeysten überhaupt erzeugt? Am nächsten liegt es, hier an dauernde Zug- und Druckwirkungen der Statolithen zu denken. Ein absolutes „Statocystengleichgewicht“ hat also zur Voraus- setzung, daß die den Druck ausübenden, von den Krebsen selbst in die Statocysten gebrachten Steinchenkonglomerate in den beiden Statocysten gleich schwer sind (oder es müßte eine spezifische Gewöhnung an die „Erregungsasymmetrie* eintreten). Das ist aber anscheinend nicht der Fall. Wenn man zahlreiche normale Krebse untersucht, findet man, dab bei einer beträchtlichen Zahl bei senkrechter Aufhängung kein absolutes Gleichgewicht herrscht, sondern daß die Extremitäten der einen Seite eine mehr oder weniger deutliche Neigung zum Rudern zeigen, während die der entgegengesetzten hochgedreht werden. Der Krebs zeigt also in gewissem Maße den einseitig ausgelösten Lagereflex, den ein einseitig entstateter Krebs so ausgesprochen in der aufrechten Symmetrielage seiner Körperachsen erkennen läßt. Solche Krebse können zu einer völlig symmetrischen Ruhelage dadurch gebracht werden, daß man die Dorsoventralachse in einen gewissen, meist sehr kleinen Winkel mit der Senkrechten einstellt, so daß die vorher rudernde Seite etwas höher als die andere gelagert wird. Es kompensiert dann die infolge der Schiefstellung verstärkte Reizung der einen Seite die stärkere „Ruhereizung“ der anderen Seite, die höchstwahrscheinlich dem beträchtlicheren Gewicht der Statolithenmasse ihre Entstehung verdankt. Selten kamen mir auch völlig ,astatische“ Krebse vor, die sich bei Schiefstellung völlig verhielten wie beiderseits entstatete Krebse. Daß bei ihnen das Fehlen des Lagereflexes nur auf einen Mangel in der Statocysten- rezeption und nicht etwa auf allgemeinen Konstitutionsmängeln der Tiere beruht, geht daraus hervor, daß Berührungs- und Licht- reize regelmäßig die zugehörige Reaktion auslösen. Einmal fand ich auch einen völlig „hemistatischen“, „halbstatischen“ Krebs, der in seinem. ganzen Verhalten mit einem einseitig entstateten Le CU 277 Krebs übereinstimmte. Bei ihm war ohne weiteres zu erkennen, daß eine Mißbildung der einen ersten Antenne eine normale Aus- bildung bzw. Füllung der einen Statocyste unmöglich machte. Die Ergebnisse über Erhaltung des Gleichgewichts beim Flußkrebs lassen sich folgendermaßen kurz zusammenfassen: Die Erhaltung und Einstellung der Gleichgewichtslagen findet da- durch statt, daß von den symmetrischen Sinnesorganen der beiden Seiten des Tieres Erregungen ausgehen, die im Nervensystem ein „Erregungsgleichgewicht“ herstellen. Die einseitige Erregung des Seh-, Tast- und Statocystenapparates löst jeweils einen nach einer Seite hin wirkenden, aber aus Bewegungen der Extremitäten beider Seiten koordinierten „Lagereflex“ aus. Der „adäquate Reiz“ für die Statocyste jeder Seite ist Neigung nach ihrer Seite; der auf diese Reizung ausgelöste Reflex ist ge- eignet, diese Lageverschiebung zu kompensieren. Eine Neigung des Körpers nach der einer Statocyste entgegengesetzten Seite bleibt wirkungslos auf diese. Von jeder Statocyste geht eine ‘dauernde Erregung aus, die bestimmten Muskelgruppen zuflieBt. Im normalen Zustand kompensieren sich in aufrechter Lage die antagonistischen Erregungen der beiden Statocysten und bewirken nur eine Erhöhung des Tonus der ihnen zugeordneten Muskel- gruppen. Bei adäquater Reizung einer Statocyste verstärkt sich die „Ruheerregung“ und es tritt der dieser Statocyste zugeordnete Lagereflex ein, wenn nicht eine Interferenz mit anderen Reizen (Tastreizen) seine Entfaltung verhindert. Tasterregungen, ausgelöst durch Berührung der Beine und Antennen einer Seite mit festen Körpern, veranlassen denselben Reflex wie Erregung der Statocyste der gleichen Seite. Belichtung von einer Seite bewirkt denselben Reflex wie Statocystenerregung oder Tasterregung auf der gegenüberliegen- den Seite. Beim normalen Tier ist der Bewegungserfolg der Statocysten- reflexe, die Dorsoventralachse lotrecht einzustellen; die Augenreflexe wenden den Körper mit dem Rücken zum Licht; die Tastreflexe drehen den Körper mit der Bauchseite zur Unterlage. Wenn Erregungen der verschiedenen Sinnesgebiete mitein- ander interferieren, wirken Tastreize am stärksten, dann Stato- eystenreize und am schwächsten Lichtreize. Diskussion: Herr Dr. Eruarp (Münster). 278 Herr Prof. P. Sremmann (Aarau): Untersuchungen über die Rheotaxis der Fische. Daß sich viele Fische, speziell die rheophilen Arten nach der Strömung orientieren, indem sie mit flußaufwärts gewandtem Kopf ihre Körperachse parallel zur Stromrichtung stellen und die weg- schwemmende Wirkung des Wassers durch Eigenbewegung kom- pensieren, oder sich sogar allmählich flußaufwärts arbeiten, ist eine längst bekannte Tatsache. Sie läßt sich im Ausflußgebiet der Alpenrandseen z. B. von der Seebrücke in Luzern in ausgezeich- neter Weise beobachten, wo Alburnus lucidus, rheotaktisch orientiert, in Schwärmen von vielen Hunderten durch „An Ort schwimmen“ der Strömung trotzt. Sie kann aber auch schon in ganz kleinen Gewässern, in sanft fließenden Wassergräben festgestellt werden, wo allerlei Jungfische, besonders schön die Schwärme der kleinen Elritzen Rheotaxis zeigen. So wenig an der Erscheinung selbst zu zweifeln ist, so unsicher sind die verschiedenen Deutungsversuche Das Problem hat eine biologische und eine physiologische Seite. Auf die biologische Bedeutung habe ich in einer vor Jahres- frist erschienenen Arbeit „Über Rheotaxis bei Tieren des fließenden Wassers“, Verhandl. naturf. Ges. Basel XXIV. hingewiesen. Offen- bar handelt es sich bei den rheotaktischen Wanderungen der meisten Fische, vorab der aus dem Meer in die Flüsse aufsteigenden um Brutpflegeerscheinungen. Dann kommt in manchen Fällen der Rheotaxis die Aufgabe zu, die verschwemmende Wirkung des fließenden Wassers zu kompensieren. Durch zeitweilige Aufwärts- wanderung wird das in der Zwischenzeit verlorene Terrain, die Strecke, um welche der Fisch allmählich flußabwärts gedrängt worden ist, wieder erobert. Ebenfalls zur Behauptung des einmal eingenommenen Platzes dienen die Schwimmbewegungen, die schon oben als Anortschwimmen gekennzeichnet wurden. Daß die Rheotaxis für die Frage der Verbreitung der Fische eine be- sondere Bedeutung gewinnt, braucht wohl nicht näher ausgeführt zu werden. Was die physiologische Seite anbetrifft, so muß zunächst bes tont werden, daß zwischen der Orientierung eines im stehenden Wasser schwimmenden Fisches und der des im fließenden Wasser „stehenden“ ein prinzipieller Unterschied nicht besteht. In beiden Fällen orientiert sich der Fisch über die relative Bewegung des ihn umgebenden Wassers. 279 Wie die Einstellung in die Strömungsrichtung vor sich geht, welche Reize und Reflexe dabei in Betracht kommen, darüber weiß man z. Z. noch recht wenig. Wohl fehlt es nicht an Erklärungs- versuchen, doch sind sie alle nicht erschöpfend. Die hier herr- schende Unklarheit wird sich besonders dem aufdrängen, der in Wintersteins „Handbuch der vergleichenden Physiologie“ Bd. IV die einschlägigen Abschnitte durchgeht: Er wird das Problem von drei verschiedenen Autoren behandelt finden: von Lors in „die Tropismen“, von Baczıoxı in „die niedern Sinne“ und — aller- dings nur beiläufig — von Maneotp in „Gehörsinn und statischer Sinn“. Keiner der drei Bearbeiter scheint zu wissen, dab das gleiche Thema auch von den andern besprochen wird; denn keiner kennt die Literatur, auf die der andere sich stützt, vollständig, und daher ist es nicht verwunderlich, daß die drei Referenten schließlich verschiedene Standpunkte einnehmen. Die Hauptdifferenz in den Auffassungen Loss und seiner Gewährsmänner (GARREY!) Lyon 2), 3), *) einerseits und der von Bacuıonı und Mancorp zitierten Autoren (Schuutze®), Horer®) u. a.) andererseits betrifft die Natur des Reizes, auf welchen die Fische durch Einstellung in die Strömungsrichtung antworten. Ohne uns auf die Besprechung der ganzen Literatur hier einzulassen, mag erwähnt werden, daß die eine Gruppe von Autoren, denen sich speziell Baczıoxı anschließt, die Seitenlinie als das Organ betrachtet, das konstante, eine be- stimmte Richtung innehaltende Druckreize wahrnimmt und das daher geeignet erscheint, die rheotaktischen Erscheinungen hervor- zurufen. Demgegenüber glauben Lyon, Garrey und Lore, daß Wasserströmungen überhaupt nicht als Reize für die Auslösung rheotaktischer Bewegungen in Betracht kommen können, da sich ein Druck der Strömung erst dann fühlbar mache, wenn der Fisch gegen das Wasser schwimme, nicht aber, solange er abwärts ge- trieben werde. Der für die Rheotaxis verantwortlich gemachte Reiz hätte also Rheotaxis bereits zur Voraussetzung. Die Orien- 1) GARREY, W, E., A sight reflex shown by Sticklebacks, Biol. Bullet,, Mol. 8.1905. 2) Lyon, E. P., On rheotropism I. Amer, Journ. Physiol., Vol. 17. 1906. 3) Lyon, E. P., Rheotropism in fishes. Biol. Bullet., Vol. 8. 1905. 4) Lyon, E. P., On rheotropism II. Amer. Journ. Physiol., Vol. 24. 1907. 6) SCHULTZE, FR. E., Uber die Sinnesorgane der Seitenlinien bei Fischen und Amphibien. Arch. f. mikr. Anat. 6. 1870. 6) HOFER, B., Studien über die Hautsinnesorgane der Fische. I. Die Funktion der Seitenorgane bei den Fischen. Ber. d. bayr. Biol. Versuchsstat. München. Bd. I. 1907. 280 tierung gegen den Strom soll nach Lyon vielmehr durch optische Reize zustande kommen, durch die Verschiebung des Netzhaut- bildes beim Flußabwärtstreiben. Auf diesen Reiz antworte der Fisch mit Bewegungen, die bezweckten, das einmal vorhandene Ge- sichtsfeld beizubehalten. Außerdem sollen taktile Reize: die Reibung der Bauchseite mit der Unterlage im Moment des Verschwemmt- werdens orientierend wirken. Die Versuche, die Lyon zu seiner Auffassung führten, hatten zum Zweck, das Verhalten der Fische gegen optische Reize unter Ausschaltung der Strömungswirkung- zu ermitteln: Läßt man eine große Flasche mit Fischen im Wasser treiben, so sammeln sich alle Tiere am flußaufwärts gerichteten Ende des Gefäßes. Steht aber die Flasche im Wasser still, so schwimmen die Fische nach allen Seiten auseinander. Auch auf die Bewegung eines mit senkrechten Strichen bemalten Papierstreifens längs einem ruhigstehenden Aquarium reagierten die Fische, indem sie sich gegen die Richtung, nach welcher das Papier bewegt wurde, einstellten und dem Streifen nachfolgten. Aus diesen Versuchen schließt Lors, daß „die bei Fischen als Rheotropismus beschriebene Erscheinung lediglich!) durch die Verschiebung der Netzhautbilder infolge der passiven Bewegung des Fisches durch den Strom bedingt“ sei. Dieser Schluß ist an sich anfechtbar; denn es gibt ja manche Fälle, wo durch verschiedene Reize ein und dieselbe Reaktion aus- gelöst wird. Nun ist aber der optische Reiz, die Verschiebung des Netzhautbildes nicht der einzige, der auf einen von der Strömung erfaßten, abwärts treibenden Fisch wirkt. Es kommen noch Gleich- gewichtsschwankungen, Reibung mit dem Untergrund und, wie später gezeigt werden soll, auch der Strömungsdruck in Betracht. Es genügt nun auf keinen Fall, nachzuweisen, daß eine dieser Reiz- arten mit rheotaktischen Bewegungen beantwortet wird, um den Schluß zu ziehen, dieser Reiz sei lediglich an der Rheotaxis schuld. Vorerst muß die Unwirksamkeit der anderen Reize erwiesen werden. Log ist aber nicht nur in dieser Schlußfolgerung anfechtbar. Wenn er aus der Tatsache, daß sich auch der Hummer nach Haptey?) auf optische Bewegungsreize einstellt, schließt, daß der „Rheo- tropismus“ auch bei andern Tieren entweder optischen, oder, wenn die Tiere am Boden liegen, taktilen Ursprungs sei, so ist damit die Verallgemeinerung viel zu weit getrieben. 1) Von mir gesperrt. 2) HADLEY, TH. B., The relation of optical stimuli to rheotaxis in the american Lobster (Hommarus americanus). Amer. Journ. Physiol., Vol. 17. 1906. — Hu u a ee An am Au - “ 281 Ich habe in der eingangs erwähnten kleinen Arbeit über Rheo- taxis gezeigt, dab zahlreiche, besonders auch wirbellose Tiere aus- gesprochen rheotaktisch sind, und daß in vielen dieser Fälle optische und taktile Reize nicht in Betracht kommen, daß vielmehr an direkte Orientierung durch die Strömung selbst zu denken sei. Daher schien es mir nicht unmöglich, daß auch bei den Fischen neben den optischen die Reize des Strömungsdruckes wirksam sein können. In dieser Ansicht wurde ich durch folgende Überlegungen bestärkt: Wenn Lyon die Rheotaxis auf das Bestreben des Fisches, das einmal vorhandene Gesichtsfeld beizubehalten, zurückführt, so kann das offenbar nur für die Fische Geltung haben, die rheotaktisch orientiert im Fluß „stehen“, nicht aber für die flußaufwärts wandernden, die doch offenbar auch rheotaktisch sind. Sobald nämlich der Fisch flußaufwärts schwimmt, findet eine Verschiebung seines Gesichts- feldes statt, und auf diesen Reiz müßte ja nach Lyon das Tier durch Umkehr reagieren. Ähnliches gilt auch für einen flußauf- wärts wandernden Bodenfisch und die ihn angeblich orientierenden Reibungsreize. Endlich sind auch die physikalischen Überlegungen, die Lyon dazu führten, die direkten Wirkungen der Strömung zu verneinen, die Annahme, daß zwischen einem im Wasser treibenden Fisch und dem ihn begleitenden Wasser keine Reibung bestehen könne, kritik- bedürftig. Ein treibender Körper bietet nur dann dem wegschwemmenden W.asser keinen Widerstand, wenn er ein vollkommener „Strom- linienkörper“ ist, d. h. wenn seine Oberfläche genau den Stromlinien entspricht. Ist dies nicht der Fall, so entsteht irgendwo „totes Wasser“, dem an der gegenüberliegenden Seite erhöhter Druck entspricht. Nun ist zwar der Fischkörper wahrscheinlich ein sehr vollkommener Stromlinienkörper, allein nur, solange seine Körper- achse zur Strömungsrichtung parallel steht. Sobald er irgendwie schief orientiert ist, entsteht totes Wasser und Druck. Da nun außer- dem kein natürliches Gewässer parallele Stromlinien hat, da ferner der Fisch abwechseld in bewegte und relativ ruhige Schichten des Flusses gelangt, und da er endlich durch seine Eigenbewegung Unterschiede in den Geschwindigkeiten sowie auch direkte Angriffs- flächen schafft, bedeutet tatsächlich das Fließen des umgebenden Wassers einen ständigen Reiz für den Fisch. Die Sinnesorgane, für welche die Strömung den adäquaten Reiz darstellt, sind nach Horer und anderen eben die Seitenorgane, nach Turızere das Labyrinth. 282 Ich werde am Schluß des Vortrags auseinandersetzen, wie man sich unter diesen Voraussetzungen etwa das Zustandekommen der Rheotaxis als Antwort auf die Reizung der Seitenorgane zu denken hat. Zunächst galt es, den verschiedenen Anteil, den die drei in Betracht kommenden Reizarten: die Verschiebung des Gesichts- feldes, die Reibung mit dem Untergrund und der Druck der der Strömung gegen den Fischkörper, am Zustandekommen der rheotaktischen Bewegungen haben, zu ermitteln, galt es, die drei normalerweise verknüpften Reize experimentell zu trennen. Hatte Lyon festgestellt, daß es „Rheotaxis“ ohne Strömungs- reiz gibt, so galt es für mich, zu zeigen, daß sich die Fische auch ohne optische und taktile Reize gegen die Strömung einstellen. Die hier zu besprechenden Versuche wurden an folgenden Fischen ausgeführt: Rhodeus amarus, Phoxinus laevis, Gobio flwia- tilis, Acerina cernua, Gasterosteus aculeatus. Von Phoxinus und Gobio standen junge Exemplare von 5—8 cm zur Verfügung, von Gobio außerdem größere von ca. 18 cm Länge; ungefähr die gleiche (Größe zeigten auch die Acerina-Individuen. Experiment 1: In ein rundes Glasbecken wird ein zweites, höheres mit kleinerem Durchmesser gestellt und der ringförmige Zwischenraum mit Wasser gefüllt. Meist ist es nötig, das mittlere nur zur Isolierung dienende Gefäß zu beschweren, damit es nicht schwimmt. Ein durch ein Glasrohr eingeleiteter, schräg gegen die Wandung des Gefäßes gerichteter Wasserstrom bewirkt, dab das Wasser zwischen den beiden Gefäßen zirkuliert. Dieser einfache, von Derwrrz!) angegebene Apparat funktionierte ausgezeichnet. Alle eingesetzten Fische stellten sich sofort gegen die Strömung ein. Einzelne wurden dann mit stromaufwärts gerichtetem Kopf allen Anstrengungen zum Trotz langsam weggetrieben, andere hielten sich am Ort, und wieder andere schwammen dem Strom ent- gegen bis in die Nähe des Ausflußrohres, d.h. bis an die Stelle, an welcher ihre Eigenbewegung der verschwemmenden Wirkung des Stromes die Wage hielt. Manche Exemplare konnten ihren Platz mehrere Minuten lang behaupten, andere ermüdeten rascher und ließen sich dann eine Strecke weit treiben, um später neuer- dings gegen den Strom zu kämpfen. 1) Dewirz, J., Über den Rheotropismus bei Tieren. Arch. f. Physiol. 1899, Supp. S. 231—244. 283 Dieser Versuch wurde nun in folgender Weise variiert: Experiment 2: Rings um das Versuchsbecken wird ein Papier- band mit senkrechten schwarzen Tuschestreifen angebracht. Hier- durch wird bewirkt, daß bei gelegentlichen Verschwemmungen der weggetriebene Fisch einen sehr starken optischen Reiz empfängt. Das Resultat wich nicht von dem des ersten Experimentes ab: Auch hier kamen Verschwemmungen ermüdeter Fische vor. Experiment 3: Um, unter und über das Versuchsbecken wird weißes Papier gelegt. Hierdurch soll bewirkt werden, daß das Gesichtsfeld bei den Verschiebungen möglichst gleichartig bleibt. Die Fische orientieren sich genau so deutlich wie im Versuch Nr. 1. Experiment 4: Wiederholung des ersten Versuches in der Dunkelkammer. Von Zeit zu Zeit wird die Stellung der Fische durch vorüber- gehendes Andrehen des elektrischen Lichtes nachgeprüft. Die Fische sind auch im Dunkeln rheotaktisch. Dies gilt nicht nur für die dem Boden aufsitzenden Arten: Acerina, Gobio fluvia- tilis, sondern auch für die freischwimmenden Elritzen, Bitterlinge und Stichlinge sowie für Goldfische. Experiment 5: Dauernde Beobachtung des Rheotaxisphäno- mens bei Lichtentzug konnte durch Auftragen von Lack auf die Augen zweier Stichlinge ermöglicht werden. Leider hielt der Lack nicht ordentlich, doch konnten die rheo- taktischen Schwimmbewegungen der geblendeten Fischchen mit aller Deutlichkeit festgestellt werden. Daß einseitig blinde Fische rheotaktisch sind, hat schon Lyon gezeigt. Bei ganz blinden Fischen dagegen, sowie bei Dunkel- versuchen konnte dieser Autor nur dann Rheotaxis konstatieren, wenn die Fische mit dem Untergrund in Berührung kamen (Reibungs- reiz). Bei meinen eigenen Dunkelversuchen kam dieser Reiz höchstens für Gobio und Acerina in Frage, da die andern Fische sich nicht am Boden niederließen, sondern frei im Wasser schwammen. Aus dieser ersten Versuchsserie (Exp. 1—5) darf der Schluß gezogen werden, daß zum mindesten neben den optisch-taktilen auch die direkten Reize des Strömungs- druckes für die rheotaktischen Erscheinungen in Betracht kommen. Eine zweite Reihe von Experimenten hatte zum Ziel, die Er- gebnisse Lyon’s und Garrey’s nachzuprüfen und in gewisser Hin- _ sieht zu erweitern. 