> ui mann. x n aim . s ac a: SS ea. = 2 5 er Rn u 4 er \ > ok vb Fe no ÄN die RRÄÜRS - KRRRIIIIIIAÜ S SR UN Seltseamanns Z- rien nun NE N N N De 24 HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. 4,972 © 7,1902 - Moay 50 ‚904 MAY 2: VERHANDLUNGEN NATURIIISTORISCH-NEDIZINSCHEN VEREINS ZU HEIDELBERG. —H— NEUE FOLGE. SIEBENTER BAND. MIT 32 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 16 TAFELN. wir = So NE? HEIDELBERG. FAR WINTBER”S UNIVERSITÄTSBUCHHANDLUNG. "1902—1904. Alle Rechte, besonders das Recht der Übersetzung in Fred. En vorbehalten. ] Inhalt. Seite Vereinsnachrichten 1900/1902 . . -. - - 2. 22 2 vn 0 .. ee I » 1902190205 N ee ee ee xI Verzeichnis der vom 11. April 1901 bis 10. April 1902 eingegangenen Bruckschritteng ae ee a ie ee A IV Verzeichnis der vom 11. April 1902 bis 1. April 1904 eingegangenen Drucksehriten a ee a rs Fe XIV Mitgliederverzeichnis. Stand vom 10. April 1904 . . 2... 2er... XXI Bredig, @., und J. Weinmayr, Eine periodische Kontaktkatalyse . . . 405 Bütschli, O., Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper . 419 _ Notiz über die sogenannte Florideenstärke . » » »... >19 _ Beobachtungen über eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. -. » 2.2 2:22... 653 Glück, Hugo, Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. Mit Tafel I-V 1 Herbst, Curt, Vorläufige Übersicht über die Rolle der zur Entwickelung der Seeigellarven notwendigen anorganischen Stoffe... ... - 367 Lauterborn, R., Der Formenkreis von Anuraea cochlearis. 2. Teil: Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis ... . 929 Neu, Max, Experimentelle und klinische Blutdruckuntersuchungen mit Gärtners Tonometer. Mit Tafel VII—XIV ...... v2... 211 Quincke, @., Über die Klärung trüber Lösungen... ...... 97 Salomon, Wilhelm, und Nowomejsky, M., Die Lagerungsform des Am- phibolperidotites und Diorites von Schriesheim im Odenwald. Mit EDEN RE ER 433 Schoetensack, Otto, Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen aus einer niederen Form . » » » 2-2... .* 105 Schröder, Bruno, Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. Mit TEST EL Re 139 Schuberg, A., Über Zellverbindungen. Vorläufiger Bericht . ..... 395 — Über einen in den Muskelzellen von Nephelis schmarotzenden neuen Nematoden, Myenchus bothryophorus n. g. n. sp. Vorläufige Mitteilung : . = = «.% == 2.200 ale Sn Er ee Er 629 Weber, R. H., Kraftlinienwanderung als Grundhypothese für die Maxwell- Hertz’ sche Theorie = %.% 27 au bu Ver ee 6 Wilser, Ludwig, Vorgeschichtliche Chinsgief 2 191 Band VII wurde ausgegeben in 5 Heften: Heft 1 pag. I-X; 1—138; Taf. I-V; am 2. Mai 1902. 2 » 139-365; Taf. VI-XIV; am 30. Sept. 1903. 3/4 » 8367-632; Ende Febr. 1904. 5 » XI-XXIV; 633—703; Anfang Mai 1904. — ie — Vereinsnachrichten. Nov. 1900 bis April 1902. Im Vereinsjahr 1900/1901 wurden in den Gesamtsitzungen fol- gende Vorträge gehalten: 2. Nov. 1900. 2. Dez. ı..,,, 11. Jan. 1901. » 1. Febr. 1. März 3. Mai ” G. Quincke. Über Radiumstrahlen. G. Tischler. Über Kernverschmelzung und Zell- bildung im Endosperm von Corydalıs. A. Kalähne. Neue Meßinstrumente des elektrischen Stromes. Elektrische Öfen und Messungen hoher Temperaturen bis 1200°. Precht. Demonstration von Radium-, Thor- und Ger-Strahlen. H. Glück. Über Winterknospen bei Wasserpflanzen. R. Stolle. Über Salpeter-Gewinnung. M. Dittrich. Über die chemischen Beziehungen zwischen den Quellwassern und ihren Ursprungs- gesteinen. L. Wilser. Geschichte und Bedeutung der Schädel- messung. OÖ. Bütschli. Sprungfiguren in lacküberzogenen Ge- latineplatten (Demonstration). A. Bernthsen. Die Gewinnung des synthetischen Indigo und zugehörige Hilfsfabrikationen. V. Goldschmidt. Über Ätzfiguren und Lösungs- körper. Th. Curtius. Max v. Pettenkofer als Chemiker und Dichter. V. Goldschmidt. Über glasige Meteoriten. Verhandl. d. Heidelb. Naturliist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. I II Vereinsnachrichten. 7. Juni 1901. W. Salomon. Über eine Grabenversenkung bei Eber- bach im Odenwald. F. Pockels. Über den Einfluß der Gebirge auf Wolkenbildung und atmosphärische Nieder- schläge. 5. Juli R. Weber. Erscheinungen bei elektrischen Spitzen- entladungen. f G. Quincke. Über Klärung trüber Lösungen. BAUS. 25 H. Glück. Utricularia ochroleuca, eine für Baden neue Blütenpflanze. . Kraft. Uber Siedepunktsregelmäßigkeiten im luft- leeren Raume. Im Vereinsjahre 1901/1902 wurden während des Winters in den Gesamtsitzungen folgende Vorträge gehalten: 8. Nov. 1901. A. Kossel. Über die chemische Zusammensetzung der Eiweißkörper. M. Dittrich. Chemisch-geologische Untersuchungen über „Absorptions-Erscheinungen“ bei zersetzten (sesteinen. 6. Dez. „ H. Klaatsch. Der neueste Fund fossiler Menschen- knochen in Kroatien und seine Bedeutung für das Problem des Neander-Thal-Menschen. 10. Jan. 1902. G. Tischler. Über die Riesenzellen gewisser Wurzel- gallen. „ G. Quincke. Uber japanische Spiegel. : Über neue Strahlen von Elster und Geitel. e „ H. Glück. Eine fossile Fichte aus dem Neckarthal. 7. Febr. „ Bredig. Ein Vorlesungsversuch. »„ V. Goldschmidt. Uber Harmonie und Komplikation. Die Sitzungen fanden, wie bisher, im Zoologischen Institut statt, mit Ausnahme der Sitzungen vom 2. Nov. und 7. Dez. 1900 sowie 5. Juli 1901, welche im Physikalischen, und der vom 8. Nov. 1901, welche im Physiologischen Institut abgehalten wurden. Das Amt des Vorstandes bekleideten im Vereinsjahr 1900/1901: Geh. Rat Quincke als Vorsitzender, Prof. Schuberg als Schrift- führer, Buchhändler Köster als Rechner. Seit Beginn des Vereins- jahres 1901/1902 gehören dem Vorstande an: Prof. Kossel als Vor- sitzender, Prof. Schuberg als Schriftführer, Buchhändler Köster als Rechner. RENT Vereinsnachrichten. III In der Gesamtsitzung vom 7. Febr. 1902 wurde Herr Geh. Rat Kussmaul Exc. in Heidelberg, der dem Verein seit dessen Gründung als ordentliches Mitglied und später als korrespondierendes Mitglied angehörte, auf Antrag der medizinischen Sektion anläßlich seines S0. Geburtstages einstimmig zum Ehrenmitglied ernannt. Im Vereinsjahre 1900/1901 wurden neu aufgenommen als ordent- liche Mitglieder die Herren: Prof. Barthels, Dr. Driesch, Dr. Bekardt, Dr, Rischler, Dr. Gaupp, Dr. Giereke, Dr’ Herbst, Prof. Hettner, Dr. Jakoby, Prof. Kossel, Dr. Mohr, Dr. Pagen- stecher, Prof. Pockels, Dr. Stein, Dr. Stephani, Dr. Weber, Dr. Witkowsky; als außerordentliche Mitglieder die Herren cand. rer. nat. Goldschmidt und Schröder; im Vereinsjahr 1901/1902 als ordentliche Mitglieder die Herren: Dr. L. Arnsperger, Dr. Arndt, Dr. Bourwieg, Prof. Braus, Dr. Deetjen, Geh. Hofrat Dr. Fürbringer, Kommerzienrath Dr. Glaser, Dr. R. Goldschmidt, Dr. Holl, Dr. Kaufmann, Dr. Lobstein, Prof. Port, Dr. Preis- werck, Dr. Rothschild, Dr. Steudel, Stabsarzt Dr. Weichel, Dr. Weiss, Dr. F. Weiss; als außerordentliche Mitglieder die Herren cand. rer. nat. Löser und cand. med. Weigert. Dem Verein gehören zur Zeit an: 1 Ehrenmitglied, 4 korrespon- dierende Mitglieder, 158 ordentl. Mitglieder und 5 außerordent!l. Mitglieder. Prof. A. Schuberg, Schriftführer. 1* Verzeichnis der vom 11. April 1901 bis 10. April 1902 eingegangenen Druck- schriften. (Zugleich Empfangsbescheinigung.) Aarau. — Aargauische Naturforsch. Gesellschaft. — Verhandlungen IX. 1901; Acireale. — Accademia di scienze, lettere e arti. — Atti e Rendiconti, X. 1899/1900. Amsterdam. — Kon. Akad. van Wetenschapp. — Versl. van de gewone Vergad. Wis.- en Nat. Afdeel. IX. Baltimore. — John Hopkins Hospital. — Bulletin No. 111—114; 116— 132. — — — Report VIII; No. 3—9. IX. X. No. 1—2. Basel. — Naturforsch. Gesellsceh. — Verhandlungen Bd. XIII. Heft 1—2. Bd. XIV; Namensverzeichnis und Sachregister zu Bd. 6—12; Rütimeyer, Gesammelte kleine Schriften, 2 Bde. Bergen. — Bergens Museum. — Aarbog 1901. — Sars. Crustacea of Norway. Vol. IV. N. I—-1V. — Meeresfauna von Bergen. Heft. 1. Berlin. — Botan. Verein d. Prov. Brandenburg. — Verhandl. Jahrg. 43 — Deutsche Geolog. Gesellschaft. — Zeitschr. d. d. geol. Gesellschaft LII. 4. LUII. 13. — Gesellschaft naturforsch. Freunde. — Sitzungsberichte 1900. — Medizinische Gesellschaft. — Verhandlungen Bd. XXX. 1901. — Kgl. preuß. Geolog. Landesanstalt und Bergakademie. — Jahrb. Bd. XX. 1899. — Verein f. innere Medizin. — Verhandlungen Jahrg. XX. — General-Register zu Bd. I-XX Bern. — Naturforsch. Gesellschaft. — Mitteilungen 1898; 1899; 1900. — Schweizerische Naturforsch. Gesellsch. — Verhandlungen 82 (1899); 83 (1900) Bonn. — Ärztlicher Ver. f. Rheinl, Westfalen und Lothringen. — Correspondenzbl. No. 68, 69. — Naturhist. Ver. preuß. Rheinl, Westf. u. d Reg.-Bez. Osnabrück. — Verhndl. Jahrg. 57. Heft 2. Verzeichn. d. v. 11. April 1901 bis 10. April 1902 eingeg. Druckschriften. V Bonn. — Niederrhein. Gesellsch. f. Natur- u. Heilkunde. — Sitzungs- bericht 1900. Heft 2. Bordeaux. — Socidte des Sciences Phys. et Natur. — Memoires Ser. >. T. V. Cahier 2. — Commiss. meteorol. de la Gironde, — Öbservat. pluriometr. ete. VI 1899. — V. 1900. — Societ& des Seiences Phys. et Natur. — Proces-verbeaux 1899— 1900. Boston. — American Academy of Arts and Sciences. — Proceedings Vol. XXXVI. No. 16—29; Vol. XXXVII. No. 1—5. Braunschweig. — Verein f. Naturwissenschaft. 12. Jahresber. 1899/1900. 1900— 1901. Bremen. — Naturwissenschaftl. Verein. — Abhandlungen Bd. XV, Hft. 3. Bd. XVII. Heft 1. — Deutsches Meteorologisches Jahrbuch. Jahrg. XI. 1900. Breslau. — Schlesische Gesellsch. für vaterl. Kultur. 78. Jahresber. 1900, mit Ergänzungsheft. Brünn. — Naturforsch. Verein. — Verhndl. Bd. XXXVIII. 1899. Bruxelles. — Acad. Roy. des Sc., des Lettres etc. de Belg. — Annuaire Annee 66, 67. -—— — ZZpBulletnsa18IIz1900: — Societe Entomologique de Belgique. — Memoires VIII. 1901. — Soci6ete Malacolique de Belgıque. — Bulletins 1900. T. XXXV. Budapest. — Kgl. Naturwiss. Gesellsch. — Math. u. Naturw. Berichte aus Ungarn. Bd. 14—16. — Hejas, Gewitter in Ungarn. — Aigner, Lepkeszet Torenete Magyaroszägon. Cambridge (Mass. U. S. A.). — Mus. Compar. Zool. Harvard Coll. — Annual Report 1900/1901. Pe 7 Bullet. XXXVET-8; IXXVII 3; KXXVIN 1-6; XXI Catania. — Accad. Gioenia di scienze natur. — Bullettino delle sedute Fasc. LXVI-LXX. Chapel Hill, N. €. — Elisa Mitchell Scientific Society. — Journal. FRVIIT 9: Christiania. — Videnskabs-Selskabet. — Forhandlinger 1900. — — — Nordhavs-Expedit. Zool. No. 28. Chur. — Naturforsch. Gesellschaft Graubündens. — Jahresber. N. F. XLIV. 1900,1901. Cordoba (Argent.). — Academia Nacion. de Ciencias. — Boletin T. RVR Entr. 2—4. Danzig. — Naturforseh. Gesellschaft. — Schriften N. F. Bd. 10. Hft. 25. Darmstadt. — Verein f. Erdkunde. — Notizblatt IV. Folge. Heft 21. — Verein hessischer Ärzte. — Jahresbericht 1901. Dorpat. — Naturforsch. Gesellschaft. — Sitzungsberichte Bd. XII. Heft. 3. Dresden. — Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. — Jahresbericht 1900.01. — Naturwiss. Gesellsch. Isis. — Sitzungsber. u. Abhandl. 1900, VH—XII; 1901, I—VI. Dublin. — Royal Dublin Society. — Scientific Proceedings N. S. IX. 24. — — — Economic Proceedings 1. 2. VI Verzeichn, d. v. 11. April 1901 bis 10. April 1902 eingeg. Druckschriften. Dublin. — Royal Dublin Society. — Scientific Transactions Il. Ser. Vol. VII. P. VIII— XII. Dürckheim a. d. Hardt. — Pollichia. Naturw. Ver. d. Rheinpfalz. Mitteilungen LVIII, No. 14—15. Edinburgh. — Geological Society. — Transactions Vol. VII. Part. I, Emden. — Naturforseh. Gesellsch. — 85. Jahresbericht. 1899/1900. Erlangen. — Physikal.-Mediein. Societät. — Sitzungsberichte Heft 32. 1900. Firenze. — Biblioth. Nazion. Centr. — Bollett. delle Pubblie. ital. 1900, No. 358-360; 1901, No. 1—12; 1902, No. 13-15. — Societäa botanica italiana. — Nuovo Giornale Bot. Ital. VIII. 3. — Societa entomologica italiana. — Bullettino XXXIII. Trim. I—II. Frankfurt a. M. — Ärztl. Verein. — Jahresbericht üb. die Verwaltung des Medizinalwesens. XLIV. — Tabellar. Übersicht betr. den Civilstand der Stadt Frankfurt a. M. 1900. — Physikalischer Verein. — Jahresbericht. 1599/1900. — Klima von Frank- furt. Nachtrag. — Senckenberg. Naturforsch. Gesellschaft. — Abhandlungen. Bd. 26. Heft 3. — — — Jahresbericht 1901. Frankfurt. a. ©. — Naturwiss. Verein des Reg.-Bez, Frankfurt a. O. Helios. Bd. 18. 1901. — — Soeietat. litterae XIV. Freiburg i. B. — Naturforsch. Gesellschaft. — Berichte XI. 3. Fulda. — Verein für Naturkunde. Bericht. 2. Ergänzungsheft. Geneve. — Institut National Genevois. — Memoires. T. 18. Genova. — R. Accademia medica. — Bollettino XV, 3. XVI. 1-4; 6-12 XV. 1, » Göteborg. — Kongl. vetenskaps-och vitterhet-samhälles, — Hand- linger 1898. Heft 3. Göttingen. — Kgl. Gesellsch. d. Wissensch. — Nachrichten. Geschäftl. MittIng. 1901. Hft. 1—2. — — — Nachrichten. Math.-phys. Kl. 1901. Heft 1—3. Granville (Ohio). — Denison University. — Bull. of the Scientific Laborat. Vol. XI. Part X. ’ Graz. — Naturwissensch. Verein f. Steiermark. — Mitteilungen, H. 37. 1900. — Verein der Ärzte in Steiermark. — Mitteilungen Jahrg. 38, No. 6—12; Jahrg. 39. No. 1—4. Greifswald. — Naturwissenschftl. Verein für Neuvorpommern und Rügen. Mitteilung. Jahrg. 32. Groningen. — Natuurkundig Genootschap. — Verslag 1900 (n. Festschr.). Güstrow. — Naturw. Verein in Mecklenburg. — Arch. der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. 54, Il. 55, I. Haarlem. Mus&e Teyler. — Archives Ser. II. Vol. VII. Part. 3—4. — Societe hollandaise des sciences. — Arch. Neerland, des Sc. exact. et nabı Ser. LAT IIVE2 5 BET Verzeichn. d. v. 11. April 1901 bis 10. April 1902 eingeg. Druckschriften. VII Halifax. — Nova Scotian Instit. of Science — Proceed. and Transact. X. 2. Halle a. S. — Kais. Leop.-Car. Dtsch. Akad. d. Naturf. — Leopoldina XXXVIL 3—12; XXXVII, 1—2. — Verein f Erdkunde. — Mitteilungen 1901. — Naturwissenschaftl. Verein für Sachsen und Thüringen. Bd. 74. Heft 1—6. Hamburg. — Naturwissenschftl. Verein. — Abhndl. aus d. Gebiete der Naturwissensch. XVI. 2. — — — \Verh., 3. Folge, No. VIII. 1900. — Seewarte. — Deutsches Meteorolog. Jahrbuch (Ergebn. d. meteorol.. Beob). XXIII. 1900. —_ — Jahresber. 1900. — III. Nachtr. z. Katalog d. Bibliothek. — — Aus d. Archiv d. Deutschen Seewarte. XXIII. — Verein f. naturwissenschftl. Unterhaltung. — Verhandlungen. XI. — Wissenschaftl. Anstalten. — Jahrbuch XVII. Innsbruck. — Naturwissensch.-Mediz. Verein. — Berichte XXVI. Karlsruhe. — Naturwissenschaftl. Verein. — Verhandlungen XIV. Kassel. — Verein f. Naturkunde. — Abhandl., Berichte XLVI. Kharkoff. — Societe de medicine scientif. et d’hygiene. — Travaux. 1900. Kiel (n. Leipzig). — Kommiss. z. wiss. Unters. d. d. Meere u. Biol. An- stalt auf Helgoland. — Wissenschft. Meeresuntersuch. N. F. Bd. 4, H. 2, — Naturwissenschftl. Verein für Schleswig-Holstein. — Schriften. xl. 1. Kiew. — Societe des naturalistes. — Memoires XVI, 2. Klagenfurt. — Naturhist. Landesmuseum f. Kärnten. — Jahrh., Hft. 26. Königsberg i. Pr. — Physikal.-Ökonom. Gesellschft. — Schriften, Jhrg. 41. Krakau. — Akademied. Wissenschft. — Anzeiger 1901, No. 1—9; 1902, No. 1. — — — Katal. Literat. nank. polsk. I, 1—3. Landshut. — Botanischer Verein. — 16. Bericht. 1°98—1900. Lausanne. — Societe Vaudoise des Sc. Nat. — Bulletin, No. 138—142. Leipzig. — Kgl. Gesellsch. d. Wissensch. — Berichte über die Wanne Math. Phys., Cl. 53, I—VI. — Kgl. Fürstl. Jablonowski’sche Gesellschaft. — Jahresbericht 1901. — Naturforsch. Gesellschaft. — Sitzungsberichte, Jhrg. 26/27. Linz. — Verein für Naturkunde in Österreich ob der Enns. — 30. Jahresbericht 1901. London. — Royal Society. — Proceedings, No. 444—457. — — Report to the Malaria Committee V—VI. Lüneburg. — Naturwissenschftl. Verein. -- Jahreshefte XV. — Zur Er- innerung an das 50jähr. Bestehen. Luxembourg. — Institut Grand-ducal. — Publications. Sect. des sc. nat. et math. XXVI. — Societ& des sc. m&edicales. — Bulletin 1901. Madison (Wise. U, S.). — Wisconsin Academy of sciences, arts and lettres. — Transact. XII. 1. Manchester. — Literary and Philosoph. Soc. — Memoirs and Proceed. 45. II—IV., 46. I—IV. VIII Verzeichn. d. v. 11. April 1901 bis 10. April 1902 eingeg. Druckschriften. Marburg. — Gesellsch. z. Befärd. d. gesamt. Naturw. — Schriften, Bd. 13. Abteilung. 4. — — — Sitzungsberichte. 1899; 1900. Marseille. — Facult& des sciences. — Annales T. XI. Fase. I—IX. Melbourne. — Roy. Society of Vietoria. — Transact. and Proceed. N. 8. xIU. 1—2; XIV. 1. — Australian Association for the Advancement of Science, — Re- port. VII. Middelburg. — Zeeuwsch. Genootschap d. Wetenschappen. — Archief. VII. 3. Milano. R. Istit. Lombardo di Sc. e Lett. — Rendiconti XXXII. Montevideo. — Museo Nacional. Anales. T. IX. Fasc. XIX—XXI, Montpellier. — Acad&mie des sciences et lettres. — Memoires de la sect. de Med. T. I, Nr. 4. Moscou. — Soci6t&e Impe&riale des Naturalistes. — Bulletin 1900, No.3—4; 1901, No. 1/2; 1902, No. 1/2. München. — Ärztlicher Verein. — Sitzungsberichte X. — K.B. Akad. d. Wissensch. — Sitzungsbericht d. math. phys. Cl. 1901. L, 2.09 — Gesellschaft f. Morpholog. u. Physiol. — Sitzungsberichte, Bd. XVI. 2: ZVIEE New-York. — Academy of Sciences. — Annales, Vol. XIII, Part. II./III. Vol‘ XIV, Part. 1. — — — Memoirs, Vol. II, Part. III. Nürnberg. — Naturhistor. Gesellschaft. — Festschrift zur Säkularfeier. Odessa. -— Neuruss. Naturforsch. Gesellschaft. — Memoires. T. XXIII, Part. I—-Il. Offenbach a. M. — Verein f. Naturkunde. — Bericht 37—42 (1895—1901). Osnabrück. — Naturwissenschftl. Verein. — 14. Jahresbericht 1899, 1900. Paris. — Ecole polytechnique. — Journal. Ser. II., Cah. 5-6. Passau. — Naturhist. Verein. — 18. Bericht 1898—1900. Philadelphia. — Academy of Natural Sciences. — Proceedings 1900, III, 1901, I—U. Prag. — Kgl. Böhmische Gesellsch. d. Wissenschft. — Jahresber. 1901. — — — Sitzgsber. 1901. — Lese- u. Redehalle d. deutschen Studenten. — Bericht 1900. Pressburg (Poszony). — Verein f. Heil- u. Naturkunde. — Verhandlungen, Heft XII, 1900. Regensburg. — Naturwissenschftl. Verein. — Berichte, Hft. VIII. 1900. Reichenberg. — Verein d. Naturfreunde. Mitteilungen, 32. Jahrg. 1901. Riga. — Naturforscher-Verein — Korrespondenzblatt XLIV, 1901. = = — Arbeiten NE, Heft 10: Rochester. — Academy of Science. — Proceedings, Vol. 4, p. 1—64. Roma. — Societa Zoologica Italiana. — Bollettino, Ser. Il, Vol. II, Fase. I— VI. Salem. — American Associat. for the Advancement of Science. — Proceedings, 49, Meeting](New-York). Saint-Louis. — Academy of Science. — Transactions. X, 9—11; XI, 1—5. Verzeichn. d. a. 11. April 1901 bis 10. April 1902 eingeg. Druckschriften. IX ‚St. Pötersbourg. — Academie Imperiale des sciences. — Me&moires, VII. Ser. Vol. X, No. 8. — Botanischer Garten. — Acta horti Petropolitani, XVII, 3; XIX, 1-2, XX. — Soeiöte Imper. des Natural. — (Travaux) Comptes rendus, Vol. XXXI, Livr. 1, No. 7—8; Livr. 2—4. Vol. XXXII, Livr. 1, No. 1—35; Livr. 2. St. Gallen. — Naturwissenschftl. Gesellschaft.. — Bericht 1898/1899. Siena. — R. Accademia dei Fisiocritici. — Atti, Ser. IV, Vol. XIII, No 1—10. Sion (Valais). — La Murithienne, Soc. valaisanne des sc, nat. — Bul- letin, Fasce XXIX— XXX. Stavanger. — Museum. — Aarsberetning 1900, Aarg. 11. Stockholm. — Entomologisk Föreningen. — Entomologisk Tidskrift 22, Arg. 1901. & Strassburg. — Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften etc. — Monatsberichte, XXXIV, 1900. Stuttgart. — Verein für vaterländ. Naturkunde in Württemberg. — Jahreshefte, Jhrg. 57, 1901. Sydney. — Roy. Soc. of New South Wales. — Journal and Proceedings, XXXIV, 1900. Tokio. — Medizin. Fakultät d.K. Japan. Universität. — Mitteilg., V.1. — Imperial University. — Journal of the College of Science. — Vol XIII, Part. IV; Vol. XV, Part. I—-III; Vol. XVI, Part. I; Vol. XVII, Part. 1. Torino. — R. Accademia delle Scienze. — Atti XXXVI, 6-15; XXXVII, 1—5. Osservaz. meteorol. 1901. Toronto. Canadian Institute. — Troceedings N. S$., Vol. II, Part. 4 (No. 10). — — -— Transaetions VII, 1. Toulouse. — Acad&mie des sciences, inscript. et belles lettres. — Bulletin, T. III, 1889/1900. Ulm a. D. — Verein f. Mathem. u. Naturwiss. — Jahreshefte, 10. Jahr- sang 1901. Upsala. — Nova acta societatis scientiarum Upsaliensis. — Ser. Ill. Vol. XIX. Verona. — Accademia d’Agricoltura, arti e commercio. — Memorie, LXXVI, Fase. I. Washington. — Smithsonian Institution. — Annual Report, 1897, II, 1898, 1899. — U. S. Department of Agriculture. — Yearbook 1900. — Secretary of Agriculture. — Report, 1900. — U. S. Geological Survey. — Annual Report, XX (1898/99), Part II--V; XXL (1899/1900), Part. I, VI. — — — Bulletin No. 163—176. — — — Prelimin. Report on the Cape Nome Gold Region. — — — Monographs, XXIX; XL. Wien. — K. Akad. d. Wissenschaft. — Anzeiger. Math.-Nat. Classe 1901, XVII —-XXVI; 1902, I—-VII. — K.K. Geolog. Reichsanstalt. — Verhandlungen, 1901, No. 2-—18, 1902, No. 1—2. — K.K. Naturhistorisches Hofmuseum. — Annalen, XV, 3—4; XVI,1—2. X Verzeichn. d. a. 11. April 1901 bis 10. April 1902 eingeg. Druckschriften. Wier. — Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kennt- nisse. — Schriften, Bd. 41. — K.K. Zool.-Botan. Gesellschaft. — Verhandlungen, Bd. LI, 1901. Wiesbaden. — Nassauischer Verein f. Naturkunde. — Jahrbücher, Jahr- gang 54, 1901. Würzburg. — Physik.-medizin. Gesellschaft. — Sitzungsberichte, 1900, No. 2—5; 1901, No. 1—2. — — — Verhandlungen XXXIV, 2—8. Zürich. Naturforschende Gesellschaft. — Neujahrsblatt, 103 (1901). — — — Vierteljahrsschrift, Jahrg. 45, Heft 34, Jahrgang 46, Heft 1/2. Zwickau. — Verein für Naturkunde. — Jahresbericht 1899. Vereinsnachrichten. April 1902 bis April 1904. Im Vereinsjahr 1901/02 wurden während des Sommers in den Gesamtsitzungen folgende Vorträge gehalten: 9. Mai 1902. H. Thürach. Die Umgegend von Heidelberg in altdiluvialer Zeit. 6 Juniers, OÖ. Gohnheim. Eiweißresorplion bei Octopoden. Rn R. Magnus. Pupillenreaktion bei Octopoden. 1 5, x O0. Bütschli. Demonstration der galvanotak- tischen Infusorienbewegung. 4 h OÖ. Schoetensack. Über die von Seton-Karr in derarabischen Wüste gemachten paläolithischen Funde und ihre Beziehungen zum europäischen Diluvium (mit Demonstrationen und Pro- jektionen). 4. Juli . H. Driesch. Neue Versuche über tierische Form- regulationen. C. Herbst. Übersicht über die Rolle der zur Ent- wicklung der Seeigellarven notwendigen anor- ganischen Stoffe. IBAN... R. H. Weber. Die Fortpflanzung elektrischer Wellen längs zylindrischer Leiter, 2 R. Gans. Über den Wehneltunterbrecher. Im Vereinsjahr 1902/03 wurden in den Gesamtsitzungen fol- gende Vorträge gehalten. 7. Nov. 1902. H. Philipp. Neue Untersuchungen über Trias- und Eruptivgestene von Predazzo (Südtirol). = A A. Kalähne. Über Strahlung und die Messung sehr hoher Temperaturen. Verhandl. d. Heidelb, Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. II Xu Vereinsnachrichten. 5. Dez. 1902. O. Gohnheim. Über die Sekretion des Magen- saftes beim Neugeborenen. ” N A. Kossel. Über Protammin, nach Untersuchungen von Herrn Dr. Goto. r Ri E. Kräpelin. Über Ermüdungsmessung. Jan. 1903. E. v. Hippel. Embryologische Untersuchungen über die Entstehungsweise einer angeborenen Mißbildung des Auges. Ne) 6. Febr. „ G. Bredig. Über periodische Kontaktwirkung. 5 2 E. Pfitzer. Über nordasiatische Bambuseen. Din m F. Kehrer sen. Über embryonale und patho- logische Höhlenbildungen. 1. Mai „ J.v. Uexküll. Über Tonus. 12. Juni 53 E. Pfitzer. Über die Gruppe der Cypripedilinae. * = G. Tischler. Über anormale Bildung der Sexual- zellen bei Bastardpflanzen. 3. Juli ® M. Fürbringer. Zur Erinnerung an Karl Gegen- baur. ».: H. Plenge. Über die Nucleinsäure-lösende Wir- kung der Bakterien (mit Demonstrationen). Im Vereinsjahr 1903/04 wurden während des Winters in den Gesamtsitzungen folgende Vorträge gehalten: 6. Nov. 1903. A. Hettner. Die Felsbildungen der. sächsischen Schweiz. 4. Dezimez A. Schuberg. Über einen in den Muskelzellen eines Blutegels lebenden neuen Nematoden. “ W. Salomon. Neue geologische Beobachtungen aus dem Schriesheimer- und Neckartal. 8. Jan. 1904. G. Quincke. Über eine neue Wirkung des Lichts. 5. Febr. „ R. H. Weber. Einige neuere Forschungen aus dem Gebiete der Radiumstrahlung. H. Glück. Über den Aufbau von Utricularia. 4. März „ A. Kossel. Über die einfachsten Eiweißstoffe und ihr Verhalten im Tierkörper (nach gemein- schaftlich mit Herrn Dr. Dakin ausgeführten Versuchen). W. Ostwald (Leipzig), als Gast. Ableitung der stöchiometrischen Grundgesetze. ”» - Vereinsnachrichten. XII Die Sitzungen fanden in der Regel im Zoologischen Institut statt, mit Ausnahme der Sitzungen vom 1. August und 7. No- vember 1902, 8. Januar und 5. Februar 1904, welche im Physi- kalischen, und der vom 3. Juli 1903, welche im Physiologischen In- stitut abgehalten wurden. Das Amt des Vorstandes bekleideten in den Vereinsjahren 1901/02, 1902/03, 1903/04: Prof. Kossel als Vorsitzender, Prof. Schuberg als Schriftführer, Buchhändier Köster als Rechner. Neu aufgenommen wurden alsordentliche Mitglieder 1901/02: Dr. Böhm, Prof. Bredig, Dr. Darmstädter, Dr. Driesceh, Dr. Herbst, Dr. E. Kehrer, Sektionsgeologe Dr. Schnarren- berger, Dr. P. Schröder. Lehramtspraktikant F. Thorbeke; 1902/03: Dr. Alzheimer, Dr. Bluntschli, Dr. Ebler, Dr. Hir- schel, Dr. Ibrahim, Dr. Kermauner, Prof. Kümmel, Dr. Marx, Dr. Pol, Dr. Ritzhaupt, Dr. Rockenbach, Prof. v. Rosthorn, Dr. Starck; 1903/04: Dr. W. Hofmann, Dr. Joseph, Dr. Lef- mann, Dr. Lichtenberg, Dr. Pfister, Dr. Rödiger, Prof. Ruska, Br Becklenburg, Dr.'’K. 'Thorbeke, Dr. H.’Völcker. "Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. W. Lossen, der dem Verein schon früher an- gehört hatte, ist dem Verein wieder als Mitglied beigetreten. Als außerordentliche Mitglieder wurden aufgenommen 1901/02: cand. med. Böhme, cand. rer. nat. von Faber, cand. rer. nat. O. Schrö- der, cand. rer. nat. Zörnig; 1903/04: cand. med. H. Hinsel- mann. Durch Tod verlor der Verein sein einziges Ehrenmitglied Geh. Rat Kußmaul Exec. und die Mitglieder: Prof. Dr. E. Askenasy und Medizinalrat Dr. L. Fischer. Dem Verein gehören zur Zeit an: 4 korrespondierende Mit- glieder, 158 ordentliche Mitglieder und 4 außerordentliche Mitglieder. Prof. A. Schuberg, Schriftführer. II* XIV Verzeichnis (zugleich Empfangsbescheinigung) der vom 11. April 1902 bis 1. April 1904 eingegangenen Drucksehriften, Aecireale. — Accademia di scienze, lettere e arti.— Rendiconti 1898/1900. — Atti e Rendiconti 3. Ser., Vol. I, 1901 —1902. Altenburg. — Naturforschende Gesellsch. d. Osterlandes. — Mitteil. aus d. Osterlande. N. F., Bd. 10, 1902. Amsterdam. — Kon. Akad. van Wetenschapp. — Versl. van de gewone Vergad. Wis.- en Nat. Afdeel. X; XI, 1—2. Annaberg. — Annaberg-Buchholzer Verein f. Naturkunde. — Jahres- bericht XI. 1898— 1903. Augsburg. — Naturwiss. Verein f. Schwaben u. Neuburg. — 35. Be- richt. 1902. Auxerre. — Societ&@ des sec. histor. et nat. de l’Yonne. — Bulletin Vol. 55 (1901); 56 (1903). Baltimore. — John Hopkins Hospital. — Bulletin No. 133—154. — — — Report X, 3—9; XI. — John Hopkins University. — Circeulars No. 157—164. Basel. — Naturforsch. Gesellschaft. — Verhandlungen XII, 3; XV, 1— 2; XVI. Bergen. —Bergens Museum. — Aarbog 1902, 1—3, u. Aarsberetning 1903, 1—3. — — — Sars, Crustacea of Norway. Vol. IV, Part V—XIV; Vol. V., Part I-U. Berlin. — Botan. Verein d. Provinz Brandenburg. — Verhandl. Jahr- gänge 44—45. — Deutsche Geolog. Gesellschaft. — Zeitschr. d. d. geol. Gesellsch. Bd. 53, Heft 4; Bd. 54; Bd. 55, Heft 1—3. — Gesellsch. naturforsch. Freunde. — Sitzungsberichte 1901—1902. — Medizinische Gesellschaft. — Verhandlungen XXXII; XXXIV. — Kgl. preuß. Geolog. Landesanstalt u. Bergakademie. — Jahrbuch XXI; XXI, 1—3; XXIN, 1—3. — Verein f. innere Medizin. — Verhandlungen XXI. Bern. — Naturforsch. Gesellschaft. — Mitteilungen 1901—1902. — Allgem. Schweizerische Gesellsch. f.d. gesamt. Naturwiss. — Ver- handl. 84. 85. EL WEDE N Verzeichn. d. v. 11. April 1902 bis 1. April 1904 eingeg. Druckschriften. XV Bologna. — R. Accad. delle sc. dell’Istituto di Bol. — Memorie Sez. Med. e Chir. Ser. V, T. VII. — — — Memorie Sez. Scienze Nat. Ser. V, T. VII. — — — Rendieconto delle sessioni. N. S., Vol. IV, Fase. 1—4. Bonn. — Ärztlicher Ver. f. Rheinl, Westfalen u. Lothringen. — Corre- spondenzbl. No. 70—73. — Naturhist. Ver. preuß. Rheinl, Westf. u. d. Reg.-Bez. Osnabrück. — Verhandl. Jahrg. 58, 59, 60. — Niederrhein. Gesellsch. f. Natur- u. Heilkunde. — Sitzungsber. 1901, 1902, 1903. Bordeaux. — Societ& des Sciences Phys. et Natur. — Memoires 6. Ser., +1: 10-1, — Gommiss. meteorol. de la Gironde. — Observat. pluviometr, ete. 1900/01, 1901/02. — Societe des Sciences Phys. et Natur. — Proces- verbeaux 1900/01, 1901/02. Boston. — American Academy of Arts and Sciences. — Proceedings Vol. XXXVI, No. 6—23; XXXVIH, No. 1—926; XXXIX, No. 1—5. — Boston Society of Natural History. — Memoirs Vol. 5, No. 8, 9. — — — Occasional Papers No. VI. — — — Proceedings Vol. 29, No. 15—18; Vol. 30, No. 1—7; Vol. 31, No. 1. Braunschweig. — Verein f. Naturwissenschaft. — Jahresbericht 9, 13. Bremen. Naturwissenschaftl. Verein. — Abhandlungen Bd. XVII, Heft 2, 3 — Deutsches Meteorologisches Jahrbuch. — Jahrbuch XII, XII. Breslau. — Schlesische Gesellsch. f. vaterländ. Kultur. — Jahres- bericht 79, 80, Brünn. — Naturforsch. Verein. — Verhandl. Bd. XXXIX, XL, XLI. — — — Bericht d. meteorol. Kommiss. XIX, XX, XXI. Bruxelles. — Acad. Roy. des Sc., des Lettres etc. de Belg. — Annuaire 68, 69, 70. — — — Bulletins 1901, 1902, 1903. — Societe Entomologique de Belgique. — Annales T. 45, 46. — — — Memoires IX. — Soeiete Malacologique de Belgique. — Bulletins des seances T. XXXVI, XXXVL. Cambridge (Mass. U. S. A.). — Museum of Compar. Zool. Harvard Coll. — Annual Report 1901/02, 1902/03. — — — Bulletin XXXVIH, 7—8; XXXIX, 2—8; XL, 1—7; XLI, 1—2; XLII, 1, 3-5; XLV, 1. Catania. — Accad. Gioenia di scienze natur. — Atti Vol. XIV, XV. — — — Bullettino delle sedute. Fasc. LXXI—LXXVII. Chapel Hill, N. €. — Elisa Mitchell Scientifie Society. — Journal XVII, 1—2; XIX, 1-2. Cherbourg. — Societe nation. des sc. nat. et math. — Memoires T. XXXI ; XXXIIL, 1. Chicago. — Academy of Sciences, — Bulletin Vol. II, No, II, IV, 1, XVI Verzeichn. d. v. 11. April 1902 bis 1. April 1904 eingeg. Druckschriften. Chicago. — The John Crerar Library. — Annual Report 7, 8. Christiania. — Videnskabs-Selskabet. — Forhandlinger Aar 1901, 1902. Chur. — Naturforsceh. Gesellschaft Graubündens. — Jahresbericht XLV. Colmar. — Naturhist. Gesellschaft. — Mitteilungen Bd. VI.- Cordoba (Argent.). — Academia Nacion. de Ciencias. — Boletin T. XVII, Entr. 1—3. Danzig. — Naturforsch. Gesellschaft. — Schriften N. F., Bd. 10, Heft 4. Darmstadt. — Verein f. Erdkunde. — Notizblatt IV. Folge, Heft 22, 23. — Verein hessischer Ärzte. — Jahresbericht 1902. Davenport (Jowa). — Academy of Natural Sciences. — Proceedings Vol. VIH. Dorpat. — Archiv f. Naturkunde v. Liv-, Esth- und Kurland. — Il. Ser. Bd. XII, Lief. 1—2. — Naturforsch. Gesellschaft. — Sitzungsberichte Bd. XIII, No. 1. — — — Schriften X, XI. Dresden. — Naturwiss. Gesellsch. Isis. — Sitzungsber. u. Abhandl. 1901, VI—XI; 1902, I—-XI; 1903, I—VI. Dublin. — Royal Dublin Society. — Scientific Proceedings Vol. IX, Part 5; X. Part — — — Economie Proceedings Vol. I, Part 3—4. — — — Scientifie Transactions II. Ser., Vol. VIl, No. XIV—XVI; Vol. VI, No. I—V. Dürckheim a. d. Hardt. — Pollichia, Naturw. Ver. d. Rheinpfalz. — Mitteilungen No. 15—17. Edinburgh. — Geological Society. — Transactions Vol. VII, Part I. Special Part. Ekaterinenburg. — Societe ouralienne des m&edecins. — Memoires VI. Elberfeld. — Naturwissenschaftl. Verein. — Jahresbericht Heft 10. Emden. — Naturforsch. Gesellschaft. — Jahresbericht 86, 87. Erlangen. — Physikal.-Medizin. Sozietät. — Sitzungsberichte Heft 33, 34. Firenze. — Biblioth, Nazion. Gentr. — Bollett. delle Pubblie. ital. 1902, No. 16—23; 1903, No. 25—38. — Societä entomologica italiana. — Bullettino Anno XXXII, Trim. IT—IV; Anno XXXIV, Trim. I—IV. Frankfurt a. M. — Ärztl. Verein. — Jahresbericht über d. Verwaltung d. Medizinalwesens XLV, XLVI. — Tabellar. Übersicht betr. d. Civilstand d. Stadt Frankfurt a. M. 1901, 1902. — Physikalischer Verein. — Jahresbericht 1900/01, 1901/02. — Senckenberg. Naturforsch. Gesellschaft. — Abhandlungen Bd. 20, Heft 3—4; Bd. 25, Heft 3—4; Bd. 26, Heft 4; Bd. 29. — — — Jahresbericht 1902, 1903. — — — Thorn. Die periodischen Schriften der Senckenbergischen Bibliothek. Frankfurt a. ©. — Naturwiss. Verein d. Reg.-Bez. Frankfurt a. O0. — Helios Bd. 19, 20. Frauenfeld. — Thurgauische Naturforsch. Gesellschaft. — Mitteilungen Heft 15. ‘ Freiburg i. B, — Naturforsch. Gesellschaft. — Berichte Bd. XII, XII, Verzeichn. d. v. 11. April 1902 bis 1. April 1904 eingeg. Druckschriften. XVII kenova. — R. Accademia medica. — Bollettino XVII, 2—12; XVII, 1—3. Gießen. — Oberhessische Gesellschaft f. Natur- u. Heilkunde — 33. Bericht, 1899 — 1902. Glasgow. — Natural History Society. — Transactions N. S., Vol. V, Part III; Vol. VI, Part I—l. Göteborg. — Kongl. vetenskaps-och vitterhet-samhälles. — Handlingar 1898, Heft 4 (1902). Göttingen. — Kgl. Gesellsch. d. Wissenseh. — Nachrichten. Geschäftl. Mit- teilungen 1902, Heft 1—2; 1903, Heft 1—9. — — — Nachrichten. Math.-phys. Kl. 1902, Heft 1—6; 1903, Heft 1—6. Granville (Ohio). — Denison University. — Bull. of the Scientifie Laborat. Vol. XI, Art. XI; Vol. XII, Art. I-VII. Graz. — Naturwissensch. Verein f. Steiermark. — Mitteilungen Heft 38, 39. — Verein d. Ärzte in Steiermark. — Mitteilungen Jahrg. 39, No. 5—12; Jahrg. 40, No. 1—12; Jahrg. 41, No. 1—3. Greifswald. — Naturwissenschaftl. Verein für Neuvorpommern und Rügen. — Mitteilungen Jahrg. 33, 34. Groningen. — Naturkundig Genootschap. — Verslag 1901, 1902. — Bijdragen tot de kennis van de Provincie Groningen. Deel Il, Stuk 1—2. Güstrow. — Naturw. Verein in Mecklenburg. — Arch. d. Freunde d. Naturgesch. in Mecklenburg 55, II; 56, I—II ; 57, 1. Haarlem. — Musee Teyler. — Archives Ser. II, Vol. VII, 1—5. — Soeiete hollandaise des sciences. — Arch. Neerland. des Sc. exact. et nat. Ser. II, T. VII; T. VII. Livr. 2—4. — — — Herdenking van het 150-jarg Bestaan van de Hollandsche Maatsch. de Wetensch. Halifax. — Nova Scotian Instit. of Science. — Proceed. and Transact. Vol. X, Part 34. Halle a. S. — Kais. Leop.-Car. Dtsch. Akad. d. Naturf. — Leopoldina XXXVI, 3-12; XXXIX, 1—12; XL, 1—2. — Naturwiss. Verein f. Sachsen u. Thüringen. — Zeitschrift £. Natur- wissensch. Bd. 75; Bd. 76, Heft 1—5. — Verein f. Erdkunde. — Mitteilungen 1902, 1903. Hamburg. — Naturwissenschaftl. Verein. — Abhandl. aus der Geschichte der Naturwiss. XVII, XVII. — — — Verhandlungen. 3. Folge. IX, X. — Seewarte. — Deutsches Meteorologisches Jahrbuch (Ergebn. d. met. Beob.) XXIV, XXV. — — — Aus d. Archiv d. Deutschen Seewarte XXIV, XXV. — — — Jahresbericht 1901, 1902. — — — W. Nachtrag z. Katalog d. Bibliothek. — Wissenschaftl. Anstalten. — Jahrbuch XVII, mit 3 Beiheften; XIX, mit 4 Beiheften; XX, mit 4 Beiheften. Hanau. — Wetterauische Gesellschaft f. d. ges. Naturkunde. — Be- richt 1899— 1903. — — — I. Nachtrag z, Katalog d. Bibliothek, XVII Verzeichn. d. v. 11. April 1902 bis 1. April 1904 eingeg. Druckschriften. Innsbruck. — Naturwissensch.-Mediz. Verein. — Berichte XXVI, XXVIH. Karlsruhe. — Naturwissenschaftl. Verein. — Verhandlungen XV, XV. Kassel. — Verein f. Naturkunde. — Abbandlungen und Berichte XLVI. Kiel. — Kommiss. z. wiss. Unters. d. deutschen Meere u. Biol. An- stalt auf Helgoland. — Wissenschaftl. Meeresuntersuch. N.F. Bd. 5, Heft 1. — Naturwissenschaftl. Verein f. Schleswig-Holstein. — Schriften Bd. XII, Heft 2. Kiew. — Societ& des naturalistes. — Memoires T. XVII, Livr. 1—2. Klagenfurt. — Naturhist. Landesmuseum f. Kärnten. — Carinthia II. 93. Jahrg., No. 1—6. Königsberg i. Pr. — Physikal.-Ökonom. Gesellsch. — Schriften Jahr- gang 42, 43. Krakau. — Akademie d. Wissenschaft. — Anzeiger 1902, No. 2—10; 1903, No. 1—9. — — — Katalog Literatury naukowej polskiej T. I, No. IV; T. II, No. I—IV; T. IE Dose Lausanne. — Societe Vaudoise des Sc. Nat. — Bulletin 4. Ser, T. XXXVIL, T. XXX. Leipzig. — Kgl. Gesellsch. d. Wissensch. — Berichte üb. d. Verhandl. Math.- Phys. Kl. Bd. 53, VII; Bd. 54; Bd. 55, I—V. — Fürstl. Jablonowskische Gesellschaft. — Jahresbericht 1903, 1904. Linz. — Verein f. Naturkunde in Österreich ob der Enns. — Jahres- bericht 31, 32. London. — Royal Society. — Proceedings No. 458—469; 471—491. — — — Reports to the Malaria Committee VII, VII. — — — Reports to the Evolution Committee 1. — — — Reports of the Sleeping Sickness Commission I—IV. — — — Year Book. Luxembourg. — Societe Botanique. — Recueil des Memoires et des Tra- vaux XV. Lyon. — Societ& d’Agriculture, Sciences et Industrie. — Annales Ser. 7, T. 7— 10. Magdeburg. — Naturwissenschaftl. Verein. — Jahresbericht u. Abhandl. 1900—1902. Manchester. — Literary and Philosoph. Soc. — Memoirs and Proceed. Vol. 46, V—VI; 47, I—VI; 48, 1. Marburg. — Gesellsch. z. Beförd. d. gesamt. Naturwiss. — Sitzungs- berichte 1901, 1902. Marseille. — Facult& des sciences. — Annales T. XII, XI. Melbourne. — Roy. Society of Vietoria. — Proceed. N. S. Vol. XIV, Part II; Vol. XV, Part I-II; Vol. XVI, Part 1. Mexico. — Istituto Geolögico de Mexico. — Boletin No. 16. Middelburg. — Zeeuwsch. Genootschap d. Wetenschappen. — Deel VIII, Stuk 4—5. — — — Zelandia illustrata. 3. Verfolg. Verzeichn. d. v. 11. April 1902 bis 1. April 1904 eingeg. Druckschriften. XIX Milano. — R. Istit. Lombardo di Sc. e Lett. — Rendiconti Ser. II, Vol. XXXIV; XXXV; XXXVI; XXXVII, Fasc I—II. Milwaukee. — Public Museum of the city. — Annual Report 19/20, 21. — Wisconsin Natural History Society. — Bulletin N. S. Vol. 3, No. 1—32. Montevideo. — Museo Nacional. — Anales. T. IV. Primera parte. T. V., p- 1— 160. Montpellier. — Academie des sciences et lettres. — Memoires de la sect. Klee Mer DzSer re TENo EIS IIND, 2% — — -— Memoires de la sect. des Sciences 2. ser. T. IH, No. 1. Moscou. — Societe Imperiale des Naturalistes. — Bulletin 1901, No. 3/4; 1902, No. 3—4; 1903, No. 1—3: München. — Ärztlicher Verein. — Sitzungsberichte XI, XH. — K. B. Akad. d. Wissenschaft. — Sitzungsber. d. math.-phys. Cl. 1902, I—IIN; 1903, I—-IV. — Gesellschaft f. Morphol. u. Physiol. — Sitzungsberichte Bd. XVII, Heft II; Bd. XVII, Heft I—Il; Bd. XIX, Heft 1. Napoli. — Societä reale. — Atti della reale Accad. delle sc. fis. e mat. Ser. II. Vol. X, XI. — — — Rendiconto dell’Accad. etc. Ser. II. Vol. VII, 1—12; Vol. IX, 1—7. Neifse. — Wissenschaftl. Gesellschaft Philomathie. — Bericht 31. New-York. — Academy of Sciences. — Annals Vol. XIV, Part. II—III; Vol. XV, Part L Nürnberg. — Naturhistor. Gesellschaft. — Abhandlungen XIV; XV, 1. Odessa. — Neuruss. Naturforsch. Gesellschaft. — Memoires T. XXIV, Part I. Osnabrück: — Naturwissenschaftl. Verein. — Jahresbericht 15. Padova. — Societä Veneto-Trentina di sc. nat. — Atti Ser. II. Vol. IV, Fasc. 2. Paris. — Ecole polytechnique. — Journal. Ser. II. Cah. 7. — Societe zoologique de France. — Bulletin T. XXVI, XXVU. Philadelphia. — Academy of Natural Sciences. — Proceedings 1901, III; 1902, I—III; 1903, I—II. Prag. — Kgl. Böhmische Gesellschaft d. Wissenschaft. — Jahresbericht 1902, 1903. — — — Sitzungsberichte 1902 (mit Beilage) 1903. — Lese- u. Redehalle d. deutschen Studenten. — Bericht 1901, 1902. Preßburg (Poszony). — Verein f. Heil- u. Naturkunde. — Verhandl. XIII, XIV. Regensburg. — Naturwissenschaftl. Verein. — Berichte Heft IX. Reichenberg. — Verein d. Naturfreunde. — Mitteilungen Jahrg. 33, 34. Riga. — Naturforscher-Verein. — Korrespondenzblatt XLV, XLVI. Rio de Janeiro. — Museo Nacional. — Archivos X, X1. Rochester. — Academy of Science. — Proceedings Vol. 4, pag. 65—136. Roma. — Societa Zoologica Italiana. — Bollettino Ser. II. Vol. II, IV. Saint-Louis. — Academy of Science. — Transactions Vol. X, No. 6—11; Vol. XI, No. 1—8. St. Petersbourg. — Acad&mie Imperiale des sciences. — Bulletin Ser. V. T. XII, No. 4-5; XIV; XV; XVI; XV, No. 1—4, XX Verzeichn. d. v. 11. April 1902 bis 1. April 1904 eingeg. Druckschriften. St. Petersbourg. — Acad&emie Imperiale des sciences. — M&moires Ser. VII. Vol. XI, No. 3-8; Vol. XI, No. 1, 2, 3; Vol. XIU, No. 4. — — — Catalogue des livres ete. 1. — Botanischer Garten. — Acta horti Petropolitani T. XIX, Fasc. III; T. XXI; TEERKTI Haseakl: — Soeciet&e Imper. des Natural. — Travaux Vol. XXXI, Livr. 3 u. 5; Vol. XXXII, Livr. 1, No. 6—8, Liv. 3, 4; Vol. XXX1H, Livr. 1—4; Vol. XXXIV, Livr. 1, No. 1—7; Vol. XXXV, Livr. 1, No. 1. St. allen. — Naturwissenschaftl. Gesellschaft. — Bericht 1899/1900, 1900/1901. Siena. — R. Accademia dei Fisioeritiei. — Atti Ser. II. Vol. XIV; Vol. XV, No. 1—6. Sion (Valais). — La Murithienne, Soc. valaisanne des sc. nat. — Bulletin XXXI, XXXIL Stavanger. — Museum. — Aarshefte Aarg. 12, 13. Stockholm. — Entomologisk Föreningen. — Entomologisk Tidskrift Ärg. 93, 24. Straßburg. — Gesellschaft z. Förderung d. Wissenschaft. — Monats- berichte XNXXV, XXXVI. Stuttgart. — Verein f. vaterländ. Naturkunde in Württemberg. — Jahreshefte, Jahrg. 58, 59 mit 2 Beilagen. Sydney. — Roy. Soc. of New South Wales. — Journal and Proceedings XXXV, RIXVE Tokio. — Medicin. Fakultät d. k. Japan. Universität. — Mitteilungen Bd. V, Wo: ; IV; Ba. VI No. 1. Tokyo. — Imperial University. — The Journal of the College of Science. Vol. XVI, Art. 6—15; Vol. XVII, Art. 2—12; Vol. XVII, Art. 1, 3—4; Vol. XIX, Art. 6—8, 10. Torino. — R. Accademia delle Scienze. — Atti Vol. XXXVI, Disp. 6—15 ; Vol. XXXVIH, Disp. 1—15. — — — ÖOsservaz. meteorolog. 1902. Toronto. — Canadian Institute. — Proceedings N. S. Vol. II, Part 5. — — — Transactions Vol. VII, Part 2. Toulouse. — Academie des sciences, inseript. et belles-lettres. — Me&moires Ser. 10, T. 1, I. Tufts College, Mass. — Studies No. 7. Ulm a. D. — Verein f. Mathemat. u. Naturwiss. — Jahreshefte, Jahrg. 11. Upsala. — Nova acta societatis scientiarum Upsaliensis. — Ser. II. Vol. XX, Fasc. I. Verona. — Accademia d’Agricoltura, arti e commercio. — Memorie Ser. IV. Vol. II, III. Indice dei Vol. I-LXXV. Washington. — Smithsonian Institution. — Annual Report 1900, 1901. — U. S. Department of Agriculture. — Yearbook 1901. — U. S. Geologieal Survey. — Annual Report 21, U, III, IV, V, VII; 21,1, IHR — — — Bulletin No. 177—207 ; 209 217. Verzeichn. d. v. 11. April 1902 bis 1. April 1904 eingeg. Druckschriften. XXI Washington. — U. S. Geological Survey. — Mineral Resources of the U. St. 1900, 1901. — — — Monographs XLI—XL\V. — — — Professional Papers No. 1-8. — — — Water-Supply and Irrigation-Papers No. 65—79. Wien. — K. Akad. d. Wissenschaft. — Anzeiger. Math.-Nat. Klasse 1902, IX—XXVI; 1903, I—-XXVIL; 1904, I—IX. — K.K. Geolog. Reichsanstalt. — Verhandlungen 1902, No. 3—18; 1903, No. 1—18; 1904, No. 1. — K. K. Naturhistorisches Hofmuseum. — Annalen XVL 3-4; XVII, 1—4; XVIH, 13. — Verein z. Verbreitung naturwissenschaftl. Kenntnisse. — Schriften Bd. 42, 43. — K.K. Zool.-Botan. Gesellschaft. — Verhandlungen LII, LI. Wiesbaden. — Nassauischer Verein f. Naturkunde. — Jahrbücher, Jahrg. 55, 56. Würzburg. — Physikal.-medizin. Gesellschaft. — Sitzungsberichte 1901, No. 3—7; 1902, No. 1—6; 1903, No. 1—4. — — — Verhandlungen N.F. XXXIV, No.10—11; XXXV,No.1—8; XXXVI,No.1—3. Zürich. — Naturforschende Gesellschaft. — Neujahrsblatt 1902, 1903. — Vierteljahrsschrift, Jahrg. 46, Heft 3/4; Jahrg. 47; Jahrg. 48, Heft 1/2. Zwickau. — Verein für Naturkunde. — Jahresbericht 1900, 1901. Dr. Andreae, Professor, Hildesheim. Dr. Dr. Anselmino. Dr. Antoni. Dr. Arnold, Geh.-Rat u. Professor. Dr. H. Arnsperger, Privatdozent. Dr. L. Arnsperger, Assistent am patholog. Institut. Dr. Bartsch, prakt. Arzt. Dr. Bekker, Geh.-Rat u. Professor, Exe. Dr. Bernthsen, Hofrat u. Professor (Mann- heim). Dr. Bettmann, Professor. Mitglieder-Verzeichnis. Korrespondierende Mitglieder. | Dr. Knapp, Professor, New-York. Erlenmeyer, Professor, Aschaffenburg. | Dr. F. Schulze, Geh.-Rat u. Professor, Bonn. Ordentliche Mitglieder. Königliche Bibliothek Berlin. Dr. ". K. Böhm, Privatdozent. . Bornträger, Professor. '. Brauer, Professor. . H. Braun, prakt. Arzt. ‘, Braus, Professor. '. Bredig, Professor. '. Brian, prakt. Arzt. . Brühl, Professor. '. Bruno, prakt. Arzt. '. Bütschli, Geh. Hofrat u. Professor. '. Cohnheim, Professor. ". Gurtius, Geh.-Rat u. Professor. ". Czerny, Geh.-Rat u. Professor, Exc. . Dilg, prakt. Arzt. ". Dittrich, Professor. . Driesch. J. Blum, prakt. Arzt. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr: Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Ebler, Assistent am chem. Institut. Fr. Eisenlohr, Professor. Elsasser, prakt. Arzt. Erb, Geh.-Rat u. Professor. Ewald, Professor. L. Fischer, prakt. Arzt. Fischler, Assistent an d. med. Klinik. Fleiner, Hofrat u. Professor. Fürbringer, Geh. Hofrat u. Professor. Gaupp, Privatdozent. Glaser, Kommerzienrat. Glaßner, Hofapotheker. Glück, Professor, V. Goldschmidt, Professor. (öppert, Professor. Gottlieb, Professor. Greber, Professor an der Oberrealschule. Dr Dr; '. Hegener, Privatdozent. ‘. Herbst, Privatdozent. ‘, Hettner, Professor. . von Hippel, Professor. . Hirschel, Assistent a.d. chirurg. Klinik. . Hoffmann, Professor. B. Haller, Professor. Hammer, Professor. W. Hofmann, Assistent an der Kinder- klinik. Dr; Dr. Holl, Bezirksassistenzarzt. Horstmann, Professor, Mitgliederverzeichnis. Dr. Ibrahim, Assistent an der Kinderklinik. Dr. Jacoby, Privatdozent. Dr. Jannasch, Professor. Dr. Jordan, Professor. Dr. Joseph, Assistent a. d. chirurg. Klinik. Dr. Jurasz, Professor. Dr. Kalähne, Privatdozent. Dr. Kaposi, Assistent a. d. chirurg. Klinik. Dr. E. Kehrer, Privatdozent. Dr. F. Kehrer, Geh.-Rat u. Professor. Dr. Keller, prakt. Arzt. Dr. Kermauner, Privatdozent. Dr. Kiefer (Mannheim). Dr. Klaatsch, Professor. Dr. Knauff, Geh. Hofrat u. Professor. Dr. Knövenagel, Professor. Dr. L. Koch, Professor. Dr. Königsberger, Geh.-Rat u. Professor. Dr. Kossel, Professor. G. Köster, Buchhändler. Dr. Krafft, Professor. Dr. Kümmel, Professor. ‘ Dr. Kürz, Med.-Rat. Dr. Landsberg, Professor. Dr. Lange -Herrnstedt, praktischer Arzt (Meckesheim). Dr. Lauterborn, Professor. Dr. Leber, Geh.-Rat u. Professor. Dr. med. Lefmann. Dr. med. Lichtenberg. Dr. Lobstein. Dr. H. Lossen, Hofrat und Professor. Dr. W.Lossen, Geh. Reg.-Rat u. Professor. Dr. Magnus, Professsor. Dr. Marschall, Privatdozent. Dr. Marx, Assistent am patholog. Institut. Dr. Mays. Dr. Merx, Geh. Hofrat u. Professor. Dr. GC. Mittermaier, Medizinalrat. Dr. Mohr, Privatdozent. Dr. Nehrkorn, Privatdozent. Dr. Nißl, Professor. Dr. Oppenheimer, Hofrat u. Professor, Dr. Baron von Osten-Sacken. Dr. Petersen, Professor. Dr. Pfister, Assistent an der med. Klinik. XXI Dr. Pfitzer, Geh. Hofrat u. Professor, Dr. E. Plenge, Assistent am physiolog. Institut. Dr, Pockels, Professor. Dr. Pol. Dr. Port, Professor. Dr. Quincke, Geh.-Rat u. Professor. Dr. Reinhardt, prakt. Arzt. Dr. J. Rieß. Dr. Rink, prakt. Arzt (Kaiserslautern). Dr. Ritzhaupt, Assistent an der mediz. Poliklinik. Dr. Rödiger, Assistent a. d.med.Poliklinik. A. Rodrian, Fabrikant. Dr. Rosenbusch, Geh. Oberbergrat und Professor. Dr. v. Rosthorn, Geh. Hofrat u. Professor. Dr. S. Rothschild, prakt. Arzt. Dr. Ruska, Professor a. d. Oberrealschule. Dr. Sack, prakt. Arzt. Dr. Salomon, Professor. Dr. Schäffer, Privatdozent, Dr. Schalch, Bergrat u. Landesgeologe. Dr. Ad. Schmidt, Professor. Dr. B. Schmidt, Professor. Dr. Schnarrenberger, Landesgeologe. Dr. Schönborn, Assistent an der medizin. Klinik. Dr. Schottensack. Dr. Schottländer, Professor. Dr. Schuberg, Professor. Dr. Schwalbe, Professor. Dr. Simon, Privatdozent. Dr. Starck, Professor. Dr. Stephani. Dr. Steudel, Privatdozent. Dr. Stockert, Med.-Rat. Dr. Stolle, Professor. Strübe, Kreisschulrat u. Hofrat. Dr. Sulzer (Neustadt a. H.). Dr. Tecklenburg, Assistenzarzt am Dia- konissenhaus. Dr. Thomen, Bez.-Arzt (Weinheim). F. Thorbeke, Lehramtspraktikant. Dr. K. Thorbeke, Vonlontärassistent an der Frauenklinik. XXIV Mitgliederverzeichnis. Dr. Tischler, Privatdozent. Dr. Wachter, Chemiker. Dr. Thürach, Landesgeologe. Dr. Gustav Waltz. Dr. H. Trommsdorff. Dr. med. M. Wassermann (Paris). Dr. Ullrich, prakt. Arzt. Dr. Weber, Privatdozent. Dr. Völcker, Privatdozent. Dr. Weichel, Stabs- u. Bataillonsarzt. Dr. H. Völker, Assistent a.d. Frauenklinik. | Dr. F. Weiß, Vorstand der Apotheke des Dr. Vierordt, Hofrat u. Professor. Akad. Krankenhauses. Dr. G. Vulpius, Medizinalrat. Dr. Werner, prakt. Arzt. Dr. ©. Vulpius, Professor. Dr. Wilser. Dr. Wirth, prakt. Arzt. Außerordentliche Mitglieder. A. Böhme, eand. med. | Hinselmann, eand. med. Fellenz, Dr. med. | Löser, cand. rer, nat. O. Schröder, cand. rer. nat. a — Hamı VERHANDLUNGEN DES NATURHISTORISCH-NEDIZIMSCHEN VEREINS ZE HEIDELBERG. en rer NEUE FOLGE. SIEBENTERDBAND. ERSTES HEFT. MIT VIER ABBILDUNGEN IM TEXT UND FÜNF TAFELN. (AUSGEGEBEN AM 24. MAT 1902.) "HEIDELBERG. CARL WINTER'S UNIV ERSITÄTSBUCHHANDLUNG. 1902. ze LU TR ITTAL HR PIC VR VRR VRLVRCURROVROVRCURCPROVR URL IR VRLVRVR In Carl Winter's Universitätsbuchhandlung in Heidelberg ist soeben erschienen: as Dr. Adolf Mayer &&> Professor und Vorstand der holländischen Reichsversuchsstation in ‚Wageningen a *%* Acrikulturchemie *%* Mit in den Text gedruckten, teils farbigen Abbildungen und einer lithographierten Tafel Zum Gebrauche an Universitäten und höheren landwirtschaftlichen Lehranstalten sowie zum Selbstunterricht Fünfte verbesserte Auflage I. Band: Die Ernährung der grünen Gewächse in 26 Vor- lesungen. Fein Leinwandband . . ...,» ... 12 Mk II. Band di. Teih): Die Bodenkunde'in 10 Vorlesungen. Fein Lwdbd. 4 Mk. 80 Pf$. II. Band @. Teil: Die Düngerlehre'in 16 Vorles. Fein Lwdbd, '. 6 Mk, 60 Pie. IH. Band: Die Gärungschemie als Einleitung in die Technologie der Gärungsgewerbe in 15 Vorles. Fein Lwdbd. . 6 Mk, 60 Pfe. „»».+ . Wir können daher das Urteil, welches wir bei dem Erscheinen der. 3. Auflage ab- gaben, nur wiederholen, nämlich, daß das vorliegende Lehrbuch als das beste auf dem in Rede stehenden Gebi«te zu bezeichnen ist.“ (E. Wollmy, Forschungen auf d. Gebiete d. Agrikulturphysik.) ‚Die vorliegende Neubearbeitung ist die wichtigste Erscheinung der Litteratur des ver- flossenen Jahres. Kein Lehrer unseres Gewerbes wird das Studium dieses Werkes versäumen dürfen, und jene Praktiker, die noch aus keinem Buch Nutzen gezogen zu haben meinen, werden hier sich überwunden erklären müssen, wenn sie nach ernstem Studium ehrlich sich äußern „.. ..“ (Fühlings land irtschaftliche Zeitung.) „Und wenn ein Buch populär genannt werden darf, welches es versteht, auch «den Leser, der sich bis dahin nieht mit. dem speziellen Gegenstande beschäftigt hat, auf dem geradesten Wege zur vollen Kenntnis desselben zu führen, und ihm die Ausnutzung der rein wissenschaftlichen Ergeb- nisse möglichst erleichtert, so ist das vorliegende Lehrbuch im besten Sinne des Wortes populär.‘ (Litterarisches Zentralblatt.) Ausführlie :he Urteile der Presse stehen gern unentgeltlich und postfrei zur Verfügung. Früher erichtenen: Die Iandwirtfchaftlihen PDerjuchsftationen als Staatsinftituf. Beiträge zur Reform diefer Anftalten. ar. 8%. geheftet MT. 1.80. Die Lehre von den chemischen Fermenten oder Enzymologie. Auf Grund von vor- handenen und eigenen Versuchen bearbeitet. Lex.-8%. geheftet M. 4.—. Untersuchungen über die alkoholische Gärung, den Stoffbedarf und den Stoffwechsel der Hefepflanze mit Berücksichtigung des neuesten Liebig’schen Einwurfs gegen die Paste ur'schen Anschauungen für Chemiker, Pfianzen- Physiologen und Wein- Produzenten. Mit 1 Holzschnitt und 7 lithogr. Tafeln. gr. 8%. geheftet M. 3.—. Die Kunjtbutter, ihre Fabrifation, ihr: Gebraudhswert, nebft Mitteln, ihren Dertrieb in feine Grenzen zurüdzuweifen. Mit 7 Bolzichnitten. 8°. aeheftet M. 1.20. Düngung und Fütterung in chromoaraphifcher Darftellung. 7 Tafeln und Tert. 2. Ausgabe. ar. 8°, geheftet. IM. 1.60. Das Düngerfapital und der BARPIOH Eine wirtjchaftlihe Betrachtung anf naturmwijjenjchaftliher Grundlage. geheftet MT. 1.20. Welche Methoden der Sibirien find im. allgemeinen und in Sonderheit für die Derbältnifje des Großherzogtums Baden empfehlenswert ? 8°. geheftet Er —.60. Die Quellen der wirtjchaftlichen Arbeit in der Hatur. Ein Dortrag. 2. Ausg: 8. aeheftet MT. —.60. Zur Begründung von Schußzöllen, in Sonderheit für die SKandwirtichaft. Vene % Gefichtspunfte: ar. 8°. aeheftet MT. 1.20. EORVRNORVRNTRVRTRRRVRTETEWRURTEGRVEESR VOTE VE sul IJU Die Stipulargebilde der Monokotyledonen von Dr. H. Glück, Privatdozenten für Botanik an der Universität Heidelberg. Mit Tafel I—V und 1 Textfigur, Einleitung. Angeregt durch das Studium biologischer Schriften, insbesondere von K. Goebel, H. Schenk u. a. habe ich mich in den letzten Jahren unter anderem auch mit der Lebensweise unserer deutschen Wasser- pflanzen beschäftigt. Die Resultate dieser Studien sind vorwiegend experimenteller Natur und liegen zur Zeit erst in Gestalt unbear- beiteter Bausteine vor. Nebenbei konnten aber auch einige rein morphologische Beobachtungen über die Stipulargebilde monokotyler Gewächse angestellt werden, die mit meinem eigentlichen Thema nur lose zusammenhängen. Sie mögen daher gesondert von ihm der Öffentlichkeit übergeben werden. Über das Vorkommen von Nebenblättern bei Monokotylen scheint unter Botanikern allgemein die Ansicht zu herrschen, daß dieselben auf dikotyle Pflanzen beschränkt sind. Auch pflegen sich unsere zeitgemäßen Lehrbücher über diesen Punkt fast durchweg auszu- schweigen. Wir werden aber im folgenden sehen, daß die Stipular- organe bei Monokotylen eine außerordentlich weite Verbreitung be- sitzen; nur hat man dieselben bisher eben verkannt oder unrichtig gedeutet. Ursprünglich erstreckten sich meine Untersuchungen nur auf die Nebenblätter monokotyler Wasserpflanzen. Ich kam aber bald zu der Überzeugung, daß es von großer Wichtigkeit ist, noch zahlreiche andere monokotyle Pflanzen in den Bereich meiner Unter- suchung mit aufzunehmen, da ich sonst nur ein sehr unvollständiges Bild von den Stipulargebilden der Monokotylen hätte geben können. Der systematische Vergleich fertiger Formen und die Primär- blattbildungen junger Laubtriebe stehen als die beiden wichtigsten Verhandl. des Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 1 5) H. Glück: [2 [4 Hilfsmittel da, mit denen ich bei meinen morphologischen Unter- suchungen operiert habe. Die Ontogenie, die ja auch an den ver- schiedensten Stellen ihre Berücksichtigung fand, konnte erst in dritter Linie in Betracht gezogen werden. Zum Zwecke der merphologischen Deutung des Laubblattes habe ich mich an verschiedenen Punkten einer außergewöhnlichen Vergleichsmethode bedient, indem ich die in metamorphosierter Form uns vorliegenden Blüten- oder Hochblätter zu Hilfe genommen habe. Diese letzteren betrachte ich, mit Rücksicht auf ihre Stipularorgane, als phylogenetisch metamorphosierte Laubblätter‘. Der morpho- logische Wert solcher Hoch- oder Blütenblätter kommt dann — ab- gesehen von Anpassungserscheinungen an bestimmte Funktionen, wie Fortpflanzung etc. — demjenigen von Primärblättern gleich. Und diese repräsentieren ebenso wie jene, fixierte Stadien der phyloge- netischen Entwickelung des Laubblattes.. Bei manchen monokotylen Pflanzen kann man nur mit der eben angegebenen Methode zu einer richtigen morphologischen Deutung gewisser Stipularorgane gelangen, die im Laufe der Zeit ihre ursprünglich paarige Gestalt verloren haben. Die Herren Geh. Regierungsrat Prof. Dr. A. Engler in Berlin, sowie Prof. Dr. Z. Radlkofer in München hatten die Güte, mich mit exotischem Untersuchungsmaterial zu unterstützen. Ebenso bin ich Herrn Dr. W. Neger zu Dank verpflichtet, der einige um- fangreiche monokotyle Pflanzenfamilien in dem Münchner Herbar in dem von mir angedeuteten Sinn durchgesehen hat und mir darüber Bericht erstattete. Sämtliche Nebenblattgebilde der Monokotyledonen lassen sich auf drei Typen verteilen, die ich bezeichne als: l. Stipulae laterales, II. Stipula adnata, III. Stipula axillaris. Den ältesten Typus repräsentieren die seitlichen Stipeln, wäh- rend die axilläre Stipel den jüngsten vorstellt. Bei Typus II und III lässt sich wieder eine „offene“ und eine „geschlossene“ Stipula adnata bezw. Stipula axillaris unterscheiden. 1) Zur weiteren Orientierung verweise ich den Leser auf das weiter unten (pag. 19 f.) Gesagte, sowie auf C. Schaefer (pag. 26), der auch die ganze ein- schlägige Litteratur aufführt. BB) [reden Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. > I. Stipulae laterales. Einer der ersten deutschen Botaniker, der im Anschluß an de Candolle!) eine wissenschaftliche Definition der freien seitlichen Stipeln, — allerdings mit Rücksicht auf die Dikotyledonen — ge- geben hat, dürfte Bischoff?) sein. Letzterer bezeichnet sie im Jahre 1843 als „blattartige Organe, welche zu beiden Seiten am Grunde des Blattstiels sitzen, meist von gleicher Substanz, wie die Blätter, aber in Gestalt und Größe von diesen sehr oft verschieden“. Diese Definition fand erst im Jahre 1861 durch die wertvollen Unter- suchungen von Kichler?) eine wichtige Ergänzung. Kichler erblickt das wesentlichste Moment der Charakterisierung der Stipulae darin, dass sie entwickelungsgeschichtlich aus dem Blattgrunde ihre Ent- stehung nehmen. Die meisten Morphologen*) scheinen die Ansicht zu vertreten, dass den Monokotyledonen freie, seitenständige Stipeln in typischer Ausbildung nicht zu kommen. Trotzdem giebt es mehrere Monokoty- ledonen, die unzweideutige paarige Stipeln besitzen. Wenn dieselben bisher verkannt wurden, so rührt das daher, dass echte paarige Stipeln bei Monokotyledonen viel seltener angetroffen werden, als dies bei Dikotyledonen der Fall zu sein pflegt. Die paarigen Stipeln der Monokotyledonen stellen, eben so wie die der Dicotyledonen, paarige Anhängsel des Blattgrundes vor. Ihre Ausbildung kann eine verschieden- artige sein; sie finden sich bei Hydrocharis morsus ranae, Pota- mogeton densus, bei Najas, Althenia, bei Smilax otigera, bei meh- reren Pothos-Arten und bei Ruppia. a) Die paarigen Stipeln von Hydrocharis morsus ranae. (Taf. I, Fig. 1-5.) Die Schwimmblätter von Hydrocharis morsus ranae sind an ihrer Basis mit grossen, paarigen Stipeln ausgerüstet, welche der Systematiker als „Anhängsel“ des Blattstieles zu bezeichnen pflegt (Fig. 1a—c). Diese „Anhängsel“ sind meines Wissens nur von zwei, bis jetzt aber unbeachtet gebliebenen Autoren, nämlich von Rohrbach°) 1) deCandolle, Organogr. veget. pag. 334 (pag. 286 in der Übersetzung Meissners). 2) Lehrbuch der allgemeinen Botanik 1834; Band I., pag. 177. 3) Zur Entwickelungsgeschichte des Blattes ete. 1861, pag. 24. 4) Vergl. z. B.: A. P. Candolle, Organographie vegetale, tom. I, p. 334; W. Eichler (III), pag. 22; J. Celakovsky, pag. 161. 5) Rohrbach, pag. 27. 1* 4 H. Glück: [4 und Schenk‘) richtig als Stipeln erkannt worden. Jede Stipel ist eiförmig, oben zugespitzt und erreicht eine Länge von 1—1!/2 cm. An ihrer Basis ist sie einseitig mit dem Blattstiel verwachsen, wäh- rend der größte, obere Teil frei ist und mehr oder minder absteht. Die Stipeln sind farblos und von häutiger Beschaffenheit. Sie werden durchzogen von mehreren parallelen und sehr feinen Leitbündeln, die besonders nach oben zu miteinander anastomosieren. Ein etwas anderes Verhalten legen diese Stipeln an den Tag, wenn wir die bereits mehrfach beschriebenen Winterknospen oder Turionen ins Auge fassen, die bekanntlich zur vegetativen Vermeh- rung der Pflanze dienen. Die zwei oder drei erst gebildeten Laub- blätter (Fig. 2) einer solchen Winterknospe sind nur 1—2 cm lang. Sie bestehen aus einer rudimentären Blattspreite, die zeitlebens unter- getaucht bleibt, und aus zwei kräftigen, eigenartig gebauten Stipeln. Die Spreite dieser Primärblätter ist nierenförmig und sitzt einem zarten Stielchen auf. Die Stipeln stehen einander diametral gegen- über und aus ihrer Mitte erhebt sich senkrecht zu ihnen der Blatt- stiele Die Stipeln haben elliptische Gestalt und sind nach außen zu schwach konvex gebogen; sie sind durchzogen von mehreren deutlichen, parallelen Nerven, die oben ein wenig miteinander ana- stomosieren. Besondere Beachtung verdienen noch die zwei äußersten Hüll- blätter der Winterknospe. Das untere (Fig. 3 u. 4) ist kahnförmig gestaltet, reicht nicht bis zur Spitze der Knospe und umschließt diese nur ungefähr zur Hälfte. Oben ist es durch einen medianen Einschnitt in zwei kleine, rundliche Lappen geteilt. Das andere, höher inserierte Knospenblatt (b in Fig. 4) ist kapuzenartig gestaltet und greift mit seinen beiden freien Blatträndern übereinander, so dass der ganze innere Teil der Knospe umschlossen werden kann. Es läßt sich dieses Knospenblatt im unversehrten Zustand natürlich nicht von der Knospe abschälen. In Fig. 4 sind die beiden äußer- sten Knospenblätter bezw. mit a und b bezeichnet. Morphologisch sind diese beiden äußersten Knospenblätter als zwei Nebenblattpaare aufzufassen, die durch Verschmelzung von je zwei Stipeln entstanden sind. Die Richtigkeit dieser Anschauung be- weist uns einmal die oben besagte Cäsur, die das untere Knospen- blatt erkennen läßt; außerdem aber der Umstand, daß an der Basis des äußeren Knospenblattes nicht selten eine rudimentäre, nur wenige 1) Schenk, pag. 275. ni Be FRPBETTY 5] Die Stipulargebiete der Monokotyledonen. 5 Millimeter lange Spreite aufgefunden wird, die deutlich in einen Blattstiel und eine zugehörige Blatspreite gegliedert ist. Dieses Blättchen steht dann genau in der Mitte der Knospenblattinsertion und direkt unterhalb der Cäsur. Ein solches rudimentäres Blättchen wird meinen Beobachtungen zu Folge allemal dann gebildet, wenn die Winterknospe durch Umbildung eines ursprünglichen Schwimm- blattsprosses entsteht und nicht wie gewöhnlich an der Spitze eines Ausläufers. Dieses Blättchen, das sich niemals weiter entwickelt, folgt dann allemal direkt auf das letzte Schwimmblatt, mit dem der be- treffende Sproß seine Vegetation einstellt. Mit Rücksicht auf die eben gemachten Ausführungen verhalten sich die beiden äußersten Knospenblätter des Turio morphologisch wie zwei axilläre Stipeln (siehe diese), deren zugehörige Blattspreite nur ausnahmsweise noch als Rudiment angetroffen wird. Diese Er- kenntnis ist für uns von besonderer Wichtigkeit, da sie uns den Schlüssel für die rechte morphologische Deutung der axillären Stipel mit an die Hand gibt. Bei Schilderung der letztgenannten werde ich auf das eben Mitgeteilte zurückzukommen haben. Entwickelungsgeschichte (Fig. 5). Die Entwickelungsge- schichte der Stipeln von Hydrocharis morsus ranae wurde an Winterknospen studiert. Abgesehen von den wenigen oben ge- schilderten Primärblättchen, deren Spreite stets rudimentär bleibt, erzeugt die Winterknospe später normale Schwimmblätter, die zum Teil in der Knospe schon vorgebildet sind. Die Vegetationspunkte solcher Turionen wurden aus dicken, medianen Längsschnitten frei präpariert und mit Eau de Javelle durchsichtig gemacht. Die Stipeln bilden zusammen mit ihrem jeweiligen Laubblatt in frühester Jugend einen zusammenhängenden Ringwulst, der den kuppenförmigen, schwach konvexen Vegetationspunkt umgibt. Dieser Ringwulst wächst allmählich zu einem wannenförmigen Gebilde heran (Fig. 5), dessen Rand zunächst an einer gewissen (mit L in Fig. 5 bezeichnet) Stelle ein gefördertes Wachstum erkennen lässt. Dieser Teil der Anlage leitet die Entwickelung der Blattspreite ein. Schon ziemlich frühzeitig ist an noch zwei weiteren Stellen an dem Rande des Primordiums ein stärkeres Wachstum wahrzunehmen, so daß der ursprüngliche Ringwall sich in drei Teile differenziert, die isoliert von einander weiter wachsen. Der größte und älteste von diesen (mit L ev. | bezeichnet) überholt dabei rasch die beiden anderen (mit W ev. w bezeichnet) und stellt, wie schon erwähnt, die Anlage ' der Spreite vor, deren Stiel erst nachträglich sich herausbildet. 6 H. Glück: [6 Die beiden anderen mit W ev. w bezeichneten Teile der Anlage werden zu den Stipeln. — Auch bei Kohrbach (l. ce. pag. 27 £.) findet sich eine kurze Mitteilung über die Entwickelung der Stipeln, die mit meinen Beobachtungen im wesentlichen übereinstimmt. b) Stipulae laterales von Potamogeton densus. (Mit Taf. 1, Fig. 6) Potamogeton densus ist eine unserer einheimischen Arten, die in ihrer Gattung eine Sonderstellung einnimmt. Einmal ist sie da- durch ausgezeichnet, dass ihre Laubblätter im Gegensatz zu allen anderen Arten weder mit einer axillären Stipel noch auch mit einer Ligula versehen sind. Dann aber hat sie, wie die Systematik sich ausdrückt, „gegenständige“ Blätter. Diese Gegenständigkeit ist jedoch nur eine scheinbare, welche dadurch zustande kommt, daß lange Internodien mit sehr kurzen regelmäßig abwechseln. Während die gewöhnlichen Laubblätter keinerlei Stipularbil- dungen aufweisen, erzeugt die Pflanze im Stadium der Blüte ganz vereinzelt mit paarigen Stipeln ausgerüstete Laubblätter. Es ist das unterste oder auch die beiden untersten Laubblätter, die allemal an der Basis eines Blütenstandes stehen und die freie, seitliche Stipeln besitzen. Die Stipeln sind so groß, daß sie mit unbewaff- netem Auge als solche ohne weiteres erkannt werden. Die Stipeln sind unten mit dem Hauptblatt ein klein wenig noch verwachsen und sitzen mit diesem einer gemeinschaftlichen Basis an. Die Ver- wachsung der beiden Stipeln kann mit dem zugehörigen Laubblatt bald unvollkommener sein, wie in Fig. 6 b, bald vollkommener, wie in Fig. 6 c. Im letzteren Falle liegen dann die Ränder der Stipeln teilweise der Innenseite des Laubblattes auf. Diese letztere Ver- wachsungsform leitet, wie leicht einzusehen ist, schon zur Bildung der Stipula adnata über. Im Umriß können die Stipeln etwas ver- schtedenartig sein; bald sind sie eiförmig, bald länglich; oben sind sie zugespitzt oder abgestutzt. Auch können sie mit einer größeren oder kleineren Cäsur mitunter versehen sein (Fig. 6 b u. c). Die Stipeln sind von häutiger Konsistenz, farblos und sind von wenigen, sehr zarten Leitbündeln durchzogen. Abgesehen von Potamogeton densus habe ich die Existenz paariger Stipeln bei Potamogeton nur für gewisse Primärblätter der Keimlinge von P. fluitans, P. plantagineus und P. rufescens konstatieren können, denen sonst axilläre Stipeln eigen sind. Die seitlichen Stipeln der Primärblätter sind, wie wir weiter unten noch sehen werden, für die morphologische Deutung 7] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. { der übrigen Stipularorgane von hervorragender Bedeutung. Es bilden die paarigen Stipeln den phylogenetischen Ausgangspunkt für die Stipula adnata und Stipula axillaris; und es stellt das mit seitlichen Stipeln aus- gerüstete Blatt von Potamogeton densus den ältesten, uns jetzt noch erhaltenen Typus des Potameenblattes dar. (Vergleiche pag. 19 f.). Die Untersuchung der Keimlinge von Potamogeton densus ent- sprach keineswegs den Erwartungen, die ich auf sie setzte; und meine Vermutung, es möchten die Keimlingsprimärblätter ebenfalls noch paarige Stipeln besitzen, hat sich als unrichtig erwiesen. Die von mir unter Wasser im Kalthaus aufbewahrten Samen hatten bis Ende Januar 1899 zahlreiche Keimpflanzen erzeugt. Ebenso wie an der fertig gebil- deten Pflanze wechseln auch an der Keimpflanze längere Internodien mit sehr kurzen regelmäßig ab. Das erste blattpaar besteht aus einem Laubblatt und dem etwas tiefer inserierten Kotyledon. Die vor- handenen 3—4 Laubblätter sind sehr schmal, lineal und umfassen die Achse mit ihrer schwach verbreiterten Basıs, die aber nichts gemein hat mit den stipulierten Primärblättern, wie ich sie bei den Keim- lingen anderer Potameen auffand. Der Kotyledon wird gebildet von einer sehr langen, pfriemlichen Spreite, welche zumeist die übrigen Blätter noch überragt, und einer scheidigen Basis. Feine Querschnitte durch die Keimpflanze zeigen uns, daß die Kotyledonscheide im oberen Teil offen und im unteren röhrig geschlossen ist. Das im Samen bereits kräftig entwickelte hypokotyle Glied finden wir nach der Aus- keimung an seiner Basis diskusförmig angeschwollen und mit diesem „Fuß“ noch im Samen stecken. Nach unten zu entsendet diese basale Anschwellung die erste Wurzel. c) Stipulae laterales von Najas. (Taf. I, Fig. 7 und 38.) Obwohl wir über die Blattformen von Najas durch Alexander Draun') und später durch P. Magnus?) bereits gut unterrichtet sind, so blieb doch die wahre Natur der „Blattscheide“ von Najas bis jetzt verkannt. Die Majorität aller Najas-Arten besitzt mehr oder minder deutlich ausgeprägte paarige Stipeln. Am schönsten dürften sie bei Najas graminea entwickelt sein. Es ist dies eine in Norditalien vor- kommende Art, die in ihrem ganzen Habitus lebhaft an unsere ein- heimische Najas minor erinnert. Das Blatt von Najas graminea ist IE c. pag. 274, 2) l. c. pag. 46. 