PNA PNA Library of tbe Museum OF COMPARATIVE ZOOLOGY, AT HARYARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. PFounded by pribate subscription, in 1861. _ VERHANDLUNGEN DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT IN BASEI.. FÜNFTER BAND. Be es EEE SORT TT BASEL. SCHWEIGHAUSERISCHE VERLAGS-BUCHHANDLUNG. 1873. “ART PE EN ET A EE LISA Chemie. Prof. C. F. ScHænBeIN. Mittheilungen. I. Ueber das Vorkommen des thätigen Sauerstoffes in organischen Materien. 3. II. Veber die Umwandelung der Nitrate in Nitrite durch Conferven und andere organische Gebilde. 15. III. Ueber einige chemische Eigenschaften der Pflanzensaamen. 22. IV. Ueber das empfindlichste Reagens auf das Wasserstoffsuperoxid. 28. V. Ueber das Ver- halten des Malzauszuges und der Blutkörperchen zu dem in den Camphenen, fetten Oelen u. s. w. enthaltenen beweglichen Sauerstoff. 34. VI. Ueber das Verhalten der Aldehyde zum gewöhnlichen Sauerstoff. 37. VII. Ueber das Verhalten einiger organischer Materien zum Ozon. 42. VIII. Ueber die Erzeug- nisse der langsamen Verbrennung des Aethers. 45. IX. Ueber eine eigenthüm- liche Bildungsweise der Ameisensäure. 54. X. Einige Angaben über das Was- serstoffsuperoxid. 56. (Letzte Arbeiten.) I. Ueber das Wasserstoffsuperoxid als Mittel, die fermentartige Beschaffenheit organischer Materien zu erkennen 169. II. Ueber den thätigen Zustand der Hälfte des in dem Kupferoxyd ent- haltenen Sauerstoffes und ein darauf beruhendes höchst empfindliches Reagens auf die Blausäure und die löslichen Cyanmetalle. 177. III. Ueber das Vorkom- men des Wasserstoffsuperoxydes in der Atmosphäre. 185. Prof. En. HaGEenBacH. Der Kohlensäuregehalt der Atmosphäre. 59. Dr. FRIEDRICH GOPPELSREDER. Ueber eine fluorescirende Substanz aus dem Kuba- holze (Fortsetzung) und über eine neue Methode der Analyse mit Hülfe der Fluo- rescenz. I. Darstellung des Morins und des Maclurins. 111. II. Verhalten einer Morinlösung. 114. III. Verhalten einer Maclurinlösung. 120. IV. Versuche über den Grad der Verdünnung einer Morinlösung, bei welchem noch durch Zu- satz von Thonerdesalzlösung die Fluorescenz zum Vorscheine kommt, und über die Anwendbarkeit der Thonerdesalze zur Nachweisung höchst geringer Spuren von Morin. 122. V. Versuche über den Grad der Verdünnung einer Thonerde- lösung, bei welchem noch durch Zusatz von Morinlösung die Fluorescenz zum Vorscheine kommt, und über die Anwendbarkeit des Morins zur Nachweisung höchst geringer Spuren von Thonerde. 127. Chemie des Melopsits. 134. Ver- schiedenartige Mittheilungen. I. Ueber Beschwerung der Seide. 137. IH. Zu- sammensetzung gepressten Torfes aus der Schweiz. 140. III. Gehalt einer gypsreichen Quelle auf dem Gute Dürenberg bei Langenbruck in Baselland. 141. IV. Ueber den wahren Gehalt einiger Geheimmittel. 142. V. Ueber das in Basel verkäufliche Arrow-Root. 143. VI. Ueber die Giftigkeit gefärbter Oblaten. 144. VII. Ueber die weisse Glasur eiserner Gefässe. 146. I. Ueber eine schnell aus- führbare und genaue Methode der Bestimmung der Salpetersäure, und über deren Menge in den verschiedenen Wasserquellen Basels. 462. II. Ueber die Chemie der atmosphärischen Niederschläge und besonders über deren Gehalt an Salpeter- säure. 485. III. Notiz für solche, welche sich der verbesserten Marx’schen Methode zur Bestimmung der Salpetersäure entweder schon bedient haben oder bedienen wollen. 501. KARL GRUENINGER. Das Chlor eine Sauerstoffverbindung. I. Berthollets acide muriatique oxygene. II. Das Chlorine Davys. III. Das Muriumsuperoxyd ein Ozonid. 273. Mathematik. Prof. HERMANN KINkeLIN. Der Caleulus Victorii 147. Neuer Beweis des Vorhandenseins komplexer Wurzeln in einer algebraischen Gleichung. 261, Die Berechnung des christlichen Osterfestes. 371. Prof. Frirz BURCKHARDT. Pitiscus thesaurus mathematicus. 159. Botanik. Dr. H. Curıst. Bemerkungen über die Viola-Arten des östlichen Genfer- see’s. 162. Prof. Dr. S. SCHWENDENER. Die Flechten als Parasiten der Algen. 527. Thesen über den mechanischen Aufbau der Gefässpflanzen, speciell der Monocotylen. 551. Mineralogie und Geologie. Prof. PETER Merran. Palaeontologische Notiz. 167. Geologische Mittheilungen. 388. Prof. Az. MUELLER. Ueber die Umgebungen des Crispalt. 194. Ueber einige ' erratische Blöcke im Kanton Basel. 247. Die Cornbrash-Schichten im Basler Jura. 392. Die Gesteine des Göschenen-, Gornern- und Maïenthales. 419. Ueber einige neue Erwerbungen der mineralogischen Sammlung des Museums. 591. Ueber Gesteinsmetamorphismus. 618. V. GizLtÉRON. Ueber die Kreidebildungen in den vorderen Alpenketten an beiden Seiten des Genfer See’s. 455. Physik. Prof. En. HagengacH. Notiz über die Luft im Wasser der Grellinger Lei- tung. 190. Ueber Polarisation und Farbe des von der Atmosphäre reflectierten Lichtes. 503. Formel für barometrische Höhenmessung. 513. Versuche über Fluorescenz. 570. Prof. Frırz BurckHarpT. Eine Relieferscheinung. 269. Ueber Farbenblindheit 558. Meteorologie. Prof. En. HAGENBACH. Bericht über einige Blitzschläge. 192. Ver- schiedene gesammelte Notizen. 521. Paläontologie. Prof. PETEr MErıan. Ueber einige Tertiär-Versteinerungen von Ther- wyler bei Basel. 252. Die Versteinerungen von St. Verena bei Solothurn. 255. Anatomie. Prof. W. Hıs. Ueber die Gliederung des Gehirns. 327, Ueber den Bau des Eies einiger Salmoniden, 457. Physiologie. Prof. J. J. Bıscuorr. Ueber Gewichtsveränderungen neugeborner Kinder. 584. Prof. Perer MERIAN. Erinnerung an Prof. Christian Friedrich Schönbein. 341, Prof. L. Rurtımeyer. Erinnerung an Dr. Ludwig Imhoff. 353. Geschenke an das naturhistorische Museum. 647. Verzeichniss der Mitglieder. 697. Verhandlungen der N aturforschenden Gesellschaft BASEL. Fünfter Theil. Erstes Heft. Basel. Schweighauserische Verlagsbuchhandlung, Sm # 1868. Ù « pe Br > dre = s Fa ex TERN eee ih # À ur RE 0 HE, Cas CHEMIE. a a ey Mittheilungen vom Juli 1867 bis Juli 1868 von C. F. Schoenbein. Annan T: Ueber das Vorkommen des thätigen Sauerstoffes in organischen Materien, Ich habe vor einiger Zeit zu zeigen versucht (man sehe die Verhandlungen der Basler naturf. Gesellschaft Bd. IV Seite 799), dass auch organische Materien oxi- dirende Agentien sein können und namentlich das durch (freies oder gebundenes) Ozon gebläuete Guajak, das Chinon und noch andere organische Substanzen Sauer- stoff enthalten, welcher auf eine Anzahl oxidirbarer Körper: Zink, schweflichte Säure, Eisenoxidulsalze, Bra- silin, Hämatoxylin, Pyrogallussäure u. s. w. sich über- führen lässt. Da nun das Vorkommen thätigen Sauerstoffs in or- ganischen Materien eine physiologische Wichtigkeit und namentlich zu der thierischen Respiration nahe Bezüge zu haben scheint, so dürfte die Angabe einiger diesen Gegenstand betreffenden Thatsachen für den physiolo- gischen Chemiker nicht ohne Interesse sein. 1* SE OU In einer vor mehreren Jahren von mir veröffentlichten Abhandlung „Ueber die katalytische Wirksamkeit or- ganischer Materien u. s. w.“ ist auf die beachtenswerthe Thatsache aufmerksam gemacht worden, dass durch die ganze Pflanzen- und Thierwelt Substanzen verbreitet sind mit dem Vermögen begabt, nach Art des Platins das Wasserstoffsuperoxid zu zerlegen und dass überdiess viele dieser Materien auch noch die Fähigkeit besitzen, dem unthätigen Sauerstoff eine ozonartige Wirksamkeit zu ertheilen d.h. ihn zu befähigen, mit Körpern sich zu verbinden, gegen welche derselbe in seinem gewöhn- lichen Zustande sich unthätig verhält. Da der gewöhnliche Sauerstoff keine Wirkung auf das in Weingeist gelöste Guajak hervorbringt, der 0z0- nisirte dagegen auch in seinem gebundenen Zustande (wie z.B. in PbO,, Mn, 0, u. s. w.) mit dem Harz eine tiefblaue Verbindung eingeht, so dient die Guajaktinctur als bequemes Mittel, den chemisch erregenden (ozoni- sirenden) Einfluss unorganischer und organischer Ma- terien auf den gewöhnlichen Sauerstoff augenfällig zu machen. In der vorhin erwähnten Abhandlung ist angegeben, dass die frischen Blätter, Stiele und Wurzeln von Leon- todon taraxacum u. s. w., bei Anwesenheit von atmo- sphärischer Luft mit Wasser zusammengestossen, eine die Guajaktinctur sofort tief bläuende Flüssigkeit liefern, zu welchem Versuche am besten die Blätter sich eignen, mit etwa der fünffachen Menge destillirten Wassers einige Minuten lang zusammengestampft. Da die vom Parenchym abfiltrirte licht gelb gefärbte Flüssigkeit die Guajaktinctur augenblicklich bis zur Undurchsichtigkeit tief zu bläuen vermag, so zeigt dieses Verhalten allein schon die Anwesenheit merklicher Mengen thätigen Sauer- stoffes im Wasser an, auf welche Anwesenheit aber auch EU noch aus folgenden Thatsachen geschlossen werden kann. Kleine Mengen schweflichter Säure, Eisenvitriollösung, Pyrogallussäure, Brasilin, Hämatoxylin und Anilin heben die Fähigkeit des besagten Wassers, die Guajaktinctur zu bläuen oder irgend eine andere Oxidationswirkung hervorzubringen, augenblicklich auf, selbstverständlich desshalb, weil die genannten Substanzen ihrer Ozon- gierigkeit halber der Flüssigkeit den darin enthaltenen beweglichen oder thätigen Sauerstoff sofort entziehen. Es geht diess deutlichst daraus hervor, dass die Ver- suchsflüssigkeit durch Pyrogallussäure sofort gebräunt, durch Hämatoxylin geröthet und durch Brasilin stark fluorescirend wird, lauter Wirkungen, welche meinen neulichen Mittheilungen gemäss auch durch die Super- oxide des Mangans, Bleies u. s. w., durch Chinon und andere Ozonide hervorgebracht werden. Wie diess bei der gebläueten Guajaktinetur, der wässrigen Chinonlösung und andern organischen Mate- rien, welche beweglich thätigen Sauerstoff enthalten, der Fall ist, so verschwindet auch der in dem mit Leontodon u. s. w. behandelten Wasser vorhandene thätige Sauer- stoff schon im Laufe weniger Stunden von selbst und zwar unter Bräunung der ursprünglich gelblichen Flüs- sigkeit, so dass Letztere dann die Guajaktinctur nicht mehr zu bläuen oder irgend eine andere oxidirende Wir- kung hervorzubringen vermag, bei welchem Anlass nicht unbemerkt bleiben darf, dass. alles Uebrige sonst gleich, das Verschwinden dieses Sauerstoffes im unmittelbaren Sonnenlicht ungleich rascher als in der Dunkelheit erfolgt. Bei einem Versuche dieser Art bläuete die nur zehn Minuten lang von der Sonne beschienene Flüssigkeit die Harzlösung nicht mehr, während ein im Dunkeln ge- keit die Tinctur nach haltener Theil der gleichen Flüssig drei Stunden noch augenfälligst zu bläuen vermochte. Meinen frühern Mittheilungen gemäss wirkt in gleicher Weise das Sonnenlicht auch auf den in der gebläueten Guajaktinctur, der wässrigen Chinonlösung u s. w. ent- haltenen thätigen Sauerstoff ein, wie sich überhaupt sagen lässt, dass durch das Licht die chemische Thätigkeit jenes Grundstoffes gesteigert werde. Noch viel rascher als das Licht hebt die Wärme das oxidirende Vermögen unserer Flüssigkeit auf, wie man daraus abnehmen kann, dass Letztere noch nicht ganz bis zum Sieden erhitzt, die Fähigkeit die Guajaktinctur zu bläuen, nicht mehr zeigt. Eben so rasch bringen schon kleine Mengen sämmtlicher alkalischer Oxide den thätigen Sauerstoff der Flüssigkeit zum Verschwinden, welches Verhalten sie gleichfalls mit der gebläueten Guajaktinetur, der wässrigen Chinonlösung u. s. w. gemein hat und darauf beruhet, dass diese kräftigen Basen den vorhandenen beweglichen Sauerstoff‘ bestimmen, rasch auf die mit ihm vergesellschafteten organischen Materien oxidirend einzuwirken. Nicht unerwähnt will ich die Thatsache lassen, dass das Wasserstoffsuperoxid wie eine reducirende Substanz zu dem mit Leontodon u. s. w. behandelten Wasser sich verhält, d. h. dessen oxidirendes Vermögen ziemlich rasch zerstört, unter noch sichtlicher Entbindung von O, welche Wirkungsweise wenig auffallen kann, da bekannt ist, dass HO, einer Reihe ozonidischer Verbindungen: PbO,, Mn,0; u. s. w. ihren thätigen Sauerstoff zu entziehen vermag. während es selbst zu Wasser reducirt wird. Wendet man bei diesem Versuche keinen Ueberschuss von HO, an, so lässt sich bald davon selbst mittelst der empfindlichsten Reagentien keine Spur mehr nachweisen. Ich will noch beifügen, dass wie das Leontodon so auch noch eine Unzahl verschiedenartigster Pflanzen sich ver- halten, unter welchen viele Syngenesisten ganz besonders The sich auszeichnen, wie z. B. Lactuca sativa, Senecio vul- garis u.s. w.!) Es fragt sich nun, woher der thätige Sauerstoff des mit Leontodon u. s. w. behandelten Was- sers stamme. Wäre derselbe schon in der Pflanze vor- handen, so müsste die Guajaktinctur , unter welcher man die Blätter, Stiele, Wurzeln u. s. w. des Leontodon zer- quetschte, auch sofort sich bläuen, was in Wirklichkeit nicht geschieht, wie man hievon durch den Versuch leicht sich überzeugen kann. Wird aber die unter der Harzlösung zerstossene Wurzel u. s. w. in Berührung mit atmosphärischer Luft oder reinem Sauerstoffgas gebracht, so bläuet sie sich bald, wie bekanntlich diese Färbung auch eintritt beim Benetzen einer Scheibe der frischen Wurzel des Leontodon und vieler andern Pflanzen mit Guajaktinctur. Der fragliche thätige Sauerstoff kann da- her nur aus der atmosphärischen Luft stammen, aus welcher ihn das Wasser während des Zerstampfens der Pflanze aufnimmt. Da aber der atmosphärische Sauer- stoff im unthätigen Zustande sich befindet und desshalb reines Wasser, wenn es davon auch noch so viel ent- hielte, die Guajaktinctur nicht zu bläuen vermöchte, so muss der aufgenommene Sauerstoff durch eine im Leon- todon u. s. w. enthaltene Materie erst thätig gemacht werden, mit welcher selbst oder einer andern vorhandenen Substanz er zu einem Ozonid sich vergesellschaftet, von dem derselbe erwähntermaassen auf eine Reihe oxidir- barer Körper sich übertragen lässt. Die organische Materie des Leontodon u. s. w., welche den atmosphärischen Sauerstoff in den thätigen !) Auch die getrockneten Blätter des Leontodon u. s. w., mit Wasser zusammengestampft, liefern eine die Guajaktinctur tief bläuende Flüssigkeit. ER Zustand versetzt, ist höchst wahrscheinlich die gleiche, der die Fähigkeit zukommt, das Wasserstoffsuperoxid nach Art des Platins zu zerlegen, von welchem Metalle bekannt ist, dass es neben diesem katalytischen Ver- mögen auch noch die Fähigkeit besitzt, dem mit ihm in Berührung kommenden gewöhnlichen Sauerstoff eine ozon- artige Wirksamkeit zu verleihen, so dass er z. B. die Guajaktinctur zu bläuen und noch anderweitige Oxidations- wirkungen hervorzubringen vermag, welche durch den ozonisirten Sauerstoff verursacht werden. Und zwar sind es die folgenden Gründe, welche zu einer solchen Ver- muthung führen. Vor einiger Zeit habe ich gezeigt, dass alle organischen Materien, welche das Wasserstoff- superoxid zu katalysiren vermögen, bei Anwesenheit auch verhältnissmässig nur sehr kleiner Mengen von Blausäure diese Wirksamkeit entweder gar nicht mehr oder nur sehr schwach äussern. Blatt, Stiel, Wurzel von Leontodon u. s. w., wenn mit Wasserstoffsuperoxid über- gossen, fangen sofort an, Sauerstoffgas aus der um- gebenden Flüssigkeit zu entbinden, welche Gasentwicke- lung beim Zerquetschen der genannten Pflanzentheile ziemlich lebhaft wird, was nicht geschieht, wenn das angewendete Superoxid auch nur winzige Mengen von Blausäure enthält. Ebenso verlieren diese Pflanzentheile ihr katalysirendes Vermögen schon dadurch, dass man sie nur kurze Zeit in Blausäuredampf verweilen lässt. Wird in erwähnter Weise die katalytische Wirksamkeit des Blattes u. s. w. gelähmt, so vermag auch das mit ihm behandelte Wasser die Guajaktinetur nicht mehr zu bläuen, noch irgend eine der Oxidationswirkungen her- vorzubringen, welche der freie ozonisirte Sauerstoff oder die Ozonide verursachen. Selbstverständlich tritt die gleiche Wirkungslosigkeit auch ein, wenn das kataly- tische Vermögen besagter Pflanzentheile durch andere Mittel, z. B. durch deren Erhitzung unter Wasser auf- gehoben wird. - Da nun die Fähigkeit des Leontodon u. s. w. in Be- rührung mit gewöhnlichem Sauerstoff und Wasser eine die Guajaktinctur bläuende Materie (ein Ozonid) zu er- zeugen gleichzeitig mit dem katalytischen Vermögen der Pflanze verschwindet, so darf hieraus wohl geschlossen werden, dass die Eine dieser Wirksamkeiten die Andere bedinge und Beide einer und eben derselben Substanz zukommen. Um zu zeigen, wie ausserordentlich empfindlich die katalysirende Materie des Leontodon u. s. w. gegen die Blausäure ist, will ich noch bemerken, dass frische Blätter dieser Pflanze, nur einige Sekunden lang in Blausäuredampf gehalten, dadurch ihr Vermögen ein- büssen, HO, zu zerlegen und damit auch die Fähigkeit, mit atmosphärischem Sauerstoff und Wasser eine die Guajaktinctur bläuende Flüssigkeit zu erzeugen. Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass solche Blätter durch Liegenlassen in der freien Luft ihre ursprüngliche katalytische Wirksamkeit wieder erlangen und damit auch die Fähigkeit, den gewöhnlichen Sauerstoff in den thätigen Zustand zu versetzen, welcher Angabe kaum nöthig ist noch die Bemerkung beizufügen, dass das unter diesen Umständen wieder erlangte katalytische Vermögen auf der Verflüchtigung der in die Blätter ein- gedrungenen Blausäure beruhet. Wenn nun die im Voranstehenden beschriebenen Thatsachen schon an und für sich merkwürdig genug sind, so dürften dieselben auch noch eine physiologische Bedeutung haben und zwar desshalb, weil sie nach meinem Dafürhalten nahe Bezüge zu der immer noch unvollkommen verstandenen Respiration der Thiere zeigen. Dass bei diesem Vorgange die Blutkörperchen eine maass er ie gebende Rolle spielen und sie vorzugsweise es seien, welche den eingeathmeten atmosphärischen Sauerstoff zur chemischen Wirksamkeit im Organismus anregen, lässt sich wohl nicht mehr hezweifeln; von diesen Blutkörper- chen wissen wir aber auch, dass sie in einem ausgezeich- neten Grade das Vermögen besitzen, nach Art des Platins das Wasserstoffsuperoxid zu zerlegen, welche Wirksam- keit sehr innige Beziehungen derselben zum Sauerstoff d. h. die Fähigkeit beurkundet, zustandsverändernd auf dieses Element einzuwirken in ähnlicher Weise, wie diess das genannte Metall thut. Nun habe ich unlängst in diesen Blättern gezeigt, dass die katalytische Wirksamkeit der Blutkörperchen schon durch kleine ihnen beigemischte Mengen von Blau- säure beinahe gänzlich aufgehoben wird, ohne dass dess- halb Jene zerstört oder irgendwie chemisch verändert würden und es ist von mir an diese Thatsache die Ver- muthung geknüpft worden, dass die Giftigkeit der ge- nannten Säure auf der Aufhebung oder vielmehr Läh- mung des Vermögens der Blutkörperchen beruhe, den eingeathmeten unthätigen Sauerstoff der Luft chemisch zu erregen, was selbstverständlich die Oxidationsvor- gänge im Organismus unterbrechen d.h. den Erstickungs- tod des Thieres zur Folge haben müsste. Aus obigen Angaben ist leicht zu ersehen, dass zwischen dem Verhalten der in dem Leontodon und so vielen andern Pflanzen enthaltenen sowohl katalysiren- den als auch sauerstofferregenden Materien und dem- jenigen der Blutkörperchen eine grosse Aehnlichkeït besteht. Jene Substanzen mit Wasser und gewöhnlichem Sauerstoff in Berührung gesetzt, führen den Letztern sofort in den thätigen Zustand über, so dass er nun befähiget ist, auf eine Anzahl unorganischer und orga- nischer Materien oxidirend einzuwirken, gegen welche ET ct derselbe in seiner gewöhnlichen Beschaffenheit gleich- giltig sich verhält. Wir dürfen daher das Wasser, wel- ches bei Anwesenheit der Luft in der oben beschriebenen Weise mit Leontodon u. s. w. behandelt worden. dem Blut vergleichen, welchem atmosphärischer Sauerstoff zugeführt wird. Im erstern Falle tritt der vom Wasser aufgenommene Sauerstoff unverweilt in den thätigen Zu- stand und fängt derselbe desshalb auch sofort an, auf vorhandene organische Substanzen oxidirend einzuwirken, jedoch so, dass diese Oxidation nur ailmählig erfolgt und daher eine merkliche Zeit vergeht, bis aller in der Flüssigkeit vorhandene thätige Sauerstoff verbraucht ist. Es muss daher auch für die Blutkörperchen möglich sein, den durch sie thätig gemachten Sauerstoff einige Zeit als solchen zu enthalten. desshalb denselben bei der Blutbewegung mit sich fortzuführen und da abzu- geben, wo im Organismus ein Oxidationsvorgang statt- finden soll, welches Verhalten übrigens die Möglichkeit nicht ausschlösse, dass sie selbst allmählig durch den gleichen Sauerstoff oxidirt d. h. zerstört würden. Wenn es nun aber zweifellose Thatsache ist, dass kleinste Mengen von Blausäure die sauerstofferregende Wirk- samkeit der in dem Leontodon u. s. w. enthaltenen Ma- terien hemmen und desshalb Oxidationswirkungen ver- hindern, welche bei Abwesenheit jener Säure stattfinden würden, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn letztere in gleicher Weise auch die ähnliche Wirksamkeit der Blutkörperchen lähmt.') Auf die Frage, wie die Blau- 1) Auf die Wirksamkeit des Platins, das Wasserstoffsuperoxid zu katalysiren, scheint die Blausäure keinen merklich hemmenden Einfluss auszuüben, wie daraus abzunehmen ist, dass Platinmohr in HO: eingeführt, das merkliche Mengen von H Cy enthält, noch eine, sehr lebhafte Sauerstoffgasentwickelung verursacht. BR, ue säure diesen hemmenden Einfluss ausübe, lässt sich für jetzt nur das mit Sicherheit sagen, dass sie diess nicht durch eine chemische Veränderung der genannten or- ganischen Materien bewirke, wie schon daraus erhellt, dass das Leontodon, die Blutkörperchen u. s. w. nach Entfernung der Blausäure ihre frühere Wirksamkeit wie- der erlangen. Wie mir scheint, wird man aber obige Frage auf eine positive Weise so lange nicht beantworten können, als uns die nächste Ursache der verschiedenen Zustände des Sauerstoffes unbekannt ist, wie aueh die Natur der chemischen Wirksamkeit ein Räthsel bleibt, welche gewisse unorganische und organische Materien zeigen, ohne dabei selbst eine stoffliche Veränderung zu erleiden, wie uns hievon das Verhalten des Platins zum Sauerstoff und Wasserstoffsuperoxid ein typisches Bei- spiel liefert. Es mag sein, dass die bezeichnete Wirksamkeit auf gewissen Bewegungszuständen beruhet, in welchen die kleinsten Theile der katalysirenden Materien sich be- finden und die sie desshalb auch in andern Körpern verursachen oder auch Bewegungszustände der Letzteren aufheben könnten; allein bis jetzt sind diess blosse Muth- massungen, auf welche noch keine genügende Theorie sich stützen lässt. Wir können daher vorerst wohl nichts Anderes thun, als die durch die besagte eigenthümliche Wirksamkeit verursachten Erscheinungen und deren Be- ziehungen zu einander möglichst vollständig und genau festzustellen, auf welchem Wege es uns vielleicht später- hin gelingen dürfte, tiefer in diese Geheimnisse einzu- dringen, deren Enthüllung sicherlich nicht fehlen könnte, einen namhaften Fortschritt der Chemie und Physiologie zu begründen. Ich darf diese Mittheilung nicht schliessen, ohne auf eine früher von mir veröffentlichte Abhandlung „Ueber das Vorkommen von Nitriten und Nitraten in der Pflanzenwelt“ zurückzukommen, um eine dort ge- machte Annahme hier zu berichtigen. Aus der That- sache, dass verschiedene Theile vieler Pflanzen beim Zusammenstossen mit Wasser eine Flüssigkeit liefern, welche den angesäuerten Jodkaliumkleister auf das Tiefste bläuet, habe ich geglaubt, auf die Anwesenheit von Nitriten in solchen Gewächsen schliessen zu dürfen und in der That kommt auch diesen Salzen die erwähnte Reaction in einem solchen Grade zu, dass auf dieselben der besagte Kleister wohl das empfindlichste Reagens sein dürfte. Seither habe ich jedoch einige damals mir noch unbekannte Thatsachen kennen gelernt, welche mich jetzt an der Richtigkeit meiner damaligen Annahme zweifeln lassen müssen. Zunächst sei bemerkt, dass das mit Leontodonu. s. w. behandelte Wasser die Guajaktinctur und den angesäuer- ten Jodkaliumkleister anfänglich gleich tief bläuet, das- selbe aber, nachdem es aufgehört hat, die erstere Re- action hervorzubringen, auch nicht mehr den besagten Kleister zu bläuen vermag und überhaupt die Abnahme dieser beiden Wirkungen gleichen Schritt hält. Schon dieses Zusammengehen lässt vermuthen, dass die bei- den Reactionen von der gleichen Materie herrühren; zu dem kommt aber noch, dass frische Blätter des Leon- todon u. s. w., nur wenige Sekunden lang selbst in schwachen Blausäuredampf gehalten und dann mit Wasser zerstampft, eine Flüssigkeit liefern, die eben so wenig den angesäuerten Kleister als die Guajaktinctur zu bläuen vermag, welche erstere Reaction doch eintreten sollte, falls ein fertiges Nitrit in der Pflanze vorhanden wäre. Kleine Mengen einer Lösung von Eisenoxidulsalz, Pyrogallussäure, Hämatoxylin, Brasilin u. s. w. berauben erwähntermassen das frische Leontodonwasser seiner == 14 — Fähigkeit, die Guajaktinctur zu bläuen; das so be- handelte Wasser vermag aber auch nicht mehr den an- gesäuerten Jodkaliumkleister zu bläuen; welche hemmende Wirkung die genannten Substanzen auf eine Nitrinlösung nicht hervorbringen. Wie bereits angegeben, berauben schon kleine Mengen von Alkalien oder kurzes Erhitzen die Versuchsflüssigkeit sofort der Fähigkeit, die Guajak- tinctur zu bläuen und auch in diesen Fällen büsst be- sagte Flüssigkeit das Vermögen ein, den angesäuerten Jodkaliumkleister zu färben, was bei der Nitrithaltigkeit des Leontodonwassers u. s. w. nicht geschehen könnte. Was jedoch nach meinem Ermessen die Abwesenheit von Nitriten in dem Leontodon und andern diesem ähn- lich sich verhaltenden Pflanzen ausser Zweifel stellt, ist die Thatsache, dass die Blätter des genannten Gewächses u.s. w.. unter verdünntem angesäuerten Jodkaliumkleister (also bei ausgeschlossenem atm. Sauerstoff) zerstampft, den Letztern nicht im Mindesten bläuet, welche Reaction doch eintreten müsste, wenn auch nur winzige Mengen eines salpetrichtsauren Salzes im Leontodon u. s. w. ent- halten wären. Alle die angeführten Thatsachen scheinen mir daher zu der Annahme zu berechtigen, dass die fragliche Bläuung des angesäuerten Jodkaliumkleisters durch das gleiche oxidirende Agens verursacht werde, welches die Guajaktinctur bläuet, nämlich durch thätigen mit einer organischen Materie vergesellschafteten Sauerstoff. 1) 1) Es verdient hier erwähnt zu werden, dass unter dem Be- rührungseinfluss des Platinmohres der gewöhnliche Sauerstoff wohl die Guajaktinctur, nicht aber den säurefreien Jodkaliumkleister zu bläuen vermag, welche Färbung jedoch bei Anwesenheit verdünnter Schwefelsäure u. s. w. sofort eintritt, so dass also auch in dieser Hinsicht das genannte Metall wie die im Leontodon u. s. w. enthaltene organische Materie sich verhält. In der zuletzt erwähnten Abhandlung ist angegeben, dass viele Pflanzen erst bei längerem Maceriren mit Wasser dieser Flüssigkeit die Eigenschaft ertheilen, den angesäuerten Jodkaliumkleister zu bläuen, ohne dass sie aber die Guajaktinctur zu färben vermöchte. Diese Reaction rührt nun wirklich, wie ich diess schon früher bemerkt habe, von Nitriten her, welche unter dem re- ducirenden Einflusse organischer Materien aus den in solchen Pflanzen enthaltenen Nitraten entstehen, über welche Reduction die nachstehende Mittheilung noch nähere Aufschlüsse geben wird. FE Ueber die Umwandelung der Nitrate in Nitrite durch Conferven und andere organische Gebilde, Vor Jahren schon ist von mir die Thatsache ermit- telt worden, dass nicht nur die oxidirbaren Metalle: Zink, Kadmium u. s. w., sondern auch viele organische Sub- stanzen die in Wasser gelösten alkalischen und andern Nitrate selbst bei gewöhnlicher Temperatur zunächst in Nitrite überzuführen vermögen. Einige theoretische Gründe liessen mich vermuthen, dass zwischen dem Ver- mögen organischer Materien, das Wasserstoffsuperoxid nach Art des Platins zu zerlegen und deren Fähigkeit, die salpetersauren — zu salpetrichtsauren Salzen zu re- duciren, ein Zusammenhang bestehen dürfte und die im Nachstehenden beschriebenen Ergebnisse meiner über diesen Gegenstand angestellten Versuche sollten, wie ich glaube, an einem solchen Zusammenhange kaum zwei- feln lassen. Be. er Frische Conferven, wie sie so häufig in stehendem Wasser vorkommen, vermögen das Wasserstoffsuperoxid ziemlich lebhaft zu katalysiren und sie sind es auch, welche nach meinen Beobachtungen die in Wasser ge- lösten alkalischen Nitrate ziemlich rasch in Nitrite um- wandeln, wie daraus erhellt, dass Wasser, welches nur geringe Mengen z. B. Kalknitrat u. s. w. enthält, den angesäuerten Jodkaliumkleister auf das Tiefste zu bläuen wie auch die übrigen Nitritreactionen augenfälligst her- vorzubringen vermag, nachdem dasselbe bei gewöhnlicher Temperatur nur wenige Stunden mit einer hinreichenden Menge frischer Conferven zusammengestanden, welche vorher mittelst destillirten Wassers von anhängenden Unreinigkeiten gereiniget worden. Da bei Anwendung chemisch reinen Wassers unter den erwähnten Umstän- den die Nitritreactionen nicht eintreten, so beweist diess, dass die Pflanze selbst kein salpetersaures Salz enthält und das zum Vorschein kommende Nitrit aus dem dem Wasser beigefügten Nitrat entstanden. Es ist in der voranstehenden Mittheilung angegeben, dass die Anwesenheit kleiner Mengen von Blausäure das HO, katalysirende Vermögen organischer Materien stark schwäche, von welcher Regel auch die Conferven keine Ausnahme machen. Der Versuch hat nun gezeigt, dass nitrathaltiges Wasser, dem verhältnissmässig nur äusserst wenig Blausäure beigemischt worden, wochenlang mit Conferven zusammenstehen kann, ohne die Fähigkeit zu erlangen, den angesäuerten Jodkaliumkleister zu bläuen; vorausgesetzt, es werde der Versuch in verschlossenen Gefässen angestellt, d. h. die Verflüchtigung der Blau-. säure verhindert. Conferven 10—15 Minuten lang in siedendem Was- ser gchalten, katalysiren das Wasserstoffsuperoxid nur noch schwach, wie sie auch nur sehr langsam reducirend en auf die Nitrate einwirken. Nach meinen frühern Ver- suchen sind in allem Quell-, Fluss- und Seewasser noch nachweisbare, wenn bisweilen auch nur winzige Mengen von Nitraten vorhanden, welche mittelst der von mir zu seiner Zeit angegebenen Methode leicht und rasch sich erkennen lassen. Enthält z. B. Brunnenwasser so viel Nitrat, dass jenes den angesäuerten Jodkaliumklei- ster tief bläuet, nachdem es nur kurze Zeit mit der ge- hörigen Menge amalgamirter Zinkspähne geschüttelt oder aufgekocht worden, so wird das gleiche Wasser, mit einer gehörigen Menge Conferven nur wenige Stunden in Berührung gesetzt, die Nitritreactionen in augenfäl- ligster Weise hervorbringen. Es lassen sich daher mit Hülfe dieser Pflanzen Spuren eines Nitrates entdecken, wobei jedoch zu beachten ist, dass man die Conferven nicht zu lange auf das zu prüfende Wasser einwirken lasse, weil dieselben, wie später noch umständlicher be- merkt werden soll, auch die Nitrite ziemlich rasch redu- ciren unter völliger Zerstörung dieser Salze, in welchem Falle derartiges Wasser trotz seiner ursprünglichen Ni- trathaltigkeit den angesäuerten Jodkaliumkleister selbst- verständlich nicht mehr bläuen würde. In meinen Arbeiten über die Veränderungen des normalen Harns des Menschen ist gezeigt worden, dass diese Flüssigkeit, an offener Luft einige Zeit sich selbst überlassen, so nitrithaltig werde, um den angesäuerten Jodkaliumkleister augenblicklich auf das Tiefste bläuen zu können, und dass die Erzeugung des salpetrichtsauren Salzes zusammenfalle mit dem Auftreten eines Pilzes, der sowohl HO, zu katalysiren als auch die Nitrate in Nitrite überzuführen vermag, welche beide Wirkungen der besagte Pilz bei Anwesenheit kleiner Mengen von Blausäure nicht mehr hervorbringt. Hieraus ist abzu- nehmen, dass es diese katalysirende Planze ist, welche " 2 AR das im Harn enthaltene Nitrat zu Nitrit reducirt, und lässt sich die Thatsache begreifen, dass diese Flüssig- keit bei Gegenwart kleiner Mengen von Blausäure nicht nitrithaltig wird, wie lange man sie auch sich selbst überlassen mag. Ich bewahre solchen Harn schon seit sechs Monaten auf, ohne dass derselbe bis jetzt die ge- ringste Veränderung erlitten hätte. Aehnlich unserm Pilze wirken auch die Conferven auf das im Harn ent- haltene Nitrat ein, so dass derselbe frisch gelassen, mit den besagten Pflanzen nur wenige Stunden in Berührung zu stehen braucht, um den erwähnten Kleister augen- fälligst bläuen zu können, was bei Anwesenheit von nur wenig Blausäure natürlich ebenfalls nicht mehr ge- schieht. Von der gewöhnlichen Bierhefe ist bekannt, dass. sie das Wasserstoffsuperoxid ziemlich lebhaft katalysirt, welche Wirksamkeit durch die Blausäure stark gelähmt wird. Der Versuch zeigt nun, dass die Hefe gleich den Conferven und dem Harnpilz auf die gelösten Nitrate reducirend einwirkt, so dass z. B. nitrathaltiges Brunnen- wasser oder frischer Harn, nur wenige Stunden lang mit Hefe in Berührung gesetzt, deutlichste Nitritreactionen hervorbringt, was durch die Anwesenheit einer kleinen Menge von Blausäure gleichfalls verhindert wird. Schwämme und Pilze überhaupt zerlegen nach mei- nen Beobachtungen HO, sehr lebhaft und alle die von mir bis jetzt untersuchten Pflanzen dieser Art verhielten sich zu den Nitraten wie Conferven, die Hefe u. s. w., was mehr als nur wahrscheinlich macht, dass alle Pflan- zenmaterien, welche das Wasserstoffsuperoxid zu kata- lysiren vermögen, auch die salpetersauren in salpetricht- saure Salze umwandeln können. Unter den thierischen Gebilden zeichnen sich be- kanntlich die Blutkörperchen ganz besonders durch das I AORNE Vermögen aus, HO, in Sauerstoff und Wasser umzu- setzen, und sie sind es auch wieder, welche auf die Ni- trite reducirend einwirken, diess aber bei Anwesenheit kleiner Mengen von Blausäure ebenfalls nicht mehr thun. Mit andern thierischen, das besagte Superoxid zerlegen- den Materien habe ich noch keine Versuche angestellt, es ist aber kaum daran zu zweifeln, dass sie ähnlich den Blutkörperchen u. s. w. sich verhalten werden. Wie weiter oben im Vorbeigehen bemerkt wurde, üben die Conferven auch auf die gelösten Nitrite einen reduci- renden Einfluss aus, wie daraus hervorgeht, dass nitrat- haltiges Wasser, durch die Einwirkung der genannten Pflanzen erst nitrithaltig geworden, bei längerer Berüh- rung mit denselben aufhört, den angesäuerten Jodka- liumkleister zu bläuen, welche Thatsache nur durch die Annahme einer gänzlichen Zerstörung des anfänglich entstandenen Nitrites sich erklären lässt. Und wie die Conferven verhalten sich auch die Hefe, der Harnpilz, die Blutkörperchen u. s. w., woher gelegentlich bemerkt es kommt, dass Harn, der so nitrithaltig geworden, um den angesäuerten Jodkaliumkleister bis zur Undurch- sichtigkeit tief zu bläuen, nach einiger Zeit diese Reac- tion nicht mehr hervorbringt. Wie nun die Anwesenheit kleiner Mengen von Blau- säure die Ueberführung der Nitrate in Nitrite hemmt, so verhindert die gleiche Säure auch die Zerstörung der letztern Salze, wie man daraus abnehmen kann, dass Conferven, Hefe, Blutkörperchen u. s. w. auch noch so lange mit Blausäure- und nitrithaltigem Wasser in Be- rührung gelassen, demselben die Fähigkeit nicht ent- ziehen, den angesäuerten Jodkaliumkleister zu bläuen. Einige der oben erwähnten Thatsachen veranlassen mich schliesslich noch ein paar Worte über die Beob- achtung zu sagen, gemäss welcher manches Trinkwasser LT RU ausser Nitraten auch noch so viel Nitrit enthält, dass dasselbe den angesäuerten Jodkaliumkleister augenfällig zu bläuen vermag. Es hat namentlich Herr Dr. Gop- pelsrüder bei seiner neulichen Untersuchung sämmtlicher Trinkwasser der Stadt Basel gefunden, dass mehrere der- selben die erwähnte Nitritreaction zeigen. Woher nun diese Nitrithaltigkeit? Obwohl die salpetrichtsauren Salze auch auf synthetischem Wege entstehen können, so bin ich doch der Ansicht. dass die in den besagten Wassern vorkommenden Nitrite durch Reduction von Nitraten gebildet werden. Dass Letztere in jedem Was- ser in grösserer oder kleinerer Menge sich vorfinden, habe ich bereits erwähnt, und wohl bekannt ist auch, dass an manchen Orten der Boden, durch welchen das Wasser sickert, Conferven und andere Organismen einschliesst. Haben sich nun da oder dort solche Gebilde angehäuft, mit welchen dorthin geflossenes nitrathaltiges Wasser einige Zeit in Berührung zu stehen kommt, so muss das- selbe nitrithaltig werden, wie ja angegebenermassen eine solche Veränderung des Trinkwassers mittelst Conferven u. s. w. sehr leicht künstlich sich bewerkstelligen lässt. Die Richtigkeit meiner Ansicht über die Entstehungs- weise der Nitrite im Trinkwasser vorausgesetzt, so würde aus dem Vorkommen eines solchen Salzes im Trinkwas- ser der Schluss sich ziehen lassen, dass Letzteres mit Organismen dieser oder jener Art einige Zeit in Berüh- rung gestanden habe, und dürfte desshalb diese Nitrit- haltigkeit auch noch der Vermuthung Raum geben, dass in solchem Wasser mikroscopische Organismen vorhan- den wären. Ich habe nitrathaltiges aber völlig nitrit- freies Brunnenwasser mit Conferven, frischen und ver- faulten Pilzen nur wenige Minuten lang zusammenge- rührt und dann durch ein Filtrum gehen lassen. Die durchgelaufene Flüssigkeit vermochte noch in sichtlicher ER Weise das Wasserstoffsuperoxid zu katalysiren und nach mehrtägigem Stehen auch den angesäuerten Kleister deutlichst zu bläuen. Hieraus erhellt, dass das filtrirte Wasser immer noch eine die Nitrate reducirende Materie enthalten habe, wie auch die oben erwähnten Thatsachen es wahrscheinlich machen, dass diese Materie die gleiche gewesen sei, welche dem Wasser eine katalytische Wirk- samkeit ertheilt, zu welcher Vermuthung man um so eher berechtigt sein dürfte, als das besagte Wasser durch kleine Mengen beigefügter Blausäure oder durch Aufkochen die Fähigkeit verliert, HO, zu katalysiren oder nitrithaltig zu werden. Da in neuester Zeit die Aufmerksamkeit ganz be- sonders auf die Beschaffenheit des Trinkwassers grösse- rer Städte gelenkt worden, und man geneigt ist, dieselbe mit dem Gesundheitszustande der Menschen in Verbin- dung zu bringen, so dürften die in der voranstehenden Mittheilung beschriebenen Thatsachen wohl auch einige Beachtung verdienen. Ich enthalte mich geflissentlichst der Aeusserung irgend einer Meinung über den Einfluss, welchen Wasser von dieser oder jener Beschaffenheit auf die Gesundheit der davon geniessenden Personen ausüben möchte: es ist diess die Sache der Physiologen und Aerzte; doch aber dürfte anzunehmen sein, dass nitrat- oder nitrithaltiges Wasser als solches nicht nach- theilig auf die Gesundheit einwirke schon in Betracht der an und für sich kleinen Mengen dieser Salze, welche selbst in einem daran verhältnissmässig reichen Trinkwasser sich vorfinden. Sollte aber die Nitrithal- tigkeit auf Organismen hinweisen, mit welchen solches‘ Wasser in Berührung gekommen, und wäre es möglich oder sogar wahrscheinlich, dass dieselben, durch dieses Wasser in den Körper eingeführt, hier fer- mentartig wirken und eigenthümlich chemisch-physiolo- he gische Veränderungen in dem mit ihnen in Berührung kommenden organischen Material verursachen, so ge- wänne das Vorkommen von Nitriten allerdings eine nicht kleine mittelbare Bedeutung. Ein solches Vorkommen könnte möglicher Weise zur Entdeckung einer Krank- heitsursache, nämlich zur Auffindung von Organismen führen, welche, wie die Krätzmilbe in der Haut, im In- nern des Körpers abnorme Zustände herbeiführen. Be- vor jedoch diese Verhältnisse durch zahlreiche und ver- lässliche Beobachtungen und Versuche zweifellos ermit- telt sind, können die darüber geäusserten Ansichten nicht anders als unsicher und schwankend sein, wesshalb es nöthig ist, über solche Gegenstände sich behutsamst und umsichtigst auszusprechen. IH. Ueber einige chemische Eigenschaften der Pflanzen- saamen, Allgemeine Thatsachen haben für die Wissenschaft immer die grosse Bedeutung, dass die Kenntniss dersel- ben zum Verständnisse vieler einzelner Erscheinungen führt, wesshalb auch die nachstehenden Angaben die Beachtung der Pflanzenphysiologen wohl verdienen dürf- ten: 1. Alle Pflanzensaamen enthalten in Wasser lösliche (wenigstens durch das Filtrum gehende) Materien von eiweissartiger Beschaffenheit, welche nach Art des Platins oder der Blutkörperchen das Was- a Dee m dé BD nn ur DB serstoffsuperoxid in Sauerstoff und Wasser um- setzen. *) 2. Die gleichen Materien vermögen die HO,-haltige Guajaktinctur zu bläuen, wie diess auch das fein zertheilte Platin und die Blutkörperchen thun. 3. Die bei gewöhnlicher Temperatur bereiteten wäss- rigen Auszüge aller Pflanzensaamen nehmen 0z0- nisirten Sauerstoff so auf, dass derselbe darin noch einige Zeit im beweglichen Zustande sich erhält, wesshalb die mit Ozon behandelten Aus- züge anfänglich die Guajaktinctur zu bläuen ver- mögen etc. 4. Den besagten Materien kommt insgesammt das Vermögen zu, schon bei gewöhnlicher Tempera- tur den gelösten Nitraten Sauerstoff zu entziehen; um sie erst in Nitrite überzuführen und bei län- gerer Einwirkung auch diese Salze (durch Sauer- stoffentziehung) zu zerstören. ot Die Anwesenheit kleiner Mengen von Blausäure hemmt die Fähigkeit dieser Materien, das Was- serstoffsuperoxid zu katalysiren, die HO,-haltige Guajaktinctur zu bläuen und desoxidirend auf die Nitrate und Nitrite einzuwirken. 6. Die Anwesenheit kleiner Mengen von Blausäuren in den Pflanzensaamen hemmt auch die Keimung derselben. Was die unter $8$ 1 und 2 erwähnten Thatsachen betrifft, so beruhen sie nach meinem Dafürhalten auf *) Diesen Materien verdanken die Pflanzensaamen die Eigen- schaft, selbst in stark mit Wasser verdünntem Wasserstoffsuperoxid eine ziemlich lebhafte Gasentwickelung zu verursachen. einer Zustandsveränderung, welche die Hälfte des im Wasserstoffsuperoxid enthaltenen Sauerstoffes unter dem Berührungseinflusse der besagten Pflanzenmaterien er- leidet. Nach meinen Erfahrungen kommt nemlich nur dem ozonisirten Sauerstoff (dem gebundenen sowohl als dem freien) die zweifache Eigenschaft zu, mit dem Was- serstoffsuperoxid in gewöhnlichen Sauerstoff und Was- ser sich umzusetzen und die Guajaktinctur zu bläuen. HO, für sich allein bringt nicht die geringste Wirkung auf die besagte Harzlösung hervor, führt man aber in ein Gemisch beider Flüssigkeiten fein zertheiltes (sauer- stofffreies) Platin, oder Blutkörperchen, oder die in Rede stehenden Saamenauszüge ein, so wird erwähntermaassen dasselbe sofort gebläuet, aus welcher Färbung erhellt. dass unter dem Berührungseinflusse sowohl des Metalles als der genannten organischen Materien ein Theil des in HO, vorhandenen Sauerstoffes eine dem freien oder gebundenen (PbO + © u. s. w.) Ozon gleiche Wirk- samkeit erlangt. Da nun der freie und gebundene ozo- nisirte Sauerstoff mit HO, in HO und OÖ sich umsetzt, so wird hieraus begreiflich, wesshalb die Materien, welche die HO,-haltige Guajaktinctur bläuen, immer auch das Wasserstoffsuperoxid zu zerlegen vermögen. Selbstverständlich findet diese Zustandsveränderung der einen Sauerstoffhälfte von HO, nur da statt, wo letzteres in Berührung mit dem Platin oder den ihm ähn- lich wirkenden organischen Materien zu stehen kommt; es wird aber der unter diesen Umständen ozonisirte Sauerstoff mit dem ihm zunächst gelegenen Theilchen des noch vorhandenen HO, sofort in O und Wasser sich umsetzen. Kommt ein neuer Theil des Superoxides in Berührung mit Platin oder den erwähnten organischen Substanzen, so wird derselbe natürlich in gleicher Weise katalysirt, was bei gehörig langer Einwirkung die gänz- DS NS Ce liche Zerstörung des vorhandenen Wasserstoffsuperoxides zur Folge haben muss. Dieser Auseinandersetzung gemäss wird also in dem Einen der beiden erwähnten Fälle der aus HO, stam- mende ozonisirte Sauerstoff zum Guajak treten, um da- mit die bekannte blaue Verbindung zu bilden, während derselbe ozonisirte Sauerstoff in dem andern Falle mit einem Theil von HO, in Wasser und O sich umsetzt. Vom Platin ist bekannt, dass es auf den freien unthäti- gen Sauerstoff chemisch erregend einwirkt, woher es kommt, dass derselbe unter dem Einflusse dieses Metal- les die Guajaktinctur zu bläuen und noch andere Oxi- dationswirkungen hervorzubringen vermag, denen gleich, welche nur der ozonisirte Sauerstoff verursachen kann. Was nun die Substanzen der Pflanzensaamen be- trifft, welche HO, zu katalysiren und die HO,-haltige Guajaktinctur zu bläuen vermögen, so finden sich unter denselben wohl auch solche, welchen ähnlich dem Pla- tin das Vermögen zukommt, dem gewöhnlichen Sauer- stoff eine ozonartige Wirksamkeit zu verleihen. Derar- tige Materien sind z. B. in den Saamen von Scorzonera hispanica und Cynara scolymus enthalten, von welchen der letztgenannte ganz besonders sich auszeichnet, wie schon daraus sich abnehmen lässt, dass derselbe mit der 6— Sfachen Menge Wassers in Berührung mit der at- mosphärischen Luft zusammengestossen, eine Flüssigkeit liefert, welche für sich allein die Guajaktinctur wie auch den angesäuerten Jodkaliumkleister sofort auf das Tiefste zu bläuen vermag. Dass der die Harzlösung oder den Kleister bläuende thätige Sauerstoff noch nicht in den besagten Saamen enthalten ist, sondern aus der Luft stammt, geht mit Sicherheit daraus hervor, dass bei Aus- schluss der letztern die erwähnte Bläuung nicht mehr eintritt, “ee Die in Berührung mit der atmosphärischen Luft ge- machten wässrigen Auszüge der meisten von mir unter- suchten Pflanzensaamen, obwohl sie alle HO, zu kataly- siren und die HO,-haltige Guajaktinctur zu bläuen ver- mögen, färben die Harzlösung entweder gar nicht oder nur sehr schwach, d.h. verhalten sich in dieser Hinsicht wie die Blutkörperchen, welche zwar HO, lebhaft zer- legen und die HO,-haltige Guajaklösung tief bläuen, ohne aber in Berührung mit atmosphärischem Sauerstoff die Bläuung der Guajaktinctur bewirken zu können. Wenn nun den voranstehenden Angaben gemäss auch den das Wasserstoffsuperoxid katalysirenden Materien der meisten Pflanzensaamen die Fähigkeit abzugehen scheint, nach Art des Platins chemisch erregend auf den gewöhnlichen Sauerstoff einzuwirken, so ist es für mich doch sehr wahrscheinlich, dass es nur Nebenumstände sind, durch welche die Bläuung der Guajaktinctur ver- hindert und die sauerstofferregende Wirksamkeit besag- ter Materien verhüllt wird. Unter diesen Nebenumstän- den verstehe ich das Vorkommen solcher Substanzen in den besagten Saamen, welche den durch die gleichzeitig vorhandenen katalysirenden Materien erregten Sauerstoff begieriger aufnehmend, als diess das Guajak thut, dadurch die Bläuung des Harzes verhindern. Derartige Substanzen sind z. B. die Gerbsäuren, von welchen schon winzige Mengen das mit dem Saamen von Cynara u. s. w. und Luft zusammengestossene Wasser verhindern, die Gua- jaktinctur oder den angesäuerten Jodkalium zu bläuen. Eine gleich hemmende Wirksamkeit zeigen auch viele Pflanzensaamen, wenn sie mit demjenigen von Cynara u. s. w. und Wasser bei Anwesenheit von atmosphäri- scher Luft zusammengestossen werden. Da erwähnter- maassen die Blutkörperchen den besprochenen Pflanzen- materien gleichen und von jenen angenommen werden \‘ et OR. darf, dass vorzugsweise sie es seien, welche den von den Thieren eingeathmeten atmosphärischen Sauerstoff zur chemischen Thätigkeit anregen, so dürfte wohl die Annahme zulässig sein, dass auch alle in den verschie- denen Pflanzenformen vorkommenden das Wasserstoff- superoxid katalysirenden Materien die gleiche Wirkung auf den unthätigen Sauerstoff hervorbringen, ob diesel- ben in Berührung mit atmosphärischer Luft die Guajak- tinktur bläuen oder nicht. Bekanntlich beruhet die Keimung der Pflanzensaa- men in chemischer Hinsicht zunächst auf der Aufnahme atmosphärischen Sauerstoffes und der damit verknüpften Kohlensäurebildung, so dass man sagen darf, im ersten Stadium ihrer Entwickelung gleiche die Pflanze einem athmenden Thiere. Es kann aber wohl kaum zweifelhaft sein, dass bei der Keimung der unthätige atmosphärische Sauerstoff zur chemischen Thätigkeit in ähnlicher Weise angeregt werde, wie diess bei der Respiration der Thiere geschiehet. Wie nun bei dem letztern Vorgange die Blutkörperchen die Rolle eines Sauerstofferregers spie- len, so bei der Keimung der Pflanzensaamen die darin enthaltenen das Wasserstoffsuperoxid katalysirenden und die HO,-haltige Guajaktinctur bläuenden Materien; und wie schon durch kleine Mengen von Blausäure die auf den Sauerstoff sich beziehende Wirksamkeit der Blut- körperchen gehemmt und dadurch der Tod eines Thieres herbeigeführt wird, so verhindert auch die gleiche Säure das Keimen der Pflanzensaamen. In welcher Weise der reducirende Einfluss, welchen die besprochenen organi- schen Materien auf die gelösten Nitrate und Nitrite aus- üben, mit ihrem katalytischen Vermögen zusammenhänge, weiss ich vorerst noch nicht zu sagen; da jedoch die be- sagte Wirksamkeit ebenfalls auf den Sauerstoff (enthal- ten in NO, und NO.) sich beziehet und dieselbe durch RTS das gleiche Agens (die Blausäure) gehemmt wird, wel- ches die besagten organischen Materien verhindert, auf das Wasserstoffsuperoxid oder die HO,-haltige Guajak- tinctur in der oben erwähnten Weise einzuwirken, so lässt sich kaum daran zweifeln, dass alle diese auf den freien und gebundenen Sauerstoff sich beziehenden Wirk- samkeiten auf einer Steigerung der chemischen Thätig- keit dieses Elementes beruhen, wenn uns auch einst- weilen noch unbekannt bleibt, wie diese Wirkung her- vorgebracht wird. IV. Ueber das empfindlichste Reagens auf das Wasserstoff- superoxid, Wir kennen zwar bereits einige Reagentien auf dieses Superoxid, deren Empfindlichkeit ausserordentlich gross ist, wie z. B. den jodkaliumhaltigen Stärkekleister in Verbindung mit einer Eisenoxidulsalzlösung, mit des- sen Hülfe in reinem Wasser noch ein Milliontel HO, deutlichst sich nachweisen lässt; man wird aber aus den nachstehenden Angaben ersehen, dass es zu diesem Be- hufe noch ein anderes Mittel gibt, dessen Empfindlich- keit diejenige des vorhin bezeichneien Reagens bei Wei- tem übertrifft. Es ist schon anderwärts bemerkt worden, dass die wässrigen Auszüge sämmtlicher Pflanzensaamen die Ei- genschaft haben, die HO,-haltige Guajaktinctur zu bläuen, in welcher Beziehung derjenige der gekeimten Gerste sich ganz besonders auszeichnet, wesshalb die Guajak- tinctur in Verbindung mit dem wässrigen in der Kälte = QE bereiteten Malzauszug sich anwenden lässt, um in einer Flüssigkeit noch-verschwindend kleine Mengen des ge- nannten Superoxides zu entdecken. Tröpfelt man in einige Gramme Wassers, das ein Milliontel HO, enthält, so viel Guajaklösung, bis die Flüssigkeit milchig geworden, und fügt man nun dersel- ben Malzauszug zu, so bläuet sich das Gemisch ziemlich rasch auf das Augenfälligste; ja Wasser, welches nur ein Zehnmilliontel HO, enthält, verursacht unter den er- wähnten Umständen noch eine sichtliche Bläuung, wo- raus erhellt, dass es wenig andere Stoffe geben dürfte, von denen durch chemische Mittel noch so kleine Men- gen nachgewiesen werden können. Leicht begreift sich daher, dass diese so ausserordentliche Empfindlich- keit des Reagens es möglich macht, die Bildung von HO, noch da zu erkennen, wo man dieselbe nicht ver- muthen sollte. Wasserfreier Weingeist scheint in der Dunkelheit gegen den gewöhnlichen Sauerstoff vollkommen gleich- gültig sich zu verhalten, wie ich aus der Thatsache zu schliessen geneigt bin, dass solcher Alkohol, nachdem er sechs Monate lang im Dunkeln mit atmosphärischer Luft in Berührung gestanden, mittelst meines Reagens geprüft, auch keine Spur von HO, enthielt. Zwanzig Gramme dieses Weingeistes in einer halblitergrossen lufthaltigen Flasche in kräftigem Sonnenlichte etwa zehn Minuten lang lebhaft geschüttelt erwiesen sich schon so HO,-haltig, dass sie durch Guajaktinctur und Malz- auszug deutlichst gebläuet wurden, und kaum bedarf es der ausdrücklichen Bemerkung, dass diese Färbung um so tiefer ausfällt, je länger der Weingeist in der ange- gebenen Weise behandelt worden. Und ebenso ver- stehet es sich von selbst, dass auch unter dem Einfluss des zerstreuten Lichtes (obwohl langsamer) diese Bil- En dE dung von Wasserstoffsuperoxid stattfindet, woher es kommt, dass Weingeist (auch der wasserhaltige), in luft- haltigen Flaschen einige Zeit im Laboratorium u. s. w. aufbewahrt. durch unser Reagens gebläuet wird. Aus diesen Thatsachen darf daher mit Sicherheit geschlossen werden, dass jeder Weingeist, welcher auch im zerstreu- ten Lichte nur kurze Zeit mit atmosphärischer Luft in Berührung gestanden, nicht mehr ganz rein und je nach Umständen mehr oder weniger HO,-haltig sei. Wie nach meinen frühern Angaben das mit Wasser stark verdünnte Wasserstoffsuperoxid selbst bei 100° conzentrirt und theilweise unzersetzt überdestillirt wer- den kann, so auch der HO;-haltige Weingeist. Alkohol, der im zerstreuten Lichte durch längere Berührung mit atmosphärischer Luft so HO;-haltig geworden war, dass er zwar durch die Guajaktinctur und den Malzauszug, nicht aber durch das viel weniger empfindliche Reagens der Chromsäure gebläuet wurde, unterwarf ich der De- stillation, vom Ganzen Neunzehnttheile überziehend. Das Destillat bläuete sich noch deutlich, obwohl schwächer als der nicht destillirte Weingeist, während das rück- ständige Zehntel diese Reaction sehr stark hervorbrachte und durch SO,-haltige Chromsäurelösung ziemlich tief lasurblau gefärbt wurde, was die durch Destillation be- wirkte Conzentration des im Weingeist enthaltenen HO, ausser Zweifel stellt. Da den gemachten Angaben gemäss die Guajak- tinctur ein eben so bequemes als empfindliches Mittel ist, das in Folge der Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffes auf den Alkohol u. s. w. entstandene Was- serstoffsuperoxid nachzuweisen, so muss selbstverständ- lich die zu diesem Zwecke taugliche Harzlösung mit Weingeist bereitet werden, der völlig frei von HO, ist. Um sich von dieser Reinheit zu überzeugen, löse man PEL: etwa ein Hundertel Guajak in dem zu prüfenden Wein- geist und füge der Tinctur nebst Wasser einigen Malz- auszug bei, welcher bei völliger Abwesenheit von HO, die Harzlösung ungebläuet lassen muss. Da der mit be- leuchteter Luft in Berührung stehende Weingeist schon für sich allein, noch rascher aber bei seiner Harzhaltig- keit*) HO, erzeugt, so erhellt hieraus die Nothwendig- keit, die Guajaktinctur im Dunkeln aufzubewahren, wenn sie als zuverlässiges Reagens auf HO, dienen soll, und räthlich ist, dieselbe vor ihrer Anwendung immer mit Malzauszug auf eine mögliche Verunreinigung mit diesem Superoxide zu prüfen. Natürlich lässt sich mit Hülfe des in Rede stehenden Reagens zeigen, dass wie der Weingeist so auch der Methylalkohol, der gewöhnliche Aether, das Aceton und noch andere organische Flüs- sigkeiten mit. beleuchtetem Sauerstoff HO, erzeugen, und ich will nicht unerwähnt lassen, dass die beiden erst- genannten Substanzen diess noch viel schneller thun als der Weingeist. Es ist von mir zu seiner Zeit gezeigt worden, dass manche Metalle, gleichzeitig mit Wasser und atmosphä- rischer Luft in Berührung gesetzt, sofort die Bildung von HO, veranlassen und in dieser Hinsicht namentlich das Zink sich auszeichne. Wie empfindlich nun unser Reagens auf das in dieser Weise entstandene Superoxid ist, mögen nachstehende Angaben zeigen. Bespritzt man auf einen Trichter gebrachte amalga- mirte Zinkspähne mit destillirtem Wasser, so wird die ablaufende Flüssigkeit schon so viel HO, enthalten, dass #) In einer meiner frühern Mittheilungen ist angegeben, dass die Anwesenheit von Harzen, Camphenölen, Kampfer u. s. w. im Weingeiste die Bildung des Wasserstoffsuperoxides namhaft beschleu- nigen. = sie beim Zufügen von Guajaktinetur und Malzauszug sich deutlichst bläuet, und eine gleich reagirende Flüssigkeit wird enthalten, wenn man die besagten Spähne nur einen Augenblick mit Luft und Wasser zusammenschüttelt, wobei man selbst siedendheisses anwenden kann. Um mit Hülfe unseres Reagens in einfachster Weise die Bil- dung des Wasserstoffsuperoxides zu zeigen, welche bei der in feuchter Luft erfolgenden Oxidation mancher Me- talle stattfindet, beobachte man folgendes Verfahren. Man umwickelt ein amalgamirtes und mit Wasser befeuchtetes Zink- oder Kadmiumstäbchen mit guajakhaltigem und Malzauszug benetztem Papierstreifen, unter welchen Um- ständen da wo Metall und Papier sich innig berühren, an Letzterm sofort ein blauer Flecken entsteht: Man erhält zwar diese Reaction auch mit den nicht amalga- mirten Metallen von vollkommen reiner Oberfläche, da aber auf derselben bald eine, wenn auch nur äusserst dünne Oxidhülle sich bildet, so hören sie bald auf wirk- sam zu sein, während das amalgamirte Zink u. s. w. länger rein glänzend bleibt und desshalb am geeignet- sten ist, die Bildung von HO, zu veranlassen. Wie sich mit dem fraglichen Reagens winzigste Spuren von HO, im Wasser entdecken lassen, so auch äusserst kleine Mengen dampfförmigen Wasserstoffsuper- oxides. Ein guajakhaltiger und mit Malzauszug benetz- ter Papierstreifen in einem Gefässe aufgehangen, dessen Boden mit tausendfach verdünntem Wasserstoffsuperoxid bedeckt ist, färbt sich bei gewöhnlicher Temperatur in wenigen Minuten deutlichst blau, welche Färbung natür- lich von nichts anderm als von HO,-Dampf herrühren kann. Dass aus siedendem stark verdünntem Wasser- stoffsuperoxid neben den Wasserdämpfen auch einiges HO, dampfförmig weggeht, lässt sich auf die gleiche Weise zeigen, und eben so, dass der Raum einer luft- RE haltigen Flasche, deren Boden mit angefeuchteten amal- gamirten Zinkspähnen bedeckt ist, nach nicht sehr langer Zeit schon Spuren von HO,-Dampf enthält. Stellt man den Versuch bei 25—30° an, so wird ein guajakhaltiger und mit Malzauszug benetzter Papierstreifen schon nach 12—15 Minuten deutlichst gebläuet sein. Zum Gelingen dieses Versuches ist jedoch durchaus nothwendig, dass die Metallspähne auch nicht den schwächsten Anflug einer Oxidhülle zeigen. Ist das an einer warmen Stelle stehende Versuchsgefäss etwas hoch und verschlossen, so dass die höhern Wandungen desselben mit Wasser sich beschlagen, so kann mit Hülfe unseres Reagens die HO;-haltigkeit dieses aus Dampf entstandenen Wassers leicht so nachgewiesen werden, dass man letzteres von einem Stück Filtrirpapier aufsaugen lässt und mit eini- sen Tropfen Guajaktinctur und Malzauszuges über- giesst. Schliesslich muss ich noch daran erinnern, dass auch die Blutkörperchen die HO,-haltige Guajaktinctur zu bläuen vermögen; nach meinen Beobachtungen bringen sie jedoch diese Wirkung merklich langsamer als der Malzauszug hervor, wesshalb allein schon der letztere den Vorzug vor den Blutkörperchen verdient. Hiezu kommt aber noch die lichte Färbung des besagten Aus- zuges, welche eine dadurch verursachte Bläuung der Guajaktinctur noch sicher erkennen lässt, die durch die tiefere Färbung der Blutkörperchen entweder undeutlich gemacht oder gänzlich verhüllt würde. Man kann dess- halb mit Hülfe des Malzauszuges noch viel kleinere Mengen von HO, in einer Flüssigkeit und namentlich im Weingeiste nachweisen, als diejenigen sind, welche sich mittelst der Blutkörperchen erkennen lassen. V. Ueber das Verhalten des Malzauszuges und der Blut- körperchen zu dem in den Camphenen, fetten Oelen u. Ss. w, enthaltenen beweelichen Sauerstoff, Nach meinen Versuchen vermögen bekanntlich die bezeichneten Materien unter dem Einflusse des Lichtes mit merklichen Mengen Sauerstoffes so sich zu beladen, dass derselbe auf eine Reihe anderer Körper überführ- bar ist, in welcher Hinsicht das Terpentin- und Wach- holderbeer-Oel ganz besonders sich auszeichnen. Wie ich zu seiner Zeit gezeigt habe, ist dieser bewegliche Sauerstoff nicht an Wasser, sondern an das Terpentinö u. s. w. gebunden. Von den Blutkörperchen haben meine Versuche dar- gethan, dass sie den in Rede stehenden Sauerstoff be- stimmen zum Guajak zu treten, wie daraus erhellt, dass die geistige Lösung dieses Harzes mit einer sauerstoff- haltigen Materie der bezeichneten Art vermischt, beim Zufügen von Blutkörperchen sofort sich bläuet, ein Ver- halten, übereinstimmend mit demjenigen, welches die gleichen Körperchen zum beweglichen Sauerstoff des Wasserstoffsuperoxides zeigen. Es stand desshalb zu vermuthen, dass auch der Malzauszug die gleiche Wirk- samkeit äussern werde, und in wie weit diess der Fall ist, wird man aus den nachstehenden Angaben entnehmen können. Lässt man einige Tropfen Terpentinöles, das unter dem Einflusse des Lichtes längere Zeit in Berührung mit atmosphärischer Luft gestanden, in etwa 4 bis 5 Gramme Guajaktinetur (1°/, Harz enthaltend) fallen, so bläuet sich beim Zufügen von Malzauszug das Gemisch ziem- lich rasch und tief, obwohl nicht so tief wie bei An- ER wendung von Blutkörperchen, und in ganz ähnlicher Weise verhalten sich auch die übrigen mit beweglichem Sauerstoff beladenen Camphene, wie z. B. das Wach- holderöl. Gemäss einer im vorigen Jahre von mir ver- öffentlichten Arbeit lässt sich von dem mit den Camphenen vergesellschafteten Sauerstoff nur die Hälfte auf ge- säuertes Wasser überführen, um damit HO, zu bilden, welche Thatsache zeigt, dass die beiden Sauerstoffhälften in verschiedenen Zuständen sich befinden. Zu der gleichen Folgerung führt nun auch das gleichgültige Verhalten des Malzauszuges zu dem in den Camphenen enthaltenen beweglichen Stauerstoffe, welcher sich nicht auf das Wasser übertragen lässt. Terpentinöl, welches 4°/, be- weglichen Sauerstoffes enthielt, wurde so lange mit SO,- haltigem Wasser geschüttelt, bis in letzterem keine Spur von HO, mehr sich entdecken liess, und welches Oel somit noch mit 2°, beweglichen Sauerstoffes beladen war, der meinen frühern Mittheilungen gemäss leicht auf die Basis der Eisenoxidulsalze, die schweflichte Säure u. s. w. wie auch unter dem Einflusse der Blut- körperchen sofort auf das gelöste Guajak sich überführen lässt. Ein paar Tropfen dieses Oeles mit einigen Gram- men Guajaktinctur vermischt, bleiben beim Zufügen von Malzauszug wöllig ungefärbt, während dagegen die Blut- körperchen unverweilt die tiefste Bläuung verursachen. Aus den angegebenen Thatsachen geht somit her- vor, dass nur derjenige Theil des in dem Terpentinöl u. s. w. enthaltenen beweglichen Sauerstoffes, welcher auf das gesäuerte Wasser übertragbar ist, von dem Malz- auszug zur Verbindung mit dem Guajak bestimmt wird, während dagegen die Blutkörperchen die Ueberführung der beiden Sauerstoffhälften auf das Harz zu bewirken vermögen, woher es eben kommt, dass die mit O-hal- tigem Terpentinöl vermischte Guajaktinctur durch die M 0 Blutkürperchen tiefer als durch den Malzauszug gebläuet wird. In der oben angeführten Arbeit ist bemerkt, dass unter dem Einflusse des Lichtes auch die fetten Oele Sauerstoff aufnehmen, welcher auf andere oxidirbare Materien und mit Beihülfe der Blutkörperchen auch auf das Guajak sich übertragen lasse, wesshalb ich die al- koholische Lösung dieses Harzes in Verbindung mit den besagten Körperchen als höchst empfindliches Reagens auf den in fetten Oelen enthaltenen beweglichen Sauer- stoff empfohlen habe. Zu gleicher Zeit ist angegeben worden, dass solche Oele ihren beweglichen Sauerstoff nicht an gesäuertes Wasser abtreten, wie lange man sie auch mit Lezterm schütteln möge. Ich finde nun, dass die mit solchen O-haltigen Oelen vermischte Guajak- tinctur durch Malzauszug nicht im Mindesten gebläuet wird, während die Blutkörperchen in kurzer Zeit die tiefste Bläuung hervorrufen. Aus voranstehenden Angaben lässt sich daher ab- nehmen, dass nur derjenige in organischen Materien vorhandene bewegliche Sauerstoff, welcher mit dem Wasser zu HO, sich verbinden lässt, durch den Malz- auszug auf das Guajakharz überführbar ist, wobei ich noch bemerken will, dass die etwas conzentrirten (in der Kälte bereiteten) wässerigen Auszüge ’”aller bis jetzt von mir untersuchten Pflanzensamen, namentlich der Cerealien, wie derjenige des Malzes sich verhalten, je- doch weniger wirksam als der letztere sind. Wenn nun vorerst auch die in dieser Mittheilung beschriebenen Thatsachen noch vereinzelt dastehen, d.h. die Einsicht in ihren Zusammenhang mit anderweitigen namentlich chemisch-physiologischen Erscheinungen uns noch mangelt, so scheinen sie mir doch schon desshalb von einer allgemeinen Bedeutung zu sein, weil alles, was sich auf das Verhalten des Sauerstoffes zu organi- SN HÉROS schen Materien bezieht, ein physiologisches Interesse haben muss. So viel ist jedenfalls gewiss, dass die thatsächlichen Ergebnisse, zu welchen die neuern über diesen Gegenstand angestellten Untersuchungen geführt haben, völlig unerwartet gewesen sind. Die Thatsache allein schon, dass in der gleichen Materie, wie z. B. im Terpentinül, der Sauerstoff verschiedene Grade der Beweglichkeit und Thätigkeit zeigt, beurkundet deut- lichst, dass wir noch weit davon entfernt sind, die Vor- gänge genau zu kennen, welche bei der Einwirkung dieses Elementes auf organische Materien stattfinden und noch ein weites Feld der Forschung auf diesem Gebiete vor uns ausgebreitet liegt. VL: Ueber das Verhalten der Aldehyde zum gewöhnlichen Sauerstoff. Auf eine Anzahl von Thatsachen mich stützend, habe ich schon vor Jahren die Ansicht geltend zu machen gesucht, dass der gewöhnliche Sauerstoff als solcher der chemischen Verbindung unfähig sei und der Oxidation jeder Materie eine Zustandsveränderung (Activirung) dieses Elementes vorausgehen müsse. Dem Anscheine nach oxidirt derselbe zwar viele unorganische und organische Substanzen schon bei gewöhnlicher Temperatur, in welchem Falle namentlich die Aldehyde sich befinden, welche bekanntlich in Berührung mit atmosphärischer Luft leicht zu Säuren sich oxidiren; aber gerade diese merkwürdige Gruppe organischer Körper ist ganz be- sonders dazu geeignet, das ihrer Oxidation voraus- gehende Thätigwerden (Ozonisation) des gewöhnlichen Br. ° Sauerstoffes experimentell nachzuweisen, unter welchen Aldehyden selbst wieder der Valerylwasserstoff es ist, an dem der besagte Vorgang am augenfälligsten beob- achtet werden kann. Mein Freund Herr Städeler hatte die Güte, mir dieses Aldehyd in reinem Zustande zur Verfügung zu stellen und, obwohl die Menge hievon nicht gross war, so reichte sie doch vollkommen hin, die in Nachstehendem beschriebenen Thatsachen auf das Sicherste festzustellen. Bekanntlich wirkt der gewöhnliche Sauerstoff (bei gewöhnlicher Temperatur) nicht im Geringsten auf die Indigolösung, das Guajak, Jodkalium, Thalliumoxidul und das schwefelsaure Manganoxidul ein, während das Ozon den Indigo zerstört, das Harz bläuet, aus dem Haloidsalze Jod abscheidet, das Thalliumoxidul in das braune Oxid und die Basis des Sulfates in Mangansuper- oxid überführt, wesshalb die mit den genannten Sub- stanzen behafteten und der Einwirkung des Ozons aus- gesetzten Papierstreifen gebleicht oder gefärbt werden und daher als bequeme Reagentien auf den thätigen Sauerstoff dienen können. Solche Streifen, in einem luft- oder sauerstoff- haltigen Fläschchen von etwa 25° aufgehangen, in wel- ches man einen oder zwei Tropfen des Valerylaldehydes hat fallen lassen, bleiben in völliger Dunkelheit so gut als unverändert, ganz anders aber, alles Uebrige sonst gleich, verhält sich die Sache im unmittelbaren Sonnen- lichte. Ist dasselbe sehr kräftig, so fängt das feuchte guajak- und stärkehaltige Jodkaliumpapier sofort an sich zu bläuen, bald die tiefste Färbung annehmend, wird das ebenfalls feuchte und mässig stark gebläuete Indigopapier in wenigen Minuten gebleicht und in kurzer Zeit auch das Thallium- und Manganpapier deutlichst gebräunt sein, wobei kaum nöthig ist, zu bemerken, LE MR dass mit diesen Ozonreactionen auch die Bildung von Baldriansäure Hand in Hand geht, wie diess die Röthung des feuchten Lakmuspapieres beurkundet. Hat man das flüssige Aldehyd in der Dunkelheit auf längere Zeit mit reinem Sauerstoff oder atmosphärischer Luft zusammengeschüttelt, so lässt es doch die Guajak- tinctur und den Jodkaliumkleister völlig ungefärbt, findet aber das Schütteln in unmittelbarem Sonnenlichte statt, so erlangt dasselbe rasch die Fähigkeit, die beiden ge- nannten Reagentien augenblicklich bis zur Undurch- sichtigkeit tief zu bläuen, was beweist, dass das so behandelte Aldehyd thätigen und noch übertragbaren Sauerstoff enthält. Nach kurzem Stehen in der Dunkel- heit bringt jedoch die Flüssigkeit diese oxidirenden Wirkungen nicht mehr hervor, zum Beweise, dass der besagte Sauerstoff eine festere Verbindung eingegangen, d. h. zur Bildung von Baldriansäure gedient hat, wie in der That nun auch das Aldehyd sauer reagirt. Aus diesen Angaben erhellt, dass unter dem gleich- zeitigen Einflusse des Aldehydes und des Sonnenlichtes der gewöhnliche Sauerstoff rasch in den thätigen Zu- stand versetzt wird, so dass derselbe nicht nur auf das Valeral, sondern auch noch auf andere ihm dargebotene Materien wie der ozonisirte Sauerstoff einwirkt. Und da das unter Lichteinfluss mit gewöhnlichem Sauerstoff geschüttelte flüssige Aldehyd anfänglich noch die Wir- kungen des Ozons auf das Guajak u. s. w. hervorbringt, so lässt sich hieraus abnehmen, dass der Sauerstoff nach seiner Activirung nicht sofort mit dem Valeral zu Bal- driansäure sich verbindet, sordern anfänglich mit dem- selben nur locker sich vergesellschaftet, um jedoch bald, auch bei Abwesenheit von Licht, in einen festen gebundenen Zustand zu treten, d. h. mit dem Aldehyd die Valerylsäure zu bilden. a RE Wiederholt habe ich die Ansicht ausgesprochen, dass wo nicht alle doch sehr viele chemische Verbin- dungen, namentlich aber diejenigen, welche der Sauer- stoff mit den übrigen Elementen eingeht, nicht urplötz- lich zu Stande kommen, sondern dieselben, wie einen Anfang und ein Ende, so auch eine Mitte haben, so dass die vollendete Bildung einer zusammengesetzten Materie gleichsam nur die Schlussscene eines aus meh- reren Acten bestehenden chemischen Drama’s sei. Beim Zusammentreffen des gewöhnlichen besonneten Sauer- stoffes mit dem Valerylaldehyd findet erst die Activirung dieses Elementes statt, dann die lockere Vergesellschaf- tung des veränderten Sauerstoffes mit dem Aldehyd und schliesslich die Umsetzung dieser beiden Materien in Baldriansäure, während die gewöhnliche Vorstellung den Sauerstoff und das Aldehyd so zu sagen Knall und Fall- miteinander zu der genannten Säure sich verbinden lässt, ohne irgend welche Zwischenvorgänge anzunehmen. Dass man bisher die Letztern nicht beachtet hat, rührt haupt- sächlich von der in vielen Fällen so rasch stattfindenden Aufeinanderfolge der verschiedenen Vorgänge her, welche bei chemischen Verbindungen Platz greifen, so dass Nichts zwischen Anfang und Ende derselben zu liegen scheint. Niemand wird aber in Abrede stellen wollen, dass die Kenntniss der angedeuteten Vorgänge zum Ganzen der Wissenschaft eben so gut gehöre, als die- jenige der Endergebnisse, welche Letzteren freilich un- gleich leichter als die Ersteren sich ermitteln lassen. In einer schon vor Jahren von mir über das Bitter- mandelöl veröffentlichten Arbeit ist gezeigt worden, dass der gewöhnliche Sauerstoff, bevor er dasselbe zu Benzoe- säure oxidirt, unter dem Einflusse des Sonnenlichtes in den thätigen Zustand trete, wie aus der Thatsache er- hellt, dass das besagte Oel nur kurze Zeit mit besonneter =. Luft geschüttelt die Guajaktinetur und den Jodkalium- kleister zu bläuen wie auch noch anderweitige Oxidations- wirkungen hervorzubringen vermag, gleich denen, welche das Ozon verursacht. Und ebenso haben meine in neuester Zeit mit dem Acetylwasserstoff angestellten Versuche zu Ergebnissen geführt, vollkommen überein- stimmend mit denjenigen, welche mit dem Valeryl- wasserstoff erhalten wurden. Die oben genannten Rea- genspapiere in einem Gemeng von gewöhnlichem Sauerstoff oder atmosphärischer Luft und Aldehyddampf aufge- fangen, verändern sich in der Dunkelheit nicht, zeigen jedoch im unmittelbaren Sonnenlichte ziemlich rasch die unter den gleichen Umständen mit dem Valeral erhalte- nen Reactionen: es wird das Indigopapier gebleicht, das guajak- oder jodkaliumstärkehaltige gebläuet, das man- ganhaltige gebräunt u.s. w. Auch erlangt das flüssige Acetylaldehyd durch kurzes Schütteln mit besonnter Luft die Eigenschaft, die Guajaktinctur und den Jodkalium- kleister auf das tiefste zu bläuen, um dieselbe im Dunkeln nach kurzer Zeit wieder zu verlieren. Und wenn nun obigen Angaben gemäss die drei Aldehyde: der Acetyl-, Valeryl- und der Benzoylwasserstoff unter der gleich- zeitigen Mitwirkung des Sonnenlichtes den gewöhnlichen Sauerstoff in den thätigen Zustand versetzen, so ist kaum daran zu zweifeln, dass auch die übrigen Aldehyde in ähnlicher Weise sich verhalten werden. Da die Oxidation der Körper sicherlich der wich- tigste aller chemischen Vorgänge ist und desshalb eine möglichst genaue Kenntniss der Umstände und Be- dingungen, unter welchen sie stattfindet, eine nicht geringe theoretische Bedeutung hat, so dürfte es be- lehrend sein, beim Vortrage der Chemie am schicklichen Orte das typische Verhalten des Valerylaldehydes zum beleuchteten gewöhnlichen Sauerstoff durch einen eben RE so einfachen als lehrreichen Versuch den Zuhörern an- schaulich zu machen. Zu diesem Behufe bringe man in eine halblitergrosse sauerstoff- oder lufthaltige Flasche etwa zehn Tropfen des genannten Aldehydes, hänge darin die obengenannten Reagenspapiere auf und lasse auf das Versuchsgefäss kräftiges Sonnenlicht fallen, unter welchen Umständen die oxidirenden Wirkungen des thätig gewordenen Sauerstoffes rasch und in augen- fälligster Weise hervorgebracht werden. Der Vergleichung halber führe man dieselben Reagenspapiere in stark (durch Phosphor u. s. w.) ozonisirte Luft ein, wodurch dieselben gerade so wie durch das besonnete Gemeng von gewöhnlichem Sauerstoff und dem Aldehyddampf verändert werden. Es kann wohl keinem Zweifel unterworfen sein, dass auch noch andere organische Materien in ihrem Verhalten zum beleuchteten Sauerstoff den Aldehyden gleichen; und dass diess mit manchen ätherischen Oelen der Fall sei, haben meine frühern Versuche dargethan. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass Vorgänge, ähnlich den oben bezeichneten, auch bei der Verwesung orga- nischer Materien, beim Bleichen vegetabilischer Pigmente u. s. w. stattfinden und bei derartigen Oxidationen das Licht eine wichtige Rolle spielt. VIL Ueber das Verhalten einiger organischer Materien zum Ozon. Zu seiner Zeit ist von mir gezeigt und seither auch durch die Versuche anderer Chemiker bestätiget worden, dass die meisten organischen Materien durch den 020- nisirten Sauerstoff schon bei gewöhnlicher Temperatur PR oxidirt und Manche derselben. wie z. B. die Gerbsäure, Pyrogallussäure, das Hämatoxylin, Anilin u. s. w. sogar vollständig verbrannt werden. Auch hahe ich wiederholt darauf aufmerksam gemacht und in der voranstehenden Mittheilung dargethan, dass manche organischen Sub- stanzen thätigen Sauerstoff als solchen enthalten können, welche Thatsache mich vermuthen liess, dass ein solches Verhalten eher Regel als Ausnahme sei, d. h. der auf- genommene thätige Sauerstoff, bevor er wirkliche Oxi- dationswirkungen auf eine organische Materie hervor- bringt, mit derselben je nach ihrer Natur kürzere oder längere Zeit als solcher vergesellschaftet sein und in diesem Zustand auf andere oxidirbare Substanzen über- geführt werden könne. Da alle Pflanzensaamen albuminose Materien ent- halten, gleich dem Platin und den Blutkörperchen mit dem Vermögen begabt, das Wasserstoffsuperoxid zu zer- legen und die HO,-haltige Guajaktinctur zu bläuen, Materien also, die eigenthümliche Beziehungen zum Sauerstoffe zeigen, so bestimmte mich dieser Umstand, mit den wässerigen Auszügen einer Anzahl von Pflanzen- saamen einige Versuche über das Verhalten derselben zum ozonisirten Sauerstoff anzustellen, deren Ergebnisse einiges Interesse darbieten und bei welchem Anlass ich bemerken will, dass die besagten Auszüge aus den zer- stampften Saamen bei gewöhnlicher Temperatur bereitet wurden, wozu sich wieder am besten die Cerealien und vor allen die gekeimte Gerste (geschrottetes Malz) eignen. Was den bei meinen Versuchen angewendeten thä- tigen Sauerstoff betrifft, so wurde mit Hülfe des Phosphor in bekannter Weise die atmosphärische Luft einer sechs Liter grossen Flasche so stark ozonisirt, dass ein in dieselbe eingeführter Streifen feuchten Jodkaliumstärke- papieres augenblicklich schwarzblau oder ein mit Thallium- ee oxidullösung getränkter Papierstreifen in wenigen Se- kunden sich deutlich bräunte, wobei es sich von selbst versteht, dass die so ozonisirte Luft gewaschen wurde, bevor man sie mit den wässerigen Saamenauszügen in Berührung setzte. 20 — 30 Gramme etwas conzentrirten Malzauszuges nur wenige Minuten lang mit der ozonisirten Luft zu- sammengeschüttelt, liefern eine Flüssigkeit, welche für sich allein die Guajaktinctur sofort augenfälligst bläuet, in welcher Weise sich auch die Auszüge anderer Saamen verhalten, was beweist, dass sie thätigen Sauerstoff ent- halten. Da bei gewöhnlicher Temperatur diese Flüssig- keiten die Harzlösung selbst nach mehrstündigem Stehen noch deutlich, obgleich schwächer als anfänglich, bläuen, so erhellt auch hieraus wieder, dass der ozonisirte Sauer- stoff als solcher eine merklich lange Zeit mit organischen Materien vergesellschaftet sein kann, eine Thatsache, die nach meinem Ermessen nicht ohne physiologische Bedeutung ist. Kaum bedarf es noch der ausdrücklichen Bemerkung, dass die besprochenen Auszüge ihr Ver- mögen, die Guajaktinctur zu bläuen, allmählig von selbst verlieren, wie diess in der Regel mit allen im flüssigen Zustande befindlichen organischen Materien der Fall ist, welche ozonisirten Sauerstoff enthalten, und eben so ver- steht es sich von selbst, dass ozongierige Substanzen, wie z. B. die Gerbsäuren u. s. w. die gleiche Wirkung augenblicklich hervorbringen. Schliesslich erwähne ich noch, dass die wässrigen Lösungen des Eiweisses, Ca- seins und Leimes beim Schütteln mit ozonisirter Luft ebenfalls thätigen Sauerstoff aufnehmen, welcher jedoch nur unter der Mitwirkung des gewöhnlichen Malzaus- zuges auf die Guajaktinctur sich überführen lässt, wie aus der unter diesen Umständen eintretenden Bläuung dieser Harzlösung erhellt. TT VII. Ueber die Erzeugnisse der langsamen Verbrennung des Aethers. Vor vielen Jahren schon ermittelte ich die That- sache, dass bei der langsamen Verbrennung des Aethers eine Materie zum Vorschein kommt, welche den Jod- kaliumkleister augenblicklich auf das Tiefste zu bläuen und noch anderweitige Oxidationswirkungen hervorzu- bringen vermag, gleich denen, welche der thätige Sauer- stoff verursacht, wesshalb ich glaubte hieraus schliessen zu dürfen, dass wie bei der langsamen Verbrennung des Phosphors so auch bei derjenigen des Aethers Ozon auf- trete. Später fand ich, das die Letztere der langsamen Verbrennung des Phosphors auch darin gleiche, dass dabei Wasserstoffsuperoxid gebildet wird. Nachstehende Angaben über die Ergebnisse einiger neuern Versuche werden meine frühern den gleichen Gegenstand betreffen- den Mittheilungen in Etwas vervollständigen. Lässt man einige Tropfen reinen Aethers in einen halblitergrossen Kolben fallen und führt man nach deren Verdampfung eine mässig stark erhitzte Spirale von etwas dickem Platindraht in das Gefäss ein, um da- durch die langsame Verbrennung des Aetherdampfes an- zufachen, so wird schon nach wenigen Sekunden so viel einer ozonhaltigen Materie und von Wasserstoffsuperoxid sich gebildet haben, dass beide mit Hülfe geeigneter Reagentien augenfälligst sich nachweisen lassen. Zu diesem Behufe hat man nach erfolgter Verbrennung des Aethers den Inhalt des Kolbens mit einigen Grammen Wassers zu schütteln und die erhaltene Flüssigkeit zu halbiren. Fügt man zu der einen Hälfte Jodkalium- kleister, so wird derselbe sofort auf das Tiefste gebläuet, welche Reaction durch die ozonhaltige Materie und nicht == Ur durch das vorhandene Wasserstoffsuperoxid verursacht wird, das bekanntlich in sehr verdünntem Zustande für sich allein diese Bläuung entweder gar nicht oder nur höchst langsam hervorbringt. Weiter unten werden noch einige andere Thatsachen angeführt werden, welche nach meinem Dafürhalten das Vorhandensein ozonisirten Sauer- stoffes ausser Zweifel stellen. Schüttelt man die andere Hälfte der Versuchsflüssigkeit mit dem gleichen Volumen reinen Aethers und einigen Tropfen SO,-haltiger ver- dünnter Uhromsäurelösung zusammen, so erscheint der obenauf schwimmende Aether lasurblau, was die An- wesenheit von HO, in der besagten Flüssigkeit auf das Zweifelloseste beurkundet. Da nach meinen Erfahrungen das Cyanin ein äusserst empfindliches Reagens auf den freien und gebundenen ozonisirten Sauerstoff ist, durch welchen dieser merk- würdige Farbstoff bekanntlich rasch entbläuet wird, wäh- rend gegen denselben das Wasserstoffsuperoxid gleich- gültig sich verhält, so benützte ich die alkoholische Lösung des Cyanins, um damit die Anwesenheit des Ozons in dem Wasser nachzuweisen, von welchem ich das Erzeugniss der langsamen Verbrennung des Aethers hatte reichlich aufnehmen lassen. Bekanntlich entsteht bei dieser Verbrennung einige Ameisen- und Essigsäure, wesshalb die Versuchsflüssig- keit das Lakmuspapier merklich stark röthet, und da nach meinen Versuchen alle freien Säuren die Cyaninlösung entbläuen, so neutralisirte ich die besagte Flüssigkeit mittelst Natrons auf das Genaueste, ehe ihr Verhalten zum Farbstoff geprüft wurde. Trotz ihrer vollkommenen Neutralität besass sie doch immer noch das Vermögen, für sich allein eine merkliche Menge von Cyaninlösung zu entbläuen und damit eine farblose Flüssigkeit zu bilden, welche durch ozongierige Substanzen (As O,, HS, ® Pyrogallussäure u. s. w.) wieder merklich stark sich bläuen liess und auch anderweitig ganz so sich verhielt, wie das durch Ozon entbläuete Cyanin. Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass die voranstehenden An- gaben nur von der frisch bereiteten Versuchsflüssigkeit gelten; denn ist dieselbe nur wenige Stunden alt ge- worden, so vermag sie für sich allein weder die Cyanin- lösung zu entfärben noch den Jodkaliumkleister zu bläuen. Sie bringt jedoch unter der Mitwirkung kleiner Mengen verdünnter Eisenvitriollösung beide Reactionen hervor. wie dieselbe auch mit Beihülfe der Blutkörperehen oder des Malzauszuges die Guajaktinctur bläuet, Wirkungen, welche von dem in der Versuchsflüssigkeit noch vor- handenen Wasserstoffsuperoxid herrühren. Aus den er- wähnten Thatsachen scheint mir mit Gewissheit hervor- zugehen, dass bei der langsamen Verbrennung des Aethers ausser Ameisen- und Essigsäure, Aldehyd und Wasserstoffsuperoxid auch noch eine unbeständige ozon- haltige Materie gebildet wurde. Noch will ich beifügen, dass die frische Versuchsflüssigkeit in der Siedhitze ihren Ozongehalt beinahe augenblicklich verliert, nicht aber denjenigen an HO,, wie sich diess aus meinen frühern Angaben über die verhältnissmässig grosse Beständigkeit dieses mit Wasser stark verdünnten Superoxides leicht begreifen lässt. Ehe ich meine Vermuthung über die Ursache des erwähnten Verschwindens des Ozons äussere, dürfte es am Orte sein, an meine frühern Mittheilungen zu er- innern, nach welchen beim Zusammentreffen des ölbilden- den Gases mit ozonisirtem Sauerstoff eine ozonhaltige Materie entsteht, derjenigen ganz ähnlich, welche bei der langsamen Verbrennung des Aethers zum Vorschein kommt. Lässt man zu möglichst stark ozonisirter Luft so viel ölbildendes Gas treten, bis ein in das Versuchs- BR: gefäss eingeführter Streifen feuchten Jodkaliumstärke- papieres nicht mehr sofort gebläuet wird, so ist der so karakteristische Ozongeruch nicht mehr wahrnehmbar und an dessen Stelle ein widrig stechender getreten ganz ähnlich demjenigen, welcher bei der langsamen Ver- brennung des Aethers auftritt. Gleichzeitig erfüllt sich das Gefäss mit einem bläulich weissen Qualm, welcher von zugegossenem Wasser ziemlich rasch aufgenommen wird. Fasste bei meinen Versuchen das ozonhaltige Gefäss 25 Liter und liess man den besagten Qualm von 50 Grammen Wassers aufnehmen, so wurde eine Flüssig- keit erhalten, welche anfänglich nicht im Mindesten sauer reagirte, einen beissenden Geruch und Geschmack hatte, den Jodkaliumkleister augenblicklich tief bläuete und was ich ganz besonders hervorheben will, eine verhält- nissmässig grosse Menge von Cyalinlösung entbläuete, da- mit eine Flüssigkeit bildend, welche durch ozongierige Materien wieder gebläuet wurde und auch in jeder andern Beziehung ganz so sich verhielt, wie die durch freies Ozon, Bleisuperoxid u. s. w. entfärbte Cyaninlôsung. Und ich füge noch bei, dass die in Rede stehende Flüssigkeit dem ozonhaltigen Erzeugnisse der langsamen Verbrennung des Aethers auch noch darin gleicht, dass sie ihre oxidirende Wirksamkeit bei gewöhnlicher Tem- peratur allmählig und in der Siedhitze beinahe augen- blicklich verliert. Wenn es nun die ausgeführten Thatsachen wahr- scheinlich machen, dass beim Zusammentreffen des 0z0- nisirten Sauerstoffes mit dem Elayl dieselbe Materie entsteht, welche bei der langsamen Verbrennung des Aethers erzeugt wird, so fragt es sich, mit welcher Substanz darin der thätige Sauerstoff vergesellschaftet sei. Für die Beantwortung dieser Frage scheint die von mir schon vor Jahren ermittelte Thatsache einen Anbalts- ER D punkt zu gewähren, dass sowohl das Wasser, welches die Erzeugnisse der langsamen Verbrennung des Aethers aufgenommen, als auch dasjenige, welches die aus Ae- thylen und Ozon gebildete Materie enthält, im frisch be- reiteten Zustande mit Jodkalium Aethylenjodür (C* H* J?) unter Ausscheidung von einigem Jod erzeugt, welche Thatsache der Vermuthung Raum gibt, dass die beiden fraglichen ozonhaltigen Materien aus ölbildendem (tas und ozonisirtem Sauerstoff zusammengesetzt seien. Die Annahme von Verbindungen, in welchen leicht oxidir- bare Materien mit thätigem Sauerstoff als solchem (auf einige Zeit wenigstens) vergesellschaftet sind, kann nicht mehr auffallen, seit wir eine Anzahl derartiger Verbin- dungen kennen wie x. B. diejenigen des Guajaks, des Cyanins, mehrere Aldehyde und viele in verschiedenen Pflanzen (z. B. in den Blättern u. s. w. von Leontodon Taraxacum, Lactuca etc.) enthaltenen Materien mit sol- chem Sauerstoff. Ebenso ist von den Camphenen, vielen andern ätherischen und fetten Oelen bekannt, dass sie mit Sauerstoff verbunden sein können, welcher in einem noch übertragbaren Zustande sich befindet. Da man den Aether seinen Elementen nach auch als C* H* + HO betrachten könnte, so lässt es sich wohl denken, dass unter dem Einflusse der Wärme der gewöhnliche Sauerstoff bestimmt würde, zum Theil auf C*H* sich zu werfen, um Aethylenozonid zu bilden, zum Theil auf HO, um Wasserstoffsuperoxid zu er- zeugen, wie ja auch bei der langsamen Oxidation des Phosphors, vieler Metalle und organischer Materien der vorhandene gewöhnliche Sauerstoff chemisch erregt wird und zwischen diesen oxidirbaren Substanzen und dem Wasser sich theilt. So weit meine hisherigen Erfahrungen gehen, gibt es kein organisches Ozonid, welches im gelösten Zu- 4 RS. stande bei gewöhnlicher Temperatur längere Zeit un- verändert bliebe. Das ozonisirte Guajak und Cyanin z. B. fangen unmittelbar nach ihrer Bildung an, sich chemisch zu verändern und zwar alles Uebrige sonst gleich, im Lichte rascher als in der Dunkelheit, wobei der ur- sprünglich in der Verbindung enthaltene thätige Sauer- stoff verschwindet. Schon längst ist bekannt, dass die durch oxidirende Agentien gebläuete Guajaktinctur von selbst sich entfärbt, nach meinen Beobachtungen ungleich schneller im Sonnenlicht als in der Dunkelheit. Bei wiederholter Färbung und Entfärbung der gleichen Harz- lösung verliert dieselbe die Fähigkeit, durch thätigen Sauerstoff sich bläuen zu lassen, was beweist, dass da- durch der chemische Bestand des Harzes verändert wird, indem der mit dem Harz anfänglich nur locker ver- gesellschaftete Sauerstoff innigere Verbindungen eingeht, d. h. wirkliche Oxidationswirkungen hervorbringt. In ähnlicher Weise verhält sich auch die durch Ozon ent- bläuete Cyaninlösung, aus welcher anfänglich der Farb- stoff durch ozongierige Substanzen noch unverändert sich abtrennen lässt, die aber bald diese Eigenschaft verliert und zwar im Sonnenlicht ebenfalls rascher als in der Dunkelheit. So umgeändert lässt sich durch kein Mittel mehr Cyanin aus der Lösung abscheiden, wie dieselbe auch keine Oxidationswirkung mehr hervorzubringen vermag, zum Beweis, dass beides, Farbstoff und über- tragbarer Sauerstoff, verschwunden sind. Hieraus erhellt somit, dass das ozonhaltige Guajak und Cyanin sehr unbeständige Verbindungen sind‘ und unmittelbar nach ihrer Bildung, je nach. Temperatur und Lichtstärke rascher oder langsamer, in anderartige Materien sich umsetzen. Was nun die wässerige Lösung der bei der langsamen Verbrennung des Aethers oder beim Zu- sammentreffen des ozonisirten Sauerstoffes mit dem öl- su ET à bildenden Gas betrifft, so zeigt sie eine Veränderlichkeit, völlig ähnlich dem gelösten ozonisirten Guajak oder Cyanin. Es ist bereits angegeben, dass die wässerige Lösung des Erzeugnisses der Einwirkung des Ozons auf C:H* anfänglich keine Spur von Säure enthält; lässt man aber diese von der Luft völlig abgeschlossene Flüssigkeit sich selbst über, so zeigt sie bald eine saure Reaction, die ihr Maximum erreicht hat, so bald sie keinen thätigen Sauerstoff mehr enthält, d. h. aufhört, den Jodkaliumkleister zu bläuen. Was die Natur dieser Säure betrifft, so ist aller Grund zu der Annahme vorhanden, dass sie Ameisen- säure sei. Wurde eine grössere Menge der besagten schwach sauer gewordenen Flüssigkeit erst mit Natron neutralisirt und dann bis auf einen kleinen Rest ein- gedampft, so schied letzterer beim Erwärmen mit einiger Silberlösung metallisches Silber aus, wie auch der gleiche Rückstand, mit einiger Schwefelsäure zusammengebracht und erwärmt, eine saure Materie entband. welche die so karakteristischen Eigenschaften der Ameisensäure zeigte. Liess ich das sauer reagirende und durch Natron neutralisirte Wasser, welches die Erzeugnisse der lang- samen Verbrennung des Aethers aufgenommen hatte und den Jodkaliumkleister für sich allein noch tief zu bläuen vermochte, unter völligem Ausschlusse der atmosphäri- schen Luft so lange sich selbst über, bis es die letzt- erwähnte Reaction nicht mehr hervorbringen konnte, so vermochte es wieder das Lakmuspapier deutlich zu röthen, zum Beweise, dass sich unter diesen Umständen eine Säure gebildet. Da schon bei der langsamen Ver- brennung des Aethers einige Ameisen- und Essigsäure sich erzeugt, so lässt sich in dem vorliegenden Falle nicht so leicht wie in dem vorigen entscheiden, welcher von bei- den Säuren das Wiedersauerwerden der in Rede stehen- HEAR TE den Flüssigkeit zuzuschreiben sei. Da sich aber kaum daran zweifeln lässt, dass im erstern Falle das Auftreten von Ameisensäure eine Folge der freiwilligen Umsetzung des Aethylenozonides sei und nach obigen Angaben es so gut als gewiss ist, dass dieses Ozonid auch bei der langsamen Verbrennung des Aethers entstehe, so wird hieraus höchst wahrscheinlich, dass auch die im zweiten Falle sich bildende Säure Ameisensäure sei. So lange wir das Verhältniss nicht kennen, nach welchem der ozonisirte Sauerstoff mit dem ölbildenden Gas zusammen- tritt. welches aus mancherlei Gründen, namentlich der so grossen Veränderlichkeit dieser Verbindung halber, nicht leicht zu ermitteln sein dürfte, können wir auch nicht einmal vermuthungsweise sagen, welche Materie ausser der Ameisensäure aus der Umsetzung des in Wasser gelösten Aethylenozonides hervorgehen könnte. In Betracht der Verwickeltheit der chemischen Vor- gänge, welche bei der langsamen Verbrennung des Aethers stattfinden, und der so verschiedenartigen dabei zum Vor- schein kommenden Verbindungen, von welchen die Eine erwähntermaassen unter den Händen sich verändert, scheint mir eine genügende Erklärung dieses Vorganges mit allen denselben begleitenden Umständen eine der schwierigsten Aufgaben zu sein, welche die Chemie noch zu lösen hat. Um zu diesem Ziele zu gelangen, verdient daher jede That- sache, welche möglicher Weise auf diesen Gegenstand sich beziehen könnte, die Beachtung des Chemikers, wesshalb ich schliesslich noch auf eine Materie aufmerksam machen will, welche sowohl bei der langsamen Verbrennung des Aethers als auch beim Zusammentreffen des Ozons mit dem Aethylen zum Vorschein kommt, und über deren chemische Natur wir bis jetzt noch nichts Sicheres zu sagen wissen. Es ist diejenige Materie, welche so äusserst unangenehm stechend riecht und die Augen er I treffend, dieselben zum Thränenerguss reizt. Man hat bekanntlich diesen Geruch einer eigenthümlichen Säure, der sogenannten Lampensäure, zugeschrieben, aber Alles, was darüber Daniell und andere angegeben haben, ist ungenügend. Zwar weiss auch ich nicht zu sagen, was die fragliche Materie sei, doch dürften die nachstehen- den Angaben darüber beachtenswerth sein. Wasser, reichlichst mit den Ezeugnissen der lang- samen Verbrennung des Aethers beladen und so lange sich selbst überlassen, bis es für sich allein den Jod- kaliumkleister nicht mehr zu bläuen vermochte, wurde mit kohlensaurem Natron neutralisirt und bis zur Trockniss abgedampft. Während der ganzen Dauer dieser Operation zeigten die weggehenden Wasserdämpfe den stechenden Geruch; erhitzte man aber den salzigen Rückstand nur kurze Zeit nahe bis zu seinem Zersetzungspunkt, so liess sich von dem besagten Geruche nichts mehr bemerken, auch dann nicht, wenn man die wässerige Lösung des besagten Rückstandes bis zum Sieden erhitzte. Das so beschaffene Salz mit verdünnter Schwefelsäure übergos- sen, liess eine Flüssigkeit überdestilliren, welche den Geruch der Ameisensäure wie auch die reducirenden Eigenschaften derselben zeigte. Bei der Destillation der gleichen neutralisirten Flüssigkeit geht Wasser über, welches nicht sauer reagirt, aber den erwähnten beissen- den Geruch und Geschmack zeigt wie auch die Eigen- schaft besitzt, die wässerige Jodstärke zu entbläuen !) und damit erhitzte Silberlösung zu bräunen. 1) Hiemit hängt ohne Zweifel die Thatsache zusammen, dass das mit den Erzeugnissen der langsamen Verbrennung des Aethers be- ladene und längere Zeit sich selbst überlassene Wasser, welches immer noch einiges Wasserstoffsuperoxid enthält, unter der Mit- wirkung verdünnter Eisenvitriollösung anfänglich zwar tief gebläuet Alle die angeführten Thatsachen lassen daher schlies- sen, dass die bei der langsamen Verbrennung des Aethers u.s w. erzeugte stechend riechende Materie eine oxidir- bare Substanz sei, welche möglicher Weise ein Um- setzungserzeugniss des Aethylenozonides sein könnte. Da bei der langsamen Verbrennung des Aethers ver- hältnissmässig nur äusserst kleine Mengen der riechenden Materie gebildet werden, so wären natürlich grössere Quantitäten der Erzeugnisse der besagten Verbrennung erforderlich, um die fragliche Substanz daraus in einer zur chemischen Analyse hinreichenden Menge darzustellen. Wie ich glaube, würde es der Mühe eines Chemikers werth sein, die Erzeugnisse der langsamen Verbrennung des Aethers zum Gegenstand einer umfassenden Arbeit zu machen. IR. Ueber eine eigenthümliche Bildungsweise der Ameisensäure. Da einer frühern Angabe gemäss der ozonisirte Sauerstoff mit dem ölbildenden Gas Ameisensäure zu erzeugen vermag, und bekanntlich unter der Mitwirkung gelöster Eisenoxidulsalze die Hälfte des im Wasserstoff- superoxid enthaltenen Sauerstoffes eine ozonartige Wirk- samkeit zeigt, so musste ich es für möglich halten, dass mit Beihülfe der genannten Salze aus HO, und C* H! ebenfalls die besagte Säure gebildet werden könnte. wird, aber rasch wieder von selbst sich entfärbt. Es wird diese Ent- bläuung durch die in dem besagten Wasser enthaltene riechende und jodbindende Materie bewerkstelligt. { — D Ÿ r La Zunächst überzeugte ich mich, dass die beiden letztern Substanzen für sich allein vollkommen gleichgültig zu einander sich verhalten und in dem Wasserstoffsuperoxid desshalb keine Spur einer Säure sich nachweisen liess, wie lange es auch mit dem Gas. geschüttelt werden mochte. Anders verhält sich die Sache bei Anwesenheit eines Eisenoxidulsalzes. Giesst man in eine mit CH: gefüllte Flasche erst HO,, dann ein wenig Eisenvitriol- lösung, und schüttelt man sofort den Inhalt des Gefässes lebhaft zusammen, so trübt sich die Flüssigkeit in Folge der Bildung eines basischen Eisenoxidsalzes, welches selbstverständlich auf Kosten eines Theiles des vor- handenen HO, erzeugt wird. Man untersucht nun nach kurzem Schütteln, ob die Flüssigkeit den Jodkalium - kleister beim Zufügen einiger Tropfen verdünnter Eisen- vitriollösung bläue, in welchem Falle noch unzersetztes Superoxid vorhanden ist. Es wird desshalb zu der Ver- suchsflüssigkeit unter Schütteln abermals eine kleine Menge der erwähnten Eisenlösung gefügt und hat man sich in der vorhin angegebenen Weise überzeugt, dass kein HO, mehr vorhanden ist, so wird aus der Flüssig- keit Eisenoxid und Oxidul mittelst Natrons gefällt, die- selbe filtrirt, bis auf einen verhältnissmässig kleinen Raum abgedampft und, mit einiger Schwefelsäure ver- setzt. der Destillation unterworfen. Die übergehende Flüssigkeit reagirt deutlichst sauer und nimmt einiges Silberoxid auf, aus welcher beim Erhitzen das Metall sich abscheidet. Diese Thatsachen scheinen mich zu der Annahme zu berechtigen, dass bei der gleichzeitigen Einwirkung des Wasserstoffsuperoxides und eines Eisen- oxidulsalzes auf das Aethylen Ameisensäure gebildet werde. Die Menge der unter diesen Umständen gebil- deten Säure ist im Verhältniss zu dem dabei verbrauchten HO, allerdings eine sehr kleine. wie diess aber dess- ER | — halb nicht anders sein kann, weil der Luftigkeit von C: H* halber gleichzeitig davon verhältnissmässig nur sehr wenig in Berührung mit dem flüssigen HO, und Eisensalze kommen kann und letzteres die Hälfte des Sauerstoffes aus dem Superoxide gierigst aufnimmt, wesshalb bei weitem der grösste Theil des verwendeten HO, zur Oxidation des Eisenoxiduls verbraucht wird. X. Einige Angaben über das Wasserstoffsuperoxid, In einer meiner frühern Arbeiten über dieses Super- oxid ist bemerkt, dass dasselbe, stark mit Wasser ver- dünnt, durch Abdampfen bei der Siedhitze sich con- centriren lasse, welches Verhalten es möglich macht, dasselbe in Wasser von so kleinem H O,-Gehalt, dass er kaum noch durch die empfindlichsten Reagentien sich erkennen lässt, auch mittelst der minder empfindlichen nachzuweisen. Bekanntlich findet die Bildung von HO, bei der langsamen Oxidation vieler Substanzen, namentlich der oxidirbaren Metalle, z. B. des Zinkes, statt. Schüttelt man amalgamirte Spähne dieses Metalles nur wenige Augenblicke mit atmosphärischer Luft und Wasser zu- sammen, so enthält letzteres wohl schon HO,, um unter Beihülfe einer Eisenoxidulsalzlösung den Jodkaliumkleister oder unter der Mitwirkung wässrigen Malzauszuges die Guajaktinctur deutlichst zu bläuen, ohne jedoch mit Chromsäure und Aether die bekannte HO,-Reaction her- vorbringen zu können. Wird aber solches Wasser auf einen kleinen Bruchtheil seines ursprünglichen Volumens abgedampft, so vermag es, mit einiger Chromsäure- RS lösung und Aether zusammengeschüttelt, den letztern augenfälligst zu bläuen und, etwas angesäuert mit einer Permanganatlösung, Bleisuperoxid u. s. w., eine merklich lebhafte Entbindung von Sauerstoffgas zu veranlassen. Da die Säuren das Wasserstoffsuperoxid etwas bestän- diger machen, so erhält man unter sonst gleichen Um- ständen ein an HO, reicheres Wasser, wenn man lezteres vor dem Abdampfen schwach mit SO, ansäuert. Wasser, welches mit langsam verbrennendem Phos- phor einige Zeit in Berührung gestanden, enthält be- kanntlich ausser PO,, PO? und Spuren von NO, auch merkliche Mengen von HO,, natürlich von letzterem um so mehr, je länger die Berührung mit dem Phosphor gedauert hat. Zwei Kilogramme solchen Wassers. wel- ches mit Chromsäure und Aether noch keine HO,- Reaction hervorbrachte, bis auf 50 Gramme in der Sied- hitze eingedampft, färbte mit CrO, den Aether auf das Tiefste lasurblau und verursachte mit Kalipermanganat- lösung unter Entfärbung derselben eine lebhafte Ent- bindung von Sauerstoffgas. Diese Thatsachen liefern einen weitern Beweis, dass HO, keineswegs eine so leicht zersetzbare Verbindung ist, wie dieselbe gewöhnlich dargestellt wird, und eben so erhellt aus dem letzterwähnten Versuche, dass ver- hältnissmässig grosse Mengen phosphorichter Säuren mit wenig HO, stundenlang bis zum Siedpunkt des Wassers erhitzt sein können, ohne dass die sonst doch so leicht oxidirbare Säure das vorhandene Superoxid zu reduciren vermöchte, welche Thatsache zeigt, dass HO, kein so allgemeines und kräftiges oxidirendes Agens ist, als man es irriger Weise immer noch in den chemischen Lehr- büchern zu schildern pflegt. Der Kohlensäuregehalt der Atmosphäre. Von Ed. Hagenbach. nn RS Die nachstehende Arbeit war eine Uebungsarbeit für Herrn stud. Brefin, der die meisten der später auf- gezählten Versuche unter meiner Leitung ausgeführt hat. Bei dieser Gelegenheit suchten wir uns etwas nähere Rechenschaft zu geben über die Sicherheit, welche die verschiedenen bis jetzt angewandten Methoden bei der Bestimmung der Kohlensäure der Atmosphäre liefern, und wir merkten bald, dass lange nicht alle Resultate über den Kohlensäuregehalt sowohl der freien Atmo- sphäre als auch der eingeschlossenen Räume die er- wünschte Zuverlässigkeit bieten. Da wir nach ver- schiedenen Methoden experimentirt haben, so konnten wir um so eher die sichere Ueberzeugung erlangen, welches Verfahren am meisten Sicherheit und die grösste Leichtigkeit beim Arbeiten darbietet. Wenn auch die Resultate, die wir erhalten haben, nur frühere Beob- achtungen bestätigen, so mag doch die Kritik der an- gewandten Methoden und die Aufzählung der von ver- schiedenen Forschern gefundenen Resultate Manchem erwünscht sein, besonders da, so viel mir bekannt, eine vollständige Darlegung dieses Gegenstandes nicht vor- handen ist. Die erste bestimmte Angabe über das Vorkommen der Kohlensäure (damals fixed air) in der atmosphärischen — 60 — Luft findet sich bei Jos. Black !); er schreibt die Bildung der Kruste auf Kalkwasser und das Mildwerden des gebrannten Kalks, der an der Luft liegt, der Aufnahme der in der Atmosphäre enthaltenen Kohlensäure zu. Der irische Arzt, David Macbride ?), spricht in seinen Ex- perimental essays von grossem Vorrath (great store, abundance) der Kohlensäure in der Luft und schreibt ihr auch schon sehr deutlich die Rolle zu, den Pflanzen als Nahrung zu dienen. Der schwedische Chemiker Bergmann *) betont besonders die allgemeine Verbreitung der Kohlensäure in der Atmosphäre und schlägt dess- halb für sie den Namen acidum aëreum oder atmosphæ- ricum vor. Horace de Saussure {) zeigte bei seiner Be- steigung des Montblanc (1787), dass auch die Luft in bedeutender Höhe noch kohlensäurehaltig ist. Wir er- wähnen hier auch noch die Versuche, die Gay-Lassac und Humboldt) über die Trübung des Kalkwassers durch die Luft des Theatre francais anstellten, weil auch diese nur qualitativ die Anwesenheit von verhältnissmässig bedeutender Menge Kohlensäure nachwiesen, ebenso sind die Versuche von Hermstädt®), der in der Seeluft der ï) Experiments upon Magnesia alba, quick-lime and other alcaline substances. Edinb. Physical and Literary Essays. vol. II. p. 157 (1755). Auch besonders herausgekommen London 1777 (vid. pag. 54). ?) Experimental essays. London 1764. I. Aufl. pag. 258. In der zweiten „verbesserten“ Auflage ist merkwürdiger Weise die Stelle, welche von der Ernährung der Pflanzen durch die Kohlen- säure in der Atmosphäre handelt, weggeblieben. 3) De acido aëreo. Nova Act. Societ. Upsaliensis. Vol. II. (1775). pag. 108. Auch in der Opuscula physica et chemica. 1779. I, 53. +) Voyages dans jes Alpes. Tom. IV. °) Journal de Physique. LX. pag. 129 (1805). Gilb. Ann. XX. pag. 38. 5) Schweigger Journal. XXXI. pag. 281 (1821). Ostsee nur sehr wenig, und die Versuche von Vogel!) und Krüger?), die in der Seeluft der Ost- und Nordsee fast gar keine Kohlensäure fanden, nur auf die qualita- tive Reaction der Trübung des Barytwassers gegründet. Bis jetzt haben wir nur von dem qualitativen Nach- weis der Kohlensäure in der Atmosphäre gesprochen; wir gehen nun zur Besprechung der quantitativen Be- stimmung über. Hierbei sind je nach dem Zwecke der Untersuchung zwei Fälle zu unterscheiden; man stellt sich nämlich entweder als Aufgabe die Bestimmung des Kohlensäuregehaltes der freien Atmosphäre oder der Luft in geschlossenen Räumen. Im erstern Falle handelt es sich immer um die Bestimmung einer sehr kleinen Grösse. und wenn aus den Unterschieden der Resultate, die ver- schiedene Beobachtungen liefern, ein Schluss gezogen werden soll, der wissenschaftliche Berechtigung hat, so muss Allem aufgeboten werden, um eine möglichst grosse Genauigkeit und Sicherheit zu erlangen; auch ist es nöthig, dass die Methode nach den verschiedenen Rich- tungen eine Controlle über den Grad der Genauigkeit zulasse. Im zweiten Falle sind gewöhnlich mehr sani- tarische als wissenschaftliche Zwecke massgebend ; auch ist dann gewöhnlich die Menge der vorhandenen Kohlen- säure grösser; desshalb werden hier auch Methoden, die in Bezug auf Genauigkeit und Sicherheit einiges zu wün- schen übrig lassen, ihre, volle Berechtigung finden, wenn sie dafür ein schnelles und leichtes Arbeiten zulassen. Wir wollen nun sehen, in welchem Grade die von verschiedenen Forschern eingeschlagenen Wege den er- wähnten Bedingungen genügen und gelegentlich die Ver- suche einschalten, die wir selbst angestellt haben. 1) Gilb. Ann. LXVI, pag. 93 (1820). Gilb. Ann. LXXII. pag. 177 (1822). ?) Schweigger Journal. XXXV. pag. 379 (1822). Le. CITES Es sind hauptsächlich drei verschiedene Verfahren zur Bestimmung des Kohlensäuregehaltes der Atmosphäre angewandt worden, nämlich die Volumenmessung, die Gewichtsbestimmung und das Titrieren. Wir wollen die drei Methoden besonders besprechen. 1. Volumenmessung. Die Menge der Kohlensäure, die der freien Luft beigemengt ist, beträgt etwa {/65. Soll somit die Ab- nahme des Volumens in Folg der Absorption der Kohlen- säure bestimmt werden, so muss, vorausgesetzt, dass man nicht mit gar zu grossen Luftmengen arbeiten will, eine Einrichtung getroffen werden, dass auch eine sehr unbedeutende Abnahme des Volumens noch gemessen werden kann. Der Umstand ferner, dass einer Temperatur- änderung von ‘/,, Grad eine Ausdehnung entspricht, die dem gesammten Kohlensäuregehalt der freien Atmosphäre gleichkommt, gebietet, den Einfluss einer Temperatur- änderung mit der allergrössten Sorgfalt zu vermeiden. Wenn daher auch seit der grossen Entwicklung, die hauptsächlich durch Bunsens Verdienst die volumino- metrische Methode genommen hat, diese für die Bestim- mung grösserer Kohlensäuremengen sehr gut anwendbar ist, so ist doch leicht einzusehen, dass zur Ermittlung der ausserordentlich kleinen Menge von Kohlensäure in der freien Atmosphäre noch ganz besondere Vorsichts- massregeln ergriffen werden müssen, wenn nicht die Beobachtungsfehler grösser als die zu bestimmende Menge von Kohlensäure ausfallen sollen. Das letztere ist z. B. eingetreten bei den Versuchen, die Humboldt!) mit einem Instrumente anstellte, das er Anthrakometer nannte; die Kohlensäure wurde durch Ammoniak absorbiert und ') Versuche über die chemische Zerlegung des Luftkreises. Braun- schweig. 1799. Gilb. Ann. III. 77. Journal de Physique. XLVI. 202. u aus der Abnahme des Volumens wurde auf den Gehalt an Kohlensäure geschlossen. Die Angaben des Kohlen- säuregehaltes, die zwischen 180 und 50 Volumentheilen auf 10,000 Theilen Luft schwanken, sind mehr als zehn mal zu gross, so dass hier die zu bestimmende Grösse von den zehn mal grössern Beobachtungsfehlern voll- kommen überdeckt wird. Wir gehen gleich über zu der Besprechung der Ver- suche, die in neuester Zeit von Hlasiwetz!') angestellt wurden, weil sie uns einigen Aufschluss über die Fehler- quellen früherer Versuche geben können, Ein sinnreich construiertes Differential - Eudiometer, bei welchem die Volumenänderung durch die Bewegung eines Weingeist- index in einer Capillarröhre angegeben wird, gestattete es, sehr kleine Aenderungen noch deutlich abzulesen; auch war der Einfluss der Temperaturänderung auf eine kleine der Berechnung zugängliche Grösse reduciert. Dennoch war es nicht möglich, mit diesem Apparate richtige Resultate zu erhalten, da flüssige und sogar feste Absorptionsmittel ausser der Kohlensäure noch Luft absorbierten und dadurch auf einen viel zu bedeutenden Gehalt an Kohlensäure hätten schliessen lassen. Etwas verschieden von den erwähnten Methoden, bei welchen die Abnahme des Volumens beobachtet wird, ist das von Regnault und Reiset?) angewandte Verfahren, bei welchem aus der Abnahme des Druckes auf die Abnahme des Volumens geschlossen wird. Die bekannte Vorsicht und Sorgfalt, welche die Régnault- schen Arbeiten kennzeichnen, lassen erwarten, dass auch hier der Wissenschaft ein Verfahren geboten wird, welches 1) Wiener Akad. Sitzungsberichte XX. pag. 189 (1856). ?) Recherches chimiques sur la respiration des animaux des di- verses classes. Ann. d. Chim. et Phys. III. 26. pag. 299 (1849). BL 0 an Genauigkeit wenig zu wünschen übrig lässt. Die Be- stimmungen, die mit diesem Apparate über den Sauerstoff- gehalt der Luft gemacht wurden, stimmen auch wohl besser unter einander überein als die, welche nach irgend einem andern Verfahren erhalten wurden. Bei der Bestimmung der Kohlensäure muss sich jedoch wohl auch hier der Fehler geltend machen, welcher es Hlasiwetz nicht er- laubte, seinen Apparat zu gebrauchen ; doch mögen die Be- stimmungen immer noch hinlänglich zuverlässige Werthe geben, wenn die Menge der vorhandenen Kohlensäure eine nicht zu geringe ist. In diesem Falle befinden sich die Versuche, die Regnault und Reiset selbst machten, indem der Kohlensäuregehalt der von ihnen untersuchten Luft gewöhnlich mehrere Procente betrug. Ganz anders verhält es sich aber, wenn es sich um die Bestimmung der kleinen Menge Kohlensäure handelt, die in der freien Atmosphäre enthalten ist. Nichtsdestoweniger ist auch zu diesem Zwecke die erwähnte Methode in Anwendung gebracht worden, und zwar bei den sehr mühevollen Untersuchungen der Luft in Paris, Havre, über dem atlantischen Ocean, auf den Antillen und in Neu-Granada durch B. Lewy!). Für den Gehalt der Luft an Sauer- stoff und Stickstoff mögen diese sorgfältigen Unter- suchungen hinlängliche Garantie bieten, doch können wir ihnen diese nicht zusprechen in Bezug auf den Ge- halt an Kohlensäure. Die Bestimmung beruht hier auf der Messung einer Druckdifferenz von circa 0,2"m, Um diese Zahl zu erhalten, sind vier Kathetometerablesungen nöthig. Wenn nun auch der Fehler bei jeder Ablesung 29" nicht überschreitet, so kann er doch bei vier Ab- lesungen möglicher Weise 0,2"", d. h. so viel als die ') Recherches sur la constitution de l’atmosphere. Ann. Chim. et Phys. IIL 34. pag. 5 (1852). ganze zu messende Grösse betragen. Auch bringen wir in Erinnerung, dass eine Temperaturänderung von !/;, Grad einen Druckunterschied hervorbringt, welcher dem ganzen Kohlensäuregehalt entspricht. Wenn nun auch Vorsichtsmassregeln getroffen waren. dass durch einen Wassermantel das Eudiometer auf constanter Temperatur gehalten wurde, so konnte doch sehr leicht ein sehr merklicher Fehler sich einschleichen, besonders wenn man bedenkt, wie schwierig es ist, eine etwas grössere Wassermenge auf constanter Temperatur zu halten. Ausserdem musste noch die Aufnahme von Sauerstoff und Stickstoff durch die Kalilauge einen merklichen Fehler hervorbringen, der immer den gefundenen Kohlen- säuregehalt etwas erhöhte. Ich erwähne hier noch, dass die Art der Berechnung in der Arbeit von Lewy mir nicht ganz klar geworden ist. Bei der Angabe der Be- obachtungsresultate sind zweimal die Barometerstände angegeben, das eine Mal über der Tabelle, das andere Mal in der letzten Columne derselben. Da die letztern Zahlen bedeutend kleiner sind (z. B. 562.15 in Paris), so können sie unmöglich die wirklichen Barometerstände bedeuten; ich nahm somit an, dass es die Ablesungen des Barometers mit Hülfe des Kathetometers sind, wo- bei nur oben abgelesen wurde, und der Nullpunkt also zufällig ist; wenn die Beobachtungen nur zur Correction der Aenderung des Barometerstandes dienen sollen, so kann diess ausreichen, sobald das untere Gefäss des Barometers weit ist. Bei der Berechnung sind nun aber. wenn ich nicht sehr irre, diese kleinen auf einen will- kürlichen Nullpunkt bezogenen Barometerstände zu Grunde gelegt. Der Fehler, der hiedurch entstehen müsste, ist so bedeutend, dass ich annehmen muss, es liege hier entweder ein in den verschiedenen Tabellen sich wieder- holender Druckfehler oder ein Missverständniss von - J meiner Seite vor. Nach dem, was wir über die Unter- suchungen von Lewy erwähnt haben, wird man es be- greiflich finden, wenn wir den gefundenen Resultaten kein grosses Zutrauen schenken können. Die grossen „anormalen*“ Kohlensäuremengen, die sich zuweilen in Neu-Granada zeigten — Gehalte von 12, ja sogar 49 Volumentheilen in 10,000 Theilen Luft — mögen aller- dings in besondern Umständen, wie Waldbrände und Vulkane, ihre Erklärung finden, da nur ein besonders unglückliches Zusammentreffen mehrerer Beobachtungs- fehler so grosse Angaben erzeugen könnte; aber die Unterschiede, die Lewy zwischen der Luft in Paris und Havre (5.144 und 3.586) zwischen Tag und Nacht (5.299 und 3.459) bei bedecktem und unbedecktem Himmel (3.822 und 4.573) gefunden hat, sind vollkommen durch die zufälligen Beobachtungsfehler zu erklären. Das Eudiometer von Regnault wurde durch Frank- land und Ward!) etwas abgeändert. Die Angaben wurden dadurch etwas verdeutlicht, dass das Gas durch Verdünnung auf ein grösseres Volumen gebracht wurde, was somit auch die Aenderungen in demselben Ver- hältniss vergrössern musste. Auch wurde der atmo- sphärische Druck ausgeschlossen und es war somit eine Korrectur weniger anzubringen. Der Apparat mag vor dem Régnaultschen dadurch einige Vortheile bieten, dass man damit etwas schneller arbeiten kann, weil die Barometerablesung wegfällt, doch glaube ich nicht, dass ihm eine bedeutend grössere Genauigkeit zugeschrieben werden kann. Sechs Sauerstoffbestimmungen von Re- gnault ausgeführt gaben als mittlere Fehler 0.0055; sechs Sauerstoffbestimmungen von Frankland 0.0067; also bei 1) Quaterly Journal of the chemical Society. VI. pag. 197. (1854). EN (ON Frankland noch ein weniges grösser. Es ist also leicht einzusehen, dass für die Bestimmungen der Kohlensäure der Luft der Frankland’sche Apparat auch keine viel grössere (Garantie bieten kann als der von Régnault. Bestimmungen über den Kohlensäuregehalt der Luft in Manchester!) varieren von 4.2 bis 10.1 in 10,000; doch ist nicht deutlich gesagt, ob mit Zimmerluft oder Luft im Freien gearbeitet wurde, so dass ich hieraus keinen bestimmten Schluss auf die Zuverlässigkeit des Appa- rates zu thun wage. Den drei Bestimmungen über den Kohlensäuregehalt der Luft vom Montblanc, die Frankland nach seiner Methode ausführte, kann ich in Folge des Gesagten kein sehr grosses Gewicht beilegen. Indem die Verfahren, welche auf Volumenablesung beruhen, bis jetzt keine befriedigenden Resultate lieferten, haben wir selbst keine Versuche nach denselben an- gestellt. 2. Gewichtsbestimmung. Bei der Methode der Gewichtsbestimmung sind zwei verschiedene Verfahren zu unterscheiden; nach dem einen wird die Menge eines gebildeten Niederschlages und nach dem andern wird die Zunahme des Gewichtes einer Absorptionsflüssigkeit durch die Waage bestimmt. Die erstere Methode wurde von Theod. de Saussure im Jahre 1809 und von Thénard?) im Jahre 1812 zuerst ausgeführt; die zweite wurde von Brunner*°) im Jahre 1832 angegeben. 1) Quaterly Journ. of chem. Soc. XIII. pag. 22 (1861). ?) Thénard, traité élementaire de chimie. 5. édit. vol.III. pag. 190. 8) Pogg. Ann. XXIV. pag. 569. = NN LE Verfahren von de Saussure. Thénard nahm einen Ballon, brachte Barytwasser hinein, schüttelte während einigen Minuten, pumpte leer, liess neue Luft einströmen, schüttelte wieder, pumpte aufs Neue leer und so 30 mal hinter einander. Auf solche Weise wurde es möglich, einer Menge von nahezu 300 Liter Luft die Kohlensäure zu entziehen. Die Menge des Niederschlages wog nahezu ein Gramm. Das Resultat der Thenard’schen Bestimmung war, dass die Luft 3.91 Volumentheile !) auf 10,000 enthielt. Das erwähnte Verfahren hat den ausgemachten Vortheil, dass mit grossen Mengen gearbeitet werden kann. Da die Menge des gewogenen Niederschlages nahezu ein Gramm wiegt, so könnte man mit einer guten Waage eine Genauigkeit von ‘6% erreichen. Doch ist leicht einzusehen, dass mannigfache Beobachtungsfehler, für die es gar keine Controlle giebt, sich einstellen können. Es ist kaum anzunehmen, dass in wenigen Minuten die (Gesammtmenge der Kohlensäure absorbiert sei; auch bietet das Sammeln des Niederschlages bedeutende Schwierigkeiten. Ferner ist das Verfahren sehr um- ständlich, und jede Bestimmung wird nahezu einen Tag in Anspruch nehmen. Es sind diess wohl hauptsächlich die Gründe, warum, so viel mir bekannt. seit Thenard diese Versuche nicht wiederholt wurden. Theod. de Saussure?) füllte nicht wie Thenard 1) Thénard giebt Gewichtsprocente. Die einfache Reduction sei- ner Zahl auf Volumenprocente giebt 3.73: die Zahl 3.91 wurde von Th. de Saussure berechnet mit einer etwas abweichenden Annahme über die Menge der Kohlensäure im kohlensauren Baryt. *) Note sur les variations du gaz acide carbonique dans l’atmo- sphère en hiver et en été. Bibliothèque Universelle de Genève I. 124 ms “A den Ballon mehrere Male, sondern er arbeitete nur mit der Luftmenge, die der Ballon fassen konnte. Dafür bediente er sich bedeutend grösserer Ballone (von etwa 40 Liter Inhalt) und verwandte auf die Bewirkung der vollständigen Absorption, den Verschluss der Ballone und die Sammlung des Niederschlages alle erdenkliche Sorgfalt. Der Niederschlag des kohlensauren Baryts wurde in Salzsäure gelöst, als schwefelsaurer Baryt ge- fällt und dessen Menge gewogen. Das Gewicht des Niederschlages betrug im Durchschnitt etwa 150 Milli- gramm; im Wägen liesse sich also eine Genauigkeit von 1/50 erreichen. Doch wird die Sammlung und Behand- lung des Niederschlages trotz aller Vorsicht Fehler mit sich bringen, welche die erwähnte Grenze weit über- schreiten. Gleichzeitige Beobachtungen an demselben Orte gaben Werthe, die zwischen 4.12 und 3.89 schwank- ten, eine Unsicherheit, die etwa das neunfache von der beträgt, welche die Gewichtsbestimmung allein erwarten liesse. Saussure stellte vom Jahre 1809 bis zum Jahre 1830 235 Versuche an über den Kohlensäuregehalt der Luft an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten und unter verschiedenen meteorologi- schen Verhältnissen. Das Mittel aus 104 Beobachtungen, die zu Chambeisy, in der Nähe von Genf, angestellt wurden, giebt 4.15 Volumentheile auf 10,000 Theile Luft. Die Abhängigkeit des Kohlensäuregehaltes von verschie- denen Umständen tritt in der Regel nur deutlich hervor, (1816). Ein Auszug davon: Annales de Chim. et Phys. XXX VIII. Gilb. LIV. pag. 217. Mémoire sur les variations de l’acide carbonique atmosphérique. Mémoire de la Société de Physique de Genève. IV. pag. 407. An- nales de Chim. et Phys. XLIV. pag. 5. Pogg. XIX. pag. 391. Ce mémoire a été lu à la Société de Physique de Genève le 18 février 1830. wenn die Mittel aus mehrern Beobachtungen genommen werden. Die Hauptresultate sind folgende : Unterschied Anzahl der vom Mittel Beobachtungen. in Procenten. Festlandluft (Chambeisy) 4.60 19 5 Seeluft (Genfersee) 4.89 Landluft (Chambeisy) 4.37 15 - Stadtluft (Genf) 4.68 Bergluft (Salève u. Jura) 4.49 3 Thalluft (Chambeisy) 4.05 Fr 2 Luft bei schwachem Wind 3.76 Luft bei starkem Wind 8.98 14 6 Tagluft 3.98 k Nachtluft ag a 0 Sommerluft 7:18 Winterluft 4.79 ei 4 Die bedeutendsten Abweichungen finden statt zwi- schen der Sommerluft und der Winterluft; die Beob- achtungen jedoch, welche dieses Resultat lieferten , sind die frühesten, die de Saussure angestellt hat, zu einer Zeit, wo noch nicht alle die Vorsichtsmassregeln ge- troffen waren, zu denen der sorgfältige Beobachter nach und nach geführt wurde. Wenn man aus den Beob- achtungen, die in der zweiten Arbeit publicirt wurden, die 51 Beobachtungen des Sommers (Juni, Juli, August) und die 44 des Winters (Dezember, Januar, Februar) in Chambeisy, und ebenso die 4 Beobachtungen des Sommers und die 4 Beobachtungen des Winters in Genf zusammenstellt und die Mittel zieht, so erhält man: Unterschied vom Mittel Sommerluft Winterluft in Procenten Chambeisy 4.57 4.02 15 Genf 4.80 4.66 > Ziehen wir in Betracht, dass verschiedene Beob- achtungen derselben Luft Unterschiede von 6 Procent gaben, so können trotz der ausserordentlichen Sorgfalt, welche die Arbeit von de Saussure kennzeichnet, die aus den Beobachtungen gezogenen Schlüsse nur auf einen sewissen Grad von Wahrscheinlichkeit, nicht aber auf unbedingte Richtigkeit Anspruch machen. Verfahren von Brunner. Das von Brunner angegebene Verfahren beruht bekannter Weise darauf, dass mit Hülfe eines Aspirators ein bestimmtes Quantum Luft durch einen absorbierenden Körper (Kalilauge, festes Kali, fester Kalk) hindurch gezogen wird, und dass die Zunahme des Gewichtes die absorbierte Kohlensäure giebt. Es hat diese Methode vor dem Verfahren von Thenard einige Vortheile; die mannigfaltigen Manipulationen, welche das sorgfältige Sammeln des Niederschlages nach sich zieht, fallen weg ; ferner kann man auch mit Leichtigkeit einer grossen Menge von Luft die Kohlensäure entziehen. Anderer- seits aber hat diese Methode so viele Fehlerquellen, dass sie nur in der Hand eines sehr sorgfältigen und geübten Experimentators günstige Resultate geben kann. Mannigfache vergebene Versuche hätten wir uns ersparen können, wenn wir gleich zu Anfang die Arbeit von Hlasiwetz!) über die Kohlensäurebestimmungen der atmosphärischen Luft gekannt hätten; dafür kann ich nun aus eigener Erfahrung vollkommen bestätigen, was der er- wähnte Chemiker vor mehr als zehn Jahren ausgesprochen ; nur möchte ich nicht gar so bestimmt unter allen Umstän- den die Brunner’sche Methode verurtheilen, da denn doch die sorgfältigen Versuche von Verver und Boussingault, die merkwürdiger Weise von Hiasiwetz gar nicht er- wähnt werden, zeigen, dass bei sehr sorgfältigem Ar- vi Wiener Akademische Sitzungsberichte. XX. pag. 189 (1856). PL beiten und bei Anwendung sehr grosser Luftmengen nicht ganz ungünstige Resultate erhalten werden können. Wir wollen nun die verschiedenen Fehlerquellen dieser Methode etwas näher ins Auge fassen. Die Luft enthält an einem gewöhnlichen warmen Sommertage etwa 1 Gewichtsprocent Wasserdampf und nur etwas über "/. Gewichtsprocent Kohlensäure. Bei der Brunnerschen Methode muss nun vorerst der ge- sammte Wasserdampf entfernt und ferner hinter dem Absorptionsgefäss für Kohlensäure wieder ein Apparat angebracht werden, der das Wasser zurückhält, das der Kalilauge entführt wird. Bei Anwendung von trockenem Kali oder Kalk für Kohlensäureabsorption kann man den letztern entbehren. Da nun der Wassergehalt das 20fache der Kohlensäure beträgt, so müssen die Apparate, die zur Absorption des Wassers dienen, relativ eine zwanzig mal so grosse Sicherheit geben als die Apparate, welche zur Aufnahme der Kohlensäure bestimmt sind, wenn nicht der von der Mangelhaftigkeit der erstern Apparate herrührende Fehler die möglichen Fehler der letztern überflügeln soll. Nun besitzen wir zwar verschiedene Mittel, um Luft zu trocknen; verhältnissmässig am besten haben wir noch den Zweck der Trocknung erreichen können, wenn die Luft durch längere Röhren geleitet wurde, die mit Glasperlen gefüllt und mit starker Schwefelsäure getränkt waren; eine Einrichtung, die ich bei Herrn v.Babo gesehen hatte. Um uns von der voll- kommenen Absorption des Wasserdampfes zu überzeugen, wurde hinter der Absorptionsröhre noch eine zweite Controllröhre eingeschaltet, und nur selten konnten wir es dazu bringen, dass die Controllröhre gar keine Zu- nahme zeigte. Hierbei bemerke ich, dass eine Ver- bindung mit Kautschukröhren vollkommen unzulässig ist; wenn nämlich die Controllröhre durch eine Kautschuk- sh. Th rise röhre mit der Absorptionsröhre verbunden war, so zeigte sich regelmässig eine Gewichtszunahme der Controll- röhre; die Erklärung ist einfach der Umstand, dass die trockene Luft das hygroscopische Wasser aus dem Kautschuk der Controllröhre zuführte. Von der aus- nehmend grossen hygroscopischen Eigenschaft des Kaut- schuk kann man sich leicht überzeugen, wenn man einen Kautschukschlauch bei verschiedenen Feuchtigkeitsgraden der Atmosphäre wiegt. Eine fernere Fehlerquelle ist der hygroscopische Wasserdampf, der sich auf der Oberfläche der Gefässe niederschlägt. Schon Th. de Saussure hat darauf auf- merksam gemacht, dass das Gewicht von nicht sehr grossen Gefässen in Folge der Feuchtigkeitszunahme um mehrere Milligramme zunehmen kann. Seither ist mannigfach, insbesondere durch Mohr!), auf diesen Umstand aufmerksam gemacht worden, und auch wir haben durch directe Versuche uns hinlänglich davon überzeugt. Da es nun zur Erzielung der vollkommenen Absorption nöthig ist, Gefässe von ziemlich grosser Oberfläche zu nehmen, so wird der von diesem Umstand herrührende Fehler unter Umständen sehr bedeutend sein können. Wo es die Verhältnisse mit sich führen, dass die Apparate in verschiedenen Localien aufgestellt und gewogen werden, wird der erwähnte Fehler grössere Bedeutung haben als da, wo bei gleichförmiger Tem- peratur und Feuchtigkeit die Menge des festgehaltenen Wassers sich nur wenig ändert. Das jedesmalige Trocknen des Apparates vor der Wägung in einem geschlossenen Raum, der Chlorcalcium enthält, ist ein Auskunftsmittel, das wohl schwerlich vollkommen helfen kann. 1) Mohr, Lehrbuch der chemisch - analytischen Titriermethode. I. Aufl. pag. 124. NT RUE Ferner kann die unvollkommene Absorption der Kohlensäure eine Fehlerquelle bilden; der davon her- rührende Fehler kann jedoch leicht auf eine verschwin- dende Grösse gebracht werden, wenn man einige Ab- sorptionsapparate hinter einander anwendet; bei unseren Versuchen haben wir drei Liebig’sche Kugelapparate als ausreichend erkannt. Die Aufnahme der Kohlensäure durch die Schwefel- säure der Trockenapparate und die Absorption des Sauer- stoffs und wohl auch einigen Stickstoffs durch die Kali- lauge können ausserdem sehr bedeutende Fehler ver- ursachen, wie diess auf sehr überzeugende Weise durch Hlasiwetz gezeigt worden ist. Neben diesen eigentlichen Fehlerquellen ist noch zu bemerken, dass auch die Art der Gewichtsbestimmung bei der Brunner'schen Methode viel ungünstiger ist als bei dem Verfahren von de Saussure. Der letztere wiegt den Niederschlag des schwefelsauren Baryts; da nun das Aequivalent dieses Körpers etwa 5 mal grösser ist als das der Kohlensäure, so wird der gleiche absolute Fehler in der Gewichtsbestimmung bei Anwendung des Verfahrens von de Saussure verhältnissmässig 5 mal weniger ausmachen. Ferner ist in Betracht zu ziehen, dass bei der Brunner schen Methode nicht die Kohlen- säure direct gewogen, sondern als ein Gewichtsunter- schied bestimmt wird. Da nun die gefüllten Absorptions- sefässe ziemlich viel wägen, so muss man zur Be- stimmung der Gewichtszunahme im Besitz einer Waage scin, die auch bei stärkerer Belastung eine hinlängliche Empfindlichkeit besitzt. Wir benützten eine Waage; die bei Belastung mit einem Kilogramm noch deutlich ein Milligramm anzeigt, und hatten somit von. dieser Seite keine bedeutende Fehlerquelle zu besorgen. ai RT vès. Unsere Beobachtungen nach der Gewichtsmethode, die ich hier einschalten will, gaben Resultate, die ein ganz ähnliches Bild darstellen wie die von Hlasiwetz; die Menge des durchgeflossenen Luftvolumens betrug im Durchschnitt etwa 20 Liter. Dass Barometer, Thermo- meter und Manometer des Aspirators abgelesen und damit die nöthigen Correcturen angebracht werden, ist selbstverständlich. Volumentheile Kohlensäure Zeit der Beobachtung. in 10,000 Theilen Luft. 1866 28. Dezember 4.58 1867 : 2. Januar 2.82 À 9. Januar 9.93 5 4. Januar 3.86 Er 8. Januar 3.43 » 10. Januar 3.13 sf, 3,14... Januar 3.55 a 21. Februar 11.55 »..ı 22: Februar 15.90 »...28. Februar 8.08 sit ‚März 2.15 „.. 11. März 3.11 5 nd. März 3.10 se + 13: März 3.02 nun): März 3.03 Mittel 4.73 Die Beobachtungen vom 21. und 22. Februar können als vollkommen unrichtige bei Seite gelassen werden; thun wir diess, so erhalten wir in Mittel 3.52; eine Zahl. die von der durch de Saussure für Winterluft gefunde-. nen Mittelzahl nicht sehr viel abweicht. Dennoch flössen. mir dıe von uns gefundenen Zahlen durchaus kein Ver- trauen ein, und ich würde es nicht wagen, irgend einen bestimmten Schluss darauf zu bauen, da wir uns u u durch die Controllapparate zu deutlich davon überzeugt haben, dass das anscheinend richtige Resultat nur da- durch entstanden ist, dass verschiedene Fehlerquellen durch entgegengesetzte Wirkung sich theilweise auf- hoben. Betrachten wir nun noch die Versuche, die von andern Forschern nach der besprochenen Methode aus- geführt wurden. Brunner selbst giebt die nach seiner Methode ge- fundenen Zahlen nicht an, er sagt nur, dass eine Reihe von Versuchen Resultate gab, die zwischen dem Maxi- mum und Minimum der von de Saussure erhaltenen lagen. Der erste, der, so viel mir bekannt, nach der Brun- ner’schen Methode genaue Versuche anstellte, ist Bous- singault.!) Er begann seine Versuche im Jahre 1835 in Lyon und setzte sie in den Jahren 1839 und 1840 in Paris, in Andilly (Nähe von Paris) und auf dem Lande im Elsass, theilweise in Verbindung mit Lewy, mit grosser Sorgfalt fort. Die Luftmenge, die Boussingault durch den Apparat streichen liess, war immer eine sehr bedeutende, selten unter 30, häufig 60 Liter; bei den Versuchen, die den Unterschied zwischen Stadt- und Landluft ergeben sollten, sogar mehr als 500 Liter. Da die Fehlerquellen, die wir oben besprochen haben, zum grössten Theile nicht der angewandten Luftmenge pro- portional sind, so mussten sie bei so bedeutenden Luft- mengen verhältnissmässig weniger ausmachen. Wenn wir dann noch die bekannte sorgfältige Arbeitsweise von Boussingault in Betracht ziehen, so stehen wir nicht an, trotz der in mannigfacher Beziehung unvollkommenen Methode, die von Boussingault erhaltenen Resultate zu r) C. R. 1835. pag. 36. Annales de chim. et phys. III. 10. pag. 457. JL "Re den zuverlässigsten zu zählen. Zwei vollkommen gleiche Apparate gaben bei 3 Beobachtungen als grössten Unter- schied 2'/, Procent vom Mittel, was als sehr befriedi- gend muss angesehen werden. Das Mittel aus 142 Be- obachtungen, die in Paris angestellt wurden, giebt 4.0 und das Mittel aus 19 Beobachtungen, die im Elsass angestellt wurden, giebt 3.8 Volumentheile auf 10,000 Theile Luft. Zwei zu gleicher Zeit angestellte Versuche in Paris und St. Cloud gaben 4.14 und 4.13; das Mittel aus 3 Beobachtungen gab für Paris 3.190, für Andilly 2.989. Die meisten Versuche von Boussingault datieren von 1839 und 1840; schon im Jahre 1838 machte Verver!) in Gröningen Luftuntersuchungen nach der Brunner’'schen Methode, die uns nur aus dem Jahresberichte von Ber- zelius bekannt sind. Das Mittel aus 90 Versuchen gab 4.188; das Maximum war 5.05 und das Minimum 3.51. Bei Regenwetter war der Kohlensäuregehalt stets go- ringer. Während der Nacht war der Kohlensäuregehalt grösser als am Tage nach einer Mittelzahl von 0.399. Nach dem Verfahren von Boussingault stellte ferner Leblanc?) im Jahre 1842 eine schöne Reihe von Ver- suchen über die Luft in geschlossenen Räumen an. Als bemerkenswerthe Thatsache heben wir daraus hervor. dass in der Luft der Gewächshäuser des botanischen Gartens zu Paris fast keine Kohlensäure gefunden wurde. Beim Durchleiten von 16 Liter nahm die Absorptions- röhre das eine Mal um 2wer ab, das andere Mal um 2mer zu. Die Untersuchung der Luft in Hörsälen, Spitälern, ) Bulletin de Soc. phys. et nat. en Neerlande. 1840. pag. 191. Berzelius Jahresbericht XII, pag. 44. ”, Recherches sur la composition de l'air coufiné. Ann. Chim. et Phys. III. 5. pag. 223 (1842). Le SRE Theatern, Schulen, Ställen u. s. w. zeigte überall einen Gehalt von Kohlensäure, der den der freien Atmosphäre übertraf; nur die Untersuchung der Luft eines Schlaf- »immers gab 4 auf 10.000. was dem Gehalt der freien Atmosphäre entspricht. Luft, die von Guadeloupe in verschlossenen Ballonen nach Paris kam, wurde im Jahre 1843 nach der er- wähnten Methode von B. Lewy') untersucht. Die oben aufgezählten Fehlerquellen mussten sich hier in be- deutendem Masse geltend machen, da die Menge der analysierten Luft im Durchschnitt nur etwa 12 Liter be- trug. Die Luft wurde durch eine Chlorcaleiumröhre getrocknet, doch habe ich keine Versuche gefunden, welche den Beweis für die vollkommene Trocknung der Luft geben, so dass für die Vermuthung Raum bleibt, dass der Gehalt der Kohlensäure in Folge der nicht vollkommenen Wasseraufnahme zu gross ausfiel. Die erhaltenen Resultate sind sehr auffallend, sie geben auf 10,000 Theile Luft folgende Volumentheile Kohlensäure : 145 — 14 AL I 89% A Alle Zahlen mit Ausnahme des Versuches Nr. 6 seben vollkommen anormale Resultate, welche durch die vulcanische Natur der Insel gerechtfertigt werden. Wie viel von dieser Abnormität auf die vulcanische Natur von Guadeloupe und wie viel auf die Unvoll- kommenheit der angewandten Methode zurückgeführt werden muss, kann erst dann die Erledigung finden, wenn die Luft von Guadeloupe auch nach andern zu- verlässigern Methoden wo möglich an Ort und Stelle untersucht wird. Die Gebrüder Schlaginweit?) wandten die Brun- 1) Annales de chim. et phys. III. 8. pag. 425 (1843). 