Verhandlungen des II. Internat. Kongresses für Allgemeine Religionsgeschichte.

Verhandlungen

des

IL Internationalen Kongresses für Allgemeine Religionsgeschichte

in Basel

30. August bis 2. September 1904

BASEL

Verlag von Helbing & Lichtenhahn 1905.

*. I

Friedrich Reinhardt, Univerbitätsbuchdnickerei, Basel.

Inhaltsverzeichnis.

i.

Kougressberieht (erstattet vom Generalsekretär) und Verzeichnisse der Komitee- und Kongress-Mitglieder.

Vorgeschichte und Vorbereitungen ......

Der Kongress ...........

Komitees ............

Mitglieder- und Teilnehmerliste .......

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II. Allgemeine Sitzungen.

Offizielle Eröffnungssitzung (Reden und Ansprachen) ... 51

I. Plenarsitzung 73

Albrecht Dieterich, Die Religion der Mutter Erde . 73 Paul Deussen, Ueber die innere Verwandtschaft der indischen

Religion mit der christlichen ..... 77

Jean Reville, L'histoire des religions et l'histoire ecclesiastique 78 J. Weber, Ueber den Besuch eines lamaistischen Klosters in

Tibet 80

IL Plenarsitzung 89

Leopold von Schröder, Ueber den Glauben an ein höchstes

gutes Wesen bei den Ariern (Indogermanen) . 89 Konrad Furrer, Ueber den Wert der Religionsgeschichte für

den christlichen Theologen ...... 92

E. Guimet, Lao-Tzeu et le Brühmanisme .... 168

Rastamji Edulji Dastoor Peshotan Sanjana, Ahura-Mazda in

the Avesta 96

III. Plenarsitzung 102

Kaikioku Watanabe, Der gegenwärtige Stand der japanischen

Religionen ......... 102

A. W. Nieuwenhuis, Religiöse Zeremonien beim Häuserbau

der Bahau-Dajak am obern Mahakam in Borneo 107

Ed. Mahler, Kalenderdaten in religionshistorischer Bedeutung 119

Paul Haupt, Die religiösen Anschauungen des Buches Koheleth 120

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Seite

IV. Plenarsitzung 124

Paul Sarasin, Ueber religiöse Vorstellungen bei niedrigsten

Menschenformen ........ 124

Alfred Jeremias, Monotheistische Strömungen innerhalb der

babylonischen Religion ....... 141

K. Kessler, Die religionsgeschichtliche Bedeutung der Mani-

Religion (Manichäismus) ...... 145

I». Kohlbach, Einfluss der bildenden Kunst auf die Religion

in Aegypten, Assyrien-Babylonien und Hellas . . 152

SrJ/lHSSsitzuug 154

Samuel Ives Curtiss, Spuren der altsemitischen Religion in den Mittelpunkten des Islam und des Christentums in Syrien .......... 154

III. Sektious-Sitzuu geu.

1. Sektion: Religionen der sogen. Naturvölker ..... 187

W. H. R. Rivers, The Religion of the Todas ... 187

Paul Berthoud, La Religiosite des Ba-Ronga . . . 189

Ehe Allegret, Les idees religieuses des Fan (Afrique occidentale) 191

C. Keller, Religiöse und profane Malerei in Abessinien . 192

Michael von Zmigrodski. Der Totemismus .... 193

77. Sektion: Religionen der Cbinesen und der Japaner . . . 196

Martin Maier, Sind die Chinesen religiös indifferent? . 196

Otto Schultze, Die Bedeutung der Magie im Leben der

Chinesen ......... 202

Kaikioku Watanabe, Der Manichäismus im alten China auf

Grund buddhistischer Schriften ..... 209

F. W. K. Müller, Mitteilungen aus den in Chinesisch-Turkestan wieder aufgefundenen Resten der manichäischen Lite- ratur in inittelpersischer Sprache .... 210

B. Läufer, Zur Geschichte der chinesischen Juden auf Grund

ihrer Inschriften ....... 212

777. Sektion: Religion der Aegypter 213

Emile Guimet, Le Dien aux Bourgeons ..... 213

Ed. Mahler, Dir kosmologischen Anschauungen der Aegypter 213

B. Pörtner, Sternkult und Tierkult bei den allen Aegyptern 214

Emile Guimet, Los steles a serpents ..... 215

IV. Sektion: Religionen der Semiten 21t>

V Zaplelal, Leber den l Instcrblichkeitsglauben Koheletlis . 216 Theodore Rcinach, Sur la tlale de la r^daction definitive du

Pentateuque 218

Q. Unart, Le rationatisme musulman au X""' siecle . 221 A T&nzer, Die Stellung des Judentums innerhalb der Ent-

wickelungsge8chic"hte der Menschheil .... 222

J. Halevy, L'unite redactionnelle des 3 premiers ehapitres de

la Genese ........

Dr. Rosenbaum, La topographie du temple Herodien et le

service du grand-pontife au jour du grand-pardon H. Derenboui-g, Le culte de la deesse Al-'Ouzzä dans l'ancienne

Arabie vers l'an 300 de notre ere A. Mez. Geschichte der Wunder Muhammeds K. Kessler, Mandäische Probleme nach ihrer religions

geschichtlichen Bedeutung ..... Ives Curtiss, Der Ursprung des Opfers bei den Semiten, dar

gelegt auf Grund von Forschungen unter Syrern und

Arabern .........

Fr. Hommel, Das Stadtbild Babels nach den Berliner Aus

grabungen und seine religionsgeschichtliche Bedeutung .1. Halevy, Le symbolisme chez Ezechiel et Osee . Abdullah al-Mamoon Schraworthy, Toleration in Islam V. Sektion; Religionen Indiens und Irans .....

J. Estlin Carpenter, Some points still obscure in the Buddhist

Doctrine of the Seif

L. von Schröder, Ueber den siebenten Aditya

A. Westphal, Le culte de Mitlira a-t-il disparu du Folklore

europeen? ........

A. V. Williams Jackson, The Atash Kada or Ruined Fire

Temple at Isfahan

H. Arakelian, La religion ancienne des Armeniens

H. Goodwin Smith, The religion of Akbar, a failure in

ligious syncretism .......

G. Bonet Maury, La religion d' Akbar dans ses rapports avec

Fislamisme et le parsisme .....

A. Führer, On the religious views and ceremonies of the

Phänsigärs ........

Schreiben des Herrn Brodin ......

Vereinigte VI. und VII- Sektion: Religionen der Griechen und der Römer; der Germanen, Kelten, Slaven und der Ungarn H. Usener, Ueber den Keraunos .....

R. Reitzenstein, Die Bildung des Gottesbegriffes Aion . L. Deubner, Die Devotion des P. Decius Mus

B. Kohlbach, Ueber den Polytheismus der heidnischen Ungarn A. Dieterich, Mitteilung über den Ritus der verhüllten Hände R. Wünsch, Mitteilungen zu Religion und Zauber

Lionel O'Radiguet, Observations sur le passe et les survivances druidiques en Rauracie ......

VIII. Sektion : Christliche Religion .......

S. A. Fries, Was bedeutet der Fürst dieser Welt in Joh. 12, 31; 14, 30; 16, 11? Ein Beitrag zur vergleichenden Reli- gionsgeschichte des Christentums . . . .

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Fr. Picavet, Les deux directions de la theologie catholique

au XIIIn,e siecle 335

Jean Reville, Illustration de l'Histoire ecclesiastique par quel- ques traits de la propagation du Christianisme ä Mada- gascar .......... 338

G. Krüger, Der antimarcionitische Charakter des altrömisehen

Symbols ......... 340

Alfred Jeremias, Babylonisches im Neuen Testament? . 343

K. Lincke, Israel gegen Juda im Christentum . . . 346

P. Alphandöry, Le Prophetisme dans les sectes latines du

Moyen äge anterieures au Joachimisme . . . 349

J. Halevy, Trois logia de Jesus ä sources inconnues . 354

Allan Menzies, What is new in Christianity? . . 361

Paul Wernle, Die drei Stufen der urchristlichen Apologetik

in religionsgeschichtlicher Beleuchtung . . . 362

Raoul de la Grasserie, Sur le phenomene religieux des triades

dans le Christianisme et les autres religions . . 369 H. Arakelian, Ein Ueberblick über die Geschichte der arme- nischen Kirche ........ 372

E. A. Stückelberg, Bericht über die von ihm veranstaltete hagiographische

Ausstellung ........... 376

Redner- und Autorenverzeichnis 381

I.

Kongress -Bericht

(erstattet vom General-Sekretär)

uud

Verzeichnisse

der Komitee- und der Kongress-Mitglieder.

Vorgeschichte und Vorbereitungen.

„L'histoire du premier Gongres international d'Histoire des Religions est finie. Celle du second commence." Als mit diesen Worten der Herr Generalsekretär des Pariser Religionsgeschicht- lichen Kongresses seine Vorrede zu dessen Akten am 1. November 1903 beschloss, da hatte die Geschichte des Baslerischen schon begonnen, wenigstens seine Vorgeschichte. Eigentlich reicht sie bis zu den Pariser Kongresstagen selber (September 1900) zurück, wenn auch ihre Anfänge anonym verlauten sind.

Tm Privatgespräche zunächst kam damals die Rede auf Basel und aus naheliegenden Gründen: Je aufrichtiger es be- dauert wurde, dass unter den in Paris anwesenden Kongress- mitgliedern das deutsche Element sozusagen gänzlich fehlte, umso lebhafter wurde der Wunsch laut, es möchte, um es womöglich zu künftiger Mitbetätigung ungezwungen heranzuziehen, eine nächste Tagung auf deutsches Sprachgebiet verlegt werden. Dazu schien sich nun eine der deutsch-schweizerischen Städte, deren Universitäten, im Gegensatz zu den reichsdeutschen, allgemeine Religionsgeschichte schon seit längerer Zeit in ihren offiziellen Lehrplan aufgenommen haben, von vornherein besonders zu eignen, abgesehen davon, dass sie ihre geographische Lage allezeit von selber empfiehlt, wie sie ihnen denn auch öfter die Ehre einträgt, internationalen Vereinigungen als Versammlungsort dienen zu dürfen. Speziell an Basel kam der Gedanke, weil der Zufall es wollte, dass wohl der einzige in deutscher Sprache dozierende Teilnehmer des Pariser Kongresses der Basier Universität angehörte. So kehrte er von Paris zurück schon mit dem privaten Auftrag, zu erkunden, ob eine Anfrage betr. Ueber- nahme des Kongresses in Basel auf Gehör rechnen dürfe, und die

4 Vorgeschichte und Vorbereitungen.

Stimmung dafür so viel als möglich vorzubereiten. Am 12 März 1902 konnte ihm die offiziell«' betreffende Anfrage übermittelt werden. Herr Professor Albert Reville schrieb (an Herrn Prof. A. Bertholet):

„Monsieur Je Professeur et tres honore Collegue.

„Eil qualite de President du Congres international de l'Histoire des Religion-, tenu a Paris en 1900, et de President de la Section d'Histoire re- ligieuse de l'Ecole des Hautes Etudes ä la Sorbonne, j'ai l'honneur et l'avan- tage de vous communiquer le resultat des demarches faites ces derniers temps pour consulter les membres du bureau, francais et etrangers. sur la designation de Bäle comme Heu de reunion du prochain congres qui se reunira en 19u4

Vous savez qu'en ouvrant cette correspondance avec nos co-commissaire-, nous avons rempli le mandat qui nous avait ete confie par le precedent con- gres en vue de la preparation du second Congres d'Histoire des Religions.

Je tiens aussi ä vous remercier du tres aimable accueil que vous avez f'ait aux propositions tout officieuses qui vous ont ete adress^es afin de sa- voir si nous pouvions avec confiance recommander votre belle et glorieuse ville aux preferences de nos collegues.

Je vous rappellerai que les membres du bureau frangais sont MM. Ale- xandre Bertrand, Michel Breal, Guimet, Maspero, Oppert, Senart, Philippe Berger. Toutain. Jean Reville. secretaire (le second secretaire. M. Marillier, nous a ete malheureusement enleve par la mort) et le signataire de ces lignes.

Les membres du bureau etrangers sont MM. Estlin Carpenter d'Oxford, Ooblet d'Alviella de Bruxelles, J. Goldziher de Buda-Pesth. de Gubernatis de Rome, Edouard Naville de Geneve.

R nous a fallu de Paris un temps assez long pour reunir tous les avis, plusieurs de ceux que nous devions consulter etant en voyage. quelques uns meme dans de lointains pays tels que la Haute Egypte. Nous ne pouvions songer ä les convoquer tous en seance ä Paris pour deliberer sur ce point unique.

Je suis donc heureux d'avoir ä vous annoncer, monsieur et tres honore collegue, qu'ä l'unanimite et avec les expressions d'une chaleureuse adhesion, tous ces messieurs ont applaudi au choix de Bäle comme lieu de reunion du Congres d'Histoire des Religions en 1904.

Par consöquent et en vertu de la mission que nous avons re^ue du Congres de 1900, nous aurons ä transmettre au Comite National, que nous es- perons grace ä votre hon vouloir voir se constituer ä Bäle, les pouvoirs qui nous avaient ete confies en vue de l'organisation du Congrös de 1904.*'

Da dieses Schreiben zu Beginn der UmversitätsfVrirn in lias«'l eintraf, verzögerte sich die definitive Antwort um zwei Monate. Sie konnte aber nach Paris melden, dass eine Versammlung l'ach- mssenBchaftlicher Interessenten einstimmig die Uebernahme

Kongresses beschlossen habe. Gefasst wurde dieser

Vorgeschichte und Vorbereitungen. 5

Beschluss in dankbarer Würdigung des hohen Vertrauens, das von wissenschaftlieh so kompetenten Männern in den Ruf unserer alten Universitätsstadt gesetzt worden war, wenn man sich auch keines- wegs den mannigfaltigen Bedenken verschluss, welchen naturgemäss die Uebernahme einer so schwerwiegenden Aufgabe rufen musste. Ueberwunden wurden sie vor allem dank dein ausgesprochenen Entgegenkommen einer hohen Regierung, schrieb doch gleich nach Kenntnisnahme obigen Briefes der Vorsteher des Tit. Erziehungs- departements, Herr Regierungsrat Prof. Dr. Albert Burckhardt-Finsler, an dessen Empfänger: „Der Unterstützung der hohen Behörden können Sie versichert sein; denn es ist für unsere ganze Stadt eine Ehrensache, ein derartiges Ansuchen nicht auszuschlagen." Die Organisatoren bekennen es überhaupt mit besonderer Dank- barkeit, dass ihnen diese hohe Unterstützung auch während des ganzen Verlaufes der Vorbereitungen wie während des Kongresses selber in reichlichstem Masse zuteil geworden ist.

Die erste Aufgabe, welche die Pariser Anfrage mit sich brachte, war die Bildung eines lokalen Komitees. Einem allgemeinen Wunsche nachgebend, Hess sich Herr Professor Dr. Conrad v. Orelli bereitfinden, an seine Spitze zu treten, während Herr Professor Dr. Alfred Bertholet die Geschäfte des Generalsekretariates über- nahm. Als dritter wurde in das Bureau Herr Dr. Ernst Möller berufen.

Nach mancherlei vorbereitenden Schritten wurde die eigent- liche Arbeit im Herbst 1903 in Angriff genommen. Als ihr erstes Produkt konnte im Dezember desselben Jahres an ca. 1500 Gelehrte in allen Weltteilen das erste Zirkular ausgehen. Es hatte folgenden Wortlaut:

P. P.

Im September 1900 tagte während der Weltausstellung in Paris ein Internationaler Kongress für allgemeine Religiousgesehichte. Alle seine Teil- nehmer waren in dem Urteil über sein erfreuliches Gelingen so stark einig, dass in seiner vierten Generalversammlung unter allgemeiner Zustimmung der Beschluss seiner vierjährigen Periodicität gefasst wurde. Dem Bureau des Kongresses, bestehend aus den Herren Albert Pieville, Alexandre Bertrand, Michel Break Guimet, Maspero, Oppert, Senart, Marillier (f), Jean B^ville, Philippe Berger, Toutain, wurde die Aufgabe überwiesen, in Verbindung mit

6 Vorgeschichte und Vorbereitungen.

einer internationalen Kommission, die sich aus den Herren Estlin Carpenter (Oxford), Goblet d'Alviella (Brüssel), Goldziher (Budapest), de Gubernatis (Rom) und Naville (Genf) zusammensetzte, die Wahl des nächsten Kongressortes zu treffen und seine Vorbereitungen daselbst zu veranlassen.

Das Augenmerk der genannten Herren fiel auf Basel, und am lü. Mär/ \W2 richtete in ihrem Namen Herr Prof. Alb. Reville in seiner Eigenschalt als Präsident <les Pariser Kongresses und Präsident der „Section d'Histoire religieuse de l'Ecole des Hautes Etudes ä la Sorbonne" die offizielle Anfrage hierher, ob man zur Uebernahme des nächsten Kongresses gewillt sei. Diese ehrenvolle Aufforderung fand freudige Aufnahme, und ermutigt durch das wohl- wollende Entgegenkommen des verehrten Herrn Vorstehers des Basler Erzie- hungswesens, konnte bald darauf ein Kreis fachwissenschaftlicher Interessenten den Beschluss lassen, die bejahende Antwort nach Paris zugeben. Die Herren Prof. von Orelli und Prof. Bertholet wurden ersucht, an die Spitze eines zu bildenden Lokalkoinitees zu treten. Als solches haben sich nun die Unterzeich- neten zusammengetan, um die Organisation des Basler Kongresses an die Hand zu nehmen. Sie wissen sich geleitet von der Ueberzeugung, dass gerade bei einer so erfreulieh aufstrebenden jungen Wissenschaft wie der allgemeinen Religionsgeschichte persönliche Aussprache und intimer Gedankenaustausch ober Ziele und Methoden der Forschung wie über schon gewonnene Resultate manche wertvolle Anregung und Förderung verheissen dürfte. Dabei verhehlen sie sich nicht, dass, indem sich Basel zur Durchführung der hohen Aufgabe, zu der es berufen worden ist. bereit erklärt hat, es in keiner Weise den Ver- gleich mit den grossen Centren aufzunehmen vermag, die sonst vorzugsweise als Sitze derartiger internationaler Tagungen gewählt werden. Umso lieber möchten sie annehmen, dass der ruhigere Charakter einer weniger grossen Stadt der Konzentration der Interessen auf den stillen Ernst der gemeinsamen Arbeit zu Gute kommen könnte. Vor allem aber geben sie der Hoffnung Kaum, dass durch eine rege und lebhafte Beteiligung der berufenen auswärtigen Kreise auch der Basler Kongress einen der Sache würdigen Verlauf nehmen und an seinem Teil zur wahrhaften Förderung der religionsgeschichtlichen Studien beitragen werde Wie der Pariser (und schon der Stockholmer Kon- gress im Jahre 1897) will auch er durchaus wissenschaftlichen Charakter tragen und der rein historischen Erforschung der Religion dienen: alle kon- fessionelle Polemik soll prinzipiell unterlassen bleiben.

Als Zeit des Kongresses sind die Tage vom oO. August bis zum Ü. Sep- tember in Aussicht genommen. Nach Pariser Vorgang sind Generalversamm- lungen, in denen Vorträge von allgemeinerem Interesse (ohne nachfolgende Diskussion) gehalten werden sollen, und Sitzungen der einzelnen Sektionen beabsichtigt, in denen speziellere Themata zur Behandlung und Diskussion gelangen sollen folgende Sektionen sind vorläufig vorgesehen:

I Religionen der sogen. „Naturvölker" mit Einschluss der Peruaner und der Mexikaner II. Religionen der Chinesen und der Japaner

III. Religion der Aegypter.

IV. Religionen der Semiten.

Vorgeschichte und Vorbereitungen. 7

V. Religionen Indiens und Irans. VI. Religionen der Griechen und der Römer. VII. Religionen der Germanen, der Kelten und der Slaven. VIII. Christliche Religion.

Der Mitgliederbeitrag ist auf Fr 20.— testgesetzt. Die Mitglieds- karte berechtigt auch :

a) zum freien Bezug der Kongressakten, welche in zusammenfassender Gestalt die gehaltenen Vorträge samt der Diskussion enthalten sollen.

b) zum Bezug von Teilnehmerkarten ä Fr. 10. für weibliche Ange- hörige. Diese Teilnehmerkarten verleihen dieselben Rechte wie die Mitglieds- karten mit Ausnahme des sub a) genannten-

Anmeldungen zur Teilnahme am Kongress werden schon jetzt ent- gegengenommen und sind an Herrn Prof. Alfred Bertholet (Leonhardstrasse 8) zu richten. Dabei ist die Bezeichnung der Sektion, der die Teilnehmer beizu- treten gedenken, sehr erwünscht. Auch Anmeldungen zu Vorträgen (für die Generalversammlungen wie für die Sektionssitzungen) sind zum Zweck einer vorläufigen Uebersicht schon jetzt sehr willkommen und sind an dieselbe Adresse einzugeben. Selbstverständlich muss sich die Leitung des Kongresses die Entscheidung darüber vorbehalten, welche Referate bei der beschränkten Zeitdauer zum Vortrag kommen können. Diejenigen, die sich zu solchen zu erbieten die Freundlichkeit haben, verpflichten sich, eine kurze für den Druck bestimmte Zusammenfassung ihrer Arbeit unmittelbar nach dem Vortrag dem Bureau des Kongresses einzureichen. Als offizielle Sprachen des Kongresses gelten Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch.

Die Unterzeichneten beehren sich, auch an Sie die höfliche Einladung zur Teilnahme und Mitwirkung am bevorstehenden Kongresse zu richten und zeichnen in der Hoffnung, dass Sie diesem Unternehmen Ihr wohlwollendes Interesse nicht versagen werden.

Hochachtungsvoll

BASEL, im Dezember 1903.

Das Organisationskomitee:

Prof. Dr. C. von Orelli, Präsident, Prof. Dr. A. Körte,

Prof. Lic. A. Bertholet, Erster Sekretär, Prof. Dr. John Meier,

Dr. Ernst Möller, Zweiter Sekretär, Prof. Dr. A. Mez,

Prof. Lic. P. Böhringer, Prof. Dr. P. Mezger,

Prof. Dr. A. Bolliger, Prof. Dr. F. Münzer,

Prof. Dr. A. Burckhardt. Regierungsrat, Vor- Prof. Dr. Fr. Overbeck,

steher des Tit. Erziehungsdepartements. Prof. Lic. Ed. Riggenbaeh,

Prof. Di B. Dnhin. Dr. Leop. Rtttimeyer,

Dr. G. Finsler, Dr. Fritz Sarasiu.

Prof. Lic. R. Hand mann. Dr. Paul Sarasin,

Prof. Dr. E. Hoffmann-Krayer, Prof. Dr. P. W. Schmidt,

Dr. I. Iselin, Nationalrat u. Regierungsrat, Prof. Dr. P. Speiser. Nat.-Rat,

Vorsteher der Akademischen Prof. Lic. Eb. Viseher,

Gesellschaft. Prof. Lic. P. Wernle.

Vorgeschichte und Vorbereitungen.

Dem Rasier Komitee haben aus der übrigen Schweiz ihren Anschluss zugesagt die Herren :

Prof. Dr. Ed. Xayille (Genf), Mitglied der Prof. Dr. E. Montet (Genf),

internat. Kommission des Kongresses, Prof. Dr. E. Müller-Hess (Bern).

Prof. Dr. A. J. Baumgartner (Genf), Prof. Dr. P. Oltraniare (Genf).

Prof. Dr. A. Fornerod (Lausanne), Prof. Dr. T. Ryssel (Zürich),

Prof. Dr. K. Furrer (Zürich), Prof. Dr. P. Schmiedel (Zürich),

Prof. Dr. L. Gautier (Genf), Prof. Dr. Jean Spiro (Lausanne),

Prof. Dr. A. Kägi (Zürich), Prof. Dr. R. Steck (Bern).

Prof. Dr. K. Marti (Bern),

Dieses Zirkular blieb nicht ohne das erhoffte Echo. Anmel- dungen zu Mitgliedschaft wie zu Vorträgen fingen an einzulaufen, und als ein halbes Jahr später (Juni 1904) das zweite Zirkular ausgegeben wurde, konnte schon eine Liste von 53 Mitgliedern und 27 Vorträgen mitgeteilt werden. Inzwischen war durch die Wahl von Obmännern die Organisation der acht in Aussicht genommenen Sektionen in festere Bahnen gelenkt worden. Es waren diese Obmänner:

Für Sektion I: Herr Dr. Paul Sarasin. 11: Vakat (später Herr Lic. H. Hackmann).

.. III: Herr Prof. Ed. Naville (Genf).

IV: HH. Proff. v. Orelli, Mez (später durch Herrn

Dr. Brünnow ersetzt) und Bertholet. V : Herr Prof. Kägi (Zürich) ; später traten hinzu die HH. Proff. Müller-Hess (Bern) undP. Oltra- mare (Genf). .. VI: HH. Proff. Körte und Münzer.

VII: HH. Proff. John Meier und Hoffmann-Krayer.

.. VIII: HH. Proff. Böhringer, Riggenbach, Vischer,

Wernle, Dr. G. FinslerundDr. E. A. Stückelberg.

Mittlerweile waren auch an ungefähr 100 grössere Univer- sitäten der ganzen Welt die Einladungen ergangen, sich am Kongresse vertreten zu lassen Bei einem hohen Schweize- rischen Bundesrat waren Schritte getan worden, um ihn zu bitten, auch eine Anzahl auswärtiger Regierungen zur Vertretung ;\u\ Kongresse einzuladen und ihn durch eine eigene

Vorgeschichte und Vorbereitungen. V)

Delegation zu beehren. Dank der überaus wohlwollenden Ver- mittelung des Herrn Vorstehers des Eidgenössischen Departements des Innern, des Herrn Bundesrat Dr. Forrer, wurde dieser doppelten Bitte entsprochen, wofür wir der hohen Behörde auch an dieser Stelle unsern ehrerbietigen Dank abstatten. Herr Prof. Dr. E. Naville aus Genf wurde mit dem Auftrag betraut, den hohen Bundesrat am Kongresse zu vertreten. Die h. Regierung des Kantons Basel- Stadt delegierte den Herrn Vorsteher des Tit. Erziehungsdeparte- ments, Herrn Prof. Dr. A. Burckhardt-Finsler.

Die Mannigfaltigkeit der organisatorischen Arbeit des lokalen Komitees hatte es notwendig erscheinen lassen, auch über den Kreis der fachwissenschaftlichen Interessenten hinaus Hilfskräfte zu suchen. Darin bietet nun Basel seine eigenen Vorteile. Seine Bürgerschaft hat sich von jeher etwas darauf zu Gute getan, einen bewussten Zusammenhang mit der Universität und allem, was sie angeht, zu wahren, und hat sich stets bereit finden lassen, wo es galt, zur Förderung wissenschaftlicher Bestrebungen die Hand zu bieten. So gelang es auch diesmal ohne Schwierigkeit, zum Teil aus Kreisen von Nicht- Akademikern eine Anzahl von Männern zu ge- winnen, die mit der grössten Zuvorkommenheit ihre Mitwirkung zusagten. Sie wurden zu einem eigenen Finanz- und einem Empfangskomitee vereinigt, welche beide ergänzend dem wissen- schaftlichen Organisationskomitee zur Seite traten.

Das Finanzkomitee (Präsident: Herr Banquier Alfred Sarasin- Iselin), dem die Beschaffung der notwendigen Geldmittel oblag, suchte sich seines zumal angesichts eines wenig günstigen Budgets doppelt verantwortungsvollen Mandates in der Weise zu entledigen, dass es die Ausgabe von Garantiescheinen ä Fr. 50, an die ein allfälliger Ueberschuss zurückvergütet werden sollte, beschloss. Gegen 10 000 Franken wurden auf diese Weise gezeichnet. Dazu kamen ein fester Beitrag von Fr. 2000 seitens der hohen Regierung des Kantons Basel-Stadt und, speziell an die Kosten der Druck- legung der Akten, 500 Franken seitens der Akademischen Gesell- schaft. Die Summe dieser Posten entsprach ungefähr dem budgetierten Ueberschuss der Ausgaben, der sich in der Folge übrigens erfreu- licher Weise als zu hoch berechnet erwies.

In Vorgeschichte und Vorbereitungen.

l>a> Empfangskomitee (Präsident: Herr Rudolf Heusler- Veillon, Bandfabrikant) befasste sich mit den Fragen der Unterkunft der Gäste, der Gestaltung der geselligen Anlässe, der Wahl der Versammlungslokale, der Oeffhung der Sehenswürdigkeiten der Stadt, mit den Gesuchen um Fahrpreisermässigung, u. s. \v. Mehrere Basler Familien hatten die Freundlichkeit, sich ihm zur Aufnahme aus- wärtiger Kongressgäste in ihrem Hause anzubieten. Auf sein An- suchen hin stellten sich ihm auch ca. 15 Studenten zu allerhand Dienstleistungen zur Verfügung. Sie wurden unmittelbar vor dem Kongress zu einem eigenen studentischen Komitee organisiert,1) (lein insonderheit der Empfang der fremden Kongressteilnehmer an den Bahnhöfen, die Aufsicht in den Sitzungslokalen und die Aus- hilfe im Bureau übertragen war.

Unter dieser fortschreitenden Arbeit und bei der zunehmenden Zahl der Anmeldungen zu Vorträgen hatte das Programm allmäh- lich konkretere Gestalt gewonnen, so dass es in einem am 1. August 1904 ausgegebenen dritten Z irkulare schon in einer Form mit- geteilt werden konnte, die nur ganz unmerklich von seiner definitiven Redaktion im vierten Zirkulare (zu Anfang des Kongresses) abwich. Diese letzte Redaktion war folgende:

Programm

Montag. 29. August. Abends von 8 Uhr an findet für die in Basel schon anwesenden Kongressmitglieder eine zwanglose Vereinigung im Restaurant bezw. im Garten der Kunsthalle (Steinen- berg Nr. 7) statt.

Dienstag, Md. August. Morgens 10 72 Uhr: Offizielle Eröffnungssitzung. Nachmittags 3 Uhr: Konstituierung der Sek- tionen; 4% Uhr: Plenarsitzung. Abends 8 Uhr: Gesellige Ver- einigung im Sommerkasino (kaltes Büffet).

Mittwoch. 31. August. Morgens 9 V8 Uhr: Plenarsitzung. Nachmittags M Uhr: Sektionssitzungen. Abends: Privatempfang

') Ueber diese Organisation hat der Generalsekretär Herrn Professor Fr. I'iravel auf seinen besondern Wunsch hin in einem Briefe, den der Ge- iiiumli- in der von ihm redigierten Revue Internationale de l'Flnseignement 1904, S 318 f veröffentlich! hat, ausführliche Auskunft gegeben.

Kongress. 1 1

der HH. Delegierten. Von 8 Uhr ab freie Vereinigung im Schützen- haus bezw. Schützenhausgarten (Schützenmattstrasse 56).

Donnerstag, 1. September. Morgens 87a Uhr: Plenar- sitzung. 11 Uhr: Sektionssitzungen Nachmittags: Ausflug nach Flühen und Nachtessen daselbst.

Freitag, 2. September. Morgens 87a Uhr: Sektions- sitzungen. 107a Uhr: Plenarsitzung. Nachmittags 4 Uhr: All- gemeine Schlusssitzung. Abends 71 2 Uhr: Bankett im Musiksaale.

Der Kongress.

Naturgemäss führte der erste Gang die Gäste ins Kongress- bureau. Es hatte vom Morgen des 29. August an seinen Sitz im I. Stock des Stadtkasinos aufgeschlagen. Unmittelbar daneben fanden die Kongressbesucher ein Konversationszimmer, wo zugleich buchhändlerischen Firmen der nötige Platz zur Aufstellung einschlägiger Literatur eingeräumt war, ferner ein Schreibzimmer und den Eingang zum Lokal für die allgemeinen Versammlungen. Ebenda war den Herren der Presse ein eigenes Arbeitszimmer reserviert, während im Erdgeschoss ein besonderes Post- und Telegraphen bureau für die Dauer des Kongresses ein- gerichtet war.

Mit dem obengenannten Programm wurde im Bureau den Grasten zugleich die Mitglieder- bezw. Teilnehmerkarte eingehändigt. Ihre Titelzeichnung, vom Basler Maler Burkhard Mangold entworfen, zeigte die unter die Last des Erdendaseins gebeugte Menschheit, die in heissem Ringen Blicke und Arme auf- wärts richtet, um vom Glanz der Lichter am Himmel überströmt zu werden. Eine angebogene dritte und vierte Seite dieser Kart-' orientierte über die Rechte und Vorteile, die sie ihrem Träger verlieh. Folgende Sehenswürdigkeiten standen gegen ihre Vorweisung zur freien Besichtigung offen :

die Kunstsammlung.

das naturhistorische Museum.

das ethnographische Museuni.

12 Erster Kongresstag.

da> historische Museum,

die Kunsthalle.

das Gartenhaus Sarasin mit Böcldinfresken,

das Münster.

das Rathaus,

die Universitätsbibliothek.

die Lesegesellschaft. Ausserdem bot sich Frau Dr. Stückelberg- freundlichst an, das Atelier ihres verstorbenen Mannes, des Malers Dr. Ernst Stückelberg, an den Nachmittagen von 3—5 Uhr für die Kongressgäste offen zu halten.

Als äusseres Abzeichen ihrer Zugehörigkeit zum Kongress wurde Mitgliedern und Teilnehmern zur Karte hinzu noch ein kleines gewobenes Seidenband mit den Initialen des Kongresses und dem Wappenzeichen der Stadt verabfolgt zugleich als ein Spezirnen eines für Basel typischen Industriezweiges. Im übrigen enthielt das vom Bureau den Gästen ausgelieferte Couvert einen Plan der Stadt als Gabe des Tit. Verkehrsvereins, sowie ein von Herrn Dr. E. A. Stückelberg verfasstes Schrubben : ..Die Heiligen- bilder Basels, Ein Führer durch die öffentlichen Gebäude und Sammlungen Basels".

Am Abend des 29. August fanden sieh etwa 100 in Basel schon anwesende Kongressteilnehmer zu zwangloser Vereinigung im Garten der Kunstballe zusammen.

\U\- offizielle Beginn des Kongresses erfolgte am nächsten Morgen, Dienstag, 30 August. Da sich hatte wahrnehmen lassen, dass das Basler Publikum mit wachsendem Interesse seiner Veranstaltung entgegensah, hatte man im letzten Augenblick den Beschluss gefasst, die feierliche Eröffnungssitzung in ein grösseres Lokal als das ursprünglich in Aussiebt genommene zu verlegen, um gleich ZU Anfang einem weiteren Kreise Gelegenheit ZU bieten, einen Kinbliek in nie festliche Versammlung zu gewinnen Man hatte sich damit nicht verrechnet: der grosse Musiksaal, der /u diesem Zwecke schliesslich gewählt worden war. war stattlich - t/t Wohl 800 Personen mögen zugegen gewesen sein (während

Erster Kongresstag. 13

die erste Präsenzliste 254, die zweite 266 Namen aufwies). Auf dem mit Lorbeerbäumen geschmückten Podium hatten neben dem Bureau Platz genommen die Herren Regierungsrat Prof. Dr. Albert Burckhardt. Prof. Dr. Ed. Naville, Prof. Dr. Albert Reville, Prof. Dr. Paul Haupt, Prof. Dr. Nathan Söderblom, Prof. Dr. H. J. Holtz- mann, Prof. Dr. Bonet-Maurv und der Deputy Highpriest der Parsees Rastamji Edulji Dastoor P. Sanjana.

Um 10% Uhr ergriff der Präsident des Organisationskomitee.s, Herr Prof. Dr. G. von Orelli, das Wort zu seiner mit grossem Beifall aufgenommenen offiziellen Eröffnungsrede.

Nach ihm sprachen: Herr Prof. Dr. Ed. Naville (Genf) als Vertreter eines hohen schwei- zerischen Bundesrates, Regierungsrat Prof. Dr. Albert Burckhardt (Basel) als Vertreter

der hohen Regierung des Kantons Basel-Stadt. Prof. Dr. Carl Chr. Burckhardt als Rektor und Vertreter der

Basler Universität. Prof. Dr. Albert Reville (Paris) als Delegierter der hohen

französischen Regierung, ,. Prof. Dr. Nathan Söderblom (Upsala) als Vertreter der hohen

schwedischen Regierung, Prof. Dr. Paul Haupt (Baltimore) als Vertreter der hohen Regierung der Vereinigten Staaten Nordamerikas, Prof. Dr. R. Garbe (Tübingen) als Vertreter der Universität

Tübingen und damit zugleich als deutscher Delegierter, Prof. Dr. Leopold von Schröder (Wien) als Vertreter der kaiserl. Akademie der Wissenschaften sowie der philosophischen Fakultät der Universität Wien, v Prof. Dr. Ed. Mahler (Budapest) als Vertreter des Ungarischen

Nationalmuseums, Prof. Dr. Arturo Linaker (Florenz) im Namen seiner italie- nischen Kollegen, Prof. Dr. H. Balfour (Oxford) im Namen der Universität Oxford

und des Anthropological Institute of Great-Britain, Prof. Dr. Ed. Montet (Genf) im Namen der schweizerischen Universitäten,

14 Erster Kongresstag.

Kastamji Edulji Dastoor Peshotan Sanjana, B. A., Deputy High- priest ol* the Parsees (Bombay) im Namen seiner parsi- stischen Glaubensgenossen, Herr Prof. Dr. Hartwig Derenbourg (Paris) als Vertreter der Academie des Inscriptions et Belles-lettres de l'Institut de France. Prof. Dr. G. Bonet-Maury (Paris) als Vertreter der Universität Paris, Prof. Dr. H. J. Holtzmann (Strassburg) als Vertreter der Uni- versität Strassburg. Von Herrn Prof. Dr. H. A. Strang (Liverpool) als Vertreter der Universität Melbourne war ein lateinischer Brief eingelaufen, der wegen der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr verlesen werden konnte.

Der Präsident dankte jedem einzelnen Redner und der durch ihn vertretenen hohen Regierung oder gelehrten Körperschaft unter lebhaftem Applaus der Versammlung. Schliesslich erteilte er dem Generalsekretär, Herrn Prof. Dr. A. Bertholet, das Wort zu folgenden geschäftlichen Mitteilungen :

1) Das Organisationskomitee beantragt der Versammlung fol- gende Wahlen von Präsidenten und Vizepräsidenten:

Für die I. Plenarsitzung: Präsident: Herr Prof. Alb. Reville (Paris).

Vizepräsidenten: Herr Prof. Holtzmann (Strassburg); Herr Prof. Estlin Cfirpenter (Oxford). Für die II. Plenarsitzung: Präsident: Herr Prof. Paul Haupt (Baltimore), Vizepräsidenten : Herr Prof. Bonet-Maury (Paris) ; Herr Prof. von Schanz (Tübingen). Für die III. Plenarsitzung: Präsident: Herr Geheimrat Prof. Dr. Usener (Bonn), Vizepräsidenten: Herr Prof. Leopold von Schröder (Wien); Monsieur le directeur Guimet (Paris). b^ür die IV. Plenarsitzung: Präsident: Herr Prof. Söderblom (Upsalal,

Vizepräsidenten: Herr Prof. Nicuwenhuis (Leiden); Herr Prof. Furier (Zürich).

Erster Kongresstag. 15

Für die Schlusssitzung:

Präsident: Herr Prof. Naville (Genf).

Vizepräsidenten: Herr Prof. Garbe (Tübingen); Herr Prof. Balfour (Oxford).

Da Herr Geheimrat Usener eine Wahl dankend ablehnte, wurde Herr Hofrat Prof. Dr. Siebeck (Giessen) an seiner Stelle in Vorschlag gebracht.

Die Versammlung genehmigte diese Vorschläge.

2) Zur Entgegennahme und Vorberatung allfälliger Anträge und Anregungen, die eventuell der Versammlung in der Schlusssitzung unterbreitet werden sollen, hat sich das Bureau erweitert durch Zuziehung der Herren :

Prof. Jean Reville (Paris), Albert Dieterich (Heidelberg), Edwin Odgers (Oxford), Lucien Gautier (Genf).

3) Wegen geringer Beteiligung hat sich Sektion VII (Religion der Germanen, Kelten, Slaven und der Ungarn) mit der VI. Sektion (Religion der Griechen und der Römer) vereinigt.

4) Das Organisationskomitee hat beschlossen, es möchten die Herren Di sku tauten ein kurzes schriftliches Resume ihrer Voten zum Zweck ihrer Aufnahme in die Akten dem Bureau ihrer Sektion einreichen.

Nachdem hiermit die Tagesordnung erschöpft war, erklärte der Präsident die Sitzung um 1272 Uhr für geschlossen.

Auf nachmittags 3 Uhr war die Konstituierung der einzelnen Sektionen angesetzt. Dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen der hohen Regierung und des baslerischen Bürger- rates konnten dazu die Kongressgäste in die schönen Räume des neurestaurierten Rathauses und in die stilvollen Säle des Stadthauses gebeten werden. Das Rathaus nahm auf die Sektionen I, II, V, VI, VII und VIII (diese, die christliche Sektion, im Grossratssaal), das Stadthaus die Sektionen III (im kleinen Bürgerratssaal) und IV (im grossen Bürgerratssaal).

16

Erster Kongresstag.

Die Sektionen III (Religion Aegyptens) und V (Religionen Indiens und Irans) verschoben ihre definitive Konstituierung auf den folgenden Tag. Die übrigen bestellten ihre Bureaux wie folgt:

Sektion I : Präsident :

Sekretär: Sektion II: Präsident:

I. Vizepräsident:

II. Vizepräsident :

Sekretär: Sektion IV: Präsident:

Vizepräsident : I. Sekretär:

II. Sekretär: Sektion VI und VII : Obmänner

Sektion VIII

Schriftführer : Präsident : I. Vizepräsident II. Vizepräsident :

I Sekretär :

II. Sekretär:

Herr W. H. R Rivers (Cambridge).

Dr. Paul Sarasin.

Dr. F.W. K. Müller (Berlin).

r Kaikioku Watanabe (Tokio).

Lic. H Hackmann (London).

Dr. G. Fobbe (Berlin).

Prof. Paul Haupt (Baltimoiv).

.. Prof. L. Gautier (Genf).

Pfr. Ad. Heusler (Mandach).

Dr. E. Möller (Basel). HH. Proff. Reitzenstein (Strassburg)

und John Meier (Basel). Herr Dr. L. Deubner (Bonn).

Prof. Holtzmann (Strassburg).

.. Prof. Albert Reville (Paris).

D Samuel Fries (Stockholm).

Pfr. Liechtenhan (Buch, Ktn. Zürich).

cand. theol. U. Frei (Basel).

Die Sektionen IV. VI, VII und VIII traten sogleich in ihre wissenschaftlichen Verhandlungen ein.

Es hielten Vorträge : *) In Sektion IV: Herr Prof. Dr. V. Zapletal (Freiburg) über den

l nsterblichkeitsglauben Koheleths. VI und VII: Herr Prof. Dr. Usener (Bonn) über den Keraunos (I. Teil). VIII: Herr Dr. Samuel Fries (Stockholm): Was bedeutet der .Fürst dieser Welt" in Joh. 12,31; 14. 30; 16, 11? Ein Beitrag zur vergleichenden Religionsgeschichb' des Urchristentums.

1) Die eingelaufenen Notizen Ober die Diskussion, die sich an die ein- zelnen Sektionsvorträge anschloss, finden sich unten hinter den bezüglichen Resumes mitgeteilt.

Erster Kongresstag. 17

Nachmittags 4V2 Uhr wurde im Obern Kasinosaal (im I. Stock des Stadtkasinos) die erste Plenarsitzung vom Vorsitzenden, Herrn Prof. Albert Reville, eröffnet. Er erteilte das Wort zunächst Herrn Direktor E. Guimet (Paris) zu Mitteilungen über die seit dem Pariser Kongress erschienenen Publikationen des Musee Guimet, die der Vortragende dem Kongress zu überreichen die Freundlich- keit hatte.

Es sprachen hierauf:

Herr Prof. Dr. A. Dieterich (Heidelberg): Ueber die Religion der Mutter Erde. Prof. Dr P. Deussen (Kiel) : Ueber die innere Verwandt- schaft der indischen Religion mit der christlichen. .. Prof. Dr. Jean Reville (Paris) : L'histoire des religions et

l'histoire ecclesiastique. ., Prediger J. Weber (Menzikon): Ueber den Besuch eines lamaistischen Klosters in Tibet.

Hatten die offiziellen Räume, in denen am Nachmittag die einzelnen Sektionen zusammengetreten waren, den Kongressteil- nehmern zeigen können, wie bereitwillig ihnen die hohen Behörden die Pforten ihres eigensten Heims aufgeschlossen hatten, so mochte sie am Abend der Empfang im Sommerkasino, der die Gäste zu zwangloser Geselligkeit vereinigte, davon überzeugen, wie hoch es sich die Bürgerschaft zur Ehre anrechnete, den Kongress in den Mauern ihrer Stadt sehen zu dürfen. Einen herzlichen, be- redten Ausdruck fand diese Gesinnung in den Worten, womit der Präsident des Finanzkomitees, Herr Banquier Alfred Sarasin-Iselin, die Anwesenden begrüsste. Seine Rede lautete:

„Es ist mir an dieser ersten geselligen Vereinigung der Kongressteil- nehmer die Ehre zu teil geworden, Sie, hochverehrte Gäste, namens der Bürger- schaft Basels, die Ihren kurzen Aufenthalt in unsrer Stadt angenehm ge- stalten möchte, zu begrüssen.

Vor einigen Jahren wurde den nach Basel Reisenden ein Schriftchen in die Hand gegeben mit der Überschrift „Das goldene Tor der Schweiz", und ich weiss nicht, ob dieser Hinweis auf den fraglichen Reichtum Basels viel Fremde zum Bleiben unter uns verleitet hat- Jedenfalls würden beim heutigen Kongress wenige von uns den Mut haben, auf diesen materiellen Ruhmestitel

Kongressbericht. 2

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18 Erster Kongresstag.

Basels hinzuweisen; denn icli fürchte, ein Vergleich mit dem letzten Orte, an •lern sich der Kongress versammelt hat, mit Paris, würde das „goldene Tor der Schweiz" zu Schanden werden lassen. Wenn wir dennoch hoffen, mit Ehren vor Ihnen, hochverehrte Gäste, zu bestehen, so ist es eine andere Über- schrift, die uns diese Zuversicht gibt. Das ist unsre Universität, die nun bald seit einem halben Jahrtausend unsrer Stadt zur Zierde gereicht.

Als aus der Mitte der Universität die Frage um Mitwirkung beim Em- pfang der Gäste kam, haben wir Laien nicht gezögert mit unserm Entscheide, sondern freudig zugesagt.

Basel besitzt ja das seltene Glück, dass seine Universität nicht ein Ihm nler, gegen aussen abgeschlossener Bestandteil inmitten der Handelsstadt ist, sondern dass sie durch viele persönliche und geistige Bande mit der Bürger- schaft verbunden ist. Ihre Ehre ist unsre Ehre. Ich möchte sagen, sie ist. was dem Hausherrn die Hausfrau ist, die Ehre und der Stolz seines Hauses, die ideale Beigabe zur trockenen Tagesarbeit und seine Freude und Erquickung in der Mussezeit. Aber Sie werden mir sagen, zu Ehren unsrer Universität seien Sie nicht gekommen, sondern zur Förderung Ihrer Wissenschaft. Ge- wiss, so fassen auch wir die Sache auf. aber wenn nach der Stadt voll Pracht und Herrlichkeit an der Seine doch unser Basel geeignet erfunden worden ist. den I (ahmen für den II. internationalen Kongress für Religionsgeschichte zu bilden, so zeigt uns dies immerhin, dass unsre alte und sich immer wieder verjüngende llausehre, die Universität, dieser Aufgabe gewachsen erachtet worden ist, und dessen freuen wir uns.

Wir Laien haben eine hohe Meinung von der Wissenschaft, und wir erwarten Hohes von ihr. Wir wissen auch, dass wir hiezu das Recht haben. [ ' 1 1 « 1 wenn wir diese Achtung vor jeder ernsten wissenschaftlichen Forschung haben, wie viel mehr muss dies dann der Fall sein, wenn es sich darum han- delt, Antwort zu finden auf die tiefsten Fragen des menschlichen Herzens, die kein Mikroskop und kein Spektrum beantworten kann, und die doch die Herzen jedes Einzelnen und ganzer Völker bewegen, seit es denkende Menschen gibt, die Fragen nach Gott, nach Ewigkeit und nach Erlösung. Wenn ich das Pro- gramm des Kongresses durchgehe, so scheint mir bei aller Mannigfaltigkeit und bei allem Festhalten an sachlicher Forschung doch ein einheitlicher ernster Grundton sämtliche Themata zu begleiten. Es ist mir. als wäre ihm das Wort mitgegeben :

Verachte kein Gebet und keine Flehgeherde, Womit ein armes Herz sich aufringt von der Erde.

Es ist heiliges Land, auf dem die Arbeit des Kongresses sich aufbaut, und es war uns auch ein ernstes Anliegen, den Bauplatz so vorzubereiten, dass die Arbeil nicht unter äusseren Hemmungen leide.

So heisse ich Sie namens der Kommissionen, denen die geschäftliche Ordnung des Kongresses anbefohlen ist, herzlich willkommen und wünsche, dass die Tage in Basel als ein Freundliches Erlebnis sieh in Ihre Erinne- rungen möchten einreihen lassen."

/weiter Kongresstag. 19

Den ganzen Morgen des zweiten Tages, Mittwochs, 31. August, füllte die zweite Plenarsitzung (Präsident: Herr Prof. Dr. P. Haupt, Baltimore). Es wurden folgende Vorträge gehalten :

Herr Prof. Dr. L. v. Sehröder (Wien): lieber den Glauben an

ein höchstes gutes Wesen hei den Ariern (Indo-

germanen). Prof. Dr. Konrad Furrer (Zürich): Ueber den Wert der

Religionsgeschichte für den christlichen Theologen. E. Guiinet, directeur du musee Guimet (Paris) : Lao-Tseu

et le Brahmanisme. Rastamji Edulji Dustoor Peshotan Sanjana, Deputy High

Priest of the Parsees (Bombay): Ahura Mazda in the

Avesta.

Auf 2 3 Uhr nachmittags waren die Kongressgäste zu einer Führung durch die ethnographische Sammlung im Museum von Herrn Dr. Fritz Sarasin eingeladen. Der Herr Konservator des historischen Museums, Dr. F. Holzach, stellte sich den Besuchern, welche irgendwelche Auskunft wünschten, Mittwoch bis Freitag von 2—4 Uhr zur Verfügung.

Um 3 Uhr traten die einzelnen Sektionen zu ihren Ver- handlungen zusammen.

In Sektion I hielten Vorträge :

Herr W. H. R. Rivers (St. John's College, Cambridge) : The religion of the Todas. Paul Berthoud, missionnaire (Neuchätel): La religiosite

des Ba-Ronga. E. Allegret, missionnaire (Talagouga) : Les idees reli- gieuses des Fan (Afrique occidentale). In Sektion II: Herr Missionar Martin Maier (Bern) : Sind die Chinesen religiös

indifferent? Sektion III erledigte ihr ganzes Programm. „La qualite remplace la quantite", mit diesem Motto überschrieben kam ihr Bericht ins Bureau! Es sprachen:

2*

20 Zweiter Kongresstag.

Herr Direktor E. Guimet (Paris): Le Dieu aux Bourgeons. Prof. Dr. Ed. Mahler (Budapest): Mitteilungen über kos-

mologische Anschauungen der Aegypter. im An-

schluss hieran .. Dr. B. Pörtner (Mülhausen): Ueber Astralkult bei den

alten Aegyptem. Direktor E. Guimet (Paris): Les steles ä serpents.

In Sektion IV sprachen:

Herr Dr. Theodor Reinach (Paris): La date de la redaction definitive du Pentateuque. Prof. Huart (Paris) : Le rationalisme musulman au Xe siech*. Oberrabbiner Tänzer (Hohenems): Die Stellung des Juden- tums innerhalb der Entwicklungsgeschichte der Mensch- heit. J. Halevy (Paris): L'Unite des 3 premiers chapitres de la Genese.

In Sektion V wurde zunächst das Bureau bestellt wie folgt: Präsident : Herr Prof. Müller-Hess (Bern). Sekretäre: .. A. Debrunner, stud. phil.

K. Zickendraht, cand. theol. Es folgten hierauf die zwei Vorträge:

Herr Prof. Dr. Estlin Carpenter (Oxford): Some points still obscure in Buddhist doctrine. Prof. Dr. Leopold v. Schröder (Wien): Ueber den siebenten Aditya.

In Sektion VI und VII beendete zunächst Herr Prof. Dr. Usener (Bonn) seinen Vortrag über den Keraum». Darauf sprachen: Prof Dr. Reitzenstein (Strassburg) : Ueber den Aion. Dr. H. Deubner (Bonn): Die Devotion des P. Decius Mus. Prof. Dr. B. Kohlbach (Kaposvär): Ueber den Polytheis- mus der heidnischen Ungarn.

In Sektion VIII wurden folgende Vorträge entgegengenommen Herr Prof. Dr. Fr. Picavei (Paris): Les deux directions de la theologie catholique au XUIe siede.

Zweiter Kongresstag. -1

Herr Prof. Dr. Jean Reville (Paris) : Illustration de L'histoire ecclesiastique par quelques traits de la propagation du Christianisme ä Madagascar. _ Prof. Dr. G. Krüger (Giessen): Der antimarcionitische

Charakter des altrömischen Symbols. .. Dr. Alfred Jeremias (Leipzig): Babylonisches im Neuen Testament?

Auf den Abend des zweiten Tages hatten Herr und Frau Burckhardt-Heussler durch persönliche Einladungen die Herren Delegierten, sämtliche Vortragende, einige weitere hervorragende Kongressgäste sowie alle Komiteemitglieder nebst ihren Damen zu einem Empfang zu sich gebeten. Der Geladenen wartete mehr als eine Ueberraschung. Aus der häuserumgrenzten Strasse sahen sie sich mit einem Schritt in einen weiten, mit herrlichen Bäumen bestandenen Garten versetzt. Junge Damen der Gesellschaft in malerischen Landestrachten boten den Kommenden die Erfrischungen dar. L'nd als nach einer Stunde der drohende Himmel nicht länger an sich hielt und die ersten Tropfen fielen, da öffneten sich die Pforten des schönen Hauses, und keiner der 200 anwesenden Gäste, der nicht ein Plätzchen an einem der reichgedeckten Tische gefunden hätte! Als man sich vom Mahle erhob und zu der in den Garten führenden Terrasse drängte, war der Regen vorüber, und ein neuer Duft stieg aus den erfrischten Gründen auf. Diesen Augenblick allgemeiner begeisterter Freude erspähte Herr Professor Albert Reville, um den Gastgebern den wohlverdienten Dank aller An- wesenden auszusprechen. Er tat es in feiner Rede, in der ihm eigenen ge istreich-liebenswürdigen Art, von einem Paradiese sprechend, von dem sich forschenden Religionshistorikern hier wieder ein Stück erschlossen habe, einem Paradiese, in dem es wohl freundliche Engel aber keine Schlange und keine verbotenen Früchte gegeben habe! Man konnte sich noch lange im Freien ergehen, und wohl die wenigsten der anwesenden Gäste dürften an die gesellige Ver- einigung gedacht haben, die für die späteren Abendstunden im Schützen hause vorgesehen worden war.

-'-' Dritter Kongresstag.

Am dritten Kongresstag. Donnerstag, den 1. September, drängte sich alle Arbeit auf den Morgen zusammen. Schon um 8Vs Uhr begann die dritte Plenarsitzung (Präsident Herr Hof- rat Prof Dr. Siebeck, Giessen). Es sprachen:

Herr Kaikioku Watanabe (Lehrer der buddhist. Hochschule Jödö-tin, Tokio): The present condition of the Religions in Japan

Herr Prof. Dr. A. W. Nieuwenhuis (Leiden): Religiöse Zere- monien beim Häuserbau der Bahau Dajak am obern Mahakam in Borneo.

Herr Prof. Dr. Ed. Mahler (Budapest) : Kalenderdaten in religionshistorischer Bedeutung.

Herr Prof. Dr. Paul Haupt (Baltimore): Die religiösen An- schauungen des Buches Koheleth.

Am Schlüsse der Sitzung erklärte Herr Direktor E. Guimet (Paris) die von ihm ausgestellten Bilder und Photographien, die sich einer ganzen Langwand des grossen Sitzungslokales entlang zogen. Am meisten Bewunderung erregte die Reproduktion des Meisterwerkes des chinesischen Malers Li-Long-Mien (1081) : La Legende de Koei Tseu Mou Ghen.

Um 11 L'hr nahmen wieder die einzelnen Sektionen ihre Arbeit auf.

In Sektion 1 sprach unter dem Präsidium von Herrn Mis- sionar Paul Berthoud (Neuchätel)

Herr Prof. Dr. C. Keller (Zürich) über religiöse und profane Malereien in Abessinien.

Ein Aufsatz des Herrn Michael von Zmigrodski über den Totemismus wurde in Abwesenheit des Autors vorgelesen.

In Sektion II las Herr Missionar Otto Schultze (Darmstadt) den ersten Teil seines Vortrages über die Bedeutung der Magie im chinesischen Leben.

Sektion IV nahm folgende Vorträge entgegen: Herr Dr. Rosenbaum (Paris): La topographie du temple herodien et le service du Grand-pontife au jour du grand pardon.

Prof. Derenbourg (Paris): Le eulte de la deesse Al-'Ouzza dans l'ancienne Arabie vers l'an 300 de notre ere.

Prof Mez (Basel): Die Geschichte der Wunder Mohammeds.

Dritter Kongresstag. 23

Sektion V: Herr Prof. Westphal (Montauban): Le culte de Mitra a-t-il disparu du folklore europeen? Prof. Jackson (New-York) : The Fire-Temple near Jsfahan (wurde in Abwesenheit des Autors vorgelesen). In Sektion VI und VII brachte Herr Professor Dr. Dieterich (Heidelberg) eine Mitteilung über den Ritus der verhüllten Hände. Professor Dr. Wünsch (Giessen): Mitteilungen zu Religion und Zauber. Herr L. O'Radiguet (Ste. Ursanne), der einen Vortrag an- gemeldet hatte über „Observations sur le passe et les survivances druidiques en Rauracie". hatte wegen Erkrankung Basel am Er- öffnungstage des Kongresses wieder verlassen müssen.

In Sektion VIII wurden zwei Vorträge gehalten: Herr Dr. K. Lincke (Jena): Israel gegen Juda im Christentum. ,, Prof. Paul Alphandei y (Paris) : Le prophetisme dans les sectes latines du Moyen äge anterieures au Joachimisme.

Auf den Nachmittag %1fi— 3 Uhr hatte Herr Dr. E. A. Stückel- berg (Basel) zu einer Führung durch die von ihm veranstaltete hagiographische Ausstellung in die Universitätsbibliothek eingeladen. Ueber Zweck und Charakter dieser Ausstellung berichtet ihr Veranstalter selber am Ende dieser Akten.

Dem in Verbindung mit einem Eisen bahn -Ausflug fin- den späteren Nachmittag in Aussicht genommenen grösseren Spaziergang schien das Wetter, das seit Mittwoch Abend gänzlich umgeschlagen hatte, wenig günstig werden zu wollen. Unter so unfreundlichen Auspizien verschob man die Abfahrt des Extrazuges, der die Kongressteilnehmer nach Flühen (im Leimental) bringen sollte, um eine Stunde und verliess Basel erst um bx/2 Uhr. Umso freudiger war die Ueberraschung, als man während der Fahrt die Sonne durch die Wolken brechen sah und ein lichter Himmel die Ankommenden in Flühen empfing. Er gestattete sogar noch einen genussreichen Abendspaziergang. In natürliche Gruppen sich auf-

'24 Letzter Kongresstag.

lösend, gingen die einen auf der bequemeren Strasse talaufwärts bis an den Fuss der malerischen Benediktiner-Abtei Mariastein, während andere den steileren Aufstieg zur Ruine Landskron wagten und für ihre Mühe durch eine prachtvolle Aussicht reichlich ent- schädigt wurden. Zu einem gemütlichen Nachtessen fanden sich wieder alle im guten ländlichen Gasthause von Flühen vereinigt, und in bester Stimmung fuhr man nach beendetem Mahle nach liasel zurück.

Der letzte Kongresstag, Freitag, 2. September, brachte einzelnen Sektionen noch ein gutes Stück Arbeit, wenn sie ihr Programm fertig abwickeln wollten, während andere ihre Verhand- lungen schon abgeschlossen hatten. Um 872 Uhr traten zusammen:

Sektion II, um folgende Vorträge entgegenzunehmen: Herr Kaikioku Watanabe (Tokio) : Der Manichäismus im alten China auf Grund buddhistischer Schriften.

Dr. F. W. K. Müller, Direktorialassistent am k. Museum für Völkerkunde in Berlin: Mitteilungen aus den in Chinesisch- Turkestan wieder aufgefundenen Resten der manichäischen Literatur in mittelpersischer Sprache (Originalhandschriften im Berliner Museum für Völkerkunde).

Otto Schultze, Missionar (Darmstadt): Die Bedeutung der Magie im chinesischen Leben. (Schluss.)

Ein Vortrag des (abwesenden) Herrn Dr. B. Laufer (China): -Zur Geschichte der chinesischen Juden auf Grund ihrer Inschriften u konnte nicht mehr verlesen werden.

In Sektion IV sprach: Herr Prof. Dr. K. Kessler (Greifswald) über Mandäische Probleme nach ihrer religionsgeschichtlichen Bedeutung.

I'eber die von Herrn Prof. Dr. Samuel Ives Curtiss (Chicago) einge- sandte Arbeit: ..Der Ursprung des Opfers bei den Semiten, dargelegt auf Grund von Forschungen unter Syrern und Arabern" referierte Herr Prof. Dr. K. Furrer (Zürich) Im An- schluss an diese Mitteilung fasste die Sektion folgende Resolution:

Letzter Kongresstag.

„Die semitische Sektion des zweiten internationalen Kongresses für allgemeine Religionsgeschichte, versammelt zu Basel am 2. September 1904, gibt auf Antrag von Herrn Professor Furrer (Zürich) dem Wunsche Ausdruck, dass Herrn Professor Samuel Ives Curtiss (Chicago) die Möglichkeit ge- boten werde, seine wertvollen Forschungen über die Religions- bräuche und Glaubensvorstellungen der Bevölkerung Syriens zu vollenden und zu veröffentlichen."

Es hielten darauf noch Vorträge: Herr Prof. Hommel (München): Das Stadtbild Babels nach den Berliner Ausgrabungen und seine religionsgeschichtliche Bedeutung, und J. Halevy, directeur d'etudes (Paris) : Le symbolisme chez Osee et Ezechiel. Dagegen wurde der von Abdullah al-Mamoon Schraworthy, missionary of Islam (London), angekündigte Vortrag : The tolerant spirit of Islam as illustrated by the Charter of Prophet Muhammad to the Christians and that of Caliph Ali to the Parsis nur dem Titel nach verlesen.

Sektion V hatte noch zwei ihr eingesandte Vorträge ent- gegenzunehmen :

Herr H. Arakelian (Tiflis) : La religion ancienne des Armeniens. Prof. Dr. Henry Goodwin Smith (Cincinnat.il: The religion of

Akbar, a failure in religious syncretism. Herr Dr. A. Führer (Basel) konnte den angekündigten Vortrag über die religiösen Ansichten und Zeremonien der Phänsigärs wegen Unwohlseins nicht halten.

In Sektion VIII behandelte Herr Direktor J. Halevy (Paris): Trois logia de Jesus ä sources inconnues. Der Vortrag des Herrn Prof. Dr. Allan Menzies (St. Andrews): „What is new in Christianity?" wurde von Herrn Rev. Louis Jordan (Toronto, Canada) vorgelesen.

Endlich sprach Herr Prof. Dr. Paul Wernle (Basel) über die Stufen der altchristlichen Apologetik.

26 Letzter Kongresstag.

Das eingesandte Manuskript des Herrn Raoul de la Grasserie (Nantes): -Du phenomene religieux des triades dans le Ghristianisme et les autres religions* konnte wegen der vorgerückten Zeit nicht mehr zur Verlesung kommen.

Unmittelbar an diese Sektionssitzungen schloss sich, um 1»>; g Uhr, die vierte Plenarsitzung unter dem Präsidium des Herrn Prof. Dr. Nathan Söderblom (Upsala). Die Vorträge waren folgende:

Herr Dr. Paul Sarasin : Religiöse Vorstellungen bei niedrigsten Menschenformen. Dr. Alfred Jeremias (Leipzig) : Die monotheistischen Strömungen

innerhalb der babylonischen Religion. Prof. Dr. K. Kessler (Greifswald): Die religionsgeschichtliche

Bedeutung der Mani-Religion (Manichäismus). Prof. Dr. B. Kohlbach (Kaposvär) : Einfluss der bildenden Kunst auf die Religion in Aegypten, Assyrien-Babylonien und Hellas.

Alle vier Plenarsitzungen hatten sich eines starken Besuches zu erfreuen, nicht nur seitens der Kongressmitglieder: auch ein zahlreiches weiteres Publikum aus den Kreisen der Basler Bürger- schaft war mit nicht erlahmendem Interesse den Verhandlungen gefolgt.

Auf nachmittags 2— 4 Uhr waren sämtliche Kongressteilnehmer mif ihren Damen eingeladen, bei günstiger Witterung im Garten des Herrn Dr. Wilhelm Vischer-Iselin den Kaffee einzu- nehmen. Der Nachbar des Herrn Gastgebers, Herr Fritz Vischer- Bachofen, hatte die Freundlichkeit, auch seinen anstossenden Garten zu öffnen. Beide Gärten gewähren einen prachtvollen Ausblick auf den Rhein, zu dem sie sich selber von der hochgelegenen Hittergasse terrassenförmig hinabziehen. Am Himmel hingen drohende Wolken. Aber die Kongressgäste, die sich durch sie nicht halten abschrecken lassen, der Einladung Folge zu leisten, konnten ohne einen Tropfen Regen die schöne Aussicht gemessen. Es war die ehemalige Besitzung des deutschen Ritterordens, auf der sie sich bewegten.

Letzter Kongresstag. 27

Diese Besitzung liegt nur wenig hundert Schritte vom Münster entfernt. Hier konnte nach dem Austritt aus dem Vischer'schen Garten den Gästen noch ein kurzer musikalischer Genuss geboten werden, indem es Herr Dr. Rudolf Low freundlichst übernommen hatte, auf der Münsterorgel einige Stücke vorzutragen.

Er spielte:

Grave aus der G-dur-Toccata von Bach. B-A-C-H-Fuge Nr. 3 von Schumann.

Hallelujah aus Messias von Händel.

Während eine ansehnliche Zahl von Kongressteilnehmern der Orgel lauschte, war in einem Sitzungszimmer des Stadtkasinos die Kommission an der Arbeit, welche mit dem Mandat betraut war, die Anträge und Anregungen vor zuberaten, die eventuell der Versammlung in der Schlusssitzung unterbreitet werden sollten. Es waren anwesend die Herren Prof. Dr. Ed. Naville (Genf), Prof. Dr. G. von Orelli (Basel), Prof. Dr. Estlin Garpenter (Oxford). Prof. Dr. H. Derenbourg (Paris), Prof. Dr. A. Dieterich (Heidelberg . Prof. Dr. L. Gautier (Genf), Prof. Dr. A. Bertholet (Basel), Dr. E. Möller (Basel) Die Schlussanträge, die aus ihrer Beratung hervorgingen, haben gleich in der Berichterstattung über die Schlusssitzung zur Sprache zu kommen.

Eröffnet wurde die Schlusssitzung nachmittags 41/» Uhr mit einem wissenschaftlichen Vortrag, dem letzten. Uebrig geblieben war nämlich die Arbeit des Herrn Prof. Dr. Samuel Ives Gurtiss (Chicago) : Spuren der altsemitischen Religion in den Mittelpunkten des Islam und des Christentums in Syrien. Ihr Verfasser war, eben erst wieder aus dem Orient zurückgekehrt, um am Kongresse teilnehmen zu können, in Zürich ernstlich erkrankt. ') Umso weniger wollte man darauf verzichten, ihn, wenigstens indirekt, zu Worte kommen zu lassen. Der II. Sekretär. Herr Dr. E. Möller (Basel), übernahm die Verlesung des Manuskriptes.

Nach diesem Vortrag gab, in geschlossener Sitzung, der Vor- sitzende, Herr Prof. Dr. Ed. Naville (Genf', der Versammlung Kenntnis

*) Noch im September erhielten wir aus London die bedauerliche Nach- richt seines durch einen Hirnschlag daselbst erfolgten Hinschiedes.

28 Letzter Kongresstag.

von den Schlussanträgen der vorberatenden Kommission. Zwei Vorschläge waren ihr eingereicht worden, ein erster von Herrn Prof. Dr. Fr. Picavet (Paris), ein zweiter, im Namen mehrerer Kongressmitglieder abgefasst von Herrn Lic. Fr. Michael Schiele (Marburg).

Herr Prof. Picavet hatte geschrieben:

„Je demande ä developper devant l'assemblee finale la proposition suivante:

A l'avenir, les resumes des Communications seront im- primes et distribues au debut de chaque seance ä tous les assistants." Francois Picavet.

Diesen Antrag hatte er in einer früheren Eingabe begründet, wie folgt:

.,.Ie demande que, dans le prochain Congres, des resumes soient imprimes et distribues, an debut de toutes les seances plenieres ou de sections.

Les premieres sont faites en des langues difterentes que lisent la plupart des membres du Congres, mais que bon nombre d'entre eux n'ont pas ou n'ont plus l'habitude de parier ou d'entendre parier. Les secondes, il y a discussion, necessiteraient plus encore peut-etre la distribution de resumes imprimes. Sans compter que les membres qui appartiennent ä d'autres sections pourraient etre immediatement ren- seignes, que eeux qui appartiennent ä plusieurs sections pourraient choisir entre olles en toute connaissance de cause.

Par l'emploi de ce procede, qui a recueilli l'adhesion d'un certain nombre de membres du Congres, le bureau serait assure de posseder lui-meme tous les resumes qu'il a parfois bien de la peine ä reunir.

Le Congres Intel-national d'enseignement superieur organise en 1900, ü Paris, a use de la distribution de ces resumes, analogues en nne certaine mesure, aux syllabus que Ton donne, dans l'extension universitaire anglaise ou dans les Universites populaires, avant les Con- ferences ou les series de Conferences."

Professeur Fran^ois Picavet, deleguä <lu Ministere de 1'Instruction publique.

Das Schreiben des Herin Lic. Fr. Mich. Schiele halte folgenden Wortlaut:

..1) Ist es möglich, das leitende Komitee in der Art aus- zugestalten, dass es die Aufgabe übernehmen kann, als ein Aktionskomitee nach einem bestimmten, einheitlichen

Letzter Kongresstag. 29

Aktionsprogramm die einzelnen Kongresse vorzubereiten, für die Plenarsitzungen jeweils ein einziges bestimmtes Problem zur Verhandlung zu stellen (das dann eine vielseitige Behandlung, in mehreren Thematen, durch mehrere Referenten finden kann;, und zu den Vorträgen über ein solches Problem hervorragende Fachgelehrte aufzufordern?

Es erscheint unzweckmässig, die verschiedenartigsten Verhandlungsgegenstände innerhalb der kurzen Zeit einer einzigen Plenarsitzung zusammenzudrängen. Es erscheint untunlich, das Zustandekommen der Plenarvorträge wesentlich dem freien, planlosen und zufälligen Angebot zu überlassen.

2) Ist es möglich, auch über die geeigneten Plenar- vorträge grundsätzlich eine Diskussion in der Weise zuzulassen, dass im Plenum diejenige Sektionssitzung be- kannt gegeben wird, in welcher der Vortragende seine Thesen zu verteidigen und zu erläutern bereit ist?"

Die vorberatende Kommission hielt es für unzweckmässig, eine Diskussion über diese Vorschläge im grossen Kreise einer all- gemeinen Versammlung zu eröffnen, und beantragte, sie einfach dem Organisationskomitee des nächsten Kongresses zur Berück- sichtigung zu überweisen.

Ueber den Ort dieses nächsten Kongresses sah sie sich noch nicht im Falle, sich bestimmt zu äussern. Dagegen schien es ihr richtig, dass an der in Paris beschlossenen 4jährigen Perio- dizität festgehalten werde. Den nächsten Kongress vorzubereiten, will sie dem bestehenden Internationalen Komitee überlassen wissen, welchem Herr Prof. Dr. A. Dieterich in Heidelberg und die beiden Basler. Herr Prof. Dr. C. von Orelli und Prof. Dr. A. Bertholet zugesellt werden, sodass sich das Internationale Komitee künftig zusammensetzen soll wie folgt:

Herr Prof. Dr. Albert Reville (Paris). Graf Goblet d'Alviella (Brüssel). Graf Angelo de Gubernatis (Rom). Prof. Dr. Estlin Garpenter (Oxford). Prof. Dr. Ignaz Goldziher (Budapest ).

30 Letzter Kongresstag.

Herr Prof. Dr. Eduard Naville (Genf).

Prof. Dr. Albrecht Dieterich (Heidelberg). Prof. Dr. Conrad von Orelli (Basel). .. Prof. Dr. Alfred Bertholet (Basel).

Nachdem die Versammlung all diesen Anträgen zugestimmt hatte, erbat sich Herr Dr. A. Tänzer, Rabbiner für Tirol und Vorarlberg (Hohenems), das Wort, um als Vertreter des Judentums für den harmonischen Verlauf des Kongresses zu danken. Hierauf erhob sich Herr Prof Albert Reville, um seinerseits im Namen der Anwesenden der Kongressstadt und dem Organisationskomitee in herzlichen Worten einen warmen Dank abzustatten.

Endlich übergab Herr Prof. Naville den Vorsitz wieder dem Präsidenten des Kongresses, Herrn Prof. von Orelli. Dieser ergriff das Wort zu einer kurzen Schlussrede. Er konstatierte freudig den guten Verlauf der Verhandlungen und betonte, dass, wenn ihre Objekte eine gewisse Einheitlichkeit hätten vermissen lassen, dieser Mangel doch wohl für Fernerstehende empfindlicher gewesen sei als für die Männer vom eigentlichen Fache, die im einzelnen Falle stets die disparaten Elemente ihrem grössern Zusammenhang ein- zugliedern in der Lage seien. Mit einem herzlichen Dank an alle die durch ihre Anwesenheit und Mitarbeit zum Gelingen des Kon- gresses beigetragen hätten, erklärte er seine Verhandlungen für geschlossen.

Mit diesem offiziellen Schlüsse des Kongresses war aber sein Programm noch nicht völlig zu Ende: Eine letzte Zusammenkunft vereinigte am Abend etwa 200 Kongressgäste zu dem vom Organi- sationskomitee zu ihren Ehren veranstalteten Bankett im grossen Musiksaale, wo am ersten Tag die feierliche Kröühungssitzung .stattgefunden hatte. Es war freilich ein wesentlich anderes Bild, das er jetzt mit seiner festlichen Beleuchtung und den gedeckten Tischen darbot, und bald entwickelte sich an ihnen eine belebte Geselligkeit. Die Reihe der Toaste eröffnete Herr Professor A. Bert holet, um im Namen des Organisationskomitees der \ ersammlung den offiziellen Willkommgruss zu entbieten. Nach-

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dem er, abwechselnd in deutscher, französischer und englischer Sprache, den Anwesenden für ihr Erscheinen gedankt und vor allem der hohen Regierungen und der gelehrten Körperschaften, die durch Delegationen am Kongresse vertreten waren, mit ehr- erbietigen Wünschen gedacht hatte, fuhr er folgendermassen fort :

Und nun liegt die Arbeit hinter uns ! Der Kongress selber, er gehört der Geschichte der religionsgeschichtlichen Forschung an. Wie wird über ihn das Urteil lauten ? In einer kleinen Schrift, in der jüngst eine allgemeine religionsgeschichtliche Frage behandelt wurde, sind unsere religionsgeschicht- lichen Kongresse nebenbei mit einem Titel bedacht worden, der sich seltsam genug anhört. „Schützenfeste der Wissenschaft" sind sie genannt worden ! Das klingt beinahe, als wenn sie wenig ernst zu nehmen wären. Aber selbst zugestanden, dass, was an wissenschaftlicher Arbeit das lebendige Wort uns in so dankenswerter Weise vermittelt hat, durch Schrift und Druck seinen Weg zu aufmerksamen Lesern sicher nicht verfehlt hätte, an Eines reicht aller Bücherverkehr unter uns Gelehrten nicht hinan, nicht an die lebendige Un- mittelbarkeit des Wortes, das von Person zu Person geht, nicht an die Per- sönlichkeit des Eindruckes, der sich vom einen dem andern mitteilt, vor allem nicht an das Anknüpfen von Beziehungen zwischen Mensch und Mensch, von Freundschaften, die wunderbar über Zeit und Raum hinausreichen. Es gibt Menschen, das erfahren wir zumal in unserer Wissenschaft, die man überhaupt gesehen haben muss, um sie zu verstehen, und dabei blüht uns oft genug die grössere Überraschung, dass wir mit Einzelnen nur einmal zusammen- geführt zu werden brauchen, um trotz mancher Differenz in äusseren Mei- nungen zu wissen, dass etwas Innerliches uns zusammenbindet. Hier tauchen Werte auf, welche wohl imponderabel sind, die aber zu den Imponderabilien gehören, welche unserem Leben erst sein wahres Gewicht geben. Und für unsere wissenschaftliche Beurteilung mögen sie uns schliesslich zum Wahl- spruch führen : „Ich kenne in der Wissenschaft keine Gegner, sondern nur Mitarbeiter".

Hochverehrte Anwesende ! ich bin geneigt, es als ein günstiges Omen zu deuten, dass den Schluss unseres Kongresses ein Bankett bildet, wissen wir ja doch, was, religionsgeschichtlich betrachtet, gemeinsames Essen und Trinken zu bedeuten hat : Es ist eine alte Meinung, dass die, die einmal zu- sammen von der gleichen Speise und vom gleichen Trank gekostet haben, fortan ein starkes Band verbindet einer gewissen, unzerstörbaren geistigen Freundschaft und Verwandtschaft. Eine alte Meinung ist es wohl, für deren guten Sinn eine nivellierende Kultur uns vielleicht nur allzu stumpf gemacht hat. Aber als gute Historiker, die auch die Vergangenheit zu Leben und zu Wirklichkeit zu erwecken verstehen, lassen wir sie, für einen Augenblick nur. wieder wahr werden, und wir werden uns heute trennen als solche, die den Bund der geistigen Verwandtschaft eingegangen sind.

Was aus dieser Berührung der Geister für Früchte für unsere Wissen- schaft hervorwachsen werden, das vermögen wir heute noch nicht zu über-

32 Letzter Kongresstag.

blicken. Aber wenn wir nur einen Augenblick bedenken wollen, was ein Wort, das im Verkehr vielleicht wie zufällig von den Lippen fällt, befreiend, klärend, anregend, begeisternd wirken kann, wie es zu erneutem Streben und zu vertiefter Forschung zu treiben vermag, wie es Kräfte entbinden kann, mit denen wir schliesslich über so manche Einseitigkeit der eigenen Anschauung Herr zu werden vermögen, dann lassen wir der unsichtbaren Saat, die hier in wechselseitigem Verkehr ausgestreut worden ist, getrost nur Zeit zu reifen : sie wird für unsere Wissenschaft ihre Früchte tragen.

Unser verehrter verstorbener Ehrenpräsident des letzten Kongresses, Professor Tiele, hat einmal unter den Gesetzen der religiösen Entwickelung als eines der vornehmsten das „Gesetz der Entwickelung durch geistigen Ver- kehr" hingestellt. Wenn ich recht sehe, schreibt ein gleiches Gesetz auch df r nachschaffenden geschichtlichen Religionsforschung den Weg vor. Ich möchte wünschen, es dürfe von unserem Basler Kongress schliesslich kurz und gut gesagt werden, er bedeute eine lebendige Verkörperung dieses Ge- setzes der Entwickelung durch geistigen Verkehr: Und dass sie dieses Prinzip mehr und mehr verwirklichen, das ist der Wunsch, den ich für alle nachfolgenden religionsgeschichtlichen Kongresse aussprechen möchte, wenn anders sie ihren Zweck erfüllen sollen.

Hochverehrte Anwesende ! Sie haben durch Ihre Teilnahme am Basler Kongress uns, seinen Organisatoren, durch die Tat bewiesen, dass auch Ihnen diese Entwickelung durch geistigen Verkehr am Herzen liegt wie uns, die wir ihr nach unsern besten Kräften zu dienen versucht haben, und das Beste dazu haben, wie wir wohl fühlen, Sie selber mithergebracht. Darum ruft das Organisationskomitee all seinen hochverehrten Gästen, offiziellen wie nicht offiziellen, voll Dankes entgegen: Sie leben hoch!"

Als zweiter Redner betrat Herr Prof. Albert Reville (Paris) das Podium, um im Namen der Anwesenden auf die Stadt Basel das Hoch zu bringen. In glänzend beredten Worten sprach er von ihrem hohen Sinn für Kunst und Wissenschaft und ihren grossen geschichtlichen Erinnerungen und erzählte in humorvoller Weise, wie sie es ihm persönlich von jeher angetan habe, dass er in sie förmlich verliebt sei!

Als Dritter ergriff Herr Prof. Gottschick (Tübingen) das Wort. Er dankte namens der deutschen Gäste vor allem den französischen und englischen Kollegen, der mannigfachen An- regungen gedenkend, die gerade in Arbeiten auf dem Gebiet der allgemeinen Religionsgeschichte von ihnen ausgegangen seien.

Nii rauf richtete Herr Direktor E. Guiinet (Paris) an den Generalsekretär, Herrn Prof. Bertholet, und Herr Prof. von Schanz

Letzter Kongresstag. 33

(Tübingen) an den Präsidenten des Kongresses, Herrn Prof. von Orelli. Worte freundlichster Anerkennung.

Weiterhin feierte Herr Prof. Vienot (Paris) in beredter Sprache Basel als Universitätsstadt, an ihre geistige Geschichte erinnernd, und liess seine Rede in einem Hoch auf den derzeitigen baslerischen vir magnificus gipfeln. Als solcher antwortete Herr Prof. Carl Chr. Burckhardt-Schazmann, um zugleich im Namen der hohen Behörden wie der Bürgerschaft dem Kongress warme Danke s- worte auszusprechen. Eine letzte Tischrede hielt Herr Professor B. Kohlbach (Kaposvärl im Namen der von keiner Behörde oder Universität delegierten freien Kongressteilnehmer.

Inzwischen war die Zeit soweit vorgerückt, dass sie zum all- gemeinen Aufbruch mahnte. Manch verbindliches Wort ist beim Abschied gefallen. Uns Baslern unsererseits bleibt der Eindruck, dass wir für das Beste, was der Kongress bot, die Schuldner unserer Gäste geworden sind.

Ueber seinen Erfolg und seine Bedeutung ein irgendwie ab- schliessendes Urteil abzugeben, ist nicht Sache des offiziellen Bericht- erstatters, von dem man nicht mehr erwartet und auch nicht mehr haben will als eine möglichst objektive Mitteilung der blossen äussern Tatsachen. Eines darf immerhin gesagt werden: Wenn bei der Wahl Basels ein leitender Gesichtspunkt der gewesen war. es möchte durch Verlegung des Kongresses auf deutsches Sprach- gebiet auch das deutsche Element zu aktiver Betätigung dabei herangezogen werden, so ist dieses Desiderium in erfreulicher Weise bis zu einem gewissen Grade erfüllt worden. Neue Desiderien sind durch die formulierten Wünsche in der Schlusssitzung zum Aus- druck gekommen. Andere standen seither wohl in Zeitungsberichten über den Kongress zu lesen. Noch grössere mögen unausgesprochen im Einen oder Andern schlummern, dem es ernstlich um die Sache zu tun ist. Das zeigt alles, dass wir auch in diesem Punkte noch zu den Suchenden gehören, und dass unsere religionsgeschichtlichen Kongresse verbesserungsbedürftig sind. Wir Basler wollen uns

Kongresshericht. 3

■>i Letzter Kongresstag.

indessen schon zufrieden geben, wenn unsere Gäste nur den Ein- druck mit sich genommen haben, dass sie verbesserungsfähig seien; denn das beweist immerhin ihre Lebensfähigkeit, und sie möchte der Basler Kongress gerne dargetan haben. Damit erwächst zugleich freilich unsern Nachfolgern Arbeit, und eine Arbeit, die in der Tat nicht klein ist. Aber sie ist reichlich dankbar : darum legen wir die Feder nicht aus der Hand, ohne unsere Nach- folger dazu zu beglückwünschen!

A. Bertholet.

Komitees. 35

Internationales Kongresskomitee.

(S. p. 29—30.)

Bureau des Kongresses.

Präsident: Herr Prof. Dr. Conrad von Orelli.

I. Sekretär : .. Prof. Dr. Alfred Bertholet.

II. Sekretär: .. Dr. Ernst Möller.

Wissenschaftliches Organisationskomitee.

Prof. Dr. C. von Orelli, Präsident,

Prof. Dr. A. Bertholet. Erster Sekretär,

Dr. Ernst Möller, Zweiter Sekretär,

Frof. Lic. P. Böhringer,

Prof. Dr. A. Bolliger,

Prof. Dr. A. Burckhardt, Regierungsrat, Vorsteher des Tit. Erziehungsdepartements,

Prof. Dr. B. Duhm,

Dr. G. Finsler,

Prof. Lic. R. Handmann,

Prof. Dr. E. Hoffmann-Krayer,

Dr. I. Iselin, Nationalrat und Regierungsrat, Vor- steher der Akademischen Gesellschaft,

Prof. Dr. A. Körte,

Prof. Dr. John Meier,

Prof. Dr. A. Mez,

Prof. Dr. P. Mezger,

Prof. Dr. F. Münzer,

3*

36 Komitees.

Prof. Dr. Ed. Riggenbach.

Dr. Leop. Rütimeyer,

Dr. Fritz Sarasin,

Dr. Paul Sarasin,

Prof. Dr. P. W. Schmidt,

Prof. Dr. P. Speiser, Nationalrat,

Dr. E. A. Stückelberg.

Prof. Dr. Eb. Vischer,

Prof. Dr. P. Wernle.

Empfangskomitee.

Rud. Heusler-Veillon. Präsident,

Dr. Th. Stähelin, Sekretär,

Dr. K. Chr. Bernoulli,

Prof. Dr. Rud. Burckhardt,

Dr. Paul Ganz,

Dr. H. Hagenbach- Von der Mühll,

Dr. F. Holzach,

Dr. Em. Probst,

Dr. W. Vischer-Iselin.

Finanzkomitee.

Alfred Sarasin-Iselin, Präsident, Rudolf Burckhardt, Kassier. Rud. Forcart-Bachofen, Ed. His-Schlumberger, C. Ed. Vischer-Speiser.

Mitgliederliste. 37

Mitglieder- und Teilnehmerliste.

Abrikossoff, Nicolas, associe de l'Institut International de Socio-

logie, Moskau. Aeberhard, Adolf, Pfarrer, Wynau (Ktn. Bern). Allegret, Elie, missionnaire, Talagouga (Gongo francais). Alphandery, Paul, Secretaire de la Redaction de la „Revue de

l'Histoire des Religions", Paris, Vertreter der Ecole des

Hautes-Etudes. Altwegg, Wilhelm, cand. phil., Basel. Arakelian, redacteur du Journal armenien Mschak, Tiflis. Attenhofer, A., Wädensvveil (Ktn. Zürich).

Bansch-Drugulin, Joh., Dr., Leipzig.

Baltbur, H., M. A., Curator of the Pitt-Rivers Museum Oxford,

Vertreter der Universität Oxford. Barth, Fritz, Prof. Dr., Bern.

Baumgartner, A., Prof. Dr., Basel, Delegierter der Universität Basel. Baumgartner, Prof. Dr., St. -Jean la Tour, Genf. Becker, C. H., Dr., Privatdozent, Heidelberg. Behringer, Redaktor des Basler Volksblattes, Basel. Beranger, Emile, pasteur, Mezieres (Vaud). Bernoulli, Carl Christoph, Dr., Oberbibliothekar, Basel. Bernoulli, Eduard, Dr. phil., Zürich. Bernoulli-von der Tann, W., Basel. Bertholet, Alfred, Prof. D., Basel. Bertholet-Wagner, Felix, alt-Konrektor, Basel. Berthoud, Paul, missionnaire, Neuchätel. Beth, K., Lic. Dr., Privatdozent, Friedenau-Berlin. Bethe, Erich, Prof. Dr., Giessen. Bethe, Frau Prof., Giessen.

von Bissing, Freiherr Fr. Wilhelm, Dr., München. Böhringer, Paul, Lic. Prof., Pfr., Basel. Boissier, Alfred, Dr. phil., Le Rivage, Chambesy-Geneve.

38 Mitgliederliste.

Bonaparte. S A. Le Prince Roland, Paris.

Bonet-Maurv. Gaston, assesseur du Doyen de la Faculte de theo- logie de Paris, delegue de l'Universite de Paris.

Brändli. Oskar, Pfarrer. Basel.

Bridel. Philippe, prof., Lausanne.

Brodin, M.. La Haye.

Brodsky. Lazare. Kiew.

Brünnow. R., Dr., Chalet Beauval, Vevey.

Bruston. Edouard, pasteur. lic. en theol,, Tonneins (France).

Buller. Paul. Pfarrer, Hermsdorf (Mark) bei Berlin.

Burckhardt, Albert, Prof. Dr., Regierungsrat und Vorsteher des Tit. Erziehungsdepartements. Vertreter des h. Regierungs- rates von Basel stadt.

Burckhardt, August. Dr., Basel.

Burckhardt, Carl Christoph. Prof. Dr.. Rektor und Delegierter der Universität Basel.

Burckhardt, Paul. stud. theol., Basel.

Burckhardt. Rudolf, Prof. Dr., Basel.

Buss. Ernst, D. Pfarrer, Glarus. Vertreter des Allgem. evangel.- protest. Missionsvereines.

Buxtorf. Carl, Pfarrer, Lohn (Ktn. Schaff hausen).

Byse. Charles, pasteur, Lausanne.

Camerlynck. H., Amiens.

Camplair. Jeanne, Mlle, Lic. es-lettres. Delemont.

Carpenter, Rev. J. Estlin, Manchester College, Oxford, Delegierter

der British and Foreign Unitarian Association. Cart. Leon A.. pasteur et prof.. Les Ponts-de-Martel (Neuchatel),

Delegierter der Academie de Neuchatel. Christlieh, Max. Dr. phil., Pfarrer, Freistett (Amt Kehl, Baden). Combe, Ed., lic. en theol., 6leve de l'Ecole des Hautes-Etudes ä

Paris, Lausanne. Coudenhove-Kalergi, Dr. H., Graf, k.-k. Legationssekretär, t. Z.

Wehrawald. v Cmtiss, Sam. Ives, Prof. Dr.. Chicago, Delegierter des Chicago

Theological Seminary.

Mitgliederliste. 39

Davidovics, Julius, cand. phil., Basel.

Debrunner, Albert, stud. phil., Basel.

Deissmann, Prof. Dr., Heidelberg, Vertreter der Universität Heidelberg.

Derenbourg, Hartwig, membre de l'Institut de France, Paris, Ver- treter der Ecole des Hautes-Etudes und der Academie des inscriptions et belles-lettres de l'Institut de France.

Derenbourg, Madame, Paris.

Deubner, Ludwig, Dr., Privatdozent, Bonn.

Deubner, Frau Dr., Bonn.

Deussen, Paul, Prof. Dr., Kiel.

Dieterich, Albrecht, Prof. Dr., Heidelberg, Vertreter der Universität Heidelberg.

Dieterich, Frau Prof., Heidelberg.

Dreyfuss-Brodsky. Jules, Banquier, Basel.

Drtina, Franz, Prof. Dr., Prag.

Dubois, Henri, Prof. D., Neuchätel, Delegierter der Academie de Neuchätel.

Ecklin. Wilhelm, Pfarrer, Basel.

Ecole francaise d'Extreme-Orient ä Hanoi, Indo-Chine.

Eglinger, Ruth, Frl., Basel.

Ernst, Karl, Missionar, Basel.

Ewig-Thurneysen. Frau, Basel.

Feine, Paul, Prof. D., Wien.

Finsler, G., Dr., Gymnasiallehrer, Basel.

Fischer, M. D., Pfarrer an St. Markus, Berlin.

Flury, Samuel, V. D. M., Basel.

Fobbe, Gustav, Dr. phil., Berlin.

Forcart-Bachofen, R., Basel.

Fornerod, Alois, Prof. Dr., Lausanne, Vertreter der Universität Lausanne.

Foucher, Alfred, maitre de Conferences ä l'Ecole pratique des Hautes- Etudes, Paris, Vertreter der Ecole francaise d'Extreme-Orient.

Frei, Ulrich, cand. theol., Basel.

Fries, D. Samuel Andreas, Stockholm (auf Kosten der schwedischen Regierung).

-tu .Mitgliederliste.

Führer, Alois, Dr., Schriftsteller, Basel. Furrer, Arnold, eand. theol., Zürich.

Führer, K., Prof. D., Zürich, Vertreter der Universität Zürich und des Allg. evang.-protest. Missionsvereines.

Gaiser, Eugen, Dr. phil.. Gymnasiallehrer, Männedorf (Ktn. Zürich).

Cralland, Henri, etudiant, Geneve.

Ganz, Paul, Dr., Privatdozent, Basel.

Garbe, Richard, Prof. Dr., Delegierter der h. württemhergischen

Regierung und der Universität Tübingen. Gauss, Karl, Pfr., Liestal. Gautier, Aloys, cand. theol., Genf. Gautier, Lucien, Prof. D., Genf.

Giess, Heinrich, Missionar, Neuveville am Bielersee. Goblet d'Alviella, Comte, Senateur, membre de l'Academie royale

de Belgique, prof., Chäteau de Court St-Etienne, Brabant. Goldziher, Ignaz, Prof. Dr., Budapest. Gottschick, Prof. D., Tübingen, Vertreter der h. württembergischen

Regierung und der Universität Tübingen. Gottschick, Frau Prof., Tübingen, de la Grasserie, Raoul, Correspondant du Ministere de l'Instruction

publique, Nantes. Gray, Louis, EL, Newark, New-Yersey, U. S. A. firiiTin. Henry L., Rev., Bangor, Maine, U. S. A. Grob, Ernst, stud. phil , Basel. Giosheintz, Oscar, Lic. en theol., Basel. Günther, Reinhold, Dr. phil , Redaktor, Basel. Guimet, Emile, directeur du Musee Guimet, Paris, Vertreter der

li. französischen Regierung. Guisan, Rene, Pfarrer, Moudon (Waadt). Gut. Redaktor der Basler Zeitung, Basel.

I lackmann, Heiniich, Lic, Pastor, z. Z. London. Halle, Frau Tabitha, Basel.

Halevy, .1., directeur d'etudes ä l'Ecole pratique des Hautes-Etudes, Paris.

Mitgliederliste. 41

Haller, Max, Vikar, Hilterfingen am Thunersee.

Handmann, Rud., Prof. Lic, Basel.

Handmann, Frau Prof., Basel.

Happel, Julius, Pfarrer, Heubach (Hessen-Darmstadt).

t Hardy, Edmund, Prof. Dr., Bonn.

Hartmann, Martin, Prof., Hermsdorf (Mark) bei Berlin.

Haupt, Paul, Prof. Dr., Baltimore, Vertreter der h. Regierung der Vereinigten Staaten Nordamerikas, sowie der John Hopkins University, Baltimore, der Smithsonian Institution und The United States National Museum in Washington.

Haupt, Frau Prof., Baltimore.

Hausheer, Jakob, Prof., Zürich,

Heitmüller, Wilhelm, Lic, Privatdozent, Göttingen.

Hertz, Frl. Henriette, Rom-London.

Heusler, Adolf, Pfr., Mandach (Ktn. Aargau).

Heusler, Andreas, Prof. Dr., Basel.

Heusler- Veillon, R., Bandfabrikant, Basel.

His-Schlumberger, Eduard, Banquier, Basel.

Hoffmann-Krayer, Eduard, Prof. Dr., Basel.

Holtzmann, H. J., Prof. Dr., Strassburg, Vertreter der Universität Strassburg.

Hommel, Friedrich, Prof. Dr., München.

Houtsma, M. Th., Prof. Dr., Utrecht.

Huart, Clement, prof. ä l'Ecole des langues orientales de Paris et delegue de cette Ecole.

Huart, Frau Prof., Paris.

Huber, Paul, Dr., Verlagsbuchhändler, Kempten (Bayern).

Hügli, Johannes, Bern.

Hüttinger, Eduard, stud. theol., Basel.

Jackson, A. V. Williams, Prof. of Indo-Iranian Languages, Columbia

University, New- York. Jeanmaire, Jules, pasteur, Magny-Danigon par Ronchamp (Haute-

Saöne), France. Jeremias, Alfred, Dr., Pastor, Leipzig. Jeremias, Friedrich, Dr., Pastor, Dresden-Trachenberge.

42 Mitgliederliste.

Jordan, Louis H., Rev., B. D., Toronto, Canada. Joseph, J., pasteur, Grandson (Vaud).

Iselin, Isaak, Dr., Rcgierungs- und Nationalrat, Präsident der Aka- demischen Gesellschaft, Basel, [sehn, Theophil. cand. theol., Basel.

Kägi. A.. Prof. Dr., Zürich.

Kahlbaum. G., Prof, Dr., Basel.

Kessler. Konrad, Prof. Dr., Greifswald.

Kirn. Otto, Prof. D., Leipzig.

Knittel, Wilhelm Hermann, Missionsprediger, Basel.

Köhler, Ludwig, Pfarrer, Aeugst (Ktn. Zürich).

Körte Alfred. Prof. Dr., Basel.

Körte. Frau Prof., Basel.

Kohlbach. Berthold, Prof. Dr., Kaposvär (Ungarn).

Krüger, Gustav, Prof. I)., Giessen, Vertreter der Universität Giessen.

Kuiin von Osdola. Dr., Graf Geza, k. k. Geheimrat, Vizepräsident

der ungarischen Akademie der Wissenschaften, Schloss

Maros Nemeti, Ungarn.

Landmann, FL, Dr., Gymnasial-Oberlehrer, Zillisheim (Deutschland).

Laufer, B., Dr., China, z. Z. Gölu.

Lew, Isidore. Agrege d'histoire, Paris.

Liechtenhan, Rudolf, Lic. Pfarrer, Buch a. Irchel (Ktn. Zürich).

Linaker, Arturo, Dr. Professore di Filosofia, Firenze.

Lincke, Karl, F. A., Prof. Dr., Jena.

Mähly, Cecile, Frl., Basel.

Mahler. Eduard. Prof. Dr., Budapest, Vertreter des Ungarischen

Nationalmuseums. Mahler, Frau Prof., Budapest. Maier, Martin, Missionar, Tägertschi (Ktn. Bern). Marti, Karl, Prof. D., Bern. Marti, Frau Prof., Bern. Marti, Frl.. Bern. Martin, Rudolf, Prof. Dr.. Zürich.

Mitgliederliste. 43

Martinengo-Cesaresco, Le Gomte Eugene, Salö, Lago di Garda. Martinengo-Cesaresco, Mme la Gomtesse Eveline, Salö, Lago di Garda. Matthieu, Jean, Lic. theol., Basel. Mayer, Karl, Missionar, Basel. Meier, John, Prof. Dr., Basel.

von Mengershausen, Heinrich, Amtsgerichtsrat, Mülhausen. Menzies, Allan, Prof. Dr., St. Andrews (Scotland). Mercier, Charles, Prof.. Paris. Merian, Samuel, stud. phil., Basel. Mexin, Alexandra, Frau Dr., Elisabetgrade, Russland. Meyer, Arnold, Prof, D.. Zürich. Meyer, Mme Paul, nee Madeleine Reville, Paris. Mez, Adam, Prof. Dr., Basel. Miescher, Ernst, Pfarrer, Basel. Möller, Ernst, Dr., Basel. Moll-Weiss, Mme Augusta, publiciste, Paris. Mond, Frau Frida, London. Monseur, E., Prof. Dr., Woluwe (Bruxelles). Montet, E., Prof. Dr., Genf, Vertreter der Universität Genf. Mühlemann, Hans, Pfarrer, Mailand. Müller, Adolf, stud. theol., Basel.

Müller, F.W. K., Dr., Direktorialassistent am k. Museum für Völker- kunde in Berlin, Berlin-Wilmersdorf. Müller-Hess, Eduard, Prof. Dr., Bern. Müller-Hess, Frau Prof., Bern. Münzer, Friedrich, Prof. Dr., Basel. Münzer, Frau Prof., Basel.

Nagel, Ernst, Lic. Dr., Pfarrer, Horgen (Ktn. Zürich). Naville, Ed., Prof. Dr., Malagny bei Genf, Vertreter des h. schwei- zerischen Bundesrates, van Nederop, J., Gorr. Redaktor des Algemeen Handelsblad, Genf. Niehans, Paul, cand. theol., Bern. Nieuwenhuis, Ant. Will, Prof. der Ethnologie, Leiden. Nocentini, Lodovico, Prof. Dr., Rom. Nötzli, Alfred, cand. theol., Basel.

44 Mi l y liederliste.

Odgers, J. Edwin, Dr. theol., Hibbert Lecturer in Manchester College.

Oxford. Oettli, Samuel, Prof. D., Greifswald.

Oltramare, Paul, Prof. Dr., Genf, Vertreter der Universität Genf. O'Radiguet, Lionel, diplöme de l'Ecole des langues orientales,

Ste. -Ursanne (Schweiz). ( »Radiguet, Madame Lionel, Ste -Ursanne, von Orelli, Conrad, Prof. D., Basel. von Orelli, Conrad, cand. theol., Basel, von Orelli, Hans, stud. theol., Basel. Otto. Rudolf, Lic. Privatdozent, Göttingen. ( herbeck, Franz, Prof. D., Basel. Overbeck, Frau Prof., Basel.

Pan Islamic Society, London.

Pastakoff', W., Villa Viken, Ollila, Finnland.

Petavel-Olliff, Dr. theol., ancien pasteur, Montreux.

Pfannenstill, Magnus G., Prof. Dr., Lund, Vertreter der Universität Lund.

Ficavet, Prof. et secretaire du College de France, directeur adjoint ä l'Ecole des Hautes-Etudes, redacteur en chef de la Revue internationale de l'Enseignement, Paris, Mitglied der Dele- gation der h. französischen Regierung.

Picavet, Frau Prof., Paris.

Picavet, Georges, agrege d'histoire et de geographie, Paris.

Pichler, Max, Journalist, Basel.

Piepenbring, Karl, Dr., Pfarrer und Synodalpräsident, Strassburg.

Pinches, Theophilus, G., L. L. D., Sippar House, London.

Pcertner, Balthasar, Dr., Divisionspfarrer, Mülhausen.

Preiswerk, Adolf, Pfarrer, Basel.

Preuss, K. Th., Dr., Direktorialassistent am k. Museum für Völker- kunde in Berlin.

Probst, Em., Dr., Gymnasiallehrer, Basel.

Rade, Prof. D., Redaktor der „Christlichen Welt", Marburg. Rastamji Edulji Dastoor Peshotan Sanjana, Deputy High-Priesl of Ihe Parsees, Bombay.