284 Experiment 6: Ein um seine Achse drehbarer, senkrecht gestellter Zylinder wird mit hellem Papier überzogen und mit senk- rechten schwarzen Streifen versehen. Diese Trommel wird mit Hilfe eines Turbinenapparates in Bewegung gesetzt und dicht an das rechteckige Versuchsaquarium herangebracht. Versuchsfische: Elritze, Bitterling, Gobio fluviatilis!) je zwei Exemplare. | Trotzdem der Apparat in ganz verschiedenen Stellungen zum Licht aufgestellt wurde und trotzdem die Drehungsgeschwindigkeit alle möglichen Variationen erfuhr, verhielten sich die Fische der Bewegung der Trommel gegenüber ganz indifferent. Experiment 7: Ein der Höhe des rechteckigen Aquariums entsprechendes Band mit senkrechten Streifen wird rings um das Aquarium gelegt und in Bewegung gesetzt: Die Fische reagieren, wiewohl sehr undeutlich; sie verlassen immer wieder von Zeit zu Zeit ihre Schwimmrichtung; immerhin gelingt es, eine Elritze, den Wandungen entlang, die Streifen des Bandes begleitend, rund um das Aquarium zu führen. Später sind die Resultate wieder undeutlicher. Ganz indifferent verhält sich Gobio, während Rhodeus bisweilen den vorbeiziehenden Streifen folgt. Experiment 8: Da bei dem vorhergehenden Experiment das Band mit den Streifen rings um das Aquarium bewegt wurde, konnte die Wirkung der Drehung auf der einen Seite durch die rückläufige Bewegung der anderen Seite annulliert werden, und es wurde daher ein Steinblock in der Mitte des Behälters angebracht, durch welchen die eine Seitenwand des Aquariums den Blicken der Fische entzogen wurde. Trotz dieser Vorkehrung war das Resultat des Versuches ziem- lich unklar, jedenfalls nicht günstiger als das des 7. Experimentes. Experiment 9: Das Streifenband der vorigen Versuche wird mit Hilfe der Trommel des 5. Experimentes in Bewegung gesetzt. Da die Trommel selbst mit ähnlichen Streifen versehen ist wie das Band, entsteht an der der Trommel benachbarten Seite des Aquariums eine gleichsinnige Bewegung der Streifen, und zwar ein Zusammenlaufen links und ein Auseinanderlaufen rechts, wenn die Trommel im Sinne des Uhrzeigers gedreht wird (vgl. Fig. 1). 1) Dieses und die folgenden Experimente wurden jeweils mit mehreren Spezies gleichzeitig ausgeführt. Da viele schwarmbildende Fische sich nach ihren Artgenossen richten, deren Bewegungen für sie als optische Reize wirken (Alburnus-Schwärme in Seen usw.), schien es richtiger, mit einzelnen Exemplaren oder gleichzeitig mit mehreren Arten zu experimentieren. 285 Auch bei dieser Versuchsanordnung verhielten sich die Gobio apathisch, die Bitterlinge folgten bisweilen den Streifen. Die El- ritzen dagegen stellten sich wiederholt tänzelnd in die Richtung der zusammenlaufenden Streifen, und kehrten augenblicklich um, sobald der Drehungssinn geändert wurde, um bald sich wieder an der Ecke zu sammeln, in welcher die Streifen zusammenliefen. Das Experiment konnte dreimal mit gleich deutlichem Ergebnis ausge- führt werden. Ansicht von der Seite. Figur 1. Apparat zum Nachweis der Reaktion der Fische auf das Vorbeiziehen von Gegenständen außerhalb des Aquariums. B Aquarium. A Drehbarer Zylinder, mit Streifenband überzogen. s Streifenband, das auf der inneren Seite Streifen trägt, durch den Zylinder A bewegt wird und über die Rollen e läuft. Die größeren Pfeile geben die Bewegungsrichtung des Zylinders und des Streifen- bandes, die kleineren die Stellung der Fische im Aquarium an. Durch die Versuche 6—9 ist die Ansicht Lyon’s bestätigt worden, daß optische Reize für die Rheotaxis in Betracht kommen können. Immerhin gilt das nicht für alle Fische, mit denen ich experimentiert habe, und auch von denen, bei welchen wirklich eine Reaktion auf die sich bewegenden Streifen erfolgte, zeigten sich nicht alle gleich reizbar. Jedenfalls reicht die Präzision, mit der in der zweiten Versuchsserie die Reaktion erfolgte, in keiner Weise an die bei der ersten Reihe erzielte heran. Kombination der Versuchsbedingungen der ersten und zweiten Serie: 286 Experiment 10: Versuchstiere zwei Elritzen. In einer runden Schale wurde wie in Versuch 1 ein Kreisstrom er- zeugt, gegen den die Elritzen tapfer ankämpften. Gleichzeitig wurde um das Gefäß herum ein Streifenband so bewegt, daß die Drehungs- richtung und -geschwindigkeit mit der Richtung und Geschwindig- keit der Strömung übereinstimmten. Reagierten die Tiere auf Strömungsdruck, so mußten sie sich trotz den an ihren Augen vorbeibewegten Streifen gegen den Strom einstellen. Reagierten sie dagegen auf die Verschiebung des Gesichtsfeldes, so mußten sie den Streifen folgen, d. h. sich von der Strömung treiben lassen. Resultat: Die Fischehen schwimmen sehr deutlich und aus- dauernd gegen die Strömung, ohne von der Bewegung des Streifen- bandes Notiz zu nehmen. Nur zweimal ließ sich eine Elritze eine kurze Strecke weit treiben, stellte sich aber dann sofort wieder rheotaktisch ein. Dieser Unterbruch kann ebensowohl durch Er- müdung als durch Reaktion auf das Streifenband erklärt werden (vgl. Versuch Nr. 1). Experiment 11: Anordnung wie im 9. Objekte: Gasterosteus aculeatus. Besondere Besprechung verdient das Verhalten der Stich- linge, das schon von Garrey?) studiert worden ist, ohne daß die Resultate dieses Autors das Problem völlig zu klären vermochten. Im Gegensatz zu den Elritzen und den von Lyon benutzten Ver- suchsfischen reagieren die Stichlinge auf langsame Bewegung eines Streifenbandes, indem sie den Kopf den sich nähernden Streifen entgegenwenden und bisweilen sogar in entgegengesetztem Sinne schwimmen als das Band bewegt wird. Auch ich könnte diesen Reflex mehrfach hervorrufen, doch gelang es, durch konstantes Drehen die Fische jeweilen zur Umkehr zu bewegen, und das End- resultat war, daß die Stichlinge genau wie die Elritzen an der Ecke des Aquariums mit dem Kopf an der Scheibe tanzten, an welcher die Streifen zusammenliefen. Ein Stichling kümmerte sich im Gegen- satz zu seinen 5 Genossen um die vorbeibewegten Streifen in keiner Weise. Dieses Tier wurde isoliert und in der Schale mit dem Kreisstrom auf seine Rheotaxis geprüft. Es reagierte prompt auf die Strömung, trotzdem es sich später wie vorher den optischen 1) GARREY, W. E., A Sight Reflex Shown by Sticklebackes. In: Biological Bulletin. Bd. VIII. 1904. S. 79. 287 Reizen gegenüber indifferent verhielt. Ein durch Lack geblendeter Fisch benahm sich ebenso. Eine dritte Serie von Experimenten ist noch nicht abgeschlossen; doch sollen die Resultate, soweit sie für unsere Untersuchung direkt in Betracht kommen, hier vorläufig mitgeteilt werden. Es handelt sich um Versuche, die den Anteil des Reibungs- reizes an der Unterlage klarlegen sollen, die aber weiterhin für das ganze Problem der Rheotaxis wichtige Aufschlüsse zu geben ver- sprechen. - Das Ziel, aus dem sich die Versuchsanordnung ergab, war zu- nächst, Fische, die sich gewöhnlich nicht, oder nur ausnahmsweise vom Boden erheben, der Wirkung schwacher Strömungen auszu- setzen, deren Kraft nicht ausreichte, die Fische vom Ort zu be- wegen. Meine Versuche decken sich teilweise mit den von Horsr (l. ec.) ausgeführten, die das Ziel hatten, die Bedeutung der Seiten- linie aufzuklären. Horer hat gezeigt, daß man mit feinen, durch enge Röhrchen applizierten Wasserströmen, die man gegen die Flanke eines Fisches richtet, das Tier dazu bringen kann, eine Reaktionsstellung einzu- nehmen. Der Hecht z. B. reagiert durch Spreizen der Rückenflosse und bei andauerndem Reiz durch Verlassen des Ortes. Ob hier wirklich allein die Seitenorgane oder vielleicht zum Teil auch das Labyrinth gereizt wird, das ja nach Tunnsere zur Wahrnehmung der Wasserbewegungen gegen den Fischkörper und nicht zur Emp- findung des Gleichgewichts dienen soll, das ist für unsere Zwecke hier ohne Belang. Tatsache bleibt, daß der Hecht und verschiedene andere Fische imstande sind, Strömungen wahrzunehmen, die sie weder in ihrer Gleichgewichtslage stören, noch sie irgendwie vom Ort bewegen können. Ich kann diesen Befund für meine Versuchs- fische durchaus bestätigen. Experiment 12: Acerina cernua wird von der Seite mit einem feinen Wasserstrahl bespritzt. Auf die Bewegung des Röhrchens und der Hände des Experimeutierenden reagiert der Fisch in keiner Weise. Dagegen senkt er auf den Reiz des Druckes sofort die hintere Rückenflosse etwas gegen die gereizte Seite und dreht den Schwanz in die gleiche Richtung. Diese Reaktionsstellung konnte wiederholt nach beiden Seiten hin hervorgerufen werden, doch war sie nicht immer gleich deutlich. Experiment 13: Gobio fluviatilis nahm ebenfalls auf den Reiz hin eine Reaktionsstellung ein, die jedoch von der vorigen abwich. Dieser Fisch hob und spreizte die Rückenflosse wie die Schwanzflosse, 288 ohne den Schwanzzu drehen. Dauerte der Reiz an, so pflegte Acerina ihren Standort zu verlassen, während Godio ruhig sitzen blieb. Wie Horzr beim Hecht, so konnte ich beim Kaulbarsch feststellen, daß sich der Fisch in der Regel mit dem Kopf gegen die Strömung einstellte. Aus den Horer’schen und meinen eigenen Versuchen geht, wie mir scheint, klar hervor, daß die Fische feine Strömungen wahrnehmen können, und durch charakteristische Reaktionsstellungen beantworten. Da durch solche Wasserbewegungen weder optische noch taktile Reize durch Reibung am Untergrund erzeugt werden, darf auch aus diesen Experimenten geschlossen werden, daß bei der Rheotaxis der direkte Strömungsreiz eine Rolle spielt. Ich habe mir die Frage vorgelegt, was die Reaktionsstellungen biologisch für eine Bedeutung haben könnten, und habe daher das Gemeinsame dieser Bewegungen herausgesucht. Soweit sich nach den wenigen bisher ausgeführten Experimenten schließen läßt, handelt es sich dabei um eine Vergrößerung der Steuerfäche am Hinterende. Was dadurch eventuell erreicht werden kann, mögen die folgenden hypothetischen Ausführungen zeigen, die sich durchaus noch nicht auf strenge wissenschaftliche Analyse stützen können. Ich denke mir einstweilen das Zustandekommen der Rheotaxis "folgendermaßen: Ein am Boden eines strömenden Gewässers ruhender Fisch wird, wie schon weiter oben auseinandergesetzt wurde, an der fluB- aufwärts gerichteten Flanke stärker gereizt als an der andern. Auf diesen einseitigen, durch die Seitenorgane rezipierten Druck- reiz reagiert der Fisch durch Kontraktion der entsprechenden Seiten- muskulatur, durch Eindrehen des Schwanzes oder doch durch Spreizen der Schwanz- und (hinteren) Rückenflosse, also im ganzen durch Vergrößerung der Steuerfläche am Hinterende. Diese re- flektorischen Bewegungen haben zur Folge, daß der Fisch passiv gedreht wird (vgl. Fig. 2 B, C), bis seine Körperachse zur Strémungs- richtung parallel steht, ja sogar bis diese Läge etwas überschritten ist (D). Sobald dies aber der Fall ist, macht sich der erhöhte Druck auf der andern Seite geltend, und es erfolgt ein Umschlag der Reaktionsbewegung (D, E, F), indem die den nunmehr gereizten Seitenorganen dieser Flanke zugeordneten Muskeln und Muskel- gruppen in Aktion treten. So ist der Fisch imstande, durch pendelnde Bewegungen eine Stellung zur Strömung einzunehmen, in welcher symmetrische Teile der Flanke und speziell der Seiten- organe eventuell des Labyrinthes unter gleichen Winkeln und gleich- stark von der Strömung getroffen werden. Dies gilt zunächst für 289 einen Fisch, der am Boden eines sehr schwach fließenden Gewässers liegt und weder optische noch taktile Reize durch Verschwemmung erhält. Komplizierter liegen die Verhältnisse, wenn zu dieser rheo- taktischen Einstellung noch die Propagationsbewegungen und damit Gleichgewichtsempfindungen und entsprechende Reflexbewegungen hinzukommen. Ich kann .mir aber denken, dab das Schwimmen eben durch dieses antagonistische Reflexsystem geregelt wird, daß durch die abwechselnde Reizung der beiden Seiten die jeweiligen Ausschläge des Schwanzes und die durch Spreizung der Flossen variierte Ruderfläche nach beiden Seiten hin ausge- PNW Figur 2. Schematische Darstellung der rheotaktischen Einstellung eines Fisches in die Strömungsrichtung. A Anfangsstellung: der Fisch „steht“, schief zur Strömung; seine linke Flanke wird stärker gereizt als die rechte; daraus ergibt sich B die Reaktionsstellung auf linksseitigen Reiz- überschuß. Diese Stellung bedingt eine Drehung im Sinne der Pfeile; bei C sind beide Flanken gleich stark gereizt, doch geht die Drehung, da die Reaktionsstellung noch bei- behalten wird, weiter, bis D die rechte Flanke stärker gereizt und daher der Schwanz axial (E) eingestellt wird und dann die Reaktionsstellung (F) auf rechtsseitigen Reizüberschuß einnimmt. Nun wird der Fisch passiv wieder im Sinne der Pfeile zurückgedreht (6, H) bis auf den Reiz der linken Seite wieder die Anfangsstellung (I, A) und die Reaktionsstellung B erfolgt. glichen und dadurch das gerichtete Schwimmen gegen den Strom ermöglicht wird. Damit aber könnten wir die Rheotaxis nur als einen speziellen Fall des geradlinigen Schwimmens auffassen: Ein im stehenden Wasser vorwärtsschwimmender Fisch empfindet die ruhenden Wassermassen an seinen Flanken ebensowohl als Strömung wie der im Fluß „stehende“ Fisch das vorbeiziehende Wasser. Stellt sich ein solches Tier schief zu seiner Fortbewegungsrichtung, so wird an der einen Flanke der Anprall der Strömung heftiger sein als an der andern. Vergrößert er auf diesen einseitigen Reiz hin die an seinem Hinterende gelegene Steuerfläche, so wird er Verh. d. Dtseh. Zool. Ges. 1914. 19 290 passiv wieder in die Fortbewegungsrichtung zurückgedrängt: Er bewegt sich geradlinig fort. Sind nun wirklich die Seitenorgane als Richtungssinne aufzu- fassen, was natürlich durch weitere Experimente im einzelnen nachzuprüfen wäre, Richtungssinne nicht nur des „stelienden“ Fisches gegenüber dem sich bewegenden Wasser, sondern auch des sich bewegenden Fisches gegenüber dem ruhenden Wasser, so scheinen sie mir für diese Rolle eine sehr günstige Lage einzunehmen. Ihre streng symmetrische Anordnung und ihre Lage an den ex- poniertesten Stellen der Flanke, ferner ihre engen Beziehungen zu dem für statische und propagatorische Bewegungen hervorragend wichtigen Labyrinthsystem (vgl. TuLızere ')) machen sie ohne Zweifel für eine solche Funktion besonders geeignet. Ich denke, dab es eine sehr dankbare Aufgabe wäre, die einzelnen Ausbildungsformen und Eigentümlichkeiten der verschiedenen Seitenorgane von diesem Gesichtspunkte aus zu betrachten und durch einseitige und beid- seitige Ausschaltexperimente die Rolle des Labyrinthes, des Nervus lateralis und deren Zusammenwirken zu studieren. Diskussion: Herr Prof. Dorteis, STEINMANN, Herrwie, STELLWAG. Herr Prof. Ger#aror (Breslau): Uber die Ösophaguspapillen von Ichthyococcus ovatus. Die Aufmerksamkeit des Breslauer Zoologischen Instituts wurde durch einen besonderen Umstand auf die Struktur der Ösophagus- wand des zur Familie der Sternoptychiden gehörigen Leuchtfisches Ichthyococcus ovatus Box. gelenkt. Herr Hofrat StempacaneR in Wien sandte Herrn Prof. Kuxenruan im Juli vorigen Jahres einige Exemplare dieses Fisches, aus deren Mundéffnung ein mit weißen Papillen besetzter konischer, schwarzer Zapfen hervorragte. Von diesen Papillen ließen sich größere, die in schrägen Reihen gestellt waren, unterscheiden und kleinere, die in ziemlich regelmäßiger An- ordnung die großen umgaben. Diese trugen auf ihrer etwa konischen Oberfläche wiederum feine spitze Zäpfchen. Die Herren vom Wiener Hofmuseum hatten mit diesem Gebilde nichts anzufangen gewußt und baten um Aufklärung des Befundes. Anfangs wurde an ein ausstülpbares Sinnesorgan, ein Leuchtorgan oder an einen Fang- !) TULLBERG, T., Das Labyrinth der Fische, ein Organ zur Empfindung der Wasserbewegungen. Svenska Vet. akad. Handlingar. Bd. 28 Afd. IV. 1903, 291 apparat für Planktontiere gedacht; die Betrachtung einer Quer- schnittsserie ergab derartig verwirrende Bilder, dab kein sicheres Resultat zutage gefördert wurde. Herr Prof. Kökextear überließ mir später freundlichst das Objekt zur Untersuchung. Ich behalte mir vor, anderen Ortes eine genaue Schilderung, insbesondere der zum Teil sehr komplizierten histologischen Struktur zu geben und möchte hier nur einige Präparate demonstrieren, zu deren Ver- ständnis mir einige Worte nötig scheinen. Die Durchsicht der Querschnittsserien des ausgestülpten Zapfens zeigte bei näherer Betrachtung, daß zwei zylindrische Rohre inein- andergesteckt sind, die beide pigmentiert sein können. das äußere ist es immer. Zwischen den beiden Röhren fanden sich nun die verschiedensten Organe der Bauchhöhle, so daß daraus der Schluß gezogen wurde, dab es sich um eine abnorme Organverlagerung handeln müsse. Das ging auch daraus hervor, daß in den immerhin ziemlich zahlreichen Schilderungen dieses Fisches von keinem Beobachter ein solcher Zapfen erwähnt worden ist. Ich bat Herrn Hofrat StempacHhner um Kontrollmaterial in Gestalt solcher Exem- plare der Art, die diese Ausstülpung nicht zeigten, und meiner Bitte wurde auf das liebenswürdigste entsprochen. Es war anzunehmen, dab diese normalen Exemplare die Erklärung für den abnormen Befund geben würden, und das war auch der Fall. Es zeigte sich, daß der schwarze Zapfen mit den weißen Papillen den mit seiner Schleimhautfläche nach außen gestülpten Ösophagus darstellte. Es ist bei Jchthyococcus, wie bei vielen Fischen schwierig, an dem auf den ektodermalen Kiemendarm folgenden Vorderdarm einen Ösophagus von einem Magen scharf zu unterscheiden. Unmittelbar kaudal vom Kiemendarm beginnt der weite, sackförmige Ösophagus, zieht geradeswegs kaudalwärts, biegt dann oralwärts als Magen- schlinge um und geht distal von den Appendices pyloricae in den Mitteldarm über. Der ganze (kaudal gerichtete) ösophageale Teil und auch der Anfang der oral gerichteten Pars pylorica des Vorder- darms ist intensiv schwarz pigmentiert!), und diese Pigmentierung verliert sich erst am Beginn des Mitteldarmes allmählich. Schneidet man den Ösophagus auf, so findet man auf seiner Innenfläche das, was bei den Exemplaren mit ausgestülptem „Zapfen“ auf dessen 1) Herr Professor BRAUER wies in einer Diskussionsbemerkung darauf hin, daß alle Stomiatiden schwarze Mägen besitzen. Ich bin Herrn Professor BRAUER für diese Mitteilung sehr dankbar und möchte hier noch betonen, daß ich in der Literatur auch bei nochmaliger nachträglicher Durchsicht keine Angaben über diesen Punkt finden konnte. 19* 292 Oberfläche zu sehen war, nämlich auf schwarzem Grunde die zahl- reichen weißen Papillen. Ich erlaube mir, deshalb Präparate dieses Ösophagus zu demon- strieren, weil sich meines Erachtens einige unbeantwortete Fragen daran knüpfen. Zunächst ist die Frage zu erörtern, ob es sich bei der Ausstülpung der Speiseröhre etwa um einen physiologischen, von der Willkür des Tieres abhängigen Vorgang handle, und wenn nicht, wodurch die Umstülpung bewirkt worden sei. Der erste Teil der Frage ist wohl zu verneinen, vor allem wegen des gänzlichen Fehlens von Retraktionsorganen. Wodurch die Ausstülpung bedingt wird, ist schwer zu entscheiden. Eine Schwimmblase, durch deren Ausdehnung intraabdominale Organe nach außen gedrückt werden könnten, fehlt bei Zchthyococeus. Doch kommt auch bei einzelnen Exemplaren von Scylliwm (Kursmaterial des Breslauer Zoologischen Instituts) eine Invagination des Darmes in sich selbst vor, so daß der Magenfundus mit der Milz in den Mundteil des Darmes zu liegen kommt. Vielleicht ist es am wahrscheinlichsten, daß während der Agonie des Tieres durch krampfhafte Preßbewegungen der Mittel- darm in den Vorderdarm hineingestülpt und das Ganze so weit hervor- gedrängt wird, wie es Länge und Befestigungsart des Darmes erlauben. Von theoretischer Bedeutung ist das Vorkommen ektoder- maler Bildungen im Magendarm der Fische; im Ösophagus von Acipenser wurden durch Macatnum!) Geschmacksorgan nachge- wiesen, also an einem Ort, für den im allgemeinen, im Gegensatz zum Kiemendarm, entodermale Herkunft angenommen wird. Auch sonst kommen von JacozpsHacen”) eingehend bearbeitete Papillenbildungen im Osophagus mancher Fische vor, die einen an- scheinend ektodermalen Charakter tragen. Zur Erklärung dieser Tatsachen hat man zwei Theorien aufgestellt: während GrEGENBAUR geneigt ist, eine nachträgliche Einwanderung ektodermaler Elemente vom Stomodaeum her anzunehmen, hält JacogsaAgzn eine ektodermale Entstehung des Mitteldarmes nicht für unmöglich. Von Bildungen, die als ektodermal angesprochen werden könnten, finden sich in unserem Falle vor allem eigentümliche sinnesorganähnliche Zell- anordnungen in den feinsten Ausläufern der Papillen und dann das schwarze Pigment, das als Hautpigment gedeutet werden könnte. Doch scheint mir im übrigen der Bau der Ösophagusschleimhaut 1) A. B. MAcALLUM, The alimentary canal and pancreas of Acipenser, Amia, and Lepidosteus. Journ. Anat. Physiol. Vol. 20, 1885. S. 604. 