3) Dr. Hermann und Adolph Schlaginweit. Unter- — 19 — nersche Methode bei ihren Untersuchungen an, die hauptsächlich zum Zwecke hatten, die Aenderung des Kohlensäuregehaltes bei verschiedenen Höhen zu be- stimmen. Die Luft wurde in Chlorcaleiumröhren ge- trocknet und die Kohlensäure in Röhren mit trockenem Kali absorbiert. Die letztern hatten sehr kleine Dimen- sionen, und man könnte leicht annehmen, dass die Kohlensäure nicht vollkommen absorbiert worden sei. wenn nicht diverse Versuche erwähnt wären, nach wel- chen schon in zwei Röhren die Kohlensäure vollkommen absorbiert worden war. Auch die Feuchtigkeit soll ge- wöhnlich schon in der ersten Chlorcalciumrôhre voll- kommen zurückgehalten worden sein, was uns um so mehr wundert, als wir häufig Gelegenheit hatten, uns zu überzeugen, wie schwierig es ist, die Luft vollkom- men zu trocknen. Auch die Zunahme des Gewichtes durch hygroscopische Feuchtigkeit wird besprochen , und ein Controllversuch soll zeigen, dass auch durch diesen Umstand kein Fehler entstehen konnte. Die schon oben besprochene verwerfliche Anwendung von Kautschuk- schläuchen zur Verbindung der Apparate lässt jedoch immer noch die Annahme von Fehlerquellen zu, auch sind die erwähnten Controllen, wie uns scheint, nicht bei allen Versuchen wiederholt worden. Dass der Trans- port der mit Papierpfropfen verschlossenen Kaliröhren bei den Versuchen der österreichischen Alpen einen Ein- fluss auf die Vermehrung des Gewichtes haben konnte, wird selbst von Schlaginweit zugegeben. Auch ist die Menge der angewandten Luft für die Brunner’sche Me- suchungen über den Kohlensäuregehalt der Atmosphäre in den Alpen. Pogg. Ann. LXXVI. pag. 442 (1849). Adolph Schlaginweit. Ueber die Menge der Kohlensäure in den höhern Schichten der Atmosphäre. Pogg. Ann. LXXXVI. pag. 293 (1854). LS TROT thode eine etwas geringe; wir haben gesehen, dass die grosse Uebereinstimmung der Boussingault'schen Ver- suche hauptsächlich der bedeutenden Menge von aspi- vierter Luft zuzuschreiben ist; Schlaginweit wandte selten über 20 Liter an. Um das Schlaginweit’sche Verfahren zu prüfen, haben wir auch einen Versuch angestellt, bei welchem wir die Kohlensäure durch trockenes Kali ab- sorbierten; wir erhielten als Resultat für den 26. October 1867 5.75 Volumentheile auf 10,000 Theile Luft, eine Zahl, die wohl zu gross sein möchte, da die später zu besprechende viel zuverlässigere Titriermethode für den- selben Tag nur 4.82 gab. Für die, welche die mannig- fachen Fehlerquellen der Brunner’schen Methode durch eigene Erfahrung kennen gelernt haben, dürften die Schlaginweit'schen Versuche nicht gar so deutlich die Zunahme der Kohlensäure mit der Höhe zeigen, als diess am Ende der Schlaginweit'schen Abhandlung aus- gesprochen wird. Einige Versuche, die Ch. Mene 1) unten am Pantheon und oben auf dem Pantheon in Paris angestellt hat, können deutlich zeigen, wie unrichtige Resultate die Brunner’sche Methode liefern kann, wenn nicht alle mög- lichen Vorsichtsmassregeln ergriffen werden; er fand bis zu 62 Volumentheile auf 10.000 Theile in freier Luft, also etwa das 15fache von dem, was hätte gefunden werden sollen. . Ferner benützte Ros co e ?) die Brunner'sche Methode zur Bestimmung der Kohlensäure. Die meisten Versuche beziehen sich auf die Kohlensäure in geschlossenen Räumen; doch giebt er auch einen Versuch an, durch welchen er den Kohlensäuregehalt der freien Atmosphäre 1) C.R. XXXIHO. pag. 39. Institut. 1851. pag. 226. “) Some chemical facts respecting the atmosphere of dwelling houses. Quat. Journ. of Chem. Soc. X. pag. 251 (1858). ER ee bestimmt hat; er fand 3.7 auf 10,000 Theile Luft, was zu den Zahlen von de Saussure und Boussingault passt Doch kann ein Versuch keinen Maassstab für die Zu- verlässigkeit einer Methode abgeben. Angus Smith!) untersuchte nach dem Brunner'schen Verfahren die Luft in Manchester. 10 Beobachtungen liefern folgenden Gehalt in Volumentheilen auf 10,00% Theile Luft: 4.09 — 5.73 — 4.55 — 15.44 — 5.44 11.95 — 9,73 — 9.72 —- 5.75 — 6.68 Mittel 7.91 Die Bestimmung des Kohlensäuregehaltes ausserhalb der Stadt gab die Zahlen: 2.2 — 8.0 Mittel 2.6 Da die beiden Zahlen über die Luft ausserhalb der Stadt unter dem kleinsten Werthe (3.15) sind, den de Saussure bei seinen vielen Versuchen gefunden hat, so erregen schon dadurch die Versuche kein unbedingtes Zutrauen. Ausserdem bieten die Zahlenangaben der ein- zelnen Versuche merkwürdige Erscheinungen. So nimmt z. B. in den Versuchen Nr. 6 und Nr.9 die nach den Kaliapparaten eingeschaltete Chlorcaleiumröhre, die nur den Zweck hat, das aus den Kaliapparaten fortgeführte Wasser zurückzuhalten, an Gewicht ab; bei Versuch 6, um die bedeutende Grösse von 12.33 grain (799 Milli- gramm), während das Gesammtgewicht der gewogenen Kohlensäure nur 5.22 grain (338 Milligramm) beträgt. Es wird somit nicht unbillig sein, wenn wir annehmen. dass die gefundenen Unterschiede im Kohlensäuregehalt wenigstens theilweise auf Beobachtungsfehler zurück- zuführen sind. D) On the air of towns. Quat. Journ. of Chem. Soc. XI. pag. 190 (1858). Bu; Eine Arbeit von A. Me. Dougall!), die unter Roscoe’s Leitung in Manchester ausgeführt wurde. ist uns nur aus dem Kopp’schen Jahresbericht bekannt. Wir erwähnen sie hier, da ein Theil der Versuche ebenfalls nach der Brunner’schen Methode angestellt wurde; der andere Theil der Versuche wurde nach dem später zu besprechenden Pettenkofer’schen Verfahren ausgeführt. Das Mittel aus 46 Beobachtungen im Centrum von Manchester gab 3.92; das Mittel aus 8 Beobachtungen ausserhalb der Stadt 4.02. 3. Titrieren. Die Titriermethode beruht bekanntlich darauf. dass die Wägung durch die Messung des Volumens einer Flüssigkeit ersetzt wird, welches zur Erzeugung einer bestimmten Reaction nöthig ist. Dass die Waage auch hier nicht vollkommen entbehrlich wird, da sie zur Her- stellung der Probeflüssigkeit nöthig ist, ist wohl selbst- verständlich. Die Titriermethode hat da vor Allem ihre Berechtigung, wo es sich um die Ermittlung sehr kleiner Grössen handelt, deren directe Bestimmung mit der Waage nicht hinlängliche Genauigkeit mit sich führt. Schon von dieser Seite empfiehlt sich die Titriermethode für unsern Zweck, da man es mit ihr dahin bringen kann, dass Y,, Milligramm Kohlensäure noch mit Zu- verlässigkeit angegeben wird. Ausserdem hat sie ins- besondere vor der Brunner’schen Methode den wesent- lichen Vortheil, dass man sich direct an die Kohlensäure wendet, ohne vorerst mit grosser Sorgfalt alles Wasser wegnehmen zu müssen. Die Hauptfehlerquellen der Brunner’schen Methode fallen, wie leicht zu sehen, hier von selbst weg. 1) Chem. News. IX. 80. Bulletin Soc. chim. (2) I. 260. (1864). Der erste, welcher die Bestimmung der Kohlensäure in der atmosphärischen Luft auf das Messen einer Flüssig- keitsmenge zurückführte, scheint Dalton'!) gewesen zu sein. Er bestimmte die Menge von Kalkwasser, die zur völligen Absorption der Kohlensäure eines gegebenen Luftvolumens nöthig war; aus der Menge und Stärke des Kalkwassers wurde die Menge der absorbierten Kohlensäure bestimmt. Auf diese Weise fand Dalton, dass der Gehalt der Luft an Kohlensäure 7 Volumen- theile auf 10,000 Theile Luft beträgt. Es ist dieser Versuch von Bedeutung, weil er, so viel mir bekannt, der erste ist, durch welchen die Annahme über den Kohlensäure- gehalt der Luft annäherungsweise auf das richtige Maass zurückgeführt worden ist. In den Jahren 1832 und 1833 stellte Henry Hough Watson?) im Innern und in der Umgebung der Stadt Bolton eine Anzahl Versuche über den Kohlensäuregehalt der Luft an, hauptsächlich um den Unterschied zwischen der Stadt- und Landluft zu erforschen. In eine Flasche, welche die zu untersuchende Luft enthielt, wurde Kalk- wasser gebracht; die Flasche wurde verschlossen und lange geschüttelt. Die Stärke des Kalkwassers wurde vor und nach dem Versuche mit einer Probeschwefelsäure untersucht. Das Mittel aus 19 Versuchen, die im Innern der Stadt Bolton angestellt wurden, gab 5.3; das Mittel aus 12 Versuchen in der Umgebung der Stadt gab 4.135 Volumentheile auf 10.000 Theile Luft. Untersuchungen, die nach der gleichen Methode im 7) Memoirs of the litter. and philosophical Society of Manchester. New Series. Vol. I. (1806). Gilb. Ann. XX VII. 369. *) Report of the fourth meeting of the british association. pag. 583. Erdmann und Schweigger. Journal für pract. Chemie. Vol. IV. pag (9. me 2 Jahre 1836 von Emmett!) auf einer Reise nach den Bermudainseln ausgeführt wurden, gaben Resultate, die unter einander nicht gut stimmen; drei Versuche gaben etwa 2.5 und ein Versuch etwa 5 Volumentheile auf 10,000 Theile Luft. Ch. Mène?), der mit der Brunner’schen Methode keine günstigen Resultate erhielt, war mit der Titrier- methode nicht viel glücklicher. Die Luft wurde durch ein Fläschchen mit Kalilösung aspiriert. Der Kalilösung wurde etwas Lacmuslösung zugesetzt, hierauf so viel Probesäure zugefügt, dass die Lacmusfarbe ins Weinrothe übergieng, die Menge der Säure , die hierauf noch zu- gesetzt werden musste, um die weinrothe Farbe in die hellrothe Farbe zu verwandeln, diente dazu, die Menge der Kohlensäure zu berechnen. Wer mit Lacmustinctur gearbeitet hat und weiss, wie der Uebergang von einer Farbe in die andere durch viele Zwischenstufen statt- findet, wird es begreiflich finden, wenn nach diesem Verfahren keine sehr günstigen Resultate erhalten wurden. An ein und demselben Tage fand Mene zwischen 1 und 2 Uhr Nachmittags den Kohlensäuregehalt gleich 3.4 und zwischen 5 und 6 Uhr Abends gleich 1.12 Volumentheilen in 10,000 Theilen Luft. Da sonst nie auch nur ähnliche Unterschiede an einem Tage gefunden wurden, so ver- dienen die Resultate wenig Zutrauen. Im Allgemeinen sind die von Mene gefundenen Aenderungen im Kohlen- säuregehalt viel bedeutender als es andere zuverlässige Beobachtungen ergeben haben. !ı Experiments made during a voyage and at Bermuda on the carbonic acid in the atmosphere. Communicated by John Dalton, Phil. Mag. XI. pag. 225 (1837). *; Nouvelle manière de doser l’acide carbonique C.R. XXX. pag. 222 (1851). u Ve Bei spätern Versuchen!) wandte Mène zur Absor- ption Barytwasser an und titrierte vorher und nachher mit Probesalzsäure; als Indicator der Neutralität wurde Veil- chentinctur angewandt. Auch bei diesen Versuchen zeigen sich ausserordentlich grosse Schwankungen, die erhalte- nen Zahlen liegen zwischen 0.7 und 6 Volumentheilen auf 10,000 Theile Luft. Wir haben schon früher erwähnt, wie Hlasiwetz so- wohl mit der Brunner’schen als auch mit einer von ihm ersonnenen voluminometrischen Methode zu keinen be- friedigenden Resultaten gelangen konnte. “Er liess dann später nach einer ihm von C. Mohr?) angegebenen Titriermethode durch Dr. Gilm?) eine Anzahl Bestim- mungen des Kohlensäuregehaltes der Atmosphäre machen, die für die Zuverlässigkeit der angewandten Methode deutliches Zeugniss ablegen. Die Luft wurde vermittelst eines Aspirators durch ein Rohr von 1 Meter Länge ge- sogen, welches Barytwasser enthielt. Der Niederschlag von kohlensaurem Baryt wurde gesammelt, ausgewaschen, in verdünnter Salzsäure gelöst, abgedampft, getrocknet, geglüht; in dem wieder gelösten Chlorbaryum wurde dann nach Mohrs Methode der Chlorgehalt ermittelt. Das Mittel aus 19 Versuchen (18. Nov. 1856 bis 7. März 1857) gab 4.15 Volumentheile auf 10.000 Luft; der ge- ringste Gehalt war 3.82, der grösste 4.58. Zwei Ver- suche, die nach der gleichen Methode von Mohr im Juli 1856 ausgeführt wurden, ergaben 5.7 und 5.03 Vo- lumentheile auf 10,000. Was sich gegen diese Methode ") Annales de la Société des sciences industrielles de Lyon. Nr. 1. 9 (1862). Repertoire de Chimie appliquee. IV. 473. *) Lehrbuch der chemisch-analytischen Titriermethode. 1I. Aufl. pag. 444. #) Wiener Akad. Sitzungsberichte. X XIV. pag. 279 (1857). einwenden lässt, ist hauptsächlich die Schwierigkeit, den Niederschlag vollkommen zu sammeln, auch kann bei den Operationen des Titrierens, Abdampfens, Trock- nens und Glühens leicht etwas verloren gehen, wenn nicht ausserordentlich sorgfältig gearbeitet wird. Bedeutende Verdienste um die Verwerthung der Titriermethode hat M. Pettenkofer'). Bei der Unter- suchung der Luft in geschlossenen Räumen wendet er folgendes Verfahren an. Flaschen von 3 bis 6 Liter Inhalt werden mit Hülfe eines Blasebalgs mit der zu untersuchenden Luft gefüllt. Darauf wird mit einer Vollpipette eine bestimmte Menge Kalkwasser hinein- gebracht, die Flasche verschlossen und geschüttelt. Nach zwei Stunden wird das Kalkwasser ausgegossen. Der Unterschied des Gehaltes des Kalkwassers vor und nach dem Versuch giebt die Menge der absorbierten Kohlen- säure. Der Kalkgehalt wird mit einer Probeoxalsäure ermittelt, die so gemacht ist, dass 1 Cubikcentimeter Flüssigkeit einem Milligramm Kohlensäure entspricht. Den Indicator für die Neutralität bildet Curcumapapier. auf welches Tropfen aus der Flüssigkeit aufgesetzt wer- den; so lange der Tropfen einen braunen Rand zeigt. wird auf die Alkalität der Lösung geschlossen. Später hat Pettenkofer das Kalkwasser durch Barytwasser er- setzt. Die besprochene Methode empfiehlt sich dadurch ganz besonders, dass nach ihr sehr schnell und doch mit bedeutender Zuverlässigkeit gearbeitet werden kann. Wenn es sich um die Ermittlung der Kohlensäure in geschlossenen Räumen zur Beantwortung sanitarischer ’) Ueber die Methode, die Kohlensäure in der atmosphärischen Luft zu bestimmen. Abhandlungen der naturwissenschaftl.-technischen Commission der bayr. Akad. 11. 1 (1858). Ueber die Respiration. Ann. der Chem. und Pharm. II. Suppl.- Band (1862). De Fragen handelt, so wird dieselbe auch unbedingt allen andern bis jetzt vorgeschlagenen Methoden vorzuziehen sein; nur könnte dabei die Bestimmung der Neutralität statt mit Curcuma nach der weiter unten zu beschreiben- den Methode vorgenommen werden. Nach dem be- sprochenen Verfahren sind nun auch schon mannigfache Untersuchungen der Luft in Wohngebäuden gemacht worden.!) Unser Vorhaben, nach dieser Methode eine grössere Anzahl von Versuchen hauptsächlich in Schul- localien anzustellen, konnten wir aus Mangel an Zeit nicht ausführen; doch haben wir uns durch einige Ver- suche von der bequemen Ausführbarkeit dieses Verfah- rens überzeugt; wir fanden unter anderm in einer Klasse des hiesigen humanistischen Gymnasiums 47 Volumen- theile auf 10,000, ein Gehalt, der in schlecht gelüfteten Schullocalien bekanntlich öfters erreicht wird. Bei der Bestimmung des Kohlensäuregehaltes in der freien Atmo- sphäre waren wir mit der erwähnten Methode nicht im- mer so glücklich, und wenn auch manche Versuche Re- sultate gaben, die ihrer Grösse nach auf Richtigkeit Anspruch machen können, wie z. B. folgende: 1867 28. Februar 4.38 5 7. März 4.21 5 11. März 3.83 Se 12 el de, so haben wir doch auch öfters Resultate erhalten, die uns offenbar ein bedeutend zu grosses oder bedeutend zu kleines Resultat gaben, und wo wir nicht im Stande waren, die Fehlerquelle zu entdecken. Jedenfalls sollten 1) Pettenkofer. Ueber Luftwechsel in Wohngebäuden. Mo- natschrift der Sanitätspolizei von Pappenheim. 1860. M. Oertel. Anhäufung der Koblensäure in der Luft bewohnter Räume. Kunst- und Gewerbeblatt für Bayern, August- und Sep- temberheft 1863. Se NES MES wo möglich immer nur Versuche als richtig angenommen werden, wenn zwei gleichzeitige Bestimmungen nahezu das gleiche Resultat geben, weil die Methode in sich gar kein Mittel der Controlle dafür hat, dass alle Kohlen- säure wirklich absorbiert, oder dass nicht in Folge mangelhaften Verschlusses von aussen etwas Kohlen- säure eingedrungen ist. Pettenkofer selbst citiert nur einen Versuch nach seiner Methode über den Kohlen- säuregehalt der freien Luft; er fand 4.52 Volumentheile in 10,000 Luft. In neuester Zeit ist eine verdankenswerthe Arbeit von T. E. Thorpe'!) über den Kohlensäuregehalt der Seeluft publicicrt worden. Die Versuche wurden theils im Jahre 1865 auf einem Leuchtschiff in der irischen See, theils im Jahre 1866 unterwegs auf einer Reise nach Brasilien, theils in Para im tropischen Brasilien ange- stellt. Sämmtliche Versuche wurden nach der Petten- kofer'schen Methode ausgeführt. Die verschiedenen Re- sultate weichen alle sehr wenig von einander ab; sie schwanken alle um die Zahl 3; sie gehen nie unter 2.5 und nie über 3.5. Für die Seeluft ergiebt sich ein mitt- lerer Gehalt von 3 und für die Luft in Para von 3.28. Es ist sehr schade, dass nicht auch nach der gleichen Methode und mit der gleichen Probesäure die Landluft an andern Orten untersucht wurde, denn wenn auch die Uebereinstimmung der zu gleicher Zeit angestellten Ver- suche unter einander für die sorgfältige Arbeit Zeuge ist, so hat man doch nicht die hinlängliche Sicherheit, dass nicht etwa ein constanter Fehler (vielleicht vom Gehalt der Probesäure herrührend) allen Beobachtungen gemeinsam ist. ‚Jedenfalls ist es sehr auffallend, dass der mittlere Gehalt der Landluft von Europa 4.15 gar nie erreicht wurde. ”) Annalen der Chem. und Pharm. CXLV. pag. 94 (1868). TU NC Die Pettenkofer’sche Methode lässt sich leicht ver- vollkommnen, so bald man auf den Vortheil des schnellen Arbeitens theilweise verzichten will Man braucht nur die Absorptionsröhre von Mohr und Gilm mit dem Titrier- verfahren Pettenkofer’s zu verbinden, und dann wird es leicht möglich sein, die erwähnten. Mängel zu beseitigen. Es ist diess im Grunde auch das Verfahren, das Petten- kofer selbst bei seinen grossartigen Untersuchungen über die Respiration anwandte. Die Methode, die wir bei unsern Versuchen an- wandten, weicht im Wesentlichen von der Pettenkofer’s nicht ab; doch glauben wir in einigen Punkten kleine Abänderungen angebracht zu haben, die das Arbeiten etwas erleichtern. Bei unsern Untersuchungen wurde die Luft mit Hülfe eines Aspirators durch die absor- bierende Flüssigkeit gesogen. Der Stand des Mano- meters am Aspirator, des Barometers und des Thermo- meters dienten zur Reduction auf normalen Druck und die Temperatur Null. Zur Absorption dienten Glasröhren von 1.5 Meter Länge und 12 Millimeter innerem Durch-- messer, die mit Barytwasser gefüllt waren. Um die Luft zu vertheilen, haben wir es praktisch gefunden, die Röhren mit abwechselnden Schichten kleiner und gros- ser Glasperlen zu füllen; zwischen den kleinen Glas- perlen wird die Luft mannigfach vertheilt und in den /,wischenräumen der grossen Perlen sammelt sie sich wieder an, um bei der neuen Schicht wiederum vertheilt zu werden. Grosse Glasperlen allein zertheilen die Luft nicht hinlänglich, kleine allein verstopfen den Durchgang zu sehr und lassen der absorbierenden Flüssigkeit zu wenig Raum. Abweichend von dem, was Gilm und Pettenkofer gefunden, absorbierte bei uns eine Röhre die Kohlensäure nicht vollkommen; wir wandten in der Regel drei Röhren hinter einander an und gewöhnlich enthielt sogar die dritte noch 1 bis 2 Milligramm Kohlen- säure; wenn wir den Aspirator schnell laufen liessen, sogar zuweilen noch etwas mehr. Das Verfahren von Pettenkofer, diejenige Neigung der Absorptionsröhre herauszuprobieren, bei welcher die Luft in kleine Blasen getrennt die Röhre durchstreicht, habe ich erst nach Beendigung unserer Versuche beim Nachsehen der Litte- ratur kennen gelernt; beim Anstellen einer neuen Ver- suchsreihe würde ich vor Allem mein Streben dahin richten, gleich Pettenkofer mit 2 Absorptionsröhren, die zweite zur Controlle, auszureichen. Die Barytlösung wurde auch von uns mit einer Probeoxalsäure nach Pettenkofers Vorschrift titriert; wobei wir jedoch einen Indicator für die Neutralität anwandten, der sich als sehr empfehlenswerth erwiesen hat, sowohl was die Ge- nauigkeit als was die Bequemlichkeit der Anwendung betrifft. Vor etwa zwei Jahren hat Schönbein !) auf die grosse Empfindlichkeit des Farbstoffs Cyanin (dargestellt aus Leukalin) für Säuren aufmerksam gemacht, indem die blaue Farbe bei Anwesenheit der geringsten Säure- menge verschwindet. Vergleiche, die wir über die Em- pfindlichkeit verschiedener Reagentien auf Neutralität anstellten, haben zu dem Resultate geführt, dass das Cyanin die gewöhnlich angewandten Farbstoffe um Vieles übertrifft und besonders durch die Schärfe des Eintritts der Reaction sich sehr empfiehlt. Nahezu ebenso em- pfindlich ist eine Lösung von Hämatein, welche man erhält, wenn man Krystalle von Hämatoxylin in Wasser löst, eine Spur Ammoniak zusetzt und mit Luft schüttelt. Der plötzliche Uebergang von violett zu gelb, den dieser Farbstoft beim Uebergang von der basischen zur sauren Reaction darbietet. hat zwar etwas noch bestechenderes, 1) S. diese Verhandlungen IV. pag. 218. = Co s und für manche Fälle mag er als Reagens vorzuziehen sein, doch haben mannigfache Proben uns von der noch grössern Empfindlichkeit des Cyanin überzeugt. Beide Reagentien, Cyanin und Hämatoxylin '), sind in ihrer Handhabung so ausserordentlich bequem, dass, wer sich derselben einmal bedient hat, wohl in wenig Fällen zu Lacmus und Curcuma zurückkehren wird. Die Art des Verfahrens ist einfach folgende: Etwas Cyanin wird in einigen Tropfen Alkohol gelöst und diese Lösung wird mit destilliertem Wasser ein wenig verdünnt. Von dieser ausserordentlich stark färbenden Flüssigkeit wird ein Tropfen der Barytlösung beigesetzt, die titriert wer- den soll; sie erscheint in Folge dessen deutlich blau gefärbt. Nun lässt man aus der Bürette die Normal- säure zufliessen. bis die blaue Farbe zu verschwinden beginnt; gegen Ende muss man selbstverständlich sorg- fältig tropfenweise zufliessen lassen. Um nun weiter den Entscheid über Neutralität mit voller Schärfe zu erhalten, giesst man etwa ein Cubikcentimeter der Baryt- lösung in ein kleines Probegläschen und setzt einen Tropfen Cyaninlösung zu. Wird dieselbe entfärbt, so haben wir saure Reaction und somit ist der Baryt voll- kommen gesättigt; verschwindet die klare Farbe nicht, so wird die Flüssigkeit aus dem Probegläschen zu der übrigen zurückgegossen, ein oder zwei Tropfen Oxal- säure zugesetzt und wieder probiert. Da das Hin- und Hergiessen erst dann beginnt, wenn die Flüssigkeit schon fast neutral ist, so kann das Umgiessen eines kleinen Theiles derselben durch das Zusammentreffen mit der Luft keinen merklichen Schaden mehr erzeugen. Auch ist man, wenn die blaue Farbe zu verschwinden anfängt, immer schon sehr nahe bei dem Neutralitätspunkte, 1) Wir verdanken diese beiden Farbstoffe der Güte des Herrn Joh. Rud. Geigy, in dessen Fabrik sie dargestellt wurden. so dass die Probe mit dem Reagensgläschen nicht öfters wiederholt werden muss. Die Reaction mit Cyanin ist feiner als die mit Curcumapapier, denn wir haben uns überzeugt, dass Barytlösung, die auf Curcumapapier keine Spur von Bräunung mehr erkennen liess, entfärbte Cyaninlösung wieder blau färbte. Diese grössere Schärfe erklärt sich theils durch das ganz ausnehmend grosse Färbungsvermögen der Cyaninlösung, theils aber auch dadurch, dass es gewiss immer vortheïlhafter ist, den reagierenden Farbstoff gelöst statt auf Papier nieder- geschlagen zu haben. Gerade die Versuche mit Cyanin haben mich überzeugt, dass der auf Papier nieder- geschlagene Farbstoff viel weniger empfindlich ist; Papier mit Cyanin gefärbt kann keine Reaction zeigen, wenn ein Tropfen einer Flüssigkeit aufgetragen wird, die auf selöstes Cyanin schon sehr entschieden einwirkt. Es erklärt sich diese Thatsache vollkommen durch die Ver- suche, die Schönbein !) über die capillaren Erscheinungen der entfärbten Cyaninlösung angestellt hat, wobei die Adhäsion zum Stoffe des Papieres im Stande ist, den Farbstoff von der Säure zu trennen. Die grössere Schärfe, welche das Cyanin als Reagens bietet, würde uns kaum vermögen, es gegenüber dem Curcumapapier zu empfeh- len, da ja auch das von Pettenkofer angewandte Mittel eine Genauigkeit bis auf !/,, Cubikcentimeter der Probe- säure gestattet, eine Grenze, die als vollkommen aus- reichend zu betrachten ist, wenn nicht durch die An- wendung des Cyanins die Arbeit bequemer würde. Man kann einen Punkt, der nahe bei der Neutralität liegt, ausserordentlich schnell erreichen, und auch das weitere Verfahren mit dem Probegläschen geht sehr schnell vor sich; auch wird alle Flüssigkeit wieder zurückgegossen, während diess bei der Curcumaprobe nicht geschehen kann. 1} S. diese Verhandlungen IV. pag. 229. "99" = Bei einem Umstand, den wir häufig beobachtet ha- ben, erlauben wir uns noch einen Augenblick zu verwei- len. Wenn man aus einer Barytlösung mit einer Saug- pipette mehrere Proben aus verschiedener Tiefe nimmt, so erhält man nicht immer den gleichen Gehalt. Diese Thatsache ist dadurch zu erklären, dass die Diffusion des Baryts durch die Flüssigkeit noch nicht vollendet ist. Selbst wenn die Flüssigkeit geschüttelt wird, treten nach dem Stehenlassen wieder einige Unterschiede ein. Es lässt diess jedenfalls darauf schliessen, dass die Dif- fusion des Baryts ziemlich langsam vor sich geht, und dass in vielen Fällen eine Barytlösung als ein Gemenge verschieden starker Lösungen aufzufassen ist. Ich hatte nicht die Musse, diesen Punkt hinlänglich zu verfolgen; der dadurch erzeugte Fehler ist nicht gross, aber doch immer etwas störend. Eine gute Barytlösung sollte er- halten werden, wenn man dieselbe mit etwas frisch ge- fülltem kohlensaurem Baryt eine Zeit lang kocht und dann filtriert; dass es wesentlich ist, die Barytlösung mit kohlensaurem Baryt zu sättigen, darauf hat schon de Saussure aufmerksam gemacht. Es ist nun leicht einzusehen, dass bei dem beschrie- benen Verfahren der Kohlensäurebestimmung man leicht für alle Fehler die hinlängliche Controle sich verschaffen kann. Die Feuchtigkeit der Luft, die bei dem Brunner- schen Verfahren die Hauptschwierigkeit ausmacht, kommt hier gar nicht in Betracht. Vor Beginn des Versuches kann man sich leicht von dem luftdichten Schluss des Aspirators versichern; wenn das Saugrohr geschlossen ist, darf der Aspirator, auch wenn er geöffnet ist, nicht fliessen. Die Menge des ausgeflossenen Wassers lässt sich mit mehr als ausreichender Genauigkeit bestimmen. Wenn Barometer- und Manometerstand nur bis auf die Genauigkeit eines Millimeters und der Thermometerstand RPC" ERA bis auf die Genauigkeit eines Grades bekannt sind, so reicht es für die Reduction des Luftquantums auf Normaldruck und Temperatur Null mit hinlänglicher Genauigkeit aus. Bei der Reduction auf trockene Luft kann man mit gros- ser Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Luft, welche die Barytlösungen durchstrichen hat und über dem Was- ser des Aspirators steht, mit Feuchtigkeit gesättigt ist. Bei der Füllung der Absorptionsröhren mit Vollpipetten kann man hinlängliche Sicherheit haben, wenn man vor- her die Pipetten genau geprüft hat. Die Bereitung der Probeoxalsäure beruht auf der Kenntniss des Aequiva- lentes der Oxalsäure und der Kohlensäure, die beide mit mehr als ausreichender Genauigkeit bekannt sind; da ferner für einen Liter 2863,6 Milligramm abgewogen wer- den müssen, so kann der Fehler, der vom Abwägen her- rührt, bei einer guten Wage höchstens !/,6559 betragen. Die Literflasche ist ebenfalls controlierbar. Sollte man es für nöthig finden, die Ausdehnung der Probeflüssig- keit durch die Temperatur in Rechnung zu bringen, so könnte auch diess geschehen, wenn man die Temperatur des Wassers bei Bereitung derselben misst und in der Bürette ein Thermometer hat; doch halten wir diese Cor- rection für überflüssig. Wenn man der Probesäure, die nach den berechneten Zahlen bereitet ist, nicht vollkom- men traut, so ist es leicht durch einen Versuch mit rei- nem Aetzbaryt oder Aetzkalk dieselbe zu controlieren. Beim Titrieren bedient man sich einer Mohr’schen Bü- rette, von deren richtiger Eintheilung man sich vorher überzeugen kann. Zur Vermeidung der Parallaxe beim Ablesen erwies sich uns das weiss und schwarze Papier von Mohr ') als sehr zweckmässig, sobald man dasselbe auf einen kleinen Pappdeckel klebt und auf der einen ') Titriermethode II. Aufl. pag. 10. a ee Seite ein Spiegelchen beifügt; man hält dann immer das Auge so hoch, dass das Bild des Auges im Spiegel ne- ben dem Niveau der Flüssigkeit zu sehen ist und ver- schiebt das Spiegelchen, bis der nach unten convexe Reflex des schwarzen Papieres die gerade Grenzlinie tangiert; der etwas vorstehende Rand des rechtwink- ligen Spiegelchens sorgt für die parallele Verschiebung. Man liest auf diese Weise sehr schnell und vollkommen sicher auf '/,; Ce. ab. Von der Schärfe des Eintretens der Reaction auf Neutralität haben wir früher schon ge- sprochen. Wir lassen nun die Beobachtungen folgen, die wir mit Luft anstellten, die einem kleinen Hofraum im Innern der Stadt etwa 4 Fuss über dem Boden ent- nommen war. g Gem — |Redue.|£ 2S 3 Temp. Barom.Manom.| senes | Kohlensäure Luftvol. 3 % 8. 3 Datum.) nach in in | Luft- in I(60 Mm. BE = = Celsius Millim. Millim.| Volum. Milligramm. | Druck, 234 7 1867. in Ce. ha 3 | ; | 8.6 ı| 9) | 181) 788. | 12 |14500| 17 a 104, 12928 | 4.07 2/8.Mai.| 175 | 743 | 17 151500| 11 I 32.0 | 46321 | 3.49 I 26.0 | BD | 920 138 | 27 |45000| ıI 32 510 39750 | 3.94 III 1.8 I 20.4 4 117.Mai.| 16.2 | 742 | 19 |37500| II so (arc 33888 | 4.12 III 3.0 | I 34.7 | 5'19.Juli.| 21.2 | 739 | 26 |58000 | II 6.7 | 43.8 | 51049 | 4.34 III 24 BIN en? I 25.8 | 1.Aug. 20 | 739 | 22 |42000 | ,7 ‘3, } 28.9] 37152 | 3.93 I 32.1 | | 7 9. Aug. 21 740 | 20 !51000|II 5.6 | 40.5 | 44946 | 4.56 | II 2.8 | | 125.05, 8 8.Oct.| 14.4 | 728 | 30 |41500 | II 2.85'29.55| 37130 | 4.03 | | TI 165) | | *) Diese beiden Daten sind aus Versehen nicht aufgeschrieben worden. — % — l = Goes | Re duc. \.g £S 2 Temp. Barom. à EUX senes | Kohlensäure | Luftvol.' Fe = Datum. nach in in | Luft- in (760 Mm. | = SS = | 5 © — Z Celsius Millim. Millim. VOlum. Milligramm. "Druck, Ch 1867. | in Ce. | Temp iz | 1 27.2} | 9.114.QcEl'-13.8%) 911) .,28" „| 43500 | II 2.2 }31.2 | 39592 | 3.99 | ul 18| | 1 20.3 | | 10 15.0et.|. 13.4 | T4L | .25 .| 35250} 2.5 [25.9 Bet | -3.76 - u 1 \ | 22.8 | 1119.0ei.] 15... ı 736 26 | | 39500 | . 3.4 Lee Hs. 4.04 | Nr 727 | 1256 | | 12 26.0ct. 15 145 27 | 39000 IF 730 | 29.8 | 85503 | 4:25 | III 1.2 | I 20.0 ; 331.0ct.! 14 148 25 /33500 II 3.6 | 25.6 | 30629 | 4.23 | TT 2.0 | 2258 | | 14 31.Oct.| 14 143 29 |350)0 | II 3.6 | 27.2 | 32001 | 4.30 | III 1.8 | | Die Versuche 1. 2 und 6 sind nur mit 2 Absor- ptionsröhren gemacht, sie gaben daher auch im Vergleich mit den andern verhältnissmässig kleine Werthe, wir lassen sie als unvollkommen ausser Betracht; das Mittel aus den andern 11 Versuchen giebt 4.14 Volumentheile auf 10,000 Theile trockene Luft. Die Versuche 13 und 14 wurden gleichzeitig an demselben Orte mit zwei Apparaten ausgeführt; der Unterschied beträgt 1.6 Procent des Mittels. Ein Versuch vom 22. October gab folgende Werthe: reduc. Luft- Kohlens. Temp. Bar. Man. Luftvol. Koblens. volumenth. in 10,000. I 26.6 13.7 745 27 37200 II 3.6,52.2 31932 4.66 III 2.0 Wir liessen diesen Versuch weg, da während des- selben eine Anzahl Personen in dem kleinen Hofraum CR." Ie beschäftigt waren, aus welchem die Luft genommen wurde; der etwas hohe Gehalt mag in diesem Umstande seine Erklärung finden. Versuchen wir‘nun aus den von verschiedenen For- schern gefundenen Zahlen mit Berücksichtigung der Zu- verlässigkeit der angewandten Methoden das zusammen- zustellen, was als glaubwürdiges Resultat darf angenom- men werden. Der mittlere Gehalt der Luft an Kohlen- säure in der Nähe der Erdoberfläche und im mittlern Europa ist auf sehr verschiedene Weise ziemlich gleich gross gefunden worden, und es darf diese Grösse als hinlänglich bekannt angenommen werden; wir haben nämlich : Volumentheile Anzahl der Kohlensäure Name. Ort. Beobachtungen. auf 10,000 Luft. Th.de Saussure Chambeisy (bei Genf) 105 4.15 Verver Gröningen 90 4.19 Boussingault Paris 142 4.00 Boussingault Weissenburg (Elsass) 19 3.80 Gilm Innsbruck 19 4.15 Hagenbach Basel 11 4.14 Wenn wir somit den mittlern Gehalt gleich 4.15 setzen, die Zahl, die schon von de Saussure angegeben wurde, so können wir unmöglich weit von der Wahrheit entfernt sein. Viel weniger sicher als mit der Mittelzahl steht es mit der Abhängigkeit des Kohlensäuregehaltes von der Tageszeit, der Jahreszeit, den meteo- rologischen Verhältnissen und der Lage des Beobachtungsortes. Im Allgemeinen können wir sagen, dass je besser die Methoden waren und je sorg- fältiger gearbeitet wurde, um so geringer die Differenzen der einzelnen Beobachtungen ausfielen; darum können | 7 u UE nur Beobachtungsmethoden, die eine bedeutende Zuver- lässigkeit darbieten, da berechtigt auftreten, wo es sich darum handelt, die Abhängigkeit des Koblensäuregehaltes von den erwähnten Umständen zu beleuchten. Was vorerst die Abhängigkeit von der Jahreszeit betrifft, so haben wir schon darauf aufmerksam gemacht, wie der Unterschied von 39 Procent, den die ersten Untersuchungen von de Saussure gaben, durch die fer- nern genauern Versuche auf 13 Procent (bei den nicht sehr zahlreichen Genfer Beobachtungen auf 3 Procent) heruntergebracht wurde. Die Resultate von Boussingault geben als mittlere Zahl für die Sommerhälfte des Jahres (April bis September) 4.1 und als mittlere Zahl für die Winterhälfte (October bis März) 3.8; ein Unterschied von 7.6 Procent. Es bestätigt diess bis auf einen gewissen Grad die Resultate von de Saussure; doch bleibt es auf- fallend, dass bei Boussingault der Sommermonat August als Mittel aus 18 Versuchen die niedrige Zahl 3.8 bietet- Der höhere Gehalt der Luft an Kohlensäure im Sommer kann somit schwerlich als feststehende Thatsache jetzt schon aufgestellt werden. Die Abhängigkeit des Kohlensäuregehaltes von der Tageszeit ist nicht sicherer als die von der Jahres- zeit. De Saussure findet für Nachtluft einen Mehrgehalt von 10 Procent, Boussingault 7 Procent, Verver 9 Pro- cent. Nehmen wir jedoch bei Boussingault statt der mittleren Zahlen die Anzahl der Fälle, so erhalten wir nicht dasselbe Resultat; von 48 Nachtbeobachtungen geben nur 21, also nicht einmal die Hälfte, einen grössern Gehalt für die Nacht als für den Tag. Auf dem Meere soll nach Lewy die Sache sich umgekehrt verhalten ; 9.299 für den Tag und 3.459 für die Nacht; also für den Tag sogar 42°/, mehr als das Mittel. Diess wurde durch die Untersuchungen von Thorpe nicht bestätigt; das Mittel aus 24 Tagbeobachtungen auf dem Meere gab 3.011 und das Mittel aus 20 Nachtbeobachtungen 2.993; also nur den ganz nichtssagenden Mehrgehalt von 0.6 Procent für den Tag. Bei den meteorologischen Einflüssen ist die Ab- hängigkeit vom Regen hauptsächlich in Betracht ge- zogen worden. Da die Kohlensäure vom Wasser be- deutend leichter verschluckt wird als Sauerstoff und Stickstoff, so ist zu erwarten, dass nach längerem Regen der Kohlensäuregehalt etwas abnimmt. Aus einer Zu- sammenstellung des Kohlensäuregehaltes mit den Regen- mengen glaubt de Saussure diesen Zusammenhang nach- gewiesen zu haben; doch giebt de Saussure selbst schon mehrere Ausnahmen an, die dann durch eine vorwärts- sreifende Wirkung der frühern Monate erklärt werden; so passt es z. B. gar nicht, dass der Juni 1829 mit 77 Millimeter Regen nur 4.07 Kohlensäure hat, während der Juli 1828 mit 173 Millimeter Regen durch die be- deutende Zahl 4.56 vertreten ist. Verver giebt an, dass er in Bestätigung von de Saussure auch gefunden habe, dass beim Regen der Kohlensäuregehalt stets geringer war. So wahrscheinlich auch der geringere Gehalt an Kohlensäure bei Regenwetter aus rationellen Gründen ist, so bedarf doch dieser Punkt noch sehr der Bestätigung durch den Versuch. In Betreff der Lage des Beobachtungsortes sind es hauptsächlich die Gegensätze von Seeluft und Festland- luft, Stadtluft und Landluft, Bergluft und Thalluft, die eine Beachtung verdienen. Die Frage über die Seeluft, von der man früher behauptete, dass sie nur wenig oder gar keine Kohlen- säure enthalte, ist durch die Arbeiten von Thorpe der Beantwortung etwas näher gerückt; doch hat das von ihm gefundene Resultat, dass die Seeluft nur 3 Volumen- =. 00: theile Kohlensäure auf 10,000 Luft enthalte , für die ge- naue Feststellung der Thatsache des geringern Kohlen- säuregehaltes der Seeluft, wie wir schon früher gesehen, nicht unbedingte Geltung, da die Controlversuche mit Landluft nach der gleichen Methode fehlen. Der Unter- schied von 5 Procent Mehrgehalt für die Luft in Cham- beisy gegenüber der Luft über dem Genfersee, den de Saussure gefunden hatte, ist wohl zu unbedeutend, als dass man mit Sicherheit annehmen könnte, dass schon die Landseen zur Verminderung des Kohlensäuregehaltes der über ihr stehenden Luft beitragen. Der vermehrte Kohlensäuregehalt der Stadtluft scheint so wahrscheinlich, dass man glauben sollte, der Unterschied müsste leicht nachzuweisen sein. De Saus- sure fand nur 7 Procent Mehrgehalt an Kohlensäure für die Stadtluft von Genf als die Landluft von Chambeisy. Boussingault schenkte diesem Gegenstande eine besondere Aufmerksamkeit. Versuche in Lyon ergaben 6, 7 und selbst 8 Volumentheile auf 10,000, doch scheinen diese Versuche, die nur kurz erwähnt werden, nicht mit der gleichen Sorgfalt angestellt worden zu sein wie die spätern desselben Beobachters. Vergleichen wir die Mittelzahl der Beobachtungen in Paris 4.0 mit der Mittelzahl der Beobachtungen auf dem Lande im Elsass 3.7, so giebt diess einen Mehrgehalt an Kohlensäure für die Stadtluft von 8 Procent; gleichzeitige Beobachtungen in St. Cloud und in Paris gaben für ersteres 4.13 und für letzteres 4.14, also einen nichtssagenden Mehrgehalt von 0.24 Procent; 3 sehr sorgfältig ausgeführte gleichzeitige Versuche in Paris und auf dem Lande in Andilly (bei Paris) geben für Stadtluft 3.190 und für Landluft 2.989, also einen Mehrgehalt von 6.5 Procent. Die Boussingault'schen Pariser Beobachtungen führen somit sämmtlich zu dem Ergebniss, dass der Mehrgehalt an Kohlensäure der — 101 — Stadtluft nur eine sehr kleine Grösse beträgt. Ein hier- von ganz verschiedenes Resultat lieferten eine Anzahl Untersuchungen der Luft in englischen Fabrikstädten. Watson giebt für Bolton im Innern der Stadt als Mittel aus 19 Beobachtungen die Zahl 5.3 und für die Um- gebung der Stadt als Mittel aus 12 Beobachtungen die Zahl 4.135, also ein Mehrgehalt der Stadtluft von 25 Procent. Die Zahlen, die Angus Smith in Manchester gefunden hat, sind für die Stadtluft als Mittel aus 10 Beobachtungen 7.91 und für die Landluft als Mittel aus 2 (nicht einmal gleichzeitigen) Beobachtungen 2.6; also mehr wie dreimal so viel oder ein Mehrgehalt von 101 Procent über das Mittel für die Stadtluft. Der ganz bedeutende Unterschied der Resultate von Smith und Boussingault ist höchst auffallend, und der Zweifel an der Richtigkeit schwindet auch dann nicht, wenn man die Angabe in Rechnung zieht, dass im Jahre 1858 durch die Verbrennung in Manchester etwa fünf Mal so viel Kohlenstoff in die Luft geschickt wurde als in Paris im Jahre 1844. Mit dem Resultate von Angus Smith im vollsten Widerspruch ist das Resultat von Dougall; das Mittel aus 46 Beobachtungen im Centrum von Manchester gab 3.92 und das Mittel aus 8 Beobachtungen ausserhalb der Stadt 4.02; also für die Landluft ein Mehrgehalt von 2.5 Procent. Die Aenderung des Kohlensäuregehaltes mit der Höhe ist von physikalischer Seite von ganz besonderm Interesse. Da das specifische Gewicht der Kohlensäure etwas mehr als anderthalb mal so viel beträgt als das der atmosphärischen Luft, so liegt die Vermuthung nahe, dass die Kohlensäure sich hauptsächlich unten ansammle und dass somit mit der Höhe der Gehalt abnehmen müsse. Es ist auch keinem Zweifel unterworfen, dass da, wo das kohlensaure Gas sich in grosser Menge ent- — 107 — wickelt, eine Ansammlung der Kohlensäure in der Nähe des Bodens stattfindet. Die Hundsgrotte bei Neapel, das Todtenthal auf Java und die Luft in Kellern mit neuem Wein bieten dafür hinlängliche Beispiele. Ganz anders verhält es sich aber, wenn die Molecüle der Kohlensäure hinlängliche Zeit haben, sich in Folge der Diffusion zwischen den Molecülen des Sauerstoffs und Stickstoffs zu verbreiten; nur diesen letztern Fall haben wir hier zu betrachten. Bekanntlich stellte Dalton seiner Zeit eine Theorie auf, nach welcher bei den gasförmigen Körpern nur .die gleichartigen Molecüle sich abstossen; wenn diess stattfindet, so muss das Gasgemenge der Atmosphäre mit der Höhe sich ändern; die specifisch schweren Gase müssen unten und die specifisch leichten müssen oben reicher vertreten sein. ') Durch eine leichte Rechnung kann gefunden werden, wie die Zusammen- setzung einer Luft, deren Bestandtheile sich nach der Dalton’schen Theorie verhalten, mit der Höhe sich ändert. Bedeuten vi V1 Vz... . die Volumenantheile der verschiedenen Gase unten, d. h. an der Stelle des Normaldruckes von 760, V, V, V:.... die Volumenantheile der verschiedenen Gase oben, d.h. in der Höhe von H Metern über der Stelle des Normaldruckes, Q das specifische Gewicht des Quecksilbers, bezogen auf Wasser, L das specifische Gewicht der Luft, bezogen auf Wasser, 5, & 8... die specifischen Gewichte der betreffenden Gase, bezogen auf Luft, e die Basis der natürlichen Logarithmen, 1) Dalton. On the constitution of the atmosphere. Phil. Trans 1826. I, pag. 174. Frankenstein. Lehre der Cohäsion, pag. 27. so haben wir: V1. @ Vo= me. LHs: ta 0.76.Q Vi. € + vs e V Vo. e ee YES de 0.76.Q Vi. € + v.e LT OI ar Ale + Vs. € =} V3. € etc. LHs3 0.76.Q Sd Wenden wir diese Formeln auf die Bestandtheile des Sauerstoffs, Stickstoffs, Wasserdampfes und der Kohlensäure an und wählen H = 2000 Meter, so er- halten wir: 2000 Meter unten Sauerstoff 0.206800 Stickstoff 0.782800 Wasserdampf 0.009985 Kohlensäure 0.000415 1.000000 hoch 0.201147 0.787528 0.010963 0.000362 1.000000 Unterschied vom Mittel in Procenten. ++ | 1.8 0.6 9.4 13.028 Schon im Jahre 1838 zog Bessel!) die Richtigkeit der Annahme der .Dalton’schen Theorie für die Gase der Atmosphäre in Zweifel, und zwar wegen der Ver- theilung des Wasserdampfes in derselben. In neuerer Zeit ist bekanntlich die Theorie der gasförmigen Körper !) Bemerkungen über barometrische Höhenmessungen. Astron. Nachrichten. Nr. 356. Band XV. — 104 — in Folge der mechanischen Wärmetheorie hauptsächlich durch Clausius und Krönig ganz umgestaltet worden. Wenn man nun dieser oder überhaupt irgend einer ähn- lichen Anschauung beipflichtet, d.h. wenn man die Ex- pansivkraft eines Gases auf die seinen Molecülen in- wohnende Wucht!) zurückführt, so kann man unmöglich die Dalton’sche Theorie der auswählenden Abstossungs- kraft beibehalten. Dann ist aber auch kein aërostatischer Grund vorhanden, dass sich die procentische Zusammen- setzung der Luft mit der Höhe ändern sollte, besonders da die Bewegung der Luft noch wesentlich zur gleich- förmigen Mengung beitragen muss. Sehen wir daher, ob andere Gründe denkbar sind, welche eine Aenderung des Kohlensäuregehaltes mit der Höhe bewirken können. Wir haben in der Atmosphäre stets Zufluss und Abfluss von Kohlensäure; der Kohlensäuregehalt bleibt somit unverändert bei Gleichheit der beiden, er nimmt zu, wenn der erstere, er nimmt ab, wenn der letztere vor- wiegt. Abgesehen von den Exhalationen der Vulcane, die wohl nur örtlich wirken können, und den Aus- athmungen der Thiere, die in bedeutender Höhe leben, sind sämmtliche Zuflüsse von Kohlensäure unten; ebenso sind auch die Abflüsse, d. h. die Pflanzen, grossentheils unten; und jedenfalls ragt die Pflanzendecke, welche die Kohlensäure absorbiert, verhältnissmässig noch weiter in die Atmosphäre hinauf als die Verwesung, die Ver- brennung und die Athmung, welche Kohlensäure pro- ducieren. Sind nun Zufluss und Abfluss unten, so wäre es denkbar, dass der Kohlensäuregehalt unten vorwiegt, 1) Es wäre gewiss passend, dieses einfache jedem verständliche deutsche Wort an die Stelle des so oft missverstandenen aus fremder Sprache übersetzten Ausdruckes „lebendige Kraft“ zu setzen; besonders da es sich weder um etwas Lebendiges noch um eine Kraft handelt. — 105 — wenn nämlich nicht Diffusion und Bewegung der Luft eine gleichmässige Verbreitung nach den obern Regionen bewirken; rein unbegreiflich aber ist es, dass oben in Folge des mangelhaften Abflusses der Gehalt steigen soll. Wenn man, wie diess häufig geschehen ist, be- hauptet, wegen des Mangels der Pflanzendecke müsse in der Höhe der Kohlensäuregehalt zunehmen, so ist diess etwa gerade so, wie wenn man beweisen wollte, dass, wenn ein See Einfluss und Abfluss neben einander hat, dann offenbar am entgegengesetzten Ende das Wasser steigen müsse. Von theoretischer Seite her finden wir also nichts, das uns veranlassen könnte, eine Zunahme des Kohlensäuregehaltes mit der Höhe anzu- nehmen. Eine Abnahme mit der Höhe könnte aus der Dalton’schen Theorie der Gase gefolgert werden; da jedoch dieselbe mit den Anschauungen der heutigen Wissenschaft sich nicht mehr vereinigen lässt, so fällt auch dieser Grund weg. Die theoretischen Betrachtungen führen uns also zu der Annahme eines gleichförmigen Gehaltes in den verschiedenen Höhen. Doch bezieht sich diess nur auf den mittlern Gehalt; denn es ist leicht einzusehen, dass die Aenderungen, die von Tages- und Jahreszeiten, von Wasserflächen, von Bodenfeuchtigkeit u. s. w. abhängen, den untern Theil der Atmosphäre in erster Linie treffen und sich dann nicht im gleichen Grade auch nach oben erstrecken müssen; es wäre so- mit leicht begreiflich, wenn der Kohlensäuregehalt in den obern Regionen geringere Schwankungen zeigte als unten. Sehen wir nun nach diesen theoretischen Betrach- tungen, was die Erfahrung über die Aenderung des Koh- lensäuregehaltes mit der Höhe ergeben hat. Der erste, welcher die Kohlensäure in der Höhe der Atmosphäre nachwies, war Horace de Saussure bei sei- — 106 — ner berühmten Besteigung des Mont Blanc im Jahre 1787; er beobachtete, dass Kalkwasser, auf dem Gipfel des Ber- ges der freien Luft ausgesetzt, sich mit einer weissen Haut überzog; indem sich dieselbe langsamer bildete als unten, so schloss er auf einen geringern Gehalt an Koh- lensäure; ein Schluss, der nicht ganz gerechtfertigt ist, weil die bedeutende Verdünnung der Luft den Unter- schied erklären kann. De Saussure wiederholte seinen Versuch auf dem Mont Géant. Humboldt zeigte, dass die Luft, die vom Luftschiff- fahrer Garnerin aus der Höhe von 1305 Meter gebracht war, Kohlensäure enthielt. Dass die quantitative Bestim- mung von Humboldt ohne allen Werth ist, haben wir schon erwähnt. Die erste zuverlässige numerische Bestimmung, die einen Untershied im Kohlensäuregehalt bei verschiede- nen Höhen ergiebt, rührt von Th. de Saussure, dem Sohne des ersten Montblancbesteigers, her. Er machte Versuche in Chambeisy und auf den zu beiden Seiten liegenden Bergen des Saleve und Jura, deren Höhe im Durchschnitt 948 Meter über dem Genfersee beträgt. Das Mittel aus 12 Beobachtungen gab für unten 4.05 und für oben 4.37; also oben 10 Procent mehr. Die Beobachtungen von Lewy gaben ähnliche Re- sultate; das Mittel aus 5 Beobachtungen an Orten, die im Durchschnitt 48 Meter über der Meeresfläche waren, gab 3.76 und das Mittel aus 12 Beobachtungen von Bogota (2645 Meter über dem Meer) 4.86; also ein Unterschied von 6.8 Procent. Besondere Aufmerksamkeit wurde der vorliegenden Frage durch die Gebrüder Schlaginweit geschenkt; die Versuche in den üsterreichischen Alpen im Jahre 1847 gaben : — 107 — Höhe in Metern. Kohlensäuregehalt. 752 4.2 1308 4.1 2435 4.75 2449 9.2 3366 5.8 Die Beobachtungen im Jahre 1852, die im Wallis und im Piemont in der Nähe des Monte Rosa angestellt wurden, ergaben: Höhe in Metern. Kohlensäuregehalt. 92 422 1370 4.97 1652 4.80 1. DEP 4.75 3162 1.55 *) 9999 9.16 4224 9.32 Ferner gaben die Untersuchungen der Luft des Mont Blanc von Frankland im Jahre 1859: Höhe in Metern. Kohlensäuregehalt. 915 6.3 8305 Ei 4795 6.1 Aus den angegebenen Versuchen geht ziemlich all- gemein das höchst auffallende Resultat hervor, dass der Kohlensäuregehalt mit der Höhe sehr merklich zunimmt. Wenn dieses Resultat fest stände, so müsste die Erklä- rung dazu erst gesucht werden. Wir glauben jedoch durch die Kritik der verschiedenen Untersuchungsmetho- den gezeigt zu haben, dass die vorliegenden Beobach- tungen nicht im Stande sind, die erwähnte höchst auf- fallende Thatsache ausser Zweifel zu stellen, und es ist *) Mittel aus 8 Beobachtungen. — 18 — somit sehr wünschenswerth, dass durch neue Versuche die Erledigung dieser auch von physikalischer Seite so interessanten Frage ihrem Ziele näher geführt werde. Einmalige Beobachtungen können die Frage nicht ent- scheiden. Es müssen eine Anzahl wo möglich gleich- zeitige Versuche an zwei in horizontaler Richtung nicht zu weit auseinander gelegenen Stationen gemacht wer- den, deren Höhenunterschied nicht viel weniger als 2000 Meter beträgt. Wir glauben, dass das von uns einge- schlagene Verfahren sich sehr gut zu solchen Versuchen eignen würde, da alle Theile des Apparates sich sehr leicht transportieren lassen; die Wage braucht man nicht mitzunehmen, da man die Oxalsäure vorher abwägen und in verschlossenen Glasröhren mitnehmen kann. Auch kann man, um vollkommen gleiche Oxalsäure- und Ba- rytlösung an beiden Orten zu gebrauchen, die Lösungen für beide Orte in einem Gefässe herstellen und theilen. Ich hatte gehofft im Laufe dieses Sommers solche Ver- suche in Luzern und auf dem Pilatus anstellen zu kön- nen, doch hielten mich anderweitige Beschäftigungen da- von ab; auch möchte ich die Arbeit gerne Chemikern überlassen, welchen beim Ausführen von Analysen grös- sere Uebung als mir zu statten kommt. Dass unter Umständen auch in freier Atmosphäre anormale sehr bedeutende Kohlensäuregehalte (bis zu 145 Volumentheile auf 10,000) vorkommen sollen, welche in vulcanischen Gasexhalationen oder Waldbränden ihre Erklärung finden, haben wir schon erwähnt. Auch diese Thatsachen bedürfen noch gar sehr der Bestätigung. Der Kohlensäuregehalt der Luft in geschlos- senen Räumen ist oft bedeutend verschieden von dem der freien Atmosphäre. Dass die Luft in Gewächshäu- sern fast gar keine Kohlensäure enthält, wie LeBlanc gefunden hat, ist nicht sehr wahrscheinlich, da dann die — 109 — Pflanzen wohl schwerlich gedeihen könnten; für die Pflan- zenphysiologie ist es von Interesse, dass dieser Versuch wiederholt wird. Die bedeutende Zunahme des Kohlen- säuregehaltes in Räumen, wo viele Menschen oder Thiere bei einander sind, ist durch mannigfache Versuche nach- gewiesen; den stärksten Gehalt findet man im Allgemei- nen in Schulen, häufig 30 bis 40, ausnahmsweise sogar über 90 Volumentheile auf 10,000; die Abhängigkeit des Kohlensäuregehaltes von der Anzahl der Menschen, der Grösse des Raumes, den Ventilations- und Heizvorrich- tungen ist zwar in einzelnen Fällen schon theilweise untersucht, doch ist in dieser Hinsicht noch vieles auf- zuklären; für die Wissenschaft ist von der Beantwortung dieser Fragen nicht viel zu erwarten, um so bedeuten- der aber ist sie vom sanitarischen Standpunkte. En Be | BETA MOT": ira kind 3 th: ce et Re ÈS BKL NE) a" BAR, : PHP ET hi ER ARTEN 707 SE | er herren Le AOÛT ON TS Ron Ar: ER: m a ee TUNER fn PO AU A Dr ti I ÉHBIITE ohne ire, OUT" hr int = TRE à CHR! >, ie 0 RTE - UM Br "” hr Te 7 ulyzigyı Nr V +2) Fin NET Fi: RL, { De MALE iur fl LF w | +4} LL | M ’ l 4 #44, "ni FL t » 4 t f it 1 14 "rt z 3 - 5 J ’ Mr) . A | 3 | | 4 % © ee : | d , : . a on : "2 | . . > D Le En Eu ! Ne 5 3 | À #1 Pi à - Re A OK "re + ve mr x ur Di hr Be PANNE , sont ö = CREER RE PR nz aD a R - u 7 EN CO 2 re 2 Sr nu er. i 2 | N 4 SL > LA AN FW Pr ef Ueber eine fluorescirende Substanz aus dem Kuba- holze (Fortsetzung), und über eine neue Methode der Analyse mit Hülfe der Fluorescenz. Mitgetheilt in den Sitzungen vom 11. und 25. März 1868 von Dr. Friedrich Goppelsræder. ns T: Darstellung des Morins und des Maclurins, In diesen Verhandlungen IV. Theil IV. Heft Seite 756— 744 habe ich Mittheilung gemacht über eine äusserst intensiv grün fluorescirende Flüssigkeit, welche durch Auflösen des gelben Kubaholzthonerdelacks in Alkohol unter Zusatz von Salzsäure oder durch Vermischen der alkoholischen, ätherischen oder wässerigen Auszüge des Kubaholzes mit einem Thonerdesalze gewonnen werden kann. Indem ich eine Reihe neuer Thatsachen hinzu- füge, verweise ich auf jene erste Mittheilung. Vor allem musste ich die Frage entscheiden: wel- chem Bestandtheile des Kubaholzes die Eigenschaft zu- komme, beim Zusammenkommen mit Thonerdesalzen zu fluoresciren. Ich stellte daher die beiden Hauptbestand- theile des Kubaholzes, das Morin und das Maclurin (die — 22 — Moringerbsäure) in möglichst reinem Zustande dar, wozu ich mich der von Hlasiwetz und Pfaundler (Jour- nal für praktische Chemie, Band 90 und 94) beschrie- benen Methode bediente. Geraspeltes Kubaholz aus der Farbholzextractfabrik des Herrn R. Geigy in Basel wurde zu wiederholten Malen mit destillirtem Wasser ausgekocht; die filtrirten Auszüge wurden so stark ein- gedampft, dass ihr Gewicht etwa halb so viel wie das- jenige des angewandten Kubaholzes betrug; der nach mehrtägigem Stehen gebildete gelbe Absatz wurde zu- erst mit kaltem Wasser gewaschen und dann mit Wasser ausgekocht. Das hiebei zurückgebliebene unreine Morin wurde mit Wasser, welches etwas Salzsäure enthielt, zur Zersetzung der neben Morin vorhandenen Kalkver- bindung erwärmt. Der auf ein Filter gebrachte, aus un- reinem Morin bestehende Rückstand wurde mit kaltem Wasser gewaschen und in heissem Alkohol gelöst. Nach Zusatz von Bleizuckerlösung und Bildung von Morin- bleioxyd wurde durch die trübe und erwärmte Flüssig- keit Schwefelwasserstoffgas geleitet; die filtrirte alko- holische Lösung des Morins war nur noch schwach gelb gefärbt. Aus der Lösung krystallisirten schwach gelb- lich gefärbte Morinkrystalle. Das Maclurin wurde aus der vom rohen Morin abfiltrirten Flüssigkeit gewonnen; indem diese bedeutend concentrirt wurde, schied sich nach der Abkühlung ein Theil des Maclurins aus. Durch Lösen in heissem Wasser, Zusatz von Essigsäure und von möglichst viel Bleizuckerlösung, dann durch Durch- leiten von Schwefelwasserstoffgas durch die warme Flüs- sigkeit wurde der grösste Theil der gefärbten Unreinig- keiten mit dem niederfallenden Schwefelblei aus der Lö- sung des Maclurins entfernt. Hinsichtlich der bereits bekannten Eigenschaften des Morins und derjenigen des Maclurins verweise ich auf — 13 — die Arbeiten von Delffs und Wagner, von Hlasi- wetz und Pfaundler. Als die empfindlichste der bis jetzt bekannten Reactionen auf Morin lernte ich dieje- nige schätzen, welche sich auf dessen Ueberführung in Isomorin und weiter noch in Phloroglucin durch Einwir- kung des nascirenden Wasserstoffs gründet. Wie bekannt ist, löst man entweder Morin in ätz- natronhaltigem Wasser und fügt Natriumamalgam hinzu, worauf man da, wo das Amalgam mit der Flüssigkeit in nächster Berührung steht, eine indigoblaue, und da, wo sich diese blaue Flüssigkeit mit der übrigen gelben mischt, eine grüne Färbung wahrnimmt; oder man lässt das Amalgam auf eine alkoholische mit Salzsäure ange- säuerte Morinlösung einwirken, wodurch schnell nach Einbringen des Amalgams die saure Flüssigkeit eine Pur- purfärbung annimmt, dann nach und nach rothgelb, gelb und zuletzt gelblich wird. Ist die Flüssigkeit gelblich geworden, so ist das Morin in Phloroglucin umgewan- delt; wird aber die Einwirkung des Wasserstoffs dann schon unterbrochen, wenn die rothe Färbung am inten- sivsten ist, so hat man Isomorin. Als empfindliche Reactionen auf Maclurin kann ich diein Gerhardt’s Lehrbuche der organischen Chemie an- gegebenen mit schwefelsaurem Eisenoxyduloxyd, Kupfer- vitriol, essigsaurem Kupferoxyde, Goldchlorid, doppelt- chromsaurem Kali und Ferrocyankalium empfehlen. Nach Darstellung der beiden Hauptbestandtheile des Kubaholzes in möglichst reinem Zustande stellte ich eine längere Reihe von Versuchen mit ihren Lösungen an, deren Hauptresultate ich hiemit in Kürze mittheile. Là L Verhalten einer Morinlösung. Die alkoholische Lösung des reinen Morins fluores- cirt nicht. weder im zerstreuten Tageslichte, noch im Magnesiumlichte, noch in der Geissler’schen Röhre. Der mittelst einer Brennlinse in die im dunkeln Zimmer aufgestellte Morinlösung geworfene Lichtkegel zeigte eine sehr geringe grünliche Färbung. Ebenso verhielten sich der äthyl- und methylalkoholische, sowie der ätherische Auszug des Kubaholzes, oder des Kubaholzextractes. Sobald aber die Morinlösung mit der Lösung eines Thon- erdesalzes, zum Beispiele mit der des Alauns, der schwe- felsauren oder essigsauren Thonerde versetzt, oder mit einem Kryställchen von Chloraluminium geschüttelt wird, entsteht jene intensive und schöne grüne Fluorescenz, welche ich an der Lösung des Kubaholzthonerdelacks in salzsäurehaltigem Alkohole beobachtet hatte. Beim Schüt- teln der Morinlösung mit Thonerdehydrat zeigt sich keine Fluorescenz; erst wenn einige Tropfen Essigsäure zu- gesetzt werden. Die Fluorescenz ist so intensiv, dass sie noch bei höchst verdünnten Morinlösungen dem Auge sichtbar ist. Hierüber werde ich unter IV. nähere An- gaben machen. | Gegen andere Substanzen verhielt sich die Morin- lösung wie folgt: Beim Zusatze einer Lösung von Zinkvitriol des Han- dels zeigte sich grüne Fluorescenz, welche aber bei wei- tem nicht so schön wie die oben erwähnte und im Ver- hältnisse zu der durch reines Thonerdesalz erregten bloss eine schwache zu nennen war. Da ich Verdacht schöpfte, dass der angewandte Zinkvitriol etwas Thonerde enthal- ten haben möchte, so bereitete ich das reine Salz durch Auflösen chemisch reinen Zinks in verdünnter chemisch = Re reiner Schwefelsäure und Krystallisation. Dasselbe er- regte in der Morinlösung nur spurenweise Fluorescenz, welche durch Erhitzen weder zu- noch abnahm. Durch nachherigen Zusatz von Alaunlösung erschien die be- kannte prächtige grüne Fluorescenz. Wie Zinkvitriol des Handels verhielten sich Zinkacetat und Zinkchlorid. Durch Zusatz von etwas Bleiacetatlösung entstand eine noch schwächere Fluorescenz als die durch Zink- vitriol erzeugte, durch einen grösseren Zusatz gar keine, ja sogar bei nachherigem Zusatze von Thonerdeacetat- lösung kam nur eine sehr schwache Fluorescenz zum Vorscheine. Zinnchlorürlösung bewirkte keine Fluorescenz, welche auch nach Zusatz einer Thonerdeacetatlösung ausblieb. Quecksilberoxydulnitratlösung erzeugte sehr schwache gelbgrünliche Fluorescenz ; nach Zusatz von Thonerde- acetatlösung und etwas Essigsäure entstand die gewöhn- liche Fluorescenz. Durch Kupfervitriol und durch Eisenchlorid entstand keine Fluorescenz; nach Zusatz von Alaun trat sie in schwächerem Grade wie gewöhnlich auf. Salzsaure Beryllerde in wässeriger Lösung bewirkte keine Fluorescenz; durch nachherigen Zusatz von Thon- erdeacetatlösung kam sie zum Vorscheine. Durch salpetersauren Baryt, Chlorbaryum, Chlor- strontium, salpetersauren Kalk, Chlorcalcium, schwefel- saure Magnesia, verschiedene Kali-, Natron- und Am- moniaksalze, die Haloidverbindungen des Kaliums, Na- triums und Ammoniums wurde nur spurenweise Fluores- cenz erzeugt. Selbst bei Anwendung einer verhältniss- mässig grossen Menge dieser Stoffe wurde bei weitem nicht die Fluorescenz wie durch einen einzigen Tropfen einer 'Thonerdesalzlösung hervorgebracht. Ein nach- heriger Zusatz von Thonerdeacetatlösung bewirkte aber ei trotz der Anwesenheit der genannten Stoffe starke Fluo- rescenz von gewöhnlicher Farbe. Die Säuren verhielten sich gegen Morinlösung wie folgt: Durch tropfenweisen Zusatz von Essigsäure ent- stand keine, dann aber nach Zusatz von Alaunlösung trotz der Anwesenheit einer grösseren Menge von Essig- säure ebenso starke Fluorescenz wie ohne Anwesenheit dieser Säure. Ebenso bewirkte Salzsäure keine Fluo- rescenz; bei nachherigem Zusatze von Alaunlösung er- schien dieselbe nur spurenweise, nach und nach aber gleich schön und intensiv wie ohne Gegenwart von Salz- säure. Auch Salpetersäure, Schwefelsäure und Phos- phorsäure zeigten dieses Verhalten. Arsenige Säure be- wirkte keine Fluorescenz; auf Zusatz von Alaun erschien sofort die gewöhnliche. Borsäurelösung verursachte gelbe Fluorescenz mit grünlichem Stiche. Nach Zusatz von Alaun erschien die schöne grüne. Eine Lösung des Morins in Boraxlösung fluorescirte stark, eine solche in gewöhnlicher Natron- phosphatlösung schwach. Fluorwasserstoffsäure in concentrirter wässeriger Lö- sung verursachte keine Fluorescenz; selbst nach Ab- stumpfung der Säure kam sie nicht zum Vorscheine, weil durch die Fluorwasserstoffsäure das Morin zerstört wird. Kieselfluorwasserstoffsäure bewirkte starke dunkel- grüne Fluorescenz; da jene aber etwas Thonerde ent- hielt, so bin ich über die Ursache der Fluorescenzer- regung noch im Ungewissen. Oxalsäure verursachte keine Fluorescenz; nach Zu- satz von Alaunlösung erschien die Fluorescenz zuerst nur wenig, dann aber nach einiger Zeit ebenso stark wie ohne Anwesenheit der Säure. Wie Essigsäure verhält sich die Citronensäure. Die nach Zusatz von Alaunlösung entstehende Fluorescenz — 117 — wird aber bei Anwesenheit von viel Citronensäure erst nach einiger Zeit so stark wie ohne Gegenwart dieser Säure. Pikrinsäure in alcoholischer Lösung bewirkte keine Fluorescenz ; die durch Alaunlösung zum Vorscheine kom- mende ist schwächer wie ohne Gegenwart von Pikrin- säure. Ameisensäure, rechte Camphersäure, Harnsäure, Hippursäure und Carbolsäure verursachten keine Fluo- rescenz; wohl aber trat dieselbe von normaler Stärke und Schönheit nach Alaunzusatz ein. Die Aetzalkalien: Ammoniak, Kali und Natron be- wirkten gelbe Fluorescenz, welche durch nachherigen Zusatz von Alaunlösung und Abstumpfung des Alkali’s mit Salzsäure in die gewöhnliche grüne umgewandelt wurde. Die gelbe Fluorescenz erscheint namentlich stark beim Hineinhalten in den Brennpunkt einer Brennlinse. Auch in der Geisslerschen Röhre zeigt sie sich sehr schön, wenn auch weniger stark. Die durch Thonerdesalze fluorescirend gewordene Morinlösung verhält sich bei nachherigem Zusatze an- derer Stoffe so: Durch Zusatz starker Essigsäure verliert sie nichts an Fluorescenz; diese verschwindet aber durch Zusatz von Schwefelsäurehydrat und kommt nach Neutralisation wieder eben so schön und intensiv wie vorher zum Vor- scheine. Selbst viel Salzsäure vermindert die Fluores- cenz nicht. Durch Zusatz von Bleiacetat — oder Bleinitrat- lösung und etwas Essigsäure geht die durch Thonerde- acetatlösung erregte Fluorescenz zum grossen Theile ver- loren, durch genügenden Zusatz von Bleisalz verschwindet dieselbe fast ganz. Wird hernach das Blei mit Salzsäure - Me — als Chlorblei gefällt, so zeigt die davon abfiltrirte Flüs- sigkeit wieder die ursprüngliche schöne Fluorescenz. Durch Zusatz von Zinnchlorürlösung verschwindet je nach deren Menge die Fluorescenz entweder ganz oder zum Theile. Durch Clorcalcium, Chlorstrontium, Chlorbaryum, schwefelsaure Magnesia, Kali- oder Natronsalze wird sie nicht vermindert, wobei jedoch zu bemerken ist, dass bei allen bisher beschriebenen Versuchen im zerstreuten Tageslichte beobachtet wurde, wobei, wie aus späteren Angaben erhellt, das Auge die Empfindlichkeit nicht besitzt, welche nöthig ist, um geringe Unterschiede in der Stärke und im Tone der Fluorescenz wahrzunehmen. Ich werde nicht ermangeln, scharfe und einlässliche Versuche anzustellen. Für jetzt mögen die erwähnten Resultate genügen, um zu beweisen, dass die durch die genannten Stoffe in einer Morinlösung hervorgebrachte Fluorescenz hinsichtlich ihrer Stärke und Schönheit in keinem Verhältnisse zu derjenigen steht, welche Thon- erdesalze hervorrufen, ja dass die durch Thonerdesalze erzeugte dureh Zusatz der anderen Stoffe zum Theile oder ganz wieder aufgehoben wird. Durch Kochen der mit essigsaurer Thonerdelösung in Fluorescenz versetzten Morinlösung entsteht ein gelber Niederschlag, welcher aus einer Verbindung von Thon- erde mit Morin besteht; gleichzeitig geht die Fluores- cenz verloren. Wird während des Kochens die sich ver- flüchtigende Essigsäure ersetzt, so bleibt die Flüssigkeit klar und die Fluorescenz verschwindet nicht. Oxydirende Agentien verhalten sieh gegen Morin- lösung folgendermaassen: Chromsäure bewirkt nicht Fluorescenz, aber dunk- lere Färbung; bei nachherigem Zusatze von Alaun tritt keine Fluorescenz ein. Die Chromsäure wandelt das — 119 — Morin selbst bei starker Verdünnung und gewöhnlicher Temperatur durch Oxydation in andere Stoffe um. Jodlösung zerstört die durch Thonerdesalze in einer Morinlösung erregte Fluorescenz (in Folge von Oxy- dation). Mit etwas Schwefelsäure vermischte Kalipermanga- natlösung wurde bis zur Entfärbung mit Morinpulver geschüttelt. Die von dem durch Reduction der Ueber- mangansäure entstandenen Manganoxyde abfiltrirte Flüs- sigkeit war farblos und ohne Spur von Fluorescenz; nach Neutralisation derselben mit Kalilösung und Ver- mischen mit Alaunlösung entstand keine Spur von Flu- orescenz, welche aber sofort nach Zusatz von Morin . eintrat. Als bei einem zweiten Versuche eine alkoholische Morinlösung mit Kalipermanganatlösung geschüttelt wurde, verschwand die rothe Färbung nach einiger Zeit, die Flüssigkeit war dann gelbbraun im durchscheinenden, hell schmutzig grüngelb im reflectirten zerstreuten Tages- lichte, lebhafter fluorescirend im Magnesiumlichte und im Brennpuncte einer Linse, durch welche das Sonnen- licht concentrirt wurde. Wird eine alkoholische Morinlösung mit Silbernitrat in der Kälte geschüttelt, so wird Silber ausgeschieden. Die hiervon abfiltrirte Flüssigkeit ist röthlich braungelb im durchscheinenden, grünlich braungrau im reflectirten Lichte. Wird das Sonnenlicht durch eine Brennlinse darauf geworfen, so zeigt sich schön gelbe starke Fluo- rescenz. Ueber die Eigenschaften dieser neuen gelb fluorescirenden Substanz werde ich später Mittheilung machen. Jedenfalls ist dieselbe ein Product der Oxy- dation. Wird Morinlösung mit Silbernitratlösung erwärmt, so zeigt die vom Silberniederschlage abfiltrirte Flüssig- keit keine Fluorescenz, ist aber dunkler gefärbt. Hier- — 120 — bei bilden sich nichtfluorescirende Producte einer weiter geschrittenen Oxydation. Ebenso wird das Morin durch Goldcehloridlösung in eine gelb fluorescirende Substanz verwandelt. Die durch Schönbein mittelst übermangansauren Kali’s aus wäs- seriger Brasilinlösung erhaltene gelbe fluorescirende Flüs- sigkeit erhielt ich ebenfalls bei Einwirkung von Gold- chlorid auf Brasilinlösung, wie sich dieselbe überhaupt mit Hülfe oxydirender nicht zu heftig wirkender Agentien zu bilden scheint; wohl auch andere Chromogene aus Farbhölzern werden sich ähnlich wie Brasilin und Morin verhalten. II. Verhalten einer Maclurinlösune. Die wässerige Lösung des nach der oben beschriebe- nen Methode erhaltenen möglichst reinen Maclurins zeigte weder im zerstreuten Tageslichte, noch in der Geissler’- schen Röhre, noch in dem durch eine Brennlinse con- centrirten Magnesium- oder Sonnenlichte beim Experi- mentiren in einem dunkeln Raume Fluorescenz; nach Zusatz von etwas Salzsäure und Alaunlösung zeigte sich im zerstreuten Tageslichte und im concentrirten Magne- siumlichte keine, in der Geissler’schen Röhre hingegen und im concentrirten Sonnenlichte spurenweise Fluo- rescenz. Nach Zusatz von etwas Morin erschien die sehr schöne grüne Fluorescenz, so dass, wie schon die Versuche mit den Auszügen des Kubaholzes dargethan haben, die Anwesenheit sogar von vielem Maclurin die Fluorescenz durch Spuren von Morin nicht zu verhindern vermag. Die in der Geissler’schen Röhre und im concentrirten — 121 — Sonnenlichte nach Zusatz von angesäuerter Alaunlüsung zur Maclurinlösung beobachtete spurenweise Fluorescenz mag von Spuren von Morin herkommen, welche bei der jetzigen Darstellungsmethode des Maclurins wohl kaum davon abzutrennen sind. Die Trennung beider Körper beruht ja nur auf der ungleichen Löslichkeit derselben in Wasser, auf der ziemlich leichten Löslichkeit des Maclurins und auf der Schwerlöslichkeit des Morins. Bei solchen Trennungsmethoden der Körper wird von einer vollständigen Trennung derselben niemals die Rede sein können; ein Gemenge, das aus Spuren von Morin und sehr viel Maclurin besteht, wird sich in Wasser vollständig auflösen. Die Massenwirkungen spielen in der Chemie und so namentlich auch bei allen unseren analytischen Arbeiten eine grosse Rolle und können namentlich bei quantitativen Analysen nicht genug er- wogen werden. Aus denselben Gründen kann den An- fängern in der Analyse nicht genug anempfohlen werden bei Anwendung von Reagentien und sonstigen chemisch oder physikalisch wirkenden Mitteln hinsichtlich der an- gewandten Menge innerhalb der nöthigen Schranke zu bleiben, eine wesentliche Bedingung zum Gelingen der Arbeit. Eine weniger sorgfältig gereinigte, etwas Morin ent- haltende Maclurinlösung, welche längere Zeit bei Gegen- wart von etwas Essigsäure in Porzellangefässen aufbe- wahrt worden war, also unter Umständen, wo sie etwas Thonerde, wenn auch nur Spuren, aufnehmen konnte, zeigte in der Geissler’schen Röhre schon für sich allein längs dem elektrischen Lichtfaden einen grünen Rand, und eine deutliche grüne Färbung des oberen Randes der Flüssigkeit. Eine durch Morin und Thonerde ver- unreinigte Maclurinlösung zeigt also für sich allein schon Fluorescenz. In einer solchen nicht genügend gereinig- = ge ten morinhaltigen Maclurinlösung erscheint dann auf Zu- satz von Alaunlösung eine schon im zerstreuten Tages- lichte sichtbare schöne grüne Fluorescenz. IV. Versuche über den Grad der Verdünnung einer Morin- lösung, bei welchem noch durch Zusatz von Thonerde- salzlösungen die Fluorescenz zum Vorscheine kommt, und über die Anwendbarkeit der Thonerdesalze zur Nach- weisung höchst geringer Spuren von Morin, : Die an einem Gemische von Thonerdesalzlösung mit Morinlösung beobachtete Fluorescenz erscheint schon bei ausserordentlicher Verdünnung der Morinlösung, worüber die nachfolgenden einer längeren Versuchsreihe entnom- menen und in einer Tabelle zusammengestellten Resultate Aufschluss ertheilen. Die mit Thonerdesalzlösungen versetzten Morin- lösungen wurden bei den verschiedenen Versuchsreihen auf verschiedene Art, und zwar durch zerstreutes Tages- licht, durch concentrirtes Sonnenlicht, durch concentrirtes Magnesiumlicht und in der Geissler’schen Röhre be- leuchtet. Zu der Versuchsreihe Nr. I wurden je 20 Kubik- centimeter Morinlösung angewandt und mit einer genügen- den Menge der Thonerdesalzlösung versetzt; die in kleinen teagensgläsern befindliche Flüssigkeit wurde im zer- streuten Tageslichte beobachtet. Bei der Versuchsreihe Nr. II wurde in einer kleinen Geissler’schen Röhre nach Zusatz des Thonerdesalzes beleuchtet. Zur Beobachtung des oberen Randes der Flüssigkeit ist es nöthig, die senkrecht stehende Röhre nicht ganz zu füllen. Schon bei Anwendung eines Kubik- centimeters lassen sich die aufgezählten Resultate er- zielen. Bei Versuchsreihe Nr. III wurden je 100 Kubik- centimeter der mit Thonerdesalzlüsung versetzten Morin- lösung in Cylinder von der Grösse der Que venne’schen Crêmometer gefüllt, welche auf einem schwarzen Tische und vor einer schwarzen Wand aufgestellt wurden. Die Flüssigkeit wurde sowohl von der Seite als auch von oben betrachtet. Noch besser stellt man die Cylinder in einen schwarzen Kasten und lässt das Sonnenlicht durch eine Oeffnung auf die Flüssigkeit fallen, indem man von oben beobachtet. Bei Versuchsreihe Nr. IV wurde dieselbe Menge Morinlösung wie bei Nr. HI angewandt, das Sonnenlicht wurde aber mit Hülfe einer Brennlinse concentrirt und die Färbung des in die Flüssigkeit geworfenen Licht- kegels beobachtet. Das Auge wurde vor dem directen Sonnenlichte geschützt. Auch hier leistet der schwarze Kasten vortreffliche Dienste, kann jedoch gar wohl ent- behrt werden. Bei Versuchsreihe Nr. V wurde mit Magnesiumlichte beleuchtet. Entweder brennt man im dunkeln Zimmer vor der betreffenden Flüssigkeit einen Magnesiumdraht ab und beobachtet die über und vor einer schwarzen Fläche stehende Flüssigkeitsschichte sowohl von der Seite als auch von oben, oder man bedient sich, was weit mehr zu empfehlen ist, der von den Photographen angewandten Magnesiumlampe, durch deren Schirm das Licht nach einer bestimmten Richtung geworfen wird. Durch eine Brennlinse concentrirt man dasselbe und stellt im Brennpunkte die zu untersuchende Morinlösung auf. Vor diese kann man noch ein Kobaltglas halten. Auch hier bedient man sich mit Vortheil eines schwarzen Kastens. Versuchsreihe Nr. II. | Versuchsreihe Nr. I. | 20 CC. Morinlösung. Nach Zusatz des Thonerdesalzes Grad der Verdünnung | in der Geissler’schen Röhre der Morinlösung. 1) 1 CC. enthielt — À Mm. in Reagensgläsern im zer- streuten Tageslichte beobachtet. sofort sehr schöne starke beleuchtet. sofort sehr schöne starke Morin. Gehalt ——— I Fluorescenz. Fluorescenz. 40.000 1 à : 2) 1 CC. enthieit — Mgr.| _ solrE sehr schöne, sofort sehr schöne, leb- 160 ziemlich lebhafte Fiuores- | hafte Fluorescenz, natür- M Gehalt cenz,natürlich schwächer lich schwächer wie oe Se 160.000 wie bei 1. bei 1 3) 1 CG. enthielt = Mer ae a sofort deutliche reflectirten Lichte, aber u à Fluorescenz, schôner wie . lebhafter nach mehrstün- Morin. Gehalt ———— ù bei Versuchsreihe Nr. I 1000.000 digem Stehen „ Mer. erst nach 8 Minuten grüne sofort deutliche aber A ET Färbung im reflectirten | sehr schwache, nach 24 Lichte, auch nach 24 | Stunden sehr deutliche, Morin. Stunden nur sehr geringe wenn auch schwache 2000.000 Fluorescenz. Fluorescenz. ARR ; à sofort keine Fluorescenz; 5) 1 CC. enthielt 3000 Mgr.|| erstnach 8 Minuten grüne S = A 3 nach 24 Stunden war die 1 Färbung im reflectirten Flüssiekeit und h Morin. Gehalt ——— Lichte. ONE eutlicher der Rand grün. 3000.000 deutlicher der Rand g 4 1 6) 1 CC. enthielt 2000 Mgr. 1 Morin. Gehalt ——— u 4000.000 1 7) 1 CC. enthielt —— Mor. 2000 1 Gehalt —— Morin. = 5000.000 1 8) 1 CC. enthielt —— Mor. 6000 1 Morin. Gehalt —— 6000. ‚000 | erstuach 8 Minuten grüner Schimmer im reflectirten Lichte. Grenze, nach 8 Minuten grüner Schimmer im reflectirten Lichte ? selbst nach 24 Stunden keine Spur von Färbung. sofort keine Fluorescenz; nach 24 Stunden oben am Rande deutlicher grüner Saum. i Aa E 3 1 g i] n 1 > 1000! Fr ; 1 3 ? keine Fluorescenz; erst nach 24 Stunden oben am Rande deutlicher grüner Saum. Grenze. keine Fluorescenz; nach 24 Stunden oben aınRande deutlich grün. 125 Versuchsreihe Nr. III. 100 CC. Morinlösung an- , gewandt. In Quevenne schen Cr&mometern auf | schwarzer Unterlage und vor schwarzer Wand beobachtet. Versuchsreihe Nr. IV. gewandt. kegels beobachtet. | | 100 CC. Morinlösung an- Concentrirtes Sonnenlicht angewandt; ı die Färbung des Licht- Versuchsreihe Nr. V, Magnesiumlicht angewandt. starke Fluorescenz im schwarzen Kasten. viel weniger als bei 1, aber noch lebhaft fluores- cirend. noch sehr deutliche Fluorescenz, aber viel geringer wie bei 2. sehr deutlich grüne Färbung der Flüssigkeit im reflectirten Lichte. deutlich grüne Färbung der Flüssigkeit. Spur von Fluorescenz. sofort keine Fluorescenz; nach einiger Zeit grüner Schimmer im reflectirten Lichte. Grenze. sehr starke Fluorescenz, schön grüner Lichtkegel. lebhafte Fluorescenz, wenn auch geringer wie bei 1. sehr deutlich grüner Lichtkegel. deutlich grüner Licht- kegel. schwach grüner Licht- kegel. noch deutlich aber schwach grüner Licht- kegel ; die ganze Flüssig- keit zeigte grünlichen Schimmer. sehr schwach grünlich gefärbter Lichtkegel ; die Flüssigkeit war farblos. kaum erkennbare grüne Färbung des Lichtkegels, Grenze, sehr starke Fluorescenz ; schön grüner Lichtkegel. lebhafte Fluorescenz, wenn auch geringer wie bei 1. sehr deutliche Fluores- cenz. schon nach 4 Minuten sichtbare Fluorescenz. nach 24 Stunden Spur von Fluorescenz. nach 8 Minuten grüne Färbung im reflectirten Lichte. nach 8 Minuten grünliche Färbung im reflectirten Lichte. nach 8 Minuten sehr schwache grünliche Fär- bung im reflectirten Lichte. Grenze. — 6 — Aus diesen Angaben erhellt, von welcher Intensität die in Morinlösung durch Thonerdesalze hervorgerufene Fluorescenz ist. Wenn nur ein einziger Kubikcentimeter Flüssigkeit mit einem Gehalte von nur 6000 Milligramm Morin in Untersuchung genommen wird, so beobachtet man beim Hineinwerfen des durch eine Brennlinse con- centrirten Sonnen- oder Magnesiumlichtes in die in einem dunkeln Raume stehende Flüssigkeit eine grünliche Fär- bung. Weiter geht für mein Auge die Empfindlichkeit nicht; bei einer Verdünnung von or kann über die grüne Färbung des Lichtkegels gar kein Zweifel walten. Wenn das Sonnenlicht zur Verfügung steht, so ist die so sehr empfindliche Methode Nr. IV die einfachste, um die Fluorescenz zu beobachten; natürlich muss möglichst alles nicht von der Flüssigkeit refleetirte Licht vom Auge ferne gehalten werden. Bei Mangel an directem Sonnen- lichte ist Magnesiumlicht anzuempfehlen, namentlich wenn eine Photographenlampe und eine Brennlinse angewandt werden. Eine vor der im Brennpunkte aufgestellten Flüssigkeit eingeschaltete kobaltblaue Glasplatte thut gute Dienste. In der Geissler’schen Röhre zeigt sich die Fluorescenz besonders schön. Die in Versuchsreihe Nr. IT damit erhaltenen Fluorescenzerscheinungen wären noch auffallender und schöner gewesen, wenn in einem schwarz ausgekleideten und nicht in einem weissgegypsten Zimmer experimentirt worden wäre. Schon bei blosser Betrachtung im zerstreuten Tages- lichte lässt sich bei einer nur 3 Zoll hohen, in einem Reagensgläschen befindlichen Schichte Morinlösung so- fort nach deren Vermischen mit Thonerdesalzlösung bei 1 1000.000 Gehalte an Morin die grüne Fluorescenz, wenn + TE 1 3000.000 Gehalte zeigt sich deutlich grüne Färbung im reflectirten Lichte nach Verfluss von 8 Minuten. Bei einer dreimal höheren Schichte (Versuchsreihe III) lässt sich sogar auch in schwachem Grade, wahrnehmen; bei bei nur Gehalte eine Spur von Fluorescenz 1. 4000.000 wahrnehmen. V. Versuche über ‘den Grad der Verdünnung einer Thon- erdelösung, bei welchem noch durch Zusatz von Morin- lösung die Fluorescenz zum Vorscheine kommt, und über die Anwendbarkeit des Morins zur Nachweisung höchst geringer Spuren von Thonerde, Bei Anwendung von je 100 Kubikcentimetern der verdünnten‘in Cylindern von der Grösse der Quevenne'- schen Crêmometer befindlichen Alaunlösungen zeigte sich nach Beimischung von je 1 Kubikcentimeter Morinlösung . 1 bei einem Gehalte von 90.000 Alaun sofort lebhafte 7 ee : Mn a! grüne, bei 70.000 etwas schwächere, bei 50.000 schwache Fluorescenz. Bei Anwendung eines einzigen Cubikcentimeters Alaunlösung beobachtete ich, indem die Flüssigkeit in einem Porzellanschälchen sich befand, bei einem Ge- 1 ne halte von 10.000 (0,00012 Gramm Alaun in 1 Cubik- centimeter) im blossen zerstreuten Tageslichte deutliche grüne Fluorescenz, bei Anwendung eines Brennglases einen sehr deutlichen grünen Lichtkegel. Beim Aus- — 128 — giessen der Flüssigkeit zeigte selbst der dünne Strahl Fluorescenz. Bei zeigte sich deutliche grüne Fluo- 1 20.000 rescenz im zerstreuten Tageslichte und ein sehr deut- lich grüner Lichtkegel bei Anwendung eines Brennglases ; b N 1 | : ei 25.000 schwache aber deutliche Fluorescenz, bei sro nur bei Anwendung eines Brennglases eine Spur von Fluorescenz. Nun enthalten 474,37 Gewichtstheile Alaun 51,26 Gewichtstheile Thonerde. Bei der Verdünnung der Alaun- lösung von 1 Theil Alaun mit 50.000 Theilen Wasser ent- hielt ein Cubikcentimeter derselben nur 0,00002 Gramme 1 en 500 Milli- Alaun und darin sind nur 0,0000021 Gramme = 5 gramm Thonerde enthalten. Wie aus den mitgetheilten Resultaten hervorgeht, lassen sich aber noch kleinere Mengen Thonerde bei Anwendung von nur 1 Cubikcentimeter Flüssigkeit an einer zwar sehr schwachen Fluorescenz erkennen. Rückblick. 1) Die thonerdefreien alkoholischen oder ätherischen Auszüge des Kubaholzes (morus tinctoria) fluoresciren nicht. Wenn sie aber unter Zusatz einer Säure mit einem löslichen Thonerdesalze versetzt werden, so er- scheint prachtvoll grüne Fluorescenz. Der aus dem Aus- zuge des Kubaholzes durch ein Thonerdesalz unter Ab- stumpfung dessen Säure erhaltene gelbe Niederschlag, der sogenannte Kubaholzthonerdelack, löst sich in Salz- säure haltendem Alkohole zu einer prachtvoll grün fluorescirenden Flüssigkeit auf. Zu Vorlesungsversuchen eignet sich dieses Präparat wegen der Schönheit und = 129 — Intensität der Fluorescenz ganz besonders, auch wegen des geringen Preises selbst grösserer, aus jeder chemi- schen Farbfabrik zu erhaltenden Massen. 2) Die Lösungen der beiden Hauptbestandtheile des Kubaholzes, des Morins und des Maclurins (Moringerb- säure), fluoresciren für sich allein nicht. Wenn aber die Lösung des Morins mit etwas Thonerdesalzlösung ver- mischt wird, so tritt die unter 1) erwähnte prachtvoll grüne intensive Fluorescenz auf. Die Lösung des reinen Maclurins zeigt dieses Verhalten nicht; wenn sie aber nur Spuren von Morin enthält, so fluorescirt sie nach Zusatz von Thonerdesalz. Eine Morinlösung, welche etwas Thonerde in sich aufgenommen hat, zeigt für sich ‚ allein schon Fluorescenz. 3) a. Die empfindlichste Methode, um in höchst ver- dünnten Lösungen das Morin nachzuweisen, ist die, dass man nach Zusatz von etwas Thonerdesalzlösung den durch eine Brennlinse in die Flüssigkeit geworfenen Lichtkegel beobachtet. . Milligramm Morin, gelöst in 1 Cubik- centimeter verdünnten Alkohols, kann an der grünen, Färbung des Lichtkegels erkannt werden. b. Die empfindlichste Methode, um Spuren von Thonerde nachzuweisen, ist die, dass man zu deren Lösung etwas Morinlösung setzt und dann auf gleiche 1 600 erde, als Salz in einem Cubikcentimeter Wasser gelöst, liess sich an der grünen Fluorescenz entdecken. Weise wie bei a verfährt. Noch Milligramm Thon- 4) Die durch Vermischung der Lösungen anderer Metallsalze mit Morinlösung oder umgekehrt erzeugte grüne Fluorescenz ist im Vergleiche zu der beim Zu- sammenkommen von Morin und Thonerdesalzen auf- tretenden eine geringe oder nur spurenweise zu nennen, 9 — 130 — und dürfte möglicherweise von kleinen Mengen oder blossen Spuren von auf die oder jene Weise aufgenom- mener Thonerde herrühren. Schon schwach saure Flüssig- keiten möchten im Stande sein, beim längeren Aufbe- wahren in Glas- und namentlich in Porzellangefässen Thonerde hieraus aufzulösen, deren Gegenwart bei nur sehr geringen Mengen durch die gewöhnliche Analyse nicht, nach Zusatz von Morinlösung aber durch die grüne Fluorescenz sich kundgibt. Indessen kommt hier in Betracht, dass die durch Thonerdesalze erzeugte Fluorescenz durch geringeren oder grösseren Zusatz ge- wisser Metallsalzlösungen vermindert oder ganz aufge- hoben werden kann. Sollte sich durch fernere Versuche mit selbst präparirten chemisch reinen Stoffen die That- sache herausstellen, dass die grüne Fluorescenz nur durch Thonerdesalze erregt werden kann, so wäre da- mit nicht gesagt, dass auf solche Weise Spuren von Thonerde in jeder beliebigen Mischung mit anderen Stoffen nachgewiesen werden können, da die Anwesen- heit anderer Stoffe die Erscheinung der Fluorescenz zum Theile oder ganz verhindern hann. Wichtig scheint mir die Thatsache zu sein, dass Kalk-, Baryt-, Strontian-, Magnesia-, Beryllerde-, Kali-, Natron- und Ammoniak- salze, sowie gewisse Mineralsäuren, ferner auch orga- nische Stoffe wie Maclurin u. s. w. nach meinen bis- herigen Beobachtungen die hier besprochene Fluorescenz nicht verhindern, sondern ihr Auftreten höchstens ver- zögern. Da aber in den meisten Fällen der Analytiker bei Untersuchungen von Gemischen oder chemischen Verbindungen auf ihre einzelnen Bestandtheile diese so viel wie möglich in gewisse Klassen und Gruppen tren- nen muss, ehe er die einzelnen Stoffe nachzuweisen im Stande ist, so kann auch hier eine Beeinflussung durch die durch Schwefelwasserstoff aus sauren Lösungen fäll- — 131 — baren Metalle von vornherein unmöglich gemacht werden. Von organischen Stoffen ist die Thonerde wie jede feuer- feste unorganische Substanz durch Glühen an der Luft zu befreien. Das hier mitgetheilte Mittel, um höchst geringe Spuren von Thonerde zu entdecken, ist unstreitig von Wichtigkeit für den Mineralogen und Geognosten, wohl auch für den Thier- und Pflanzenphysiologen. Den physikalisch- chemischen Reactionen kann nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt werden. Indem ich auf eine neue Methode der Nachweisung des Morins und namentlich der Thonerde aufmerksam mache, spreche ich die Ueberzeugung aus, dass dieser Fall nicht vereinzelt bleiben wird, sondern dass wir an einer Reihe organischer und unorganischer Substanzen dieselbe Eigenschaft beobachten werden: „nach Zusam- menkommen mit andern Substanzen, nicht aber für sich allein Fluorescenz zu zeigen.“ Ferneren Versuchen bleibt es vorbehalten, darüber zu entscheiden, ob auch in forensischer Hinsicht wichtige Stoffe diese Eigenschaft besitzen; es wäre diess von hoher Wichtigkeit für die chemische Toxikologie und gerichtliche Chemie, namentlich da unwägbare Spuren von Substanz durch die Fluorescenzanalyse, wie ich dieses neue Gebiet der Analyse bezeichne, nachgewiesen werden können. Ich denke an Reste von leicht ver- änderlichen Giften. 5) Indem ich beim Zusammenmischen von Thonerde- und Morinlösungen die Erscheinung der Fluorescenz beobachtete, drängte sich mir die Frage auf: „auf welche Weise wirken diese Stoffe auf einander ein, haben wir es hier bloss mit einer physikalischen oder mit einer chemisch-physikalischen Erscheinung zu thun?“ Nach den Resultaten meiner bisherigen Versuche scheint das letztere der Fall zu sein. Kleine Mengen von Thonerde- salzlösung verursachen in einer verdünnten Morinlösung eine nicht geringere Fluorescenz wie in einer concen- trirten, und umgekehrt; setzt man aber zur letzteren eine weitere entsprechende Menge Thonerdesalzlösung, so er- scheint eine im Verhältnisse stärkere Fluorescenz. Es bildet sich Morinthonerde, welcher die Fluorescenz- erscheinung zuzuschreiben ist. 6) Durch gewisse oxydirende Agentien, wie zum Beispiele durch salpetersaures Silberoxyd, wird das Morin in eine gelb fluorescirende Substanz verwandelt. Die Silberlösung muss in der Kälte mit der Morinlösung ge- schüttelt werden, wobei sehr rasch Silber ausgeschieden wird und die gelbe Fluorescenz sehr schnell sich zeigt. Beim Erwärmen der Morinlösung mit der Silberlösung tritt die gelbe Fluorescenz nicht auf; wohl aber wer- den weitere Oxydationsproducte gebildet, welche die Erscheinung der Fluorescenz nicht zeigen. Will man die gelbe fluorescirende Substanz längere Zeit hindurch aufbewahren, so muss das überschüssige Silbersalz ent- fernt werden, indem sonst namentlich bei Einwirkung des Sonnenlichtes die gelbe fluorescirende Substanz zer- stört, respective weiter oxydirt wird, noch schneller beim Eindampfen der Flüssigkeit auf dem Wasserbade. Beim Zusammenbringen der Morinlösung mit Aetz- kali oder Aetznatron wird die Flüssigkeit gelb fluores- cirend. Ueber die in beiden Fällen stattfindende chemische Umwandlung des Morins und über die chemische Be- schaffenheit der auf beiden Wegen erhaltenen gelb fluo- rescirenden Substanzen werde ich später Mittheilungen machen, sowie über weitere damit im Zusammenhange stehende Thatsachen. Ich habe Grund die Vermuthung auszusprechen. dass auch Bestandtheile anderer Farb- — 133 — hölzer ähnlich wie Morin unter passenden Umständen in fluorescirende Producte umgewandelt werden und ähnlich wie Morin eine Anwendung bei der Fluorescenzanalyse finden können. Ich hoffe möglichst bald über die nach verschiedenen Richtungen hin weiter ausgedehnten Versuche berichten zu können. An die vor unserer Gesellschaft an zwei Abenden gehaltenen Vorträge, an welche ich Versuche mit dem Magnesiumlichte und mit der Geissler’schen Röhre zur Bestätigung des Gesagten anreihte, knüpfte sich eine längere Discussion, aus welcher ich die Bemerkung des Herrn Professor Fritz Burckhardt hervorhebe, dass schon Robert Boyle sich der einzigen damals bekannten fluorescirenden Substanz, nämlich des Aufgusses von lignum nephriticum, zu chemischen Zwecken bedient habe, indem er als sauer die Körper ansah, durch deren Einwirkung die Fluorescenz aufhöre, als alkalisch aber die, durch deren Einwirkung die Fluorescenz wieder hergestellt werde. (Siehe Boyle, Experim. et consi- derat. de coloribus. Pars III. Exper. X und besonders Corollarium Exper. X.) Herrn Prof. Eduard Hagenbach, welcher die Güte hatte mir eine Geissler’sche Röhre und den Ruhmkorff’schen Apparat aus der unter seiner Obhut stehenden physikalischen Sammlung zur Verfügung zu stellen, und mit welchem ich die Versuche mit der Geissler’schen Röhre angestellt habe, sage ich hiermit nochmals für die gehabte Mühe meinen besten Dank. Chemie des Melopsits. Mitgetheilt in der Sitzung vom 11. März 1868 von Dr. Friedrich Goppelsræder. Nach dem Wunsche von Herrn Professor L. Heinr. Fischer in Freiburg im Breisgau habe ich Melopsit, wel- cher in der dortigen Sammlung aufbewahrt wird, einer che- mischen Untersuchung unterworfen. Schon in seiner Cla- vis der Silicate (Leipzig 1864 pag. 66) bemerkte Herr Prof. Fischer beim Melopsit oder Melosark folgendes: „Diese von Breithaupt ohne quantitative Analyse ge- gründete Species, worin Thonerde, (Magnesia), (Eisen- oxyd), Wasser, Kieselsäure, nebst Spuren von Ammon und Bitumen sich finden sollen, hat keine Berechtigung im Systeme, bis eine quantitative Analyse geliefert ist, zu der ich hier eben Anregung geben möchte“; fer- ner: „Die Substanz, welche ich als Melopsit von Herrn A. Krantz in Bonn zugesandt erhielt, wird mit Kobalt- solution sowohl als Splitter, wie als Pulver, entschieden roth, nicht blau; ich lasse jedoch die Species hier einst- weilen stehen, bis eine genaue Analyse von Original- stücken Aufschluss gibt.“ Das Resultat meiner chemischen Analyse hat nun dasjenige der Löthrohrprobe von Prof. Fischer und das in seiner Clavis der Silicate über den Melopsit gesagte, — 15 — dass er nämlich nicht zu den Thonen gehöre, bestätiget. Wie aus der nachfolgenden Zusammensetzung hervor- geht, reiht er sich zunächst an den Kerolith an, mit dem er auch äusserlich sehr viel Uebereinstimmendes hat. Während jedoch der Melopsit löslich in Salzsäure ist, ist es der Kerolith nicht. Pag. 54 der Clavis ist die sehr schwankende Zusammensetzung des Keroliths so an- gegeben: 28—63°/, Magnesia, 2°/, Thonerde, 46—53°/, Kieselerde, 11—21°/, Wasser. Nach früheren Angaben von Breithaupt sollte im Melopsit Magnesia untergeordnet, Thonerde vorherr- schend sein. Im mineralogischen Lexikon für das Kaiserthum Oester- reich steht folgende Notiz über diese noch wenig be- kannte Substanz, von Victor Ritter von Zepharovich, Wien 1859 pag. 273: „Melopsit; Hochofen südwestlich bei Neudeck in Böhmen, auf der Hieronymuszeche. Derb, gelblich-, graulich- oder grünlichweiss, matt, durchschei- nend, in Lagen und Knollen in der quarzigen Gang- masse der Hæmatit-führenden Gänge, welche ein aus Amphibol, Strahlstein und Granat gemengtes, in Granit (muthmasslich stockförmig) auftretendes Gestein durch- schwärmen.“ Das zu meiner Analyse verwendete Material stammte aus derselben Quelle, aus Neudeck in Böhmen; es war derb, aus kleinen Trümmern bestehend; der Bruch war muschlig und glatt, von grünlichweisser Farbe. Im Kölb- chen gab es ziemlich viel Wasser aus; beim Glühen zeigte sich vorübergehende schwache bis starke Schwärzung; beim Schmelzen mit kohlensaurem Natron-Kali entstand eine grüne Masse. — 136 — Die Analyse zweier Proben, welche von demselben Stücke abgeschlagen worden waren, ergab folgendes Resultat: Verlust ‚bei 160° Celsius,. „+ 440111539882 Weiterer Verlust beim Glühen . . 4017 „ Kieselerde ie vue LA SUR slide Are Magnesia 61 #.[y. seche SEE RP RME EU Bisenoxyd. :- élan Ef MONS RE ROUTEURS Thonerde - -: .:26 2244 Sn ER 2 BA 99.668 °/, In sehr geringer Menge sind noch vorhanden: Man- ganoxyd, Kali und Natron. Die Zusammensetzung des bei 160° Celsius getrock- neten Minerales ist demnach, auf 100 Prozent berech- net, die folgende: Verlust beim Glühen (Wasser und organisches) . 4.558 °/, Kiesélerde?s . 107 El. WIE CPE TRMIARENS RE Mäsmesialn. ul alas), gen RS N Kalk! „Do sr unit PR „ROtAu kl IH BEST Enanoxyd''. ni: ehr gin) an ARMES Lhidiérde: 3; u. Ja, ENCRES Ai, BRD ER 100.—"/, Der Melopsit ist demnach kein Thonerde-, sondern ein Magnesiasilicat, mit einem nur geringen Gehalte an Thonerde. Verschiedenartige Nittheilungen von Dr. Friedrich Goppelsræder. IE Ueber Beschwerung der Seide. Im Jahre 1864 hatte ich Gelegenheit einen interes- santen Fall von Beschwerung der Seide kennen zu ler- nen. Eine Bandfabrik in Basel hatte eine Parthie Seide sekauft, welche nach der Aussage des Verkäufers, wel- cher über die Ursache des eigenthümlichen Aussehens der Waare befragt wurde, durch Meerwasser avarirte und nachher ausgewaschene, sonst aber ächte Japanseide sein sollte. Beim sogenannten Abkochen oder Absieden in kochender Seifelösung sollte diese Seide höchstens um zehn Procente an Gewicht abnehmen, während doch gewöhnliche Japanseide beim Abkochen ungefähr zwanzig Procente ihres Gewichtes verliert. Das betreffende Haus glaubte desshalb einen Vortheil von circa zehn Procenten zu finden und einen höheren Preis anlegen zu können, um so mehr als ein Muster derselben oder einer ähn- lichen Parthie Seide beim Soupliren pari geblieben sein sollte. Als aber nach dem Kaufe dieser fraglichen Waare grössere Parthieen derselben zwei Färbern zum Souple- färben übergeben waren, mit der Empfehlung dieselben — 133 — sorgfältig zu behandeln, damit keine Gewichtsabnahme stattfinde, berichtete bald der eine der beiden Färber, dass schon durch blosses Auswaschen die Seide um zehn Procente abgenommen habe, und dass dabei eine Un- masse von Unreinigkeiten in das Waschwasser über- gegangen sei, dass demnach von Parifärben keine Rede sein könne. Der andere Seidenfärber berichtete dasselbe und schlug die chemische Untersuchung des trübe gewordenen Auswaschwassers vor, indem er selbst durch praktische Erfahrung zu der Ansicht gelangt war, dass eine Beschwerung der Seide mit Palmseife oder Palmöl oder Bleizucker stattgefunden habe. Die che- mische Untersuchung aber, welche ich als Experte der löbl. Bandfabrik ausführte und deren Hauptergebnisse ich hiemit mittheile , lehrte folgendes. Zur Untersuchung hatte ich erhalten: 1) eine schmutzig gelblichweisse trübe Flüssigkeit, das heisst eine Sodalösung, womit der Färber eine Parthie Seide zur vorläufigen Untersuchung behandelt hatte; 2) eine Anzahl Seidenstrangen, wie sie die Bandfabrik gekauft hatte. Beide Objecte wurden einer Untersuchung unter- worfen. Die Untersuchung der die Trübung der Sodalösung verursachenden Substanz ergab, dass dieselbe bestand aus: a) einer geringen Menge eines wachsähnlichen Kör- pers, b) viel kohlensaurem Kalke, ziemlich viel kohlen- saurer Magnesia, ziemlich viel Gyps, nebst etwas Thon- erde, Eisenoxyd und Phosphorsäure. Da aber in Folge Einwirkung von Soda (unreine calcinirte des Handels) auf die zur Beschwerung der Seide angewandten Stoffe diese eine Veränderung erlitten, das heisst in andere Verbindungen sich umgewandelt haben konnten, so war eine Untersuchung der Seide selbst um so nothwendiger. — 139 — Zur Untersuchung der Seide selbst wurden ver- schiedene Versuche angestellt, deren Resultate ich hie- mit in Kürze aufzähle. Die Seide verlor beim Trocknen bei 100 Grad Celsius 7.185 Gewichtsprocente Feuchtigkeit; durch Behandlung mit kaltem destillirtem Wasser 7.158), und durch weitere Behandlung mit ko- 9.9549), chendem Wasser 2.796°/, was mit dem Resultate der beiden Färber übereinstimmt. Die trüben wässerigen Auszüge enthielten me cha- nisch suspendirt: viel kohlensauren Kalk, etwas kohlensaure Magnesia, nebst etwas Eisenoxyd und Thon- erde; wirklich gelöst: Chlorcalcium, wenig Chlor- magnesium und etwas Chlornatrium. Eine andere Strange gab an kaltes Wasser theils mechanisch suspendirt, theils wirklich gelöst 7.384°/, ab, worunter 2.422°/, Mineral- und 4.962 °/, organische Stoffe. An kochendes Wasser gab sie weitere 4.163°/, ab, wo- von aber nur 0.485°/, mineralischer Natur waren, und hievon nur 0.227°/, wirklich gelöst wurden. k Beim Einlegen der Seide in concentrirtes Schwefel- wasserstoffwasser konnte selbst nach Verfluss von zwölf Stunden keine Veränderung bemerkt werden, und in einem salzsauren Auszuge der Seide entstand durch Schwefelwasserstoffgas keine Fällung. Die Seide hinterliess eine grauliche Asche, deren wässeriger Auszug starke alkalische Reaction zeigte, und nebst Spuren von Kohlensäure: Schwefelsäure, Chlor, Kalk, Magnesia und Natron enthielt, während in der salzsauren Lösung der in Wasser unlöslichen Aschen- theile keine schweren Metalle, wohl aber Eisenoxyd und. Thonerde, Phosphorsäure, viel Kalk und Magnesia ent- halten waren. Beim Uebergiessen des nach Behandlung — 10 — mit Wasser gebliebenen Rückstandes der Asche mit Salz- säure zeigte sich starkes Brausen, das von Kohlensäure herrührte. Die Seide gab ausser den unorganischen Stoffen noch einen eiweissartigen und namentlich einen leim- artigen Stoff an kaltes Wasser ab. Unstreitig war etwas mit der Seide geschehen. Wenn auch die Anwesenheit von Chlornatrium darauf hindeutete, dass die Seide mit Meerwasser in Berührung gekommen sein konnte, so bewiesen doch die anderen vorgefundenen Mineralsalze, namentlich der kohlensaure Kalk und die kohlensaure Magnesia, dass eine absichtliche Beschwe- rung stattgefunden haben musste. Auch die Menge des Chlorcalciums und Chlormagnesiums ist im Verhältnisse zu derjenigen des Chlornatriums zu gross, als dass die Anwesenheit dieser beiden Stoffe der Berührung der Seide mit Meerwasser zugeschrieben werden dürfte. Beschwerungen der Seide kommen nicht selten vor; sie haben oft noch den Nachtheil, die Seide mit der Zeit anzugreifen, ihr den Glanz und die Glätte zu nehmen, auch eine ungleiche Aufnahme der Farbstoffe zu verur- sachen. Letzterer Nachtheil zeigte sich deutlich beim Färben der untersuchten Seide mit Anilingrün. 11. Zusammensetzung gepressten Torfes aus der Schweiz. Derselbe enthielt im lufttrockenen Zustande: Wasser ; y i 23:16), Aschenbestandtheile . 7.865 , Kohlenstoff x 40.095 „ Wasserstoff . ; ; 4.528 4, Sauerstoff . 2 21.505 „ Stickstoff . a . 2.840 „ 100 % Bo — Die Asche enthielt: Chlor, Schwefelsäure (sehr viel), Spuren von Phosphorsäure, Natron, Magnesia, Kalk (sehr viel), Thonerde, Eisenoxyd und Kieselerde (sehr viel). IT. Gehalt einer gypsreichen Quelle auf dem Gute Düren- berg bei Langenbruck in Baselland. Das Wasser wurde mir im April 1862 durch den Besitzer des Dürenbergs, Herrn Altbürgermeister Burck- hardt-Ryhiner, in mehreren wohlverschlossenen Flaschen zur Untersuchung übergeben, wobei ich jedoch nur auf die festen Stoffe Rücksicht nahm. Nur im Wasser einer Flasche konnte Schwefelwasserstoffgas nachgewiesen werden, welches sich möglicherweise durch Zersetzung des Gypses durch hineingefallene Korkstückchen ge- bildet hatte. Das Wasser reagirte schwach alkalisch, etwas auf Nitrate und enthielt nur wenig organische Stoffe. Es enthielt in 1000 Cubikcentimetern: 1.636 Gramme wasserfreien schwefelsauren Kalk (Ca0,SO°), entsprechend 2.069 Gramme (CaO, SO? + 2H0), ferner 0.185 a schwefelsaure Magnesia (MgO, SO?), 0.019 > kohlensauren Kalk (CaO, CO?), 0.024 = kohlensaure Magnesia (MgO, CO), 0.008 > kohlensaures Eisenoxydul (FeO, CO?), 0.005 5 Kieselerde, 0.060 » Chlor (in Verbindung mit Alkalimetallen), ausserdem geringe Mengen von Thonerde, Baryt, Stron- tian, Ammoniak, Phosphorsäure, Salpetersäure und or- ganischen Stoffen, welche, sowie auch die Alkalien, nicht quantitativ bestimmt wurden. — 12 — Die Gesammtsumme des bei 100 Graden Celsius ge- trockneten Rückstandes von 1 Liter Wasser betrug 2.503 Gramme. IV. Ueber den wahren Gehalt einiger Geheimmittel, 1) Die Revalesciere von Du Barry in London, das- selbe was die seit längst bekannte Revalenta arabica von Du Barry, über welche schon 1854 Frickhinger genauen Aufschluss gegeben hatte, und welche von Winckler für das Mehl der Saubohne, von Schnizlein für dasjenige der hellsamigen Futterwicke erklärt worden war, und welche nach Du Barry’s Patent das mit Currypulver, das heisst mit Curcuma, Pfeffer und anderen Gewürzen aro- matisirte Mehl der von ihren Hülsen befreiten Linsen sein sollte (siehe Dr. G. C. Wittstein’s Taschenbuch der Geheimmittellehre, II Auflage), ergab sich mir bei der aus Auftrag der löbl. Sanitätsbehörde ausgeführten Un- tersuchung als bestehend aus: 10.673°/, Wasser, 3.036°/, Mineralsubstanzen, 86.290°/, organischen Stoffen, wovon: 81.847°/, Stärkemehl, 2.711°/, eines in Aether löslichen braun- gelben aromatischen Oeles, 1.732%, einer in absolutem Alcohole lös- lichen weissen Substanz. Die Revalesciere wurde durch schwach angesäuertes kochendes Wasser in Zucker übergeführt und gelöst. Ihre weisse Asche reagirte: im wässrigen Auszuge stark alkalisch, spurenweise auf Kohlensäure, ziemlich stark auf Schwefelsäure, stark auf Chlor und Phosphorsäure, — 143 — stark auf Eisen, ziemlich stark auf Kalk, Magnesia, Kali und Natron; im sauren Auszuge stark auf Phosphor- säure, Eisen und Kalk, etwas auf Thonerde und Ma- gnesia; der im Wasser unlösliche Theil der Asche brauste stark mit Säure. Drei verschiedene Proben enthielten 1.558°/,, 1.362°/, und 1.169°/, Stickstoff. In welchem Verhältnisse der wahre Werth der Re- valesciere zu ihren Anpreisungen als Kraftrestaurations- mehl für Kranke jeden Alters und schwache Kinder, als Heilmittel für Lungenschwindsucht u. s. w. steht, das ergibt sich aus obigen Angaben. 2) Die Pulmonalkapseln von Dr. West gegen Schwind- sucht, welche ich im März 1861 aus Auftrag derselben Behörde untersuchte, enthielten Fischthran. — 25 Stück kosten 1 Thaler. 3) Eau Athénienne „pour nettoyer la tête et enle- ver les pellicules* von Hte. Bourgeois, Paris, Rue St. De- nis 277, reagirte stark alkalisch, enthielt viel kohlensau- res Kali (Potasche) und Kaliseife. Es ist nichts anderes als eine in Weingeist gelöste Kaliseife, wozu noch etwas Potaschelösung und aromatisches Oel gesetzt wurden. Tv. Ueber das in Basel verkäufliche Arrow-Root. Die im Jahre 1860 aus Auftrag der löbl. Behörde von mir ausgeführte mikroskopische Untersuchung ergab, dass das von den chinesischen Missionsstationen kommende — 14 — Arrow-Root curcuma lemorhiza ist. Die in Basel in den verschiedenen Apotheken verkauften Sorten waren fol- gende: Maranta arundinacea oder Marantastärke, Chili- Arrow-Root, Manitot utilissima oder Rio- oder Brasilia- nisches Arrow-Root und Curcuma lemorhiza. Vermischungen des ächten Arrow-Roots mit anderen Stärkemehlarten kommen hie und da vor; so fand ich zwei Male Sagomehl mit Maranta arundinacea, zwei Male Chili-Arrow-Root mit mehr oder weniger Kartoffel- stärkemehl vermengt. NE Ueber die Giftigkeit gefäirbter Oblaten. Anno 1862 untersuchte ich 212 in verschiedenen hie- sigen Verkaufsläden durch die Polizei bezogenen Obla- tenmuster, wobei sich folgende Resultate herausgestellt haben. Alle rothen Oblaten erwiesen sich als giftig, indem sie mit der Oblatenmasse innig vermischte Mennige (Pb®O?) enthielten. Die gelben Oblaten waren meist, die canariengelben immer mit Chromgelb, also chromsaurem Bleioxyde, gefärbt. Viele der weissen Oblatenmuster enthielten Bleiweiss. Die übrigen Farben waren unschuldiger Natur, nur die blauen und grünen Oblaten enthielten hie und da Berliner- blau und Chromgelb. Die mit Ultramarin gefärbten Obla- ten hinterlassen nach dem Verbrennen eine ultramarin- blaue Asche, welche mit verdünnter Salzsäure Schwefel- wasserstoffgas entwickelt und dabei sich entfärbt, wäh- rend die Farbe der Asche durch kochende Aetzkalilösung nicht verändert wird. Die schwarzen Oblaten hinterlies- sen eine röthlichgelbe Asche, worin viel Eisenoxyd; ge- — JAN — gen Zinnsalz plus Salzsäure, gegen Chlorkalk und gegen Säu- ren verhielt sich die schwarze Farbe wie Blauholzschwarz. Die hell- und dunkelrosarothen Oblaten waren mit un- schuldigen Farben gefärbt worden; in ihrer Asche fan- den sich nur Thonerde. Die chamoisgefärbten enthiel- ten viel Eisenoxyd, ebenso die chocoladebraunen. Die übrigen Modefarben enthielten ausser Thonerde und Ei- senoxyd keine Metallverbindungen. Bei den weissen, strohgelben, hellbläulichgrauen, blauen und grünen lässt sich aus der Färbung kein Schluss ziehen, eine chemische Untersuchung ist hier nothwen- dig; die schwarzen, violeten, rosagefärbten und braunen Oblaten möchten stets unschädlicher Natur sein. Die schwarzen und braunen sind, vom sanitarischen Stand- puncte aus betrachtet, am meisten zu empfehlen. Was nun aber den Gehalt der Oblaten an giftigen Farbstoffen anbetrifft, so haben sich mir bei der quanti- tativen Analyse rother und weisser Oblaten folgende Re- sultate ergeben: 1) 36 Stücke rothe Oblaten, von 5° 51/,mm Durch- messer, von 28.103 Gramme Gewicht, hinterliessen beim Einäschern 7.544 Gramme einer gelben Asche, entspre- chend 26.844°), des Gewichtes der Oblaten. Diese Asche enthielt 4.444 Gramme Blei, entsprechend 4.902 Gramme Mennige, welche somit 17,444 Gewichtsprozente der Obla- tenmasse ausmacht. Ein Stück Oblate enthielt sonach 0.136 Gramme Mennige oder 0.123 Gramme Blei. 2) 20 Stück rothe Oblaten, von 5m 4mn Durchmes- ser, von 14.754 Gramme Gewicht, enthielten 1.310 Gramme Blei — 1.996 Gramme Mennige, was 13.529 Gewichts- prozent der Oblatenmasse ausmacht. Ein Stück Oblate ent- hielt 0.100 Gramme Mennige oder 0.090 Gramme Blei. 3) 18 Stück rothe Oblaten, von 4m 4mm Durchmes- ser, von 7.910 Gramme Gewicht, enthielten 2.438 Gramme 10 — 146 — Blei oder 2.689 Gramme Mennige, was 33.992, der Oblatenmasse ausmacht. Ein Stück Oblate enthielt so- nach 0.149 Gramme Mennige = 0.135 Gramme Blei. 4) 48 Stücke weisse Oblaten, von 2.457 Gramme Ge- wicht, hinterliessen 0.552 Gramme Asche, worin 0.032 Gr. Blei, entsprechend 0,041 Gramme Bleiweiss (PbO,CO?) ; 100 Gewichtstheile Oblaten enthielten hievon 1.668°/,- VIL Ueber die weisse Glasur eiserner Gefässe. Schon seit einigen Jahren haben weiss glasurte ei- serne Gefässe vielfache Verwendung nicht nur in che- mischen Fabriken, sondern auch in der Küche gefunden. Nach dem Wunsche eines Hauses, welches sich mit dem Verkaufe solcher Gefässe befasst, habe ich die Glasur mehrerer Kochgefässe einer chemischen Untersuchung unterworfen, durch welche ermittelt werden sollte: 1) ob jene giftige Stoffe enthalte, 2) falls solche vorhanden wären, ob dieselben bei den gewöhnlichen Küchenopera- tionen aufgelöst würden. Das in der Glasur dreier Ge- fässe enthaltene Blei war in der Form von Bleioxyd, das in derjenigen zweier Gefässe enthaltene Arsenik als arsenige Säure vorhanden. In einer vierten Glasur war weder Blei noch Arsenik. Die Anwesenheit von Bleioxyd und arseniger Säure als Bestandtheile der Glasur ist durchaus ohne Gefahr für den Consumenten der in den Kochgefässen zuberei- teten Speisen. Selbst nach langem Kochen starken Es- sigs wurde keine Spur von Blei oder Arsenik gelöst; erst beim Schmelzen der Glasur mit Kalinatroncarbonat konnten die Bleiglätte und die arsenige Säure in Lösung gebracht werden. MATHEMATIK. Der Caleulus Victorii, von Prof. Hermann Kinkelin. {Den 8. Juli 1868.) nn Herr Christ in München theilte in der Sitzung der k. bayr. Akademie vom 7. Febr. 1863 (Sitzungsberichte Jahrg. 1868, Band I. pag. 100 ff.) eine höchst interes- sante Pergamenthandschrift aus Bamberg mit, welche ein Werk des Victorius von Aquitanien unter dem Namen argumentum caleulandi enthält und über die römische Rechnungsweise in der Mitte des V. Jahrhunderts sowie die damals in Gallien gebräuchlichen Maasse wichtige Aufschlüsse gibt. Wird ja doch diesem Victorius, der die Osterrechnung für den heil. Leo verfasst hat, der Ehrentitel calculator studiosissimus oder scrupulosus beigelegt und genoss dieser Calculus bis zum Auftreten der arabischen Rechenkunst, Alyorismus genannt, eines grossen Ansehens. Die Bamberger Handschrift gibt aber nur den ersten Theil des Werkes, der früher dem Beda zugeschrieben war und sich auch in der Baseler Aus- gabe seiner Schriften findet unter dem Titel: Libellum — 148 — de ratione calculi. Um so angenehmer war die Ueber- raschung, als ich vor einigen Jahren in der Handschriften- sammlung der öffentlichen Bibliothek von Basel ein voll- ständiges Exemplar fand und durch die Güte des Herrn Prof. Kiessling noch auf ein zweites gleichlautendes auf der Berner Stadtbibliothek (mss. math. 250) geleitet wurde. Unsere Baseler Handschrift mit der Signatur (0) IL. 3 besteht aus 12 Pergamentblättern in klein Folio. Die erste und die letzte Seite sind unbeschrieben. Die Schrift zeigt die schönen und reinen Züge des X. Jahrhunderts, das ganze Manuscript ist vorzüglich erhalten. Abgekürzte Worte finden sich selten, einzig et als Sylbe und Wort ist stets mit & bezeichnet. Die Seiten sind meist zwei- spaltig. Das Werk schliesst auf der ersten Seite des 11ten Blattes, auf welchem unten von anderer, etwas spä- terer Hand noch einige weitere Erklärungen über Ge- wichte und Hohlmaasse beigefügt sind. Die Rückseite dieses Blattes und die erste des 12ten Blattes enthalten endlich 1627, Verse des Pseudopriscianischen Lehr- gedichtes. Ein Facsimile der Handschrift ist auf dem zu diesem Aufsatz gehörenden lithographirten Blatte mit- getheilt. Es kann in diesen Blättern nicht der Ort sein, den ganzen Inhalt mitzutheilen, sondern ich muss mich auf eine Analyse desselben beschränken. Die Schrift be- ginnt mit den Worten: 1) INCIPIT PRAEFATIO DE RATIONECALCVLI. Diese gibt nach einer kurzen Einleitung über die Art und Eintheilung der Einheiten, die man bei Christ (1. c. pag. 132) nachsehen kann, die Erklärung der folgenden Multi- plikationstabellen und schliesst mit den Worten EXPLI- CIT PRAEFATIO. Nun folgen mit den Anfangsworten: 2) IN DI NOMINE INCIPIT LIBER CALCVLVS — 1449 — QUEM VICTORIVS CONPOSVIT auf 10 Seiten die Multiplikationstabellen, von denen je fünf auf einer Seite stehen, auf der letzten nur vier. Sie geben die Vielfachen der dimidia sextula, der sextula, des sicilicus, der duae sesclae, der semuncia, der uncia, der sescuncia, des sextus u. s. w. bis zum assis, dann der Einer, der Zehner und der Hunder- ter bis zur Zahl Tausend in je 45 Zeilen, vom Doppelten bis zum Fünfzigfachen. Herr Christ hat zwei dieser Ta- bellen am angeführten Orte (pag. 135) abdrucken lassen. 3) Es folgen nun ohne besondere Ueberschriften mehrere weitere Tabellen und zwar zunächst eine Ad- ditionstabelle über die Addition der Einer in dieser Form a 00 VE NN EVE] Vi] & vit XVI] VA QUE Vo XVI sowie die Uncialbrüche, welche zusammen eine Einheit geben. | 4) Eine Uebersicht der Zeichen für eine, zwei, drei u. s. w. bis zwölf Unzen. 5) Eine Tafel in 61 Zeilen, welche die Subtraktion der Hunderte von Tausend, der Zehner von Hundert, der Einer von Zehn, der vierfachen und zusammen- gesetzten Uncialbrüche von Eins und den Unterabthei- lungen der Unze von einer Unze aufweist, in dieser Form De LLC MdCEEE de ice À dec ue 6) Eine Additionstabelle auf anderthalb Seiten über das Addiren der Hunderter, Zehner und der Uncial- brüche, von derselben Form wie Tab. 8. 7) Die Angabe der Anzahl der scripuli, welche die einzelnen einfachen und zusammengesetzten Brüche ent- halten, von der dimidia sescle aufsteigend um je 2 scripuli I I — 150 — bis zur Unze, und von da um je 12 Scripeln bis zu 300 Scripeln. 8) Eine Quadrattafel der ganzen Zahlen von 1 bis 50. 1 in se 1] (sic!) 1 in se Ill] I in se VII), U. S. W. und eine solche der gemischten Zahlen von 1'/, um je '/, steigend bis zu 14. Herr Christ hat diesen zweiten Theil‘ aus den Angaben des Kommentators herzustellen gesucht (l. ec. pag. 113); seine Darstellung stimmt mit unserer Handschrift überein, doch mit dem Unterschied, dass jede einzelne Abtheilung mit dem Quadrat der ganzen Zahl be- ginnt, statt schliesst. Es hat somit die erste Abtheilung nur à Zeilen, alle folgenden je 4 und die letzte nur eine. Hiezu gibt Victorius eine kleine Erläuterung in 9 Zeilen: Totus prior numerus et eius quarla pars in secundo tramite inuenitur. Secundo totus prior numerus et duae quarlae partes eius in secundo tramile inuenitur. Tertio tolus prior numerus et ter quarta pars eius in secundo tramite inuenitur. Quot- quot ergo asses '/, aut ‘/, aut */, praecesserint, eodem numero assum ipse ‘/, aut '/, aut ?/, geminantur usque XII locum, in quo XII '/, in se CL °/ı, efficiunt; eo quod duodecies '/, ge- minatur. Hiebei habe ich die römischen Bruchzeichen durch arabische ersetzt. 9) Eine Tabelle, welche die einfachen und zusam- mengesetzten Minutien als gewöhnliche Brüche darstellt und wovon in der lithographirten Tafel einzelne Proben wiedergegeben sind, in 50 Zeilen. 10) Eine Uebersicht der Minutien, nebst Angabe der Zahl der Scripeln, welche auf jeden Bruch gehen. Sie ist in dem Facsimile vollständig mitgetheilt. 11) Den vorstehenden Tabellen folgen drei Ab- schnitte, welche den Erklärungen gewidmet sind. Der erste gibt Anleitung zum Lesen und Aussprechen der Ta- — DB belle 2. Da die darin vorkommenden halbbarbarischen Zahlwörter Manchen interessiren mögen, so lasse ich diese Tabelle folgen. JANVA CALCVLI {f°9 recto) Bis media sescle id est sescle Bis sescle id est duae sesclae Bis sicilicus id est semuncia Bis duae sescle id est semuncia et sescle Bis semuncia id est uncia Bis uncia id est sexlas Bis sescuncia id est quadras Bis sextas id est treas Bis quadras id est semis Bis treas id est bisse Bis quincunz id est distas Bis semis id est assis Bis septus id est assis el sextas Bis bisse id est assis el treas Bis dodras id est assis et semis {F9 verso) Bis distas id est assis et bisse Bis iabus id est assis et distas Bis assis id est dipondius Bis bini id est qualerni Bis terni id est semi Bis quaterni id est octeni Bis quini id est deni Bis seni id est decus dipondius Bis septus id est decus quartus Bis octus id est decus sertus Bis nonus id est decus octus Bis deni id est ueceni (corr: uiceni) Bis uigeni id est quadrageni Bis trigeni id est sexageni Bis quadrageni id est octuageni =" 1e Bis quinquai id est cean Bis serai id est cean biae Bis seplai id est cean quadrai Bis octai id est cean sexai Bis nonai id est cean octai Bis cean id est ducen Bis ducen id est quadricen Bis tricen id est sexacen Bis quadricen id est octacen (corr: octicen) Bis quinquien id est chile Bis sexacen id est chile ducen Bis septacen id est chile quadricen Bis octacen id est chile sexacen Bis nonocen id est chile octacen Bis chile id est dischile ITEM Ter media sescla Quater media sescla Quinquies media sescla, et reliqua. 12) Nun eine Erklärung der Tabelle 9, unter dem Ti- tel: EXPLANATIO EXTREMAE PARTIS CALCVLI, worin zuerst angegeben ist, dass das Zeichen des Assis eigentlich X (siehe Facsimile Tab. 9), dass man aber, um Platz zu sparen, bei Wiederholung desselben ein- fach I setze, z. B. III statt XXX. Es wird dann unter- schieden, ob ein einmal vervielfachter Bruch, nota semel multiplicata, ein Ganzes gebe (die Stammbrüche der heu- tigen Arithmetik), wie '/,, 1/, ws. w. oder ob es mehrere Ganze gebe, wie ?/,, 5/, u. s. w., welche 2, 5 u. s. w. Ganze ergeben. 13) Endlich noch eine Erklärung des zweiten Theils der Quadrattabelle 8: ITEM ALIA EXPLANATIO PRIORIS PARTIS. Ich theile den Anfang und Schluss derselben in unsern gebräuchlichen Ziffern mit, da sie uns einen Einblick in das Rechenverfahren gewährt: — 13 — 11/, in se 11/, ‘ox Yıs. Inprimis tolle aequalitatem prioris numeri de subsequenti hoc est 1'/,, remanet 1/4 1/21 Yıs, quae isto modo diuidas: priorem numerum id est '/, mitte super 1 eiusdem seilicet quartam partem, a "is super '/,ı similiter ipsius quarlam parlem, u. Ss. w. Sic isto modo per omnia crescente numero intellectus aperit. 14) OLEARIA INCIPIVNT PONDERA. Es ist bekannt, dass die Römer die Hohlmaasse und Gewichte so mit einander in Zusammenhang brachten, dass 1 Con- gius Wein 10 Libras wog. Der Wein ist oft durch Oel ersetzt. Diese Tabelle gibt nun das Verhältniss der Hohlmaasse unter sich und ihr Gewicht, wenn sie mit Oel gefüllt sind. Die Anzahl der Unzen und andere Bemerkungen sind interlinirt. Das Pfund (lbra oder pondo) ist als Assis in 12 Unzen getheilt; es kommt aber auch eine Angabe vor, wonach es 16 Unzen hätte, wobei also eine Verwechslung mit dem griechischen Pfund (Mna) stattgefunden hat. Ueber die Himmina ist bemerkt, dass: himmina dicitur quasi seminina hoc est semis sextarü. Ferner ist bemerkt, dass es einen kleinen Sextarius von zweimal x Unzen (= 20 = 1°; & als sechster Theil von 10 &), welches der gewöhnliche war, und einen grossen von zweimal xv Unzen (= 30) gebe. 1 sextarius — 2 himminae = 4 quartariü — 8 octuarü = 12 chiati. Die übrigen Angaben zeigt folgende Zusammen- stellung: Mesura 1 2000 Unzen Anfora gallica — 1 106?/, Pfunde Anfora italica — Dal 80 : Modius Gt EE 26?/; u Simodius 1212523 65523 1 134, > Congeus 1677 212027 98,592, 192732. 210 a Sextarius 100 64 48 1 8 TRS = 20 Unzen. — 154 — 15) ITEM MELARIA INC. Hiebei die Bemerkung: Tertia pars uniuscuiusque mensurae olei additur ad mensuram mellis; mel enim gravius est quam oleum d.h. 1 Gefäss mit Honig gefüllt, ist um '/,; kleiner als ein solches von gleichem Gewicht mit Oel gefüllt, wonach also das specifische Gewicht des Honigs 1%, mal so gross als das des Oeles angenommen ist. Jedes Maass Honig wiegt demnach um die Hälfte mehr als das nämliche Maass Oel. Neu hinzukommende Angaben sind: Centum pondo olei sextarü 1x Centum pondo mellis sextarü xl. Talentum cuiuslibet mercedis (olei, mellis, auri, argenti rel.) pondo Ixxx. 16) DE GEOMETRICA NVNC LOQVITVR. Als Einheit ist der Fuss (pes) angenommen, eingetheilt in 16 Digitos transversos oder 12 uncias polices. Ferner sind angeführt: Palma = !/, Fuss, Cubitus = 1"), Fuss, Gressus — 2'/, Fuss, dann Leuua 1 Stadium 12 1 Jugerum al, — 1 Aripennis 621, — 2 1 Achina 75 — — — 1 Pertica 750 621/,: wre “19: A0 Passus 1500 125 48: 24-2048 Pes 7500 625 240 120 100 10 5 Ferner die Parasanga oder Passus scinus = 4000 passus. Die Aripennis wird auch aripinis genannt. Endlich sind noch zwei Maasse erwähnt, von denen das erste Bisse oder Bes 8 Unzen, das andere, Cubitus ulna 9 Unzen hält: Propterea dicit cubilus ulna ad discretionem mensurae a sinu intus incipiente quae bes dicitur, et usque ad artum pagni utra- que mensura exlendilur. Als Flächenmaass ist der Jetus, ein Quadrat von = Me 125 Fuss Umfang angegeben, von dem jede Diagonale 50 Fuss haben soll, was mit einer Zeichnung und mit Worten so erläutert ist: Jetus habet xxv pedes in quadro, a medio incipientes in ııı parles, per circuilum aulem CXXv pedes. In der Zeichnung hat jede Seite 31'/, Fuss. Diese einander widerstreitenden Bestimmungen legen von Neuem von der Oberflächlichkeit der römischen Geometer Zeugniss ab. Im Schluss dieses Abschnittes sind verschiedene weitere Maassbestimmungen untergebracht, die eigentlich nicht dahingehören; vermuthlich fehlt nur die dazu ge- hörige Ueberschrift. Wir erfahren darin, dass 1 Obolus = dimidium scripuli, minima pars mensurae, 1 Denarius = x scrip., 1 Pondeus = II), serip., 1 Sestertium = v sextaren, 1 Gomor = vi modien, 1 Medignum (modius dignus) ohne nähere Angabe, 1 Sextula = '!/, sextar, 1 Mna, libra Gre- ciae — 16 Unzen, 1 Talentum = 1x librae atticae. 17) DE REBVS LIQVIDIS. Neben den schon in Tabelle 14 genannten Hohl- maassen lernen wir folgende kennen: 1 Chiatus = 4 Jiistri — 16 Demeses — 32 Coclearia. ferner den Quadrisextius — 4 Sextaren, den Hin = 19 Sex- taren und die Ophu oder Oephi gleich einer Anfora italica. 18) DE ALTERA RATIONE. Hier sind zunächst die Hohlmaasse als Bruchtheile der himmina angegeben. Im Weitern finden wir die Notiz, dass Ix librae talentum est und 1xxx pondos talen- tum, wonach es scheint, dass das attische Pfund von 16 Unzen vorzugsweise libra, das römische Pfund von 12 Unzen dagegen pondo genannt wurde, obgleich die Unterscheidung nicht consequent durchgeführt ist. Es treten ferner als Münzgewichte auf: 1 Stater — 20 Scrip., 1 Sicel=14 Scrip., 1 Denarium (sic) = 10 Scrip., 1 Sicilicus = 6 Scrip., 1 Solidus — 41/, Scrip., 1 Trimesis = 1'), Scrip. — 156 — Eine. wie ich glaube, bis jetzt noch nirgends ge- fundene Angabe ist: Dragma — 2 Scrip., Didragma —= 4 Scrip. mit dem Beisatz: Et alibi dragma 1x1 scrip., didragma v1 scrip. Schliesslich: Tributum x. pars pecuniae; census solidus ab uno quoque denario x scriptulae. 19) DE SIGNIS PONDERVM. Ponderis signa plerisque ignota sunt el inde errorem le- gentibus faciunt. Quapropter formas eorum et caracteres ut a ueleribus signata sunt, subiciamus. Diese Zeichen sind: Z 1/, obolus — obolus — 2 oboli T 3 oboli F 4 oboli E 5 oboli H tremissis — vux siliquae N nummisma grecum id est solidus IB '/, solidus < dragma quam etiam olcen appellant NT semuncia PT? uncia 4 libra KY chiatus Ko emina, quam greci cotilem uocant = sexlarius So acitabulum, quod greci oxifalona uocant M mna | A À talentum 2o kenir. Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, dass an einigen Stellen des Manuscriptes die uncia auch mit — oder mit — bezeichnet ist. + ‘fit = 20) INC. NOMINA PONDERVM MEDICINALIVM QVORVM MENTIO IN SINGVLIS CONFECTIONI- BVS CONTINETVR. In dieser Tabelle wird der Olcen (= Dragma) auch Vlcae und Vicen genannt, statt Chiatus ist die Schreibung Cyatus gebraucht, für Cocleare steht auch Coclearium. Die Zahl Tausend ist nicht wie im Bisherigen durch einen über die I gesetzten Horizontalstrich bezeichnet, sondern durch ce. Libra 1 Cotula — 1 Acitabulum 02. — 1 Cyatus 10 — l'A 1 Stater 25 18 3 LION Dragma 100 12.415 10 Ay Cocleare 200 144 3 20 | 9 Scripulus 9300 216 45 30 12 Obolus 600 432 90 hrs 2 0 So Siliqua 1800 1296 270 180. Eau TS Ich überlasse es den Philologen vom Fach, das ge- botene Material, das ich im Vorstehenden so vollständig als möglich excerpirt habe, weiter zu verwerthen. Als Mathematiker kann ich nur bestätigen, was diesem Calcu- lus im Mittelalter nachgerühmt wurde, nämlich dass er ein sehr praktisches und vortreffliches Hülfsmittel für die da- maligen Rechner war. Trotz der Uebung, die sie sich in der Bruch- (Minutien-) Rechnung nothwendig, obwohl mit grosser Mühe erwerben mussten, konnten sie dennoch mit Nutzen solche Tafeln gebrauchen, etwa wie heutzutage Zinstabellen und dgl. ihre vielfache Verwendung finden. Zum Schlusse möge der Text der im Eingang er- wähnten, von anderer, etwas späterer Hand unmittelbar — Ke — und ohne Ueberschrift unter das Obige geschriebenen weiteren Erklärungen eines unbekannten Verfassers folgen. Ponderum pars minima calculus est, qui constat ex granis ciceris duobus, et apud quosdam siliqua pensante q tribus granis hordei declaratur. In pondere duo calculi ceratim faciunt, qua- tuor autem calculi siue ceratim obolum reddunt, duo oboli scripu- lum complent, tres scripuli dragmam reddunt. Dragma q constat siliquis xlvım, et scripulus qui e ex siliquis v1, et obolus qui e ex tribus quadrantem efficiunt, confinentem in se siliquosxxviu. Duo quadrantes staterem faciunt, staleres unciam reddunt. Juxta gallos uigesima pars unciæ denarius est, et x11 denarü solidum reddunt, ideoque iuxta numerum denariorum tres unci@ quinque solidos complent, sic et quinque solidi in tres uncias redeunt. Nam XII uncie libram xx solidos continentem efficiunt, sed ueteres solidum qui nunc aureus dicitur nuncupabant. At calculus minimus est omnium, ponderalur enim hordei grano uno aut lentis granis duobus. Siliqua secundum quosdam ponderatur hordei granis wir, inde etiam obolus cuei (sic) triplus sit granis hordei xıı, secundum quosdam aut siliqua ciceris granis et lentis granis vu asseuerant conslare. Scripulus et gamma eliam olca nominatur, constat autem obolis duobus. Emina id est sextarius dimidius ponderatur libra una, sextarius libris duobus (sic). Koenix sextarüs in. Cinath sextarüs v. Congius sertarüs VI. Modius vero xxn serlarios. Vrna modius semis. Satum sertarios xxx. Batus sextarios 1. Medimna modiü v. Artaba sexlarios I\xxıı. Gomor modiü xv. Chorus modii xxx. De mensuris in liquidis, coclear minimum in mensuris id est drag- ma et dimidia. Them coclearia u. Mistrum themes 1. Ciatus dragmæ x. Acitabulum vel oxiphalon dragmæ xv. Emina c dra- me (sic). Sextarius cc dragme. Amphora urne 11. Sextarius uini aut aq libra una et unc semis. Sextarius olei libra et semis. Semis libra et duæ libræ serxtarius mellis. Pitisenus thesanrus mathematicus. Mittheilung von Prof. Fritz Burckhardt. 22, Juni 1868. Vor der Erfindung der Logarithmen, deren erste Publikation in das Jahr 1614 fällt (Jo. Neperi. Mirifici logarithmorum Canonis descriptio) hatte sich die rech- nende Astronomie mit einem erstaunlichen Aufwande von Zeit und Mühe Tafeln geschaffen, welche für die einzelnen Bögen die zugehörigen Sehnen oder Halbsehnen (Sinus) berechnet enthielten, mit einer bald grössern, bald geringern Genauigkeit. Die ausserordentlichste Ar- beit dieser Art hat der in der Gelehrtenwelt unter dem Namen Rheticus bekannte Georg Joachim von Feldkirch, Freund und Theilnehmer an den Arbeiten des Nicolaus Copernicus, geliefert. (Er lebte von 1514—1576.) - Seine Berechnungen erstrecken sich über die verschiedenen trigonometrischen Linien (Sinus, Tan- gens und Secans) für einen Radius von 1 000 000 000 000 000 d. h. 1 und 15 Nullen. Zu seinen Lebzeiten sind diese Tafeln nicht publizirt worden; durch die Bemühungen des Bartholomaeus Pitiscus von Grüneberg, der sie in dem Nachlasse des Valentinus Otto in einem äusserst verwahrlosten Zustande, theilweise halb verfault vorfand, und durch fürstliche Munifizenz wurde die Publikation ermöglicht, wenigstens so weit sie den Sinus betrifft. In der Vorrede versprach nun Pitiseus: — 4600 — 1) Den Canon der Sinus von 10 zu 10 Sekunden mit den ersten, zweiten und dritten Differenzen. 2) Den Sinus des ersten und des letzten Grades von Sekunde zu Sekunde mit den ersten und zweiten Diffe- renzen. Beides aus dem Nachlasse des Rheticus. 3) Aus eigener Arbeit für den Radius 1 und 25 Nullen Principia Sinuum durch algebraische Analysis gefunden. 4) Aus eigener Arbeit den Sinus für 10, 30, 50 Se- kunden in den ersten 35 Minuten, sowie auch den Sinus complementi für einen Radius von 1 und 22 Nullen. Die Publikation geschah im Jahre 1613 unter dem Titel: Thesaurus mathematicus sive Canon Sinuum ad ra- dium 1 00000 00000 00000 et ad dena quæque scrupula secunda Quadrantis: ima cum sinibus primi et postremi gradus, ad eundem radium et ad singula scrupula se- cunda quadrantis: adjunctis ubique differentiis primis et secundis et, ubi restulit, etiam tertijs, jam olim qui- dem incredibili labore et sumptu a Georgio Joachimo Rhetico supputatus: at nunc primum in lucem editus et cum viris doctis communicatus a Bartolomæo Pitisco Grünbergensi Silesio, cujus etiam accesserunt: I. Prineipia Sinuum ad radium 1 00000 00000 00000 00000 00000 quam accuratissime supputata. II. Sinus decimorum, tricesimorum, et quinquagesi- morum quorumque scrupulorum secundorum per prima et postrema 85 scrupula prima ad radium 1 00000 00000 00000 00000 00 Francofurti excudebat Nicolaus Hoffmannus, sumpti- bus Jonæ Rose Anno CIIIICKIL (MDCXH). Von diesem Werk sagt Montucla, histoire des — 161 — mathém. I. 582: C’est en effet un vrai trésor et un des monuments des plus remarquables de la patience humaine, disons mieux d'un devouement d'autant plus méritoire à l'utilité des sciences, qu'il n’est point accom- pagné de beaucoup de gloire. Car on y trouve 1) les sinus exprimés en 16 chiffres pour toutes les minutes et de dix en dix secondes du quart de cercle; 2) les mêmes sinus en 26 chiffres pour toutes les secondes du premier et du dernier degré du quart de cercle; avec les pre- mières, secondes et même, quand il a fallu les troisièmes differences de chaque sinus avec le précédant et le sui- vant. Le titre annonce même le commencement de la table des sinus pour un rayon de 15 (sollte heissen 26) chiffres et les sinus des dixième, trenti&me, cinquantieme secondes des 35 premières minutes calculées à 23 chiff- res; mais Mr. de la Lande nous apprend dans le Journal des Savans de 1771, où il a donné une histoire fort dé- taillée et fort curieuse de cette production typographique, que ces deux dernières parties manquent dans tous les exem- plaires, qu'il a vu; ce qui vient probablement de ce que Pitiseus étant mort en 1615 le libraire chercha à abréger son ouvrage. Mais dans ce cas il eût dû réformer le titre, qui est d'ailleur ordinairement la dernière feuille qu’on imprime. Quoiqu'il en soit, cet ouvrage est d’une utilité infinie pour vérifier les tables ordinaires etc. Später gibt Kästner, Geschichte der Math. I. 612. die Anzahl der Seiten, welche jeder Abschnitt des Werkes einnimmt, richtig an, und la Lande in seiner 1803 er- schienenen Bibliographie astronomique 1613 zählt vier vollständige Exemplare auf. Von diesen, früher als nicht erschienen betrachte- ten, heute jedenfalls als höchst selten anzusehenden Werke besitzt unsere öffentliche Bibliothek ein voll- ständiges Exemplar (K. g. L 3). 11 me nn BOTANIK. Bemerkungen über die Viola-Arten des östlichen Genfersees. Von Dr. H. Christ. Wer die Formenkreise gewisser Typen ( Arten, Genera etc.) näher untersucht, findet nicht selten, dass ein beträchtlicher Theil des geographischen Areals, in welchem der Typus vorkommt, nur wenige scharf ge- trennte und leicht zu unterscheidende Formen darbietet, während ein relativ, im Verhältniss zum Gesammtareal, vielleicht sehr kleiner Bezirk eine ganz auffallende Ver- änderlichkeit, einen Reichthum verschiedener, durch unmerkliche Uebergänge verbundener Formen enthält, so dass, was dort als zwei oder drei deutlich (specifisch) getrennte „Arten“ erscheint, hier durch Zwischenformen zu einer systematischen Einheit verknüpft oder doch einander genähert scheint. Die Grade, in welchen diese Erscheinung beobachtet wird, sind verschieden. Zu- weilen ist an solchen privilegirten Punkten die Ver- bindung zweier sonst getrennter Formen durch Ueber- gänge vollständig; zuweilen treten bloss Zwischenformen — 163 — auf, welche gewisse Charaktere beider, anderwärts als Arten betrachteter Formen vereinigen, aber so, dass die drei Formen: die beiden Species und diese Zwischen- form immer noch zu unterscheiden sind, dass also nur ein ferneres Glied in die Kette eingeschoben ist, welches den Abstand der zwei ersten Glieder nicht ausfüllt, aber doch vermindert. Ein Beispiel der ersten Art ist das von mir (Flora 1864) beschriebene Zusammenfliessen von Pinus montana Mill. und Pinus silvestris L. im Ober- Engadin, eines der letztern Art das Verhalten der Abies Reginae Amaliae Heldreich und Apollinis Link, welche den Abstand zwischen den Formen A. pectinata DC. und A. cephalonica Loudon wenn nicht gänzlich, so doch sehr beträchtlich vermindern. !) Ein weiteres, sehr schönes Beispiel letzterer Gat- tung bieten die Violae (nominia) des östlichen Genfersees. Hier schieben sich nicht nur eine, sondern mehrere Zwischenformen zwischen zwei bei uns so scharf ge- trennte Arten: Viola hirta L. und Viola odorata L. ein, Zwischenformen, welche die Charaktere beider „Arten “ in hohem Grad, aber nicht vollständig vereinigen, und zwar so, dass keine eigentlichen Uebergänge von der hirta zur odorata wahrnehmbar sind, sondern dass bloss eine Anzahl neuer. ähnlicher, aber zu unterscheidender Formen hinzutreten, welche die Variation des Typus, die im nördlichen Europa nur in zwei Formen stattfand, hier in wenigstens sieben Formen weiter führen. Ob diese Erscheinung darauf hinweist, dass das Schöpfungs- centrum dieser Violae hier an der Grenze der Mittelmeer- zone anzunehmen Ist, während die nördlichen Gegenden nur eine spärliche Ausstrahlung von diesem, noch in !) Siehe diese Verhandlungen 1862 III. 4 und botan. Zeitung Jahrg. 23, Nr. 27—29. — 164 — lebhaftem Fluss befindlichen Centrum aus empfangen haben, oder ob eine andere Hypothese die Erscheinung besser erklärt, mag, weil bestimmte Anhaltspunkte feh- len, dahingestellt bleiben. Aber jedenfalls erschüttern solche Belege die unbedingte Annahme der absoluten, specifischen Verschiedenheit von Formen, auch wo sie in sehr abweichender Gestalt nahe beisammen vor- kommen, und erwecken den Gedanken, dass erst in einem andern, vielleicht sehr fernen Bezirk die ver- bindenden Mittelglieder zu suchen und zu finden sein können. Die Thatsachen nun sind folgende: 1. Viola hirta L. tritt in der charakteristischen Gestalt, wie sie im Basler Jura vorkommt (V.hirta fraterna Rb.) mit kurzastigem, stolonenlosem gedrungenem Rhizom, mit Blüthen, die aus den dichten Rosetten der Blätter ent- springen, die schon geöffnet sind, während die Blätter noch wenig entwickelt sind, mit dicht behaarten, läng- lich herzförmigen Blättern und zottigen Blattstielen, deren Haare zurückgeschlagen sind, am östlichen Genfersee nur selten und sparsam auf. 2. Auch die Viola odorata L. in ihrer typischen Form tritt zurück und findet sich weit spärlicher als bei uns, und mehr in der Höhe als in der untern Region. 3. Dagegen findet sich von Chillon an immer massen- hafter eine sehr schöne Viola, die auf den ersten Blick bald an eine grosse hirta, bald an eine veränderte odorata mahnt. Sie wächst in grossen runden Rasen, in allen Wiesen, besonders im Schatten der Kastanien. Ich habe sie bis St. Maurice verfolgt. Um Villeneuve er- scheint sie in zahlloser Menge. Sieht man genauer zu, so zeigen zwar ihre Stammtheile im Ganzen die Gestalt der hirta, aber weiter entwickelt: es ist ein vielköpfiges, äusserst verästeltes Rhizom, mit einer Menge im selben — 165 — Jahre blühender, gegen 2 Zoll langer, selten längerer Stolonen. Durch die reiche Verästelung des Rhizoms und die parallel gehende Stolonenbildung entsteht ein runder, gleichmässig (nicht bloss wie bei unserer hirta im Centrum) Blüthen entsendender Rasen. Das Ent- wicklungsstadium der Blätter ist dem der Blüthen ziemlich gleich, und folgt nicht, wie bei hirta, den Blüthen lang- samer nach, so dass sich die Blüthenstiele der Form von Chillon nicht viel über die Blätter erheben, was phy- siognomisch sehr in’s Gewicht fällt. Die vorjährigen Blätter sind rundlich, sehr breit oval, mit breit abge- rundeten und dicht genäherten Lappen der tief herz- förmigen Basis; sie sind viel breiter und kürzer, also runder als die Blätter der hirta Die Pubescenz ist kurz, die Blätter eher scabra als pilosa; ihre Substanz ist trocken, starr, ohne den fetten Glanz der odorata. Sie zeigen einen leicht violetten Anhauch der Unterseite. Die Blüthen ähneln auf den ersten Blick der odorata, aber bald fällt der breitere, weisse Schlund und die im Ganzen hellere, röthlich violette Farbe auf, und — ein sehr constantes Merkmal — eine sattere, aderige und wolkige Coloration der äussern Fläche der Petalen. Das kalte Blau der V. hirta ist von dieser Farbe sehr ver- schieden. Hie und da zeigen sehr beschattete Exemplare eine tiefere , besonnte eine helle, ins weissliche Lila ab- schiessende Farbe. Die Blüthen haben einen schwachen. aber sehr lieblichen Duft, der nie das Herbe der odorata annimmt, der oft auch kaum wahrnehmbar ist. So weit die Hügelzone der Waadtländer Alpen gegen den See und das Rhonethal abdachen, dominirt nun diese schöne Form so sehr, dass jeder Gedanke an Hybridation wegfällt. Sie ist von Jordan als V. permixta und V. consimilis aus Südfrankreich beschrieben, und von Reuter (Catal.) auch bei Genf als sehr häufig nachgewiesen worden. —, 156: — 4. Neben ihr ist nun in den höhern, schattigen Lagen dieser Hügel die V. scotophylla Jordan häufig. Sie hat grosse, langgestielte, lang und schmal zugespitzte vor- Jährige Blätter mit offener Bucht, zeigt einen tiefvioletten Anhauch aller grünen Theile, violetten Sporn der rein weissen Blüthe, und thut sich durch lange und zahl- reiche Stolonen und starken Duft als nahe Verwandte der V. odorata kund. 5. Etwas seltener findet sich die der scotophylla sehr nahe stehende V. alba Besser (V. virescens Jordan), die sich durch gelbgrünes Colorit, gelblichen Sporn der weissen Blüthe und stumpfes Blatt von sehr spitzem Winkel der herzförmigen Ausschweifung von ihr unter- scheidet. Von all diesen Formen ist die alba die ein- zige, welche sich den Jura entlang bis in unsere Gegend vorschiebt, wo sie ihre Nordgrenze erreicht. Diese beiden weissen Veilchen sind wohl zu unter- scheiden von der zuweilen vorkommenden weissen Spiel- art der odorata; sie zeichnen sich von letzterer sofort durch die grossen langgezogenen Blätter aus, die vom vorigen Sommer her den Winter überdauern und erst im zweiten Sommer abdorren, was bei der V.odorata nicht stattfindet. 6. Eine fernere, von Jordan als V. multicaulis be- schriebene violette Form kommt ebenfalls sparsamer von Montreux bis Villeneuve an Waldrändern vor. Der odorata sonst nahestehend, zeichnet sie sich doch durch die Art des Wuchses sehr aus. Ein verlängertes schwa- ches Rhizom entsendet aus seiner Spitze strahlenförmig eine grosse Anzahl dünner, langer, fadenförmiger Sto- lonen, welche an ihrem Ende Wurzel schlagen und im gleichen Jahre (nicht wie die Stolonen der odorata erst im folgenden) Blätter und Blüthen entfalten. Die Blüthen sind blass violett, aussen dunkler geadert, mit sehr — 167 — breitem weissem Schlund. Diese Form ist die südlichste dieses Formenkreises: Baillet hat sie bei Toulouse, Jordan bei Lyon, Reuter bei Genf nachgewiesen. 