Mitgliederliste. 45

Reinach, Theodore, directeur de la Revue des etudes grecques, Paris.

Reitzenstein, Prof. Dr. , Strassburg,Vertreter derUniversität Strassburg.

Reville, Albert, prof. au College de France, president de la Ve Section de l'Ecole des Hautes-Etudes, Paris, Vertreter der h. fran- zösischen Regierung.

Reville, Jean, prof. ä l'Ecole pratique des Hautes-Etudes, Paris, Vertreter der Faculte de theologie protestante ä Paris.

Reville, Mme Jean, Paris.

Reville, MUe Susanne, Paris.

Riggenbach-Thurneysen, Ed., Prof. D., Basel.

Riggenbach. Rudolf, stud. phil., Basel.

Rivers, W. H. R . M. A.. M. D., St. Johns College, Cambridge.

Rivier, Theod., pasteur, Porren truy.

Robertson, James, Prof. Dr., Glasgow, Vertreter der Universität Glasgow.

Robertson. Frau Prof., Glasgow.

Rochat, Ernest, docteur en theol., Privatdozent, Geneve.

Rognon-Schönbein, Frau, Basel.

Rosenbaum, Dr., Paris.

Roussel, A., Prof. Dr., Freiburg (Schweiz), Vertreter der Universität Freiburg.

Rütimeyer, L., Dr., Dozent, Basel.

Ruhe, Algot, H. L., Schriftsteller, Stockholm.

de St. -George, Chäteau de Changins sur Nyon (Vaud). von Salis, Arnold, cand. phil.. Basel. Sarasin, Fritz, Dr., Basel. Sarasin-Iselin, Alfred, Basel. Sarasin, Paul, Dr., Basel. Sarasin-Warnery, Reinhold, Basel. Sarasin, Wilhelm, stud. theol., Basel. Sartorius, Elisabeth, Frl., Basel. Sartorius, Karl, Pfarrer, Pratteln. Schäppi, Emanuel, Redaktor, Basel.

von Schanz, Paul, Prof. Dr., Tübingen, Vertreter der h. württem- bersischen Regierung und der Universität Tübingen.

4ti Mitgliederliste.

Schenz, W., Dr., Geistlicher Rat und k. Lycealrektor, Regensburg.

Schiele, F. Michael, Lic. theol., Marburg.

Schild, Paul, stud. theol.. Basel.

Schmidt, Paul Wilhelm, Prof. D., Riehen bei Basel.

Schmiedel, Paul, Prof. D., Zürich.

Schmitz, Paul, Dr. phil., Basel.

von Schnurbein, Hans, Freiherr, Dr. phil., Hemerten (Schwaben).

von Schröder, L., Prof. Dr., Wien, Vertreter der kaiserl. Akademie

der Wissenschaften sowie der philosophischen Fakultät der

Universität Wien. Schultze, Otto, Missionar, Darmstadt. Schwab, A , Pfarrer. Wallerstein bei Nördlingen (Bayern). Schwab, Marie, Frl., Basel. Schwarzlosen, Albert, stud. phil , Basel. Seybold, Chr. Fr., Prof. Dr., Tübingen. Sidler, Georg, Prof. Dr., Bern Siebeck, Hermann, Prof. Dr., Geh. Hofrat, Giessen. Siebeck, Paul, Dr., Verlagsbuchhändler, Tübingen. Siebeck, Frau Dr., Tübingen.

Skinner. John, Prof. Rev , Westminster College, Cambridge. Smith, Henry Goodwin, Prof., Cincinnati, U. S. A. Soederblom, Nathan, Prof., Upsala, Vertreter der h. schwedischen

Regierung und der Universität Upsala Scederblom, Frau Prof, Upsala Speiser, Andreas, stud. math., Basel. Speiser, Fritz, Prof. Dr., Freiburg (Schweiz). Speiser-Sarasin, Paul, Prof. Dr., Nationalrat, Basel. Speiser-Sarasin, Frau Prof., Basel. Spiro, Jean, Prof. Dr., Vufflens-la-Ville pres Lausanne. Spiro, Frau Prof., Vufflens-la-Ville. Stähelin, H., Lic. Pfarrer, Porrentruy (Ktn Bern). Stähelin, Theodor, Dr , Sekretär des Erziehungsdepartements, Basel Steck, Rudolf, Prof. Dr., Bern. Vertreter der Universität Bern. Stenhouse, Thomas. Rev. Dr., Whitfield, Northumberland Stolpe, Hjalmar, Prof. Dr., Direktor des Reichsmuseums Stockholm. Strassburger k. LTniversitäts- und Landesbibliothek.

Mitgliederliste. 47

Stroehlin, Einest, Prof., Geneve.

Strong, H. A., Prof., Liverpool, formerly prof. of Classics at the University of Melbourne (Australia), Vertreter der Universität Melbourne.

Stückelberg, E. A., Dr., Dozent, Sekretär der schweizerischen Ge- sellschaft für Volkskunde, Basel.

Stückelberger, Rudolf, stud. theol., Basel.

Tänzer, A., Dr., Rabbiner für Tirol und Vorarlberg, Hohenems. Tamamcheff, M., Paris, Vertreter der Ecole russe des Hautes-Etudes

sociales in Paris. Thieme, Karl, Prof. Dr. Lic, Leipzig. Tischhauser, Christian, Pfarrer, Basel.

Usener, Prof. Dr., Geheimrat, Bonn. Usener, Frau Geheimrat, Bonn.

Vienot. John, Prof., directeur de la Revue chretienne, Paris, Ver- treter der Faculte de theologie protestante de Paris. Vischer, Eberhard, Prof. Dr., Basel. Vischer-Speiser, Karl Ed., Basel. Vischer-Speiser, Frau, Basel. Vuilleumier, Prof. Dr., Lausanne.

Walleser, Max, Dr., Säckingen.

Wannier-Stächelin, E., Dr., Basel.

Wannier-Stächelin, Frau Dr., Basel.

Watanabe, Kaikioku, buddh. Priester, Tokio, Lehrer der buddh. Hochschule Jödö-tin in Tokio.

von Watten wyl, Frau Elisabeth, Bern.

Weber, Heinrich, Dr. phil , München.

Weber, Julius, Prediger, Menzikon (Ktn. Aargau).

Wernle, Paul, Prof. D, Basel.

Wernle, Frau Prof., Basel.

Westphal, Alexandre, Prof., Vertreter der Faculte de theologie protes- tante de Montauban (universite de Toulouse), Montauban.

Williams, H. W., Dr. phil., Stuttgart (Auckland. Neuseeland).

48 Mitgliederliste.

Winkler, Jakob, Pfarrer, Seen (Ktn. Zürich). Wirz. Jakob, Pfarrer, Benken bei Basel. Wiswedel. August, stud. jur., Riehen bei Basel. Wünsch, Richard, Prof. Dr., Giessen.

Zapletal, Vincenz, Prof. Dr., Freiburg (Schweiz), Vertreter der

Universität Freiburg. Zickendraht, Hans, cand. phil., Basel. Zickendraht, Karl, cand. theol., Basel. Zimmermann, Max, Pfarrer, Basel.

von Zmigrodski, Michael, Dr., Sucha bei Krakau (Galizien). Zoller, Otto, Dr. jur., Redaktor, Basel.

IL

Allgemeine Sitzungen,

Kongressbe rieht.

Eröffnungssitzung. 51

Offizielle Eröffnungssitzung.

Eröffnungsrede von Herrn Prof. D. C. von Orelli.

Hochansehnliche Versammlung!

Eine Zusammenkunft wie diejenige, welche ich im Namen der Veranstalter des Kongresses zu eröffnen die Ehre habe, ist an sich eine bedeutsame Erscheinung. Ein internationaler wissen- schaftlicher Kongress hat doch nur dann sein gutes volles Recht, wenn dem Wissensgebiet, um welches es sich handelt, ein aner- kannt hoher Wert für das geistige Leben der Menschheit zukommt und dieses Gebiet zugleich so umfassende und schwierige Aufgaben dem forschenden Geiste bietet, dass dieselben nur durch Zusammen- wirken weit zerstreuter Kräfte gelöst werden können. Ich darf Ihre ehrende Gegenwart dahin auslegen, dass Sie in beiderlei Hin- sicht von der Berechtigung dieses Unternehmens überzeugt sind. Sie sehen es mit uns als einen Fortschritt an, dass die heutigen Wissenschaften der Religion eine gesteigerte Aufmerksamkeit schenken, und sind davon überzeugt, dass im religiösen Leben der Menschheit noch vieles aufzuhellen bleibt, wodurch auch auf mannig- fache andere wissenschaftliche Gebiete ein neues Licht fallen wird.

Oder wäre dies eine Selbsttäuschung? Es hat doch wohl seinen tieferen Grund, warum in den bedeutenderen Geschichts- werken der Neuzeit die Religion der alten Völker nicht mehr bloss als ein Anhängsel erscheint, sondern deren Beschreibung einen statt- lichen Raum und eine bevorzugte Stelle einnimmt. Es deutet sich darin die Erkenntnis an, die Religion sei nicht als eine fast zu- fällige Begleiterscheinung des Volkslebens zu betrachten, wie sie früher manchen erscheinen mochte, sondern aus ihr sei der Schlüssel zu manchen Geheimnissen dieses Lebens zu gewinnen. Diese höhere

4*

." 2 Eröffnungssitzung.

geschichtliche Wertung der Religion hängt damit zusammen, dass man überhaupt in der Geschichte nicht mehr bloss den äusserlichen Gang der Ereignisse besonderer Aufmerksamkeit würdigt, sondern mindestens ebenso sehr das geistige Eigenleben jeder Nation, ihn' innere Entwicklung des Studiums werthält. Unter den geistigen Faktoren aber, welche dabei in Betracht kommen, hat sich die Religion als ein besonders mächtiger herausgestellt. Wer will die Kulturgeschichte der alten Aegypter, oder Babylonier, oder Iranier erforschen, ohne dass er sich fortwährend vor die rätselhaften religiösen Anschauungen gestellt sähe, die das gesamte Geistesleben dieser Nationen so stark beeinflusst haben? Sieht man näher zu. so ist es auch bei den Griechen oder Römern. Kelten oder Mexi- kanern nicht anders. Kein Wunder, dass zahlreiche Philologen und Archäologen sich religionsgeschichtlichen Untersuchungen in inten- siver Weise zugewandt haben und die Religionsgeschichte durch sie täglich neue Förderung empfängt.

Ueberblickt man das reiche Material, welches dieser unserer Wissenschaft durch philologische und archäologische Forschung, zu einem grossen Teil aus neu erschlossenen Quellen, fortwährend zugeführt wird, so ist man davon überwältigt, wie sehr die Religion das ganze Leben der antiken Menschheit durchdrungen hat. Es sind ja nicht bloss die Kultusgebräuche, die ausgegrabenen Tempel und Götterstatuen, die entzifferten Hymnen und Zauberformeln, sondern auch die medizinischen Bücher und die Gesetzessamm- lungen, die Heldenlieder und Dramen, welche wertvolle Züge zur Kenntnis der Religionen alter Völker beisteuern. Dass beinahe alle Altertumsforscher, ob sie mehr der Welt- oder der Kultur- geschichte, der Literatur- oder der Kunstgeschichte zugewandt sind, heute die Religionsgeschichte mit Teilnahme verfolgen, ist der beste Beweis für die hohe Bedeutung dessen, was man Religion nennt.

Es verhält sich auch nicht so, dass dieses Interesse nur für längst vergangene Zeiten Geltung haben könnte, während die im Lichte der Gegenwart und auf der Höhe heutiger Entwicklung stehenden Völker diesem Einfluss so ziemlich entwachsen wären. Es war. nicht schwer darzutun, wie stark die heutige Menschheit nicht nur von religiösen Problemen umgetrieben, sondern auch von

Eröffnungssitzung. 53

religiösen Motiven bestimmt und von religiösen Gegensätzen be- herrscht ist. Nur auf ein Symptom sei hingewiesen, das beweisen möchte, dass in der Gegenwart die Bedeutung des Religiösen stärker empfunden wird als in früheren Zeiten : die Psychologie, die lange einseitig mit dem erkenntnistheoretischen Problem beschäftigt war, hat neuerdings angefangen, sich ernstlicher mit den Lebenserschei- nungen der Religion zu befassen, wo ihrer eine Fülle des inter- essantesten Stoffes wartet, dessen Bearbeitung auch für die Religionsgeschichte von grösster Wichtigkeit sein wird.

Dies führt mich auf den zweiten Punkt, den ich hervorzuheben habe: die eigentümliche Schwierigkeit, welche für das wissen- schaftliche Erkennen im Gegenstand unserer Disziplin selber liegt. Ob auch die Religion eines Stammes oder Volkes sich in all seinen Vorstellungen und Lebensformen ausprägt, die Religion selbst ist das Innerlichste seines Lebens, und nur insofern ist sie wirklich Religion, als sie sich auf eine unsichtbare Macht bezieht, die wohl umschrieben werden mag, aber der menschlichen Fassungskraft sich entzieht. Die Religionsgeschichte entfaltet vor unsern Augen ein Spectrum, wo die Lichtstrahlen sich in mannigfachen Farben brechen; die Sonne selbst, von welcher das Licht ausgeht, ist nicht ihr Gegenstand, ja überhaupt nicht Objekt der heutigen, auf reiner Empirie gegründeten Wissenschaft. Und jener Reflex im Menschen ist ein tief innerlicher; daher ein zartes Objekt der Wissenschaft. Je näher man dem Gemütsleben irgend eines Volkes tritt, desto mehr wird man zu der Erkenntnis kommen, dass seine Religion sich nicht erschöpft in dem, was in lehrhaften Formeln sich aus- spricht oder in äussern Zeichen und Gebräuchen unvollkommen genug sich äussert. Es gilt, das Geheimnis jeder Religion zu belauschen, und dabei wird die Subjektivität des Forschers mit- spielen. Es ist also nicht verwunderlich, wenn die Deutungen der Kenner oft weit auseinander gehen, die einen versucht sind, eine solche Religion zu idealisieren, andere in Gefahr stehen, sie allzu grob sinnlich und niedrig aufzufassen und ihr edleres Streben zu verkennen. Ein unmittelbarer persönlicher Gedankenaustausch unter Fachmännern wird dazu dienen können, nicht nur ihren Gesichts- kreis in Bezug auf die äussere Phänomenologie der Religion zu

54 Eröffnungssitzung.

erweitern, sondern auch abweichende Auffassungen ihnen näher zu bringen, als dies durch die Literatur geschieht, welche ja von Jahr zu Jahr gewaltig anschwillt, aber nicht immer dazu angetan ist, das gegenseitige Verständnis zu fördern. Vollends die Fragen nach dem historischen Zusammenhang und der innern Verwandtschaft der einzelnen Religionen, die nicht erst den Religionsphilosophen beschäftigen, sondern schon vor dem Religionshistoriker sich auf- tun, werden vor vorschneller Beantwortung am ehesten geschützt durch Anhörung der Mitarbeiter auf verwandten Gebieten. Wie leicht der Spezialist in Gefahr kommt, von seinem vielleicht durch neue Entdeckungen bereicherten Gebiete aus die Ansprüche seines Schemas allzu hoch zu spannen und die Tragweite seiner Er- rungenschaften zu überschätzen, davon Hessen sich aus den letzten Jahren sprechende Beispiele anführen. So dürfen wir hoffen, dass nicht nur aus Vorträgen und Diskussionen des Kongresses, sondern auch aus der persönlichen Berührung und Unterhaltung Sachkun- diger der Entwicklung unserer Wissenschaft mannigfache Förderung erwachsen werde.

Die Basis, auf welcher unsere Verhandlungen stattfinden sollen, ist, wie schon die Einladung hervorgehoben hat, eine in religiöser Hinsicht völlig neutrale; d. h. es soll nicht mit Glaubens- sätzen, sondern bloss mit wissenschaftlichen Gründen argumentiert werden. Von der vielgepriesenen „Voraussetzungslosigkeit" möchte ich nicht sprechen, weil ich nicht daran glaube, am wenigsten auf diesem Gebiet. Wer Selbsterkenntnis hat, wird in der Regel be- kennen müssen, dass er die tiefern Fragen, welche sich bei religiösen Erscheinungen erheben, nach seinen eigenen innern Erfahrungen beantwortet. Ja, ich meine, dass jemand, der sich mit Recht rühmen könnte, solche persönliche religiöse Erfahrungen gar nicht zu be- sitzen, sich damit wenig zum Religionshistoriker empfehlen würde Wer nicht selber von religiösen Bewegungen erfasst worden ist. wird von den religiösen Erlebnissen anderer nur eine oberflächliche Vorstellung haben und damit rechnen als mit einer im Grund ihm unbekannten Grösse. Das innere Verständnis der Religionen und ihrer Geschichte im allgemeinen hängt zu einem Teil von der religiösen Erfahrung des Forschers ab. Ich habe darum seit langem

Eröffnungssitzung. 55

diese Wissenschaft der „Allgemeinen Religionsgeschichte" auch für die christliche Theologie in Anspruch genommen, in deren Zusammenhang sie mit dem Lichte beleuchtet werden kann und soll, welches die christliche Glaubenswahrheit bietet. Allein es lässt sich nicht leugnen, dass auch eine allgemeinere Betrach- tungsweise ihr in mancher Hinsicht Gewinn gebracht hat und weiterhin förderlich sein kann. Wir Theologen verdanken nicht nur das Material dieser Disziplin zum grossen Teil Forschern, die auf andern Feldern tätig sind und nach andern Gesichtspunkten arbeiten ; wir sind ihnen auch in methodischer Hinsicht für erfolg- reiche Winke und Anleitungen verpflichtet. Wer könnte verkennen, dass erst die Philosophie, dann die komparative Sprachwissenschaft und endlich die scheinbar weitabliegende Naturwissenschaft für den Ausbau unserer Disziplin mächtige Impulse und fruchtbare Ideen gegeben haben!

Zu dieser Versammlung haben wir Vertreter aller Wissen- schaften und Standpunkte, die sich ernstlich mit Religionsgeschicht- lichem befasst haben, eingeladen, damit sie ihre Beobachtungen austauschen mögen. Selbstverständlich setzt dies voraus, dass wir von allen, welcher Konfession oder Religion sie angehören, zu lernen willig sind. Ich möchte aber auch ausdrücklich betonen, dass wir, wenn wir diesem allgemein wissenschaftlichen Standpunkte treu bleiben wollen, ein idealistisches Bekenntnis zur Religion im allgemeinen so wenig fordern dürfen als die Anerkennung eines bestimmten kirchlichen Credo. Wer etwa von Feuerbach oder Häckel herkommend, die Religion selber für eine Verirrung des menschlichen Geistes, wer sie vielleicht als eine Kinderkrankheit der Menschheit ansähe oder sonst nur pathologisches Interesse an ihr nähme, aber sich ernstlich bemüht hätte, die Art und den Gang dieser rätselhaften Krankheit wissenschaftlich festzustellen, dem müsste, solang er wirkliche Beobachtungen, nicht blosse Spekula- tionen mitteilte, das Wort hier so gut gewahrt bleiben wie dem- jenigen, der in der Religion den höchsten und edelsten Vorzug der Menschheit erkennt. Damit ziehen wir die Grenze scharf gegenüber sog. „Religionskongressen", wie dem von Chicago 1893, wo Be- kenner verschiedener Religionsgenossenschaften eine gemeinsame

56 Eröffnungssitzung.

religiöse Basis suchen, um sich darauf zu erbauen, vielleicht gar eine künftige Einigung der verschiedenen Bekenntnisse vorzubereiten. Je freier sich der Kongress von solchen religiösen Tendenzen halten wird, desto förderlicher wird es für seine streng geschichtliche Auf- gabe sein.

Das schliesst nicht aus, dass wir eine Rückwirkung solcher Studien und Verhandlungen auch auf das spezifisch religiöse Er- kennen erwarten und erhoffen dürfen. Sie lehren uns die einzelne Religion nicht isoliert für sich allein, sondern jede in ihrem histo- rischen Zusammenhang mit den übrigen zu betrachten und mit den andern zu vergleichen. Je mehr Gehalt und Eigenwert eine Religion besitzt, desto weniger hat sie eine solche Beleuchtung und Vergleichung zu scheuen. Wohl können dabei, zumal bei ober- flächlichem Zuschauen, schiefe Werturteile sich bilden. Aber die reale Geschichte wird solche Urteile immer wieder berichtigen. Es mag z. B. beim Anblick der äussern Aehnlichkeiten und innern Analogien, welche die Religionen aufweisen, manchem vorkommen, als wären es nach einem bekannten Gleichnisspruch lauter goldene oder goldigglänzende Ringe von wesentlich demselben Wert oder Unwert. Ein tiefer blickender Kenner wird vielleicht, um ein Gleichnis aus höherem Munde daneben zu stellen, gerade durch Vergleichung der vielen wertvollen Perlen eine unter ihnen so un- vergleichlich hoch schätzen lernen, dass er getrost alle andern da- hingibt, um die eine kostbare Perle zu behalten.

Es erübrigt mir die angenehme Pflicht, im Namen des Organisations-Komitees unsern hohen Behörden, dem schweizer. Bundesrat und der Regierung von Basel, zu danken für das Wohl- wollen, welches sie dem Kongress entgegengebracht, und die tat- kräftige Hilfe, durch welche sie seine Abhaltung ermöglicht haben. Wir heissen die verehrten Gäste und Teilnehmer, die unserer Ein- ladung gefolgt sind, herzlich willkommen und hoffen, dass sie die gewünschte Anregung und Förderung in reichem Masse finden mögen !

Damit erkläre ich den II. Religionsgeschichtlichen Kongress für eröffnet.

Eröffnungssitzung. 57

Herr Prof. Dr. Ed. Naville (Genf) entbietet hierauf als Vertreter des h. Schweizerischen Bundesrates in fran- zösischer Sprache den auswärtigen Gästen den Willkommgruss auf Scbweizerboden und gibt der Freude darüber Ausdruck, dass es der Schweiz mehr und mehr vergönnt sei, dergleichen Vereinigungen, die das gute Einvernehmen zwischen den verschiedenen Nationen fördern helfen, als Heimstätte zu dienen.

Als Vertreter des h. Regie rungsrates des Kantons Basel-Stadt richtet Herr Reg.- Rat Prof. Dr. Albert Burck- hardt, Vorsteher des Tit. Erziehungsdepartements, folgende Worte an die Versammlung:

Hochansehnliche Versammlung!

Im Namen und im Auftrag von Volk und Regierung des Kantons Basel-Stadt erlaube ich mir, Sie, hochgeehrte Herren Mit- glieder des zweiten internationalen religionsgeschichtlichen Kon- gresses, in der Stadt Basel herzlich willkommen zu heissen.

Wir wissen die grosse Ehre, welche uns durch diese Ver- sammlung der führenden Männer auf einem so wichtigen Gebiete der Wissenschaft zuteil wird, in hohem Grade zu schätzen, und wir fühlen uns beglückt durch die Anerkennung, welche unsrer Stadt dadurch gezollt wird, dass aus allen Kulturländern der Welt hervorragende Vertreter der Wissenschaft die Stadt Basel als Sammelpunkt erkoren haben.

Die Tatsache Ihres Erscheinens ist uns zugleich deshalb eine grosse Genugtuung, weil sie uns den Beweis liefert, dass unsere Stadt guter alter Tradition bis auf den heutigen Tag treu geblieben ist, so dass auch jetzt noch ihre Gastfreundschaft gerne von den- jenigen Männern angenommen wird, welchen die Erforschung und der Sieg der Wahrheit heilige Lebensaufgabe ist.

Wohl mag ja die Lage Basels, von welchem schon der Bio- graph Kaiser Konrads II. sagt, sie sei in quodum triviali confinio gelegen, das Ihrige dazu beitragen, dass derartige Versammlungen von altersher nicht ungerne hier abgehalten wurden; allein wir hoffen doch annehmen zu dürfen, dass auch noch andere tiefer

58 Eröffnungssitzung.

liegende Gründe vorhanden seien, welche bei der Wahl Basels in die Wagschale gefallen sind.

Es war am 12. April des Jahres 1431, als die Gesandten der Universität Paris auf dem Basler Rathause erschienen. In ihrem Namen erklärte der Licentiat der Theologie Wilhelmus Everardi dem Bürgermeister und dem Rate mit den Worten des 132. Psalms : „Elegit eam et praeelegit eam". dass die Stadt Basel von der Kirchenversammlung zu Siena für das allgemeine Konzilium aus- ersehen sei. „hoc dictante Spiritu Sancto qui ad hoc elegit eam prae aliis tamquam aptiorem et magis idoneam, ut in ea concurrant secure prelati et ambasiatores totius christianitatis."

Das allgemeine Konzil hat während 17 Jahren in Basel ge- tagt, es hatte sich grosse Ziele gesteckt und die angesehensten Männer, die Spitzen der damaligen theologischen Wissenschaft, haben sich in Basel eingefunden. Ihre Schuld war es nicht, wenn das Resultat der Versammlung den Erwartungen der Christenheit nichl entsprochen hat.

Allein zwischen der Bürgerschaft und den Vätern des Konzils entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis und die Basler rechneten es sich zu grosser Ehre an, dass während so vieler Jahre die Blicke aller ernst gesinnten Männer Europas auf ihre Vater- stadt gerichtet waren.

Im engen Zusammenhang mit der Kirchenversammlung steht die Stiftung der Basler Universität, wodurch das geistige Leben, das während der Konzilsjahre hier sich entfaltet hatte, eine bleibende Stätte in Basel finden sollte. Als im Namen von Bürgermeister und Rat der Basler Stadtschreiber zu Mantua Pius II. die dies- bezügliche Supplikation vorlegte, durfte er darauf hinweisen: „quod locus ille Basiliensis in confinibus plurium diversorum ideomaliini patriarum constituta victualibus habundat et multorum capax existit." Der Papst hat dem Wunsche der Bürgerschaft entsprochen und hat die Universitas litteraruin ins Leben gerufen, welche bis auf den heutigen Tag auch in heissen Zeiten die nie versiegende und nie versagende Quelle des geistigen Lebens unserer Stadt geblieben ist.

Allein eine weitere Bitte der Bürger Hess der Papst wohl- weislich unerfüllt. Es ersuchten nämlich die Basler seine Heilig-

Eröffnungssitzung. 59

keit, wenn wieder ein allgemeines Konzil abgehalten winde, so möge dasselbe auch nach Basel verlegt weiden.

Wir wissen nicht, was Aeneas Silvins den Baslern darauf geantwortet, nur das steht fest, dass weder er noch seine Nach- folger die Vertreter der Kirche nach Basel berufen haben, und dass auch nach der Reformation Basel niemals eine grössere Synode. etwa wie Dortrecht, in seinen Mauern sich versammeln gesehen hat.

Erst heute, unter sehr veränderten Verhältnissen, erfüllt sich der Wunsch unserer Vorfahren und es ist eine in Tat und Wahr- heit ökumenische Versammlung in Basel eingezogen. Möge denn auch Ihnen, hochgeachtete Herren, der Aufenthalt in unserer Stadt nicht unangenehm werden, und mögen Sie, auch wenn Sie nicht so lange wie die Konzilsväter uns mit Ihrer Gegenwart beehren, deshalb einen nicht weniger guten Eindruck von dem Basel des zwanzigsten Jahrhunderts erhalten und der alten Rheinstadt ein freundliches Andenken, wie es einst Piccolomini getan hat, stets bewahren ! Vor allem aber wünschen wir, dass Ihre Verhandlungen und Beratungen von reichem bleibenden Erfolge gekrönt sein mögen zum Segen der Menschheit, zur Förderung der Wahrheit. Dann wird auch dem Boden, auf dem diese Geistesarbeit sich vollzieht, manches edle Saatkorn zuteil werden. Und es wird für Basel wie im fünfzehnten Jahrhundert eine Steigerung des wissenschaftlichen Lebens die segensreiche Folge Ihrer erlauchten Versammlung sein

So nehmen Sie denn, hochgeachtete Herren, neben dem freudigen Willkommen auch den herzlichen Dank für Ihr Erscheinen seitens der Stadt Basel entgegen, und seien Sie versichert, dass Behörden und Volk der Republik dieses Basiliense alterum mit der gleichen Sympathie begrüssen wie vor 473 Jahren unsere Vorfahren die Väter des Konziliums empfangen haben.

Im Namen der Universität Basel spricht ihr Rektor, Herr Prof. Dr. Carl Chr. Burckhardt:

Hochansehnliche Versammlung!

Die Universität Basel hat mich beauftragt, dem Kongress für allgemeine Religionsgeschichte ihren wärmsten Willkommgruss zu

60 Eröffnungssitzung.

entbieten. Es ist nicht nur das vertraute Gefühl verwandtschaft- licher Gemeinschaft aller wissenschaftlichen Arbeit und die wohl- begründete Hochachtung vor den in unserer Mitte weilenden her- vorragenden Gelehrten, die unserer alten Hochschule Ihre Tagung gleicherweise wertvoll machen wie die der Genossen jedes andern Faches es wäre, sondern sie steht ihr gegenüber mit einem Em- pfinden gesteigerter Ehrfurcht, einer Ehrfurcht vor den göttlichen und darum allgemein menschlichen Fragen, deren Erforschung es hier gilt. Altem Brauche gemäss und mit gutem Recht stellt unsere Rangordnung das Wissen von Gott, die Gottesgelehrtheit an die Spitze der vier Fakultäten, der innern Wertung äussern Ausdruck leihend. Um was Anderes aber handelt es sich eben hier als um Kunde von göttlichen Dingen, um die Erforschung, wie allerwärts und allerorten der Mensch sich empfunden habe als verknüpft mit dem Uebersinnlichen, als ein Gebundener Gottes? Gott hat sich auf mannigfache Art erwiesen; das Empfinden Gottes und göttliches Wirken hat gewaltet und waltet noch, wo immer heilige- Sehnen nach Jenseitigem und tiefgewurzelt.es Bedürfnis nach Verehrung einer höheren für die Menschengeschicke mass- gebenden Macht sich finden, gleichviel wie gestaltet. Denn Un- vollkommenes und Vollkommeneres entspringt doch dem einen Quell und fliesst zum selben Ziele, wenn auch bald trüber und nur tropfen- weise, bald in vollerem frischerem Lebensstrome. So darf uns denn wohl zu Mute sein, als ständen über der Türe dieses Saales die Worte geschrieben: Introite, nam et hie dei sunt; ziehe deine Schuhe ans. denn hier ist ein heiliger Ort.

Den Männern freilich, die vor bald 450 Jahren unsere Uni- versität gründeten, und einer langen Reihe von Nachfolgern hat diese Betrachtungsweise so fern gelegen als den Juristen früherer Jahrhunderte und Jahrzehnte vergleichende und allgemeine Rechts- geschichte lag. Hier wie dort war das Augenmerk nur auf eine bestimmte Religion, auf ein bestimmtes Recht gerichtel und die Krforschung andersgestalteter Erscheinungen, fast darf man vom damaligen Standpunkte aus sagen: anderer [mmgen, extra muros verwiesen. Wir denken heute ander-, und unter dieser Erweiterung des Horizontes hat die Vertiefung und der Ernst der Behandlung

Err>ffhungssitzung. 61

wahrlich nicht Schaden gelitten; die jungen Disziplinen haben hier und dort fördernd und befruchtend gewirkt.

Unsere Universität kann aber nicht bloss den allgemeinen Titel des Interesses an Ihrem Forschungsgebiete anrufen, sondern wir fühlen uns durch engere Bande mit ihm verknüpft. Von unseren in vollem Wirken stehenden Angehörigen, die sich hier betätigen, zu reden, steht mir nicht an ; wohl aber darf darauf hingewiesen werden, dass einer der Ordinarien unserer theologischen Fakultät, der 1875 verstorbene Johann Georg Müller, Verfasser einer auch heute noch zum mindesten ihres Materials wegen wertvollen Ge- schichte der amerikanischen Urreligionen, von 1834 bis Anfang der 70er Jahre jeweilen morgens 6 Uhr, zu einer Stunde, die wie graues Altertum klingt, ein vierstündiges Kolleg über Geschichte der polytheistischen Religionen gelesen hat, zu einer Zeit also, wo, wenn ich nicht irre, Ihre Disziplin als solche noch kaum Namen und wissenschaftliche Existenz gehabt hat.

So lassen Sie uns denn fürderhin nach den Worten des Dichters Firdusi und des Propheten Mohammed handeln : Geh durch die Welt und sprich mit Jedermann und suchet die Wissenschaft bis hinten in China. Möge aus Ihrem Forschen dem Wissen von göttlichen Dingen und vom Erhabensten, was dem Menschen verliehen ist, reicher Gewinn erwachsen!

Nach diesen Begrüssungen ergreifen die auswärtigen Herren

Delegierten das Wort.

Herr Prof. Dr. Albert Reville (Paris) als Vertreter der h. französischen Regierung:

Monsieur le Repräsentant du Conseil federal, Messieurs les Membres du gouvernement bälois, Monsieur le President et Messieurs les Membres du

Gomite d'organisation du Congres, Mesdames et Messieurs,

M. le Ministre de l'Instruction publique de la Republique frangaise, d'accord avec son collegue des Affaires etrangeres, m'a fait l'honneur de me designer comme representant son departement

62 Eröffnungssitzung.

aupres de vous et m'a charge de vous exprimer ses sympathies et ses voeux pour l'oeuvre scientifique dont nous sommes ici les modestes et devoues elaborateurs.

Vous n'ignorez pas que dans le cours des vingt-cinq demieres annees, le gouvernement de ia Republique frangaise s'est montre penetre de l'importance qu'il faut attacher ä la noble branche d'etudes que nous cultivons dans nos pays respectifs, qui dans les soixante demieres annees a pris un developpement international -ans cesse grandissant et que les siecles precedents n'auraient pas pu prevoir.

La fondation en 1880 d'une chaire speciale d'Histoire des Religions au College de France, suivie peu d'annees apres par celle d'une section non moins speciale de l'Ecole des Hautes-Etudes organisee ä la Sorbonne, section consacree aux recherches multiples dont l'histoire des Religions aspire ä constituer la vaste synthese. temoigne suffisamment de l'interet continu que le departement de rinstruction publique attache ä lenseinble de nos investigations historiques.

Vers le menie temps, un intelligent et genereux donateur, que nous avons le plaisir de compter dans nos rangs, M. Guimet, pre- pare par ses nombreux voyages et ses etudes personnelles ä l'appre- ciation de notre science, dotait la capitale fran^aise. avec l'assentiment des pouvoirs publics, dun Musee d'Histoire des Religions, rempli, s'enrichissant tous les jours de symbol.es, d'objets rares et signi- ficatifs. se rattachant aux religions diverses qui se sont fait un nom dans l'histoire et qui encore aujourd'hui se partagent le monde. Une riche bibliotheque speciale. <\es livres nombreux. une Revue savante, la Revue d'Histoire des Religions qui conipte aujourd'hui vingt ans et plus d'existence, sont autant de prolongements de cette creation feconde. Le Musee Guimet est desormais l'un des monu- ments remarquables de Paris.

II va de soi qu'un tel developpement s'opere independamment de toute confession religieuse ou dogmatique determinee, qu'il na non plus rien de preventivement hostile ä aueune doctrine, ä aueune Bglise. La Religion, ce mysterienx apanage de lesprit huinain, la Religion en soi dont la capacite congenitale est une des forces qui

Eröffnungssitzung. 63

elevent l'homme au-dessus de l'animalite, la Religion a une histoire, voilä le fait fundamental, im fait qui s'impose comme la marche implique le mouvement. Etudier cette histoire, en reconstituer Invo- lution et les peripeties, la degager ä mesure qu'on avance des absurdites, des erreurs, des ignorances ou des oublis qui l'ont si longtemps recouverte, voilä notre belle et, j'ose le dire. notre sainte täche. Car l'amour de la verite, connue ou inconnue, sa poursuite resolue, confiante et laborieuse, sont un des elements essentiels de l'amour de Dieu. On n'aime pas Dieu, l'ideal vivant, si l'on n'aime pas la verite.

D'autre part, cette recherche est essentiellement irenique, paci- fiante. Elle familiarise avec la tolerance, en nous revelant les maux indicibles engendres par son contraire, l'intolerance, et son fils, le fanatisme. Elle est accessible ä tous les hommes de bonne volonte et de cceur droit, quel que soit le compartiment confessionnel auquel leurs preferences les rattachent. Esperons meme qu'elle aidera ä resoudre les nombreuses difficultes d'ordre politique, pratique et actuel que je me borne ä vous indiquer de loin et qui ont amene la crise religieuse que nous traversons.

Livrons nous donc ä nos etudes et ä nos colloquia docta dans cette charmante ville de Bäle qu'illustrent de vieilles traditions scientifiques et liberales, qui est toujours ä la hauteur des progres de l'esprit humain et dont les autorites ainsi que les savants nous fönt un accueil si bienveillant, si fraternel. Elle est pour nous tous en ce moment un de ces templa serena oü, plus haut que nos dissensions, plus haut que nos miseres, plus haut que les passions humaines excepte une; seulement celle-lä ne connait rien qui la depasse la passion du vrai poursuivi ä travers tous les obstacles, aiguillonnee par ces obstacles eux-memes, deploie ses grandes ailes et nous empörte vers l'ideale region tout est clarte, justice, charite, parce que tout y est Lumiere!

Herr Prof. Dr. Nathan Soederblom (Upsala) als Vertreter der h. schwedischen Regierung:

Le gouvernement suedois a voulu, par une delegation ä ce Congres, prouver son interet pour les etudes historiques et compa-

64 Eröffnungssitzung

ratives de la religion. Jai donc l'honneur de remercier en son nom le Comite qui nous a convie ä Bäle. et de lui presenter de bons voeux pour les resultats de son activite.

Plus les etudes de L'histoire religieuse sont etendues et appro- fondies, plus nous nous rapprochons de ce qui reste encore un but lointain de notre science si riche et si variee et en meine temps si strictement defmissable je veux dire: l'histoire de la re- ligion. la vue d'ensemble de la poussee organique de la vie reli- gieuse dans l'humanite. Nous entrevoyons dejä de grandes lignes du chemin trace, ä mainte reprise et en maint lieu, mais d'une facon analogue, par l'evolution religieuse, nous gagnons peu ä peu une orientation elementaire sur ce vaste champ ce qui nous aide ä nous debarrasser peniblement et lentement de quelques-unes des illusions forcement si repandues et des conclusions hätives des commencements: ainsi par exemple, les faciles theories d'emprunt perdront leur credit au profit de la penetration serieuse dans la vie intrinseque de chaque phenomene et de chaque domaine de la religion, et les generalisations rapides par suite de ressemblances plus ou moins fortuites et superficielles feront place ä des distinc- tions necessaires.

Get ideal, encore lointain, qui sappelle l'histoire de la re- ligion, fera aussi ressortir encore davantage ce qui, dans le deve- loppement religieux, occupe une place ä part, ce qui, gräce ä des conditions particulieres ou uniques, presente un caractere parti- culier ou bien un caractere unique.

En precisant sa methode historique et en l'appliquant d'une fa^on de plus en plus rigoureuse la science historique et compara- tive de la religion fera de plus en plus comprendre ä ceux pour qui la religion est l'interet vital avant tout, mais qui envisagent si souvent avec crainte ou avec mefiance l'etude qui nous reunit ici, que nos recherches n'ont pas pour but de fagonner en quelque sorte une espece de religion ou bien de nous en debarrasser mais de rendre, dans le miroir de la conscience scientifique, l'image essentielle du developpement complexe de la vie religieuse.

G'est en rendant hommage aux maltres de notre science, pre- -<n ts ici ou absents, vivants ou morts mais bien vivants dans

Eröffnungssitzung. 65

notre reconnaissance , aux maitres qui ont, par l'intuition du genie ou par la rigueur de la methode, aide ä editier la base solide des etudes de la religion dans l'ensemble de ses manifestations ; et c'est dans la persuasion que ce Congres contribuera ä son tour au but commun et lointain de notre science en rapprochant les ouvriers de differents cötes.

C'est avec ces hommages et avec ce voeu que je presente ici de vifs et respectueux remerciments pour les paroles de bienvenue qui viennent d'etre prononcees.

Herr Prof. Dr. Paul Haupt (Baltimore) als Vertreter der h. Regierung der Vereinigten Staaten Nordamerikas betont das be- sondere Interesse, welches das von ihm vertretene Land am Auf- schwung der religionsgeschichtlichen Studien nimmt: Seit Jahren werden an amerikanischen Universitäten religionsgeschichtliche Vor- träge gehalten; wertvolle religionsgeschichtliche Werke sind in Amerika veröffentlicht worden. Obgleich in den Schulen kein Religionsunterricht erteilt wird und Religion als Privatsache gilt, pulsiert in Amerika nicht weniger religiöses Leben als anderwärts, und Moralität und Opferwilligkeit dürften kaum irgendwo so gross sein wie dort. Es ist denn auch stets der Unterschied zwischen Kirche und Religion festzuhalten. Wie es keine katholische Mathe- matik gibt, so nur Eine wissenschaftliche Auslegung der Urkunden der Religion. Aber die Bibel wird vielfach nicht richtig verstanden : das zeigt die Zahl der Sekten. Manche Religionsstifter sind eben neuropathische Personen gewesen, und die von ihnen auf ihre Jünger ausgehende Suggestion hat ihre Rolle gespielt. Hier wird die Wissenschaft aufklärend wirken mit dem Ideal der Freiheit, Gleich- heit und Brüderlichkeit: das sittliche Moment wird überhaupt in der Zukunft den Hauptpunkt bilden.

Herr Prof. Dr. R. Garbe (Tübingen) als Vertreter der Uni- versität Tübingen und als solcher zugleich als deutscher Delegierter:

Kongressbericht. 5

66 Eröffnungssitzung.

Herr Präsident! Hochansehnliche Versammlung!

Ich habe die Ehre zugleich im Namen meiner Kollegen, der Herren Professoren von Schanz und Gottschick, die wärmsten Glückwünsche der Universität Tübingen zu überbringen.

Als die Einladungen zu diesem Kongress ergingen, stand es bei der Kgl. Württembergischen Regierung und an unserer Univer- sität sogleich fest, dass wir hier nicht fehlen dürften. Hat doch Tübingen mehr Anlass als die meisten anderen deutschen Univer- sitäten, hier vertreten zu sein. Denn schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts hat Rudolf Roth, mein grosser Lehrer und Amts- vorgänger, die allgemeine Religionsgeschichte in den Lehrplan der Tübinger Universität eingefügt; und seitdem ist kaum ein württem- bergischer Theologe ins Leben hinausgegangen, ohne durch diese Vorlesung seinen Blick erweitert und die Kenntnisse erworben zu haben, ohne die eine theologische Ausbildung immer unvollkommen bleiben muss. Daran hat sich auch in den letzten Jahrzehnten nichts geändert, in denen die Religionsgeschichte auf eine ganz neue Basis, in das Zeichen der Entwicklungsgeschichte, gestellt ist. Auch jetzt noch unterstützen die beiden theologischen Fakultäten in Tübingen das Studium der allgemeinen Religionsgeschichte auf das nachdrücklichste; und ich glaube nicht zuviel zu sagen, wenn ich behaupte, dass in keinem Teile Deutschlands das Interesse für die Arbeiten dieses Kongresses lebhafter ist als in dem benachbarten, durch so viele Bande mit der Schweiz verbundenen Württemberg.

Herr Prof. Dr. Leopold von Schröder (Wien) als Ver- treter der Akademie der Wissenschaften in Wien und der philosophischen Fakultät der Wiener Universität:

„Die Akademie der Wissenschaften in Wien und die philo- sophische Fakultät der Wiener Universität haben mich beauftragt, dem II. internationalen Kongress für allgemeine Religionsgeschichte in Basel Gruss und Glückwunsch zu entbieten. Diesen Gruss und diesen Glückwunsch bitte ich als ein Zeichen und einen Beweis dafür aufzunehmen, dass auch in Oesterreich, auch in der alten

Eröffnungssitzung. 67

Kaiserstadt Wien lebendiges Interesse und volles Verständnis der hohen Ziele und Aufgaben dieses Kongresses vorhanden sind. Mögen die Arbeiten desselben von reichstem Erfolge gekrönt sein!"

Herr Prof. Dr. Ed. Mahl er (Budapest) als Vertreter des Ungarischen Nationalmuseums:

Hochverehrte Versammlung!

Es ist mir die Ehre zu teil geworden, Ihnen den Gruss meines ungarischen Vaterlandes und den der hier erschienenen Kompatrioten zu übermitteln. Indem ich mich dieser höchst ehrenden Aufgabe entledige, kann ich nicht umhin, auf die hohe Bedeutung hinzu- weisen, welche der Geschichte der Religionswissenschaft zukommt. Bei keiner wissenschaftlichen Disziplin ist so sehr die freie und unbefangene Forschung notwendig, als auf dem Gebiete, zu dessen Beratung und gegenseitigen Unterstützung wir uns heute in so solenner Weise zusammenfinden. Aber weil dem so ist, begrüssen wir es mit Freude, dass zur Stätte unserer Beratungen eben Basel bestimmt wurde, jene Stadt, in der sich die in den Worten Egalite, Fraternite und Liberte zum Ausdrucke kommenden Ideen in so vollkommener Weise paaren mit den Be- dingungen zur Erlangung echten, tiefgehenden Wissens. Nirgends aber, vielleicht in keinem Staate der Welt, findet das harmonische Wirken dieser beiden Faktoren : Freiheit und Wissen, soviel Wür- digung und Anerkennung als bei uns in Ungarn, in dem Lande, das während des mehr denn 1000-jährigen Bestandes seiner staat- lichen Institutionen nicht nur stets für die politische Freiheit ge- kämpft, sondern auch ^für die Freiheit des Geistes zu jeder Zeit die Fahne erhoben hat.

Im Namen Ungarns, im Namen des Ungarischen National- museums, das ich hier zu vertreten die Ehre habe, sowie im Namen der aus Ungarn hier erschienenen Kongressteiinehmer übermittle ich allen Baslern unsern herzlichsten Gruss.

Herr Prof. Dr. A. Linaker (Florenz) im Namen seiner italienischen Herren Kollegen:

5*

68 Eröffnungssitzung.

Signor Presidente, signori membri del Comitato ordinatore del Congresso, signore, signori!

E dal paese dove e sorsa una forma religiosa che nel mondo occidentale ha avuto tanta influenza ed ha si grande combattivitä suscitando odi ed amori immensi, e dal paese di Savonarola il cui luogo di supplizio cospargiamo anche oggi di rose, ch'io porto al Congresso Internazionale della Storia delle Religioni il mio saluto !

Basilea ha raccolto degnamente l'ereditä del Congresso di Parigi, mentre la sua sorella Ginevra si prepara a ricevere il Congresso di Filosofia due rinnioni che hanno si grande affinitä.

Se i Congressi segnano le pietre miliari del Cammino d'una scienza, il Congresso della Storia delle Religioni ha segnato im grande progresso nmano.

Non e riunione di propaganda, e riunione di uomini che serenamente studiano questo grande fenomeno delle religioni, la loro origine, il loro intrecciarsi, il loro diffondersi!

Ciascuno, credente o no, porta il suo contributo sereno di studi.

E come dalle vette di queste Alpi sublimi noi vediamo fiumi sorgere e crescere e sboccare gli uni negli altri e diffondersi per 1' Europa e l'occhio rimane ammirato, cosi noi dobbiamo da un' altezza di pensiero vedere le forme tutte che questo potente senti- mento che e il sentimento religioso, prende.

Non vogliamo strappare la fede a nessuno, ne modificarla: lasciamo come il padre nelle novelle del Boccaccio che ciascuno creda la sua religione, vera.

Noi studiamo il fenomeno meditabile dal filosofo, dal socio- logo, dallo storico.

Signori! Io porgo il mio reverente e fraterno saluto daH'Italia alla Svizzera ospitalc, centro di civiltä nell'Europa, alla famiglia internazionale degli studiosi della Storia delle Religioni.

Herr Prof. Dr. H. Balfour (Oxford) versichert die Versamm- lung der Sympathie der Universität Oxford, als deren Ver- treter er spricht, und überbringl ihr warme und herzliche Grüss»-

Eröffnungssitzung. 69

seitens des Anthropologischen Institutes von Gross - britannien, das ihn zugleich zum Kongress abgeordnet hat.

Herr Prof. Dr. E. Montet (Genf) dankt im Namen der schweizerischen Universitäten für die Einladung nach Basel. Er erinnert daran, wie seit langer Zeit an diesen Univer- sitäten Lehrstühle für allgemeine Religionsgeschichte errichtet worden sind, der erste an der von ihm vertretenen Universität Genf, und gibt seiner Freude darüber Ausdruck, dass einer dieser Universi- täten, speziell Basel, die Ehre zugefallen sei, den Kongress zu veranstalten.

Rastamji Edulji Dustoor Peshotan Sanjana, B. A . Deputy Highpriest der Parsees (Bombay) spricht seinen warmen Dank für die Einladung zum Kongresse aus, der von den Parsees mit der grössten Befriedigung und mit dem lebhaftesten Interesse verfolgt werde. Es seien schon so viele Kongresse für politische, medizinische, naturwissenschaftliche und andere Zwecke abgehalten worden, aber bis vor kurzem noch keiner für allge- meine Religionsgeschichte, obgleich diese Wissenschaft von grösster Wichtigkeit sei und die Mitwirkung aller Freunde der Wahrheit in höchstem Grade verdiene. Die Parsees wollen dabei nicht zu- rückbleiben ; sie stehen in religiösem Enthusiasmus keinen andern Religionsgenossen nach. Sie legen dabei ein Hauptgewicht auf Moralität: ohne Moral keine Religion. Und der Staat bedarf der Religion; er kann ohne sie nicht bestehen, wenn auch umgekehrt Religion ohne Staat bestehen kann. Die Parsees verhalten sich zu allen Religionen gleich freundlich: sie schätzen den Menschen nach seinen Handlungen gegenüber den Mitmenschen.

Herr Prof. Dr. H. Derenbourg (Paris) als Vertreter der Academie des inscriptions et belles-lettres de l'Institut de France :

„L' Academie des inscriptions et belles-lettres de l'Institut de France, qui m'a fait l'honneur de nie designer pour la representer au Congres de Bäle, ne pouvait pas se desinteresser de votre ceuvre.

70 Eröffnungssitzung

Ses membres en effet sont tous adonnes, plus ou moins exclusive- ment, ä Fhistoire des religions, dont ils observent, chacun dans son champ d'etudes, les manifestations, les phases, les caracteres et les tendanees, dont ils suivent, avec des competences egales et diverses, les evolutions historiques dans l'espace et dans le temps. Mes confreres m'ont charge de vous exprinier une confiance aussi absolue que justifiee dans la direction scientifique que vous saurez donner ä vos travaux, une esperance legitime de resultats nouveaux, atteints, entrevus ou meme recherches dans la bonne voie avec critique, methode. sagesse, calme et serenite."

Herr Prof. Dr. Bon et Maury (Paris) als Vertreter der Uni- versität Paris:

Monsieur le President du Comite organisateur. Monsieur le Recteur de l'Universite de Bäle,

Je viens au nom de la nouvelle Universite de Paris saluer la vieille Universite de Bäle et le Comite qui a organise le 2e Con- gres international de l'histoire des religions. Les liens qui unissent nos deux universites sont anciens. ils remontent au delä du XVe siecle. Un de vos celebres professeurs et predicateurs, Jean Heynlin Lapide). vint etudier ä Paris, il obtint le grade de docteur en theologie et fut elu recteur de notre Universite (1469). C'est ä lui que nous devons la premiere presse, qui fut installee a la Sorbonne. Un peu plus tard, Erasme vint etudier au College de Montaigu et. de Bäle. il se fixa pour longtemps, resta en cor- respondance avec ses amis Parisiens. Ces liens seculaires, nous sommes heureux de les resserrer a l'occasion de ce Congres de l'histoire des religions ä Bäle. Gardez- vous de croire, en effet, que l'Universite de Paris se desinteresse des questions religieuses. La France peut bien etre anti-clericale. eile ne sera jamais anti-reli- gieuse. Nous avons ä Paris une cliaire de droit canon. une Facultö de theologie protestante et la Section religieuse de l'Ecole pratique des Hautes-Etudes, ou sont etudiees les principales religions du monde.

vous apporte donc, au nom du Recteur et du Conseil de notre Universite* de Paris, nos cordiales salutations et nos vosux

Eröffnungssitzung. 71

pour que les travaux de ce 2e Congres international contribuent au progres de la Science des religions et ä l'avancement de la cause de la tolerance et de la paix religieuse.

Herr Prof. Dr. H. J. Holtzman n (Strassburg) als Vertreter der Universität Strassburg:

_Bei einem Internationalen Kongress, dessen Verhandlungen religionsgeschichtlicher Natur sein sollen, wollte und durfte auch die Strassburger Universität nicht un vertreten bleiben. Hat doch einst bei der Neugründung derselben kein Geringerer zu ihrem Lehr- körper gehört, als Max Müller, an dessen Namen damals keiner, der religionsgeschichtliche Spuren verfolgte, vorübergehen konnte. Seither ist ein Menschenalter vergangen. Manche Frontverände- rung hat auf diesem Gebiet stattgehabt. Die religiöse Physio- gnomie der Zeiten und der Völker stellt sich heute den wissenschaft- lichen Forschern und Denkern vielfach in verändertem Lichte dar. Auch unsere Universität war bei diesen Fortschritten beteiligt. Die Vertreter der Philosophie haben sich um die Vertiefung unserer Begriffe vom Wesen und Entwicklungsgang der Religion bemüht, und wenn einst Max Müller von der vergleichenden Sprachwissen- schaft Brücken zur vergleichenden Religionswissenschaft gebaut hat, so darf sich auch Strassburg der Beihilfe rühmen, welche in dieser Richtung vor allem seine Orientalisten geleistet haben. Aber auch die klassische Philologie hat bei uns. zumal in den letzten Jahren, einer deutlichst bemerkbaren Tendenz auf Religionskunde gehuldigt. Wertvolle Beiträge zur Erforschung der neutestament- lichen Urkunden sind geliefert worden. Man hat die religiöse Atmosphäre, in die das Christentum eingetreten ist. genauer analy- siert und bisher fast unbeachtete Grundstoffe derselben entdeckt. Die Geschichte des kaiserlichen Rom ist nach der Seite hin be- leuchtet worden, wo sie sich mit den Geschicken der ältesten Kirche berührt. Wenn gleichwohl statt des Vertreters eines derartigen Studienbetriebes jetzt ein Theologe Ihnen Grösse aus Strassburg darbringt, so mögen Sie darin die Ueberzeugung angedeutet finden, dass vor allem religionsgeschichtliches Wissen es ist. in dessen Be- nützung und Verwertung der unterscheidende Charakter einer alte

72 Eröffnungssitzung.

Schranken überschreitenden und insofern neuen Theologie bestehen wird. Wir Theologen alten Stils aber leben des Glaubens, dass wir bei solcher Erweiterung und Bereicherung unseres Interesse- kreises nichts Wesentliches verlieren, wohl aber schärfer teilende Massstäbe für Unterscheidung dessen gewinnen werden, was in der uferlosen Wasserfläche der historischen Bildungen lebendige religiöse Strömung heissen darf. Solcherlei Frucht möge auch aus unseren hiesigen Verhandlungen erwachsen!"

Endlich war von Herrn Prof. Dr. H. A. Strong (Liverpool) al> Vertreter der Universität Melbourne folgender Brief ein- gegangen :

Conventui prudentium Basileae hoc mense habito salutem plurimam mittit universitas Melburniensis.

Ne forte vobis videatur, viri illustrissimi, nimium distare in- sula illa, an dicam continentem? in qua sita est Universitas Melburniensis, quam ut scientiae quidquid proprium afferat, paucas tarnen credimus existere regiones in hoc orbe terrarum, quae doctis exempla insigniora priscae religionis praebeant.

Accidit autem apud nos, id quod et ubique accidere solet, ut aborigenes paullatim potentioribus et magis strenuis cesserint, ita ut in parte Australiae quae ad notum spectat, paucissimi admodum inveniantur, qui pristinos mores et cultus retineant intactos.

Sed in parte continentis septentrionali, adhuc vagantur indi- genarum tribus, quibus vita seculi huius ignota : quorum mores harbari singulares excuderunt religionis formas, antiquitatis remo- tissimae vestigia referentes.

Si cui ergo e doctis Europas viris digna videbitur religio imstratiuni investiganda, precamur ne obliviscatur se univcrsitatis Melburniensis auxilium quasi suo iure repetere posse.

H. A. Strong,

apud lTniversitatem Lyrpliam hodie, olim Melhurniee Professor.

Die geschäftlichen Mitteilungen siehe Seite 14 f.

Prof. Dr. Albrecht Dietoricli. 73

I. Plenarsitzung 30. August 1904, nachmittags 4 Uhr.

Professor Dr. Alorecht Dieterich (Heidelberg).

Die Religion der Mutter Erde.

(Resume.)

Nur durch Erforschung der „Volksreligion" und ihrer bei den einander fernsten und verschiedensten Völkern beobachteten gleichen Formen können wir vordringen zur Erkenntnis von Grundformen religiösen Lebens überhaupt. Die Erforschung der Volksreligion beginnt beim Volksbrauch, und die Erforschung des Volksbrauchs hat bei den Bräuchen um Geburt, Hochzeit und Tod einzusetzen, wenn wir zu den Wurzeln religiöser Anschauung von den Grund- erlebnissen und Grundrätseln menschlichen Lebens einen Weg der wissenschaftlichen Untersuchung ausfindig machen wollen.

Ein paar ganz vereinzelte Zeugnisse des Altertums, von dem ich ausgehe, die nur durch die Kenntnis analoger Ueberlieferungen von andern Völkern verständlich werden, lehren, dass auch bei Griechen und Römern die Erde einmal als Mutter aller Menschen gegolten hat, die sie gebiert und wieder in ihren Schoss aufnimmt, um sie neu zu gebären. Von einem einst starken Glauben an die Mutter Erde sind einige Bräuche, aus später Zeit bekannt, schwache Nachklänge: die Kinder nach der Geburt an die Erde zu legen, die Sterbenden auf der Erde den Tod erwarten zu lassen, Kinder unter einem gewissen Alter nie zu verbrennen (auch wenn das

74 I. Plenarsitzung.

sonst üblich war), sondern zu begraben, damit sie in einer neuen Geburt aus der Erde wiedergeboren werden könnten.

Der Glaube an die Mutter Erde ist in seinem ursprünglichen Sinn und seiner unmittelbaren Kraft durch nachweisbare Vorstel- lungen der Naturvölker und unseres eigenen Volkes allein ver- ständlich zu machen. So orientiert, können wir die Reste solcher Anschauung in der antiken Welt verfolgen, in ihren Haupt- erscheinungen von altem „Mutterkult" in verschiedenen griechischen Staaten und Stämmen zur Mutterreligion von Eleusis, von viel- fachem Brauch alter Mystik, in dem der Eingeweihte durch Neu- geburt sich sakramental ein zweites Leben aus der Mutter Erde garantiert, zu den weitverbreiteten Kulten der „grossen Mutter" und der Isis.

So allein wird auch nur eine Einzelheit von vielen die bisher so rätselhafte Parallelität oder Identität zwischen Hochzeits- ritual, Einweihungsritual der Mysterien und Totenritual unmittelbar verständlich. Der Kult der Mutter Erde tritt immer mehr in ge- heimnisvolles Dunkel, und die religiös so tiefgreifende Vorstellung von unser aller Mutter, die eine der Wurzeln religiösen Denkens überhaupt ist, tritt in den letzten Jahrhunderten antiker Religion mehr und mehr zurück in die Schatten geheimster Kultbegehungen vor dem immer stärker ins Licht rückenden religiösen Bilde von „unserm Vater". Der alte Glaube sucht hin und wieder zur Geltung zu kommen, wie z. B. wenn im Christentum die Kirche als die Mutter gedacht wird, die die Gläubigen in ihren Schoss aufnimmt und wieder gebiert. Was Goethe im Faust von den Müttern dichtet, ist unmittelbar von antiker Ueberlieferung angeregt und lässt uns lebendig den religiösen Schauer empfinden, den der antike Mensch empfand, der zur Mutter Erde betete.

Der Vortrag, der im vorstehenden ganz kurz skizziert ist, wird in stark erweiterter Fassung im Archiv für Religionswissen- schaft VIII, 1905 erscheinen (Teil I und II erschienen S. 1—50). Schon das, was die beiden letzten Sätze der obenstehenden Skizze andeuten, war mir im Vortrage selbst nicht möglich auszufahren, d;t die gesetzte kurze Frist für den Einzelvortrag zu überschreiten

Prof. Dr. Albrecht Dieterich. 75

nicht verstattet, ward. Eine ins allgemeinere gehende Schluss- betrachtung, die ich gerade wegen einiger prinzipiellen Gesichts- punkte auf dem Religionsgeschichtlichen Kongress vorzutragen sehr gewünscht hätte, mögen auf Wunsch der Redaktion dieser Berichte hier eine Stelle finden:

„Es ist von typischer Wichtigkeit, wie bei diesem Problem ineinandergreift die Erkenntnis der immer gleichen Denkformen, in die das Werden des Menschen gefasst wird, und die Kenntnis der Geschichte der Religion im Altertum und in der Kultur, die von ihm abhängt. Es gilt zunächst eine Reihe solcher paradigmatischer Fälle zu untersuchen, um zur Erforschung der Volksreligion im tiefern Sinne vorzudringen, ohne die alle höhern und höchsten geschichtlichen Religionen heute wie längst gar nicht oder falsch verstanden werden. Es ist Zeit, das ungeheure Material zu nutzen, das von Tag zu Tag wächst in unabsehbarer Fülle, in unaufhalt- samem Vorwärtsdrängen. Die Mutter Erde spendet uns die Steine, die da reden, die Papyrusrollen; sie öffnet ihre Gräber und gibt uns wieder die Gedanken vergangener Geschlechter, die in ihr be- graben waren. Es ist wissenschaftlich das Zeitalter der Religions- geschichte, in dem wir leben. Das Material, das uns lockt und abschreckt zugleich, ist nur zu bewältigen mit philologisch-geschicht- licher Forschung Philologie, verstanden als die wissenschaftliche Erforschung der Gesamtkultur eines Volkes. Und diese Erforschung, soweit sie auf Vergangenes geht, beruht nur auf der Interpretation der Denkmale in Sprache und Kunst, der Texte und der Monumente. „Ethnologie" ist nach jenem Begriff ebensogut Philologie; auch die wilden Völker können nur durch solche Philologie wirklich erforscht werden. Auf den Namen kommt nichts an; aber das ist für die Zukunft unserer grossen Wissenschaft über alles wichtig: nur wer die ganze Kultur eines Volkes kennt und im ganzen zu erkennen sucht, kann Religionsgeschichte und ihre tiefern Probleme fördern. Wer aus einer ganzen Kultur hier nur ein religiöses Stück oder eine religiöse Literatur kennt, aus einer grossen Kultur dort nur ein paar zufällige Notizen besitzt und nun vergleicht, nützt der Wissenschaft nichts oder wenig und schadet ihr viel. Religions- wissenschaft in diesem Sinne und Religionshistoriker dieser Art in

76 I. Plenarsitzung.

Reinkultur kann und sollte es nicht geben. Aber Philologen und Ethnologen, die sie zum Hauptproblem ihres Lebens machen, muss rs immer mehr geben. Und das müssen und sollen wir alle fordern, dass die wissenschaftlichen Arbeiten, die sich innerhalb der ver- schiedenen Fachgebiete den religionsgeschichtlichen Aufgaben widmen, gerade so viel Recht auf einen festen Platz, auf ihren Sitz an der Sonne haben, als andre, die sich andern Teilen ihrer Fächer vor- wiegend widmen. Wir entbehren in Deutschland zumeist des rechten Verständnisses vieler massgebender Faktoren für religionsgeschicht- liche Forschung. Nicht die Einrichtung religionsgeschichtlicher Professuren auf deutschen Universitäten und erst recht nicht die Umwandlung der theologischen in religionsgeschichtliche Fakultäten, von der eigentlich mir die ernsthaft gesprochen haben, denen da- gegen zu reden Bedürfnis war, würden die Zuversicht geben, eine echte Religionswissenschaft der kommenden Generation reifer und reicher und freier zu überliefern. Die orientalische, indische, klas- sische und germanische Philologie haben in Deutschland die Haupt- arbeit angefangen, in England namentlich die Ethnologie (bezw. Anthropologie). Unsere Archegeten im 19. Jahrhundert, Jakob Grimm und Edward Tylor, das sind die beiden Namen, die immer über uns sein mögen. In der Vereinigung der Wege, die sie ge- wiesen, liegt die freie Bahn zu den grossen lockenden Zielen. Nur so werden wir endlich schonungslos und illusionslos Ernst machen mit dem Gedanken geschichtlicher Entwicklung, auch in der Geschichte der Religion und der Religionen. Es gibt keine Wissenschaft des Göttlichen, nur die Entwicklung des menschlichen Denkens vom Göttlichen. Es gibt wissenschaftlich keine göttliche Offenbarung, sondern nur Entwicklung menschlichen Denkens von göttlicher Offenbarung. Sollte ich heute in einem Bilde reden, so meine ich: wir bleiben, wenn wir wissenschaftlich untersuchen, wohin uns auch sonst die Erhebung des Glaubens tragen möge. die Kinder unserer Mutter Erde."

Beriehlitriinir. Lies auf dieser Seite /.eile 4 von oben: Arbeiter statt Arbeiten; Zeile 7 von unten: der Entwicklung statt die Kntwicklung.

Prof. Dr. Paul De ussen. 77

Professor Dr. Paul Deussen (Kiel).

Ueber die innere Verwandtschaft der indischen Religion mit der christlichen.

(Resurae.)

Die drei tiefsten Religionen sind unzweifelhaft der Brahma- nismus, der Buddhismus und das Christentum. Alle drei treffen zusammen in einem Erlösungsbedürfnisse: der Brahmanismus will von der Vergänglichkeit erlösen durch Erkenntnis des Ichs, der Buddhismus vom Leben (= Leiden) durch das Nirwanam (= Ausblasen alles Leidens) mittelst Auslöschens der Begierde, das Christentum durch Erlösung von der Sünde. Der Brahmanismus stellt ab auf Umwandlung des Erkennens, der Buddhismus auf Umwandlung des Gefühls, das Christentum auf Umwandlung des Willens. Alle drei Religionen haben ihr Recht. Das Christentum geht den zen- tralen Weg. Aber wie erst Erkennen, Gefühl und Wille zusammen das Ganze der menschlichen Seelentätigkeit ausmachen, so bietet erst die Zusammenfassung der drei Religionen eine Totalität.

Bezeichnend ist die Uebereinstimmung in den zentralen Lehren der Stifter des Buddhismus' und des Christentums. Buddha geht (in seiner Predigt in Benares) aus vom Leiden, stellt den Hang am Dasein als dessen Ursache hin und als sein Heilmittel die Auf- hebung des Willens zum Leben. Jesus geht (in der Bergpredigt) von der Tatsache der Sünde aus und zurück auf die böse Begierde als ihre Ursache und fordert deren Aufhebung.

Wie sehr und wie wohltätig ergänzt Indiens Religionslehre die biblische Religion! Diese predigt den Monergismus: „Gott ist es, der in euch wirket", „der natürliche Mensch ist unfähig zum Guten". Ein Sträuben, das anzunehmen, ist begreiflich, weil diese Lehre zur schrecklichsten aller Lehren führt, der von der Prädesti- nation. Indiens Lehre dagegen mildert jenen schroffen Gegensatz von Mensch und Gott, indem sie sagt: Alles Gute ist von Gott;

78 I Plenarsitzung.

Gott aber ist unsere eigene metaphysische Wesenheit, die ewige. räum- und zeitlose Existenz unseres Wesens, von der wir wohl abgedrängt sind, aus der sich das Gute aber wieder emporringt.

Professor Dr. Jean ReMlle (Paris).

L'histoire des religions et l'histoire ecclesiastique.

(Resume.)

M. Jean Reville s'est propose de montrer les Services que l'histoire des religions non chretiennes peut rendre ä l'historien du Christianisme, et de combattre la defiance que cette discipline nouvelle inspire trop souvent aux Facultes de theologie, qui devraient en etre les foyers par excellence. Elles ont, en effet, pour mission d'etudier scientifiquement tout ce qui touche ä l'histoire et ä la Psychologie religieuses.

Pour l'enseignement relatif ä l'Ancien Testament la cause est dejä entendue. On reconnait aujourd'hui, parfois meme d'une facon exageree qu'il est impossible d'etudier scientifiquement la religion d'Israel et le Judaisme sans s'initier aux religions primi- tives des Semites, ä Celles de l'Assyro-Chaldee, de l'Egypte et de la Perse. Mais, il en est de meme pour l'etude du Nouveau Testa- ment, laquelle constitue le fondement de l'histoire ecclesiastique. Elle implique la connaissance du Judaisme populaire, avec ses origines complexes, et du Judaisme hellenique. La premiere histoire de la pensee chretienne (gnosticisme) et des eglises naissantes est inseparable de l'etude des traditions religieuses syriennes et egyp- tiennes, des speculations religieuses populaires ou theologiques chez les Grecs. Tout le monde, aujourd'hui, reconnait que le dogme orthodoxe chretien s'est forme sous l'action de la philosophie grecque, appliquee aux faits chretiens, et l'on s'accorde ä attribuer

Prof. Dr. Jean Reville. 79

une part importante aux Mysteres grecs et orientaux dans la Consti- tution definitive du culte chretien aux IIIme et IVme siecles, de möme que l'art pai'en est le generateur du premier art chretien.

L'etude de la religion Romaine n'est pas moins necessaire ä l'histoire ecclesiastique que celle des religions grecques ou orientales, soit pour l'intelligence de la genese de la puissance de l'Eglise de Rome, soit pour expliquer l'evolution religieuse qui prepara la societe pai'enne ä devenir chretienne (syncretisme du IIIme siecle), soit pour eclaircir bien des points de l'histoire de la hierarchie catholique, soit surtout pour nous initier ä la psychologie religieuse differente de l'Occident latin et de l'Orient grec, laquelle se manifeste d'abord dans la difference de l'evolution dogmatique (speculative en Orient, pratique et soteriologique en Occident) et finalement dans la Sepa- ration des Eglises grecque et latine.

C'est encore le polytheisme antique, dejä subordunne dans la societe paienne ä une sorte de monotheisme superieur, qui fait invasion dans l'Eglise chretienne ä partir du moment les foules insuffisamment catechisees entrent en masse dans la communion chretienne (cultes des saints, de la Vierge ; introduction de rites et d'ornements d'origine paienne; Substitution de cultes locaux chre- tiens ä des cultes locaux pai'ens).

Avec le Manicheisme et ses succedanes, c'est le dualisme mazdeen qui se prolonge jusque dans le monde chretien. Puis ce sont les religions celtique, germanique, scandinave, qui laissent en grande quantite des survivances dans la foi populaire du moyen äge occidental.

D'autre part, le plus grand evenement religieux du premier moyen äge, la conquete encore si peu etudiee d'une grande partie de la societe chretienne par Tlslamisme, pose devant l'historien ecclesiastique le grand probleme des relations entre le Christianisme et le Mohametisme. Et la premiere renaissance du moyen äge le ramene non moins imperieusement aux sources arabes et juives d'oü eile procede.

Enfin l'experience aujourd'hui acquise prouve que l'etude des religions relativement simples des non civilises ou des civilisations elementaires est necessaire ä l'historien ecclesiastique, pour l'intelli-

80 I. Plenarsitzung.

gence de l'histoire religieuse dans tous les milieux l'etat des esprits est reste simple et les conditions de la vie sociale se rapprochent de Celles des civilisations elementaires.

De quelque cöte que nous envisagions les choses, il apparait de plus en plus clairement que la connaissance de la plupart des religions non chretiennes est indispensable äl'historien ecclesiastique. On peut ajouter que l'apologetique chretienne aurait bien tort de s'en effrayer, puisqu'aussi bien, dans l'etat actuel du monde, avec les relations sans cesse croissantes de l'Europe chretienne et de l'Extreme-Orient eonfuceen, taoiste ou bouddhiste, au moment les puissances de cet Extreme-Orient entrent sur la scene de l'histoire mondiale, ce n'est guere que par la comparaison du Christianisme avec ces grandes religions orientales que les croyants pourront etablir la superiorite de leur propre religion. A ce point de vue encore l'etude de l'histoire des religions est appelee ä rendre les plus grands Services au theologien chretien comme ä l'historien ecclesiastique.

In extenso ist der Vortrag inzwischen in der „Revue de l'histoire des religions" erschienen.

Prediger J. Weber (Menzikon, Schweiz).

Ueber den Besuch eines lamaistischen Klosters

in Tibet.

(Gekürzt.)

Tibet oder richtiger Töböd das Hochland von Bod wird vielfach als Hort und Feste des Buddhismus bezeichnet. Da dieses Land nun überreich mit Klöstern gesegnet ist, so dürfen wir wohl nicht mit Unrecht die Insassen der Klöster, die Lamas, als die Hüter und Bewahrer der reinen Lehre Gautamas ansehen. Im Rahmen eines kurzen Vortrags können wir nur einen flüchtigen

Prediger J. Weber. 81

Blick tun in ihr Klosterleben und damit zugleich auch nur einen flüchtigen Blick in die Religion und die religiösen Anschauungen des tibetischen (nicht ,. tibetanischen") Volkes und seiner geistigen Leiter.

Ein tibetisches Original-Gemälde des Klosters Potala in Lhassa, dem 1650 erbauten heiligen Wohnsitze des Dalai-Lama, das gegen- wärtig den profanen Blicken der Engländer preisgegeben ist, ge- währt nebst einigen kleineren Photographien ein vollkommen klares Bild von dem Aeusseren tibetischer Klöster. Wir aber richten unser Augenmerk mehr auf die Priester und ihr Treiben, als die vermeintlichen Hüter und Bewahrer der buddhistischen Lehre.

Die tibetischen Priester heissen Lamas. Dieser Name wird Blama geschrieben und hat die Bedeutung wie Brama.

Treten wir zunächst ein in das Heiligtum des Klosters, in den Tempel der Heiligen. Pietätvoll ist da der Statue de» Sakya Muni Buddha, des Gründers der buddhistischen Lehre, der Ehrenplatz eingeräumt. Ihm zur Seite finden wir zwei andere Statuen, die eine Chanresig oder Avalokitegvara darstellend, inkar- niert in Srongsangampo, dem Könige, der zur Zeit Mohammeds den Buddhismus in das Bergland Tibet einführte, und als dessen weitere Inkarnation der Gyalwa Rinpoche oder Dalai-Lama in Lhassa gilt. Die andere ist die Statue des Padma Sambhawa, der mit magischer Kraft die dem Buddhismus feindlich gesinnten bösen Geister besiegte und die Tibeter in der neuen Lehre unterwies. Was der christliche Wilifried für das heidnische Deutschland ge- worden, das wurde der buddhistische Padma Sambhawa für das im gräulichen Schamanendienst befangene Tibet ; und wie wir jenen kurzweg Bonifacius *) den Wohltäter nennen, so nennen diesen die Tibeter kurzweg Lopon oder den Lehrer. Er ist dem Gedächt- nis des Volkes tiefer eingeprägt als Buddha selber und wird eines- teils inkarniert in dem Herrscher von Nepal, andernteils in Panchen Rinpoche, dem Oberhaupte des Klosters in Traschilungpo, dem Rivalen des Dalai-Lama. Diese drei Statuen stehen meist erhöht im Hintergrunde des Tempels, in ihrer Nähe gewöhnlich noch die

*) d. h. volksetymologisch statt Bonifatius (von bonum fatum) die Redaktion.

Kongressberieht. Q

82 I. Plenarsitzung.

Statue Chambas oder Matrayas, des Buddhas der Zukunft, der bis zu seinem Erscheinen auf Erden noch als Bodhisattwa im Himmel weilt. Diese vier Gestalten nebst einigen untergeordneten, die in Wandgemälden bildlich dargestellt sind, repräsentieren den eigent- lichen Buddhismus.

Vor ihnen aber in langer Reihe erblicken wir die Statuen des Gründers des Kloslers und seiner nachfolgenden Inkarnationen oder Kuschogs. Der Gründer des Klosters hat einst in den Wegen und nach den Anweisungen Buddhas den Irrtum besiegt, die Er- leuchtung und damit die Erlösung aus dem Kreislaufe der Seelen- wanderung gefunden und hat alsdann seine Anhänger nach Buddhas Vorbild unterrichtet und unterwiesen. So wandelte er also als ein Jünger seinem erhabenen Meister nach, aber als es dann mit ihm zum Sterben ging, da hat dieser Jünger seinen Meister weit über- troffen. Denn Buddha hat bei seinem Tode seine Anhänger sich selber überlassen und ist in die Ruhe des Nirwana eingegangen, dieser Jünger aber, der Gründer unseres Klosters, von erbarmen- der, hingebender Liebe getrieben, mag seine Herde nicht verwaist, allein, ohne Hirten und Führer in dieser bösen Welt zurücklassen, er verzichtet deshalb in selbstloser Liebe auf die traumlose Ruhe des Paradieses und kehrt nun zum Wohle der Seinen, sich immer neu inkarnierend, zu ihnen zurück. Da ist es denn erklärlich, dass man wohl in Ehrfurcht des Religionsstifters als eines Pfadfinders gedenkt, aber eigentliche Verehrung zollt man nur dem Gründer des Klosters, der ja noch in seiner jüngsten Inkarnation als Kuschog oder Kloster heiliger lebendig und leibhaftig segnend und lehrend in ihrer Mitte weilt. So übertreffen denn die tibetischen Buddhas, obgleich Jünger des historischen Buddha, ihren Meister weit an reiner Menschenliebe, und als Verkörperungen dieser uneigennützigen Liebe werden des- halb in Tibet alle Inkarnationen, vom Dalai-Lama in Lhassa bis zu den Kuschogs in den kleineren Klöstern herab, göttlich verehrt.

Die Priesterschaft, sowie das ganze tibetische Volk hat also in ihren Klosterheiligen allezeit ein lebendiges, greifbares Vorbild selbstloser, sich für andere aufopfernder Liebe vor Augen. Aber was bewirkt dieses Vorbild? Ohne Bezahlung werden in Tibet

Prediger J. Weber. s:5

keinem Verlangenden die Segnungen und Tröstungen der Religion zu teil. Wohl heisst es, eine Schale Wasser sei ein gar würdiges Opfer, weil es von jedermann mit ungeteiltem und neidlosem Herzen dargebracht werden könne, die Lamas bringen solch billiges Opfer täglich, aber wehe dem Laien, der es wagen wollte, mit nicht gefüllten Händen, sondern nur mit einer Schale Wasser sich dem Kloster zu nahen und den Segen der Heiligen zu erbitten! Wenn in Tibet ein Hiob auf dem Aschenhaufen trauernd sitzt und den Verlust seiner Habe, den Tod seiner An- gehörigen beweint, kein Lama und kein Kloster steht ihm tröstend oder hilfbereit zur Seite; ist man doch davon felsenfest durch- drungen, dass der vom Schicksal also Betroffene durch sein Ver- halten in einer früheren Existenz solche harte Strafe nur verdient hat. Dass eine Witwe vereinsamt durchs Leben gehen muss, ist nur eine Folge ihrer früheren Taten, und der Junge irrt als eine verlassene Waise in der Welt umher, weil er in seinem früheren Leben ein Schurke war. Witwe und Waise sind vielgebrauchte Schimpfworte in Tibet. Alle vom Schicksal Geschlagenen sind selber schuld an ihrem Elende. Und wenn solch ein Bettler hilfesuchend an eine Tür klopft, so erhält er wohl eine Gabe, aber mit den Worten: „Sodnyam yongdug!" (Ich danke dir, dass du mir Gelegenheit gibst, durch ein Almosen an dich meine. Tugendverdienste zu vermehren.) Von den Klöstern und Lamas aber sagt das Volk: „Paria dangches, zurla mi tobches!" (Wir müssen ihnen nur geben, bekommen aber von ihnen nichts.) Und das ist wahr, denn die Klosterinsassen brauchen im Almosengeben sich keine Verdienste zu sammeln, im Gegenteil, sie erweisen dem Volke schon eine grosse Wohltat, wenn sie ihm, sich solche zu erwerben, durch Annahme von Gaben Gelegenheit bieten. Die Lamas kennen und üben deshalb auch kein Mitleid und kein Er- barmen, trotz des erhabenen Vorbildes, das der in ihrer Mitte weilende Heilige ihnen durch seine blosse Existenz vorhält.

Aber jeglichen Mitgefühles bar sind die Lamas denn doch nicht. So erhebt sich wohl bei grossem Sturme ein Lama in der Nacht von seiner behaglichen Schlummerstätte, zeichnet unter Murmeln von Sprüchen auf einem Stückchen Papier ein Haus, auf

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81 I. Plenarsitzung.

einem anderen ein opulentes Mahl, auf einem dritten ein Pferd und übergibt dann diese bemalten Papiersclmitzel durch das Schiebe- fenster seiner Zelle den tosenden Winden. Ueberzeugt, dass die Bilder kraft des gemurmelten Zaubers in Realitäten sich verwandeln und den dem Unwetter preisgegebenen Wanderern zugeführt werden, legt sieh der Lama mit einem „Traschi! Mangalam!" (Grosser Segen ! Heil !), seine neben ihm stehende Gebetsmühle noch einmal in betende Bewegung setzend, zufrieden und wohlgefällig wieder zur Ruhe nieder, er hat ein gutes, verdienstliches Werk getan.

In der Bibliothek des Klosters finden wir das heilige Wort Buddhas, den Kangyur und Stangyur, 208 dicke Bände. In das Verständnis dieser Schriften werden zwar die Lamas eingeweiht: aber nur verschwindend wenige sind es, die über das ABC der Lehren Buddhas hinausgekommen sind. Z. B. kehrt häufig in den Büchern der Satz wieder: „Der Heilige, d. h. Buddha, drehte das Rad der Lehre und sprach." Die Grundbedeutung ist: „Der Heilige, das Wort auslegend, sich darüber verbreitend, lehrte und sprach." Der Scharfsinn der Lamas aber erfand die berühmt-berüchtigte Gebetsmühle, und nun denkt ein jeder Leser beim Lesen dieses Satzes: „Der Heilige, Buddha, drehte die Gebetsmühle und sprach."

Nach religiöser Vorschrift muss das ganze Buddhawort die 208 Bände alljährlich einmal vom Anfang bis zum Ende gelesen werden. Diese schwierige Aufgabe nimmt eine ganze Priesterschar viele Tage in Anspruch. Jedem Lama wird sein Pensum zuerteilt, aber nicht etwa, dass jeder ein abgeschlossenes Ganzes zum Durch- lesen erhält, sondern in der Weise, dass der erste etwa Blatt 1 50, der zweite Blatt 51 100 und so fort bekommt, ganz gleichgültig, ob der zugewiesene Teil mit einem neuen Abschnitt oder mit einem Satzende beginnt. Es kommt eben nicht auf das geistige Erfassen des Inhaltes an, sondern nur darauf, dass der heilige Wortlaut ausgesprochen wird. Tatsache ist, dass ich einmal alles Ernstes gebeten wurde, mich an diesem Lesen zu beteiligen, damil diese religiöse Pflicht mit meiner Hufe schneller zu Ende gebracht werden könne.

Unter dem Bodhi-Baum in Buddha Gaya wurde einst der historische Buddha erleuchtet und erlangte die erlösende Weisheit.

Prediger .1. Weber. 85

Im Andenken daran findet man in jedem tibetischen Klosterhofe einen Baum oder doch einen Mast, den Bodhi-Baum darstellend. Aber am Fusse desselben sitzt niemals ein Lama, um nach dem Vorbilde des berühmten Meisters meditierend, der inneren Erleuch- tung zu warten. Von der Spitze des Baumes resp. Mastes herab weht vielmehr die tibetische Gebetsfahne, vom Winde in heil- und segenbringende Tätigkeit versetzt. Wer in jenem Hochlande noch nach der Anweisung Buddhas das Nirwana zu erreichen sucht, geht nicht in ein Kloster, sondern zieht sich in die welt- und klosterferne Einsamkeit zurück, um der Meditation obzuliegen. Nur wenige sind es noch, die so den schmalen Weg der Nachfolge Buddhas betreten, die grosse Menge des Volkes wie der Lamas kann auf einem leichteren und bequemeren Wege Nirwana er- reichen. Der im Lama-Gewande Einherschreitende ist eo ipso schon auf dem rechten Wege, und naht ihm der Tod, so naht er sich damit auch dem Nirwana, denn der Klosterheilige verfügt über Mittel, die das Eingehen ins Nirwana verbürgen. Ein solches un- fehlbares Seligkeitsmittel ist das Zaza des Dalai-Lama. Wenn dieses Staats- und Religions-Oberhaupt stirbt, so wird sein Leich- nam verbrannt, die Knochen werden zermahlen, mit Erde gemischt und zu sogenannten heiligen Zazas geformt und diese dann den grösseren Klöstern als segenskräftige Reliquien zugesandt. Stirbt nun ein Kloster-Insasse, so wird dem Sterbenden ein Partikelchen dieses Zazas auf die Zunge gelegt, und der Sterbende geht direkt in- Nirwana ein, gleichviel, wie sein Leben auch gewesen sein mag.

Aber auch dem Laien ist es bedeutend erleichtert, das er- wünschte Ziel zu erreichen. Die Mahayana-Lehre der Lamas ver- langt zu diesem Zwecke: Verehrung der Heiligen und des Klerus. das Darbringen von Opfern an Klöster und Priester, das Geben von Almosen an Arme und das fleissige Beten des Om mane päd nie hum!

Dieses auch in der nichtbuddhistischen Welt bekannte Gebet übersetzen wir wörtlich: „Heil dem Juwel in der Lotusblume." Es wird allgemein als ein Lobpreis Buddhas aufgefasst. Ich muss aber sagen, dass ich durch eine bildliche Darstellung eines anderen belehrt worden bin. Auch hat mir einmal ein Lama in einem

86 1. Plenarsitzung.

Kloster in nicht misszuverstehender Weise erklärt, dass das Juwel in der Lotusblume den Phallus darstellt im Begriffe, neues hervor- zubringen und zu erzeugen.

Nach dem allgemeinen tibetischen Volksglauben aber ist dieses Gebel sündenreinigend; jede dieser sechs Silben errettet von dem Wiedergeborenwerden in einer der sechs Wesensklassen, und des- halb murmelt man dieses Gehet allenthalben, mit und ohne Hilfe des Rosenkranzes, der Gebets-Mühlen. Fahnen und Mauern. Die Klöster kommen mit wahrem Erfindungsdrange dem Gebetseifer des Volkes entgegen. In den Nischen der Klostermauern sind die Gebetsmühlen derart angebracht, dass der Besucher mit einer einzigen Handbewegung gleich eine Anzahl in Umdrehung setzen kann. Und in einem besonderen Klosterraume steht eine über- mannsgrosse Mühle, gleich einem grossen Weinfasse, die man gegen Entgelt drehen darf. Eine einzige Umdrehung hat die Wirkung einer sonst tage-, ja wochenlangen Gebetsarbeit. So kann der fromme Tibeter auf leichte Weise im Kloster seiner Sünden ledig werden, mit jedem Klosterbesuch erwirbt er sich ein immer grösseres Anrecht an das selige Jenseits.

Wer aber in Tibet seiner Seligkeit sicher und gewiss sein will, der kauft von den Lamas das Buch: Das goldene Schermesser der Sündentilgung. Es enthält allerlei Zauber- sprüche, durch welche man das Böse fernhalten und das Gute sich zuwenden kann. So lesen wir z. B. in diesem Buche nach einigen zusammenhangslosen Sanskritsilben : „Wer diesen Satz achtmal liest, lesen lässt oder lesen hört, der wird von allen Sünden der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gereinigt." Daraus lässt sich hegreifen, dass dieses Buch grosse Verbreitung gefunden hat, ich kenne Häuser, in denen es in der tibetischen Vollzahl, d. h. in 108 Exemplaren vorhanden ist, dass es viel gelesen wird, und dass es jeder Handelsmann auf seinen Reisen bei sich führt. Die Lamas aber machen mit der Vervielfältigung dieses Buches ein lukratives Geschäft.

Aus dem bisher Gesagten geht zur Genüge hervor, dass der Tibeter die Heiligen seines eigenen Volkes weit über den historischen Buddha erhebt; wir erkennen aber

Frediger J. Weber.

auch, wie die Lehre dieses indischen Weisen durch die Lamas Tibets sehr verwässert, getrübt und verflacht wor- den ist. Tibet kann nicht als Hort und Feste des Buddhis- mus bezeichnet weiden, die Bezeichnung der Religion der Tibeter mit dem Namen Lamaismus ist viel richtiger und zu- treffender. Das wird uns umso klarer, wenn wir sehen, wie diese Religion noch gar manches andere in sich auf- genommen hat.

Die Kaufleute in Zentral-Asien gebrauchen als ein Markzeichen für ihre Waren ein Kreuz, dessen vier Stäbe nach links geknickt sind. Dieses Zeichen, dessen Bedeutung mir unbekannt ist, finden wir schon auf den alten Druidensteinen und auf den Christengräbern in den Katakomben Roms. Professor Schliemann fand es im alten Troja, und die Perser weben es noch heute in ihre Teppiche; dieses alte weitverbreitete geheimnisvolle Zeichen Yungdrung hat die lamaistische Kirche zu ihrem Wahrzeichen gemacht mit der Abänderung, dass sie die einzelnen Stäbe statt nach links nach rechts umbiegt: nach der Richtung, in welcher sich die Gebetsmühle dreht.

Da die Lamas den Schamanismus der Urbevölkerung mit ihren Bon- oder Zauberpriestern nicht auszurotten ver- mochten, so haben sie deren Zauberkünste. Kartenlegen, Astro- logie etc. auch zu ihrem priesterlichen Gewerbe gemacht und sind den Bonpriestern gefährliche Konkurrenten, ja an vielen Orten ver- einigen sich die Lamas mit den Bonpriestern zu gemeinschaftlichem Kampfe gegen Dämonen und Unholde. Aus Furcht vor der Rache der bösen Geister verkleiden sie sich dabei aufs wunderlichste.

Alljährlich wird durch die Macht der Lamas einmal die ganze Ortschaft und Gegend von allem im Laufe des Jahres angesammelten Bösen gereinigt. Wenn wir da sehen, wie der Oberpriester die ganze Sündenmenge der Bevölke- rung und des Jahres auf einen unbekleideten Menschen ladet und dieser nun, von Bannflüchen getrieben, auf rauhen Wegen in die Wüste flieht; oder wenn wir Zuschauer sind und sehen, wie in Ermangelung eines sich dazu hergebenden Menschen das Böse unter schrecklichen Verwünschungen auf einen Ziegenbock gelegt

8S I. Plenarsitzung.

wird, wie dieser durch Flintenschüsse geschreckt wird, aber wohl- weislich durch ein fliessendes Wasser in die Einöde geleitet wird, damit ja nicht eine etwa abfallende Sünde auf dem Wege liegen bleibe, sondern vom Wasser weggeschwemmt werde, dann erinnert uns dieser Vorgang unwillkürlich an den Sündenbock Asasel der alttestamentlichen Juden.

Die rote Farbe oder das Blut, mit dem die Klöster und Häuser bekleckst sind, und womit alljährlich an einem be- stimmten Tage die Ober- und Seitenschwellen der Hauseingänge bestrichen werden, um den dann das Land durcheilenden unheimlichen Würgeengel fernzuhalten, erinnert im einzelnen an das jüdische Pas sah in Aegypten.

Und beobachtet man, dass manche Klöster im weiteren Um- kreise mit weissen Steinen umgeben sind, innerhalb deren Grenzen jedwedes lebende Wesen seines Leibes und Lebens sicher ist, so finden wir auch hierin einen Anklang an das Alte Testament, an die Freistätten bei den Juden. Mir erklärte einst in einem solchen Freikloster ein Lama, dass innerhalb dieser Grenzsteine nur Ein sündiges Wesen hause, eine mäusefangende Katze.

Betrachten wir aber prüfend den Kultus der lamaistischen Kirche: die bis ins kleinste geregelten Zeremonien, die litur- gischen Versammlungen mit Schellen und Räucherwerk, das Beten mit dem Rosenkranz, das Besprengen mit geweihtem Wasser, die feierlichen Umzüge mit Reliquien und Fahnen, die Liebesmahle in den Klöstern, das Bestreichen Sterben- der an Stirn. Händen und Füssen mit heiligem Oel, das im voraus bezahlte alljährlich wiederkehrende Boten der Priester für das Seelenheil Längstverstorbener und anderes mehr, so finden wir. dass der Lamaismus gar manches Aeu^serliche auch von der katholischen Religion in sich aufgenommen hat. vielleicht durch buddhistische Kalmücken, die mit Russland in Verbindung gekommen waren.

Das Gesagte dürfte genügen, darzutun, dass wir es im Lama- i-inus nicht mit einer reinen, selbständigen Lehre zu tun haben, sondern mit einer V erquickung d es Budd h is- mus mit <'i 1 ! r r I »• i Unglauben und religiösen Gebräuchen

Prof. Dr. Leopold von Schröder. 89

aus der Nähe und Ferne. Der nur kurze Einblick in diese Religionsgemeinschaft bringt uns zu der Ueberzeugung, dass der viel gepriesene Buddhismus resp. Lamaismus Tibets unfähig ist, sittlich veredelnd auf seine Anhänger und die Menschheit einzu- wirken, da die Träger dieser Religion in jämmerlicher Indolenz die Gedanken grosser Geister zu schablonenhaften Zeremonien und wertloser Heiligenverehrung herabgewürdigt haben.

II. Plenarsitzung,

31. August 1904, vormittags 91/2 Uhr.

Professor Dr. Leopold von Schröder (Wien).

Ueber den Glauben an ein höchstes gutes Wesen bei den Ariern (Indogermanen).

(Resume).

Neben Xaturverehrung und Seelenkult lässt sich eine dritte selbständige, grosse Wurzel der Religion in dem Glauben an ein höchstes gutes Wesen schon bei den primitiven Völkern nach- weisen. Dieser Glaube ist mit der Moral untrennbar verbunden, er ist aus ihr und mit ihr verwachsen. Dieser von Naturverehrung und Seelenkult spezifisch verschiedene Glaube kann sich mit jenen andern Wurzeln der Religion verbinden und mit ihnen verwachsen. Insbesondere verwächst er oft mit der erhabenen, göttlich-persönlich gedachten Himmelserscheinung. Dies ist auch der Fall gewesen

90 II Plenarsitzung.

in der arischen Urzeit, die eine primitive Religion besass. Der Himmel-Vater der arischen Urzeit war ihr höchstes gutes Wesen. Dieser alte Himmel-Vater tritt uns in geschlossener Gestalt als Zeus und Jupiter bei Griechen und Römern entgegen, während hei Indern und Germanen sich eine ganze Reihe von Hypostasen des Gottes, selbständig persongeworden, von ihm abgelöst haben

Der indische Dyäuspitar ist fast inhaltlos geworden. Den grossen ethischen Inhalt des alten Gottes hat die Parallelgestalt des Varuna geerbt, - der Himmelsgott als der Allumfasser, das Firmament. Ihn umgeben und ergänzen seine Brüder, die Adi- tyas, als persongewordene Namen und Züge des grossen Gottes. Diesem Kreise entspricht bei den Persern Ahuramazda mit seinen Amesha cpeiitas, durch die Reformation des Zarathustra vergeistigt und abstrakt gemacht, aber auf einen entsprechenden, schon indo- persischen Götterkreis zurückweisend.

Wie der grosse indopersische Gott, so erweisen sich auch Zeus und Jupiter als Himmelsgott und höchstes gutes Wesen in einer Person. Es ist der grosse, über der Moral, über Recht und Treue wachende Gott, der hier zugleich kriegerisch ausgeprägt ist. Das letztere ist noch mehr bei den Germanen der Fall (Zio, Tyr). doch erwies sich auch hier der alte Himmelsgott in seinen Hypo- stasen als höchstes gutes Wesen : in Tiuz Thingsaz, dem Gott der rechtsprechenden Volksversammlung, in Fosete, dem Urquell alles Rechts, in Eri, dem gütigen, freundlichen (= Arya, Aryaman), in dem verwandten Irmin. Ermin. in Ingvi, dem „Freund" (= Mitra), in Freyr, dem „Herrn", dem nordischen Schwurgott und Friedensgott, in seiner Parallelgestalt Njördr, wie auch im verdunkelten Heimdallr, dem himmlischen Wächter. Daneben hat sich der gewitternde llimmelsgott als Fjörgynn selbständig abgelöst (= Perkunas, Par- janya).

Bei den Kelten ist der Himmelsgott ebenfalls kriegerisch ausgeprägt. Nicht so bei den Litauern und Letten, bei welchen der Lichthimmelgott und der gewitternde Himmelsgott, Dievas und Perkunas, bald unterschieden, bald eins sind. Aehnlich ist das Verhältnis bei den Slaven zwischen Bogu und Perun. Hier zeigt der Himmelsgott seinen ethischen Kern als Schwurgott, als Treu-

Prof*. Dr. Leopold vom Schröder. 91

gott. Aehnlich auch bei den Phrygern, die neben ihrem gewittern- den Zeus auch ihren Zeus Bagaios haben. Bithynier und Skythen nannten ihren Himmelsgott Pappa. d. h. Väterchen.

Die Arier lassen sich nach ihrem Himmelsgottglauben in zwei Hauptgruppen scheiden:

1. eine östlichere Gruppe, die Bhaga-Völker, bei denen der Gott, als Bhaga-Baga-Bogu hervortretend, milde und gütig charakterisiert erscheint: dazu gehören Inder, Perser, Slaven und Phryger, welche letztere zugleich als Vertreter der nahverwandten Thraker und Armenier gelten müssen :

2. eine westlichere Gruppe, die Kriegsgott- Völker . denen die Bhaga-Bezeichnung fehlt, und bei denen dafür der Gott als Kriegsgott ausgeprägt ist, welche Eigenschaft ihm bei der öst- lichen Gruppe fehlt: dazu gehören Griechen, Römer, Germanen und Kelten.

Diese Scheidung in Bhaga-Völker und Kriegsgott-Völker fällt ganz mit der schon bekannten Unterscheidung von Centum -Völ- kern und Satem-Völkern zusammen und gewinnt dadurch noch mehr Gewicht. Sie erweist sich zugleich als völkerpsychologisch wohl begründet. Die Kriegsgott- Völker zeigen zugleich den Gott als idealen Vorsitzer und Schutzherrn der rechtsprechenden Volksver- sammlung und der Völkerverbände resp. Stammesverbände, endlich auch des Staates. Dies ist den Bhaga- Völkern fremd. Auch dieser Unterschied ist völkerpsychologisch tief begründet.

Die besprochenen Götter sind fast durchweg mythenlose, oder doch mindestens mythenarme Götter. Nur Zeus bildet eine Aus- nahme, die Zeus-Mythen sind aber auch sicher erst auf griechischem Boden unter besonderen Umständen entwickelt, sie reichen nicht in die Urzeit zurück. Gerade diese Mythenlosigkeit ist aber cha- rakteristisch für das höchste gute Wesen, im Gegensatz zu Natur- Göttern und Seelengöttern. Ferner lässt sich zwar mancher Kult für die Urzeit erweisen, aber kein Kult des Himmelsgottes, der doch der höchste Gott war. Auch das ist charakteristisch, denn die primitiven Völker pflegen ihrem höchsten guten Wesen meist keinen Kult zu widmen, wieder zum Unterschied von Naturgöttern

92 II. Plenarsitzung.

und Geistern. Auch diese Momente bestätigen also die Ansicht, dass der Hinimelsgott der urzeitlichen Arier zugleich ihr höchstes gutes Wesen war1)

Prof. Dr. Konrad Fnrrer (Zürich).

Ueber den Wert der Religionsgeschichte für den christlichen Theologen.

(Resume.)

Die allgemeine Religionsgeschichte will alle Aeusserungen jenes eigenartigen Lebens der Seele, das wir Religion heissen, auf dem ganzen Gebiet der Menschheit erforschen. Ihr Ziel kann sie nur erreichen, wenn sie mit unbefangenem Wohlwollen die Er- fahrungen prüft und das Einzelne im Zusammenhang mit dem Ganzen betrachtet.

Je weiter sie fortschreitet, desto mehr darf sie hotten, immer deutlicher das Wesen der Religion begreifen, immer genauer dir in ihr waltenden Gesetze nachweisen zu können. Auch über die Wirkungen, die von der Religion auf das übrige Geistesleben aus- gehen und von diesem hinwieder auf sie zurückströmen, wird sie immer klarer werden.

Welcher Ausrüstung bedarf der Forscher auf diesem Gebiete? Kr muss vor Allem aus ein religiös begabter und durchgebildeter Mensch sein, gleichwie über musikalische Werke nur ein geschulter Musiker zu reden das Recht hat Und wie dieser sein musikalisches

') Der Vortrag bot in gedrängtester Form eine Reihe von Forschungs- resultaten, welche im 1 Bande der „Altarischen Religion" des Redners ausführlich entwickelt und begründet werden sollen, einem noch in der Arbeit begriffenen Werke, dessen Veröffentlichung die Verlagsbuchhandlung von .1. F. Lehmann in München übernommen hat. Eine Ergänzung dieses Vortrages bildete der in der V. Sektion gehaltene „Aber den 7. Aditya"

Prof. Dr. Konrad Furier. 93

Verständnis an Schöpfungen der besten Meister gebildet hat, so soll der Religionsforscher in der höchsten Religion, nach unserer Ueber- zeugung, im Christentum heimisch sein. Kenntnis einer einzigen Religion würde aber nicht genügen, sondern, ehe er sich in das weite Gebiet hinausbegibt, wo er alle Religionen in Betracht ziehen soll, muss er sich mit einer zweiten Religion gründlich vertraut gemacht haben ; für den christlichen Theologen ist dies die Religion des alten Testamentes.

Gesättigt von der Erfahrung, die er aus dem Leben der christ- lichen Religion, wie der des alten Testamentes, geschöpft hat, soll der Forscher ans Studium aller Religionen sich wagen. Wie der Botaniker die niederen Pflanzen ebenso sehr berücksichtigen muss, wie die höheren, so darf der Religionsforscher sich nicht etwa bloss an die vornehmeren Religionen halten, sondern er soll alle Stimmen der Menschheit vernehmen. Die Religion eines Volkes wird er aber nicht verstehen, wenn er nicht auch dessen Geschichte und seine Heimat kennt, wenn er nichts von seiner Sprache weiss, da ja die Volksseele in der Sprache am deutlichsten sich kundgibt. So tut sich eine unermessliche Aufgabe vor ihm auf. Verlangt nicht schon die Geschichte einer einzigen Religion von höherem Werte ein ganzes Mannesleben ? Kann denn ein Einzelner etwas anderes als Dilettantenarbeit leisten, wenn er das Ganze bewältigen will? Gewiss, wenn er seine Forschungen neben die der Fachmänner stellen wollte. Aber er stützt sich auf die Forschungen der Spezia- listen, er vergleicht ihre Anschauungen untereinander, er stellt eine Menge Fragen, die sich ihm aus dem Gesamtüberblick über die Religionen ergeben haben, an den, der sich die Erforschung einer einzigen Religion zu seiner Hauptaufgabe gemacht hat. Er wird diesem doch viele Winke geben können, indem er nach den funda- mentalen Eigentümlichkeiten einer Religion fragt, indem er sich nach dem Nebensinn ihrer Hauptbegriffe erkundigt, indem er auf den Unterschied der Buchreligion und der Religion im Leben des Volkes hinweist, indem er daran erinnert, dass es auch in den Melodien einer Religion ein pianissimo und fortissimo gibt. Ein Geograph kann nur einen kleinen Teil der Erde persönlich durch- forschen; aber weil er eben doch einen Teil durchforscht hat, kann

^4 II. Plenarsitzung.

er umso besser verstehen, was ihm seine Mitarbeiter über andere Teile der Erde zu sagen haben.