2) E. JACOBSHAGEN, Untersuchungen über das Darmsystem der Fische. Jenaische Ztschr. Bd. 47, 1911, S. 529 und Bd. 49, 1913, S. 373. 295 mit der des postpylorischen Darmabschnittes in vielen Punkten so sehr übereinzustimmen, daß dringend Vorsicht geboten scheint bei der Annahme verschiedener morphologischer Herkunft beider Darmab- schnitte. Geschmacksknospen, wie sie Macarnum bei Acipenser ab- bildet, habe ich nicht gefunden. Das Pigment des Ösophagus liegt als kontinuierlicher schwarzer Mantel zwischen zwei Schichten der Submucosa, nach außen von den Basen der Papillen. Was diese Umhüllung der Papillen mit Pigment biologisch zu bedeuten hat, dariiber lassen sich kaum Vermutungen aufstellen. Jedenfalls ist die Tatsache erstaunlich, daß sich bei einem Tier mit relativ wenig Hautpigment eine solche Massenanhäufung schwarzen Farbstoffes im Vorderdarm findet, an einem Ort, für den man sich eine solche Pigmentierung kaum als besonders vorteilhaft für den Organismus wird vorstellen können. Und doch ist es wohl recht unwahrscheinlich, daß diese Pigmen- tierung keine funktionelle Bedeutung haben sollte, wenn diese uns auch noch dunkel ist. Wenn es sich lediglich um verlagertes Hautpigment handeln sollte, was keineswegs erwiesen ist, so wäre ein weiterer Anhaltspunkt gegeben für die Annahme einer Beteiligung ektodermaler Komponenten beim Aufbau des Vorderdarmes der Fische. Die Papillen des Ösophagus selbst möchte ich nach dem Bau des Epithels, das reichlich Becherzellen enthält, und wegen des massenhaft zwischen den Papillen in dem durch sie stark ein- geengten Ösophaguslumen vorhandenen Schleimes, in dem zahlreiche Mikroplanktonorganismen eingehüllt sind, im wesentlichen für sekretorische Organe halten, wobei mir aber eine daneben von ihnen auszuübende Sinnesfunktion nicht unmöglich scheint. Die großen konischen Papillen enthalten im Innern zahlreiche weite, durch bindegewebige Scheidewände voneinander getrennte Hohlräume, die den Eindruck der Schwellbarkeit machen. Es ist hervor- zuheben, daß das Verbreitungsgebiet der Papillen mit dem der Pigmentierung des Ösophagus ziemlich genau übereinstimmt, was wohl auf eine Beziehung zwischen beiden schließen lassen dürfte. Wieweit tatsächlich das Ektoderm am Aufbau dieser so auf- fallend kompliziert gebauten Darmstrecke beteiligt ist, läßt sich natürlich nur durch entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen genau feststellen, die wegen der Seltenheit des Materials schwer anzustellen sind. Immerhin lassen sich auch aus dem Studium des erwachsenen Tieres einige, wenn auch nur dürftige Fingerzeige nach dieser Richtung gewinnen. Diskussion: Herr Prof. Brauer, Dorteıs, GERHARDT. 294 Herr Dr. vy. Kemnrrz (München): Untersuchungen über Stoffbestand und Stoffwechsel der Larven von Gastrophilus equi. Meine Herren! Ich möchte Ihnen im folgenden einige kurze Mitteilungen machen über Untersuchungen, die bereits seit einem Jahr abgeschlossen sind, zu deren Veröffentlichung ich aber bisher noch nicht gekommen bin. Es handelt sich um eine Untersuchung über Stoffbestand und Stoffwechsel der Larven von Gastrophilus equi. Zum besseren Verständnis des Folgenden schicke ich einige Bemerkungen über die Biologie der Tiere voraus, wobei ich mich an die Darstellung in F. Braver’s Monographie der Östriden (62) halte. Die Imagines der Gastrophiliden fliegen in der Zeit von Mitte Juli bis Anfang September. Nach der Begattung setzt das Weibchen in der Hals- und Brustgegend der Pferde eine größere Anzahl Eier ab, aus denen nach etwa 10—12 Tagen junge Lärvchen hervorkriechen, deren Bewegungen das Pferd veranlaßt, sie mit der Zunge abzulecken. Auf diese Weise gelangen die Larven in den Magen des Pferdes, wo sie sich mit Hilfe ihrer nach Art eines Rostellums wirkenden Mundstacheln in der Magenwandung fest- haken und hier neun Monate lang verbleiben. Eröffnet man nun eine Larve, so fällt sofort ein am hinteren Ende des Fettkörpers lagernder rot gefärbter zweilappiger Körper auf, der aus großen Zellen besteht, die mit einem feinen Tracheen- geäder durchsetzt sind. Der Bau dieser Tracheenzellen hat von ENpDERLEIN (99), Prenanr (00) und Vanzy (02) eine eingehendere Darstellung gefunden. Die Tracheenkapillaren der einzelnen Zellen vereinigen sich zu größeren Stämmen und münden schließlich beiderseits mit je einem großen Hauptstamm in die an das Analstigma sich un- mittelbar anschließende „Luftkammer“. Daß das ganze Organ in irgend- einer Weise respiratorische Funktion hat, wird durch die anatomischen und zellulären Befunde bereits äußerst wahrscheinlich gemacht. Merk- würdigerweise wurde nun dem in den Tracheenzellen befindlichen roten Farbstoff von den bisherigen Untersuchern mit Ausnahme von Vaney (02) keine Aufmerksamkeit geschenkt. Nur letzterer hat mit dem Farbstoff einige Reaktionen angestellt, die es ihm wahrscheinlich machen, daß es sich um Hämoglobin handelt, eine Auffassung, die, wie wir gleich sehen werden, durchaus zu Recht besteht. Bei meinen Untersuchungen, die ich zunächst ohne Kenntnis der an schwer zu- gänglichem Ort erschienenen Arbeit Vanrys unternahm, handelte es sich anfangs vor allem darum, näheren Aufschluß über die Natur 235 jenes roten Farbstoffs zu erlangen. — Bringt man eine größere Anzahl „Trachealkörper“ in destilliertes Wasser, läßt sie einige Zeitlang stehen und fügt zur Vermeidung von Fäulnis einen Tropfen Toluol zu, so erhält man nach einigen Stunden eine schön rot gefärbte Lösung, die nach Filtration zu spektroskopischer Unter- suchung geeignet ist. Eine solche Lösung zeigt die für das Wirbeltier- Oxyhämoglobin charakteristischen beiden Absorptionsstreifen zwischen den Linien D und E. Nach Zusatz von Schwefelammonium oder Sroxe’schem Reagens erscheint der breite Streifen des redu- zierten Hämoglobins. Leitet man einige Zeit in eine Gastrophilus- Farbstofilösung Leuchtgas ein, so erscheinen im spektroskopischen Bild die für das Kohlenoxydhämoglobin charakteristischen beiden Streifen zwischen D und E. Soweit also völlige Kongruenz mit dem Wirbeltierhämoglobin. — Die erste Abweichung zeigte der Farbstoff bei Untersuchung in alkalischer Lösung. Setzt man einer Gastrophilus-Farbstofflösung Lauge zu und kocht, so erhält man bei spektroskopischer Untersuchung den Streifen des alkalischen Hämatins zwischen D und E. Bleibt die Lösung indessen einige Zeit stehen, und wird nun neuerdings spektroskopisch untersucht, so ist in der Mehrzahl der Fälle der Streifen des alkalischen Hämatins verschwunden, und an seiner Stelle sind die für das Hämo- chromogen charakteristischen beiden Absorptionsbanden erschienen. Sie ähneln denen des Oxyhämoglobins, sind aber nach dem violetten Ende des Spektrums hin verschoben. Diese Erscheinung ist vom Wirbeltierhämoglobin nicht bekannt. Nun steht das Hämochromogen zum alkalischen Hämatin in demselben Verhältnis wie das reduzierte Hämoglobin zum Oxyhämoglobin. Wenn daher der Gastrophilus- Farbstoff Hämoglobin ist, so müssen die in der alkalischen Lösung allmählich erscheinenden beiden Streifen, die denen des Hämo- chromogens entsprechen, durch Reduktion des alkalischen Hämatins entstanden sein. Es muß also in der Lösung ein reduzierendes Agens enthalten sein. Der zunächst auftauchende Gedanke, es möge sich vielleicht um ein etwa nach Art eines Peroxyds wirkendes Ferment handeln, muß sofort fallen, angesichts der Tatsache, daß ein laugekochbeständiges Ferment nicht bekannt ist. Das merk- würdige Verhalten jener alkalischen Gastrophilus-Farbstofflisungen wurde erst geklärt, als weitere Untersuchungen an den Larven zeigten, dab diese und besonders die ,,Trachealkérper“ sehr reich an Glykogen sind. So lehrte eine Analyse herauspräparierter „Trachealkörper“, daß diese 8,8% bezogen auf frische Substanz, d. h. ungefähr °'/, bezogen auf trockene Substanz an Glykogen 296 enthielten. Es war also klar, daß in die Farbstofflösungen, die aus den „Trachealkörpern“ gewonnen waren, beträchtliche Mengen von Glykogen eingegangen sein mußte. Dem Glykogen selbst aber kommt reduzierende Eigenschaft nicht zu, wohl aber den aus ihm zu gewinnenden Monosachariden. Die weitere Untersuchung zeigte nun, daß in der Leibeshöhlenflüssigkeit der Larven ein ungemein kräftiges diastatisches Ferment enthalten ist, das z. B. mit Jod blau gefärbten zähflüssigen Stärkekleister bei Zimmertemperatur in wenigen Minuten entfärbt. Eine solche Lösung gibt nach Fällung der Eiweißstoffe in schwach essigsaurer Lösung die Trommer’sche Probe, ein Beweis dafür, daß die Stärke durch die Diastase in- vertiert worden ist. Es liegt also auf der Hand, daß das aus den „Lrachealkörpern“ zusammen mit dem roten Farbstoff in Lösung gegangene Glykogen durch die den „Trachealkörpern“ stets an- haftende Diastase der Leibeshöhlenflüssigkeit rasch invertiert wird und die Lösung nunmehr sehr reich an Monosachariden ist. Die reduzierenden Eigenschaften der Monosacharide aber sind ja hin- länglich bekannt. Es fragt sich nun nur noch, ob Monosacharide in der Tat alkalisches Hämatin zu Hämochromogen reduzieren können. Um dieser Frage näher zu treten, wurde einer Pferdeblut- Hämoglobinlösung etwas Dextrose zugesetzt und nun mit Lauge gekocht. Die spektroskopische Untersuchung ergab zunächst, wie zu erwarten, den Streifen des alkalischen Himatins. Nach einiger Zeit aber traten, ganz wie bei den Gastrophilus-Farbstofflésungen, die beiden Streifen des Hämochromogens auf, Wie bei den Gastro- philus-Farbstofflösungen läßt sich hingegen durch Schütteln oder Kochen der für das alkalische Hämatin charakteristische Streifen wieder hervorbringen. Zum Überfluß läßt sich zeigen, daß eine alkalische Pferdebluthämatinlösung nach Zusatz von Reduktions- mitteln wie Schwefelammonium und Srtorxe’schem Reagens, die für das Hämochromogen charakteristischen und mit denen der Gastro- philus-Farbstofflösungen übereinstimmenden beiden Absorptions- streifen zwischen D und E gibt. Die spektroskopische Unter- suchung des Gastrophilus-Farbstoffs lehrt demnach, daß dieser sich genau wie Wirbeltierhämoglobin verhält. — Um in diesem Punkt aber völlige Sicherheit zu schaffen, habe ich noch einige weitere Reaktionen vorgenommen. Zunächst die Tercamann’sche Hämin- probe. Ein Tropfen möglichst konzentrierter G@astrophilus-Hämo-. globinlösung — denn so dürfen wir jetzt schon sagen — mit etwas Kochsalz und Essigsäure auf einem Objektträger erhitzt, ergibt nach dem Erkalten die charakteristischen Haminkristalle. Um auch 297 über das Schwermetall des Gastrophilus-Farbstoffes etwas zu er- fahren, habe ich versucht, quantitative Eisenbestimmungen durch- zuführen, indessen ohne Erfolg. Wohl aber gelingt leicht der qualitative Nachweis des Eisens auf folgendem Wege: Einige „Trachealkörper“ im Platintiegel verascht, werden mit etwas Wasser und Salzsäure aufgenommen und mit einigen Tropfen einer Rhodan- salzlösung versetzt. Man erhält die schöne blutrote Färbung des Eisenrhodanids, die bei Ausschütteln der Lösung mit Äther in diesen übergeht. Damit ist der Beweis erbracht, dab das Metall im Hämoglobinmolekül der Gastrophiliden, wie wohl auch kaum anders zu erwarten, in der Tat Eisen ist. Wir sind somit berechtigt, den roten Farbstoff der Gastrophilus-Larven, soweit er wenigstens die eisenhaltige Komponente betrifit, mit dem Hämoglobin der Wirbeltiere zu identifizieren. Ich bin nun im weiteren bemüht gewesen, Aufschluß zu er- langen zunächst über den Stoffbestand und weiterhin auch über den Stoffwechsel der Larven. Die Untersuchungen über den Stoff- bestand wurden am Querschnitt durchgeführt, d. h. in der Weise, daß, je nachdem mir Material vom Schlachthof geliefert wurde, der Gehalt an Glykogen, an Chitin und an Fett (in absolutem Äther lösliche Substanz)*) bestimmt wurde. Auf diese Weise erhielt ich ein Bild über die Stoffzusammensetzung der Larven während ihres neunmonatlichen Aufenthalts im Pferdemagen. Die Glykogenbestimmungen wurden nach dem Verfahren von BrtcKe- Kouuz ausgeführt und ergaben Werte, die zwischen 5,8% (Anfang Dezember 1911), 8,8% (Anfang Februar 1912) und 5,1% (Anfang Juli 1912) schwankten. Diese Werte beziehen sich auf frische Substanz. Etwas anders gestalten sich die Werte, wenn man den Prozentgehalt an Glykogen auf trockene Substanz bezieht. Die zugehörigen Werte sind dann 26,2%, 31,1% und 14,4%. Auf diese Weise wurden im ganzen 14 Glykogenbestimmungen vorgenommen, von denen aber in der beifolgenden Kurve nur 9 in das Jahr 1911/12 fallende verwertet wurden. Die restierenden sind Kontroll- bestimmungen aus dem Jahre 1913. Der höchst erhaltene Wert von 31,1 % Glykogen bezogen auf trockene Substanz nähert sich, ja übertrifit die bisher höchst gefundenen Werte, die Wemuann (O1) bei so extremen Parasiten wie Spul- und Bandwürmer beobachtete. Bei Insekten wurden derartig hohe Werte von Sırauss (11) bei 1) Im folgenden ist unter „Fett“ stets die in absolutem Äther lösliche Substanz verstanden. 298 Bienenlarven gefunden. Bei Larven, die 6 Tage alt waren, fand Srrauss 6,6—7,9 % Glykogen bezogen auf frische Substanz, was 28,7—30,8% bezogen auf trockene Substanz entspricht. — Das aus den Gastrophiliden gewonnene Glykogen zeigt die für das Wirbeltier-Glykogen charakteristische Drehung. Der Stickstoff- gehalt beträgt nach Krerparr-Bestimmungen nur 0,059 %, so daß es sich also um ein sehr reines Produkt handelt. rvenblatt 9691. Graphische Darstellung der Ä nderungen des Stoffbestandes der Carven von Gaskrophi tlis egut während der Larven- periode unter Sugrundele egung der Srockensubskanz, WGA PE EEE. CO PETES oe Se IS le ee ee (Se Oe Bie ae ea Ke) = Ss die ey SR SB IS Us y ® DS aR 5 Sle co 3 & s © RES) Soa ee Sonate De Ae mean De | FRUDEN ER Yo lo cole elo cae are ol BEREREENERNENEEE PSIG i DIE 3 & = ae ee fe ee Br Er RE es Be BR oF ead a ER EEE HEHE HERR: BIS F ISIN : R EN I ares N S x & 5 / > fi Fa + Sg ei —_——— nn ?——..-—-Y SS Dezember 191. Januar 1912. Februar 71912. MNbarz 7972. Gpri tl 1912. What 1912. Juni 1912. Juli 1972. 299 Verfolgen wir nun die Schwankungen des Glykogengehalts | während der Larvenzeit, so sehen wir zunächst ein Ansteigen I bis Anfang Februar (vgl. beistehende Kurven), alsdann sinkt | der Glykogengehalt bis in die Mitte des Monats März, um nach einem kurzen Anstieg, der bis in die Mitte des April _ hineinreicht, konstant abzunehmen bis zu den letzterhaltenen Tieren Anfang Juli, wo der Glykogengehalt nur noch 5,1% | bzw. 14,4% beträgt. Dieser schließliche kontinuierliche Abfall weist deutlich darauf hin, daß das Glykogen seinem definitiven Verbrauch während der Larven- und Puppenzeit entgegengeht. Es ist mir zwar leider nicht gelungen, trotz vielfältiger, später noch zu besprechender Züchtungsversuche die Larven zur Ver- | Hurvenblatt 9522. | Graphische Darstellung der @ nderungen des Stoffbestandes der Larven von Gastrophilus egut "während der Lar venpertode unter EEE egung der fischen Substanz. ES as a || 8% Er BR af Saas eS nee See SS SS aes see J] Se et aka eeetetaa ane Oe a ' DERHKRES AREER eS JAGR ees ae tT See ee ee ee ar go [| | Se a BEE DEE ij Er EEE EEE | Bremer. 197. Januar 1912. Sebruar!W2 März 1912. Gpril 1912. Mai 1912. Sunt 1972. Juli 1912. puppung zu bringen. Ich zweifle indessen nicht, daß nach Analogie besonders mit den Bienen die Imagines kein Gly- | kogen mehr enthalten werden, dieses vielmehr spätestens gegen | Ende der Puppenruhe verbraucht worden ist. In welcher Weise werden wir später noch sehen. Bezüglich des Chitingehalts sei auf die beiden Kurven ver- wiesen. Zur Bestimmung des Chitins wurden die bei den Gly- - kogenbestimmungen übrigbleibenden Chitinhüllen verwandt, nach- — dem sie durch längeres Kochen mit verdünnter Lauge und darauf- folgendes Kochen mit destilliertem Wasser, das so lange gewechselt wurde, bis die alkalische Reaktion verschwunden war, gereinigt worden waren. Die Wägung erfolgte nach Entwässerung mit ab- 300 solutem Alkohol und Äther nach Trocknen bei 100°. Wie die Kurven zeigen, steigt der prozentuale Chitingehalt von etwa 1,4%, bezogen auf frische Substanz und 6,3% bezogen auf trockene Substanz Anfang Dezember 1911, auf 1,9% bzw. 6,8% Anfang Februar 1912. Nach einem schwachen Abfall finden wir Mitte März 22% bzw. 6,5% Chitin, das bis Anfang Juni auf 3,1% bzw. 9,0%, steigt. Die beiden Knickungen, die die Chitinkurven aufweisen, bringe ich mit den zwei nach Braver (v4) im Pferde- magen erfolgenden Häutungen in Zusammenhang. Die Fettbestimmungen am Querschnitt wurden nach dem SoxnerH’schen Verfahren ausgeführt und bei der Wägung die in absolutem Äther lösliche Substanz zugrunde gelegt. Obzwar die so erhaltenen Werte keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit machen können, habe ich doch davon Abstand genommen, wie sonst üblich, die in Petroläther lösliche Substanz zugrunde zu legen, da, wie hier nicht näher auszuführen ist, letzteres Ver- fahren sich bei den Gastrophilus-Larven als durchaus unzuverlässig erwiesen hat. Bei Betrachtung der Fettkurve fällt vor allem ins Auge der ununterbrochene rapide Anstieg von Anfang Dezember 1911 bis Anfang Juni 1912. Wie die Kurve lehrt, beträgt der anfängliche prozentuale Fettgehalt nur 0,8 % bezogen auf frische, und 3,5% bezogen auf trockene Substanz, um Anfang Juni Werte von 9% bzw. 26% zu erreichen. Auf welche Weise dieser be- trächtliche Zuwachs von Fett vor sich geht, werden die später zu besprechenden Stoffwechselversuche zeigen. Aber bereits jetzt schon können wir eine gewisse Gesetzmäßigkeit zwischen den drei bisher besprochenen Stoffbestandteilen erkennen. Die drei Kurven zeigen deutlich, daß in dem Maße, wie der Chitin- und besonders der Fettgehalt zunimmt, das Glykogen abnimmt. Schon dieser Umstand weist darauf hin, daß eine Umwandlung des Kohlehydrats in Chitin und Fett vor sich gehen muß. Die Bildung von Chitin aus Kohlehydrat ist ohnedies ein Vorgang, der vom physiologisch- | chemischen Gesichtspunkt aus dem Verständnis keinerlei Schwierig- keiten bereitet. Im übrigen konnte Wemrann (07) bei Calliphora diesen Prozeß im Stoffwechselversuch genauer verfolgen. In welcher Weise die Zunahme des Fettgehalts mit der Abnahme an Glykogen in Zusammenhang steht, werden die später zu besprechenden Stoffwechseluntersuchungen zeigen. — Werfen wir nun noch einen Blick auf die Stoffbilanz der Gastrophilus-Larven. Am 1. Februar bzw. 15. Marz bzw. 7. Juni verhielten sich die Stoff- “ Inengen wie folgt: es eee ee } 301 eee, 15, 111; 12, .7, VL 12. Rope err anus ee DW An 23,8 % 26,0 % Cait ss Shy as tirana 6,8: 25:97, 90% PAE EONS Seo Go. dd, b: OG 20,7 % 16,0 % 50,6 % 51,0 % 51,0 % Von den restlichen rund 49 °/, entfallen auf Eiweiß, wie Stick- stoffbestimmungen nach Kseuvaun lehrten, rund 45 %,, so daß von der gesamten Trockensubstanz 96 °/, gefunden wurden. Die re- stierenden 4% müssen auf den nicht mitbestimmten Zucker und Aschebestandteile verrechnet werden. Die Stoffzusammensetzung der Larven ist somit in befriedigender Weise geklärt. Bevor ich zur Besprechung der eigentlichen Stoffwechselver- suche übergehe, möchte ich einiger Zuchtversuche, die ich mit den Larven angestellt habe, Erwähnung tun. Wie