8 H. Glück: [8 schmal, lineal. Die „Blattscheide‘‘ welche die Sproßachse mehr oder minder umfaßt, geht nach oben zu beiderseits in je ein „Zähnchen“ über. Diese Zähnchen sind aber nichts anderes als die freien Teile kräftig entwickelter Nebenblätter (Fig. 7). Die beiden Stipeln sind im unteren Teil seitlich mit der Blattbasis verwachsen, während sie nach oben in eine lang vorgezogene Spitze auslaufen. Ihre Länge beträgt 2—5 mm, so daß sie mit bloßem Auge noch gut wahrgenommen werden können. In gleicher Weise wie das Hauptblatt sind auch die Nebenblätter von Najas graminea am Rande mit feinen Stächelchen besetzt. Ganz ähnlich wie die Stipeln von Najas graminea sind auch die der exotischen Najas tenuifolia !) beschaffen. Etwas anders als Najas graminea verhält sich Najas minor (Fig. 8). Die Basis des Laubblattes trägt ebenfalls eine große „Scheide“, welche die Achse mehr oder minder umschließt. Im ausgebreiteten Zustand besteht sie aus zwei großen, hautartigen Flügeln, die sich von der schmalen Lamina deutlich absetzen. Der obere Rand dieser Flügel ist scharf gezähnelt. In Wirklichkeit haben wir es auch hier mit 2 Stipeln zu thun, die denen der Najas graminea entsprechen. Wir können uns leicht vorstellen, wie die Stipeln der Najas graminea aus unvollkommneren, wie sie Najas minor besitzt, dadurch hervor- gegangen sind, daß letztere an ihrer oberen Randpartie weiterwuchsen und sich so vervollkommneten. Genau ebenso wie Najas minor verhielten sich die Stipeln von mehreren exotischen Najas-Arten, von denen ich Najas malayana, Najas conferta, Najas indica, Najas latior und Najas horrida an- führen kann. Die Stipulae der exotischen Najas falciculata und Najas Wrigh- tiana nehmen hinsichtlich ihrer Gestalt genau eine Mittelstellung ein zwischen denen von Najas graminea und denen von Najas minor. Die Stipeln der von mir untersuchten Najas- Arten enthalten ohne Ausnahme keine Gefäßbündel; auch keine Phlo@mstränge. Wohl aber wird die Basis der Blattspreite, die als Anheftungspunkt für die Stipeln dient, von einem stärkeren und zwei feineren Gefäß- bündeln durchzogen. Der Einwand, daß infolge der fehlenden Gefäß- bündel in den Stipeln, diesen die Natur von Nebenblättern nicht zukomme, ist völlig unbegründet. Wenn wir bedenken, daß alle Najas-Arten submers lebende Gewächse sind, so kann es gar nicht befremdend sein, wenn 1) Diese und die noch weiter unten erwähnten ausländischen Najas-Arten, die ich untersuchte, waren dem Berliner Herbarium entnommen. 9] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 9) wir Blattorgane antrefien, in denen die Leitungsbahnen bis zum völligen Schwunde reduziert sind. d) Stipulae laterales von Althenia sp. (Tafel, Bier 3) Es ist dies eine mir aus dem Berliner Herbar!) vorliegende Pflanze, über deren systematische Zugehörigkeit ich nicht ins Reine kommen konnte. Habituell war sie von Althenia filiformis nicht ver- schieden, unterschied sich aber von ihr hauptsächlich dadurch, daß ihre zarten Grasblätter an der Basis stets mit paarıgen Stipeln aus- gerüstet waren. Die Stipeln sind mit ihrem größten unteren Teil einseitig der Spreite angewachsen, während das obere Ende frei ist. Die Blütenhüllblätter (Fig. 9b) der Althenia sp. sind als spreiten- lose Stipelpaare aufzufassen, die sich von denen normaler Laubblätter nur durch ihre geringe Größe unterscheiden. Sie sind offenbar in- folge eines Hemmungsprozesses aus Laubblatt-Anlagen hervorgegangen, welche zu Gunsten der Blütenentwickelung eine Blattspreite nicht mehr haben anlegen können und auch nur eine geringe Ausdehnung erreichen konnten. e) Stipulae laterales von Smilax otigern. (Taf. I, Fig. 10.) Diese Art sieht habituell den in Gärten vielfach kultivierten sehr ähnlich. Ihre windende Achse ist mit langgestielten, eiförmigen Blättern besetzt. Dagegen ist der unterste Teil des Blattstiels, der sonst als unscheinbare Scheide entwickelt ist, mit zwei großen, kräftigen Stipeln ausgerüstet. Diese Stipeln erreichen beträchtliche Größe und werden an den mir vorliegenden Exemplaren bis 2,5 cm lang. Oben, noch mehr aber unten sind sie in gerundete Läppchen vorgezogen. Beide Stipeln bilden zusammen mit der Blattstielbasis ein schildförmiges Gebilde, das mit tief herzförmigem Grunde den Stengel umfaßt und aus dessen Mitte nach oben zu der freie Blattstiel sich erhebt. Die Stipeln sind von fester, lederartiger Beschaffenheit und durchsetzt 1) Die Etikette des Berliner Herbars lautet: Zanichellia (= Althenia) Preissii Lehm. Lake Wellington. Botanical Museum of Melbourne. Ferd. Müller, Ph. und M. D. Da diese Pflanze von authentischen Exemplaren der Zanichellia Preissii hinsichtlich ihrer Stipularbildung an den Blättern wesentlich abweicht, so mag sie hier als Althenia sp. bezeichnet sein und nicht als Zanichellia, da sie keine röhrige Stipel besitzt, 10 H. Glück: [10 von einem Maschennetz von Blattnerven. Ebenso wie zahlreiche andere Arten ist auch Smilax otigera mit Kletterranken ausgerüstet. Die Ranken entspringen, wie das die Fig. 10 auch deutlich zeigt, aus dem Blattstiel, und ihre Insertionsstelle wird von den freien Stipelläppchen noch ein wenig überragt. Bei der Majorität der Smi- laceen (z. B. S. aspera) ist die den paarigen Stipeln von Smilax otigera homologe Partie in Form einer unansehnlichen Stielscheide ausgebildet, welche ebenfalls zwischen der Anheftungsstelle der Ranken einerseits und der Insertionsstelle des Blattstieles an der Achse andererseits gelegen ist. Ich sehe in dieser. Stielscheide ein Stipelpaar, das auf früher Entwickelungsstufe stehen blieb und bei Smilax otigera nur ausnahmsweise einmal seine volle Ausbildung erreichte. Häufig läuft diese „Stielscheide* oben in eine sehr schwach entwickelte, unpaare Ligula aus, so daß wir die „Stielscheide“ solcher Arten als eine rudimentär gebliebene Stipula adnata auffassen dürfen. Nicht unerwähnt mag die Stipel von Smilax discotis sein, welche eine Mittelstellung einnimmt zwischen den paarigen Stipeln und der Stipula adnata. Es genügt auf die in Fig. 34 dargestellte ganz ähn- liche Stipel von Philodendron pteropus zu verweisen, die nur in so- fern von derjenigen der Smilax discotis abweicht als sie bedeutend länger wird als die letztere, welche etwa 1 cm Länge erreicht. Das bei Smilax otigera vorhandene freie Blattstielstück fehlt also bei Smilax discotis; und ebenso unterbleibt auch die Ausbildung von Ranken. Eine gänzliche Unterdrückung jeglicher Stipularbildung am Blattstiel kommt bei Smilaceen nur selten vor; so bei der Unter- gattung Rhipogonum (z. B. Rh. scandens, parviflorum u. a.) die eiförmigen Spreiten dieser Arten sitzen einfachen, scheidenlosen Blattstielen an. Die Stipeln von Smilax otigera verschaffen uns ohne weiteres auch Aufschluß über die viel umstrittene Frage nach der Deutung der Smilaxranken!), die hier nicht übergangen werden darf. Wohl die meisten Morphologen halten die an der Blattbasis vor- kommenden Ranken von Smilax für metamorphosierte Stipeln, und bezeichnen sie daher als „Stipularranken“. Diese Deutung finden wir bei Mirbel (Tom. II pag. 680), Treviranus (Tom. II pag. 138), Seringe (pag. 175), De Candolle (Theor &l. pag. 321), Trecul (pag. 295), 1) Zur weitern Orientierung über die Frage nach der Natur der Smilax- Ranken verweise ich vor allem auf @. Colomb (pag. 28), sowie auf den von anderer Seite citierten Delpino (pag. 19 ff.); das letztere Werk ist mir leider nicht zugänglich gewesen. 11] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 11 Cauvet (pag. 240 u. 257) u. a. Dieser Ansicht stehen jedoch drei andere gegenüber. Die zweite Deutung besteht darin, daß man die Smilaxranken für besondere, rankenartige Blattabschnitte eines dreiteiligen Blattes ansieht. Diese Ansicht finden wir bei De Mohl (pag. 41), Lindley (pag. 118), Zink (Vol. I pag. 478), A. de St. Hiavre (pag. 170), Le Maout (pag. 23) und in neuester Zeit bei Celakovsky (pag. 170f). Die dritte Deutung besteht darin, daß man die Smilaxranke als eine zweiteilige Ligula auffaßt, deren separierte Läppchen ranken- artig geworden sind. Diese Ansicht wird vertreten von @. Colomb (pag. 28 ff.). Die vierte Deutung besteht darin, daß man die Smilaxranken als besondere, dem Blattstiel zugehörige Teile aufgefaßt hat; diese Ansicht vertritt M. Olos (pag. 984). Dieser Auffassung scheint auch die von Goebel (Organogr. II, 2, pag. 433) nahezustehen, der die Ranken von Smilax als „Neubildungen“ bezeichnet, welche weder mit Stipeln noch auch mit umgewandelten Blattabschnitten etwas zu thun haben. Daß die Smilaxranken keine umgewandelten Nebenblätter sein können. ist mit Rücksicht auf die von Smilax otigera gegebene Schilderung definitiv bewiesen. Die thatsächlich vorhandenen Stipeln dieser Art haben ja, wie wir sahen, zwischen der Rankenbasis und der Insertionsstelle des Blattstiels an der Achse ihre Lage. Ebenso ist aber auch die dritte von (olomb gegebene Deutung der Smilaxranken widerlest. Würden die Ranken Abschnitte einer zweiteiligen Ligula sein, so müßten sie als direkte Fortsetzung der oberen, freien Ligula- läppchen erscheinen. Die zweite Deutung, daß die Ranken besondere Blattabschnitte eines dreiteiligen Blattes sind, ist ebenfalls zu ver- werfen. Einmal sitzen die Ranken stets im unteren Teil des Blatt- stiels, also weit von der eigentlichen Spreite entfernt, und dann giebt es auch keine Smilaceen mit dreizähliger Spreite!), wenn es auch mehreren Arten?) giebt, deren Lamina durch zwei seichte Buchten in drei stumpfe Lappen geteilt sind. Die einzige mögliche Deutung der Smilaxranken bleibt nur die von Clos. Die Ranken sind, wie das Verhältnis zwischen Ranken und Stipeln bei Smilax otigera zeigt, Anhangsgebilde der unteren Blattstielpartie. Hierfür spricht auch der Umstand, daß jedenfalls bei den meisten Species der Gattung die 1) confer auch (Goebel, Organographie II, pag. 433. 2) Deutlich dreilappige Blätter besitzen neben eiförmigen, zugespitzten ; Smilax Walteri, S. medica und S, Bona-nox, 12 H. Glück: 12 Blattspreite mit dem größten Stück des Blattstiels am Ende der Vegetationsperiode abgeworfen wird, während ein kleines basales Stück des Blattstiels zusammen mit den ansitzenden Ranken und den zugehörigen Stipeln an der Achse zurückbleibt. Etwas Ähnliches werden wir weiter unten von anderen Monokotyledonen kennen lernen, deren Stipula adnata die assimilierende Blattspreite abwirft. Bei gewissen Species fehlen die Ranken gänzlich; so bei allen zur Untergattung Rhipogonum gehörigen Arten, bei Simulax Myrtillus u. a., welche mehr strauchartigen Habitus und keine windende Achse besitzen. Bei einer Reihe von anderen Formen!) unterbleibt an den- jenigen Ästen, welche die Blütenstände tragen, die Ausbildung der Ranken zumeist bis auf winzige Rudimente, was jedenfalls darauf zurückzuführen ist, daß die zum Aufbau der Ranken nötigen Bau- stoffe zu Gunsten der Ausbildung von Blüten und Früchten verwendet werden müssen. f) Stipulae laterales von Pothos. (Taf. II. Fig. 11—13.) Am ausgeprägtesten dürften die freien Stipel bei Pothos longi- folius (Fig. 11) und Pothos Cathcarti (Fig. 12b) sein. Bei beiden variieren die Blätter nur wenig in Gestalt und Größe, und sitzen einer dünnen, scheinbar emporkletternden Achse an. Der obere Teil des Blattes wird gebildet von einer eiförmigen, zugespitzten Blattspreite; der untere Teil des Blattes besteht aus einem flach ausgebreiteten Gebilde von der Gestalt eines spitz zulaufenden, gleichschenkligen Dreiecks, welches ınan in der Systematik als „Blattscheide“ zu be- zeichnen pflegt. Letztere wird durchzogen von einer kräftigen Mittel- rıppe, die sich direkt in diejenige der Blattlamina fortsetzt. Ich erblicke in dieser „Blattscheide“ einen langen Blattstiel, dem seitlich zwei lange Stipeln angewachsen sind. Andere Pothos-Arten, wie Pothos Beccarianus (Fig. 14) und Pothos remotiflorus dürften diese Auffassung zur Genüge rechtfertigen; beide besitzen elliptische Spreiten, die von einfachen und oberseits nur schwach gefurchten Blattstielen getragen werden. Die Entwickelung der Stipeln ist hier an den Stielen eben unterblieben. Abgesehen von den eben besagten elliptischen Blättern erzeugen die beiden letztgenannten Pothos- Arten an be- stimmten Sprossen auch noch eiförmige oder fast rundliche, die sehr kurzen Stielen ansitzen. !) So bei Smilax eucalyptifolia, S. floribunda, S. robusta, S. laurifolia, 8. hypoglauca, S. China u. a. a 13] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 13 Bei Pothos Papuanus, clavatus und elegans sind die Stipeln an ihrem Ende abgerundet (Fig. 13) und nicht in Öhrchen ausgezogen, wie das bei Pothos Cathcearti und Pothos longifolius der Fall ist. Bei Pothos Cathcarti und anderen verwandten Arten gehen den normalen Laubblättern Niederblätter vorher (Fig. 12a), welche der Hauptsache nach aus einem Blattstiel mit zwei anhaftenden Stipeln bestehen, die allerdings nicht so deutlich ausgebildet sind als bei dem Laubblatt. Die Laubspreite solcher Niederblätter ıst dann in Gestalt winziger Rudimente noch erhalten. Noch weiter geht die Reduktion der Spreite bei den an der Basis eines Blütenstandes befindlichen Niederblättern, sowie bei der Spatha. Beide werden meist nicht über 1,5 cm lang, sind länglich und von kahnförmiger Gestalt. Die Spreite ist hier nur noch in Gestalt eines kleinen dunklen Spitzchens vorhanden, das als Überbleibsel der Spreitenmittelrippe aufzufassen ist. g) Stipulae laterales von Ruppia. (Taf. II. Fig. 15.) Die Blätter von Ruppia rostellata besitzen an ihrer Basis eben- falls eine breite „Scheide“, die in ihrer natürlichen Stellung rinnen- förmig den Stengel umschließt. In Wirklichkeit setzt sich jedoch diese Scheide zusammen aus zwei langen schmalen Stipeln, die mit ihrer einen Längsseite der linealen Spreitenbasis angewachsen sind. Beide Stipeln setzen sich oben rechtwinkelig an die lineale Spreite an. Die Stipeln von Ruppia rostellata sind denen von Althenia sp. homolog und unterscheiden sich von letzteren hauptsächlich durch das Fehlen freier Stipelläppchen. Rudimentär ausgebildete Stipulae laterales. (Taf. II, Fig. 16 und 17.) Die rudimentär ausgebildeten Stipulae laterales können als solche nicht ohne weiteres erkannt werden. Sie stellen mehr oder minder stark entwickelte „Scheiden“* vor. Mit Hilfe des systematischen Vergleiches können sie zumeist als paarige Stipeln aufgefaßt werden, welche auf einem jugendlichen Entwickelungsstadium stehen geblieben sind. Solche rudimentäre seitliche Stipeln finden wir bei Hydrochariten, bei Smilaceen, bei Najadeen und Araceen. Zunächst sei die zu den Hydrochariteen gehörige, marine Tha- lassia erwähnt, bei welcher die Stipeln verhältnismäßig noch am deutlichsten ausgebildet sind. Die zwei einzigen Arten der Gattung Th. Hemprichii und Th. testudinum besitzen bandförmige, unterge- tauchte Blätter. Bei beiden finden wir an der Blattbasis flügelartige 14 H. Glück: [14 Ansätze vor (Fig. 16), welche in ihrer natürlichen Lage die Basis der jüngeren Blätter umschließen. Mit Rücksicht auf die nahe Verwandtschaft von Hydrocharis morsus ranae dürfen wir die Blattansätze von Thalassia als Rudi- mente paariger Stipeln auffassen. Hierfür spricht auch der Umstand, daß die Blattbasis von Thalassıa mit ihren rudimentären Stipeln sich ähnlich verhält wie die Stipula aduata anderer, der Thalassia nahestehender Gattungen. Ähnlich wie gewisse Potameen (Zostera, Posidonia, Cymodocea) wirft die scheidige Basis von Thalassia später ihre assimilierende Spreite ab. Dabei fault die Spreite an derjenigen Stelle durch, an welcher die Ligula ihren Sitz haben sollte. Die Blattbasis bleibt mit ihren rudimentären Stipeln an der Achse zurück, um später zu zerfasern. Sie ist offenbar äquivalent der Stipula adnata, die aber ihrerseits wieder eine Modifikation der Stipulae laterales vorstellt. Hinsichtlich der Smilaceen habe ich bereits oben darauf hinge- wiesen, daß die Mehrzahl derselben nur rudimentäre Stipulae laterales besitzt. Sie sind entwickelt in Gestalt von Blattstielscheiden, die zwischen der Ansatzstelle des Blattstieles an der Achse und zwischen der Rankeninsertion am Stiel ihre Lage haben. Die rudimentären Stipulae laterales der Najas flexilis (Fig. 17) und der exotischen Najas punctata erscheinen als blosse Verbreiterung der linealen Spreite, die schwach stengelumfassend ist. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, daß die Scheidenbildung dieser beiden Najadeen ausnahmsweise durch nachträgliche Reduktion ursprünglich vorhandener Stipulae laterales zustande gekommen ist, da ja die Mehrzahl der Najas-Arten mit wohl entwickelten seitlichen Stipeln ausgerüstet ist. Schließlich muß noch eine große Anzahl Araceen hierher gezogen werden, deren Blattstiele infolge von „Anhängseln“ an der Basis scheidig sind. Jedenfalls lassen die paarigen Stipeln von Pothos eine solche Deutung für diese Stiel-Anhängsel zu, die bald mehr, bald minder scharf sich an den Blattstiel ansetzen können. Unter den Dicotyledonen giebt es ein Analogon zu den rudi- mentären paarigen Stipeln der Monokotyledonen, wie ich sie eben geschildert habe. Eichler faßt in seiner jetzt öfters citierten Arbeit die Blattscheide der Umbelliferen und Ranunculaceen als eine beson- dere Modifikation paariger Stipeln auf. Auf pag. 35 heißt es: Diese ‚Scheidenbildungen stellen sich als mehr oder minder häutige Ausbreitungen am Grunde des Blattstieles dar, die von diesem unter 15] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 15 einem bald spitzeren, bald stumpferen Winkel deutlich abgesetzt sind. Nur selten ist letzteres nicht der Fall und die Scheide ‚verläuft‘ alsdann stetig in den Blattstiel. Ihre oberen Enden bilden meist abgerundete Läppchen, welche in manchen Fällen mit einander und auch wohl mit der Innenfläche des Blattorganes verbunden sind (Foenieulum, Cicuta). Die Größe des ganzen Scheidenorganes, wie auch die der freien Enden ist sehr variabel‘. Eichler stützt seine Anschauung hauptsächlich mit der Ent- wickelungsgeschichte; die „Stipularscheide‘“ ist (pag. 36) in einem gewissen Stadium der Entwickelung keineswegs verschieden von paarigen Stipeln. Während die Stipulae laterales stets in Gestalt paariger Organe auftreten, stellt die Stipula adnata sowohl, als auch die Stipula axillarıs stets ein unpaares Blättchen vor. Die Stipula adnata bildet mit ihrem jeweiligen Laubblatt ein zusammengehöriges Ganze und ist stets mit demselben „verwachsen“. Die Stipula axillaris dagegen erscheint im fertigen Zustand als ein in der Blattachsel sitzen- des Blättchen. Betrachten wir zunächst die erstgenannte. Il. Stipula adnata. Alle Monokotyledonen, deren „Blattscheide* oben mit einer so- genannnten „Ligula“ endet, gehören hierher. DieLigula ist bekanntlich ein kleines, meist hautartiges Anhängsel des Blattes, das sich an der Grenze von Blattscheide und Blattspreite erhebt. Die morphologische Natur der Ligula ist viel umstritten worden und auch heute sind die Ansichten über dieselbe noch geteilt. Die einen erblicken in der Ligula ein besonderes Organ, das in keinen morphologischen Zusammenhang mit echten Stipularorganen gebracht werden darf. Eine Ansicht, die gegenwärtig unter Botanikern die herrschende sein dürfte. Die anderen dagegen versuchen die Ligula in Zusammenhang mit echten Stipularorganen zu bringen. 81. Hilaire!) dürfte als erster einen derartigen Versuch gemacht haben. Seiner Ansicht nach ist die Ligula der oberste, freie Teil einer blattachselständigen Stipel, die mit ihrem größeren unteren Teil, mit der Basis des zugehörigen 1) le; pag. 1957, 16 H. Glück. 116 Blattes verschmolzen ist. Fast genau die gleiche Auffassung der Ligula äußerte später im Jahre 1860 Cosson!), der zum erstenmal auf die Homologie aufmerksam machte, die zwischen dem Blatt von Potamogeton pectinatus und dem der Gramineen besteht. Cosson findet im Jahre 1887 einen Anhänger seiner Theorie in (olomb?). Eine dritte Deutung der Ligula hat neuerdings (elakovsky?) gegeben. Seiner Ansicht nach ist die Ligula, zunächst die der Gramineen, das Homologon einer axillären Stipel. Meinen eigenen Beobachtungen zufolge steht die Ligula in der That mit echten Stipeln in Zusammenhang. Die Ligula ist hervor- gegangen durch Verschmelzung der freien Teile zweier Stipulae laterales und sie entspricht, wie Si. Hilaire bereits richtig erkannte, dem obersten Teil einer axillären Stipel. Den Schlüssel für die morphologische Deutung der Ligula giebt uns die Gattung Potamogeton. Die Keimungsgeschichte von Potamogeton (Taf. II, Fig. 18—2) ist für das rechte Verständnis des Nachfolgenden von der größten Bedeutung. Ich muß daher zunächt auf dieselbe eingehen. Die von mir untersuchten Arten sind Potamogeton polygonifolius, P. fluitans, P. rufescens und P. plantagineus®). Die aus Samen gezüchteten Keimlinge waren in 10—20 cm tiefem Wasser kultiviert worden. Habituell sind sie ziemlich gleichartig. Der Kotyledon (Fig. 18c) trägt eine pfriemliche, oft mehrere cm lang werdende Lamina, die im reifen Samen bereits weit vorgebildet und nach Art einer Spiral- feder eingerollt ist. Der untere Teil des Kotyledons trägt zwei häutige Anhängsel (=s), welche die Sproßachse umschließen und die morpho- logisch als Stipulae laterales aufgefaßt werden dürfen (Fig. 19). Die auf den Kotyledon folgenden Primärblätter sind bei Potamogeton rufescens, P. fluitans und P. plantagineus lineal — lanzettlich und bei P. polygonifolius lineal (Fig. 18). Die Primärblätter der erst- genannten Arten lassen mit Rücksicht auf ihre Stipelbildungen drei VE (renerationen erkennen. ce. pag. 164, ff. 4) Die Samen von Potamogeton polygonifolius stammten von Genk bei Hasselt in Belgien; die von P. fluitans aus dem Neckar bei Heidelberg; die von P. rufescens von Baiersdorf bei Erlangen; und die von P. plantagineus von Waag- häusel bei Speyer, 1). 2) A; Fe 37, ff. 3) |. ) ha ee 17] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 17 Die Primärblätter der ersten Blattgeneration sind mit paarigen Stipeln ausgerüstet. Von diesen Primärblättern werden ein bis zwei erzeugt (letzteres häufig bei Potamogeton rufescens und P. planta- gineus). Die Stipeln (= s in Fig. 20 u. 21a) sind lang, schmal und setzen sich oben spitzwinkelig von der Blattbasis ab, mit der sie zusammen eine sogenannte „Blattscheide‘‘ konstituieren. Die Stipeln dieser Primärblätter sind von denen zahlreicher Rosa-Arten durchaus nicht verschieden. Die Blätter der zweiten Blattgeneration dagegen besitzen eine „Blattscheide“‘, welche nach oben mit einer Ligula endet. Es um- fasst diese zweite Blattgeneration je nachdem 2—4 ligulierte Laub- blätter. Und zwar ist die Ligula dieser Blätter um so größer, je höher das betreffende Primärblatt an der Sproßachse inseriert ist (vergl. Fig. 21 c u. d, sowie Fig. 22 a u. b). Die Ligula ist offenbar dadurch zu stande gekommen, daß die freien Stipelenden, wie sie der ersten Blattgeneration eigen sind, miteinander verschmolzen sind zu einem unpaaren Blättchen, das. man „Ligula‘‘ nennt. Ich möchte hier ausdrücklich bemerken, daß ich das Wort Verschmelzung phylo- genetisch verstanden wissen möchte. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß es sich um eine Verschmelzung ım ontogenetischen Sinne handelt, da es ja auch nicht gelingt, wie ich weiter unten zeigen werde, die axilläre Stipel von Potamogeton auf diesem Wege von getrennten Primordien herzuleiten. Den Verschmelzungsprozeß können wir uns leicht erklären, wenn wir die Figuren 2la, b und c miteinander vergleichen. Fig. 21a trägt paarige Stipeln (s) mit freien Stipel- enden, während das Blatt in Fig. 21c eine normale Ligula trägt. In der Mitte zwischen diesen beiden steht Fig. b. Bei den mit i bezeich- neten Stellen ist die Bildung der Ligula bereits eingeleitet. Es sind die untersten Teile freier Stipelenden, die sich durch Übergreifen über die eigentliche Blattfiäche einander genähert haben. In Fig. c sind die gleichen Teile i bereits miteinander verschmolzen und haben zur Bildung einer Ligula geführt. Nur die große mediane Cäsur der Ligula, die in Fig. c und d sichtbar ist, deutet noch darauf hin, daß die Ligula durch Verwachsung paariger Organe hervorgegangen sein muß. Bei Potamogeton polygonifolius und mitunter auch bei P. fluitans unterbleibt die Bildung der ersten Blattgeneration und es treten von vornherein ligulierte Laubblätter auf. Die Ligula ist, wie wir jetzt gesehen haben, ein unpaares Organ, das durch Verschmelzung von zwei freien Stipelenden entstanden Verhandl. d, Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F, VII. Bd. 2 18 H. Glück: [18 ist. Die an dıe Ligula nach unten zu anstoßende „Blattscheide* da- gegen ist ein aus drei Teilen bestehendes Gebilde, (Fig. 21c), das mittlere Stück (=b) ist der unterste Teil des Blattes oder richtiger des Blattstiels. Die beiden mit s bezeichneten Teile sind die unteren mit dem Blattstiel verwachsenen Teile zweier Stipeln. Eine so ent- standene Stipel nenne ich „Stipula adnata“, eine Bezeichnung mit der ich keineswegs einen entwickelungsgeschichtlichen Begriff ver- bunden wissen möchte!). Den unteren, mit St. bezeichneten Teil nenne ich „Stipularscheide“. Den oberen aus zwei Stücken kombinierten Teil nenne ich, wie das bisher auch zu geschehen pflegte, „Ligula“ (—]). Diese Bezeichnung kann jedoch nur mit einem gewissen Vor- behalt in Anwendung gebracht werden. Ein Vergleich der Fig. 21 ce u. d lehrt uns, daß der Begriff „Ligula“ bald ein engerer, bald ein weiterer sein muß, entsprechend dem jeweiligen Größenverhältnis, das zwischen Ligula und Stipularscheide besteht. Die Ligula (=L) von Fig. 21d kann gewiß nicht parallelisiert werden mit der Ligula 1 von Fig. 21c. Der obere Teil (=1,) entspricht etwa bis zu der von mir gezogenen Horizontallinie wirklich der Ligula 1 von Fig. 21c. Der untere Teil der Ligula dagegen (=]1,) ist offenbar dadurch ent- standen, daß ein ebenso langes Stück der Stipularscheide von Fig. 21c sich gespalten hat in eine innere Partie (=]1,), die jetzt als ein Teil der Ligula erscheint, und in eine äußere Partie, die jetzt ein Stück der Blattstielbasis vorstellt. Letzteres ist in Fig. d nicht besonders bezeichnet. Somit ist der untere Teil der Ligula —=1, homolog der mittleren Partie von zwei seitlichen Stipeln, die mit ihren inneren Rändern verwachsen sind. Je höher die Primärblätter der zweiten Blattgeneration an der Achse inseriert sind, um so vollkommener ist die Spaltung der ursprünglichen Stipularscheide, und um so größer wird die Ligula (=L). Die dritte Primärblattgeneration ist durch die Existenz freier, achselständiger Stipeln (Stipulae axillares) ausgezeichnet (Fig. 21 f u. g). Die Spaltung der ursprünglichen Stipularscheide hat die äußerste Grenze erreicht und die „Ligula“ L hat blattachselständige Lage 1) Ältere Autoren haben mit der Bezeichnung Stipulae adnatae besonders ausgebildete paarige Stipeln belegt. So bezeichnete man die Stipeln von Lupinus, von vielen Trifolium-, von Potentilla- und Rosa-Arten als Stipulae adnatae. In Wirklichkeit aber handelt es sich um paarige Stipeln, die nur im obersten Teil frei sind, während sie bei anderen Pflanzen (z. B. Tilia und Quercus) dem Blatt- stiel gegenüber eine mehr selbständige Stellung einnehmen (siehe auch Eichler IV. pag. 34). 19] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 19 angenommen. Solche achselständige „Ligulae‘ müssen aber jetzt als Axillarstipeln bezeichnet werden. Weitaus der größte Teil einer solchen Stipel ist homolog zwei seitlichen Stipeln, die mit ihren inneren Rändern verwachsen sind; und nur eine kleine obere Partie dieser Stipel (—] in Fig. 21f) entspricht einer Ligula im eigentlichen Sinn. Die Blatt- spreiten der dritten Primärblattgeneration weichen von denjenigen fertiger Laubblätter durch ihre geringe Größe und zum Teil auch noch durch ihre lineale oder lineal-lanzettliche Gestalt ab. Daß es sich bei der Bildung der Stipula axillarıs wirklich um ein Spaltungsprodukt einer ursprünglichen Stipularscheide handelt, lehrt auch das Studium des Gefäßbündelverlaufes. In Fig. 21e ist eine Stipula adnata dargestellt, wie sie etwa der Fig. 21d entspricht. Die Stipularscheide wird von parallelen Nerven durchzogen; die in der mittleren Partie der Stipularscheide gelegenen Nerven (mit 1—3 bezeichnet) sind am stärksten und ihre Fortsetzung nach oben in den freien Teil des Blattes ist hier nicht zu sehen. Vergleichen wir nun mit dieser Stipularscheide die Basis eines Primär- blattes der dritten Blattgeneration, das eine freie, axilläre Stipel trägt (Fig. 21g). Die Basis eines solchen Blattes wird durchzogen von fünf parallelen Nerven (mit 1—3 bezeichnet), von denen der mittlere am stärksten ist. Die zu diesem Blatt gehörige Stipel (Fig. 21f) wird durchzogen von vier größeren Nerven; je zwei ge- hören den Flanken der Stipel an und fusionieren oben miteinander (mit IV und V bezeichnet). In dem mittleren Teil der Stipel kann man nur mit Mühe einige wenige sehr feine Nerven noch auffinden. Aus diesem Vergleich geht offenbar hervor, daß in der Stipularscheide von Fig. 21e sowohl die Nerven einer axillären Stipel als auch die einer freien Blattbasis gleichzeitig enthalten sind. Die fünf mittleren Nerven der Stipularscheide, die mit arabischen Ziffern bezeichnet sind, gehören dem Blattgrunde an, wie er in Fig. 21g dargestellt ist, während die rot gezeichneten Nerven (mit IV und V bezeichnet), welche in den Flanken der Stipularscheide liegen, der Stipel angehören. Aus dem eben geschilderten Verhalten der Stipularbildungen an den Primärblättern von Potameenkeimlingen lassen sich hinsicht- lich der Zusammengehörigkeit der verschiedenen Stipelbildungen drei wichtige phylogenetische Schlüsse ziehen, die etwa in folgender Weise formuliert werden können: I. Die paarigen Stipeln stellen den phylogenetisch ältesten Typus vor, der als Ausgangspunkt für alle anderen Stipularorgane gedient hat. Die Primärblätter Ir 20 H. Glück: [20 mit paarigen Stipeln nehmen die tiefste, unterste Region an der Sproßachse des Keimlings ein. II. Die Stipula adnata stellt den phylogenetisch zweit- ältesten Typus vor. Die mit einer Stipula adnata aus- gerüsteten Primärblätter nehmen die zweite Region an der Sprobachse des Keimlings ein. Die für. diese Stipel charak- teristische Ligula ist durch Verschmelzung der freien Enden paariger Stipeln entstanden. III. Die Stipula axillaris stellt den phylogenetisch jüngsten Typus vor. Die Primärblätter mit axillärer Stipel nehmen die dritte und höchste Region an der Sproßachse des Keimlings ein, sie sind zuletzt gebildet worden. Diese Stipula axillaris ist dadurch aus der Stipula adnata entstanden, daß eine Spaltung der Stipularscheide stattgefunden hat. Im Nachstehenden werden wir noch einige andere Argumente kennen lernen, welche für die Richtigkeit der von mir aufgestellten Sätze sprechen und auf welche ich hier noch kurz verweisen muß. Die Stipula adnata („Stipulartute“) der Polygoneen entsteht durch ontogenetische Verschmelzung paariger Stipeln (pag. 33f.). Die Stipula axillarıs von Melianthus major entsteht durch ontogenetische Verschmelzung getrennter Primordien, die paarigen Stipeln homolog sind (pag. 63). Die Stipula adnata von Hedychium zeigt an den Primärblättern oft eine zweilappige Ligula, während dem die Ligula fertiger Laub- blätter ungeteilt ist (pag. 26). Bei Artocarpus integrifolia besitzt die „Tute* an den Keim- pflanzen einen Einschnitt, „der die Zusammensetzung aus zwei Neben- blättern erkennen läßt“, während die fertige Pflanze eine unpaare Tute (= Stipula axillaris) besitzt). Je nachdem die Ränder der Stipularscheide einer Stipula adnata frei oder miteinander verwachsen sind, unterscheide ich eine „offene“ und eine „geschlossene“ Stipula adnata. A. Offene Stipula adnata. Diese hat stets zwei freie Blattränder. In der Regel berühren sie sich oder sie greifen ein wenig übereinander, so daß die Stipel röhrige Gestalt annimmt. Seltener bleiben die Ränder von einander entfernt, so daß die Stipel rinnenförmige Gestalt aufweist. Entsprechend dem jeweiligen Größen-Verhältnis der Ligula zur Stipular- !) Nach Goebel, Organographie II, 2., pag. 563. 21] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 21 scheide unterscheide ich eine Stipula adnata a) mit großer, b) mit kleiner und c) mit fehlender Ligula. a) Offene Stipula adnata mit grofser Ligula. Unter den von mir untersuchten Monokotyledonen können nur wenig Formen hier genannt werden. Zwei Hydrochariteen: Hydrocharis asiatica und Limnobium Spongia. Einige Araceen: Rhynchopyle elongata, Microcasia elliptica, M. pygmaea und (alla palustris. Schließlich einige Potameen: Althenia filiformis var. Barrandonii, Potamogeton pectinatus und P. striatus. Offene Stipula adnata bei Hydrochariteen (Taf. II, Fig. 23). Zunächst sei Hydrocharis asiatica!) genannt. Habituell ist diese Pflanze von unserer einheimischen Hydrocharis morsus ranae nicht verschieden. Das basale „Anhängsel“, welches den Schwimmblattstiel auszeichnet, ist eine große, offene Stipula adnata (Fig. 23). Sie ist dorsal, fast-ganz an der Basis mit dem Schwimmblattstiel verwachsen; läßt sich aber zusammen mit diesem leicht von der Sproßachse ab- lösen. Die Ligula (= L) nimmt den größten Teil der Stipel ein und ist 4—5mal so lang als die Stipularscheide (= S). In ausgebreiteter Lage maß die Stipel eines wohl entwickelten Schwimmblattes 30 mm Höhe und an der Basis 16 mm Breite. Die Stipel hat zarte, häutige Beschaffenheit und umgiebt, kahnförmig zusammengelegt, ursprünglich die jüngeren Blatt- und Stammteile; durchzogen wird die Stipel von zahlreichen sehr zarten und parallelen Nerven. Genau ebenso wie Hydrocharis asiatica verhält sich Limnobium Spongja?). Die Pflanze wird durchschnittlich etwa 10 cm lang und bildet lang gestielte Laubblätter mit einer rundlichen, schwach herz- förmigen und etwas zugespitzten Blattspreite. Jeder Blattstiel trägt an seiner Basis eine große häutige Stipula adnata, die nur halb so groß wird als die von Hydrocharis asiatica, im übrigen aber keines- wegs von ihr abweicht. Abgesehen von Hydrocharis und Limnobium gehört zu den Hydrochariteen (s. st.) noch die Gattung Hydromystria, von der ich aber leider keinen Vertreter untersuchen konnte. Die Stipula adnata 1) Die Etikette des Berliner Herbars lautet: Hydrocharis asiatica Migq.; Maximowiez, Iter secundum;; Japonia, Jokohama, 1862; Ex herb. horti bot. Petro- politani. 2) So verhalten sich die aus dem Berliner Herbar mir vorliegenden Exem- plare, während von anderer Seite wieder angegeben wird, dals Limnobium „keine Anhängsel“ am Blattstiel besitzen soll. 2) H. Glück: [22 von Hydrocharis asiatica und Limnobium Spongia ist ein Homologon der paarigen Stipeln von Hydrocharis morsus ranae. Die große Ligula dieser Stipel ist offenbar ein phylogenetisches Verschmelzungs- produkt freier Stipellappen, wie sie sich gegenwärtig nur noch bei Hydrocharis morsus ranae vorfinden. Offene Stipula adnata mit grosser Ligula bei Ara- ceen (Tafel HI, Fig. 24—27). Eine derartige Stipel besitzen die Blätter von Rhynchopyle, Microcasia und Calla. Die von mir unter- suchten Vertreter sind Rhynchopyle elongata, Microcasia elliptica, M. pygmaea und Calla palustris. Die Ligula dieser Arten ist im Ver- gleich zum zugehörigen Laubblatt stets sehr kräftig entwickelt; oft wird sie mehrmals länger als die Stipularscheide; sie ist stets von derber, lederartiger Konsistenz und niemals häutig, wie bei den zuvor geschilderten Hydrochariteen. Rhynchopyle elongata ist ein etwa fußhohes Kraut, das in Borneo zu Hause ist und elliptische, langgestielte Blätter trägt. Die Ligula der Stipel wird 2—6 mal so lang als die zugehörige Stipularscheide (Fig. 24). Sie erreicht eine Länge von 53—85 mm; an der Basis mißt sie 8 bis 10 mm (in extenso) und auf dem Rücken trägt sie, ähnlich wie die axillären Stipeln bei vielen Potamogeton-Arten, zwei kielartig vor- springende Leisten, zwischen welchen der Blattstiel der betreffenden Stipel während der Knospenlage sich befand. Ganz ähnlich verhalten sich die beiden, ebenfalls in Borneo einheimischen Microcasia-Arten. M. elliptica ist ein etwa 10 cm hohes Kraut, dessen gestielte, elliptische Blätter an der Basis mit einer un- gefähr 30 mm langen Stipel ausgerüstet sind (Fig. 25). M. pygmäea ist eine kleine, zwergige Aracee, die nur wenige cm hoch wird; ihre spateligen Blätter tragen an der Basis eine 4—6 mm lange Stipel (Fig. 26). Bei Calla palustris!) (Fig. 27) trägt jedes Blatt an seiner Basis eine große, kräftig entwickelte Sipula adnata von lang zugespitzter, kegelförmiger Gestalt. Die Ligula (= L) ist 1!/a,—!/e mal so groß als die zugehörige Stipularscheide (= S). Die Ligula ist ebenso wie die Stipularscheide von fester, fast lederartiger Konsistenz. Ihre Innenseite ist weißlich und ihre Außenseite grün. Gewaltsam in eine 1) Das von mir untersuchte Material dieser Pflanze wurde von mir im April 1899 in einem Waldsumpf am Valzner Weiher in der Nähe von Nürnberg gesammelt und von da in den Heidelberger botanischen Garten übertragen. Die Kulturpflanzen sowohl, als auch die im Spätherbst desselben Jahres am nämlichen Standort gesammelten Exemplare verhielten sich ganz gleich. 23] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 23 Fläche ausgebreitet, zeigt die Stipel die Gestalt eines gleichschenkeligen Dreiecks, das 43—87 mm hoch und an der Basis 13— 44 mm breit wird. Im Querschnitt betrachtet wird die Ligula bis über einen Milli- meter dick. Sie besteht aus ziemlich gleichartigen parenchymatischen Zellen, welche eine größere Anzahl Luftkanäle einschließen. Die Ligula wird von mehreren rudimentären Gefäßbündeln durchzogen. Auf der Rücken- (= Außen-) Seite der Stipel finden sich vereinzelte Spaltöffnungen vor; auf der Innenseite dagegen fehlen sie. Auch Bastfaserelemente sind keine vorhanden. In entwickelungsgeschichtlicher Hinsicht entsteht die Stipel von Calla palustris als eine Zellwucherung auf der basalen Innenseite der ursprünglichen Blattanlage. In frühester Jugend hat sie die Gestalt eines halbkreisförmigen Ringwalles, der sich allmählich nach Art eines Kegelmantels über den Vegetationspunkt zusammenschließt, wobei die freien Ränder der Stipel übereinandergreifen, ohne aber miteinander zu verwachsen. Gemäß der Mitteilung mancher Autoren erzeugt das Rhizom von Calla palustris vielfach auch Niederblätter. Ich habe solche weder in meinen Kulturen noch auch an Lokalitäten in der freien Natur beobachten können. Ihre Bildung dürfte auf schlechte Ernährung der Pflanze zurückzuführen sein. In morphologischer Hinsicht müssen sie als Stipulae adnatae bezeichnet werden, an denen die Entwicke- lung der Spreite unterdrückt wurde. Rhynchophyle Grabowskii*) besitzt, so viel ich einer mir vor- liegenden Abbildung entnehme, eine Stipula adnata, welche von der- jenigen der Calla palustris habituell wenigstens nicht verschieden sein dürfte. — Die Stipula adnata von Rhynchopyle, Microcasia und Calla ist homolog den paarigen Stipeln oben erwähnter Pothos-Arten. Und entstanden ist sie durch pylogenetische Verschmelzung paariger Stipel- teile, damit die den Stipeln zukommende Funktion, die Stammknospe zu schützen, in erhöhtem Maße verrichtet werden kann. Die offene Stipula adnata von Althenia filiformis var. Barrandonii?) (Taf. I, Fig. 28). Habituell ähnelt die Pflanze unserer Zanichellia palustris, zeigt aber überall da, wo Blütenstände auftreten, köpfchenförmig zusammengedrängte Laub- blätter, die zu innerst die sehr primitiven Blüten einschließen. Jedes 1) Siehe die Abbildung Nr. 196 in Einglers Exsiccatenwerk der Araceae. 2) Das untersuchte Material stammte von Montpelier. 24 H. Glück: r24 Laubblatt trägt an seiner Basis eine große Stipula adnata (Fig. 28a). Sie ist farblos, häutig und zeigt oben eine tiefe, scharfe Cäsur. Die Stipula ist zumeist eben so lang als die untere Stipularscheide. Die offene Stipula adnata von Althenia filiformis ist paarigen Stipeln homolog, wie sie die systematisch nahe stehende Althenia sp. auf- weist. Entstanden ist die Ligula dieser Stipel durch phylogenetische Verschmelzung freier Stipelteile, und als Zeichen dieses Verschmel- zungsprozesses ist die tiefe, mediane Cäsur der Ligula noch erhalten geblieben. Untersucht man die die Blüten einschließenden Blattschöpfe etwas näher, so findet man, dass die Blätter mit Annäherung an die Blütenteile eine allmählich kürzer werdende Blattspreite und eine allmälich kleiner werdende Stipula adnata aufweisen (Fig. 28 b, ce, d), Die den Blütenteilen zunächst stehenden Laubblätter oder richtiger Hochblätter besitzen entweder eine aufs äußerste reduzierte Spreite (Fig. 28e) oder gar keine mehr. Letzteres gilt auch von den „Blüten- hüllblättern“ (Fig. 28f). Solche spreitenlose Hochblätter entsprechen einer einfachen Stipula adnata. Die zwischen den normalen Laub- blättern und den Blüten befindlichen Hochblätter zeigen somit eine fortlaufende, in Reduktion befindliche Entwickelungsreihe, die mit dem normalen Laubblatt beginnt und mit einer einfachen, an Größe selbst noch reduzierten Stipula adnata endet. Die Hochblätter von Althenia filiformis sind somit als metamorphosierte Laubblätter auf- zufassen, die zu Gunsten der Bildung von Fortpflanzungsorganen eine nur rudimentäre Ausbildung erlangen konnten. Die offene Stipula adnata von Potamogeton striatus und P. pectinatus (Tafel II, Fig. 29 und 30). Beide Arten be- sitzen grasartige, lineale Blätter, die dorsal einer offenen Stipula adnata ansitzen'). Die Stipel umschließt mit ihren freien, nicht übereinander greifenden Rändern die dünne Sproßachse. Die Stipular- scheide ist bei P. striatus etwa 1!’ mal so lang als die Ligula, während sie bei P. pectinatus etwa 4—6 mal so lang wird als die zugehörige Ligula. Die Stipularscheide ist von derber, lederartiger Konsistenz; die Ligula dagegen ist farblos, hautartig und geht mit dem Älterwerden der Blätter leicht zu Grunde. Im ausgebreiteten Zustand ist die Stipel breit lineal und oben zumeist abgerundet (Fig. 30c). Beide Potameen stehen mit Rücksicht auf ihre Blattstipeln zu Pota- !) Der dem Potamogeton pectinatus so nahestehende P., filiformis besitzt eine geschlossene Stipula adnata, wie wir weiter unten sehen werden. Es ist das ein von Systematikern bisher unbeachtet gebliebener Unterschied. 25] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 25 mogeton densus in genau dem gleichen Verhältnis, in dem Hydrocharis asiatica zu H. morsus ranae steht. Die Stipula adnata beider Potameen ist offenbar ein Homologon der paarigen Stipeln von Potamogeton densus. Und entstanden ist diese Stipula adnata durch phylogene- tische Verschmelzung getrennt gewesener Stipelteile. Als letzten Rest dieser Stipulae laterales finden wir nicht selten bei P. striatus am Ende der Ligula noch zwei Läppchen vor, wie das auch in Fig. 29 zu sehen ist. Die „Niederblätter“, mit denen jeder normale Laubtrieb von Potamogeton pectinatus sein Wachstum beginnt, sind metamorphosierte Laubblätter, Stipulae adnatae mit völlig unterdrückter Laubspreite. Die auf die Niederblätter folgenden Primärblätter sind wenig modi- fizierte Laubblätter und unterscheiden sich von diesen nur durch die geringe Länge ihrer Blattspreite. b) Offene Stipula adnata mit kleiner Ligula. Hierher gehört eine größere Anzahl von Monokotyledonen, jedenfalls die meisten Zingiberaceen, die meisten Gramineen und zahlreiche marine Potameen. Die Araceen dagegen und Iuncaginaceen liefern nur wenige hierher zählende Formen. Fassen wir zunächst die Zingiberaceen ins Auge (Taf. II Fig. 31 und Taf. III Fig. 32). Der von mir untersuchte Vertreter ist ein im Treibhaus kultiviertes Hedychium sp. Die Blattspreite ist eiförmig und fast wagrecht abstehend. Die Ligula an der Basis der Spreite ist stets kräftig entwickelt, und 2—3 cm lang, während die Stipularscheide eine Länge von einem halben Meter und mehr er- reichen kann. Die Ligula ist rinnenförmig und auf der einen Seite offen. Die Stipularscheide greift mit ihren freien Rändern über- einander, so daß sie röhrenförmig erscheint. Die Ligula ist von ziemlich fester Konsistenz und außen grün; letzteres trifft auch für die Stipularscheide zu. Ebenso wie bei den kurz zuvor besprochenen Arten muß auch die Stipula adnata von Hedychium sp. aufgefaßt werden als ein Produkt, das durch Verschmelzung eines langen Blattstiels mit zwei sehr langen, schmalen Nebenblättern entstanden ist, während die Ligula den obersten, freien Teil beider Stipeln vorstellt und durch nach trägliche Verschmelzung von zwei ursprünglich freien Stipel- enden hervorgegangen ist. Für eine solche Auffassung können zwei Argumente namhaft gemacht werden. Die mit Hedychium nahe verwandte Gattung Zingiber zeigt nicht selten, daß ihre Ligula durch eine tiefe Cäsur in zwei deut- 26 H. Glück: [26 liche Lappen geteilt ist. So z. B. bei Zingiber inflexum, lingulatum (Fig. 31) und officinale. Die Lappenbildung ist bald mehr, bald minder deutlich ausgeprägt, und kann auch mit Bezug auf ein und dieselbe Species variieren. Bei Zingiber lingulatum sehen wir die kleine Ligula bald durch eine seichte Bucht ausgerandet, bald aber auch durch eine tiefe Cäsur in zwei Lappen geteilt (Fig. 31). Beide hängen nur ganz an der Basis durch einen kleinen Isthmus zusammen, der !a—1 mm hoch ist. Es zeigt uns diese Verbindungsbrücke den Beginn der Verschmelzung der beiden noch freien Stipelenden. Auch bei mehreren Ammomum-Arten fand ich die Ligula, die zumeist nur wenige mın Länge erreicht, mit einer seichten Ausbuchtung versehen. Den zweiten Beweis dafür, daß die Stipula adnata von Hedychium auf getrennte Stipeln zurückgeführt werden muß, erbringen die Primär- blätter des oben erwähnten Hedychium sp. Noch jüngere Triebe unserer Heidelberger Treibhauspflanze zeigen, wie der Bildung der normalen Laubblätter erst Niederblätter und dann Primärblätter vorher- gehen. Die Niederblätter sind aufzufassen als Stipulae adnatae mit völlig unterdrückter Laubspreite. Die Primärblätter (Taf. II, Fig. 32) dagegen sind Stipulae adnatae mit einer rudimentär ausgebildeten Laubspreite. Die Ligula solcher Primärblätter ist nicht selten in (restalt von zwei völlig getrennten und abgerundeten Läppchen ent- wickelt. Von einer sekundären Einreißung einer unpaaren Ligula, was an älteren Blättern vorkommen kann, konnte hier keine Rede sein. Beide Läppchen sind an ihrer Basis deutlich von einander entfernt und ihr Blattrand war stets völlig intakt. Die fast farb- losen Ligulaläppchen sind stets von zarten Gefäßbündeln durchzogen. Das Verhalten der Ligula bei den erwähnten Zingiber-Arten, sowie bei den Primärblättern von Hedychium sp. zeigt zur Genüge, daß die Stipula adnata von Hedychium sp. mit unpaarer Ligula aufzu- fassen ist als ein Produkt, das durch Verschmelzung eines langen Blattstiels und zwei sehr langen, schmalen Stipeln entstanden ist. Die in der Blütenstandsregion der Zingiberaceen vorkommenden Hochblätter sind morphologisch als Stipulae adnatae aufzufassen, deren Blattspreite und Ligula zu Gunsten der Erzeugung von Blüten nicht mehr zur Entwickelung gekommen ist. Es bezeugen uns solches die Übergangsformen, die zwischen den gewöhnlichen Laubblättern und den normalen Hochblättern gelegentlich angetroffen werden (so z. B. bei Zingiber capitatus, Hedychium villosum u. a.). Bei solchen Übergangsblättern ist dann die Ligula sowohl als auch die Spreite nur noch rudimentär ausgebildet. Und zwar ist die Reduktion von 27] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 97 Spreite und Ligula um so stärker, je näher die betreffenden Über- gangsblätter den Blüten selbst stehen. Offene Stipula adnata von Philodendron Sonderi- anum (Taf. III, Fig. 33). Die ungeteilten, eiförmigen Blätter dieser Aracee sind kurz gestielt und sitzen mittelst einer etwa spannen langen Stipel der Achse an. Die Ligula ist kräftig entwickelt und von fester, lederartiger Beschaffenheit. Der Blattstiel setzt sich scharf von seiner zugehörigen Stipel ab. Die Stipula adnata von Philodendron Sonderianum muß ebenfalls aufgefaßt werden als ein langer schmaler Blattstiel, der in seinem unteren Teil mit zwei langen, schmalen, ehemals getrennten Stipeln zu einer einheitlichen Stipula adnata ver- schmolzen ist. Einmal ist sie den paarigen Stipeln von Pothos homolog. Außerdem aber gibt es gewisse Araceen, deren Stipel eine Mittel- stellung einnimmt zwischen derjenigen von Philodendron Sonderianum und der von Pothos, so bei Philodendron lingulatum und Ph. pteropus (Fig. 34). Bei beiden sitzt die Blattspreite der Stipula adnata direkt an und die Ligula ist bis zur Insertionsstelle der Spreite ın zwei deutliche Lappen gespalten, die auch hier die noch freien Enden zweier Stipeln vorstellen, welche einseitig mit einem langen, schmalen Blattstiel innig verwachsen sind. Die offene Stipula adnata der Gramineen (Taf. II, Fig. 35—36). Die Blätter der meisten Gramineen bestehen aus einer linealen Spreite und einer ansitzenden Stipula adnata. Die Stipular- scheide erreicht meist beträchtliche Länge und hat freie, über- einander greifende Blattränder. Bei einigen Gramineen wirft die Stipula adnata mit dem Altern des Blattes die Spreite ab, während die Stipel am Halm zurückbleibt. So z. B. bei vielen Bambusen, bei Miscanthus sinensis u. a. Die Ligula ist zumeist häutig, farblos und nur wenige Millimeter lang. Nach Colomb!) wird die Ligula von Psamma arenaria 4 cm lang und ist ebenso wie die Ligula von Oryza sativa, Arundinaria japonica u. a. von Leitbündeln durchzogen... Selbst Spaltöfinungen und Chlorophyll kommen der Ligula von Psamma arenaria zu. Die Stipula adnata der Gramineen muß in genau der gleichen Weise gedeutet werden wie diejenige von Hedychium sp. Auch sie muß als ein Verschmelzungsprodukt aufgefaßt werden, das hervorgegangen ist aus einem langen Blattstiel und zwei ebenso langen und schmalen Stipeln, deren oberste Teile uns nur in Gestalt einer unpaaren „Ligula“ 1) 1. c. pag. 37 ff. 08 H. Glück: [28 noch erhalten geblieben sind. Für die Richtigkeit dieser Dez können drei Gründe geltend gemacht werden. 1. Wir sahen oben (pag. 19f.), daß die paarigen Stipeln iin phylogenetischen Ausgangspunkt für die Stipula adnata bilden. Diese ursprüngliche Stipelform ist uns bei zahlreichen Gramineen noch erhalten in der Gestalt der Spelzen. Solche Spelzen müssen — hin- sichtlich ihrer Stipelbildungen — als phylogenetisch metamorpho- sierte Laubblätter aufgefaßt werden. Sie bestehen aus einer Granne, die als metamorphosierte und in ihrer Entwickelung gehemmte Laubspreite zu betrachten ist und aus einem unteren, blattartigen Teil, der aus zwei kräftig entwickelten Nebenblättern besteht, die im unteren Teil ein Stück weit mit der zugehörigen Spreite (= Granne) . verwachsen sind (Fig. 35I]). Solche mit paarigen Stipeln versehene Spelzen finden wir z. B. bei Anthoxanthum, Bromus, Danthonia u. a. Die beiden Stipeln mit dem zugehörigen basalen Grannenstück sind offenbar homolog der Stipula adnata des Laubblattes. Dabei ent- spricht der untere, mit den Stipeln verwachsene Teil der Granne der Stipularscheide des Laubblattes und die beiden freien Enden der Stipeln (= ]) entsprechen der Ligula des Laubblattes. Bei einer zweiten Gruppe von Gramineen sind die paarigen Stipeln der Spelzen nicht in freie Läppchen ausgezogen (Fig. 351l), weshalb bei ihnen der Typus der seitlichen Stipeln auch nicht so scharf ausgeprägt ist als bei erstgenannten. Bei einer dritten Gruppe von Gramineen (Fig. 35 III) ist der blattartige Spelzenteil als offene Stipula adnata entwickelt. Die ursprünglich freien Stipelenden sind nachträglich zu einer Ligula verwachsen, um in erhöhtem Maße die Funktion des Blütenschutzes vollziehen zu können. Solche Spelzen sind daher auch nicht geeignet, um uns über die ehemalige Beschaffenheit der Laubblattstipel Aufschluß zu erteilen. 2. Spricht der eigenartige Aufbau des Blattes von Pharus (Fig. 36) dafür, dass die Stipula adnata des Gramineenblattes auf Stipulae laterales zurückgeführt werden muß. Die mir vorliegende Art, Pharus latifolius ist eine in Brasilien einheimische Pflanze. Ihre Blattspreite ist eiförmig und zugespitzt. Außerdem aber reicht die Blattscheide hier nicht bis an die Basis der Spreite, so dass sich zwischen die Spreite und die Blattscheide ein 10—25 mm langer „Blattstiel‘“ einschiebt. Dieser „Blattstiel“ ist in Wirklichkeit nur der obere, freie Teil des gesamten Blattstiels. Der untere Teil des- selben dagegen ist scheidig; diese Scheide setzt sich deutlich von dem „Blattstiel“ ab und endet mit einer aus winzigen Fransen bestehen- 29] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 29 den sehr rudimentären Ligula. Da sich hier zwischen die Blattspreite und die Blattscheide das freie Stück eines deutlichen Blattstieles ein- schiebt, so dürfen wir die Blattscheide von Pharus latifolius auffassen als einen langen, dünnen Blattstiel, der seitlich mit zwei langen, schmalen Nebenblättern verwachsen ist. Und in genau der gleichen Weise darf somit auch die Stipula adnata der übrigen Gramineen aufgefaßt werden. Ähnlich wie Pharus verhält sich auch Bambusa; nur daß eben bei ıhr der freie Teil des Spreitenstiels sehr stark reduziert ist. Auch der Gattung Phyllorrhachis und Ischaema werden von der Systematik „gestielte“‘ Spreiten zugeschrieben, die ich aber nicht aus eigener Anschauung kenne. 3. Finden wir die sonst ungeteilte Ligula der Gramineen mit- unter durch eine mediane Cäsur in zwei deutliche Läppchen gespalten.) Die zweilappige Ligula spricht hier ebenso als auch bei anderen Mono- kotylen (Zingiberaceen, Potameen und Araceen) dafür, daß die Stipula adnata von 2 getrennten Stipeln aus ihre Entstehung ge- nommen hat. Im Anschluß an die Gramineen seien einige luncaginaceen noch erwähnt. Die normalen Laubblätter von Triglochin maritimum, T. Barrelieri und Scheuchzeria palustris besitzen meiner Beobachtung nach stets eine offene Stipularscheide, die oben mit einer deutlichen, ‚fast farblosen Ligula endet. Letztere wird 5—8 mm lang; ihr oberer Rand pflegt durch ein oder auch zwei (und dann oft unregelmäßige) Cäsuren schwach gelappt zu sein. Primärblätter von Triglochin maritimum mit nur schwach entwickelter Spreite besitzen mitunter eine deutlich zweilappige Ligula, die auch hier darauf hindeutet, daß die Stipula adnata auf getrennt gewesene Stipeln zurückzuführen ist. Offene Stipula adnata mariner Potameen (Taf. III, Fig. 37—41). Es verteilen sich die hierher zählenden Potameen auf die Gattungen Posidonia, Cymodocea, Haloduie, Zostera und Phyl- lospadix; und zwar konnten folgende Arten näher untersucht werden: Posidonia Caulini, P. australis, Cymodocea ciliata, C. serrulata, C. isoetifolia, C. aequorea, ©. Manatorum, C. rotundata, Halodule australis, Zostera marina, Z. nana und Phyllospadix Scouleri. Die genannten Formen sind ohne Ausnahme Salzwasserbewohner mit schmalen, grasförmigen oder bandartigen Blättern. An der Basis 1) Vergleiche z. B. die in Eingler-Prantls Pflanzenfamilien gegebenen Ligula- Abbildungen von Ammophila arundinacea und Bromus Alopecurus Il, 2, pag. 2. 30 H. Glück: [30 derselben findet sich stets eine Stipula adnata vor, die aus einer sehr kurzen Ligula und einer mehr oder minder langen ‚Stipularscheide besteht. Die Blätter stehen an der Achse zweizeilig und sind an der Basis mit ihren scheidigen Stipeln ineinander geschachtelt. Die kleinste Stipularscheide besitzt Zostera nana und die größte, d. h. längste, Phyllospadix Scouleri, die 100— 130 mm lang und 3—4mm (in extenso) breit wird. Die Fig. 37, 38, 39 a und b, beziehen sich auf das eben (resagte. Bei genannten Posidonia-, Oymodocea- und Zostera- Arten, sowie Phyllospadix Scouleri wird mit dem Älterwerden des Blattes die freie Blattpartie von der Stipula adnata abgeworfen, während letztere noch längere Zeit mit der Achse in Verbindung bleibt als assimilationsfähiges Organ. Die Stipula adnata dieser Potameen muß ebenso wie die der vorhergegangenen Monokotyledonen aufgefaßt werden als ein Ver- schmelzungsprodukt von zwei seitlichen Stipeln mit einem dazwischen liegenden linealen Stück der Spreitenbasis. Hierfür können vier Gründe angeführt werden: 1. Ist die unpaare Stipula adnata der besagten Potameen ein Homologon der paarigen Stipeln von Potamogeton densus, wofür ohne weiteres die nahe Verwandtschaft spricht, in der die erstgenannten zu letztgenannter Art stehen. 2. Bei Posidonia australis und P. Oaulini deuten die mit zwei Stipeln versehenen Hochblätter (Fig. 39 c u. d; Fig. 40 a u. b; Fig. 41 b) dar- auf hin, daß die Stipula adnata der Laubblätter durch Verschmelzung von zwei getrennten Stipeln mit der Spreitenbasis entstanden ist. Ähnlich wie bei den Gramineen u. a. fasse ich auch hier die Hoch- blätter als phylogenetisch metamorphosierte Laubblätter auf, die uns ein primitives, ursprünglich vorhanden gewesenes Entwickelungsstadium der Laubblätter repräsentieren. Die Hochblätter, welche die auf besonderen Stielen sitzenden Blütenstände umgeben, sind mehr oder minder stark metamorphosiert, je nachdem sie den Blüten näher oder ferner stehen. An den untersten Hochblättern ist die Blattspreite ver- hältnismäfsig noch am größten und an den obersten am kleinsten oder auch gänzlich unterdrückt. Eine Stipula adnata ist nirgends mehr vorhanden; statt dessen aber tragen die Hochblätter paarige Stipeln, die besonders bei Posidonia Caulini (Fig. 40) und Cymodocea Manatorum (Fig. 41b) deutlich ausgeprägt sind. Die Stipeln setzen sich deutlich von der zugehörigen Laubspreite ab und sind im wesentlichen nicht verschieden von denen, wie sie die Laubblätter von Najas minor, Ruppia rostellata u. a. besitzen. >1] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. Sl 3. Ähnlich wie bei manchen Gramineen und bei Althenia filiformis findet sich an der Ligula der genannten Potameen nicht selten eine Einbuchtung vor, so auch bei Zostera nana (Fig. 37), Cymodocea serrulata (Fig. 38) und Posidonia australis (Fig. 39 a u. b). Diese Einbuchtung deutet auch hier darauf hin, daß die Stipula adnata von zwei getrennt gewesenen Stipeln sich herleitet. 4. Giebt es vermittelnde Bindeglieder zwischen den Stipulae laterales und der Stipula adnata, wie sie bei genannten Potameen vorkommt. Als solche müssen Uymodocea Manatorum und C. isoeti- folia bezeichnet werden. Bei beiden endet die Stipularscheide mit zwei freien Ligulaläppchen (Fig. 41a), die sich nicht oder kaum be- rühren. An der Basis beider, aber nicht zwischen ihnen geht die Laubspreite ab, so daß die Läppchen je ein kleines, dreieckiges Stück der Spreite verdecken. Die Ligulaläppchen dieser Cymodoceen entsprechen offenbar denen, wie sie die Primärblätter von Hedychium sp. aufweisen. Ich erblicke in den Blättern dieser beiden Cymodoceen Formen, bei denen der letzte Rest von der ursprünglichen paarigen Beschaffenheit der Stipula adnata wohl noch erhalten aber auch schon im Schwinden begriffen ist. Bei den übrigerf, oben noch angeführten Arten, Zostera marina, Z/.nana und Phyllospadix Scouleri gewähren uns die Hochblätter keinen Einblick mehr in die Morphologie der Stipula adnata. Ihre Blüten- stände sind von einem einzigen großen Hochblatt, einer „Spatha“ um- hüllt, welche habituell von den gewöhnlichen Laubblättern nur wenig verschieden ist und deshalb uns auch keinen Aufschluß mehr über die morphologische Beschaftenheit der Laubblätter erteilen kann. Der untere Teil der Spatha, welcher den ganzen Blütenstand einschließt, besteht ebenfalls aus einer Stipula adnata, die sich hauptsächlich durch ihre bedeutende Größe von derjenigen normaler Laubblätter unterscheidet. Dagegen ist der zur Spatha gehörige Spreitenteil stark verkürzt im Vergleich zu demjenigen gewöhnlicher Laubblätter. Ähnlich wie die Laubblätter von Zostera wirft auch deren Spatha ihre Spreite später ab, während die Stipula adnata noch längere Zeit mit der Achse in Verbindung bleibt. Bei Phyllospadix wird weder bei den Laubblättern noch auch bei der Spatha die Spreite von der Stipula adnata abgeworfen. c) Offene Stipula adnata mit fehlender Ligula. Als eine offene Stipula adnata mit fehlender Ligula darf die Blattscheide gewisser Paniceen bezeichnet werden, die sich durch 32 H. Glück: [32 das gänzliche Fehlen einer Ligula auszeichnen. Solches beobachtete ich bei Panicum Crus galli, P. mirabile, P. Colonum und Öplismenus undulatifolius. Da die Majorität aller Gramineen mit einer deutlichen, hautartigen Ligula ausgerüstet ist, so darf wohl angenommen werden, . daß auch die genannten Paniceen ehemals eine solche besessen haben, die aber im Laufe der phylogenetischen Entwickelung wieder verloren gegangen ist. Wie dieser Reduktionsprozeß vor sich gegangen sein mag, das zeigen uns sehr schön die Paniceen selbst. Bei den einen, wie Panicum glabrum, fenestratum, aegyptiacum, ternatum und praecox ist die Ligula in Gestalt einer zusammenhängenden Haut entwickelt und bei ihnen hat die Ligula noch ihre ursprüngliche Gestalt bei- behalten. Bei anderen, wie Cynodon Dactylon und vielen Panicum- Arten ist die Ligula in zahlreiche, feine Haare oder Borsten aufgelöst. Übergangsformen zwischen der häutigen und haarförmigen Ligula kommen bei Paniceen ebenfalls vor, und eine solche Ligula ist dann im unteren Teil häutig und geht nach oben zu in Fransen oder Haare über. Die in Haare oder Borsten aufgelöste Ligula stellt offenbar ein im Schwinden begriffenes Organ vor, das ohne Zweifel aus einer zusammenhängenden, häutigen Ligula hervorgegangen ist. Bei einer dritten Gruppe von Paniceen ist überhaupt keine Ligula mehr vorhanden, wie dies für die oben erwähnten Arten gilt. Bei ihnen ist jede Spur einer ehemals vorhanden gewesenen Ligula verschwunden. An vermittelnden Bindegliedern zwischen den beiden letztgenannten Gruppen fehlt es auch hier nicht. So ist z. B. bei Panicum semi- undulatum und P. dichotomum die Ligula nur noch in Gestalt einer mikroskopisch erkennbaren Haarleiste ausgebildet. Ähnlich wie die Blattscheide genannter Gräser fasse ich auch die zahlreicher Orchideen, soferne sie „offen“ ist als eine offene, ligulalose Stipula adnata auf. Die ursprüngliche Form dieser Stipel ist uns oft noch erhalten in dem Labellum, das ich als ein phylo- genetisch-metamorphosiertes Laubblatt betrachte. Das Labellum be- steht sehr häufig aus drei Teilen, einem grossen Mittellappen und zwei kleinen Seitenlappen. Diese beiden Seitenlappen sind offenbar zwei Stipeln identisch, wie wir sie jetzt schon von den Hochblättern gewisser Gramineen und Potameen kennen gelernt haben. Der Mittel- lappen des Labellums ist homolog der Blattspreite und die beiden Stipeln des Labellums entsprechen zusammen mit einem kleinen basalen Stück des Mittellappens der breiten Blattscheide. Letztere ist offenbar ein phylogenetisches Verschmelzungsprodukt, das sich zu- 33] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. o BL) sammensetzt aus einer Blattbasis und zwei zugehörigen Stipeln. An eine Herleitung des Labellums von dreiteiligen Laubblättern kann bei Orchideen nicht gedacht werden, da solche Blattformen in dieser Familie bekanntlich fehlen. Man vergleiche auch das auf Seite 45f. (Gesaste. B. Geschlossene Stipula adnata. Die geschlossene Stipula adnata unterscheidet sich von der offenen nur dadurch, daß ihre Stipularscheide die Gestalt einer ge- schlossenen Röhre mit verwachsenen Rändern hat, welche dorsal das Blatt trägt. Die geschlossene Stipula adnata kann ebenso wie die offene Stipula adnata von paarigen Stipeln hergeleitet werden, nur sind eben bei ihr die ursprünglich freien Stipelränder auch noch mit- einander verwachsen, so daß eine geschlossene Röhre zu stande kommt. Unter den Dicotyledonen kommt die geschlossene Stipula adnata in ausgezeichneter Weise bei Polygonum. vor (Taf. IH, Fig. 42). Die Polygoneenstipel kann ontogenetisch von paarigen Stipeln hergeleitet werden, während bei den von mir untersuchten Monokotyledonen uns die Ontogenie keinen Einblick mehr in den morphologischen Auf- bau der geschlossenen Stipula adnata gestattet. Es ist daher von Wichtigkeit auf die Polygoneenstipel hier etwas näher einzugehen, die das Homologon der geschlossenen Stipula adnata des monokotylen Blattes ist, und von dieser habituell auch nicht wesentlich ver- schieden ist. Die „Tute“ oder „Ochrea“ der Polygoneen ist eine geschlossene Stipula adnata, die aus einer Stipularscheide (= S) und einer tubus- förmigen Ligula (= L) besteht. Die Ligula ist im Vergleich zur Stipularscheide zumeist sehr kräftig entwickelt (Fig. 42a). Die Pri- märblätter dagegen besitzen eine nur sehr kurze, schwach entwickelte Ligula (Fig. 42b). Sowohl die Homologien mit anderen Formen als auch die Entwickelungsgeschichte beweisen, daß die Ochrea als Ver- schmelzungsprodukt zweier Stipeln aufzufassen ist, die im unteren Teil mit einem Blattstielstück verschmolzen sind. Eichler!), dem wir die entwickelungsgeschichtliche Untersuchung der Ochrea ver- schiedener Polygoneen-Gattungen verdanken, zeigte, wie das tuten- förmige Gebilde aus zwei ursprünglich ganz getrennten Primordien hervorgeht, die paarigen Stipeln homolog sind. Die Stipula adnata 1) Eichler, IIT., pag. 48 ff. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F, VII. Bd. 3 34 H. Glück: [34 von Polygonum ist somit auch in phylogenetischer Hinsicht aus paarigen Stipeln hervorgegangen!). Die geschlossene Stipula adnata der Monokotyledonen ist, wie bemerkt, im wesentlichen nicht verschieden von derjenigen von Poly- gonum; sie muß ebenso wie diese durch phylogenetische Verschmel- zung getrennter Stipulae laterales entstanden sein. Die geschlossene Stipula adnata besitzt ähnlich wie die offene eine ziemlich weite Verbreitung unter den Monokotylen. Entsprechend dem jeweiligen Verhältnis von Ligula- und Stipularscheide läßt sich a) eine ge- schlossene Stipula adnata mit großer Ligula, b) eine geschlossene Stipula adnata mit kleiner Ligula und c) eine geschlossene Stipula adnata mit fehlender oder nur angedeuteter Ligula unterscheiden. a) Geschlossene Stipula adnata mit grofser Ligula. Es lassen sich hier wieder zwei Kategorien unterscheiden, je nachdem die Ligula tubusartig oder rinnenförmig ist. l. Monokotyledonen mit geschlossener Stipula adnata und großer tubusförmiger Ligula. (Taf. III, Fig. 43—46.) ine geschlossene Stipula adnata mit großer tubusartiger Ligula besitzen Desmoncus, Pontederia und Zanichellia Preissii. Die geschlossene Stipula adnata von Desmoncus. Wohl sämtliche Desmoncus-Arten besitzen eine geschlossene Stipula adnata mit tubusförmiger Ligula. Letztere wird s—!/2mal so lang als die zugehörige Stipularscheide. Die Ligula von Desmoncus gehört mit zu den größten, die es bei Monokotyledonen überhaupt giebt. Sie wird bei D. sarmentosus und pycnacanthos 7,5 cm und bei D. prunifer 13,5 cm lang, während ihre Breite zwischen 8 und 15 mm schwankt. Bei anderen Arten dürfte sie noch bedeutend größer werden. Sie ist stets von fester, lederartiger Beschaffenheit und häufig mit kleinen, wagrecht abstehenden Stächelchen besetzt. Später kann die Ligula an ihrem oberen Ende oft unregelmäßig zerfransen. Die geschlossene Stipula adnata von Desmoncus muß mit Rück- sicht auf die vorliegenden Homologien (Polygonum, Zanichellia Preissii, pag. 37 £.) als phylogenetisches Verschmelzungsprodukt paariger Stipeln aufgefaßt werden, wenn auch Demoncus selbst zunächst keinen wei- teren Einblick in den Aufbau ihrer Stipula adnata gewährt. !) Über den anatomischen Bau der Polygoneen-Stipel berichtet (Grevillius einiges. 