Welche Ergebnisse folgen aus der Gesamtbetrachtung der Religionen? Der religiöse Trieb ist nicht unter dem Drange des Verstandes aufgewacht, nicht etwa bloss eine Regung des Kausa- litätsbedürfnisses, sondern tief praktische Bedürfnisse haben in den Menschen die Sehnsucht nach Gott geweckt. Sie leiden unter der Angst der Vergänglichkeit und unter dem Drucke des Schuld- gefühls. Von dieser Angst, von diesem Drucke möchten sie frei werden, sie sehnen sich nach Erlösung. Aber dazu kann ihnen nur eine Macht verhelfen, die über allen Schranken steht, deren Majestät in den Erscheinungen der Natur, in den leisen Stimmen des eigenen Innern geahnt wird. Es zieht ein oft schmerzliches Suchen nach Gott durch die Geschichte der Menschheit, es kommt immer wieder nur zu vorläufigen Antworten auf die Frage nach Gott, die auf die Dauer nicht genügen, nur zu einer relativen Be- ruhigung des Gemütes, die nicht anhält: darum suchen die Men- schen in Hoffnung selig zu werden. Auch die Heidenvölker trösten sich im Dunkel der Zeiten mit messianischen Erwartungen, die ihrem innersten Wesen nach gemäss unserer Erfahrung im Evan- gelium sich erfüllt haben. Es gravitieren, sagt der Spanier Cana- lejas mit Recht, alle Religionen zum Christentum hin, und es liegt eine grosse Wahrheit in Tertullians Wort: Anima humana natu- raliter christiana. Die allgemeine Religionsgeschichte bestätigt den Anspruch des Christentums, Weltreligion zu sein.

Im Licht aller übrigen Religionen wird das eigene Wesen des Christentums erst recht offenbar. Der Erscheinungen Gottes in Menschengestalt, der Wunder und Zeichen, der göttlichen Schrif- ten rühmen sich viele Religionen. In frühen Jahrtausenden schon betete man zu Gott als zum Vater; Gebete voll Inbrunst und rüh- renden Vertrauens, voll Zartheit und Innerlichkeit leuchten wie helle Sterne aus ferner Nacht der Vergangenheit. Die allgemeine Religions- geschichte gibt ein ergreifendes Zeugnis von dem logos spermatikos, an den die Kirchenväter geglaubt haben. Parallelen zu den reli- giösen und sittlichen Ansprüchen der Evangelien lassen sich aus den Crkunden der heidnischen Religionen in Mengen zusammenstellen.

Prof. Dr. Konrad Furrer. 95

Die ganze Eigentümlichkeit der christlichen Religion konzen- triert sich in der Persönlichkeit Jesu Christi. Keine Religion ist mit ihrem Stifter so eng verbunden wie die christliche, die mit ihm steht und fällt. Er bringt die Erlösung, nach der die Völker sich gesehnt haben, er bietet uns eine Lebensgemeinschaft mit Gott an, die den letzten und höchsten Anforderungen der Religion entspricht. Durch Jesus erhalten alle religiösen und sittlichen Werte einen erhöhten Wert, alle religiösen und sittlichen Begriffe einen reicheren, edleren Inhalt. In dem Gott, den er uns offen- bart, sind absolute Heiligkeit, Gerechtigkeit und Gnade zur Einheit verbunden : darum urteilt und richtet das christliche Gewissen am feinsten und schärfsten; darum empfindet der Christ die rettende Gnade Gottes am tiefsten. Jesus hat die heilige Liebe auf den Königsthron gesetzt. Liebe Gottes strömt auf uns hernieder, Liebe der Menschen steigt zu Gott empor, und aus dem Geheimnis gött- licher und menschlicher Liebe geht die allumfassende Bruderliebe hervor. Jesus hat das stärkste Solidaritätsgefühl in die Menschen- seelen eingepflanzt. Weil die Welt das Werk unseres Vaters ist, können wir an ihr und ihren Gütern Freude haben und mit Eifer in unserm irdischen Berufe wirken. Durch die Leiden Jesu ge- winnen unsere Leiden einen tiefern Sinn. Durch sein Sterben und Triumphieren hebt er uns über die Angst des Todes und der Schuld empor. Durch ihn werden wir dessen gewiss, dass die Wege Gottes für uns und die ganze Menschheit aufwärts gehen, dass das Letzte nicht der Tod, sondern das Leben, nicht der Schmerz, sondern die Freude ist. So hebt Jesus die Geister zur höchsten Höhe der Lebensgemeinschaft mit Gott empor; aber los- gelöst von dem Bunde mit ihm, werden sie unaufhaltsam sinken.

96 11. Plenarsitzung:.

Rastaniji Edulji Dastoor Peshotaii Sanjana, B A.

Deputy Highpriest of the Parsees (Bombay).

Ahura-Mazda in the Avesta.

(Resume

Zarathushtrianism*) is the only religion known in verv ancient times which gives man a correct conception of the Supreme Being and His relation to His creatures. Further, it is the religion which gave birth to pure and simple monotheism. The gäthas lay down the doctrine of One Living Personal God. The zara- thushtrian is enjoined to contemplate His various names, His in- herent qualities, His will, kingdom and marvellous works. Through the Avesta the one central and absorbing object of faith is Ahura- Mazda, the Maker and Moral Governor of all things.

Many are the names under which the Almighty is wor- shipped, each breathing all that is good and holy. The faithful are told to utter them often and in perfect piety and by keeping before the mind His supreme power, wisdom and goodness, gain spiritual strength over all evil.

Ahura-Mazda, or merely Ahura or Mazda, is the name by which the Supreme Being is most often mentioned in the Avesta, at times we come across Spenta-Mainyu or Mainyu Spenishta.

Spenta Mainyu signifies "Bountiful Spirit" and Mainyu Spe- nishta "Most Bountiful Spirit". Spenta comes from span "to promote prosperity" and Mainyu from man "to think".

Mazda is formed of maz "great" and da "to create". Ahura is also composed of two parts: ahu -h ra. Ahu is derived from ah "to be" and denoting life, and the suflix ra which implies "he who is". This brief expression "he who is" is identical with

*) This subject, Ahura-Mazda in the Avesta, forms a part of my book ealled Zarathushtra and Zarathushtrianism in the Avesta, the Religion of the Parsees, witli references and quotations from Ihe Avesta in foot-notes.

Rastamji Edulji Dastoor Peshotan Sanjana. 97

the term ''self-existent being". Consequently Ahura-Mazda signi- fies the Deity and His fundamental quality of self-existent, whereby He is distinguished from His creatures. It should be observed here that in the signification of the term Ahura-Mazda as in our sacred texts \ve have indubitable proofs of the Avestic nation be- lieving in One Supreme Being.

Our Scriptures represent Ahura-Mazda as the First Great Cause, the Originator without origin and Maker of all things our world, the heavenly bodies, the elements. animal and vege- table life and us men. Men He endowed with understanding. He bestowed upon them every blessing und spiritual health and wel- fare. He is also the sole Author of Manthra Spenta, physical light as well as truth, of which light is the emblem.

He is the Being above all beings, perfectly distinct from all created beings. He is a most beneficent and bountiful spirit whom our Prophet Zarathushtra loved so dearly.

There are many words and expressions in our Scriptures which ascribe to Ahura-Mazda human organs and faculties, but they are nothing more than figurative and symbolical. We find the same thing in the Bible and the books of other religions. "As man", says a very learned writer, "belongs to the order of sensible things, he is fond of clothing his thoughts in impressive imagery drawn from the objects of sense".

Another distinctive excellence of Ahura-Mazda is His im- mutability. Man and all other created things change, but from everlasting to everlasting God is God unchanged and unchange- able. He is also omnipresent, omniscient, all-observant. His wis- dom has no bounds, surpassing by far the wisdom of the wisest of created beings. He is also possessed of free-will and rules over all His creatures according to His Will. His Will is perfect and so are its attributes.

His mind is far and away superior to any human mind. He is all goodness and loving kindness, evil being foreign to Hirn. The love of Ahura-Mazda for man surpasses all understanding. He created man in His own image: communicated to Hirn some semblance of His divine perfections, endowed him with mind and

Kongressbericht. 7

98 II. Plenarsitzung.

free-will to think and act for himself. He is maus first director. To man He has revealed His Good-Mind's wisdom, the Holy Word, Manthra-Spenta. the truest guide to His vvelfare and immortality, his salvation and long life. A good and long life He rewards. is the Healer of all bodily and mental diseases. His Holiness is perfect and by His Holy Order works righteousness in the souls of His creation and saves them from destruction. He is the central truth. Ever is He faithful to His worshippers and gives them all thev require. Excollent indeed is Ahura-Mazda in justice and merey. He rewards the good and punishes the wicked in pro- portion to their acts. making no distinction between rieh and poor, high-born and those of humble birth.

Such is the Will of Ahura-Mazda and such are its attributes: benevolence, holiness, truthfulness, fidelity, justice and merey. Zara- thushtra strove to carry out this perfect Will and we have to strive likewise.

The Avesta represents the Almighty as the most powerful of beings. superior to all, the most invincible and glorious king, with a kingdom in power supreme and ruling by laws as bene- ficent and holy as their Maker. He listens to and provides men in their needs. He is highly worthy of adoration and invocation.

The brilliant sun and the shining stars declare the glory of Ahura-Mazda. Our Prophet Zarathushtra and all other holy men and women psid hornage to Hirn with both body and soul. They returned His love by offering Hirn praises and prayers, for the gifts and blessings reeeived from Hirn.

The Zarathushtrian creed requires us to aspire to a resem- blance of Ahura-Mazda in our moral character, leads us to the <iarö-nmäna, the highest heaven, the abode of God, there to enjoy perfect bliss. It is for this reason that the moral excellencies of Ahura-Mazda are so prominently brought out.

The Avestic writers illustrate His Omnipotence, Supreme Wisdom and ßoundless Beneficence by abstract coneeptions of His works whic.h Surround us as more certain of proving that Ahura- Mazda is all-powerful. all-wise and all-bountiful. This is whv we find so many detailcd descriptions of and references to the objecto

Rustamji Edulji Oastoor Peshotan Sanjana. 99

of Nature in the Avesta tlie celestial bodies, terrestrial objecto, the elements and other great works of tlie Almighty: and in de- scribing them their Great Maker is constantly referred to. As these natural objects stand in an intimate relation to our principal object of adoration, Ahura-Mazda, they serve us as sensible me- diums to exalt and expand our eonception of Him, furnishing us with an inexhaustible stock of reasons for adoring Him, Alling our hearts with admiration and profound veneration for Him. These are the general views of the heavenly bodies and of the elements given by the Avesta, confirmed by the aid of science, Observation and reflection, which elevate the mind in contem- plating the invisible power, vvisdom, and grandeur of Ahura-Mazda. Is it then possible to accuse the Avestic system of preaching nature-worship on the mere ground of its having referred to the visible objects of Nature, their qualities and beneficent influences? In our religion Nature comes before us not as self-subsisting, but always in relation to a higher, an overruling and a spiritual power. Metaphors, personifications and allegories are employed in the Avestic writings just as they are used in the books of other religions.

The next point to be considered is whether Zarathushtrianism contains dualism, as the Avestic scholars Spiegel, Hovelacque, Jackson, Söderblom and others do suppose? Gertainly not. This supposition appears to have arisen through the mistaken view of Ahura-Mazda and Angra-mainyu which Aristotle. Diogenes Laertes, Plutarch, Eudoxus, Hermippus, Theopompus present in their works. Through their imperfect knowledge of the Avestic doctrine they maintained that Ahura-Mazda and Angra-mainyu were the two gods good and evil of the primitive Iranians. But the holy texts wholly contradict this classical opinion. We have already stated that in the sacred writings the Supreme Being is some- times called Ahura-Mazda and sometimes Spenta-Mainyu.

The words spenta and mainyu at times indicate only the good and bountiful spirit of Ahura-Mazda. Mainyu alone denotes this spirit of God as well as the holy or bountiful spirit of man which Ahura-Mazda implants in his heart. Spenta by itself in-

100 II- Plenarsitzung.

dieates the attribute of bountifulness of God as well as of His creature man. Together spenta-mainyu are predicable of Ahura- Mazda and also, as proved by the Avesta, the good spirit of man. Nowhere in our sacred literature are the words iirvan (soul), daend (conscience), varena (belief) etc. used as the predicates of the Supreme Being, but only of man.

The terms angra-mainyu and dregvato-mainyu are not the names of gods equal or inferior to Ahura-Mazda, but simply denote that spirit of temptation, evil and destruction rebellious to Ahura-Mazda. Mainyu signifies "spirit". and angra and dregvant "sinful" or "evil". Hence angra-mainyu and dregvato- mainyu both mean evil spirit. There are passages showing them to denote man's evil spirit, but nothing to show they indicate a superhuman evil spirit. Man therefore is responsable for all evils, both moral and physical, and Zarathushtrianism testifies to the freedom and responsibility of man.

The next question is: Whence is the wickedness or evil in men? Was it given them by Ahura-Mazda? The Avesta teils us that God created man, endowed him with understanding, will- power and wise and good religious lavvs vvhereby they are able to distinguish good from evü, choose the one and reject the other. The first man Gaya-Marethan (Gayö-mard) acted in accordance with the wishes und instructions of Ahura-Mazda, and there was no evil in him. Later came a man who disregarded righteousness and chose evil. This was the origin of wickedness in the world. Man commenced to entertain the evil spirit and became wicked. The evil spirit took up its abode in his heart and there came in contact with the good spirit inherited from Ahura-Mazda. Acconl- ing to the Avesta the good spirit will finally overcome the evil spirit and the world will be renovated falsehood, wrath, vio- lence will be completely swept away by goodness, holiness. wis- dom. Then peace and prosperity will ever reign supreme and the world will be restored to its original perfect state as at the time of Gaya-Marethan and during the great part of the sove- reignty of Yima (Jamshed), the mighty ruler of primitive Iran. Sin is therefore not a neceasary evil, man is not obliged to sin

Rastanvji Edulji Dastooy Peshotan Sanjana. 101

God is not answerable for man's sinfulness. He hiniself is respon- sible for it. Zarathushtrianism has no fatalism in its teaching.

The charge against the Avestic System of preaching fire- worship is groundless, and is easily refuted. Mithra or light represents Ahura-Mazda and is symbolical of Him; for Ahura- Mazda is füll of light. The conception of the Almighty is fre- quently associated with brilliancy and light. It is for this reason and for this reason only we Zarathushtrians stand and bow before light, whether artificial or the natural light of the sun, moon or stars. Ahura-Mazda is the greatest Truth and since light is the universally recognized symbol of truth, what objection can there possibly be in the Avestic people and their descendants recognizing physical light as the emblem of the Deity, Ahura-Mazda? Exa- mine every religion and you find light more or less regarded as representative of the Almighty. If none of them is accused of teaching fire-worship, why then bring such a charge against Zarathushtrianism ?

All we have said in connection with Ahura-Mazda is suppor- ted by the Avesta. If the facts are such, who would not observe that the idea of only one Supreme Being was ever present to the writers of our extant Avestic records? Who would not admit that they represent Ahura-Mazda as the One Living Lord of all things? Certainly they teach and exhort us to believe in the existence of the all-good, all-holy, all-knowing, all-just and all- powerful Being, Ahura-Mazda; and by so doing shower upon us eountless blessings.

Der Vortrag des Herrn Direktor E. Gnimet (Paris): Lao-Tzeu et le Brähmanisme folgt unten (s. Inhaltsverzeichnis).

1U2 III. Plenarsitzung.

III. l^lenarsitzung. 1. September 1904. vormittags 81/» Uhr

Kaikioku Watanalrf (Tokio).

Der gegenwärtige Stand der japanischen Religionen.

(ResurmO I.

Eines der wichtigsten Ereignisse in der Religionsgeschichte die Berührung des Buddhismus mit dem Christentum.

ReZigionsgeschichtlich betrachtet ist der gegenwärtige Stand der japanischen Religionen eine höchst interessante Erscheinung Ganz abgesehen von ihrer kulturgeschichtlichen oder politischen Bedeutung ist sie, wie ich glaube, eine der wichtigsten in der Religionsgeschichte Es handelt sich um die Berührung der christ- lichen Religion mit dem Buddhismus und dem daraus aufsteigenden Gedanken einer Harmonie beider Religionen.

Die Berührung des Christentums mit anderen, nicht-buddhi- stischen Religionen hat schon mehrere Seiten der Religionsge- schichte von grosser Bedeutung angefüllt. Allein die Gelegenheit mit dem Buddhismus zusammenzustossen, fehlte immer noch, und der Forscher der Religionsgeschichte konnte sie mit Spannung erwarten, .lapan hat endlich für diese Vorstellung die Bühne er- öffnet.

II.

Warum ist die Berührung des Buddhismus mit dem Christen- tum im Orient ausser in Japan religionsgeschichtlich be- deutungslos ? Selbstverständlich stiess ausserhalb Japans das Christentum

mit dem Buddhismus in verschiedenen buddhistischen Ländern,

Kaikioku Watamil>e. lo:5

wo sich der Buddhismus noch in blühendem Zustand befindet, zusammen. Doch sehen wir in diesen Ländern:

1. dogmengeschichtlich bleib! der südliche Buddhismus, wie in Ceylon, Siam und Burma, obschon seine dogmatische Reinheit annehmbar ist, immer konservativ, ohne irgend welche Ent- wicklungsfähigkeit. Dagegen ist der nördliche Buddhismus in China, Tibet oder in der Mongolei zu stark degeneriert, sehr traurige religiöse pathologische Symptome zeigend. Und

2. kirchengeschichtlich ist jetzt in der südlichen Kirche eine gewisse Reformbewegung bemerkbar,*) und auch ihre Geistlichen sind recht lobenswert, aber im allgemeinen ist ihre Missionstätig- keit kraftlos. In der nördlichen Kirche verschlummern alle Lamas in tiefer Unwissenheit, und es ist sehr schwer, von ihnen eine neue Bewegung zu erhoffen.

Unter solchen Umständen war es natürlich unmöglich, eine neue Erscheinung aus den beiden Weltreligionen erstehen zu sehen.

III.

Wie sind die Japanischen Religionen ?

1. Staat und Religion. Die japanische Konstitution**) erlaubt eine absolute Freiheit des religiösen Glaubens. Japan hat keine Staatsreligion. Staat und Religion sind ganz getrennt. Er gewährt keinen besonderen Schutz für irgend eine Religion. Alle Kirchen müssen sich selbst unterhalten. Die Shyü-kio-kyoku (Religions- abteilung) im Ministerium des Innern verwaltet die Religion im Reich.

2. Der aktuelle Stand der Religion.

a) Der Shintoismus ist die älteste Nationalreligion der Japaner, wird aber jetzt nicht mehr als Religion betrachtet. Seine moralischen Vorschriften üben noch einen tiefen Einfluss auf das sittliche Leben aus. Allein er ist keine Religion mehr, sondern

*) Mahabodhi-Society in Kalkutta, „Buddhist" in Ceylon u. a. zeigen diese Tendenz.

**) § 18 Jap. Konstitution.

104

III. Plenarsitzung.

Zeremoniell bei festlichen nationalen Anlässen. Er amtliehen Statistik im Jahre 1902 19,526 Tempel iestern. Diese Tempel sind bloss Verehrungsdenk- bedeutenden Männer, die Japan grosse Dienste ge- Die Priester sind nur Verwaltungsbeamte dieser japanische Regierung unterstellt sie der Verwaltung •kyoku" (Shintotempelabteilung), nicht der Religions-

nur noch ein hat nach der mit 16,565 Pi mäler für die leistet haben. Tempel. Die der „Shin-sha abteilung.

b) Der Konfuzianismus ist noch ein grosser moralischer Faktor der Japaner. Er ist aber weiter nichts als eine Moral- philosophie in Japan. Der Taoismus wird auch als klassische Philosophie eifrig studiert, aber es gibt in Japan glücklicherweise keinen modernen abergläubischen Taoismus wie in China.

c) Der Buddhismus in Japan zerfällt in 12 Sekten*) mit 40 Unterabteilungen, die alle zum sogenannten Mahäyäna gehören. Ihren gegenwärtigen Stand zeigt folgende Zusammen- stellung:**)

Sekten

Begründung

Unter- abteilung

Kirchen oder Klöster

Priester oder Mönche

Hosso

659

A.D.

1

43

18

Kegon

736

A. D.

1

39

12

Tendai

805

A.D.

2

4603

2828

Shingon

806

A.D.

2

12936

7459

Yüdsünenbutsu

1117

A.D.

1

342

203

Jödo

1175

A. D.

2

8304

5971

Rinzai

1191

A.D.

10

6123

4312

Shin

1224

A. D.

10

19630

15676

Sötö

1227

A. D.

1

13708

11736

Nichiren

1252

A. D.

8

5195

4163

Ji

1275

A. D.

1

515

387

Wöbaku

1654

A. D.

1

556

363

*) B. Nanj<>>: ,,A short liislory of the twelve Japanese Buddhist Sects" Tokio 1887. B. Foojisliimu: .,Lc Bouddhisinc japonais, doctrines <'l histoire des donze Beetes bouddhiques «In Japon", Paris 1889.

•*) Nach der Statistik 1902.

Kaikioku Watanabe. 105

Jede Sekte hat für die Bildung ihrer Priester mehrere höhere und mittlere Priesterseminare. Einige junge Sekten haben auch schon viele junge Priester zum Studieren nach Europa und Ame- rika geschickt. Innere und äussere Mission sind lebhaft tätig.

Obschon der japanische Buddhismus traurige Schattenseiten hat, berechtigen doch im allgemeinen die grosse Reformtendenz sowie energische Missionstätigkeit zum Glauben an eine hoffnungs- volle Zukunft.

d) Ueber das Christentum in Neu-Japan orientiert fol- gende Tafel:*)

Missionare 1T. ,

Kirchen Ausländer Inländer

Protestantismus**)

275

775

801

Rom. Katholizismus

106

34

154

Griech. Katholizismus

1

179

103

Protestantische wie katholische Kirche haben zur neuen ja- panischen Kultur, namentlich durch ihr Unterrichts- und Wohl- tätigkeitswesen wirklich viel beigetragen.

IV.

Eine grosse Toleranztendenz in beiden Religionen ein har- monischer Gedanke.

Am Anfang stiessen die beiden Religionen sehr feindlich auf einander, aber die lebhafte Erforschung der Religionsgeschichte und die darauf folgende Vertiefung des Glaubens beider veränderte allmählich ihre Stimmung. Das feindselige Gefühl, die Intoleranz und der Sekt engeist sind auf beiden Seiten verschwunden, und es reifte eine freundschaftliche Toleranzbewegung. Diese Bewegung brachte hervor:

*) Nach der Statistik J902. Die Anhänger nach „Jödö-kio-ho" 1902: Griechisch-katholisch 25,600, Römisch-katholisch 55,091, fünf grosse protestan- tische Kirchen (Episkopal, Presbyterianer, Methodisten, Baptisten und Allianz- Kongregation) 37,820, ausserdem mehrere Anhänger der verschiedenen Kirchen wie Lutherische, Heilsarmee u. a. m.

**) 23 Kirchen zusammen (darunter giht es auch Mormonen!).

106 III. Plenarsitzung.

1. theoretisch den harmonischen Gedanken einer Vereinigung

des Buddhismus mit dem Christentum, einer Verschmelzung des Pantheismus und des Monotheismus, und

2. praktisch den philanthropischen Gedanken gemeinsamer Humanität sbe>t n-bungen.

Tin diesen ersten Gedanken zu illustrieren, werde ich hier aus mehreren Beispielen folgende Rede über die Zukunft der Re- ligion*) von Professor K. Ukita, einem berühmten christlichen Ge- lehrten, zitieren:

„Die zukünftige Religion, glaube ich, wird ungefähr so sein: Der Buddhismus und das Christentum werden sich ein- ander immer mehr nähern, sich mit einander verschmelzen, assimilieren, und endlich wird sich eine harmonische neue Religion ergeben, die. buddhistisch betrachtet, ein fortge- schrittener Buddhismus und, christlich betrachtet, ein voll- kommenes Christentum sein wird Nicht wirft eine Re- ligion die andere nieder, um die Alleinherrschaft zu erlangen, sondern jede entwickelt sich weiter und nimmt die guten Eigenschaften der andern an. Alte japanische Geschichte zeigt es sehr deutlich, wie die Buddhisten sich mit den Kon- fuzianisten assimilierten. Heule sehen wir gebildete Buddhi- sten nach und nach verchristlichen, und gelehrte Christen nehmen Schritt für Schritt buddhistische und konfuzianistische

Anschauung an Philosophische termini technici wie

Pantheismus oder Monotheismus sind jetzt ganz veraltete Wörter."

Ist die Vereinigung möglich ?

I>t ein solcher Gedanke, wie die Vereinigung des Buddhi>- mus mit dem Christentum, wirklich möglich? Man zweifelt, ob es nicht bloss ein utopischer Traum sei. Doch, so viel ich glaube, kiinn man diese Möglichkeit als wohl denkbares neues Phänomen annehmen. Weil das Wesen der beiden Religionen keinen prinzi- piellen Unterschied aufweist, sondern es sich nur um zwei Vor-

i „Neo-Buddhismu»«« Bd. IV, 7. 1903, Tokio.

Prof. Dr. A. W. Nieuwenhuis. 107

Stellungen einer Wahrheit handelt, hat dieser Gedanke einen sicheren Grund (1). Der Fortschritt des wissenschaftlichen und sittlichen Lebens der Welt hat ihn deutlich zutage treten lassen und er wird seine Realisierung energisch fordern (2). Die Japaner sind nicht wesentlich unfähig, dieses grosse Werk zu vollenden, da die Geschichte ihre wunderbare Assimilationskraft gezeigt hat (3). Diese Fähigkeit der Japaner wird jetzt, wo ihnen eine neue Reli- gion dringend not tut, gewiss noch verschärft werden (4), und Japan, wie es ist, erfüllt in vielen Beziehungen die Vorbedingungen für eine solche Vereinigung: Es hat keine politischen oder sozialen Hindernisse zur Realisierung dieses harmonischen Gedanken> zu überwinden (5).

Professor Dr. A. W. NieuwenUuis (Leiden).

Religiöse Zeremonien beim Häuserbau der Bahau- Dajak am obern Mahakam in Borneo.

Weit mehr als in einem hochentwickelten Gemeinwesen werden die Handlungen des täglichen Lebens bei den wenig entwickelten Dajakstämmen in Mittel-Borneo von dem Einfluss ihrer religiösen Ueberzeugungen beherrscht Jede wichtigere Unternehmung fängt der Dajak nur unter dem Schutz der Vorzeichen (jö) an, welche die guten Geister (tö saju) ihm schicken, oder der vielen Verhaltungs- vorschriften (pemali), welche die bösen Geister (tö djä-äk) befriedigen müssen. Dadurch finden die bedeutendsten Lebensereignisse nur unter Herbeiziehung zahlreicher religiöser Zeremonien statt, und diese bieten uns bei der grossen Verschwiegenheit der Eingeborenen in allem, was ihr Geistesleben angeht, bisweilen den einzigen Weg, um das Wesen ihrer religiösen Vorstellungen kennen zu lernen. Je wichtiger die vorgenommene Arbeit ist. desto mehr braucht der

1 i- III. Plenarsitzung.

Dajak zu seiner inneren Fassung die Stütze gottesdienstlicher Ge- bräuche; da nun unter diesen Stämmen der Bau eines Hauses, besonders der eines Häuptlingshauses, für jeden einzelnen Dorf- bewohner eine sehr wichtige Unternehmung ist, bietet er eine be- sonder- günstige Gelegenheit, einen Einblick in ihre Religion zu gewinnen.

Bevor wir in dieses Gebiet näher eintreten, sei es mir ge- stattet, einige allgemeine Bemerkungen über die Bewohner Borneos und die Religion*) der Bahau-Dajak, mit denen wir uns im folgen- den beschäftigen werden, vorauszuschicken. Borneo. die grösste Insel der Welt, besitzt beinahe eine Oberfläche, die derjenigen Frankreichs gleich ist. Das Innere der Insel wird von den ältesten Bewohnern Borneos, den Dajak. bewohnt, die Küste dagegen von anderen Volksstämmen, die man als Malaien bezeichnet.

Diese sind Mohammedaner, während jene, meistens noch Heiden, sich zu einem Glauben bekennen, dem die animistische Naturlehre der Malajo-Polynesier zugrunde liegt. Unter diesen Dajak bilden die Bahau eine ethnologisch gesonderte Stammgruppe; sie bewohnen hauptsächlich das Stromgebiet des oberen und mittleren Mahakam. während einige ihnen verwandte Stämme in die Gebiete der benachbarten Flüsse ausgewandert sind. Bei dem Bahaustamm der Kajan, den ich als erster Europäer besuchte, konnte ich während eines zweijährigen Aufenthaltes dem Bau eines grossen Hauses für -(inen Häuptling Kwing Irang beiwohnen.

Iti-m geringen Grad geistiger Entwicklung entspricht bei den Bahau ihre primitive Auflassung von den Eigenschaften ihrer Um- gebung und von sich selbst, eine Auffassung, die gänzlich von derjenigen, mil der hochentwickelte Völker ihre Umgebung be- urteilen, abweicht. Ihre dürftigen Kenntnisse stützen sie in ihrem Kampf ums Dasein viel weniger als das umfassendere Wissen der höherstehenden Völker, und daher sind sie in höherem Masse als

der Spielball der auf sie einwirkenden Elemente. Wie sehr sie »lies selbst empfinden, spiegelt sich in ihren religiösen BegriiVen und in der Stellung, welche sie sich in der Natur zuschreiben,

Siehe: Quer durch Borneo von A \Y. Nieuwenhuis, Leiden. 1904.

Prof. Dr. A. W. Nieuwenhuis. 109

wieder; sie selbst kommen sich nämlich von den Pflanzen, Tieren und leblosen Gegenständen nur wenig verschieden vor. Ihr ganzer Gottesdienst wird von dem Gefühl der eigenen Machtlosigkeit gegen- über allem, was sie umgibt, beherrscht, und ihre Furchtsamkeit flösst ihnen vor allem, was sie nicht in dem beschränkten Kreise ihres täglichen Lebens als harmlos kennen gelernt haben, Angst ein. Ihre Unkenntnis der Kausalität und der wirklichen Natur der Erscheinungen bewirkt bei ihnen, dass sie alles als spontant- Aeusserungen von Wesen, wie sie selbst, auffassen, denen sie aber bemerkenswerterweise grösseres Wissen und grössere Macht als den Menschen zuschreiben. So schufen sie nicht nur sehr mächtige „tö", welche man den Göttern anderer Völker gleichsetzen könnte, sondern auch ein zahlloses Heer niedriger Geister, die sich nicht wie jene hoch über oder tief unter den menschlichen Wohnplätzen aufhalten, sondern auf der Erde selbst. Diese sind, weniger für Häuptlinge und Priester als für die grosse Masse im Stamme, die- jenigen Geister, die am unmittelbarsten auf das Menschenlos ein- wirken, und alles, was durch aussergewöhnliche Form oder durch irgend eine andere ungewohnte Eigenschaft auf das Gemüt der Bahau einen besonderen Eindruck macht, wird als Wohnsitz dieser Geister betrachtet, wie Felsblöcke, Höhlen, grosse Bäume, dunkle Waldstellen und Gipfel alleinstehender Berge. Die schreckenerregen- den Naturerscheinungen ihres Landes, wie Ungewitter und Sturm, sind für sie Aeusserungen bösartiger Geister, die in den Höhlen der Berge hausen, gegen welche die Donnerschläge widerhallen. Da ihr Menschenbewusstsein sehr wenig entwickelt ist, glauben sie die Tier- und Pflanzenwelt von den gleichen Empfindungen wie sie selbst beseelt, und von ein bis zwei Seelen bewohnt. Für die Bahau sind Unglücksfälle und Krankheiten Strafen, die ihnen von ihrem Hauptgott Tamei Tingei (= unser hoher Vater) durch die bösen Erdgeister für irgend ein Vergehen auferlegt werden, und sie glauben sich dadurch am besten schützen zu können, dass sie diesen Geistern alles, was auch den Menschen angenehm ist, als Opfer darbieten.

Durch Opfer und durch das Vermeiden von Vergehen, wo- gegen die Befolgung zahlloser Vorschriften (pemali), die ihnen an-

110 III. Plenarsitzung.

geben, wie sie sich in verschiedenen Lebensumständen verhalten sollen, das beste Mittel ist, suchen sie sich ein ruhiges Dasein zu sichern.

Ausser den bösen Geistern bestehen für die Bahau aber auch gute Geister (tö saju). welche den Menschen im Kampfe ums Da- sein helfen: sie tun dies sowohl, wenn sie durch Priester und Priesterinnen (dajung) dazu aufgerufen werden, als auch indem sie aus ihrem Himmel Apu Lagan die Menschen durch Vorzeichen (jö) von künftigen Ereignissen benachrichtigen. Daher spielt das Nachgehen nach Vorzeichen (njahö) noch neben Opfern und Be- schwörungen eine grosse Rolle im Leben dieser Stämme.

Wie sehr diese religiösen Ueberzeugungen dem Menschen in einer niedrig stehenden Gesellschaft das Leben erschweren und die für ihn durch sein geringes Wissen schon bestehenden sehr grossen Schwierigkeiten in allen seinen Unternehmungen noch vermehren, davon gibt uns bei den Bahau gerade der Bau eines Häuptlings- hauses mit allen begleitenden Feierlichkeiten ein gutes Bild. An diesem Bau nimmt bei den Bahau stets der ganze Stamm teil, weil dieses Haus gleichzeitig der Sammelplatz zum Behandeln von allen Stammesangelegenheiten ist und jede Familie die Verpflich- tung hat. einen Beitrag an Material oder Arbeitskraft zu liefern.

Das Haus des Häuptlings Kwing Irang vom Stamm der Kajan, von dem hier die Rede sein wird, sollte so dauerhaft als möglich aus Eisenholz gebaut, auch von einer aussergewöhnlichen Grösse werden: die Grundfläche sollte 23x25 m betragen, der First 25 m und der Fussboden 3 m über dem Erdboden liegen.

Bereits beim Sammeln des Materials müssen allerhand Vor- schriften befolgt werden. Zur Zeit des Vollmonds darf nie etwas Wichtiges unternommen, also auch kein Haus gebaut werden, da es sonst verbrennen würde. Beim Suchen von passenden Bäumen und deren Bearbeitung zu Pfählen, Brettern oder Schindeln achtet man auf die Warnungszeichen der Geister, welche durch den Flug des tsit, telandjang, oder den Ruf des Rehs, kidjang, angegeben werden. Ruft oder fliegt der Vogel links auf, so ist dies ein un- günstiges, rechts *'in günstiges Zeichen. Je nach dem Zweck, den mau im Auge hat, muss man besonderen Vorschriften nachkommen:

Prof Dr. A. W. Nieuwenhuis. 111

so darf man z. B. aus einem Baum, auf dem viele Epiphyten, wie Orchideen , wachsen, oder auf dem viele Ameisen umherlaufen, keine Schindeln verfertigen, wenn man nicht Epiphyten und Ameisen auch auf dem neuen Dache sehen will. Auch wenn ein kleiner Baum gegen einen grossen wächst, oder wenn ein Baum recht- winklig gegen den Ast eines benachbarten Baumes anstösst, i>L er zu Schindeln ungeeignet. Dielen und Bretter, die während des Transportes, der fast immer zu Wasser geschieht, mit Wasser in Berührung kamen, dürfen nicht mehr benutzt werden, aus Furcht, dass das Haus zu viel vom Wasser zu leiden haben würde. Bäume müssen beim Fällen vollständig seitwärts niederfallen ; gleiten sie vom Stumpf ab, und bleiben sie dann stehen, wie es in den dichten Wäldern leicht geschieht, so dürfen sie nicht ver- wendet werden.

Die Vorzeichen beim Anfang der Arbeit sind besonders wichtig, weil von ihnen die Bestimmung abhängt, ob das neue Werk über- haupt ausgeführt werden darf oder nicht. Daher beschlossen die Bahau, wie auch sonst bei grossen Unternehmungen, um schlechten Zeichen vorzubeugen, mit dem Bau des grossen Hauses in der Nacht, wenn alle Vögel schweigen, anzufangen. Nachdem abends zuvor ein Rechteck von der erforderlichen Grösse mittelst eines einen Faden langen Rotangs abgemessen worden war, fing man für den Mittelpfahl, der als erster aufgerichtet werden sollte, ein tiefes Loch zu graben an. Nachdem der Pfahl aufgerichtet worden war, führte man den alten, halbblinden Jok, den Hauptpriester, zu ihm hin. Der Greis wandte sich den Geistern, welche diesen Platz bewohnten, hauptsächlich den auf dem dicht daneben stehenden Andesitkegel Bahu Kasian zu und berichtete ihnen, dass der Kajan- stamm hier eine Niederlassung bauen wollte und sie um ihren Segen bäte. Dabei opferte er ihnen ein Küchlein und ein Ei und steckte für die unter der Erde wohnenden Geister Eisen in Form einiger Nägel und zwei blaue alte Perlen als Opfergaben in die Erde. Das junge Huhn und das Ei wurden in ein gespaltenes Stück Bambus geklemmt und neben dem Pfahl aufgestellt, während auf der anderen Seite, zur Abwehr böser Geister, Blätter von daun long (Aroi'dee) an den Pfahl gebunden wurden. Als symbolisches

112 III. Plenarsitzung.

Zeichen für ihre Bitte um Segen für das neue Haus steckten sie darauf nach allgemein üblichem Brauch neben dem Pfahl sechs mit Holzfasern verzierte Haken aus Fruchtbaumholz in einem Kreis in die Erde. Auch den Luftgeistern wurde geopfert, indem Bo Jok nach allen Richtungen Reis in die Luft warf, doch war seine An- sprache wegen der heftigen Schläge auf die Gonge nicht zu verstehen.

Von den Anwesenden waren Bo Hiäng. die älteste Frau des Häuptlings, und ihre Nichte die vornehmsten; das Geheimnisvolle der Beschwörungszeremonie und die aufgerufenen Geister erschreckten sie aber so. dass sie aus Furcht vor dem Entfliehen ihrer einen Seele, der bruwa, was Krankheit zur Folge gehabt hätte, beide, Stücke kostbaren, weissen Kattuns als Seelenberuhigung auf ihr Haupt gelegt hatten. Dass auch Bo Jok von Angst erfüllt war. ging daraus hervor, dass er ein wertvolles altes Schwert und ein weisses Zeugstück in der Hand hielt und nach beendeter Feier aufs Haupt legte. Unter den beim Aufrichten des Pfahls helfenden Männern durfte keiner sein, der bereits eine Frau verloren und daher den Zorn der Geister schon empfunden hatte.

Nach Beendigung dieser Opfer fingen alle anwesenden Männer an, mittelst Stöcken für die übrigen Pfähle tiefe Gruben zu graben, für die man den Abend zuvor durch in die Erde gesteckte Reiser die richtige Stelle bereits angegeben hatte. Als die Gruben fertig waren, nahmen alle an einer Mahlzeit, welche der Häuptling seinen hilfeleistenden Stammesgenossen ausrichten musste, Teil. Dann folgte die Errichtung des prachtvoll mit Bildhauerarbeit verzierten Hauptpfahls, eines riesigen Eisenholzcylinders von 10 m Länge und 1,5 m Umfang, der von den Männern, Frauen und Kindern des Stammes in die Höhe gezogen wurde. Vorher hatte Bo Jok, der Priester, den Erdgeistern noch über der grossen Grube, wie am mittleren Pfahle, eine Ansprache gehalten, aber ausserdem wurde hier auch noch das Opfer, das aus einem Ferkel bestand, verherrlicht und das kleine Tier den Geistern als kostbares, fettes Schwein angepriesen.

Wahrend der folgenden Monate wurde am Hause täglich mit

der Männer, welche sich freiwillig zur Arbeit einfanden, ständig

Prof. Dr. A. W. Nieuwenhuis. 113

weitergebaut. Als das Gerüst des Daches fertig war, mussten die zwei bang pakat, grosse, schön bearbeitete hölzerne Figuren, an die beiden Enden des Firstes hinaufgezogen werden. Zu diesem Zweck wurden die Männer des Stammes in grosser Anzahl zu Hilfe herbeigerufen, und den Geistern der Umgebung wurde wie- derum das Ereignis vom Priester mitgeteilt ; jetzt opferte man ihnen in der Tat ein grosses, fettes Schwein, wobei der alte Bo Jok einen Teil des Blutes auf daon sawang (Dracaenablättern) auffing, es mit Reis auf einem Teller mischte und darauf den Reis nach allen Richtungen, hauptsächlich aber nach dem Bahu Kasian, als Opfer für die dort wohnenden Geister, in die Luft warf. Auch die bang pakat selbst bestrich er mit dem Blute des Schweines, um die sie beseelenden Geister zu beruhigen, bevor die Figuren an ihren Platz gezogen wurden. Als man später eine genügende Menge Schindeln bei einander zu haben glaubte (man hatte sich von der erforder- lichen Menge, ungefähr 25,000, nur eine allgemeine Vorstellung gemacht, auch erwies sie sich später als zu gering), wurde der ganze Stamm zusammengerufen, um beim Schlachten und Opfern eines sehr grossen und hauptsächlich fetten Schweines und von zwei Hühnern zugegen zu sein. Dies war unumgänglich nötig, weil das Dach aus Eisenholz hergestellt wurde; hätte man Teng- kawangholz benutzt, so wäre dieses Opfer nicht erforderlich ge- wesen. Nun kamen alle wichtigeren Stammesglieder und eine Menge anderer junger und alter Leute herbei, was insofern wün- schenswert war, als sämtliche Dorfgenossen das Opfer bringen und daher das Schwein und die zwei Hühner berühren sollten. Die Geister konnten dann nämlich am Geruch erkennen, wer geopfert hatte, und die Betreffenden brauchten nicht zu fürchten, dass die Geister des Eisenholzes ihre Seelen belästigen und sie selbst krank machen würden, sobald sie unter das Eisenholzdach traten. Diese Auffassung entspricht dem starken Eindruck, den ein so festes, kostbares Dach auf die Bahu selbst macht. Aus demselben Grunde brachte man auch keine kleinen Kinder in die Nähe der grossen Eisenholzpfähle, selbst als diese noch weitab lagen und geschnitzt wurden. Erst nachdem die Bearbeitung vollendet ist und die Mütter den Geistern dieser Pfähle Eier oder ein Huhn ge-

KongTessbericht. 8

114 III. Plenarsitzung.

opfert haben, dürfen sich ihre Kinder, ohne eine Flucht ihrer Seelchen zu riskieren, den Pfählen nähern.

Im Gegensatz zu anderen Gelegenheiten war es diesmal der Häuptling selbst, der den Geistern das Opfer anbot. Er und seine Aeltesten berührten alle das dicke Schwein, worauf Männer, Frauen und Kinder bis auf die Säuglinge in einem langen Zuge ebenfalls das Opferschwein berührten. Darauf trug der Häuptling das Opfer den Geistern an, indem er ihnen berichtete, wer opferte und warum geopfert wurde. Hierbei bediente er sich der Kajansprache, viel- leicht weil er das busang, die allgemeine Umgangssprache, welche gewöhnlich beim Opfern gebraucht wird, schlecht sprach. Der alte Bo Jok wiederholte die Worte, hatte aber vorsichtshalber seine Seele gründlich gestärkt, indem er in ein altes, kostbares Schwert gebissen und darauf ein Stück weissen Kattun auf sein Haupt ge- legt hatte. In einer darauffolgenden Mahlzeit genossen alle Teil- nehmer den materiellen Teil des Opfers. Die nächsten zwei Tage herrschte melo (sitzen, nicht arbeiten), wobei niemand unter dem Haus hindurchgehen durfte; als Verbotszeichen wurde ein Rotang um das Haus gespannt.

Am Abend des Opfertages fand noch eine andere Zeremonie statt. Es hatte sich nämlich die djelewäu, die rotköpfige Schlange, beim Hause gezeigt, und nun glaubte der Häuptling, diesem Boten der grossen Geister während einer Opferhandlung noch einiges über den Hausbau mitteilen zu müssen. An der Stelle, an der man das Tier gesehen hatte, brachte er daher ein Opfer von 2x8 (eine heilige Zahl) Eiern und einigen kawit (Opferpäckchen) mit Schweinefleisch dar, die er in die gespaltenen Spitzen in die Erde gepflanzter Bambusstöcke einklemmte. An einen dieser Opferst öcke befestigte er einen Streifen von der Rückenhaut mit daransitzendem Speck des geopferten Schweines, der von der Schnauze bis zum Sehwanze reichte, um die Geister von der Grösse und Fettheit des gebrachten Opfers zu überzeugen.

Den nächsten Tag wurden 11,000 Schindeln auf das Dach- gerüst befestigt; dank den gut angebrachten Leitern kam aber da- bei, nie wahrend des ganzen Hausbaus, kein einziger Unglücksfall vor. Geschieht aber ein solcher, so wird er als ein Beweis vom

Prof. Dr. A. W. Nieuwenliuis. 115

Unwillen der Geister aufgefasst und dementsprechend behandelt. Fällt z. B. jemand vom Haus herab, so wird sein Lendentuch an der betreffenden Stelle begraben, auch muss er melä (opfern) und nachher acht Tage melo (nicht arbeiten), während welcher Zeit an dem Hause nicht gearbeitet werden darf. Auch Kleidungsstücke und Werkzeuge werden an Ort und Stelle, wo sie niedergefallen sind, begraben.

Der Tag, an dem der Häuptling Kwing Irang sein neues Haus beziehen sollte, wurde nach dem Vogelflug gewählt. Zum feierlichen Einzug wurden die ganze Häuptlingsfamilie und die mit ihr wohnenden Sklaven zusammengerufen. Damit aber ihre bruwa beim Anblick dieses grossen, imposanten Hauses nicht entflohen, gingen die künftigen Hausbewohner in einer Reihe hintereinander einmal um den Bau herum, um die bruwa an diesen ungewohnten Anblick zu gewöhnen, und bevor sie die zur Hausgalerie führende Treppe betraten, setzten alle eine Weile den Fuss auf ein kost- bares, altes Schwert, das man zu diesem Zwecke auf einen flachen Stein vor die Treppe gelegt hatte. In der amin (Hauptwohnraum) angelangt, begann man sogleich, einen Herd zu errichten. Zwei junge Männer holten von einer Seite des Hauses Erde und be- deckten mit ihr einige Bretter aus hartem Holz. Dann berichtete Bo Jok unter Opfer eines Küchleins den Geistern, wem dieser Herd gehörte, auch bat er um ein glückliches Leben und Reichtum.

Als symbolische Zeichen hierfür steckte er 2x8 Haken aus Fruchtbaumholz gleichsam zum Heranholen von Schätzen in die Erde. Diese Erde auf dem Herd darf nie gewechselt werden; nur darf man nötigenfalls bei religiösen Festen neue Erde aus dem- selben Loch hinzufügen.

Das erste Feuer muss auf die in früherer Zeit gebräuchliche Weise entzündet weiden, indem man ein Stück Rotang über ein trockenes, weiches Holzstück hin- und herzieht. Die Funken von dieser Feuersäge werden auf eine Art Schwamm aufgefangen. In den ersten Tagen darf dieses Feuer, während man ein melo (nicht arbeiten) hält, nicht ausgehen. Wenn die anderen Kajan ihre neuen Wohnungen beziehen, holen sie für ihren eigenen Herd Erde aus derselben Grube, und ihr erstes Feuer stammt von diesem Herd.

116 III. Plenarsitzung.

Auch begeben sich alle Familiengiieder, die wertvollste Habe in Körben auf dem Rücken, unter Beckenschlag in die Wohnung des Häuptlings und tun, als ob sie unter dem guten Vorzeichen, das der Häuptling seiner Zeit für sein eigenes Haus gesucht hatte, in das ihrige einziehen. Da das Weinen in einer neuen Wohnung von schlechter Vorbedeutung ist, hatte man ein halbidiotisches Mädchen zeitlich bei einer anderen Familie zurückgelassen, weil das Kind leicht in Weinen ausbrach.

Während des Hausbaus war der Stamm vielen Verbotsbestim- mungen unterworfen gewesen; man durfte z. B. keine Bären, Gibbon und dongan, einen sehr beliebten Fisch, essen, und die von anderen Stämmen mit anderer Religion gebürtigen Sklaven mussten auf das beliebte Fleisch des grauen Affen (kera) verzichten. Zur Be- endigung dieser Periode, ein Vorgang, der mit bet (wegwerfen) läli (das Verbot) bezeichnet wird, musste der Häuptling auf die Kopfjagd gehen (ngajo). Die anderen Kajan tun dies alle gemein- schaftlich, wenn ihre neuen Häuser fertig sind, beim ersten Neu- jahrsfeste. Doch war dieses ngajo des Häuptlings für viele andere wichtig, da jeder, der aus irgend welcher Ursache ngajo musste, daran teilnehmen durfte. So darf man bei dieser Gelegenheit die Trauer ablegen, den Knaben und jungen Männern ist hiermit ein Anlass geboten, eine Kopfjagd mitzumachen, wonach sie den Er- wachsenen gleich oder beinahe gleich gestellt werden. Je nach ihrem Alter ist ihnen dann erlaubt, die Schwanzfedern des Rhinozeros- vogels (kerip tinggang) auf die Kriegsmütze zu heften, einen Kriegs- mantel anzulegen oder ein Schwert zu tragen. Hieraus geht her- vor, dass bei diesen Stämmen das ngajo keine Angelegenheit des Einzelnen ist, sondern dass alle Stammesmitglieder zu gleicher Zeit mit dem Häuptling sich an einer Kopfjagd beteiligen. Wie jetzt gewöhnlich geschieht, unternahm man keine wirkliche Kopfjagd, sondern feierte nur die Zeremonien der zurückkehrenden Krieger und benutzte dabei einen alten Schädel, welchen man aus der Ferne, von dem Sultanat von Koetei, herbeigeholt hatte. Der zum Unternehmen passende Tag wurde von einem Priester nach dem Vogelflug bestimmt; der betreffende Mann verweilte zwei Nächte an dein Ort, wo er das günstige Vorzeichen erblickt hatte, worauf

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sich die teilnehmenden Familienhäupter am Abend vor der Rück- kehr in seine Hütte begaben ; beim Anbruch des folgenden Tage-, folgte auch der Häuptling Kwing Irang mit drei Böten, voll von Kopf bis zu Fuss bewaffneter Krieger, dorthin. Eine Stunde später fuhren fünf zu einer offenen Plattform vereinigte Böte den Mahakam bis zur Niederlassung hinab. Der mit jungen Palmblättern ver- zierte Raum war mit den malerisch aussehenden Kriegern, die ihren ernsten Kriegsruf ertönen Hessen, ganz gefüllt und bot im strahlenden Schein der Morgensonne einen prachtvollen Anblick dar. Am Landungsplatz warteten die schön geschmückten Frauen und Schwestern, welche ihren Angehörigen, sobald sie ans Land sprangen, die Schwerter und die überflüssige Kriegsrüstung ab- nahmen, ins Haus trugen und ihnen statt dessen einen hübschen Schal um die Schultern wanden. Letzteres hatte den Zweck, die bruwa der Krieger, die unter dem unangenehmen Eindruck von abgeschlagenen Köpfen , geraubter Habe und verbrannten Häusern standen, durch etwas Angenehmes zu beruhigen. Die Männer durften während mehrerer Tage ihre amin (Kammer) nicht betreten, mussten aber in der Galerie des neuen Hauses leben und nur in Bambus gekochten Reis ohne Zuspeisen gemessen. Mittags desselben und des folgenden Tages fuhren diejenigen Kajan, welche verhindert gewesen waren, an dem ngajo des Häuptlings teilzu- nehmen, in voller Kriegsrüstung, unter Begleitung eines Priesters, zu einer nahen Rollsteinbank, opferten dort den Geistern und zeigten ihren Mut, indem sie mit ihrem Schwert den mitgebrachten Schädel berührten oder Pfeile aus ihren Blasröhren auf ihn abschössen ; die mutigsten wagten sogar einen Augenblick auf dem Schädel zu sitzen. Der dritte Tag wurde hauptsächlich dem Vorzeichensuchen an den Opfertieren gewidmet. Der Häuptling opferte ein männ- liches Schwein und einen Hahn und zwar den Geistern auf dem Bahu Mili, dem zweiten Andesitkegel in der Nähe des Haus« ■-. Nachdem Kwing Irang selbst die Opfer den Geistern angeboten hatte, wurde erst der Hahn geschlachtet und dessen Bauch geöffnet, um nach dem Verhalten des Darmes, der Gallenblase und des Pankreas die Zukunft zu bestimmen. Ein glatter, nicht roter Darin, ein Pankreas, der nicht viel länger oder kürzer ist als die Darm-

118 III. Plenarsitzung.

schlinge, zwischen welcher er eingefasst ist. und eine volle Gallen- blase, >ind günstige Omina. Da der erste Hahn des Häuptlings diese gewünschten Vorzeichen nicht hatte, schlachtete man einen zweiten, der in der Tat eine bessere Zukunft prophezeite. Darnach wurde das Schwein geschlachtet und seine Leber und Milz unter- sucht. Für ein günstiges Vorzeichen muss die Milz lang, dünn und ohne Gruben, die Leber von normaler Grösse und Farbe sein, und die gul gefüllte Gallenblase muss in richtigem Verhältnis zu den Lappen an der Unterseite der Leber stehen.

Nachher wurden den anderen Teilnehmern von ihren Ver- wandten Küchlein gebracht, die alle von verschiedenen Priesterinnen geschlachtet und geöffnet wurden, um ein gutes Vorzeichen für ihre Zukunft zu erhalten. Teile dieser Opfertiere wurden in der üblichen Form, zwischen acht Bananenblätter, zusammengerollt, als kawit den Geistern dargeboten. Nicht nur die Geister erhielten Nahrung, sondern auch die Schwerter, Speere, Schilder, Gonge u. s. w. wurden gespeist, um sie günstig zu stimmen und ihre amei (Vater), inei (Mutter) und harin (Blutsverwandte) dazu zu bewegen, bei den Kajan einzukehren. Die Sklaven boten ihre Opfer dem Schwerte des Häuptlings an. Auch den Schädeln hatte man Speise in Bananenblättern gegeben.

Abends zogen mit dem Häuptling alle Teilnehmer ihre Kriegs- kleidung wieder an und berührten wiederum mit Schwert und Speer den Schädel, worauf der älteste und angesehenste mantri (Älteste) des Stammes eine mela (Seelenberuhigung) mit ihnen vornahm, indem er die Männer mit Dracaenablättern. die er in das köstliche Schweine- und Hühnerblut getaucht hatte, bestrich. Die Betreffenden mussten während der Zeremonie zur stärkeren Beruhigung ihrer bruwa den einen Fuss auf einen alten Gong setzen, Kwing [rang in seinem phantastischen Kostüm mit Kriegsmantel, grosser mit Federn des Nashornvogels verzierter Kriegsmütze und schönem Schild mit Haarschmuck, wurde als Erster behandelt. Der tiefe Ernst in den Gesichtern, die feierliche Stille in der grossen schwach beleuchteten Galerie, wirkten auf uns alle ergreifend, und die Krieger, die zu vieren gleichzeitig auftraten, bildeten im schräge einfallen- den Schein der Harzfackeln phantastische Gruppen.

Prof. Dr. Ed. Mahler. 119

Berücksichtigt man dabei die Angst, mit welcher die Männer den Schädel betrachteten und ihre Furcht vor den aufgerufenen Geistern, so lässt sich ihre Gemütsverfassung begreifen, ebenso dass sie zur Beruhigung ihrer Seele eine ernste mela nötig hatten. Hier- mit waren die Feierlichkeiten beendet, die Männer und Frauen des ganzen Stammes versammelten sich in Festkleidung in der Galerie und veranstalteten dort einen Rundtanz, der bis tief in die Nacht dauerte. Darauf durfte jeder in seine Wohnung zurückkehren.

Professor Dr. Ed. Mahler (Budapest).

Kalenderdaten in religionshistorischer Bedeutung.

(Resume)

Der Vortragende entwickelt die hohe Bedeutung, welche Kalender- daten für die Erforschung der Religionsgeschichte haben. Er weist nach, wie der „Sabbat" der Juden von dem babylonischen „Sa- p attu " seinen natürlichen Ausgang genommen. „Sabat" ist seiner Urbedeutung nach nicht „ruhen", sondern „fertig sein", dann: „fertigstellen, vollenden, beenden, beschliessen, abschliessen", end- lich im weiteren Sinn auch : „weglegen, fortschaffen etc." und wird im chronologischen Sinn für einen „vollendeten Zeit- kreis" oder ,. Cyclus" gebraucht. In diesem Sinne wird das Wort „sabattu = sapattu" nicht bloss zur Bezeichnung des „Ab- schlusses des siebentägigen Zeitkreises" benützt, auch der perio- disch wiederkehrende „siebenjährige Cyclus", sowie jeder periodisch wiederkehrende Zeitkreis führt diesen Namen. Seinen Ausgang für diese Deutung nimmt das Wort jedenfalls von dem Vollmonds- tage, an dem der erste grössere Zeitcyclus, den die mit stets wachsender Kultur fortschreitende Menschheit wahrgenommen, seinen „Abschluss" fand. Dieser wurde sonach „sapattu" genannt.

120 III. Plenarsitzung.

Der Vortragende geht dann über auf die biblisch-kalenda- rischen Daten der drei Feste: Passah, Sabuoth und Succoth. deren lunisolare Bedeutung im Adou ( = Aten)- Jah vecultus nachgewiesen wird. Durch den langjährigen Aufenthalt Israels in Aegypten war der Jahve-Dienst Israels mehr oder weniger mit dem Aten-Cult der Aegypter verschmolzen, und dies kommt in den drei genannten Festen zum Ausdruck.

Zum Schlüsse wird noch darauf hingewiesen, dass die Kalender- daten verschiedener religiöser Feste des Christentums zusammenfallen mit den ihnen entsprechenden Kalenderdaten der alten Aegypter für ägyptische Feste gleicher Bedeutung (so der Allerseelentag mit dem Tage des r Gräberöffnen s" der Aegypter; der Geburts- tag und Auferstehungstag Christi, des ..Sohnes Gottes", mit dem Geburtstage und Auferstehungstage des Horus, de- Sohnes des Ra), Erscheinungen, denen der Vortragende eine eminent religionshistorische Bedeutung zuerkennt.

Professor Dr. Paul Haupt (Baltimore).

Die religiösen Anschauungen des Buches Koheleth.

(Resume.)

Das unter dem Namen des Predigers Salomonis bekannte Buch Koheleth hat für die allgemeine Religionsgeschichte ein ganz besonderes Interesse; denn es steht auf der Grenzscheide zwischen dem Alten und Neuen Testament, und sein Ceterum censeo: gibt nichts Besseres als zu essen und zu trinken und sichs wohl >ein zu lassen wird von Jesus ausdrücklich verurteilt. (Luk. 12, 15—31.)*) Es ist das jüngste Buch des Alten Testaments, das später in eingreifender Weise umgestaltet, mit

') Vgl. Haupt, The Book o (' Ecclesiastes in Oriental Studiea Boston, 1894) p. 246

Prof. Dr. Paul Haupt. 121

abschwächenden, orthodoxen, pharisäischen Interpolationen versehen wurde und auf diese Weise schliesslich in dem Kanon des Alten Testaments Aufnahme fand. Es ist nicht unmöglich, dass die pharisäische Edition erst durch die alexandrinische Weisheit Salomonis hervorgerufen wurde, da die leitenden pharisäischen Kreise den Vorwurf der Antiorthodoxie seitens der ägyptischen Juden gewiss nicht gern auf Jerusalem sitzen lassen wollten.

Der ursprüngliche Verfasser war anscheinend ein sadducäischer Arzt (vgl. 12, 3 6) und Schuloberhaupt (melech)*) aus davidischem Geschlecht in Jerusalem, der zur Zeit des Beginns der makkabäischen Erhebung (um 167 v. Chr.) geboren worden sein mag und deshalb bei Abschluss seines pessimistischen Buches etwa im Jahre 100 v. Chr. unter der Regierung des Königs Alexander Jannäus (104 bis 78 v. Chr.) über siebzig Jahre alt war. Es ist zu dieser Zeit von vornherein wahrscheinlich, dass der Verfasser mit den Lehren der griechischen Philosophen bekannt war; auch in seiner Sprache lassen sich griechische Einflüsse nachweisen. Der arme weise Jüng- ling in 4, 13 ist König Alexander Balas von Syrien (150—145 v. Chr.), und die durch den vergessenen Weisen erfolgreich gegen einen grossen König verteidigte kleine Stadt in 9, 14 ist Beth-zur, das von dem Sohne des Antiochus Epiphanes, Antiochus Eupator, im Jahre 163 v. Chr. vergeblich belagert wurde (vgl. 1. Makk. 6, 31 ; 2. Makk. 13, 19; Joseph. Ant. XII, 9, 4).

Das Buch ist wohl erst nach dem Tode des Verfassers von seinen Schülern und Freunden veröffentlicht worden, und auf ihre Rechnung mögen gewisse Umstellungen und Aenderungen, die an Salomo als Verfasser zu denken gestatten, zu setzen sein. Die eingreifendsten Aenderungen und Zusätze (die die Aufnahme des Buches in den Kanon ermöglicht haben, da es wahrscheinlich zu bekannt war, um unterdrückt werden zu können) rühren aber von orthodoxen Gegnern des pessimistischen Verfassers her.

Der ursprüngliche Verfasser glaubt nicht an eine göttliche Weltregierung oder moralische Weltordnung. Ihm erscheint alles eitel, d.h. vergänglich, nutzlos, wertlos. Alles ist ein beständiger

Vgl. Gitt. 62 a, unten, und ßer 64 a.

122 III. Plenarsitzung.

Kreislauf ohne bleibenden Nutzen, und alle trifft dasselbe Geschick. Alles hängt von Zeit und Zufall ab. Gerechte leiden, Ungerechte sind glücklich. Der ethische Gehalt der Religion ist wichtiger als die äusseren Formen. Opfer und lange Gebete sind zwecklos; aber wer ein Gelübde tut, sollte es erfüllen oder lieber nichts geloben. Der Todestag ist besser als der Geburtstag, das Ende besser als der Anfang. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass es in früheren Zeiten besser war. An Stelle des Rechts ist Unrecht, vielleicht um den Menschen zu Gemüte zu führen, dass sie nur Tiere sind. Der Mensch hat keinen Vorzug vor dem Tier. Tier und Mensch haben dieselbe Seele. Alles ist aus Staub geworden, und Alles wird wieder zu Staub. Wer weiss ob die Seele der Menschen hinauf- steigt zu der Höhe, und die Seele der Tiere hinabsinkt, hinunter in der Erde Schoss? Die Toten sind aber besser daran als die Lebenden, und glücklicher als beide sind die, die niemals ins Dasein getreten.

Alles Mühen und Streben beruht nur auf Eifersucht, aber bringt keinen dauernden Nutzen. Auch Reichtum gewährt keine Befriedigung. Das einzig wahre ist, zu essen und trinken, und sich's wohl sein zu lassen bei aller unsrer Mühe. Auch Weisheit gewährt keine dauernde Befriedigung. Mehr Weisheit bringt mehr Kummer, mehr Erkenntnis bringt mehr Leiden. Der Weise unter- liegt demselben Schicksal wie der Tor. Auch alle Freuden der Welt sind eitel; wenn man noch so viel erreicht in dieser Welt, man muss es zurücklassen. Es gibt nichts Besseres als essen und trinken und sich's wohl sein lassen.

Iss*) und trink und sei vergnügt, geniesse das Leben mit einem Weibe, das du lieb hast! Schaffe, was du kannst: denn es kommt die Nacht, wo niemand arbeiten kann, mit dem Tode hört alles auf! Sei nicht zu ängstlich, doch vorsichtig! Frisch gewagt ist halb gewonnen ; wer allzuviel bedenkt, wird wenig leisten. Die allergewöhnlichsten Verrichtungen bringen eine gewisse Gefahr Arbeite früh und spät!

Vgl. Haupt, The Closing Sectios of Ecclesiastes in den Johns 1 1 " |. k i n 9 Uni versity < i rcula rs , Juni 1891. p. 1 I

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Freue dich deiner Kindheit und Jugend ; sei kein Kopfhänger, aber untergrabe nicht deine Gesundheit ! Gründe eine Familie, so- lange du im Vollbesitze deiner Jugendkraft bist; denn es kommen die Jahre, von denen du sagen wirst: Sie gefallen mir nicht; bis man schliesslich eingeht zum ewigen Hause, der Grabeswelt. Alles ist eitel, und alles, was kommt, ist eitel !

Wenn man die Interpolationen beseitigt und den ursprüng- lichen Zusammenhang herstellt, so treten die religiösen Anschau- ungen des Buches Koheleth klar und folgerichtig zu Tage. Eine vollständige deutsche Uebersetzung des Buches im Versmasse der Urschrift mit erläuternden Anmerkungen ist unter der Presse und wird demnächst unter dem Titel: Weltschmerz in der Bibel, ein Lieblingsbuch Friedrichs des Grossen, verdeutscht von Paul Haupt, im Verlage der J. C. Hinrichschen Buchhandlung zu Leipzig erscheinen *). während eine kritische Ausgabe des hebräischen Textes im nächsten Hefte der Beiträge zur Assyriologie und ver- gleichenden semitischen Sprachwissenschaft, herausgegeben von Friedrich Delitzsch und Paul Haupt, zur Veröffentlichung: kommen wird.

*) Ist erschienen. (Die Redaktion.)

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IV. Plenarsitzung.

2. September 1904. vormittags 101 2 Uhr.

Dr. Paul Sarasin (Basel).

Ueber religiöse Vorstellungen bei niedrigsten Menschenformen.

Wenn ich über religiöse Vorstellungen bei niedrigsten Menschen- formen zu sprechen unternehme, so türmen sich gleichsam schon beim Anfange der Wanderung höchst eigenartige Schwierigkeiten auf, von denen die bedeutendste in der Vorfrage gelegen ist: was verstehen wir unter niedrigsten Menschenformen?

Aus dem von mir gewählten Ausdrucke: niedrigste Menschen- form ersehen Sie sogleich, dass ich unter den heute die Erde über- deckenden Völkerschaften nicht allein formelle Unterschiede sehe, was ja ein Jeder tut, sondern dass ich einige auch für tiefer stehend als andere halte, tiefer im intellektuellen sowohl als somatischen Sinne, was sogleich die Kritik zum Widerspruch herausfordert.

Bevor wir über die Sache weiterreden, lassen Sie mich Ihnen eine Ansicht darlegen, welche wir, mein Vetter und ich, in einem grösseren Werke zu begründen versucht haben,5) und welche sich in ganz kurzen Worten folgendermassen wiedergeben lässt:

An vielen Orten des Erdballs zerstreut, besonders innerhall» des Tropengürtels, finden sich Menschenstämme, welche auf den ersten Blick dadurch auffallen, dass sie von kleinerer Statur sind als andere, welche dasselbe Land bewohnen, und gehen wir dieser Erscheinung weiter nach, so werden wir gewahr, dass diese kleinen Stämme die denkbar einfachste Lebensweise führen, dass der Hoch- wald oder der aus Wald und Grasebenen sich zusammensetzende Naturpark ihre Heimat ist, dass sie von der Jagd und von Wurzeln

Dr. Paul Sarasin. 125

und Früchten des Waldes leben, wogegen die grösser gewachsenen Stämme desselben Erdteiles eine relative Höhe der Kultur in ihrer Lebensweise zur Schau tragen. Treten wir mit diesen Letztern in Verkehr, so erfahren wir weiter, dass sie ihre kleinen Waldnach- barn für eine ganz andere Menschenart halten, mit denen sie nur in indirektem Verkehr stehen, die sie meist auch als die ursprüng- lichen Bewohner, die Autochthonen des Landes betrachten, sich selbst aber als spätere Ankömmlinge, als die den Ackerbau und die Kultur heranbringenden Eindringlinge in das Land der kleinen Urbewohner.

Diese kleinen Menschenstämme fand man durch Nachfor- schungen im Laufe der Zeit an mehreren Orten der asiatischen Tropen, speziell der beiden Indien, sowie auf dem grossen, zwischen Asien und Australien netzartig gegliederten Archipel in den Wald- gebieten zerstreut, und weiterhin in den verschiedensten Distrikten von Afrika, besonders in den Riesenwäldern der Quellgebiete des Nil und des Kongo. Nach Kollmann's2) Urteil müssen sie auch im tropischen Amerika zu finden sein.

Wenn wir nun die grösser gewachsenen Stämme ganz ausser Betracht lassend, einen Gesamtblick auf die kleinen werfen, so sehen wir sie in erster Linie in zwei grosse Gruppen zerfallen, in solche nämlich, welche gleich den Negern wolliges, und solche, welche gleich der Mehrzahl der Asiaten schlichtes, genauer lockig gewelltes Haar tragen. Dieser Unterschied ist kein oberflächlicher, er wird vielmehr von bestimmten somatischen Eigenschaften be- gleitet, sodass wir wohl berechtigt waren und es noch sind, die kleinen Stämme der Erde in zwei Hauptgruppen einzuteilen, in wollhaarige oder ulotriche und wellighaarige oder cymotriche Klein- stämme.

Betrachten wir weiterhin die ulotrichen Kleinstämme einer- seits und die cymotrichen anderseits für sich, sie von ver- schiedenen Orten miteinander vergleichend, so fällt uns auf, dass sie eine grosse Aehnlichkeit untereinander erkennen lassen, sowohl nach Körperbau und nach den Gesichtszügen, als auch nach den geistigen Eigenschaften, eine Erscheinung, welche nicht auf dem unbestimmten Eindruck des Beobachters beruht, sondern welche,

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soweit sie sich auf das somatische bezieht, durch Photographie zu beweisen ist.

Deshalb erscheint der Vorschlag Hack eis1) als praktisch, diejenigen cymotrichen Kleinstämme, welche den Weddas von Ceylon ähnlich sehen, Weddalen zu nennen und die ulotrichen Klein- stämme, welche durch die Entdeckung von Schweinfurth7) im Unterstamme der Akkas weltbekannt geworden sind, als Akkalen zu bezeichnen ; denn es erwächst uns aus diesen Benennungen noch der weitere Gewinn, dass die ursprüngliche Bezeichnung von uns beiden: cymotriche und ulotriche Primär stamme vermeidbar er- scheint, vor der Hand wenigstens, bis über die Abstammungsfrage dieser Menschenformen, über ihre phylogenetische Stellung, Eini- gung unter den Sachverständigen gewonnen sein wird.

Von dieser Einigung aber sind wir gerade jetzt äusserst weit entfernt, weshalb ich Sie bitte, bevor ich auf das von mir ange- kündigte Thema eingehe, noch einige Worte über diese Frage äussern zu dürfen.

Bei jedem wissenschaftlichen Problem, welches ungelöst vor uns steht, tun wir gut, von der Betrachtung des Gesamtgebietes für's erste abzusehen und einen einzelnen Fall, welcher einen Teil dieses Ganzen vorstellt, aufs allergenaueste ins Auge zu fassen, um von den an diesem gewonnenen Erfahrungen ausgehend, wieder auf das Ganze Rückschlüsse zu ziehen ; das kann der einzige Weg sein, um aus dem Gewirr von Meinungen zu festem Wissen zu gelangen. Deshalb haben wir vor Jahren einen der cymotrichen Kleinstämme zur Untersuchung gewählt, welcher die von der Kultur noch unberührte wald- und felsenreiche Parklandschaft im Herzen der Insel Ceylon zu ihrem Jagdgebiete hat, nämlich die Weddas. Dieser Menschenstamm, welcher klein ist von Statur, ohne gerade gleich vielen Akkalen pygmäenhaft zu sein (Durch- schnittshöhe der Weddamänner 1.58 m, die vieler Akkalenstämme 1 2 Dezimeter niedriger) unterscheidet sich in somatischer Be- ziehung von den ihn umgebenden Kulturvölkern der Insel, nämlich von den Tamilen und Singhalesen, nicht allein durch seine gerin- gere Körpergrösse, sondern auch durch eine Reihe anderer Merk- male, von welchen ich, notgedrungen ganz auf der Oberfläche mich,

Dr. Paul Sarasin. 127

haltend, denn es ist hier nicht der Ort, auf diese Untersuchun- gen einzutreten die folgenden nenne: dunklere Hautfarbe, Eigenartigkeit des Bartwuchses, grössere Augenhöhlen, besondere Bildung der breiten, tief eingesattelten Nase, geringere Wulstigkeit der Lippen, grössere Zartheit der Skelettknochen, geringere Kapa- zität der Hirnkapsel, von uns Oligencephalie genannt im Gegen- satz zur Euencephalie der Tamilen und Singhalesen oder gar der Aristencephalie eines Europäers: aber die sonst als tierisch ange- sehene relative Verlängerung des Kieferteiles, die Prognathie, ist beim Wedda geringer als bei seinen Kulturnachbarn, er ist ortho- gnath, nur die Zähne sind schief gerichtet. Auch im Bau der Wirbelsäule, in den Proportionen der Arme und des Fusses, im Brustkorbe, im Schulterblatt und Becken bestehen darstellbare Unterschiede und weiter noch in einer Reihe von Einzelheiten, welche wir vor Zeiten mit Mühe und Sorgfalt untersucht und be- schrieben haben und welche, zum Ganzen zusammengefasst, den Weddatypus als anthropologisch verschieden von seinen Kultur- nachbarn erscheinen lassen ; und diese Letzteren betrachten ihn auch seit Jahrtausenden, d. h. seit der Besiedelung der Insel durch die Singhalesen, als einen von ihnen selbst durchaus verschiedenen Menschenstamm; die Singhalesen sehen die Weddas sowohl noch heutzutage als in ihren ältesten Berichten als die Urbewohner an, als die Autochthonen der Insel, mit denen sie bei ihrem ersten Eindringen ins Innere Kämpfe zu bestehen hatten.

Was jedoch unsere Weddas gegenüber ihren Kulturnachbarn am allermeisten auszeichnet, das ist ihre Ergologie, welchen Ausdruck wir gewählt haben, um bei einem Volke alle Aeusse- rungen, welche mit dem Intellekte zusammenhängen, alle Hand- lungen also, auch die geistiger Art, zu bezeichnen, von der Weise, ihr Leben zu führen, bis zu ihren Gedanken, welche wir ebenfalls als Taten betrachten, gemäss der Bedeutung des Wortes k'gyov, wie wir es z. B. bei Xenophon (Mem. X) finden, welcher den Sokrates an einen Bildhauer die Ermahnung richten lässt, in seinen Werken nicht allein der äusseren Form gerecht zu werden, sondern auch die Taten des Geistes, der Seele, zr\q ipv%fJQ egya zu ihrem Ausdrucke kommen zu lassen. Eine scharfe Trennung

128 IV. Plenarsitzung.

unserer Ergologie gegen die Physiologie hin, welcher als Schwer- punkt der Untersuchung die Funktion der Organe zufällt, wirü man, da unsere Ergologie auch als Funktion des Gehirns aufge- fasst werden könnte, vermissen; aber einerseits gibt es überhaupt kein Gebiet in der Natur, das sich mit scharfem Schnitt aus seiner Umgebung herausheben Hesse, und andrerseits ist es noch keinem Physiologen in den Sinn gekommen, den Schwerpunkt unserer Ergologie, nämlich die Lebensweise und den Gedankenschatz eines Volkes, als sein Arbeitsgebiet zu beanspruchen.

Die Ergologie der Weddas aber zeichnet sich sowohl durch fast nicht zu übertreffende Einfachheit an sich, als durch denkbar grössten Gegensatz zu der ihrer Kulturnachbarn aus. Werfen wir einen flüchtigen Blick auf dieselbe, wobei ich mich nur an das allerwesentlichste halten kann, auch alle neueren Einflüsse euro- päischer Kultur, welche die ursprüngliche Lebensweise der Weddas schon sehr zu verändern begonnen haben, ausser Betracht lassen muss, wonach sich das durch fremde Einflüsse ungestörte Lebens- bild der Weddas folgendermassen darstellt:

Der in seinem ursprünglichen Zustande befindliche Natur- wedda lebt wesentlich von der Jagd und von Früchten und Wur- zeln, die er im Walde findet; den Ackerbau hat er noch nicht erworben, von Haustieren hält er nur den Hund; das Wild seines Jagdbezirkes ist seine Herde. Ursprünglich ist das gesamte Weddaland schachbrettartig in Jagdbezirke eingeteilt zu denken, welche je von einer Familie bewohnt und von ihr gegen die andern eifersüchtig gehütet wurden; gewisse Bäume oder Felsen bildeten die anerkannten Grenzmarken. Diese Jagdgebiete waren in der Weise abgeteilt, dass ein jedes ebensowohl einen Teil der parkartigen Ebene als den eines jener vielen Felsberge umschloss, welche über das Land hin zerstreut liegen. Innerhalb dieses aus einem Hochort und einer Niederung bestehenden Jagdgebietes lebte die einzelne Familie wie in einem eigenen Parke, in der trockenen Zeit mehr in der Niederung, in der Regenzeit sich nach den Felshöhen zurückziehend; denn in diesen fand der Wedda jetzt nicht nur Schutz gegen die übergrosse Nässe der Grasflächen und die Überschwemmungen der Flüsse, sondern die durch über-

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einander gerutschte Felsblöcke gebildeten Höhlen dienten ihm nun zur trockenen Wohnung, und zugleich wurde durch die übergrosse Feuchtigkeit der Ebene auch das Wild nach den Felshöhen hinauf- getrieben. In der trockenen Zeit aber lebt der Wedda im ebenen Lande und kampiert im Freien unter irgend einem Baume, oder er errichtet ein Schutzdach von der primitivsten Art, unter welchem er die Nacht zubringt und das ihn auf den Grasebenen über Tags gegen die ihm verhasste Sonnenbestrahlung schützt. Hat sich eine Elephantenherde in sein Jagdgebiet gezogen, so übernachtet er auch wohl zu seinem Schutze im Geäst eines starken Baumes.

Dieses ursprüngliche Jagdnetz ist durch die Einwirkung der umgebenden Kulturvölker zerrissen und zerstört worden, und die äusserst spärlichen Reste der echten Weddas schweifen jetzt im ganzen Gebiete umher, ohne doch ihre Lebensweise im wesentlichen verändert zu haben ; noch leben sie zeitweise in Höhlen, und noch bauen sie keine Häuser, wenn sie nicht dazu genötigt werden, wie das von der englischen Regierung von Zeit zu Zeit ge- schehen ist.

Einen Staatsverband kennen die Weddas nicht, sie haben keinen Herrscher, das Familienoberhaupt vertritt die Familie ; sind mehrere Männer beisammen, so pflegt der Aelteste den Sprecher abzugeben.

Die Hauptnahrung der Weddas besteht im Fleisch der Jagd- tiere und in Waldhonig; Vegetabilien kommen in zweiter Linie. Das Wild erlegt er mit sehr grossem, aber roh gearbeitetem Bogen und Pfeilen; daneben trägt er stets eine Axt bei sich. Die eisernen Klingen der Pfeile und der Axt tauscht er sich vom nächsten singhalesischen Dorfschmied gegen getrocknetes Fleisch und Wald- honig ein auf dem Wege geheimen Tauschhandels, wobei die Parteien sich gegenseitig nicht zu sehen bekommen. Das Eisen vermag er selbst nicht zu schmieden; kann er keines bekommen, so spitzt er die Holzschäfte der Pfeile einfach zu; die Kunst, Pfeil- und Axtklingen aus Stein zu fertigen, versteht er nicht, oder wenigstens jetzt nicht mehr; Töpferei ist den Weddas unbekannt.

Als Kleidung diente ihnen allgemein eine kleine Schürze aus roh bearbeitetem Baumbast, oder sie befestigten Zweigenden an

Kongressbericht. 9

130 IV. Plenarsitzung.

einer um die Lende gebundenen Bastschnur; jetzt tauschen sie meistens Tuch ein zur Bedeckung des unteren Körperteiles ; übrigens scheinen sie, wenn sie unter sich sind, auch ganz nackt zu gehen.

Bei solch' roher, an tierische Zustände streifender Lebens- weise war es sehr naheliegend, zu vermuten, dass auch die geisti- gen Eigenschaften dieses Menschenstammes das Bild von Niedrig- keit und Roheit bieten würden; werden doch die Naturweddas von ihren Kulturnachbarn, den Singhalesen, oft kurzerhand als Tiere bezeichnet, wie wir noch unlängst zusammen mit Dr. Rüti- meyer4) vernommen haben, als er die Weddas einer erneuten Untersuchung unterwarf; die Ankunft eines Trupps derselben, mit einem älteren Manne an der Spitze, kündigte der Diener mit den Worten an: „Der Tierkönig, the king of animals, ist ange- kommen", und Andere sagen von ihnen: „Sieleben wie die Tiere des Waldes."

Eine nähere Untersuchung ergab nun für's erste allerdings, dass ihre Intelligenz eine niedrige Stufe einnimmt, und dieses Er- gebnis musste von vornherein schon im Hinblick darauf wahr- scheinlich sein, dass dieser Stamm im Laufe der Jahrtausende, während deren er von Kulturvölkern umgeben ist, doch fast gar nichts von deren Kulturbestand angenommen, sondern unabänder- lich seine ursprüngliche, dürftige Lebensweise beibehalten hat. Solche Menschen könnten entweder ein Volk von Philosophen sein nach Art der antiken Zyniker, oder sie sind geistig Beschränkte, und da es ein Volk von Philosophen nicht gibt noch je gegeben hat, so bleibt das letztere allein übrig. Aber für ihre niedrige Intelligenz bestehen noch andere Anhaltspunkte : So hat der Wedda von Kenntnissen nur so viele, als sie auf die Lebenserhaltung von ihm selbst und seiner Familie Bezug haben: was darüber hinaus- geht, existiert für ihn nicht, ja, er verachtet es, er begehrt gar nichts davon zu wissen. Zählen kann ein von fremden Kullur- einflüssen unberührter Wedda gar nicht; dazu aufgefordert, deutet er auf einen nach dem andern von den Umstehenden und sagt erstaunt: einer, einer, einer; denn er versteht gar nicht, was man von ihm will; und wie sie die Kunst des Zählens nicht von den Singhalesen übernommen haben, so ebensowenig alle anderen

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Merkmale einer höheren Kultur. Eine Ausnahme bildet die Sprache; diese haben sie von den Singhalesen übernommen und nur wenig nach ihrer Art umgewandelt. Man muss auch nicht etwa denken, als könnte der Wedda nicht durch Erziehung arithmetische Kennt- nisse sich erwerben; aber die Wichtigkeit solcher Kenntnisse ein- zusehen, war er von sich aus nicht imstande.

Nun würde man aber durchaus irren, wenn man meinte, die Niedrigkeit ihrer Intelligenz habe pathologischen Charakter, sie streife an Idiotismus, oder sie sei mit derjenigen geistig Zurück- gebliebener zu vergleichen ; denn ihr ganzes Wesen hat gar nichts vom Läppischen solcher unglücklicher Kreaturen an sich, sondern es ist ernst, ja würdig, ohne doch, dass sie bei bestimmten An- lässen nicht äusserst fröhlich sein könnten. Der Horizont ihrer Anschauungen ist ein eng umschränkter ; aber innerhalb desselben bewegen sie sich mit vollkommener Freiheit und Leichtigkeit. Wir haben einen völlig normalen Menschenstamm vor uns mit quantitativ niedriger Intelligenz. Die Durchschnittshöhe derselben bei einem Volke schätzen wir einerseits nach seiner Rezeptivität gegenüber den geistigen Errungenschaften höherer Völker, anderer- seits nach der Produktivität, der Hervorbringung neuer Ideen, neuer Erfindungen. Diese letztere, welche das Merkmal der höch- sten Nationen, ja unter diesen nur weniger, höchst stehender In- dividuen ist, muss dem Wedda selbstverständlich ganz abge- sprochen werden; die Schätzung seines geistigen Vermögens muss auf der seiner geistigen Rezeptivität beruhen, und diese geht nur so weit, als sie für seinen Lebensunterhalt unbedingt notwendig oder von ganz schlagendem Vorteil ist, so z. B. der Erwerb der Eisenklingen für Pfeil und Axt. Aber selbst das wenige, was sie von Geräten besitzen und was sie auch selber anzufertigen ver- stehen, wie Pfeil und Bogen, rohen Baststoff, die Feuerbereitung mit Hilfe von Reibhölzern und einige andere Kleinigkeiten mehr, haben sie nie und nimmer selber erfunden, sondern bis auf unsere Zeit unverändert bewahrt, während andere Völker längst schon zu höheren Werkzeugen vorgeschritten sind. So sind sie noch bewaffnet, wie es zu einer Zeit, da höhere Waffen noch nicht er- funden waren, die ganze Welt gewesen ist; denn dass die Er-

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132 IV. Plenarsitzung.

findung des Pfeilbogens eine uralte ist, wissen wir aus den über die Erde ausgesäeten prähistorischen Silexpfeilspitzen, und andrer- seits befand sich bekanntlich im englischen Heere eine Truppe von Bogenschützen, archers, noch im siebzehnten Jahrhundert (1627).

Nicht anders ist es mit dem Feuerzeug. Die Reibhölzer, wie sie die Weddas gebrauchen, hat schon Odysseus verwandt, hat noch Piaton benutzt, es bedienten sich ihrer noch zur Zeit des Plinius die Hirten auf dem Felde: es ist eine uralte, geniale Er- findung, und jetzt, wie der Pfeilbogen, von denjenigen Völkern noch festgehalten, welche fortgeschrittenen Erfindungen am schwer- sten zugänglich sind. Denn ich spreche es als meine Ueber- zeugung aus, dass jede neue Erfindung, jeder neue Gedanke, welcher für die Lebensweise der Menschheit einen wesentlichen Vorteil bringt oder ihr Bedürfnis nach Aufklärung besonders be- friedigt, von einem Orte aus, von dem Haupte des einen Erfinders wie Wellenringe um die ganze Erde sich verbreitete, und dass die Intelligenz eines Einzelnen wie eines Volkes nach der Raschheit abzuschätzen ist, mit welcher diese neue Geistestat begriffen und erfasst wurde.

So setzt sich auch der Ackerbau, der Hausbau, die Viehzucht, der Staat aus einer Kette solcher einzelner Geistestaten zusammen, welche die verschiedenen Völker der Erde je nach ihrer geistigen Höhe in grösserem oder geringerem Masse sich aneigneten, und hiezu sind auch zu rechnen die wissenschaftlichen, künstlerischen, philosophischen, religiösen Ideen und Taten; und von diesem un- geheuren Reiche des Geistes haben die Weddas noch nicht einmal die Schwelle des Ackerbaues zu überschreiten sich entschlossen.

Da knüpft sich nun ein hohes Interesse an die Frage: Wie steht es mit den ethischen Eigenschaften dieses Völkchens? Werden wir hier nicht höchst primitive Zustände erwarten müssen? Dazu im Gegensatz begegnen wir der überraschenden Erfahrung: Primitiv sind ihre ethischen Zustände allerdings, aber primitiv im Sinne grösster Einfachheit, keineswegs aber etwa im Sinne der Roheit oder der Wildheit der Sitten.

Der Wedda ist von Charakter reizbar und, wenn beleidigt, greift er zur Sclbstrache, da er keinen Richter über sich anerkennt;

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den Spott bezahlt er mit Verachtung; von seinem eigenen Werte hat er eine hohe Vorstellung, auf seine persönliche Freiheit ist er äusserst eifersüchtig, wie auch auf das Recht seines Jagdgebietes und die paar Gegenstände seines Besitzes ; aber der Gedanke, sich Vorräte anzulegen, um durch ihre Verwertung sich Reichtum zu sammeln, liegt ihm ganz ferne; denn bei seiner vollständigen Be- dürfnislosigkeit — ist er doch sogar ein bewusster Verächter jeden Schmuckes wäre das Aufhäufen von Wertgegenständen ohne jeden Zweck für ihn. Mit Eifersucht wacht er über das, was er für seine Existenz notwendig besitzen muss, aber was für ihn nicht notwendig ist, das verachtet er. So wird von den Weddas auch Diebstahl nicht ausgeübt, nie vergreifen sie sich am Gute ihrer Kulturnachbarn, welche das auch ganz wohl wissen. Sie sprechen immer die Wahrheit, die Lüge verachten sie; aber wenn es ihnen nicht gefällt, etwas, das man von ihnen zu wissen ver- langt, zu berichten, so schweigen sie. Einem Kultur-Inder er- scheint dieses Verhalten sehr albern; die Lüge ist diesem ein wichtiges Hilfsmittel zu Vorteil und Vorwärtskommen, sie gewährt ihm den äussern guten Schein, worauf ihm alles ankommt; sie ist das Schild, hinter dem er sich verbirgt, wenn er Tadel oder Strafe fürchtet, und deshalb schätzt er sie hoch als eine wertvolle Kunst. Der Wedda, welcher den äusseren Schein verachtet und das Ge- fühl der Schuld nicht kennt, da er sein eigener Richter ist und was er tut, am Tage liegt, bedarf nicht des Schutzmittels der Lüge, und da ihm kein Vorteil aus dem Unglück eines Andern erwachsen kann, so wendet er sie auch nicht als Waffe an.

Gegen Fremde ist der Wedda gastfrei, gegen empfangene Wohltaten dankbar, er ist mutig, wenn er in Streit gerissen wird und ist gelassen im Sterben.

Höchst merkwürdig ist sein Verhalten in der sexuellen Sphäre, diesem wichtigsten Gebiete der menschlichen Gesellschaft; und da sich hier öfter beobachten lässt, dass geordnete Verhältnisse aus ursprünglich mehr an Kommunismus streifenden hervorgegangen sind, könnte man vermuten, diesen Kommunismus bei niedrigsten Menschenstämmen, wie den Weddalen, auch am reinsten ausge- bildet zu finden; aber das gerade Gegenteil tritt uns entgegen.

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Der Wedda lebi in Monogamie, und das Gefühl der sexuellen Eifersucht, durch dessen Fehlen ja allein sexueller Kommunismus denkbar wird, ist hei ihm ausserordentlich lebhaft entwickelt; dem Nebenbuhler raubt er das Leben mit Pfeil oder Axt; und solange Mann und Frau den Lebenden angehören, bleiben sie beisammen, obschon sie nach eigener Entscheidung ihre Ehe schliessen, jede Formalität oder Einmischung Anderer dabei von der Hand weisend. Nahe Verwandtschaft bildet für ihn dabei kein Hindernis. Ein Name kommt nicht zur Vererbung, da Geschlechtsnamen über- haupt fehlen : darum kann man eigentlich auch nicht von irgend einem Erbrecht, von Vater- oder Mutterrecht sprechen. Wollte man es doch tun, so würde die Wagschale mehr auf die Seite des Vaterrechtes fallen.

Jedem Teil des Paares liegt seine besondere Arbeit ob, dem Mann die Jagd, der Frau die Herbeischafrung der pflanzlichen Nahrung und die Besorgung der Kleinen, von denen aber der Knabe schon sehr zeitig dem Vater auf die Jagd folgt. Die Frau aber ist, obschon sie in ihrem Teil hart zu arbeiten hat, nicht Sklavin, sondern Gefährtin des Mannes. Die Kinder werden freund- lich behandelt und sind darum fröhliche Geschöpfe. Im Gegensatz zum Wedda lebt der Kultur-Inder, der Singhalese z. B., in der sexuellen Sphäre im allgemeinen, um es kurz zu sagen, nach seinen Mitteln.

Das Ihnen hier nur in Andeutungen gegebene Bild vom Cha- rakter und der Lebensweise der Weddas streift so nahe an religi- öse Vorschriften anderer Völker, dass wir nicht ohne Spannung an die Frage treten, ob die Sitten der Weddas gewissen religiösen Vorstellungen entspringen und welcher Art dieselben sind. Hier aber kann ich mich sehr kurz fassen; denn die diesbezügliche Untersuchung führte zu fast völlig negativem Resultate. Von der Anerkennung irgend eines göttlichen Wesens fehlt jede Spur, gewiss eine überraschende Tatsache, wenn man an das wohlbe- setzte Pantheon der indisch-brahmanischen Kulturvölker denkt oder an ihre von Dämonen reich bevölkerte Hölle, und auch von der Lehre Buddhas, welcher die Singhalesen ergeben sind, ist bei den Weddas nicht die leiseste Spur zu entdecken. Dringt man mit

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Fragen in sie, wie z. B. wer Himmel und Erde gemacht habe, was mit ihnen nach dem Tode geschehe, wer Buddha sei u. s. w., so geben sie zur Antwort, sie wüssten es nicht, oder sie hätten noch nie darüber nachgedacht, oder: wenn ihr das wissen wollt, so fragt den singhalesischen Teufelspriester, den Yakdessa, der versteht es.

Wie also der Wedda die Kultur seiner Nachbarn ablehnt, so auch ihre Religion; aber er tut dies nicht etwa von einem kri- tischen Sinne geleitet; sondern er glaubt nur an das Bestehen dessen, was auf seine Sinne einwirkt, über alles andere denkt er gar nicht nach, er ist Atheist nicht im Sinne des bewussten Gottes- leugners, sondern eher in dem des Agnostikers; denn er lebt da- hin wie das Kind, ohne sich auf sich selbst zu besinnen oder durch Nachgrübeln über den Tod und über eine Existenz nach dem Tode seine Phantasie schreckhaft zu erregen. Dabei ver- sichert er, so oft als man es hören mag, dass er sich zufrieden und glücklich fühle und nichts weiter begehre, als dass man ihm seine Freiheit lasse.

Man begegnet öfter bei Europäern dem merkwürdigen Vor- urteil, als ob man bei kulturniedrigen Stämmen die Vorstellung von einer Gottheit finden müsse, wie sie selbst sie haben, als ob, um es mit einem Wort zu sagen, metaphysischer Monotheismus bei allen Menschenstämmen offen anerkannt oder im Verborgenen vorhanden sei; aber diese ganze Wandlung der ursprünglich phy- sischen oder diesseitigen Gottesvorstellung in die metaphysische oder jenseitige ist ja ein Vorgang, der sich selbst bei den ersten Kulturvölkern verhältnismässig spät vollzogen hat. Wie können wir nun erwarten, metaphysische Gottesvorstellung bei einem Na- turvolk zu finden? Oder sollten wir etwa, von eigenen Zweifeln gequält, bei geistig niedrig stehenden Menschenstämmen uns Rats erholen wollen?

Die einzige Spur von Religion, welche bei den Weddas er- weislich ist, besteht in einer dumpfen Vorstellung vom Weiter- leben der Seele am Orte des Todes, welch' letzterer deshalb für einige Zeit gemieden wird; ferner in einem eigentümlichen Ring- tanz um einen in die Erde gesteckten Pfeil. Das sind über die

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ganze Menschheit verbreitete Ideen, welche wir auch auf den Wedda leise abgefärbt sehen, der Animismus oder die Manen- verehrung, die eigentliche Grundlage des Dämonismus und überall, auch bei den Kulturvölkern von Europa und Asien, unter der zu gewisser Zeit angenommenen späteren Religionsform aus uralter Vorzeit zähe sich erhaltend. Dabei wird die Seele nicht als ver- jenseitigt gedacht, sondern als in der Nähe irgendwo verborgen weiterlebend ; deshalb füttert und tränkt man sie. Der Pfeiltanz hat wahrscheinlich ursprünglich phallistische Bedeutung, mit alten Naturzeugungsmythen zusammenhängend. Wenn man aber über all diese Sachen die Weddas um Auskunft fragt, so versichern sie, nichts davon zu verstehen, und als Ursache ihrer diesbezügli- chen Handlungen geben sie ganz äusserliche Gründe an, wie: man verlässt die Höhle, wo Einer gestorben liegt, weil man das immer so gemacht; man führt einen Tanz um den Pfeil auf, weil das eine glückliche Jagd verspricht; mehr ist nicht aus ihnen herauszu- bekommen ; denn mehr wissen sie nicht zu berichten, weil diese Handlungen gar nicht ihre Erfindnng sind, sondern im Verlauf der Jahrtausende oberflächlich, von andern, höher stehenden Völ- kern her ihren Stempel auf sie abgedrückt haben.

Ich spreche deshalb die Vermutung aus, dass wir in den primitiven religiösen Handlungen der Weddalen nicht die eigent- lichen Anfänge höherer Religion, sondern die undeutlichen Spiegel- bilder von religiösen Anschauungen höherer Völker zu erblicken haben und zwar von einer Zeit her, als dieselben noch sehr pri- mitiv gewesen sind. In diesem Sinne sind dann allerdings diese Spiegelbilder Anfänge.

Ich habe schon mehrmals betont, dass weddale Stämme weit- hin über das tropische Asien verbreitet sind, und es ist nur leb- haft zu bedauern, dass wir unvorhergesehener Hindernisse halber nicht von einem Originalforscher über diejenigen der Halbinsel Malakka, von Professor R. Martin8), Belehrung erhalten werden. Wir selbst haben auf unseren neuesten Reisen in Gelebes Spuren weddaler Stämme allenthalben getroffen; namentlich konnten wir einen derselben, welcher die Gebirge der südlichen Halbinsel be- wohnt, die Tom In (Waldmenschen) einer näheren Untersuchung

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unterwerfen.6) Diese Menschen, ebenfalls von kleiner Statur wie die Weddas, haben wir nicht mehr in ihren unveränderten Zu- ständen getroffen, ihr ursprüngliches Jagdgebiet, wo Höhlen ihnen zur Wohnung gedient hatten, wurde von ihren Kulturnachbarn, den mohammedanisierten Buginesen, gewaltsam invadiert, und sie wurden genötigt, der früheren Freiheit zu entsagen, Häuser zu bauen und Ackerbauer zu werden. Hat sich also ihre, auf die Lebensweise sich beziehende Ergologie so gründlich geändert, dass nur noch Spuren von der ursprünglichen nachzuweisen sind, so ist das mit ihrer geistigen Ergologie ganz und gar nicht der Fall. Wir fanden sie von bedürfnislosem und sanftem Charakter, fried- fertig unter sich und gegen andere, von naiver Wahrheitsliebe; den Diebstahl kennen sie nicht, so wenig, dass, als wir zur Be- stätigung dem buginesischen Fürsten, welcher über sie gesetzt ist, die Frage vorlegten: Sind die Toala diebisch? er das mit der Hand abwies und mit einem Ton, als ob er die Frage bedauerte, ausrief: 0 nein, nein!

Höchst merkwürdig ist auch hier wieder die Erscheinung, dass sie in strenger Monogamie leben; sie sagten uns das mit fast auffälliger Entschiedenheit, und sie haben einen Obmann, den Balisao, welcher darüber zu wachen hat. Dabei ist keineswegs an Verschämtheit zu denken, wonach sie etwa vorhandene Poly- gamie nicht eingestehen wollten, sondern sie stehen in dieser Be- ziehung in ebenso schroffem Gegensatz zu ihren mohammedani- schen Kulturnachbarn, wie die Weddas zu ihren buddhistischen oder brahmanischen. Die Monogamie ist ein eigentlich ergologi- sches Bestimmungsmerkmal der Weddalen.

Die Intelligenz der Toala macht einen naiv niedrigen Ein- druck im Vergleich zu derjenigen der sie umgebenden Buginesen; doch springt hier der Unterschied weniger in die Augen, als bei den Weddas, da die Toala schon viel mehr sich in die buginesische Kultur eingelernt haben als jene in die singhalesische , auch die Buginesen schon in ganz offenem Verkehr mit ihnen stehen. So fanden wir nur noch ein einziges Individuum, das nur auf eins zählen konnte und dies ganz so tat, wie die Weddas, indem er zählte: eins, eins, eins.

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In religiöser Beziehung sind die Mohammedaner bekanntlich sehr ernsthaft, und wir konnten deshalb hierin für Ursprüngliches nicht mehr gute Ausbeute erwarten, ist doch seit langem den Toala ein mohammedanischer Geistlicher, ein sogenannter Guru überstellt, welcher sie zu unterrichten und eine rituelle Leichen- bestattung anzuordnen hat. Umsomehr waren wir erstaunt, auf alle unsere Fragen nach einem Schöpfer der Welt nie den Namen Allah zu vernehmen, sondern stets die Antwort zu erhalten: „Wir wissen es nicht" (de uissäng), und drangen wir weiter in sie, so sagten sie: r Fragt den Guru darüber, der weiss es." Fragten wir nach Mohammed, so erfolgte dieselbe Antwort; Einer aber meinte: „Ich habe den Mann nie gesehen", ganz gleich wie ein Wedda geantwortet hat, den man nach Buddha fragte: „Ich habe Buddha nie gesehen." Einen Zwang des Glaubens, wie ihn Mohamme- daner gerne ausüben, erkennen sie nicht an. Sie glauben auch nicht an Dämonen ; allein der kosmopolitische Baumdienst hat auf sie abgefärbt. Vielleicht ist bei ihnen, welche Ackerbauer ge- worden sind, die Baumverehrung an Stelle der ursprünglichen, für ein Jägervolk bezeichnenden Pfeilverehrung getreten. Sie haben einen besonderen Priester, den Ada, der unter einem gewissen heiligen Baume ihre kleinen Opfer niederlegen muss, wenn sie gute Ernte wünschen. Wir Hessen diesen Mann kommen und fragten ihn, ob er glaube, dass ein Dämon im Baume sei? Er antwortete, er habe nie einen gesehen. Warum opferst du denn ? Weil schon mein Vater es so gemacht hat, der auch Ada war. Hat er vielleicht den Dämon gesehen ? Nein, nie, und er gab uns zu verstehen, dass sie die Opfer dem Baume brächten, weil sie meinten, es nütze ihnen vielleicht etwas. Eine bestimmte religiöse Vorstellung verbindet sich also nicht damit, ganz im Gegensatz sowohl zu ihren mohammeda- nischen, als auch heidnischen Nachbarn, den Toradjas. Sie sind unwissend in den Errungenschaften geistiger Kultur, aber unwissend auch im Aberglauben. Darum ist für den Weddalen die freie Natur die Heimat, in der er sich wohl fühlt, nicht wie für den Kultur-Inder in H I Kultur-Malaien eine von Schrecknissen, von Teufeln erfüllte Wüste. Darum könnt er auch nicht die wilden Dämonendienste seiner Nachbarn und die ekelhaften Zaubereien und die Menschenopfer.

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Es läge mir nun noch ob, ein Wort zu sagen über die ulo- trichen Kleinstämme, die Akkalen, welche über den afrikanischen Kontinent und in zerstreuten Gruppen über das tropische Asien, hier, wie ich betonen möchte, mitten unter schlichthaarigen Menschen, zerstreut leben. Das ergologische Bild ist ein ähnliches wie das der Weddalen, wenn auch immerhin in manchen Zügen ein weniger freundliches, da ihnen eine gewisse Vornehmheit, welche den echten Weddalen auszeichnet, zu fehlen scheint: aber doch heben sie sich in Afrika von ihren grösseren wollhaarigen Nachbarn vor- teilhaft ab. Da wir aber in diesem Gebiete über keine Original- beobachtungen verfügen, so enthalte ich mich weiterer Bemerkungen.