7. Endlich steht, noch innerhalb unserer Region, an einer sehr warmen Halde bei Aigle, in grösserer Ent- faltung freilich erst bei Sitten, die von Muret entdeckte V. Steveni Besser. Es ist diess eine odorata mit den ty- pischen, derben Stolonen dieser Art, die jedoch durch sehr rauhhaarige Blätter und durch breite, kurze Petalen, durch blasse Coloration und durch einen grünlich weis- sen (nicht violetten) Sporn von der gewöhnlichen Form abweicht. GEOLOGLE. Palaeontologische Notiz von Hrn. Prof. Peter Merian. PRPPPSS LS Die im vorigen Bd. IV. S. 555 enthaltene Mittheilung über das Vorkommen der Cardita crenata Goldf. in dem Keuper der Neuen Welt bei Basel beruht auf einem Irrthum. Eine genauere Untersuchung der daselbst ge- fundenen Abdrücke hat herausgestellt, dass dieselben zerdrückte Exemplare von Myophoria Goldfussii Alb. sind. Berichtigung. Seite 14+, Zeile À und 5 von oben sollte es heissen: Curcuma (leucorrhisa? ). » ” » 4 » ” „ 7 » Manihot utilissima. SR m— ve TAB.9 deduc deduc P AT °X4) P ar“ P ATEN pur PAT vi xLvu Duc u Vedltic deduc xlvm Duc vy Behr TAB.I0 UNCIUEe ccl XX V HI NUNEIEe clan uncice eckL Aıflag do draf biffe vu fepzuf vn vun nncace | CXVI unciue EXC) i elxuny 1121747602 UICULE l if WW (- W x f % # 1 5 # E- $. à 5 4 # fenuf qumenf zreaf quecraf féxcccf fefeuncıa fenuncıa duue fecle fi al auf fee dimidia fefcle ferrpuluf WMIUCULE une mioiue UNAcE uncıa & fem NW cn W CKXX (F xevr NW Lxsxr (F xLvin (ç XX KV] N xsun sÿ D] ÿ Y D] S'uHOrAS AT AR Le di 2 Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft umnnnnnn Fünfter Theil. Zweites Heft. Basel. Schweigh auserische Verlagsbuchhandlung. 1869. Herrn Altrathsherr Professor PETER MERIAN widmet die naturforschende Gesellschaft BASEL diesen Band ihrer Verhandlungen als Zeichen des Dankes für die “ünfzig,jährige ununterbrochene Wirksamkeit in ihrem Kreise. ma Grm CHEMIE. LL LL LA LL Letzte Arbeiten von €. F. Schoenbein. (Aus hinterl. Manusc. nach dem Tode veröffentlicht.) }: Ueber das Wasserstoffsuperoxyd als Mittel, die ferment- artige Beschaffenheit organischer Materien zu erkennen. Es ist eine jetzt wohlbekannte Thatsache, dass allen noch wirksamen Fermenten und insbesondere dem Vor- bilde dieser merkwürdigen Gruppe organischer Materien, der gewöhnlichen Hefe, das Vermögen zukommt, nach Art. des Platins das Wasserstoffsuperoxyd zu zerlegen, woraus folgt, dass HO,-haltiges und mit irgend einem Ferment in Berührung gesetztes Wasser seine Fähigkeit verlieren muss, die Reactionen dieses Superoxydes her- vorzubringen. Nach meinen neuesten Untersuchungen ist die frisch bereitete Guajaktinctur in Verbindung mit dem wässrigen Auszuge des Gerstenmalzes das Empfindlichste aller bis Jetzt bekannten Reagentien auf HO,, mit dessen Hülfe verschwindend kleine Mengen des Superoxydes noch deutlichst sich nachweisen lassen. Tröpfelt man zu etwa 10 Grammen des auf HO, zu prüfenden Wassers so viel Guajaktinctur, bis die Flüssigkeit deutlich milchig ge- worden, und fügt man dann 8—10 Tropfen eines in der Kälte bereiteten und etwas concentrirten wässrigen Malz- auszuges bei, so wird das Gemisch noch augenfälligst 12 — ,10 — gebläuet, wenn darin auch nur ein Zweimilliontel HO, enthalten ist. Für diejenigen, welche die weiter unten beschriebenen Versuche wiederholen wollen, sei im Vorbeigehen be- merkt, dass das hiezu dienliche Wasserstoffsuperoxyd leicht so sich darstellen lässt, dass man in einer halb- litergrossen lufthaltigen Flasche etwa 100 Gramme de- stillirten Wassers mit der gleichen Menge amalgamirter Zinkspähne eine Minute lang lebhaft zusammen schüttelt und dann filtrirt. Die durchgelaufene Flüssigkeit, obwohl noch arm an HO, vermag dennoch unter der Mitwirkung des Malzauszuges einen gleichen Raumtheil Guajaktinetur von 1°/, Harzgehalt oder mit Hülfe einiger Tropfen Eisenvitriollösung auch den Jodkaliumkleister noch tief zu bläuen. Da unter sonst gleichen Umständen HO; um so langsamer sich zersetzt, je stärker es mit Wasser verdünnt ist, so kann es nicht auffallen, dass das vorhin erwähnte HO,-haltige Wasser nach wochenlangem Stehen die Harzlösung und den Jodkaliumkleister immer noch stark bläuet, woraus sich abnehmen lässt, dass die während eines ganzen Tages in solchem Wasser freiwillig sich zersetzende Menge von Wasserstoffsuperoxyd so klein ist, dass sie bei den unten beschriebenen Versuchen ausser Betracht fällt. Fügt man zu dem besagten HO,-haltigen Wasser nur so viel wirksame Hefe oder Emulsin (Mandelmilch), dass dadurch die Flüssigkeit etwas trübe wird, so hat letztere schon nach wenigen Minuten die Fähigkeit ver- loren, die erwähnten HO,-Reactionen hervorzubringen, was bei der geringen Menge des im Wasser vorhandenen Superoxydes (etwa 1/56609) nicht in Verwunderung setzen kann. Da nun nach meinen Beobachtungen die Fähigkeit der Fermente, Gährungen zu erregen, Hand in Hand gehet mit ihrem Vermögen, das Wasserstoffsuperoxyd — 11 — zu katalysiren und bekanntlich die Fermente ihre gäh- rungserregende Wirksamkeit bei der Siedhitze des Wassers verlieren, so folgt hieraus, dass die Hefe, einige Zeit mit Wasser aufgekocht, oder die bis zum Sieden erhitzte Mandelmilch auf das in dem besagten Wasser enthaltene HO, nicht mehr katalysirend einwirken kann. Liess ich so behandelte Hefe oder Mandelmilch mit dem HO,- haltigen Wasser Tage lang zusammen stehen, so vermochte Letzteres immer noch die Guajaktinctur wie auch den Jodkaliumkleister augenfälligst zu bläuen. Nach meinen Beobachtungen sind durch die ganze Pflanzen- und Thierwelt Materien verbreitet, gleich den . Fermenten mit dem Vermögen begabt, das Wasserstoff- superoxyd zu katalysiren, bei welchem Anlass ich nicht unerwähnt lassen will, dass diese Materien in Wasser löslich (wie das Emulsin) oder organisirt sein können (wie die Hefe und manche thierischen Gewebe). Hinsichtlich des Vorkommens solcher katalysirender Substanzen in der Pflanzenwelt haben meine Versuche gezeigt, dass sie keinem Pflanzensamen fehlen und darin in einem löslichen Zustande sich befinden, woher es kommt, dass die mit HO, übergossenen Samen in dieser Flüssigkeit eine ziemlich lebhafte Entbindung von Sauer- stoffgas verursachen. Beim Zusammenstossen der Samen (zu welchen Versuchen die Cerealien und namentlich gekeimte Gerste sich besonders gut eignen) erhält man Auszüge, welche, zu dem HO,-haltigen Wasser gefügt, das darin enthaltene Superoxyd rasch zerstören, diess aber nicht mehr thun, nachdem man sie nur kurze Zeit hatte aufsieden lassen, woraus erhellt, dass auch in dieser Hinsicht die katalysirenden Pflanzenstoffe den Fermenten vollkommen gleichen. Wie diess schon anderwärts von mir angegeben worden, enthalten auch noch andere Pflanzengebilde derartige Materien, unter welchen na- — 172 — mentlich die Pilze, Schwämme, Algen u. s. w. ganz besonders sich auszeichnen. Was das Vorkommen katalysirender Substanzen im Thierreiche betrifft, so haben meine frühern Versuche dargethan, dass den Blutkörperchen diese Wirksamkeit in einem hohen Grade zukommt, wesshalb sie auch rasch das wiederholt erwähnte HO,-haltige Wasser der Fähig- keit berauben, die Guajaktinctur und den Jodkaliumkleister zu bläuen. Bis jetzt habe ich noch kein Thier irgend einer Klasse untersucht, dem Substanzen gefehlt hätten, welche zer- setzend auf HO, einwirken, und es hat sich ergeben, dass an solchen Materien die niedern Thierklassen reich sind, wie z. B. die Insecten in ihren verschiedenen Bil- dungsstufen. Zerstampft man z. B. eine grössere Raupe oder einen Käfer mit 10—15 Grammen Wassers, so kata- lysirt die abfiltrirte Flüssigkeit das damit vermischte, etwas concentrirte Wasserstoffsuperoxyd in augenfälligster Weise, und ich habe mit einer zerquetschten Raupe 500 Gramme unseres HO,-haltigen Wassers in wenigen Mi- nuten des Superoxydes beraubt. Eine Seidenraupe, eben im Begriffe sich einzuspinnen, erwies sich besonders wirksam, und eine gewöhnliche Gartenschnecke mit ihrem 8 — 10- fachen Gewichte Wassers zusammengestampft, lieferte ein klares Filtrat, welches aus etwas concentrirtem HO, lebhaft Sauerstoffgas entband, wobei kaum nöthig sein dürfte, ausdrücklich zu bemerken, dass alle diese wäss- rigen Auszüge durch kurzes Aufkochen ihre katalysirende Wirksamkeit verlieren unter Ausscheidung eines eiweiss- artigen Gerinnsels. Alle die angeführten Thatsachen machen es so gut als gewiss, dass, wie keiner Pflanze, so auch keinem Thiere fermentartige, d. h. solche Materien mangeln, welche nach Art des Platins oder der Blutkörperchen das Wasserstoffsuperoxyd zu katalysiren vermügen, und dass somit hievon auch die mikroscopischen Gebilde pflanzlicher und thierischer Art keine Ausnahme von der Regel zeigen werden. Was die chemische Natur aller dieser fermentartigen Substanzen betrifft, so darf man sie als albuminos be- zeichnen; einmal, weil deren wässrige Lösungen in der Siedhitze sich trüben, und das dabei entstehende Gerinnsel in Essigsäure sich löst und durch Salpetersäure gelb gefärbt wird. Und dass auch die unlöslichen katalysi- renden Substanzen, wie z. B. der Blutfaserstoff, manche tbierischen Gewebe, die Hefe u. s. w. zu den Albuminaten gehören, ist eine bekannte Sache. Ich habe schon in frühern Mittheilungen auf die chemisch-physiologische Bedeutung der über die ganze Pflanzen- und Thierwelt sich erstreckenden Verbreitung katalysirender oder fermentartiger Materien aufmerksam gemacht und die Ansicht ausgesprochen, dass dieselben durch diese Wirksamkeit an den in den lebenden Or- ganismen unaufhörlich stattfindenden Stoffeswandlungen einen wesentlichen Theil haben und zwar so, dass die Einen dieser Materien eine Rolle spielen, vergleichbar derjenigen, welche in den Gährungserscheinungen den Fermenten beigemessen wird, und Andere, wie z. B. die Blutkörperchen, den atmosphärischen Sauerstoff zur che- mischen Thätigkeit anregen und dadurch Oxydations- wirkungen im Organismus einleiten. Es soll hier nicht ‚verschwiegen bleiben, dass, je weiter ich meine Unter- suchungen über das bezeichnete Erscheinungsgebiet aus- dehne, ich um so mehr in der seäusserten Ansicht bestärkt werde, wesshalb ich auch dafür halte, dass es im Interesse der gesammten Physiologie liege, den in dieser Mittheilung hervorgehobenen allgemeinen Thatsachen einige Aufmerk- samkeit zu schenken. — 14 — Da nach den obigen Angaben es höchst wahrscheinlich ist, dass auch die mikroscopischen Organismen das Wasser- stoffsuperoxyd zu katalysiren vermögen, d. h. fermentartige Materien enthalten, und wir jetzt im Stande sind, mit Hülfe der erwähnten Reagentien noch verschwindend kleine Mengen der genannten Sauerstoffverbindung nach- zuweisen, so dürfte namentlich die Guajaktinctur in Ver- bindung mit dem wässrigen Malzauszuge künftighin viel- leicht dazu benützt werden können, auf chemischem Wege die Anwesenheit solcher Organismen an ihrer katalytischen Wirksamkeit im Wasser zu erkennen, ein Untersuchungs- mittel, welches aus nahe liegenden Gründen sehr erwünscht sein müsste. Bei der chemischen Prüfung des Trinkwassers sucht man immer auch mit besonderer Sorgfalt dessen Gehalt an organischer Materie zu bestimmen, und findet sich hievon in demselben eine merkliche Menge vor, so ist man geneigt, solchem Wasser nachtheilige Wirkungen auf den Organismus zuzuschreiben. Da es viele sehr verschiedenartige organische Substanzen gibt, welche, selbst wenn reichlichst im Wasser enthalten, demselben doch keine gesundheitsschädliche Wirksamkeit ertheilen würden, so lässt sich auch aus dem blossen Vorkommen organischer Materien in einem Trinkwasser auf dessen Schädlichkeit noch kein sicherer Schluss ziehen. Ehe diess geschehen kann, muss vor Allem die Natur der organischen Substanz gekannt sein, und zwar muss man zunächst wissen, ob dieselbe fermentartig wirke, d. h. das Wasserstoffsuperoxyd zu zerlegen vermöge. Neuere Forschungen haben der Vermuthung Raum gegeben, dass gewisse mikroscopische Organismen Krank- heitsursachen werden können, und da jene höchst wahr- scheinlich ebenfalls katalysirend oder hefenartig wirken, so wäre es wohl möglich, dass durch dieses oder jenes — 175 — Trinkwasser derartige organische Gebilde in den Körper eingeführt und dadurch in demselben ungewöhnliche che- misch-physiologische Vorgänge, d. h. Krankheiten ver- ursacht würden. Es ist diess aber eine blosse Möglichkeit und keine Gewissheit; denn es könnte ein Wasser kata- lysirende Materien enthalten, ohne desshalb schädlich zu wirken, wie diess aus dem Umstande erhellt, dass wir häufig Pflanzengebilde im ungekochten Zustande, wie z. B. Obst, oder alten Käse, geniessen, ohne dass wir dadurch krank werden, obwohl dieselben nach meinen Versuchen Materien enthalten, welche das Wasserstoff- superoxyd ziemlich lebhaft zu katalysiren vermögen, sich also fermentartig verhalten. Wie bestimmte Gährungserscheinungen nur durch specifische Fermente verursacht werden können, so dürften auch eigenthümliche Krankheiten nur durch bestimmte Organismen, d. h. darin enthaltene specifische hefenartige Materien eingeleitet werden. Bei der Frage über die Schädlichkeit dieses oder jenes Trinkwassers lässt sich einstweilen nur so viel sagen, dass dasjenige, welches völlig frei von einer organischen katalysirenden Substanz ist, in gesundheitlicher Hinsicht mit grösserer Sicherheit genossen werden kann, als ein Wasser, das eine solche Materie enthält, und dass irgend ein Wasser, welches aufgekocht worden, keine Gährungserscheinungen im Organismus zu verursachen vermag, weil erfahrungsgemäss bei der Siedhitze des Wassers die hefenartige Wirksamkeit aller organischen Materien aufgehoben wird. Ich beabsichtige späterhin mit Hülfe der oben er- wähnten Reagentien die Einwirkung verschiedener Wässer auf das Wasserstoffsuperoxyd näher kennen zu lernen, will aber jetzt schon die Ergebnisse mittheilen, zu welchen mich einige über diesen Gegenstand vorläufig von mir angestellte Versuche geführt haben. Aus einer Cisterne genommenes klares Wasser, in welchem jedoch ziemlich viele Vibrionen sich erkennen liessen, wurde mit so viel HO, versetzt, dass es, durch Guajaktinetur milchig gemacht, beim Zufügen von Malzauszug noch deutlichst sich bläuete. Nach zwölfstündigem Stehen brachte das gleiche Wasser diese Reaction nicht mehr hervor, war also das darin vor- handene HO, verschwunden, während destillirtes Wasser, gleichzeitig mit derselben Menge von HO, vermischt, die Guajaktinctur noch immer zu bläuen vermochte. Liess ich das Cisternenwasser nur kurze Zeit aufkochen, so verhielt es sich zum Wasserstoffsuperoxyd wie das de- stillirte Wasser. Möglicher Weise könnte in dem ange- führten Versuche das Superoxyd dadurch zerstört worden sein, dass dessen sonst so leicht bewegliche Sauerstoff- hälfte auf das im Cisternenwasser vorhandene organische Material oxydirend eingewirkt hätte; es haben jedoch meine frühern Versuche schon gezeigt, dass HO, gegen viele leicht oxydirbare Materien unorganischer und or- ganischer Art, wie z. B. gegen den Phosphor, die phos- phorichte Säure, den Aether, Weingeist, die Pyrogallus- säure, die Kohlenhydrate, das frische Eiweiss u. s. w. chemisch unthätig sich verhalte, welcher Umstand allein schon es wenig wahrscheinlich macht, dass das Wasser- stoffsuperoxyd auf die organischen Materien des Cisternen- wassers oxydirend eingewirkt habe. Zu dem kommen aber noch die Ergebnisse der oben erwähnten Versuche, welche zeigen, dass die mit katalytischer Wirksamkeit begabten pflanzlichen und thierischen Materien nach kurzer Erhitzung- mit Wasser nicht mehr zersetzend auf HO, einwirken, obgleich sie desshalb nicht aufgehört haben, oxydirbar zu sein. Und eben so verstehet es sich von selbst, dass durch das blosse Aufkochen des Cisternen- wassers aus demselben das darin enthaltene organische Material nicht entfernt wird, welche Thatsachen zusammen- =. Mh es genommen wohl nicht daran zweifeln lassen, dass in unserm Versuche das Wasserstoffsuperoxyd durch Kata- lyse verschwunden sei und somit das Cisternenwasser eine fermentartige Materie enthalten habe. M. Ueber den thätigen Zustand der Hälfte des in dem Kupfer- oxyd enthaltenen Sauerstoffes und ein darauf beruhendes höchst empfindliches Reagens auf die Blausäure und die löslichen Cyanmetalle, Bekanntlich ist es eine charakteristische Eigenschaft des ozonisirten Sauerstoffes als solcher mit dem Guajak eine tiefblaue Verbindung einzugehen, was in der Regel selbst-dann geschieht, wenn derselbe im gebundenen Zustande sich befindet, wie er z.B. zu Fünfsiebentel in der Uebermangansäure oder zur Hälfte im Bleisuperoxyd u. s. w. vorhanden ist. Was nun das Kupferoxyd betrifft, so vermag es für sich allein die Guajaktinctur nicht zu bläuen, d. h. thätigen Sauerstoff an das Harz abzutreten, wohl aber das an schwächere Säure z. B. Essig- und Ameisensäure gebundene Oxyd in ähnlicher Weise wie diess die löslichen Eisenoxydsalze thun. Eben so bekannt ist, dass unter geeigneten Umständen das Kupferoxyd die Hälfte seines Sauerstoffes an oxydirbare Materien, z. B. an Traubenzucker leicht abgibt und zu Oxydul reducirt wird, woraus erhellt, dass diese Sauerstoffhälfte. beweglicher oder thätiger als diejenige ist, welche mit dem Kupfer das Oxydul bildet. Diese Thatsachen liessen mich daher schon längst das Kupferoxyd zu den Sauer- stoffverbindungen zählen, welche ich als Ozonide bezeichne. Meines Wissens hat Pagenstecher zuerst darauf auf- = TB = merksam gemacht, dass die blausäurehaltige Guajak- tinctur durch die Kupfersalzlösungen gebläuet wird, ohne jedoch den Grund dieser Färbung anzugeben, was zu seiner Zeit auch nicht möglich gewesen wäre, weil man damals die eigenthümlichen Beziehungen des Gua- jaks zum Sauerstoff noch nicht genau kannte. Nach meinem Dafürhalten beruhet die fragliche Bläuung eben- falls auf dem beweglichen thätigen Zustande der Hälfte des im Kupferoxyd enthaltenen Sauerstoffes, der unter geeigneten Umständen auch auf das Guajak sich über- führen lässt, wie diess weiter unten gezeigt werden soll. Man nimmt drei Verbindungen des Kupfers mit Cyan an: Kupfereyanür Cu, Cy, Cyanid CuCy und Cyanür- Cyanid Cu, Cy, CuCy, von welchen beiden Letztern meine Versuche gezeigt haben, dass sie die Guajak- tinctur sofort auf das tiefste bläuen, wie dieselben auch mit Wasser behandelt farblose Lösungen liefern, welche die gleiche Reaction in augenfälligster Weise hervor- bringen und durch schweflichte Säure milchig werden in Folge der Ausscheidung von Kupfercyanür, woraus er- hellt, dass diese Verbindungen obwohl spärlich doch noch in merklicher Menge in Wasser löslich sind. Solche bläuende Flüssigkeiten erhält man auch beim Behandeln des wasserfreien und hydratirten Kupferoxydes wie auch der löslichen und unlöslichen Kupfersalze mit wässriger Blausäure. Dass die Blausäure mit Kupferoxyd- hydratund dem kohlensaurenOxyd Cyanür-Cyanid erzeugt, hat schon Wöhler gezeigt, welche Verbindung auch bei der Einwirkung der gleichen Säure auf die übrigen Kupfer- salze gebildet wird, wesshalb wohl angenommen werden darf, dass die Bläuung der Guajaktinctur mittelst Cyan- wasserstoffes und eines Kupfersalzes immer durch das Cyanid allein bewirkt werde, da das reine Kupfercyanür diese Wirkung nicht hervorzubringen vermag. Der so Pa tiefen Färbung des Guajakozonides halber lässt sich daher das Guajak zur Nachweisung äusserst kleiner Men- gen sowohl des Cyanwasserstoffes als des Kupferoxyds benutzen, was schon von Pagenstecher angedeutet wor- den ist; und wie ausserordentlich gross die Empfindlichkeit des Harzes, in Verbindung mit einem Kupfersalze ange- wendet, gegen die Blausäure sei, wird man aus den nachstehenden Angaben abnehmen können. Filtrirpapier mit frisch bereiteter Guajaktinctur!) von 3°, Harzgehalt getränkt und nach dem Verdunsten des Weingeistes mit Wasser benetzt, das ein Zweitausendstel Kupfervitriol enthält, bläuete sich augenfälligst, bei Ein- führung in einen 46 Liter grossen Ballon, in welchen man vorher einen einzigen Tropfen wässriger Blausäure von 1°/, HCy-Gehalt hatte fallen lassen. Ein erbsengrosses Stückchen Cyankaliums in eine lufthaltige 20 Liter fassende Flasche gebracht, entwickelt schon im Laufe weniger Minuten genug Blausäure, um mit der verdünnten Kupferlösung benetztes Guajakpapier unverweilt zu bläuen. Eben so lässt sich mit diesem Reagenspapier zeigen, dass beim Zusammenbringen des Amygdalins mit Emulsin die Umsetzung des Erstern in D) Da nach meinen neuern Versuchen selbst die von Luft voll- kommenabgeschlossene Guajaktinctur im Licht die Eigenschaft verliert, durch den ozonisirten Sauerstoff gebläuet zu werden, so muss dieselbe im frischen Zustande angewendet werden, wenn sie den höchsten Grad von Empfindlichkeit gegen die Blausäure besitzen soll. Eine Tinctur von 1° Harzgehalt wird nach 5—6stündiger Einwirkung des un- mittelbaren Sonnenlichtes weder von Kupferlösung mit Blausäure noch von irgend einem andern oxydirenden Agens mehr gebläuet, Da selbstverständlich auch das zerstreute Licht die gleiche Wirkung ob- wohl langsamer auf die Harzlösung hervorbringt, so muss dieselbe im Dunkeln aufbewahrt werden, wenn sie ihre volle Empfindlichkeit als Reagens auf die Blausäure beibehalten soll, wobei es gleichgültig ist, ob die Tinctur mit Luft in Berührung steht oder nicht. — 180 — Blausäure u. s. w. schon bei gewöhnlicher Temperatur sofort beginne, zu welchem Behufe man einige Milli- gramme des Glucosides mit einigen Tropfen Mandelmilch auf ein Uhrschälchen bringt und auf dasselbe ein gleiches Gläschen legt, an dessen Innenseite ein Streifen des mit der verdünnten Kupferlösung befeuchteten Guajakpapiers haftet, unter welchen Umständen das Letztere rasch ge- bläuet wird; in noch einfacherer Weise lässt sich der gleiche Versuch so anstellen, dass man auf das Reagens- papier selbst Amygdalin und einen Tropfen Mandelmilch bringt. Das gleiche Reagenspapier über unverletzte (in einem Gefäss eingeschlossene) bittere Mandeln, Pfrsich-, Apri- kosen-, Kirsch-, Pflaumen- und Apfelkerne oder frische Kirschlorbeerblätter aufgehangen, bleibt ungefärbt zum Beweise, dass in diesen Pflanzengebilden noch keine Blausäure vorhanden ist; werden dieselben aber zer- quetscht oder auch nur zerschnitten, so entbindet sich in dem Gefässe bald so viel Blausäuredampf, dass das Reagenspapier dadurch augenfälligst gebläuet wird. Aus diesen Angaben erhellt, dass das mit der Kupferlösung benetzte Guajakpapier auch als mittelbares höchst em- pfindliches Reagens auf das Amygdalin benützt werden kann, mit dessen Hülfe dieses Glucosid leicht da sich entdecken lässt, wo es bisher seiner geringen Menge halber noch nicht aufgefunden werden konnte. Nach diesen Angaben braucht kaum noch bemerkt zu werden, dass mittelst der Guajaktinctur und der ver- dünnten Kupfervitriollösung auch noch winzigste Mengen gelöster Blausäure sich erkennen lassen. Wasser z. B., welches 1/60060 HCy enthält, mit dem gleichen Volumen einer Guajaktinctur von 1%, Harzgehalt vermischt, wird durch die Kupfervitriollösung tief gebläuet, ja augen- fälligst noch Wasser, das nur ein Halbmilliontel Blau- — Job. säure enthält. Wird Wasser von einem Zweimilliontel Säuregehalt durch Guajaktinctur etwas milchig ge- macht, so bläuet sich dasselbe beim Zufügen einiger Tropfen der verdünnten Kupferlösung noch deutlich, und kaum ist nöthig noch beizufügen, dass die oben erwähnten amygdalinhaltigen und zerquetschten Pflanzen- gebilde, mit einigem Wasser übergossen, sofort eine die kupfersalzhaltige Guajaktinctur tiefbläuende Flüssig- keit liefern. Es fragt sich nun, wie das Kupfereyanid die Guajak- tinctur bläue. Werden das Kupfercyanür-Cyanid und das Cyanid als Hydrate betrachtet, so muss man zur Erklärung der Bläuung der Harzlösung annehmen, dass ein Theil des Cyans dieser Verbindungen mit dem Wasserstoff des vorhandenen Wassers zu Blausäure sich verbinde, und der dadurch frei gewordene Sauerstoff zum Harze trete, um das blaue Guajakozonid zu bilden, gemäss der Gleichung 2 Cu Cy + 2 HO + Guajak = Cu Cy + HCy + HO + O — Guajak. Da für mich aus verschiedenen Grün- den eine solche Wasserzersetzung wenig wahrscheinlich ist, und weder das Kupfercyanür-Cyanid noch das Cyanid für sich bestehet, so bin ich geneigt anzunehmen, dass die sogenannten Hydrate dieser Verbindungen blausaures Kupferoxyd oder Kupferoxyduloxyd seien, welche bei Gegenwart von Guajak in Kupfercyanür, Blausäure, Wasser und Guajakozonid sich umsetzen, so dass also der zur Bildung der letztern Verbindung nöthige active Sauer- stoff aus dem Kupferoxyd und nicht aus dem Wasser stammte. Thatsache ist, dass heim Uebergiessen des Cyanür-Cyanids mit conzentrirter Guajaktinetur unter augenblicklicher Bläuung dieser Flüssigkeit sofort Blau- säure auftritt, welche schon durch den Geruch aber auch an der Bläuung des mit verdünnter Kupferlösung be- netzten Guajakpapieres sich erkennen lässt. Zu Gunsten — 182 — der Annahme, dass in dem besagten Cyanür-Cyanid und Cyanid Blausäure enthalten ist, scheint mir auch die Thatsache zu sprechen, dass das über diesen Verbindun- gen aufgehangene kupfersalzhaltige Guajakpapier selbst bei gewöhnlicher Temperatur ziemlich bald sich bläuet, woraus erhellt, dass aus demselben einige Blausäure sich entbindet, wobei ich bemerken will, dass das blausaure freie Cyangas diese Wirkung nicht hervorbringt. Alle die angeführten Thatsachen zeigen, dass das Guajak in Verbindung mit einem Kupfersalz ein wenigstens eben so empfindliches Reagens auf die Blausäure ist, als die Blutkörperchen vereint mit Wasserstoffsuperoxyd, vor welchen es seiner leichten Anwendbarkeit wegen noch den Vorzug verdient. Dass auch die alkalischen Cyanmetalle in Verbindung mit einem löslichen Kupfersalze die Guajaklösung bläuen, versteht sich von selbst, und ich finde, dass Wasser, wel- ches nur ein Milliontel Cyankaliums enthält, beim Zufügen verdünnter Kupfervitriollösung die Tinctur noch deutlich bläuet. Da der freie und in der Regel auch schon der ge- bundene ozonisirte Sauerstoff aus dem Jodkalium Jod frei macht. so werden in der Regel der jodkaliumhaltige Stärkekleister und die Guajaktinctur unter den gleichen Umständen gebläuet. Ist es nun der im Kupferoxyd ent- haltene thätige Sauerstoff, welcher bei Anwesenheit von Blausäure die Guajaktinctur bläuet, so sollte derselbe unter den geeigneten Umständen die gleiche Wirkung auch auf den besagten Kleister hervorbringen. Das Kupferoxyd für sich allein vermag den Letztern eben so wenig als die Guajaktinctur zu bläuen, bekannt ist aber, dass das schwefelsaure Kupferoxyd unter Bildung von Kupferjodür und Ausscheidung von Jod das Jodkalium zersetzt und desshalb den Jodkaliumkleister bläuet. Diess — 185 — thut indess nur die concentrirtere Lüsung dieses Metall- salzes, die verdünntere aber entweder gar nicht mehr oder nur langsam. So z. B. wird Wasser, das ein Tau- sendstel Jodkaliums nebst einigem Stärkekleister enthält, durch Kupfervitriollösung von 1/, °/, Salzgehalt nicht mehr gebläuet. Ein Gemisch aus zehn Grammen des genannten Kleisters und einem Gramm der besagten Kupferlösung wird jedoch durch einige Tropfen wässriger Blausäure von 1 °/; HCy-Gehalt augenblicklich tief gebläuet, was auffallender Weise nicht mehr geschieht, wenn man das gleiche Gemisch vor dem Zufügen der Blausäure noch mit einigen Raumtheilen Wassers verdünnt. In ähnlicher Weise verhalten sich auch die übrigen löslichen Kupfer- salze. Aus diesen Angaben erhellt somit, dass der Jod- kaliumkleister zur Ermittlung der gelösten Blausäure viel weniger gut als die Guajaktinctur sich eignet; dagegen lassen sich mit Hülfe jenes Reagens noch verschwindend kleine Mengen der dampfförmigen Säure bei folgendem Verfahren nachweisen. Ein trockener Streifen jodkalium- haltiges Stärkepapier (mittelst eines aus 1 Theil Jod- kaliums, 10 Theilen Stärke und 200 Theilen Wassers bestehenden Kleisters bereitet) mit einer Kupfervitriol- lösung von '/, °/) Salzgehalt benetzt, bläuet sich rasch beim Einführen in eine 20 Liter grosse Flasche, in welche man vorher einen Tropfen wässriger Blausäure von der oben angegebenen Stärke hatte fallen lassen, wobei je- doch zu bemerken ist, dass bei längerem Verweilen des Reagenspapieres in dem Gefäss die blaue Färbung wieder verschwindet in Folge der Umsetzung des Jodes der entstandenen Jodstärke mit noch vorhandener Blausäure in Jodeyan und Jodwasserstoff. Dieses Verhaltens des Jodes zur Blausätrö und der tiefblauen Färbung der Jodstärke halber kann letztere auch als höchst empfindliches Reagens auf den Cyan- — 184 — wasserstoff dienen, von welchem sich mit dessen Hülfe nach meinen Versuchen noch ein Zweimilliontel im Wasser nachweisen lässt, ohne dass damit schon die Grenze der Empfindlichkeit erreicht wäre. Zu derarti- gen Versuchen bereite ich mir die wässrige Jodstärke so, dass ein Theil Stärke mit 500 Theilen Wassers kurz aufgekocht, dann filtrirt und zu der durchgelaufenen er- kalteten Flüssigkeit Jodwasser gefügt wird; da die ge- sättigte wässrige Jodlösung selbst schon ziemlich stark gefärbt ist, und grosse Mengen derselben durch verhält- nissmässig kleine Quantitäten Blausäure entfärbt werden, so kann sie schon für sich allein als sehr empfindliches Reagens auf diese Säure benützt werden. Schliesslich noch eine Bemerkung über die spontane Zersetzbarkeit der Blausäure. Da dieselbe besonders im wasserfreien Zustand als eine leicht von selbst zersetz- bare Verbindung gilt, so interessirte es mich, mit Hülfe des kupfersalzhaltigen Guajakpapieres zu ermitteln, ob das Licht in Verbindung mit atm. Sauerstoff zerstörend auf die dampfförmige Cyanwasserstoffsäure einwirke. Zu diesem Behufe liess ich einen Tropfen der wässrigen Säure von 1 °/, HCy-Gehalt in eine 10 Liter fassende lufthaltige Flasche fallen, letztere wohl verschlossen einige Monate hindurch der Einwirkung des zerstreuten und unmittelbaren Sonnenlichtes aussetzend. Nach dieser langen Zeit vermochte der Luftgehalt das Reagens immer noch eben so rasch wie anfänglich zu bläuen, woraus erhellt, dass unter den erwähnten Umständen keine Zer- setzung der Blausäure stattgefunden. IL. Ueber das Vorkommen des Wasserstoffsuperoxydes in der Atmosphäre, Da nach meinen Beobachtungen bei so vielen in der atmosphärischen Luft stattfindenden langsamen Oxyda- tionen unorganischer und organischer Materien Wasser- stoffsuperoxyd erzeugt wird, so lässt sich in Betracht der Verdampfbarkeit dieser Verbindung kaum daran zweifeln, dass hievon auch ein Theil in die Atmosphäre selange, wie es für mich auch sehr wahrscheinlich ist, dass in Folge der in ihr fortwährend stattfindenden elec- trischen Entladungen wie einiger Sauerstoff ozonisirt, so auch Wasserstoffsuperoxyd gebildet wird. Ich habe mich desshalb schon seit Jahren bemühet in dem Regen- wasser das besagte Superoxyd aufzufinden, ohne dass diess aber gelungen wäre, obwohl mir zu diesem Behufe sehr empfindliche Reagentien zu Gebote standen. Aus diesen negativen Ergebnissen schloss ich jedoch keines- wegs auf die Abwesenheit von HO, in der atmosphärischen Luft, sondern erklärte mir dieselben aus der immer noch zu geringen Empfindlichkeit meiner Reagentien d.h. aus den äusserst kleinen Mengen des in der Atmosphäre vorhandenen Superoxydes.!) D) Schon im Jahre 1863 wurde durch G. Meissner in Göttingen die Anwesenheit des Wasserstoffsuperoxydes im frisch aufgefangenen : Gewitterregenwasser durch verschiedene Reagentien nachgewiesen. Diese Thatsache war ohne Zweifel Schönbein nicht bekannt. Wie wenig dieselbe auch von andern Seiten berücksichtigt wurde, beweist der Umstand, dass irn Jahre 1868 Houzeau der Pariser Akademie eine Abhandlung vorlegte um zu zeigen, dass mit den gewöhnlichen Reagentien das Wasserstoffsuperoxyd im Regenwasser nicht nachzu- weisen sei. (Götting. Nachr. 1863. pag. 264. Comp. Rend. LX VI. 314.) Ed. Hagenbach. 13 — 16 — Nachdem ich die Guajaktinctur in Verbindung mit dem wässrigen Malzauszug als dasjenige HO,-Reagens kennen gelernt hatte, welches alle bisherigen an Empfind- lichkeit weit übertrifft, nahm ich meine früheren Unter- suchungen über diesen Gegenstand wieder auf und ge- langte zu Ergebnissen, welche mich nicht im geringsten daran zweifeln lassen, dass das Wasserstoffsuperoxyd einen wohl nie fehlenden wenn auch äusserst kleinen Bestandtheil der atmosphärischen Luft bilde. Ist aber in Letzterer wirklich dieses Superoxyd enthalten, so muss es seiner Löslichkeit halber auch im Regenwasser sich vorfinden, und, wie aus den nachstehenden Angaben erhellen wird, ist diess in der That der Fall. Am 21. Juni dieses Jahres (1868) entdeckte ich zum ersten Mal das Vorkommen von HO, im Regenwasser, an welchem Tage wir in Basel ein heftiges Gewitter hatten, verbunden mit einem starken Regenfalle. Ein halbes Liter des anfänglich fallenden und im Freien mit Sorgfalt gesammelten Wassers, durch Guajaktinctur etwas milchig gemacht, bläuete sich beim Zufügen wässrigen Malzauszuges ziemlich rasch auf das Augenfälligste, wäh- rend selbstverständlich das destillirte Wasser diese so spezifische HO,-Reaction nicht hervorbrachte. Es wurde derselbe Versuch mit andern Portionen des besagten Regenwassers gemacht und immer das gleiche Ergebniss erhalten. Die zweite Versuchsreihe stellte ich am 5. Juli an, an welchem Tage ebenfalls ein reichlicher Regen bei ge- witterhafter Beschaffenheit der Atmosphäre fiel, und auch in diesem Falle zeigte das aufgefangene Wasser die HO;- Reactionen wieder in deutlichster Weise. Seither habe ich das Wasser jedes eintretenden Regens mit dem er- wähnten Reagens geprüft und damit immer die augen- fälligsten HO,-Reactionen erhalten, wobei ich nicht unbe- — 187 — merkt lassen will, dass das später fallende Wasser schwä- cher als das zu Anfang des Regens gesammelte reagirte. Da nach meinen Erfahrungen selbst das noch so stark mit Wasser verdünnte HO, freiwillig sich zersetzt, so kann die Thatsache, dass frisch gefallenes Regenwasser, wel- ches die HO,-Reaction auf das augenfälligste zeigt, nach 24stündigem Stehen dieselbe nicht mehr hervorbringt, um so weniger auffallen, als die Menge des darin vor- handenen Superoxydes immer nur eine äusserst kleine ist. Die Frage, ob die durch das Regenwasser verur- sachte Bläuung des Guajaks möglicher Weise nicht auch von etwas anderm als dem atmosphärischen Wasserstoff- superoxyd herrühren könnte, beantworte ich ohne alles Bedenken im verneinenden Sinne und zwar aus folgenden einfachen Gründen. Destillirtes Wasser, mit winzigen Mengen von HO, versetzt, ahmt das fragliche Regenwasser in jeder Hinsicht vollkommen nach: die beiden Wasser verlieren durch Beimengung kleiner Mengen unorganischer und organischer das HO, katalysirender Materien (Pla- tinmohr, Kohle, Hefe u. s. w.) beinahe augenblicklich ihre Fähigkeit unter der Mitwirkung des Malzauszuges das Guajak zu bläuen, wie auch erwähnter Maassen beide Wasser dieses Bläuungsvermögen von selbst einbüssen. Da nur durch das Wasserstoffsuperoxyd allein das de- stillirte Wasser dem Regenwasser in den erwähnten Beziehungen gleich gemacht werden kann, so darf man, wie ich glaube, hieraus mit voller Sicherheit schliessen, dass auch Letzteres seine positiven wie negativen Eigen- schaften einem kleinen Gehalt von HO, verdanke. Ich halte es für wahrscheinlich, dass der Gehalt der Atmo- sphärean HO, zu verschiedenen Zeiten ein verschiedener sei und bin geneigt zu vermuthen, dass der Hauptgrund einer solchen Veränderlichkeit in der Ungleichheit der Stärke der electrischen Entladungen liege, welche zu — 188 — verschiedenen Zeiten in der Luft Platz greifen; denn wenn auch ein Theil des atmosphärischen Wasserstoff- superoxydes von den zahlreichen auf der Erdoberfläche stattfindenden langsamen Oxydationen herrühren kann, so verdankt doch höchst wahrscheinlich der grössere Theil desselben (gleich dem atm. Ozon) seine Entstehung den besagten electrischen Vorgängen, und da diese bald stärker bald schwächer sind, so muss bei der Richtigkeit meiner Vermuthung auch der Gehalt der Luft wie an Ozon so auch an HO, mit der wechselnden Stärke jener Entladungen gleichen Schritt halten. Wie man leicht begreift, stützt sich die ausgesprochene Ansicht auf meine alte Annahme, dass der gewöhnliche oder neutrale Sauerstoff unter gegebenen Umständen in zwei thätige Gegensätze auseinander gehe, chemisch po- larisirt werde, oder in Ozon und Antozon gleichsam sich spalte. Bekanntlich tritt bei der Volta’schen Zersetzung des Wassers an der positiven Electrode neben dem Ozon auch Wasserstoffsuperoxyd auf, wie das gleiche eben- falls bei der langsamen Verbrennung des Phosphors ge- schiehet, und dass dieses Superoxyd bei der langsamen Oxydation vieler andern unorganischen und organischen Materien gebildet wird, haben meine neuern Mittheilungen zur Genüge dargethan. Ich bin desshalb schon längst der Ansicht, dass unter dem Einfluss electrischer Ent- ladungen derneutrale Sauerstoff der Atmosphäre chemisch polarisirt werde, und das dabei auftretende Antozon (Œ) mit dem in der Luft vorhandenen Wasser zu Wasser- stoffsuperoxyd (HO + ©) sich vereinige in der gleichen Weise wie das im Wölsendorfer Flussstoff vorhandene & direkt mit dem Wasser zu dem besagten Superoxyd sich verbinden lässt, während erfahrungsgemäss das Ozon (©) diese Verbindung nicht einzugehen vermag. Wie dem aber auch immer sein möge, so ist das — 19 — gleichzeitige Vorkommen des Wasserstoffsuperoxydes und des Ozons in der atmosphärischen Luft eine Thatsache, welche mir eben so merkwürdig als wichtig zu sein scheint. Dass das atmosphärische Ozon seines eminent oxydirenden Vermögens halber wesentlich dazu beitrage die fortwährend in die Luft tretenden, aus der Fäulniss organischer Ma- terien entspringenden Miasmen zu zerstören, ist eine schon längst von mir ausgesprochene Ansicht. Es lässt sich nun nicht daran zweifeln, dass auch das im Regenwasser enthaltene Wasserstoffsuperoxyd trotz seiner geringen Menge doch gewisse Wirkungen hervorbringe, und ist denkbar, dass dasselbe namentlich auf die Vegetation einen begünstigenden Einfluss ausübe. So viel steht jedenfalls fest, dass alle in der Atmosphäre unaufhörlich statt- findenden Vorgänge ein allgemeines Interesse haben, be- sonders dann, wenn sie sich auf den Sauerstoff und das Wasser beziehen, welche im irdischen Haushalte der Natur eine so weit umfassende und tiefgreifende Rolle spielen. EPST Notiz über die Luft im Wasser der Grellinger Leitung von Ed. Hagenbach. Das Wasser der Grellinger Leitung zeigt die Eigen- schaft gleich beim Ausfliessen aus dem Hahn zu perlen und eine ziemliche Menge von Luft zu entwickeln. Man kann sich sehr leicht davon überzeugen, dass diese Luft nicht mechanisch mitgerissen wurde, sondern vorher im Wasser gelöst war, wenn man die Ausflussöffnung unter Wasser taucht und so das Mitreissen von äusserer Luft unmöglich macht; auch unter diesen Umständen findet die Gasentwicklung auf ganz gleiche Weise statt. Die Luft wird wohl ohne Zweifel im Bassin auf dem Bruder- holz hineingeschlürft, da sie sich nicht zeigt, wenn die Grellinger Leitung mit Ausschluss des Bassins direct mit der Stadt-Leitung in Verbindung gesetzt wird; die mit- gerissene Luft löst sich dann in Folge des bedeutenden Druckes im Wasser auf; beim Ausfluss wird sie selbst- verständlich durch die eintretende Druckverminderung wieder frei. Drei zu verschiedenen Zeiten ziemlich ober- flächlich ausgeführte Versuche ergaben folgende Mengen von frei gewordener Luft in Volumentheilen der Flüssig- keitsmenge: I. 0.035. II. 0.024. III. 0.028. — 191 — Da das übrig gebliebene Wasser jedenfalls noch mit Luft unter gewöhnlichem Drucke gesättigt blieb, und das - Wasser bei einer Temperatur von circa 15° C. 0.018 Volumentheile atmosphärischer Luft löst, so enthielt das untersuchte Wasser etwa 5 Procent Volumentheile Luft, was einer Sättigung bei einem Druck von gegen drei Atmosphären entspricht. Da der Druck in der Leitung wohl immer mehr als 3 Atmosphären beträgt, so ist da- durch die Annahme der Lösung der Luft vollkommen gerechtfertigt. LL LL LÉ Bericht über einige Blitzschläge Ed. Hagenbach. TS Am 10. Mai 1868 schlug der Blitz in die Gottes- ackermauer auf dem Kannenfeld. Die nürdliche Mauer, merkwürdiger Weise die einzige, die keine eisernen Staketen trägt, wurde an sechs Stellen, von welchen je zwei senkrecht über einander liegen, durchbohrt. An einigen Orten ging der Blitz direct unter den steinernen Deckeln durch und entfernte den Kitt. Auf der innern Seite ist die Anzahl der Löcher grösser, indem zuweilen einem Loch aussen zwei innen entsprechen; dafür ist auf der äussern Seite die Fuge zwischen Deckel und Mauer mehr zerstört. Auf der innern Seite der Mauer befand sich zu der Zeit des Schlages auf eine Länge von circa 64 Fuss ein 8 Fuss tiefer Graben; nur so weit der Graben ging. zeigten sich die Löcher in der Mauer. Es lässt diess der Vermuthung Raum, dass das Wasser, welches sich in Folge des Regens im Graben angesammelt hatte, bei der so eigenthümlich gerichteten Entladung eine Rolle spielte. Am 21. Juni 1868 entlud sich der Blitz in ein kleines Gartenhäuschen (Cabinetchen) in dem Klybeekgarten bei Kleinhüningen. Im Häuschen befanden sich 4 Personen (1 Knecht und 3 Mägde), von welchen keine verletzt wurde; nur der Knecht verspürte eine vorübergehende Lähmung. Der Blitz traf die Spitze des metallenen Sterns auf dem Cabinetchen, und dieselbe zeigt deutliche Spuren der Schmelzung. Von hier theilte sich die Entladung und folgte beiderseits auf den Kanten dés Daches dem Eisenblech, durchbohrte an zwei Stellen — 193 — das Dach und ging dann zu beiden Seiten längs den Kanten des Häuschens nach dem Boden. Auf der west- lichen Seite diente zum Uebergang an den Boden ein grosser Nagel; auf der östlichen Seite wurden einige kleine Platten aus gebrannter Erde zerschlagen. Die Leitung auf der westlichen Seite war vermittelt durch die Brause einer Spritzkanne, welche Spuren von Schmel- zung trägt. Auf der östlichen Seite wurde eine Leiste aus Tannenholz in viele Splitter auseinander getrieben. Der Schlag, welcher das Häuschen traf, war jedenfalls nur schwach; es ist möglich, dass sich der Blitz theilte, und dass die Hauptentladung durch den Blitzableiter des Wohngebäudes ging. Den 10. Juli 1868 schlug der Blitz in das Haus des Seb. Knöchel in Kleinhüningen. Die Blitz- wirkungen in der Küche boten einiges Interesse dar. Eine Anzahl metallene Gegenstände, wie Lichtstöcke, Messer, Pfannen, zeigten deutliche Spuren der Schmelzung. Der Blitz sprang offenbar von einem Gegenstande zum andern über, und die Stelle des Uebersprunges war jedes Mal durch eine locale Schmelzung gekennzeichnet. Bei einem Blitzschlage, der am 11. August 1868 eme Eiche in der Nähe von Luzern an der Strasse nach Adligenschwyl traf, zeigte sich der auf den ersten Anblick etwas auffällige Umstand, dass die Bahn des Blitzes, welche durch herausgesprengte Spähne gekennzeichnet war, spiralförmig um den Baum herumlief. Die nähere Untersuchung ergab, dass die Spirale genau dem Verlauf der Fasern in dem Stamme entsprach, welcher, wie diess ja so häufig vorkommt, eine bedeutende Drehung hatte. Auch hier war also, wie diess gewöhnlich ge- schieht, dem Blitze der geringste Widerstand für die Wahl des Weges massgebend. GEOLOGLE. Ueber die Umgebungen des Crispalt Prof. Alb. Müller. (Sitzungen vom 18. Novbr. und 2. Dezbr. 1868.) In meinen frühern Mittheilungen über die krystalli- nischen Gesteine des Maderaner-, Etzli- und Fellithales!) hatte ich den Schichtenbau und die Gesteinsbeschaffen- heit der Umgebungen des Bristenstocks, Weitenalpstocks und Oberalpstocks geschildert, welche auf der rechten Seite des Reussthales dem grossen Centralmassiv des Finsteraarhorns und zwar dem östlichen Ende der nörd- lichen Flanke desselben angehören. Diesen Sommer hatte ich Gelegenheit die südliche Flanke dieses östlichen Endes des Finsteraarhorn-Massivs zu untersuchen, besonders die Umgebungen des Crispalt mit den nach Süden gegen das Vorderrheinthal aus- mündenden Seitenthälern, namentlich Val de Val, Val Giuf, Val Mila und Val Strim nebst den dem Oberalp- pass zunächst liegenden Vorhügeln. 1. Die Schichtenstellung. Wie der Montblanc und der St. Gotthardt, so sollte auch, der gewöhnlichen Annahme zufolge, das Massiv des Finsteraarhorns, das gleichfalls vorherrschend aus granitischen und schiefrigen krystallinischen Gesteinen ‘) Siehe diese Verhandlungen Band 4, Heft 2, Seite 355 und Heft 3, Seite 559. = 1e besteht, dieselbe regelmässige Fächerstructur darbieten, in der Weise, dass wir auf der Nordflanke steil süd- fallenden, auf der Südseite nordfallenden, und in der Mitte nahezu vertikalen Schichten begegnen, und hiemit die Schichten von beiden Seiten her steil gegen das Centrum oder die Achse des Gebirges einfallen würden. So regelmässig auch der Schichtenbau auf der Nord- flanke, vom Maderanerthale aufwärts, ausgebildet er- scheint, so wenig entspricht die Südflanke dieser regel- mässigen Fächerstellung, die hier einen entschiedenen Nordfall voraussetzt. Statt dessen finden wir, dass auch auf der Südflanke die Schichten beharrlich einen steilen, zwischen 75 und 85° schwankenden Südfall einhalten, und nirgends in die Gegenstellung umschlagen, Die oben genannten Thäler: Val, Giuf, Mila, Strim u. s. w., welche von der Crispalt- kette nach Süden auslaufen und unsere Schichtenfächer quer durchschneiden, haben uns den Schichtenbau in anschaulicher Weise blosgelegt. Ueberall erblicken wir nur Südfall. Eine einzige Ausnahme macht die linke oder östliche Thalseite des Val Mila, welche schon ziemlich weit oben, im Hintergrunde des Thales, deutlichen Nordfall unter einem Winkel von nahezu 70° darbietet, während die südliche Fortsetzung derselben Thalwand, dem Hinter- grund des Thales zu, den gewöhnlichen steilen Südfall zeigt. An der Stelle, wo die Schichten von dem vor- herrschenden Südfall in den Nordfall umschlagen, erblicken wir auf der Grathöhe eine merkliche Depression, welcher wahrscheinlich eine Spalte entspricht, von der aus eine Senkung des südlich fortsetzenden Gebirgstheiles nach dem Hauptihal, Tavetsch, wohl in Folge der Auswaschung desselben, stattgefunden hat. Durch diese spätere Senkung wurde der ursprüngliche steile Südfall in Nordfall um- — 196 — gewandelt. Wie in Val Mila, so zeigen auch in den andern Querthälern die beiden Thalseiten nicht überall dieselbe Neigung und Beschaffenheit der Schichten. Verfolgen wir den Ausgang der genannten Thäler und Seitengräte, welche sich von der Hauptkette des Crispalt und Piz Giuf nach Süden, gegen das Vorder- rheinthal, abzweigen, so sehen wir noch an manchen Stellen die südlichen Endstücke dieser seitlichen Aus- läufer mit abweichenden, unter verschiedenen Winkeln gegen Nord geneigten Schichtenstellungen, die ohne Zweifel aus einer spätern, durch Erosion bewirkten Ab- rutschung gegen das Hauptthal hervorgegangen sind. Sie bilden dann mit den Schuttmassen mehr oder minder sanft abgerundete Vorhügel, welche, nahe der obern Waldgrenze liegend, mit schönen Waiden bedeckt und durch zahlreiche Gruppen von Sommerhütten belebt sind. Achnliche, aus denselben Abrutschungen hervorge- gangene Schichtenstörungen, die leicht zu irrigen An- sichten über den Schichtenbau des ganzen Gebirges verleiten könnten, finden wir an der neuen Strasse über die Oberalp. Auch der St. Gotthardt zeigt, meinen Untersuchungen zufolge, wenigstens auf der Nordseite, zwischen Ursern und dem Hospiz, nicht die regelmässige, nach dem Centrum zu immer steiler werdende Fächerstellung, die man nach manchen publicirten Idealprofilen erwarten sollte. Statt eines constanten Südfalles finden wir, wenigstens in der Nähe des Hospizes, ein öfteres Schwanken der Schichten- neigung, so dass die Schichten bald steil südlich, bald steil nach Norden einfallen, ohne dass irgendwie eine Regelmässigkeit dabei zu bemerken ist. Ueberdiess tritt auch an manchen Stellen, namentlich wo die gneiss- artigen Gesteine massiger, mehr granitartig werden, eine so deutliche horizontale Zerklüftung hinzu, dass man — 197 — kaum mehr recht die steile Fächerstellung erkennt. Im Grossen und Ganzen lässt sich jedoch auch am St. Gotthardt, wie am Crispalt, auf der Nordseite der vor- herrschende steile Südfall (80—85°) des Schichtenfächers nicht verkennen. Noch pflegen einige unserer hervorragendsten Geo- logen die ganze Fächerstellung dieses Centralmassivs nur einer regelmässigen, durch Seitendruck bewirkten, Zerklüftung oder Absonderung (Clivage) zuzuschreiben. Obgleich ich keinen Augenblick verkenne, welche grosse Rolle die Zerklüftung in unsern krystallinischen Gebirgen spielt und mit welcher Regelmässigkeit sie auf grossen Strecken auftritt, besonders in mehr massigen, gneiss- und granitartigen Gesteinen, so belehren uns doch die so häufig dazwischen eingelagerten dünnschiefrigen, nicht selten wellig gebogenen Gesteine, namentlich die Thon- und Glimmerschiefer, mit ihren den Schichtflächen pa- rallel gelagerten Glimmerlamellen, dass wir es in unsern steil aufgerichteten Schichtenfächern mit wirklicher Schich- tung und nicht mit einer Zerklüftung oder Schieferung (Clivage) zu thun haben. Auch bei mehr gneiss- und granitartigen Gesteinen erkennen wir noch die parallele Anordnung der Glimmerblättchen in der Richtung der fast vertikal aufgerichteten Schichten, während bei sol- chen, mehr massigen, Gesteinen dann im Gegentheil eine horizontale, also zur Neigung der wirklichen Schichten senkrechte Zerklüftung noch deutlicher als die eigentliche Schichtung sich bemerkbar macht. In manchen Fällen mag es allerdings schwierig sein, Zerklüftung oder Absonderung von regelmässiger Schich- tung zu unterscheiden. Ich habe desshalb auch auf meinen Jüngsten Excursionen in den Umgebungen des Crispalt und des St. Gotthardt diesen Verhältnissen meine be- sondere Aufmerksamkeit gewidmet und kann nicht umhin — 198 — meine schon früher im Reussthal, im Maderaner-, Etzli- und Fellithal gewonnenen Erfahrungen zu bestätigen, wonach diese steil aufgerichteten Schichtenfächer einer wirklichen Schichtung entsprechen. Kehren wir zu den Umgebungen des Crispalt und des Piz Giuf zurück, deren mächtige Kette die Wasser- scheide zwischen Reuss und Vorderrhein bildet. 2. Relief der Crispaltthäler. Die schon vorhin genannten, von der Crispaltkette gegen Süden, gegen das Vorderrheinthal auslaufenden Seitenthäler: Val, Giuf, Mila und Strim bilden Einrisse in die von Südwest gegen Nordost laufende, vielfach zickzackförmig gebogene und zerrissene Kette, die sich nach Osten, jenseits des Strimthales in die Cavardiraskette fortsetzt. Die Länge der genannten Seitenthäler beträgt vom Hauptthal Tavetsch, einwärts bis zu ihrem süd- lichen Hintergrund, wo die schneeigten Gebirge der Crispaltkette ansteigen, nur wenige Stunden Marsches. Sie nimmt für die einzelnen Thäler fast regelmässig zu, je weiter wir nach Osten schreiten. Einen besonders tiefen Einschnitt bildet das Strimthal, dessen Hintergrund weit nach Norden bis an den Fuss des Oberalpstockes vordringt und hiedurch den Bau des Schichtenfächers in grossartiger Weise darlegt. Es mündet bei Sedrun ins Hauptthal. In seinem Hintergrunde führt ein rauher Pfad westlich über den Kreuzlipass (2350 Meter) durch das Etzlithal hinunter in das Maderanerthal, eine, auch von Touristen, häufig benützte Passage. Die Passhöhen der Crispaltkette, die freilich meist nur von Hirten und Jägern überschritten werden, be- tragen 2300—2500 Meter, also mehr als die der meisten Alpenpässe, obgleich ihre Gipfel nur eine Höhe von 3000 bis 3100 Meter erreichen. Im Hintergrunde der genannten Seitenthäler stossen — 199 — wir auf die vom Hauptgrat sich herabsenkenden Schnee- felder, die aber keine erhebliche Ausdehnung gewinnen können. Daher senkt sich auch kein Gletscher in diese Thäler hinab, obgleich die Spuren der ehemaligen, wahr- scheinlich der Glacialperiode angehörenden, Gletscher an den abgerundeten Felsen der Thalböden an manchen Stellen erkennbar sind. Die Thalböden haben noch bei ihrem Austritt ins Hauptthal eine Meereshöhe von nahezu 2000 Metern und liegen bereits über der obern Waldgrenze, während der Boden des Hauptthales, im Tavetsch, bloss eine Höhe von 1300 bis 1500 Metern erreicht. Wir haben also hier dieselbe Erscheinung wie im Reussthal und in andern Hauptthälern, welche durch Erosion und Gletscherbe- wegung stark vertieft sind. Man muss eine hohe, steile Wand hinaufsteigen, um in die Seitenthäler zu gelangen, welche weniger tief ausgewaschen worden sind. Eine Folge des Niveauunterschiedes zwischen dem Hauptthal und den Seitenthälern ist unter Anderm die Anhäufung von Schuttmassen, die sich aus diesen in jenes entleeren, wo irgendwie eine Erweiterung des Hauptthales es zulässt. Daher der prachtvolle regel- mässige Schuttkegel, der sich in den Umgebungen von Sedrun am Ausgang des Mila- und Strimthales ausbreitet und der an seinem Aussenrand vom Vorderrhein scharf abgeschnitten wird. 3 Wirkung der Spaltung und Erosion. Die den Schichtenfächer des Finsteraarhorn-Massivs in den Umgebungen des Crispalt quer durchschneidenden Seitenthäler Val, Giuf, Mila, Strim u. s. w. sind gewiss ebenso gut als das Hauptthal der Reuss, als das Etzli- und Fellithal grösstentheils ursprüngliche Spaltenthäler, die aber durch Erosion im langen Lauf der Zeit mächtig vertieft und erweitert worden sind. Eine ursprünglich = LT — vielleicht ganz unbedeutende oder unmerkliche Spalte oder Einsenkung genügte, um die Richtung der atmo- sphärischen Gewässer zu bestimmen und das Werk der Erosion an einer gegebenen Stelle einzuleiten. Wie im Jura und andern Gebirgen, so mussten auch in den Alpen bei den wiederholten Hebungen, so langsam sie auch vor sich gehen mochten, zahlreiche Spalten entstehen, welche dem Werk der Auswaschung die erste Handhabe darboten und vorzugsweise den Lauf der Gewässer bestimmten. Irgend eine Unebenheit oder Ver- tiefung muss zuerst da gewesen sein, welche das Wasser sammelt und in einer bestimmten Richtung weiter leitet, in der es seine erodirende Wirkung beginnen kann. Nun können solche Vertiefungen, welche die ersten Anfänge einer Auswaschung in bestimmten Richtungen einleiten, allerdings auch durch blosse Verwitterung entstehen, z. B. in einem Gebirge, welches aus harten und weichen, wenig oder leicht zersetzbaren Massen oder Schichten zusammengesetzt ist. Die weichern und löslichern werden zuerst zersetzt und ausgewaschen werden und an ihrer Stelle wird sich eine Vertiefung oder Rinne bilden, die nun der corrodirenden Wirkung strömender Gewässer freien Spiel- raum lässt. Man sollte demnach Thalbildungen vorzugs- weise in der Richtung des Streichens der Schichten, wo harte und weiche Gesteine wechseln, erwarten. Es ist diess aber in der Regel nicht der Fall, am allerwenigsten in unserm Excursionsgebiet, wo Erosionsthäler in der Richtung der Schichten fast ganz fehlen, obgleich gerade die nahezu senkrechte Schichtenstellung den Zutritt der atmosphärischen Gewässer und hiemit die Auswaschung der zersetzbaren Gesteine sehr erleichtern würde. Wie wir bereits gesehen, sind die oben genannten Thäler alle Querthäler, welche den Schichtenfächer rechtwinklich durchschneiden, ganz wie es unzweifelhaften Spalten- — 201 — thälern zukommt. Wäre die Auswaschung dieser Quer- thäler ohne vorhergehende Spaltung erfolgt, so müsste man doch schon eine ganz bestimmte Richtung der herab- strömenden Gewässer voraussetzen, um die Schichten, gleichviel hart oder weich, quer zu durchsägen, eine Richtung, die immer wieder, weiter oben im Thale, eine bereits bestehende Spaltung oder wenigstens Einsenkung voraussetzt. Wir werden daher zu dem Schlusse ge- drängt, dass Spaltungen des Gebirges, die unzweifelhaft vorhanden sind, in der Regel den ersten Anstoss zur Auswaschung der Thäler in bestimmten Richtungen ge- geben haben. Auch die verschiedene Neigung und Be- schaffenheit der beiden Thalwände an correspondirenden Stellen weist auf verborgene Spalten und Senkungen hin. 4. Entstehung der Gräte und Gipfel. Wir sind im Allgemeinen gewohnt, die Grat- oder Passhöhe oder die Wasserscheide, von der aus die Seiten- thäler nach Süden und Norden sich abzweigen, in das Centrum des Schichtenfächers, welches der grössten Höhe entsprechen sollte, zu verlegen. Nun lehrt aber die Erfahrung, gerade beim Massiv des Finsteraarhorns, dass diese Regelmässigkeit nicht stattfindet, dass viel- mehr die Passhöhe der Crispaltkette aus dem Centrum des Fächers heraus stark nach Süden verschoben erscheint, wie diess auch am St. Gotthardt und am Grimselpass der Fall ist. Ebenso liegen die höchsten Gipfel nicht immer in der Gratlinie, sondern erscheinen seitlich, baid nach Süden, bald nach Norden hinausgerückt und auf die Seitengräte gestellt. Das ganze Relief dieser Thäler, Gräte und Gipfel erscheint als das Werk ursprünglicher Zerspaltung und nachheriger Erosion, welche die Spalten vertieft und erweitert und, durch die bereits vorhandenen Vertiefungen begünstigt, neue Rinnen gegraben hat. Die Grathöhe war vielleicht vor der Glacialperiode 14 — 202 — weit mehr nach Norden, nahe dem Centrum des ursprüng- lichen Schichtenfächers gelegen, und wurde erst in Folge der Auswaschung und des Einsturzes der damals vor- handenen Gebirgstheile weiter nach Süden verrückt, wo die Erosion schwächer wirkte. Die heutigen Gipfel unserer Centralalpen haben erst in Folge der Erosion und Abbröckelung ihre jetzige imposante Höhe erreicht und ragten früher wenig oder gar nicht über ihre Um- gebungenhervor. Nicht die höchsten, sondern die festesten, widerstandsfähigsten Parthien des Schichtenfächers, auch wenn sie ursprünglich eine tiefere Stellung einnahmen, wurden allmälig zu Gipfeln, während ihre ursprünglich höhern, aber weniger festen Umgebungen, in Folge der Verwitterung und Erosion abbröckelten und in die Tiefe geführt wurden. Aber auch die "härtesten oder wider- standsfähigsten Gesteine, aus denen die Gipfel bestehen, werden allmälig verwittern und abbröckeln, wozu ihre exponirte Lage, frei von schützenden Umgebungen, Wind und Wetter preisgegeben, nicht wenig beitragen wird. Nördlich von der Crispaltkette können wir in den hohen Gipfeln des Bristenstockes und des Oberalpstockes die Richtung einer zweiten Hauptkette erkennen, die sich gegen den Tödi fortsetzt, und demselben Schichtenfächer, wie die erstgenannte, angehört. Den verehrlichen Mitgliedern der hiesigen Section des schweizerischen Alpenclubs. namentlich den Herren Rathsherrn Finninger, Meyer-Bischoff, Prof. Rütimeyer und Ed. Hoffmann, verdankt die geologische Sammlung unseres Museums eine Anzahl von Gesteinsproben, welche den höchsten Gipfeln unserer Centralalpen, insbesondere dem Massiv des Finsteraarhorns entnommen sind. Wie zu erwarten war, bestehen sie durchaus aus denselben Gesteinen, krystallinischen Schiefern, Gneissen und Graniten, die wir auch unten in den Thälern anstehend — 203 — finden. Esgeht diess auch schon aus der fächerförmigen, fast senkrechten, Stellung der Schichten dieser Central- massivs hervor, wonach wir von dem Gipfel abwärts bis ins Thal in der Richtung des Streichens der Schichten einer und derselben Schichtenfolge begegnen “müssen. Nur ist denkbar, dass dieselbe Schicht unten im Thal, in Folge des allgemeinen metamorphischen Processes , den diese Gesteine durchgemacht haben, eine stärkere oder schwächere, überhaupt eine etwas andere Umwand- lung erlitten hat, als einige 1000 Fuss höher, an der Stelle, die jetzt irgend einen Gipfel bildet. Solche Ver- schiedenheiten des Umwandlungsprocesses, nach Art und Grad, bei einer und derselben Schichtenfolge scheinen, meinen Beobachtungen zufolge, in der That nicht selten vorzukommen, sowohl in vertikaler Ausdehnung, als na- mentlich auch, wenn wir dieselbe Schichtenlinie in grösserer horizontaler Erstreckung durch mehrere Gräte und Quer- thäler hindurch weiter zu verfolgen suchen. Im All- gemeinen aber sind die Gipfelgesteine mit denen an den Thalwänden , wie schon a priori zu vermuthen war, durchaus übereinstimmend. Vorzugsweise sind es Quar- zite, Gneisse und andere quarzreichen oder sonst schwer zersetzbaren Gesteine, die wir an den Gipfeln finden. Daneben stossen wir aber auch auf ziemlich weiche Schiefer, wie Thon- und Glimmerschiefer, die für sich wohl schnell abbröckeln würden, aber von den anliegenden härtern und festern Gesteinen zusammen gehalten werden. Manche ziemlich weiche Gesteine, wie Glimmerschiefer, Serpentine u. a., werden nur schwer von den Atmosphäri- lien zersetzt und können desshalb, auf höhern Stand- punkten, wo sie nicht der Wirkung der strömenden Gewässer ausgesetzt sind, lange Widerstand leisten. Wir würden uns in dem Chaos von Gräten und Gipfeln, Thälern und Schluchten geologisch kaum zu- — 904 — rechtfinden, wenn nicht durch das ganze Centralmassiv hindurch die Schichten einen so regelmässigen und constanten, von Nord nach Süd an Steilheit zu- nehmenden Südfall, der Fächerstellung entsprechend, darbieten würden und hiedurch die Zusammengehörigkeit dieser scheinbar chaotisch durcheinander liegenden Massen zu Einem wohlgeordneten Ganzen, zu Einem und dem- selben Gebirgssystem, deutlich hervorträte. Nach der Aufrichtung der Schichten zu der jetzt noch vorhandenen regelmässigen Fächerstellung, haben in dem ganzen Centralgebirge keine irgendwie erheb- lichen Störungen oder Verwerfungen stattgefunden, son- dern bloss schwache Spaltungen und Senkungen, welche den Schichtenbau wenig störten. Das wild zerrissene gigantische Relief, welches das Centralgebirge heutzu- tage darbietet, ist demnach, abgesehen von schwachen vorhergehenden Spaltungen, welche zuerst den Lauf der corrodirenden Gewässer bestimmten, lediglich das Werk der Verwitterung und Erosion. Es muss uns im Gegen- theil in Verwunderung setzen, dass die gewaltige Aus- waschung der Thäler in den Centralalpen nicht grössere Schichtenstörungen herbeigeführt hat und dass wir nur am Ausgang der Seitenthäler in das Hauptthal ver- hältnissmässig ünbedeutenden Abrutschungen begegnen. Wir dürfen wohl diese Stabilität im Schichtenbau der Centralmassivs auf Rechnung der steilen Fächerstellung setzen. Im Plateaugebiet des K. Basel, wo wir einem fast horizontalen Schichtenbau begegnen, haben, wie ich in den vorhergehenden Heften nachgewiesen, in Folge der Auswaschungen der tiefern, thonigen, Schichten in den Thälern, sehr erhebliche Störungen und Abrutschungen grosser Gebirgsstücke stattgefunden, deren Schichten nun mehr oder minder steil geneigt erscheinen. Eine Eigenthümlichkeit, welche die meisten unserer — 205 — centralen Gipfelgesteine darbieten, verdient, glaube ich, Erwähnung, nämlich die Ueberzüge von braunen, gla- 'sigen Schlacken, die offenbar Schmelzspuren des Blitzes sind. 5. Die Gesteine der Crispaltgruppe. Wie zum Voraus zu erwarten war, zeigen die am Südabhang der Crispaltkette in den genannten Seiten- thälern auftretenden Gesteine vielfache Uebereinstimmung mit denen der nördlichen Flanke. Beide Flanken ge- hören ja einem und demselben Schichtenfächer von vor- herrschend schiefrigen krystallinischen Gesteinen an, die aus der chemischen Umwandlung ehemaliger sedimen- tärer Ablagerungen, Sandsteine, Mergelschiefer, Schiefer- thone und dergleichen, hervorgegangen sind. Statt einer ausführlichen Beschreibung kann ich auf meine frühern Mittheilungen (Bd. IV, Heft 2 und 3, dieser Verhand- lungen) verweisen, worin die vorwaltenden Gesteine des Maderaner-, Etzli- und Fellithales bereits des Nähern characterisirtt und zugleich zwei Durchschnitte, quer durch den Schichtenfächer, beigegeben sind. In der That sind auch in den nach Süden von der Crispaltkette auslaufenden Thälern, wie auf der Nord- seite, schiefrige und gneissartige Gesteine von un- fertiger Ausbildung weitaus vorherrschend, während wahre Granite und Gneisse, wie sie dem Grundgebirge eigenthümlich sind, nur in vereinzelten Blöcken von un- bekannter Herkunft, ohne Zweifel erratischen Ur- sprunges, besonders am Ausgang der Seitenthäler, zum Vorschein kommen. Es wäre unmöglich und auch von keinem Interesse, die unzähligen Uebergangsstufen der unserm Schichten- fächer angehörenden Gesteine näher zu beschreiben. Schon ursprünglich den verschiedenartigsten, bald dünn, bald grob geschichteten, sedimentären Ablagerungen, — 206 — Sandsteinen, Kalksteinen, Mergelschiefern u. s. w. ent- stammend, bieten sie überdiess alle erdenklichen Grade chemischer Umwandlung dar, von wenig veränderten sandigen oder thonigen Schiefern oder Schichten bis zu den ausgebildetsten, dem Granit und Gneiss genäherten, krystallinischen Gesteinen. Durchmustern wir an den Thalwänden Schritt für Schritt den Schichtenfächer, so finden wir von Schicht zu Schicht, ja oft von Zoll zu Zoll, wiederum ein etwas anderes, bald schieferiges, bald mehr körniges oder massiges Gestein, und ähnliche Schichten kehren, im buntesten Wechsel mit andern, hundertmal wieder. Es kann sich demnach blos darum handeln, einige besonders characteristische, diesen Thälern eigenthüm- liche und in grösserer Ausdehnung auftretende, Gesteine aus der grossen Mannigfaltigkeit derjenigen hervorzu- heben, welche beiden Seiten des Schichtenfächers ge- meinsam und daher in meinen frühern Mittheilungen bereits beschrieben worden sind. Wir werden dabei Veranlassung finden, manche früher mitgetheilte Beob- achtung über die Art des Auftretens dieser Gesteine und über den Gang des metamorphischen Processes zu be- stätigen, oder zu ergänzen und zu berichtigen. Je mehr Material vorliegt, je reichlicher die Uebergangsstufen sich darbieten, desto bessere Einsicht gewinnen wir in diese noch so wenig aufgeklärten Vorgänge. Auch der kleinste Beitrag in dieser Richtung wird daher will- kommen sein. Wollte man mit der bisher üblichen Terminologie die in der Crispaltgruppe auftretenden Gesteine bezeich- nen, so müsste man von Thonschiefern, Talkschiefern, Chloritschiefern, Glimmerschiefern, Gneissen oder Gra- niten sprechen, obgleich die wahren Typen dieser Ge- steine in unserm Schiefergebiet nur selten oder unter- — 207 — geordnet repräsentirt sind und die Benennungen daher sich nur auf eine äussere oder annähernde Aehnlichkeit mit jenen Typen stützen würden. Für die Mehrzahl der hier in Betracht kommenden Gesteine ist man um einen Namen verlegen, selbst in den Fällen, wo man ihre mineralogische Beschaffenheit genau kennt, und über- diess harrt noch das Meiste der genaueren mineralogi- schen und chemischen Untersuchung. Neue Namen soll- ten nur da gegeben werden, wo wir eine klare Einsicht gewonnen haben, wo es sich wirklich um etwas Neues handelt. In den übrigen Fällen möchte es gerathener sein, sich an bereits geläufige Namen und Vorstellungen anzuschliessen, um damit neue, aber bereits bekannten sich annähernde, Gesteine zu bezeichnen. Es lässt sich jeweilen leicht durch ein characteristisches, das Ver- ständniss erleichterndes Beiwort, das Eigenthümliche des neuen Gesteines bezeichnen, wobei das Gedächtniss nicht durch einen neuen nichtssagenden Namen be- schwert wird. Alle die genannten Thäler am Südabhang der Cri- spaltkette, also das Val de Val, Val Giuf, Val Mila, Val Strim u. s.w. zeigen, wie das zu erwarten ist, grosse Uebereinstimmung ihrer Gesteine. Als Querthäler durch- schneiden alle dieselben Schichtencomplexe. Die che- mische Umwandlung wirkte aber nicht überall in der- selben Weise, wesshalb dieselbe Schichtenlinie, wenn wir sie in ihrer horizontalen Erstreckung von West nach Ost durch die genannten Seitenthäler hindurch zu ver- folgen suchen, ziemlich verschiedenartige Gesteine dar- bietet. Daher hat, bei aller Uebereinstimmung, jedes dieser Thäler wieder sein Eigenthümliches. Vor Allem nehmen unsere Aufmerksamkeit in An- spruch die schneeweissen feinkörnigen Quarzit- gesteine, die bald ganz dünnschiefrig, bald in dicken — 208 — Schichten abgelagert erscheinen, oder gar in mächtigen Blöcken auftreten, welche man von weitem für grani- tische halten könnte. Betrachtet man aber diese fast hausgrossen weissen Massen genauer, so sieht man, dass sie aus vielen feinern, merkwürdig gewundenen, weissen und grünen, Streifen oder Lagen bestehen, die ohne Zweifel ursprünglich dünnen wechselnden Schichten von Thon und Sand angehörten und erst später, in Folge des metamorphischen Processes, durch Infiltration von Feldspathsubstanz, von Quarz u. s. w. zu einer grossen Gresammtmasse vereinigt wurden. Der eingedrungene Quarz und Feldspath wirkte hiebei als Bindemittel. Die Thonschichten wurden, wie gewöhnlich bei diesem Um- wandlungsprocess, in Glimmerlagen verwandelt. Die dazwischen gelagerten, an Masse vorherrschenden, Quarz- sandschichten wurden von Lösungen durchdrungen, welche in den Zwischenräumen weisse Orthoklaskry- ställchen ausschieden und mit den bereits vorhandenen Quarzkörnern und noch hinzugetretenen Glimmerblätt- chen eine granitartige körnigkrystallinische Masse bilde- ten. Ebenso ist auch in kleinen Parthien Kalkspath eingedrungen. Obgleich grüne und weisse Lagen nun eine compakte Masse bilden, so lassen sie sich doch nach den grünen Glimmerstraten durch einen kräftigen Hammerschlag leicht von einander trennen. Die Biegung der Schichten scheint vor ihrer chemisch-krystallinischen Umwandlung erfolgt zu sein. Die mikroscopische Untersuchung dieser meta- morphischen Gesteine, die schon unter der Loupe viel Merkwürdiges darbieten, möchte noch manches Ver- borgene enthüllen, wie wir aus den schönen Arbeiten der Herren Sorby, Zirkel, Tschermak, Fischer etc. ent- nehmen können. So würde uns, nach den überraschen- den Beobachtungen der Herren Fischer und Jentzsch, — 209 — das Vorkommen von mikroscopischen Organismen in un- sern krystallinischen Schiefern nicht mehr befremden. Solche Untersuchungen müssen einer spätern Zeit vor- behalten bleiben. Andere Quarzitschichten, sowohl dünnere, als stärkere, scheinen jetzt noch, wie in ihrem ursprüng- lichen sedimentären Zustand, nur aus lose übereinander gelagerten Ouarzkörnern zu bestehen. Manche sind äus- serst feinkörnig und schneeweiss. Hie und da erblickt man mit der Loupe bereits ein kleines, an den ebenen, glänzenden Spaltflächen erkennbares, Orthoklaskörnchen. Auf den zahlreichen feinen Schichtflächen sind dünne Lamellen von hellgrünem schuppigem, oft fein gefaltetem, Talkglimmer zu sehen. Ohne Zweifel sind diese weissen Quarzitschiefer aus sehr feinkörnigen Sandsteinen her- vorgegangen. Andere Schichten sind grobkörniger und können ihren Ursprung, auch wenn Glimmerblättchen beigemengt sind, nicht verläugnen. Wo aber mehr und mehr Feldspathsubstanz eingedrungen ist und in zahl- reichen Kryställchen zwischen den Quarzkörnern und Glimmerblättchen sich ausgeschieden hat, da erscheinen die so umgewandelten Gesteine granitartig und lassen nur noch an den isolirten feinen Quarzkörnern ihren Ursprung erkennen. Talkglimmer nenne ich den in diesen schieferi- gen Gesteinen so häufig auftretenden, blassgrünen oder grünlichgrauen, lebhaft perlmutterglänzenden, schuppigen Glimmer von talkähnlichem Aussehen, obwohl er nach meinen wiederholten früheren Untersuchungen und nach den Analysen des Herrn Prof. Goppelsröder wenig oder keine Talkerde enthält, sondern wesentlich ein kalk- und alkalihaltiges ziemlich eisenreiches Thonsilicat ist. Am Schlusse dieser Arbeit habe ich die Analysen des Hrn. Prof. Goppelsröder zusammengestellt. Vieles, was — 210 — in geologischen Sammlungen und Beschreibungen als Talk und Talkschiefer aufgeführt ist, so auch der s. g. Talk der meisten Talkgneisse und Talkgranite (Proto- gine) gehört hieher. Diese talkähnlichen, schuppigen Mineralien nähern sich in ihrer Zusammensetzung viel mehr den eigentlichen Glimmern, mit denen sie sonst auch manche Aehnlichkeit haben. Wenn ich demnach den Ausdruck Talkglimmer einem neuen Namen vorziehe, so geschieht diess, um an das talkähnliche Aussehen und an die glimmerartige Zusammensetzung zu erinnern und zugleich an eine allen Geologen so geläufige, ob- gleich eigentlich unrichtige, Benennung anzuknüpfen. Wahrscheinlich gehört Dr. Simmler’s „Helvetan“ gleich- falls in die Gruppe dieser talkähnlichen schuppigen Glimmer, die sich überdiess meist auch durch grössere Härte von dem eigentlichen Talk unterscheiden. Die feine Faltung, welche die papierdünnen Glimmerlagen so häufig auf der Oberfläche zeigen, ist offenbar keine mechanische Wirkung, also nicht durch Seitendruck entstanden, sondern entspricht eher einem Aufquellen, durch Zufuhr neuer Substanz, in Folge des metamorphischen Processes, wie wir solches bei Umwandlungspseudomorphosen häufig beobachten. Eigentliche Talkschiefer finden sich, wie auf der Nordseite, auch auf der Südseite unseres grossen Schichtenfächers, in den von der Crispaltkette nach Süden auslaufenden Seitenthälern, nur äusserst spärlich. Ich habe Talk- und Topfsteinschiefer erst im Haupt- thal von Tavetsch selbst, in den von dem Centralgebirg abgerutschten Randstücken angetroffen, an der neuen Strasse, welche von Tschamutt, der obersten Ortschaft des Tavetsch, nach dem Oberalppass hinauf führt. Auch im Maderaner- und Etzlithal finden sich nur an wenigen — 211 — Stellen Einlagerungen von wahren Talk- und Topf- steinschiefern. Talkglimmerschiefer, deren vorherrschender Bestandtheil der so eben beschriebene Talkglimmer ist, bald grau, bald grün oder weisslich, immer mit leb- haftem Perlmutterglanz und feinschuppig, daher talk- ähnlich, oft fein gefaltet, treten äusserst häufig in un- serm Gebiet auf, in regellosem Wechsel mit quarzitischen und gneissähnlichen Gesteinen, während wahre Thon- und Glimmerschiefer, oder lauchgrüne schuppige Chlorit- schiefer diese scheinbar regellosen Schichtenfolgen sel- tener unterbrechen. Manche dieser glänzenden grauen Schiefer könnte man auch Thonschiefer nennen, obgleich sie von den typischen Gesteinen dieses Namens ab- weichen. Alle diese schuppig blättrigen Schiefer sind im Grunde nur mehr oder minder krystallinisch aus- gebildete Glimmerschiefer, die aus der Umwandlung ehemaliger Schieferthone und Mergelschiefer hervor- gegangen sind. Häufig erscheinen sie wellig gebogen. Manche haben eine gewisse Aehnlichkeit mit den Sericit- schiefern des Taunus. Quarzitglimmerschiefer nenne ich diejenigen schieferigen Quarzite, die sich durch Glimmerreichthum auszeichnen. Die Glimmerblättchen stehen immer parallel den Schichtungsflächen und bilden bald zusammen- hängende papierdünne Zwischenlagen, welche mit dünnen Lagen von feinen Quarzkörnern regelmässig wechsel- lagern, bald aber erscheinen sie auch gleichmässig durch die schieferige Quarzitmasse , jedoch stets in paralleler Stellung vertheilt Es unterliegt kaum einem Zweifel, dass jene dünnen Zwischenlagen von Glimmerlamellen aus der chemischen Umwandlung entsprechender thoni- ger Zwischenlagen der ehemaligen Sandsteinschiefer her- vorgegangen sind. Ebenso mögen die Glimmerblättchen, welche in andern Quarzitglimmerschiefern gleichmässig die ganze Quarzitmasse durchsetzen, gleichfalls aus der Umwand- lung von Thonsubstanz hervorgegangen sind, welche in ähnlicher Weise, als Bindemittel, die Zwischenräume zwischen den Quarzkörnern der ehemaligen Sandsteine ausgefüllt hatte. Oft ist der Glimmer noch sehr fein- schuppig, fast erdig, gleichsam im ersten Stadium der Umwandlung aus Thon begriffen. Es bleibt nur noch die Frage, ob sowohl in diesen Glimmerschiefern, als in andern, durch Umwandlung entstandenen glimmerhaltigen Gesteinen, wie in den metamorphischen Gneissen und Graniten, aller Glimmer nur aus der Umwandlung bereits vorhandener Mineralien entstanden, oder ob nicht in manchen Fällen Glimmer in ähnlicher Weise, wie Quarz und Feldspath, direct aus Lösungen krystallinisch ausgeschieden worden ist. Das Auftreten von wohlgebildeten, zu Drusen gruppir- ten, Glimmerkrystallen in den Klüften granitischer Ge- steine spricht für diese letztere Ansicht, obschon auch hier, wie die zahlreich vorkommenden Pseudomorphosen lehren, mancher Glimmer aus der Umwandlung anderer Mineralien scheint hervorgegangen zu sein. Nicht selten finden wir in diesen Schiefern zweierlei Glimmer, die sich schon durch die Farbe unterscheiden und die ohne Zweifel auch einen verschiedenartigen Ursprung haben. Wo wir einer entschieden parallelen Anordnung der Glimmerblättchen begegnen, ist die Entstehung der- selben durch chemische Umwandlung ähnlich geordneter Thonlagen sehr wahrscheinlich. Wo aber, wie in man- chen granitischen Gesteinen, die Glimmerblättchen un- regelmässig nach allen Richtungen eingestreut sind, so liegt der Gedanke nahe, dass sie gleich den eingedrun- genen Orthoklaskrystallen durch Infiltration aus Lösungen, — 216, — welche die zur Glimmerbildung nöthigen Bestandtheile enthielten, eingeführt worden seien. Aber auch hier haben wir keine Gewissheit, weil auch da der Glimmer aus der Umwandlung eines bereits vorher im Gestein unregelmässig eingestreuten Minerales, z. B. der Horn- blende, entstanden sein kann. In den s. g. Cordierit- graniten sehen wir den Glimmer, wie in einem ächten Granit, ganz regellos nach allen Richtungen eingestreut, und doch ist er, wie sich an zahlreichen Uebergangs- stufen nachweisen lässt, unzweifelhaft aus dem Cordierit entstanden. Der in den glimmerreichen Quarzitschiefern und Gneissen auftretende Glimmer erscheint nicht nur sehr regelmässig parallel der Schichtung gelagert, er lässt auch in dieser Schichtungsebene, da wo er in länglich gestreckten Blättchen oder feingefalteten Häutchen auftritt, noch einen weitern Parallelismus in der Länge- richtung der Blättchen und Falten erkennen, der sehr constant bleibt. Ob diese Richtung zusammenfällt mit der Falllinie der Schichten im anstehenden Gebirge, also dem Gange der Schwerkraft folgt, oder ob sie an ver- schiedenen Stellen des Gebirgs eine andere wird, dar- über müssen weitere Untersuchungen entscheiden. Diese feine Fältelung ist, wie bereits oben bemerkt, nicht mit der gröbern, durch Seitendruck bewirkten, Faltung der Schiefer zu verwechseln. | Chloritschiefer oder chloritische, mit Quarz und Feldspathkörnchen gemengte, Schiefer, feinschuppig, so leicht erkennbar an der lebhaft lauchgrünen Farbe, fin- den sich, wie auf der Nordseite, so auch auf der Süd- seite, hin und wieder in unsern Schichtenfächer einge- lagert, nicht selten hart an gneissartige oder granit- artige massige Gesteine anstossend. Der ansehnliche Wassergehalt, den sie bei der Erhitzung im Kolben — 214 — abgeben, lässt sie von grünen glimmerigen Schiefern unterscheiden. Wenn die Feldspath- oder Quarzkörn- chen, die eingestreut sind, durch Anlagerung neuer Substanz, die von aussen her durch Infiltration eingeführt | wurde, anschwellen, so entstehen knotige Schiefer, deren Gefüge namentlich auf den verwitterten Schichtungs- flächen deutlich hervortritt. Felsitschiefer, aus grauer, dichter, harter, fein- splittriger Masse, vielleicht aus verkieselten Kalkschie- fern hervorgegangen, finden sich selten in unserm Ge- biete. Knotige Schiefer, von ähnlicher Entstehung, wie die so eben angeführten Chloritschiefer, aber aus gewöhnlichen Thon- und Talkglimmerschiefern hervor- gegangen, meist von grauer Farbe, bisweilen auch fast weiss, finden sich überaus häufig und gleichen ganz denjenigen, die wir aus dem Maderaner- und Etzlithal kennen gelernt haben, wo sie noch verbreiteter sind. Die Knötchen erreichen einen Durchmesser von 1 bis 4 Millimetern und bestehen gewöhnlich aus einem einzigen, aussen abgerundeten, Feldspathkrystall, der offenbar erst durch Infiltration und Ausscheidung um einen bereits vorhandenen Kern entstanden ist und durch sein Wachs- thum die umgebenden Glimmerlamellen zurückgedrängt und wellig gebogen hat. Bei andern Schiefern scheinen “die Knötchen aus einem weissen feinkörnigen Gemenge von Quarz und Feldspath, von ähnlichem Ursprung, zu bestehen. Dagegen scheinen die Quarzknötchen gröss- tentheils sedimentären Quarzkörnern anzugehören. In allen diesen Schiefern finden sich nicht selten Eisen- kieswürfel eingewachsen. Augengneisse, oder diesen ähnliche Bildungen, entstehen, wenn die Feldspathkrystalle in den knotigen Schiefern zahlreicher werden, und an Grösse so zu- — 215 — nehmen, dass sie einen Durchmesser von 6 bis 8 und mehr Millimetern erreichen. Die Glimmerlamellen wer- den hiedurch noch mehr nach oben und unten, d. h. nach den Schichtflächen, wellenförmig zurückgebogen, und das Gestein zeigt dann in der That im Querbruch augen- förmige Figuren. Diese ausgezeichnete Varietät findet sich "seltener. Ouarzitgneisse und gneissartige Quarzite schliessen sich nach ihrer Bildung und Beschaffenheit enge an die bereits beschriebenen Quarzitgesteine an. Augenscheinlich sind sie gleichfalls aus feinkörnigen Sandsteinen durch Aufnahme von Feldspath und Um- wandlung des Thongehaltes zu Glimmer hervorgegangen. Erst treten die durch Infiltration eingeführten Feldspath- kryställchen nur klein und vereinzelt zwischen den Quarz- körnern auf, in andern Schichten sind sie bereits zahl- reicher und grösser geworden, und das Gestein gewinnt immer mehr ein gneissartiges krystallinisches Ansehen, Der Glimmer, erst sehr feinschuppig, fast erdig, der ' ersten Umwandlung der durch den Sandstein vertheilten Thonpartikelchen entsprechend, wird allmählig gross- blättrig, wobei die parallele Anordnung der Glimmer- blätter noch deutlicher hervortritt. Ich nenne diese Ge- steine Quarzitgneisse, weil der feinkörnige Quarz oder vielmehr die feinen isolirten Quarzkörner, die oft nur schwach durch ein Cement verbunden sind und den ursprünglichen Sandsteinen angehörten, immer einen der characteristischen Hauptbestandtheile bilden. Durch ei- nen kräftigen Hammerschlag zerstieben die Parthien des körnigen Quarzes wieder in die einzelnen Quarz- körner. Von einem ächten Gmeiss sind diese gneiss- artigen Schiefer wohl zu unterscheiden. Bisweilen aber ist durch Infiltration von gelöster Kieselerde auch Quarz- masse in den umgewandelten Sandstein eingedrungen — 216 — und hat die Zwischenräume zwischen den Quarzkörnern ausgefüllt, wodurch ein fester feinkörniger Quarz oder Quarzit entsteht, dessen einzelne Körner sich nicht mehr so leicht unterscheiden und trennen lassen. Die körnige Structur wird durch die umhüllende Quarzsubstanz ver- wischt. Ueberdiess ist durch denselben Process auch Kieselsubstanz als Glasquarz in grössern Parthien hie und da ausgeschieden worden, wodurch das Gestein einem ächten Gneiss um so ähnlicher wird. Gewisse körnige und dichte Quarzite möchten aus körnigen oder dichten Kalksteinen durch Silicification derselben entstanden sein. Es ist dies jedoch sicher nicht mit unsern körnigen Quarziten der Fall, deren lose gerundete Quarzkörner augenscheinlich ehemaligen Quarzsandsteinen angehört haben. Wir haben Quarzitgneisse als dominirende Bildungen schon in den nördlichen Thälern, namentlich im Etzli- thal, kennen gelernt. Nicht minder häufig treten sie hier in den südlichen Thälern auf, und bieten alle er- denklichen Uebergangsstufen von Quarzit- und Glimmer- schiefern bis zu mehr und mehr gneiss- oder granit- artigen Gesteinen dar. Jede Schicht besteht wieder aus einer andern Varietät. Quarzitgranite oder granitartige Quarzite gehören ganz demselben Umwandlungsprocess an, wie die so eben beschriebenen Quarzitgneisse. Nur hat die Zahl und Grösse der infiltrirten Feldspathparthien oder Feldspathkrystalle so zugenommen, dass die ursprüng- liche parallele Anordnung der Glimmer- und Quarzit- lagen fast vollständig verwischt wurde. Beide wurden von dem wachsenden Feldspath bei Seite gedrängt und füllen nun in unregelmässigen Parthien die vom Feld- spath gelassenen Zwischenräume. In den meisten Fällen sind auch noch hier, namentlich in der Lagerung der — 217 — Glimmerblättchen, die Spuren der ehemaligen Schich- tung zu erkennen. Ist überdiess zu dem bereits vor- handenen körnigen Quarz, durch Infiltration, Glasquarz hinzugetreten und konnte sich dieser in grössern Par- thien hie und da in den Zwischenräumen ausscheiden, so haben wir ein dem ächten Granit ähnliches Gestein, obgleich der feinkörnige Quarz immer noch auf einen metamorphischen Ursprung hinweist. Wie in den gneiss- artigen Varietäten, so ist auch in den granitartigen der Feldspath ein rein weisser, an seinen glatten glänzenden Spaltflächen in zwei auf einander senkrechten Richtungen leicht erkennbarer, Orthoklas. Nur hie und da, aus- nahmsweise, sieht man mattere oder trübere Parthien eines zweiten Feldspathes beigemengt, welcher Oli- goklas sein möchte. Die characteristische Zwillings- streifung ist jedoch nur selten sichtbar. Dieser zweite Feldspath scheint zur Umwandlung weit eher geneigt zu sein, stellweise wird er trüber, matt grünlich-grau, weicher, specksteinartig, es siedeln sich talkähnliche, perl- mutterglänzende Glimmerschüppghen an, die den Anfang zu einem hellgrünen feinschuppigen Glimmeraggregat bilden. Also eine neue Quelle der Glimmerbildung! Wir hätten demnach in diesen gneiss- und granit- artigen metamorphischen Gesteinen zweierlei Quarz, zweierlei Feldspath, und zweierlei oder dreierlei Glimmer, jede dieser Varietäten von verschiedenem Alter und Ursprung. Volger hat in seiner Entwicklungs- geschichte der Mineralien schöne Beobachtungen auf die- sem Gebiete gemacht. Weitere Mineralien werden in diesen granit- und gneissartigen metamorphischen Gesteinen eingewachsen nicht angetroffen, ausgenommen Eisenkies in deutlichen Würfeln, die aber häufig schon in Brauneisenstein um- gewandelt sind. 15 — 918 — Syenite und Diorite, welche so häufig, nament- lich im Maderaner- und Etzlithal, gangförmige Einlage- rungen zwischen den steil aufgerichteten krystallinischen Schiefern bilden, finden sich nur spärlich in den südlich von der Crispaltkette auslaufenden Seitenthälern, nur in einzelnen zerstreuten Blöcken am Ausgang dieser Thäler. In dem Tobel nördlich hinter Sedrun, beim Ausgang des Strimthales, auf der nördlichen Thalseite, habe ich je- doch, in der Höhe, grosse Massen’ anstehend gefunden. Bald sind es eigentliche Syenite, in denen Hornblende und Orthoklasfeldspath ein regelmässig grobkörniges Gemenge bilden. Bald scheidet sich der weisse Feld- spath in unregelmässigen Parthien oder seltsam ge- wundenen körnigen Streifen aus, welche mit ähnlichen Streifen dunkelgrüner Hornblende wechseln. Es sind diess in grossen Massen und Blöcken auftretende Ge- steine, welche mit den Dioriten und Syeniten des untern Maderanerthals grosse Aehnlichkeit haben. Neben Or- thoklas scheint auch Oligoklas vorzukommen, wodurch dann dioritartige Syenite=entstehen. Aechte Diorite mit mattem, splittrigem Oligoklas finden sich seltener. Da- gegen begegnet man hin und wieder gneissartigen und schiefrigen Hornblendegesteinen, doch scheinen massige Syenite, von granitartiger Structur, zu überwiegen. Alle diese syenitähnlichen Hornblendegesteine enthalten, als sehr characteristischen, selten oder nie fehlenden Gemengtheil, kleineblassbraune Titanitkrystalle, in der bekannten Briefcouvertform. Obgleich bloss 1 bis 3 Millimeter an Durchmesser haltend, sind sie doch durch Glanz, Form und Farbe leicht zu erkennen. — Gewöhnlich schmiegen sich einzelne dunkelgrüne Glim- merblättchen den Hornblendenadeln an und nehmen oft so überhand, dass die Hornblende fast verdeckt wird. Wie ich schon in den vorhergehenden Arbeiten nach- =. 210% gewiesen, haben wir hier eine wirkliche, beginnende Umwandlung von Hornblende zu Glimmer vor uns, die wir Schritt für Schritt verfolgen können, bis alle Horn- blende durch Glimmer ersetzt ist. So entstehen allmäh- lig aus den ehemaligen Syeniten und Syenitgneissen Granite und Gneisse mit dunkelgrünem Glimmer , die wir von wirklichen Graniten kaum unterscheiden könn- ten, wenn nicht die bei der Umwandlung intact in der Gresteinsmasse gebliebenen kleinen Titanitkrystalle den ehemaligen Ursprung aus Hornblendegesteinen verriethen. Nach ihrem ganzen Habitus und ihrer Lagerungs- weise schliessen sich die schieferigen und gneissartigen Hornblendegesteine so enge an die vorherrschenden, durch Metamorphismus aus sedimentären Gesteinen her- vorgegangenen krystallinischen Schiefer an, dass man unwillkürlich auf eine ähnliche Entstehungsweise schlies- sen muss. Bisweilen findet sich, neben der dunkelgrünen Hornblende und dem aus ihr entstandenen dunkelgrünen Glimmer, noch der für die metamorphischen Schiefer so characteristische feinschuppige, grünlichweisse Talkglim- mer in grössern Flasern ausgeschieden. Ist die Horn- blende ganz verschwunden und zu Glimmer geworden, so tritt die Uebereinstimmung mit den gewöhnlichen krystallinischen Schiefern noch mehr hervor. Dagegen machen die massig auftretenden granit- artigen Syenite und Diorite, obwohl sie regelmässige Einlagerungen zwischen den Schiefern im Streichen der Schichten bilden und sich in ihrer mineralogischen Zu- sammensetzung den gneissartigen Varietäten anschlies- sen, durchaus den Eindruck von eruptiven Gesteinen. Hiefür sprechen auch die scharfbegrenzten glimmer- reichen Einschlüsse in den Graniten und Syeniten. Von den Syeniten und Dioriten bis zu den Dioritporphyren, Melaphyren, Trappen und Mandelsteinen von unzweifel- haft vulkanischem Ursprung, finden sich so zahlreiche, unmerkliche Uebergänge, dass wir kaum umhin können, allen einen ähnlichen, eruptiven Ursprung zuzuschreiben. Freilich gibt es Fälle, wo der Entscheid schwer wird, wo wir diejenigen Geologen begreifen können, welche geneigt sind, wenigstens gewissen Dioriten und Mela- phyren einen sedimentär-metamorphischen Ursprung zu- zuschreiben. Die Zahl dieser Geologen ist eher im Zu-, als im Abnehmen begriffen. Würden wir in unseren al- pinen Syeniten und Dioriten den für die metamorphischen Schiefer und Granite so characteristischen feinkörnigen Quarz finden, so könnten wir mit Recht auf einen ähn- lichen sedimentären Ursprung schliessen. Er fehlt aber durchaus, ebenso wie irgend eine parallele Anordnung der Bestandtheile, ein Beweis mehr für die eruptive Na- tur jener Massengesteine. Es möchte sich vielleicht noch mit der Zeit heraus- stellen, dass die Mehrzahl der massigen Granite mit dunkelgrünem Glimmer in unsern alpinen Centralmas- sivs aus der Umwandlung von Syeniten und Dioriten eruptiven Ursprungs hervorgegangen sind. In manchen Fällen scheint die Zersetzung der Hornblende das Mate- rial zur Bildung von Chlorit und Epidot geliefert zu haben. 6. Die Gesteine des St. Gotthardt. Wie wir gesehen haben, bestätigen die auf der Süd- flanke des Finsteraarhorn-Massivs gemachten Beobach- tungen über die Zusammensetzung und Entstehung der krystallinischen Schiefer unsere früher schon auf der Nordflanke gesammelten Erfahrungen. Der Gedanke lag nahe, auch die krystallinischen Gesteine des St. Gott- hardt-Massivs einer Untersuchung zu unterwerfen, um den Gang des metamorphischen Processes in diesen beiden nicht zusammengehörigen Schichtenfächern ver- — 221 — gleichen zu künnen. Die Gesteine des St. Gotthardt sind zwar den Geologen längst bekannt und schon öfter beschrieben worden. Eine Vergleichung derselben, theils unter sich, theils mit denjenigen des anstossenden Finster- aarhorn-Massivs, nach den von mir aufgestellten Gesichts- punkten, ist aber, meines Wissens, bisher noch nicht versucht worden. Vorläufig habe ich erst die nördliche Seite, an der Route von Andermatt bis zum Hospiz, einer nähern Prüfung unterzogen. Wir finden hier den- selben Wechsel von Thonschiefern, Glimmerschiefern, gneiss- und granitartigen Gesteinen, wie in den Umge- bungen des Crispalt, nur ist die krystallinische Um- wandlung, namentlich diejenige der granitartigen Ge- steine, am St. Gotthardt noch bedeutend weiter vorgeschritten. Die Gesteine erscheinen reiner, glän- zender, ihre Bestandtheile schöner und grösser ausgebil- det. Beim Ansteigen von Hospenthal herrschen noch Thon- und Glimmerschiefer vor, mit Gängen von Glas- quarz, dann stellen sich mehr und mehr gneissartige Ge- steine ein, die in der Nähe des Hospizes massig, granit- artig werden, obgleich auch hier noch eine parallele An- ordnung der Glimmerblättchen zu erkennen ist. Der Schichtenfall wird durch das Auftreten der massigen Gesteine schwankend, bald steil nach Nord, bald steil nach Süd geneigt, oft durch starke horizontale Zerklüf- tung undeutlich, während sonst von Hospenthal an auf- wärts bis in die Nähe des Hospizes der steile Südfall, 80 — 85°, fast ohne Unterbrechung anhält. Als wesent- licher Gemengtheil aller dieser gneiss- und granitartigen Gesteine tritt uns allenthalben der etwas röthlichgraue, sonst fast farblose und durchsichtige körnige Quarz ent- gegen, der eigentlich mehr oder minder parallel laufende Parthieen, Flasern oder Lagen von lose verbundenen ein- zelnen Quarzkörnern darstellt. Die Körner sind bedeu- RE tend grösser als in den Crispaltgesteinen. Ist das Gestein schiefrig, so bilden die Quarzkörner regelmässige paral- lele Zwischenlagen, die auch in den dicker geschichte- ten mehr gneissartigen Bänken noch eine ziemlich pa- rallele Anordnung einhalten. Die Entstehung aus Quarz- sandsteinen, die noch alle ihre Quarzkörner beibehalten haben, lässt sich hier Schritt für Schritt verfolgen. Wo aber in Folge des metamorphischen Processes, durch Infiltration auf nassem Wege, Feldspathsubstanz in diese ehemaligen Sandsteine eingedrungen ist und sich in grös- sern Krystallen ausgeschieden hat, da wurde die paral- lele Anordnung der Sand- und Glimmerschichten, wie in den ähnlichen Crispaltgesteinen, gestört, die Glimmer- lagen nach oben und unten ausgebogen und die Quarz- körnerschichten unterbrochen und zu unregelmässigen Parthieen seitlich zusammen gedrängt. In der Nähe des Hospizes erreichen die Feldspathkrystalle — es ist ge- wöhnlich ein schneeweisser Orthoklas — eine Grösse von 1 bis 2 Zoll, die ehemalige parallele Anordnung der Glimmerblättchen ist schwer mehr zu erkennen und das so umgewandelte Gestein gewinnt ganz ein granitartiges Ansehen. Bei oberflächlicher Betrachtung glaubt man einen porphyrartigen groben Granit vor sich zu sehen, aber der nie fehlende, so characteristische, Kör- nerquarz wird uns immer wieder die Abstammung des Gesteins aus einem Sandstein verrathen. Uebrigens ist die Parallelstructur selten ganz verwischt und zahllose Ueber- gänge leiten uns zu dem ursprünglichen sedimentären Gestein. Wo der Glimmer zusammenhängende Lagen bildet, da entstehen durch das starke Anwachsen der durch Infiltration ausgeschiedenen Feldspathkrystalle srobknotige schiefrige Gesteine oder s. g. Augengneisse. Wir haben also hier denselben Umwandlungsprocess vor uns, wie in den bereits beschriebenen ähnlichen Gesteinen — 223 — aus den Umgebungen des Crispalt, nur in noch weiterer krystallinischer Ausbildung. Die Glimmerblättchen sind bedeutend grösser, glätter, glänzender, öfters längsge- streckt, von dunkelbrauner bis schwarzer Farbe. Neben diesem dunkeln Glimmer können wir deutlich noch einen zweiten, grünlichweissen, sehr lebhaft perlmutterglän- zenden Glimmer unterscheiden, der in grössern, oft ge- bogenen Flasern von ausgezeichnet schuppiger Textur. gruppirt ist und sehr wahrscheinlich in die Gruppe unse- rer s. g. Talkglimmer gehört. Früher hätte man ihn Talk genannt. Quarzitgneisse und Quarzitgranite, von schwankender Schichtung und Zerklüftung, sind demnach die vorherrschenden Gesteine in den Umgebungen des St. Gotthardt-Hospizes. Dabei werden wir aber jewei- len wieder durch die dazwischen gelagerten, dünnen Schichten grüner und grauer, bisweilen wellig gebogener Schiefer an die wahre, fast ausschliesslich steil südfal- lende Schichtenstellung erinnert, wie sie der Fächer- structur zukommt. Am Südabhang herrscht, dieser Struc- tur entspreehend, nach den veröffentlichten Profilen nörd- licher Schichtenfall vor. Wahre Granite und Gneisse, durch Glasquarz cha- racterisirt und ohne körnigen Quarz, habe ich am St. Gotthardt, wenigstens auf der Nordseite, nirgends an- stehend gesehen. Ebenso wenig sind mir Hornblende- gesteine vorgekommen. Vielleicht finden sich solche ächt granitischen Massengesteine in den höhern Seiten- thälern. Dagegen enthalten die bereits beschriebenen Quar- zitgneisse und Quarzitgranite hin und wieder ausser ihrem ursprünglichen sedimentären Körnerquarz oder feinen Quarzkörnern, noch kleine Parthieen von durchscheinen- dem glänzendem Glasquarz mit muscheligem Bruch, der Er + augenscheinlich, wie der Orthoklas, erst später auf nas- sem Wege durch Infiltration eingeführt und ausgeschie- den worden ist. Es ist diess derselbe Glasquarz, der in Klüften und Spalten der schiefer- und gneissartigen Schichten Gangausfüllungen bildet oder wo der Raum es ge- stattete, in hübschen Drusen von Bergkrystall sich ausge- bildet hat. Wir können oft dieselbe glasige, rauchgraue Quarzmasse, aus denen die Bergkrystalle in den Klüften bestehen, bis in das Innere des granitischen Gesteines hinein verfolgen und uns so überzeugen, dass beide, die Krystalldrusen in den Klüften und die glasigen Quarzparthieen im Innern des Gesteins, aus dersel- ben Lösung sich ausgeschieden haben. Die in das In- nere eingedrungene Quarzmasse umhüllt bisweilen die be- reits vorhandenen feinen Quarzkörner der Art, dass diese weniger deutlich sich unterscheiden, und das Gestein dann einem ächten Gneiss oder Granit sehr ähnlich wird. Wir müssen also auch hier ähnliche Umwandlungspro- cesse wie in den bereits beschriebenen Crispaltgesteinen voraussetzen. Nicht immer dringt die Mineralsubstanz, die sich als Druse in einer Kluft ausgeschieden hat, in das Innere des anliegenden Gesteines ein. Ist dieses dicht und fest, von Flüssigkeiten schwer durchdringbar, so fand blosse Anlagerung statt. Das Centralmassiv des St. Gotthardt bildet dem- nach einen ähnlichen Schichtenfächer krystallinischer, mehr oder minder schieferiger oder gneissartiger Ge- steine, sedimentären, wahrscheinlich eben so alten Ur- sprunges, wie das Massiv des Finsteraarhorns. Schon früher, in meinen Arbeiten über das Maderaner-, Etzli- und Fellithal, habe ich die Vermuthung ausgesprochen, dass dieses Schiefergebiet aus Ablagerungen der palaeo- zoischen, oder ältesten, Versteinerungen führenden Pe- riode hervorgegangen und wahrscheinlich grösstentheils — 225 — devonischen Ursprunges sei, wofür auch die wenigen von mir im Etzli- und Maderanerthal aufgefundenen fossilen Reste sprechen. Die Einlagerungen von Anthraziten am Bristenstock und weiter oben im Etzlithal könnten auch für Ablagerungen der Steinkohlenformation sprechen, ob- gleich solche kohlenführenden Schichten auch in der Devonformation vorkommen. So lange entscheidende or- ganische Reste fehlen, sind wir auf blosse Vermuthungen beschränkt. Die krystallinischen Schiefer in den Umgebungen des St. Gotthardt und des Crispalt, welche den genannten grossen Centralmassivs angehören, scheinen, sowohl nach ihrer mineralogischen Beschaffenheit, als auch nach ihrer geologischen Stellung, nahe verwandt zu sein mit den „Phylliten“ der österreichischen Geologen und den Ca- sannaschiefern von Prof. Theobald, welche der letztere in bedeutender Ausdehnung in den Graubündtner Alpen angetroffen hat. Natürlich können erst genauere Ver- gleichungen über die geologische Zusammengehörigkeit einzelner entlegener Schiefergebiete entscheiden. Prof. Theobald trennt, gleich mir, die eigentlichen Gneisse und Granite von jenen krystallinischen, oft gneissähn- lichen Schiefern ab. Auch er nimmt die eruptive Ent- stehung mancher Granite an, und betrachtet den Gneiss, d. h. den wahren alten Gneiss, als das tiefste und älteste uns bekannte Grundgestein, das allenthalben die Basis des Centralgebirges bildet. Quarzitgranite, Quarzitgneisse, Quarzitglimmerschie- fer und ähnliche metamorphische Gesteine, die nach meinen bisherigen Untersuchungen eine Entstehung aus ehemaligen Sandsteinen vermuthen lassen, und die alle durch den ausgezeichneten feinkörnigen Quarz, als we- sentlichen Bestandtheil, characterisirt sind, finden sich übrigens nicht nur in den Umgebungen des Gotthardt — 26 — und des Crispalt, sondern auch sehr häufig in den Um- gebungen des Monte Rosa, in den Bündtner-Alpen und in den Berner- und Walliser-Alpen, welche die west- liche Fortsetzung des Finsteraarhorn-Massivs, jenseits des Reussthales, bilden. Ich besitze aus diesen verschiedenen Centralketten eine Anzahl von Belegstücken, welche ich theils selbst gesammelt, theils von Freunden und Be- kannten, namentlich von Mitgliedern des schweizerischen Alpenclubs, erhalten habe. Diese Stücke zeigen so viel Uebereinstimmung mit den von mir beschriebenen, dass wir auf eine ähnliche Entstehung schliessen dürfen. 7. Gang des metamorphischen Processes. Schon oben wurde die Vermuthung ausgesprochen, dass manche unserer Granite aus Syeniten entstanden seien. Ueberhaupt dürfen wir nie ausser Acht lassen, dass die eruptiven ebenso gut, wie die sedimentären Gesteine, nach ihrer Erstarrung weitere Umwandlungen erlitten haben, und dass wir vielleicht keinen Granit, Syenit oder Porphyr in dem Zustand seiner ersten Bil- dung oder wie er aus der Tiefe heraufgedrungen ist, noch vor uns sehen. Beim Granit und Syenit können wir bereits eine Anzahl Umwandlungsstadien, namentlich solche, die zur Glimmerbildung geführt haben, mit Sicher- heit nachweisen. Bei andern alten Eruptivgesteinen wird es uns auch gelingen. Wenn wir bei den heutigen vulkanischen Eruptiv- gesteinen, so weit sie zu Tage liegen, keine solchen Umwandlungen, sondern nur die gewöhnlichen Resultate der Verwitterung durch die Atmosphärilien wahrnehmen, so dürfen wir von dem, was wir an der Oberfläche und in der kurzen Spanne der Gegenwart sehen oder nicht sehen, keinen Schluss auf die Vorgänge ziehen, die in der Tiefe und in frühern geologischen Zeitaltern Jahr- tausende hindurch stattgefunden haben mögen. — 27 — Es ist kaum anders denkbar, als dass die krystal- linischen Umwandlungen sowohl der alten Eruptivgesteine, als der alten Sedimentärformationen, nur in grosser Tiefe, bedeckt von mächtigen jüngern Bildungen, unter höherer Temperatur und höherem Druck, stattgefunden haben. Mit Recht hat man daher jene alten Eruptivgesteine wie Syenit, Granit, Gabbro u. s. w. als plutonische Gesteine bezeichnet. Ohne Zweifel sind die Gewässer durch die . Gesteinspalten von der Oberfläche zu grossen Tiefen hinabgedrungen und haben unter höherm Druck und grösserer Erwärmung viele, sonst fast unlösliche, Be- standtheile aufgelöst und bei ihrer weitern Wanderung in benachbarten Gesteinen wieder abgesetzt. Häufig fand hiebei ein Austausch der Stoffe statt. Einzelne Bestandtheile wurden von den Gewässern fortgeführt und dagegen andere an ihrer Stelle ausgeschieden, wie wir in zahlreichen Fällen an den Umwandlungspseudo- morphosen wahrnehmen. Derselbe Process, der den chemischen Bestand eines einzelnen Krystalles verändert und mit Beibehaltung seiner Form zu einer Pseudo- morphose umgebildet hat, derselbe Process hat ganze Gebirgsmassen ergriffen und in den gleichartigen Be- standtheilen derselben eine ähnliche Umwandlung her- vorgebracht. Die Umwandlung der ehemaligen sedimentären Sandsteine zu gneiss- und granitartigen Gesteinen, durch Infiltration von Lösungen, welche Quarz-, Feldspath- und Glimmersubstanz krystallinisch ausgeschieden haben, eine Umwandlung, die wir sowohl auf der Nord-, als auf der Südseite unseres Centralmassives durch alle Zwischenstadien verfolgen können, gibt uns feste An- haltspunkte sur Beurtheilung des metamorphischen Pro- cesses, dem diese ehemals rein sedimentären, nun vielfach veränderten, krystallinischen Gesteine unterworfen waren. — 228 — Wir sehen klar, dass die jetzt noch von manchen Geologen getheilte Ansicht, als ob die Umwandlung der ehemals sedimentären Kalk-, Sand- und Thonschiefer zu krystallinischen Gesteinen Folge einer blossen Er- wärmung und langsamen Umkrystallisirung durch die innere Erdwärme oder durch heisse eruptive Massen aus der Tiefe sei, wenigstens hier in unserm Schiefer- gebiet nicht zutrifft, dass vielmehr ein Zufluss neuer Stoffe oder wie in den einzelnen Pseudomorphosen ein Austausch von Stoffen auf nassem Wege statt- gefunden hat, wobei die Wärme nur untergeordnet, in- sofern sie die chemische Thätigkeit und die Löslichkeit der Stoffe erhöhte, mitwirkte. Wir dürfen nur die Ana- lysen der noch nicht veränderten Kalk-, Sand- und Mergelschiefer mit denjenigen der aus ihrer Umwand- lung hervorgegangenen glimmer- und feldspathreichen krystallinischen Schiefer vergleichen, um uns zu über- zeugen, dass in der That ein Zufluss neuer Stoffe oder im Allgemeinen ein Austausch auf nassem Wege die Umwandlung bewirkt habe, wobei nicht einmal eine beträchtliche Temperaturerhöhung vorausgesetzt werden muss. In den meisten Fällen mochte eine Temperatur genügen, welche diejenige des siedenden Wassers unter mehrfachem Atmosphärendruck, wie sie grössern Tiefen zukommt, nur wenig übertraf, und in manchen Fällen mochte die durchschnittliche Temperatur unserer wär- mern Mineralquellen hinreichen. Wenn wir in den Absätzen unserer heutigen Mineral- quellen an der Erdoberfläche noch keine Glimmer- und Feldspathkrystalle, und nur selten Quarzkrystalle ge- funden haben, so ist diess kein Beweis gegen die An- nahme solcher Ausscheidungen in den Tiefen der Erde, unter höherem Druck, höherer Temperatur und in frühern geologischen Perioden. Für die krystallinische Aus- — 229 — scheidung des Feldspathes, des Quarzes, des Glimmers in diesen metamorphischen Gesteinen, auf nassem Wege, aus wässerigen Lüsungen, haben wir bereits so viele Be- weismittel in den Händen, dass weitere, aus den Ab- sätzen unserer heutigen Quellen entnommene, gar nicht mehr nöthig sind. Eine genauere mineralogische und chemische Untersuchung unserer Quellabsätze, in denen meistens verschiedenartige Stoffe durcheinander gemengt sind, kann noch manches Neue zu Tage fördern. Einst- weilen wissen wir, dass nicht wenige Mineralquellen alle die Stoffe, wenn auch in minimen Quantitäten, auf- gelöst enthalten, welche zur Quarz-, Glimmer- und Feld- spathbildung nöthig sind. Fragen wir, woher die mineralführenden Gewässer, welche die ehemals sedimentären Schichten durchzogen und durch Ausscheidung der genannten Mineralien die krystallinische Umbildung bewirkt haben, woher diese Gewässer die zu jenen Ausscheidungen nöthigen Stoffe genommen haben, so werden wir immer wieder, wie ich schon in meiner vorhergehenden Arbeit über das Ma- deranerthal angedeutet habe, auf die Zersetzung älterer, Feldspath führender, Gesteine hingewiesen, seien es nun solche, die selbst durch Umwandlung entstanden sind, oder solche, wie die eigentlichen Granite, Syenite, Diorite und ähnliche wahrscheinlich eruptive Gesteine, welche, aus den Tiefen der Erde stammend, die der Umwand- lung ausgesetzten Schiefer gehoben und durchbrochen haben. Die Zersetzung und Auslaugung der nächst lie- genden Eruptivgesteine hat also vorzugsweise die Stoffe geliefert, deren Infiltration in die benachbarten sedi- mentären Schiefer ihre krystallinische Metamorphose be- wirkte. Diese in der Tiefe, unter der Bedeckung mäch- tiger Gebirgsmassen fortschreitende Zersetzung dürfen wir nicht mit den gleichfalls auf Zersetzung beruhenden, —- 230° — aber an der Oberfläche vor sich gehenden Verwitterungs- processen verwechseln, welche gleichfalls sämmtliche Gesteine, die metamorphischen, wie die eruptiven, aus- laugen, aber andere Zersetzungsproducte erzeugen. Manche derselben mögen wieder durch Spalten in die Tiefe, in das Innere des Gebirges eindringen und hier neue Bil- dungen hervorrufen, die Hauptmasse aber wird durch die Gewässer auf der Oberfläche fortgeführt und in den Niederungen zu neuen Sedimentgesteinen abgelagert. Ob in der Tiefe dieselben Zersetzungs- und Um- wandlungsprocesse, welche die Metamorphose der zu Tage getretenen krystallinischen Schiefer bewirkt haben, noch fortdauern oder ob ihre Thätigkeit, einer früheren geologischen Periode angehörend, eine längst abgeschlos- sene ist, darüber lässt sich vor der Hand keine sichere Antwort geben. An der Oberfläche, dem Bereich der Flüssigkeiten, welche die krystallinische Umwandlung fortsetzen könnten, entrückt, scheint unser fächerförmig aufgerichtetes Schiefergebirg bloss den Einflüssen der Atmosphärilien, also der gewöhnlichen Verwitterung zu unterliegen. Also was aussen vor uns liegt, obgleich grösstentheils aus unfertigen, mitten im Umwandlungs- process unterbrochenen Bildungen bestehend, ist gewis- sermassen abgeschlossen, vollendet, todt und geht dem Zerfall entgegen. In der Tiefe aber müssen durch die überall hindurch dringenden Gewässer noch eine Reihe von Zersetzungen, Lösungen und Umbildungen fort- dauern, welche den metamorphischen Process, obgleich unter veränderten Verhältnissen, in anderer Weise, als früher, doch stetig fortsetzen. An einen Stillstand ist auch da nirgends zu denken. Schwankungen, Modifica- tionen treten ein, aber die Umwandlung dauert fort. Alte Spalten werden geschlossen, neue geöffnet, welche Gewässern aus andern Gebirgstheilen, mit anderm Mi- neralgehalt, den Zutritt eröffnen. Hebungen und Sen- kungen des Gebirges müssen demnach, als Folgen dieser chemischen Processe, noch immer fortdauern. Sind auch die Vorgänge, welche die Ausbildung und Umwandlung unserer krystallinischen Centralgebirge be- wirkt haben, noch grösstentheils in Dunkel gehüllt, so wird doch eine sorgfältige Untersuchung und Vergleichung der zu Tage getretenen Schichten und ihrer wechselnden Bestandtheile einiges Licht in dieses Dunkel werfen. Der vielfache Wechsel thoniger und sandiger Schich- ten, aus deren Umwandlung unsere Schiefer und Gneisse hervorgegangen sind, lässt auf Ablagerung von süssen Gewässern in Meeresbuchten, in der Nähe von Fluss- mündungen schliessen, welche den Detritus der Gebirge in einem weiten Delta ablagerten. Der gänzliche Mangel an Meeresmuscheln, an sichtbaren Versteinerungen über- haupt, spricht für diese Ansicht. Der metamorphische Process war nicht der Art, um alle Spuren von Muscheln auszulöschen, wenn solche vorhanden gewesen wären. Abdrücke oder Steinkerne hätten sich in manchen Schich- ten wohl erhalten können. Die grauen und geschwärz- ten Schiefer jedoch verrathen noch Spuren organischer Substanz. Flussablagerungen setzen natürlich ein be- nachbartes Festland voraus. 8. Entstehung des Schichtenfächers. Bei dem Mangel an organischen Resten ist es vor der Hand unmöglich, zu bestimmen, ob die mächtige, fächerförmig aufgerichtete Schichtenfolge des Finster- aarhorn-Massivs einer einzigen oder mehrern geologischen Formationen angehöre, ob nur silurische, oder nur de- vonische, oder ob silurische, devonische und carbonische Ablagerungen zusammen vorkommen. Wir haben in die- sem grossen Centralmassiv nicht die regelmässige Fächer- bildung, wie sie vom Montblanc dargestellt wird, mit — = einem einzigen granitischen Centralkern, der die Schie- ferschichten mitten durchbrochen, aufgerichtet und bei weiterm Hervordringen fächerförmig zurückgebogen hat, so dass die Schichtenfolge auf der Südflanke derjenigen auf der Nordflanke entspricht. Im Gegentheil geht aus meinen bisherigen Beobachtungen, namentlich im Fellithal, her- vor, dass mehrere grössere Granitmassen das steil aufgerichtete Schiefergebiet des Finsteraarhorn-Mas- sivs durchbrochen haben, abgesehen von den syenitischen und dioritischen Einlagerungen, denen wir einen ähn- lichen eruptiven Ursprung zuschreiben müssen. Die Schiefer wurden durch diese eruptiven Granitmassen nicht bloss durchbrochen, sondern gebogen und seitlich zu- sammengedrückt, so dass vielleicht unser Schichtenfächer einer Reihe zusammengedrückter Gewölbe entspricht, deren Schlussbögen gebrochen und durch Erosion ent- fernt wurden. In Folge dieser wiederholten gewölbarti- gen Faltung würden dann dieselben Schichtenfolgen, wenn wir den Fächer quer durchschneiden, mehrmals wiederkehren, etwain der Weise, wie sich uns das durch die Kreideschichten gezogene Profil der Sentisgruppe darstellt. (S. B. Studer „Geologie der Schweiz“, Bd. 2, S. 193.) Oefters schon versuchte ich, eine dieser Fal- tung entsprechende, regelmässige Wiederholung ähnlicher Schichtencomplexe, in unserm Centralmassiv aufzufinden, aber es wollte mir nicht gelingen. Nicht einmal die wiederholten Einlagerungen von Kohlenschiefern im Etzlithal lassen sich in dieser Weise befriedigend deu- ten, noch weniger die sonst gleichfalls durch ihre Farbe und Structur characteristischen chloritischen Schiefer, am wenigsten die übrigen krystallinischen Gesteine, die in unzähligen Abänderungen im regellosesten Wechsel sich wiederholen. Wir haben nichtsdestoweniger allen Grund, in unserm — 233 — Schichtenfächer eine wiederholte Gewölbfaltung derselben Schichtenfolge zu vermuthen. Wenn es uns noch nicht gelungen ist, einen und denselben Schich- tencomplex in seinen Windungen durch die Falten A, B, C, D u. s. w. zu verfolgen, so müssen wir berücksichti- gen, dass dieselbe Schicht an verschiedenen Stellen des Gebirges eine verschiedenartige chemische Umwandlung erlitten haben kann, hier zu einem Thonschiefer, dort zu einem Glimmerschiefer, Talk- oder Chloritschiefer gewor- denist. Selbst in unveränderten Sedimentärgebirgen keilen sich nicht selten die Schichten aus, oder wird eine hier kalkige Schicht in grösserer Entfernung thonig oder sandig, obschon sie der Zeit nach einer und derselben Ablagerung angehört. Nähmen wir an, dass jede Schicht in dem ungeheuren Schichtenfächer des Finsteraarhorn- Massivs einer besondern Ablagerung angehöre, also von verschiedenem Alter sei, so würden wir eine Schichten- folge von 3 bis 4 Stunden, also etwa 60,000 Fuss Mäch- tigkeit erhalten, wie sie in einem sonst so gleichartigen Schiefergebirg nicht gerade wahrscheinlich ist. Man gibt zwar für die silurischen und devonischen Schichten in England und Nordamerika an verschiedenen Stellen eine ähnliche ungeheure Mächtigkeit an, kommt aber immer mehr von der Ansicht zurück, darin eine regelmässige Altersfolge älterer und jüngerer Ablagerungen zu er- blicken. Gewöhnlich sind auch dort die Schichten steil aufgerichtet. In unsern Alpen, ja schon im Jura, haben ‚wir so häufig Gelegenheit, die wiederholte Gewölbefal- tung mit sehr steilem, parallel gestelltem Schichtenfall, mit Sicherheit zu erkennen, dass wir auch in unsern krystallinischen Centralgebirgen, wo die organischen Reste bisher so viel wie gar nicht gefunden worden sind, einen ähnlichen Gewölbebau voraussetzen dürfen, der die jetzige Fächerstellung der Schichten am genügendsten erklären 16 — 934 — würde. Dass diese Fächerstellung einer wirklichen Schich- tung und nicht einer blossen, durch Seitendruck bewirk- ten, regelmässigen Zerklüftung (Clivage) entspricht, da- für glaube ich, schon in meinem beschränkten Excur- sionsgebiet, namentlich in dem Wechsel ganz dünner mit dickern Schichten, zahlreiche Beweise gefunden zu haben. Obgleich der wahre eruptive Granit nur an wenigen Orten in unserm Schiefergebiet zum Durchbruch gekom- men ist, so können wir doch nicht umhin, gestützt auf anderweitige in den Alpen und andern krystallinischen Gebirgen gesammelte Erfahrungen, den Granit und sein Hervordrängen aus der Tiefe, gleichviel ob im festen, oder halbflüssigen Zustand, als die hebende Ursache zu betrachten, eine Ansicht, die auch mit den vielfältigen von Prof. Theobald in den Bündner Alpen gemachten Beobachtungen übereinstimmt. Es lässt sich sogar an- nehmen, dass der Granit das bereits in einer frühern Periode steil gestellte Schiefergebirge erst in einer spä- tern Zeit zu der jetzigen grossen Höhe empor gehoben hat. Ebenso werden die Syenite, Diorite, Gabbros und anderen alten Eruptivgesteine an diesen Hebungen Theil genommen haben. Wiederholt wurde in den vorstehenden Mittheilungen, sowie in meinen frühern Arbeiten über die krystallini- schen Centralgebirge unserer Alpen, auf die vielfältigen Umwandlungsprocesse hingewiesen, welche sowohl jene alten Eruptivgesteine, als namentlich auch die aus sedi- mentären Ablagerungen hervorgegangenen krystallini- schen Schiefer erlitten haben. Es konnte im Einzelnen nachgewiesen werden, wie diese Umwandlungen grössten- theils durch Zufuhr neuer Stoffe, welche auf nassem Wege in die für Flüssigkeiten durchdringbaren Gesteine eingeführt wurden, zu Stande kamen, wie die neu hin- zugekommenen Stoffe, insbesondere der Feldspath, durch u nn | — 9235 — krystallinisches Wachsthum sich ausdehnten und die be- reits vorhandenen Mineralien bei Seite drängten, und wie durch dieses innere Wachsthum, das an unzähligen Stel- len sich vollzog, ganze Schichten oder Schichtencomplexe ausgedehnt wurden. Wir werden daher kaum umhin können, dem metamorphischen Process, welcher das langsame Aufquellen ganzer Gebirge zur Folge hatte, einen hauptsächlichen Antheil an der Hebung unserer Centralalpen beizumessen. Ja es liest der Gedanke nahe, dass der aus der Tiefe hervordrängende, hebende Granit, seine bewegende Gewalt selbst nur solchen me- tamorphisch-krystallinischen Processen verdanke. Vergleichen wir die krystallinischen Centralgebirge der Alpen mit den entsprechenden Gesteinen im Schwarz- wald, Odenwald, den Vogesen u. s. w., so werden wir uns immer mehr überzeugen, dass trotz mannigfaltigen Modificationen, hier wie dort, wesentlich dieselben Um- wandlungsprocesse stattgefunden haben. 9. Die Mineralien der Crispaltgruppe. Versteinerungen oder auch nur Spuren organischer Reste konnte ich in dem ganzen, diesen Sommer durch- wanderten, Schiefergebiet nirgends entdecken. Dagegen fehlt es nicht an hübsch krystallisirten Mineralien verschie- dener Art, obgleich wir sie hier nicht in der Schönheit und Mannigfaltigkeit, wie auf der Nordseite, im Maderaner- und Etzlithal, finden. Am häufigsten ist Bergkrystall, namentlich Rauchtopas, mit den vielartigen$® merkwürdi- gen Krystallflächen. Chlorit ist gleichfalls sehr verbreitet. Schon etwas seltener findet man in deutlichen Krystall- drusen Adular, Epidot und Glimmer. Auch Kalkspath zeigt sich hin und wieder. Eisenglanz auf Kluftflächen von weissem feinkörnigem Gneissquarzit habe ich im Strim- und Giufthale, kleine Krystalle von Bleiglanz und Kupferkies mit Spuren von Malachit im Giufthale — 236 — gefunden, die beiden letztern in Glasquarz eingewachsen, in kleinen Gängen des grauen Talkglimmerschiefers. Die Eisenglanze stehen aber an Grösse und Schönheit weit hinter den so bekannten prachtvollen Krystallen vom benachbarten Caveradi, jenseits des Vorderrheins, zu- rück. Ausserdem werden in dem reichhaltigen Werke von Prof. Kenngott über „die Minerale der Schweiz“ noch folgende Arten aus diesen Thälern genannt: Kalk- spath. Flussspath, Anhydrit, Apatit, Desmin (Stilbit), Heulandit, Laumontit, Byssolith, Rutil, Titanit. Brookit und Anatas werden sich wohl auch vorfinden, so gut wie auf der nördlichen Seite. Eisenkies kommt, wie bereits oben bemerkt, ungemein häufig in diesen Schiefern und gneiss- artigen Gesteinen eingewachsen vor, meistens in der ein- fachen Würfelform und in Umwandlung zu Brauneisen- stein. Ich betrachte diese Eisenkieswürfel als die letz- ten Spuren der Wirkung organischer Substanzen in unserm Schiefergebiet. Ausser dem Eisenkies finden sich alle genannten Mineralien, wo sie in deutlichen Krystallen und zu Drusen gruppirt auftreten, in Klüften ausgeschieden. Es unterliegt für mich keinem Zweifel mehr, dass diese in Klüften auskrystallisirten Mineralien demselben Zersetzungs- und Auslaugungsprocess entstammen, der die ältern krystallinischen Gesteine ergriffen und die jün- gern, durch Infiltration dieser Auslaugungsproducte, zu krystallinisc#en umgewandelt hat. Wir können uns schon in einzelnen Handstücken überzeugen, dass derselbe Quarz und derselbe Orthoklas, welche als Hauptbestandtheile unsere metamorphischen Gesteine durchsetzen, in ununterbrochenem Zusammen- hang stehen mit den Bergkrystallen und Adularen, welche in den Klüften sich zu freien Drusen ausbilden konnten. Dieselbe Lösung hat dort, mitten in der Masse des Ge- — 2317 — steines, Quarz und Orthoklas in unregelmässigen Par- thieen oder undeutlichen Formen, hier, in freien Räumen, wo nichts der Krystallbildung entgegentrat, Bergkrystall und Adular in wohlgebildeten Krystallen ausgeschieden. Adular und Orthoklas sind daher ein und dasselbe Mineral, gehören ein und derselben Masse an, so gut als Bergkrystallund Glasquarz. Ist der Bergkrystall bräunlich oder schwärzlich (Var. Rauchtopas), so ist es der im benachbarten Gestein aus- geschiedene Glasquarz gleichfalls, ist jener farblos, so ist dieser es auch. Der hie und da mit vorkommende weisse, an der feinen Zwillingsstreifung erkennbare, tri- klinische Feldspath der gneiss- und granitartigen Ge- steine möchte mit den in den Klüften in deutlichen Zwillingskrystallen ausgeschiedenen Albit identisch sein. Ebenso verhält es sich mit Chlorit, Glimmer und andern Mineralien, welche einerseits Hauptbestandtheile der um- gewandelten Gneisse und Schiefer, andrerseits wohlkry- stallisirte Gruppen oder Drusen in den Klüften bilden. Wie überall, so zeigen auch in unserm Schiefergebiet die in der Gesteinsmasse eingewachsenen Krystalle einen andern Habitus, oder etwas andere, obgleich auf die- selbe Grundgestalt zurückführbare Krystallformen, als die im freien Raume ausgebildeten desselben Minerals. Quarz, Orthoklas, Titanit sind bekannte Beispiele für dieses verschiedenartige Auftreten. Alle diejenigen Mi- ‚neralien, welche Erzeugnisse des metamorphischen In- filtrationsprocesses sind — und es sind ihrer nicht we- nige — werden mithin ebenso gut eingewachsen, als aufgewachsen vorkommen können. Es ist jedoch nicht zu läugnen, dass einige, wie Amianth, Brookit, Anatas etc., vorzugsweise aufgewachsen, andere, wie Eisenkies, häufiger eingewachsen vorkommen. Es ist noch zu be- merken, dass der in der Masse des Gesteins ausgeschie- — 9238 — dene Orthoklas, obgleich nicht scharf begrenzt, fast immer in deutlichen Zwillingskrystallen auftritt, während der in den Klüften ausgeschiedene Adular meist nur in einfachen Krystallen von der bekannten Form (0.P. © P. P co) vorkommt. Wie im Maderanerthal, so sind auch in den südlichen Thälern die Krystalle des Adulars, des Berg- krystalles, Titanites u. s. w. mit Chloritwürmchen bestreut. Als grosse Seltenheit in den Schweizeralpen findet sich in den Umgebungen des Tavetsch Barytspath und zwar in der gewöhnlichen Form von rectangulären Tafeln, welche durch die vorherrschende Basis und durch das gewöhnliche Brachy- und Makrodoma gebildet sind. Es ergibt sich aus dem Vorhergehenden, dass die in den Klüften in deutlichen Krystallen ausgebildeten Mineralien nicht als Ausscheidungen aus dem nächst anliegenden Nebengestein zu betrachten sind, sondern dass sie, gleich den in der Masse des Nebenge- steins ausgeschiedenen ähnlichen Mineralien, in gelöster Form durch Spalten und Klüfte aus der Ferne herbei- geführt und umgekehrt von den Kluftflächen aus in das Nebengestein eingedrungen sind. War dieses fest und undurchdringlich, so erfolgte eine blosse Anlagerung der auf den Kluftwänden ausgeschiedenen Krystallgrup- pen, ähnlich wie in den Erzgängen. Den Stoff selbst für diese krystallinischen Ausscheidungen entnahmen die das Gebirge durchziehenden Gewässer ferner liegenden, in Zersetzung begriffenen Gebirgstheilen. In ihrem wei- tern Verlauf durch das Gestein wurde ein Theil der be- reits in Lösung getretenen Stoffe ausgeschieden und Neues aufgenommen, das erst später zum Absatz kam, wobei ein fortwährender Austausch von Stoffen statt- finden musste. In Klüften treten die einzelnen Mineralien nur schöner und deutlicher auseinander, während sie sich in der — 239 — Masse des Gesteines selbst gegenseitig in ihrer Ausbil- dung hinderten. Aber auch hier, mitten im Gestein, fin- det dasselbe Kommen und Gehen, derselbe Wechsel der Stoffe statt, wie in den Klüften bei den gut ausgebilde- ten Krystallen. Bereits vorhandene Bestandtheile wer- den fortgeführt, neue treten an ihre Stelle, aus dem alten Mineral ist ein anderes, neues geworden. Unsere metamorphischen Schiefer, Gneisse und Granite bestehen nicht aus einem regellosen, zufällig gemischten Aggregat mehrer Mineralien, nein, sie bilden ein kunstvolles Gewebe, das nach ganz bestimmten Gesetzen Form und Mischung ändert. Das ursprüngliche oder relativ ältere Gestein bildet den Zettel (die Kette), die neu hin- zutretenden Stoffe liefern den Einschlag. So wird all- mählig aus einem Sandstein oder Mergelschiefer ein Gneiss oder Glimmerschiefer, wie wir oben gesehen haben. Die schönsten Krystalle finden sich bekanntlich in den entlegensten, unzugänglichsten Höhen unseres Centralgebirges. Es ist kein Grund, warum sie nicht ebenso gut unten im Thal, an den Gehängen, und in den heruntergefallenen Blöcken vorkommen sollten. Ohne Zweifel waren sie hier unten eben so reichlich vorhan- den, haben aber, den Blicken und Händen leicht zugäng- lich, längst ihren Liebhaber gefunden. Daher begegnet man so vielen zertrümmerten Drusen von Bergkrystall und andern Mineralien. Es ist hier wohl der rechte Ort der in diesem Spät- jahr (1868) am Tiefengletscher, unweit des Galenstockes, also gleichfalls im Gebiet des Finsteraarhorn-Massivs, entdeckten Krystallhöhle zu gedenken, welche bereits eine Menge wahrhaft riesiger, fast schwarzer Bergkry- stalle (Var. Morion oder dunkler Rauchtopas) geliefert hat, wovon mehrere 2—3’ Höhe, 1’ Durchmesser und 2—3 Centner an Gewicht besitzen. Die schönsten Stücke sind — 240 — in das Museum in Bern, andere nach Genf gewandert, viele befinden sich noch in Privatbesitz. Leider ist der Preis (Fr. S-12 per Pfd.) ein so hoher, dass die Acqui- sition eines der grössern Krystalle bereits eine beträcht- liche Summe in Anspruch nimmt. Wir verdanken der Liberalität des Herrn Rathsherrn L. Finninger vorläufig ein stattliches Bruchstück eines dieser riesigen Krystalle, das noch einen Theil der Endflächen trägt. Das Stück hat, obgleich blosses Bruchstück, noch einen besondern Werth dadurch erhalten, dass es die sonst so selten erkennbaren Spaltflächen nach den Flächen des Grundhromboeders R in ungewöhnlicher Vollkommenheit darbietet, und überdies durch feine Spalten im Innern sehr schöne Re- genbogenfarben zeigt. Die Farbe ist so dunkel, dass die Krystalle vollkommen undurchsichtig sind und dass erst etwas dünnere Splitter farblos und durchsichtig werden. Unter dem Mikroskop erblicken wir eine ho- mogene farblose Masse mit einzelnen undeutlichen Kry- ställchen. Von organischen Gebilden keine Spur. Be- kanntlich verschwindet bei allen diesen dunkelgefärbten Bergkrystallen durch Erwärmung die Farbe bald und für immer und zwar lange bevor sie bis zur Rothgluth erhitzt werden. Ohne Zweifel ist irgend eine bituminöse Substanz an der Färbung Schuld. Die ungemeine Grösse dieser schwarzen Bergkrystalle, welche natürlich dessel- ben Ursprunges sind, wie die oben beschriebenen Mine- ralien, setzt, nach unsern bisherigen Erfahrungen zu ur- theilen, eine undenklich lange Bildungszeit voraus, die man nur nach Jahrtausenden schätzen kann und die zu- gleich ein Licht wirft auf die ausserordentlich langsamen und lange dauernden Vorgänge, welche die krystallini- sche Umwandlung unserer Centralgebirge bewirkten. !) 1) Wir haben nun Aussicht, durch die gef. Vermittlung des Herrn Altgrossrath F. Bürky in Bern, dem das dortige Museum die Elite — 241 — Ueber die Mineralien des Maderanerthales und der Umgebungen des Crispalt besitzen wir bereits eine An- zahl trefflicher Monographieen und Mittheilungen von Seiten der Herren Wiser, Kenngott, G. vom Rath, Scharff, Hessenberg u: A., besonders auch genaue krystallogra- phische Beschreibungen, dass es genügt, auf diese, jedem Mineralogen bekannten Arbeiten zu verweisen. Das Schönste und Seltenste aus diesen Thälern findet sich unstreitig in der herrlichen Sammlung meines werthen Freundes, Herrn Dr. D. F. Wiser in Zürich, vereinigt. 10. Analyse des Talkglimmers. Zum Schluss folgt noch die Analyse a. eines blass- grünlichen, schuppigen Talkglimmers von einem groben Gneiss aus dem Fellithal. Herr Prof. F. an hatte die Güte, die Analyse auszuführen. Obgleich der anhängende Quarz und Feldspath mit thunlichster Sorgfalt entfernt wurde, so war es doch nicht möglich, diese Mineralien ganz abzutrennen. Der Kieselerdegehalt wird daher etwas zu hoch ausgefal- len sein. Von diesem abgesehen wird aber das Ge- sammtresultat der Analyse der Constitution des unter- suchten Glimmers entsprechen. Dieser blassgrünliche, feinschuppige, in grössern Flasern gruppirte talkähnliche Glimmer ist durchaus ähnlich dem s. g. Talk, welcher die meisten Talkgranite (Protogine) und Talkgneisse unserer Centralalpen characterisirt, und kann daher als Repräsentant aller dieser angeblichen Talke betrachtet werden, die sich übrigens schon durch grössere Härte und anderes Aussehen von dem wahren Talk unterscheiden. Zugleich füge ich die schon in meiner letzten Arbeit (Bd.4, Heft 3) veröffentlichten Analysen b. und c. zweier Talkglimmerschiefer oder s. g. Talkschiefer aus dem dieser Riesenkrystalle verdankt, ein stattliches centnerschweres Exem- plar auf dem Wege der Subscription für unser Museum zu erwerben. u 0: - Etzlithal bei, die ich gleichfalls der Güte des Herrn Prof. Goppelsröder verdanke, ferner d. die von Herrn Dr. Simm- ler veröffentlichte Analyse seines Helvetans, der offenbar, trotz abweichender Zusammensetzung, in die Gruppe unserer Talkglimmer gehört: a. b C. d. e. Kieselerde 65,28 67,86 89,85 -- 67,07: 50,00 Thonerde 22,09 9,75 24,79 13,05 23,65 Eisenoxyd 4,87 7,65 19,74 Fluor mh Manganoxyd 1,21 — — Titansäure 1,59 Eisenoxydul — — — 4,43 8,07 Kalkerde 3,53 3,41 13,08 2,38 0,63 Talkerde 0,59 8,08 0,62 2,18 0,93 Kali 7,37 933 en SE RR RA | 1,69 1,75 Wasser — 2,16 4,04 1,85 3.44 99,98 100,00 102,12 100,02 100,39 a. gibt die Analyse des getrockneten Minerals, das bis 130° C erwärmt, 0,18°/, Wasser abgab. Der Ueberschuss in der Analyse c. rührt vielleicht zum Theil daher, dass alles Eisen als Oxyd berechnet wurde. Die Analysen a., b. und d. zeigen namentlich im Kie- selerdegehalt eine ziemliche Uebereinstimmung, so gut man sie bei solchen in Umwandlung begriffenen Glim- - mern erwarten darf. Jedenfalls geht aus sämmtlichen Analysen so viel hervor, dass der Talkerdegehalt ein sehr geringer ist und daher diese bloss talkähnlichen Glimmer nicht als Talk, sondern besser mit dem Namen Talkglimmer zu bezeich- nen sind. Auch mit einigen Sericit-Varietäten des Tau- nus zeigen unsere Talkglimmer, besonders die feinfaltigen und faserigen, Aehnlichkeit. Unter e. habe ich das Ergeb- niss der Analyse des Sericites von Dr. List beigefügt. — 243 — Resume. Aus den vorstehenden Mittheilungen über die Um- gebungen des Crispalt und die in diesen Gebirgen erkenn- baren Umwandlungsprocesse ergibt sich folgendes Resume: 1. Die Crispaltkette mit den sowohl nördlich, als südlich abzweigenden Seitenthälern bildet einen kleinen Theil des grossen Schichtenfächers von krystallinischen Schiefergesteinen, aus denen das Centralmassiv des Fin- steraarhorns zusammengesetzt ist. 2. Entsprechend der fächerförmigen Schichtenstel- lung dieses Centralmassivs finden wir auf der Nordseite, vom Maderanerthal an aufwärts bis zur Passhöhe, stei- les südliches Einfallen, das allmählig von 50 bis auf 75° sich steigert; und auf der Südseite in den nach dem Vor- derrheinthal auslaufenden Thälern ein noch steileres süd- liches Einfallen, das bis auf 85° wächst, aber nirgends in ein Nordfallen umschlägt, wie es der regelmässigen symetrischen Fächerstellung entsprechen würde. 3. Nur ganz am südlichen Ende des Fächers, im Hauptthal von Tavetsch, finden sich von der Hauptmasse des Gebirges in Folge der Erosion losgelöste Randstücke, welche Vorhügel bilden und einen abweichenden, vielfach wechselnden, Schichtenfall zeigen. 4. Die von der Giuf- Crispaltkette gebildete Pass- höhe, mit Uebergängen von 2400—2600 M. und Gipfeln von 3000—3100 M. Meereshöhe, erscheint nicht in der Mitte des Fächers, sondern, gleich den Passhöhen der Grimsel, des St. Gotthardt u. a., weit nach Süden hinausgerückt. 5. Die jetzigen höchsten Gipfel unseres Centralge- birges entsprechen nicht den ehemaligen höchsten Stel- len in der Mitte des Schichtenfächers, sondern denjeni- gen Theilen desselben, welche der Verwitterung den stärksten Widerstand leisteten. | 6. Die Gipfel bestehen aus denselben Gesteinen, — Mi — welche unten in den anliegenden Thälern zu Tage tre- ten. Häufig zeigen sie die Schmelzspuren des Blitzes. 7. Die Entstehung der Thäler, Gräte und Gipfel ist grossentheils das Werk der Verwitterung und Erosion, welcher bei der Bildung der Querthäler wohl immer Spaltungen oder kleine Unebenheiten des Terrains vor- angegangen sind, die den Lauf der corrodirenden Ge- wässer bestimmten. Die Thalstufen in den Seitenthälern bestehen aus Gesteinen, welche der Erosion stärkern Widerstand, als die andern Stellen, leisteten. 8. Der fächerförmige Schichtenbau entspricht wirk- licher Schichtung. Daneben machen sichKlüfte in verschie- denen Richtungen bemerkbar. Bei den massigen Gesteinen tritt eine zur steilen Fächerstellung unter rechtem Winkel geneigte, annähernd horizontale, Zerklüftung hervor. | 9. Die Gesteine, welche in den von der Giuf-Cris- paltkette nach Süden auslaufenden Seitenthälern zu Tage treten, zeigen, bei manchen Eigenthümlichkeiten, ähn- liche Beschaffenheit, wie die der Nordseite. Sie beste- hen aus regellos wechselnden krystallinischen Schiefern und gneissartigen (Gesteinen sedimentären Ursprungs, welche die verschiedensten Arten und Grade chemisch- krystallinischer Umwandlung darbieten. Im Allgemeinen herrschen, auf der Süd- wie auf der Nordflanke, Ge- steine von unfertiger krystallinischer Ausbildung vor. 10. Dagegen finden wirin den Gesteinen des St. Gott- hardt-Massivs, bei einem ähnlichen fächerförmigen Schich- tenbau von vielfach wechselnden schieferigen und gneiss- artigen Gesteinen, eine viel weiter fortgeschrittene kry- stallinische Umwandlung. 11. In beiden Centralmassivs herrschen gneissartige Gesteine vor, die alle durch das Vorwiegen von fein- körnigem Quarz oder Quarzit characterisirt sind, und die man desshalb Quarzitgneisse nennen kann. — A5 — 12. Die Quarzitgneisse sind entstanden aus Sand- steinen, welche in Folge des chemischen Umwandlungs- processes durch Infiltration von Lüsungen Quarz-, Feld- spath- und Glimmersubstanz aufgenommen haben. Auf ähnliche Weise entstanden auch Quarzitgranite. 13. Der feinkörnige Quarz der gneiss- und granit- artigen Gesteine des Crispalt- und St. Gotthardt-Gebie- tes ist als der Rest der Quarzkörner zu betrachten, welche die Masse der ehemaligen sedimentären Sand- steine zusammensetzten. 14. Durch allmähliges Anwachsen der infiltrirten Feldspathsubstanz zu grössern Krystallen in den umge- wandelten Sandsteinen oder in andern ursprünglich se- dimentären Schichten wurde ein Aufquellen der Schich- ten und hiedurch eine Hebung des Gebirges bewirkt. 15. Der gleichfalls durch Infiltration eingeführte Glas- quarz verräth keine solche die umgebenden Mineralien auseinander treibende Krystallisationskraft, wie der Feld- spath, und lässt sich leicht von dem ursprünglichen kör- nigen Quarz unterscheiden. 16. Der Glimmer ging aus der chemischen Um- wandlung der bereits in den sedimentären Schichten vor- handenen Thonlagen oder Thonpartikelchen hervor, wahr- scheinlich durch Zutritt von alkalischen Lösungen, oft auch aus der Umwandlung bereits vorhandener krystal- linischer Bestandtheile, z. B. von Feldspath, Horn- blende u. s. w. Vielleicht erfolgte auch directe Glim- merbildung. 