bereits oben er- wähnt, habe ich viel Mühe darauf verwandt, die Larven auf den verschiedensten Nährböden außerhalb des Pferdemagens zu züchten und schließlich zur Verpuppung zu bringen. Letzteres indessen ohne Erfolg. Dagegen gelang die Züchtung der Larven auf Nähr- böden bis zu 2 Monaten. Es zeigte sich dabei, daß die Larven . nur auf sauren Nährboden gedeihen können. Agar, Pepton-Gela- tine, Pferdeblut-Agar und dergleichen werden als Nährböden gut vertragen, aber nur bei durch etwa 0,4°/, Salzsäure bewirkter saurer. Reaktion. Es. zeigte sich indessen, daß ohne Ausnahme nach einigen Tagen die Säure des Nährbodens durch die Stoff- wechseltätigkeit der Larven neutralisiert worden war, was durch Lackmuspapier leicht nachweisbar war. Wie sich durch den Ge- ruch ermitteln ließ, erfolgte die Neutralisation der Säure auf eiweißhaltigen Nährböden durch Ammoniak, ein für spätere Be- trachtungen wichtiger Befund. Ich muß indessen bereits an dieser Stelle darauf hinweisen, daß Versuche im Hungerstoffwechsel eine Ammoniakabgabe der Larven auf quantitativem Wege zu ermitteln resultatlos waren, die Ammoniakbildung vielmehr aus- schließlich auf eiweißhaltigen Nährböden erfolgte. — Um zu er- mitteln, ob die Larven in einem sauerstofffreien Medium nach Art anderer Parasiten gedeihen können, habe ich in einigen Versuchen die Tiere unter Zugabe von entsprechendem Nährboden in Wurrr- schen Flaschen in einer reinen Kohlensäureatmosphäre gehalten. Es zeigte sich dabei, dab die Tiere diese von Sauerstoff freie Kohlenatmosphäre sehr gut vertragen, ja sogar in einer solchen Atmosphäre beträchtlich länger leben können als in Luft. So be- 302 trug die äußerste Lebensdauer bei Kohlensäurerespiration in zwei Versuchen 28 bzw. 57 Tage. Nachdem sich so gezeigt hatte, dab die Larven zum mindesten auf eine sehr beträchtliche Zeitspanne hinaus des Sauerstoifs völlig entbehren können, lag es nahe, im Gaswechselversuch die spezielleren Verhältnisse dieser Anoxybiose, denn um eine solche muß es sich natürlich handeln, einer eingehen- deren Analyse zu unterwerfen. Indessen wurden Gas- und Stoff- wechselversuche auch bei oxybiotischer Versuchsanordnung durch- geführt. Bei den Versuchen wurde folgendermaßen verfahren: Vor jedem Versuch wurden die zur Verfügung stehenden Tiere in zwei . Portionen geteilt. In der ersten Hälfte A wurde bestimmt: l. der Gehalt der Glykogen, 2. der Gehalt an freien Fettsäuren nach Kumacawa. Die zweite Portion B wurde ohne Nährboden in eine Wunrr- sche Flasche gebracht und bei 37° gehalten. Die Wuourr’sche Flasche war durch den einen Hahn mit einer Barytlauge ent- haltenden Prrrenxorer’schen Röhre verbunden, durch die Luft bzw. im anoxybiotischen Versuch Wasserstoff zugeleitet wurde. Der andere Hahn der Wotrr’schen Flasche war mit 2 hintereinander geschalteten Prrrenxorer’schen Röhren, die eine genau dosierte Menge Barytlauge von bekanntem Titer enthielten, verbunden. Von der zweiten Barytröhre führte ein Schlauch zur Wasserstrahl- pumpe. Etwa alle 15—20 Stunden wurde durch Ansaugen mit der Wasserstrahlpumpe die in dem Recipienten von den Larven ge- bildete Kohlensäure in die vorgeschalteten beiden Barytröhren gesaugt und gleichzeitig Luft bzw. Wasserstoff nachströmen lassen. Die von den Larven gebildete Kohlensäure wurde so durch die Barytlauge völlig absorbiert, und durch Titration der noch verbleibenden Barytlauge mit Schwefelsäure der nicht durch Kohlensäure neutralisierte Anteil gefunden. Dieser Anteil von der ver- wandten Menge Barytlauge abgezogen ergibt die durch Kohlensäure neutralisierte Barytlauge und damit die Menge der insgesamt während der Versuchsdauer von den Tieren ausgeschiedene Kohlen- säure. Nach Abschluß des Versuchs wurde die Portion B., bei der also die Kohlensäureabgabe bestimmt worden war, abermals in zwei Teile geteilt und in dem einen der Glykogengehalt, in dem andern der Gehalt an Fettsäuren nach Kumaeawa bestimmt. — Am leichtesten zu verstehen sind bei diesen Gaswechselversuchen die- jenigen mit rein anoxybiotischer Versuchsanordnung (Wasserstoif- respiration). Um für einen Fall konkrete Zahlen zu nennen, betrug der Glykogengehalt in Portion A: 8,6%. Nach 3 Tagen Hunger bei a ac 303 Wasserstoffrespiration hingegen nur noch 6,6 %, mithin ein Verlust von 2%. Der Fettgehalt betrug bei Beginn des Versuchs 6,8 %, nach Schluß hingegen 7,2%, mithin ein Gewinn von 0,4%! Die Kohlensäureausscheidungen berechnet auf 100 g Tiere in der gleichen Zeit rund 0,8%. Wir haben demnach: 2 gr Glykogen = 0,4 gr Fett + 0,8 gr Kohlensäure. Es ist klar, daß bei dieser Versuchsanordnung die gebildete Kohlensäure nicht durch regelrechte Verbrennung entstanden sein kann, da ja kein Sauerstoff zur Verfügung stand. Es muß sich vielmehr um einen ähnlichen Vorgang handeln, wie ihn zuerst Wemrann (01) für Ascaris lumbricoides festgestellt hat. Hier werden aus rund 0,7 gr Glykogen, 0,4 gr Kohlensäure und 0,3 gr Valeriansäure bei anoxybiotischer Versuchsanordnung gebildet. Während aber bei den Ascariden eine niedere Fettsäure entsteht, die vom Körper nicht weiter verwertet werden kann, und ausgeschieden wird, ver- läuft der Prozeß bei den Gastrophilus-Larven in viel ökonomischerer Weise, indem nicht niedrige sondern höhere Fettsäuren gebildet werden, die mit Glyzerin verkoppelt im Organismus als Neutralfett abgelagert werden und später bei günstigerer Sauerstoffversorgung einer regelrechten Verbrennung unterliegen können. Wie indessen ein Blick auf die obige Gleichung lehrt, halten sich rechte und linke Hälfte nicht ganz das Gleichgewicht, wie in der Wernuann’schen Gleichung für die Kohlenhydratzersetzung bei Ascaris. Der Grund liegt einmal darin, daß bei den Fettbestimmungen nach Kumacawa nur die freien Fettsäuren, nicht aber das Glyzerin bestimmt werden, was indessen nur sehr wenig (etwa 5 %) ausmacht. Stärker ins Gewicht fällt die mit der Fettbildung aus Kohlenhydrat verbundene Wasserbildung. Nach den Berechnungen von Breısrkeu und Hanrıor entfällt bei der anoxybiotischen Fettbildung aus Dextrose auf 1 gr Kohlensäure etwa 1/, gr Wasser, so daß also in obige Gleichung auf der rechten Seite noch ungefähr 0,4 gr Wasser einzusetzen wären, womit allerdings das Gleichgewicht immer noch nicht völlig hergestellt ist. Vermutlich werden die nicht gefundenen ca. 0,4 gr auf Rechnung von Dextrose zu setzen sein, die aus dem Glykogen bereits entstanden, aber noch nicht. in Fett, Kohlensäure und Wasser umgewandelt worden war. Viel $rößere Schwierigkeiten bieten dem Verständnis die Versuche mit Luftrespiration. Um einen konkreten Fall zu wählen, betrug der Glykogengehalt vor dem Versuch 8,6 °/,, nach viertägigem Hungern bei Luftrespiration nur noch 3,5 °/,, also ein Verlust von 5,1 °/,. Der Fettgehalt hingegen vor dem Versuch 6,8 °/,, nach Schluß des Versuches 7,4 °/), also 304 ein Gewinn von 0,6 %,. Die Kohlensäureausscheidung betrug für 100 gr. Tiere in der gleichen Zeit ca. 2 °/. Wir hätten dem- nach: 5,1 gr Glykogen + x gr O0, = 0,6 gr Fett + 2,0 gr CO,. Eine völlige Anoxybiose kann hier natürlich nicht vorliegen, da die verbrauchte Glykogenmenge viel zu groß ist im Verhältnis zu dem Plus an Fett und der ausgeschiedenen Kohlensäuremenge. Aber auch keine völlige Oxybiose kann vorliegen, da hierfür wiederum die gebildete Kohlensäuremenge zu gering ist. Außerdem der Zuwachs an Fett dabei unverständlich bliebe. — Von den fünf im ganzen quantitativ angestellten Gas- und Stoffwechselversuchen habe ich hier nur zwei herausgegriffen, um einmal zu zeigen, dab die Gastrophilus-Larven ebenso wie die Ascariden bei völligem Sauer- stoffmangel zu leben vermögen, dann aber, um die Gesetzmäßigkeit zu illustrieren, die bezüglich der Zunahme an Fett trotz Hungers bei allen Versuchen übereinstimmend beobachtet wurde. Dieses zunächst sehr paradox erscheinende Resultat findet seine Erklärung, wenn wir die oben erwähnten Untersuchungen von WEINLAND heranziehen. Wie bereits betont, unterscheidet sich die Kohle- hydratzersetzung bei den Gastrophilus-Larven von der der Ascariden nur durch die größere Ökonomie, indem anstatt einer nicht weiter ver- wertbaren zur Ausscheidung gelangenden niederen Fettsäure solche Fettsäuren gebildet werden, die der Organismus noch verwerten kann und die er daher aufspeichert. Es ist ja auch verständlich, daß ein Organismus, der nicht dauernd im Überfluß von Nahrung wie die Ascariden lebt, danach trachten muß, seinen Chemismus möglichst sparsam zu gestalten. — Werfen wir nun noch einen Blick auf die oben näher betrachteten Glykogen- und Fettkurven während der Larvenperiode, so werden wir ohne weiteres erkennen, daß die ursprünglich ungeheuren Vorräte an Glykogen, die im Laufe der Entwicklung langsam schwinden, zur Bildung von im Fettkörper abgelagerten Neutralfett verwandt werden, das die Imagines später ohne Schwierigkeit glatt verbrennen können. — Man mag vielleicht einwerfen, daß die Bildung von Fett aus Kohlehydraten ja eine jedem Züchter geläufige Tatsache ist. Ich erinnere nur an die Kohlehydratmast der Gänse und Schweine Der fundamentale Unterschied gegeniiber-jenen Prozessen besteht aber darin, daß das höhere Tier es niemals vermag, aus den bei der anoxiobiotischen Fettbildung frei werdenden, relativ jedenfalls sehr geringen Energie- mengen seinen Gesamtenergiebedarf zu bestreiten, wie die Ascariden und Gastrophilus-Larven, da eben jene Prozesse nur sehr im Hintergrund gegenüber anderen die Lebensenergie liefernden stehen. 305 Wenn wir bei einem Organismus so riesige Mengen an Glykogen finden, wie das bei den Gastrophilus-Larven der Fall ist, so werden wir uns die Fragen vorlegen müssen: 1. in welcher Weise wird das Kohlehydrat verbraucht? und 2. woraus entsteht es? Auf die erste Frage haben wir im vorhergehenden eine be- friedigende Antwort bekommen. Wenden wir uns nunmehr zur zweiten. Bei Ascaris konnte WeınvAann (02) auf quantitativem Wege und ich selbst (11) auf qualitativem Wege zeigen, daß nach Dex- troseinjektionen ein Ansatz von Glykogen stattfindet, wir mithin das Recht haben, als Glykogenbildner bei Ascarıs die im Darm- traktus ja reichlich vorhandenen Monosacharide anzusprechen. Wie liegen nun die Verhältnisse bei den Gastrophilus-Larven? Im Pferdemagen selbst kann eine nur einigermaßen ins Gewicht fallende Spaltung der Polysacharide der Nahrung in einfachen Zucker nicht stattfinden. Überdies sitzen die Larven mit ihrem Mundhaken- apparat in der Magenwandung fest und ich habe keinerlei Anhalts- punkte dafür finden können, daß sie während ihrer Larvenzeit ihren einmal gewählten Ort verlassen, etwa, um aus dem umgebenden Medium Nahrung aufzunehmen. Eine diffuse Aufnahme von etwa vorhandenen Monosachariden nach Art der Bandwürmer kommt ja selbstverständlich überhaupt nicht in Betracht. Falls wir daher annehmen wollen, daß das Glykogen der Gastrophilus-Larven aus Zucker entsteht, bleibt nur die Möglichkeit anzunehmen, daß die dazu nötigen Zuckermengen dem etwa von den Larven aufgenommenen Pferdeblut entstammen. Nun enthielt eine Larve am 1. Februar 1912 0,04 gr Glykogen. Diese Menge muß gebildet sein in höchstens fünf Monaten. Der Zuckergehalt des Blutes beträgt im Mittel 10/90- Demnach würde eine Menge von 0,04 gr Zucker, die wir der Einfachheit halber der gleichen Menge Glykogen äquivalent setzen, in 40 ccm Blut enthalten sein, d. h. also, daß ein Tier in fünf Monaten mindestens 40 ccm Blut, in einem Monat also mindestens 8 ccm Blut gesaugt und den im Blut enthaltenen Zucker ohne Abzug aufgestapelt haben muß. Eine Infektionskolonie von 250 Tieren — ein gar nicht seltenes Vorkommnis — würde also in einem Monat mindestens zwei Liter Blut saugen müssen. In Wirklichkeit gestalten sich diese Zahlen natürlich noch beträchtlich anders, denn erstens ist gar nicht anzunehmen, daß, wenn überhaupt Blut gesaugt wird, aller im Blut enthaltener Zucker unverändert die Darmwand der Tiere passiert, und ferner muß in Betracht gezogen werden, dab die eben in den Magen eingedrungenen Tiere Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 20 306 anfänglich erheblich weniger Blut saugen können als später, so daß in den Monaten Januar und Februar eine Infektionskolonie von 250 Tieren im Monat einem Pferde wohl etwa fünf Liter Blut abzapfen müßten. Man muß wohl annehmen, daß derartige Blut- verluste bei den infizierten Pferden erhebliche chlorotische Er- scheinungen bewirken müßten. Ich habe indessen etwas Positives über diesen Punkt weder selbst beobachten, noch von anderer Seite in Erfahrung bringen können. Überdies habe ich bei den Hunderten von Individuen, die ich im Lauf der Untersuchung zu präparieren hatte, nur bei ganz wenigen Exemplaren Blut im Darm gefunden und Schnitte durch die Stellen der Magenwand von Pferden, die von Gastrophilus-Larven befallen waren, zeigten ausnahmslos, daß die Larven mit ihrem Mundapparat überhaupt nicht in die Blut- Kapillaren, geschweige denn größere Gefäße eindringen. Nach all- dem scheint es mir äußerst unwahrscheinlich, daß der Blutzucker oder überhaupt Dextrose die Muttersubstanz des Gastrophilus- Glykogens ist. Eine Entstehung des Glykogens aus Fett muß aber nach allen unseren Erfahrungen als sehr unwahrscheinlich betrachtet werden. So bleibt als Glykogenbildner für die Gastrophilus-Larven nur noch das den Tieren ja reichlich zur Verfügung stehende Eiweiß übrig. — Nun werden Sie aber fragen, wie es möglich ist, daß aus dem relativ sauerstoffarmen Eiweiß das sauerstoffreiche Glykogen hervorgehen kann. Hier werfen wir nun einen Blick zurück auf das, was wir über das Hämoglobin der Tracheenzellen erfahren haben, und erinnern uns, daß dem Hämoglobin ja ganz allgemein die Fähigkeit zukommt, Sauerstoff lose zu binden und leicht wieder abzugeben. Ich halte es nun für sehr wahrscheinlich, daß dem Hämoglobin der Gastrophiliden neben einer rein respiratorischen Funktion die Aufgabe zufällt, aus dem sauerstoffarmen Eiweiß Kohle- hydrat zu bilden. Für diese Auffassung kann man einmal geltend machen, daß in den Tracheenzellen außer dem Hämoglobin selbst ja reichlich Glykogen enthalten ist. Ferner aber noch einen andern Umstand, auf den wir oben nur kurz hingewiesen haben. Entsteht nämlich aus dem Eiweiß wirklich Kohlehydrat, so taucht die Frage auf, was mit dem nunmehr überflüssigen Stickstoff geschieht. Zweifellos kann er im intermediären Stoffwechsel weiter Verwendung finden. In anderen Fällen jedoch kann er vollständig reduziert als Ammoniak in gasförmiger Form den Körper verlassen. Einen solchen Fall hat Wernuanp (07) bei den Larven von Calliphora beobachtet, wo allerdings aus dem Eiweiß nicht Kohlehydrat, sondern Fett entsteht. Nun erinnern wir uns, daß auf eiweißhaltigen Nährböden die Gastro- 307 philus-Larven fast ausnahmslos relativ beträchtliche Mengen von Ammoniak produzierten. Ich halte es daher nicht für ausgeschlossen, daß diese Ammoniakbildung mit der Umwandlung von Eiweiß in Kohlehydrat in Zusammenhang steht. Es scheint überhaupt, als wenn das Hämoglobin besonders bei Wirbellosen seine respiratorische Funktion im Sinne der Wirbeltiere aufgeben und mehr nach Art eines sauerstoffübertragenen Ferments wirken könne. So wenigstens würde es sich erklären, daß in mancherlei Organen von Wirbellosen Hämoglobin in geringen Mengen nachweisbar ist, ohne daß ein Zusammenhang mit respiratorischer Funktion, wie bei Wirbeltieren, zu beobachten wäre. So ist in der Muskulatur von Calliphora u. a. Hämoglobin nachgewiesen worden und neuerdings werden abermals Angaben über das Vorhandensein von Hämoglobin in der Leibes- höhle der Ascariden gemacht. Die weite Verbreitung des Hämo- globins auch bei Wirbellosen scheint der oben skizzierten Auffassung günstig zu sein. Aber nicht nur dem Hämoglobin kommt dieses Sauerstoffbindungsvermögen zu. Für mancherlei tierische und pflanzliche Pigmente der Carotin- bzw. Lipochrom-Reihe wird es immer wahrscheinlicher, daß auch sie Sauerstoffbindungs-Vermégen besitzen. Es wäre zweifellos von größtem Interesse, die Physiologie der tierischen Pigmente von diesem Gesichtspunkte aus einer ver- gleichenden Untersuchung zu unterziehen und damit der vergleichen- den Physiologie der Wirbellosen ein neues sicherlich fruchtbares Arbeitsgebiet zu eröffnen. Herr Dr. Bec#er (Gießen): Über statische Strukturen und kristalloptische Eigentümlichkeiten des Echinodermenskeletts. Im Gießener Zoologischen Institut sind von mir oder auf meine Anregung hin mehrere Untersuchungen über das Skelett des Echi- nodermen angestellt worden. Die Ziele dieser Untersuchungen sind sehr verschieden, doch mag die Gemeinsamkeit des Objektes es ge- rechtfertigt erscheinen lassen, wenn ich hier im Zusammenhang über diejenigen Resultate berichte, die von allgemeinerem Interesse sind. 1. Über die strukturelle Differenzierung des Skelettbalken werkes. Es ist allgemein bekannt, daß die Skelettstücke der Echinodermen nicht kompakt sind, sondern ein maschiges Gerüstwerk mikroskopisch feiner Balken darstellen. Man kann diese Struktur mit dem Horn- 20* 308 skelettwerk eines Schwammes vergleichen und sie als Spongiosa charakterisieren. Schon dieses Wort weckt aber die Erinnerung an die gröbere Knochenbalkenstruktur der großen Röhrenknochen der Säugetiere und an die wunderbare Anpassung, die diese Struktur in der Ausbildung und Richtung ihrer Balkenzüge an die mechanische Beanspruchung aufweist, der diese Skelettstücke ausgesetzt sind. So lag der Gedanke nahe, nach ähnlichen Verhältnissen im Echi- nodermenskelett zu suchen. | Wir haben unsere Nachforschungen, die die Herstellung von Hunderten von Diinnschliffen notwendig machten, auf alle Echino- dermengruppen ausgedehnt, am genauesten wurde die Untersuchung bisher von Herrn Erwin Becrer für die Skeletteile der Echinoiden durchgeführt. Meine Vermutung bestätigte sich in weitestgehendem Maße: ein Skelettstück ist nur dann aus einem indifferenten nach allen Richtungen gleichmäßig ausgebildeten Gerüstwerk aufgebaut, wenn es keine nennenswerten mechanischen Beziehungen zu seiner Nachbarschaft aufweist, wie das von vielen Skelettplättchen von Holothurien und von den jungen Skelettanlagen bei frühen Jugend- formen gilt; sobald jedoch ein Skelettelement feste Verbindungen eingeht, durch Zug oder Druck beansprucht wird, Gelenke ausbildet usw., finden wir immer auch die Struktur des Maschenwerkes in augenfälliger Weise verändert. Man darf jedoch daraufhin in ätiologischer Beziehung die Ver- hältnisse bei Echinodermen und bei Wirbeltieren durchaus nicht ohne weiteres als analog betrachten, schon äußerliche Verschiedenheiten sprechen dagegen. Bei unseren Objekten handelt es sich um eine ausgesprochene Mikrostruktur, bei den Wirbeltieren um viel gröbere mit bloßem Auge deutlich sichtbare Verhältnisse. Bei den Wirbel- tieren scheint das auf einem Skeletteil lastende große Gewicht des Körpers das wesentlichste mechanische Moment darzustellen, während bei den unter Wasser lebenden Echinodermen das Gewicht der an sich kleineren Tiere durch den Auftrieb so weit herabgesetzt wird, daß eine Anpassung an diese Tragleistung in den meisten Fällen überflüssig sein mußte. Die Muskelwirkung mit den durch sie direkt oder indirekt bedingten Zug- und Druckwirkungen ist allerdings bei den beiden Tiergruppen gleicherweise zu berücksichtigen nnd dazu kommen bei den Echinodermen noch vielfach Drucke, die an den festen Naht- verbindungen von Skelettplatten vorhanden sein müssen, sowie die beim Wachstum eines komplizierten Skelettkomplexes (wie etwa einer Seeigelschale) unvermeidlichen Drucke und Spannungen. Diese 309 Verhältnisse beeinflussen die Struktur in augenfälliger