Die kleinen Stämme sind im Erlöschen begriffen, sie müssen den grösseren und intelligenteren weichen, welche ihre Jagdgebiete in Kulturland verwandeln, worauf eine Kette von Ursachen zum Verschwinden dieser Menschen führt. Ohne uns nun mit der Dis- kussion aufzuhalten, ob diese kleinen Stämme Urformen der Menschheit sind, wie wir persönlich dies für höchst wahrscheinlich halten, oder ob sie sekundär verkleinerte, wie Einige sogar wollen, verkommene oder verkümmerte Menschen sind, soviel steht fest, sie sind von hohem Alter; hat doch K oll mann ihre Existenz in Europa sogar für die jüngere Steinzeit erweisen können, ihre Kultur, ihre Ergologie ist das ursprünglichste, was auf dem Erdball noch zu finden ist erinnert doch die eifersüchtige Ueberwachung eines Jagdgebietes durch ein Paar an das ähnliche Betragen vieler tierischer Formen ihre Lebensweise, ihre Gedankenwelt ist für den Philosophen von allerhöchstem Interesse, sie zeigen noch alles im Keime, was höhere Kultur sich erworben hat, und sie gewähren uns das schöne Bild ursprünglichen Naturadels.

Lassen wir uns also nicht entmutigen, in eifriger und wahr- heitsliebender Forschung diesen Menschen nachzugehen, solange es noch nicht zu spät ist, suchen wir nach immer neuen solchen Stämmen im Herzen der tropischen Urwälder, um Dokumente für die Zukunft zu sammeln, damit diese uns nicht der Pflichtver- säumnis zu zeihen habe.

Der kleine Mensch ist, wie wir gesehen haben, in geistiger Beziehung ein unbeschriebenes Blatt, wie es ein Kind ist, und wie

140 IV. Plenarsitzung.

die gesamte Menschheit zu einer Zeit es gewesen, ja in gewisser Beziehung zu jeder Zeit noch ist. Auf dieses Blatt schreibt der Genius seine Gedanken: aber vielfach werden diese Gedanken überhaupt nicht, oder sie werden falsch begriffen, sodass der Segen der neuen Idee sich in Fluch verwandelt; und vielfach machen sich auch die geistigen Führer der Sünde schuldig, Gedanken auf jenes Blatt niederzuschreiben, von deren Wahrheit sie sich nicht völlig überzeugt haben, oder bei denen sie mehr den Zweck der Herrschaft über die Menschen, als den ihrer Befreiung ins Auge fassten. So haben sich viele Vorstellungen in Schichten über die Menschheit gelegt, welche ihr Schaden brachten, und wo es viel besser gewesen wäre, die Menschheit hätte, gleich den Weddas, sie von sich gestossen, da ihr Gift gereicht worden war statt kräftigender Nahrung. Wer also sich berufen fühlt, ein Säemann von Gedanken zu sein auf das geistige Erdreich der Menschheit der habe das Korn zuvor wohl geprüft, das er auszustreuen im Begriff steht.

Zitierte Literatur:

1. Häckel, E., Systematische Phylogenie. 3, 1895, p. 644.

2. Kollmann, J., Pygmäen in Europa und Amerika, Globus, 81, 1902, p. 325

3. Martin, R., Reise durch die malayische Halbinsel. Mitteil. Natunv. Gesellsch,

Winterthur, Heft II, 1900.

4. Rütimeyer, L., Die Xilgalaweddas in Ceylon, Globus, 83, 1903, p. 201

und 220.

5. Sarasin, P. und F., Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschungen auf

Ceylon, dritter Band: Die Weddas von Ceylon, Wiesbaden 1892—1893. mit Atlas.

6. lieber die Toala von Süd-Celebes, Globus, 83, 1903. p. 277.

7. Schweinfurth . G., Im Herzen von Afrika, Leipzig, 1878, p. 304.

Dr. Alfred Jeremias. 141

Dr. Alfred Jeremias (Leipzig).

Monotheistische Strömungen innerhalb der babylonischen Religion.

(Resum6.)

Seit dem Babel-Bibelstreit ist die Frage nach dem Ursprung des Monotheismus lebhaft verhandelt worden. Delitzsch er- regte die Gemüter durch seine Behauptung, aus Inschriften, die in Babylonien gefunden wurden, sei über den semitischen Mono- theismus neue Beleuchtung gekommen. Aus ihnen gehe hervor, dass nordsemitische Stämme, dem dritten Jahrtausend v. Chr. an- gehörig, unter dem El- (Gott) und Jahve- (Jehovah) Namen den Glauben an den einen einzigen Gott nach Babylonien gebracht hätten, der wieder von Polytheismus verschüttet worden sei. Er wies ferner auf ein kleines im 6. Jahrhundert geschriebenes Täfel- chen, nach dem eine Reihe der babylonischen Hauptgötter als Er- scheinungsformen des Götterkönigs Marduk bezeichnet werden. Aber die erwähnten Namen beweisen nichts, als dass schon in so alter Zeit ebenso wie in späteren Zeiten die Gottesvorstellung als solche einen Namen hatte, wie unser deutsches Wort Gott aus dem alten vorchristlichen deutschen Sprachschatz stammt. Und das erwähnte Keilschrifttäfelchen beweist nichts für die alte Zeit, abgesehen davon, dass es religionsgeschichtlich ganz verschieden- artig beurteilt werden kann. Ein anderer Gelehrter stellte die These auf, dass im Gegensatz zu einem ursprünglichen Dämonen- glauben sich in frühester Zeit ein monotheistischer Mondkult in Babylon durchgesetzt habe. Aber unsere Kenntnis der religiösen Verhältnisse, die über die eben erwähnte semitische Wanderung im 3. Jahrtausend hinausreichen, sind durchaus beschränkt, und es ist keineswegs erwiesen, dass der Zauber- und Dämonenglaube die ursprüngliche Religionsgestaltung in Babylonien war. Uebri- gens kann Mondkult nie und nimmer monotheistisch sein. Urzeit und der viel gebrauchte und missbrauchte Ausdruck Uroffenbarung

142 IV Plenarsitzung.

sind Axiome, die sich der wissenschaftlichen Behandlung und Be- urteilung entziehen. Aber je mehr das spärliche Material zur Re- ligionsgeschichte der ältesten historischen Zeiten zugänglich wird, um so deutlicher drängt sich die Erkenntnis auf: nicht Dämonen- glaube und Ahnenkult entschleiern die wallenden Nebel der religi- ösen Ueberreste aus versunkenen Zeiten, sondern hohe, hehre Ge- danken über das Göttliche.

Die babylonische Religion ist ursprünglich Astral- religion. In den Gestirnen walten die Götter, der Wandel der Gestirne ist ihre Offenbarung an die Menschen. Das babylonische Zeichen für Stern ist das dreifach verschlungene Zeichen für Gott. Die ältesten historischen Zeugnisse babylonischer Könige sind in der Form von Wahrsagungen auf Grund himmlischer Konstellation überliefert. Die Weltherrschaft Babels wird auf eine Umwälzung begründet, die in der gestirnten Welt sich vollzogen hat: Die Frühlingssonne ist aus dem Zeichen der Zwillinge in das Zeichen des Stiers getreten. Das ist das Zeichen Marduks, des Stadtkönigs von Babel.

Sterndeutung ist die Wissenschaft der Priester. Alles Wissen ist göttlichen Ursprungs. Alles Sein und alles Werden ist in den Sternen zu lesen. Alles Bestehende und alles Geschehende hat sein himmlisches Vorbild. Alle Künste und Einrichtungen auf Erden beruhen auf himmlischen Vorgängen Auch die Religion ist ein Teil des in den Gestirnen geoffenbarten Wissens. Eine prä- stabilierte Harmonie besteht zwischen der himmlischen und der irdischen Welt. Auf den Tierkreis ist vor allem das Sinnen und Forschen der Weisen gerichtet: Dort verändert sich das Bild des Himmels, denn unter den Sternen des Tierkreises, die in un- wandelbarer Stellung um den Polarstern kreisen, wandeln die Pla- neten, zu denen auch Sonne und Mond gerechnet sind.

Bereits in den frühesten historisch greifbaren Zeiten werden Wissende und Nichtwissende unterschieden. Schon in der Sage reo Enmeduranki, dem einen der sieben babylonischen Urkönige, ist von Wissenden die Rede Jm Schluss des babylonischen S<-ln">pfungsepos erhält der siegreiche Götterkönig 50 Ehrennamen, uU Repräsentant <!••> gesamten Weltkreislaufs, und es heisst: Der

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erste soll sie lehren, der Weise soll sie bewahren. Wir haben keine Urkunden über babylonische Mysterien zu erwarten, aber aus bekannten späteren Mysterienliturgien des Orients können wir einen Rückschluss machen. In der Liturgie der Mithrasmysterien heisst es: „Gnade sei mit mir von dir, Vor- sehung und Schicksal, wenn ich schreibe diese ersten über- lieferten Mysterien, allein aber für mein Kind Unsterb- lichkeit, einen Mysten, würdig dieser unserer Kraft, die der grosse Gott Helios Mithras mir hat geben lassen von seinem Erzengel, auf dass allein ein Adler den Himmel beschreibe und erschaue alles."

Es folgt ein Gebet, und dann werden dem Mysten Anwei- sungen gegeben: „Hole von den Strahlen Atem, dreimal einziehend, so stark du kannst, und du wirst sehen aufgehoben und hinüber- schreiten zur Höhe, so dass du glaubst mitten in der Luftregion zu sein. Keines wirst du hören, weder Mensch noch Tier, aber auch sehen wirst du nichts von den Sterblichen auf Erden in jener Stunde, sondern lauter Unsterbliches wirst du schauen, denn du wirst schauen jenes Tages und jener Stunde die göttliche Ord- nung, die Tag-beherrschenden Götter hinaufgehen zum Himmel und die andern hinabgehen. Und der Weg der sichtbaren Götter wird durch die Sonne erscheinen, der Gott meinen Vater, u. s. w.u (d. h. obgleich es Tag ist, wird der Tierkreis [der Weg der sicht- baren Götter-Planeten] sichtbar sein).

Das ist nichts anderes als Einführung in das Wesen der alt- orientalischen astralen Lehre, wie sie schon die altbabylonischen Urkunden voraussetzen.

Die Mysterien sind die Einführung der Nichtwissenden in die Erkenntnis der Kosmographie, des Weltgebäudes mit dem Gestirn- lauf und seines Abbildes in den irdischen Geschehnissen, verknüpft mit dem Mysterium von Leben und Tod, Erwachen und Sterben der Natur, Sieg des Lichtes über die Finsternis und Versinken der Sonne in Wintersnacht Wer die Zusammenhänge verstanden hat, ist ein Wissender geworden, und die Erkenntnis des grossen My- steriums, von dem aus dem Tod und der Verwesung erstehenden neuen Leben, ist die Hoffnung und der Lohn des Mysten.

144: IV. Plenarsitzung.

In dieser esoterischen Religion einer prästabilierten Harmonie des Himmlischen und Irdischen sind die einzelnen Götter offenbar nur Erscheinungsformen der Einen göttlichen Welt. Es entspricht dem Weltensystem, dass ein höchster Gott, dessen Thron am Nordpol ist, über dem Weltenganzen regiert, mag es nun bei astraler Betrachtung der Sonnen- oder Mondgott sein, mag es bei kosmographischer Betrachtung der Himmelsgott sein. Jedenfalls ist dieser latente Monotheismus eine Schöpfung des Orients, die aufs engste mit dem Weltbild der auf die gestirnte Welt gerichteten Orientalen zusammenhängt.

Allerdings im Kultus herrscht krasser Polytheismus. Aber eins schliesst das andere nicht aus. Vielmehr ergibt sich immer deutlicher auch in Einzelheiten, dass das babylonische Göttersystem ein Produkt der Mythologie ist. Und die Mythologie wiederum ist nichts anderes als eine Popularisierung der Vorstellungen über das System der Himmelserscheinungen, das babylonische Himmels- und Weltenbild. Der Synkretismus schliesslich ist nicht eine wilde Religionsmengerei, wie es bei der Verworrenheit des Mate- rials erscheinen musste, sondern ein grossartiger Versuch, alle Re- ligionen auf das eine System der Himmelsbetrachtung zurückzu- führen. So ist auch bei dem polytheistischen Kultus wie bei den synkretistischen Bestrebungen eine monotheistische Unterströmung zu erkennen.

Das gilt auch von jedem einzelnen Kult. Jeder Kult spie- gelt das ganze System wieder. Der Stadtgott ist in seinem Ge- biete als der oberste Gott angesehen. Im Reichsgebiete ist es der Hauptgott. Diese Würde kam in historischer Zeit seit der Er- hebung Babels zur Weltmetropole dem Gotte Marduk zu. Die Wissenden, die in ihm die Personifikation des ganzen kosmogra- phischen Systems sahen, fassten alle Götter als Erscheinungen des einen Gottes auf. So mag es auch in dem anfangs erwähnten, von Delitzsch zu den weitgehenden Schlüssen herangezogenen Keilschrii'ttüfelchen sein. Vielleicht ist auch von dem Gegensatz der Wissenden und Nichtwissenden aus der Gebrauch des namen- losen Qu (Gott) in babylonischen Gebeten und Ritualien zu ver- stehen. Der Wissende ergänzte das Ritual. Hier zeigt sich aber

Prof. Dr. K. Kessler. 145

auch die Minderwertigkeit des latenten Monotheismus, wie ihn auch heidnische Religionen gehabt haben. Er ist immer zwei- geschlechtig, denn indem er das ganze Weltensystem darstellt, versinnbildlicht er zugleich das höchste und geheimnisvollste auf religiösem Gebiet: das Geheimnis des Lebens, wie es sich im Ge- heimnis der Zeugung verbirgt.

In summa: Man hat in Babel nicht gefunden, was die welt- geschichtliche Bedeutung der Bibel ausmacht. Der Monotheismus, der in der Anerkennung des einen Gottes als Substrat der vielen Götter gipfelt, ist religiös wenig wertvoll, so lange er nicht das Herz des Gottes auftut. Er sagt wohl über die Quantität des Gottesbegriffes Wichtiges aus, aber nicht das Wichtigste und vom Menschenherzen sehnsüchtig Gesuchte, über die Qualität. Der Blick in das Herz des verborgenen Gottes beruht und kann einzig und allein beruhen auf einer grossartigen geschichtlichen Offen- barung. Sie hat sich in Israel angebahnt und ist im Christentum zur Vollendung gekommen.

Professor Dr. K. Kessler (Greifswald).

Die religionsgeschichtliche Bedeutung der Mani-Religion (Manichäismus).

(Resume )

Der Manichäismus hat bis vor kurzem für eine blosse christ- liche Sekte gegolten, für eine der mannigfachen Erscheinungs- formen des sog. Gnostizismus, wenn auch für diejenige, welche der alten christlichen Kirche am gefährlichsten geworden ist.

Jetzt darf, nachdem bereits Ferd. Christ. Baur 1831 von einem „manichäischen Religionssystem" gesprochen hatte, die Auf- fassung als durchgedrungen bezeichnet werden, welche ich zuerst im Jahre 1881 in meinem Artikel „Mani" in der Realenzyklopädie

Kongressbericht. IQ

146 IV. Plenarsitzung.

für protest. Theologie von Herzog und in dem Vortrage über „Gnosis und altbabylonische Religion" in der Versammlung des Berliner Orientalistenkongresses (1882) dargelegt habe, nach wel- cher der sog. Manichäismus eine selbständige, grosse Religion ist, selbständig namentlich dem Christentum gegenüber. Diese Reli- gion (die Religion des Mani) trägt alle charakteristischen Merk- male der Weltreligionen (wie wir sie nach C. P. Tiele bestimmen) an sich. Sie muss von der unparteiischen Religionsforschung den drei anderen Weltreligionen, den Religionen Buddhas, Christi, und Mohammeds, als ebenbürtige vierte zugesellt, und in deren Reihe dem Alter nach als die dritte, nach dem Buddhismus und dem Christentum, vor dem Islam, eingegliedert werden.

Als das Fundament der Mani-Religion, für welches sonst der Parsismus galt, ist jetzt die alte babylonische Religion wieder- erkannt worden. Der Stifter Mani, der nicht ohne Vorgänger war und sein Werk nicht ohne direkte kleinere Vorreformationen schuf, hat die älteren Religionsformen wie den Parsismus, das Christen- tum, die vielen Formen der Gnosis, auch den Buddhismus sehr wohl gekannt, auch geschickt, teils positiv-eklektisch, teils anti- thetisch benutzt, aber sein Werk ist etwas Neues, eine ihm eigene Schöpfung, grossartig in Lehre wie Kultus und praktischer Lebens- ordnung. Seine Tat ist das Hinabsteigen in die Tiefen der alten babylonischen Theologie.

Mani war kein geborener Perser, sondern geborener Baby- lon i er. In der Nähe der Stätte des alten babylonischen Kutha, welches nordöstlich vom alten Babylon lag, ist er im Jahre 215 nach Chr. geboren. Sein Geburtsland Babylonien war damals parthische Provinz und wurde bald darauf Zentralprovinz des neu gegründeten mittelpersischen Nationalstaates der Sasaniden. Sein Leben fiel in eine gärungsreiche Zeit, reich an Neubildungen auf allen Gebieten der geistigen Kultur, nicht nur der Religion, sondern auch der Politik und der Gelehrsamkeit, wie selbst der Entwicklung der Schrift. Er selbst ist ein Schriftreformator geworden und hat für seine Religionsschriften einen neuen Schriftzug mit geschickter konservativer Benutzung der damaligen Schrift der Ge- bildeten, der alten syrischen Estrangelä-Schrift, modifiziert. Er fusste

Prof. Dr. K. Kessler. 147

auf babylonischer Bildung, und seine praktische Absicht bestand zu- nächst nur darin, diese babylonische Bildung auf dem Gebiete der Religion dem ganzen neuen mittelpersischen Reiche zu bringen. Drastisch kurz und klar sagt er an einer uns schon länger aus dem gelehrten arabischen Autor al Birüni bekannten Stelle der wichtigsten seiner Originalschriften, des Sähpürakän: „Das Kommen der (wahren) Weisheit und der Werke erfolgte in der einen Zeit- epoche durch den Propheten, der der Buddha heisst, in das Land Indien, in der anderen durch Zarädust in das Land Persien, in einer weiteren durch den Messias in das Land des Westens und durch den Paulus nach dem Messias ebendahin. Darnach stieg die gegenwärtige Offenbarung herab im gegenwärtigen letzten Zeit- alter durch mich, den Mani, den Gesandten des Gottes der Wahr- heit in das Land Babel (Babylonien)." Näher bestimmt ist der Boden, auf welchem Mani seine religiöse Schöpfung aufbaut, nicht direkt als alte babylonische Priesterreligion und -Theologie, sondern die durch letztere umgestaltete, stark beeinflusste Religion der ein- gewanderten Aramäer Babyloniens, wie sie aus den ältesten Be- standteilen der vielschichtigen Theologie der M an da er schritten herauszuerkennen ist. Manis Muttersprache war ohne Zweifel dieses babylonische Aramäische, also die Sprache der Mandäer- schriften und des babylonischen Talmuds der Juden. Seine eigenen Religionsschriften scheint er aber, wenigstens was deren für die offizielle Verbreitung bestimmte Redaktion betrifft, nur in der Sprache der Gebildeten des persischen Reiches, der Sasaniden, das ist also im Pehlewi, verfasst zu haben, aus dem sie dann bei der späteren ungeheuren Verbreitung seiner Religion in alle mög- lichen Sprachen des Orients und Occidents übersetzt worden sind.

Den Eindruck einer wirklichen Weltreligion macht der Mani- chäismus schon durch seine ungeheure räumliche Verbreitung.

Nachdem er schon bei Lebzeiten des Stifters, der nach man- chem Wechsel von Gunst und Ungunst seitens der persischen Grosskönige im Jahre 276 für seine Sache den Kreuzestod ge- storben ist, ausserhalb der Grenzen des Sasanidenreiches nach Turan , Chinesisch - Turkistan , Tibet und Indien im Osten und nach dem römischen Syrien im Westen zu festen Fuss gefasst

10*

118 IV. Plenarsitzung.

hatte, wie es scheint, verbreitete er sich in den folgenden Jahr- hunderten mit grosser Schnelligkeit nach beiden Seiten bis an die natürlichen Grenzen der Ozeane, im Osten über die unermesslichen Flächen des chinesischen Reiches bis an die Ufer des Yang-tse, im Westen über das römische Reich um das Mittelmeerbecken bis an die Ufer des Atlantischen Ozeans. Hier sind noch im 13. christ- lichen Jahrhundert in den Katharern und Albigensern Manichäer zu erkennen, und im Osten wird ein uigurischer Stamm manichä- ischen Glaubens sogar im 14. Jahrhundert noch erwähnt. Im 5. Jahrhundert war das ganze römische Nordafrika manichäisch infiziert, der heilige Augustin war neun Jahre lang Manichäer.

Entsprechend dieser ungeheuren Verbreitung der Mani-Reli- gion ist deren gewaltiger Eindruck auf gegnerischer Seite be- zeichnet durch den Umfang der schriftstellerischen Polemik gegen sie. Wir besitzen Streitschriften gegen diese Lehre in allen möglichen Sprachen und von allen bedeutenden Religionen, von Christen, Juden, Parsen, Mohammedanern, Buddhisten; in morgenländischen wie abendländischen Zungen, in älterem und neuerem Persisch, in Syrisch, Hebräisch, Arabisch, Armenisch, ja auch Chinesisch, in Griechisch und Lateinisch. Im Bereich der christlichen Kirche haben zahllose Kirchenlehrer und Kirchenfürsten, Bischöfe, Patriarchen und Päpste gegen die Manichäer geschrieben. Dieser Polemik stand eine eifrige Gegenliteratur der manichäischen Theologen gegenüber.

Dazu stellt die weitere Geschichte dieser merkwürdigen grossen Religion auffallende Parallelen dar zur Geschichte der anderen Weltreligionen. Die Mani-Religion hat ganz wie das Christentum sowohl als der Buddhismus, das Geschick gehabt, aus ihrem Ge- burtslande, hier das mittelpersische Reich, wie dort Syrien resp. Indien, verdrängt zu werden und eine dominierende Stellung bei Völkern fremder Rasse und Zunge zu erlangen, hier also vor allem in den West- und Nordprovinzen des chinesischen Reiches, in dessen Osten und Süden der Manichäismus mit der Religion des Buddha zusammenstiess, also ganz wie das semitische Christen- tum in der griechisch-römisch-germanisch-slavischen Welt, der arische Buddhismus bei der mongolischen Rasse in den weiten Flächen Hinterasiens zur Herrschaft gelangte.

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Die innere Geschichte des Manichäismus zeigt uns eine reiche, wenigstens nach den Schriftentiteln bekannte urmanichäische Literatur von Mani und seinen ältesten Schülern und Aposteln herrührend, wie z. B. Sendschreiben an die ältesten Gemeinden, an hervorragende Einzelpersonen u. s. w., ganz ähnlich wie die altchristliche Literatur. Die weitere Geschichte berichtet von grossen Spaltungen und Wiedervereinigungsversuchen, Kirchen- versammlungen, Sekten innerhalb des Manichäismus u. s. w. wie in der Kirche Christi und wie in der des Buddha.

Die Erklärung dieser gewaltigen Wirkung der Mani-Religion liegt in der Eigenart ihrer Lehre. Diese kam dem fast krankhaft hochgespannten religiösen Wissenstriebe der damaligen östlichen wie westlichen Welt entgegen und befriedigte ihn einmal durch die Einfachheit ihrer Erklärung von grundlegenden religiösen Pro- blemen und sodann durch die umfassende Reichhaltigkeit und Gründlichkeit ihrer Aufschlüsse über neugiererregende religiöse Geheimnisse wie den Weltanfang und das Weltende und den Zusammenhang, den inneren Mechanismus des Weltverlaufes.

Die philosophische Grunderscheinung der Mani-Religion hebt den Gegensatz zwischen Materiellem und Geistigem auf und ist materialistisch-monistisch. Die uranfänglich ganz materielle Vermischung der ewigen, stofflich-geistigen beiden Grundstoffe, des „Lichtes" und der „Finsternis", erzeugt diese unsere sichtbare Welt mit ihren Gegensätzen, und diese beherrschen auch das Wesen des Menschen. Es sind die Gegensätze von Gut und Böse, Hell und Dunkel, Geistig und Sinnlich, Seele und Leib, Männlich und Weiblich u. s. w. Die Entmischung der beiden zu Anfang ver- mengten Weltstoffe durch einen mechanischen Er- und Loslösungs- prozess bildet den Weltverlauf, die Vollendung dieses Prozesses ist das Weltende. Mani lehrte, wie sein afrikanischer Anhänger Faustus im 5. Jahrhundert gegen den einstigen Manichäer und nunmehrigen christlichen Bischof Augustin äusserte, seine Schüler initium, medium et finem. Diese einfache und konsequent durch- geführte Theorie musste um so mehr allen Belehrung über die Welträtsel Suchenden imponieren, als die christlich-kirch- liche Erklärung des Ursprunges des Bösen und der Sünde, einzig

150 IV. Plenarsitzung.

und allein basiert auf einer falschen Exegese des schon vom Juden- tum nicht mehr in seinem religionsgeschichtlichen Ursinn ver- standenen dritten Kapitels der Genesis, tatsächlich unbefriedigend ist und als solche empfunden wurde. Kochpoetische Ausmalung der einzelnen Akte der Schöpfung, Fortführung und des schliess- lichen Abschlusses der Welt unter Anwendung eines überreichen Personals von handelnden himmlischen wie höllischen Personen, hervorgeholt von Mani aus den Schatzkammern der alten baby- lonisch-persischen Theologien, verstärkte noch die schon von vorn- herein bestehende Anziehung bis zur völligen Bestrickung der Ein- geweihten.

Der Manichäismus musste aber seine Anziehungskraft von da mehr und mehr verlieren, wie der theoretische Wissens- trieb in der religiösen Welt gegen das praktische Erlösungs- bedürfnis zurücktrat. Der ,. göttliche Herr Mani", yazd mär Mani, wie Mani in den Originalschriften heisst, mit seiner Er- lösung von der Unwissenheit und Unreinheit musste schliesslich gegen den anderen Erlöser zurücktreten, der, nach seinem Tode aus einem Menschen für die Gläubigen zu einem Gott geworden, direkt für jeden Einzelnen zur Sühnung seiner Sünden ge- storben sein soll. Die zur Herrschaft über die Gemüter gelangte kirchliche Satisfaktionstheorie hat dem Manichäismus den Boden entzogen.

Für uns Religionsforscher ist heute das Interesse an dieser alten Weltreligion noch mehr durch einen wunderbaren Fund der allerjüngsten Zeit gesteigert worden. Die alten manichäischen Original Schriften, die man längst, seit tausend Jahren, ver- loren geglaubt hatte, in deren Ermangelung man sich bisher das Bild von Manis gewaltiger Lehre aus den Streitschriften der Gegner mosaikartig zusammensetzen musste. sind noch vorhanden ! Sie sind in einer Menge von Fragmenten wieder aufgefunden worden in einer alten manichäischen Zentralstätte bei Turfan in Chinesisch- Turkislan ; und von da zu uns gebracht worden, sind sie jetzt durch ihren Entzifferer der Wissenschaft zugänglich gemacht!

Prof. Grünwedel, Direktor am Königl. Völkermuseum in Berlin, brachte 1902 von einer Expedition nach Chinesisch -Turkistan

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diese kostbaren Ueberbleibsel, die sich zunächst freilich leider als eine Menge zum Teil zerrissener Fragmente darstellen, mit; dann gelang es dem Scharfsinn und der Gelehrsamkeit des Herrn Direktorialassistenten Dr. F. W. K. Müller in Berlin, die der alt- syrischen sehr ähnliche, trotzdem aber anfänglich nicht zu ent- rätselnde Schrift bis ins Einzelne zu bestimmen und dadurch eine grosse Zahl dieser Fragmente zu übersetzen und zu erklären. Es ist bestimmt zu erwarten, dass an der Fundstelle noch viel mehr ans Licht zu befördern ist, was hoffentlich zwei in Aussicht ge- nommenen neuen Expeditionen gelingen wird.

Sehr merkwürdig ist, dass nicht nur die Angaben und Be- schreibungen der arabischen und griechischen Autoren betreffs der manichäischen Schriftart und der prachtvollen Ausstattung der manichäischen Codices bestätigt werden, sondern auch die religions- geschichtlichen Angaben bis in die Einzelheiten in den bisher be- kannten Berichten der Orientalen. Die letzteren waren also, wie wir sehen, gut unterrichtet, aus wörtlichen Uebersetzungen. Für die Forschung über die Mani-Religion ist jetzt derselbe Zeitpunkt gekommen, wie für die altpersische Sprache und Religionsforschung zu Anfang des 19. Jahrhunderts, als die Originale des Avesta und der anderen heiligen Schriften der Parsen durch das Verdienst von Anquetil du Perron bekannt wurden.

Gewaltige Fortschritte hat die manichäische Religionsforschung auch von der geschehenen Aufhellung verwandter Religionsformen infolge Einzeluntersuchungen der jüngsten Vergangenheit zu ge- wärtigen. Die Erforschung der persisch-babylonischen Mithras- mysterienreligion, in vieler Hinsicht einer Vorläuferin des Mani- chäismus, jedenfalls einer solchen im Abendlande; die Unter- suchungen über interessante reiigionsgeschichtliche Hieroglyphen wie die Nusairier (Dussaud), die Jeziden, die Drusen tragen mit dazu bei, auch die Mani-Religion genetisch besser verstehen zu lehren, diese erst nachchristliche, aber gewaltige Urenkelin Babels!

Das Wiedererkennen echt babylonischen Religionsgutes, in neuer Form, noch hier, im 3. Jahrhundert nach Chr., als Babylon längst vom Erdboden verschwunden war, lässt einen Rückschluss zwingender Art zu auf den babylonischen Einfluss in seiner

152 IV. Plenarsitzung.

älteren Zeit, als Babel noch als mächtige Metropole bestand und in Vorderasien geistig dominierte!

Nach mühevoller, kampfreicher Wanderung durch die Ein- öden der Unklarheit schauen die Griechen das Meer!

Qakaooa, ftakaooa\

Professor Dr. B. Kohlbach (Kaposvär).

Einfluss der bildenden Kunst auf die Religion in Aegypten, Assyrien-Babylonien und Hellas.

(Resume).

Wenn ich über den Einfluss der bildenden Kunst auf die Urreligionen in Aegypten, Assyrien-Babylonien und Hellas spreche, will ich mich weder abschliessend äussern, noch in Einseitigkeit verfallen und die Religionsentwicklung aus der Kunst allein erklären.

Ich finde, dass in Aegypten der Gegenstand der primitiven Ornamentik und der aus ihr sich entwickelnden Kunst die Tier- welt war, und nebst psychologischen und ethnologischen Gründen war dies auf die Tieranbetung in der Volksreligion mitbestim- mend; die älteste Gottheit Ptah, lebend als Apis, der ins Alte Reich gehörende Osiris in Mendes als Widder verehrt.

Diese Tiergötter erhalten die den Tieren angemessenen Speisen vorgesetzt; den Kult versieht das Laienelement; Theologen, Berufs- priester kennt erst das Neue Reich.

In Assyrien-Babylonien hat die bildende Kunst einen weit geringeren Einfluss, denn sie war nicht selbständig, sondern bloss eine in Stein gemeisselte Chronik des Königshofes.

Aegypten und Assyrien-Babylonien hatten auf die Religionen des Altertums grossen Einfluss, doch die Siegespalme über Memphis und Babel errang Athen.

Prof. Dr. B. Kohlbach. 153

Solange der Gegenstand der griechischen Kunst die Tierwelt gewesen, bedurften die dargestellten Tier-Mensch-Götter keines be- sonderen Schutzes, des Tempels, keines Hüters, des Priesters: die Altäre wurden mit Blut besprengt, ihnen zu Ehren opferte man Tiere und Menschen.

Mit der Darstellung des Menschen veredelt sich seine Religion auch im Volke; man betet jene Gottheiten an, welche Homer und Hesiod aus der Volksreligion neugeschaffen hatten. Die Bildwerke eines Pheidias, Polykleitos, Myron u. s. w. mussten geschont, ge- schützt und gepflegt werden. Wurden früher zumeist Paläste er- baut, so bedarf nun das kunstvolle Kultbild des Tempels; im Be- reiche des Kultes treten Berufspriester auf, welche mit der Zeit Homers und Hesiods Religionsanschauung unter dem Einfluss der Philosophie zur Theologie ausbauen.

Die Götter werden vermenschlicht, veredelt, die Plastik gab den Göttern Menschengestalt, Menschen Göttlichkeit.

Auch auf die Moira übte die bildende Kunst Einfluss aus ; das Götterbild ist vergänglich, der dargestellte Gott in seiner Statur ver- wundbar; die älteste Religionsanschauung abstrahiert das Numen nicht von dem Bildnisse; die Gottheit ist einem unwandelbaren Geschicke unterworfen; sie ist sterblich.

Diese Lehre brachte es mit sich, dass der griechische Volks- glaube nicht transzendental ist, dass der Ritus ein höchst ein- facher ist. Diese menschliche und vermenschlichte Religion musste siegen.

154 Schlusssitzung.

Sch.lu.sssitzu.ng,

2. September 1904, nachmittags 47g Uhr.

Professor Dr. Samuel Ives Cnrtiss f (Chicago).

Spuren der altsemitischen Religion in den Mittel- punkten des Islam und des Christentums in Syrien.

Unter altsemitischer Religion verstehe ich die älteste Ge- stalt der Religion der Semiten, über welche uns die Quellen über- haupt Auskunft geben. Diese Religion liegt vor dem Islam, dem Judentum, ja den Religionsformen der Israeliten, wie sie im Alten Testament ihren Ausdruck gefunden haben. Sie kennt lediglich ein Opfer ohne Altar und ohne Feuer.

Dabei gehe ich nicht auf die Frage ein, wie sich diese semi- tische Religion in ihrer Urgestalt zu den Religionsformen anderer Völker verhält. Sie mag mit ihnen verwandt sein. Alle Menschen, von welcher Rasse sie auch stammen, zeigen am Ende dieselben physischen und seelischen Züge, wenn auch in differenzierter Form. So lehrt uns auch die vergleichende Religionswissenschaft, dass die Urgestalten der Religionen bei den verschiedenen Völkern sich wohl äusserlich, aber nicht wesentlich unterscheiden. Mit- hin können wir einzelne verwandte Züge bei allen Religionen an- treffen.

Allerdings ist es ein kühnes Unterfangen, diese urällesten Züge noch heute ausfindig machen zu wollen. Zweifellos haben die meisten Stämme und Völker ihre Bräuche im Lauf der Jahr- tausende modifiziert. Es mag eine Entartung eingetreten sein, aber daneben ist man gewiss vielfach zu den ursprünglichen

Prof. Dr. Samuel Ives Curt.iss f. 155

Bräuchen zurückgekehrt, wie gewisse Indianerstämme bis auf den letzten Mann den Firnis der Kultur wieder abgestreift haben. Ich behaupte, dass man die Merkmale der Urreligion auch heute noch beobachten kann.

1. Merkmale der alten Religion.

Zu diesen Merkmalen gehört die Vorstellung eines göttlichen Wesens, das an der Stätte seiner einmaligen oder wiederholten Offenbarung verehrt wird, etwa in Verbindung mit einem Baum, einem Stein, einer Quelle, einem Heissluftstrom, häufiger noch an der Stätte seines Begräbnisses. Der Ahn eines Araberstammes, ein politischer oder religiöser Schech wird gewöhnlich zum Gott. Die Macht, die er im Leben besass, wird ihm auch nach dem Tode zugeschrieben, ja durch seine Verehrer ins Riesenhafte po- tenziert. Man könnte sich zuweilen versucht fühlen zumal bei den Arabern diesen Kult als Ahnen Verehrung aufzufassen. Und doch würde man dann die Sache viel zu einseitig auf- fassen. Vielmehr zeigt sich der Kult dem gewisser afrikanischer Stämme verwandt, wo es sich einfach um Verehrung eines abge- schiedenen Königs handelt.

Syrer wie Araber legen diesen Wesen menschliche Züge bei. Die höher Angesehenen unter ihnen (Nebi) besitzen Weiber und erfreuen sich an Speise und Trank. So gilt beispielsweise Sara noch als in der Höhle von Machpela wohnhaft. Ein Syrer wagte es, in die Höhle einen Blick hineinzuwerfen. Da sah er die Ahn- frau der Hebräer beschäftigt, ihr Haar zu kämmen. Der Aermste soll wegen seiner Dreistigkeit auf eine Zeitlang sein Augenlicht verloren haben. Gelegentlich vermitteln die Propheten und die Welis, niedere Wesen, denen die sonstigen Lebensgenüsse versagt sind, unfruchtbaren Weibern das Glück der Mutterschaft.

Männer, besonders aber Weiber, stehen unter dem Bann der Furcht. Elementare Ereignisse, Dürre, Krankheit, Tod werden lebenden Wesen zugeschrieben. Wüsten, Gruben, Höhlen und Gräber gelten als Wohnstätten böser Geister. Ja nicht einmal menschliche Wohnungen sind vor ihnen sicher. Ständig droht dem Menschen von ihrer Seite Gefahr.

156 Schlusssitzung.

Ja von Gott droht bisweilen Uebel, soweit er überhaupt in Betracht kommt. Er versagt Kindersegen, er sendet Dürre, Krank- heit und Tod. Wie ein gewaltiger Machthaber thront er aber ausserhalb der Welt.

Für den Urmenschen bestand die Religion ursprünglich ledig- lich darin, mit den feindlichen Naturmächten fertig zu werden. Um das zu verstehen, müssen wir uns den Menschen auf der untersten Stufe der Kultur vorstellen : den Araber, den rohen Neger in Afrika, den Wilden von Amerika oder der Südsee. Er sieht sich von Naturgewalten rings umgeben. Wenn wir nun unsere theologischen Anschauungen auf die Religion eines solchen Mannes übertragen, es ihm zum Vorwurf machen wollen, dass er von seinem Standpunkt aus mit einem abgeschiedenen Propheten, Heiligen oder Ahnen in Verkehr tritt, so heisst das etwas bei dem Naturmenschen suchen, was weder bei dem Urmenschen, noch bei den gegenwärtig ohne positive Religion lebenden Völkern sich je gefunden hat. Es heisst das mit einem Wort sich dem Verständnis der Urreligion verschliessen. Bekanntlich gab es die Idee der Heiligkeit bei den Semiten nicht, bis die alttestamentlichen Propheten sie Israel lehrten. Ebensowenig schreibt man einem solchen Wesen ursprünglich Gerechtigkeit zu. Es besitzt ledig- lich Macht, gegebenenfalls kann es hilfreich sein.

Aus eigener mannigfacher Erfahrung weiss der Orientale, dass die Gunst oder der Beistand eines Machthabers erkauft werden muss. Dieselbe Erkenntnis, bezeugt der wilde Afrikaner, wenn er nach vollendeter Jagd seinem Götzen ein Stück Wild zuwirft. Es ist ja an sich begreiflich, dass Stanley*) das Vorhandensein von Religion bei derartigen Leuten überhaupt bestreiten wollte. Aber doch ist das vielmehr ein Beweis dafür, dass ein solches Volk auf tiefster religiöser Stufe steht, und deutet nur auf das Motiv aller Religionen hin. Der Syrer und Araber bemüht sich mit all seinen Gelübden, Gaben und Opfern lediglich um die Gunst eines gött- lichen Wesens. Ich meinerseits wenigstens bin auf Grund einer Fülle von Beobachtungen von der unumstösslichen Richtigkeit

') In darkest Africa8, II, 368.

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dieses Schlusses überzeugt. Das Motiv zu der Gabe besteht regel- mässig darin, entweder ein Uebel fernzuhalten: so Krankheit von Menschen und Tieren, Räuberei von den Herden, Niederlagen ; oder sich ein Gut zu sichern: so einer unfruchtbaren Mutter die Geburt eines Knaben, eine glückliche Reise, irgend einen Erfolg. Man geht zu dem göttlichen Wesen und gelobt bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses eine Gabe an Weihrauch, Oel oder der- gleichen oder ein Geschenk von der Herde darzubringen. Man steht zu einem solchen Wesen überhaupt nur in rein geschäft- licher Beziehung, wie denn Hosea die Bealim lediglich als Besitzer eines Stückes Feld bezeichnet. Hier liegt in gewisser Weise die Wurzel der Monolatrie, wie denn Jahwe nach Joel 2, 18, Psalm 10, 16 als Besitzer des Landes Israel gilt. Um sich eine gute Wein-, Korn- oder Oelernte zu sichern, hielt es der israelitische Bauer, obwohl er Jahwe verehrte, doch für nötig, dem Baal des Orts eine Gabe darzubringen (Hos. 2. 5. 7. f.). Hier können wir so recht die alte Religion beobachten. Der Mensch sucht die Hilfe eines göttlichen Wesens für Angelegenheiten, bei denen die Hilfe auch des mächtigsten menschlichen Wesens nicht ausreicht. Man sucht freilich nicht Gott, den Schöpfer der Welt, auf, sondern ein Wesen niederen Ranges, das entweder durch seine eigene Macht oder durch den Einfluss, den es auf Gott auszuüben vermag, dem Hilfsbedürftigen die Erhörung seiner Bitte gewährleistet. Das ist, soviel ich sehe, der für die Urreligion charakteristische Zug bei den Ursemiten wie bei andern Urvölkern.

Ich habe nunmehr festzustellen, inwieweit diese Religion sich in den Mittelpunkten mohammedanischen wie christlichen Lebens in Syrien bis heute erhalten hat. Bei den arabischen Bauern wie Dorfbewohnern überhaupt ist sie ja ausschlaggebend. Davon haben mich die Forschungen von vier Sommern in Syrien überzeugt, wie ich sie in meinem Buch „Ursemitische Religion im Volksleben des heutigen Orients" niedergelegt habe. Wie übrigens die alten Israeliten nach Hosea (2, 16 f ) Jahwe nicht „Ischi" sondern „Baali" nannten, so gibt es auch heute noch unter den mohammedanischen wie christlichen Bauern der von mir besuchten Gebiete tatsächlich Svnkretismus.

158 Schlusssitzung.

Aber gibt es denn solchen Synkretismus auch in den grossen Städten Syriens? In den Sommern 1903 und 1904 habe ich besonders darauf geachtet und zu diesem Zweck nachfolgende Ort- schaften besucht: 1903 Ssafed, Nazareth, Besän, Haifa, Tyrus, Sidon, Berüt: 1904 Damaskus, Homss, Hama, Aleppo, Jaffa, Je- rusalem. Hebron, Nablus.

Ich habe zwecks Erledigung meiner Aufgabe nicht nur Laien ausgefragt, sondern auch religiöse Autoritäten und gelehrte Leute in Haifa, Sidon, Berüt, Damaskus. Homss. Hama, Aleppo, Jeru- salem, Hebron, Nablus. Sie empfingen mich mit der für den ge- bildeten Muselman charakteristischen Gefälligkeit und Höflichkeit und standen mir gerne zu Diensten. Selbst wenn die Gepflogen- heiten unseres Kongresses es nicht verböten, würde ich davon ab- sehen müssen, den moslemischen Glauben irgendwie zu kritisieren. Ich will nur die mit äusserster Sorgfalt ausgeforschten Reste der schon skizzierten ursemitischen Religion darstellen. Dass es solche gibt, davon bin ich überzeugt, und zwar aus einem dreifachen Grunde: 1. Es steht unbestritten fest, dass die grosse Masse der Moslemen in Notfällen die Heiligen (Nebi, Weli) aufsucht; 2. die Grundzüge der Urreligion treten an den angegebenen Orten in mannigfachster Hinsicht klar zu Tage; 3. die auffällige Haltung der gebildeten Moslemen dieser Religion gegenüber. Ich räume allerdings ein, dass ich über die Haltung der Anhänger der alten Kirchen des Orients in den aufgezählten Ortschaften gegenüber dieser Religion nicht mit derselben Sicherheit zu urteilen vermag. In den Dörfern dagegen besuchen sie, vor allem die Anhänger der griechischen Kirche, genau dieselben Heiligtümer wie die Mohamme- daner und unterscheiden sich hinsichtlich ihrer religiösen Bräuche nicht im mindesten von ihnen. In den Städten lässt sich die Forschung nur unter erschwerenden Umständen anstellen. Hier ist man geneigt, das Vorhandensein der alten Bräuche, wenigstens in ihrer krassesten Form, bei den Gliedern der eigenen Kirche entweder ganz zu bestreiten oder doch zu ignorieren. Ich bin gleichwohl vom Vorhandensein alter Religion bei den Christen nicht nur der Dörfer, sondern auch der grösseren Ortschaften Pest überzeugt. Bei den Anhängern des Islam steht es ganz ausser Frage.

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In Notfällen nimmt die grosse Masse der Mohammedaner ihre Zuflucht zu den Heiligen, die im wesentlichen dieselben Züge an sich tragen wie die Lokalgottheiten der Bauern und Araber wie der heidnischen Semiten.

Das ergibt sich aus folgendem : Die moslemische Welt zer- fällt den gebildeten Mohammedanern in zwei Teile, die kleine Schar der Erleuchteten und die grosse Masse der Unerleuchteten. Letztere nehmen ständig ihre Zuflucht zu irgend einem Heiligen. Wenn der Moslem oder die Moslemin in irgend eine Bedrängnis geraten, dann gehen sie zu dem Makäm oder Mezär irgend eines Nebi oder Weli und versprechen ihm im Fall der Hilfe eine Gabe, etwa Oel, Weihrauch, eine Kerze oder ein Bahrtuch für sein Grab, oder ein Schaf, eine Ziege oder einen Ochsen als Schlachtopfer. Die Form des Gelübdes richtet sich nach der religiösen Stellung der Betreffenden, falls nicht etwa meine mehr oder weniger streng- gläubigen Gewährsmänner sie modifiziert haben. Am häufigsten, besonders bei Bauern und Arabern, ruft man den Heiligen direkt an. Wenn ein Kamel ausgleitet, dann ruft man: ja chidr! Wenn die Meereswogen bei Jaffa gewaltig branden, dann ruft der Boots- mann: ja rasiil alläh! Doch bleibt dieser Weg nicht auf die Un- gebildeten beschränkt. Nach Angabe eines tief durchgebildeten ein- geborenen Arztes rief ein junger Mann aus einer der gebildetsten Familien seiner Stadt bei grossen Schmerzen den angeblichen Ahn- herrn seiner Familie an: 0 Sidi Chälid, hilf! Nachher deutete derselbe das Gelübde allerdings um: 0 Gott, ich habe dir am Makäm des Sidi Chälid ein Gelübde zu bezahlen ! Wie tief die Sitte, im Notfall zu den Welis oder den Lokalgottheiten seine Zuflucht zu nehmen, eingewurzelt ist, erfuhr ich bei einem Gespräch mit einem hochgebildeten syrischen Mohammedaner. Als wir uns dabei über den Einfluss der alten Religion auf das Volksgemüt unterhielten, bemerkte ein Freund unseres Gastgebers: Mein Sohn studiert am syrisch-protestantischen College in Berüt. Nach Ab- schluss eines Studienjahres sollte er nach Hause kommen. Da äusserte seine Mutter in der Unruhe um ihn : Jch muss zum Weli gehen und ihn um Hilfe anrufen! Ich erwiderte: Tue das nicht! Du brauchst nicht den Weli anzurufen! Bete zu Gott! Selbst

160 Schlusssitzung.

massgebende Mohammedaner bestritten nicht die Tatsache, dass die Mehrzahl der Moslemen in grosser Not zu den Makämen gehen. Nur behauptete man, sie vermittelten die Sache bei Gott, so wie ein Beamter die Sache eines Untertanen, der irgend ein Anliegen hat, aber dem erhabenen Kalifen nicht ohne Fürsprache oder Vermittler zu nahen wagt, bei dem Sultan zu vertreten hat.

Derartige Makäme oder Anbetungsplätze einer Lokalgottheit gibt es in den schon genannten Städten in grosser Menge. Bis- weilen sind sie von beträchtlicher Ausdehnung und erfreuen sich grosser Einkünfte. Oft sind sie mit Moscheen verbunden, die zuweilen gänzlich hinter ihnen zurücktreten. Als Unterschied zwischen Moschee und Makäm bezeichnete man mir, dass letzterer zur Darbringung von Gelübden, erstere zum Gebetsplatz bestimmt ist. Nun aber überwiegen an solchen kombinierten Heiligtümern die Gelübde bei weitem die Gebete, mit anderen Worten : die alte Religion überwindet den Islam. Das ist beispielsweise der Fall in Homss, wo eine Moschee in Verbindung mit dem berühmten Heilig- tum des Sidi Chälid neu aufgeführt worden ist. Den Mittelpunkt bildet hier ein grosses Haus, woselbst täglich den Armen aus den dort geopferten Nahrungsmitteln eine Mahlzeit bereitet wird.

Selbst in zwei der grössten Moscheen Syriens hat das Heilig- tum eines Nebi sich eingenistet. In den beiden grossen Moscheen zu Damaskus wie zu Aleppo hat man dem Bedürfnis des Volkes nach Darbringung von Gelübden Rechnung getragen. In der er- steren findet sich, abgesehen von den ausserhalb der Moschee be- legenen Makämen des Saladin und des Hosein, der des Jühanna, Johannes des Täufers, ein Heiligtum von hervorragender Schön- heit, an dem Massen von Gelübden dargebracht werden. Inner- halb der berühmten Moschee zu Aleppo, die so heilig ist, dass sie der Fuss eines Ungläubigen überhaupt nicht betreten darf, befindet sich das Heiligtum des Nebi Zacharja, ein Meisterwerk arabischer Kunst, an dem zahlreiche Gelübde dargebracht werden.

Auch in Klöstern und Kirchen bringt man Gelübde dar, ein Beweis, dass auch diese heiligen Gebäude für die Riten der alten, als verpönt geltenden Religion in Anspruch genommen werden. Besondere verbindet das Volk solche Riten mit dem berühmtesten,

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übrigens der griechischen Kirche zugehörigen Kloster in Syrien, das auch von andern Christen wie von Moslemen besucht wird. Letztere bezeichnen den Klosterheiligen als Ghidr. Das Kloster be- zieht ein unermessliches Einkommen aus Korn und Vieh, das dem Heiligen, der fast als Gott Syriens gelten kann, dargebracht wird.

An dem griechischen Kloster des Mär Thekla in Ma'lüla, woselbst bekanntlich neben zwei andern nordsyrischen Dörfern die syrische Sprache noch lebendig ist, werden von Moslemen wie Christen unter fast identischen Zeremonien zahlreiche Opfer dar- gebracht. Ein christlicher Heiliger wird dort von Moslemen wie Christen als Weli betrachtet, dem man für erfahrene Hilfe Dank- opfer darbringt. Die Opfertiere werden in das Heiligtum, eine Höhle, hineingebracht und dreimal um einen etwas über 1 Meter hohen Marmorpfeiler herumgeführt. Dieser könnte eine alttesta- mentliche Masseba (Deut. 12, 3 u. o.) sein und in unbewusster Weise die Lokalgottheit darstellen, wie das bei dem Kursi el-Aktäb bei Zebedäni zwischen Berüt und Damaskus der Fall ist.

Sogar in der Kirche des heiligen Grabes, die gelegentlich als Makäm bezeichnet wird, kann man das Streben nach Aufrecht- erhaltung des alten Kults, selbstverständlich unter vielfachen Ein- schränkungen, beobachten. Innerhalb des Grabesraums wird Knaben das Haar geschoren und dadurch das Opfer der Person selbst ver- sinnbildlicht.

2. Ueberreste von Einzelzügen der alten Religion.

Gestatten Sie mir, nur einiges anzuführen. Abdul Hüdä, einer der geschätztesten und einflussreichsten Ratgeber des türki- schen Sultans, war als Derwisch geboren und erzogen. Wie einst Bileam (so scheint es nach Num. 24, 4. 16) hat er seinen Herrn in kataleptischem Zustand lange Zeit in politischer Hinsicht be- raten. Zweifellos beruht diese Tatsache auf altreligiösen An- schauungen.

Doch ich will mich auf Syrien beschränken. In Ssafed gibt es zwei geweihte heilkräftige Quellen, wie man sie auch sonst als Zentralpunkte der alten Religion vielfach in Syrien finden kann. In Berüt finden sich zwei heilige Brunnen, darunter einer am

Kongressbericht. \\

162 Schlusssitzung.

Heiligtum des Chidr oder Mär Dschirdschis. Er soll für verschie- dene Krankheiten Heilung bringen. Die Kraft des Chidr ruht auf seinen Wassern. Unfruchtbare Weiber, die dort baden, werden durch Chidr selbst der Mutterschaft teilhaftig. Sprösslinge solcher Verbindung werden oft Chidr genannt. In Dschüne bei Berüt findet sich an der See eine künstliche Höhle namens el-Bätia, die von Maroniten und andern in ähnlichen Fällen wie auch zwecks Genesung aufgesucht wird. Wie es scheint, glaubt das Volk tat- sächlich, dass ein durch die Wirkungskraft des Weli geborenes Kind als göttlicher Herkunft betrachtet werden muss. Damit hängt die in Ssafed sich findende Sitte zusammen, einen Sohn nicht eher auf der Schulter zu tragen, als bis man ihn rittlings auf das Grab des Weli, dem die betreffende Mutter ein Gelübde geleistet hat, gesetzt hat. Das deutet unleugbar auf die Aner- kennung der Vaterschaft des Weli hin (Gen. 30, 3., 50, 23). In Nazareth zeigt sich die alte Religion in der vollständigen Um- wandlung der Quelle der Jungfrau in eine von einem unter dem Namen en-Nässerije, d. h. die Nazarenerin bekannten Weli be- wohnten Quelle lebendig. Diesem Weli leisten Mohammedane- rinnen wie Christinnen Gelübde. Bei Darbringung derselben brin- gen erstere innerhalb des die Quelle überwölbenden Bogens mit Henna einen Klecks, letztere ein Kreuz an.

Auch die Verehrung heiliger Steine findet sich als religi- öser Brauch in verschiedenen Teilen Syriens. Diese Steine gelten als Welis. In Karjaten, an der Strasse nach Palmyra, findet sich ein solcher Stein, ein von einer zerstörten Kirche herrührender Pfeiler, eingemauert vor und hat infolgedessen auch seine nächste Umgebung der Heiligkeit teilhaftig gemacht. Die Moslemen be- zeichnen ihn als Abu Rischa und die Christen als Mär Rischa. An dem von Moslemen, Christen und Juden besuchten Makäm des Ndii Stdün unweit Sidon findet sich ein Steinpfeiler, an dessen Fuss viele von den dargebrachten Opfertieren getötet werden, so dass der Sockel von dem Blut bespritzt wird. Der Stein selbst stellt entschieden Nebi Sedün dar und deutet auf die alte Sitte der Masseboth hin. Diese liegt auch am Heiligtum des Nebi Eijüb in den Drusenbergen vor, wo ich im Sommer 1900 vor dem Makäm

Prof. Dr. Samuel Ives Curtiss f. 163

drei aufrecht stehende Steine erblickte. Der eine war wie ein Phallus gestaltet und seine Spitze mit Blut besprengt. Nach An- gabe von Mr. Wiseman in Jerusalem gab es vor fünfzig Jahren in Tiberias einen inzwischen zertrümmerten phallischen Stein. Kinderlose Leute riefen ihn unter dem Namen Nebi Härün an, nachdem sie vorher in der nahegelegenen Quelle gebadet hatten. Etwa 100 Meter nördlich vom Gipfel des Kleinen Hermon ragt ein Stein namens Nässara empor, an den Christus sich angelehnt haben soll. Christen aus Nazareth sollen an seiner Basis Opfer darbringen. In Ssafed, Sidon, Berüt und Damaskus finden sich Fälle von Baumkult. Diese Bäume sind Welis. Vor einem solchen Baum bei Berüt, namens Ali ibn A'lam, brennen sechs Lampen. Man kennt hier Gelübde mannigfacher Art einschliesslich der Opfer, beispielsweise von Schafen. Letztere werden vor den Bäumen geschlachtet. Die Person, für welche man das Gelübde leistet, schreitet über das Blut hin. An der unter dem Namen Imäm Ali bekannten grossen Platane in Damaskus brennt fortdauernd eine Lampe. Als ich sie 1902 besuchte, fand ich eine Inschrift daran, welche ihr nach Aussage meiner mit dem Volksglauben wohlvertrauten Gefährten von Gott verliehene Wunderkraft zu- schrieb. Ich sah, wie drei fein gekleidete Mosleminnen den Baum, augenscheinlich verehrungsvoll, küssten, mit derselben inbrünstigen Andacht, womit mein drusischer Führer in den Drusenbergen einen Makäm küsste. Allerdings sind sich die rechtgläubigen Moslemen der Bedenklichkeit des Baumkults wohl bewusst; sie wissen, dass man von Anfang an ihm entgegengetreten ist. Nach der Sage soll der Baum, in dessen Schatten Mohammed mit seinen Ge- fährten sich zu versammeln pflegte, um seine allzugrosse Heilig- haltung zu verhindern, gefällt worden sein. Anderseits soll freilich Mohammed gesagt haben : einige von ihnen (den Bäumen) sind gläubig, andere ungläubig! Wenn auch die mohammedanische Orthodoxie den Baumkult verdammt, so gibt es doch zahlreiche untrügliche Beweise für sein Vorhandensein, ganz abgesehen von den bei Heiligtümern sich findenden Bäumen, die zwar nicht ver- ehrt werden, von denen man aber in abergläubischer Furcht nicht einen einzigen Zweig abzuhauen wagt.

11*

164 Schlusssitzung.

Auch die alte Opfersitte ist heute noch vorhanden und zwar in ihrer ursprünglichen Gestalt. Ihre wesentlichen Züge finden sich überall im Lande, auch in den grösseren Mittelpunkten ; so werden in Ssafed, auf dem Karmel bei dem Kloster daselbst, an mehreren Heiligtümern in Sidon, wie in Damaskus, in Homss, Hama, Aleppo, Jaffa, Jerusalem, Hebron und Nablus noch Tier- opfer dargebracht. Die Stirn dessen, für den das gelobte Opfer dargebracht wird, pflegt man dabei oft mit Blut zu bestreichen. Wie bei den alten Babyloniern, so pflegt man auch heute noch bei Ausführung öffentlicher Bauten Opfer darzubringen. Bei Beginn des Baues oder bei Einweihung von Eisenbahnen wurde beispielsweise in Jerusalem, Berüt, Damaskus der Grund mit dem Blut von Opfertieren getränkt. Als die grosse Moschee in Damas- kus wieder aufgebaut wurde, da schüttete man an den Basen der beiden ersten Pfeiler Blut aus. Selbst die Maroniten haben sich dem Bann der alten Sitte nicht entziehen können. Bei dem Jahres- fest der heiligen Zedern auf dem Libanon unweit des Flusses Kadischa bringen sie tatsächlich Opfer dar, wenn sie auch an- geblich ihre Schlachtungen nur verrichten, um sich Fleisch zum Fest zu verschaffen. Es ist höchst interessant, dass man selbst da, wo der Einfluss der positiven Religion übermächtig ist, beson- ders bei Christen, doch noch alte Bräuche in Uebung finden kann. Mag auch die Priesterschaft sie immerhin umdeuten, so versteht doch das Volk, sogar in den grösseren Städten, etwas anderes darunter. Es hält die alten Vorstellungen fest, unbekümmert um ihre Herkunft. Die grosse Pilgerfahrt nach Mekka, die nach altem Brauch einen Umzug um das heilige Haus einschliesst, wobei die Pilger nach Weise der Väter, die in der Zeit der Unwissenheit nackt den Umzug machten, nur leicht bekleidet sind, beginnt damit, dass man in Damaskus an dem unter besonderer Aufsicht der dortigen Muftis stehenden Makäm des Schech Ahmed el-Ascle auf einige Tage ein Lager bezieht, und schliesst mit demselben Vorgang. Ehe nun Said Pascha von hier aus den Zug nach Mekka antritt, schlachtet er vier Schafe mit den Worten : Wenn ich von Mekka wohlbehalten heimkehre, dann will ich noch vier schlachten! Auch das ist zweifellos ein Ueberrest der alten Religion.

Prof. Dr. Samuel Ives Curtiss f. 165

3. Wie denken nun die intelligentesten Moslemen über diese Religion?

1. Sie verwerfen sie ganz entschieden. Die massgebenden Autoritäten bezeichnen die Haltung des Volkes in dieser Beziehung als Unwissenheit und Torheit. Einer der gebildetsten Moslemen in Syrien, Glied einer höchst vornehmen Familie, bemerkte über die moslemische Religion in Damaskus folgendes: Die Mohamme- daner in Damaskus zerfallen in zwei Gruppen : a) die gebildeten und erleuchteten Leute, die nicht derartige Dinge glauben. Aber sie sind wenig zahlreich! b) Die Anhänger der Religion und zwar die Mehrzahl des Volks. Sie sind sehr beschränkt, glauben an Heilige, Gräber, Verkehr zwischen Lebenden und Toten, heilige Bäume, heilige Gewässer, heilige Personen, heilige Steine, Zauber und dergl. In dem Islam findet man derartiges ursprünglich nicht, aber es ist dort eingedrungen, so dass die grosse Masse zu den Heiligtümern ihre Zuflucht nimmt! Ein anderer gebildeter Mann sagte: Der Islam erlaubt keine Gelübde an Gott, aber die Leute leisten den Heiligen Gelübde, besonders wenn sie in Not sind, und ganz besonders wiederum die Weiber ! Der Mufti von Homss, ein Mann von grosser Autorität unter den Mohammedanern, sagte: Gelübde an den Makämen binden nicht, sind keine religiöse Ob- liegenheit! Sie stammen nicht vom Islam her, sondern von den alten Bräuchen. Wenn man mich fragte: Soll ich etwas geloben? dann würde ich es nicht erlauben ! Solche Gepflogenheiten stam- men aus der Unwissenheit des Volkes, gehören aber Moslemen wie Christen an! Der Mufti von Hama teilte die Mohammedaner in drei Klassen: a) die ganz Erleuchteten; b) die weniger Er- leuchteten ; c) die Unwissenden, die die Mehrzahl bilden. Sie glauben, dass die Welis etwas ausrichten können, daher gehen sie zu ihnen und opfern ihnen ihre beste Kuh oder ihr bestes Schaf oder die Hälfte der Mitgift ihrer Tochter, sodass diese dem Heiligtum übergeben werden muss, oder sie geloben jedes Jahr die Hälfte oder ein Viertel des Kindes!

2. Wenn die rechtgläubigen Moslemen auf solche Bräuche zu sprechen kommen, dann suchen sie sie entweder weg- oder

166 Schlusssitzung.

doch umzudeuten. Besonders gern tun das auch christliche Geist- liche wie wir sahen.

3. Eine andere Partei sucht die Grundsätze der Wahhäbiten, die als die mohammedanischen Protestanten zu betrachten wären, durchzuführen. Was man im vorigen Jahrhundert mit Gewalt, und nicht ohne Erfolg, durchzusetzen strebte, das will man jetzt durch Schule und Druckerpresse verbreiten. Dass dieses Vorgehen nicht ohne Schwierigkeiten ist, dafür mag die Tatsache Zeugnis ablegen, dass die Literatur in Aegypten oder Indien gedruckt werden muss und einige von den Führern der Bewegung der Auf- sicht der Regierung unterstehen.

4 Obgleich die grosse Mehrzahl der „Erleuchteten" in der Verurteilung der alten Kultform einig ist, hält sie es doch nicht für opportun, an so tief bei dem Volk eingewurzelten Bräuchen zu rühren. Man hofft, dass die Zeit und der immer mehr Mosle- men erteilte Unterricht das Ihre tun werden. Man beruft sich darauf, dass der Grossscherif von Mekka befohlen hat, die Heilig- tümer in Dschedda und Mekka niederzureissen. Die Wahrheit dieses Gerüchtes kann ich, beiläufig bemerkt, nicht kontrollieren.

Allerdings weiss man sich die weite Verbreitung dieser Bräuche in moslemischen Kreisen ganz wohl zu erklären. Freilich sind das lediglich subjektive Meinungen, die für uns bedeutungslos sind. Nach den einen haben die Moslemen diese Braucht' von den Grie- chen erhalten, nach andern von den Juden. Selbstverständlich ist das leeres Gerede. Allerdings gibt es derartige Riten bei den griechischen Christen, aber nicht minder bei den übrigen alten christlichen Sekten, und auch die Juden haben ihren Glauben nicht rein davon halten können. Der jüdische Makäm des Rabbi Simeon in Meron unweit Ssafed unterscheidet sich durchaus nicht von den Makämen der Moslemen und der Christen. Und obwohl man offiziell bei den Juden das Opfer perhorresziert, so gibt es nicht nur das bei allen Juden verbreitete Geflügelopfer zum Versöhnungs- lage, sondern am Makäm des Elia, am Fuss des Karmel. werden >ogar Schalt' geopfert. Hier werden auch die Anhänger anderer Religionen zugelassen. Ferner Leisten sie Gelübde und opfern an dein aus Synagoge und Makäm bestehenden Heiligtum des Chidr

Prof. Dr. Samuel Ives Curtiss y. 167

in Dschöbar*) unweit Damaskus. Ausserdem opfert man Geflügel in Ausführung von Gelübden für solche, welche von schwerer Krankheit genesen sind. Es ist bezeichnend, dass ein jüdischer Rabbi in Hebron bemerkte : Der Brauch, Geflügel am Versöhnungs- tage zu opfern, widerspricht unserer Religion! Nach einigen soll er von den alten Aramäem übernommen sein! Er selbst wollte ihn von den Arabern herleiten. Die gebildeten Juden suchen dem Brauch entgegenzuwirken; da er aber alten Datums ist und die meisten Juden ihm anhängen, so halten auch die, die ihn ver- werfen, es nicht für ratsam, ihn aufzugeben.

Wenn wir diese Bräuche, die wir so in ganz Syrien, bei Moslemen, Christen, ja selbst bei den Juden finden, die nicht ein- mal in den grossen Städten fehlen, erklären wollen, dann dürfen wir nicht ausser acht lassen, dass der Grundgedanke der alten Religion, die alte Baalverehrung auf Höhenplätzen und unter grünen Bäumen, auch heute noch nachwirkt und im Leben der meisten Moslemen, die Bewohner der grossen Städte nicht ausge- nommen, die grösste Rolle spielt. In der Not gehen sie zum Makäm, dem Quell der Hilfe und Hoffnung. Der Weli oder Nebi, wie er auch heissen mag. ist lediglich ein Reflex der Gottheit der alten Religion mit ihren Höhenplätzen, heiligen Steinen, Quellen oder Bäumen in die moderne Welt herein. Name und einige Bräuche sind modifiziert worden, der alte Kult aber mit seinen wesentlichen Zügen und seinen Vorstellungen ist unverändert der- selbe geblieben.

*) Vergl. darüber Baedeker, Palästina und Syrien5 (1900) 354.

168 E. Guimet, directeur du ruusee Guimet.

E. Ollimet, directeur du musee Guimet (Paris).

Lao-Tzeu et le Brähmanisme. *)

Au debut de l'histoire de la Chine, ce sont les Empereurs seuls, ou leurs grands ministres qui se sont occupes de questions sociales et ont imagine des regles de conduite pour le bonheur de leur peuple; eux seuls leur ont donne l'exemple, les conseils et les lois.

Voilä maintenant qu'un simple particulier, Lao-Tzeu, imagine d'enseigner la morale; et meme ses visees vont plus haut; il montre les elements qui conduisent le monde, et comment sont diriges les actes humains.

H etait bibliothecaire chez les princes de Tcheou, il avait beaucoup lu, et, partant, beaucoup retenu. II avait du trouver des traductions de livres Brähmaniques et Djai'niques dont les concep- tions, germes du Bouddhisme, etaient venues dans son esprit s'ajouter aux croyances natives ; de la, cette preoccupation d'idees metaphysi- ques inconnues jusqu'alors aux philosophes chinois.

Ces idees, Lao-Tzeu les a reunies dans un livre : „Le Tao- Te-Kingu qui a fait le desespoir de tous ceux qui ont cherche ä le comprendre; d'abord parce que la pensee du philosophe dejä peu precise a ete volontairement ecrite en phrases ä sens cache,**) et d'autre part, parce qu'il a ete oblige de se servir des caracteres chinois qui se pretaient mal ä rendre des theories transcendantales.

Gar les Chinois, fiers de Tantiquite de leur ecriture, ont ecrit trop tot, au moment leur langue etait encore monosyllabique et l'hiero- glyphe a fige la pensee qui est restee breve comme un monosyllabe

Pour Lao-Tzeu, le mal a ete encore plus grand: ce biblio- thecaire devait etre amateur de textes rares, de belle calligraphie; la disposition des caracteres devait le charmer; leur repetition

•) Gehört zu den Vorträgen der zweiten Plenarsitzung (vide p. 101). Die Umstellung ist erfolgt, da sonst wegen Einsetzung der chinesischen Typen der Druck aufgehalten worden würe.

*•) Cette preoccupation de M pas 6tre facilemeut compris est tont ;'i f.iif indienne. Les sages indous considerent que la verite m^rite qu'on la cherche.

E. Guimet, directeur du musee Guimet. 169

rythmique formait pour lui comme des rimes intörieures ; les lignes verticales de l'ecriture chinoise, ornees de la marqueterie des mots reproduits en damier, devaient l'inciter ä voir les caracteres avant de preciser sa pensee, comme les grands orateurs qui ont besoin d'entendre des phrases, pour trouver des raisonnements. Et sans doute ce besoin d'alterner les memes mots lui a fait affectionner les antitheses ä courtes periodes qui caracterisent son style et en troublent la clarte, ainsi que les arguments en forme de sorites avec lesquels on construit la demonstration comme on eleverait un mur de briques, chaque phrase s'appuie sur un bout de la phrase precedente; joie des lettres chinois que ce jeu amuse en leur donnant de jolis textes bien equilibres, mais pas clairs.

En somme son Systeme etait simple ; il admettait l'idee bräh- manique de 1'äme universelle d'oü jaillissent, pour les naissances, toutes les ämes, et retournent, apres la mort, toutes les ämes.

II admettait encore l'idee bouddhique de la retribution, en ce monde, des recompenses et des punitions, et cela sans aucune inter- vention divine, par la force de la cause et de l'effet, dont les resultats, avec la sürete d'une loi mathematique, physique ou chimique, fönt que l'acte bon produit le bien, l'acte mauvais, le mal.

Mais notre sage pensa que ses contemporains auraient quel- que peine ä concevoir ces theses philosophiques et il les expliqua au moyen de developpements delayes dans des redites, qu'il fit mysterieuses pour les rendre importantes ; et le livre qui en resulte est bien penible ä lire.

Par surcroit, depuis deux mille six cents ans que le texte est ecrit, tous les exegetes de la Chine se sont ä tour de röle escrimes sur les phrases de Lao-Tzeu ; et selon que l'auteur du commentaire etait adorateur des esprits, disciple de Gonfucius ou bouddhiste, il rencontrait toujours tres exactement chez notre philosophe, gräce ä des ingenieuses interpretations, les idees qu'il voulait trouver*);

") Je compte parmi les lettre^; Dans les manuscrits je sais lire Et par moi les livres sacres Disent ce que je leur fais dire.

(G. Nadaud le Mandarin.)

liO E. Guimet, directeur du musee Guimet.

et s'il se heurtait ä une affirmation tres precise, tres nette, et con- traire ä ses doctrines il n'hesitait pas ä declarer que le passage avait ete interpole et que puisqu'il ne cadrait pas avec ses propres idees, il ne devait pas etre de Lao-Tzeu. C'est ainsi que si l'on voulait retrancher de l'ouvrage tous les passages declares apocryphes par les uns et par les autres, il ne resterait plus grand'chose du Tao- Te-King.

Et puis sont venus les traducteurs europeens. De ceux-lä je ne puis rien critiquer, d'abord parce que je ne suis pas compe- tent en sinologie, et aussi parce que ce serait mal reconnaitre les Services qu'ils nous ont rendus en nous devoilant ce livre etrange. Mais nous pouvons constater que les traductions diverses donnent souvent des sens fort differents, selon qu'on a suivi les commen- taires bouddhiques, taoi'stes ou confuceens et selon, qu'en traduisant, on avait teile ou teile preoccupation philosophique. Si bien que pour me servir d'antitheses cheres ä Lao-Tzeu et utiliser sa maniere: plus on a explique son livre, moins on l'a compris; ä force de l'eclairer, on l'a fait obscur.

Un moyen de se rendre compte des idees de notre philosophe, c'est de se reporter ä l'epoque il vivait, de considerer les cro- yances qui etaient acceptees alors et Celles qui s'introduisaient par le contact avec les etrangers. Les fondateurs de religion sont des resultantes; ils rnarquent de leur personnalite des conceptions qui ont cours, leur donnent une forme, parfois une formule saisis- sante, trouvent enfin des Solutions sociales ou dogmatiques qui re- pondent ä un besoin des esprits. C'est parce qu'ils satisfont des aspirations latentes qu'ils rencontrent des disciples enthousiasmes.

II faut donc se demander quelles pouvaient etre les preoccu- pations de Lao-Tzeu aux points de vue humains, physiques et inctaphysiques.

II faut essayer de vivre de sa vie, de penser avec lui, d'ecouter par ses oreilles, de lire par ses yeux et, eomme disent les Chinois, il faut coiffer son bonnet et mettre sa chaussure.

Le milieu dans lequel il vivait devait lui avoir donne la foi aux genies et la croyance que l'esprit du ciel et celui de la terre se partagent le monde et le menent.

E. Guimet, directeur du musee Guimet. 171

Aussi il accorde ces idees fetichiques avec la puissance uni- verselle : son Tao.

Peut-etre n'est-ce, chez lui. qu'une habitude des mots; nous- meme. nous disons volontiers le ciel pour dire Dieu.

L'usage de donner une personnalite et au besoin un corps, <>u, tout au moins, une apparence aux dieux de tous grades qui animent chaque astre, chaque phenomene, chaque ville, chaque objet. lui fait ecrire des phrases il semble reconnaitre et con- firmer ces superstitions.

II dit: „Le Tao est semblable au patriarche des etres . . . J'ignore de qui il est fils, il doit etre anterieur au Chang-Ti", (l'esprit du Ciel) (IV): ou bien: „Le ciel et la terre ne se preoccupent pas de leurs existences,'' : „Pour gouverner les hommes et servir le ciel, rien n'est comparable ä la moderation."

Parfois le ciel s'anime. exprime des sentiments, agit: „Le ciel n'affectionne personne en particulier, il donne constamment aux hommes vertueux . . .u

„Lorsque le ciel deteste quelqu'un qui est-ce qui pourrait sonder ses motifs?... Le filet du ciel est immense, ses mailies sont ecartees et cependant personne n'echappe."

On peut se demander si Lao-Tzeu a cru aux esprits des morts et ä leurs exigences. II y a la petite phrase du chapitre LIV : „Gelui qui sait fonder ne craint pas la destruction, celui qui sait conserver ne craint pas de pericliter."

„Ses fils et ses petits-fils lui offriront des sacrifices sans inter- ruption."

Et encore le fameux chapitre LX qui a grand besoin d'etre traduit ä nouveau de fond en comble sur un vieux texte et par un savant qui n'aura aucune idee preconcue. On y parle des ^ Koei (demons) et des $ty Ghen (Esprits) et chaque copiste selon son goüt a remplace Koei par Ghen et Ghen par Koei; Stanislas Julien lui-meme n'a pas hesite ä mettre Koei il lisait Chen. Finalement de Harlez est arrive ä cette traduction : „Gouverner un Etat se fait avec autant de soins qu'on en met ä frire un petit poisson K

„Si Ton gouverne l'Empire selon les lois du Tao les esprits des morts ne se manifesteront pas. En tous. cas ils ne nuiront

172 E. Guimet, directeur du musee Guimet.

pas aux hommes et. si meme ils voulaient lern* nuire, ils ne le pourraient pas." Ou, suivant le commentateur Hou-chang-kong, „la presence du saint les en empecherait." Gette derniere Interpretation est tout ä fait brähmanique et pourrait bien etre la bonne. Dans tous les cas ceux qui seraient genes par ces restes de fetichisme qui deparent la haute philosophie de Lao-Tzeu peuvent recourir ä la Solution facile qui consiste ä declarer que tous ces passages embarrassants ne sont pas du philosophe.

En somnie cela n'a pas grande importance, car ces sortes de lapsus sont tres rares dans l'oeuvre qui nous occupe et ne nuisent en rien ä l'idee du Tao qui est le fond de sa doctrine. Mais qu'est- ce que c'est que le Tao? II faut d'abord nous demander comment Lao-Tzeu en concevait l'existence; par quelles successions d'idees, par quelle nourriture de l'esprit. par quelles revelations philosophiques, quelles reflexions sur les hommes qui l'entouraient, quelle constatation des faits historiques auxquels il assistait et par quelles conclusions enfin il avait ete amene ä croire ä la puissance de cette force su- perieure et primordiale.

J'ai raconte ailleurs que lorsque Temperem* Mou-Wang entre- prit son expedition en Tartarie, non seulement il rapporta des pro- duits du sol et des curiosites, mais encore il ramena des ouvriers d'art. Les relations commerciales qui existaient dejä entre la Chine et les pays du centre de l'Asie durent se developper et se regula- riser; des caravanes s'organiserent; les produits s'echangerent. Mais les relations commerciales ne vont pas sans les deplacements de personnes et la penetration reciproque des idees, des croyances. II a donc fallu necessairement que les conceptions dogmatiques de l'Inde se fassent connaitre des savants Ghinois; et les lettres avises, comme Lao-Tzeu, ont du en faire leur profit.

Ge penseur a du etre frappe des dogmes brähmaniques, de cette äme universelle et des lois inflexibles qui en decoulent, soit pour la naissance des 6tres, soit pour les actes humains. II les a contrölees en les appliquant ä l'histoire, dejä longue, de son pays et aux evenements politiques des royaumes qui l'entouraient; et il a trouve que les faits confirmaient ces lois. II s'est alors donne In rnission d'enseigner ses decouvertcs ä ses contemporains. Mais

E. Guimet, directeur du rausee Guimet. 173

il etait mal outille pour proclamer ces verites; le verbe chinois etait insuffisant; et les croyances accoutumees devaient fausser sa propre pensee; sa conviction, tres sincere, ne savait comment s'ex- pliquer. II essaya pourtant.

II voulait rendre l'idee du Brahme (neutre) le grand tout' conception de l'etre incree, existant par lui-meme, äme universelle, vivant dans tout, meme dans les etres inanimes; il voulait exprimer l'idee du Käma (le desir), force initiale de la creation; il voulait faire comprendre le Karma, consequence fatale des actes; le Dharma, le devoir des etres et la loi qui regit les evenements par la „cause et 1'efFet"; la Boddhi enfin, la supreme intelligence qui est la science acquise par la meditation et surtout par la connaissance du Dharma; et pour rendre ces quatre pensees il utilisa un seul mot: j||i; „Le Tao" dejä connu des anciens sages de la Chine, et le chargea de rendre l'ensemble de ces conceptions indiennes.

Gette Observation est tres importante, car eile permet de com- prendre toutes les significations des phrases du Tao-te-King. L'au- teur du livre assimile au Tao le Tien % (l'esprit du ciel), le Chang-Ti _L ^ (ce meme esprit dirigeant les actes humains) et en plus, le Tao est aussi l'expression de toutes les idees transcendantales du Brähmanisme. Par consequent chaque fois qu'on rencontre dans le texte le terrible mot, pretendu incompre- hensible, on se trouve en face de sept sens differents, mais dont Tun, ä coup sür, cadre avec l'idee de la phrase ä expliquer et il est toujours facile de choisir la formule qui convient. De la sorte le livre semble clair, logique et devoile toute sa grandeur. Tous les traducteurs ont signale ces emprunts faits par Lao- Tzeu ä la philosophie brähmanique, mais sans y insister. II me semble pourtant que c'est la clef de son Systeme et que partout l'on avait quelque embarras pour le comprendre il suffisait d'eclairer son texte au moyen des idees vediques et de leurs derives bouddhiques.

„Le Tao qui peut etre explique, n'est point le Tao eternel. Le nom qui peut etre nomme n'est point le nom eternel. Sans nom l'etre primordial est le principe du ciel et de la terre; avec un nom

174 E Guimet, directeur du musee Guimet.

il est la mere de toutes les choses.*) Aussi dans sa phase d'absence de desir se montre sa nature merveilleuse ; dans sa phase de desir on voit son dernier terme. Ses deux etats ont une meme origine et des noms differents. Ils sont egalen lent appeles, l'abime insondable, l'abime mysterieux de l'abime, la porte de tous les etres." (I).

Voilä im premier expose. On y trouve l'abime de certaines geneses, la description de l'etat latent et de l'etat actif de la force creatrice qui n'est mise en action que par le desir les chimistes diraient l'attraction moleculaire, l'affinite, desir que le brähmanisme appelle Kam a et qui plus tard est devenu l'Amour. L'essence d'oü sortent les etres est tantöt une porte, tantöt une mer. Le Tao ne cree pas, les etres emanent de lui. Continuons:

„Le Tao est d'une profondeur immense; si l'on en fait usage il parait inepuisable. 0 abime semblable au patriarche des etres l II en emousse les aeuites ; il en dissipe la confusion ; il donne la juste mesure ä leur eclat et harmonise leurs elements. 0 pur eclat qui existe sans Variation!" (IV).

„L'esprit des profondeurs est impenetrable. G'est lui qu'on appelle la mere produetrice originaire. La porte de cette mere produetrice est ce qu'on appelle la racine (la graine, le germe) du ciel et de la terre. II est perpetuel en sa substance et, si Ton en use, il ne s'epuise pas."**) (VI).

„Si les portes du ciel d'oü proviennent les etres s'ouvrent et se ferment regulierement, il n'y aura pas besoin d'autre agent produeteur." (X).

On voit par ces extraits que Lao-Tzeu reussit assez bien ä donner une idee de l'äme universelle; seulement il ne peut s'em- pecher de penser qu'elle habite un endroit determine qui a une porte par les etres sortent et rentrent.

*) Namu-rüpa, le nora et la forme, point de derart de tout ce qui existe.

**) Je me sers tantöt de la traduetion de de Harlez trop litteraire et un peu biblique (Annales du mus^e Guimet T. XX), tantöt de celle de Stanislas Julien assez litte>ale et qui a l'avantage d'etre eclairee par les citations nom- breuses et substantielles des commentateurs cbinois.

E. Guimet, directeur du musee Guimet. 175

Quand il veut expliquer le röle universel et constant du Tao. les expressions lui manquent; il emploie des tours de phrases negatifs, pensant qu'ä force de dire ce qu'il n'est pas on com- prendra ce qu'il est.

„Vous le regardez et vous ne le voyez pas, on le dit invi- sible. Vous l'ecoutez et vous ne l'entendez pas, on le dit sans voix. Vous voulez le toucher et vous ne l'atteignez pas, on le dit incorporel. Le Tao se cache ..." (LI).

Gette puissance imponderable, ce fluide vivifiant, qui insai- sissable, vibre dans la matiere et la fait agir, il croit la rendre comprehensible en disant que c'est le vide et il cherche des comparaisons qui l'aideront ä montrer l'importance du vide.

„Trente rais se reunissent autour d'un moyeu; c'est de son vide que depend l'usage d'un char. On petrit de la terre glaise pour faire un vase. C'est de son vide que depend son utilite. On perce des portes et des fenetres pour faire une maison. C'est de leur vide que depend l'usage de la maison, c'est pourquoi la forme vient de l'etre et l'usage du non-etre."

„Celui qui est parvenu au comble du vide garde fermement le repos." (XVI).

„Le Tao est comme le tuyau de la forge qui est vide et ne s'epuise pas; plus on agite le soufflet plus il donne du vent." (V).

Une autre difficulte se presentait pour affirmer et. faire saisir l'eternite du Tao, pour dire qu'il n'a pas eu de commencement et n'aura point de fin. Notre philosophe s'en est tire en donnant pour un moment un corps humain ä son grand Tout, et il ecrit:

„Si vous allez au devant de lui vous ne voyez pas sa face, si vous le suivez vous ne voyez pas son dos " (XIV).

Nous avons vu qu'ä plusieurs reprises Lao-Tzeu se demande s'il doit ou s'il ne doit pas donner un nom ä ce qu'il a dejä d'emblee appele Tao. Dans le chapitre XXXI il developpe sa pensee.

„Le Tao en sa substance eternellement permanente n'avait point de nom.

Quand il commenc.a ä se diviser pour former les etres, il eut un nom et il y eut des noms; ces noms une fois acquis, ceux qui

17t« E. Guimet, directeur du musee Guiraet.

les possedent doivent se tenir tranquilles. Qui sait garder sa posi- tion ne periclite jamais."

Cette preoccupation du nom est une idee indienne; le nom etablit la personnalite, l'existence. Quand le Tao est ä l'etat latent, il n'a pas de nom. Des qu'il se manifeste par la voie chimique, la voie vegetale, la voie animale ou la voie sociale. (Stanislas Julien a traduit le Tao par voie), on peut le nommer car il a prouve qu'il existe. On se souvient que dans la Bible quand Dieu a cree l'homme* la femme et les animaux, il leur donne des noms pour completer, affirmer la creation. Quelles qu'aient ete les diffi- cultes que notre sage a rencontrees pour arriver ä developper son Systeme, on sent que lui-meme comprenait tres nettement la doctrine qu'il voulait enseigner; si son vocabulaire et l'education de son esprit le rendaient impuissant ä expliquer sa pensee, il avait pour- tant penetre sa dogmatique; il la voyait clairement et la trouvait merveilleuse. Parfois il s'enthousiasmait et s'elevait jusqu'au lyrisme. „La loi de la vertu universelle emane uniquement du Tao.

Voici quelle est l'origine du Tao: II est vague, il est confus. Qu'il est confus, qu'il est vague! Au dedans de lui il y a des images, Qu'il est confus, qu'il est vague! Au dedans de lui il y a des etres, Qu'il est profond, qu'il est obscur!

Au dedans de lui il y a une essence spirituelle qui ne

trompe pas.

Au dedans de lui reside le temoignage infaillible de ce qu'il est.

Depuis les temps anciens jusqu'ä nos jours son nom n'a

pas varie.

II donne naissance ä tous les etres;

Comment sais-je qu'il en est ainsi ?

Par le Tao lui-meme.

(La Boddhi, intelligence parfaite.)*) (XXI).

*) II fallait dirc: Comment expliquer le Brahmo et le Karma? Par la Bod.lhi.

E. Guimet, directeur du musöe Guimet. 177

Je pense que ce que j'ai dit aura suffi pour exposer la maniere dont Lao-Tzeu s'imagine le Tao en tant qu'emanateur et centre des ämes. Voyons maintenant comment il le fait intervenir dans les actes humains. Jusqu'ä lui, aux yeux des Chinois, ce sont les Esprits, la Terre et surtout le Giel qui reglementent et dirigent; notre moraliste se trouve de nouveau emprisonne par la pauvrete de son vocabulaire. II aurait du s'interdire de nommer ces divinites qui n'avaient rien de philosophique ; la Terre est une bonne mere de famille qui nourrit ses enfants et les protege; le Ciel est un empereur parfois fantasque, qui agit, punit, recompense, se sou- vient et prevoit. Pourquoi alors assimiler au Giel le Tao qui n'agit pas, laisse faire les evenements, se rapportant ä eux pour amener les consequences desirables? En assimilant le Tao au ciel, en ecri- vant Jl jj| Tien tche tao il a jete dans les demonstrations un contresens incessant. Ces explications donnees, continuons ä feuil- leter le livre et voyons comment opere le Tao.*)

„Le Tao produit les etres, les nourrit, les fait croitre, les perfectionne, les mürit, les alimente, les protege."

„II sait preter secours aux etres et les conduire ä la perfec- tion." (XLI).

„L'äme spirituelle commande ä l'äme corporelle. Si l'homme conserve ce bien, elles pourront rester indissolubles. S'il dompte sa force vitale et l'assouplit, il aura l'innocence d'un petit- enfant. S'il se delivre des lumieres de l'intelligence il ne commettra pas de faute. G'est pourquoi si l'homme se livre au Tao , il s'identifie au Tao ; s'il se livre au crime, il s'identifie au crime."

„Si l'on ne croit pas fortement au Tao, on finit par n'y plus croire." (XXIII).

„Le ciel Tao est comme l'ouvrier en arc qui abaisse ce qui est eleve et eleve ce qui est bas,**) qui öte le superflu et supplee ä ce qui manque. Le ciel Tao öte ä ceux qui ont du superflu pour aider ä ceux qui n'ont pas assez. II n'en est pas ainsi de l'homme ; il öte ä ceux qui n'ont pas assez pour donner ä ceux qui ont du

*) On a traduit par la „voie du Ciel", „La loi du Ciel" etc. mais c'est

bien le ciel Tao. Le Tao jouant le röle de Ciel directeur et remunerateur.

**) „Car celui qui s'eleve sera abaisse et celui qui s'abaisse sera eleve. u

Kongressbericht. 12

178 E. Guimet, directeur du musee Guimet.

superflu. Quel est celui qui est capable de donner son superflu aux autres hommes? Celui-lä seul qui possede le Tao." (LXXXII).

Le Tao a dans ce monde un representant et un collaborateur c'est le „Saint" ou les „Saints." Ils peuvent en effet etre nom- breux ceux qui possedent le Tao, ceux qui comprennent le Tao et se l'assimilent, vivent en lui, suivent ses voies. Et quand Lao- Tzeu parle du Saint, tantöt il entend les anciens sages de la Chine, qui selon lui ont connu le Tao, tantöt sa propre personne qu'il n'hesite pas ä donner en exemple.

Et il dit non sans profondeur et ingenuosite: „Ce qui fit que tous connurent que le beau est le beau, ce fut le laid. Ce qui fit que tous connurent que le bien est le bien, ce fut le mal.*) C'est ainsi que l'etre et le non-etre s'engendrent mutuellement, que le facile et le difficile se composent Tun l'autre, que le long et le court se completent, que le haut et le bas se juxtaposent, que la voix et les sons s'harmonisent, que l'anterieur et le posterieur se succedent. Ainsi le Saint s'applique ä l'affaire du n on agir et prati- que l'enseignement muet (l'exemple)."

„Le Saint n'a pas de sentiments immuables. II adopte les sentiments du peuple. Celui qui est vertueux, il le traite comrne un homme vertueux ; celui qui n'est pas vertueux, il le traite aussi comme un homme vertueux. C'est le comble de la vertu. Le Saint regarde les hommes comme ses enfants jeunes encore." (XLIX). „II venge ses injures par des bienfaits . . ." (LXIII).

Nous constatons que les fonctions du Saint dans la societe sont importantes; ä premiere vue on ne saisit pas bien quels Ser- vices il peut rendre en n'agissant pas, mais en se servant de termes plus precis et moins negatifs, on comprend que les vertus du Sage doivent etre la douceur, la bienveillance, l'afrection, l'oubli des injures, la tolerance, le respect des libertes, la confiance dans l'intelligence du peuple, dans sa probite, dans sa franchise, dans sa moralite.

') „Nous trouvons une idee ici dont la pliilosophic Indoue nous oflre le pendant ; c'est le röle philosophique attribue aux couples de choses opposöes ä ces dvandva auxquels le sage Indou doit se montrer indifTerent. Ces couples, Tun des objets fait connnitre l'uutre pur le contraste et l'engendre meme par les relations " De Harlez (Annales du Musöe Guiniet T. XX p. 19).

E. Guimet, directeur du musee Guiniet. 179

C'est en ne cherchant pas ä le diriger et en l'aimant qu'il utilise toutes ses qualites naturelles.

Le Saint peut etre appele ä gouverner; les sages empereurs de l'antiquite en sont des exemples. C'est sur la fagon d'administrer les nations que Lao-Tzeu a le plus developpe sa pensee et il dit aux gouvernants: „Dans la haute antiquite le peuple ne savait seulement pas qu'il y avait des rois. Les suivants il les aima et leur donna des louanges. Les suivants il les craignit, les suivants il les meprisa. Celui qui n'a pas confiance dans les autres n'ob- tient pas leur confiance."

„Les anciens etaient graves et reserves dans leurs paroles- Apres qu'ils avaient acquis des merites et reussi dans leurs desseins, les cent familles disaient: c'est tout naturellement que nous sommes heureux." (XVII) „Lorsque l'administration parait depourvue de lumieres, le peuple devient riche. Lorsque l'administration devient minutieuse et tracassiere, le peuple manque de tout. Si le prince n'est pas droit, les hommes droits deviendront trompeurs et les hommes vertueux pervers ..." (LVIII).

„La difficulte pour gouverner le peuple a commence quand le prince est devenu trop habile. Gouverner un Etat par l'habilete c'est en etre le fleau, le destructeur; le gouverner sans cette ha- bilete c'est faire son bonheur . .." (LXV). Quand dans l'Empire, il y a beaucoup de lois prohibitrices et inspirant la crainte, le peuple est d'autant plus miserable*).

„Le sage redoute la gloire comme l'ignominie. La gloire est quelque chose de bas. Lorsqu'on l'a obtenue on est rempli de crainte. Lorsqu'on l'a perdue on est rempli de crainte. II n'y a pas de plus grande faute que de ne jamais etre satisfait."

„II n'y a rien de plus blamable que de desirer acquerir en- core. Aussi celui qui sait se contenter de ce qui suffit sera tou- jours heureux." (XL VI.)

„Pour gouverner les hommes et servir le Giel rien n'est com- parable ä la moderation. La moderation doit etre le premier soin de l'homme . . ." (LIX.)

*) „In corruptissima republica plurimas leges" (Tacite).

12*

180 E. Guimet, direcleur du musee Guimet.

„Le Saint evite les exces, la prodigalite et la magnificence." (XXIX). „Si les palais sont tres britlants, les champs sont tres in- cultes et les greniers vides. Les princes s'habillent de riches etoffes, ils portent im glaive tranchant; ils se rassasient de mets exquis; ils se gorgent de richesses. C'est ce qu'on appelle se glorifier du vol! Ce n'est point pratiquer le Tao*)u (LIII). „Le peuple meurt de faim car le prince devore une quantite d'impöts".

„Le peuple est difficile ä gouverner car le prince aime ä agir. Le peuple meprise la mort parce qu'il cherche avec trop d'ardeur le moyen de vivre . . ." (LXXV).

„Lorsque le peuple ne craint pas la mort comment l'efrrayer par la menace de la mort?. . . II y a constamment un magistrat suprßme qui inilige la mort.

„Si Ton veut remplacer ce magistrat supreme et infliger soi- meme la mort, on ressemble ä un homme inhabile qui voudrait tailler le bois ä la place du charpentier; il est rare qu'il ne se blesse pas les mains." (LXXIV.)

Et le philosophe fait cette supposition : „Si je gouvernais un peuple peu nombreux, n'eüt-il des armes que pour dix ou cent hommes, je l'empecherais de s'en servir."

„J'apprendrais au peuple ä craindre la mort „en lui faisant une existence heureuse" et. ä ne pas emigrer au loin. Quand meme il aurait des bateaux et des chars, il n'aurait pas l'idee de s'en servir."

„S'il avait des cuirasses et des lances il ne les porterait pas. Je le ferais revenir ä l'epoque des cordelettes nouees.**) II savoure- rait sa nourriture, il trouverait de l'elegance dans ses vetements, il se plairait dans sa demeure, il aimerait ses usages sans apparat. Si un autre royaume se trouvait en face du mien, assez pres pour que les cris de coqs et de chiens s'entendissent de l'un ä l'autre, mon peuple arriverait a la vieillesse et ä la mort sans avoir eu le d6sir de visiter le peuple voisin" (LXXX). Toutes ces citations un peu longues etaient necessaires pour que, par les redites meme du texte, la pensee de l'^crivain puisse se degager.

*) „La proprio <V>t [e vol" a ecrit Proudhon.

'»\i\<- jpmililiM' et <!<■ Bimplicite od l'ecriture etail remplacee par dea Dfleuda faits en certain noinlirc ä dea (icelies.

E. Guimet, directeur du nuisee Guimet. 181

Si on veut juger la pensee de Lao-Tzeu il faut toujours se rapporter ä l'epoque le livre fut compose; il faut oublier coin- pletement nos preoccupations de civilises modernes. On eüt bien etonne Lao-Tzeu si on lui avait parle de grande Industrie, de con- ceptions artistiques, d'expansion coloniale; meme les echanges inter- nationaux il ne les comprenait pas, il ne les voyait pas; il oubliait, l'ingrat, que les relations entre la Chine et l'Asie centrale lui avaient permis de connaitre ces idees indiennes qui l'avaient frappe, charme, conquis et dont, avec conviction, il precherait les avan- tages, il enseignerait les hautes conceptions.

II vivait sous les Tcheou, dans un moment de troubles dynas- tiques et de dissensions politiques.

La Chine, reduite en parcelles, formait une reunion de petits Etats, gouvernes par des princes nouvellement venus ä la puissance ; chacun s'ingeniait ä organiser le meilleur Systeme d'administration ; il y avait une emulation entre les rois qui pensaient bien que ceux- qui utiliseraient le mieux le pouvoir, domineraient les autres.

Autour des palais abondaient les donneurs de conseils ; chacun se faisait juriste ; il s'etablissait un concours de codes, et Lao-Tzeu du fond de sa retraite jugeait les princes. Les uns etaient simples, les autres fastueux, ceux-ci compliquaient les ordonnances, ceux-la laissaient faire ; d'aucuns etaient doux, d'autres terribles. Le philo- sophe comparait, constatait les procedes, voyait les resultats ; et il arrivait ä ces conclusions que le minimum des lois amenait le maximum de bien-etre, que meme les rois bienveillants, sincerement desireux de faire le bonheur de leur peuple, agissaient ä l'encontre de leurs intentions s'ils s'occupaient trop de leurs sujets, s'ils voulaient les diriger en toutes choses. Les legislateurs supposent trop facilement qu'apres eux il n'y aura plus que des imbeciles; ils veulent tout prevoir, et, de crainte d'oublier quelques cas, leurs interdictions et defenses deviennent trop abondantes, souvent contra- dictoires. Lao-Tzeu trouva que les jurisprudences surchargees genent les initiatives, detruisent les libertes.

Avec les codes, les policiers, les magistrats, les prisons, les deportations et les bagnes on fait du crime une veritable Institution d'Etat, qu'on ne pourrait supprimer qu'en brisant des carrieres que

1S2 E. Guimet, directeur du musee Guimet.

le crime feit vivre. Par les ordonnances relatives aux moeurs, on prevoit, on precise, on decrit et s'il le fant on patronne, on heberge le vice. Meme les oeuvres de bienfaisance, si elles sont trop deve- loppees, arrivent ä organiser la misere. Et Lao-Tzeu disait: „Laissez le> gens tranquilles, ils sauront bien tont seuls trouver la bonne voie. Donnez l'exemple de la tranquillite d'esprit ; ne vous agitez pas, n'intervenez pas avec ardeur dans les affaires des autres; les regles sociales sont des regles naturelles ; si on ne les trouble pas elles amenent le bonheur."

Pour terminer l'etude de la doctrine de Lao-Tzeu, nous allons reproduire quelques chapitres, qui ne concernent, ni les grandes lois naturelles, ni les moyens de bien conduire les peuples, mais s'adressent plutöt aux simples particuliers.

Ges regles de conduite ont du specialement preoccuper notre philosophe ; il y a certainement pense longuement car la forme litteraire qu'il a donnee ä ces maximes est generalement originale et d'une belle allure.

„Celui qui connait les hommes est instruit; celui qui se con- nait soi-meme a la vraie intelligence.*)

Celui qui vainc les hommes a de la force, celui qui vainc soi-meme est vraiment fort. Celui qui sait se contenter de peu est riche. Celui qui ne porte pas ses vues au dessus de ses forces subsistera longtemps . . ." (XXXIII).

„Les hommes d'une vertu superieure ignorent leur vertu, c'est pourquoi ils ont de la vertu. Les hommes d'une vertu inferieure n'oublient par leur vertu, c'est pourquoi ils n'ont pas de vertus.u

„Les hommes d'une humanite superieure la pratiquent sans y songer. Les hommes d'une equite inferieure la pratiquent avec Intention. Les hommes d'une urbanite superieure la mettent en pra- lique et si l'on n'y repond pas ils relevent leurs manches et veulent se battre."

„C'est pourquoi on a de la vertu apres avoir perdu le Tao; de l'IIiimanite apres avoir perdu la vertu; de l'Equite apres avoir perdu l'humanite, de l'Urbanite apres avoir perdu l'equite: l'Urbanite

i yvö>9-t »JOUT(5v, „foniiiiis-lni toi-nu-ine" a dit Socrate.

E. Guimet, directeur du musee Guimet. 183

n'est que l'ecorce de la droiture et de la sincerite, c'est la source du desordre."

.... Je possede trois tresors que je tiens et garde Caches. L'un est la bienveillance; le second, l'esprit d'economie; le troisieme, la crainte d'etre le premier parmi les peuples de l'univers. Bienveillant, je n'ai pas d'ennemis ; econome, je puis etre genereux ; modeste, je puis etre le chef de tous les etres . . . ." (LXVII.)

„Les paroles sinceres ne sont pas elegantes, les paroles ele- gantes ne sont pas sinceres. L'homme vertueux n'est pas bavard; rhomme bavard n'est pas vertueux. L'homme-Tao fait le bien et ne se sert pas de l'eloquence." (LXXXI.)

J'ose esperer que peu ä peu le lecteur est arrive ä coin- prendre le livre pretendu incomprehensible de Lao-Tzeu. II a re- connu qu'il s'est certainement inspire des philosophies de l'Inde. S'il s'est trouve impuissant ä les demontrer ä ses contemporains, nous, qui connaissons ces doctrines, nous pouvons expliquer mieux que lui ce qu'il a voulu dire. Les lettres des ecoles de Confucius ont fait la sourde oreille, ils ont feint de ne rien saisir; mais ils ne s'y sont pas trompes et quand sont arrives en Chine les Mission- naires bouddhiques ils ont trouve leurs croyances analogues ä Celles de Lao-Tzeu, ils avaient appele JH -j^ Tao-Ghe les disciples du philosophe; ils nommerent jjf; \ Tao-Jen les pretres bouddhiques, constatant que les uns et les autres suivaient les lois de ce que Lao-Tzeu intitulait le Tao.

II serait interessant de relire les grands penseurs de l'hu- manite avec la preoccupation d'y trouver des idees que Lao-Tzeu pourrait revendiquer; les rencontres seraient nombreuses; en notes j'en ai indique quelques-unes, mais on en pourrait faire une ample moisson et l'on peut dire que le cerveau de ce grand sage incom- pris a ete traverse par des conceptions qu'auraient acceptees ^lakya- Mouni, Pythagore, Piaton, Aristote, Tacite, les Evangelistes, Vol- taire, Proudhon et beaucoup d'autres.

III.

Sektions - Sitzungen.

W. H. R. Rivers. 1S7

I. Sekition. Religionen der sogen. Naturvölker.

W. H. R. Rivers (Cambridge).

The Religion of the Todas.

(Resume.)