17. Die metamorphischen Granite, Gneisse und Schie- fer lassen häufig zweierlei Glimmer erkennen, die von verschiedener Form und Farbe und wohl auch verschie- denen Ursprunges sind. 15. Ebenso enthalten diese Gesteine neben dem vor- herrschenden Orthoklas bisweilen noch einen zweiten. = an dem mattern Glanz und an der Zwillingsstreifung er- kennbaren triklinischen Feldspath, wahrscheinlich Albit oder Oligoklas. Dieser zweite Feldspath wandelt sich gerne zu Glimmer um. 19. Der Orthoklas, als wesentlicher Bestandtheil der Gesteinmasse, und der in den Klüften auskrystallisirte Adular sind ein und dasselbe Mineral, und aus dersel- ben Lösung ausgeschieden worden. Ebenso gehören Glas- quarz und Bergkrystall zusammen. 20. Wahre Talkschiefer oder, statt Glimmer, Talk führende krystallinische Gesteine finden sich selten, da- gegen sehr häufig solche init einem schuppigen talkähn- lichen Mineral als Hauptbestandtheil, das wenig oder gar keine Talkerde enthält und in der Zusammensetzung sich mehr gewissen Glimmervarietäten nähert. Dieser feinschuppige talkähnliche Glimmer mag vorläufig Talk- glimmer genannt werden. 21. Wahre Granite, eruptiven Ursprungs, ohne fein- körnigen Quarz, jedoch mit Glasquarz, und wahre dem Urgneiss der ältesten Formationen entsprechende Gneisse finden sich weder am Crispalt noch am St. Gotthardt in den von mir besuchten Thälern anstehend, sondern kom- men bloss in vereinzelten Blöcken erratischen Ursprungs zum Vorschein. 22. Syenite, Diorite und andere Hornblendegesteine bilden, wie auf der Nordseite, auch am südlichen Rand der Crispaltgruppe eine im Streichen der Schichten fort- laufende Zone. Als characteristischer Gemengtheil er- scheint brauner Titanit. | | 23. Die Hornblende dieser Gesteine zeigt ein grosses Bestreben zur Umwandlung in grünen Glimmer. Oft ist nur noch kleiner Rest von Hornblende zu erkennen. So entstehen glimmerführende Gesteine, welche von wahren Graniten oder Gneissen kaum mehr zu unterscheiden sind. — 417 — 24. Die Umwandlungen, welche sowohl die ursprüng- lich eruptiven, als die sedimentären Gesteine erlitten haben, sowie die Ausscheidungen von krystallisirten Mi- neralien in den Klüften, sind auf nassem Wege durch Zufuhr und Austausch von Stoffen erfolgt. Eine durch blosse Erwärmung bewirkte Umkrystallisirung genügt nicht, um den Umwandlungsprocess in unserm Schiefer- gebiet zu erklären. Ueber einige erratische Blöcke im Kanten Basel von Prof. Alb. Müller. N ee Schon vor mehr als 20 Jahren habe ich an verschie- denen Stellen in den Umgebungen von Langenbruck gra- nitische Blöcke alpinen Ursprunges aufgefunden. Einer der stattlichsten Blöcke, ein Granit, findet sich im Bach hinter den Häusern des Schönthal-Gutes, der schon eine Anzahl Jahre früher von Herrn Rathsherrn P. Merian be- merkt und erwähnt worden war. Einen kleinen Serpen- tinblock fand ich im Jahre 1848 oberhalb des Dürstels, in beträchtlicher Höhe über der Thalsohle, am südlichen Abhang. Herr Dr. Bider hatte die Güte mir im letzten Spätjahr mehrere granitische Blöcke in der Nähe von Langenbruck zu zeigen, die meiner Aufmerksamkeit ent- gangen waren, so einen grossen Block nahe südlich vom Dorf am Bache, und mehrere ansehnliche Blöcke bei der Bachthalen, nahe westlich bei Langenbruck, theils im Thalgrund, theils auf der Passhöhe gegen Mümmliswyl. Kleine Trümmer chloritischer und granitischer Ge- steine fand ich am Nordabhang des Wiesenberges, auf — 248 — der Hohen Stelle und an andern Punkten der nördlichen Vorketten des Jura, in beträchtlicher Höhe über dem angrenzenden Plateaugebiet des Kantons Basel. Diese wenigen Fundstellen beweisen hinlänglich, dass die Gletscher nicht nur die höchsten Pässe des Basler Jura überstiegen, sondern sich noch auf der Nordseite desselben ausgebreitet haben. Auf allen Höhen unseres Plateaugebietes, auch auf den höchsten, z. B. in den Umgebungen der Sissacher Fluh, finden sich kopfgrosse Rollsteine von körnigen Quarziten oder granitischen Felsarten, die ich bisher vom Schwarzwald ableitete und die jedenfalls als gla- ciale Ablagerungen zu betrachten sind. Eigentliche erratische Blöcke, unzweifelhaft alpinen Ursprungs, sind mir aber im Plauteaugebiet des Kantons Basel noch nicht vorgekommen, und doch war, nach der Auffindung alpiner Blöcke in beträchtlicher Höhe über unsern höchsten Jurapässen, zu erwarten, dass sich al- pin-glaciale Ablagerungen auch über das Plateaugebiet verbreitet haben sollten. So findet sich z. B. eine an- sehnliche Ablagerung von diluvialen Geröllen bei Rüne- burg, jedoch ohne Blöcke. Wenn auch das auf diesen zerstückelten Plateau-Höhen abgelagerte erratische Ma- terial im Verlaufe der Zeit grösstentheils in die Tiefe geführt wurde, so sollte doch hie und da ein Block die- sem Schicksal entgangen sein. Dieser Tage wurde mir von Frau Burckhardt-Vischer hier eine Anzahl Versteinerungen und Felsarten zur Be- stimmung übergeben, welche beim Graben einer Brunn- leitung auf ihrem Landgute, Schloss Wildenstein, mitten im Plateaugebiet des Kantons Basel gelegen, von Herrn F. Rödiger, Brunnentechniker, gefunden worden waren oder sonst in der Nähe zum Vorschein kamen. Ausser den gewöhnlichen Gesteinen und Petrefacten — 249 — des Cornbrash und Oxfordkalkes fanden sich auch einige granitische Gesteine dabei, unzweifelhaft erratischen, wahrscheinlich alpinen Ursprunges, worunter folgende: 1. Ein gneissartiger, theilweise in Chlorit umgewan- delter, hellgrüner, faserig-blättriger Strahlsteinschiefer. Kugeliger Block von 5 Pfd, 2. Grobkörniger weisser Granit mit einzelnen Par- thien von feinschuppigem schwärzlichgrünem Glimmer, unzweifelhaft alpin. Block von 10—12 Pfd. 3. Granulitähnliches, aber granatfreies, metamorphi- sches Gestein, bestehend aus einem Gemeng vor gröbern grauen Quarzkörnern und von mattem, dichtem, feinsplit- trigem Feldspath, vielleicht Oligoklas, von grünlichweis- ser Farbe, gewissen alpinen Gesteinen sehr ähnlich. Block von 21/, — 3 Ctr. 4. Ziemlich feinkörniger weisser oder grauer Granit mit zahlreichen schwarzen Glimmerblättchen, der ebenso gut aus dem Schwarzwald, als aus den Alpen stammen könnte. Block von 2—21/, Ctr. Ohne Zweifel werden mit der Zeit noch manche ähnliche erratische Blöcke alpinen Ursprungs im Plateau- gebiet des K. Basel bei Grabarbeiten zum Vorschein kommen, oder wenn man überhaupt sorgfältiger darnach forscht, als es bisher geschehen ist. Viele der grössern Blöcke haben wahrscheinlich schon in frühern Jahren Verwendung gefunden und die kleinern liegen meistens unter Schutt und Vegetation begraben. Fassen’ wir die aufgeführten Vorkommnisse ins Auge, so wird uns die Herkunft der in den letzten Jahr- zehnden in der unmittelbaren Nähe von Basel, am rech- ten Rheinufer, sowohl oberhalb als unterhalb der Stadt gefundenen erratischen Blöcke nicht mehr so räthselhaft erscheinen. Ich erinnere hier an den grossen, bis vor wenigen Jahren am Rheinufer gelegenen Block von tr — 250 — schwarzem, weiss geaderten Alpenkalk, der seitdem zu Grabsteinen verwendet worden ist und den meines Wis- sens zuerst unser verstorbenes Mitglied, Herr Dizerens, Marbrier, entdeckt hat. Ebenso waren beim Graben eines Brunnens im Kin- derspital, oberhalb der kleinen Stadt, im diluvialen Schutt einige granitische Blöcke zum Vorschein gekommen, die mir von dem verdienten ersten Director der Anstalt, unserm kürzlich verstorbenen Mitglied, Hrn. Prof. Streck- eisen vorgewiesen wurden. Unter ähnlichen Verhältnis- sen fanden sich vor einigen Jahren in der Nähe dieser Lokalität, am Rheinweg, Blöcke von grauem Alpenkalk mit Versteinerungen der untern Kreideformation (Neoco- mien), worüber Hr. Rathsherr Merian s. Z. Mittheilungen gemacht hat. Alle diese, freilich noch sehr vereinzelten Vorkomm- nisse, scheinen dafür zu sprechen, dass die alpinen Glet- scher der Glacialperiode nicht nur im Osten bis über den Bodensee, sondern auch hier im Westen über die Ein- sattelungen der Juraketten über das Plateaugebiet des K. Basel bis an den Rhein und wahrscheinlich noch weiter sich erstreckt haben. Es setzt dies freilich nicht nur eine ausserordentlich weite Verbreitung, sondern auch eine ungemeine Mäch- tigkeit der einstigen alpinen Gletscher voraus. Erwägen wir aber, dass die Kette der Alpen damals, vor der Jahr- tausende hindurch fortgesetzten Verwitterung und Ero- sion, die seitdem stattgefunden hat, ohne Zweifel be- trächtlich höher und ebenso das Mittelland der ebenen Schweiz noch nicht so ausgewaschen war, wie heutzu- tage, erwägen wir ferner die Möglichkeit einer fortge- setzten langsamen Hebung des Juragebirges nach der Glacialzeit, die eine geringere Höhe der Jurapässe zur „Zeit der grossen Gletscher voraussetzen würde, so sind — 251 — wir nicht mehr genöthigt, eine so ungeheure Mächtigkeit der alten Gletscher anzunehmen und auch die Schwie- rigkeiten eines auf so grosse Ausdehnung sehr ge- schwächten Gefälles erscheinen unter diesen Umständen merklich verringert. Wir dürfen übrigens nicht vergessen, dass auf dem neutralen Boden des K. Basel, vom Jura ganz abge- sehen, Ablagerungen von zweierlei Gletschern, der Alpen und des Schwarzwaldes sich begegnet sind, und dass es erst fortgesetzten Untersuchungen gelingen wird, diese verschiedenartigen Ablagerungen zu unterscheiden und in ihrer Verbreitung zu verfolgen. Der Jura selbst hat mächtige Geröllmassen geliefert, die sich besonders am Ausgang der grossen Spaltenthäler, des Birs- und Ergolzthales, gegen das Rheinthal über dem alpinen Diluvium abgelagert haben. Der Gedanke liegt nahe, jene Fluthen mit dem Rückzug der in unser Plateaugebiet vorgedrungenen alpinen Gletscher in Ver- bindung zu bringen. Als ich letztes Spätjahr an einem klaren Morgen den Bölchen bestieg, sah ich dichte weisse, von der Sonne beschienene, Nebel durch die Pässe des Jura von Süden her gegen das Plateaugebiet, in Form von langen Zungen, vordringen. Einen ähnlichen Anblick mögen in der Glacialzeit, die über den Jura vorgerückten Glet- scher hier dargeboten haben. PAL ÆONTOLOGIE. Ueber einige Tertiär-Versteinerungen von Therwyler bei Basel von Prof. Peter Merian. (Sitzung vom 16. December 1868). nennen Die Versteinerungen des Tertiärgebirges in unsern nächsten Umgebungen, marine sowohl als Arten des Süsswassergebildes, sind meistentheils im festen Gestein eingeschlossen und können gewöhnlich nur im Zustande von Steinkernen losgelöst werden, was ihre genaue Be- stimmung sehr erschwert. Wenn man im Mainzer Becken, dessen Tertiärconchylien in der Altersstufe mit den uns- rigen übereinstimmen, an vielen Fundorten wohlerhal- tene Meeresconchylien und Süsswasserschnecken sammelt, so befällt einen ein peinliches Gefühl, dass man bei uns die entsprechenden Arten nur im unvollkommenen Er- haltungszustande aus dem Gesteine herauszuklopfen ge- zwungen ist. Nur ausnahmsweise trifft man bei uns Fundstätten von Tertiärconchylien mit erhaltener Schale, im sogenannten kalzinirten Zustande. Eine solche waren in frühern Jahren die Mergelgruben bei Bottmingen, die eine Anzahl schöner Versteinerungen geliefert haben, aber gegenwärtig nicht mehr zugänglich sind. Eine neue ist von Herrn Stud. Gutzwiller in der Nähe des Dorfes — 253 — Therwyler entdeckt worden. Die von ihm daselbst ge- sammelten meist kleinen Arten, welche er unserer Sammlung zum Geschenk gemacht hat, habe ich vor- nehmlich mit Hülfe des Sandberger’schen Werkes, über die Tertiärconchylien des Mainzer Beckens, zu bestimmen gesucht. Es sind die nachfolgenden: 1. Cerithium plicatum. Brug. Var. puslulatum. Nach Sandberger herrscht diese Varietät vornehmlich in sei- nem Cerithienkalk vor. Die Art hat übrigens eine starke verticale Verbreitung. Sie wurde, und zwar in derselben Varietät, auch in den Mergeln von Bottmingen gefunden, welche Sandbergers unterster Abtheilung, seinem Meeres- sande, entsprechen. 2. Cerithium arcuatum. Sandb. Nach ihm ebenfalls im Cerithienkalke. 3. Scalaria pusilla. Phil. Im Meeressande. 4. Vermetus sp. 5. Bullina exerta. Desh. Findet sich nicht bei Sand- berger. Sie kommt in den Sables supérieurs von Ormoy vor, welche Sandberger mit seinen untern Abtheilungen zu identificiren geneigt ist. 6. Corbulomya nitida. Sandb. Im untern Cyrenen- Mergel. Ich bin jedoch bei der Bestimmung der Art nicht ganz sicher. | 7. Corbula. Nur die kleine linke Schale, daher nicht genau bestimmbar. Könnte vielleicht C, subpisiformis Sandb. aus dem Meeressande sein. 8. Syndosmya elegans. Desh. Aus dem Meeressand. Etwas schmäler als die Abbildung. Das Schloss ist nicht entblösst. 9. Cytherea subarata. Sandb. Nur junge Schalen. Aus den obern Cyrenen-Mergeln. 10. Cyrena. Blosser Steinkern. 11. Modiola angusta. A. Braun. Aus dem Cerithien- — 9254 — kalk. Ausserdem Blätterabdrücke und Kinnladen kleiner * Insektenfresser, welche kaum einer nähern Bestimmung fähig sind. | Sandberger bringt die Tertiärschichten des Mainzer Beckens, welche mit den unsrigen in Verbindung gestan- den haben, von unten nach oben, in nachstehende Ab- theilungen : I. Meeressand, der sog. tongrischen Stufe ent- sprechend. II. Septarienthon. III. Cyrenen-Mergel. IV. Cerithien- und Landschnecken-Kalk. V. Corbieula-Schichten mit Cerithium margari- taceum. VI. Litorinellenkalk. VII. Oberste Schichten mit Blätter-Abdrücken und Dinotherium. Die untersten Schichten sind eine reine Meeresbil- dung, mit subtropischer Facies. Nach oben ändern sich die Arten, doch nicht plötzlich, sondern nur allmählig. Von III. an beginnen Brackwasser-Bildungen, doch er- halten sich hier und da noch kleine Meeresbecken. Hö- her stellen sich Süsswasser- und Landbildungen ein. Nach der mitgetheilten Aufzählung würden folglich die Schichten von Therwyler Sandbergers Cyrenen-Mer- seln oder seinem Cerithienkalke entsprechen, also einem höhern Niveau als die nahe gelegenen Mergel von Bott- . mingen, welche einer rein marinen Bildung, Sandbergers Meeressand, angehören, wie die in unserer Nähe vor- kommenden Sandsteine von Aesch und die Kalkkonglo- merate von Dornach, Stetten u. s. w. Eine genauere Untersuchung der bei uns in dieser rein marinischen Stufe vorkommenden Conchylien wird ausser den Arten, welche mit denjenigen des Mainzer — 255 — Beckens übereinstimmen, noch manche neue nachweisen lassen, welche in dem letztern nicht angetroffen worden sind, wie das übrigens an von einander entfernten Stellen eines und desselben Meeresbeckens sich erwarten lässt. Sandberger erwähnt als eine. solche Pholadomya Meriani. May. von Aesch, früher von mir P. pectiniformis benannt. Unter ausgezeichneten Arten könnte ich noch anführen Ostrea Arca. M., bereits in Bruckners Merkwürdigkeiten Tab. 4, Fig. a. abgebildet, von Bottmingen. Ferner My- tilus acutus. M. von eben daher, welcher Aehnlichkeit be- sitzt mit dem M. acutangulus. Desh. aus den eocänen Sables moyens. Die Versteinerungen von St. Verena bei Solothurn von Prof. Peter Merian, (Sitzung vom 13, Januar 1869.) Es sind mir von Hrn. Professor Lang in Solothurn eine Anzahl von Petrefakten aus dem weissen Kalk, welcher hinter der St. Martinskirche in der Einsiedelei St. Verena bei Solothurn ansteht, zu näherer Bestim- mung zugesandt worden. Dieselben sind von Hugi, von Gressly und von ihm selbst gesammelt. Das Ergebniss einer genauern Untersuchung ist nachstebendes: Nerinea Gosae, Roem. Ich vermag keinen Unterschied von N. Desvoidyi. d’Orb. wahrzunehmen. Scheint die am häufigsten vorkommende Nerinea zu sein. Kommt nach der Lethaea von Etallon vom Astartien aufwärts bis in den Virgulien vor. Nach d’Orbigny ist die N. Desvoi- dyi, welche Etallon, im Widerspruch mit Thurmann, als eine verschiedene Art ansieht, und unter den Verstei- — 256 — nerungen des Berner Jura nicht aufführt, im Corallien (Diceratien) von Oyonnaz, St. Mihiel u. s. f. überall häufig. Ich habe sie selbst im Diceratien von Nantua gefunden, obgleich weniger häufig als andere Nerineen. N. Kohleri? Et. nach ihm im Diceratien. Die Figur von Etallon ist zu unvollkommen, um eine genaue Be- stimmung zuzulassen. Cerithium Humbertianum. Buvignier. Aus dem Coral- lien von St. Mihiel, also ebenfalls im Diceratien. Cypricardia isocardina ? Buv. Aus dem Terrain à Chailles der Ardennen und dem Diceratien von St. Mihiel. Das Exemplar ist zu einer ganz zuverlässigen Bestimmung zu unvollständig. Cardium corallinum. Leym. Nach Et. ausschliesslich im Diceratien der Caquerelle u. s. w. Nach Contejean kommt die Muschel häufig in noch höherm Niveau vor. C. septiferum. Buv. Nach Et. im Diceratien der Ca- querelle. Kommt indess auch höher vor. Corbis concentrica. Buv. Die Figur von Buv. ist nicht so gross, wohl aber diejenige von Et. aus dem Di- ceratien der Caquerelle. C. subdecussata. Buv. Aus dem Diceratien von St. Mihiel. | Astarte robusta. Et. Häufig im Diceratien von Laufen. Scheint auch in St. Verena häufig zu sein. Trigonia Meriani. Ag. Scheint mir eine etwas miss- liche Art. Aus dem Diceratien von Laufen. T. geographica. Ag. Ebendaher. Arca. Entfernt ähnlich der A. Choffati Thurm. aus dem Virgulien, aber verschieden. Diceras Münsteri. Goldf. Identisch mit D. Sanctae Verenae. Gressly. nach genauer Vergleichung mit Exem- plaren von Nantua, wo ich dieselbe häufig in Begleitung von D. arietina Lam. gefunden habe. Ausser St. Verena — 257 — gibt Et. auch noch den Diceratien von La Chaux-de- fonds als Fundort an. Hr. Lang hatte auch Exemplare von Zwingen beigelegt. Modiola. Unvollkommen. Avicula. Aehnlich der A. gervilloides. Ctj. aus dem Virgulien, wie sie Et. abbildet. Die starken Falten auf dem Flügel sind indess nicht angegeben. D’Orbigny im Prodr. Etage corallien, N. 342, führt eine A. corallina an, mit Falten auf den Flügeln, welche aber ohne Abbil- dung nicht bestimmbar ist. Gervillia. Schönes vollständiges Exemplar einer Art, die ich nicht beschrieben finde. Möglich, dass sie mit einer der Arten von Etallon übereinstimmt, seine Fi- guren sind aber zu unvollkommen und offenbar nach nicht vollständigen Exemplaren entworfen, um eine ge- naue Bestimmung zu ermöglichen. Lima astartina? Thurm. Aus dem Astartien. Bei den etwas unvollkommenen Figuren von Et. ist eine ganz zuverlässige Bestimmung bei den vorliegenden unvoll- ständigen Exemplaren schwierig. L. Bonanomü? Et. Aus dem Diceratien von Laufen. Das vorliegende Exemplar ist ohne erhaltene Schale, die Figur von Et. zeigt dieselbe ebenfalls nicht. Eine genaue Bestimmung ist daher kaum zulässig. L. suprajurensis. Conte. Aus dem Pterocerien. Die Figur von Contejean, die weit besser ist als diejenige von Et., stimmt gut. L. aciculata? Et. Aus dem Glypticien. Zu einer zuverlässigen Bestimmung ist das vorliegende Exemplar zu unvollständig. Pecten articulatus? Schl. Aus dem Glypticien nach Et. Die Exemplare sind unvollkommen, stimmen indess ziemlich mit den Abbildungen von Etallon. P. solidus. Roem. Im Diceratien von Laufen häufig. — 255 — P. ähnlich P. Benedicti. Contej. Aus dem Astartien, scheint aber doch verschieden. P. Veziani? Et. Aus dem Astartien. P. scheint eine neue Art. Gleicht dem P. Beaumon- tinus. Buv. aus dem Astartien, ist aber viel grösser, noch grösser als die vergrösserte Zeichnung von Buv. und hat eine verschiedene Sculptur. P. erinaceus? Buv. Im Glypticien und auch häufig im Diceratien des haut Jura nach Et. Stimmt ziemlich gut, so viel sich nach den etwas unvollkommenen, jedoch zahlreich vorhandenen Stücken bestimmen lässt. Es kommen damit Exemplare mitzahlreichern Rippen vor, die einer andern Art angehören, vielleicht P. dilatatus. Et. (Corallien du haut Jura.) Aus dem Diceratien. Hirmites. Undeutliche Exempl. Dem H. velatus d’Orb. ähnlich, den Et. aus Diceratien von Laufen anführt. H. Grosse Art, die neu zu sein scheint. Ostrea solitaria. Sow. Häufig im Diceratien. Nach Et. 0. quadrata? Et. Im Diceratien von Laufen. Terebratula Moravica. Giock. Nach Et. häufig im Di- ceratien von Laufen. T. Bauhini. Et. Ebendaselbst häufig. Wie Et. be- merkt. der vorigen sehr nahe stehend. T. bicanaliculata? Schl. wie Et. sie aus dem Dice- ratien von la Caquerelle abbildet. Zu einer genauen Bestimmung wären vollständigere Exemplare nöthig. Rhynchonella. Unvollständige Exemplare. Pygurus. Schalenbruchstücke. Stachel von Hemicidaris? Cidaris Parandieri? Ag. (C. Blumenbachii. Cott.) Ein- zelne Warze. Aus dem Glypticien, doch auch im Di- ceratien von la Caquerelle und Laufen. nach Et. Millericrinus ? Säulenglied. Einige ziemlich undeutliche Corallen. — 259 — Eine Anzahl von Arten, die ich wegen ihrer unvoll- kommenen Erhaltung nicht zu bestimmen vermochte, lasse ich unberücksichtigt. Stellen wir die Ergebnisse zusammen, so hätten wir machstehendes Verzeichniss von Arten, welche ich mit Bestimmtheit glaube unterscheiden zu können. Nerinea Gosae. Roem. Im Diceratien und höher. Cerithium Humbertianum. Buv. Diceratien. Cardium corallinım. Leym. Diceratien und höher. Cardium septiferum. Buv. Diceratien. Corbis concentrica. Buv. id. C. subdecussata. Buv. id. Astarte robusta. Et. id. Trigonia Meriani. Ag. id. T. geographica. Ag. id. Diceras Münsteri. Goldf. id. Lima suprajurensis. Contej. Pterocerien. Pecten solidus. Roem. Diceratien. Ostrea solitaria. Sow. id. Terebratula moravica. Glock. id. T. Bauhini. Et. id. Also unter 15 Arten 14, die dem entschiedenen Di- ceratien von la Caquerelle und besonders von Laufen und andern Orten angehören. Lima suprajurensis Ct). allein macht eine Ausnahme, da sie bis jetzt nur in höhern Schichten des obern Jura angetroffen worden ist. Ziehen wir die andern Arten, wo noch einige Unsicher- heit obwaltet, hinzu, so bleibt dasselbe Ergebniss. Die Fauna von St. Verena ist daher entschieden diejenige des Diceratien oder Corallien blanc. Eigenthümlichkeiten zeigen sich allerdings. Es ist bemerkenswerth, dass Di- ceras arietina Lan., welche bei Nantua der häufige Be- gleiter von D. Münsteri Goldf. ist, hier fehlt, da die letztere hingegen bei la Caquerelle in Begleitung der D. — 260 — arietina nicht gefunden worden ist. Aehnliche Eigen- thümlichkeiten zeigen sich indess ebenfalls, wenn wir z. B. die Fauna des Diceratien von Laufen, mit derje- nigen von la Caquerelle vergleichen oder diejenigen ver- schiedener Localitäten der Umgebung von Nantua. ” Von der Beschaffenheit der Fauna allein ausgehend, erscheint es daher vollkommen gerechtfertigt, wenn Hr. Prof. Lang in seiner Uebersicht der geognostischen Ver- hältnisse von Solothurn (im 22. Bde. der Schweiz. Denk- schriften) die Schichten von St. Verena in das Niveau des Corallien blanc versetzt. Es ist das auch früher die Ansicht von Gressly gewesen, die er später geändert hat, indem er in seiner Diceras Stae. Verenae eine eigen- thümliche, dem höher gelegenen Astartien angehörige Art zu erkennen glaubte. (S. Desor et Gressly, Jura Neuchätelois, S. 75.) Dieser Grund fällt weg, da diese Diceras mit D. Münsteri des Corallien blanc von Nantua übereinstimmt. Hr. Dr. Greppin theilt mir mit, dass nach seinen und Hrn. Matthey’s Untersuchungen bei St. Verena ein entschiedener Astartien unter dem . dortigen Diceratenkalk liege. Es würde das ein neuer Beweis der auch an andern entferntern Lokalitäten sich heraus- stellenden Thatsache sein, dass der von Diceras beglei- tete corallenführende Kalk mit theilweiser Beibehaltung seiner characteristischen Fauna, durch jüngere Schichten hindurch, in ein höheres Niveau hinaufreicht. Doch scheint mir die Behauptung noch eine genauere Bestäti- gung zu erfordern, und namentlich wäre eine nähere Be- stimmung von Petrefakten des unter dem weissen Kalk von St. Verena anstehenden angeblichen Astartien noth- wendig. In den besagten Schichten scheinen aber noch keine bestimmten Petrefakten gefunden worden zu sein. Blosse petrographische Aenlichkeiten können nicht ent- scheiden. MATHEMATIK. ‚Neuer Beweis des Vorhandenseins komplexer Wurzeln in einer algebraischen Gleichung von Prof. Hermann Kinkelin. (Den 27. Jan. 1869.) LL LL LL LS ge Seit Gauss seinen ersten Beweis von der Auflösbarkeit einer algebraischen Gleichung durch einen komplexen Werth der Unbekannten veröffentlicht hat (1799, Werke Bd. III, pag. 1), sind mehrere Beweise von verschiedenen Verfassern erschienen, welche theils auf rein analytischer Grundlage, wie derjenige von Cauchy (1821, Cours d’ana- lyse, pag. 331), der zweite und dritte von Gauss selbst (1815 und 1816, Werke Bd. III, pag. 31 und 57), der von Serret (Cours d’algebre supérieure, 1866, Bd. I, pag. 97), theils unter Beiziehung räumlicher Anschauungen auf- gestellt wurden, wie namentlich der letzte von Gauss (1849, Werke Bd. III, pag. 70), der von dem ersten sich nur in der Form unterscheidet, die beiden von Ullherr (Crelle’s Journal Bd. 31, pag. 231). Man wird nun wohl die Forderung an den Beweis irgend einer Wahrheit stellen dürfen, dass die zu Grunde gelegten Prinzipien die vollständige Wahrheit enthalten und geeignet seien, sie zu enthüllen. Ausser dem ersten und letzten Beweise von Gauss ist aber keiner, der die Existenz aller Wur- zeln einer Gleichung direkt zeigt und der ausgesprochenen Forderung Genüge leistet. Es scheint demnach gerecht- fertigt, einen neuen Beweis dieses Fundamentalsatzes der — 262 — Lehre von den algebraischen Gleichungen mitzutheilen, der nicht an dieser Unvollständigkeit leidet und ausserdem den Vorzug hat, sich auf den allerelementarsten Grund- lagen aufzubauen und mit den nöthigen Modifikationen auch auf transzendente Gleichungen anwenden zu lassen. Es sei x = p + qi eine komplexe Zahl, in der p und g reelle Grössen bedeuten und à = 4/—1 ist. Nimmt man auf einer Ebene ein festes Achsensystem XOY an und trägt p als Abszisse, q als Ordinate auf, so ist der so bestimmte Punkt m der Ebene der Repräsentant von x. Die Gerade, welche diesen Punkt mit dem Nullpunkt O der Koordinaten verbindet, habe die Länge r und bilde mit der Achse OX den in der positiven Drehungsrichtung gemessenen Winkel «; dann kann man auch setzen 7 — Tr (cos ent), wobei r und « die Polarkoordinaten von m sind, und zwar r der Radius, « das Argument. Lässt man p und q alle möglichen Werthe von — co bis + co annehmen, so durchläuft z das ganze Gebiet der komplexen Zahlen und die repräsentirenden Punkte m füllen die ganze Ebene (Zahlenebene) aus. Das Näm- liche wird dadurch erreicht, dass man dem Radius r alle Werthe von 0 bis © und dem Argument « diejenigen von 0 bis 2x gibt. Es bezeichne F (x) eine algebraische ganze rationale Funktion der komplexen Veränderlichen x, so kann man sie ebensowohl als Funktion der beiden unabhängigen Veränderlichen p und g, wie als solche von r und « auf- fassen. Sie lässt sich ferner in die Form P + Qi — R (cos À + à sin A) bringen, wobei P, Q, R und A stetige reelle Funktionen von r und « sind. Der Punkt M sei Repräsentant der Funktion für denjenigen Werth von z, dessen Repräsentant der Punkt m ist. Er hat die recht- — 706 — winkligen Koordinaten P und Q und die Polarkoordinaten Rund A. Gibt man dem Radius r einen bestimmten Werth und variürt « stetig von 0 bis 27, so wird sich sowohl R als A stetig ändern und zwar so, dass beide für « = 2x die nämlichen Werthe annehmen, wie für & = 0, das heisst: wenn man den Punkt m eine Kreisperipherie vom Radius r durchlaufen lässt, so wird der Punkt M eben- falls eine geschlossene krumme Linie (von einem oder mehreren Umgängen) beschreiben, welche wir eine re- präsentirende Linie nennen wollen. Da die Funktion F (x) auch stetig bezüglich des Radius r ist, so wird die stetige Variation desselben von 0 bis © eine Folge von repräsentirenden Linien erzeugen, von denen sich jede an die vorhergehende, ohne Zwischenräume zu lassen, anschliesst. Ueberdies ist zu bemerken, dass keine der repräsentirenden Linien für einen endlichen Werth von r einen unendlich entfernten Punkt enthält. Es soll nun zunächst gezeigt werden, dass die Funk- tion F (x) aller möglichen komplexen Werthe fähig ist oder, was dasselbe ist, dass die repräsentirenden Linien die ganze Zahlenebene bedecken. Um die Darstellung zu vereinfachen, wollen wir eine Funktion, deren reprä- sentirende Linien (von & —0 bis 2x) nach positiver Dreh- ungsrichtung laufende geschlossene, nicht in’s Unendliche gehende Linien sind und die ganze Zahlenebene stetig bedecken, und zwar so, dass die Linien, welche einem unendlichen Werth des Radius r der Veränderlichen x entsprechen, ganz im Unendlichen liegen, eine unbe- grenzte Funktion nennen. Die Veränderliche x ist eine solche ihrer selbst. Satz I, Die Summe aus einer unbegrenzten Funktion und einer konstanten Zahl ist selbst eine unbegrenzte Funktion. Beweis. Es sei f(x) — P + Qi eine unbegrenzte —. BE — Funktion. und werde durch den Punkt M repräsentirt. Addirt man zu ihr die konstante Zahl a + bi, so wird die Summe gleich fi () = (P + a) + (0 + 6)i Die Koordinaten jedes die Funktion fi (x) repräsen- tirenden Punktes M, sind bezüglich um a und b grösser als die des entsprechenden Punktes M. Sämmtliche Punkte M sind demnach in gleicher Richtung und um einen gleichen Betrag verschoben worden, so dass sich in ihrer gegenseitigen Anordnung nichts geändert hat und die repräsentirenden Linien in unveränderter Gestalt, wenn auch in anderer Lage, die Zahlenebene bedecken, w. z.z. w. Satz I, Das Produkt aus einer unbegrenz- ten Funktion und ihrer Veränderlichenist selbsteine unbegrenzte Funktion. Beweis. Es sei wieder x = r (cos« + à sin «) die Veränderliche und f (x) =R (cos A + à sin À) eine unbegrenzte Funktion derselben, so ist ihr Produkt æ.f (x) = rR (cos [A + eo] + à sin [A + «l). Lässt man in dem letzten Ausdruck zunächst den Radius r konstant und varürt dann « stetig von 0 bis 2x, so wird nach der Voraussetzung das Argument A für « — 0 und « = 2x den nämlichen Werth 4, oder allge- meiner A, + 2grr haben, unter g eine ganze positive Zahl verstanden. Wie daher auch im Uebrigen der Gang des Argumentes A beschaffen sein mag, so wird die Summe A + «für «= 0 von dem Anfangswerth A, ausgehen und in stetigem Verlaufe, entweder beständig zunehmend oder stellenweise abnehmend, mit dem Endwerthe 4, + 2 oder allgemeiner 4, + 2gx + 2x schliessen, also jeden- falls einen vollen Umlauf machen. Da nun auch der Radius rR eine stetige Funktion von « ist, so folgt hieraus, dass die Linie, welche der die Funktion æ.f (x) für den angenommenen Werth von r reprä- — Rare sentirende Punkt beschreibt, um den Anfangspunkt O des Achsensystems herumgeht und in sich selbst zurück- kehrt. Ferner sind beide, sowohl der Radius rR als das Argument A + « nach der Voraussetzung stetige Funk- tionen von r und der erstere nimmt bei stetigem Variiren von r vom Anfangswerth O an bis zum Endwerth co, ebenfalls stetig alle Werthe von O0 bis © an, was auch sonst sein Verlauf sein mag, da R für unendliche Werthe von r nicht Null wird. Die repräsentirenden Linien schliessen sich demnach um den Anfangspunkt herum kontinuirlich an einander an und bedecken die ganze Zahlenebene, w. z. z. w. Es ist nicht überflüssig, zu bemerken, dass der Ra- dius R, wenn auch nicht für unendlich grosse, so doch für endliche Werthe von r ein- oder mehrmals verschwinden kann, wenn nämlich eine oder mehrere der die Funktion f (2) repräsentirenden Linien durch den Nullpunkt O gehen. Ein solcher Durchgang komme überhaupt k mal vor, sei es dadurch, dass k verschiedene Linien oder dass einzelne von ihnen mehrmals diese Eigenschaft haben. Alsdann wird der Radius R für k Werthepaare von r und « gleich Null, welche gleich oder ungleich sein können (im ersten Fall weisen die repräsentirenden Linien in O einen Rückkehrpunkt auf). Der Radius rR der Funktion z.f (x) wird nun ein Mal mehr verschwinden, nämlich ausser für jene noch für r = 0. Wenn daher die Gleichung f (x) = 0 k komplexe Wurzeln hat, so hat die Gleichung z.f(x2)=0 Ak-+1 solche. Geometrisch wird dies dadurch dargestellt, dass die repräsentirenden Linien von z. f(x), wenn diejenigen von f (+) k mal durch den Nullpunkt O gehen, 4 + 1 mal denselben passiren. Satz II, Eine algebraische ganze rationale Funktion einer komplexen Veränderlichen ist jedes komplexen Werthes fähig. £ 18 — 266 — Beweis. Die Grössen @,, &, ... aän-j, An mögen be- liebige komplexe Konstanten bedeuten, + eine komplexe Veränderliche, so sind folgende Funktionen unbegrenzt in dem angenommenen Sinne, und zwar abwechselnd zu- folge Satz I und II: T, TZ FU; æ(z + a) —=zx? + a x, 2?+a, 2-4 0, x(x?+ax+a)—=2 ax +a. x, 2+ax+a x + a, und so weiter bis D TH A DT Tg?’ HF + Any D À am und können daher jeden gegebenen Werth annehmen, W. Z. 2. W. Aus dem letzten Satz folgt jetzt unmittelbar, dass eine algebraische ganze rationale Funktion für minde- stens einen komplexen Werth der Veränderlichen Null wird oder dass eine algebraische Gleichung mindestens eine komplexe Wurzel hat. Man ist nun leicht im Stande nachzuweisen, dass eine algebraische Gleichung des n ten Grades n komplexe Wurzeln haben muss; wie folgt. Satz IV, Wenn eine algebraische ganze ra- tionale Funktion des nten Grades ohne kon- stantes Glied für n Werthe der komplexen Veränderlichen Null wird, so gilt dies auch für eine solche Funktion mit konstantem Glied. Beweis. Es wird behauptet: wenn eine ganze rationale Funktion vom z ten Grad, in welcher kein kon- stantes Glied vorkommt, für n Werthe der Veränderlichen verschwindet, so gibt es ebenfalls n Werthe von x, welche die Funktion F(x)=a + a ani an-2 + ,,, + an- x + am, die das konstante Glied a enthält, gleich Null machen. In der That, es ist im vorigen Satz bewiesen worden, dass sich immer ein solcher Werth » von x finden lässt, dass — 9267 — a + a ort + a) 0-2 +... + an ) = — an wird. Setzt man daher in F(x) ce =y+to, so dass «© jener Bedingung genügt, so wird Pr) = y El NE Bayer by + (on + à ot +... + an © + a) oder, da nach der Annahme die Klammer gleich Null ist, Fa) = Fb ai ge LE 949 wo das konstante Glied fehlt und die Koeffizienten 5,. b3s ... bn Funktionen von w und den Koeffizienten a,, das... An-ı Sind. Zufolge der gemachten Voraussetzung gibt es aber n Werthe von y, welche den letzten Aus- druck von F (x) gleich Null machen und daher eben so viele von x, weil æ und y gleich viele Werthe haben, W. Z. Ze W. Satz V, Eine algebraische Gleichung des nten Gradeshatn komplexe Wurzeln. Beweis. Die Gröse x? + à z=xz (z+a) wird Null für die beiden Werthe > = 0 und ze=-—.a, folglich wird +? + a x + a, nach dem vorigen Satz ebenfalls für zwei Werthe von + gleich Null. Daraus folgt nach der Bemerkung zu Satz II weiter, dass æ (? + x + a) = 2° + à x? + a & für drei Werthe von x verschwindet, was nun auch für die Funktion 2° + & rg 2 + a gilt. Auf gleiche Weise schliesst man, dass der Ausdruck (++, 2 +a)=s "+4 2° +92? +ax und mit ihm auch 24 + à à + & 2?+9%x2+a, für vier Werthe von z verschwindet. Wird in dieser Art weiter geschlossen, so ergibt sich allgemein, dass die Funktion a-ta au! a? +... + a © + On für r Werthe von x Null wird, w. z. z. w. Die beigegebene Zeichnung zeigt einige der reprä- — 268 — sentirenden Linien der Funktion +? + (2,25 + 1,50 à) > oder x (æ + 2,25 + 1,50 i), die so konstruirt wurden. Der Punkt m mit dem Argument « = 120° und dem Radius r = 2,50 repräsentirt die Veränderliche z, der durch ihn gehende Kreis um den Mittelpunkt O ist eine repräsentirende Linie derselben. In gleicher Weise re- präsentirt der Punkt m, mit dem Argument A = 74° 44,4 und dem Radius R = 3,80 den entsprechenden Werth von æ + 2,95 + 1,50; er liegt nämlich auf dem diesen Ausdruck repräsentirenden Kreis O,, dessen Radius O, m —= Om und mit Om parallel ist. Das Produkt æ (2 + 2,95 + 1,50 à) = rR (cos [A + «] + à sin [4 + e]) wird demnach repräsentirt durch einen Punkt M, dessen Argument A + « = 194° 44',4 und dessen Radius — 9,50 ist. Der Umlauf der Punkte m und m, auf den Kreisen O und O, von der Anfangslage an, bei welcher & = O, 4 = Z m, OX = 16° 9,9 ist, gibt sämmtliche Punkte M der repräsentirenden Linie für den angenommenen Werth von r. — So lange die beiden Kreise O und O, ausser einander liegen, haben die repräsentirenden Linien der Funktion einen einfachen Umgang; berühren sich jene, so entspricht dem Berührungspunkt ein Rückkehr- punkt in der repräsentirenden Linie. Wenn sich die Kreise schneiden, so erhält die letztere eine Schleife und macht zwei Umgänge um den Punkt O, falls dieser zugleich sich innerhalb des Kreises O, befindet. F'ÉREY SF. PL LL LCL LL LL Eine Relieferscheinung. Von Prof. Fritz Burckhardt. (Sitzung vom 16. December 1868.) nnnmnnnnmn In Fig. 1 und 2 habe ich zwei kreisförmige Schei- ben abgebildet, welche in rasche Rotation versetzt, eine eigenthümliche Relieferscheinung veranlassen. Es entstehen nämlich abwechselnd helle und dunkle Ringe, welche nicht mehr in der Ebene zu liegen schei- nen, sondern theils aus ihr hervortreten, theils hinter sie zurücktreten, theils also erhöht, theils vertieft erscheinen. Denkt man sich um den Mittelpunkt der Scheibe irgend einen Kreis beschrieben, so schneidet dieser Kreis bald weisse, bald schwarze Theile derselben; bei gehörig schneller Drehung erscheint dann der Kreis in einer sol- chen Intensität, als ob Hell und Dunkel gleichmässig über die ganze Peripherie ausgebreitet wären. Je grösser also die Summe der weissen Bogen ist im Verhältniss zur Summe der schwarzen, um so heller wird der Kreis erscheinen. Haben die schwarzen und die weissen Streifen auf der ersten Scheibe eine Breite von je einem Centimeter, wie es sich für die Darstellung recht gut eignet, so ent- steht zunächst um das Centrum eine schwarze Kreisfläche; dann mischt sich in das Schwarz immer mehr und mehr Weiss, so dass um den schwarzen Kreis ein Ring entsteht, in welchem sich die Helligkeit nach aussen steigert; nun ER mischt sich wieder in steigendem Masse Schwarz hinein und es entsteht ein Ring mit abnehmender Helligkeit u. s. £. Man kann die Abnahme und Zunahme der Helligkeit graphisch darstellen und besser übersehen. In Fig. 3 seien die auf der horizontalen Linie AC abgetragenen Entfernungen die Radien der einzelnen Kreise, welche um den Mittelpunkt der Scheibe gezogen gedacht werden, in Millimetern ausgedrückt. Die auf der vertikalen AB und ihr parallel abgetragenen Grössen sind proportional der Quantität Schwarz, welche sich in dem betreffenden Kreise vorfindet. Der Gang der Funk- tion wird nun dargestellt durch die gebrochene Linie. Die Quantität Weiss, welche in jedem einzelnen Kreise vorhanden ist, wird angegeben durch die von der ge- raden AD nach unten gemessenen Strecken. Man er- kennt, dass die Curve sich immer mehr und mehr ab- flacht, dass also die Unterschiede in der Beleuchtung der einzelnen Ringe immer kleiner und kleiner werden. Anders verhält sich in dieser Hinsicht die zweite Scheibe, indem auf derselben die Abstufung von Hell und Dunkel in jedem folgenden Ringpaare sich gleich (oder annähernd gleich) bleibt. Das Relief erscheint auf dieser Scheibe auch stärker markirt. Wenn wir uns nun über die Erscheinung Rechen- schaft geben wollen, so gehen wir von folgender ein- fachen Betrachtung aus: Man bilde mit einem Blatte Papier einen Halbeylinder, der mit seiner ebenen rechteckigen Fläche horizontal liegt. Wird nun dieser Halbeylinder von der Seite her beleuchtet, so erscheint er auf der dem Lichte zuge- kehrten Seite hell, auf der abgewandten aber dunkel, dazwischen ist eine Abstufung von Hell nach Dunkel; die Abstufung wird noch deutlicher, wenn die Krümmung des Papieres geringer ist. Eine nahezu umgekehrte Be- — 211 — leuchtung erhält man, wenn man das Blatt Papier nicht nach oben, sondern nach unten krümmt, wie eine Rinne. Nehmen wir nun an, die Scheibe sei von links her be- strahlt, so ist die Vertheilung des Lichtes auf dem inner- sten Ringe, welcher den schwarzen Kreis umgibt, auf der dem Lichte zugekehrten Seite ungefähr so, wie sie sein würde auf einem aus der Ebene hervortretenden Wulste; auf der andern Seite aber, also auf der rechten dessel- ben Ringes, entspricht die Lichtvertheilung nicht einem Wulste, sondern einer Rinne. Obgleich nun die Verthei- lung von Licht und Schatten objektiv gänzlich unabhängig ist von der Richtung des einfallenden Lichtes, bringt der Beobachter beide dennoch in Verbindung und wird zu dem Urtheil veranlasst, dass der Ring auf der dem Licht zu- gewandten Seite erhaben, auf der andern aber vertieft sei. Der nachfolgende Ring hat auf der dem Lichte zu- gewandten Seite eine Schattirung, welche einer Rinne entspricht, auf der abgewandten Seite aber eine Schat- tirung, welche einem Wulste entspricht, und der Beob- achter beurtheilt den Ring auch auf der einen Seite als vertieft, auf der andern als erhaben. In gleicher Weise folgen sich nun die erhabenen und vertieften und wieder die vertieften und erhabenen Ringe u.s. w., wobei sich auf der ersten Scheibe das Relief im- mer mehr abflacht, auf der zweiten aber sich gleich bleibt. Welchen Einfluss die Richtung des einfallenden Lichtes hiebei ausübt, kann man dadurch ermitteln, dass man die Beleuchtung bald von der einen, bald von der andern Seite her eintreten lässt. Zu beiden Seiten der rotirenden Scheibe befindet sich je eine Lichtflamme. Durch abwechselndes Ver- mindern und Vermehren der Lichtintensität auf der linken oder der rechten Seite erhält man eine abwech- selnde Umstülpung des Reliefs. Wenn aber beide Flam- — 21, SJ Le men mit gleicher Intensität leuchten, so tritt wohl eine Schwankung des Urtheils ein. Der Ort, an welchem die erhabene Seite des einen Ringes in die vertiefte des andern übergeht, lässt sich nicht mit Genauigkeit angeben. Die an der Scheibe beobachtete Schattirung ent- spricht nun nur annähernd der Schattirung, welche das beobachtete Relief in der Wirklichkeit haben würde, es liesse sich wohl kaum ein Körper herstellen, welcher genau die Lichtabstufung zeigen würde, welche die Scheibe zeigt, indessen schliesst sich unser Urtheil an das Wahrscheinlichste an und geht über die etwas stö- renden Momente hinweg. Wenn die Umstülpung von Medaillenmatrizen we- sentlich auf die grössere Gewohnheit Patrizen zu sehen als Matrizen zurückzuführen ist, wobei die Umkehrung der Schatten fördernd einwirken kann, so kann bei der hier behandelten Umstülpung nicht von der Gewohnheit gesprochen werden, dieser oder jener Deutung den Vor- zug zu geben, weil auf der Scheibe immer erhabene und vertiefte Parthieen vorhanden zu sein scheinen und die Umstülpung der vertieften Theile in erhabene immer mit einer Umstülpung von erhabenen in vertiefte verknüpft ist. Ueberdiess unterscheidet sich die beschriebene Täu- schung von der an Medaillen beobachteten wesentlich darin, dass bei diesen eine wirklich vorhandene Körper- lichkeit falsch beurtheilt wird, bei jener aber erst eine Körperlichkeit hervortritt durch einen Schluss, der sich auf die vorhandene Schattirung und die Beziehung zu der Richtung des einfallenden Lichtes gründet. Ich bemerke übrigens, dass man gelegentlich auch einen ganzen Ring erhaben und den daneben liegenden vertieft wahrnimmt, so dass über der Scheibe ringför- mige Erhabenheiten und Vertiefungen erscheinen. Das Chlor eine Sauerstofiverbindung, Von Karl Grüninger. RSS PSP AIR Vorwort Dass es mir vergönnt war, den mir unvergesslichen Lehrer Schönbein noch manches Jahr in seinen Unter- suchungen zu unterstützen, diess zu sagen genügt wohl manchen Leser auf den Gedanken zu bringen, die vor- liegende Abhandlung möchte mit diesen Untersuchungen in Beziehung stehen. Dem ist in der That so. Für Schönbein wurde das Chlor wieder, wie jene Leser mehr oder weniger wissen, eine Sauerstoffverbindung und diess um der ausserordentlich zahlreichen, völlig analogen Merkmale willen, welche jenes Gas und eine von ihm um derselben Charaktere willen aufgestellte Gattung von Oxyden (in weiterem Sinne) zeigt. Obgleich er nun nicht ermangelte die Gründe, welche ihn selbst zu diesem Schritte bewogen, öffentlich darzulegen, sind dieselben viel zu wenig beachtet worden, und diess wohl aus zwei- fachem Grunde: einmal gerieth Schönbein durch das nur zu billigende Concentrieren auf ein Forschungsgebiet, für das die Zeitströmung keine Sympathie hegt, über- haupt in eine Sonderstellung, in Folge dessen man zwar wohl hie und da fand, man habe geistreiche Forschung vor sich, seine Sätze aber neben ein organisches Ganzes als blossen Appendix anreihte. Die Schlüsse auf das Chlor erfuhren einschliesslich dasselbe Schicksal, eine Wirkung, die zugleich mit der Ursache‘ vor der Hand nicht zu ändern ist. Sodann wurden jene Folgerungen, sowie wieder eine analoge Erscheinung ermittelt war, vereinzelt dem wissenschaftlichen Publikum geboten, und diess legte den Gedanken nahe einmal mit einer mono- graphischen Abhandlung vorzugehen. Mit einer Darlegung der Muriumtheorie in ihrer früheren Gestalt, gleich wie mit der Darlegung der Gründe, welche zum Aufgeben derselben veranlassten, kann so, wie sie die Geschichtswerke uns liefern, der heutige antichloristische Gesichtspunkt sich nicht be- gnügen, sie war daher hier notbwendig durch eine di- rect aus den Quellen geschöpfte zu ersetzen; ist doch eine neu gewonnene Ueberzeugung nicht im Stande dem überwundenen Standpunkte völlig gerecht zu werden, selbst nicht mit dem aufrichtigsten Streben nach Objec- tivität. Und so ergeben sich denn für die vorliegende Auf- gabe sachgemäss die drei Theile, in welchen ich meine Aufgabe zu lösen versuche. Möge sich meine Hoffnung nicht völlig getäuscht sehen hie und da einen Leser zum Nachdenken und Nachforschen anzuregen und durch das Medium der hier besprochenen Muriumtheorie zum Studium der Lehre über den activen Sauerstoff überhaupt zu veranlassen: auf diese Weise würde ich dem Ver- storbenen für die vielfältige Aufklärung in Dingen der chemischen Wissenschaft einen geringen Dank abzahlen können. Basel, Februar 1869, = STAR ES I, Berthollets acide muriatique oxygene. Der erste Chemiker der antiphlogistischen Schule, welcher aus Versuchen den Satz ableitete, das Chlor (die „dephlogistisierte Salzsäure“ des Entdeckers Scheele) sei eine Sauerstoffverbindung, war Berthollet; wie er selbst angiebt, hatte Lavoisier seit Langem diesen Gedan- ken gehabt und auch ausgesprochen. Ueber die Veran- lassung und die wesentlichen seiner Versuche wollen wir ihn selbst hören (aus den Mémoires de l’Académie v. 1785, April): „Die bedeutungsvollen Versuche, wo- durch soeben die Natur des Wassers bestimmt worden, verbreiteten ein grosses Licht über die ganze Chemie; es kam mir vor, als sei das Phlogiston endlich eine unnütze Hypothese geworden, und da glaubte ich die dephlogistisierte Salzsäure, deren Eigenschaften meine angenommene Meinung zerstören oder befestigen konn- ten, neuen Experimenten unterwerfen zu sollen. Die hauptsächlichsten und fast einzigen Kenntnisse, welche man über jene Säure, als ich mich mit ihr befasste, be- sass, verdankte man den beiden berühmten Chemikern Scheele und Bergmann.“ „Ich glühte Braunstein bei starkem Feuer und erhielt daraus, wie man schon beobachtet hatte, eine grosse Menge Lebensluft, er verlor dabei den achten Theil sei- nes Gewichtes. In diesem Zustande behandelte ich ihn mit der Salzsäure und bekam viel weniger dephlogistisierte Salzsäure. Also der Lebensluft des Braunsteins, die sich mit der Salzsäure verbindet, hat man die Bildung der dephlogistisierten Salzsäure zu verdanken. Der Braun- stein kann sich nicht in einer Säure lösen, ohne dass er einen Theil seiner Lebensluft verliert; daher kommt es, dass die Schwefelsäure eine grosse Menge Lebens- luft aus ihm entwickelt, wenn sie ihn auflöst. Hat aber — 216 — die Säure, welche den Braunstein auflöst, eine gewisse Affinität zur Lebensluft, so verbindet sich, während ein Theil mit dem Braunstein sich vereinigt, ein andrer Theil mit der Lebensluft, die sich aus ihm entwickelt. Diess hat Statt, wenn man die Salzsäure mit dem Braunstein behandelt.“ So ergab sich für Berthollet die Entstehung des fraglichen Gases aus der Salzsäure als ein Oxydations- process. Die Reduction desselben durch das Sonnen- licht, gleichfalls damals gefunden, konnte diese Ansicht nur befestigen. „Ich sättigte destilliertes Wasser mit dephlogistisierter Salzsäure, füllte damit ein Fläschchen, das durch eine Röhre mit einer pneumatischen Wanne in Verbindung stand und setzte es dem Sonnenlicht aus. Bald sah ich eine grosse Zahl kleiner Blasen sich entwickeln, und die Säure verlor allmählig ihre Farbe. In diesem Zu- stande zerstört die Flüssigkeit die blauen Pflanzenfarben nicht mehr, sondern röthet sie stark, wie die Salzsäure, mit fixen Alkalien braust sie auf, bewahrt einen Geruch nach dephlogistisierter Salzsäure, der kaum merklich ist; zuletzt ist sie fast ganz in gewöhnliche Salzsäure redu- ciert. Die Luft, welche sich während einiger Tage aus der dephlogistisierten Salzsäure entbunden, wurde, als ich sie über eine Lösung von Schwefelleber gebracht, ab- sorbiert bis auf einen Fünfzehntel des Volumens, so dass es Lebensluft war, welche einen Fünfzehntel Stickstoff (mofette) ohne Zweifel aus dem Wasser und dem Ap- parat enthielt.“ „Diese Versuche müssen die Zweifel zerstreuen, welche über die Natur der dephlogistisierten Salzsäure übrig bleiben konnten ; sie heruht offenbar auf der Ver- bindung der Lebensluft mit der Salzsäure, aber (fügt Ber- thollet erklärend bei) in dieser Verbindung ist die Lebens- luft eines Theils des Prineips der Elastieität beraubt und haftet so schwach an der Salzsäure, dass die Wirkung des Lichts genügt, sie rasch von dieser freizumachen, weil es mit ihrer Basis mehr Verwandtschaft hat, als die Salzsäure.“ Die letztere Erklärung bringt Gründe vor, die niemals auf dem Wege der Erfahrung nachgewiesen worden, damals aber geläufig waren. Verfalle darum Niemand in jene „Missachtung früherer Ansichten, woran unsere Zeit so gewöhnt ist“!), sind wir doch nicht ganz überzeugt, dass unsere Nachkommen nach achtzig und einigen Jahren in unsern Erklärungen lauter reale Ur- sachen vorfinden werden. Was aber die aus den mitgetheilten Versuchen ab- geleitete Thecrie anbelangt, so stellt sie die Grundlage der hier zu vertheidigenden Ansicht vom Chlor dar, wenn auch das, was die Anhänger derselben weiter hin- zugefügt, schärfere Begriffe ermöglichte. Bevor wir hie- zu übergehen, möge eine Aufklärung darüber noch Platz finden, was sich die Antiphlogistiker über die Constitu- tion der Salzsäure gedacht. „Wiewohl man noch nicht dahin gelangt ist, die Säure, welche man aus dem See- salz zieht, weder zu bilden, noch zu zerlegen, kann man dennoch nicht zweifeln, dass sie nicht, wie alle andern, aus der Verbindung eines säuerungsfähigen Grundstoffs mit dem Sauerstoff zusammengesetzt sei. Diesen unbe- kannten Grundstoff haben wir (in der Nomenclatur von 1787) base muriatique, radical muriatique genannt, in- dem wir diesen Namen nach dem Beispiele des Herrn Bergmann und des Herrn von Morveau aus dem lateini- schen Wort muria entlehnten, das vor Alters dem See- salz ist gegeben worden. Ohne also bestimmen zu kön- nen, welches genau die Zusammensetzung des acide mu- 1) Kopp. N 18 — riatiqué ist, werden wir unter dieser Benennung eine flüchtige (ec.) Säure bezeichnen, worin das säurungs- fihige Radical so fest am Sauerstoff hält, dass man bis jetzt kein Mittel kennt, sie zu trennen“.!) „Um dahin zu gelangen, müsste man einen Körper finden, für welchen der Sauerstoff mehr Verwandtschaft hätte, als für das Radical.*?) Indem wir die hypothetischen Ansichten, welche Berthollet zu verschiedenen Zeiten über die Na- tur des radical muriatique aufgestellt, auf sich beruhen lassen, wollen wir nicht übersehen, dass den beregten Un- tersuchungen gemäss zwar das Chlor den Namen acide muriatique oxygéné erhielt, dass aber bereits in jenem mémoire aufmerksam gemacht wird, es könne dasselbe um des Verhaltens seiner wässrigen Lösung willen „als fast ganz des sauren Characters beraubt“ angesehen werden. Später strich es Berzelius entschieden aus der Reihe der Säuren und nannte es Salzsäure-Superoxydul, während Schönbein neuerdings den Namen Muriumsu- peroxyd vorgezogen hat, ein Name, welcher die z. B. dem Bleisuperoxyd analoge Constitution andeutet, inso- fern also nicht besser kann gewählt werden. Dass man das unbekannte Radical zu isolieren wünschte, war für die damalige Zeit selbstverständlich. Im Jahre 1800 suchte der Engländer Henry, nachdem er die Salzsäure mehrmals, aber ohne Erfolg, über glühende Kohlen getrieben, durch Electricität eine Zersetzung zu verwirklichen. Das Resultat war auch hier der Haupt- sache nach ein negatives. Immerhin fand er die (später bestätigte) wichtige Thatsache, dass das Salzsäure-Gas selbst in möglichst (über Chlorcalium) getrocknetem Zu- stande einen Antheil Wasser enthalte. Liess er nämlich 1) Lavoisier, Traité élémentaire de chimie. In der Ausgabe der Oeuvres von 1864: IS. 61. ?) S. 162 ebendaselbst. MT — die electrischen Entladungen auch durch solches Gas sehen, so bekam er neben Chlor und zersetzter Salz- säure doch immer noch Wasserstoffgas. Wasserfreie Säure ward keine zersetzt, selbst nicht, wenn dem ge- trockneten Salzsäuregase Kohlenwasserstoffgas war bei- gemischt worden. „Da nun,“ sagt er. „der Kohlenstoff. der so offenbar unter die günstigsten Umstände versetzt ist, um durch seine Verwandtschaft zum Sauerstoff diesen der Salzsäure (nämlich der wasserfreien) zu entziehen, dieses nicht vermag, so muss man schliessen, dass, falls (— wir rücken dem Zweifel näher —) die Salzsäure ein oxydierter Stoff ist, ihr Radical eine stärkere Verwandt- schaft zum Sauerstoff hat, als selbst der Kohlenstoff.“!) Dass auch durch den galvanischen Strom das Ziel nicht zu erreichen war, hatte Henry schon früher darge- than. Im Jahre 1802 versuchte Humphry Davy das Salz- säure-Gas, das er in eine Röhre schloss. vermittelst Koh- lenstückchen, die ein galvanischer Strom fast zwei Stun- den weissglühend erhielt, zu reducieren; der Erfolg war derselbe.?) Der Theorie des acide muriatique oxygéné fügten die Arbeiten Gay-Lussacs und Thénards aus dem Jahre 1509 den Schlussstein bei. Beschäftigt mit der Frage, welche Gase Wasser in hygrometrischem Zustand und welche es in Verbindung enthalten können, kamen sie zunächst zu dem Ergebnisse, dass es nicht ein einziges gebe, welches gebundenes Wasser enthalte, ausser dem Salzsäure-Gas; dass nun aber weiter fraglich sei, ob dieses Wasser zur Constitution des Gases wesentlich sei oder nicht. Um hierüber ins Klare zu kommen, erhitz- ten sie u. A. ein Gemisch aus (glasiger) Borsäure und 1) Gilbert, Annalen VII S. 265 u. f. Rs : XII S. 358. — 260 — (trockenem) Chlorsilber bis zur Weissgluth, allein kein Salzsäure-Gas entband sich. Schon bei dunkler Roth- gluth aber ward solches frei, wenn sie Wasserdämpfe darüber gehen liessen, und reines Silberborat blieb zurück. Nahmen sie Kohle statt Borsäure, so erhielten sie in letzterem, wie in ersterem Falle das nämliche Resul- tat. Freilich zeigte sich auch bei einer Kohle, die zu- vor in heftigstem Schmiedefeuer geglüht worden, etwas Salzsäure-Gas, da selbst solche Kohle Wasserstoff ent- hält; überhaupt standen dieser Wasserstoff und die ge- bildete Salzsäure in proportionalem Verhältniss. Liessen sie über also zubereitete glühende Kohle (getrocknetes) Chlor streichen, so bildete sich zwar aus dem angegebenen Grunde anfangs etwas gewöhnliche Salzsäure, aber nach einer Viertelstunde hörte jede Ver- änderung des durchgeleiteten Gases auf. Unpräparierte Kohle veranlasste eine weit länger andauernde bedeu- tende Entwicklung von Salzsäuregas. „In Anbetracht dieser Experimente, inducierten sie, wird man mehr und mehr veranlasst zu glauben, dass die Salzsäure im Gaszustand nicht ohne Wasser exi- stieren kann.“!) Dieser Schluss bestätigte sich ihnen dadurch, dass es nicht gelang, sogar im heftigsten Schmiedefeuer die seschmolzenen Muriate (Chlormetalle) des Bariums, Strontiums, Kaliums, Natriums und des Calciums durch (glasige) Borsäure oder saures (glasiges) Kalkphosphat zu zerlegen, während in mindrer Temperatur die Zer- setzung vor sich gieng mit Hilfe von Wasserdampf. Aus den Muriaten der Erden vermochten sie ohne Weiteres und schon unter der dunkeln Rothgluth vermittelst Was- ") Recherches physico-chimiques, II S. 102. — de serdampf die Salzsäure auszutreiben, dagegen widerstan- den die nämlichen, wenn wasserfrei, dem zersetzenden Einfluss der Borsäure und des sauren Kalkphosphats in höchster Temperatur. Im Weitern bewiesen sie durch eine Reihe von Versuchen, dass die folgenden Körper eine Zerlegung des acide muriatique oxygéné herbeiführten: 1) Diejenigen Körper, welche, wie die Metalle, der Schwefel, der Phosphor, seine beiden Bestandtheile auf- nehmen können. 2) Diejenigen, welche, wie der Kalk, Baryt, die me- tallischen Oxyde (Zinnoxyd, Silberoxyd, Manganoxy- dul etc.) seine wasserfreie Salzsäure binden, den Sauer- stoff aber frei machen. 3) Diejenigen, welche Wassertoff enthalten: das Wasser selbst verhält sich ähnlich den unter Nr. 2 ge- nannten Körpern, es verdrängt den Sauerstoff des acide muriatique oxygend; die übrigen Verbindungen, sowie unverbundener Wasserstoff, bilden mit diesem Sauer- stoff Wasser. So entsteht hier ohne, dort mit Ent- wicklung von Sauerstoffgas allemal das Constitutions- wasser der freiwerdenden Salzsäure. (Sie machten den Versuch mit Wasserstoff selbst, mit Kohlen-, Schwefel-, Phosphor-, Arsenikwasserstoff, mit Fetten, Harzen, Oelen, Alkohol, Aether, Stärkemehl, Zucker, Muskelfleisch ; die resultierende Salzsäure wurde bald absorbiert, bald nicht.) „Wie man also,“ fügen sie bei, „auch immer verfahren mag, man gelangt niemals dahin, dem acide muriatique oxygene den Sauerstoff zu entziehen und isolierte was- serfreie Salzsäure zu erhalten. Daraus muss man schlies- sen, dass dieselbe, während man sie einst (vgl. die Er- klärung Berthollets auf S. 275) für denjenigen Körper hielt, der die wenigste Affinität zum Sauerstoff habe, 19 Ba _ im Gegentheil am meisten besitzt.“!) Auch die Versuche eine Reduction des acide muriatique oxygéné mit schwefli- ger Säure, Stickstoffoxyd und Stickstoffoxydul, mit den Sul- fiten des Bariums und Calciums, endlich mit Bor zu bewir- ken misslangen, wie nach dem früheren zu erwarten stand. Der Zweifel, der sich schon in Henry geregt, ob nämlich die gewöhnliche und die oxygenierte Salzsäure überhaupt sauerstoffhaltig seien, musste sich nach die- sen umfassenden Arbeiten in den beiden französischen Chemikern noch nachdrücklicher regen. Sie fühlten sich in der That zu dem Ausspruch veranlasst, dass das Gas (nämlich das Chlor) ein einfacher Stoff ist, und dass die Erscheinungen, die es zeigt, sich sehr gut nach dieser Hypothese erklären. Sie fügen aber bei: „wir werden uns jedoch durchaus nicht bemühen dieselbe zu verthei- digen, weil es uns scheint, als erklären sie sich noch besser, wenn man die oxygenierte Salzsäure für einen zusammengesetzten Körper ansieht.“?) II, Das Chlorine Davys. Einleitung. Humphry Davy, der erste, welcher die am Schlusse des ersten Theils erwähnte neue Ansicht nicht bloss als eine mögliche, sondern als die wahrscheinlichere ergriff, veröffentlichte hierüber zwei Arbeiten (im Juli und im November 1810); die letztere brachte die Vorschläge für die Aenderung der Nomenclatur. Schon seit mehreren ‚Jahren hatte er der eben so drängenden, als schwierigen Frage seine Aufmerksamkeit geschenkt, indem er so- wohl auf galvanischem Wege, als auch auf chemischem ') Recherches physico-chimiques, II S. 149. ?”) Mémoires de la société d’Arcueil (1809), II S. 357, In den recherches physico-chimiques, II S. 172 stellen sie sich in gleicher Weise zur alten Lehre (1811). if — 283 — das Salzsäure-Gas zu zerlegen versucht. Die Unter- suchungen der beiden französischen Chemiker übten ohne Zweifel bedeutenden Einfluss auf einen völligen Bruch mit der alten Lehre ; „einige aus der grossen Reihe ihrer Versuche,“ sagt er selbst, „sind denen ähnlich, welche ich selbst beschrieben hatte, die andern sehr interessanten sind ihnen eigen.“!) Die Vorschläge zur Aenderung der Nomenclatur, welche Davy, wie erwähnt, zuletzt brachte, möchte ich im Gegentheil hier vorwegnehmen und diess aus Grün- den der Deutlichkeit; auf diese Weise sind die Stimmen der Gegner, die wir in jedem Abschnitt. um diesen ab- zurunden, abhören werden, leichter zu verstehen. „De- phlogistisierte Salzsäure,“ sagt er, „ist eine Benennung, die für den jetzigen Zustand der Wissenschaften sich nicht mehr eignet. Ich bin mit einigen der vorzüglichsten chemischen Naturforscher zu Rathe gegangen; es schien uns am schicklichsten zu sein, einen Namen in Vorschlag zu bringen, der von einer der bekanntesten und am mehrsten characteristischen Eigenschaften der oxygenier- ten Salzsäure, von der Farbe derselben, entlehnt ist. nämlich Chlorine (oder chloric gas); ein Name, den man auch dann unverändert würde beibehalten können, wenn man künftig finden sollte, dass dieser Körper zusam- mengesetzt sei, ja selbst, dass er Sauerstoff enthielte.“ (Auf diesen Satz werden wir zurückkommen müssen.) „Von den mehrsten Salzen, welche man bis jetzt für salzsaure gehalten hat, wissen wir nicht, dass sie ir- send einen Antheil Salzsäure oder irgend einen An- theil Sauerstoff enthalten. So findet sich in dem Spiri- tus Libavii, wenn gleich Wasser ihn in eine salzsaure Verbindung verwandelt, allein Zinn und oxygenierte Salz- 1) Gilbert, Annalen, XXXIX S. 4 DR säure, und Hornsilber scheint unfähig zu sein in ein wahres salzsaures Salz verwandelt zu werden. Ich wage es, für die Verbindungen der oxygenierten Salzsäure mit verbrennlichen Körpern folgende Benennung vorzuschla- sen: den Namen ihrer Basis mit der Endsilbe ane. Auf diese Weise würde Argentane Hornsilber, Stannane den spiritus Libavii, Antimonane Spiessglanzbutter, Sulphu- rane Thomsons schwefelhaltige Flüssigkeit, Phosphorane das Phosphorsublimat (Phosphorsuperchlorid) und so fer- ner bedeuten.“') Bezüglich des letzteren Vorschlags ge- steht John Davy, der Bruder Humphrys, es sei sehr weislich, dass derselbe nicht befolgt wurde, da er nur Verwirrung würde herbeigeführt haben. Die Benennung Salzsäure (muriatic acid) für die Verbindung des Was- serstoffs mit oxygenierter Salzsäure (Chlorine) wollte H. Davy beibehalten wissen, ebenso die bisherige Weise für die Combinationen derselben mit den Oxyden nach Art der andern Neutralsalze. Salzsaures Ammoniak, salz- saure Magnesia u. s. f. seien auch in der neuen Ansicht dieser Gegenstände vollkommen richtige Ausdrücke. Es ist hier kaum nöthig zu sagen, dass sich das Neue in der Ansicht „dieser Gegenstände“ einzig auf die Consti- tution der Salzsäure in denselben bezieht, die nicht mehr als Verbindung von Murium und Sauerstoff, sondern als Verbindung von Wasserstoff und Chlorine gelten soll. Das heutige Chlorammonium war aber darum noch salz- saures Ammoniak, weil, während das Kali, mit Salzsäure behandelt, Wasser entstehen liess, die neugebildete feste Verbindung folglich nur Chlorine-Kalium sein konnte, das Ammoniak unter denselben Umständen keine Was- serbildung veranlassen konnte und damals noch als sol- ches für eine Salzbasis angesehen ward. Die salzsaure ') Gilbert, Annalen, XXXIX S. S6. Magnesia aber lieferte beim Erhitzen Salzsäure unter Zurücklassung von Magnesia, Davy zweifelte nicht, dass beide einfache Educte seien. Hätte Davy nicht gegen die französische, wie gegen alle Nomenclatur, eine Abneigung gehabt, so würde er statt „Chlorine“ das so nahe liegende „Halogen“ haben wählen müssen, besonders aber statt „muriatic acid“, „argentane“ etc. Bezeichnungen, welche, den heute ge- brauchten ähnlich, über die Constitution keinen Zweifel liessen. Allein Davy hielt auch in späterer Zeit die Chemie für noch lange nicht fähig eine Nomenclatur nach strengen wissenschaftlichen Grundsätzen anzuneh- men.!) Liegt nun dem auch die sehr beherzigenswerthe Wahrheit zu Grunde, dass niemals bei der Aufstellung einer Nomenclatur die Wissenschaft unfehlbar abge- schlossen sein wird, dass die Natur fortwährend Stoff für beinahe endlose Untersuchungen darbietet, die ihre Grenzen nur in den Schranken unseres Geistes finden, „dass wir von den eigentlichen und wahren Elementen der Natur gar nichts wissen,“ wie Davy grundsätzlich annimmt, so ist es doch sicherlich einseitig zu nennen, jeden theoretischen Einfluss auf Namenbildung verbieten zu wollen und den Chemikern zu empfehlen bei noth- wendig werdenden Namensveränderungen „sich lediglich willkürlicher (wie also z. B. das Beiwort muriatic, die Endsilbe ane) Bezeichnungen zu bedienen, um die Classe anzudeuten, zu welcher zusammengesetzte oder einfache Körper gehören.*?) Der Ausdruck „muriatic acid“ kann aber nicht blos als willkürliche Bezeichnung auffallen, sondern auch da- rum, dass er, von Lavoisier gebildet, immerfort an die *) Denkwürdigkeiten aus dem Leben Sir Humphry Davys, von seinem Bruder John Davy. Deutsch von K. Neubert, II S. 286. 7) Gilbert, Annalen, XXXIX S. 89, =. Begriffe der verworfenen Muriumtheorie erinnern musste. Davy ist aber mit Grund dabei geblieben, da er doch die vormals allgemein adoptierte Benennung Priestleys „marin acid“, welche sicherlich nicht „aus der Theorie geschöpft“ war, wieder hervorziehen konnte. Er hält es nämlich überhaupt für räthlich, „die Annahme irgend einer neuen Benennung für solche Verbindungen (Salz- säure und Salzsäure-Salze) für’s Erste noch auszusetzen. Es ist möglich, dass die oxygenierte Salzsäure ein zu- sammengesetzter Körper sei, und dass sie mit dem Sauerstoff ein gemeinsames Element habe; bis jetzt aber haben wir nicht mehr Recht auszusagen, die oxygenierte Salzsäure enthalte Sauerstoff, als zu behaupten, Zinn enthalte Wasserstoff. (Diess klingt heute absurd, da- mals aber hatte die Behauptung von der letzten phlogi- stischen Zeit her noch Anhänger, und Davy selbst räumte ihr, wie wir bei der Analogie der Salze sehen werden, eine Möglichkeit ein.) Namen sollen aber Sachen und nicht Meinungen ausdrücken, und bevor nicht ein Kör- per zersetzt ist, müssen wir ihn für einfach nehmen.“!) Man muss dieses grosse Gewicht, welches Davy mehr, als Andere, den „Sachen“ gegenüber den „Meinun- gen“, den thatsächlichen Gründen gegenüber den theo- retischen, wie die Schlüsse der Analogie, einräumt, ins Auge fassen, um sowohl sein Verfahren bei Verände- rungen in der chemischen Sprache zu begreifen, als auch hauptsächlich sein Vorgehen in der Chlorfrage, dass nämlich die Initiative zu der chloristischen Ansicht ge- rade durch ihn erfolgte. 1. Das Verhalten des fraglichen Körpers zu glühender Kohle. Die Unmöglichkeit die oxygenierte Salzsäure durch 1) Gilbert, Annalen, XXXIX S. 88, Anm. — 9281: — glühende Kohle zu zerlegen, was schon Henry, dann Gay- Lussac und Thénard, soweit es ihnen möglich war, dargethan, hat Davy in endgültiger Weise festgestellt: er liess den 2000paarigen electrischen Tragapparat der Royal Institution in London sich durch zwei Kohlenspitzen entladen, welche in trockenem Chlorgas in Berührung mit einander gesetzt waren, ohne dass weder die Kohle noch das Gas eine Veränderung dadurch erlitten. In diesem Experimente sah Davy „eine der merk- würdigsten Thatsachen“ und begann zu zweifeln,') ob sich denn wirklich in der oxygenierten Salzsäure Sauer- stoff befände, ein Zweifel, der, wie schon erwähnt, schon bedeutend entwickelt sein musste durch die Untersu- chungen Gay-Lussacs und Thénards. Glaubte Davy auf diesem Wege den sämmtlichen Sauerstoff des acide muriatique oxygéné zu reducieren, so lässt sich mit den damaligen Antichloristikern noch heute erwiedern, das Radical Murium habe ein grösseres Vereinigungsstreben zum Sauerstoff, als die Kohle, „wel- ches weder unwahrscheinlich, noch ohne Beispiel ist. Wenn daher dieses Factum auf der einen Seite für die neue Lehre zu sprechen scheint, so kann es auf der andern Seite doch in der That nichts gegen die Richtig- keit unserer ältern Meinungen beweisen.“?) Ob von den Oxyden, weiche damals durch glühende Kohle nicht reduciert werden konnten, nämlich von den alkalischen und den eigentlichen Erden, sowie von der Bor- und der Kieselsäure?) seither eines oder einige auf diesem Wege desoxydiert worden, weiss ich nicht sicher, möchte es aber eher bezweifeln; von der Baryterde sagt das Hand- 1) Gilbert, Annalen, XXXIX S. 5. ?) Berzelius in Gilberts Annalen, L S. 359. °) Ampere, Annales de chimie et de physique, I S. 391 (1816). — 288 — wörterbuch, von der Kieselsäure Berzelius Lehrbuch be- stimmt das Gegentheil. (Ein Gemisch von Kohle und Eisen oder Kupfer desoxydiere allerdings die Kieselsäure zu Kieseleisen oder Kieselkupfer). Gäbe es aber auch unter den unbestrittenen Sauer- stoffverbindungen nicht eine einzige, welche durch glü- hende Kohle nicht desoxydiert würde, so wäre dadurch die Unwahrscheinlichkeit eines Sauerstoffgehalts des Chlors angesichts der vielen Gründe einer Wahrschein- lichkeit doch gewiss noch nicht bewiesen, sei es dass. das Murium wirklich an Vereinigungsstreben zum Sauer- stoff die Kohle übertrifft, oder dass irgend eine noch unbekannte Ursache gerade diese Reduction hemmt. So protestiert Ampere!) dagegen, das Kalium um der ein- zelnen Erscheinung willen mit Wasserstoff eine übrigens unsichere Verbindung zu geben von den Metallen weg zu den Nichtmetallen zu ordnen. „Wenn man,“ sagt er, „die Verbindung auch annimmt, so sollteman doch daraus nicht folgern, dass das Kalium von den andern Metallen darf getrennt werden, das Ganze seiner Eigenschaften widerstreitet diesem zu vollständig. Diess eine Merkmal würde eine einfache Ausnahme sein, und gerade hierin müssen sich die Principien einer natürlichen Classifica- tion durchaus entfernen von denen einer künstlichen An- ordnung. Bei dieser letztern hat man sich ausschliess- lich auf die Charactere zu beziehen, die man gewählt hat; in einer natürlichen Classification dagegen steht ein Gesetz über allen Rücksichten dieser Art: so allgemein ein Merkmal sein mag, allein kann es nicht genügen, um einen Körper von der Stelle wegzunehmen, die ihm eine grosse Zahl unbestrittener Analogieen zuweisen.“ 1) Essai d’une classification naturelle pour les corps simples, Ann. de chimie et de physique, I p. 379. — 289 — Aus einer gewissen Stelle scheint indess hervorzu- gehen, dass Davy nicht den sämmtlichen Sauerstoff durch die glühende Kohle zu reducieren hoffte, sondern blos denjenigen, welcher zu der wasserfreien Salzsäure (MuO) tretend, das Muriumsuperoxyd (MuO?) bildet: „Dieser Versuch (mit der glühenden Kohle),* sagt er. „den ich mehrmals wiederholt habe, erregte in mir den Zweifel, ob die oxygenierte Salzsäure überhaupt Sauerstoff ent- halte, wenn man gleich annimmt, dass sie des Sauerstoffs mehr, als irgend ein anderer Körper, in einem Zustande in sich schliesse, in welchem er die Verbindung sehr leicht verlasse.“') Berthollet, von welchem, wie wir (S. 276) sahen, diese Annahme sich hergeleitet hat, legte aber nur dem zweiten Atom Sauerstoff (nach moderner Anschauung) diese leichte Uebertragbarkeit zu. Hier sind zwei Erscheinungen in Betracht zu ziehen. Das eine Mal wirkt die Kohle, und zwar nicht erhitzte, sondern solche, wie wir sie in gewöhnlicher Temperatur haben, auf das Chlor in jener räthselhaften „catalyti- schen* Weise, Kohlensäure wird keine gebildet, der Sauerstoff, den die Chloristiker aus Wasser, ihre Gegner aus dem Superoxyde ableiten, wird als solcher frei. Da die Lehre vom Ozon hier wenigstens einiges Licht ge- schaffen hat, wird diese Erscheinung besser für den fol- senden 3. Theil verspart. Die zweite Erscheinung zeigt folgender Versuch : „Bringt man eine erhitzte, aber nicht glühende Kohle in Chlorgas, das über Wasser aufge- sammelt und also feucht ist, so entzündet sie sich und es wird Kohlensäure und Chlorwasserstoffsäuregas ge- bildet. Man erklärte diese Erscheinung lange Zeit so, dass das Chlor von der Kohle zu Salzsäure reduciert werde, während die Kohle auf Kosten seines überschüs- !) Gilbert, Annalen, XXXIX S. 5. =" 200 — sigen Sauerstoffes zu Kohlensäure verbrenne; aber Hum- phry Davy zeigte, dass in diesem Falle Wasser gegen- wärtig sein müsse, und dass sich dessen Wasserstoff mit Chlor und dessen Sauerstoff mit Kohlenstoff verbindet.“!) Dass hier das Wasser gegenwärtig sein müsse, um durch seine Bestandtheile den genannten Process zu er- möglichen, ist um so weniger erwiesen, je mehr der Fälle ermittelt sind, in welchen die Gegenwart des Was- sers, ohne dass es irgend eine Zersetzung erlitte, über- haupt chemische Action ermöglicht. Damals waren sol- cher Fälle nur sehr wenige bekannt, heute aber sind es eine nicht mehr geringe Anzahl. Berzelius z. B. führt folgenden (1815) an: „Bringt man gebrannten, wasser- leeren Kalk in getrocknetes kohlensaures Gas, so wird das Gas nicht, oder doch so gut als gar nicht ver- schluckt; lässt man aber. Wasserdampf zutreten, so wird es in wenigen Minuten eingeschlürft, obgleich das Was- ser kein Bestandtheil des kohlensauren Kalkes ist.“ „Man ist,“ sagt er „bezüglich einer Erklärung, noch nicht mit dieser Wirkung des Wassers im Reinen, und von allen den theoretischen Ausschweifungen, welche der Versuch, sie zu erklären, veranlasst hat, ist sicher keine die rich- tige.“?) Bemerkenswerth in dieser Hinsicht sind noch folgende Beispiele. Die Dämpfe der wasserfreien Schwe- felsäure condensieren sich auf Stücken von 'wasserfreier Kalkerde, ohne dass eine Verbindung entsteht. Wasser- freie Baryterde absorbiert kein trockenes, wohl aber feuchtes Kohlensäuregas. Schweflige Säure und Schwe- felwasserstoff liefern nur dann Wasser und Schwefel, wenn Wasser gegenwärtig ist. Die Rasenbleiche braucht zum Entfernen der Farbstoffe in der Pflanzenfaser noth- 1) Berzelius (nachdem er, der letzte, 1820 Chloristiker geworden) im Lehrbuch, Artikel: Chlorkohlenstoff. ?, Gilbert, Annalen, L S. 887. — 208, — wendig Wasser, und die Chemiker denken nicht daran, auf die Bestandtheile des Wassers in diesem Vor- gange zu greifen, wohl aber, wenn das Chlor statt des beleuchteten Sauerstoffes bleicht. Aehnlich, wie die Ra- senbleiche, geht die langsame Oxydation so vieler orga- nischer Stoffe nur in feuchtem Sauerstoffe vor sich. Selbst das Kalium hält sich in völlig trockener Luft bekanntlich auf unbestimmt lange Zeit rein, und die so kräitig oxy- dierenden Permanganate bleiben, falls sie völlig wasser- frei sind, in trockenem Schwefelwasserstoffgase gänzlich unverändert, gleich wie dieses selbst. Schweflige Säure als getrocknetes Gas wirkt auf die getrockneten Super- oxyde des Bleis, Mangans etc. nicht ein. Die erwähnte Ansicht vom Bleichen durch Chlor, von Davy stammend,!) hat die Consequenz für sich: überall, wo Chlor als Oxydationsmittel benützt wird, sei es der in dem stets gegenwärtigen Wasser vorhandene Sauerstoff, welcher nach erfolgter Vereinigung des Chlors mit dem Wasserstoff, die Oxydation, beim Bleichen die des Farbstoffes, bewirke. Andere dagegen, das Gewalt- same einsehend, liessen das Wasser unzersetzt und nah- men an, das Chlor nehme Wasserstoff direct aus den ungleich leichter, als das Wasser, zersetzbaren organi- schen Stoffen. Die Vortheile beider Ansichten verbindet die Muriumtheorie: Das Wasser, sagt sie, hat in allen Oxydationsprocessen des Muriumsuperoxydes, gleichwie in jenen des Sauerstoffs und unzweifelhafter Oxyde, den chemischen Prozess nur einzuleiten, Wasser wird überall keines zersetzt. (Dass das zweite Aequivalent Sauer- stoff in dem genannten Superoxyde activer Sauerstoff sei, darüber im dritten Theile ein Mehreres.) Nach die- sem Gesetze stellt sich auch das Verhalten der erhitzten, ") Gilbert, Annalen, XXXIX S. 80. nicht glühenden Kohle zum Chlor als ein Oxydations- prozess in folgender Weise dar (wobei das Wasser in erster Linie den sich vereinigenden Elementen gleichsam als Brücke dient, in zweiter von der wasserfreien Mu- riumsäure gebunden wird) : C und 2MuO? und 2 HO geben: CO? und 2 MuO , HO, (Oder richtiger nach den neueren Untersuchungen: C und 2 Mu0Q und 2 HO geben: CO? und 2? MuO , HO.) 2. Das Verhalten des fraglichen Körpers zu Metalloxyden. Eine, wie ihm däucht, unwiderlegliche Thatsache zu Gunsten der Einfachheit seines Chlorine führt Davy mit folgender Frage auf: „Wenn oxygenierte Salzsäure auf Oxyde einwirkt, treibt es entweder den Sauerstoff der- selben aus, oder veranlasst ihn in neue Verbindungen zu treten. Wollte man behaupten, der Sauerstoff rühre in diesen Fällen von der oxygenierten Salzsäure und nicht von den Oxyden her, so lässt sich fragen, warum die Menge desselben immer genau der in dem Oxyde ent- haltenen Menge gleich ist.“1) Darauf hat nun schon Berzelius abschliessend geant- wortet, indem er darauf hinweist, „dass, wenn die oxy- genierte Salzsäure der ältern Meinung gemäss eine Ver- bindung von Salzsäure mit überschüssigem Sauerstoff ist, die Sauerstoffmenge, welche sie beim Verbinden mit Salzbasen hergiebt, genau ein Sechstel von der sein muss welche die Salzsäure im (damals sogen.) überoxydiert- salzsauren Kali (KO ,MuO? oder richtiger KO , Mu0®; Kaliumchlorat) beim Glühen fahren lässt, und ebenso viel, als sich in einer jeden Basis befindet, von der die 1) Gilbert, Annaler, XXXIX 3. 78. — 293 — in der oxygenierten Salzsäure befindliche Salzsäure ge- sättigt würde.“!) Berzelius unterlässt nicht, wie billig, Davy zu ent- schuldigen. „Man denke sich,“ sagt er, „in die Zeit zu- rück, als Davy diese vermeinte Entdeckung machte; seine Schriften zeigen, dass er damals mit den Resultaten der Versuche über die festen Mischungsverhältnisse so gut als völlig unbekannt war. Diese Lehre ist seitdem in einem bedeutenden Umfange bearbeitet (namentlich durch Berzelius selbst) und, wie ich glaube, ziemlich gut be- stätigt worden.“?) 3. Das Verhalten des fraglichen Körpers zum Ammoniak. Das hier anzuführende Experiment wurde, als Davy 1812 zu Edinburg war, vor einer Versammlung von Na- turforschern vorgeführt und gewann der neuen Lehre den Vorrang.°) | Es muss im Voraus an den schon erwähnten Punkt erinnert werden, dass damals allgemein das Ammoniak an und für sich als dem Kali entsprechende Salzbasis betrachtet ward. „Es wird gesagt,“ führt Davy an, „und von vielen Chemikern als Thatsache angenommen, dass oxygenierte Salzsäure und Ammoniak, wenn sie aufein- ander einwirken, Wasser bilden. Ich habe den Versuch mehrere Mal angestellt und mich überzeugt, dass diese Wirkung nicht Statt findet. Vermischt man 15 bis 16 Theile oxygenierte Salzsäure mit 40 bis 45 Theilen Am- moniak, so condensieren sich beide Gasarten fast ganz mit einander, und das Product ist ausser 5 bis 6 Thei- len Stickgas wasserfreies salzsaures Ammoniak.“ Die 1) Gilbert, Annalen, L S. 361. *) Gilbert, Annalen, L S. 360. °) Whewell, Geschichte d. induct. Wissenschaften, deutsch von J. J. v. Littrow II S. 170. Vgl. Kopp im Geschichtswerk II S. 358. — 294 — bewussten Chemiker nahmen an, der Sauerstoff, welcher in der oxygenierten Salzsäure enthalten sei, entziehe einem Theil des Ammoniaks Wasserstoff und bilde damit Was- ser, eine Annahme, die nach der alten Lehre richtig ist; von diesem Wasser aber glaubten sie auf Grund mangel- hafter Experimente, es schlage sich als Thau in den Ge- fässen nieder. Daraus, dass sich in der That keines nie- derschlägt, folgerte Davy, es sei eben in der oxygenier- ten Salzsäure kein Sauerstoff enthalten. Pflichteten ihm nun auch Gay-Lussac und Thenard darin bei, dass sich wirklich kein Wasser zeige, so hielten sie dennoch fest an einer Wasserbildung, wie sie die alte Lehre annahm. Dasselbe, erklärten sie.) komme nur darum nicht zum Vorschein, weil das entstehende Ammoniakmuriat (HEN, MuO +- HO nach dieser Anschauung) dasselbe als inte- grierenden Bestandtheil nöthig habe. Um dieses Con- stitutionswassers willen war nun freilich die Analogie der Zusammensetzung dieses Salzes und der der Mu- riate des KO , BaO etc. (KO , MuO etc.) aufgehoben. Al- lein eine solche konnten auch die Andern nicht zu Gun- sten ihrer Ansicht anführen, denn, während das in Rede stehende Salz eine Verbindung von Ammoniak und Salz- säure war, bestanden jene andern Verbindungen nach ihrer Ansicht aus K,Ba etc. und Chlorine. Dagegen hatte freilich die alte Lehre für die Gruppe der Am- moniaksalze nunmehr eine einheitliche Formel: H?N, (R + xO) + HO, die neue entbehrte einer solchen. Was schliesslich den Grund betrifft, aus welchem gerade das Ammoniakmuriat zu seiner Existenz Wasser bedurfte, so beobachten allerdings die beiden Chemiker hierüber Stillschweigen. Eben so wenig wussten aber die Gegner zu sagen, warum die auch von ihnen anerkannten Sauer— 1) Ihre recherches physico-chimiques, II S. 170. — 295 — stoffsalze des Ammoniaks Wasser als unfehlbaren Be- standtheil besassen, während das salzsaure Ammoniak, da denn doch schon H’N als Salzbasis (bis 1820) galt, keines nöthig hatte. 4. Die schwierigsten Desoxydationen. Von den Verbindungen des Chlorine mit den ver- brennlichen (seiner Zeit s. v. a. oxydierbaren) Körpern nahm Davy an, dass sie „grösstentheils durch Wasser zersetzbar seien.“') Diese von der heute herrschenden Ansicht so abweichende Annahme glaubte er nicht wei- ter begründen zu sollen. Brachte er z. B. Chlorine-Ka- lium mit Wasser zusammen, so war ihm aus Erfahrung die grosse Affinität des K zum Sauerstoff bekannt, welche in ihrem Bestreben das Wasser zu zersetzen noch von der grossen Affinität des Chlorine zum Wasserstoff so- wie von der des Kali zur Salzsäure unterstützt wurde. Der Unterschied zwischen diesem in Wasser gelösten salz- sauren Kali und dem muriumsauren Kali wird Nieman- dem entgehen; er besteht in einem Aequivalent Wasser, welches jenes erstere mehr enthält. KO ,MuOOH KO ,MuO —— CI Diese Ansicht hielt sich Jahre lang und ward allge- mein angenommen. Dasselbe chlorwasserstoffsaure Kali entstand aber auch, wenn KO und Salzsäure (flüssige) gemischt wurden; man glaubte also hier nicht, wie heute, an eine wechselweise Zersetzung beider unter Bildung von KÜl und HO. Als dann Ende 1813 das Jod be- kannt wurde, ward ein analoges Verhalten seiner Ver- bindungen mit den Metallen und Wasser angenommen; dessgleichen sollten Jodwasserstoffsäure und Kali jod- wasserstoffsaures Kali (bei den Franzosen hydriodate de 1; Gilbert, Annalen, XXXIX S. 22. — 1296 — potasse analog dem hydrochlorate de potasse) bilden, nicht aber Jodkalium und Wasser. In seiner grösseren Arbeit über das Jod (1814) giebt sich Gay-Lussac Mühe diese Ansicht als die thatsächliche darzuthun, weil sich bereits Zweifel gegen ihre Wahrscheinlichkeit erhoben hatten; man wird aber nicht viel mehr als blosse Behauptungen darin finden. Die Verbindungen von Jod und Kupfer, Blei, Quecksilber (beide). Silber. Wismuth, Gold und Platin führt er als Jodüre auf, als Chlorüre ausser den entsprechenden noch das Chlorsilber und die Protochlo- rüre des Quecksilbers und des Kupfers.') Bezüglich der zwei letztern muss er aber eine Anmerkung anfügen: „sie sind unlöslich,“ heisst es da, „während die Deuto- chlorüre sehr löslich sind. Obwohl man diesen Unter- schied in der (— von Gay-Lussac angenommenen —) Hy- pothese, dass die Chlorüre nur insoweit sich im Wasser lösen, als sie es zersetzen, erklären könnte, scheinen mir diese Thatsachen der andern Hypothese günstiger, dass die Chlorüre sich im Wasser lösen können, ohne es zu zersetzen.“ Zu dieser Concession ward er offenbar da- durch genöthigt, dass die gleichen Affinitäten, ob nun das Protochlorür oder das Deutochlorür in Wasser ge- bracht wurde, ins Spiel kamen, gleichwohl aber bei dem erstern eine Lösung als Folge einer Wasserzersetzung nicht Statt hatte. Und so stellte er im Widerspruch da- mit, dass er wiederholt auf den Zusammenhang zwi- schen Wasserzersetzung und Löslichkeit gedeutet hatte, das vage Endergebniss auf: „ich gebe im Princip zu, dass man ein Hydrochlorat oder ein Chlorür in Lösung haben muss, je nachdem die Kräfte, welche eine Was- serzersetzung bedingen, grösser oder kleiner sind, als 1) Mémoires de l’Institut, année 1812 (1816 erschienen), Ile par- tie, p. 101 und 103. — US die, welche dieser Zersetzung entgegenstreben.*!) Wie viele und welche der Chlorüre und Jodüre hienach ausser den angeführten dieses auch in wässriger Lösung blieben, wird nicht gesagt. Chevreul, welcher die Einfacheit des Chlors lange bezweifelte, beobachtete, dass die durch directes Zusam- menbringen von Eisen, Kupfer, Kobalt und Nickel mit Salzsäure- oder Chlorgas erhaltenen metallischen Ver- bindungen in trockenem Zustande zwar eigenthümliche Färbungen zeigen, in Wasser gelöst jedoch ganz das- selbe Aussehen haben, wie die Lösungen der Sulfate, Nitrate etc. der bezüglichen Metalle.) Gay-Lussac for- derte Chevreul auf, diese Beobachtungen zu veröffent- lichen, und, wiewohl Gay-Lussac hiebei an eine Um- wandlung von Clorüren in Hydrochlorate glaubte, wäh- rend Chevreul das Richtige ahnte und an blosse Hydrat- bildung dachte, so ist doch hier die Hauptsache die, dass Beide die Chemiker davon abbringen wollten, als seien Chlorüre in wässriger Lösung enthalten. Derselben Ansicht huldigte noch 1816 Ampère. Bei Gelegenheit seiner Vorschläge, welche bezweckten den Namen „Fluor“ in „Phthor“ umzutauschen, sagt er von den Hydrophthoraten: sie „werden sich in Phthorüre umwandeln, wenn sie des Wassers beraubt sind.“?) Diese Consequenz, so wie sie sich für Davy aus den Affinitätsverhältnissen zwischen den Elementen der Chlo- rinemetalle und denen des Wassers ergab, so wie sie dann bei den französischen Chemikern durch den Um- stand unterstützt wurde, dass sie die Annahme einer ana- logen Constitution zwischen Haloid- und Sauerstoffsalzen wenigstens für den gelösten Zustand ermöglichte, musste ?) in dem citierten mémoire, p. 144. ?) Annales de chimie, XCV p. 308. #) Annales de chimie et de physique, II p. 24. 20 — 298 — sich mehr und mehr schwächen durch die Ueberzeugung, die, wie man finden sollte, so leicht zu gewinnen ist, dass nämlich das Lösen auch dieser Körper in Wasser, sowie ihr Festwerden durch Abdampfen desselben, blosse physicalische Acte seien. Diess hatten auch Gay-Lussac und Thenard sofort im Jahre 1811 gegen Davy geäussert, als sie noch auf antichloristischer Seite standen: Aus seiner Ansicht sagen sie, „würde folgen, dass in einer Menge von Fällen die Salzsäure zerlegt und wieder ge- bildet (resp. Wasser gebildet und wieder zerlegt) würde; verbände man z. B. dieselbe mit einem Metalloxyd und trocknete dann die Verbindung, so müsste man die Säure zersetzt (Wasser gebildet) werden lassen. Brächte man hierauf die Verbindung in Wasser zur Lösung, so müsste man dann wieder eine Bildung der Salzsäure (Wasser- zersetzung) annehmen.“!) In ähnlicher Weise polemisierte Berthollet, machte z. B. auf das Gezwungene aufmerksam, dass die Chlori- stiker beim Absorbieren des Wassers durch Chlorine- Calcium eine gleichzeitige Zersetzung desselben anneh- men, und sagt dann über die Zersetzung des Argentane (Chlorsilbers) durch Kalilösung, welche sich die damali- gen Chloristiker also vorstellten: Cl Ag (Producte: AL RE À KO ,HCI u. AgO) KO ,HO „Man findet hier nicht die geringste Anzeige von Zusammensetzung und von Wasserzersetzung; aber man vermuthet sie aus dem Bedürfniss der Hypothese: man vermuthet aufs Mal die schwierigsten Desoxy- dationen, welche zuzugeben sind, und Oxydationen, welche durch keine Erscheinung angekündet werden.“?) Y) Recherches physico-chimiques, II p. 173. ?) Annales de chimie, LXXX p. 133 (1811). — 29 — Berthollet geht hier bereits einen Schritt über das hinaus, wovon zuvor die Rede gewesen, er hat nicht mehr ausschliesslich die chemischen Processe im Auge, welche das Auflösen und Wiederfestwerden der Chlor- metalle begleiten sollten, sondern zieht das Verfahren mit den Elementen des Wassers überhaupt in den Be- reich seines Tadels, das, nachdem die chloristische Theo- rie die Existenz von Hydrochloraten etc. aufgegeben, nur aufgeschoben, nicht aufgehoben ist. Nachdem wir noch einige Blicke auf diese Existenz geworfen, wollen wir alsbald hier wieder anknüpfen. Gay-Lussac trug noch 1815 kein Bedenken anzu- nehmen, dass in wässriger Lösung nur blausaures Kali existiere und nicht Cyankalium, mögen nun direct Blau- säure und Kali oder Wasser und solches Cyankalium, wie es durch Erhitzen von Kalium in Blausäure-Dämpfen erhalten wird, zusammengebracht werden.!) Berzelius erhob sich zwar in dem letzten Documente, in welchem er die oxygenierte Salzsäure befürwortete (in dem 2. Theil seines Lehrbuchs, welches im Jahre 1820 zum ersten Mal in deutscher Sprache erschien), ‚gleich wie Gay-Lussac und Thénard und der vorhin er- wähnte Berthollet, gegen dieses Umgehen mit den Ele- menten des Wassers. Allein den Cyanmetallen gegen- über wurde er schwankend. „Das trockene blausaure Quecksilberoxyd,“ sagt er, „enthält jedoch keine Blau- säure mehr; denn sollte es auch wirklich noch eine Verbindung von Quecksilberoxyd mit Blausäure sein, so wird diese Verbindung wenigstens im Augenblicke der Krystallisation zerstört, und die angeschossenen Krystalle sind eine Verbindung von Quecksilber mit gekohltem Stickstoff, welche etc.“?) Zu dieser Con- Y) Annales de chimie, XCV p. 136, 161, 180. 2) a. a. O. S. 808. — 9300 — cession mochte ihn die Analogie zwischen der Lösung der fraglichen Verbindung und den Lösungen der aner- kannten Sauerstoffsalze des Quecksilbers bestimmen, dieser gegenüber mussten die Elemente des Wassers die sonst verpönte Zersetzung erleiden. Merkwürdiger Weise aber räumte Berzelius noch in demselben Werke ein, dass die „eisenhaltigen blausauren Salze“ (heute: Ferrocyanme- talle), deren Kalisalz Gay-Lussac 1815 (in seiner gros- sen Abhandlung über die Blausäure) für eine Verbindung von blausaurem Kali und blausaurem Eisenoxydul er- klärt hatte!), nicht nur in wasserfreiem Zustande, son- dern auch in wasserhaltigem, womit sowohl das Krystall- wasser, als auch das zur Auflösung nöthige Wasser ge- meint sind, eigentliche Cyanmetalle wären. „Wir wer- den,“ sagt er, „zu dieser Vermuthung dadurch berech- tiget, dass, da diese Verbindungen, so wie es mit dem Kalisalz der Fall ist, diejenige Quantität Wasser enthal- ten, welche zu Verwandlung der Metalle in Oxyde und des Stickstoff-Kohlenstoffs in Blausäure erforderlich ist, dieses Wasser ebenso leicht und noch leichter als das Krystallwasser vieler Salze entweicht, und im luftleeren Raum bei allen Temperaturen verdunstet ; wodurch be- wiesen ist, dass sich dasselbe als Wasser darin befinden muss, und dass dessen Bestandtheile auf keine andere Weise gebunden sein können.“?) Angesichts dieser That- sache glaubte Berzelius nicht umhin zu können der neuen Lehre folgende Concession su machen: „Daher ist die neue Theorie von der Salzsäure und dem Salzsäure- Superoxydul (Chlor) auch auf die blausauren Salze und den Stickstoff-Kohlenstoff in allen ihren Punkten ganz vollkommen anwendbar, und, wenn sich dieselbe 1) Annales de chimie, XCV p. 225. *) in der genannten Ausgabe des Lehrbuchs, S. 831. — 301 — hier factisch beweisen lässt, so hat diess natürlicher Weise viel dazu beigetragen, die Ueberzeugung von ihrer Richtigkeit in Bezug auf Salzsäure, Flusssäure und Jodsäure bei denjenigen zu vermehren, welche dieser Theorie vor der ältern den Vorzug geben zu müssen glauben.“!) So brach bei Allen die spätere chloristische Ansicht durch, welche keine Hydrochlorate etc. mehr aner- kennt: nachdem hauptsächlich die Analogie der Salze, wovon im nächsten Abschnitt die Rede sein wird, „die schwierigsten Desoxydationen“ geläufig gemacht, blieb doch, wie wir nun sogleich sehen werden, während jene Analogie auch für den gelösten Zustand bald nicht mehr Geltung fand, dieses Umspringen mit den Elementen des Wassers (und ähnliche schwierigste Desoxydationen) fortbestehen. Das sich aufdrängende Bewusstsein aber, dass Zinkchlorür und Zinksulfat sich so nahe, als mög- lich, stehen, ward mit dem Wort „Haloidsalz“ be- schwichtigt. Indem man nämlich auf die Lösungen der Haloidsalze saure oder basische Oxyde oder Lösungen andrer Salze einwirken lässt, — und diess wird wohl zu dem Häufigsten gehören, was man mit jenen vor- nimmt, — werden Processe eingeleitet, in denen die vor- dem sog. einfache oder doppelte Wahlverwandtschaft ins Spiel kommt; dass bei diesen Zersetzungen für die spä- tere Ansicht „die schwierigsten Desoxydationen“ nicht weggefallen sind, geht leicht aus folgenden Anordnungen hervor: I II 0,502 KO,S0: La ET, HCl, BaO Cl Ba Hanra:O..:5: 831: — 302 — Die I Ansicht liess bereits beim Einführen des Chlo- rine-Barium in Wasser dieses zersetzen, die II muss jetzt . Kali zersetzen. Es bleibe dem Leser überlassen, sich zu sagen, welches die schwierigere Desoxydation sei. | I II HO ,S0: HO,S®? | Rt HCl, BaO Cl Ba Hier ist es dasselbe Wasser, welches I wie II zersetzen lässt. Wirkt drittens eine Base auf ein gelöstes Haloidsalz, so haben wir: I II KO KO u > FeO, HCl Fe Cl Hier hat die I, wie in dem ersten Beispiele, bereits Wasser zersetzt, die II zerlegt wieder das Kali. Einen entschiedenen Vorzug aber hat die I Ansicht in denjenigen Fällen, da ein Haloidsalz direct durch Zu- sammenbringen von Säure und Basis erhalten wird: I Il H CI H CI x KO K O Die II muss Kali zersetzen lassen. Ebenso wenig spricht der durch Wärme veranlasste Zersetzungsprocess mehrerer wasserhaltiger Chlormetalle, welche desshalb schon Davy für Salzsäure-Salze hielt, nämlich der des Chlormagnesiums, Chloraluminiums, Chlor- zirkoniums, Eisenchlorids etc., zu Gunsten der II Ansicht. Während nämlich letztere die beim Erhitzen entweichende Chlorwasserstoffsäure als eben erst in Folge einer Was- serzersetzung entstandenes Product ansehen muss, war dieselbe für die ältere blosses Educt, eine Was- — 009 — serzersetzung war unnöthig. „Davy und seine Anhänger,“ sagt Berzelius 1815, „sahen auch die salzsaure Magnesia, Thonerde, Zirkonerde etc. als chlorine-wasserstoffsaure Verbindungen an, weil sie alle in der Hitze Salzsäure geben und die Erde ungebunden (?) zurücklassen, und weil man eingesehen hat, dass es eine allzugrosse Incon- sequenz sein würde, die Grundlagen der Säure und Basis sich erst in dem Trennungsmomente acidificieren und basificieren zu lassen.“!) Um dieser Vortheile (und der die Analogie der Salze betreffenden) willen huldigte L. Gmelin in seinem Hand- buch der I Ansicht, eine Ansicht, die nach dem Hand- wörterbuch?) nur wenige, doch immerhin noch Anhänger haben soll. Vielleicht erinnert sich auch ein Leser, dass, weil diese Ansicht die Fasslichkeit für sich hat, Stöckhardt (in seiner „Schule*) den Novizen der Chemie erklärt, man dürfe z. B. das Chlorbarium in gelöstem Zustand als chlorwasserstoffsauren Baryt ansehen. Alle diese Vortheile mit Ausschluss der Nachtheile besass nun aber die alte Muriumtheorie. Das Lösen der Muriate in Wasser und ihre Rückkehr in den festen Zu- stand waren physicalische Vorgänge, vorkommendes Kry- stallwasser blieb solches, beim Zusammenbringen von Salzsäure (MuO , HO) und Basen musste kein Metall- oxyd zersetzt (resp. kein Wasser gebildet) werden, beim Abdampfen des Magnesiummuriates etc. bedurfte es eben so wenig, als bei den folgenden Processen der „schwie- rigsten Desoxydationen, welche zuzugeben sind“: KO,S0: HO ,S0: KO PAIE RN va MuO , BaO MuO , BaO MuO ,FeO *) Gilbert, Annalen, L S. 414. ?) Artikel: Salz, S. 210. — 3014 — 5. Die Analogieen. Die Unterordnung eines Körpers, welcher eine An- zahl von Merkmalen eines Allgemeinbegriffes besitzt, unter den letztern oder, wie wir dieses Denkgeschäft heissen, der Schluss der Analogie wird um so schluss- kräftiger sein müssen, je zahlreicher jene Merkmale des Allgemeinbegriffes, die an dem Körper wahrgenommen werden, sind; nur einige Aehrlickeiten bilden auch nur eine unvollständige Analogie von geringer Schlusskraft. „Der Analogie,“ sagt Gay-Lussac, „darf man sich nicht zu blindlings in der Chemie übergeben, aber man soll sie nicht vernachlässigen, wenn sie auf eine zahlreiche Reihe von Erscheinungen gegründet ist.“!) Seit es nun Defi- nitionen der Allgemeinbegriffe Säure und Salz gegeben hat, ist von Niemanden bestritten worden, dass der Körper, welcher heute Chlorwasserstoff heisst, eine zahlreiche Reihe von Erscheinungen des Allgemeinbegriffes Säure, ebensowenig, dass das Chlornatrium eine zahlreiche Reihe von Erscheinungen des Allgemeinbegriffes Salz zeige, und diese Körper haben desshalb fast stets unangefoch- ten resp. für eine Säure und für ein Salz gegolten. Gleichfalls seit Langem hat es die Chemie in Bezie- hung auf die Reihe von Erscheinungen, die einen Kör- per der oder jener Gruppe unterordnen, so gehalten, dass sie eine Zusammensetzung desselben präsumierte, welche dem Begriff einer einheitlichen Zusammensetzung des Gruppenbegriffes entsprach. „Wenn man es unbedingt für wahr halten dürfte,* sagt Kopp, „dass es sehr für die Wahrscheinlichkeit einer Ansicht spricht, wenn sie sich unter den verschiedensten Umständen, in den wider- sprechendsten Meinungen immer wiederfindet, so wäre die Ansicht für wohl begründet zu halten, dass Analogie der Eigenschaften eine Analogie in der Zusammensetzung 1) Memoire sur l’iode (a. a. O.), p. 143. — 305 — anzeigt. Daran halten jetzt noch die Chemiker fest und ibre Vorgänger vor mehreren Jahrhunderten hatten schon dieselbe Ansicht.“1) Gegenüber dieser Beziehung verhielten sich nun je und je die Forscher verschieden nach Massgabe ihrer individuellen Denkweise, ein Umstand, worin die Quelle vielen Streites zu suchen ist. In dem Streit über das Chlor nehmen Davy und Berzelius ziemlich entgegengesetzte Gesichtspunkte ein: der letztere kann nicht häufig genug jenen Zusammenhang betonen, der erstere dagegen be- rücksichtigt ihn so wenig, als möglich. „Setzen von Analogie an die Stelle von Thatsachen,“ erklärt Davy, „bringt Verderben der erklärenden Chemie (chemical phi- losophy); der erlaubte Gebrauch der Analogie ist That- sachen mit einander zu verbinden und uns zu neuen Versuchen zu leiten.“’) Von dem Ansehen, welches bei ihm die „Sachen“ gegenüber den „Meinungen“ genies- sen, war schon früher die Rede, und wenn sein Bruder John, um die Vertheidigung der neuen Lehre gewichti- ger zu machen, Worte F. Bacons beibringt, so erkennt man, dass dem Gesichtspunkte Davys eine eigenthümlich englische Gedankenrichtung zu Grunde liege. „Es ist ein Grundsatz Bacons,“ sagt John, „die Existenz keiner ima- ginären Sache zuzugeben. Es ist auch ein Grundsatz der modernen Chemie, dass alle Körper, welche noch nicht haben zersetzt werden können, als einfache betrach- tet werden. Wenn man in die Chemie einen Körper einführt, von welchem man keinerlei Kenntniss hat, so thut man ebenso schlimm, als wenn man in der Philo- sophie verborgene Ursachen adoptiert. Diese Willkür hat man aber bezüglich des Salzsäure-Gases und des Gases der oxymuriatischen Säure (s. v. a. oxygenierten *) Kopp, Geschichte der Chemie, III S. 86. ?) Gilbert, Annalen, LIV S. 381. — 306 — Salzsäure) sich erlaubt. Man hat vorausgesetzt, das erste bestehe aus Wasser und einem unbekannten Radical und das zweite aus demselben Radical und Sauerstoff. Aber anstatt die Gegenwart des Wassers in dem einen Gase und die des Sauerstoffs in dem andern darzuthun hat man deren Existenz als eingeräumt betrachtet.!) „Man hat neuerdings,“ erklärt anderseits Berzelius, „in der Chemie sehr fest über den Satz gehalten, dass man Alles für wahr’ halten müsse, was nicht unmittelbar durch Versuche bewiesen werden könne. Ich kann aber diese Methode nicht für richtig anerkennen, sondern halte es sogar für passender, Alles so lange für möglich zu halten, bis die Unmöglichkeit erwiesen ist. Denn wir werden durch unsere Forschungen auf Schlüsse geleitet, deren Richtigkeit erst späterhin durch neue Untersuchun- gen bewiesen werden kann.“?) Es möchte für die Wissenschaft gleich nachtheilig sein auf einem dieser Standpunkte einseitig zu beharren: jeden Schluss der Analogie, mag die Zahl seiner Prä- missen sein, welche sie will, ängstlich zu meiden und um einer einzelnen Erscheinung, einer Ausnahme willen einen Körper von dem Platze, wohin ihn das Ganze sei- ner Eigenschaften classificiert, zu entfernen, aber auch jeglichen Schluss für möglich zu halten, bis die Unmög- lichkeit erwiesen ist. Hier, scheint mir, habe Gay-Lus- sac, übereinstimmend mit den oben citierten Worten, eine richtige Mitte inne gehalten, woraus sich die von ihm bis 1813 eingenommene geschichtliche Stellung er- klärt: die ermittelten Thatsachen vermögen ihn nur der neuen Lehre die Möglichkeit einzuräumen (nicht aber die Wahrscheinlichkeit)’) und diess hauptsächlich „aus ») Annales de chimie, LXXXIV p. 294. 2) Theorie der chemischen Proportionen, S. 128. #) Recherches phys.-chim., II p. 174. — 307 — Gründen der Analogie.“1) Wie Davy von seinem Stand- punkt aus diese Dinge abwägt, gesteht er der alten Lehre nur zu: „es sei möglich, dass die oxygenierte Salzsäure Sauerstoff enthalte.“?) Die früheren Antichloristiker besassen zu Gunsten ihrer Theorie fast nur diejenigen Analogieen, welche die Salzsäure als wohlcharacterisierte Säure, die Muriate als wohlcharacterisierte Salze hinstellen; der letztere Satz wurde, wie wir sehen werden, zeitweilig wirklich bezwei- felt. Um direct auf den Sauerstoffgehalt des Chlors schlies- sen zu können, so wie wir diess heute können, fehlte es an jener Kenntniss des Sauerstoffs und der Diagnose sei- ner Verbindungen, welche die Untersuchungen Schönbeins ermöglicht haben. Die zwei Schlüsse, welche man damals auf das Chlor selbst ziehen konnte, sind folgende: a. Das Chlorhydrat. „Es ist dem Scharfsinn Davys,“ sagt Berzelius, „nicht entgangen, dass das Chlorine mehrere Eigenschaften von oxydierten Körpern besitzt, wozu besonders die gehört, sich mit Wasser zu einem Körper zu verbinden, der in einer niedrigeren Temperatur krystallisieren kann, wel- ches mit keinem andern einfachen Körper der Fall ist. Es kann nicht geläugnet werden, dass diese Eigenschaft des Chlorine der neuen Lehre nichts weniger als gün- stig sei; dagegen stimmt sie mit der ältern gut überein.“?) Bekanntlich bieten die beregten Krystalle noch heute eines der wenigen Beispiele einer chemischen Verbin- dung einfacher Körper mit Wasser dar. b. Die erste Oxydationsstufe des Chlorine. Bezüglich des Euchloringases, welches damals für ') Recherches phys.-chim., II p. 172. ?) Gilbert, Annalen, XXXIX S. 89, Anm. ®) Gilbert, Annalen, L S. 363. — 908 — die erste Oxydationsstufe des Chlorine galt, findet es Ber- zelius (ebenfalls 1815) sehr sonderbar, dass, während sonst die Radicale in ihren Eigenschaften wesentlich von denen ihrer nächsten Verbindungsstufen abweichen, das Chlorine seinem ersten Oxyd an Farbe, Geruch, Lös- lichkeit in Wasser etc. so ausserordentlich ähnlich sein sollte, dass man eine Reihe von Jahren sie nicht zu un- terscheiden vermochte. Halte man die alte Lehre für massgebender, so lasse sich sehr wohl begreifen, wie zwei neben einander liegende Oxydationsstufen einander ähnlich sein können.!) Nun ist freilich wahrscheinlicher, dass das Euchlo- ringas ein Gemenge von Chlor und UlO? sei, allein, es scheint, als könne die durch Balard 1854 entdeckte un- bezweifelte erste Oxydationsstufe ClO an die Stelle der vermeintlichen treten. Bekanntlich ist dieselbe bloss tie- fer gelb gefärbt, als das Chlor, ihre gesättigte wässrige Lösung gleicht an Farbe dem Chlorwasser, beide, das Gas und die Lösung, besitzen einen chorartigen Geruch, und, was die chemischen Reactionen anbelangt, sind beide kräftige Oxydationsmittel. Gehen wir nunmehr zu den wichtigsten Stützen der damaligen Muriumtheorie, zu den Analogien der Säuren und Salze über. A. Die Analogie der Säuren. Von chloristischer Seite her war erklärt worden, Chlorine gebe mit dem Wasserstoff Chlorine-Wasser- stoffsäure und mit dem Sauerstoff Chlorinsäure und sei daher mit dem Schwefel analog, der auch eine Säure sowohl mit dem Wasserstoff, als mit dem Sauerstoff hervorbringt. „Ich finde es immer,“ entgegnete Berzelius, „son- ?) Gilbert, Annalen, L S. 364. — 309 — derbar, wenn die Anhänger der neuen Lehre sich auf eine Analogie berufen; denn es scheint, als mache es sich diese Lehre zur Pflicht, Analogieen nicht zu beach- ten. Doch wir wollen diese der neuen Lehre günstige Analogie etwas näher untersuchen. „Schwefel, Tellur, Phosphor, Kohle, Arsenik ver- binden sich mit Wasserstoff zu eigenen Körpern, welche alle eine gemeinschaftliche, unverkennbare Analogie mit einander haben. Die beiden ersten besitzen zwar dabei auch Charactere von Säuren, welche den übrigen feh- len; diese Säure-Eigenschaften vermindern aber nicht im Geringsten die allgemeine Analogie zwischen diesen Wasserstoff-Verbindungen. Es verbinden sich Schwefel, Arsenik, Phosphor, Kohle und Tellurium auch mit dem Sauerstoff und geben Säuren, welche gleichfalls eine aus- gezeichnete Analogie mit einander sowohl in den äussern Characteren, als in den chemischen Eigenschaften haben. Es frägt sich nun: mit welcher von diesen Körper-Rei- hen hat die Salzsäure Analogie ? Es findet sich schwerlich auch nur ein einziger Chemiker, die Anhänger der neuen Lehre nicht ausgenommen, der sich einen Augenblick bedenken sollte, die Salzsäure unter die sauerstoffhalti- gen Säuren zu stellen zufolge ihrer Charactere: ihrer Säure, ihres Geschmacks und Geruchs, ihrer Eigenschaft im concentrierten Zustand Pflanzen- und Thierkörper zu corrodieren und zu schwärzen, des Grades ihrer Ver- wandtschaften etc. Und es findet sich gar kein Grund, wenn man das Bedürfniss der neuen Lehre ausnimmt, welcher es rechtfertigen könnte, wenn man die Salzsäure eher mit Schwefelwasserstoff oder Tellurwasserstoff, als mit Schwefelsäure oder Phosphorsäure vergleicht. „Von den andern Wasserstoff-Säuren macht eine jede der schwächsten Sauerstoff-Säure Platz und dieses liegt in der Natur der Sache. Die Chlorine-Wasserstoffsäure = Bi0 — weicht aber hierin so sehr von ihnen ab, dass sie vielmehr die meisten Sauerstoff-Säuren aus ihren Ver- bindungen austreibt, selbst auch die, welche stärker sind als die Chlorinsäure, welches aller Analogie mit dem Schwefelwasserstoff und dem Tellurwasserstoff ganz ent- gegen ist, und auch schwerlich mit unsern theoretischen Ideen über die Acidität bestehen kann. Lässt es sich daher wohl mit Grund annehmen, dass die Erklärungs- art der neuen Lehre mit der übrigen chemischen Theo- rie übereinstimmen und der ältern Lehre vorgezogen zu werden verdiene? und hat nicht hier die ältere Lehre, in ihrem Zusammenhang mit unsern übrigen chemi- schen Kenntnissen betrachtet, einen ganz ausgemachten Vorzug ?“!) Hielt auch Berzelius dazumal (1815) nicht mehr an dem ganzen Satze Lavoisiers fest, so doch an einer Mo- dification desselben, nämlich der: nicht alle Körper, welche überhaupt noch Merkmale des Allgemeinbegriffes Säure aufweisen, dürfen als sauerstoffhaltig angesehen werden, aber doch einer, der, wie die Salzsäure, so viele zeigt und sich hiedurch den bestcharacterisierten Säu- ren anschliesst. Diese Stellung jenem älteren Satze ge- genüber hatte nun schon Berthollet eingenommen,?) in- dem er vom Schwefelwasserstoff nicht zweifelte, von der Blausäure wenigstens vermuthete, dass sie sauerstofffrei seien, und so dachte sicherlich die Mehrzahl der Chemiker bis 1813, bis zur Entdeckung des Jodwasserstoffes („ei- ner sehr mächtigen Säure“) durch Gay-Lussac. Dass es sich immer mehr hinausschob, den Sauerstoffgehalt der Salzsäure und Flusssäure ohne eine Möglichkeit anderer Erklärung durch ein experimentum crucis darzulegen, 1) Gilbert, Annalen, L S. 403. ?) Kopp, Geschichte der Chemie, III S. 18. — 311 — war schon ein immer bedenklicherer Widerspruch auch für jene Modification des von Lavoisier aufgestellten Satzes geworden, und es scheint, als ob das Schweigen Gay-Lussacs über die Chlorfrage zwischen 1811 und 1813, während welcher Zeit er sich mit ferne stehenden Dingen beschäftigte, hierin begründet sei.“ „Es scheint,“ sagt nun derselbe in seiner Arbeit über die neue Säure, „dass der Wasserstoff für eine bestimmte Classe von Körpern dieselbe Rolle spielt, wie der Sauer- stoff für eine andere.“!) Damit waren Körper, die dem Ganzen ihrer Eigenschaften nach sich sehr nahe stehen, auseinander getrennt, ein erster schlimmer Schritt, der aber für damals nur zu sehr erklärlich ist. Bald folgte, indem man diesen ersten wieder gut zu machen suchte, ein zweiter bedenklicher: man erhob jene beregte theil- weise Rolle des Wasserstoffs zu einer allgemeinen, machte ihn zu einem neuen Oxygenium. Den letztern Schritt that Davy (1815) in seiner Ab- handlung über das „Oxiodine* (JO°). „Ich habe den sauren Character des Oxiodine,“ sagt er, „aus seiner Verbindung mit Wasser herleiten wollen, ohne den Na- men Säure der trockenen festen Verbindung zu geben. Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass die Thätigkeit des Wasserstoffs in dem hinzugetretenen Wasser an die sauren Eigenschaften dieser Verbindung geknüpft ist; denn diese Säure kann betrachtet werden als eine drei- fache Verbindung von Jodine, Wasserstoff und Sauer- stoff, als ein Oxiod des Wasserstoffs, und es ist mög- lich, dass der Wasserstoff den gleichen Antheil habe an dem Character der Säure, als das Kalium, das Natrium oder die metallischen Radicale in den Oxioden. Und da der mit dem Jodine verbundene Wasserstoff eine sehr 2) Annales de chimie, LXXXIX p. 318. mächtige Säure bildet, und diese Säure übrig bleiben würde, wenn man der oxiodischen Säure (H+J +60) den ganzen Sauerstoffgehalt entzöge, so kann man sehr wohl annehmen, dass derselbe (nämlich der Wasserstoff) Einfluss haben muss in der Erzeugung der Acidität der neuen in Wasser gelösten Substanz (d. i. der JO’, „des Oxiodine“).1) Zwar kam Davy alsbald wieder von dem neuen prin- cipium aciditatis zurück und erklärte gegen Gay-Lussac, welcher umgekehrt den Wasserstoff zum alcalisierenden Princip machte, es scheine ihm diess ein Versuch, die verborgenen Qualitäten in die Chemie einzuführen und irgend einer geheimnissvollen und unerklärbaren Kraft das beizulegen, was von einer besonderen Anordnung der Körpertheilchen (corpuscular arrangement) abhängen müsse.?) Gleichwohl blieb er im Uebrigen bei seiner Ansicht bestehen, und so ist denn auch in dieser Theo- rie der Wasserstoff der eine Stoff geblieben, der, indem er das metallische Radical der Salze substituiert und überall den sauren Character mit sich führt, jenem prin- cipium sehr nahe steht. Diess ist auch der Grund, oder vielmehr, diess war der Grund, warum Kopp noch in seiner Geschichte der Chemie der Wasserstoffsäuren- theorie das Wort geredet: „Jene Richtung, gleichartige Eigenschaften aus einem Gehalte an demselben Bestand- theile zu erklären, diesen als die Ursache jener anzu- sehen, die Classification ähnlicher Substanzen auf Gleich- artigkeit in der Zusammensetzung zu gründen, ist die in der chemischen Theorie seit Jahrhunderten herrschende und unverändert gebliebene. Anwendungen jener Rich- tung, nicht jene Richtung selbst, wurden umgestossen *) Annales de chimie, XCVI p. 304. ?) Gilbert, Annalen, LIV S. 377. — 313 — oder angegriffen, wenn an die Stelle der Primitivsäure als säurenden Princips der Sauerstoff gestellt wurde, und an die Stelle dieses der Wasserstoff zu stellen gesucht wird.“1) (In einem populär-wissenschaftlichen Vortrag „Sonst und Jetzt in der Chemie“ von 1867 macht nun zwar Kopp darauf aufmerksam, wie man jetzt bestimmte chemi- sche Eigenschaften, z. B. als Säure zu wirken, auf eine be- stimmte Art von Anordnung der elementaren Atome zu- rückzuführen suche, während man vor 40 Jahren noch die chemische Verschiedenheit der Körper auf verschiedener chemischer Zusammensetzung begründet glaubte; allge- mein ist aber diese Fassung noch keineswegs geworden.) Aus dem Oxiod Davys, welches zwar bei ihm noch keine Verbindung war, welches er aber dieselbe Rolle spielen liess, wie das einfache Jod, eine wirkliche Ver- &, ein „zusammengesetztes Radical“ zu machen lag ziemlich nahe und wurde bekanntlich zuerst von Du- long (1816) ausgesprochen, die Tripelverbindungen wur- den damit zu binären. Die fast zur Unzählbarkeit an- wachsende Menge hypothetischer Verbindungen aber, wovon auch nicht eine isoliert worden, äuch längst zu bindune isolieren nicht mehr versucht wird, war indess für diese sog. Binartheorie, wenigstens bis in die neuere Zeit ein, wie es scheint, nur zu gerechtfertigtes Hinderniss, so dass sie nur mit grossem Widerstreben endlich Aner- kennung gefunden. „Die Frage darüber,“ sagte Dumas 1836, „ist nicht unwiderruflich gelöst. Von einem Augen- blick zum andern erhebt sich möglicher Weise diese Theorie siegreich, auf irgend eine Entdeckung gestützt, die ihr eine neue Kraft geben wird. Aber bis jetzt bin ich der Ansicht, dass sie soll zurückgestossen werden, in Anbetracht dieser unzähligen Menge unbekannter Wesen, 1) Band III S, 87. welche sie vermuthet. Wenn ich nur einen Theil der- selben entstehen sähe, ... würde ich mit weniger Wider- streben an das Dasein der übrigen glauben.“') Nun, ob- schon die beregte Entdeckung nach 30 Jahren immer noch auf sich warten lässt, ist gleichwohl eine grosse Zahl jener andern Ansicht untreu geworden, welche immer ihre Radi- cale auch zu isolieren gewünscht und welche in dieser Be- ziehung seit einiger Zeit grosse Fortschritte gemacht hat. Die einzig wahre Zusammensetzung solcher zusammenge- setzter Radicale wird immer schwierig zu ermitteln sein, bevor wir im Stande sind, sie für sich darzustellen, ein Umstand, der so viele Willkürlichkeiten nach sich zieht. Wenn man bedenkt, dass „die Binar-Theorie die grosse chemische Verallgemeinerung war, welche aus der Entdeckung des Chlors hervorging“ (Brodie), so wird man vielleicht an die Befürwortung dieses Radicals durch John Davy zurückdenken (vgl. S. 305), namentlich an die Worte: „Wenn man in die Chemie einen Körper einführt, von welchem man keinerlei Kenntniss hat, so thut man eben so schlimm, als wenn man in der Philosophie ver- borgene Ursachen adoptiert.“ Die Zahl der hypotheti- schen Körper, die damals die Muriumtheorie dem Che- miker zumuthete, war vier (Murium, wasserfreie Mu- riumsäure, Fluorium, wasserfreie Fluoriumsäure); seit- dem sind über zwei Menschenalter verflossen, während welchen Jod und Brom vier neue hypothetische Körper hinzugethan, so dass die Progression vergleichsweise keine unbescheidene zu nennen ist. Sollten aber, was Niemand weiss, Säuren aufgefunden werden, die sich, gleich wie die Salzsäure, durch ihr Verhalten zu den Basen, zu den Metallen, zu den Pflan- 1) Poggendorff, Annalen, CXXIV S. 77, Anmerkung (aus den “leçons sur la philosophie chimique“). a zenfarben, zu manchen Gährungsmaterialien, zur organi- schen Substanz überhaupt (im concentrierten Zustande), zum Geschmacksorgan etc. der Schwefelsäure sehr viel näher stellen, als dem Schwefelwasserstoff, ohne dass sie Sauerstoff enthielten oder dass sich ihr Halogen als ein Ozonid ergäbe, so wollen wir darin ohne Widerstreben ein bedeutendes Fragezeichen bezüglich der Muriumtheo- rie erblicken. B. Die Analogie der Salze. Als Davy die Lehre vom Radical Chlorine aufstellte, strich er den vulgo „Salz“ geheissenen Körper aus der Salzgruppe aus, stellte es neben das Natron, Andere her- nach neben das Schwefelnatrium und Phosphornatrium. Dagegen und damit gegen die neue Lehre überhaupt machten Gay-Lussac und Thénard (1811) geltend: „es ist sehr wahrscheinlich, dass die metallischen Muriate Salze derselben Natur sind, wie die andern Salze; we- nigstens veranlassen uns alle ihre Eigenschaften, es zu glauben. Nun ist aber sicher, dass die Sulfate, die Ni- trate, die Phosphate etc. aus Säure, Sauerstoff und Me- tall bestehen. Folglich müssen wir bestimmt werden zu glauben, die Muriate seien gleichfalls aus Säure, Sauer- stoff und Metall zusammengesetzt. Aber wenn es sich damit so verhält, so folgt, dass die oxygenierte Salz- säure zusammengesetzt sei aus Sauerstoff und einem andern Körper, da man alle Muriate herstellen kann, in- dem man die Metalle mit oxygenierter Salzsäure be- handelt.“1) Noch intensiver betonte Berzelius diesen Punkt. , Ver- binden wir,“ sagt er, „Schwefelsäure, Salpetersäure, Salz- säure oder Phosphorsäure mit Kali oder Bleioxyd, so können wir nichts entdecken, was ihrer analogen Wir- ') Recherches physico-chimiques, II p. 172. — 316 — kung widerspräche, es werden salzige Körper hervorge- bracht, die gewisse unter sich übereinstimmende Eigen- schaften und Charaktere als Kalisalze oder als Blei- oxydsalze besitzen. Die ältere Lehre erklärt das salz- saure Kali (KaO , MuO) für ein Kalisalz, ganz wie das salpetersaure, schwefelsaure ete. Kali. Hier aber wei- chen die Ansichten der neuen Lehre von denen der ältern gänzlich ab... Der salzige Geschmack des Chlorine- Kalium kann über die Natur dieses Körpers nichts be- weisen, da eine Analogie niemals als ein Beweis ange- nommen werden kann. Ganz das Nämliche gilt auch von dem Chlorine-Blei; obgleich es alle Charaktere eines Bleisalzes hat, z. B. einen zuckrigen Geschmack, leichte Schwärzung durch Schwefelwasserstoff ete., so ist es doch kein Bleisalz und enthält keinen Sauerstoff. Das Chlorine-Kalium und das Chlorine-Blei sind daher keine Salze, sie sind vielmehr in ihrer Zusammensetzung mit den Oxyden oder mit den Schwefelmetallen analog. Und nun frage ich: darf man dieses für eine consequente chemische Philosophie ausgeben? und ist dieses die „just logic of chemistry“, welche die Chemiker die neue Lehre anzunehmen genöthigt hat?“1) Davy, dem diese Punkte nicht entgehen konnten, glaubte dieselben folgendermassen mit der neuen Lehre in Uebereinstimmung bringen zu können. Nach der über- aus eigenthümlichen Aeusserung „sieht man sorgfältiger nach, so zeigt es sich, dass es schwer ist, eine solche Analogie aufzufinden,“ fährt er nämlich fort, „fände sie indess auch Statt, so würde sie sich ebenso gut für die entgegengesetzte Lehre anführen lassen; denn nach die- ser (der späteren phlogistischen, die hier gewaltsam her- beigezogen wird) sind die Neutralsalze Verbindungen 1) Gilbert, Annalen, L S. 406. — 317 — von Basen mit Wasser und die Metalle Verbindungen von Basen mit Wasserstoff, daher dann beim Einwirken von oxygenierter Salzsäure auf die Metalle das Metall sowohl den zur Bildung von Salzsäure nöthigen Wasser- stoff, als die zur Bildung der neutralen Verbindung er- forderliche Basis hergeben würde.“') Ich hatte früher Gelegenheit zu erinnern, dass es dazumal noch Chemiker gab, welche in den Metallen einen Wasserstoffgehalt annahmen, dass auch Davy diese Ansicht für möglich hielt, indess mit der Möglichkeit, die oxygenierte Salz- säure enthalte Sauerstoff, auf eine Linie stellte. Wie kommt es nun, dass er hier mit dieser „Meinung“ ficht, wo es gälte, „Sachen“ beizubringen ? Vielleicht ist auch in der Wissenschaft das Wort Bacons nicht loszuwerden: „quod homo mavult verum esse, id facile credit.“ Unter der vorigen Nummer haben wir gesehen, dass es heutzutage herrschende Ansicht sei, die Salzsäure, welche beim Eindampfen gelösten Chlormagnesiums und einiger anderer Salze, sowie beim Erhitzen wasser- haltiger Krystalle derselben sich entwickelt, sei ein Product, während sie in der Muriumtheorie blosses Educt gewesen. Wie verhält sich denn aber das Nitrat des Magnesiums? Bei 240 — 250° geht mit dem letzten Aequivalent Wasser zugleich Salpetersäure weg und ein Theil des Salzes wird drittelsauer. Hier wird nicht bezweifelt, dass die Salpetersäure ein Educt sei und eine einfache Wasserbindung (Hydratbildung) Statt habe; die Differenz in der Zersetzungstemperatur kann doch aber sicherlich diesen völlig andern Process nicht veran- lassen. Die Binartheorie, welche die Trennung der Muriate und Sulfate ete. durch völlig unähnliche Constitutions- 1) Gilbert, Annales XXXIX S. 15, vorstellungen, wie sie durch das Wort „Haloidsalz“ um nichts gemindert worden, aufhob, möchte hierin ihren beifallswerthesten Vorzug besitzen, der aber durch höchst eigenthümliche Ingredientien mehr als neutralisiert wird; so die zusammengesetzten Radicale S207 und Cr? O7 (neben den SO: und Cr Of) in den Verbindungen KO, 250°? und KO, 2CrO*, ferner der schwer aufzu- findende basische Wasserstoff in der CrO?, CO? u. a. welcher in deren Salzen durch Metalle ersetzt werden soll. Solche Seltsamkeiten konnten nur beitragen bei der Trennung zwischen Haloidsalzen und Sauerstoff- salzen als dem geringern Uebelstand zu verbleiben. Mit dieser Ansicht hält die Muriumtheorie an der alten An- sicht fest, die Sauerstoffsalze seien dualistisch gebaut und bestehen aus sauren und basischen Oxyden als näheren Bestandtheilen. Blos erweitert sie, auf die oben (unter A) geäusserten Gedanken gestützt, deren Peripherie und nimmt die sogen. Chlor-, Brom-, Jod- und Fluormetalle noch mit darein auf. HET, Das Muriumsuperoxyd ein Ozonid, Die Resultate einer dreissig Jahre lang unentwegt auf ein Ziel laufenden Untersuchungen des allotropen Sauerstoffes sind von meinem hochverehrten Lehrer je und je in unsern Zeitschriften explicite dargelegt wor- den, so dass der Umstand einer verhältnissmässig noch geringen Würdigung nur aus einem Mangel an Recepti- vität solchen Fragen gegenüber kann erklärt werden. „Mancher,“ sagt Kolbe, „schätzt die Experimentierkunst höher, als die wissenschaftliche Forschung, und ist be- friedigt, wenn die Untersuchungen das Lexicon der Chemie mit einer möglichst grossen Anzahl neuer Ver- bindungen bereichern.!)* Dass anderseits die Erforschung ») Kolbe, organische Chemie I S. 18. — rationeller Zusammensetzung bezüglich der nähern Be- standtheile der Körper eine hochwichtige Aufgabe sei und das geistige Auge Mancher völlig in Anspruch nimmt, ist zwar erklärlich, enthebt aber sicherlich nicht der Verpflichtung Versuche zur Aufklärung über das „Wie“ chemischer Erscheinungen überhaupt zu prüfen. Damit sich aber die, welche prüfen wollen, von der Thatsächlichkeit derjenigen Sätze, auf die als unentbehr- liche Grundlagen der Schluss auf den Sauerstoffgehalt des Chlors (Broms und Jods) kann gebaut werden, über- zeugen, dass nämlich eine Gruppierung der Sauerstoff- verbindungen nothwendig sei, und dass die eine Gruppe, weil sie eine zahlreiche Reihe von Erscheinungen des freien Ozons (©) zeigt, ozonhaltig und desshalb Ozonide genannt werden könne, mögen sie das so bequem zur Hand liegende ursprüngliche Material, die Arbeiten Schönbeins selbst studieren, das überdiess viel zu reich- haltig ist, als dass es auch nur in Form eines noch überzeugungsfähigen Abrisses hier könnte aufgenommen werden. Einen solchen stellt aber das erst kürzlich er- schienene Universitätsprogramm dar: Christian Friedrich Schönbein von Eduard Hagenbach (Basel, Schweighauser 1868); dasselbe wird dem Leser namentlich auch durch ‚ein beigefügtes chronologisches Register von Nutzen sein, welches die Titel sämmtlicher Originalabhandlungen und den Ort, wo sie zu finden sind, angiebt. In diesen Arbeiten ist es wahrscheinlich gemacht, dass nur der allotrope oder active Sauerstoff, frei oder gebunden, oxydierend wirkt, dass wir es also überall, wo Oxydation stattfindet, mit jenem Sauerstoff, da- gegen überall, wo Sauerstoff, frei oder gebunden, nicht oxydierend wirkt, mit passivem Sauerstoff zu thun haben; ferner, dass dieser freie oder gebundene Sauerstoff in gegensätzlichen Zuständen auftritt entweder als Ozon (©) — 920 — oder als Antozon (&). Die Verbindungen des erstern nannte Schönbein Ozonide, die des letztern Antozonide. Das Chlor wird nun schon längst zu jenen Substan- zen gezählt, welche der Chemiker unter dem Namen Oxydationsmittel kennt, es ist ihm aber ausnahms- weise ein indirectes. Da nämlich überall, wo Chlor oxydiert, in der That Wasser zugegen sein muss, lässt man vermöge eines grossen Vereinigungsstrebens des Chlors zum Wasserstoff Chlorwasserstoff entstehen und den hiedurch frei gewordenen Sauerstoff des Wassers die Oxydation bewerkstelligen. Dagegen weiss man erstens von dem Sauerstoff des Wassers, dass er so wenig übertragbar, so passiv als möglich ist, so dass schon Berthollet, wie wir gehört, die Desoxydation des Wassers zu den schwierigsten rechnet, welche zuzugeben sind. Zweitens kennt man, ein Punkt, von dem gleich- falls schon die Rede gewesen, eine zahlreiche Reihe von Erscheinungen, wo das Wasser auf gänzlich unerkannte Weise als eine Art von Brücke dient, um zwei Körpern die Vereinigung zu ermöglichen. Wenn das Chlor ein so grosses Vereinigungsstreben zum Wasserstoff hat, warum entzieht es ihn dem HO, nicht aber dem HS (vorausgesetzt, dass beide Gase wasserfrei sind) ? Würde schon hienach das Chlor zu den Ozoniden zu rechnen sein, da die Antozonide, z. B. Wasserstoff- superoxyd, an Energie der Oxydation jenen merklich nachstehen, so ergiebt sich diess ganz unzweifelhaft aus seinem Verhalten zu diesen letztern. Chlor (und auch Brom und Jod) zerstört das Wasserstoffsuperoxyd, gleich wie es z. B. Uebermangansäure thut, indem sich die in ihnen enthaltenen gegensätzlichen Modificationen des Sauerstoffs nach Aequivalenten depolarisieren oder zu gewöhnlichem passivem neutralisieren. HO und Mu0Q = HO, MuO und 20 (der letztere entwickelt sich in Bläschen). — 321 — Einen Beweis dafür, dass das Chlor MuOQ sei, erblickte Schönbein darin, dass dasselbe nur dann aus Salzsäure erhältlich ist, wenn ein Glied der Ozonid- gruppe darauf einwirkt. So liefert das Ozonid Mangan- superoxyd Chlor: 2 (MuO, HO) + Mn0O = MnO, MuO + MuOQ + 2 HO, Salzsäure Mangansup. Chlormangan Chlor nicht aber das Antozonid Bariumsuperoxyd: MuO, HO + Ba0OD = BaO, Mu0O + HO Bariumsup. Chlorbariuın Wasserstoffsup. Falls concentrierte Salzsäure verwendet wird, so kommt nun allerdings, wie neulich Brodie ermittelte, auch mit den Antozoniden Chlor und nicht Wasserstoff- superoxyd zum Vorschein. Es muss hier nothwendig erst eine Umsetzung des & in © Statt haben, wie noch in manchen Fällen, in welchen ein Antozonid Oxydations- wirkungen hervorbringt, was, wie schon angedeutet worden, ein specielles Merkmal des © zu sein scheint. So z. B. bilden Blei, Nickel und andere Metalle, mit HO © zusammengebracht, PbOQ), (Ni0O)’O; HOF zer- stört für sich Indigolösung nur langsam, rasch jedoch unter Zusatz einiger Tropfen verdünnter Eisenoxydul- salzlösung. Ueber diese Umsetzung der Sauerstoff- modificationen ist, diess muss bekannt werden, noch wenig Gesetzmässiges ermittelt, geschweige denn ein Erklärungsgrund versucht worden. Die Agentien, die eine solche veranlassen, Licht, Wärme, Electricität, unter den chemischen Stoffen vorzüglich Platin und Ruthenium, regen bald den passiven Sauerstoff zur Ver- bindung mit andern Elementen an, bald thun sie das Gegentheil und führen dann, wenn der active gebunden war, eine Zersetzung (durch „Contact“) herbei. Wenn uns nun aber die Lehre Schönbeins, so wie er sie aus- zubilden vermocht, über das dreifache Verhalten der m Sauerstoffverbindungen zu der nicht concentrierten Salz- säure immerhin einiges Licht gewährt, insofern einmal MuOQ, das andere Mal HO, das dritte Mal keines von beiden gebildet wird, sollen wir sie, ganz abgesehen von aller übrigen Aufklärung, mit Brodie sammt und sonders über Bord werfen dürfen? Derselbe gesteht zwar, dass es wichtige Unterschiede in der Barium- und Mangansuperoxydreaction giebt, behauptet jedoch, diese Differenz sei die nämliche, welche z. B. Chlor und Jod. Chlorwasserstoff und Jodwasserstoff, Natrium und Kalium unterscheiden lässt.!) Hätte er die Prämissen, welche Schönbein zu seinen Schlüssen bewogen, gründ- lich studiert, ehe er diese recensiert, er hätte finden müssen und nachprobieren können, ob nicht in der Barium- und Mangansuperoxydreaction wichtigere Unter- schiede da seien, als in der letztern und der Bleisuper- oxydreaction oder in der erstern und der Strontium- superoxydreaction, Unterschiede, die eben unter den vielen Species von Sauerstoffverbindungen zu weiterer Gruppierung nöthigen. Durch alle bisherigen Data ist aber die Quelle der- selben, welche der © zu sein scheint, nicht erschöpft. Die catalytischen Substanzen Platin (-Mohr}, Ruthenium, Rhodium und Iridium, sowie die ähnlich wirkenden Agentien Wärme und Licht zersetzen, wie freies © und die Hypochlorite (RO, Mu09?), so auch das in Wasser gelöste Chlor (Brom und Jod); sie führen nämlich den © in passiven O über, und dieser entbindet sich. Da auch Wasserstoffsuperoxyd unter diesen Umständen zer- fällt, so soll aus diesen Erscheinungen nicht mehr ge- schlossen werden, als dass die genannten Halogene activen Sauerstoff enthalten. 1) Poggendorff, Annalen CXX S. 320. — 33 — Weiterhin ist von einer grossen Zahl von Ozoniden, namentlich von Untersalpetersäure, Bleisuperoxyd, Ueber- mangansäure und Chromsäure, Eisenoxyd und Queck- silberoxyd die Thatsache ermittelt, dass diese schon in gewöhnlicher Temperatur stark gefärbten Substanzen proportional mit der Erhitzung dunklere Färbungen zeigen. In Kältemischungen dagegen werden sie gra- datim blässer. Schönbein führte dieses wechselnde Ver- mögen der genannten Körper mehr oder weniger Strahlen des auf sie fallenden weissen Lichtes zu absorbieren auf die mit erhöhter Temperatur steigende Erregung (Activierung) des in ihnen enthaltenen © zurück. Ganz Aehnliches zeigt wieder Chlor (noch mehr Jod und Brom). Dieser Schluss büsst insofern an Kraft ein, als eine Anzahl Körper, die entweder keine Ozonide oder überhaupt sauerstofffrei sind, das Nämliche zeigen, so das Zinkoxyd, der Schwefel und mehrere Schwefel- metalle, namentlich Operment, Realgar, Zinnober. Doch scheint auch das folgende Phänomen auf eine mit der Erhöhung der Temperatur wachsende Activierung des © zu deuten. “ Bekannt sind die Erscheinungen, welche Brewster u. A. über die Absorption des Lichts durch farbige Gase ge- funden. Die dunkeln Absorptionsstreifen werden aber nicht blos durch Untersalpetersäure (NO?O?%), Unter- chlorsäure (Mu0O*), chlorige Säure (Mu0Q)) erzeugt, sondern auch durch Joddampf, Bromdampf und, wie Schönbein ermittelt, durch Chlorgas. Mit dem Er- wärmen der Gase nehmen die Absorptionsstreifen an Stärke sowohl, als an Zahl zu. Brewster vermochte durch fortgesetztes Erhitzen, ohne dass schon Zer- setzung eintrat, die Untersalpetersäure vollständig schwarz zu machen, so dass kein Sonnenstrahl durchdringen konnte. Der Schluss nun, dass die gefärbten gas- förmigen Ozonide ihr Vermögen Lichtstrahlen aus- zulöschen dem in ihnen enthaltenen © verdanken, wäre als gewagt zurückzunehmen, falls wirklich die unter- chlorige Säure, das Chrombiacichlorid, die Ueber- mangansäure und das Indigoblau in Gasform keine Ab- sorptionsstreifen aufweisen sollten;!) diese sind nämlich als Ozonide zu betrachten. Es ist dabei auffällig, auf welche Weise die Uebermangansäure in Gasform er- halten worden, da ihre wässrige Lösung schon bei 30° bis 40° sich zersetzt. Eine weitere Analogie besteht darin, dass ein Platin- blech, welches mit einer Schicht von Mangansuperoxyd, Bleisuperoxyd oder Silbersuperoxyd überzogen ist, gegen reines Platinblech, in dem reines Wasser die Leitung vermittelt und als Electrolyt fungiert, sich electro- negativ verhält. Dasselbe tritt ein, wenn das eine der Bleche in eine O-Atmosphäre gehalten worden, sowie wenn dieselben in zwei Flüssigkeiten tauchen, wovon die eine reines Wasser, die andere wässrige Chromsäure ist, und welche selbstverständlich durch ein passendes Diaphragma getrennt sind. Chlor (Brom und Jod) be- wirken dasselbe. Endlich die Kohle als Contactsubstanz, eine Wir- kungsweise, auf welche im zweiten Theile vorläufig ist hingedeutet worden (5.289), darin bestehend, dass erst der © in passiven O umgesetzt wird und in Folge da- von die Catalyse eintritt. Gleich den Eisenoxydsalzen erleidet nun auch das Eisenchlorid (Fe?0°Q , 3MuO), gleich den Quecksilberoxydsalzen auch das Quecksilber- chlorid (Hg20Q, 2MuO) eine Zersetzung so, dass pas- siver O frei wird und Oxydulsalze, resp. Chlorüre ent- stehen. Diess deutet zwar auf keinen @-Gehalt des 1) Im Lehrbuch Müllers steht irrthümlich Chromoxychlorid. — 325 — Chlors; denn wenn wir nach der Muriumtheorie die Constitutionen uns betrachten, so stammt der entbun- dene Sauerstoff aus den Oxyden; wollen wir diese nicht, so muss eben wieder das Wasser herhalten. Das Chlor (Brom und Jod) selbst, mit Kohlenpulver behandelt, wird von diesem absorbiert und je nach der Menge gegenwärtigen Wassers langsamer oder rascher in Salzsäure umgewandelt. Die Kohle enthält, falls das Gas völlig getrocknet war, allein Chlor, ob- wohl sie so wenig danach riecht, als nach irgend einer Luftart, die sie sonst verschluckt. In Lösungen von Jodkalium oder Indigo oder Guajaktinctur gebracht, offenbart sich die absorbierte Ozonverbindung alsbald. Hat aber der Wasserdampf der Atmosphäre Zutritt, so stösst die Kohle Salzsäure-Dämpfe aus; in flüssiges Wasser gebracht, geht die Salzsäure-Bildung ziemlich schnell vor sich, es braucht aber zur Umwandlung des © in O immerhin Zeit. Der entbundene O kann in folgender Art gesammelt werden: man bringe ein Stück wohlgeglühter Kohle in ein Probegläschen, fülle dieses auf mit Chlorwasser und tauche es verkehrt in (Chlor-) Wasser ein. Alsbald geht die Umwandlung des MuO& in MuO, die Hydratwasser bindet, und passiven O vor sich; letzterer sammelt sich, in Bläschen langsam auf- steigend, oben im Boden des Gläschens. Angesichts all dieser Erscheinungen, deren grösste Zahl, wie kaum zu sagen nöthig ist, die durch das Chlor hervorgerufene Oxydation begreift, muss man auch in Gem Walten der Natur Launen mitspielen und nicht überall Gesetze sich erfüllen lassen, will man anders läugnen, dass das Chlor zu den Sauerstoffverbindungen und zwar unter diesen zu der Gattung der Ozonide zu rechnen sei. Freilich muss man dazu, wie schon er- wähnt, das gesammte Material, das Schônhein aufge- häuft, kennen, nicht bloss einige wenige Arbeiten, die man um ihrer Fremdartigkeit willen allzuleicht abstossend fin- den wird, noch weniger wird man alsdann von diesen aus auf die übrigen hundert schliessen dürfen; wesshalb ich nochmals die Leser bitte sich. da es wenig Mühe erfordert, auf dem angegebenen Wege jene Kenntniss zu gewinnen. Muss anderseits auch bekannt werden, dass die Murium- theorie, wie sie durch die Untersuchungen Schönbeins konnte restituiert werden, weder lücken- noch wider- spruchsfrei dastehe ein Geschick, das sie übrigens mehr oder minder mit allem empirisch Erforschten gemeinsam trägt —, so darf ich doch versichern, dass diese Mängel Jene Restitution nicht entfernt zu einem gewagten Vor- haben machen, widrigenfalls ich ehrlicher Weise keinen Spiess in diesen Streit getragen hätte. Sollte indess ein Decennium nach dem andern verstreichen, ohne dass das experimentum crucis gefunden oder bestimmte Auf- klärung gewonnen wird, warum eine Isolirung der hy- pothetischen Verbindungen unmöglich sei, so wird aller- dings, vorausgesetzt, dass die Frage mittlerweile weiter verarbeitet worden, in welcher Beziehung der neuliche (freilich missglückte) Versuch W. Schmids durch Wasser- stoff das Muriumsäurehydrat zu reducieren Erwähnung verdient !), das Existenzrecht der hier empfohlenen Theorie abermals dahinfallen müssen. ) Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel, Theil IV, S. 600. ANATOMIE. a Ueber die Gliederung des Gehirns. Von Prof. W. His. Der Naturforschenden Gesellschaft mitgetheilt den 24. Februar 1869. Als erste Anlage des Centralnervensystems erscheint, wie bekannt, ein Abschnitt des oberen Keimblattes, welcher von Remak den Namen der Medullarplatte erhalten hat. Die Medullarplatte schliesst sich zu einem Rohr, und löst sich von ihrer Umgebung ab; sie sowohl, als das aus ihr hervorgehende Medullarrohr sind von Anbeginn ab im vorderen Abschnitte, dem Gehirntheil, breiter, als im hinteren, dem Rückenmarkstheil. Während einiger Zeit besteht das Rohr nur aus Zellen, umfasst also blos die Anlage grauer Substanz, erst später lagern sich theils an seiner innern, theils an seiner äussern Wandung die Schichten der weissen Substanz ab. Soweit wir wissen, stammen diese von allmählig hervorwachsenden Ausläufern der zuerst vorhandenen Nervenzellen. Durch die An- lagerung weisser Substanz kann die ursprüngliche Form des Medullarrohres modificirt werden. Weit erheblichere Veränderung erfährt dessen Gestalt durch die successive auftretenden Faltungen und Verschiebungen seiner Wand. Im Rückenmarkstheil sind die Umgestaltungen des Rohres verhältnissmässig gering. Das Rückenmark stellt zeit- en lebens eine geschlossene Rühre dar, deren Lichtung zunächst von grauer Substanz umgeben ist, und um die sich von Aussen ein Mantel von weisser Substanz herum- legt. Die graue Kernröhre wandelt durch Einknickung der Seitenwandungen ihre ursprünglich cylindrische Ge- stalt in eine prismatische um, bei deren Detailbetrachtung ich mich diesmal nicht aufhalten werde. | Sehr beträchtlich sind die Formveränderungen, welche das Medullarrohr in seinem Gehirntheil erfährt, und es ist eine der ersten Aufgaben für die Entwicklungsgeschichte des Gehirns zu verfolgen, wie sich die verwickelte Endgestalt des Organes aus der einfachen Urgestalt hervorbildet, und welches die wesentlichen Bedingungen dieser Umbildung sind. Etwas einseitig ausgedrückt, handelt es sich darum, den gesammten Gehirnbau auf den Typus des Rückenmarksbaues zurückzuführen, eine Aufgabe, parallel derjenigen, welche die Wirbeltheorie des Schädels für das Gehäuse der nervösen Centraltheile seit Langem zu lösen gesucht hat. In mehr oder weniger präciser Weise ist diese Aufgabe bereits wiederholt in Angriff genommen worden. Von embryologischer Seite hat unstreitig von Baer im 2. Theil seiner Entwicklungs- geschichte am meisten Material zu deren Lösung ge- liefert. Seine Darstellung von der Umbildung des vor- dersten Hirnendes ist noch jetzt durchaus mustergültig. Von rein anatomischer Seite aus haben Stilling, Schröder v. d. Kolk, Deiters u. A. zunächst für die Medulla oblon- gata den Nachweis geführt, dass sie sich auf den Typus des Rückenmarks zurückführen lässt. — Eine eingehende Darstellung der Gehirngliederung erfordert ein sehr breites Material, wie es mir zur Zeit noch nicht zu Gebote steht. Die nachfolgende Skizze, zu welcher ich vorzugs- weise durch Beobachtungen über die Entwicklung des Fischhirns veranlasst worden bin, soll zunächst blos ein = Versuch sein, die Anwendbarkeit einiger einfachen Be- trachtungsweisen auf das vorliegende Problem zu zeigen. Wie von Baer zuerst betont hat, so lassen sich bei den Embryonen aller Wirbelthierklassen (mit Ausnahme des völlig isolirt stehenden Amphioxus) am Gehirn- theil des Medullarrohres Anfangs 3, später 5 hinter einander liegende Abtheilungen unterscheiden. Diese sind : A rderhirn das primäre Vorderhirn, zerfallend in und ’ Zwischenhirn das primäre Mittelhirn Mittelhirn nz das primäre Hinterhirn, zerfallend in und | Nachhirn. Die 3 primären Abtheilungen erscheinen von der Rückenseite gesehen bauchig aufgetrieben und durch Einschnürungen von einander geschieden. Der vor- springende Theil des primären Vorderhirns wird jeder- seits zur Augenblase, mit deren Abschnürung die Schei- dung des primären Vorderhirns in das eigentliche Vor- derhirn und in das Zwischenhirn sich vollzieht. Die Trennungslinie des Hinterhirns und des Nachhirns fällt in die grösste Breite des: primären Hinterhirns. Die erste Gehirngliederung kann schon angelegt sein, bevor noch der Schluss des Medullarrohres vollendet ist, und sie fällt mit einer Krümmung der Längsaxe des Keimes zusammen. Bei allen Wirbelthieren ist die Keimscheibe an der Grenze zwischen Kopf und Rumpf eingezogen. Im Kopftheil erhebt sie sich zu einer Falte (der vorderen Keimfalte), welche sich später umlegt. Die Tafeln der wichtigen Arbeit von Kowalewsky zeigen, dass so- gar beim Amphioxus jene Biegungen nicht völlig fehlen (man vergl. bes. Fig. 30 der Kowalewsky’schen Schrift). 