9 35] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. Die geschlossene Stipula adnata von Pontederia (Fig. 43—45). Die mir zur Verfügung stehenden lebenden Arten waren Pontederia cordata, P. azurea, P. crassipes und P. monte- vidensis, die verhältnismäßig längste Ligula besitzt P. crassipes, welche 2!/.—4mal so lang als die zugehörige Stipularscheide und 32—48 mm lang wird; während die gesamte Stipel nur 48—55 mm Länge erreicht. Bei P. azurea wird die Stipel etwa 1!/2 mai so lang als die Stipularscheide. Bei P. montevidensis wird die Ligula so lang oder etwas länger als die zugehörige Stipularscheide. Sie besitzt unter den genannten Arten weitaus die größte Stipel, welche beinahe !/g m Länge erreicht (37—47 cm). Die verhältnismäßig kürzeste Ligula hat Pontederia cordata, welche 16--23 mm lang wird, während die ganze Stipel 116—151 mm Länge beträgt. Die Stipel von Pontederia zeigt nur eine gewisse Zeit lang ihre ursprüngliche Gestalt; später wird sie an der Vorderseite gesprengt und hat dann das Aussehen einer offenen Stipula adnata. — Von ganz besonderem Interesse ist für uns das Ende der Ligularöhre, das durch eigentümliche Lappen- bildung ausgezeichnet ist, wie sie bei anderen Monokotyledonen bis jetzt nirgends aufgefunden wurden. Diese Ligula-Lappen sind, wie ich weiter unten auseinandersetzen werde (pag. 67 f.) Organe, die zum Schutz für junge, im wachsen begriffene Blattspreiten dienen. Bei genannten Pontederien endet die Ligula zuoberst mit drei Lappen (Fig. 43 und 44). Zwei von diesen kommen auf die Unterseite und der dritte auf die Oberseite des nächst jüngeren Blattes zu liegen. Diese Lappen sind durchsichtig, häutig und farblos. Sie können nur in einem gewissen Altersstadium der Pflanze in ihrem ganzen Umfang studiert werden, weshalb sie auch dem Auge eines flüchtigen Beob- achters leicht entgehen. Durch Behandlung mit dünner, wässeriger Lösung von Methylenblau-Essigsäure lassen sich die Ligulalappen von Pontederia in allen Stadien gut färben und bequem untersuchen. Die Gestalt und Größe der drei Lappen ist ziemlich variabel. Der obere pflegt die unteren an Größe zu übertreffen. Bei Pontederia crassipes ist der obere Lappen rundlich und wird bis 18mm breit und bis 14mm hoch; sein Rand ist mit vielen unregelmäßigen Ein- kerbungen versehen (Fig. 43), die beiden unteren Lappen (= u) da- gegen bleiben bei P. crassipes klein und erreichen nur je.1—2 mm Länge. Bei Pontederia montevidensis wird der obere Lappen bis 14 mm breit und bis 9 mm hoch, während die unpaaren, unteren Lappen nur halb so groß werden. Bei Pontederia azurea wird der obere Lappen 5—8 mm lang, während die beiden unteren nur etwa halb so lang 9% .) 36 H. Glück: [36 bleiben; alle drei sind am Rande unregelmäßig gekerbt. Bei P. cordata wird der obere Lappen etwa 5 mm lang, während die zwei unteren etwa halb so lang sind; außerdem aber sind die drei Lappen ganz randig. Die Entwickelungsgeschichte des Blattes habe ich bei Pontederia azurea und P. crassipes eingehend studiert. Bei beiden entsteht die erste Anlage des Blattes durch Bildung eines Ringwalles um den Vegetationspunkt, der die Gestalt einer flachen Kuppe hat (Fig. 45 a). Durch gefördertes Wachstum an einer bestimmten Stelle beginnt dieser Ringwall die Spreite anzulegen in (Gestalt eines eiförmigen Höckers (= Sp.). Nicht lange danach beginnt eine weitere Differenzierung der Blattanlage und es wird die Bildung der Ligula und ihrer zugehörigen Lappen eingeleitet (Fig. 45b). Der Ringwall wächst nach oben zu weiter und beginnt von der Spreitenanlage sich zu differenzieren, um nunmehr selbständig geworden, die Spreiten- basis zu überwuchern, wobei an der der Spreitenanlage entgegen- gesetzten Seite des Ringwalles das Wachstum ein sehr geringes bleibt, so daß der Ringwall an dieser Stelle bald mit einem tiefen Einschnitt versehen wird; damit hat die tubusartige Ligula von Pontederia ihren Anfang genommen. Der mit o bezeichnete Teil ist die Anlage des unpaaren, oberen Ligulalappens, während an den mit u bezeichneten Teilen die unteren Ligulalappen ihre Entstehung nehmen. Inzwischen hat der Vegetationspunkt innerhalb der eben geschilderten Blatt- anlage eine neue gebildet, die mit Sp, bezeichnet ist. Diese neue Blattanlage wird von den gleichzeitig weiter sich entwickelnden Ligula- lappen des Blattes Sp allmählich umwuchert. Der unpaare Lappen o schmiegt sich dabei der Oberseite von Sp, und die 2 Lappen u deren Unterseite enge an. Bei Pontederia cordata wird schließlich die ganze Oberseite von Sp, von dem Lappen o bedeckt; nicht selten überragt dieser noch die Ränder der jungen Spreite. Bei P. azurea und cerassipes wird etwa die Hälfte oder höchstens ein Drittel der Oberseite von Sp, bedeckt. Die zwei unteren Lappen u bedecken nur in ganz untergeordnetem Maße eine kleine Partie der Unterseite von Sp, und erstrecken sich nur bei P. cordata etwa über die halbe Unterseite von Sp,. Dieses eigentümliche Verhalten der Ligulalappen dürfte darauf hindeuten, daß wir es hier mit Organen zu thun haben, denen speziell eine Schutzfunktion junger Spreitenteile zukommt (Confer. pag. 67f.). Im weiteren Verlauf der Entwickelung überholt die ursprünglich von den Ligulalappen bedeckte Spreite Sp, diese letzteren im Wachs- l y— 37] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 37 tum. Die Lappen bleiben an der Basis von Sp, noch sitzen und erreichen jetzt erst ihren größten Flächendurchmesser. Eine solche jugendliche Spreite, die an ihrer Basis die jetzt völlig ausgebildeten Ligulalappen trägt, ist von Pontederia cordata in Fig. 44 von zwei Seiten dargestellt. Sowie einmal die Ligulalappen ihren größten Flächendurchmesser erreicht haben, beginnt das letzte intensive Längenwachstum von Sp,, welche durch ihren rasch emporschießenden Stiel hoch über die Ligula emporgehoben wird. Gleichzeitig mit diesem Prozeß treten die von der Ligula noch eingeschlossenen jungen Stamm- und Blatt-Teile mehr und mehr aus ihrer Umhüllung heraus. Die Ligula wird dabei an ihrer Vorderseite aufgeschlitzt und die Ligulalappen, die jetzt längst ihre schützende Funktion verloren haben gehen einem raschen Verfall entgegen. Die Spreite und der Blatt- stiel der eben geschilderten Ligula haben jetzt erst die definitive Größe erreicht, und sitzen mit ihrer scheinbar offenen Stipula adnata dem Stamminternodium an. Aus der eben geschilderten Entwickelungsgeschichte der ge- schlossenen Stipula adnata von Pontederia ersehen wir, daß dieselbe ontogenetisch nicht mehr auf paarige Stipeln zurückführbar ist. Trotz alledem aber müssen wir die geschlossene Stipula adnata auffassen als ein phylogenetisches Verschmelzungsprodukt paarig ge- trennter Stipeln. Solches muß einmal mit Rücksicht auf die Ent- wickelungsgeschichte der Polygoneenstipel geschehen, dann aber mit kücksicht auf die im folgenden erwähnten Monokotylen, deren ge- schlossene Stipula adnata mit Bezug auf stipulierte Hochblätter oder Blütenblätter mit paarigen Stipeln identifiziert werden muß. Die geschlossene Stipula adnata von Zanichellia Preissii Lehm.!) (Fig. 46). Diese exotische Zanichellie gleicht habi- tuell unserer einheimischen Z. palustris. Zum Unterschied aber von letzterer besitzen die Blätter der Zanichellia Preissii stets eine geschlos- sene Stipula adnata, deren Ligula tubusartig und oben gerade ab- gestutzt ist. Die Stipel trägt etwa in der Mitte oder in ihrer oberen Hälfte die fädliche Spreite (Fig. 46b). Diese Stipel muß ebenfalls mit paarigen Stipeln identifiziert werden und muß von solchen genetisch hergeleitet werden. Wir können uns leicht vorstellen, wie durch Ver- 1) Die Etikette des Berliner Herbariums lautet: Zanichellia Preissii Lehm. Nov. Holl. leg. C. Preiss. Unter diesem Namen scheinen im Herbar eine Reihe verschiedenartiger Dinge zu laufen, die mit Zanichellia P. nichts zu thun haben. Ich mufs daher diejenige Pflanze als authentisch ansehen, die von Preiss selbst gesammelt wurde und dem zu Ehren diese Species benannt wurde. 38 H. Glück: [38 wachsung von paarigen Stipeln, wie sie Althenia sp. besitzt, die Stipula adnata von Zanichellia Preissii zu stande gekommen ist. Durch Verwachsung der freien Stipelenden würde natürlich die tubus- förmige Ligula zu stande gekommen sein. Für eine solche Auffassung spricht vor allem die Ausbildung der „Blütenhüllblätter“, in deren Achseln (bei meinen Exemplaren) die weiblichen Blüten saßen. Diese letzteren fasse ich auch hier als primitive Entwickelungsstadien von Laubblättern auf, die uns ebenso wie viele Primärblätter einen Schlüssel für die rechte Deutung der Laubblätter an die Hand geben. Diese Blütenhüllblätter sind länglich und laufen oben in zwei schmale, spitze Läppchen aus, die eine tiefe Bucht zwischen sich lassen (Fig. 46a). Im Grunde dieser Bucht findet sich stets ein kleines, dunkles Spitz- chen vor, welches als das freie Ende der „Mittelrippe“ des Blüten- hüllblattes erscheint. Diese „Mittelrippe* ist äquivalent der Basis eines linealen Laubblattes, die beiderseits je eine Stipel trägt, und dessen freier Spreitenteil auf das kleine, im Grunde der Bucht ge- legene dunkle Spitzchen reduziert ist. An älteren Blättern von Zanichellia Preissii reißt die Stipel auf der der Spreite gegenüberliegenden Seite auf, so daß bei ober- tlächlicher Betrachtung der Pflanze die Blätter eine offene Stipula adnata zu tragen scheinen. 2. Monokotyledonen mit geschlossener Stipula adnata und großer, rinnenförmiger Ligula. Während die eben geschilderten Monokotyledonen, Desmoncus, Pontederia und Zanichellia Preissii eine große tubusartige Ligula be- saßen, kommt den beiden jetzt zu erwähnenden Arten, dem Pota- mogeton tiliformis (= P. marinus) (Fig. 47) und P. aulacophyllum eine rinnenförmige Ligula zu. Beide Pflanzen gleichen habituell dem bei uns überall häufigen Potamogeton pectinatus. Die Stipula adnata trägt dorsal die schmale, lineale Spreite. Die Stipularscheide ist stets eine völlig geschlossene Röhre, die später an der der Spreite entgegengesetzten Seite gesprengt wird und dann bei oberflächlicher Betrachtung mit einer offenen Stipula adnata verwechselt werden kann. Die Ligula erreicht bei P. aulacophyllum nicht selten die Länge der Stipularscheide, während sie bei P. filiformis stets kürzer als diese bleibt. Bei Potamogeton aulacophyllum pflegt die Ligula stets auf der nämlichen Seite, auf welcher die Lamina sitzt, ihren Platz zu haben, während sie bei 39] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 39 P. filiformis bald auf der gleichen, bald auf der entgegengesetzten Seite der Stipel ihren Sitz haben kann (Fig. 47a und b). Die geschlossene Stipula adnata beider Potameen ist ein Seiten- stück zur offenen Stipula adnata von Potamogeton pectinatus. Sie ist ebenso wie letztere homolog den paarigen Stipeln von Potamogeton densus und muß als phylogenetisches Verschmelzungsprodukt paariger Stipeln aufgefaßt werden. Den beiden eben geschilderten Potameen scheint sich die zu den Pontederiaceen gehörige Reussia subovata anzureihen, deren Ligula etwa !/smal so lang wird als die zugehörige Stipularscheide. b) %eschlossene Stipula adnata mit kleiner Ligula. Diese Stipel ist nur dadurch von der vorhergehenden ver- schieden, daß ihre Ligula im Vergleich zur Stipularröhre sehr kurz bleibt und in der Regel nur wenige Millimeter lang wird. Es zählen hierher Vertreter aus den Palmen, Scitamineen, Liliaceen und Gramineen. Bei den wenigen Calamus-Arten, die ich gesehen habe, trägt das Fiederblatt an seiner Basis eine mehrere Centimeter lang werdende Stipularröhre, die zuoberst mit einer kleinen, nur wenige Millimeter hohen Ligula endet; letztere ist derb und gerade oder etwas schräg abgestutzt. Ähnlich verhalten sich auch zahlreiche Costus-Arten, wie 0. co- mosus, Ü. niveo-purpureus, Ü. Lukanusianus und viele andere. Bei Ü. phyllocephalus erreicht die Ligula eine Länge von 3 cm und ist lang und schräg abgestutzt. Bei letztgenannter Art ist an den den Hochblättern vorausgehenden Laubblättern die Ligula in zwei mehr oder minder große Lappen gespalten. Diese Lappenbildung deutet auch hier darauf hin, daß die Stipula adnata ebenso wie die anderer Monokotylen auf zwei getrennt gewesene Stipeln zurück- zuführen ist, die mit einem langen, schmalen Blattstiel zu einer geschlossenen Stipula adnata verwachsen sind. — Zwischen dem Blütenstand und den normalen Laubblättern von Costus giebt es nicht selten zahlreiche Übergangsblätter,, deren Stipula adnata geschlossen und bauchig aufgeblasen ist und deren Ligula und Blattspreite um so mehr reduziert ist, je näher die betreffenden Blätter dem Blüten- stande stehen. Die Blütendeckblätter dagegen besitzen keine ver- wachsenen Blattränder mehr; sie sind aufzufassen als offene Stipulae adnatae von eiförmiger Gestalt, deren Blattspreite gänzlich unter- drückt ist und von deren Ligula nur mitunter noch entfernte Spuren zu sehen sind. 40 H. Glück: [40 Die Stipula adnata von Allium Ampeloprasum (Taf. II Fig. 48 und Taf. IV Fig. 49). Die assimilierenden Laubblätter von Allıum Ampeloprasum bestehen aus einer linealen Blattspreite, die an ihrer Basis eine geschlossene röhrige Stipula adnata von beträcht- licher Länge tragen (Fig. 48). Die Stipel endet nach oben zu mit einer häutigen Ligula, die nur wenige Millimeter hoch wird und farb- los ist. Die Stipula adnata muß aufgefaßt werden als eine lineale Blattstielbasis, die mit zwei seitlichen, langen und schmalen Neben- blättern zu einer einheitlichen, röhrigen Stipel verschmolzen ist. Die Ligula stellt die miteinander verschmolzenen und ursprünglich frei gewesenen Stipelenden vor. Für eine solche Auffassung spricht die Ausbildung der drei Staubgefäße des inneren Staminalkreises. Während die drei Staubgefäße des äußeren Staminalkreises einfache Filamente besitzen (Fig. 49a), sind die des äußeren Staminalkreises ausgezeichnet durch die systematisch bedeutungsvollen „Stipularzähne“ (Fig. 49). Diese stipulierten Staubgefäße halte ich mit Rücksicht auf ihre Stipeln für phylogenetisch metamorphosierte Laubblätter. Der Staub- beutel ist offenbar einer metamorphosierten Blattspreite äquivalent und das Staubbeutelstielchen mit seinen beiden „Stipularzähnchen“ ist der Stipula adnata äquivalent. Denken wir uns, das Staubbeutel- stielchen würde mit den beiden Stipularzähnchen zu einer Röhre ver- schmelzen, so müßte eine geschlossene Stipula adnata mit einer zu- gehörigen Ligula resultieren, die abgesehen von ihrer geringen Größe von derjenigen des Laubblattes nicht verschieden sein würde. Der oberste, die Staubbeutelbasis überragende Teil der Stipularzähne würde bei einem solchen Verschmelzungsprozeß zur Ligula werden, die sich von der Basis des Staubbeutels aus erhebt. — Wenn ich die in der Stipularscheide enthaltene Blattbasis von Allium Ampeloprasum mit einem Blattstiel identifiziere, so geschieht solches mit Rücksicht darauf, daß es neben Allıumblättern mit linealer Spreite auch solche mit eiförmiger Spreite giebt (z. B. A. Victorialis), welche einem längeren oder kürzeren Blattstiel ansitzt und im unteren Teil mit der ge- schlossenen Stipularscheide verwachsen ist. Das Verhältnis, in dem die eiförmigen, gestielten Alliumblätter zu den bandförmigen stehen, ist genau das gleiche, in dem die „gestielten“ Blätter von Pharus und Bambusa zu den gewöhnlichen, linealen Grasblättern stehen. Bei Allium fistulosum und anderen endet die geschlossene Stipula adnata zwar auch mit einer kurzen, farblosen Ligula, während die Staubblätter des inneren Staminalkreises keine Stipularzähne mehr besitzen. Solche sind bei dieser Art offenbar früher auch vorhanden 41] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 41 gewesen, aber im Laufe der Zeit wieder verschwunden, da ihnen eine besondere biologische Funktion jedenfalls nicht zukam. Aber auch bei diesen Arten, deren Staubblätter uns keinen Aufschluß mehr über die Laubblätter verschaffen können, muß die Stipula adnata letzterer in genau der gleichen Weise gedeutet werden wie bei Allıum Ampeloprasum. Gewisse Gramineen, wie Briza, Melica, Dactylis, manche Sesleria-, Poa- und Bromus-Arten besitzen nach Angabe der Syste- matiker ebenfalls geschlossene, röhrige Blattscheiden, die als ge- schlossene Stipulae adnatae aufzufassen sind, und genau ebenso wie die oben näher erwähnte offene Stipula adnata der übrigen Gramineen mit Hilfe der stipulierten Spelzen von getrennt gewesenen Stipelpaaren herzuleiten sind. Die geschlossene Stipula adnata der Fächerpalmen. Die meisten Fächerpalmen können nur mit einem gewissen Vorbehalt an dieser Stelle Erwähnung finden. Ich bin leider nicht im stande gewesen, mich in den Besitz des erforderlichen Untersuchungsmateriales zu setzen, um die in mancher Beziehung abweichenden Palmblätter näher prüfen zu können. Die Fächerpalmen besitzen langgestielte Blätter und eine fächer- förmig zerschlitzte Spreite. Da, wo der Blattstiel in die Spreite übertritt, befindet sich eine „Ligula“. Diese Ligula sieht jedoch nach unten zu; sie hat im Vergleich zur Spreite „ventrale“ Lage, während bei allen anderen von mir gesehenen Monokotylen die Ligula nach oben zu sieht, also „dorsal“ gelegen ist. Einigen Fächerpalmen, wie Chamaerops humilis, kommt nach Eichler*) eine doppelte Ligula zu, eine ventrale und eine dorsale, von denen letztere schwächer ent- wickelt zu sein pflegt als erstere. Der Blattstiel ist an seinen beiden Flanken häufig mit je einer Reihe scharfer Dörnchen besetzt, die harte Auswüchse des Blattstiels vorstellen. An der Basis trägt der Blattstiel eine oft nur sehr kurze Stipularscheide, die bei manchen Arten nur in der frühesten Jugend geschlossen zu sein scheint, später dagegen gesprengt wird oder auch unregelmäßig zerfasert. Auch in entwickelungsgeschichtlicher Hinsicht weichen die Fächerpalmen ab von den übrigen Monokotylen. Nach den von Eichler an Pritchardia filifera Hort. und Livistona australis Mart. ausgeführten Unter- suchungen (l. c. pag. 5 und 6) ist die Ligula im Vergleich zur Blatt- spreite eine primäre Bildung, und keine sekundäre, wie dies von der 1) H. Eichler II. 1. c. daselbst ist auch die ältere Litteratur citiert. 42 H. Glück: [42 gewöhnlichen Monokotyledonen-Ligula gilt. Die Existenz einer Ligula, sowie die an der Basis des Blattstiels befindliche geschlossene Scheide deuten darauf hin, daß das Blatt der Fächerpalmen ehemals mit freien Stipeln ausgerüstet war, die sekundär zu einer geschlossenen Stipula adnata verwachsen sind. Die so gebildete Stipularscheide, die als Ligula unterhalb der Blattspreite endete, muß aber nachträglich eine Reduktion erfahren haben. Im untersten Teil ist die ursprüng- liche Gestalt der geschlossenen Stipularscheide erhalten geblieben und bildet die kurze, an der Basis des Blattstiels befindliche Stipular- scheide. Im oberen Teil dagegen wurde die ursprüngliche Stipular- scheide reduziert und es sind als Reste derselben die Ligula, sowie die beiden Stachelreihen an den Flanken des Blattstiels aufzufassen. Für eine solche Deutung der Stachelreihen spricht der Umstand, daß nach meiner Beobachtung an einer solchen Art die Stachelreihen dadurch zu stande kommen, daß gewisse größere Gewebspartien in regelmäßiger Abwechselung obliterieren und ganz verschwinden, während die dazwischen liegenden kleineren Partien als Stacheln zurückbleiben- Die Ligula ist, wie gesagt, ebenfalls als Rest einer ursprünglichen Stipula adnata aufzufassen, deren oberster Teil sich eben erhalten hat. Die ventrale Lage der Ligula kann dadurch erklärt werden, daß man annimmt, die beiden ursprünglich freien Stipelenden sind mit Rücksicht auf die Blattspreite ventral miteinander zu einer ein- heitlichen Ligula verschmolzen, so daß die Ligula nicht nach oben sieht, wie gewöhnlich, sondern nach unten zu, und so unter die Blatt- fläche zu liegen kommt. Die Deutung der schwach entwickelten dorsalen Ligula von Chamaerops muß ich zunächst noch dahingestellt sein lassen, da wir bei den übrigen Monokotyledonen eben nur eine einfache Ligula antreffen. e) Geschlossene Stipula adnata mit fehlender Ligula. Die hierher gehörigen Monokotylen besitzen geschlossene, röhrige „Blattscheiden“, die aber nach oben zu nicht mit einer Ligula enden. Bei ihnen ist die Ligula ähnlich wie bei den oben erwähnten Paniceen verloren gegangen, da ihr eine besondere biologische Funktion jeden- falls nicht mehr zukam. Die geschlossene Stipula adnata mit fehlender Ligula fasse ich ebenfalls auf als das phylogenetische Endprodukt, das durch Verschmelzung von zwei mehr oder minder langen Stipeln mit einer zugehörigen Blattstielbasis entstanden ist. Den Beweis für diese Ansthauung erbringen die Staubblätter oder Perigonblätter der hierher zählenden Monokotyledonen, welche mit unverkennbaren Stipular- 43] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 43 organen ausgerüstet sind. Solche Staub- oder Perigonblätter fasse ich zunächst mit Rücksicht auf die genannten Organe ebenfalls als phylogenetisch-metamorphosierte Laubblätter auf, welche uns über die ehemalige Beschaffenheit und die morphologische Deutung der assimilierenden Laubblätter Aufschluß verschaffen können. Die geschlossene Stipula adnata von Calliphruria und Ismene. Beide Gattungen gehören zu den Amaryllideen; es sind krautartige Zwiebelgewächse. Die Blätter von Calliphruria subedentata!) und Ü. Hartwegiana?) sind eiförmig und nach unten ın einen deutlichen Stielzusammengezogen, der mit einer röhrigen Scheide ausgerüstet ist; letztere wird später fleischig und bildet sich in ein Zwiebelblatt um. Die Blätter von Ismene calathina sind breit und bandförmig, verhalten sich aber im übrigen genau ebenso wie die von Calliphruria. Die Blattscheide beider Gattungen ist aufzufassen als eine Blattstielbasis mit ursprünglich freien Nebenblättern, welche durch Verwachsung ihrer freien Blattränder zu einer geschlossenen Stipula adnata sich umbildeten, deren Ligula im Laufe der Zeit wieder verloren gegangen ist. Für diese Deutung spricht vor allem die eigenartige Ausbildung der „Nebenkrone“. Die Blüte beider Callı- phrurien besitzt je sechs weiße Perigonblätter, die im unteren Teil zu einer kurzen Perigonröhre verwachsen sind. An der Mündung derselben stehen sechs Staubgefäße, deren breite, blattartige Basal- teile die „Nebenkrone“ konstituieren. Bei Calliphruria Hartwegiana steht vor jedem Perigonblatt je ein Staubgefäß, das mit je zwei großen, deutlichen Nebenblättern?) ausgerüstet ist, die ebenfalls in zwei lange Spitzen ausgezogen sind und abgesehen von ihrer Größe von den stipulierten Staubgefäßen vieler Allium-Arten nicht abweichen. Calliphruria subedentata verhält sich ganz ähnlich, nur sind die Stipeln der Staubgefäße viel kleiner oder, wie es scheint, oft auf eine bloße Verbreiterung der Staubfadenbasis reduziert. Während bei diesen beiden Calliphrurien sechs völlig getrennte Stipelpaare die „Nebenkrone“ konstituieren, sind dieselben bei Ismene calathina zu einer einheitlichen, großen, trichterförmigen Nebenkrone verwachsen 1) Curtis Botanical Magazin. London 1877. Volum 103. Tab. 6289. 2) Ibidem. Volum 102. Tab. 6259. 3) Da bei diesen Amaryllideen die Staubgefälse den Perigonschlund weit überragen, so ist meinem Dafürhalten nach die Nebenkrone eher für eine Stipular- bildung anzusehen, welche den Staubgefäfsen angehört und nicht dem Perigon, wie dies bei Nareissus der Fall ist. Doch werden erst entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen diese Frage in Zukunft zu entscheiden haben, 44 H. Glück: 144 (Taf. IV, Fig. 50). Die Stipeln sind hier außerordentlich groß. Das freie Ende einer jeden Stipel ist fein gezähnelt und entspricht je einem Läppchen der Nebenkrone. — Setzen wir nun die Staubblätter genannter Amaryllideen, beispielsweise die von Calliphruria in direkten Vergleich mit den Laubblättern derselben Art, so muß die eiförmige Blattspreite homolog dem Staubbeutel sein; der freie Teil des Blattstiels ist homolog dem freien Teil des Staubbeutelträgers, und die geschlossene röhrige Blattscheide ist homolog den Stipeln des Staubfadens. Würden die freien Ränder zweier Stipeln, wie sie die Staubgefäße jetzt noch be- sitzen, miteinander verwachsen, so würde eine geschlossene Röhre zu Stande kommen, wie sie den Laubblättern von Calliphruria jetzt eigen ist. Nicht unerwähnt mag bleiben, daß die geschlossene Stipula adnata genannter Amaryllideen später ihre assimilierende Spreite abwirft, ebenso wie das die Stipulaorgane anderer Monokotyledonen thun, die bereits oben näher besprochen wurden. Soviel systematischen Werken entnommen werden kann, schließen sich hinsichtlich der Stipelbildungen der Gattung Ismene noch andere Amaryllideen an, wie Hymenocallis, Calostemma, Elisena und Eucharis; während Eurycles sich ähnlich wie Calliphruria zu verhalten scheint. Während bei den letzterwähnten Amaryllideen die Staubgefäße hinsichtlich ihrer Stipelbildungen den ursprünglichen Typus der Blatt- scheide repräsentierten, gilt solches von den Perigonblättern bei an- deren Amaryllideen. Nach Angabe der Systematik!) ist die „Neben- krone“ von Tapeinanthus, Pancratium, (Bollaea, Halmyra, Tiaranthus) durch mehr oder minder tiefe Cäsuren in 12 Zähne gespalten. Von diesen kommen je zwei vor ein Perigonblatt zu stehen und von den Staubgefäßen kommt je eins zwischen zwei Zähne zu stehen. Bei Uryptostephanus scheint die Teilung der Nebenkrone am weitesten gediehen zu sein; letztere ist in 12 „Schuppen“ aufgelöst, von denen je zwei vor ein Perigonblatt zu stehen kommen. Diese „Nebenkron- zähne“ oder „Schuppen“ sind natürlich nichts weiter als Stipeln, welche den Stipularzähnen von Allium homolog sind. Die ligulalose, geschlossene Stipula adnata genannter Amaryllideen wandelt sich nach Verlust der assimilierenden Blattspreite um in eine fleischige „‚Zwiebel- schuppe“. Die geschlossene Stipula adnata von Narcissus (Pseudo-Nareissus) hat die Gestalt einer wenige Centimeter langen, ligulalosen, röhrigen Scheide, an welche sich an einer Stelle die assimilierende Spreite 1) Engler-Prantl; Natürliche Pflanzenfamilien (Pax, Amaryllideen). 45] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 45 rechtwinklig ansetzt. Die Stipel wirft später die Spreite ab, um sich in ein fleischiges Gebilde umzuwandeln. Da, wo die Lostren- nung des assimilierenden Spreitenteiles erfolgt, fand ich bei Narcissus Pseudonareissus eine oder zwei parallele linienförmige Schwielen vor, die in nächster Nähe des Stipelrandes gelegen sind. Die ursprüngliche Form der geschlossenen Stipula adnata hat sich bei Narcissus an den Perigonblättern nicht so rein erhalten als wie dies bei den letzterwähnten Amaryllideen der Fall ıst. Die Neben- krone von Narcissus bildet eine geschlossene Röhre, welche die Mor- phologen schon seit langer Zeit mit Recht als eine „ligulaartige‘“ Bildung!) des Perigons auffassen. Diese Nebenkrone ist aber offenbar durch Verschmelzung von 6 mal zwei Nebenblättern entstanden, von denen je zwei je einem Perigonblatt zukommen. Hiefür spricht zu- nächst die Entstehung der Ligula überhaupt; dann aber auch die eben erwähnten Amaryllideen, deren Nebenkrone in 12 Zähne ge- spalten ist. Wie dieser Verschmelzungsprozeß der ursprünglichen Neben- kronzähne vor sich gegangen sein mag, zeigt die Parakorolle solcher Amaryllideen, die in sechs, eventuell drei Lappen ausgeht. Durch Verschmelzung von je zwei Stipeln resultierten zunächst sechs Ligula- teile, und durch weitere Verschmelzung von je zwei Teilen entstanden drei Nebenkronlappen, die schließlich zur Bildung einer zusammen- hängenden Nebenkronröhre führen mußten. Mit Rücksicht auf den morphologischen Aufbau der Nebenkrone von Narcissus muß deren Stipula adnata aus der Verschmelzung von zwei seitlichen Stipeln hervorgegangen sein. Der der Laubblattstipel homologe Teil der Perigonblätter ist enthalten in der verwachsenen Perigonröhre, die sich aus der Basis von sechs Perigonblättern und aus der Basis von 6 mal 2 zugehörigen Stipeln zusammensetzt. Der sechste Teil der Parakorolle von Narcissus entspricht einer Ligula, die an der Grenze von Spreite und Stipel sitzen sollte und die uns nicht mehr erhalten geblieben ist. Den letzterwähnten Amaryllideen schließen sich zahlreiche Orchi- deen an, welche eine röhrige, geschlossene „‚Blattscheide‘‘ (Epidendron) besitzen. Diese Scheide trägt den oft scharf sich ansetzenden freien Spreitenteil, der ebenso wie bei anderen Monokotylen (gewisse Gra- mineen, Amaryllideen, Potameen etc.) von der „Scheide‘‘ abgeworfen werden kann. Diese „Blattscheide‘“ betrachte ich ebenfalls als eine 1) J. Ch. Doell pag. 390; Eichler III pag. 157 f.; Warming pag. 222; Pax pag. 100; Baillon pag. 90 ff. 46 H. Glück: [46 ligulalose geschlossene Stipula adnata, die aus der Verschmelzung von zwei Stipeln und einer zugehörigen Spreitenbasis hervorgegangen ist. Die ursprüngliche Form der geschlossenen Stipula adnata ist uns noch erhalten in dem dreiteiligen Labellum zahlreicher Arten, das ich (confer pag. 32f.) mit Rücksicht auf seine seitlichen Stipeln als phylogenetisch metamorphosiertes Laubblatt betrachte. Die Stipeln des Labellums sind offenbar homolog den Stipeln der Perigonblätter gewisser Amaryllideen, sie sind homolog den Staubblatt-Stipeln von Calathina, Ismene und Allıum, sie sind homolog den Hochblatt-Stipeln gewisser Gramineen und Potameen, sie sind schließlich homolog den paarigen Stipeln der oben geschilderten monokotylen Laubblätter. Während bei zahlreichen Amaryllideen, Liliaceen und Orchideen die ursprüngliche Form der ligulalosen Stipula adnata in den stipu- lierten Perigonblättern oder Staubgefäßen noch aufzufinden war, gibt es andere Monokotyledonen, deren stipellose Blütenteile uns keinen Einblick mehr in den morphologischen Aufbau der röhrigen Blatt- scheide gewähren. Die röhrige Scheide solcher Monokotylen kann nur mit Hilfe systematisch nahe stehender Arten als Stipula adnata aufgefaßt werden, welche ebenfalls auf zwei getrennt gewesene Stipeln zurückzuführen ist, die mit einem zugehörigen Blattstiel zu einer einheitlichen Röhre verschmolzen sind. Allıum acutangulum und A. victorialis besitzen geschlossene, röhrige Scheiden, die sich oben plötzlich von der schmalen Blattbasis absetzen und ebenfalls der Ligula entbehren. Sowohl die Staub- gefäße als auch die Perigonblätter beider Arten sind einfach und nicht stipuliert. Sicherlich sind aber auch bei diesen Arten die Staub- gefäße früher einmal mit Stipeln und die Laubblätter mit einer Ligula ausgerüstet gewesen. Hierfür spricht die Existenz mini- maler Überreste einer Ligula, die sich bei gewissen Allium-Arten an den Laubblättern erhalten hat, oder aber die Existenz minimaler Überreste von Stipeln, die sich an den Staubgefäßen erhalten haben. So finden sich an der Basis der Staubgefäße von Allıium strietum Stipelrudimente vor in (Gestalt kleiner Höcker, die bald auf beiden Seiten vorhanden sind, bald nur auf einer, bald auch gänzlich fehlen. und bei anderen Allium-Arten werden Spuren einer rudimentären Ligula an den Laubblättern angetroffen. In genau der gleichen Weise wie die einfache, röhrige Blatt- scheide besagter Allium-Arten als Verschmelzungsprodukt eines Blatt- stiels mit zugehörigen freien Stipeln autgefaßt werden muß, darf natürlich auch die geschlossene Scheide anderer Monokotylen ge- 47] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 47 deutet werden, wenn auch jede Spur von Stipelbildungen an den Blütenblättern und die Ligula der Laubblätter vermißt wird. III. Stipula axillaris. Die axilläre Stipel bildet stets ein von dem Blatt getrenntes und in der Blattachsel sitzendes Blättchen. Während die Stipula adnata die weiteste Verbreitung unter den Monokotyledonen besitzt, finden wir die axilläre Stipel nur bei Potamogeton und Zanichellia palustris vor. Ebenso wie die Stipula adnata bald offen, bald ge- schlossen sein kann, gilt ein Gleiches auch für die axilläre Stipel. Die offene axilläre Stipel findet sich bei vielen Potamogeton-Arten, während die geschlossene, axilläre Stipel von mir nur für Zanichellia ' palustris nachgewiesen werden konnte. Die Stipula axillarıs wird von vielen Autoren als Stipula intra- petiolaris bezeichnet. Ich werde jedoch diese Bezeichnung ver- meiden, da andere Botaniker mit derselben auch die eigenartigen Stipularorgane der Rubiaceen bezeichnen, welche bekanntlich von der axillären Potameen-Stipel wesentlich verschieden sind. A. Offene Stipula axillaris von Potamogeton. (Taf. IV, Fig. 51—61 und Taf. V, Fig. 62). Hier möge die Gestalt, die Größe, die Farbe, der anatomische Bau und die morphologische Auffassung der Stipel nähere Erör- terung finden. Die Gestalt der Stipula axillaris von Potamogeton. Die Stipula axillarıs hat bei den Potameen die Gestalt eines schmalen, blattartigen Gebildes, das länglich oder lineal ist, und ın der Blattachsel, sowohl bei untergetauchten als auch bei schwimmen- den Blättern auftritt (Fig. 5la). Die Stipula umschließt ursprüng- lich den Stamm nach Art einer Scheide, und zeigt oft an ihrer Rückenseite, also an derjenigen, welche dem Blattstiel, eventuell der Blattfläche zugekehrt ist, zwei kielartig vorspringende Leisten (Fig. 51 b, c), zwischen welchen während der Knospenlage der Blatt- stiel oder auch die noch unentwickelte Blattfläche gelegen war. Solche doppelkielige Stipeln besitzt z. B. Potamogeton lucens, P. 48 H. Glück: [48 polygonifolius, P. gramineus und P. rufescens. Bei anderen Arten ist von solcher Kielbildung nichts zu beobachten, so bei P. perfoliatus, P. cerispus, P. pusillus u. a. Etwas abweichend hinsichtlich ihrer Gestalt ist die Stipel von P. crispus; sie ist dreieckig, oben schwach ausgerandet, und ihre beiden seitlichen Ränder sind schwach nach unten zu gebogen (Fig. 52). Bei den meisten Arten ist die Stipel ein ziemlich festes, derbes (Gebilde, das sich nicht in eine Ebene flach ausbreiten läßt, ohne im Rücken geknickt zu werden (P. lucens, perfoliatus, gramineus, poly- gonifolius, rufescens). Seltener ist die Stipel von zarthäutiger Be- schaftenheit, wie bei P. cerispus und pusillus. Mitunter tritt an der Stipel im Rücken eine mediane Spaltung ein, so daß an der Blatt- basıs zwei getrennte Blättchen sichtbar sind, die mehr oder weniger abstehend sein können. Solches beobachtet man regelmäßig bei Pota- mogeton mucronatus und mitunter auch bei P. crispus. Bei Potamogeton ochreatus und P. Ulei, zwei exotischen Arten, die habituell dem einheimischen P. obtusifolius gleichen, geht die axilläre Stipel nach oben zu in lange Fransen oder Haare über. Ursprünglich sind die Stipeln beider Arten ganz und ungeteilt. Die Fransenbildung kommt dadurch zu Stande, daß das Parenchym im oberen Teil der Stipel frühzeitig zu Grunde geht, während die zu- gehörigen Bastfaserteile als Fransen zurückbleiben. Bei dem ein- heimischen P. obtusifolius, acutifolius und pusillus kann die Stipel, mit dem Älterwerden der Blätter in ähnlicher Weise oblitterieren, wie bei den eben erwähnten Arten, nur tritt eben hier die Zerfaserung viel später ein und die Auflösung in einzelne Stränge ist eine viel unvollkommenere. Die Gröfse der axillären Stipel. Die Länge der Stipel beträgt bei den meisten Arten nur wenige Centimeter. Die kleinste besitzt Potamogeton crispus, die nur 9 bis 15 mm lang wird, und die grösste P. natans, die fast 15 cm lang wird. Die Breite der Stipel beträgt bei den von mir untersuchten Arten 8—15 mm (in extenso). Im nachstehenden seien 'die Längen- maße verschiedener Potameen-Stipeln mitgeteilt. Die von Potamogeton erispus ist 9—15 mm lang, von P. obtusifolius 10—20 mm, von P. plantagineus 5—25 mm, von P. gramineus var. heterophyllus 7 bis 23 mm, von P. rufescens 22—26 mm, von P. fluitans 10—35 mm, von P. polygonifolius 30—35 mm; von P. lucens 40—85 mm; und die von P. natans wird 140—147 mm lang. u. n Vie een 30.2 er 49] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 49 Bei solchen Potameen, welche Schwimmblätter und unterge- tauchte Blätter zugleich besitzen, finden sich die in den Achseln der Schwimmblätter vorkommenden Stipeln stets kräftiger entwickelt als die in den Achseln der Wasserblätter. So z. B. sind bei P. gramı- neus (von Viernheim in Hessen stammend) die Stipeln der Wasser- blätter 7—19 mm lang, während diejenigen der Schwimmblätter 25 bis 23 mm Länge erreichen. Die Farbe der Stipulae. Die Stipel der Potameen ist bald blaßgrün oder gelbgrün, so bei P. lucens, polygonifolius, fluitans, rufescens, gramineus; bald ist sie weißlich oder farblos, so bei Potamogeton natans, obtusifolius, acu- tıfolius, pusillus und crispus. Anatomischer Bau der Stipula axillaris von Potamogeton. (Taf. IV, Fig. 53 und 54.) Hinsichtlich ihres anatomischen Baues wurden die Stipeln von: Potamogeton natans, fluitans, gramineus var. heterophyllus, rufescens, polygonifolius, pusillus, obtusifolius, lucens, crispus und perfoliatus näher untersucht. Das Parenchym besteht aus nur wenigen Lagen, ziemlich gleichmäßig gebauter, rundlicher oder seltener polygonaler: Zellen. Am einfachsten beschaffen ist es bei Potamogeton pusillus und crispus (Fig. 53 und 54), bei denen es überhaupt aus nur zwei Lagen, lückenlos zusammengefügter, polygonaler Zellen besteht. Bei allen anderen Arten besteht das Parenchym aus 3—5 Lagen von Zellen und nur da, wo sich die dorsalen Kiele vorfinden, wird die Stipel noch bedeutend dicker. Nach oben, sowie nach dem Rande zu nehmen solche Stipeln an Dicke ab und werden dann bald ein oder zweischichtig. Inter- zellularen sind in dem Parenchym entweder nicht vorhanden (Fig. 53 und 54) oder nur verhältnismäßig schwach entwickelt. Chlorophyll- körner treten in dem Parenchym nur in mäßiger Anzahl auf, so beson- ders in den nach außen zu grenzenden Zellen; sie verleihen den Stipeln ihre meist gelblich grüne Farbe. Die farblose Stipel von Potamogeton crispus führt nur sehr sporadische Chlorophylikörner ; während die ebenfalls farblosen Stipeln von Potamogeton obtusifolius, pusillus und natans chlorophyllos zu sein scheinen. Das Gefäßbündelsystem. Von allen untersuchten Arten erwiesen sich als völlig gefäßbündellos die Stipeln von Potamogeton pusillus (Fig. 53), bei allen anderen Arten dagegen sind Gefäßbündel Verlandl. d. Heideib. Naturhist.-Med. Vereins, N. F, VII. Bd. 4 50 H. Glück: [50 vorhanden, wenn auch nur in mehr oder minder rudimentärer Form. Nur 4 Gefäßbündel besitzt Potamogeton obtusifolius, von denen je zwei in den kielartig vorspringenden Kanten der Stipel sich befinden. Bei allen übrigen Arten dagegen trifft man mehrere (meist nicht unter 10) gleichmäßig verteilte, und parallel verlaufende Gefäßbündel an, die durch quere oder schräge Anastomosen mit einander in Ver- bindung stehen können. Bau der Gefäßbündel. Die Gefäßbündel zeigen bei allen untersuchten Arten mehr oder minder rudimentäre Beschaffenheit. Ebenso wie auch alle anderen vegetativen Teile submerser Gewächse stark reduzierte Xylemteile oder solche überhaupt nicht mehr be- sitzen, gilt solches auch für die Stipeln von Potamogeton. Von den untersuchten Arten besitzt Potamogeton fluitans die relativ vollkommensten Gefäßbündel. In der mittleren Partie der Stipel finden sich stets 6—8 Gefäßbündel, die besonders im unteren Teil noch deutliche, wenn auch sehr schwach entwickelte Spiral- und Ringgefäße enthalten. Die in den Flanken der Stipel befindlichen (Gefäßbündel dagegen sind auf ihre Siebteilelemente reduziert. Bei Potamogeton rufescens trifft man nur ganz vereinzelt noch (refäßbündel mit schwachen Spiral- und Ringgefäßen an. Die meisten übrigen Gefäßbündel sind auf ihre Phlo@mteile reduziert. In der Regel jedoch besitzt die axilläre Stipel von Potamogeton überhaupt nur noch Siebteilstränge, so bei Potamogeton polygonifolius, lucens, gramineus var. heterophyllus, crispus (Fig. 54), perfoliatus und natans. Bei P. obtusitolius sind nur vier solcher Stränge vorhanden, von denen je zwei in den Kanten sich vorfinden und von größeren Bast- fasersträngen begleitet werden. Die weitgehendste Reduktion haben die Gefäßbündel bei Potamogeton pusillus erfahren. Weder von dem Xylem, noch auch von dem Phloem sind irgend welche Spuren er- halten geblieben (Fig. 53). Bastfaserelemente. Die Ausbildung solcher kommt nicht allen Stipeln zu. So sind bastfaserfrei die Stipeln von Potamogeton lucens, fluitans und crispus. Bei Potamogeton gramineus var. hetero- phyllus und P. natans stehen die Bastfasern größtenteils in Ver- bindung mit den Phlo@msträngen. Am kräftigsten ist das Bastfaser- system entwickelt bei Potamogeton obtusifolius und P. pusillus (Fig. 53); bei letztgenannter Art treten sämtliche Bastfasergruppen völlig isoliert auf, während bei erstgenannten vier noch mit Phlo@msträngen kom- biniert sind. 51] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 51 Die Epidermis der Stipeln von Potamogeton besteht bei allen untersuchten Arten aus quadratischen oder rechteckigen Zellen mit geraden Membranen, und zwar gilt solches für die innere und äußere Epidermis zugleich. Spaltöffnungen habe ich nirgends angetroften. Über die morphologische Auffassung der Stipula axillaris von Potamogeton. Geschichtliches. Linne scheint die axilläre Stipel der Potameen noch nicht gekannt zu haben; ich konnte wenigstens weder in den „Species plantarum“ noch auch in dem „Systema vegetabilium“ dieses Organ erwähnt finden. A. v. Chamisso und D. v. Schlechtstendal dürften die ersten sein, welche die axilläre Stipel von Potamogeton im Jahre 1827 näher erwähnen; in der unten citierten monographischen Bearbeitung der Gattung Potamogeton heißt es (pag. 159): „Folia disticha, alterna (in unica specie opposita'), integra, demersa membranacea, pellucida, Stipulae intrafoliaceae liberae, vel folio basi vaginante adnatae ligulae-formes“ ?). Die genannten Autoren widmen bei jeder einzelnen Species auch der „Stipula“ eine kurze Beschreibung. Fast alle deutschen Arten von Potamogeton sind in dieser Abhandlung mit erwähnt. Bischoff bezeichnet in seiner botanischen Terminologie die Nebenblattbildung der Potameen als „Stipula vaginans“ und gibt weiter in seiner „allgemeinen Botanik“ (I. pag. 180) vom Jahre 1834 eine theoretische Entwickelung für die Stipula an, indem er sie als ein Verwachsungsprodukt von zwei ursprünglich getrennten Stipeln auffaßt. Endlicher spricht in seinem Enchiridium botanicum bei Schil- derung der Charakteristik der Najadeae, zu welchen Potamogeton und Zanichellia gezählt werden, ebenfalls von „Stipulae intrapetiolares, membranaceae amplexicaules“ (pag. 124). In den bekannten systematischen Werken von J. D. Koch und -J. Doell werden die mit einer axillären Stipel ausgerüsteten Potameen in eine besondere Untergattung zusammengefaßt. Letzterer definiert: die Untergattung „Bathyphyllon“ mit folgenden Worten: „Nebenblätter von ihrer Basis an von der außen befindlichen Laubspreite gesondert, 1) Gemeint ist Potamogeton densus. 2) Letzteres bezieht sich auf Potamogeton pectinatus und filiformis. 4* »9 H. Glück: [52 durch Verwachsung der inneren Ränder eine stengelumfassende Scheide bildend.“ Doell schließt sich somit hinsichtlich der Entstehung der Stipel den bereits mitgeteilten Ansichten Bischoffs an. — Ähnlich wie Koch und Doell teilen auch die meisten späteren Floristen und Systematiker die Gattung Potamogeton ein. Thilo Irmisch, der im Jahre 1861 die erste grundlegende Arbeit für die Morphologie der Potameen lieferte, hat der Stipel ein besonderes Interesse nicht geschenkt. Er behält die alte Bezeichnung Stipula bei, bestreitet aber ihre Entstehung aus zwei ursprünglich getrennten Blatt-Teilen. Weiter macht E. Buchenau in einer kleinen Mitteilung über Potamogeton mucronatus vom Jahre 1864 darauf aufmerksam, daß das „Blatthäutchen“ dieser Art regelmäßig ın zwei gleiche Hälften sich spalte, die dann divergierend zu beiden Seiten an der Blattbasis sitzen und in diesem Zustand das Aussehen von zwei echten Stipeln haben. — Sauvageau, der sich als letzter eingehend mit der Morphologie und Biologie der Potameen befaßte, legt der axillären Stipel die Bezeichnung „Ligula®* bei. Sauvageau scheint also die axilläre Stipel von Potamogeton und die Ligula der übrigen Monokotyledonen für morphologisch gleichwertige Organe anzusehen. In ähnlicher Weise vermeidet auch P. Ascherson- in seiner Monographie der Potamogetonaceae (pag. 195) den Ausdruck Stipel und bezeichnet diese als „Blatthäutchen“. (roebel setzt in dem neu erschienenen, letzten Heft seiner Örganographie (II, 2, pag. 563 ff.) die axilläre Stipel von Potamogeton hinsichtlich ihrer biologischen Funktion echten Stipeln an die Seite, möchte sie aber hinsichtlich ihrer morphologischen Natur mit diesen letzteren nicht identifiziert wissen. Die Stipel von Potamogeton ist, wie wir sehen, ein schon längst bekanntes Organ. Über die morphologische Deutung dieses Organes sind jedoch die Ansichten immer noch geteilt. Die einen sprechen von einer Stipula oder Stipula intrapetiolaris bei Potamogeton und geben damit ohne weiteres zu, daß es sich um eine Stipel im eigent- lichen Sinn des Wortes handelt. Die anderen dagegen erblicken in der Axillarstipel ein Organ besonderer Natur, das auf keinen Fall mit einer eigentlichen Stipel identifiziert werden darf, und die Be- zeichnung „‚Stipel“ wird daher vertauscht mit der Bezeichnung „Ligula“ oder „Blatthäutchen“. 53] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 53 Die Frage, ob wir es bei Potamogeton mit einer echten Stipel zu thun haben oder nicht, konnte von mir zu Gunsten der erstge- nannten Auffassung entschieden werden. Die ,„Stipel“ von Potamogeton trägt in der That mit Recht ihren Namen, da ihr alle Charaktere einer echten Stipel zukommen: 1. ist die axilläre Stipel von Potamogeton ein basaler Bestandteil desjenigen Blattes, in deren Achsel sie sitzt. ist die axilläre Stipel von Potamogeton paarigen Stipeln homolog und ist phylogenetisch aus diesen hervorgegangen. DV I. Die Stipel von Potamogeton bildet einen basalen Be- standteil desjenigen Blattes, in deren Achsel sie sitzt. Wenn auch die Stipel von Potamogeton im fertigen Zustand ein blattachselständiges Organ vorstellt, so läßt sich dennoch un- schwer beweisen, daß die Stipel von Potamogeton der Blattbasıs angehört. 1. kommt es gelegentlich vor, daß die axilläre Stipel mit ihrem zugehörigen Laubblatt ‚verwachsen‘ ist. Das heißt, die axilläre Stipel kann ersetzt sein durch eine Stipula adnata, die eben- falls aus einem oberen Teil (= Ligula) und aus einem unteren (— Stipularscheide) besteht. 2. Ist jede Stipula in entwickelungsgeschichtlicher Hinsicht ein Be- standteil des ihm vorgesetzten Laubblattes, aus dessen Basis die Stipula erst nachträglich ihre Entstehung nimmt. 3. Deutet die Zugehörigkeit der Stipel zum Laubblatt die Lage der Stipel zu den belaubten Seitenachsen an. Wir sehen überall da, wo ein neuer Laubtrieb ın der Achsel eines stipulierten Laub- blattes seine Entstehung nimmt, wie die Laubknospe zwischen der Stipel des Tragblattes und der Hauptachse ihren Sitz hat. Zunächst mögen die „Verwachsungserscheinungen“ zwischen Stipula und Laubblatt. (Taf. IV, Fig. 56—61) . näher ins Auge gefaßt werden. Und zwar kommen solche sowohl an jugendlichen Rhizomtrieben als auch an Keimpflanzen vor. A. „Verwachsungserscheinungen“ zwischen Stipula und Laubblatt an jungen Rhizomtrieben. Potamogeton rufescens ist diejenige Art, bei der ich zum ersten Mal an auskeimenden Winterknospen Verwachsungen zwischen Stipeln 54 H. Glück: [54 und Primärblättern in der Kultur beobachtete (Fig. 56). Da ich erkannte, daß diese Verwachsungen für die morphologische Deutung der axillären Stipel von großer Bedeutung sind, so bemühte ich mich, den Nachweis zu führen, daß dieselben unter Potameen eine allgemeine Verbreitung besitzen. Unter 14 Potamogeton-Arten, die ich längere Zeit hindurch beobachtet habe, konnten 10 ausfindig ge- macht werden, deren junge Sprosse mitunter eine Verwachsung von Stipula und zugehörigem Laubblatt erkennen lassen; so bei Potamogeton rufescens, P. crispus, P. plantagineus, P. fluitans, P. polygonifolius, P. gramineus var. heterophyllus, P. praelongus, P. perfoliatus, P. lucens und P. nitens. Dagegen ist es mir bis jetzt noch nicht ge- lungen, die besagten Verwachsungen an austreibenden Sprossen von Potamogeton obtusifolius, P. acutifolius, P. pusillus und P. natans zu beobachten. Zunächst seien Potamogeton rufescens und P. crispus näher erwähnt, da bei ihnen besagte Verwachsungen so häufig sind, daß sie einen normalen Bestandteil eines jeden neuen Laubtriebes bilden. Bei Potamogeton rufescens machte ich dreimal die Beobachtung von besagten Verwachsungen; einmal in meinen Kulturen!) und dann an zwei verschiedenen Lokalitäten in der freien Natur?). Unter 60 von mir im Freien eingesammelten Keimpflanzen, die aus Turionen (Fig. 55) hervorgegangen waren, befanden sich nicht weniger wie 55, die je ein Primärblatt mit ansitzender Stipula adnata besaßen. Diese Primärblätter folgen ebenso wie bei nachstehenden Arten direkt auf die spreitenlosen Knospenblätter (Fig. 56). Die Gestalt des freien Primärblatt-Teiles war ziemlich variabel (Fig. 56 und 57), zumeist war dieser länglich oder schwach spatelig und wurde 10—30 (selten bis 36) mm lang, während die zugehörige Stipel 14 bis 42 mm lang wurde. Die stets dorsale Anhaftungsstelle der Primärblattspreite lag zumeist in der Mitte, seltener in der oberen oder unteren Hälfte der Stipel. Der freie Blattteil ist horizontal abstehend oder bald mehr, bald minder stark bogig nach unten zu gekrümmt. :) Das für meine Kulturen verwendete Material der Pflanze war im Spät- herbst 1898 in Gestalt von Winterknospen in einem seichten, fast stagnierenden Wassergraben bei Baiersdorf, unfern von Erlangen eingesammelt worden. 2) Der gröfste Teil der untersuchten Keimlinge wurde am 5. April 1899 von der eben besagten Lokalität bei Baiersdorf eingesammelt. Das übrige Material stammte aus dem schnellflie(senden Wasser der „Fischbach“ am Valzuer Weiher bei Nürnberg. Witten db 55] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 55 Bei vier Keimpflanzen hatte die der Stipel ansitzende Primärblatt- lamina die Gestalt einer kleinen, nur 2 mm langen und ebenso breiten, rückwärts gekrümmten, starren Schuppe. Dieselbe war dicht unter- halb der Stipulaspitze angeheftet, ähnlich ist auch Fig. 57a. Unter den zahlreichen Baiersdorfer Exemplaren haben sich auch zwei vorgefunden, bei denen die beiden erstgebildeten Laub- spreiten ihren zugehörigen Stipeln angewachsen waren. Ebenso häufig wie bei letztgenannter Species trifft man Ver- wachsungen zwischen Primärblättern und ihren jeweiligen Stipeln bei Potamogeton crispus an. Die von mir untersuchten Exemplare waren zum Teil meinen Kulturen entnommen, zum Teil zwei Lokalitäten in der freien Natur!). Fast bei sämtlichen jungen Sprossen, die großenteils aus Winterknospen hervorgegangen waren, war das erste oder die beiden ersten Primärblätter ihrer Stipel angewachsen; und zwar waren diese letzteren schmal linealisch und 6—14 mm lang, während ihre zugehörige Stipula 5—6 mm lang war und den Stamm fast völlig umschloß. Nachträglich fand ich auch, daß I/rmisch in der bereits er- wähnten Abhandlung (pag. 18) eine kleine, diesbezügliche Notiz bei Potamogeton crispus gibt, die meine Beobachtung bestätigte. — Während bei Potamogeton rufescens und P. crispus Verwach- sungen zwischen Primärblättern und Stipeln so häufig sind, daß sie einen Bestandteil in der Entwickelung eines jeden normalen Laub- sprosses vorstellen, treten dieselben bei den jetzt zu erwähnenden Arten immer nur vereinzelt auf. Bei Potamogeton plantagineus konnte ich zweimal Verwachsungen (Fig. 58) zwischen Primärblättern und Stipeln beobachten; einmal an der natürlichen Lokalität?) und dann an den von daher stammenden Kulturexemplaren. Unter den zahlreichen durchmusterten Laubtrieben konnten nur wenige ausfindig gemacht werden, bei denen das erste Primärblatt mit einer Stipula adnata ausgerüstet war. Die dorsale Anhaftungsstelle der freien Lamina liegt bald in dem oberen, bald in !) Das im Freien eingesammelte Untersuchungsmaterial stammte z. T. aus einem kleinen Bach auf der Sauweide bei Kork, Stralsburg gegenüber; z. T. aus den Sumpflöchern bei Friesenheim, in der Nähe von Mannheim. 2) Den altbekannten, badischen Standort dieser seltenen Pflanze lernte ich zum ersten Mal am 10. Dezember 1898 kennen; ich traf damals die Pflanze in tiefen Sumpfgräben zwischen Neulufsheim und Waaghäusel in schönster Vegeta- tion und reichlich fruktifizierend an. Im Juni des folgenden Jahres konnten von dieser Lokalität zahlreiche junge Laubtriebe eingesammelt werden. 56 H. Glück: 156 dem unteren Drittel der Stipel, und nur ausnahmsweise auch fast ganz an deren Basis. Die Stipula adnata hatte eine Länge von 5—6 mm und die zugehörige lineal-spatelige Blattspreite war 25—50 mm lang und 5—11 mm breit. Bei Potamogeton fluitans konnte ich sowohl an meinen Kultur- exemplaren!) als auch an einem natürlichen Standort?) nur mit Mühe im ganzen vier Sprosse ausfindig machen, die ein mit einer Stipula adnata ausgerüstetes Primärblatt trugen (Fig. 59). Die Abgangsstelle der freien Primärblattspreite an der Stipel liegt bald in der unteren Hälfte, bald in der oberen und bald in der Mitte. Die Länge des freien Primärblattteiles beträgt 4—20 mm und seine Breite 2—3,5 mm, während die zugehörige Stipel 22—27 mm lang wird. Bei Potamogeton polygonifolius werden ebenfalls nur sehr selten Stipulae adnatae an den Primärblättern angetroffen. Ich habe solches beobachtet in meinen Kulturen?) und an dem natürlichen Standort). Die freie Primärblatt-Lamina hat lineal-spatelige Gestalt und sitzt dorsal, bald in der Mitte, bald im oberen Teil der zugehörigen Stipel an. Bei Potamogeton lucens konnte ich überhaupt nur zweimal je ein Primärblatt mit zugehöriger Stipel auffinden; den einen Fund machte ich in meinen Gartenkulturen®) und den anderen in einem Graben am Dumetsweiher bei Kosbach, Erlangen gegenüber. Die mit ihren Stipeln verwachsenen, erst gebildeten Primärblätter von Po- tamogeton lucens sind stets lineal, haben eine Länge von 13—28 mm und eine Breite von 1,5 mm. Die Länge der zugehörigen Stipula betrug 11—41 mm. 1) Das für meine Kulturen verwendete Material war im Spätherbst 1898, in Gestalt von Winterknospen, an der mir wohl bekannten Lokalität bei Erlangen eingesammelt worden. Die Pflanze wächst daselbst in dem fliefsenden Wasser der Seebach am ‚‚Heusteg‘“ bei Dechsendorf. 2) Etwa 30 Rhizome der Pflanze mit zahlreichen jungen Trieben habe ich am 3. September 1899 im Neckar bei Heidelberg auf besonderen Wunsch eines Bekannten ausgraben lassen; die Pflanze vegetiert da in endloser Menge an vielen Stellen direkt bei der Stadt und scheint von hier zum ersten Mal beschrieben worden zu Sein. 3) Das für meine Kulturen verwendete Material hatte ich in einem Mühlen- bach mit schnellfliefsendem Wasser bei Genk in der Nähe von Hasselt in Belgien eingesammelt. +) Zahlreiche jugendliche Laubtriebe wurden am 23. April 1899 in einem kleinen Graben mit schnellfliefsendem Wasser auf dem Artillerieschiefsplatz zu Wahn bei Bonn, unter Führung des Herrn F. Wirtgen eingesammelt. 5) Die Rhizome meiner Kulturpflanzen waren im Dezember 1898 in einem trocken gelegten Teich bei Mundenheim in der Rheinpfalz ausgegraben worden. 57] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 57 Auch Irmisch gibt bei Schilderung der Morphologie von Pota- mogeton lucens eine gelegentliche Notiz, daß an einem Sproß das erste „Phyllodium“ seiner Stipula dorsal angewachsen war (l. c. pag. 17). Bei Potamogeton perfoliatus konnte ich unter dem zahlreich vor- handenen Material innerhalb eines Jahres nur vier Laubtriebe an- treffen, welche je ein Primärblatt mit zugehöriger Stipula adnata trugen. Drei solcher Sprosse fanden sich in meinen Gartenkul- turen vor und einen vierten fand ich im Ludwigskanal bei Erlangen, aus dem zum Zwecke der Reinigung die Pflanze im April 1899 mit vielen jungen Laubtrieben herausbefördert wurde. Die der Stipel ansitzende Primärlamina hat stets eiförmige Gestalt und sitzt ungefähr in der Mitte oder im oberen Teil ihrer zugehörigen Stipula an. Die Länge der linealen Primärlamina beträgt 1—3 cm. Bei Potamogeton praelongus konnte ich nur ein einziges Mal ein mit seiner Stipel verwachsenes Primärblatt antreffen. Das Material dieser Pflanze habe ich im August 1898 im Laacher See in der Eifel gesammelt. Die Pflanze hatte ich bereits ein ganzes Jahr in emem Thonkübel kultiviert und die jungen Sprosse unter meiner steten Kontrolle ge- halten. Erst am 3. November 1899 fiel mir ein fingerlanger Sproß auf, dessen Primärblatt seiner zugehörigen Stipula angewachsen war. Dieses Primärblatt hatte längliche Gestalt und saß seiner zugehörigen Stipula dorsal in deren oberen Hälfte an. Das Primärblatt hatte eine Länge von 6 mm und seine Stipel eine solche von 20 mm. Beı Potamogeton gramineus var. heterophyllus fand ich ebenfalls nur ein einziges Mal ein mit seiner Stipel verwachsenes Primärblatt. Ich machte diesen Fund auf einer Exkursion, die ich am 28. September 1899 an den grossen Hesselberger Weiher unternommen hatte, der zwischen Erlangen und Höchstadt gelegen ist. Und zwar war es ein erst wenige Uentimeter langer Sproß, dessen Primärblatt die besagte Verwachsung aufwies. Das Primärblatt war schmal, linealisch und saß dorsal in der unteren Hälfte der Stipula an. Das Primärblatt war 6mm und seine Stipel 9mm lang. In meinen Kulturen dagegen hatte ich bis jetzt immer nur vergeblich nach derartigen Primär- blättern gefahndet. Bei Potamogeton nitens beobachtete ich auch nur einmal eine Verwachsung zwischen Primärblatt und zugehöriger Stipel. Das betr. Exemplar war mir unter anderen Potameen getrocknet überschickt worden und wurde von Baagoe in der „Susa“ bei Ringsted (in Däne- mark) gesammelt. Ein kleiner, wenige cm langer Seitentrieb trug 58 H. Glück: 158 das betr. Primärblatt, das in der unteren Hälfte der Stipel ange- wachsen war; letztere war 6,5 mm lang und ersteres war länglich, 12 mm lang und 1,5 mm breit. Bei einigen Potameen scheinen Verwachsungen zwischen Primär- blättern und Axillarstipeln nicht vorzukommen, oder doch so selten zu sein, daß es mir bis jetzt noch nicht gelungen ist, dieselben auf- zufinden. Es gilt das für Potamogeton natans, P. acutifolius, P. obtusifolius und P. pusillus. Die Nervatur-Verhältnisse der Stipula adnata bei den eben ge- schilderten Primärblättern führen hinsichtlich der morphologischen Deutung der Stipula adnata zu dem gleichen Resultat, zu dem uns oben die äquivalenten Primärblätter der Potameenkeimlinge kommen ließen. Die Stipularscheide entspricht einer Kombination von Blatt- basis mit dem unteren Teil einer axillären Stipel und die Ligula ent- spricht dem oberen freien Teil einer axillären Stipel. In Fig. 61a ist die normale, axilläre Stipel, und in Fig. 61 b die Basis des zugehörigen Hauptblattes von P. rufescens dargestellt. Die der Stipel angehörigen Nerven sind rot, und die der Blattbasis angehörigen schwarz gezeichnet. Die Stipel trägt im Rücken zwei kräftige, parallele Nerven (I und II), zwischen welchen einige sehr feine Stränge verlaufen. Die Seitenteile der Stipel werden von je vier parallelen grösseren Nerven durchzogen, die oben ein wenig mit- einander anastomosieren. Die zugehörige Blattbasis dagegen wird durchzogen von sieben größeren Längsnerven, von denen der mediane (Nr. 4) am stärksten ist. An diesen schließt sich, nach links bis Nerv 3, und nach rechts bis Nerv 5, ein feines Nervatursystem an. Setzen wir nun die Nervatur der Stipula adnata eines Primärblattes (Fig. 60) in Vergleich mit derjenigen der axillären Stipel und mit derjenigen der Blattbasis. Die Ligula (= L) der Stipel besitzt ein ganz ähnliches Nervatursystem wie der obere Teil der axillären Stipel in Fig. 61a. Die Ligula (L) von Fig. 60 ist somit offenbar homolog dem oberen Teil einer axillären Stipel. In der Stipularscheide (St) von Fig. 60 sind einmal die Nerven des unteren Teiles einer axillären Stipel und dann noch die Nerven einer Blattbasis enthalten. Diese liegen im mittleren Teil der Stipularscheide und sind in genau der gleichen Weise wie ihre homologen Nerven von Fig. 61b mit 1—7 bezeichnet. Die Nerven Nr. 1 und Nr. 7 von Fig. 60 sind unten schwarz und oben rot gezeichnet. Der untere, schwarz gehaltene Teil entspricht offenbar einer Kombination der Blattnerven Nr. 1 und Nr. 7 mit zwei entsprechend langen Stücken der Stipulanerven I 59] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 59 und II. In der Stipularscheide ist somit einmal der untere Teil einer axillären Stipel und außerdem der untere Teil eines freien Laub- blattes enthalten. B. „Verwachsungserscheinungen“ zwischen Stipula und Laubblatt an Keimlingen. Wir haben bereits oben gesehen, daß diejenigen Potameen, denen sonst axilläre Stipeln zukommen, an der Keimpflanze Primär- blätter bilden, an denen die axilläre Stipel durch die Stipula adnata substituiert wird. Es genügt daher hier auf das oben Gesagte hin- zuweisen (pag. 17f.). Aus den zahlreichen Beobachtungen über Verwachsung von Stipel und Primärblatt dürfte zur Genüge hervorgehen, daß die Stipula adnata bei Potameen mit axillärer Stipel als normaler Bestandteil des Entwickelungskreises eines jeden Individuums auftreten kann. Da die Stipula axillarıs an jugendlichen Sprossen substituiert wird durch die Stipula adnata, so wird erstere ebensogut wie letztere als ein Teil des ihr vorgesetzten Laubblattes angesehen werden dürfen. Das Vorkommen der Stipula adnata an neugebildeten Laub- sprossen bei Potameen mit axillärer Stipel ist für die phylogenetische Zusammengehörigkeit dieser Stipularorgane ebenfalls von großer Wichtigkeit. Da die Stipula adnata bei diesen Potameen allemal auf das erstgebildete Primärblatt beschränkt bleibt, so muß die Stipula adnata phylogenetisch älter sein als die Stipula axillarıs.. Zu genau dem gleichen Resultat führte uns ja auch die Keimungsgeschichte des Samens besagter Potameen (pag. 20). Den zweiten Beweis, daß die Stipula axillarıs der Potameen ein basales Anhängsel des ihr präponierten Laubblattes bildet, erbringt die Entwickelungsgeschichte. Entwickelungsgeschichte der Stipula axillaris von Potamogeton. (Taf. V, Fig. 62). Die Entwickelungsgeschichte der Stipula habe ich eingehend bei Potamogeton perfoliatus und obtusifolius studiert. Von P. perfoliatus habe ich Laubknospen verwendet, die ich im November 1899 in einem halb vertrockneten Teich bei Neckarau (bei Mannheim) ausgrub, und von P. obtusifolius kamen Winterknospen zur Verwendung, die ich im Spätherbst 1898 bei Weppersdorf im Aischthal (Mittelfranken) eingesammelt hatte. Das Material wurde in Celloidin eingebettet und - 60 H. Glück: [60 auf Längs- und Querschnitten untersucht. Beide Species führten im wesentlichen zu dem gleichen Resultat. Da bei beiden Arten die Blattstellung eine streng zweizeilige ist, so mußten mediane Längsschnitte, die senkrecht zur Blattfläche geführt waren, sämtliche Laubblattanlagen mit ihren zugehörigen Stipeln trefien. Der Vegetationspunkt von Potamogeton perfoliatus ist schlank und kegelförmig, ähnlich wie dies von Hippuris bekannt ist. Der- jenige von P. obtusifolius dagegen nähert sich mehr dem kuppen- als dem kegelförmigen. Die Blätter entstehen wie gewöhnlich durch Vorwölbung der äußeren (ewebsschichten am Vegetationspunkt und bilden einen Höcker. Dieser richtet sich frühzeitig empor, um nun- mehr parallel zur Sproßachse weiter zu wachsen. Die Stipula axillaris ist eine ziemlich späte Bildung, und beginnt erst dann sichtbar zu werden, wenn die Anlage bereits deutlich blattartig und verhältnis- mäßig alt geworden ist. Die Stipula entsteht durch Vorwölbung eines Wulstes, der auf der Innenseite der Blätter, ziemlich tief unten sich bildet. Das Wachstum dieses Wulstes wird zunächst durch eine Reihe keilförmiger Zellen vermittelt (St in Fig. 62). Auf serienartigen Quer- schnitten durch Vegetationspunkte läßt sich weiter konstatieren, daß die Anlage der Stipel von vorneherein einen zusammenhängenden Wulst bildet und nicht, wie viele früheren Autoren vermutet haben, durch nachträgliche Verwachsung von zwei ursprünglich getrennten Primordien entsteht. Die Anlage der Stipel wächst nun ziemlich rasch in die Breite, um die vor ihr stehende Sproßachse scheidig zu umhüllen. Gleichzeitig findet aber auch (wenigstens bei P. perfoliatus) eine - sekundäre Verschiebung der Stipel statt, so daß diese in die Achsel des Laubblattes zu sitzen kommt. Ein klein wenig verschieden von P. perfoliatus ist das Verhalten bei P. obtusifolius. Der Zellwulst, aus dem die Stipel ihre Ent- stehung nimmt, steht nämlich an der Laubblattanlage bedeutend höher als dies bei P. perfoliatus der Fall ist. So kommt es, daß die sekundäre Verschiebung der Stipel in die Blattachsel keine so vollkommene ist wie dort, so daß wir die Stipel auch im fertigen Zustand ganz an ihrer Basis noch etwas mit ihrem jeweiligen Laub- blatt verbunden antreffen. Den dritten Beweis, daß die freie Stipel der Potameen wirklich einen zum Laubblatt gehörigen Bestandteil vorstellt, erbringt das Verhältnis, in dem die Stipel zu neu entstehenden Sprossen steht. Wir finden, daß überall da, wo ein Laubblatt als Tragorgan für 61] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 61 einen Seitensproß funktioniert, dieser zwischen der Sproßachse und der Stipel seine Entstehung nimmt. Würde dagegen der Seitensproß zwischen der Stipel und dem betreffenden Laubblatt seine Entstehung nehmen, so könnte die Stipel nicht ohne weiteres als ein Teil des Laubblattes angesehen werden. Aus den mitgeteilten Beobachtungen ergibt sich als überein- stimmendes Resultat, daß die Stipel einen Teil ihres vorgesetzten Laubblattes repräsentiert; denn 1. sind die erwähnten Verschmelzungen zwischen Primärblättern und zugehörigen Stipeln bei Potameen mit axillärer Stipel allgemein verbreitet, 2. zeigt die Entwickelungs- geschichte, daß die Stipel stets aus der Basis ihres zugehörigen Laub- blattes entsteht, und 3. nehmen axiılläre Laubtriebe nur zwischen der Stipel und der Sproßachse, nie aber zwischen der Stipel und dem zugehörigen Laubblatt ihre Entstehung. Nachdem wir uns jetzt zur Genüge davon überzeugt haben, daß die axilläre Stipel von Potamogeton einen Bestandteil desjenigen Laubblattes bildet, in deren Achsel sie sitzt, muß noch bewiesen werden, daß die axilläre Stipel das Homologon paariger Stipeln ist und phylogenetisch aus solchen hervorging. Die axilläre Stipel von Potamogeton ist zwei getrennten Stipeln homolog. Wir haben bereits oben (pag. 4f.) gesehen, dass die axilläre Stipel bei Hydrocharis morsus ranae, die als Knospenblatt an den Turionen auftritt, morphologisch als ein Verschmelzungsprodukt von zwei freien Stipeln aufzufassen ist, wie sie den gewöhnlichen Schwimmblättern von Hydrocharis morsus ranae zukommen. In ganz ähnlicher Weise ist auch die axilläre Stipel von Potamogeton ein Homologon paariger Stipeln. | 1. Ist die axilläre Stipel von Potamogeton offenbar homelog den paarigen Stipeln von Potamogeton densus. Die Umbildung der Stipulae laterales in eine axilläre Stipel ist, wie bereits oben aus- geführt wurde, so vor sich gegangen, daß erstens die freien Teile paariger Stipeln zu einer Ligula verschmolzen sind (pag. 17), und daß zweitens die Stipularscheide der gebildeten Stipula adnata eine Spaltung erlitten hat (pag. 18f.). Mit Rücksicht auf ihre Stipeln steht Potamogeton densus zu den anderen Potameen mit axillärer Stipel in dem gleichen Verhältnis, in dem unter den Dikotyledonen z. B. Ficus elastica zu F. stipula- cea steht. 