A brief account has been given elsewhere*) of the elaborate religious ritual of the Todas which centres round the dairy in which the milk of the sacred buffaloes is churned. An account has also been given**) of the formulae which are recited in the course of the dairy ceremonial; formulae, probably of the nature of prayer, in which the names and acts of Toda gods may be mentioned.

These gods are anthropomorphic beings who are believed to have lived in this world much as the Todas live now, having their dairies and their buffaloes and coming from the hüls, on which they lived to meet together in Council. The number of the gods is very great. The Todas speak of "the 1600 gods, the 1800 gods". using these words in the sense of "a great number".

The first of the gods was Pithi who was born in a cave. His son, Ön, was the creator of the Todas and their buffaloes. After a time, Ön went away to rule over Amnodr, the world of the dead, and the Todas were then ruled by the goddess Teikirzi. who is believed to have been the originator of the chief social and religious institutions of the people.

*) Man, 1903, p. 175.

**) Folk-Lore, 1904, vol. XV, p. 166.

183 I. Sektion.

The number of the gods has been increased at time by the addition of deified men. The chief of them is Kwoto who by the exertion of miraculous powers was acknowledged by the gods to be their superior.

At the present time the gods are not seen by man, though they are still believed to inhabit the hill-tops, and it would seem, that they are becoming unreal beings to the Todas. Nevertheless there is little doubt that the formulae of the dairy ceremonial are intended to appeal to the gods for blessings on the people and their buffaloes and any misfortune is ascribed to the anger of the gods who are believed to express their will by the mouths of di- viners called tenol or god-men.

The majority of the Toda gods would seem to be hill deities of the same kind as those common in Dravidian mythology but more developed. There are two river gods and one personifying a bubbling pool but there is no evidence that any of the Toda deities are personifications of the forces of nature. In their dairy ceremonial the Todas reverence the sun and light but here again there is no evidence which would lead to the identification of any deity with the sun.

There is also no evidence of any relation between the Toda religion and ancestor worship. The dead are believed to go to the world of Amnodr and to return thence after a time to live again as men. Certain men have been deified but as heroes, not as ancestors.

It is obvious that this religion is far from being of a primi- tive kind. Have the Todas elaborated this religion with its com- plex ritual during a long period of Isolation- on the Nilgiri hüls, or do they possess the remnant of some developed religion which they brought with them from elsewhere? There is much to be said in favour of the latter possibility, but the evidence is not sufficient for n positive answer.

Paul Berthoud. 189

Paul Berthoud (Neuchätel).

La Religiosite des Ba-Ronga.

(Ftesume.)

Le clan des Ba-Ronga fait partie d'une grande tribu bantou qui habite la cöte Orientale de l'Afrique, dans le territoire portu- gais qui a pour port de mer Lourengo Marques.

Notre etude a pour objet la religiosite, autrement dit la capa- cite religieuse de ce clan, pris comme type de la tribu.

Qu'il soit bien entendu que nous ne parlerons pas ici des superstitions des Ba-Ronga; car il faut distinguer avec soin ces deux domaines, religion et superstition. Sans doute, ils sont par- fois plus ou moins unis dans certaines pratiques; mais, en realite, ils ne se confondent pas. Plus on penetre dans l'intimite de ce peuple primitif, plus la necessite de cette distinction s'impose ä l'esprit, ä mesure que s'accroit le nombre des faits observes. II ne serait donc pas scientifique de faire passer sous le nom de religion toutes les pratiques superstitieuses, et encore moins de donner comme superstitions les coutumes religieuses d'un peuple. A ce propos, il faut deplorer que la confusion des deux domaines regne dans un aussi beau livre que le Manuel de l'Histoire -des Religions de Mr. Ghantepie de la Saussaye.

Si nous voulons nous faire une idee juste de la religiosite des Ba-Ronga, il faut que nous l'etudiions d'abord ä l'etat primitif. ensuite dans ses rapports avec les importations etrangeres.

Les actes religieux sont si rares chez les Ba-Ronga qu'on pourrait, ä premiere vue, penser qu'ils n'ont ni religion, ni religi- osite. On pourrait croire qu'il n'y a chez eux que des supersti- tions, car ils se livrent frequemment aux pratiques superstitieuses, et leur esprit est constamment sous la domination des idees super- stitieuses.

Cependant, ils ont reellement un culte et une religion, qui sont, il est vrai, tous deux reduits ä un minimum. On prie et

190 1. Sektion.

on adore l'esprit du defunt pere de famille. On lui offre des aliments, des boissons, du tabac, des vetements, avec la pensee de le satisfaire, afin qu'il laisse en paix les vivants. II a le pou- voir de nuire, m6me de faire mourir, et Ton a peur de lui.

En somme, cette religiosite n'est guere qu'un gemissement de desespere.

Elle n'a pas ete amelioree par l'arrivee ä Louren^o Marques des religions etrangeres, islamisme, catholicisme, bouddhisme, etc. Mais des Ba-Ronga qui s'etaient expatries pour chercher fortune, ont rapporte dans leur patrie le volume des Evangiles. Ils ont abandonne religion et superstitions pai'ennes pour se livrer ä l'evan- gelisme et adorer le Dieu des evangiles. Ils ont fait part ä leurs compatriotes de leurs convictions nouvelles, et bientöt des congre- gations se sont formees un peu partout dans le pays. Sous l'influ- ence de cet evangelisme, la religiosite des Ba-Ronga a pris un essor extraordinaire. Elle a grandi, est devenue forte et vivace; eile a pris un caractere de joie communicative; eile a moralise des gens qui avaient toujours vecu dans la licence des sauvages; eile a produit une vraie revolution.

Le mouvement s'etend et s'accentue de jour en jour. Des missionnaires y ont ete envoyes pour le diriger et l'organiser. Au- jourd'hui il y a plus de cinq mille personnes qui ont declare se rattacher a 1'evangelisme, et qui, dans l'annee 1903, ont donne au-delä de 23,000 francs en offrandes volontaires pour parer aux frais de leur culte.

Des lors, on peut dire que la religiosite des Ba-Ronga ne le cede en rien ä celle des autres branches de la famille humaine.

Bibliographie: Bulletin missionnaire, mensuel, chez Georges Brirlel & Cie-, Lausanne. Les Ba-Ronga, par H. A. Junod, dans le Bul- letin de la Societe de Geographie de Neuchätel, Suisse; tome X, 1898. Les Negres Gwamba, par Paul Berthoud ; 1896; chez Georges Bridel & Cie.,. Lausanne.

Elie Altegret. 191

Elie All^gret (Talagouga, Congo Franqaisl

Les idees religieuses des Fan (Afrique occidentale).

(Resnmö.)

Les Fan, ou Pahouins encore anthropophages, sont un des peuples les plus importants de la grande famille Bantu: venant du N. E. ils ont envahi recemment tous les territoires compris entre le 4-° lat. N. et le cours de l'Ojöone, d'une part, entre le 11° long. E. et la mer d'autre part.

II faut distinguer dans leurs idees religieuses les pratiques fetichistes moins developpees que chez leurs voisins et les croyances proprement religieuses.

I. Pratiques fetichistes.

On peut ranger les pratiques fetichistes en 3 groupes:

a) Interdictions Envoütements.

b) Fetiches proprement dits.

c) Crainte des esprits Culte des ancetres. Toutes ces pratiques fetichistes semblent reposer:

1°. Sur la croyance en la survivance de l'äme et en la pos- sibilite d'etablir un lien reel, substantiel, entre les esprits des morts et les hommes, soit par des invocations soit ä l'aide de parcelles des corps qui leur ont servi de demeure tangible.

2°. Sur une generalisation hätive d'un rapport reel ou sup- pose entre 2 phenomenes observes, et sur un lien mysterieux qui subsisterait entre les parcelles des corps et ce corps lui-meme.

II. Croyances religieuses.

Les Fan croient ä l'existence d'un Etre superieur, Nzarae, createur de tout ce qui existe.

Ce nom, qu'on retrouve chez les autres peuples Bantu du Congo Franc,ais, est suivi chez les Fan de 4 adjectifs qualifi- catifs qui signifient: le Tout Puissant, le Souverain Juge, le Roi des Rois, le Pere de la vie.

192 I. Sektion.

Une serie d'antiques legendes expliquent que Dieu et les hommes vivaient reunis au commencement, mais ä cause de l'esprit de desobeissance des hommes, Dieu les a quittes et ils sont restes seuls.

On retrouve donc chez ces Fan, qui n'ont encore subi aucune intluence europeenne, des croyances religieuses sous-jacentes aux pratiques fetichistes et superieures ä celles-ci.

Obiger Vortrag ist vollständig erschienen in der Revue de l'Histoire des Religions, 1904.

Professor Dr. C. Keller (Zürich).

Religiöse und profane Malerei in Abessinien.

(Resume.)

Die afrikanische Kunst tritt zeitlich sehr frühe auf und lässt igenartige Erzeugnisse bei sehr verschiedenen Rassenelementen erkennen. Sie ist teils autochthon, teils von aussen her entlehnt. Letzteres gilt für die Malerei in Abessinien, die wir als eine Art Relict der alten byzantinischen Malerei ansehen müssen; sie tritt als Begleiterscheinung religiöser Vorgänge in Aethiopien auf. His- torisch lässt sich nachweisen, dass gegen das Ende des 4. Jahr- hunderts zahlreiche griechische Mönche aus Byzanz durch das Niltal nach Aethiopien vordrangen und dort in Klöstern die Malerei pflegten. Noch heute sind Bildereien auf Kirchen und Klöster be- schränkt, während das abessinische Wohnhaus niemals mit solchen geschmückt wird; selbst der Kaiser pflegt seinen Palast nicht damit zu schmücken. Der Vortragende gibt eine Reihe von Proben abessinischer Kunst. Die religiöse Malerei hält sich meist streng an das byzantinische Vorbild; dagegen hat sich daraus auch eine profane Malerei entwickelt, die einen spezifisch aethiopischen Charakter erlangt und sich in der Darstellung aufregender Scenen

Prof. Dr. C. Keller. Dr. Michael von Zmigrodski. 193

gefällt (Schlachten, Überfälle durch Räuber, Scenen bei Über- schwemmungen u. dergl.). Die Technik hält an der alten Tempera- malerei fest, die Farben sind meist sehr wirkungsvoll. Bei dem konservativen Charakter des Bergvolkes dürfte sich jene afrikanisch- byzantinische Kunstinsel noch längere Zeit erhalten.

Dr. Michael von Zmigrodski (Sucha bei Krakau).

Der Totemismus.

(Resume)

Autor stellt vor allem die These auf, dass wenn ein Volk einen Gebrauch nicht versteht, oder, wenn er für die Einfalt des betreffenden Volkes zu kompliziert ist, das beweist, dass dieser Gebrauch importiert ist. Von dieser Prämisse aus wendet sich Autor an die totemistische Bevölkerung Australiens und führt eine Reihe Beweise für ihre Roheit und Einfalt an, wobei sich immer- hin einige sonderbare Begriffe finden, z. B. der einer edlen und unedlen Geburt, was sich nur bei der höheren Givilisation ent- wickeln kann. Das Auffallendste in dieser Richtung finden wir in der Religion.

Ihr religiöses System ist in grossen Zügen folgendes: In der Urzeit (Alcheringa) als alles mit dem Meerwasser bedeckt war, kam aus der Erde heraus ein Halbtier-Halbmensch (Inapertwa). Aus dieser Zeugungskraft, die der Erde immanent ist, sind an ver- schiedenen Orten verschiedene Inapertwa entstanden, aus denen mit der Zeit Tiere und Menschen geworden sind, so dass schliess- lich die Leute den Tieren jener Gegend verwandt sind. Die Tiere sind ihr Totem. Die Naturkraft wirkt immer mit derselben Macht, und im Falle, dass z. B. das Geschlecht des Adler-Totems total ausgestorben ist, kann eine Frau, in der Adler-Totem-Gegend verweilend, sogar ohne irgend welche Zutat eines Mannes, nur

Kongressbericht. 13

194 I. Sektion.

kraft des dort waltenden Totems schwanger werden, und das Kind wird als Erneuerer des Adler -Totem -Geschlechtes betrachtet. (Baldwin Spencer The Native Tribes of Central Australia London 1899, pg. 263.) Am Tage seiner Volljährigkeit kommen die Vorsteher aller Totems zu dem Knaben und erweisen ihm die höchsten Ehren.

In anderen Gegenden lässt sich der Totemismus nicht im Systeme darstellen, doch überall sind verschiedene Punkte, die an das australische anknüpfen. Überall glaubt man, dass alle Wesen aus der Erde erwachsen sind, dass ein Weib ein Tier zur Welt bringen kann, welches später die Menschen erzeugt. Selbstver- ständlich schaden dann die betreffenden Tiere diesen Menschen nicht. Überall glaubt man an die Verwandlung und an die Pro- totypen der Tiere, die nicht auf der Erde verbleiben. In jedem Tiere ist eine Incarnation Gottes. Die höchste ist natürlich der Mensch, weswegen der Eingeborene dem Töter eines Tieres vor- wirft: „Du hast mein Totem, meinen Bruder, meinen Vater er- schlagen", aber den Menschen töten heisst ta atua, was bedeutet „den Gott töten." (Frazer, J. G. Le Totemisme. Paris 1898. pg 83.) Die ganze Natur zerfällt in die Phratrien, die besondere Totems haben, aber der Mensch, ein Teil Gottes, hat die Macht der oder jener Phratrie anzugehören, nur soll die Mutter über dem Kopfe des Kindes das geheimnisvolle Totemwort mit der religiösen Weihe aussprechen. (Frazer pg. 109.)

Das Angeführte beweist den Zusammenhang des Totemismus mit dem Pantheismus. Da nun die anthropologischen und geogra- phischen Studien zeigen, dass die kulturellen Einflüsse von Indien nach Australien gekommen sind, ist schliesslich der Totemismus Australiens ein verkommener Pantheismus.

Die Anwesenheit des Totemismus in Afrika und Amerika erklärt der Autor mit den Völkerwanderungen, von denen wir wissen, dass sie stattgefunden haben, wenn uns auch über ihr Wann? und Wie? fast nichts bekannt ist. Der Autor weist auf eine Reihe von identischen Erscheinungen hin, die sich auf den entferntesten Stationen finden, z. B. die Suastika auf den Drei- ecken des Pudendum in der verbrannten Stadt am Hujarlik und

Dr. Michael von Zmigrodski. 195

bei den heutigen Frauen in Brasilien. Die linguistischen Studien weisen auf Verwandtschaften von Egypten bis Mexiko. Je weiter sich der Totemismus von seinem Zentrum entfernt, desto mehr verliert er seinen religiösen Charakter. In Afrika und Amerika geht er in eine Gaumarke über.

Das letzte Wort des Obengesagten ist, dass der Tote- mismus kein kultureller Ausgangspunkt, sondern im Gegenteil ein verkommener Ausläufer einer höheren Kultur ist.

13*

19« II. Sektion.

II. Sektion. Religionen der Chinesen und der Japaner.

Missionar Martin Maier (Bern).

Sind die Chinesen religiös indifferent?

(Resume.)

„Sind die Chinesen religiös indifferent?" Schon der Reichtum an Religionen und religiösen Bräuchen, wie wir ihn in China finden neben der Urreligion der Chinesen und dem auf diese sich gründenden Konfuzianismus sind zu nennen: derTaoismus und Buddhismus, der Islam, die jüdische und die christliche Religion antwortet auf diese Frage mit nein. Denn ein Volk, das eine solche Fülle von religiösen Gebilden aufweist, kann in Bezug auf Religion nicht indifferent sein. Und in der Tat spricht auch das religiöse Leben der Chinesen zunächst für Verneinung der Frage unseres Themas. Denn wer je Gelegenheit hatte, diesem Volke in täglichem Verkehr näher zu treten, muss bezeugen, dass sein ganzes Leben mit Religion durchwebt ist. Diese spielt nicht nur bei Vor- kommnissen und Feiern von familiärem Charakter, wie Geburten, Hochzeiten und Todesfällen eine Rolle, sondern auch viele Staatsaktionen, ebenso die grossen Jahresfeste und nationalen Gedenktage sind mehr oder weniger mit religiösem Beiwerk umgeben. Und da es beim Konfuzianismus, als der eigentlichen Staatsreligion einen Priesterstand nicht gibt, so treten hier der Kaiser und die Beamten, im engeren Kreise

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die Stammes- und Familienhäupter bei religiösen Verrichtungen als handelnde Personen auf.

Doch trotz dieser amtlichen Vertretung nimmt das chine- sische Volk bezw. der Einzelne auch persönlich Stellung zu den verschiedenen Gottheiten, und sowohl das häusliche wie auch das geschäftliche Leben des Chinesen liefert den Beweis, dass tausend Fäden ihn an die unsichtbare Welt knüpfen. So unter- nimmt er nichts von Bedeutung: weder beginnt er mit dem Bau eines Hauses, noch eröffnet er ein Geschäft, noch tritt er eine Reise an ohne religiöses Zeremoniell. Dann hat in China jeder Kaufmann in seinem Laden einen Altar für den „Gott des Reich- tums'', von dem er guten Geschäftsgang und Mehrung seines Vermögens erwartet, und dem er deshalb auch fleissig Opfer dar- bringt. Auch der Landmann wendet sich an die Götter und er- bittet von ihnen Segen und Gedeihen für seine Fluren. Ebenso hat der Schiffer auf seinem Fahrzeuge eine Kultusstätte, und nie wird er sich abends zur Ruhe begeben, ohne vorher dem Fluss- oder Meergott zu Ehren einige Räucherstäbchen angezündet zu haben. Auch alle übrigen Berufsarten haben ihre besonderen Schutzheiligen, ja sogar Diebsgesindel und Rebellen suchen zum Gelingen ihres Vorhabens die Unterstützung gewisser Götter nach.

Doch welch wichtiger Faktor die Religion bei den Chinesen ist, zeigt sich namentlich in Zeiten der Not. Ist jemand krank, dann ist kein Weg zu weit und keine Summe zu hoch, wenn es gilt, sich der Hilfe der Götter und Geister, der Zauberer und Wahrsager zu versichern. Herrscht Trockenheit im Lande, dann holt sich eine Familie oder auch eine ganze Dorfgenossenschaft irgend ein berühmtes Götzenbild aus seinem Tempel und zieht mit diesem in feierlicher Prozession durch die Felder und bittet um Regen. Auch sonst bei grossen Heimsuchungen, wie Krieg, Revolutionen, Überschwemmungen und Seuchen strebt man durch Bittgänge, etwa auch durch allgemeines Fasten das Unglück ab- zuwenden-

Einen religiösen Charakter trägt auch das sogenannte „Gutes tun" der Chinesen. Unter diesem verstehen sie das, dass man aus eigenen Mitteln oder auch mit kollektiertem Gelde Wege

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repariert. Brücken baut, die Heimatlosen begräbt. Reis an die Armen verteilt u s. w. Manche Chinesen, natürlich vor allem die Reichen, suchen sich durch diese „verdienstlichen Werke" die Gunst des Himmels zu erkaufen. Auch die vielen Vegetarier in China lassen sich von religiösen Motiven leiten. Sie verpflichten sich, sei es für ihr ganzes Leben, sei es nur für gewisse Tage. auf den Fleischgenuss zu verzichten. Durch dieses freiwillige Fasten glauben sie sich ein Anrecht auf den „westlichen", d. i. indischen, buddhistischen Himmel zu sichern.

So finden wir beim chinesischen Volk eine rege Entfaltung religiösen Lebens, und zwar nicht etwa nur bei dem ärmeren Teil der Bevölkerung, sondern auch bei den Reichen und Vornehmen. Wenn wir daher nach dem bisher Gesagten nochmals die Frage stellen: „Sind die Chinesen religiös indifferent?", kann die Antwort nur verneinend lauten.

Doch wie kommt es, dass trotz der angeführten, unleugbaren Tatsachen viele Kenner Chinas mit Nachdruck die Ansicht ver- treten, die Chinesen seien religiös indifferent? Dies rührt daher, dass jenen Tatsachen Beobachtungen anderer Art entgegenstehen, die tatsächlich religiöse Gleichgültigkeit bei diesem eigenartigen Volke dartun.

Auffallend ist schon der Umstand, dass in China drei Religionen: der Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus, die ihrem Wesen nach durchaus unvereinbar sind, nebenein- ander bestehen und staatliche Anerkennung geniessen. Und zwar ist dies nicht so zu verstehen, als ob die Anhänger dieser Religionen drei verschiedene, getrennte Religionsgemeinschaften bildeten, so dass man die einen als Konfuzianer, die andern als Taoisten oder als Buddhisten bezeichnen könnte, sondern der Chinese ist sowohl das eine wie das andere. Im gewöhnlichen Leben bekennt er sich zum Konfuzianismus; ereilt ihn ein Unglück. dann nimmt er seine Zuflucht zum Taoismus; und wenn es zum Sterben geht, wirft er sich dem Buddhismus in die Arme.

Ebenso bezeichnend wie diese Religionsvermengung und damit zusammenhängend ist die Tatsache, dass sich bei der Priester- schaft, bezw. den Vertretern dieser drei Religionen, die doch

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die berufenen Hüter und Mehrer ihrer besonderen Religionen sein sollten, auch nicht das leiseste Anzeichen von Fanatismus findet, so dass sie sich etwa gegenseitig bekämpften und einander Kon- kurrenz zu machen suchten. Es ist schon versucht worden, diese Zustände als einen Vorzug hinzustellen gegenüber den vielen Religionsstreitigkeiten namentlich des Abendlandes. Indes so sehr die letzteren zu beklagen sind, darf man trotzdem einem Religions- frieden, wie er in China herrscht, nicht das Wort reden; ist er ja doch das untrügliche Kennzeichen von religiöser Gleichgültigkeit, religiösem Tod.

Zu dem gleichen Schluss berechtigt auch die grosse Un- klarheit, die man bei den Chinesen in religiösen Dingen findet. Diese ist zwar teilweise auf den Mangel an Religions- lehrern, an Theologen, zurückzuführen. Es konnte sich so keine Dogmatik ausbilden, auch bleibt das chinesische Volk ohne religiöse Unterweisung. Doch dieses begehrt eine solche auch gar nicht, es verspürt nicht das geringste Bedürfnis, tiefer in den Sinn seiner Religionen einzudringen.

Im Zusammenhang mit dieser religiösen Unwissenheit steht die Pietätlosigkeit und Geringschätzung, mit der die Chinesen ihre Götter behandeln. Sie machen sich über dieselben lustig, spielen ihnen gelegentlich einen Streich, suchen sie zu hinter- gehen, manchmal auch zu bestechen, ziehen sie zur Rechenschaft und nehmen für gewöhnlich auch nicht die mindeste Rücksicht auf sie, nicht einmal bei feierlichen Anlässen.

Aus diesem Verhalten gegen die Götter erklärt sich auch die gänzliche Vernachlässigung der Heiligtümer. Welchen Schmutz und Morast birgt so ein chinesischer Tempel! Da ist niemand, der Ordnung hält: Hunde, Hühner, Kinder, Aussätzige, Bettler und alles mögliche Gesindel treiben sich ungestört in diesen Hallen herum. Und was von den Tempeln gilt, findet auch An- wendung auf die Ahnenhallen und die Gräber. Die ersteren dienen vielfach als Arbeitsstätte für den Zimmermann, für wan- dernde Korbflechter und Schuhflicker: man hängt dort die Wäsche auf und bringt darin das Stroh und die Reismühle unter. Die Gräber, die doch sonst eine wichtige Rolle spielen, werden als

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Dreschtennen und Trockenplätze benützt; sie sind der Tummel- platz der Jugend und ein beliebter Sammelpunkt für Leute, die nichts zu tun haben und gerne ein Plauderstündchen halten möchten.

Da nun der Chinese schon vor seinen Göttern und Heilig- tümern so wenig Scheu und Ehrfurcht bekundet, so kann es nicht mehr wundernehmen, wenn man sieht, welche Verachtung er auch der sogen. Priesterschaft gegenüber zur Schau trägt. So ein buddhistischer Bonze ist für ihn ein Ausgestossener, ein ein- fältiger, geringer Mensch, mit dem zu verkehren oder auch nur zu reden, er in gewöhnlichen Zeiten unter seiner Würde hält. Und von dem Einfluss und der Macht, welche die Priester anderwärts besitzen, ist bei diesen Leuten auch gar nichts zu merken.

Doch wie steht es bei den Chinesen mit der Sittlichkeit? ich meine die Sittlichkeit im weitern Sinne. Denn ob ein Volk wirklich Religion hat oder religiös indifferent ist, muss sich vor allem ausweisen in seinem Leben und Handeln. Manche, die etwa flüchtig mit den Chinesen in Berührung gekommen sind oder Be- kanntschaft gemacht haben mit ihrem Sittenkodex, den chinesischen Klassikern, rühmen sie als sittlich sehr hochstehend. Doch ist es unschwer nachzuweisen, dass sowohl geschriebene wie unge- schriebene Gesetze nicht immer bestimmend sind für das Tun des Menschen. Auch der Chinese macht hierin keine Ausnahme; seine Moralität zeigt, dass er auch seinen heiligen Büchern und heiligen Männern im Grunde genommen ebenso gleichgültig und kühl gegenübersteht wie den Göttern und Heiligtümern. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Konfuzius seine ethischen Forderungen nicht in Beziehung setzt zur Gottheit, der Richterin sittlicher Verfehlungen und der Quelle sittlicher Kraft. Sein eigenes Vorbild aber und der von ihm gezeichnete Idealmensch bieten weder Hilfe noch genügenden Ansporn zu sittlichem Streben. Und so lässt auch die Sittlichkeit der Chinesen tieferes religiöses Empfinden durchaus vermissen.

Alle diese Tatsachen, die ich durch weitere Beispiele noch er- gänzen könnte, ergeben nun wirklich religiöse Kälte und Gleich- gültigkeit, lud da die l'Yage unseres Themas : „Sind die Chinesen

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religiös indifferent?" bereits mit nein beantwortet wurde, so stehen wir hier vor einem Widerspruch, vor dem Gegensatz zwischen ja und nein.

Wie erklärt sich dieser Widerspruch? Die Lösung ergibt sich aus der Bedeutung des Wortes „Religion". Diese ist, wie bekannt, das bewusste Verhältnis des Menschen zu Gott und wirkt sich aus im Gefühl, Intellekt und Willen. Für den Chinesen kommt vorwiegend, ja fast ausschliesslich die erste dieser drei Seiten religiöser Lebensäusserung in Betracht. Denn seine Religion tritt nicflt im Intellekt zu Tage, was aus seiner Religionsvermengimg, dem Mangel einer Dogmatik und der damit verbundenen Unklarheit seiner religiösen Vorstellungen ersichtlich ist. Sein religiöses Em- pfinden erstreckt sich auch nicht auf den Willen, denn er fühlt sich in seinem sittlichen Verhalten durch keine göttliche Norm gebunden. Und so prägt sich die Religion des Chinesen einzig im Gefühl aus: er trägt in seinem Innern die unmittelbare Gewiss- heit von der Existenz übernatürlicher, höherer Wesen. Diese sind nun aber für ihn weniger höhere sittliche Wesen, als vielmehr höhere Mächte, höhere Kräfte. Aus diesem Grunde ist auch sein Kultus eigentlich nicht Anbetung, Verehrung, sondern derselbe hat ganz den Charakter einer Leistung er will sich durch seine Opfer und Gebete, sein „Gutes tun" und Fasten die höheren Mächte verpflichten, dienstbar machen.

So kann man dem Chinesen einerseits Religion nicht ab- sprechen. Er steht tatsächlich in Beziehung zu Gott, bezw. zu höhern Wesen, fühlt sich von diesen abhängig, legt einen grossen Eifer an den Tag im Darbringen von Opfern und befolgt gewissen- haft das Ritual. Aber seine Religionsübung ist durchaus vom Utilitarismus bestimmt, weshalb es ihr auch an Wärme und Andacht gebricht. Und dann hat sich sein religiöses Leben sehr einseitig entwickelt, insofern sein inneres Empfinden keinen theoretischen Ausdruck fand in einem Lehrsystem, auch nicht zurückwirkt auf Leben und Sitte, sondern sich nur in kultischem Brauch äussert. Es haben also sowohl diejenigen recht, die dem Chinesen religiösen Indifferentismus vorwerfen, als auch die andern, die ihm Religion zuerkennen, und die Frage: „Sind die Chinesen religiös indifferent?"

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kann somit bejaht und verneint werden, je nachdem man die eine oder andere Seite religiöser Auswirkung: den Kultus oder die Lehre oder die Moral betont.

In extenso ist obiger Vortrag erschienen im Missionsmagazin. 1904. No. 11.

Missionar Otto Sehultze (Darmstadt).

Die Bedeutung der Magie im Leben der Chinesen.

(Resume.)

Die Magie ist in China durchaus nicht nur ausländischen (namentlich indischen) Einflüssen zuzuschreiben. Sie ist vielmehr ein folgerichtiges Ergebnis der ursprünglich chinesischen Natur- und Weltanschauung. Sie ist von Alters her ein wesentlicher Teil des chinesischen Geisterkultes'.

Himmel, Erde und Mensch, die drei Coincidentien des Kosmos, können nicht ohne einander gedacht werden. Sie entstehen mit und durcheinander. Sie sind ein Produkt der rastlos tätigen männlichen und weiblichen Dualkraft in den 5 Substraten, aus denen das All besteht. Diese: das Metallische, Pflanzliche, Feu- rige, Wässerigflüssige und Erdiglehmige bekämpfen und verzehren oder erhalten und ernähren einander. Als Himmlische, Mensch- liche und Irdische stehen sie in gegenseitiger Abhängigkeit und Subordination. Die Himmlischen, repräsentiert in den 5 Planeten, korrespondieren mit den Irdischen (Metall. Holz, Wasser, Feuer und Erde, 5 Grundfarben und 5 Geschmacksrichtungen) und mit den Menschlichen (Lunge, Leber, Herz, Nieren und Magen). Infolge der Subordination haben alle Dinge eine erhabene Essenz und eine niedere Substanz. Glück und Wohlergehen beruht in der Harmonie, dein Gleichgewicht. Auch die allein hmnanierenden

Missionar Otto Schnitze. 203

Geister sind als himmlische, irdische und menschliche, bald mit Einsicht und Selbstbestimmung als freie Wesen, bald als blosse Naturkräfte oder als die Quintessenz der Dinge gedacht Sie wirken durch Alles in Allem, bald subordiniert, bald coordiniert. Über ihr Wesen ist sich der Chinese selbst nicht klar, doch wähnt er sich immer und überall von ihnen umgeben, beeinflusst und bedroht. Seine Unkenntnis physikalischer Gesetze und Vorgänge, seine gedrückte, soziale Lage, seine Furchtsamkeit und Leicht- gläubigkeit, seine kleinlich spekulierende Veranlagung, sein hinter- listiger, versteckter Charakter disponieren ihn zu der viel ver- sprechenden Magie.

Von altersher hat sich der degenerierte Taoismus mit Überwindung des Todes und der Dämonen durch magische Mittel befasst. Der Kaiser Hwang-Ti (um 2697 v. Ch.), den die Taoisten als eigentlichen Stifter ihres Glaubens beanspruchen, sei ohne den Tod zu sehen auf dem Drachen entrückt worden. Acht „Unsterbliche" oder Genien lässt die Sage von Tung Wang Kung dem „östlichen Kaiservater" (auch Muh Kung „Baumonkel" genannt) und der Si Wang Mu „westlichen Kaisermutter" im paradiesischen Gefilde unter dem „Lebenspfirsichbaum" am ..Juwelensee" ab- stammen, von denen Chung Li K'üan im Besitze des Geheim- nisses zur Erlangung eines Dauerlebens, eines Pulvers der Ver- wandlung und anderer magischer Kräfte gewesen sei. Chang Kwoh ritt einen weissen Maulesel, der 1000 Meilen in einem Tage zurücklegte, zusammengefaltet und in die Reisetasche ge- steckt werden konnte. Lieh Tsze (auch Lieh Yü-K'ow) um 40Ö v. Ch. liess Schwalben gelegentlich zu Fröschen und Feld- mäuse zu Wachteln werden. Chong Tsze ein Zeitgenosse des Mencius träumte, er sei ein Schmetterling. Als er erwachte, frug er sich: „War die Vorstellung, ich sei ein Schmetterling. Traum oder Wirklichkeit, oder bin ich nun ein Schmetterling und träume ich sei Chong Tsze?" Zur Zeit des She Hwang Ti, der anno 219 v. Ch. unter dem Magier She eine Gesandtschaft nach den P'eng Lai Inseln abordnete, um das Lebenselixir zu holen, legten sich die Magier den Titel „wahrhafter Mensch" bei und rühmten sich der Beherrschung der Naturkräfte. Wu Ti (der früheren

II. Sektion.

Han-Dynastie) von 140 86 v. Gh. unternahm mit dem Magier Li Shao Kiin selbst eine Reise nach den Feeninseln. Chang Tao Ling (ums Jahr 34 p. Ch.) gilt als der erste taoistische Papst und grösste Magier. Die Magier und Brüder Ghang Kioh und Chang Pao stürzten mit Hülfe der Genossenschaft vom gelben Turban ums Jahr 200 die Han-Dynastie. Hu Kung „der Topfonkel" lebte im 3. und 4. Jahrhundert und soll sich bei Sonnenuntergang in einen Kürbis zurückgezogen haben Der Kaiser T'ai Wu Ti (424 452 p. Gh.) erhob einen Magier K'ow Ken She zum kaiserlichen Ratgeber. Der Kaiser Kao Tsung. der anno 666 p. Ch. den Lao Tsze als ..obersten Herrscher des dunklen Ursprungs" in den Götterstand erhob, verlangte sogar von seinen Tributpflichtigen das Studium des Taoismus. Im 9. Jahr- hundert soll der Magier Hien Yüan Tsi die Gabe der ewigen Jugend besessen haben, vermittelst deren er holde Jungfrauen in abschreckende alte Weiber und umgekehrt verwandelte. Yen, vom 12. Jahrhundert an als das „unvermischte männliche Prinzip" verehrt und heute noch der Gott der Barbiere, soll mit magischen» Schwert das Reich von Drachen, Dämonen und anderen Ungeheuern befreit haben.

Schon zur Zeit der T'ang-Dynastie entstand das heute noch weitverbreitete und viel gelesene Buch ..Sammlung der 10,000 Schwarzkünste", ein Ratgeber der Magie. Auch in den Klassikern wird der Magie gleichsam ein Passierschein ausgestellt. Obwohl in der neueren Zeit der Kaiser Tsung Teh (1636 1644) einen Erlass gegen Taoisten, Magier und andere Häretiker richtete und K'ang Hi (1662—1723) die schärfsten Strafen über die Geheim- mittelverbreitung der Magier und Taoisten verhängte, blüht die Magie nach wie vor in China. Das kaiserlich astronomische Kollegium gibt alljährlich einen Almanach, das Ergebnis astrolo- gischer Wahrnehmung mit Ratschlägen heraus, der fleissig studiert wird Die oben aufgeführten Anekdoten sind Gemeingut des Volkes. In Novellen spiel! die Kabbaiistik eine grosse Rolle. Genossen- schaften sorgen für Pflege und Verbreitung der magischen Kunst. Der Boxeraufstand 1900 ist <'in drastisches Beispiel für die Macht Magie im chinesischen Volksleben bis auf den heutigen Tag.

Missionar Otto Schultze. 205

Die Ausübung der Magie ist nicht nur keinem verwehrt, sondern sie ist zur Festigung ihres Ansehens von vielen begehrt. Berufs- mässig von Einzelnen oder in Genossenschaften oder aber nur ge- legentlich wird sie betrieben. Keinem Heiden ist sie fremd. Sie fehlt in keinem Hause. Man misst ihr grosse Bedeutung zu bei Geburt und Pflege des Kindes, im Brautstand, bei Hochzeiten und allen Wechselfällen des Lebens. Wohnräume und Personen sucht man durch die mannigfachsten, zauberbrechenden oder zauberkräf- tigen Dinge zu schützen. Wenn die ärztliche Kunst versagt, nimmt man bei Krankheiten der Menschen und der Haustiere fast aus- nahmslos zu ihr seine Zuflucht. Die private Ausübung der Magie wird unterstützt durch die berufsmässigen Magier. Taoistenpriester befassen sich mit ihr als Exorzisten, Be- schwörer, Alchemisten, Unglück- und Geisterbanner, die Bonzen nur gelegentlich durch Herstellung und Vertrieb von Zaubermitteln. Veranstaltungen bei Seelenmessen u. s. f. Taschenspieler und „fah- rendes Volku erwerben sich mit Zauberei ihren Unterhalt. Durch den Thung Schin und die Sen pho befragt man Geister und Tote, entbindet Seelen. Zauberer, Wahrsager, Lebensrechner. Physio- gnomiker und Tagewähler schlagen an allen frequenten Plätzen ihren Sitz auf oder durchziehen als blinde Bettler, ihr Glöcklein ertönen lassend, das Land. Barbiere und Bauschreiner stehen unter den Handwerkern im Rufe der Zauberei, geben vor, Leute verhexen oder dem Bauherrn einen zauberischen Schabernak spielen zu können.

Unter den Zauberin itteln steht oben an das aus Holz, Eisen oder zusammengebundenen Münzen hergestellte Zauber- schwer t. Der taoistische Papst soll mittelst seines Zauber- schwerts tausende von Dämonen in langen Reihen irdener Krüge auf dem Lyung-Fu-Berge gebannt und gefangen halten. Der auch in Indien und Persien gebräuchliche Zauberspiegel soll in den Stand setzen, das wahre Wesen der Dinge zu erkennen, in Tier- gestalt erscheinende Geister zu entlarven. Geisteskrankheiten zu verhüten und zu heilen. Auf Blätter, Papier oder Stoff ge- schriebene, gemalte, gedruckte oder gestempelte aus grotesken, wunderlichen Figuren, verschnörkelten einzelnen oder kombinierten,

206 IL Sektion.

in einander verschlungenen, unleserlichen Schriftzeichen und Zauber- formeln bestehende Amulette trägt man im Rockzipfel, in Säck- chen von rotem Stoff eingenäht, auf dem Leibe, um den Hals, ums Handgelenk an Schnüren, bringt sie an im Haar, im Zopf, an der Bettlade, klebt sie an Wände, Läden und Türpfosten, schickt sie verbrannt den Verstorbenen nach, gibt sie als Asche in Flüssigkeiten den Kranken, steckt sie an Hölzchen in die Felder und Saaten, befestigt sie an Bäumen und in Ställen. Als Talis- man gelten die wunderlichsten Dinge wie: Goldschnüre, Münzen, Nephritschnitzereien, Schweinezähne, Tigerkrallen, rote Tuchfetzen, Kettchen, Ringe und Anhängschlösser. Den chinesischen Schrift zeichen wird an sich magische Kraft zugeschrieben. Aengstlich sammelt und verbrennt man daher alles beschriebene oder bedruckte Papier. Das Schriftzeichen für Tiger, auf die Ohr- speicheldrüsengeschwulst, welche vom Geiste eines Schweins ver- ursacht sein soll, geschrieben, tut Wunder! In grossen Dimen- sionen auf rotes Papier geschriebenen Zeichen „für Glück", „Lang- lebigkeit" und „Geist" erzeigt man Verehrung und hofft von ihnen Schutz gegen böse Einflüsse. Darstellungen des Drachen, des Tigers, des Phönix, der Fledermaus, des Einhorns, des bekannten Oktogramms aus „dem Buch der Wandlungen", Grabstätten, Schutzmauern, Pagoden und einzelstehenden Bäumen schreibt man Glück zuwendende, Unglück abwendende und die Harmonie herstellende Wirkung zu. Mit frischem warmem Blut, von dem es schon im Buch der Riten heisst: „Wenn der Ahnentempel fertig, bestreicht man ihn mit Blut, das Bestreichen des Hauses aber mit Blut ist der Weg zur Vereinigung mit den lichten Geistern", bespritzt man die Pfosten der Haustüren, um dem Bösen den Ein- tritt zu wehren. Die Lebenskraft des Blutes soll bei Knochen- brüchen die Konsolidierung der Fraktur herbeiführen. Durch Auf- träufeln frischen Blutes der noch lebenden Blutsverwandten auf die Knochen der Verstorbenen stellt man, wenn dasselbe eindringt, die Verwandtschaft fest. Vogelfedern sollen, mit frischfliessendem Blute getränkt und unter Zauberformeln fliegen gelassen, überall hin Tod und Verderben bringen. Geschnitzte oder aus Papier ge- schnittene von den Bauschreinern mit ihrem eigenen Blute getränkte

Missionar Otto Schultze. 207

Figuren bringen, in einem Hause angebracht, diesem Verderben. Exorzisten schreiben oder stempeln mit ihrem Blute auf Stirne, Nacken und Rücken der Besessenen ein zauberkräftiges Zeichen. Temporär Besessene schreiben mit ihrem Blute Amulette, verab- reichen dasselbe in Wasser als Präventivmittel gegen Cholera. Der gesprochenen Zauberformel an sich wird ein Hauptanteil an der Wirkung zubemessen. Ja es gibt Vorgänge, wo die ge- sprochene Zauberformel das einzige Mittel ist. Gewisse Veran- staltungen und Handlungen bei bestimmten Anlässen sollen nicht sowohl die magische Kraft des Zauberers beweisen, als viel- mehr auch eine durch dieselbe erzielte Wirkung in der Unterwelt veranschaulichen. So das bekannte „Feuerlaufen" und „Besteigen des Messerberges", wie es bei Seelenmessen für unversorgte, ruhe- lose Geister von Buddhistenpriestern vorgeführt wird. (Siehe Mis- sionsmagazin 1898 pag. 23 und 26). Besonders veranlagte, oft ganz ungebildete Personen beiderlei Geschlechts spielen sich, temporär besessen, als Medien auf und zeigen, sonst vielleicht furchtsam und ängstlich, im Stadium der Incubation Furchtlosigkeit und Wider- standskraft, waschen sich mit siedendem Öle, lassen sich mit bren- nenden Weihrauchstäbchen berühren u. s. f. Zum Befragen der Toten bedienen sich die sogenannten „Halbgottfrauen" gewöhnlich einer Schüssel mit Wasser, in welchem sie den Abgeschiedenen zu sehen vorgeben ; der männliche Nekromant dagegen lässt sich das Gesicht mit einer Papiermaske verhüllen oder die Augen zu- binden. Er bedient sich mitunter einer hölzernen, rot lackierten Gabel, welche an der Spitze ihres Winkels einen senkrecht nach unten gerichteten Stift hat. Die beiden Schenkel der Gabel hält er in den Händen bis die Konvulsionen über ihn kommen, dann senkt sich die Gabel, der Stift berührt den auf dem Tisch ausge- breiteten feinen Sand und schreibt in diesen, den Zuckungen folgend, Schriftzeichen. Nach jedem Zeichen, das ein Assistent zu Papier bringt, wird der Sand wieder glatt gestrichen. Aehnlichkeit mit dem Tischrücken der Spiritisten hat es, wenn vorwitzige, junge Leute im 8. Monat in den Schulen, einen mit Tusch gesättigten Pinsel in einem Gegenstand, den zwei derselben lose an den Enden halten, so befestigen, dass seine Spitze einen untergelegten Bogen

i II. Sektion.

Papier berührt, und dann, wenn die zunehmende Ermüdung die Arme der Beiden ins Zittern bringt, zeichenartige Figuren schreibt, welche man zu deuten sucht.

Während der Mensch in dem bisher behandelten Gebiet der Magie als Subjekt es mit irdischen und menschlichen Geistern zu tun hat, mit schamanistischen Gestalten, die eigentlich keinen anderen Zweck des Daseins haben, es sei denn dem Menschen zu schaden, und die er nach freiem Ermessen nach Massgabe seiner magischen Einsicht durch allerlei Kräfte und Mittel unschädlich oder seinen Zwecken dienstbar machen zu können glaubt, steht er auf dem Gebiet der Astrologie und Wahrsagerei als Objekt magischer Einflüsse himmlischen Geistern gegenüber, welche das Ergebnis einer mit teleologischen Vorstellungen ver- bundenen Naturanschauung sind, über die er nichts vermag, denen er sich zu unterwerfen hat. Seine Betätigung dabei ist Wahr- nehmung, Auslegung und praktische Verwertung der durch Vor- gänge am Himmel gegebenen Omina, Mahnungen und Vorzeichen. Bei fehlschlagenden Unternehmungen lehnt man die Verantwortung ab, deckt sich mit den nicht eingetroffenen Voraussagungen. Andern- teils ist man einer lästigen auf eigener Erwägung beruhenden Be- schlussfassung überhoben. Man nimmt an, dass jeder Vorgang auf Erden: im Reiche, in der Familie und im Einzelleben, am Himmel seine Vorausbestimmung und Direktive hat. Das Schrift- zeichen für „Leben" und „Befehl" ist ein und dasselbe. Jeder Zeitpunkt und das Geschehen in demselben unterliegt den jeweiligen Konstellationen und Konjunktionen am Himmel. Jede Stunde, jeder Tag, jeder Monat und jedes Jahr ist eingereiht in den Zyklus der 60 Kombinationen, entstanden aus den 10 Himmelsstämmen, die als 5 Paare unter dem Einfluss der 5 Substrate stehen, und den 12 Erdenzeichen des chinesischen Tierkreises, die unter dem Ein- fluss der betreffenden Tiere stehen. Ein Zeitpunkt ist günstig oder ungünstig, je nachdem die Tiere und Substrate seiner Bezeichnung freundlich oder feindlich zu einander stehen. Beim Stellen des Horoskops werden diese Verhältnisse auf Grund der Bezeichnungen von Stunde, Tag, Monat und Jahr der Geburt ausschlaggebend. Hei Khegelöbnissen kommt das beiderseitige Horoskop in Betracht.

Missionar Otto Schultze. 209

Das Erscheinen eines Kometen, Sonnen- und Mondfinsternisse, die verschiedenen Phasen der 5 Planeten, der Wechsel ihrer besonderen Stellung, Farbe und scheinbaren Grösse, alles hat seine Beziehungen und Vorbedeutungen zu den Geschehnissen auf Erden. Zum Wahr- sagen bediente man sich im Altertum der Schildkrötschale und der ungleich langen Stengelchen der Schafgarbe (Achillea millefo- lium). Heute benutzt man mit Vorliebe eine kleine Finkenart und ein mit Prophezeiungen beschriebenes Kartenspiel. Aus dem Ver- gleich zweier Karten, deren eine der Kunde, die andere das ab- gerichtete Vögelchen gezogen, tut der Wahrsager seinen Spruch. Der ganze chinesische Volkskörper ist von alten Zeiten her in allen seinen Lebensäusserungen vom Glauben und Aberglauben an magisch wirkende, sich bekämpfende oder ergänzende Kräfte und Einflüsse durchdrungen und beherrscht. Auf diesem dunkeln Hintergrund mag uns unsere geistige Superiorität in recht schmeichel- haftem Licht erscheinen, doch vergessen wir nicht, dass die Zeiten noch nicht so weit hinter uns liegen, da ein Reuchlin die kabba- listische Kunst empfahl, ein Melanchthon die Erhabenheit der Astrologie pries, ein Chemnitz und andere die christliche Stern- deuterei mit dem Satze: „Astra regunt homines, sed Deus astra regit" rechtfertigten. Noch anno 1348 hielt man die schwarze Pest für die Wirkung der grossen Konjunktion der drei Planeten : Jupiter, Saturn und Mars. Wir finden hüben und drüben in Ost und West im Grunde dasselbe Menschenherz, für das es in der Nacht seiner Irr- und Abwege nur ein Licht gibt, das Licht dessen, der die Wahrheit und das Leben ist.

Kaikioku WatanaM (Tokio).

Der Manichäismus im alten China auf Grund buddhistischer Schriften.

(Hat zum Druck nicht vorgelegen).

Kongressbericht. ^4.

210 II. Sektion.

Dr. F. W. K. Müller (Berlin).

Mitteilungen aus den in Chinesisch-Turkistan wieder

aufgefundenen Resten der manichäischen Literatur

in mittelpersischer Sprache.

(Originalhandsehriften im Berliner Museum für Völkerkunde.)

Dr. F.W. K. Müller (Berlin) berichtete unter Vorlegung von Photographien und Reproduktionen über die ihm geglückte Wieder- auffindung der verloren geglaubten manichäischen Original-Literatur in den Handschriften-Resten in Estrangelo-Schrift, welche im vorigen Jahre durch die Herren Prof. Grün w edel und Dr. Huth auf ihrer Expedition nach Turfan im chinesischen Turkistan dort teils auf- gekauft, teils ausgegraben wurden. Sie bilden an Zahl etwa 800 grössere und kleinere Fragmente - jetzt einen der Hauptschätze des Kgl. Museums für Völkerkunde in Berlin. Seitdem hat sich noch ein wichtiges Bruchstück im Asiatischen Museum in Peters- burg vorgefunden, welches durch Exe. Salemann publiziert worden ist Die in dem ersten Bericht des Vortragenden (Sitzungsberichte der kgl. Preussischen Akademie der Wissenschaften, 11. Februar 1904) vorgetragenen Mutmassungen über den manichäischen Charakter dieser Bruchstücke sind seitdem vollauf bestätigt worden durch die Auffindung eines Bruchstückes aus dem berühmten, von Mäni ver- fassten Buch „Schäpürakän", desgleichen aus seinem „Evangelium" und seinen „Episteln". Ja noch mehr, es fanden sich Reste der manichäischen Kosmologie, Hymnologie, Polemik, Philosophie U.S.W. vor. Eine grössere Arbeit über alle diese kostbaren, in mittel- persischer Sprache erhaltenen Fragmente befindet sich augenblick- lich im Druck und wird in dem „Anhang zu den Abhandlungen der kgl. Preuss. Akademie der Wissenschaften vom Jahre 1904" erscheinen.

Als Probe >ru-n hier einige der wichtigsten manichäischen Ti unini technici in der Originalsprache mitgeteilt:

Dr. F. W. K. Müller.

211

die beiden Prinzipien.

Licht. j rösan sämig = die Licht-Erde.

Finsternis. | tär sämig = die Finsternis-Erde, Gott, )

= sein Licht, ( der viereinige Vater,

- seine Kraft und [ 6 xer oarcooncoTioi; Tinxrio. = seine Weisheit. ) Vater, |

Sohn, >

heiliger Geist- j = „Mutter des Lebens". = „Vater der Grossherrlichkeit", der Gott Ormuzd.

der arge Ahriman. = TraQ&evog xov cpcoxoq.

---- die 12 Äonen, duodecim secula des hl. Augustin. = der Weltenbrand. •-= „der leise Lufthauch" = Wind = Licht = Wasser = Feuer

1) Engel, 2) Apostel. = „der Gesandte des Lichts" (Mäni). Mäni frestag 'ig Yisöc = „Manichaeus Apostolus Jesu Christi"

(cfr. Augustin contra Faust. Epistola XIII, 4). = die heilige Religion ^ juil) ^ jJI . = die Erwählten, „Electi" des Augustin, ixXexxoi. die Zuhörer, „Auditores" des Augustin, xaxqyovjUEvoi.

Do bim

rösan

tär

Bag

rösan

zävar 'üt

kireft

pidar

püsar

vakhs yökdahr

mäd ci zindagän

pid 7 vazurgiy

"Oharmizd bag

(khürmaztä bag)

rlman 'aharmen

qanigrösan

dvädes sährddreft

"adtir vazurg

frävahr

väd

rösan

ab

'adilr

frestag

frestagrösan

> „die 5 Götter".

den yökdahr vicidagän uigösägän - (niyösägän) panz 'andarz seh miityr pemög püsag dedem

= die 5 Gebote. [und Händen".

= die 3 Siegel, signacula, „mit Herzen, Mund

= Kleid,

= Kopfbinde,

= Krone (Diadem),

14*

welche dem Sterbenden erscheinen.

212 II. Spktion.

dann prazendän \

, . . , , , = die „Söhne der rechten Seite".

dasnezadagan \

3 Evangeliyön zindag £a»v evayye/Uw.

Säbühragän - das Buch Schüpürakän.

pravardag Sendschreiben, Epistel.

Dr. B. Laufer (China).

Zur Geschichte der chinesischen Juden auf Grund ihrer Inschriften.

(Resume.)

Dr. B. Laufer lehnt die alte Hypothese von der Landeinwan- derung der Juden nach China durch Zentralasien als historisch un- begründet ab und erweist, gestützt auf die Angaben der Inschriften selbst und der noch jetzt lebendigen Tradition, die Herkunft der chinesischen Juden aus Indien nach, eine Tatsache, mit welcher die Geschichte der Juden in Asien und in China insbesondere im besten Einklang steht. Der Vortrag wird in einem der nächsten Hefte des Globus abgedruckt werden.

Emile Guimet. Prof. Dr. Ed. Mahler. 21;

III. Sektion. Religion der Aegypter.

Emile Guimet (Paris).

Le Dieu aux Bourgeons.

(Resume).

("est un dieu agricole sous les traits d'un enfant. Lorsque le jeune Horus, sous sa forme romaine, fut de retour en Egypte ä la suite des conquerants, les deux petits dieux se confondirent et devinrent ä la fois nourriciers et protecteurs des resurrections des ämes ainsi que de celles de la nature. Pour donner une idee de i'hiver on representa parfois le dieu aux Bourgeons comme un vieillard, mais il porte l'image d'Horus qui lui sert de double et dans le corps duquel il reparaitra au printemps. M. Guimet soumet ä l'auditoire un grand nombre de photographies.

Prof. Dr. Ed. Mahler (Budapest).

Die kosmologischen Anschauungen der Aegypter.

(Resum6.)

Der Vortragende bespricht die kosmologischen Anschauungen der alten Aegypter und im Zusammenhange damit die Religion, die sich in dem Sonnen-, Mond- und Sothiskult manifestiert, jener

214 III. Sektion.

drei Himmelskörper, welche auch in der Zeitteilung der Aegypter als Regulatoren dienten. Der Vortragende erörtert sodann den Zodiakus und glaubt an der Hand mehrerer Darstellungen, die der Zeit der XIX. und XX. Dynastie angehören, nachweisen zu können, dass die Aegypter schon im XIV. Jahrhundert v. Chr. den Zodiaku- gekannt haben. Zum Schlüsse weist der Vortragende auf die hohe Bedeutung hin, welche den Aegyptern im Rahmen der Kultur- geschichte der Menschheit zuerkannt werden muss.

Dr. B. Pörtner (Mülhausen).

Sternkult und Tierkult bei den alten Aegyptern.

(Resunie.)

Im Stern- und Tierkult treten die wesentlichsten religiösen Anschauungen des alten Aegyptens in die Erscheinung. Der Mangel an zusammenhängendem Material erschwert die Zeichnung der Grundlage für die ältesten auf unsere Frage bezüglichen Vor- stellungen. Leichter zu verfolgen ist die in späteren Zeiten an verschiedenen Kultzentren Ober- und Unterägyptens sich ent- wickelnde Ausgestaltung der ältesten Mythen. Wie das ägyptische Volk selbst eine Verschmelzung verschiedener asiatischer und afri- kanischer Rassen darstellt, so haben auch ganz verschiedene reli- giöse Vorstellungen in ältester Zeit sich gegenseitig beeinflusst und durchdrungen, bis sie in späteren Perioden scheinbar ein Ganzes bildeten. Der Sternkult Aegyptens darf als Urerbe der eingewanderten Asiaten angesehen werden. Dass zwischen den Sonnenmythen Babylons und denen Aegyptens ein inniger Zu- sammenhang besteht, zeigt eine einfache Nebeneinanderstellung des Gilgameseh-Epos mit der Osirissage. Dem ägyptischen Bauer war der Tierkult allerdings sympathischer als der Stern- undSonnen- kult, da der sinnfällige, wahrnehmbare Einfluss der ihn umgebenden

ür. B. Partner. Emile Guimet. 215

Tierwelt ihm grösserer Beachtung wert schien als die auf die Lebensschicksale des Menschen einwirkenden Sterne. Auch dann, als die Astral- und Solargottheiten in Tieren verkörpert gedacht wurden, galt die Verehrung dieser Mischgottheiten mehr dem Tiere als dem darin verkörpert gedachten Sonnengotte. Referent erörterte dann die Frage nach der Lichterscheinung, welche ver- mutlich dem Obelisk und der Pyramide, den uralten Wahrzeichen der Sonne, zugrunde lag : er sieht in dem Zodiakallicht das Prototyp der Sonnenstandbilder. Eingehend wurde der Symbolismus im Tierkulte späterer Perioden behandelt und daran anschliessend die Mischform eines menschlichen Leibes mit Tierkopf als Gottesbild besprochen.

Emile Gruimet (Paris).

Les steles ä serpents.

(Resume).

On les trouve dans la basse Egypte et elles remontent ä l'epoque de la domination romaine. Un des serpents est le genie d'Isis, l'autre le genie d'Horus. Entre eux on place souvent une divinite ou un symbole: Serapis, Demeter, Harpocrate, le vase ä libation, et on les accompagne d'attributs agricoles ou funeraire? Pour en expliquer le röle, il vaut mieux consulter les monuments isiaques de l'Europe comme les peintures de Pompe! que les docu- ments hieratiques de l'ancienne Egypte. A l'appui de sa demon- stration. M. Guimet montre de nombreuses photographies.

Es beteiligen sich an der Diskussion die Herren Prof. Dr. Na- ville und Dr. B. Pörtner.

216 IV. Sektion.

IV. Sektion. Relisionen der Semiten.

Prof. Dr. V. Zapletal (Freiburg, Schweiz).

Ueber den Unsterblichkeitsglauben Qohelets.

(Resume).

Wie urteilt Qohelet über den Zustand des Menschen nach dem Tode? Dies ist eine Frage, welche die Leser des Buches Qohelet immer beschäftigte, und die von ihnen auf verschiedene Weise gelöst wurde.

1. Die meisten nahmen an, dass Qohelet die Unsterblichkeil der Seele einfach verteidige. Sie gingen dabei mehr oder weniger aprioristisch vor, indem sie nämlich sagten, dass in einem inspi- rierten Buche eine andere Lehre rein unmöglich wäre.

Andere meinten, Qohelet wolle 3, 19 ff. nur sagen, dass es schwer sei, die Unsterblichkeit wissenschaftlich zu begründen.

Nach einer dritten Ansicht zweifelt Qohelet an der Un- sterblichkeit.

Die neueren Exegeten erklären rundweg, dass Qohelet die Unsterblichkeit leugne, weil er

a) sagt, dass Menschen und Tiere dasselbe Schicksal haben ;

b) dass alles menschliche Streben erfolglos sei;

c) «lass von der Zukunft nichts zu erwarten sei.

2. Ist das alles richtig? Nein! Man wirft dabei Dinge zu- sammen, die man gut auseinanderhalten sollte, und vernachlässigt so den guten alten Grundsatz : Qni bcne distinguit, bene loquitur. Die Lösung ist sehr einfach: Qohelet hält fest an dem alt-

Prof. Dr. V. Zapletal. 217

hebräischen Scheolglauben, aber er nimmt die zu seiner Zeit auf- tauchenden neuen Vorstellungen über die Unsterblichkeit nicht an. Qohelet spricht von der Scheol wie die übrigen alttestament- lichen Schriftsteller: Die Toten wissen nichts (9, 5); sie haben kein Wissen und keine Weisheit (9, 10); in die Scheol begeben sich alle Hingeschiedenen (2, 14; 9, 10). Weil aber nach den alten Ansichten das Schicksal der Toten in der Scheol dasselbe ist, so muss die Vergeltung vorher stattfinden. In dieser Hinsicht ist das menschliche Streben erfolglos, und es ist von der Zukunft nichts zu erwarten. In 3, 18 sagt er nicht einfach, die Menschen seien nichts als Vieh, sondern sie sind nur „für sich" (Ü<J') Vieh, was nach Ps. 49. 13. 21 und Job 18, 3 erklärt werden muss.

3. In den letzten Jahrhunderten vor Chr. tauchen jedoch andere Ansichten über den Zustand nach dem Tode auf. Die Seele der Guten gelangt jetzt mehr oder weniger in die Nähe Gottes, während die Seele des Sünders sich in die Scheol begibt, die nun zur Hölle wird. Vgl. das Buch Henoch; Kap. 39, 40, 60, 61, 70, 103, 108, die Baruchapokalypse 21, 23, b. Schabbath 152 b, Tan- chuma Wajjikra 8 etc.

4. Qohelet kennt zwar diese neuen Vorstellungen, aber er bleibt auf dem althebräischen Standpunkt stehen. Dass er sie kennt, beweist 3, 21, wo er sagt: „Wer weiss, ob der Geist der Menschen- söhne in die Höhe aufsteigt?" Ihm sind die neuen Ansichten nicht sicher, daher bleibt er auch Anhänger der alten Vergeltungslehre.

Aber nimmt er vielleicht in 12, 7 die neue Lehre an? Er sagt an diesem Orte, dass der Geist zu Gott zurückkehre! Nein, auch hier vertritt Qohelet eine altisraelitische Ansicht; dass näm- lich der Lebensodem zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat (vgl. Ps. 104, 29 f. ; Job 34, 14 f.), was mit der neuen Unsterb- lichkeitslehre nicht identisch ist.

An der Diskussion beteiligen sich die HH. Gautier, Th. Reinach, Rosenbaum und Haupt.

218 IV. Sektion.

Theodore Reinach (Paris)

Sur la date de la redaction definitive du Pentateuque.

(R6sume.)

1. Le Pentateuque actuel a pour charpente le document sacer- dotal iP) qu'on identifie avec le „livre de la loi de Moi'se" lu au peuple par Ezra (Neh. 8). Pour determiner la date minima du Pentateuque, il faut donc, tout d'abord, tirer au clair la question d'Ezra-Nehemie, si debattue depuis les dissertations de Van Hoo- nacker (1892), Kosters (1894) et Ed. Meyer (1896). Quelques-uns (Torrey, 1896) simplifient le probleme en supprimant la personnalitö d'Ezra. G'est un parti auquel je ne puis me resoudre. Les rme- moires" d'Ezra, malgre les retouches nombreuses du Chroniste. frappent par leur air de verite. Je n'en dirai pas autant des documents annexes, comme le „firmanu d' Artaxerxes (Ezr. 7) qui n'est pas plus authentique que la -pierre de Gadatas" dont Ed. Meyer l'a rapproch»'.

2. Le Chroniqueur n'avait que des notions tres vagues sur Thistoire perse. Gonnaissait-il l'existence de plusieurs Artaxerxes? G'est possible (Ezr. 4, 7 rapproche de eh. 7). En tout cas il n'en distingue que deux et c'est sous le second qu'il place ä la fois Ezra et Nehe-- mie, parce que tous deux nomment eux-memes Artaxerxes. Une fois le lien entre les deux hommes forme dans son esprit, il n'a pas hesite ä le fortifier par des faux: la mention de Nehemie dans Neh. 8, 9 (extrait d'Ezra), celle d'Ezra dans Neh. 12, 36 (eztrait de Nehemie) ont ce caractere.

3. II est vrai qu'Ezra et Nehemie etaient au sens large du mot des contemporains: tous deux ont et«'' en relation avec Mere- moth fils d'Uria (Neh. 3, 4. 21 ; Ezr. 8, 33); tous deux ont eu ä faire a des j)etits-fils du grand pretre Eliashib (Ezr. 10, 6: Neh. 13, 28).

4. Mai.-^ il n'en resulte pas qu'ils aient 6te ä Jerusalem en in- -ml' temps. qu'ils aient ete des collaborateurs ä la nu-me oeuvre; s'ils l'avaient 6t6, ils sc aommeraienl l'un l'autre, ce qui n'est pas.

Theodore Reinach. 219

Si Nehemie avait ete pour quelque chose dans l'iiitroduction de la nouvelle loi, on la compterait au nombre de ses titres de gloire les plus eclatants ; or le plus ancien temoin Jesus Sirach qui ne connait pas Ezra ne glorifie dans Nehemie que le restau- rateur des murs de Jerusalem (49, 13).

5. En faveur de l'anteriorite d'Ezra on ne peut faire valoir que la date de son arrivee ä Jerusalem (7e annee d'Artaxerxes) comparee ä celle de l'arrivee de Nehemie (20e annee d'Artaxerxes). Mais il faudrait commencer par prouver qu'il s'agit du meme Artaxerxes. D'autre part, Nehemie ne dit pas un mot qui suppose la connaissance du nouveau code ; ses reformes du eh. 13 im- pliquent meme la non existence de celui-ci. Ezra parle des murs de la ville comme dejä releves (Ezr. 9, 9); il fait allusion, pour le critiquer, ä un passage des memoires de Nehemie (Ezr. 8, 22 rapproche deNeh. 2,9: le scribe n'a pas besoin des hommes d'armes reclames par le politique). Meremoth fils d'Uria est pretre au temps d'Ezra (Ezr. 8, 33); il ne Test pas au temps de Nehemie (Neh. 3, 4. 21). C'est que la famille des bne Haqqoz, ä laquelle appartenait ce pretre. avait ete exclue du Temple probablement par Nehemie (Ezr. 2. 61, Neh. 7. 65) faute d'avoir pu exhiber des registres de famille.

Plus tard eile fut readmise dans les rangs du sacerdoce (I Chron. 24, 10).

6. Parmi ceux qui placent Ezra apres Nehemie, il y a des savants, qui, pour ne pas rompre tout ä fait avec la tradition. fönt venir Ezra pendant le second gouvernement de Nehemie ou entre les deux gouvernements. On est alors oblige de corriger arbi- trairement les dates transmises, sans autre projet que d'expliquer la presence de la signature de Nehemie en tete du „pacte d'alliance" (Neh. 10, 2). Or, comme l'a montre Bertholet (1902), le eh. 10 de Nehemie appartient non aux memoires d'Ezra, mais ä ceux de Nehemie: c'est lui qui a renouvele l'adhesion du peuple ä l'an- cienne loi et a profite de l'occasion pour y introduire quelques dispositions nouvelles dont l'experience de son second gouvernement ich. 13) avait montre la necessite. Quant au nouveau code, celui d'Ezra. il n'a jamais ete l'objet d'une Promulgation offizielle, ä

220 IV. Sektion.

plus forte raison d'une Promulgation inspiree par le gouvernement perse. comme le veut Meyer.

7. La conclusion chronologique c'est que Nehemie et Ezra sont venus ä Jerusalem sous deux Artaxerxes differents. La neces- site de ne pas les eloigner de plus d'une generation oblige de les placer sous Artaxerxes II Mnemon (404 361 !) et Artaxerxes III < )chus (361? 338). Nehemie a fonctionne entre 385 (?) et 370, Ezra en 355 et 354.

8. On objecte ä une date aussi tardive l'impossibilite de placer entre 350 et 330 les additions ä P et la fusion des deux codes en un seul, le Pentateuque, adopte par les Samaritains. Mais la date et les circonstances du schisme samaritain sont inconnues. Contre l'an XX d'Artaxerxes 1er on peut encore faire valoir: Qu'ä cette epoque (445) la revolte de Megabyze en Syrie (448) n'etait probablement pas apaisee ; que Yaddoua, oe successeur et arriere- petit-fils d'Eliashib (Neh. 12, 22). ayant vecu sous Darius „le Perse" (Codoman), son bisaieul qui a vu son petit-fils marie (Neh. 13, 28) n'a pas pu mourir cent ans auparavant. Le texte (Neh. 12, 10) qui fait d'Eliashib le petit-fils de Josue contemporain de Gyrus est ioin d'avoir la meme autorite. Enfin la langue tres moderne d'Ezra commande de descendre le plus bas possible.

9. Ajoutons que tres probablement au moment de la venue d'Ezra le grand pretre etait dejä Yohanan fils d'Eliashib (Ezr. 10, 6). Or ce Yohanan, d'apres Josephe (XI, 297), tua son frere Jesus (Josue) dans le Temple au temps de Bagoses, c'est ä dire Bagoas, general d'Üchus. Probablement ce Josue est le petit-fils d'Eliashib que Nehemie avait chasse ä cause de son mariage avec une etran- gere (Neh. 13, 28).

10. La Chronologie d'Ezra est donc fixre aus annees 7 et 8 d'Ochus, 355 et 354. II part de Babylone le 1er mois de l'annee VII, arrive ä Jerusalem le 5e mois, lit la loi le 7". rcunit une seconde fois le peuple le 9e, dirige une enqut'te sur les unions rtrangeres du 10e mois au 1er mois de l'an VIII, et convoquc une assemblee de pcnitencc le 24e jour de ce mois. La suite de son activite est inconnue.

11. Sous Ochus se place la deportation en Babylonie et en rlyrcanie d'un grand nombre de Juifs (Eusebe II. 112 Sch(LMie).

Theodore Reinach. Prof. Dr. Cl. Huart. 221

Ce renseignement doit provenir de source grecque, probablement de Theopompe qui s'etait occupe des coutumes juives (Ps. Aristee § 314 W.). II est donc authentique, malheureusement nous ne pouvons en preciser la date. L'agitation qui motive cet acte de rigueur fut probablement la consequence des mesures draconiennes d'Ezra. En tout cas le sacerdoce tire son epingle du jeu: desormais le grand pretre est le chef de l'„Etat" juif.

12. Si le code d'Ezra ne fut introduit que vers 350, il est evident que le Pentateuque n'a pas ete constitue avant 300. Le tableau de TEtat juif trace ä cette epoque par Hecatee (Diodore fr. XL, 3) n'utilise que le code sacerdotal et cite, comme se trouvant „ä la fin des lois juives" des paroles qui correspondent au dernier verset du Levitique (26, 46 = 27, 34). Le premier auteur qui connaisse le Pentateuque actuel est Jesus fils de Sirach (vers 200 j: mais comme il y a des synagogues en Egypte des Tepoque d'Ever- gete (inscr. de Schedia) on peut admettre que le Pentateuque hebreu a ete constitue sous Philadelphe (285 246), c'est ä dire precisement ä l'epoque la legende place sa traduction en grec par les Septante.

An der Diskussion beteiligen sich die HH. Halevy, Rosen- baum, Spiro, Marti und Haupt.

Prof. Dr. Cl. Hnart (Paris).

Le rationalisme musulman au Xe siecle.

(Resumö.)

M. Cl. Huart, delegue de l'Ecole des Langues Orientales Vivantes de Paris, lit un memoire intitule „Le rationalisme mu- sulman au IVe siecle de l'hegire." II montre par des exemples tires du Livre de la Creation et de l'histoire, publie par

IV. Sektion.

lui, qu'un courant d'idees rationalistes circulait ä cette epoque ä travers la population musulmane et que son importance etait teile qu'un auteur comme Motahhar ben Tähir el-Maqdisi. se piquant d'orthodoxie, crut devoir pactiser avec lui et lui faire place dans son ouvrage, ne fftt-ce que pour refuter les opinions en contra- diction trop violente avec ses propres croyances religieuses. Un siecle plus tard, tout ce mouvement disparaissait sous Tinfluence des ecrits du theologien Ghazäli.

An der Diskussion beteiligen sich die HH. Halevy und Reinach.

Obiger Vortrag ist vollständig erschienen in der Revue de l'Histoire des Religions, 1904.

Oberrabbiner Dr. A. Tänzer (Hohenems).

Die Stellung des Judentums innerhalb der Ent- wicklungsgeschichte der Menschheit.

(R^sume.)

In unserem naturwissenschaftlichen Zeitalter mit seiner Er- kenntnis des einheitlichen Grundgesetzes der Entwicklung hat die religionsgeschichtliche Forschung auch den aus dem eigentlichen Wesen einer Religion sich ergebenden Ein fluss derselben auf die geistige und sittliche Entwicklung der Menschheit festzustellen. Bei dieser Feststellung in Bezug auf das Judentum wird dieses als Ganzes ins Auge gefasst, unbekümmert um die bei Darstellung der Geschichte des Judentums gebotene Scheidung in Mosaismus, Pro- phetismus, Talmudismus und Rabbinismus. Denn diese Perioden stellen sich nur als Stufen einer Entwicklung dar, deren einheitlich erfasstes Gesamtbild «las Wesen des Judentums umfasst. In der Tat -Meli»; der Entwicklung des Judentumes, das niemals eine un- bedingte Stabilität für sich in Anspruch nahm, liegt schon die all-

Oberrabbiner Dr. A. Tänzer. 223

gemeine Bestätigung dessen, dass es überhaupt befähigt war, die Entwicklung der Menschheit zu beeinflussen.

Und auch ein die Entwicklung hemmender konnte der Ein- fluss des Judentums nicht sein. Denn selbst in seiner ursprüng- lichen Gestaltung das Ergebnis vorausgegangener Entwicklung zeigt sein ganzer geschichtlicher Lauf das Bild einer steten, wenn auch über Um- und Abwege führenden Vorwärtsentwicklung, in der es die im Erbe seiner Vorgänger etwa enthaltenen Keime zu mit Lehre und Leben geschirmten Wahrheiten ausgestaltete, die eine neue Epoche in der geistigen und sittlichen Entwicklung der Mensch- heit einleiteten. Des Judentums Ideal war früh schon die Empor- entwicklung der ganzen Menschheit ; in dem Sinne sprachen seine Propheten (z. B. Jes. Kap. 11, V. 9), es gab den Opferkultus auf, der durch Andacht und Gebet ersetzt werden sollte, es erstand aus den Trümmern seiner Nationalität zu neuem Leben durch geistige Emporentwicklung und Wissenschaft (R.Joch, b. Sakkai Aboth II, 9) und konnte daher niemals hemmend auf die Entwicklung wirken. Auch der biblische Schöpfungsbericht bildete kein Hemmnis der geistigen Entwicklung. Denn erst als die Zeit reif hiezu geworden, hat sie ihren Kopernikus geboren. Seit jener Zeit ist der biblische Bericht ein Hemmnis gewesen nur durch jene, die ihn wörtlich zum Dogma erhoben. Für das zeitgemäss entwickelte Judentum ist die Verbalinspiration nicht mehr Dogma und besitzt der biblische Bericht, bis auf den Grundgedanken, dass ein Gott der Urheber des Universums ist, nur religionsgeschichtliche Bedeutung als ein wertvolles Denkmal früherer Vorstellungen, das dem religiösen Denken und Empfinden Jahrtausende lang genügte und eine un- entbehrliche Vorstufe der geistigen Entwicklung unserer Zeit ge- wesen ist.

Das Judentum hat die geistige Entwicklung der Mensch- heit in hervorragendster Weise gefördert. Wir stehen im Zeichen der Naturwissenschaft mit ihrer Erkenntnis der inneren Einheit der Natur nach dem Grundgesetze der Entwicklung. Jeder Fortschritt des menschlichen Geistes stellt sich als eine Annäherung an diese Erkenntnis dar. Den entscheidendsten Wendepunkt nach dieser Richtung hin stellt jene Geschichtsepoche dar, in der überhaupt

224 IV. Sektion.

der Gedanke einer Einheit in der Natur zuerst auftauchte, einer wenn aucli nur äusserlichen Einheit in ihrem einzigen Schöpfer, in Gott. Der Monotheismus ist der unentbehrliche Vorläufer des Monismus. Ersterer aber ist unbestreitbares Urprodukt des Juden- tumes. Die beiden äussersten Extreme, die absolute Einheit und die weitverzweigte Vielheit, den modernen Monismus und den baby- lonischen Polytheismus hat unsere Zeit wissenschaftlich erhellt. Zwischen beiden als wichtigstes Bindeglied in der Entwicklungs- kette steht des Judentums Monotheismus da. Allerdings hat der Inhalt des Begriffes Gott auch im Judentume seine Entwicklung durch- gemacht. Aber auch der gehende und redende, der Nationalgott Jahve, war stets der Gott und Schöpfer des Universums, der Ein- zige. Der gehende und redende Jahve ward niemals als „gigan- tischer Mensch" vorgestellt, sein eigentliches Wesen war nie Gegen- stand der Forschung und galt als unfassbar (Exod. Kap. 33, V. 20). er tat nur auch, was Menschen tun, aber er war der Einzige und eben darum Allmächtige, nicht mit menschlicher Begrenztheit Be- haftete. Auch der Nationalgott Jahve nennt Israel nur seinen Erst- geborenen, auserwählt zu mehr Pflichten als Rechten, doch Kinder Gottes, des Einzigen, sind alle Menschen. Der Inhalt des Begriffes < iott hat im Judentum seine durch kein Religionssystem seither überbotene volle Entwicklung erreicht in der Lehre vom einig- einzigen, unkörperlichen, alle Vollkommenheit in sich fassenden, jedem menschlichen Erfassen absolut entrückten Gott, der Urheber des Universums ist. Diese Lehre von der Einheit Gottes gehört zum eigentlichen Wesen des Judentums und bedeutet seinen Ein- lluss auf die geistige Entwicklung der Menschheit.

Ebenso hervorragend war sein Einfluss auf die sittliche Entwicklung.

Heute ist das Moralgesetz autonom, als sittlich bewusste Willenstat des Menschen, der in ihr seine Entwicklungshöhe er- blickt. Die Menschheit in ihrer Kindheitsperiode bedurfte einer Stütze für den schwachen Willen in einer ausserhalb desselben liegenden Triebkraft, als welche sich das von einsichtsvollen Volks- führern aufgestellte, lohnenden und strafenden Göttern zugeschrie- bene heterononic Moralgesetz darstellt. In diesem, ebenso wie in

Oberrabbiner Dr. A. Tänzer. 225

der Vorstellung von Gott, spiegelt sich die Menschheit eines Zeit- alters wieder. Daher zeigen die älteren heteronomen Moralgesetze nur aus den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Zusammenlebens heraus erstandene mehr oder minder spezialisierte Bestimmungen über Schutz von Leben und Eigentum. Als Beispiel diene der Kodex Hammurabi mit den im Epilog niedergelegten Absichten des Verfassers. Diese im Dienste eines Zweckes ausserhalb ihrer selbst stehende primitive Sittlichkeit bahnte noch keine eigentliche individuelle Veredlung an. Dies vermochte erst ein wenn auch heteronomes Moralgesetz, das schon Vorschriften enthielt, die keinem anderen Zwecke als der sittlichen Erziehung und Veredlung dienen konnten, und in dem es möglichst klar zum Ausdruck kam, dass die Sittlichkeit Selbstzweck sei. Ein solches Moralgesetz musste auf dem Wege natürlicher Weiterentwicklung bis zur autonomen Moral führen.

Ein so beschaffenes heteronomes Moralgesetz ist das des Judentumes.

Sittlichkeit ist Selbstzweck, lehrt es darin, dass es Gott als vollkommenstes Vorbild der Sittlichkeit hinstellt, dem nachzustreben Aufgabe des Menschen sei und Heiligung des Lebens bedeute. (Lev. Kap. 19, V. 2).

Unter den vielen nur der sittlichen Erziehung dienenden Vor- schriften des Judentumes, wie z. B. Fremden- und Armengesetz, Tier- und Pflanzenschutz, Verbot jeglichen Blutgenusses usw. seien nur zwei hervorgehoben : die zuerst im Judentume aufgestellte Lehre von der Sünde in Gedanken, obwohl diese nicht zu Taten werden, ja nicht einmal in Worten sich äussern ; sodann das im Judentume zuerst aufgestellte Gebot der Menschenliebe. Die sogenannte goldene Regel hat nichts mit Liebe und sittlicher Veredlung zu tun, da sie den Altruismus nur zum Zwecke des Egoismus em- pfiehlt.

Das Bestreben der sittlichen Erziehung und Weiterentwick- lung bedingt es auch, dass das Judentum sich im Rahmen des Menschlich-Möglichen hielt, dem Feinde gegenüber nur Milde und Hilfsbereitschaft, nicht aber Liebe gebot, und nicht lehrte, dass Unrecht-Leiden an sich eine Tugend sei.

Kongressbericht. 15

L'L'ti IV. Sektion.

Als Ergebnis vorstehender Untersuchung zeigt sich, dass das Judentum

1. die geistige Entwicklung der Menschheit gefördert hat durch die ihm ureigene Lehre des Monotheismus;

2. die sittliche Entwicklung der Menschheit gefördert hat durch die ihm ureigene religiöse Lehre von der Sittlichkeit als Selbstzweck.

Ein Einwand des Herrn Rosenbaum wird durch den Redner beantwortet.

J. Halevy (Paris)

L'unite redactionnelle des 3 premiers chapitres de la Genese.

(Resume).

M. J. Halevy fait l'expose de sa these relative ä l'unite re- dactionnelle des trois premiers chapitres de la Genese. Cette these est contraire ä celle de l'Ecole critique moderne, mais la critique litteraire seule dit rarement le dernier mot et doit ceder le pas aux faits resultant des decouvertes epigraphiques qui nous montrent la littt'iature ancienne sous un jour non soupconne auparavant. Peu incline* par principe aux tendances theologiques, M. Halevy envisage le recit hiblique de la creation au meine point de vue que les le- gendes analogues des autres peuples sans distinction de race ou de langue et ü tous les stages de la civilisation.

II faut considt'rer d'abord les parties elohiste et yahweislc eil elles-memes, puis dans leur rapport l'une ä l'autre.

Conformement ä la formule d'introduction : „Au eommence- 1 1 1 * - 1 1 1 Dieu crea le ciel et la terre," l'auteur fait usage dans tout le chapitre du nom d'Elobim, parci; que c'est le mot courant cn lnljrcu pour dire ..dieu'' ; El et Eloah sont reserves ä la poesie. t.-imli- que Yahwä; du ö la eonception monoth6iste, »nmporte un

J. Halevy. 227

sens religieux qui n'a son prix que pour 1'homme seul. Tout en disant Elohim, l'auteur pensait ä Yahwe, mais l'emploi formel de ce nom aurait ete logiquement incorrect. De meme la distinction du jour de sabbat, elohiste ici, est partout ailleurs uue Institution yahweiste.

L'oeuvre de la creation est sectionnee en six jours, non en sept comme le pretendent les panbabylonistes flairant une reminis- cence du culte des sept planetes, unite que d'ailleurs les Babyloniens n'ont jamais connue. Les travaux se repartissent ainsi qu'il suit : 1. Lumiere -f- Separation entre la lumiere et les tenebres -f- nom du jour et de la nuit ; 2. Firmament -4- Separation entre les eaux superienres et les eaux inferieures + nom du ciel ; 3. rassemble- ment des eaux inferieures + nom de la terre et de la mer + vegetaux ; ces travaux preparatoires sont aussitöt repris pour la fa^-on definitive : 4. luminaires Celestes (= lumiere -\- ciel =1 + 2) -f- nom du soleil et de la lune + Separation entre le jour et la nuit ; 5. Animaux aquatiques et aquatiques-terrestres ou oiseaux (= eaux + terre, 3) -f- benediction ; 6. animaux terrestres (ani- maux et hommes) se nourrissant de plantes (= plantes, 3°) + benediction. Les six jours de travail sont accompagnes d'un jour de chömage sanctifie prealablement et laisse en reserve. L'idee de la creation s'exprime par amar „dire" et bara „creer," la con- fection particuliere par fasa „faire" ; ces derniers objets sont le firmament et les astres dans le ciel (= 2°), les animaux et les hommes sur la terre (= 3°). Les benedictions affectent seulement les hommes et les etres aquatiques, tandis que les animaux dont la multiplication peut devenir un danger pour 1'homme, en sont exclus. Exceptee l'oeuvre du firmament au 2e jour, qui n'interesse pas 1'homme, les cinq autres oeuvres sont suivies de la formule : „Et Dieu vit que c'etait bon" ; ä la fin eile reparait renforcee : „Et Dieu vit que tout ce qu'il avait fait etait bon.'" La piece con- cernant le jour du repos insiste naturellement sur le verbe 'asa „faire, travailler" mais n'oublie pas de lui associer le verbe bara „creer" dans sa derniere phrase (aser bärä Elohim la'asöth).

L'enchainement de ce recit est tellement manifeste qu'aucune velleite d'emiettement n'a chance de l'ebranler.

15*

228 IV. Sektion.

Passons aux chapitres 2 et 3 qui s'occupent exclusivement de l'homme.

La transition s'effectue par le verset 2, 4 qui sert ä la fois de souscription au recit precedent et d'introduction au recit suivant. Dans sa premiere partie le ciel est mentionne avant la terre conformement ä 1, 1, 2, 1 ; dans la seconde la terre precede le ciel dont il ne sera plus question dans la suite. Les verbes bärä et cäsä restent associes : behibbäreäm beyöm 'asbth, comine dans 2, 3. Quant ä la designation du createur, le nom commun est precise par le nom propre, ainsi Yalnve Elohim, c'est-ä-dire : Yahwe qui est 1' Elohim createur dont il s'est agi dans le recit precedent. Cette precision indique le caractere religieux du recit prochain et la combinaison, se continuant jusqu'ä la fin du recit, a non seulement pour but d'eviter un changement brusque de noms divins, mais aussi de preparer le lecteur ä la donnee de 4, 26 d'apres laquelle le culte de Yahwe a ete propage au temps d'Enos. la troisieme generation humaine depuis la creation du monde.

Sommaire du recit yahweiste: Absence des plantes champetres ä defaut de la pluie et absence de l'homme pour labourer la terre Un Hot montait du sol et en arrosait la surface. Yahwe Elohim forme l'homme de la poussiere du sol, lui insouffle un esprit de vie et plante ensuite un jardin delicieux qu'il lui destine comme demeure. En dehors de toute sorte d'arbres fruitiers de qualite su- perieure, l'arbre de la vie et l'arbre du savoir le bon et le mauvais occupaient le milieu du jardin. Gelui-ci fut arrose par un fleuve qui en sortant de se divisait en quatre branches dont les deux sont le Tigre et l'Euphrate. L'homme y devait labourer la terre et garder ses produits. Le drame commence ici : Yahwe-Elohim defend ä l'homme de manger du fruit de l'arbre du savoir le bon et le mauvais, sous peine d'etre mis ä mort. Yahwe decidant en- suite de faire une compagne ä l'homme, forme du sol les auimaux et les oiseaux et les amene devant l'homme pour voir comment il les appellerait. L'homme leur donna des noms. mais ne trouva poinl de compagne parmi eux. Alor- ^'all^ve tira Eve de la cöte de l'homme endormi., G'est l'origine du manage. Histoire de la tentation d'Eve par le serpent. Le premier couple goüte au fruit

J. Halevy. 229

du savoir. Fabrication de la ceinture pour cacher la nudite crue. Peine des coupables Origine du nom d'Eve. Yahwe confectionne un vetement de peau pour le couple humain, mais pour empecher l'homme de goüter aussi ä l'arbre de la vie, il le chassa du paradis qu'il fit garder par des eherubins ä l'epee flamboyante.

Contre l'unite de ce recit on a souleve des doutes peu fondes. On n'a pas reflechi que la description des fleuves n'est que l'am- plification du mot ed „flot" (6), mot qu'on traduisait erronement par „vapeur". Une autre erreur est celle qui rejette la mention de l'arbre de la vie au verset 2, 9. L'authenticite de cette mention est garantie par le temoignage de 3, 22 relatant l'apprehension de Yahwe, passage qu'on a tout gratuitement excise comme une inter- polation. Enfin la mention du nom d'Eve (Hawiva) signifiant „celle qui accouche" (parturiens) et non pas „la vivante,"' se place on ne peut mieux apres l'annonce des douleurs de l'enfantement (3, 16)

Cela suffit pour assurer l'unite interieure des deux chapitres mais ce recit yahweiste peut-il etre considere comme une Version independante ? Non, mille fois non ! A lui seul un recit de creation ne peut pas commencer abruptement par des mots tels que : „Et toute la broussaille du champ n'etait pas encore sur la terre et toute l'herbe du champ n'avait pas encore pousse" qui suppose l'existence d'une partie de ces vegetaux et qui d'autre part passe sous silence les arbres fruitiers et les plantes alimentaires. Cette Omission rend certain que l'auteur connaissait 1, 11 12 leur creation est annoncee et qu'il veut seulement dire que par suite de sa secheresse naturelle, le sol gras raeme n'a pu faire lever tous les arbustes et toutes les herbes qu'on y trouve ordinairement. D'autre part, la mention indirecte de la pluie atteste qu'il etait au i'ait du rassemblement des eaux superieures au-dessus du firmament raconte dans 1, 6 7. Une autre lacune se presente dans l'omission de la classe importante des animaux aquatiques au verset 2, 19, et qui se complete par 1, 20 21. La raison de cette Omission se comprend facilement parce qu'il s'agit d'animaux amenes devant Adam pour que celui-ci consacre sa domination sur eux par les noms qu'il leur donne et qui restent eternellement (hü-semö). Pour la langue du recit, on comprend que ces notes supplementaires ne

230 IV. Sektion.

comportaient pas le verbe bärä „creer" : il le remplace avec raison par yasar „former" ; il conserve pourtant le verbe eäsä „faire" dans les circonstances analogues ä la narration precedente 'ainsi : e'ese 16 (v. 18, parallele ä ndäse ädäm 1, 24) et waydas ä propos des vetements. II taut encore ajouter l'expression tob „il n'est pas hon" |v. 18) qui offre l'antithese de „Et Dieu vit que c'etait bonu (k$ tob). Nous avons dejä indique plus haut la connexion indisso- luble de 3, 20 et 1, 26 ; dans les deux Dieu adresse la parole ä son cortege Celeste, cela acheve de prouver l'unite redactionnelle de tous les trois chapitres en cours d'etude.

Pour prevenir toute sorte de malentendu, M. Halevy declare expressement que par ses remarques, il n'entend nullement trancher la question generale de l'emploi tantöt d'Elohim tantot de Yahwc dans les aut.res parties de l'Hexateuque. II a aborde ce probleme depuis de longues annees dans ses Recherches bibliques. Sans prejuger le fond du debat. il sc borne ä demontrer que le point initial de la critique documentaire du Pentateuque est errone, et ne va pas plus loin. II est ä esperer qu'on s'en consolera facilement : en decouvrant le Nouveau Monde, Christophe Colomb. n'a-t-il pas cm avoir decouvert le Japon ?

Die Diskussion wird von Herrn L. Gautier benützt.

Dr. Roscnbaum (Paris).

La topographie du temple Herodien et le service du grand-pontife au jour du grand-pardon.

Monsieur le docteur Rosenbaum, medecin ä Paris, apres avoir paivuuru d'une maniere generale les diflerentes constructions du temple herodien expliquees sur un nouveau plan dresse par lui lleqtii'l plan, cependant, ne s'accommode pas bien d'etre reproduH

Dr. Rosenhaum. 231

ici, ä cause de sa grandeur et des depenses demesurees) s'est arrett- specialement pour donner une description detaillee des pavillons sui- vants : ecole de musique ä l'usage des levites, salles des seances du petit et du grand sanhedrins, bätiment des gardiens du temple

De la seconde partie de son memoire, c'est ä dire le Service pontifical au temple au jour de remission, nous relevons l'extrait suivant :

Sept jours avant la solennite du grand-pardon, le pontife s'isole de sa famille et demeure dans le temple specialement dans la salle de „Palhedrin" pour s'exercer au Service de ce jour qui doit etre accompli par lui personnellement.

Le jour de remission on conduit le grand-pretre ä la salle de „Parvi" il se deshabille de ses vetements ornes d'or et de pierres precieuses, avec lesquels il sacrifie l'holocauste quotidien, prend un bain et revet le costume de lin blanc importe des Indes, se rend aupres du taureau particulier ä sa personne, place entre le Vesti- büle et l'autel, la tete de la victime regarde au sud, la face tournee ä l'ouest ; le pretre se place ä Test tournant ses regards ä l'occident.

II impose ses deux mains sur la tete du taureau et recite la premiere confession en ces termes : „0 Eternel j'ai ete pervers, j'ai peche, j'ai commis des fautes devant toi, moi et ma maison. 0 Eternel pardonne les crimes, les fautes, les peches dont je me suis rendu coupable devant toi, moi et ma maison, comme il est ecrit dans la loi de Moi'se ton serviteur ( il recite les versets du Lew 16, 30 31). Au moment il prononce le nom de Dieu avec le tetragramme l'assemblee se prosternant et tombant par terre lui repond : „Loue soit ä jamais le nom de son regne glorieux."

Le pontife se rend un peu plus ä Test du parvis des pretres et au nord de l'autel, ayant le president ä sa droite et le chef de la section ä sa gauche.

La se trouvent deux boucs semblables par la couleur de la peau, par la stature, par la valeur et meme par la simultaneite d'achat. Les deux boucs sont places aupres d'une urne contenant deux lots en or. Sur Tun est marque ä l'„ Eternel," sur l'autre ä l'-Azazel".

232 IV. Sektion.

Le sacrificateur remet ses deux mains dans Turne et saisit ä la häte les deux sorts ; si le lot attribuant le sacrifice ä l'Eternel se trouve leve dans sa main droite, c'est le president qui lui dit : „0 Seigneur, eleve ta main droite." Si c'est dans la main gauche, c'est le chef qui lui commande d'elever sa main gauche ; il place alors le lot sur la tete du bouc en pronongant la formule, avec le tetragramme : „A l'Eternel sacrifice expiatoire." II attache une bände de laine ecarlate ä la tete du bouc qui doit etre envoye ä l'Azazel et le place ä l'endroit d'oü il doit etre expedie. II attache une autre bände d'une autre couleur ä la tete du bouc qui doit etre egorge et le place ä l'endroit l'egorgement doit avoir lieu, pour eviter toute confusion.

Puis il retourne aupres du taureau en lui imposant ses deux mains sur la tete, il recite la deuxieme confession pour les pretres tout ä fait de la maniere precedente et il egorge l'animal, donne le sang, recueilli par lui, ä un homme qui est charge de le remuer pour ne pas le laisser figer. Pendant ce temps il prend une poele en or rouge, ä tres mince paroi, pourvue d'un long manche, d'une contenance de trois cabs, monte au sommet de l'autel, ecarte les charbons d'un cöte et de l'autre, enleve les plus ardents du milieu, et descend. On lui apporte de la salle des ustensiles, une pelle et un encensoir dans lequel il prend une poignee d'encens, n'importe que sa poignee soit grande ou petite, la place sur la pelle, prend alors de la main droite la poele avec des charbons et de la main gauche la pelle avec l'encens, entre dans le saint des saints, place la poele sur la pierre „Chatiya" et amoncelle l'encens vers les charbons ardents, de sorte que la maison sainte se remplisse tout entiere de fumee odorante ; il sort en reculant et recite dans le sanctuaire une courte priere dont voici les termes :

„Eternel, notre Dieu et Dieu de nos peres, qu'il te plaise de ne pas decreter contre nous de captivite ni en ce jour, ni en cette annee, et si un tel sort nous est re'serve, puissions-nous etre au moins exiles dans un pays ta loi est en vigueur. Puisses-tu de- cider, Eternel, que nous ne subissions pas de privations et si un tel sort nous est reserve,. ayons toujours le souci d'accomplir les bonnes oeuvres ä faire

Dr. Rosenbaum. 233

Eternel, notre Dien et Dieu de nos ancetres, puisse cette nouvelle annee en etre une d'existence facile, une annee d'abon- dance, une annee prospere pour le commerce, une annee de rosee et de pluie, 011 enfin les membres de ton peuple d'Israel ne dependront pas servilement Tun de l'autre. Ne prete pas ton oreille exclusivement aux voeux des voyageurs qui desirent qu'il n'y ait pas de pluie. Puisse dans le sein d'Israel ne pas y avoir de Suprematie despotique exercee par Tun au detriment des autres. En faveur des habitants de Chaaron ou Saron, il ajoute ä part : Puissent leurs maisons ne pas devenir leurs sepulcres."

Puis, le pontife, apres avoir egorge aussi le bouc en sacrifice expiatoire, asperge du sang de taureau huit fois dans le saint des saints et huit fois vers les rideaux qui servent ä separer le saint des saints du sanctuaire ordinaire, puis egalement deux fois huit fois du sang de bouc ; enfin apres avoir touche les quatre cötes de l'autel en or et fait sur lui sept aspersions avec un me- lange du sang de taureau et de bouc, il verse le reste sur le sou- bassement de l'autel exterieur et se rend aupres du bouc qui doit etre expedie. II lui impose les deux mains et recite la troisieme confession en ces termes : „0 Eternel, ton peuple d'Israel a ete pervers, a peche, a commis des fautes devant toi. 0 Dieu, par- donne les crimes, les fautes, les peches dont il s'est rendu cou- pable devant toi, corame il est ecrit dans la loi de Moi'se ton ser- viteur", etc., etc.

II livre le bouc ä l'homme charge de l'amener ä l'Azazel.

Pour le faire sortir du temple on construisait un pont special en haut pour echapper aux obsessions des „babyloniens" c'est-ä-dire de la populace qui venait tirer ses poils en le harcelant de häter son depart, en lui disant : „Va vite, va vite, sors, et empörte nos peches."

Les plus respectables citoyens de Jerusalem l'accompagnent jusqu'ä la premiere tente, car on dressait dix cabanes de Jerusalem jusqu'ä ^ouq etait l'Azazel, ä la distance d'une lieue de l'une ä l'autre.

A chaque Station une assemblee l'attend et l'accompagne ä l'autre jusqu'ä la derniere.

23-1 IV. Sektion.

Airi ve ä Couq le messager prend une bände de laine ecar- late dont il attache un des bouts au roc et l'autre aux cornes du bouc, puis il le pousse ä reculons dans le precipice l'animal tombe en roulant et la mort est si instantanee qu'ä peine arrive ä oii-chemin du fond, il est mis en pieces.

An der Diskussion beteiligen sich die Herren Haupt und Reinach.

Prof. Dr. H. Derenlxmrg (Paris).

Le culte de la deesse Al-'Ouzzä dans l'ancienne Arabie vers l'an 300 de notre ere.

(Resurae).

Monsieur le Professeur Hartwig Derenbourg, Membre de l'In- stitut de France, communique une inscription sabeenne inedite, recemment entree au Musee du Louvre, et contenant une double mention de la deesse arabe anteislamique Al-cOuzzä. Ge document curieux d'histoire religieuse, etudie et traduit pour la premiere fois par M. Derenbourg, lui suggere les conclusions suivantes: „L'endroit serait mal choisi pour etaler ici inon apj)ort philologique et lexico- graj)hique ä une premiere tentative de dechiffrement et d'interpre- tation. Ce qui peut etre retenu des ä present, c'est au point de vue profane, le nom mutile de la princesse Koholthä[hir] „Collyre bril|lant|", une emule |>ar son appellation des futures heroines des Mille et une nuits : c'est. au point de vue religieux, la consecra- tiofl vfinenile d'une statue d'or ä la deesse 'Ouzzä, ou plutöt, si Ton suhstitue au noun emphatique sabeen son äquivalent arabe I article al, ä la deesse Al-'Ouzzä. Sa representation en or massif ou en bronze dore a disparu de lautel dont eile etait la parure: roleure de grands chemins Tont enlevee sans scrupule, ainsi que, par tont le Y6men, les idoles en m^taux pr^cieux scellees au

Prof. Dr. H. Derenbourg. Prof. Dr. A. Mez. 235

dessus des pierres votives. Quant aux inscriptions, rejouissons- nous qu'elles aient ete dedaignees par les Bedouins pillards. Pour eux, elles etaient sans valeur venale; pour nous, elles sont de bonne prise et de haut interet."

An der Diskussion beteiligen sich die HH. Spiro, Hommel und Rein ach.

Prof. Dr. A. Mez (Basel).

Geschichte der Wunder Muhammeds.

(Resume.)

Während der Prophet im Koran die Wunderansprüche zurück- wies, bringt B. Ishäk deren etwa 40, die Theologen des 3. Jahr- hunderts ca. 200, Nawäwi im 7. berechnet sie auf um 1200 und der Fath elbäri im 9. auf 3000.

Das einzig Wunderbare, was die zeitgenössischen Dichter an- führen, ist „das Wissen um das Verborgene" (Goldziher Muh. Stud. II 283). Derartiges bildet auch bei B. Ishäk eine grössere Gruppe. Dann 2 Brunnen-, 1 Heilungswunder; 3 sind Materialisationen von Koran-, 1 von Lebidversen. Namentlich das letztere lässt uns den Weg der Phantasie nachgehen. Die religiös wichtigste Schlacht des Islams war die Niederlage von Ohod, der Geburtstag des spezifisch muhammedanischen Kriegsfanatismus. Sie ist auch die Einfallspforte des Wunderbaren in das Prophetenleben. Jetzt schiessen die Märtyrerlegenden auf, und auf den ersten kritischen Moment jener erregten Zeit bezieht sich die erste kleine Samm- lung der Prophetenwunder bei B. Ishäk, die er schon von Früheren übernommen zu haben scheint (2 Graben- und 2 Speisewunder). Vater des Genres ist Gabir b. Abdallah, die städtischen Pöbel- legenden hängen sich an Hasan albasri.

B. Hisäm fügt 3 Wunder hinzu. Zwei zeigen, dass der Re- spekt vor den Götzen geschwunden ist, dass dritte ist das Licht,

236 IV. Sektion.

das aus der schwangeren Amina hervorbricht (im Jakobusevange- lium logischer bei der Geburt selbst).

Ob die Speise- und Wasserwunder christlichen Ursprungs sind, ist nicht auszumachen. Auch das geheimnisvolle Licht, wie die Anhängerzahl (12 bei der ersten, 70 73 bei der zweiten Hul- digung) könnten direkt aus Gemeingut des Orients gewordenem Glauben entsprungen sein.

Wäkidi und B. Safd vertreten die Wunderfreude der medi- nensischen Schule : Fortschritt, wie von den Königsbüchern zur Chronik. In schnellstem Tempo vermehren sich die Speisewunder, die Spezialität Gabirs, des Lehrers Wäkidis. Mit blossem Gebet um das Wunder ist man nicht mehr zufrieden. Allerhand Hokus- pokuspraktiken tauchen auf, aus denen sich ein gut Teil der alten Zaubergebärden zusammenstellen liesse. Hier finden wir jetzt sicheren christlichen Import: die duftenden Märtyrerleichen.

Den theologischen Klassikern sprangen aus so und so viel Haditen die Mirakel fröhlich entgegen, andere wieder leugneten alle Wunderkraft des Propheten. Sie sammelten beide ruhig an ihren Orten, übten aber eine Art Kritik in dem inzwischen ange- bauten dogmatischen locus der alämät ennubuwweh (Wäkidi hat schon dalä'il ennubuwweh). Dort zählt z. B. Bochäri nur 10 Wasser- und Speisewunder auf, die rührende Geschichte vom ersten Predigt- klotz (wieder nach Gabir), eine Variante des von B. Ishäk nach Hasan albasri gebrachten Grabwunders und die Spaltung des Mondes. Sonst eine Reihe Prophezeiungen für die Geschichte seiner Gemeinde, unter denen die Weissagung, dass ein Weib von Hira nach der Karaba oder von San'ä nach Hadramaut allein reisen könne, ganz gut ein echter Niederschlag der starken arabisch-patriotischen Zukunftshoffnung Muhammeds sein kann. Ist er doch der erste, der das Wort „national" in die Weltgeschichte eingeführt hat.

Der Wundersüchtigste ist ettirmidi.

Ehrliche, zunftgemässe, aber sehr oft geschmack- und phanta- sielose Arbeit ist da am Prophetenbild getan worden. Altes wird ausgebaut, neues Gebiet nicht erobert. Durch Pressung fliessen aus harmlosen Worten groteske Wunder, wie das „Loben" der Speise, die Muliainnied issl, und d.iss er nach hinten ebenso gut sieht

Prof. Dr. A. Mez. 237

wie nach vom. Die individuellen, an Historisches geknüpften Wunder verschwinden zugunsten von ein paar Wundertypen. Das Bild wird grösser, aber farbloser. Auch die Genossen ver- blassen mit ihren Taten. Die alten Stein-, Baum- und Brunnen- heiligtümer bekommen jetzt Prophetenlegenden.