22 — 330 — Die bezeichneten, im Bereich der Gehirnaxe am schärf- sten hervortretenden Krümmungen können wir als pri- märe bezeichnen, sie kommen, wie erwähnt, dem Ge- hirn aller Wirbelthiere zu und, da sie mit der ersten Faltung der Keimscheibe oder Keimblase zusammenfallen, so sind sie als unmittelbare Folge der ungleichen Wachs- thumsvertheilung zu betrachten. Für die primären Krümmungen können wir folgende, zum Theil ältere, zum Theil neue Bezeichnungen be- nützen. Nackenkrümmung dorsalwärts convex, Brückenkrümmung dorsalwärts concav, Mittelwölbung dorsalwärts convex,, Hakenkrümmung hakenförmige Rückbiegung des vordern Endes der Gehirnaxe. Zu den primären Krümmungen kommen bei dem Gehirn der 5 höhern Wirbelthierklas- sen noch nachträglich 2 fernere Krümmungen hinzu, welche wir als secundäre bezeichnen können. Diese, an den beiden Grenzen des Mittelhirns auftretenden Krümmungen (Scheitelkrümmungen) haben zur Folge, dass das Mittelhirn, das früher von allen Hirntheilen am höchsten lag, nunmehr die vorderste Stellung einnimmt, und dass das Vorderhirn unter das Hinterhirn tritt. Die secundären Krümmungen der Ge- hirnaxe bilden sich sehr rasch aus; sie finden sich bloss bei den Thieren mit Amnion und ihr Erscheinen fällt zusammen mit dem Emporwachsen des ‚Amnion über dem Kopf, ich habe sie daher in meiner Schrift — 3 — über die Entwicklung des Hühnchens als Folgeerschei- nung der Amnionbildung aufgefasst. 1) 1. Die primären Krümmungen der Axe liegen der ersten Gliederung des Gehirnrohres zu Grunde. Hiefür habe ich in meiner grössern Arbeit theilweise bereits die Ableitung gegeben. Die Ver- breiterung des primären Vorderhirns sowohl, als die des Hinterhirns lassen sich mit Hülfe eines Gummirohres leicht als nothwendige Folge der Krümmung demon- striren. Die verschiedenen sich ergebenden Abgrenzungen sind folgende: die Nackenkrümmung bezeichnet die Grenze von Rückenmark und Nachhirn, die Brücken- krümmung die Grenze von Nachhirn und Hinterhirn. Das Mittelhirn wird durch die Lage der Mittelwölbung, das Vorderhirn durch diejenige der Hakenkrümmung bestimmt. 2. Zu einer gegebenen Entwicklungsperiode können die primären Krümmungen bei den Embryonen verschiedener Thierklassen ver- schieden ausgebildet sein. Als Beispiel kann ein Vergleich zwischen dem Gehirn des Salmens und dem des Hühnchens dienen. Bei jenem treten Brücken- krümmung und Hakenkrümmung sehr früh und aus- geprägt hervor, während sie im gleichen Entwicklungs- stadium beim Hühnchen erst schüchtern angedeutet sind. 3. Die Vertheilung der Krümmungen über die gegebene Länge des Gehirnrohres ist in verschiedenen Ordnungen des Wirbelthier- reiches eine verschiedene. Dies führt zu Ver- ?) Die Brückenkrümmung, die beim Hühnchen erst spät sich ausbildet, hatte ich als secundäre, durch das Amnion bedingte Krüm- mung angesehen. Beim Fischembryo tritt sie sehr früh und sehr ausgeprägt auf, sie gehört somit unzweifelhaft in die Reihe der pri- mären Krümmungen. — 992 schiedenheiten in der relativen Entwickelung der ein- zelnen Gehirnabtheilungen, welche selbstverständlich’ ihren Ausdruck in der bleibenden Configuration des Gehirns finden. 4. Die primären Krümmungen nehmen im Lauf der Entwickelung bis zu einem gewissen Maximum zu, welches Maximum für die ein- zelnen Wirbelthierordnungen ein gegebenes ist. Am meisten ausgesprochen ist die Zunahme der Brückenkrümmung, deren Anfangs stumpfer Winkel selbst bei den Cyklostomen und bei den Batrachiern einem rechten sich nähert, während er bei den Knochenfischen und in gleicher Weise bei den Säugethieren zu einem sehr spitzen wird. Die Zunahme der primären Krümmungen hängt zum Theil von der ungleichen Wachsthumsgeschwindigkeit des Medullarrohres und des mit ihm verbundenen vege- tativen Rohres ab, zum Theil wird sie durch den Wider- stand mit bedingt, welchen die äussere Umkleidung des Kopfes, das Hornblatt und weiterhin die parablastischen Gewebsschichten der Längenausdehnung des Rohres ent- gegenstellen. Eine Ausscheidung des letzteren Antheils ist mir zur Zeit nicht möglich. Eine Verfolgung der HA bee des Ge- hirns ergibt folgende allgemeinen Verhältnisse: Im Be- reich des Nachhirns und des Hinterhirns bildet sich durch Auseinanderweichen der Ränder des Medullar- rohres die Rautengrube. Bekanntlich kommt es blos zu einer scheinbaren Oeffnung des Rohres, da ein ver- dünnter Rest der gezerrten Rückwand als Deckplatte des 4. Ventrikels sich erhält. Die Rautengrube kommt mit Ausnahme des Amphioxus sämmtlichen Wirbelthier- gehirnen zu, durchweg zeigt sie ihre grösste Breite an der Grenze vom Nachhirn und Hinterhirn, d. h. am — 9833 — Winkel der Brückenkrümmung. Die hintern Ränder der Grube zeigen in ihrem Verhalten wenig Abweichung, sie verlaufen als corpora restiformia mehr oder weniger stark divergirend nach vorn, um dann mit rascher Win- kelbiegung in die vordern, die Anlage des Cerebellum darstellenden Grubenränder überzugehen. Bei diesen vordern Rändern ergibt sich nun eine gewisse Mannigfaltigkeit des Verhaltens. Die vier Möglichkeiten sind auf nebenstehendem Holz- 3 %* schnitt verzeichnet. 1. Die vordern Ränder der Spalte convergiren nach vorn und helfen somit in der That den hintern einen rautenförmigen Raum umgrenzen. Dieser Fall findet sich, soweit mir bekannt ist, nur bei Embryonen, z. B. bei jungen Knochenfischembryonen , realisirt. 2. Die vordern Ränder der Grube stossen unter einem Winkel von 180° auf einander. In dem Fall bildet das Cerebellum eine schmale Platte, welche sich quer über den vordern Abschnitt der Rautengrube spannt, so z. B. bei Petromyzon. 3. Die vordern Ränder der Grube convergiren nach rückwärts und verlaufen dabei gestreckt. Das Cerebel- lum bildet sonach eine dreieckige, in der Mittel- ebene stärker nach rückwärts vorspringende Platte. In geringem Maass findet sich dies Verhältniss beim Ge- hirn des Frosches, in etwas höherm scheint es nach Joh. Müllers Darstellung beim Gehirn der Myxinoiden ausgesprochen zu sein. 4. Die vordern Ränder der Grube convergiren nach rückwärts, bleiben indess nicht gestreckt, sondern er- fahren jederseits eine Sförmige Biegung. Das Cere- — 2... — bellum zeigt unter diesen Umständen einen Mittelwulst und zwei, durch Furchen von jenem getrennte Seiten- wülste; jenen kann man dem Wurm, diese den Hemi- sphären des menschlichen Kleinhirns zur Seite stellen. Dies Verhältniss findet sich bereits bei Knochenfischen, z. B. den Salmoniden, ferner bei beschuppten Amphibien, bei Vögeln und vor Allem bei den Säugethieren. Die Entwickelung, welche das Cerebellum annimmt, wird hauptsächlich bedingt durch die Grösse der Brücken- krümmung. Die Cyklostomen und die Batrachier , bei welchen das Cerebellum nur als schmale Platte er- scheint, haben auch die geringste Brückenkrümmung; bei den Knochenfischen und bei den höhern Wirbel- thieren nimmt mit der Stärke der Brückenkrümmung auch die Massenentwickelung des Cerebellum zu. Das Mittelhirn ist von sämmtlichen Gehirnabthei- lungen diejenige, welche wegen des Geschlossenbleibens ihrer Decke vom Rückenmarktypus am wenigsten sich entfernt. Die relative Entwickelung des Mittelhirnes va- riirt bekanntlich sehr beträchtlich. Am mächtigsten wird sie bei den Knochenfischen. bei welchen die grossen lobi optici das Mittelhirn darstellen. Eine, soweit ich ersehe, durchaus constante Eigenthümlichkeit des Mittel- hirns ist die Tförmige Faltung des grauen, Rohres. Ein unterer und zwei seitliche Schenkel sind zu unterscheiden, und letztere können mehr oder weniger stark nach unten sich umklappen. In die beiderseits vorhandenen Rinnen zwischen dem untern Röhrenschenkel und den seitlichen betten sich die Hirnschenkel ein. Die er Tförmige Gestalt der querdurchschnitte- nen Lichtung kann sogar als characteristi- sches Merkmal des Mittelhirns dienen und bei der Interpretation zweifelhafter Hirnabschnitte zur Verwendung kommen. Die bezeichnete Configuration fin- u det sich z.B. beim Lobus opticus der Fische, dessen viel discutirte innere Vorsprünge jüngst von Stieda eine sehr correcte Deutung erfahren haben.!) Die beiden Längswülste (thalami optici von Gottsche) entsprechen den längsgefalteten Seitenwandungen des Mittelhirns und Stieda bezeichnet sie nicht unpassend als Pars peduncularis des Lobus opticus. Für das Mittelhirn der Knochenfische ergibt sich die weitere Complication, dass es mit dem hintern Theil seiner Decke über das kleine Hirn sich hinüber legt. Das kleine Gehirn er- scheint förmlich invaginirt in das Mittelhirn und nach Abtragung der Decke des letztern zeigt sich das vordere Ende von jenem als ein unpaarer Wulst, der dem hin- tern Abschnitt der Pars peduncularis aufliegt. Auch dieses Verhältniss hat Stieda eingehend beschrieben, und an dem sich entwickelnden Salmenhirn konnte ich mich Schritt für Schritt von der Richtigkeit seiner Dar- stellung überzeugen. Die Gliederung des primären Vorderhirns gestaltet sich bekanntlich weit complicirter als diejenige der übrigen Hirnabtheilungen. Aus dem primären Vorder- hirn entstehen die Augenblasen , der Boden des 3. Ventrikels, die Seitenwandung des 3. Ventrikels (thalami optici), die Streifenhügel , die Hemisphären und die Riechlappen. Die untere und Seitenwand des 3. Ventrikels stellen das Zwischenhirn von Baers oder den lobus ventriculi 1) Stieda, Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. XVII, Studien über das centrale Nervensystem der Knochenfische p. 1 u.f. — 990 — tertii von Joh. Müller dar. Streifenhügel, Hemisphären und Riechlappen bilden das eigentliche Vorderhirn. Nach dem, was anderwärts über die Bildung der Hakenkrümmung mitgetheilt worden ist, ist klar, dass deren Entwickelung für die verschiedenen Scheidungs- vorgänge von wesentlicher Bedeutung ist. Zunächst hängt mit dem Auftreten der Hakenkrümmung die Ab- schnürung der Augenblasen zusammen, und nach dem, was ich beim Hühnchen einerseits, beim Salmenembryo anderseits sehe, scheint mir, als ob frühzeitige starke Ausbildung der Hakenkrümmung auch die Bildung einer beträchtlichen Augenanlage bedinge und umgekehrt. Die Abschnürung der Augenblasen führt zu einer partiellen Schwächung der Wand des Medullarrohres. Der ge- schwächte Abschnitt wird zum Zwischenhirn und erfährt an seiner Decke eine scheinbare Spaltung. Hieraus mögen sich weiterhin wiederum nothwendige Beziehungen zwischen der Massenentwickelung der Augenblasen und derjenigen des Zwischenhirns ergeben, welche indess zu discutiren noch nicht an der Zeit erscheint. Wir können uns die ursprüngliche Medullarplatte in 5 Längszonen zerlegt denken, eine schmale Axialzone, 2 neben dieser herlaufende Basilarzonen und 2 den Rand der Medullarplatte bildende Marginalzonen. Im Rückenmark bilden die Basilarzonen die Vorderhörner, die Marginalzonen die Hinterhörner der grauen Substanz. Im Nachhirn und Hinterhirn bilden die Basilarzonen den grössern Theil der grauen Masse am Boden der Rautengrube sowie die grauen Brückenkerne, während die Marginalzonen in die graue Masse der Corpora re- stiformia und in das Cerebellum eingehen. Im Mittel- hirn kommen die Basilarzonen auf den Boden, die Marginalzonen in die Decke des Aquæductus Sylvi zu liegen. Im Vorderhirn wird die Verfolgung der Zonen — 991 — etwas schwieriger. Die eigentliche Axialzone findet ihr Ende im Infundibulum; was darüber hinaus liest, gehört den lateralen Zonen der Medullarplatte, vor Allem den Marginalzonen an. Zunächst ist es von Interesse, zu wissen, aus welcher Zone das Material für die Augen- blasen geschnitten wird. Querschnitte durch das Gehirn im Bereich der Augenblasen lassen kaum einen Zweifel, dass die Augenblasen wesentlich aus den Basilarzonen stammen. Jedenfalls gilt dies von dem Blatt, das zur Retinabildung verwendet wird, während das zur Pigment- bildung verwendete vielleicht noch in die marginale Zone übergreift. Es würde sonach, der Abstammung zufolge die Retina den Vorderhörnern des Rückenmarks oder der grauen Substanz im mittleren Theil der Rautengrube entsprechen. In Uebereinstimmung damit ist es, dass der vorderste motorische Gehirnnerv der N. oculomo- torius aus dem Mittelhirn entspringt. Auf die verschiedenen Formen, die das Zwischen- hirn annimmt, will ich hier nicht eintreten, nur hin- sichtlich des Zwischenhirns der Knochenfische will ich meine Uebereinstimmung mit Stieda aussprechen, welcher die Lobi inferiores nebst dem Trigonum fissum als das in die Tiefe gedrängte Zwischenhirn betrachtet. Ein spe- cielleres Studium der Entwickelung lässt die allmählige Verschiebung der lobi inferioris in sehr befriedigender Weise erkennen. Die Hemisphären des Grosshirns bilden sich aus den marginalen Zonen des Medullarrohres. Ueber die Bedingung ihrer Entstehung habe ich mich anderwärts ausgesprochen. Bei ihrem ersten Hervortreten zeigen sie sich als gestielte blasige Vertreibungen, welche an ihrer Aussenseite mit einer, von der Wurzel ausgehen- den Grube versehen sind. Beim Hühnchen z. B. ist ihre Gestalt Anfangs sehr übereinstimmend mit der Anfangs- — Saar gestalt der secundären Augenblasen. Die an der Aussen- seite der Hemisphären befindliche Grube correspondirt ihrer Lage nach genau der Riechgrube, und dient auch ursprünglich zu deren Aufnahme. Man kann dieselbe als die erste Anlage der fossa Sylvii bezeichnen. Mehr oder weniger ausgeprägte Andeutungen derselben scheinen bei keinem Wirbelthiergehirn ganz zu fehlen, mit Aus- nahme vielleicht der niedrigsten Fischformen. Ihre grösste Ausbildung erreicht die Grube, sowie die He- misphäre selbst bekanntlich bei den Säugethieren, und hier lässt sich sehr hübsch verfolgen, wie mit der stär- kern Rückwärtsschiebung der Hemisphäre auch die fossa Sylvii eine schräge Richtung annimmt. Von der wul- stigen Masse, welche dieselbe umgibt, liefert, wie aus beistehendem Holzschnitt zu ersehen ist, der vordere Schenkel den Stirn- und Scheitellappen, der hintere Schenkel den Hinterhaupts- und Schläfenlappen. Die schärfere Trennung dieser letzten beiden Abtheilungen tritt von der Zeit an ein, da die Hemisphären das Ce- rebellum erreichen und auf diesem sich abplatten. Hin- sichtlich der Windungen ist bekannt, dass sie bei Raub- thieren parallel dem Rand der Grube verlaufen. Dass selbst beim Menschen trotz der verwickelteren Verhält- nisse noch theilweise die correspondirende Anordnung der Furchen zu erkennen ist, das zeigt zum Beispiel die sog. Parallelfurche von Gratiolet. — 939 — Der an der Aussenseite der Hemisphären befind- lichen Grube muss im Innern ein Vorsprung entsprechen. Ein solcher ist in der That leicht nachzuweisen und derselbe stellt sich an Durchschnitten sofort als die An- lage des Streifenhügels heraus (man vgl. z. B. den Hemi- sphärenquerschnitt eines circa 14wôchentlichen mensch- lichen Fœtus, Fig. 4 des obigen Holzschnittes). Die grösste Mannigfaltigkeit der Entwickelung zei- gen die Riechlappen, welche bald als Organe von der Mächtigkeit der Hemisphären vor diesen emporsteigen, bald als schmale Substanzstreifen deren Basis sich an- legen, bald auch in grössere Entfernung von jenen wegrücken, nur durch eine dünne Brücke mit ihnen im Verband bleibend. Der Substanzstreifen, aus welchem die Riechlappen hervorgehen, gehört dem vordern Rand der Medullarplatte an, und fällt, soweit ich bis jetzt ersehen kann, in den Bereich der Basilarzone. Er umfasst die Strecke, welche nach dem Hervortreten der Hemisphären zwischen der Wurzel der Hemisphären und derjenigen der Augenblasen liegt. Auch später findet die Anfügung des hintern Riechlappenendes an das übrige Gehirn bei der Verbindungsstelle der Hemis- phären mit dem Zwischenhirn d. h. an der Wurzel der Hemisphären statt. Massgebend für das allmählige Her- vortreten der Riechlappen und für ihre, bei manchen Ord- nungen so bedeutende Längenausdehnung ist der Umstand, dass sie frühzeitig mit ihrem peripherischen Endapparat in Verbindung treten. Entfernt sich im Lauf der Ent- wickelung der peripherische Endapparat vom Gehirn, so wird gleichzeitig auch das vordere Endstück des Riechlappens mehr und mehr vom übrigen Gehirn ab- rücken. Die Aufgabe, welche ich in obiger Skizze behandelt habe, bezieht sich ausschliesslich auf die gröbere Massen- — 340 — gliederung des Gehirnrohres. Eine zweite, weit wich- tigere Frage, die sich an diese erste Aufgabe anknüpft, ist die nach der Bedeutung der Massengliederung für die physiologische Gliederung. Es sind zwei Fälle denk- bar: entweder regelt im gesammten Centralnervensystem dasselbe Gesetz die Verbindungen der Zellengruppen mit einander und mit den peripherischen Theilen. Als- dann sind z. B. die Hemisphären von Gross- und Klein- hirn auch physiologisch den Hinterhörnern homolog, wie sie ihnen morphologisch homolog sind. Oder aber : die morphologische Gliederung bedingt die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der einzelnen Verbindungen, sie bedingt somit im Gehirn eine besondere physiologische Glie- derung, welche nur in wenigen Punkten derjenigen des Rückenmarkes entspricht. Ich muss es mir versagen, schon jetzt auf die Discussion dieser Frage einzutreten, obwohl zu ihrer Entscheidung bereits allerlei Material vorhanden ist. Erinnerung an Prof. Christian Friedrich Schönbein. Vorgetragen von Prof. Peter Merian in der Sitzung der Naturf. Gesellschaft vom 4 Nov. 1868. ASSIS Es sind über die Lebensumstände unseres unver- gesslichen Schönbein verschiedene Berichte erschienen, die Ihnen Allen näher bekannt sind. Namentlich werden Sie sich an der Darstellung erfreut haben, welche Herr Pfarrer Kündig bei der Leichenrede gegeben hat. Unser Herr Präsident beabsichtigt in nächster Zeit eine über- sichtliche Darstellung der wissenschaftlichen Arbeiten mit- zutheilen (sie ist seit Abfassung dieser Zeilen gedruckt worden und in Ihrer Aller Händen). Zur Ergänzung bleibt mir daher wenig zu thun übrig. Da ich jedoch von allen noch lebenden Mitgliedern unserer Gesellschaft dem Verstorbenen seit seiner Hieherkunft und während seiner 40jährigen Wirksamkeit in unserer Mitte wohl am nächsten gestanden habe, so erlaube ich mir einige Mittheilungen vorzulegen über die nähern Verumstän- dungen seiner Hieherkunft und über seine allgemeine Wirksamkeit in unserer Gesellschaft, welche für seine Freunde von einigem Interesse sein dürften. Im Sommer 1827 wurde ich von einer Brustkrank- heit befallen, die mich zwang, mitten in einer Unter- richtsstunde abzubrechen, und die sich wider Erwarten in die Länge zog. Nachdem für das darauf folgende er Wintersemester nothdürftige Vorsorge für Versehung meines Unterrichts an Universität und Pädagogium war getroffen worden, suchte ich in der fortwährenden Hoff- nung baldiger Erholung einen eigentlichen Ersatzmann, welcher, da er nur temporär für mich eintreten sollte, eben nicht so leicht zu finden war. Ein Versuch im Frühjahr 1828 schlug fehl. Im Juli 1828 wandte sich Dr. Engelhart, damals in Paris sich aufhaltend, an sei- nen Universitätsfreund, Professor Röper, um von mir Nachweisungen über einen geologisch-technischen Gegen- stand zu erhalten. Herr Engelhart war durch eine von der Universität Göttingen gekrönte chemische Preis- arbeit über das Blut als aufstrebender junger Mann bereits vortheilhaft bekannt. Ich nahm die Veranlassung, demselben das Anerbieten zu machen, für das bevor- stehende Wintersemester, unter Ueberlassung meiner Besoldung, meine Funktionen an Universität und Päda- gogium zu übernehmen. Er lehnte den Antrag ab, da ihm bereits eine Lehrstelle an der polytechnischen Schule von Nürnberg zugesichert war, empfahl mir aber, als durchaus geeignet, seinen damals ebenfalls in Paris weilenden Freund Schönbein, der geneigt sei, auf das Anerbieten einzutreten. Auf mein Ansuchen ertheilte er mir in nachstehendem Briefe einige nähere Nachwei- sungen über den mir gänzlich unbekannten Freund. Ich wusste damals nicht, dass Schönbein von seiner Studien- zeit inTübingen her mit unserm kürzlich erst aus Deutsch- land zurückgekehrten Professor Andreas Heussler näher befreundet war. „Schönbein ist selbst gestern nach London abgereist so dass ich nicht mehr im Stande bin, über die einzelnen Momente seines Lebens genau mich bei ihm zu erkun- digen, desshalb also nur einstweilen so viel, als ich mit Bestimmtheit sagen kann. Schönbein als ein geborner CA Württemberger begann seine Studien in Tübingen und trieb dort wenigstens anderthalb Jahre Physik und Che- mie. Nach Verlauf dieser Zeit ging er in einige che- mische Fabriken, um namentlich die Chemie praktisch senauer kennen zu lernen und brachte so ein bis andert- halb Jahre bei Boeblingen unweit Pforzheim und in Augsburg bei Dr. Dingler zu. Die Neigung, sich ganz der Wissenschaft zu widmen, führte ihn nachher wieder auf eine Universität und zwar nach Erlangen, wo er eïñ Jahr blieb. Mittlerweile wurde ihm angeboten, in die Knaben - Erziehungsanstalt zu Keilhau im Schwarzbur- gischen , in der Nähe von Rudolstadt, als Lehrer einzu- treten, welchen Antrag er annahm und dort zwei Jahre lang in Chemie und Physik die Knaben unterrichtete, wobei er natürlich diese Fächer weiter zu studiren ge- zwungen war. Von da ging er nach England, wo er ganz nahe von London in einer Erziehungsanstalt in gleicher Eigenschaft eine Lehrstelle übernahm. Hier weilte er abermals ein Jahr und ging dann, um die berühmten Män- ner seines Faches hier zu hören, nach Paris. Während eines Jahres nun besuchte er hier unausgesetzt die Vor- lesungen der Herren Gay-Lussac und Pouillet über Physik und die der Herren Thénard, Dumas und Clément über Chemie, zugleich arbeitete er auch in dem Laboratorium des Herrn Despretz in der Ecole polytechnique und hatte dort viel Gelegenheit, sich praktisch zu üben und noch zu lernen, da Herr Despretz ein geschickter Experimen- tator ist und namentlich in dieser Zeit viele meist neue Versuche anstellte, um, da er gerade mit der Bearbeitung eines Lehrbuches der Chemie’) beschäftigt ist, noch manchen dunkeln Gegenstand aufzuhellen. Dass Schön- bein mit der Kunst, zu experimentiren, ganz vertraut 7) In welchem, beiläufig gesagt, das Kalium rein vergessen ist. en ist, lässt sich nicht anders erwarten, da er ja geraume Zeit Lehrer gewesen, obwohl nur für Knaben, allein nichtsdestoweniger viele Versuche gemacht haben wird. Noch hat er keine eigene Arbeit bekannt gemacht. Wie ich bereits die Ehre hatte, zu bemerken, so beschäftigte er sich vorzugsweise bisher mit der Chemie, ohne je- doch die Physik zu vernachlässigen. Noch hat er keinen akademischen Grad angenommen, theils weil er es in seinem bisherigen Verhältnisse für unnöthig hielt, theils weil er aus Mangel an Vermögen, wie ich weiss, daran verhindert ward. Dies würde sich jedoch, im Falle er nach Basel käme, sehr leicht, denke ich. arrangiren lassen. Uebrigens zeichnet er sich durch Klarheit und Schärfe im Denken aus und besitzt in vollem Maasse die Gabe, sich über jeden Gegenstand deutlich und be- stimmt auszudrücken, wodurch er gewiss ganz vorzüglich zum Lehrer sich eignet. Was seinen Character betrifft, so ist er sehr achtungswerth, sein moralischer Wandel durchaus rein. Alle, die ihn kennen, schätzen ihn und da ich bereits vier Jahre lang in einem nähern Verhält- nisse mit ihm stehe, so kann ich hier wohl auch aus eigener Erfahrung sprechen. Dies ist es, was ich mit Grund der Wahrheit über Schönbein sagen kann; so viel ich weiss, wollen ihn seine Freunde in England dort auf längere Zeit fesseln, er aber zieht unbedingt das Vaterland vor, in welchem er gewiss längst schon Gelegenheit erhalten haben würde, | sich zu fixiren, wenn er eifrig danach gestrebt hätte. Ist er einmal als öffentlicher Lehrer aufgetreten, so hat es heut zu Tage keine Schwierigkeit, in diesem Fache irgendwo angestellt zu werden, da man das Studium der Naturwissenschaft immer mehr und mehr für uner- lässlich erachtet. Desshalb munterte ich denn auch meinen Freund Schönbein auf, eine solche Gelegenheit NAN zu benützen, wodurch er sich als Lehrer bekannt machen könnte und dann gewiss bald ‘anderwärts angestellt werden würde.“ Nach eingeholter Zustimmung der Curatel, welche „nach genommener Einsicht der vorgelegten ehrenvollen Empfehlung keinen Anstand nahm, den Vorschlag zu “ schrieb ich an Schönbein und erhielt fol- sende zusagende Antwort: genehmigen , „Ihr Zutrauen, welches Sie mir durch den Antrag einer so ehrenvollen Stellvertretung geschenkt haben, kann für mich nur schmeichelhaft sein und verpflichtet mich gegen Sie zum verbindlichsten Danke; meinerseits werde ich mein Möslichstes thun, demselben nach Kräften zu entsprechen. Es sind mir neulich mehrere Anträge gemacht worden, deren Annahme mir einen längern Aufenthalt in England unter den angenehmsten Verhältnissen möglich machte; ich ziehe indessen vor, einem verwandten Boden mich nach so langer Ab- wesenheit wieder zu nähern und nehme die mir von Ihnen gütigst anpehakene Stelle .unter den gemachten Bedingungen an.‘ Ich glaubte damals, wir hätten an Schönbein nur einen unvollkommenen Ersatz für Engelhart gewonnen. Der Erfolg hat freilich anders gelehrt. Engelhart, wel- cher im günstigsten Falle nur kurze Zeit bei uns hätte bleiben können, da er die ihm zugesicherte Lehrstelle in Nürnberg antreten musste, starb nach wenigen Jahren im Jahr 1857. Schönbein traf Ende October bei uns ein, zeitig genug, um mit antretendem Wintersemester seinen Unter- ‘richt beginnen zu können. In den ersten Tagen seines Hierseins betraf ihn ein Unfall. Bei einem Spaziergang nach dem Badischen wurde er von der dortigen Polizei abgefasst, die ihn mit Professor Snell verwechselte, auf | 23 — 946 — welchen sie, wie es scheint, zu vigiliren beordert war. Der Irrthum klärte sich indess sofort auf und konnte bei uns mehr als ein spasshaftes Abenteuer angesehen wer- den. Er gewann als tüchtiger Lehrer sofort das Zu- trauen seiner Zuhörer, und namentlich wurde seine Ge- wandtheit bei Anstellung der Versuche in den chemischen Vorlesungen gewürdigt. Er scheint diese Gewandtheit sich schon frühe angeeignet zu haben, denn sein väter- licher Freund und Lehrer, Professor Pfaff in Erlangen, im Experimentiren nicht besonders geschickt, vor wel- chem er einige glänzende Verbrennungsversuche in Chlorgas ausführte, rief damals voll Bewunderung aus: Sie werden der grösste Chemiker von Europa! Schönbeins umgängliches Wesen machte ihn bei Collegen und in weitern Kreisen bald bekannt und be- liebt. Er selbst fand sich in unsern Verhältnissen sehr schnell zurecht. Da ich meine Lehrthätigkeit immerfort nicht übernehmen konnte, gab die Curatel mit Vergnügen ihre Zustimmung zur Fortführung des angebahnten Ver- hältnisses. Unter dem Rectorat von DeWette und dem Dekanat von Professor Christoph Bernoulli ertheilte ihm die philosophische Fakultät im Dezember 1829 den Grad eines Doctors der Philosophie, honoris causa als Scien- tiarum physicarum et Chemiæ artis peritissimum et de studiosa juventute in hac Academia optime meritum. Die politischen Wirren, die sich in den nächst- folgenden Jahren erhoben und die Trennung von Stadt und Land herbeiführten, nahmen Schönbeins Theilnahme lebhaft in Anspruch. Er half von Anfang an getreulich die Interessen der Stadt zu verfechten, und die Ereig- nisse trugen mächtig bei, ihn mit ganzem Herzen unter uns zu verbürgern. Bekanntlich nahm er längere Zeit hindurch Theil an der Redaction der „Basler-Zeitung“. Der einige Zeit hindurch etwas ungewisse Zustand der — 947 — Verhältnisse unserer Universität liess Herbeiführung von Aenderungen nicht rathsam erscheinen. Als aber der Grosse Rath am 9. April 1835 das neue Universitäts- gesetz angenommen hatte, trat ich definitiv von meiner Stelle zurück und Schönbein wurde zum ordentlichen Professor der Physik und Chemie ernannt, nachdem er sieben Jahre hindurch unter uns als Lehrer thätig ge- wesen. Die feierliche Eröffnung der neu gestalteten Universität fand den 1. October 1855 im Chor des Münsters statt. Nach der Rede des Rectors DeWette hielt Schönbein als neu erwählter ordentlicher Professor seine Antrittsrede. Ein darin freilich bloss historisch erwähntes Citat von Baco, welcher Plato einen philo- sophischen Windbeutel nannte, gab in einigen Kreisen merklichen Anstoss. Bereits in der allerersten Zeit von Schönbeins Hiersein waren einige seiner Aeusserungen gegen die deutsche speculative Philosophie übel ver- merkt worden. Ich erlaube mir nunmehr noch einige kurze Mit- theilungen über Schönbeins Thätigkeit in unserer natur- forschenden Gesellschaft. Er wurde bald nach seiner Ankunft in Basel, den 19. November 1828, als Mitglied aufgenommen. Der damalige. beständige Präsident und Gründer unserer Gesellschaft, Professor Huber, der sonst den nichtbaslerischen Mitgliedern unserer Lehrer- schaft mit einigem Misstrauen entgegenzutreten pflegte, fasste bald zu ihm ein besonderes Zutrauen. Nach dem erfolgten Tode des Präsidenten Huber wurde beschlos- sen, die Statuten zu revidiren und zu dem Ende den 16. December 1829 eine vorberathende Commission, ein eigentlicher Verfassungsrath, aufgestellt, in welche auch Schönbein als Mitglied erwählt wurde. Gesetzlichen Formalitäten seinem ganzen Wesen nach abhold, sprach er sich lebhaft gegen die Aufnahme verschiedener neuer — 348 — Bestimmungen aus. Seine Meinung drang indess nicht durch; es wurden dieselben in die neue, von der Ge- sellschaft genehmigte Verfassung aufgenommen, kamen indess, zum Theil aus Ursache der bald eingetretenen, in alle unsere Verhältnisse Störung bringenden politischen Wirren, niemals zur Vollziehung. Bis zum Jahr 1835 enthalten unsere Protocolle einzelne Mittheilungen von Schönbein, jedoch keine selbstständigen Arbeiten. Im Jahr 1832 wurde er zum Vicesecretär erwählt, ein sehr bescheidenes Amt, da es in der Regel nichts zu thun gibt. Als im Jahr 1835 zum ersten Mal der Vorschlag zur Herausgabe gedruckter Berichte über unsere Ver- handlungen zur Sprache kam, nahm Schönbein denselben lebhaft auf, weil er darin ein geeignetes Mittel zur Consolidirung der Gesellschaft erblickte. Das erste Heft unserer Berichte, die Verhandlungen vom August 1834 bis Juli 1855 umfassend, gibt Nachricht über einen Vortrag Schönbeins über die Isomerie chemischer Verbindungen, mehr eine historische Zusammenstellung als eine selbstständige Arbeit. Seine eigentliche wissen- schaftliche Thätigkeit beginnt erst mit dem Winter 1835 auf 1836, also nach seiner Erwählung zum ordentlichen Professor und nach seiner Verheirathung, mit Unter- suchungen über die Passivität des Eisens und über die chemische Thätigkeit def Voltaischen Säule. Er machte _es sich zum besondern Vergnügen und zur angenehmen Pflicht, die Ergebnisse seiner Untersuchungen immer erst der Gesellschaft vorzulegen, ehe er sie in ver- schieden wissenschaftlichen Zeitschriften der Oeffent- lichkeit übergab. Er empfand es jedoch etwas unan- genehm, dass der Redactor unseres zweiten Berichts seine Untersuchungen, auf die Zeitschriften, in welchen sie sich abgedruckt finden, hinweisend, nur kurz er- wähnte, die Erklärung seines vortrefflichen Freundes, + pe des Professors der Philosophie, Friedrich Fischer, auf die er wenig gab, hingegen in extenso einrückte. Diese ersten Arbeiten Schönbeins über die Passivität des Eisens fanden erst bei manchen Physikern, namentlich auch in unserer nähern Umgebung, eine kühle Beachtung, Faraday in London griff sie hingegen lebhaft auf, und ermunterte ihn, in seinen Untersuchungen fortzufahren, da er in denselben den Keim zu weitern wissenschaftlichen Ent- deckungen erblickte. In einer 1837 in Basel bei Neukirch erschienenen Schrift „das Verhalten des Eisens zum Sauer- stoff“, die er Faraday widmete, stellte Schönbein die bis dahin gewonnenen Ergebnisse über den Gegenstand zusammen. Von der erwähnten Epoche an finden wir unsern Schönbein in unermüdlicher wissenschaftlicher Thätig- keit. Eine wichtige chemische Entdeckung folgte der andern und eröffnete neue Gesichtspunkte über That- sachen, die man schon längst wissenschaftlich abge- schlossen glaubte. Es ist hier nicht der Ort, eine nähere Aufzählung aller dieser Entdeckungen zu geben; es wird dieselbe, wie bereits erwähnt, von anderer Seite versucht werden. Wir führen blos an, als einige der hervorragendsten, die in das Frühjahr 1840 fallende Entdeckung des Ozons, anfänglich von Vielen nicht gehörig beachtet oder missdeutet, gegenwärtig aber all- gemein als eine der wichtigsten Erweiterungen der Che- mie der Neuzeit anerkannt. Ferner die in das Ende des Jahrs 1845 fallende Entdeckung der Schiesswolle und des Collodiums, die namentlich dazu beigetragen hat, Schönbeins Namen auch in weitern Kreisen berühmt zu machen. Alle diese Entdeckungen wurden, sowie sie zu Stande kamen, unserer Gesellschaft vorgelegt. Wem unter uns schwebt nicht lebhaft das Bild unseres ver- ewigten Freundes vor Augen, wie er hinter der Reihe — 350 — seiner Reagentienflaschen die einfachen, sinnreichen Ver- suche, welche er zu seinen wichtigen Entdeckungen sich ausgedacht hatte, uns vorführte. Seit dem Jahre 1835 war Schönbein unbezweifelt das thätigste Mitglied un- serer Gesellschaft, und welches ihre Sitzungen durch die zahlreichsten und wichtigsten Mittheilungen belebte. Ein oberflächlicher Blick in unsere gedruckten Verhand- lungen gibt davon den überzeugendsten Beweis. Die Gesellschaft wusste auch sofort die Leistungen Schönbeins für Anregung ihrer wissenschaftlichen Thätig- keit zu würdigen. Im Jahr 1856 wurde er zum Vice- präsident erwählt, im Jahr 1838 zum ersten Mal zum Präsidenten, welches Amt ihm auch jeweilen für die reglementarisch zweijährige Periode 1844, 1848, 1852 und 1856 wieder übertragen worden ist. Bei der in Basel im Jahr 1838 abgehaltenen Versammlung der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft wurde er zum Vicepräsident ernannt. Als im Winter 1839 auf 1840 einige unserer Mitglieder den ersten Versuch machten, in einzelnen Abendvorlesungen Vorträge für ein allgemeineres Publicum über wissenschaftliche Ge- senstände abzuhalten, half Schönbein bei der Ausführung getreulich mit. Der Versuch war damals neu, selbst- ständig gegründet auf das vermuthliche Bedürfniss unse- rer Bevölkerung, nicht Nachahmung auswärtiger Beispiele, denn ähnliche Einrichtungen kamen anderwärts meist erst in spätern Jahren zu Stande. Es ist bekannt, wel- chen erfreulichen Anklang diese Vorlesungen bei uns gefunden und wie sie sich allmählig zu der Reihe der populären Vorträge gestaltet haben, die jeden Winter gehalten werden. Schönbeins Vorträge gehörten zu den besuchtesten und beliebtesten. In den Jahren 1848 und 1849 wurde das neue Museumsgebäude bezogen und die naturwissenschaft- — 351 — lichen Laboratorien und Sammlungen aus dem alten Locale des Falkensteiner-Hofes in das neue übergesie- delt. Auch das Sitzungszimmer unserer Gesellschaft wurde in das neue Gebäude verlegt. In dem Verein, welcher sich gebildet hatte, um durch einen Aufruf zu Geldbeiträgen an das Publikum das Zustandekommen des neuen Unternehmens zu ermöglichen, war auch Schönbein von der naturforschenden Gesellschaft aus als Mitglied bezeichnet worden. Bei der am 26. Nov. 1849 veranstalteten Einweihungsfeier brachte er die Gründung des Museumsvereins zur Sprache, bestimmt durch Beiträge seiner Mitglieder zur Aeufnung der in dem Gebäude aufbewahrten öffentlichen Sammlungen mitzuwirken. Der Verein constituirte sich im darauf- folgenden Frühjahr, erwählte Schönbein zu seinem Prä- sidenten , eine Stelle, die er bis an seinen Tod bekleidet hat. Er konnte jedoch nicht ohne Anwandlung eines schmerzlichen Gefühls von den Räumen des Falken- steiner-Hofes sich trennen, dem Schauplatze seiner täg- lichen Arbeiten und seiner Entdeckungen, für welchen er eine Anhänglichkeit gewonnen hatte. Mit merklichem Behagen liess er sich die Benennung Falkensteiner ge- fallen, mit welcher der verstorbene Jung die Arbeiter im alten Locale der naturwissenschaftlichen Anstalten zu bezeichnen pflegte. Es war unserm Freunde das schöne Loos verliehen, seine wissenschaftlichen Forschungen mit ungeschwäch- ter Arbeitskraft bis zu seinem Tode, der so über- raschend für uns Alle eingetreten ist, fortsetzen zu können. Den letzten Vortrag über Blausäure, und na- mentlich über ein empfindliches Reagens zur Entdeckung derselben, hielt er am verflossenen 24. Juni in einer Sitzung, wozu wir unsere Nachbarn von Rheinfelden eingeladen hatten, und die zu einer kleinen Festlichkeit ea > sich gestaltete, an welcher er mit warmem Herzen sich betheiligte, Möge nach dem erlittenen herben Verlust das wissen- schaftliche Leben in unserer Gesellschaft, zu dessen Anregung der Verstorbene so mächtig beigetragen, uns ungeschwächt erhalten bleiben. Eriunerung an Dr. Ludwig Imhofl. Vorgetragen von Prof. L. Rütimeyer in der Sitzung der Naturforschenden Gesellschaft vom 4. Nov. 1868. Ar Die kurze Dauer des menschlichen Lebens bringt es mit sich, dass grüssere und thätigere Gemeinwesen unter dem alljährlichen Ausfall ihrer Angehörigen je- weilen eine Anzahl von Personen aufzuzählen haben, deren Leistungen das gewöhnliche Maass überschreiten und daher einer bleibenden Erinnerung auch über die nächste Umgebung hinaus sicher sind. Auch für Basel fliesst so kaum ein Jahr ab, das nicht empfindliche Lücken der Art zurücklässt, selbst ohne dass durch be- sondere Eingriffe die normale Sterblichkeit erhöht wäre; und es liegt keine Undankbarkeit in der Betrachtung der Ueberlebenden, dass der Verlust einen Theil seiner Schärfe dadurch verliert, dass er in der Regel die ver- schiedenen Kreise der Gesellschaft mehr oder weniger nach dem Verhältniss ihrer numerischen Vertretung trifft. Um so empfindlicher erscheinen daher die Schläge, wenn sie ohne bemerkbaren äusseren Anlass einzelne Kreise mit ausnahmsweiser Stärke treffen. Niemand wird aber läugnen können, dass die naturforschende Gesellschaft in dem noch nicht abgelaufenen Jahre 1568 sich in diesem Falle befindet, nicht nur insofern, als sie innerhalb von nicht ganz 9 Monaten nicht wenige — 354 — als 5 von ihren 128 Mitgliedern abscheiden sah (eine Sterblichkeit von 40 °/,, fast das Doppelte der für Basel im Allgemeinen annehmbaren Norm), sondern noch in viel höherm Maasse dadurch, dass die Mehrzahl der für uns Zurückgebliebenen, sei es auf dem allgemeinen Boden des wissenschaftlichen Lebens, sei es auf dem specielleren der Naturforschung, wie wohl bekannt, her- vorragende und zum Theil selbst erste Stellen ein- genommen haben. Die Zurückgebliebenen sind: Herr Dr. Elias Burckhardt sestorben 25. Januar. » Prof. Andr. Heusler-Ryhiner „ 112 April 5 „ Carl Streckeisen x 27. August. 5 „ C. F. Schönbein 2 2% B „ Dr. L. Imhoff R 13. September. Die letzten drei, Streckeisen, Schönbein und Imhoff, der naturforschenden Gesellschaft durch Interesse und Leistungen in besonderm Grade angehörig, unerwartet und rasch dahingerafft in der Frist von 16 Tagen! Drei Männer, zwar auf verschiedenem Gebiet der Natur- forschung und mit verschiedenem äusserm Erfolge thätig, aber doch in einer Beziehung und zwar in derjenigen, welche den Mann am meisten ehrt, in Eine Linie ge- hörig: jeder in seiner Weise und nach seinen Kräften ein Vorbild treuer Hingebung an das wissenschaftliche Gebiet, das er sich zu seinem Arbeitsfeld gewählt, und gleichzeitig treuer Pfleger der ihm anvertrauten Öffent- lichen Pflichten; jeder arbeitsam, unverdrossen, treu und wahr, Eigenrücksichten abgewendet, der Förderung des Wissens, sei es in engerem oder weiterem Kreise, vorwiegend zugewendet — wahrlich in so kurzer Frist ein schmerzlicher Verlust! Hat Streckeisen bleibende Denkmäler seines wissen- schaftlichen und gemeinnützigen Strebens vornehmlich — 3855 — in einer Anstalt zurückgelassen, welche, gutentheils durch seine Bemühungen, aus kleinen Anfängen sich rasch zu einer weitbekannten und segensreichen Zierde unserer Stadt erhob; und wirkte Schönbeins jugend- frisches Genie auf Kreise, die unserer Trauer um sein frühes Abscheiden die Theilnahme der Naturforscher aller Länder sichert, so vertritt Imhoff, wenn auch wohl als Mann der Wissenschaft in der Vaterstadt weniger gekannt als die beiden ersten, doch eine Seite derselben, welche vor allem den Kreis, dem er seine Thätigkeit mit Vorliebe widmete, die naturforschende Gesellschaft, zu einem Nachruf auffordert. Imhoff wird allerdings wohl am wichtigsten characterisirt als Vertreter jener vorwiegend vaterländischen Wissenschaft, wie sie seit dem zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts in der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft ihren äussern Ausdruck fand. Er gehört in eine Linie mit den Samuel Wytten- bach, Samuel Studer, Fr. Meissner, C. F. Hagenbach, EH. KR. Schinz, J. J.Bremi und so vielen andern Männern, welche sich die Pflege der vaterländischen Naturkunde nicht nur zur wissenschaftlichen Aufgabe, sondern ge- wissermassen zur Herzensangelegenheit machten und deren Denkmäler in den schweizerischen naturhistori- schen Museen und den darauf bezüglichen Schriften zu suchen sind. Aus diesem Gebiete hatte sich bekanntlich Imhoff die Entomologie zum ausschliesslichen Gegenstand seiner Arbeit gewählt und zwar vorwiegend in streng systematischer Absicht, indem er hauptsächlich Antheil nahm an einer der Aufgaben, die sich die schweizerische naturforschende Gesellschaft nothwendiger Weise in erste Linie gestellt hatte, nämlich die Naturkunde des Vater- landes durch genaue Kenntniss seiner Fauna und Flora nach den von der Cuvier’schen Schule ausgegangenen Prineipien eine sichere Basis zu gewinnen, auf welcher — 556 — dann die schwierigeren Aufgaben der Vergleichung mit andern Gebieten sowie der fernern sich hieran knüpfen- den Untersuchungen sich aufbauen könnten. Dass Imhoff sich dabei aus dem ungeheuren Reich der Insekten überdiess noch einzelne Gruppen zum speciellen Ziel seiner Untersuchungen auswählte, kann in den Augen des Fachmannes ihm nur zum Lob ge- reichen; nur so war es möglich, dass er schliesslich in dem Bereich der Coleopteren und Hymenopteren nicht nur innerhalb des Vaterlandes sich eine allgemein an- erkannte Autorität erwarb, sondern auch im Ausland ein so unbestrittenes Ansehen genoss, dass ein guter Theil der Arbeit seiner letzten Jahre in der Prüfung von Sammlungen, hauptsächlich aus der schwierigen Ordnung der Hautflügler, bestand, die ihm von in- und ausländischen Gelehrten und Museen zugesandt wurden. Imhoffs Name wird somit als der eines vorragenden Systematikers auf dem Gebiet der Coleopteren und der Hymenopteren unserer Gesellschaft eine bleibende Zierde sein; vergönnen Sie mir daher, und zwar als einem seinen Arbeiten fern Stehenden, unter Mithülfe von Urtheilsfähigern, welchen ich billig diese Aufgabe hätte überlassen sollen, einzelne Blicke auf die Bahn zu wer- fen, die den Verstorbenen zu diesem Ziel gebracht. Sowie auffälligere, von der alltäglichen Bahn des bürgerlichen Privatlebens abweichende oder darüber hin- ausgehende Leistungen wohl in den meisten Fällen auf frühere äussere Antriebe werden zurückgeführt werden können, so wird uns auch von Imhoffs nächsten Freunden mitgetheilt, dass der Keim zu dessen Lieblingsneigung wohl in der Anregung zu suchen sei, die er von Seite von Lehrern und Genossen während seiner von dem damals gewöhnlichen Bildungsgang abweichenden Jugend- erziehung erfahren hatte. Seine erste Bildung erhielt er — 351 — nämlich, statt in den damals keineswegs in blühendem Zustand befindlichen öffentlichen Lehranstalten, in dem von Hopf aus Thun nach Pestalozzischen Grundsätzen eingerichteten Institut, wo nicht nur bedeutende Lehrer, sondern vielleicht in noch höherm Grade der reichliche und freie Verkehr mit begabten Cameraden Talente zur raschen Entwicklung brachten, die möglicherweise unter andern Umständen nicht zur Blüthe gelangt wären. War auch sein Vater, der Handelsmann Hieron. Imhoff, wie schon die Wahl der Erzieher seines Sohnes zeigt, ein selbstständig denkender, von Gewohnheiten unabhängi- ger, vielmehr Neuerungen eher zugethaner Mann, so leiten doch Imhoffs Jugendgenossen einen guten Theil der Schüchternheit und Zurückgezogenheit, welche Im- hoff noch im spätern Alter eigen war, und sicher viel- fach hemmend auf ihn einwirkte, von der Strenge des väterlichen Einflusses her. Von den Lehrern am Hopf’schen Institut ist uns besonders Schmeller genannt worden, der spätere be- rühmte deutsche Sprachforscher, der kurz vor seinem Aufenthalt in Basel als bairischer Offizier die spani- schen Feldzüge unter Napoleon durchgemacht hatte. Mehr wirkte aber wohl auf den von Natur ohnedies reich ausgestatteten Imhoff ein Kreis junger begabter Freunde, verbunden durch gemeinsame Liebhaberei und Wetteifer für Naturkunde, und setzte schon damals seiner Thätigkeit das Ziel, dem er Zeitlebens treu ge- blieben ist. Unter diesen war es vor Allen ein Sohn des mit Imhoffs Vater eng befreundeten Botanikers, C. F. Hagenbach, des Verfassers der Flora basileensis, der früh verstorbene Jacob Hagenbach, dessen ent- schiedene Hinneigung zur Naturkunde sich schon im Hopf’schen Institut mächtig Luft machte und um so mehr auf seine Umgebung einwirkte, als Hagenbach — 898 — eine bedeutend angelegte äussert lebhafte Natur war, witzig, mitunter auch zu schlimmen Streichen bereit, für die Lehrer ein keineswegs bequemer Schüler, allein geistig überaus begabt und der Botanik, wohl als einer Art väterlichen Erbthums, sowie der Insektenkunde von vollem Herzer zugethan. Schon im Hopf’schen Institut wurden daher Pflanzen getrocknet, Insekten gesammelt und Raupen aufgezogen und da sicherlich der Grund selegt, dem dann freilich Imhoffs Arbeitsamkeit und Ausdauer weit reichere Früchte abzugewinnen wusste als Hagenbach, von dem nur zwei kleinere Arbeiten, der Anfang eines von Labram illustrirten Kupferwerkes, Symbola Faunæ Insectorum Helvetiæ und eine Mono- graphie des javanischen Käfergeschlechts Mormolyce, publieirt wurden. Freilich starb Hagenbach, nachdem er während einigen Jahren dem entomologischen Theil des Reichsmuseums in Leyden, dieser reichen Bil- dungsstätte für Naturforscher, als Conservator vorge- standen, früh. Seine Sammlung von 15,000 Insekten ging dann durch Geschenk seines Vaters in den Besitz unseres Museums über. | Eine andere, wenn auch mit Mühe und allerlei Schwierigkeiten herangereifte Frucht aus jenem Bund Junger Naturforscher treffen wir auch in unserer Nach- barstadt Liestal. Die Gebrüder Banga von Mönchen- stein, die aus dem Herrnhuter Institut in Neuwied ähn- liche geistige Anregung und Vorliebe an Naturkunde in die Heimath zurückgebracht, schlossen sich unsern Freunden aus dem Hopfschen Institut an, und es ist manchem unter Ihnen bekannt, welche Liebe und Aus- dauer der frühere Vorsteher der Erziehungsbehörde des Cantons Basselland dem naturhistorischen Museum seiner Vaterstadt zugewendet hat, das ihm fast allein seinen dermaligen Bestand zu verdanken hat. — 559 — Im Jahre 1817 trat Imhoff in das hiesige Pädago- gium, wo er den Grund legte zu der tüchtigen gelehr- ten Bildung, die ihn auszeichnete. Seine reiche Be- sabung, durch trefflliches Gedächtniss, gewissenhaften Fleiss und Pünktlichkeit in seinen Arbeiten unterstützt, erwarben ihm auch hier den vollen Beifall seiner Leh- rer, die grosse Hoffnungen auf ihn setzten; dass er zu den besten Schülern gehörte, geht unter anderm daraus hervor, dass er in jeder Classe mit ausnahmsweisen Prämien belohnt wurde. Trotz dem Fleiss, mit welchem er den humanistischen Studien oblag, kam indess auch hier die ihm schon so liebe Insektenwelt nicht zu kurz; alle freie Zeit wurde ihr gewidmet und reichliche ento- mologische Excursionen in die Umgegend angestellt. An der Universität, die er 1820 bezog, immatricu- lirte er sich zunächst als Studiosus Juris, da ihn sein Vater die juristische Bahn betreten zu lassen wünschte; doch schon nach Ablauf eines halben Jahres entschloss er sich zum Studium der Medicin, das er dann bald auf den Rath von Prof. Hagenbach zuerst in Strassburg, dann in Heidelberg fortsetzte und in Halle und Berlin zum Abschluss brachte. An diesen Universitäten, na- mentlich in Heidelberg und Halle, war es dann, wo seine Jugendliebe durch Berührung mit einer Anzahl von Männern, die sich später zu dem ersten Rang von Naturforschern erhoben, von neuem kräftige Förderung erfuhr und nun zum ernsten Ziel seines wissenschaft- lichen Strebens heranreïfte. In Heidelberg waren es Agassiz, Alex. Braun, die Gebrüder Schimper, mit welchen Imhoff in das Verhältniss persönlicher Freund- schaft und geistigen Verkehrs trat, das selbst durch die spätere bleibende Trennung der Personen nicht zerrissen wurde. Noch in späten Jahren war für Agassiz bei den seltenen Besuchen, die ihn aus Amerika in die Schweiz — 360 — zurückführten, in Basel Imhoffs Haus das Absteigquar- tier. In Halle erfreute sich Imhoff namentlich des an- regenden Umgangs mit dem trefflichen Entomologen Germar, der dann indirect die ebenfalls bleibende Ver- bindung mit Oswald Heer anbahnte. Germar erzählte mir öfter, schreibt mir Heer, von seinem lieben Schüler Imhoff, daher ich nach meiner Heimkunft im Jahr 1831 ihn aufsuchte und mit ihm in eine Verbindung trat, die stetsfort eine sehr freundliche geblieben ist. = Von Berlin, wohin ihn namentlich die Klinik Hufe- lands geführt hatte, kehrte Imhoff im Jahre 1826 nach Basel zurück, das er von da an auf längere Zeit nicht mehr verliess. Von diesem Jahre an datirt sich auch seine öffentliche Thätigkeit, die sich ziemlich gleich- mässig in die Ausübung der Pflichten theilte, zu welchen ihn sein Beruf einerseits, seine Lieblingsneigung ander- seits führten. Nach beiden Seiten, als practischer Arzt und als Naturforscher, war Imhoff, wie wir Alle wis- sen, während dieser 32 Jahre ein Vorbild ebenso aus- dauernder und pünktlicher als anspruchsloser Arbeit- samkeit, niemals müssig und stets eifrig auf Weiter- bildung nach beiden Richtungen bedacht. Mögen seine Jugendfreunde vielleicht den Eindruck haben, dass seine späteren Erfolge nicht den Erwartungen entsprachen, die seine Begabung, seine bedeutende Arbeitskraft und sein reges Interesse für jedes Gebiet des Wissens er- warten liess, und hat überdies die ihm eigenthümliche Zurückgezogenheit und Schüchternheit des Benehmens vielleicht häufig seine Leistungen geringer erscheinen lassen als sie es verdienten, so hat er sich doch durch seine Bescheidenheit und den allem Wahrem, woher es auch kommen mochte, offenen Sinn und die unablässige Sorge für sein Weiterforschen die vollste Hochachtung aller Derjenigen erworben, die ihm nahe standen, und AT QE . mancherlei bleibende Spuren eines durchaus edlen Stre- bens zurückgelassen. Mag namentlich dem Arzte trotz seiner vielfachen und gründlichen Kenntnisse jene Schüchternheit oft im Wege gestanden haben, so gehört es doch zur Charac- teristik Imhoffs, dass er auch nach dieser Richtung, wo es nöthig wurde, seine Dienste zum Öffentlichen Wohl anbot, und nichts versäumte, um seine Kenntnisse auf der Höhe der Wissenschaft zu erhalten; indem er nicht nur der neuen medizinischen Litteratur gewissenhaft folgte, sondern auch bis in die letzte Zeit ein eifriges Mitglied der medizinischen Gesellschaft und selbst ein fleissiger Besucher der Kliniken war. Gleiches Gepräge der Arbeitsamkeit und Pünktlich- keit trägt seine Laufbahn als Naturforscher. Von seiner Rückkehr nach Basel an habilitirte er sich als Docent der Zoologie und insbesondere der Entomologie an der Uni- versität, und auch hier kann Imhoff als Vorbild ge- wissenhafter Pflichterfüllung gelten. Während ihm Leich- tigkeit in der schriftlichen Darstellung nicht abgesprochen werden kann, so fehlte seinem mündlichen Vortrag die Anregung und das Leben, die den Zuhörer gewinnen. Aber trotz der geringen Aufmunterung, die ihm von Seiten seiner Schüler zu Theil wurde, hat er seine Vor- lesungen, die während einer langen Reihe von Jahren eine freiwillige Leistung an die Hochschule waren, mit musterhafter Treue fortgeführt, sowie er auch zu den öffentlichen Vorträgen, einer althergebrachten öffentlichen Forderung an die hiesige Universität, seinen Beitrag nicht versagte. Zur besondern Freude gereichte es ihm, jungen oder ältern Liebhabern von Insekten hülfreich an die Hand zu gehen, und wir dürfen nicht zweifeln, dass in dieser Richtung noch manches Samenkorn auf- gehen werde, das Imhoff vielleicht ganz im Stillen hin- 24 a. gelegt hat. Eine freiwillige Leistung, der er ebenfalls nach seiner gewissenhaften Art viel Zeit widmete, war auch die von ihm seit 1826 übernommene Pflege eines Theils der entomologischen Sammlung des Museums. Fehlte es ihm hier auch trotz seiner Pünktlichkeit in seinen litterarischen Arbeiten an dem praktischen Geschick und an dem sichern Ordnungssinn, die freilich bei keiner andern Art von Sammlungen in höherm Maasse erfordert werden, als bei entomologischen, so hat er doch auf die genaue Bestimmung der ihm anvertrauten Abthei- lungen einen grossen Fleiss verwendet. Ein nicht minder treues Mitglied war Imhoff, wie Ihnen noch in frischer Erinnerung ist, unserer cantonalen naturforschenden Gesellschaft, der er von 1826 an, so- wie der schweizerischen naturhistorischen Gesellschaft, der er seit 1827 angehörte. In den Sitzungen der erstern fehlte er selten, die Jahresfeste der letztern besuchte er häufig. Und wenn er sich auch an Discussionen nicht oft zu betheiligen pflegte, so war es, wenn es geschah, jeweilen auf Gebieten, denen er völlig gewachsen war; alle seine Aeusserungen hinterliessen den Eindruck, dass Imhoff nicht nur gründliche Kenntnisse besass, und über eine ausgedehnte Lectüre verfügte, sondern auch, dass er vor seiner wie aller Andern Wissenschaft durchweg eine hohe Achtung hegte. Die schweizerische entomologische Gesellschaft, der er ein Jahr nach ihrer Gründung 1859 beitrat, ehrte sein bedeutendes Wissen, indem sie ihn zu ihrem Prä- sidenten für 1868 ernannte, sowie auch eine Anzahl aus- wärtiger gelehrter Gesellschaften in Deutschland, in Oesterreich und Russland es sich zur Ehre anrechneten, Imhoff als Mitglied zu besitzen. Auf das Ansuchen Agassiz versah er auch das grosse nordamerikanische — 909 — Museum in Cambridge mit einer sehr ansehnlichen Samm- lung europäischer Insekten. Wie sehr endlich der moralische Character Imhoffs und seine Leistungen als Familienvater, als Freund, als Bürger den auf der wissenschaftlichen Bahn ihn leitenden Maximen entsprachen, ist an geeigneter Stelle von be- fugterer Seite hervorgehoben worden und lebt sicherlich in seiner Nächsten Herzen fort. Wie das Vorhergehende an sich wird erwarten lassen, bewegen sich die litterarischen Arbeiten Imhoffs streng auf dem speciellen Gebiet seiner intimsten Kennt- nisse, nämlich in der Systematik der Coleopteren und Hymenopteren. Doch würde man irren, wenn man dar- aus auf Einseitigkeit seiner Kenntnisse schliessen wollte. Vielmehr war er auch mit den meisten andern Ordnungen der Insekten, sowie mit dem Gebiet der Arachniden und Scolopendren wohl vertraut, abgesehen davon, dass er, soweit es ihm möglich war, in seiner Lecture der Be- wegung auf den meisten Gebieten der Naturwissenschaft mit grosser Theilnahme folgte. Seine frühern Arbeiten pflegte er für die Zeitschrift Isis an Oken zu senden, der mehrmals Anlass nahm, den Kenntnissen Imhoffs grosse Achtung zu zollen. Seitdem indess unsere Gesell- schaft Berichte über ihre Verhandlungen veröffentlichte, finden wir alle Arbeiten Imhoffs, die nicht selbstständig erschienen sind, diesen einverleibt. Ein Verzeichniss derselben gibt Hagen in seiner Bibliotheca entomologica, die bis zum Jahre 1862 reicht; zu vervollständigen ist dasselbe nur durch eine Aufzählung der schweizerischen Hymenopteren, Catalogus Piezatorum circa Basileam nec non in aliis Helvetiæ regionibus repertorum, Basel 1838, ein Blatt, und in späterer Zeit sind dazu noch zwei Aufsätze zu fügen, die sich in den Mittheilungen der schweizerischen entomologischen Gesellschaft vorfinden — 364 — und wovon der letzte, aus dem Jahre 1866, merkwür- digerweise demselben Gegenstand gewidmet ist, wie Imhoffs Erstlingsarbeit aus dem Jahre 1832, nämlich dem Bienengeschlecht Andrena. Die Mehrzahl der in die genannten Zeitschriften niedergelegten Arbeiten sind kleinere Mittheilungen über seltenere Vorkommnisse von Insekten oder systematische Verzeichnisse. Eine etwas ausführlichere Arbeit ist der Bestimmung der von Missionar Riis von der Guinea- Küste mitgebrachten und unserm Museum geschenkten Käfern gewidmet, unter welchen Imhoff eine Anzahl bisher unbekannter Arten beschreibt, und von allgemei- nem Interesse ist namentlich auch ein Aufsatz in der Isis (1834), in welchem er einlässlich seine Anschauungen über die Anwendung der Insekten- Metamorphose auf die Classification der Insekten ausspricht. Von selbsständig erschienenen Publicationen Imhoffs sind drei zu nennen: aus früherer Zeit zwei entomolo- gische Kupferwerke, welche er, vom Jahre 1855 an, im Verein mit dem Maler Labram, heftweise herausgab; erstlich die Insekten der Schweiz: die vorzüglichsten Gattungen je durch eine Art dargestellt von Labram, nach Anleitung und mit Text von L. Imhoff; in ähnlicher Weise und unter ähnlichem Titel erschienen später die Gattungen der Rüsselkäfer, erläutert durch bildliche Darstellung einzelner Arten. Die erste Sammlung, die sich über alle Insektenordnungen, doch mit wesentlicher Bevorzugung der Käfer, verbreitet, wuchs bis auf 114 Hefte an, im Ganzen mit 453 Tafeln, deren jeder ein Blatt Text beigefügt ist; die zweite Sammlung, vom Jahr 1858 bis 1851, gedieh auf 19 Hefte zu 8 Tafeln. Beide Publicationen waren Unternehmungen Labrams, der in ähnlicher Weise schon im Jahre 1822 die oben genannten Symbola von J. Hagenbach und bekanntlich — 365 — auch, von 1824 an, auf Antrieb von Prof. C. F. Hagen- bach, die Pflanzen der Schweiz herausgegeben hatte, für den Text unterstützt von Hegetschweiler und von Hagenbach; während indess Labram in Zeichnung und Colorit der Pflanzen ein merkwürdig fein gebildetes Auge verrieth, so dass die grosse Mehrzahl seiner Abbildungen trotz der höchst einfachen darauf verwendeten Mittel durch ihre Naturtreue überraschen, so sind ihm die Ab- bildungen der Insekten, namentlich der Käfer, weniger gelungen, theils wohl desshalb, weil ein guter Theil der- selben in starker Vergrösserung gezeichnet werden musste, theils weil überhaupt solche Objecte dem Zeichner weniger Freiheit lassen als Pflanzen. Die Auswahl, die Anordnung und den Text besorgte wie gesagt Imhoff; letzterer gibt auf je einem Blatt zu jeder Abbildung ausser dem Namen und dessen Synonymen die Merkmale der Gattung und eine kurze Beschreibung der einzelnen je für eine Gattung dargestellten Art. Die Beschreibungen sind kurz und mehr für Anfänger berechnet, doch ganz zutreffend, und über Vorkommensverhältnisse finden sich manche werth- volle Angaben. Die äussere Einrichtung in Form von losen Blättern ohne Einhaltung oder Angabe einer syste- matischen Ordnung und ohne Leitfaden in der Syno- nymik erschwert aber die Benützung und zwar gerade für Diejenigen, für welche das Werk bestimmt ist, näm- lich die Anfänger und Liebhaber; die Arten sind ohne Ordnung durcheinander aufgeführt, und obschon Ab- bildung und Text, da sie auf losen Blättern erschienen, nach Belieben geordnet werden können, so fehlt es doch an einer Uebersicht, nach welcher sie zusammenzustellen sind. Ebenso ist die Nomenclatur, welche von Linné oder Fabricius an die Synonymen in gleichförmiger Schrift gibt, für den Anfänger sehr erschwerend. Die- sem Umstande ist es wohl zuzuschreiben, dass diese Ar- — 566 — beit nicht die Verbreitung gefunden hat, welche sie ver- dient. Besser eingerichtet wäre sie ein empfehlenswerthes Hülfsmittel zur Einführung von Freunden der Entomologie in dieses so grosse und interessante Gebiet gewesen. Die Arbeit über die Rüsselkäfer schliesst sich an das grosse Curculioniden-Werk von Schönherr an und gibt von einer beträchtlichen Zahl von Gattungen, die von Schönherr beschrieben wurden, Abbildungen und erleichtert sehr das schwierige Studium dieser grossen Käferfamilie. | Streng wissenschaftlicher Natur ist endlich die im Jahre 1858 erschiene Hauptarbeit von Imhoff, Versuch einer Einleitung in das Studium der Coleopteren, zwei Theile mit 25 Tafeln vortrefflicher lithographirter Zeich- nungen von Repräsentanten von Familien und Unter- familien der Käfer. Der erste Theil des Buches gibt eine sehr sorgfältig bearbeitete und übersichtliche Ein- führung in die Ordnung der Käfer, indem er die Be- ziehungen dieser grossen Thiergruppe zum Menschen und zu der übrigen Natur bespricht, sodann eine all- gemeine Schilderung von Gestalt, Organisation und Le- bensverrichtungen derselben gibt und endlich die all- gemeinen Anhaltspunkte für die Systematik erörtert. Es beabsichtigt daher dieser Theil nicht nur, sondern er leistet auch für die Coleopteren dasselbe, was die be- rühmten Bücher von Kirby und Spence, sowie von La- cordaire für die Insekten im Allgemeinen. Der zweite Theil des Buches ist der Systematik, der Begründung und Beschreibung der Genera der Co- leopteren speciell gewidmet. Er gibt eine sehr sorg- fältige Characteristik der Familien und der weitern Ab- theilungen der Käfer bis auf das Genus. Es ist somit diese Arbeit weniger eine Einleitung als vielmehr ein Handbuch für das Studium der Coleopteren, und wie — 307 — schon der Titel nicht ganz richtig gewählt ist, so mag auch hier die Einrichtung des Buches seiner Verbreitung nachtheilig gewesen sein. Für den Anfänger setzt es wenigstens im zweiten Theil zu viel voraus, während der Fachmann dann gerade hier mehr Details wünschen könnte. Die wesentlichsten Dienste wird es den syste- matischen Bearbeitern der Coleopterenordnung leisten, unter welchen es auch die Anerkennung durchaus ge- funden hat, die es als überaus sorgfältige und gelehrte Arbeit verdient. Noch ausgedehnteres Wissen besass Imhoff in der Ordnung der Hymenopteren. Er hat nach dem einstim- migen Urtheil seiner Fachgenossen in dieser schwierigen und wenig bearbeiteten Ordnung am meisten geleistet und es ist sehr zu bedauern, dass er seine reichen Kenntnisse auf diesem Gebiete nicht in ausgedehnterem Maasse mittheilte. Durch Zusammenstellung der schwei- zerischen Hymenopteren, bezüglich welchen er nur über die Ameisen einiges publicirte, würde er eine sehr em- pfindliche Lücke ausgefüllt haben, während nunmehr das grosse Material, das er in dieser Richtung gesammelt hat, trotz den vielfachen Aufforderungen, die an ihn ergangen waren, wohl grossentheils verloren sein wird. So war Imhoffs arbeitsames Leben grösstentheils der Belehrung in einem Theil der Naturkunde gewidmet, dessen erfolgreiche Bearbeitung ungewöhnliche Ausdauer und ungetheilte Hingebung erfordert, und wenn nach- folgende Generationen jeweilen die Schriften, welche ihnen als Fackel zum Aufbau des eigenen Wissens dienen, in die Hand zu nehmen pflegen, ohne der darin nieder- gelegten Summe von Treue zu gedenken, so ist es um so mehr Pflicht der überlebenden Zeitgenossen, dank- bares Zeugniss darüber abzulegen. } > { { A | a | ie Fe à. ni fs, . j R ce EIN nn 7 re = AMP ENT N * sc < LE ‚ * L | | à } x £ \ | 4 = VE h | à un ’ LER 7 LT gg 0 y or ar Y 2 0 a > 2 N $ E HE EH Le Ei + FFE FEFÉFEFETE FH - LI 1 TT RUB 4 HE EFF H RÉRBRBE où : 4 T ï | HAT EE EE NE 3 F EH EE Des au: x H HSE Ep 09 à I 1 ji - EEE SRE {=} CA HT HE LE q HE = BF na un na snnennunnnungen une À goor Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Fünfter Theil. Drittes Heft. Basel. Schweighauserische Verlagsbuchhandlung. D Im 4 1871. MATHEMATIK. Die Berechnung des christlichen Osterfestes Prof. Hermann Kinkelin. Die Bestimmung des Osterfestes, das einerseits von cer Vertheilung der Wochentage im Jahre, anderseits von dem Wechsel des Mondes abhängt, hat von jeher den Chronologen zu schaffen gemacht. In früherer Zeit gebrauchte man bei der Lösung der Aufgabe eine Reihe von Hülfsgrössen, den Sonnenzirkel, den Sonntagsbuch- staben, die goldene Zahl und die Epakten sammt mehre- ren dazu gehörigen Tafeln. Seit jedoch Gauss in Zach's monatlicher Correspondenz, 1800 (Bd. II, pag. 121) eine einzige handliche Formel dafür angegeben hat, nimmt man von ihnen Umgang. Gauss selbst gab keinen di- rekten Beweis seiner Formel, sondern deutete ihn nur an mit dem Beifügen, dass er auf Gründen der höhern Arithmetik beruhe, in Rücksicht auf welche er sich noch auf keine Schrift heziehen könne. Die Disquisitiones arithmeticæ waren damals noch nicht erschienen. Im Jahre 1816 berichtigte er in Lindenau und Bohnenberger's Jeitschrift für Astronomie (Bd. I, pag. 158) einen der gegebenen Ausdrücke, indem er bei der ersten Publi- kation den Umstand unbeachtet gelassen hatte. dass die im Jahre 4200 anzubringende Mondgleichung auf das Jahr 4500 verschoben wird. Aehnliche, wenn auch nicht so 95* = le einfache und präcise Formeln entwickelte Delambre in der Connaissance des temps (1817, pag. 307) und wie- derholte sie in der Histoire de l’Astronomie moderne (Bd. I, pag. 16), ohne indess den Nachweis zu leisten, dass sie mit den Gauss’schen gleichbedeutend sind. Eben- so theilten Tittel in „Methodus technica brevis etc.“, Göttingen 1816, und Piper in Crelle’s Journal für Mathe- matik, 1841 (Bd. XXII, pag. 117) den nämlichen Gegen- stand betreffende Formeln mit, jedoch ohne Nachweis ihrer Richtigkeit. Die Gauss’schen Formeln wurden zuerst be- wiesen von Ciccolini in „Formole analitiche pel calcolo pasquale etc.“, Roma 1817, welche Schrift mir leider nicht zu Gesicht gekommen ist. Nach dem, was Delambre in der Histoire de "Astronomie moderne (Bd. I, pag. 46) davon mittheilt, scheint sie etwas weitläufig zu sein. Auch Cisa de Grésy bewies dieselben in den Memorie della reale accademia di Torino, 1818 (Bd. XIV, pag. 77), gibt aber statt der von Gauss so einfach berichtigten Epakte einen äusserst schwerfälligen Ausdruck. Er so- wohl als Ciccolini scheint diese Berichtigung nicht ge- kannt zu haben. Das Nämliche gilt von R. Martin (Comptes rendus, 1855. Bd. XLI, pag. 705) und A. Le- dieu (ibid. pag. 707). Ein das Ganze umfassender ein- facher Beweis der Gauss’schen Formeln fehlt meines Wissens noch und soll im Folgenden gegeben werden. Die laut der Berichte zweier Bischöfe und eines Rundschreibens Constantins vom Concil zu Nicäa 325 angenommene Satzung geht dahin, dass der erste Oster- tag auf den Sonntag falle, der dem Ostervollmond zu- nächst folgt. Unter dem Ostervollmond ist der Voll- mond zu verstehen, der, nach bestimmten Regeln berech- net, entweder am 21. März, auf den im Jahr des Con- cils die Frühlingsnachtgleiche fiel, oder zunächst nach demselben eintritt. Sonach handelt es sich darum, 1) die — 3 — Sonntage im März, 2) den Ostervollmond und 3) den Ostertag selbst für ein gegebenes Jahr zu bestimmen. Da der julianische Kalender in einigen wesentlichen Punkten von dem gregorianischen abweicht, so muss die Rechnung für jeden Kalender besonders geführt werden. Ueber die angewandten Bezeichnungen schicke ich voraus, dass A (5) den Rest bedeutet, der bei der Division von A durch B übrig bleibt und der also die Werthe 0, 1, 2, 8, +... A—1 haben kann, hingegen A CG), die bei dieser Division als Quotient herauskom- mende ganze Zahl. I. Die Märzsonntage. 865 Tage = 52 Wochen + 1 Tag geben ein gemei- nes bürgerliches und 366 Tage = 52 Wochen + 2 Tage ein Schalt-Jahr. Der 1. Januar rückt daher nach Ver- fluss eines gemeinen Jahres um 1 und eines Schaltjah- res um 2 Stellen in der Woche vorwärts. Umgekehrt rücken die Januarsonntage um eine oder zwei Einheiten im Datum rückwärts, je nachdem das vorhergehende Jahr ein gemeines oder ein Schaltjahr war. Nun fiel im Jahre O0 des julianischen Kalenders, einem Schaltjahr, der erste Sonntag auf den 4. Januar, folglich die Sonntage vom 25. Februar an, welcher der Schalt- tag ist, auf den 7., 14., 21., 28., ... März oder allge- mein auf den 7uten März, unter u irgend eine ganze Zahl verstanden. Die drei nächsten Jahre sind gemeine, ihre Sonntage rücken im Datum um je eine Einheit rück- wärts und fallen also bezüglich auf den Tu—1, 7u—2, Tu—3'en März. Im Jahre 4, welches wieder ein Schalt- me De jahr ist, wird das Datum der Sonntage vom 25. Februar an um 2 Einheiten kleiner und in den drei folgenden gemeinen um je eine Einheit, also bezüglich gleich dem Tu—5, Tu—6, Tu—7, Tu—8ten März u.s.f. Man bemerkt leicht, dass sich das Datum der genannten Sonntage durch den allgemeinen Ausdruck S = Tu — (i 4 (-),) März, wo i die Jahrzahl bedeutet und « so zu wählen ist, dass S positiv wird. Man kann diesen Ausdruck, den Piper a. a. O. pag. 117 verwendet hat, durch Einführung der Grössen b — (>) und © == (+) (1) verwandeln. Dadurch erhält nämlich i die Formen woraus LR we Da das letzte Glied eine ganze Zahl z sein muss, so erhält man der Reihe nach y = 4z — b + c i = 28: — Tb + Sc = 9283 — Sb +8c-+b (z),= 72 — 9b + %, folglich, wenn man — 10c in 4e — 14c verwandelt und sämmtliche durch 7 theilbare Glieder in ein Glied 7v vereinigt, S—=2b +4c+7v März, unter v wieder eine ganze Zahl verstanden. Die Einführung des gregorianischen Kalen- ders nahm hieran folgende Aenderungen vor. Zunächst wurden im Jahre 1582 10 Tage = 1 Woche + 3 Tage dadurch weggelassen, dass man nach dem 4. Oktober sofort den 15. zählte, um die Frühlingsnachtgleiche, welche inzwischen auf den 11. März zurückgewichen = Mm — war, wieder auf den 21! zu bringen. In Folge dessen rückten die Sonntage des gregorianischen Jahres um 3 Einheiten im Datum vor, da man in der Folge der Wochentage keine Aenderung eintreten liess. Damit fer- ner die Nachtgleiche auch in Zukunft auf dem Datum des 21. März stehen bleibe oder höchstens einen Tag davon abweiche, d. h. damit das bürgerliche Jahr mit dem astronomischen im Einklang bleibe, verordnete Papst Gregor XIII, dass in den Säkularjahren, deren Säkular- zahl nicht durch 4 theilbar ist, der Schalttag wegge- lassen, dagegen beibehalten werden soll, wenn die Säku- larzahl durch 4 theilbar ist. Bei jeder Auslassung des Schalttages rückt das Datum der Sonntage vom 25. Fe- bruar an um eine Einheit vor. Bezeichnet man daher die in der Jahrzahl i enthaltene Säkularzahl mit s, so ist die an dem vorhin gefundenen julianischen Datum 5 der Sonntage in positivem Sinne anzubringende Kor- rektion g = 8 + (s—16) — Fr s— (+) — d, von welcher Zahl man je 7 Einheiten mit dem in S vor- kommenden letzten Gliede 7v vereinigen kann. Um die Osterformel einfach zu gestalten, führen wir statt g eine Zahl n ein, welche um 6 grösser ist als g und von der man ebenfalls je 7 Einheiten weglassen darf. Setzt man demnach der Kürze wegen S qu (2), : (2) s—9—9-+6 s—-g—3 (s—9q—83-+7 eg oder N =) (3) und g=r— 6. Hiedurch wird das Datum der Sonntage vom 25. Februar an verwandelt in S=2b +4 pn —6+7Tv März, (4) so wird n = ( Ba je und derjenigen vom 1. Januar bis 24. Februar im gemeinen Jahr S'=2b + 4c + n +4 + Tv Januar und im Schalt- jahr gleich 2b + 4c + n +5 + Tv, wenn man —14 mit Tv vereinigt. Will man den ersten Sonntag im Jahr wissen, S! so ist sein Datum gleich (+) und gibt te 7 im gemeinen Jahr den ( Januar, | im Schaltjahr den (ES) Januar, | Die Formeln (4) und (5) gelten auch für den julia- nischen Kalender, wenn man # —6 setzt, und sind somit / ganz allgemein. II. Der Ostervollmond. Die kirchlichen Neumonde fallen nicht mit den astro- nomischen zusammen, sondern werden cyklisch bestimmt. Es sind nämlich 19 julianische Jahre von 365,25 Tagen sehr nahe gleich 235 synodischen Monaten von 29,53059 Tagen, und der Unterschied beträgt nur 0,0613 Tage, um welchen Betrag die ersteren grösser sind als die letz- teren. Nach 19 Jahren, einem sogenannten Meton’schen Cyklus, werden die Neumonde wieder auf die nämlichen Tage im Jahre fallen. Die Vertheilung der 235 Monate geschieht im julianischen Kalender auf folgende Weise. Die Monate, d. h. die Zeiträume von einem Neu- mond bis zum nächsten, erhalten vom 1. Neumond des ersten Jahres im Cyklus an gerechnet abwechselnd 30 und 29 Tage und in den Jahren, wo 13 Neumonde vor- kommen, wird nach dem 13. Neumond ein Monat von 30 Tagen eingeschaltet, am Ende des 19. Jahres aber ein solcher von 29 Tagen. Der Februar zählt hiebei beständig zu 28 Tagen (immerwährender Kalen- der), so dass in den Schaltjahren derjenige Monat, in UT me welchen der 25. Februar als Schalttag fällt, in Wirk- lichkeit um einen Tag vergrössert wird. Diese Anord- nung gibt in der That 115 Monate zu 29 Tagen und 120 Monate zu 30 Tagen, welche zusammen ebenso viel ausmachen als 19 Jahre zu 365 Tagen. Durch diese Einrichtung, welche vermuthlich von Sosigenes, dem Bearbeiter des julianischen Kalen- ders, herrührt, wird bewirkt, dass vom ersten Neumond eines Jahres bis zum ersten Neumond des nächsten Jah- res entweder 354 = 365 + 19 — 30 oder 384 = 365 + 19 Tage verfliessen und dass somit in jedem folgenden Jahr der erste Neumond ein um 19 Einheiten grösseres Datum trägt, wobei 30 zu subtrahiren sind, wenn es über den 50. Januar hinausgeht. Nur das 19. Jahr des Cy- klus macht hievon eine Ausnahme, indem das Datum des ersten Neumondes im ersten Jahre des folgenden Cyklus nur um 18 oder 18—30 grösser wird. Die Römer nahmen als das erste Jahr eines solchen Cyklus ein solches an, in welchem der erste Neumond auf das Neujahr fiel. Dionysius Exiguus dagegen, welcher um 544 die Kirchenrechnung ordnete, wählte für das erste Jahr das Jahr O0 der christlichen Zeitrech- nung, in welchem der 23. März ein Neumond war. Da hiemit der 23. Januar als Neumond des Jahres 0 ge- geben ist und der erste Neumond in jedem folgenden Jahre innerhalb eines Cyklus um 19 Tage vorrückt, nach 19 Jahren aber wieder auf die nämlichen Tage fällt, so muss das Datum desselben im Jahre i gleich sein dem 33 ge (5) aa wo w so zu wählen ist, dass der Ausdruck positiv und < 30 ist. Setzt man der Kürze halber in); ins Rn a 23 +19a 30 ) Januar- so kann man denselben in der Form: ( schreiben. In Folge der über das erste Jahr des 19jährigen Cyklus getroffenen Verfügung erhält der erste volle Mo- nat jedes Jahres 30 Tage, der zweite 29, der dritte wie- der 30 u. s. w. Der dritte Neumond des Jahres fällt demnach 59 Tage später als der erste, somit auf das. nämliche Datum im März, wie dieser im Januar, und der vierte 30 Tage später als der dritte. Da nun die Vollmonde nach kirchlicher Vorschrift 13 Tage später als die Neumonde fallen, so tritt der Ostervollmond, auch Ostergrenze genannt, 13 Tage nach dem dritten oder vierten Neumonde ein und trägt das Datum des @ a sn (te) 1134130 März. Die Differenz zwischen dem 21. März und dem Datum des Ostervollmondes soll aber weniger als 30 Tage be- tragen; folglich ist in beiden Fällen das Datum des julia- nischen Vollmondes der 23 9 3—2 a ee oder RICE ) März (7) Man pflegt die Zahl a + 1, welche den Rang des. ‚Jahres à in einem dionysianischen Cyklus von 19 Jahren, dem sog. Mondzirkel, angibt, die goldene Zahl zu nennen. Anders verfuhren Aloysius Lilius, der Verfasser des gregorianischen Kalenders, und die zu dessen Prü- fung niedergesetzte päpstliche Kommission. Sie bezeich- neten die Tage des Januars vom 1. an mit den Zahlen 0, XXIX, XX VIII... UI, U, I, welche die Epakten (Ergänzungstage) bedeuten, d. h. das Alter des Mondes = HN am 1. Januar, der Tag des letzten Neumondes im vori- gen Jahre als der erste Tag gezählt. Diese Zahlenreihe wiederholt sich vom 31. Januar an in der nämlichen Weise bis zum 31. Dezember für alle Tage des Jahres im immerwährenden Kalender. Die Epakten XXIV und mit ihr alle folgenden rücken am 6. Februar, 6. April, 4. Juni, 2. August, 30. September und 28. November um je einen Tag zurück und kommen also auf die nämlichen Tage, welche die Epakten XXV haben. Die Epakten XXV werden, wenn die goldene Zahl a + 1 > 11 oder u > 10 ist, mit arabischen Ziffern 25 geschrieben und vom 25. Februar, 5. April, 3. Juni, 1. August, 30. August, 29. September und 27. November auf die vorhergehenden - Tage, die die Epakte XX VI haben, gesetzt, wobei jedoch die übrigen Epakten ihre Stellen unverändert beibehalten. Durch diese sinnreiche Kombination von abwechseln- den Monaten von 30 und 29 Tagen mit am Ende gewisser Jahre eingeschalteten Monaten von 30 Tagen bewirkten sie für den immerwährenden Kalender, dass 1) in einem Cyklus von 19 julianischen Jahren oder 235 Monaten die Neumonde wieder auf die nämlichen Daten fallen, 2) dass der: Monat, in den das Neujahr fällt, immer 30 Tage zählt, und 3) dass der vierte Monat des Jahres ebenfalls 30 Tage enthält, falls der dritte Vollmond vor dem 21. März eintritt. Von der dritten Bestimmung gibt es zwei Ausnahmen: Wenn nämlich ihr zufolge der vierte Neumond auf den 6. April (der Vollmond auf den 19.) fiele, so wird er auf den 5. April zurückversetzt, und wenn er auf den 5. April (der Vollmond auf den 18) fiele und gleichzeitig die goldene Zahl a + 1 > 11 oder a > 10 ist, so wird er auf den 4. April verlegt. Man vergleiche Chr. Clavii, Explicatio Calendarii (Opera, Bd. V, pag. 101, Moguntiæ 1612) und Chr. Wolff (Ele- menta math., Bd. III, Chronologia). — a — Die Differenz von 0,0613 Tagen, um welche 19 ju- lianische Jahre grösser sind als 235 synodische Monate, macht in 310 Jahren einen vollen Tag aus, um welchen die kirchlichen Neumonde den astronomischen vorgehen. Seit der Aufstellung des julianischen Festkalenders im Jahre 544 waren bis zum Jahre 1582, wo der gregoria- nische eingeführt wurde, 1038 Jahre verflossen, so dass der Unterschied der kirchlichen und der astronomischen Neumonde 3 Tage betrug. Um die Uebereinstimmung wieder herzustellen, verminderte man das Datum der ersteren zunächst um 3 Einheiten und stellte dadurch den ersten Neumond des Jahres à auf : us) N a NE ( 30 TUE ) Januar. Die Korrektion der Daten durch die Auslassung von 10 Tagen im Ok- tober 1582 verwandelt das vorige in den us 7 (3 = =) Januar. Hieraus erhält man nun in gleicher Weise, wie im julianischen Kalender, den Oster- vollmond 19a +13 —21 + se FF) März oder = a ( März, wovon nur die beiden oben erwähnten Fälle eine Aus- nahme machen. Das Datum des julianischen und des gregorianischen Ostervollmondes kann durch die gemeinschaftliche Formel v=21#4, (8) wobei = ( a) (9) ausgedrückt werden. Im julianischen Kalender ist be- ständig m = 15 und im gregorianischen von 1582 bis 1599 m 29: — 351 — Die Zahl d und mit ihr die Zahl m unterliegt im gregorianischen Kalender für die folgenden Jahrhunderte zwei Korrektionen, welche die Sonnen- und die Mond- gleichung genannt werden. Die Sonnengleichung rührt davon her, dass der Schalttag in 400 Jahren dreimal weggelassen wird und dadurch das Datum des Ostervollmondes, der sich nach der Länge des julianischen Jahres von 365,25 Tagen richtet, bei jeder Weglassung um einen Tag vorrückt. Bezeichnet man die Sonnengleichung mit h, so ist, wie bei der Korrektion g der Sonntagsdaten s— 16) Bet ; 71712 welcher Ausdruck zu m addirt werden muss. Die Mondgleichung entspringt aus der Differenz von 19 julianischen Jahren und 235 synodischen Monaten. Sie beträgt in 19 Jahren 0,0613 Tage oder in fast 2500 Jahren 8 Tage, welche vom Datum des Ostervollmondes abgezogen werden müssen. Sie wird angebracht, indem man, von den Säkularjahren 1800, 4300, 6800, . . . aus- gehend, sieben Gruppen von je 3 Jahrhunderten und nach ihnen eine solche von 4 Jahrhunderten bildet, so zwar, dass die Mondgleichung in jeder folgenden Gruppe um eine Einheit grösser ist als in der vorhergehenden, somit in 2500 Jahren um 8 Einheiten zunimmt. Die Mondgleichung wird die Form haben: = 5) + f, wo « und £ konstante, noch zu bestimmende Zahlen sind. Denn erstens nimmt dieser Ausdruck um 5 zu, wenn s um 25 zunimmt, und zweitens bilden seine Werthe für um je eine Einheit fortschreitende s abwechselnd sie- ben Gruppen von 3 und eine von # gleichen Zahlen, wie es bei der Mondgleichung sein soll. Die Werthe von « und $ müssen nun bestimmt werden. Zunächst bestimmt sich & dadurch, dass, um eine Gruppe von 4 gleichen Werthen von k zu geben, die Division bei der ersten Säkularzalıl dieser Gruppe auf- gehen muss, demnach a+5s (Se. unter à eine ganze Zahl verstanden. Et x = 250 — 8, Das Säkularjahr 3900 ist das erste der viersäkularen Gruppe 3900, 4000, 4100, 4200 von unveränderlicher Mondgleichung. Setzt man also s — 39 und wählt für d die Zahl 13, welche den kleinsten positiven Werth von « gibt, so wird & = 15 und 13+8s\ Da endlich die Mondgleichung im Jahre 1800, wo s— 18, zum ersten Male angebracht wurde und den Werth 1 hatte, so ergibt sich ?= — 5 und > 13+8s\ , k=p—5, wo p — 5), ”) (10) Durch die beiden Korrektionen h und k an dem gre- gorianischen Ostervollmond wird m, von dem man je 50 ; 2 | - [22 + h—k\ Einheiten wegnehmen darf, gleich er) oder 15-4s—p—q = ns) (1) *) Man kann auch setzen 2 ig! & en 25 !g en I welche Formel Delambre gebraucht hat. Bis zum Jahr 4199 ist einfach Em #4 2 5h wie Gauss zuerst angegeben hatte. = 3 — Um endlich auch den zwei Ausnahmsfällen, wo die Formel (9) ein um einen Tag zu weit vorgerücktes Da- tum gibt, Rechnung zu tragen, nämlich wenn V = 19. April = 21 + 29. März, folglich d = 29, sowie wenn d — 28 und gleichzeitig a > 10, so kann man von d noch die Korrektion d+ «a rn f= ( ab) (12) abziehen, welche nur in diesen zwei Fällen = 1, sonst aber = 0 ist. Lilius selbst bestimmte die Neumonde eines Jah- res aus den Epakten. Da im vorigen der erste Neu- mond im Jahre schon direkt gefunden wurde, so erhält man umgekehrt die Epakten dadurch, dass man das Da- tum dieses Neumondes von 31 abzieht. Sie werden da- her von 1582 bis 1599 gleich (19a '31+30a—19a ‘ 1+1lae'‘ N AA) Bringt man an ihnen die Mond- und die Sonnen- gleichung wie bei dem Ostervollmond, aber in umgekehr- tem Sinne an, so werden die gregorianischen Epakten allgemein 1+1lla+k—h 11la+p+9—s+8\ A) 49) Der julianische Kalender kennt in Wirklichkeit die Epakten nicht. Was man gewöhnlich die julianischen Epakten nennt, ist eine aus der goldenen Zahl a+1 be- rechnete Zahl, nämlich pi a =) (14) 30 À 30 Die Differenz der julianischen von den gregoriani- schen Epakten ist während eines Jahrhunderts konstant und dient gewöhnlich dazu, die letzteren aus den erste- ren zu rechnen. to III. Der Ostertag. Der Ostertag wird am nächsten auf den Ostervoll- mond folgenden Sonntag gefeiert und es muss an ihm die Differenz D der Daten eines Sonntags nach dem 25. Februar und des Ostervollmondes wenigstens 1 und S—V höchstens 7 betragen. Daher ist D — a zu setzen mit der Bedingung, dass der Rest 0 durch 7 ersetzt 'S—V +6 werde, oder D= (—- Die Substitution von S und V aus den Formeln (4) und (8) gibt nach Verwandlung von — d in 6d — 7d und Weg- werfung der im Zähler vorkommenden Vielfachen von 7 2b4+4c+6d =e+ 1, wo e= | nn = (15) Die Differenz Dist die Anzahl der Tage, um welche ) + 1 ohne weitere Bedingung- Ostern dem Ostervollmond nachfolgt. Addirt man sie zu dem Datum V desselben, so erhält man das Datum des Osterfestes — 92 + d+e März. (16) Die beiden mehrerwähnten Ausnahmen haben nur dann einen Einfluss, wenn der um einen Tag zu weit vorgerückte Ostervollmond selbst ein Sonntag, der be- richtigte daher ein Samstag ist und dadurch Ostern eine Woche zu spät, nämlich beziehungsweise auf den 26. oder 25. April käme. Wenn also bei d = 29 die Rech- nung den 26. April als Ostertag gibt, so ist er auf den 19., und wenn sie bei d — 28 den 25. April gibt und gleichzeitig a > 10 ist, so ist er auf den 18. anzusetzen. Die Zusammenstellung der Resultate gibt folgende Vorschrift. Man setze die Jahrzahl = i, die darin ent- haltene Säkularzahl — s und bestimme der Reihe nach PA [1545 = es avr) On ab and \ . ge >) As Fr) 7 so ist das Osterdatum P=-2+d-+e März —=d+e—9 April, die beiden zuletzt behandelten Fälle des gregorianischen Kalenders ausgenommen. Im julianischen Kalender ist beständig m =15, n=6. Will man eine unter allen Umständen gültige For- mel für den gregorianischen Kalender haben, so subtra- hire man in den Ausdrücken für e und ? von d die Kor- rektion f= (er) “ Ba ee Fre Bes)! dd NM-+te Min — (4 —f) Le — 9) April. Der erste Sonntag eines gemeinen Jahrs fällt auf wodurch A ae den mr E Januar und eines Schaltjahres auf den OT Te 7 . ® Dieögoldene Zahl ist gleich a + 1. Die Epakten sind im gregorianischen Kalender no) a en \ 30 = | 80 — 386 — und im julianischen SO 1. Beispiel. Im Jahre 1870 ist für den gregoriani- ee schen Kalender ASS 1a CE SANER ae va 15 +18—6—4\ 4418 —4 = sg m es m = | 6 28, n= | = je Diese beiden Werthe gelten für das ganze XIX. Jahr- hundert. Ferner ist a=()= . = (+) =2, e=(—)=1 2-2+4-1+6-25 +4 = (HT) = 1, P 2 29 +95 #1 = 48. Mürr 17. April, und im julianischen Kalender __ 19-8418) _., __f2-24+4.1+6.17+6 P=922+17.+ 4— 43. März — 12. April 2. Beispiel. ImJahre 1954 ist im gregorianischen \ Kalender SH Ban Best 19 p= (TE), = 6, a= (5) =: é : 2847. N Fe Ge ) — 98, f— (ss — ] ( 9 PE PR Me > RAR SO (=, P=22+ 2% + 0, = 48.März= 18. April RR 3. Beispiel. Im Jahre 1981 des gregorianischen Kalenders ist ee pin = a=(-—-)=5, ı=(7)=1, =(7)=0 10 4 7 19.5 + 24 . (29H), (= A), = 2. 4. "É 5} dt 98. e — (EE) 2 0 P = 22 + 98 + 0 = 50. März = 19. April. Die zwei letzten Beispiele gehören den von Gauss ausgenommenen Fällen an. GEÉOLOGTIE. Pro Geologische Nittheilnngen von Prof. Peter Merian. 1. Versteinerungen aus dem rothen Rılı der Simmenfluh bei Wimmis. Inoceramus Brunneri. Ooster. In den Abbildungen die- ser Art, welche Hr. Ooster in dem ersten Heft der Protozoe helvetica gibt, findet sich nur eine unvollkom- mene Andeutung des Schlosses. Unter den Exemplaren von Wimmis, welche unsere Sammlung vom Petrefacten- sammler Tschan erhalten hat, findet sich ein besser erhaltenes Stück des Schlosses, welches eine bedeutende seitliche Verlängerung zeigt, und gut übereinstimmt mit der Darstellung, welche Goldfuss Petref. Germ. t. II f. 3 von der von ihm J. Brongniarti benannten Art gibt. Da bei der Zerbrechlichkeit der ziemlich grossen Schale dieser und ähnlicher Arten etwas vollständige Exem- plare selten zu treffen sind, so herrscht einige Verwir- rung in der Synonymie der von den verschiedenen Pe- trefactologen als J. Brongniarti und Lamarckii bezeichne- ten Arten. J. Brunneri von Wimmis stimmt übrigens ganz gut mit der von Goldfuss abgebildeten Schale sei- nes J. Brongniarti aus der Kreide von Quedlinburg und von Rheine in Westphalen, und auch mit der grossen Art aus dem Seewer Kalk der östlichen Schweiz. Dr Bourgueticrinus ellipticus. Mill. d’Orb. Es ist im All- gemeinen eine missliche Sache, aus einzelnen Stielglie- dern die Art einer Crinoider zu bestimmen. Die Ge- staltung der untern Stielglieder von 2. ellipticus, wie sie d’Orbigny Crinoid. auf t. 17. fol.1 abbildet, ist aber durch ihre abwechselnde Anschwellung eine so eigenthümliche, dass ich keinen Anstand nehme, einzelne Stielglieder von Wimmis, die ganz deutlich diese ausgezeichnete Ge- staltung zeigen, dieser Art beizuzählen. Beide Vorkommnisse unterstützen die Ansicht, den rothen Kalk von Wimmis der obern Kreide, oder dem soge- nannten Seewer Kalk der östlichen Schweiz, beizuordnen. 2. Rhinoceros tichorhinus. Cuv. Aus dem Diluvium bei Basel. Die Zähne dieser Art, des Zeitgenossen des Mam- muth-Elephanten, werden bei uns seltener angetroffen, als die Stoss- und Mahlzähne der letztern Art, vielleicht weniger wegen ihrer grössern Seltenheit, als weil sie, wegen ihrer geringern Grösse. weniger beachtet werden. Es ist übrigens ein Bruchstück eines Zahnes dieser Art von mir schon vor längerer Zeit im Löss der Höhlungen des Süsswasserkalkes von Rixheim bei Mülhausen auf- gefunden worden (s. Leonh. Taschenb. 1826. IT. 348). Ferner kam ein Zahn in den Ablagerungen von Ueber- resten des Elephas primigenius von Istein vor. Bei den Erdarbeiten des neuen Gottesackers vom Wolf ist neulich ein besonders wohlerhaltener oberer Mahlzahn dieses Rhinoceros’ in den Diluvialgeröllen aut- gefunden worden. Die Fundstätte liegt nicht sehr weit ab von der Nauenstrasse, an welcher im Jahre 1862 unter ähnlichem Vorkommen ein Milchzahn aus der obern Kinnlade der gleichen Art ist gefunden worden. Beide Zähne befinden sich in unserer öffentlichen Sammlung. — "390 — 3 Verbreitung des Tongrischen Mergels bei Basel. Es sind im Frühjahr 1870, als Vorarbeiten für den Bau einer Verbindungsbrücke zwischen den Bahnhöfen der Badischen- und der Central-Bahn, Bohrarbeiten aus- geführt worden, welche einige nähere Aufschlüsse über die Verbreitung des Tongrischen Mergels im Rheinbette geben, und deren Ergebnisse daher der Erwähnung werth sind. Die Bohrlisten, welche von Hrn. Dr. Greppin auf- genommen worden sind, beziehen sich auf zwei Punkte, einerseits unterhalb des Ausflusses der Birs, und ander- seits in der Nähe der Hüninger Schiffbrücke. Bohrung auf dem rechten Rheinufer, von der Ober- fläche an, 1 Meter über dem mittlern Rheinstand, bei der Ziegelei Völlmy-Rieder. März 1870. Dilusialgerôlle: 14... mar 22.2000’ Meter Nagelfluh . .. :. ERIENEEEIBERE BRLEN MG 0,7. Graue, zum Theil oelbliche und röthliche Mergel (Tongrien) . 350 „ In der Mitte des Rheins, 2 Meter unterhalb dem Einflusse der Birs. Ende April 1870. Tiefe des Rheins - . .:.: : 0. 4,00 Meter. Gerölle. 35. apa. ous RARE Nagelfluh . . - . er CMOS Graue und gelbliche 1 | rau OR Linkes Rheinufer, etwa 200 Meter unterhalb dem Einflusse der Birs. Gerotlemieunl. seb ai 2002300 EE MONUMEER Napseltubian. #2 na a0 Sand. 08 €: Rs HEHE Graue und GS EE Miel ra Molasseartiger Sandstein . . . 2,50 , Bohrung etwa 100 Meter oberhalb der Schiffbrücke von Hüningen in der Mitte des Rheins. Anfangs Mai 1870. — 31 — ete des eines 5.5 Re "800 Meter Doro ar NH ET ABI Brelbe‘ Mergelrun.. tnt 0,46 ; à Bläuliche Mergel La x PAR ee In den Mergeln sind Débat von Ostrea crispata. Goldf., welche Deshayes mit ©. cyathula. Lam. vereinigt, angetroffen worden. An einigen Stellen des linken Rhein- ufers ist der Bohrer 14 Meter in die tongrischen Mergel eingedrungen. Es erweist sich also aus diesen Bohrarbeiten, dass die tongrischen Mergel, welche die Unterlage der Ge- röllablagerungen in der Stadt Basel bilden, im Bette des Rheins vom Ausfluss der Birs an bis Hüningen, und wahrscheinlich noch viel weiter abwärts gegen das Elsass zu fortsetzen. Auf dem rechten Ufer der Birs scheinen sie in der Nähe ihres Einflusses in den Rhein zu fehlen, da bekanntlich bei der Schanze von St. Jakob Rogenstein ansteht, und dieselben bei einer versuchten Brunnergrabung bei der Bahnstation Muttenz nicht an- getroffen worden sind, sondern Blöcke von Rogenstein und von den obern Schichten des Muschelkalks. In der Stadt Basel und am linken Ufer der Birs gegen Brüg- lingen zu werden die tongrischen Mergel von Blätter- sandstein und Süsswasserkalk überlagert. Mehr gegen Westen haben sie eine beträchtliche Verbreitung und eine bedeutende Mächtigkeit, da im Jahre 1770 beim Binninger Schutz von Hrn. Eman. Linder bis auf 192 Fuss Tiefe fortgesetzte Bohrungen sie nicht durchsun- ken haben. S. Meisner’s Annalen 1824. I. S. 149. In dem Einbruch der Birs, welcher im Winter 1871 unmittelbar oberhalb der Birsbrücke stattgefunden hat, sind unter den Geröllen ebenfalls tongrische Mergel ent- blösst worden. Die Cornbrash-Schiehten im Basler Jura Prof. Albr. Müller. (November 1870.) PL TS SSSR Unter den zahlreichen Abtheilungen der Juraforma- tion, welche im Kanton Basel zu Tage treten, nimmt der Hauptrogenstein durch seine bedeutende, 150—200 Meter betragende Mächtigkeit und seine grosse zu Tage tretende Verbreitung die erste Stelle ein. Man kann sagen, dass hauptsächlich durch ihn, sowohl im Plateau- gebiet als in den eigentlichen Juraketten, das Relief der Landschaft bestimmt wird. So wichtig auch der Hauptrogenstein in orographi- scher Beziehung ist, so wenig ergiebig erzeigt er sich in paläontologischer Hinsicht. An zahlreichen kleinen Trümmern von Conchylien fehlt es zwar darin nicht, ja einzelne Bänke und Streifen bilden wahre Muschelcon- glomerate, und kleine Sachen, namentlich Schneckchen, finden sich hin und wieder. Deutliche, wohlerhaltene Versteinerungen sind jedoch nur sparsam darin zerstreut, und ausser einigen Austern, Terebrateln und Lima-Arten wird man grössere Formen fast ganz vermissen. Höch- stens werden sich einige hübsche Drusen von Kalkspath vorfinden. Diese zeigen dann in der That eine grössere Mannigfaltigkeit von Formen und Combinationen, als man von einem so einförmigen Gestein erwarten sollte. — 393 — Im Gegensatz zu dem Hauptrogenstein bieten die unmittelbar darüberliegenden, meist thonigen und eisen- reichen Kalkschichten, die gewöhnlich unter dem ge- meinsamen Namen Cornbrash oder Bradford zusammen- gefasst werden, eine grosse Mannigfaltigkeit wohlerhal- tener Versteinerungen. An unzähligen Orten, sowohl im Plateaugebiet, als in den Ketten des Basler Jura treten diese Schichten bald mehr, bald weniger vollständig zu Tage. Sie sind desshalb ganz besonders geeignet, als geognostischer Horizont zur Orientirung zu dienen. Wie leicht zu vermuthen, ist diese weit verbreitete und an guten Versteinerungen so reiche Schichtenfolge von zahlreichen Geologen in den verschiedensten Gegen- den beobachtet und beschrieben worden. Auch ich habe im Schoosse unserer Gesellschaft bei wiederholten Anlässen, wo von unserm Jura die Rede war, über diese Schichten gesprochen und schon vor 15 Jahren in unsern Verhandlungen eine nähere Einthei- lung derselben zu geben versucht. Seitdem bin ich durch zahlreiche Excursionen, namentlich wieder in den letz- ten Jahren, zu weitern Aufschlüssen gelangt, die mich nun in den Stand setzen, meine frühern Beobachtungen zu ergänzen und zu berichtigen. Meines Wissens ist, wenigstens aus unserer Gegend, bisher noch kein Spe- cial-Profil dieser Abtheilung des mittlern oder braunen Jura gegeben worden und so mag denn das Nachfol- gende, als ein kleiner Beitrag zur nähern Kenntniss unseres Bradford, nicht ganz überflüssig erscheinen. Die obersten Schichten des Hauptrogensteines be- . stehen aus dünn geschichteten, plattenförmigen Oolithen von fast weisser Farbe, die namentlich durch zahlreiche Individuen von Avicula tegulata Goldf. charakterisirt sind, und die man als die Schlussglieder jener mächtigen Ab- lagerung betrachten kann. — 351 — Ueber diesen beginnen nun erst die eigentlichem Schichten des Bradford oder Cornbrash, die man nach ihrer petrographischen Beschaffenheit und den aufein- anderfolgenden Ablagerungen von Meeresgeschöpfen in folgende Unterabtheilungen bringen kann, wobei ich mit. den untersten beginne. Bei jeder sollen nur die ver- breitetsten und ganz besonders charakteristischen Ver- steinerungen angegeben werden. 1. Dichte, löcherige. gelbliche Kalksteine mit Tere- bratula maxillata Sow. und Nerinea Bruckneri Thurm. Bilden nur wenige 2-3‘ mächtige Bänke unmittel- bar über den obersten plattenförmigen Oolithen des. Hauptrogensteins. Der Kalkstein ist dicht oder feinkôr— nig, bisweilen etwas oolitisch. Die Löcher sind rund- lich länglich, bald klein, bald bohnen- bis fingergross und meist mit einem lockern gelbbraunen Eisenocher beschlagen. Innen zeigen sie oft Reste von strahligen Lamellen, die vielleicht von Korallen herrühren, doch habe ich sie nirgends recht deutlich gefunden. Ein- zelne Lagen oder Streifen bilden wahre Muschelbreccien, welche ziemlich dem bekannten mitteltertiären Muschel- conglomerat in den Umgebungen von Wittisburg gleichen. Auf den thonigsandigen dünnen Zwischenlagern finden sich zahlreiche Exemplare einer glatten fast kreisrunden, linsenförmigen Terebratel, ohne Falten, welche der Ter. maxillata Sow. (siehe Davidson Brachiop.) am nächsten steht. Andere deutliche Versteinerungen sind nicht häu- fig oder schwer heraus zu bringen, doch möchte eine nähere Untersuchung in diesen eigenthümlichen löche- rigen Kalken vielleicht noch manches Neue zu Tage fördern. Zu denselben Schichten gehören ohne Zweifel die bekannten Bänke mit Nerinea Bruckneri Thurm., welche die Rogensteinschichten am nördlichen Ende des War- — 999 — tenberges unmittelbar überragen urd von Hrn. Raths- herrn P. Merian schon vor vielen Jahren entdeckt und bekannt gemacht worden sind. Merkwürdiger Weise habe ich aber diese ausgezeichnete Nerinea nur an wenigen andern Orten in den entsprechenden Schichten vorgefun- den, obgleich diese an manchen Stellen, so besonders schön am Limberg östlich oberhalb Lausen, auf Sichtern und Munien westlich von Liestal, ferner bei Tenniken und andern Orten über dem Hauptrogenstein zu Tage treten. 2. Grobkörniger Oolith mit Clypeus patella Ag. (Uly- peus sinuatus Leske, Clypeus Blotii Klein), und Ammo- nites Parkinsoni Sow.; ferner Lima gibbosa Goldf. (L. helvetica Oppel), Nucleolites (Echinobrissus) clunicula- ris Ag. u. a. Ausserdem treten verschiedene Seeigel untergeordnet hier schon auf, die aber erst in der nächst- folgenden Abtheilung, wo sie zur rechten Entfaltung. kommen, genannt werden sollen. Die Schichten sind dünn, plattenförmig, nicht deutlich abgetheilt und ge- wöhnlich von so lockerm Gefüge mit weichem gelbem oder braunrothem thonigem Cement, dass sie beim An- bruch sofort zerbröckeln. Ihre Mächtigkeit wird in der Regel 1-2 Meter nicht übersteigen. Der grobkörnige Oclith zeigt ein so ausgezeichnetes groboolithisches Gefüge, dass er überall gleich beim ersten Blick erkannt wird und mit keiner andern Ab- theilung der Juraformation verwechselt werden kann. Auch in den übrigen, bei uns zu Tage tretenden Ge- birgsformationen findet sich kein ähnliches Gestein mehr, so dass also seine geologische Stellung in der Schichten- folge sofort angegeben werden kann, selbst wo keine andern Versteinerungen vorhanden sind. Die einzelnen Körner sind bald kugelig, gewöhnlich aber linsenförmig: plattgedrückt, oft unregelmässig gerundet und nicht sel- ten mehr als eine Pariser Linie im Durchmesser haltend. — 9396 — Die Farbe der Oolithe ist gewöhnlich, in Folge des grossen Eisengehaltes sowohl der Körner selbst, als namentlich des thonigkalkigen Bindemittels, gelbbraun, bisweilen braunroth, seltener, bei schwachem Eisenge- halt, gelblichweiss. Bei allen Abänderungen, wie sie einzelne Oertlichkeiten darbieten, wird man doch dieses Gestein sofort wieder als den grobkörnigen Oolith des untern Bradford erkennen. Die Versteinerungen, so na- mentlich die Seeigel, sind an einzelnen Orten, z. B. auf der Hochfläche von Munien, westlich Liestal, zahlreich und wittern schön heraus. Doch haben die meisten Bi- valven ihre Schale verloren. Unter diesen findet sich die länglich mandelförmige Pleuromya elongata Ag. in Un- zahl, dieselbe Form, die fast ebenso häufig schon im untern Eisenrogenstein (Etage Bajocien d’Orb.) vorkommt. Ihre Gestalt bietet aber nichts Charakteristisches. Den fast handgrossen, flachen, schildförmigen Clypeus pa- tella Ag. (C. sinuatus Lsk.) habe ich bisher nur in die- sen grobkörnisen Oolithen gefunden. Amm. Parkinsoni Sow. nimmt an andern Orten einen tiefern Horizont ein und wird desswegen von andern Beobachtern in den untern Oolith (Bajocien) gestellt. Er ist also eigentlich nur in unserer Umgebung für den grobkörnigen Oolith über dem Hauptrogenstein bezeichnend. Höher habe ich ihn nie gefunden, ebensowenig aber tiefer, also auch nicht in unserm untern Eisenrogenstein, der den Haupt- rogenstein unterteuft. Manche Formen, wie Rhyncho- nella varians und Terebratula intermedia Sow. (T. anse- rina Merian) stellen sich hier schon ein, haben aber ihr Hauptlager in den höhern Abtheilungen. 3. Gelbbraunes, unrein oolitisch-körniges Gestein mit Discoidea ') depressa Ag. (Holectypus depressus Desor), 1) Bei den in den letzten Jahren mit so grossem Erfolg in ver- schiedenen Meeren, und so auch an der Küste von Florida unter Mit- ll 4 — 991 — Clypeus (Clypeopygus) Hugii Ag., Disaster analis Ag. (Collyrites ovalis Leske), Hyboclypus gibberulus Ag. und andern Echiniden. Die Mächtigkeit dieser unreinen, rau- hen, gelb- und rothbraunen, eisenreichen, thonigen Kaike, die sich enge an die grobkörnigen Oolithe der vorigen Abtheilung anschliessen, beträgt nur wenige Fuss. Cly- peus patella findet sich hier nicht mehr, Nucleoliten sind seltener. Zerschlägt man die hier auftretenden Seeigel, so sieht man, dass sie einem andern Gesteine, einem undeutlich und kleinkörnigen oder oolitisch rauhen, eisen- reichen Kalkstein angehören. Auf den Feldern finden sich natürlich die Petrefacten beider, einander so nahe liegender Abtheilungen gemengt vor. Diese Abtheilung wurde an zahlreichen Orten unter verschiedenen Namen signalisirt. Ihr entsprechen wohl am nächsten die Mar- nes Vesouliennes und die sog. Discoideenmergel, obwohl bei uns eigentliche Mergel in diesem Niveau ganz fehlen. An manchen Orten in den eigentlichen Juraketten schei- nen, wenigstens theilweise, die grobkörnigen Oolithe mit dem Clypeus patella zu fehlen und durch die gel- ben rauhen Thonkalke mit Discoideen und den andern Echiniden vertreten zu sein. Muscheln (Bivalven und Terebrateln) fehlen auch hier nicht, treten aber mehr zurück. | 4. Graulich gelbe oder braune rauhe Kalke mit Ger- villia Andreæ Thurm., Trigonia costata Lam. und Lima proboscidea Sow. Ausserdem noch eine Anzahl anderer Bivalven, sämmtliche von dicken wohlerhaltenen Schalen, die in grosskrystallinischen Kalkspath umgewandelt sind. wirkung der Herren Agassiz und Pourtalès ausgeführten Tiefsceefor- schungen wurden von dem Pourtalès-Plateau aus einer Tiefe von 250 bis 400 Faden ausser der Terebratula Cubensis und der Wald- heimia Floridana auch eine Salenia und eine Discoidea, also angeblich ausgestorbene Gattungen, herausgefischt. Diese rauhen, thonigen Kalke bilden die unmittelbare Fortsetzung der vorhergehenden. Sie sind hie und da gleichfalls noch unregelmässig oolitisch und körnig, ja selbst von sandigem Aussehen und nehmen an eisenrei- chen Stellen eine braunrothe Färbung an. Sie sind in schwachen, unregelmässigen Bänken von wenigen Zollen Dicke abgelagert und erreichen in der Regel nicht mehr als 1—2 Meter Gesammtmächtigkeit. Die Seeigel der vorigen Abtheilung setzen hie und da, obwohl sehr spär- lich, in diese obern Schichten fort, die man an manchen Orten von den untern, welche der Abtheilung Nr. 3 an- gehören, kaum trennen kann. Ganz besonders charakteristisch sind hier unter den Bivalven die 3—4 Zoll langen, schmalen fingerförmigen Gervillien (G. Andreæ Thurm.), die nur hier vorkommen, dagegen in den tiefern und höhern Abtheilungen fehlen. Die Trigonia costata hat hier ihr Hauptlager und er- reicht eine stattliche Grösse. Die handförmige, grob- gerippte und mit grossen röhrenförmigen Stacheln ver- sehene Lima proboscidea Sow. (Ostrea pectiniformis an- derer Autoren) erreicht wahrhaft riesige Dimensionen, nicht viel unter einem Fuss Durchmesser. Auf Sichtern bei Liestal ist sie in dem daselbst aufgebrochenen Wald- boden in zahlreichen Exemplaren zum Vorschein ge- kommen. Dieselbe Art findet sich bei uns bereits im untern Eisenrogenstein (Etage Bajocien d’Orb.), also unterhalb des Hauptrogensteines, aber in viel kleinern, kaum handgrossen Exemplaren, so dass man versucht werden könnte, diese beiden an Grösse und Habitus merklich abweichenden Formen als zwei verschiedene Species aufzufassen und demnach besonders zu benennen. Hat man doch viel näher stehende Formen, freilich mit Unrecht, als verschiedene Species aufgeführt! In der obersten Abtheilung des Bradford findet man zahllose 2% Exemplare von röhrenförmigen Stacheln, welche dieser grossen Lima angehören, dagegen äusserst selten die dazu gehörenden Muscheln, während im untern Eisen- oolith gerade das Umgekehrte der Fall ist. Ausser den genannten Bivalven finden sich noch manche andere: Lima, Pecten, Pholadomya, Goniomya, Ostrea, doch fehlt hier die im grobkörnigen Oolith so gemeine Pleu- romya elongata und ebenso scheinen Ammoniten in den eigentlichen Gervillienschichten selten vorzukommen. Dagegen bietet die so bekannte Rhynchonella varians Sow., und zwar in einer besondern kleinen Varietät, förmliche Nester, ja ganze Bänke, die fast nur aus die- ser kleinen Muschel bestehen. Dennoch sind das noch nicht die eigentlichen Varians-Schichten im engern Sinne. Vielmehr müssen wir diese in der nächstfolgenden Ab- theilung suchen. Die dem Bradford überhaupt angehörige stattliche zweigefaltete Terebratula intermedia Sow. (T. anserina Mer.) fehlt auch hier nicht. Wir finden also auch hier neben einigen eigenthümlichen Arten solche, welche durch mehrere Abtheilungen hindurchgehen. 5. Graue oder hellgelbe, thonige, feine Kalke mit Ostrea Knorrii Ziet. (Ostrea costata anderer Autoren), Mytilus (Modiola) bipartitus Sow., Mytilus striolaris (Mod. pulcherrima Röm.), Terebratula emarginata Quenst., Gresslya lunulata Ag., Lucina jurensis d’Orb., Pholado- mya Bucardium Ag. u. A. Rhynchonella varians Sow. hat hier ihr Hauptlager. Sie findet sich in zahllosen Exemplaren und erreicht hier ihre schönste Ausbildung. Die Individuen sind hier grösser und stattlicher als in den tiefern Abtheilungen. Höher als Nr. 5 habe ich sie noch nirgends bei uns getroffen. Ich kenne keine Ver- steinerung in der ganzen Juraformation, selbst nicht die bekannte Gryphæa arcuata des untern Lias ausgenom- men, welche an so zahlreichen Orten und in einer sol- — 4100 — chen Menge von Individuen aufträte, wie die Rhyncho- nella varians. Sie ist unbedingt die gemeinste Verstei- nerung in unserm Jura. Viel seltener ist die ihr ähn- liche aber grössere und mehr kugelige Rh. concinna Sow. und die gleichfalls kugelige aber dornig gerippte Rh. spinosa Sow. mit an die kleine Schale niedergedrücktem Schnabel. Letztere hat zwar gleichfalls hier, in Nr. 5, ihr Hauptlager, findet sich aber auch schon, obgleich spärlicher, in den untern Abtheilungen, sowie im untern Eisenoolith. Dasselbe ist auch mit der grossen zweige- falteten Terebratula intermedia Sow. der Fall. die schon in der vorigen Abtheilung erwähnt wurde. Eine andere, gleichfalls glatte, aber völlig ungefaltete, kleinere, schlank eiförmige, nach vorn spitz zulaufende Terebra- tel, T. emarginata Quenst. (T. subbucculenta Dav.) fin- det sich fast nur hier, in Nr. 5, und zwar in grosser Zahl, wogegen sie in den beiden tiefern Abtheilungen nur äusserst selten angetroffen wird. Wird diese Form noch schlanker und bedeutend grösser, so nähert sie sich der Ter. lagenalis Schl., die in unsern Bradford- schichten zu den Seltenheiten gehört. Die Abtheilung Nr. 5 ist unstreitig die wichtigste und verbreitetste, und in der Regel auch die mächtigste (3—5 Meter) des gan- zen Bradford. Es ist diess der Bradford oder Cornbrash im engern Sinne, der fast überall über dem Hauptrogen- stein zu Tage tritt, auch wo man die tiefern Abtheilun- gen nicht bemerkt. Die Versteinerungen sind trefflich erhalten. Die Seeigel der untern Abtheilungen scheinen hier ganz zu fehlen. Die Kalke sind in der Tiefe ge- wöhnlich blaugrau, an der Oberfläche aber hellgelb, in Folge der Oxydation des Eisengehaltes, der sich oft als erkennbares Schwefeleisen kund gibt. Ausser den genannten verbreitetsten Arten kommen noch viele andere weniger häufige vor, worunter ich nur — 41 — den glatten, flach-linsenförmigen Pecten demissus Phill., den grobschuppig gerippten, kleinen Pecten squamosus Mer. (P. Rhetus d’Orb.) und den Belemnites canalicula- tus Schl. anführen will, die spärlicher schon in den bei- den vorigen Abtheilungen auftreten. Was diese obere und zugleich Hauptabtheilung des Bradford ganz besonders gegenüber den beiden vorher- gehenden Abtheilungen unterscheidet, ist der gänzliche Mangel an Seeigeln, die doch in so grosser Anzahl und Mannigfaltigkeit in den untern Abtheilungen Nr. 2 und 3 auftreten. Dagegen sind der Abtheilung Nr. 5 die be- reits oben angeführten Arten eigenthümlich. 6. Geibbraune, oft oolitische, eisenreiche Kalke mit Ammonites macrocephalus Schl. und Amm. triplicatus Quenst., die oberste Abtheilung des Bradford oder Corn- brash bildend. Der untere Bradford, insbesondere die rauhen tho- nigen und eisenreichen Kalke der Schichten Nr.3 und 4, scheinen am nächsten dem Calcaire roux sableux, und der obere Bradford, Nr. 5, der Dalle nacrée des west- lichen Jura zu entsprechen, obgleich die Petrefactenver- zeichnisse nicht genau stimmen. Die Hauptversteine- rungen des Bradford Nr. 2—5 finden sich jedoch in die- sen beiden Abtheilungen, wenn auch in etwas anderer Reihenfolge wieder. ) Die von Frommherz und später (Würzburger naturwissenschaftl. Zeitschrift, Bd. V) von F. Sandberger noch genauer beschriebenen Bradford- schichten des badischen Oberlandes, namentlich in den !) Je weiter wir uns von unserm Basler Jura gegen Süden und Westen entfernen und uns nach den analogen Schichten des Bradfords im Berner und Neuchateler Jura umsehen, desto grösser werden sich die Abweichungen gleichzeitig gebildeter Schichten zeigen und desto weniger ist man der Gleichzeitigkeit sonst nahe übereinstimmender Faunengruppen versichert. 27 — 402 — Umgebungen von Riedlingen und Vögisheim, scheinen, wie ich mich gleichfalls aus eigener Beobachtung über- zeugt habe, unserm Bradford im Basler Jura am näch- sten zu entsprechen. Dagegen hat man Mühe, in den sonst so genau studierten schwäbischen Schichten vom Parkinsonoolith bis zu den Macrocephalus-Schichten, wie sie z. B. von Quenstedt offenbar mit grösster Naturtreue geschildert werden, unsere Unterabtheilungen des Brad- ford wieder zu erkennen. Was hier sich vorzugsweise in den obern Abtheilungen vorfindet, wird dort aus den untern Schichten angegeben. Man kann nur im Allge- meinen sagen, dass der Braune Jura &. Quenstedt’s ziem- lich genau unserm sog. Bradford oder Cornbrash ent- spricht und beide, sowohl durch ihre geognostische Stel- lung, als durch zahlreiche gemeinschaftliche Arten, als nahezu gleichzeitige Bildungen erscheinen. In dem Etage Bathonien von d’Orbigny ist, nicht unpassend, Haupt- oolith mit Cornbrash vereinigt. Doch wollen auch die französischen Unterabtheilungen nicht recht mit den un- serigen zusammen stimmen. | Auch die von Oppel, dem wir so schöne verglei- chende Untersuchungen über die Juraformation verdan- ken, aufgestellten Abtheilungen, unten die Zone der Terebratula digona, oben die der Ter. lagenalis, wollen mit denjenigen in unserm Bradford oder Cornbrash in keiner Weise klappen. Hiezu kommt noch der bei den Oppel- schen Zonen häufig wiederkehrende Uebelstand, dass die an die Spitze der einzelnen Zonen gestellten Leitfossi- lien, die Ter. lagenalis höchst selten, die Ter. digona gar nicht bei uns vorkommen. Ich glaube man sollte als ty- pische Arten oder sog. Leitmuscheln immer nur solche Species an die Spitze der einzelnen Zonen oder Etagen stellen, die sich allenthalben in grosser Menge wiederfinden. Auch der später von Waagen und Andern rt — 403 — an die Spitze der Lagenalis-Zone gestellte Amm. aspidioi- des ist bei uns so selten, dass er sich nicht als Leit- muschel eignet. Ebenso fehlt uns der für England und Frankreich so wichtige Apiocrinus Parkinsoni. Dagegen möchte die von Mösch und Andern gebrauchte Bezeich- nung „Varians-Schichten* (Rhynchonella varians) in der That sehr passend sein, insofern man darunter die ganze Bradfordetage (Nr. 2—5) versteht, indem unsere kleine Rhynchonella in sämmtlichen Schichten unseres Bradford, freilich am stärksten in den beiden obern Abtheilungen (Nr. 4 und 5) dominirt. Für die Unterabtheilungen müs- sen wir uns aber nach andern Leitmuscheln umsehen. Die von mir in obiger Ausführung vorgeschlagenen ha- ben sich in einem Umkreis von 30 bis 40 Stunden als die in der That vorherrschenden erwiesen. Die Trennung des Braunen J. & vom Br. J. d., also die des Bradford vom untern Eisenoolith, mag für die schwäbischen Geologen mit grössern Schwierigkeiten ver- knüpft gewesen sein, weil in Württemberg, wie schon im östlichen Aargau, der Hauptrogenstein fehlt, der in un- serm Jura eine so mächtige Scheidewand zwischen den beiden grossen Abtheilungen des Braunen Jura bildet. Der früher so allgemein für die beschriebenen Schich- ten über dem Hauptrogenstein und auch von mir wegen seiner Geläufigkeit in dieser Arbeit noch vorzugsweise gebrauchte Name Bradford möchte, wenn man einmal die englischen Namen für die grössern Schichtengrup- pen beibehalten will, passender durch den Namen Corn- brash ersetzt werden, der unsern Schichten besser ent- spricht. Bei allen Abweichungen, die sich in den Unterab- theilungen fernstehender Lokalitäten bemerkbar machen, bilden doch die nachfolgenden Macrocephalusschichten einen gemeinschaftlichen weit ausgedehnten Horizont, — 404 — der sich trefflich zum Abschluss der Cornbrashformation eignet.!) Diese gleichfalls nur wenige Fuss mächtigen braunen oder rothen Eisenoolithe mit Amm. macrocephalus Schl. und Amm. triplicatus Quenst. bilden die oberste Abthei- lung des Bradford und werden von manchen Geologen bereits in die folgende Etage des Kelloway Rocks (Et. callovien d’Orb ,Br. J. £. oder Ornatenthone von Quenstedt) gestellt. Wir schliessen diese Abtheilung noch dem Brad- ford an, weil der in dieser heimische Amm. triplicatus bereits in zahlreichen, oft fussgrossen Exemplaren in unserer obern Abtheilung Nr.5, also den eigentlichen Bradford-Schichten auftritt, und weil an den meisten Orten in unserm Jura die darauf folgenden eisenoolithi- schen Callovien-Schichten nicht zum Vorschein kommen. Dagegen finden wir in unserm Jura gewöhnlich über den Schichten der Abtheilung Nr.5 mit Mytilus bipartitus nur noch die erwähnten gelben Eisenoolithe mit Amm. macrocephalus und unmittelbar darauf entweder die hell- grauen schieferigen Mergelkalke des Oxford, also des un- tersten weissen Jura, oder noch vorher die grauen, an kleinen verkiesten Ammoniten reichen, sog. untern Ox- fordthone (Oxfordien inférieur), deren Versteinerungen zwar dem Etage callovien (Br. J. £.) entsprechen, deren 1) Die merkwürdige Uebereinstimmung einzelner Schichten in weit von einander entfernten Lokalitäten, wie wir sie noch im Lias und theilweise noch im untern Oolith treffen, lässt sich im obern Braunen Jura nicht mehr nachweisen. Aber noch im untern Oolith, so gerade über den Opalinus-Schichten, setzen einzelne, wenige Linien dicke Bänkchen oder Platten, wie z. B. die sogenannte Pentacrinitenplatte Quenst., aus Württemberg in unsern Basler Jura ganz in derselben Beschaffenheit fort. Aehnliches gilt für das etwas höher liegende, schon den Humphriesianus- Schichten genäherte Lingula - Bänkchen. Die Uebereinstimmung ist vollständig. | — 405 — schieferige graue Mergel sich aber schon ganz denen des untern weissen Jura anschliessen. Wir hätten demnach sechs wohlcharakterisirte Ab- theilungen der Bradford- oder Cornbrash-Schichten, von denen jede sich durch eine besondere petrographische Beschaffenheit und durch nur ihr eigenthümliche Ver- steinerungen unterscheiden, Unterschiede, die sich auf ansehnliche Erstreckungen rings um uns herum mit ge- ringen Schwankungen gleich bleiben. Dabei gehen eine Anzahl Species durch mehrere, einige sogar, wie die Rhynchonella varians und spinosa, die Terebratula inter- media, die Trigonia costata u. s. w., fast durch alle Ab- theilungen hindurch, und bilden so das gemeinsame Band, das alle zusammen zu einer gemeinschaftlichen, wohl- charakterisirten Etage, der wir noch besser den Namen ‘ Cornbrash geben, als den bisher üblichern Bradford, unter sich verbindet. Die durchschnittliche Gesammt- mächtigkeit sämmtlicher Abtheilungen zusammen wird nicht über 15 bis 20 Meter betragen. Stellen wir übersichtlich sämmtliche vorhin im Ein- zelnen charakterisirie Abtheilungen des Bradford oder Cornbrash zusammen, so haben wir nachstehende Reihen- folge von oben nach unten genommen: A. Oberer Cornbrash. Eigentliche Variansschichten. 1. Gelbe oolithische Eisenkalke mit Ammonites macrocephalus Schl. 2. Blaugraue oder blassgelbe thonige Kalke mit Mytilus bipartitus Sow. und Ostrea Knorrii. B. Mittlerer Cornbrash. 3. Rauhe gelbe und braune Kalke mit Gervillia Andreae Thurm. 4. Gelbe oolithische Kalke mit Holectypus de- pressus Desor (Discoideenmergel), — 406 — C. Unterer Cornbrash. 5. Grobkörnige Oolithe mit Clypeus patella (si- nuatus) Ag. 6. Dichte löcherige Kalksteine mit Nerinea Bruck- neri Thurm. Hiemit schliesse ich die Etage des Bradford oder Cornbrash, die also am nächsten dem Braunen Jura &. Quenstedt oder dem Etage Bathonien d’Orb. entspricht und auch von Oppel in seiner Bathgruppe zusammenge- fasst worden ist. Es folgen dann zunächst nach unten die dünnplattigen, hellgelben Schichten des obersten Hauptrogensteines, die besonders durch das zahlreiche Auftreten von Avicula tegulata (echinata) Goldf. cha- rakterisirt werden. Ob man unsern Hauptrogenstein mit dem Bradford vereinigen soll, wie d’Orbigny in seinem Etage batho- nien gethan, oder zum untern Eisenrogenstein ziehen oder zwischen diesen beiden Hauptetagen des mittlern Jura vertheilen soll, darüber sind die Meinungen noch getheilt. Ich möchte mich, nach den auf unserm Gebiet gewon- nenen Erfahrungen, eher der letzten Ansicht anschliessen, indem, wenigstens in den obern Bänken des Hauptrogen- steins, die darin vorkommenden wenigen Versteinerun- gen, so namentlich die Seeigel, mit denen des Bradford übereinstimmen und auch die an einigen Orten, z. B. auf dem untern Hauenstein, im Hauptrogenstein selbst vor- kommenden thonigen Zwischenschichten nur die bekann- ten Bradfordpetrefacten enthalten. Die untersten Bänke des Hauptrogensteines schliessen sich aber jedenfalls enge an den untern Eisenoolith an. Was die Stellung unseres Hauptrogensteines zu dem Great Oolith oder Bathoolith der Engländer betrifft, so kann ich mich bierin nur auf das Urtheil der Sachver- ständigen berufen, welche den englischen Oolith als eine etwas jüngere Bildung erklären, wenn auch die Alters- unterschiede, geolsgisch gesprochen, nicht gross sein mögen. Es lässt sich auch leicht denken, dass die Rogen- steinbildung in England später begann und noch fort- dauerte, während sie bei uns schon vollendet war. Ebenso fehlt ja schon im östlichen Aargau und im schwäbi- schen Jura die Bildung des Hauptrogensteines ganz und wurden während dieser Zeit die thonigen und sandigen Schichten abgelagert, die dem Br. Jura d. und &. ange- hören. Verschiedene Uferbildungen, Nähe oder Ferne von grössern Flussmündungen mögen solche Unterschiede in der Gesteinsbildung erklären. Die Rogensteinbildung setzt, wie diess jetzt noch bei den Südseeinseln beob- achtet wird, steile Ufer mit heftiger Brandung und über- diess ein ziemlich kalkreiches Meerwasser voraus, wäh- rend die Absätze von Mergel und Sand auf ein flacheres Ufer und seichteres Meer schliessen lassen. Die grosse Seltenheit wohlerhaltener Versteinerungen im Hauptrogen- stein und die Häufigkeit kleinerer Schalentrümmer lässt gleichfalls auf ein heftig bewegtes brandendes Meer für die Bildung des Hauptrogensteines schliessen. Durch die langsame Hebung des Schwarzwaldes während der Trias- und Juraperiode wichen die Uferlinien des Meeres lang- sam nach Süden zurück. Was früher seichtes Ufer war, wurde später Festland, und ehemalige Hochseeregionen wurden allmäblig dem Ufer näher gerückt und mit den einem seichten Gestade entsprechenden Meeresthieren be- völkert, denselben Arten, die früher das nun Festland gewordene Ufer bewohnt hatten. Es folgt daraus, dass auch sehr nahe verwandte Meeresfaunen, die aus ver- schiedenen Gegenden stammen, nicht immer genau gleich- zeitig entstanden sind und umgekehrt verschiedene Fau- nen, je nach den Meeresstationen, wie jetzt noch gleich- zeitig gewesen sein können. — 498 — Schwieriger ist die Entstehung der Eisen- oolithe, wie sie unterhalb und oberhalb des Haupt- rogensteines auftreten, zu erklären. Ich habe mich bis dahin vergeblich nach einigermassen plausibeln Erklä- rungsversuchen umgesehen. Eine erst spätere, vielleicht nach der Hebung der Schichten über das Meer erfolgte Umwandlung von kalkigen Oolithen in eisenhaltige durch Infiltration von eisenreichen Säuerlingen, ähnlich den ge- rötheten Parthien längs den Spalten und Mulden des Korallenkalkes, ist nicht wohl anzunehmen, obgleich wir in den bekannten Pseudomorphosen die Umwandlung des kohlensauren Kalkes in Braun- oder Rotheisenstein häufig beobachten. In diesem Falle müssten wir den Eisen- rogenstein auch streifen- oder nesterweise mitten quer durch den kalkigen Oolith hindurch vorfinden, was mei- nes Wissens nicht der Fall ist. Im Gegentheil erscheint er geschichtet wie die andern mit ihm wechselnden tho- nigen und kalkigen Lagen. Die Schichtung der Eisenoolithe, sowohl unter als über dem Hauptrogenstein, ist freilich nicht so regel- mässig, als die der Kalksteinbänke und Mergelschichten, bleibt aber immerhin im Ganzen parallel zwischen den sie umgebenden thonig-schieferigen Ablagerungen. Eine directe Abscheidung der Eisenoolithe aus einem eisen- reichen Meerwasser ist nicht wahrscheinlich. Die zahl- reichen damit vorkommenden Geschöpfe hätten nicht darin leben können. Wir müssen daher annehmen, dass wäh- rend des Absatzes der thonigen oder thonig-kalkigen Schichten am Meeresboden, nicht zu ferne vom Ufer. aus der Tiefe eisenreiche Säuerlinge hervorgedrungen sind, aus denen sich, ähnlich den Bohnerzen, Oolithe von Braun- und Rotheisenstein ausschieden. Die ursprüngli- chen Körner bestanden wahrscheinlich aus Eisencarbo- nat und die Umwandlung derselben zu Eisenoxydhydrat — 409 — erfolgte erst später durch Oxydation. Man findet bis- weilen in unsern Eisenoolithen statt braune grüne, einem chloritischen oder glaukonitischen Eisensilicat ähnliche Körner, die wohl gleichfalls häufig die Umwandlung zu Brauneisenstein erlitten haben. Es können demnach Eisen- oolithe sowohl aus Carbonaten, als auch Silicaten her- vorgegangen sein, wofür auch die zahlreichen Braun- eisensteinpseudomorphosen sprechen. Eine Entstehung aus oolithischen Eisenkiesen scheint mir nicht gerade wahrscheinlich. Es müssten auch noch unveränderte Eisenkiesoolithe gefunden werden, von denen mir nichts bekannt ist. Das Innere von vollständig geschlossenen, wohl erhaltenen Muscheln, z. B. von Terebrateln, ist häu- fig mit eisenoolithischen Körnern gefüllt, was ebenfalls für eine mit der Ablagerung der umgebenden Schichten nahezu gleichzeitige Bildung spricht. Die Schalen wur- den aus einer eisenfreien benachbarten Meeresgegend herbeigeschwemmt. Immerhin bleibt noch Manches in der Bildungsgeschichte der Eisenoolithe räthselhaft. Bereits vor fünfzehn Jahren habe ich in einem in unsern Verhandlungen publicirten Vortrage über den Basler Jura auf die merkwürdige petrographische und paläontologische Uebereinstimmung des untern Eisenrogensteines (Etage Bajocien d’Orb.) und des Corn- brash (Bathonien d’Orb.), also der Schichten unter und über dem Hauptrogenstein aufmerksam gemacht. Ich hatte in jenem Vortrag gezeigt, dass weitaus die Mehr- zahl der Arten in beiden Etagen theils identisch, theils einander nahe verwandt sind, so dass man sie als Varie- täten einer und derselben Art betrachten kann. Nur die Seeigel machen davon eine Ausnahme, indem sie, mit wenigen Ausnahmen, im Untern Oolith fehlen, dagegen im Cornbrash reichlich vertreten sind. Ja, nicht wenige Arten können wir aus dem Lias bis in den obern Corn- — 410 mr brash verfolgen und einige setzen, mit geringen Ab- weichungen, bis in den weissen Jura fort. Seitdem ist die alte Lehre von der strengen Abgeschlossenheit der einzelnen geologischen Etagen von der Mehrzahl der Geo- logen aufgegeben oder doch sehr eingeschränkt worden und die Darwinsche Theorie von der Entstehung der Arten hat vollends den neuen Ansichten zum Siege ver- holfen. In der That werden wir immer mehr dahin ge- führt, eine langsame gesetzmässige Fortentwicklung der organischen Schöpfung durch die geologischen Perioden hindurch anzunehmen, die nur lokale Störungen oder Unterbrechungen erlitten hat. Es wird die Aufgabe der jüngern Paläontologen sein, diese allmählige Umwandlung der Arten durch Kreuzung und veränderte Lebensver- hältnisse an einzelnen geologischen Formationen oder kleinern Schichtenfolgen des Genauern nachzuweisen, wie diess bereits, beispielsweise, mit Erfolg für die Schnecken des Süsswasserkalkes von Steinheim geschehen ist. Ich selbst habe schon seit Jahren eine Reihe ähnlicher Be- obachtungen aus den Schichten des braunen und weissen Jura gesammelt, die aber noch weiterer Vervollständigung bedürten. Den genauern Nachweiss der allmähligen Um- änderung der Arten durch die Schichten hindurch werden wir am besten den Paläontologen vom Fach überlassen. Unter den Formen, welche, theils unverändert, theils mit geringen, nur als Varietäten erscheinenden Modifi- cationen, aus dem untern Eisenrogenstein in den Corn- brash fortsetzen, obgleich beide Etagen durch die 100 bis 150 Meter mächtige Ablagerung des Hauptrogen- steines von einander getrennt sind, möchte ich beispiels- weise nur folgende bekanntere Arten anführen: Terebratula Meriani Opp. Ter. perovalis Sow. Rhynchonella spinosa Dav. nn ne à. tt — 41 — Trigonia costata Lam. Mytilus cuneatus Sow. Avicula tegulata Goldf. Lima probosidea Sow. Pecten disciformis Schübler. Ostrea Marshii Goldf. Pholadomya media Ag. Lyonsia abducta Ag. Pleuromya elongata Ag. "Belemnites canaliculatus Schl. Serpula socialis Goldf. So finden die Terebratula intermedia Sow. (T. an- serina Mer.), die Rynchonella varians und concinna, die Gresslya lunulata, der Mytilus gibbosus und andere Arten des Cornbrash bereits nahe stehende Vorläufer im Untern Oolith, und setzen wieder mit geringen Modificationen theilweise noch in den weissen Jura fort. Zwischen Tere- bratula perovalis Sow. des Untern Oolithes, T. maxillata Sow. und T. intermedia Sow. des Cornbrash, T. Galienni d’Orb. und T. bisuffarcinata des untern weissen Jura (Oxfordkalke und Chaille), sämmtliche mit zwei Falten versehen, existirt wohl mehr als äussere Formähnlich- keit, und wir können, auch ohne stricten Beweis, bloss auf die zahlreichen Uebergänge fussend, die letztern den jüngern Schichten angehörenden Arten als die mehr oder minder modificirten Nachfolger der entsprechenden Arten aus den ältern Schichten betrachten. So liessen sich noch zahlreiche Uebergangsreihen formähnlicher Arten aufstellen und zum Theil noch viel weiter, einer- seits bis zu den paläozoischen, andererseits bis zu den tertiären und recenten Schichten verfolgen und in einen genetischen Zusammenhang bringen. Die Rhynchonella Nympha Barr. der böhmischen Silurformation (Etage F.) ist der Rh. varians unseres Cornbrash zum Verwechseln ähnlich, !) recente Austern, Schwämme, Korallen und andere sind oft von entsprechenden jurassischen Formen kaum zu unterscheiden. Manche Arten, besonders die den niedern Meeresthieren angehörenden, zeigen eine un- gemein lange Lebensdauer und Stätigkeit durch mehrere geologische Perioden hindurch, während andere viel schneller sich modificirt haben oder gänzlich ausge- storben sind. Wir haben bei der Ermittlung der einzelnen Unter- abtheilungen unseres Cornbrash gefunden, dass in jeder derselben, neben einer Anzahl bereits früher vorhandener Arten, neue Formen auftreten, die sich in der vorher- gehenden noch nicht vorfanden, und andere bald wieder erlöschen oder wenigstens in den höhern Abtheilungen nicht mehr gefunden werden. Solche Wahrnehmungen waren es ohne Zweifel, welche die Hypothese von streng abgeschlossenen, den einzelnen geologischen Etagen ent- sprechenden Schöpfungen hervorriefen. In der That ist dieses so häufig beobachtete, scheinbar plötzliche Auf- treten neuer Arten in höhern Schichten nicht so leicht zu erklären. Es ergab sich, dass, wie Barrande im silu- rischen System gezeigt, bisweilen eine jüngere Fauna sich mitten zwischen die einer ältern Fauna entsprechen- den Schichten eingeschoben hat, oder dass, wie wir in unserm Untern Oolith und Cornbrash gesehen haben, Formen, welche in ältern Schichten aufgetreten sind, nach Ueberspringung einer oder mehrerer geologischer Etagen, in jüngern wieder zum Vorschein kommen. Einer wiederholten Neuschöpfung bereits erloschener Arten wird Niemand das Wort reden wollen. Dagegen möchte die !) Auch die Rh. deflexa Sow. aus der obern Silurformation von Cincinnati (Ohio) gleicht der kleinen im mittlern Bradford häufig auf- tretenden Varietät von Rh. varians ausnehmend, so dass man sie un- bedenklich für eine Bradfordspecies halten würde. — 43 — Annahme einer zeitweiligen Ein- oder Aus- wanderung bestimmter Thiergruppen in Folge ver- änderter Lebensbedingungen das scheinbar plötzliche Auftreten oder Verschwinden einzelner Arten oder ganzer Faunengruppen am natürlichsten ‚erklären. In der Regel ist es nicht die ganze in einer Schichtengruppe begrabene Thierwelt, die miteinander verschwindet, und durch eine neue fremdartige in den darauf folgenden Schichten er- setzt wird. Meistens tritt nur ganz allmählig, je weiter wir von Schicht zu Schicht aufwärts steigen, eine Aen- derung der Gesammtfauna ein. Einzelne ältere Arten treten allmählig zurück, verändern sich oder verschwin- den, während eben so allmählig, theils an Ort und Stelle modificirte, theils durch Wanderung aus der Ferne her- eingekommene neue Arten sich einschieben, bis zuletzt, in Folge dieser langsamen, aber stetig fortgesetzten Ver- änderungen, das Gesammtbild der Fauna in den jüngern Schichten ein merklich anderes geworden ist. Bestimmte Meeresstationen müssen überdiess in Folge einer Hebung oder Senkung des Bodens und dadurch veränderter Be- schaffenheit der Umgebungen einen mächtigen Einfluss auf ihre Fauna ausüben. Neue Meeresströmungen wer- den herbeigeführt, bisher bestandene abgelenkt, Fluss- mündungen treten in nähern Bereich und ergiessen ihren Sand und Schlamm in ein bisher klares salziges Wasser : lauter Faktoren, welche eine allmählige Umänderung der Fauna herbeiführen müssen. Eine plötzliche und totale Aenderung der Gesammt- fauna einer Schichtenfolge ist wohl immer auch mit einer Aenderung der Gesteinsart verbunden, welcher die jün- gere, eine neue Fauna einschliessende Schichtenreihe an- gehört. Meistens sind es Süsswasserablagerungen, welche auf meerische Schichten folgen oder umgekehrt. In der Regel wird ein solcher scharf abgeschnittener Faunen- — 414 — wechsel rasch erfolgte Hebungen oder Senkungen des Meeresbodens und des benachbarten Küstenstriches vor- aussetzen. So haben sich nördlich von den Alpen in Deutschland und Frankreich zwischen die meerischen Ab- lagerungen des Muschelkalkes und Lias die fluviatilen des Keupers. zwischen diejenigen des obern Jura und der untern Kreide die Süsswasserablagerungen des Pur- beck und Wealden eingeschoben und in der That ziem- lich scharfe Abschnitte gebildet. Die Fauna unseres Muschelkalkes ist von der des Lias, diejenige des Kim- meridge- und Portlandkalkes von der des Neocomien in der That merklich verschieden. Wo aber in der Trias- und Juraperiode die Meeresablagerungen einen unge- störten Fortgang hatten, wie in einem grossen Theile der Alpen, da finden wir auch in Bezug auf die Fauna sehr allmählige Uebergänge zwischen den Trias- und Liasablagerungen, sowie zwischen den Schichten der Jura- und Kreideformation, so dass nirgends eine feste Grenze zu ziehen ist. Hr. Rathsherr Peter Merian hat diess schon vor mehrern Jahren des Genauern nachge- wiesen. Scharfe Abschnitte zwischen den einzelnen geo- logischen Formationen oder Etagen finden sich indess auch in unsern ausseralpinen Gegenden nicht häufig und können in manchen Fällen auf vorhergehende Abschwem- mung oder Zerstörung intermediärer Schichtenfolgen oder auf Abrutschungen zurückgeführt werden, von denen wir gerade in unsern Umgebungen so viele Beispiele’ haben. So finden wir z. B. nicht selten die untersten Kalkbänke des Lias direct über die fluviatilen Mergel oder Sandsteine des Keupers gelagert, die frei von Mee- resmuscheln sind. Wo ganze Formationen in Folge der zeitweiligen Erhebung einer Gegend über das Meer feh- len, wie bei uns z. B. die Kreideformation , werden wir natürlich gleichfalls scharfen Abschnitten begegnen und — 2 = so werden wir z. B. bei uns die nach Fauna, Flora und Gesteinsbeschaffenheit so sehr abweichenden miocenen Tertiärschichten direct über dem Oxford- oder Korallen- kalk abgelagert finden. In der Regel werden wir also, wo nicht gewaltsame Störungen stattgefunden haben, in der regelmässigen Schichtenfolge aufwärtssteigend, nur eine sehr allmäh- lige Veränderung in der Fauna und Gesteinsbeschaf- fenheit und keine scharfen Abschnitte vorfinden. Die verschiedenen Unterabtheilungen unseres Eisenrogenstei- nes und Cornbrash bilden hiefür einen neuen Beleg. Hebungen und Senkungen des Meeresbodens haben ver- änderte Lebensbedingungen herbeigeführt. Die robusten und stabilen Arten einer Meeresstation werden hiebei, indem sie sich den neuen Verhältnissen anschmiegen, langsam umgewandelt, die empfindlichern Arten aber vertilgt oder zur Auswanderung genöthigt, während an- dere, durch ähnliche Aenderungen vertrieben, aus der Ferne einwandern und sich hier festsetzen, wenn ihnen die neuen Umgebungen zusagen. Werfen wir einen Blick auf die geologische Karte der Schweiz und auf die des Kantons Basel im Beson- dern, so finden wir, dass unsere Gegend von den ehe- maligen Uferlinien des Trias- und Jurameeres durch- zogen wird und dass wir es demnach vorherrschend mit Uferbildungen zu thun haben. Während der Trias- und Juraperiode wichen, wie wir bereits oben ge- sehen haben, die Uferlinien in Folge der langsamen Hebung des Schwarzwaldmassivs allmählig nach Süden zurück und was früher seichtes Ufer war, wurde Fest- land, während gleichzeitig die frühern Tiefmeerregio- nen dem Ufer näher rückten. !) Die littorale Meeres- 1) Neben der langsamen plutonischen Erhebung des Schwarzwald- continentes musste überdiess durch die littoralen Sand- und Schlamm- — 416 — fauna musste also fortwährend zurückweichen, je mehr sich der Meeresboden hob, und sich auf der anders ge- arteten ehemaligen Tiefmeerfauna ablagern. Daher der mehrmalige Wechsel von Gesteinsablagerungen und von verschiedenen Meeresfaunen. Diesem entsprechend fin- den wir, wie ein Blick auf unsere Karten lehrt, in den nächsten Umgebungen des südlichen Schwarzwaldes, nördlich vom Rhein, nur die Triasformation mit zerstreu- ten spärlichen Resten des Lias, ebenso südlich vom Rhein, im nördlichen und östlichen Baselbiet und im nördlichen Aargau, vorherrschend Triasgebilde, während erst weiter nach Süden und Südwesten allmählig die mächtigen Schichtenfolgen des schwarzen und braunen Jura und erst noch weiter südlich und westlich die des Korallenkalkes aufsteigen. Wenn auch unzweifelhaft auf den Triashöhen nördlich und südlich vom Rhein ansehn- liche Parthien von Lias- und Juraschichten durch Ero- sion wieder fortgeführt worden sind, so bleibt doch so viel festgestellt, dass die Hauptablagerungen des mitt- lern und obern Jura erst weiter südlich und südwestlich vom Rhein begannen. Die Beschaffenheit der Fauna steht, wie auch die Untersuchungen in unserm mittlern Jura lehren, in einem unverkennbaren Zusammenhang mit der Gesteinsart. Die littorale Fauna ist eine andere als die der tiefern Mee- resregionen und ebenso sind die Uferablagerungen an- ders als die der Hochsee. Jene sind an seichten Ufern meistens thonig, mergelig oder sandig, an steilen Ufern mit starker Brandung oolithisch, diese aber, ferne vom Gestade, rein kalkig. Beide aber, Fauna und Gesteins- art, sind abhängig von Hebungen und Senkungen des Meeresbodens, von Meeresströmungen und den dadurch ablagerungen und durch die fortgesetzte Anhäufung von Schaalthier- resten eine fortdauernde Erhöhung des Meeresbodens stattfinden. — 417 — modificirten Lebensverhältnissen. Wir sind desshalb durch unsere unmittelbaren Beobachtungen wesentlich zu denselben Resultaten gelangt, zu denen Gressly schon vor einer Reihe von Jahren durch das Studium des Solo- thurner Jura geführt wurde. Bei der allmähligen Umänderung der Meeresfaunen im Verlauf einer geologischen Periode oder durch meh- rere Perioden hindurch haben wir den veränderten Le- bensverhältnissen, den Ein- und Auswanderungen, einen vorwiegenden Antheil zugeschrieben, also das Moment der Acclimatisation oder Accomodation in den Vorder- grund gestellt. Es ist aber klar, dass die besonders von Darwin hervorgehobenen Factoren der Züchtung und Vererbung, namentlich bei der Mischung eingewanderter und ursprünglicher Faunen an bestimmten Meeresstatio- nen, mit in Betracht kommen, obgleich sie sich auf geo- logischem Felde vorläufig noch nicht so sicher, wie die andern, in den äussern Existenzbedingungen liegenden Factoren nachweisen lassen. So viel aber können wir jetzt schon sagen, dass die Darwin schen Ideen von der allmähligen Entstehung und Umänderungen einzelner Thierformen, also von der Entstehung der Arten im All- gemeinen, durch ein sorgfältiges Studium der auf ein- ander folgenden, Versteinerungen führenden, Schichten, mehr und mehr Bestätigung finden. Erklärung der Tafel. Auf beiliegender Zeichnung sind die 6 Unterab- theilungen des Cornbrash (Nr. 1—6) in ihrer Lagerung über dem Hauptrogenstein und unterhalb dem weissen Jura, und zwar gegenüber diesem letztern, der Deutlich- keit wegen, in sehr vergrössertem Massstab dargestellt worden. 