Weise. Bei den Stiel- und Armgliedern der Crinoiden sehen wir die Skelettbalken vorzugsweise in Richtung der Stiel- bzw. Armlängsachse verlaufen, also in der Richtung, in der auch die die Glieder verbindenden Figur 1. Eine Ambulacralplattenreihe von Heterocentrotus mamillatus mit Ambulacralporen. Die Struktur des Kalkgewebes läßt Hauptbalkenrichtungen erkennen. Die zum Teil gekrümmten Balken sind immer in Richtung derjenigen der Nachbarplatten eingestellt, stehen aber nicht iiberall F senkrecht auf der Sutur. Muskeln oder sonstigen Fasern ziehen. An allen Skelettstücken, die durch Muskeln verbunden sind, lassen sich derartige „Muskel- strukturen“ nachweisen. Auch an den Suturen fest verbundener Platten tritt immer eine charakteristische Hauptbalkenrichtung, oft ungefähr senkrecht zu der Naht auf. So findet man in den Skelett- platten der Echiniden außerordentlich schöne „Suturstrukturen“, von 310 denen man ein gutes Bild erhält, wenn man sich senkrecht zu jeder Suturgrenze einer polygonalen Platte eine senkrechte Schraffierung zeichnet und die einzelnen Striche so weit durchzieht, bis sie mit denen der Nachbarseite zusammentreffen. Die Striche repräsentieren dann die am meisten hervortretende Balkenrichtung. Übrigens wird die am meisten hervortretende Richtung der Balken nicht eigentlich durch die Grenzfläche bestimmt; denn nicht selten findet man, daß die Hauptbalkenrichtung nicht genau senkrecht zur Sutur verläuft, sondern schief dazu (vgl. Fig. 1). In diesen Fällen stehen aber die Figur 2. Schema der Hauptbalkenrichtungen einer mit Stachelhöcker und Stachel versehenen Platte von Echinus esculentus. M — Muskelmanschette des Stachelgelenkes. m = Muskelstruktur. r = Radiarstreifung im Gelenkkopf. ss=zur Gelenkfläche senkrechte Streifung im Stachel. s = Suturstruktur zu den Plattengrenzen. f= indifferente Fiillmasse. p = glasartige, gefärbte Schicht. w= Wabenstruktur. Balken der angrenzenden Platte immer so, als ob sie die Verlängerung der Balken der Nachbarplatten darstellten, so daß man den Eindruck bekommt, daß die Hauptbalken gegeneinander stemmen und immer die Druckrichtung einhalten, auch dann, wenn sie einmal nicht wie gewöhnlich senkrecht zur Plattengrenze steht. Die Schalenplatten der Echinoiden weisen überhaupt sehr mannig- faltige Struktursysteme auf (Fig. 2). In der Mitte, d.h. in der am frühesten angelegten Zone der Platte finden wir eine kleine Partie ganz gleichmäßig entwickelten Balkenwerkes, das der Periode vor der mechanischen Inanspruchnahme entspricht. Dannfolgen peripherwärts WONG He LA. 311 die bereits erwähnten großen Felder der Suturstrukturen (s). Diese Suturstrukturen werden beim fortschreitenden Wachstum, also nach außen zu, immer dicker, und zwar findet derDickenzuwachs wesentlich nach dem Schaleninneren hin statt. Dadurch würde die ganze Platte, vom Schaleninnern betrachtet, eine Hohlkuppelform bekommen, während sich außen nur die viel geringere Konvexität der Schale bemerkbar macht. Die Höhlung der Kuppel wird aber nachträglich auch mit Skelettgewebe ausgefüllt, um die Dicke der zentralen Platten- partien, die sonst immer jugendlichen Verhältnissen entsprechen würde, zu vergrößern. Bemerkenswerterweise ist dieses Füll- gewebe (f) ziemlich indifferent, d. h. ohne deutliche Bevorzugung von Balkenrichtungen ausgebildet. Man erhält daher den Eindruck, daß nur dasjenige Skelettgewebe, das direkt an der Sutur entsteht, seine Balken in die Druckrichtung einstellt. Über der jüngsten Plattenstelle wird der primäre Stachelhöcker gebildet, der aus der zentralen Warze und dem peripheren Hof besteht. Der Warzenhof dient dem Ansatz der den Stachel rings umfassenden peripheren Bewegungsmuskeln und der mehr zentralen, eine Art Gelenkkapsel bildenden mehr bindegewebsartigen Fasern (Sperrmuskeln). Dem Zug dieser Fasern entsprechend zeigt das Kalkgewebe eine deutliche nach oben dem Stachel zuweisende Hauptbalkenrichtung (m). Die Zuwachsstreifen der gesamten Hof- masse sind auch hier sehr deutlich sichtbar; sie laufen meist schief gegen die Balkenrichtung und bestätigen wieder, daß die Balkenrichtung von der Gestalt der weiterwachsenden Oberfläche unabhängig ist. Die Bindegewebsfasern, die sich an der Grenze zweier Platten von der organischen Weichsubstanz (einem großen Syncytium) der einen zu der der anderen hinüberziehen, verankern sich im Skelett dadurch, daß sie unweit der Grenzfläche quer zur Hauptbalkenrichtung verlaufende Bälkchen wie mit einer Schlinge umfassen. Diese Bindegewebsfäden stellen also in der Grenzschicht der Platten, in der das Weiterwachstum stattfindet, ein System parallel gespannter Fasern dar, so daß man sich vorstellen kann, das Dominieren der Hauptbalkenrichtung käme dadurch zustande, daß die Mehrzahl der Balken die Bindegewebsfäden sozusagen als Leitlinien benutzten und dureh Appositionswachstum in dieser Richtung fortschritten. Diese Erklärung würde nicht nur für die Suturen gelten, sondern für alle die Stellen, an denen bindegewebige Fasern von einem Skeletteil zum anderen hinüberziehen (wie z. B. in der oben erwälnten, von der bindegewebsartigen Sperrmuskulatur ge- 4 312 bildeten Gelenkkapsel des Stachels); denn diese Bindegewebsfasern pflegen immer tief im Kalkgewebe selbst verankert zu sein. Diese Erklärung für die Entstehung der Hauptbalken- richtungen würde allerdings schon für die Muskelstrukturen ihre Überzeugungskraft verlieren; denn die Muskelfasern scheinen stets mehr auf der Oberfläche anzuhaften und nicht wie die Binde- gewebszüge tiefer im Skelettmaschenwerk selbst verankert zu sein. Und doch zeigt sich unter den Ansatzstellen der Muskeln dieselbe ausgesprochene Einstellung der meisten Balken in die Zugrichtung wie bei bindegewebiger Verbindung. In bezug auf das angeregte Problem ist das Studium des Gelenkhéckers selbst von besonderem Interesse; denn dieser bietet oben eine glatte Gelenkfläche dar, auf der der Stachel gleitet; eine Faserverbindung von Höcker und Stachel ist an dieser Stelle (ab- gesehen von den Verhältnissen bei Cidariden und Diadematiden) nicht vorhanden. Trotzdem sehen wir, daß die Hauptbalkenrichtung eine meist ausgesprochen radiäre ist, also offenbar auf die Richtung des Gelenkdruckes Rücksicht nimmt. An so stark in Anspruch genommenen Stellen wie an den Gelenkhéckern erfahren auch die Balken des Gerüstwerkes selbst eine erhebliche Verstärkung. Diese Verdickung der Balken auf Kosten der Zwischenräume kann so weit gehen, daß letztere nur noch als dünne Kanäle erhalten bleiben, die dann durch ihre (im Höcker z. B. radiäre) Richtung noch die Anordnung der ursprüng- lichen Balken verraten können. In den Kiefern mancher Seeigel kommen besonders verstärkte Partien vor, in denen die Hohlräume fast vollständig geschwunden sind, die betreffende Partie wird dann ganz glasig durchsichtig. Der Echinidenkörper liefert derartige Massiv- arbeiten übrigens gelegentlich auch zu anderen Zwecken: die Kélbchen der Sphäridien weisen auch nicht den gewöhnlichen maschigen Bau auf, sondern bestehen (wahrscheinlich zwecks Er- höhung des spezifischen Gewichtes) aus einer fast ganz kompakten, glasklaren Kalkspatmasse, aus der nur wenige trompetenförmige Kanäle, vielleicht als Rückzugstraßen des kalkabsetzenden Syncytiums, nach außen münden. Auch die von Döperrem beschriebenen „Krystall- körper“ der Dorsalplatten einiger Seesterne gehören hierher. Die bisher besprochenen Beispiele von Strukturen, die sich leicht °verzehnfachen ließen, zeigen uns überall eine Einstellung der Balken in die Richtung des Druckes bzw. Zuges, an allen Stellen, an denen das Skelettstück überhaupt Drucken ausgesetzt ist. Aber diese Einstellung der Balken ist jedenfalls eine lediglich lokale Er- 313 scheinung, sie geschieht unter Einfluß der unmittelbar wirksamen örtlichen Verhältnisse, nicht aber in Rücksicht auf die Gesamtin- anspruchnahme des Skeletteils. Es ist ja denkbar, daß die lokalen Druck- und Zugverhältnisse eine bestimmte Struktur bewirken oder erheischen, daß aber ein Skeletteil schon auf Grund seines — vielleicht durch andere Momente wesentlich bedingten — Baues so fest ist, daß die Zusammenwirkung der verschiedenen an ihm an- greifenden Kräfte keine besondere Rücksichtnahme notwendig macht. Figur 3. Tangentiälschliff durch den radialen Arcusschenkel von Echinus esculentus, Schema. s = Kiefer- suturstruktur. g= glasartige Partie derselben. m = Muskelzugstruktur zu dem großen inter- radiären Muskel = M. k= Kurven des oberen Teiles, an dessen dichtester Partie der Zwischen- kiefer anliegt. Dies scheint in der Tat bei den Echinodermenskelettstücken viel- fach der Fall zu sein; denn wir finden oft, z. B. an vielen Stellen der mit den verschiedensten Muskel- und Suturstrukturen versehenen Kiefer, die verschiedenen Strukturen wie es scheint unabhängig nebeneinanderliegen. Das ändert sich jedoch, sobald wir Stellen oder Skelettstücke untersuchen, die im Verhältnis zu ihrer Inanspruchnahme klein sind, und nicht schon durch die einfache Größe allen Beeinflussungen 4 314 gewachsen sind. Dann scheint das ganze Geriistwerk der betreffenden Partie und nicht nur die direkt gefaßte Linie beeinflußt zu werden. Wenn wir gewisse Teile des Kiefers, oder die Arcus (Fig. 3) und besonders die Zwischenkiefer (Fig. 4) des Echinidenkauapparates untersuchen, so treten uns in der Tat ganz andere Bilder entgegen. Die Hauptbalkenrichtung bleibt nicht konstant, sondern es ist ein System einander durchsetzender Trajektorien in dem Gerüst aus- gebildet worden, wir finden einander überschneidende Kurvenzüge, die an Schönheit und Deutlichkeit den entsprechenden Balkenzügen der Säugetierknochen nicht nachstehen (Fig. 5). Bedenken wir, daß diese Kurven unter anderem besonders deutlich zwischen den beiden Gelenkflächen des Zwischenkiefers (Fig. 4g) auftreten, also an einem Ort, wo besonders starke Druckwirkungen vorliegen, und wo andererseits doch keine Fasern durchtreten, so wird man nicht umhin können, diese Gebilde mit der Druckinan- spruchnahme in Verbindung zu bringen. Auch erscheint es mir nicht richtig, diese Kurven als Wachstumserscheinungen zu deuten, die dadurch zustande kämen, daß etwa in dem skelettbildenden Syncytium verlaufende Fasersysteme von der fortschreitenden Ober- fläche aus in Kurvenform gespannt würden. Eine reine Wachs- tumserscheinung müßte auch an mechanisch nicht beanspruchten Teilen in Erscheinung treten, und andererseits kann der Druck beim Weiterwachsen eines Skeletteiles, der doch schon da ist und diesen Druck aufnimmt, die vor dem Druck sozusagen geschützten Fasern kaum noch beeinflussen. Indessen macht es noch größere Schwierigkeiten, sich vor- zustellen, wie die Skelettbalken rein passiv (ateleologisch) durch den Druck oder Zug an einer Stelle in eine bestimmte Richtung gezwungen werden sollten; denn das Skelettgerüst besteht aus Kalkspat, der sich nicht einfach biegen läßt. Auch wirken doch gerade bei den Skeletteilen, die jene Kurven aufweisen, die Drucke nicht unmittelbar an den Stellen des Wachstums. Die letzten wachsenden Enden des Skelettgerüstwerkes sind vielfach fast frei, nur von dem skelettogenen Plasma umgeben, das aber durch bestimmt gerichtete Apposition die Balken in jene Kurven führt. Am wahrscheinlichsten ist, daß das Auftreten der Kurvenzüge nicht der Ausdruck einer direkten Bewirkung ist, sondern daß die Beziehung dieser Struktur zu der mechanischen Beanspruchung komplizierterer Art ist; daß es sich wie bei der Spongiosa der Röhrenknochen um eine Anpassung handelt. Auch diese Ansicht ist allerdings nicht streng bewiesen, manches scheint sogar dagegen 315 zu sprechen. Nach einem Bruch eines Oberschenkelknochens und anormaler Verheilung erfährt auch die schon vorher vorhandene - Struktur einen den neuen Verhältnissen angemessenen Umbau. Etwas Ähnliches muß offenbar auch normalerweise beim Wachstum stattfinden. Es wäre mathematisch sehr verwunderlich, wenn die für einen kleinen Skeletteil konstruierte günstigste Struktur ohne Umbau als Teil in die entsprechend größer ausgebildete Struktur des weiter gewachsenen Skeletteiles übernommen werden könnte. Man wird also, wenn die Zweckmäßigkeit des Balkenwerkes in jeder Größe optimal sein soll, im allgemeinen einen Umbau, wie ‚er bei Wirbeltieren festgestellt ist, erwarten dürfen. Es ist uns Figur 4. Tangentialer Schliff durch den Zwischenkiefer von Echinus esculentus, Schema. Unten seitlich sind die mikrokristallinischen Gelenkflächen mit dem Arcus getroffen. Man sieht die jüngsten Zuwachsstreifen z; die indifferente Füllstruktur f und die Kurvenzüge der übrigen Masse, bisher jedoch nicht gelungen, einen solchen Umbau mit Sicherheit nachzuweisen. Bei denjenigen Skeletteilen, bei denen wie bei den Echinidenplatten die mechanischen Wirkungen, wie wir sagten, lokaler Art bleiben, ist ein Umbau ja auch gar nicht zu erwarten, und in der Tat läßt sich aus den Strukturen und Wachstumslinien einer Schalenplatte, eines Kiefers und mancher anderer Stücke, die Geschichte seines Werdens in der schönsten Weise ablesen. Wir werden in der ausführlichen Arbeit diesen interessanten Punkt genauer verfolgen. Wenn ein erheblicher Umbau stattfände, so müßten dabei die ursprünglichen Wachstumslinien ganz oder doch teilweise verwischt 316 werden; man findet jedoch die jüngsten Wachstumslinien gewöhnlich erhalten; allerdings ist mir aufgefallen, daß gerade in den Skelett- stücken mit Kurventrajektorien die Wachstumslinien in den ältesten Teilen fehlen (vgl. Fig. 4) und daß sie nach der Ordnung ihres Alters verwaschener werden und nicht wie in der Sutur oder Muskelstruktur einer Platte ihre Schärfe deutlich beibehalten. Das könnte allerdings auch darin seinen Grund haben, daß die Wachs- tumsgeschwindigkeit in der Jugend mehr gleichmäßig war und erst Figur 5. Horizontalschliff durch einen Kiefer von Echinus esculentus. Man sieht die Balkenkurven der Füllmasse im Winkel zwischen meridionalem und tangentialem Kieferschenkel. später schärfere Perioden einhielt. Immerhin ist es bemerkenswert, daß man in manchen Skeletteilen die kleine Jugendform derselben deutlich wiederfinden kann, während man sie bei anderen vermißt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dem skelettbildenden Syn- cytium der Echinodermen die calceolytischen Fähigkeiten, die beim Schwund des Larvenskeletts so auffallend hervortreten, auch später noch zu Gebote stehen; die nachträgliche Vergrößerung von Poren und manches andere zeugt dafür. Das Plasma kann also manche Balken ebensogut abbauen, wie es sie vielfach später verstärkt, und es wäre auch sehr wohl verständlich, daß Balken durch Ansatz an der einen und Auflösung an der anderen Seite ganz allmählich ver- schoben würden. 317 Eine exakte Entscheidung darüber, ob in den beobachteten Gerüsttrajektorien eine ateleologische passive Druckwirkung oder eine zweckmäßige Anpassung vorliegt, wird sich nur durch das oder auf dem Wege der genauen statischen Durcharbeitung eines einfachen, für mathematische Fassung geeigneten Falles geben lassen. Leider liegen bei unseren Objekten die Verhältnisse der mechanischen Beanspruchung nicht so durchsichtig wie bei dem kranartigen Femurende des Menschen. 2, Über kristalloptische Eigentümlichkeiten des Echino- dermenskeletts und über Spuren mechanischer Bean- _ spruchung im optischen Verhalten. Es ist seit langem bekannt, daß die Spicula der Kalkschwämme sich optisch so verhalten, als ob sie, wie V. v. Kener es ausdrückte, aus einem einheitlichen Kalkspatkristall ausgeschnitten wären. Die- selbe Beobachtung wurde für die Spicula und auch die größeren Skeletteile der Echinodermen zutreffend gefunden, so war es z. B. den Paläontologen aufgefallen, daß die durch nachträglich weiter- gehenden Kalkspatansatz kompakt gewordenen fossilen Echino- dermenskelettstücke sich wie einheitlich entstandene Kristalle ver- halten, was sich nur verstehen läßt, wenn schon in dem noch nicht versteinerten Maschenwerk die einzelnen kleinsten Kristallelemente alle gleich orientiert waren. In der Tat ergibt eine genaue Unter- . suchung, wie wir sie auf breiter Basis durchgeführt haben, als im allgemeinen durchaus zutreffende Regel, daß in einem entwicklungs- geschichtlich einheitlich angelegten Skeletteil auch die optische Achse überall streng gleichgerichtet ist. Obwohl die Balken des Skelettgerüstwerkes nach den verschiedensten Seiten verlaufen können, ist die optische Achse doch in all den verschieden ge- richteten Balken durchaus parallel eingestellt, so daß, wenn zwei _ Gerüstbälkchen von verschiedenen Seiten aus aufeinander zuwachsen, der Vereinheitlichung an der Verwachsungsstelle nichts im Wege steht; denn die kristallinischen Tendenzen sind bei der Berührung der Bälkchen gleichgerichtet; sie alle tragen trotz der Verschieden- heit ihrer körperlichen Achsen und ihres Wachstumskurses doch in der Richtung der optischen Achse eine Art Kompaß in sich, der immer in derselben Richtung weist. Der maschige Bau und die Einheitlichkeit der Achsenlage in demselben sind die beiden Mo- mente, auf die sich die neue Methode zur Herstellung von polari- 318 siertem Licht gründet, zu der man, wie ich vor kurzem dargetan habe’), die Skelettstücke unserer Tiere benutzen kann. ~ Ein doppeltbrechendes Partikelchen, das man auf dem Tisch des Polarisationsmikroskopes zwischen gekreuzten Nicols (bei ver- dunkeltem Gesichtsfeld) einmal herumdreht, wird dabei viermal abwechselnd hell und dunkel, es leuchtet auf oder „löscht aus“, wie man sich ausdrückt. Wenn die optische Achse in einem Skelettstück überall gleichgerichtet ist, so muß ein Schliff durch dasselbe auch in einheitlicher Weise hell und dunkel werden, während uns eine Verschiedenheit der Auslöschung sofort auf Ver- schiedenheit der Lage der optischen Achse, also auf Abweichungen von der kristallinischen Einheitlichkeit hinweisen wird. Unsere genauere Prüfung fast aller typischen Echinodermen- skelettstücke hat nun ergeben, daß die Einheitlichkeit der Achsen- lage in entwicklungsgeschichtlich einheitlich angelegten Stücken als Regel von weitestgehender Gültigkeit betrachtet werden muß. Ich habe jedoch schon bald einige Ausnahmen von der Regel ge- funden, diese Ausnahmen haben sich später noch vermehrt; sie sind aber alle derart, daß sie die Regel sozusagen bestätigen. Sie beruhen auf einer sekundären Störung. Es ist nun von besonderem Interesse, daß die störenden Kräfte auch hier durch die mechanische Beanspruchung der Skeletteile geliefert werden. Unregelmäßigkeiten der Auslöschung, kleine Partien, die sich in dieser Beziehung anders verhalten als die Hauptmasse des Skeletteils, dem sie angehören, finden sich nämlich überall dort, wo die Teile starken unnachgiebig und unelastisch wirkenden Drucken ausgesetzt sind. Wir treffen sie daher vorzugsweise an Gelenk- flächen, z. B. außerordentlich auffallend in den Stachelhöckern der Echinidenplatten (Fig. 6), in den Gelenken zwischen den Arm- wirbeln der Ophiuriden oder den Brachialia der Crinoiden. Überall treten hier meist mehr oder weniger unregelmäßig begrenzte und gelagerte Partien durch ihr selbständiges Aufleuchten oder Aus- löschen hervor; es handelt sich fast nie um eine einzige abweichende Zone, sondern fast immer um mehrere kleine Felder, die bei der- selben Art und bei homologen Gelenken derselben Art zwar an denselben Stellen auftreten, im einzelnen aber nach den jeweiligen Verhältnissen verschieden sind. Nur in größeren Stachelhöckern 1) Uber eine auf die Struktur des Echinodermenskelettes gegründete neue Methode zur Herstellung von polarisiertem Lichte, in: Zool. Anz. Bd. 44, 1914, S. 122 