62 H. Glück: [62 2. Ist die Stipula axillarıs von Potamogeton deshalb paarigen Stipeln homolog, weil an der Keimpflanze solcher Potameen an den Primärblättern die axilläre Stipel ersetzt werden kann durch paarige Stipeln. Es bilden diese den phylogenetischen Ausgangspunkt für die Bildung der axillären Stipel, was ich oben auf Seite 12f. schon zur Genüge auseinander gesetzt habe. 3. Muß erwähnt werden, daß die axilläre Stipel einer dikotylen Pflanze ontogenetisch von paarigen Primordien hergeleitet werden kann. Wenn auch die von älteren Botanikern!) gehegte Anschauung, daß die axilläre Stipel von Potamogeton ein Verschmelzungsprodukt ursprünglich getrennter Primordien vorstelle, sich nicht bestätigt hat, so ist es doch Eichler?) gelungen, für die axilläre Stipel von Melianthus major, einer Sapindacee, einen solchen Nachweis zu führen. Den gemachten Beobachtungen des genannten Autors zu Folge entsteht die axilläre Stipel von Melianthus major aus zwei völlig getrennten Prim. ordien, die sekundär zu einer unpaaren, blattachselständigen Stipel verschmelzen. Die Stipel von Melianthus major ist somit ein Homo- logon paariger Stipeln und darf natürlich auch in phylogenetischer Hinsicht von solchen hergeleitet werden. Die axilläre Stipel von Potamogeton ist offenbar derjenigen von Melianthus major homolog und muß ebenso wie letztere mit paarigen Stipeln identifiziert werden, wenn uns auch die Ontogenie der axillären Potameen-Stipel keinen Einblick mehr in ihre frühere, paarıge Natur gewährt. Schließlich mögen noch zwei geringfügigere Umstände erwähnt sein, die ebenfalls dafür sprechen, daß die axilläre Stipel paarigen Stipeln homolog ist. Ähnlich wie bei dem äußersten Winterknospenblatt von Hydro- charıs morsus ranae, das einer axillären Stipel homolog ist, die mediane Cäsur auf eine ehemals paarige Beschaffenheit dieses Knospen- blattes hindeutet, so findet sich auch mitunter an der axillären Stipel von Potamogeton fluitans (wenigstens an nicht zu alten Trieben) eine Cäsur vor, die in genau der gleichen Weise gedeutet werden muß. Bei Potamogeton crispus ist, wie wir oben sahen, jede axilläre Stipel am oberen Rande mit einer seichten Bucht versehen. Schließlich mag noch erwähnt sein, daß bei gewissen Potameen die axilläre Stipel eine nachträgliche Spaltung in zwei Hälften er- leidet, die ebenfalls auf’ eine ursprünglich paarige Beschaffenheit der Stipel hindeutet. Eine solche nachträgliche Spaltung tritt bei P. 1) Bischoff (II) Band I. pag. 180 und Doell, Band I pag. 458. 2) Eichler (III) pag. 42. 63] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 63 crispus an nicht mehr ganz jungen Blättern auf, während bei P. mucronatus diese Spaltung ganz regelmäßig und ziemlich frühe ein- tritt, wobei dann die Stipelhälften an der Blattbasis deutlich diver- gieren (confer auch pag. 48 u. 52). Die axilläre Stipel von Potamogeton ist, wie ich jetzt gezeigt habe, in morphologischer Hinsicht als echte Stipel aufzufassen. 1. bildet sie einen Bestandteil der Basis desjenigen Blattes, in deren Achsel sie sitzt. 2. Ist sie paarigen Stipeln homolog und ist phylo- genetisch aus diesen hervorgegangen. Eine besondere Modifikation der offenen axillären Stipel dürfte die Bildung der Stachelkränze gewisser Palmen sein, wie sie z. B. von Astrocaryum farinosum!) abgebildet werden. Diese Stacheln, über die entwickelungsgeschichtliche Daten scheinbar nicht vorliegen, treten stets reihenweise auf und sind auf die Insertionslinie des Blattstiels beschränkt. B. Geschlossene Stipula axillaris. (Taf. V, Fig. 63 und 64). Die geschlossene Stipula axillaris bildet eine blattachselständige, allseitig geschlossene und nur oben offene Röhre. Diese Stipelform habe ich bis jetzt nur für Zanichellia palustris nachweisen können (Fig. 63). Sie besitzt eine Länge von 4—8 mm und eine Breite von 2—3,5 mm (in extenso); die Stipel ist farblos, zarthäutig und am oberen Ende gerade abgestutzt. Die röhrige Form der Stipel kann nur an jüngeren Teilen der Pflanze beobachtet werden. Später wird sie von den noch wachstumsfähigen Stamm- und Blatt-Teilen, die sie umschließt, an der der Spreite abgekehrten Seite gesprengt und hat dann das Aussehen einer offenen, axillären Stipel. In anatomischer Hinsicht muß hervorgehoben werden, daß die Stipel von Zanichellia den primitivsten Bau besitzt, den ich überhaupt bei Stipulargebilden bis jetzt auffand (Fig. 64). Die Stipel besteht aus nur zwei Lagen polygonaler Zellen, die keine Intercellularen einschließen. Die nach außen zu sehende Seite (a in Fig. 64) ist zum Unterschied von der dem Stamm zugekehrten Innenseite kutikularisiert. Jede Spur von Gefäßbündelteilen ist verschwunden; ebenso ist von Bastfaserelementen nichts vorhanden, die ja bei der ebenfalls sehr primitiven Stipel von Potamogeton pusillus noch vorhanden sind. 1) Siehe die Bearbeitung der Palmen von Drude in der Flora Brasiliensis III, Tab. 81. 64 H. Glück: 164 Die geschlossene axilläre Stipel von Zanichellia palustris ist ebenfalls zwei Stipulae laterales äquivalent, die nachträglich mit ein- ander zu einer Röhre verwachsen sind. Die geschlossene axilläre Stipel von Zanichellia palustris ist homolog den paarigen Stipeln von Althenia sp. und von Potamogeton densus, die beide mit Zanichellia palustris nahe verwandt sind. Und ebenso ist sie auch der geschlossenen Stipula adnata von Zanichellia Preissii homolog, welch letztere sich aber wieder mit Hilfe ihrer stipulierten Blütenhüllblätter auf paarige Stipeln leicht zurückführen läßt. Auch muß mit Rücksicht auf eine Dikotyle die geschlossene Stipula axillarıs der Z. p. von paarigen Stipeln hergeleitet werden. Die „Stipulartute“ von Liriodendron ist nur dadurch noch von der Axillarstipel der Zanichellia p. verschieden, daß sie oben geschlossen ist und so ursprünglich kappenförmig den Vegetationspunkt einschließt. Es ist Eichler‘) gelungen, den ent- wickelungsgeschichtlichen Nachweis zu führen, daß die unpaare Tute von Liriodendron ebenfalls aus der Verschmelzung getrennter Primordial- höcker hervorgeht. Die Tute wird schließlich durch das Wachstum des von ihr eingeschlossenen Vegetationspunktes gesprengt und zer- fällt in zwei gleichgroße Klappen, die zwei Stipeln homolog sind und den beiden Blattprimordien entsprechen, von welchen die Stipel ihren Ausgang genommen hat. Über die Stellung, welche die geschlossene Stipula axillaris von Zanichellia palustris in phylogenetischer Hinsicht unter den Stipular- organen einnimmt, möge man das weiter unten (Gresagte nachsehen. Biologische Funktion der Stipeln bei Monokotyledonen. Über die biologische Funktion der Stipeln dikotyler Pflanzen haben sich schon ältere Botaniker wie de (Candolle (Organ. veg. I, pag. 341), $7. Hilaire (pag. 196) und Trecul (pag. 291) dahin aus- gesprochen, daß dieselben als Schutzorgane junger, im Wachsen be- sriffener Pflanzenteile aufzufassen sind. Die Arbeiten jüngerer Autoren (Schulz, Lubbock, Goebel), die sich eingehender mit der biologischen Funktion der Stipeln beschäftigten, führen alle im wesentlichen zu dem Resultat, daß die Stipeln in erster Linie allerdings als Schutz- organe thätig sind und daß erst in zweiter Linie noch andere Funktionen in Betracht kommen können. 1) ]. c. III, pag. 39 f£. Penn ie ige 65] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen, 65 Die biologische Funktion der Stipeln monokotyler Grewächse ist im wesentlichen die gleiche wie wir sie bereits von den Stipeln diko- tyler Gewächse durch die genannten Autoren kennen gelernt haben. Die Stipulargebilde der Monokotyledonen haben I. als Schutzorgane zu funktionieren; dabei kommen sowohl vegetative als auch fruktifikative Organe in Betracht; II. als Assıimilationsorgane und III. als Reservestoffspeicher. In der Regel haben die Stipeln zwei der genannten Funktionen nacheinander zu verrichten; insbesondere sei von den beiden letzt- genannten bemerkt, daß sie stets in Kombination mit einer anderen auftreten. Die erstgenannte Funktion, als Schutzorgan zu dienen, spielt bei den Stipeln der Monokotylen weitaus die wichtigste Rolle. Es geht solches zur Genüge hervor aus der ganzen morphologischen Be- schaffenheit der Stipeln, sowie aus deren Lagerungsverhältnis zu den schutzbedürftigen Organen. Ebenso wie bei Dikotyledonen wird auch bei Monokotyledonen der dem Sproßvegetationspunkt nötige Schutz in erster Linie dadurch bewerkstelligt, daß die Laubblätter der verschiedensten Altersstufen in einander geschachtelt sind, wobei die ältesten Blätter zu äußerst und die jüngsten zu innerst liegen. Der so geschaffene Schutzapparat, der bei vielen Pflanzen als solcher vorhanden ist, erfährt eine wesent- liche Vervollkommnung, wenn die Blattbasis der Laubblätter Stipular- organe zur Entwickelung bringt wie dies sehr viele monokotyle Pflanzen auch thun. Die weitgehendste Anpassung an ihre schützende Funktion dürften solche Stipeln aufweisen, die die Gestalt einer geschlossenen Röhre haben. Sie sind im stande, die zu schützenden Organe mit einer lückenlos zusammenschließenden Hülle zu bedecken. Hierher gehört die geschlossene Stipula adnata und die geschlossene Stipula axillarıs. Ein etwas minderwertigeres Schutzorgan bildet die offene Stipula adnata und die offene Stipula axillarıs. Eine völlige Um- hüllung der zu schützenden Organe kann bei ihnen nur durch das Übereinandergreifen zweier Blattränder bewerkstelligt werden. Den verhältnismäßig unvollständigsten Schutzapparat bilden die paarigen Stipeln; eine allseitige Umhüllung der schutzbedürftigen Organe kann nur durch das Übereinandergreifen von zweimal zwei freien Blatträndern zu stande kommen. Daß die unpaaren Stipeln in der That ein biologisch höher stehendes Organ vorstellen als paarige, Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 5 66 H. Glück: 166 das beweist uns auch das oben näher geschilderte Verhalten der zwei äußersten Knospenblätter am Turio von Hydrocharis morsus ranae. Diese Knospenblätter sind, wie ich oben zeigte, paarigen Stipeln homolog, wie sie die gewöhnlichen Schwimmblätter von Hydrocharis besitzen. Ich sehe in der biologischen Funktion, einen verstärkten Schutz für junge Pflanzenteile zu bilden, dasjenige Moment, welches ursprünglich paarige Stipeln veranlaßte in unpaare sich umzubilden. Mit Rücksicht auf ihre verschiedenartigen Funktionen lassen sich die Stipularorgane der Monokotyledonen etwa folgendermaßen gruppieren: I. Stipeln, die ausschließlich zum Schutze junger, im Wachsen begriffener Pflanzenteile dienen. Solche Stipeln sind farblos oder weißlich; sie entbehren des Chlorophylis und sind deshalb unfähig zur Assimilation. Häufig sind sie von zarthäutiger Beschaffenheit und, da sie nur zum Schutze junger, wachstumsfähiger Teile vorhanden sind, finden wir sie an älteren Blättern oft nicht mehr oder nur noch in oblitteriertem Zu- stande auf. Von den oben näher geschilderten Monokotyledonen mag hier erwähnt sein die geschlossene axilläre Stipel von Zanichellia palustris, die offene axilläre Stipel von Potamogeton crispus, P. pusillus, P. natans etc.; die offene Stipula adnata von Hydrocharis asiatica, Limnobium Spongia, Althenia filiformis und die paarigen Stipeln der Schwimmblätter von Hydrocharis morsus ranae. I. Stipeln, die als Schutz- und als Assimilationsorgane funktionieren. Die hierher gehörigen Stipularorgane versehen in der Regel nicht diese beiden Funktionen auf einmal. In der Jugend dienen diese Stipeln lediglich zum Schutze des Vegetationspunktes, sowie sie aber ihre definitive Größe erreicht haben, ist auch chlorophyllhaltiges Gewebe und eine spaltöfinungsführende Epidermis an ihnen zur Ent- wickelung gekommen, und damit haben die Stipeln die neue Funktion, die grünen Blattspreiten in ihrer Assimilationsarbeit zu unterstützen, übernommen. Zunächst seien die paarigen Stipeln gewisser Pothos-Arten er- wähnt, wie ich sie oben näher geschildert habe. Im fertigen Zustand nehmen dieselben oft einen eben so großen Flächenraum ein als die zugehörige Laubspreite ihn besitzt. Ebenso wie diese sind sie von lederartiger Beschaffenheit und mit Chlorophyll- und Spaltöffnungen 67] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 67 ausgerüstet. Die Hälfte der gesamten Assimilationsarbeit, welche die Pflanze zu verrichten hat, kommt dann den Stipeln zu. Von weit geringerer Bedeutung als bei letztgenannten Araceen ist die assimilatorische Arbeit, welche die Stipel, nach ihrer Funktion als Schutzorgan, zu leisten hat bei Rhynchophyle, Microcasia, Calla palustris und Desmoncus-Arten. Die Stipel dieser Arten ist ebenfalls in ihrer ganzen Ausdehnung (wenn zumeist auch nur an der Außen- seite) chlorophyllhaltig und mit Spaltöffnungen versehen, aber ihre assimilierende Fläche ist, verglichen mit derjenigen der Spreite so gering, daß die Assimilationsthätigkeit der Stipel für das Leben der Pflanze von sehr geringer Bedeutung sein dürfte. Bei den bisher behandelten Arten funktionierte die Stipel im jugendlichen Zustand als Schutzorgan und im fertigen Stadium als Assimilationsorgan. Bei vielen anderen Arten werden diese beiden Funktionen nach einander nur von dem unteren Teil der Stipel, von der Stipularscheide versehen. Die zugehörige Ligula dagegen funk- tioniert lediglich nur noch als Schutzorgan des Vegetationspunktes. Sie umhüllt, wie dies Goebel!) zunächst für gewisse Gramineen zeigte, den Vegetationspunkt ursprünglich nach Art einer Kappe. Im fertigen Zustand besteht sie aus einem farblosen, häutigen Gebilde, das weder Spaltöffnungen noch Chlorophyll führt und das im späteren Leben oft verfallen kann. Solches gilt jedenfalls für die meisten Gramineen, für gewisse Junaginaceen, für Potamogeton striatus, P. pectinatus, P. filiformis und P. aulacophyllum. Für P. filiformis konnte ich selbst konstatieren, daß die Ligula ziemlich frühzeitig ihre völlige Größe er- reicht, um ebenfalls in Gestalt einer spitz zulaufenden Kappe den Vege- tationspunkt zu umhüllen, während die zugehörige Stipularscheide im nämlichen Entwickelungsstadium noch so weit in der Entwickelung zurück ist, daß die Ligula die Stipularscheide um das vielfache ihrer Länge übertrifft. Von ganz besonderem Interesse sind in biologischer Hinsicht die „Ligulalappen“, die ich oben für Pontederia näher geschildert habe. Ich habe oben (pag. 35 ft.) gezeigt, wie die Ligula von Pon- tederia am Ende in drei eigentümliche Lappen ausläuft. Diese Lappen eilen in ihrer Entwickelung der ganzen übrigen Stipel bis zu einem gewissen Zeitmoment voran, bis schließlich der obere Blatt- lappen sich über die Oberseite der Lamina des nächst jüngeren Blattes ausbreitet, während die beiden unteren Lappen sich in ähn- 1) Organographie II, 2, pag. 566 f. 68 H. Glück: [68 licher Weise der Lamina-Unterseite anschmiegen, die jedoch nur eine teilweise Bedeckung erfährt. Ich erblicke in den Ligulalappen Organe, die speziell dazu da sind, um die jugendliche Blattfläche mit einer schützenden Decke zu überziehen. In ähnlicher Weise wie die Ligulalappen von Pontederia funk- tioniert auch die Ligula der Palmen wenigstens in einem gewissen Altersstadium, nur ist eben bei den Palmen die Ligula Schutzorgan für die Blattspreite ihres eigenen Blattes, während bei Pontederia allemal die Spreite des nächst jüngeren Blattes bedeckt wird '!). v. Kenner?) hat die biologische Funktion der Gramineen-Ligula dahin gedeutet, daß das von der Blatttläche herabrieselnde Regen- wasser gestaut wird, um so eine der Pflanze nachteilige Ansammlung von Wasser in den Blattscheiden zu verhindern. Es dürfte aber diese Deutung nach dem jetzt Mitgeteilten wenig für sich haben; auch hat bereits (Goebel darauf hingewiesen, daß eine solche Auf- fassung nicht hinlänglich begründet sei. Da jede Ligula morphologisch zwei miteinander verschmolzenen Stipelenden gleichkommt, so ist es sehr wahrscheinlich, daß auch die häutige Ligula früher einmal den Charakter eines gewöhnlichen Blatt- Teiles an sich trug und mit Chlorophyll- und Spaltöffnungen ausge- rüstet war. Wenn der Ligula die Fähigkeit zu assimilieren verloren gegangen ist, so wird das daher kommen, daß einerseits die Assimi- lationsfähigkeit der Ligula für das Leben dieser Pflanzen völlig über- flüssig gewesen sein mag und daß andererseits die Existenz der Ligula als Schutzorgan für den Vegetationspunkt unentbehrlich gewesen sein muß. Unter den Gramineen erreicht nur die Ligula von Psamma arenaria®) die außergewöhnliche Größe von 4 cm und ist zudem mit Spaltöffnungen und Chlorophyll ausgerüstet. Sie kann somit derjenigen des oben beschriebenen Hedychium und derjenigen gewisser Araceen und der einiger Palmen an die Seite gesetzt werden. Bei anderen Gramineen ist die Ligula wohl noch mit Gefäßbündeln, aber nicht mehr mit Chlorophyll und Spaltöffnungen ausgerüstet, und bei wieder anderen Gramineen, die sicher in der großen Überzahl vorhanden ‚sind, besitzt die farblose Ligula weder Spaltöffnungen, noch Gefäß- bündel, noch Chlorophyll. 1) Goebel pag. 569. 2) v. Kenner, Band I, pag. 88. 3) Goebel II, 2, pag. 566. kr pe BITTE 69] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 69 Bei Paniceen und auch bei Allıum ist die Ligula ein im Schwunde begriftenes Organ und kann im fertigen Zustand jede Stufe der Re- duktion einnehmen. Bei den ligulalosen Panicum- und Allium-Arten wird der Schutz des Vegetationspunktes lediglich durch die jungen, in einander ge- schachtelten Stipularscheiden besorgt. Genau das Gleiche gilt natür- lich auch für alle übrigen Monokotyledonen, denen ligulalose Stipular- scheiden zukommen. Schließlich mag noch die axilläre Stipel vieler Potamogeton-Arten hier angereiht sein. Auch sie versieht nacheinander erst die Funk- tion eines Schutzorganes und später die eines Assimilationsorganes. Auch bei ihr muß die erstgenannte Funktion als die weitaus wichtigste angesehen werden, während die assimilatorische Thätigkeit für das Leben der Pflanze von ganz gleichgültiger Bedeutung ist. Die Stipel von Potamogeton lucens, polygonifolius, fluitans, rufescens ete. ist blaßgrün, enthält nur sehr wenig Chlorophyll, und besitzt keine Spalt- öffnungen mehr. Häufig löst sie sich schon ziemlich frühzeitig mit ihren basalen Flanken von der Achse los, oder sie beginnt an der Spitze zu zerfasern, um schließlich bis auf wenige Rudimente zu verschwinden, während das zugehörige Laubblatt noch lange an der Sproßachse weit er bestehen kann. IH. Stipeln, die vorwiegend als Schutzorgane überwin- ternder Stammknospen dienen. Am einfachsten dürften die Verhältnisse bei Smilax und Calla liegen. Bei den gewöhnlichen kultivierten Smilax-Arten wird die Blattspreite mit Abschluß einer Vegetationsperiode abgeworfen, während die Blattbasis, deren paarige Stipeln oft nur als „Stiel- scheide“ ausgebildet sind, zusammen mit den beiden Ranken an der Axe zurückbleiben. Inzwischen hat sich in der Blattachsel die für das nächste Jahr bestimmte Laubknospe gebildet. Die zurückbleiben- den Stipeln, die jetzt ihre ursprünglich grüne Farbe eingebüßt haben und nunmehr fest und lederhart geworden sind, bilden durch Über- einanderlegen ihrer Ränder eine die Achselknospe völlig einschließende Hülle. Erst im nächsten Frühling wird durch die Entwickelung der Achselknospe die Hülle geöffnet, welche bald darnach zerfällt. Bei Calla palustris findet etwas ganz ähnliches statt. Die äußerste Hülle der Stammknospe wird während des Winters von der Stipel des letzten Laubblattes gebildet, deren Blattspreite abgewelkt ist. Mit Beginn der neuen Vegetationsperiode finden sich nur noch Reste der 70 H. Glück: [70 jetzt verfaulten oder verwelkten Stipel vor, und das erste zur Ent- wickelung kommende Laubblatt besitzt eine normale Stipula adnata. In der eben geschilderten Weise verhielten sich meine Kulturexem- plare. Bei ungünstigen Ernährungsbedingungen scheinen, gewissen Autoren zufolge, an Stelle normaler Laubblätter mitunter auch „Nieder- blätter“ an den Stamminternodien sich zu entwickeln, die aber natür- lich nichts anderes sind als Stipulae adnatae, deren Blattspreite nicht zur Entwickelung gekommen ist. Derartige „Niederblätter“ können, falls sie im Spätherbst auftreten, selbstverständlich auch als Schutz- organe für den Stammvegetationspunkt figurieren. Eine zweite Kategorie von Stipeln, die als Schutzorgane über- winternder Vegetationspunkte funktionieren, sind insofern als biologisch höher stehende Schutzorgane anzusehen als die ihnen zugehörigen Blattspreiten eine nur kümmerliche Ausbildung erlangen. Solches gilt für die Winterknospenblätter gewisser Potameen, wie P. obtusi- folius, P. pusillus, P. acutifolius u. a., die vegetativ nur in Gestalt sogenannter Turionen oder Winterknospen die kalte Jahreszeit über- stehen können. Der Knospenschutz solcher Turionen wird durch axilläre Stipeln besorgt, deren zugehörige Blattspreiten nur Ya—!/ımal so lang werden als die Spreiten normaler Laubblätter. In Taf. V, Fig. 65 ist ein Querschnitt durch eine Winterknospe von Potamogeton obtusifolius dargestellt. Die Stipeln der Knospenblätter und auch die der jungen Laubblätter sind schwarz gehalten, während die zu- gehörigen Blattspreiten hell schattiert sind. Die drei äußersten Stipeln mit ihren zugehörigen Spreiten sind als Knospenblätter auf- zufassen. Alle weiter nach innen zu gelegenen Blattorgane sind noch unentwickelte Laubblätter. Eine wesentliche Verstärkung des Knospen- schutzes wird noch dadurch erzielt, daß die Stipeln der Knospenblätter mit ihren Rändern umgeklappt sind und mehr oder minder über- einandergreifen. Die Blattspreite der Knospenblätter ist grün und chlorophylihaltig; doch dürfte die assimilatorische Funktion derselben hier gar keine Rolle spielen, da die Turionen doch dazu bestimmt sind, eine Ruheperiode durchzumachen. Eine dritte Kategorie von Stipeln, die ebenfalls zum Schutze überwinternder Stammteile dienen, sind in der weitgehendsten Weise der ihnen zukommenden Funktion angepaßt. Bei ihnen kommt eine Blattspreite überhaupt nicht mehr zur Entwickelung. Hier sind zu erwähnen die überwinternden Stammknospen von Potamogeton lucens, P. perfoliatus, P. gramineus u. a., welche mit ihrer ebenfalls per- ennierenden Mutterachse in Verbindung bleiben. Ferner die Turionen a A ee Di ET nen 71] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 1 von Potamogeton rufescens, P. tluitans und Hydrocharis morsus ranae, welche die einzigen Überwinterungszustände dieser Pflanzen bilden '). Fassen wir von den genannten Potameen das Potamogeton rufescens etwas näher ins Auge. Die Vegetationsorgane dieser Pflanze gehen im Herbst vollständig zu Grunde und hinterlassen im Schlamm von Gräben und Teichen wurzellose, spindelige Knospen (Taf. IV, Fig. 55). Stellen wir uns durch die Region des Vegetationspunktes einen Quer- schnitt her, so bekommen wir ein Bild, wie es ın (Taf. V, Fig. 66) dargestellt ist. Zu äußerst wird die Knospe von zwei „Schuppen- blättern“ (A und B) umhüllt; beide Blätter sind ziemlich kräftig ent- wickelt und umhüllen alle noch unentwickelten Laubblätter; letztere sind mit I—VI bezeichnet und ihre zugehörigen Stipeln sind schwarz gehalten. Wenn die Knospe im Frühling auszutreiben beginnt, so bilden die beiden Knospenblätter A und B zwei „Niederblätter“, die den zwei untersten Sproßinternodien angehören (mit 3 und 4 in Fig. 56 auf Taf. IV bezeichnet). Morphologisch gesprochen sind aber diese beiden Niederblätter axilläre Stipeln, die in besonderer Weise der Funktion des Knospenschutzes angepaßt sind. Eine Blattspreite ist an ihnen nicht mehr zur Entwickelung gekommen. Sie selbst sind etwa 1!/’.—3mal so‘groß als gewöhnliche Stipeln, und während diese von mehr häutiger dünner Beschaffenheit sind, sind die Knospenblätter stets dicklich und lederartig. Im Querschnitt betrachtet bestehen die Knospenblätter aus mehreren Parenchymlagen, die dicht mit Stärke- körnchen angepfropft sind. Dieser Stärkereichtum deutet darauf hin, daß die Knospenblätter neben ihrer Schutzfunktion auch noch die der Reservestoffspeicherung besitzen. In genau der gleichen Weise ver- halten sich die Knospenblätter der übrigen von mir untersuchten und oben erwähnten Potameen. Besonderes Interesse beanspruchen schließlich noch die Knospen- blätter, welche die Turionen von Hydrocharis morsus ranae einhüllen. Die Knospenblätter sind dadurch der ihnen zukommenden Schutz- funktion angepaßt worden, daß die Schwimmblätter eine Umbildung nach zwei verschiedenen Richtungen hin erfahren haben. Die Blatt- spreite ist an den beiden äußersten Knospenblättern völlig unter- 1) Es sei bemerkt, dafs bei Potamogeton fluitans nach meinen wiederholten Beobachtungen an verschiedenen Lokalitäten die Stammknospen von den Rhizomen sich häufig loslösen, um als frei flottierende Turionen neuen Individuen das Dasein zu geben. Ebenso häufig bleiben aber auch die Stammknospen mit ihren eben- falls perennierenden Rhizomen in Verbindung, um an der Achse im kommenden Frühling neu auszutreiben. 72 H. Glück: 172 drückt und, wie ich oben zeigte, nur ausnahmsweise noch in rudi- mentärer Form nachweisbar. Außerdem aber stellen die beiden äußersten Knospenblätter am Turio unpaare Blättchen vor; die paarigen Stipeln der Laubblätter sind zu je zweien miteinander ver- schmolzen, um in erhöhtem Maße der ihnen zukommenden Schutz- funktion entsprechen zu können. Das zweite Knospenblatt ist außerdem, wie wir sahen, besonders kräftig gebaut, nicht von häutiger, sondern von lederartiger Konsistenz und kapuzenförmig, während seine beiden Blattränder noch übereinandergreifen. Dadurch wird der ganze innere Knospenkern von einem einzigen Blatt allseitig umhüllt (Taf. I, Fig. 3 und 4). Abgesehen von den beiden äußersten Knospenblättern sind die Stipeln der nächstfolgenden Primärblätter auch noch in hervor- ragender Weise am Knospenschutze beteiligt. Die Spreite dieser Blätter ist stets in Form eines Rudimentes noch erhalten (Taf. I, Fig. 2). Ihre Stipeln weichen, wie ich oben bereits zeigte, durch ihre gegenseitige Lagerung, durch ihre meist stark konkave Form und durch ihre derbhäutige Beschaffenheit von den Stipeln normaler Laubblätter ab. Ähnlich wie in den Knospenschuppen gewisser Potameen trifft man auch in denen von Hydrocharis morsus ranae in der Regel zahlreiche Stärke- körnchen an. Die Knospenschuppen haben neben der ihnen zukom- menden Schutzfunktion ebenfalls noch die der Reservestoffspeicherung zu versehen. In ähnlicher Weise wie die Knospenschuppen der eben geschil- derten Monokotyledonen verhalten sich die gewisser Dikotyledonen. Nach Goebel!) werden die überwinternden Stammknospen von Mag- nolia fuscata, von Quercus und Fagus von Knospenblättern umhüllt, die morphologisch als Stipeln zu deuten sind. Sie sind zum Zwecke des Knospenschutzes etwas abweichend gebaut von denen assimilieren- der Laubblätter und ihre zugehörige Spreite pflegt eine „Hemmung‘“ in ihrer Entwickelung zu erfahren. Nach Reinke?) wird die über- winternde Stammknospe von Gunnera von „Axillarstipeln“ umhüllt, die zunächst die Funktion des Knospenschutzes, und mit Rücksicht auf die in ihnen enthaltene Stärke nebenbei auch die der Reserve- stoffspeicherung zu verrichten haben. Und nach Hilburg?) sind die Schuppen der Winterknospe von Tilia zwei verwachsenen Stipeln homolog, deren zugehörige Blattspreite nicht zur Entwickelung kommt. i) Goebel, Qrganographie II, 2, pag. 575. 2) Reinke, l. c. pag. 78, f. 3) Hilburg, 1. ce. pag. 26 f. EEE Eee ee 73] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 3 IV. Stipeln, die vorwiegend als Schutzorgane von Blüten ständen oder Blüten dienen. Als solche können Stipulae laterales, Stipulae adnatae oder Stipulae axillares funktionieren. A. Paarige Stipeln, die als Schutzorgane von Blüten oder Blütenständen dienen. Zunächst sei Potamogeton densus erwähnt. Ich habe bereits oben auf pag. 6 f. darauf hingewiesen, daß die schönen, paarigen Stipeln dieser Pflanze immer nur an denjenigen Laubblättern auftreten, welche direkt an der Basis eines Blütenstandes sich befinden. Und zwar sind es nie mehr als ein oder zwei Laubblätter, welche durch Stipeln ausgezeichnet sind. Da allen übrigen Laubblättern paarige Stipeln fehlen, so dürfte ohne weiteres einleuchtend sein, daß bei dieser Pflanze die Stipeln keine andere Funktion haben, als den Blütenstand während seiner Ent- wickelung durch Umhüllung zu schützen. Die Stipeln sind, wie oben schon mitgeteilt, chlorophyllos und von ein bis zwei sehr schwachen Nerven durchzogen. Da alle übrigen nahe verwandten Süßwasser- Potameen stipulierte Laubblätter haben, so halte ich es für sehr wahrscheinlich, daß auch bei Potamogeton densus früher einmal sämtliche Laubblätter stipuliert waren, und daß diese nur deswegen ihre Stipeln verloren haben, weil einerseits die Blütenstände nicht in der Achsel eines jeden Laubblattes zur Entwickelung kommen, und weil andererseits der dem Vegetationspunkt nötige Schutz durch die breite, stengelumfassende Basis der Laubblätter versorgt werden kann, die am Vegetationspunkt dicht in einander geschachtelt sind. Auf einige ähnliche Vorkommnisse von Stipeln bei Dikotyledonen muß hier noch aufmerksam gemacht werden. Nach Lubbock') kommen bei Helianthemum guttatum nur im oberen Teil des Sprosses, auf den die Blätter beschränkt sind, stipulierte Laubblätter vor. Und nach (@oebel?) werden bei Adenostyles albifrons ebenfalls nur an den höher stehenden Laubblättern Stipeln angetroffen, welche in der Nähe der Blütenstände sich befinden. Die biologische Funktion der Stipeln ist bei diesen Pflanzen natürlich auch keine andere als die des Schutzes von jungen Blüten, eventuell Blütenständen. Während bei Potamogeton densus die zu den paarigen Stipeln gehörige Blattspreite ihre volle Ausbildung beibehält, ist solches für die jetzt zu erwähnenden Gramineen nicht zutreffend. Die Spelzen 1) Lubbock 1. ce. 2) Goebel, Organogr. II, 2, pag. 556, 74 H. Glück: [74 zahlreicher Gramineen bestehen — wie ich oben pag. 28 zeigte — aus einem unteren, mit paarigen Stipeln ausgerüsteten Teil und einem oberen, der „‚Granne‘“. Der untere stipulierte Teil der Spelze kommt beim Blütenschutz allein ın Betracht. Die Stipeln der Spelzen er- reichen, verglichen mit denjenigen der Laubblätter eine nur geringe Länge, die aber genügt, um die an sich kleinen Blüten umhüllen zu können. Während die Stipula adnata der Laubblätter infolge ihres Chlorophyllreichtums sich in hervorragender Weise an der gesamten Assimilationsarbeit der Pflanze beteiligt, geht den Spelzen die Fähig- keit zu assimilieren fast vollständig ab. Die den Schutzstipeln zu- gehörige Lamina, die „Granne‘“, erlangt im Vergleich zur Spreite der Laubblätter eine nur rudimentäre Ausbildung und ist meist nur noch im jugendlichen Zustande grün. Bei den stipulierten Spelzen mancher Gramineen kann die Granne auf ein Minimum reduziert sein, so daß nur ein Stipelpaar übrig bleibt, das als schützende Hülle für die Blüte dient. Ganz ähnlich verhalten sich auch die „‚Blütenhüllblätter‘‘ gewisser Zanichellieen. Die Blütenhüll- blätter von Althenia sp. (pag. 9) und die von Zanichellia Preissii (pag. 38) sind Stipelpaare, die ausschließlich als Schutzorgane der Blüten funk- tionieren, welche sie in ihrer Achsel tragen. Die Entwickelung einer Blattspreite unterbleibt an solchen Stipelpaaren gänzlich. B. Stipulae adnatae, die zum Schutz von Blüten oder Blütenständen dienen. Am einfachsten liegen die Verhältnisse bei Zostera (Z. marina und Z. nana). Der Schutz des Blütenstandes wird von der sog. Spatha besorgt. Diese Spatha ist aber, wie sich leicht durch den Vergleich mit den Laubblättern erkennen läßt, nichts anderes als ein Laubblatt, das in besonderer Weise modifiziert wurde, um als Schutzorgan für den Blütenstand zu funktionieren. Die Spatha besteht, wie oben schon mitgeteilt wurde, aus einer Stipula adnata und einer zugehörigen Spreite. Auch hier ist es die Stipel, welche ausschließ- lich als Schutzorgan für den Blütenstand dient. Sie ist im Vergleich zur Stipel gewöhnlicher Laubblätter sehr groß und kräftig; sie ver- mag den Blütenstand völlig einzuhüllen, dadurch daß ihre freien Blattränder noch ein wenig übereinandergreifen. Die Spreite der Spatha ist, verglichen mit derjenigen normaler Laubblätter in der Richtung ihrer Längsachse stark verkürzt, im übrigen aber ebenfalls grün und chlorophylihaltig. An der Assimilationsarbeit der ganzen Pflanze hat sie sich offenbar nur in sehr untergeordneter Weise zu beteiligen. Die Spatha wirft, ähnlich wie das die Laubblätter thun, im Alter ihre Spreite ab. — Bei Potamogeton pectinatus sind zur Um- nr en 75] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 75 hüllung junger Blütenstände stets zwei Stipulae adnatae nötig, die durch ein so äußerst kurzes Internodium von einander getrennt sind, daß sie gegenständig zu sein scheinen. Dadurch, daß die freien Ränder dieser Stipeln übereinandergreifen, kommt eine sackartige Hülle zu Stande, welche den Blütenstand allseitig umhüllt. Solche Stipeln bleiben viel kürzer als die gewöhnlichen Laubblätter; sie werden viel breiter und besitzen eine nur sehr kurze Ligula. Die zugehörige Blattspreite ist in der Richtung ihrer Längsachse stark verkürzt. In ähnlicher Weise verhalten sich auch die Spelzen gewisser Gramineen, die in Form einer Stipula adnata ausgebildet sind. Auch sie haben in erster Linie als Schutzapparate für die Blüten zu funk- tionieren, und haben daher eine von der Stipula adnata gewöhnlicher Laubblätter abweichende Ausbildung. Abgesehen von ihrer geringen Größe und dem Mangel des Chlorophylis ist ihre Blattspreite eben- falls zu einer nicht mehr assimilationsfähigen Granne reduziert, die oft nur noch als winziges Rudiment aufgefunden wird. Die weitgehendste Anpassung an die Funktion des Blütenschutzes zeigen endlich solche Stipulae adnatae, an denen eine Blattspreite über- haupt nicht mehr zur Entwickelung kommt. Die Hochblätter der Blütenstände zahlreicher Zingiberaceen (pag. 26 f.), sowie diejenigen von Althenia filiformis (pag. 24) erreichen im Vergleich zu den schutzbe- dürftigen Blüten nur eine gewisse Länge und die Anlage einer Blatt- spreite unterbleibt gänzlich. C. Stipulae axillares, die als Schutzorgane von Blütenständen dienen. Axilläre Stipeln, die speziell zum Schutz von Blütenständen dienen, finden sich bei all denjenigen Potamogeton- Arten, deren Laubblätter axilläre Stipeln tragen. Der Schutz des jungen Blütenstandes wird zunächst dadurch zu Stande gebracht, daß zwei axilläre Stipeln sich gegenüberstehen und mit ihren freien Blatt- rändern sich gegenseitig decken (Taf. V, Fig. 67), so daß eine sackartige Hülle gebildet wird, welche den jugendlichen Blütenstand einhüllt. Die Gegenständigkeit dieser beiden Stipeln ist natürlich nur eine scheinbare und ist ähnlich wie bei P. pectinatus dadurch zu Stande gekommen, daß das letzte, der Inflorescenzachse vorhergehende Stamm- - internodium eine minimale Länge besitzt. Weiter ist auch die Form dieser Stipeln der ihnen zukommenden Schutzfunktion angepaßt; sie sind viel kräftiger, dicker und breiter als die Stipeln anderer Laub- blätter. Die den Schutz-Stipeln zugehörige Blattspreite ist oft stark in ihrer Längsachse verkürzt, was zunächst für die grasblätterigen Pota- meen, P. trichoides (Fig. 67), acutifolius, obtusifolius etc. gilt. So 76 H. Glück: [76 wie einmal der Blütenstand ein gewisses Alter erreicht hat, sprengt er die aus zwei Stipeln bestehende Hülle (Taf. V, Fig. 68), um sich auf einem mehr oder minder langen Stiel über das Wasser zu erheben, während die beiden getrennten Stipeln an der Basis des Blütenstandes ncch fortbestehen. Als Schutzorgane für neue Achselsprosse (= neue Sproßgenera- tionen) kommen die Stipeln S kaum in Betracht. Die Anlage solcher Seitensprosse, deren Entwickelung häufig ganz unterbleibt, findet zu einer Zeit statt, in welcher die von den Stipeln umhüllte Inflorescenz bereits ihre volle Ausbildung erreicht hat. Zudem haben solche neu- gebildete Seitensprosse gar nicht den Schutz der Stipeln S nötig, da derselbe von ein bis zweı „Niederblättern“ (= spreitenlose Stipulae axillares) besorgt wird, mit denen jede Sproßgeneration ihr Wachs- tum beginnt. V. Stipeln, die vorwiegend als Reservestoffbehälter dienen. Wir haben bereits oben im vorletzten Abschnitt in den Knospen- blättern gewisser Potameen und in denen von Hydrocharis morsus ranae Stipularorgane kennen gelernt, die, abgesehen von ihrer Funk- tion als Schutzurgane zu dienen, nebenbei auch noch die der Reserve- stoffspeicherung besitzen. In viel ausgeprägterer Form sind die jetzt zu erwähnenden Stipularorgane der Funktion, Reservestoffe zu speichern, angepaßt. Die ‚„Zwiebelschuppen‘“‘ der oben erwähnten Amaryllideen sind, wie ich zeigte, nichts anderes als Stipularscheiden, die zum Zwecke der Reservestoffspeicherung fleischig anschwellen. Dadurch wird der Pflanze während ihrer Ruheperiode als Zwiebel ein gewisser Vorrat von Nahrungsstofien für die nächste Vegeta- tionsperiode gesichert. Neben dieser Funktion haben die Zwiebel- schuppen natürlich auch noch den Vegetationspunkt zu schützen, was durch die Ineinanderschachtelung der einzelnen Stipeln geschieht. Da bei besagten Amaryllideen die Anschwellung der Stipularscheide erst gegen das Ende der Vegetationsperiode und nach Abwurf der assimi- lierenden Spreite erfolgt, so dient die Stipel während der ersten Periode ihres Lebens nur als Schutzorgan für den Vegetationspunkt und als Tragapparat für die Laubspreite. In viel vollkommenerer Weise als bei den Amaryllideen sind bei zahlreichen Allium-Arten bestimmte Stipularorgane der Funktion, Reservestoffe zu speichern, angepaßt, da bei ihnen kein Funktionswechsel stattfindet. Die sogenannten „Nah- rungsblätter“ vieler Allium-Arten, die den wichtigsten Teil der Zwiebel “ Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. Ü ausmachen, sind fleischige Stipularscheiden. Sie werden von vorne- herein als Reservestofforgane ausgebildet. Die Ausbildung einer zu- gehörigen Blattspreite, sowie die einer Ligula unterbleibt gänzlich. Phylogenetische Schlussbetrachtung. Wenn ich auch bereits oben auf Seite 19 f. das wichtigste über die phylogenetische Entwickelung der Stipelbildungen mitgeteilt habe, so halte ich es doch für nötig, in zusammenhängender Form die Frage nach der Phylogenie noch besonders zu behandeln. Die bereits oben mitgeteilte Entwickelungsgeschichte des Samens verschiedener Potameen mit axillärer Stipel ließ uns drei wichtige, phylogenetische Sätze aufstellen: 1. Die paarigen Stipeln bilden den phylogenetisch ältesten Typus. 2. Die Stipula adnata bildet den plıylogenetisch zweitältesten Typus. 3. Die Stipula axillarıs bildet den jüngsten Typus. Da in der Familie der Potameen alle Stipeltypen monokotyler Blätter vorkommen, so habe ich mit besonderer Rücksicht auf diese Familie nebenstehend ein Schema entworfen, in dem alle überhaupt vorkommenden Stipelbildungen mit verzeichnet werden konnten. Die paarigen Stipeln stellen den phylogenetisch ältesten Typus vor, der als Ausgangspunkt für alle anderen Stipularorgane bei Monokotyledonen gedient hat. Hiefür sprechen folgende Argumente: a) Die paarigen Stipeln sind bei Potameen mit axillärer Stipel auf die erst gebildete Primärblattgeneration beschränkt. b) Die axilläre Stipel der zu den Sapindaceen gehörigen Gattung Melianthus major entsteht aus zwei getrennten Blattprimordien. c) Die Stipula adnata der Polygoneen kann ontogenetisch von paarigen Stipeln hergeleitet werden. d) Die paarigen Stipeln sind schließlich deshalb phylogenetisch älter als unpaare, da sie in biologischer Hinsicht keinen so vollkom- menen Schutzapparat vorstellen wie unpaare Stipeln (pag. 65). Dieser älteste Typus findet sich unter den Potameen nur noch bei Potamogeton densus, Althenia sp. und Ruppia. Er entspricht der schematischen Figur I. — Unter den übrigen Monokotyledonen 78 H. Glück: [78 gibt es nur wenig Vertreter, die diese älteste Form der Blattscheide bis heute noch beibehalten haben. So bei vielen Najas-Arten, bei Hydrocharis morsus ranae, bei Smilax otigera und mehreren Pothos- Arten. ® I a Schematische Darstellung der Stipulargebilde mit Rücksicht auf ihren phylogenetischen Zusammenhang. Der älteste Typus (Stipulae laterales) ist mit I bezeichnet. Der zweit- älteste (Stipula adnata) mit II, der jüngste (Stipula axillaris) mit III. Im übrigen siehe den Text, Die von Celakovsky') geäußerte Ansicht, daß die paarigen Stipeln der Dikotyledonen infolge ihrer höheren morphologischen Gliederung phylogenetisch jünger seien als unpaare Stipeln scheint mit Rücksicht auf meine eben mitgeteilten Beobachtungen an Mono- kotyledonen sehr unwahrscheinlich zu sein. Abgesehen davon aber mag nicht unerwähnt bleiben, daß es bei Dikotyledonen Sproßachsen gibt, deren ungeteilte Blätter sicherlich von gegliederten oder geteilten Blattspreiten phylogenetisch hergeleitet werden müssen. So gehen z. B. bei Chondrilla juncea und Armoracia rusticana komplizierter gebaute Blätter den einfacheren an ein und derselben Sproßachse vorher?). Wenn wir auch gewohnt sind, geteilte Blattflächen für 1) Celakovsky; pag. 161. 2) Hildebrand; pag. 305. A 9] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 79 phylogenetisch älter zu halten als ungeteilte, mit Rücksicht darauf, daß zahlreiche Sproßachsen den komplizierteren Blättern häufig ein- fachere oder ungeteilte vorausgehen lassen, so gibt es von dieser Regel eben doch eine Reihe Ausnahmen, in denen eine „progressive“ Entwickelung vom komplizierteren zum einfachen Blattorgan statt- gefunden hat. Die Stipula adnata stellt den phylogenetisch zweit- ältesten Typus vor, der in direkter Linie aus dem Typus der paarigen Stipeln hervorgegangen ist. Hiefür sprechen folgende Ar- gumente: 1. An den Keimlingen von Potamogeton sind die Primärblätter der zweiten Generation nicht mehr mit paarigen Stipeln, sondern mit je einer Stipula adnata ausgerüstet. 2. Die Stipula adnata tritt sowohl an der Achse von Keim- lingen, als auch an derjenigen junger Laubsprosse als regelmäßiger Vorläufer der Stipula axillarıs von Potamogeton auf. 3. Bei Hedychium sp. gehen den normalen Laubblättern mit unpaarer Ligula Primärblätter mit paariger Ligula vorher. Die Stipula adnata ist somit einerseits älter als die Stipulae laterales und andererseits jünger als die Stipula axillaris. Die Stipula adnata besteht aus einem unteren Teil der „Stipular- scheide“ und aus einem oberen der „Ligula“. Die Stipula adnata ist dadurch aus den paarigen Stipeln hervorgegangen, daß die freien Stipelteile mit ihren inneren Rändern verwachsen sind. Auf diese Weise kam zunächst die offene Stipula adnata zu Stande, wie sie in dem Schema der Fig. II entspricht. Daß die Entwickelung der Stipula adnata so vor sich gegangen sein muß, beweisen solche Stipelbildungen, die eine Mittelstellung zwischen den Stipulae laterales und der Stipula adnata einnehmen. Derartige Übergangsformen fanden wir an der Grenze der ersten und zweiten Primärblattregion bei Potameenkeimlingen vor. Außerdem nimmt aber auch die Stipula adnata fertiggebildeter Laubblätter bei anderen Monokotyledonen eine ähnliche Mittelstufe zwischen Stipulae laterales und Stipula adnata ein. Hierher gehören zunächst von marinen Potameen: Cymodocea manatorum und C. isoötifolia; außerdem von Araceen: Philodendron lingulatum und Ph. pteropus; und von Zingiberaceen: Zingiber inflexum, Z. lingulatum und Z. officinale. Auch die oben geschilderten Primärblätter von Hedychium sp. ver- halten sich ganz ähnlich hinsichtlich ihrer tief zweilappigen Ligula. s0 H. Glück: [80 Aus den Stipulae laterales hat sich, wie gesagt, zunächst die offene Stipula adnata entwickelt, die freie Blattränder besitzt. Diese zweitälteste Stipelform weisen gegenwärtig noch die Blätter zahlreicher Potameen auf: So Potamogeton pectinatus, P. striatus, Althenia fili- formis. Alle untersuchten Posidonia-, Halodule-, Zostera- und Phyllo- spadix-Arten, sowie einige Arten von Uymodocea. Sie alle geben uns ein Bild von dem Durchgangsstadium, das unsere Süßwasserpotameen mit axillärer Stipel einmal durchlaufen haben mußten. Unter den übrigen Monokotyledonen besitzt die offene Stipula adnata eine ziemlich weite Verbreitung. Als solche lernten wir kennen von Hydrochariteen: Hydrocharis asiatica und Limnobium Spongia; von Araceen: Rhyncho- pyle, Microcasia, Calla und Philodendron Sonderianum; von Zingiber- aceen: Arten von Zingiber und Hedychium; endlich noch zahlreiche (ramineen, Triglochin und Scheuchzeria. Bei vielen Gramineen und bei Posidonia ist uns die ursprüngliche Form der Stipula adnata noch erhalten geblieben in den paarigen Stipeln der Hochblätter, welche mit Rücksicht auf ihre Nebenblätter als phylogenetisch metamorpho- sierte Laubblätter aufgefaßt werden müssen. Die offene Stipula adnata bildet nun den phylogenetischen Aus- gangspunkt für zwei seitliche Entwickelungsreihen, die mit IIA und IIB einerseits und mit Ila andererseits bezeichnet sind. Verfolgen wir zunächst die linke Entwickelungsreihe. Dadurch, daß die freien Ränder von II miteinander verwuchsen, resultierte die geschlossene Stipula adnata IIA, die nach oben zu ebenfalls mit einer Ligula (= |) endigt. Die geschlossene Stipula adnata darf deshalb als ein Abkömmling der offenen Stipula adnata angesehen werden, da erstere in biologischer Hinsicht ein vollkommeneres Schutzorgan vor- stellt als letztere (confer. pag. 65). Die Entwickelungsform IIA hat unter den Potameen zunächst als Vertreter: Zanichellia Preissii, Po- tamogeton filiformis und P. aulacophyllum; und von den übrigen Monokotyledonen zählen hierher: Desmoncus, Calamus, Pontederia, mehrere Costus- und Allium-Arten, sowie einige wenige Gramineen. Bei Zanichellia Preissii, bei gewissen Gramineen und bestimmten Allium-Arten ist die ursprüngliche Form der geschlossenen Stipula ad- nata, wie sie die Laubblätter besitzen, uns noch erhalten geblieben in den paarigen Stipeln der Hochblätter bezw. Staubblätter, die mit Rücksicht auf ihre stipulierte Basis als phylogenetisch metamorphoi- sierte Laubblätter aufgefaßt werden müssen. (Geht schließlich die Ligula der geschlossenen Stipula adnata ver- loren, so resultiert die ligulalose geschlossene Stipula adnata (Fig. IIB). si] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. sl x Daß ein derartiger Reduktionsprozeß der Ligula in der That leicht eintreten kann, das zeigt die Gattung Allıum. Die einen Arten be- sitzen eine wohl entwickelte Ligula, die anderen besitzen nur noch Rudimente eıner solchen und wieder andere besitzen überhaupt keine Ligula mehr; die Ligula bildet somit für die geschlossene Stipula adnata durchaus kein konstantes Organ. Eine ligulalose geschlossene Stipula adnata finden wir bei Amaryllideen, Liliaceen und Orchideen, bei welchen die phylogenetisch metamorphosierten Blütenteile hinsichtlich ihrer seitlichen Stipeln häufig ohne weiteres Aufschluß über die ehemalige Be- schaffenheit der „geschlossenen Blattscheide“ erteilen. Selbstverständ- lich darf dann die „geschlossene Blattscheide“ monokotyler Blätter überhaupt als Stipula adnata bezeichnet werden, die durch Ver- schmelzung von zwei freien Stipeln mit einem zugehörigen Stück der Blattstielbasis entstanden sind. Es bleibt uns nun noch die rechte, seitliche Entwickelungsreihe zu besprechen übrig, die in letzter Linie ebenfalls von der offenen Stipula adnata herstammt, und die ich mit Ila bezeichnet habe. In ähnlicher Weise, wie die geschlossene Stipula adnata ihre Ligula ver- lieren kann, gilt ein gleiches auch für die offene Stipula adnata, und es resultiert eine ligulalose, offene Stipula adnata. Habituell unter- scheidet sich diese keineswegs von schwach entwickelten paarigen Stipeln, die mit ihrer einen Längsseite der Blattbasis ansitzen. Die Bezeichnung einer ligulalosen, offenen Stipula adnata trifft nur dann zu, wenn wir dieselbe bei vereinzelten Arten einer größeren Familie antreffen, für welche sonst die ligulierte, offene Stipula adnata charak- teristisch ist. Es können hier zunächst einige wenige Gramineen genannt werden, die der Untergruppe der Paniceen angehören und von denen man mit Bestimmtheit annehmen darf, daß ihre Blattscheiden früher einmal mit einer Ligula ausgerüstet waren. Die einen Paniceen besitzen gar keine Ligula, die ‘anderen besitzen nur Rudimente einer solchen, in Gestalt von Haarleisten ete., und wieder andere besitzen eine wohlentwickelte normale Ligula. Außerdem gehören noch zahl- reiche Orchideen hierher, deren offene, ligulalose Blattscheide mit Rücksicht auf das stipulierte Labellum der Blüte im der gleichen Weise gedeutet werden darf, als wie die Scheide der genannten (ramineen. Die Stipula axillaris stellt schließlich den phylo- genetisch jüngsten Typus vor. Sie nimmt, wie wir sahen, die dritte, oberste Region an der Sproßachse der Potameenkeimlinge ein. Ebenso wie bei der Stipula adnata lassen sich auch bei der Stipula Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 6 32 H. Glück: [52 axillarıs zwei Formen unterscheiden, eine offene (III) und eine ge- schlossene (HI A). Die offene Stipula axillaris ıst ein direkter Abkömmling der offenen Stipula adnata, wie uns solches die Aufeinanderfolge der ver- schiedenen Stipelbildungen und deren Nervaturverhältnisse an jungen Sproßachsen von Potamogeton zur Genüge zeigten. Die oflene Stipula adnata ist beschränkt auf eine größere Zahl Süßwasser-Potameen wie Potamogeton lucens, perfoliatus etc. Die geschlossene Stipula adnata endlich muß ein direkter Abkömmling der offenen Stipula adnata sein. Auch sie dürfte durch Lostrennung der Blattstielbasis aus der seschlossenen Stipula adnata entstanden sein. Die geschlossene Stipula adnata findet sich nur bei Zanichellia palustris. Würde die ge- schlossene Stipula axillarıs innerhalb der Gattung Potamogeton, oder aber die offene Stipula axillarıs bei den Zanichellieen vorkommen, so müßte die geschlossene Stipula axillarıs in seitlicher Richtung von der offenen Stipula axıllarıs abgeleitet werden, ebenso wie wir auch die geschlossene Stipula adnata von der offenen Stipula adnata in seitlicher Richtung durch Verwachsung der ursprünglich freien Blatt- ränder herleiten konnten. Während in der Textfigur auf S. 78 die Stipelbildungen sämt- licher Monokotyledonen mitverzeichnet sind, beziehen sich auf die Gruppe der Zanichellieen und auf die Gattung Potamogeton die beiden folgenden Schemata, die jetzt keiner weiteren Erklärung mehr be- dürfen. Phylogenetische Zusammengehörigkeit der Stipularorgane bei den Zanichellieen, bei Potmogeton. Z.palustris P. lucens Zachinellia Preissi — A filiformis P. filiformis — P. pectınatus Althenia sp. P. densus EN EPG FRE EEE 83] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 8 Citierte Litteratur. P. Ascherson, in Engler-Prantis natürlichen Pflanzenfamilien, II. Teil. Baillon, M&moire sur le developpement des fleurs a couronne, Adansonia I. @. W. Bischoff (l.), Handbuch der botanischen Terminologie und Systemkunde. Nürnberg 1333— 1844. — (Il) Lehrbuch der allgemeinen Botanik, Stuttgart 1834— 1839. 4A. Braun, Revision of the Gemus Najas (in Seemanns Journal of Botany II, 1864). F. 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Elisena 44. ‚ Epidendendron 45. | Eucharis 44. Gramineen 27 f., 67 £., 73, 75. Bambusa 27, 29, 40. | Halmyra 44. Bollaea 44. Briza 41. Bromus 28, 41. » Alopecurus 29. ' Halodule australis 29. Hedychium sp. 25 £., 31. n villosum 26. Hydrocharis asiatica 21 f., 66. Galamns 39. | E morsus ranae 3 ff.. 22, 61 f., Calla palustris 22 £., 67, 69 £. ni Calliphruria Hartwegiana 43 f. | ERNEST a i bdentata dI.£ | Hymenocallis 44. Calostemma 44. | ' Isch: 29. Chamaerops humilis 41. | schaema N . . . ci . m Costus comosus 39. Limnobium Spongia 22. „ Lucanusianus 99. Cymodocea 14. 5 aequorea 29 f. 2 ciliata 29 £. = elliptica 22 f. 5 isostifolia 29 f. : pygmaea 22. e Manatorum 29 f. , Miscanthus sinensis 27. Melica 41. „ hiveo-purpureus 39. | Livistona australis 41. | | Microcasıa 22, 67. | 86 H. Glück: [86 Nareissus 45. n Pseudonareissus 44 f. 61, 73. Najas conferta 8. „ fasciculata 8. „ Hexilis 14. „ graminea Sf. „ horrida 8. „ Indica ®. . 1Iatior & „ maiayana 8. »„ minor 98. „ punctata 14. „ tenuifolia 8. » Wrightiana 8. Oplismemus undulatifolius 32. Orchideen 32 f., 45 f. Oryza sativa 27. Paneratium 44. Paniceen 68. Panicum aegyptiacum 32. a Colonum 32. e Crus Galli 32. a dichotomum 32. E fenestratum 32. »„ glabrum 32. - mirabile 32. - praecox 32. R semiundulatum 32. tenuatum 32. Phäras latifolius 23 f. Philodendren lingulatum 27. x pteropus 27. 3 Sonderianum 27. Phyllorrachis 29. Phyllospadix Scouleri 29 f. Poa 41. Pontederia 35 fl., 67 £. = azurea 35 fl. a cordata 35 fl. e erassipes 35 ff. montevidensis 35 ff. Posidonia australis 14, 29 ff. 2 Caulini 29 ff. ' Potamogeton densus 6 f., 25, 30, 51, 2 filiformis 24, 38, 51, 67. N fluitans 6, 16 f., 48, 56, 62, 69. x gramineus 48 ff., 57, 70 f. A luceus 48 ff, 56 f., 70 £. x marinus — P. filiformis. vu mucronatus 52, 63. natans 48 f., 58, 66. E nitens 57 £. 2 obtusifolius 48 f., 58 f., 70, 75. B peetinatus 24 f., 39, 51, 67, 74 f£. “ perfoliatus 48 ff., 57,59 f., ROFE: 5 plantagineus 6, 16 ff. s polygonifolius 16 ff., 48, 50, 69, E praelongus 57. 2 pusillus 48 fl,, 58, 63, R 66, 70. 2 rufescens 6, 16 ff., 48 ff, 53 f., 69 £. 2 striatus 24 f., 67. a trichoides 75 f. Potamogeton acutifolius 48 f., 58, 70, 75. Pothos Beccarianus 12. x Cathearti 12 f. ® clavatus 13. „ elegans 13. „ longifolius 12. „ Papuanus 13. remotiflorus 12. | TREE filifera 41. Psamma arenaria 27, 68. Reussia obovata 39. Rhipogonum parviflorum 10. R scandens 10. Khynchopyle 22 £., 67. = Grabowskii 23. elongata 22 f. Ehppin rostellata 13. Scheuchzeria palustris 29. Sesleria 41. | | | A aulacophyllum 38 f., 67. Smilax 69. = erispus 48 f., 50, 55, 63, 66. s7] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 57 Smilax aspera 10. Tapeinanthus 44. x Bona-nox 11. Tiaranthus 44. = =Chinarl2: Triglochin Barrelieri 29. - discotis 10. | x maritimum 29, „ eucalyptifolia 12. A floribunda 12. Zanichellia palustris 47, 63 f., 66. „ bypoglauca 12. a Preissii 9, 37 f., 64. „ laurifolia 12. Zingiber 75. s medica 11. e capitatus 26. „ Myıtillus 12. | - inflexum 26. > lingulatum 26. £ officinale 26. Zingiberaceen 79. Zostera 14. Thalassia Hemprichii 13 f. „u ımarıina ‚29, f., 74. a testudinum 13 f£. e nana 29 f., 74. „ otigera 9 ff. R robusta 12. = Walteri 11. Erklärung zu den Tafeln. Tafel I. (Fig. 1—10 inkl.). Fig. 1. Hydrocharis morsus ranae. la stellt ein ganzes Schwimmblatt vor, das an seiner Basis die beiden Stipeln trägt, welche in eine Ebene ausgebreitet sind; natürliche Grölse. lb zeigt das zu la gehörige Stipelpaar, isoliert und von aulsen gesehen; zweimal ver- gröfsert. lc zeigt die Blattbasis eines anderen Schwimmblattes mit den Stipeln von der Seite und in natürlicher Stellung; viermal vergrölsert. Fig. 2. Primärblatt einer auskeimenden Knospe von Hydrocharis morsus ranae. Der submers bleibende Stiel und die zugehörige Lamina sind stark rudi- mentär. Dagegen sind die zwei zugehörigen Nebenblätter sehr kräftig entwickelt und stehen rechtwinkelig zum Blattstiel; 2'/s mal vergrölsert. Fig. 3a und b. Ein Turio von Hydrocharis morsus ranae von zwei ver- schiedenen Seiten gesehen. In Fig. a ist das äufserste Knospenblatt von der Rückenseite gesehen, zu oberst ist dieses Blatt deutlich eingekerbt und in zwei Lappen geteilt, von denen jeder dem obersten Teil einer Stipel entspricht. In b ist dieselbe Knospe genau von der entgegengesetzten Seite gesehen. Von dem eben besagten Knospenblatt der Fig. a sind hier nur die zwei äufsersten Ränder zu sehen, welche die Knospe nur halb umfassen und nach unten zusammenlaufen. Im übrigen wird die Knospe nach aufsen zu von dem zweiten Knospenblatt be- grenzt, dessen einer freier Blattrand rechts oben etwas sichtbar ist. Beide Figuren sind viermal vergrölsert. Fig. 4. Querschnitt durch einen Turio von Hydrocharis morsus ranae. Die beiden äulsersten mit a und b bezeichneten Knospenblätter (in der Zeichnung quer 58 H. Glück: [88 schattiert) sind beide als Verschmelzungsprodukte von je zwei Stipeln aufzu- fassen; bei beiden ist das zugehörige Laubhlatt gänzlich unterdrückt. Von den folgenden Laubblättern 6, 7 und S sind nur die Blattstiele getroffen und die zugehörigen Stipeln, die, ebenso wie bei den folgendeu Blättern, als schwarze Bögen gezeichnet sind. Von den Blättern 2—5 sind abgesehen von den Stipeln, die Blattstiele und die zwei jeweiligen Blatthälften (fein punktiert) getroffen. Von Blatt 1 (im Centrum) ist die quer durchschnittene Lamina zu sehen; schwach vergrölsert. Fig. 5a und b. Vegetationspunkt von Hydrocharis morsus ranae. Fig. a zeigt denselben halb von der Seite und halb von oben. Zu sehen sind zwei Laubnplattanlagen. Die ältere hat die Gestalt einer Wanne, deren oberster Teil (links mit L bezeichnet) sich eben zur Lamina entwickeln will. Der mit W be- zeichnete Teil lälst dnrch seine schwach konvexe Krümmung nach oben zu die Anlage einer Stipel erkennen. Das andere, jüngere Blatt stellt erst einen um den Vegetationspunkt laufenden Ringwulst dar, der bei 1 seine Spreite entwickeln wird. V = Vegetationspunkt. Fig. 5b. Längsschnitt durch den Vegetationspunkt (= V) von Hydrocharis morsus ranae. Der Vegetationspunkt ist umgeben von zwei Blattanlagen, Die ältere ist mit W und die jüngere mit w bezeichnet. L ist der zu W, und 1 der zu w gehörige Höcker, aus dem die Blattspreite hervorgeht. Beide Figuren sind stark vergrölsert. Fig. 6. Potamogeton densus. Fig. 6a. Seitenansicht eines mit Stipeln versehenen Laubblattes, das an der Basis eines Blütenstandes sitzt. Nur die eine der beiden Stipeln, die nach vorne zu sieht, zeigt sich in ihrem ganzen Umfang. Die andere Stipel ist grölstenteils durch den Stiel des Blütenstandes verdeckt, rechts der elliptische, dunkel ge- zeichnete Körper (= K) ist ein jugendlicher Achselsprofs, der durch das Blatt schimmert; 12mal vergröfsert. Fig. 6b ist das in voriger Figur dargestellte Laubblatt isoliert, und in aus- gebreitetem Zustand, um die Gestalt der Stipeln und deren Verwachsungsstelle mit dem zugehörigen Hauptblatt zu zeigen, Fig. 6c zeigt ein ähnliches Blatt wie in voriger Figur, nur sind die beiden Stipeln etwas anders gestaltet. Die linke ist eiförmig und die rechte zeigt eine tiefe Cäsur. Die Stipeln sind so mit der Lamina verwachsen, dafs der untere Teil ihrer oberen Ränder etwas über die Blattfläche übergreifen. Fig. a und b sind siebenmal vergrölsert. Fig. 7. Blattbasis von Najas graminea mit zwei grolsen, lanzettlichen Stipeln. 10mal vergröfsert. Fig. 8. Blattbasis von Najas minor mit zwei grolsen, rundlichen Stipeln, die am oberen Rande scharf gezähnelt sind. 10mal vergrölsert. Fig. 9a und b Althenia sp. Fig. a stellt die Basis eines normalen Laub- blattes vor, das beiderseits mit je einer Stipel versehen ist. Die lineale Lamina ist nur teilweise gezeichnet. Fig. b ist ein Blütenhüllblatt, das als ein metamor- phosirtes Laubblatt aufzufassen ist und durch völlige Reduktion der Blattspreite entstanden ist. 15mal vergrölert, Fig. 10. Blattstielbasis von Smilax otigera. Mit s sind die beiden Stipeln bezeichnet, r sind die Ranken und p ist der Blattstiel; in natürlicher Gröfse. 89] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 89 Tafel II. (Fig. 11—31 inkl.). Fig. 11—14 Pothos. Fig. 11. Ein Laubblatt von Pothos longifolius. Das Blatt besteht aus einer eiförmigen, zugespitzten Spreite; der untere Teil des Blattes („die Blatt- scheide“) besteht aus einem Blattstiel, dem seitlich je ein ebenso langes drei- eckiges Nebenblatt angewachsen ist. "> der natürlichen Grölse. Fig. 12a. Ein Niederblatt von Pothos Cathcarti (— P. scandens). Es be- steht der Hauptsache nach aus zwei grolsen, mit einem Blattstiel verschmolzenen Nebenblättern, während die eigentliche Laubspreite nur noch in Gestalt eines rudimentären Blättchens vorhanden ist. Natürliche Grölse. Fig. 12b. Ein normales Laubblatt von Pothos CGathecarti (= P. scandens). Die untere Hälfte wird gebildet von einem Blattstiel und zwei spitz vorgezogenen Stipeln. Natürliche Gröfse. Fig. 13. Ein Blatt von Pothos Papuanus Becc. Der Blattstiel ist mit zwei flügelartigen Nebenblättern ausgerüstet. Natürliche Grölse. Fig. 14. Ein Blatt von Pothos Beccarianus Engl. Das Blatt besitzt einen einfachen, rinnenförmigen Blattstiel, der keine Nebenblätter besitzt. Natürliche Gröfse. Fig. 15. Blattbasis von Ruppia rostellata mit paarigen Stipeln, die sich zuoberst scharf von der nur teilweise gezeichneten, linealen Laubspreite absetzen ; dreimal vergrölsert. Fig. 16. Blattbasis von Thalassia testudinum. Die „scheidige“ Blattbasis ist in ausgebreitetem Zustande zu sehen. Die eigentliche Blattfläche ist nach unten zu verschmälert und trägt beiderseits je eine lange, schmale Stipel, die sich scharf von dem Blattrand absetzt. Natürliche Grölse. Fig. 17. Blattbasis von Najas flexilis. Die scheidenartige Verbreiterung der Blattbasis entspricht zwei rudimentären Stipeln. 10 mal vergrölsert. Fig. 185. Habitusbild der Keimpflanze von Potamogeton polygonifolius S = Samenschale; h — hypokotyles Stengelglied; e = Kotyledon; aulserdem sind drei Primärblätter zu sehen, die mit 1—3 bezeichnet sind. Natürliche Gröfse. Fig. 19. Basis des Kotyledons: a von Potamogeton polygonifolius, b von Potamogeton plantagineus. Die Basis des Kotyledons trägt zwei mit s bezeichnete, farblose Nebenblätter, welche in Fig. a in ihrer natürlichen Stellung und in Fig. b im ausgebreiteten Zustand zu sehen sind. a ist 14 und b 13mal vergrölsert. Fig. 20. Basis eines Primärblattes aus der ersten Blattgeneration des Keim- lings von Potamogeton fluitans. Die dunkel gehaltene Basis des Primärblattes ist mit zwei farblosen Stipeln (— s) ausgerüstet, die im ausgebreiteten Zustand ge- zeichnet sind und sich oben spitzwinkelig an die Spreitenbasis ansetzen. 10 mal vergrölsert. Fig. 21. Blattbasis der Primärblätter des Keimlings von Potamogeton rufescens. a und b sind Primärblätter der ersten Blattgeneration, mit paarigen Stipeln. e und d sind Primärblätter der zweiten Blattgeneration, mit zugehöriger Stipula adnata. a, c und d sind drei aufeinanderfolgende Primärblätter ein- und des nämlichen Individuums. s — Stipel; St. event. st. — Stipularscheide; 1 event. L= Ligula b = Blattbasis. Alles 10 mal vergrölsert. Fig. 2le. Stipula adnata eines Primärblattes von Potamogeton rufescens mit eingezeichneter Nervatur. Die rot gezeichneten Nerven kehren in genau der- gleichen Verteilung in der axillären Stipel wieder wie sie in Fig. 21f dargestellt a H. Glück: [90 ist. Die schwarz ‘gezeichneten Nerven dagegen gehören der Blattbasis an und entsprechen denjenigen von Fig. 21g. Fig. 21 f. Axilläre Stipel aus der dritten Primärblattgeneration von Pot. rufescens. 10mal vergrölsert. Fig. 21 g ist die zu 21 f gehörige Blattbasis, 10 mal vergröfsert. Im übrigen siehe den Text. Fig. 22. Zwei ligulierte Primärblätter des Keimlings von Potamogeton poly- gonifolius. a ist das erste Primärblatt und b ist das vierte Primärblatt. a ist von innen gesehen und b von der Seite; a ist l4mal vergröfsert und b 7 mal. Fig. 23a und b. Hydrocharis asiatica. Fig. a Basis eines halb ausgewach- senen Blattes mit seiner Stipula adnata, die in ihrer natürlichen, zusammen- gefalteten Stellung gezeichnet ist. 2mal vergrölsert. Fig. b Stipula adnata eines grolsen, ausgewachsenen Blattes. Die Stipel ist im ausgebreiteten Zustand von ihrer Aulsenseite dargestellt. Der Blattstiel ist von der Stipel abgetrennt; nur der unterste, basale, mit der Stipel verwachsene Teil des Blattstiels ist zu sehen. Die Stipel ist von vielen, sehr zarten und parallelen Nerven durchzogen. Natür- liche Grölse. Fig. 24. Stipula adnata von Rhynchopyle elongata, vom Rücken gesehen Der Blattstiel ist da, wo er von der Stipel abgeht, abgeschnitten. Die Stipel ist in eine Fläche ausgebreitet und ihre Ligula ist mit zwei langen, scharf vor- springenden Kielen versehen. Natürliche Grölse. Fig. 25. Ein Blatt von Mierocasia elliptica. Der Blattstiel ist an seiner Basis mit einer grofsen Stipula adnata ausgerüstet. Natürliche Gröfse. Fig. 26. Ein Blatt von Mierocasia pygmaea. Das keilförmige Blättchen trägt basal eine grolse Stipula adnata. 3 mal vergröfsert. Fig. 27. Blattbasis von Calla palustris mit grolser, offener Stipula adnata, die von ihrer Basis bis zu ihrer Mitte mit dem untersten Teil des Blattstiels dorsal verschmolzen ist. L = Ligula; S —= Stipularscheide. Natürliche Gröfse. Fig. 28. Althenia filiformis var. Barrandonii. Fig. a zeigt die Basis eines normalen Laubblattes mit grofser, oben zweilappiger Stipula adnata. Die lineale Lamina sitzt der Stipel in der Mitte an und ist zurückgebogen gezeichnet. Fig. b—e Zwischenformen, welche durch stete Reduktion der Spreite den allmäligen Über- gang des normalen Laubblattes zum Blütenhüllblatt f zeigen; f ist ein normales Blütenhüllblatt, das einer spreitenlosen und verkleinerten Stipula adnata äquivalent ist. Alles 10 mal vergrölsert. Fig. 29. Stipula adnata mit einem Stück der ansitzenden Blattspreite von Potamogeton striatus. Die Stipel ist in ihrer natürlichen Stellung gezeichnet; ihre beiden Ränder sind nach innen umgeklappt. Die Stipularscheide ist 1'/» mal so lang als die Ligula, welche an ihrem oberen Ende mit einer tiefen Cäsur ver- sehen ist. 4 mal vergrölsert. Fig. 30. Potamogeton pectinatus. Fig. a ein kräftiges Laubblatt, dessen Basis mit grosser Stipula adnata ausgerüstet ist. Fig. b. ein Niederblatt; beide in natürlicher Stellung. Fig. c ist eine ausgebreitete Stipel, deren zugehöriger, freier Spreitenteil links von ihr dargestellt ist. Alles in natürlicher Gröfse. Fig. 31. Basis der Blattspreite von Zingiber lingulatum mit einem Stück der ansitzenden Stipula adnata, die von der Innenseite gesehen ist. Die Ligula ist durch eine tiefe Cäsur in zwei grolse Lappen gespalten, welche nur ganz an 91] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 91 der Basis ein kleines Stück weit noch miteinander verschmolzen sind. 2/2 mal vergrölsert. Tafel II. (Fig. 32—48 inkl.). Fig. 32. Primärblatt von Hedychium sp. Die Blattspreite ist rudimentär und kehrt ihre zum Teil bedeckte Innenseite dem Beschauer zu. Die Stipular- scheide endet nach oben zu mit zwei freien Ligulaläppchen, die an ihrer Basis völlig von einander getrennt sind. Natürliche Grölse, Fig. 33. Basis der Blattspreite von Philodendron Sonderianum mit dem obersten zugehörigen Stück der Stipula adnata. In natürlicher Grölse. Fig. 34. Basis der Blattspreite von Philodendron pteropus mit einem Stück der ansitzenden Stipula adnata;; letztere kehrt ihre Innenseite dem Beschauer zu. Die Ligula ist in Form zwei völlig getrennter Läppchen entwickelt. An der Basis beider ist, nach hinten zu gelegen, die Spreite der Stipel angewachsen. 3mal vergrölsert. Fig. 35. Schemata für die drei Grund-Typen, in denen die Gramineenspelze auftritt. Der blattartige Spelzenteil ist in ausgebreitetem Zustand dargestellt. Die Granne = g ist in allen drei Figuren dunkel gezeichnet. L = Ligula, S — ausgebreitete Stipularscheide. Die mit 1 bezeichneten Stipelenden in Fig. I entsprechen der Ligula (= L) von Fig. II. Fig. 36. Ein Laubblatt von Pharus longifolius. Zwischen der eiförmigen Blattlamina und der Stipularscheide befindet sich ein deutlich entwickelter „Blatt- stiel“. Von der Stipularscheide ist nur die obere Hälfte in ausgebreitetem Zu- stande dargestellt. Natürliche Gröfse. Fig. 37. Der untere Teil des Laubblattes von Zostera nana mit ausge- breiteter Stipula adnata, von der Innenseite gesehen. L — Ligula. 3 mal ver- grölsert. Fig. 38. Der untere Teil des Laubblattes von Cymodocea serrulata mit ihrer Stipula adnata, die in ihrer natürlichen Lage gezeichnet ist. L — Ligula. 2 mal vergrölsert. Fig. 39 a-d. Posidonia australis. Fig. a ist die Basis eines Laubblattes mit Stipula adnata in ihrer natürlichen Lage. Fig. b zeigt das gleiche Objekt, nur sind die Stipeln zurückgeklappt. L = Ligula. Fig. c und d sind zwei Hoch- blätter derselben Pflanze. Die Blattspreite ist stark reduziert und an Stelle der Stipula adnata sind paarige Stipeln zu sehen. Alles in natürlicher Grölse. Fig. 40. Zwei Hochblätter von Posidonia Caulini. Bei beiden ist die Laub- spreite reduziert; die Stipula adnata ist auch hier durch paarige Stipeln ersetzt, die ebenso als wie bei voriger Figur in ce und d gewaltsam zurückgeklappt wurden, um sie in ihrem ganzen Umfang darzustellen. In natürlicher Gröfse. Fig. 41a und b. Cymodocea Manatorum. Fig. a obere Partie der Stipula adnata mit zwei Ligulaläppchen, von der Innenseite gesehen. 