28 — 48 — Resume. 1. Jede der sechs Abtheilungen des Cornbrash ist durch eigenthümliche Versteinerungen und besondere Ge- steinsart charakterisirt. 2. Dabei setzen eine Anzahl von Species durch meh- rere Abtheilungen hindurch und bilden so das gemein- same Band für die ganze Cornbrash-Etage. 3. Manche Species des Cornbrash finden sich schon im untern Eisenrogenstein (Bajocien) und einige selbst schon im Lias, während andere aus dem untern brau- nen Jura bis in den weissen fortsetzen. 4. Nicht wenige Arten setzen durch mehrere geo- logische Etagen hindurch, wobei sie öfter allmählige Aenderungen ihrer Gestalt und Grösse erleiden, die zu neuen Varietäten und Arten führen. 5. Die Hypothesen von Lamark und von Darwin über die Entstehung der Arten finden in der schrittweisen Verfolgung der Versteinerungen führenden Schichten, so- wohl der ältern, als der jüngern, ihre vielfältige Be- stätigung. 6. In jeder Abtheilung des Cornbrash treten neue Arten auf, während frühere Formen verschwinden. 7. Die Arten verschwinden an einem bestimmten Ort entweder durch Aussterben, oder durch Auswanderung in Folge veränderter Lebensbedingungen. 8. Neue Arten treten an einer bestimmten Stelle auf durch successive Umwandlung älterer Arten oder durch Einwanderung aus entfernten Meeresstationen, wo sie allmählig zur Ausbildung gekommen sind, 9. Ein plötzliches selbstständiges Entstehen neuer Arten zu irgend einer Zeit, oder an irgend einem Ort ist nicht anzunehmen. U __ ….. : rss RSS — 419 — 10. Die Arten wandern aus theils durch die lang- same Ausbreitung der Individuen in Folge ihrer Ver- mehrung, theils unfreiwillig, vertrieben durch veränderte Lebensverhältnisse oder durch Meeresströmungen, deren Richtung und Beschaffenheit selbst wieder von Aende- rungen des Bodenreliefs abhängt. 11. Die meisten unserer Trias- und Juraschichten sind Uferbildungen, welche bei der langsamen Hebung des Schwarzwaldes allmählig sich nach Süden zurückzogen. 12. Hebungen und Senkungen des Bodens verändern die Lebensverhältnisse und hiemit die Beschaffenheit einer bestimmten Meeresfauna. Sie erklären die Ver- schiedenheit gleichzeitiger, aber verschieden gelegener Faunen, sowie die Uebereinstimmung ungleichzeitiger, aber ähnlich gelegener Meeresstationen. Die Gesteine des Geschenen-, Gornern- und Maienthales Prof. Alb. Müller. (März 1871.) 1: Alleemeine.bebersscht. Mehrere Jahre mit der geognostischen Untersuchung der östlichen Seitenthäler des Reussthales im Kanton Uri beschäftigt, sah ich die Nothwendigkeit ein, in glei- cher Weise auch die westlichen Seitenthäler ins Auge fassen zu müssen, um ein besseres Verständniss für das ganze, dem Centralmassiv des Finsteraarhorn angehörende Gebiet zu gewinnen. Zu diesem Ende habe ich im ver- — 4920 — wichenen Sommer, von Wasen und Geschenen aus, einige Ausflüge in die nächst gelegenen Seitenthäler unternom- men, nämlich in das Geschenen-, Gornern- und Maien- thal, bis das leider bald darauf eintretende Regenwetter mich zur Heimkehr nöthigte. Die wenigen Tage, die ich diessmal auf solche Ausflüge in's Hochgebirg ver- wenden konnte, liessen sich mehr nur zur vorläufigen Orientierung in dem neuen Gebiet verwenden. Grössere Touren, verknüpft mit einer genauern Untersuchung die- ser Hochthäler, müssen also auf einen folgenden günsti- gen Sommer verspart werden. Immerhin war es mir gestattet, einige Beobachtungen zu machen und eine An- zahl Belegstücke zu sammeln, welche als ein erster Bei- trag zur nähern Kenntniss dieses bereits von mehrern unserer besten Geologen flüchtig durchstreiften Gebietes dienen sollen. Wie bereits erwähnt, bildet das westlich vom Reuss- thal, zwischen Amstäg und Andermatt gelegene, aus Gra- niten und krystallinischen Schiefern bestehende Hoch- gebirg die unmittelbare Fortsetzung des bereits im Osten des Reussthales beginnenden, vom Maderaner-, Etzli- und Fellithal und andern Thälern durchschnittenen Cen- tralmassivs des Finsteraarhorns, dessen fächerförmiger Schichtenbau ein constantes Streichen von Nordost nach Südwest, entsprechend dem Hauptstreichen unserer Al- pen, zeigt. Es war demnach schon zum Voraus zu erwarten, dass die Gesteine der Westseite denen der Ostseite, sowohl nach mineralogischer Beschaffenheit, als nach Schichtung und Zerklüftung entsprechen würden. Ein genauerer Einblick in die von mir durchwanderten west- lichen Thäler hat diese Voraussicht vollkommen bestätigt. In der That haben wir hier wie dort wesentlich diesel- ben Gesteine mit demselben unzählige Male wiederhol- — 421 — ten Wechsel der mannigfaltigsten Varietäten von schiefe- rigen, von gneiss- und granitartigen Gesteinen, die alle mit wenigen Ausnahmen ein constantes steiles (70—85 °) südöstliches Einfallen und hiemit das dem Centralmas- siv des Finsteraarhorn entsprechende Streichen von Süd- west nach Nordost zeigen. Wir haben es auch hier, auf der Westseite, mit der nördlichen Partie des gros- sen Schichtenfächers unseres Centralmassivs zu thun, die einen steilen bis nahezu auf 90° wachsenden Südfall der Schichten zeigt, während auf der südlichen Hälfte derselben sich nach Westen zu hie und da ein steiler Nordfall bemerklich macht. Doch zeigt das ganze Mas- siv vorherrschenden Südfal). Die Gesteine des östlich vom Reussthal gelegenen Hochgebirges, namentlich diejenigen des Maderaner-, Etzli- und Fellithales und der südlich von der Crispalt- kette gelegenen Hochthäler (Val, Giuf, Mila und Strim) habe ich der naturforschenden Gesellschaft in den letz- ten fünf Jahren wiederholt vorgeführt und in mehrern, in den Verhandlungen unserer Gesellschaft veröffentlich- ten Aufsätzen näher beschrieben. Ich kann mich dess- halb auf das bereits Mitgetheilte beziehen und mich dar- auf beschränken, einige ganz besonders charakteristische oder diesen Thälern eigenthümliche Gesteinsvorkomm- nisse vorzuführen. Wir werden auch hier sehen, dass bei aller Uebereinstimmung mit den östlichen Seiten- thälern doch jedes Thal auch hier wieder sein Beson- deres in der Vertheilung und Lagerung der Gesteine und ihrer mineralogischen Beschaffenheit darbietet. Im Gan- zen sind sie allerdings die genaue Fortsetzung der öst- lichen Gebirgstheile. Während das Etzli- und Fellithal auf der Ostseite den Schichtenfächer quer durchschneiden und hiemit die fast vertikale Schichtung schön blosslegen, ist das mit Le ABS ES den genannten Thälern auf der Westseite weniger der Fall, am wenigsten mit dem Geschenenthal, das im All- gemeinen, einige Biegungen abgerechnet, in der Rich- tung des Streichens der Schichten, von Südwest nach Nordost, sich hinzieht. Hier ist desshalb die wirkliche Schichtung im Thale selbst nicht immer deutlich zu er- kennen und man muss desshalb die kleinen Seitenthäler ins Auge fassen, wenn man die Schichtenstellung sehen will. Das Maien- und Gornernthal durchschneiden den Schichtenfächer zwar nicht gerade senkrecht, aber nur in mässig schiefer Richtung, so dass hier das Ein- fallen der steilen Gneisstafeln an manchen Stellen deut- lich zu beobachten ist. Was uns in diesen beiden Thä- lern sofort auffällt, das sind die mächtigen Stöcke eines ächten grobkörnigen massigen Granites, welche an ihrem Ausgang zu beiden Seiten postirt sind und die ohne Zweifel die westliche Fortsetzung der Granitstöcke des Fellithales bilden. Gehen wir thaleinwärts, so folgen auf die massigen Granite zu beiden Seiten eine Reihe von steil gestellten Gneiss- und Schiefertafeln, die von einer weiter aufwärts folgenden zweiten Reihe abermals durch Granitstöcke getrennt sind. Die Granite zeigen vorherrschend eine horizontale Zerklüftung, in der Weise, dass die Kluftflächen sanft von beiden Seiten gegen die Thalsohle einzufallen scheinen, ein Auftreten, das ich bei den alpinen massigen Graniten schon mehrmals, so gerade auch im Fellithal, beobachtet habe. Dagegen tritt die vertikale Zerklüftung mehr zurück „ sie ist un- regelmässiger und weniger deutlich, als die horizontale. Wir haben also in diesen beiden Thälern einen mehr- maligen Wechsel von senkrecht gestellten tafe- ligen Gneissen und von massigen, vorherrschend horizontal zerklüfteten Graniten, einen Wechsel, der sich schon in den äussern Contouren der beiden Thal- — 4923 — wände und ihrer obersten Gratlinien bemerkbar macht. Wo die beiden verschiedenartigen Massen an einander stossen, bemerken wir eine kleine Einbiegung des Gra- tes, der auch eine Runse an der Thalwand entspricht. Weiter hinten im Thal werden keine Granitstöcke mehr bemerkt. Das Geschenen-Thal bietet diesen mehrmaligen regelmässigen Wechsel zwischen massigen Graniten und senkrecht gestellten Schiefern oder Gneissen nicht dar, wie die beiden vorgenannten Thäler, was sich aus einer vor- herrschend west-östlichen, dem Streichen der Schichten entsprechenden Richtung leicht erklären lässt. Jedoch finden wir gleichfalls, wenigstens auf der Südseite, d.h. an der rechten Thalwand, einen mächtigen Granitstock gleich beim Eintritt in das Thal, und auch noch weiter hinten treten, und zwar vorzugsweise auf der Südseite, massige Stöcke auf, die wenigstens auf granitähnliche Gesteine schliessen lassen. Bei den Biegungen des Tha- les springen solche massigen Gesteine auch auf die linke Thalseite über. Wo der anstehende Fels nicht zugäng- lich ist, wird es schwer zu unterscheiden, ob solche Ge- steine wirkliche Granite oder nur granitartige grobge- schichtete Gneisse sind, indem diese letztern gleichfalls neben der vertikalen Schichtung eine deutliche horizon- tale Zerklüftung zeigen. Solche granitartigen Gneisse finden sich sowohl im Geschenenthal, hier besonders ausgezeichnet, als auch im Maien- und Gornernthal. Selbst wo es gelingt, Handstücke vom anstehenden Fels zu schlagen, hat man nicht selten Mühe, zu unterschei- den, ob man einen wirklichen Granit oder einen granit- artigen Gneiss vor sich hat. Doch wird eine, wenn auch nur schwach angedeutete, parallele Anordnung der Glim- merflasern in der Regel für Gneiss entscheiden. Weitere Unterscheidungsmerkmale sollen bei Besprechung der ea einzelnen Gesteine angegeben werden. Wenn ich in die- ser allgemeinen Uebersicht der Gesteine unseres west- lichen Reussgebietes von Gneissen spreche, so verstehe ich darunter nicht sowohl den eigentlichen wahren Ur- gneiss, wie er z.B. im Schwarzwald und Erzgebirge zu Hause ist, aber in unserm alpinen Schiefergebiet nur selten getroffen wird, sondern ich verstehe darunter bloss gneiss-ähnliche, bald schieferige, bald plattenförmige, bald grobgeschichtete Gesteine, welche im Ganzen die mineralogische Zusammensetzung des Gneisses darbieten und namentlich auch, wie dieser, durch eine mehr oder minder deutliche Parallelstructur sich auszeichnen, je- doch möglicher Weise ganz anderer, und namentlich viel jüngerer Entstehung sind, als der ächte alte Urgneiss, welcher die Basis der ältesten geschichteten krystallini- schen Gesteine bildet. 2. Die Gesteine. Es sollen hier vorerst nur die vorherrschenden Fels- arten aufgeführt werden, welche in allen drei Thälern vorkommen. 1. Massiger Granit, dem Protogin ähnlich, ir- regulär, vorwiegend horizontal geklüftet, meistens ziem- lich grobkörnig. Orthoklas in der Regel vorherrschend, nicht selten in ziemlich deutlichen Zwillingen ausgebil- det, ohne dass jedoch der Granit eigentlich porphyrartig wird. Neben dem weissen oder gelblichweissen Ortho- klas macht sich hin und wieder ein fast ebenso weisser oder grünlichweisser Oligoklas bemerkbar, der an der feinen Zwillingsstreifung zu erkennen ist, ein Merkmal, das freilich öfters der Beobachtung entgeht, sonst würde man den Oligoklas in unsern alpinen Graniten und Gneis- sen gewiss häufiger antreffen. Hat man ihn einmal ge- funden, so trifft man ihn um so leichter wieder. Der — 425 — Quarz ist grau und in grobkörnigen Parthieen ausge- schieden. Der Glimmer ist dunkelgrün bis fast schwarz, feinschuppig und nicht wie bei den gewöhnlichen Gra- niten anderer Gebirge gleichmässig durch das Gestein vertheilt, sondern ziemlich spärlich in kleine unregel- mässige Gruppen oder Flitteraggregate zerstreut. Wahr- scheinlich ist er aus der Umwandlung einer thonigen Substanz oder irgend eines andern Minerals — bisweilen augenscheinlich aus Hornblende — hervorgegangen. Diese feinschuppigen Aggregate erinnern stark an Pseudomor- phosen. Neben dem dunkelgrünen feinschuppigen Glim- mer findet sich auch in ähnlichen Parthien, zuweilen nur spärlich, das hellgrüne, mehr grobschuppige , talk- ähnliche Mineral, das einen so verbreiteten Bestandtheil der alpinen granit- und gneissartigen Gesteine, nament- lich des sog. Protogins, bildet, aber wie ich wieder- holt nachgewiesen, nicht Talk, sondern ein taikerde- freier, kali- und natronhaltiger, schuppiger oder krumm- blättriger eigenthümlicher Glimmer ist. Schon die grös- sere Härte unterscheidet diesen Glimmer von dem Talk. ebenso der fast gänzliche Mangel an Talkerde. Das talk- ähnliche Aussehen hat schon oft die Verwechslung die- ses eigenthümlichen, schuppigen, oft lebhaft perlmutter- glänzenden Glimmers mit Talk veranlasst, wesshalb ich auch das Mineral vorläufig Talkglimmer genannt habe, um an die äussere Äehnlichkeit mit Talk und an die den Glimmern genäherte, freilich durch den grossen Kie- selerdegehalt ausgezeichnete, chemische Constitution zu erinnern. In manchen Graniten und Gneissen scheint die- ses talkähnliche hellgrüne Mineral aus der Umwandlung des Oligoklases hervorzugehen, der sehr häufig Ueber- gänge in eine viel weichere, grünliche, schimmernde Substanz zeigt. An eingewachsenen andern Mineralien scheinen un- 1496." sere Granite arm zu sein. In kleinen Klüften fand ich bei Wasen grünen Epidot, Bergkrystall zeigt sich selten. Ebenso vermisste ich auch scharfkantige Einschlüsse der anliegenden schieferigen und gneissartigen Gesteine, welche im Fellithal so ausgezeichnet vorkommen. Den- noch kann ich nicht umhin, diese massigen Stöcke als ächte eruptive Granite und als die Fortsetzung derjenigen des Fellithales zu betrachten. Es wären demnach die auf der geologischen Karte der Schweiz angegebenen drei Granitstreifen südlich vom Bristenstock nach Westen bis jenseits des Reussthales zu verlängern. Die von sehr competenter Seite ausgesprochene Vermuthung, dass mas- sige Granitstöcke nach oben in tafelförmigen Gneiss aus- sipfeln, der nach der Tiefe in granitisches Gestein um- gewandelt sei, habe ich in dem von mir durchwanderten Revier nirgends bestätigt gefunden. Die Granitstöcke zeigten sich massig von unten bis oben. Das Auftreten des massigen Granites in den drei genannten Thälern, namentlich bei ihrem Ausgang, wurde schon oben be- schrieben. 2. Gneiss, bald mehr schieferig, bald in fussdicken und noch mächtigern Bänken abgesondert, bildet weit- aus das vorherrschende Gestein in dem beschriebenen Hochgebirgsrevier. Die Schichten fallen durchschnitt- lich 80—85° gegen Südost ein, werden stellweise senk- recht oder schlagen sogar, wie auf der linken Seite des Geschenenthales stellweise in ein steiles gegentheili- ges, d.h. nordwestliches Fallen um. Die plattenförmige vertikale Absonderung tritt an zahlreichen Stellen recht ausgezeichnet hervor. Im untern Maienthal stehen selbst noch am untersten Abhang die steilen Schichtenköpfe der Gneisstafeln, noch einige Fuss über dem Boden her- vorragend, wie Grabsteine neben einander gereiht. Die mannigfaltigsten, bald schieferigen, bald dick plattenför- = N — migen Varietäten des Gneisses folgen sich hier im bun- testen Wechsel mit eigentlichen Schiefern und wieder- holen sich unzählige Male in ähnlicher Weise wieder, ganz wie ich diess in den östlichen Thälern beschrieben habe. Eine regelmässige Reihenfolge ist nirgends wahr- zunehmen. Den eigentlichen alten Urgneiss, mit seiner regelmässigen flaserigen Structur, habe ich, wenigstens anstehend, nirgends angetroffen. a. Unreine Gneisse. So möchte ich die mei- sten in unserm Schiefergebiet auftretenden Gneissvarie- täten nennen, die alle nur durch das gemeinsame Merk- mal einer flaserigen, bald mehr schieferigen, bald mehr granitartigen Structur mit einander verknüpft sind. Im erstern Falle bildet der Glimmer mehr oder minder zu- sammenhängende Lagen, zwischen denen die weissen körnigen Zwischenlagen des Quarzes und des meist vor- herrschenden Feldspathes vertheilt sind, im andern Falle ist der Glimmer unregelmässig durch die körnige Masse, jedoch mit paralleler Anordnung, zerstreut. Dieser Glim- mer ist dann meist feinschuppig, man möchte fast sagen körnig, dunkelgrün und zu kleinen Flittern zusammen- gehäuft, also wie wir es oben bei den Graniten gesehen haben. Ebenso wenig fehlt auch bei den Gneissen der hellgrüne grobschuppige, manchmal fast dichte Talkglim- mer, den ich bereits bei dem Granit beschrieben habe. Der Quarz ist in unregelmässigen kleinen Parthien oder auch in einzelnen Körnern vertheilt und bisweilen sind bereits kleine flaserige Gruppen eines feinkörnigen Quar- zes mit der Loupe zu entdecken, wodurch der Ueber- gang zur folgenden Varietät angebahnt wird. Bisweilen sind auch die einzelnen grössern Quarzkörner ziemlich gleichmässig in der krystallinischen weissen Feldspath- masse vertheilt, so dass man vermuthen könnte, sie seien aus einem grobkörnigen Sandstein hervorgegangen — 428 — und durch später auf nassem Wege infiltrirten Feldspath umhüllt worden. Der weisse Orthoklas hat sich häufig in grössern deutlichen Zwillingskrystallen ausgeschieden und die umliegenden Glimmerstraten aus einander ge- trieben und wellenförmig gebogen, wodurch grobknotige Gneisse und bei den schieferigen Varietäten sog. Augen- gneisse hervorgegangen sind, die sehr häufig sich vor- finden. Auch der Quarz, meistens als grauer durch- scheinender Glasquarz, bildet nicht selten, doch nie so ausgezeichnet wie der Orthoklas, knotenförmige An- schwellungen, um welche sich die Glimmerhäute her- umbiegen. Hin und wieder bemerkt man auch auf den Spaltflächen des Feldspathes eine feine Zwillings- streifung, was auf das Mitvorkommen von Albit oder Oligoklas schliessen lässt. Oligoklas findet sich nir- gends, wohl aber Albit in Krystallen, den bekannten tafel- förmigen Zwillingen, ausgeschieden, und möchte viel- leicht auch in den Gneissen selbst den Oligoklas ver- treten. Unter diesen gneissartigen Gesteinen finden sich auch solche, bei denen der feinkörnige Quarz durchaus fehlt und die dann ächten alten Gneissen — dem sog. Urgneiss — täuschend ähnlich sehen. Jedoch bildet der Glimmer meist mehr oder minder zusammenhängende Lagen oder grössere Flasern, zwischen denen kleine unregelmässige Parthien von Feldspath und Glasquarz sich — ohne Zweifel aus wässerigen Lösungen bei dem chemischen Umwandlungsprozess — ausgeschieden haben. Das ursprüngliche sedimentäre Gestein war hier nicht ein Sandstein, sondern ein sandfreier Mergelschiefer, des- sen Thongehalt zur Glimmerbildung verwendet wurde. Wohl viele anscheinend ächte alte Gneisse möchten aus der Umwandlung schieferiger, thoniger Gesteine hervor- gegangen sein. Ausser den genannten Abänderungen giebt es noch — 429 — viele andere, denen man keinen Namen geben kann, die man aber doch nirgends als in der Gruppe der gneiss- artigen Gesteine unterbringen mag. Bei der Beschrei- bung der östlichen Gebirgsgruppe habe ich bereits in den vorhergehenden Heften die wichtigsten Varietäten hervorgehoben, so dass ich mich auf die eben mitge- theilten kurzen Notizen beschränken darf. Hier, wie dort, finden wir ungefähr dieselben schieferigen und gneiss- artigen Felsarten, und ebenso ist ihr Streichen und Fallen dasselbe. Jedoch verdient die grosse Uebereinstimmung zwischen den Felsarten des Maderaner- und Etzlithales einerseits, und denjenigen des Gornernthales andererseits noch besonders hervorgehoben zu werden. Es wird diess um so weniger befremden, als ja beide durch das Reuss- thal getrennten Gebirgsgruppen nahezu in demselben west-östlichen Streichen der Schichten liegen, und beide ja einem und demselben Rayon des grossen krystallini- schen Schichtenfächers angehören. Auch Geschenen- und Maienthal zeigen in ihren Gesteinen, wenn auch nicht so ausgesprochen, manche Uebereinstimmung mit den- jenigen, die in der östlichen Fortsetzung ihres Strei- chens jenseits des Reussthales sich fortziehen. b. Quarzitgneiss, ausgezeichnet durch die fla- serigen Zwischenparthien eines feinkörnigen Quarzes oder durch Anhäufungen, meist schon mit dem blossen Auge deutlich erkennbarer, kleiner grauer oder röthlicher Quarzkörner, die beim Zerschlagen der Stücke wie- der in feinen lockern Quarzsand zerfallen. Der graue in grössern Parthien ausgeschiedene Glasquarz der ge- wöhnlichen Gneisse fehlt bald ganz, bald drängt er sich zwischen und neben dem feinkörnigen Quarz noch deutlich unterscheidbar ein, bald auch durchdringt er den letztern, als Cement, so dass eine feinkörnige, in den einzelnen Körnern nicht mehr deutlich unterscheid- — 430 — bare Quarzmasse entsteht. Der Glimmer ist gleichfalls dunkelgrün -oder braun, bald feinschuppig oder schuppig faserig, mit feiner paralleler Fältelung, bald aber wieder in deutlichen glatten glänzenden Blättchen, also eigent- lichen Krystallen, ausgebildet. Ebenso fehlt der hell- grüne oder grünlichgraue grobschuppige Talkglimmer selten und herrscht häufig beträchtlich gegenüber dem dunkelgrünen oder braunen Glimmer vor, der sich dann an jenen anschmiegt. Wo der Glimmer zusammenhängende Lagen oder Häute bildet, zwischen denen ähnliche ebene Lagen des körnigen mit Feldspath gemengten Quarzes parallel ein- geschaltet sind, entstehen schieferige Abänderungen, ähn- lich denjenigen, die ich schon bei den unreinen Gneissen der vorigen Abtheilung beschrieben habe. Wo hingegen die Glimmerblättchen mehr oder minder gleichmässig, jedoch immer in paralleler Anordnung, durch die körnige Masse vertheilt sind, entstehen Abänderungen, welche dann einem ächten Gneiss am nächsten kom- men, in der Regel jedoch noch wohl von einem solchen zu unterscheiden sind. Auch sind meistens die Glimmerblättehen zu grössern flaserigen Parthien ver- einigt. Gewöhnlich ist der Orthoklas stellweise in srössern Krystallen, fast immer Zwillinge, ausgeschie- den, wodurch grobknotige Varietäten und bei zusam- menhängenden Glimmerlagen ausgezeichnete Augen- gneisse entstehen, also Varietäten ganz ähnlich den- jenigen, die wir bereits bei der Abtheilung der unreinen Gneisse kennen gelernt haben. Die dünnschieferigen Varietäten, mit zusammenhängenden Glimmerlagen , die mit ebenso dünnen feinkörnigen Quarzitstreifen wech- seln, nähern sich immer mehr wahren Glimmerschiefern, doch sind immer noch zahlreich eingestreute kleine Orthoklaskryställchen zu erkennen. Andrerseits tritt bei m den grobgeschichteten, massig aussehenden Varietäten des Quarzitgneisses die parallele Anordnung der Glim- merblättchen immer mehr, wenn auch nie ganz, zurück, und das Gestein gewinnt ganz ein granitartiges Aus- sehen, so dass man es wohl als Quarzitgranit be- zeichnen darf. Diese granitartigen, durch die Einlage- rung des feinkörnigen Quarzes ausgezeichneten Gesteine sind jedoch durch so zahlreiche und unmerkliche , so- wohl lokale, d. h. am anstehenden Fels bemerkbare, als auch mineralogische, d. h. durch Vergleichung verschie- dener Handstücke erkennbare Uebergänge mit den deut- lich gneissartigen, und diese wieder durch ähnliche Ueber- . gänge mit den schieferigen Varietäten verbunden, dass man nicht umhin kann, allen einen gleichen Ursprung, d. h. die Entstehung durch chemisch-krystal- linische Umwandlung früher vorhandener, bald dünn, bald grob geschichteter sedimentärer Gesteine zuzuschreiben. Quarzitgneisse und Quarzitgranite kommen im Gor- nern-, Maien- und Geschenenthal vor, ganz besonders schön ausgebildet und stark verbreitet aber in dem letzt- genannten Thale, vornehmlich auf der Südseite, etwa Gwüst gegenüber. Die krystallinische Umbildung hat hier einen hohen Grad erreicht, kaum weniger als bei den analogen Gesteinen am St. Gotthardt in der Nähe des Hospizes, welche denen vom Geschenenthal zum Verwechseln gleichen. Man könnte die Vermuthung auf- stellen, dass in Folge mehrfacher Zusammenfaltung die- selben Schichtenreihen an beiden, von einander um wenige . Stunden entfernten Orten wiederkehren, was aber noch des nähern Beweises bedarf. Es ist eben so leicht mög- lich, dass bei einer so mächtigen Schichtenfolge die- selben Arten sedimentärer Gesteine mehrmals sich wie- derholten, wie wir das in dem mehrmaligen Wechsel thoniger und kalkiger Schichtencomplexe in unserm Jura bemerken, und dass an entfernten Lokalitäten analoge Schichten denselben chemischen Umwandlungsprozess erlitten. Quarzitgneisse, schieferige und massige, habe ich schon in den vorhergehenden Heften, namentlich im letzten, nicht nur vom St. Gotthardt, sondern fast aus allen südlich und nördlich von der Crispaltkette abzwei- genden Seitenthälern beschrieben und ihre Abstammung aus sedimentären Sandsteinen durch einen chemischen Umwandlungsprozess. das heisst durch Infiltration der zur Feldspath- und Glimmerbildung nöthigen Stoffe, in gelöster Form, auf nassem Wege wahrscheinlich ge- macht. Ich darf desshalb nur hier auf die, namentlich im letzten Hefte gegebene Auseinandersetzung verweisen. Der bereits in den ehemaligen sedimentären Sandsteinen in dünnen Zwischenlagen abgesetzte oder durch die Masse gleichförmig verbreitete Thon wurde höchst wahrschein- lich durch Zufuhr der fehlenden alkalischen Bestand- theile zur Glimmerbildung verwendet, wobei der bald dünnschieferige, bald gross geschichtete, fast massige Habitus der ehemaligen Sandsteine unverändert blieb. Wo der Feldspath sich in grössern Krystallen ausschied und die dünnen Glimmerlagen auseinander trieb. entstanden wellig gebogene, schieferige, knotige Gneisse. Auch in den Quarzitgneissen sind hin und wieder triklinische Feldspathe an der feinen Zwillings- streifung bemerkbar.') !) In der bedeutenden geognostischen Sammlung des leider zu früh verstorbenen Herrn Jos. Köchlin-Schlumberger in Mülhausen fand ich unter den Vogesen-Gesteinen manche Stücke, die unsern Quarzit- Gneissen ähnlich waren, dann aber auch gelblichweisse, feinkörnige Feldspathgesteine, voll runder Quarzkörner, die unter dem Namen Leptynite (Weisssteine) aufgeführt waren und die wohl gleichfalls — 433 — Es bleibt demnach, glaube ich, kaum eine andere Wahl übrig, als die, sämmtliche zu beiden Seiten des Reussthales auftretende schieferige und gneissartige krystallinische Gesteine, den selten vorkommenden Ur- gneiss ausgenommen, als ältere, wahrscheinlich paläo- zoische, metamorphische Sedimentgesteine zu Einer Gruppe zu vereinigen und auf der geolo- gischen Karte der Schweiz mit einer und derselben Farbe zu bezeichnen. Wie ich schon im letzten Hefte ange- deutet, fallen die krystallinischen Schiefer und Gneisse des Reussgebietes sehr wahrscheinlich mit den Casanna- schiefern Theobalds zusammen und ohne Zweifel ge- hören noch ausgedehnte Gebirgsgruppen in unsern Cen- tralalpen, östlich und westlich vom Reussthal, bis über die Grenzen der Schweiz hinaus denselben krystal- linischen Schiefern an. So lange es noch nicht gelungen ist, den alten wahren Urgneiss von diesen jüngern gneiss- ähnlichen metamorphischen Schiefern allenthalben zu unterscheiden und an den einzelnen Orten zu constatiren, wäre es vielleicht passend gewesen, alte und jüngere Gneisse oder Schiefer noch durchweg auf der ganzen Karte mit derselben Farbe, rosaroth, y, zu bezeichnen, wie es auch, gewiss ganz richtig, für den weitaus grössten Theil der Centralalpen in der zweiten Edition unserer geologischen Schweizerkarte noch geschehen ist. Die gesonderte Bezeichnung der Casannaschiefer in den Grau- bündner Alpen mit vertikalen rothen Strichen auf bräun- lichem Grunde könnte leicht zu der irrigen Annahme ver- nichts als durch Infiltration von Feldspath umgewandelte ehemalige Sandsteine sind. Unser Museum besitzt mehrere ausgezeichnete Quar- zite und Quarzitgneisse von Scutterud in Norwegen, worin neben Glim- merblättchen und Feldspathkryställchen zahlreiche Krystalle und Kör- ner von Glanzkobalt — alle wohl gleichfalls durch spätere Infiltration auf nassem Wege — zwischen den Quarzkörnern ausgeschieden sind. 29 — 44 — anlassen, als ob hier andere, von denen des Finsteraar- horn-Massivs abweichende krystallinische Schiefer auf- träten, was schwerlich der Fall ist. Wollte man einmal consequent verfahren, so hätte sicherlich das ganze von mir in den letzten fünf Sommern durchwanderte krystal- linische Schiefergebiet zu beiden Seiten des Reussthales statt rosaroth, y, mit der Farbe der Casannaschiefer, i, bezeichnet werden müssen, und dieselbe Bezeichnung hätten vielleicht auch die nun roth punktirten Streifen im mittlern und obern Geschenenthal erhalten dürfen, obwohl die metamorphische Abstammung dieser granit- artigen Gesteine für die meisten mit diesem Gebiet weniger bekannten Geologen noch zweifelhaft sein mag. Ich hätte jedoch vorgezogen, auch in Graubünden, wie es in den übrigen Alpen geschehen, die vielbesprochenen krystallinischen Schiefergesteine unter der bisherigen Farbe, y, zu belassen. !) c. Einlagerungen im Gneiss: Dunkelgrünes, feinkörniges, bisweilen auch etwas flaseriges Gemeng von stark vorherrschendem dunkelgrünem Glimmer und undeutlichem dichtem oder körnigem Feldspath, in faust- bis kopfgrossen unregelmässigen, von der umgebenden Gneissmasse scharf abgegrenzten, bald rundlichen, bald scharfeckigen Stücken, die gewöhnlich nach ihrer vor- herrschenden Ausdehnung in der Richtung der Glimmer- 1) Dieses Frühjahr hatte ich, Dank der Zuvorkommenheit des Herrn Dr. Isidor Bachmann, Gelegenheit, die grossentheils durch Herrn Prof. Bernh. Studer zusammengebrachte reiche Sammlung alpiner kry- stallinischer Gesteine im Berner Museum zu besichtigen, worunter auch viele lehrreiche von Herrx Edmund von Fellenberg auf seinen Hoch- gebirgsexcursionen gesammelte Exemplare. Darunter fanden sich, so- wohl aus den Berner, als aus den Graubündner und Walliser Alpen, zahlreiche Stücke krystallinischer Schiefer und Gneisse mit feinkörni- gem Quarz, welche vollständig mit denjenigen aus den Urner Alpen stimmten. Auch reine, körnige Quarzitschiefer fehlten nicht. — 435 — flasern, seltener in ciner dazu queren Stellung liegen. Diese dunkelgrünen Einlagerungen kommen äusserst häufig vor, namentlich im obern Geschenenthal, sowohl in den schieferigen als in den granitähnlichen Gneissen, und ihre Entstehung ist wirklich räthselhaft. An Aus- scheidungen aus dem Gneiss ist nicht wohl zu denken. Der dunkelgrüne Glimmer stimmt ganz mit demjenigen des umgebenden Gneisses überein. Bekanntlich finden sich in unsern Sandsteinen nicht selten rundliche oder eckige Parthien von feinem dichtem Thon, sogenannte Thongallen, eingestreut, über deren Entstehung ich keine nähern Angaben zu machen vermag. Gerade der bunte Sandstein schliesst häufig solche Thongallen ein und wenn, wie ich annehmen muss, unsere Quarzitgneisse und Quarzitgranite aus Sandsteinen hervorgegangen sind, so liegt die Möglichkeit nahe, dass auch diese ehemals solche Thongallen einschlossen, deren Thonmasse gleich dem übrigen durch den Sandstein vertheilten oder. in dünnen Zwischenschichten abgelagerten Thon bei der allgemeinen Metamorphose in Glimmer umgewandelt wurde. Der Habitus der ehemaligen Sandsteine und Schiefer erlitt durch die chemische Umwandlung keine Veränderung, die Structurverhältnisse blieben dieselben, aus Schiefern wurden wieder Schiefer, aus grobgeschich- teten Sandsteinen giengen wieder mehr massige oder granitartige Gesteine hervor, wobei die ehemaligen thonigen Einschlüsse dieselbe Gestalt und Lage be- hielten. Freilich sind auch andere Hypothesen möglich, um die Herkunft dieser Eindringlinge zu erklären, ja man könnte für einzelne Fälle geradezu an Trümmer von Meteorsteinen denken, welche während der Ab- lagerung der ehemaligen Sandsteine in’s Meer gefallen seien und dann später an der Metamorphose des Ge- steines Theil genommen hätten. Vergeblich sucht man — 436 — sonst in frühern Ablagerungen nach Meteorsteinen ; sollten nicht in ähnlichen Einschlüssen die Spuren derselben zu finden sein ? In unsern alpinen Graniten finden sich bekanntlich ähnliche dunkelgrüne, feinkörnige Einlagerungen häufig und zwar nicht bloss im Massiv des Finsteraarhorns. Es wurde aber bereits vorhin, und schon in den vor- hergehenden Heften von mir wahrscheinlich gemacht, dass auch unter den grobkörnigen, scheinbar massigen Graniten vielleicht nicht wenige sedimentär-metamorphi- schen Ursprunges sein möchten. Selbst mehrere der von mir etwas näher angesehenen Granitstöcke im Maien- und Gornernthal, bei denen der graue Quarz in grössern, aber isolirten Körnern in der krystallinischen Feldspath- masse vertheilt ist, liessen vielleicht die Entstehung aus grobkörnigen, grobgeschichteten Sandsteinen, etwa ähn- lich dem Quadersandstein der Kreideformation, zu, und andere ähnliche sind wenigstens zweifelhaften Ursprunges. Nicht wenige Geologen, und auch ich gehörte früher dazu, sind sogar geneigt, unseren sämmtlichen alpinen Graniten, auch den grobkörnigen, rein massigen, die keine Spur mehr von Parallelstructur zeigen, einen sedimen- tären Ursprung beizumessen und sie als die Schlussglie- der einer vollendeten krystallinischen Umwandlung auf nassem Wege zu betrachten. Der Entscheid fällt in der That manchmal schwer. Meine Beobachtungen im Felli- thal aber, wo massige, grobkörnige Granite mit Ein- schlüssen des Nebengesteines, eines grünen Gneisses, zwischen den steil aufgeschichteten Schiefern und Gneis- sen eingekeilt sind, haben indess die alte Annahme von der eruptiven Entstehung dieser alpinen Granite, die durch das Studium des Metamorphismus auch bei mir ins Wanken gerathen war, auf's Neue befestigt. Nun enthalten solche, auch von mir als eruptiv angenomme- PAL. Me nen, massigen Granite der westlichen Reussthäler ähn- liche, meistens dunkelgrüne, feiner körnige, scharfeckige Einschlüsse, die nicht wohl als Ausscheidungen, sondern als mitemporgerissene und eingehüllte Bruchstücke des Nebengesteins, ähnlich den Gneisstrümmern im Granit des Fellithales, zu betrachten sind. Doch gebe ich gerne zu, dass noch verschiedene andere Erklärungsweisen möglich sind, unter denen ich bloss diejenige gegeben, die mir die wahrscheinlichste dünkt. Durch den Aus- tausch der Ansichten und Beobachtungen von verschie- denartigen Fällen werden wir der Lösung auch dieser schwierigen Frage allmählig näher rücken. Vorläufig dürfen wir so viel festhalten, dass die dunkelgrünen, feinkörnigen , scharfbegrenzten Einschlüsse in Grani- ten und Gneissen verschiedenartigen Ursprungs sein möchten. Die gneiss- und granitartigen Gesteine der drei west- lichen, in das Reussthal einmündenden Seitenthäler, die ich soeben beschrieben habe, scheinen lange nicht die Mannigfaltigkeit von Mineralien einzuschliessen, wie die östlichen Thäler. Adular und Albit scheinen selten deut- lich krystallisirt vorzukommen. Selbst der Chlorit ist nicht häufig, nicht einmal als Gemengtheil der Schiefer und Gneisse. Dagegen kommt der Bergkrystall in den Klüften des Gneisses an unzähligen Orten, namentlich im Geschenenthal,. zum Vorschein in vollendet schönen durchsichtigen, bald wasserhellen, bald bräunlichen Kry- stallen, den sogenannten Rauchtopasen, bisweilen von beträchtlicher Grösse. Die Formen sind sehr mannig- faltig; besonders reich sind die Trapezoederflächen ausgebildet. Wir sind hier in derselben Schieferzone, welche vor einigen Jahren die riesigen Krystalle am Tiefengletscher geliefert hat. Bemerkenswerth ist noch ein zollgrosser, zum Theil in Brauneisenstein umgewan- — 433 — delter Eisenkieswürfel, welcher Bröckchen eines grob- körnigen Granites einschliesst. Ich habe denselben von einem Hirten in der Geschenen-Alp gekauft. Auch in den Quarzitgneissen finden sich häufig Rauchtopase oder wie man sie wohl passender nennt, Rauchquarze, in hüb- schen Krystallen ausgeschieden, und man sieht auch hier, dass diess derselbe violetgraue Glasquarz ist, der aus den Spalten in die Masse des Quarzitgneisses fortsetzt wohin er ohne Zweifel durch Infiltration derselben kie- selerdehaltigen Lösungen eingedrungen ist, die in den Klüften ihren Kieselgehalt als Bergkrystall ausgeschie- den haben. 3. Schiefer, im engern Sinne, d. h. dünnblätterig geschichtete Thon- und Talkglimmerschiefer treten, nach meinen bisherigen Erfahrungen, in den drei westlichen Thälern lange nicht in der Ausdehnung und Mannigfal- tigkeit auf, wie in den östlichen. Aechte, glatte, glän- zende, graue Thonschiefer und ebenso grüne Schiefer habe ich wenige gesehen. Wahren Chloritschiefern oder Glimmerschiefern bin ich nirgends begegnet. Was ich sah, sind meistens unreine, grauliche, oft etwas knotige Schiefer von schwankendem Charakter, die man nirgends recht unterzubringen weiss und die sich theilweise den grobschieferigen Gneissen nähern. Dagegen stiess ich mehrmals, namentlich im Maien- und Gornernthal, auf dünngeschichtete, weisse oder graue, dichte feinsplitterige Gesteine, ähnlich dem Süsswasser- kiesel oder dem Hornstein, und ohne Zweifel den dünn- schieferigen harten Felsitgesteinen entsprechend, die ich schon in meinen frühern Mittheilungen aus dem Made- raner- und Fellithal beschrieben und kurzweg Felsit- schiefer genannt habe, einen Namen, den ich noch ferner beibehalten möchte. Die dichte, feinsplitterige, sehr harte, vor dem Löthrohr kaum in feinen Spitzen — 439 — anschmelzbare Masse dieser Schiefer gleicht in der That ganz der felsitischen Grundmasse mancher Quarzporphyre oder anderer dichter Felsitgesteine. Sobald es mir mög- lich sein wird, werde ich Dünnschliffe anfertigen, um diese felsitischen Gesteine einer nähern mikroskopischen Vergleichung zu unterziehen. Vielleicht sind unsere grauen, dichten Felsitschiefer nur durch einen Verkie- selungsprozess zu Hornstein umgewandelte dünne schie- ferige Lagen eines ehemaligen dichten Kalksteines, ähn- lich den Kieselschiefern der untern Steinkohlenformation, die gleichfalls als umgewandelte dichte Kalksteine be- trachtet werden. Es finden sich auch hellgraue oder weisse Felsitschiefer vor, die dann aus hellen Kalkstei- nen hervorgegangen wären. Auch schieferige Mergel könnten eine solche Umwandlung erleiden. Kleine Feld- spathkryställchen stellen sich hie und da in der dichten Masse ein. Es wären diese Felsitschiefer also eigent- lich dichte Quarze mit einem kleinen Gehalt an Thon- erde und andern Verunreinigungen, die sich schon in den Kalksteinen vorfanden. Die schwere Schmelzarbeit scheint auf eine nur geringe Beimengung von Feldspath- partikelchen zu deuten. Beim ersten Ansteigen aus dem Reussthal nach dem Fellithal begegnete ich einigen, nicht zolldicken, fast senkrecht einfallenden Bänkchen eines grauen feinen Felsitschiefers, und einen vollständig glei- chen Schiefer fand ich, freilich nicht anstehend, im un- tern Gornernthal, der wahrscheinlich die unmittelbare Fortsetzung desjenigen vom Fellithal ist. Vielleicht kön- nen solche selten wiederkehrenden und daher leicht wie- der erkennbaren Schichten eines eigenthümlichen Gestei- nes uns mit der Zeit als geognostischer Horizont in dem Chaos des ungeheuern Schichtenfächers dienen. Dass in diesen dichten Felsitgesteinen sich hie und da neben Orthoklaskryställchen einzelne runde Kürmer von grauem — 40 — Glasquarz einstellen und hiedurch sich gewissen Quarz- porphyren nähern, habe ich schon früher nachgewiesen. Die in Vorstehendem beschriebenen Granite, Gneisse und krystallinischen Schiefer bilden weitaus die vorherr- schenden, ja fast ausschliesslich dominirenden Felsarten in den von mir diesen Sommer auf wenigen flüchtigen Touren durchwanderten drei westlichen Thälern. Wie- derholte Begehungen, welche eine genauere Erforschung gestatten, werden ohne Zweifel noch manches Neue zu Tage fördern, werden aber wahrscheinlich an dem all- gemeinen Eindruck, wie ich ihn wiederzugeben versucht habe, Nichts ändern. Im Allgemeinen ist die Ueberein- stimmung mit den östlichen Thälern unverkennbar. Es bleiben uns jedoch noch aus diessjährigem Excursions- gebiet noch einige Felsarten zu betrachten, die zwar nur untergeordnet auftreten, jedoch nicht ohne Bedeu- tung sind. Es sind diess unter andern die Hornblende- gesteine. 4. Diorite, bald gleichartige, ziemlich grobkör- nige Gemenge von dunkelgrüner Hornblende mit dich- tem splitterigem oder auch spaltbarem weissem Feldspath (Oligoklas), bald beide Bestandtheile in weissen und grünen, seltsam gewundenen Streifen geordnet, finder sich in allen drei Thälern, weniger im Geschenenthal, reichlich hingegen in den beiden andern Thälern, und zwar auf beiden Thalseiten, wie die zahlreich zerstreu- ten Trümmer und Blöcke lehren. Mein diessmaliger, vom Regen unterbrochener Aufenthalt war jedoch zu kurz, um dem anstehenden Gestein in den höhern Regionen nachgehen zu können. Die grossen Dioritblöcke des Gornernthales mit ihren gewundenen Zonen stimmen vollständig mit denen des Maderanerthales überein und können auch als derselben Zone angehörend betrachtet werden. Ausserdem finden wir noch im Gornerntha) — 41 — grosse Blöcke eines grobkrystallinischen reinen Horn- blendegesteines, bei dem der Feldspath fehlt, ferner nicht minder grosse Blöcke einer dunkelgrünen weichern serpentinartigen Felsart, mit Einlagerungen eines glän- zenden blättrigen diallagähnlichen Minerals, und Ueber- gängen in eigentlichen weichen Giltstein, der auch nicht weit vom Ausgang des Thales auf der linken Seite anstehen soll. -Weiter oben im Thal trifft man solche Blöcke am rechten Abhang. Die Hornblende der Diorite ist auch in diesen Thälern, wie in den östlichen, theil- weise in dunkelgrünen Glimmer umgewandelt. Wahr- scheinlich haben die Diorite auch das Umwandlungs- material für die Giltsteine geliefert. 5. Mineralien aus der Zone der Horn- blendegesteine wurden hie und da bemerkt. Aus der Umwandlung der Hornblende bald zu dunkelgrünem Glimmer, bald auch zu wirklichem Chlorit gehen bis- weilen Gesteine hervor, die man Chloritgneisse nennen möchte. Sie sind vorherrschend grün, feinkörnig, ins Schieferige. Auf einem solchen Block im Hintergrund des Maienthales, bei der Grossalp, fand ich an der Ober- fläche kleine, aber sehr deutlich farblose. durchsichtige Krystalle, die vollständig mit den kreuzförmigen Zwil- lingen des Harmotoms übereinstimmen, einem mei- nes Wissens noch nicht aus unsern Alpen signalisirten Mineral. Eigentliche Chloritschiefer habe ich in den drei westlichen Thälern bisher noch nicht gesehen. Viel- leicht werden noch solche zum Vorschein kommen, wie das im Osten der Fail ist. Ebenso werden sich viel- leicht auch noch Syenite und wahre Serpentine vorfin- den, die ja gewöhnliche Begleiter in der Zone der Horn- blendegesteine sind. Dagegen fand ich, freilich nur in Bruchstücken, einen schön hellgrünen, kurzstengeligen Strahlstein- schiefer, ganz ähnlich demjenigen des Etzlithales, und ebenso im mittlern Maienthal ein ganz ähnliches kurz- stengelig-blättriges Aggregat von lebhaftem Glanz, aber von hell olivengrüner Farbe und feiner Streifung, das nicht wenig an Bronzit oder an Diallag erinnert, aber etwas wasserhaltig und an Spitzen vor dem Löth- rohr schmelzbar ist und mit Borax deutliche Chrom- reaction zeigt. Damit verbunden findet sich in unregel- mässigen Ueberzügen ein schön grasgrünes, fast smaragd- grünes, feinschuppig-schieferiges, gleichfalls chromhal- tiges Mineral, das ich, dem äussern Ansehen nach, nicht von Fuchsit unterscheiden könnte. Diese beiden auf- fallend schönen und seltenen Mineralien bedürfen noch der nähern Untersuchung. An Material fehlt es nicht. Krystalle von Adular, Albit und Chlorit scheinen, nach meinen bisherigen Erfahrungen, in diesem Revier selte- ner vorzukommen. 6. Quarzporphyr, von grauer, dichter , splitte- riger Grundmasse mit deutlichen vereinzelten Körnern eines bräunlichgrauen Glasquarzes und kleinen weissen Orthoklaskryställchen, sehr ähnlich der grauen Porphyr- varietät von der Windgelle, habe ich in einem kleinen Block am Wege im mittlern Maienthal angetroffen. Sehr wahrscheinlich steht das Gestein irgendwo in den obern Regionen des Maientlhales an. Wir hätten hiemit ein zwei- tes Vorkommen des sonst so seltenen Porphyres in un- sern Centralalpen. Einen ähnlichen grauen Porphyr, aber mit zahl- reichen Pünktchen eines schwärzlichgrünen, feinschuppi- gen Glimmers, fand ich als grossen Block am Ausgang des Gornernthales. Von diesen schwärzlichen Pünkt- chen abgesehen stimmt dieser Block so ziemlich mit dem andern Quarzporphyr und verdient auch denselben Namen. — 443 — Die Entstehung und Einlagerung dieser Porphyre, und so namentlich auch des Windgelleporphyres, bietet noch viel Räthselhaftes. Einerseits ist das Gestein von dem gewöhnlichen Quarzporphyr anderer Gebirge kaum zu unterscheiden und bildet bei Oberkäsern eine Trüm- merhalde grosser massiger Felsblöcke. Andrerseits aber erscheint dort, am obern Abhang der Windgelle, der Porphyr wie eine den Kalksteinschichten parallel lau- fende Einlagerung, und finden sich im Maderanerthal dichte felsitische, aber deutlich geschichtete, oft schiefe- rige Gesteine mit vereinzelten Quarzkörnern und Ortho- klaskryställchen, welche durchaus als umgewandelte se- dimentäre Ablagerungen zu betrachten sind. Ob nun die mehr massig auftretenden Porphyre der Windgelle ande- rer, also eruptiver Entstehung sind, wofür allerdings Manches spricht, müssen weitere Untersuchungen lehren. Halten wir einstweilen nur so viel fest, dass es in un- serm Schiefergebiet deutlich geschichtete, felsitische, dem Quarzporphyr ähnliche Gesteine giebt, die ganz unzwei- felhaft sedimentären Ursprunges sind. Ich möchte sie als silicificirte plattenförmige Kalksteine oder schieferige Kalkmergel betrachten. 7. Kalksteine, dichte, dunkelgraue, plattenför- mige und schieferige, wechselnd mit einigen oolithischen Bänken, fand ich nur im Maienthal, hier aber in zwei mächtigen Einlagerungen mitten im krystallinischen Schie- fergebiet, die eine, bereits vor mehrern Jahrzehnden erst von Lusser, dann von A. Escher v. d. Linth beschrie- bene Kalkmasse unweit Fernigen, die andere im Hinter- grunde des Thales unweit der Grossalp, beide auf der rechten Thalseite liegend. Von dieser Letztern fand ich nur die mächtigen Schutthalden am untern Abhang. Ich hatte keine Zeit mehr, den in beträchtlicher Höhe lie- genden Kalkstock an Ort und Stelle aufzusuchen. Der — 44 — Kalkstein kommt übrigens vollständig mit dem bei Fer- nigen überein. Der auf der Karte in der Nähe ange- gebene Name Kalchthal deutet wohl auch auf das Vor- handensein eines Kalkstockes. Dem Kalkstock von Fer- nigen sei der folgende Abschnitt gewidmet. 8. Die Kalksteinlagerung im Maienthal. (Siehe die Skizze auf beifolgender Tafel.) Gerne benützte ich die Gelegenheit, den untern, bei Fernigen liegenden Kalkstock wenigstens auf der west- lichen Seite einer genauern Besichtigung zu unterwerfen und, woran mir besonders gelegen war, die Contact- stellen zwischen Kalk und Gneiss zu verfolgen. Es ge- lang mir in der That, eine Anzahl von Belegstücken aus der Nähe dieser Contactlinie zu sammeln, die freilich hier lange nicht so schön aufgeschlossen und scharf ab- gegrenzt ist, wie diejenige, die ich vom Fuss der Wind- gelle bei Oberkäsern beschrieben habe. Die wichtigsten Angaben über die Kalkeinlagerung bei Fernigen hat be- reits Hr. Prof. A. Escher v. d. Linth in Leonhards Jahrbuch, 1845, veröffentlicht, so dass ich nur Weniges noch dem bereits Mitgetheilten beizufügen habe. Ein folgender Be- such möchte noch manches Neue aufdecken. Mitten in der Untersuchung wurde ich vom Unwetter zurückgetrieben. Bisher hatte ich mir diesen, den schweizerischen Geologen längst bekannten Kalkstock, ähnlich den Mas- sen der Windgelle, als bloss lose auf der Oberfläche des Gneiss- und Schiefergebirges aufliegend gedacht, etwa ähnlich einem ungeheuern erratischen Block. Zu meiner Ueberraschung fand ich jedoch, dass ein grosser Theil der Kalkmasse mit steilem südöstlichem Schichtenfall und mehrfach wiederholter scharfer Zickzackbiegung zwi- schen die ebenso steil einfallenden Gneissmassen förm- lich eingekeilt sei, und nur die westliche Fortsetzung — 45 — des Kalkstockes, mit wellenförmig gebogenen Schichten, sich dann mehr oder minder horizontal über die Köpfe der steilen Gneisstafeln hinüberlege. Ich habe an Ort und Stelle eine rohe Zeichnung entworfen, wie sich die Kalkeinlagerung von der Thalsohle aus betrachtet dar- stellt und gebe beiliegend eine Copie hievon. Vielleicht hätte man von höherm Standpunkte aus, an der jensei- tigen Thalwand, ein anschaulicheres Bild erhalten. Die Hauptsache wird aber dieselbe bleiben. Die horizontale Erstreckung des Kalkstockes mag wohl einige tausend Fuss betragen, die vertikale scheint weniger bedeutend zu sein. Die Kalkschichten werden am untern Abhang durch eine mächtige Trümmerhalde verdeckt. Ueber derselben werden sie sichtbar, und erscheinen, wie be- merkt, steil aufgerichtet, und zwischen den zu beiden Seiten anliegenden Gneissmassen eingeklemmt. Das vorherrschende Gestein ist der bereits beschrie- bene dunkelgraue, fast schwarze, dichte, plattenförmig geschichtete oder stellweise schieferige Kalkstein, dem einzelne Bänke eines compactoolitischen, eisenreichen, grauen oder durch Verwitterung braunen Kalksteines eingelagert sind, worin sich viele Belemniten, einige Ammoniten und andere, meistens schlecht erhaltene Ver- steinerungen befinden. Die Belemniten sind schlank cy- lindrisch, lang gestreckt, gewöhnlich in mehrere Stücke zerbrochen, deren Zwischenräume, wie häufig in den Alpen, durch ähnlich geformten weissen Kalkspath aus- gefüllt sind, eine Erscheinung, die ohne Zweifel aus der starken Biegung und Streckung der Schichten hervor- gegangen ist. Das Bruchstück einer Bivalve glich einem gerippten Pecten. Die einzelnen in die dichte, thonige Kalksteinmasse eingewachsenen Oolithkörner sind häufig herausgewittert, ihre Form ist länglich, eiförmig, 1—2 Millim. im Längsdurchmesser, und innen hohl. Sie be- — 46 — stehen, ganz wie bei Oberkäsern, aus einem dunkelgrü- nen, sehr feinschuppigen Glimmer, der wohl Chlorit sein möchte. Die schwärzlichen dichten Kalksteine scheinen wenig oder keine deutlichen Versteinerungen zu enthal- ten, dagegen findet man einzelne dunkelgraue Bänke, die beim ersten Anblick ganz wie Oolithe aussehen, deren 2—4 Millim. grosse rundliche Körnchen aber aus ebenso viel glatten und glänzenden Kalkspathindividuen be- stehen, mit einem dunklen Punkt in der Mitte, und offen- bar nichts anderes als kleine Encrinitenglieder sind. Ein längeres Nachsehen möchte aus diesen oolitischen Bän- ken vielleicht allerlei noch bestimmbare Versteinerungen ergeben. Leider unterbrach der Regen die Nachforschun- gen. Neben den Oolithen finden sich auch einzelne dünne Bänke eines eigenthümlichen grauen oder bräunlichen, thonigen Kalksteins voll undeutlicher, schaalig concen- trischer, eiförmiger Mandeln, etwa 6—10 Millim. im Durchmesser, die sofort an ähnliche Gebilde aus den Kalkbänken von Oberkäsern erinnern. Wie bei Ober- käsern, so sind auch im Maienthal zwischen den oolithi- schen Kalksteinbänken einige 10—15 Centimeter dicke bankähnliche Lagergänge von ausgezeichnet gross-kry- stallinischem, eisenhaltigem, bräunlichem Kalkspath (An- kerit) eingeschaltet, der seinerseits wieder von unregel- mässigen dicken Quarzadern durchzogen ist und auf Klüf- ten deutliche Krystalle von farblosem Quarz (Bergkry- stall) und tafelförmige Zwillinge von Albit führt. Im Ganzen zeigt sich die grösste Analogie zwischen den Kalksteinen und Oolithen am Fuss der Windgelle bei Oberkäsern und denjenigen bei Fernigen im Maien- thal. Auch die Versteinerungen, die von letzterm Ort viel zu wünschen lassen, möchten sich bei weiterer Ver- gleichung von bessern Exemplaren als übereinstimmend ergeben und demnach beide Contactstellen der untern — MI — Abtheilung des braunen Jura den Murchisonæ- und Hum- phriesianusschichten (Etage Bajocien d’Orb.) angehören, also den untern Eisenrogenstein in unserm Juragebirg repräsentiren. Versteinerungen, welche auf den obern Eisenoolith (Etage callovien d’Orb.) deuten, habe ich weder an dem einen, noch an dem andern Ort gefunden. Doch kann noch allerlei zum Vorschein kommen. Die eigentliche Contactlinie zwischen Gneiss und Kalk ist grösstentheils durch Schutt verdeckt, doch habe ich in ziemlicher Höhe, da wo die Kalkschichten aus ihrer vertikalen Stellung horizontal nach Westen um- biegen, einige Stellen gefunden, wo ich Schicht für Schicht, vom wahren Kalk bis zum eigentlichen Gneiss, sämmtliche Zwischenstufen anschlagen konnte. Es sind diess rauhe, gneissartige, glimmerreiche Gesteine, die wahre Uebergänge zwischen Gneiss und Kalk darbieten. Die einen brausen noch stark mit Säuren, die andern weniger; endlich stossen wir auf einen rauhen, grob- knotigen, feldspathreichen Gneiss von weisslicher Farbe, der gar nicht mehr braust, dagegen noch viel Eisen- ocher in Zwischenräumen enthält. Wenden wir uns von der Contactlinie aus nach der Seite der Kalkbänke, so kommen Schichten zum Vorschein, die deutlich aus schieferigem, grauem, dichtem Kalkstein bestehen, jedoch mit zahlreichen papierdünnen parallelen Zwischenlagen eines feinschuppigen, bräunlichen oder weisslichen Glim- mers, ähnlich wie bei den Contactschichten in Ober- käsern, wo indess die Grenzlinie zwischen Gneiss und Kalk viel schärfer gezogen ist. Immerhin beträgt auch bei Fernigen die Entfernung der wahren Kalkschichten von dem unzweifelhaften Gneiss nur wenige Fuss und bieten beide Lokalitäten auch in dieser Beziehung eine auffallende Aehnlichkeit. Vielleicht war auch bei Fer- nigen die Contactlinie früher ‘schärfer und wurde im MAO Laufe der Zeit Glimmer - und Quarzsubstanz von Seite des Gneisses in die Kalkschichten, und umgekehrt kohlen- saurer Kalk von diesen in den anstossenden Gneiss ein- geführt, wodurch erst später die jetzt vorliegenden Zwischengebilde entstanden. 4. Hebungen und Spaltungen. Werfen wir einen Blick auf die geologische Karte der Schweiz, so überzeugen wir uns leicht, dass die beiden Kalkstöcke im Maienthal, bei Fernigen und bei der Grossalp, so ziemlich im Streichen der so ähnlichen und wahrscheinlich gleichaltrigen Kalkbänke am Fuss der Windgelle liegen. Dagegen liegen unsere beiden Kalkstöcke bereits ziemlich weit von den mächtigen Kalkgebirgen der 'Titliskette und noch weiter von der Kalkeinlagerung im Ursernthal entfernt. Es lässt diess auf eine ganz gewaltige Zerreissung des wahrscheinlich ehemals geschlossenen Kalksteingewölbes zwischen Ursern und Engelberg und auf eine nicht minder bedeutende Emportreibung des dazwischen liegenden Gneissgebirges schliessen. Vielleicht werden mit der Zeit noch weitere Zwischenstücke dieses ungeheuren zersprengten Gewölbes gefunden, und gar Vieles mag wieder in Folge des gross- artigen Verwitterungsprozesses längst fortgeführt worden sein. Die nächste Fortsetzung des Kalkgebirges gegen Süden kommt, laut der Karte, erst wieder im Bedretto- thale zum Vorschein. Eine grossartige Verwerfung zwi- schen Gneiss- und Kalkgebirg finden wir im untern Reuss- thal zwischen Erstfeld und Amstäg, wo das Kalkgebirg der Windgelle viel weiter nach Süden vordringt, als auf der linken Thalseite bei Erstfeld. Diese Verwerfung spricht gleichfalls, neben anderweitigen Thatsachen, für die An- nahme, dass das Reussthal nicht bloss eine einfache, durch Erosion entstandene Rinne, sondern eine wahre, aus der — 449 — Hebung der Alpen hervorgegangene Spalte ist. Dieses gilt wenigstens für den untern Theil bei Amstäg, sehr wahrscheinlich aber auch für den obern bis Andermatt, wo gleichfalls, wie ich an mehrern Stellen, so gerade oberhalb Geschenen constatiren konnte, die Schichten der linken Thalseite nicht denjenigen der rechten ent- sprechen. Die Spalte war also vorhanden. Die Erosion that dann das Weitere. Auch die meisten andern Thäler zu beiden Seiten des Reussthales, so das Felli- und Etzlithal auf der rechten, das Maien - und Gornernthal auf der linken Seite kann ich nur als ursprüngliche, durch Erosion erweiterte und vertiefte Spalten betrachten und selbst die dem Streichen der Schichten parallel laufenden Thäler, wie Maderaner- und Geschenenthal möchten aus ursprünglichen Spalten hervorgegangen sein. Die ge- waltige Erhebung und Emportreibung der krystallinischen Centralmassen musste Spaltungen in verschiedenen Rich- tungen hervorbringen. Je mehr ich mich in unsern Alpen umsehe, desto mehr verliert die Annahme einiger Geologen für mich an Wahrscheinlichkeit, die Annahme, dass die Alpen eigentlich nicht das Resultat einer Hebung, sondern nur durch Einsenkung der sie zu beiden Seiten umgebenden Festlandsmassen entstanden seien. Lokale Senkungen und Einstürze fanden sicher im langen Laufe der Zeit öfters statt und werden sich noch fernerhin wiederholen. Aber diesen Senkungen gieng eine grosse Hebung voran, die vielleicht Jahrtausende dauerte und nach längern Unterbrechungen wieder fortsetzte. Gerade die gewaltige Aufrichtung des Kalkgebirges am Nordfuss des Finsteraarhorn-Massivs und die C-fôrmige Rück- biegung der Schichten in Folge der heraufdrängenden Gneissmassen , wie wir sie im Berner Oberland sehen, ebenso die vielfältige wellenförmige und zickzackartige 30 — 450 — Umbiegung der Kalkschichten spricht für eine gewalt- same Emporhebung des krystallinischen Centralgebirges. Einen weitern Beweis haben wir so eben in der gewalt- samen Zerreissung des Kalksteingewölbes zwischen Engel- berg und Ursern, zwischen Ursern und Bedretto erkannt. Die Einkeilung der Kalkschichten im Maienthal deutet sogar darauf, dass das Gewölbe der Titliskette nur bis in das Maienthal hinunterreichte, hier umbog zu einer Mulde, die später zu der oben beschriebenen Kalkein- lagerung mit zickzackfôrmig gebogenen Schichten zu- sammengepresst wurde und dann südwärts weiter nach dem Ursernthal hinüber fortsetzte. Spuren einer zweiten dazwischen liegenden Einsattelung im Geschenenthal sind meines Wissens bis jetzt nicht gefunden worden. Es wäre aber seltsam, wenn sich nicht noch zerstreute Trümmer dieser zersprengten Kalksteingewölbe vor- finden sollten, so viel auch durch die Gewässer bereits fortgeführt sein mag. Geologen und Alpenclubisten mögen solchen nachspüren. 5. Verwitterung und Erosion. Wir sehen im Maien- und Geschenenthal, wie im Reussthal Stellen, wo sich die schäumende Reuss als Wasserfall zwischen einer engen Spalte des massigen granitartigen Gesteines hindurchzwängt, das in der Spalte selbst mehrmals wiederholte scharfeckige, zackige Vor- und Einsprünge bildet, ein Zustand, der viel eher auf Spaltung, als auf Erosion schliessen lässt, sonst würde die Rinne oder Furche in gerader Richtung thalab- wärts laufen. Ebenso sieht man Stellen, wo der wilde Strom mit starkem Geräusch und Blöcke rollend über eine hohe Schwelle hinunter stürzt, ohne irgendwie eine erhebliche, Vertiefung oder Einschnitt hervorgebracht zu haben. — 41 — Das Bachbett besteht an solchen Stellen selbst wieder aus einem Haufwerk feststehender grösserer Blöcke, die wohl nur durch ein ausserordentliches Naturereigniss, wie durch den Durchbruch eines Sees, von ihrer Stelle gerückt werden. Auch da, wo die rollenden Gesteins- trümmer über eine glatte Felswand getrieben werden, findet eine Abreibung nur äusserst langsam statt. Das harte und zähe quarzreiche massige Granitgestein wider- steht mit grosser Hartnäckigkeit, und man sieht häufig an solchen Stellen statt einer tiefen engen Spalte nur eine leichte Einbiegung des aus massivem Fels be- stehenden Strombettes. Die sägende , einschneidende Wirkung des Wassers ist demnach, selbst bei wilden Gletscherbächen, eine äusserst geringe, und wohl nur in seltenen Fällen, wo viele günstige Umstände der Ab- reibung an einer und derselben Stelle zusammentreffen, wird man schon nach wenigen Jahren die sägende Wir- kung des fliessenden Wassers an dem harten Granit wahrnehmen. In der Regel wird sie sich erst nach Jahrhunderten recht fühlbar machen. Viel schneller macht sich natürlich die Wirkung rasch fliessender, stromartig angeschwollener Gewässer in den weichen thonigen und sandigen Ablagerungen und in den lockern Geröllschichten bemerkbar. Solche fehlen aber in unsern Centralalpen. In der langsam abreibenden Wirkung der Wald- bäche an dem harten glatten Granit und Gneiss unserer Centralalpen kann ich hiemit nur einen untergeordneten Factor der allgemeinen grossartigen Erosion erkennen. Einen weit mächtigern Factor erblicke ich in der lang- samen, fast unmerklichen Zerklüftung, Lockerung und Verwitterung der Gesteine an der Oberfläche durch die Atmosphärilien, in der Auswaschung der vorhandenen kleinen Spalten durch Regen und schmelzenden Schnee und namentlich in der Lockerung des massiven Gesteines durch das Gefrieren des in die Spalten eingedrungenen Wassers. Die chemische Zersetzung und Auflösung der sonst so harten und zähen Granite durch die Atmo- sphärilien, insbesondere durch die Kohlensäure haltigen Gewässer, bringt sicher viel grössere Wirkungen hervor, als die sonst mehr in die Augen fallende mechanische Abreibung. Die zerklüfteten und mürben Gesteinsmassen stürzen namentlich bei Thauwetter im Frühjahr von den obern Thalgehängen hinunter in den Thalbach, stauen das Wasser auf und werden von den angeschwollenen Gebirgsbächen thalabwärts geschwemmt und bei wieder- holten Ueberschwemmungen, sich fortwährend zermal- mend und abrollend, in die Niederungen geführt. Resume. Aus den vorstehenden Beobachtungen über die west- lichen Urner Alpen ergeben sich wesentlich dieselben Resultate, wie diejenigen, die ich in den vorhergehenden Heften über die östliche Gebirgsgruppe und namentlich im letzten Hefte über die Umgebungen des Crispalt zu- sammengefasst habe. Beide östlich und westlich vom Reussthal gelegenen Gebirgstheile gehören Einem und demselben Schichtenfächer, nämlich dem Centralmassiv des Finsteraarhorns an, Es kann daher auf das letzte, die Crispaltkette betreffende Résumé verwiesen werden und bleiben bloss einige Hauptpunkte hervorzuheben, welche zur Bestätigung und Ergänzung des bereits Mit- getheilten dienen können. 1. Wie im Osten, so besteht auch im Westen des Reussthales das Gebirge vorherrschend aus krystallini- schen Schiefern und gneissartigen metamorphischen Ge- steinen mit einem steilen, der allgemeinen Stellung des — 453 — Schichtenfächers des Finsteraarhorn-Massivs entspre- chenden, südöstlichen Schichtenfall von 8S0—90 °. 2. Ausser dieser wahren Schichtung sind noch meh- rere annähernd vertikale und horizontale Kluftrichtungen zu erkennen. 3. Zwischen den Schiefern und Gneissen sind ein- zelne Stöcke eines massigen, wahrscheinlich eruptiven Granites eingeschaltet, der vorwiegend horizontale und mehr untergeordnet und unregelmässig auch vertikale Zerklüftung zeigt. 4. Unter den schieferigen und gneissartigen Gestei- nen herrschen solche mit feinkörnigem Quarze vor, welche aus der chemisch-krystallinischen Umwandlung ehemali- ger sedimentärer Sandsteine und sandiger Mergelschie- fer hervorgegangen sind, wobei der massige oder schie- ferige Habitus dieser letztern wenig verändert wurde. 5. Auch bei den Graniten und Syeniten haben ein- zelne Bestandtheile spätere Umwandlungen erlitten. So wurde häufig die Hornblende in dunkelgrünen feinschup- pigen Glimmer oder in Chlorit umgewandelt. 6. Die dunkelgrünen, feinkörnigen und scharfbe- grenzten Einlagerungen in Graniten und gneissartigen Gesteinen sind keine chemischen Ausscheidungen aus der umgebenden Masse des Gesteins, sondern eingehüllte Bruchstücke der benachbarten Felsmassen oder die Thon- gallen ehemaliger Sandsteine, welche an der krystalli- nischen Umwandlung mit Theil genommen haben. 7. Untergeordnet treten sowohl im Geschenen-, als im Maien- und Gornernthal Diorite und andere Horn- blendegesteine, in den beiden Letztern auch Blöcke von grauem Quarzporphyr und von Giltstein auf. 8. Zwischen den steil aufgerichteten Gneissmassen des Maienthales findet sich bei Fernigen ein mächti- ger Stock von Jurakalk mit zickzackfürmig gebogenen — 454 — Schichten eingeklemmt, dessen Gesteine und Petrefac- ten grosse Achnlichkeit mit denjenigen bei Oberkäsern am Fuss der Windgelle haben. Ein zweiter Kalkstock findet sich weiter oben in demselben Thal, bei der Grossalp. 9. Zwischen dem Gneiss und dem Kalkstein finden sich einige Schichten von Uebergangsgesteinen, welche aus kalkreichem Gneiss und glimmerhaltigem Kalkstein bestehen. 10. Die Seitenthäler der östlichen und der westli- chen Gebirgsgruppe, sowie das Hauptthal der Reuss selbst, sind nicht reine Erosionsthäler, sondern waren ursprünglich Spalten oder Einsenkungen, die später durch Erosion vertieft und erweitert worden sind. 11. Das Hauptagens der Erosion ist nicht die me- chanische Abreibung der Gesteine in den Flussbetten, auch nicht die Reibung der ehemaligen und jetzigen Glet- scher, sondern die Zerklüftung und Verwitterung des Gesteines an den Thalwänden durch die atmosphärischen Agenzien. 12. In der östlichen Gebirgsgruppe herrschen die schieferigen, in der westlichen die mehr massigen und gneissartigen Gesteine, deren chemisch -krystallinische Umbildung weiter vorgeschritten ist, vor. Veber die Kreidebildungen in den vorderen Alpenketten an beiden Seiten des Genfer See’s von V. Gillieron. (Sitzung vom 2. März 1870.) nun Diese Arbeit ist schon in den Archives des sciences de la Bibliotheque universelle, juillet 1870, französisch erschienen. Darum folgen hier nur einige Angaben über den Inhalt. 1) Von den Umgebungen des Stockhorn, wo sie schon seit den Untersuchungen von C. Brunner und Studer bekannt sind, erstrecken sich in grosser Mäch- tigkeit Kreideschichten bis in die nördlichen Berge des Chablais, jenseits der Rhone. 2) In einer und derselben Kette, von der Aare bis in das Chablais hinein, bleiben die Charaktere der Kreide- und Jurabildungen unverändert. Wenn man dagegen eine Profil-Reise durch die drei Hauptketten ausführt, so sieht man jede Schichten-Abtheilung mit namhaften Un- terschieden auftreten. 3) Die Gliederung der Kreide ist nicht so mannig- faltig, wie in anderen Theilen der Alpen. Man kann vor- erst nur zwei Stufen unterscheiden: alpines Neocom und eine obere Abtheilung, die auch die bekannten rothen Kalkschiefer von Wimmis umfasst. - 4) Das alpine Neocom ist nur in den Stockhorn-, Berra- und Boury-Ketten vorhanden, das heisst am äus- — 456 — seren Rande des untersuchten Gebietes; die obere Kreide dagegen tritt in allen Ketten auf. 5) Nur in der Berra-Kette finden sich Einlagerun- gen mit einer dem alpinen Neocom fremden Fauna. 6) Der Flysch scheint fast überall unmittelbar auf die obere Kreide zu folgen; Nummuliten wurden nur in der Berra-Kette gefunden. ANATOMIE. Ueber den Bau des Bies einiger Salmoniden Prof. W. His. (Vorgetragen den 7. December 1870.) RSR PS Sr Die aus der Bauchhöhle des Lachses entleerten reifen Eier sind von gelbröthlicher Farbe, stark durch- scheinend und von circa 6 Millim. Durchmesser. Sie sind innerhalb der Bauchhöhe in einer alkalisch reagirenden Flüssigkeit suspendirt, und ihre Kapsel ist zu der Zeit schlaff. Im Wasser quellen sie auf, werden etwas min- der durchscheinend und prall gespannt. Ihre Gewichts- zunahme beträgt hiebei etwas über 10°%,. An jedem Ei sind zu unterscheiden: die Eikapsel, der Keim oder Hauptdotter, die Rindenschicht nebst Dotterflüssigkeit, zusammen den Nebendotter bildend. Hiezu kommt noch die nach dem Aufenthalt im Wasser zwischen Kapsel und Rindenschicht sich an- sammelnde intracapsuläre Flüssigkeit. Die Eikapsel, 33—35 u dick, ist beiderseits glatt, am Durchschnitte zeigt sie die bekannte radiäre Strei- fung. Die Mikropyle besteht aus einem engen cylin- — 458 — drischen Kanal von 3—4 « Durchmesser, dessen Zu- gang durch eine flache Grube bezeichnet wird, während die innere Oeffnung von einem kurzen conischen Vor- sprung umgeben ist. Bei der Forelle ist die Kapsel etwas dicker als beim Lachs (45 «u und darüber), die Grube des Mikropylenzugan- ges schärfer ausgesprochen, der Kanal in seinem äussern Theil etwas weiter (8 «) als im innern (31, —4 u). Die Lachsspermatozoen haben einen etwas ab- geplatteten, glockenförmig gestalteten Kopf von 4—41} u Länge und 3!/;—4 u grösster Breite. Diese letztere ist somit gleich oder etwas grösser, als der Durchmesser des Mikropylenkanales, und für die Theorie der Befruch- tung ist daraus der wichtige Satz zu entnehmen, dass in keinem Fall mehr als ein Faden auf's Mal den Ka- nal zu durchsetzen vermag. Die Lage der Mikropyle vor dem Austritt der Eier ins Wasser ist über dem Keim. Nach einigem Aufent- halt im Wasser wird die Regelmässigkeit dieser gegen- seitigen Lagerung gestört, die Dotterkugel nebst Keim zeigt im Innern des Eies freie Beweglichkeit, und kann jetzt alle möglichen Stellungen zur Mikropyle annehmen. Der Keim ist eine flache, der Rindenschicht auflie- gende und ihr ziemlich fest anhaftende Protoplasma- scheibe von circa 2 Mm. Durchmesser. Vor dem Ein- tritt des Eies ins Wasser sehr durchscheinend, erscheint er später als weisslicher Fleck. Unter dem Mikroskop unterscheidet man an ihm die, durch Körner verschiede- nen Kalibers trübe Innensubstanz und eine hyaline Aus- senlage, die, wie es scheint, noch durch eine Verdich- tungsschicht eingefasst ist. Nach Einbruch der letztern ergiesst sich das Protoplasma durch die Oeffnung und zieht sich in lange, zum Theil äusserst feine und durch ihren hohen Zähigkeitsgrad ausgezeichnete Fäden aus. — 459 — Die Rindenschicht charakterisirt sich für’s Erste durch die zahlreich in ihr vorhandenen gelblich-rothen Tropfen. Diese sind in der ganzen Rinde vertheilt, lie- gen aber am zahlreichsten in der Umgebung des Keimes. Bei jeder Drehung des zuvor im Wasser gewesenen Eies dreht sich die gesammte Rindenschicht mit dem Keim, und zwar so, dass der Keim in die obere Hälfte des Eies rückt; sämmtliche farbige Kugeln verändern dabei ihren Ort. Die rothen Kugeln liegen in einer dünnen Schicht körnigen Protoplasma’s eingebettet. Wird das Ei angestochen, so tritt die Rindenschicht in Fetzen her- vor; jeder farbige Tropfen ist von einer dünnen Hülle umgeben, welche ‘ausser dem Tropfen auch noch einen oder mehrere kernartige Körper umschliesst. Bald frü- her, bald später platzt die Hülle und der Tropfen dehnt sich nun, wie mit einem Ruck, auf das 2—S8fache seines ursprünglichen Durchmessers aus. Diess Aufquellen der rothen Tropfen im Wasser, oder in wässeriger Flüssig- keit, lässt gewissen Bedenken an deren allgemein ange- nommener Fettnatur Raum. Die Tropfen sind zwar stark lichtbrechend, sie schwimmen auf Wasser, sie lösen sich leicht in Aether, aber doch kennt man kein Fett, das im Wasser zu quellen vermöchte. Weitere Untersuchun- gen werden zeigen, ob wir es etwa mit einem Lecithin- artigen Körper zu thun haben. Die kernartigen Körper, von welchen oben die Rede war, finden sich nicht nur in derselben Hülle mit den farbigen Tropfen eingeschlos- sen, sie liegen auch in grossen Mengen im gesammten Rindenprotoplasma zerstreut. Sie haben 8—20 «u Durch- messer, bestehen aus einer weichen, durch Druck leicht ihre Form ändernden Substanz, durch Jod und durch Carmin färben sie sich in vielen Fällen sehr intensiv, in andern Fällen nehmen sie keine oder nur schwache Färbung an. Durch warmen Alkohol und durch Aether — 460 — werden sie nicht gelöst, ebenso widerstehen sie der Ver- dauung. Die mit Aether und kochendem Alkohol, sowie mit Verdauungssaft behandelten Kerne färben sich alle intensiv durch Jod und durch Garmin. Die Dotterflüssigkeit ist klar, nur schwach gefärbt, klebrig und stark lichtbrechend. Wasser trübt sie sofort auf das intensivste, indem es in ihr die Aus- scheidung weicher, stark lichtbrechender und netzartig zusammenhängender Substanzfäden veranlasst. Diese Trü- bung durch Wasser erfolgt schon bei Zusatz sehr gerin- ger Mengen zum Eiinhalt. Das auffallende Factum, dass die im Wasser sich entwickelnden Eier trotz der hohen Empfindlichkeit gegen Wasser normaler Weise doch klar bleiben, erklärt sich durch den schützenden Einfluss der Rindenschicht. So lange die Rindenschicht intact ist, bleibt die Dotterflüssigkeit ungetrübt, wird sie aber ver- letzt, sei es durch Stoss oder durch beginnende Ein- trocknung, oder durch Pilzinvasionen u. s. w., so presst sie ihren Inhalt grossentheils aus, zieht sich auf ein kleines Volum zusammen, und die ausgepresste Flüssig- keit wird weiss. Das Forellenei unterscheidet sich vom Lachsei durch etwas geringere Grösse (4—51/, Mm. Durchmesser). Die Färbung seiner Rindentropfen ist hellgelb ohne Stich ins röthliche. Die Kapsel ist etwas dicker als beim Lachsei. Keim, Rinde und Dotterflüssigkeit verhalten sich dagegen im Wesentlichen übereinstimmend, wie beim Lachs. Die Aescheneier messen nach dem Eintritte in’s Wasser 4,2 Mm. Durchmesser und zwar findet sich zwi- schen Kapsel und Rinde eine Wasserschicht von 0,3 bis 0,6 Mm. Die Kapsel ist dünn, der Keim zeichnet sich aus durch intensive Färbung (citrongelb, orange, selbst mennigroth), die Tropfen der Rindenschicht stehen in der — 41 — Färbung zwischen denen der Forelle und des Lachs, die Dotterkugel zeigt sehr ausgeprägte Rotation. Jeder ‚ Punkt ihrer Oberfläche beschreibt kreisförmige oder ellip- tische Bahnen von ?/3—4/, Mm. Durchmesser und braucht (2—3 Tage nach der Befruchtung) zur Durchmessung einer solchen Bahn 3—4 Minuten. Mit der Dotterrota- tion Hand in Hand gehen Contractionen der Dotterrinde, vermöge deren die Gestalt der im Ei schwimmenden Kugel andauernd wechselt, bald kugelig, bald keulen- oder bohnenförmig wird. Rotationen sind schon seit geraumer Zeit am Hecht- ei bekannt, an dem sie, wie ich finde, ebenfalls mit Contractionen der Dotterrinde zusammenfallen. Auch am Forellenei vermochte ich Rotationen zu constatiren, nicht aber bis jetzt an dem des Lachs. Der Vortrag über die Entwicklung der menschlichen Gehirnhemisphären vom 9. November 1870 und derjenige über die Theorien der Generation vom 12. Januar 1571 werden anderweitig publicirt werden. CHEMIE. ARR R RP PR Po 1. Ueber eine schnell ausführbare und genaue Methode der Bestimmung der Salpetersäure, und über deren Menge in den verschiedenen Wasserquellen Basels Prof. Friedrich Goppelsræder. LIST In meiner 1867 in diesen Verhandlungen niederge- legten Arbeit über die chemische Beschaffenheit von Basel’s Grund-, Bach-, Fluss- und Quellwasser habe ich hauptsächlich die für die Hygiene wichtigen Punkte ins Auge gefasst, indem ich versprach, sobald als möglich in ausführlicher Weise über die Mengen einzelner Mine- ralbestandtheile der verschiedenen Wasser zu berichten. In erster Linie interessirte mich die Menge der Salpeter- säure, zu deren Bestimmung ich jedoch vorerst nach einer möglichst praktischen, schnell ausführbaren und dennoch genauen Methode suchen musste. Damals fühlte ich selbst am besten die Lücke in meiner Arbeit, welche dadurch entstund, dass mir keine praktische genaue Me- thode zur quantitativen Bestimmung der Salpetersäure in den Wassern zur Disposition stund. Zu dieser Be- stimmung im Regen- und Schneewasser, in den Bach-, Fluss-, Sod- oder Quellwassern sind die verschieden- — 465 — artigsten Methoden vorgeschlagen worden , welche alle in zwei Kategorieen untergebracht werden können. Die einen gehören in das Gebiet der Gewichts-, die anderen in dasjenige der Maassanalyse. Seit etwa 20 Jahren sind eine Reihe von Bestimmungsmethoden in den verschie- denen Zeitschriften erschienen. Sie haben nicht alle gleich grossen practischen Werth, denn bei einer Sta- tistik des Wassers, des öconomisch oder industriell ver- wendeten Quell- oder Flusswassers, sowie der atmo- sphärischen Niederschläge handelt es sich um zahl- reiche Bestimmungen, für welche diejenige Methode ausgesucht werden muss, welche mit grosser Genauig- keit auch möglichst grosse Einfachheit, schnelle Aus- führbarkeit vereiniget. Seither ist es mir gelungen, diese Lücke auszufüllen, indem ich einer von Herrn Professor Marx in Stuttgart angegebenen Methode durch eine einfache Abänderung in der Reihenfolge der mit ein- ander zu mischenden Stoffe die nöthige Genauigkeit beibrachte. Ich habe darüber auch in unserer Gesell- schaft am 27. October anno 1869 Mittheilung gemacht. Es findet sich im IV. Hefte des 7. Jahrganges der Fre- senius schen Zeitschrift für analytische Chemie S. 412 die Arbeit von Prof. Dr. Marx über die Bestimmung der Salpetersäure in Brunnenwassern vor. Marx versetzt in einem etwa '/, Liter fassenden Kochkölbchen 50 cc. des zu untersuchenden Wassers mit 100 ce. concentrirter reiner Schwefelsäure, welche langsam unter Bewegung des Kölbchens zugesetzt wird, wobei der Inhalt sich auf etwa 120 ° Celsius erhitzt. Dann wird unter Bewegung des Kölbehens aus einer Bürette eine mit Wasser sehr verdünnte Lösung von Indigoschwefelsäure zugegossen. Bei Anwesenheit von Nitraten wird diese sofort zersetzt und die Flüssigkeit gelb. Beim ersten Tropfen zuviel zugesetzter Indigolösung erscheint die Flüssigkeit grün, — 44 — welches Ende der Reaction sich bei einiger Uebung genau feststellen lässt. Die Indigolösung ist mit Hülfe einer Lösung chemisch reinen salpetersauren Kali’s em- pirisch titrirt worden, d. h., man weiss, dass 1 Cubik- centimeter Indigolösung so und so vielen Bruchtheilen von Grammen salpetersauren Kali’s, resp. Salpetersäure (N°05) entspricht. Man kann daher aus der verbrauchten Menge von Cubikcentimetern der Indigolösung die Menge der Salpetersäure (N?O°), z. B. in 1 Liter des unter- suchten Wassers berechnen. Wie schon Marx hervorhebt, darf das Wasser nicht auch andere leicht oxydirbare Stoffe enthalten, weil diese durch die bei Einwirkung der Schwefelsäure auf die Nitrate frei werdende Salpetersäure oxydirt würden, so- mit weniger Indigolösung zerstört würde. Dieser Uebel- stand ist da namentlich zu befürchten, wo das Wasser in solchem Maasse verunreinigt ist, dass sich die Verun- reinigung schon den Sinnesorganen zu erkennen gibt. Die Titration muss rasch ausgeführt und es muss dabei umgeschüttelt werden. Die Temperatur darf nicht unter 100° Celsius sinken. Gegenwart von Chloriden beein- flusst nicht das Resultat. Im Uebrigen verweise ich auf die Arbeit selbst. Mit dieser, hinsichtlich der leichten Ausführbarkeit, sehr praktischen Methode habe ich keine genügend ge- nauen Resultate erhalten können, wohl aber ist es mir gelungen durch eine Abänderung dieselbe sehr genau zu machen, wie die nun folgenden Resultate beweisen werden. Zur Titerstellung der Indigoschwefel- säurelösung wurden 2,0258 Gr. chemisch reines sal- petersaures Kaliin 2 Litern destillirten Wassers gelöst, so dass 1 Cubikcentim. der Lösung 0,001013 Gr. salpeter- sauren Kalïs [KNO?], also 0,000541 Grammen Salpeter- _ säure (N?O°) entspricht. — 445 — Anderseits wurde eine verdünnte Indigoschwefel- säurelösung nach gewohnter Weise bereitet und filtrirt. Hierauf wurde die Salpeterlösung ganz nach Marx’s Vor- schlag titrirt und dabei die folgenden Resultate erhalten. | | | | C hi nt | 1 Cubil | Mitration || PuDiIKkcent. ubikcentim. So | a | Darin | un | Salpeter- | Indigolüsung Z Dee Le | enthaltene | en || lösung | entsprieht da- L en | Menge der rue würden | nach folgender 2 FE Pen dl Salpetersäure Cubik- | erfordert |Menge Salpeter- = une en Sir, Icentimeter |naben Cu-| säure (N205) > >> in Grammen: || Tndioo- |Pikeentim. in Grammen ES: Fr SE | Indigo- | ausgedrückt: | ösung: en Do | | ösung: DORE CE Gr. I: Ge Gr. 1 6 20.003242 21 413 | 4333 | 0.000467 2| 85 0.0046 185 | 4353 | 0.000465 5 15.5 0.0073 26.3 | 4192 | 0.000483 4 1.5 0.0040 16.3 | 4346 | 0.000466 HU 3 0.00162 | 6.7 | 4466 | 0.000453 6 10.5 0.0057 21.4 | 4076 | 0.000497 7 De 0.0028 11.3 4346 | 0000466 5 9 0.0049 15.3 4066 0.000498 9 15.5 0.0073 28.3 || 4193 0 000485 10 11.2 0.0060 24.5 | 4375 0.000463 E} 14.3 0.0077 29.5 | 4126 0.000490 12 6 0.003524 12.5 || 4166 0 000486 I Weit mehr Genauigkeit und Uebereinstimmung der Resultate erzielte ich durch folgende Abänderung der Methode: Zuerst wurde ein vorläufiger Versuch nach Marx’s Methode angestellt. Alsdann wurde eine gleich grosse Menge der Sal- peterlösung zuerst mit der beim Vorver- suche gefundenen Menge Cubikcentimeter Sl — A66 — Indigolösung versetzt, und hierauf erst wurde unter Umschütteln die Schwefel- säure zugefügt. Gegen Ende des Zusatzes der nöthigenMengederSäure entfärbte sich die Indigolösung in’s gelbe, ein Beweis, dass nach dem von Marx vorgeschlagenen Operationsgange zu wenig Indigolösung verbraucht wird. Jetzt wurde mit Indigo- lösung bis zur grünen Färbung nachtitrirt. BeiAnwendung der auf solche Weise ver- besserten Methode wurden die auf nachfol- sender Tabelle verzeichnetenResultate er- halten. 467 “O:N OUI) uswweag) JyaLıdsyus Sunsgfosipuf JoPowmuoostqng I AR 2 —__ EEE 2ILEOO0'O Funsorosipu] WPWONTAN/) T Fyorıdsyuo uoyanstoA OT Uop Sn [om u GLEO0O0O OGTGO00 0 r'80G 0G G'66 GT OI 9260000 89T6000 0 G'OIG 04 CF CG 6 G2G000 0 LYTEOO0 0 1'S0G 04 G'GF CG 5 LLEOOVO FGTGO00 0 8 GIG OOT G'L16 04 L SLE000'0 8066000 0 T'FTS OOT S'LL OF 9 826000 0 GIGGO00'0 CTTG Gl 68€ 08 G L2ZGO00 0 GTGO00"0 S'GIG GL c'8c 06 1% LLGEO00'0 GTG000"0 S'GIG OC 68 06 6 LLE000'0 6TE000'0 S'GIG 04 68 06 6 LLEOVVO GTGO00"0 S'GIG 0G 68 06 I yonsı9 À = EITO00'O c'aGG 0G 9€ 06 USE TX =) el Le D). 1070) "DO 1A BORN) (ON D :Sunsorroqodreg pmesio}od|es 1949d]%S TPWHUSMANT | zorngspppomyg | :Sunsooipur | : Sunsorroqodeg uoy2oidsquo Sunsoposipur [PPWNUDONTqnT | aagowıuooyıqny | ToJoUUoTAN uooygıand 0001 — A68 — Es folgen nun die Versuche mit verschiedenen Was- sern Basels. 1) Oeffentlicher Brunnen an der Binningerstrasse, laufendes Quellwasser (aber verunreinigt). a. b. C. d. 1000 CC. Wasser Cubikeentimeter Cubikcentimeter Cubikcentimeter würden brauchen Wasser. Indigolôsung. Schwefelsäure. Cubikcentimeter Indigolösung. Vorversuch 50 6.5 100 130 Versuch 1 50 9 100 180 2 100 17:8 200 178 5) 50 9 100 180 2) Grellinger Wasser, laufendes Quellwasser. Vorversuch 50 1 100 20 Versuch 1 50 3 100 60 2 50 d 100 60 d 100 6 200 60 3) Sodwasser Binningerstrasse Nr. 19. Vorversuch 50 16.5 100 390 Versuch 1 50 19.5 100 990 2 50 195 100 990 4) Goldquelle, Steinenvorstadt, Grundwasser. Vorversuch 50 8 100 160 Versuch 1 50 10 100 200 2 50 10 100 200 3 50 10 100 200 4 100 19.8 200 198 5 100 20 100 200 6 200 39.7 200 198.5 7 200 89.7 200 198.5 469 — 5) Lochbrunnen beim Stadthause, Grundwasser. à. b. C. d. 1000 CC. Wasser Cubikce ntimeter Cubikcentimeter Cubikcentimeter würden brauchen lasser. Indigolösung. Schwefelsäure. Cubikcentimeter Indigolösung. Vorversuch 50 19 100 380 Versuch 1 100 43.5 200 435 2 100 43.8 100 433 3 100 As:5 100 435 6) Lochbrunnen am Gerberberg, Grundwasser. Vorversuch 50 20 100 400 Versuch 1 100 45 200 450 2 100 45 200 450 3 50 22.4 100 448 1) St. Albanlochbrunnen, Grundwasser. Vorversuch 50 8.5 100 170 Versuch 1 100 19.8 200 198 2 100 199 100 198 5) Oeffentlicher Sod Steinenthorstrasse, Grundwasser. Vorversuch 100 995 Versuch 1 100 241.9 2 100 91:5 3 100 +6 4 100 27.5 9) Rheinwasser bei der oberen Fähre. Vorversuch 100 8.5 Versuch 1 100 4.7 2 100 4.8 3 100 47 100 225 200 275 100 275 100 276 100 275 100 99 100 47 100 48 100 47 10) Rheinwasser bei der unteren Fähre. a. b. ee. d. 1000 CC. Wasser Cubikcentimeter Cubikcentimeter Cubikcentimeter würden brauchen Vasser. Indigolösung. Schwefelsäure. Cubikcentimeter Indigolösung. Vorversuch 100 4 100 40 Versuch 1 100 33 100 53 2 100 5.4 200 54 9 100 3 100 54 4 100 D:D 100 55 D 100 35) 100 55 11) Oeffentlicher Sod St. Johannvorsladt, Grundwasser. Vorversuch 100 24.7 100 247 Versuch 1 100 De 100 FUN 2 100 DIA 100 211 3 100 97.5 100 278 4 100 DT 100 DT 12) Lochbrunnen Sattelgasse, Grundwasser. Vorversuch 100 36.5 100 365 Versuch 1 100 42.3 100 423 2 100 42.3 100 423 3 100 49.3 100 493 13) Barfüsserplatz, öffentl. Brunnen, laufendes Quellwasser. Vorversuch 100 1.D 100 75 Versuch 1 100 9.7 100 97 2 100 9.8 100 95 D 100 9.7 100 97 4 100 9.7 100 97 — 41 — 14) Oeffentlicher Sod Theaterstrasse, Grundwasser. a. b. c. d. 1000 CC. Wasser Cubikcentimeter Cubikcentimeter Cubikcentimeter würden brauchen Wasser. Indigolösung. Schwefelsäure. Cubikcentimeter Indigolösung. Vorversuch 100 31.8 100 315 Versuch 1 100 38.5 100 385 2 100 38.5 100 | 355 3 100 38.6 100 3856 4 100 38.5 100 3855 15) Sod des Hauses Nr. 24. Vordere Steinen. Vorversuch 100 22.2 100 222 Versuch 1 100 25:5 100 259 % 100 25.5 100 255 5) 100 >54 100 254 16) Pumpwerkwasser, Grundwasser Kleinbasels. Vorversuch 100 4.5 100 45 Versuch 1 100 5.5 1C0 5 2 200 FT 200 55 3 100 5.45 100 54.5 17) Oeffentlicher Brunnen Marktplatz, Grundwasser. Vorversuch 100 325 100 325 Versuch 1200 80.5 200 402 2 50 20 50 400 18) Holbeinplatz öffentl. Brunnen, Quellwasser. Vorversuch 100 7.8 100 78 Versuch 1 100 9 100 90 2 200 18 200 90 3 100 9 100 90 Bei solchen Untersuchungen ist es nicht gleichgültig, ob das Wasser längere Zeit mit Luft zusammen gestan- den hatte oder nicht, indem bei Einwirkung des Sauer- stoffes der Luft auf stickstoffhaltige organische Substan- zen deren Stickstoff zuerst in salpetrige Säure, dann in Salpetersäure verwandelt werden kann. Folgende Bei- spiele mögen zur Bestätigung des Gesagten genügen. Das Wasser des St. Albanlochbrunnens wurde, nachdem der Rest vom 7. September an in halbvoller Flasche gestanden hatte, am 9. wieder untersucht. 1000 CC. brauchten jetzt 205 statt wie früher bloss 196 CC. In- digolösung, während 1000 CC. ebenso aufbewahrten Ger- berlochbrunnwassers am 9. September 465 statt wie am 7. 450 CC. brauchten. Umgekehrt kann durch Stehen eines Wassers in verschlossener Flasche der Gehalt an Salpetersäure durch Reduktion derselben durch die im Wasser ent- haltenen organischen Stoffe abnehmen. Bei der Titration der verschiedenen Wasser mit re digolösung blieb die Flüssigkeit vor Zusatz eines Ueber- schusses derselben nur in wenigen Fällen farblos und wurde dann durch den überschüssig zugesetzten Tropfen Indigolösung blau; in den meisten Fällen färbte sich die Flüssigkeit gelb bis braungelb und durch den Ueber- schuss der Indigolösung grün. Ersteres ausnahmsweise Verhalten zeigten die beiden Rheinwasserproben. Nach dem ursprünglichen von Marx vorgeschlage- nen Verfahren wird der Gehalt der Wasser an Salpeter- säure zu nieder gefunden. Ueberdiess stimmten in den meisten Fällen bei verschiedenen Titrationsversuchen mit einem und demselben Wasser die Resultate unter sich nicht überein; es zeigten sich im Gegentheile erhebliche Differenzen. Bei allen Versuchen wurde diejenige Menge von LR © Schwefelsäure angewandt, welche Marx vorgeschlagen hatte, wie überhaupt alle die von Marx empfohlenen Vor- sichtsmassregeln genau befolgt wurden. Die dazu ge- brauchte chemisch reine Schwefelsäure hatte die Stärke der englischen. Bei Anwendung einer verdünnteren wird nicht die nöthige Wärme entwickelt. Wenn nun auch das verbesserte Titrationsverfahren unstreitig viel ge- nauere Resultate liefert, so sind dsch zwei wesentliche Punkte bei Berechnung des Salpetersäuregehaltes zu be- rücksichtigen. Erstens enthält das destillirte Wasser oft nicht nur Spuren oder eine geringe Menge, sondern eine erhebliche Menge salpetersaures Ammoniak, oft auch salpetrigsaures, zweitens enthalten die natürlichen Was- ser sehr oft neben den Nitraten, nicht nur Spuren, son- dern auch erhebliche Mengen von Nitriten. Die salpe- trige Säure des zu untersuchenden Wassers wirkt auf die mit Schwefelsäure vermischte Indigolösung ebenfalls oxydirend ein. Die für 1 Liter des untersuchten Was- sers verbrauchte Menge der Indigolösung entspricht dann nicht nur der in dem Liter Wasser enthaltenen Salpeter- säure, sondern auch der vorhandenen salpetrigen Säure. Da freilich, wo nur Spuren oder eine sehr unbedeutende Menge von salpetriger Säure im Wasser ist, kommt der Fehler nicht in Betracht, da hingegen, wo im Verhält- nisse zur Salpetersäure eine reichliche Menge salpetrige Säure vorhanden ist, muss die Menge dieser in einer besonderen Operation bestimmt werden, was wohl am schnellsten und annähernd genau nach Ansäuren einer abgemessenen Menge Wassers mit Schwefelsäure durch Titration mit Kalipermanganatlösung geschehen kann, nachdem vorher ohne Schwefelsäurezusatz die etwa vor- handenen leicht oxydirbaren organischen Stoffe mit der- selben Permanganatlösung titrirt wurden. Die Differenz der bei der zweiten und ersten Operation gefundenen nt QE Zahlen entspricht dem übermangansauren Kali, welches zur Oxydation der salpetrigen Säure nôthig war. Diese aber entspricht einer bestimmten Menge der Indigolösung, welche von der bei der Titration des Wassers mit In- digolösung gefundenen abgezogen werden muss, um die- Jenige Menge von Indigolösung zu erhalten, welche wirk- lich bloss der Salpetersäure entspricht. Hr. A. Scheurer-Kestner in Thann, welcher im Auf- trage des Comité de Chimie der Société industrielle von Mülhausen meine Methode geprüft bat, ist zu Resultaten gelangt, welche mit den meinigen übereinstimmen. Ich verweise auf seinen Bericht im „Bulletin de la société industrielle de Mulhouse“, Juni 1870, Seite 324. Hr. Scheurer bemerkt in seinem Berichte hinsichtlich des Einflusses der salpetrigen Säure: „lauteur fait remar- quer avec raison, qu’en opérant ainsi les nitrites agissent sur lindigo en même temps et de la même manière que les nitrates.® Hr. Dr. Hugo Trommsdorf (siehe dessen Nachträge zu den Untersuchungsmethoden für eine Sta- tistik des Wassers, Zeitschrift für analytische Chemie von Fresenius, Jahrg. IX, Seite 157) behauptet hingegen, dass die Nitrite die Indigolösung nicht zerstörten, indem er sich auf Versuche mit einer Lösung von salpetrig- saurem Silber stützt. Was mich anbetrifft, so möchte ich bloss an die bekannte Nitritreaction von Schönbein mit Jodkaliumstärkekleister und etwas Säurezusatz er- innern, wo doch gerade der Beweis geleistet ist, dass die salpetrige Säure bei grosser Verdünnung noch leb- hafter das Kalium des Jodkaliums zu oxydiren im Stande ist wie die Salpetersäure. Indessen werde ich diesem Gegenstanle meine Aufmerksamkeit zuwenden und bald- möglichst mit verschiedenartigen Nitriten nähere Ver- suche anstellen. Für unsere Statistik der Wasser und der atmosphärischen Niederschläge (siehe die folgende Se. ee Il. Abhandlung) hat dieser Punkt keine so grosse Be- deutung. Bei den ökonomisch und industriell angewen- deten Wassern kann man, wie ich das in meiner Arbeit (siehe unsere Verhandlungen 1867, IV. Theil, IV. Heft) „über die chemische Beschaffenheit von Basels Grund-, Bach-, Fluss- und Quellwasser* schon ausgesprochen habe, in fast allen Fällen, wo es sich um ein durch den Chemiker zu untersuchendes Wasser handelt, die besondere quantitative Bestimmung der salpetrigen Säure weglassen und ihre Beeinflussung der Salpetersäurebe- stimmung kann man ausser Acht lassen. In guten Quell- wassern sind nur Spuren oder höchst unbedeutende Men- gen von salpetriger Säure enthalten, während Salpeter- säure ein normaler Bestandtheil ist. Erhält man mehr als spurenweise Reaction auf Nitrit, so ist das Wasser zum Genusse untauglich. Ob nun einige Milligramme mehr oder weniger davon in 1 Liter Wasser enthalten sind, darauf kommt es nicht an, salpetrige Säure ist überhaupt ein veränderliches Zwischenoxydationsproduct zwischen dem Stickstoffe des Fäulnissproductes Ammo- niak, dem Stickstoffe organischer Stoffe und anderseits der Salpetersäure. Für wissenschaftliche Wasserunter- suchungen muss allerdings der Quantitätsbestimmung der salpetrigen Säure die gleiche Aufmerksamkeit wie der- jJenigen jedes anderen Bestandtheiles des Wassers ge- schenkt werden und ihr Einfluss auf die Bestimmung der Salpetersäure muss berücksichtiget werden. Die in dem zur Verdünnung der Lösung des Indi- g0's in Schwefelsäure angewandten destillirten Wasser enthaltene Salpetersäure sowohl wie auch die salpetrige Säure (beide in Form von Ammoniaksalzen vorhanden) wirken natürlich auch auf den gelösten Indigo oxydirend ein, sobald sich die Lösung durch Vermischen mit Schwe- felsäure erwärmt, was jedoch gleichgültig ist, weil ja nn — das Verhältniss der Indigolösung zu Kalinitrat unter den gleichen Umständen ermittelt wurde und sowohl bei der Titrestellung als auch bei der Titration von Brunnwas- sern etc. die Indigolösung dadurch um denselben Grad verdünnter erscheint. Die Menge von Salpetersäure und salpetriger Säure aber, welche in dem zum Auflösen des Kalisalpeters angewandten destillirten Wasser ent- halten ist, darf nicht ausser Acht gelassen werden. Man braucht bloss die Menge der Indigolösung zu bestimmen, welche durch die in 1 Liter destillirten Wassers ent- haltene Menge der beiden Säuren zerstört wird, um die Menge der Indigolösung zu kennen, welche für die in 1 Liter Salpeterlösung enthaltene Menge reinen salpeter- sauren Kalïs nöthig wäre. Das zur Darstellung meiner Salpeterlösung und In- digolösung angewandte destillirte Wasser gab die fol- genden Resultate bei 4 Titrationen. Zuerst wurde nach Marx’s Vorschlag eine abgemessene Menge des destil- lirten Wassers mit Schwefelsäure vermischt und hierauf mit Indigolösung titrirt. Hierauf wurde eine der bei diesem Vorversuche verbrauchten Menge Indigolüsung gleiche Menge zu einer gleichen Menge destillirten Was- sers gefügt, hierauf die nöthige Schwefelsäure zugefügt und mit Indigolösung bis zur Bläuung nachtitrirt. Angewandte Verbrauchte 1 Liter destillir- Menge der Mengedesdestil- Menge der tes Wasser Schwefelsäure: lirten Wassers Indigolösung brauchte Cubik- CC. in Cubikcenti- in Cubikcenti- centimeter metern : metern : Indigolösung: Vorversuch 100 100 3.6 —- Versuch 1 100 100 5.3 53 3 200 100 57 37 3 200 200 10.6 53 4 400 200 Al 55 Mittel aus den 4 Versuchen 541/, entsprechend 0,01508 Gr. N°20:. — 41 — 1 Liter dieses destillirten Wassers enthielt sonach 0,0151 Gr. (N?O°) Salpetersäure, ein Cubikcentimeter 0,0000151 Gramme. 1000 Cubikcentimeter Indigolösung entsprachen, wie wir oben sahen, bei der Titrestellung nach meinem ver- besserten Verfahren als Mittel von 10 Versuchen 511.9 — 512 CC. Salpeterlösung. 1000 CC. Salpeterlösung ent- sprechen demnach 1953 CC. Indigolösung, welche jedoch nicht bloss für die Reduction der in 1000 CC. Salpe- terlösung enthaltenen Menge (KNO?°), sondern auch für die Reduction der zur Lösung dieses Salzes nöthigen Menge destillirten Wassers (1000 CC.) nöthig waren. Nun brauchte 1 Liter destillirtes Wasser als Mittel von 4 Versuchen 545 CC. Indigolösung, es wären somit bei der Titrestellung der Indigolösung für die in 1 Liter gelöst enthaltenen 1.0129 Gr. (KNO°) nur 1898.5 CC. In- digolösung nöthig gewesen. Es entspricht demnach 1 CC. Indigolösung 0.0005335 Gr. (KNO?) = 0.0002881 Gram- men N°05, und nicht bloss 0.0002767 Gr., wie ohne Cor- rection gefunden wurde. Ich hatte zu diesen Versuchen absichtlich ein destil- lirtes Wasser des Laboratoriums mit grösserem Ammon- nitratgehalte herausgegriffen, um zu zeigen, wie auch in einem solchen Falle mit Leichtigkeit durch Berechnung der Einfluss der salpetrigen Säure auf das Resultat zu corrigiren ist, lag es doch in meiner Absicht, die Me- thode jedem zugänglich zu machen, damit überall, wo auch kein chemisches Laboratorium existirt, Wasser- untersuchungen vorgenommen werden können. Seither habe ich öfters destillirtes Wasser angewendet, das nur eine höchst geringe Menge oder nur Spuren Ammon- nitrat enthielt. A Ara Periodische Bestimmungen des Gehalts verschiede- in Nitratform in den Der Gehalt ist auf einen Liter Wasser Minimal. und Maximal-| Septemb.| 30. Nov. Nro.|| Name des Wassers. Gehalt 4570. 1870. in Grammen ausgedrückt. || Gramme. Gramme. 1 Pumpwerk | Kleinbasels 0.0015 0.0158 | 0.0158 | 00015 2 Lochbrunnen am | St. Alban-Rheinquai | 0.444 0.1540 | 0.0570 | 0.0444 > Goldquelle | Steinenvorstadt 0.0247 0.0862 | 00578 | 00247 4 || öffentlicher Brunnen | Marktplatz 0.1155 0.3432 0:1155.., 0:2984 5 Lochbrunnen | Sattelgasse 0.1062 0.2618 | 0.1218 | 0.1605 6 Lochbrunnen | beim Stadthause 0.1250 0.4004 | 0.1250.) ,/0:1976 7 Lochbrunnen | am Gerberberg 0.0741 0.2490 || 0.1293 | 0.0741 || am 9. Oct. 8 || öffentlicher Brunnen | 0.116 Holbeinplatz 0.0116 00444 || 0.0260 | 0.0121 9 Riehenquellwasser 0.0012 0.0125 | 0.0125 | 0.0012 October 10 Grellingerwasser 0.0010 0.0173 | 0.0173 | 0.0012 11 ||! öffentlicher Brunnen | Binningerstrasse 0.0321 0.1544 | 0.0516 0.0321 Andere Wasser unserer Stadt zeigten bei einer allerdings nur einmaligen Untersuchung folgenden Ge- = 0 = ner Wasserquellen Basels an Salpetersäure (N?O°), Wassern enthalten. berechnet, in Grammen ausgedrückt. 7. December) Februar Juni | 1870. 1871. 1871. | Art des Wassers. Gramme. Gramme. Gramme. || | 0 0064 0.0022: 77.0.0110 | Grundwasser Kleinbasels 0.0523 1447 GT A40 | Grundwasser Grossbasels. (Sammler | 0.0627) | 0.0259 0.0862 | 0.0801 | dito. 0.1778 03432 | 0240 | dito. 0.1062 |: 0.2371 02618 | dite: 0.1926 0.4004 0.3018 | dito. 0.0825 | 0.2420 0.2490 u 0.0116 0.0444 DON Oucwarer den 0.0034 0.0035 0.0031 dito. 0.0010 0. 022 0.0026 dito. 0.0336 0.1544 0.1188 dito (verunreinigtes). halt an Salpetersäure pro Liter, in Grammen ausge- drückt. Reaction auf Nitrite. Art des Wassers. starke schwache starke ziemlich starke, starke starke Spurenweise Spurenvweise | starke starke starke Spurenweise | schwache starke — Ho = ant Gehalt eines 5 | Liters = Datum. | Name des Wassers. an | | Salpe- | ter- säure. 1569. Gramme. | 1 5.Nov.| I. Sod, Horburg |0.0026 | 2 dito ‘IL. Sod, Horburg |0.0057 3 dito |I.Sod zu den 3 Rosen, | Klybeckstrasse | 0.0095 4 28.Oct.| I. Sod daselbst 100412 5| 5.Nov.| Sod Klybeckstrasse | 0.0250 6 October Sod No. 93 daselbst | 0.0279 | 7 10. Sept. öffentlicher Brunnen | Münsterplatz 0.069 823. „ |Sod No. 24 vordere | ‚Steinen 0.0734 | Door, öffentlicher Sod | Steinenthorstrasse |0.0790 1028. ., |ôffentlicher Sod St. Johann 0.0798 | a ee öffentlicher Sod Theaterstrasse 0.1109 daR, Sod No. 19 | Binningerstrasse | 0.1123 143 28.Oct.| Sod Rümelinsplatz |0.0129 14.28. Sept. öffentlicher Brunnen | | Barfüsserplatz G.0279 | 1528. ,, | Rheinwasser bei der | | | oberen Fähre, Ufer | Grossbasels 0.0159 1628. „ |dito bei der unteren | Fähre, Ufer Gross- basels 0.0155 | Grundwasser Kleinbasels | dito | dito dito dito dito Grundwasser Grossbasels dito dito dito dito dito dito | dito ' Rheinwasser | dito Der Minimalgehalt und der Maximalgehalt an Salpetersäure eines Liters der verschiede- nen Wasser stellen sich so heraus: — 431 — Minimalgehalt. Maximalgehalt. Gramme, Gramme. Grundwasser Klein-Basels 0.0015 0.0412 Grundwasser Gross-Basels 0.0129 0.4004 Quellwasser von Auswärts 0.0010 0.0444 Grellingerwasser 0.0010 0.0173 Verunreinigtes Quellwasser 0.0321 0.1544 Anmerkung. Das Wasser des Dorfbrunnens (Quellwasser) in Beckenried am Vierwaldstättersee enthielt am 12. October 1870 in 1 Liter auch nur 0.0010 Gramme Salpetersäure. Das in einiger Ent- fernung vom Dorfe geschöpfte Seewasser enthielt 0.0022 Gramme. Ueber die Bedeutung der Salpetersäuremenge für die Beurtheilung eines Trinkwassers sind verschiedene Ansichten ausgesprochen worden. Ich bleibe auch heute noch nach zahlreichen weiteren Untersuchungen bei den in meiner 1867 erschienenen Arbeit über die verschiede- nen Baslerwasser ausgesprochenen Ansichten und wieder- hole hier bloss folgende Thatsachen : Nirgends fehlen die Nitrate, ja selbst in ausgezeich- neten Quellwassern erhalten wir zum Theile starke Reac- tionen. Die Nitrite sind oft gar nicht, oft in minimer, oft in grösserer Menge vorhanden, je nach der Herkunft des Wassers. Bei meinen bisherigen Untersuchungen fand ich, dass reine Quellwasser höchstens eine schwache Reaction auf Nitrite geben, meist nur eine spurenweise oder gar keine. Immer beweist ein Gehalt an Nitraten und Nitriten, welcher grösser als der in von städtischen Fäulniss- und Verwesungsheerden unabhängigen Quellen auf dem Lande ist, dass eine Verunreinigung durch lokale Einflüsse statt- sefunden hat, sei es nun durch Abtritte oder Dohlen, Cisternen oder Ställe, durch Gewerbe oder durch son- stige Ursachen, welche aufzuzählen überflüssig ist. Sicher ist der grösste Theil der mit den Lochbrunnquellen und 32 HD Soden der grossen und kleinen Stadt Basel zu Tage ge- förderten Nitrate das Product der Verwesung des Stick- stoffes der menschlichen und thierischen Abfälle, sowie des bei der Fäulniss gebildeten Ammoniaks. Immer erregt die Anwesenheit einer über Spuren hinausgehenden Menge Nitrits allermindestens den Ver- dacht in mir, dass das Wasser in erheblichem Maasse durch organische Stoffe verunreiniget ist, und wenn nicht immer, so wird doch meist diese Vermuthung bestätigt. Die Anwesenheit von Nitrit ist für mich das Zeichen der chemischen Thätigkeit, respective der Beweglichkeit der Atome der im Wasser enthaltenen organischen Stoffe. Die Nitrite sind stets als Zwischenstufe eines, sei es pro-, sei es regressiven chemischen Umwandlungspro- cesses zu betrachten. Ein Wasser, welches grössere Mengen Nitrit ent- hält, sollte als Trinkwasser verworfen werden, ebenso solches, welches eine mehr als normale Menge von Ni- traten enthält. Ueber die Grenze kann man nun freilich verschiedener Ansicht sein. Bei den Trinkwassern Basels betrachte ich die in den von auswärts in die Stadt ge- leiteten Quellwassern enthaltene Salpetersäuremenge als die normale. Unmöglich kann ich mit Alex. Müller (siehe dessen Abhandlung „zur Geschichte der Brunnenwässer grosser Städte* im Journale für praktische Chemie, Bd. 82, S.465) annehmen, dass eine Menge von 4 Milligrammen Salpetersäure pro Liter im Wasser eine erhebliche, die Geniessbarkeit eines solchen Wassers beeinflussende sei. Wenn aber O. Reich (s. dessen Abhandlung „die Sal- petersäure im Brunnenwasser und ihr Verhältniss zur Cholera und ähnlichen Epidemien“) in den Berliner Brun- nenwässern 200—675 Thl. Salpetersäure (N205) in 1 Mil- lion Theilen, also 2 bis fast 7 Decigramme im Liter fand, so gibt uns eine solche unnormale Menge einen Anhalts- — 483 — punkt für den erheblichen Grad der Verunreinigung des dortigen Grundwassers. Auch das Grundwasser Basels enthält eine unnormale Menge von Salpetersäure. Ich verweise auch auf obige Tabelle. Periodische Untersuchungen über den Stand und Ge- halt des Grundwassers sind bekanntlich von grossem In- teresse, dieselben müssen aber in Kürze ausgeführt wer- den können, da es sich hier um die Untersuchung mög- lichst vieler Wasserproben in möglichst kurzer Zeit han- delt. Um über die Verunreinigung eines Wassers durch Dohlen, Cisternen, Abtrittgruben u. s. w. mit wenigen Mitteln und in kurzer Zeit Aufschluss zu erlangen, em- pfehle ich auch heute noch die in meiner früheren Ar- beit genannten 5 Operationen, füge aber nun eine 6te Operation bei, nämlich die Bestimmung der Salpeter- säure nach oben beschriebener Methode. Die 6 Operationen sind: 1) Die Bestimmung der Menge der festen Bestand- theile, wobei sowohl die Menge des bei 100°C. getrock- neten Rückstandes eines Liters Wasser als auch der Ver- lust beim Glühen desselben anzugeben ist. Sowohl die Farbe des Rückstandes des Wassers als auch die Er- scheinungen beim Glühen sind zu beobachten. 2) Die Nitrit- und die vereinigte Nitrit- und Nitrat- reaction nach Schönbein. 3) Die Titration mit Kalipermanganatlösung, mit und ohne Schwefelsäurezusatz. 4) Die Reaction mit Silber- oder Goldlösung. 5) Die Reaction auf Schwefelwasserstoff und Am- moniak (frei und gebunden). 6) Die Titration der Salpetersäure mit Indigolösung. Dadurch erlangen wir einerseits Aufschluss über das Maass der Verunreinigung, anderseits über den Grad der Veränderlichkeit der organischen Stoffe, womit — 484 — wohl deren physiologischer Charakter aufs engste ver- knüpft ist. Wenn einerseits die Ermittelung der Quantität der Verunreinigungen eine gewisse Bedeutung hat, so ist anderseits die Ermittelung der Qualität derselben von grosser Wichtigkeit. Es ist jedoch bis heute nur mög- lich über den Grad der chemischen Wirksamkeit der verunreinigenden organischen Stoffe Aufschluss zu erlangen, wozu mir die Titration mit Kalipermanganat- lösung mit und ohne Schwefelsäurezusatz, die Schön- bein’sche Nitritreaction, sowie die Reduction einer Sil- ber- oder Goldlösung praktische und passende Mittel zu sein scheinen. Die Bestimmung der Menge der festen Bestandtheile und des Glühverlustes sowie die Bestim- mung der Menge der N?O? hat ebenfalls einen entschie- den praktischen Werth, um über das Maass der Ver- unreinigung sich ein Urtheil zu bilden. | Die Reaction auf H?S und Schwefelmetalle dürfte in den meisten Fällen zu einem negativen Resultate füh- ren, wenn nicht schon das Geruchs- und Geschmacks- organ die Verunreinigung des Wassers erkannt hatte, wo dann aber eine Untersuchung von Seite eines chemi- schen Experten vom praktischen Standpunkte aus über- flüssig ist oder bloss bestätigen soll. I. Ueber die Chemie der atmosphärischen Niederschläge und besonders über deren Gehalt an Salpetersäure. Von Prof. Friedrich Goppelsræder. nunnnmn Bei seinem Kreislaufe, nicht nur durch die porösen Erdschichten, wo es mit flüssigen und festen Stoffen und auch mit der an Fäulniss- und Verwesungsgasen oft so reichen unterirdischen Luft zusammenkommt, sondern auch bei seiner Wanderung durch die atmosphärische Luft, ja schon während des Verdampfungsprozesses an der Erdoberfläche und während seiner Erzeugung beim Verbrennungs- und Verwesungsprozesse, also schon in jenem Zeitpunkte seines Kreislaufes, wo es die feste Erde verlässt, um seine Wanderung durch das Luftmeer anzutreten, nimmt das Wasser gewisse andere Stoffe, wenn auch nur in geringer Menge, in sich auf und wird zum Träger einiger chemischen Verbindungen , welche zum Theile zu wichtigen directen Nährstoffen der Pflan- zen-, indirect der Thierwelt gehören. Und ist dann das Wasser in Dampf- oder Dunstbläschenform, so nimmt es weiter noch eine Reihe von in die Luft gelangten Producten der Fäulniss und Verwesung etc. auf, auch die beim Durchschlagen des mächtigen elektrischen Fun- kens, des Blitzes, durch die Luft gebildete Stickstoff- sauerstoffverbindung, um schliesslich auf seinem Falle als Regen, Schnee u. s. w. noch mehr die Luft von ihren Verunreinigungen zu befreien. Die atmosphärischen Niederschläge bieten desshalb auch dem Chemiker Interesse und das Studium ihrer Ado Chemie führt uns nicht nur zur mechanischen Aufzäh- lung einer Reihe im atmosphärischen Wasser gelöst oder suspendirt enthaltener gasförmiger oder fester Stoffe, son- dern dient uns als unentbehrliches Medium, um jene wich- tigen Stoffe nachweisen zu können, jene Stoffe, deren Entstehung nicht etwa bloss als unwesentlich, den Kreis- lauf des Wassers zufällig begleitend aufzufassen ist. Mit dem Kreislaufe des Wassers, mit dem Verdampfungs- prozesse des Wassers, mit den meteorologischen Vor- gängen in der Luft, sind eben auch chemische Vorgänge verknüpft, welche für den Haushalt der Natur auch ihre besondere Wichtigkeit haben. Für die näher eingehende Analyse der Luft hat die Analyse der atmosphärischen Niederschläge hohe Be- deutung. Bedenken wir zum Beispiele, welche grossen Mengen von sogenannter normaler Luft wir oft in Ar- beit nehmen müssten, um darin Wasserstoffsuperoxyd, salpetrige Säure, Salpetersäure und Ammoniak, sowie organische Stoffe nachweisen zu können, während es uns möglich wird, mit kleinen Mengen Regenwassers oder Schnee’s, im Nothfalle mit 100 Cubikcentimetern dersel- ben, alle diese Stoffe nachzuweisen, ja sogar die Sal- petersäure quantitativ zu bestimmen. Betrachten wir in Kürze die hauptsächlichsten Mittel hiezu und gedenken wir auch der Bedeutung namentlich der verschiedenen Stickstoffverbindungen der Luft für die Pflanzenwelt. Die hauptsächlichsten im Regenwasser oder Schnee bis dahin aufgefundenen normalen Bestandtheile sind, ab- gesehen von höchst geringen Mengen oder Spuren noch nicht näher definirter organischer oder sogar organisir- ter Stoffe: 1) Wasserstoffsuperoxyd, 2) salpetrige Säure, 3) Salpetersäure und 4) Ammoniak. Dann aber wäre noch zu reden von einer Masse von in Auflösung darin befindlichen oder bloss suspendirten Körpern, deren An- ‘— 487 — wesenheit entweder schon nachgewiesen wurde oder we- nigstens geahnt werden kann, deren Art und Menge ab- hängig ist von vielerlei Umständen und Verhältnissen, welche auf die Verunreinigung der Atmosphäre einen Einfluss haben können. Ich rede aber hier nicht von sol- chem Regenwasser, welches dem directen Einflusse von Vulkanen, Sümpfen, oder von hunderten Kaminen einer Fabrikstadt, von Leichenfeldern oder von andern Quel- len ausgesetzt war, ich rede nur von der Chemie der- jenigen atmosphärischen Niederschläge, welche aus einer Luft fallen, die nicht als eine von localer Beschaffenheit, sondern als entstanden durch Durcheinandermischung eines Theiles des Luftmeeres aufzufassen ist. Der erste Bestandtheil, welcher uns interessirt, ist das Wasserstoffsuperoxyd, jener Körper, dessen Nachweis im Wasser uns an eine der interessantesten von Schönbein aufgefundenen Thatsachen erinnert, an die Thatsache nämlich, dass bei jedem Oxydationspro- zesse Minus und Plus Ozon auftreten. Bei dem an der Oberfläche der Erde in colossalem Maassstabe auf- tretenden Oxydationsprocesse, dem Verwesungsprozesse, wird der gewöhnliche Sauerstoff theils ozonisirt, theils antozonisirt. Das Minusozon wirft sich auf den Sauer- stoffbegierigen Kohlenstoff und Wasserstoff der organi- schen Stoffe, verwandelt dieselben in Kohlensäure und Wasser, das Plus- oder Antozon tritt aber mit Wasser zusammen und bildet Wasserstoffsuperoxyd, das wegen seiner Verdampfbarkeit zum Theile, jedenfalls zum ge- ringsten Theile in die Atmosphäre gelangt. Bei allen andern Oxydationsprozessen, auch mineralischer Sub- stanzen, findet dasselbe statt. Und auch im Luftmeere noch wird Wasserstoffsuperoxyd neben dem Ozone, na- mentlich, aber nicht ausschliesslich, bei den elektrischen Entladungen gebildet. Die Reste des ge- — 488 — bildeten Ozons weisen wir in der Luft selbst, die Reste des Wasserstoffsuperoxydes aber im atmosphärischen Wasser nach. Dass trotz der fort- währenden Bildung von Wasserstoffsuperoxyd nur Spu- ren desselben in der Luft, respective im Regenwasser oder Schnee angetroffen werden, hat seinen doppelten Grund. Erstens werden sich fortwährend das freie Ozon und das im Wasserstoffsuperoxyde enthaltene Ant- ozon ausgleichen zu gewöhnlichem Sauerstoffe und Was- ser, und zweitens wird sich das Wasserstoffsuperoxyd durch bestimmte Einflüsse, durch die Gegenwart ge- wisser uns noch nicht genau bekannter auch oxydir- barer oder sogenannter katalytisch wirkender Bestand- theile der Luft, zerlegen in Wasser und in auf oxy- dirbare Stoffe sich werfenden, also als minus Ozon dann wirkenden Sauerstoff. Allein wegen Mangel an einem empfindlichen Rea- gens hatte Schönbein das Wasserstoffsuperoxyd so lange nicht im Regenwasser aufzufinden vermocht, obgleich er es schon seit Jahren aus theoretischen Gründen als Luft- bestandtheil geahnt hatte. Erst in seinem letzten Lebens- jahre, am 21. Juni 1868, ist ihm der Nachweis gelungen, und seither hat sich das Wasserstoffsuperoxyd als con- stanter Bestandtheil der normalen atmosphärischen Luft, überall wo nach ihm geforscht wurde, erwiesen. Heut- zutage besitzen wir, Dank den Bemühungen Schönbeins selbst und späterer Forscher, einige ausgezeichnete Reagentien. Der später fallende Niederschlag reagirt stets schwächer als der erste, und frisch gefallenes Was- ser, welches die Reaction auf das augenfälligste zeigt, bringt sie nach Schönbeins eigenen, nach meinen und Anderer Beobachtungen meist nach 12 Stunden nicht oder kaum mehr hervor. Der Grund hiefür liegt wohl, wenn auch nicht ausschliesslich, so doch hauptsächlich darin, Ur dass gewisse unorganische und organische Substanzen das Wasserstoffsuperoxyd zu katalysiren vermügen. Alle Methoden zum Nachweise des Wasserstoffsuper- oxydes beruhen auf dessen Fähigkeit unter gegebenen Umständen oxydirende oder reducirende Wirkungen aus- zuüben. Der von Schönbein angegebenen Mittel zum Nachweise des Wasserstoffsuperoxydes gibt es eine ganze Reihe. Ich verweise auf die bezüglichen Abhandlungen. Fast zu gleicher Zeit wie Schönbein gelang es auch Struve das Wasserstoffsuperoxyd im Regenwasser nach- zuweisen. Er bedient sich auch des Jodkaliumstärkeklei- sters mit Beihülfe einer Bleilösung. Statt aber wie Schön- bein neben dem Jodkaliumstärkekleister Eisensulfat anzu- wenden, bedient er sich des Doppelsalzes Eisenoxydul- ammonsulfat, weil es leichter wie der Eisenvitriol voll- ständig neutral zu erhalten sei und weil sich seine Lösung längere Zeit unverändert aufbewahren lasse. Struve fand auch, dass diese Reaction durch freie Kohlensäure ge- schwächt werde, dass man daher bei Anwesenheit von die- sem Gase das Wasser zuerst auf 60° C. erwärmen müsse. Statt einer Bleiacetatlösung bedient sich Struve einer al- kalischen Bleilösung. Der Niederschlag wird gesammelt und mit Wasser ausgewaschen. Bei den geringsten Spuren von Wasserstoffsuperoxyd im Wasser enthält er Bleisuper- oxyd und gibt daher mit Jodkaliumstärkekleister und et- was verdünnter Essigsäure rasch die blaue Färbung. Die vier wichtigsten Reactionen auf Wasserstoffsuperoxyd in einem atmosphärischen Niederschlage scheinen mir, ge- ordnet nach ihrer Empfindlichkeit, die folgenden zu sein: 1) Bläuung von Guajactinctur bei Zusatz von Malzauszug nach Schönbein, 2) Herstellung eines Niederschlages von Bleisuperoxyd nach Struve mit Hülfe alkalischer Bleilösung und Reaction auf das Bleisuperoxyd mit Jodkaliumstärke- kleister und verdünnter Essigsäure, 3) Bläuung von Jod- — 490 — kaliumstärkekleister bei Zusatz von Bleiacetatlösung und etwas verdünnter Essigsäure, nach Schönbein, 4) Bläu- ung von Jodkaliumstärkekleister bei Zusatz von etwas Eisenvitriollösung, nach Schönbein, welche Reaction die am wenigsten empfindliche ist. Alle vier lassen, wie be- kannt, keine Verwechslung mit Ozon oder einem Ozonide wie salpetrige Säure zu. Eine quantitative Bestimmung hat wohl in solchen Fällen, wo es sich nur um Spuren eines Körpers handelt, keinen hohen Werth. Vorschläge sind zwar auch schon gemacht worden. Gehen wir über zum Ammoniak, welches nament- lich stets auftritt bei der Fäulniss stickstoffhaltiger or- ganischer Stoffe, so dass sich stündlich eine ansehnliche Menge desselben in die Atmosphäre verbreiten muss, wo es jedoch unmöglich in seiner ganzen Menge als solches verweilen kann, da es erstens mit Kohlensäure, salpe- triger Säure und Salpetersäure zusammentrifft und damit Carbonat, Nitrit und Nitrat bildet, gar nicht zu reden von dem local auch gebildeten Schwefelammonium, da es zweitens durch das in der Atmosphäre stets gebil- dete thätige Ozon sich in salpetrige Säure und schliess- lich in Salpetersäure, anderseits in Wasser verwandelt. Barral, Gilbert und Laws haben aus Versuchen den Schluss abgeleitet, dass in der normalen Atmosphäre mehr Salpetersäure als Ammoniak vorhanden ist. Bi- neau und Boussingault haben entgegengesetzte Resultate erhalten. Es kommt eben darauf an, wo man untersucht, wie das aus den verschiedensten Beobachtungen her- vorgeht. Von Methoden des Nachweises erwähne ich in erster Linie die von Dr. Wilhelm Reuling 1354 mitgetheilte, welcher im Regen- und Schneewasser Ammoniak nach- wies. Reuling wendet mit Hämatoxylin und Chloralu- minium imprägnirtes Papier an. Es bildet sich durch AN — die Einwirkung eines Alkalis, auch des Ammoniaks, der dem Auge sich kundgebende Lack aus Thonerde und Hämatoxylin. Diese Reaction ist höchst empfindlich für freies Ammoniak, könnte aber auch von Spuren eines fixen Alkalis herrühren. Längst vorher hatte Erdmann das Hämatoxylin allein vorgeschlagen. Ein zweites viel bestimmteres Reagens ist der von Bohlig vorgeschlagene Sublimat, wobei auf die von Schoyen gemachten Erfah- rungen Rücksicht zu nehmen ist. Man fügt ausser der Sublimatlösung noch ein Paar Tropfen Kalicarbonat- lösung dem zu untersuchenden Wasser zu. Die alka- lische Quecksilberjodid-Jodkaliumlösung oder das soge- nannte Nessler sche Reagens ist auch‘ zu bekannt, um mich dabei aufzuhalten. Ich ziehe meines Theiles die Sublimatlösung in Verbindung mit Kalicarbonat jedem andern Reagens auf Ammoniak vor. Wir kommen zur salpetrigen Säure, die sich nicht frei, wohl aber als Ammonsalz vorfindet, bei der langsamen Verdampfung des Wassers an der Erdober- fläche sich bildet, auch bei den langsamen in der Luft stattfindenden Oxydationsprozessen auftritt, also im Zu- sammenhange mit Ozon und Antozon, respective Wasser- stoffsuperoxyd, steht. Salpetrige Säure bildet sich aber auch durch die langsame Oxydation des Ammoniaks, wo- bei ebenfalls das Ammonsalz resultirt, welches freilich keine lange Existenz hat, sondern nur als Zwischenstufe zwischen Ammoniak und Nitrat anzusehen ist. Schönbein hat verschiedene Reactionen darauf vorgeschlagen. Nach ihm besitzt die salpetrige Säure mit Wasser gemischt ein viel grösseres oxydirendes Vermögen wie eine gleich wasserreiche Salpetersäure, ja Salpetersäurelösung kann auf manche oxydirbaren Substanzen gar nicht mehr ein- wirken, welche von gleich verdünnter salpetriger Säure noch auf das lebhafteste oxydirt werden. Ich ordne die hauptsächlichsten Reagentien auf salpetrige Säure, re- spective Nitrite, nach ihrer Schärfe in folgender Weise: 1) Jodkaliumstärkekleister nach Ansäuerung, 2) durch Wasserstoffschwefel entfärbte Indigotinctur, beide Rea- gentien von Schönbein, 3) Diamidobenzoësäure nach dem Vorschlage von C. Voit und P. Griess. Ueber eine mögliche Maskirung der Nitritreaction habe ich in einer frühern Notiz „über eine die Jodstärke- reaction maskirende (verlangsamende) Eigenschaft ge- wisser anorganischer Substanzen“ aufmerksam gemacht (siehe diese Verhandlungen 1862, Seite 437). Die durch Wasserstoffschwefel entbläute Indigotinctur hat desshalb grossen Werth, weil sie in manchen Fällen Wasserstoff- superoxyd und Nitrit nachzuweisen im Stande ist, wo andere Mittel es nicht zu thun vermögen, da nämlich, wo in schwach Wasserstoffsuperoxyd- oder Nitrit-halti- gen Flüssigkeiten organische Substanzen vorhanden sind, welche die Bläuung des Jodkaliumstärkekleisters ver- hindern. Die Nitrite unterscheiden sich vom Wasser- stoffsuperoxyde gegenüber der entbläuten Indigotinctur dadurch, dass sie schon ohne Zusatz von Eisenvitriol deutliche Bläuung geben. Nun aber gehe ich zu demjenigen Bestandtheile über, dem ich seit einigen Jahren meine besondere Aufmerk- samkeit geschenkt habe. Ich rede aber nicht von dem längst bekannten qualitativen Nachweise, welcher mit keinen Schwierigkeiten verknüpft ist, sondern von der quantitativen Bestimmung. Was die Herkunft der Sal- petersäure in den atmosphärischen Niederschlägen anbe- trifft, so ist dieselbe das Product der vollendeten Oxy- dation des Stickstoffs; sie ist entstanden entweder aus dem Fäulnissproducte Ammoniak oder aus dem Stick- stoffe organischer Substanzen oder auch aus dem atmo- sphärischen freien Stickstoffe durch Einwirkung des — 493 — durch mancherlei Einflüsse, namentlich durch die atmo- sphärische Electrieität gebildeten Ozons. Wie ich frü- her schon erinnert habe, geht neben der Bildung des Ozons diejenige des Antozons einher, neben den Oxy- dationen durch Ozon, neben der Bildung von salpetri- ger Säure und Salpetersäure, geschieht stets auch die Oxydation durch Antozon, die Bildung des Wasserstoff- superoxyds. Dieses ist aber noch labiler wie die Salpe- tersäure, wenigstens unter gewissen Umständen, wenn zum Beispiele die Salpetersäure nicht frei, sondern als Nitrat vorhanden ist. Wir treffen desshalb Nitrat in jedem atmosphärischen Niederschlage in weit erhebliche- rer Menge als Wasserstoffsuperoxyd an. Zu ihrer quan- titativen Bestimmung wendete ich nun die von mir in der vorigen Abhandlung beschriebene verbesserte Marx’sche Methode an. Es wurden meist 100 CC. Wassers zur Ti- tration angewendet, bei Mangel an demselben oft nur 50 CC. Wasserstoffsuperoxyd stört, abgesehen von sei- ner überaus geringen spurenhaften Menge, diese Methode nicht, denn Indigoschwefelsäurelösung wird selbst durch concentrirtes Wasserstoffsuperoxyd nur allmälig, rascher erst unter dem Einflusse eines Eisenoxydulsalzes zer- stört, ein wesentlicher Unterschied zwischen Wasserstoff- superoxyd und Salpetersäure oder Nitrat. Es folgen nun die von mir erhaltenen Resultate der Bestimmung der Salpersäuremenge im Regenwasser und Schnee, welche ich seit October 1870 regelmässig aus- geführt habe. Ich habe 98 Niederschläge untersucht. Die atmosphärischen Niederschläge wurden durch Herrn Krieger, Gärtner des botanischen Gartens, im Ombro- meter des botanischen Gartens aufgefangen und durch diesen Herrn je um 1 Uhr Nachmittags mir zugestellt. Regenwasser vom 11. October zum Beispiele bedeutet solches, welches vom 10. October Nachmittags 1 Uhr a bis 11. October ebenfalls 1 Uhr Nachmittags, also wäh- rend 24 Stunden, gefallen ist. Ich sage Herrn Krieger hiemit nochmals meinen Dank. Derselbe hat die Mes- sungen der Regenmenge und des geschmolzenen Schnee’s ausgeführt. Herrn Rathsherrn Peter Merian spreche ich ebenfalls für die freundliche Erlaubniss der Einsicht- nahme in dessen meteorologische Tabellen meinen Dank aus. Gehalt der atmosphärischen Niederschläge an Salpe- tersäure während der Monate October bis und mit December 1870 und Januar bis Juni 1871. Gebalt eines Liters | | Art (Regen oder geschmolzenen Nro. Datum. des Niederschlags Schnee an | und Menge | wasserfreier | EN desselben. | Salpeter- ! | % nitrat. | säure. | I. Monat. Gramme. | Gramme. — 9. October 5.3 mm. Regen | | = LE 55 Alıaa > | 0.0! ‘36 1: 00201. 2 af en AN 0.0013 0.0019 SA 4 2 en PS ei . Spuren | Spuren 4. 16. s: RR a |...0.0005 _.., 0.0007 1 PAS Le ME 1" RON 0.0010 | 0.0015 a EN Here de | 0.0007 : | 0.0010 BD 53 EE REA : ' Spuren Spuren 824 4 DR À Spuren Spuren Qui 5e Le SAIRAYES > ' 0.0008 0.001? 10,1; 26 in 20.2 ;; . | 0.0007 | 0.0010 Al TE 20. 5 1.0.0005 | TOUR IR DB, sb 4 | 0.0003 | 0.0007 131,29 u lb. 2.0, 85 * | 0:0012:: : |. ‚0.0018 14 | St A to ss ' 0.0005 0.0007 nl Ce ” 0A ’ Fa | FA Il. Monat. | | | 15| 1. November | 146 ;,, » | (00005 | 0.0007 16 2 FB = |. 0.0005... Or 1731.12. BE à. | 0.0010 | 0.0014 — | 15. 1.7 > | == + 18 | 16. sl OO Ne | 5) CO O2 C2 TE) D OUR © D = © r: w WERE) Dun © © In u ARE 17. November 2 0. a) DB, Sn » „ I > 29 25. III. Monat. 4. 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Regen 0.0031 13.7 „ Schnee 0.0026 Cornus mascula in Blüthe. 1.4 ,„ Schnee 0.0123 4 12 BER = 0.0044 2.9 ,„ Regen 0.0022 13%, À 0.0031 Tr 0.0022 ER RARE 0.0031 Dur 2 0.0035 0.7 © 0.0046 Kirsche (Prunus avium) in Blüthe. 162 x 0.0022 93.2 & 0.0031 De : 0.0026 SL “ 0.00 26 BE ARS 0.0035 AAN LUE 0.0039 15 0.0031 Pyrus vulgaris (Birne) in Blüthe. SSL D ATOS 4.1 5 0.0039 Pyrus me in Blüthe kommend. Bar 0.0031 RE er 0.0026 joe Mes 0.0031 EN TM an 0.0022 1 " 0.0100 496 gerste, in Blüthe. 4.8 tt) € 0 0 D D he > = C0 Qt Er DIR DIR & © OO » | ”, am 21. Prunus avium, reife Kirschen. am 25. und 26. Hordeum vulgare, Winter- 0.0048 0.0044 0.0049 0.0044 0.0031 0.0030 0.0033 0.0062 0.0040 0.0926 0.0048 0.0035 0.0026 Gramme. 0 0046 0.0035 0.0182 0.0063 0.0032 0.0046 0.0032 0.046 0.0052 0.0068 0.0032 0.0046 0.0038 0.0038 0.0052 0.0058 0.0046 0.0058 0 0058 0.0046 0.0038 0.0046 0.0032 0.0145 0.0071 0.0065 0.0059 0.0065 0-0046 0.0044 0.0032 0.0091 0.0059 0-0038 0-0071 0.0052 0.0038 PRE = | | Gramme. | Gramme. 89 | 24. Juni | 1.4 mm. Regen 40.0023: +1. ..0:0032 201.26, .;; M RU a | 00031 | 0.0046 DIN OT MIO N ' 0.0085 | 00052 — | 28. ») | 0 à „ » | 772 | TT: Einige frühere Bestimmungen von mir: 92 | 8. Februar 1870 Schnee | .: 0.002060 : 0.0029 Et; . 2 LOL Th À cl C0 CA er » (20 0020" |: "0.0022 95 | vor und a Ban ER Febr. Schnee | 000% | 0.0029 96 | 21. Februar 1570 Schnee 1.0.0072. | - 0.0105 97 | 21. PR » „ | 0.00% | 00029 98 | 4/5. März » Regen | 00016 | 0.0023 Es stellen sich die Minimal- und Maximalgehalte einer Million Theile der atmosphärischen Niederschläge an Salpetersäure (N?O°), respective Ammonnitrat (N2H’O°), folgendermaassen heraus: Gesamnt- Minimum Maximum Monat PERS der des Gehaltes einer Million Theile atmo- atmosphä- sphärischer Niederschläge an ha rischen 1870/71 Nieder- |s | = | Salpeter- | Ammon- | Salpeter- | Ammon- schläge säure | nitrat säure nitrat October 18701101.2mm.| Spur | ‚Spur 13.6 Theile, 20.1 Theile Movement, 1125977 10.5, Theile 0.7 Theile) 1.2. „7.48 , December „ | 91.2 „ |04 ,„ 08 ES A RE HR Januar 1STD BLEI ESA ho EG. ns MS. re a Februar ,, DO RP Res ne tape en März À DI À 2-08 Date SAT Los LOMME RER April UOTE AJ LR | 2002: 6 AGE mulet =; Mai Fe Aa en We nd, 10 N Juni ÉD NES CPE ER ae PES A GARE AVE | Bei den 98 Bestimmungen des Salpetersäuregehaltes der atmosphärischen Niederschläge seit Februar 1870, welche ich jedoch erst seit October regelmässig ausge- führt habe, ergab sich: als Minimalgehalt einer Million Theile: eine Spur von Salpetersäure, respective Ammonnitrat, als Maximalgehalt einer Million Theile: 15.6 Theile 33 — 498 — Salpetersäure, respective 20.1 Theile Ammonnitrat, worin 7.03 Theile Stickstoff enthalten sind. Frühere Beobachter, nämlich Barral, Bobierre, Bous- singault, Bineau und Knop fanden in einer Million Theile atmosphärischer Niederschläge 0.1 bis 16 Theile Sal- petersäure. Dass aber früher nicht mehr Bestimmungen des Ge- haltes an Salpetersäure gemacht worden sind, rührt da- von her, dass eben die genaue Bestimmung der Sal- petersäure eine längere Arbeit erforderte. Liebig hat zuerst 1526 Ammonnitrat im Regenwasser nachgewiesen, während die ersten Beobachtungen über den Gehalt der atmosphärischen Niederschläge an salpetriger Säure von Schönbein, die ersten Beobachtungen hingegen über den Gehalt an Wasserstoffsuperoxyd von Meissner und Schön- bein herrühren. Indem ich die verbesserte Marx’sche Methode als eine genaue empfehlen darf, kann nun aller- orts, nicht nur da, wo chemische Laboratorien exi- stiren, eine ziemlich vollständige schnelle Analyse der atmosphärischen Niederschläge ausgeführt werden. In einer halben Stunde schon oder in noch kürzerer Zeit kann dieselbe ausgeführt sein. Ein Naturforscher kann auf seinen Reisen, ein Alpenclubist auf seinen Bergbe- steigungen ohne hindernden Aufenthalt die Untersuchung des Regens, Schneees, Eises, des Wassers von Seeen, Flüssen, Quellen u. s. w. auf Wasserstoffsuperoxyd, sal- petrige Säure, Ammoniak und Salpetersäure, bei letzte- rer die quantitative Bestimmung ausführen. Wie ich in der vorigen Abhandlung zur Untersuchung der ükono- misch verwendeten Wasser 6 Operationen vorgeschlagen habe, um über deren sanitarischen Werth ins Klare zu kommen, so möchte ich nun für eine Statistik der atmo- sphärischen Wasser folgende Operationen ebenso ein- facher Art vorschlagen. — 499 — 1) Nachweis des Wasserstoffsuperoxyds nach Schün- bein mit Guajaktinctur und Eisenvitriol, welche Reaction sofort auszuführen ist oder mindestens innerhalb der er- sten Stunden, 2) Nachweis der salpetrigen Säure nach Schönbein mit Jodkaliumstärkekleister, in angesäuerter Flüssigkeit, welche Reaction sofort oder baldigst zu geschehen hat, 3) Nachweis des Ammoniaks, respective der Am- monsalze, mit Sublimat- und Kali- oder Kalicarbonat- 8, welche Reaction möglichst bald auszuführen ist, 4) Titration der Salpetersäure mit Indigolösung. lösung Bei mehr als Spuren von Nitrit kann auch dessen Menge mit Hülfe von Permanganatlösung, deren Gehalt bekannt ist, bei Anwesenheit von Schwefelsäure, in be- kannter Weise bestimmt werden. Etwaige organische Substanzen können nach den gewöhnlichen Verfahren nachgewiesen werden. Den suspendirten organisirten Theilen ist besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Nun aber noch einige wenige Worte über die Be- deutung der verschiedenen in den atmosphärischen Nie- derschlägen und in der Luft enthaltenen Stickstoffver- bindungen für die Pflanzenwelt. Bekanntlich sind für die Aneignung der organischen Stoffe durch die Pflanze anorganische Materialien nöthig und die stickstoffhaltigen organischen Stoffe, welche für die Bestandtheile des Protoplasmas der Zellen unentbehrlich sind, können in der Pflanze aus stickstoffhaltigen unorgani- schen Stoffen und aus stickstofffreien orga- nischen Stoffen entstehen. Boussingault hat zuerst den Satz aufgestellt: die Pflanzen sind darauf ange- wiesen, sich ihren Stickstoff in gebundener Form anzueignen. Lawes, Gilbert und Pugh be- stätigten dieses Resultat. Als mögliche Quellen des Stickstoffs haben wir zunächst Ammoniak, Nitrate und — 100 — wohl auch Nitrite. Die in einem bis dahin vegetations- losen und also völlig unorganischen Boden wurzelnde Pflanze erhält ihren Stickstoff erstens durch die atmo- sphärischen Niederschläge als Ammonnitrat und Ammon- nitrit, sowie durch das Ammoniak der Atmosphäre, zwei- tens durch die im Boden festgehaltenen Mengen Ammon- nitrat und Ammonnitrit früherer Niederschläge, drittens durch die fortwährend im Boden erst erzeugten Mengen Ammoniak und Nitrite und Nitrate. Ganz besondere Auf- merksamkeit verdient die von Schönbein ermittelte Bil- dung von Ammonnitrit beim langsamen Verdampfen des Wassers. Hierüber hoffe ich später Mittheilung machen zu können. Was die Menge des durch atmosphärische Quellen gelieferten Stickstoffs anbetrifft, so kommen wir auf keine grossen Ziffern. Noch unermittelt ist, ob der Verdampfungsprozess des Wassers an der Erdoberfläche oder ob die directe Oxydation des atmosphärischen (und des im Ammoniak enthaltenen) Stickstoffs eine grössere Menge von Salpetersäure liefert. Ich hoffe auch für die Lösung dieser Frage durch die leichte Bestimmungs- methode der Salpetersäure etwas beitragen zu können. Es ist auch noch nicht genügend das Verhältniss zwi- schen dem Ammon- und Salpetersäuregehalte der Atmo- sphäre festgestellt. Ueber die verschiedenartigen atmosphärischen Nie- derschläge hoffe ich später noch weitere Mittheilungen machen zu können, namentlich wünschte ich auch bei Ausflügen in die Alpenwelt Versuche, zum Beispiele auf den Schnee- und Eisfeldern, anstellen zu können. Ich hoffe, dass sich recht viele Freunde der Naturforschung zu solchen Versuchen in der Gletscherwelt oder zur Herbeischaffung des Materiales finden werden. Vielleicht gelingt es mir noch, die einzig etwas lästige Schwefel- säure durch eine andere geeignetere Säure ersetzen zu — 501 — können. In einem kleinen, kaum zwei Liter fassenden Kästchen finden alle Chemikalien Platz, welche zu den verschiedenen genannten Untersuchungen und zwar zu einer Reihe von Versuchen nöthig sind. IH. Notiz für solche, welche sich der verbesserten Marx - schen Methode zur Bestimmung der Salpetersäure entweder schon bedient haben oder bedienen wollen. Von Prof. Friedrich Goppelsroeder. Auf einen Punkt muss ich, veranlasst durch Nach- fragen, welche mir gerade während des Druckes dieser Abhandlung zugekommen sind, nochmals ganz beson- ders aufmerksam machen, obgleich schon Hr. Prof. Marx in seiner Abhandlung „über die Bestimmung der Sal- petersäure in Brunnenwassern“, siehe zum Beispiele Zeit- schrift für analytische Chemie von R. Fresenius, VII. Jahrgang 1868, S. 412. denselben genügend hervorge- hoben hat. Es heisst dort: „Mehr als 5—6 Milligramme „Salpetersäure sollen nicht zugegen sein. weil sonst die „Flüssigkeit durch die Oxydationsprodukte des Indigo’s „zu stark gefärbt wird, so dass die Endreaction dadurch „au Schärfe verliert.