Im 9. und 10. Jahrhundert Aufkommen der städtischen Kultur. Auch der Wissenschaftsbetrieb ändert sich. An Stelle des theologischen rahhal (der letzte grosse Manda elisfahäni j 353) tritt der literarische und neugierige. Die Wunder werden logisch diskutiert, die rmfgiza (Übermenschliches) von der kerämah, der ,, Grosstat « der Heiligen geschieden. Sie werden rationalistisch um- gedeutet, abgeleugnet oder ignoriert. So zeigt z. B. Mas'üdi gar kein Interesse für die Mirakelseite der Prophetenbiographie.

Andrerseits steigt die Theologie in das Volk herab, wie etwa im 15. Jahrhundert Europas. Die Strassenprediger, Legendener- zähler, der Heiligen- und Reliquienkult mit ihrem Paganismus reissen das Prophetenbild mit. Die literarische Entwickelung knüpft sich an die Namen Alhäkim, ettabaräni. vor allem deren Schüler Abu Ntfaim (f 130) und albaihäki (f 158). später den kädi Tjäd (t 511) und Fachreddin Arräzi (f 606). Jetzt ist die ganze alte Legende in den Islam eingedrungen, der Prophet hat nicht nur die Wunder aller früheren Propheten auch getan, sondern viel mehr. Hauptsächlich die Kindheits- und mekkanische Zeit wird geistlich ausgebaut. Altester Volksaberglaube setzt sich wieder durch : Chaibar muss früher eine Eselsgottheit gehabt haben, da jeder ins Stadttor Tretende 3 mal wie ein Esel iate. um, wie die spätere Be- gründung heisst, kein Fieber zu bekommen. Dort hält jetzt auch der Prophet eine längere Zwiesprache mit dem Prophetenesel Ia'amr. Überhaupt zeugt jetzt die ganze Tierwelt, einige Geschichten derart sind direkt der Jesuslegende entnommen. Die Speise- und Heilwunder werden ganz hexenmeisterisch. Auch Ästhetisches spricht mit, z. B. setzen die Perser an Stelle des sich als Kamelshengst offenbarenden Gottesschreckens die ihnen aus ihrem Mythus ver- trauten zwei Schlangen an die Schultern Muhammeds.

Vom 7. Jahrhundert an entwickeln wieder meist gelehrte Hände weiter am Prophetenbild. Er erweckt jetzt Tote bis

238 IV. Sektion.

dahin das Monopol Jesu , aber nur zu dogmatischen Zwecken (ein kleines Kind und die eigenen Eltern). Die Rettung dadurch, dass eine Spinne ihre Fäden vor der Höhle zieht, kommt schon in der Davidlegende vor. Sie ist bei Wäkidi von einem Genossen erzählt, bereits bei den Traditionisten auf Muhammed übergegangen. Jetzt tritt auch das Taubenmotiv auf, zuerst in der Burda des Busiri ("f 694). Die Theologen rechtfertigen damit den Taubenkult des Higäz.

Die Biographie wurde vorgeschuht bis vor die Weltschöp- fung, Muhammed der Logos, sein Name ist am Gottesthron ange- schrieben, sein Licht (das alte persische Nurarenö) strahlt aus allen seinen Vorfahren von Adam an. Letzteres ist dem Watari (f um 980) das einzig Wichtige am ganzen Propheten. Die Volks- phantasie hielt sich mit Vorliebe an das Mi"rägmotiv. Sie wurde immer wieder an- und aufgeregt durch die seit 1200 nach Christus (als Hauptförderer wird der Türkenfürst Muzaffareddin in Arbela genannt) mit grösserem Glänze gefeierten Mfilids.

Prof. Dr. K. Kessler (Greifswald).

Mandäische Probleme nach ihrer religionsgeschicht- lichen Bedeutung.

I.

Wer sich für Religionsgeschichte interessiert, aber die Man- däer und ihre Glaubensform, den Mandaismus, nicht kennt, gewinnt vielleicht etwas Interesse, wenn er hört, dass „Mandäer" etymolo- gisch „Gnostiker" bedeutet. Aber „Gnosticismus" ist oder scheint ein buntscheckiger Begriff zu sein; die Vorstellung, alle die betr. Gedankenformel] und Anschauungen seien bloss subjektive Phan-

Prof. Dr. K. Kessler. 239

tasiegebilde verworrener Köpfe, ohne volkstümliche Unter- lage, ist auch heute nicht verschwunden. Zwar habe ich schon 1881 („Über Gnosis und altbabylonische Religion" in den Akten des 5. internationalen Orientalisten-Kongresses zu Berlin) die Gnosis (unter späterer Zustimmung theologischerseits von Harnack, neuer- dings von Brandt, Anz u. a. m.) dadurch etwas gerechter und ge- schichtsgetreuer zu beurteilen versucht, dass ich auf die uralte babylonische Unterlage hinwies, und diese, seit 1881 durch die Assyrioiogie immer gründlicher erforscht, kann wohl jetzt als das eigentliche Fundament der ganzen gnostischen Gedanken- welt nicht mehr bezweifelt werden. Aber der Eindruck der Ver- worrenheit und Verschwommenheit ist doch auch heute noch nicht ganz verschwunden, es bleibt noch vieles dunkel! Und dies gilt besonders von den Gnostikern mit diesem Namen in semitischer, aramäischer Sprache, den Mandäern. Da scheint alles bunt und kraus durcheinander geflochten zu sein.

Die mandäische Religionsform muss nun schon von vorn- herein darum als hochwichtig für die Religionsforschung anerkannt werden, dass sie den Beweis liefert für Volkstümlichkeit, welche eine gnostische Bildungsform, also die Gnosis überhaupt, zu er- langen vermocht hat.

Eine gnostische Glaubensform wird zu leicht als das subjek- tive Gebilde eines einzelnen Theologen betrachtet. Die Mandäer aber haben ihren Glauben in eine entsprechende Praxis, mit uralten Kultusformen und Riten, umgesetzt. Sie sind noch heute, soviel man weiss, in kümmerlichen Resten in ihren alten Wohn- sitzen am Eufrat und in der Nachbarschaft vorhanden. Sie sind als geschichtliche Erscheinung, als jüngster ins Aramäische umgegos- sener Rest der alten babylonischen Kulturreligion, geschichtlich ebenso ehrwürdig wie die heutigen Samaritaner von Näblüs-Sichem als letzter, auf dem heiligen Boden selbst haften gebliebener Rest der alten Religion Israels. Ausserdem steht fest, dass die Mandäer, wie dies auch ihre eigene Tradition sagt, früher auch in Babylonien selbst viel zahlreicher, anscheinend in eine Unzahl von Sekten zerfallen (zu vergl. der Nestorianer Theodoros bar Chöni ed. Pognon Paris 1898) waren, als im Mittelalter und gar heute. Ja, sind sie,

240 IV. Sektion.

was doch im Ganzen und Grossen gar nicht zu bezweifeln ist, da ihr vieles ..Taufen" schon ihren ersten abendländischen Besuchern seit dem 17. Jahrhundert auffiel, ein Glied der grossen Sippe der „Täufer", welche die alten Kirchenväter (Hegesippus, Epiphaniusetc.) Ba.-TTiorai, ' HueQoßajrrimai und noch viel später die Araber el Mughtasilah „die sich Waschenden" nennen, aus denen Mäni, der grosse Religionsstifter, hervorging, dann sind sie auch mit ostpa- lästinischen Sekten des 5. nachchristl. Jahrhunderts (Elkesaiten, Samp- säer, Masbothäer) eng verwandt und hängen zusammen rückwärts mit den bis in frühe vorchristliche Zeit hinaufreichenden Essenern und vorwärts mit den Säbiern des Korans, die Muhammed als eine selbständige, also grosse Religionspartei neben den Juden und Christen anerkennt und duldet. Es ist nicht unwissenschaftlich und gewagt, unsere Vorstellung von dem Glauben dieser, als Deck- mantel des harranischen Heidentums später vom 9. Jahrhundert n. Chr. an berühmt gewordenen „Sabier" zu bilden nach dem, was sich als älteste Form des Mandaismus ermitteln lässt.

Aber diese Form zu finden, ist nicht leicht. Sie muss aus einem Chaos, einem verwickelten Knäuel zeitlich und der Herkunft nach verschiedener Formen herausgeschält werden.

Der Eindruck der Verworrenheit, den die mandäische Glau- bensart von vorn herein macht, bleibt in gewisser Hinsicht, ja er tritt nur um so deutlicher hervor, auch bei subtiler wissenschaft- licher Untersuchung. Aber gerade darauf beruht nach vollzogener Analyse das bleibende Interesse des Mandaismus.

Die allgemeine vergleichende Religionswissenschaft, die uns hier in Basel zusammengeführt hat, ist eine neue historische Dis- ziplin. Sie, die vielfach noch um ihre Anerkennung einerseits neben den Spezialtheologien (christl., jüd., buddhist, islamische) anderer- seits neben verschiedenen historischen Wissenschaften (den Spezial- Mythologien, wie der klassischen, der germanistischen u. s. w.) zu kämpfen hat, hat die hohe und umfassende Aufgabe, alle Reli- gionsformei) in den Kreis ihrer Betrachtung zu ziehen. Für sie sind die sogenannten Naturreligionen ebenso wichtig wie „Kultur- religionen", und neben den grossen, weitverbreiteten Formen, mit den 1 Weltreligionen an der Spitze, stehen uns an geschichtlicher

Prof. Dr. K. Kessler. 2U

Wichtigkeitnichtzurückauch die kleinsten, niedrigsten Gebilde, sowenig wie für den vergleichenden Sprachforscher etwa die lebenden Volks- dialekte neben den grossen Schriftsprachen. Daher ist die allge- meine Religionswissenschaft aber erst recht verpflichtet, die Mischlingen uns bekannter Religionsformen zu untersuchen und sie, im Bilde zu sprechen, einerseits anatomisch zu sezieren, ande- rerseits chemisch in die einzelnen Bestandteile zu analysieren. Die so gewonnenen Einzelelemente, die aus der Mischung getrennten histo- rischen Einzelformen, erscheinen damit oft in Einzelheiten des Ganges ihrer geschichtlichen Entwicklung in ungeahnter Weise bereichert.

Der Mandaismus ist beides: jetzt eine kleine Religions- form und seinem Wesen nach eine Mischreligion. Aber hoch- interessant ist es, die zeitgenössische Gestalt der benützten jüdischen, jüdisch-christlichen und älteren persischen Religion in den mandäischen Entlehnungen der verschiedenen Zeitalter festzustellen, noch interes- santer, nach Ablösung dieser Elemente die alte, ursprüngliche, ein- heimische babylonische Grundform dieses Glaubens wieder aufzu- decken, die eine zweifache ist, eine rein altaramäische und eine in aramäischer Nomenklatur verhüllte altbabylonische. Ganz dieser religionsgeschichtlichen Analyse entsprechen die sprachlichen Ver- hältnisse des mandäischen Tdioms.

Ich fing s. Zt., vor beinahe 30 Jahren, an, mich für den Man- daismus zu interessieren und fühlte mich auch durch seine „Ver- worrenheit" nicht abgeschreckt, weil ich in ihm, wenn auch zu- nächst nur unklar und im allgemeinen, eine Vorstufe für den Manichäismus, für die als solche mehr und mehr sich enthül- lende grosse Religion des Mani erkannte. Das Studium des Man- daismus zeigte sich mir als eine unentbehrliche Vorarbeit für meine Hauptaufgabe, die Erforschung der Entstehung und der geschicht- lichen Entwicklung des Manichäismus. Bestimmter wurde mir bald klar, dass in beiden Formationen, der mandäischen wie der mani- chäischen, ein starkes altbabylonisches Element stecke, und dass dieses sich wie ein roter Faden durch den ganzen verworrenen Komplex von Glaubensvorstellungen und Kultusgebräuchen der Mandäer hindurchziehe. Grundlegend ist in beiden Formen.

Kongressbericht.

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der mandäischen wie der manichäischen, die alte babylonische Lehre vom Primordialkampfe als Basis der beiderseitigen ursprünglichen Lehren von der Weltentstehung, von dem Ende der Welt und dem Schicksale der einzelnen Menschen nach dem Tode, also von Kosmogonie und Eschatologie. Mit dieser Erkenntnis war zunächst einmal eine sichere erste Handhabe gewonnen, um die Lösung des bis dahin ganz verzweifelten mandäischen Problems mit Aussicht auf Erfolg in Angriff zu nehmen, es konnte damit in die abschliessende Mauer wenigstens die erste Bresche gelegt werden. Diesen Zweck, und nur diesen verfolgte ich in meiner ersten Bearbeitung (1881) des Artikels „Mandäer" (in Herzog- Hauck's Realenzycl. für protest. Theol., 2. Aufl., Bd. IX), nachdem mein Vorgänger H. Petermann die religionsgeschichtliche Seite der mandäischen Frage überhaupt gar nicht angeschnitten hatte. Eine vollständige literarhistorische und kritische Analyse der mandäischen Glaubensformen auf Grund umfassenden Studiums der erhaltenen Religionsschriften war damals durchaus nicht meine Absicht. Auf meiner Ermittelung des alten babylonischen Grundelementes, diese Erkenntnis durchaus teilend und verwertend, beruhen nun die Arbeiten des holländischen Theologen W. Brandt, Professor der Theologie in Amsterdam, eines Schülers von Theodor Nöldeke, namentlich «die Mandäische Religion", Leipzig 1889 und „Mandäische Schriften, übersetzt und erläutert," Göttingen 1893. Brandt hat das bleibende Verdienst, die vor ihm noch nicht in Angriff genommene, aber für die religionsgeschichtliche Aufhellung des Mandaismus funda- mental wichtige Aufgabe der analytischen Sonderung der verschiedenen Entwicklungsstufen der mandäischen Lehre energisch in Angriff genommen und dabei im Ganzen und Grossen durchaus richtige und zu billigende Ergebnisse gewonnen zu haben. Ich meinerseits habe diese, soweit ich mich ihnen anschliessen konnte, zunächst in meiner neuesten Bearbeitung des Artikels „Mandäer" für Pr. R.-E. 3. Aufl., Bd. XII, 1903, verwertet und habe mich ferner noch im Einzelnen, auf seitdem nach längerer Unterbrechung neu aufgenommenes und vertieftes, eigenes Studium der Mandäerschriften gestützt, an anderen Stellen mit ihm auseinander zu setzen. Gestattet aber musste es mir

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hier sein, wie im Vorstehenden geschehen, kurz pro domo zu sprechen, und auf die Tatsache hinzuweisen, dass Brandt, alle seine Korrekturen einzelner Sätze von mir zugegeben, auf meinen Schultern steht, was von ihm*), ebenso wie von anderen vielzitierten Neueren (z. B. W. Anz, Ursprung des Gnosticismus, Lpzg. 1897) nicht immer gebührend betont wird.

Von Brandt abgesehen, ist die Zahl der Mitarbeiter auf dem Gebiete der mandäischen Religionsgeschichte in der Gegenwart sehr klein. Etwas mehr Beachtung findet die mandäische Sprache, und zwar vorwiegend unter dem Einflüsse von Nöldeke's grund- legender mandäischer Grammatik, zusprachvergleichenden Zwecken, was ja sehr erfreulich und für das Religionsgeschichtliche unent- behrliche Voraussetzung ist. Für Deutschland sind vor allem die Arbeiten von M. Lidzbarski in Kiel, für Frankreich die von H. Pognon zu nennen. Ihnen verdanken wir besonders auch das Bekannt- werden neuer mandäischer Texte auf den in Mesopotamien ausge- grabenen Schalen mit mandäischen Zauberinschriften, wodurch gerade auf die volkstümlichste Gestalt des mandäischen Glaubens, den Glauben der niederen Leute, ein erwünschtes Licht fällt, zur Ergänzung des Inhalts der gelehrten Priesterschriften.

IL

Was die Mandäer für die Religionsforschung vor anderen „gnostischen Sekten" auszeichnet, ist, dass sie eine umfängliche, heilige Literatur haben, was gewiss wohl auch bei anderen gn ostischen Parteien der Fall war, dass diese Literatur uns aber nicht verloren gegangen ist (wie bis vor kurzem selbst die mani- chäische), sondern zum grossen Teil erhalten ist. Die Mandäer haben vor allem eine Bibel, eine „Heilige Schrift", und dies ist ein sehr umfangreiches Schriftwerk. Es stellt in der metallogra- phischen Ausgabe (richtiger : Wiedergabe) von H. Petermann (Berlin 1867. I., II.) einen stattlichen Quartband dar von 395 + 138 also

*) Br. erhebt Mandäische Rel. 1889, S. 20, Mitte, gegen seine Vorgänger darunter ausdrücklich auch gegen mich , den Vorwurf der Kr itiklosig- keit; letzterer Ausdruck ist wohl dem holländischen Deutsch zu Gute zu halten.

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zusammen 533 Seiten. Der umfänglichere erste Teil ist für die „Lebenden" bestimmt und ist die eigentliche Fundgrube für die mandäische Theologie, der kleinere zweite Teil für die Toten und enthält z. T. hochpoetische Hymnen für die nach Trennung von dem Leibe in die Lichtwelt aufsteigende Seele, der letztere wird als linker Teil an den ersteren als Teil rechts in den Original- handschriften (und dementsprechend in Petermanns Druck) mit dem Kopf nach unten angefügt. Es ist ein gewaltiges Kitäb, ara- bisch mit Muhammed zu reden, und wie würde der arabische Prophet, der vor allem, was „heiliges Buch" hiess, einen gewaltigen Respekt hatte und die Angehörigen der älteren Religionen, der jüdischen und der christlichen, den 'ahl el Kitäb, um ihre heiligen Rollen, um Taurät („Thorah" Altes Testament), und Ingil (Evangelium, Neues Testament) beneidete, darum gegeben haben, wenn er einen solch abgeschlossenen Wälzer wie das „Grosse Buch" der Mandäer, seiner „Sabier", als seine eigene Religionsurkunde, als „entkräften- des Wunder" den Muslimen hätte vorlegen können, anstatt nur tropfenweise in seinen Reden die einzelnen Teile der unerschaf- fenen wohlverwahrten „himmlischen Tafel" vorweisen zu können. Die Bibel der Mandäer führt unter anderen Namen den des „Grossen Buches Sidrä Rabbä" oder direkt die Benennung Ginzä (oder Gensä, die genauere Aussprache des Wortes wissen wir nicht). Sie ist an Umfang also zwar nicht dem Tripitaka der Buddhisten, wohl aber der christlichen Gesamtbibel Alten und Neuen Testamentes, oder dem Avestä der Parsen zu vergleichen. Die Schrift der heiligen Bücher der Mandäer ist für den Semi- tisten so anziehend als ein vielfach hochaltertümliches Altaramäisch, wenn auch mehrere Zeichen, wie die für alle, auch die kurzen, Vokale gebrauchten Zeichen X. \ 1 und > durch den häufigen Gebrauch stark kursiv geworden und verkürzt sind. Interessant isl der Vergleich der mandäischen Schrift als einer ziemlich gleich- altrigen mit der Schrift des Pahlawi (des sassanidischen Mittel- persisch) und besonder- der jetzt wieder entdecklen nianirhäischen. Die in neuester Zeil in Babylonien ausgegrabenen mandäix-hen Schalen zeigen ein sehr flüchtiges Kursiv, noch fluchtiger als das kursive Hebräisch der heutigen .luden ein Zeichen, dass die

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Mandäer in ihrer früheren Zeit sehr viel geschrieben haben. Die Sprache ist ein in der Formenlehre ziemlich altertümliches, in der Syntax reines semitisches Aramäisch, schwierig auch für den mit dem Aramäischen Vertrauten.

Dieser „Schatz", dieses mandäische Ginzä, ist in der Tat für die vergleichende Religionsforschung ein wahrer, aber zum grossen Teile noch ungehobener Schatz, an dem noch lange wird ge- arbeitet werden müssen.

Nur ein paar Worte seien hier über die Komposition des Ginzä gesagt.

Merkwürdig ist, dass es im allgemeinen in der jetzigen An- ordnung seiner vielen Bestandteile von verschiedenem Alter und verschiedenem Umfang so angelegt erscheint, wie die meisten an- deren kanonisch gewordenen orientalischen Religionsschriften, z. B. wie der Koran und schon wie das Neue Testament. Die Schrift- stücke für die letzte, orthodox gewordene Religionsform stehen voran. So wird hier das mandäische heilige Buch eröffnet mit einer überschwänglichen Schilderung des Reiches des Lichtkönigs malkä rabbä di nehörä, also mit Schriftstücken aus der letzten mono- theistischen Entwicklungsstufe der mandäischen Religion, die ohne Zweifel unter dem Einflüsse der umgebenden und herrschenden monotheistischen Religion des Judentums, des Christentums und namentlich natürlich des Islams erreicht worden ist, ähnlich wie beim heutigen Parsismus in Indien. Diese jetzt kanonische Form also steht in ihren Urkunden voran, soll gleichsam dem ganzen Schriftenkomplex, genannt Ginzä, sein offizielles Gepräge verleihen, als wäre es einheitlich und monotheistisch. Die Endredaktion des Ginzä ist also eine ziemlich späte.

Dahingegen sind die alten, rein polytheistischen Vorstellungen, besonders vom Weltanfang und der Weltschöpfung, die unter ein- ander selbst sehr verschieden sind, mitten hinein in die Samm- lung gekommen, als wenn sie versteckt werden sollten. Die Ur- kunden hierfür sind vereinigt in dem grossen Abschnitte, der jetzt der achte des Rechten Teils des Ginzä, ed. Peterm. S. 68—125 ist, und in dem wesentlich drei in Einzelheiten abweichende Berichte zu unterscheiden sind. Zu diesen sehr jungen und den sehr alten

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Bestandteilen kommen nun eine grosse Zahl von anderen ver- schiedensten, nicht genau bestimmbaren Alters, teils reine, teils vermischte Religionselemente bietend, in denen die Bekanntschaft mit dem Judentum und dem Christentum schon in den verwen- deten biblischen Namen zu Tage tritt. Die mandäischen Gottes- gelehrten scheinen überhaupt sehr sammelfreudig gewesen zu sein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass einzelne in das jetzige corpus scriptorum aufgenommene Stücke eigentlich anderen verwandten Religionsgemeinschaften angehören, darunter namentlich auch den Manichäern, worauf neuerdings besonders Pognon aufmerksam ge- macht hat. Direkt erwähnt werden die Manichäer in dem Ab- schnitte über die „falschen Religionen" (G. D. 222 ff.) auf S. 228, Z. 10 ff. als „eine andere Richtung" („Pforte"), die vom Messias ausgegangen ist, und die genannt werden Zandiken und Leute des Mär Mäne (de Mär Mäne), und ibid. Z. 17: „Die Partei. welche Mar Mäne schuf".

Ueberhaupt hat man bei der Analyse der Texte zur Er- forschung der Geschichte der mandäischen Religion, um das jetzt gesammelt Vorliegende zu begreifen, sich stets die geschichtlichen Verhältnisse des Heimatlandes der Mandäer, also Babyloniens. gegenwärtig zu halten. So ergeben sich folgende Resultate :

Die Sprache der Mandäerschriften ist ein Dialekt des Ara- mäischen. Aramäisch war also dementsprechend ihre Muttersprache. Ihre Vorfahren sind in Babylonien eingewanderte Aramäer: von dem Volke der Aramu, das in Mesopotamien nomadisch lebt wie jetzt die Araber lesen wir viel in assyrisch-babylonischen Texten. Die Einwanderer, die natürlich auch schon ihre eigenen religiösen Vorstellungen mitgebracht haben müssen, kommen zu einer Zeit an, wo die hochausgebildete babylonisch-assyrische Volks- und Priesterreligion mit dem assyrisch- !i;ili\ Ionischen Reiche noch in voller Herrschaft steht. Die un- kultivierten Einwanderer erfahren den Einfluss der höheren Kultur dir im Lande Ansässigen natürlich auch in der Religion, wie die Israeliten beeinflusst werden von den Kanaanitern, indem Jahwe die Züge des Baal annimmt, oder wie die Germanen in den römi- schen Ländern da- römische Christentum annehmen. So wird die

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altaramäische Religion beeinflußt worden sein von der alten baby- lonischen. Babylonische Göttervorstellungen und überhaupt baby- lonische Religionsweisheit treten im Gewände aramäischer Sprache auf. Wo es sich um nomina appellativa zur Bezeichnung führen- der Vorstellungen handelt, werden diese aus dem Babylonischen ins Aramäische übersetzt. Es mag hierbei nicht unbeachtet blei- ben, dass selbst auf rein sprachlichem Gebiete das babylonische Aramäisch, wie es im Mandäischen einerseits und im Idiom des babylonischen Talmud andererseits literarisch zu Tage tritt, charak- teristische Eigentümlichkeiten mit der alten babylonisch-assy- rischen Landessprache teilt; man denke nur an die Behand- lung der Gutturale, an den Ersatz der Verdoppelung durch einge- schobenes n im Assyrisch-Babylonischen einerseits und im Man- däischen und Talmudischen andererseits (assyrisch zeru Same wie mandäisch zerä, assyrisch inbu (enbu) „Frucht" cf. mandäisch H2W usw.)!

Daraus erklärt es sich, dass wir als die ältesten Bestandteile des mandäischen Glaubens zwei anzunehmen haben, nämlich

a) das reine altaramäische Element, das noch in den echt aramäischen Eigennamen religiöser Wesen, guter wie böser, (z. B. des Weltschöpfers Petähil) zu Tage tritt;

b) das vorgefundene, einheimische, alte babylonische, aber meistens in aramäischem Gewände, die bezeichnenden Namen übersetzt : Anu = Mänä Rabbä, Marduk = Mandä de hajje u. s. w.

Übrigens hatte die Aneignung der einheimischen babylonischen Religion ihre zeitlichen Grenzen. Die 7 Hauptgötter der Babylonier Sin, Samas, Nabu, Istar, Nirgal, Bei, Kaiwän sind bei den Man- däern zusammengefasst als die „Bösen Siebener" sibjähe, die viel- genannten Urheber aller teuflischen Verführung geworden. Man lehnte also die direkte Annahme der alten Religion ab und machte nach bekannten religionsgeschichtlichen Analogien deren Götter zu Teufeln ganz genau so wie später der christliche Messias ein böses Wesen wurde (Mesihä daggälä, der Lügenmessias).

Dazu kommen Spuren eines dritten Elementes der ältesten Gestaltung, nämlich von indischem Einflüsse in den alten man- däischen Theogonien und Kosmogonien. Ein Beispiel nachher.

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Es folgen nun die Perioden der Beeinflussung des, sagen wir so, heidnischen Untergrundes durch die grossen „Offen- barungsu-Religionen der Umgebung, die jüdische, die christliche und die nationalpersische, ganz spät und zuletzt auch durch den Islam, als das Vorbild des starren Monotheismus.

Der jüdische Einfluss muss als sehr alt und sehr tiefgehend vorangestellt werden. Die Juden Babyloniens. das ja bekanntlich auch nach der sogenannten Rückkehr der Juden aus dem baby- lonischen Exil in geistiger Hinsicht die Hauptprovinz des Judentums blieb, müssen die einheimischen babylonischen Aramäer mindestens in dem gleichen Grade beeinflusst haben, wie sie von ihnen es erfahren haben müssen, wenn man die Fülle der Midrasch-Legenden zu den Personen der biblischen Geschichte und besonders die Menge der jetzt in den jüdischen Engel- und Teufelnamen auf el sich verkörpernden babylonischen Götterpersonen bedenkt. Die Juden Babyloniens sind, und dies möchte ich als ein sehr wich- tiges Analogon hervorheben, für die Babylonier durch Verbrei- tung alttestamentlichen Glaubensstoffes unter ihnen ähnlich wirk- sam gewesen, wie die arabischen Juden in den Jahrhunderten der Zeit vor Muhammed für die Landsleute des Propheten. Und nun erklärt es sich, dass jetzt zunächst als zweite Hauptstufe in der mandäischen Religion diejenige zu erkennen ist, wo die Gestalten und Gedanken der alten Formen unter alttestamentlich-biblischen Namen verhüllt auftreten, wo der erlösende Besieger der Hölle und ihrer Fürsten, der alte babylonische Marduk, als der glanz- volle Hebel (Hibil) mit seinen Genossen Sithil und Anus auftritt u - w. Man bedenke: gerade aus der Nomenklatur der biblischen Urgeschichte der Erde und des Menschengeschlechts sind die betreffenden Namen bei den Mandäern entlehnt (Adam, Hibil, Sithil-Seth, Anü§), und die Hauptprobleme der mandäischen Theo- logie sind gerade Kosmogonie, Theogonie, Anthropogonie.

Indessen einer direkten Bekehrung zum Judentum wider- setzten sich und entgingen bei allen Entlehnungen die babylonisch- aramäischen „Erkenntnisleute" ebenso, wie die vorislamischen Araber. Und das Gleiche muss sich beim Christentum wieder- holt haben, als dieses mit Bekehrungsversuchen an die Mandäer

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herantrat. Diese christliche Mission mag, wie Brandt mit Recht vermutet, am eifrigsten und zudringlichsten von den Nesto- rianern, also vom 5. oder 6. Jahrhundert an, getrieben worden sein, deren energische Propaganda sie bis nach China und an die Küste Indiens geführt hat. Was den jüdisch-babylonischen „Gnosti- kern" von den Figuren der christlichen Verkündigung sympathisch war, wurde angenommen. So besonders die Figur des Täufers Johannes, dessen Taufpraxis mit ihrer masbüthä, dem von ihnen selbst von Alters her geübten Ritus, sofort Ähnlichkeit zeigte, der daher bei ihnen die Rolle eines heiligen Gesetzgebers erhielt und als Johänä Masbänä, der Täufer Johannes, so gefeiert ist. So haben sie aus dieser Zeit der intimeren Bekanntschaft mit dem Christen- tum sogar die altchristliche Benennung der Christen mit Nasaräer (d. i. Nazarener) für die Vollkommenen unter ihnen in ihren Schriften wie im Gebrauche bewahrt. Dahingegen der Name Messias wurde, da sie das Christentum als Ganzes abwiesen, als Mesihä ein verpönter und bezeichnet in ihrem Sprachgebrauch den Geist der Lüge, der mit dem schon vor Alters verworfenen altbabylo- nischen Weisheitsgotte Nabu-Nebo, mandäisch Enbu, in sehr in- teressanter Weise identifiziert wird. Am drastischsten zeigt sich die Zurückweisung des syrischen Christentums und zugleich die einst so starke Berührung mit demselben in der Gestalt der Rühä de kudsä, d. i. sprachlich „der heilige Geist", der bei den Man- däern nach dem Genus des Wortes rühä eine weibliche Figur geblieben und im eigentlichsten Sinne des Wortes „des Teufels Ur- Grossmutter" geworden ist.

Für später begonnen als den jüdischen und auch als den christlichen Einfluss halte ich den gleichfalls tatsächlich vorhan- denen altpersischen. Die mit dem Aufkommen des persisch- nationalen Sasanidenreiches wieder zu neuer Macht und Konzen- tration gelangte alte Religion des Zarathusthra, welche unter der neuen Dynastie und der damals so mächtigen Priesterschaft ein reiches, neues, inneres Leben in einer reichen theologischen Lite- ratur in der Pahlawi-Sprache offenbarte, und mit der der Religions- stifter Mäni den Kampf auf Leben und Tod führen musste, muss natürlich auch von den nichtiranischen, aramäischen Mandäern Baby-

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loniens, dieser persischen Zentralprovinz, in welcher gerade die Residenzstadt Ktesiphon lag, wohl beachtet worden sein. Aber um- fassend war der Einfluss auf ihre Religion so wenig wie auf die Sprache, da das Pahlawi-Element im Mandäischen ziemlich schwach vertreten ist. Immerhin ist der Parsismus aber auf einem und zwar sehr wichtigen Felde des mandäischen Glaubens stark und bestimmend gewesen, nämlich in der Eschatologie, besonders in den Vorstellungen von dem Ergehen der vom Leibe ab- geschiedenen Seele des einzelnen Menschen; wie sie die verschiedenen Wachstationen (mand. matartä) mit ihren darin plazierten Genien und Dämonen des Gerichts zu passieren hat, wovon die vielfach hochpoetischen Hymnen der Seele im zweiten Teile des „Grossen Buches" Zeugnis ablegen.

Interessant als ein Fingerzeig für das Verhältnis zum Parsismus ist die mandäische Figur des Sintflutheros, der in einem besonderen Abschnitt GD 204—213 ed. Peterm. („Buch des Dinanukt") den Namen Dinänükt führt. Diese Namensform würde in der Sprache des Avesta lauten daenänaokhdha und bedeutet etymologisch „der welcher die Befolgung des Heiligen Gesetzes hat", ein Possessiv-Gompositum (bahuvrihi im Sanskrit), also „gesetzestreu", fromm, und ist wohl die persische Übersetzung der alten baby- lonischen Atar-hasis oder Hasis-atra, „der sehr Kluge, Fromme", der Eioovdoo.; des griechisch schreibenden babylonischen Priesters Berossus, begrifflich bekanntlich dem hebräischen Nöh (Noah) entsprechend. Die mandäischen Theologen, die übrigens den biblischen Noah mit seinen drei Söhnen auch recht wohl kennen, wofür der zweite Traktat des Rechten Ginsä der Beleg ist, haben also auch noch die mehr originale Form des Sintfluthelden, die einheimische babylonische, aber durch persische Vermittlung und mit persischem Namen des Helden bewahrt was auch für die Geschichte der persischen Religion sehr wichtig ist. In der Schilderung des Dinanukt G D S. 204 Z. 3 vom Ende ff. heisst es „zwischen lauter Wassern sitze ich, ich, Dinanukt, der Schreiber und Gelehrte, der Schreiber mit der göttlichen Tinte" u - w.; also ein getreues Abbild davon, wie llasisatra mitten im Ozean an dir Mündung der Ströme sitzt. Zugleich aber, sehen

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wir, vereinigt sich die Figur des frommen Sintfluthelden mit einer anderen berühmten alten Figur altbabylonischer Weisheit, der des gelehrten Kenners der göttlichen Geheimnisse von Sippar, des En-me-dur-an-ki (des Hanökh der Hebräer), und bereitet sich die Bildung jener einheimischen (nicht von Plato her importierten) vorderasiatischen, semitisch-persischen Logosgestalt eines all- wissenden, göttlichen Mittlers, heilenden Erretters und Erlösers vor, welcher an der Befestigung des Dogmas von der Gottheit Christi im Volksglauben der Alten Kirche, an seiner Populari- sierung in Ost und West einen so grossen Anteil hat eine Be- stätigung der neuerdings von Jensen und Zimmern aufgestellten religionsgeschichtlichen Theorie.

Die verschiedenen genetischen Elemente des mandäischen Glaubens gerieten nun natürlich in den späteren Zeiten des Ver- falles der einst grossen Religionsgenossenschaft unter einander in Verwirrung , aus der endlich die Lichtkönigslehre als ein vor- bereitender Monotheismus hervorging, bis zuletzt mit dem reinen Monotheismus auch der monotheistische, orientalisch christliche und zugleich islamische Gottesname Alähä (heute nach Siouffi Alöhö, also getrübt, gesprochen) für „Gott" schlechthin zur Herrschaft gelangte, vor dem die reiche alte Welt üppig mannigfaltiger religiöser Figuren bis zur Unverständlicheit und Vergessenheit verblasste.

III.

Aus der reichen Fülle noch dunkler Probleme, welche bei der reichen Fülle des Materials die Erforschung des Mandaismus bietet, greife ich nur einige heraus.

Zunächst eine tGestalt aus der Kosmogonie, und zwar eine Bezeichnung des Urgrunds der Welt.

In der ältesten, noch rein naturalistischen, „heidnischen" Form der mandäischen Weltentstehungslehre, die im Ginzä (ed. Pet.) I. S. 68 ff., enthalten ist, heisst der Urgrund alles Seins, die Urform der Welt und aller Weltbildungsprozesse: Pirä oder Pirat Rabbä. Es heisst 68, 22 : als da war Pirä im Pirä (d. h. nur von sich selbst umschlossen) und als da war Ajar im Ajar. Ajar kann

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nichts anderes sein, als das (im Syrischen so häufige) früh ins Aramäische gedrungene 'Atfg, ..Luft", also der allumfassende Luft- raum als die Urgestalt gedacht; aber was ist Pirä, das also be- grifflich mit dem Ajar identisch ist? Als rein mandäisches Wort angesehen, bedeutet es ohne Zweifel Frucht", sprachlich identisch mit hebräisch "HS peri. Daran ist gar nicht zu zweifeln, nach der Etymologie wie nach mandäischem Sprachgebrauch. Pirä kommt nämlich oft als nomen appellativum für „Frucht" in den mandäischen Texten vor, im Plural pire „Früchte, das z. B. G D 33, 4 mit dem synonymen 'embe, K'OEJ? „Früchte" und 'elane frOjJOJ/ „Bäume" verbunden ist; und GD 26,1,2 heissl es: „gleichet nicht den schlechten Pflanzen, die da Wasser trinken und Früchte, pire, ihrem Herrn nicht geben". So das Sprachliche aber passt die Benennung „Frucht" auch begrifflich? Ist der Name „Frucht", also „Produkt", für die Urform als das Produzierende schlechthin nicht so widersinnig wie möglich ? Sprachlich zulässig wäre auch und begrifflich wohl passend die Erklärung von pirä für perirä „Spalt" von "^E (arab. fagara) genau wie im Mand. K^1!?? „Vieh" zu S"0- wird (GD 33, 5; 12,19) : aber das nom. appel. pirä „Spalt" ist im mand. Wortschatze nicht vorhanden; begrifflich wäre der Bv&ög der Valentinianer oder "Aßvooog (bei Sanchuniathon 'Anaootov ■pi££H) zu vergleichen. Ebenso sind abzuweisen: die Deutung von Pirä gleich hebr. ^X£, „Schmuck" (wie aram. dibä gleich 2XT), vergl. die kabbalistische Sephirah tif'ereth, und von Pirä gleich persischem pir, ..das Alte", die ich in früheren Arbeiten gelegent- lich aufgestellt habe. Es bleibt also bei der Etymologie „Frucht". Brandt erinnert (Mand. Rel. S. 24) an die doketische Lehre Hippolyt, Philosophumena VIII, 8 ff.) „der erste Gott sei wie diis Samenkorn einer Feige", olovst ajceg/ua ovxrjg. Aber wenn auch an sich eine Urform, also auch die der Welt, deren Samen- korn genannt werden kann, so ist dies doch erstens, wie ja auch im Griech. öhvei davor steht, nur ein Vergleich die von Br. herbeigezogenen zahllosen Piräs. welche dann nach der weiteren mand. Lehre aus dem grossen Piro entstehen, sind die phantastische Weiterspinnung des Urgedankens und sodann ist eben das

Charakteristische bei der mand. Vorstellung vom grossen Pirä dessen

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allumfassende Grösse (Pirä im Pirä), für die ein rundes Samenkorn doch keine passende Benennung ist.

Hier scheint mir eine sichere Spur vorzuliegen, die nach Indien weist. Nach altbrahmanischer Lehre ist die Urform der Welt das Goldei, Hiranyagarbha, welches zuerst geschlossen ist. dann aber sich spaltet zu Himmel und Erde. In ihm ruht vor seiner Spaltung Brahma oder Purusha , auch Atman genannt. der Gottesgeist; ganz ebenso ruht und waltet nach mandäischer Theologie in dem räumlich-stofflichen Pirä-Ajar als persönlicher Geist der Mänä Rabbä, der „Grosse Geist der Herrlichkeit", der eigentliche Gott der ältesten Mandäer. Dann rührt also die Be- nennung „Frucht" von der phantastisch so vorgestellten äusseren Gestalt des Urprinzips her, das hier als eine grosse Baumfrucht gedacht wurde, so wie in Indien als eine grosse animalische Frucht. Sachlich kommen wir also auf dieselbe Zusammenstellung, die schon Petermann einst gemacht hatte, der das Pirä mit dem orphischen Weltei verglich. Aber entlehnt kann doch von den Orphikern und ihrer Mysterienlehre, alle Möglichkeit starker Be- kanntschaft mit dem Griechentum auch in Babylonien für die Zeiten nach Alexander prinzipiell zugegeben, die mandäische Vorstellung nicht sein, da der Orphismus in seinem philosophischen Elemente doch ohne Zweifel selbst orientalischen Ursprungs ist. Dagegen liegen die Wohnsitze der Mandäer in Südbabylonien, in der Nähe des persischen Meerbusens, doch den Gestaden Indiens sehr nahe, und auch dorthin, wie nach Süd- und Ostarabien, den Euphrat strom- abwärts, ging ja zum grossen Teil der Handel des alten Babylon. Übrigens tritt das Grosse Pirä als personifiziert, selbständig handelnde Gottheit sehr selten auf (z. B. G D 72, 19 ff., wo es dem „Lebens- geist'', Mandä d,;hajje einen Auftrag erteilt), aber genau ebenso das Hiranyagarbha, das vor dem Weltschöpfer Brahma-Purusha- Atman handelnd zurücktritt. Es wäre nun möglich, noch weiter zu gehen. Die uralte Beeinflussung Indiens in Sachen der Kultur von babylonischer Seite wird jetzt seitens der Indologen auch auf die Religion ausgedehnt, z. B. werden die 7 Aditya's mit Varuna an der Spitze von den babylonischen 7 Planetengottheiten abge- leitet. Dann dürfte man es wagen, in Anbetracht dessen, dass

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doch die Mandäer in Babylonien autochthon sind, und bei ihnen sich die Vorstellung von der Welturform als einer „Frucht" genau ebenso wie dort in Indien als eines Eies findet, zu vermuten, dass diese Idee schon altbabylonisch ist und der esoterischen babylonischen Priesterweisheit entstammt. Bei den Babyloniern ist die Betrachtung und Bezeichnung von Himmelskörpern, z. B. des Mondes, mit Frucht" inbu (enbu), mehrfach zu finden*); sie erscheinen also der Phantasie als Produkte eines früher vorhandenen Weltstoffes, als Gestaltungen desselben.**) Dann hätten also die alten Aramäer schon hier alte babylonische Wörter bei der Entlehnung der Begriffe ins Aramäische direkt übersetzt!

Wir wenden uns nun einem weiteren Problem zu, aber nur um es anzuschneiden; dies sind die mandäi sehen Engel- namen auf el.

Jedermann, der die israelitische Religion kennt, weiss, dass im Alten Testament selbst nur zwei Engelnamen vorkommen. Gabriel und Michael, und diese in dem nach seiner Entstehung späten Buche Daniel ; dazu Rafael in dem apokryphen griechischen Tobit; man kann auch getrost noch den cAzäzel in Levit. 16 hin- zuziehen. Man weiss ferner, dass das spätere Judentum schier un- unzählige Engelnamen, meist auf el, hat, von denen die Pseud- epigraphen (z. B. das Buch Henoch) und die Literatur des eigent- lichen nachchristlichen Judentums geradezu wimmeln. Neuerdings hat ein jüdischer Gelehrter, der um die jüdische Theologie hoch- verdiente Moi'se Schwab in Paris, ein eigenes Lexikon der Ange- lologie in seinem fleissigen Vocabulaire de l'angelologie, Paris, 1897

*) Auf diese wichtige Tatsache machte mich Herr Prof. Hommel in der Diskussion nach dem Vortrage freundlichst aufmerksam, wofür ich ihm noch hier bestens danke.

**) Wenn der Vergleich nicht als trivial erscheinen sollte, mochte ich als sehr modernes Zeugnis für die gleiche volkstümlich-naive Auffassung des Mondes zitieren die Worte der Parodie des Richard Wagner'schen Tannhäuser- Textes:

Guter Mond, du gold'ne Zwiebel, Ach wie seh ich dich so gern 1 Und auch du bist gar nicht übel, Hochgepriesener Abendstern. M.-ui verzeihe!

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zusammenstellen können. Woher stammen diese Engel- namen? Bestimmter gefragt: Woher haben sie die Juden entlehnt, von denen sie dann weiter zu den orientalischen Christen (man denke an die „Schatzhöhle" und das „Buch der Biene" bei den Syrern) und zu den Muhammedanern gelangt sind? Schon der Talmud sagt an einer bekannten Stelle: „Die Namen der Engel kamen herauf von Babel".

Dies bedeutet das Eingeständnis der offiziellen jüdischen Theologie, dass dieses nicht unwichtige Element in ihr der Be- rührung mit Babylonien, die durch das Exil bewirkt wurde, ent- stammt. Sehen wir uns nun also auf babylonischem Boden um, wo da in erhaltenen Schriftdenkmälern solche Namen von guten und bösen Engeln zu finden sind, so kommen wir sofort auf die Mandäerschriften. Sie wimmeln von Namen guter und böser Wesen, von Engeln und Teufeln, viele mit der Endung el (in mandäischer Orthographie v1]?), viele ohne diese. Im Ginza, rechts, S. 167 Z. 9 16 steht ein Haufen von Namen auf el zusammen. Die Mandäer haben also z. B. Daniel, Azaziel, Tawriel, Sauriel (Namen des mand. Totenengels ), Sarhabiel, Takfiel, Margaziel, Urfiel, Markiel, Hananiel, Haihel, Karbiel, Nuriel, Nuriaiel u. s. w. Mengen von Engelnamen ohne el begegnen einem auf den mandäischen Schaleninschriften, die neuerdings Pognon und Lidz- barski veröffentlicht haben; man sieht an ihnen, welche Figuren bei der niederen Volksklasse üblich, also besonders populär waren. So also Azdai, Jazdün, Jakrün, Haldas, Taklath, Zarne (die drei letzten als „Nachtgeister" lelithä bezeichnet), Tebak, Nebat, Nesab (bei Siouffi, Religion des Soubbas, Paris, 1880, S. 39), Tor, Zehir neben Zahrün u. s. w.

Seinerzeit hat bekanntlich Kohut in seiner verdienstlichen Arbeit über die jüdische Angelologie die jüdischen Erzengel mit den persischen Amesaspenta's verglichen. Der unbestreitbare persische Einfluss auf die jüdische (ebenso wie auf die mandäische) Eschato- logie und damit auch die Angelologie, muss sich gewiss in der Übertragung von Funktionen von den persischen Engeln und Grossengeln auf die jüdischen geäussert haben, unerklärt bleiben

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aber die semitischen Namen der jüdischen (christlichen, islamischen! Engel. Zu deren Erklärung führen uns nun meines Erachtens die mandäischen Namen auf den rechten Weg. Man streife nur die Endung el ab und sehe, was dann von den jüdischen Engelnamen bleibt. Ebenso wie diese Silbe el (natür- lich der alte semitische Gottesname El, den auch die alten Araber als il und die Babylonier-Assyrer in ihrem ilu haben) als Endung in solchen Namen verwendet erscheint, kommt sie auch als Vor- satzsilbe in jüdischen u. s. w. Engelnamen vor, und die Juden verwenden auch ihren heiligen Gottesnamen abgekürzt zu oder Jfi als erstes Glied des neuen Namens eines heiligen Wesens.

Der jüdische Engelname Uriel führt uns nach Abstreifung der Endung auf den wohlbekannten mandäischen Ur, den bösen Sohn der Anhä. Durch die Endung el wurde er geheiligt.

Die Juden haben einen Engel Tomiel ^"'HlII, Schwab, Dictionn. S. 263, den Schutzgeist der Wöchnerinnen. Dazu ver- gleiche man den Engel El-taum, der in der manichäischen Legende dem Man! den Befehl öffentlich aufzutreten übermittelt. Hier ist das El umgestellt, an den Anfang. Das Taum, vom Araber im Fihrist mit elkarin, der Genosse gedeutet, ist das aramäische (syr. tämä, hebr. teöm, assyr. tu'ämu) Wort für „Zwilling", hier rbrü- derlicher Genosse", cf. der Name Biofjuag.

Wir haben also die Grundformen dieser Engelnamen auf el, die die Juden durch Ausbeutung auf iel möglichst hebräisch und den alttestamentlichen analog gestalten, in der babylonischen Landes- sprache zu suchen und kommen da zumeist auf aramäische Sprach- gestaltung; z. B. durch das mandäische Takfiel oder vielmehr Takfeil auf aramäisches f]pD -stark sein". Diese Etymologie der Engelnamen und die durch sie ermöglichte Aufdeckung des alten aramäischen Religions-Elements ist ein noch unerforschtes Gebiet, auf dessen Wichtigkeit hier nachdrücklich hingewiesen sei.

Zu den so den alten eingewanderten Aramäern zu vindizie- renden mandäischen heiligen Namen rechne ich auch die zwei bekannten Petahll, Name des Weltschöpfere in der älteren mand. Stufe, und 'AzazeL Petahll kann recht gut die aram. Übersetzung von babylonisch Bab il sein; der Name der alten Metropole, die

Prof. Dr. K. Kessler. 257

später vom Boden verschwunden und vergessen worden ist, wurde bei den Mandäern zu dem eines uralten mythischen Wesens, des personifizierten Weltanfanges. Der berühmte und noch so dunkle yTSTJ? des hebr. Versöhnungsfest - Rituals, den auch die Mandäer haben, zeigt sich für mich schon durch die aramäische Schreibung des ä durch 5< zwischen den beiden T Zajin als sehr alte Entlehnung und als ein göttliches Wesen der aramäischen Babylonier, welches die unter ihnen ansässigen babylonischen Juden (wohl wegen seines hohen Ansehens bei den Eingeborenen) zum Hauptrepräsentanten des Heidentums machten. Ein Aziz, das männliche Pendant zur arabischen arUzzä (Femininum des Elativs al'a'azzu) ist als nordmesopotamischer und aramäischer Gott bezeugt.

Am deutlichsten scheint mir der Gang der religionsgeschicht- lichen Entwicklung eines Engelnamens erkennbar zu sein bei dem wohl berühmtesten, und das ist Gabriel.

Die Juden verstehen diesen Namen natürlich aus dem Heb- räischen als „Mann" oder „Held Gottes". Aber er ist gewiss bei ihnen nicht zu Hause, er ist nur hebraisiert. Meines Erachtens muss es schon auffallen, dass der Name bei den Arabern Gibräil (dann verkürzt Gibril) lautet. Woher haben die Araber diese Ver- änderung des Namens in den Vokalen gegenüber der hebräisch- jüdischen Form? In den jetzt fragmentarisch wiederauftauchenden Fragmenten der manichäischen Originalliteratur kommen auch die drei semitischen Engelnamen Gabriel, Michael, Rüfäel vor, bei Gabriel wird aber geschrieben Gabräfl 7>iK123. Sollte dies bloss lautliche Nachbildung nach dem ä in Michail und Rüfäel sein? Gewiss nicht! Hier tritt der alte aramäische status emphaticus auf ä zu Tage und wird das seiner Herkunft nach dunkle Wort auf den Boden versetzt, dem es sprachlich entstammt, auf ara- mäischen. Denn nur im Aramäischen ist ja gabrä „Mann" das sprachgebräuchliche, gemeinübliche Wort für diesen Begriff, nicht im Hebräischen. Dann ist aber auch das mandäische T*]H2XJi auszusprechen Gabreil, und so die ebenso geschriebenen anderen mandäischen Engelnamen auf s^ty; das e ist die verfärbte (arabisch 'imälah) Aussprache des alten reinen ä, entstanden wohl durch die Nachbarschaft des i von iL Gabreil

Kongressbericht. 17

258 IV. Sektion.

ist bei den Mandäern aber ganz etwas anderes als bei den Juden, nämlich ein Weltschöpfer, ein Demiurg; der als G. äelihä, G. der Apostel, auch G D 93, 21 den Auftrag zur Weltschüpfung von den grossen Göttern der Lichtwelt erhält, und von dem es 13, 7.8 heisst: „Gabreil richtete den Himmel in die Höhe und spannte Jhn aus, verdichtete die Enden zum Erdkreise und stellte sie fest". Die naturalistische Form einer Religionsvorstellung, ebenso wie eines religiösen Gebrauches (cf. die mandäische Taufe) ist immer das Prius, also ist der mandäisch-aramäische Gabriel die ältere Gestalt, der jüdische die jüngere. Man beachte, in der jüdischen Theologie ist Gabriel ein vorwiegend böser Engel, der z. B. den Nebukad- nezar gegen die heilige Stadt Jerusalem geschickt hat ein wichtiger Fingerzeig auf die babylonische Herkunft! Wir gehen aber weiter. Im Eingange des Kolastä der Mandäer ist die Rede von einem göttlichen Wesen Gabrä Kadmäjä, d. i. der „Urmensch", der „Erste Mann"; mit diesem „Gabrä" scheint das Gabrä in Gabrä— il identisch zu sein. „Mann" aber heisst im Babylonisch- assyrischen Amelu, und unter den zehn sogenannten Urkönigen Babyloniens bei Berossus steht als dritter (nach Adajiagog wie statt AkamxQos zu lesen, d. i. der Adapa des babylon. Mythus) ein A/ajXcov Amelon, worin natürlich jenes bekannte babylon. -assyrische Wort steckt; also Amel on vielleicht = amel-Anu, Mann des Anu? Also die Gestalt des christlichen Engels Gabriel ragt mutatis mutandis wahrscheinlich, religionsgeschichtlich angesehen, über die mandäische Mittelstufe hinweg bis hinauf in das babylonische Altertum ! Die Aramäer Babyloniens haben den alten Namen übersetzt und ihn so für alle Zeit der „Offenbarungsreligion" über- wiesen. — Das so häufige el der Endung scheint übrigens das phonetisch gelesene alte babyl. -assyrische Sinnesdeterminativ der Gottheit, phonetisch ilu, zu sein!

Endlich noch die kurze Bemerkung, dass ich das mandäische Sakrament, das stets verbundene Pehtä (d. i Bissen, heiliges Brotj und Mambuhä (d. i. Quelle, fliessendes Wasser) und Masbütha d. i. Taufe, mit Brandt lür durchaus naturalistischen Ursprunges haltt- als Reflex des uralten Ea-Kultus. Die Wohnsitze der Mandäer und die Zentrale der Verehrung des alten Gottes der Meerestiefe

Prof. Dr. K. Kessler. 259

und des tiefsten Wissens, Ea, die Stadt E-ridu (heute Abu sahrain) liegen ja auf demselben südbabylonischen Boden. Es sind „Lebens- brot" und „Lebenswasser" in dem bekannten Adapa-Mythus ; (ob- gleich Adam, falls dies nicht rein semitisch „der Denkende" d. i. der Mann bedeutet, cf. adim „Leder" [arab.] und vir von der W. vr bedecken). Adapa ist der Urmensch des Ea und seines Kultuskreises, heilig sind den Babyloniern auch die Ströme Eufrat und Tigris. Dass die christliche Taufe und das christliche Abend- mahl in letzter Linie auf diesen uralten Brauch zurückgeht, den erst die autochthonen Mandäer seit Jahrhunderten bewahrten, und nach dem auch eine ostjordanische Sekte des 5. Jahrhunderts Maoßcoßaloi bei Hegesippus u. m. heisst, halte ich mit Zimmern für sehr wahrscheinlich. „Ich bin das Brot des Lebens" und „wen dürstet, der komme her und trinke", sodann das „lebendige Wasser" im Ev. Joh. 4 (Gespräch Christi mit der Samariterin), diese neu- testamentlichen Stellen sind auch wohl zu beachtende Spuren für das Bekanntsein babylonischer Ideen im heiligen Lande.

Und so scheiden wir jetzt von diesen „Mandäern", die sich noch heute „Täufer", arab. Subbä', nennen, mit Dank für die errores, die „Irrtümer" der Ketzerei, die sie in heiligen Büchern und Gebräuchen als die vermeintlichen discipuli S. Ioannis Baptista?, nach dem Ausdruck der alten christlichen Missionare des 17. Jahr- hunderts, dem Religionsforscher aufbewahrt haben. Denn sind sie auch keine christlich Getauften, ihr „Taufschein", dieses Wort im Sinne von „Altersattest" zu gebrauchen, reicht weit hinauf ins vorchristliche babylonische Altertum.

Die Diskussion wird von Herrn Prof. Hommel benützt.

17*

260 IV. Sektion.

Prof. Dr. Ives Curtiss (Chicago)

Der Ursprung des Opfers bei den Semiten, dargelegt auf Grund von Forschungen unter Syrern und

Arabern.

Wenn ich nachstehend den Ursprung des Opfers bei den Semiten darzustellen unternehme, so beruhen meine Aufstellungen auf Tatsachen, die ich im Lauf von fünf Sommern durch persön- liche Befragung von Syrern und Arabern überall in Syrien, teil- weise auch in Palästina und dem Hauran gesammelt habe. Zu- nächst suchte ich den Hergang bei den einzelnen Opfern festzustellen, dann von da her auf das Motiv des Opfers zu schliessen und dann kurz zu erwägen, ob diese Motive der Urzeit entstammen.

Wenn man nach dem Ursprung des Opfers bei den Semiten fragt, dann darf man zweierlei nicht aus den Augen lassen: dass der Mensch unter sehr einfachen und rohen Verhältnissen lebt, und dass ihm ein göttliches Wesen gegenübersteht, das er sich seinem Verständnis und seinen Bedürfnissen beim Kampf ums Dasein entsprechend zurechtgemacht hat.

Der Naturmensch, er heisse Semit, Afrikaner oder Südsee- Insulaner ist sich seiner Hilflosigkeit wohl bewusst. Verheerende Stürme, Dürre, Armut, Krankheit, Tod wie alle andern Uebel werden ohne weiteres einer göttlichen Macht zugeschrieben, es sei der höchste Gott oder einer der unzählbaren bösen Geister. Dafür kann ich mich, ganz abgesehen von meinen persönlichen Erleb- nissen, auf die Angaben verschiedener moderner Reisender berufen. Die Welt eines solchen Menschen ist nicht nur bevölkert mit seines- gleichen, sondern auch mit schadenbringenden Wesen, die entweder überwunden oder besänftigt werden müssen. Daneben gibt es gött- liche Wesen, die man um Hilfe anruft: etwa die Ahnen gewisser Stämme und Clans oder andere Wesen. Die Religion beruht durch- weg auf der Furcht vor bösen Geistern oder auf der Erkenntnis, von einem göttlichen Wesen abhängig zu sein. Das Opfer, es

Prof. Dr. Ives Curtiss. 261

bestehe, worin es wolle, stellt die Zahlung für die erlangte Hilfe dar.

Bei meiner Erörterung berücksichtige ich die biblische Opfer- theorie überhaupt nicht. Wir haben es unsererseits mit einer älteren und zwar prähistorischen Gestalt der Religion zu tun. Diese existiert zweifellos noch heute, nicht nur bei den Semiten, sondern bei allen Urvölkern, so weit deren Geistesleben bis heute im wesent- lichen nicht alteriert worden ist.

Ich zähle zunächst einige typische Fälle auf, in welchen Syrer und Araber die Hilfe eines Gott untergeordneten göttlichen Wesens anrufen:

1) Ein elementares Ereignis gilt als übernatür- lichen Ursprungs, und zwar von einem erzürnten Weli herrührend. So war es bei einem Fall, der die Wasserleitung der von sechstausend Einwohnern, darunter auch Mosleme und Christen verschiedener Denominationen, bevölkerten Stadt Nebk in der syrischen Wüste betraf. Die Stadt bezieht ihr Wasser aus einem an einem Bergabhang angeordneten, etwa einen halben Kilo- meter von der Stadt beginnenden Brunnensystem. Die einzelnen etwa drei Meter tiefen Brunnen sind der Reihe nach unter einander verbunden. Aus dem untersten fliesst das Wasser in ziemlich starkem Strom ab. Am Ausfluss des Stroms befindet sich der Makäm des Weli. Nun kam eine Zeit ungewöhnlicher Niederschläge. Dreimal wird das aus fünfzig bis hundert Brunnen bestehende System zer- stört. Wer ist schuld? Mosleme wie Christen schreiben das Unglück dem Zorn des Weli zu. Das den Makäm durchfliessende Wasser war zum Baden benutzt, mithin ersterer verunreinigt worden, ferner war ein Leichnam zwischen den Brunnen hindurchgetragen worden, wodurch ebenfalls das Wasser verunreinigt war; vor allem aber hatte man versäumt, dem Weli Opfer zu bringen. Um ähnliche Unfälle fortan zu verhindern, wurde, nachdem die Reparatur zum drittenmal vorgenommen worden war, eine Anzahl von Schafen geopfert.

2) Gott oder irgend ein geistiges Wesen gilt als Urheber der Armut, schwerer Geburten, tödlicher Krankheiten. Wenn eine Frau kinderlos ist, so ist das nicht

262 IV. Sektion.

allein eine Schmach, sondern es kann auch Scheidungsgrund sein, wenn nicht der Mann es vorzieht, eine zweite Frau zu nehmen Ihr Gebrechen auf physische Gründe, die etwa durch ärztliches Eingreifen behoben werden könnten, zurückzuführen, fällt ihr nicht ein. Vielmehr hat ein übelwollendes göttliches Wesen sie unfrucht- bar gemacht (vergl. Gen. 16, 2: 20, 13; 30, 2; 1. Sam. 1, 5 f.). So geht sie zu dem Nebi oder Weli, von dem sie Hilfe erwartet, und gelobt ihm, falls er ihr einen Knaben beschert, ein Schaf, eine Ziege oder dergleichen. Vielfach betrachtet sie ihn ohne weiteres als Erzeuger ihres Sohnes. Ihm bezahlt sie ihr Gelübde, und sein Anspruch auf die Vaterschaft wird auch durch gewisse Symbole zum Ausdruck gebracht.

Ein Weib befindet sich wie das des Pinehas (1. Sam. 4, 19 f.) in schweren Kindesnöten. Nun gilt Mär Dschirdschis viel- fach in Syrien als ebenso mächtig wie Gott ; so sagt ihre Schwester vielleicht in ihrer Angst: „Heiliger Georg, wenn du Maria aus ihrer Not erlöst und ihr einen Knaben bescherst, dann soll er dir gehören!" Ein Knabe wird geboren. Wenn er zuerst auch anders genannt wird, so empfängt er über kurz oder lang den Namen : Du gehörst dem heiligen Georg! Wenn er zwölf Jahre alt ge- worden ist. dann zieht die gesamte Familie, die alte Grossmutter nicht ausgenommen, mit ihm nach dem Georgkloster in Nordsyrien, woselbst der Abt ihm das Haar schert und der Vater eine Summe Silbers als Lösegeld für ihn bezahlt.

Ein Kindchen ist. vielleicht durch grobe Fahrlässigkeit der Mutter, dem Tode nahe gekommen. Die Mutter sieht aber in der Krankheit lediglich eine Heimsuchung Gottes oder irgend eines feindselig gesinnten Wesens.. Wieder wird einem Weli, wenn er Heilung beschert, eine Gabe versprochen. Eine Moslemin gelobt wohl, das Kind im Fall der Genesung taufen zu lassen.

Ein Araber ist in augenscheinlicher Todesgefahr. Medizin würde leicht Abhilfe schaffen, aber seine Frau hält natürlich einen Feindlichen Geist für den Urheber. So nimmt sie ihr Töchterchen, führt es dreimal um das Lager und spricht: „0 Azabi, wenn du meinen Galten reitest, dann will ich diese meine Tochler dir zur Braut geben, wenn sie mannbar geworden ist!" Der Mann genest;

Prof. Dr. Ives Curtiss. 263

die Tochter aber wird, wenn sie ein Alter von dreizehn oder vier- zehn Jahren erreicht hat, in bräutlichem Schmuck dem Heiligtum des Azabi zugeführt, wo sie die Frau eines seiner Abkömm- linge wird.

3) Gott sendet eine Seuche, die durch Dazwischentreten des Weli beseitigt wird. In Tiberias wütet die Cholera. Wilde Ge- rüchte erregen die Araber der Umgegend. Ein Stammgenosse ge- denkt des gemeinsamen Ahnen, dem man wohl ab und an Opfer gebracht, aber nie einen Makäm erbaut hat. Wer soll bei dieser göttlichen Heimsuchung anders ihr Freund sein als der Ahne? Wer sollte Fürbitte einlegen, wer sie schützen, wenn er es nicht tut? Daher suchen sie seine Gunst zu gewinnen durch einen neuen Makäm. Sie schlachten Schafe vor demselben, besprengen seine Front mit dem Blut und bitten ihn um Vergebung.

Ein Dorfschech aus dem Hauran hat auf der Eisenbahn von der Cholera erzählen hören. Er schläft ein. Im Wachen hatte er, zwischen Furcht und Hoffnung schwankend, nur auf Ahmed el- Bedawi geschaut, dessen Heiligtum unweit seines Hauses steht. Er träumt. Die Cholera dringt unwiderstehlich vor. Aber Ahmed el-Bedawi erscheint. Mit langer Lanze treibt er den Feind in rasender Flucht zurück und verheisst dem Schech, die Cholera werde sein Dorf nicht berühren. Er erwacht, erzählt seinen Traum, und am nächsten Morgen zieht das ganze Dorf zum Heiligtum des Ahmed el-Bedawi, um ihm ein Opfer aus der Herde darzubringen, ihn zu versöhnen und die Cholera fernzuhalten.

4) Von den Bewohnern neuer Zelte und Häuser, von Bemannung und Fahrgästen neuer Schiffe wird durch Opfer Gefahr abgewandt.

Ein Beduine will ein neues Zelt, sein „Haarhaus" errichten. Mit unsäglichen Mühen hat die Beduinin die langen Streifen schwarzen Tuches in der Einöde gewoben. Nun will man das Zelt beziehen ; aber in menschlichen Wohnstätten wohnen nicht allein Menschen. Andere Wesen dringen in Zelte, Höhlen, neue Häuser ein. Sie können den geliebten Sohn, ein anderes Familien- glied zu Tode bringen. Um solches Unglück abzuwenden, bedarf es eines Mittels: bei Errichtung des neuen Zelts Opfer darzu-

L'64 IV. Sektion.

bringen, wie der syrische oder arabische Städter vor dem Einzug in ein neues Haus ein Tier schlachtet, um vor Unglück bewahrt zu bleiben.

Im Hafen von Dschüne bei Berüt ist etwa ein Schiff fertig zum Stapellauf. Aber es gibt viel „schlechtes" Wasser, das von Gott oder einem feindlichen Wesen herrühren kann (Jona 1, 4). Daher bringt man ein Schaf, legt seinen Hals auf das Fahrzeug und schneidet ihm die Kehle durch, so dass das Blut ins Wasser rinnt. Der Kadaver wird ins Wasser geworfen oder den Armen gegeben. Das ist ein Opfer an Mär Dschirdschis, den Geleitsmann der Seeleute.

5) Opfer der Araber an einen Stammgott beim Auszug in die Schlacht. Die Rüala, ein Unterstamm der Aneze, befinden sich am Vorabend einer Schlacht. Morgen will man einen Beutezug gegen einen andern Stamm machen, hunderte von erbeuteten Kamelen dem eigenen Besitz hinzufügen. Vorher aber geht eine religiöse Zeremonie. Vertreterin des in den Streit ziehenden Stamms ist die Tochter oder Schwester des Schech. Sie ist geschmückt, damit sie allen Kriegern wohl gefalle. Sie sitzt auf einem Kamel unter einem Baldachin. Das Kamel aber ist mit dem Blut eines Abu ed-Duhür, dem Ahnen des Stammes darge- brachten Opfertieres besprengt. Ei- soll vor ihnen hergehen und für sie streiten.

6) Opfer für Pilger.

Eine Karawane tritt eine Wüstenreise an. Da droht Gefahr vom Wassermangel, von lauernden Räuberbanden. Es ist ein Wagestück, dessen Ausgang vorher nicht zu berechnen ist. Man geht daher zum Makäm und gelobt dem Weli für den Fall glück- licher Heimkehr ein Opfer, das dann bei der Rückkehr darge- bracht wird.

Von den beigebrachten Fällen haben wir nun auf den Ur- sprung des Opfers zu schliessen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass alles Unglück irgend einer übernatürlichen Gewalt zugeschrieben wird: es sei Gott oder ein böser Geist. Um Hilfe zu erlangen, ^ehen freilich die Leute, soweit meine Beobachtungen reichen, nur zu den Welis. Auf drei fache Weise kann nun das drohende Uebel

Prof. Dr. Ives Curtiss. 265

beseitigt werden: entweder man veranlasst Gott oder den bösen Geist, seinen Sinn zu ändern ; oder man besiegt das feindliche Wesen. Letzteres wird den Nebis oder Welis überlassen. Zu ihnen geht immer der Araber oder Syrer in seiner Not, von ihnen erhofft er Hilfe und zwar durch Vermittelung derselben oder durch ihre persönliche Tätigkeit. Wenden wir das nun auf die vorgeführten Fälle an:

1) Ein Weli versucht die Wasserversorgung einer Stadt zu stören, wie man aus der dreimaligen Dürre ersieht. Das Gelingen dieses Plans bedeutete den Niedergang eines grossen, blühenden Gemeinwesens. Daher suchen ihn die Einwohner zu besänftigen und seine verletzte Ehre durch Opfer wieder herzustellen. Man geht dabei von dem reinen Geschäftsstandpunkt aus. Man sagt zu dem Weli, dessen Makäm sich am Ausfluss des Wassers befindet: Zur Sühnung der dir widerfahrenen Vernachlässigungen und Beleidi- gungen schneiden wir diesen Schafen den Hals ab.

2) Eine feindliche Gewalt hindert eine Frau am Mutterwerden, oder wenn die Stunde der Geburt gekommen ist, droht sie ihr oder dem Kind das Leben zu rauben, sucht einer Mutter den Sohn, dem Beduinen seine Gattin zu nehmen. Auf jeden Fall wird mit dem Weli ein Geschäft gemacht, wobei ein Schaf oder Geld oder ein Mädchen als Preis gezahlt wird. Der Weli soll etwas tun und muss dafür seinen Lohn empfangen.

3) Gott sendet die Cholera. Der Weli hat darauf zu achten, dass sie nicht kommt, und wird für seine Mühewaltung belohnt.

4) Die den Bewohnern neuer Häuser oder Seeleuten oder Fahr- gästen neuer Schiffe drohende Gefahr erscheint den Leuten so hand- greiflich, dass an vielen Orten des Landes, in der Wüste und viel- fach auch an der Küste Opfer dargebracht werden, gleichsam als Versicherungsprämie, um das Leben der Leute vor dem 'Afrit oder göttlicher Heimsuchung zu bewahren.

5) Die Opfer an den Kriegsgott dienen dazu, sich seine Hilfe in der Schlacht zu sichern. Das Opfer stellt den für diese Hilfe gezahlten Preis dar.

6) Das dem Weli für glückliche Heimkehr von einer Reise dargebrachte Opfer basiert auf dem Brauch, der Eskorte, die einen

266 IV. Sektion.

Reisenden durch eine unsichere Gegend geleitete, eine Medschidie täglich zu zahlen.

Aber sind wir denn sicher, dass diese Theorie der Zahlung für geleistete Dienste von Anfang an bei den Semiten mit dem Opfer verbunden war? Für die aufgezählten Fälle ist sie jedenfalls charakteristisch; sie entspricht aber überhaupt der Denkweise kul- turell tiefstehender Menschen. Der Naturmensch fühlt, dass er ohne die Hilfe einer höheren Gewalt nicht existieren kann, dass er sich diese Hilfe aber durch eine Gabe verschaffen muss. Worin diese Gabe besteht: es sei ein Menschenleben, wie bei wilden Stämmen, oder ein als Ersatz dafür dargebrachtes Tierleben, das interessiert uns hier gar nicht. Wir haben nur zu fragen: Warum opfert der Semit noch jetzt? Kann der Vorfahr des heutigen Syrers oder Arabers naiver in dieser Hinsicht gedacht haben als dieser selbst?

Mit apodiktischer Sicherheit kann diese Frage nicht beant- wortet werden, aber meines Erachtens doch mit entschiedener Wahrscheinlichkeit. Wie wir sahen, fühlt sich der Naturmensch von feindlichen Gewalten umgeben. Ist aber das richtig, und glaubt er zugleich an eine höhere Gewalt, etwa einen abgeschiedenen Vorfahr, dann liegt nichts näher, als letztere um Hilfe anzugehen. Aber auch unter den rohesten sozialen Verhältnissen geschieht nichts umsonst. Es muss dafür bezahlt werden.

Es sei mir gestattet, an dieser Stelle einiges Material von anderen, zum Teil wilden Völkern heranzuziehen; dasselbe hat sich mir ungesucht ergeben und beruht zum Teil auf noch un- publizierten Berichten eines mir bekannten Reisenden, des Herrn W. E. Geil, zum Teil auf anderen Quellen wie Angaben Stanleys.

1) Feindlich gesinnte Mächte müssen begütigt werden. Stanley berichtet über die Wahuma in Afrika, die er für religionslos hält: Sie glauben entschieden an das Dasein eines in Mannesgestalt verkörperten bösen Prinzips, das an unbewohnten I toten wie bewaldeten dunklen Niederungen oder sumpfigen Rohr- dickichten sich aufhält, das aber durch Gaben günstig gestimmt werden kann. Zu diesem Zweck legt der glückliche Jäger ein Stück Fleisch, wie man es wohl einem Hund zuwirft, oder ein Ei, eine kleine Banane, ein Ziegenfell an der Tür der Götzenhütte, wie

Prof. Dr. lves Curtiss. 267

man sie am Eingang der Zeiba findet, nieder. Hier wie bei dem rohen Semiten findet sich die Furcht vor einem feindlichen Wesen, das durch ein Stück Fleisch oder durch Niederlegung eines Ge- schenkes an seinem Makam begütigt werden muss.

Geil erzählte mir von seinen Beobachtungen in China: Der Katschin ist sehr abergläubisch. Er glaubt an einen grossen Geist, den Schöpfer aller Dinge. Dieser erhält alles und ist gütig, hat sich aber in das Land der Geister zurückgezogen und kümmert sich nicht um die Katschin, so dass diese sich auch nicht um ihn zu kümmern brauchen. Alle andern Geister sind boshaft und daher gefürchtet, besonders die des Gewitters. Man opfert lediglich aus Furcht und Dankbarkeit. Hier wie bei den Syrern herrscht der Gedanke vor, dass Gott soweit entfernt ist, dass er für das tägliche Leben nicht in Betracht kommt. Folglich fällt dem bösen Geist <lie Gabe zu. Man kann hieran recht ermessen, wie viele Punkte der Religionsgeschichte noch der Aufklärung bedürfen.

2) Verstorbene Könige werden in Afrika durch Menschenopfer geehrt. Missionar Dr. Wright, jetzt in Nablus. früher in Afrika, teilte mir mit, dass die Könige von Uganda nach ihrem Tode göttlich verehrt werden. Man glaubt an einen im Viktoria Nyanza wohnhaften grossen Geist. Aus diesem Geister- kult folgt auch die Anbetung des Geistes eines verstorbenen Königs. Man geht zum Grabe des Königs, über dem sich ein Haus be- findet. Der Palast des Königs wird sein Heiligtum. Von Zeit zu Zeit werden Menschenopfer dargebracht. Auch hier findet sich der eine grosse Geist, die Anbetung des abgeschiedenen Königs, ent- sprechend der des Araberschechs in gewissen Fällen, ebenso ein Gegenstück zum Makäm, ferner das Menschenopfer beziehungs- weise die vielfach zu beobachtende Hingabe der Persönlichkeit: wahrscheinlich die älteste Gestalt des blutigen Opfers bei den Semiten.

3) Durch Opfer sichert man sich das Gedeihen von Herden und Feldern.

Ueber die Sudanesen berichtete mir Missionar Giffen folgendes : Sie glauben an einen grossen Gott, den Schöpfer aller Dinge, und an einen Halbgott oder Propheten, der unter dem grossen Schöpfer alle Dinge zum guten oder schlimmen leitet. Dem grossen Schöpfer

26S IV. Sektion.

opfern sie wahrscheinlich nicht, kümmern sich auch sonst wohl nicht um ihn, wohl aber werden dem Halbgott namens Nik-kanga durch seine von ihm abstammenden Priester Opfer dargebracht. Dadurch sucht man Regen zu erlangen und das Wachstum der Herden zu sichern. Auch bei den Syrern stammt oft die Priester- familie von dem vom Schöpfer zu unterscheidenden Nationalgott ab.

4) Opfer für Häuser und Schiffe.

Wenn auf den Südseeinseln ein Häuptlingshaus errichtet werden soll, werden an den Ecken tiefe Löcher gegraben, in welche je ein Mann hinabsteigt, um die Eckbalken mit den Armen fest- zuhalten, worauf das Loch über ihm zugeschüttet wird. Durch dies Menschenopfer soll dem Hause Festigkeit verliehen werden. Auf einer andern Südseeinsel werden die Türpfosten heilig gehalten, weil sie auf den Leibern geopferter Menschen ruhen. Zum Jahres- beginn opfert man in der Provinz Szetschuen in China unmittelbar vor der Vordertür jedes Hauses einen Hahn, mit dessen Blut man die Schwelle besprengt, um böse Geister fernzuhalten.

Bei dem Stapellauf eines Schiffes gilt auf einer Südseeinsel folgende Sitte: Wenn das Kanu eines grossen Häuptlings vom Stapel läuft, dann werden die Leiber lebender Menschen als Rollen benutzt. Das Geschrei der unglücklichen Schlachtopfer wird durch wildes Geheul der Schiffsbauleute übertönt. Beim Ablauf eines Boots pflegen die Chinesen ein Huhn zu schlachten und mit Blut und Federn desselben den Bug des Fahrzeuges zu beschmieren. Vergleicht man die in Syrien üblichen diesbezüglichen Bräuche damit, so sind diese Fälle höchst instruktiv. Sollte nicht das Menschenopfer tatsächlich eine ursprünglichere Gestalt des Opfers darstellen als das Tier- oder Geflügelopfer? Aus den vier Gruppen von Beispielen, wie sie sich mir ungesucht ergeben haben, können wir auf die Bedeutung ähnlicher Züge der syrischen Religion einen Schluss ziehen. Die Aehnlichkeit kann unmöglich auf Entlehnung beruhen, da China, Afrika und die Südseeinseln dafür zu weit entfernt sind. Meines Erachtens beruht sie vielmehr auf alten, allen Menschen gemeinsamen Vorstellungen: dem Bewusstsein von (iefahren, denen er ausgesetzt ist, von dem hilfreichen göttlichen Wesen, dus aber nicht mit dem höchsten Gott identisch ist. Jenes

Prof. Dr. Fr. Hommel. 269

Wesen muss entweder selbst versöhnt werden, oder einen andern versöhnen. Diesem Wesen bringt der Syrer, der Araber, der Afrikaner, der Chinese, der Südseeinsulaner seine Gaben für ge- leistete Hilfe dar. Das ist die ursprünglich mit dem Opfer ver- bundene Vorstellung, aus welcher alle andern, so die vom stell- vertretenden Opfer, vom Opfermahl, die übrigens von mir kaum beobachtet worden sind, sich entwickelt haben. Gelübde als Ver- sprechungen und Opfer als Bezahlung des Gelobten an Heiligtümern gefahrdrohender Mächte gibt es noch heute in der syrischen Religion bei Muhammedanern wie bei Christen.

Es war mein Wunsch, Ihnen die von mir in langjähriger Forschung zusammengestellte Kette von Tatsachen vor Augen zu führen. Ich möchte Sie erfüllen mit der Begeisterung, die das Herz eines Forschers erfüllt, der jahrelang in einer ständig an- wachsenden Fülle von Eindrücken gelebt und gewebt hat. Alles vereinigt sich, mich zu überzeugen, dass wir noch, wenigstens in den Grundlinien, eine Religion darstellen können, die wir in Er- mangelung eines besseren Namens als prähistorisch oder ursemitisch bezeichnen wollen. Haben wir diese Religion festgestellt, dann kennen wir damit auch den Ursprung des Opfers.

Die im Ansehluss an das Referat über diesen Vortrag gefasste Re- solution s. S. 25.

Prof. Dr. Fr. Hommel (München).

Das Stadtbild Babels nach den Berliner Ausgrabungen und seine religionsgeschichtliche Bedeutung.

(R6sume.)

Es ist nicht gut möglich, ohne eine wenn auch noch so pri- mitive Kartenskizze, das, um was es sich bei diesem Vortrag han- delte, auch nur einigermassen klar zu skizzieren. Indem ich daher für alle Einzelheiten auf den Plan des Ruinenfeldes von Babylon

270

IV. Sektion.

in Fr. H. Weissbachs Broschüre „Das Stadtbild von Babylon" S. 12 oder in meinem kürzlich erschienenen „Grundriss der Geographie und Geschichte des alten Orients" S. 331 verweise, gebe ich hier eine Skizze bei, die es wenigstens gestattet, nur ungefähr den wichtigsten meiner Ausführungen zu folgen.

h

h-k

Euphrat.

A

alter Nebuk. -Palast (in Ka-din-

girra) nördl. davon der Kanal

Libü-chegai = irbdb

a-i

Strasse Marduks.

i

Istartor.

cd

Mauer Imgur-Bel.

e-f

Mauer Nimidti-Bel.

m

Ninmach-Tempel (in Ka-din-

girra).

i-b

kleine Prozessionsstrasse

(süku katnu).

B

neuer Nebuk. -Palast.

C

Gebetsbaus (in Schu-anna,

bezw. Kullab).

g

Tempeltunn Dadi-cbegal.

n

Ninib-Tempel (in Schu-anna).

Bei den Berliner Ausgrabungen, die bisher ja immerhin recht nennenswerte Resultate ergeben haben, handelt es sich vor allem um die beiden grossen Ruinenhügel, den sogenannten Kassr (Festung) mit den beiden Nebukadnezarpalästen A und B, und den südlich davon gelegenen Teil Amrän ibn Ali oder kurz den Amran- Hügel, dessen nördlicher Teil den Tempel C (nebst dem dazu ge- hörigen Tempelturm g) geborgen hat. Die ziemlich entfernt vom Kassr nach Norden zu gelegene Ruine Babil, offenbar die Stätte eines an der nördlichen Aussenmauer befindlich gewesenen Sommer- palastes Nebukadnezars, kommt für uns nicht in Betracht, kann also hier ganz ausscheiden.

Zu den sicher festgestellten Ergebnissen der Ausgrabungen gehört nun vor allem folgendes:

Prof. Dr. Fr. Hommel. 271

1. Die breite, von Nebukadnezar erhöhte Prozessions- strasse a-i, mit Löwenbildern, dem Symbol der Istar, geschmückt. Ihr Name war Ai-ibur-sabum (nicht soll stark werden der Feind) oder Istar-lamassi-sabe-su (Istar ist der Schutzgeist seiner Krieger) oder schlechthin Prozessionsweg des Gottes Marduk. An ihrem nördlichen Ende, a, befand sich das Glanztor (bäb ellu), an ihrem südlichen Ende, i

2. das Istartor, welches auch den Namen Istar-sakipat-tebi- su (Istar Niederwerferin seines Ansturms) führte ; dasselbe war mit den Emblemen des Gemahles der Istar, Marduks, nämlich den Wildstieren und den Drachen, geschmückt. Im Unterschied von der oben erwähnten Glanzpforte war es ein Stadttor (abullu), ein Tor der

3. Parallelmauern Imgur-Bel und Nimidti-Bel, d-c und f-e (oder umgekehrt f-e und d-c), wobei es noch dahingestellt sein soll, ob d-c oder aber f-e die innere Stadtmauer Imgur-Bel vorstellt; im ersteren Fall erstreckte sich die eigentliche Stadt (im Unter- schied von den vor der Stadt liegenden Vorstädten) nördlich von c-d, im letzteren Fall südlich von e-f. In Berlin nimmt man irrigerweise das letztere an.*)

4. Der kleine der Göttin Nin-mach geweihte Tempel E-mach (m im Plan), dessen Eingang sich an der Nordseite befand und der offenbar nur ein Anhängsel der Mauerlinie e-f bildete; er be- fand sich, wie die Inschriften deutlich angeben, in Babel selbst, also in der eigentlichen (Bab-ili oder Ka-dingirra genannten) Stadt.

5. Die kleine, beziehungsweise schmale Prozessionsstrasse i-b, die vom Istartor aus nach Süden zu lief und einen im Süden des Palastes B vorbeiziehenden Kanal (nach mir die Arachtu, nach den Berlinern der Libil-chegal-Kanal) vermittelst einer Brücke über- schritt; sie war mit dem Tempel G durch zwei Abzweigungen ver- bunden. Ihr keilschriftlicher Name war süku katnu, d.i. schmale

*) Im ersteren Fall muss man dann folgerichtig annehmen, dass die Stadtmauern von Punkt d nach Norden zu weiter liefen („untere Ecke der Stadtmauer" nach den Inschriften), im anderen Fall, dass dies nach Süden zu geschah, wo man aber dann erwarten müsste, dass die Inschriften diese Ecke als die obere (statt die untere) bezeichnet hätten, da doch der Euphrat von Norden nach Süden lief.

272 IV. Sektion.

Strasse; sie lief weiter in südlicher Richtung, überschritt dann wohl den Euphrat und endete wahrscheinlich, am Ort Dilbat vor- beiführend, beim Tempel des Nebo in Borsippa.

6. Der kleine Ninib-Tempel n, östlich von der schmalen Pro- zessionsstrasse; er gehörte, wie die Inschriften uns belehren, zum Stadtteil Schu-anna, einem Vorort von Babel, in welchem sich auch das beim Neujahrsfest eine grosse Rolle spielende sogenannte Opfer- oder Gebetshaus (nach mir der Tempel G mit dem Tempel- turm g), ebenfalls nach ausdrücklicher Angabe der Inschriften, befand.

Wo lag nun der berühmte Bel-Tempel E-sag-illa, dessen Tempelturm E-te-me-an-ki nach einer Inschrift die stattliche Höhe von ca. 90 Metern hatte ?

Weil man in dem Tempel G Backsteine mit der Aufschrift „Asarhaddon Hess die Ziegel für E-sag-illa neu machen" fand (man fand aber solche auch in dem Ninib-Tempel n), so sehen es meine Berliner und Leipziger Kollegen (Delitzsch, Messerschmidt, Meissner, Weissbach) als „für alle Zeiten festgestellt" an, dass der Tempel G der Sag-illa-Tempel (und dann g sein Kirchturm Te-me-an-ki) gewesen sei.*) Dagegen sprechen aber nun eine ganze Reihe klarer und unmissverständlicher Angaben der Inschriften, die im Verein mit den angeführten sechs aus den Ausgrabungen gewonnenen Resultaten (besonders Nr. 4 und 6) es als das wahrscheinlichste erscheinen lassen, dass der E-sag-illa-Tempel vielmehr nördlich vom Palast A (von diesem durch den kleinen vom Euphrat nach Osten, zum Punkt a, laufenden Kanal, der den aramäischen Namen Libil- chai, TI^T?» führte, getrennt) zu suchen sei. Hier also, nördlich

*) Dazu kommt noch ein Grund, der ein solcher nur dann wäre, wenn er aus glaubwürdigerem Mund käme. Araher, die bekanntlich in solchen Dingen eher «las Gegenteil der Wahrheit sagen und ausserdem sich, zumal nach ändert- hüll» Jahrzehnten, doch auch leicht täuschen können, berichteten nämlich im Jahr 1900, dass die 14 Jahre vorher irgendwo in den Ruinen Babels aufge- fundenen Gründungsurkunden Nnbopolassars vom Neubau des Tempelturms von K-sag-illu ans der Ruine g stammten womit, wenn diese Angabe, die gegPD alle Lnschriftlicherj Angaben spricht, richtig wäre, ja allerdings die Iden- lii.il \nn E-eagilla mit «lein Tempel C für alle Zeiten feststände. Man ver- gleiche dazu jedoch «las in meinem Gnmdriss, S. 327, Anm. 1. Ausgeführte.

Prof. Dr. Fr. Hommel. 273

vom Punkt a, wo merkwürdiger Weise die Ausgrabungen aufge- hört haben, obwohl mein Schüler, Herr Privatdozent Dr. Ernesf Lindl, vergeblich für Weitergrabung gerade an dieser wichtigen Stelle plaidierte, muss der Spaten einsetzen, wenn man die definitiven Beweise für die wichtige Lage von E-sag-illa finden will.

Ueberhaupt sind zwei wichtige, von mir im Grundriss zum erstenmale aufgezeigte und eingehend begründete Tatsachen bei der ganzen Diskussion bisher vollständig übersehen worden, einmal die grundlegende Erkenntnis, dass die Inschriften sowohl der Zeit Asurbanipals als auch noch des neubabylonischen und persischen Reiches genau zwischen dem eigentlichen Babel, der innern Stadt (mit dem Bel-Tempel) und dem Vorort Schu-Anna (mit dem Gebets- Haus) unterscheiden und sodann die weitere nicht minder wichtige Einsicht, dass es sich bei den zwei Zielpunkten der durch das Istartor führenden Prozessionsstrasse nur um E-sag-illa einerseits und das Gebetshaus andererseits, welch letzteres verschiedene Namen führt,*) handeln kann. Also, dass, wenn die Berliner ja recht hätten mit ihrer Identifikation von Esagilla mit dem Tempel C, dann das Gebetshaus, ein nicht minder wichtiges Kultusgebäude, nördlich vom Punkt a (und nicht etwa, wie Weissbach vorschlägt, neben draussen, östlich vom Punkt d, im sog. roten Hügel) zu suchen sein müsste.

Damit sind wir aber zugleich mitten drin in der religions- geschichtlichen Bedeutung der Ausgrabungen. Das Gebetshaus war nämlich eine Art von Filial- Kirche**) von E-sag-illa, die ebenfalls einen Tempel- oder Kirchturm (Plan g) hatte, welcher den Namen E-dadi-chegal, Empfänger des Ueberflusses, führte,***) und war

*) E-sakkur-sakkura, semitisch bit ikribi (Gebetshaus), Synonym bit zibe (Opferhaus) und besonders auch bit akiti (wahrsch. Hochzeitshaus be- deutend). Das dort gefeierte Neujahrsfest hiess desshalb das akttu-Fest; andere Namen dieses Festes waren tabü-Fest, 4. R. 20, Nr. 3, Zeile 3/4 (und vgl. Neriglissar 1, 35) d. i. Aufbruchsfest, und larbätu-Fest (Kursivinschrift von Wadi Brissa, 3, 15), d. i. das Fest der rubätu-Zweige (vgl. den Schluss der Marchesvan-Hemerologie, Col. 3, Zeile 55).

**) Eine Art Tempel fuori le mura, was der Babylonier mit ina kamäti (vor der Mauer) oder auch durch ina rebit (hebr. jHl^rH) ausdrückt

***) Vgl. dazu die Nabonidinschrift 5-Rawl. 65, Col. II, Zeile 50 f.

Kongressbericht. 18

274 IV. Sektion.

zugleich das Hochzeitshaus des Gottes Marduk, wohin sein Bild am 8. Nisan unter feierlichen Ceremonien auf der oben genannten Prozessionsstiasse auf einem Schiffwagen, car navale, gefahren wurde; es war seiner Gemahlin Sarpanit, die gelegentlich auch Anunit hiess, geweiht. Die Hochzeit fand unter grossen Fest- opfern*) von Seite des Volkes und der Priester am 10. Nisan statt wobei zugleich der König, als irdischer Stellvertreter des Gottes, die Hände des Bei zu fassen hatte, um für das begonnene neue Jahr die Rechte des Königtums sich aufs neue zu sichern. Das war das grose Frühlings- oder Osterfest der Babylonier, wobei daran zu erinnern, dass die germanische Göttin Ostara wenigstens der Gestalt nach der babylonischen Istar-Sarpanit entspricht, und dass die mit diesem Fest verbundene Narrenfreiheit, auf welche schon in den Gudea-Inschriften angespielt wird, noch heute in unserm Garneval (vgl. oben das Prozessionsschiff, car navale, und auch das sumerische Wort gar Wagen) fortlebt.

Nachdem die Vermählung Marduks mit Istar vorüber war, erfolgte am 11. Nisan der besonders feierlich begangene Rückzug des Gottes Marduk in seinen Tempel E-sag-illa, wobei auch auf dem Wege alles an die erfolgte Liebesvereinigung erinnern sollte, indem der breitere, prächtigere Teil (vgl. oben S. 2, No. 1), der speziell Strasse Marduks hiess, mit den Symbolen seiner Gemahlin, und umgekehrt das Istartor, durch das ja die Strasse führte, mit den Symbolen Marduks geschmückt war. Die Mardukhymne, welche am 11. Nisan bei der festlichen Heimkehr des Gottes von den Priestern auf der Prozessionsstrasse in der altheiligen sumerischen Sprache abgesungen wurde, ist uns noch erhalten. Ein vollständiges Exemplar verdanken wir, nachdem schon früher ein grösseres Bruchstück aus Asurbanipal's Bibliothek (4. Rawl. 18, No. 2) be- kannt war, den Berliner Ausgrabungen (vgl. jetzt die Ausgabe in Weissbach's Babylonische Miscellen, No. XIII); dort ist besonders die (von Weissbach nicht richtig verstandene) Schlussnotiz inter-

*) Die Opfergaben sind die Verm/lhlungsgeschenke (vgl. Gudea, Statue <J. Co] II. Z. 1. sumerisch sal-usch-sa, semit. tirchatu); der Prozessionswagen oder «Ins (ehrbare (iütterschiff ist der festlich geschmückte Brautwagen unserer Bauernhochzeiten.

Prof. Dr. Fr. Hommel. 275

essant, dass dieser Hymnus zu rezitieren sei im Monat Nisan, am elften Tage, wenn Gott Bei (d. i. Marduk) vom Akitu (d. i. Akitu- Haus, bezw. Akitu-Fest) nach E-sag-illa eingeht (= zurückkehrt)." Zum Schluss sei noch erwähnt, dass ein solches Hochzeits- fest auch noch für eine ganze Reihe anderer Orte durch die In- schriften bezeugt ist; so zog Samas im Tischri (statt Nisan, wozu der jüdische Versöhnungstag am 10. Tischri zu vergleichen) von Sippar nach dem Anunit -Tempel Ul-mas in Agade, und schon früher Nin-girsu (= Ninib, ebenfalls ein Sonnengott) auch im Tischri von Girsu zur Hochzeit mit der Ba-u nach Uru-azagga, ferner Za-mal-mal (= Ninib) von Kisch nach dem gegenüberlie- genden Gharsag-Kalamma, Ninib von Nineveh nach dem Istar- tempel E-masch-masch (vgl. Ul-mas in Agade und in Babel den Beinamen des Gebetshauses, E-ud-ulla), der in rebit-Ninua, nordöstlich vor der Stadt, lag (vgl. Agade-rebiti im Hammurabi- gesetz Col. 4, Zeile 51 f.) und endlich Nergal von Tarbis nach dem benachbarten Istartempel von Arbela. Auch für Uri und Harran ist uns ein Akitu-Fest des Mondgottes und seiner Ge- mahlin Nin-gal (deren Tempel in beiden Orten bit-gipäri Hans des Paradiesesbaumes hiess) bezeugt, und endlich ist darauf zu verweisen, dass das bekannte bit-chamri des Gottes Hadad in der Stadt Assur auch einfach „Hochzeitshaus" zu übersetzen ist (vgl. Tigl. 8, 1) und nicht etwa „Schatzhaus", wie ja auch bit chamri nur ein Beiname des Istartempels von Arbela (vgl. Johns, Deeds, No. 742, zitiert von Streck, Z. A., XVIII, S. 180 und vorher von P eis er, Orient. Lit.-Zeit., VI, 200) gewesen sein wird.

An der Diskussion beteiligen sich die Herren A. Jeremias, Rosenbaum, Mahler und Haupt.

18"

276 IV. Sektion.

J. Hale>y (Paris)

Le symbolisme chez Ezechiel et Osee.

(Resume).

Chez tous les peuples on trouve l'usage d'actes ou de locu- tions symboliques et la litterature hebrai'que en fournit egalement de nombreux exemples. Les prophetes s'en servent souvent pour rehausser l'effet de leurs previsions ou de leurs predications. Les exemples sont dans la memoire de tout le monde, ä teile enseigne qu'il nie parait inutile de citer des textes. La plupart du temps le prophete donne lui-meme l'interpretation de ces gestes ; d'autres fois on les comprend facilement sans aucun commentaire. II y a cependant des cas leur sens exact se derobe au lecteur qui s'egare sur une fausse piste et croit y trouver des faits extraordi- naires qui lui semblent autoriser des conclusions absolument derai- sonnables. C'est de cette Interpretation erronee datant encore de presque deux mille ans, que je me propose de parier ä la docte assemblee.

La description du char divin par Ezechiel 1, 4 28; 10.

Dans une vision prophetique Ezechiel aperqmt le char divin qui se prepare ä quitter le temple et la ville de Jerusalem. Ne pouvant citer le texte integral, je me bornerai ä en donner un resume substantiel, en laissant de cöte le feu flamboyant qui emplit le cadre.

Le tröne sur lequel la divinite est assise repose sur une plaque (JPpH) de glace compacte (JOljH Fiipn ]1i?2) et transparente. Cette plaque s'appuie sur la töte de quatre animaux a corps hu- main pourvu de pieds sans articulations et de plantes de veau. Ils sont aussi pourvus de mains dhomme. Chacjue animal est doue de quatre faces: face d'homme, face de lion, face de bceuf et face d'aigle, ainsi que' de quatre ailes dont deux lui servent ä se couvrir le corps. Les animaux vont toujours droit devant eux

J. Halevy. 277

dans n'importe quelle direction et ne changent jamais leur posi- tion reciproque. Enfin, ä cöte de chaque animal se trouve une roue pourvue d'une roue traversale, de sorte qu'elle peut toujours garder la merae position en roulant, sans avoir besoin de se re- tourner. Quand les animaux s'enlevent en l'air pour se diriger quelque part, les roues roulent ä cöte d'eux, parce qu'elles sont animees de leur esprit.

Teile est en somme la description du char divin ; aucun trait saillant n'est reste en dehors. Mais si ce char poursuit toujours la voie droite, il a eu le don de tourner la tete ä d'innombrables generations et ä faire divaguer les intellectuels les plus distingues. On est tombe d'accord qu'il y avait un mystere insondable relatif au monde divin. Pour les talmudistes les secrets de l'ceuvre du char ((12-^- T\'£y-) ne doivent etre confies qu'aux eleves les plus perspicaces (lil^HE "pZS) et les plus pieux. Quand les grands docteurs expliquaient la description d'Ezechiel, la salle s'emplissait de feu par suite d'une descente d'anges. Philon et TEcole juive d'Alexandrie y trouvaient le repertoire le plus complet des i n- tellects platoniciens, tandis que les rabbins aristoteliciens soute- naient de leur part qu'il y avait le plan exact des dix spheres Celestes conformement au Systeme de Ptolemee. Les Kabalistes, enfin, ayant combine les deux systemes avec quelques echos du gnosticisme oriental ont echafaude sur cette base eclectique une immense theorie mystique qui pretend fournir la cle de tous les phenomenes des mondes visibles et invisibles. Les docteurs chre- tiens ont suivi parallelement un courant d'idees analogue dore naturellement des mysteres dogmatiques relatifs ä l'incarnation et ä la trinke. L'Eglise parfois oscillait meme assez fortement du cöte des elucubrations cabalistes.

Dans les temps modernes la course apres les mysteres, au Heu de se ralentir, a eu un regain de faveur. D'une part, l'exegese philonienne, saturee d'elements bouddhistes, a donne naissance ä des explications theosophiques : de l'autre, l'interpretation astrono- mique de Mai'monide a ete reprise par des assyriologues imaginatifs <]ui y retrouvent un tableau fidele de l'astronomie mystique des Babyloniens. On a meme cru pouvoir presenter au grand public

278 IV. Sektion.

le dessin d'un char babylonien qui aurait servi de modele ä celui d'Ezeehiel. Ge prophete, amene captif ä Babylone, se serait fait irritier aux mysteres astrals des pretres pai'ens et aurait prete a Yahwe un vehicule qu'il eüt pu apercevoir parmi les tableaux des temples idolätriques. L'impossibilite psychologique d'une pareille idee saute aux yeux, mais la manie panbabylonisante n'en est plus ä son essai d'excentricite. Tout absurdes qu'elles soient, les doc- trines mystiques trouvent plus facilement acces dans l'esprit de la masse que les vues simples et claires.

Or, en lisant attentivement les passages precites d'Ezeehiel, ou se rend parfaitemeut compte de ce fait que ])Our la construc- tion principale du char divin les notions bibliques les plus elemen- taires etaient absolument süffisantes et qu'en ce qui concerne les autres details un grand effort d'imagination n'etait non plus une condition indispensable.

D'apres Genese 1, 6.7 les eaux superieures sont separees des eaux inferieures par une plaque solide nommee Räqi'a ($*pl, fir- mainent). Comme cette plaque est transparente Ezechiel conclut qu'elle doit consister en glace tres compacte, ce qui lui expliquait la congelation frequente de la pluie sous forme de givre, de neige ou de grele. Job 39, 22 30 place direclement dans le ciel des magasins pleins de ces objets. La plaque Celeste est soutenue par (juatre piliers ou colonnes qui sont appelees „colonnes du ciel CSÜ 'niöJJ Job 26, 11), voire meme „colonnes de la terreu (Y^K ^1M2V, Job 9, 6; Psaumes 75, 4), parce que profonde- ment fixees dans le sol, elles maintiennent egalement la masse terrestre qui, par la volonte divine, reste suspendue dans le vide (Job 26, 7).

Cette haute terrasse ä quatre colonnes, empruntee ä la Genese et ä Job, devait maintenant etre transformee en char, il fallait d'abord le faire porter par des anges Celestes. Dans ce but les quatre colonnes sont transfigurees en cherubins, rtres ailes ayant un corps et des mains d'homme; gräce au type primitif des colonnes, les articulations manquent, mais la plante du pied rappeile celle du ireau, symbolc des sauts et des gambades (Psaumes 29,6). Avec les roues anim6es placees a cöte des «juatre <herubins porteurs la

J. Halevy. 279

forme de char est obtenue. Enfin, en qualite de colonnes, il fallait les doiier de rquatre chapiteaux ornes. Ezechiel choisit les figures des etres vivants du rang superieur: homme, Symbole de l'intelli- gence ; boeuf, Symbole du travail agraire : Hon. Symbole de la force; aigle, symbole de la rapidite. Le char est maintenant digne du grand roi qu'il porte.

Je le repete : Ezechiel n'a pas du se creuser beaucoup la tete pour inventer son char visionnaire: le symbolisme dont il a fait usage etait compris par ses auditeurs quel que fut le degre de leur instruction.

Le mariage du prophete Osee.

Ce mariage stupefiant, unique dans les fastes de l'histoire, est raconte par le prophete lui-meme, tout en employant la troi- sieme personne dans la premiere partie de sa narration. J'en resume les details essentiels:

Yahwe ordonne ä Osee d'epouser une femme prostituee et d'avoir des enfants de prostitution (D',3IUT ,Ht?,l D'MW J1E7N), car le pays est en train de se prostituer en s'eloignant de Yahwe. Osee epousa Gomer, fille de Diblai'm, qui lui donna d'abord un fils. Par 1'ordre de Yahwe ce fils est nomme Izreel, comme pro- nostic de la ruine de la dynastie de Jehu qui aura Heu dans la plaine d'Izreel. Apres un second accouchement, Gomer lui donna une fille, que Yahwe fit appeler Lo-ruhama (JTCm S?) „celle dont personne n'a pitie" indice qu'il n'aura plus pitie de la maison d'Israel. Apres avoir sevre Lo-ruhama Gomer accoucha pour la troisieme fois et eut un fils que Yahwe fit appeler Lo-rammi CHI? N^ ) „celui qui n'est pas mon peuple", indice que vous n'etes pas mon peuple et que moi, je ne suis pas votre dieu.