7mal vergrölsert. Fig. b ein Hochblatt derselben Pflanze. Die Lamina derselben ist stark reduziert, während die beiden Stipeln sehr mächtig ausgebildet sind. 4 mal vergrölsert. Fig. 42a. Ein kleines Laubblatt von Polygonum amphibium mit ansitzen- der, geschlossener Stipula adnata. S = Stipularscheide, L —= Ligula. 3mal vergrölsert. 99 H, Glück- 192 Fig. 42b. Primärblatt von Polygonum amphibium mit zugehöriger Stipel, L = Ligula, S — Stipularscheide. 3mal vergrölsert. Fig. 43. Ein Blatt von Pontederia crassipes mit ansitzender Stipula adnata. L = Ligula, o — oberer Ligulalappen, u = untere Ligulalappen, die klein geblieben sind. Natürliche Grölse. Fig. 44a und b. Spreitenbasis eines jungen Blattes von Pontederia cordata, das noch umgeben ist von den völlig entwickelten Ligulalappen. In Fig. a ist die Spreitenbasis von unten dargestellt. Die zwei unteren Ligulalappen sind hell gelassen; beide hängen mittelst der Lappenteile (= i) zusammen mit dem unpaaren, oberen Lappen. In Fig. b ist die Oberseite der Spreitenbasis mit dem ihr auf- liegenden oberen Ligulalappen gezeichnet. Beide Figuren sind 10 mal vergrölsert. Fig. 45a. Erste Blattanlage von Pontederia azurea. Das Blatt hat die (Gestalt eines Ringwalles, der die noch höckerförmige Spreitenanlage (= Sp) trägt. V = Vegetationspunkt. Stark vergrölsert. Fig. 45b. Ein älteres Entwickelungsstadium des Pontederiablattes. Sp = junge Blattspreite, die bereits mit einer Stipula adnata ausgerüstet ist. o = oberer Ligulalappen, u — untere Ligulalappen. Sp, = letztgebildete Blattspreite, die von den Ligulappen des Blattes Sp umhüllt wird. Im übrigen siehe den Text. Fig. 46a. Zanichellia Preissii Lehm; zwei „Blütenbüllblätter“, die oben in zwei spitze Läppcehen auslaufen. Im Grunde der Bucht ist je ein kleines, dunkles Zähnchen zu sehen, welches das Rudiment der ehemals vorhandenen Blatt- spreite vorstellt. 18 mal vergrölsert. Fig. 46b, Der untere Teil eines Laubblattes derselben Pflanze; die röhrige Stipula adnata trägt auf dem Rücken die lineale Blattspreite, von der hie nur ein kleines Stück zu sehen ist. S mal vergrölsert. Fig. 47a und b. Potamogeton filiformis. Fig. a Blattbasis eines Laubblattes mit geschlossener, röhrenförmiger Stipula adnata, die nach oben in die rinnen- förmige Ligula (= L) ausgeht. Die Öffnung der Ligula ist der Blattfläche abge- kehrt. B = Blatt-Lamina. 5mal vergrölsert. Fig. b. Blattbasis eines halb ent- wickelten Laubblattes. Die Ligula (= L) hat schon bedeutende Grölse erreicht, während der röhrige Teil der Stipel noch sehr kurz ist. Die Öffnung der Ligula ist hier der Blattlamina zugekehrt. B — Blattlamina. 7 mal vergrölsert. Fig 48. Spreitenbasis und oberer Teil der Stipula adnata von Allium Ampeloprasum. L — Ligula. Tafel IV. (Fig. 49—61 inkl.). Fig. 49a. Ein Staubfaden des äulseren Staminalquirles von Allium Ampelo- prasum, b ist ein mit Stipeln versehenes Staubgefäls des inneren Staminalkreises. Beide Figuren sind 6 mal vergrölsert. Fig. 50. Die Nebenkrone von Ismene calathina im aufgeschnittenen und ausgebreiteten Zustand. Die 6 Staubgefälse tragen 6x2 Stipeln, deren freie Enden den 6x2 Lappen der Nebenkrone entsprechen. Die Staubgefälse sind mit ihrer grölseren, unteren Partie mit den Stipeln (bis zur tiefen Cäsur der Nebenkrone verwachsen, während der obere 'T’eil der Staubfäden frei und nach innen zu um- gebogen ist. Die zum Staubfaden F gehörigen Stipeln sind mit ss bezeichnet, ';» der natürlichen Gröfse. 95] Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. 95 Fig. 5la. Stück eines Laubtriebes von Potamogeton lucens. Jedes Laub- blatt trägt in seiner Achsel je eine Stipel, die mit ihrem Rücken nach dem Blatt und mit ihrer offenen Seite nach dem Stamm zu sieht. Natürliche Grölse. Fig. 5lb. Isolierte Stipeln von Potamogeton lucens, links von der Seite, und rechts vom Rücken gesehen; dieser trägt zwei kielartige Leisten, die von unten nach oben allmählich schwächer werden. Fig. 5le zeigt eine Stipel von Potamogeton lucens, flächenförmig ausge- gebreitet und vom Rücken gesehen. Abgesehen von den zwei dorsalen Kielen sind viele feine parallele Nerven zu sehen. Fig. 52. Eine frei präparierte Stipel von Potamogeton crispus. Die Stipel hat ungefähr dreieckige Gestalt; die beiden Ränder sind umgeschlagen und be- rühren sich nur ganz zu unterst, da wo der Stamm von der Stipel umfalst wurde. Die Stipel kehrt dem Beschauer ihre Innenseite zu. 6mal vergrölsert. Fig. 53. Stück eines (Querschnittes durch die Stipel von Potamogeton pusillus. Die Stipel besteht aus nur zwei Lagen farbloser Zellen mit einge- streuten Bastfasergruppen, von denen vier im Querschnitt getroffen sind. Gefäls- bündel sind keine vorhanden. Fig. 54. Stück eines Querschnittes durch die Stipel von Potamogeton cerispus. Sie besteht aus nur zwei Zelllagen mit eingestreuten, parallel verlaufenden Siebteilgruppen, von denen eine im Querschnitt zu sehen ist. Fig. 55. Eine Winterknospe von Potamogeton rufescens; die äulseren, die Knospe umhüllenden Blätter sind spreitenlose Stipeln. Natürliche Gröfse. Fig. 56. Eine ausgekeimte Winterknospe von Potamogeton rufescens. Das 3. und 4. Stamminternodium trägt je ein Niederblatt — N (spreitenlose Stipeln); das 5. trägt ein Primärblatt — P (links) mit zugehöriger Stipula adnata. Die übrigen Blätter tragen eine gewöhnliche axilläre Stipel. An der Basis der beiden Niederblätter haben sich Adventivwurzeln gebildet. Natürliche Gröfse. Fig. 57 a—e. Primärblätter jugendlicher Laubtriebe von Potamogeton rufescens, die mit einer Stipula adnata ausgerüstet sind. Der freie Blattteil sowie die Ligula der Stipel hat sehr verschiedenartige Gröfse. In natürlicher Grölse. Fig. 58. Das erstgebildete Primärblatt eines jungen Sprosses von Pota- mogeton plantagineus mit grolser Stipula adnata. Amal vergrölsert. Fig. 59. Das erstgebildete lineale Primärblatt eines jungen Sprosses von Potamogeton fluitans mit grolser Stipula adnata. Natürliche Gröfse. Fig. 60. Stipula adnata eines Primärblattes von Potamogeton rufeseens mit eingezeichneter Nervatur. Die der Blattbasis angehörigen Nerven sind schwarz gehalten und mit 1—7 bezeichnet. Die der Stipel zugehörigen Nerven sind rot gehalten und nicht besonders bezeichnet. Amal vergrölsert. Fig. 6la. Normale Stipula axillaris von Potamogeton rufescens mit ein- gezeichneter Nervatur. Die beiden mit I und II bezeichneten Nerven sind die stärksten und liegen im Rücken der Stipel. 4mal vergrölsert. Fig. 61b. Blattbasis eines kleinen, tief an der Achse stehenden Laubblattes von Potamogeton rufescens. Mit 1—7 sind sieben Hauptnerven bezeichnet, welche den gleichbezifferten von Fig. 60 äquivalent sind. 4 mal vergröfsert. 94 H. Glück: [94 Tafel V. (Fig. 62—68 inkl.). Fig. 62. Längsschnitt durch den unteren Teil eines jungen Blattes von Potamogeton perfoliatus. B, ist das Laubblatt, das erst aus drei Zelllagen besteht und noch keine Intercellularen aufweist. Aus der Basis dieses Laubblattes ent- springt die mit St bezeichnete Stipel, deren Wachstum durch eine Reihe keil- förmiger Scheitelzellen vermittelt wird. s ist eine in Entwickelung begriffene Squamula intravaginalis. B, ist der untere Rand des nächsthöheren Blattes, dessen Basis bereits den ganzen Stengel umfalst und an seinem obersten Rande ebenfalls mit einer Reihe von keilförmigen Zellen wächst. Stark vergrölsert. Fig. 63. Isolierte, geschlossene Stipula axillaris von Zanichellia palustris. 6 mal vergröfsert. Fig. 64. Querschnitt durch die geschlossene axilläre Stipel von Zanichellia palustris. Die Stipel besteht nur aus zwei Zelllagen und schlielst weder Bast- fasern noch auch Phloömstränge ein. Die kutikularisierte, mit a bezeichnete Seite sieht nach aulsen; stark vergrölsert Fig. 65. Querschnitt durch eine Winterknospe von Potamogeton obtusifolius. Die aussen befindlichen Knospenblätter mit 1--3 bezeichnet, bestehen ebenso wie die im Inneren der Knospe gelegenen Laubblätter aus einer Laubspreite und einer zugehörigen Stipel. Erstere ist fein schattiert und letztere schwarz ge- zeichnet. Der elliptische Körper = a im Centrum stellt die Sprolsachse vor, die nahe dem Vegetationspunkt durchschnitten ist. Die Squamulae intravaginales, von denen mehrere in diesem Schnitt getroffen wurden, mulsten der Deutlichkeit des Bildes wegen weggelassen werden. 27 mal vergrölsert. Fig. 66. (Querschnitt durch eine Winterknospe von Potamogeton rufescens. Die beiden äulsersten Knospenblätter A und B sind in Gestalt spreitenloser Stipeln entwickelt. Die mit I—VI bezeichneten Lanbblätter besitzen alle eine zu- gehörige, schwarz gehaltene,Stipel, welche alle jüngeren Blattteile schützend um- hüllt. Blatt I ıst an seiner Laminabasis quer durchschnitten, und von den übrigen Laubblättern II—VI ist die Lamina selbst getroffen, deren Blatthälften mehr oder minder stark eingerollt sind. Im Centrum der Figur ist in Form eines kleinen, runden Kreises der Vegetationspunkt zu sehen. Die Stipel der zwei jüngsten, dem Vegetationspunkt zunächst liegenden Blätter ist noch zu wenig entwickelt, als dals sie in diesem Querschnitt beobachtet werden könnte. Eine grölsere Anzahl Squamulae intravaginales, die zwischen den inneren Blattteilen der Knospe sitzen, habe ich der Deutlichkeit des Bildes wegen weggelassen. 30mal vergrölsert. Fig. 67. Potamogeton trichoides: Der Sprols endigt mit einem jungen Blüten- stand, der von einer sackartigen, aus zwei Schutzstipeln (= S) gebildeten Hülle umschlossen ist. An der linken Seite der Hülle sieht man, wie die eine rechte Stipel mit ihrem Rand über die andere greift. Mit s ist die viel schwächer ge- baute Stipel eines gewöhnlichen Laubblattes bezeichnet, dessen Spreite etwa 2'/2—3 mal so lang ist als die der Stipeln S. 4mal vergröfsert. Fig. 68. Potamogeton gramineus; ein fertiger Blütenstand, der ursprünglich von den Stipeln S umhüllt war, die jetzt an seiner Basis sitzen. s ist die Stipel eines gewöhnlichen Laubblattes. Natürliche Gröfse. 95] Inhaltsübersicht. Inhaltsübersicht. I. Stipulae laterales . von Hydrocharis morsus ranae . „ Potamogeton densus . „ Najas „ Althenia sp. - „ $Imilax otigera RE othose: „‘ Ruppia . : Rutimentäre Sknalas en ll. Stipula adnata . 1. Offene Stipula udnatıt { a) mit grosser Ligula bei Hy di ro OR Error n: Hydrocharis asiatica . Limnobium Spongia bei Araceen: Rhynchopyle . Mierocasia Calla ARE Ne? bei Potameen: Altbenia filiformis . Potamogeton striatus . Potamogeton pectinatus . b) mit kleiner Ligula bei Zingiberaceen: Hedychium sp. . Zingiber N bei Araceen: Philodendron Sonderiann bei Gramineen bei Juncaginaceen: Triglochin . Scheuchzeria . bei marinen Pornmeon ae (Posidonia, Cymodocea, Halodule, Zostera, Phylidspadiz): c) mit fehlender Ligula bei Gramineen: bei Orchideen 95 29 29 96 Inhaltsübersicht. [96 Seite 2. Geschlossene Stipula adnata... 22 5. 7 Sera a) mit grosser Ligula bei Palmen: Desmoncus .,". .. N. m u ze bei Pontederiaceen: Pontederia .. .-..- .. Le ..0 Wu... 2 bei Potameen: Zanichellia Preissi ®. '. . . 2... 2 Potamogeton Hliformis . .-..... . 2... » EEE Potamogeton anlacophyllum' . : . .. . . .„ D IREERE b) mit kleiner Ligula bei Palmen: Calamus . eu te bei Secitamineen: Costüs . „0.2.0 ..2 mie an bei Liliaceen: Allium - W 20.202020 1 en ee bei Gramineen , „x 7 12 Me bei Fächerpalmen /". .. |... Alu SErseeee e) mit fehlender Ligula bei Amaryllideen . 2. a a 1 bei Orehideen '. .'... .... Ss bei Liliaceen: Allum . .. ». 0 0: weluue la u ke re ee III. Stipula axillaris . . . k ee 1. Offene Stipula Be EC is von en 0 Gestalt der Potameenstipel „= “5-4 We. act a Grösse der Potameenstipel . .i „ie. ca ls. .n Bin »i Do Anstomischer Bau . . ._ “una Knete Morphologische Auffassung: ..ı«% ==... ner. ve „Verwachsungserscheinungen“ zwischen Re und Laubblatt . . 53 Entwickelungsgeschichte . . . . ne ee 6 2. Geschlossene Stipula axillaris von Zanichellia palustrs . 63 Biologische Funktion der Stipeln bei Monokotyledonen . . . 64 Phylogenetische Schlussbetrachtung . . . 2 2 2 2 2 2.2... 770. Citierte Litteratur A 5 N ze ae ee Register der genannten Familien, PR und Areen :; Erklärung zu den Tafeln ._... . „mund u. (Sonderabzüge, ausgegeben den 23. Juni 1901.) Uber die Klärung trüber Lösungen von G. Quincke. 1. Unter trüben Lösungen, Trübungen oder Suspensionen soll ım folgenden Wasser verstanden werden, in welchem kleine feste oder flüssige Teile lange Zeit schweben bleiben oder suspendiert sind. Sogenannte falsche oder Pseudolösungen von Colloiden, wie Leim, Eiweiß, Kieselsäure u. s. w., deren eigentliche Beschaffenheit noch ungewiß ist, sollen zunächst außer Betracht bleiben. Das Absetzen der in Wasser aufgeschwemmten festen Teilchen, Pechtrüben und Quarzteilchen wird nach 7'h. Scheerer !) durch Lösungen von Natriumphosphat, Alaun, Kupfervitriol, Salpetersäure, Salzsäure, Schwefelsäure begünstigt. Sauer reagierende Flüssigkeiten sollen be- sonders kräftig wirken. Franz Schulze?) fand die Klärung von Thon- trübungen beschleunigt durch Alaun, Hausenblase, Leim, Kalk und kohlensaures Ammoniak. Wasser mit !/20o0o Kalkhydrat wirkte schon klärend. Oh. Schlösing?) fand Thontrübungen mit reinem Wasser monatelang trübe. Bei Zusatz von Wasser mit Kalk oder Magnesia vereinigen sich die Schlammteilchen zu größeren Flocken und fallen zu Boden. Einige Zehntausendstel Kalksalz fällten die Thonteilchen schnell, einige Hunderttausendstel klärten die Thontrübung in 24 Stunden. Die Thonflocken lassen sich von neuem in reinem Wasser suspen- dieren und daraus von neuem niederschlagen. Schlösing knüpft an diese Versuche interessante Betrachtungen über die Auflockerung des Ackerbodens durch Kalk- und Magnesiasalze, welche das Verstopfen der porösen Ackererde durch die aufgeschlemmten Thonteilchen ver- hindern; über den Einfluß des Meerwassers auf das Absetzen des 1) Th. Scheerer, Poggend. Ann. 82. pag. 419. 1851. 2) Franz Schulze, Poggend. Ann. 129, pag. 366. 1866. 3) Ch. Schloesing, Compt. rend. 70. pag. 1345. 1870, Verhandl. d, Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins, N, F. VII. Bd, 7 98 G. Quincke: [2 Schlammes der Flüsse vor den Flußmündungen und empfiehlt den Zu- satz von Kalksalzen zum Klären des Wasserleitungswassers. Diese Angaben von Schlösing wurden mir durch mündliche Mitteilung des Herrn Prof. Sauer bestätigt. Nach Daraus!) setzen Thontrübungen bei 100° 20mal schneller ab als bei 15°. Zuerst beginnt die Klärung mit Flockenbildung. Nach barus sind die klärenden Substanzen Elektrolyten. Die Ursache des Absetzens ist die innere Energie, welche die Jonen den Flüssig- keiten mitteilen. Untersuchungen über die klärende Kraft verschiedener Substanzen stellte @. Bodländer?) bei Kaolintrübungen an. Kaolin wurde in aus- gekochtem Wasser aufgeschwemmt und die Geschwindigkeit des Ab- setzens aus der Menge des Kaolins in der Volumeneinheit berechnet. Die Klärung wurde durch Elektrolyte in wässeriger Lösung befördert, durch Nichtleiter der Elektrizität verzögert. Die Elektrolyte wirken aber nur dann klärend, wenn die zugesetzte Menge eine gewisse kleine Größe, den „Schwellenwert“, überschreitet. Bei einprozentiger Kaolın- trübung war der Schwellenwert für Salzsäure etwa ein Milliontel der aufgeschwemmten Kaolinmenge. Die Klärung ist um so vollständiger, je mehr der Schwellenwert überschritten ist. Kohlensäure, unter ge- ringerem Druck als einer Atm. in Wasser gelöst, klärte Kaolintrübungen schnell. Mit klärendem Zusatz fällt das ganze aufgeschwemmte Material gleichzeitig; ohne klärenden Zusatz zuerst die größeren, dann die kleineren Körner. 2. In neuester Zeit hat W. Spring?) die Flockenbildung unter- sucht bei Mastixtrübung, Kaolin- und Kieselsäuretrübung. Eine Mastix- trübung zeigte Flockenbildung über Lösungen von CuSO, AlCl, FeCl, MgCl, ZnCl, und Alaun. Zwischen den Flocken war die Flüssigkeit über Kupfersulfat- lösung unten blau, oben farblos. In den ausgewaschenen Flocken des unteren Teiles konnte Cu Al Fe Zn Mg nachgewiesen werden; im oberen Teile der Trübung freie Säure. Die Trübungen sollen sich gewisser- maßen wie eine Membran gegen Salzlösungen verhalten. Die Salze gehen durch Diffusion so hindurch, daß die Stoffe mit größerer Diffusionsfähigkeit den anderen vorauseilen, oder so, daß die Hydro- 1) ©. Barus, Phys. Beiblätter 12. pag. 563. 1888. 2) G. Bodländer, Gött. Nachr. 1893. pag. 267. 3) W. Spring, Rec. trav. chim. des Pays-Bas. 19. (2 Ser. 4) Nr. 3. p. 204, 222, 1900. 5] Über die Klärung trüber Lösungen. 99 lyse eines gelösten Stoffes an dem Fortschritt der Säurespuren in der Trübung nachgewiesen werden kann, während das Hydrat sich mit der trübenden Materie vereinigt und Flocken bildet, die sich ab- setzen. Herr Spring hat ferner durch Trübungen elektrische Ströme ge- leitet mit elektromotorischen Kräften von 20 bis 110 Volt und ge- funden, dass dadurch die Flockenbildung begünstigt wurde, indem Silber, Gold, Platin, Farbstoffe, Mastix, Gummi Gutti zur Anode, die Colloide, Eisenoxydhydrat, Kadmiumhydrat, Methylviolett, Methylblau, Magdalarot und Kieselsäure zur Kathode getrieben wurden. Im all- gemeinen beginnt die Klärung an der Kathode. Das Resultat ist nicht neu und war vorherzusagen nach meinen Untersuchungen über elektrische Fortführung, in denen ich!) schon vor 40 Jahren nachgewiesen habe, daß in Wasser und anderen Flüssig- keiten suspendierte Teilchen fester, flüssiger und gasförmiger Sub- stanzen durch den elektrischen Strom zur Anode oder Kathode ge- trieben werden. Ich habe damals einen Teil derselben Substanzen untersucht, wie Herr Spring, freilich keine Anilinfarben, die damals noch nicht bekannt waren. Nach Herrn Spring bildet ein elektrischer Strom um so schneller Flocken, je stärker er ist (l. c. pag. 233). Dies ist mit den von mir aufgestellten Gesetzen der elektrischen Fortführung in Widerspruch. Im allgemeinen nimmt die Geschwindigkeit der elektrisch fortgeführten Teilchen mit der elektromotorischen Kraft und nicht mit der Strom- stärke zu und ist in Säuren oder Salzlösungen kleiner, als in reinem Wasser. Nach Herrn Spring sollen die zur Kathode gehenden Jonen die wirksamen Flockenbildner sein und mit der Geschwindigkeit wirken, mit der sie im Elektrolyten wandern. Die meisten Versuche wurden mit Trübungen von Kieselsäure und Kaolin wiederholt, mit denselben, aber weniger deutlichen Erfolgen, da sich diese Trübungen leichter wie Mastixtrübungen klären. Daß ähnlich wirkende Substanzen um so schneller wirken, je schneller sie diffundieren oder je schneller sie an die schwebenden Teilchen der trübenden Materie gelangen, ist ohne besonderen Nach- weis zuzugeben. Aber der Beweis fehlt, daß die Klärung der Mastix- trübungen von den durch Hydrolyse in ihre Jonen zerlegten Elektro- Iyten oder Salzen bewirkt worden ist. 1) @. Quincke, Pogg. Ann. 113. pag. 575. 1861. 7r+ 100 G. Quincke: [4 Strömen Wasser oder verdünnte Lösungen von Säuren oder Salzen durch poröse feste Körper, so entsteht ein elektrischer Strom im Sinne der Flüssigkeitsströmung, wie ich!) 1859 nachgewiesen habe. Da es nun auf die relative Bewegung von Flüssigkeit und fester Oberfläche ankommt, so müssen die in Wasser fallenden Mastixteilchen ebenfalls einen elektrischen Strom geben, der entgegen der Richtung der fallenden Mastixteilchen von unten nach oben geht. Die Mastixteilchen unten werden negativ elektrisch, das Wasser oder die Flüssigkeit darüber positiv elektrisch sein. Durch Elektrolyse wird die Säure der in Wasser gelösten Salze zu den oben gelegenen positiv elektrischen Flüssigkeitsteilchen gehen, die Basis zu den unten gelegenen, negativ elektrischen Mastixteilchen. Bei Wiederholung der Springschen Versuche über Klärung von Mastixtrübungen durch Kuptersulfat habe ich an den gebildeten aus- gewaschenen Mastixflocken kein Kupfer nachweisen können. Dies Re- sultat ist in Widerspruch mit den Versuchen von Herrn Spring und mag in der Beschaftenheit des von mir benutzten Mastix seinen Grund haben. Mir scheint es aber überhaupt gewagt, aus der Klärung von Kaolin- oder Mastixtrübung durch Säuren oder Salzlösungen ganz allgemein zu schließen, daß nur Elektrolyte klärend wirken sollen. Dieser Schluß ist umsoweniger berechtigt, als über den eigentlichen Grund der Klärung alle bisher bekannten Untersuchungen keinen Aufschluß geben. 3. Aus den Versuchen von Franz Schulze und Bodländer folgt, daß so kleine Mengen Salz oder Säure die Flockung und Klärung der Trübung bewirken, daß die schwebenden Teilchen dadurch nur un- merklich mehr belastet sind und ihre Niedergangsgeschwindigkeit durch dies Übergewicht nicht merklich vermehrt werden kann. Es müssen an der Obertläche der schwebenden Teilchen Kräfte wirksam sein, die die Flockung herbeiführen. In den geklärten Trübungen fand ich Flocken mehr oder weniger reichlich an der Gefäßwand festgesetzt und in den Flocken selbst waren viele Luftblasen verteilt. Beides weist darauf hin, daß an der Oberfläche der Flocken, wenigstens kurze Zeit nach der Bildung der- selben, eine ölartige klebrige Flüssigkeit vorhanden sein muß, an deren Grenztläche eine merkliche Obertlächenspannung herrscht und Luftblasen abgeschieden werden, wie an der Grenze heterogener Flüssig 1) G. Quincke, Pogg. Ann. 107. pag. 1. 1859; 110 pag. 38. 1860. 5] Über die Klärung trüber Lösungen. 101 keiten. Dadurch wird es wahrscheinlich, daß Änderungen der Ober- tlächenspannung dieser Grenzftläche und davon abhängige periodische Ausbreitung heterogener Flüssigkeit die schwebenden Teilchen der Trübung zu Flocken zusammengeführt haben. Der Eintluß so außer- ordentlich kleiner Mengen Säure oder Salz auf die Flockenbildung wird dann verständlich. Ebenso die von Herrn Spring (l. ec. pag. 215) gefundene Thatsache, daß Mastixtrübung mit 0,4%, Mastix leichter geklärt wird, als solche mit 0,2%,. Ich werde im folgenden zeigen, daß alle bekannten Thatsachen mit dieser Erklärung der Klärung trüber Lösungen in Übereinstim- mung sind. Auf die Erklärung der Thatsache, daß trübe Lösungen monatelang trübe bleiben können, will ich aber hier nicht eingehen und nur bemerken, daß alle von mir untersuchten Trübungen — Mastix, Schellack, Gummi Gutti, Seife, Kaolin, Natron oder Kalı- silicat — nach längerer Zeit Flocken absetzten, in denen das Mikro- skop zusammenhängende Schaumzellen oder Reste davon erkennen liess. In frisch hergestellten Trübungen bemerkt man oft tagelang an den suspendierten Teilchen bei sehr starker Vergrößerung eine zitternde Bewegung, die Drownsche Molekular- oder Flimmerbewegung, die in alten Trübungen fehlt. Dieselbe ist, wie ich schon früher ausgesprochen habe!), auch die Folge einer in kurzen Zwischenräumen erfolgenden Ausbreitung. Die Ausbreitung erfolgt zum Teil auf der Oberfläche der an den Teilchen haftenden Luftschichten. Bei größerer Energie der Ausbreitung, die von der klärenden Flüssigkeit herbeigeführt wird, werden die schwebenden Teilchen nicht bloß verschoben, sondern bis zur Berührung zusammengeführt und die Flocken gebildet. 4. Mastixtrübung. Unter eine Trübung mit */ıoooo Mastix wurde mit einem langen Trichter, der bis zum Boden reichte, langsam Kupfersulfatlösung geschichtet. Nach 12 Stunden lag auf der Salz- lösung eine Lage brauner zusammenhängender Mastixtlocken, aus der kleine Luftblasen kleine braune Kegel in die Höhe gezogen hatten. An den Wänden des Glases hatten sich Mastixtlocken festgesetzt, die "unter dem Mikroskop erstarrte Schaumwände zeigten. Läßt man alkoholische Mastixlösung in eine größere Wasser- menge einfließen, so entstehen viele unsichtbare Fäden und Schaum- wände, in denen unzählige kleine Kügelchen verteilt sind. Bringt man zu dem Wasser mit Mastixhydrat Kupfersulfat, so wandern die !) @. Quincke, Verhandl. Deutsch. Naturf.-Ges. in Düsseldorf, 1898. pag. 28. 102 G. Quincke: [6 Schaumwände auf die Kupfersulfatlösung zu, werden heller und sind nach einigen Minuten aufgelöst. Die Kugeln und Schaumwände be- weisen, daß bei der Einwirkung von Wasser und Mastix eine zähe, ölartige Flüssigkeit entstanden ist, welche ich Mastixhydrat nennen will, und welche an der Grenze mit dem umgebenden Wasser eine Oberflächenspannung hat. Die Kupfersulfatlösung hat an der Grenze mit Mastixhydrat und an der Grenze mit Wasser die Oberflächen- spannung 0, breitet sich also an der Oberfläche des Mastixhydrats aus, erzeugt in der umgebender Flüssigkeit Wirbel und zieht die be- nachbarten Flüssigkeits- und Mastixmassen nach dem Ausbreitungs- centrum hin. Dadurch wird die umgebende Flüssigkeit umgerührt. Es tritt von neuem Kupfersulfatlösung an die Mastixoberfläche, breitet sich von neuem aus, und indem sich dieser Vorgang in kurzen Zwischen- räumen oder periodisch wiederholt, werden die Mastixmassen nach der zugebrachten Kupfersulfatlösung hingezogen. Gleichzeitig ent- stehen hohle Schläuche mit Anschwellungen, in denen kleine Luft- blasen liegen und Schaumwände mit Neigungswinkeln von 120°. Schichtet man unter Mastixtrübung Kupfersulfatlösung, so wird letztere in die Trübung diffundieren, an der Oberfläche der schwebenden Mastixteilchen sich periodisch ausbreiten und durch die dabei er- zeugte Wirbelbewegung die Mastixteilchen mit benachbarten Mastix- teilchen oder der Wandfläche zusammenführen, wo sie mit der klebrigen Oberfläche hängen bleiben. Der Vorgang ist ähnlich demjenigen, wo in Wasser schwebende Ölkugeln, auf denen sich Seifenlösung periodisch + ausbreitet, zusammengeführt werden, den ich ausführlich früher be- schrieben habe). Die zusammengeführten zähflüssigen Mastixmassen tließen bei der Berührung zusammen zu aneinander hängenden Blasen oder Schaummassen. An der Obertläche des Mastixhydrats scheidet sich, wie an allen frisch entstandenen Grenzflächen heterogener Flüssig- keiten, die absorbierte Luft in kleinen Blasen ab. Ein Teil der Flocken steigt von den Luftblasen getragen in die Höhe, der andere Teil mit grösseren Flocken sinkt zu Boden und sammelt sich über der Salzlösung an. Eine mit ausreichender Wirbelbewegung verbundene Ausbreitung‘ der Kupfersulfatlösung und ein Zusammenführen der schwebenden Mastixteilchen bis zum Zusammenfließen oder Zusammenkleben oder bis zur merklichen Flockenbildung kann erst bei einer gewissen Kon- zentration der Kupfersulfatlösung auftreten, die dem „Schwellenwert“ 1) G@. Quincke, Wied. Ann 35. pag. 608. 1888. 7] Über die Klärung trüber Lösungen. 103 von bodländer entspricht. Dieser hat zwar mit Kaolıntrübungen ge- arbeitet. Ich werde aber zeigen, daß bei diesen Flockung und Klärung in ähnlicher Weise erfolgt, wie bei Mastixtrübungen. Lösungen von Kochsalz, Salzsäure, Kalibichromat, Eisenchlorid breiten sich, in ähnlicher Weise wie Kupfervitriol untersucht, eben- falls an der Oberfläche des Mastixhydrats aus und haben an der Grenztläche mit Mastixhydrat die Oberflächenspannung 0. Die Flocken- bildung und Klärung durch diese Flüssigkeiten erklärt sich also ın derselben Weise, wie die durch Kupfersulfat. 5. Kaolıntrübungen. Die Trübungen wurden durch Ein- rühren von 10 g Kaolın ın 8 Liter Wasser erhalten. In hohen (Glaseylindern von 100xX10 cm bildeten sich eine Reihe horizontaler Schichten, die in nahezu gleichen Abständen ım unteren Teil der Trübung lagen. Nach einiger Zeit waren weniger Schichten von größerer aber verschiedener Dicke sichtbar. Nach 2 Monaten hatten sich an der dem Licht abgewandten Seite der Glaswand zahlreiche Flocken angesetzt, an denen auch noch die horizontalen Schichten zu erkennen waren. Unter dem Mikroskop zeigten die bis 53 mm langen Flocken Fäden oder Röhren einer abwärts geflossenen zähen Flüssigkeit mit kugelförmigen Anschwellungen und zahlreichen Schaumwänden, in denen viele runde Linsen verteilt lagen. Der Bodensatz bestand aus weißlichen deformierten Blasen und Schaum- zellen, die eine zusammenhängende Masse bildeten, glatte Kugeln von 0,0004 bis 0,002 mm Durchmesser mit größerer Lichtbrechung als die Umgebung und Bruchstücke von Schaumzellen enthielten, also zum Teil aus erstarrter Flüssigkeit bestanden. Die Kaolinteilchen hatten sich also allmählich unter Einwirkung des Wassers mit einer ölartigen, klebrigen Flüssigkeit, wahrschein- lich Kieselsäurehydrat, überzogen, an dessen Oberfläche sich eine andere Flüssigkeit ausgebreitet hatte. Die periodische Ausbreitung hat dann die Kaolinteilchen zu größeren Flocken vereinigt, die lang- sam zu Boden gesunken oder von der mit der Ausbreitung ver- knüpften Wirbelbewegung an die Glaswand getrieben und dort fest- geklebt sind, da sie mit ölartiger Flüssigkeit bedeckt waren. Das ölartige Kieselsäurehydrat hat dabei Kugeln, Blasen und an einander- hängende Schaumwände gebildet, und ist später ganz oder teilweise erstarrt. Die Bildung der Kieselsäure aus dem Kaolın kann nicht über- raschen, da schon Dischoff gefunden hat, daß kohlensäurefreies Wasser Kieselsäure aus Quarz und kieselsäurehaltigen Gesteinen 104 G. Quincke: IS auflöst und Herr Prof. Sauer nach mündlicher Mitteilung mir dies bestätigt hat. Kaolintrübungen mit t/ıooo Kaolin geben in Probierröhrchen über Kupfersulfat, Eisenchlorid, Chorcalcıum oder Kalkwasser. Schaumflocken mit feinen Schaumwänden, in denen viele feine Körn- chen verteilt sind, oder mit dicken Schaumwänden, in denen wieder Hohlräume oder Schaumzellen mit feineren Wänden liegen. Die Kaolintlocken kleben zum Teil an der Glaswand, bestanden also zur Zeit ihrer Entstehung aus klebriger Flüssigkeit. Ebenso zeigten Kaolintrübungen über Zuckerlösung nach 24 Stunden 2 dicke Flockenschichten im unteren Teile der Trübung. Zwischen Kaolintrübung und untergeschichtetem Kalkwasser hatte sich nach 12 Stunden eine durchsichtige nach oben gewölbte (uerwand in dem Probierröhrchen gebildet, die beim Anzünden einer 30 cm entfernten Lampe platzte. 6. Seifentrübung. Eine Trübung von 0,8 /o ölsaurem Kali zeigte nach 12 Stunden Flocken über Lösungen der Elektrolyte CuSo,, NaCl, K,Cr,0,, KNO,, NH,CI und über Zuckerlösung : Trübungen von Schellack gaben in Probierröhrchen mit darunter geschichteten Lösungen von CuSo,, FeÜl;, CuCl,, NH,CI nach 24 Stunden Flocken, die sich bei den 3 letzten Flüssigkeiten auch an der Glaswand angesetzt hatten. 7. Je nach der Konzentration und Natur der trübenden Sub- stanz wirken die verschiedenen klärenden Substanzen verschieden. Bei Trübungen mit */100000 Mastix war die Flockung durch Kupfer- sulfat stärker als durch Chloroform, und diese wieder stärker als die durch Salzsäure. Bei Trübungen mit */ıoooo Mastix war die Flockung durch Salzsäure stärker, als die durch Kupfersulfat und diese stärker als die durch Chloroform. Bei Seifentrübung war die Flockung durch Kupfersulfatlösung stärker als durch Chloroform und diese stärker als durch Salzsäure. Die nach der Geschwindigkeit der Klärung geordneten klärenden Substanzen wechseln also die Reihen- folge mit Konzentration der Trübung und Natur der trübenden Sub- stanz. Elektrolyte und Nichtleiter der Elektrizität können klärend auf Trübungen wirken. Ihre klärende Wirkung beruht auf periodi- scher Ausbreitung der klärenden Substanz an der Oberfläche der in der Trübung schwebenden Teilchen. (Sonderabzüge, ausgegeben den 12. August 1901). Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen aus einer niederen Form von Dr. Otto Schoetensack in Heidelberg. Reihen von Thatsachen, den Gebieten der Prähistorie, der physischen Anthropologie, der Ethnologie, der Paläonto- logie und der Tiergeographie entnommen, haben sich mir zu einem Gesamtbilde gefügt, welches, wie ich glaube, einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Problems von der Heranbildung des Menschen aus einer niederen Form zu geben vermag. Indem ich mir eine ausführliche Darstellung des Gegenstandes vorbehalte, möchte ıch an dieser Stelle den Fachgenossen nur in kurzen Zügen die Hauptpunkte unterbreiten, auf welchen meine neue Anschauung sich aufbaut. Als Grundlage meiner Betrachtungen dienen die Vorstellungen über die Herkunft des Menschen, welche im Anschluß an die Ent- wickelungslehre sich in den letzten Jahrzehnten herangebildet haben. Nachdem einmal die Zugehörigkeit des Menschen zum Tierreich im allgemeinen gesichert war, bedurfte die spezielle Tierverwandtschaft des Menschen der Präcisierung. Manche hierin allzu einseitigen Wege, die eingeschlagen wurden, sind neuerdings wieder verlassen worden, und die Anschauungen über die Stellung des Menschen in der Pri- matenreihe, wie sie in letzter Zeit von H. Klaatsch und G. Vacher de Lapouge gänzlich unabhängig von einander vertreten worden sind, dürften wohl künftig den Wegweiser für alle weiteren Forschungen auf dem Gebiete der körperlichen Vorgeschichte des Menschen abgeben. Nach diesen Forschern besteht die Affenverwandtschaft des Menschen 106 OÖ. Schoetensack: [2 lediglich in der Verknüpfung aller jetzt lebenden Primaten mit einer gemeinsamen Stammform, von welcher aus der Mensch sich direkt entwickelt hat, ohne die einseitigen Bahnen zu betreten, welche nach verschiedenen Richtungen hin zur Ausprägung der Typen der niederen Affen und der Anthropoiden geführt haben. Indem ich zur Orientierung auf die Artikel von ÄKlaatsch verweise, hebe ıch als für meine Unter- suchungen wesentlich daraus hervor, dass für die Heranbildung des Menschen aus der sehr alten, der Stammwurzel aller Säugetiere nahe- stehenden Ausgangsform der Primaten eigenartige Bedingungen postuliert werden. Die grösste Schwierigkeit für die Erklärung der Be- sonderheit des Menschen den anderen Primaten gegenüber ist gegeben in dem Umstande, daß er lediglich durch die Entwickelung des Ge- hirns sich über die Tierwelt erhoben hat, während seine Gliedmaßen in vieler Hinsicht die alten Zustände sich treuer bewahrten, als bei irgend einer anderen Form. Die Hand des Menschen besitzt im trefflich opponierbaren Daumen ein altes Erbstück, das die Mehrzahl der Affen partiell eingebüßt hat, am Fuß ist die Anknüpfung an einen Greiffuß ohne weiteres deutlich. Hier liegt eine der spezifisch mensch- lichen Umgestaltungen vor in der Verstärkung der ihre Opponierbar- keit verlierenden ersten Zehe. Dieses Festhalter an Altem sowie diese speziellen Umgestaltungen, denen wir die völlige Aufrichtung des Körpers und den Verlust des Haarkleides anschliessen, sind ebenso- wenig, wie die enorme Entwickelung des Gehirns durch einen „Kampf ums Dasein“ zu erklären, wie ihn die anderen Säugetiere, insbesondere die Primaten, durchgemacht haben. Sie verlangen zwar keine völlige Aufhebung des Kampfes, aber eine Milderung desselben, sie setzen Bedingungen voraus, welche verhältnismäßig äußerst günstig ge- wesen sein müssen. In Mitten einer feindlichen Welt gewal- tiger Tiere hätte der Vorfahre des Menschen schwerlich ohne Erwerbung natürlicher Waffen bestehen können; im Urwald hätten seine Extremitäten ähnliche Umbildungen wie bei Gibbon, Orang, Gorilla, Schimpanse erfahren müssen. Könnten wir als Aufenthalt des Vormenschen einen Kontinent nachweisen, wo diese beiden Umstände weg- fallen, so würde der letzte Schritt begreiflich werden, durch den der Vorfahr des Menschen sich über die andere Tierwelt er- hoben hat. Daß eine solche (im Sinne der Heranbildung gemeinte) „Urheimat“ des Menschengeschlechts existiert haben muß, darauf werden wir in zwingender Weise hingegewiesen durch die Annahme der Einheitlichkeit des Menschengeschlechts, welche sich in 3] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 107 geistiger und körperlicher Beziehung zu erkennen giebt. Schon der menschliche Fuß allein genügt, um dies anatomisch zu beweisen. Es müssen also innerhalb eines irgendwie abgegrenzten Ge- bietes sich die spezifischen Vorgänge der Menschwerdung vollzogen haben, und von diesem Gebiete aus hat sich die Menschheit verbreitet. Wo aber mag dieses (rebiet gelegen sein ? Ist es ein untergegangener Kontinent früherer Erdperioden oder haben wir ihn vielleicht wenigstens teilweise noch erhalten? Auch hierfür fehlt es uns gegenwärtig nicht an Fingerzeigen. Durch eine Äußerung Virchows, wonach der malayische Archipel die meisten Aussichten biete für die Erforschung der Vorgeschichte der Menschheit, ist ug. Dubois zu seinen Grabungen auf Java veran- lasst worden, welche den Pithecanthropus zu Tage förderten. Die jetzt vorwiegende, auch von Klaatsch vertretene, Deutung dieses wichtigen Fossils ist, dass der Träger jenes berühmten Schädeldaches eine grosse Primatenform war, welche der gemeinsamen Wurzel des Menschen und der Anthropoiden nahe stand. Damit rückt der indo-australische Archipel in den Vordergrund der Be- trachtung, wie er schon früher durch die Persistenz sehr niederer Menschenvarietäten sowie durch das Vorkommen des Orang und Gibbon die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat. Afrika, Europa und Amerika sind nur selten als Wiege der Menschheit an- gesprochen worden. Speziell für Europa bricht sich die Anschauung Bahn, daß die ältesten Spuren des Menschen, seine Steinwerkzeuge und fossilen Knochenreste, auf eine Einwanderung des Menschen hinweisen, die mit dem Diluvium in zeitliche Beziehung gebracht werden muss. Alle Versuche, die Existenz des eigentlichen Tertiär- Menschen hier nachzuweisen, sind bekanntlich erfolglos geblieben, so daß die Deutung berechtigt erscheint, daß der Mensch thatsächlich im mittleren und jüngeren Tertiär noch nicht unsere Zone be- treten hat. Als er dies that, war er bereits der paläolithische Jäger, im Besitz der hinreichenden materiellen und intellektuellen Hilfskräfte, um den Kampf mit den Elementen und der ihn umgebenden Tierwelt durchführen zu können. Dieser Umstand setzt eine lange Vorent- wickelung voraus, der Mensch muß hierzu eine Art von Schu- lung, eine lange dauernde Vorübung durchgemacht haben. Suchen wir in dem oben bezeichneten Bereich nach einem engeren Bezirke, wo dies geschehen sein konnte, so kommen das südliche Asien, der indo-australische Archipel und Australien in Betracht. Berücksichtigen wir die geologischen und tiergeo- 108 OÖ. Schoetensack: [4 graphischen Bedingungen, welche diese Gebiete in der mittleren und jüngeren Tertiärzeit beherrschten, so scheint der jetzige asiatische Kontinent als solcher ausgeschlossen wegen des Vorhanden- seins grosser und gefährlicher Placentalsäugetiere, hingegen stellen der indo-australische Archipel und Australien ein weites Gebiet dar, auf welchem zur Pliocänzeit alle Postulate für die Erklärung der Heranbildung des Menschen erfüllt sind. Seitdem Wallace seine grundlegenden Studien über die Tierverbreitung im malayischen Archipel veröffentlicht hat, sind unsere Kenntnisse über die Schwan- kungenvon Land und Meer zwischen Asien und Australien namentlich durch die Forschungen der Vettern Sarasin!) auf Celebes bedeutend erweitert worden. Australien seit dem Schluß der Sekundärzeit von den übrigen Kontinenten getrennt, umfaßte in gewissen Abschnitten der Tertiärzeit Neuguinea und andere jetzige Inseln des Archipels, woraus sich das Vorkommen von spezifisch in Australien entwickelten Marsupialiern auf Neuguinea, Üelebes, Amboina, Timor erklärt. Die bei- folgende Karte (Fig. 1) zeigt die höchste Entwickelung der Festlands- periode im indo-australischen Archipel zur Pliocänzeit. Danach bestand eine Landbrücke zwischen Süd-Uelebes sowohl mit Java wie mit der kleinen Sundakette und zwischen Ost-Celebes über die Sula-Inseln mit den Molukken. Diese standen wiederum mit Neuguinea und letztere mit Nord-Australien in Landverbindung. Sumatra, Borneo und Java bildeten mit Südostasien einen Kontinent, von dem Landbrücken über Java nach Üelebes hinüberführten. „Noch auf Neuguinea selbst ist die Einstrahlung typisch asiatischer Formen deutlich spürbar. Ja über Neu-Guinea weg bis Nord-Australien sind solehe Wanderer zu verfolgen.“ (Sarasin pag. 126.) „Rekapitulierend finden wir Celebes im Eocän vom Meere bedeckt, im Miocän sich erhebend und im Pliocän in ausgedehnter Weise mit Nachbargebieten in Verbindung tretend; dann wieder Auflösung dieser Landmasse, Abbruch der Ver- bindungsbrücken und in der der Gegenwart unmittelbar vorhergehenden Periode sogar eine etwas tiefere Untertauchung als heute, endlich neuerdings wieder eine leichte Hebung (pag. 129).“ Diese Resultate scheinen uns für unser Problem der Heran- bildung des Menschen von ungeheurer Bedeutung. Ist doch der Übertritt von placentalen Formen von dem indo-austra- !) P. u. F. Sarasin, Materialien zur Naturgeschichte der Insel Celebes. III. Bd. Über die geologische Geschichte der Insel Celebes auf Grund der Tier- verbreitung. Wiesbaden 1901. Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 109 5] “(msnmg pn 7 yaeu) oportsdpuepgsag uouroord op Ppgundogog 1 "Fu | DSIENT | 110 O. Schoetensack: [6 lischen Archipel nach dem australischen Festlande damit äußerst wahrscheinlich gemacht und die Möglich- keit, daß der Vorfahre des Menschen zur Pliocänzeit nach Australien verschlagen und alsdann dort von der übrigen Welt isoliert wurde, drängt sich, wie wir noch zeigen werden, als eine sehr nahe liegende auf. Einen direkten Beweis für den Übertritt von Placentalformen nach Australien in einer sehr weit zurückliegenden Zeit liefert uns, abgesehen von den unten aufgeführten kleinen Nage- tieren‘), die seit der Tertiärzeit das australische Festland bewohnen, der australische Wildhund, der Dingo. Daß derselbe domesti- ziert von Menschen nach Australien eingeschleppt worden sei, erweist sich als hinfällig den positiven Zeugnissen gegenüber, wonach fossile Reste des Dingo in pliocänen und pleistocänen?) Schichten von ') J. Lauterer, Australien und Tasmanien. Freiburg 1900 p. 233 berichtet darüber: „Die in Australien vor Ankunft der weilsen einheimischen Ratten und Mäuse stammen gleichfalls aus der Tertiärzeit. Alle ihre Arten sind für den Kontinent endemisch und obgleich sie nur für den Zoologen Interesse haben und an Lebensweise ihren europäischen Verwandten gänzlich gleichen, so will ich doch ihre Namen hersetzen, damit man nicht glaubt, es seien ihrer nur wenige. Es sind: l. aus der Gattung Mus: Mus lineolatus, albocinereus, assimilis, sor- didus, manicatus, nanus, longipilis, conditor (alle von Gould benannt), ferner Mus fuseipes, Gouldii, Novae Hollandiae (von Waterhouse benannt), dann Mus cer- vinipes, vellerosus, leucopus, macropus (von Grey benannt) und endlich Mus griseocaeruleus, variabilis, Simsonii, castaneus, pachyurus und tetragonus (Peters), ‘ erst seit 1883 bekannt; 2. ausder@attung Hapalotis: Hapalotts longicaudata, apicalis, cervina, murina, hirsuta, penicillata ((rould), Mitchellii (Ogil), albipes, hemileucura, perso- nata, nacrura, Thompsoni, leucopus: 3. aus der Gattung Hydromys: Hydromys chrysogaster, leucogaster, fulvoalvatus, fuliginosus, und endlich die rattengrosse Echinothrix leucura (ir. mit weissem Schwanz. Man nimmt an, alle diese Nagerarten seien in der Tertiärzeit auf Baumstämmen u. s. w. von Asien aus nach dem Austral-Kontinent getrieben*. Diese letztere Ansicht ist, nachdem die Sarasinschen Forschungen über die vorhanden gewesenen Landbrücken bekannt geworden sind, offenbar nicht mehr in dem Umfange haltbar. 2) Es ist bekannt, welche Schwierigkeiten oft die Einreihung dieser Schichten in das übliche Schema dem Geologen selbst in unserm am meisten durchforschten Erdteile macht; auf der südlichen Halbkugel scheinen sich diese noch bedeutend zu erhöhen, wie wir aus folgender Stelle bei Zittel (Paläozoologie IV, 757) ent- nehmen: „Vergleicht man die Fauna der Pampasformation mit der jetzt in Süd- Amerika existierenden, so fällt die starke Quote erloschener Gattungen sofort in die Augen. In dieser Hinsicht entfernt sie sich weiter von der jetzt in Süd- 7] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 111 Colac und anderen Gegenden Viktorias zusammen mit fossilen Resten gleicher Erhaltungsart von Beuteltieren, den ausge- storbenen Thylacoleo, Diprotodon, Nototherium, Procoptodon, gefunden worden sind. Wir entnehmen diese bestimmten Angaben einem Werke des Prof. Fred. Me. Coy in Melbourne !). Derselbe Forscher berichtet ferner gelegentlich der Beschreibung des Auffindens von Diprotodon- und Nototherium Resten im Schlamme alter pleistocäner Seen, daß er in einigen Höhlen Viktorias die Knochen des Dingo derartig mit denen von (noch jetzt lebenden) Beuteltieren untermischt gefunden hat, daß an der ursprünglichen Wildheit des nach Australien gelangten Hundes kein Zweifel sein kann. Selbst heute noch ist der Dingo Amerika lebenden, als die pliocäne in Europa von ihren heutigen Nachkommen. Auf der anderen Seite begegnet man jedoch unter den fossilen Pampastieren einer ganzen Anzahl noch jetzt lebender Arten, die im Pliocän von Europa gänzlich vermisst werden. Betrachtet man die Pampasformation mit Ameghino als Äqui- valent des europäischen Pliocän, so besitzt ihre Fauna einerseits einen altertüm- licheren, andererseits einen moderneren Charakter als jene in Europa; stellt man dieselbe mit Burmeister, Steinmann u. a. ins Pleistocän, so zeichnet sie sich durch die grofse Menge erloschener Gattungen und Arten in auffälliger Weise von den diluvialen Faunen anderer Weltteile aus. — Es scheint aber, als ob auf der süd- lichen Hemisphäre mit einem anderen Mafsstab gemessen werden müsse, als anderwärts, denn auch Australien besitzt in Knochenhöhlen und oberflächlichen, offenbar sehr jugendlichen, allgemein dem Diluvium zugeschriebenen Ablagerungen eine erloschene Fauna, die sich zur jetzt daselbst lebenden fast genau wie die Pampasfauna zur modernen südamerikanischen verhält. Mit Ausnahme des Canis dingo gehören die pleistocänen Säugetiere Australiens zu den Monotremata oder Beuteltieren und verteilen sich auf 22 Genera. Auch hier zeichnen sich die fossilen erloschenen Gattungen und Arten meist durch ihre beträchtliche Gröfse aus und wie die Gravigraden und Glyptodontia den heutigen Faultieren und Gürtel- tieren der Pampasschichten als Riesen gegenüberstehen, so verhalten sich die gewaltigen Diprotodon, Nototherium, Phascolonus, Sthenurus, Procoptodon, Thyla- coleo u. a. zu ihren jetzt lebenden australischen Verwandten. — Herrscht so- mit in Nord- und Süd-Amerika und in Australien Unsicherheit über die Abgrenzung von Pliocäen und Diluvium, so steht es in Europa kaum anders; denn auch hier schiebt sich zwischen die typisch pliocäne Fauna des Val d’Arno, der Auvergne und der Gegend von Montpellier eine eigen- tümliche Mischfauna ein.“ Eine Klärung dieser Verhältnisse muss also der Zu- kunft überlassen bleiben. Von vornherein will es uns scheinen, dass ein solch ausgedehntes Gebiet, wie es das australische Festland darstellt, ebenfalls zahl- reiche Stufen der faunistischen Entwickelung aufweisen wird und dass es wohl nicht angeht, alle hierher gehörigen Funde, wie dies einige Autoren thun, über einen Leisten zu schlagen und als sehr jung zu erklären. 1) Prodromus of the Palaeontology of Victoria VII (1882) pag. 7—10, siehe auch Zeitschr. f. Ethnologie 1877 Verh. S. 87 und St. George Mivart, Dogs, Jacals, Wolves and Foxes, A monograph of the Canidae, London, 1890, 112 OÖ. Schoetensack : [8 a, nur gelegentlich domestiziert. Wäre er vom Menschen als Haustier eingeführt worden, so würde er doch wohl irgendwo in völliger Abhängigkeit vom Menschen ange- troffen werden; dies ıst nicht der Fall, er muß immer wieder aufs neue jung gezähmt werden. Nach Lumholtz „finden die Einge- borenen sie als ganz junge Tiere in hohlen Bäumen und erziehen sie mit grösserer Sorgfalt als ihre Kinder. Der Dingo bildet ein sehr wichtiges Mitglied der Familie, liegt in der Hütte und erhält reich- lich Speise, nicht allein Fleisch, sondern auch Früchte. Nie wird er von seinem Herrn geschlagen, dieser droht ihm nur, liebkost ihn wie ein kleines Kind, frißt ihm die Flöhe weg und küßt ihn auf die Schnauze“. Nach Jung „sind die Eingeborenen sehr gütig gegen ihre Hunde; den jungen Tieren ist die schwarze Frau sehr oft die Amme. Es werden Fälle berichtet, so ein Vater sein neugeborenes Kind erschlug und der Mutter ein paar junge Hunde gab, damit sie für deren verlorene Ernährerin eintrete. Trotz alledem wird der Dingo nie wirklich zahm, sondern sucht oft genug, namentlich in der Paarungszeit, wieder die Freiheit auf“. Wenn es nach alledem kein primitives Freundschaftsband war, welches den Australier mit dem Dingo verknüpfte, so muß etwas anderes vorliegen, wodurch der Konnex erklärt wird. Es ist nach unserem Erachten der Umstand, daß der Vorfahre des Menschen und der Hund gemeinsam über die pliocänen Landbrücken nach Australien gelangten und hier isoliert wurden inmitten einer Welt von Säugetieren, die in ihrer Entwickelung weit unter ihnen stand, nämlich der seit der Sekundärperiode nur einseitig fort- gebildeten intellektuell niedrigstehenden Marsupialier. Diesen gegen- über war der Hund das einzige Wesen, welches den bei den Primaten so stark entwickelten sozialen Instinkt befriedigte. Aus der Fürsorge für den Dingo erwuchs dann erst die Erkenntnis seines Nutzens für die Jagd auf die Beuteltiere. Diese eigenartige Tierwelt, welche in Folge von Konvergenz- Entwickelung sich in ähnliche Typen gegliedert hat, wie die Placentalier, war zur Pliocänzeit noch viel stattlicher vorhanden, als in der Gegenwart. Zu den Kletter- und Flugbeutlern, Springbeutlern, Phas- colomyiden, Perameliden und Raubbeutlern der Gegenwart gesellten sich Formen, welche die jetzigen an Größe weit übertrafen. Dipro- todon australis erreichte die Größe eines Rhinozeros, Notho- therium stand wenig dagegen zurück. Diese waren Pflanzen- fresser, desgl. auch der fälschlich sogenannte Thylacoleo, der dem 9] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 113 Gebiß nach eher an recente Beutelratten (Didelphys) erinnert, als an Carnivoren. Nehmen wir noch hinzu die Monotremen, jene eierlegende problematischen Säugetiere, die fossil durch eine sehr viel größere Echidna (Ramsayi) vertreten sind, als die jetzigen Ameisenigel und Schnabeltier, so erhalten wir eine Tiergesellschaft des Menschen zur Pliocänzeit, welche keinen einzigen wirk- lich gefährlichen Gegner enthielt. Denn selbst die Raub- beutler sind nicht ernstlich zu fürchten. Die grösseren Dasyuriden, Thylacinus eynocephalus und Sarcophilus ursinus, deren fossile Reste auf Australien sich finden, haben sich nur noch in den wilden Berg- gegenden Tasmaniens vor dem Menschen retten können'!). Allgemein nimmt man an, dass die Riesenbeutler ebenfalls von dem Menschen ausgerottet sind. In einer solchen Umgebung wird es begreiflich, daß eine Primaten-Form, deren Intelligenz schon auf einer verhältnismäßig hohen Stufe stand, sich zum jagenden Urmenschen entwickelte; ja, wir können weitergehen und behaupten, daß gar kein Teil der Erde in der jüngeren Tertiärzeit auch nur annähernd so günstige Bedingungen für diesen Entwickelungsgang geboten hat. Der Vorfahr des Menschen mußte ja hier geradezu ein Jäger werden, da das Erbeuten der plumpen Beutelbären z. B. ohne jede Mühe, ohne Kampf geschehen konnte. Ein solcher Überfluß an Fleischnahrung machte den Übergang aus dem vorwiegend frugivoren in den omnivoren Habitus des Menschen erklär- lich. Die Mannigfaltigkeit des Wildes, die Abstufung seiner Größe, sowie die Kunst seiner Erlegung boten die Mög- lichkeit einer allmählichen Schulung des Menschen, die uns nachträglich geradezu wie eine Vorbereitung auf den Kampf mit den Placentaliern erscheinen könnte, den der Mensch, als er von Australien aus sich verbreitete, zu bestehen haben sollte. Diese Überlegungen sind einleuchtend genug, um als Ausgangs- punkt einer genauen Prüfung derjenigen Punkte zu dienen, deren Klar- stellung für oder gegen die von uns vermutete Bedeutung Australiens sprechen dürfte. Die Probe auf die Richtigkeit unserer Hypothese kann nur dadurch gegeben werden, dass sich die Australier als Rest !) Dasyurus maculatus wurde nach F. Me. Coy, Die Kolonie Vietoria in Australien, Melbourne 1861 pag. 178, noch um diese Zeit in den Yarra Bergen angetroffen. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 8 114 OÖ. Schoetensack: [10 einer uralten Rasse erweisen lassen, deren Wurzel zur übrigen Mensch- heit und speziell zu den ältesten uns bekannten Spuren des Menschen außerhalb Australiens Beziehungen erkennen läßt. Eine solche rein objektive Prüfung des Thatbestandes hat nun in der That eine der- artige Fülle von Aufschlüssen und Bestätigungen ergeben, daß es schwer ist, hier auf beschränktem Raum auch nur das wichtigste Material vorzulegen. Wenden wir uns zunächst den leider in rapidem Aussterben be- griftenen Eingeborenen Australiens zu, um deren körperliche, kul- turelle und geistige Eigenart mit der übrigen Menschheit zu ver- gleichen. Es fehlen jegliche Zeugnisse für die Annahme einer relativspäten Einwanderung der Australier von einem anderen Kontinent aus. Wenn Huxley, dem wir die ersten trefflichen Nach- weise für die Eigenart der Australier verdanken, auf die Analogien derselben mit gewissen Hügelstämmen Dekhans und auf Asien als die Urheimat der Australier hinweist, so läßt sich das angeblich stützende Argument gerade in umgekehrtem Sinne besser verwerten. (r. Gerland, der die Herkunft der Australier unentschieden läßt, sagt ganz offen: „Vor den Europäern kann von fremden Einwanderungen nicht die Rede sein, es ist reine Phantasie, wenn man Polynesier nach Australien gekommen. sein läßt.“ Man könnte vielleicht erwarten, daß positive Funde im australischen Boden uns über die körperliche Beschaffen- heit der Vorfahren der jetzigen Australier Aufschluß geben, aber leider fehlt es bis jetzt an ausreichenden systematischen Untersuchungen daselbst, obwohl manche Anzeichen uralter Besiedelung zu solchen ermuntern könnten. An vielen Punkten Viktorias finden sich nach R. B. Smyth*) 1. 238 Aschenhaufen mit Knochenresten von beträcht- licher Höhe und Ausdehnung, die sehr alt sein müssen. Diese „Mirrn- yongs“, wie die Australier sie nennen, werden vielfach als Düngstoff verwendet, ohne wissenschaftlich auch nur beachtet zu sein! — Sollte jemand dieses Negative betreffs menschlicher Fossilreste in Australien gegen unsere Anschauung ins Feld führen, so können wir darin nur eine Mahnung erblicken, da zu suchen, wo bisher so wenig geschehen ist. Die Beschaffenheit der jetzigen Australier verspricht genug Auf- schlüsse bezüglich ihrer Vorgeschichte. (rerade die Schwierigkeiten, welche bisher die Einordnung der Australier in das Rassenschema der Menschheit verursacht hat, deuten !) The aborigines of Victoria, Melbourne-London 1878. 11] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 115 auf die besondere Stellung derselben hin. Trotz der zum Teil so charakteristischen Merkmale im Äußern wie im Skelett giebt es doch keine andere Rasse von solcher Variabilität. Diese aber ist keine regellose, sondern führt zu verschiedenen Ausbildungen des Körpers, die wir völlig von einander getrennt bei den übrigen Rassen außer- halb Australiens wieder finden. Man kann innerhalb der Australier ein helleres straffhaarıges und ein dunkleres kraushaariges Element unterscheiden. Die Hautfärbung weist zwischen Bräunlich- gelb und Schwarzbraun die mannigfachsten Schattierungen auf. Alle Beobachter stimmen überein in ihrer Verwunderung über die riesige Variationsbreite, über die „sprunghaften Differenzen“ (Stuart und Feichhardt). „Die Australier variieren ebenso seltsam wie ihr Boden“ (Stokes). Diese Verschiedenheiten sind viel zu kompliziert, als daß man sie etwa als die Folge beiläufiger Kreuzungen und Ver- mischungen mit Melanesiern oder anderen Menschenformen hinstellen könnte. Eine solche Annahme würde außerdem eine bestimmte Ver- teilung der Varietäten in Beziehung zu aubßer-australischen Regionen verlangen, die nicht besteht. So sind denn auch die kompetentesten Forscher, u. a. Ratzel, Wallace, Semon, weit von einer solchen Annahme der Mischung der Uraustralier entfernt. A. R. Wallace vertritt vielmehr ın seinem neuesten Werke!) den schon von Huxley angedeuteten und allein richtig erscheinenden Standpunkt, daß die Australier uralte Bezieh- ungen besitzen zur europäischen Rasse sowohl als auch zur mongolischen und zur negroiden. Die auffallende Ähn- lichkeit mancher Australier mit Europäern ist neuerdings besonders von Semon betont worden. In Bezug auf eine seiner Photographien einer Australiergruppe meint er, man könne sie ganz gut für eine Truppe verlumpter Europäer ausgeben. Die offenbaren Ähnlichkeiten sowohl der Europäer als mancher Australier mit den vordravidischen Stämmen Asiens, die primitive Bedeutung der (in manchen Punkten einseitig entwickelten) von Sarasins trefflich beschriebenen Weddas steht mit der Auffassung der Australier als eines direkt an die Wurzel der Menschheit anknüpfenden Stammes nicht in Widerspruch. Wir können die Sonderung der Australier in Varietäten, welche gleichsam die Hauptrassen der Menschheit vorbereiten, mit der Annahme der Einwanderung des Vormenschen ın 1) Studies, scientifical and social, London 1900, g* 116 Ö. Schoetensack: 112 Australien in Zusammenhang bringen. Die Bodenbeschaffen- heit Australiens macht eine frühzeitige Trennung in westliche und östliche Gruppen begreiflich. Das Gebirge des Ostrandes, welches die Feuchtigkeit des Südostpassates größtenteils aufnimmt, hat jeden- falls auch in weit zurückliegender Zeit in das Centrum und den Westen des Kontinents wenig Feuchtigkeit gelangen lassen, so daß im Innern und nach Süden hin ein Verkehr zwischen Süd und Ost außerordent- lich erschwert war. Entsprechend dem vielgestaltigen Milieu, das in den verschiedenen Florengebieten zum Ausdruck gelangt, die sich sichelförmig um das Wüsten- und Salzbuschsteppengebiet herumlegen, bildeten sich bald verschiedene Typen der Eingeborenen heraus, die erst später durch die immer mehr notwendig gewordenen Wanderungen und infolge exogamer Ehegebote durcheinander geworfen wurden. Ob vielleicht die (kulturell primitivsten) und ausgestorbenen Tasmaniıer das deutlichste Bild der Australier als einer kraus- haarıgen Rasse geben, können wir nicht entscheiden. Man darf natürlich nicht erwarten, daß die jetzigen Australier unverändert auf dem körperlichen Niveau der gemein- samen Wurzel aller Menschenvarietäten stehen ge- blieben sind, so wenig etwa, wie die jetzigen Protozoen den ein- zelligen entsprechen, aus denen die Metazoen hervorgegangen sind. Auch der Australier hat sich entwickelt, und daher finden wir sein Skelett in Übereinstimmung mit dem Niveau der übrigen Menschheit, aber mit Merkmalen und Variationen, die ganz dem Be- funde des Äußern entsprechen. Hamy betont die Ähnlichkeit mancher Skelette mit Europäern, anderer mit Nigritiern. Da alle vergleichend osteologischen Bearbeitungen der Menschenvarietäten erst in den An- fängen begriffen sind, so wird die erneute Prüfung der Australier- Skelette von dem neuen (resichtspunkte aus nötig sein, eine Aufgabe, mit der Prof. Klaatsch beschäftigt ist. Nach allem, was wir aus der Litteratur entnehmen können, entsprechen die Befunde der von uns vertretenen Auffassung. Es gilt dies namentlich für den Schädel. Die Längen-Indices variieren so, dass die kraniometrischen Schemata der veralteten anthropologischen Schule keine Förderung erfahren. Die Dachform des Schädels ist ein weit verbreitetes Charakteristikum. Ebenso findet sich sehr oft eine ziemlich starke alveolare Prodentie, welche die Prognathie der Negroiden vorbereitet. Nach der persön- lichen Angabe von Klaatsch ist die bedeutende Größe der medialen Ineisivi für beide Geschlechter auffallend, ein Merkmal, das bei der Mehrzahl der übrigen Menschenvarietäten ein mehr weibliches 13] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 117 Charakteristikum darstellt. Nach Klaatschs bisherigen Beobachtungen entbehrt der Kinnwinkel, wie es scheint, in der Regel des Vorsprungs und stimmt darin mit dem Befunde der stumpf- oder rechtwinkeligen Unterkiefer der ältesten Menschenskelette überein, welche wir ın Europa finden, der von Spy, La Naulette, Malarnaud etc. Dies ist nicht die einzige Beziehung des Australier-Schädels zu dem Spy- Neanderthal-Typus, wie er durch die Arbeiten von Schwalbe und Klaatsch jetzt als bekannt gewordener ältester der europäischen Menschheit (im Paläolithikum) als gesichert erscheint. Die mächtigen Tori supraorbitales des Neanderthaler Schädels kehren in abge- schwächter Form sehr allgemein und in einer Gruppe der Australier besonders häufig wieder, welche Topinard nach den Tasmaniern be- zeichnet. Andere Punkte, wie die Kleinheit der Hand der Australier, die wir auch an paläolithischen Skeletten, z. B. an den im Lyoner Museum befindlichen von Solutre beobachten, sowie die anfänglich australische Nase des Europäer-Kindes (cf. Ranke, Der Mensch, II, 51) wollen wir hier nur beiläufig erwähnen, sie erfordern eine eingehende Besprechung an anderer Stelle. In körperlicher Hinsicht finden wir keinen Punkt, der gegen, aber mehrere, welche sehr deutlich für die Richtigkeit der Vermutung sprechen, daß der Mensch von Australien aus seine Verbreitung über die Erde in einer weit zurückliegenden Zeit genommen hat. Die hierdurch postulierten Beziehungen des paläolitischen Men- schen zum Australier treten in noch viel deutlicherer Weise her- vor, wenn wir die kulturelle Seite des Problems ins Auge fassen. Wir sind in diesem (rebiete auf Zusammenhänge aufmerksam ge- worden, welche unseres Erachtens sehr eindringlich für die Richtig- keit der hier dargelegten Anschauung sprechen. Wir sehen die Australier und die Paläolithiker Europas im Besitze zweier Jagdgeräte, welche so spezifisch sind, daß man nur schwer eine Erfindung der- selben unabhängig an verschiedenen Punkten der Erde annehmen kann: es sind der Bumerang und der Wurfstock. Der Bumerang (der Name mißverständlich aus Woomera, dem Ausdruck für Wurfstock bei manchen australischen Stämmen ent- standen) oder die Kehrwiederkeule stellt nach Jaehns ein seitlich abge- flachtes, in der Mitte knieartig stumpfwinkelig eingebogenes, einem Joch- oder Krummbügel ähnliches Werkzeug dar, das man auch als flachen Haken bezeichnen könnte und das etwa 50 cm lang und 5 cm breit, aus schwerem Hartholz hergestellt ist. Der auswärts gebogene Rand samt der einen Seite ist tlach gehalten, während die andere 118 OÖ. Schoetensack: 14 Seite sich wölbt und zuweilen bedeutend erweitert. Diese Keule wird so geworfen, daß sie ın der Ebene ihrer Fläche, wie auf der Luft schwimmend, um sich wirbelt, wobei der Schwerpunkt möglichst weit außerhalb der Drehungsachse liegen muß. Man wirft und trifft da- mit auf Entfernungen über 100 Fuß. Infolge der Wirbelbewegung um die Flächenachse kehrt das Geschoß, wenn seine Vorwärtsbe- wegung durch Luftwiderstand gehemmt und kein Ziel getroffen ist, nach dem Gesetz der Schraube in die alte Bahn und zum Schützen zurück. Wir haben es hier mit einer uralten Waffe der Mensch- heit zu thun, die älter als Pfeil und Bogen von diesen allmählich verdrängt wurde. Daß aber vordem der Bumerang ein allgemeines Gut der Menschheit war, dafür haben wir prähistorische und historische Beweise. Aus dem Paläolithieum Frankreichs und zwar aus der Epoque magdalenıenne stammen zwei aus Rengeweih ge- schnitzte bisher noch nicht gedeutete Gegenstände, welche von Girod und Massenat bei Laugerie-Basse in der Dor- dogne ausgegraben wurden. Dieselben gleichen in ihrer Form voll- ständig den australischen Bumerangs (s. Fig. 7 u. 9), doch sind sie so klein, daß sie wohl mehr als Spielzeug, als zu praktischem Zweck gebraucht wurden. Auf einem von Lartet und Christy (Reliquiae Aqui- tanicae, London, 1875, B. IX, 3) abgebildeten Beingerät von der Dordogne ist ein Ornament von unterbrochenen Bogenstücken zu sehen, die auffallend an den Bumerang erinnern. Nach Jaehns zeigen assyrische Denkmale den Bumerang, desgl. ägyptische Bildwerke, wo ganze Scharen von Kriegern damit aus- gerüstet sind. Dem Bumerang ähnliche Instrumente sind von Neu- seeland, den Hebriden, Neucaledonien, Fidschi-Inseln u. s. w. be- kannt. Die Australier sind also allein im Besitz eines primitiven Werkzeuges geblieben, das früher weit ver- breitet war und haben es in seiner Eigenart zu verschie- denen Formen ausgebildet. Zu demselben Resultat gelangen wir bezüglich des Wurfstocks, vermittelst dessen die Eingeborenen dem Speere eine bedeutende Durchschlagskraft zu geben vermögen. Der Werfende faßt den Speer mit ausgestreckter Linken möglichst nahe an der Spitze, die Finger nach oben gerichtet. Mit der Rechten bringt er den 50-75 cm langen Wurfstock und zwar das mit einem kleinen Haken (Känguruh- zahn) versehene eine Ende an den leicht ausgehöhlten Speerfuß und schleudert damit, während die Linke den Speer losläßt, die Lanze zum 15] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 119 Fig. 22 Wurfstock der Australier nach Ph. P. King. Fig. 3—5. Paläo- lithische Wurfstöcke. [3 (258) von Laugerie-Basse; 4 (255) von Gourdan ; > (200) von Mas-d’Azil.| Fig. 6 u. 8. Australische Bumerang nach Ratzei. Fig. 7 u.9. Paläolithische Bumerang von Laugerie-Basse [7 (82) u. 9 (106)]. Die in runden Klammern beigefügten Zahlen bezeichnen die Grölse in Millimeter, 120 O. Schoetensack: [16 Ziel. (Jaehns.) Nach Waitz-Gerland ist diese Waffe fast über den ganzen Kontinent verbreitet. Nehmen wir die Entstehung derselben in Australien an, so würde uns der Weg der Verbreitung derselben längs der Ostküste Asiens nach Nord- und Südamerika führen, denn sie ist angetroffen worden auf Neu-Guinea, den Palau-Inseln und Marianen, Sachalin, auf den Aleuten, bei den Eskimos und den Indianern von Ecuador; zur Zeit der Entdeckung Amerikas war sie nach Jaehns in einem Erdabschnitte von 60 Längengraden von Mexiko bis zum Schingustrome in Brasilien im allgemeinen Gebrauch. Wie aber steht es mit der anderen Richtung der Ausstrahlung der Mensch- heit über Hinterindien nach Westen? Auch für diesen Zweig haben wir den Beweis der Benutzung des Wurfstockes und zwar aus dem Palaeolithicum. Nachdem 4A. de Mortillet bereits 1891 einen mit Skulptur versehenen Wurfstock aus Rengeweih von Laugerie- Basse richtig gedeutet hatte (wir geben eine Abbildung davon in Fig. 3 nach Zartet und Christy B. XIX und XX, 1), ist es uns ge- lungen, das Gerät auch in dem im Erscheinen begriffenen Werke von ZJd. Piette, L’art pendant l’äge du renne, in zwei vollständig erhaltenen Exemplaren ebenfalls aus Rengeweih, nachzuweisen. Es sind dies unsere Fig. 4 (Piette VII, 1) und Fig. 5 (Piette LI, 2). Auch der mit einem Haken versehene Gegenstand aus Rengeweih von Mas d’Azil (Piette XXX, 2) dürfte hierher gehören, sowie das bei @irod und Massenat XXVI, 2 abgebildete Fragment von Laugerie- Basse, das in Übereinstimmung mit unserer Fig. 5 als unteres Ende eines Wurfstockes aufzufassen ist. Man beachte übrigens die höchst originelle Art, mit der bei Fig. 4 und 5 der Haken des Wurfstockes motiviert ist; ım ersteren Falle bildet er den Zopf eines phan- tastischen Wesens, im letzteren die Flosse eines fischartigen Ge- schöpfes. Auch diese Stücke mögen mehr als Spielerei gedient haben, während die größeren, wie bei den Australiern, aus Holz gefertigt wurden. Die Bedeutung dieser otienbar uralten Beziehungen der Paläolithiker zu Australien wird erst durch die schon erwähnte negative Thatsache in das rechte Licht gesetzt, daß Pfeil und Bogen nicht nach Australien gedrungen sind und daß dieselben in anderen Ländern verhältnismäßig spät die primitiven Jagdgeräte der älteren Steinzeit verdrängt haben. Für das Fehlen von Pfeil und Bogen kann man hier keineswegs, wie auf manchen polynesischen Inseln, den Mangel an jagdbarem Wild verantwortlich machen, es bleibt vielmehr nur die eine Deutung: Der von Australien sich verbreitende Mensch kannte 17] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 121 Pfeil und Bogen noch nicht!); als dann diese Erfindung in einer anderen Zone gemacht wurde, blieb die Urheimat des Menschen davon unberührt. Gleich bedeutungsvoll ist die Thatsache, daß die Tasmanier weder Wurfstock noch Bumerang kannten; sie hatten sich offenbar vor der Erfindung desselben be- reits von den Uraustraliern getrennt, wie sie denn auch die’ primi- tivsten Merkmale des Körpers haben. Nur die überaus günstigen Bedingungen der leichtesten Jagderbeutung auf Tasmanien lassen es begreiflich erscheinen, daß dieser Rest menschlichen Urstammes sich auf solch niedriger Kulturstufe bis zur Ankunft der Weißen erhalten konnte. Zu diesen Momenten, die uns zur Überzeugung von der Ur- sprünglichkeit der australischen Kultur drängen, gesellen sich noch andere. Der Australier lebte vor dem Eindringen der europäischen Kultur in der Steinzeit und zwar nicht im Neolithicum, sondern im Palaeolithicum. Die Kunst, die Steinwerkzeuge regelrecht durch Schleifen herzustellen, ist nicht zu ihm gedrungen?), trotzdem dieselbe die Inseln des malayischen Archipels erreichte, wie zahlreiche dort aufgefundene prähistorische Steingeräte beweisen, die den neolithischen Typen Europas außer- ordentlich gleichen. Die Steininstrumente der Australier sind noch heute der rohesten Art und entsprechen insbesondere ihre Silex- geräte sowie auch diejenigen der Tasmanier z. T. noch den ältesten paläolithischen, die, wie man annımmt, mit der bloßen Hand geführt wurden (R. BD. Smyth U, 358 und 404). Ebensowenig ist die Kunst der Töpferei zum Australier gelangt, die wir bei uns mit dem Neo- lithicum auftreten sehen. Als sehr primitive Werkzeuge treffen wir beim Australier an den Klangstock, Hölzer, die gegen die Brust gestemmt und mif anderen geschlagen werden; — sie verursachen die den berühmten Korrobori- Tanz begleitende Musik, ferner den Grabstock, mit dem die Frauen die Wurzeln aus der Erde graben; er findet sich bei Busch- fe) e) männern und Weddas wieder. Flache Klopfsteine erinnern an die entsprechenden häufigen Funde in steinzeitlichen Niederlassungen. fo) Auch hinsichtlich der Bauweise läßt sich die ganze Ent- 1) Selbst die primitiven Weddas haben Pfeil und Bogen und erheben sich darin über die Australier. 