“ Bei atmosphärischem Wasser hat man, bei Anwen- dung von 100 CC. zur Titration, noch lange nicht die- sen Gehalt an Salpetersäure& bei guten Quellwassern oder reinem Grundwasser auch nicht, aber bei inficirtem — 502 — Quell- und Grundwasser. Enthält ein solches, wie z. B. manches Sodwasser Basels, in 100 Cubikcentimetern 40 Milligramme Salpetersäure, so stellt sich erwähnter Uebelstand unfehlbar ein. In einem solchen Falle ver- dünnt man zum Beispiele 100 CC. des Wassers auf 1 Liter mit Hülfe von destillirtem Wasser. Enthält die- ses nur Spuren von Ammonnitrat, so fallen dieselben nicht in Betracht, enthält es aber mehr davon, so muss der Gehalt desselben an Salpetersäure, respective Nitrat, vor der Anwendung bestimmt worden sein und nach der Titration von 100 CC. des damit verdünnten Sodwassers muss dieser Gehalt in Rechnung gezogen werden. Die Methode lässt sich also nicht nur bei den an Salpetersäure armen atmosphärischen Niederschlägen, sondern auch bei jedem noch so salpetersäurereichen Wasser anwenden, vorausgesetzt, dass dieses gehörig verdünnt worden war. Zehnfache Verdünnung mag fast immer ausreichen. PHYSIK. Ueber Polarisation und Farbe des von der Atmosphäre reflectierten Lichtes. Von Prof. Eduard Hagenbach. Annan Schon im Jahre 1811 wurde die Polarisation des von der Atmosphäre reflectierten Lichtes durch Arago entdeckt, und seither sind von diesem, von Brewster, Babinet, Wheatstone und mehrern andern Forschern mannigfache Beobachtungen über die Stärke der Polari- sation und die Lage der Polarisationsebene des Himmels- lichtes angestellt worden. Die Polarisation ist am stärk- sten in den Gegenden des Himmels, die 90° von der Sonne abstehen, und die Polarisationsebene geht, einige Ausnahmen in der Nähe der Sonne und ihres Gegen- punktes abgerechnet, durch die Sonne und das Auge des Beobachters. Ich vermuthete nun, man müsse die Polarisation des von der Atmosphäre reflectierten Lich- tes nicht nur da bemerken, wo wir direct nach dem offe- nen blauen Himmel sehen, sondern ebenso gut auch da, wo zwischen unserm Auge und einem fernen dunklen Gegenstande (einem waldigen Berg, einem dunklen Fels u. a. m.) eine mehr oder weniger tiefe Luftmasse liegt. Bekanntlich sieht man bei hellem Sonnenschein ferne Berge in einem bläulichen Dufte, der das Sonnenlicht zu- a rückwirft. Das von solchem Dufte reflectierte Licht zeigt nun ganz die gleiche Polarisation wie das vom offenen Himmel uns zukommende Licht. Mannigfach wiederholte Beobachtungen, die ich besonders am Luzernersee an- stellte, wo die dunklen Berge coulissenartig in sehr verschiedenen Abständen vom Beschauer sich befinden, haben mich von dieser Thatsache überzeugt. Wenn der dunkle Wald nur wenige tausend Fuss abstand, konnte schon deutlich die Polarisation mit Nicol und Quarz- platte nachgewiesen werden; je weiter der dunkle Berg vom Auge entfernt war, d. h. je tiefer die Luftschicht war, die denselben von dem Auge trennte, um so deut- licher war die Polarisation zu bemerken. Auch hier zeigte sich natürlich die Stärke der Polarisation an den Stellen, die circa 90° von der Sonne abstanden, in ihrem Maximum. Dieses von dem Dufte reflectierte Licht, viel weniger als die unvollkommene Durchsichtigkeit der Luft ist bekanntlich die Ursache, dass man oft bei ganz klarem Himmel ferne Berge nur sehr undeutlich oder auch gar nicht sieht. Dass in solchen Fällen der Gebrauch eines Fernrohrs dem Missstande nicht abhilft, ist ebenso bekannt als leicht erklärlich. Der Umstand nun, dass das vom Duft kommende Licht theilweise, unter Umständen sogar in hohem Grade polarisiert ist, liess mich vermuthen, man müsse durch ein passend vor das Auge gestelltes Nicol ferne in den erwähnten Duft gehüllte Berge deutlicher sehen können, indem man hier das störende von der Luft reflectierte Licht abblendet, ähnlich wie diess schon im Jahre 1835 Arago für das Abblenden des ven der Wasseroberfläche reflectierten Lichtes beim Aufsuchen der Meeresklippen vorgeschlagen hat. Diese Vermuthung haben mannig- fache von mir angestellte Beobachtungen vollkommen be- stätigt. Man kann den Einfluss schon sehr deutlich be- UNS = merken beim Sehen mit blossem Auge. Zu diesem Zweck bringt man das Nicol vor das Auge und dreht so lange, bis das Gesichtsfeid am dunkelsten ist. Die Verdunk- lung rührt nicht von einer Verminderung des von dem beobachteten Gegenstande herkommenden Lichtes her, da dasselbe nicht polarisiert ist. sondern von dem Ab- blenden des Duftlichtes. in Folge dessen der Gegenstand im Hintergrund viel deutlicher sich zeigt; Contouren von Bergen zum Beispiel, die ohne Nicol gar nicht oder nur ganz verschwommen zu sehen sind, treten unter solchen Umständen deutlich und scharf hervor. Bei Bergtouren pflege ich seit einiger Zeit ein Nicol’sches Prisma mit mir zu führen. und ich habe schon häufig mich vom Vortheil desselben beim Betrachten der Aussichten über- zeugt und auch Andern denselben gezeigt. Besonders beim Betrachten der Alpenkette vom Jura aus leistet dasselbe wesentliche Dienste. Noch deutlicher treten die Vortheile hervor, wenn man das Nicol mit einem Fernrohr verbindet; man kann dasselbe einfach vor das Fernrohr halten; doch ist dann das Einstellen unbequem und das Gesichtsfeld wird auf eine unangenehme Weise reduciert ; man thut daher bes- ser, wenn man bei einem Huyghens’schen Oculare das Nicol zwischen das Feldglas und das Augenglas bringt. Durch eine solche Verbindung des Nicols mit dem Fern- rohr habe ich sehr wesentliche Vortheile beim Beob- achten ferner Berge erzielt. So war es mir z. B. mög- lich, von St. Chrischona, einem Aussichtspunkt in der Nähe von Basel, aus, am Eiger im Berneroberland mit Hülfe des Nicols ganz deutlich die Umrisse des Berges und die einzelnen Schneeabhänge zu sehen, während ohne Nicol die Alpen kaum zu erkennen waren. Aehn- liche Resultate habe ich erhalten beim Beobachten der Berge des Jura von Basel aus und der Berge des Vier- — 506 — waldstättersee’s von Luzern aus. Man gewinnt durch die bezeichnete Vorrichtung hauptsächlich an Schärfe der Umrisse und an Deutlichkeit der Details; wesshalb sich der Vortheil ganz besonders bei der Beobachtung von Bergen mit mannigfach gestalteten Felsvorsprüngen, mit Schneefeldern u. s. w. zeigt; auch die Bäume an den Berghalden heben sich in viel deutlicherer Zeich- nung ab. Es ist nur noch als etwas Selbstverständliches beizufügen, dass nicht bei allen fernen Gegenständen dieser Vortheil des Nicols in gleicher Weise hervortritt; am meisten bei denen, welche circa 90° von der Sonne entfernt sind, und am wenigsten bei denen, welche der Sonne zu- oder von der Sonne abgekehrt sind. Durch die erwähnten Versuche ist deutlich gezeigt, dass nicht der Mangel an Durchsichtigkeit der Luft in den vorliegenden Fällen das Sehen ferner Gegenstände verhindert; sondern dass der Duft, der das Sonnenlicht reflectiert, einem hellen Schleier ähnlich wirkt und das Auge so blendet, dass es die lichtschwachen Gegen- stände im Hintergrunde nicht mehr wahrnimmt. Es entsteht nun die Frage, was dieser Duft sei, oder deutlicher gesagt, an was für Körpern die Reflexion des störenden Lichtes stattfinde. Es sind hier hauptsächlich drei Möglichkeiten vor- handen. Es kann erstens die Reflexion stattfinden an festen Theilchen. Diese können z. B. Staub, Kohlenpartikel- chen, Blüthenstaub, Infusorien u.a. m. sein, und die An- sicht, dass die Durchsichtigkeit der Atmosphäre wesent- lich von den in derselben suspendierten Theilchen orga- nischen und unorganischen Ursprungs abhänge, ist von mehrern Seiten, besonders von A. de la Rive, hervor- gehoben und durch sinnreiche Hypothesen unterstützt worden. Auch haben die bekannten in neuerer Zeit von — 507 — Tyndall über die Sonnenstäubchen angestellten Versuche zur Kenntniss des in der Atmosphäre suspendierten Stau- bes sehr wesentliche Beiträge geliefert. Allein wenn auch in manchen Fällen besonders in den untern Regionen der Atmosphäre oder in grossen Städten solche feste Theilchen die Luft trüben mögen; so ist diess über dem Meer, über See’n, Wäldern und Eisflächen doch wohl kaum der Fall. Die festen, Licht reflectierenden Theilchen können ferner kleine Eiskrystalle sein; dass diese zuweilen in der Atmosphäre schwebend vorkommen, ist aus den Nebensonnen und dem grossen Hof um Sonne und Mond zu ersehen; wenn diese optische Erscheinung sich zeigt, so hat bekanntlich der ganze Himmel ein eigenthümlich blaugraues Aussehen , das so charakteristisch ist, dass ein geübtes Auge schon daraus auf das Vorhandensein von Nebensonnen oder einem grossen Hofe schliessen kann, bevor es nach Sonne oder Mond sich richtet. Solche Eiskrystalle sind jedenialls kein regelmässiger Bestandtheil der Atmosphäre und können wohl nicht die Ursache des Duftes an heissen Tagen sein. Es kann die Refiexion zweitens stattfinden an flüs- sigen Theilchen, d. h. an den in der Luft schwebenden Wasserbläschen. Dass solche Nebel oft die Atmosphäre trüben in allen möglichen Abstufungen, ist allbekannt; auch hindern sie ohne Zweifel häufig das Sehen ferner Gegen- stände. Allein die Nebel unterscheiden sich durch ein mehr weissliches oder grauliches Aussehen gegenüber der bläulichen Farbe des Duftes; die Nebel sind local mehr beschränkt und bedecken z. B. nur einzelne Par- tieen der Alpenkette, während andere davon frei sind; auch kömmt den Nebeln im Allgemeinen nicht die Gleich- förmigkeit zu, welche dem atmosphärischen Dufte eigen ist; die grössere Veränderlichkeit und Beweglichkeit der- selben, mit der sie oft innerhalb einer kurzen Zeit kom- — 5085 — men und vergehen. kann auch noch erwähnt werden, so wie ihre oft scharfe Abgrenzung gegenüber dem blauen Himmel. Wir wagen es desshalb, die Ansicht auszusprechen, dass der atmosphärische Duft wesentlich bedingt werde durch eine dritte Art der Reflexion, nämlich die Re- flexion an der Luft selbst; eine Ansicht, die auch schon von Andern, z. B. vom Maréchal Vaillant aufgestellt worden ist. Die Atmosphäre darf nicht aufgefasst werden als ein Medium von gleichförmiger Dichtigkeit, sondern sie ist ein inniges Gemenge von Lufttheilen, die durch Temperatur- und Feuchtigkeitsunterschiede verschiedene Dichtigkeit besitzen, so dass jede Linie, die wir durch die Luft ziehen, eine Unmasse verschieden geneigter Grenzflächen von Luftmengen verschiedener Dichtigkeit durchschneidet. Winde und aufsteigender Luftstrom tra- sen wesentlich dazu bei, das Untereinandermengen an einem fort zu erneuern. Verschiedene Erscheinungen, insbesondere das Funkeln der Sterne und das wellen- förmige Zittern der Umrisse ferner Gegenstände geben uns von diesem ungleichförmigen Zustande der Luft Kenntniss. Da nun nach den bekannten Gesetzen der Lichtreflexion an jeder Grenzfläche von Luft verschie- dener Dichtigkeit Reflexion stattfinden muss, so wird eine solche ungleichförmige Luft Licht nach allen Seiten zerstreuen und die Wirkung eines blendenden Schleiers ausüben. Für diese Annahme, dass bei dem atmosphäri- schen Dufte der heissen Sommertage die Ungleichför- migkeit der Luft wesentlich mitbetheiligt sei, sprechen noch folgende Gründe: Wenn am Tage ferne Gegenstände deutlich sichtbar sind, das heisst, wenn kein Duft auf den Bergen liegt, so ist auch des Nachts das Funkeln der Sterne kaum merklich; die schönen warmen Tage zu Anfang Juli 1870 lieferten hiefür schlagende Beweise. Umgekehrt ist des Nachts das Funkeln der Sterne sehr deutlich, wenn am Tage die Berge in Duft gehüllt sind; an solchen Tagen ist dann auch die zitternde Bewegung der Contouren ferner Gegenstände sehr stark sichtbar. Für die ausgesprochene Ansicht spricht ferner der Umstand, dass die Beförderung des aufsteigenden Luft- stromes in der heissen Tageszeit die Bildung des Duf- tes nach sich zieht. Des Morgens und Abends, wenn die Luft mehr gleichförmig ist, sind die fernen Berge mit scharfen Umrissen deutlich zu sehen; zur Mittagszeit, wenn die warme Luft von der durch die Sonne beschie- nenen Erde in starkem Strome aufsteigt, verschwinden sie im Duft. Dass in solchen Fällen der Duft ein feiner Nebel sei, und dass die Wasserbläschen gerade in der heissen Tageszeit sich bilden und am Abend wieder ver- schwinden, ist jedenfalls sehr wenig wahrscheinlich. Wenn nun aber die Reflexion an Luft mithilft, das vom atmosphärischen Duft reflectierte Licht zu erklären, so entsteht von selbst die Frage, ob die gleiche Re- flexion bei dem vom offenen blauen Himmel uns zukom- menden Lichte nicht wesentlich mitwirke; und wir tra- gen kein Bedenken, diese Frage bejahend zu entscheiden. Allerdings haben die schönen Versuche von Tyndall über die Bildung blauer Nebel in Röhren und die Polarisation des von ihnen zurückgeworfenen Lichtes derjenigen An- sicht neue Stütze gegeben, welche das Licht der Atmo- sphäre durch feste und flüssige Partikelchen reflectieren lässt. Allein desshalb lobnt es sich doch zu untersu- chen, ob nicht eine andere Annahme ebenso gut die Art der Polarisation und die Farbe erklären kann. Der Umstand, dass das Maximum der Polarisation in dem Abstand von circa 90° von der Sonne stattfindet, — 910 — lässt die Vermuthung aufkommen, dass dieselbe hervor- gebracht sei durch die Reflexion an der Grenzfläche zweier Medien, deren Berechnungsindices nur um weni- ges aus einander liegen; und diess gilt für die Reflexion an Luft von verschiedener Temperatur. Was nun fer- ner die blaue Farbe betrifft, so lässt sich dieselbe nach der von Brücke ausgeführten Theorie auf die Farbe trüber Medien zurückführen; indem die bekannten Fres- nel’schen Reflexionsformeln uns lehren, dass bei der Reflexion an Körpern, welche das Licht nach der ge- wöhnlichen Reihenfolge zerstreuen, die mehr brechbaren Strahlen im reflectierten und die weniger brechbaren Strahlen im durchgegangenen Lichte vorherrschen müs- sen, und dass diese Erscheinung besonders bei einer mannigfach wiederholten Reflexion merklich auftritt. Da man nun seit den sorgfältigen Versuchen von Ed. Ket- teler weiss, dass die gasförmigen Körper und insbe- sondere die Luft so gut wie Glas und Wasser das Licht dispergieren, so ist sicher, dass mehrfach von Luft re- flectiertes Licht ebenso gut eine bläuliche Farbe zeigen muss als solches, das eine mehrfache Reflexion an Was- ser erlitten hat. Von diesem Entstehen der blauen Farbe durch Reflexion an Luft suchte ich auch direct durch einen Versuch mich zu überzeugen. Es ist einleuchtend, dass hier so gut wie bei der Reflexion an Glas und Wasser die totale Reflexion diesen Umstand am deut- lichsten zeigen muss. Ich wandte desshalb meine Auf- merksamkeit auf die Luftspiegelung, die eintritt, wenn in einem heissen Sommer die Sonne längere Zeit auf die dunklen Steinplatten einer Mauer fällt. Der warme Sommer des Jahres 1570 bot mir die Gelegenheit, Ende Juli und Anfangs August solche Versuche an einer von der Sonne beschienenen Mauer bei Luzern anzustellen. Die Versuche ergaben dabei, dass totale Reflexion statt- — 511 — fand bis zu einem Grenzwinkel des Strahles mit der re- flectierenden Fläche von 8 Minuten; ein Winkel, der er- klärt wird, wenn wir annehmen, dass die Temperatur der Luft unmittelbar über der Mauer 33° C. und die weiter oben 30° C. war. Als Beobachtungsgegenstand diente ein aufrechtstehendes weisses Papier. Wenn man bei einer solchen Beobachtung mit dem Auge von oben herunterkommt und sich langsam der Mauer nähert, so ist deutlich zu bemerken, dass das von der warmen Luft auf der Mauer reflectierte Bild zuerst etwas bläulich ist; d. h. also die blauen Strahlen gelangen zuerst in Folge der totalen Reflexion ins Auge und sind im re- flectierten Lichte vorherrschend. Will man diese bläu- liche Nuance deutlich sehen, so darf das als Object dienende Papier nicht zu stark beleuchtet sein; auch ist es zweckmässig, wenn man es so einrichtet, dass der be- obachtete Papierstreifen noch durch einen kleinen etwas dunklen Zwischenraum von der Mauer getrennt wird, damit bei der Beobachtung Gegenstand und Bild nicht unmittelbar an einander stossen. Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich, dass die Er- scheinung der Polarisation so wie der blauen Farbe des Himmelslichtes ihre Erklärung finden können, wenn man die Reflexion an der Luft als Ursache annimmt. Diese Auffassung hat den andern gegenüber den grossen Vor- zug, dass man dabei gar nichts Fremdartiges iu der Atmosphäre anzunehmen hat. Allerdings sind die Was- serbläschen so häufig in unserm Dunstkreis, dass man sie nicht als etwas Fremdartiges wird gelten lassen; allein es scheint mir doch eine etwas unnatürliche An- nahme, dass die Atmosphäre überall, über der heissen trockenen Wüste so gut als über dem Ocean und den Eisfeldern, im Sommer wie im Winter, in allen mög- lichen Höhen und zu allen Zeiten gleichförmig vertheilte Le" ES ee L Wasserbläschen haben soll. Dass diese letztern bei dem Aussehen des Himmels auch eine grosse Rolle spielen, ist selbstverständlich, allein sie scheinen mir mehr das zu sein, was das reine Blau in mannigfacher Weise mo- dificiert, als was diese gleichförmige Grundfarbe erzeugt. — Dass die wechselnde Stärke der blauen Nuance auf Unterschiede in der Vermengung verschieden warmer und verschieden feuchter Luft zurückzuführen sei, dass somit aufsteigender Luftstrom, Temperatur und Winde das Blau modificieren werden, ist nach Obigem einleuch- tend; es wird sich vielleicht später eine Gelegenheit bieten, diesen Punkt etwas näher auszuführen. RS Nachschrift. Als obige Mittheilung schon im Druck war, kam mir die neue Auflage des Buches von Tyndall über die Wärme zu Gesicht. Daraus ersah ich, dass dieser geniale englische Forscher über die Polarisation des von dem „Dufte“ reflectierten Lichtes und über das Abblen- den desselben durch ein Nicolsches Prisma schon vor einiger Zeit sehr interessante Beobachtungen der Oef- fentlichkeit übergeben hat. Der Umstand, dass ich am 12. August u.f.1869 die Aussicht auf die Berge des Luzer- nersee’s mit dem Nicol musterte, während Tyndall am 23. u. f. desselben Monats die in dieser Hinsicht gewiss noch viel geeignetere Aussicht auf die Walliserberge zum Gegenstand seiner Forschung machte, mag zeigen, dass die Beobachtungen des einen ganz unabhängig von denen des andern waren, was für die Richtigkeit der Thatsache nur sprechen kann. Formel für barometrische Höhenmessung. Von Prof. Eduard Hagenbach. RL LL LS LS LS LS Seitdem ich der naturforschenden Gesellschaft eine kleine Mittheilung gemacht habe, welche beabsichtigte, eine Barometerformel in möglichst übersichtlicher Form aus den zuverlässigsten physikalischen Constanten zu entwickeln, sind mir die sehr schätzenswerthen Schriften von C. M. Bauernfeind und R. Rühlmann'!) über denselben Gegenstand zu Gesicht gekommen. Die erstere dieser Schriften war mir entgangen, die zweite war da- mals noch nicht publiciert. In denselben und besonders in der letztern ist das Wesentliche zu finden, was über Geschichte und Literatur der barometrischen Höhenmes- sungen, die Entwicklung der Formel, die Einführung und Berücksichtigung der verschiedenen Correctionen, die Ausführung der Messungen und Rechnungen und die Anwendung der Resultate der barometrischen Messun- gen auf die Meteorologie zu sagen ist. Die Publication des Folgenden könnte somit überflüssig erscheinen ; ich gebe sie dennoch, da es vielleicht jemandem von Werth sein kann, das Wesentliche übersichtlich zusammenge- stellt zu finden, und da auch meine Rechnung in den Constanten kleine allerdings innerhalb der Grenzen der Beobachtungsfehler liegende Abweichungen zeigt. ) Richard Rühlmann: Die barometrischen Höhenmessungen, Leipzig bei A. Barth, 1870. 34 — 5l4 — Der Druck der Atmosphäre auf die Einheit des Qua- dratcentimeters in einer Höhe von Ah Meter über dem Meeresniveau sei p Gramm. Da es sich hier um die Messung einer absoluten Kraftgrösse handelt, so nehmen wir als Gramm das Ge- wicht eines Cubikcentimeters viergradigen Wassers bei der geographischen Breite von 45° auf Meereshöhe; das Gewicht eines Cubikcentimeters Wassers an einem an- dern Ort der Erde wird dann abhängen von der Aende- rung der Schwerkraft mit der absoluten Höhe und der geographischen Breite. Die Abnahme der Schwerkraft mit der Höhe ed wenn r den Erdradius (6,378,150 Meter) bedeutet, er- halten durch Multiplication mit en 7 wenn wir in freier Luft in die Höhe steigen, und durch 1 LE wenn wir auf einen höhern Punkt der Erde steigen und die Anziehung der dazwischen liegenden Schichten mit in Rechnung bringen. Wir werden die zweite Formel gebrauchen, uns aber zugleich merken, dass, wenn der Berg steil in die Höhe steigt, °/, etwas zu klein ist, und wir dann lieber ®/, oder gar ?/, setzen: Die Aenderung der Schwerkraft mit der geographi- schen Breite berücksichtigen wir durch Multiplication mit 1 — 0.0026257 . cos2y, wo w die geographische Breite bedeutet. Es ist somit das Gewicht eines Cubikcentimeters viergradiges Wasser: ’ Poisson, Traité de mécanique, 2. édit., I, pag. 496. — 919 — (1— 2.2) (1 — 00026257 cos 2). 4 Wird, wie es auch geschieht, das Gramm als das Gewicht des Cubikcentimeters Wasser in Paris definiert, so muss hier schon die Correction gemacht werden, die von der Zurückführung der Schwere in Paris auf die bei 45° herrührt; bei unserer Definition haben wir diese Correction erst später anzubringen. In der Schlussfor- mel kommt es auf das Gleiche hinaus. Wenn wir nun von der Höhe k uns zu der Höhe h + dh erheben, so nimmt der Druck um das Gewicht einer Luftsäule ab, welche einen Quadratcentimeter zur Basis und dh Meter oder 100.dh Centimeter zur Höhe hat. Wir haben desshalb die Gleichung: .hd=— 1-4: =). (1— 0.002657 - cos Ap) - e - 100: dh, wo o das specifische Gewicht der betreffenden Luft- schicht bezogen auf viergradiges Wasser bedeutet. In Folge des Mariotteschen Gesetzes haben wir ferner: IL. Ver, Po Po wo @, und p, zwei zusammengehörige Werthe von specifi- schem Gewicht der Luft und Druck derselben bedeuten. Führen wir den Werth von o aus Gleichung IT in Gleichung I ein, so erhalten wir: += — III. . dh; 1 (1-2. =): (1—0.00263 : cos 2) - und, wenn wir einstweilen o, als constant betrachten und integrieren: 100. lg p— (- A ==" dieselbe Gleichung gilt auch für eine zweite höhere Sta- Br + RR 5) - (1—0.00263 . cos2p)+C; — 516 — tion von der Höhe Æ, wo dann der Druck P gegeben - wird durch die Gleichung: 100 0 100611572 lg P—(— Fl Le 5) (1-0.00263- cos) HC; wird diese Gleichung von obiger subtrahiert, so entsteht: D JR? IV. H— = "lo gs (1+- 0.002683 : cos 2p) +: + NS indem wir den nur sehr wenig von 1 abweichenden, von der geographischen Breite abhängigen Factor bei dem letzten selbst nur sehr kleinen Gliede gleich 1 setzen. Bedeuten b und B Millimeter die auf 0° reducierten Barometerstände an den beiden Stationen, und Q das specifische Gewicht des Quecksilbers, bezogen auf vier- sradiges Wasser, so haben wir: DE £ L'ART | P=75:9:(1- 7:5): 1—0.00283 : cos 2 y) 6 BI ds Sy à TRE a 903 . D pe und P= Q-(1—- =) (1—0.00263 - cos 2 w) : re (NU) ER somit — — EM BET Die Grösse nm ist selbst bei den höchsten Ber- gen, auf denen Vermessungen vorgenommen werden, nur etwa "/iooo, so dass ihr Quadrat vernachlässigt werden kann, wir erhalten somit: H—a U | or b LE log = == log = + Wenn wir diesen Werth in Gleichung IV einführen, so erhalten wir: — 517 — po 100.00 b Enr u, nen — — 06 _— -) n. ı@ 59 . Oo = 1 vr Te (1+0.00263. cos 2) : Ig > 4 r 100.00 Ô H? — }° 7 BE pd A» en A 4 Tr Qo indem wir es vernachlässigen, die schon schr kleine Dr (4 A TERN Grösse 1 — — : —: Riou noch mit 1 + 0.002638. cos 2, 4 or ,; 100.00 das wenig von 1 abweicht, zu multiplicieren. Es handelt sich nun noch um die Einführung der Werthe für die Constanten. 0, und p, Sind zwei zusammengehörige Werthe von specifischem Gewicht der Luft und Druck. Am genau- sten ist dieses Verhältniss bestimmt worden durch Ré- gnault!) in Paris. Er fand, wenn wir die von Lasch?) und Ritter?) angebrachten Correctionen berücksichtigen, das specifische Gewicht der trockenen kohlensäurefreien Luft von 0° unter dem Drucke von 760 Millimeter , be- zogen auf viergradiges Wasser 0.00129322. Da die Luft der Atmosphäre im Durchschnitt 0.000415 Volumentheile Kohlensäure enthält, deren specifisches Gewicht bezogen auf Luft gleich 1.529 ist, so haben wir statt obiger Zahl zu setzen: 0.00129322 (1 + 0.000415 X 1.529) 1.000415 Diess ist die Grösse ou ohne Berücksichtigung der Temperatur und der Feuchtigkeit. Beide Grössen hän- gen von der Höhe h ab, und wenn uns das Gesetz der = 0.00129351. 1) Mém. de l’Acad. des Sciences XXI, pag. 138. 158. ?) Pogg. Ann. Ergänzungsband III, pag. 321. 5) Mém. de la Soc. de Phys. de Genève, XIII, pag. 361. — 5l8 — Abhängigkeit bekannt wäre, müssten wir die entspre- chende Function vor der Integration in Gleichung Ill einführen. Da aber bekanntlich die Aenderung von Tem- peratur und Feuchtigkeit mit der Höhe je nach der geo- graphischen Lage, den herrschenden Winden, der Tag- und Jahreszeit sehr mannigfach wechselt, und uns kein zuverlässiges allgemein gültiges Gesetz bekannt ist, so bleibt uns nichts übrig als für Temperatur und Feuch- tigkeit die mittleren Werthe aus den an der oberen und unteren Station beobachteten Werthen zu nehmen. Bedeutet t die Temperatur der unteren und T die der oberen Station, so erhalten wir die Correction in Folge der Temperatur, wenn wir die gefundene Zahl des specifischen Gewichts der Luft mit 1 + 0.00866 - (+=) dividieren. { Um die Correctur der Feuchtigkeit zu berechnen. nennen wir vorerst W den Procentgehalt der Luft an Wasser dem Gewichte nach; berücksichtigen wir ferner, dass 0.62 das specifische Gewicht des Wasserdampfes bezogen auf Luft ist, bezeichnen wir das specifische Ge- wicht der trockenen Luft mit o, und das der feuchten mit 91, so haben wir: RE 100 Ru Q Tea a ann nn R 0.62 +0 Beträgt nun die absolute Feuchtigkeit an der unte- ren und oberen Station f und F Millimeter Quecksilber- druck, so haben wir für den mittleren Procentgehalt an Wasser: (+2) und somit muss zur Anbringung der Correction der Feuchtigkeit die oben gefundene Zahl des specifischen Gewichtes der Luft noch mit der Grösse: m -62- wol GOT ‘Sud IXX 5090008 sop ‘PUY op “UN (j er Re 4 @ OT: (AG S09 . 895000 +D) : | (Z+ ++). GL'0 + = (Cz+ 1) : G8ST00'0 + 1): S'SCPSI = Y — H 'IIA ot OIP JIM re OS uoutotuog UQUI9 UT Smwggraedor] uoydrfınyeu U9P ITA U[OPUEM -194 pun ‘U JA Sunydroje) 9810 ur U9AUOLYDIAIO/) pun Er UQU9PUNFIS dp unu Ara u9ayun À wwein) F9'BEOT = | JIM U9EUAD OS “CECGC'ET jyez ouopunpog (, J[nwuS 9 uoA OIP TISSU AA SOSIPEISIOIA NE U080704 SIOQIISHION) S0p JUOIMON) oyosyrods sep an nF JOUIOF JM UOUUON 519 WU) (4,06 087 + & S09 : 895000 — L) : Lee . 2 1) ‘18 ,0G 087 UOA 991 ouosrqdeisoo$ outo pun J$0I[ 0109J{ wop doqn A049 09 Sep ‘SL UT JOSSUAA SOSIPULSIOIA SOUL AOPWHUIDNTINI UT JSOIA I9S01D YEN ‘UOHIUHO( 1081Q0 qouu UOLUUBIL) ur JOUHIOIDHSNE AJOUT) 9), UOA O[NBSIOIISHOONŸ) JOUI Yonıq rqnodsne 9F9UHUONFEIPENT) T JNE Aop JSSIOU sep “ujoyprwio nz °d 9SSOI) 91P Yoou unu JS ST ‘U9PIOM JHOTPIAIP (LE + <)-6r0 +1 — 520 — In dieser Formel beziehen sich die kleinen Buch- staben auf die untere und die grossen auf die obere Station, und es bedeuten: t und T die Temperaturen der Luft, gemessen in Celsiusgraden; f und F die absoluten Feuchtigkeiten, gemessen in Millimetern Quecksilberdruck; b und B die auf 0° reducierten Barometerstände, ge- messen in Millimetern; y die geographische Breite des Beobachtungsortes; r den Erdradius gemessen in Metern (6,378,150). Die Grösse H—h wird in Metern erhalten. Man berechnet sich zuerst H—kh vermittelst des ersten aus 5 Factoren bestehenden Gliedes; mit Hülfe der gefundenen Grösse und der Grösse h, die entweder bekannt ist oder angenähert aus b gefunden werden kann, berechnet man dann noch das kleine letzte Correc- tionsglied nach der Formel: qu: PACE ER ER T METEOROLOGIE. LL SL Verschiedene gesammelte Notizen Prof. Eduard Hagenbach. m SLR PS LS Im Nachfolgenden gebe ich eine Zusammenstellung einiger sehr lückenhafter, verschiedene Erscheinungen aus dem Gebiete der Meteorologie betreffenden Beob- achtungen; die wenigsten rühren von mir selbst her; ich entnehme sie zum grössten Theile sehr verdankens- werthen Mittheilungen, die mir von verschiedenen Seiten zugekommen sind. Starker Hagel. Am 31. Juli 1869 entlud sich über Basel ein star- kes Gewitter mit einem Hagel, der in der Stadt sehr viele Fensterscheiben zerschlug und in der Umgebung viel an Feld- und Baumfrüchten schadete. Besonders hart mitgenommen ward das Laimenthal, indem die amt- liche Schatzung des Hagelschadens für dasselbe nebst Gempen und Hochwald 241,000 Fr. betrug. Bei diesem Hagel war es weniger die grosse Zahl der Schlossen, als ihre aussergewöhnliche Grösse, die den Schaden an- richtete. Es fielen breite zackige Eisstücke, so gross wie Baumnüsse, mit einem weissen Kern von Haselnuss- grösse. Es wird von einem Stück berichtet, das 81/, Loth (133 Gramm) wog. Die grosse Wucht der Hagel- körner war auch aus dem Umstande zu ersehen, dass LOVE an mehreren Orten nur runde Löcher aus den Fenster- scheiben ohne weitere Zertrümmerung derselben heraus- geschlagen wurden. — Im Museum an der Augustiner- gasse wurden sämmtliche Oberlichter der Gemäldegal- lerie sowie die Fenster an der Südwestseite gegen den Hof zertrümmert; dabei litten die gemalten Glasscheiben im Handzeichnungensaal grossen Schaden. — Die schö- nen Scheiben im Grossrathssaal, auf welche die Kan- tonswappen gemalt sind, haben arge Beschädigungen davon getragen. Erdbeben. Am 26. Februar 1870, Mittags 12 Uhr 20 Minuten, wurdean mehreren Punkten der Stadt Basel ein Erdstoss ver- spürt. Derselbe war mit einem dumpfen Getöse begleitet, das mit dem Rollen eines unterirdischen schnell dahin- fahrenden Wagens verglichen wurde. — Von Laufenburg, Frick und Zofingen wurde von demselben auch berichtet. Tags darauf, am 27. Februar, kurz nach 7 Uhr Morgens erfolgte ein zweiter Stoss. Nordlichter. 13. Mai 1869. Abends zwischen 7 und 9 Uhr war in Basel ein Nordlicht zu sehen. | Hr. Telegraphist C. Heer sammelte einige Beob- achtungen über die dabei eingetretenen Störungen in den Telegraphenleitungen. Von sechszehn Telegraphenleitungen, die vom Bas- ler Bureau ausgehen, waren sechs (Bregenz, Paris ], Paris II, Winterthur, Karlsruhe, Luzern) beinahe auf die Dauer von zwei Stunden dienstunfähig, während auf den übrigen, wo die Erdströme schwächer waren, dennoch correspondiert wurde. Die Beobachtung der Galvanometernadel ergab fol- gende Ablenkungen: — 929 — Bregenz 26° Winterthur 20° Olten (direct) 110 Paris I 20° Karlsruhe 180 Olten (indirect) 80 Paris II 20° Luzern 14° St. Gallen 8 (Der Leitungsdraht nach Bregenz hat einen Durchmesser von fünf, die andern Leitungen haben nur einen Durch- messer von drei Millimeter.) Keinen merklichen Einfluss der Erdströme zeigten die Linien nach Zürich (direct), Zürich (indirect), Bern, Chaux-de-Fonds, Mülhausen, Badischer Bahnhof, Genf (unterbrochen). 5. April 1870. Ein Nordlicht bei Basel beobachtet vor und nach 8 Uhr durch Hrn. Prof. Bischoff-Burckhardt. 24. September 1870. Ein Nordlicht in Basel beobachtet Nachts halb 11 Uhr von Hrn. Rud. Höflinger und Hrn. Prof. Teichmüller. 21. October 1870, Ein Nordlicht in Basel beobachtet Abends 7°/, Uhr von Hrn. Dir. Theod. Hoffmann-Merian. a 024.0.eto.bier 1870. Einséhr starkes Nordlicht wurde Abends in Basel allgemein beobachtet. So ergab z.B. eine Nachfrage in der zweiten Classe der Gewerbeschule, dass ein Drittel der Schüler es gesehen hatte. Anfang etwa 6'/, Uhr; am stärksten War es etwa nach 8 Uhr und nahm dann bis etwa um 91, Uhr ab, wo es aufhörte. Die Telegraphenleitung Basel-Frankfurt war während zwei Stunden unbrauchbar. Die Linien Basel-Paris und Basel- Strassburg waren wegen des Krieges ausser Dienst, sonst hätte sich an denselben wohl auch die Wirkung gezeigt. 25. October 1870. Auch an diesem Abend war zwischen 8 und 9 Uhr wieder ein sehr starkes Nordlicht zu sehen, das ich unter andern auch selbst beobachtete, Der Himmel war etwas bedeckt und die Röthe schien durch den Nebel hindurch, so dass man von Strahlen nichts bemerken konnte. Hr. Prof. C. E. E. Hoffmann sah dieses Nordlicht in Darmstadt. — D24 — 12. Februar 1871. Ein Nordlicht in Basel be- obachtet Abends 8%/, Uhr durch die Herren Architekt Reber-Burckhardt, Prof. Schiess u. a. m.; in Arlesheim durch Hrn. Burckhardt-Alioth. 22. März 1871. Nach Aussage des Hrn. Telegra- phisten Heer waren an diesem Tage Störungen durch Erdströme in den Drähten der Frankfurter- und Genfer- linie schwach schon Nachmittags, stark und anhaltend Abends bemerkbar. 18. April 1871. Ein sehr schönes Nordlicht be- obachtet in Basel von 8 Uhr 45 Min, bis 9 Uhr 5 Min. (Vergl. Basler Nachrichten vom 20. April 1871.) Nach einer durch Hrn. Theod. Hoffmann-Merian vermittelten Nachricht war an dem gleichen Tage in Atridaberg bei Norrköpping in Schweden ein ausserordentlich schönes Nordlicht mit Strahlengarben zu sehen. Meteore. Am 11. Januar 1870, Morgens 5 Uhr 47 Minuten wurde in Basel, wie mir Hr. H. Mieg berichtete, ein Meteor von der scheinbaren Grösse des Vollmondes mit blendend weissem Lichte gesehen, das von Nordwest nach Südost fiel und einen hellen Lichtstreifen hinter sich liess. Meteorologische Optik. 21. April 1870. Abends zwischen 5 und 6 Uhr grosser Hof um die Sonne. 1. November 1870. Abends 7°/, Uhr Mondregen- bogen nach Aussage des Hrn. Rud. Höflinger. 29. März 1871. Abends 7 Uhr schöner kleiner Hof um den Mond. Folgende Farben waren von innen nach aussen sichtbar; weiss, gelb, roth, grün, roth. Rd RE PAP pps Pope dunpeypurg "I wm U9JUIIOS - YSPIQUIO) JP ı ‘BINP-LI[SP un > et f NA PU12]82ÊUIISIU 7 - 7 yppyomp — y JSOPION U0A JD SU “U9$ TU 19q S9[EU}U9IPI sap SSIauf) ur MIVAVHNL NOA INAYTOVINTA ‘a Free Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft BASEL. Fünfter Theil. Viertes Heft. Basel. Schweighauserische Verlagsbuchhandlung. 873. | Sehreigbansrische Buchdruckeri. ER N 1 Ré w f À # r 24 . AU HAN) Gi À À BOTANIK. Die Flechten als Parasiten der Algen. Von | S. Schwendener. Sense Dem Wunsche des Vorstandes unserer Gesellschaft entsprechend, habe ich es unternommen, dem in der Ueber- schrift bezeichneten, in neuester Zeit viel besprochenen Thema auch an dieser Stelle eine kurze Erörterung zu widmen und die wichtigeren Ergebnisse der einschlägigen _ Untersuchungen darzulegen. Die Flechten oder Lichenen werden von den meisten botanischen Schriftstellern der nachlinnéischen Periode bis zur Gegenwart als eine der Hauptabtheilungen der Kryp- togamen betrachtet und demzufolge in den Pflanzensystemen als ebenbürtiges Glied neben Algen, Pilzen, Moosen u. s. w. aufgezählt. Sie haben, wie alle diese Klassen, ihre be- sondere und zwar eine sehr ansehnliche Speeialliteratur, welche gerade in allerneuester Zeit durch eine Reihe werthvoller Schriften bereichert wurde. Ich erwähne, als Belege hiefür, nur die bedeutenderen Werke dieses Jahr- hunderts. Nachdem schon im Jahr 1794 Hoffmann’s „Enumeratio Lichenum iconibus et descriptionibus illustrata“ erschienen war, folgte 1810 das grosse Flechtenwerk von Acharius, die „Lichenographia universalis“, sodann 1814 die „Synopsis methodica Lichenum“ des nämlichen Ver- fassers, 1825 die Untersuchungen von G. F. W. Meyer : 35% — 528 — über „Entwicklung, Metamorphose und Fortpflanzung der Flechten“ und ungefähr gleichzeitig die zweibändige „Natur- geschichte der Flechten“ von Wallroth, 1831 die „Liche- nographia Europaea reformata* von Elias Fries, 1823 bis 1842 das grosse Werk Schaerer’s über die Flechten der Schweiz, betitelt: Lichenum helveticorum spieilegium, 1850 dessen „Junumeratio critica Lichenum Europaeorum*, 1855 das „Systema Lichenum Germaniae* von G. W. Körber, 1860 Nylander’s „Synopsis methodica Liche- num“, 1861 das „Manual of British Lichens* von W. Mudd, 1865 die Körber’schen „Parerga lichenologica*, 1867 die „Geschichte und Litteratur der Lichenologie“ von A. v. Krempelhuber (zwei Bände), 1872 die erste Lieferung der „Lichenographia scandinavica* von Th. M. Fries und die „Genera Lichenum, an Arrangement of … the North American Lichens* von E. Tuckerman. Rechnet man hiezu die zahlreichen kleineren Schriften, Originalabhandlungen, Localfloren, Sammlungen getrock- } neter Flechten ete., so erhält man eine lange Liste von „Lichenologica“, welche uns deutlich genug sagt, wie sehr die Auffassung der Flechten als einer besonderen Pflanzen- klasse historisch begründet und wie tief sie eingewurzelt ist. Die Zahl der Arten, welche die Abtheilung der Flechten umfasst, ist eine sehr bedeutende. Nach dem vorhin erwähnten vortrefflichen Werke von Krempel- huber beträgt dieselbe gegenwärtig über 5000, und die … Zahl der Individuen, welche auf einem verhältnissmässig … kleinen Umkreis an Felsen, Baumrinden, Bretterzäunen ete. gesellschaftlich beisammen leben, steigt tief in die Millionen hinein. Von diesen zahlreichen Arten sind die einen strauchartig verzweigt, wie z. B. die Bartflechte (Usnea), das isländische und das Rennthiermoos (Cetraria islan- dica, Cladonia rangiferina), andere laubartig und dann . der Unterlage mehr oder weniger angepresst, wie z. B. en . — 529 — Peltigera, Sticta, Parmelia ete., noch andere krusten- artig und mit der Unterlage innig verwachsen, wie Lecidea, Pertusaria u. 2. Die meisten grösseren Repräsentanten dieser Formen- reihen, zumal der strauch- und laubartigen Flechten, sind habituell so ausgezeichnet und eigenartig, dass sie in der That eme besondere, wohl charakterisirte Gruppe zu bilden scheinen. Nur bei den Krustenflechten kommen allerdings Formen vor, welche sich äusserlich eng an gewisse Pilze aus der Abtheilung der Ascomyceten anschliessen und mit denselben auch in den Fruchtmerkmalen überein- stimmen; hier verräth sich auch dem unbewaffneten Auge die innere Verwandtschaft. Viel wichtigere Anhaltspunkte für die Vergleichung der Flechten mit den Pilzen lieferten indessen die neueren Untersuchungen über den Bau und die Entwicklungsweise ‚der vegetativen und der reproductiven Organe. Hier zeigte sich eine so weitgehende Uebereinstimmung in den mor- phologischen Merkmalen, ja man kann sagen in den wesentlichsten Grundzügen des Aufbaues und der Structur, dass von nun an jeder Unbefangene zum mindesten ein näheres Verwandtschaftsverhältniss zwischen den beiden Klassen zugeben musste. Es mag mir gestattet sein, die wichtigeren Punkte, in welchen diese Verwandtschaft sich ausspricht, hier in gedrängter Kürze hervorzuheben. 1) Die Flechten haben mit den Pilzen die Art des Aufbaues oder der Gewebebildung gemein. Der Thallus besteht nämlich aus verästelten Zellfäden, von denen jeder einzelne durch Theilung der Scheitelzelle und etwa noch der nächstliegenden Gliederzellen in die Länge wächst. Die Scheidewände, welche bei diesem Theilungsprocess auftreten, stehen sämmtlich rechtwinklig zur Längenaus- dehnung des Zellfadens; andere Theilungen kommen gar — 530 — nicht vor. Auch wo der ältere Thallus aus einem zier- lichen Parenchym zu bestehen scheint, lässt sich durch das Studium der Entwicklungsgeschichte nachweisen, dass dieses Gewebe bloss durch seitliche Verwachsung der einzelnen Fäden und ihrer Verästlungen zu Stande kommt. Ein solches Parenchym hat demnach einen ganz anderen Ursprung, als dasjenige der Algen, Moose und der Ge- fässpflanzen, wo die nämliche Zelle sich nach verschiedenen Richtungen des Raumes theilt, indem sich die späteren Wände an die vorhergehenden ansetzen. 2) Die Fructificationsorgane der Flechten entsprechen genau denjenigen der Ascomyceten. Es gehören hiezu die schon längst bekannten Apothecien, deren Gehäuse bald tellertörmig offen erscheint, wie bei den Diseomyceten, bald kugelförmig und in das Gewebe eingesenkt, wie bei den Pyrenomyceten. Die reproductive Schicht besteht im Wesentlichen aus Schläuchen (asci), in welchen die Sporen durch freie Zellbildung entstehen. — Als regelmässige Begleiter der Apothecien sind ferner die Spermogonien zu nennen; es sind diess Behälter, welche fast immer in das Gewebe eingesenkt sind und nur mittelst eines sehr engen Canals nach aussen münden. Sie erzeugen auf zarten Fäden, welche die Höhlung nahezu ausfüllen, die sogenannten Spermatien, welche sich leicht ablösen und unter dem Einfluss der Feuchtigkeit, in Gallerte einge- hüllt, durch den genannten Kanal hervorquellen. Die Be- deutung dieser Gebilde ist zur Zeit noch zweifelhaft. Endlich kommt bei einzelnen Flechten, häufiger bei Pilzen, noch eine dritte Form von Fortpflanzungsorganen vor, nämlich die Pyeniden. Dieselben haben im Ganzen das Aussehen der Spermogonien, unterscheiden sich aber von diesen durch die beträchtlichere Grösse der Fortpflanzungs- zellen (Stylosporen), welche von den reproductiven Hyphen, den sogenannten Sterigmen, abgeschnürt werden. Ihre MR [7 PA 4 Le Pr — 531 — Rolle im Entwicklungsgang der Pflanze ist bis auf den heutigen Tag ungenügend bekannt. Im Ganzen sind es also dreierlei Reproductionsorgane, welche bei Pilzen und Flechten in völlig übereinstimmenden Formen zur Entwicklung kommen, und wenn auch die Bedeutung derselben für das Leben dieser Gewächse zum Theil noch unerforscht ist, so verräth doch ihr blosses Vorhandensein ganz unverkennbar einen sehr nahen Ver- wandtschaftsgrad. | Diesen Thatsachen gegenüber stand nun aber immer noch ein wichtiges unterscheidendes Merkmal, das man von jeher als Kriterium der Flechten im Gegensatz zu den Pilzen zu betrachten pflegte. Es ist diess das Vorkommen grüner Zellen im Gewebe der Flechten. Diese grünen Zellen oder Gonidien bilden gewöhnlich auf der Lichtseite des Thallus, weil sie hier in grösserer Anzahl zwischen die farblosen Hyphen eingestreut sind, eine auf Durchschnitten deutlich hervortretende grüne Zone, das „stratum gonimicum“ der Autoren; nur in wenigen Fällen sind sie nahezu gleichmässig auf die ganze Dicke des Thallus vertheilt. Der Farbstoff, dem diese Zellen ihre Färbung verdanken, ist identisch mit dem Chlorophyll der Algen und der höheren Gewächse; es ist der Stoff, der die vegetabilischen Organismen befähigt, unter Mitwirkung des Sonnenlichtes aus unorganischen Nährstoffen die zum Leben erforderlichen organischen Säfte zu bereiten oder, was dasselbe ist, zu assimiliren. Die Gonidien sind demnach die einzigen assimilirenden Organe der Flechten; sie sind es, welche dieselben der Noth- wendigkeit überheben, auf anderen Pflanzen oder deren Zersetzungsproducten zu schmarotzen. Und in der That finden wir eine grosse Zahl von Flechten an Standorten, die ihnen keine andere als nur unorganische Nahrung liefern können, und selbst diejenigen, welche auf Baum- — 532 — rinden u. dgl. angewiesen sind, ziehen ihre Säfte niemals aus den lebensfähigen Theilen der Gewebe. Man kann also immerhin sagen, dass die Flechten zu den auf andere Organismen angewiesenen Pilzen, deren Schmarotzerthum keine Ausnahmen kennt, hinsichtlich ihrer Lebensweise in einem auffallenden Gegensatze stehen. Es ist auch keinem Zweifel unterworfen, dass die in Rede stehenden grünen Zellen des Flechtenthallus mit den farblosen Hyphen desselben anatomisch zusammen- hängen und dass ihre Vermehrung im Innern des Ge- webes mit dem Wachsthum des Thallus ungefähr gleichen Schritt hält. Ich habe diese Verhältnisse in früheren Veröffentlichungen eingehend beleuchtet und namentlich auch gezeigt, dass die Vermehrung durch gesetzmässige Theilung derselben nach verschiedenen Richtungen des Raumes (nur bei den Collemeen bloss nach einer Rich- tung) erfolgt. Zuweilen sterben ganze Lagen von Gonidien allmälig ab; die inzwischen neu entstandenen setzen als- dann mit den übrig gebliebenen älteren die assimilatorische Thätigkeit fort. Es verhält sich damit, wie mit den Blät- tern eines Baumes: die älteren fallen ab, allein es kommen neue, welche die begonnene Arbeit weiter führen. Eine andere von Wallroth aufgestellte Ansicht be- züglich der Gonidien hat dagegen durch die neueren Arbeiten eine wesentliche Einschränkung erfahren: ich meine die Lehre von der ungeschlechtlichen Fortpflanzung der Flechten durch Soredien. Wallroth und seine Nach- folger hielten die Soredien für blosse Anhäufungen grüner Zellen, welche unter Umständen die Rinde durchbrechen und sich von der Mutterpllanze ablösen, um auf fremder Unterlage zu einem neuen Thallus heranzuwachsen. Diese Annahme beruht jedoch, wie sich ohne Schwierigkeit zeigen lässt, auf einem entschiedenen Irrthum. Die Sore- dien bestehen ausnahmslos aus einer Vereinigung von — 533 — grünen Zellen mit farblosen Hyphen, welche jene um- hüllen, und der Aufbau des Thallus bei der Entwicklung der Soredienanflüge vollzieht sich in der Art, dass die Hyphen das ganze nichtgrüne Gewebe bilden, indess die Gonidien stets nur gleichartige, d. h. grüne Zellen er- zeugen. Nur wenn die Gonidien abgestorben sind, er- scheinen allerdings ihre farblosen Membranen, zumal wenn sie rings von parenchymatischen Zellen umgeben sind, als Bestandtheile des Gewebes. Diese Thatsachen stehen übrigens mit der Auffassung der Gonidien als Organe der Flechten keineswegs im Widerspruch; sie lassen überhaupt diese Frage unberührt und sollen nur dazu dienen, das Verhalten der Gonidien in den verschiedenen Zuständen festzustellen und die be- züglichen Anschauungen der Autoren genauer zu präcisiren. Nur soviel geht allerdings aus diesen Thatsachen klar hervor: die Gonidien erinnern durch ihre Theilungsweise und Gruppirung, durch die Beschaffenheit ihrer Membranen und die Natur des Inhalts unwillkürlich an gewisse ein- zellige Algen, die hier gleichsam zum zweiten Mal, aber nur als Theile höherer Organismen, zum Vorschein kommen. Ja die Nachbildung erweist sich hie und da, so namentlich bei den Collemaceen, als eine so getreue, dass es gar nicht möglich ist, dieselbe vom Original sicher zu unterscheiden. Ich gehe jetzt zu den neuesten Forschungen auf diesem Gebiete über, durch welche die ganze bisherige Auffassung der Gonidien in Frage gestellt wird, indem einerseits der genetische Zusammenhang derselben mit den Hyphen sich als unerwiesen herausstellt und andererseits die Uebereinstimmung mit den Algen in einem viel helleren Lichte erscheint. Um mich in der Darstellung dieser Verhält- nisse nicht allzu sehr in Einzelnheiten zu verlieren, fasse ich die wichtigeren Punkte, auf die es ankommt, kurz zusammen. — 534 — 1) Die Stiele, welche die Verbindung zwischen den Gonidien und den farblosen Hyphen herstellen, beweisen nicht, dass die Gonidien an diesen Stielen entstanden sind. Denn erstens ist die allmälige Entwicklung der Gonidien durch Anschwellung der Endzelle eines solchen Stieles und spätere Grünfärbung des Inhalts von Nie- manden beobachtet, sondern nur aus fertigen oder zwei- deutigen Zuständen gefolgert worden. Andererseits habe ich an gallertartigen Flechten, wo dergleichen Stielzellen häufiger vorkommen, mit vollständiger Sicherheit nachge- wiesen, dass sie durch Verwachsung oder Copulation eines Faserastes mit einem ausgebildeten Gonidium entstehen und folglich mit der Entwicklung des letzteren nichts zu thun haben. Man sieht zuweilen zwei und drei solcher Stiele, die von der nämlichen Faser abgehen, mit Gliedern einer zusammenhängenden Gonidienkette verbunden, was offenbar nicht möglich wäre, wenn die Gonidien, etwa wie Kirschen oder Aepfel, mit ihren Stielen in genetischer Beziehung ständen. 2) Die Gonidien der meisten laub- und strauchartigen Flechten sind geradezu identisch mit Cystococeus hu- micola, einer der grösseren einzelligen Algen aus der Gruppe der Palmellaceen. Und zwar handelt es sich hier keineswegs um Dinge, die leicht zu verwechseln wären, sondern um ausgebildete grüne Zellen mit doppelteon- tourirter Membran, excentrischer heller Stelle im Inhalt und mit deutlichem Zellkern, also um Gebilde, die sich durch characteristische Merkmale auszeichnen. — Genau dasselbe gilt von den Gonidien der Roccellen und ver- schiedener Krustenflechten, weiche mit einer andern Alge aus der Verwandtschaft der Conferven, nämlich mit Chroolepus, in ebenso augenfälliger Weise überein- stimmen. — Bei anderen Krustenflechten lässt sich freilich die Identität der Gonidien mit bestimmten Algen nicht so E À 4 | Fr M à - : Le ei 2 LEA FE RE TE TRIER — 5355 — leicht nachweisen, aber offenbar nur wegen Mangel an Anhaltspunkten. Es kommen auch hier Fälle genug vor, wo zwischen den frei vegetirenden (zum Theil noch un- bestimmten) Algenindividuen, welche mit irgend einer Flechte auf dem nämlichen Substrat vorkommen, und den Gonidien der letzteren absolut kein wahrnehmbarer Unter- schied besteht. 3) Die eben genannten Algen, Cystococcus und Chroolepus, pflanzen sich im freien Zustande durch Schwärmsporen fort, welche in grosser Anzahl in den einzelnen Zellen entstehen und nach ihrem Freiwerden zu neuen Individuen heranwachsen. Es ist diess eine Fortpflanzungsweise, welche eine Reihe von grösseren und kleineren Algengruppen characterisirt, so z. B. die Con- fervaceen und Volvocineen, dann die grosse Abtheilung der Mesogloeaceen unter den Meeresalgen (Ectocarpeen, Myrionemeen, Sphacelarieen, Laminarieen etc.). Die näm- liche Fortpflanzungsweise ist nun auch an Gonidien be- obachtet worden, welche auf feuchter Unterlage einige ‘Zeit cultivirt worden waren. Zwar haben die Beobachter, Famintzin und Baranetzky, diese Thatsache einfach so gedeutet, dass sie den Gonidien, die sie nach wie vor als Organe der Flechten betrachteten, die Fähigkeit zu- schrieben, im freien Zustande ein algenähnliches Dasein zu fristen und sich durch Schwärmsporenbildung zu ver- mehren; hiernach müssten folgerichtig diejenigen Algen, die sich mit Flechtengonidien als identisch erweisen, aus der Liste selbständiger Pflanzen gestrichen werden. Ich kann indessen nicht zugeben, dass diese Deutung der fraglichen Kulturergebnisse eine befriedigende sei. 4) Einzelne Flechten, die freilich vom gewöhnlichen Typus mehr oder weniger abweichen, wie z. B. Ephebe und Spilonema, besitzen ein Gonidiensystem mit Schei- telzelle und Gliederzellen, d. h. mit selbständigem Spitzen- — 536 — wachsthum; sie gewähren überhaupt ganz den Eindruck von Algenfäden, welche von Pilzhyphen überwuchert wurden. Insbesondere hat das Nylander’sche Gonionema velu- tinum genau das Aussehen eines schwach übersponnenen Scytonema; ja es kommen übersponnene neben unver- änderten Fäden in demselben Rasen vor. Alle diese Thatsachen sind schon seit einer Reihe von Jahren bekannt und soweit sie sich auf Gallertflechten beziehen, deren Gonidien gewissen Chroococcaceen und Nostocaceen entsprechen, schon von de Bary in seiner 1866 erschienenen „Morphologie und Physiologie der Pilze und Flechten“ (pag. 290 und 291) gebührend hervorge- hoben worden. De Bary dachte bereits an die Möglich- keit, dass die Gonidien der Gallertflechten (Collemen, Epheben u. s. f.) typische Algen sein könnten, welche nur dadurch in das Innere des Flechtenlagers gelangen, dass sie von gewissen parasitischen Ascomyceten über- wuchert werden. Für diesen Fall glaubte jedoch de Bary die in Rede stehenden Gewächse nicht mehr als Lichenen betrachten zu dürfen; er wählte daher die Be- zeichnung ,Pseudolichenen“. Neben dieser Möglichkeit liess indess de Bary ausdrücklich auch die entgegenge- setzte als gleichberechtigt stehen: dass nämlich die Gal- lertflechten die vollkommen entwickelten, fructificirenden Zustände von Gewächsen seien, deren unvollständig ent- wickelte Formen als Nostocaceen und Ühroococeaceen bisher unter den Algen standen. Je nachdem die eine oder die andere dieser Möglichkeiten dem wirklichen Ent- wicklungsgange entspricht oder entsprechend gedacht wird, hätten wir es also mit ,Pseudolichenen“ oder aber mit eigenthümlichen Jugendzuständen zu thun, deren Ueber- gang zu höheren Formen erst näher zu untersuchen wäre. In beiden Fällen aber bleiben die eigentlichen Lichenen, d.h. alle die Strauch-, Laub- und Krustenflechten, welche TRIER ER ln Te ER — 537 — im Körber’schen „Systema Lichenum Germaniae“ ungefähr °/ des Buches ausfüllen, in ihrer bisherigen Stellung unangetastet. Hier hat de Bary bezüglich der bis dahin allgemein angenommenen genetischen Beziehung zwischen Hyphen und Gonidien keinerlei Zweifel ausgesprochen. Selbst die Schwärmsporenbildung in den Chroolepus- Gonidien der Graphideen ist ihm nur ein Beweis, „dass hier der Entwicklungsgang nicht auf die Bildung von Thallus, Apothecien und Spermogonien beschränkt ist“ (l. e. pag. 292). Ich gestehe, dass ich in dieser Annahme, wonach also bloss noch die Entwicklung der Schwärmsporen fest- zustellen wäre, um unsere beschränkten Kenntnisse über den Kreislauf des Lebens zu vervollständigen, niemals die endgültige Erklärung der im Vorhergehenden erwähnten Thatsachen zu erblicken vermochte; allein es fehlten mir zunächst noch die Anhaltspunkte, um eine befriedigendere Lösung mit einiger Aussicht auf Erfolg begründen zu können. Die erste Veranlassung, einen entschiedenen Schritt weiter zu gehen, gaben mir erst die Beobachtungen, welche ich im Winter 1866/67 zu machen Gelegenheit hatte. Ich verfolgte damals das Eindringen von farblosen Hyphen in Nostoc- und Glococepsa-Colonien und die da- durch eingeleitete Entwicklung des Collema- und Ompha- laria-Thallus, worüber ich seitdem in meinen ,Algentypen der Flechtengonidien* das Nähere mitgetheilt habe. Aber noch wichtiger als das war mir die Beobachtung, dass auch Fadenalgen aus der Gruppe der Scytonemeen oder Rivularieen in ähnlicher Weise von pilzähnlichen Fasern übersponnen und durchwuchert und so zu Gonidien (d. h. zu grünen Zellen) in einem parenchymatischen Gewebe wurden, welches ich mit Sicherheit als Jugendzustand einer mit Racoblenna verwandten Flechte erkannte. Hin und wieder fand ich auch vorgerücktere Stadien mit — 938 — normal ausgebildetem Gewebe, aus welchem aber noch kleinere oder grössere Stücke von Scytonema-Scheiden hervorragten. Es lag hier klar am Tage, dass die m Rede stehenden Algen nicht etwa als freigewordene Goni- dien zu betrachten waren, sondern dass umgekehrt die Gonidien nichts anderes sein konnten, als überwucherte und dadurch mehr oder weniger veränderte Alsen. Dazu kommt, dass Racoblenna und deren Verwandte nicht zu den eigentlichen Gallertflechten (Collemen, Omphalarien etc.) gehören, sondern in Beziehung auf Gewebebildung unge- fähr auf der:Höhe von Pannaria stehen und sich also mehr den kleinschuppigen Krustenfiechten anschliessen. Sie stehen auf einer Stufe, welche durch alle nur wünsch- baren Uebergänge mit ächten laubartigen Flechten ver- bunden ist. Diese Thatsachen waren für mich entscheidend; ich war von jetzt an fest überzeugt, dass auch andere Flechten, vor Aliem diejenigen mit blaugrünen Gonidien (Pannaria, Heppia etc.), in einem ähnlichen Verhältniss zu gewissen Algen stehen, wie Racoblenna, und nachdem ich noch verschiedene Lichenen mit Üystococcus- und Chroolepus-Gonidien genauer angesehen hatte, war meine gegenwärtige Ansicht, dass die grünen Zellen sämmtlicher Flechten von überwucherten Algen herrühren, subjectiv festgestellt.- Es konnte sich jetzt, meiner Ueberzeugung gemäss, nur noch darum handeln, das Material zur ob- jectiven Beweisführung zu vervollständigen. In diesem Sinne habe ich mich noch während meines Aufenthaltes in München verschiedenen Fachgenossen gegenüber aus- gesprochen. Meine Uebersiedlung nach Basel hatte leider eine längere Unterbrechung meiner Untersuchungen zur Folge; doch fand ich immerhin Gelegenheit, einzelne weitere Be- obachtungen zu machen, die mich in meiner Ueberzeugung befestigten. Im Herbste 1867 hielt ich über diesen Gegen- TE NEIGEN — 539 — stand einen längeren Vortrag in der schweizerischen Natur- forscherversammlung in Rheinfelden, wo ich meine An- sicht zum ersten Mal Öffentlich aussprach und durch grosse colorirte Abbildungen zu veranschaulichen suchte. Seitdem habe ich die Untersuchungen gelegentlich weiter gefördert, und es ist mir gelungen, die Belege für meine Theorie in wesentlichen Punkten zu vervollständigen. Die Zahl der Alsengattungen, die ich mit Sicherheit oder doch mit grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit als Gonidien- bildner erkannte, stieg allmälig auf ungefähr ein Dutzend, worunter sämmtliche Gruppen der blaugrünen Nostochinen mit Ausnahme der Oscillarien, sowie einige Typen der chlorophyligrünen Algen vertreten sind. Das Nähere hierüber habe ich in den vorhin schon erwähnten „Alsentypen“ (Basel 1869) zusammengestellt. Auf diese Arbeit muss ich hier verweisen, da eine Darlegung der Einzelnheiten ohne die nöthigen Abbildungen absolut unverständlich wäre; doch mag es mir gestattet sein, die erhaltenen Resultate kurz zusammen zu stellen und einige nachträgliche Beobachtungen am geeigneten Orte einzuschalten. Die gonidienbildenden Algentypen vertheilen sich hienach auf folgende Familien. 1) Sirosiphoneen. Dieselben bilden in einem nur wenig veränderten Zustande das Gonidiensystem von Ephebe und Spilo- nema; die Alge behält hier ihr Scheitelwachsthum und ihre normale Verzweigungsweise bei und beherrscht da- durch die morphologische Gliederung des Thallus. Schon etwas weiter geht die Veränderung in den Cephalodien von Stereocaulon, wo ganze Gruppen von Sirosiphon- individuen von den zarten Hyphen des Thallus überwuchert werden, so dass oft nur noch die aus den Faserknäuein hervorstehenden Scheitel den Ursprung der grünen Zellen verrathen. Die grösste Umgestaltung endlich erfährt der — 540 — Gonidienbildner, sofern die betreffende Beobachtung sich bestätigt, bei Polychidium muscicolum, wo jede Spur einer selbständigen Gestaltung des Gonidiensystems ver- schwunden ist. - In wiefern die hier genannten Flechten (beziehungs- weise Ascomyceten) auf die bezeichneten Algen angewiesen sind oder unter Umständen auch mit andern Gattungen vorlieb nehmen, bleibt näher zu untersuchen. Bezüglich der Cephalodien ist festgestellt, dass sie statt Sirosiphon zum Theil ausschliesslich Scytonema- oder auch Nostoc- Convolute enthalten. Ebenso habe ich mit Bezug auf die Ephebe-artigen Flechten Spilonema und Gonionema bemerkt, dass in den Flechtensammlungen unter gleichem Namen Exemplare mit Scytonemagonidien neben solchen mit Sirosiphongonidien sich vorfinden, was entweder auf einer Verwechslung verschiedener Dinge oder aber — was mir jetzt ebenso wahrscheinlich ist — auf dem Um- stande beruht, dass der nämliche Pilz bald die eine, bald die andere der genannten Algen als Nährpflanze wählt. Was endlich Polychidium betrifft, so habe ich neuer- dings von Herrn Prof. E. Tuckerman unter dem Namen Leptogium? rivale Tuck. in herb. eine mit P. muscicolum offenbar nah verwandte Flechte aus Amerika erhalten, deren Gonidien ebenso wenig, als bei dem einheimischen Repräsentanten, von Nostoc herrühren. Während aber bei P. muscicolum der wahrscheinliche Gonidienbildner ein Sirosiphon ist, schliesse ich bei der amerikanischen Art auf eine Rivulariee. Also möglicher Weise auch hier ein Ueberspringen von einem Algentypus zu einem nah verwandten andern. 2) Rivularieen. Dass die Rivularieen die regelmässigen Gonidienbildner der Lichina-Arten sind, betrachte ich als hinlänglich be- PSP SOU PR ET a an — 541 — wiesen. Für die Flechten aus der Racoblennagruppe ist die Sache nur insofern zweifelhaft, als hier möglicher Weise ein Scytonema die Stelle der Rivularieen ver- tritt. Im Uebrigen lässt die Beobachtung des Ueber- ganges der Alge in den Gonidienzustand nichts zu wünschen übrig. Die wéchselseitige Vertretung der KRivularieen durch Seytonemeen und umgekehrt hat von vornherein nichts Unwahrscheinliches. 3) Seytohemeen. Ausser den vorhin genannten Cephalodien von Stereo- caulon besitzen sehr wahrscheinlich noch mehrere Flechten- gattungen ein Gonidiensystem, welches von Scytonemeen herrührt. Dahin gehören zunächst Porocyphus bys- soides und Heppia adglutinata, sodann Pannaria flabellosa Tuckerm. und eine andere „Pannaria-ähnliche* Flechte (vgl. meine „Erörterungen zur Gonidienfrage* in Flora 1872), zum Theil vielleicht auch Endocarpon Guepini. Die hier genannten Flechten lassen sich von den- jenigen mit Rivularieen-Gonidien weder systematisch noch anatomisch trennen; sie bilden zusammen eine natürliche Gruppe, die ich in den eben citirten „Erörterungen“ als Racoblennaceen bezeichnet habe. Ich bemerke jedoch ausdrücklich, dass ich bei Aufstellung dieser Gruppe nur die anatomischen und entwicklungsgeschichtlichen Ver- hältnisse im Auge hatte; meine Absicht war, unter Be- zugnahme auf das gonidiologische System von Th. M. Fries einige Punkte hervorzuheben, die meines Erachtens in einem solchen System nicht vernachlässigt werden sollten. Im Uebrigen mische ich mich nicht in die Syste- matik der Lichenologen, die sich bekanntlich vorzugsweise an carpologische Merkmale hält. Und was speziell die Me 36 — D42 — gegenseitige Verwandtschaft der Pannaria-Arten im Sinne Körber’s betrifft, so habe ich nie daran gezweifelt; allein es schien mir doch wichtig, die vorkommenden anatomischen Differenzen zu berühren. Ueberdiess halte ich es für mehr als wahrscheinlich, dass ein genaueres, allseitiges Studium der Pannarien hinsichtlich der Verwandtschafts- grade manches Neue zu Tage fördern würde. | Bezüglich der oben genannten Tuckerman’schen Pannarien bemerke ich noch, dass der Autor den Gat- tungsbegriff viel weiter fasst, als Körber oder Nylander. In seinen eben erschienenen „Genera Lichenum“ figuriren als inbegriffen im Genus Pannaria folgende Gattungen des Körber’schen Systems: Pannaria, Massalongia, Leco- thecium, Collolechia, Pterygium, Wilmsia et Endocarpi spec. (nämlich E. Guepini). Die untersuchten Arten ge- hören offenbar (und nicht etwa bloss mit Rücksicht auf die Gonidien) in die nächste Verwandtschaft von Leco- thecium oder Pterygium. Die Pannarien im engeren Sinne gehören also nicht in diese Gruppe, da ihre Gonidien nach den bisherigen Beobachtungen in keinem Falle weder von Rivularieen noch von Scytonemeen abstammen. 4) Nostocaceen. Das Eindringen von Pilzfasern in Nostoc-Colonien und die dadurch eingeleitete Umwandlung derselben in Col- lema-Thallome wurde bereits oben erwähnt. Eine irgend erhebliche Veränderung der Nostocschnüre findet hiebei nicht statt. Neben der Gattung Nostoc gehört auch Polycoccus punctiformis zu den gonidienbildenden Vertretern dieser Familie. Hieher gehörige Flechten sind die Körber’schen Gat- : tungen Collema, Lempholemma, Synechoblastus, Leptogium, Obryzum und Mallotium, überhaupt alle Gallertflechten mit rosenkranzförmigen Gonidienketten; = VA ah usa UL ala nn le nl en TP Fr — 543 — ferner Pannaria lurida Mont. und P. brunnea Sw. und nach Baranetzky auch Peltigera canina, sowie endlich einzelne Cephalodien von Stereocaulon. Wahr- scheinlich kommen hiezu noch verschiedene weitere Laub- flechten mit blaugrünen Gonidien, namentlich Arten von Pannaria, Sticta, Erioderma etc. Eine Bestätigung meiner Ansicht über die Entwick- lung des Collema-Thallus hat in neuester Zeit Reess geliefert, indem er Collemasporen auf Nostoc keimen liess und sodann das Eindringen der Keimschläuche in die Nostoc-Gallerte bis zur Bildung reichverzweigter Collema- Mycelien direct beobachtete. 5) Ghroococcace.en. Von den hieher gehörigen Algen sind bis jetzt nur Chroococcus und Gloeocapsa als Gonidienbildner be- obachtet worden. Die Colonien von Gloeothece etec., auf welchen eine Secoliga schmarotzend vegetirt (vgl. meine „Erörterungen zur Gonidienfrage“ in Flora 1872, Taf. IV), können kaum als Gonidien betrachtet werden. Die Lichenen, deren Gonidiensystem von Chroococ- caceen herrührt, sind grossentheils Gallertflechten mit kugelförmigen Gonidiengruppen; es gehören hieher die Gattungen Omphalaria, Enchylium, Synalissa, Phyl- liseum, Psorotichia, Pyrenopsis, Thelochroa (Mon- tinii Mass.), von denen ich die meisten schon in meinen ‚früheren Untersuchungen als Omphalariaceen zusammen- gefasst habe. Dazu kommen möglicherweise noch ein- zelne Pannarien, vielleicht auch Arten von Stieta u. a., worüber indessen die entscheidenden Belege noch nicht beigebracht sind. Ebenso müssen erst weitere Unter- suchungen lehren, in wie weit die oben genannten Algen sich etwa wechselseitig vertreten oder gar die vorher- gehenden Typen ersetzen können. Sicher ist nur, dass mit Rücksicht hierauf innerhalb der Gattung Pannaria Uebergänge und wie es scheint nach verschiedenen Sei- ten hin stattfinden. 6) Confervaceen. Die als Coenogonium Linkii bekannte Flechte besteht aus übersponnenen, sonst aber unveränderten Cladophorafäden, welche unter der dünnen Faser-Hülle normal fortvegetiren. Das Verhältniss des parasitischen Pilzes zur Nährpflanze ist ungefähr dasselbe, wie bei Spilonema und Gonionema. 7) Chroolepideen. Seit Jahren war die Uebereinstimmung der Graphi- deen-Gonidien mit Chroolepus, einer confervenähnlichen Alge, eine bekannte Thatsache. Befriedigend erklärt wird dieselbe aber erst durch die Annahme, dass die fraglichen Gonidien mit Chroolepus identisch seien, d. h. Algen im überwucherten Zustande. — Diese characteristische Goni- dienform kommt übrigens, ausser bei Graphideen, noch bei manchen andern Krustenflechten und ebenso bei Roccella vor. Der Inhalt der Zellen zeigt hin und wieder die nämliche orangegelbe Färbung, die man auch an frei vegetirenden Chroolepus-Rasen beobachtet. 8) Palmellaceen. Meiner "Theorie zufolge verdanken alle gelbgrünen Gonidien der Laub- und Krustenflechten, soweit sie nicht der Chroolepus-Form angehören, ihren Ursprung den ver- schiedenen Repräsentanten der Palmellaceen (die Proto- coccaceen inbegriffen). Nachgewiesen ist bis jetzt die Identität für die Algengattungen Cystococcus, Pleuro- coceus und Stichococeus (bacillaris), wovon indess der letztere bloss die Hymenialgonidien von Sphaerom- — 545 — phale fissa und einer andern, wahrscheinlich zu Poly- blastia gehörigen Flechte bildet, während die erstgenannten Genera ausserordentlich häufig überwuchert werden und einer ganzen Reihe von Lichenen als Nährpflanzen dienen. Aber nichts desto weniger sind hier noch grosse Lücken auszufüllen, zumal die Palmellaceen selbst offenbar nur sehr unvollständig bekannt sind. Einzelne Gonidienformen stammen voraussichtlich von Gattungen oder Arten ab, die bis dahin noch gar nicht beschrieben worden sind. Wenn wir jetzt die im Vorhergehenden erwähnten Algentypen und die zugehörigen Flechten noch einmal überblicken, so treten uns mit Rücksicht auf das Ver- hältniss zwischen Nährpflanze und Parasit verschiedene Fälle entgegen. Es gibt erstens eine grosse Zahl von Flechten, bei denen die Gonidien stets dem nämlichen Typus angehören, so z. B. bei den Collemen, Omphala- rien, Roccellen und den meisten Strauchflechten. Dieser Fall darf als der herrschende bezeichnet werden; er findet sein Analogon im Verhalten der Pilze, welche auf Phane- rogamen schmarotzen. In zweiter Linie stehen diejenigen Fleehtensippen, wo entweder unter den Individuen der gleichen Art oder doch bei systematisch nahverwandten Formen ein Schwanken zwischen verschiedenen Gonidien- typen stattfindet. Die bis jetzt beobachteten Schwankungen dieser Art sind folgende (Scytonemeen und Rivularieen als eine Gruppe betrachtet). a) Zwischen Sirosiphoneen und Scytonemeen bei den Ephebe-artigen Flechten und wahrschemlich auch bei Poly- ehidium; b) Zwischen Seytonemeen und Nostocaceen bei den- jenigen Vertretern der Racoblennagruppe, welche mit Pannaria lurida und P. brunnea in denselben Ver- — 946 — wandtschaftskreis gehören. (Nach Tuckerman könnte man einfach sagen: innerhalb der Gattung Pannaria); c) Zwischen Sirosiphoneen, Scytonemeen und Nosto- caceen bei den Cephalodien von Stereocaulon; d) Zwischen Nostocaceen und Chroococcaceen bei den Gallertflechten (Collema, Omphalaria ete., sofern man hier eine nähere Verwandtschaft zugeben will) und wahr- scheinlich auch bei Pannaria; e) Zwischen Nostocaceen oder Chroococcaceen und gelbgrünen Palmellaceen bei Sticta; f) Zwischen Palmellaceen und Chroolepideen wahr- scheinlich bei einzelnen Krustenflechten (Hymenelia u. a.) Stellen wir uns die Aufgabe, die Flechten mit blau- grünen Gonidien sowohl nach ihrer systematischen Ver- wandtschaft als nach der Reihenfolge der Gonidienbildner zusammenzustellen, so fällt die Lösung am einfachsten aus, wenn wir uns die Annahme erlauben, dass die Goni- dien der laubartigen Repräsentanten durchgehends von Nostocaceen herrühren, wie diess für Peltigera und für die im Marke zerstreuten Gonidiennester von Solorina mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden darf. Für die übrigen Gattungen ist die Sache allerdings frag- lich; allein wenn es Nostocaceen gibt, die im Gonidien- zustande niemals Grenzzellen entwickeln (d. h. Zellen mit derberer Wandung), was immerhin möglich ist, so steht unsere Annahme mit keiner einzigen mir bekannten That- sache in entschiedenem Widerspruch. Es mag ferner gestattet sein, in der Zusammenstellung der Gattungen bald diesem, bald jenem der neueren Flechtensysteme zu folgen. Unter diesen Voraussetzungen könnte man etwa folgendes Schema aufstellen. Ich bemerke noch, dass nur die zur Orientirung nöthigen Gattungen aufgeführt sind; die übrigen wären an der betreffenden Stelle einzu- schalten. Zi Dr Bi Fr ollemaceen — 41 — Systematische Gruppirung Systematische Gruppirung der Flechtengattungen der gonidienbildenden Algen, Synalissa Omphalaria Collema Leptogium Pannaria brunnea etc. Hydrothyria Sticta Erioderma Nephroma Peltigeraceen ) Peitigera Chroococcaceen Uebergangsformen Nostocaceen | Solorina { Heppia ) Lecothecium Scytonemeen _ Racoblennaceen | Peyehum (Rivularieen) Lichina Spilonema Byssaceen Ephebe | Sirosiphoneen Um dieses Schema zu vervollständigen, hat man sich noch einige Abzweigungen von der Hauptreihe hinzuzu- denken. Von Leptogium geht ein Seitenzweig, der die Arten der Gattung Polychidium enthält, nach unten, um aus der Region der Nostocaceen in diejenige der Scytonemeen und Sirosiphoneen zu gelangen (die bezüg- lichen Beobachtungen als richtig angenommen). Die Haupt- reihe geht über Hydrothyria zu den Peltigeraceen über. — Einen förmlichen Knotenpunkt stellt sodann Pannaria dar. Auf der einen Seite eng mit den Colle- maceen verbunden, führt diese interessante Gattung anderer- seits durch einzelne ihrer Arten zu den Parmeliaceen, durch andere zu den Racoblennaceen hinüber; auch fehlt es nicht an vermittelnden Uebergängen zu den Peltigeraceen. — D48 — Co An Pannaria schliesst sich ferner nach Tuckerman, der sich auf Baglietto (Nuovo Giorn. Bot. Ital. 2, pag. 171) beruft, Endocarpon Guepini = Pannaria Guepini an (vgl. Tuckerman, Genera Lichenum p. 51). Ein neuerdings untersuchtes Exemplar dieser Flechte, das ich von Herrn Tuckerman erhielt, stimmt in der That mit Rücksicht auf das Verhalten der Gonidien ganz mit Pannaria-Arten, Sticta u. s. w. überein. Die grüne Fär- bung der oberen Rinde, welche ich an andern Exemplaren nach Erwärmen in Salzsäure stellenweise wiederholt be- obachtet hatte, trat hier nicht hervor. — Was endlich die Verbindungen betrifft, welche von Stieta und Ne- phroma zu den Flechten mit gelbgrünen Gonidien hin- überführen, so mag es genügen, dieselben hiemit anzu- deuten. Die vorstehende Zusammenstellung soll zugleich die wahrscheinliche Regel veranschaulichen, nach welcher das Ueberspringen von einem Algentypus zum andern statt- findet. Es ist nämlich bis jetzt kein Fall bekannt, in welchem beispielsweise Nostocaceen und Sirosiphoneen als Gonidien figurirten, ohne dass auch die zwischenliegenden Seytonemeen in Anspruch genommen wären. Mit andern Worten, die Flechten springen zunächst‘ immer nur von einem Typus zum nächstfolgenden über, erst nachher zu einem dritten, sofern überhaupt der Spielraum bei natur- gemässen systematischen Gruppen sich auf drei Typen erstreckt. Ich halte es für wahrscheinlich, dass diese Regel bestehen bleiben wird, auch wenn im Uebrigen die angenommene Reihenfolge da und dort Aenderungen er- fährt. | Soll ich zum Schlusse noch ein Wort über die Auf- nahme sagen, die meiner Theorie im botanischen Publikum PES TT — 549 — zu Theil wurde, so kann ich mich kurz dahin aussprechen, dass die Lichenologen sich bis jetzt vorwiegend ablehnend verhalten haben, während die Mikroskopiker und Physio- Iogen dieselbe im Allgemeinen für begründet erachten. Auf die Einwände, welche von Seiten der Ersteren er- hoben wurden, will ich übrigens hier nicht näher eintreten, da ich dieselben in den vor Kurzem erschienenen „Er- örterungen zur Gonidienfrage“ (Flora 1872) hinlänglich beleuchtet habe. Nur auf einen Punkt, den ich bis jetzt unbeachtet gelassen, glaube ich nachträglich noch hinweisen zu sollen. Der Parasitismus, wie er meiner Theorie zufolge für die Flechten angenommen werden muss, steht allerdings im Pfianzenreiche vereinzelt da. Doch sind in neuester Zeit verschiedene Vorkommnisse beobachtet worden, welche in gewissem Sinne als analoge Anpassungserscheinungen gedeutet werden können. Ich erwähne vor Allem das von Strasburger beobachtete Vorkommen von Nostoeschnüren in der Scheitelregion von Azolla, einer kleinen schwimmenden Gefässpflanze, wo- rüber der genannte Beobachter in seiner kürzlich erschie- nenen Schrift „Ueber Azolla* (pag. 39) wörtlich Folgendes mittheilt. „Ich habe diese Nostoeschnüre, und zwar, wie es schien, immer derselben Art angehörend, in den Blät- tern sämmtlicher Azolla-Arten vorgefunden, die ich unter- suchte. Sie fehlen weder den amerikanischen, noch den neuholländischen, noch den asiatischen, noch endlich den afrikanischen Arten; sie waren in jedem Blatte zu finden, so dass ich fast vermuthen möchte, dass sich die Pflanze ihnen gegenüber nicht mehr ganz passiv verhält..... Man sollte fast glauben, dass die Nostocschnüre den Blättern der Azolla in ihrer Assimilationsarbeit behülflieh sind und somit in gewisser Weise eine ähnliche Rolle in denselben, wie im Innern des Flechtenthallus spielen.“ Ein ähnliches Verhältniss schemt auch zwischen Gunnera RS RE scabra und einer Scytonemee obzuwalten, welche nach den Beobachtungen Reinke’s (Bot. Ztg. 1872, pag. 59) die Stammparenchymzellen von Gunnera bewohnt und constant darin vorkommen soll. Nach F. Cohn (Beiträge zur Biologie der Pflanzen II, p. 87) kommt es überhaupt nicht selten vor, dass „parasitische Algen“ mit grünem Inhalt als Endophyten im Parenchym anderer Gewächse (z. B. der Lebermoose, Wasserlinsen etc.) vegetiren und jedenfalls irgendwie von diesen letzteren abhängig sind. Worin aber diese Abhängigkeit, namentlich mit Bezug auf die Ernährungsvorgänge, besteht, ist zur Zeit nicht bekannt, und jedenfalls kann in den von Cohn beschrie- benen Fällen nicht angenommen werden, dass das Ver- hältniss ein reciprokes sei. Die fraglichen „parasitischen* Algen stehen demnach zu den Gonidienbildnern auf jeden Fall in einem entschiedenen Gegensatz; in wie weit es aber ächte Parasiten sind, scheint mir für manche der- selben einstweilen noch zweifelhaft. Wie dem aber auch sein mag, immerhin zeigen solche Erscheinungen zur Ge- nüge, dass das Abhängigkeitsverhältniss, in welchem Or- ganismen zu einander stehen können, an keine bestimmten Formen gebunden ist, vielmehr als Ausdruck gegenseitiger Anpassung in der verschiedensten Gestalt sich geltend machen kann. Und so mag denn auch meine Lehre von der Algennatur der Flechten-Gonidien dazu beitragen, eine Reihe der merkwürdigsten Anpassungen, welche im Ge- wächsreiche vorkommen, in das richtige Licht zu stellen. — 551 — Thesen über den mechanischen Aufbau der Gefäss- pflanzen, speciell der Monocotylen. ! Von $. Schwendener. (Auszug aus zwei Vorträgen, gehalten im Januar und Februar 1873.) a 1) Die Pflanzen sind den mechanischen Bedingungen, unter welchen sie vegetiren, mehr oder weniger angepasst. Organe, welche in der Luft leben, wie z. B. Stämme, Blüthenschäfte ete., bedürfen in erster Linie einer gewissen Biegungsfestigkeit, um den seitlich wirkenden Kräften (Wind, excentrische Belastung u. dgl.) Widerstand zu leisten. Andere Organe, welche im Boden oder in rasch fliessendem Wasser vegetiren, desgleichen die Ranken und schlingenden Stengel etc. werden vorzugsweise durch Zug- kräfte in Anspruch genommen und bedürfen daher der Zugfestigkeit. Wieder andere sind von wasserdurch- tränkter Erde umgeben (Rhizome, Wurzeln) und dem entsprechend von grossen Luftcanälen durchzogen, welche eine feste äussere Umhüllung erheischen, um gegen radiale Druckkräfte geschützt zu sein, u. s. w. Diesen verschiedenen Anforderungen sucht die Pflanze durch be- sondere Einrichtungen, welche nach mechanischen Prin- cipien construirt sind, Genüge zu leisten. 2) Wie bei allen höher differenzirten Gewächsen die Function der Durchlüftung grossentheils den Zellformen des trachealen Systems, die Leitung eiweissartiger Stoffe den Cambiformzellen, der Schutz nach aussen der Cuticula und dem anatomisch wohl characterisirten Periderm u. s. w. übertragen ist; wie also fast jeder wichtigeren Verrichtung ein besonderes System von Elementarorganen vorsteht: so — 992 — sind es auch bestimmte, anatomisch ausgezeichnete Zellen, welche die Herstellung der nöthigen Festigkeit über- nehmen. Diese Zellen bilden das mechanische System der Gewächse, von dem sich nachweisen lässt, dass es ganz nach den Grundsätzen der Mechanik gebaut ist. 3) Als spezifisch mechanische Elemente der Vege- tationsorgane sind nur die Bastzellen und die bastähn- lichen Collenchymzellen zu betrachten, welche mit jenen eine zusammenhängende Formenreihe bilden, deren ex- tremste Glieder durch alle möglichen Uebergänge ver- bunden sind. Es sind langgestreckte prosenchymatische Zellen, mit oder ohne Querwände, aber stets mit mehr oder weniger verdickten Membranen, deren Molecularreihen longitudinal oder in linksschiefer Schraubenlinie verlaufen. Diese Richtung der Molecularreihen verräth sich schon durch die spaltenförmigen Poren, wo solche vorhanden sind. 4) Die mechanischen Zallen besitzen einen hohen Grad von Widerstandsfähigkeit. Stark verdickte Bast- zellen, wie sie bei Liliaceen, Palmen, Gramineen ete. vorkommen, erreichen nahezu die Zugfestigkeit des Schmiedeeisens, sofern bloss die Spannungen innerhalb der Elastieitätsgrenze in Betracht gezogen ‘werden. Ich habe Fälle beobachtet, wo eine Belastung von 15—20 Kilo pro Quadratmillimeter der Querschnittsfläche weder ein Zerreissen noch eine bleibende Verlängerung zur Folge hatte. Jedenfalls darf die beim Baue eiserner Brücken als practisch zulässig angenommene Maximalspannung von 6—8 Kilo pro Quadratmillimeter in der grossen Mehrzahl der Fälle auch den Constructionen aus (lebendem) Bast unbedingt zugemuthet werden. Was aber die Bastzellen wesentlich vom Schmiedeeisen unterscheidet, ist die un- gleich grössere Dehnbarkeit. Während das Schmiedeeisen sich innerhalb der Elastieitätsgrenze nur um 160 bis 1500 und bei einer Belastung von 6 Kilo pro Quadrat- millimeter nur um !/,5, der Gesammtlänge ausdehnt, verträgt der Bast eine Verlängerung von 1—1'/, Procent. Die Elasticitätsmodule fallen daher sehr ungleich aus: für die besseren Bastsorten mag die Durchschnittszahl (in Kilo pro Quadratcentimeter) etwa 120,000 betragen (das Maximum c. 200,000), für Sehmiedeeisen dagegen 1,800,000 bis 2 Millionen. 5) Der bloss mechanischen Bedeutung der Bastzellen entspricht auch die anatomische Thatsache, dass dieselben bei allen Cyperaceen, Juncaceen u. a. durch eine förm- liche Schutzscheide im Sinne Caspary’s von den luft- und saftleitenden Zellen (Gefässen, Holzzellen, Cambiform) ge- schieden sind. 6) Die Bastzeilen nehmen folgerichtig keine mor- phologisch bestimmte Stellung zum Xylem oder zu andern Geweben ein. Sind auch morphologische Tendenzen hie und da unverkennbar, so gibt doch das mechanische Prineip, wenn es mit jenen in Conflict geräth, stets den Ausschlag. | 7) Die biegungsfesten Constructionen, die wir in den oberirdischen Organen der Monocotylen beobachten, sind sehr mannigfaltiger Art. Am verbreitetsten in Be- ziehung auf Familienzahl ist in den stielrunden Organen der hohle Cylinder. Daneben kommen aber noch die verschiedensten Combinationen isolirter peripherischer Trä- ger vor, welche zuweilen aus einfachen Bastrippen, häufiger jedoch aus mindestens zwei getrennten Bündeln (Gurtungen) bestehen, die durch Xylem, zum Theil auch durch Paren- chym, mit einander verbunden sind. Im Ganzen müssen allein bei den stielrunden Organen der Monocotylen etwa 20 verschiedene Constructionstypen unterschieden werden, die sich in mehrere, zum Theil scharf getrennte Systeme ordnen. 8) Wenn das mechanische System aus isolirten Trä- gern oder Pfosten besteht, so sind dieselben behufs Er- — 554 — haltung der Querschnittsform durch Xylemanastomosen verbunden. Wo diese letzteren Luftcanäle durchsetzen, treten sie in Begleitung von Diaphragmen auf. Ueber- diess sind alle biegungsfesten Systeme durch entsprechende Wanddicke oder durch vorgeschobene Constructionstheile gegen Einknicken geschützt. 9) Die biegungsfesten Constructionen nehmen in acro- petaler Richtung an Stärke ab, im Allgemeinen ungefähr so, dass sie sich annähernd wie „Träger von gleichem Widerstande“* verhalten. Sie krümmen sich demgemäss unter dem Einflusse seitlicher Kräfte in eleganten Curven. 10) Bei intercalarem Aufbau der Organe, wenn z.B. die unteren Enden der Internodien lange Zeit im bildungs- fähigen Zustande verharren (Gramineen), sind die mecha- nisch schwächeren Stellen des Systems durch Blattscheiden geschützt oder durch grössere Stammdicke unschädlich gemacht. Die Blattscheiden sind da am stärksten, wo der eingeschlossene Stengeltheil am schwächsten ist. 11) Die Biegungsfestigkeit verlangt eine peripherische Anordnung der mechanischen Elemente; diese streben, wie von einer centrifugalen Kraft getrieben, nach der Oberfläche. Dasselbe thun aber auch die grünen, assi- milirenden Zellen. Daraus entsteht, wenn das mechanische System die Form eines Hohleylinders hat, ein Conflict, in Folge dessen die mechanischen Elemente etwas von der Oberfläche zurückweichen. Dieselben rücken - jedoch, sobald die Verhältnisse sich zu Ungunsten der grünen Zellen ändern (z. B. innerhalb der Blattscheiden), wieder gegen die Oberfläche vor. Dasselbe geschieht bei stachel- artigen Bildungen und bei Schmarotzern, welche der grünen Zellen entbehren können. 12) In den Organen, welche durch Zugkräfte in Anspruch genommen werden, schlägt die im Vorhergehenden erwähnte centrifugale Tendenz der mechanischen Zellen — 555 — in ihr Gegentheil um: in ein Streben nach der Mitte. Als Muster zugfester Organe sind die Wurzeln zu betrachten; die Rhizome verhalten sich zu ihnen, wie mehr oder weniger abweichende Nachbildungen zum Original. Einem continuirlichen Zuge sind auch die untergetauchten Wasser- pflanzen ausgesetzt, die darum auch wurzelähnlich gebaut sind. | 13) Eine begründete Ausnahme von der oben aufge- stellten Regel (in Betreff der centripetalen Tendenz) bilden die in fliessendem Wasser lebenden Pflanzen (Potamogeton fluitans, acutifolius ete.), wo der Zug von der Oberfläche aus auf eine maschige Rinde einwirkt. Hier war es nothwendig, nicht bloss den axilen Strang durch mecha- nische Zellen zu verstärken, sondern auch die Rinde, um sie vor Abstreifen zu schützen, mit zerstreuten oder sub- epidermalen Bastbündeln zu durchziehen. — Schlingpflanzen und Ranken bedürfen, so lange sie noch keine Stütze gefunden haben, der Biegungsfestigkeit und sind dem entsprechend construirt. 14) Die centrale Stellung der Fibrovasalstränge in Wurzeln, Rhizomen und Wasserpflanzen bringt es mit sich, dass die für feuchte Standorte unentbehrlichen Luft- canäle in die Rinde verlegt werden müssen. Hier be- dürfen sie aber unter Umständen eines mechanischen Schutzes gegen radiale Druckkräfte. Diesem Zwecke ent- spricht eine peripherische Baströhre, die zuweilen’ noch durch diekwandige Parenchymzellen verstärkt wird. In Wasser und lockerer Erde ist diese Vorrichtung ent- behrlich. 15) Eine ähnliche centripetale Tendenz, wie die Zug- festigkeit, bedingt auch der Widerstand gegen Ab- scheerung, der übrigens vorzugsweise bei Flächenorganen in Betracht kommt. Die betreffenden Verbindungen be- stehen übrigens meist aus Xylem; nur bei den Blättern NT a von Maranta und einigen Palmen werden zu diesem Zweck die spezifisch mechanischen Bastzellen verwendet. 16) Wurzeln, welche ausnahmsweise als Stützen fun- giren, wie bei Pandanus und Iriartea, sind dem entspre- chend gebaut. Sie differiren von den im Boden vegetiren- len Normalwurzeln derselben Pflanze. 17) Es gibt Bastbekleidungen (doch stets nur von geringer Mächtigkeit), welche augenscheinlich keinen andern Zweck haben, als dass sie dem Cambiform oder den Luftgängen ete. als feste Hülle dienen. Das Vorkommen solcher Bastbelege steht natürlich weder mit den Prin- cipien der Biegungsfestigkeit, noch mit denen der Zug- festigkeit in irgend einem Zusammenhang. 15) Wie die mechanischen Zellen vielfach durch dickwandiges Parenchym oder Xylem, das in erster Linie andern Zwecken dient, unterstützt werden, so vollziehen sie auch ihrerseits Nebenfunctionen verschiedener Art. Unter Anderem nehmen sie nicht selten Antheil an der Durch- lüftung. Je mehr diess der Fall, desto grösser und zahl- reicher werden die Poren und desto weiter die Lumina. Bei weiter gehender Anpassung in dieser Richtung erhalten die Poren trichterförmige Erweiterungen (einige Liliaceen), die ersten Andeutungen der Höfe, endlich grosse, linsen- förmige Höfe, wie sie bei den Libriformzellen der Coni- feren vorkommen (Dracaena, Cordyline). Die Bastzellen ersetzen jetzt die Gefässe. 19) Die Libriformzellen der Dracaenen sind metamor- phosirte Bastzellen. Verfolgt man einen der grösseren Fibrovasalstränge des Blattes, z. B. von Cordyline australis, in seinem Verlaufe nach unten, so kann man sich leicht überzeugen, dass die normalen Bastbelege in der Blatt- basis, wo die Streckung der Gewebe am längsten andauert, in zartwandiges Bastcambium auslaufen, dass aber weiter unten im Stamme an der nämlichen Stelle, und zwar — 557 — aussen am Cambiform, die fraglichen Libriformzellen auf- treten. 20) Die allgemeineren Ergebnisse, welche in vor- stehenden Thesen enthalten sind, gelten auch für die übrigen Gefässpflanzen, speziell auch für die Dicotylen. Nur sind die Verhältnisse hier beträchtlich complicirter, die Combinationen mannigfaltiger. Ueberdiess steht meine Auffassung mit herkömmlichen Anschauungen im Wider- spruch. Die mechanischen Zellen (zunächst der einjährigen Triebe) kommen nämlich bald innerhalb und bald ausser- halb des Verdickungsringes zur Entwicklung, und zwar zum Theil in anatomisch durchaus übereinstimmenden Formen, die sich vom Bast der Monocotylen nicht unter- scheiden. Es ist daher unstatthaft, anatomische Be- griffe (Xylem, Phloem) auf die, Lage der Zellen zum Verdiekungsring, statt auf ihren anatomischen Character, dem hier zugleich die physiologische Bedeutung entspricht, zu basiren. Das sogenannte Xylem besteht nicht selten aus den ächtesten Bastzellen und gehört überhaupt fast durchgehends entweder ganz oder doch theilweise zum mechanischen System. 21) Das Collenchym spielt bei den Dicotylen eine viel grössere Rolle, als bei den Monocotylen. Es bildet hier das vorläufige mechanische System — gleichsam das Arbeitsgerüste — in streckungsfähigen Internodien. Dem entsprechend ist es schon vollständig ausgebildet zu einer Zeit, wo der Bast sich noch im cambialen Zustande be- findet. Uebrigens besteht auch hier zwischen Bast und Collenchym keine scharfe Grenze. Die ausführliche Begründung dieser Thesen behalte ich mir für eine spätere Veröffentlichung vor. 37 PEPVSTE RSS LS Ueber Farbenblindheit. Von Prof. Fr. Burckhardt. SLPLSPSS SSL LL Die Young-Helmholtz’sche Lehre von der Farben- empfindung hat wie in andere Gebiete der physiologischen Farbenlehre, so besonders auch in die Lehre von der Farbenblindheit Licht gebracht. Die mehr gelegentlich angestellten, nicht selten durch falsche Vorstellungen vom Wesen der Mischfarben und der Farbenempfindung irre geleiteten Beobachtungen an Farbenblinden haben den ge- ordneten Untersuchungen mit Farbenscheiben und Spektrum Platz gemacht und präcisere Farbenbezeichnungen ermög- lichen ein allgemeineres Verständniss. Denn nicht alle Un- tersuchungen früherer Zeit reichten an die Umsicht der Seebeck’schen Beobachtungsreihen und was die Theorie anbelangt, so ist nur wenig aus früheren Lehren als bewährt erfunden worden. Ä Hiezu gehört die Thatsache, dass sich die Verwechs- lungen mancher Augen auf eine Unempfindlichkeit für die rothen Strahlen zurückführen lassen, dass also die betreffenden Augen rothblind sind. Helmholtz entnimmt diesem Umstande, dass die eine der Grundempfindungen Roth sein müsse. Alle Farbenblindheit ist aber nicht Rothblindheit. Soviel mir bekannt ist, sind die ersten Fälle von Grün- — 559 — blindheit beobachtet worden von Preyer und beschrieben in Pflüger’s Archiv für Physiologie Bd. I, pag. 299 ff. Ich hatte selbst seit längerer Zeit Beobachtungen gesammelt, theils an rothblinden Augen, theils aber auch an nicht rothblinden und vermuthete Grünblindheit. An der genaueren Verfolgung derselben während längerer Zeit verhindert, wurde ich durch die auffallende Ueber- einstimmung mancher Thatsachen mit den von Preyer beobachteten überrascht. Im Folgenden will ich einige dieser Thatsachen mittheilen und besprechen: F I, ein hellblonder Knabe von 10 Jahren, zeigte seit seiner frühesten Jugend eine grosse Unsicherheit im Benennen der Farben und wurde durch wiederholte Fragen im Antworten etwas schüchtern; um so genauer bemerkte ich mir alle falschen Benennungen, die er unge- fragt und ungesucht aussprach, und überzeugte ich mich von der grossen Konsequenz, welche aus seinen Irrthü- mern sprach. Ich führe zunächst einige seiner Verwechs- lungen an: Die grünen Blätter der Rosskastanienbäume auf dem Münsterplatze in Basel erschienen ihm gleich gefärbt, wie das rothe Münster. Er bemerkte nicht den Farbenwechsel, welcher sich in den Blättern der Jungfernrebe und des Ruprechtskrautes im Herbste vollzieht; die abfallenden, rothen Blätter hatten für ihn die Farbe der frischen. Die Maikäfer, die Chocolade, den Fleischextrakt nannte er grün. Die braunen Blätter, welche lange an den Hain- buchenhecken hangen, erschienen ihm wie die Sommer- blätter; er war sehr überrascht, sie im Winter ausge- trocknet zu finden. Er nahm keinen Unterschied wahr zwischen der Farbe eines frisch durchfurchten Ackers und dem daneben liegenden, aus dem die grüne Winter- saat hervorspross. Warum sagt man aschgrau und grasgrün? Asche ist — 560 — doch rosenfarben und das Gras nicht anders gefärbt als der Acker? Oder er bewunderte die Farbe seiner staubigen Schuhe und fragte, ob er von diesem Staube nach Hause nehmen dürfe, um Rosen damit zu malen. Der graue Abendhimmel eines trüben Sommertages machte ihm einen freudigen Einddruck, weil er ihn rosa sah. Die Farbe des gesottenen Rindfleisches und des Esels nannte er grün. Unbewacht malte er eine lithographirte Zeichnung des St. Jakobsdenkmals (— nämlich des nun entfernten gothischen Pfeilers —) mit Umgebung; das röthliche Thürmchen malte er grün wie die Landstrasse, die grüne Böschung braun, das Schieferdach roth (hier mochte er an Ziegel denken). Die Tafel, welche die von einem entschieden Roth- blinden verwechselten Farben enthielt, fand er fast durch- weg unrichtig und besonders erschien ihm unter den Verwechslungen von Grün und Roth das Rothe immer zu hell. Ein grünes Farbenblatt mit einem grauen zusam- mengeklebt, ohne Rücksicht auf sein Auge, konnte er nur dadurch unterscheiden, dass das grüne glänzte, das graue aber matt war. Ein sehr lichtschwaches Roth heisst er grün. Eine prächtig rothe Farbenscheibe, so gebogen, dass sie theilweise beleuchtet, theilweise beschattet ist, heisst er auf dem beleuchteten Theil roth, auf dem be- schatteten grün. Diese und zahlreiche andere Thatsachen liessen mich vermuthen, dass diese Augen grünblind seien. Für meine Augen, die ich in Beziehung auf Farbenempfindung für normalsichtig halten darf, sind bei allen vorkommenden Verwechslungen des Knaben die grünen Töne zu hell. Auf einen weissen Schirm projizierte ich ein grosses objektives Spektrum, das die bedeutenderen Liniengruppen deutlich erkennen liess. Er bezeichnete die Farben in folgender Weise: — 561 — Das äusserste Roth nannte er dunkelgrün, das Roth der Linie B roth; orange, gelb, gelbgrün heissen gelb; das erste Blaugrün Rosa; von der Linie F an blau; zwischen G und H erschien wieder ein schmaler Streifen dunkelrosenfarben, alles Uebrige erschien als ein ins Un- bestimmte verlaufendes Blau. Ich liess ihn wiederholt das Fadenkreuz eines Spek- troskopes auf den Rand des Spektrums einstellen, ebenso auf die beiden Stellen, welche er mit hell- und dunkelrosa bezeichnete, und fand einestheils, dass die Grenzen des Farbenbildes für sein Auge von den Grenzen für mein Auge kaum verschieden ist, anderntheils, dass er die Rosa- stellen mit grosser Sicherheit einzustellen pflegte. Die erste Stelle ist b °/a F, die zweite G Y, H. Als Pigmente zu den Farbenscheiben wandte ich folgende an. Zinnober, Chromgelb, Parisergrün (dunkel- grün), Schweinfurtergrün (hellgrün), Ultramarin; dazu weisses Papier und Russpapier. Ich führe als Beispiele folgende Farbengleichungen an: 20 Chromgelb + 278 Parisergrün + 62 Blau = 29 Weiss + 331 Schwarz. 200 Grün + 160 Weiss = 184 Schwarz + 176 Weiss = 181 Weiss + 45 Blau + 134 Roth. | F II. Der Grossvater des Knaben F. I mütterlicher- seits gab mir Gelegenheit, eine Reihe von ihm kolorirter Pflanzen aus der bekannten Sammlung von Labram’s Schweizerpflanzen mit den Originalien, welche ihm als Muster gedient hatten, zu vergleichen, und es mag nicht ohne Interesse sein, die verschiedenen bedeutenderen Verwechslungen aufzuzeichnen, da die Farben theilweise höchst charakteristisch und leicht angebbar sind. Zuerst Roth, Grün, Braun. Die Aehrchen von Scirpus palustris, die verwelkten niederständigen Blätter an der Blattrosette von Saxifraga — 562 — mutata, die Frucht der Mispel, die lederbraunen Zapfen der Lärche, die rothbraunen Beeren der Zaunrübe (Bryonia) und der Schmeerwurz (Tamus) wurden grün gemalt, in verschiedenen Nüancen, selbst die schuppenartigen Deck- blätter einer Orobanche, dieser Negation alles Grünen, sind grün dargestellt. Die im Original untermischt grünen und rothen Beeren von Arum maculatum sind alle roth copirt, die rothen Blüthen und die röthlichen Stengel des Wasserpfeffers srün und blaugrün; hingegen erhielten die leuchtend rothen Beeren der Stechpalme die Farbe von Cacao. Rosa und Grau: Die rosafarbenen Blüthen der Brombeere wurden grau wiedergegeben. Lila, Violett, Blau, Blaugrün. Die verschiedenen röthlich und bläulich violetten Töne, wie sie die Blüthen verschiedener Labiaten, Prunella, Betonica, Lamium zeigen, wurden mehr oder weniger graublau dargestellt, wie auch die Blüthenköpfe von Carduus crispus und Serratula arvensis, die beide roth-violett sind. Die röthlich angeflogenen Blü- then von Sagittaria erhielten einen bläulichen Ton, ebenso der frische röthliche Lärchenzapfen und die Blüthen des Dietamnus. | Neben allen diesen Verwechslungen sind andere Figuren sehr genau und charakteristisch wiedergegeben, so dass also die Irrthümer nicht aus einer allgemeinen Un- sicherheit oder Ungeübtheit abzuleiten sind, wogegen übrigens schon die Konsequenz in den Verwechslungen zeugt. Die Untersuchung mit einem grossen objektiven Spektrum, in welchem die wichtigeren Linien sehr deutlich zu erkennen waren, ergab Folgendes: Das ganze Spektrum erscheint aus zwei Hauptfarben gebildet, welche der Farbenblinde mit Orange und Blau bezeichnet und welche fast ohne Uebergang an einander — 563 — grenzen, ungefähr bei der Linie F etwas gegen b hin. Einen neutralen Streifen sieht er nicht; das schönste Roth nannte er mit dem rechten Namen, zeigte die Grenze des Roth an derselben Stelle, wo ich sie auch hinverlegen würde und wenn durch einen, mit einem Schlitze ver- sehenen Schirm alle übrigen Farben abgeblendet werden, so erkennt er noch einen Farbenstreifen so weit als ich selbst. Den brechbareren Theil des Spektrums nennt er blau. Werden die helleren Lichtstrahlen abgeblendet, etwa bis zur Doppellinie H, so bleiben noch mattviolette Strah- len übrig und das Spektrum ist, wohl durch Fluoreszenz des auffangenden Schirmes selbst, verlängert; so weit der Farbenblinde hier noch Licht sieht, und auch hier war eine Verkürzung nicht zu konstatiren, nannte er die Farbe grau oder dunkelgrün. Im Spektrum selbst findet er keine Stelle, welche er grün nennen möchte. Ein rothes und ein braungelbes Glas erscheinen ihm, wie auch dem vorhergehenden und dem nachfolgenden Farbenblinden gleichgefärbt. Schweinfurtergrün erscheint grau mit einem merk- lichen Stich ins Gelbe; sollte er die Farbe des Schwein- furtergrüns nachahmen, so würde er Gelb mit etwas Tusche dazu nehmen. Hiedurch wurde ich zu folgender ebenso genauen als bezeichnenden Farbengleichung ge- leitet: 360 Schweinfurtergrün = 50 Gelb + 105 Weiss + 205 Schwarz. Es steht hier das helle Grün einem schmutzigen Gelblichgrau gegenüber, das für mein Auge entschieden dunkler als das Grün ist. Diese Gleichung, die Neigung, alles Dunkle grün zu nennen, weil das Grün nicht wie andere Farben einen bestimmten, andern Farben analogen Eindruck hervor- bringt, das unverkürzte Spektrum, alle diese Gründe — 564 — machen auch in diesem Falle Grünblindheit wahr- scheinlich. Zwei Brüder machen ähnliche Verwechslungen wie FI (A und K). Die Verwandtschaftsverhältnisse werden später be- sprochen werden. E B. Nichte des vorhergehenden Farbenblinden ist nicht mit einem bedeutenden Mangel an Farbensinn be- haftet, jedoch zeigt sich bei gewissen, besonders bei ab- geschwächten, dunklen und hellen Farben ein unsicheres Schwanken in der Benennung. Ein dunkelbraunroth nennt sie mit richtigem Namen, ein dunkelgrün, für ein normales Auge zweifellos grün, nennt sie schwarz; Fleischextraet heisst grün, Violett und Blau werden verwechselt. Die Untersuchung mit dem Spektrum und mit den Farbenscheiben hat mir keine bestimmten Anhaltspunkte gegeben. Ich führe eine Farbengleichung an: 65 Roth + 132 Weiss + 163 Schwarz = 207 Blau + | 153 Gelb. E F macht nahezu dieselben Verwechslungen wie FI. Die Untersuchung mit dem objektiven Spektrum er- gab Folgendes: Auf den ersten Blick theilte er ein auf einen weissen Schirm projiziertes Spektrum in zwei Theile, einen gelben und einen blauen; beide gehen durch eine neutrale Stelle in einander über; diese neutrale Stelle kann grau oder auch rosenroth heissen. Die Enden des Spektrums sind nicht merklich verkürzt; das violette Ende scheint ihm einen etwas weniger farbigen Eindruck zu machen, als dem normalen Auge. Die Bestimmung der Lage der neutralen Stelle ergab sowohl im objektiven als im subjektiven Spektrum, dass sie den Abstand der Linie b und F in Theile theilt, welche sich wie 3:4 verhalten, also den Abstand von — 565 — E F etwa halbiert; eine andere neutrale Stelle findet sich im Spektrum nicht; die Wellenlänge der neutralen Stelle wäre hienach ungefähr 505 (Milliontel’s Millimeter); Preyer hat 511 bestimmt. Als Verwechslungen hebe ich hervor, dass Schwein- furtergrün auf Thoneisenstein gestreut nicht als andere Farbe erkannt wird und dass der Strassenstaub rosenfarb erscheint. Der Farbenblinde hat einen Genuss an den Farben in der Natur, und liebt namentlich neutrale Töne, weil sie ihm den angenehmsten Eindruck machen. Auch sein Stammbaum zeigt näher anzugebende Verwandtschafts- verhältnisse Farbenblinder. Farbengleichungen kann ich hier noch nicht aufführen. Für zwei weitere Farbenblinde habe ich die Unter- suchung nicht weit genug geführt; ich gebe nur einige Notizen. E. St., unsicher im Benennen, macht keine sehr auf- fallenden Verwechslungen; reiht alles Grau der Gruppe des Grünen zu. Farbengleichung : 117 Weiss + 243 Grün = 130 Weiss + 230 Schwarz. A.P., entschieden rothblind, verwechselt Parisergrün mit Zinnober, Carmin heisst rothbraun. Farbengleichung: Me Gelb + 103 Blau + 140 Schwarz = 55 Weiss + 305 Roth. 35 Blau + 325 Roth = 40 Blau + 319 Grün. Ein dunkelbraunrothes Quadrat umgeben von einem breiten schwarzen Rande, sieht er als dunkelschwarzes Quadrat in weniger dunklem Rande. Im objektiven Spektrum, welches ihm auf der Seite der minder brechbaren Strahlen bis zur Linie B verkürzt erscheint, nennt er das Grün zwischen 495—505 grau; die Controle mit dem subjektiven Spektrum ergab kon- stant die gleiche Stelle. a pre Es ist eine längst bekannte Thatsache, dass die Far- benblindheit erblich ist. Da ich bei mehreren der oben genannten Fälle Gelegenheit hatte, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ermitteln, so mag es nicht ohne Interesse sein, dieselben mitzutheilen. F U erzählte mir, seine Mutter habe ihn als kleinen Knaben zur Schule geschickt in einer Jacke, welche aus : einer grünen und einer braunen Hälfte zusammengenäht gewesen sei. Für Spott hatte er nicht zu sorgen. Wenn diese Thatsache als richtig anzunehmen ist, so muss wohl die Mutter auch farbenblind gewesen sein und dann erhalten wir folgende Verwandtschaft der genannten Farbenblinden (F I, FO, A, K, EB). Die Farbenblinden werden mit * bezeichnet. Pr | | | FO g4 Ad: Kg; Wenn man nach dem angegebenen Indizium anneh- men darf, dass die Grossmutter selbst farbenblind gewesen sel, wofür ich sonst keine Anhaltspunkte habe, so hätte sich in dieser Familie die Farbenblindheit vererbt von Mutter auf Sohn 3mal von Vater auf Tochter 1mal von Grossvater (mütterlicherseits) auf Grosssohn 1mal. — 567 — Die Verwandtschaft von E F ergibt Folgendes: dx | 9 ? Br dx E Fg; dx In dieser Familie hat sich die Farbenblindheit vererbt von Grossvater (mütterlicherseits) auf Grosssohn 3mal. E. F. erzählte mir von einem seiner Bekannten, der auch farbenblind ist, dass auch dessen Grossvater mütter- licherseits farbenblind gewesen sei. A. P. hat auch einen farbenblinden Bruder von der gleichen Mutter und einen nicht farbenblinden Stiefbruder. Der Grossvater mütterlicherseits war auch in hohem Grade farbenblind. Es wird durch unsere Ermittlungen die sonst schon beobachtete Thatsache bestätigt, dass sich die Farben- blindheit vorherrschend häufig von farbenblinden Männern durch nicht farbenblinde Weiber auf die männlichen Nach- kommen vererbt. Ich werde übrigens den Gang der Erscheinung in den betreffenden Familien zu verfolgen mich bemühen. Ich kann an diesem Orte die von Helmholtz der Vergessenheit entrissene, den Thatsachen der Beobachtung entsprechend modifizirte Theorie Youngs über die Wahr- nehmung der Farben nicht als bekannt voraussetzen und theile daher in Kürze das Wesentlichste aus derselben mit. Man kann die Farbenempfindungen auf drei Grundempfindungen zurückführen: Roth, Grün, Violett. — 568 — Es gibt im Auge drei Arten von Nervenfasern. Reizung der ersten erregt die Empfindung des Roth, Reizung der zweiten die des Grün, Reizung der dritten die des Violett. Objektives homogenes Licht erregt die drei Arten von Fasern je nach seiner Wellenlänge in verschiedener Stärke; die rothempfindenden Fasern werden am stärksten erregt von Licht grösserer Wellenlänge u. s. w.; indessen erregt jede Spektralfarbe alle Arten von Fasern, aber die einen schwach, die andern stark und zwar erregt. Das homogene Roth stark die rothempfindende, schwach die beiden andern Faserarten; das homogene Gelb mässig stark die roth und grün empfindenden, schwach die violetten; das homogene Grün stark die grünempfindenden, viel schwächer die beiden andern Arten; | das homogene Blau mässig stark die grün und violettempfindenden, schwach die rothen; das homogene Violett stark die gleichnamigen, schwach die andern Fasern. Erregung aller Fasern von ziemlich gleicher Stärke bringt die Empfindung von Weiss oder weisslichen Farben hervor. Da die mindest brechbaren Strahlen am meisten die rothempfindenden Fasern erregen, die andern Strahlen aber auf diese nur eine ganz untergeordnete Wirkung ausüben, so muss, wenn die rothempfindenden Fasern fehlen, das Spektrum dem Rothblinden verkürzt erscheinen. Hiemit stimmen denn zahlreiche Beobachtungen überein, welche ich nicht wiederholen will. Man kann durch ein tiefblaues Kobaltglas alle mittleren Strahlen des Spektrums auslöschen und nur ein rothes und blaues Farbenbild be- halten. Ist das rothe Farbenbild etwas abgeschwächt, so sieht es der Rothblinde gar nicht. — 569 — Wenn nun aber dem Auge die grün empfindenden Strahlen fehlen, was folgt dann aus der Theorie der Far- benempfindungen ? Man denke sich die einzelnen Farben des Spektrums als Abszissen auf einer Geraden aufgetragen, die Stärke der Erregung der rothempfindenden und der violettempfin- denden Fasern als Ordinaten, so werden die Erregungs- intensitäten beider Fasern durch Curven dargestellt sein, welche sich in einem Punkt schneiden müssen. Senkrecht unter diesem Punkt liegt auf der Abszissenachse die Farbe, welche beide Nervenfaserarten gleich stark erregt; - gleich starke Erregung beider Faserarten bringt die Empfin- dung von Weiss oder Grau hervor; es muss also bei dem total Grünblinden ein grauer Streifen das Spektrum theilen. Diese Thatsache ist durch Preyer’s und durch meine Be- obachtungen festgestellt. Ich habe nicht ganz genau dieselbe Wellenlänge für den neutralen Streifen gefunden, wie sie Preyer angibt. Es ist aber auch sehr wohl denkbar, dass die Lage des Punktes im Spektrum, der gleiche Erregung ausübt auf die rothempfindenden und die violettempfindenden Farben nicht eine ganz konstante sei. Wenn nämlich die beiden Curven für verschiedene Augen eine verschiedene Gestalt haben, so wird sich hiemit auch die Lage ihres Schnittes verändern. So gut wir nun durch die Thatsachen ge- nöthigt sind, anzunehmen, dass es Augen von verschie- denem Grade der Farbenblindheit gibt, d. h. Augen, in denen — mit der Theorie gesprochen — die Fasern der einen Art vollständig fehlen, und andere, in denen sie minder empfindlich sind als im normalen Auge, ebenso wohl könnten wir in der verschiedenen Lage der neutralen Stelle einen Beweis finden für die Thatsache, dass die Erregungskurve für verschiedene Augen eine verschiedene Gestalt haben kann. Sind wir aber einmal dahin gelangt, Bl pr dies anzunehmen, so werden wir auch zu der weiteren Annahme geführt, dass von Auge zu Auge Verschieden- heiten in der Farbenwahrnehmung, sowohl in Bezug auf Qualität, als auf Intensität und Unterschiede vorkommen werden. Anhang. Aus einer farbenblinden Bernerfamilie F habe ich folgendes in Erfahrung gebracht: Von zwei Brüdern A und B war letzterer farbenblind; A hatte einen farbenblinden Sohn, dieser drei nicht farben- blinde Töchter, von welchen zwei farbenblinde Söhne haben, jede zwei; unter diesen ist der eine farbenblinder Zwillingsbruder eines nicht farbenblinden. B aber hat eine nicht farbenblinde Tochter, von deren drei Söhnen zwei farbenblind sind, der dritte nicht. Dieser verheirathete sich mit einer nicht farbenblinden Grosstochter von A, einer entfernten Base, und erhielt von ihr einen farben- blinden Sohn. Versuche über Fluorescenz. Von Ed. Hagenbach. (Auszug aus Pogg. Ann. CXLI pag. 65, 232, 375, 508.) LPS LL LL Schon seit langer Zeit kannte man bei einigen Lösungen, z. B. dem Aufguss des Griesholzes (lignum nephriticum) die Eigenschaft, im auffallenden Lichte eine eigenthümliche Schillerfarbe zu zeigen, die ganz verschieden ist von der Farbe, welche der gleiche Körper im durchfallenden Lichte hat. Brewster und J. Herschel haben zuerst dieses — 571 — eigenthümliche optische Verhalten bei einer grösseren An- zahl von Körpern untersucht und glaubten dasselbe der eine mehr durch eine innere Dispersion, der andere durch eine eigenthümliche oberflächliche Reflexion des Lichtes zu erklären. Erst Stokes zeigte, dass man es hier mit einer Erscheinung zu thun hat, wo nicht nur das auf- fallende Licht in Folge von Reflexion und Absorption in Bezug auf seine Bestandtheile verändert wird, sondern wo der Körper unter dem Einflusse des auffallenden Lichtes selbstleuchtend wird und Licht ausstrahlt, das in seiner Brechbarkeit von dem auffallenden Lichte sich unterscheidet. Der genannte englische Forscher hat auch für diese Erscheinung den Namen Fluorescenz in die Wissenschaft eingeführt, da dieselbe besonders an einigen Flussspathvarietäten sich zeigt. Schon Stokes hat eine grosse Anzahl von Körpern gründlich untersucht und dabei das’ wichtige Gesetz auf- gestellt, dass die Brechbarkeit des Fluorescenzlichtes nie grösser sei als die Brechbarkeit des einfallenden, die Fluorescenz erregenden Lichtes. Seither sind durch ver- schiedene Forscher, ins Besondere durch V. Pierre, die Te Re von Stokes theils He theils auch erweitert worden. Die Veranlassung, Untersuchungen über die Fluores- cenz anzustellen, wurde mir dadurch gegeben, dass von verschiedenen Seiten Körper mit dieser interessanten Eigen- schaft mir zugestellt worden sind. Ich erkannte zu gleicher Zeit, dass eine theoretische Erklärung dieser merkwürdigen Erscheinung nur möglich ist, wenn die Thatsachen durch Beobachtung genau festgestellt sind; desshalb habe ich meine Untersuchungen nicht nur auf die neuen, sondern auch auf andere schon früher untersuchte Körper ausgedehnt. Mein Augenmerk habe ich hauptsächlich auf drei Punkte gerichtet: — 5172 — 1) Die Angabe der Grenzen und Maxima der Fluores-. cenz. Es handelt sich dabei darum anzugeben, in welchem Theile des Spectrums die Fluorescenz beginnt, und in welchem sie aufhört. Ferner ist zu bestimmen, ob nur ein oder mehrere Maxima der Fluorescenz vorkommen, und wo dieselben liegen. i Die Methode, deren ich mich dabei bediente, beruht darauf, dass das Sonnenspectrum direct auf die Ober- fläche der Flüssigkeit geworfen wurde. 2) Die Ermittlung des Absorptionsspeetrums für die fluorescirenden Substanzen und die Bestätigung des zuerst von Stokes deutlich ausgesprochenen Zusammenhanges von Absorption und Fluorescenz, der darin besteht, dass überall im Spectrum, wo Fluorescenz auftritt, damit eine Absorption der erregenden Strahlen verbunden ist. 3) Die spectralische Untersuchung des Fluorescenz- lichtes. Es handelte sich dabei darum, die Ausdehnung des Spectrums des Fluorescenzlichtes zu bestimmen, ebenso die Lage des Maximums oder der Maxima, je nachdem das Spectrum nur an einer oder an mehreren durch ver- hältnissmässig dunklere Zwischenräume von einander ge- trennten Stellen eine grösste Helligkeit zeigte. Dabei war noch hauptsächlich darauf zu achten, ob bei Ver- schiedenheit der auffallenden und die Fluorescenz er- regenden Strahlen auch Verschiedenheiten in dem von dem fluorescirenden Körper ausstrahlenden Lichte auf- treten; es wurden desshalb verschiedene Lichtquellen zur Erregung des Fluorescenzlichtes angewandt. | Die Methode, die dabei zur Untersuchung diente, beruhte darauf, dass auf die Spalte eines grösseren Spec- tralapparates mit Hülfe passend angebrachter Spiegel das reine Fluorescenzlicht geworfen und dasselbe dadurch analysirt wurde. Im Ganzen habe ich 36 Substanzen einer genauen — 073 — Untersuchung unterzogen; ich nenne hier davon einige, die vielleicht weniger bekannt sind. Morin-Thonerde-Lösung. Diese äusserst schön mit Malachitfarbe fluorescirende Flüssigkeit wird, wie Gop- pelsröder gezeigt hat, erhalten, indem man den Morin- Thonerde-Niederschlag (Cubalack) in mit Salzsäure ange- säuertem Alkohol löst. Naphthalinroth (in England Magdalaroth genannt) in Alcohol gelöst. Dieser zu den Theerfarben gehörende Stoff ist zuerst von Schiendl in Wien gefunden und später von A. W. Hoffmann in Berlin genau untersucht worden. Auch diese Lösung fluoreseirt ausserordentlich schön und stark, und zwar mit gelbem Lichte. Thiomelansäure. Jedermann, der sich mit den Anfängen der Chemie beschäftigt hat, weiss, dass wenn man Alcohol und Schwefelsäure zusammengiesst, eine schmierige grünschwarze Lösung zurückbleibt. Erdmann hat dieser Substanz den Namen Thiomelansäure gegeben. Goppelsrôder hat mich auf diese Fluorescenz aufmerk- sam gemacht. Amid der Phtalsäure und Amid der Terephtal- säure. In dieser Weise bezeichne ich zwei Substanzen, deren alcoholische und aetherische Lösungen schön grün und blau fluoreseiren, und die von Hugo Müller in London, dessen Gefälligkeit ich sie verdanke, als durch Reduction aus Nitrophtalsäure und Nitroterephtalsäure erhaltene Amidokörper bezeichnet wurden. Phtalein des Resorcins oder Fluorescëin. Es ist diess eine prachtvoll grün fluoreseirende Substanz, die mir von Ad. Baeyer zugeschickt worden ist. Die einzelnen Resultate der Beobachtung gebe ich lier nicht; sie finden sich ausführlich in der Abhandlung in Poggendorff’s Annalen; ich wende mich gleich zu einer Zusammenstellung der wesentlichen Folgerungen, 38 — 574 — die aus den mannigfachen Beobachtungen sich ziehen lassen, wobei ich gleich zum Voraus bemerke, dass die unbefangene Besichtigung des Beobachtungsmaterials uns den Eindruck einer sehr grossen Mannigfaltigkeit gewährt. Es ist keine Frage, dass wir es hier mit einem Vorgange zu thun haben, der zu der grossen Gruppe physicalischer Erscheinungen gehört, welche durch die mit der stofflichen Beschaffenheit zusammenhängende moleeulare Constitution bedingt sind, und wo eben jeder Körper gleichsam als besonderes Individuum mit eigenthümlichen charakteristi- schen Eigenschaften auftritt, und wo es desshalb sehr schwer ist, bestimmte allgemein gültige Gesetze- aufzu- stellen. Im Folgenden will ich diess unter einigen beson- deren Gesichtspunkten in kurzer Uebersicht auszuführen suchen. Fluorescenz im Spectrum oder fluorescirende Spectren. Die Frage, ob unter Umständen alle Strahlen, des Spectrums im Stande sind, Fluorescenz zu erregen, können wir mit Ja beantworten. Wir könnten höchstens bei den rothen Strahlen, die vor der Linie B liegen, uns veran- lasst sehen, sie von der Fluorescenz erregenden Eigen- schaft auszuschliessen, indem mir allerdings keine Substanz bekannt ist, die vor dieser Stelle im Spectrum zu fluores- eiren beginnt. Wenn man aber in Betracht zieht, dass das Fluorescenzlicht weniger brechbar ist als das erregende, so ist es sehr begreiflich, dass eine im äussersten Roth erregte Fluorescenz für unser Auge nicht mehr sichtbar ist. Was die Ausdehnung der Fluorescenz im Spectrum betrifft, so zeigen sich uns sehr bedeutende Unterschiede bei den verschiedenen Substanzen. Es gibt Fälle, wo die Fluorescenz erst im violetten Theile nach der Linie & — 55 — beginnt, wie z. B. beim Flussspath und einer von mir untersuchten Lösung, die Bisulfanthrachinon enthalten soll, während die Fluorescenz in andern Fällen fast über das ganze Spectrum sich erstreckt, wie z. B. bei der ätheri- schen oder aleoholischen Lösung des Chlorophylis, der aleoholischen Lösung des Naphtalinrothes und der Thiome- lansäure. Nach der violetten Seite hin erstreckt sich die Fluorescenz immer bis über die Linie H hinaus. Was die Stärke der Fluorescenz im Spectrum betrifft, so ist sehr bemerkenswerth, dass in sehr vielen Fällen wir verschiedene Maxima der Fluorescenz bemerken kön- nen, die durch relative Minima von einander getrennt sind. Die Maxima sind durchaus nicht alle gleich stark, und auch der Abstand ihrer Lichtstärke zu derjenigen der Minima ist bald stärker bald schwächer. In Bezug auf die Anzahl der Maxima der Fluorescenz haben wir die allergrösste Mannigfaltigkeit, so z. B. 7 Maxima bei der frischen Chlorophylllösung, 5 Maxima bei den Auszügen des Kienrusses mit Alcohol oder Terpentinöl, 3 Maxima beim Naphtalinroth, bei der alcoholischen Lackmuslösung, bei Purpurin in Alaun, beim Uranglas, 2 Maxima bei der weingeistigen Lösung des Guajakharzes, nur 1 Maximum bei der Morinthonerdelösung, bei der Thiomelansäure, bei den Lösungen von schwefelsaurem Chinin, Aesculin und Fraxin, beim Photen oder Anthracen, beim Petroleum, beim salpetersauren Uranoxyd. Zusammenhang der Fluorescenz und Absorption. Dass überall da, wo Licht Fluorescenz erregt, eine entsprechende Absorption eintritt, ist nach dem mechani- schen Satze der Erhaltung der lebendigen Kraft zu er- warten. Bei allen meinen Beobachtungen hat sich dess- halb auch diese der Fluoreseenz entsprechende Absorption gezeigt, und das Absorptionsspectrum konnte häufig dazu — 516 — dienen, die Maxima der Fluorescenz etwas genauer zu bestimmen. Etwas auffallender ist, wie auch schon Stokes bemerkt hat, der Umstand, dass bei fluoreseirenden Kör- pern im Allgemeinen jeder Absorption auch Fluorescenz entspricht, während diess ja durchaus nicht so zu sein brauchte, da ja sonst bei gefärbten Flüssigkeiten sehr häufig Lichtabsorption ohne entsprechende Fluorescenz vorkommt. Bei weitem in den meisten Fällen hat sich bei meinen Untersuchungen der Zusammenhang zwischen Absorption und Fluorescenz auch nach dieser Richtung gezeigt; doch sind mir ebenfalls Fälle vorgekommen, wo die Substanz ausser der der Fluorescenz entsprechenden Absorption noch eine besondere Absorption an eimigen Stellen zeigte. Es ist diess der Fall bei der wässrigen Lackmuslösung, der Lösung von Purpurin in Soda, beim festen und beim gelösten salpetersauren Uranoxyd. Spectren des Fluorescenzlichtes oder Fluores- cenzspectren. Der möglichst genauen Untersuchung und Beschrei- bung der sehr mannigfaltigen Fluorescenzspectren habe ich besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Ich hebe hier beispielsweise nur Einiges hervor, das mir besonderes Interesse darzubieten scheint. Schon das sehr verschiedene Aussehen des Fluorescenz- lichtes im Bezug auf Farbe zeigt grosse Mannigfaltigkeit, indem es roth, orange, gelb, grün, blau und violett fluorescirende Substanzen giebt; doch erst die Spectral- untersuchung giebt über die Farbe genauen Aufschluss. In Betreff der Ausdehnung des Fluorescenzspeetrums sind die Unterschiede sehr gross; die kleinste Ausdehnung hat wohl das Fluorescenzspectrum des Chlorophylis, es ist so schmal, dass man beinahe sagen kann, man habe homogenes rothes Licht. Andererseits haben wir eine — 577 — sehr bedeutende Ausdehnung des Fluorescenzspeetrums bei der Thiomelansäure, dem Flussspath und andern mehr; in diesen Fällen enthält das Fluorescenzlicht Strahlen vom Roth bis zum Violett. Ein ganz besonderes Interesse gewährt jedoch der Umstand, dass in sehr vielen Fällen die Fluorescenzspectren sehr bedeutende Unterbrechungen in der Lichtintensität zeigen; es sind dann Spectren, die aus einer Anzahl heller Banden, Maxima der Lichtintensität, bestehen, die durch mehr oder weniger dunkle Banden von einander getrennt sind. Doch ist dabei zu bemerken, dass die hellen Banden durchaus nicht plötzlich, sondern nach und nach in die dunklen Banden übergehen, und diese nicht vollkommen dunkel, sondern nur mehr oder weniger ausge- sprochene relative Minima der Lichtintensität sind. Wir haben in dieser Weise beispielshalber 8 Maxima der Fluorescenz beim salpetersauren Uranoxyd, 6 Maxima beim Photen oder Anthracen und Petroleum, 5 Maxima beim Uranglas und den Kienrussextracten, 3 deutlich ausge- sprochene Maxima bei der Guajaklösung, weniger deutlich beim Fluoreseön, 2 Maxima deutlich beim alcoholischen Lackmusauszug, bei der Orseillelösung und bei der frischen ätherischen Chlorophylliösung,, weniger deutlich ausge- sprochen beim oxydirten Brasilin, dem schwefelsauren Chinin, dem Aesculin, der Curcumatinktur. Nur ein Maximum also keine Intermittenz in der Lichtintensität zeigen die Fluorescenzspectren der Morinthonerdelüsung, des Naphthalinrothes, der Thiomelansäure, des Flussspathes. Der Grad des Helligkeitsunterschiedes zwischen Ma- xima und Minima ist ausserordentlich verschieden; sehr deutlich und scharf als einzelne helle Streifen sind die Maxima ausgeprägt im Fluorescenzspectrum des salpeter- sauren Urans, während z. B. andererseits beim Fluorescein, das in Bezug auf Fluorescenzfarbe dem salpetersauren — 578 — Uranoxyd zum Verwechseln ähnlich ist, die Unterschiede in der Helligkeit nur schwer bemerkbar sind. Man könnte vermuthen, dass die Intermittenz beim Fluoresciren im Spectrum im Zusammenhang stehe mit der Intermittenz im Fluorescenzspectrum und die eine die andere bedinge. Es giebt Fälle, die für einen solchen Zusammenhang sich anführen liessen; so zeigen z. B. die Auszüge aus Kienruss 5 Maxima der Fluorescenz im Spectrum und auch wieder 5 Maxima im Fluorescenz- spectrum. Allein viele andere Fälle zeigen, dass hier jedenfalls kein einfacher Zusammenhang stattfindet. Die Lösung des frischen Chlorophylis zeigt 7 Maxima der Fluorescenz und nur zwei Maxima im Fluorescenzspectrum; das Naphtalinroth zeigt sehr deutlich ausgesprochen 3 Ma- xima der Fluorescenz im Spectrum, während im Fluores- cenzspectrum keine Spur von Intermittenz zu bemerken ist. Umgekehrt zeigt das salpetersaure Uranoxyd, das 8 sehr scharf ausgeprägte Maxima im Fluorescenzspectrum hat, keine Intermittenz der Lichtstärke beim Fluoresciren im Spectrum. Die Intermittenz des Fluoreseirens im Spectrum so- wohl als die Intermittenz des Fluorescenzspectrums mag in einigen Fällen, wie z. B. bei den Lösungen von Guajak, Purpurin, Orseille, Lackmus, sich daraus erklären, dass wir es mit Gemengen verschiedener Farbstoffe zu thun haben. In anderen Fällen jedoch, wo reine krystallisirte Substanzen zur Untersuchung vorlagen, wäre es gewiss eine sehr gewagte Hypothese, die Intermittenz auf ein Gemenge zurückzuführen. Stokes’sches Gesetz. Schon in den einleitenden Worten haben wir das Stokes’sche Gesetz erwähnt, das darin besteht, dass die Brechbarkeit des Fluorescenzlichtes nie grösser ist als die — 579 — Brechbarkeit des Lichtes, welches die Fluorescenz erregt. In neuerer Zeit ist hauptsächlich von Lommel die Rich- tigkeit des Stokes’schen Gesetzes bezweifelt worden, wo- bei sich dieser Forscher auf Untersuchungen mit Naph- talinroth und Chlorophyll stützte. Meine Untersuchungen haben mich entgegengesetzt den Ansichten von Lommel von der vollkommenen Richtigkeit des Stokes’schen Ge- setzes in allen Fällen überzeugt. Verschiedene andere Gesetze jedoch, die man über die Erscheinung der Fluo- rescenz aufzustellen versuchte, sind durch meine Unter- suchungen nicht bestätigt worden. Einfluss des Lösungsmittels. Die Flüssigkeit, in welcher die fluorescirende Sub- stanz aufgelöst ist, hat mitunter Einfluss auf die Fluores- cenz; doch lassen sich auch hier keine bestimmten Gesetze aufstellen. Es giebt sich dieser. Einfluss in mehreren Fällen, wie bei den Lösungen des Amides der Phtalsäure des Chlorophylls, des Purpurins, daran zu erkennen, dass bei der Fluorescenz im Spectrum die ätherischen Lösungen die Maxima der Fluorescenz etwas nach der wvioletten Seite verschoben zeigen. Auch die Farbe des Fluorescenz- lichtes und die Lage der Maxima des Fluorescenzspectrums wird in einigen Fällen, wie z. B. bei dem Amid der Phtalsäure und den Auszügen aus Kienruss durch das Lösungsmittel beeinflusst. Auf der andern Seite giebt es wieder Fälle, wo das Lösungsmittel gar keinen Einfluss weder auf die Fluorescenz im Spectrum noch das Fluo- rescenzspectrum zu haben scheint. Einfluss des Aggregatzustandes. Die Frage, ob das Fluoresciren im festen Zustande das Fluoresciren im gelösten Zustande nach sich ziehe, — 580 — und umgekehrt, muss je nach der Beschaffenheit der Körper auf ganz verschiedene Weise beantwortet werden. Es giebt Körper, die im festen Zustande fluoresciren und im gelösten gar nicht, so z. B. das Bariumplatineyanür. Es giebt Körper, die im festen Zustande stark fluo- resciren und im gelösten schwach, so z. B. das salpeter- saure Uranoxyd. Es giebt auch Körper, die im festen und gelösten Zustande stark fluoresciren, so z. B. das Photen oder Anthracen, der Malzzucker, der Curcumafarbstoft. Es giebt ferner Körper, die im festen Zustande wenig fluoresciren und im gelösten stark, so z. B. das Aesculin, das schwefelsaure Chinin, das Chlorophyll, die Amide der Phtalsäure und der Terephtalsäure. Es giebt endlich Körper, die im festen Zustande gar nicht fluoreseiren, sondern nur im gelösten, sö z. B. das Naphtalinroth. Zusammenhang von Phosphorescenz und Fluorescenz. In wiefern Phosphorescenz und Fluorescenz als zwei wesentlich oder nur graduell verschiedene Erscheinungen aufzufassen sind, ist immer noch nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden; doch drängt vieles nach der letztern An- sicht. Eine entscheidende Antwort auf diese Frage kann nur gegeben werden, wenn es möglich wird, eine kleine Andauer der Lichtausstrahlung auch bei einigen stark fluorescirenden Flüssigkeiten nachzuweisen. Ich habe diess zwar versucht; allein es ist mir nicht gelungen. Doch kann ich diesen Versuch nicht als entscheidend anführen, da mein Apparat nur im Stande war, eine Andauer von 1/30 Decunde oder mehr nachzuweisen, während es offen- bar bei diesen Versuchen nöthig wäre, mit einem Apparate — 581 — zu experimentiren, der noch um ein Bedeutendes weiter zu gehen gestattete. Es sei hier noch bemerkt, dass die Fluorescenz- speetren mit Intermittenz, die wir bei manchen Körpern untersucht und beschrieben haben, sehr ähnlich sind man- chen von Edm. Becquerel untersuchten Speetren phos- phoreseirender Körper, so dass also auch von dieser Seite her eine gegenseitige Annäherung der beiden Erschei- nungen angebahnt ist. Theorie der Fluorescenz. Auf die Kritik der verschiedenen Theorieen, die zur Erklärung der Fluorescenzerscheinung aufgestellt worden sind, will ich hier nicht näher eintreten. Ich erlaube mir nur die Behauptung, dass keine der bis jetzt aufge- stellten Theorieen im Stande ist, die grosse Mannigfaltig- keit der besprochenen Erscheinungen zu erklären, und dass es auch nicht so bald eine Theorie thun wird. Dass schon die theoretischen Betrachtungen von Sto- kes die richtigen Grundsätze einer Theorie enthalten, wird wohl allgemein anerkannt werden müssen. So wer- den wir annehmen müssen, dass die den Körper treffenden Aetherschwingungen die Moleküle des Körpers in Be- wegung setzen und ihn zu einem selbstleuchtenden Kör- per machen. Wir haben somit eine gewisse Aehnlichkeit mit dem akustischen Vorgange des Mittönens. Allein in einem Punkte ist die Verschiedenheit sehr gross; die Untersuchung der Spectren des Fluorescenzlichtes, das durch homogenes Licht erzeugt ist, ergiebt als dessen Bestandtheil nicht auch homogenes Licht, d. h. nicht eine bestimmte Lichtsorte, sondern eine unendliche Anzahl in Bezug auf die Wellenlänge stätig in einander übergehender Lichtsorten. In dieser Beziehung schliessen sich die Fluo- rescenzspectra an die Spectra der glühenden festen Körper — 52 — an. Wenn das von einem gleichartigen Körper ausstrah- lende Licht eine solche unendliche Mannigfaltigkeit von Schwingungsdauern hat, so ist die Erzeugung derselben, wie diess auch schon Stokes gezeigt hat, nur denkbar unter der Wirkung von Kräften, die nicht nur der ersten Potenz des Ausschlages proportional sind, und die also Schwingungen liefern, deren Schwingungsdauer eine Func- tion des Ausschlages ist. Schon beim Glühen eines festen Körpers unter dem Einfluss einer hohen Temperatur müssen wir solche Schwingungen annehmen, da wir sonst nicht im Stande sind von dem continuirlichen Speetrum des Glühlichtes uns Reehenschaft zu geben. Die genaue theoretische Lösung des Problemes des Glühens eines festen Körpers ist nun nach meiner Auffassung die ein- fachere und leichtere Aufgabe, deren klare Lösung schon vorliegen muss, wenn wir zu der gewiss complieirten Auf- gabe der Erzeugung des Fluorescenzlichtes schreiten wollen. Das Glühen der festen Körper bei hoher Temperatur ist bekanntlich für die Körper von ganz verschiedener Natur gleich, es scheint somit unabhängig von der inneren Molekularconstitution zu sein; während dieselbe bei dem Fluorescenzglühen in hohem Grade massgebend ist und als weitere Complication hinzutritt. Für die Rechtfer- tigung des Stokes’schen Gesetzes hat bekanntlich Stokes selbst einen einleuchtenden theoretischen Gesichtspunkt eröffnet; doch ist gewiss noch manches andere dabei in Berücksichtigung zu nehmen, ausser der sehr complieirten Molekulareonstitution wohl auch die grössere Masse des er- regten Körpermoleküls gegenüber dem erregenden Aether- atom; eine genaue Erklärung desStokes’schen Gesetzeskann jedoch nur die Folge einer durchgeführten Theorie der Fluorescenz überhaupt sein; und da wir diese noch nicht besitzen, so werden auch alle Erklärungen des Stokes’- schen Gesetzes nur als vorläufige lückenhafte Hypothesen — 583 — dastehen können. Alle Theorieen der Fluorescenz aber, aus denen das Stokes’sche Gesetz nicht folgt, oder aus denen gar eine Abweichung vom Stokes’schen Gesetze sich ableiten lässt, können nach meiner Ansicht keinen Anspruch auf Annehmbarkeit machen. Basel, im Januar 1872. PEÉEY SIC AR IR zunnnnnannnnn Ueber Gewichtsveränderungen neugeborner Kinder. Von Prof. J. J. Bischoff. Vorgetragen den 22. März 1871. nn Wenn früher oft schon die Waage zur Wägung Neu- geborner zur Hand genommen wurde, so geschah es entweder zur Eruirung des durchschnittlichen Gewichtes der Kinder in den verschiedenen Graden der Reife, um damit im concreten Falle dem Gerichtsarzte eine Handhabe mehr zur Altersbestimmung eines Kindes zu geben, oder zur Ermittlung des Gewichtsunterschiedes zwischen Knaben und Mädchen oder zwischen Kindern Erst- und Mehrge- bärender. Den grossen Werth fortgesetzter Wägungen zur Beurtheilung des Ernährungszustandes, also des Gedeihens der Kinder hat man bis vor Kurzem noch ganz übersehen, und doch lässt sich eine ernstere Erkrankung besonders der Verdauungsorgane, welche ja das Hauptcontingent der Krankheiten der ersten Lebenszeit liefern, aus keinem Zeichen beim Säugling früher erkennen als aus der Ge- wichtsabnahme. Die Wägungen bieten das beste Controlmittel für gehörige Ernährung. Eine stetige Zunahme des Gewichts spricht für eine richtige Wahl der Nahrung, eine Abnahme oder zu schleichende Zunahme zeigt uns einen Missgriff in dieser Wahl an. Will man aber die Waage zur Controle benutzen, so muss man vorerst die Gewichtsveränderungen unter nor- malen Verhältnissen kennen. Es wird darauf ankommen, bei einer grossen Reihe kräftiger, von gesunden Müttern genährter Kinder, die nie irgend ein Zeichen von Erkran- kung geboten, tägliche Wägungen vorzunehmen und aus den gefundenen Zahlen ein Wachsthumsgesetz von wenig- stens annähernder Gültigkeit aufzustellen. Solche grössere Wägungsreihen sind denn auch seit 1858 unter Trelat, später unter Hervieux in der Pariser Maternité, seit 1866 unter Hardy im Hôpital St. Louis durch Dr. Odier aus Genf und Rene Blache und seit 1867 im Hôpital des enfants trouvés in Paris angestellt worden. Seit Frühjahr 1868 werden in der Gebärabtheilung des Basler Bürgerspitales alle Kinder täglich gewogen. Alle Beobachter mussten bestätigen, was zuerst Chaus- sier gefunden und Quetelet bekannt gemacht hatte, näm- lich dass in den ersten Lebenstagen constant eine Gewichts- abnahme eintritt. Ueber die Dauer dieser Abnahme, über deren Grösse, über die Zeit, zu welcher das Initialgewicht wieder erreicht wird, differiren die Angaben. Wenn allerdings die erste Wägung nicht bald nach der Geburt vorgenommen wird, so kann die Abnahme übersehen werden, und so konnte darum Ritter von Ritters- hain, gestützt auf die Wägungen von 144 Kindern, welche 1866 in der böhmischen Landesfindelanstalt Aufnahme ge- funden, die Constanz dieser Abnahme läugnen. Er gibt in seinem Berichte selbst zu, nicht alle Kinder gleich nach der Geburt gewogen zu haben. Als Ursache der Abnahme muss natürlich das Plus der Abgabe von Darminhalt, Urin, von durch die Lunge exhalirten und durch die Haut perspirirten Stoffen gegen- über der Nahrungszufuhr angesehen werden. Es fragt sich nun, ob diese Abnahme, welche, weil sie so constant unter den verschiedensten äussern Verhältnissen — 586 — gefunden wird, als eine physiologische bezeichnet werden muss, dem neugebornen Menschen allein zukommt, oder ob er sie gemein hat mit andern Geschöpfen. Kehrer nahm zur Beantwortung dieser Frage Thier- wägungen vor. Er wog junge Katzen, Hunde, Kaninchen und fand, ausser in Fällen von Krankheit des Mutter- thieres oder Vernachlässigung der Jungen durch dasselbe, bei der 1 bis 24 Stunden nach der Geburt vorgenommenen zweiten Wägung fast constant eine Zunahme. Kehrer gibt aber zu, dass auch bei diesen Thieren durch Abgabe von Darminhalt ete. ete. gleich nach der Geburt eine Abnahme eintreten müsse, dass aber der Ersatz so rasch einträte, dass nach 1 bis 24 Stunden das ursprüngliche Gewicht schon überschritten ist. | Unter den bis jetzt zu Gewichtsbestimmungen benutzten Thieren verhalten sich einzig, wie Edlefsen in Kiel gefun- den, die Meerschweinchen wie der menschliche Neuge- borne. Von 66 Meerschweinchen zeigten nur 5 nach 12 bis 24 Stunden keine Abnahme, 61 nahmen ab und dies. trotz aller Cautelen wie gute Ernährung des Mutterthieres, sorgfältiges Abtrocknen der Jungen nach der Geburt, um nicht durch Verdunstung des anklebenden Fruchtwassers. eine Fehlerquelle zu erhalten. Genau genommen handelt es sich hier nur um gra- duelle Unterschiede, um raschere oder langsamere Deckung des Verlustes. Die hierbei wirksamen Faktoren sind ein- mal die Verschiedenheit in der Anhäufung von Ernährungs- material in den Milchdrüsen und dann das verschiedene Ver- halten des Neugebornen in Bezug aufdas Nahrungsbedürfniss. Bei Hunden, Katzen und Kaninchen ist Colostrum vor der Geburt massenhaft angehäuft und fliesst da schon tropfenweise aus oder es kommt diese Anhäufung wenig- stens unter dem Einflusse der Wehen zu Stande. Jedenfalls findet das eben geworfene Junge Nahrung im Ueberflusse. — 587 — Beim menschlichen Weibe ist unzweifelhaft ebenfalls schon in der ganzen zweiten Hälfte der Schwangerschaft Colostrum da, ja es fliesst bei vielen schwangern Frauen spontan aus, allein selten sind diese Mengen erheblich. Eine merkliche Vergrösserung der Brüste unter der Geburt, welche eine rasche Sekretionssteigerung andeutete, findet nicht statt; es dauert meist zwei bis drei Tage, bis die sogenannte Milchcongestion eimtritt, und selbst in dieser Zeit findet das Kind, der schweren Entleerbarkeit der Brüste wegen, nicht einmal viel Nahrung, erst vom vierten Tage an wird ihm diese bequem und in Menge geboten. Dass das Colostrum übrigens wirklichen Nährwerth besitzt und nicht etwa bloss ein natürliches Purgans ist, wie man früher annahm, wird jetzt wohl von Niemand mehr bezweifelt werden dürfen. Der im Vergleiche mit der wirklichen Milch grössere Reichthum an Albuminaten und Fett spricht a priori dafür, sowie auch die Beobachtung, dass gerade bei den kleinen Säugern eine frühere Ge- wichtszunahme stattfindet, während bei ihnen die Unter- schiede in der chemischen Zusammensetzung zwischen Colostrum und Milch, besonders betreffs des grössern Salz- gehaltes, worauf man gerade die Theorie des Nichtnährens resp. Purgirens baute, viel bedeutender sind als bei dem menschlichen Weibe. Die Thatsache, dass auch bei den naturwüchsigsten, von der Civilisation noch wenig oder gar nicht berührten Völkern die Milchabsonderung viel später eintritt als bei Thieren, weist den Verdacht zurück, als ob diese Verspä- tung eine Folge der durch die Cultur entstandenen Ent- artung des Menschengeschlechtes sei und nicht auf einem minder innigen reflektorischen Zusammenhange zwischen Genitalien und Brüsten beruhe. Der zweite Faktor, das Verhalten des Neugebornen, —\"5B8 — ist durchsichtig genug. Eben geworfene Katzen, Hunde, Kaninchen, wenn auch anfänglich blind, drängen sich, durch das Tastgefühl geleitet, oft noch am Nabelstrange hängend, zu den Warzen und beginnen nun ein fortwährendes, nur vom Schlafe unterbrochenes Saugen. Nur wenig länger gedulden sich Schweine, Schafe und Ziegen. Nicht so das neugeborne Kind, das auf sich selbst angewiesen zu Grunde ginge und von der Mutter an die Brust gelegt werden muss. Meistens vergehen selbst bei starken, aus- getragenen Kindern einige Stunden, bis sie zu kräftigen Saugbewegungen kommen. Frühgeborne brauchen Tage dazu. Ganz natürlich kann dabei die Summe der Abgaben, die allein für die Mekoniumentleerung häufig 80— 100 grmm. im Tag beträgt, nicht gleich ersetzt werden. Die Waage zeigt Abnahme. Das spät erst gehörig eingeleitete Saugen ist gewiss auch mit die Ursache der Verspätung in der Milchabson- derung und diese bedingt wiederum mangelhafte Nahrungs- zufuhr für das Kind. Uebrigens ist es sehr fraglich, ob der Verlust jemals gleich gedeckt würde, wenn auch dem Kinde gleich nach der Geburt eine Milch im Ueberfluss haltende Brust gereicht würde. Das Nahrungsbedürfniss des Kindes ist anfangs sehr gering. Nach Bouchaud’s Beobach- tungen nimmt das Kind am ersten Tage bei jeder Stillung nur drei grmm. Milch auf, die Gesammtzufuhr, wenn zehnmal in 24 Stunden die Brust gereicht wird, beträgt demnach 30 grmm. Am zweiten Tage werden schon 10 X 15 = 150, am dritten 10 x 40 = 400, am vierten 10 x 55 =550 grmm. aufgenommen. Einstweilen müssen wir die Abnahme als eine physiologische ansehen, wobei aber immerhin da- rauf Bedacht genommen werden sollte, durch eine reich- lichere Ernährung der Mutter am Ende der Schwangerschaft und gleich nach der Geburt, sowie durch frühzeitigeres Anle- gen des Kindes den Eintritt stärkerer Milchsekretion zu be- — 589 — schleunigen und dadurch die Dauer und Grösse der Ab- nahme etwas zu verringern. Ich will hier kurz einige der bei den in den letzten drei Jahren vorgenommenen Wägungen gewonnenen Resul- tate niederlegen, wobei ich mir vorbehalte, später nach Vermehrung des Materials diese Schlusssätze zu vervoll- ständigen, vielleicht auch in Bezug auf die, Zahlen zu ver- ändern. 