Suit un sermon tres dur ä l'adresse de la femme prostituee, Yahwe la menace de la laisser mourir dans un desert aride avec ses enfants de prostitution. Alors eile voudra bien retourner chez son legitime eile etait bien nourrie et bien habillee. Les vicissitudes de la femme prostituee representent la destinee d'Israel infidele abandonnee par Yahwe.

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280 IV. Sektion.

Apres une periode d'expiation, Yahwe donne l'ordre ä Osee d'aimer ä nouveau la femme infidele, indice que Yahwe persiste ä aimer Israel son infidelite passee. Osee va trouver cette femme et l'ayant louee pour une petite somme d'argent et une certaine mesure d'orge, il lui impose la condition de ne plus avoir de re- lations avec un homme, mais s'engage que lui-meme observera une abstinence analogue (""vX ''jX CjsI 3, 3); indice que les en- fants d'Israel resteront longtemps sans gouvernement royal (TJJ "pXl "J1?* "pX) et sans rites pa'iens comme les sacrifices et les steles votives (J12-2E *pXl J"QT fW), ou les consultations d'oracles comme l'ephod et les teraphim (D^SHm USX ],X1). Apres cette periode d'attente la femme renouera ses rapports intimes et heu- reux d'autrefois, c'est-ä-dire : les enfants d'Israel reviendront ä Yahwe et se mettront sous l'egide de la dynastie. Alors l'opprobre se changera en gloire : Lo-' Ammi sera appele r Ammi et Lo-ruhama verra son nom transforme en Ruhama „celle dont Dieu a eu pitie."

Ce recit dans lequel les actes sont immediatement expliques comme symboles et pronostics devenements prevus ou esperes a pour point de depart le mariage du prophete avec une femme adultere, mariage d'autant plus choquant qu'il a ete conclu par l'ordre meme de Yahwe, dieu moral par excellence. La synagogue et TEglise eperdues firent des efforts inouis pour ecarter cette pierre d'achoppement. Les commentateurs rigides tenaient ce ma- riage pour une scene visionnaire dans laquelle une prostituee vul- gaire du nom de Gomer bath Diblaim joue le röle honteux indispensable. D'autres jugeant Tevenement au point legal firent de Gomer une prostituee non mariee et se contenterent avec la pensee que le mariage avec une femme galante n'est defendu par la loi qu'aux pretres seuls (Levitique 21, 7) et Osee n'etait pas de race sacerdotale. D'autres enfin ont meme pense que Dieu a le droit d'obliger le prophete ä conclure une alliance honteuse pour les besoins du symbolisme. Sur un point seul l'accord regne parmi les commentateurs, sur la dt'-lmuche et l'indignite de Tepouse du prophete: ma plume se refuse ä donner une idee des monceaux d'ordure nauseabonde qu'on a accumules sur la töte de cette femme

J. flalevy. 281

en souinettant son nom ä des etymologies aussi stupides que revoltantes. Elle fut repoussee du pied et condamnee sans appel.

J'ai ä peine besoin de dire que ces diverses echappatoires ne tiennent pas debout. Le mariage ayant pour effet la naissance d'enfants, en troisieme Heu apres le sevrage de la fille, ne peut etre qu'un evenement reel. Gela ressort egalement du changement final des noms des deux derniers enfants. D'autre part il s'agit bien d'une femme adultere JH5N3/2 et nullement d'une mondaine libre. Nous passons l'acte immoral attribue ä Yahwe. Ghose curieuse, l'Ecole critique moderne au Heu de faire la lumiere a encore aggrave la Situation en croyant trouver le mobile cache de toute la scene. Osee fut atteint par un malheur domestique. Apres la naissance de son troisieme enfant, il s'apergut que sa femme le trompait, mais ne pouvant se separer d'elle, malgre les rumeurs publiques, il se decida ä annoncer que c'est sur l'ordre de Yahwe meme que ce mariage deshonorant fut conclu afin de representer par un evenement actuel et manifeste l'infidelite non moins mani- feste d'Israel envers Yahwe son epoux spirituel. La belle famille d'Osee! La femme adultere apporte ä son mari niais mais fou d'elle trois bätards qui fönt la grimace en entendant les noms changeants qu'on leur donne. Le mari deshonore ä ses propres yeux, ose, quoique prophete de Yahwe, par un mensonge blas- phematoire attribuer ä la divinite l'origine de son mariage immoral et la legitimation des enfants nes dans l'adultere. Les ordures ne salissent plus Gomer seule, elles se deversent ä jet continu sur la personne d'Osee qui serait le plus indigne des hommes. Les critiques se montrent tres heureux de leur decouverte qui contient d'apres eux la cle de voüte du prophetisme litteraire. Selon leur habitude dans les cas analogues : „une pareille aventure serait impossible dans un milieu evangelique!"

Par malheur, tous les echafaudages anciens et modernes sont eleves sur une base imaginaire, qui n'est autre que la fausse inter- pretation du verset 1,2. Le[texte dit litteralement : „va, epouse une femme d'adultere et (aie) des enfants d'adultere" (D^DT 'l^'l) or, la plus petite reflexion leur aurait montre que s'il est possible d'epouser une femme coupable d'adultere, un mari ne peut avoir la

282 IV. Sektion.

certitude que les enfants ne sont pas ä lui qu'ä la condition d'etre un eunuque ou de s'abstenir volontairement de toute relation intime avec son epouse. Maintenant, ces deux hypotheses etant l'une aussi absurde que l'autre et etant donne en outre que l'acte de legitimer les enfants adulterins ne peut etre que le fait d'un homme de mceurs legeres, on parvient ä se convaincre qu'il faut chercher une autre cle et celle-ci n'est vraiment pas difficile ä trouver quand on se rappelle que la qualification d'adultere est frequemment appli- quee ä leur generation par les prophetes, habitude qui a meme ete adoptee par Jesus en appelant ses contemporains: „race me- chante et adultere". Osee en fait un usage encore plus frequent que les autres. Dans une disposition d'esprit semblable tout in- dividu, quelle que soit sa moralite reelle, porte en langage figure, le stigmate de la collectivite, par consequent aussi la femme du prophete et les enfants qu'elle lui donne. C'est cette pensee qui est exprimee dans le verset 2. L'ordre: Va, prends pour toi une femme de prostitution et (aie) des enfants de prostitution equivaut a: Epouse une femme de cette generation infidele et (aie) des enfants qui appartiendront necessairement eux aussi ä la meme generation corrompue. Pour eviter toute equivoque, l'ecrivain ajoute le commentaire lucide: (Je les qualifie par D^-IJT infidelite, prostitution) parce (jue le pays est en voie de se prostituer com- pletement ("^^Sn HjTn H3T "'D) avec d'autres dieux derriere Yahwe. L'injonction expresse d'epouser une femme ephrai'mite est de son cöte suffisamment motivee par les scrupules naturels du prophete de fonder une famille dans une generation aussi perverse. Yahwe dissipe son pessimisme en lui donnant l'assurance dun meilleur avenir et que sa famille sera le symbole des diverses phases de l'histoire religieuse et politique d'Israel : l'epouse amendee par la misi-re (= Israel) reconquerra la tendresse de son ('•poux (= Yahwe), Lo-'Ammi (= les hommes ephraimites) et Lo- Huhama (= les femmes ephraimites) seront reconnus comme en- fants de Yahwe et formeront alora une seule nation avec Juda comme avant le schisme des dix tribus. Au sujet du mariage l>i -dphetique, le cas contraire se jiresente chez Jeremie auquel Yahwf- donne l'ordre de ne pas faire souche ä Jerusalem, les

J. Halevy. 283

habitants de cette ville rebelle sans retour etant destines ä etre extermines en bloc (Jeremie XVI, 2 4).

L'orthodoxie juive et chretienne s'est acharnee ä satir la me- moire de la pauvre Gomer, epouse aussi pure et aussi sainte que les autres femmes de prophete, peut-etre une prophetesse elle- meme (cf. Isafe VIII, 3); l'ecole critique s'est jointe aux insulteurs mal eleves et y a ajoute une accusation fletrissante ä l'adresse d'Osee et du prophetisme en general ; ceux-ci sont parfaitement en etat de dedaigner l'attaque ridicule, mais la pauvre Gomer, affaissee sous le mepris universel depuis vingt siecles, attend encore le verdict de la justice impartiale. II est temps que ses protesta- tions etouffees par la partialite ignare et cruelle soient entendues et que l'innocente victime soit rehabilitee!

An der Diskussion beteiligen sich die HH. Rosenbaum, Oettli und Pfr. A. Heusler.

Das von Herrn Heusler eingegebene Resume seines Votums lautet :

Persönlich bin ich dem Herrn Referenten besonders deshalb verpflichtet, weil er mit der Wahl des vorliegenden Themas noch einem Vertreter des Kirchendienstes Anlass gibt, sich über eine Frage zu äussern, die uns jeweilen ernstlich bewegt. Ich habe dabei besonders seine Bemerkung über das moderne Gewissen und sein Verhältnis zum Alten Testament im Auge. Den vom Refe- renten vertretenen Standpunkt kann ich freilich nicht einnehmen, sondern trete mit Bestimmtheit der Äusserung von Prof. Oettli, dass Hosea tatsächlich Untreue an seinem Weibe erlebte und das hinnahm als göttliche Fügung, bei. Zugleich möchte ich den HH. Fachmännern vom Alten Testament eine Formulierung für meine Auffassung dieses Verhältnisses vorlegen etwa folgendermassen : „Manches, was im Alten Testament unter den Gesichtspunkt gött- licher Anordnung gestellt wird, haben wir nach dem Stande unserer religiösen Erkenntnis unter den Gesichtspunkt der Zulassung zu stellen."

284 IV. Sektion.

Abdullah al-Mamoon Sohraworthy (London).

Toleration in Islam.

(Kam nicht zur Verlesung). (Resume\

Mr. Abdullah al-Mamoon Sohraworthy, of London, contributed a paper on „Toleration in Islam". Commenting on the unfortunate circumstance that Islam should have become identified in the Western mind with aggression and self-assertion, mainly through the rancorous bigotry engendered by the Crusades, the writer proceeds to point out that no creed has in reality, done more for the unification and humanizing of all the branches of the human family. This view is supported by quotations from non-Muslims and therefore un- biassed authors. Amongst these, David Urquhart testifies to the liberal and democratic influence of the Muslim creed at a time when humanity lay crushed beneath the weight of unintelligible dogmas, an iron-bound caste-system, and fierce inter-racial prejudices. Islam is the only religion in the world which can claim to have freed its professors from the thraldom of a priesthood. It knows no distinction of race or colour. To-day when American Christians roast negroes at the stake, and when the most broad-minded Chris- tians would shrink with horror from the bare notion of intermar- riage with the darker races, Islam is making its converts by the thousand in Africa and Hindostan, the acceptance of its doctrines placing the neophyte, whatsoever be his colour, on a footing of absolute equality with all Muslims. Islam has thus established a vast confraternity, stretching (Vom the Pillars of Hercules to the Great Wall of China. Bul this enlightened spirit is not confined in its applicalion t<> the followers of the Prophet. Muhammad has in many places, laid down the toleration of all creeds as an essential duty, and as a basic principle of religion. Interference with or the molestatioD "I Christians and Jewa is expressiv forbidden; and in actual practica, both enjoyed throughout the Middle Ages, grcatcr

Abdullah al-Mamoon Sohraworthy. 285

freedoni and security in Muslim states than in European countries. On the subjugation of a non-Muslim territory, the inhabitants were offered the Koran, the acceptance of which at once raised them to the rank of füll citizenship ; did they refuse, they were subjected to no worse penalty than the imposition of a capitation tax, which exempted them from all military duties. Surely a more lenient or more equitable system was never put in force in mediaeval times! Gopies of the charters given by the Prophet and his successors to the Christians of Najran, the monks of Mount Sinai, and the Par- sees still exist and attest to the wise and humane policy pursued with regard to alien sects and races. Muhammad himself, discou- raged wrangling and disputation as to the merits of creeds, en- joining on his followers the active practice of good, and exhorting them to leave the Solution of theological problems tili "they re- turned to their Father". Numerous authorities and documents to be found in the British Museum, the India Office Library (London), and elsewhere, are adduced in proof of the tolerant policy of Islam. A pregnant Observation by F. F. Arbuthnot is quoted : "It would appear that Muhammad really hoped to establish one religion, acknowledging one God and a future life, and admitting that the earlier prophets had emanated from God as apostles and messengers. The world was too young in Muhammad's time to accept such an idea. It may however, be accepted some day when knowledge overcomes prejudice. Nations may have different habits, manners, and customs, but the God they all worship is one and the same". The paper concludes with the expression of the hope that on the broad basis dreamed of by the Prophet, all creeds may one day find themselves united to combat and destroy evil and error.

286

V. Sektion.

V. Sektion.

Ucliidonen Indiens und Irans.

Professor Dr. J. Estlin Carpenter (Oxford).

Some points still obscure in the Buddhist Doctrine

of the Seif.

(Rösumö).

The gencrally received view of Buddhist doctrine describes Gotama as applying the principle of universal impermanence to the conception of l.he attan or seif. In the Mahä-Nidäna Slltta, for instance, Digha Nikäya, XV., it is denied that the ego is to be identified vvith any of the live khandhas. And this view is emphasized in later Pah* literature such as the Milinda Pafiha and the Visuddhi Magga.

Against this Interpretation difficulties have been raised from Urne to time, notably by Dr. Oldenberg, and more recently by Dr. 0. Schrader and Prof. de la Vallee Poussin: and the object ofthe paper was to point oul a group of passages hitherto unnoted which implied that the Compilers of the Canon admitted somewhai diffe« rent statements of doctrine. Gotama was ohliged to uae the tci- minology supplied l»y the language of the Bchools of Ins day, as well as what was popularly CUirent. When, in the Mahä-Pari- nihhäna Sutta he is represented as describing the different destiniefl of different disciples aller death, the language is entirely abstract, and bears DO implications of place. But elsewhere the

Prof Dr. J. EsÜin Carpenter.

.-"

word cavati is used, with the corresponding term mätü- kucchim okkamati: and in the Mahä-nidäna S n ex- pressiv affirmed that if consciousness (vinnänal did not descend into the womb, no material body (näma-rüpa) would be produeed. The oceurrence of this affirmation in the midst of the famous * Chain of Causation'" that consciousness is a necessary prius of th- mation of a being, is highly significant. Not less so are the four gabbhävakkantiyo enumerated in the Sampasäde - S and the Sangiti S.. in the Digha Nikäya, XXVIII. and XXXIIL. naming the conditions under which entry into the womb might take place with or without füll knowledge. With this enu- meration were compared two passages in the Acchariyabbhuta- Dharama S. (Majjhima Nikäya) and the Mahäpadär. (Digha N. XIV», where the Bodhisatta was said to descend from the Tusita heaven, and become inearnate, with the highest degree of collectedness and mental self-control, sato sampajäno. The Buddha was conceived as one of the two earthly forms of M a h ä - purisa (purushal. The nature of this doctrine is still obscure: but on the Brahmanical side it represented a highly important ontological conception of the seif -existent. Did the transcendent view of the Buddha's person suggest that in the case of the ordi- nary individual some kind of consciousness was the pri,- material form, or did this latter view enter in from the populär philosophy, and. when applied to the Buddha, aid in the process of dogmatic elevation of his person? In the Kathä Vatthu, published at Asoka's Council, it was declared heresy to say that the Buddha's vohära was lokuttara. That implied that some doctrine of this kind had already appeared, though the lokuttara- vädins might as a sect belong to a later day. In the bist religion Buddhism supplied the clearest instance that a System of ethical culture could not dispense permanently with ontological ideas.

In der Diskussion weist Dr. Walleser hinsichtlich der Schwierigkeit, die buddhistische Leugnung des Atman (attäj mit der Lehre der Wiedergeburt u. a. in Einklang zu bringen, in längerer Aus- führung auf den Unterschied zwischen attä und puggala hin. Unter

286 V. Sektion.

V. Sektion. Religionen Indiens und Irans.

Professor Dr. J. Estlin Carpenter (Oxford).

Some points still obscure in the Buddhist Doetrine

of the Seif.

(Resume).

The generally received view of Buddhist doetrine describes Gotama as applying the principle of universal impermanence to the coneeption of the attan or seif. In the Mahä-Nidäna Sutta, for instance, Digha Nikäya, XV., it is denied that the ego is to be identified with any of the five khandhas. And this view is emphasized in later Päli literature such as the Milinda Panha and the Visuddhi Magga.

Against this interpretation difficulties have been raised from time to time, notably by Dr. Oldenberg, and more recently by Dr. 0. Schrader and Prof. de la Vallee Poussin: and the objeet of the paper was to point out a group of passages hitherto unnoted which implied that the Compilers of the Canon admitted somewhat diffe- rent statements of doetrine. Gotama was obliged to use the ter- minology supplied by the language of the schools of his day, as well as what was popularly current. When, in the Mahä-Pari- nibbäna Sutta he is represented as describing the different destinies of difTerent disciples after death, the language is entirely abstract, and bears no implications of place. But elsewhere the

Prof. Dr. J. Estlin Carpenter. 287

word cavati is used, with the corresponding term mätü- kucchini okkamati: and in the Mahä-nidäna S. it is ex- pressiv affirmed that if consciousness (viiinäna) did not descend into the womb, no material body (näma-rüpa) would be produced. The occurrenee of this affirmation in the midst of the famous "Chain of Causation'" that consciousness is a necessary prius of the for- mation of a being, is highly significant. Not less so are the four gabbhävakkantiyo enumerated in the Sampasädanlya S. and the Sangiti S., in the Digha Nikäya, XXVIII. and XXXIII., naming the conditions under which entry into the womb might take place with or without füll knowledge. With this enu- meration were compared two passages in the Acchariyabbhuta- Dhamma S. (Majjhima Nikäya) and the Mahäpadäna S. (Digha N. XIV), where the Bodhisatta was said to descend from the Tusita heaven, and become incarnate, with the highest degree of collectedness and mental self-control, sato sampajäno. The Buddha was conceived as one of the two earthly forms of Mahä- purisa (purusha). The nature of this doctrine is still obscure; but on the Brahmanical side it represented a highly important ontological conception of the self-existent. Did the transcendent view of the Buddha's person suggest that in the case of the ordi- nary individual some kind of consciousness was the prius of the material form, or did this latter view enter in from the populär philosophy, and, when applied to the Buddha, aid in the process of dogmatic elevation of his person? In the Kathä Vatthu, published at Asoka's Council, it was declared heresy to say that the Buddha's vohära was lokuttara. That implied that some doctrine of this kind had already appeared, though the lokuttara- vädins might as a sect belong to a later day. In the history of religion Buddhism supplied the clearest instance that a System of ethical culture could not dispense permanently with ontological ideas.

In der Diskussion weist Dr. Walleser hinsichtlich der Schwierigkeit, die buddhistische Leugnung des Atman (attä) mit der Lehre der Wiedergeburt u. a. in Einklang zu bringen, in längerer Aus- führung auf den Unterschied zwischen attä und puggala hin. Unter

288 V. Sektion.

attä ist in Uebereinstimmung mit dem brahmanischen Sprachge- brauch das transzendente Subjekt des Bewusstseins zu verstehen, das entsprechend der positivistischen Tendenz des Buddhismus kon- sequent bestritten wird, unter puggala das Ich als empirische Er- scheinung, als Summationsphänomen der fünf Khandhas.

Was die abweichende Auffassung Schrader's anbelangt, stimmt W. dem Referenten durchaus bei.

Prof. Dr. L. v. Sehroeder (Wien).

Ueber den siebenten Aditya.

(Resume).

Dass die ursprüngliche Zahl der Adityas sieben war, ergiebt sich ebensowohl aus dem Rigveda, wie aus der Vergleichung mit dem verwandten Götterkreise im Avesta. Auffallenderweise werden uns eben im Rigveda nur sechs Adityas mit Namen genannt (Varuna, Mitra, Aryaman, Amc,a, Bhaga, Daksha). Den Namen des siebenten erfahren wir nicht. Dagegen wird uns als ein später hinzu gekommener, unechter, unebenbürtiger achter Aditya Mär- tanda, der Eingeborene, der Vogel, d. i. die Sonne, genannt. Wer war nun der siebente Aditya?

Das Täitt. Brähmana führt uns acht Adityas auf: Mitra, Varuna, Aryaman, Amc.a, Bhaga, Dhätar, Indra, Vivasvant. Die fünf ersten stimmen zu den fünf ersten im Rigveda, ebenso ist der sechste, Dhätar, unzweifelhaft mit dem sechsten im Rigveda, Daksha, identisch; an der achten Stelle steht Vivasvant, die aufgehende Sonne, dem Märtända des Rigveda entsprechend. Als siebenter Aditya erscheint hier Indra! Dass dem Indra wirklich diese Stelle zukam, dass er als ein Aditya gilt, dafür scheinen noch zwei Stellen des Rigveda zu sprechen, die ihn so bezeichnen. Doch die

Prof. Dr. L. v. Schroeder. Prof. Dr. A. Westphal. 289

eine derselben (RV 7, 85, 4) zeugt bei näherer Prüfung vielmehr direkt gegen diese Auffassung; die andere ist jedenfalls späteren Ursprungs (Väl. 4, 7). Daraus ergiebt sich, dass Indra im Rigveda diese Stellung noch nicht einnahm. Erst eine spätere Zeit hat sie ihm zugeteilt. In der Tat passt Indra nach seinem ganzen derben, sinnlichen Wesen absolut nicht in den Kreis der Adityas hinein, dieser erhabenen, ethisch gerichteten Göttergestalten. Es liegt nahe zu vermuten, der grosse Gewittergott Indra habe hier einen anderen älteren Gott desselben Gebietes verdrängt, der besser in jenen Kreis hinein passte, von Hause aus in ihn hinein gehörte. Ein solcher liegt in der Tat vor in Parjanya. Prüft man die Lieder an Parjanya, so erweist sich dieser als der erhabene Himmelsgott, der sich in Donner und Blitz zürnend und strafend, die Uebeltäter schlagend, im Regenguss die Erde segnend und befruchtend, offen- bart. Das ist es gerade, was wir von dem siebenten Aditya zu erwarten hätten. Ebenso bestimmt erweisen ihn die verwandten Gestalten des Fjörgynn-Perkunas-Pehrkons als den Himmelsgott in der Eigenschaft des Gewitterers. Er ist der echtbürtige Bruder der Adityas, er ist der siebente Aditya.

In der Diskussion bemerkt Pfr. Happel, dass an der sonst hübsch geschmiedeten Beweiskette allerdings ein wesentliches Glied fehle, der Nachweis, warum der sechste Aditya. der Par- janya gewesen sein soll, ausgefallen ist.

Prof. Dr. A. Westphal (Montauban).

Le culte de Mitra a-t-il disparu du Folklore europeen?

(Resurne).

M. Westphal entretient la section de cette question : Le culte de Mitra a-t-il disparu du Folklore europeen ? Apres avoir retrace le caractere propre du Mitriaspme ä l'eoque des conquetes et du

Konfp-essbericht. J9

290 V. Sektion. Prof. Dr. A. V. Williams Jackson.

commerce romain dans la France meridionale, M. W. expose les traditions relatives ä un rocher situe dans les environs de Mont- pellier, sur le territoire de l'ancienne ville romaine Sextentio ou Siibstantio, et que la population languedocienne appelle encore „le rocher de Substantion". II expose les motifs d'ordre historique ou litteraire qui Tont amene ä penser que les traditions relatives ä ce rocher remontent au sanctuaire que le Dieu Mitra possedait ä Sextentio, ainsi que le prouve une inscription retrouvee sur les lieux. Au cours de la discussion relative ä cette communication, M. Tamamcheff de l'Ecole russe des Hautes-Etudes est amene ä raconter une histoire analogue, qui fait partie des Souvenirs religieux du Mitriasme armenien.

Prof. Dr. A. V. Williams Jackson (New-York).

The Atash Kadah or Ruined Fire Temple at Isfahan.

(It6sum6).

This article gives the results of an examination, made by the writer on his recent visit to Persia, of the ruins of a Zoroastrian fire temple near Isfahan, and proves the identity of the edifice with the temple of "Marasa mentioned by Masudi a thousand years ago. This Oriental writer says that the temple was originally a shrine of idols but was converted into a fire temple by Vishlaspa the patron of Zoroaster and defender of the faith of ancient Iran.

H. Arakälian. 291

H. Arakelian (Tiflis).

La religion ancienne des Armeniens.

(Resume).

L'ancienne religion de l'Armenie est une des questions des moins elaborees de l'histoire armenienne. Quelques renseignements que nous trouvons chez les historiens grecs, romains et armeniens, demontrent que la religion primitive des Armeniens etait le na- turisme, c. ä d. les Armeniens adoraient les monts, les forets, l'eau, le Soleil et la Lune. Le Soleil etait une divinite masculine, la Lune feminine, qu'on appelait ,,le feu-sceur1' ; l'eau s'appelait „la source- frere". L'adoration du feu fut introduite plus tard. Le culte d'ado- ration du Soleil et de la Lune s'accomplissait sur les sommets des montagnes et les Armeniens n'avaient pas l'habitude d'eriger des temples et des statues ä leurs divinites. Les forets etaient aussi des lieux sacres, par le chuchotement des feuilles des arbres et notamment des platanes on faisait differents presages. Outre les divinites principales, les Armeniens avaient aussi quelques divinites secondaires : c'etaient differents etres mythiques demi- homme, demi-animal, qui avaient des fonctions speciales, par exemple les Harleses avaient l'aspect canin : leur fonction etait de lecher les blesses et les morts tombes sur les champs de bataille et de leur ressouffler la vie.

Cependant quand les Armeniens tomberent successivement sous la domination de l'Assyrie, de la Babylonie et de la Perse achamenide et subirent l'influence de leur culture, ce Systeme reli- gieux prehistorique ceda graduellement sa place aux systemes reli- gieux assyro-babylonien et surtout iranien. L'ancienne religion de la Perse le Zoroastrisme ou le Mazdeisme fut la religion dominante en Armenie trois ou quatre siecles avant J.-G. ; ce dont nous avons le temoignage de Strabon qui declare tres clairement que tout ce qu'adoraient les Perses etait aussi objet d'adoration chez les Medes et les Armeniens.

19*

292 V. Sektion.

Ulterieurement, au premier siecle avant J.-C, sous les regnes des rois Artasches I et son fils Tigran le Grand (115—36 a. C), aux systemes religieux sus-mentionnes s'ajouta aussi le pantheon grec. Les Armeniens donnerent leur caractere national ä toutes ces pro- venances de differentes religions et de tous ces elements divers se composa definitivement le paganisme national armenien, qui domina dans toute l'Armenie durant 5 siecles, des le I s. a. J.-G. jusqu'au commencement du IV s. de l'ere chretienne, quand il fut renverse par le christianisme.

Ce pantheon armenien, dont les traces restent encore au- jourd'hui dans les coutumes, rites, superstitions et dans les adages populaires, comprenait 9 divinites principales. Le Dieu principal ou le Pere-Dieu etait Aramazde, le meme que chez les Perses Y „Ahouramazda" et Zeus chez les Grecs. La seconde divinite la plus aimee et veneree etait la deesse Anahit, nommee „vivificatrice de la nation" (V Artemis des Grecs). La troisieme etait „Astlik", soeur d' Anahit et deesse de la beaute {V Aphrodite des Grecs). La quatrieme etait la deesse Nane, fille d'Aramazde (YAthena des Grecs). La cinquieme etait Mihr ou Mithra, le fils d'Aramazde (YHephestos des Grecs). La sixieme s'appelait Türe ou Tyre (YApöllon des Grecs). La septieme divinite etait un heros national Vahakn, dieu de la bravoure, mari de la deesse Astlik, {Y Herades des Grecs). La huitieme etait la deesse Spandaramet l'idee de la fecondite de la Terre, epouse d'Aramazde, la meme que chez les Perses „la Spenda-Armaid". La neuvieme divinite Barscham, d'origine assyrienne, correspond ä la divinite assyrienne Barschaiven.

L'Armenie avait 8 sanctuaires principaux ces divinites etaient adorees et leurs idoles en or massif, en ivoire, ornees de pierres precieuses, etaient erigees.

C'est ce pantheon d'origine armenienne, iranienne, semitique et grecque, qui dura en Armenie jusqu'au commencement du IV. s., quand le christianisme le renversa et le rempla^a.

Prof. Dr. Goodwin Smith. 293

Prof. Dr. H. Ooodwin Smith (Gincinnati).

The religion of Akbar, a failure in religions syncretism.

(Resume).

The writer first mentioned the noble character of Akbar, the Mughal emperor of India, and his celebrity as an advocate of religious toleration, which has made him a patron saint of stu- dents of religion. His attitude was shown to be the more remar- kable in contrast with his heredity and environment. The main features of his proposed religion, the "Ilahiah" were enumerated, showing with what excellence it combined the ethical, rational and mystical elements of religion. His criticisms of Islam, Brah- manism, Parsism, Judaism and Christianity were then mentioned, the objections to "Miracle" were shown to be analogous to modern views. The utter failure of the "Ilahiah" was then discussed and six reasons given to account for this failure. These were: 1* Its political character as an imperial regulation. 2nd Its artifi- ciality. 3d Its rationalistic tendency. ^ Its philosophic concep- tion of deity. 5th Its eclecticism. 6th The inertia and bigotry of the followers of the older religions. The writer then laid down as a law of religious evolution that most progressive movements fail in the form in which they are inaugurated, while their energy is not lost but transformed. The truths and principles of Akbar's religion were shown to be successful and permeating cosmopolitan religious thought to-day.

294 V. Sektion.

Prof. Dr. G. Bonet Maury (Paris).

La religion d'Akbar dans ses rapports avec Tisla- misme et le parsisme*).

(Resume.)

Les idees d'union des races, de synthese et de tolerance reli- gieuse preconisees par l'empereur Akbar sont ä l'ordre du jour dans l'Inde britannique. Une elite d'Hindous et de Parsis s'efforcent de fonder une ligue, dite „Akbar Sabha", afin de travailler, sous le patronage du gouvernement anglais, ä faire prevaloir une poli- tique de conciliation. Je voudrais reprendre l'etude du sujet, commencee il y a vingt ans, ä propos de la traduction de „Kaiser Akbar" du Comte de Noer**), au moyen de deux memoires de Mr. Jamshedi Modi***), lus ä la societe asiatique de Bombay, et d'articles de la Revue „East & West"t) dirigee par Mr. Malabari.

Premiere partie.

Etat de 1' Islam dans l'Inde Mogole.

L'islamisme a ete introduit dans linde brahmanique successi- vement par les conquetes de Mahmoud le Gaznevide (1030) et par celles de Baber le TchagataT l'ai'eul d'Akbar (16me siede); mais, ä la difference de ce qui s'etait passe en Syrie et en Perse, les con- querants musulmans ne reussirent pas a convertir en masse les vaincus. La majorite des Hindous resta fidele a sa religion. D'ailleurs la religion de Mahomet avait subi en Perse des altera- tions profondes qui. de lä, se repandirent chez les musulmans

*) Ist irrtümlicherweise im Kongressbericht ausgefallen.

**) Comtf de Noßr: L'empereur Akltar. Un chapitre de L'histoire de l'Inde. Trad. Bonet Maury, prefacc d'Alfred Maury-Leyde. 1883. 2 vol. in 8<>.

***) Jivanshi Jamshedi Moili: The Parsi at the court of Akbar and das- tour Meherji Rana. Bombay. 1903.

f) Easi & West, So. de Fevrier 1903 et Mai 1904. Bombay.

Prof. Dr. G. Bonet Maury. 295

de l'Inde: entre autres le soufisme et le mahdisme. On sait que les Soufi se proposent de s'approcher de Dieu par le renoncement aux jouissances sensuelles, pousse jusqu'ä l'ascetisme, par la priere et l'extase. Le soufisme, en introduisant dans 1'islani la notion de l'Immanence du divin dans l'homme, en etendant la revelation divine ä des saints autres que Mohammed, proclame d'abord le prophete unique, a jete un pont entre sa religion et les cultes antiques de la Perse, de l'Inde et de la Judee. Gette doctrine mystique a eu pour principaux apötres dans l'Inde le cheik Man (de Panipat) et Tadj-oud-Din; ce dernier fut en rapport immediat avec Akbar. Le mahdisme n'a pas exerce une moindre influence sur lui, il y a ete initie par le cheik Moubarak. Son entourage inclinait ä penser qu'il etait lui-meme le Mahdi, c'est-ä-dire le Messie :

„Mon pere, dit Moshan Fani, vit une nuit en reve le khalife vicaire du Tout juste. A son reveil, il se rendit au pays venait de naitre cet auguste personnage. Or le seigneur Djelal-ed-din- Akbar etait ne et le bruit courait qu'il etait semblable au Mahdi".*)

Seconde Partie. Etat du parsisme dans l'Inde.

Les Parsis descendent d'un petit groupe de Persans, qui, apres la conquete musulmane, quitterent l'Iran plutöt que de renoncer ä la religion de Zoroastre. Apres bien des vicissitudes, ils abor- derent sur la cöte du Gouzerat, dans le district de Sanjan (785) et furent autorises ä y resider ä certaines conditions.

Les prineipales etaient qu'ils adopteraient la langue du pays, que leurs femmes se conformeraient aux usages des femmes Hin- doues et qu'ils feraient connaitre leurs rites et coutumes au rajah de Sanjan. Au quinzieme siecle, par suite de l'invasion musulmane, les Parsis s'enfuirent, emportant le feu sacre dans les montagnes de Bahrout. De lä, au bout de vingt-cinq ans, un Parse le rapporta ä Naucari (1516). II est probable que c'est ä l'occasion du siege

*) J. Darmesteter: Le Mahdi et les origines de l'Islam. Paris, 1885. Comp. Moshan-Fani: Dabistan, trad. Shea & T royer. Londres. 1843. IIIme v. eh. X.

296 V. Sektion.

de Surate (1573) qu'Akbar entendit parier de ces refugies persans. Ayant etabli son quartier general ä Kakri-Kari, il y manda le dastour Meherji-Rana, chef de la colonie parse de Naugari qui linitia ä la loi de Zoroastre et aux rites Mazdeens. Mr. Modi a demontre a l'aide de firmans de la chancellerie d'Akbar, de chants populaires et d'une note d'Anquetil-Duperron, que ce furent des Parsis du Gouzerat et non pas ceux restes en Perse qui furent en rapport avec le grand Mogol*).

Cette these est conforme ä lassertion de l'auteur du Moun- takab-al-Tavarik : „II vint de Naucari ä Delhi des Parsis qui en- seignerent ä l'empereur la doctrine de Zoroastre."

Voici les principales croyances et rites des Parsis, d'apres les quinze articles presentes au rajah de Sanjan, ä leur arrivee dans l'Inde et qui n'ont jamais ete abroges:

I. Nous rendons trois fois par jour un eulte au soleil, aux cinq elements, aux trois mondes par des „nyaich-moutras", et par le divin Ormuzd, chef des anges.

II et VIII. Nous ofFrons les honneurs dus au feu splen- dide, au moyen de bois parfumes, de fleurs et de fruits nous honorons nos parents et nos ancetres et nous celebrons leurs sraddhas**) les meilleurs d'entre nous fönt l'aumöne largement.

X. - - Le feu est garde sous un dorne, ä l'abri des rayons du soleil. Nous sommes sinceres et justes dans nos motifs.

XI. Suivant le preeepte de nos livres saints, nous portons le sadra et le kusti, autour des reins.

XII. Nous meditons sur l'air, la lune, le feu, la terre et le soleil, et nous adorons Ormuzd comme le dispensateur de tous les biens***).

*) v. J. .1. Modi : M£moires rites. La note d'Anquetil a 6te decouvertp ä la Bibliotheque nationale de Paris et transcrite par M"e D. Menant, l'orienta- liste distingnee, auteur de la meilleure histoire des Parsis que nous ayons en fr.inijais. Ier vol. paru en 1902. IIme vol. en preparation.

**) Les sraddhas sont des Services nligicux, cel^hres en memoire des d^fnnts, dans les dix derniers jours de l'annee, appeles Farvar-digan; v. Söder- hlom: Les fravashis, Paris 1900.

'**) Le t'-xte des «juinze articles (slokas) 86 trouve dans l'article de W. Kamsay : Indian ;inli<|nary. Pomltav. 1872.

Prof. Dr. G. Bonet Maury. 297

En depit des expressions polytheistes de cette confession de foi, les Parsis n'adoraient et n'adorent encore qu'un seul Dieu. ötre supreme et sans rival, et ne veneraient aucune idole. Le soleil et le feu ne sont que les symboles de la gloire divine et de la purete morale.

Troisieme partie. La religion d'Akbar.

On sait qu'ä la suite de Conferences contradictoires, orga- nisees le jeudi soir dans son palais de Tathpour-Sikri (1576 ä 1578) entre les sectateurs de l'Islamisme, du Judaisme, du Christia- nisme, du Brahmanisme et du Mazdeisme, Akbar abolit le privi- lege du premier comme religion d'Etat (septembre 1579) et se fit proclamer Moudjtahid, c'est-ä-dire autorite infaillible en matiere religieuse. De plus, il rendit un edit de tolerance generale et s'efforc.a de fonder une religion qui put rapprocher les peuples si divers de son empire, dans une meme adoration et dans l'obser- vation d'une morale commune. Cette religion est connue sous le nom de Tauhidi-Ilahi *) ou Ilahya, et sa morale se rapproche beau- coup de celle des mystiques musulmans, par exemple les Chade- lya. Ses dogmes principaux sont l'unite de Dieu, le progres de la vie divine dans l'homme et la survivance de l'äme. Akbar ne voulait ni temple, ni pretre, ni idole; mais comprenant que le peuple avait besoin de symboles et de rites, il les emprunta aux Parsis: Le soleil et le feu furent l'objet d'une veneration particu- liere au lever du jour. ä midi et ä minuit; il adopta le calendrier solaire des Persans et institua la fete du Nauroz-Djelali (Nouvel an) en l'honneur du soleil renaissant, etc.

Ainsi, en combinant la theodicee des Soufi avec le rituel et la morale des Parsis Akbar forma un type de religion tres spiritualiste et tres pure, qui supporte la comparaison avec les plus belles creations du mysticisme chretien. Ce sont ces idees qu'apres trois siecles, une elite de musulmans et de Parsis a reprise et dont ils voudraient faire le programme de l'Akbar-Sabha.

*) Ces mots signifient la religion de l'union divine.

298 V. Sektion.

Dr. A. Führer (Basel).

On the religious views and ceremonies of the Phänsigärs.

We have to introduce to the student of the history of religions a moral and religious phenomenon, which is perhaps the most extraordinary that has ever existed in the world a phenomenon more striking than anything that romancers have feigned a phenomenon, of which stränge and appalling glimpses have heen occasionally obtained. but of which the nature and extent have never been fully understood. It appears from the most overwhel- ming evidence that there existed in India a vast fraternity of secret murderers, consisting of many thousands of persons ; that this fraternity had existed for many ages, and through many political revolutions ; that it had spread its ramification over the whole of that vast country ; that it had flourished alike under Hindu, Mu- hammadan and British rulers ; that it had every year destroyed multitudes of victims ; and yet that its Constitution, we may say its very being, had been quite unknown to the most active and vigilant English functionaries, and very imperfectly understood by the native governments. It was indeed notorious, that gangs of thieves sometimes strangled travellers. It was notorious, that the membres of these gangs were unusually expert at the Operation of strangling ; but that these gangs were merely small detached portions of a vast organized Community, the members of which recognized each other as brethren in the remotest parts of India; that these murders were all committed according to certain ancient and solemn forms, and were regarded by those who committed them, not as crimes but as solemn rites, which it would have been sinful to omit - all this it was reserved for that able and ener- getic Governor-General of India, Sir William Bentinck (1828—35), to discover and to unveil this horrible and portentous System.

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These extraordinary people were known by the name of Phänsigärs, or „noose-operators", and Thags, or „cheats", and their profession was called thagi. They were divided into barkas, or persons fully instructed in the art of strangling, and kdbülas, or novices. These were by no means nominal distinclions. No Phänsigär was allowed to take his degree as barka, or to assume the office of strangler or noose-operator, until he had been on many expeditions and acquired the requisite courage and insensi- bility by slow degrees. The Thags travelled along the roads under various assumed characters in parties varying from ten or twelve to several hundreds. They appeared as traders, as pilgrims, as sipdhis seeking or returning from service; and sometimes one of their number figured as a räjä, with all the necessary equipments of tents, carriages etc., and the rest acted the part of his obsequious followers. If the gang was numerous, they were divided into separate parties, who followed each other at some distance, or taking different routes met at an appointed place in advance. Their victims were almost always travellers. The most expert members of the gang were employed to collect Information, and insinuate themselves into the confldence of the travellers whom they found at the resting places or overtook on the road. They usually pro- posed to them to join Company for mutual safety ; and if the traveller suspected one party, he soon feil in with another, who pretended to enter into his feelings of distrust. A person was sent ahead to select a proper place for the murder and scouts were employed to prevent intrusion. The travellers were generally in- duced to sit down under pretence of resting themselves, and they were strangled at once on a given signal (called jhirni in Ramäsi, the peculiar language used by the Thags). The bodies were then buried, after having been mangled to expedite dissolution, and to prevent their swelling and causing cracks in the ground. Two men were employed in the murder of each individual, one of whom held his legs or hands (shamsiya), while the other applied the noose (phänsi) or handkerchief (romäl), who was called bhatote. If a dog accompanied the traveller, it was also killed, lest the faithful animal should cause the discovery of the body of its murdered

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master. ..There is darkness under the lamp'', says an Indian proverb ; and such would indeed appear to be the case, vvhen whole families with their servants, counting in some instances the surprising number of 500 persons, could be instantaneously put to death, without any discovery taking place. Such instances fully illustrate the confidence the Thags reposed in the power of con- cealment which belonged to their secret System, whilst other in- stances show the patience with which they followed up their victims, until they found a fit opportunity to execute their abo- minable purpose. Sometimes, but very rarely, they were obliged to depart from their rule of putting their victims to death by strangling in stabbing them with spears or cutting them down with swords.

In Bengal, which is much intersected by rivers, the plan was modified to suit the circumstances of the country. The practice there was to inveigle travellers on board pretended passage-boats, which were manned entirely by Thags, and then to strangle them and throw the bodies into the river. Several of these boats fol- lowed each other at short intervals, so that if the traveller escaped one snare, he might fall into another.

The Phänsigärs were forbidden by their rules to kill women of any description, and either men or women of the following classes : fakirs, bards, musicians by profession, dancing men or women, washer-women, sweepers, oil-vendors, blacksmiths, and carpenters, when found together, maimed or leprous persons, men with cows, and Ganges-water carriers, while they have the Ganges water actually with them ; but if their pots were empty, they were im! exempted. However, these exemptions were not made out of eompassion, but from a kind of superstitious feeling, Vvhich is the strängest part of this stränge System. The Thags date all their misfortunes from their murder of a native lady, called Kali Bibi, or „black lady", who was proceeding to Haidarübäd with a sheet of cloth of gold for the tomb of a brother of Saläbat Khan. Since that time, the northem Thags have murdered men as well as women; but those south of the Narbadä adhered to their primitive usage in this respect. The extent to which the natural feelings of

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humanity have been extinguished in those miscreants, is perfectly astonishing. A party accompanied once a traveller and his family more than 200 miles were on the most intimate terms with them for about 24 days, and received essential favours from them. The whole gang hesitated ; and one party separated from the main body rather than be present at the murder. But will it be believed what was the cause of their demur ? Not any dislike to sacrifice people to whom they owed so much, and with whom they had consorted on such friendly terms that never entered into their minds but the circumstance of the man having but one arm. He and all his family were put to death. The Thags also occa- sionally preserved young children of both sexes, and adopted them as their own ; and sometimes young women of a riper age were saved to become the wives of the murderers of their parents. This practice often gave occasion to lamentable scenes.

As the existence of tliagi had been discovered at different times and in different parts of India, efforts were made for its suppression. Mr. Wright, magistrate of Chitür, in 1812, made great exertions for this purpose in the south, and Messrs. Halhed and Stockwell in the north of India. The füll extent of the evil, however, was not then known, and whilst the active English magistrates flattered themselves that they had put a stop to the practice, it was really only temporarily suspendea in their own neighbourhood. A system which embraced the whole of India could not be suppressed by a few inroads upon it.

The dispersion of the gangs had the usual effect of a perse- cution which does not go the length of entire eradication. The scattered Thags formed numerous separate gangs ; and although the number of raw recruits whom they enlisted contributed in the end to their downfall, yet its immediate effect was greatly to increase their number. At least, the disclosures which were made on the occasion of the apprehension of a large gang of Thags by Major Brothwick in Mälwä, in 1831, attracted Lord William Bentinck's attention, and a system was organised by him for the general suppression of this monstrous evil. Jabalpür was fixed as the centre of Operations. Captain (afterwards Sir William) Sleeman was

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appointed Superintendent, with a number of European assistants, and the Cooperation of the Native States was engaged. The plan of proceedings was founded on an accumulation of evidence given by Thag approvers. Two or three of the members of every gang seized, were admitted as king's evidence, and they were immediately called on to dictate a narrative of all the expeditions in which they had ever served, mentioning the individuals with whom they were associated ; and their authentic testimony was then considered closed. The trials depended upon the concurrence of a number of depositions, the Originals of which were taken in different parts of India, from different persons, without a possibility of previous intercommunication ; upon the recognition of the prisoner by the witnesses, to each of whom he was shown in a crowd of other people ; and upon the confirmation of the evidence by the discovery of the bodies in the places indicated. Each of the assistants had a section of India allotted to him, within which he was responsible for the apprehension of these miscreants, with the help of the approvers and of the accumulated evidence. Up to October 1835, 1562 persons had been hanged and 986 transported or imprisoned for life. In 1834, these Operations were threatened with a severe check, which was happily averted by Lord William Bentinck's firmness. Man Singh, the räjä of Jodhpür pleaded the right of granting asylum, and refused to give up the Thags, who had taken refuge in his territory ; but he was informed that he could not be permitted to make his country the headquarters, whence these bands of assassins might carry on their attacks against all the neighbouring States. On his persisting, an army was assembled against him, and he quietly submitted. üccasions like these afford the best Illustration of the advantages of English supremacy in India. Even if the requisite public spirit and intelligence were not wanting, the Native States are incapable, from mutual jealousy and distrust, of combining together for the accomplishment of any object of general interest. At this point the Supreme Power steps in ; explains to subordinate allies the extent of the evil, and the nature of the remedies which ought to be applied; collects for one common effort the Services of the whole of India, and directs that

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effort by European intelligence, energy, and perseverance. This is indeed a noble instrument of beneficence, but much credit is also due to the hand which has so effectually applied it. The grand characteristic of Lord William Bentinck's measures is, that they were directed to the permanent benefit of the mass of people. Hence the dislike with which he was regarded by the privileged few and the veneration in which his name is still held by the people of India.

The origin of Thagi is hidden in mystery. Seneca, who had himself been in Egypt, mentions „those robbers whom the Egyptians call Phüetas (fondlers), who embrace merely with a view to strangle." As a system nearly allied to Thagi prevailed at an early period in a country closely connected with India, it is not improbable that Thagi itself has an equally remote origin. The French traveller Thevenot (1665) is the first European author, who notices the Phänsigärs; according to him, they use a certain slip with a running noose, which they can cast with so much sleight about a man's neck, when they are within reach of him, that they never fail, so that they strangle him in a trice. They have another cunning trick also to catch travellers with. They send out a handsome woman upon the road, who with her hair dishevelled seems to be all in tears, sighing and complaining of some misfortunes, which she pretends have befallen her. Now, as she takes the same way that the traveller goes, he easely falls into conversation with her, and finding her beautiful, offers her his assistance, which she accepts ; but he has no sooner taken her up behind him on horse back, but she throws the snare about his neck and strangles him, or at least stuns him, until the robbers (who lie hidden) come running in to her assistance, and complete what she has begun. This may have been all true in the 17lh Century ; but if so, a considerable change has since taken place in the habits of the order. The sash (romäl) has been substituted for the lasso, as being less open to detection ; and the Thags, who have settled habitations, seldom permitted their wives to accompany them on their expeditions. The Substitution of a more secret method of strangling for the noose, is what might have been expected in

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the progress of improvement. The southern Thags arrogate very high antiquity for their profession, and point in confirmation of their claim to some sculptures in the Caves of Ellora in the territory of the Nizäm of Haideräbäd, dating from the 8tb Century after Christ. In one place men are represented in the Operation of strangling; in another burying the bodies, and in another carr- ying them off to the graves. According to their own views, the Thags would never have exposed the secrets of their trade, and as no other human being could have cut these curious figures, they must be the work of some demons (devas), who knew the secrets of all mankind. Notwithstanding the alleged antiquity of the profession, the northern Thags cannot trace their own pedigree higher than the era of the first Pathän Sultans of Dehli (about A. D. 1296). Their tradition is, that their ancestors, who were then divided into seven clans, as their descendants still are, used to infest the roads in the neighbourhood of the capital, until they drew upon themselves the anger of the emperor by murdering one of his domestics, who was in league with them, and who threatened to betray them with a view to extort more money than they thought reasonable. On this, they were expelled from Dehli. The majority of them retired to Agra ; and ultimately to the strong country at the junction of the Jamnä, the Ghambal and the Kali Sindh, which continued to be their headquarters, until they were driven out in 1812. These seven clans are the original trunk upon which all the Thag associations to the north of the Narbadä have been grafted. They were originally all Musulmäns ; but for a long time past Musulmäns and Hindus have been indiscriminately associated in the gangs ; the former clan howewer still predomi- nating. Their numbers were kept up by descent the profession being, as is usual in India, hereditary by adoption, and occa- sionally, but not offen, by the admission of adults.

The Thags to the south of the Narbadä boast a purer descent; they can trace back the trade of Thagi in their families for more gene- rations, and have adhered with greater strictness to the rules of their profession than those who are of Delhi origin. They also refused to intermarry with the families of the latter saying, they are

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of lower caste, and formerly „drove bullocks and were itinerant tradesmen". This point was warmly disputed by the northern and southern Thags before Captain Sleeman. It was admitted by some of the northern men that at their funerals the women, who bring the water, chant the occupations of the ancestors of the deceased, in a manner which shows that they were originally descended from gangs of wandering Musulmäns, who followed armies, and lived in the suburbs of cities and in the wild wastes, and that their pretentions to higher descent were unfounded. Others acknowleged, that at marriages an old matron will sometimes repeat as she throws down the tulsi plant (ocymum sanctum) : „here's to the spirits of those who once led bears and monkeys ; to those who drove bullocks, and marked with the gadni (needle used in tattooing); and those who made baskets for the head" ; but others, who were more zealous for the honour of their tribe, insisted that these were only disguises assumed by their ancestors to enable them to practise their trade in greater safety. It is admitted on all hands, that two of the original seven clans of northern Thags, which did not, like the others, settle at Agra after their expulsion from Delhi, retained their wandering habits to this day; and there seems reason to suspect, that most of the gipsy tribes. especially the Brinjäras, who are to be found in all parts of India but are most numerous to the north and west, practise thagi as occasion offers.

No system of secret murder has ever existed so extensive, so completely organized, or so successfully pursued as that of Thagi. The seif devoted religious Assassins in England were mere bunglers compared with the Thags. The English Burkers, with their sneaking, solitary midnight murders, do not deserve to be named in the same day with the members of a confederacy who traversed every part of India in gangs of hundreds, and throttled sometimes as many as threescore victims at once. Besides, the Assassins and the Burkers flourished for a time and passed away ; both their com- mencement and their end are known ; but the beginning of Thagi is lost in the remotest antiquity, and it has been practised gene- ration after generation down to our own times. Even now it is by no means totally suppressed ; and if the efforts at present made

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by the Thagi and Dakaiti Departments of the British-Indian Go- vernment for that purpose were only for a short time to be relaxed, it would overspread the whole of India as heretofore. It is there- fore worth inqniring. what were the causes which have secured such unexampled success to this terrible confederacy ; and above all, what was it which had silenced the voice of conscience in the minds of the Thags and infused into them a spirit and a love for their profession which would do credit to any better cause. The principal of Assassination was religion ; the principle of Burking was gain. In Thagi they are both united : gain sanctioned by religion : human rapacity exercised under the supposed approbation of the Deity, was its principle. Some of the Thags had been in the habit of holding what may be fairly called unreserved com- munication with European gentlernen for more than twelve years; and yet there was not amongst them one who doubted the divine origin of the system of Jhagi, not one who doubted that he and all who had followed the trade of mnrder with the prescribed rites and observances, were acting under the immediate Orders and aus- pices of the goddess Devi, Kali, Durga, or Bhaväni, as she is in- differently styled, and consequently there was not one who feit the slightest remorse for the murders which he may, in the course of his vocation, have perpetrated or assisted in perpetrating. A Thag considered the persons murdered precisely in the light of victims offered up to the goddess. He meditated his murders without mis- givings ; he perpetrated them without any emotion of pity ; and he remembered them without any feelings of remorse. They troubled not his dreams, nor did their recollection ever cause bim disquietude in darkness, in solitude, or in the hour of death.

The acconnt which the Thags give of the first establishment of their profession will explain the nature of its pretentions to a divine origin. They have a tradition that a demon, by name llaLidbijdäna infested the World and devoured mankind as often ;i- they were born or created : and to enable the world to be peopled, K;ilidevi determined to put him to death. This demon was so tall that the deepest ocean never reachcd above his waist, and he could consequently walk over the world at Ins ease. Kall

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attacked him and cut him down ; but from every drop of his blood another demon arose, and as she cut them down, from every drop of their blood another demon sprung up, and the numbers increased at this geometrical rate, until she became fatigued with the labour. On this she formed two men from the sweat brushed off from one of her arms ; and giving them each a handkerchief, told them to put all these demons to death, without allowing one drop of their blood to fall on the ground. After their labour was done, they offered to return to the goddess the handkerchiefs with which they had done their work ; but she desired them to keep them as the Instruments of a trade by which their posterity were to earn their subsistance and to strangle men with these handkerchiefs, as they had strangled the demons, and live by the plunder they acquired ; and having been the means of enabling the world to get provided with men by the destruction of the demons, their posterity would be entitled to take a few for their own use. The goddess told them that they might leave the bodies of their victims on the ground, and she would take care that they should be removed, provided they never looked back to see how she disposed of them. On one occasion however an unfree man had the audacity to look back and saw the goddess stark-naked devouring the bodies and throwing them about in the air. Her modesty and dignity were naturally offended and she told them, that in future they must bury the bodies themselves ; but from some remains of compassion with her ancient followers she bestowed on them a pick-axe endowed with various supernatural qualities.

A pick-axe was consecrated by each gang before setting out on an expedition, and was regarded by a Thag much in the same light as his sword is by a soldier. It was the mark of his pro- fession ; he swore by it, and under such an awful sanction, that the person, who foreswears himself, will within two or three days die a horrid death ; his head will turn round, his face towards his back, and he will writhe in tortures tili he dies. The sound of the consecrated pick-axe was never heard in digging a grave by any one except a Thag. It was carried by the shrewdest, cleanest, and most sober and careful man of the party in his waist-belt. Whüe

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in camp, he buried it in a secure place with its point in the direction thev intended to go : and if another direction was better, its point would be found clianged. Formerly it had to be thrown into a well, whence it would come up of itself, when summoned up with the appropriate ceremonies ; but since the northern Thags had hegun to do what was forbidden, and neglected what was enjoined. it had lost that virtue. as far as they were concerned. In the Dekhan, where the primitive spirit of Thagt had not been departed t'rom, this was still the case, according to the firm belief of these people. The most ordinary and efTectual mode, however, in which the goddess interfered in behalf of her votaries, was by means of omens. These were considered by the Thags as signs expressiv appointed to guide them to their prey or to warn them of approa- ching danger ; and no member of the fraternity ever doubted that, if these omens had been attended to and the other prescribed rules observed, the System of Thagi must have flourished under the auspices of its divine patroness in spite of all the efforts made by the English government for its suppression. It would lead too far, to specify all the different kinds of omens, as they are very nu- merous ; however, the coincidence between the rules of augary observed by the Thags and those of ancient Greece and Rome is very striking. Both. Musulmän as well as Hindu Thags believed that their good or ill success always depended upon the skill with which the omens were discovered and interpreted and the strictness with which they were observed and obeyed. Besides her ordinary interference on their behalf by means of omens, and the super- natural virtues of the pick-axe. the goddess interposed sometimes in a special manner to protect or revenge her followers, when the occasion needed it. In consequence thereof, the Thags were nol wanting in gratitude to their divine patroness for all these favours. A choice porlion of each spoil was set aside for her famous temple at Bindächal in the Vindhya ränge, previous to the division, and numerous rites were observed in her honour, of which the tapantj or sacrifice of sugar, was the most important. This sacrifice is offered at the first convenient place after every murder. One rapee and (nur annas wortfa ol' coarse sugar is purchased and put

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upon a blanket or sheet spread upon the cleanest place they can select. Near the pile of sugar and on a blanket they place the consecrated pick-axe and a piece of silver as a riipadarsan, or silver offering. The most esteemed leader of the gang, who is supposed to be most in favour with the goddess and best acquainted with the methods of propitiating her, is placed on the blanket with his face to the west. As many noted stranglers as it can convientlv contain sit on each side of this leader, with their faces in the same direction. They must be, including the leader, an even number. The rest of the gang sit outside the blanket. The leader now makes a hole in the gronnd, and having put into it a little of the sugar, he lifts his clasped hands and eyes towards heaven and, with his mind fixed upon the goddess, he says : „Great goddess, we pray thee, fulfil our desires." In this prayer all the Thags fervently join, repeating each word after their leader. He then sprinkles some water over the pit and pick-axe and places a little sugar upon the extented hands of every Thag seated upon the blanket with him. One of the gang now gives the signal for strangling in the same mann er as if they were going to commit murder, and the Thags upon the carpet eat their sugar in solemn silenee. Not a word is spoken tili they have eaten the whole, and drunk some water. The pile of sugar is now distributed as con- secrated food to the whole of the gang intitled from their rank to partake of it. They eat it all with silent reverence, so that no particle may fall to the ground ; and if any fall, it is put into the pit, that it may not be soiled by the foot of anyone. The silver piece is then given back to the person who lent it for the purpose. No one but a man, who has strangled with his own hands and is at the same time a free man, is suffered to partake of the sugar thus consecrated. For those who have not yet strangled a victim or are not free men, sugar is set apart from the pile before con- secration and they eat it at the same time as the others on the signal being given. If anything improper or indecorous in language, manner or conduct takes place during this ceremony, they consider it an evident sign of the displeasure of the deity and despair of further success in an expedition. If any particle of the consecrated

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sugar should be left on the ground and eaten by a dog or any other animal, they would they believe suffer under the displeasure of the goddess for years to come. If any other human being should taste the sugar, they are persuaded tliat he would immediatelv take to the trade of Thagi and never he able to leave it off, whatever may have been his rank or condition in life. If they have any young disciple (chela) about whose advancement they are very solicitous. they try to get for him a little of the consecrated sugar, assured that he will advance rapidly in his profession after eating it.

It will now he apparent, in what the principle of Thagi con- sists : what it was which gave rise to the phenomenon of several thousand persons pursuing murder as a trade, generation after generation, not one of whom entertained the least suspicion that he was doing wrong ! The Thags were the followers of a deity who delights in blood. Thagi is by no means the only horror which is patronised by her. Every murderer looks to her as his protectress. She is the goddess of destruction, and of all the Hindu pantheon she alone was appeased by human sacrifices. It was formerly no uncommon thing to hear of persons cutting their own throats or decapitating their children at the shrine of this bloodthirsty goddess. To the Thags, therefore, murder was an act of religion just as much as the practise of charity is to a Christian. When by according favourable omens their patroness was supposed to have revealed her will for the sacrifice of travellers, those of the stricter sort dared not disobey. It was, however, still a controverted point of Thag theology, whether when a trav eller falls into their hands under favourable omens, they are bound by their religion to kill him or are only permitted to do so, if it happens to suit their < :onvenience. The orthothox divines of the south were as usual for the unsparing use of the sash : the heretics of the North 1 v- commanded that mercy should be shown in such cases.

As the Thags had a religion of their own, they were rcgarded amongst thnnselves as religioua or otherwise according to the

e of strictness with wich they observed the rules of their peculiar faith. It may appear odd 1<> classify professional murderers

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as religious or otherwise; but this distinction is not unknown to the more refined morality of India. "His father (a noted Thag) used to drink very hard and in his fits of intoxication he used to neglect his prayers and his days of fast. All days were the same with him. This lad Shamshira (also a Thag) was always sober, and religionsly disposed, and separated from his father, living always with his uncle Dondi (another Thag), who was a very tvorthy and good man''' Another consequence of the peculiar religious belief of the Thags was that they drew a distinction bet- ween Thagi and murder. In our eyes all killing is wrong which is not sanctioned by the laws of the country : in the opinion of the Thags, it is wrong when it is not sanctioned by the municipal law of the country or the divin e law of their patroness Kali. They added to the cases in which the destruction of human life was permitted that of travellers who feil into their hands when the omens were favourable. The superiority which the Thags assumed over ordinary murderers is in the highest degree astonishing. They even laid claim to the title of public benefactors on the ground of their having opened the shortest, and, if they are to be trusted, by far the most certain road to heaven. There is no end to the new and singular results of this distorted state of morals. In every respect in which their peculiar tenets did not clash with the ordi- nary rules of morality, these professional murderers were not only blameless, but even exemplary in the Performance of the various duties of life. No men observed more strictly in domestic life all that was enjoined by their priests or demanded by their respective castes; nor did any men cultivate with more care the esteem of their neighbours or court with more assiduity the good-will of all constituted local authorities. In short, to men who did not know them, the principal members of these associations would always appear to be amongst the most amiable, most respectable and most intelligent members of the lower, and sometimes the middle and higher classes of native societies; and it was by no means to be inferred that any man who attempted to screen them from justice knew them to be murderers. The most hardened Thags not un- frequently gained the esteem of the European officers employed in

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seizing tliem by the propriety of their conduct and the mild decorum of their manner.

It was certainly part of the business ot' a Thag to cultivate a mild and conciliatory deportment, both with a view to inveigle travellers and secure to himself protectors; but we conceive that this is not of itself sufficient to account for the facts before us. In Europe, hardened criminals are seldom distinguished even for having ''benevolent countenances" ; and if we go into the details of their domestic life, the traces of their ferocious occupation become still more apparent. Such persons are by no means remarkable for being good husbands, good fathers, or good neigh- bours. Seither do they almost invariably abstain from wanton cruelty or from offering any outrage either to mind or body beyond what was necessary for depriving their victims of life, which was the case with the Thags. No Thag was ever known to ofTer insult either in act or in speech to the women they were to murder. No gang would ever dare to murder a woman with whom one of its members should be suspected of having had connexion. Whence then is this difference? How does it happen that crime has lost its brutalising influence in the case of the Thags? The real explanation seems to be this. No man's moral feeling is offended by doing what he does not consider to be wrong. The Thags were not hardened by the practice of murder, because they did not believe it to be murder in the way in which they committed it. Soldiers fighting in their country's cause could not be less conscious of doing wrong than the Thags were. Both entertain an implicit belief, that an exception has been made in their favour in this general law for the preservation of human life; and there- fore both are satisfied that they are doing nothing more than their duty in putting their fellow-creatures to death. But although conscience may be silenced by false religion, human nature cannot be brought at once to view human suffering with indifference. t-hildren were trained to the practice of Thagi by a gradual process; and great care was taken not to shock them by too >udden an introduction to scenes of actual murder. Instances were not wanting of the amiable disposition of human nature breaking

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through the restraints whieh had been placed upon them by a mistaken system, even in the case of the most practised Thags. A singular reason is assigned by the Thags for their general in- difference to the pangs cf their victims. "We all feel pity some- times", observed a Thag leader, "but the sugar of the tapani sacrifice changes our nature; it would change the nature of a horse. Let any man once taste of that sugar, and he will be a Thag though he know all the trades and have all the wealth in the world."

There can be no doubt that the Thags became strongly attached to their detestable occupation. They rarely, if ever, abandoned it. Those who, narrowly escaping the merited vengeance of the law, were released from prison on security, were seldom able to refrain from resuming their old employment; and those who, bending under the weight of years and infirmities, were no longer able to bear an active or principal part. continued to aid the cause by keeping watch, procuring intelligence or dressing the food of their younger confederates. This attachment to their profession may, however, be accounted for without attributing any miraculous influence to the "sacred sugar". Their calling is in their esteem, both honourable and holy; by a long course of education it has become habitual, and it is recommanded to them both by its lucrativeness and by the intervals of leisure which it afförds. Persons who have been accustomed to a life of mixed idleness and adventure are not easily reconciled to quiet and regulär habits. It is well known, that scarcely anything is so difficult to reclaim as a gipsy or an American Indian.

The association of Musulmäns with Hindus in the worship of Kali Devi is very curious. This is the more remarkable, as the rules of the Muhammadan religion are especially directed to maintain in the minds of its followers the belief in the unity of the godhead. No carved image, no painted representation of man or beast is allowed either in their masjids or houses. The perpetual exclusion of idolatry from their religious system has always been their peculiar boast. Since the fourth Century, Ghristianity has been more or less debased by idol worship; but. as far as we know»

314 V. Sektion.

this is the first instance of its introduction into Muhammadanism. The Hindus have in some instances, particularly in the South of India, adopted the religious practices of the Musulmäns ; but we never before had heard, that the Musulmäns had fallen into the idolatry of the Hindus. Deprecatory offerings to Kali as the goddess of destruction are very general amongst the Musulmäns of India.

The System of Thagi was made for *ecrecy. Acting upon the maxim "dead man teil no tales", they never robbed without first murdering. They never shed blood. In speaking of matters relating to their profession, they used a slang, called Ramäs?, which was understood only by themselves ; and the fraternity also possessed certain signs by which its members recognised each other in the remotest parts of India. They never put their victims to death tili they had a safe opportunity, even if it should be neces- sary to follow them hundreds of miles before they obtained one. Besides, there were also various circumstances peculiar to India which enabled them to carry on the practice witli much greater facility there than would be the case in most other countries. These circumstances, however, do not lie beneath the surface. If any practice at all approaching in atrocity to that of Thagi were to be discovered in any country of Europe, it would be immediately put down by an united effort of the whole population. In India, however, the state of moral feeling is quite different. The Thags had nothing to fear from public opinion; instead of being denounced by their neighbours, they were generally the most populär members of society, owing to their conciliatory manners and the freedom with which they spend their money. The Native Governments, instead of rooting them out, recognised them as a regulär pro- fession, protected them, and levied a fixed tax from them. The same religious feeling which led the Thags to believe that they w. rc performing a laudable action in murdering travellers who were thrown into their way, while the auspices were favourable, caused them to be regarded without horror by other Hindus. They were supposed only to be doing their duty in that state of life to which (Jod had called them. All Hindus as well as the Thags

Dr. A. Führer. Biodin. 315

believe in the Goddess Kali; and regarding them as her followers, they respected them and dreaded the consequence of being instru- mental in their punishment. The want of sympathy between men of different castes, or different places of abode is unhappily the grand characteristic of Indian society. As long as these assassins forbore to murder in and about the places where they resided and conciliated or kept in ignorance the local police authorities, they were sure of being cherished as among the dearest members of society. Undoubtedly. in India an universal selfishness prevails; there is no mutual dependance, no disposition to unite for the accomplishment of objects of public interest.

We have here the extraordinary spectacle of a religion which is professedly directed to provoke, not the peace and happiness. but the destruction of the human race. Other religions have had their abuses; but the essence of the religion of Kali Devi is pure unmixed evil. She presides over a System of murder and is repre- sented as having made a grant of half the human race to her votaries the Thags, to be slaughtered by them according to certain prescribed rites and ceremonies. To what an extent such a religious belief must operate to taint the morals of the people, it is hardly possible to imagine. Almost every false religion has paid court to some of the bad passions of mankind; but neither in Greece, in Carthage, nor in Scandinavia, was superstition ever so dia- metricallv opposed to morality as in India.

Folgendes Schreiben des Herrn Brodin (Haag) lag der V. Sektion zur Behandlung vor:

Messieurs,

J'ai l'honneur de formuler le Voeu, qu'au plus prochain Congres Inter- national d'Histoire des Religions, les questions suivants soient posees, afin de provoquer des Communications y relatives.

Les Religions ont-elles procede les unes des autres, ainsi-que l'afnrme Emile Burnouf dans son livre ..La Science des Religions"?

316 V. Sektion.

Dans l'etude de l'Histoire des Religions, a-t-on reconnu en elles un enseignement 6soterique ou ä plusieurs degres?

Quelles sont les Religions qui ont etö reconnues avoir cet enseignement «soterique ?

Le Christianisme a-t-il eu un Esoterisrae?

Dans les Religions ä Esoterisme, y a-t-il eu identite, entre elles, pour certaines conclusions de leur Esoterisme?

Quelles sont les conclusions identiques, entre ces Religions ä esoterisme?*)

Die Antwort der Sektion lautete :

Da dem diesjährigen Kongress die Zeit mangelt, um auf die verschiedenen Fragen des Herrn Brodin einzugehen, so richtet die V. Sektion die Bitte an das Präsidium, diese Fragen zur eventuellen Berücksichtigung an das Komitee des III. internationalen religionsgeschichtlichen Kongresses zu übermitteln.

Hochachtungsvoll

E. Müller-Hess, "J. September 1904. Präsident der V. Sektion.

*) Aehnliche Wünsche, speziell in Bezug auf eine Untersuchung der Frage nach den ursprünglichen Wechselbeziehungen zwischen Buddhismus und Christentum, waren brieflich durch Herrn IL Camerlynck (Amiens) aus- gesprochen worden.

Prof. Dr. H. Usener. Prof. Dr. R. Reitzenstein. 317

Vereinigte VI. und VII. Sekition.

Religionen der Griechen und der Römer; der Germanen, Kelten, Slaven und der Ungarn.

Professor Dr. H. Usener (Bonn).

Ueber den Keraunos.

Der Vortrag ist erschienen im Rheinischen Museum LX (1905) S. 1 ff.

Professor Dr. R. Reitzenstein (Strassburg).

Die Bildung des Gottesbegriffes Aion.

(Resumö).

In den religiösen Bildungen des hellenistischen Zeitalters den Anteil der verschiedenen Völker und die Verallgemeinerung national- orientalischer Gedanken durch ihre Einkleidung in griechische Be- griffe und Formeln zu verfolgen, ist ebenso notwendig als gefahr- voll. Nur allmählich schärft sich der Blick für die verschwommenen Gestalten, welche uns entgegentreten, und wir lernen auf regel- mässige Verbindungen von Formeln und Anschauungen achten, um dann durch Hypothese den Grund der Verbindung und damit das Werden des Begriffes zu erraten. So verbindet sich z. B. der

318 Vereinigte VI. und VII. Sektion.

Gottesbegriff Aiobv oder Auov alwvog oder &eog tcov alwvcov in den Zauberpapyri in der Regel mit dem grossen Schöpfungs- und Offenbarungsgott 'A ya&öz öaifjuov, der bald als Erd-, bald als Wasser- oder Himmelsgott, ja selbst als Weltgott gedacht seit flühhelle- nistischer Zeit für verschiedene nationalägyptische Götter eintritt. Die aus zwei widersprechenden alten Berichten plump zusammen- gesetzte Erzählung des Pseudokallisthenes über die Gründung Alexandriens zeigt, dass 'Aya&bg öaijucov zunächst als Schutzgott dieser Stadt galt, bis ihn Sarapis an zweite Stelle drängte; sein Wesen erkennen wir aus dem sogenannten Töpferorakel, das wir mit den bekannten Sagen über die Gründung Alexandriens ver- gleichen müssen: der griechische freundliche Erddämon ist zu- nächst für einen ägyptischen Erd- und Erntegott Psai eingetreten, der frühzeitig auch als Gott des Glückes verehrt zu sein scheint. Als dann im Süden Aegyptens auch Chnum, der grosse Erd- und Nilgott, mit dem in der Hauptstadt verehrten 'Aya&ög dai/ucov identifiziert war, wurde dieser auch in Alexandrien der Nilgott, und da der Nil „die göttlichen Glieder erhält", wurde 'Aya&ög daifjiwv der Gott, welcher der Welt die dla/iovrj gibt, der Aion, wie er schon in dem angeblich Alexander gegebenen Orakel heisst (das Wort scheint in Erinnerung an den Timaios Piatos gewählt). Die Gebete zeigen eine Ausbildung des Begriffes nach drei Seiten. Die diafiovr) gibt, wer die Nahrung spendet, 6 rgecpcov rrp' olxovjuevrjv nur al&va), der Frugifer; so tritt in der Verbreitung des Kultes der Aion für die Saatgottheiten verschiedener Völker ein. Aber es gibt sie auch der Gott, welcher in jeder Stunde, jedem Zeitab- schnitt ein anderer und doch derselbe die Schöpfung immer neu vollzieht, 6 £cpoyov<m> töv xöoftov; endlich nach altägyptischer An- schauung der Gott, welcher verhindert, dass der Himmel auf die Erde niederstürzt, also der Luftraum mit seinen sieben oder nach früherer Vorstellung fünf iiltereinandergetürniten Sphären und den fünf Planetenm&chten, unter deren Schutz schon in dem erwähnten Orakel die fünf Stadtteile Alexandriens gestellt sind. Der Aion wird zum Gott aer)tovco oder in stoischer Formulierung to nveü/M "i ra divJKOv asro otigavov tu'yni yrjs. Die Einwirkung der Astro- logie und die Reaktion gegen sie in der hellenistischen Mystik

Dr. L. Deubner. 319

führen dann einerseits zu einer schärferen Scheidung der verschie- denen Teile, der aicbvtg und ihrer Archonten, andrerseits zu einer Gegenüberstellung des aitbv ovrog, des vielgeteilten Reiches der a- uagfih't], und des unteilbaren grossen alcbv, der 6 eoicög und ö elg heisst. Das späte Judentum hat diese Scheidung nur übernommen und national ausgebildet. Die Rolle des 'Aya&ög daituov und des Aion als Schöpfungs- und als Offenbarungsgott erklärt dann die Bezeichnung Simons von Gitta als 6 'Eorcög und die sehr früh auf- tretende Auffassung oder Darstellung Christi als Aion, die wir noch bei dem in Alexandrien ausgebildeten Dichter Claudian wiederfinden. Für Alexandrien ist uns ein mystischer Kult des Aion noch im fünften Jahrhundert n. Chr. bezeugt; es scheint lehrreich, dass wir seine Voraussetzungen nunmehr bis in frühhellenistische Zeit zu- rückverfolgen und die Bildung eines „gn ostischen" Begriffes wenigstens in ihren Hauptzügen erkennen können.

An der Diskussion beteiligen sich die Herren Proff. Usener, Dieterich und Arnold Meyer.

Dr. L. Deulmer (Bonn).

Die Devotion des P. Decius Mus.

(Resume).

Obwohl Ritus und Gebetsformel der Devotion von Livius ausführlich berichtet werden, ist man den dabei obwaltenden Vor- stellungen noch nicht gerecht geworden. Drei vitale Momente sind zu scheiden, die Verhüllung des Hauptes, das Anfassen des Kinnes, das Stehen auf der Lanze. Der Devovierte ist selbst amtierender Priester, daher muss er die Praetexta anziehen und wie der Priester beim Opfer sein Haupt verhüllen, um jede äussere Störung fern- zuhalten. Das Anfassen des Kinnes erklärt sich daraus, dass der Devovierte zugleich Subjekt und Objekt ist und durch Selbstberührung

320 Vereinigte VI. und VII. Sektion.

die Gotteskraft in sich überleiten soll. Die Lanze ist mit Mars identisch. Durch das Treten auf die Lanze wird der Kontakt mit dem Gotte hergestellt. Die Bedeutung der Devotion ist weder darin zu suchen, dass sie eine Abart des Votum darstelle, noch darin, dass der Devovierte als ein piaculum des Götterzornes aufzufassen sei, vielmehr haben wir eine rein magische Handlung vor uns, die mit der devotio im Zauber wesensverwandt ist. Der Unterschied besteht darin, dass der Feldherr nicht nur die Feinde den Unter- irdischen weiht, sondern zugleich sich selbst. Er bindet durch die Gebetsformel sich und die Feinde zu einer Einheit zusammen. Fällt er. so reisst notwendig der eine Teil den anderen nach sich. Blieb der Devovierte im Kampf am Leben, so war er in ältester Zeit höchst wahrscheinlich unter allen Umständen dem Tode ver- fallen.

An der Diskussion beteiligen sich die HH. Proff. Münzer, Wünsch. Reitzenstein und Dieterich.

Professor Dr. B. Kohlbach (Kaposvär).

Ueber den Polytheismus der heidnischen Ungarn.

(Resum6).

Aus dem Schamanentum der heidnischen Ungarn entwickelte sich der Polytheismus, der nun neben Resten des Schamanismus hauptsächlich in der Verehrung der Sonne und der Morgenröte bestand; Sonne und Morgenröte sind das Symbol des Kriegsgottes, der in Europa zum Nationalgott wurde und zwar in Gestalt eines Reitergottes verehrt wurde.

Es gab neben dem „Öreg isten" einen Demiurgos „Magyarok istene;" er ist der Herr des Krieges, seine Waffe „isten ugila" der Blitz, sein Wagen rgöncöl szekere" (der grosse Wagen), in seinem Dienste die später „garabonciäs" benannten Heidenpriester.

Prof. Dr. B. Kohlbach. 321

Die Ungarn werden sesshaft, widmen sich auch der Land- wirtschaft; ein neuer Faktor erhält Bedeutung in seinem Leben, die Erde; neben Oreg isten, Magyarok istene tritt Nagyboldo- gasszony, die Mutter Erde, an deren Kult uns noch heute Volks- bräuche erinnern. Ihr ist der Dienstag Kedd - - geweiht; sie ist die Beschützerin des Familienlebens, zugleich Göttin der Geburt; als Göttin der Schönheit heisst sie Szepasszony.

Neben diesen drei Gottheiten bleiben noch aus einer frühern religionsgeschichtlichen Epoche die Verehrung des Napisten (Sonnen- gott), nunmehr nicht der höchste Gott, sondern ein Sohn der Nagyboldogasszony, Herr des Herdfeuers, Beschützer der Ehe; Napistens Tochter ist Hajnal (die Morgenröte). Napistens Bruder ist Holdisten (der Mond), ein wandelbarer Gott; von ihm kommt Gutes und Böses.

Vom Szelkiräly (Windkönige), Wasser- und Waldgotte hat sich im Volksmärchen so manches, im Volksglauben jedoch nichts erhalten; ebenso hat sich von der ursprünglichen Bedeutung des Ordög (Teufel) nichts erhalten.

Je friedlicher das Volk in seiner neuen Heimat wurde, umso eher trat die hierarchische Reihenfolge der Götter ein, Nagyboldo- gasszony, die Mutter des Nap- und Holdisten wurde die höchste Gottheit; nur in der Zeit der Not, im Kriege wendete man sich noch an Magyarok istene; Nagy oder Oreg isten war dem Volks- bewusstsein entrückt.

Ohne allzu grosse Umwälzung in dem Seelen- und Gemüts- leben der alten Ungarn trat an Stelle der Nagyboldogasszony Maria als Patrona Hungariae.

An der Diskussion beteiligen sich die HH. Proff. Usener, Körte, John Meier und Reitzenstein.

Herr Professor Körte weist in der folgenden Sitzung darauf hin, dass ein vom Vortragenden als Denkmal ungarischen Polytheismus mitgeteilter Hymnus an die Elemente eine Ueber- setzung des Sonnenliedes des heiligen Franziskus von Assisi ist.

Kongressbericht. 21

322 Vereinigte VI. und VII. Sektion.

Professor Dr. A. Dieterich (Heidelberg).

Mitteilung über den Ritus der verhüllten Hände.

(R6sume\)

Der Brauch, die Hände zu verhüllen, sei es um etwas Heiliges nicht mit blossen Händen zu berühren, sei es, um dem Verehrungs- würdigen nicht mit unbedeckten Händen zu nahen, ist vielen be- kannt aus den unzähligen altchristlichen Denkmälern, die Apostel und Heilige darstellen, wie sie mit verdeckten Händen das heilige Buch, den Schlüssel, die Märtyrerkrone von Christus empfangen oder an die heiligen Personen herantreten. Namentlich Marienbilder und Sarkophagreliefs liefern Beispiele.

Denselben Brauch zeigt ein Silberschild aus Baloyoz, vom Jahre 393, der u. a. einen Beamten mit verhüllten Händen vor dem Kaiser Theodosius darstellt. Dieser Zug des Hofzeremoniells wird durch die Notitia dignitatum und die byzantinischen Zeremo- nienbücher vielfach bestätigt. Ein Zeugnis des Ammianus Marcel- linus fixiert den Brauch auch für den Hof Constantins. Es liegt nahe, der Neuordnung Diocletians auch diese Bestimmung zunächst zuzuschreiben.

Litterarische Zeugnisse, die von Gesandten, die mit verhüllten Händen vor den König treten, aber auch von Tragen der Gottes- bilder mit bedeckten Händen berichten, reichen in hellenistische Zeit. Nur ein Zeugnis, das von Kyros erzählt, der Leute, die mit unverhüllten Händen zu ihm kamen, hinrichten liess, reicht weit zurück zu persischem Hofbrauch.

Eine andere Gruppe von litterarischen und monumentalen Zeugen ergibt den Brauch der verhüllten Hand als feststehend im hellenistischen, nicht aber altägyplischen Isiskult: das aller- luiligste, das heilige Wasser d. i. Osiris, darf nur mit bedeckter Hand gefasst werden. Eine Statue im kapitolinischen Museum, ein poiiipi-janisrhes Bild, ein Relief vom Palazzo Mattei, Stellen des Apuleius, Lukianos u. a. sind Zeugnisse.

Prof. Dr. A. Dieterich. Prof. Dr. R. Wünsch. 323

So ist denn auch der hellenistische religiöse Ritus früher nach Rom gekommen, als das entsprechende Hofzeremoniell, das vollständig durch Diocletian erneuert wurde. Diocletian entlehnte für seine Neuerung vieles von den Persern. Aus all dem, was wir überblickten, ist einigermassen die Geschichte eines religiösen Ritus und einer weltlichen Zeremonie klar: von den Persern kam der Brauch durch Alexander den Grossen, wie man annehmen muss, zu den hellenistischen Höfen und Reichen, im hellenistischen Aegypten drang er auch in den Isiskult ein, weiter wanderte er nach Rom und nach Byzanz. In den Handschuhen der Kaiser und Bischöfe, der höfischen und der kirchlichen Tracht setzte sich mannigfach im Mittelalter bis heute Ritus und Mode der verhüllten Hände fort. Für die Geschichte religiöser Bewegungen sind solche äusseren Dinge oft die sichersten Zeugnisse: es gibt auch eine Religionsgeschichte des Handschuhs.

An der Diskussion beteiligen sich die HH. Isidor Levy, Proff. von Schanz, Arnold Meyer, Bethe und Reitzenstein.

Professor Dr. ß. Wünsch (Giessen).

Mitteilungen zu Religion und Zauber.

(Resume).

Ausgehend von dem Satz, dass die Kenntnis auch des Zaubers für die Erkenntnis der Religion wichtig ist, da im Zauber sich eine primäre Stufe der Religion erhalten hat, gibt der Ref. den Inhalt einiger neuerer Arbeiten aus dem Gebiete der antiken Magie an, und zwar folgender : R. Dedo, de antiquorum superstitione amatoria (Diss. Greifswald 1904); L. Fahz, de poetarum Romanorum doctrina magica (jetzt erschienen als Religions- geschichtliche Versuche und Vorarbeiten II/3) ; R. Wünsch, Antikes Zaubergerät aus Pergamum (erscheint demnächst).

An der Diskussion beteiligt sich Herr Dr. Deubner.

21*

324 Vereinigte VI. und VII. Sektion.

Lionel O'Radiguet (Ste-Ursanne)

Observations sur le passe et les Survivances Druidiques en Rauracie.

(Wurde nicht vorgelesen). (Resume).

Oblige, par une attaque de typhus, de quitter Bäle, le Jour de l'Ouverture du Congres, M. Lionel Radiguet n'a pas pu lire ä la Section VII son memoire sur le passe druidique de la Rauracie dont voici le resume :

Dans la premiere partie, l'auteur du memoire s'est attache, d' apres tous les documents de l'histoire generale et locale, ä decrire la Rauracie pre-Romaine au point de vue geographique, ethno- graphique. linguistique, social et religieux. L'auteur du memoire s'occupe ensuite des Doctrines du Druidisme et de son Organisation, en Gaule et dans la Celtide insulaire, en mettant en lumiere la commune origine esoterique probable des Bompos, des Chamans et des Druides qui, avec des differences dans la mise en scene cultuelle, exercerent le meme sacerdoce religieux, arbitral et astro- logique.

Et l'auteur du memoire conclut, avec le professeur Gaidoz, que, tout en s'elevant jusqu'aux Solutions spiritualistes de l'au-delä et du devenir, dans la pratique courante de son ministere sacer- dotal. le Corps druidique est reste confine aux pratiques de la basse Mythologie.

Au sujet de l'enseignement donne par les Druides, l'auteur du memoire remarque qu'une de ses branches presentait un interet tout special : c'etait l'art Bardique qui resumait alors la poetique et la musique et qui continua, apres la disparition des Druides, ä tenir une place si importante dans la culture des cloitres cenobitiques d'Jrlande et de Cambrie.

Au point de vue de l'unite de l'art poetique et de l'art mu- sical, rumarque ensuite l'auteur du memoire, il est bien regrettable

Lionel O'Radiguet. 325

que le cinquieme des Canoniques chinois n'ait pas surnage, ainsi que les quatre autres, ä la destruction des Livres, tout portant en effet ä supposer que le Yo King contenait les Canons de l'art d'analogie que les anciens appelaient la musique.

Au sujet de l'art de la musique chez les anciens Celtes, un compilateur du VIme siecle, Mac Amalgard n'a-t-il pas note, dans son Histoire des endroits remarquables d'lrlande, qu'aux temps du Roi Gei'de : „Les gens trouvaient les voix humaines plus douces encore que les accents d'une harpe melodieuse" ?

En abordant la derniere partie de son travail, apres avoir etudie les etymologies celtiques du Jura-Rauracien, l'auteur du memoire fait remarquer que l'inventaire complet et critique des vestiges du culte druidique en Rauracie n'existe pas encore et que son ambition ne saurait aller plus loin que d'enumerer quelques points de repere interessants pour l'etude de la Rauracie des Druides. Et, partant du Buchsgau, au nord du lac de Bienne, en remontant vers le nord, il decrit, successivement, le bloc erratique autel du Heidenstein dans la foret de Brugg ; le sanctuaire des Rochers de Courroux ; les rochers du Beridiai, sur l'autre rive de la Birse ; la Pierre de V Autel sur le Mont Repais, aux limites du Salsgau et de 1' Eisgau ; le sanctuaire de la Dame de Mai ä Bourrignon et, enfin, dans la plaine d'Elsgau, au pied du Mont Terrible, le menhir si remarquable de la Pierre Percee ä Gourgenay. L'auteur du memoire conclut ensuite ainsi son travail, apres avoir passe en revue quelques-unes des survivances Celtiques en Rauracie:

Composant, en Rauracie comme en Irlande et en Armorique, avec certains des vieux usages Celtiques, le pretre allait benir les t'ontaines comme il se rendait aux Brandons allumer la Heutte . . .

De nos jours, la medecine n'a pas plus reussi que l'Eglise ä venir completement ä bout des survivances de l'epoque druidique et les braves gens de la campagne et meme des villes s'adressent encore aux Rebouteurs et aux empiriques pratiquant ce que l'on appelle le secret.

Aussi bien dans le Jura-Bernois qu'en Irlande et en Bretagne- Armoricaine, c'est jusque dans la modalite et le particularisme des

326 Vereinigte VI. und VII. Sektion.

pratiques catholiques des populations qu'il est facile de retrouver la survivance druidique.

Ce passe, ces atavismes pouiraient aussi etre attestes par l'inspiration des artistes au ciseau desquels sont dus certains motifs de decoration de l'Eglise du Folgoat en Armorique et de la vieille Collegiale de Ste-Ursanne, inspiration qui ne differe d'ailleurs pas de celles des calligraphes qui enluminerent les vieux manuscrits conserves ä Dublin.

Dr. S. A. Fries. 327

VIII. Sektion. Christliche Religion.

Dr. S. A. Fries (Stockholm).

Was bedeutet der „Fürst dieser Welt" in Jon. 12, 31; 14, 30 ; 16, 11 ? Ein Beitrag zur vergleichenden Reli- gionsgeschichte des Christentums.

(Resume.)

Der in den betreffenden johanneischen Stellen vorkommende Titel 6 äoycov tov y.öouov tovtov, oder, nach richtigerem Text, 6 äqycov tov xoo/iov, entsprechend dem hebräischen D^lpri lu, braucht nicht dasselbe zu bedeuten wie gewisse ähnliche, aber keineswegs identische Ausdrücke bei Paulus (2. Kor. 4, \; Eph. 2, 2), Ignatius (Eph. 19) und im Barnabas-Briefe (K. 18), welche den Teufel als „Gott dieser Zeit", „Fürsten, der im Luftkreise herrscht" und „Fürsten über das Zeitalter der Gesetzlosigkeit" bezeichnen. Die schon von den Tagen des Origenes her herrschende Meinung, dass 6 äoycov tov y.öouov eine Bezeichnung des Teufels sei, erfordert demnach ihre noch nicht vollführte kritische Untersuchung.

Die moderne Exegetik ich weiss nicht gewiss, wann es zum erstenmal geschehen ist hat als Stütze für die Deutung, dass 6 äoycov tov y.oouov den Teufel bedeute, auf Eisenmengers „Entdecktes Judentum" (1711) verwiesen, nach welchem Verfasser u ViJ/M ~*'0 in der jüdischen Literatur den Teufel bedeuten sollte. Dies ist indessen nicht richtig. Der Teufel oder Sammael wird niemals mit diesem Namen bezeichnet, weder in Eisenmengers Buch noch in irgend einer anderen mir bekannten jüdischen Schrift.

328 VIII. Sektion.

Auch der Rabbiner in Stockholm. Professor G. Klein, hat mir privatim erklärt, dass er keine Aussage in den jüdischen Schriften kenne, in welchen Sammael als „der Fürst der Welt" bezeichnet wird. Die Zitate, die von Hallenberg (1800), Gfrörer (1838) und Schlatter (1902) angeführt wurden, sind sämtlich falsch verstanden worden. Sammael wird freilich Edoms Fürst, Moabs Fürst, Amaleks Fürst, Roms Fürst u. s.w., aber nicht „Fürst der Welt" genannt, welcher Titel entweder Gott selbst oder dem „alter ego" Gottes, dem Mitatron (*|nDÖ*B) oder Metatron (]ntJDB) oder Metator plDÖÜ), zukommt. Selbst wenn es der Fall wäre, dass wirklich der Teufel irgendwo der „Fürst der Welt" genannt würde, schliesst dies die Pflicht nicht aus, sondern schliesst dieselbe vielmehr ein, zu prüfen, welche Bedeutung „der Fürst der Welt" im vierten Evangelium hat.

In Bezug auf die jüdische Mitatronslehre möchte ich kurz an Folgendes erinnern:

Inmitten des siebenten Himmels befindet sich die Wohnung Gottes. Nur Mitatron ist berechtigt, im göttlichen Gemach Platz zu nehmen, um mit Gott selbst zu reden. Daher ist er auch ein Echo von Gott, die Stimme Gottes (□"'PPS ?1p). Mitatron ist freilich ein von Gott erschaffenes Wesen, aber es gibt eine Tendenz, ihn zu einem präexistierenden Wesen zu machen. Jedenfalls wird er mit Henoch identifiziert, in welchem auch der Messias präexistiert haben sollte. Er ist Vorläufer und Raumbereiter, der da ordnet und der da anschafft. Identifikationen sowohl mit Jona und Elia, als auch mit Michael sind angedeutet. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Messias ist auch festzustellen. Indessen steht Mitatron hoch über allen anderen Z wischen wesen. Er ist der Sekretär Gottes wie auch der Tröster Gottes. In seiner Eigenschaft als Vertrauter Gottes wird er S^Sm 1&7, „der Fürst des Antlitzes" oder „der Fürst, der in der Wohnung Gottes sitzet" genannt. Er ist dem- nach kein anderer als „der Engel des Antlitzes Gottes" oder „der Engel des Herrn", von welchem an mehreren Stellen im Alten Testament die Rede ist, und der hier als geradezu identisch mit Gott selbst in Rede und Handlung dargestellt wird (Ex. 3, 2 ff; 23, 21 ff; 33, 14: Gen. 16, 10; 22, 15 f; Jes. 63, 9). In Sanh. 38b

Dr. S. A. Fries. 329

lesen wir: Gott sprach zu Mose: Steige herauf zu dem Herrn! Warum sagt Gott nicht: Steige herauf zu mir? Es ist Mitatron, zu dem er hinaufsteigen soll, sein Name ist wie der Name seines Herrn. Zu Mitatron kommen ist zu Gott selbst kommen, ihn sehen ist Gott sehen. „Mein Name ist in ihm" heisst es in Ex. 23, 21. Diese Stelle wird auf Mitatron angewendet, dessen Name nach seinem Zahlenwerte unter der Form ]"HpEE 314 ist, was dem Werte von "HO, dem Allmächtigen, entspricht. Wie Gott trägt er auch den Namen „Fürst der Welt" D^tPH ~W (Chullin 60a: Jebamoth 16 b) oder bisweilen „Engel der Welt". Zu den Auf- gaben Mitatrons gehört auch seine Mittlerschaft für Israel, wobei nicht vergessen werden darf, dass lPIJ/m häufig nur dieses Volk bezeichnet. Sein Titel ist daher sachlich identisch mit dem des Erz- engels Michael in Dan. 12, 1 ~2P ^2~b^ 172"J7j Vf^H lÖH. In der Eigenschaft eines Mittlers Israels bei Gott zeichnet er dessen Verdienste auf und tritt in versöhnender und fürbittender Weise für das Volk ein, wenn dieses sich wider seinen Gott versündigt hat. Er nimmt auch die Gebete Israels entgegen, und man schwört bei seinem heiligen Namen.

Mehrere Gründe sprechen dafür, dass die von Kohut (1866 1 und anderen vorgeschlagene Deutung des Ursprungs des Mitatron - Namens als eine Anleihe resp. Umbildung des persischen Götter- namens Mithra die richtige ist. Die Mitatron-Idee selbst, die Lehre von dem Engel des Angesichts Jahves, ist freilich meines Erachtens eine jüdische oder richtiger hebräische Schöpfung und nicht eine Entlehnung aus Persien, wie ich auch (im Gegensatz zu Kohut und seinen Nachfolgern Stave, Böklen, Lincke u. a. m.) nur inner- halb sehr engen und scharfen Grenzen gesonnen bin, persischen Einfluss auf die jüdische Religion anzunehmen. Der im Alten Testament namenlose Engel Jahves " erhielt indessen meines Erachtens mehr oder weniger wissentlich einen von dem persischen Mithra entlehnten Namen, welcher um so besser passte, als die Lehre von Mithra, dem „Herren der Länder", sowohl in gewissen Hauptpunkten (Ahuramazdas alter ego, Mittler und Richter) als in gewissen Nebenpunkten (beide werden als Jünglinge und Boten dargestellt, und man schwört bei ihrer allwissenden Wahrhaftigkeit)

330 VIII. Sektion.

lebhaft an die Rolle erinnert, die von der jüdischen Theologie dem Mitatron zugeteilt wurde. Ebenso wie die Kenntnis hievon bei den Schriftgelehrten ein Mysterium war, bildeten auch der Mithrakultus und dessen Liturgien Mysterien.

Der Mitatron-Name als eine Entlehnung von den Persern kann schon der vorchristlichen Zeit angehören. Bereits unter den Achä- mäniden war der Mithrakultus nach Kleinasien vorgedrungen. Die von Pompejus besiegten Seeräuber in Gilicien sollen Mithraverehrer gewesen sein, ebenso wie König Antiochus von Kommagene (69 bis 34 v. Chr.). Nach Cumonts Karte über die Ausbreitung des Mithrakultus gab es sogar in Sidon ein Mithraheiligtum. Ausser durch persische Beamte in Jerusalem kann die Kenntnis von der Mithra-Religion durch Juden aus Asien und Gilicien nach Palästina gekommen sein, welche nach Act. 6, 9 eine Synagoge in Jerusalem hatten, woselbst Religionsgespräche sicher ebenso wenig selten waren wie in anderen Synagogen auch schon vor Christi Zeit. Hieraus folgt indessen nicht, dass der Mitatron name wirklich so alt ist, aber andererseits braucht auch der Name „Fürst der Welt" für den „Engel Jahves" seinem Alter nach nicht gleichzeitig mit dem Mitatronnamen zu sein. Was zuvor von der Mitatronlehre erwähnt wurde, spricht auch für ein hohes Alter des Titels „Fürst der Welt".

Ist nun „der Fürst der Welt" im vierten Evangelium identisch mit Mitatron?

Das vierte Evangelium ist seinem Hauptbestandteil nach eine jüdisch orientierte Schrift. Arbeiten von DelfF, Schlatter, Dobschütz und, wie ich hoffe, von mir selbst beweisen, wie ich meine, die Richtigkeit dieser These.

Von den vielen Wohnungen im Hause des Vaters, die neben der Wohnung Gottes liegen, und in denen die Gerechten nach der jüdischen Theologie Raum haben werden, spricht Jesus in Joh. 14, 2 ff. Der Text ist freilich etwas in Unordnung, aber der Hauptgedanke ist klar : Wenn diese Wohnungen besetzt wären, so dass die Jünger keinen Platz finden könnten, würde doch Jesus ihnen solche bereiten. Er weiss, dass er hinreichende Macht und Krall dazu besitzt, denn keiner kann zum Vater kommen ausser

Dr. S. A. Fries. 331

durch ihn (14, 6) ; kennt man Jesus, so kennt man den Vater, denn er ist im Vater und der Vater in ihm. Der Vater selbst tut die Taten, die Jesus ausführt (14, 7, 10). Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben und dadurch nach der jüdischen Theo- logie eins mit Gott selbst. Durch seinen Fortgang würde er noch mehr zum Vorteil seiner Jünger ausrichten können. Er wird ihnen Gebetserhörung im reichsten Masse verschaffen und ihnen den Geist der Wahrheit (14, 12 ff.) senden, der bald mit ihm selbst identifiziert, bald vom Vater ausgegangen und von Jesus getrennt gedacht wird, ein Verhältnis, das völlig erklärlich wird, wenn Jesus sich an die Stelle des Mitatrons denkt, der bald mit Gott identi- fiziert werden konnte, bald von ihm getrennt war. Den nämlichen Gedankengang, der durch und durch das 14. Kapitel des Johannes- evangeliums beherrscht, finden wir bekanntlich in den übrigen Texten von Jesu Abschiedsreden (Kap. 15—16) und in dem hohen- priesterlichen Gebet Jesu, das (durch die Ekstase ?) im Himmel verrichtet gedacht ist in dem Augenblick, als Jesus vor seinen himmlischen Vater tritt, wobei er auf sein Werk auf Erden zurück- blickt (Kap. 17). Jesu Einheit mit dem Vater als seinem „alter ego" ist übrigens an vielen Stellen im Johannes-Evangelium zum Ausdruck gekommen. Aber mindestens ebenso oft wird auch seine Verschiedenheit vom Vater als dessen Botschafter hervorgehoben. Der Vater ist grösser als er, heisst es in 14, 28. Nicht die Ein- heit eines himmlischen Wesens mit Gott ist dem Judentum fremd oder von blasphemischer Natur, aber dass Jesus, der nur ein Mensch war, sich eins mit Gott wusste und sich als sein alter ego ausgab, das war nach jüdischer Auffassung Blasphemie, wie aus den Worten in Joh. 10, 33 deutlich hervorgeht.

Wir finden nun, dass Jesus in Joh. 14, 30 sich in ein gewisses Verhältnis zum „Fürsten der Welt" stellt : „Der Fürst der Welt kommt und hat nichts an mir." Die Worte sind dunkel und schwierig zu deuten, aber es ist jedenfalls klar, dass sie ein gegen- sätzliches, resp. feindliches Verhältnis zwischen Jesus und Mitatron markieren. Vergleichen wir indessen die Aussage in 14, 30 mit der in 12, 31, welche nach meiner Meinung ihren richtigen Zu- sammenhang in Joh. 11, 41 f. hat, so finden wir, dass Jesus die

332 VIII. Sektion.

Verherrlichung des Namens des Vaters durch Jesu Werk mit der Ausstossung des „Fürsten der Welt", gleichzeitig damit dass ein Gericht über die Welt d. h. das Volk der Juden ergeht, zusammen- stellt. Auch hier sind die Worte dunkel, aber die Meinung kann schwerlich mehr als eine sein. Jesus sieht sich durch das, was eingetroffen ist, in einen geistigen Kampf mit Mitatron versetzt. Soll Jesus sowohl hier auf Erden als nach der eigenen Auferstehung im Himmel den Platz desselben einnehmen, so muss der Fürst der Welt, der Mittler Israels bei Gott, ausgestossen werden. Durch die Stimme vom Himmel d. h. von Gott bekannte sich auch Gott direkt demnach nicht durch die Vermittlung Mitatrons in dessen Eigenschaft als ETi^X ?1p zu Jesus als dem, der durch sein Werk den Namen Gottes verherrlichte (V. 28). Sollte nun Jesus den Platz des Mitatron in der Wohnung Gottes einnehmen, so musste der letztere von dort ausgestossen werden. Die Juden sollten hierdurch ihren Verteidiger beim Vater verlieren. Falls „die Welt" dies nicht glauben oder es verstehen wollte, sollte der Geist, gesandt vom Vater im Namen Jesu, sie von dem Vorhandensein dieses Gerichts überzeugen nach Joh. 16, 11, denn heisst es der Fürst der Welt, ihr Verteidiger, ist verurteilt, d. h. ausge- stossen oder hinuntergestossen vom Himmel. Die Sünde der Juden war, dass sie nicht an Jesus und seine Sendung glaubten (8, 24 ; 16, 9). Dadurch haben sie das Gericht verdient. Kein Wunder also, dass Jesus sich in einen Kampf mit Mitatron verwickelt fühlt, welcher sucht, bei Jesus etwas zu finden, das ihn seiner Stellung bei Gott verlustig machen könnte. Aber wie Jesus dessen gewiss war, dass die Juden ihn nicht für Sünde strafen konnten (8, 46), so konnte auch Mitatron nichts linden, das vor Gott gegen Jesus vorgebracht werden konnte. Gott hatte die Juden verworfen der Evangelist hebt dies in 12, 37 ff mit grossem Nachdruck hervor - demnach auch ihren Fürsten Mitatron und statt seiner Jesus eingesetzt, der durch seinen Tod und seine Auferstehung als eine Himmelsreise der Seele in der Wohnung Gottes die Rolle des Mittlers einnehmen und für seine Jünger, die noch in der Welt weilen sollten, der gerechte „Verteidiger" bei dem Vater werden sollte (1. .loh. 2, 1).