bis 136. | 319 kann es vorkommen, dab die einzelnen Partien annähernd radiär in dem halbkugelförmigen Höcker angeordnet sind, ungefähr sektorartige Gestalt aufweisen und dem Ganzen ein etwas sphäro- kristallinisches Aussehen geben. In den Gelenken zwischen Arcus und Zwischenkiefer im Echinidenkauapparat bildet die Gesamtheit der abweichend auslöschenden Partien eine schmelzartige ziemlich scharf abgesetzte mikrokristallinische Überzugsmasse in den Ge- lenken (vgl. Fig. 4). Figur 6. Stachelhöcker von Heteroceatrotus mamillatus, im polarisierten Licht bei gekreuzten Nikols photographiert. Der Höcker weicht in der Lage der optischen Achse von der Platte ab und zeigt auch im Inneren Verschiedenheit der Auslöschung, die an Sphärokristalle erinnert. Neben den Gelenkflächen treten auch in den Suturstrukturen gelegentlich Felder mit abweichender Auslöschung auf. Auch hier sind es wieder stark beanspruchte Stellen, die die Störung auf- weisen. Besonders auffallend ist die Erscheinung im Kiefer der Seeigel, und zwar in den großen ebenen interradial liegenden Platten derselben und in dem zentralen hakenförmigen Teil des Gabel- stückes der Echinoiden (Fig. 7). Gerade in diesen Stücken müssen aber starke scherende Kräfte am Werk sein. 320 So liegt z. B. die Spitze jenes nach unten gekrümmten Hakens, mit dem sich das Gabelstück an den zentralwärts gerichteten Teil des Zwischenkiefers ansetzt, tiefer als die Sutur zwischen dem Haken und dem gabelförmigen Teil des Kompaßstückes, so daß bei Be- anspruchung der Enden scherende Kräfte in dem Haken zustande kommen müssen. Während die der Struktur des Echinodermenskeletts durch die mechanische Beanspruchung aufgeprägten Züge wahrscheinlich Figur 7. Sagittaler Schliff durch den Hakenteil des Gabelstückes von Echinus esculentus mit mehreren mittleren Partien, die durch ihre vom übrigen Schliff abweichende Auslöschung hervortreten. Aufnahme im polarisierten Licht bei gekreuzten Nikols. zweckmäßige Bildungen von rätselhafter Entstehung darstellen, scheinen mir die den kristallinen Eigenschaften des Materials ein- geprägten Spuren der bewirkenden Kräfte passive und ateleologische Wirkungen derselben zu sein. Man könnte allerdings denken, daß der in den Gelenkhöckern und Gelenkflächen zu beobachtende Wechsel in der Orientierung der Kristallteilchen vielleicht derart wäre, daß dabei der Gelenkfläche die härteste, widerstandsfähigste Seite geboten würde, und ähnlich könnte man beim Kiefer- oder Kompaßhaken vermuten, daß das Auftreten von streifenförmigen 321 Zonen mit anderer Achsenlage den Zweck hätte, die Bruchfestig- keit dieser Teile zu steigern. Bei ganz einheitlicher kristallinischer Natur müssen in einem Skeletteil auch die Richtungen geringster Kohäsion, d.h. der Spaltbarkeit, dieselben sein, so daß ein kristallinisch einheitliches Stück unter Umständen leichter gefährdet werden kann als ein Stück, in dem die Richtung geringsten Widerstandes wechselt. Es haben sich jedoch keine weiteren Anhaltspunkte finden lassen, die ein Suchen nach Zweckmäßigkeit in dieser Beziehung belohnt hätten. Die Unregelmäßigkeit der beschriebenen Störungen, die Tatsache, daß sie zuweilen fehlen und immer in verschiedener Weise auftreten, rechtfertigt vielmehr die Annahme, daß es sich um eine direkte physikalische Folge der Druckbeanspruchungen handelt. Dieser Vorstellung. kommt das eigenartige kristallinische Verhalten des Kalkspates sehr entgegen. Zu den überraschendsten wunderbarsten Entdeckungen, die die neuere Kristallographie aut- zuweisen hat, gehört die sogenannte Gleitung, die gerade beim Kalk- spat durch die schönen Experimente von Reuscnh, BAumHAURR, Müser u. a. bekannt geworden ist. Legt man ein Kalkspatrhomboeder mit einer stumpfen Kante auf eine Unterlage und drückt mit der Schneide eines Messers senkrecht auf die gegenüberliegende obere stumpfe Kante, so dringt das Messer in den Kristall ein und die vom Messer aus nach der stumpfen Ecke hin liegende Partie ver- schiebt sich in eine neue stabile Stellung, wobei jene stumpfe Ecke in eine Spitze umgewandelt wird. Bei dieser Art der Gleitung handelt es sich nicht um eine einfache Parallelverschiebung von Lamellen (wie z. B. beim Eis oder Antimonglanz), deren Betrag für jede Lamelle an sich unbeschränkt sein könnte, sondern die Sache verhält sich so, daß die der verschobenen Kante näher- liegenden Teile entsprechend mehr verschoben werden, während der Weg der einzelnen Teilchen abnimmt, je mehr wir uns der Ebene nähern, bis zu der die Verschiebung überhaupt vorgedrungen ist. Diese Ebene, die auf der Halbierungsebene des Kantenwinkels senkrecht steht und der Kante parallel läuft, nennt man die Gleit- fläche, sie steht senkrecht auf der Richtung größter Kohäsion. Die verschobene oder sozusagen in eine neue Lage umgesprungene Bartie ist in sich wieder einheitlich kristallinisch, sie gehört aber einem anderen Rhomboeder an als dem ursprünglichen, mit dem sie vielmehr einen Zwilling bildet. Die Gleitfläche stellt die Zwillingsfläche dar. Müser erreichte eine noch augenfälligere teilweise Umwand- lung eines Kalkspatrhomboeders in ein anderes dadurch, daß er Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 21 322 dasselbe so in einen Schraubstock spannte, daß zwei gegenüber- liegende Mittelecken von den Backen gefaßt wurden. Der bei der Gleitung in eine neue Stellung gelangende Teil hat bei dem Vorgang natürlich auch die Lage seiner optischen Achse gewechselt, so daß wir die Elemente der Zwillingsbildung an einem Schliff unter dem Polarisationsmikroskop leicht durch die selbständige Auslöschung erkennen können. Die Gleitung ist durch- aus nicht ausschließlich im Laboratorium zu Hause sondern spielt, auch unter den natürlichen Verhältnissen der Mineralien eine große Rolle. Unter dem Einfluß des Gebirgsdruckes tritt in Kalkspat- massen häufig Gleitung ein, und zwar oft an demselben Stück nach- einander in verschiedenen Richtungen, so dab das Bild einer Zwillingslamellierung zustande kommt. | Es will mir nun scheinen, daß die sehr an eine etwas un- . regelmäßige Zwillingslammellierung erinnernden Unregelmäßig- keiten der Auslöschung bei unseren Kalkspatskeletteilen auch auf Gleitung oder auf unregelmäßigere Störungen infolge der mechanischen Beanspruchung zurückzuführen ist. Wir müssen gegenüber diesem Gedanken, der sich mit der Erhaltung der Balkenstruktur schlecht zu vertragen scheint, stets im Auge be- halten, daß bei der Gleitung wenigstens im Inneren des gleitenden Stückes keine Diskontinuität auftreten kann, jeder Balken würde in die neue Stellung rücken, ohne zu brechen oder an Festigkeit einzubüßen. Ich bin allerdings der Meinung, daß die großen Partien von abweichender Auslöschung, die wir im Kiefer oder Gabelstück oder in einem Gelenkhöcker antreffen, nicht als ganze umgeglitten sind in der Größe, wie sie uns jetzt vorliegen. Schon die äußere Gestalt dieser Bezirke verträgt sich nicht mit dieser Annahme. Man findet allerdings zuweilen, dab die Balkenrichtung in den Partien von abweichender Auslöschung undeutlich ist gegenüber der normalen Struktur der benachbarten Partien, ein Verhalten, das man mit der Veränderung beim Umspringen in Zusammenhang bringen könnte. Man macht diese Beobachtung aber auch nur gelegentlich, soweit ich es bis jetzt beurteilen kann vorzugsweise an jüngeren Partien der abweichend auslöschenden Felder oder an Zonen, die überhaupt erst ziemlich kurz vor dem Tode des Tieres gewachsen und verändert worden sind. In den größeren Teilen der abweichend auslöschenden Partien aber pflegt auch die Balken- einrichtung ganz normal zu sein. Ähnliches gilt von den Wachs- tumslinien. Man bekommt erst ein richtiges Bild von dem Zu- standekommen der Störungen, wenn man bedenkt, dab sie das 323 Produkt des Zusammenwirkens von Gleitung bezw. Störung und Wachstum sind. Wahrscheinlich sind die tatsächlich vorkommenden Gleitungen an den jungen Stachelhöckern, in Gelenken oder bei scherend beanspruchten Suturen von recht geringer Ausdehnung; die Störungen entstehen offenbar sogar schon während der Ablagerung des Kalkspates besonders leicht, wenn sie aber einmal da sind, so wächst der Kalkspat an ihren Grenzen mit der veränderten Achsen- lage weiter und macht die anfänglich vielleicht sehr geringe Störung groß und auffallend. An den veränderten Partien können nun, ebenso wie an den alten, neue kleine Partien durch Gleitung ausgelenkt werden und wiederum durch Wachstum eine mehr oder weniger große Ausdehnung gewinnen, so daß auf diese Weise tatsächlich die vorliegenden Verhältnisse zustande kommen können. 3. Über die Orientierung der optischen Achse zu der Kon- figuration des Skeletteils oder zu bestimmten Richtungen des Körpers. Man hat mehrfach versucht, bei den Kalkspatnadeln der Schwämme Beziehungen zwischen der Form und der Lage der optischen Achse nachzuweisen; nach einigen Autoren liegt auch etwas Derartiges vor, die Angaben in der Literatur sind oft recht unbestimmt und unklar, und schließlich kommen Maas u. a. zu der Überzeugung, daß eine bestimmte Beziehung zwischen der Richtung der Achse und den Spiculastrahlen niemals nach- gewiesen werden konnte. Ich persönlich habe diese Frage zu- nächst an Holothurienspicula untersucht, wo meine Versuche jedoch zunächst auch ergebnislos blieben. Das lag jedoch wohl daran, daß ich mit Spiculaformen operiert hatte, die sich unter dem Deckglas gar nicht orientieren ließen, so daß ein exaktes Re- sultat kaum erwartet werden konnte. Als ich jedoch die Rädchen von Myriotrochus zur Untersuchung heranzog, die sich immer flach hinlegen, so daß ihre körperliche Achse auf dem Objektträger senkrecht steht, fand ich sofort, daß auch die optische Achse fast ganz genau diese Richtung einhält. Dieser Fund veranlaßte mich, ‘das Problem auf größerer Basis in Angriff zu nehmen und auch die größeren Skelettstücke der Echinodermen daraufhin zu prüfen. Das Ergebnis war ein durchaus positives. Das ist leicht festzu- stellen für einige Skelettstücke der Crinoiden, z. B. die Stielglieder oder Armglieder, für die sich die naheliegende Annahme bestätigt, daß hier die optische Achse mit der Längsrichtung des Stiels oder der Arme zusammenfallt. In der Tat finden sich darüber auch in 21* 324 der Literatur, zumal der paläontologischen, einige Angaben. Auch bei den Stacheln pflegt die Längsrichtung mit der optischen Achse zusammenzufallen, so daß man bei quergeschliffenen Stacheln von Seeigeln oder Seesternen sehr leicht das Achsenbild eines optisch einachsigen Kristalls erhalten kann. Für die meisten anderen Skelettstiicke von weniger aus- gesprochen einseitiger Ausbildung ist es aber schwer, von vorn- herein eine aussichtsreiche Vermutung über die Lage der optischen Achse zu bekommen, so daß man gezwungen war, aufs Geratewohl Schliffe anzufertigen. Es wird uns danach kaum wundernehmen, daß die allgemeine Gesetzmäßigkeit der bestimmten Achsenlage verborgen bleiben mußte, zumal selbst die Einheitlichkeit der Achsen- lage meist unbeachtet geblieben war. In der Tat gelang es auch mir und meinem Mitarbeiter E. Mrrker erst die allgemeine Gültigkeit einer Beziehung von Achsenlage und Konfiguration festzustellen, nachdem ich eine neue Methode gefunden hatte, die gestattete, die Lage der optischen Achse schon an den ungeschliffenen Skelett- stücken zu finden. Wir tauchten die von der organischen Substanz (durch Behandlung mit Eau de Javelle) befreiten Skelettstücke in eine Flüssigkeit vom kleinsten Brechungsindex der extraordinären Strahlen, dann wird (wie in meiner Mitteilung über die Herstellung von Polarisatoren näher auseinandergesetzt ist) das Skelettstück durchsichtig in allen auf der optischen Achse senkrecht stehenden Richtungen. Man braucht also ein Skelettstück in jener Flüssigkeit nur so lange hin- und herzuwenden, bis es durchsichtig erscheint, um gleich zu wissen, daß die optische Achse senkrecht zu dieser Richtung liegen muß. Durch zwei Durchsichtigkeitsrichtungen ist die Lage der Achse schon bestimmt. Nachträglich wurde dann senkrecht zu der so gefundenen Achse ein Schliff gelegt, um durch die Beobachtung des Achsenbildes die Achsenlage zu bestätigen. Die Untersuchung ergab, wie bereits erwähnt, daß bei allen Skeletteilen eine feste Beziehung zwischen der Richtung der optischen Achse und der Konfiguration des Stückes oder seiner Orientierung besteht. Diese Beziehung kann naturgemäß keine absolut exakte sein, weil sich die Konfiguration des Skeletteils durch nachträgliches Wachstum verändert, während die Lage der optischen Achse von vornherein festliegt. Im übrigen aber ist die Regel allgemeingültig. Diese eigentümliche Gesetzmäßigkeit hat auch eine allgemein biologisch interessante Seite. Die Lage der optischen Achse liegt ‚schon in dem ersten abgelagerten Kalkspatelement eines Skeletteils 325 fest, so daß schon dieses erste Teilchen in dem Plasma, in dem es entsteht, zu den Richtungen des Körpers richtig eingestellt werden muß. Es ist beinahe, als ob das skeletogene Plasma die Gestalt des ersten Kristallteilchens und die Richtung der optischen Achse wahrnehmen könnte, und nach diesen Reizen die Orientierung des Kristallkeimes vornähme. Sicher ist, daß eine solche Orientierung stattfinden muß. Im anorganischen sind mehrere Beispiele dafür bekannt, wie bei Kristallisation unter räumlicher Beschränkung oder in einer kolloidalen einseitig gespannten Matrix bestimmte Orientierungen von entstehenden Kristallen auftreten. Es ist möglich, daß etwas Ähnliches auch den Grund für die Orientierung in unserem Falle abgibt, obwohl wir zurzeit nichts vom Vorhanden- sein der notwendigen Bedingungen derartig beeinflußter Kristalli- sation wissen. Auch wäre es, abgesehen von einigen auffallend einfachen Fällen, wie in Stiel und Armen der Crinoiden oder in Stacheln, verwunderlich, daß jene anzunehmenden Spannungen immer in genau derselben Weise aufträten. 4. Über die Benutzung der Verschiedenheiten derAchsenlage zur morphologischen Analyse des Echinodermenskeletts. Da die Lage der optischen Achse in einem Skelettstiick nach unseren Feststellungen in bestimmter Weise festgelegt ist, so Kann sie zur zoologischen Charakterisierung der einzelnen Teile heran- gezogen werden. Verschiedenheiten in dieser Richtung können vielleicht sogar. unter Umständen eine systematische Bedeutung erlangen, so ist es z. B. von Interesse, daß die optische Achse in den Schalenplatten der irregulären Seeigel immer senkrecht zur Schalenoberfiäche steht, während sie bei den regulären in der Ebene derselben liegt. Für die Beurteilung des morphologischen Charakters eines Skelettstückes kann die Beachtung der Achsenlage gleichfalls von ‚Bedeutung werden. So ist es z. B. von großem Interesse, dab die optische Achse in allen Hauptskelettstücken des Ophiuridenarmes (Wirbeln, Seitenplatten und Dorsalschilder) bei natürlicher Lage des Tieres senkrecht steht, während sie in den Bauchschildern völlig davon abweicht, nämlich ungefähr mit der Längsrichtung des Armes zu- sammenfällt (Fig. 8). Streng genommen liegt die Achse parallel zur Längsrichtung der Bauchplatte selbst, also genau so wie in den be- nachbarten Stacheln und Tentakelschuppen. Diese Tatsache hat mich auf den Gedanken gebracht, daß die Bauchschilder der Ophiuriden- arme gar nicht in der Weise mit den Lateral- und Dorsalschildern 326 der Arme zusammengeworfen werden dürfen, wie das nach der heutigen Auffassung geschieht. Vielmehr muß die Bauchplatte zu den Stacheln in Parallele gesetzt werden, sie gehört zu dem Epi- skelett, nicht zu dem Hauptskelett. Ich werde diese Frage an anderer Stelle ausführlicher besprechen und auch die morphologischen Gründe erörtern, die sich dafür anführen lassen. Von noch größerer Bedeutung als in Fällen nach Art der skizzierten wird die Beachtung der Achsenlage bei der Analyse von Verwachsungen. Die Hartnäckigkeit, mit der die einmal festgelegte Figur 8. Querschliff durch einen Arm von Ophioderma lacertosa, halbschematisch. w = Wirbel, d=Dorsalschild, =Lateralschild, db = Bauchschild, s= quergetroffene Stacheln. Die Lage der optischen Achse ist durch die Richtung der Schraffierung angegeben, sie stimmt im Wirbel, den Dorsal- und Seitenplatten ungefähr überein. Um die Unvollkommenheit der Übereinstimmung der Achsenlagen in den Wirbelhälsen anzudeuten, ist die Schraffierung etwas verschieden gelegt. Total abweichend ist die Lage der Achse in der Bauchplatte; sie steht auf der Zeichenebene senkrecht genau wie in den benachbarten Stacheln, denen sie als verwandtes morphologisches Gebilde beigesellt werden sollte. Achsenlage beibehalten wird, ändert sich nämlich auch nicht, wenn zwei Skeletteile schon frühzeitig verwachsen. Die Lage der Achsen bleibt in den Konstituenten zeitlebens verschieden, so innig die Verwachsung sich auch sonst gestalten mag, sie bietet uns daher ein Mittel, um die doppelte oder mehrfache Anlage aus getrennten Elementen an der Verschiedenheit der Auslöschung zu erkennen. Selbst Skelettelemente, deren optische Achse, wie z. B. bei den Brachi- alia eines Crinoidenarmes, an sich ungefähr gleich, nämlich in Richtung der Armachse, eingestellt sind, pflegen sich doch immer durch eine Kleinigkeit in der Achsenlage zu unterscheiden, so daß z. B. die fest- 327 verbundenen Sycygialglieder an Schliffen unter dem Polarisations- mikroskop ohne weiteres ihre Selbständigkeit zu erkennen geben. Verwachsene und äußerlich total vereinheitlichte Skelettstücke tragen doch immer in der optischen Uneinheitlichkeit ein untrügliches Dokument ihres Ursprunges in sich, der sich unter dem Polarisations- mikroskop sofort in Verschiedenheit der Auslöschung aufs deutlichste verrät. Ich habe eine ganze Reihe von verwachsenen Skelettstücken nach dieser Methode geprüft und immer ein oft überraschend deut- liches Resultat erhalten. Wir brauchen, um die Doppelnatur der Ophiuridenwirbel zu zeigen, nicht mehr frühe entwicklungsgeschicht- liche Stadien heranzuziehen, ein Querschliff oder Frontalschliff durch den Arm zeigt uns unter dem Polarisationsmikroskop die Selb- ständigkeit der Wirbelhälften mit einer Deutlichkeit, die an Über- zeugungskraft nicht übertroffen werden kann. Da ich in einer (inzwischen erschienenen) besonderen Arbeit an mehreren Beispielen die Brauchbarkeit der damit gegebenen neuen Methode bereits aus- führlich dargetan habe, so will ich hier nicht weiter darauf eingehen. Ich glaube hoffen zu dürfen, daß noch zahlreiche morphologische Probleme durch die neue Methode wirksame Förderung erfahren werden. Herr Prof. Spexeen (Gießen): Über die Entwicklung des Schildkrötenpanzers. (Manuskript nicht eingegangen). Statuten der Deutschen Zoologischen Gesellschaft mit den Beschlüssen der Versammlungen vom 9. April 1894, vom 29. Mai 1896, vom 10. Juni 1897, vom 11. August 1901, vom 2. Juni 1909 und vom 15. Mai 1913. Bub Die „Deutsche Zoologische Gesellschaft“ ist eine Ver- einigung auf dem Gebiete der Zoologie tätiger Forscher, welche den Zweck verfolgt, die zoologische Wissenschaft zu fördern, die gemein- samen Interessen zu wahren und die persönlichen Beziehungen der Mitglieder zu pflegen. § 2. Diesen Zweck sucht sie zu erreichen a) durch jährlich einmal stattfindende Versammlungen zur Ab- haltung von Vorträgen und Demonstrationen, zur Erstattung von Referaten und zur Besprechung und Feststellung ge- meinsam in Angriff zu nehmender Aufgaben: b) durch Veröffentlichung von Berichten und anderen, in ihrem Umfange vom Stande der Mittel der Gesellschaft abhängigen gemeinsamen Arbeiten. Se Die Mitglieder der Gesellschaft sind ordentliche und außer- ordentliche. | Ä Ordentliches Mitglied kann jeder werden, der als Forscher in irgendeinem Zweige der Zoologie hervorgetreten ist. Außerordentliches Mitglied kann jeder Freund der Zoolo- gie und der Bestrebungen der Gesellschaft werden, auch wenn er sich nicht als Forscher betätigt hat. Die außerordentlichen Mit- glieder haben in allen Angelegenheiten der Gesellschaft nur be- ratende Stimme. § 4, Anmeldungen zur Mitgliedschaft nimmt der Schriftführer entgegen. Von der erfolgten Aufnahme durch den Vorstand macht er 329 dem Betreffenden Mitteilung. Der Vorstand entscheidet in zweifel- haften Fällen, ob die Bedingungen zur Aufnahme erfüllt sind. 8 5. Jedes Mitglied zahlt zu Anfang des Geschäftsjahres, welches mit dem 1. Januar beginnt und mit dem 31. Dezember endet, einen Jahresbeitrag von fünfzehn bzw. fünf Mark (s. § 12 Abs. 3) an die Kasse der Gesellschaft '). Die Jahresbeiträge können durch eine einmalige Bezahlung von mindestens zweihundert Mark abgelöst werden. Wer im Laufe eines Geschäftsjahres eintritt, zahlt den vollen Jahresbeitrag. Mitglieder, welche der Gesellschaft mindestens 10 Jahre angehört und während dieser Zeit jährlich einen Beitrag von 15 Mark (bzw. 10 Mark nach der alten Bestimmung) entrichtet haben, können für die Zukunft ihre Beiträge durch eine einmalige Zahlung von mindestens einhundert Mark ablösen. § 6. Der Austritt aus der Gesellschaft erfolgt auf Erklärung an den Schriftführer oder durch Verweigerung der Beitragszahlung. Sak Die Geschifte der Gesellschaft werden von einem Vorstande versehen. Derselbe besteht aus: 1. einem Vorsitzenden, welcher in den Versammlungen den Vorsitz führt und die Oberleitung der Geschäfte hat, 2. drei stellvertretenden Vorsitzenden, welche in schwierigen und zweifelhaften Fällen der Geschäftsführung gemeinsam mit den beiden anderen Vorstandsmitgliedern durch einfache Stimmenmehrheit entscheiden, 3. einem Schriftführer, welcher die laufenden Geschäfte besorgt und die Kasse der Gesellschaft führt; er wird nach Ermessen des Vorstandes honoriert. 