1. Es findet ausnahmslos eine Gewichtsabnahme durch- schnittlich während drei Tagen beim neugebornen Kinde statt, und zwar während 3,1 bei Knaben, 2,8 bei Mädchen, 3,3 bei Kindern Erstgebärender, 2,6 bei Kindern Mehr- gebärender. 2. Auch durch reichliche Nahrungszufuhr zur Mutter und durch frühzeitiges Anlegen der Kinder an die Brust werden diese Zahlen nicht verkleinert. (Im Gegensatze zu den Beobachtungen Gregorys). 3. Das ursprüngliche Gewicht wird durchschnittlich mit 11,4 Tagen erreicht und zwar von Knaben mit 10,4, von Mädchen mit 13,5. — (Im Gegensatze zu Bouchaud, nach dessen Wachsthumsgesetz das Initialgewicht zwischen dem 4. und 7. Tage erreicht wird. Zwischen Kindern Erst- und Mehrgebärender liess sich ein Unterschied nicht finden. 4. Die durchschnittliche Abnahme beträgt 200—300 grmm., am häufigsten 220 bis 260. Im Minimum 10, im Maxi- mum (wo doch noch während des Spitalaufenthaltes die Er- reichung des Initialgewichts beobachtet werden konnte) 530. Bei Abnahme von über 400 grmm. wurde selten die Wiedererreichung des ursprünglichen Gewichtes beobachtet. Knaben und Kinder Erstgebärender zeigen höhere Zahlen der Abnahme. | d. Die Abnahme am ersten Tage schwankt zwischen 10 und 400 grmm.; durchschnittlich beträgt sie 100 grmm. 6. Die tägliche Gewichtszunahme ist sehr schwankend. 39 CSP DOD EE Abgesehen von den Fällen, in denen nie eine solche beobachtet werden konnte, bewegt sie sich zwischen Bruch- theilen eines gramm und 34', grmm. im Tag. . Bei frühgebornen und bei künstlich ernährten Kin EN ist die Dauer und Grösse der Abnahme ungleich bedeutender. 8. Beilänger andauernden und besonders bei mit hohem Fieber verbundenen Krankheiten der Mütter ist ein schlech- teres Gedeihen Regel. Kürzere Erkrankungen der Mütter haben keinen oder nur geringen Einfluss. 9. Bei allen Erkrankungen der Kinder tritt Gewichts- abnahme ein, und zwar oft viel früher ehe irgend ein anderes Symptom von Kranksein gefunden worden war. 10. Der von Winckel behauptete Zusammenhang der beginnenden Gewichtszunahme mit dem Abfalle der Nabel- schnur findet, wie auch Gregory nachgewiesen, nicht statt. MINERALOGIE und GEOLOGIE. Ueber einige neue Erwerbungen der mineralogischen Sammlung des Museums. Von Prof. Albr. Müller. (Vortrag vom 11. December 1872.) NArI PLL LIST Le In den letzten Jahren hat unsere Öffentliche minera- logische Sammlung theils durch Schenkungen, theils durch wiederholte Ankäufe aus dem reichhaltigen Mineralien- lager des seit Kurzem hier niedergelassenen Hrn. F. H. Hoseus einen ziemlich beträchtlichen Zuwachs erfahren. Die bedeutendste Erwerbung datirt jedoch aus der jüngsten Zeit, indem es mir gelang, aus der schönen Sammlung des in diesem Frühjahr verstorbenen Herrn Bergbauverwalters G. L. Beckh in Thun eine Anzahl für unser Museum werthvoller Stücke auszuwählen und zu sehr günstigen Bedingungen anzukaufen. Eine andere Parthie hatte, gleichzeitig mit mir, Herr Edm. v. Fellen- berg für das Berner Museum ausgesucht und denselben Durchschnittspreis angeboten. Die Auswahl geschah schon im April, jedoch erst im October wurde uns das Ausge- wählte zu den angebotenen Preisen zugeschlagen, nachdem sich kein Liebhaber für die ganze Sammlung eingefunden hatte. | Von dem Verstorbenen war ich noch auf seinem Todbette ersucht worden, seine Sammlung neu zu crdnen \ — D92 — und zu bestimmen, was ich ihm natürlich gerne zusagte. Ich fand bei der Ausführung dieses Versprechens .Ge- legenheit, das reiche vorhandene Material näher kennen zu lernen. Waren auch wenige Stücke ersten Ranges dabei, so war doch die Zahl guter, ansehnlicher Stücke beträchtlich. Ich nahm ein genaues Verzeichniss auf. Wie zu erwarten, so waren die gewöhnlichen schwei- zerischen Vorkommnisse ziemlich gut vertreten, wenn auch lange nicht in der Pracht und Vollständigkeit, wie in der ausgezeichneten Sammlung meines verehrten Freundes Herrn Dr. D. F. Wiser in Zürich. Dagegen waren die in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in Flor gestan- denen berühmten Minenorte in England, Ungarn und besonders Deutschland, namentlich der Harz und das Erz- gebirge, wo Herr Beckh seine bergmännischen Studien gemacht, gut repräsentirt. Viele dieser oft eitirten Vor- kommnisse haben jetzt einen viel höheren Werth als damals und sind nur mit Mühe aufzutreiben, indem die betreffenden einst so reichen Minen theilweise seitdem eingegangen sind. Unter den nichtmetallischen Mineralien zeichneten sich die bekannten Spathe, wie Flussspath, Apatit, Baryt- spath, Coelestin, Witherit, namentlich aber Kalkspath, durch schöne Exemplare und durch Formenreichthum aus, ebenso die Zeolithe, Feldspathe und andere bekannten Silicate, unter den metallischen die Silbererze. Mein Augenmerk war bei der Wahl der Stücke weniger auf Prachtexemplare gerichtet, als vielmehr auf gute charakteristische Stücke und mannigfaltige wohl aus- gebildete Krystallformen. Ganz besonders aber war ich auf Ausfüllung der vorhandenen Lücken bedacht und auf Ersetzung mittelmässiger Exemplare durch bessere, wobei freilich noch manches schöne, wünschbare Stück zurückgelassen werden musste. Dagegen wurde möglichst — 593 — Alles genommen, was auf die Entwicklungsgeschichte der Mineralien und Metamorphismus Bezug hat, worunter mehrere lehrreiche Pseudomorphosen. Im Ganzen betrug die Zahl der aus der Beckh’- schen Sammlung ausgewählten Stücke oder Nummern gegen 350 Stück. Unter dieser ansehnlichen Zahl sollen im Nach- folgenden nur eine kleine Auswahl besonders schöner, lehrreicher oder sonst bemerkenswerther Stücke hervorge- hoben werden, wobei wir dem in mancher Beziehung zweckmässig geordneten, obgleich selten mehr benützten, System Blum’s folgen wollen, nach welchem auch sowohl unsere öffentliche, als die berühmte Wiser’sche Sammlung in Zürich aufgestellt ist. Bekanntlich hat sich bis jetzt noch kein System allgemeinen Beifalls erfreut und Jeder folgt seiner individuellen Neigung, wobei es erlaubt ist, nach Gründen der Zweckmässigkeit zu handeln. Zugleich sind auch einige neulich erhaltene nicht Beckh’sche Stücke mit besonderer Angabe der Herkunft beigefügt. I. Nechtmetallische Abtheilung. Für die Krystallformen sind die Naumann’schen Zeichen gewählt, wobei jeweilen die am stärksten vor- herrschenden Flächen zuerst folgen. Die Grössenangaben sind in Pariser Linien (L) ZU 21/, Millimeter, oder auch in Zollen (2). Graphit. Stengl. G. von der berühmten, nun er- schöpften, Grube von Borrowdale in Cumberland. Steinsalz © O 0. co O 4. Zwei Würfel von 11 und 15 L. Kantenlänge, mit deutlichen, obgleich etwas unregelmässigen, Anfängen von doppelten Abstumpfungen der Kanten durch den Pyramidenwürfel © O 4, eine meines Wissens beim Steinsalz seltene Form. Die Wür- felflächen besitzen flache Eindrücke, von 1—1"; L. Durchm., — 594 — die einem ähnlichen Pyramidenwürfel angehören. Fundort nicht angegeben. Barytspath. o P. © P. 1}; P &. Dabei wurde, abweichend von Naumann nach dem Vorgange Hauy’s, Dufrenoy’s u. A. das Spaltungsprisma als das Grund- prisma, oo P, und die vollkommene Spaltfläche als die Grundfläche, o P, genommen, was zweckmässiger scheint. — Das vorliegende Exemplar besteht aus einem grossen (3 Z. in der Richtung der Makrodiagonale) isolirten, durch Vorherrschen der Basis oP dick tafeltörmigen, Krystall von Freiberg. Witherit. Zwei sehr schöne, farblose, fast durch- sichtige, Krystallgruppen von Hexham in Northumberland. 1) P.2 P co. oo P. Spuren einer stumpfen Pyramide, vielleicht Y, P, an den Scheiteln der Hauptpyramide P. Die Krystalle sehen einer hexagonalen Pyramide voll- kommen ähnlich. Die zierliche kugelförmige Gruppe, 2 Z. Durchm., sitzt auf Bleiglanz. 2): P. 2 Po. 4 P. 14 P co. co P (als schwache Abstumpfung der Randkanten von P). Gleichfalls vollständig von hexagonalem Habitus. Sitzt auf grauem Mergel. Côlestin. Po. PR P30# 1, RB 72 wurden Grundprisma und Basis nach den Spaltflächen wie beim Barytspath genommen. Die zum Brachydoma P œ gehörende Brachypyramide P 3 tritt ziemlich stark auf. Grosse schöne Druse von Girgenti. Strontianit. Zierliche Gruppen kleiner wasserheller oder weisser spiessiger Krystalle, von Bräunsdorf und von Leogang im Salzburgischen. Flussspath, in der Beckh’schen Sammlung reich vertreten. Viele Combinationen. 1) © O ce. Meist aber nur in Spaltungsstücken nach den Oktaederflächen, zum Theil vollkommen regel- mässige Oktaeder von 1—3 Z. Durchm. bildend. a = H. Beckh besass fussgrosse Würfel und Spaltungs- stücke. Alle sind farblos, vollkommen wasserhell. Wir besitzen nun über !Y, Dutzend schöne Exemplare. Die Stücke stammen von einem im Jahre 1830 im Hinter- srunde der Oltschenalp, westlich vom Brienzersee, nach der Studer-Escher’schen Karte im Jurakalk, und zwar in einem Mergel, eröffneten Anbruch, der über 20 Centner lieferte. Die Fundorte des Flussspathes in unsern Kalkalpen sind nicht gar häufig. Wir besitzen schöne grüne durch- scheinende Stücke aus dem Kanton Unterwalden und ähnliche angeblich aus den Umgebungen des Säntis. Ich erinnere hiebei an die in den Klüften des Hauptro- gensteines bei Muttenz unweit Basel brechenden gelb- braunen Flussspathwürfel. Kenngott gibt in seinen „Mineralen der Schweiz“ alle bekannten schweizerischen Fundorte an. 2) 0.000 ». Spuren von oo O. Rosenrothes Okta- eder von 1 Z. Durchm., mit schwach abgestumpften Ecken. Die Flächen, sonst meist stark erodirt, sind ungewöhnlich glatt, doch matt, und theilweise mit Chlorit imprägnirt. Angeblich vom St. Gotthard, wahrscheinlich aus dem Triftgebiet, östlich von Göschenen. 3) co O co. Bräunliche Würfel mit violetten Kan- ten zu einer Druse gruppirt, von Annaberg in Sachsen. 4) © O 3. co Oc. Schöne lebhaft violette Pyra- midenwürfel mit Resten der Würfelflächen, auf feindru- sigem Chlorit, mit kleinen Bergkrystallen, von Annaberg. 9) oO. Grosse Krystallgruppe von dunkelvio- letten grossen Würfeln, die als Sammelindividuen aus kleinen Würfeln bestehen, deren Ecken schwache, aber deutliche 6fache Abstumpfungen durch ein Hexakisoktaeder- zeigen, von Schlaggenwald. 6) oO co. © O 3. Druse von blaugrünen, schön — 59% — fluorescirenden Würfeln mit doppelt abgestumpften Kanten durch © O 3, von Weardale in Cumberland. Bei diesem Anlass bemerke ich, dass andere Stücke desselben Fundortes (meist noch mit Spuren eines zweiten sehr flachen Pyramidenwürfels, der die Stelle des reinen Würfels vertritt), sowie violette Würfel von Stollberg am Harz, die ziemlich dem Lichte exponirt waren, in unserer Sammlung innert zehn Jahren stark abgebleicht sind. 7) © O co. Druse von blassgrünlichen Würfeln, von 2—8 L. Kantenlänge, mit äusserst regelmässig und scharf nach dem Oktaederschnitt dunkelviolett gefärbten Ecken und ähnlichen dunkeln würfelförmigen Kernen im Innern der Krystalle, auf bräunlichem Bergkrystall (Rauch- quarz) von Zinnwald. 8) Ausserdem noch verschiedene andere durch Form und Farbe ausgezeichnete Krystallgruppen. Gypsspath. &P.oP&.— P. Langer säulen- förmiger Krystall durch das Vorherrschen des Grundprismas P und des Klinopinakoides @ P oo, mit mehrern zickzackförmigen scheinbaren Knickungen, die durch das in verschiedenen Abständen des vorherrschenden Grund- prismas in der Querrichtung wiederholte sägenförmige Auftreten der Flächen der Hemipyramide — P (1) her- vorgebracht sind, aus den Umgebungen von Gotha. Aehn- liche merkwürdige Knickungen hat auch Herr Dr. F. Scharff in Frankfurt a. M. in seiner lehrreichen Ab- handlung über die Bildungsweise des Gypsspathes be- schrieben und abgebildet. Geknickte und gekrümmte Krystalle scheinen bei dem Gyps nicht selten vorzukommen, die-o und n Flächen (!/; P oo und P) sind gewöhnlich gekrümmt. Apatitspath. Reiche Suite, darunter einige Stücke mit äusserst regelmässig ausgebildeten durchsichtigen, glatten, glänzenden Krystallen. — 597 — DPD, Pico P 2.2 P: 2.D:2. Parkion, wasserhell, mit Pholerit auf Quarz und Zinnstein von Schlackenwald in Böhmen. 2) oP.oP.',P.oP2. Kleine Gruppe blass- grünlicher, fast farbloser, Krystalle, mit Flussspath und Pholerit (Nakrit) auf einer Druse von Bergkrystall, von Ehrenfriedersdorf. Die dieken Säulen des Apatites zeigen in der Mitte eine breite, innere Querzone, welche mit schwärzlicher Farbe durchschimmert. Ebenso sieht man durch die bräunlichen Würfel des Flussspathes einen innern dunkelvioletten, würfelförmigen Kern und ein noch dunkleres diametrales Quadrat durchschimmern. 3) Dieselbe Combination, wie Nr. 2. Grössere Gruppe blassvioletter glänzender Krystalle, von demselben Fundort. Die bekannten flächenreichen Apatite vom St. Gott- hard waren in schönen Exemplaren vorhanden. 4) Var. Pseudoapatit, o P.oP. Rôthliche matte Krystalle auf Quarz, von Freiberg, ein zersetzter Apatit. Kalkspath. Zahlreiche Combinationen, meistens in schönen Krystallen, wovon das Museum über ein Dutzend erwarb, die später beschrieben werden sollen. Doppelspath. Von dieser bekannten sehr durch- sichtigen Varietät des Kalkspathes erwarben wir ein mehrere Zoll grosses Krystallbruchstück mit aufsitzenden Desminkrystallen, von Eskifiord auf Island. Ein kleineres Spaltungsrhomboeder zeigt die doppelte Strahlenbrechung sehr deutlich. Magnesitspath. —4R.—2R..oP2. Spitze schwärzliche Rhomboeder — 4 R, mit abgestumpften Randkanten durch das zweite Prisma oo P 2, und dreifach abgestumpften Scheiteln durch das Rhomboeder — 2 R, in feinkörnigem Gyps eingewachsen, von Hall in Tyrol. Magnesitspath (Breunnerit), zollgrosses bräunliches — 598 — Primitif-Rhomboeder, R, in hellgrünem blättrigem Talk eingewachsen, aus dem Zillerthal. Bitterspath. R.oR.— 2R,. Zwillinge mit der Endfläche o R verwachsen, farblos, durchscheinend, aus dem körnigen Dolomit von Campolongo, K. Tessin. Drei hübsche, grosse Exemplare. Alunit. Kleine röthliche oder farblose Drusen in einem zersetzten weisslichen Trachyt, 3 Stück, von Musay in Ungarn. In einem der Trachyte ist ein wohlaus- gebildetes ziemlich grosses Quarz-Ditrexaeder einge- wachsen. Die Alunite sind offenbar aus der Zersetzung des Trachytes durch schwefelsaure Dämpfe hervorgegangen. Kalait (Türkis). Zahlreiche vergissmeinnichtblaue rundliche Stückchen von Nischapore in Ostpersien. Peganit. Kleine hellgrasgrüne- glänzende Drusen- überzüge auf Kieselschiefer, von Langenstriegis in Sachsen. Ziemlich selten. Spinell. Var. rother Sp. (Rubin). Zahlreiche rosa- rothe und carminrothe kleine Oktaeder, von Ceylon. Manche derselben mehr oder minder abgerundet. Bergkrystall, aus unsern Alpen reich vertreten, namentlich durch schöne dunkle Rauchquarze. Wir be- schränkten uns, trotz der reichen Auswahl, auf die Er- werbung einiger eigenthümlicher isolirter Krystalle. 1) oP.R. — R, also die gewöhnliche Combination des Prismas mit der Pyramide, farbloser durchsichtiger Krystall, voll der bekannten scharf prismatischen Hohlräume mit fast quadratischem Querschnitt, welche verschwundenen Anhydritnadeln zugeschrieben werden. Die Hohlräume waren theilweise wieder, von aussen her, mit strahligem, gelblichem Desmin ausgefüllt, der auch aussen in kleinen Gruppen aufsitzt. Ob der in andern Exem- plaren noch aufgefundene Rest von Anhydrit eine ur- sprüngliche Krystallbildung war, welche die prismatische — 599) — Hohlform hinterliess, oder ob sie gleichfalls erst später in dieselbe einwanderte, wie im vorliegenden Fall unser Des- min, wage ich nicht zu entscheiden. 2) © P.R.— R. Also dieselbe Form, wie Nr. 1. Isolirter, farbloser Bergkrystall mit ähnlichen, aber spär- lichen, langprismatischen Hohlräumen, die hier aber grossentheils von einer lebhaft braunrothen, wie ein Seiden- faden spiralig gedrehten, faserigen Substanz ausgefüllt waren, welche nach Glanz und Farbe die grösste Aehn- lichkeit mit Rutil hat, in dieser Form ein für mich ganz neuer Einschluss des Bergkrystalles. Ohne Beschädigung des Stückes ist der eingeschlossenen Substanz nicht beizu- kommen. Der Anblick durch eine gute Loupe ist ganz eigenthümlich. 3) Isolirter Rauchquarzkrystall, ursprünglich von der gewöhnlichen Form, aber wie durch eine ätzende Flüssig- keit ganz eigenthümlich corrodirt, so dass die Pyramiden- flächen matte, wellige Vertiefungen und die Prismen feine vertikale Streifung, statt der gewöhnlichen horizontalen, und gleichfalls eine matt geätzte Oberfläche darbieten; mit schwachem Anflug von feinschuppigem Chlorit. Alle diese Stücke, ohne nähern Fundort, stammen aus den Umgebungen des St. Gotthard. Aus dem Dauphiné ist noch ein langer farbloser pris- matischer Bergkrystall (4 Z.) mit eigenthümlich gedrehten Prismenflächen zu erwähnen, der deutliche Spuren von regenerirten Flächen sowohl an den Enden, als auch am Prisma zeigt, wo die Hauptbiegung beginnt, wie wenn der Krystall da gebrochen, etwas verrückt und wieder zusam- men gewachsen wäre. Diese eigenthümliche Drehung ist nicht zu verwechseln mit den durch Vorherrschen zweier paralleler Prismenflächen tafelförmig gedrehten Sammel- individuen oder Gruppenkrystallen, meistens Rauchquarze, wie man sie in Amstäg und an der obern Gotthard-Route — 600 — erhält und die in der berühmten Wiser’schen Sammlung so schön vertreten sind. Bei diesem Anlass verdient bemerkt zu werden, dass unsere Anstalt mehrere farblose Bergkrystalle besitzt, deren Enden aus einer Gruppe gleichgestellter und offenbar zu- sammenstrebender Pyramidenspitzen bestehen, die, theilweise wenigstens, als Regenerationen gebrochener Krystallenden: zu betrachten sind. Die Wiser’sche Sammlung besitzt auch von diesem merkwürdigen Fall, welcher ein eigenthümliches Leben in dem Wachsthum der Krystalle beurkundet, lehr- reiche Beispiele. Hornstein und feinkörniger Quarz, sechsseitige dicke Säulen, © R.oR, innen hohl mit kleinen Quarzkryställ- chen; schön ausgebildete Form, als Pseudomorphose nach Kalkspath, von Schneeberg. . Edler Opal in zersetztem bräunlichem Trachyt ein- gewachsen, von Eperies in Ungarn, 2 Stück. Ich habe an diesen und andern Stücken bemerkt, dass sie, in Wasser getaucht, ein ungemein lebhafteres Farbenspiel ge- winnen, getrocknet aber wieder verlieren. So zeigen auch gewisse weisse Hydrophane erst nach Eintauchen in Wasser das prächtige Farbenspiel. Die Silicate, diese grosse, wichtige Gruppe des Mineralreiches, waren in der Beckh’schen Sammlung gut, zum Theil, namentlich die Zeolithe, sehr gut vertreten. Ich habe jedoch hier nur Weniges ausgesucht, indem die Lücken auf diesem Gebiet in unserer Sammlung weniger fühlbar sind. Ich habe desshalb, gerade aus der stattlichen Reihe der Zeolithe, nur wenige Stücke namhaft zu machen. Analcim &Onx. 202. Fast farblose, durch- sichtige, sehr glatte und glänzende, dreifach enteckte Würfel, auf einem gelblichen thonigen oder tuffartigen Gestein von den Cyclopen-Inseln. Das bekannte Vorkommen vom Fassathal, Leucitoeder, — 601 — auf einem grossen Stück Angitphorphyr aufsitzend, wurde gleichfalls berücksichtigt. Phillipsit. oo P co. co P oo. P. Gelblichweisse, sehr deutliche rektanguläre Krystalle mit rhombischer Pyramide an den Enden, einzeln und gruppenweise auf einem zersetzten Dolerit aufsitzend, vom Kaiserstuhl. Herschelit, wasserhelle, lebhaft glasglänzende, klein- drusige, kugelige Gruppen, in den Hohlräumen einer alten Lava, von Aci Reale auf Sicilien. Pholerit (Nakrit), sehr schöne grosse Druse von gelblichweissen, perlmutterglänzenden Schüppchen oder Blättchen zu kugeligen Gruppen vereinigt, von Freiberg. Adular, aus den Umgebungen des St. Gotthards. 1) co P.0 P. co P co. P 3. Die Seitenflächen des Grundprismas mit eigenthümlich parkettirter Zeichnung, durch regelmässige, 2!/, L. von einander abstehende Spal- tungsfurchen, welche parallel den Randkanten der Basis laufen und mit innern basischen Spaltrichtungen correspon- diren. Ausserdem sind diese regelmässigen horizontalen Streifen durch weniger regelmässige aber starke vertikale, parallel den Seitenkanten des Grundprismas laufende, je- weilen nur von Spalte zu Spalte reichenden Furchen in kleine Querfelder abgetheilt, die gleichfalls aus den Flä- chen des Grundprismas gebildet sind und in regelmässiger Wiederholung zusammen die parkettirte Seitenfläche des Gesammtkrystalles bilden. Die Basis zeigt die bekannten rauhen und tiefen diagonalen (orthodiagonalen) Querfurchen, die aber, trotz ihrer Aehnlichkeit, mit Zwillingsstreifung nichts zu schaffen haben. Ebenso wenig entsprechen sie ‚einer Spaltungsrichtung. Die Furchen gleichen schmalen Spalten und gehen bisweilen mehrere Linien tief in den Krystall hinein. Augenscheinlich sind sie durch eine eigen- thümliche Einwirkung corrodirender Flüssigkeiten ent- standen. Dennoch ist die Erklärung schwierig. 602 — Von dieser merkwürdigen Ausbildung des Adulares haben wir drei stattliche Exemplare erworben, zwei Stück je 3 Z. hoch und breit, wovon bei dem Einen zwei parallele Prismenflächen dreimal so gross, als die beiden andern, und ein Stück (mit Basis o P und Hemidoma P ©) 1 Z. hoch und 2 Z. breit. Die eigenthümliche Felderzeichnung auf den Flächen des Grundprismas, obgleich nicht selten bei den Adularen des St. Gotthards, habe ich doch noch nie so scharf und regelmässig gefunden, wie an den vorliegen- den Exemplaren. Uebrigens verweise ich auf die vielfälti- gen, schönen Beobachtungen von Dr. Scharff über die Bildungsweise des Feldspathes. Der auf den Prismen- flächen sichtbare perlmutterartige, bläulich-weisse Schim- mer im Innern des Krystalles (angeblich in der Richtung des Orthopinakoides) fehlt natürlich nirgends. 2) 0 Pi Pre.-P.2P. Po. 2? Porz Bräunlicher Zwilling nach dem Bavenogesetz (Zwillings- ebene 2 P co), 1'/, Z. Merkwürdig ist das Auftreten der seltenen Hemipyramide 2 P, und die starke Ausbildung der Flächen P und © P 8. 3) o P. P ce. c P ce. co P 3 (hemiedrisch), P. Zwil- ling mit der Basis verwachsen. Zwischen die beiden Zwil- lingsindividuen legt sich auf der einen Seite ihrer beiden Klinopinakoidflächen ein drittes Individuum, nach dem Klino- doma 2 P oo. also nach dem Bavenogesetz mit den beiden andern verwachsen, hinein, so dass also ein Drilling entsteht, eine sowohl bei dem Adular, als bei dem gemeinen Orthoklas von Baveno nicht seltene Verwachsung. Dabei stehen die Basisflächen der drei Drillingsindividuen senkrecht zu ein- ander. Auch dieser Krystall ist durch Eisenocher bräun- lich gefärbt und zeigt, wenn auch nicht so scharf und regelmässig wie die drei Exemplare von Nr. 1, die Spal- tungsrichtungen der Basis. Ob mechanischer Stoss oder rasche Erwärmung die Spaltung bewirkt, wage ich nicht zu — 603 — entscheiden, jedenfalls aber scheint sie erst nach der völ- ligen Ausbildung des Krystalles entstanden zu sein. Wir dürfen wohl annehmen, dass jede grössere Veränderung im Innern eines Gebirges, Hebung und Spaltung durch plutonische Actionen, Erwärmung und Abkühlung, Aende- rungen der Temperatur und des chemischen Gehaltes der die Spalten durchziehenden Gewässer, auch auf die bereits vorhandenen krystallisirten Mineralien ihren Einfluss aus- üben und bald Zersetzungen oder mechanische Angriffe, bald Neubildungen bewirken mussten.') Gemeiner Orthoklas. Ausgezeichnete röthlich-weisse oder blass fleischrothe Zwillinge nach dem Bavenogesetz (Zwillingsebene das Klinodoma 2 P co) von Baveno. Die vorherrschende Gestalt ist wie gewohnt oP.o P co. co P. co P 5. P. P oo. 2 P co. An mehrern Stücken sind die bei- den Hemidomen P co. 2 P co äusserst klein. An einem Zwilling ist das eine Individuum viermal so gross, als das an- dere, welches durch starkes Vorherrschen der Basis tafel- förmig ausgebildet ist. Zwei Exemplare sind durch die äusserst regelmässige symetrische Ausbildung ihrer sämmt- lichen Flächen wahre Modelle (1 Zoll Länge). Von den vier übrigen, zum Theil beträchtlich grössern, Exemplaren zeigt jedes wieder in der ungleichen Ausbildung der gleich- artigen Flächen seine besondern Eigenthümlichkeiten. Un- sere Suite von Orthoklasen hat hiedurch einen recht erfreulichen Zuwachs erhalten. Wernerit (Skapolith). P.o Po.oP3.P. Kleine Druse mit einigen wohlgebildeten grauen Krystallen von Arendal. ‘) Von Adularen und Bergkrystallen aus den Umgebungen des St. Gotthard kann man nie genug bekommen, indem jedes Stück wieder andere seltsame Eigenthümlichkeiten zeigt und jedes wieder ein neues Blatt zu der Chronik dieser krystallinischen Schiefergebirge liefert. — 6094 — Turmalin. co R : 1) ae P 2. — '!/, R. Das vertikale Prisma stark gestreift und vorherrschend trigonal ausgebildet. Drei iso- lirte, unten ölgrüne, oben farblose und auf den stumpfen Rhomboederflächen schwärzliche Krystalle, von der Insel Elba. Ein vierter Krystall ist blass rosaroth. 2 ea BR 2 Et - R. Sehr grosser, dicker, schwar- zer Krystall (2 Z.), die Rhomboederflächen ausgenommen, wohl ausgebildet, von Grönland. 3) Schwarze nadelförmige Krystalle (Schörl), zu einer Gruppe vereinigt, von Oberwallis. Granat, in mannigfaltigen Farben und Gruppen. 1) Kaneelstein. 202.00 0. Das Granatoeder mit stark abgestumpften Kanten, blass hyazinthrothe, zierliche Krystallgruppe von der Mussa Alp in Piemont. 2) Gemeiner Granat, rothbrauner, sehr grosser Kry- stall, in der gewöhnlichen Form © O. St. Gotthard. 3) Rother Granat, oo O, mit Andeutungen eines Py- ramidengranatoeders, in schwarzem Glimmerschiefer. Nord- amerika. Idokras.. o P.00 P. 6 P co. P. P a. 3P3Da2 von ôlerünen, durchsichtigen, auf den Prismenflächen stark gestreiften Krystallen von der Mussa Alp in Piemont. Eine Druse von grossen, dick säulenförmigen Krystal- len der Combin.: co-P..co P co. 0 P. P.,17, PP ea stammt vom Monte Somma am Vesuv. Kaliglimmer (Muscovit). © P.oo P&.oP. Meh- rere schöne Drusen, mit deutlich ausgebildeten, auf den Endflächen hellgrauen, perlmutterglänzenden, auf den Sei- tenflächen schwarzen, sechsseitigen Tafeln auf Quarzitgneiss (mit vorherrschendem körnigen Quarzit) aus dem Binnen- thal im Ober-Wallis. — 605 — Lithionglimmer, Druse grauer, dünner, sechsseitiger Tafeln mit Zinnerz, von Zinnwald in Böhmen. Schweizerit, derb, dicht, schwefelgelb ins Grün- liche, ein Talksilikat, von Zermatt. Serpentin. © P co. c P. c P 2. P co. P co. P. — 11, Z. Stattliche isolirte Pseudomorphose nach Olivin, von Snarum, Norwegen. Die früher von Scheerer und An- dern geäusserte Ansicht, als ob diess die wirklichen, dem Serpentin als solchem zukommenden, Krystalle seien, hat sich nicht bewährt. Akmit. Mit ausgebildeten Krystallenden co P oo. co P. c P co 6 P. 6 P 3. P. Zwillinge, mit dem Orthopina- koid verwachsen, in farblosem Quarz, von Eger in Nor- wegen. Schönes Exemplar. Ein kleinerer (7 L.) isolirter Krystall zeigt die Com- bination Po. P. œ P co. P co. P. Gleichfalls ein Zwilling wie oben, durch das vorherrschende Orthopinakoid co P © tafelförmig. Diopsid. Mehrere hübsche Drusen der fast durch- sichtigen, blassgrünen, flächenreichen Krystalle von der Mussa Alp in Piemont. 1) c P co. c P 0. co P. 2 P. — P. — 1/, P co. o P. Nebst einer an ‘, P © sich anlegenden stumpfen Hemi- pyramide m P n. 2) Wie Oben. Hiezu P. 2 P co. Basis o P sehr deutlich. 8) co P c. co P. co P 3. P 00. O P. 1/, P co. 2 P. Isolirter mittelblaugrüner Krystall mit einem aufsitzenden Granat 2 O 2. Gute Krystalle von diesem Fundorte sind bekanntlich nicht mehr so leicht zu bekommen. Ferner erhielten wir, wahrscheinlich aus derselben Gegend, einen zwei Zoll gros- sen, dieken Krystall von lauchgrünem Diopsid, mit den beiden vertikalen Pinakoiden und Spuren des Grundpris- mas, aber ohne Endflächen. 40 = 608 — Fassait. © P. 2 P ©, oder eine diesem Klinodoma sehr nahe kommende Klinohemipyramide 2 Pn. Hiezu hie und da noch ein steiles Hemidoma 2 P ©; auf bräun- lichweissen Oktaedern von zersetztem Spinell vom Monzoni- berg im Fassathal. Gemeiner Augit, vier grosse, wohlgebildete Kry- stalle der gewöhnlichen Form Po.oPw.woP.P, aus der böhmischen Wacke. Bronzit, grossblätterige Parthien, auf der vollkom- menen Spaltfläche fast metallglänzend, ähnlich Hypersthen, mit graulichem Feldspath, von Bayreuth. Hypersthen, angeschliffenes Stück, mit prachtvollem, metallähnlichen, fast kupferrothen Schiller auf der voll- kommenen Spaltfläche (Brachypinakoid P ©), von der Küste Labrador. Basaltische Hornblende. oP. o P co. 2 P ce. P. o P. 3 P 8. Isolirter (14 L.) grosser, dicker Krystall aus der böhmischen Wacke. Saphirin, krystallinische, graublaue Masse, von Fis- kenaes in Grönland. Topas, in verschiedenen schönen Combinationen. 1) Topas vom Schneckenstein in Sachsen. Sehr gut ausgebildete, flächenreiche Krystalle, wovon 6 Stück isolirt, hiezu noch zwei hübsche Drusen auf dem bekannten tur- malinführenden, gneissartigen Gestein (mein Gneissquarzit mit feinkörnigem Quarz) aufsitzend. Vorherrschend ist folgende Combination: © P. © P 2. P.2/, P. 47, P2.2 P oo. o P. Bei einigen tritt noch das Brachyprisma oo P 3 und das Brachydoma 4 P oo hinzu, wogegen bei andern die Basis bis auf ein kleines Fleckchen verschwindet. Die Krystalle haben eine Grösse von 3 bis 6 Linien. Mehrere fast zoll- grosse, gut ausgebildete Individuen desselben Fundortes erhielt ich vor einiger Zeit durch Herın F. H. Hoseus, Mineralienhändler dahier. 607 — 2) Topas von Villarica in Brasilien. 11/, Zoll grosser, dicker säulenförmiger Krystall, bestehend aus dem Grund- prisma oo P, mit schwacher Abstumpfung der seharfen Sei- tenkanten durch ce P oo, nebst Spuren von mehrern Brachy- und Makroprismen. Die Enden sind leider nicht ausgebil- det, sondern durch zwei glatte Spaltflächen, in der Rich- tung der Basis, ersetzt. 3) Topas vom Ural, kleine Druse farbloser Krystalle. co P. co P 2.2 P co (stark auftretend). P. Basis fehlt. Mit Aquamarin. Durch Herrn Hoseus erhielten wir in letzter Zeit gleichfalls einige stattliche, obgleich etwas abzerun- dete, farblose Krystalle, wesentlich derselben Combination, einer jedoch mit drei Brachydomen und mit einem schma- len Rest der Basis. Die Brachydomen treten stark auf. Beryll, von Katharinenburg im Ural. 1) oP.oP. Sechsseitiges Prisma, 3", Zoll lang, hellgrün, mit dunkelgrünen Querzonen. 2) © P.oP. Wie oben, aber durch Vorherrschen zweier paralleler Prismenflächen etwas tafelartig. 21/, Zoll, ölgrün, mit nadelförmigen Hohlräumen, parallel der Haupt- axe, die theilweise mit Eisenocker ausgekleidet sind. Euklas. Zwei kleine, blass berggrüne Krystalle mit mehreren vertikalen Prismen, aber ohne deutliche End- flächen, aus Brasilien. Turmalin (Nachtrag). © P2.oR.R.— Y, R.oR. Zolllanger, dicker, schwarzer Krystall aus dem Oberwallis. Unter den schon früher erhaltenen Stücken verdient ein Granit mit hellfleischrothem Feldspath, grünlichgrauem Oligoklas, Öölgrünem Quarz und schwarzem Glimmer, Or- thit einschliessend, aus Norwegen, Erwähnung, weil er mit dem prachtvollen Granit, derin grossen exotischen Blöcken bei Saxelen, Kt. Unterwalden, gefunden wurde, vollständig identisch, nur etwas grobkörniger, ist. Sollten diese exoti- schen Blöcke wirklich nordischen Ursprunges sein? = 608 = Orthoklas von Baveno in den bekannten schon oben beschriebenen Zwillingen, wovon je das eine Individuum weiss, das andere hell fleischroth ist, mit regelmässig auf- gewachsenen Albitkrystallen auf den Prismenflächen ce P. Erst neulich erhalten. | Pollux aus dem Granit der Insel Elba, durch Hrn. Hoseus dahier erhalten, farblos, durchsichtig, einem zer- fressenen Adular ähnlich, ausgezeichnet durch den nach der Analyse Pisani’s 34"/, betragenden Gehalt an Caesium- oxyd. Selten und theuer. II. Metallische Abtheilung. Gediegen Arsenik, kugelig-schalig, mit zierlichen aufsitzenden Krystallen von Rothgiltigerz, von Andreasberg am Harz. Realgar, faustgrosses derbes Stück, von Nagyag in Ungarn. Anatas, einzelne, etwas abgerundete Oktaeder von Brasilien. Rutil, aus dem Binnenthal, K. Wallis. 1) Grosse stengl. Krystalle in Quarz und Glimmer- schiefer. 2) Hübsche knieförmige Zwillinge. Perowskit, schwarzbraune Würfel in körnigem Kalk, vom Kaiserstuhl. Scheelit von Zinnwald in Böhmen. 1) Zierliche Druse von braunen glänzenden Oktaedern (Grundpyramide P) auf Quarz, von Zinnwald. 2) Grosses (24 L.) Bruchstück eines Krystalles, farblos ins Weisse, durch die bedeutende Schwere auffallend. Molybdänglanz, grössere Blättchen und Tafeln, in weissem körnigen Quarzit eingewachsen, der Ausschei- dungen von infiltrirtem glasigem Quarz enthält, aus dem K. Wallis. — 609 — Pyrolusit, sehr stattliche grosse Druse äusserst kleiner kurzsäulenförmiger schwarzgrauer Kryställchen, vom Hollerterzug, auf dem Westerwalde. Manganit. oP.oP2.oP2.Px.oP, kleine Gruppe deutlich ausgebildeter Krystalle, von Ilefeld am Harz. Hauerit, braune regelmässige Oktaeder, mit Schwe- fel, von Kalinka in Ungarn. Psilomelan, stattliche traubenförmige Gruppe (3 Z.), von Johann-Georgenstadt. Gediegen-Wismuth, reich dendritisch eingesprengt in Quarz (3 Z.), von Schneeberg. Zinkblende, in der Beckh’schen Sammlung reichlich vertreten, darunter: O0 Gap 1) Gelbe Blende. œ O. — = + > O ©. Durch- sichtige Krystalle (3—6 L.) mit Bleiglanz, auf einer Quarzdruse, von Schemnitz. 2) Faserige Blende, röthlichbraun, von Pzibram. Kieselzink, in kleindrusigen, traubigen Gruppen von Donatzka, im Banat. Blättererz, zahlreiche dünne Blätter, in Mangan- spath eingewachsen, von Nagyag in Ungarn. Zinkenit, zierliche strahlige Gruppe nadelförmiger . Krystalle, von Wolfsberg am Harz. Jetzt selten geworden. Wulfenit (Gelbbleierz. oP. !/, P. 14 P co. «P. Kleine tafelförmige Krystalle auf dichtem Kalkstein, von Bleiberg. Krokoit (Rothbleierz), zierliche Druse spiessiger Krystalle von Beresowsk am Ural. Desgleichen ein zweites kleineres Stück mit gelbgrünem feindrusigen Pyro- morphit und mit Vauquelinit von demselben Fundort. Auch die übrigen bekanntern Bleiverbindungen waren gut, der Bleiglanz in ausgezeichneten Exemplaren, in der Beckh’schen Sammlung repräsentirt. — 610 — Anglesit (Bleivitriol), zwei sehr schöne flächenreiche Combinationen auf körnigem Bleiglanz vom Monte Poni auf Sardinien erhielten wir durch Herrn Hoseus. Magnetit (Magneteisen). Aus der reichen vorhan- denen Suite habe ich über ein halbes Dutzend bemerkens- werther Vorkommnisse ausgewählt. 1) 0. Granatoeder 34, Zoll grosses Bruchstück eines riesigen Krystalles von Traversella, Piemont. 2) 0. Hübsche Druse und derbe körnige Masse, aus Schweden. 3) © 0. Kleine Druse mit eigenthümlich rauhen Flächen, von Donatzka im Banat. Bekanntlich ist das reguläre Oktaeder die weitaus häufigste Form des Magnetites. Die Granatoeder zeigen wohl immer die feine scharfe Streifung in der Richtung der längern Diagonale. Eisenglanz. Fülle schöner Formen, namentlich aus den berühmten alpinen Fundorten. Ich habe davon nur wenige ausgewählt. A. Eisenglanz ohne Titan (eigentlicher Eisen- glanz). 1) ,„R.oR.%,P2.—R. Die Krystalle fast tafel- förmig durch das vorherrschende sehr stumpfe Rhomboeder, welches dem häufig vorkommenden 1/, R am nächsten zu kommen scheint, sich aber nicht genauer messen lässt, indem die Flächen eine sehr starke horizontale schuppen- artige Streifung zeigen und daher matt und rauh erscheinen. Die übrigen Flächen sind glatt und glänzend. 2) Wie oben, aber statt des rauhen stumpfen Rhom- boeders 1/, R die glatte ebene Basis o R. Nr. 1 und 2 bilden zwei zierliche Drusenräume in einem und demselben Handstück in einem kieseligen Rotheisenstein von Framont in den Vogesen. Das Auf- treten eines rauhen sehr stumpfen Rhomboeders statt der — 611 — Basis (Nr. 1) war mir neu von diesem Fundort, den ich selbst noch vor etwa,15 Jahren besucht habe. 3) R. — 1/, R. co P 2. Primitiv-Rhomboeder R mit abgestumpften Rand- und Scheitelkanten, so dass die Form ganz einem einfach entkanteten Würfel gleicht. Die Ab- stumpfungsflächen der Randkanten des Grundrhomboeders R durch das zweite Prisma oo P 2 sind aber horizontal, die der Scheitelkanten gar nicht gestreift. Stattliche Druse auf einem röthlichen körnigen Quarzit von Altenberg, in Sachsen. B. Titanhaltiger Eisenglanz (Basanomelan). Dia DB. Di, BR 3:4 Zterliche;. durch" Vor herrschen der Basis dick-tafelförmige, Krystalle, mit flach eingesunkenen, concaven, Endflächen, schon die Anlage zu der bekannten zierlichen Rosettenbildung zeigend, auf deutlich geschichtetem körnigem bräunlichweissem Quarzit, der bereits mit zahlreichen fast mikroskopischen Orthoklas- kryställchen und mit braunrothen Rutilpünktchen (?) durchspickt ist. Auf den Kluftflächen, wo die Eisenglanze sitzen, haben sich gleichfalls mikroskopische Adulare, die- selben, welche den Quarzit durchziehen, angesiedelt. Das 31/, Z. lange Stück stammt aus dem Binnenthal, K. Wallis. ; | 2) Aehnliches kleineres Stück mit denselben Eisen- rosen, in schönen sechsseitigen Tafeln: o P. © P 2, mit kleinen Fl. von oo R und #, P 2, worauf ein kleiner, aber deutlicher, Wiserinkrystall (Xenotim) der Comb. © P. P, auf einer kleinen Adulargruppe (2 Z.), von demselben Fundort. !) 3) Isolirter, zollgrosser, dicktafeliger Krystall, oder vielmehr Sammelindividuum vieler gleichgestellten : Indivi- duen, die sich auf der Basis in zierlichen Einzelrosetten ‘) Andere, complicirtere Krystalle, von demselben Fundort, haben sich nach den Untersuchungen des Hrn. Dr. C, Klein als Anatas erwiesen. — 612 — abheben und in der etwas vertieften Mitte derselben ein Haufwerk kleiner Rutilkrystalle einschliessen. Die Form lässt sich nicht gut bestimmen, doch scheinen, nur weniger regelmässig, sämmtliche Flächen von Nr. 1 und noch einige andere, wie — KR, aufzutreten. Der grosse Kry- stall sitzt mit noch einigen kleinen derselben Art nebst einigen schwarzen Turmalinnadeln auf einer Druse kleiner farbloser oder bräunlicher Adularkrystalle, welche das Muttergestein, einen gebogen schiefrigen ziemlich glimmer- reichen Quarzit, nicht nur auf der Kluftfläche bedecken, sondern auch noch 'im Innern durchziehen. Wir haben es also abermals mit einem wahren, deutlich geschichteten Quarzitgneiss zu thun. Man bemerkt zweierlei Glimmer: einen bräunlich weissen, stellweise in hübschen hexago- nalen Täfelchen ausgeschiedenen, und einen schwarzen, welcher das Gestein in dünne, wellig gebogene Parallel- straten abtheilt und wieder in einzelnen Blättchen durch- zieht. Die lebhaft rothen, sehr glänzenden, rutilähnlichen Kryställchen fehlen auch hier nicht in der Quarzitmasse. Auch kleine Chloritparthien stellen sich ein. Das für metamorphische Studien ausgezeichnete Stück stammt gleichfalls aus dem Binnenthal. Rotheisenstein. 1) Ausgezeichnete Hohlpseudomorphose nach dem gewöhnlichen Kalkspathscalenoeder R°, von Sangershausen in Thüringen. 2) Faseriger R. Mehr als fusslanger Spiess, wahr- scheinlich vom Harz. Gelbeisenstein, faserig, strahlig, von Friedrichsroda. Brauneisenstein, mit prachtvoll irisirendem Ueber- zug, von der Insel Elba. *) (Als Geschenk des Hrn. Alt- srossrath F. Bürky in Bern.) *) Zwei noch schönere, aber kleinere Stücke, von Elba, erhielten wir neulich durch Herrn Hoseus. — 613 — Pyrrhosiderit, zierliche gelbbraune, goldig glän- zende, sammtartige, faserige Gruppen, von Pzibram, Böhmen. Eisenkies (Pyrit). Aus der reichen Suite, die Herr Beckh zusammengebracht, hebe ich nur einige der angekauften Stücke hervor. 1) or O. Rüesiger, aussen mit einer dünnen Haut von Brauneisen überzogener Krystall, von 4 Zollen Durchmesser, Pyritoeder und Oktaeder fast im Gleichge- wicht darstellend, vom St. Gotthard, wahrscheinlich von der Sella. Dei 2 mässig ausgebildete Pyritoeder, deren Hexaederecken eine vierfache Abstumpfung durch das Oktaeder O und das gebrochene Pyritoeder (Trapezoid-Ikositetraeder) zeigen, auf blättrigem Eisenglanz, von Elba. 3) © O co. 0. 2 0 = en, also mit Leueitoeder- ee 2, Zierliche grosse, sehr regel- O. flächen, von Potschappel bei Dresden. Seltene Combination. 4) Ein Dutzend sehr schöner isolirter Krystalle von Traversella: Würfel, Pyritoeder, Dyakisdodekaeder und Combinationen dieser Gestalten, erst kürzlich durch Herrn Hoseus erhalten. Strahlkies, Var. Speerkies. o P. os P. Spuren von !/,; Pc. Rhombische Tafeln, einfache Krysta'le und spiessige Drillinge, auf Bleiglanz, angeblich von Derbyshire. Grüneisenstein, faserig-strahlige, traubige Gruppen, von Ullersreuth im Voigtlande. Skorodit, kleine Druse, von Schwarzenberg in Sachsen. Arsenikkies, ziemlich gut vertreten. 1) Zierliche Druse der Combination co P. !/, P co, von Freiberg. | — 614 — 2) Einzelne rundum ausgebildete Krystalle, als rek- tanguläre Oktaeder, Po. oP. Lievrit (Ilvait) © P.oP2.P.P oo. Gewöhn- liche Combination 41/, Zoll lange Krystalle, von Elba. Ilmenit, derb, dicht, von Egersund und anderen Orten in Norwegen. Wolframit. ©cP.00 P 2.0 P co. 1}, P co. Pco.P.2P2: Grosser, sehr regelmässig ausgebildeter, Krystall, von Zinn- wald, Erzgebirg. Hypochlorit, in Quarz, von Schneeberg. Speiskobalt, schöne Drusen und Gruppen. 1) © 0 n©0.202.0O. Kleine, aber äusserst zierliche Gruppe ziemlich grosser Krystalle von vorstehen- der, jedenfalls seltener, Combination. © O n ist ein sehr flacher, stark in der Richtung der Hexaederkanten ge- streifter Pyramidenwürfel. Prachtstück, von Schneeberg. 2) Ziemlich grosse Druse wohlgebildeter Krystalle der gewöhnlichen Form c O co. O, von Schneeberg. 3) Aehnliche zinnweiss glänzende Krystalle, zahlreich in körnigem Quarz eingewachsen, von Schneeberg. Wismuthkobaltkies. Würfel © O co. Zierliche gitterförmige Krystallgruppen, grosses Stück, von Schneeberg. Kobaltblüthe. Zierliche strahlige Krystallgruppe auf Quarz, von Schneeberg. Weissarseniknickel (Chloanthit Naum.) o O ce. O. Cubo-Oktaeder. Grosse schöne Druse von Schneeberg. Dessgleichen mit Kupfernickel vom Einfischthal, K. Wallis. Nickelglanz. Oktacder und körnige Parthien mit Spatheisenstein, von Haueisen bei Lobenstein. Rothkupfererz (Cuprit). Oktaeder. Schöne kleine Druse von Nischnei-Tagilsk im Ural. Atakamit, grosses krystallinisches und kleindrusiges Aggregat von Chile, Kupferglanz. Kleine Gruppe (2 Z.) ziemlich grosser Krystalle: o P. 2 Po. ?/, P co. P. !/, P. 8 P co ce P co. © P 2, von Cornwall. Unsere Sammlung besass bereits einen ähnlichen, zollgrossen, deutlich ausgebildeten Krystall, von ähnlicher, Form, nämlich: 0 P. 3}, P co. 2 P co. co D co. 1/3 P. P. oo P. P 2, die Basis brachydiagonal gestreift, von Cornwall. Klinoklas, strahlige Gruppe von Redruth in Cornwall. Euchroit, einzelne kleine smaragdgrüne Krystallgrup- pen, auf zersetztem Glimmerschiefer, von Libethen in Ungarn. Bournonit. 0 P.P co. P c.P. Spur von co P ce, mit Bleiglanz O. © 0. 2 O. © O © und Spatheisenstein von Wolfsberg am Harz. Eine grössere Masse mit ähn- lichen Krystallen, jedoch undeutlicher, von demselben Fundort; in Kalkspath. Kupferkies. Gut vertreten. 1) Schöne grosse Druse von Oktaederzwillingen, P, mit Quarz, von a 2) Tetraeder + —-, mit Gegentetraeder — = als kleine Abstumpfungen e Tetraederecken, mit Zinkblende auf Quarz, wahrscheinlich aus Sachsen. Fahlerz. = oO. Druse (2'/,; Zoll) von wohlgebildeten Tetraedern (3—4 L.), mit dreifach abge- stumpften Ecken (2 O) und zweifacher Entkantung ras nebst Zinkblende und Bleiglanz, von Müsen bei Siegen. Ferner ein ziemlich grossesderbes Stück ausGraubünden. Chlormerkur (Kalomel). Kleine undeutliche bräun- liche, sehr glänzende Krystalle mit Gediegen-Quecksilber, in kleinen Drusenräumen von Moschellandsberg. Gediegen-Silber. Zahlreiche gute Stücke, — 616 — 1) Lange, drathförmige, äusserlich geschwärzte For- men, auf Kalkspath, von Freiberg. 2) Span- und lockenförmige reichliche Ausblühung auf Glaserz (00 O. © O oo). Zwei Stücke von 2 und 3 Zoll Länge, von Freiberg. Beide schön. 3) Dendritisches Silber in Barytspath, von Wolfach. Chlorsilber (Hornsilber), kleine, aber sehr scharfe, perlgraue Würfel, in Spalten eines zersetzten ocherigen Schiefergesteines, von Johann-Georgenstadt. Silberglanz (Glaserz). Reiche Suite. 1) oc O. © O co. ?/, O 3/,. Also mit einem spitzern Ikositetraeder , als das gewöhnliche Leueitoeder 2 O 2. Wohlgebildete Krystalle in Gruppen auf einer Druse von Kalkspath (3 Z.), die selbst. auf körnigem, von Silber- glanz reichlich dentritisch durchzogenen, Kalk sitzt. Grube Himmelfürst bei Freiberg. 2) Oo. Würfel in Gruppen und Parthien in Kalkspath eingewachsen, reiches Stück, von Freiberg. Antimonsilber. Reichhaltiges, schweres Stück (2 Z.) in Kalkspath, von Andreasberg. Melanglanz (Stephanit) von Freiberg. Fast zollgrosse, durch Vorherrschen der Brachydiago- nale säulenförmige, an den beiden Enden etwas undeutlich ausgebildete Krystalle (oder kleine Krystallgruppen), vor- herrschend aus brachydiagonalen und in dieser Richtung grobgestreiften Flächen gebildet, annähernd folgende Com- bination: o P. 2 P co. P co. P. 1/, P co. P co. Die drei letztern Flächen klein und unvollständig. Zwei Exemplare von Freiberg. Rothgiltigerz. 1) Dunkles R. (Pyrargyrit). 1, R?R>R? co P 2. NR. Zierliche kleine Krystallgruppe auf einem Kalk- SR IT - spathkrystall, sechsseitige Säule, o R. © KR, aufsitzend, von Andreasberg am Harz. 2) Lichtes KR. (Proustit). © P 2. co R. — :/, K. Spuren von R?. Nadelförmige Krystalle, in zierlichen kreuz- oder gitterförmigen Gruppen, auf Quarzdruse, von Schnee- berg. Miargyrit. Ausgezeichnete Exemplare. Wohlgebildete, kleine, glänzende, flächenreiche, durch Vorherrschen der Basis o P dick tafelförmige Krystalle, 1'/, bis 2 L., einzeln und in kleinen Gruppen, in mehrern Combinationen, wovon eine mit oP. '/),,Po.oP.nP &©.oPn.oPn, ete., auf einer Quarzdruse aufsitzend, von Bräunsdorf bei Freiberg. Das grösste Stück gelangte nach Bern. Polybasit. Zwei kleine Gruppen zierlicher hexago- naler Tafeln, o P. co P, mit unebener Basis, von Freiberg. Dessgleichen grössere dünne Tafeln in Kalkspath einge- wachsen. Von Guanaxuato (Mexiko) besassen wir bereits ein schönes, grosses Stück der Combination oP.P. »P. Gediegen Gold, verschiedener Fundorte, schön ver- treten. Gediegen Platin. Stattliches, 31/, Loth schweres, rundliches Stück, wahrscheinlich vom Ural. Ba à Lee Ueber Gesteinsmetamorphismus. Von Prof. Albr. Müller. nes Re Unter den für das Museum, theils aus der reichhaltigen Beckh’schen Sammlung, theils von andern Seiten in jüng- ster Zeit erworbenen Mineralien, namentlich denjenigen alpiner Herkunft, befanden sich verschiedene Stücke, welche nicht bloss durch ihre Krystallformen, sondern auch durch das beibrechende, metamorphische Gestem bemerkenswerth sind. In der voranstehenden Aufzählung seltener oder schöner Stücke wurden unter Anderm mehrere stattliche Gruppen von Eisenrosen (Basanomelan) aus dem Binnenthal beschrie- ben, die auf einem in den ersten Stadien der Umwandlung befindlichen weissen feinkörnigen Quarzite sitzen. In meinen frühern, in den vorhergehenden Heften ent- haltenen Mittheilungen über die krystallinischen Gesteine des Maderaner-, Etzli-, Felli-, Gornern- und Göschenen- Thales, sowie aus den nähern Umgebungen des St. Gott- hards, fand ich wiederholt Veranlassung, auf die so häufig vorkommenden, ja vorherrschenden, granit- und gneiss- artigen, oder auch schiefrigen krystallinischen Gesteine auf- merksam zu machen, welche als einen Hauptbestandtheil, statt oder neben dem gewöhnlichen graulichen Glasquarz, Parthien eines ausgezeichnet körnigen, meist feinkörnigen, fast in lockern Sand zerfallenden Quarzes enthalten, und, meinen Untersuchungen zufolge, als krystallinisch umgewan- delte ehemalige Sandsteine zu betrachten sind. Es wurde ge- zeigt, wie der nun in diesen Gesteinen enthaltene Orthoklas, Glimmer und Glasquarz erst später durch Infiltration auf um 619 — nassem Wege, in Form von Lösungen der zu diesen Mine- ralbildungen nöthigen Stoffe, in diese ehemaligen Sandsteine eingeführt, und in regelmässiger Vertheilung in der Masse derselben krystallinisch ausgeschieden wurden, und wie auf den Klüften dieser Gesteine dieselben Substanzen in zier- lichen, wohlgebildeten Gruppen und Drusen auskrystalli- sirten. In der Regel ist die Umwandlung durch reichliche Imprägnation der ehemaligen Sandsteine mit Feldspath-, Glimmer- und Quarzsubstanz so weit vorgeschritten, dass wir ein dem Gneiss oder Granit sehr ähnliches Ge- stein vor uns sehen, welches nur noch durch die Parthien des feinkörnigen lockern Quarzes seinen Ursprung verräth. Die Hauptmasse des Schichtenfächers zwischen Hospenthal und dem St. Gotthard-Hospiz, sowie im Göschenenthal, besteht aus solchen gneiss- und granit-ähnlichen, stark me- tamorphosirten Sandsteinen. Um so erwünschter musste mir jeder Fund oder jede Erwerbung erscheinen, welche mir Belegstücke für die ersten Stadien der Umwandlung dieser quarzitischen Gesteine aus verschiedenen Theilen unserer Centralalpen, oder auch aus andern krystallinischen Gebirgen, verschaff- ten und den von mir vermutheten Ursprung aus Sand- steinen um so deutlicher noch erkennen liessen. Unter den für das Museum erworbenen Mineralien aus dem Binnenthal sitzen sowohl die Eisenrosen, als die schönen Glimmerdrusen auf einem weissen oder bräunlichen feinkörnigen, noch deutlich geschichteten, Quarzite, der erst von einzelnen, fast mikroskopischen Orthoklaskryställchen und Glimmerschüppchen durchzogen ist, im Uebrigen aber noch den Charakter eines schiefrigen, feinkörnigen Sand- steines deutlich bewahrt hat. Der Glimmer ist theils fein durch die körnige Masse zerstreut, theils auch, in einigen mehr schiefrigen Stücken, zu feinen, der Schichtung paral- BT lelen Lagen, zusammengezogen, wie das bei quarzitreichen Glimmerschiefern häufig vorzukommen pflegt. Diese zusam- menhängenden Glimmerhäute sind ohne Zweifel aus ähn- lichen, schon früher in den Sandsteinen vorhandenen Thon- lagen hervorgegangen. Sie sind von schwarzer Farbe, während der in Schüppchen durch das Gestein vertheilte und auf feinen Spalten auskrystallisirte Glimmer blass sraulich oder grünlich braun und wahrscheinlich erst mit dem Orthoklas durch Infiltration aus Lösungen ein- geführt worden ist. Ebenso wie der Glimmer ist der farb- lose Orthoklas, der den Quarzit durchdringt, in der Form kleiner Adulardrusen auf den feinen Klüften zu erkennen. Auf grössern Klüften bildet der Glimmer prachtvolle Drusen regelmässiger sechsseitiger Tafeln mit glatten, glänzenden, fast schwärzlichen Seitenflächen und hellgrauen, perlmutter- glänzenden Endflächen. Auch der Orthoklas tritt als Adular bisweilen in grössern Drusen auf, welchem dann die zier- lichen Tafeln des schwarzen Eisenglanzes aufsitzen. Auch einzelne Bergkryställchen sind zwischen den Adularen be- merkbar. In den quarzitischen Gneissen des Göschenen-Thales und aus den Umgebungen des St. Gotthards finden wir in der Regel gleichfalls zweierlei, einen hellern und einen schwarzen Glimmer, welche wie die des Binnenthales verschiedener Entstehung sein möchten.') Aehnliche körnige, gleichfalls, meines Dafürhaltens, aus Sandsteinen entstandene, Quarzitgesteine sind mir auch aus den südlichen Graubündner- und Walliserthälern von verschiedenen Seiten zugekommen, welche verschiedene !) Dass der eine, in regelmässigen Zwischenlagen vertheilte, nicht auskrystallisirte Glimmer direkt aus der Zerstörung ehemaliger Granite oder Gneisse, und nicht durch Umwandlung von Thonlagen hervorge- gangen sei, ist im vorliegenden Fall nicht wahrscheinlich. — 621 — Grade der Umwandlung, von fast reinen weissen Quarziten bis zu völlig Gneiss und Glimmerschiefer ähnlichen Ge- steinen darbieten, die aber alle durch den lockern, körnigen (Quarz charakterisirt sind. Aehnliche Gesteine finden sich, wie ich bereits im letzten Hefte angedeutet, in den Vogesen, und wahrschemlich auch im Schwarzwald und in andern altkrystallinischen Gebirgen. Wir haben es also mit einem weitverbreiteten metamorphischen Process zu thun, welcher die Sandsteme in krystallinische Schiefergesteine umge- wandelt hat. Unter den aus der Beckh’schen Sammlung erworbe- nen Walliser Quarziten möchte ich nur noch einige Stücke hervorheben, die Blätter von Molybdän enthalten und anschei- nend nur wenig umgewandelt, d. h. bloss mit bräunlichem Glasquarz imprägnirt sind, der sich zwischen den weissen Quarzkörnern in kleinen Parthien ausgeschieden hat und. die ganze Masse durchdringt. Wir könnten diesen einfachen metamorphischen Pro- cess, bei welchem bloss Kieselerde in gelöstem Zustand ein- geführt wurde, also eine Imprägnation durch glasigen Quarz stattfand, Silicificationsprocess, oder kurzweg Silicatisation oder Verkieselung, nennen und wohl in den meisten ältern Gebirgen nachweisen. So sind, um nur Ein Beispiel anzuführen, die Kieselschiefer, die verhärte- ten Mergel und die bunten Bandjaspisse als verkieselte Kalksteine und Mergel zu betrachten. Auch in den jüngern mesozoischen und känozoischen Formationen, so z. B. in unserm Bunten Sandstein, Muschelkalk und in unserm weissen Jura (Terrain à Chailles) spielt dieser Verkiese- lungsprocess eine bedeutende Rolle. Dagegen zeigen andere Stücke, aus den Umgebungen des St. Gotthard, so aus dem Tavetsch, die wir gleichfalls noch zu den körnigen Quarziten rechnen müssen, eine viel stärker fortgeschrittene Umwandlung, als die bereits be- 41 LL 2) schriebenen Quarzite aus dem Binnenthal, indem der Feld- spath, ein schneeweisser Periklin, sich überaus reichlich ausgeschieden hat und dem Gestein das Ansehen eines grobkörnigen, feldspathreichen, fast phorphyrartigen, Gra- nites giebt. Der körnige, stellweise mit glasigem imprägnirte, Quarz füllt nur noch, in Form von Adern oder kleinen Nestern die Zwischenräume aus, welche der vollständig dominirende weisse Feldspath gelassen hat. Er zeigt uns aber noch die Reste des ursprünglichen Gesteines. Glimmer, blass, schmutzig grünlich, ist nur sparsam durch die gra- nitische Masse zerstreut. Auf den Kluftflächen hat sich der weisse Feldspath als Periklin zu stattlichen Drusen ausge- bildet, zwischen denen man noch farblose Bergkryställchen und einzelne Epidotbüschel erblickt. Ein ganz ähnliches feldspathreiches Quarzitgestein, wo gleichfalls ein weisser Orthoklas oder Albit völlig vor- herrscht, habe ich im Hintergrunde des Kreuzthales, nahe der Passhöhe zwischen Etzlithal und Strimthal, angetroffen. Manche Parthien schienen aus reinem weissem Feldspath zu bestehen. Mikroskopische Oligoklaskryställchen, an der Zwillingsstreifung erkennbar, sind nur sparsam in diesen Gesteinen vorhanden. Es möchte nicht unpassend sein, diesen Umwandlungs- process, in welchem die Imprägnation durch einen Feld- spath, entweder Orthoklas, oder Albit, selten Oligoklas, die Hauptrolle spielt, im Gegensatz zu der Verkieselung, Feldspathisationsprocess zu nennen. Wir werden die- sen Process an unzähligen Orten in unsern Centralalpen nachweisen können.!) ') Die Ausdrücke Silicatisation (wobei jedoch nicht an Sili- catbildung zu denken ist), Feldspathisation, Micatisation (Verglim- merung) sind wie der allgemein gebrauchte Ausdruck „Polarisation* gebildet. — 623 — Ebenso habe ich sehon vor einer Reihe von Jahren nachgewiesen, dass die Umwandlung der Grauwackensand- steine zu phorphyrartigen Felsarten in den Vogesen, be- sonders in den Umgebungen von Thann, wesentlich auf einem Feldspathisationsprocess beruht. Wir finden aber in den Centralalpen, und namentlich in den Umgebungen des St. Gotthard, so gerade an der Sella, noch eine zweite Reihe gneissartiger oder schiefriger ausgezeichnet krystallinischer, gleichfalls feldspathreicher Gesteine, die augenscheinlich aus einem ähnlichen Feld- spathisationsprocess hervorgegangen sind, aber keinen körnigen Quarz enthalten, also nicht einer Umwandlung ehemaliger Sandsteine ihre Entstehung verdanken. Theils aus der Beckh’schen Sammlung, theils von andern Seiten habe ich mehrere lehrreiche Belegstücke dieser Art er- worben, ‘und andere selbst an Ort und Stelle gesammelt. Eines dieser Stücke, von der Sella stammend, zeigt ein weisses locker körniges, stellweise schiefriges gebogenes Gestein, das aus emem lockern Aggregat zierlicher weisser Periklinkryställchen besteht, welche auch, wie ein weisser Reif in Wintertagen, die zahlreichen kleinen Kluft- flächen bedecken. Einzelne Titanitkrystalle und blass- grünliche Epidotnädelchen sind hin und wieder aufgestreut. Glimmer fehlt. Ein zweites ähnliches, gneissartiges, aber deutlich schiefriges Gesteinstück, wahrscheinlich aus derselben Ge- gend stammend, zeigt denselben weissen Periklin, in dünnen feinkörnigen Lagen mit zahlreichen Lagen eines schwarzgrünen Glimmers wechselnd, der auf den Kluft- flächen in äusserst zierlichen, den Eisenrosen zum Ver- wechseln ähnlichen, schwärzlichen Täfelchen auskrystallisirt erscheint. Auch kleine Rutilnädelehen und farblose glänzende Apatitkryställchen sind aufgestreut. Die Haupt- masse aber bildet der weisse Periklin, welcher wie weisser — 624 — Zucker die Kluftflächen überstreut und auch in wohlge- bildeten, ziemlich grossen Krystallen der bekannten Form als stattliche Drusen auftritt. Auch hier setzen dieselben Mineralien, der Periklin und der chloritische Glimmer, welche die körnig-schiefrige Masse des Gesteins bilden, unmittelbar in die frei ausgebildeten Drusengruppen auf den Kluftflächen fort, Beweis, dass beide Arten des Auf- tretens denselben Lösungen ihre Entstehung verdanken, welche das in Umwandlung begriffene Gestein durchzogen haben. Auch hier keine Spur von körnigem Quarz. In andern Stücken bildet der Chlorit zierliche Drusen des kugelig gruppirten Ripidolithes. Die Umwandlung, aus welcher die beiden und andere von der Sella stammenden gneissähnlichen Gesteinsstücke hervorgegangen sind, scheint, in Folge des durchgreifenden Feldspathisationsprocesses, eine so vollständige gewesen zu sein, dass jetzt schwer mehr die Natur des ursprüng- lichen Gesteins entziffert werden kann. Dennoch gewinnen wir, wenn wir diese und ähnliche Gesteinsstücke aus der genannten Gegend aufmerksam betrachten, einige An- haltspunkte, welche uns wenigstens Vermuthungen ge- statten. Mehrere dieser Periklindrusen enthalten noch Reste eines schon stark zerfressenen, eisen- und magnesia- haltigen Kalkspathes (Ankerit), mit ausgeschiedenem brau- nem Eisenocher, auf welchem sich bereits Gruppen von Periklinkrystallen angesiedelt haben, während andere einen kleinen Hohlraum bedecken, welchen der hier gänzlich verschwundene Kalkspath zurückgelassen hat. In manchen Stücken ist vom Kalkspath gar nichts mehr zu sehen, wir haben nur noch lockere Drusen und Aggregate von Periklin vor uns, mit Hohlräumen, deren Ockerreste aber noch auf den erst verschwundenen eisenhaltigen Kalkspath hinweisen. Hier hat also Periklin den eisenhaltigen koh- lensauren Kalk aus seiner Stelle verdrängt. Eigentliche Pseudomorphosen von Feldspath nach Kalkspath sind in dem Blum’schen Werke aufgeführt. ’) Wir sind demnach berechtigt, anzunehmen, dass die gneissartigen weissen Periklingesteine in den Um- gebungen des St. Gotthard aus ehemaligen schiefrigen Kalksteinen hervorgegangen sind, wobei die dunkel- grünen glimmerreichen Zwischenlagen einer Umwandlung eisenschüssiger Thonlagen ihre jetzige. Beschaffenheit ver- danken. Ganz ähnliche Gesteine besitzen wir aus dem Kanton Wallis. ?) Von Oberkäsern, am Fuss der Windgälle, habe ich ähnliche bräunliche, in Auflösung begriffenen, Ankerit- lager aus dem untern Braunen Jura beschrieben, auf denen sich Albitkryställchen, Quarze und dunkelgrüne Chloritschuppen angesiedelt haben, die also gleichfalls im Begriff sind, durch ein chloritisches Albitgestein ersetzt zu werden. In alien diesen Fällen, in den Gneiss ähnlichen Ge- steinen von der Sella und aus dem K. Wallis, wie in dem Ankerit von Oberkäsern, hätten wir die Ersetzung oder Verdrängung eines Kalksteines oder Mergels dureh einen Feldspath zu erblicken, wobei überdiess ein Theil des Thongehaltes zur Chlorit- und Glimmerbildung verwendet wurde. Die daraus hervorgegangenen Gesteine kann man als feldspathreiche schiefrige Chloritgneisse bezeichnen, obgleich sie in der Regel keinen Quarz enthalten. Doch 1) Eine sorgfältige Beschreibung dieser und ähnlicher Gesteine hat Volger in seinen „Studien zur Entwicklungsgeschichte der Mineralien, 1854“, und in den „Neue Beob. über die Umwandlung kalzitischer Sedimente in Feldspathgesteine. Zürcher Verhdl. 1854*, gegeben, und ist theilweise zu ähnlichen Schlüssen gelangt. ?) Nicht selten sind einzelne Adularkrystalle auf den Albit- oder Periklindrusen angesiedelt. Bisweilen erscheint das albitische Gestein gekrümmt und zerrissen und die so entstandenen kleinen Klüfte wieder mit Adular- oder Periklindrusen bekleidet. besitzen wir aus denselben alpinen Gegenden sonst ganz ähnliche Gesteine, in welchen ausserdem noch runde Quarzkörnchen deutlich zu erkennen sind. Aus der Thalschaft Tavetsch, K. Graubünden, hat das Museum ganz neulich einige in Sedrun aufgekaufte lehrreiche Exemplare eines ausgezeichneten Hornblende- gneisses erworben, der sich m mehrfacher Beziehung an die oben beschriebenen schiefrigen chloritischen Periklin- gesteine anschliesst. Im Querbruch besteht er aus langen an einander gereihten tafelförmigen Leisten von farblosen Orthoklaszwillingen in liniendicken Lagen, welche mit etwas dünnern einer lauchgrünen Hornblende alterniren und dem Gesteine, trotz der grosskrystallinischen Be- schaffenheit, eine entschiedene Parallelstructur verleihen. Die Hornblendesäulchen sind theilweise in ein Aggregat grünlichweisser, seidenglänzender, paralleler Amianth- fasern umgewandelt, eine Paramorphose, die meines Wissens noch nicht beschrieben worden ist und vollständig derjenigen der bekannten, Traversellit genannten, Augit- krystalle von Traversella entspricht. Durch die Loupe erkennen wir, dass die Umwandlung von aussen begonnen hat und bei einzelnen Kryställchen schon vollendet ist. Ohne Loupe sehen die lauchgrünen perlmutterglänzenden Parthien einem Chlorit ähnlich. Nur spärlich und ver- borgen sind zwischen den stattlichen Adularkrystallen der Drusenkluft einzelne Nädelchen oder Büschel des Amianthes zu bemerken. Der Chlorit scheint hier die Hornblende zu ersetzen. Wie gewohnt schliesst auch dieses Horn- blende führende Gestein zahlreiche braune Titanitkryställ- chen von der bekannten Briefcouvertform ein. Auf den Kluftllächen lagern stattliche Gruppen und Drusen durch Chlorit grün gefärbter Adularkrystalle, von der bekannten Combination oo P.P oo, welche die un- mittelbare Fortsetzung der das Gestein zusammensetzenden — 627 — Orthoklaszwillinge bilden. Ebenso bedeckt erdiger, unter der Loupe wurmtörmiger, Chlorit fast die ganze Drusen- oberfläche, welcher zahlreiche glänzende Titanitkrystalle, meistens Zwillinge, der gewöhnlichen Combination aufge- streut sind. Ohne Zweifel haben wir es auch hier mit einem, durch einen sehr fortgeschrittenen Feldspathisations- process chemisch-krystallinisch umgewandelten, ehemaligen sedimentären Gestein zu thun, dessen frühere Beschaffen- heit, wenigstens nach den spärlichen vorliegenden Stücken, nicht mehr enträthselt werden kann. Doch könnten auch hier möglicher Weise, wie an andern Orten, die Horn- blendelagen aus einem eisenschüssigen magnesiahaltigen Kalk oder Mergel hervorgegangen sein. Der Adular der Drusenklüfte und der Orthoklas der Gesteinsmasse ge- hören häufig einem und demselben Individuum an, sind also chemisch ein und dasselbe und ohne Zweifel aus derselben in die Klüfte und in das Gestein einge- drungenen Flüssigkeit ausgeschieden worden. In ähnlicher inniger Beziehung stehen die beiden in- und aufliegenden Titanite. 1) Aus der Betrachtung der soeben besprochenen gneiss- ähnlichen Gesteine der Umgebungen des St. Gotthard und der angrenzenden Gebiete, ergiebt sich demnach, dass sowohl der Adular, in der Form eines farblosen Orthoklases, als auch der Albit, in der Form des Peri- klins, als wesentliche Bestandtheile gneiss- und granitartiger metamorphischer Gesteine auftreten können und dass sie durch Infiltration auf nassem Wege, 1) Dabei ist jedoch nicht ausser Acht zu lassen, dass in manchen andern Fällen keine Infiltration gelöster Mineralsubstanzen in das Innere der Gesteine von den Klüften aus stattfand, und sich die Mineralien auf den Kluftflächen der bereits schon erfüllten Gesteine einfach, wie in manchen Erzgängen, in scharf abgeschnittenen Drusen- überzügen ablagerten. — 628 — durch die Klüfte, in das Innere dieser Gesteine eingeführt und hier krystallinisch ausgeschieden worden sind. Es stimmen demnach diese Folgerungen mit den schon früher von mir bei der Beschreibung der krystallinischen Ge- steine der Urner Alpen ausgesprochenen Ansichten überein. Schon damals wurde darauf hingewiesen, dass die das Schiefergebirg durchbrechenden eruptiven Granite, Syenite und Diorite, in Folge ihrer Zersetzung und Auslaugung, das Material für die krystallinische Umwandlung der an- grenzenden sedimentären Gesteine geliefert haben. Diese Vermuthung wird auch durch das Studium der vorliegen- den metamorphischen Gesteinsproben unterstützt. Oefter mag auch ein bereits metamorphosirtes Gestein durch seine Zersetzung die chemische Umwandlung eines andern, nächstliegenden, veranlasst haben. !) Aus dem Studium der krystallinischen Schiefergesteine der nähern und fernern Umgebungen des St. Gotthard, namentlich der Urner-, Graubündner-, Tessiner- und Walliser-Alpen, ergiebt sich als allgemeines Resultat, dass die metamorphischen Vorgänge, welchen diese Schiefer und Gneisse unterlagen, nicht auf eine blosse Um- iagerung und krystallinische Ausbildung bereits. schon vorhandener Stoffe, in Folge der Einwirkung des heissen Erdinnern oder im erhitzten Zustand emporge- drungener Eruptivgesteine, also nicht auf einen reinen thermischen Contactmetamorphismus, nach Art der Einwirkung feurig aufgestiegener Basalte auf das durchbrochene sedimentäre Gestein, zurückzuführen sind. Vielmehr haben wir es in den meisten, unsere alpine 1) Wir würden eine bessere Einsicht in den Gang dieser che- misch-krystallinischen Umwandlungsprocesse und in die ursprüngliche Beschaffenheit der umgewandelten Schiefergesteine erlangen, wenn uns vollständige Serien der verschiedenen Umbildungsstadien vorlägen, was nur selten der Fall ist. Centralketten betreffenden Fällen, mit einer wahrhaften chemischen Umwandlung, die auf dem Ein- und Austritt, also auf einem Austausche verschiedenartiger Stoffe beruht, zu thun, wofür nicht nur die unserer Samm- lung von verschiedenen Seiten her einverleibten Hand- stücke, sondern auch die an Ort und Stelle im Gebirge selbst gemachten Beobachtungen sprechen. Die hauptsächlichsten chemisch-krystallinischen Um- wandlungen unserer Centralgesteine scheinen erst nach der Haupterhebung unserer Alpen, wohl in Folge der- selben, eingetreten zu sein, also in der Tertiärzeit. Jeden- falls sind sie postjurassischen Datums, wie man aus den ganz übereinstimmenden Umwandlungsprocessen unzweifel- haft jurassischer Gesteine schliessen darf. Die Haupt- masse jedoch der krystallinischen Centralgesteine scheint der Devon- und Carbonformation anzugehören. Ihre Hebung und Metamorphose wäre also erst lange nach ihrer Ablagerung erfolst. Zu der Beurtheilung der chemischen Vorgänge, welche die Umwandlung der ehemaligen sedimentären Ablagerungen in krystallinische Schiefergesteine bewirkt haben, giebt uns das sorgfältige Studium der Pseudomorphosen, d. h. der mit Beibehaltung ihrer Form in ihrem chemi- schen Bestand veränderten Krystallbildungen die sichersten Anhaltspunkte. Namentlich gilt diess von solchen Pseudo- morphosen, die Mineralien von allgemeiner Verbreitung und von massenhaftem Auftreten angehören. In der That, derselbe chemische Umwandiungsprocess, den wir an dem einzelnen, seine Form bewahrenden Krystall beobachten, derselbe muss sich auch an allen gleichartigen und zu grösseren Gebirgsmassen vereinigten Krystallindividuen vollziehen, welche demselben metamorphischen Reviere angehören. Die Pseudomorphosen haben den grossen Vorzug, dass sie uns in der noch erhaltenen Krystallform — 6350 — des verdrängten oder umgewandelten Minerales die Art desselben erkennen lassen, während in den unregelmässig und unvollkommen ausgebildeten Krystallaggregaten ganzer Gebirgsmassen die Natur der verdrängten oder umge- wandelten Mineralbestandtheile nicht leicht mehr erkannt werden kann. Es mag demnach der Versuch gerechtfertigt erschei- nen, die metamorphischen Processe, welche die Umwand- lung unserer alpinen Schiefergesteine bewirkt haben, nach denselben Prineipien zu ordnen, wie diejenigen, welche sich aus dem Studium der eimzelnen. Pseudomorphosen ergeben haben. R. Blum unterscheidet in seinem ausgezeichneten Werke über die Pseudomorphosen des Mineralreiches zwei grosse Abtheilungen: 1) Umwandlungspseudomorphosen, bei denen das neue Mineral aus der chemischen Umwandlung des alten, nach den Gesetzen der chemischen Verwandtschaft hervorgegangen ist. 2) Verdrängungspseudomorphosen, wobei die neue Substanz in keiner deutlich erkennbaren chemischen Beziehung zu der des verdrängten Minerales gestanden hat. Es fand bloss eine Umhüllung der Krystalle des alten Minerales oder eine Ausfüllung der von demselben, nach seiner Auflösung zurückgelassenen, Hohlräume durch das neue statt (Umhüllungs- und Ausfüllungspseudomor- phosen), oder die neue Substanz durchdrang allmählig in gelöster Form die Masse der alten und verdrängte die- selbe, ohne dass ein bekannter chemischer Process dabei mit Klarheit nachzuweisen wäre. A. Metamorphismus, nach Art der Umwand- lungspseudomorphosen. Wir gruppiren diese meta- morphischen Processe in dieselben vier naturgemässen — 631 — Unterabtheilungen, in welche Blum die genannten Pseudo- morphosen eintheilt. 1) Metamorphismus ohne Verlust und Auf- nahme von Stoffen, welcher durch blosse Umlagerung und krystallinische Ausbildung bereits vorhandener Stoffe erfolgt ist. Es ist dies der alte Contactmetamorphismus, nach welchem in sedimentären und anderen Gesteinen durch den Contact mit heissen Eruptivgesteinen oder dadurch, dass sie auf anderem Wege den tieferen und wärmeren Schichten der Erdrinde näher gerückt worden sind, eine durch die Wärme bewirkte, moleculare Umlagerung der Theile einer und derselben Substanz oder eine Neu- bildung von Mineralien aus dem bereits vorhandenen Mate- rial unter veränderten Temperaturverhältnissen stattgefun- den hat. In diese Abtheilung gehören wesentlich die sog. Paramorphosen, z. B. die Umwandlung von Arragonit in Calcit, also von rhombischem in rhomboedrischen koh- lensauren Kalk, und umgekehrt, und bei den Gesteinen im Grossen die krystallinische Umbildung von dichtem zu körnig-krystallinischem Kalkstein, ein Process, bei welchem vielleicht doch neben der Wärme auch Feuchtigkeit mitgewirkt hat. Wenn sich durch den Contact mit heissen Eruptiv- gesteinen in solchen körnigen Kalken noch andere Mine- ralien, wie Granat, Idokras, Spinell, Magneteisen, Pargasit etc. ausgebildet haben, so möchten doch in manchen Fällen aus dem heissen Eruptivgestein, so namentlich aus dem Granit, auf hydroplutonischem Wege, also durch die vereinte Wirkung der Wärme und des überhitzten Wassers, Stoffe in den in Umwandlung begriffenen kör- nigen Kalk eingeführt worden sein, eine Ansicht, welche wohl mit Recht, durch die bekannten Versuche von Daubrée unterstützt, in neuerer Zeit wieder viele Anhänger gefunden hat. Dasselbe gilt auch von andern durch Contact erfolgten Umwandlungsprocessen !) Dagegen sollen nach den sorgfältigen Untersuchungen von Naumann, Th. Scheerer, Fikenscher und Anderer, manche krystallinischen Schiefer, namentlich Glimmer- schiefer und Gneisse aus der Umwandlung ehemaliger, sedimentärer Schieferthone oder Thonschiefer ohne Zu- oder Austritt von Stoffen stattgefunden haben, wofür allerdings eine Reihe sorgfältig ausgeführter Analysen sprechen. In diesem Falle hätte die Kieselerde mit den vorhandenen basischen Bestandtheilen neue Verbindungen eingegangen oder wäre theilweise wieder zwischen den krystallinischen Neubildungen ausgeschieden worden. Aber auch in diesem Falle bleibt die Mitwirkung erhitzten Wassers, und wäre es auch nur als die in mikroskopischen Parthieen das Gestein durchdringende Feuchtigkeit, zur molecularen Bewegung sich bereits fast berührender Theil- chen sehr wahrschemlich. Eigentlicher Paramorphismus im engern Sinne ist das nicht. Bis in die letzten Jahrzehnde waren die meisten Geologen geneigt, die metamorphischen Vorgänge im Allgemeimen, und so insbesondere die Entstehung der krystallinischen Schiefer in der oben beschriebenen Weise als einen blossen krystallinischen Umbildungsprocess- be- reits vorhandener Stoffe zu betrachten, ohne dass dabei neue Bestandtheile eingetreten oder alte ausgetreten wären. 1) Für die hydroplutonische Entstehung der Granite selbst spre- chen manche Beobachtungen, namentlich die bei Dünnschliffen sichtbar werdenden Flüssigkeitsporen mit beweglichem Bläschen , sprechen auch die in den Klüften ausgeschiedenen Orthoklas- und Bergkrystalle, die unmittelbar aus der Gesteinsmasse fortsetzen und von unzweifel- haft hydrochemischen Krystallbildungen nicht zu unterscheiden sind. Ein ausgezeichnetes Beispiel dieser Art bildet der Granit von Baveno, dessen Quarz und Orthoklas auf Kluftflächen in deutlichen Krystall- drusen auftritt, die unmittelbar aus dem Gestein fortsetzen, — 633 — Auch in neuester Zeit haben sich wieder gewichtige Stimmen für diese Ansicht erhoben und die von Naumann, Scheerer und Andern angeführten Thatsachen scheinen für diese Auffassung zu sprechen. Dennoch könnte ich diesem paramorphischen Umwandlungsmetamorphismus, wenn er auch in einzelnen Gebirgen nachzuweisen ist, lange nicht die allgemeine Geltung zuschreiben, wie dies noch einige Geologen thun. In unsern Alpen finden wir vorherrschend andere Vorgänge. 2) Metamorphismus, mit blossem Verlust von Bestandtheilen verbunden. Reine Fälle dieser Art mögen selten nachzuweisen sein. Doch dürfen wir hieher manche Verwittrungs- und Auslaugungsprocesse rechnen, welche von dem Verlust einzelner Bestandtheile in Fels- massen begleitet waren. Hieher würde ich z. B.: die Spiriferensandsteine der Rheinischen Grauwacke und ähn- liche eisenschüssige Sandsteine des Maderanerthales zählen, welche ihren Kalkgehalt eingebüsst und von den einge- betteten Kalkschalen und Encrinitenstielen nur die Hohl- formen zurückgelassen haben. Die Umwandlung von Braun- und Rotheisensteinlagern in Magneteisen lässt sich gleichfalls als blosse Reduction erklären, mit krystallinischer Ausbildung des sauersoffärmern Oxydes. Wie hier, so wirkten auch bei der Pyritbildung aus den Salzen des Eisens, organische Substanzen reducirend mit. Hieher dürfte auch die thonige Verwitterung der meisten kry- stallinischen Feldspathgesteine zu zählen sein, in denen die alkalischen Bestandtheile und ein Theil der Kieselerde ausgetreten sind, obgleich auch hier wohl in den meisten Fällen andere, wenn auch weniger bemerkbare Stoffe, namentlich Wasser und Sauerstoff und bisweilen Kohlen- säure dagegen hinzugekommen sind. So wurde das ba- sische Eisenoxydul zu Oxyd oder Oxydhydrat oxydirt und oft blieb auch ein Theil der weniger löslichen Kalk- — 634 — und Talkerde an Kohlensäure gebunden in der Gesteins- masse zurück. Uebrigens sind die Vorgänge bei der Zersetzung und Verwittrung der Felsmassen im Grossen noch lange nicht genügend studirt. 3) Metamorphismus durch blosse Aufnahme von Stoffen. Aus dieser Gruppe besitzen wir einen ausgezeichneten Fall in der Umwandlung des wasserfreien Anhydrites in wasserhaltigen schwefelsauren Kalk, welche bekanntlich mit einer Aufquellung des Anhydrites und nicht selten mit einer Dislocation der anliegenden Gebirgs- theile verknüpft war. Die Umwandlung des Kalkstemes in Dolomit, ob- gleich hier, der chemischen Zusammensetzung zufolge, zu kohlensaurer Kalkerde bloss kohlensaure Talkerde hinzu- tritt, gehört wohl doch nicht hieher, indem gleichzeitig bei diesem Umwandlungsprocess, wie man aus den zahl- reichen Hohlräumen schliessen kann, ein beträchtlicher Theil der kohlensauren Kalkerde austritt. Nehmen wir, wie für einzelne Fälle nicht unwahrscheinlich, eine Dolo- mitisirung der Kalksteme durch infiltrirte Lösungen von schwefelsaurer Talkerde oder von Chlormagnesium an, bei höherer Temperatur und Druck, so hätten wir es mit einem Umwandlungsprocess durch Austausch von Bestandtheilen zu thun. Auch die Umwandlung der Quarzlager zu Speckstein lässt sich nicht durch einfachen Hinzutritt gelöster Talk- erde befriedigend erklären. Als Resultat des Verwittrungs- und Abschwemmungs- processes sehen wir die wieder zu mächtigen Gebirgen empor gehobenen Sand-, Thon-, Kalk-, Gyps- und Salz- ablagerungen, die alle wieder durch metamorphische Pro- cesse neuen Umbildungen oder abermaliger Zerstörung, entgegengehen. Dagegen dürfen wir hieher eine Reihe von Umwand- — 635 — lungsprocessen rechnen, durch welche die krystallinischen Schiefergebirge unserer Centralalpen aus ehemaligen Thonen, Mergeln, Sandsteinen und Mergelsandsteinen hervorgegangen sind, und ganz besonders die von mir in der vorliegenden Arbeit und in den letzten Heften ausführlich beschriebenen feinkörnigen Quarzite, Quarzitgneisse und Quar- zitglimmerschiefer, die, meinen Beobachtungen zu- folge, aus reinen oder thonigen, oft auch eisenschüssigen Sandsteinen durch chemische Umwandlung auf nassem Wege, wahrscheinlich unter Beihülfe von Druck und ‘Wärme, sich entwickelt haben. Es wurden in diesen Fällen, wie ich gezeigt, die zu Feldspath- und Glimmerbildung nöthigen Stoffe in gelöster Form durch die Felsklüfte in die lockere, körnige Masse des ehemaligen Sandsteines eingeführt und zwischen den Sandkörnern in Form kleiner Kryställchen und Schüppchen, in den freien Klüften selbst aber in wohlgebildeten Krystalldrusen ausgeschieden. Der bereits etwa vorhandene Eisen- und Thongehalt wurde gleichfalls zur Glimmerbildung, durch Zutritt gelöster alka- lischer Silicate, verwendet. Eine ähnliche Umbildung zu Chlorit- oder Glimmerschiefer erlitten auch die schiefrigen Thone und Mergel. Sollten auch bei diesen chemisch - krystallinischen Umwandlungsprocessen einzelne Stoffe ausgetreten sein, wie leicht möglich, obgleich nicht bestimmt nachweisbar, so beruht doch der ganze metamorphische Process vor- herrschend oder fast ausschliesslich auf einer Aufnahme neuer Stoffe, welche die lockere Masse des bereits vor- handenen Gesteines in gelöstem Zustand durchdrungen haben und darin zur krystallinischen Ausscheidung gekom- men sind. In den ausgezeichneten Pseudomorphosen von Glim- mer nach Andalusit, von Lisens im Tyrol, haben wir den deutlichen Nachweis der Glimmerbildung aus einem Thon- — 636 — silicat, und auch hier ist jedenfalls vorherrschend, wenn nicht ausschliesslich, die Umwandlung durch Hinzutritt von Stoffen erfolgt, wie die aufgequollenen Formen des ehemaligen Andalusites zeigen. Wir dürfen deshalb die in unsern Alpen so häufig beobachtete Umwandlung tho- niger Gesteine in glimmerige (Glimmerschiefer, Talk- glimmerschiefer, Chloritschiefer) nicht einer blossen mole- cularen Umsetzung und krystallinischen Ausbildung, son- dern einem Zutritt neuer Stoffe zuschreiben, welche mit den bereits vorhandenen neue chemische Verbindungen eingegangen sind. Wir können diesen weit verbreiteten Umwandlungsprocess der thonigen Schiefer zu Chlorit- und Glimmerschiefer, den Micatisations- oder Ver- slimmerungsprocess nennen. Der Verkieselungsprocess ehemaliger Kalksteine, Mer- gel oder Thone zu Kieselschiefern, verhärteten Mergeln und buntgebänderten Bandjaspissen beruht wohl vorwiegend auf einer Imprägnation dieser mehr oder minder perme- abeln Gesteine mit gelöster Kieselerde, wobei die Substanz des ehemaligen reinen Kalksteines oder Mergels noch grösstentheils in der umgewandelten Masse erhalten blieb und nur langsam durch die eingedrungenen wässerigen Lösungen entfernt wurde. Einen ähnlichen Verkieselungsprocess durch infil- trirte gelöste Kieselerde erlitten auch häufig die Sandsteine, wobei die ausgeschiedene glasige Quarzsubstanz als Cement die Zwischenräume zwischen den Quarzkörnern ausfüllte und zu einer scheinbar gleichartigen körnigen Quarzmasse vereinigte. Grössere Zwischenräume wurden gleichfalls mit grauem durchsichtigen Glasquarz ausgefüllt, und auf Klüften konnte sich die gelöste Kieselerde in Form wohlgebildeter Bergkrystalle oder Rauchquarze ausscheiden. So entstanden in unsern Alpen und in andern Gebirgen aus ehemaligen Sandsteinen die körnigen Quarzite, die — 6357 — dann durch weitere Aufnahme von Glimmer- und Feld- spathsubstanz in gneissartige Gesteine übergehen konnten. Diese bald feinkörnigen, bald gröberkörnigen, meist schiefrigen oder in dünnen Bänken abgelagerten Quarzite zeigen eine weite Verbreitung in allen mir bekannten krystallinischen Schiefergebirgen, namentlich als Einlage- rungen zwischen Thon- und Glimmerschiefer. Hieher ge- hört vielleicht auch der berühmte Itacolomit von Brasilien, das Muttergestein des Diamanten, der aber überdies noch durch Aufnahme des die Sandkörnchen umhüllenden talk- artigen Minerales eine eigenthümliche Biegsamkeit (Gelenk- quarz) erlangt hat. Durch weitere Anfnahme von Eisenglim- mer oder vielmehr durch krystallinische Umwandlung des schon vorher vorhandenen ocherigen Eisengehaltes gehen diese schiefrigen Quarzite in einen ausgezeichneten Eisen- slimmerschiefer über. Die bekannte Felsnadel vom Schneckenstein in Sachsen, in deren Klüften sich neben Quarzen die schönen flächen- reichen Topaskrystalle ausgeschieden haben, ist nichts an- ders als ein ausgezeichnet feinkörniger, schieferiger Quarzit mit dünnen Zwischenlagen von Glimmerblättchen und schwarzen Turmalinkryställchen. Der grobkörnige weisse Quarzit aus dem Kanton Wallis mit den Molybdänblättchen ‘und den graulichen Quarz- parthien zeigt den reinen Silicatisationsprocess. 4. Metamorphismus durch Austausch von Stof- fen, also durch Verlust alter und Aufnahme neuer Be- standtheile. Weitaus die meisten Umbildungsprocesse, namentlich diejenigen, aus welchen die geschichteten und ungeschichteten krystallinischen Gesteine unserer Central- alpen hervorgegangen sind, gehören dieser Gruppe an. Hieher gehört wohl die Umwandlung kalkiger und thoniger eisenschüssiger Gesteine in Hornblende- und Strahl- steinschiefer, in Chlorit- und Talkschiefer, in Hornblende- 42 — 658 — und Chloritgneiss, also in krystallinische Schiefergesteine, wie die im vorhergehenden Aufsatz aus den Umgebungen des St. Gotthard beschriebenen. Hieher gehört auch die Umwandlung des Gabbro, des Diorites, Syenites und ähn- licher Gesteine in Serpentin, die sich an vielen Stellen in unsern Alpen und in andern krystallinischen Gebirgen nachweisen lässt. Auch Thonschiefer, wie ich im Etzlithal des Nähern nachweisen konnte, gehen in Serpentin oder in Talkschiefer über. Durch ähnliche, auf Austausch von Stoffen beruhende Processe, gehen vielleicht manche Thonschiefer in Glim- merschiefer , ferner Hornblendeschiefer in Chlorit-, Glim- mer- und Epidotschiefer, Hornblendegneisse in Chloritgneisse über und wird auch in den eigentlichen Syeniten die Hornblende in einen dunkelgrünen Glimmer umgewandelt, ein in unsern Alpen vielfältig zu beobachtender Process. Ueberhaupt liefert die Hornblende Stoff zu vie- len Neubildungen entweder dadurch, dass sie nach Art der Pseudomorphosen direkt durch Austausch von Bestandtheilen in Chlorit, Glimmer , Epidot und andere Mineralien übergeht, oder dadurch, dass sie in gelöster Gestalt aus in Zersetzung begriffenen alten Hornblende- gesteinen austritt und sich in den Klüften und Drusen- räumen eines benachbarten Gesteines wieder als Horn- blende in der Form von Amianthfasern oder durch Um- setzung ihrer Bestandtheile in der Form von grünen Glimmerblättehen, Chloritschüppchen und Chloritwürmchen, oder von Epidotnadeln deutlich krystallisirt ausscheidet. Vorzüglich liefert die Hornblende das Material für secun- däre Chlorit-, Amianth- und Epidotbildungen. In ähnlicher Weise werden auch die Feldspathe der granitischen Gesteine, namentlich der Syenite und Diorite, bisweilen auch der Granite, bei ihrer Zersetzung aus- gelaugt, und in wenig veränderter Zusammensetzung in — 639 — den Klüften benachbarter, in Umwandlung begriffenen Ge- steine als wohlgebiidete Drusen von Adular oder Ortho- klas, von Albit oder Periklin wieder ausgeschieden, und ebenso, wie bereits gezeigt, inder Masse dieser Gesteine selbst, hinzutretend oder andere Stoffe, wie Kalk, verdrängend, krystallinisch abgelagert. Auch Zeolithbildungen entstehen auf diesem Wege.') . Auch die Feldspathe, so namentlich der Oligoklas, scheinen nach den zahlreichen, von mir in den Urner- Alpen gesammelten Beobachtungen, der Umwandlung in einen dichten, blass grünlichen Talk oder vielmehr in ein talkähnliches Mineral und zuletzt in einen Talk- glimmer fähig zu sein. Pseudomorphosen von Speckstein, Talk und Glimmer nach. Feldspath werden von Blum an mehrern Orten angeführt und sicher haben ähnliche Um- wandlungen im Grossen an Gesteinen in den meisten Fällen stattgefunden, ohne dass die Form des alten Mine- rales, also hier die des Feldspathes, erhalten blieb. Von allen in den granitischen Gesteinen auftretenden Mineralien scheint der krystallinische Quarz am längsten allen Angriffen und Umwandlungen zu widerstehen, obwohl er ohne Zweifel am Ende gleichfalls, wie Alles, dem Wechsel und der Verwandlung unterliegt. Abgezehrte, durch erodirende Flüssigkeiten halb aufgelöste Bergkrystalle habe ich aus der Beckh’schen Sammlung schon oben beschrieben. Ebenso beweisen die schönen, scharf aus- gebildeten Pseudomorphosen von Speckstein nach Berg- _ krystall von Göpfersgrün in Bayern die Umwandlungs- fähigkeit des Quarzes. Auch in den Zinnerzlagerstätten 1) Ebenso konnten gröbere oder feinere breccienartige Sandste ine und Conglomerate, wie die der Grauwacke und des Rothliegenden, wozu ich auch unsere Sernifitgesteine rechne, durch Infiltration von Kiesel- und Feldspathsubstanz in granitartige Gesteine übergeführt oder bereits zerfallene Granite wieder regenerirt werden. — 640 — des Erzgebirges geht der Quarz in eine weiche, weissliche, specksteinartige Substanz über. Für diese vierte Gruppe von metamorphischen Vor- gängen besitzen wir in den Umwandlungspseudomorphosen durch Austausch von Bestandtheilen so zahlreiche und mannigfaltige Beispiele, gerade unter den verbreitetsten felsbildenden Mineralien, dass wir jetzt schon, an der Hand derselben, eine Einsicht in die analogen Vorgänge im Grossen zu erlangen beginnen. Aber auch hier stehen wir erst am Anfang einer Reihe von Aufschlüssen, welche fortgesetzte Beobachtungen unsern Nachfolgern liefern werden. Indem ich in dem Vorstehenden die verschiedenen Rich- tungen des Gesteinsmetamorphismus nach Art der Pseudo- morphosen eintheilte, habe ich mich darauf beschränkt, von jeder derselben nur wenige naheliegende Beispiele aufzuführen, namentlich aus den krystallinischen Schiefer- gesteinen unserer Centralalpen, welche den Anlass zu den vorliegenden Betrachtungen gegeben haben. Eine Menge wichtiger Umwandlungsprocesse sind dabei unerwähnt ge- blieben, indem ich bloss den Rahmen zu einer neuen Ein- theilung liefern wollte. Es bleibt uns noch eine letzte Gruppe metamorphi- scher Vorgänge in Kürze zu erwähnen übrig. B. Metamorphismus nach Art der Verdrän- gungspseudomorphosen. Hier trat also ein neues Mineral, gewissermassen Atom für Atom, Punkt für Punkt, an die Stelle eines andern, ohne dass bestimmte chemische Beziehungen zwischen den Bestandtheilen des alten und des neuen zu erkennen wären. Es fand also kein Aus- tausch von Bestandtheilen nach den Gesetzen der chemi- schen Wahlverwandschaft statt. Ein vorhandenes -Mi- neral trat in Lösung und während dieses Vorganges setzte sich ein neues, weniger lösliches, Mineral an die Stelle — 641 — des alten, Molekül für Molekül ansetzend, ab oder umhüllte das alte, ehe dieses selbst in Lösung trat. In die Reihe dieser, den Verdrängungspseudomorpho- sen entsprechenden, metamorphischen Processe gehört wohl die Umwandlung von Kalksteinen und Mergeln in Kieselschiefer und Hornstein, also die Verdrängung des Kalkes durch Kiesel, wofür wir in den bekannten Pseudomorphosen von körnigem Quarz und Hornstein nach den gemeinsten Formen des Kalkspathes (z. B. hexagonale " 1 Säule P.0 P; erstes, stumpferes Rhomboeder — 5 R; Scalenoeder R?) überzeugende Beweise vor Augen haben, auch wenn wir nicht die allmähligen Uebergänge von der einen Substanz in die andere an Ort und Stelle ver- folgen könnten. Manche dieser Formen erscheinen als hohle Umhüllungspseudomorphosen. Aus den wohlerhaltenen Pseudomorphosen von Horn- sten nach Gyps von Passy bei Paris wissen wir, dass auch der Gyps durch Quarz verdrängt werden kann. Noch wichtiger aber, als die Ersetzung von Kalkstein durch Kiesel, ist für die Beurtheilung unserer alpinen meta- morphischen Gesteine die Verdrängungdes Kalkspa- thes und des Kalksteines durch Feldspath, von der ich bereits oben einige lehrreiche Beispiele aus den Umgebun- sen des St. Gotthard und den benachbarten Walliser Thälern beschrieben habe. Bald ist es Albit, als Periklin, bald ein farbloser, Adular ähnlicher Orthoklas, welcher nun in deutlich krystallinischen Aggregaten die Stelle des muth- masslich hier vorhanden gewesenen Kalksteines einnimmt. Die Spuren des Kalksteines sind ‘zwar hier völlig ver- wischt, so dass wir auf Vermuthungen beschränkt sind. Jedoch giebt die auf den Drusenklüften dieser Gesteine jetzt noch zu beobachtende, bald erst beginnende, bald fast ‚vollendete, Umwandlung oder Verdrängung von halb- — 642 — zerfressenen Kalkspathkrystallen durch Perikline, bis zum gänzlichen Verschwinden des Kalkspathes, dieser Vermu- thung hohe Wahrscheinlichkeit. Sind glimmerhaltige Kalk- steine einem solchen Feldspathisirungsprocess erlegen, so gehen, namentlich wenn noch Quarz miteintritt, den Gra- niten sehr ähnliche Gesteine daraus hervor. In unsern Alpen scheinen solche glimmerhaltigen, in Umwandlung begriffenen, Kalksteine in der Contactlinie zwischen Gneiss- und Kalkgebirg an manchen Orten auf- zutreten. Erlag der körnige Kalk einem solchen Verkie- selungs- oder Feldspathisirungsprocess, so mussten gleich- falls gneiss- oder granitartige Gesteine daraus entstehen. Nach den zahlreichen, in den Studer’schen Werken, na- mentlich in der Geologie der Schweiz, mitgetheilten scharf- sinnigen Beobachtungen und Andeutungen zeigen diese glimmerhaltigen, körnigen Kalksteine und deren Ueber- gänge zu gneiss- oder granitartigen Felsarten eine ziem- liche Verbreitung. Auch Volger hat in den bereits oben erwähnten Arbeiten diese metamorphischen Processe, und namentlich den Feldspathisirungsprocess an zahlreichen Handstücken aus der vortrefflichen Wiser’schen Sammlung und aus der Hochschulsammlung sehr sorgfältig studirt und einlässlich beschrieben. | Ausser der Ersetzung des kohlensauren Kalkes durch Kiesel- und Feldspath und der Umwandlung thoniger Ge- steine in glimmerführende haben in unsern Alpen gewiss noch eine Reihe von andern Veränderungen stattgefunden, die sich nach Art der Pseudomorphosen erklären lassen. Weitaus das Meiste harrt jedoch noch der nähern Unter- suchung. So versprechen namentlich die von Zirkel, von Lasaulx und Andern begonnenen mikroskopischen Studien an Dünnschliffen von Thonschiefern, Glimmer- schiefern und ähnlichen metamorphischen Gesteinen neue Aufschlüsse, obgleich die eigenthümliche Beschaffenheit PONS IP or dieser Gesteine, namentlich ihre geringe Festigkeit beim Schleifen und ihre meist geringe Durchsichtigkeit, der neuen Untersuchungsmethode eigenthümliche Schwierig- keiten in den Weg legen. In dem Vorstehenden sollten, anlässlich der Beschrei- bung einiger unserer Sammlung zugekommenen meta- morphischen Gesteinsstücke aus den Umgebungen des St. Gotthard, bloss einige Andeutungen über die verschie- denen Richtungen unseres alpinen Metamorphismus gegeben und das bereits Erkannte unter wenige Gesichtspunkte gestellt werden, welche einen Ueberblick über die Man- nigfaltigkeit der Erscheinungen und das ihnen Gemeinsame gestatten. Wir können diese Betrachtungen in folgende Sätze zusammenfassen. Resume. 1) Die aus der Umwandlung von Sandsteinen durch Infiltration von Quarz-, Feldspath- und Glimmersubstanz hervorgegangenen Quarzite, Quarzitgneisse und Quarzit- slimmerschiefer besitzen in unsern Centralalpen eine weite Verbreitung und lassen sich auch in andern krystallinischen Gebirgen nachweisen. Sie scheinen grösstentheils den paläozoischen Formationen, namentlich der Devon- und Carbonformation anzugehören. 2) Andere gneissartige feldspathreiche Gesteine unse- rer Centralalpen scheinen durch einen Feldspathisations- process aus der Umwandlung von Kalksteinen und Mergeln hervorgegangen zu sein, wobei der Thon- und Eisengehalt zur Chlorit- und Glimmerbildung, bisweilen auch zur Bil- dung von Turmalin, verwendet wurde. Der Titangehalt kam in Form von Rutil, Anatas, Brookit und Sphen, ein Theil des Eisens in Form von Eisenglanz zur krystallini- schen Ausscheidung. — 644 — 3) Manche gneiss- und granitartige metamorphische Gesteine dieser Gebirge enthalten als Hauptbestandtheil einen mit dem Adular identischen farblosen Orthoklas, oder einen weissen körnigen Albit in der Form des Periklins. 4) Die metamorphischen Schiefergesteine unserer Cen- tralalpen, wie Thonschiefer, Chlorit-, Glimmer-, Talk- nnd Hornblendeschiefer, lassen sich nicht aus blossen krystallinischen Umbildungsprocessen durch Einwirkung der Wärme allein erklären, sondern sind als wahre che- mische Umwandlungen, entstanden durch Ein- und Aus- tritt von Substanzen in. gelöster Gestalt, oft unter Beihülfe von Wärme, zu betrachten, wobei sich neue chemische Verbindungen bildeten. 5) Die Hornblende der Syenite und Diorite liefert durch ihre Zersetzung oder Auflösung häufig das Material zu krystallisirten Neubildungen von Amianth, Chlorit, Glimmer und Epidot. 6) Ebenso gehen aus der Zersetzung und Auflösung des feldspathigen Gemengtheiles der granitischen Gesteine krystallinische Neubildungen von Orthoklas oder Adular, Albit oder Periklin hervor, welche sich theils in den. Klüften zu wohlgebildeten Krystalldrusen ausscheiden, theils in das Innere ehemaliger Sedimentgesteine ein- dringend eine chemisch-krystallinische Umwandlung der- selben bewirken. 7) Zur Beurtheilung der metamorphischen Processe giebt das Studium der Pseudomorphosen die geeignetsten Anhaltspunkte, indem sie aus analogen Processen hervor- singen. Wir können deshalb die verschiedenen Rich- tungen des Metamorphismus nach denselben Gesichts- punkten, wie die Pseudomorphosen gruppiren. 8) Indem wir uns an die Blum’sche Eintheilung der Pseudomorphosen anschliessen, können wir die metamor- phischen Processe im folgende Gruppen zusammen fassen: l — 645 — A. Metamorphismus nach Art der Umwandlungs- pseudomorphosen. a. M. ohne Verlust und Aufnahme von Stoffen, also blosse krystallinische Umsetzung oder Ausbildung desselben Stoffes, begünstigt durch Feuchtigkeit und Wärme, z. B. Umwandlung des dichten in körnigen Kalkstein, Umwand- lung von Schieferthonen in gewisse Thon- und Glimmer- schiefer und andere Wirkungen des sogenannten Contact- metamorphismus. b. M. durch blossen Verlust von Bestandtheilen, z. B. Auslaugung des kalkhaltigen Spiriferensandsteines, Um- wandlung von Braun- und Rotheisenstein in Magneteisen- steinlager, manche durch Verwittrung veränderte Gesteine. c. M. durch blosse Aufnahme von Stoffen, z. B. Um- wandlung von Anhydrit zu Gyps, von Sandstein zu Quarzit und Quarziteneiss, von Kalkstein und Mergeln zu ver- kieselten Gesteinen. d. M. durch Austausch von Stoffen, wohl der häufigste Fall, z. B.: Umwandlung kalkiger und thoniger Gesteine . zu Hornblende-, Chlorit-, Talk- und Glimmerschiefer, von Hornblendeschiefer zu Chlorit- und Glimmerschiefer, von Diorit und Gabbro zu Serpentin. B. Metamorphismus nach Art der Verdrängungspseu- domorphosen, z. B. Umwandlung der Kalksteine und Mergel zu Kieselschiefer, Jaspis und Hornstein, oder in granit- und gneissartige Feldspathgesteine. 9) In Bezug auf das die Umwandlung bewirkende Material können wir in unsern Alpen vorwaltend folgende metamorphische Processe unterscheiden: A. Silicatisation oder Verkieselung. B. Feldspathisation oder Bildung von Feldspathge- steinen. C. Micatisation oder Verglimmerung (Chlorit inbe- griffen). — 646 — D. Dolomitisation, bei den Kalkgebirgen. Die Umwandlung unserer alpinen Sedimentgesteine zu kalk-, serpentin- und hornblendeführenden Schiefern macht sich nur untergeordnet geltend. Dasselbe gilt auch von der Entstehung der Serpentine aus Gabbro, Dioriten und andern alten Eruptivgesteinen. 10) Auch die Eruptivgesteine, die Granite, Syenite, Diorite, Gabbros, haben im Laufe der Zeiten weitere Umwandlungen erlitten, wobei frühere Bestandtheile aus- und neue eingetreten sind, welche neue Mineralbildungen in diesen Gesteinen veranlasst haben. 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Museums-Verein, desgl: : 5: 0 DEZE Von I. akademischen Gesellschaft, Beiträge tar, 1870.29. AE OU TOUR DS N Von Hrn. Prof. P. Merian, für die Bibliothek „ 1000. — Fr. 2115. 30 Von I. Gemeinnützigen Gesellschaft, Jahres- beitrag für TSTL 225 TE 2 PA RENNES Von 1. Museums-Verein, desgl. . . 1. » 100. — Von demselben, Beitrag zur Anschaflung eines Gorilla-Skeletts . . . N Von 1. akademischen Gesellschaft, Neil „600. — Von derselben, Beiträge für 1871 . . . „RR Von 66 Subseribenten für das GoriliaBkelen „ 2810.55 Von Hrn. Andr. Bischoff-Ehinger . . . . , 500. —: Yon Eine Prof: P. Meran... a N 60. — Von demselben, für die DOUCE u EI Fr. 6745. 85 Von l. Gemeinnützigen Gesellschaft, Jahres- beitrag für 1821 . anna! NO ae Von l. Museums-Verein, desgl. . „700. — Transport . Fr. 1000. — — 649 — Transport . Fr. 1000. — Von I. akademischen Gesellschaft, Beiträge N a NS ARE PSS TANERET ER SERRES D LUC Von E. E. Trauerhause . . . . y 900. — Von Hrn. Prof. P. 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F. Riggenbach-Stehlin : Grosses Exemplar von Vipera Berus. Von Hrn. Consul Rud. Gessler in Rio de Janeiro : Brasilianischer Ameisen-Bär. Von Hrn. Fr. Knuty : Junges Wildschwein bei Klein-Lützel gefangen. Von Hrn. Ad. Spitteler : Crocodilus palustris. Less. nebst 2 Eier von Coohin, Malabar. Von Hrn. Stadtrathspräsident Minder : Lophophorus Impeyanus. Temm. sehr altes aus Nepaul. Von Hrn. Dr. O. Fintsch in Bremen : Prosthenomad Novæ-Hollandiæ. Gm. Orthonyx ochrocephala Gm. aus Neu-Seeland. Von Hrn. Präparator Gust. Schneider : Papio Sphinx. Geoffr. aus West-Africa. Sciurus Richardsoni. Bachm. von Labrador. Megapodius Freycineti. Quoy et Gaim. g’v. Halmahera. Dicæum Celebicum Müll. u. Schleg. Z u.2 v. Celebes. Eudynamis von Ternate. Corous enca. Horsf. von Celebes. Eine Anzahl beschädigter Vogelbälge zum Ausbessern anderer. 3 Sertularien und Corallinen aus Grönland. Von Hrn. Walther Schmid : 5 brasilianische Vögel. Eine Parthie Bienen aus Texas. Wespen aus Rio de Janeiro. Eine grosse Zahl von Hymenopteren und andere Insekten. Einige Meeres-Conchylien. Von Hrn. Andr. Bischoff-Ehinger : Eine Sammlung schweizerischer Hemipteren, 406 Arten in über 1000 Exemplaren. — 652 — Sammlung schweizerischer Orthopteren, 87 Arten in 227 Exemplaren. | Einige grosse indische Lepidopteren. | Saturnia Melitta und eine grosse Anzahl in- und ausländischer Coleopteren. | Von Hrn. Consul H. Emi: Cicada septemdecim aus Nord-Amerika. Von Hrn. Adolph Baumgartner in Lörrach : Schmetterlinge und Puppe von Bombyx Yama May. Von Hrn. F. Moore in London, durch Vermittlung von Hrn. Alb. Müller daselbst : Sammlung ostindischer Lepidopteren, 99 Arten. Von Hrn. Apotheker Franz Bernoulli : Exotische Lepidopteren. Von Hm. Prof. L. Rütimeyer : Käfer von Borneo. Von Hrn. Ed. Socin-Frey : Grosse Sammlung brasilianischer Insekten. Von Hrn. Alb. Hoffmann-Burckhardt : Auskleidung eines Topfes mit dem Gespinnste der Seidenraupe. Von den Erben von Hrn. Prof. F. C. Schönbein : Die Conchyliensammlung des verstorbenen Hrn. Canzlei- rath Benz in Stuttgart, etwa 3000 Arten ent- haltend, nebst Kasten. Von Hrn. Pfr. Bernh. Emil Riggenbach Pectunculuspilosus. L.v. Blankenberghe, belgische Küste. Von Hrn. Grafen L. F. de Pourtales : Waldheimia floridana. Pourt. u. Terebratula cubensis. Pourt. aus der Tiefe des Golfstromes an der Küste von Florida. Von Hrn. Georges Claraz in Buenos-Ayres : Conchylien und Sertularien von der Gegend der Mündung des Rio Negro in Patagonien. — 653 — Von Hrn. J. Sulger-Heusler : Pinna rudis. L. aus dem Mittelmeer. 3. Für die Mineralien- und Petrefacten- Sammlung. Von 38 Subscribenten : Grosser Rauchtopas-Krystall, aus der Krystallhöhle des Triftengletschers. Von Hrn. Adolf Wertenberg in Catania : Grosse Sammlung von Schwefelkrystallen, Cölestin und andern Mineralien aus den Schwefelgruben von Sizilien. Von Hrn. Eduard Wolleb : Goldstufe, Silberstufen und krystallisirter Borax aus Kalifornien. Von Hrn. Müller-Pack : Grosses Stück Schwefelkies aus dem Wallis. Von Hrn. Consul H. Erni : Verschiedene Mineralien aus Nord-Amerika. Von Hrn. Dr. Theod. Kündig : Folge der bei Strassfurth vorkommenden Salze. Von Hrn. Stud. Med. N. Hegnauer : Selenite en fer de lance aus der Gegend von Paris. Von Hrn. Joh. Heinz aus Australien : Australische Goldstufe. Von Hrn. Ad. Krayer-Förster : Ein Stück Nephrit. Von Hrn. Bergingenieur Heinr. Iselin : Verschiedene Mineralien von Freiberg und aus dem Nassauischen. Von Hrn. Edm. von Fellenberg in Bern : Sammlung schweizerischer Gebirgsarten. 43 — 654 — Von Hm. Dr. Herm. Christ : Marmor mit Gletscherschliffen von Grindelwald. Von Hrn. Dr. Gust. Bernoulli : Gebirgsarten von Guatemala. Von Hrn. Andr. Bischoff-Ehinger : Gebirgsarten von Monte-Rotondo in Corsika. Von Hrn. Rathsh. N. Halter: Gebirgsarten aus Corsika. Von Hrn. Rathsh. L. Fininger : Gebirgsarten von den Berggipfeln des Berner Ober- landes. Von den HH. Alb. Hoffmann-Burckhardt, Ed. Hoffmann, Hans Sulger, Fritz Bischoff, Gerber-Bärwart : Gesteine von verschiedenen Alpengipfeln. Von Hrn. Prof. L. Rütimeyer : Sammlung von Gebirgsarten aus der Umgegend des Rigi und dem Eingang des Wallis. Gletscherschliff vom Vierwaldstätter See. Grosse Folge von Tertiär-Versteinerungen aus der Umgegend von Palermo. Versteinerungen aus der Gegend von Marseille, 0.8.4. Versteinerungen aus der Molasse von Langenthal. Eocäne Korallen von der Käsern-Alp, K. Schwyz. Von Hrn. Eduard Burckhardt : | Clypeaster ægyptiacus, Wright, aus dem Miocän- gebirge von Aegypten. Von Hrn. E. Thurneysen-Paraviemi : Blätterabdrücke im Kalktuff von Tivoli. Von Hrn. Pfr. Cartier in Oberbuchsiten : Pygurus tenuis. Des. aus dem obern Jura von Ober- buchsiten. Von Hrn. Dr. J. B. Greppin : | Versteinerungen aus dem Schweizer Jura. Von Hrn. Vict. Gilliéron : Eine Folge von Versteinerungen der untern Abthei- lung der Kreideformation am DBieler See und aus dem Neocomien von Landeron. Säugethierknochen aus dem Eocän von Mormont, K. Waadt. Silurische Versteinerungen von Gotland. Von Hrn. Prof. Alb. Müller : Verschiedene Versteinerungen. Von Hrn. Prof. F. Sandberger in Würzburg : Gebirgsarten und Versteinerungen aus der Triasbildung bei Würzburg. Von Hrn. Fr. Becker, Lehrer an der Gewerbschule : Nerineen in Corallenkalk von Himmelried, K. Solothurn. Versteinerungen aus der Permischen Formation von Durhamshire. Von Hrn. Dr. Christoph Burckhardt : Vermetus gigas von Tenniken. Eine Anzahl Versteinerungen von Fischen, Krebsen, Säugethierzähnen und Amphibienknochen und andere Versteinerungen. Von Hrn. Prof. L. Rütimeyer und Prof. F. Burckhardt: Knochen des Mammuth-Elephanten von Hertingen. Von Hrn. Zum-Brunn-Hindermann : Pflanzen-Versteinerungen aus dem Keupersandstein von Hemmiken, K. Basel. Ammonit von Hallstadt. Versteinerungen aus dem Lias der Ralligstöcke am Thuner See. 5 Fischabdrücke aus Glarner Schiefer. Von Hrn. Andr. Gutzwiller : Folge von Tertiär-Versteinerungen von Whersyler. Von Hrn. L. Friedrich, Sohn : Pygurus tenuis, Des. von Laufen. — 656 — Von Hrn. M. von Tribolet : Sphenopteris Schimperi und Dadoxylon Vogesiacum von Burbach in den Vogesen. Von Hrn. Architect W. Schmidlin : Reptilienknochen aus dem bunten Sandstein von Riehen. Von Hrn. Prof. Osc. Fraas in Stuttgart : Rennthierknochen und Moose aus der Fundstätte von Schusseried, Württemberg. Von Hrn. Göring in Düsseldorf : Backzahn des Mammuth-Elephanten, im Rhein gefunden. Von Hrn. Stadtrath Rud. Merian-Burckhardt. Eine Anzahl Blätterabdrücke von Oeningen. Von Hrn. Ad. Burckhardt-Bischof : Knochenbreccie von Antibes. Von Hrn. F. Cornu : Pemphix Suerii aus dem Muschelkalk von Inzlingen. Von Hrn. Dr. Alb. Socin : Versteinerungen und Gebirgsarten aus Aegypten und dem Orient. Von Hrn. Franz Seul : Schöner Abdruck von Pterophyllum Jægeri aus dem : Keuper der Neuen Welt bei Basel. Von Hrn. Bœlger-Hindermann : Calamit in Eisenstein von Saarbrück. Von Hrn. Prof. Peter Merian : Einige Versteinerungen. Von Hrn. Dr. Arn. Rosenburger : Sammlung von Pflanzenabdrücken aus dem Stem- kohlengebirge von St.-Etienne. Von Hrn. Dr. Med. A. Major : Hippopotamus-Zähne aus der Höhle Mardolce bei Palermo, Psammechinus Romanus und verschiedene tertiäre Conchylien von Palermo. — 657 — Von dem Museum d'histoire naturelle in Lyon : Grosse Folge von Gyps-Abgüssen fossiler Wirbelthier- knochen aus dem Rhone-Becken. Fossile Fische von Cirin, Dep. de l’Aïn u. A. m. Von Hrn. Prof. Wilh. His: Mineralien und Versteinerungen, hauptsächlich aus der Schweiz. Von Hrn. Alb. Müller in London : Devonische Korallen aus Devonshire. Von Hrn. Heinr. Knecht: Mineralien und Versteinerungen. Von Hrn. Aug. Kreis: Mineralien und Versteinerungen. Von Hrn. Krayer-Ramsperger : Fossille Koralle von Gempen. Von Hrn. Architekt L. Friedrich: Grosse Pleurotomaria aus dem Rogenstein von Muttenz. Von Hrn. Prof. Arn. Escher von der Linth in Zürich : Ammonites Wagneri, Opp. vom Oberblegi-See am Glärnisch. Von Hrn. Pfarrer J. Em. LaRoche : Verschiedene Versteinerungen aus dem Kant. Basel. Von Hrn. Sylvere Stucker : Pflanzen-Versteinerungen von Nieder-Burbach an den Vogesen. Von Hrn. Dr. Dan. Fechter : Grosse Pleurotomaria von Bubendorf. 4. Für die Bibliothek. Von der naturforschenden Gesellschaft in Bern : Mittheilungen. No. 603— 1791. 1867 —72. Von der naturwissenschaftlichen Gesellschaft in St. Gallen : Bericht 1864—71. — 658 — Von der schweizerischen geologischen Commission : Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz, 3.—11. ‘ Lieferung, nebst Karten. | Von der schweizerischen entomologischen Gesellschaft : Mittheilungen. II. III. 1867. 1872. Von der naturforschenden Gesellschaft in Zürich : Vierteljahrsschrift. 1864— 71. Von der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft : Topographischer Atlas der Schweiz. Generalkarte. BL. IT. Von der Société vaudoise des sciences naturelles : Bulletin. No. 57—67. 1867—72. Von der Société de physique et d'histoire naturelle de Genève : Mémoires. XIX—XXI. 1867—72. Von dem Institut national genevois : Mémoires. IX. 1863. XI. XII. 1867—69. Bulletin 1866—72. Almanach de la Suisse Romande 1872. Von der Société des sciences naturelles de Neuchâtel : Bulletin. VII—IX. 1867—72. Von der naturforschenden Gesellschaft Graubündens : Jahresbericht. XII—XVI. 1867—72. Sulzfluh. 1867. Von der Basler Sektion des Schweizer Alpenclub: Jahrbuch des schweiz. Alpenclub. IV— VIT. 1868—72. Von der aargauischen naturforschenden Gesellschaft : Festschrift. 1869. Von der Société jurassienne d’émulation : Actes 21 u. 22. Sess. 1871. 1872. Table des travaux de 1849—69. Von dem eidg. Departement des Innern : Schweizerische hydrometrische Beobachtungen für 1871. Uebersichtskarte des schweiz. Pegel- und Witterungs- stationen-Netzes. 1871. — 659 — Von der bernischen Direction der Domainen u. Forsten: Phænologische Beobachtungen im Kanton Bern im Jahr 1870. Von der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz : Neues Lausitzisches Magazin. XLHI—XLIX. 1867 — 72. Von der naturforschenden Gesellschaft in Görlitz : RE: 1868ER K IV a8 4: Von der zoologischen Gesellschaft in Frankfurt a. M.: Der zoologische Garten. VII—X. 1866—69. Von der k. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig : Abhandlungen der mathem.-phys. Classe. VII—X 1. 2. 1866—71. Berichte der mathem.-phys. Classe. 1865—71T. Von der Bergakademie zu Freiberg : Die Fortschritte der berg- und hüttenmännischen Wissenschaften. 1867. Von der naturhistorischen Gesellschaft in Nürnberg : Abhandlungen. III. 2.—V. 1866—72. Von der k. Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen : | Nachriehten. 1866—71. Von dem zoologisch-mineralogischen Verein in Regensburg : __ Correspondenzblatt XX—XXV. 1866—71. Von dem naturwissenschaftlichen Verein in Hamburg : Abhandlungen. IV. 4.—V. 2. 1866—71, und Ueber- sicht von 1869—70. Von dem naturwissenschaftlichen Verein in Halle : Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. XXVI—XXXVIH. 1866—71. Von der k. Akademie der Wissenschaften zu Berlin : Monatsberichte aus dem Jahr 1866—71. Verzeichniss der Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften v. 1710—1870. — 660 — Von der Gesellschaft Isis in Dresden : Sitzungsberichte. 1866— 72. Von der naturforsch. Gesellschaft zu Freiburg im Br. : Berichte. IV. V. 1867. 1868. Festschrift. 1871. Von der oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heil- kunde: 10r., 12r. u. 13r. Bericht 1863—69. Von der physik.-mediein. Gesellschaft in Würzburg : Würzburger naturwiss. Zeitschrift VI. 3. 4. 1866. Verhandlungen. Neue Folge I—III. 1868—72. Verzeichniss der Bibliothek. 1869. Von dem naturwissenschaftlichen Verein in Bremen : Abhandlungen I—IlI. 1867—72. Beilage 1. 1871. Biograph. Notizen Bremischer Aerzte und Natur- forscher 1844. Buchenau, Die Hansestadt Bremen 1862. Die botanischen Produkte der Londoner Industrie- ausstellung. 1863. Flora Bremensis. 1855. Focke, Die Krankheit der Kartoffeln. 1846. Von der deutschen geologischen Gesellschaft in Berlin : Zeitschrift. XVIII—XXIIT. 1866—71. Von der naturforschenden Gesellschaft in Danzig : Schriften. Neue Folge. I—III. 1. 1866— 72. Bail, Ueber die Hauptgebiete seiner entwicklungs- geschichtlichen Arbeiten. 1867. Von der Gesellschaft Pollichia : XXIL—XXIX. Jahresbericht und Verzeichniss der Bibliothek 1866— 71. Von dem naturhistor. Verein der preussischen Rheinlande: Verhandlungen. XXIHT—XXIX. 1. 1866— 71. v. Dechen, Geolog. Uebersichtskarte der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen. 1866. — 661 — Von dem Verein für vaterländ. Naturkunde in Württemberg: Jahreshefte. XXII—XX VII 1866—71. Von der naturforschenden Gesellschaft in Emden : 52r.—57r. Jahresbericht. 1867—72 Kleine Schriften XIII—X VI. 1868—72. Von dem physikalischen Verein zu Frankfurt a. M.: Jahresbericht 1865 — 171. Von der physikal.-ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg : Schriften. VI—-XII. 1. 1865—72. Von der Schlesischen Gesellschaft für vaterländ. Kultur : 44r,—49r. Jahresbericht u. Abhandlungen. 1867 —72. - Verzeichniss der Aufsätze in den Schriften. 1804—63. Von der Philomathie in Neisse : 15r.—17r. Bericht. 1867 —72. Von der physikal.-mediein. Societät zu Erlangen : Verhandlungen. I. II. 1867. 1870. Vom Verein für Naturkunde zu Cassel : 15r.—18r. Bericht 1867 —71. | Von der naturf. Gesellsch. des Osterlandes zu Altenburg : Mittheilungen. XVIIL XIX. 1867—69. Von dem Mannheimer Verein für Naturkunde : 3or. u. 34r. Jahresbericht. 1867. 1868. Von dem naturhistor.-medicin. Verein in Heidelberg : Verhandlungen. IV— VI. 1. 1868—72. Von der naturhistor. Gesellschaft in Hannover : 15r.—21r. Jahresbericht. 1866— 71. Staatsbüdget für Kunst und Wissenschaft im Königr. Hannover. 1866. Meyer, Veränderungen in der hannoverschen Flora. 1867. Hinüber, Verzeichniss der im Sollinge wachsenden Gefässpflanzen und Nachtrag. Von dem Offenbacher Verein für Naturkunde : 8r.—12r. Bericht. 1867 —71. — 662 — Von dem Nassauischen Verein für Naturkunde : Jahrbücher. XIX—XX VI. 1864—72. Von dem naturhistor. Verein in Zweibrücken : 4r. Jahresbericht. 1868. Reinsch, Die Meteorsteine. 1869. — Die atomistische Theorie. 1871. | Von dem Annaberg-Buchholzer Verein für Natur- kunde: Ir. u. 2r. Jahresbericht. 1868. 1870. Von der Wetterauischen Gesellschaft für Naturkunde zu Hanau : Bericht. Oct. 1863 bis Dee. 1867. Von dem naturwissensch. Verein für das Fürstenth. Lüneburg : Jahreshefte. III. IV. 1867. 1870. Von dem naturwissensch. Verein in Carlsruhe : Verhandlungen. III—V. 1869—71. Von der naturforsch. Gesellschaft zu Bamberg : Sr. u. 9r. Bericht. 1868. 1870. Von dem naturhist. Verein in Augsburg : 20r. u. 21r. Bericht. 1869. 1871. Von der Senckenbergischen naturf. Gesellschaft in Frank- furt a. M. Bericht. 1869—72. Von dem naturhistor. Verein in Passau : 7r.—9r. Jahresbericht. 1869—71. Von dem naturwissensch. Verein von Neu-Vorpommern und Rügen : Mittheilungen I—III. 1869— 71. Von der Gesellschaft zur Beförderung der Naturwissen- schaften in Marburg : Sitzungsberichte. 1866—69. 1871. Schriften. Suppl.-Heft. II—V. 1868. 1869. IX. X. 1—4. 1872. — 663 — Von der Jablonowskischen Gesellschaft zu Leipzig : Engelhardt, Flora der Braunkohlenformation von Sachsen. 1870. Von dem Verein für Naturkunde zu Fulda: I. Bericht. 1870. Von der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden : Jahresbericht. Juni 1869 bis April 1872. Von dem naturwissensch. Verein in Magdeburg : Sitzungsberichte 1870. 1871. Abhandlungen II. III. 1870. 1872. Von der naturwissensch. Gesellschaft zu Chemnitz : 3r. Bericht. 1871. Von der norddeutschen Seewarte in Hamburg : Jahresbericht für 1871. Von dem botanischen Verein in Landshut: 3r. Bericht 1871: Von dem Verein für Erdkunde in Darmstadt : Notizblatt. 3. Folge X. 1871. Von der k. bayer’schen Akademie der Wissenschaften : Abhandlungen der mathem.-physik. Classe X. 2. 1868. Sitzungsberichte 1866— 71. Almanach für 1867. Liebig, Die Entwicklung der Ideen in der Naturwis- senschaft 1866. Bauernfeind, Die Bedeutung moderner Gradmes- sungen. 1866. Bischoff, Neue Beobachtungen zur Entwicklungs- geschichte des Meerschweinchens. 1866. Meissner, Ueber die geograph. Verhältnisse der Lor- beergewächse. 1866. Bischoff, Schädelbildung des Gorilla, Chimpanse und Orang-Outang. 1867. | Seidel und Leonhard, Helligkeitsmessungen an Fix- sternen. 1867. £ — 664 — Bischoff, Ueber Brauchbarkeit der Resultate des Re- krutirungsgeschäftes. 1867. Aug. Vogel, Denkrede auf Heinr. Aug. v. Vogel. 1868. — — Wasserverdunstung auf besätem und un- besätem Boden. 1867. Steinheil, Das Chronoskop. 1867. Bischoff, Die Gehirnwindungen des Menschen. 1868. Veit, Ueber die Theorie der Ernährung thierischer Organismen. 1868. Gümbel, Zur Kenntniss der Procän- oder Kreide-For- mation. 1868. Meissner, Denkschrift auf Martius. 1869. Vogel, Ueber die Entwicklung der Agriculturche- mie. 1869. Zittel, Denkschrift auf Herm. von Meyer. 1870. Von der Société industrielle in Mülhausen : Bulletin. XXXVI—XLI. 1866—71. Von der Société d'histoire naturelle de Colmar : Bulletin. V—XI. 1867—71. Von der Société des sciences naturelles de Strasbourg : Mémoires. VI. 1. 2. 1866—70. Bulletin. I. 1—11. I. 1—7. Von der k. Akademie der Wissenschaften in Wien : Sitzungsberichte. Mathem.-naturwissensch. Classe. LIII—LXIV. 1866—71. Register zu B. 51—60. Almanach. XVI—XXI. 1866—71. Schmidt, Die Grotten von Adelsberg. 1854. Von der naturforsch. Gesellschaft in Brünn : Verhandlungen. IV—IX. 1866—71. Vom Werner-Verein in Brünn : 15r. Jahresbericht. 1866. | Fötterle, Geolog. Karte v. Mähren u. Schlesien. 1866. Von der geologischen Reichsanstalt in Wien : Jahrbuch. XVI— XXII. 1866—72, und Verhandlungen. — 665 — Hörnes, Fossile Mollusken des Tertiärbeckens von Wien. II. 7—10. 1868—70. Mojsisovies, Cephalopodenfauna der ænischen Gruppe. 1870. Abhandlungen. V. 1—3. 1871. Von dem Verein für Naturkunde in Pressburg : Verhandlungen. VIII. IX. 1865. 1866. Neue Folge. I. 1871. Von der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien : Verhandlungen. XV— XXI. 1866— 71. Winnerz, Monographie der Sciarinen. 1867. Neilreich, Diagnosen der in Ungarn und Slavonien beobachteten Gefässpflanzen. 1867. Schumann, Diatomaceen der hohen Tatra. 1867. Heller, Die Zoophyten und Echinodermen des Adriat. Meeres. 1868. Neilreich, Vegetationsverhältnisse v. Croatien. 1868. Hasskarl, Commelinaceæ Indicæ. 1870. Kirchner, Catalogus Hymenopterorum Europæ. 1867. Nowicki, Waizenverwüsterin. 1871. Künstler, Schädliche Insekten. 1871. Von dem naturwissensch. Verein Lotos in Prag: Lotos. XV— XXI. 1865— 71. Von dem naturwissensch. Verein in Steiermark : Mittheilungen. 1867—72. | Von dem österreichischen Alpen-Verein : Jahrbuch. III—V. 1867—69. Von dem Ferdinandeum in Innsbruck : Zeitschrift. 3. Folge. XIII— XVI. 1867—71. Von dem geognost. montanist. Verein für Steiermark : Stur, Geolog. Uebersichtskarte v. Steiermark. 1869. — Geologie von Steiermark. 1872. Von der geographischen Gesellschaft in Wien : Mittheilungen. XI—XIV. 1868—71. — 666 — Von dem naturhistor. Landesmuseum in Kärnten : Jahrbuch. VIII—X. 1868—71. Von dem Verein zur Verbreitung naturwissensch. Kennt- nisse in Wien : Schriften. II—-XII. 1863-72. Von der Berg-Akademie in Schemnitz : Gedenkbuch. 1871. Von der Magyar Tudomanyos Akademia in Pest: Evkönyvei. U— XIII. 1855—70. Ertesitö.. 1859. I—— VI. 1859—66. : Mathematikai es termesrettudomanyi Közlemenyek. II—V. 1865-67. Spiegler, Uj Modszer. 1858. Petenyi, Hatrahagyott munkai. I. 1864. Than, A. vegylemek Paranysulyarol. 1864. Almanach. 1864—71. Jegyzökönyvei. 1863—66. Observationes meteorologicæ. I. 1841—49. Ertekezesck a mathematikai ostaly Köreböl. 1867—71. — a termesrettudomanyi ostaly Köreböl. 1867—71. Ertesitöje. 1867—71. Alapsazabalyai. 1869. Von der Société des naturalistes de Moscou : Bulletin. 1865—72. Von der Akademie der Wissenschaften in St. Peters- burg : Mémoires. 7. serie. X— XVII. 1—7. 1867 —172. Bulletin: XXE 1-28:,1866- 272. Von der Dorpater naturforsch. Gesellschaft : Sitzungsberichte. III. 1. 1870. Archiv für die Naturkunde Liv-, Esth- u. Kurlands. L.: Serie: IV. VL. 1. 1868 II. Serie. VII 1. 2. 1867—70. Se TON — Von dem Bureau der geologischen Untersuchung von Schweden : Sveriges Geologiska Undersökning. 19—71. 1866—71. Mit Karten. Erdmann, Exposé des formations quaternaires de la Suède. 1868. Tôrnebohm, Geognostik Profil. 1872. Von der Universität Christiania : Sexe, Trace d’une &poque glaciaire du fjord de Har- danger. 1866. Siebke, Entomologiske Undersögelskev. 1866. Sars, M., Oversigt af Norges Echinodermer. 1861. Guldberg et Waage, Etudes sur les affinités chi- miques. 1867. Sars, G. O., Zoologiske Reise. 1866. Sörensen, Botanisk Reise. 1867. Sars, M., Mémoire sur les Crinoides vivants. 1868. Sexe, Le glacier de Boium. 1869. Sars, G. O., Variatoner hos Rörvalerne. 1868. Broch, Traité des fonctions elliptiques. 1867. Sars, G. O., Carcinologiska Bidrag. I. 1870. — — Nye Dybrandscrustaceer. 1869. Rasch, Norges Rovdyr-og Rovfuglestatistik. 1868. Siebke, Entomologisk Reise. 1870. Blytt, Christiania omegns Phanerogamer. 1870. Von der Universität Lund : Acta. 1869— 70. Universitets Bibliotheks Accessions-Katalog. 1867. 71. Von der k. Schwedischen Akademie der Wissenschaften : K. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar. Ny Föld. V. 2. bis IX. 1. 1866— 70. Ofversigt. XXII—XX VII. 1866—71. Meteorologiska Jakttagelser VI—XI. 1866—71. Eugenias Resa. Heft 12. 1868. Von Von Von Von Von TEE Lefnadsteckningar. I. 1. 2. 1869. 1870. Sundevall, Die Thierarten des Aristoteles. 1863. — Conspectus Avium Picinarum. 1866. Stal, Hemiptera Africana. I—IV. 1864—66. Linnarson, Fossils in the Eophyton Sandstone. 1869. der Académie royale de Belgique in Brüssel : Bulletins. 2. Série. XX—XXVI. 1865—69. 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Lesegesellschaft: L’Institut, Sciences mathem. et phys. XXIX—XXX VI. 1864—66. Von Hrn. Stadtrath Fr. Hagenbach: 25 Bände chemischer und naturhistorischer Schriften. Von löbl. Erziehungscollegium: Scholl, Grundriss der Naturlehre. 1871. Von der historischen und der antiquarischen Gesellschaft in Basel: Drawings of the report of the board of Railroad Commissioners. Albany. 1857. Peters, Report of the longitude and latitude of Og- densburgh. 1865. Hitcheok, Report upon the Geology of New-Hampshire. 1869. Shoolcraft, Indian Tribes. II. III. 1852. 1853. Von Hrn. V. Gillieron: V. Gillieron, Sur les terrains crétacés des deux côtés du Leman. 1870. Pictet, Mollusques fossiles des Grès verts des envi- rons de Geneve. 1847. Von dem Comité in Frankfurt a. M.: | Beleuchtung des Gutachtens von Prof. Pettenkofer über das Canalisationsprojekt von Frankfurt a. M. 1871. Von Hrn. Aug. Dollfus in Mülhausen: Dollfus- Ausset, Matériaux pour l’etude des Glaciers. I u. IV. 1864. 1865. Von Hrn. Dr. Karl Meyer: Methode de fortifier les Places. 1710. Er LR”. * 1 Fe NOR EN — 687 — Hellmuth, Volksnaturlehre. 1846. Von Hrn. Dr. Theod. Lotz: Réaumur, Art de faire éclore les oiseaux domestiques. I—IH. 1751. Camper, Kleinere Schriften. I—IIl. 1784—90. ‘ Van der Hoeven, Zoologie. I. II. 1850—56. Von dem humanistischen Gymnasium: De la Chenaye, Dictionnaire des animaux. I—IV. 1759. Geoffroy, Hist. des Insectes. I. II. 1764. Duhamel, Traité des Arbres. I. I. 1755. Dondorff, Natur und Kunst. I—IV. 1790-96. Von Hrn. Prof. C. F. Meissner: Meissner, Denkschrift auf Martius. 1869. Fr. Meissner u. ©. F. Meissner, Sammlung v. Zeich- nungen naturhistorischer Gegenstände. Von Hrn. H. Maunsell-Schiefferlin: Appendix to B. Anderson’s Journey to Musadu. 1870. Von Hrn. Dr. Kriechbaumer: Palm, Dipterenfauna Tirols. 1869. Von Hrn. Prof. Aug. Socin: Aeby, Der Bau des menschlichen Körpers. 1871. Von Hrn. Carl Vischer-Merian: Die von Prof. J. Rud. Merian sel. hinterlassene ma- thematische und astronomische Bibliothek. Von Hrn. Dr. Arn. Rosenburger Namens der Erben von Hrn. Apotheker J. J. Mieg sel.: Die von demselben hinterlassenen naturwissenschaft- lichen Bücher. Von Fräulein Charlotte Kestner: Gallegaris, Lo Strucciero. 1646. Von Hrn. Dr. Phil. F. Hagenbach: Tabernemontanus Kräuterbuch. 1664. Nollet, Vorlesungen über Experimentalnaturlehre. I bis VI. 1749—66. — 68 — Goldfuss, Zoologie. I. IL. 1820. Funke, Physik. 2r. Bd. 1806. Oekonomische Hauspostille. I. II. 1792. 4 Werke über Schachspielkunst. 1749—1842. Von Hrn. Rud. Ryhiner: Brande, Chimie. I.-II. 1820. Francœur, Uranographie. 1818. Garsault, Le parfait maréchal. 1797. Von Hrn. Hans Sulger, Sohn: Fritz, Sonnenflecken etc. 1866. Von Hrn. M. Bölger-Hindermann: Morin, Etudes sur la ventilation. I. II. 1863. — Manuel du chauffage. 1868. Tomlinson, On Warming. 1850. Von Hrn. G. Zingg-Stocker: Feierabend, Gottlieben. 1872. Von Hrn. L. Coulon in Neuchätel: Risso, Ichtyologie de Nice. 1810. Osterwald, Voyage pittoresque en Sicile. I. II. 1822 bis 1826 und eine Anzahl botanischer Schriften. Von Hrn. Rector J. Rud. Burckhardt: Derham, Theologie physique. 1740. Nollet, Essai sur l’electrieite. 1750. Von dem Museums-Verein, Prof. P. Merian und Prof. Ed. Hagenbach: Transactions of the Royal Society of Ediobuels I—XXII. 1788—1864. Von Hrn. Rathsherrn Dr. F. Müller: Nitsch, Bewegung des Oberkiefers der eidechsenartigen Amphibien. 1822. Fermin, Pipa. 1776. Steinheim, Entwicklung der Frösche. 1820. Meyer, Systema Amphibiorum lymphaticum. 1845. — 689 — Schneider, Geckonen. 1813. Gravenhorst, Eidechsengattungen. 1837. Meyer-Ahrensu. Brügger, Die Thermen v. Bormio. 1869. Von den Testamentsexekutoren von Hrn. Henry Christy: Lartet and Christy, Reliquiae aquitanicae. I—X. 1865— 70. Von Hrn. Dr. Rem. Meyer: Phips, Reise nach dem Nordpol. 1777. Engel, Ueber die Lage der nördlichen Gegenden. 1777. Von Hm. 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II. 1868. = = Ueber einen in Stein einge- schlossenen Salamander. 1867. = — Verwüstungen des Rapsglanz- Käfers. 1867. — — Ueber die Drehkrankheït bei Gemsen. 1868. = — Schmetterlings-Selbstfänger. 1868. — E= Ueber Pflanzenverwüster. 1869. - = — Ueber Psyllen. 1869. — — Artennamen von Aphanapterix. 1869. ra von Fran Vertilgung Er Be | — —_. Ausflug an den Plattensee. 18° — — Ueber den ju der Vögel. 1870. 24 Die ausgestorbenen Thiere de jüngsten Erdperiode. 1870. Vogelschutz. 1871. | 1% Wirbelthiere Nieder - Oestreich 2 184 Pflege der Jungen bei Thier 1871. | Verzeichniss der Mitglieder der Naturforschenden Gesellschaft in Basel intJanr 879. Ehrenmitglieder. Herr Nic. Fuss, Prof. der Mathem. in Petersburg (1843). » H. F. Kuhlmann in Lille (1865). „ fd. Rüpell, Med. Dr., von Basel (1851). „ Max Pettenkofer, Prof. in München (1860). „ HH. Sainte-Claire-Deville, Akademiker in Paris (1865). »„ €. H. Schattenmann in Buxwiller (1851). „ Charles Wheatstone, Prof. in London (1839). Correspondirende fitglieder. Herr Chr. Aebi, Prof. in Bern (1858). „ L. Agassiz, Prof. in Cambridge, Ver. St. (1836). Emil De-Bary-Schlumberger in Gebweiler (1867). „ M. Bider, Med. Dr. in Langenbruck (1839). „ Rein. Blum, Prof. in Heidelberg (1864). „ Charles Bovet in Fleurier, Ct. Neuchâtel (1840). 7 — 698 — Herr Alex. Braun, Prof. in Berlin (1836). N Ad. Brongniart, Prof. am Jardin des Plantes in Paris (1836). Karl Bruch, Prof. (1850). ©. H. Buff, Prof. in Giessen (1830). Ed. Cornaz, Med. Dr. in Neuchätel (1856). Louis Coulon, Dir. des Museums in Neuchätel (1856). James D. Dana, Prof. in Newhaven (1860). A. Daubrée, Prof. amJardin des Plantes in Paris (1861). Aug. de la Rive, Prof. in Genf (1836). Adolphe Delessert in Paris (1839). A. Des Cloizeaux, Prof. in Paris (1864). Ed. Desor, Prof. in Neuchätel (1856). Dettwyler, Med. Dr. in Hellertown, Ver. St. (1836). L. Dufour, Prof. in Lausanne (1867). Alex. Ecker, Prof. in Freiburg i. B. (1844). Aug. Wilh. Eichler, Dr. in München (1866). Carl Euler in Bom Valle, Brasilien (1865). J. G. Fischer, Dr. in Hamburg (1852). Georg Ritter von Frauenfeld, in Wien (1865). F. Frey-Herose, Alt-Bundesrath, in Bern (1835). Alphonse Gacogne in Lyon (1854). J. P. Gassiot, Esq. in London (1839). W. R. Grove in London (1839). Güntert, Prof. in Rheinfelden (1867). C. F. Gurlt, Professor in Berlin (1838). Rud. Häusler, Med. Dr. in Lenzburg (1851). James Hall, Staatsgeolog in New-York (1860). 0. Heer, Prof. in Zürich (1867). James Pusc. Joule in Manchester (1860). Carles A. Joy, Prof. in New-York (1865). L. H. Jeitteles, Prof. in Salzburg (1870). E. Im Thurm, Med. Dr. in Schaffhausen (1837). Kerner, Ph. Dr. in Frankfurt a. M. (1858). 3 4 RE : ‘ à Er A te £ 2 s I: u mE dre 6 IST PR: d Ne = … : < PPT Asian NE PS OR Ces vw u 722 2 Fe - 4: EEE Ben ce r 2017" :: N, rot Le 20 N vpn Herr Adolf Krayer in Basel (1864). N? F. Lang, Prof. in Solothurn (1867). Lowis Lortet, Dir. in Lyon (1872). C. J. Löwig, Prof. in Breslau (1838). J. J. Matt, Med. Dr. in Bubendorf (1839). J. B. Melson, Dr. in Birmingham (1839). Jul. Rob. Mayer, Phil. Dr. in Heilbronn (1858). Philipp Meyer, Militär-Apotheker in Batavia (1841). K. Fr. Mohr, Prof. in Bonn (1839). Mowatt, Med. Dr. in England (1830). Düller, Apotheker in Rheinfelden (1867). Albert Müller von Basel in London (1868). LE. Mulsant, Bibliothekar der Stadt- Lyon (1851). Alexis Perrey, Prof. in Dijon (1842). Theodor Plieninger, Prof. in Stuttgart (1838). Paul Reinsch, Lehrer in Zweibrücken (1862). J. Roeper, Prof. in Rostock (1826). Friedr. Ryhiner, Med. Dr. in Nord-Amerika (1830). Fridolin Sandberger, Prof. in Würzburg (1868). Dan. Schenkel, Prof. in Heidelberg (1839). A. Scheurer-Kestner, Chemiker in Thann (1866). W. P. Schimper, Prof. in Strassburg (1861) H. Schlegel, Dr., Director etc. in Leiden (1842). Schröter, Pfarrer in Rheinfelden (1867). A. Schrötter, Prof. in Wien (1853). von Seckendorff (1838). J. R. Schuttleworth, lisq. in Bern (1836). C. Th. von Siebold, Prof. in München (1846). J. Siegfried, Quästor der schweiz. naturf. Gesellschaft, in Zürich (1867). Herm. Stannius, Prof. in Rostock (1846). Bernh. Studer, Prof. in Bern (1835). A. Tschudy, Dr., von Glarus (1839). G. Wiedemann, Prof. in Leipzig (1854). Herr R. Wolf, Prof. in Zürich (1867). „ Heinrich Wydler, Med. Dr. in Bern (1830). „ Zimmer, Fabrikant in Frankfurt a. M. (1858). Ordentliche Mitglieder. Herr Sigmund Alioth, Med. Dr. (1844). „+ @. A. Bargherr (1871). » FF. Becker, Lehrer an der Gewerbeschule (1853). „ Franz Bernoulli, Apotheker (1868). „ Joh. Bernoulli, zur goldenen Münz (1856). „ J. J. Bernoulli- Werthemann, Ph. Dr. (1826). „ Wiln. Bernoulli, Med. Dr. (1862). „ Bischoff-Burckhardt, Prof. (1868). „ À. Bischoff-Ehinger (1841). „ Ed. Bischoff (1855). » Döckmann, Ph. Dr., Chem. (1871). „ M. Bölger-Hindermann (1839). „ Karl Breiting. Med. Dr. (1869). »s EF. Brenner, Med. Dr.-u.: Prof. (1830). „ Carl Bulacher, Ph. Dr. (1852). „ Albert Burckhardt, Med. Dr. (1868). „ Aug. Durckhardt, Med. Dr. (1834). „ Chr. Burckhardt, Med. Dr., App.-Rath (1834). „ Dan. Burckhardt-Forcart (1849). „ Daniel Burckhardt-Thurneysen (1863). „ -Friedr. Burckhardt, Phil. Dr., Prof. (1853). „ Gottl. Burckhardt-Alioth (1863). „ Gottl. Burckhardt-Heusler, Med. Dr. (1868). „ Hier. Burckhardt-Iselin, Stadtrath (1838). » J.J. Burckhardt, J. U. D., Alt-Bürgermeister (1838). „ Zudw. Burckhardt-For ne (1858). „ Karl Felix Burckhardt, J. U. D., Bürgermstr. as. — 701 — Herr Ludw. Burckhardt-Schönauer (1847). Mart. Burckhardt, Med. Dr. (1847). Rud. Burckhardt- Burckhardt, Med. Dr. (1839). Rud. Burckhardt, J. U. D., App.-Rath (1862). Wilh. Burckhardt-Forcart (1840). Herm. Christ, J. U. D. (1857). Felix Cornu, Chem. (1868). De Goumois-Lichtenhan (1857). K. J. Doswald (1862). Dan. Ecklin, Med. Dr. (1856). Fischer-Dietschy, Med. Dr. (1868). R. Forcart-v.Gentschik (1858). Albert Fürstenberger-Ryhiner (1869). Georg Fürstenberger (1867). F. Geiger, Ph. Dr., Apotheker (1862). J. Gerber-Keller (1866). V. Gillieron, Lehrer (1866). C. F. Güttisheim, Ph. Dr., Rathschreiber (1863). F. Goppelsröder, Prof. (1859). Conr. Grüninger, Ph. Dr. Lehrer (1863). H. Gruner-His, Ingenieur (1860). C. Herm. Haagen, Med. Dr. (1861). Ad. Hägler, Med. Dr. (1863). Mich. Hämmerlin (1840). Ed. Hagenbach-Bischoff, Prof. (1855). Ed. Hagenbach-Burkhardt, Med. Dr. u. Prof. (1867). Fried. Hagenbach, Stadtrath (1829). Conr. Heer, Telegraphist (1867). Wilh. Heusler-Vonder Mühll, Stadtrath (1872). Wilh. His, Prof. (1854). Ed. Hoffmann, Chemiker (1864). K. E. E. Hoffmann, Prof. (1863). Th. Hoffmann-Merian (1863). J. Hoppe, Prof. (1852). 46 Herr Aug. Jenny, Lehrer (1862). Herm. Immermann, Prof. (1871). : IH. Iselin, Med. Dr. (1833). J. Iselin-Burckhardt (1817). Herm. Kinkelin, Prof. (1860). S. G. Koller, Ingenieur (1861). Alfred Kümmerlen, Apotheker (1862). Theod. Kündig, Ph. Dr. (1861). Alb. Lotz, Med. Dr. (1867). Lotz-Holzach, kathsherr (1867). ©. Friedr. Meissner, Prof. (1828). Markus Meissner, Apotheker (1863). Heinr. Merian-V onder Mühll (1843). P. Merian, Prof. (1819). Bud. Merian-Iselin, Rathsherr (1844). If. Miescher, Prof. (1837). F. Miescher, Sohn, Prof. (1870). Albr. Müller, Prof. (1846). F. Müller, Med. Dr., Rathsherr (1856). J. J. Müller-Pack (1862). Ohr. Münch, Alt-Pfarrer (1835). With. Münch, Med. Dr. (1853). L. Oswald-Hoffmann (1839). Em. Passavant-Bachofen (1841). Em. Passavant-Allemandi (1869). Jules Piccard, Prof. (1870). Nathanael Plüss, Lehrer (1871). Em. Raillard, Med. Dr. (1830). G. H. K. Rauch, Apotheker (1855). K. Respinger (1843). küggenbach-Stehlin (1867). D. P. Rittmann, Zahnarzt (1864). A. Rosenburger, Med. Dr. (1864). B. Rumpf, Med. Dr. (1855). 2. $ M re u Non als" HET, ’ Per de N vn Ti in Nés \ Herr L. Rütimeyer, Prof. (1855). „Gerold Rütimeyer, Lehrer (1867). ,F. Schaffner, Ingenieur (1864). H. Schiess, Med. Dr., Prof. (1864). Joh. Schmidhauser, Lehrer (1867). Werner Schmidt, Ph. Dr. (1865). Walter Schmidt (1869). Ferd. Schneider, Apotheker (1865). Theod. Schneider, Med. Dr. (1868). S. Schwendener , Prof. (1867). Aug. Socin, Prof. (1864). Alfr. Stehelin, Med. Dr. (1864). Aug. Stehelin-Brunner (1837). Ben. Stehelin-Bischoff (1836). Emil Stehelin, Med. Dr. (1841). J. J. Stehelin, Prof. (1830). I. J. Stehlin, Alt-Bürgermeister (1838). K. Steffensen, Prof. (1864). J. Sulger-Heusler (1840). Hans Sulger, Ingen. (1870). Rud. Sulger (1842). E. Thurneysen-Paravicini (1840). Carl Vischer-Merian (1843). Wiln. Vischer, Prof. Rathsherr (1838). Hier. Vest, S. M. C. (1864). K. Vonder Mühll-Merian, App.-Rath (1856). Karl VonderMühll, Ph. Dr. (1867). Andr. Werthemann (1834). L. De Wette, Med. Dr. (1838). E. Wybert, Med. Dr. (1833). Ed. Zahn-Rognon (1864). Beamte vom 1. Juli 1872 bis 1. Juli 1874. Präsident: Herr Prof. L. Rütimeyer. Vice-Präsident: „ Prof. 8. Schwendener. Secretär: „ Prof. Alb. Müller. Vice-Secretär: „ Med. Dr. Alb. Lotz. ELA > ®