Dr. S. A. Fries. 333

Inwiefern der historische Jesus die Gedanken gehabt hat, woraus keineswegs folgt, dass seine Jünger sie erfasse und verstanden haben hängt davon ab, ob das Evangelium der Hauptsache nach und besonders in den jetzt in Rede stehenden Stellen auf den Bericht eines Augen- und Ohrenzeugen zurückgeht Nach meinem Dafürhalten ist dies der Fall ; da aber die Erörterung dieser Frage teils nicht direkt notwendig ist für die Beantwortung der Hauptfrage, teils mehr Zeit erfordern würde als die zwanzig Minuten, die der Vorstand des Kongresses für unsere Vorträge eingeräumt hat, und die ich nicht überschreiten will, so verweise ich für diese Sache auf meine grössere Untersuchung von der Entstehung des Johannes-Evangeliums : „Det fjärde Evangeliet och Hebreerevangeliet" (Das vierte Evangelium und das Hebräerevan- gelium) 1898.

Diskussion :

Prof. Holtzmann, Strassburg: Das Ev. Joh. ist in seiner Gedankenwelt von Paulus abhängig, darum ist auch die Bedeutung des ..Fürsten dieser Welt" von Paulus her zu verstehen.

Dr. Jeremias. Leipzig: Die Auffassung der behandelten Stellen durch den Referenten ergibt einen zu engen Gedanken ; es wird nicht nur an die Juden gedacht, sondern an die ganze Welt. Der Begriff: „Fürst dieser Welt" stammt wirklich von Paulus; es liegt ihm die damals allgemein verbreitete Vorstellung zu Grunde, dass in der Welt ein Kampf sei zwischen Licht und Finsternis, und dass dieser Kampf damit enden müsse, dass einer „oojti]qu sei, die alten Weltherren besiege und ihnen die Macht ab- nehme. Diesen Sinn der Stellen beweist auch die Apoc Joh.

Prof. Thieme, Leipzig erinnert sich aus Dalmans Vor- lesung über die Muttersprache Jesu der Bemerkung, dass „Fürst dieser Welt" von Jesus nicht für den Satan könne gebraucht worden sein, da dieser Ausdruck im Aramäischen nicht existierte.

Prof. Barth, Bern, macht darauf aufmerksam, dass auch in der Apokalypse des Johannes, welche in ihren Grundgedanken so manche Verwandtschaft mit dem Johannesevangelium aufweise,

334 VIII. Sektion.

vom Hinauswerfen einer feindseligen Macht die Rede sei (Apc. 12), welche aber ausdrücklich mit der alten Schlange, dem Teufel und Satan identifiziert werde; daher empfehle es sich nicht, im Evan- gelium an den Metatron zu denken.

Dr. Fries, Stockholm: Die Juden fühlten sich als aus- erwähltes Volk; wenn Metatron Mittler des Volkes ist, so ist er auch Mittler der ganzen Welt; so ergibt diese Auffassung der Stelle keinen engen, sondern einen grossartigen Gedanken.

Prof. J. Reville, Paris: Der äoycov ist offenbar ein böses Wesen, Metatron ist ein gutes Wesen. Referent hat die Umwand- lung des Metatron aus einem guten in ein böses Wesen nicht erklärt.

Prof. Holtzmann, Strassburg: Ev. Joh. hängt besonders eng mit Luc. zusammen. Dort ist der agycov Versucher und weicht von Jesus äygi y.aioov, d. h. bis zur Passion. Darauf bezieht es sich, wenn Jesus Joh. 14, 30 sagt, der äoywv kommt und findet nichts bei mir, der ägycov ist also auch hier der Versucher.

Prof. Riggenbach, Basel erinnert an die Stelle in Eph. vom y.oojuoy.odrwo. Wenn der Gedanke der Verdrängung Metatrons im Ev. Joh. so wichtig war, wie kommt's, dass er erst im 12. Kap. hervortritt ?

Prof. Wer nie, Basel: In der Versuchungsgeschichte ist der Teufel Herr der Welt; zu erinnern ist auch an das Herrenwort vom Sturz Satans vom Himmel. Man muss für Erklärung der Stelle von der christlichen und nicht von der jüdischen Tradition ausgehen.

Dr. Fries: Alle diese Einwände sind berücksichtigt in der ausführlicheren Arbeit, aus der nur ein Auszug vorgelesen wurde.

Prof. Dr. Fr. Picavet. 335

Professeur Dr. Fr. Picavet (Paris).

Les deux directions de la theologie catholique au XIIIe siecle.

(Resume.)

I. Avec la methode constituee par Abelard et Alexandre de Haies, Albert le Grand et surtout S. Thomas d'Aquin ont forme la theologie et la philosophie catholiques. S. Thomas a fait entrer dans sa philosophie toute la doctrine positive d'Aristote et la metaphysique neo-platonicienne. Sa philosophie l'a aide puissamment ä construire sa theologie. II a complete l'une et l'autre par ses Commentaires des Livres saints. Son oeuvre, philosophique, theo- logique et exegetique, est nne vaste Synthese de toutes les doctrines, sacrees ou profanes, en circulation au XIIIe siecle. Elle releve essentiellement de Plotin. Au XVIe siecle, les catholiques s'atta- cherent etroitement au thomisme et lui demanderent la direction scientifique et philosophique aussi bien que theologique. Les sciences positives et l'exegese biblique furent accueillies avec defiance et, en general, on se refusa ä admettre les resultats, opposes aux theories thomistes, auxquels elles arrivaient et qu'elles fortifiaient et etendaient de jour en jour. La Separation est devenue de plus en plus grande entre les savants ou les partisans d'une philosophie scientifique et les catholiques soucieux avant tout de conserver leurs croyances religieuses. Et il ne semble pas que les catholiques, dociles aux instructions de Leon XIII, aient reussi de nos jours ä introduire dans leur synthese religieuse et philosophique, les connaissances positives, historiques et exegetiques qui se sont accumulees depuis la fin du XVIe siecle, ni qu'ils aient reussi, comme Tont fait, en tout ou en partie, d'autres representants du christianisme, ä menager un accord entre le sentiment religieux et les directions ou les methodes purement scientifiques.

II. Roger Bacon aurait donne ä l'exegese et ä la theologie catholique un caractere tout different. C'est ä Clement IV qu'il

336 VIII. Sektion.

adresse YOpusmajus, V Opus minus, Y Opus tertium. Ses ouvrages n'eurent pas plus de succes apres sa mort que pendant sa vie. Au XIX6 siecle, on en a fait un ancetre de nos savants modernes, quelques-uns raerae, comme Renan, un positiviste avant Auguste Comte. II y a des raisons valables de proceder ainsi, mais il est au moins aussi legitime de voir en lui un theologien et un exegete. G'est ä un pape qu'il s'adresse. L'utilite scientifique n'est pour lui qu'une utilite seconde et il a les croyances de son temps qui sont le plus en Opposition avec les idees positivistes. II denonce les sept peches capitaux de la theologie, voudrait que la philosophie ne la dominät pas, qu'on lüt les textes sacres et qu'on les lüt dans la langue meme ils sont ecrits ou dans des traductions bien faites. II n'y a qu'une seule sagesse contenue dans les livres sacres: la theologie et la science maitresse, mais la philosophie, les sciences et le droit canon sont absolument necessaires pour expliquer et exposer la sagesse qui est dans les Ecritures.

La philosophie revelee aux Patriarches, ä Salomon, en meme temps que la loi, etait complete ; Aristote et Avicenne,qui n'avaient pas la loi, ont eu une philosophie süffisante, mais incomplete. Les Latins n'ont rien de semblable. Les six sectes qui se partagent le monde peuvent se classer dans l'ordre suivant : Sarrasins, Egyptiens, Chaldeens, philosophes, juifs, chretiens. La philosophie, etudi^e ä un point de vue chretien, est indispensable. Bacon le montre par des autorites et repond aux objections qui lui ont ete faites. Pour la theologie comme pour la philosophie, l'etude des langues et des sciences est indispensable. Pour les langues, Bacon est un des precurseurs de la grammaire comparee et un des fondateurs de l'exögese sacree. II n'est pas moins remarquable en montrant la necessite des sciences, en particulier de la mathematique et de la morale.

Si l'Eglise s'etait engagee dans la voie indiquee par Roger Bacon, les theologiens auraient du, pour lire les textes, acquerir une connaissance de plus en plus approfondie des langues ; ils auraient du etudier les sciences et leurs doctrines eussent toujours repose sur une critique exegetique des plus averties et sur des connaissances vraiment scientifiques. Peut-etre la theologie eüt-elle

Prof. Dr. Fr. Picavet. 337

evolue plus qu'on ne l'eüt souhaite, mais il n'y aurait pas eu rupture avec les historiens et les savants. Roger Bacon est donc aussi original comme exegete et comme theologien que comme savant et theoricien scientifique.

Diskussion:

A M. le Professeur Dubois (Neuchätel) qui prie M. Picavet d'indiquer quelle difference il y a entre la philosophie teile que l'entend S. Thomas et la philosophie teile que l'entend Roger Bacon,

M. le Professeur Picavet repond que S. Thomas et Roger Bacon entendent Tun et l'autre faire de la philosophie une auxi- liaire puissante pour la theologie et la religion. Mais S. Thomas fait une synthese des philosophies antiques, dominent les doc- trines neo-platoniciennes, avec les resultats acquis jusqu'alors par les sciences positives. Et cette synthese philosophique se conserve ä peu pres intacte et immuable dans la theologie et la philosophie scolastiques des catholiques. Au contraire Roger Bacon reclame l'etude des langues et des sciences, pour la philosophie comme pour la theologie et l'exegese. Par suite la philosophie, comme la theologie, se modifie et doit se modifier, en raison des progres realises par les sciences positives. Pour S. Thomas, la philosophie est achevee ; pour Roger Bacon, eile se fait chaque jour et eile a ses reculs et ses progres.

M. le Professeur Krüger (Giessen) demande comment il se fait que l'ceuvre de Roger Bacon, si remarquable au point de vue exegetique et theologique comme au point de vue scientifique, n'ait pas eu plus d'influence pendant le XIVe et le XVe siecle, surtout en Angleterre.

M. le Professeur Picavet repond: que Roger Bacon, par ses critiques hautaines et ses jugements severes, s'est aliene la plupart de ses contemporains ; que les Dominicains se sont groupes autour de S. Thomas et ont reussi ä faire accepter son enseignement theologique et philosophique par le Pape et par l'Eglise ; que les Franciscains, partages en trois directions

Kongressbericht. 22

338 VIII. Sektion.

differentes, mystiques comme S. Bonaventure, naturalistes comme R. Bacon, partisans du troisieme Evangile, n'ont meme pas su s'entendre pour defendre l'oeuvre de leur premier representant, Alexandre de Haies ; que le mouvement scientifique a ete arrete ä peu pres completement au XIVe siecle par les guerres, les pestes et les famines. Toutes ces idees sont d'ailleurs developpees dans YEsquisse d'une histoire generale et comparee des philosophies medievales que M. le Professeur Picavet va publier en octobre.

Professor Dr. Jean ReMlle (Paris).

Illustration de l'Histoire ecclesiastique par quelques

traits de la propagation du Christianisme

ä Madagascar.

(Resume).

Sous ce titre, M. Jean Reville, professeur d'histoire eccle- siastique ä l'Universite de Paris, a presente quelques observations, puisees dans la recente publication de M. le missionnaire Mondain sur „Les idees religieuses des Hovas," ä l'effet de montrer l'interet que presentent, pour l'historien ecclesiastique, les survivances du paganisme et les combinaisons des anciennes croyances ou pratiques avec la foi nouvelle des indigenes convertis par les missionnaires chretiens. On peut ainsi etudier de nos jours des transformations religieuses analogues ä celles qui ont amene les pai'ens d'autrefois au Cbristianisme et eclairer celles-ci par celles-lä. On peut notamment saisir parfois sur le vif la maniere dont s'opere l'infiltration de la eroyance ou de la pratique paienne dans le Christianisme des neophytes.

G'est ainsi que pour beaucoup de Malgaches convertis le bapteme et la Sainte Cene sont de veritables „ody," analogues aux charmea et aux pratiques magiques de leur religion anterieurc.

Prof. Dr. Jean Reville. 339

C'est ainsi que leur ritualisme pai'en se retrouve dans leurs con- ceptions chretiennes (baptemes a Noel ; communion efficace surtout le premier dimanche du mois ; attachement ä la liturgie etc.). On y voit aussi ä quel point l'etat d'äme pai'en porte les hommes ä prendre la religion de ceux qui sont leurs maltres ou qui sont plus puissants qu'eux, pour la raison meme que cette religion procure une puissance plus grande. De meme la pretention des „eglises meres," ä Madagascar, ä diriger les eglises issues d'elles peut servir d'illustration ä la maniere dont se sont formes jadis les dioceses episcopaux et la hierarchie catholique. Enfin les eglises malgaches presentent aussi de curieux exemples de prophetisme spontane, de syncretisme, et d'evangelisation indigene rappelant des phenomenes analogues des premieres eglises chretiennes.

En terminant M. Jean Reville a in.siste sur la necessite, pour les missionnaires, de s'initier ä l'histoire des religions, afin de pouvoir mieux comprendre et apprecier la signification religieuse des survivances pai'ennes chez leurs ouailles.

Cette communication sera inseree in extenso dans la Revue de VHistoire des Religions, tome L.

Diskussion.

Auf eine Frage des Herrn Dr. Piepenbring, Strassburg, ob die magische Auffassung der Sakramente nicht einfach auf den Einfluss der lutherischen (norwegischen und englischen) Missionare zurückzu- führen sei, antwortet der Vortragende verneinend; denn gerade jene Missionare beschwerten sich darüber und die Eingeborenen Madagaskars hätten die lutherische Lehre nie verstehen können.

Prof. Albert Reville, Paris, weist auf entsprechende Er- scheinungen in China hin, so z. B. die Umwandlung einer chine- sischen Himmelsgöttin in Maria.

Prof. Alphandery, Paris, fragt, ob eine vom Vortragenden erwähnte eschatologisch-prophetische Sekte grossen Einfluss habe, und wie sich ihre Eschatologie zur christlichen verhalte. Der Vor- tragende ist nicht im Falle, darüber Auskunft zu geben.

22*

340 VIII. Sektion.

Professor Dr. Gr. Krüger (Giessen)

Der antimarcionitische Charakter des altrömischen

Symbols.

(Resume.)

1. Bei der Erforschung der Entstehung des ersten kirchlichen Taufbekenntnisses hat man nicht streng geschieden zwischen dem, was wir wissen, und dem, was nur als wahrscheinlich oder mut- masslich gelten kann. Auch ist ein an sich klarer Tatbestand nicht selten durch gelehrte Hypothesen verwirrt worden. Eine Ausnahme macht die Untersuchung von A. G. MacGiffert, The Apostles' Creed, its origin, its purpose and its historical interpretation. New York 1902*).

2. Unser Wissen von der Entstehung des Taufbekenntnisses erschöpft sich in folgendem: a) Zur Zeit Cyprians und Novatians hatte die afrikanische und die römische Kirche ein auf der Tauf- formel aufgebautes Taufbekenntnis; b) Zeuge für das Vorhandensein und die kirchliche Geltung eines Bekenntnisses in der afrikanischen Kirche und für die Herübernahme dieses Bekenntnisses aus der römischen Kirche ist bereits Tertullian, der auch den wesentlichen Inhalt des von ihm als Glaubensregel bezeichneten Bekenntnisses wiedergibt, ohne dass es möglich wäre, auf Grund seiner Angaben den Wortlaut festzustellen; c) auch Irenäus ist, wenn schon nicht mit der gleichen Bestimmtheit, als Zeuge für ein festgeformtes Be- kenntnis anzuführen, und was sich über den Inhalt aus seinen Andeutungen entnehmen lässt, stimmt mit dem, was man aus Tertullian erfährt, gut zusammen.

3. Darüber hinaus betreten wir hypothetisches Gebiet. Keine Andeutung in den Urkunden der vorirenäischen Zeit gestattet uns,

*) Meine Auffassung, die in allem Wesentlichen mit <ler von MacGiffert Obereinstimmt, habe ich mir in stetem Gedankenaustausch mit meinem frühern Herrn Kollegen Kattenbusch, 'lern verdienstvollsten Forscher auf unserem Gebiet, gebildet. Er vertritt einen von der obigen Darlegung abweichenden

Standpunkt.

Prof. Dr. G. Krüger. 341

mit wissenschaftlicher Sicherheit den Schluss zu ziehen, dass irgend eine christliche Gemeinde im Osten oder im Westen bei der Taufe ein Bekenntnis verlangte. Insbesondere ist es durch nichts be- gründet, ein solches Bekenntnis bereits für die Taufe Marcions vorauszusetzen oder sein Vorhandensein aus den Schriften Justins herauszulesen. Auf Grund des literarischen Befundes ist es un- möglich, mit der Entstehung des Taufbekenntnisses hinter die vor- irenäische Generation zurückzugehen.

4. Dabei ist streng festzuhalten, dass es nicht gilt, das Vor- handensein und die kirchliche Geltung der im Bekenntnis zusammen- gefassten Glaubenssätze, auch nicht die Verwertung einzelner Sätze in formelhafter Zusammensetzung etwa zu exorzistischen Zwecken nachzuweisen, sondern dass es sich um das Bekenntnis als eine festumrissene, literarische Einheit handelt.

5. Die Annahme, dass sich das erste Bekenntnis im Wort- laut mit dem von Marcell von Ancyra überlieferten gedeckt habe, ist aus den Quellen nicht zu belegen. Vielmehr deutet der Befund bei Iren aus und Tertullian auf eine kürzere Form. Aber der Rück- schluss auf wesentliche Uebereinstimmung ist berechtigt.

6. Dagegen ist angesichts der Ueberlieferung die Annahme falsch, dass das Bekenntnis den Gemeindeglauben ohne polemische Abzweckung zum Ausdruck bringe. Diese Annahme widerspricht auch der Geschichte der christlichen Bekenntnisse überhaupt. Das Bekenntnis sollte vielmehr antithetischen, näher antihäretischen Zwecken dienen, wie Tertullian (praescr. 13: regula est autem fidei, ut jam hinc quid defendamus profiteamur) bezeugt.

7. Die durch das Bekenntnis abgewiesenen Häretiker sind an sich in der ganzen Zeit vom Ausgang des apostolischen Zeitalters bis in die vorirenäische Generation denkbar. Aber das Schweigen aller Quellen vor Irenäus lässt nur eine Zeitlage und eine Ab- zweckung als möglich erscheinen: den Gegenschlag gegen Marcion.

8. Eine Untersuchung des Wortlautes des Bekenntnisses in der aus Irenäus und Tertullian zu erschliessenden Form zeigt, dass sich die Auswrahl der Sätze aus dem überlieferten Glaubensbestand bei der Annahme antimarcionitischen Charakters des Bekenntnisses positiv und negativ am besten erklärt.

342 VIII. Sektion.

9. Die Zusammenstellung erfolgte in Rom, und die Männer, die sie veranstalteten, waren sich einer Neuerung nicht bewusst, da sie nur das ihnen von den Vätern überkommene apostolische Erbgut kurz und knapp im Geiste der Apostel zusammenfassten. Dennoch war ihre Tat die folgenschwerste auf dem Gebiet christ- lichen Glaubenslebens: denn sie zogen zwischen Rechtgläubigkeit und Irrglauben eine unübersteigliche Schranke.

Diskussion.

Prof. von Schanz, Tübingen, verteidigt die bisher geltende Ansicht über die Entstehung und den Gebrauch des Symbolums als kurzen Inbegriff des Glaubens ohne polemische Spitzen. Er bestreitet die Identifizierung von Glaubensregel und Symbolum bei Tertullian und entsprechend bei Irenäus, vermisst bei diesen antignostischen Apologeten jede Andeutung, dass erst im Kampf gegen Marcion das Symbolum verfasst worden sei, und sieht auch in den spätem polemischen Symbolen nur eine Erweiterung des ursprünglichen Glaubensbekenntnisses. Deshalb kann er die Hypo- these von einem antimarcionitischen Charakter des altrömischen Symbolums nicht als eine glückliche Lösung der Frage betrachten.

Prof. Krüger: Es giebt keine Belegstelle dafür, dass bei Tertullian zwischen regula fidei und Glaubensbekenntnis zu unter- scheiden sei. Solange kein Beweis geführt werden kann, dass das Symbol schon vor 150 existierte, ist es methodisch richtiger, zuerst seine Entstehung aus späterer Zeit zu erklären zu suchen.

Prof. Barth, Bern, hält dem Referenten entgegen, dass nicht erst zur Zeit Marcions, sondern schon viel früher das Be- dürfnis sich geregt haben könne, gegenüber dem Heidentum und den schon im Neuen Testament signalisierten häretischen Rich- tungen den Inhalt des Glaubens kurz zusammenzufassen. Er kann nicht so rasch wie der Referent über die auffallenden Ueberein- stimmungen eines Ignatius, Aristides und Justin in Bezug auf die Hauptpunkte des christlichen Glaubens wegkommen. Die Glaubens- regel bei [renäus und Tertullian ist nicht das Taufbekenntnis zur Zeil dieser Kirchenlehrer, sondern eine antignostische Erweiterung

Dr. Alfred Jeremias. 343

derselben. Dem altrömischen Symbolum fehlen im Unterschied vom späteren „Apostolicum" gerade die Züge, aus welchen ein Gegen- satz zu Marcion herauszulesen wäre ; es ist vorgnostisch und scheint schon im eisten Drittel des zweiten Jahrhunderts entstanden zu sein.

Prof. Krüger: Dass Justin kein Bekenntnis erwähnt, kann man nicht aus der fides silentii erklären, da er sonst so offen von der Taufe redet. Wenn er sagt : Wir fügen noch einiges hinzu, so kann das eine erbauliche Ansprache sein. Der Gnostiker, gegen den das Symbol gerichtet ist, braucht allerdings nicht durchaus Marcion zu sein.

Prof. Wer nie, Basel: Beizustimmen ist dem Referenten in den Ausführungen über das, was unsicher ist, aber seine eigenen Vermutungen haben keinen sichern Grund. Man kann keine be- stimmte polemische Richtung des Symbols nachweisen ; gerade das für Marcion Charakteristische fehlt. Vielleicht diente es zur Unter- weisung der neu hinzutretenden Christen.

Dr. Alfred Jeremias (Leipzig).

Babylonisches im Neuen Testament?

(Resume.)

Die Frage wird bejaht, aber nicht im Sinne von „Entlehnungen", sondern im Sinne eines altorientalischen Weltbildes und Vorstellungs- kreises, der über die Zeit des neutestamentlichen Schrifttums hin- ausragt und deshalb auch den neutestamentlichen Schriftstellern Darstellungsmittel für gewisse Bilder und Formen ihres Gedanken- ausdrucks sein muss (stufenweise verschieden in den Evangelien, paulinischen Schriften, Apokalypse).

344 VIII. Sektion.

1. Der Kalendermythus vom Sieg des Jahrgottes über den Wasserdrachen und von der Uebernahme des Weltregiments (Schicksalstafeln) gibt Apok. 4 f. Bild und Farbe für die Glori- fizierung des siegreichen, auferstandenen und erhöhten Christus. („Widder" mit 7 Hörnern und 7 Augen entsprechend dem Widder- zeitalter).

2. Die Sage vom Erlöserkönig, die den Jahrmythus auf hi- storische Verhältnisse überträgt, gibt die kosmographische Form der Darstellung ab für das Drama Apok. 12. und 19, in dem Christus als der wunderbar geborene, vom Drachen verfolgte Erlöser, den Sieg gewinnt und Hochzeit feiert. Auch Matth. 1 f. kennt den Vorstellungskreis und zeigt, wie in der geschichtlichen Erschei- nung des Jesuskindes auch die ErlöserhofTnung, die der heidnische Mythus ausdrückt, Zug um Zug erfüllt ist.

3. Weitere altorientalische Momente liegen in der Vorstellung himmlischer Vorbilder für irdische Dinge und Vorgänge (himmlisches Jerusalem etc.), ferner im „Buch des Lebens", im dreigeteilten und siebengeteilten Himmel, in der Engellehre, sofern sie kosmographisch die Sterne als Engelwesen sich vorstellt u. s. w.

In der Diskussion bemerkt dazu Prof. Paul Wilh. Schmiedel, Zürich :

An sich muss die Nachweisung babylonischer Parallelen zum Neuen Testament durchaus willkommen geheissen werden. Aber für ihre Anerkennung im einzelnen ist Vorsicht geboten.

Aus der Reihe der Beweismittel für das Vorkommen solcher Parallelen im Neuen Testament müssen Talmud Sohar und die hierzu gehörige Literatur von vornherein ausscheiden, da die heute vorliegende Gestalt auch ihrer ältesten Schichten jünger ist als das Neue Testament. Ob in ihnen Babylonisches sich findet, ist eine Frage für sich.

Unter den im Neuen Testament selbst angenommenen Paral- lelen sind viele zugestandenermassen indirekt. Nun ist es gewiss lehrreich, wenn die alte Frage, ob der Philipperbrief deshalb unecht sei, weil er die Erwähnung des Buches des Lebens (4, 3) aus der johurineischen Apokalypse (20, 12 und 15) geschöpft habe, nicht

Dr. Alfred Jeremias. 345

bloss, wie bisher schon, durch den Nachweis der Vorstellung von einem solchen Buche im Alten Testament, sondern auch durch den noch weiter zurückführenden Nachweis ihres babylonischen Ur- sprungs sich als gegenstandslos darstellt. Aber wenn z. B. die Zwölfzahl der Apostel auf die der Stämme des Volkes Israel und diese wieder auf die der Bilder des Tierkreises am Himmel zurück- geht, so ist das Interesse an der Identität der Zahl der Apostel mit der der Sternbilder wirklich kein sehr grosses.

Am ehesten darf man mit dem Herrn Referenten babylonische Vorstellungen in der johanneischen Apokalypse suchen. Allein schon der Empfang des Schicksalsbuchs durch das Lamm bedeutet hier (im 5. Kapitel) nicht wie dort im Mythus eine Belohnung, da das Lamm von diesem Buche für sich selbst keinen Nutzen hat, und nicht Uebernahme des Weltregiments, sondern nur den Auftrag, die Geschicke der Welt zu enthüllen. Noch weniger aber ist es angesichts der immer mehr Anerkennung gewinnenden Zer- legung der Apokalypse in einzelne, selbständig entstandene Flug- blätter erlaubt, dem Lamm des 4. und 5. Kapitels, wenn die Parallele mit dem Sieger des babylonischen Mythus nicht mehr stimmen will, den Erzengel Michael aus dem zwölften und dann wieder den Messias auf weissem Rosse aus dem neunzehnten Kapitel zu substituieren . Und dass der Apokalyptiker Wert darauf gelegt habe, statt des Lammes von Jesaja 53, an das er wirklich gedacht habe, den Widder (als Glied des Tierkreises am Himmel) zu nennen, ist aus der Wahl des Wortes arnion statt amnös um so weniger ersichtlich, als dieses Wort weder (als Neutrum) nach- weisbar das männliche, noch (als Deminutivum) das kraftvolle Tier bezeichnet und dem Verfasser für „Widder" das unmissverständ- liche kriös zur Verfügung stand, das obendrein der technische Aus- druck für das Sternbild dieses Namens ist.

Wer, wie der Herr Referent annehmen will, dass im Matthäus- Evangelium, speziell in der Erzählung von den Weisen aus dem Morgenlande und dem Kindermord zu Bethlehem (2, 1 18), ein babylonischer Mythus zu Grunde liege, würde doch gut tun, dem Evangelisten kein Bewusstsein hiervon zuzuschreiben. Der Schluss- vers des 2. Kapitels, den der Herr Referent als Beweis angeführt

346 VIII. Sektion.

hat („er wird Nazaräer genannt werden"), will ein Zitat aus dem Alten Testament sein, beweist also, dass der Verfasser des Zitats gerade nicht ausserhalb desselben gesucht hat. Wollte man aber hierüber auch hinwegsehen, so müsste man, wenn der Inhalt des Zitats die vom Herrn Referenten statuierte babylonische Grundlage beweisen sollte, doch obendrein fordern, dass nezer in demselben Sinne (als Messias) nachgewiesen wäre, wie ein Mal im phönizischen zemach, was zugestandenermassen nicht der Fall ist, oder dass der Evangelist statt Nazoraios vielmehr Zamachaios gesagt hätte.

Der Vortragende repliziert in einem Schlusswort.

Professor Dr. K. Lincke (Jena).

Israel gegen Juda im Christentum.

(Resume).

Das Verhältnis Judas zu Joseph oder Ephraim ist nach J. D. Michaelis und Ed. Reuss der Knoten der ganzen israelitischen Geschichte im letzten Jahrtausend vor Chr. Der Gegensatz der beiden ungleichen Stammgruppen von Bauern und Hirten oder Nomaden, schon in den Sagen von Mose und Korah, von Joseph und seinen Brüdern erkennbar, tritt hervor in der Geschichte des Königtums und des Prophetentums in Ephraim und Juda, in den ephraimitisch-jüdischen und den rein jüdischen Geschichts- und Prophetenbüchern. Die Gottesidee hat sich bei den Josephstämmen in Kodes und in Kanaan selbständig entwickelt als reiner Mono- theismus, der sich zuletzt über die Gesetzesreligion des jüdischen Priesterstaates erhebt. Seine Vertreter im A. T. sind Mose, der Richter in Kades, dann in Kanaan Elia und Elisa, Rechab und •lonadab, Hosea, Jeremia und die Söhne Jonadabs, die Essener, die Grottesfreunde und Propheten, wie sie der Verfasser der Weis-

Prof. Dr. K. Lin.ke. 347

heit Salomos nennt. Juda übernahm von Ephraim den Gottes- namen Jah und die mit Jah zusammengesetzten Eigennamen zur Zeit Ahabs und der Nimsiden. Aber die jüdische Jahwehreligion ist ein Kultus des Adon Jahweh, der die Macht im Lande hat und den Frommen ein langes Leben auf Erden gibt, aber nicht die LTnsterblichkeit der Seele. Den Unsterblichkeitsglauben ver- wirft Jesaia Kap. 26. Dagegen sind die religiösen Ideen der samarisch-essenischen Weisheit Salomo's, dieser wahren Schicksals- tragödie „Zion und Garizimu, die Vorboten des Christentums.

Von dem Gesichtspunkte des Gegensatzes der Nord- und Südstämme in Palästina stellt sich auch in dem Bilde von Jesus manches anders dar als in den Evangelien. Einen Einblick in die allgemeinen Verhältnisse gewährt schon der Zug des Judäers Ezechias gegen Galiläa, wo damals Herodes römischer Statthalter war, ein tatkräftiger junger Fürst, der die Angreifer zurückwarf und ihren Führer töten liess, vor allem aber die zu Anfang unserer Zeitrechnung, bald nach Herodes Tode in Jerusalem er- schienene kleine Schrift: das Testament Moses, eine Kriegserklä- rung der heiligen Geschlechter, Juda und Levi, gegen die Gottlosen. Zum Vollstrecker des Vermächtnisses der Herrschaft des Stuhles Moses über die Völker machte sich der fromme Bekehrer Johannes, der mit einer Schar von Judäern in das Gebiet des Herodes Antipas, Peräa und Galiläa, eindrang. Die Friedensstörer wurden verjagt und Johannes auf Befehl des Herodes Antipas getötet. Die Phari- säer liess Antipas in seinem Lande ruhig gewähren, denn er hatte es auf das Grosskönigtum seines Vaters abgesehen. Gegen die rührigen Sendlinge des jüdischen Priesterstaates trat Jesus von Nazaret in Kapernaum auf, schlug seine Gegner in Predigt und Disputation und verkündigte, nach dem Zeugnis bei Markus und bei Marcion, der Welt zum erstenmale den gerechten, den „guten" Gott. Jesus organisierte die religiöse Bewegung in Galiläa, er entsandte Apostel, und er schuf in den Volksliebesmahlen nach essenischem Vorbild ein neues religiöses Symbol der Glaubenseinheit, für das ihm die „Apostellehre" dankt. Die Bewegung war universal von Anfang an, denn Jesus ist auch in Phönizien und Syrien und der Dekapolis, also auch in Damaskus gewesen, wo Saul eine Christen-

348 VIII. Sektion.

gemeinde vorfand. Auf seiner Nordreise ist Jesus mit Griechen in Berührung gekommen und hat mit ihnen gesprochen. Nach dieser Reise finden wir ihn in Caesarea Paneas, wo er seinen Getreuen als der Gesalbte erscheint, wie Joseph als der Nasir, der Fürst, unter seinen Brüdern. Der geschichtliche Anlass zu der Huldigung der Getreuen gerade in der Kaiserstadt Caesarea Paneas ist nicht überliefert. Ein geschichtlicher Vorgang aber ist die sechs Tage darauf berichtete Verklärung auf dem heiligen Berge. Darauf folgt eine zweite Rede in Kapernaum, die, ebenso wie die erste im Jahre 29, in Herrnworte aufgelöst ist, die dann vielfach in Wundererzählungen eingewebt und zu kirchlichen Lehr- zwecken umgedeutet worden sind.

Es war in dieser Zeit das jüdisch-arabische Element, zu dem die Südstämme in Palästina gehörten, im Osten des römischen Reiches auf der ganzen Linie im Vordringen begriffen, so in Alexandria, in Caesarea u.s.w. In Samarien kam es im Jahre 35 in dem Dorfe Tirathana zu einem blutigen Kampfe. Es war bei Gelegenheit einer Prozession der Samariter nach dem Berge Gari- zim, wo nach altem Glauben die heiligen Tempelgeräte Moses verborgen lagen. Die Prozession wurde auseinander gesprengt, viele getötet und die Führer hingerichtet. Die Beschwerde der Samariter bei dem Legaten Viteliius in Caesarea Paneas hatte wenig Erfolg. Pilatus, der mit seiner Kohorte bei dem Kampfe in Tirathana zugegen gewesen war, wurde abgesetzt, blieb aber bis in das folgende Jahr 36 im Amte, ebenso der Hohepriester Kaja- phas. Den vielgeprüften Landschaften Samarien und Galiläa drohte die schlimmste Geistesknechtschaft, ja der völlige Unter- gang eines aus sich selbst heraus zu hoher religiöser Kultur ge- langten Volksstammes, wenn keine Hilfe kam.

Zum Passah des Jahres 36 zog Jesus mit seinen Getreuen hinauf nach Jerusalem. Die Tempelreinigung machte das Wort Jeremias zur Tat. Der Zutritt zum geweihten Tempelbezirke war jedem Angehörigen eines andern Stammes ausser den heiligen Geschlechtern Juda und Levi bei Todesstrafe verboten. Trotz dieses Verbotes betrat Jesus den Tempel selbst. Nach jüdischem Gesetz hatte er dadurch sein Leben verwirkt. Jesus ist nach

Prof. Dr. P. Alphandßry. 349

Jerusalem hinaufgezogen, vor den Mächtigen der Erde, vor Antipas, Kajaphas und Pilatus förmlich und feierlich zu protestieren gegen die jüdische Hierarchie, gegen die Herrschaft des Stuhles Moses und die Vergewaltigung der religiösen Gemeinden in den Städten und Dörfern Samariens und Galiläas. Hier sind die Wurzeln des Urchristentums, des idealen Gemeindechristentums. Der jüdische Priesterstaat, gewohnt zu richten und zu verdammen, er war ge- richtet. Ein Menschenalter nach Jesu Tod versetzte der Kaiser Titus dem morschen Baue den letzten Stoss.

In der Diskussion fragt Pfr. Happel (Heubach), warum der Vortragende die Entstehung des Unsterblichkeitsglaubens so spät ansetze. Er sei vielmehr uralt und immer schwächer ge- worden. Der Vortragende antwortet, die Polemik der judaisti- schen Propheten gegen den Unsterblichkeitsglauben beweise, dass er erst damals aufgekommen sei.

Professeur Dr. P. Alphandery (Paris).

Le Pr ophetisme dans les sectes latines du Moyen äge anterieures au Joachimisme.

(Resume.)

Un certain nombre de sectes medievales presentent un type montaniste, c'est-ä-dire qu'on y peut discerner ces elements com- muns : le prophetisme exerce par un ou plusieurs inspires l'attente du regne visible de Jesus la Constitution d'un groupe d'elus appeles ä participer aux felicites millenaires la protestation rigoriste contre le relächement de l'Eglise existante.

L'elöment apocalyptique se devine dans l'episode du bücheron de Bourges raconte par Gregoire de Tours (Hist. Franc, lib. X c. XXV). Ce personnage se donne comme l'incarnation de Jesus

350 VIII. Sektion.

et reunit ses sujets pour son regne millenaire. Pourtant la donnee eschatologique est ici beaucoup moins nette que dans la predication reprochee ä l'abbe espagnol Beatus de Ziebana par ses adversaires, au cours de la controverse sur l'adoptianisme (Migne, PL. T. CI. c. 1321 et suiv.). Joints ä ce que nous savons dejä de Beatus et du caractere de sa piete, les faits, exacts ou controuves, que rapporte l'irascible eveque de Tolede, sont pour notre etude d'un interet absolu. Parti de principes rigoristes, Beatus est amene ä prophe- tiser - il se donne pour une incarnation du Verbe il annonce les derniers temps, groupe des disciples, les investit d'un pouvoir mystique, se place, de ce fait, au-dessus de la hierarchie.

Thiota, condamnee au Synode de Mayence (847) (Annales Fuldenses. Pertz MG. SS. I. 365) est une lai'que qui prophetise eile annonce la fin du monde pour une date precise eile est punie par une cour ecclesiastique pour avoir usurpe le ministere de la predication. Sa secte, avortee, peut ä peine se rattacher au type montaniste, la plupart des traits n'y apparaissant pas.

Leutard est un produit de rilluminisme morbide de la fin du Xme siecle. Dans le brusque succes de cet inspire, il faut peut-etre moins voir un soulevement religieux qu'une erneute de misere. C'est surtout le dernier mouvement heterodoxe autochtone avant l'invasion cathare (Glaber. 1. II. c. XI).

Les Cathares, bien que se considerant comme les receptacles de l'Esprit, ne semblent pas avoir prophetise, ä l'exception peut- etre des heretiques du groupe de Dormans (Guibert de Nogent. De vita sna 1. III. c. XVII) chez lesquels on peut meme observer un phenomene (d'ailleurs fort rare dans l'histoire des sectes medie- vales) de glossolalie assez caracterisee.

La secte tanchelmiste presente la plupart des caracteres mon- tanistes et, de plus, un caractere social interessant ä noter, car il n'est peut-etre qu'une forme extreme de l'autonomie religieuse de la commune au XII"1' siecle. Tanchelm est le premier magistrat municipal d'une commune theocratique. Ses disciples forment une gilde Bacree. Lui. gouverne d'apres son Inspiration : il se peut «in'il n »oil represenW comme le Paraclet incarne pour r6gner sur les hommes duranl le troisieme ;'ige du monde.

Prof. Dr. P. Alphandery. 351

Un moine cistercien, du nom de Rodolphe, entreprit, de sa propre autorite, de precher, vers 1145 46, une croisade dans les pays rhenans. II dut ä ses propheties, enoncees en langue roniane devant un auditoire allemand, un tres grand prestige mystique. Les prelats des dioceses touches par sa predication durent reclamer l'intervention de S. Bernard qui parvint ä faire rentrer dans l'ordre les foules soulevees et le prophete, leur chef. Le principal grief de S. Bernard contre le moine prophete fut de s'etre arroge le droit de precher au mepris de toute discipline ecclesiastique.

L'amauricianisme nous fournit la forme la plus complete et la plus precise du prophetisme dans les sectes avant le mouvement joachimiste. La fonction des prophetes dans la secte amauricienne presente de nombreux rapports avec celle qu'exercaient les fideles qui, dans les primitives communautes chretiennes, avaient re<ju le charisme prophetique. Mais le theme de leurs propheties se reduit ä une annonce du troisieme äge, dont la conception est chez eux sensiblement plus simple que dans l'exegese joachimiste.

L'element eschatologique dans la secte ortliebienne semble avoir ete des plus pauvres, bien que le fondement mystique de leur doctrine presente de grandes analogies avec celui de l'amauri- cianisme. En renlite, les ortliebiens se sont crus des Ghrists et non des prophetes.

Si, des glo*es ou des definitions dogmatiques des docteurs du Moyen äge, on cherche ä retirer les elements d'un criterium pour l'orthodoxie du prophetisme, on arrivera, pensons-nous, ä ce petit nombre de conclusions : Le prophete, c'est celui qui a rec^i du ciel la gratia ou plutöt la UcenUa interpretandi (Abelard), comme le docteur a rec.ii de ses maitres la Ucentia dccenäi. Meme, le prophete et le docteur arriveront ä se confondre en une meme definition orthodoxe : tous <leux obtiendront le donum intelligeutice, et c'est ce don qui constitue pour Sl Thomas les titres ä l'orthodoxie que possede le prophete Joachim. Par contre, le faux prophete, c'est celui qui n'a aucune de ces licences, qui enseigne sans savoir, qui preche sans permission : c'est l'usurpateur, le loup „sub pellibus agni". Le faux prophete, c'est qu'il s'appuie ou non sur la revelation individuelle pour donner de l'autorite ä ses innovations dogmatiques,

352 VIII. Sektion.

le faux docteur, l'heretique. Mais nous avons vu, dans les exemples qui nous ont ete fournis par le groupe de sectes ä elements pro- phetiques que nous avons reuni, que le prophetisme se trouvait parfois isole, qu'il constituait toute la predication d'un inspire, sans se trouver möle ä aucune herösie dogmatique. Ainsi, dans le cas de la prophetesse Thiota, du prophete Rudolphe, qui sont des pro- phetes et seulement des prophetes. Alors, le principe qui concerne les faux prophetes heretiques se reduit singulierement dans son application. Nous ne nous trouvons plus en presence d'une question de dogme, mais de simple discipline. Le prophete est seulement un laique ou un clerc poursuivi pour contravention. Thiota est con- damnee ä la flagellation comme coupable d'avoir usurpe „irratio- nabiliteru le ministere de la predication. Rodolphe de möme : „Cet homme, dit S. Bernard, n'a regu de mission ni de Dieu ni des hommes, ni par l'homme. S'il pretend avoir le droit de precher, par cela seul qu'il est moine ou ermite, qu'il sache que l'office d'un moine n'est pas d'enseigner, mais de pleurer." D'autres exemples plus eclatants viennent corroborer ceux, assez obscurs, que nous fournissent Thiota et Rodolphe. Au debut du XIIme siecle, Norbert est l'objet, ä Fritzlar, d'une reprimande pour avoir usurpe le ministere de la predication; plus tard, Joachim de Flore, au retour de son pelerinage en Orient et encore laique, s'arrete apres avoir preche quelque temps et rentre au couvent afin de ne pas enfreindre les reglements disciplinaires sur la predication. De meme, Alexandre IV recommanda aux premiers Vaudois de s'en remettre du soin de leur propagande ä leur evöque et de ne pas porter eux-memes la parole de penitence aux fideles Et l'ouvrage de Bernard de Pontcaude (Adversus Waldenses) en fait foi : La controverse catholique a souvent, dans la lutte dogmatique contre les Vaudois, fait porter son effort sur ce point exact de leur doctrine : l'autorisation de prßcher donnee ä tout fidele.

Nous n'avons point ä entreprendre ici un historique du mono- pole de la predication, mais disons, en terminant, que TEglise et Le prophetisme se trouvaient en Opposition formelle ä cause surtout de leur profonde diffe*rence dans leurs rapports avec la societe tout '•nti. ir Le dogme ne descendait jusqu'ä la foule laique lorsqu'il

Prof. Dr. P. Alphandery. 353

y descendait que suivant la hierarchie. Le prophetisme est illegal, il est subversif, parce qu'il est direct. Aussi l'Eglise aura-t-elle une tendance marquee. au Moyen äge, ä reconnaitre des fanx prophetes dans la plupart de ses adversaires, chez ceux surtout qui ont voulu s'adresser directement ä la foi collective, en employant ou en negligeant les moyens plus ou moins factices de la predication eschatologique.

Diskussion :

Prof. Albert Reville, Paris, dankt dem Referenten für die gründliche Erforschung eines Gebietes, das den meisten terra in- cognita sei.

M. Francois Picavet, presse par le temps, ne peut ajouter qu'un mot :

II faut tenir compte, dejä pour le developpement de l'heresie adoptianiste, au temps de Charlemagne, de l'influence arabe. A plus forte raison, faut-il en tenir compte pour celle d'Amaury de Rennes et de David de Dinant. A la fin du XIIme siecle, les traductions faites en Espagne par ordre de l'archeveque Raymond, se sont repandues en France. Par elles l'influence des neoplatoniciens s'est exercee sur les heretiques aussi bien que sur les orthodoxes, comme en temoignent les condamnations de 1210 et des annees suivantes.

Prof. Krüger, Giessen: Es sind doch nicht alle der genannten Sekten prophetisch ; es ist zwischen prophetischen und ekstatischen, schwärmerischen Sekten zu scheiden; die Katharer z. B. sind den letzteren beizuzählen.

Kongrcraberielit. 23

354 VIII. Sektion.

J. Hal^yy (Paris i

Trois logia de Jesus ä sources inconnues.

(Rästimtf.

En publiant dernierement mes Etudes evangeliques, j'avais l'intention d'y joindre quelques observations sur une serie de sen- tences et de declarations familieres ä Jesus. Diverses eirconstances m'ont empeche de realiser ce voeu. Je profite donc de l'occasion que me fournit la reunion du Congres de l'histoire des religioiis pour lui conuuuniquer la substance de mes remarques sur trois logia de Jesus qui ne me paraissent pas avoir recu une explication satisfaisante. Laissant la theologie de cöte, mes recherches ne con- naissent que le point de vue litteraire et historique. Sous cet aspect l'intelligence exacte de sentenees caracteristiques dune epoque aussi importante que celle qui a donne naissance au christianisme est le moyen le plus sur de faire comprendre le rapport qui, malgre la lutte acharnee des tendances contraires, rallie le present au passe et comble l'hiatus apparent qui donne l'illusion d'un saut capricieux de l'histoire.

Matthieu 5, 43—44.

„Vous avez appris qu'il a ete dit : Vous aimerez votre pro- chain et vous hai'rez votre ennemi. Mais moi je vous dis: Aimez vos ennemis, faites du bien ä ceux qui vous haissent, et priez pour ceux qui vous persecutent et qui vous calomnient."

Ce logion clot la serie des antitheses destinees ä montrer l'insuffisance de la morale de l'Ancienne Loi et la superiorite de la morale prechee par Jesus. La Loi defend le meurtre et 1'adultert', Jesus condamne la colere et le desir (21 22; 27—28). La Loi permet le divorce ; Jesus le defend (31—32). La Loi permet de faire serment en certaines eirconstances : Jesus defend absolument le serment (33—34). La Loi dit : (FAX pour oeil, dent pour dent ; .Ions ordonne de ne pas resister au mal. Le logion qui nous <jccupe s*y rattache etroitement en ajoutant ce principe que les

J. Halevy. 355

acteurs du mal dont on souffre et que l'Ancienne Loi ordonnait de hai'r, doivent etre aimes ; qu'on doit leur faire du bien et prier pour eux, malgre les injures et les persecutions dont on est victime de leur part.

Tous les commandements cites comme ayant ete dits aux anciens se trouvent notoirement dans le Pentateuque. La premitre partie de notre logion, savoir l'ordre d'aimer le prochain y figure egalement (Le\itique 19, 18) et passe souvent par la Bouche de Jesus. Mais, on a beau chercher, l'ordre de hai'r son ennemi y fait entierement defaut. L'affirmation de Jesus est pourtant for- melle et eile a ete prononcee devant une nombreuse assemblee composee de toutes les classes du peuple, sans qu'il y eüt la moindre protestation de leur cöte ; comment expliquer ce silence qui ressemble trop ä un aveu ? A ma connaissanee au moins. les commentateurs se sont contentes jusqu'ä present soit de comparer Exode 23, 31 on lit : „Je serai l'ennemi de tes ennemis et j'opprimerai ceux qui veulent t'opprimer," soit de supposer que l'ordre de hai'r l'ennemi se trouve quelque part dans la litterature talmudique. L'une et l'autre de ces solutions manquent de tout fondement : Dans le passage de l'Exode, c'est le dieu justicier qui parle et ne s'applique pas ä l'homme ; quant au Talmud, non seulement il l'ignore, mais il n'etait pas encore ne au temps Jesus pronon^a le sermon sur la montagne.

II me semble cependant que la Solution est beaucoup plus proche qu'on ne le pensait. II s'agit simplement de la loi inexorable edictee contre la tribu d'Amalec dont la destruction est deux fois ordonnee et avec une singuliere insistance dans le Pentateuque (Exode 17, 14 16 et Deuteronome 25, 17 19). Amalec s'est rendu coupable en attaquant les Israelites fatiguös et impuissants dans leur marche vers le Sinai' ; crime inexcusable dans les coutumes bedouines. Pour une cause de lese-hospitalite combinee avec l'emploi de la magie pour maudire Israel, les peuplades d'Ammon et de Moab ont perdu le droit d'etre re^ues au sein du yahweisme et une loi speciale ordonne de ne jamais avoir avec elles des rapports amicaux (Deuteronome 23, 4 7). Jesus y fait allusion en generalisant ces cas exceptionnels pour en faire un

23*

356 VIII. Sektion.

principe fondamental de l'Ancienne Loi. C'est la methode ordinaire

des reformateurs d'insister precisement sur les deviations similaires

pour s'en faire une arme contre la religion dominante. Pour Jesus

il y avait une raison de plus de trouver le reproche fonde. Le

sermon sur la montagne fait table rase de toute idee de nationalite et

de patrie, voire meme celle de la famille. La collectivite ayant perdu

ses droits coutumiers qu'on appelle interets superieurs dans l'ordre

social, aucune velleite de revanche ne saurait alleguer une exception

au principe de l'amour du semblable. Lä-dessus l'Ancienne Loi a

montre une faiblesse regrettable, la Nouvelle Loi seule mene ä la

perfection.

Matthieu, 5, 44—48.

L'antithese ä l'Ancienne Loi constitue la partie la plus im- portante de la morale de Jesus, tandis que la premiere partie ne contenait que l'affirmation d'un fait. La raison psychologique de l'attitude incisive prise par le predicateur a ete expliquee ci-dessus. II faut maintenant retrouver la source cachee ä laquelle le jeune moraliste a puise le nouveau principe atteignant une hauteur morale presque surhumaine. Le droit de chercher une source an- cienne, nous est donne par l'analogie des logia du meme genre qui precedent et dont la totalite remonte ä des commandements formeis ou ä des conseils des auteurs sapientiaux. Pour atteindre plus facilement ce but, il est necessaire de citer textuellement le passage entier y compris le verset 44 qu'on a deja lu plus haut :

44. „Mais moi je vous dis : Aimez vos ennemis, faites du bien ä ceux qui vous hai'ssent, et priez pour ceux qui vous perse- cutent et qui vous calomnient.

45. Afin que vous soyez les enfants de votre Pere qui est dans les cieux qui fait lever son soleil sur les bons et sur les nie- chants, et fait pleuvoir sur les justes et sur les injustes.

46. Gar si vous n'aimez que ceux qui vous aiment, quelle recompeuse en aurez-vous ? Les publicains ne le font-ils pas aussi ?

47. Et si vous ne saluez que vos freres, que faites-vous en cela plus que les autres ? Les pai'ens ne le font-ils pas aussi ?

48. Soyez donc, vous autres, parfaits comme votre Pere Ce- leste est parfait."

J. Halevy. 357

II est aise de voir que l'argumentation du verset 45 a pour base diverses donnees de l'Ancien Testament : La destination du soleil eonsiste ä eclairer la terre sans egard aux merites des etres qui la peuplent (Genese 1, 15). La pluie tombe partout pour apporter la fertilite (Psaume 104, 13—14). Le cöte utilitaire de la morale qui est le trait essentiel de la sagesse biblique est maintenu au verset 46. Un interet particulier a pour nous la comparaison avec les pai'ens au verset 47. Tis y sont introduits dans l'intention visible de les faire participer ä l'eftet de l'amour ä l'egard des ennemis. Le verset 48, enfin, resume cet amour transcendant sous la rubrique de perfection.

Dans tout cela on reste fermement attache au terrain biblique. Faut-il sortir de ces limites pour chercher Forigine de Vordre d'aimer les ennemis soit dans une source etrangere, soit dans une inspiration spontanee du predicateur ? Ge serait faire trop devier la manche si reguliere de la pensee de Jesus. L'une et l'autre de ces deux hypotheses se heurtent ä des difficultes enormes ä cause de leur caractere exceptionnel. II sera plus sage de rester dans la position naturelle et apres quelques reflexions on trouve le mot de l'enigme dans Esai'e 66, 5. Le texte hebreu est ainsi conc,u :

D^nas oo'Wtö ddtix na« ^21 Dmnn mn1 121 rjzv lEr dhi asnnara'n^ai rvrs 12D1 w yyeb

Traduction litterale :

„Ecoutez la parole de Yahwe, vous qui tremblez ä (ecoutez religieusement) ma parole : Ont dit vos freres, vos ennemis, vos persecuteurs, ä cause de mon nom, Yahwe sera honore, et nous verrons votre joie, et eux auront honte."

La Situation est la suivante : Le parti du prophete subit des persecutions de la part de leurs compatriotes qui lui fönt sentir leur haine ä cause de lui, mais sous pretexte de venger Thonneur de Yahwe. Le prophete les console en disant : Ne desesperez pas, nous verrons encore le moment vous serez dans la joie, pen- dant qu'eux seront couverts d'opprobre.

Envisagee sous cette forme, la phrase se reconnait aussitöt comme le modele du logion suivant du sermon sur la montagne (Matthieu 5, 11—12) :

358 VIII. Sektion.

„Vous etes heureux lorsque les hommes vous chargeront de maledictions et qu'ils vous persecuteront. et qu'ils diront fausse- ment tout le mal contre vous ä cause de moi.

Rejouissez-vous alors. et tressaillez de joie ; parce qu'une grande recompense vous est reservee dans les cieux : Gar c'est ainsi qu'ils ont persecute les prophetes qui ont ete avaot vous."

Inutile d'insister ; l'accord est aussi parfait que peut l'etre un verset biblique avec l'amplification d'un predicateur qui le prend pour theme d'une periode de son discours. Intentionnellement le suffixe de 'ÖS ""-* „ä cause de moiu est rapporte ä l'orateur m-'me : la joie des fideles recoit une couleur transcendante, Celeste : seulement la confusion des ennemis a ete abandonnee. par la bonne raison qu'elle ne convient point dans un cadre qui commande de les aimer et de leur faire du bien.

Mais ce meme verset d'Esaie 66 nous reserve un fait encore plus interessant quand on compare la version grecque.

Les Septante suivent une voie bien differente :

'Axovoctre zd Qfjf.ua xov xvQtov, oi tosfwvxsQ zbv Xoyov avtov' ehzaz, fjfuöv, roig fuaovaiv v/uäg, y.a'i ßdekvooo/uevoig, l'vn xb

ovofia y.rnior do^a<x&fj xn) öq &fj §v tij evq goovyrj avtöbv i 1 vfubv). y.nw.flyoi alayvv&^aoYzcu.

Cette version repose sur la lecon que voici:

zr-:r dd'mö !:-~x ?^ -s nan "s u^nnn mm im web "nw am aannsuä nansi mm ~zr jsob

„Ecoutez la parole de Yahwe, vous qui craignez sa parole : Dites „nos freies" ä vos ennemis et ä ceux qui vous persecutent, afin que le 110m du Seigneur soit glorifie et qu'il apparaisse dans vutre (d'apres F] j«»ie ; quant ä eux, ils seront couverts de honte."

Precedemment nous avons montiv comment rindividualisme rigoureui du predicateur galileen l'avait amene ä etendre l'amour du prochain ä tous les exclus de l'Ancienne Loi mettant en ligne

mple riuttr.t national et politique. Mais de l'amour du pro- chain a l'amour de l'ennemi. il y a encore une etape difficile ä Eranchir et il nou- a et«'- impossible d'indiquer a l'aide de queJ guide l'orientation juste a §td r£alisee, car ainsi que nous le disions

J. Halevy. 359

ci-dessus, l'histoire de l'esprit humain ne se fait pas par des appa- ritions soudaines. Maintenant ce guide se manifeste ä nous dans la phrase imperative : „Dites ..nos freres" ä vos ennemis et ä ceux qui vous persecutent \u Le prophete veut donc que les victimes appellent freies et traitent comme tels leurs ennemis et leurs per- secuteurs: n'est-ce pas l'essence du logion 5,44: „Aimez vos ennemis, faites du bien ä ceux qui vous hai'ssent et qui vous calomnient" ? L'affirmative se montre d'autant plus certaine que le complement motivant „afin que le nom du Seigneur soit glorifie" a ete ä son tour utilise pour la construction du verset 5, 16 : „Que votre lumiere luise devant les hommes, afin qu'ils voient vos bonnes ceuvres, et qu'ils glorifient votre Pere qui est dans les cieux."

Nous nous bornons pour le moment a constater des faits, l'induction ä en tirer sera relevee ä la fin.

Matthieu 12, 39.

Les scribes et les pharisiens dirent ä Jesus : „Maitre, nous voudrions voir de toi un prodige." Jesus repondit :

„Cette race me'chante et adultere (Teveä novr\Qa xcu [wi%aJUs, Generatio mala et adultera) demande un prodige et on ne lui en donnera point d'autre que celui du prophete Jonas."

II y a de nombreux passages bibliques dans lesquels la gene- ration contemporaine est durement traitee, toutefois dans aucun d'eux on ne rencontre une formule ainsi bätie. La plus proche est la qualification rijTm ?]N3Ü2 3?"!T (Esa'i'e 57. 3) = oneoua uoiyßiv xcu nÖQvrjg = semen adulteri et fornicaria?, mais Tadjectif „mechant" n'en fait pas partie.

Cette apostrophe se presente donc sous une forme isolee, mais eclairee par les exemples etudies ci-dessus, on peut dejä presumer que ce n'est qu'en apparence. Depuis longtemps j'ai acquis la con- viction qu'elle a pour type la qualification de l'epouse infidele (symbole d'Israel) que Yahwe commande au prophete Osee (son representant) d'aimer ä nouveau. A ce propos il faut egalement prendre en consideration la divergence des lecons qui nous sont parvenues de Palestine et d'Alexandrie.

360 VIII. Sektion.

Le texte hebreu ofrre la ponetuation massoretique que voici (Osee 3. 1) :

*aa ns mrp ranao naaoai jn nnnx n©N ans -;b 7$

D'nnx DTV?X ^X MS Dm btt-w

„Encore va. aime la femme aimee de l'ami (= epoux) et (ne- anmoins) adultere : tel est l'amour de Yahwe pour les enfants d'Israel bien qu'eux se tournent vers d'autres dieux."

Le parallelisme de Fidee est complet : Osee doit aimer ouver- tement son epouse adultere qu'il n'a d'ailleurs jamais cesse d'affec- tionner, de meme que Yahwe aime toujours les enfants d'Israel malgre leur idolätrie.

De cette fac,on, la femme n'est l'objet que d'un seul attribut fletrissant. celui de „adultere," tandis que le premier }/l n3J!S „aimee de 1'epoux** est plutöt ä son avantage.

II n'en est pas ainsi d'apres la version des Septante :

"Ert nooevß)jTi xai äyd.-njoor yrvcüxa äya.icboar .lorijgä xai /joiyaÄir, xafäög dyarrä 6 fadg wwg vloitG 'IogaijÄ, xai avroi drro- ßlsJiovoiv im lieoi^: aJÜL&iQiovg.

..Encore va et aime une femme aimant le mal et adultere. comme Dieu aime les enfants d'Israel, et eux se tournent vers d'autres dieux."

La raison de la differenee est claire : les Alexandrins ont lu :

ns&oäi in rcn'x nö«

„Femme aimant le mal et adultere."

L'infidele re^oit une double fletrissure : eile est ä la fois mechante et adultere !

C'est precisement l'apostrophe de Jesus avec la transfor- mation inevitable de yvmuxa en yeveä :

/Viv-vi .Tovtjou xai uotya'/.U! Race mechante et adultere ! La reminiseence est aussi exacte que possible.

Resultat :

Les logia de Jesus deeoulent uniquement de l'Ancien Testament.

Prof. Dr. Allan Menzies. 361

L'affirmation que l'Ancienne Loi ordonne la haine contre l'ennemi est due ä la generalisation de lois exceptionnelles de ca- ractere politique.

La tournure des logia est determinee tantöt par la lecon du texte massoretique, tantöt par la version des Septante, tantöt par la combinaison des deux.

Si les logia sont authentiques, il serait indispensable de conclure que Jesus savait le grec et faisait usage de la version alexandrine pour la composition de ses sentences morales et homiletiques.

Professor Dr. Allan Menzies (St. Andrews).

What is new in Christianity ?

(Resume).

The study of Christianity in the light of the general history of religion has lately brought into prominence many of the debts of Christianity to other religions which preceded it or existed beside it; and the impression may have been produced that it contains little that is original.

It rests with the history of religion to deal with this impression. by pointing out that

1. Other religions are also syncretistic. A religion borrows because it has in it vitality and sympathy with its neighbours.

2. To find what is new in Christianity \ve must look at its origins. The new element in it as in other personally founded religions, the person of its founder. The definition of the essence of Christianity depends largely on the study of the Gospels. Cf. the recent works of Harnack and Loisy.

Concluding remarks.

362 VIII. Sektion.

Professor Dr. P. Wernle (Basel).

Die drei Stufen der urchristlichen Apologetik in religionsgeschichtlicher Beleuchtung.

Wenn wir die urchristlichen Schriften auf die Frage prüfen: Wie wird in ihnen der Wahrheitsbeweis des Christentums geführt? so stossen wir auf drei wesentlich verschiedene Antworten. Die erste lautet: Jesus und die Apostel haben Wunder getan und Wunder erlebt. Die zweite: Jeder Christ ist ein Wunder, das sich als etwas völlig Neues, Uebernatürliches aus der verdorbenen Gott fremden Welt heraushebt. Die dritte : Der Stifter des Christen- tums hat alle göttlichen Wahrheitserkenntnisse, die vor ihm in der Welt vorhanden waren, zusammengefasst und vollendet.

Das Erste nenne ich die volkstümliche Apologetik. Sie ist die älteste, die Grundlage aller anderen, die fast in jeder christ- lichen Schrift erkennbar und bis auf die Gegenwart populär geblieben ist. Sie geht von der breiten Basis des antiken reli- giösen Vorstellens aus, das im Wunder, im Ausserordentlichen, Geheimnisvollen das sicherste Merkmal der Gottheit erkennt. Nach der synoptischen Ueberlieferung hat Jesus dieses Beweis- verfahren gelegentlich geübt, wenn er das Reich Gottes im Aus- treiben der Dämonen anbrechen sieht, den zweifelnden Täufer auf seine Wunder verweist und die Vollmacht der Sündenver- gebung mit dem Wunder rechtfertigt. Vor allem aber haben die ältesten Jünger und Evangelisten mit diesem Wunderbeweis Jesu Messianität bewiesen nach dem Muster Joh. 7, 31 : Wenn der Messias kommt, wird er mehr Wunder tun, als dieser getan hat? Unser ganzes Evangelienbild von den ältesten greifbaren Quellen bis herab zu Johannes ist durch diesen Wunderbeweis gestaltet, bei Johannes sogar mit besonderer Kräftigkeit: um der Sgya willen soll selbst der Widerstrebende an Jesus glauben. Auch der Weis- sagungsbeweis ist bloss eine besondere Art des Wunderbeweises: nur ein Gott i.-l imstande, die Zukunft so vorauszusagen und

Prof. Dr. P Wernle. 363

Vorausgesagtes so zu realisieren, wie es bis aufs allerkleinste an Jesus geschah. Indes ist der Wunderbeweis niemals auf das Leben Jesu beschränkt gewesen ; die Apostel tun und erleben mehr Wunder als Jesus selbst, sie haben im Wunder das Zeichen ihrer göttlichen Sendung, wie Paulus selbst seinen Gegnern gegenüber erklären muss. Freilich nicht so, als ob mit diesen Wundern der Apostel das Christentum stehen und fallen würde, aber es gehört zu den Ruhmeszeichen seiner Bekenner, dass das Wunder nicht mit dem Tod des Messias versiegt ist, sondern der Mission auf allen ihren Wegen folgt. Und zum direkten Wahrheitsbeweis ge- staltet sich das Wunder des apostolischen Zeitalters durch den Umstand, dass es im Namen Jesu geschieht, somit für die gött- liche Kraft dieser Person und ihrer Sache Zeugnis ablegt.

Das massenhafte Auftreten des Wunders in der urchristlichen Literatur zeigt uns, wie zugkräftig dieser Beweis von den Ver- fassern dieser Schriften gehalten wurde, wie gross die Empfäng- lichkeit der damaligen Menschen für das Wunder gewesen ist. Spuren eines Widerspruchs gegen dieses Beweisverfahren sind ver- hältnismässig selten, und wo sie sich finden, haben sie mit mo- derner Wunderkritik nichts zu tun. Wir wissen, dass das Auf- erstehungswunder Jesu, das Wunder seiner übernatürlichen Geburt früh energischen Widerspruch gefunden haben, der sich in hässlichen Travestierungen dieser Berichte äusserte. Auch die WTunder- apologetik der synoptischen Tradition scheint ihren Zweck nicht überall erreicht zu haben; ohne dies versteht man kaum ihre Er- gänzung durch die Riesenwunder des vierten Evangeliums und ander- seits das Bestreben des Evangelisten Markus, die Wunder Jesu als heimlich, gar nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt, darzu- stellen. An der allgemeinen Gültigkeit des Wunderbeweises tragen diese vereinzelten Abzüge nichts ab. Dagegen erwuchsen dieser Apologetik Gefahren aus dem eigenen Vorstellungskreis, der ihr zu Grunde liegt. Einmal war das Wundertun doch nicht ein Privileg der Christen, gab es doch neben den christlichen Wunder- tätern auch jüdische, samaritanische, heidnische Exorzisten und Thaumaturgen genug. Sodann war das Wunder der Christen ver- schiedener Deutung fähig: es konnte von den Gegnern als da-

364 VIII. Sektion.

monisch ausgelegt werden, gerade unter Voraussetzung seiner Tat- sächlichkeit. Und es waren nicht bloss die Gegner, welche sich die Wunder Jesu und seiner Jünger durch ein Bündnis mit Beel- zebub erklärten, sondern die Christen selber waren überzeugt, dass das dämonische Wunder demnächst in den Taten des Antichrist» oder der Pseudomessiasse hervorbreche, und warnten deshalb vor falscher Wundersucht. Endlich erwuchs eine ganz eigene Schwie- rigkeit dieser Apologetik aus dem Umstand, dass der wunder- tätige Name Jesus früh von solchen gebraucht wurde, die sich gar nicht zur christlichen Gemeinde zählten, zuweilen mit gutem, zuweilen mit sehr bösem Erfolg. Für uns sind heute diese Schwie- rigkeiten des Wunderbeweises mindestens so lehrreich, wie die Kraft, die man ihm trotzdem zutraute, und die er auch besass. Denn aus alledem geht die allerengste Verflochtenheit des Ur- christentums in das antike Religionswesen hervor, das überall die- selben Vorstellungen und deshalb dieselben Methoden der Apolo- getik erzeugt hat. Und es muss von vornherein als ein höchst unsicheres Unternehmen erscheinen, den Vorzug des Christentums vor allen andern Religionen mit Elementen zu beweisen, deren jede lebendige Religion des Altertums sich gerühmt hat.

Es ist nun denkwürdig, wie die Apologetik des Paulus von diesem Wunderbeweis ausgeht, um ihn zu einem genialen apolo- getischen System umzugestalten. Er ist ja im Gebiet des Wunder- baren nicht weniger heimisch als irgend ein Christ vor ihm, aber an alles und so auch an dies, bringt er seine grosse Art zu ver- einfachen und zu verinnerlichen heran. Kein Zweifel, dass er bei dem Beweis des Geistes und der Kraft, d. h. dem Wunderbeweis, auch an jene einzelnen wunderbaren Erlebnisse gedacht hat, die sich infolge seiner Missionspredigt in Korinth eingestellt haben: Heilungen, Kraftwirkungen, Glossolalie, Prophetie. Die Haupt- sache sind sie für ihn nicht gewesen, sondern das Gesamt wunder. das der Christ bei seiner Bekehrung an seiner ganzen Existenz erlebt und bleibend behält als die Kraft eines neuen Lebens. In- folge seines eigenen Werdeganges war er wie kein anderer befähigt, das Christentum als etwas Neues, allem Früheren Gegensätzliches zu verstehen, eine Neuschöpfung, die das Christentum aus der

Prof. Dr. P. Wernle. 365

ganzen Religionsgeschichte heraushebt, und eben deshalb das Wunder schlechthin. In drei einfachen wuchtigen Thesen stellt sich deshalb diese neue Apologetik dar: These 1, der Pessimismus: Das Wort vom Fall der ganzen Menschheit in Sünde und Tod, von der gänzlichen Ohnmacht des Menschen im Sittlichen wie Intellektuellen, vom Zorn Gottes, der diese Menschheit in immer grössere Ver- derbnis und Verzweiflung treibt. These 2, das einmalige Erlösungs- wunder des Gottessohnes: wie in diese verlorene, gefallene Welt der Gottessohn vom Himmel herabsteigt, um stellvertretend unsere Sterblichkeit und unsern Tod zur Sühne auf sich zu nehmen, aber sofort in der Auferstehung die Erlösungswelt zu eröffnen, also an Stelle aller einzelnen Wundergeschichten das Gesamtwunder einer himmlischen Person und ihres Werkes. These 3 : das immer neue Bekehrungswunder der Gläubigen, in deren Herzen auf wunderbare Weise der Glaube erzeugt wird, um sofort ein neues, vom Geist gewirktes Leben zu entfalten, ein Leben, das im Physischen und Sittlichen, Intellektuellen und Religiösen, durch seine Reinheit und unerhörte Kräftigkeit das Siegel göttlicher Entstehung, das Wunder, an sich trägt. So jemand in Christus Jesus ist, der ist eine neue Kreatur, d. h. ein Wunder, und zwar ein Wunder in seinem Lebens- gehalt wie in der Form, die ihm diesen Lebensgehalt vermittelt. Hier ist nun deutlich, wie der Wunderbeweis der urchristlichen Gemeinde von Paulus übernommen und doch überraschend neu und genial gewendet worden ist. In der enthusiastischen Kraft seiner Liebe, seiner Freude, Reinheit, Geduld, seines Gottesglücks, hat jeder Christ die Probe in sich, dass Gott ihn aus dem Satans- reich in das Gottesreich versetzt hat, ein Beweisverfahren, das im- stande ist, über das allmähliche Verschwinden der physischen Kraftwirkungen hinaus Zuversicht und Trost zu geben.

Kind der Antike und speziell des wenn auch gesichteten und systematisierten volkstümlichen Vorstellungskreises, hatte es diese paulinische Apologetik wenig oder nicht mit dem modernen Be- denken zu tun, ob denn alle diese Stimmungen und Erlebnisse wirklich dermassen jedes Verständnisses aus dem natürlichen Zu- sammenhang heraus spotten, dass sie nur als Wunder begriffen werden können. Dafür sind ihr aus der Macht widersprechender

366 VIII. Sektion.

Tatsachen bedeutende Schwierigkeiten erwachsen. Die grandiose These: Jeder Christ ein Wunder und damit sich selbst Beweis, ist ein Bekenntnis, das selber von Enthusiasmus getragen ist und schon zur Zeit des Paulus die Wirklichkeit weit überflog. Oder ist wirklich die Gesamtheit der Christusgläubigen von Korinth eine Gesamtheit solcher Geistesmenschen im Sinne des Paulus gewesen? Es ist bezeichnend für die nüchterne Wahrhaftigkeit des Apostels wie für die Festigkeit seines Glaubens, dass er das eine Mal denselben Korinthern das Attribut der Geistesmenschen abspricht, die er ein anderes Mal dazu auffordert, an sich selber die Probe zu machen, dass Christus Jesus in ihnen lebe. Dass er selber an den hier vorliegenden Problemen gearbeitet hat, ist ebenso deutlich, wie dass er nicht bloss eine Antwort gab auf diese Frage. Einerseits sieht er in den Schatten und Unvollkommen- heiten des Christenstandes die Nachwirkungen des alten Menschen und der angeborenen fleischlichen Natur, die für den Christen der stärkste Ansporn sind, in strenger Selbstzucht und sittlicher Arbeit dem Ideal nachzujagen und mit ganzer Glut die Erlösungsstunde zu ersehnen, wo erst das Vollkommene, das ganze Wunder sein wird, das sich auf Augenblicke jetzt schon in beglückenden Zeug- nissen des Geistes seinem Herzen bekundet. Andererseits hält er sich bei allen Schwankungen und Depressionen des subjektiven Bewusstseins umso fester an den objektiven Trost, den der Sühn- tod und das Auferstehungswunder des Gottessohnes ein für allemal in sich enthalten, in diesen beiden Antworten die zwei grossen Zweige der paulinischen Theologie, die augustinische und lutherische Richtung gleichmässig in sich vereinigend. Auf alle Fälle ist es eine Apologetik, die in sich selbst die gewaltigsten Probleme trägt, deren Gewicht sich verschärfen muss, je mehr der Enthusias- mus, das grosse Erleben zurücktritt und infolgedessen Christen und Nichtchristen , Reich der Gnade und Reich der Sünde sich näher rücken, bis zuletzt kein Mensch mehr dir Grenzlinie ziehen kann.

Die grosse religionsgeschichtliche Bedeutung der paulinischen Apologetik liegt darin, dass durch sie das Christentum weit weg von allen andern Religionen gerückt wurde, dass es als Religion

Prof. Dr. P. Wernle. 367

schlechthin auftrat, die alle andern Religion sformen als blosse Ver- suche und Irrungen, die kaum ein Anrecht auf den Namen Religion besitzen, von sich abstiess, wenn auch der Gedanke oiner göttlichen Erziehung des Menschengeschlechts ihnen einen höchst untergeord- neten Wert zuerkennt. Es ist durchaus Kampfesapologetik, die darauf ausgeht, nicht das Verwandte, sondern das Gegensätzliche überall hervorzusuchen, um so die Eigenart siegreich durchzusetzen. Indessen musste gerade die Fortsetzung desselben Kampfes dazu führen, dass sich den christlichen Missionaren und Apologeten der Gedanke einer wertvollen Bundesgenossenschaft auf gegnerischer Seite in dem dort vorhandenen Wahrheitsbesitz aufdrängen musste, auf die gestützt, man umso kräftiger das Falsche der feindlichen Position bekämpfen konnte. Es sind die der griechischen Popular- philosophie entnommenen Begriffe des Logos und des Naturgesetzes, mit denen die dritte, letzte Form der urchristlichen Apologetik ein- setzt. Hier wird nun nicht einfach das Verkehrte. Sündige, sondern mit Vorliebe das trotz aller Verderbnis Normale und Gesundgebliebene der menschlichen Natur mit Freuden aufgegriffen, als dessen Zu- sammenziehung und Vollendung das Christentum erscheint : der Logos in jedem Menschen und in der grossen Welt derselbe Logos. zu dem die Christen sich bekennen. Sofort aber wird der Vorzug des Christentums durch die Idee der Inkarnation des Logos fest- gehalten, wodurch nicht nur gegenüber aller Unvollkommenheit die Totalität, sondern besonders gegenüber allem Tasten und Suchen die volle Oftenbarungsgewissheit dieser Wahrheit aus- gesprochen wird.

Das Johannesevangelium, mit dem diese Apologetik klar und bewusst in der christlichen Literatur auftritt, zeigt uns freilich, dass die drei hier notierten Arten der Apologetik sich zuerst nur als Stufen übereinander lagern, und keineswegs etwa die letzte die frühern verdrängt. Zu unterst der Wunder- und Weissagungs- beweis, den diese Schrift in einer alles Frühere überbietenden Weise geführt hat. Dann und das ist das Hauptstück die Apologetik des Gegensatzes im paulinischen Sinn : Das Wort von der verlorenen sündigen Welt, in die an einem Punkt der Ge- schichte der Gottessohn als Erlöser und Versöhner herabstieg.

368 VIII. Sektion.

damit im Glauben an ihn die Erwählten zu dem neuen, wunder- baren Geistesleben gelangen, überall Fleisch und Geist, Welt und Reich Christi als zwei schroff feindliche Reiche. Zuletzt, obschon der Form nach zuerst, als Vorrede für die Gebildeten, die Logos- apologetik, welche die Verbindungslinie zu der früheren Wahrheit hinüberzieht und das Christentum als Verkörperung der Vernunft- religion feiert. Von einer apologetischen Vorrede in der Tat zu reden, nötigt die Erwägung, dass das hier angedeutete Motiv, das Christentum als Vernunftreligion zu erweisen, im Folgenden nir- gends durchgeführt, sondern statt dessen in paulinischer Tradition der schroff gegensätzliche, übernatürliche, geheimnisvolle Charakter des Christentums in Form und Inhalt der Predigt Jesu dargelegt wird. Während die spätere Logostheologie mit Vorliebe den Aufstieg vom fleischgewordenen Logos zum Logos bei Gott be- folgt, knüpft das vierte Evangelium an den Logos überhaupt bloss an. um dadurch den Weg zu Jesus zu finden, der auch keineswegs die den Menschen immanente Wahrheit ans Licht ziehen, sondern vielmehr Erlösung, Geist, ewiges Leben bringen will.

Es braucht kaum gesagt zu werden, dass die im Prolog des Johannesevangeliums zum erstenmal auftauchende Apologetik diejenige ist. welche gerade unserer heutigen religionsgeschicht- lichen Betrachtung am nächsten steht, indem sie dazu drängt, auch in den ausserchristüchen Religionen das Göttliche, dem Christen- tum Verwandte aufzusuchen und zu würdigen, indem sie Christen- tum und ausserchristliche Religionen überhaupt unter den gleichen Nenner stellt und den Gedanken einer göttlichen Erziehung des Menschengeschlechts in einem umfassenderen, liebevolleren Sinn herausarbeitet, als es der vor allem auf das Gegensätzliche ge- richteten paulinischen Apologetik möglich war. Aber es ist dann immerhin bedeutsam, dass im Lauf der Geschichte die paulinischen Gedanken des Johannes-Evangeliums mindestens so stark oder noch stärker als die Logosidee gewirkt haben. Sie geben wenn auch vielleicht in vergänglicher Form einer Ueberzeugung den Ausdruck, der ihr apologetisches Recht nie aberkannt werden darf, der Ueberzeugung nämlich, dass das Bewusstsein der Eigenart und Besonderheit des Christentums gerade seine Hauptkraft be-

Raoul de la Grasserie. 369

deutet, und dass es sich um das Verständnis und die Würdigung der anderen Religionen nur dann erfolgreich bemühen kann, wenn es sich über seinen besonderen Beruf und sein besonderes Ge- schenk klar ist.

Raoul de la Grasserie (Nantes).

Sur le phenomene religieux des triades dans le Christianisme et les autres religions.

(Wurde nicht vorgelesen.)

(R6sume).

M. Raoul de la Grasserie s'est propose dans sa monographie d'etudier le phenomene religieux des trinites ou triades dans le Christianisme il atteint son plein developpement, mais pour le bien comprendre, il l'observe d'abord dans les diverses autres reli- gions oü se trouvent tantöt des constructions completes analogues, tantöt de simples amorces. L'idee a sa racine psychologique ailleurs ; il suffit de constater quelle influence fatidique possede ce nombre dans des superstitions populaires et möme dans des philosophies primitives. G'est qu'il faut chercher l'origine des triades, ainsi, du reste, que celle des autres nombres sacres, ä savoir ; l'unite et le dualisme. L'auteur divise, en consequence, son memoire en trois parties : etude du nombre trialistique dans les divers processus de la nature et dans les elements des sciences, ainsi que dans la biologie, la psychologie et la sociologie humaines, recherche des triades, ainsi que du dualisme dans les religions non chretiennes, essai d'interpretation ä la lumiere de ce qui precede, de la trinite dans le Christianisme. A ce sujet, M. de la Grasserie distingue soigneusement la trinite de la triade entre lesquelles il n'existe pas d'identite. II cherche ä demontrer comment du nombre ternaire rencontre ä chaque pas dans la nature et la societe, l'esprit humain

Kongressbericht. 24

370 VIII. Sektion.

a passe ä la triade, et comment celle-ci est devenue la trinite chretienne, en se completant et en ajoutant ä sa cause efficiente la cause teleologique.

Dans la premiere partie de son memoire, Tauteur recherclu* avec soin l'element ternaire dans une foule de phenomenes de la nature. Non seulement la geometrie et l'algebre portent profonde- ment l'influence de certains nombres, mais il en est de meme de la mecanique, de la physique, de la chimie, de Tastronomie, ainsi que des milieux du temps et de l'espace. La biologie n'est pas moins remarquable en ce sens, et lorsqu'il s'agit de la science de l'homme, les phenomenes sont souvent empreints de dualite ou de trialite, quelquefois des deux. La mentalite est essentiellement tria- listique, mais ce qui eclate ä tous les yeux, c'est la Constitution trialistique de la famille. La pourront largement puiser toutes les mythologies. A leur tour, le langage, les arts, la litterature en portent continuellement le reflet. Ainsi depuis longtemps l'esprit humain s'est trouve suggestionne de cette idee qui devait se deve- lopper et se transformer en instinct mystique.

Cependant cet instinct na pas attendu ä etre conscient de ce trialisme diffus pour en faire un element religieux. Depuis, ce dernier a existe, et l'auteur cherche ä le noter dans les cultes divers. II releve en mßme temps l'element dualistique, lequel d'ailleurs se relie etroitement au premier. Le dualisme religieux est bien connu, il est tantöt formel, comme dans le mazdeisme, tantot virtuel, comme dans toutes les religions ä une force divine se trouve opposee une force demoniaque; la mort du Christ sur la croix est, pour ainsi dire, une phase de cette lutte. II est donc possible qu'une religion soit dualistique dans un certain temps et trialistique dans un autre. Mais la trialite est plus importante, on la trouve au sommet. Quelle en est l'origine dans l'ensemble des religions? Cette origine est diverse. Cependant, ce qui domine, c'est l'imitation de la famille humaine dans sa triade essentielle. C'est celle qu'on rencontre dans le pantheon egyptien, avec des deviations cependant, parfois il s'agit plutöt d'un dieu et de deux deesses, parfois du soleil vivant, du soleil mort et du soleil ressuscite, car l'id^e astro- nomique se retrouve dans toutes les mythologies. L'Assyrie y in-

Raoul de la Grasserie. 371

troduit plusieurs enfants. Quant ä l'imitation familiale, les textes bibliques l'etablissent nettement, mais retournee.

Souvent l'imitation est plus externe. C'est ainsi que la trialite peut deriver de la repartition de l'univers en trois parts attribuees ä des dieux souverains. Souvent eile correspond aux grands astres et ä l'alternance de leurs fonctions; ailleurs, comme dans l'Inde, eile est le resultat d'un syncretisme entre des religions de races differentes. L'idee est, au contraire, tout ä fait intrinseque quand la triade s'est etablie peu ä peu, pour qu'un lien puisse exister entre le dieu monotheiste trop abrupt et le monde; il faut alors un autre Dieu faisant fonction de demiurge, teile est l'idee genera- trice du logos dans la doctrine platonicienne.

En dehors de ces triades essentielles il en existe beaucoup d'autres secondaires, plus ou moins explicables, mais qui prouvent combien l'esprit humain s'etait habitue en matiere religieuse a l'influence triadique.

Dans une troisieme partie, M. de la Grasserie envisage la möme idee dans le Christianisme. II s'agit alors de la trinite proprement dite, distincte de la triade de plusieurs fagons. On peut dire qu'ailleurs la triade religieuse, nee des diverses imitations de l'homme et de la nature, a ete adoptee sans but, tandis que la trinite chretienne s'est developpee sous une influence messianique et a fourni un mystere qui devait aboutir ä celui de la redemption. Sans doute, le concept philosophique du logos, c'est-ä-dire de la necessite d'un dieu exterrorisant le dieu solitaire et le mettant en rapport avec le monde n'a pas ete sans influence, mais le Christia- nisme ne s'est pas borne ä ce concept. La decheance de l'homme aurait ete causee par une faute originelle, mais des l'abord un sauveur avait ete promis: ce sauveur ne pouvait etre que divin pour pouvoir offrir ä la divinite une satisfaction süffisante; de la necessite de dedoubler le dieu monotheiste. La troisieme personne echappe. il est vrai, ä cette explication, mais que le pere et le fils existent dans une famille divine, comme dans une famille humaine, cette famille va bientöt s'integrer. Ce n'est pas tout, ä cette genese essentielle il va s'en joindre une autre plus contingente et, pour ainsi dire, de politique religieuse; le monoth&sme pur est trop

24*

372 VIII. Sektion.

abstrait pour l'esprit des fideles, il faut des intermediaires, ou mieux, plusieurs personnes dans le meme dieu pour satisfaire ä l'esprit anthropomorphique et social, c'est ce que l'existence d'une trinite realise. On ne saurait donc pretendre que la trinite chretienne soit une reproduction simple des autres triades, ou sa simple ampli- fication; eile s'en distingue, entre autres traits, par un element teleologique tres marque et par sa relation etroite ä une serie d'autres phenomenes religieux.

H. Arakelian (Tiflis).

Ein Ueberblick über die Geschichte der armenischen Kirche.

(Wurde nicht vorgelesen.) (Resum6).

Die Predigt des Christentums hat in Armenien recht früh angefangen. Nach geschichtlicher Ueberlieferung waren es zwei Apostel, Thaddäus und Bartholomäus, welche gleich nach der Himmel- fahrt nacheinander nach Armenien kamen und das Heilswort ver- kündeten. Tatsächlich zeigten sich die Armenier der neuen Reli- gion von Anfang an sehr geneigt, und in den ersten Jahrhunderten fanden im Lande einzelne wie Massen-Martyrien statt. Erst aber im dritten Jahrhundert oder zu Anfang des vierten bekehrte sich die Hauptmasse des armenischen Volkes zur neuen Religion. Dazu haben viel beigetragen vor allem die syrischen Prediger, deren Einfluss sich bekanntlich weit nach Osten erstreckte; sehr rege war ferner die Tätigkeit der in Kleinasien wirkenden Griechen und Armenier, endlich aber wirkten die Persien und Armenien erschQtteraden politischen Ereignisse mit. Zwei Zweige der arsa- kidischen Dynastie herrschten in Armenien und Persien ; im dritten

H. Arakelian. 373

Jahrhundert wurden die persischen Arsakiden von den Sassaniden gestürzt, wodurch eine grosse Feindschaft zwischen den Persern und den Armeniern entstand. Der Kampf dauerte sehr lange, und die Armenier waren schon von Anfang an genötigt, sich auf die Griechen zu stützen und sich mehr und mehr dem Occident zuzu- wenden. Infolgedessen verbreitete sich die abendländische Kultur mit dem Christentum durchs Land und fasste tiefe Wurzeln. Da trat der Mann auf, dem es beschieden war, der eigentliche Apostel und Grundleger der neuen Religion in Armenien zu werden, der heilige Gregor, der Sohn des pahlavidischen Fürsten Anag, der den armenischen König auf Anstiften des sassanidischen Königs getötet hatte. Gregor, als Sohn des Königsmörders, musste fliehen ; er genoss in Klein-Asien christliche Erziehung, und um des Glau- bens willen grosse Martyrien erduldend, verhalf er den Armeniern zum offenen Bekenntnis der Heilslehre, weshalb er auch vom Volke den Beinamen „Erleuchter" erhielt, und die von ihm ge- gründete Kirche wurde nach seinem Namen gregorianische genannt.

Nach ihrer äusseren Erscheinung, was Dogma, Gottesdienst und Hierarchie betrifft, war die gregorianische Kirche in den ersten Jahrhunderten von den syrischen und griechischen Kirchen abhängig, später aber ging sie ihre eigenen Wege und hielt sich ganz selbständig. Sie war sehr oft gezwungen in einen Kampf namentlich mit der griechischen Kirche zu treten, sie hatte ausser- ordentlich viel von den feueranbetenden Persern, von den Be- kennern des Islams und von der Unionstätigkeit der katholischen Kirche zu leiden, aber sie erhielt sich selbständig, kräftig durch ihre Martyrien und geläutert durch ihre unsäglichen Leiden. Sie verwuchs eng mit dem Volke; niemals war sie eine Last für das armenische Volk.

Von Anfang an erscheint sie als ein Hort der Kultur: Die Entdeckung des armenischen Alphabets im Anfange des V. Jahr- hunderts verdankt man kirchlichen Bedürfnissen. Eine reiche Literatur, Uebersetzungen oder selbständige Schöpfungen waren die wohltätigen Früchte solcher Entdeckung. Das Bedürfnis, Kirchen zu bauen, führte zur Pflege einer Architektur, die vom VII. bis

374 VIII. Sektion.

XIII. Jahrhundert sehr bemerkenswerte Musterdenkmäler aufzu- weisen hat. Die Landessprache wurde durch sie kultiviert und gepflegt, ebenso die theologischen, philosophischen, mathematischen und andern Wissenschaften.

Diese Kirche bewahrt das nicaenische Glaubensbekenntnis, sie hat sieben Sakramente und eine Hierarchie, welche, obwohl äusserlich der alten, d. h. der griechischen und lateinischen Hier- archie ähnelnd, mehr dem apostolischen Geiste entspricht, indem alle Vertreter derselben von der Gemeinde gewählt werden und von ihr abhängig sind. Sie hat wohl, wegen der politischen Ab- hängigkeit des Volkes, diesen Prinzipien zum Teil absagen müssen, aber im Volksgemüt empfindet man das immer als ein der Kirche angetanes Unrecht.

An der Spitze der Hierarchie steht der Patriarch, „Katholicos aller Armenier" genannt. Der Katholicos ist ein von dem arme- nischen Volke gewählter Oberhirt, an dessen Wahl die Vertreter der in der Türkei, in Persien und Russland lebenden geistlichen und weltlichen Armenier teilnehmen. Er hat u. a. das exklusive Recht, Bischöfe zu kreieren, das heilige Oel zu weihen u. s. w. Ihm sind die weitern Geistlichen untergeordnet.

Durch die geschichtlichen Ereignisse sind einige Änderungen in der Hierarchie eingetreten. Seit Gregor dem Erleuchter sass in Armenien nur ein Katholicos, dessen Residenz die Stadt Walar- schapat auf der Araratebene war, wo das berühmte Etschmjadzin liegt und der hl. Gregor erstmalig zu predigen anfing. Aber im Laufe der Zeit versetzte man den Patriarchensitz nach Dwin, Ani, Achthamar, Hromkla, Siss und anderen Städten, und als 1441 der Thron des Katholicos in Walarschapat wiederhergestellt wurde, blieben schismatische Katholicoi, einer in Siss in Gilicien, der andere in Akhtha am Wansee. Nur haben diese beiden keine ökumenische Stellung, sondern sind dem Etschmjadziner Katholicos unterstellt und üben ihre Machtbefugnisse über einige Diözesen aus Ausserdem haben die Armenier zwei Patriarchen, den einen in Konstantinopel, den anderen in Jerusalem. Diese sind gewöhnliche Mönche, Bischöfe oder Erzbischöfe, während die Katholicoi besonders geweihl werden. Auch die Patriarchen werden von der Geistlichkeit

H. Arak6lian. 375

und vom Volke gewählt, sind wiederwählbar und vertreten das armenische Volk vor der türkischen Regierung, weshalb sie auch von ihr bestätigt werden. Sie ordnen sich dem Katholicos von Etschmjadzin unter und sind in kirchlichen Fragen von ihm abhängig. In früheren Zeiten stand dem Katholicos ein Rat von hervorragenden Bischöfen und Mönchen zur Seite, welcher jetzt zu einem offiziellen, von der russischen Regierung anerkannten Organ, dem armenisch- gregorianischen „Synod" mit acht Mitgliedern geworden ist. Diese werden von dem Katholicos dem Kaiser von Russland zur Bestä- tigung vorgeschlagen.

Das Verhältnis der armenischen Kirche zur Regierung und zur Gemeinde in Russland ist festgesetzt durch ein Reglement „Polo jene" genannt , in der Türkei aber durch einen Kodex, bekannt unter dem Namen „Konstitution". Die beiden Gesetze sind in beiden Ländern in den letzten Jahren bedeutend geschmälert worden.

376 Dr. E. A. Stückelberg, Bericht über die hagiographische Ausstellung.

Dr. E. A. Stückelberg (Basel).

Bericht über die von ihm veranstaltete hagiographische Ausstellung.

In drei Sälen des ersten Stockwerks der Universitätsbibliothek hat der Schreiber dieser Zeilen auf die Kongresstage eine Aus- stellung veranstaltet, welche bezweckte, den Besuchern eine An- schauung zu geben von der Helvetia Sancta und Sacra.

Die erste Abteilung*) enthielt die Bilder der spezifisch schwei- zerischen Heiligen, d. h. derjenigen Märtyrer, Bekenner und Jung- frauen, die in der Schweiz begraben lagen und zum Teil noch liegen. Die Darstellungen umfassten ungefähr ein Jahrtausend und setzten ein mit den Bildern von S. Gall und S. Moriz, deren in Elfenbein geschnitzte Figuren in St. Gallen und Mailand sich finden. Auch Abbildungen der Gräber verschiedener Heiligen des Schweizerlandes waren hier zu sehen (Sigismundsgrab zu St. Mau- rice, Verenagrab in Zurzach, Iddagrab zu Fischingen. Findansgrab zu Rheinau u. s. w.). Die Verbreitung des Kultes dieser Heiligen war durch Karten veranschaulicht, in denen alle Orte eingezeichnet waren, an denen Kirchen, Kapellen, Altäre, Reliquien des betref- fenden Schutzpatrons sich finden. Des fernem waren hier aus- gestellt die Bilder aller einst und heute noch in der Schweiz ver- ehrten Heiligen. Reproduktionen von Skulpturen, von Malereien auf die Wand, Holz und Glas eröffneten diese Reihen ; die Fort- setzung bildeten Holzschnitte, Kupferstiche und von Hand gemalte Pergamentbildchen. Von letzterer Klasse waren viele Tausende

*) Gütigst geliehene Sammlungen mehrerer Schweiz. Welt- und Ordens- geistlicher; einzelnes Eigentum der Basler Universitätsbibliothek und des Ver- anstalters der Ausstellung.

Dr. E. A. Stückelberg, Bericht über die hagiographische Ausstellung. 377

als Repräsentanten der volkstümlichen Kunst ausgestellt.*) Sie sind grösstenteils in schweizerischen Klöstern, an deren Spitze Einsiedeln steht, entstanden und zwar im XVII. und XVIII. Jahr- hundert. Mit ihren kunstvoll geschnittenen, durchbrochenen Rahmen und Rändern sind sie die Prototypen der modernen Spitzenbildchen, die heutzutage tausendweise fabrikmässig hergestellt werden.

Eine besondere Rubrik der hagiographischen Ausstellung bildeten die Denkmäler der Wallfahrtsorte. Einsetzend mit den gotischen Bleizeichen von St. Beaten, Einsiedeln, Reims u. s. w., den barocken Filigranzeichen aus Silber von Zurzach, den Gnaden- pfennigen aus Bronze, Messing, Zinn, Aluminium schweizerischer und ausländischer Wallfahrtsorte, suchte diese Kollektion ein möglichst vielseitiges und vollständiges Bild der an die Pilger ver- abfolgten Andenken zu geben. Die papierenen, pergamentenen und seidenen Zeichen begannen mit den drei Einsiedler Stichen des Meisters E. S. vom Jahr 1466 und dem Blatt von Pflasterbach. Daran schlössen sich hunderte von Wallfahrtszeichen aus Ein- siedeln und Sachsein ; kleinere Sammlungen illustrierten die Gnaden- bilder und -statten oder Reliquien von Arth, Beinwil (Solothurn), Beinwil (Aargau), Bellinzona, Biberegg, auf dem Grossen St. Bernard, Disentis, Engelberg, Eschenbach, Feldbach, Fischingen, Frauental, St. Gallen, Grimmenstein, Hochdorf, Inwil, Jostberg, Kirchberg (St. Gallen), Luzern, St. Maria der Englen, Maria Rickenbach, Mariastein, Melchtal, Muri, Pfävers, Rapperswil, Rigi, Rheinau, Rorschach, Samen, Schaddorf, Seelisberg, Sion, Steinenberg, Wet- tingen, Werdenstein, Willisau, Wil. Auch ein paar Wallfahrts- bücher waren in Original oder Faksimile ausgestellt, so die Drucke von Einsiedeln, St. Beaten, Santiago, die Translationsschrift von Eichsei (1503) und zahlreiche auf Erhebungen, Uebertragungen, Jubiläen von Heiligenleibern bezügliche Literatur des XVIII. und XIX. Jahrhunderts. Eine besondere, kleine Gruppe war den die Katakombenheiligen verherrlichenden Literatur- und Kunst-Denk- mälern gewidmet; sie knüpften an die in der Schweiz befindlichen

*) Näheres und zahlreiche Abbildungen findet der Leser im Schweiz. Archiv für Volkskunde Bd. IX, 1905, Heft 1.

378 Dr. E. A. Stückelberg, Bericht über die hagiographische Ausstellung.

Leiber folgender Heiligen an : Aurelia, die beiden Basilius, Deodat, Donat, Eugen, Euprepes, Floridus, Fortunat, Getulius, Leander, Leonz, Marian, Pankraz, Peregrin, Philomena, Placida, Purpurin, Sergius, Silvan, Symphorosa, Theodora, Valentin, Victoria.

Auch ausländische Wallfahrtsorte waren durch zahlreiche Pilgerandenken, bestehend in Kupferstichen, Holzschnitten, Litho- graphien vertreten. Heben wir nur hervor: Rom, Loreto, Turin, Trier, Köln. Weingarten, Reichenau, Altötting, Walldürn, Rankwyl.

Hunderte von Künstlern sehr verschiedener Qualität haben im Dienste der Wallfahrt gearbeitet, und ihre Namen sind auf zahlreichen Blättern verzeichnet. Augsburg war in erster Linie bestimmend auf die Richtung dieser Erzeugnisse; hier arbeiteten ungezählte Meister für die Schweiz, und hier lernten junge Schweizer, die später, in die Heimat zurückgekehrt, in Einsiedeln, Zug usw. ihre Tätigkeit im Dienste der katholischen Schweiz fortsetzten.

Die zweite Abteilung*) der hagiographischen Ausstellung war den liturgischen Altertümern sowie der ganzen Ausstattung der Gotteshäuser gewidmet. Das gesamte Inventar einer mittelalter- lichen Kirche war hier in Reproduktion zur Anschauung gebracht. Anschliessend an die Heiligen fanden sich deren Reliquien, die Umhüllungen, die Cedulae und Authentiken, darunter pergamen- tene aus der Merowinger- und Karolingerzeit, silberne aus dem X. und XII. Jahrhundert. Bemerkenswert waren die Photo- graphien sämtlicher Cedulae des Basler Domschatzes (XII. Jahr- hundert bis a. 1503), aufgenommen im Dezember 1903 und Januar 1904 zu Mariastein. Es folgten Darstellungen von Reliquiaren der Schweiz und des Auslandes, mit besonderer Berücksichtigung der ältesten und schwer sichtbaren Exemplare der merowingischen, karolingischen und romanischen Epochen. Einige hundert Blätter gaben Darstellungen von mittelalterlichen Altären, ihrer Mensae, Sepulcra, Antependien, Superfrontalien, Ciborien, Schranken, Schreine, usw. Unter den Altertümern der h. Messe seien hervor- gehoben Abbildungen alter Hostien, Pyxiden, Peristerien, Ciborien,

Sammlung des Verfassers; durch die geschickte Aufstellung der Gegen- stände li.it sich Hr, Beck, Gehilfe der Universität, grosses Verdienst erworben.

Dr. E. A. Stückelberg, Bericht über die bagiographische Ausstellung. 379

Tabernakel, Monstranzen, dann von Mess- und Speisekelchen, Patenen, Fistulae usw. Besondere Aufmerksamkeit war den Denk- mälern der Taufe, wo die Bassins für Immersion, Infusion und Aspersion zur Darstellung kamen, ferner den Prozessionsgeräten, wie Kreuze, Palmesel, Tortschen, endlich selten gewordenen Stücken wie den Heiliggräbern und Fastentüchern geschenkt. Den Abschluss bildeten Abbildungen sämtlicher liturgischer Gewänder, von der Mitra und Inful, von Pallium und Rationale an bis zu den Ponti- fikalschuhen, den Ringen, verschiedenen Stäben, und nur gele- gentlich verwendeten Geräten, wie Ziegel und Hammer des Jubel- jahres.

381

Redner- und Autorenverzeichnis.

Allegret 191.

Alphandery 339, 349.

Arakelian 291, 372.

Balfour 68.

Barth 333, 342.

Bertholet 30.

Berthoud 189.

Bethe 323.

Bonet Maury 70, 294.

Brodin 315.

Burckhardt, Albert 57.

Burckhardt, C. Chr. 33, 59.

Camerlynck 316.

Carpenter 286.

Curtiss 154, 260.

Derenbourg 69, 234.

Deubner 319, 323.

Deussen 77.

Dieterich 73, 319, 320, 322.

Dubois 337.

Fries 327, 334.

Führer 298.

Furrer 92.

Garbe 65.

Gautier 217, 230.

Gottschick 32.

de la Grasserie 369.

Guimet 22, 32, 168, 213, 215.

Halevy 221, 222, 226, 276, 354.

Happel 289, 349.

Haupt 65, 120, 217, 221, 234, 275.

Heusler 283.

Holtzmann 71, 333, 334.

Hommel 235, 259, 269.

Huart 221.

Jackson 290.

Jeremias 141, 275, 333, 343.

Keller 192.

Kessler 145, 238.

Körte 321.

Kohlbach 33, 152, 320.

Krüger 337, 340, 342, 343, 353.

Laufer 212.

Levy, Is., 323.

Linaker 67.

Lincke 346.

Mahler 67, 119, 213, 275.

Maier 196.

Marti 221.

Meier, John, 321.

Menzies 361.

Meyer, Arnold, 319, 323.

Mez 235.

Montet 69.

Müller, F. W. K, 210.

Münzer 320.

Naville 57, 215.

Nieuwenhuis 107.

Oettli 283.

O'Radiguet 324.

von Orelli 30, 51.

Picavet 28, 335, 337, 353.

Piepenbring 339.

Pörtner 214, 215.

Rastamji Edulji S., 69, 96.

Reinach 217, 218, 222, 234, 235.

Reitzenstein 317, 320, 321, 323.

Reville, Albert, 21, 30, 32, 61, 339, 353.

Jean, 78, 334, 338. Riggenbach 334.

382

Rivers 187.

Rosenbaum 217, 221, 226, 230, 275, 283. Sarasin, Alfred, 17. Paul, 124. von Schanz 32, 323, 342. Schiele 28. Schmiedel 344. von Schröder 66, 89, 288. Schultze 202. Smith 293. Scederblom 63.- Schraworthy 284. Spiro 221, 235. Strong 72.

Stückelberg 376.

Tamamcheff 290.

Tänzer 30, 222.

Thieme 333.

Usener 317, 319, 321.

Vienot 33.

Walleser 287.

Watanabe 102, 209.

Weber 80.

Wernle 334, 343, 362.

Westphal 289.

Wünsch 320, 323.

Zapletal 216.

von Zmigrodski 193.

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BL International Congress for

21 the History of Religions.

16 2d, Basel, 1904 1904 Verhandlungen des II

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