58; Die Amtsdauer des Vorstandes erstreckt sich auf zwei Kalenderjahre. Während ihrer Amtszeit ausscheidende Vorstandsmitglieder werden vom Vorstande auf die Restzeit der Amtsdauer durch Zu- wahl ersetzt. ") Zu zahlen an die Filiale der Mitteldeutschen Kreditbank in Gießen, Hessen. 330 89. Der Schriftführer ist unbeschränkt wieder wählbar. Der Vor- sitzende kann nach Ablauf seiner Amtszeit während der nächsten zwei Wahlperioden nicht wieder Vorsitzender sein. 8 10. Die Wahl des Vorstandes geschieht durch Zettelabstimmung der ordentlichen Mitglieder. Die Aufforderung dazu, sowie der Vor- schlag des Vorstandes für das Amt des Schriftführers, haben recht- zeitig durch den Vorstand zu erfolgen. Die Wahl geschieht in der Weise, daß jedes Mitglied bis zum 31. Dezember seinen Wahlzettel an den Vorsitzenden einsendet. Zettel, welche nach dem 31. Dezember eingehen, sind ungültig. Der Wahlzettel muß enthalten: 1. einen Namen für das Amt des Vor- sitzenden, 2. drei Namen für die Ämter seiner drei Stellvertreter, 3. einen Namen für das Amt des Schriftführers. Diejenigen Mit- glieder, auf welche die meisten Stimmen fielen, sind zum ersten bzw. zweiten und dritten stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Bei Stimmengleichheit für zwei oder mehrere der @ewählten ent- scheidet über deren Reihenfolge das Los. Lehnen einer oder mehrere der Gewählten die Annahme der Wahl ab, so ist sofort für die Stelle der Ablehnenden eine Ersatz- wahl anzuordnen, die innerhalb 6 Wochen vorzunehmen ist. Das Wahlergebnis stellt der Vorsitzende in Gegenwart eines oder mehrerer Mitglieder der Gesellschaft fest; es wird unter An- gabe der Stimmenzahlen im Vereinsorgan bekanntgemacht. § 11. Der neugewählte Vorstand übernimmt die Leitung der Geschäfte, sobald seine Wahl entsprechend den Vorschriften des § 10 vollzogen ist. Bis dahin bleibt der frühere Vorstand im Amt. § 12. Die Jahresversammlung beschließt über Ort und Zeit der nächstjährigen Versammlung. In Ausnahmefällen, wenn unüberwind- liche Hindernisse das Stattfinden der Versammlung an dem von der vorjährigen Versammlung beschlossenen Orte oder zu der von ihr fest- gesetzten Zeit unmöglich machen, kann der Vorstand beide bestimmen. Die Vorbereitung der Versammlungen und die Einladung dazu besorgt der Vorstand. Er bestimmt auch die Dauer der Ver- sammlungen. 331 Über jede Versammlung wird ein Bericht veröffentlicht. Von diesem erhält jedes Mitglied, welches einen Jahresbeitrag von 15 Mark entrichtet oder gemäß § 5 Abs. 3 die Jahresbeiträge durch eine ein- malige Zahlung abgelöst hat, ein Exemplar unentgeltlich. § 13. Die Jahresbeiträge dienen zunächst zur Bestreitung der Un- kosten, welche aus den in den vorhergehenden Paragraphen auf- geführten Geschäften erwachsen. Das übrige wird auf Antrag des Vorstandes und nach Beschluß der Jahresversammlung im Sinne des § 2, unter b, verwendet. § 14. Der Rechnungsabschluß des Geschäftsjahres wird von dem Schriftführer der Jahresversammlung vorgelegt, welche auf Grund der Prüfung der Rechnung durch zwei von ihr ernannte Revisoren Beschluß faßt. | § 15. Als Organ für alle geschäftlichen Veröffentlichungen der Ge- sellschaft dient der „Zoologische Anzeiger“. 8 16. Anträge auf Abänderung der Statuten müssen mindestens zwei Monate vor der Jahresversammlung eingebracht und spätestens einen Monat vor der Jahresversammlung den Mitgliedern besonders bekanntgemacht werden. Zur Annahme solcher Anträge ist ?/,-Ma- jorität der Anwesenden erforderlich. : SET. Wird ein Antrag auf Auflésung der Gesellschaft gestellt, so ist er vom Vorsitzenden zur schriftlichen Abstimmung zu bringen. Die Auflösung ist beschlossen, wenn °/, aller Mitglieder dafür stimmen. Die darauf folgende letzte Jahresversammlung entscheidet über die Verwendung des Gesellschaftsvermögens. Verzeichnis der Mitglieder 1913/14). : * — lebenslängliches Mitglied. Die hinter dem Namen stehenden Zahlen bedeuten das Jahr des Eintritts. (Etwaige Fehlersowie Änderungen von Adressen sind dem Schriftführer mitzuteilen.) A. Ehrenmitglieder. 1. Weismann, Professor Dr. A., Wirkl. Geh. Rat, Hxzell. (1890) 77, =. eee Freiburg i. Br. 2. Haeckel, Professor Dr. E., Wirkl. Geh. Rat, Eixzell, (1994) a 2 en rn u... “Jens: B. Ordentliche Mitglieder. 1. *Adveedes, Dr, 13ER Ro Marburg (Bez. Cassel), Zoolog. Institut. 2. *v. Apathy, Professor Dr. St. (1890) . . . Kolozsvar (Klausenburg), Ungarn. 3. Apstein, Professor Dr. C. (1897) . . : . . Berlin N. 4, Zoolog. Institut, Invalidenstr. 43. 4, *Armbruster, Dr: 12 @9]3) acs 20 ea Freiburg i. Br.,Zoolog. Institut, 5. Assmuth, P. Jos., S.J. St. Xaviers College (1909) Bombay, Indien. 6.‘ Auerbach, ‚Professor Dr. (1911) 2 7 TE Karlsruhe, Großh. Museum. 7. Augener, Dr. Hermann (1906) .. .. .: Hamburg, Bürgerweide 40. 8. Balss, Dr. H., Assistent am Zool. Museum (1909) München, Alte Akademie, Neu- | hauserstr. 9. Baltzer, Dr. F., Privatdozent (1908) . . . . Würzburg, Zoolog. Institut. 10. *Barthels, DER BI een Königswinter a. Rh., Hauptstr. 11. Becher, Dr. S., Privatdozent (1912) . . . . Gießen, Zoolog. Institut. 12. van Bemmelen, ‚Prof Dr,{1912)7 52. 27 Groningen, Holland, Zoolog. Institut. 13:- * Bergmann, Dr. W108) 2 oe Geren Wiesbaden, LanzstraBe, Villa Glückauf. : 14. Berndt, Dr. Wilh., Abteilungsvorsteher am Zoolog. Institut (1906) ....... Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 15. Blane, Prof. Dr 2.1931) 27747537 ee Lausanne, Schweiz. 16. *Blanchard, Professor Dr. Raphael (1893) . Paris, 226 Boulev. St.-Germain, Frankreich. 17. *Blochmann, Professor Dr. Fr. (1891) . . . Tübingen. 18. *Böhmig, Professor Dr. L.. (1881) : » . ! * Graz, Morellenfeldg. 33, Steier- mark. | 19. Borer, Dr’, 71308) 2,292 Genen St. Julien bei Metz. 20. *Borgert, Professor Dr. A. (1896) . ... . Bonn, Kaufmannstr. 45. 21. *Boveri, Geh. Hofrat Professor Dr. Th. (1891) Würzburg. 1) Abgeschlossen am 1. Juli 1914. Nee ee 29. 23. 4. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. ‚53. 54. 55. 333 *Brandes, Professor Dr. G., Direktor des Zoolog. Gartens (1891) ....... *Brandt, Geh. Regierungsrat Professor Dr. K. a eae eee ee TE *Brauer, Professor Dr. Aug., Direktor des Zoologischen Museums (1891) . . . . Braun, Geh. Regierungsrat Professor Dr. M. ERS ee eher. ı Preeti Or Witz 1913) 25 u. *Bresslau, Professor Dr. Ernst (1902) ZBraet -br0o8. Dr. Ti (1899). acer ts Wi Beuun: Prof: Dr. Mi. (1899). 22.5... Buchner, Dr. P., Privatdozent (1911) *Bütschli, Geh. Hofrat Professor Dr. O. (1890) *y, Buttel-Reepen, Professor Dr. H. (1902) . Cohn, Dr. ludwig (113) -»-: 2: . 50% Collin, Professor. Dr. Anton (1890) *Cori, Professor Dr. ©. J., Zoolog. Station (1891) Hank, Professor; Dr. Fr: (1882) . ... .-. . *y, Dalla Torre, Professor Dr. K. W. (1890) amply. B.S IB) 2.20: % Daudt, Dr. Wilhelm, Oberlehrer (1901) Deegener, Professor Dr. P. (1902) Imst Dei Proressot os 2G 5 a Berne, Dr>X1012) 2.20. 2.0... *Döderlein, Professor Dr. L. (1890) . . . . *Doflein, Professor Dr. Franz (1898)... . Dohrn, Professor Dr. Reinhard (1907) . . . "Dreyer, De imdwia (1895) . ee ‘Diesel, Prof. Dr. Hans (18%) . ::... - Basekor 330, BB) Pte Deneker, Dr. HE; Oberlehrer 1912). . - - Dürken, Dr. B., Privatdozent (1914)... . *Eckstein, Professor Dr. K. (1890) Ehlers, Geh. Regierungsrat Professor Dr. E. NER Re or Ehrmann, P., Seminaroberlehrer (1912). . . deste, Prdesor Dr. (189 cs. Entz, Dr., Géza jr., Privatdozent (1912) . . Dresden. Kiel, Düppelstr. 3. Berlin N. 4, Invalidenstr, 43 Königsberg i. Pr., Zoolog. Mu- seum. München, Zoolog. Institut, Alte Akademie. Straßburg i. E., Zoolog. Institut. Halle a. S., Zool. Institut. Hamburg, Naturhist. Museum. München, Zoolog. Institut Alte Akademie. Heidelberg. Oldenburg, Gr, Bremen, Städtisches Museum Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Museum für Naturkunde. Triest, Passeggio S. Andrea, Österreich. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zool. Museum. Innsbruck,Claudiastr. 611, Tirol. . Daressalam, Kais. Gouvernem., Deustsch-Ostafrika. Mainz, Bingerstr. 15. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Institut. Karlsruhe, Forstakademie. Leipzig-Schl., Schnorrstr. 12. Straßburg i. E., Illstaden 30. Freiburg i. Br., Zool. Instit. Neapel, Acquario, Italien. Wiesbaden, Schubertstr. 1. Heidelberg. Hamburg, Naturhistor. Museum. Bremen, Rheinstr. 6. Göttingen, Zoolog. Institut. Eberswalde bei Berlin. Göttingen. Leipzig-Gohlis, Eisenacher Straße 15. Neapel, Acquario, Italien. Budapest, ZoologischesInstitut, Ungarn. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. fie 72. 73. 74. 75. 76. Ti: 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. Erdmann, Dr; Bh. Ed, 4981 art Erhard, Dr. Hub., Privatdozent (1911) . . . Escherich, Dr. K., Professor (1899)... . * Field, Dr. Herbert EB (30a) za *Fleischmann, Professor Dr. A. (1903) . *F rang, Dr. Viktor (1073 2 nee Freund, Dr. Ludwig, Privatdozent u. Assistent am K. K. Tierärztlichen Institut der Deutschen Universität (1906) Friederichs, Dr. Karl, Zoologe und Phytologe beim Kais. Gouvern. (1907)... . . *Friese; Dr. HIST U HERE *Frisch, Dr. K. v., Privatdozent (1911) *Fritze, Prof. Dr. Ad., Abteilungsdirektor des Museums 11891. ERBE EE ee eee *Fullerton,- SCHIRI Fa *Gaupp; Professor Dr-B2 (1909).7...8.%: Gebhardt, Prof. Dr. F. A. M. W. (1912) Gerhardt, Prof. Dr. Ulrich (1905) . . .. . Gertip, Drr'Gustafx(1912) sr ET er Gilles; Dr. KE NIS ae er Glaue, Dr. Heinrich, Korvettenkapitän a. D., Oberfischmeister (1906) ....... *Goette, Professor Dr. A. (1890) ...... *Goldschmidt, Professor Dr. R. (1902)... Gonder, Dr Bis N DEF ar Ce *v. Graff, Hofrat Professor Dr. L. (1890) *Grobben, Professor Dr. C. (1890) *Gruber, Professor Dr. A. (1890) . . . : » Gruber, Dr. K., Privatdozent (1911). . . . Granberg, Dr’ Er1006) ir ra *de Guerne, Baron Jules (1893) ..... *Guenther, Prof. Dr. Konrad (1903) .. . *Häcker, Professor Dr. 'V; (89D) oes os Berlin- Wilmersdorf, Nassauische Str. 171. Miinster i. W., Zoologisches Institut. Karlsruhe, Forstakademie (vom 1.Okt. München, Universitat). Zürich-Neumünster, Schweiz Erlangen. Leipzig-Marienhohe, Daun- hoferstr. 27. Prag I, Taborgasse 48, Dee Apia, Samoa. Schwerin i. M., Kirchenstraße, Friesenhaus. München, Zoolog. Institut Alte Akademie. Hannover, Rumannstr. 13. Edinburgh, Fishery Board of Scotland, Schottland. Königsberg i. Pr., Anatomie. Halle a. S., Stephanstr. 11. Breslau, Zoolog. Institut. Königsberg i. Pr., Zoolog. Museum. Miinchen, Zoolog. Institut. Alea Akademie, z. Zt. Tsingtau, Kiautschou. Straßburg i. E., Spachallee. München, Alte Akademie. Frankfurt a. M., Speyerhaus. Graz, Attemsgasse 24, Steier- mark. Wien XVIII, 1, Sternwarte- straße 49, Österreich. Freiburg i. B., Stadtstr. 3. München, Zoologisches Institut, Alte Akademie. . Berlin N. 4, Zoolog. — q Invalidenstr. 43. Paris, rue de Tournon 6, Frankreich. . Freiburg i. Br., Lorettostr. 36. Hallea.S., ZoologischesInstitut. 335 85. Haempel, Dr. Oskar, Privatdozent, Assistent an der K. K. Landw. Chem. Versuchs- station Abt. für Fischerei (1908). . . Wien II, Trunner Straße 3, Österreich. 86. *Hagmann, Dr. Gottfried (1909) . . . . . Para, Nordbrasilien, Caixa postal 31. 87. *Hamburger, Dr. Clara Frl., Assistent am Zoolog. Institut. (1906) . » » . 1. % Heidelberg. 88 Dammer,-Dr.-Ernst.(1906)- . . 2.2 ; Berlin W. 15, Konstanzer . Straße 8111. Oy. Hanitzsens Dr. 7.1912) 2.2.03 ee 2% Leipzig, Zoologisches Institut, Talstr. 33. 90. v. Hanstein, Professor Dr. R. (1902) . . . Dahlem (Post Gr.-Lichter- felde, 3), Werderstr. 24. 91. Harms, Dr. W., Privatdozent (1908) . . . Marburg (Bez. Cassel), Zoolog. Institut. 92. Hartert, Dr. Ernst, Zoolog. Museum (1890) Tring, Herts., England. 93. *Hartlaub, Professor Dr. Cl. (1890). . . . Helgoland, K. Biolog. Anstalt. 94. *Hartmann, Professor Dr. M. (1902) . . . . Frohnau b. Berlin. 95. *Hartmeyer, Professor Dr. Robert (1899) . Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Museum. 96. Hase, Dr. A., Privatdozent (1912) . . . . Jena, Zoolog. Institut. 97. Hasse, Geh. Medizinalrat Professor Dr. C. SRN ROD ed ehr Breslau, Anatom. Institut. 98. *Hatschek, Professor Dr. B. (1891). . . . Wien, IL. Zoologisches Institut, Universität, Österreich. 99. *Heider, Professor Dr. K. (1892) . . . . Innsbruck, Falkstr. 14, Tirol. 100. v. Heider, Professor Dr. Arthur R. (1894) . Graz, Maiffredygasse 2, Steier- mark. 101. *Heincke, Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Fr., . x Direktor der K. Biolog. Anstalt (1891) Helgoland. 102. Heine, Ferdinand, Amtsrat (1906) . . . . Kloster Hadmersleben, Reg.- Bez. Magdeburg. 103. Heinroth, Dr. O., Kustos des Aquariums Be a lea. Berlin W. 62, Zoolog. Garten, Kurfürstendamm 9. 104. Heller, Professor Dr. C. (1891) ..... Innsbruck, Fischergasse 22, Tirol. ‘ 105. *Hempelmann, Dr. F., Privatdozent (1905) Leipzig, Zoolog. Institut. 106. *Henking, Professor D. H. (1890) . . . . Berlin-Gr.-Lichterfelde, Belle- vuestraße 13. 107. Hentschel, Dr. BE. (1912)... ... . . Hamburg 1, Naturhistorisches Museum. 108. Herbst, Professor Dr. ©. (1914) .... . . Heidelberg, Zoolog. Inst. Bool Tberold De WEEEH9T 2 is Greifswald, Wilhelmstr. 15b. 110. *Hertwig, Geh. Hofrat Professor Dr. R. es eu Er Rn ee Sr 8 München, Schackstr. 2. 111. Hess, Professor Dr.. W. (1890) ..... Hannover. 212, Hesse, Professor: Dr: R. (1898) - .-. . . . Bonn a. Rh., Zoolog. Instit. 113. 114. 115. 116. ig 118. 119. 120. 321: 122. 123. 124. 125. 126. 127. 128. 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139. 140. 141. 142. 143. 144. 145. 146. 336 v. Heyden, Professor Dr. L., Major a. D. (1890) *Heymons, Professor Dr. Richard (1892) *Hilgok, Dr. OA a hone ee Hilzhemier Dr. M 41006). „722. SS Hirsch, Dr. Erwin (1913) . . . ee *Hofer, Professor Dr. Bruno (1894)... . Hoffmann, Dr. K. R. (1908)... . *Hoffmann, Prof. Dr. R. W. (1899) *Holtzinger-Tenever, Hans (1913) Hoyle, William E., Direktor of the National Museum of Wales (1903) ...... Hüeber, Dr. Th., Generaloberarzt a. D. (1903) Hath; Dr. W139 227% Imhof, Dr. 9: Ein! (18997. 22 7329 Jacobi, Professor Dr. Arnold, Direktor des Kgl. Zoolog. Museums (1901) . . . . *Jaekel, Professor Dr. O. (1893) . ... . * Janet, Charles, Ingenieur des Arts et Manu- factures (1897) Janson, Prof. Dr. O. (1909) Japha, Dr. Arnold, Privatdozent (1907) Jollos, Dr. Victor (1911) a 16) a. Bi te Jordan, Prof. Dr. (IS) FH «an = Jordan. Dr. K., Zoolog. Museum (1901) Kafka, Privatdozent Dr. G. (1914) . . Kaiser, Professor Dr. Joh. (1891) Kathariner, Professor Dr. L. (1902) ; Kautzsch, Dr. G. Privatdozent (1910). . . v. Kemnitz, Dr. Privatdozent (1914) *y. Kennel, Professor Dr. J. (1891) *Klinkhardt, Dr. Werner (1907) .... . Kobelt, Professor Dr. W. (1890) ..... *v. Koch, Professor Dr. G. (1890) * Riehl: DG)” Sn on ne we *Köhler,' Dr. Aug: (1892) =, + 8% Köhler, Professor Dr. R. (1897) . . .. . Köhler, Dr (IN "IV Da Fr Bockenheim-Frankfurt a. M. Berlin N. 4, Invalidenstr. 43 Zoolog. Museum. Essen, Chausseestr. 12/14. Berlin C., Märkisches Museum. Jena, Zoolog. Institut. Miinchen, Veterinarstr. 6. Basel, St.-Alban-Anlage 27, Schweiz. ? Gottingen, Zoolog. Institut. Tenever bei Hemelingen (Bremen). Cardiff, England. Ulm, Heimstr. 7. Charlottenburg, Knesebeck- straße 20—21. Windisch- Aargau b. Brugg i. Schweiz. Dresden-Altstadt, Zwinger. Greifswald, Geolog. Institut. Beauvais-Oise, Villa des Roses, Frankreich. Coln a. Rh., Naturhistorisches Museum. Halle a. S., Zoolog. Institut. Berlin, Institut für Infektions- krankheiten, Föhrerstr. Utrecht, Universität. Holland. Tring, Herts., England. München, Wiedenmeyerstr. 5 1. Leipzig-Lindenau, Kanzler- straße 11 II. Freiburg, Schweiz. Kiel, Zoolog. Institut. Miinchen, Zoolog. Institut; Alte Akademie. . Jurjew (Dorpat), Rußland. Leipzig, Turnerstr. 22. Schwanheim a. M. . Darmstadt, Vietoriastr. 49. Stuttgart, Kriegsbergstr. 15. Jena, Löbdergraben 11. Lyon, 29 rue Guilloud, Frank- reich. München, Zoolog. Institut, Alte Akademie. 147. *Kolbe, Professor H. J. (UCT A Berlin N. 4, Invalidenstr, 43, Museum für Naturkunde. 148. *Kollmann, Professor Dr. J. (1890) . . . Basel, St. Johann 88, Schweiz. 149. *König, Professor Dr. A. (1890) ..... Bonn, Koblenzer Str, 164. 150. *Korschelt, Geh. Regierungsrat, Professor DESBSIEN) 0.02 Se - . - Marburg (Bez. Cassel). 151. Kraepelin, Professor Dr. C. (1897) . . . Hamburg, Lübecker Str. 29. 152. Krimmel, Dr. Otto, Professor am höheren Lehrerinnen-Seminar (1908) ..... Stuttgart, Neckarstr. 39 A. 153. Krüger, Dr. (1911)... . =. . » » « Berlin N.4, Landwirtsch. Hoch- schule, Zoolog. Institut. foe. unm brof:~Dr.A- (1908) . 2. Freiburg i. B., Reiterstr. 10. 155. Kükenthal, Geh. Regierungsrat, Professor a ale) ch cicero a it ale Le - . Breslau, Zoologisches Institut, SternstraBe. 156. Künkel, Carl, Schulkommissär (1900) . . . Mannheim, Karl-Ludwigstr.3u. 157. *v. Kiinssberg, Dr. Katharina Freifrau (1910) Heidelberg, Bergstr. 158. Kupelwieser, Privatdozent Dr. (1914) . . . München, Alte Akademie, Zoolog. Institut. foo Kntiner, Dr. Olea Bric (91) owe. Halle a. S., Zoolog. Institut. 160. Lameere, Professor Dr. Aug. (1896) . . . Brüssel, 10 Avenue du Haut Pont, Belgien. 161. Lampert, Oberstudienrat Dr. K. (1895) . . Stuttgart, Kgl. Naturalien- sammlung. fez: “lane, Professor Dr. A. (1890)... Ziirich LV OberstraB, Rigistr.50, Schweiz, 163. Langhoffer, Professor Dr. Aug. (1901) . . Zagreb (Kroatien), Österreich. 164. *Lauterborn, Professor Dr. R. i. Heidelberg CE SOO ab bk ay 0 oak bode eke rete) tog a soe se Ludwigshafen a. Rh. 165. Lehmann, Professor Dr. Otto, Museums- ee CL902) fos sz) g2 2 Dec. Altona. eee tiempo Dr. As (1903) wk 2 000 200: Breisach i. B. 167. v. Linden, Professor Dr. Maria Gräfin (1902) Bonn a. Rh., Quantiusstr. 13. 168. List, Professor Dr. Th., Landesmuseum und Technische Hochschule (1903) . . . . Darmstadt, Stiftstr. 29. 169. *Löhner, Dr. med. et phil. Privatdozent, ra EL NEE) 2 re eae a Graz, Physiolog. Institut der | Universität, Steiermark. 170. Lohmann, Professor Dr. H., Direktor des Naturh. Museums (1907) ...... Hamburg, Naturhist. Museum. 271. Loos, Professor Dr. ‘A; (1891)... . . Cairo, School of Medicine, Agypten. 172. dame, Protessor. Dr. My (1895)... 6. Königsberg i. Pr., Tragheimer Pulverstr 4a. 173. *Maas, Professor Dr. O. (1891) . .. . . München, Zoolog. Institut, Alte Akademie, 174, *Malsen, Dr. Hans Freiherr von, Direktor des Zoolog. Gartens (1906) .- . . . München, Tierpark Hellabrunn. Verh. d. Dtsch. Zool. Ges. 1914. 22 175. 176. 177. 178. 179. 189. 181. 182. 183. 184. 185. 186. 187. 188. 189. 190. 191. 192. 193. 194. 195. 196. 197. 198. 199. 200. 201. 202. Marous,- De. K. (II: RR tn Hamburg 22, Richardstr. 45. *y, Marenzeller, Dr. Emil (1890). .... Wien VIII, Tulpengasse 5, Österreich. Mark, Professor Dr. E. L. (1911) . . . . Cambridge, Mass. Harvard Univ. Zool. Labor., U, S. A. Martin, Dr. Paul, Professor der Tieranatomie an der Universität (1902) ...... Gießen. *Martini, Dr.E: (1806) „or 4, a teens Hamburg, Tropenhygienisches Institut. Matschie, Paul, Professor (1899) ..... Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Museum. *Matzdorff, Professor Dr. C., Direktor der V. Bealschule. (189.77. 2 7. ua Berlin NW. 5, Stephanstr. 2, *Meisenheimer, Professor Dr. Joh. (1897) . Jena, Zoolog. Institut, (vom 1. Okt. Leipzig, Zool. Instit.) *Merton, Dr. Hugo, Privatdozent (1907) . . Heidelberg, Zoolog. Institut. Metzger, Geh. Regierungsrat Professor Dr. A. ISIN ee nie, Hann.-Münden, Bismarckstr. 7. Meyer, Dr. Werner (1910)... .7: 2 #2 2% Hamburg 11, Hopfenmarkt 16. *Michaelsen, Professor Dr. W. (1897) . . Hamburg, Naturhist. Museum. Milani, Oberförster Dr. Alfons (1893). . . Eltville. Moser, Dr. F. Hoppe-, Frau (1911) . . . Berlin-Wilmersdorf, Kaiser- allee 222. *Mrazek, Professor Dr. Alois (1896), Zool. Inst. -0.-"Böhm; „Universitat: 22% Prag II, Karlov, Österreich. *Müller, Professor Dr. G. W. (1892) . . . Greifswald, Brinkstr. 3. Müller, Dr. Herb. Const., Assistent am Zool. Museum (19192. a ee nee Königsberg i. Pr., Zoologisches | Museum. Müller, Dr. K., Meereslaborat. (1912). . . Kiel, Karlstr. 42. Nachtsheim, ‚Dr.?7H. A913) 272 ae aes Freiburg i. Br., Zoolog. Inst. *Nalepa, Regierungsrat, Professor Dr.A. (1891) Baden b.Wien, Epsteingasse 3, Osterreich. *Neresheimer, Dr. Eugen, Abteilungsvorstand an der K. K. Landwirtschaftl. Chem. Versuchsstation (1903) . .-. . . . .- Wien H, Trunner Str. 3, Österreich. Neubauer, Dr. B.(WI12) 30 22 re Krosigk, Saalkreis. "Nieden, ; Dr. Fritz (1909) Sie 25 Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Museum. Nüßlin, Hofrat Professor Dr. O. (1895) . . Karlsruhe, Parkstr. 9. *Obst,. Dr., Pant (1904) > rar Soa eens Berlin W. 57, Winterfeldstr. 12. Odhaer, Prof. Dr. 8.1919 aes 2777472 Kristiania, Universität, Nor- wegen. *Oka, Professor Dr. Asajiro (1896) . . . . Tokyo, Japan, Koto Shihan- Gakko. *Ortmann, ‘Dr. Arnold ‘Hi: (1890) = 22 7% Pittsburg, Pa., Carnegie Mu- seum, Shenley Park, U.S.A. 203. *Pappenheim, Dr. P. (1906) ....... Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. Zoologisches Museum.. 204. *Penther, DE A. (1898) . 3 ER Wien I, k. k. Hofmuseum, Burgring 7, Österreich. 205. *Petersen, Mag. Wilh., Direktor der Petri- Realschule (1892) ..... . . . . Reval, Rußland. 206. *Petrunkewitsch, Dr. Alexander (1903). . New Haven, Connecticut, 266 Livingston Str., U.S. A. 207. *Pfeffer, Professor Dr. Georg (1893) . . . Hamburg, Naturh. Museum. 208. Piesbergen, Sanitätsrat Dr. med. F. (1908) Stuttgart, Schellingstr. 19. 200. Bine Prot. wes Eh. (1912) 2... ee Wien, 1. Zoolog. Inst. Univer- sität, Österreich. 210. *Plate, Professor Dr. L., Direktor des Zoolog. Ensatats (F690) 742.02 7 020 2..2. ~ . Jena. ah er Oho, #101) ee eam u. . . . Wien I, Ebendorferstr. 8 I. Österreich. 212. Popofsky, Dr. Oberlehrer (1912) . . . . . Magdeburg, Botticherstr. 36. Bie sete, Se.) ils. A117) Er . » Tübingen, Zoolog. Instit. 214. Priemel, Dr. Kurt, Direktor des Zoolog. Garvens (1909) Gren re. e . « Frankfurt a. M. 215. Prowazek, Dr. Stanislaus Edler v. Lanov (1903) Hamburg, Institut für Schiffs- u. Tropenkrankheiten. 216. Putter, Professor Dr, A. (1900) . ..... Bonn a.Rh., Physiolog. Institut. 217. Rauther, Dr. Max (1905) ...... .. . Neapel, Acquario, Italien. 218. Rawitz, Professor Dr. B. (1890) .. » . « Charlottenburg, Waitzstr. 7. 219. Reh, Professor Dr. L. (1902) - . . . . . Hamburg,Naturhistor. Museum. 220. Reibisch, Prof. Dr. J., Zoolog. Institut (1907) Kiel, Adolfstr. 59 1. 221. Reichenow, Dr. Eduard (1912) . . . .. z. Z. Ajoshöhe b. Akonolinga : Kamerun. 222. *Reichensperger, Dr. A., Privatdozent (1911) Bonn a. Rh., Zoolog. Institut. 223. *Rengel, Professor Dr. C. (1900) . . . . Berlin-Schöneberg, Stierstr. 19. 224. Reuß, Dr. Hans, Biologe am Hygienischen a BIO ie een Bremen. 225. *Rhumbler, Professor Dr. L. (1893) . . . Hann.-Münden, Forstakademie. 226. Roewer, Oberlehrer Dr. ©. Fr. (1913) . . Bremen, Am Weidedamm 5. 227. Rohde, Professor Dr. E. (1905) ..... Breslau, Zoolog. Institut. Et Le ee (USN) '. München, Alte Akademie, / Zoolog. Sammlung. 229. *v. Rothschild, Baron Dr. W. (1900) . .'. Tring, Herts., England. 230. *Roux, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Wilh. (1895) Halle a. S., Anat, Institut. 231. Sachse, Dr. R. (1912), Kgl. Bayr. Teichwirtsch. Vereuchertaton Gs sys a ce ke . . Wielenbach b. Weilheim, Ober- Bayern, 232. *Samter, Dr. M. (1900) . 2. 2.2... . . Berlin-Halensee, Friedrichs- ruher Str. 21. 233. satan, Reitz (18090)... . . sk ks Basel, , ; 234. *Sarasin, Dr. Paul a SE PL Pe ae Basel, | N eier 285. Schalow, Prof. TH) (1918), =. . !.» ws Berlin-Grunewald, Hohen- zollerndamm 50. a 236. 237. 238. 239. 240. 241. 242. 243. 244. 245. 246, 247. 248. 249. 250. 251. 252. 253. 254. 255. 256. 257. 258. 259. 260. 261. 262. 263. 264. 340 *Schaxel, Dr. Jul., Privatdozent und Assistent am Zoolog. Institut (1910) ..... Jena. *Schauinsland, Prof. Dr. H., Direktor (1890) Bremen, Humboldtstr. Bchellagle ey efit oe ke Re? ed Berlin-Gr.-Lichterfelde- West, Reichsgesundheitsamt. Schleip, Prof. Dr. Waldemar (1906) . . . Freiburg i. Br., Zoolog. Institut. Schmeil, Professor Dr. O. (1906) . . .. . Heidelberg, Schloß Wolfs- brunnenweg 29. *Schmidt, Privatdozent Dr. W. J. (1909) . Bonn a. Rh., Zoolog. Institut. *Schmiti, Pro& Dr, IT OQ)... ties ee Miinchen, Tierarztl. Hochsch., Veterinärstr. 6. *Schroder, Dr, Olaw (19060) 0 52). ae Heidelberg, Blumenthalstr. 26. Schuberg, Regierungsrat Professor Dr. A. (E890) ss; Se a oe a ees eee Berlin-Gr.-Lichterfelde- W est, | Knesebeckstr. 7. *Schubotz, Dr. H. (1913) . ... .. . „. Hamburg, Naturhistorisches Museum. *Schuckmann, Dr. W. v. (1909) . . . . . Berlin-Lichterfelde- W., Reichs- gesundheitsamt, Schultze Jena, Professor Dr. L. S. (1897) Marburg (Bez. Cassel). *Schulze, Geh. Regierungsrat Professor Dr. PH. 1800) ss En Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Institut. Schulze, Dr. P., Assistent am Zoolog. Institut Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Institut. Schwalbe, Professor Dr. G. (1890) . . . . Straßburg i, E., Schwarzwald- straße 39. Schwangart, Prof. Dr. E. 1905) I .7.°. Tharandt, Forstakademie. *Seitz, Professor: Dr." A; (G89) 2% Darmstadt, Bismarckstr. 59. *de Selys Longchamps, Dr. Mare (1911) . . Brüssel,61 Avenue Jean Linden, Belgien. *Semon, Professor Dr. R. (1893). . . . . München, Hohenzollernstr. 130. *Simroth, Professor Dr. H. (1890) . . . . Leipzig-Gautzsch, Kregelstr.12. Soldasak, He Wie) SUR AT . Berlin N. 4, Zoolog. Museum, Invalidenstr. 43. Spemann, Professor Dr. Hans (1900) . . . Rostock, Zoolog. Institut, (vom 1. Okt. Berlin-Dahlem). *Spengel, Geh. Hofrat Professor Dr. J. W. (1880) 5 Ts coe see SER GieBen. *Spuler, Professor Dr. A. (1892). ... . Erlangen, Heuwaagstr. *Steche, Dr. med. et phil., Privatdozent (1907) Leipzig, Zoolog. Institut. Stechöw, Dr. "Eb. 4910) Sr TE München, Zoolog. Sammlungen, Alte Akademie. Steier,: Dr. Kai -(1913 5 Ran nn Lübeck, Hüxtertor-Allee 23. *Steindachner, Hofrat Dr. Franz (1890). . Wien I, Burgring 7, k. k. Hof- museum, Österreich. Steinhaus, Dr. Otto, Assistent am Naturhist. Musonm ISBN HE Pcs aoe Hamburg, Naturhist. Museum, Steinthorwall. 341 265. Steinmann, Prof. Dr. Paul (1908) . . . . Aarau, Kantonschule, Schweiz. 266. Stellwaag, Dr. F., Privatdozent (1914) . . Erlangen, Zoolog. Institut. 267. *Stempell, Professor Dr. W. (1899) . . . Münster i. W. 258: Stendell> Dr. W.- (1914). oo zu... 0% Frankfurt a. M., Neurologisches Institut, Gartenstr. 225. 269. *Steuer, Professor Dr. Adolf, k. k. Zoolog. Institut der Universität (1906) . . . . Innsbruck, Tirol. 270. *Stiles, Prof. Dr. Charles Wardell (1894) . Washington, D. C., U. S. A. Public Health and Marine Hospital Service Hygienie Laboratory. 271. *Siitz, Herm., Lehrer (1900) .-- .- ...-..- Berlin NW., Essener Str. 4. 272. "zur Strassen, Professor Dr. O., Direktor des Senckenbergischen Museums (1895) . Frankfurt a. M., Senckenbergi- sches Museum, Victoria- allee 7. 273. *Strodtmann, Direktor Dr. S. (1897) . . . Wilhelmsburg a. Elbe. 274 Strobl: Des Hans (1909) 2 2.2.5 % Zürich, Zoolog. Institut, Schweiz. 275. Strubell, Professor Dr. Ad. (1891) . . . . Bonn, Niebuhrstr. 51. 216. Studer, Professor Dr. (111)... ... Bern, Zoologische Anstalt, Schweiz. 277. *v. Stummer-Traunfels, Prof. Dr. Rud. (1896) Graz, Zoolog. Institut, Steier- mark. 2782. sübbach, Dr. phil, (1805)... u 22% Breslau, Alexanderstr. 23. 279. Taschenberg, Professor Dr. O. (1890). . . Halle a. S., Zool. Institut. go Leiohmann,, Dr. EB. (1902) = =". u. es Frankfurt a. M., Steinlestr. 33. Got Thesinp Dr. Gurt (1906) © „+ 2... es Leipzig, Verlag Veit & Co. 282. *Thiele, Professor Dr. Joh. (1891) . . . . Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Museum. 283. *Thienemann, Privatdozent Dr. Aug. (1912) Miinster i. W., Landwirtschaft- liche Versuchsstation. 284. *Thorsch, Dr. Emil, Assistent am Anatom, ; Institut der Deutschen Universitat (1909) Prag, Österreich. 285. Tönniges, Prof. Dr. Carl, Assistent am Zoolog. Institut (1902) ....... Marburg (Bez. Cassel}. 286. Tornier, Professor Dr. G. (1905) ..... Berlin N. 4, Zoolog. Museum, . Invalidenstr. 43. zB Mass rose KU) ance aes oe Hannover, Lavesstr. 28 III. 288. *Vanhöffen, Professor Dr. E. (1897) . . . Berlin N. 4, Zoolog. Museum, ; Invalidenstr. 43. 289. *Vejdovsky, Professor Dr. F. (1900). . . . Prag, Zoolog. Instit. Böhm. Universität, Österreich. 290. Versluys, Professor Dr. J., Zoolog. Institut EE 2S i CS Be a a ur Gießen, Wilhelmstr, 41. 291. Voeltzkow, Prof. Dr. A. (1911) . . . . . Berlin W.30, Luitpoldstr. 3 IIT. 342 292. Vogel, Dr. Rich., Privatdozent (1914). . . Tübingen, Zool. Instit. 293. *Voipt, Professor ‘Dro "W. (1890,35 2. 5 Bonn, Maarflachweg 4. 294. Voß, Dr. Friedrich, Privatdozent, Assistent am Zoolog. Institut (1906) . 2... Göttingen. 295. v. Voß, Dr. H., Privatdozent (1911) . . . Straßburg i. E., Zoolog. Instit. 296. Vosseler, Professor Dr. J., Direktor des Zoologischen Gartens (1900) . . . . Hamburg, Zoolog. Garten. 297. Wagner, Dr. KH. (19%)... er art Riga (Rußland), Mühlenstr. 60. 298. *v. Wagner, Professor Dr. Fr. (1890) . . Graz, Steiermark, Zoologisches Institut. 299. *Wahl, Professor Dr. Bruno, k. k. Land- wirt.-bakteriol. Pflanzenstation (1900) Wien II, Trunnerstr. 1, Österreich. 300. *Wasmenn, Hy. BI. A89T):: ar Valkenburg (L.) Holland, Ignatius-Kolleg. 301. Weber, Dr. L., Sanitätsrat, Leitender Arzt am Krankenhaus vom Roten Kreuz (1904) Kassel. 302. *Weber, Professor Dr. Max (1890) . . . . Eerbeck, Holland. 303. *Weltner, Professor Dr. W. (1890). . . . Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, Zoolog. Museum. 304. Wenck, Prof. Wilhelm Oberlehrer (1906) . Düsseldorf-Grafenburg, Burg- müllerstr. 16. 305. Wilhelmi, Prof. Dr. J., wiss. Mitglied d. Kgl. Landesanstalt für Wasserhygiene (1906) Berlin-Dahlem. 306. Will; Professor Dr, ILS) Rostock. a07: 7 Winter, F.-De? (1901 55°. > 22 pay, Bee Frankfurt a. M., Lithogra- phische Kunstanstalt Werner und Winter. 308, Wolf, Dr. "open 11904) 27 5. <2 ee Süßen, Württemberg. 309. Wolff, Professor Dr. Max (1910) . . . . Eberswalde, Forstakademie. 310. *Woltereck, Professor Dr. Rich. (1897) . . Leipzig-Gautzsch, Weberstr. 311. *Wolterstorff, Dr. W., Kustos (1890) . . . Magdeburg, Domplatz 5. 312. Wilken, Dr: G.H43912), ate tat Er Heidelberg, Institut für Krebs- forschung. 313. *Wunderlich, Dr. Ludw., Direktor desZoolog. Gartens ABIT). Hs ee, Köln-Riehl. _ 314. Zacharias, Professor Dr. O. (1907) . . . . Plön-Holstein, Biologische Station. 315. Zander, Professor Dr. E. (1914) ..... Erlangen, Zoolog. Instit. 316. *Zarnik, Dr. Boris, Privatdozent (1909) . . Wiirzburg, Zoolog. Institut. 317. *Zelinka, Professor Dr. K. (1890) . . . . Czernowitz, Osterreich. 318. *Ziegler, Professor Dr. H. E. (1890) . . . Stuttgart, Techn. Hochschule. 319. *Zimmer, Prof. Dr. Carl, 2. Direktor (1902) Miinchen, Alte Akademie, Zoolog. Staatssammlung. 320. *Zschokke, Professor Dr. Fr. (1890) . . . Basel, Zool. Anstalt, Schweiz. 321. *Zugmayer, Professor Dr. Erich (1909) . . München, Alte Akademie, - Zoolog. Staatssammlung. 343 .C. Außerordentliche Mitglieder. 322. Junk, W., Verlagsbuchhändler (1913). . . Berlin W.15, Sächsische Str. 68 323. Nägele, Erwin, Verlagsbuchhändler (1904) Stuttgart, Johannesstr. 3. 324. Sproesser, Dr. Th., Verlagsbuchhändler (Schweizerbartsche Verlagsbuchhandl. BO) Sos, a, Gate eae « be Stuttgart. 325. Kgl. Universitätsbibliothek (1913) . . . . Göttingen. Inhaltsverzeichnis. Verzeichnis der anwesenden Mitglieder und Gäste . . aay Kurze Übersicht über den Verlauf der Versammlung.........-. Eröffnung der Versammlung und Begrüßungen ....... ‘imei te Geschäftsbericht des Schriftführers und Wahl der Revisoren Referat des Herrn Prof. Hartmann: Der Generationswechsel der Protisten und sein RE a mit dem Reduktions- und Befruchtungs- problem .„ =: u Bia 00 We Ses Goats” weh Ba A Bu Vortrag des Herrn Dr. v. Frisch: Versuche zum Nachweise des Farben- sinnes bei angeblich total farbenblinden Tieren ........ Vortrag des Herrn Dr. Voss: Experimentelle Untersuchungen über den Flügelschlag und den Flug der Insekten = ~~. 4 Su seus Vortrag des Herrn Prof. Guenther: Gedanken zur Deszendenztheorie . Vortrag des Herrn Prof. Plate: Übersicht über zoologische Studien auf Ceylon ‘Gurr Titel) meet ee PER bee Demonstration des Herrn Prof. Plate: Ceylonische Vögel N A Demonstration des Herrn Prof. Rhumbler: Trajektorien-Modell ; Wahl eines Delegierten für den Ausschuß für den mathematischen und naturwissenschaftlichen. Unterricht .2.., 0 „v2 „TE Wahl des nächsten Versammlungsortes 7% 5. I, RE „eure : Bericht des Herausgebers des „Tierreichs“, en Prof. FE, Schulze ‘ Vortrag des Herrn Dr. Schaxel: Reduktion und Wiederauffrischung . . Vortrag des Herrn Dr. Thienemann: Die Notwendigkeit der Begründung eines Instituts für die Hydrobiologie der Binnengewässer . . .. . Vortrag des Herrn Prof. Lohmann: Über die Appendicularien der Tief- Bee- Expedition „Er WE A are Vortrag des Herrn Prof. ea Die embryonalen Vorgänge bei Strepaipteren Km aa EN noe ete a ee Vortrag des Herrn Prof. Spemann: Über verzögerte Kernversorgung v von Keimtetlon .. an. tw rn Ee Lig ae te Sg ee ee Vortrag des Herrn Prof. Reibisch: Die Bodenfauna von Nord- und Ostsee Demonstration des Herrn Prof. Spemann: Präparate betr. Linsen- TCHönaration. oa Gea ee ee 5% ae ek lap re Demonstration des Herrn Prof. Hartmann: Kernteilungszenkren bei ver- schiedenen Protisten-Gruppen (nur Titel) . 2. 2... 2.0. . Demonstration des Herrn Dr. Kühn: eh pt von Amöben- teilungen (nur Titel) ..... Vortrag des Herrn Prof. Schleip: Die ‚Entwicklung zentrifugierter Clep- sine-Bier oe al. 3 EEE er We FE ae ee Eee Bericht der Rechnungsrevisoren . . ran. ae ete ee) 05 Vortrag des Herrn Dr. Stendell: Zur Kenninis der Mormyriden . . Demonstration des Herrn Prof. Woltereek: Erläuterung experimentell vi ver- änderter Daphnienrassen und einiger Formenreihen und Formextreme bei Gladoceren (nur: Titel). u. °c. 2.2. cece) ser, are Vortrag des Herrn Dr. Kühn: Versuche über die reflektorische Erhaltung des Gleichgewichts bei Krebsen ..........-> Vortrag des Herrn Prof. Steinmann: Untersuchuugen über die Rheotaxis der -#asche . viva obtener cae re eo ee Vortrag des Herrn Prof. Gerhardt: Über die Ösophaguspapillen von Iehthyocoecun ovalus «+ 00., =. a Soaks d : Vortrag des Herrn Dr. v. Kemnitz: "Untersuchungen über den Stoff- wechsel der Larven von Gastrophilus equi . € Vortrag des Herrn Dr. Becher: Uber statische Strukturen ind kirstall- optische Eigentümlichkeiten des Echinodermenskeletts . . . Vortrag des Herrn Prof. Spengel: Über die Entwicklung des Schildkröten- panzets. (nur Titel) us 3a ce te u A Statuten der Gesellsehaält : „. ... . wa 2 2.3, CM Beri CA. | 5. Mitgliederverzeichnis <<... "22:22 Ae sa oe ve eee xx: NAS SOS oaths Aer Ye AT x far 2 x ei a h ar! f ye ie ee ‘ WEY hop ata se + Erklärung der Figuren. Bildserien I—IIl: Die Flügelschläge auf der Doppelnadel fixierter Libellen (Agrion spec.) in 8 Aufnahmereihen. I. Frontalaufnahme, II. Profilaufnahme, III. Dorsalaufnahme, zur Erläuterung der angewandten Methode der Untersuchung fixierter Objekte in den drei Dimensionen des Raumes (vgl. Text S. 74). Die Bildreihen enthalten je eine volle Amplitude eines Flügelschlages. Die Berechnung der Frequenzen wird durch die schwingende Zeit- nadel (48 mal in der Sekunde) ermöglicht. Hierzu kommt als 4. Art des Aufnahmeverfahrens die Libelle im freien Fluge, wozu man BULL’s Aufnahme (l. ce. 1905 Tafel II) vergleiche. Die von mir aufgenommenen Freiabflugaufnahmen werden später veröffentlicht werden. Bildserie IV: Eristalis tenax (Syrphide) im freien Abfluge begriffen, als Beispiel für die 4. Art des Aufnahmeverfahrens des Fluges nicht fixierter Insekten. | Bildserie V: Dorsalaufnahme eines Käfers, Rhagonycha melanura (Telephoride), des Vertreters einer bisher noch nicht analysierten Insektenordnung. Die Fixierung geschah hier noch nicht mittels der empfohlenen, später durchweg angewandten Doppelnadel; das Tier zeigt eine etwas schräge Haltung. Tafel 1 Ä ai, DE ale gaa ya ST ae .r “ _ Mi Tite my Metin Bay! a Sd AST oa. er A ‘ 7 jr ) om, - - i Bi ee ü ‚ 1 N \ ‘ >. I s \ ei 5 i ( f ’ ” fi “ Y 4 t 4 ’ ! ‘ = & M' , +s 0 { bie : wh . 7 ‘y - . I te | b % i i r | ™ u ‘ ‘ ’ 4 } : }- . wr, > > 2 - i : Er „ A ’ f - EN YA u > 14 ° - r ö f 5) wi pr . ' m r - ® ‘ an rT J : nu, ‘ r & t { N ; N ’ ; A N . : ! , N ’, ‘ : : \ + f + j t y J \ 4 ' Pay? ‘ J fi . / A ur x . ’ f . x . . . , ‘ 37 j . 2 > . * i ; ; 4 = v > ’ 7 . i] \ 4 : 4 , Y # Pr ’ ‘ 1) a" ‚ . N i ” a ‘ . i . + d ‘ i ‘ - 4 4 . a : E » ' ‘ \ + z ‘ : « ı ” ’ ‘ ’ on . u i : d . % 4 - . . cand suche ee ee eS 2 . ur : 2 . ‘ rajehtorienntodell der automatischen pongtasa "Anordnung Heim durch Oberflächen - wachstuin. faonh Rhu etble I Nda Prccen cere Fetus Darıkandı. dist rotes eat itiden Fons alectric Traje\tyrsen suntem x DER fer Spengussa 2 Zugfnuektore De Drsscktrasentorıen i nacı der Asulspannung alu tung der hurcest nung Ser Kursen zum \erllerlagen He 1-6 ert mit Dix pe chnung Te +. u 7 Dr ae eel ae CZ ERNST MAYR LIBRARY 3 2044 118 635 648 Date Due an 1.7 1997 APR 24 1962 u TE AT i Ne u nn he en me nen