2) Den aufgelesenen oder zugeschlagenen Steinen wird höchstens durch Reiben eine schärfere Kante verliehen, 122 OÖ. Schoetensack:: [18 wickelung derselben, wie F’robenius gezeigt hat, von den ersten An- fängen in Australien verfolgen. Der aus Zweigen, Rinde, Erd- beschüttung hergestellte Wetterschirm befindet sich neben der daraus entstandenen Kegelhütte, dem Kegel, der Halbtonne und dem Giebeldach. Schiffbau und Fischerei verraten sehr primitive und paläosithische Merkmale. Rindenstücke, trogartig aufgebogen und mit Querhölzern auseinandergesperrt, sind die ersten Boote gewesen, die nur von guten Schwimmern benutzt werden konnten, als welche die Australier wie die meisten Naturvölker bekannt sind. Die australischen Harpunen mit ablösbarer Spitze erinnern unge- mein an die in den paläolithischen Niederlassungen der Epoque magdaleniene aufgefundenen, wie sie ja noch bei den Polarvölkern anzutreffen sind. Möglich, daß der Fang der oft über 150 kg schweren Meeresschildkröten dem Australier die Veranlassung zur Erfindung dieses Instrumentes gab, ohne welches diesen Tieren nicht beizukommen ist, wenn Netze fehlen. Für die Erfindung der Feuer-Erzeugung, wovon noch die einfachsten Formen in Australien zu beobachten sind, bot dieser Kontinent so günstige Bedingungen, wie wenig andere Länder der Erde. Man vergegenwärtige sich die entsetzliche Dürre in einigen (regenden. Auf Grund der Massenerfahrung, daß sich beim Bearbeiten von Werkzeugen rauchender Staub ablöst (K. v. d. Steinen), erfand man hier verhältnismäßig leicht Methoden, dem völlig ausgedörrten Holz Feuer zu entlocken. Auch sind Blitzschläge so außerordentlich häufig, und im Gefolge derselben Grasbrände, die auf weiter Fläche angebratene Tiercadaver hinterlassen, daß der Gedanke, selbst Feuer zu erzeugen, um mit Hilfe desselben die Jagd auszuüben oder doch das Fleisch des erlegten Wildes schmackhafter zu machen, leicht ent- stehen konnte. Als Beweis für die Primitivität der Australier müssen ferner gewisse Erscheinungen ihres Sexuallebens gelten. Ploss betont, daß die Konzentrierung der Geschlechtsthätigkeit auf eine bestimmte Jahreszeit beim Australier noch an den tierischen Zustand erinnert; auf der anderen Seite finden wir in Australien sexuelle Einrich- tungen, die eine große Verbreitung über die Erde gefunden haben. Die Beschneidung des männlichen Gliedes ist eine Gewohnheit, welche nach Rt. Andree etwa 200 Millionen Menschen eigen ist. Weite (rebiete Afrikas, ein Teil der Balkanhalbinsel, Kleinasien, Iran, Turan, ein Teil Indiens, gewisse Punkte Melanesiens und selbst einzelne Ge- 19] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 123 biete Amerikas zeigen diese Sitte, deren Bedeutung ebenso wie die Ausführung verschiedenen Möglichkeiten entspricht. Außer der ein- fachen Circumsio und partiellen Entfernungen des Präputiums finden sich bei den Australiern weitgehende Verstümmelungen des Gliedes, namentlich Spaltung der Harnröhre von unten her. Der Sinn solcher Operation ist Behinderung der Conception. Wie alt diese Mani- pulationen sein müssen, geht aus dem bei Girod und Massenat Taf. I, 3 abgebildeten Funde hervor, einen aus Rengeweih geschnitzten Doppelphallus mit eigentümlichen Einschnitten darstellend, aus Laugerie- Basse. Der Paläolithiker der Dordogne, welcher diese Skulptur fertigte, muß entsprechende Vorbilder besessen haben. Es ergiebt sich hier also wieder ein Anklang paläolithischer Zeugnisse an die Zustände der jetzigen Naturmenschen, speziell der Australier. Dab zu diesen die auf ihrem Kontinent verbreitete Beschneidung resp. Ver- stümmelung „Mika-ÖOperation“ (mit einem Steinmesser von dem Mousterien-Typus) von außen gebracht worden sei, ist bei den Be- weisen für ihre Abgeschlossenheit schwer zu begreifen, andererseits ist es auch nicht gerade wahrscheinlich, daß diese Sitten resp. Un- sitten mehrererseits unabhängig von einander an verschiedenen Punkten erfunden sein sollten. Das nomadisierende Leben des Beutel- tier-Jägers machte eine Beschränkung der Kinderzahl notwendig; so mag die Not an Stelle des Kindesmordes dies Präventivmittel ge- lehrt haben, das dann anderswo in abgeschwächter Form ohne den ur- sprünglichen Sinn fortbestand. Bekanntlich blieb z. B. bei den Juden für diese Handlung das Stein-Instrument lange im Gebrauch, worin ein Beweis für das hohe Alter derselben erblickt werden darf. Die Parallele zwischen den Paläolithikern Südfrankreichs und den jetzigen Australiern gewinnt an Anschaulichkeit durch den Hin- weis der beiden gemeinsamen Fähigkeit lebenswahrer Zeichnungen von Jagdereignissen, Tieren und Menschen. Die von Smyth u. a. ver- öffentlichten Felsen- und Rindenzeichnungen der Australier reihen sich z. T. (in ihrer Natürlichkeit der Beobachtung und Sicherheit der Strichführung) den neuerdings von F" Daleau bei Marcamps in der Gironde entdeckten Tierzeichnungen aus der Epoche solutröenne und den sonst zahlreich aus der Epoque magdalenienne bekannt ge- wordenen an. Bereits R. Virchow (Zeitschr. für Ethnologie 1882, 34) machte auf die Analogie zwischen der Form australischer Botenstäbe und falzbeinartiger Geräte der Palaeolithiker am Bodensee aufmerksam. Inzwischen sind durch Girod und Massenat Taf. VI 124 O. Schoetensack: [20 Fig. 2—9 und 14 derartige Gegenstände aus Knochen von Laugerie- Basse (Dordogne) bekannt geworden, die eigenartige Ritzzeichnungen aufweisen, welche ın ihrem ganzen Charakter und auch in einzelnen Figuren (aneinandergeleste Rhomben, längere Streifen, bogen- oder blattförmige Gebilde) an die Gravierungen auf den australischen Botenstäben erinnern. Durch P. und F. Sarasin ist bekannt geworden, daß auch die Weddas früher eine solche Art der Korrespondenz- Vermittelung zwischen verschiedenen Stämmen besessen haben müssen. Es scheint also hier ein uralter Brauch vorzuliegen, der sich allein bei den Australiern in seiner Ursprünglichkeit erhalten hat und, wie wir anzunehmen geneigt sind, von dort aus auf die übrige Mensch- heit überging. Das Zählvermögen der Australier steht bekanntlich auf sehr niederer Stufe. Es reicht nur bis 5 und was darüber ist, wird als Menge bezeichnet. Der Australier kann bei größeren Zahlen eines Kerbholzes nicht entbehren, um z. B. ein jedes Beutestück durch einen Strich zu identificieren. Wir werden hierbei unwillkürlich an die mit regelmässigen Strichen versehenen Rengeweihstücke aus dem Paläolithikum erinnert, z. B. an jene von Schussenried, welche 0. Fraas direkt als Kerbholz, als eine Art Notizbuch, ansprach. Als eine notwendige Konsequenz der eigentümlichen Wechsel- beziehungen, in welche Mensch und Hund zu einander in Australien durch die besondern Umstände gebracht wurden, erscheint es, daß ‚auch der außerhalb Australiens sich verbreitende Mensch zu dem primitiven Carnivorengeschlechte der Caniden in einem besonderen Verhältnis blieb. Unsere Auffassung von der Bedeutung Australiens für den Menschen giebt uns den bisher niemals auch nur gesuchten Schlüssel für das Verständnis der Faktoren, welche Hund und Mensch so eng aneinander schlossen. Für die weitere Entwickelung dieser Beziehung ausserhalb Australiens sind wir nicht notwendigerweise an die Annahme gebunden, daß der australische‘ Jäger den unge- fügen Dingo nach Asien mitgenommen habe; es genügt der aus der Heimat übernommene Antrieb, junge Caniden zu züchten und ihre Zähmung zu versuchen; Gegenstand dieses Versuches mögen verschiedene Species gewesen sein, die der Mensch in den neuen (Gebieten seiner Jagd und Eroberung vorfand. In diesen, im Kampfe mit einer gewaltigen Tierwelt, waren aber der Jäger und sein Begleiter in einer ganz anderen Weise auf einander an- gewiesen, als in der Beuteltier-Umgebung; so mag sich die viel stärkere Anpassung des Hundes an den Menschen, als durch die Not Y ® - Do 21] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 125 geboten, erklären. Auch dies setzt eine lange und mühsame Ent- wickelung voraus, und es ist daher nicht zu verwundern, daß wir den Paläolithiker Europas noch nicht in einer gesicherten Herrschaft über den Hund antreffen. Wenigstens haben wir bisher keine ganz unzweifelhaften diluvialen Reste paläolithischer Hunde, die uns den- selben als treuen Begleiter des Menschen zeigten. Dies ist erst in den nordischen Muschelhaufen (Kjökkenmöddinge) und im Neolithi- kum des übrigen Europa der Fall. Allerdings sind nach @. und A. de Mortillet in paläolithischen Niederlassungen Frankreichs Hunde- knochen gefunden, die sich Canıs familiarıs nähern. Auch fehlt es nicht an Versuchen, von diluvialen Caniden einige unserer Hunderassen abzuleiten, so vom diluvialen Canis Mikii Woldrich den prähı- storischen C. palustris Rütim und Canis fam. ladogensis Anut- schin, von diesen wiederum unsere Wachtelhunde, vielleicht auch den „verwilderten“ Hund Syriens, den Cane bracco Italiens, sowie die nordsibirischen und nordwestamerikanischen Haushunde. Vom dilu- vialen Canis intermedius Woldr. leitet Woldrich den Schäferhund, vom diluvialen Lupus Suessii (Woldrich) doggenartige Rassen ab. Die Einzelheiten dieser noch z. T. problenatischen Beziehungen sind hier weniger wichtig, als das Resultat, daß diese nordischen Hunde mit dem Dingo in keinen direkten Zusammenhang gebracht werden können. Dies ist hingegen für manche südliche Hunde sehr wohl möglich. Wie uns Herr Prof. Studer gütigst mitteilt, hält er den Dingo für „eine primitive Form des Pariahundes*, der seinerseits „die Stammform der verschiedenen südlichen Hunde- rassen darstellt“. Als Ausbreitungsregion der letzteren giebt Studer an: Australien, Sunda-Inseln, Süd-Asien und Afrika — also die Ge- biete, welche nach unserer Auffassung den nächsten Verbreitungs- bezirk des Menschen von Australien darstellten. Der Gedanke, zur Erklärung gewisser uralter Einrichtungen und Besitztümer des Menschen ein spezifisch australisches Milieu heran- zuziehen, hat sich uns beim weiteren Fortschreiten auf dem einmal eingeschlagenen Wege immer aufs Neue als fruchtbar erwiesen, — ja es haben sich hierbei von dem neuen Standpunkte aus wieder neue Perspektiven eröffnet, die hier nur angedeutet werden können. Einer dieser Punkte betrifft das Tragen der Kinderin einem Fell-Beutel, wie es in Australien geübt wird. R. b. Smyth be- richtet uns darüber, daß die Frauen Viktorias stets bei der Arbeit die Kleinen auf dem Rücken tragen in einem Sack, der aus der Haut des Beuteltieres hergestellt ist. Vergegenwärtigen wir uns, daß der - 126 O. Schoetensack: [22 Uraustralier seine Kleidung aus den Fellen der erlegten Tiere gewann, wie es der Paläolıthiker that, so verstehen wir, daß beim Ausnehmen größerer Marsupialier die Aufmerksamkeit sich auf den Einschluß der Jungen im Beutel der Bauchhaut lenken und die Frauen auf den Gedanken bringen mußte, ihrerseits die Kinder ebenso zu tragen. Es konnte sogar unmittelbar der ausgeschnittene recht geräumige Beutel eines Känguruhs dazu verwertet werden. Dieser erste „Tragsack“ legte den Grund zum Begrift persönlichen Eigentums. Seine Ver- wendung zur Aufnahme der aufgefundenen und auf den Wanderungen nötigen Utensilien (Weitz-Gerland VI. 140), als Klopfstein, scharfe Muschelschalen, Steinmesser, Lanzenspitzen und Material dazu, Kän- guruhsehnen und Nadeln aus Känguruhknochen — Wurzeln, eine Art Schwamm, Fett, etwas Schmuck, roter Thon zum Anmalen u. s. w. — war eine notwendige Konsequenz, und wenn auch später aus jedem beliebigen Stück Fell der Behälter aller beweglichen Habe hergestellt wurde — die indirekte, ideelle Anknüpfung an das Marsupium blieb bestehen. Es liest ferner nahe, anzunehmen, daß letzteres auch zur Mitführung von Flüssigkeiten verwendet und zur Ausgangsform des Trinkschlauches wurde, den Eyre bei Australiern beschreibt und der weithin in die historische Zeit bei Kulturvölkern eine sehr allgemeine Verbreitung besah. Vielleicht ist die Methode des Tragsacks nicht ohne Einfluß auf die Körperbeschaffenheit des Kindes geblieben, indem dadurch die I:nthaarung manchen Körperteils begünstigt wurde, dessen Haarverlust durch das Prinzip der sexuellen Zuchtwahl ganz unerklärt bleibt: wir meinen den der Beutelwandung angepressten Rücken. Nach den bisher geltenden Anschauungen, wie sie Darwin be- eründet hat, müßte die Enthaarung vom Bauch ausgegangen sein; wie aber der Rücken zu diesem Schicksal kam, war unverständlich Wir werden hiermit auf die Frage der Ausprägung der eigentlich menschlichen Körpermerkmale geführt, als deren wichtigste der völlig aufrechte Gang und der Besitz der „großen“ Zehe erscheinen. Ver- mag unsere hier vorgelegte Anschauungsweise etwas zur Erklärung derselben beizutragen? Wir sind der Prüfung dieser Frage gemeinsam mit Prof. Klaatsch näher getreten und letzterer ist geneigt, den eigen- artigeen Bewegungs-Gewohnheiten, mit deren Verbreitung bei Australiern und anderen Naturvölkern wir ihn bekannt machten, eine nicht geringe Bedeutung für die Erklärung der Besonderheit des menschlichen Körpers gegenüber derjenigen bei den anderen Primaten beizumessen. % < 23] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 127 Die jetzigen Australier haben noch in sehr ausgedehnter Weise die Gewohnheit, hochstämmige Baumstämme zu erklettern. Die Gründe hierfür sind für die Gegenwart einleuchtend und sind es für frühere Zeiten in noch viel höherem Maße. Die hohen Bäume Australiens, worunter die Eucalypten namentlich im Westen und Süden eine hervorragende Stelle einnehmen, sind der Aufenthalt baum- lebender Beuteltiere, der Phalangista, Phascolarctus, Petaurista u. s. w. Diese konnten ohne Schwierigkeit getötet werden, wenn die Höhe er- reicht war; ferner kommen als Beute Vogelnester und ganz besonders der Honig in Betracht. Die Stachellosigkeit der australischen Biene begünstigt die in der Ökonomie der Australier ebenso wie in der- jenigen anderer Naturvölker (z. B. Weddas) und auch alter Kultur- völker eine sehr grosse Rolle spielende Honig-Nahrung. Wir meinen, daß die übrigen Menschen weniger leicht sich in den Kampf mit den stechlustigen Bienen gewagt hätten, wenn ihre Vorfahren nicht den Brauch unter günstigeren Bedingungen sich erworben hätten. Der Honig ist für die Australier ein wichtiger Teil der Nahrnng, sie ver- tilgen ihn nach Zumholtz in „enormen“ Quantitäten. „Das Wachs wird sowohl als Bindemittel bei Anfertigung verschiedener Gerät- schaften, wie auch als Pomade für ihren Haarputz bei Festlichkeiten benutzt.“ Die Methode des Kletterns ist Verschiedenheiten und Vervoll- kommnungen unterworfen, wobei Hilfswerkzeuge in Verwendung kommen. Im einfachsten Falle, bei wenig umfangreichen Bäumen, schlingt der Eingeborene die Hände um den Stamm, schiebt dıe Füße unter den Bauch, sie gegen den Baum anstemmend und hüpft ruckweise, die gefalteten Hände jedesmal höher werfend, wie ein Laubfrösch empor. Ist der Baum sehr dick, so wird aus Zweigen oder aus einem Stück der australischen Rohrpalme (Calamus australis) eine Art von Seil oder Peitsche gefertigt, welches 5—6 Meter lang, als „Kamin“ bezeichnet wird (Fig. 10%)). „Auf dem einen Ende wird ein Knoten geschlagen, das andere bleibt frei“ (Zumholtz). Indem die Linke den Knoten faßt, wird der Kamin um den mächtigen Stamm geworfen und die Rechte ergreift das freie Ende. „Der rechte Fuß wird gegen den Baum ge- stemmt, die Arme werden vorwärts gestreckt, der Körper biegt sich ‚nach hinten, damit er nicht unmittelbar den Baum berührt und nun 1) Dieselbe ist mit gütiger Erlaubnis der Richter ’schen Verlagsbuchhand- lung dem Werke von K. Lumholtz, Unter Menschenfressern, Eine vierjährige Reise in Australien, Hamburg 1892, entnommen. 198 O. Schoetensack: 124 Fig. 10. Australier einen Baum erklimmend (nach Zumholtz), 25] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 129 beginnt der Aufstieg“. Der Kamin wird ruckweise in die Höhe geschleudert. Ebenso geschieht der Abstieg leicht. Als Unter- stützung beim Erklettern besonders großer und glattrindiger Baum- stämme dienen Stein-Instrumente. Mit ihnen werden — indem der Kamin einstweilen am rechten Schenkel befestigt wird — Kerben oder besser Stufen in die Rinde geschlagen, in welche die große Zehe eingesetzt wird (Smythl, 150). Hierdurch sowohl als auch beim ein- fachen Klettern wird der Fuß in einer ganz besonderen Weise in An- spruch genommen. Nach der Ansicht von Prof. Klaatsch kann dieser Kletter-Mechanismus, der von dem aller anderen Primaten, speziell der Anthropoiden abweicht, zur Erklärung der charakteristischen Ge- staltung des Menschenfußes beigetragen haben. Die mächtige Ent- faltung der ersten Zehe auf Kosten ihrer Oppositionsfähigkeit und die Ausbildung des Fußgewölbes kann weder durch die Bewegungs- weise eines der Anthropoiden noch durch den „aufrechten Gang“ er- klärt werden. Letzterer als solcher hätte mittlere oder die mittelste Zehe erstarken lassen, aber nicht die innerste, die übrigens bei allen Affen eine Tendenz zur Verkürzung zeigt. Hingegen wird die Gestal- tung des Fußes zu einer Art von Saugnapf mit kräftigstem inneren Druck- und Abrollungspunkt durch das Klettern auf hohe und glatte Baumstämme (auch bereits ohne Kamin und Steinbeil) verständ- lich. Dabei ist zu bemerken, daß Männer, Weiber und Kinder gleich- mäßig diese Bewegungen ausführten, deren beständige, über weite Zeiträume sich erstreckende Ausübung nicht ohne Einfluß auf den Vorfahren des Menschen geblieben sein kann!). Die weitere Ausführung dieser Überlegungen, die erst in Ver- bindung mit anderen Thatsachen der vergleichenden Anatomie, Embryo- logie und der Betrachtung fossiler Menschenreste ihre volle Bedeutung — auch für die Gestaltung des menschlichen Rumpfes, der Richtung der Wirbelsäule, Kopfhaltung u. s. w. erlangen, müssen wir Prof. Klaatsch überlassen. Hingegen wollen wir eine Konsequenz aus unseren Be- trachtungen schon hier ziehen, welche für die Deutung der ältesten bekannten Feuerstein-Instrumente von Wichtigkeit ist. Es sind dies jene mandelförmigen roh behauenen „Feuerstein-Dolche“, welche in der Regel ein spitzes und ein abgerundetes Ende und zwei zugeschärfte Kanten zeigen. Die jetzt allgemein gültige Auffassung !) Schon Abel Tasman fielen bei dem Besuch der nach ihm benannten Insel (1642) die zahlreichen in die Baumstämme gehauenen Stufen auf. Es ist wahr- scheinlich, dafs diese einer Leiter gleich zum Auf- und Abstieg dienten, so oft man dies für wünschenswert hielt. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 9 130 O. Schoetensack: [26 der Chell&en-Beile, welche den Typus der Epoque chelleenne, der ältesten Kulturperiode des Paläolithikum, darstellen, ist die von de Mortillet vertretene, wonach es sich um Universal-Instrumente primitiver Art handelt. Wenn wir auch die vielseitige Benutzung l derselben als Messer, Säge, Dolch, Schaber u. s. w. nicht in Abrede stellen wollen, so glauben wir doch, daß daneben eine speziellere Aufgabe ihnen zukam, aus welcher sich ihre weite Verbreitung in der ältesten paläolithischen Epoche und ihr Verschwinden in der folgenden erklärt. Die Chellöen-Beile erinnern in mancher Hinsicht an dievon ° den Australiern zu Kletterzwecken benutzten Steinstücke. Wie letztere, verschieden an Größe zum Teil mit der Hand geführt (Smyth II, 404), zum Teil in einen Stiel gefaßt werden, so ist es auch für die paläolıthi. schen Silexwerkzeuge wahrscheinlich, daß sie teils mit, teils ohne Stiel zur Verwendung kamen!) Die gestielten Steinmesser bezw. Beile werden von den Australiern beim Erklimmen der Baumstämme zum Verankern mit der Hand benutzt; ähnlich können sehr wohl die entsprechenden kleineren Chelleen-Beile gebraucht worden sein, während die größeren in vorzüglichster Weise geeignet erscheinen, um einen ö dem inneren Fußrand entsprechenden Einschnitt in die Rinde zu sägen, nachdem mit der Spitze zuvor ein Loch an der betreffenden Stelle angebracht worden war. Form und Größe vieler solcher Stein- beile aus dem französischen Paläolithikum erinnern im Umriß und in den Dimensionen an den menschlichen Fuß. Das Verschwinden des Instrumentes ist mit der Änderung des Klimas in Beziehung zu bringen: es trat an Bedeutung zurück mit der Reduktion und dem lokalen völligen Schwund?) der reichen Vegetation der Präglacial- und ersten Interglacial-Perioden. w® a a Du Wir setzen voraus, daß der Mensch bei seiner Verbreitung über die Erde die Klettergewohnheit zunächst beibehielt und daß dieselbe eine weitgehende ökonomische Bedeutung sich bewährte, noch mehr !) In dieser Hinsicht scheinen uns die durch Harzklumpen, welche über Feuer weich gemacht werden, und Holz hergestellten Griffe und Stiele der Stein- instrumente der Australier geradezu den Schlüssel zu bieten für die uns bisher so unklar gebliebene Handhabung der paläolithischen Feuersteingeräte. Ein Blick auf das bei ZLumholtz, Fig. 22, abgebildete Flintsteirmesser dürfte zur Erklärung des Gesagten genügen. 2) Dieser verursachte nach @. Brandes wahrscheinlich auch die für die Existenz der Art schliefslich verhängnisvolle starke Krümmung der Stofszähne des Mammut, dessen Vorgänger in wärmeren Perioden noch reichlich Gelegen- heit hatten, beim Abbrechen der Zweige des Urwaldes die Schneidezähne ab- zunutzen. 27] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 131 vielleicht, daß sie an Bedeutung in neuer Hinsicht gewann, Nicht nur für die Honiggewinnung und für die Jagd auf Baumtiere (Vögel und Inhalt der Nester, in Südindien und auf den Sunda-Inseln: der Binturong, in Asien, Europa, Amerika: Affen, Sciu- riden u. s. w.), sondern auch als Zufluchtsort konnte der Aufent- halt auf Bäumen viel wichtiger werden, als in der friedlicheren Ur- heimat. In diesem unserem Sinne spricht die weite Verbreitung der Klettergewohnheit über (Gebiete Asiens, Amerikas, Afrikas, zum Teil mit ähnlichen Vorrichtungen wie bei den Australiern. Wir können auch darauf hinweisen, wie sehr der Kletterinstinkt noch bei den europäischen Kindern in ähnlicher Weise Vorfahrenmerkmale wieder- holt, wie es mit den Gesichtszügen der Fall ist. Andererseits kommt die weite Verbreituug des Chell6en- Beiles in Betracht, für das sich fast überall, wo Nachgrabungen an- gestellt werden, in Asien (z. B. Kambodja, Japan, Vorderindien), Afrika (Nilthal, Somaliland, mittelländische Küste), Europa (außer Frankreich auch Spanien, Italien, England) und Nordamerika, neue Fundstätten ergeben. Man könnte vielleicht als Einwand uns entgegenhalten, daß die Steingeräte der Australier nicht genau dem Chell&en-Typus entsprechen, sondern vielfach einen noch primitiveren darstellen; uns scheint dies nur auf eine sehr frühzeitige Trennung der Vorfahren der jetzigen Australier von ihren nach Asıen übergetretenen Stammbrüdern hin- zudeuten, die auch in der Feuersteintechnik bald eine höhere Stufe erreichten, während die Zurückgebliebenen ohne Nötigung zu heftigerem Kampfe auf dem alten Niveau verharrten, welches den Anfängen einer Steinzeit entspricht, zum Teil sogar der Vorstufe derselben, welche Sarasins bei Besprechung der Weddas treffend als Holz- und Muschel- zeit bezeichnet haben. Sind doch Holzkeulen und -Stöcke nicht nur für die oben besprochenen Wurfwerkzeuge, sondern auch für die Lanze, ja sogar für den sehr primitiven schmalen Schild der Australier als Ausgangpunkt zu nehmen. Wie wir eingangs betonten, wäre unser Vorfahr nie Mensch ge- worden, wenn er im Urwald verharrt hätte. Die Mischung von Wald und ausgedehnten Steppen in Australien war der Faktor, der ihn vor -den einseitigen Umbildungen der Anthropoiden, des Gibbon, Orang, Schimpanse, Gorilla bewahrte, die ohne Urwald nicht leben können. Wie diese an ihr Milieu trefilich angepaßt sind, so der Mensch an den oben dargelesten völlig andersgearteten Kletter-Mechanismus, der zugleich für den aufrechten Gang trefiliche Vorbildung bot. Was wir 9* 132 OÖ. Schoetensack: [28 am Menschen bewundern, seine gsymnastische Fähigkeit, welche die aller anderen Wesen an Vielseitigkeit übertrifft, ist eben ein Faktor der Menschwerdung selbst. Daß nun die Ausprägung der körperlichen Eigenart des Men- schen mit der geistigen Hand in Hand ging, darauf brauchen wir nur hinzuweisen. Wir können dies Gebiet, auf dem neue Ausblicke nach allen Seiten sich öffnen, hier nur an seinen Grenzen betreten. Das Kletterleben erhob den Menschen nicht nur körper- lich über seine Umgebung; der Beobachtung und Über- legung wurde ein weiterer Horizont gegeben. Die Anfänge der höheren Regungen, von Poesie und Religion sind an das Baum- leben geknüpft. Bei niederen Völkern finden wir viele Beweise hier- für. Eine sonderbare Verknüpfung von Baum und Leben zeigen uns die Australier. Bei manchen Stämmen derselben besteht die Sitte, daß dem heranreifenden Jüngling die oberen medialen Schneidezähne ausgeschlagen werden. Dieser scheinbar mit dem Kultus in Zusammen- hang stehende Brauch, der zum Teil abgeschwächt auf andere Natur- völker übergegangen ist, hatte vielleicht anfangs einen sehr prakti- schen Zweck, nämlich den, eine Zahnlücke zum Halten eines Seiles oder eines Instrumentes beim Erklettern der Bäume zu schaffen. Auf solchen Konnex weist die geheimnisvolle Gewohnheit der Mutter hin, die ausgeschlagenen Zähne des Sohnes in die obersten Äste eines Gummibaumes zu verstecken, den nur wenige — nie aber der Sohn — kennen darf. Zwischen dem Baum und dem Wohl und Weh des betreffenden Menschen besteht nun ein Zusammenhang; wird der Baum vom Blitz getroffen, so bedeutet es Unglück für den Menschen; stirbt letzterer, so wird der Baum der Rinde beraubt und von unten rings vom Feuer umgeben, so daß der Stumpf als Denkmal für den Toten stehen bleibt ( Weitz-(Gerland VI, 785). Da das Baumleben schon bei Affen zur Ausbildung der Stimm- mittel in Beziehung steht — es sei an die Konzerte der Gibbons und Brüllaffen auf Baumwipfeln erinnert — so dürfen wir für den Menschen, der die Stimmen der Vögel belauschte !) (und jedenfalls zu Jagdzwecken nachahmte) ebenfalls den luftigen Aufenthalt als wichtigen Faktor a a A ee ter © BERENES 1) Es sei hier nebenbei bemerkt, dafs Australien aufserordentlich reich an Vögeln ist. Nach Lauterer hat von den ca. 6000 Vogelarten der ganzen Erde Europa ungefähr 500, Australien 700. Unter letzteren befinden sich zahlreiche Sing- und Schreivögel sowie auch der interessante Laubenvogel (Ptilinorhynchus holosericeus), der bekanntlich sich Lusthäuschen baut und diese mit den ver- schiedensten Gegenständen ausschmückt. 29] Die Bedeutung Australiens für die Heranbildung des Menschen. 133 für die Heranbildung von Sprache und damit auch von Phantasie heranziehen. Es ist eine äußerst verlockende und lohnende Arbeit, von solchen Gesichtspunkten aus das geistige, insbesondere das religiöse und poetische Leben der Völker einer Prüfung zu unterziehen. Haben sich doch gerade im Reiche der Mythologie und Poesie bis zu den Kulturvölkern der Gegenwart hinauf vielfach Anklänge an die Urzeit der Menschheit erhalten. Wir er- innern an die Weltesche der germanischen Sage, welche den Bienen jeden Morgen den Honistau spenden muß, an Siegfried, der die Sprache der Vögel verstand, an den Glauben der Allbeseeltheit der Natur bei den Griechen, welche in dieser Vorstellung zu Vergleichen mit den jetzigen Australiern herausfordern. Mögen meine Andeutungen auch Andere veranlassen, die hier entwickelten Gedankengänge zu fördern und das Thatsachenmaterial, auf dem sie sich aufbauen, zu bereichern; möge vor allem der Hin- weis auf die Notwendigkeit neuer Untersuchungen in Australien auf fruchtbaren Boden fallen. Reiche Schätze sind dort noch zu heben an lebendem, wie an totem Material, aber es gilt, nicht zu warten, bis die nivellierende Macht der Kultur die wertvollsten Zeugnisse unserer Vorgeschichte ausgewischt und unkenntlich gemacht hat. Freilich dürfen wir auch hier keineswegs erwarten, die ältesten Kulturzustände noch in ihrer Ursprünglichkeit anzutreffen. Diese haben sich im Laufe außerordentlich langer Zeiträume selbstverständlich in mannigfachster Weise umgebildet, so daß es, worauf A. Schurtz völlig zutreffend hingewiesen hat, oft sehr schwierig ist, festzustellen, welches Vorstufen und welches Extreme der Entwickelung sind. 134 OÖ. Schoetensack: [30 Nachtras. Erst nachdem wir diese Abhandlung niedergeschrieben, erhielten wir durch das Referat des Dr. Z. Laloy im Gentralblatt für Anthro- pologie (Heft II, 1899) Kenntnis von einem Funde, der, wenn er der wissenschaftlichen Kritik standhalten sollte, unsere Hypothese be- stätigen würde. Wir teilen daraus folgendes mit: „Die angeblichen Spuren des tertiären Menschen in Australien sind in „Science of man and Australian anthropological Journal, Sydney, 18598“ beschrieben und abgebildet worden. Der Entdecker ist Herr Archibald, Direktor des Mu- . seums zu Warnambool in Viktoria. Er fand in einem Steinbruch unweit dieser Lokalität auf Sandsteinplatten Fußspuren des Menschen, gemischt mit solchen des Emu und anderer Tiere (worunter auch des Dingo! Anm. d. Verf... Eine dieser Platten konnte aufbewahrt werden. Sie lag in einer Tiefe von 18 Metern. Die Sandsteinschicht ist bedeckt und durchdrungen von Kalk, was auf eine spätere Senk- ung unter das Meer hindeutet, nachdem sie in noch weichem Zustande die Fußspuren aufgenommen hatte. Sie liegt jetzt 33 Meter über dem Meeresspiegel. Die Meinungen der australischen Geologen gehen insofern auseinander, als die Einen diesen Sandstein als nachtertiär, die Andern als spättertiär erklären. Die Frage kann nur dann zur endgültigen Lösung gebracht werden, wenn man zuvor die Fossilien der Sandstein- und Kalkformation genau studiert hat. — Was die Fußspuren anbelangt, so scheint ihre Form nach der Abbildung ziem- lich charakteristisch; leider werden ihre Maße, sowie die Schritt- weite nicht angegeben. Es ist noch hervorzuheben, daß in der Nähe des Steinbruches Steinäxte aufgedeckt wurden, die eine ganz eigen- tümliche Form aufweisen und ganz verschieden von denjenigen ‘sind, die bei den Eingebornen zur Zeit der Ankunft der Europäer in Gebrauch _ waren (they have all the appearance of having been buried for thou- sands of years). Ähnliche Steinäxte sind in Gippsland unter 7 Meter Alluvium gefunden worden; eine weitere wurde in Peak Hill, 65 Meter tief, in einer goldführenden Thonschicht gefunden“. Der Referent fügt u. a. hinzu: „Man ist so weit gegangen, zu glauben, mit den Fussspuren des Menschen auch diejenigen seines Jagdhundes, des Dingo, aufgedeckt zu haben“. Nachdem wir die Ansicht ausge- 31] Litteratur. 135 sprochen haben, daß der Dingo mit dem Vorfahren des Menschen zusammen, wahrscheinlich ın spättertiärer Zeit von dem indo-austra- lischen Archipel auf einer zu jener Zeit vorhanden gewesenen Land- brücke das australische Festland erreicht habe, ist die Vergesell- schaftung der Fußspuren beider glaubwürdiger, als wenn man an- nehmen würde, daß zufällig ein carnivorer Beutler von der Größe des Dingo seine Spuren neben denen des Menschen hinterlassen hätte. Schon die Cheirotherium-Fährten aus der Trias, eigentümliche Ab- drücke, Fußspuren von Tieren, die uns nichts von ihren Skelettresten hinterlassen haben, beweisen. daß derartige Funde nicht ohne weiteres in das Gebiet der Phantasie zu verweisen sind, sondern volle Beach- tung ebenso wie strengste Kritik von seiten der Wissenschaft er- heischen. Die ebenfalls aufgefundenen Steinäxte sprechen übrigens für sich allein schon deutlich genug für eine uralte Besiedelung Australiens durch den Menschen. Abraham, P. S., Observations on four crania from Kimberley, W. A., Report Br Assoc. 1886, 836. Allport, Exhibition of casts of skulls and photographs of Tasmanians, Journ. of the anthrop. Inst. of Great Britain and Ireland 1873, 176, Atkinson, On two australian skulls., ibid. 1865, 31. Bonwick, J., Daily life and Origin of the Tasmanians, London 1870. Bradley, Notes on the peeculiarities of the australian Cranium. Journ. of the anthrop. Inst. II, 137. Brehm, A. E., Allgemeine Kunde des Tierreichs, Leipzig, 1891. Cauvin, Cräne australien brachyc£phale. Bull. de la soc. d’Anthrop. de Paris III, 3, 132. — Sur les races de l’Oc&anie, ibid. III, 6, 245. Cunow, H., Verwandtschafts-Organisation der Australneger, Stuttgart 1894. Davis, J. B, Thesaurus craniorum. 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Das Werk ist grundlegend nicht nur für die Wissenschaft und Praxis der Land. und Forstwirtschaft, sondern ebenso sehr auch für die Hygiene, Geologie und Landeskunde. Es vereinigt die oft unvermittelt nebeneinanderstehenden Ergebnisse der Wissenschaft und Praxis zu einem harmonischen Ganzen, So zwar, daß’ es berufen ist, dem Fortschritte beider neue frucht- bringende Bahnen zu. eröffnen.“ (Österr. Tandwirtschaftl. Presse.) ..». es handelt sich um ein nieht nur des aufgewandten enormen Fleißes wegen ver- dienstliches, sondern auch innerlich wertvolles, bedeutsames Werk, zu dem jeder gern und mit Nutzen gr eifen wird . © (Biedermanmns Zentralblatt B Agrikulturchemie.) a a EEE Die Kultur der Getreidearten & ul Mukiot aut a 2. Ausgabe. Nüt 19 Holzjchnitten. ar. 8°. geheftet M. 5.—, in £wd. geb. HM. 6.— Wir zweifeln nicht, daß das Buch berufen it, die Iandwirtfchaftlichen” Praftifer mit den wiffenfchaftlichen Gejegen des Getreidebaues vertraut zu machen, und jo-3u einer den Anforderungen der. Jett: zeit entjprechenden Derbefferung der Getreidefultur und Ertragserhöhung aus derfelben beizutragen. Die Schreibweife des Derfajfers it als einfach, Far und leichtverjtändlich befannt; die Ausjtattung des Buches läßt nichts zu wünjchen übrig.” (Fühlings landwirtfchaftliche Zeitung.) RRWKIRRIRREH HHÄNTNS Forschungen auf dem Gebiete. der ss» Aecrikultur-Physik. &s (Zentralblatt für Bodenphysik, Pflanzenphysik und Ayrar-Meteorologie.) 920 Bände (1878—1897/8). Ladenpreis M. 448, bis auf Widerruf ermäßigt auf M. 240. Die „Forschungen‘“ haben mit dem 20. Jahrgang zu erscheinen aufgehört. Einzelne Bände und Hefte sind, soweit der Vorrat reicht, noch einzeln zum Laden- preis zu haben. Urteile der Presse: .DasschwerwiegendsteLob, welches man einer wissenschaftlichen Zeitschrift zuerkennen kann, ist "ohne Zweifel das, daß sie einen fördernden Einfluß auf die Entwicklung des von ihr ver- \ tretenen Wissensgebietes ausübt, und diese Anerkennung können wir angesichts der zahlreichen, wertvollen Originalarbeiten, welche sie.gebracht uud zum großen Teil selbst veranlaßt, dieser Zeitschrift nicht vorenthalten., Aber sie hat sich während der Zeit ihres Bestehens auch im hohen Grade befähigt gezeigt, durch vortreffliche Referate über die einschlägigen Produkte der deutschen und ausländischen Litteratur die Fachgenossen und den wissenschaftlich geschulten Praktiker .»..„ auf dem Laufenden zu erhalten.“ (Biedermanns Zentralblatt für Agrikulturchemie.) „So sehen wir, ist die Agrikulturphysik ein Wissensgebiet, das der höchsten Beach- r ne wert. " Freilich bietet die Zeitschrift keine Rezepte, aber sie bietet in ihren Originalartikelu - rund in den zahlreichen korrekten Auszügen aus anderweitig erschienenen einschlagenden Arbeiten die solide wissenschaftliche Basis für den Landwirt, sich seine Rezepte je nach den verschiedenen “ Bedürfnissen selbst zu formulieren. Diese «Forschungen» sind daher ein neuer, notwendiger und | willkommener Hebel zur Unterstützung des Strebens unserer Zeit, der Landwirtschaft zu einem | rationellen Betriebe zu verhelfen. ! Ganz besonders scheint es angezeigt, dal) die Vereine auf die «Forschungen» abonnieren, "um sie ihren Bibliotheken einzuverleiben oder durch Referate aus denselben den Mitgliedern die dort niedergelegten Lehren und Ratschläge für die Praxis zu erschließen.* s ie, (Fühlings landwirtschaftliche Zeitung. ) . legs Glück, Hugo, Die Stipulargebilde der Monokotyledonen. Mit 1 Abbildung und Tafel IV). 2 une nen Quincke, G,, ee, die Klärung trüber Lösungen . x» 2. 2.2... Voreininheliichten EN RT # NT BE ar Verzeichnis der vom 11. April 1901 bis 10. April 1902 - eingegangenen Diuckächriften Sy 2 2A FE Die Gesamtsitzungen des Naturhistorisch-Medizinischen Vereini et mit Ausnahme der Ferienmonate, regelmäßig am ersten Freitag jedes Monats statt und werden den Penn jeweils besonders angezeigt, “ie Von den in den Verhandlungen abgedruckten Arbeiten Verden den fassern 100 Sonderabzüge unentgeltlich geliefert. Manuskriptsendungen bittet man an den Schriftführer Prof. 2; Schuberg, ERBEN Institut, zu richten. er am VERHANDLUNGEN - NATURHISTORISCH-NEDIZINISCHEN VEREINS HEIDELBERG. ZWEITES HEFT. OR ER: MIT NEUN TAFELN. (AUSGEGEBEN AM 30. SEPTEMBER 1902.) 22 RI N Sl4 er ” HEIDELBERG. Ö CARL WINTER'S UNIVERSITÄTSBUCHHANDLUNG, > 1902. NENNEN | Carl Winter’s Univerfitätsbudhandlung in Heidelberg. * * Kuno Sifchers Werte. x * Mit wahrhafter Sreude und herzlicher Dankbarkeit empfangen mir die reifen Srüchte, die der große Gefchichtichreiber der neueren Philojophie dem zweiten Selde feiner Arbeit, der Dichtung unfrer Rlaffijchen Seit, abgewinnt. Sein meiter Blidt weiß die einzelnen Thatfahen unter große Hefihtspunkte zu bringen und jo ihre Bedeutung für das Gejamtbild, dem fie fich einordnen, Klar hervortreten zu laffen. . . . Meitere Dorzüge der Kleinen Schriften Sijchers bilden die feite, aufs forajamite gegliederte Dispofition des Stoffes, die anmutige, zwijchen Prunk und Dürftigkeit glücklich die Mitte haltende Darftellung, die gejchickte Auswahl der Belege, durch die er feine meist zu runden Thejen formulierten Anfichten in jtrittigen Sragen jtütßt, die warme Begeifterung, die bis in die Einzelunterfuchungen hinein mwaltet, alle philologifche Trockenheit ausfchliegend und den Kefer un: aufhaltiam mit fich fortreißend. (Kitteraturblatt für germanijche und romanifche Philologie.) Goethe-Schriften. Erite Reihe. (Goethes Iphigenie. Die Erklärungsarten des Goethejchen Saujt. Goethes Tafjo.) S°, geheftet IM. S.—, fein Kalbleder geb, M, 10,—. Daraus find einzeln zu haben: Goethes Iphigenie. 3. Aufl. SO. geheftet MT. 1.20. Die Erflärungsarten des Goethejchen Fauft. SP, geheftet IM, 1.80, Goethes Taffo. 3. Aufl. 80%. fein Emd. geb. IM, 6.—., Goethe-Schriften. Smeite Reihe. (Goethes Sonettenkranz. Goethe und Keidelberg. Goethes Sauft 1. Band.) 8%. geheftet IN. Ü.—, fein Kalbleder geb. IM, 9,-—. { Daraus find einzeln zu haben: Goethes Sonettenfranz. 8%. ach. M. 2.—., \ Goethe und Heidelberg. 2. Aufl. 8%. Acheftet M. 1.—. e Goethes Fauft. 1. Band, 4. Aufl. 8%, geheftet MT. 4.—, fein Leinwandband IM, 5. Goethe-Schriften. Dritte Reihe. ' Goethes Sauft. 2. Band. 4. Aufl. SP, aeheftet NT. 4.—, fein Leinwandband IM, 5.—. Goethes Sauft. 3. Band.‘ In Vorbereitung. Schiller-Schriften. «rfte Reine. (Schillers Jugend» und Wanderjahre in Selbftbekenntniffen. Schiller als Komiker.) 8%. geheftet M. 6.—, fein Kalbleder geb. NT. 8.-., Daraus find einzeln zu haben: Schillers Jugend- und Wanderjahre in Selbtbekenntniffen. 2. neubearbeitete und vermehrte Auflage von „Schillers Selbftbekenntnifjen”, 8%, geheftet M. &.—, fein Emd, geb, NT, 5.—., Schiller als Komilter. 2. neubearbeitete u. vermehrte Aufl. 8°, geheftet M. 2.—. Schiller-Schriften. smweite Reihe. (Schiller als Philofoph. 1. u. 2. Bud.) 8%, aeheftet m. 6.—, fein Kalbleder geb. NT. 8.—., Daraus find einzeln zu haben: } j Schiller als Philofoph. 2. neubearb. und verm. Aufl. In zwei Büchern. Erftes Bud. Die Tugendzeit 1779-1789. 8%, geheftet M. 2.50. Smeites Bud. Die akademifche Seit 17S9— 1796. 89, geheftet M. 3.50. Beide Teile fein Ervd. geb. MT. 7.50. Kleine Schriften. erite Reihe. (Ueber die menfhliche Sreiheit. Ueber den Wit. Shakefpeare „A und die Bacom:Mpthen. Kritiiche Streifzüge wider die Unkritik,) 80%. geheftet IN. 8.—, fein p" Ssalbleder geb. MT. 10.—. N Daraus find einzeln zu haben: Ueber die menfchliche Freiheit. 2. Auflage, 80, geheftet M. 1.20. Ueber den Wik. 2. Auflage SP. geheftet M. 3.—, fein Cmd, geb. M. 4.—. Shalejpeare und die Bacon-Mpythen. S?. geheftet M. 1,60. Kritifche Streifzüge wider die Unfritif, S%. geheftet M. 3.20. Kleine Schriften. smweite Reihe. (Shakefpeares Hamlet, Das Derhältni zwifhen Millen und Derjtand im Menichen. Der Philofoph des Pelfmsaudas, Öroßherzogin Sophie von Sadhjen.) 8%. geheftet M. 8.—, fein Kalbleder geb. M. 10.—. u Daraus find einzeln zu haben: 4 Shaleipeares Hamlet. 8%. geheftet M. 5.—, fein Emd. geb. NT. 6.—. £ Das Derhältnis zwifchen Willen und Derftand im Menfchen. 2. Aufl. 8%. geheftet M.1.—. Der Philojoph des Pefifimismus. Ein Charakterproblem. 8%. geheftet MT. 1.20. 7 Sroßherzogin Sophie von Sacıjen, Königliche Prinzeffin der Niederlande. ı 80%. geheftet M, 1.20. Kleine Schriften. Dritte Reihe. Großherzog Alerander von Sachjen. 8%. geheftet M. 1.50. Dbilofopbifche Schriften: | 1. Einleitung in die Gefchichte der neuern Philofophie. 4. Aufl. gr. 80, geheftet M. 4.—, fein £md. geb. M. 5.—. (Sonderabdruck aus der Gejcdjichte der neuern Philojophie.) 2. Kritif der Kantifchen Philojfophie. 2. Aufl. ar. 80%. aeheftet MT. 3.—. u 3. Die hundertjährige Gedächtniffeier der Kantifchen Kritit der reinen Pernunft. Johann Gottlieb Fichtes Leben und Zehre. Spinozas Leben und Charakter. 2. Aufl. gr. 8%, aeheftet IM. 2,40. & Shafejpeares Charafterentwidlung Richards III. 2. Ausgabe. 80, geheftet.M.2—. Die Schidjale der Univerfität Heidelberg. sSeitrede zur fünfhundertiährigen Jubel: « feier der Ruprecht: Rarls:-Kohjchule zu Jeidelberg. Dritte-Ausgabe. gr, 80; geheftet M.2., = fein £md. geb. IM. 3.—. \ . " Briefwechjel zwijchen Goethe und K. Göttling. 2.1usgabe. ar. 8%. geheftet M.3.-. ’ % et 0 u er na a De. „A ar Zw. lt Ser EHE FE $r Untersuehungen über Gallertbildungen der Algen von Dr. Bruno Schröder. Mit Tafel VI und VII. Einleitung. Schon seit längerer Zeit bekannt sind gallertige Bildungen bei Algen, die teils an gewissen Partieen derselben lokalisiert anzutreffen sind, oder teils noch häufiger die Algen mit einer mehr oder weniger weiten Hülle allseitig umschließen. Kiützing (52) bezeichnete die Gallerte der Algen als „Gelacin“ oder „Eugelaein“ und hielt sie für eine Modifikation des „Phyto- gelins“ (Ptlanzencellulose der Autoren). Graham (31) wählte allge- mein die Bezeichnung „Gel“ für den Gallertzustand kolloidaler Körper, und eine mit Wasser imbibierte Gallert nannte er „Hydrogel“, wozu auch die Algengallerte gehört. Nägeli (70) und Hofmeister (42) betrachteten die Gallertbildungen entstanden durch eine Metamor- phose der äußeren, nach innen zu successive jüngeren Schichten der Membran. Pfitzer (76) wies zuerst darauf hin, daß es schwierig sei, zu sagen, ob die Hüllgallerte oder die Stiele durch Verschleimen äußerer Membranschichten oder durch Sekretion seitens des Plasmas der Bacillariaceen gebildet werden. Neuerdings haben Untersuchungen von Klebs (49) und von Hauptfleisch (37) erwiesen, daß insbesondere die Gallertbildungen der Desmidiaceen, aber auch die anderer Algen, thatsächlich eine Art Sekretabscheidung darstellen; auch wurden der Bau und gewisse physiologische Eigenschaften der Gallertbildungen der Algen von den zuletzt genannten Autoren eingehend und mit Erfolg erforscht. Auf die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeiten soll in folgendem Bezug genommen und dabei versucht werden, dieselben an der Hand geeigneter Methoden zu ergänzen und zu vervollständigen, die mannig- fachen Gallertbildungen namentlich der Desmidiaceen und Diatoma- Verhandl. d. Heidelb. Naturhist,-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 10 140 Bruno Schröder: [2 ceen unter gewisse morphologisch-physiologische Gesichtspunkte zu gruppieren und ihre biologische Bedeutung so weit als möglich fest- zustellen. Eine Menge Fragen, die sich der Verfasser gestellt, harren noch ihrer Lösung, da der größere Teil seiner Arbeit in die für das Studium lebenden Materiales ungünstigen Wintermonate fiel, die einschlägige Litteratur außerordentlich zerstreut ist, und die gegebene Zeit für eine erschöpfende Behandlung des Stoffes zu kurz war. Nachstehende Untersuchungen wurden im hiesigen botanischen Institute ausgeführt. Wertvolle Winke und Ratschläge, sowie viel- fache Unterstützung mit Fachlitteratur seitens des Herrn Geheimen Hofrates Professor Dr. Pfitzer und zu wiederholten Malen auch durch Herrn Geheimen Hofrat Professor Dr. Bütschli förderten dieselben, und es ist mir eine angenehme Pflicht, meine hochverehrten Lehrer für dieses jederzeit wohlwollende Interesse dauernden Dankes zu ver- sichern. Heidelberg, März 1901. Herbeischaffung des Materiales. In dem Buntsandsteingebiete der näheren Umgebung Heidel- bergs findet sich gutes Algenmaterial nur an wenigen Stellen. Am ergiebigsten sind kleine lehmige Teiche hinter dem Kümmelbacher Hofe bei Neckargemünd. Weit reichhaltiger und für meine Zwecke besonders gut geeignet erwiesen sich die Torfstiche zu Virnheim in Hessen, deren eigenartige Chlorophyceenflora durch Schmidle (85) bekannt geworden ist, welcher Autor mir diese Lokalität warm empfahl und mich in liebenswürdigster Weise dorthin begleitete, ebenso wie an das große Moor in der Pfalz zwischen Kaiserslautern und Landstuhl, das kurz als Landstuhlmoor bezeichnet werden mag. Günstige Fundorte für Algen lieferten die quelligen Stellen nördlich unterhalb des Gipfels des Feldberges im Schwarzwald, sowie über- rieselte Felsen dieses (rebirges. Das im Schwarzwald gesammelte Ma- terial wurde sogleich in Pikrinsäure-Alkohol oder in Formol fixiert. Letzterem Stoffe ist vor allen anderen Fixierungsmitteln der Vorzug zu geben, da er bekanntlich Leime und Gelatine härtet. Auch Pfeiffer von Wellheim (13) empfiehlt das Formol. Aus den Hoch- 3] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 141 mooren der Weißen Wiese im schlesisch-böhmischen Riesengebirge, deren Alsenflora schon mehrfach studiert worden ist, erhielt ich auf meine Bitte von dem Besitzer der Wiesenbaude, Herrn Johann Boensch, zweimal recht brauchbare Alsenproben lebend übersendet, die sich hier weiter kultivieren ließen. (Die Flaschen und Proben- gläser waren zur Hälfte mit Material gefüllt und in feuchtes Moos verpackt mir übermittelt worden.) Herr Dozent HM. H. Gran aus Bergen übermittelte mir sehr gut fixierte Plankton-Diatomaceen von der Nordwestküste Skandinaviens. Herr #. Lemmermann in Bremen teilte mir mehrfach frisches und in Formol fixiertes Algenmaterial für meine Untersuchungen mit. Allen den genannten Herren, welche mich bei der Herbeischaffung des Materiales unterstützten, sei hier- mit verbindlichst gedankt. Untersuchungsmethoden. Um Gallerthüllen bei Algen, bei denen dieselben für gewöhnlich nicht sichtbar sind, nachzuweisen, können verschiedene Wege einge- schlagen werden, nämlich Einlegung der Algen in feinzerteilten De- tritus oder in flüssige Tusche oder Färben derselben mit geeig- neten Farbstoffen, oder die Einlagerung gewisser Niederschläge. Bei meinen Untersuchungen beschränkte ich mich auf die ersten beiden Methoden. I. Das Einlegungsverfahren. Wenn Alsen in einem Gemisch liegen, welches recht feinzerteilten Detritus (Algenproben aus Lehm-, Thon- oder Mergelgruben) enthält, so ist das Vorhandensein von Gallertbildungen schon ohne weiteres deutlich wahrzunehmen, da in diesem Falle die kleinsten Teilchen der verwesenden organischen Substanz oder der verwitternden erdigen Massen nicht direkt bis an die Konturen der Zellmembran heran- reichen, sondern durch eine helle Area — die Gallerthülle — vor derselben abgetrennt liegen, wodurch die Gallerte in ihrer natür- lichen Beschaffenheit ohne alle etwaigen Schrumpfungen deutlich wird. Was die Einlegung in Tusche betrifft, so wendete sie schon Ehrenberg (23) an, um Gallertbildungen bei Algen nachzuweisen, ebenso Cohn (19) und später Errera (25). Man verwendete echte - chinesische oder andere Tusche, die auf dem OÖbjektträger fein ver- rieben wurde, bis der Tropfen dunkelgrau erschien und brachte die zu 10* 142 Bruno Schröder: [4 untersuchende Alge in den Tropfen. Auf diese Weise macht Kle- bahn (51) Gallerthüllen bei Anabaena, de Wildeman (105) solche bei Tetracoccus und Lauterborn (57) solche bei Bacillariaceen und Öscillatoriaceen sichtbar. Da das- feine Zerreiben der Tusche immerhin gewisse Zeit in Anspruch nimmt, und man auch nicht stets die gewünschte Konzen- tration des Gemisches erhält, benutzte ich die käufliche chinesische Tusche („Günther Wagners tlüssige chinesische Tusche Nr. 314°), die bekanntlich zum Zeichnen und zum Etikettenschreiben Verwen- dung findet. Dabei wurde folgendermaßen verfahren: Auf den Ob- jektträger wird mittelst Pipette (Tropfgläschen) ein kaum linsengroßer Tropfen Wasser mit der zu untersuchenden Alge gebracht; dann wird ein in eine stumpfe Spitze ausgezogener dünner Glasstab in die Tusche- flüssigkeit getaucht und die am Glasstab haftende flüssige Tusche mit dem Tropfen auf dem Objektträger sorgfältig verrührt, worauf ein Deck- glas (18 mm) aufgelegt wird. Pipette, Glasstab, Objektträger und Deckglas müssen selbstverständlich durchaus sauber sein. Es empfiehlt sich erstere beiden sofort nach Gebrauch zu reinigen und ausschließ- lich zu obigem Zwecke zu benutzen, da die Tuscheflüssigkeit ziemlich empfindlich und leicht zur Fällung mehr oder weniger krümeliger Niederschläge geneigt ist, die die Deutlichkeit des Präparates stark beeinträchtigen. Dieselbe kann jedoch noch erhöht werden, wenn man mittelst Fließpapierstreifen ein Zuviel von Flüssigkeit vorsichtig vom Rande des Deckglases absaugt, bis das Präparat eine bräunlich schwarze Farbe bekommt. Dauerpräparate, die sich indessen nur relativ kurze Zeit unverändert zu halten scheinen, kann man nach Errera dadurch herstellen, daß man der Tuschelösung etwas verdünntes Glycerin beimischt und das fertige, an den Rändern des Deckglases trockene Präparat mit einem nicht zu dünnflüssigen Xylol-Kanadabalsam verschließt. Außer Einbettung in flüssige chinesische Tusche verwendete ich auch mit bestem Erfolge zu gleichem Zwecke die von Bütschli (81) empfohlene natürliche Sepia aus dem Tintenbeutel von Sepia offici- nalis. Dieselbe wurde vor Gebrauch zweimal filtriert und durch Kochen von dem Alkohol, in welchem der Cephalopode konserviert war, befreit. Die Herstellung der Präparate geschah in der oben ausgeführten Weise. II. Färbungsmethoden. Das Verfahren der Einbettung in Tusche oder Sepia hat ver- schiedene Vorzüge vor allen Färbungsmethoden, indem die Tusche wie BR re 5] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 143 die Sepia, da beide in Wasser suspendiert und neutral für die Gal- lerte sind, keinerlei Veränderungen derselben durch Schrumpfung her- vorrufen und also natürliche Bilder geben; auch gelingt der Nachweis der Gallerte mit Tusche oder Sepia immer, selbst dann noch, wenn Farbstoffe versagen. Die Algen lassen sich in Tusche sogar mehrere Stunden lang lebend beobachten, was bei Anwendung sehr stark verdünnter Farb- stoffe (Methylenblau 1:1000 oder 10000) nicht immer instruktive Bilder giebt und viel schwieriger ist. Außerdem wirken Farbstoffe selbst in Verdünnung 1: 1000 noch in verschiedenem Grade bei ver- schiedenen Algen auf die Gallerte kontrahierend. Aus diesem Grunde verfuhr ich bei meinen Untersuchungen stets so, daß ich zuerst die Algen in Tusche einlegte, um die natürliche Ausdehnung der Gallert- bildungen kennen zu lernen, und dann erst den Farbstoff anwendete, um etwaige Strukturen nachweisen zu können. Als gute, die Gallerte färbende Tinktionsmittel wendete Alebs Methylenblau, Methylviolett und gerbsaures Vesuvin an und bemerkt (49), daß wässerige Lösungen der genannten Farbstoffe vor alkoholi- schen den Vorzug haben. Hauptjleisch (37) benutzte konzentrierte und verdünnte Lösungen von Fuchsin, wässerige und alkoholische Lösungen von Gentianaviolett, Methylenblau und Methylviolett, die ich, sämtlich in Wasser gelöst, ebenfalls auf ihre Brauchbarkeit prüfte. Bei einigen früheren Untersuchungen über Gallertbildungen von Algen (837—91) gebrauchte ich außer Methylenblau und Anilinwasser- Safranin das in heißem Wasser gelöste Thionin, einen mit dem sog. Lautschen Violett sehr nahe verwandten basischen Teerfarbstoff. Für die Gallertfärbungen benützte ich in letzter Zeit fast ausschlieb- lich wässerige Lösungen von Dahlia, Karbolfuchsin, Neutralrot, Bismarck- braun, Chrysoidin, Auramin und ausnahmsweise in Alkohol gelöstes Mucikarmin, das von P. Mayer (65) für Schleimfärbungen empfohlen wurde. Dedogoniaceen. Das Vorkommen von Hüllgallerte ist bei den Oedogoniaceen relativ selten. „Bei einer schmalen, nicht näher bestimmten Art von Oedo- gonium“ sah Klebs (49) regelmäßig eine Gallerthülle. Möbius (66) giebt eine solche bei Oedogonium undulatum und bei Dedogonium nodulosum an. Hirn (41) macht hingegen von Oedogonium Borisianum die Mitteilung, daß in der Zellmembran der Oedo- 144 Bruno Schröder: [6 gonien öfters zwei Schichten zu beobachten sind, eine innere mäßig dicke Celluloseschicht und „eine äußere dünne Cutieula“, die den ganzen Faden umkleidet. Diese als „Cuticula“ von Hirn bezeichnete Schicht kann nach ihm abgestreift und bei lebhafter Zellteilung leicht zerrissen werden, worauf sie in unregelmäßigen Lappen dem Faden anhängt. Methylenblau soll sie intensiv färben. Ob wir es bei der äußeren Schicht, die Hirn Cuticula nennt, wirklich mit der Bildung zu thun haben, die in der heutigen Zellenlehre den gleichen Namen führt, scheint mir sehr fraglich zu sein, auch ist die Identität der Außenschicht von De. Borisianum mit der Cuticula höherer Pflanzen weder durch Farbstoffe (alkoholische Chlorophyll-Lösung) noch durch Reagentien (Schwefel- oder Chromsäure, alkoholische heiße Kali- lauge etc.) erwiesen. Es liegt vielmehr die Wahrscheinlichkeit nahe, daß jene äußere Haut eine sehr dünne, aber verhältnismäßig feste Gallerthülle dar-. stellt, wie ich sie bei einem sterilen Oedogonium aus Muggenbrunn im Schwarzwald aufgefunden habe. Die genannte Alge bemerkte ich in Formolmaterial; das Wasser war stark eisenhaltig und enthielt rötlichen feinen Schlamm. Die ziemlich dicken Fäden dieses Oedogoniums waren mit einer mehr oder weniger weiten, ziemlich konsistenten Gallerthülle umkleidet, die durch Eisenoxydhydrat bräunlich gefärbt erschien, ähnlich wie die Scheiden von Leptothrix ochracea, die daneben vereinzelt vor- kamen. Bemerkenswert ist das Verhalten dieser Gallertscheide bei der Teilung der Zellen eines Fadens (Taf. 1, Fig. 1). Sobald der für diesen Prozess bei Dedogonium charakteristische Cellulosering ge- bildet ist und die alte Zellmembran den peripheren Riß bekommt, reißt auch die Gallertscheide mit einem zuerst feinen und schmalen, meist ganz glatten, selten lappigen und unregelmäßigen Riß auf. Die neugebildete Zelle hat während ihres Heranwachsens keine nachweisbare Gallerthülle, diese muss erst später entstehen. Genaueres darüber läßt sich an fixiertem Material nicht weiter nachweisen. Analog der Braunfärbung der Scheiden von Leptothrix, die Winogradski (106) in dieser Beziehung genauer untersuchte, werden wir uns die Färbung der Gallerthülle von Oedogonium zu erklären haben. Das Wasser, in dem jenes Oedogonium wuchs, war eisenoxyd- haltig. Nach Winogradski soll die Braunfärbung der Scheiden des Leptothrix kein mechanischer Prozeß sein, sondern vielmehr eine Lebenserscheinung. Das Eisenoxydul des Wassers wird vom Plasma aufgenommen, dort oxydiert und die so gebildete Eisenverbindung 7] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 145 durch die Membran wieder ausgeschieden, worauf sich die Gallert- hülle mit ihr imprägniert. Mit gelbem Blutlaugensalz und Salzsäure behandelt, trat bei der Gallerthülle von Vedogonium Blaufärbung ein. Ulothriehaceen. Bei Ulothrichaceen sind Gallertbildungen besonders von Cien- kowskı (16) beschrieben worden. Bei dieser Algenfamilie scheint die Zellhaut durch Verquellen den erheblichsten Anteil an der Bildung der Gallerte zu haben. Die Vergallertung der Zellhaut bei Ulothrix irregularis habe ich früher schon hervorgehoben (88). Dieser Ulothrix hat mit Radiofilum in Bezug auf die Gestalt der Zellen manche Ähnlich- keit; man vergleiche die Zeichnung von Dohlin (8) Taf. I, Fig. 7 u. 8 mit der meinigen bei Taf. I, Fig. 2b. Ob Ulothrix irregularis auch strahlige Struktur ihrer Gallerthülle besitzt, habe ich seinerzeit nicht mit Farbstoffen festgestellt. Dagegen fand ich im Virnheimer Materiale eine Ulothrix-Art, die bei entsprechender Behandlung diese Struktur zeigte (Taf. 1, Fig. 2). Es ist dies der von Thuret beschriebene U. mucosa, den ich auch unter dem Namen Hormo- spora limnetica von Lemmermann aus dem Garda-See erhielt. Beide Formen sind meines Erachtens identisch (Thuret |103] Taf. 18, Figur 8), und sie werden von einer sehr dicken Gallerthülle um- schlossen, die sich am besten ın Tusche nachweisen läßt. Färbt man diese Gallerthülle z. B. mit Methylviolett, so tritt ein zur Längsachse des Fadens im rechten Winkel gestelltes System feinster Strahlen hervor, das an den leicht eingezogenen Querwänden des Fadens unterbrochen erscheint. Thuret 1. c. hat diese eingeschnürten Partien an den Querwänden in seiner Fig. 11 richtig wiedergegeben, und auch Schmidle (85) weist pag. 48 darauf hin, dass jede Zelle ihre eigene Hülle besitzt, die Gallertscheide also bei jeder Zelle gewissermaßen eine Unterbrechung erleidet. Er nimmt jedoch mit Lagerheim (54) eine lamellöse, nicht aber eine radiäre Struktur für die aus Verschleimung oder Quellung der Zellhäute hervorgegangene Gallerthülle der Ulothrichaceen an. Vergleicht man die Abbildung von der strahligstrukturierten Gallerthülle von Hyalotheca bei Hauptfleisch (37) Taf. I, Fig. 26 oder besser noch bei Klebs (49) Taf. IV, Fig. Ic mit meiner Abbildung Taf. 1, Fig. 2, so ist die Ahnlichkeit der Anordnung der Radiärstrahlen der Struktur ziem- 146 Bruno Schröder: [S lich groß, und man wird deshalb die Gallerthülle von Ulothrix vielleicht nicht nur durch Verquellung der Zellmembranen, sondern auch durch Secernierung seitens des Plasmas durch feine Poren der Membran, die für Hyalotheca nachgewiesen, bei Ulothrix dagegen noch nicht aufgefunden sind, anzunehmen geneigt sein. In noch viel ausgedehnterem Maße als bei Ulothrix mucosa tritt die Gallerthülle bei Radiofilum auf, bei welchem Schmidle (85) Fig. 4 schon eine radiärstrahlige Struktur mit Hämatoxylin sichtbar machte, während Bohlin namentlich die Dicke der Gallerthülle (8) Taf. I, Fig. 6 darstellt. Im allgemeinen habe ich die Struktur ähn- lich gefunden, wie dies Schmidle zur Anschauung bringt, doch zeigte sich in vielen Fällen die Radiärstruktur bei Radiofilum in der Anordnung, wie ich sie auf meiner Taf. 1, Fig. 3 abbildete, indem auf jeder Zelle je zwei Strahlenkränze in einem spitzen Winkel zur Längsachse des Fadens aufsassen und die Strahlen nicht bis an den Rand der Gallerthülle gingen, sondern ein Stück vor demselben auf- hörten. Tetrasporaceen. Tetraspora. Von Tetraspora gelatinosa kam lebendes Material von vier verschiedenen Lokalitäten zur Untersuchung, nämlich von der Weißen Wiese im Riesengebirge, vom Landstuhlmoor der Pfalz, von Glashütte bei Furtwangen im Schwarzwald und vom Feldberg. Das Lager dieser Tetraspora bildete in allen Fällen hellgrün gefärbte, unregelmäßig schlauchartige bis sackförmige Gallertmassen. Bei Be- trachtung eines kleinen Teiles des Thallus von Tetraspora unter dem Mikroskope ohne Deckglas in Tuschelösung zeigten sich die äußeren Konturen der Gallerte als weit abstehend vom Zellinhalte, wenn man auf den Rand des Gallertthallus einstellte. Bei Betrach- tung unter dem Deckglase mit Immersion wurde dasselbe durch Wachsfüßchen gestützt, um Quetschungen der Gallerte möglichst zu vermeiden. Die Gallerte wies ungefärbt und tingiert keinerlei Struk- tur auf. Sie ist jedoch im nicht fixierten Zustande selbst gegen ver- dünnten Alkohol und Säuren äußerst empfindlich, ebenso gegen in Wasser gelöste basische Teerfarbstoffe; denn sie schrumpft stark und rasch, wenn man vom Rande des Deckglases her die genannten Stoffe zu dem Präparate hinzutreten läßt. Selbst verdünnte Methylenblau- 9] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 147 lösung 1: 1000 ruft noch Schrumpfungen hervor, die durch Auswaschen mit Wasser wieder aufhören. Die in Teilung befindlichen Zellen der Tetraspora oder auch diejenigen, welche sich geteilt haben, sind noch von einer besonderen, nach außen und innen verschleimenden und undeutlich abgegrenzten Eigenhülle umgeben (Taf. 1, Fig. 10a), die sich kurz vor der Teilung der Zelle zu erweitern beginnt, so daß die jungen Tochterzellen zu zweien oder bei abermaliger rasch darauffolgender Teilung zu vieren in der erweiterten Hülle der Mutterzelle liegen. Dieselbe erweitert sich immer mehr, anfangs hebt sie sich bei Färbung mit basischen Teerfarbstoffen durch einen deutlich dunkleren Ton von der allge- meinen Hüllgallerte ab; je weiter die Eigenhülle wird, desto schwächer wird die Differenz des Farbentones, um schließlich bei gänzlichem Schwinden der Eigenhülle aufzuhören. Jener verschleimenden Eigen- hülle hat man die charakteristische Lagerung der Zellen der Tetra- sporen zu Zweien oder Vieren zuzuschreiben. Vielfach übersehene und in ihrer Bedeutung noch nicht klar er- kannte Bildungen sind die sogen. „Pseudocilien“ dieser Alge, auf die Correns aufmerksam gemacht hat (20). Sie gehen in 2- bis 4-Zahl von den runden Zellen aus und zwar in eigentümlich bogenartigen Kurven. Bei starker Vergrößerung kann man sie ohne Tinktionen wahrnehmen, deutlicher werden sie jedoch, wenn man in Formol fixiertes und ausgewaschenes Material mit einer sehr schwachen Lösung von Neutralrot färbt. Sie erscheinen bei einem Durchmesser von etwa 0,7—1 u und einer Länge bis über 140 « als feine Fäden von überall gleichem Durchmesser bis fast an das Ende der Hüllgallerte gehend, aber nicht über dieselbe hinaus. Bei Behandlung mit Reagentien schrum- pfen sie mit der Hüllgallerte zusammen und haben dann ein ge- krümmtes, peitschenförmiges Aussehen, die distalen Enden der Pseu- docilien sind dabei am meisten verbogen (Taf. 1, Fig. 10b). Sie stehen mit dem Plasmateile der Zelle direkt in Verbindung, weshalb sie auch Göbel (28) bei Apiocystis als Organe für den Stoffaustausch, z. B. den Gaswechsel, betrachtet. Bewegungen habe ich ebensowenig wie Üorrens an ihnen wahrgenommen, auch keine besondere, nur den Faden einschließende Gallerthülle, wie dies Correns (l. ec. pag. 247) für die Pseudocilien von Apiocystis abbildet und beschreibt. Thuret, der diese Gebilde vielleicht zuerst beobachtete, schreibt [103], pag. 249: Dans le Tetraspora gelatinosa Ag., j’ai reconnu que les globules vert, disposes quatre a quatre, etaient munis de deux cils d’une longeur extreme, qui se perdent dans le mucus gelatineux 148 Bruno Schröder: [10 dont la fronde de cette pretendue plante est formee. Auf seiner Taf. 21, Fig. 7 bildet er aber Cilien ab, die nur 4—5mal so lang sind, als der Längsdurchmesser der Zellen von Tetraspora beträgt. Die Zellen sind auch nicht ganz kugelig, wie gewöhnlich bei Tetra- spora, sondern mehr eiförmig, und es ist die Frage, ob Thuret wirk- lich die bewegungslosen Pseudocilien oder ruhende Cilien von Zellen gesehen hat, die sich zum Schwärmen anschicken, wie Reinke (80) pag. 545 anzunehmen geneigt ist. Cienkowski (15) giebt an, daß bei Tetraspora die Zoosporen ihre Cilien selbst dann behalten, wenn sie sich schon ın Gallerte eingehüllt haben. Seine Abbildung auf Taf. XXIII, Fig. 8 zeigt zwei Zellen von Tetraspora, von denen die eine nur eine einzige Cilie, die andere deren zwei besitzt, wovon eine gabelig gespalten ist. Die Form der Zellen ist ebenfalls noch eiförmig, außerdem weisen dieselben zwei kontraktile Vakuolen auf, die bei ruhenden oder sich vegetativ teilenden Tetraspora-Zellen bisher noch nicht beobachtet sind. Thuret wie Cienkowski haben also wohl keine vegetativen Zellen vor sich gehabt, sondern entweder solche, die geschwärmt hatten und eben erst zur Ruhe gekommen waren, oder die sich zum Schwärmen vorbereiteten. Es ist jedoch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß echte Cilien zu Pseudocilien ohne Bewegung werden können. Palmodactylon varium. Palmodactylon erhielt ich aus den Moortümpeln der Weißen Wiese im Riesengebirge. Da es in den Kulturen gut gedieh, hatte ich Gelegenheit, es wiederholt zu untersuchen. Die die Zellen um- hüllende Gallerte ist schon in gewöhnlichem Zustande deutlich sicht- bar. Sie bildet unregelmäßig cylinderartige, einfache oder büschel- förmig verzweigte Wülste, in denen die kugeligen, hellgrünen Zellen in einer Reihe oder bei dickeren Wülsten durch Teilung in zwei oder drei Richtungen des Raumes in mehreren Reihen oder unregelmäßig verteilt liegen, immer aber in einiger Entfernung von der äußeren Kontur der Gallerthülle!). Färbt man lebendes Material von Palmodactylon mit kon- zentrierter wässeriger Methylenblaulösung unter dem Deckglase, so !) In jeder Zelle befinden sich 5—6 parietale Chromatophoren, die rundlich- schalenartig aussehen und in der Mitte der Zelle einen freien Raum lassen, den Plasma erfüllt. Ein Pyrenoid feblt. Der Zellkern liegt etwas exzentrisch. Nach Wille (108) waren diese Verhältnisse bei Palmodactylon bisher unsicher bekannt. 11] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 149 tritt augenblicklich eine starke Schrumpfung der Gallerthülle ein. Die cylinderartigen Wülste zeigen namentlich an den Stellen zwischen den Zellen Einschnürungen, die Gallerte färbt sich tief dunkelblau. Wäscht man sofort mit Wasser wieder aus, so entfärbt sich die Gallerte nicht mehr gänzlich, auch die Einschnürungen verschwinden nicht voll- ständig (Taf. 1, Fig. 9. Um die älteren Zellen zeigt sich eine sehr feinkörnige Spezialhülle, ähnlich der um die Zellen bei Tetraspora in Stadien der Teilung. Die Spezialhülle färbt sich etwas dunkler als die gemeinsame Gallerte. Eben geteilte und noch nebeneinander liegende junge Zellen von Palmodactylon zeigen diese Spezial- hülle nicht. Dictyosphaerium. Dictyosphaerium ist neuerdings von Zopf (110) und von Senn (97) eingehend beschrieben worden, die auch über die Gallert- bildungen bei dieser Alge ausführliche Mitteilung machten. Senn fand durch Färbung derselben mit Vesuvin eine strahlige Struktur. Bezüglich der Herkunft der Gallerte ist Senn der Ansicht, dass die- selbe nur vom Plasma durch die dünne Zellmembran resp. durch feine Poren derselben, deren Vorhandensein Senn jedoch vorläufig nur annimmt, ausgeschieden wird. Ich habe durch Tinktion mit Thionin oder Dahlia ebenfalls die strahlige Struktur der Gallerte sichtbar machen können. Man wird vielleicht doch bei der Entstehung der Gal- lerthülle von Dietyosphaerium außer der Secernierung der Gallerte seitens des Plasmas noch ein teilweises Vergallerten der Reste der Mutterzellhäute, deren späteres Schicksal sonst unerklärlich ist, mit in Betracht zu ziehen haben, wenn auch der größte Teil der Sub- stanz der Mutterzellhaut zu einer Art Stielbildung benutzt wird, welche die Tochterzellen zu Vieren zusammenhält, bis sie sich wieder teilen. Pleuroeoeeaceen. Von den chlorophyligrünen Algen sind die Gallerthüllen der Pleurococcaceen am wenigsten bekannt, und gerade bei ihnen gelingt es, derartige Hüllen als ziemlich verbreitet nachzuweisen sowohl mit Tusche als mit Sepia, weniger mit Farbstoffen. Zuerst wurde ich auf die Gallerthüllen dieser Algenfamilie bei Staurogenia rect- angularıs aufmerksam, wo eine derartige Hülle oft schon ohne weiteres zu sehen ist. Später färbte ich in Formol fixierte Stauro- 150 Bruno Schröder: [12 genia Lauterbornei mit Safranin oder Thionin und wies bei ihr eine sehr weite, strahlige Gallerthülle nach (91). Dies veranlaßte mich weiter auf etwaige Gallerthüllen bei Pleurocoecacen zu fahnden. In den Torflöchern von Virnheim fand sich die kürzlich von Wille (107) neu beschriebene Staurogenia irregularis, die bei Einbettung in Tusche und darauf erfolgter Tinktion mit Methylviolett eine doppelte Gallerthülle aufwies, von denen die innere strahlige von der äußeren strukturlosen ziemlich scharf geschieden war. Beide hatten nahezu gleiche Dicke (Taf. 1, Fig. 5). Zur Untersuchung kamen außerdem noch folgende Formen: Tetracoccus. Eine der häufigsten Algen in den Torfstichen von Virnheim ist Tetracoccus Wildemani, dessen für gewöhnlich schwer sichtbare Gallerthülle, welche die Tetraden oder größere Kolonien umschließt, schon von de Wildeman (105) mit Tusche nachgewiesen wurde. Eine Struktur konnte ich mit Farbstoffen leicht sichtbar machen. Schizochlamys. Schizochlamys gelatinosa!) fand sich vereinzelt in einer farb- und formlosen, nicht mit Kalk inkrustierten Gallertmasse zwischen Wassermoosen im Landstuhlmoor. Die Gallerte färbte sich mit verdünntem Methylenblau (1:1000) nur schwach ohne Kontrak- tion und ohne irgend welche Struktur zu zeigen. Sie scheint durch Ver- quellen der bei der Teilung in 2 oder 4 Stücke abgesprengten Mutter- zelle gebildet zu werden, wenigstens müssen dieselben an der Bildung der Gallerte teilnehmen; denn es ist nicht einzusehen, wohin sonst bei.lebhafter Teilung die vielen abgesprengten Mutterzellhäute kommen sollten. Die Gallerte färbte sich auch dort am stärksten, wohin die Reste der Mutterzellhäute gewöhnlich zu liegen kommen, nämlich ein Stück von den Tochterzellen entfernt, so daß wahrscheinlich bei Schizochlamys die Gallerte einesteils von den Zellen selbst secer- niert wird und andernteils durch Verquellen der Mutterzellhäute entsteht. Ein ähnlicher Vorgang der Entstehung der Gallerthülle muß vorläufig auch für Staurogenia Lauterbornei angenommen werden, da auch bei dieser Alge, wie ich früher zeigte (91), die Mutterzellhäute bei der Teilung gesprengt werden, und Reste derselben 1) Pfitzer (76) pag. 173 beobachtete Zoosporenbildung bei Schizochlamys: „jede Zelle entlässt eine Schwärmspore‘. Diese Angabe ist in die besten systematischen Bücher auch der neuesten Zeit nicht aufgenommen. ‘ 13] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 151 an den jungen Zellen hängen bleiben, bis sie später verschwinden. Genaueres über die Entstehung der Gallerthüllen kann nur ein ein- gehendes Studium der Entwickelungsgeschichte derselben bringen. Dimorphococeus. Von Dimorphococcus lunatus stand mir leider frisches Material nicht zur Verfügung. Diese Alge scheint in der Umgebung von Heidelberg zu fehlen. Durch Herrn Professor Schmidle erhielt ich jedoch reichhaltiges Alkoholmaterial aus Reuthe bei Freiburg ı. B., ebenso auch in Formol fixierte Proben. Letztere waren am besten konserviert. Diese von Alexander Braun entdeckte Pleurococcacee ist neuerdings von Anuth Dohlin (8) wieder untersucht worden, der ebenso, wie schon Rabenhorst (78), Abbildungen von ihr giebt und über ihre Entwickelungsgeschichte Mitteilung macht. Über zwei Momente erwähnt er jedoch nichts. Einmal sind bei Betrachtung der Alge mit stärkerer Vergrößerung und Tinktion mit Fuchsin, Safranin oder Methylenblau eigentümliche Membranverdickungen an den beiden Enden der Zellen sehr auffallend, was übrigens Aaben- horst \. c. pag. 35 ebenfalls übersehen, Dohlin jedoch gezeichnet hat (l. ce. Fig. 39 und noch besser Fig. 40), ohne indessen im Texte da- von Erwähnung zu thun. Diese Verdickung ist kappenähnlich, sie zeigt sich am äußersten Ende am stärksten und nimmt gegen die mittleren Partien der Zelle schnell an Dicke ab. Sodann tritt bei den angegebenen Tinktionen zwischen den Zellen eines vierzelligen Coe- nobiums eine Intercellularsubstanz auf, welche stärker tingiert ist, als die übrige Zellhaut mit Ausnahme der Kappenverdiekungen. Diese Intercellularsubstanz zeigt Neigung zum Vergallerten und schon Rabenhorst bildet ein derartiges in ein kurzes Polster verquollenes Verbindungsstück ab. Wolle scheint (109, pag. 56) darauf ebenfalls Bezug zu nehmen, denn er sagt: „sometimes forming coenobia, smaller families of cells connecting by slender, colorless, radiating gelatinous threads“. Wie Bohlin bemerkt, erwähnt Wolle aber nichts über die Entstehung einer derartigen Struktur. Bohlin giebt an, daß nach seinen Beobachtungen „die gelatinösen Fäden, welche die Zellen zusammenhalten, nur die Reste der alten Membranen“ der Mutterzelle sind. Dies trifft für die Zellen eines freien, vierzelligen Coenobiums nicht zu, wohl aber für Einzelcoenobien einer 16 zelligen Kolonie, die durch Teilung jeder der vier Zellen eines Kinzelcoeno- biums in je vier Tochterzellen entstanden ist. Aber auch da sind die Reste der Membran der Mutterzelle nicht der alleinige Zu- 152 Bruno Schröder: [14 sammenhang der Coenobien unter sich. Dohlin vermutet, daß „durch Verschleimen der Zellwände“* der Mutterzelle, die Tochterzellen in ihrer Lage festgehalten werden. Durch Tuscheeinlegung kann man die von Bohlin vermutete und die Coenobien in ihrer Lage fixierende Gallerte als weite Hülle um die Kolonie nachweisen; auch um das vierzellige freilebende Coenobium findet sich dieselbe (Taf. 1, Fig. 8). Struktur zeigt sie, soweit meine Untersuchungen reichen, nicht. Nach außen zu nahm die Stärke der Tinktion der Gallert- hülle ab. Oocystis. Eine ungeteilte Zelle von Oocystis Naegelii aus dem Moor von Virnheim zeigte, in Tusche gebracht, eine weit abstehende, hya- line, strukturlose Gallerthülle, die in einer Breite etwa vom Quer- durchmesser der Zelle dieselbe umschloß. Bei beginnender Zellteilung innerhalb der Mutterzellmembran vergrößerte sich die Hülle in dem- selben Maße, als das Volumen der Zellen zunahm, die noch die alte Membran umschloß. Sie war zuletzt nur als dünnes Häutchen sichtbar, das die acht Tochterzellen umgab. Ein weiteres Entwicke- lungsstadium ließ die Gallerthülle sehr verquollen erscheinen; sie färbte sich mit Gentianaviolett noch schwach. Dagegen hatte sich eine neue, mit diesem Farbstoff sich viel dunkler tingierende Hülle um die freiwerdenden Tochterzellen bereits gebildet, die ihrerseits wahrscheinlich ihren Ursprung von der verquollenen Mutterzellhaut genommen hatte. Rhaphidium. Eine mehr oder weniger weite, hyaline, für gewöhnlich nicht sichtbare Gallerthülle weisen auch Arten von Rhaphidium auf, z.B. Rh. polymorphum, Rh. contortum und das neue Rh. Pfitzeri!). Die Gallerthüllen dieser Algen lassen sich nur sehr schwer färben und werden am besten in flüssiger Tusche sichtbar gemacht. Struktur fehlt ihnen. Ihre Gestalt ist bei Rh. poly- 1) Diagnose: Familien in einem ellipsoidischen, weiten hyalinen Gallertlager eingebettet. Zellen zu Bündeln vereinigt. Zelle spindelförmig bis stäbchenartig, gerade oder schwach gekrümmt, gleichmälsig breit oder nach den Enden etwas schmaler werdend, 8—12mal so lang als breit. (Breite 1,73 «, Länge 10—30 «), an den Enden rundlich abgestutzt. Chlorophor ohne Pyrenoid, in der Mitte auf der ventralen- Seite einen halbkreisförmigen farblosen Raum freilassend. Ver- mehrung durch Längsteilung der Zellen. Zu Ehren des Herrn Geheimen Hofrates Prof. Dr. Pfitzer benannt. 15] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 153 morphum ziemlich kugelig, bei Rh. Pfitzeri (Taf. 1, Fig. 6) ellipsoidisch und bei Rh. contortum länglich eylindrisch, an den Enden abgerundet und zweimal seicht eingeschnürt (Taf. 1, Fig. 7). Sie ist so weit, daß die Spitzen der Rhaphidium-Zellen den äußeren Rand der Gallerthülle nicht erreichen, sondern daß derselbe noch ein ziemliches Stück davon absteht. Am dicksten ist die Gallerthülle bei Rh. Pfitzeri, bei welchem sie, wenn auch undeutlich, mitunter schon ohne Anwendung irgendwelcher Mittel wahrzunehmen ist. Bei Rh. contortum war die Gallerthülle an den schmalen Seiten oft nicht deutlich konturiert (Taf. 1, Fig. 7). Scenedesmus u. a. Schließlich zeigte auch Scenedesmus obtusus eine weite Gallerthülle ohne Struktur (Taf. 1, Fig. 4), während S. quadricauda nur Spuren davon aufwies. Von Selenastrum und Kirchneriella sind hüllenartige Gallertbildungen schon früher bekannt geworden. Desmidiaceen. Klebs (49) unterscheidet bei den Gallertbildungen der Desmidia- ceen zwei Hauptgruppen. Zu der ersten rechnet er solche Formen, „welche entsprechend wie bei den Scheiden der Zygnemeen beständig mit den Zellen in Verbindung sich befinden“, und zur zweiten Gruppe gehören nach ihm diejenigen Formen von Gallertbildungen, „welche nur bei bestimmten Anlässen, wie bei der Teilung, der Konjugation oder der Fortbewegung entstehen und infolgedessen auch vielfach den Zellen fehlen können“. In Bezug auf die Ausscheidung der Gallerte seitens des Plasmas durch die Membranporen kann aber auch eine andere Einteilung der Gallertbildungen der Desmidiaceen gemacht werden und man kann von einer lokalen Gallertausscheidung und einer allgemeinen sprechen. Zu ersterer sind die Ausscheidung der Intercellularsubstanz und die Gallertstiele zu stellen, zu letzterer ge- hört die die Zelle vollständig umgebende Hüllgallerte, die im gewöhn- lichen vegetativen Zustande der Zellen kugelig, ellipsoidisch oder cylindrisch gestaltet ist und bei Teilung oder Kopulation durch Volumenzunahme mannigfach modifizierte Formen annehmen kann. 154 Bruno Schröder: [16 A. Lokale Gallertausscheidung. I. Intercellularsubstanz. Daß gallertartige Stoffe gleichsam als Kittsubstanz zwischen den Zellen auftreten, ist bei Desmidiaceen lange nicht so häufig, wie bei Diatomaceen, da jene mehr einzeln leben und nur bei einer kleinen Gruppe sich dauernd zu fadenförmigen Zellreihen vereinigen, die von Kirchner (48) als Desmidiaceae filiformes bezeichnet worden sind. Es ist a priori schon anzunehmen, daß zwischen den Zellen eines derartigen Fadens eine Kittsubstanz vorhanden sein muß, da, wie die Beobachtung leicht zeigt, der Zusammenhang der Einzelzellen ein ziemlich loser ist, und die Fäden namentlich von Gonatozygon und Genicularia, ähnlich denen von Mougeotia, sehr leicht zer- brechen, während dies bei einem lückenlosen Verwachsensein der benachbarten Zellen nicht ohne Verletzung der einen oder anderen Zelle möglich wäre. Die seltene Genicularia stand mir nicht zur Verfügung, dagegen erhielt ich Gonatozygon aus dem Riesengebirge lebend zur Untersuchung. Eine gemeinsame Gallerthülle fehlt dieser Alge. Bei Tinktion der Fäden mit Methylenblau oder Thionin zeigt sich bei hinreichend starker Vergrößerung in der That eine dunkel- gefärbte, feine Zwischensubstanz, die benachbarte Zellen verbindet (Taf. II, Fig. 1). Bei längerer Einwirkung verdünnter Natronlauge wird dieselbe aufgelöst, und die Zellen eines Fadens trennen sich von einander. Der gleiche Vorgang geschieht bei Maceration durch Fäulnis. Außer bei dieser Desmidiacee ließ sich auch bei Spondy- losium eine Intercellularsubstanz nachweisen (Taf. II, Fig. 2). Sie färbte sich wesentlich stärker als die Hüllgallerte und erscheint bei Tinktion mit obengenannten Farbstoffen als ein tiefdunkler Strich zwischen den benachbarten Zellmembranen. Sucht man nach Abbildungen dieser Dinge bei anderen Autoren, die fadenförmige Desmidiaceen zeichneten, so findet man nur selten etwas, was auf das Vorhandensein einer Intercellularsubstanz hin- deutet. Die diesbezüglichen Abbildungen von Kalfs (19) oder von Delponte (22), namentlich die des letzteren, bestechen aufs erste durch ihre schöne Ausführung, histologisch richtig sind die meisten nicht. Weitaus das beste in Bezug auf den Bau der Zellmembran und die Zellteilung fadenbildender Desmidiaceen sind die Darstellungen in der Arbeit von Hauptjleisch (31). Auf seiner Tafel I zeichnet er mehrfach bei Hyalotheca dis- siliens forma major, bei Bambusina Brebissonii und bei 17] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 155 Didymoprium Grevillii (Fig. 26, 33 und 58) zwischen den Nach- barzellen einen schmal konvexen Raum, der indessen bei dem leben- den Zellfaden keineswegs hohl, sondern mit Intercellularsubstanz aus- gefüllt ist. Auf Seite 8 des Textes sagt Hauptfleisch betreffs des Zusammenhanges der Zellen bei Hyalotheca mucosa: „Die Mittel- schicht dieser Querwand bleıbt erhalten und verklebt auch fernerhin die beiden Schwesterzellen. Auf diese Weise wird in den Zellfäden von H. mucosa das dauernde Zusammenhalten der Einzelzellen er- zielt.“ Ferner führt er (pag. 49 in Sep.) von H. dissiliens an, daß bei der Neubildung der Querwand während der Teilung sich diese Wand in ihrem mittleren Teile zu spalten beginnt, ein Vorgang, der höchst wahrscheinlich durch lokales Vergallerten der zuerst angelegten Querwandlamellen bedingt wird. Hinsichtlich des Zusammenhaltens der benachbarten Zellen bemerkt Hauptfleisch (pag. 5) von H. mucosa, daß dasselbe einfach durch „Aneinanderhaften der glatten Endflächen der beiden Zellen bewirkt wird; besondere Vorrichtungen, welche die Ver- bindung zweier Zellen begünstigen könnten, lassen sich nicht erkennen.“ Wir haben hier den gleichen Fall bei fadenförmigen Desmidia- ceen, wie er bei ebensolchen Diatomaceen (Melosira varıans oder M. Binderiana) vorkommt, wo auch die benachbarten Zellen ohne jede direkt nachweisbare Kittsubstanz aneinander zu hängen scheinen‘). Dieselbe ist wohl nur von solcher Feinheit, daß es bis jetzt nicht gelungen ist, sie mit irgend welchen Mitteln sichtbar zu machen. Daß sie aber thatsächlich vorhanden sein muß, geht daraus hervor, daß bei Behandlung solcher Fäden mit Ammonoxalat, oder bei Maceration der Melosiren mit Salpetersäure und chlor- saurem Kali, oder aber bei Einwirkung von Fäulnis der Zellfaden in die ihn bildenden Einzelzellen zerfällt, weil dıe Intercellularsubstanz zerstört worden ist. Bekanntlich fallen auch die einzelnen Zellen der Fäden von Spirogyra, Zygnema und Mesocarpus bei genügender Fäulnis auseinander, und Klebs (49) beschreibt von einer Mesocarpus spec. (pag. 378, Taf. UI, Fig. 25a—c) einen „linsenförmigen Querraum“ zwischen den einzelnen Zellen dieser Alge, der sich bei Kultur in Glykose-Pepton ebenso wie die Gallerthüllen der Zygnemeen lebhaft verdickt, mit Chlorzinkjod gelb färbt und feinkörnig erscheint. Klebs bemerkt hierzu, daß bei der schnellen Trennung der einzelnen Zellen eines Mesocarpus-Fadens die zwischen den @Querwänden vorhan- dene Gallerte wesentlich mitwirkt. An lebenden Mesocarpus- I) Siehe Schütt (94) pag. 66. Verhandl, d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins, N. F, VII, Bd. 1l 156 Bruno Schröder: [18 Fäden aus den Torfstichen von Virnheim beobachtete ich diesen kon- vexen Querraum sehr deutlich. Mit Methylenblau gefärbte Fäden zeisten ihn scharf hervortretend. Javelle'sche Lauge löste die Fäden in die Einzelzellen auf, und diese Kittsubstanz zwischen den Meso- carpus-Zellen ist, analog derjenigen bei den fadenförmigen Desmi- diaceen, als Intercellularsubstanz zu bezeichnen. Diese Intercellularsubstanz ıst ein Produkt lokaler Gallertaus- scheidung. Die Seitenwände der Zellen von Hyalotheca, Des- midium und Didymoprium (siehe Hauptjleisch [37 Taf. I, Fig. 17, 29, 42 und Taf. II, Fig. 3 u. 6, sowie eine frühere Arbeit des Verf. [88] Taf. 4, Fig. 7) zeigen eine große Anzahl feiner Poren, durch welche die Gallerte der Intercellularsubstanz ausgeschieden wird, ebenso wie die gemeinsame Hüllgallerte an den Längswänden der Zellen. II. Gallertstiele. Eine andere Art von lokaler Gallertausscheidung als die der Inter- cellularsubstanz ist bei einzellebenden Desmidiaceen die Bildung von Gallertstielen. Die lokale Ausscheidung eines Gallertstieles bei Cos- marium Ungerianum deutet zuerst Nüägeli (69) an, indem er schreibt, daß bei dieser Desmidiacee „zuweilen bloß eine oder beide Polflächen (Fig. 10a auf Taf. VII B, C), seltener die ganze Oberfläche“, mit Gallerte versehen ist. Diese Ausscheidung der Gallerte aus den Zellenden läßt sich bei günstigem lebenden Materiale direkt unter dem Mikroskope bei Einbettung in Tusche verfolgen, wenn man ein Okularmikrometer einlegt und bei möglichst starker Vergrößerung den Vorgang längere Zeit verfolgt. Man sieht dann, wie die Zelle sich fortbewegt, während der zuerst ausgeschiedene Teil des Stieles am Objektträger oder Deckglase festhaftet. Weiter unten soll darauf genauer eingegangen werden. Der Erste, der eine derartige Bewegung der Desmidiaceen be- obachtete, war Alexander Braun (10). Er beschreibt dieselbe an- schaulich von Penium curtum und weist schon damals auf die richtende Kraft des Lichtes bei der Bewegung der Desmidiaceen hin. Später hebt dann Stahl (100), der die Angabe A. Braun’s übersehen haben dürfte, den Einfluß des Lichtes auf die Bewegung der Des- midiaceen aufs neue hervor, und Älebs (50) machte ausführliche Mit- teilungen über die Schleimbildung bei derselben, wobei er als Ursache der Ausscheidung der Gallerte eine „Substratwirkung“ als Reiz an- nahm, während Aderkold (1) außer dem Lichte insbesondere die Schwerkraft hinsichtlich ihres Einflusses auf die Desmidiaceen bei 19] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 157 der Bewegung in Betracht zog. Endlich sieht Pütter (T7) mit Klebs die stielartige, lokale Gallertausscheidung bei den Desmidiaceen als eine Folge von starken Kontaktreizen des Substrates an und kommt zu dem Ergebnis, „daß wir diesen Organısmen positive Thigmotaxis zuzuschreiben haben.“ Eine bildliche Darstellung der Gallertstiele der Desmidiaceen finden wir bei Klebs (|49], Taf. IV), und zwar von Closterium didy- motocum (Fig. 4a, b und Fig. 9), von Euastrum verrucosum (Fig. 12), von osmarıum pyramidatum (Fig. 15) und von Tet- memorus granulatus (Fig. 14). Ich beobachtete derartige Bil- dungen bei Ülosterium Lunula und Ü. moniliferum, ferner bei Tetmemorus granulatus, bei Euastrum oblongum, Micrasterias rotata und M. denticulata, Cosmarium Bo- trytis und Pleurotaenium Ehrenbergii. Die Abbildungen der Gallertstiele vonClosterium und Euastrum bei Klebs dürften dem natürlichen Zustande nicht ganz entsprechen; denn die betreffenden Objekte wurden von ihm teils mit Sublimat fixiert, teils mit Methylenblau oder Methylviolett gefärbt. Die genannten Stoffe wirken aber stark kontrahierend auf die ausgeschiedenen Gallert- stiele, wie ich mich durch mehrfache Versuche überzeugen konnte und auf Taf. I, Fig. 10b dargestellt habe. Bringt man ein lebendes Euastrum oblongum, welches lokale Gallertausscheidung zeigt, ın Tusche eingelegt unter das Mikroskop und setzt, indem man mittelst Fließpapier die Tuscheflüssigkeit etwas absaugt, am Rande des Deckglases verdünntes Methylenblau zu, so entsteht sofort, wenn dasselbe an den Stiel kommt, eine Kontraktion der Gallertstiele auf !/s der früheren Dicke. Dieselbe Kontraktion findet statt, wenn man an Stelle des Methylenblaus andere Stoffe zuführt, wie ver- dünnte Sodalösung, Natronlauge, Ammoniak, Essigsäure oder Sub- limat. Während der Gallertstiel in normalem Zustande in Tusche eingebettet keinerlei Struktur zeigt und glatte, weiche Ränder auf- weist, erhält er nach der Schrumpfung ein lamellöses Aussehen, ' wie wenn längere oder kürzere Querfibrillen nebeneinander gelagert wären. Die Randkonturen sind rauh. Wäscht man bald die ge- nannten Reagentien wieder aus, so beobachtet man ein plötzliches Aufquellen des geschrumpften Stieles auf seine frühere Dicke; jeg- liche Struktur ist wieder verschwunden. Setzt man nun wieder eines der obengenannten Reagentien dem Präparate zu, so tritt wieder Schrumpfung ein, und die lammellöse, fibrilläre Struktur wird sicht- bar; bei abermaligem Auswaschen verschwindet sie, und die ursprüng- L1® 158 Bruno Schröder: [20 liche Dicke des Stieles wird durch Quellung wieder hergestellt. Diese Versuche wurden mit gleicher Wirkung an ein und demselben Gal- lertstiele mehrfach in der beschriebenen Reihenfolge bei Betrachtung mit Öl-Immersion ausgeführt. Die Ausscheidung der Gallertstiele läßt sich, wie oben schon her- vorgehoben, am besten in Tusche verfolgen. Dabei empfiehlt es sich, das Deckglas (Format 24%32) mit Wachsfüßchen zu versehen oder durch Deckglassplitter zu stützen, damit die sich bewegenden Ob- jekte in der Flüssigkeit unter dem Deckglase genügende Bewegungs- freiheit haben. Der Vorgang des Ausscheidens der Gallertstiele geht bei dieser Methode der Beobachtung im allgemeinen folgendermaßen vor sich: Zuerst zeigt das in Tusche gebrachte Closterium moniliferum oder Euastrum oblongum keinerlei Gallerte, weder Gallerthülle noch Gallertstiele. Nach einiger Zeit erscheint an der einen Spitze des Closteriums oder an einem Scheitellappen des Euastrums, dort wo das Chromotophor aufhört, eine zuerst kugelartig gewölbte Gallertmasse, mit der sich die Zelle am Glase festheftet. Allmählich verlängert sich diese helle Masse und schiebt die Zelle äußerst lang- sam vorwärts, jedoch nicht in gerader Richtung, sondern in einer un- regelmäßigen Spirale. Es ist dies eine ähnliche Bewegung, wie ihn die wachsende Wurzel einer Hyazinthe zeigt, wenn man das Mikro- skop in geeigneter Weise auf die Wurzelspitze einstellt und das Wachstum eine Zeitlang verfolgt. Diese Spiralbewegung ermög- licht beiden Objekten das Vorbeigleiten an etwaigen Hindernissen, die sich ihnen in den Weg stellen. Durch die Spiralbewegung er- hält der Gallertstiel ein mannigfach gekrümmtes Aussehen. Die Aus- scheidung der Gallerte geht nicht mit gleicher Geschwindigkeit vor sich; sie ist erst gering, dann nimmt sie bald zu, um allmählich wieder gänzlich aufzuhören. Bei dem auf Taf. I, Fig. 10a von mir gezeichneten Euastrum oblongum, welches einen verhältnismäßig ‘geraden Stiel ausschied, wurde die Geschwindigkeit der Ausschei- dung nach Teilstrichen des Ocularmikrometers bei 450facher Ver- größerung gemessen. Die Ausscheidung des in meiner Figur ge- zeichneten Stieles von E. oblongum begann nachmittags 5.58 und endete 6.54. Das Minimum der Bewegungsgeschwindigkeit zu Anfang betrug 0,4 Teilstriche, das Maximum 2 Teilstriche in 1 Minute. Diese Angaben gelten indessen nur für dieses eine E. oblongum; denn die Geschwindigkeit der Ausscheidung des Gallertstieles ist selbst bei den verschiedenen Individuen von E. oblongum eine sehr 21] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 159 verschiedene und ungleichmäßige. Außerdem ist unbekannt, ob nicht vielleicht doch die Tusche, in der die Bewegung und Gallertaus- scheidung dieser Desmidiacee beobachtet wurde, irgend welche Reize auf den Organismus ausübt, ebenso die künstliche Beleuchtung und die Konzentration des Lichtes durch den Spiegel des Mikroskopes und den Kondensor. Nachdem bei Closterium moniliferum die Ausscheidung der Gallerte auf der linken Seite (Taf. II, Fig. 4) aufgehört hatte, begann dieselbe in gleicher Weise auf der rechten. Nach eineinhalb- stündiger Dauer hörte sie ganz auf. Bei Glosterium Lunula (Taf. II, Fig. 5), das entgegengesetzt den Behauptungen von Haupt- fleisch (37) und Leitkemüller (64) ausnahmsweise mit einer Hüll- gallerte umgeben ist, die ich bei anderen Olosterium-Species sonst nie sah, ist die Gallertausscheidung der Stiele in den mir be- kanntgewordenen Fällen eine weniger schnelle als bei ©. monilifer um. Bei Erwägung der verhältnismäßig großen Massen von Gallerte, die z. B. von Closterium moniliferum ausgeschieden werden und zwar in relativ kurzer Zeit, (bei lebhaft vegetierenden Zellen ist dies noch ın weit höherem Maße der Fall), könnte man sich leicht über die bei derselben geleistete Arbeit falschen Vorstellungen hingeben. Im Grunde genommen dürfte der Verbrauch von Stoff und Kraft seitens des Plasmas lange nicht so bedeutend sein, als es auf den ersten Anblick erscheint, da die Gallerte jedenfalls wenig organische Substanz und ‚viel Wasser enthält. Eine geringe, aber beliebige Zeit lang dauernde Aus- scheidung eines kolloidalen Körpers, der bei Kontakt mit Wasser stark quillt, ruft die Bildung jener langen Stiele (und ebenso der weiten Hüllen) hervor, ohne daß das Protoplasma mit der Gallertbildung verschwenderisch umzugehen braucht. Daß der Wassergehalt der Gallerte der Algen außerordentlich hoch ist, läßt sich an makroskopisch sichtbaren Algen mit starker Gallertbildung, z. B. an Nostoc pruniforme, leicht nachweisen. Dieser Nostoc bildet bis hühnereigroße Gallert- ellipsoide, die beim Austrocknen so zusammenschrumpfen, daß sie nur ein ziemlich dünnes, hornartiges Häutchen zurücklassen; auch dieses besteht zum größten Teile aus der nach Art einer Cuticula (Brand |9]| pag. 3 u. folg.) verdickten Außengallerte des Nostoc- Thallus. Noch besser kann man den Wassergehalt der Algengallerte demonstrieren, wenn man !/s Liter Tetraspora auf einer etwa 10 bis 15 cm im Durchmesser haltenden Fläche eintrocknen läßt, wobeı 160 Bruno Schröder: [22 ebenfalls der Rückstand nur von geringer Dicke ist. Nach Nägeli (71) kommen in der gallertartigen Umhüllung der Nostocaceen und Pal- mellaceen auf 1 Teil fester Substanz 200 und mehr Teile Wasser. An dieser Stelle sei auch noch einer anderen, bisher wenig oder gar nicht beachteten Bewegungserscheinung der Desmidiaceen gedacht, die fadenförmigen Arten mit Gallerthüllen, wie Hyalotheca, Des- midium oder Didymoprium, aber auch anderen Konjugaten, z. B. den Spirogyren (siehe Hofmeister 43) zukommt, welche sämtlich wie die Oscillatorien an den Wänden von Kulturgefäßen aus Glas ein Stück hinauf, oder aus dem sie bedeckenden Schlamme heraus auf dessen Oberfläche kriechen können. Ich verfolgte diese Art der Be- wegung längere Zeit an reichem Materiale von Desmidium qua- drangulare aus einem Teiche bei Trachenberg in Schlesien (88). Die Fäden der genannten Desmidiacee, die ziemlich lang und schon makroskopisch sichtbar waren, fühlten sich schleimig an und zeigten auch bei mikroskopischer Betrachtung in feinzerteiltem Detritus eine dicke Gallerthülle, die allerdings 1. ec. Fig. 7 durch Behandlung mit Methylenblau geschrumpft ist. Außer der Gallerthülle wies meist nur das eine Ende einen längeren oder kürzeren Gallert- stiel auf, ähnlich demjenigen, den ZLauterborn (57) Taf. X, Fig. 9 bei Oscillatoria abbildet. Bei Desmidium war der Stiel jedoch viel dicker. Auch sonst gleicht die Bewegung, abgesehen von der geringen Geschwindigkeit derselben, der der Öscillatorien-Fäden. Die Des- midium-Fäden drehen sich langsam um ihre Achse, sie krümmen sich, auf ein Hindernis stoßend, mitunter auch etwas, doch nie so stark, wie dies bei Oscillatoria-Fäden vorkommt. Während Engel- mann (24) für letztere kontraktiles Protoplasma als bewegenden Faktor annimmt und zu beweisen sucht, führte Zauterborn die Bewegung der Oscillatorien auf Gallertbildung zurück, und ich stehe nicht an, auch die Ortsveränderung der Desmidium-Fäden der Sekretion und Quellung von Gallerte zuzuschreiben. Correns (21) meint, daß daraus, „daß ohne Gallertabsonderung keine Bewegung der Oscillatorien mög- lich ist, nicht geschlossen werden darf, die treibende Kraft liege in der Ausstoßung der Gallerte“. Eine Quellung der secernierten Gal- lerte zieht Correns nicht in Betracht. Übrigens findet sich auch bei Nostoc zu gewissen Zeiten oder unter besonderen Kulturbedingungen eine derartige Bewegungserscheinung, Nostoc humifusum, den ich aus einem Warmhause des hiesigen botanischen Gartens erhielt, wächst dort in erbsen- bis haselnußgroßen, schwärzlichbraunen Lagern im August auf feuchten Ziegeln zahlreich. Bringt man derartige 23] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 161 Lager ın ein Glasgefäß und übergießt sie 1 cm hoch mit Wasser, so daß sie davon gänzlich überdeckt sind, so bemerkt man nach einigen Tagen, daß namentlich an «der Seite des Gefäßes, die dem Lichte zugekehrt ist, eine große Anzahl Nostoc-Fäden die Gallertlager verlassen haben und an den Wänden des Gefäßes in die Höhe gekrochen sind und zwar bis 2 cm über die Wasseroberfläche. Außer dem Licht mag vielleicht das Sauerstoffbedürfnis richtend auf die Bewegung dieser Nostoc-Fäden einwirken. Dieselben waren mit einer in Tusche sichtbar zu machenden Gallerthülle umscheidet, doch habe ich umsonst versucht, die Bewegung auf dem Objektträger in Tusche zu verfolgen. B. Hüllgallerte. I. Das Fehlen der Hüllgallerte. Während das Vorhandensein einer Intercellularsubstanz bei den Diatomaceen häufiger vorkommt als bei den Desmidiaceen, ist bei diesen ein weitaus häufigeres Vorkommen von Gallerthüllen zu kon- statieren. Es ist demnach nicht zutreffend, wenn Klebs (49) pag. 380 schreibt: „Von den zahlreichen, einzellebenden Desmidiaceen ist es relativ nur eine kleine Anzahl Formen, welche konstant von Hüll- gallerte umscheidet sind.“ In Wirklichkeit ist gerade das Gegenteil der Fall, indem die konstante Hüllgallerte nur wenigen Arten fehlt. Nach den Untersuchungen von Hauptfleisch (37), Leütkemüller (64) und denen des Verfassers mangelt die Hüllgallerte nur den Gattungen CGlosterium, Penium und Euastrum. Für die meisten Species dieser (enera sind Poren in der Membran nachgewiesen, die man namentlich an maceriertem Material beim Einlegen in konzentriertes essigsaures Kali gut wahrnehmen kann, wenn man die betreffenden Zellen mit einer Mischung von Methylenblau und 1 bis 2 °/o Borsäure vorher tingiert hat. Der Nachweis einer Gallerthülle bei den ange- führten Genera gelang mir nur bei Olosterium Lunula (Taf. II, Fig. 3) bei Einlegung in Tusche. Alle anderen Closterien, z. B. parvulum, moniliferum, striolatum, costatum, ferner Penium digitus, lamellosum, oblongum, margaritaceum, sowie Euas- trum verrucosum, pectinatum, oblongum, crassum, didelta, ansatum und elegans zeigten, lebend in Tusche liegend, niemals Gallerthüllen. Hauptfleisch giebt über die Gallerthülle von Euastrum keine Auskunft. Das Fehlen derselben ist um so befremdlicher, wenn man die nahe Verwandtschaft dieser Gattung mit Cosmarium einerseits und Micrasterias andererseits in Betracht zieht, die 162 Bruno Schröder: [24 beide Gallerthüllen aufweisen. Klebs will bei Euastrum ansatum, pectinatum und oblongum, sowie bei E. verrucosum „Gallert- massen“ gesehen haben (49, pag. 387), möglicherweise handelt es sich aber um solche lokale Gallertausscheidung, wie sie bei der Stiel- bildung secerniert wird. Ein Teil der Gattung Penium besitzt keine bisher nachweisbaren Poren in der Membran, z. B. Penium Bre- bissonii, ebenso die Gattung Gonatozygon. II. Das Vorkommen von Hüllgallerte. Bei der größeren Mehrzahl der Desmidiaceen ist, wie aus den Angaben von Hauptfleisch hervorgeht, und ich des weiteren bestätigen kann, eine mehr oder weniger weite, am besten in Tusche oder in natürlicher Sepia sichtbare Hüllgallerte vorhanden. Mitunter ist die- selbe schon ohne Anwendung dieser Hilfsmittel zu sehen, wenn sie eine gewisse dichtere Konsistenz hat, so bei Hyalotheca, Ar- throdesmus convergens, Xanthidium fasciculatum. Nägelt (69) beschreibt eine Hüllgallerte bei Cosmarium, die er als „Hüllmembran* bezeichnet, „bestehend aus einer breiten Lage farb- loser Gallerte, welche die Zelle überall umgiebt“. Auf seiner Taf. VII, Fig. A6 giebt er eine Abbildung derselben bei Cosmarium rupestre. Nägeli hat weder ın Tusche eingelegt, noch gefärbt und bemerkt weiter von der Hüllgallerte, daß sie „zuweilen scharf begrenzt, zu- weilen undeutlich umschrieben und zuweilen überall behaart erscheint.“ Ferner teilt er mit, dal die „Härchen‘“, für die er die strahlige Struktur der Hüllgallerte hält, ebenso wie Gallerte selbst, „durch die eigentliche Membran hindurch ausgeschieden“ werden müssen; denn die letztere bleibt unverändert (pag. 117). Die Ausscheidung geschieht nach Nägeli, da die Zahl der „Härchen“ mit denen der Poren über- einstimmt, durch die porösen Durchbrechungen der Membran, und durch Zusammentließen der ausgeschiedenen Gallerte entsteht die Hülle. Somit ist es das Verdienst Nägeli’s, schon 1849 den Vorgang der Gallert- ausscheidung durch die Poren im allgemeinen richtig wahrgenommen und gedeutet zu haben. Er drückt sich über die Poren der Membran allerdings sehr vorsichtig und vermutungsweise aus, da, wie er meint, „diese Punktierung der Membran an der Grenze des durch die jetzigen Instrumente sichtbar zu machenden“ liegt. Nägeli hat aber auch schon das gesehen und gezeichnet, was wir heute als „Porenorgane“ bei Desmidiaceen bezeichnen, und zwar fand er diese Organe, die er für „haarförmige Stacheln“ (pag. 126) hält, bei Staurastrum pilo- 25] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 163 sum (l. ec. Taf. VII, A S. Klebs (49) und Hauptfleisch (37) haben später mit basischen Teerfarbstoffen die Hüllgallerte und ihre Struktur deutlicher sichtbar gemacht auch bei solchen Formen, bei denen sie ohne Anwendung von Hilfsmitteln nicht bemerkbar war; doch hat diese Metliode den Nachteil, daß Schrumpfungen der Gallerthülle da- bei unvermeidlich sind. Dieselben umgeht man beim Einlegen ın Tusche oder Sepia, die sich, so weit sich jetzt beurteilen läßt, neu- tral zur Gallerte verhalten. Die Struktur der Hüllgallerte kann mitunter fehlen, z. B. bei Arthrodesmus Incus und A. octocornis (Taf. II, Fig. 9), wo ich sie vergeblich sichtbar zu machen versucht habe, ebenso bei Staurastrum teliferum (Taf. II, Fig. 14) u. a. Mitunter er- streckt sie sich nur auf die inneren Teile der Hüllgallerte, wie bei Hyalotheca dissiliens, bei Cosmarium-, Spondylosium- und Micrasteriassp. Manchmal reicht sie bis an die äußere ‚Kontur der Gallerte, wie beiDisphinetium connatum (Taf. II, Fig. 6) oder bei Staurastrum pseudofurcigerum (Taf. II, Fig. 17a, b). Im Anschluss hieran sei die strukturlose Gallerthülle von Spirotaenia erwähnt. Es gelang mir zwar, dieselbe in Tusche nachzuweisen, aber ich bemühte mich umsonst mit Anwendung einer größeren Reihe von entsprechenden Farbstoffen eine Tinktion derselben herbeizuführen. Die Gallerte färbte sich überhaupt nicht, oder nur minimal und un- gleichmäßig. Mehr Erfolg hat Pfeiffer v. Wellheim mit seiner „Eisen- karminfärbung‘“ gehabt (73), der damit diese Gallerte distinkt färbte, ohne eine bestimmte Struktur erkennen zu können. Hauptfleisch erwähnt bei Cosmarıum Phaseolus (pag. 30 in Sep.) außer der innern strukturierten Gallerthülle noch eine äußere, in der er keine Struktur nachweisen® konnte (Taf. II, Fig. 53 1. c.) und meint, daß dabei „eine gequollene Membran und keine Desorganı- sation der Gallerte“ vorliege. Weiter führt er noch einen Fall an, daß sich bei dieser Species auch zwei Gallertschichten übereinander fanden, von denen die ältere äußere in Desorganisation begriffen sei. Als Beweisgrund für die Desorganisation der äußeren Gallerte hält er den Umstand, daß sie weniger dicht als die innere sei, weil sie sich weniger intensiv färbt. Klebs (49) hat bei Hyalotheca etwas ähnliches beobachtet (l. c. Taf. VI, Fig. 1f) und bemerkt, daß er drei „Generationen der Gallerte“ resp. deren Stäbchenstruktur sah. Er vermutet, daß dies besonders bei solchen Individuen vorkommt, welche wenig Teilung erfahren und lebhaft Gallerte bilden, wobei die alte äußere Gallerthülle allmählich verquillt. 164 Bruno Schröder: [2 Mit diesen Ansichten von Klebs und Hauptjleisch stimmen meine Beobachtungen ziemlich überein. Die Figuren 53, 54 und 62 auf Tafel II von Hauptjleisch geben die oben angeführten Details in der Hauptsache richtig wieder; durch kombiniertes Verfahren der Tusche- einbettung und Färbung konnte ich diese Verhältnisse noch deutlicher zur Ansicht bringen, und zwar bei einem dem von Hauptfleisch ge- zeichneten Cosmarium Phaseolus sehr nahestehenden (. niti- dulum (Taf. II, Fig. 7). Ich fand drei nahezu gleich dicke Gallert- schichten, von denen besonders die äußerste von der mittleren nicht durch eine scharfe Linie getrennt war. Die innerste und wohl jüngste Schicht zeigte deutliche Stäbchenstruktur, wie sie auch Hauptjleisch abbildete. Die Stäbchen waren dicht an der Zellmembran am dicksten und nahmen an Stärke nach außen zu immer mehr ab. Die innerste Hülle wurde von einer zweiten nach außen umgeben, welche zwar die Stäbehenstruktur noch einigermaßen, aber schwächer zeigte, gerade so, wie bei der zweiten Gallerthülle auf der linken Seite des Cos- marıiums (Fig. 62) bei Hauptjleisch, aber außerdem noch ein fein- körnig punktiertes Aussehen zwischen den verblassenden Stäbchen aufwies. Beide Hüllen, die innerste und die mittlere, färbten sich noch, die innere stärker als die mittlere, die Stäbchen stets am stärksten. Zu äußerst wurde bei der Tuscheeinbettung noch eine dritte Gallert- hülle sichtbar, die Hauptfleisch ebenfalls teilweise zeichnet (Fig. 621. c.), die er aber für eine „Hüllmembran* hält. Er sagt, daß dieselbe schon bei geringem Farbenzusatz sehr schnell einschrumpfte und sich bis an die Gallerte zusammenzog. Ich halte diese äußere Hülle, schon des Schrumpfens bei Farbstoffzusatz wegen, nicht für eine Hüllmen- bran, sondern für eine Hüllgallerte, die am meisten desorganisiert ist. Sie färbt sich nicht mehr und ist nach außen zu nicht deutlich kon- turiert; irgendwelche Struktur mangelt. Das Verhalten der Gallerthülle bei der Teilung der Desmidiaceen- zellen wurde bei Staurastrum orbiculare und bei Disphinctium connatum genauer untersucht. Das erstere gehört zu derjenigen (Gruppe von Staurastren, die eine sehr enge Gallerthülle haben, welche sich für gewöhnlich fast gar nicht oder doch nur sehr wenig von der Zellhaut abhebt. In einer Probe vom Kümmelbacher Hofe bei Heidelberg befanden sich die Zellen mehrfach in Teilung, und Einlegung in Tusche, verbunden mit Tinktion, ergab, daß die schmale Gallerthülle um die alten Zellhälften sich distinkt färbte, während die neugebildeten Zellhälften der Tochterzellen von einer relativ weiten, aber viel schwächer gefärbten Gallerthülle umgeben waren. 27 Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 165 Die geringere Tinktionsfähigkeit wird man dahin zu erklären haben, daß die Gallerthülle um die jungen Zellhälften durch Dehnung be- deutend weniger dicht ist, als die um die alten Zellhälften (Taf. II, Fig. 15). Bei einem weiter fortgeschrittenen Stadium der neuen Zellhälftenbildung wird die dieselben umgebende Gallerte noch weniger dicht, dann löst sie sich gänzlich auf. Die jungen, zur Größe der Mutterzellhälfte herangewachsenen Tochterzellhälften, sowie die alten Mutterzellhälften, scheiden nun neue Hüllgallerte aus, die als schmale Scheide die ganze Zelle umgiebt. Wie intensiv nach erfolgter Neu- bildung der Tochterzellhälften die Gallertausscheidung um dieselben vor sich geht, illustriert ein diesbezügliches Stadıum nahezu vollendeter Teilung bei Disphinctium connatum (Taf. II, Fig. 6). Die neuen Zellhälften waren bei dieser Species im vorliegenden Falle fertig ausgebildet, hingen aber noch mit den Scheiteln zusammen. (Gerade diese Zone um die Scheitel färbte sich am tiefsten und trat auch weiter über die Außenseite der gemeinsamen Grallerthülle hervor. Die Strahlen der Gallertstruktur erschienen an der betreffenden Stelle geradezu wie zu Bündeln gehäuft. Einer mündlichen Mitteilung des Herrn Geheimrat Bütschli zufolge findet bei der Teilung von Bakterien ein dem eben von Disphinctium beschriebenen Vorgange sehr ähnlicher statt, in- dem auch die Tochterzellen dieser Mikroorganismen, ehe sie sich nach der Teilung von einander trennen, bei entsprechender Tinktion an den sich berührenden Scheiteln eine sehr stark tingierbare Zone aufweisen. C. Die Porenorgane. Sehr eigentümliche Bildungen außerhalb der Zelle lebender oder gut fixierter Desmidiaceen lassen sich bei Didymoprium, Sphaero- zosma, sowie bei verschiedenen Species von Cosmarium, Micras- terias, Pleurotaenium, Xanthidium und Staurastrum mit- unter schon im ungefärbten, besser und deutlicher aber im gefärbten Zustande bei Betrachtung mit starken Systemen wahrnehmen. Wie schon angeführt, fand sie Nägeli bei Staurastrum zuerst auf. Klebs (49) zeichnete sie bei Pleurotaenium Trabecula und bei P.truncatum. (l.c. Taf. IV, Fig. 10 u. 11b) und erwähnt sie im Texte (pag. 380) als punktförmige Erhebungen an der Zellwandoberfläche. Hauptjleisch (37), der dieselben mehrfach beobachtete, nennt sie „Porenknöpfchen“, weil sie sich direkt an der Stelle finden, wo die Poren der Zellmembran anzutreffen sind. 166 Bruno Schröder: [28 In Figur 45 seiner Tafel 1 stellt er bei Didymoprium dar, wie von dem durch Alkohol oder Glycerin plasmolysierten Zellinhalte feine Plasmafäden in die Poren der Membran hineingehen, auf denen dann die Porenorgane sitzen. Hauptfleisch glaubt deshalb annehmen zu müssen, daß die Porenorgane plasmatischer Natur sind und er nennt sie l. c. pag. 24 und 25 direkt „Plasmaknöpfchen“. Ähnliche Versuche an Closterien führte Klebs (49) aus und zwar durch Salzsäure, und er fand, daß dann der Plasmaleib mit der Zellhaut durch zarte Fäden in Verbindung blieb, die von der Innenseite der durch Poren perforierten Endkappen der Closterienzelle zu dem kontrahierten Plasma in mehr oder weniger großer Dicke gespannt waren. Mir gelang dieser Versuch bei Pleurotaenium Ehren- bergii, doch muß man die plasmolysierenden Reagentien vorsichtig anwenden, sonst geschieht die Plasmolyse zu plötzlich und zu stark, und die Fäden reißen ab. Benutzt wurde Glycerin. Daß also Plasma bis in die Poren der Membran hinein vorkommt, scheint durch obige Versuche festgestellt zu sein; daß es aber aus den Poren außen weit heraustreten sollte, um die sogenannten Plasma- knöpfchen zu bilden, halte ich nicht für richtig. Deshalb bezeichnete ich mit Zxtkemüller (64) die in Rede stehenden Gebilde einfach als „Porenorgane“. Da sie sich nur mit den Farbstoffen färben, die auch die Gallerte tingieren, so dürften sie sich auch aus nichts weiter als aus sehr dichter Gallerte, die eben aus den Poren herauskommt, be- stehend erweisen. Sie sind mitunter von den Strahlen der Gallerte fast nicht zu unterscheiden und können in recht verschiedener Ge- stalt und Länge auftreten, ohne oder mit Stiel und Köpfchen ver- sehen, und am freien Ende büschel- oder pinselartig zerschlissen sein. Hauptfleisch giebt für Micrasterias pinnatifida l.c. pag. 77 in der Figurenerklärung zu Tafel II, Fig. 7—9 an, daß bei Fig. 7 mit sehr verdünntem Gentianaviolett gefärbt wurde; dabei zeigen sich die Porenorgane kugelig und ungestielt, ohne Büschelstrahlen. Bei Fig. 8 und 9 wurde mit einer Lösung von konzentriertem Gentiana- violett gefärbt, und es zeigten sich die ehedem kugeligen Porenor- gane in Büschelstrahlen vollkommen aufgelöst. Denselben Einfluß einer verdünnten und einer konzentrierten Lösung von Fuchsin führt er bei Micrasterias truncata pag. 76 und Taf. III, Fig. 2 u. 3 und bei Staurastrum bicorne an. Starke Konzentration des Tinktionsmittels kann also die Porenorgane in gewissen Fällen in Strahlen der Gallertstruktur auflösen, woraus wohl zur Genüge her- vorgeht, daß die Porenorgane keine plasmatischen Gebilde, sondern, wie schon angegeben, nur modifizierte Gallertbildungen sind. 29] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 167 Bei Cosmarium bioculatum (Taf. II, Fig8)von Virnheim ließen sich bei längerer Einwirkung einer verdünnten Thioninlösung und Einlegung in Tusche zunächst eine kugelige, weitabstehende, farb- und strukturlose Hüllgallerte wahrnehmen, außerdem aber noch kleine, ganz kurzgestielte Porenorgane, die ein winziges abgerundetes Köpfchen tragen und über die sich Gallertkappen von dichterer Konsistenz als die weite Hüllgallerte wölbten. Deutlicher als bei diesem kleinen Cosmarium konnte ich die Porenorgane bei Micrasterias-Species erkennen. Hauptfleisch fand sie bei M. truncata und behauptet, daß bei M. rotata und M. denticulata von ihm niemals Gallerte und Porenorgane gesehen wurden, was bereits Litkemüller (|. c. pag. 8 in Sep. Fußnote) wider- legt, der bei diesen Species stets Porenorgane und Gallerte fand. Ich kann letzteres nur bestätigen; es gelang mir außerdem mit Tusche- einlegung sogar eine doppelte Gallerthülle bei M. Crux-Melitensis zu konstatieren (Taf. II, Fig. 11), eine breitere, äußere, hyaline und eine schmalere, mit Methylenblau sich schwach blaufärbende Hülle, bis an deren Kontur sehr kräftige und dickgestielte Porenorgane aus den Poren der Membran, die übrigens sehr unregelmäßig verteilt sind, hervor- treten. Etwas abweichend zeigten sich die Gallerthülle und die Poren- organe bei M. denticulata (Taf. Il, Fig. 12ab). Hier war die tingierbare Gallerthülle, (eine hyaline Außengallerte fehlte), wenn man dasselbe Verfahren wie bei M. Urux-Melitensis anwendete, verhält- nismäßig breiter, die Porenorgane zeigten sich jedoch hinsichtlich ihres Stieles und ihres Köpfchens viel feiner, und von letzterem strahlten Büschelfäden aus, wenn stärkere Methylenblaulösung zur Verwendung kam. Es war sogar möglich bei noch stärkerer Konzentration die Köpfchen, wie es Hauptfleisch gezeigt hatte, vollkommen in Büschel aufzulösen. Wenn dagegen sehr stark verdünnte Lösung von Methylen- blau zugesetzt wurde, so färbten sich diese Porenorgane viel eher als die Hüllgallerte. Die vielseitigste Ausbildung und Anordnung der Porenorgane findet sich bei der Gattung Staurastrum. Wie bekannt, ist dieselbe neben Cosmarium überhaupt die artenreichste Desmidiaceengat- tung. Es ist deshalb nicht leicht möglich alle Species zu berück- sichtigen. Bei den von mir untersuchten mögen wieder nur be- stimmte Typen zur Besprechung kommen. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß nicht alle Arten von Staurastrum Porenorgane haben auffinden lassen. Es gelang dies nicht bei Staurastrum teliferum (Taf. U, Fig. 14). Bei Stau- 168 Bruno Schröder: [30 rastrum cuspidatum sind sie merkwürdigerweise nur an den Enden der Zelle um die Basıs der Stachel vorhanden (Taf. II, Fig. 15). Sie sind hier sehr kurz gestielt; soweit sich erkennen läßt, ist das Stiel- chen überall gleichmäßig dünn und das Köpfchen kugelig. Dieselbe Anordnung der Porenorgane fand ich auch bei einer anderen Form von S.cuspidatum. Etwas länger, aber sonst von gleicher Gestalt und über die ganze Zelle mit Ausnahme einer Zone am Isthmus verteilt, zeigten sich die Poren bei S. Zachariasi (90, Taf. II, Fig. 4). Bei S. pseudo- furcigerum waren dagegen die Porenorgane von dem bisher be- schriebenen Aussehen abweichend, indem das Köpfchen fast fehlte (Taf. II, Fig. 17); dafür nahm aber der Stiel von innen nach außen an Dicke zu und dort, wo sonst das Köpfchen sitzt, war höchstens eine minimale Anschwellung vorhanden, die oft nicht vorhanden war. VonS. pseudofurcigerum kam auch eine Zelle zur Beobachtung, bei welcher infolge der Vermehrung durch Teilung die verschieden alten Hälften sich hinsichtlich der Anwesenheit von Porenorganen ver- schieden verhielten. Bei Einlegung in Tusche erschienen zwar beide Zellhälften mit Gallerte umhüllt, aber nur die linke ältere Zellhälfte wies Porenorgane auf (Taf. Il, Fig. 17), die jüngere rechte Hälfte, deren Gallerte sich auch schwächer tingierte, hatte noch keine Porenorgane. S. Iunatum (Taf. II, Fig. 18) ist dadurch bemerkenswert, daß bei ihm wie bei der vorher genannten Species die Stielchen der Porenorgane auch nach außen zu gerichtet immer dicker werden und allmählich eine nagelkopfähnliche Form annehmen. Die Anzahl der Porenorgane variiert mitunter, wie ja auch die Porenzahl bei einer und derselben Species oft inkonstant ist (Fig. 16a u. b). Verhältnis- mäßig lange Porenorgane hat S. Dickiei (Taf. II, Fig. 18). Das distale Ende derselben zeigt eine flache Einschnürung. Bemerkt sei noch, daß zur besseren Sichtbarmachung der Porenorgane bei Stau- rastrum nur sehr verdünnte Farbstoftlösungen zur Anwendung kamen, und die oft weite Hüllgallerte in Tusche erkennbar war. D. Verbindungsfäden. Mit den Porenorganen höchst wahrscheinlich homologe Gebilde sind die von de Bary bei Cosmocladium saxonicum zuerst beschriebenen sogen. Verbindungsfäden (3). Er verglich sie mit den Klammern zwischen je zwei Zellen eines Fadens vonSphaerozosma, die jedoch, wie aus den Abbildungen von Haupffleisch (|37], Taf. II, Fig. 16, 21, 22 u. 27) hervorgeht, und wie ich mich an maceriertem Materiale von Virnheim überzeugte, Bildungen der Zellhaut, und 31] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 169 zwar zapfenartige Ausstülpungen derselben, sind. Wie ich früher schon nachgewiesen (87), nehmen jene Verbindungsfäden aus Poren einer siebplattenartigen Perforation der Membran an der Basis der Halbzellen von Cosmocladıum ihren Ursprung. Wie die Porenorgane nur stets über den Poren stehen, so fanden sich auch die Verbindungs- fäden einzig und allein an den Stellen, wo die Perforationen der Membran gelegen sind. Aus diesem Grunde nehme ich Veranlassung, die Porenorgane mit den Verbindungsfäden zusammenzustellen. Aber auch noch andere Gründe sprechen für eine solche Homologie. Bei Einwirkung von verschiedenen Reagentien, Schwefel-, Salz-, Essig- oder Milchsäure, Natronlauge oder Ammoniak, verschwinden die Ver- bindungsfäden, wie die Porenorgane, als wären sie aufgelöst. Mit sehr verdünnten basischen Teerfarbstoffen färben sie sich ebenso wie die Porenorgane stärker als die Hüllgallerte. In der Mitte jedes Ver- bindungsfadens findet sich eine länglich-ellipsoidische, knötchenartig verdickte Anschwellung des Fadens. De Bary möchte annehmen, daß diese Anschwellung „eine Entstehung aus zwei Hälften andeutet.“ Dies scheint in der That der Fall zu sein. Denken wir uns, daß das Porenorgan der einen Zelle mit seinem Köpfchen an das Köpfchen des Porenorgans der Nachbarzelle an- stößt und mit ihm verschmilzt, was ja bei gallertigen Organen nicht außerhalb der Möglichkeit liest, so haben wir den Verbindungsfaden mit seiner mittleren Verdickung. Auch Wille (108) hält (pag. 11 ın Sep.) die Verbindungsfäden für „Schleimfäden“, und schon de Bary giebt an, daß dieselben aus Gallerte bestehen, „von ähnlicher Zusammen- setzung, wie die gelatinösen Umhüllungen der Desmidiaceen.“ Ich hielt diese Verbindungsfäden, da sie durch Poren der Membran aus dem Innern der Zelle herauskommen, früher für Plasmaverbindungen (l. ce. pag. 22), bin aber nach meinen neueren Untersuchungen an den zahlreichen Porenorganen der Staurastren nun zu der Ansicht ge- langt, daß die Verbindungsfäden nichts als zusammengeflossene Poren- organe sind. Ich hatte früher auch viel zu konzentrierte Farbstoff- lösungen angewendet, die die Gallerte meist sehr schrumpfen ließen, ebenso wie dies Säuren und konzentrierte Alkalien thun, und wodurch die Verbindungsfäden aufgelöst wurden und verschwanden. Bei An- wendung von sehr verdünnten Tinktionsmitteln und langsamer Ein- wirkung derselben auf das Objekt konnte ich die Verbindungsfäden von Öosmocladium subramosum aus Virnheim sehr deutlich sichtbar machen. Wie wir bei Staurastrum pseudofurcigerum Porenorgane sahen, die kein Köpfchen trugen, so bietet diese Üos- 170 Bruno Schröder: [32 mocladium-Species Verbindungsfäden, die keine mittlere Verdickung wie die von Ü. saxonicum aufweisen. Dagegen sind dieselben anderweitig merkwürdig modifiziert. Betrachtet man das sehr kleine C. subramosum bei tausendfacher Vergrößerung und bei entsprechen- der Tinktion, so bemerkt man in der Mitte jedes Fadenpaares, dort wo bei ©. saxonicum die knötchenartige Verdickung sich befindet, bei Scheitelansicht der Familie einen dritten Faden, der wie eine ver- bindende Brücke von einem Faden der beiden parallelen Verbindungs- fäden zum anderen hinübergeht. Am Ausgangs- und Endpunkte dieser Fadenbrücke erhebt sich fast senkrecht auf ihr und den Verbindungs- fäden je ein kurzes Fadenstück, das entweder oben umgebogen oder mitunter sogar in zwei Teile gespalten ist (Taf. II, Fig. 5). Bei Teilungs- stadien der stets vierzelligen Familie von Cosmocladium subra- mosum (Taf. II, Fig. 5) ist sogar auf der Mitte der Fadenbrücke noch ein drittes solches Fadenstück zu sehen. Bei der Teilung der Familie findet eine successive Drehung der Zellen statt. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, daß Plasma aus den Zellen der Desmidiaceen durch die Poren der Membran austritt. Die Poren dienen vielmehr nur zur Gallertausscheidung. Gebilde, welche den Porenorganen in ihrer äußeren Gestalt ähnlich sind, bildet Cien- kowski (|15]|, Taf. 1, Fig. 37 und 38) bei seiner Chlamydomonas rostrata ab und beschreibt sie als „geknöpfte Protoplasmafäden“, die von der Oberfläche des Schwärmers gegen die Hülle hin aus- strahlen. Sie bestehen ebenfalls aus einem feinen Stiel und einem Köpfchen. Ihre Länge ist sehr verschieden, oft werden sie eingezogen, wodurch der „Schwärmer“ (oder besser der Protoplast des Schwärmers) „eine wie mit Körnchen bestreute Oberfläche bekommt“. Auch bei Gloeococcus werden von Cienkowski (l. c. Fig. 59 und 40) Ko-' lonien gezeichnet, „an denen man die Plasmastrahlen sehr klar zur Ansicht bekommt“. Bekannt ist auch von Haematococeus, dab dessen Protoplast pseudopodienartige Ausläufer strahlig zur Hüll- membran ausgehen läßt, was schon am Anfang des vorigen Jahr- hunderts Girod de Chantrans richtig zeichnete (26) und später Cohn (19), Stein (101) und namentlich Blochmann (7) darstellte und beschrieb. Diese Plasmastrahlen leiten, wenn sich einzellige Volvocaceen zu Ko- lonien vereinigen, zu den Protoplasmaverbindungen über, wie wir sie bei Volvox finden. Den Desmidiaceen fehlen derartige Plasmastrahlen und plasmatischen Verbindungen vollkommen. 33] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 171 Diatomaceen. Die Gallertbildungen bei den Diatomaceen lassen sich am besten in zwei Hauptgruppen einteilen, nämlich in lokalisierte Gallertaus- scheidungen seitens des Plasmas durch die Rhaphe, oder einen Porus, oder mehrere Poren, und in allseitige Gallertumhüllungen, deren Ent- stehung noch weiterer Untersuchung bedarf. Die lokalisierte Aus- scheidung von Gallertbildungen ist bei den Diatomaceen im allge- meinen viel häufiger anzutreffen, als bei den ıhnen in mancher Be- ziehung verwandten Desmidiaceen, während Gallerthüllen bei ersteren im vegetativen Zustande weniger häufig sind, als bei letzteren. Be; den Diatomaceen sind die Gallertbildungen entweder unmerklich und dann nicht direkt nachweisbar, oder es gelingt, sie durch Tusche- oder Sepiaeinlegung sichtbar zu machen, oder endlich sind sie mehr oder weniger deutlich auch ohne Anwendung dieser Mittel wahrzu- nehmen. A. Lokale Gallertausscheidung. Die erste Hauptgruppe, diejenige der lokalen Gallertausschei- dungen, kann man in drei Untergruppen gliedern: I. Kittsubstanz zwischen Zelle und Substrat. Eine Anzahl von Schütt (95) als Grundformen bezeichneter Dia- tomaceen, die von ihm den planktonischen Formen gegenübergestellt werden, haften sich mit einer Kittsubstanz, die keine Kieselsäure enthält, an irgend welchen Substraten, organischen wie anorganischen, fest. So sitzen Arten von Cocconeis sowohl im Süßwasser wie im Meere gleich Schildläusen auf Gladophora-Fäden oder Ulva- Thallen etc. ziemlich fest auf, und infolge dieser Lebensweise hat sich eine Differenzierung des Baues der beiden Schalenflächen bei ihnen herausgebildet, indem die Epitheka eine andere Struktur aufweist als die Hypotheka, ein Umstand, der die systematische Bestimmung dieser Arten nur nach der Schalenstruktur außerordentlich erschwert. Aus der Gattung Epithemia sitzen namentlich E. turgida und E. Sorex mit ihren ventralen Seiten auf Confervaceen und Characeen. Zellen von Nitzschia Sigmoidea findet man oft im Frühjahre mit der winzigen Amphora minutissima in zahlreichen Exemplaren besiedelt (siehe auch W. Smith |98], Taf. 2, Fig. 30) oder es ist auf dieser Nitzschia die kleine Üymbella Pedi- Verlandl, d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 12 172 Bruno Schröder: [34 culus anzutreffen, die neben Schizonema Grevillei als Epiphyt auch auf Fadenalgen vorkommt (Kützing |53], Taf. 5, Fig. 38 und Taf. 6, Fig 7). Diese Epiphyten, welche Diatomaceen etc. aufsitzen, werden von Ehrenberg (23) als „Infusorienläuse“ bezeichnet und für Parasiten gehalten, was jedoch nicht der Fall ist, da sie die Algen- zelle lediglich nur als Substrat benützen, indem sie sich mit einer Kittsubstanz festheften. Maceriert man derartige Kommensalen, so wird die Kittsubstanz zerstört, und die kleinen Diatomaceen fallen von dem Substrat los. Durch Färbung ist die Kittmasse schwer nach- weisbar, da sie meist äußerst dünn ist. Bloße Flächenattraktion kann aber die kleinen Organismen an der großen Zelle nicht fest- halten; wäre dies der Fall, dann müßten sie nach der Maceration ebenfalls in der alten Lage geblieben sein. II. Intercellularsubstanz. Auf die Verkittung der Membranen der Valvarseiten zweier benachbarter Zellen der faden- oder bandförmigen Diatomaceen weist Schütt (94, 95) hin. Man findet dieselbe bei Melosira varıans, crenulata, granulata, Binderiana, ferner bei Leptocylindrus, sowie bei den oft lange Bänder bildenden Arten von Meridion, Himantidium, Odontidium, Denticula, Fragilaria, Achnan- thidium, Achnanthes, Rhabdonema, Striatella und Tetra- cyclus, deren Zellen in gleicher Weise nebeneinander geordnet sind, wie diejenigen der Desmidiaceae filiformes, bei welchen ebenfalls eine Intercellularsubstanz vorhanden ist. Bei den Diatomaceen gelingt es in der Regel für gewöhnlich nicht, dieselbe direkt nachzuweisen. Den indirekten Nachweis liefert jedoch, wie bei der Kittsubstanz zwischen Zelle und Substrat, das Verfahren der Maceration mit Sal- petersäure und chlorsaurem Kali. Den Übergang von solchen Formen, bei denen sich eine intercellulare Substanz nicht nachweisen läßt, zu solchen, wo dies durch Färbung möglich ist, bildet Lauderia deli- catula, eine Planktondiatomacee, die ich lebend aus dem Golfe von Neapel untersuchte. [89], (pag. 23, Taf. 1, Fig. 13). Die durch die etwas abgeflachte Wölbung der Valvarseiten entstehenden Zwischen- räume zwischen den Nachbarzellen sind mit einer Gallertmasse aus- gefüllt, die für gewöhnlich nicht sichtbar, aber durch Tinktion mit Methylenblau oder Thionin deutlich wahrnehmbar ist. Ohne Anwen- dung von Farbstoffen hat man schon längst eine mehr oder weniger dicke Intercellularsubstanz, die durch Gallerte gebildet wird, bei Melosira subflexilis, M.nummularioides und insbesondere bei M. Borreri, >35] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen, 173 sowie bei Podosira Montagnei aufgefunden. Auch diese Formen haben, wie Lauderia delicatula, verschiedenartig konvex gewölbte Valvarseiten, aber bei ihnen findet sich die Intercellularsubstanz mehr centrisch gelagert. Ihre Konturen sind im optischen Quer- schnitt entweder fast gerade oder konvex oder konkav. Durch das konvexe Hervorwölben der Valvarseiten und Verbindung benachbarter Zellen durch Intercellulargallerte erlangen die Fäden ein gutes An- passungsmittel gegen das Zerreißen durch stark bewegtes Wasser. Wir finden diese Formen hauptsächlich im Meere, sei es als Grund- formen in der Nähe der Flutgrenze der Küste, oder als plank- tonische Formen der Hochsee, wo in beiden Fällen eine gewisse Dieg- samkeit nach Art der Kugelgelenke für den dauernden Zusammen- hang der Zellen eines Fadens sehr von Vorteil ist. In noch erhöhterem Maaße als bei den genannten Arten von Lauderia, Melosira und Podosira ist das Vorhandensein von Intercellulargallerte noch bei anderen Arten von Lauderia, z. B. bei L. pumila, L. annulata und L. glacialis, sowie bei Thalassiosira auffallend. Castracane (13) bildet allerdings die Gallerte bei L. pumila nicht ab; daß die- selbe aber vorhanden sein muß, geht daraus hervor, daß sonst die Zellen, die keinerlei anderweitigen Zusammenhang aufzuweisen haben, auseinander fallen würden. (leve (17,18) deutet eine Intercellular- gallerte an (l. c. 22, Taf. 2, Fig. 15). Gran sagt [33 (pag. 111)] von Lauderia glacialis, daß ihre kurzeylindrischen mit flachgewölbten Valvarseiten versehenen Zellen der Kette einander nicht berühren, sondern durch zahlreiche feine Schleimfäden und amorphe Gallerte zusammengehalten werden. Ich sah die Gallerte dieser Alge an schönem fixierten Materiale, das mir Gran von der skandinavischen Nord-Westküste sandte, und das ich nach sorgfältigem Auswaschen des Fixiermittels in Tusche beobachtete. Ob die Gallerte wirklich „amorph“, also gestaltlos ist, wird an ganz unversehrtem frischen Materiale noch zu entscheiden sein; mir kamen mitunter Ketten von Lauderia glacialis vor, wo die Gallerte ebenso breit war, wie die Lauderiazellen. Bei Thalassiosira liegen die Verhältnisse ähnlich. Zauterborn (55) und Schröter (92) haben das Vorkommen von einer Gallertmasse zwischen den zu einer Kette verbundenen Zellen von Cyclotella comta var. radiosa im Plankton des Süßwassers aufgefunden. Kurze Ketten davon fand ich auch im Plankton des Neckars bei Heidelberg. Den seltenen Fall einer bandbildenden Rhaphidee, der pelagischen Navicula Vanhöffenii, führt Gran (32) an. Er beschreibt, daß die Einzelzellen eines Bandes „gewöhn- 12* 174 Bruno Schröder: [36 lich etwas von einander entfernt durch ein Schleimband“ zusammen. gehalten werden. Auch diese Kittmasse ist als Intercellularsubstanz zu bezeichnen, die allerdings bei jener marinen pelagischen Form viel mächtiger entwickelt ist, als bei den von Kützing abgebildeten bandförmigen Rhaphideen [53 (Taf. 30, Fig. 8)] Diadesmis confer- vacea und (Taf. 30, Fig. 23) Navicula serians des Süßwassers, die nicht planktonisch leben, sondern als Grundformen zwischen Fadenalgen oder anderen Wassergewächsen vorkommen, ebenso wie Stauroneis acuta, bei welcher auch Bänderbildung gefunden wurde. (Siehe Pfitzer 76). Kam bisher die Intercellularsubstanz an den Berührungsflächen gerader oder halbkugelig abgerundeter Diatomaceenzellen in Betracht, so giebt es außer diesem Vorkommen noch einen besonderen Modus des Zusammenhängens von Zellen, den ich als Spitzenkontakt be- zeichnet habe (89, pag. 158), und der darin besteht, daß die Enden scharf zugespitzter Formen, z. B. gewisser planktonischer Nitzschien, zu langen Ketten mit ihren Spitzen seitlich ein kurzes Stück zusammen- hängen, wodurch die Kette auf einem anderen Wege, als dies bei Lauderia der Fall ist, außerordentliche Biegsamkeit erhält. Einen derartigen Spitzenkontakt bemerkte ich bei einer planktonischen Süßwasserchlorophycee, Actinastrum Hantzschii, sodann bei Nitz- schia fraudulenta aus dem Golfe von Neapel. Ferner bildet Castracane diese Art der Kettenbildung bei Bacillaria socialis var.indica ab (13, Taf. 25, Fig. 9). Desgleichen Cleve (17, Taf. 2, Fig. 23) für Nitzschia pungens und (18, Taf. 1) für N. seriata. In dem oben erwähnten Materiale, das ich der Liebenswürdigkeit Gran’s verdanke, war letztere Nitzschia häufig enthalten. Durch Maceration einer Probe davon mit heißer verdünnter Natronlauge auf dem Objektträger überzeugte ich mich, daß die so behandelten Zellen dieser Nitzschia auseinanderfielen, die Kette sich also in ihre Glieder auflöste, weil die sie verbindende Intercellularsubstanz gelöst wurde. Durch Färbung konnte dieselbe nicht sichtbar gemacht werden. Der durch Spitzenkontakt hergestellte Zusammenhang der an- geführten Nitzschien erinnert lebhaft an ein Stadium der bei der Bewegung neben- und aneinander hingleitender Zellen von Bacillaria paradoxa und zwar an dasjenige, bei welchem die Individuen nur noch mit einem Teile ihrer Endstücke sich berühren, die Kolonie demnach fast ganz auseinander gerückt erscheint. An lebenden Zellen von Nitzschia fraudulenta, die ich aus dem Golf von [2 >] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 175 Neapel untersuchte, habe ich nie eine Bewegung gesehen, wie sie Bacillaria ausführt; auch in dem fixierten Materiale von Neapel und in demjenigen von der skandinavischen Westküste hingen die Nitzschien immer nur ein ganz bestimmtes Stück mit den Enden zusammen. Wäre wirklich auch bei den Nitzschien eine Gleit- bewegung von Zelle an Zelle vorhanden, so müßte man gelegentlich auch in fixierten Proben, die an Ort und Stelle abgetötet worden waren, Kolonien finden, bei denen der Kontakt sich nicht nur auf die Enden beschränkt, sondern die auch mit einem größeren Teile ihrer Seitenflächen zusammenhängen. III. Gallertbasale und Gallertintercalare. Bisher unterschied man allgemein bei der lokalisierten Gallert- ausscheidung der Diatomaceenzelle je nach der Längenausdehnung der ausgeschiedenen Gallertmassen zweierlei Arten derselben, nämlich Gallertpolster und Gallertstiele. wobei man mit jener Bezeichnung Ausscheidungen von geringer Ausdehnung meinte, mit denen die Zellen dem Substrate an einer Ecke aufsitzen, oder mit denen sie in Zickzackbändern, in Ketten- oder in Sternform zusammenhängen. Verlängert sich das Polster, mit dem die Zelle dem Substrat aufsitzt, durch weitere Gallertausscheidung, so entsteht ein Gallertstiel. Über- gänge vom Gallertpolster zwischen Zelle und Substrat zum Gallert- stiele findet man häufig, so daß es nicht immer möglich ist, zu sagen, was Polster und was Stiel ist. Die Gestalt der Polster zwischen den Zellen einer Zickzackkette u. s. w. ist ziemlich konstant. Aus diesem Grunde dürfte es sich empfehlen, die unsicheren Begriffe Polster und Stiel fallen zu lassen und durch schärfere zu ersetzen. Ich bezeichne deshalb die Gallertbildungen zwischen Zelle und Substrat als Gallert- basale, gleichviel, ob es sich um Polster oder um Stiele handelt, und die polsterartigen Gallertbildungen zwischen Zelle und Zelle als Gal- lertintercalare. Gallertbasale und Gallertintercalare haben gewisse Litoralformen der Diatomaceen, nur: Gallertintercalare sind bei Planktonformen ausschließlich anzutreffen, wie bei Asterionella, Thalassiothrix u.a. Bei Tabellaria fenestrata var. asterio- nelloides und bei derselben var. von T. flocculosa, ferner bei der sternförmig angeordneten Diatoma tenue des Süßwasserplanktons unserer Seen ist infolge von Anpassung an das Schweben das Gallert- basal unnötig geworden und in Wegfall gekommen. Das Intercalar kann ein einfaches oder ein zusammengesetztes sein, je nach dem es von einer der benachbarten Zellen oder von beiden secerniert wird. 176 Bruno Schröder: [38 In letzterem Falle zeigt die konvexe Oberfläche desselben eine leichte furchenartige Einschnürung. (Siehe auch Schütt |94|, Taf. 2). Die allmähliche Umwandlung des polsterartigen Gallertbasales zu einem stielartigen Gebilde läßt sich am besten bei den Gattungen Synedra und Gomphonema nebst deren Verwandten erkennen. Bei manchen Formen derselben sind die Polsterbasale so minimal, daß man sie durch entsprechende Farbstoffe kaum sichtbar machen kann. Sie bilden dann nur eine äußerst dünne Kittschicht, mit welcher die Zelle am Substrat mit einem Ende aufsitzt, während der übrige Teil der Zelle frei ins Wasser ragt, ähnlich etwa, wie ein vierseitiges Prisma, das mit seiner Grundfläche befestigt ist. Dies gilt namentlich von den zarten und kleinen Species der genannten Gattungen, z.B. Synedra parvula, subtilis, gracilis undradians, sowie von Gomphonema abbreviatum, micropus und von Podo- sphenia tergestina. Bei etwas stärkeren Formen sind die Gallert- basale mehr als Polster entwickelt; entweder hat jede Zelle ihr eigenes Basal, oder mehrere Zellen haben die Basale zu einem gemeinsamen vereinigt, welches flach oder mehr oder weniger konvex sein kann. Beispiele dafür sind Synedra saxonica, fasciculata, affinis, familiaris und tabulata (Kützing |53], Taf. 15). Streckt sich das polsterartige Basal durch reichlichere Gallertausscheidung aus dem Innern der Zelle seitens des Plasmas durch einen Porus der Membran, den ©. Müller (68) bei Synedra Gallioni auffand, so entsteht ein kürzeres oder längeres stielartiges Basal, wie es be- sonders die marinen großen Synedren: S. cristallina und superba, aufweisen. Ein solches Basal ist entweder einfach oder verzweigt, immer aber der Breite der Zelle oder des Zellverbandes entsprechend dick. Sehr lange, schlanke, unverzweigte Basale haben Achnan- thidium und Achnanthes. Am meisten modifiziert gestaltet sind die Stielbasale von Cocconema, Uymbella, Gomphonema, Rhi- pidophora und Liecmophora, bei welchen wir einfache und ver- zweigte Basale von gleicher oder verschiedener Dicke und mannig- facher Art der Verzweigung finden. Bei Cocconema Cistula, Doryphora Boeckii (siehe Smith [98] Taf. 24), ebenso wie bei Rhipidophora paradoxa und elongata (Smith 1. c. Taf. 25, Fig. 231 und 232), bei Cocconema lanceolatum und Gomphonema marinum (Smith. ec. Taf. C und D, ferner bei Kützing [53] Taf. 6, Fig. 3) finden sich septenartig wie Scheiden aussehende Abgrenzungen, die dort stehen, wo bei der Teilung der Zellen die Bildung zweier jüngeren Stiele stattgehabt hat, während an gleicher Stelle bei Gom- 39] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 177 phonema capitatum $ maior der untere Teil der Verzweigung von einer Scheide kurz umfaßt wird. (Kützing 1. c. Taf. 13, Fig. 2). Von schönster Mannigfaltigkeit der Verzweigung sind die überaus zierlichen, wie mit kristallnen Fächern geschmückten Gallertbasale von Licemophora flabellata, splendida und radians. Pfitzer (16) giebt pag. 90 von Gomphonema und Sphenella an, daß diese für gewöhnlich gestielten Formen sich auch frei, selbst lebhaft bewegen können. Die Substanz des Stieles von Gompho- nema ist nach Pfitzer wie die bei Öocconema und Brebissonia „im jungen Zustande eine farblose, von einer deutlich doppelt kontu- rierten Hautschicht begrenzte Gallerte“ (l. c. Taf. 3, Fig. 11 g!), „an älteren Stielen sieht man dagegen eine mittlere, wohl aus jener Gallerte hervorgegangene bräunliche Masse, umgeben von einer farb- losen Hülle“ (Fig. 11 g). Klebs (49) untersuchte ebenfalls die Gallert- stiele von Gomphonema, deren Zellen in einer „schüsselförmigen Ver- tiefung des Stielendes“ sitzen und kam zu dem Ergebnis, daß auch bei den Diatomaceen die Stiele durch allmähliche Ausscheidung von Gallerte von seiten des Plasmas in die Länge wachsen. Ähnliches erwähnt Hauptfleisch (36) von Brebissonia Boeckii, nämlich, daß diese Gallertbildungen „mehr oder weniger schüsselartig“ die Enden der Brebissonia umhüllen und aus zwei rinnenartigen Hüllen bestehen, welche mehr oder weniger früh aufquellen und miteinander verschmelzen, so daß die Zusammensetzung der Gallert- stiele aus zwei Teilen nicht stets zu erkennen ist. Ferner sagt er, daß die stielartigen Gallertbildungen von den Enden der Zellen her von neuem nachgebildet werden, und daß die Wand dieser Enden bei Tinktion von dunkelgefärbten Fäden durchzogen ist, von denen eben die Neubildung der Gallertrinnen vor sich geht. Karsten (47) fand sodann |]. c. Fig. 185 einen Porus in der Membran jeder Schalenhälfte von Drebissonia und zwar an einem Ende der Zelle, den er am besten mit Methylenblau sichtbar machte. Auch Karsten beobachtete das Wachstum des Stieles. Eine ähnliche Stielbildung sah ich bei Amphipleura pellu- cida aus Virnheim, bei gelegentlicher Gentianavioletttinktion der ziemlich festen Gallerthülle, welche die Geschlechtsorgane von Nitella gracilis umgiebt. Auf dieser Gallerthülle kamen zahlreiche Exemplare von Amphipleura vor, die stielartige Gallertbildungen aufwiesen. Der Stiel war bei dem in Formol fixierten Materiale bandförmig (Taf. I, Fig. 11 b) und schien aus der jederseits am Ende der Rhaphe befindlichen, doppelt konturierten Längsspalte derselbe heraus- 178 Bruno Schröder: [40 zutreten, was sich am besten sichtbar machen ließ, wenn man durch vorsichtiges Drehen des Deckglases zwar den Stiel, nicht aber die Amphipleura-Zelle selbst, ein wenig verschob, was nach einigen mißglückten Versuchen endlich gelang, wobei die Spitze der Zelle die dütenartige Gallertstielhülle durchriß. Da bei der Rhaphe der großen Naviculaceen, wie Pınnularia viridis-major-nobilis, eine Durchbrechung derselben nachgewiesen ist (siehe Zauterborn 57), so ist die Wahrscheinlichkeit einer eben solchen bei der aller- dings ungemein feinen und zarten Amphipleura nicht ausge- schlossen. Es war mir jedoch nicht möglich, diese Durchbrechung bei Amphipleura direkt nachzuweisen. Der Gallertstiel fand sich meist an dem einen Ende der Zelle, seltener an beiden (Taf. I, Fig. 11a). Er erreichte oft die 10fache Länge der Zelle und war. ziemlich so breit oder etwas breiter als diese. Dabei wies er mannigfache Biegungen auf. Bei Zusatz von stark konzentrierten Tinktionsmitteln schrumpfte er und zeige die gleiche lamellös-fbrilläre Struktur, die ich durch dasselbe Verfahren bei den rallertstielbildungen von Euastrum oblongum beobachtete (vergleiche Taf. I, Fig. 11 ce. und Taf. II, Fig. 10 b). Bei reichlicher Wasserzuführung quoll er wieder auf, und die Struktur verschwand. Auch sonst verhielt sich der Gallertstiel von Amphipleura gegen alle Reagentien ebenso wie die gleichen Bildungen von Euastrum und ÜÖlosterium. Leider habe ich lebendes Material von Amphipleura mit Stielbildung nicht mehr gefunden und kann deshalb zur Zeit über die genaueren Verhältnisse der Entstehung dieser Gallertbildung keine weitere Aus- kunft geben. B. Allseitige Gallertumhüllungen. Die allseitige Gallertumhüllung ist bei Diatomaceen nicht in dem reichen Maße entwickelt, wie wir dies bei den Desmidiaceen antrefien. Zudem ist die die Diatomaceen umschließende Hüllgallerte mitunter so hyalin und ihr Brechungsindex dem des Wassers so nahe- stehend, daß es erst bei wenigen Species gelungen ist, Hüllgallerte nachzuweisen. Einlegung in Tusche oder Sepia, desgleichen auch Färbung der Gallerthüllen mit Karbolfuchsin, das Voigt (104) mit Erfolg benützte, können diese Gallertbildungen sichtbar machen. Mir gelang dies ausserdem mit Bismarckbraun und mit Mucikarmin, die aber, ebenso wie das von Lauterborn (57) angewandte Methylenblau, leicht Schrumpfungen der Gallerte hervorrufen. 41] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 179 I. Konstante Gallertumhüllungen. 1. Gallertschläuche. Den Übergang von lokalisierten stielartigen Gallertbildungen zu all- seitigen Gallertumhüllungen bilden die sog. Gallertschläuche der Diatoma- ceen, in welche die Individuen von Schizonema-, Golletonema- und Encyonema-Arten eingeschlossen sind. Nehmen wir an, die beiderseitigen schüssel- oder dütenartigen Enden der vom Plasma secernierten stielähnlichen Gallertbildungen quellen stärker auf als gewöhnlich und rücken infolgedessen so weit aufeinander zu, daß sie sich auf der Mitte der Zelle berühren und vereinigen, so haben wir den Gallertschlauch. Diese Annahme läßt sich mit einer Beobach- tung von Karsten (47) sehr gut in Einklang bringen. Karsten be- merkte in einer Objektträger-Kultur frei umherschwimmende Navi- culaceen, welche in einem ihren Umfang an Weite übertreffenden Schlauche steckten, der 1—3mal so lang war als die Länge der Zellen beträgt. Der Schlauch war hinten und vorn ofien und seine Gallertwand in der Mitte am dicksten. Die Diatomaceen wanderten im Schlauche vor und zurück. Auch Pfitzer (76) sah die Zellen von Golletonema sehr deutlich sich in ihrer Umhüllung bewegen und betrachtete deshalb dieselbe als eine mit Wasser oder dünner Gallert gefüllte Röhre. Gerade die von Karsten hervorgehobene Verdickung der Gallertwand des Schlauches in der Mitte würde für die Richtig- keit meiner Deutung der Entstehung der Gallertschläuche sprechen. Wirkliche Einsicht über diese Entstehung wird erst das sorgfältige Studium der Entwickelung dieser Gallertbildungen am geeigneten Materiale, das mir leider fehlte, lehren. Der Gallertschlauch kann einfach oder auch verzweigt sein. Die Verzweigung wird dadurch hervorgerufen, daß bei der Teilung der Zellen innerhalb des Schlauches die Tochterzellen in verschiedenen Lagen größerer oder kleinerer spitzer Winkel zur Längsachse des alten Gallertschlauches zu liegen kommen und dann am freien Ende des Schlauches Gallertbildungen in anderer Richtung, als der ursprüng- lichen, secernieren, wie solches bei Smith (98) Taf. 55, Fig. 346 ab- gebildet wurde. 2. Gallerthalloide. Nicht immer liegt nur eine Reihe von Diatomaceenzellen in einem hohlen Schlauche, sondern es sind in ihm eine größere Anzahl Zellen entweder regelmäßig oder regellos nebeneinander gelagert, 180 Bruno Schröder: [42 was bei regelmäßiger Zellenlage den Eindruck hervorruft, als ob mehrere einreihige Gallertschläuche zu einem vielreihigen Schlauche vereinigt wären. Kützing (53) zeichnet derartige Schlauchbildungen auf Tafel 22—28, ebenso Smith (98) auf Tafel 55, 56 und 58. Mit- unter sind die Begrenzungslinien der einzelnen vereinigten Schläuche noch deutlich erhalten, in anderen Fällen sind sie nicht mehr wahr- nehmbar. Diese in der Richtung der Breite vergrößerten schlauch- bis blattartigen Gallertbildungen bezeichne ich als Gallertthalloide. In der That haben dieselben mit dem Thallus mancher verzweigten Fadenalgen oder blattartig gelappten Florideen, Phaeophyceen oder Chlorophyceen große Ähnlichkeit, die soweit geht, daß jemandem, der zum erstenmal am Meeresstrande Algen sammelt, es passieren kann, daß er statt einer Cladophora oder eines Ectocarpus bei mikro- skopischer Durchmusterung seiner Fundobjekte eine Grallertthalloide bildende Diatomaceenkolonie erblickt. Haben doch die alten Autoren, wie Lyngbye, Trentepohl, Jürgens, Mohr, Dillwyn, Gallertthalloid bildende Schizonemen als Bangia, Oscillaria, Conferva oder Ulva beschrieben. Diese Gallertbildungen finden sich außer bei Schizonema noch bei Homoeocladia, Dickiea und bei Micro- mega, welche sämtlich an der Flutzone des Meeres wachsen. Ihr Gallertthalloid, zu dem sie sich vereinigt haben, ist ziemlich zäh und dabei leicht beweglich und bietet ein gutes Anpassungsmittel an die Bewegung der Wellen. II. Inkonstante Gallertumhüllungen. Während die Gallertschläuche und die Gallertthalloide beständig gewisse Arten von Diatomaceen umhüllen und aus einer konsistenteren, leicht wahrnehmbaren Hüllgallerte bestehen, sind bei den Kieselalgen besonders neuerdings auch sehr weiche und äußerst hyalıne Gallert- hüllen von großer Zartheit beobachtet worden, die nicht immer vor- handen zu sein scheinen, sondern oft fehlen. Die ersten Angaben über dieselben dürfte wohl Johanna Liders (62) gemacht haben, die im Anschluß an ihre Mitteilungen über die bei der Kopulation der Diatomaceen sich vorfindende Hüllgallerte auch von Gallerthüllen bei nicht kopulierenden oder Auxosporen bildenden Algen spricht und ver- mutet, daß diese Gallerthülle „von einer aus den Zellen stattfindenden Ausscheidung herrührt“. An einer anderen Stelle (l. c. Fußnote pag. 42) giebt sie an, daß die Hüllen ganz glatt und scharf (?) umschrieben sind, daß sie dasselbe Aussehen haben, wie die Gallertbasale von Cocconema oder Gomphonema, daß sie aber in der Regel durch 43] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 181 eine Scheidelinie von ihnen abgegrenzt sind. Letzteres Moment hebt auch Karsten (47, pag. 44) hervor, und ich kann das Vorhanden- sein einer Scheidelinie zwischen Gallerthülle und Gallertbasal oder Gallertintercalar nach Untersuchungen an Tabellarıa (Taf. 1, Fig. 13 und 14) bestätigen. Auch Hauptfleisch (36) hat derartige Hüllen ge- sehen, er beschreibt sie als „außerordentlich weich“ und meint, daß es selten gelingt, sie ohne Anwendung von Reagentien zu finden. Miller, der früher das Vorhandensein solcher Gallerthüllen leugnete, modifizierte später diese Ansicht, da er solche Gallertbildungen bei Pınnularıa mit verschiedenen Reagentien sichtbar machen konnte. Bütschli (11) und Lauterborn (57) fanden sie ebenfalls sowohl bei Pinnularia, als auch bei Uymbella cuspidata. Ich sah sie bei verschiedenen Naviculaceen, so bei Pinnularia viridis und ra- diosa, ferner bei Stauroptera parva, bei Fragilaria cro- tonensis (Taf. 1, Fig. 12) und bei unseren einheimischen Tabel- larıen. Sehr interessant ist das Vorkommen einer fallschirm- artigen Gallerthülle bei zwei planktonischen Süßwasserdiatomaceen, nämlich bei Asterionella und bei Tabellarıa fenestrata var. asterionelloides, das Voryt (104) kürzlich beschrieb. Diese Gal- lerthülle weist noch aus Körnchen zusammengesetzte Fäden auf, die Voigt mit den Protoplasmafäden von Acanthochiasma rubens, Plagiacantha abietina und vor allem mit den von Üoelacantha anchorata (Hertwig |38]) vergleicht. Er hat beim Glühen der Asterionella-Zellen keine seitlichen Öffnungen, die zum Gallert- austritt dienen, wahrzunehmen vermocht und nimmt deshalb an, daß die Hüllgallerte von jenen Protoplasmafäden ausgeschieden wird. Bei Tabellarıa hat Müller (68) indessen zweierlei Gallertporen in der Zellwand nachgewiesen, den einen am Ende der Zelle, den anderen „seitlich von der valvaren Apikalachse und zugleich seitlich von der Transapikalachse“. Deshalb würde wenigstens für Tabellarıa die Voigt'sche Annahme, daß extracelluläre Plasmafäden die Hüllgallerte absondern, wegfallen. Bei Betrachtung mit sehr starken Systemen wird man gewiß auch bei Asterionella Gallertporen in der Mem- bran nachweisen können, wie dies bereits bei den mit Asterionella so nahe verwandten Gattungen Diatoma, Grammatophora und Synedra von Müller 1. c. geschehen ist. Deutet doch das Vor- handensein der bei Diatoma, Tabellaria und Grammatophora vorkommenden Gallertintercalare, die durch einen endständigen Porus ausgeschieden werden, und die auch bei Asterionella sich finden, darauf hin, daß auch bei dieser Diatomee ein Porus mindestens vor- 182 Bruno Schröder: [44 handen sein muß. Bei Tabellarıa flocculosa, die ich mit alko- holischer Lösung von Mucikarmin färbte, sah ich übrigens eine ähn- liche Gallertbildung außer der die Zellen umgebenden Hüllgallerte, die wie ein feines Häutchen sich über die Winkel spannte, die die Zellreihen als Zickzackbänder bilden. Fädige Gebilde habe ich dabei nicht bemerkt (Taf. 1, Fig. 13). Grenfell (34) wollte bei Melosira und Cyclotella das Vorkommen von strahlenförmigen Pseudopodien gesehen haben, seine Beobachtungen sind aber bereits widerlegt worden. Von einer großen Surirella teilt /mhof (46) mit, daß auf den Längs- kanten ihrer Flügel Poren vorhanden sein sollen, aus denen „Proto- plasmafortsätze“ hervortreten, die durch einen längsverlaufenden Plasma- strang miteinander in Verbindung stehen sollen. Als einzigen Nachweis, daß der heraustretende Stoff wirklich Plasma ist, führt Imhof an, daß derselbe bei der genannten Surirella mit „einem grünen Ton be- haftet“ sei, l. c. pag. 719, was doch schwerlich jemand als Beweis für die protoplasmatische Natur jenes Stoffes gelten lassen wird. Auch der Annahme eines extramembranösen Plasmas bei Cyclo- tella socialis Schütt (94) kann ich nicht beistimmen, da die Be- weise für die wirkliche plasmatische Beschaffenheit der schleim- artigen, extracelluliren Bildungen mir nicht zwingend erscheinen, und dieselben trotz der von Schütt 1. c. abgegebenen Erklärungen eben- sogut Gallertbildungen wie Protoplasma sein können. Wie schon erwähnt, kommen auch bei der Kopulation und bei der Auxosporenbildung der Diatomaceen weite Gallerthüllen vor, auf die ich jedoch nicht näher Bezug nehmen will, da mir solche Gallertbildungen für eine eingehendere Untersuchung nicht zur Verfügung standen. Nur beiläufig möchte ich auf eine scheinbare Gallertumhüllung, die bei Kieselalgen gefunden wurde, hinweisen. Man sprach früher von einer Art Cystenbildung. Liüders (63) prüfte derartige Fälle und kam nach fortgesetzter Beobachtung zu dem Ergebnisse, daß Amöben die Kieselalgen umflossen hatten, um sich von ihnen zu nähren. Lüders stellt einen solchen Zustand durch eine instruktive Zeichnung dar (l. ec. pag. 379), auf der auch die Pseudopodien der Amöbe zu sehen sind. Hieronymus (40) führt später eine Beobachtung von Janisch an, der Pleurostaurum acutum, Cocconema Cistula und Surirella splendida in ähnlichen Hüllen fand, die von Chlamy- domyxa labyrinthuloides umflossen waren. 45] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 183 Schizophyceen. Auf die mannigfachen Gallertbildungen der Schizophyceen soll nur kurz eingegangen werden, und es sei auf die diesbezüglichen Ar- beiten von Gomont (30), Klebs (49), Hansgirg (35) und Brand (9) hingewiesen. Aphanizomenon wurde neuerdings von Klebahn (51) beschrieben, welcher nur angiebt, daß die Sporen abgerundet-cylindrisch sind. Durch Tuscheeinlegung und Thionmtinktion trat eine Gallerthülle um die Sporen hervor, die wenig breit, aber strahlig strukturiert erschien (Taf. 1, Fig. 16). Die Strahlen standen nahezu rechtwinkelig zur Wand der Sporen und gingen bis an die äußere Kontur der Gallerte. Sie waren sehr fein und homogen und erinnern ın ıhrem Aussehen einigermaßen an diejenigen von Ulothrix mucosa (Taf. 1, Fig. 2). Klebs fand bei einer Sphaerozyga ebenfalls eine strahlige Struktur der Gallerthülle, wenn er dieselbe mit Methylenblau oder Methyl- violett färbte. Seine Abbildung auf Taf. IV, Fig. 24c zeigt dieselbe genau so, wie ich die Struktur bei Anabaena-Arten, z. B. Ana- baena solitaria, macrospora und spiroides beobachtet habe, als ich die dicken Gallerthüllen dieser Algen mit Thionin färbte. Derartige Strukturen sind bei Anabaenen jedoch nicht immer auf- zufinden; so untersuchte ich eine Anabaena spec. aus dem Land- stuhlmoor, welche zwar eine Gallerthülle hatte, aber an Stelle der strahligen Struktur nur stark tingierte granulöse Massen an den Außenwänden der Dauerzellen erkennen ließ (Taf. 1, Fig. 15). Auch färbte sich die Hüllgallerte nur äußerst schwach. Von Sirosiphon-, Tolypothrix- und Oscillatorien- Arten giebt Klebs (49) an, daß dieselben sehr indifferent gegenüber den Farbstoffen und Reagentien sind. Ich versuchte mit allen mir zur Verfügung stehenden basischen Teerfarbstoffen Strukturen ähnlich denen der Anabaena nachzuweisen; doch gelang mir dies nicht, da die Gallertscheiden sich entweder gar nicht oder nur schwach und ungleichmäßig färbten. Dasselbe gilt auch von den Gallertscheiden von Plectonema, Scytonema, Gloeotrichia, CGalothrix und Microchaete. Bekannt sind gallertige Umhüllungen von Chroococeus, Me- rismopoedia, Öoelosphaerium und anderen Chroococcaceen, deren Gallerthüllen schon ohne weiteres unter dem Mikroskop sicht- bar sind. Von Öoelosphaerium beschrieb Leitgeb (60) die Gallert- 184 Bruno Schröder: [46 hülle ausführlich. Dieselbe ist nach ihm meist homogen und gegen die umgebende Flüssigkeit nicht deutlich abgetrennt. Nägeli (69) nennt die Gallerte strukturlos und zeichnet die Hülle sehr schmal (l. c. Taf. I, C, Fig. ec). Legt man eine Coelosphaerium-Kolonie in Tusche ein, so sieht man, daß die Gallerthülle bedeutend weiter ist, als dies Nägeli angiebt. Färbt man dann mit Dahlia oder Methyl- violett, so bemerkt man auch bei dieser Chroococcacee eine strahlige Struktur der Außenhülle, wie dies Zeitgeb auf seiner Taf. II, Fig. 3 zeichnet, der die Gallerte mit Fuchsin färbte und von den Strahlen meint, daß sie sich in einigen Fällen noch über die Gallerthülle hin- aus fortsetzen. Letzteres ist jedoch nur scheinbar der Fall, denn man kann ohne Tuscheeinlegung die äußersten Partieen der Gallerte nicht mehr wahrnehmen. Bei Anwendung von Tusche ist zu ersehen, daß die Strahlen nicht aus der Gallerte hinaus, sondern nur bis in die nach außen zu immer wasserreicher und mehr verquellbarer werdende Gallerte reichen. Auch die Gallerte im Innern der Coe- losphaerium-Kolonie zeigt Strahlenstruktur. Im allgemeinen ähnelt dieselbe derjenigen, die Senn (97) bei Dietyosphaerium beschreibt und bildlich darstellt, oder noch mehr derjenigen von Dieranochaete reniformis, von der Hieronymus (39) mitteilt, daß nach Safranin- färbung die Gallerthülle dieser Alge radiale Strahlen zeigt, die auf seiner Figur 19, Taf. XII, nicht direkt von der Zellmembran aus- sehen, sondern eine breitere oder schmälere Partie um die Zelle frei lassen, welche ein granuliertes Aussehen hat, ganz so, wie ich dies bei Coelosphaerium fand. Auch Hieronymus sagt, daß die innere, gra- nulöse Gallertschicht bei Dieranochaete dichter und das Licht stärker brechend ist, als die äußere, weniger dichte, strahlig struk- turierte und weitere Gallerthülle, die nach außen zu mehr und mehr verschleimt. Merismopoedium tenuissimum und Chroococceus ließen bei Tuscheeinlegung außer der ohne weiteres sichtbaren Gallerthülle noch eine reichere Außenhülle wahrnehmen, die keinerlei Struktur auf- wies (Taf. 1, Fig. 17 und 18). Diese äußere Hülle ist von gleicher, mit- unter sogar von größerer Dicke als die innere und dürfte lediglich durch Verschleimen der letzteren entstanden sein. Hervorgehoben mag noch werden, daß auch Bakterien aus faulen- den Flüssigkeiten, in Tusche gebracht, ziemlich weite Gallerthüllen zeigen (Strasburger |102) pag. 389), wie ich mehrfach zu beobachten Gelegenheit hatte. 47] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 185 Über die biologische Bedeutung der Gallertbildungen der Algen. Erwägt man die biologische Bedeutung der Gallertbildungen, die so mannigfach und häufig bei den Algen vorkommen, so gelangt man nach dem jetzigen Stande unserer Kenntnis zu dem Resultate, daß diese Bildungen als Anpassungseinrichtungen verschiedener Art aufzufassen sind. In erster Linie kommen Gallertbildungen als Schutzmittel gegen physikalisch-chemische Veränderungen des die Alge an ihrem natür- lichen Standorte umgebenden Mediums in Betracht. Fast alle die- jenigen Algen, die an überrieselten Felsen, feuchten Mauern, Glas- scheiben der Gewächshäuser, Brunnentrögen, feuchten Moospolstern etc. vorkommen, weisen mehr oder weniger dicke, weiche oder zäh- konsistente Gallerthüllen auf. Dieselben befähigen die an jenen Stellen vegetierenden Algen, auch Zeiten der Trockenheit ihres Standortes zu überdauern, ohne durch dieselbe geschädigt zu werden. Die Gallerte hat die Fähigkeit, Wasser längere Zeit festzuhalten oder aufzunehmen. Hansgirg (35) hielt 4 Monate lang Schizophyceen im lufttrockenen Raum und fand dann die Gallerte z. B. von Aphanothece cal- dariorum noch nicht ganz ausgetrocknet. Wer in einem gut gelüf- teten Gewächshause im Sommer auf Algen fahndet, wird wenig Aus- beute haben. Ganz anders aber ist es im Februar und März, wo die im Sommer trocknen Wände und Glasscheiben namentlich in älteren Gewächshäusern mitunter eine reiche aörophytische Algenflora tragen, deren Komponenten sämtlich von dicken Gallerthüllen umschlossen sind, die die Algen den trockenen Sommer über schützen. Daß die Algengallerte viel Wasser aufnehmen kann, lehrt beispielsweise Nostoc commune während eines längeren Landregens, nach welchem diese Alge sehr erheblich aufgequollen erscheint. Die beständig unter Wasser lebenden Algen haben obige Gefahren des Vertrocknens nicht zu fürchten, doch müssen sie sich gegen Kon- zentrationsänderungen ihrer Umgebung schützen und umscheiden sich deshalb mit Hüllgallerte. Wer Algen kultiviert, weiß, wie empfindlich dieselben mitunter gegen Veränderungen der Nährlösungen sind, und wie manche Formen nur in dem Wasser ihres natürlichen Standortes normal gedeihen. Wie Graham (31) gezeigt hat, ist für eine gewisse Klasse von Lösungen die Diffusion in Gallerte unmöglich oder doch sehr er- schwert. Es sind dies Lösungen amorpher Körper, während Lösungen 156 Bruno Schröder: [48 von Krystallen ebenso gut wie in reinem Wasser in der Gallerte fort- schreiten sollen, vorausgesetzt, daß die Gallerte nicht durch das Ein- dringen der Lösung so schrumpft, daß auch das Fortschreiten dieser nach dem Innern der Gallerte gehindert wird. Die Gallerte um die Algen wirkt demnach wie ein Dialysator. Sie schützt die Alge vor schädigenden äußeren chemischen Einflüssen !). Sie hat etwa ähnlichen Nutzen wie die gegen Chemicale so resistente Cuticula der höheren Pflanzen. Auch an jungen Sprossen der siphonogamen untergetauchten Wasserpflanzen finden sich, wie Schilling (83) nachgewiesen hat, der Hüllgallerte der Algen analoge Gallertbildungen, die die zarten Or- gane dieser Pflanzen einhüllen. Göbel (29) sieht ebenfalls die her- vorragendste Aufgabe des Schleimes oder der Hüllgallerte in der Eigenschaft derselben, eine äußerst langsame Wasserverschiebung im Innern dieses Stoffes zu ermöglichen, und Schilling kommt am Schlusse seiner Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß der Schleim „als Schutz- mittel der jungen Pflanzenteile gegen die unmittelbare Berührung mit Wasser anzusehen“ ist. Einen Versuch, der direkt das Ausscheiden von Gallerthüllen beı Diatomaceen infolge von Wassermangel und dadurch hervorgerufene stärkere Konzentration der im Wasser gelösten Nährstoffe zeigt, führt Liiders (62) an. Wenn man nämlich Diatomaceenmaterial, das, durch Wassermangel gezwungen, Gallerthüllen ausscheidet, mit frischem Wasser übergießt, so sollen nach Lüders schon am nächsten Morgen viele Hüllen leer und die Zellen ausgeschlüpft sein. Andere sind schon im Ausschlüpfen begriffen, und am dritten Tage sollen fast alle Hüllen verschwunden sein. Läßt man nun die Diatomaceen wieder längere Zeit an frischem Wasser Mangel leiden, so umgeben sie sich aufs neue mit Hüllen. Klebs (49) wies mehrfach besonders an Zygnema nach, daß im Wasser gelöste, anorganische Stoffe, die verderblich für den Or- ganismus der Alge sind, sich in die Gallerte derselben einlagern können. Kommt Zygnema zu rechter Zeit wieder in reines Wasser, so schadet ihr der vorherige Aufenthalt in der giftigen Lösung nichts, da die Alge durch die Produktion neuer Gallerte die bisherige Gallerthülle allmählich abstößt. 1) De Bary (4) und Auerbach (2) geben von den Plasmodien der Mycetozoen und Amöben an, dass auch sie von einer Gallerthülle umschlossen sind und keine nackten Plasmamassen darstellen. Ich zweifle, ob es überhaupt nackte Plasmakörper giebt, die mit Wasser in Berührung kommen. 49] Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 157 Öfter findet man in der Litteratur Angaben, daß die Gal- lerte den Algen einen Schutz gegen Bakterien bieten soll. Derselbe wird aber nicht allzuhoch anzuschlagen sein; denn lebende, gut assi- milierende Algen dürften kaum von Bakterien angegriffen werden, und toten Algen nützt die Hülle so wie so nichts mehr. Daß die Gallerthülle nur einen geringen Schutz gegen pflanzliche Feinde ge- währt, zeigen die verschiedenen Parasiten aus der Gruppe der Chytri- diaceen, die ungehindert, durch etwa vorhandene Gallerte hindurch, sich 'an den Algen festsetzen und sie zerstören. So tötet Rhizidium zygnematis die Zygnema-Arten, Rhyzophydium sphaero- carpum lebt parasitisch auf Spirogyra, und Dangeardıa ma- millata tötet Pandorina trotz ihrer dicken Gallerthülle. Zopf (111) beschreibt noch eine Anzahl von Chytridiaceen, die in gleicher Weise die Algen zum Absterben bringen, ohne daß die vorhandene Gallert- hülle hindernd oder schützend wirken könnte. Außer Bakterien siedeln sich mehrere Alsen direkt innerhalb der Hüllgallerte an. Man bemerkt mitunter im Gallertlager von Batrachospermum, Chaetophora, Schizochlamys u.a. bekanntlich eine Calothrix- Species oder Chaetonema irregulare, und in der Gallerthülle von Dictyosphaerium und verschiedenen Desmidiaceen leben Peroniella gloeophila und Fulminarıa mucophila (Gobi [27]), die indessen als harmlose Symbionten keinerlei schädigenden Einfluß ausüben, und für welche die Gallerthülle ihres Wirtes nur ein Schutzmittel ist. Wie durch Stahl (99) erwiesen und neuerdings wieder von Hunger (45) bestätigt worden ist, dient gewissen Algen ihre Gallerthülle als Schutzmittel vor dem Verzehrtwerden seitens der Schnecken. Sie soll verhindern, daß die Radula, jenes zahnartige Organ derselben, mit welchem sie Pflanzenteile zerkleinern, an die Algenzellen selbst heran- kommt, indem sie an der Gallerthülle abgleitet. Fütterungsver- suche haben dies an Nitella syncarpa, Chaetophora elegans, Batrachospermum moniliforme, Rivularıa Brauniana und Nostoc commune gezeigt. Die Gallerthüllen dürften aber auch den Schnecken gegenüber nur einen begrenzten Schutz gewähren; denn wenn man ein mit schleimigen Algen allzu sehr angefülltes Aquarium gründlich reinigen will, so kann man dies am bequem- sten dadurch thun, daß man einige Lymnaeen oder Planorben hinein- bringt, die jenes Reinigungsgeschäft gewissenhaft besorgen, wenn sie keine andere Nahrung finden. Einzellige Algen, deren Kolonieen von einer weiten, konsistenten Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VI. Bd. 13 188 Bruno Schröder: [50 Gallerthülle umschlossen sind, erhalten dadurch einen Schutz gegen das Verschlungenwerden durch Mikroorganismen, wie durch Amöben, durch die gefräßigen Rädertiere oder durch Copepoden. Die Gal- lerthülle wirkt dann wie eine Art Sperrvorrichtung, so bei Eudorina, Uroglena, Synura, Gomphosphaeria, Coelosphaerium u.a. Kam die Gallerthülle für die Algen bisher als Schutzorgan in Betracht, so dient eine lokalisierte Gallertausscheidung den Desmi- diaceen und Oscillatoriaceen als Bewegungsmittel, wie bereits im früheren Abschnitten erörtert worden ist, und wie dies auch ın gleichem Maße für die Coceidien von Schaudın (81) und für die Gre- garınen von Schewiakoff (82) ermittelt wurde. In allen diesen Fällen dient eine an bestimmten Stellen ausgeschiedene Gallerte der ÖOrts- veränderung. Die Algen werden durch dieselbe dem Lichte zugeführt, das sie zur Assimilation bedürfen, oder sie können sich an bestimmte Punkte begeben, wo sie mehr Sauerstoff erhalten, den sie zur Atmung nötig haben. Nach Hunger (45) lassen sich die Gallerthüllen der Algen mit Ortsbewegung funktionell mit dem Schleimüberzuge der Fische ver- gleichen, ebenso mit demjenigen der Blutegel oder der Regenwürmer. Die Gallerthüllen bieten ein Schutzmittel bei der Bewegung der Algen gegen Verwundung der Zellen, indem die betreffenden Algen an scharfen Substratpartikeln, z. B. Kieselsplittern, vorübergleiten, ohne daß durch direkte Berührung des Zellkörpers mit denselben eine Verletzung ein- tritt. Auch mindern die weichen Gallerthüllen den Reibungswider- stand, den die oft unebene Membran der Algenzelle hervorrufen würde, auf ein Minimum herab, wodurch die Bewegung der Fäden der Des- midiaceen und ÖOscillatoriaceen weniger gehindert wird. In ausgedehntem Maße dient die Hüllgallerte den Algen als Schwebemittel, ein Moment, welches auch bei den pelagischen kolonie- bildenden Radiolarien oder Sphaerozoeen, z. B. bei Collozoum, sich wieder findet. Im Plankton des Süßwassers findet man eine ganze Anzahl von Algen, die mehr oder weniger weite Gallerthüllen auf- weisen, es sei nur an Sphaerocystis Schröteri, Staurogenia Lauterbornei, Synura, Uroglena, Eudorina und Pan- dorina erinnert, während im Meere des Nordens Phaeocystis Pouchetii als Gallertalge sich planktonisch findet, ebenso wie die im Stillen Ocean lebenden Cyanophyceen Haliarachne und Kata- gsnymene (61), welche wie unsere Anabaena-Arten des Süßwassers eine Gallertscheide haben. 51] 19. 20. Untersuchungen über Gallertbildungen der Algen. 189 Litteratur-Verzeichnis. . Aderhold, R., Beitrag zur Kenntnis richtender Kräfte bei der Bewegung niederer Organismen, in: Jenaische Zeitschr. f. Naturwissenschaften. Bd. XXII, N. F. XV. 1888. . Auerbach, L., Über die Einzelligkeit der Amöben, in: Zeitschr. f, wissensch. Zoologie. Band VII. 1856. De Bary, A.,Cosmocladium, in: Flora od. allgem. bot. Zeit. Regensburg 1865. — Mycetozoen, in: Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 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In Tusche mit verdünntem Thionin gefärbt. Fig. 4. Scenedesmus obtusus Meyen. Von Virnheim. ®°A. Weite Gallerthülle. In Tusche. Fig. 5. Staurogenia irregularis Wille. Von Virnheim. Doppelte Gallerthülle, innere strukturiert, %°°/ı. In Tusche mit Metbylvioletttinktion. 194 Bruno Schröder: [56 Fig. 6. Rhaphidium Pfitzeri nob. Von Virnheim. !%°,. In Tusche. Fig. 7. Rh. contortum Wolle. Von Virnheim. #°/ı. In Tusche. Fig. 88 Dimorphococeus lunatus A.Br. Von Reutte bei Freiburg i. B. Lokale Membranverdiekung an den Enden der Zellen und Intercellursubstanz nebst weiter Gallerthülle. !°%/ı. Neutralrottinktion in Tusche (Material in verdünntem Alkohol konserviert). Fig. 9. Palmodactylon varıum Näg. Von der Weilsen Wiese im Riesengebirge. Gallert durch Methylenblautinktion selbst nach Auswaschen des Farbstoffes noch etwas geschrumpft; um die unteren beiden Zellen granuliert er- scheinende Höfe nach der Tinktion zeigend. *#°°/ı Methylenblaulärbung. Fig. 10. Tetraspora gelatinosa Ag. Von der Weilsen Wiese. a) Weit- abstehende Hüllgallerte wenig kontrahiert. Zellen mit sogenannten Pseudocilien. Teılungsstadien. In Tusche mit sehr verdünnter wässeriger Lösung von Neutral- rot. #1. b) ın 50°o Alkohol. Gallerte und Pseudoeilien stark geschrumpft, letztere peitschenartig verbogen. *°/ı. Fig. 11. Amphipleura pellucida Kütz. Von Virnheim. a) Zelle an beiden Enden mit Gallertstielen. b) Bandartiger Gallertstiel von der Spitze der Zelle weggebogen. c) Lamellöse Struktur des Stieles bei starker Tinktion sicht- bar werdend. °/ı, Gentianaviolettfärbung. Fig. 12. Fragilaria erotonensis Kitton. Von Virnheim. Weite Gal- lerthülle um ein kurzes Zellband. °?°/ı, in Tusche. Fig. 13. Tabellaria flocceulosa Kütz. Vom Kümmelbacher Hofe bei Heidelberg. Zellkette mit Basal- und Intercalarpolstern und doppelter Gallerthülle, innere dichter. °°°/ı, alkoholische Mucikarmintinktur. Fig. 14. T. fenestrata Kütz. Vom Kümmelbacher Hofe. Mit Inter- calarpolstern und einfacher hyaliner Gallerthülle. "°°/ı, in Tusche, Bismarckbraun- tinktion. Fig. 15. Anabaena spec. Vom Landstuhlmoor i. d. Pfalz. Struktur- jose Gallerthülle um den ganzen Faden, an den Aufsenwänden der Dauerzelle stark tingierte granulöse Massen. °’®/ı, in Tusche, Methylenblaufärbung. Fig. 16. Aphanizomenon Flos-aquae Ralis. Von Virnheim. Dauer- zelle von einer schmalen, strahlig strukturierten Gallerthülle umschlossen. **°/ı, in Tusche, Thionintinktion. Fig. 17. Merismopoedium tenuissimum Lemmermann. Vom Land- stuhlmoor. Zellen in doppelter gemeinsamer Hüllgallerte ohne Struktur, ®%ı, in Tusche. Fig. 13. Chroococcus spec. wie Fig. 17. Tafel 1. Fig. 1. Gonatozygon Ralfsii De Bary. Von der Weilsen Wiese. Zellenden mit Intercellularsubstanz. '%°/ı, Methylenblautinktion. Fig. 2. Spondylosium spec. Von Virnheim. Zellen mit Intercellular- substanz, strukturierter innerer und strukturloser äufserer Gallerthülle. °/ı, in Tusche, Thionintinktion. Fig. 3. Closterium Lunula Ehrbg. Vom Kümmelbacher Hofe. Mit allseitiger Gallerthülle und an einem Ende ausgeschiedenem Gallertstiele. *°°/ı, in Tusche. 57] Untersuchungen über (Gallertbildungen der Algen. 195 Fig. 4 C. moniliferum Ehrbg. Vom Kümmelbacher Hofe. Lokale ein- stündige Ausscheidung von spiralig gewundenen Gallertstielen erst links, dann rechts. °°/ı, in Tusche. | Fig. 5. Cosmocladium subramosum Schmidle. Von Virnheim. a) Sei- tenansicht einer normalen 4zelligen Familie in gemeinsamer Hüllgallerte, die über den Scheiteln der Zellhälften strukturiert erscheint. Zwischen den Zellen die sogen. Verbindungsfäden, in Tusche; Safranintinktion. b) Zellfamilie in Teilung begriffen, Teilungsebene der beiden Zellen links horizontal zu derjenigen der beiden Zellen rechts. Formolfixage-Safranintinktion. a) und b) !9%,, Fig. 6. Disphinetiumconnatum De Bary. Von Virnheim. Zwei durch Teilung einer Mutterzelle entstandene Tochterzellen, die noch mit den Scheiteln ihrer neugebildeten Zellhälften zusammenhängen. Weite zartstrukturierte Hüll- gallerte, bei der Berührungszone der Zellen tief dunkel tingiert, *#°%/ı, in Tusche, Methylvioletttinktion. Fig. 7. Cosmarium subtumidum Nordst. Von Virnheim. Zelle mit 3 Gallerthüllen, die innerste mit Stäbehenstruktur, die mittelste ebenfalls, aber granulös, die äulserste hyalin. °° lt, in Tusche, Dahliatinktion. Fig. 8. C. bioculatum Br&b. Vom Landstuhlmoor. Zelle mit Poren- organen, Gallertprismen darüber und weiter Hüllgallerte. 635/,, in Tusche, Thionin- tinktion. f Fig. 9. Arthrodesmus octocornis Ehrbg. Vom Landstuhlmoor. Weite strukturlose Hüllgallerte. #°5/ı, in Tusche, Methylenblautinktion. Fig. 10. Euastrum oblongum (Grev.) Ralfs. Vom Kümmelbacher Hofe. a) Zelle mit 1'/2stündiger lokaler Gallertausscheidung in Tusche. #%/ı; b) Gallert- stiel stärker vergrölsert #°/ı, a und a’ geben die natürliche Dicke den Stieles in neutraler Tuschelösung an, b und b‘ zeigen den Stiel nach Behandlung mit ver- dünntem Methylenblau stark geschrumpft und lamellös strukturiert '.) Fig. 11. Micrasterias Crux-Melitensis Ehrbg. Von der Weilsen Wiese. Ein Viertel der Zelle mit äufserer und in Tusche sichtbarer Gallerthülle, innerer, mit Methylenblau tingierter Gallerthülle und zahlreichen Porenor ganen. °/ı. Fig. 12. M. denticulata (Breb.) Ralfs. Von der Weilsen Wiese. a) Rechte Hälfte eines Szheitellappens im optischen Querschnitt mit Hüllgallerte und büscheltragenden Porenorganen nebst den Poren der Zellmembran; b) Zone um den Isthmus der beiden Zellhälften, dort längere Porenorgane als am Scheitel, dieselben zuweilen auch gekrümmt, die der einen Zellhälfte denen der anderen zugeneigt. a und b '%°/ı, in Tusche, Methylenblautinktion. | Fig. 13. Staurastrum orbiculare Ehrbg. Vom Kümmelbacher Hofe. Zelle nach vollendeter Teilung mit sich ausbildenden jungen Zellhälften. Raum zwischen den alten Zellhälften mit Gallert ausgefüllt, Hüligallerte um die alte Zelle äufserst dünn. °°°ı in Tusche, Dahliatinktion. | Fıg. 14. S. teliferum Ralfs. Vom Feldberg im Sehwarzwald. Hüll- gallerte ohne alle Struktur. %/ı, in Tusche. Methylenblautinktion. Formolfixage. ') Fig. 10 e und d sind Krystallbildungen, die bei Behandlung des Gallert- stieles mit verschiedenen Reagentien (mit Ammonoxalat [e] und darauf mit Schwe- felsäure [d]) enstanden sind und auf die im Texte nicht weiter Bezug genommen wurde. 196 Bruno Schröder: [58 Fig. 15. S. cuspidatum Breb. forma. Vom Landstuhlmoor. Weite strukturlose Hüllgallerte. Porenorgaue an Ecken der Zelle unterhalb der Basis der Stachel inseriert. °°’ı, in Tusche, Thionintinktion. a) Scheitelansicht mit Chromatophor und Pyrenoid, b) Vorderansicht. Fig. 16. S. lunatum Breb. forma. Vom Landstuhlmoor. Hüllgallerte wie bei Fig. 15. Gallertprismen zu einer inneren Hülle zusammengeflossen. Poren- organe mehr centralständig, spärlich, aber verlängert, hufnagelförmig mit kugelig verdicktem Köpfchen. ®?°/ı, in Tusche, Thionintinktion; a), b) Scheitel-, e) Vor- deransicht. Fig. 17. S. pseudofureigerum Reinsch. Vom Landstuhlmoor. Hüll- gallerte strahlig strukturiert, Porenorgane sehr zahlreich, über die ganze Zell- oberfläche verbreitet mit Ausnahme einer Zone am Isthmus, ohne besonderes Köpfchen. °°'ı, in Tusche, Thionintinktion. a) Seiten-, b) Scheitelansicht. Fig. 18. S. Diekiei Ralfs forma. Vom Landstuhlmoor. Weite, nicht strukturierte Hüllgallerte. Porenorgane lang und fein, mit leicht ausgerandeten oder gespaltenen Köpfeben. '"°ı, in Tusche, Thionintinktion. (Sonderabzüge, ausgegeben den 1. März 1902.) Vorgeschiehtliche Chirurgie. Nach einem am 25. Februar 1902 im Naturhistorisch-medizinischen Verein zu Heidelberg (Medizin. Sekt.) gehaltenen Vortrag von Dr. Ludwig Wilser. Wenn Sie, meine Herren, sich heute für ein halbes Stündchen in die Urzeit zurückversetzen, werden Sie es begreiflich finden, daß damals im harten Daseinskampf gegen die Naturgewalten, mit riesi- gen Vierfüßlern wie mit Seinesgleichen dem Menschen und seinem Vorläufer Gelegenheit genug zu allen möglichen Verletzungen gegeben war. In der That zeigen die wenigen Überbleibsel der ältesten Men- schenrassen und des Vormenschen deutliche Spuren davon: das Ober- schenkelbein des Pithekanthropus trägt einen Auswuchs (Exostose), der anscheinend eine durch einen langen Dorn oder spitzen Ast her- vorgerufene Erweiterung (Aneurysma) der Schenkelschlagader um- schlossen hat, und der Neanderthalmensch (Homo primigenius) muß, wie die Gelenkenden seiner Armknochen erkennen lassen, während des Lebens eine starke Verstauchung (Subluxation) des linken Ellbogens mit Bruch der Elle erlitten haben. Schwerere Verwundungen führten unter den damaligen Verhältnissen selbstverständlich zum Tode, doch zeigt u. a. ein Gorillaskelet der hiesigen zoologischen Sammlung mit seinem offen- bar durch einen Kugelschuß zerschmetterten, aber verhältnismäßig gut geheilten Oberschenkel, daß die Heilkraft der Natur unter Umständen recht erhebliche Zerstörungen auszugleichen vermag. Dem erfahrenen Weidmann ist bekannt, daß manchmal „gehaxelte“ Hirsche, Gemsen, Rehe (mit abgeschossenem Lauf) mit dem Leben davonkommen, daß in die Falle gegangene Füchse oder anderes Raubzeug mit scharfem Zahn das eingeklemmte Glied durchbeißen und auf dreien entfliehen, Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 14 195 Ludwig Wilser: [2 _ daß Fremdkörper oder Schmarotzer mit Maul und Pfoten entfernt werden. In ähnlicher Weise wird sich auch der Urmensch mit seinem viel höher entwickelten Gehirn und seiner geschickten Hand zu helfen gewußt und, vermöge seiner geistigen Fähigkeiten in den Besitz von Werkzeugen gelangt, auch diese zum gleichen Zwecke benützt haben. Zeugnis von solchen, absichtlich und mit Hilfe von Werkzeugen ausgeführten Eingriffen geben zahlreiche!) Vorzeitschädel aus der Steinzeit, dem Erz- und Eisenalter, die nicht ohne Kunst und Ge- schick eröfinet (trepaniert) sind. Diese merkwürdige und auffallende Erscheinung hat selbstverständlich die Prähistoriker in hohem Maße gefesselt und beschäftigt: die Frage der Trepanation ist, wie ein französischer Forscher, Cartatlhac?), sich ausdrückt, eine „der an- ziehendsten und verwickeltsten der vorgeschichtlichen Archäologie“. Als sich in den siebziger Jahren vorigen Jahrhunderts die Funde derartig bearbeiteter Schädel, die jede zufällige Verletzung während des Lebens oder nach dem Tode ausschlossen, zu mehren begannen und Prunieres 1873 auf einer wissenschaftlichen Versammlung in Lyon ein bei dieser Stadt in einem Steinzeitgrab gefundenes rund- liches, offenbar als Anhänger getragenes Schädelstück (la rondelle de Lyon) vorgezeigt hatte, trat diese Frage besonders in den Vorder- grund, und man suchte sich Rechenschaft darüber zu geben, was wohl die Vorzeitmenschen zu diesem weder einfachen noch ungefähr- lichen Eingriff veranlaßt haben könnte. Auf dem Internationalen Anthropologenkongreß des Jahres 1876 in Budapest gab Broca als Ergebnis seiner Untersuchungen und Erwägungen die Antwort?) in folgenden beiden Sätzen: 1. in der neolithischen Zeit pflegte man am lebenden Menschen, besonders bei Kindern, durch eine chirur- sische Operation den Schädel zu eröffnen, in der Absicht, damit ge- wisse innere Krankheiten erfolgreich zu behandeln (chirurgische Trepanation); 2. der Schädel bekam durch das Überstehen dieses Eingriffes wunderthätige Eigenschaften, sodaß man nach dem Tode oft kleine Stücke oder Scheiben, mit Vorliebe am geheilten Rande des ursprünglichen Schädelloches, ausschnitt, um sie als schutzbringende Amulette zu tragen (posthume Trepanation). Gewiß war Broca ein 1) Schon 1885 konnte Pruniöres 167 Fälle aufführen; mit den inzwischen gefundenen Schädeln wird nahezu die Zahl 200 erreicht sein. 2) L’Anthropologie 1900, S. 462 in einer Besprechung von de Nadaillae’s Schrift Les tr&panations prehistoriques, Louvain 1900. 3) Comptes rendus. La trepanation du cräne et les amulettes eranıennes de l’epoque neolithique. 3] Vorgeschichtliche Chirurgie. 199 kenntnisreicher und scharfsinniger Forscher, in allem hat er aber nicht das Rechte!) getroffen: so bedürfen auch seine Ansichten über die vorgeschichtliche Trepanation auf Grund vermehrter Erfahrung und nach dem heutigen Stand der Forschung einer nicht unwesent- lichen Berichtigung. Ehe wir aber auf Einzelheiten eingehen, lassen Sie mich erst mit Hilfe einiger Abbildungen?) Art und Ausführung der Operation in der Steinzeit erläutern. Die Öffnungen sind meist kreıs- oder eirund, manchmal rautenförmig mit abgerundeten Ecken und befinden sich auf der Scheitelhöhe, auf einem der beiden Scheitelbeine oder an den Schläfen, selten auf der Stirne Ein in einem Dolmen der Cevennen gefundener Schädel?) zeigt rechts und links von der Pfeil- naht zwei unregelmäßig runde Trepanlöcher, ein anderer*) deren vier, ein neuzeitlicher Berberschädel®) noch mehr. Die meist gut verheilten Ränder sind gewöhnlich schräg, sodaß der Durchmesser im Durchschnitt 3—4 cm, an der inneren Schädelplatte etwas kleiner ist, und offenbar mit einem scharfen Steinmeißel oder Schaber her- gestellt. Daß man in der neueren Steinzeit solche Werkzeuge von genügender Vollendung zu fertigen verstand, zeigen beispielsweise die ungemein feinen und scharfen, zumteil sogar hohlgeschliffenen Feuer- steinmeißel®) des Kopenhagener Museums. Im Jahre 1877 hat übri- sens Broca einen von ihm selbst mit Steinwerkzeugen und bestem Erfolg trepanierten Hund der Pariser Anthropologischen Gesellschaft vorgestellt. Manche Naturvölker, wie die Neubritannier, führen noch heute die Operation mit Steinmessern aus, und die von den Kabylen zur Schädelöffnung gebrauchten Werkzeuge, eine Art Schaber und eine kleine Säge, Brima und Menchar genannt, sind zwar von Eisen, aber höchst einfach‘) und ursprünglich. Auch in der nordischen Bronze- 1) So hat seine „race celto-slave“, die zwei geschichtliche Namen arischer Völker mit der rundköpfigen Rasse (Homo brachycephalus) verquickt, viel Ver- wirrung angerichtet. — Einige bei Olmütz gefundene, künstlich eröffnete Schädel sollen sogar aus der älteren Steinzeit stammen. 2) Ymer 1901, Om trepanation af hufvudskälen, sasom folksed i forna och nyare tider, af Gustaf Retzius. — Des gleichen Verfassers prachtvolles Schädelwerk Crania suecica antiqua, deutsche Ausgabe 1900, G@. Fischers Verlag, Jena. — L’Anthropologie, versch. Jahrgänge, u. a. 3) L’Anthropologie 1898, S. 380. 4) Verneau, L’all&e couverte des Mureaux, gleiche Zeitschrift 1890. 5) Malbot u. Verneau, La trepanation du cräne dans l’Aurös, gl. Ztschr. 1897. 6) Worsaae, Nordiske oldsager i det kongelige museum i Kjöbenhavn, 1359. 7) Abbildungen auf S. 178 u. 179, L’Anthropologie 1897. 14* 200 - Ludwig Wilser: [4 zeit finden sich schon die Spuren!) einer zum gleichen Zwecke ge- brauchten Säge. Im allgemeinen verrät die Ausführung des chirur- gischen Eingrifies so viel Geschick und Verständnis der vorgeschicht- lichen Heilkünstler, daß ein französischer Arzt?) ihnen folgendes, vielleicht doch etwas zu überschwängliche Zeugnis ausstellt: „Heut- zutage könnten wir nicht besser, als es unsere vorgeschichtlichen Vor- fahren gethan haben, die einzelnen Gehirngebiete feststellen und, was Ausdehnung und Sitz der gedrückten motorischen Centren an- langt, die Schädelöffnung bewerkstelligen.“ Diese Bemerkung führt uns zurück zu der Frage nach dem Zweck des ohne allen Zweifel zielbewußt und kunstgerecht ausge- führten Eingriffes. Sicherlich wollte man damit eine Heilwirkung er- reichen, aber wie kam man dazu? Wir gehen meines Erachtens nicht fehl, wenn wir annehmen, daß chirurgische Hilfeleistungen bei Schädelverletzungen den ersten Anstoß dazu gegeben haben. Durch Steinwaffen und die spitzen Augsprossen ?) von Hirschgeweihen konnte sehr leicht die Hirmschale zertrümmert oder durchbohrt werden, und indem man die eingedrungenen Fremdkörper und Knochensplitter entfernte, dem auf das Gehirn drückenden Bluterguß einen Ausweg verschafite, wurde man von selbst auf die unter Umständen wohl- thätige und heilsame Wirkung der Schädeleröffnung hingeführt. Hansen beschreibt einen solchen aus der Steinzeit stammenden, in einem Ganggrabe bei Grydehöj gefundenen Schädel eines älteren Mannes, dessen Stirne durch einen Beilhieb gespalten ist; am oberen Ende der geheilten, aber nicht ganz ausgefüllten Knochenwunde be- findet sich eine kreisrunde, nicht die ganze Dicke des Stirnbeines durchdringende Grube von 3 cm Durchmesser, die offenbar angelegt war, um Knochensplitter zu entfernen. - Einen ähnlichen, wenn auch einer späteren, der älteren Eisenzeit angehörenden Fall hat Schmidt ebenfalls in den Nordischen Jahrbüchern®) veröffentlicht: ein Schwert- hieb hat das Stirnbein von der Kranznaht bis zur Augenhöhle ge- spalten, und von beiden Enden der Hiebwunde ziehen sich tiefe !) Soeren Hansen, Om forhistorisk trepanation i Danmark, Aarböger f. nord. oldkyndighed og historie, 1889, 2) Reboul, Observations concernant le cräne tröpane trouve dans un dolmen aupres de Montpellier-le-Vieux, L’Anthropologie 1898. 3) In Skandinaviska Nordens ur-invärare ], 1838, beschreibt Nilsson ein auch im Retzius’schen Schädelwerk abgebildetes Schädeldach, das durch den Zinken eines Elchgeweihs durchbohrt ist. Die in den letzten Jahren getragenen Stöcke mit Hirschhorngriffen haben ähnliche, oft lebensgefährliche Verletzungen verursacht. 4) Aarb. f. nord. oldkynd. og hist. 1877. 5] Vorgeschichtliehe Chirurgie. 201 Sprünge nach der Schläfe hin. Mittels einer Säge, deren. Zähne deutliche Spuren im Knochen zurückgelassen haben, ist das zwischen dem unteren Wundende und vorderen Sprung gelegene dreieckige Stück des Stirnbeins entfernt, bei der Schwere der Verletzung aber, wie die Knochenränder zeigen, eine Heilung nicht erzielt worden. Durch derartige ärztliche Hilfeleistungen geübt und an die Eröffnung der Schädelhöhle gewöhnt, wird man schon frühzeitig dazu überge- gangen sein, sie auch bei gewissen inneren Krankheiten, wie Kopf- schmerzen, Krämpfen, Lähmungen, besonders aber bei Seelenstörungen, die man ja durch böse Geister entstanden glaubte, anzuwenden. Wie man, um der Seele des Entschlafenen das Ausfliegen zu gestatten, in einer Platte der steinernen Grabkammern ein rundes Loch anzubringen pflegte, so wollte man am Schädel des „Besessenen“ dem unreinen Geist, nachdem man ihm durch allerlei Beschwörungen den Aufenthalt ver- leidet hatte, ein Pförtchen zum Herausschlüpfen öffnen. Daß in jener grauen Vorzeit dabei der Aberglaube eine unheimliche Rolle gespielt und manche durchaus ungerechtfertigte Trepanation verschuldet hat, liegt auf der Hand. In einzelnen Fällen aber, wie z. B. in dem ange- führten, von Feboul besprochenen, deuten verschiedene Knochen- wucherungen auf eine wirkliche Hirnkrankheit hin. Broca’s erster Satz hat somit seine Bestätigung gefunden, nur ist der Eingriff nicht allein wegen innerer Leiden oder infolge abergläubischer Vorstellungen, sondern auch, und vielleicht zuerst, wegen Schädelverletzungen, auch nicht hauptsächlich bei Kindern, sondern in der Mehlzahl der Fälle bei Erwachsenen beiderlei Geschlechts, manchmal bei sehr kräftigen und bejahrten Männern ausgeführt werden. Wenn Sie das runde, mit zwei Öffnungen versehene Schädelstück!) von Petit-Morin be- trachten, so können Sie keinen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß dasselbe an einer durchgezogenen Schnur als Anhänger getragen worden ist; wir haben aber nicht den geringsten Anhalt dafür, daß solche Scheibehen aus Totenschädeln geschnitten wurden. Dagegen liegt, wie Hansen richtig bemerkt, die Annahme sehr nahe, daß ge- rade fir den Überlebenden ein aus dem eigenen Kopf gezogenes Knochenstück von ganz besonderer, geheimnisvoller Bedeutung ge- 1) Einen ähnlichen in Rußland gefundenen Anhänger hat Anutschin auf dem archäolog. Kongreß in Wilna besprochen. Verhandlungen etc. Moskau 1895. — Auch in Deutschland sind zwei solcher Amulette, in Gräbern der Bronzezeit, gefunden worden (Schaaffhausen, Congres internat. d’anthropologie etc. de Budapest, Comptes rendus 1876. — v. Boxberg, Trepaniertes Schädelstück von Zschorna, Ztschr. f. Ethnol. 1884), 202 Ludwig Wilser: [6 wesen sein muß. Nur wo man, wie im alten Peru, die Leichen ein- balsamierte, kann die von broca vermutete „posthume Trepanation“, mittels deren das Gehirn durch harzige, fäulnishemmeude Stoffe er- setzt wurde, nachgewiesen werden. Aber auch die Inkas haben den Eingriff wahrscheinlich zuerst und mit Vorliebe am Lebenden vor- genommen: unter 1000 Schädeln aus altperuanischen Grabstätten fand Muniz!) 19 trepanierte. Auch bei den Mexikanern?), den Ainos, Papuas°), Tahitiern bestand oder besteht diese Sitte, und es ist schwer zu entscheiden, inwieweit hierbei eine Übertragung von Volk zu Volk in Betracht kommt. In unserem eigenen Weltteil war der merkwürdige Brauch schon in der neolithischen Zeit weit verbreitet: aus Frankreich, Belgien, Portugal, Spanien, England, Deutschland, der Schweiz, Böhmen, Ruß- land und besonders aus dem Norden®) sind künstlich eröffnete Schädel bekannt, und noch immer mehren sich die Funde. Es ist daher wahrscheinlich, daß die Wanderungen derjenigen Rasse (Homo euro- paeus), die Trägerin der alteuropäischen Steinkultur war, mit anderen auch diese Sitte bis nach Nordafrika und zu den Guanchen auf Teneriffa gebracht haben. Einige europäische Völker, die auch in anderer Hinsicht der Urzeit noch näher stehen, wie die Montenegriner, Albanesen und Serben), unternehmen auch heutzutage noch aus ge- ringfügigen Ursachen, wie Kopfschmerzen u. dgl. den Eingriff, meistens „sans inconvenient pour leur sante.“ Als Merkwürdigkeit sei angeführt, daß noch in neuerer Zeit 1) Gomara, Historia de las Indias, Madrid 1749. — Lehmann-Nitsche, Re- vista del museo de La Plata 1899. — Munro, Proceed. of the Soc. of nat. of Scotland 1892. — Muniz and MeGee, 17th ann. rep. of the bureau of Americ. Ethnology. 2) Lumholtz and Hedlicka, Trephining in Mexico, Amer, Anthropologist 1897. 3) v. Luschan, Trepanierte Schädel aus Neu-Britannien, Ztschr. f. Ethnologie 1898. — Crump, Australasian meth. miss, review 1896. — Die Neu-Britannier trepanieren nur bei Schädelverletzungen. 4) Für Dänemark führt Hansen (l. e.) vier trepanierte Vorzeitschädel auf, zwei aus der Steinzeit und je einen aus dem Erz- und Eisenalter. — Ein 1863 bei Falköping in Schweden gefundener Steinzeitschädel mit Öffnung ist nicht mehr vorhanden, wahrscheinlich 1892 beim Brand im Museum Carolinum zu Grunde ge- gangen; dagegen hat im August 1900 Almgren in einem der älteren Eisenzeit an- gehörenden Grabfeld bei Alvastra nicht weniger als drei, alle auf der linken Seite trepanierte Schädel (in natürlicher Größe in Crania suecica antiqua, verkleinert in Trepanation af hufvudskälen abgebildet) gefunden. 5) de Baye, Le Montenegro, le pays et les habitants, 1844. — Trojanovie, Die Trepanation bei den Serben, Korr.-Blatt d. deutsch. Anthr. Ges. 1900, 2. 7] Vorgeschichtliche Chirurgie. 203 englische Schäfer und Landleute den Eingriff wegen Drehkrankheit (Blasenwurm) öfter an Schafen vorzunehmen pflegten. Die schon in der Steinzeit erfundene, später mit ehernen und eisernen Werkzeugen ausgeführte Operation ist ein Bestandteil der Heilkunst geblieben: von Hippokrates, der schon die Kreissäge!) ge- braucht haben soll, und Galenus geübt und empfohlen, ist sie, wie z. B. ein besonders schön und kunstgerecht eröffneter Schädel aus einem fränkischen Grabe von St. Quentin zeigt, auch in den Stürmen der Völkerwanderung nicht vergessen worden (wahrscheinlich war auch der „Kopfeinschnitt“, den sich Karl der Dicke wegen anhalten- der Kopfschmerzen machen ließ, eine Trepanation); die arabischen Ärzte des Mittelalters haben sie auf den hohen Schulen zu Cordova und Salerno gelehrt, die großen Wundärzte des 16. Jahrhundert, wie Abroise Pare, bei Verletzungen und Hirnkrankheiten angewendet. Technisch und diagnostisch vervollkommnet, wirkt sie, wie bekannt, in geeigneten Fällen auch heute noch oft lebensrettend. Ein von Prumieres aufgedecktes steinzeitliches Massengrab bei L’Aumede (Bull. d. 1. Soc. d’Anthr. de Paris 1876) enthielt allerlei Knochen mit Krankheitserscheinungen und Verletzungen. Ein Splitter- bruch des rechten Unterschenkels ist ohne Verschiebung so gut geheilt, „daß wohl jeder moderne Chirurg mit einem ähnlichen Resultate zu- frieden gewesen wäre“ (Tillmanns, Über prähistorische Chirurgie. Arch. f. klin. Chirurgie XXVIN). Auch die rechtwinkelige Stellung einer mit Verknöcherung ausgeheilten Endzündung des Sprunggelenks ist vieleicht auf Kunsthilfe zurückzuführen. Von sonstigen Spuren chirurgischer Eingriffe an Skeletten der eigentlich vorgeschichtlichen Zeit ist nicht viel gefunden worden. Ein Schädel aus einem Grabhügel der älteren Bronzezeit bei Schöngeising (Staatssammlung in München) zeigt zwar auf dem linken Scheitelbein eine anscheinend von einem Beilhieb herrührende Vertiefung, die aber ohne Kunsthilfe geheilt sein kann, und die durch einen mit sroßer Gewalt geführten Stoß durchbohrte Hinterhauptsschuppe des Wormser Paulusmuseums ?), läßt keine Heilungserscheinungen erkennen, da jedenfalls wegen Zerreißung der großen Blutleiter (sinus trans- versus und torcular Herophili) sofortiger Tod durch Verblutung ein- getreten ist. Knochenauftreibungen an einem bronzezeitlichen Unter- 1) Vom griech. trypanon, spätlat. trepanum, Bohrer, kommt ja der Name der Operation her. 2) Lehmann-Nitsche, Ein Beitrag zur prähist. Chirurgie. Langenbecks Arch. LI, 4. — Ders., Beiträge zur prähist. Chirurgie u. s. w. Inauguraldissertation 1898. 204 Ludwig Wilser: [8 kiefer (Worms) und einem Oberarmbein!) aus einem keltischen Gräber- feld (München) sind höchst wahrscheinlich Folgen von Verletzungen, die aber auch ohne Behandlung in Heilung übergegangen sein können. Zahlreicher werden die Anzeichen erfolgreicher Hilfeleistungen und Eingriffe in germanischen Gräbern der Völkerwanderungszeit, die ja eigentlich schon der Geschichte angehören, mit der Vorge- schichte aber noch im engsten Zusammenhang stehen; sie dürfen daher wohl hier mit besprochen werden, zumal da die Zeugnisse der Heilkunst unserer Vorfahren unsere besondere Teilnahme erwecken. Wie begreiflich, war die Heilkunde der alten Deutschen noch ganz vom Zauber des Geheimnisvollen und Wunderbaren umgeben und durchdrungen. Durch Gebet und Opfer erflehte man die Beihilfe der guten Götter und suchte Schmerzen zu lindern und Wunden zu heilen durch Beschwören und Besprechen (ahd. bigalan, eigentlich Besingen; lat. incantatio, gr. epaoide), durch Bestreichen mit ge- weihten Gegenständen oder wunderthätigen Steinen, meist alten Waffen, sogen. Donnerkeilen, oder merkwürdigen Versteinerungen, denen man häufig, um die Wirkung zu verstärken, noch heilbringende Runen?) einritzte. _ Eine solche Besprechung ist uns in dem bekannten, jetzt auch über dem Eingang einer deutschen Klinik prangenden Merseburger Zauberspruch?) erhalten: Phol ende Wodan vuorun zı holza, du wart demo Balderes volon sin vuoz birenkit; thu biguolen Sinthgunt, Sunna era suister, thu biguolen Friia, Volla era suister, thu biguolen Wodan, so he wola conda: Sose benrenki, sose bluotrenki, sose lidirenki, ben zi bena, bluot zı bluoda, lid zi geliden, sose gelimida sin. Wie Sie gehört haben, sind es in erster Reihe Göttinnen, die den Heilspruch singen, und in den Händen der germanischen Frauen 1) Reinecke, Beschreibung der Skeletreste aus dem Flachgräberfelde von Manching. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns XII, 1897. 2) Sigrdrifumal 11: Limrunar skaltu kunna, ef thu vilt laeknir vera, Zwei- grunen mußt du kennen, wenn du Arzt werden willst. 3) Die Sprache ist altniederfränkisch und steht mundartlich dem Ludwigs- lied am nächsten; zeitlich sind die Merseburger Sprüche etwas früher zu setzen, da sie Stabreim und heidnische Erinnerung bewahrt haben. Das Eindringen des Endreims kündet sich an in den Worten insprine haptbandun, invar vigandun. Ähnliche Sprüche werden noch heutigen Tages gebraucht, nur ist an Stelle der Heidengötter die heilige Dreieinigkeit getreten. 9] Vorgeschichtliche Chirurgie. 205 (von dem „leichthändigen Weibervolk“, miuktaekukvennafolki, sprechen die nordischen Sagen) lag ja nach den Berichten der Geschichtschreiber nicht nur Weissagung und Zauberei, sondern besonders auch — das werden unsere heutigen Arztinnen gerne hören — die Heilkunst. „Zu den Müttern, zu den Gattinnen tragen sie ihre Wunden“, lesen wir bei Taeitus‘), und diese begnügten sich nicht mit Beschwörungen, sondern schraken nicht davor zurück, Hand anzulegen zur Unter- suchung und zu kunstgerechtem Verband (exigere), wie denn über- haupt ein so kriegerisches Volk, dem Blut und Wunden etwas All- tägliches waren, von selbst zu werkthätigem Eingreifen kommen mußte. Die Heilkraft verschiedener Pflanzen war wohl bekannt, und man verstand aus ihnen lindernde Tränklein zu brauen, schmerz- stillende Räucherungen und Umschläge, fäulnishemmende Wundwässer und heilsame Salben?) zu bereiten. Als die Römer unter Germanicus an der Nordsee lagerten und infolge des brackigen Wassers an einer skorbutartigen Mundkrankheit (stomacace) litten, zeigten ihnen, wie Plinius?) berichtet, die Frisen als Heilmittel ein unter dem Namen „britannisches“ bekanntes Kräutchen. Unter den zahllosen Pflanzen, die dieser Schriftsteller in seiner Naturgeschichte als heilkräftig und fäulniswidrig (er gebraucht öfter den Ausdruck septicum im Sinne unseres antisepticum) aufzählt, finden sich viele, deren Anwendung die Römer durch die nordischen Völker, Gallier*), Germanen, Thrakee und Skythen, kennen gelernt hatten. Auch die Seife, die ja in der ärztlichen Kunst eine so große Rolle spielt (gall. lat. sapo, an. sapa, ahd. seipha, saiffa), ist nach dem gleichen Gewährsmann eine nor- dische Erfindung (Gallorum hoc inventum rutilandis capillis. Fit ex sebo et cinere. N. H. XXVIII, 51). Daß das Einsammeln der Wurzeln und Kräuter (mhd. wurze unt krut, davon „Gewürze“ und „Drogen“, ndd. droege, trocken), um sie recht wirksam zu machen, unter allerlei geheim- nisvollen und abergläubischen Gebräuchen stattfand — nach Opfer- spenden, bald mit der rechten, bald mit der linken Hand, ohne Messer, barfüßig, in frisch gewaschenem Gewande, vor Sonnenauf- 1) Germ. 7. 2) Dazu nahm man mit Vorliebe Butter, Honig, Schweine- und Gänse- schmalz, aber — aus abergläubischen Gründen — auch das Fett von Bären, Wölfen, Füchsen, Schlangen und anderen Tieren. 3) Nat. Hist. XXV, 6. 4) Die gallischen Druiden kannten das Wesen der Dinge und den Lauf Gestirne, waren Seher und Ärzte. Caes., B. G, VI, 14, Pomp. Mela, Geogr. III, 2, Plm,. N. H. XXX, 4. 906 Ludwig Wilser: [10 gang, bei Neumond oder in ganz dunkler Nacht, vor dem ersten Frühlingsgewitter!) —, daraus werden wir in Anbetracht des Wunder- elaubens, der noch heute in vielen Köpfen spukt, unseren Ahnfrauen keinen Vorwurf machen dürfen. Wie es von den gallischen bezeugt ist, besaßen sicher auch die germanischen Priester Kenntnisse in Natur- und Heilkunde, und mancher Nordlandsrecke war, wie die homerischen Helden Machaon und Podalirios, Arzt und Krieger zu- gleich und wußte nach den Sagen neben Schwert und Lanze auch Schienen, Sonde?) und Nadel (spelkur, spik, spiär) zu handhaben. Der altgermanische Name des Arztes, got. lekis®), ist auch keltisch, irisch liaig, und ins Slavische, lekari, Litauische, liekorius, und Finnische, lääkari, übergegangen. Nach der Schlacht galt, wie wir bei Prokop und anderen Schriftstellern lesen, die erste Sorge den Verwundeten, und diese Bemühungen wurden oft vom besten Erfolge gekrönt. So war in einem der Kämpfe um Rom ein Gotenheld, der Bannerträger (bandalarios) Wisand, im heftigsten Kampfgetümmel schwer verwundet worden und als tot liegen geblieben. Am dritten Tage fand man ihn bei der Bestattung der Gefallenen unter einem Leichenhügel, aus dreizehn Wunden blutend und nur schwach atmend; trotzdem wurde er vollständig wiederhergestellt, lebte noch lange und war auch späterhin ein Schrecken der Feinde. Das zeugt freilich vor allem von einer guten Heilhaut, aber auch von der Kunst der gotischen Wundärzte. Von ähnlichen wunderbaren Heilungen be- richten die nordischen Sagen, die ja manchmal in märchenhafter Weise übertreiben, im ganzen aber doch die damaligen Zustände richtig widerspiegeln. So wurde beispielsweise in einem Gefecht dem Helden Hromund der Bauch aufgeschlitzt; er stopfte hinein, was heraushing, schnitt mit dem Messer zwei Knopflöcher in die Bauchdecken, zog ein Band durch, knüpfte es zusammen, schnallte den Schwertgurt fester und kämpfte weiter. Nach der Schlacht ver- nähte Svanhvit, seine Geliebte, die Wunde kunstgerecht, und unter der Pflege eines heilkundigen Mannes Namens Hagal genas er voll- kommen. So finden wir denn in germanischen Gräbern an Schädeln und Gliedmaßen nicht selten die Spuren erfolgreich behandelter, oft recht 1) Plin. N. H. XXIV 62, 63, 82, 107 und sonst. 2) Zahlreiche chirurgische Instrumente aus der Römerzeit befinden sich in den benachbarten Sammlungen von Mannheim, Worms, Mainz. 3) Davon got. lekinon, ags. laecnian, an. laekna, ahd. lachinon, heilen, und neuschwedisch läkning, läkare, Heilung, Arzt. 11] Vorgeschichtliche Chirurgie. 207 schwerer Verletzungen. Vor allem bitte ich, Ihre Aufmerksamkeit auf dieses Prachtstück, einen Alemannenschädel!) aus der Sammlung des Mannheimer Altertumsvereins, richten zu wollen. Ein furcht- barer Schwerthieb, der nicht minder für die Kraft des Armes als für die Güte der Klinge spricht, hat das linke Scheitelbein und die Stirne gespalten; eine Menge von Knochensplittern hat jedenfalls ent- fernt, eine heftige Blutung gestillt und, bei dem treiliegenden Ge- hirn, die Wunde aufs sorgfältigste verschlossen und behandelt wer- den müssen. Trotz alledem ist, wie Sie sehen, die Sache gut abge- laufen und alles, bis auf eine Lücke im Stirnbein, glatt und schön geheilt, sodaß der Träger dieses Schädels seine schwere Verwundung anscheinend lange überlebt hat. Zwei Schädel aus baiovarischen Reihengräbern bei Allach (Staatssammlung in München, abgebildet in Langenbecks Archiv II 4) zeigen ebenfalls vorzüglich geheilte, auf zweckmäßige Wundbehandlung schließen lassende Verletzungen, der erste einen Beilhieb der rechten Stirnseite mit Vortreibung der inneren Schädelfläche, der zweite auch auf der Stirn ein mit Haut- lappen durch einen Schälhieb abgetrenntes, 5 cm langes und 2 cm breites, die innere Platte nicht berührendes Knochenstück, das mit sanz geringer Verschiebung und Verdickung, jedenfalls unter einem Druckverband schön eingeheilt ist. Ein weiblicher Schädel von Wies- Oppenheim ?) aus der Merowingerzeit hat auf dem Scheitel eine eirunde, 5 cm lange, 3 cm breite Grube mit deutlichen Zeichen von Eiterung, die zweifellos von einer Kopfverletzung herrührt und ohne Behand- lung wohl nicht in der Weise verheilt wäre. Tadellos, ohne Verschiebung, Verkürzung und erhebliche Ver- dickung geheilte, ohne Zweifel durch emen geschickten Arzt mit festem Verband behandelte Knochenbrüche (Staatssammlung in Mün- chen, abgebildet in Langenbecks Archiv) sind gefunden worden in schwäbischen und baiovarischen Gräbern von Memmingen und Burg- lengenfeld, im ersten Fall ein Schiefbruch beider Unterschenkel- knochen, im anderen ein Bruch des rechten Wadenbeines im oberen Drittel. Verschiedene Gliedmaßenknochen, Oberarm, Elle, Speiche, 1) Der Schädel, 1860 in einem frühgermanischen Grab bei Wallstadt ge- funden, stammt anscheinend von den ersten Eroberern des Landes, den Alemannen, her, die sich hart neben der gallo-römischen Siedelung (Walahastat) niedergelassen hatten, Die Beigabe von Waffen zeigt, daß der Mann bis zu seinem Tode wehr- fähig war. 2) Köhl, Korrespondenzblatt der deutsch. Gesellsch. f. Anthropologie etc. 1880. 908 Ludwig Wilser: 112 Oberschenkel, Wadenbein, aus vorfränkischen und fränkischen Gräbern aus der Umgegend von Worms (Paulusmuseum), deren Abbildung Sie hier!) sehen, zeigen mehr oder weniger gut geheilte Brüche, offenbar je nach der den Verletzten zu teil gewordenen Pflege und Behand- lung. Jedenfalls „läßt sich nicht verkennen, daß bei deren Heilung?) Kunsthilfe mitgewirkt hat“. ‘ In den Städten des Frankenreiches und am Hofe der Mero- wingerkönige, wo sich nordisch-germanische Sitten mit römischer Kultur begegneten und vermischten, gab es bald einen Stand berufs- mäßiger Ärzte, den Namen (Marileif, Reovalis, Petrus, Donatus, Nikolaus) nach teils germanischer (gotischer), teils römischer oder griechischer, auch jüdischer Herkunft, die ihre wissenschaftliche Aus- bildung, zumteil wenigstens, den Medizinschulen in Rom und Kon- stantinopel?) verdankten. Obgleich ihre Kunst oft reich belohnt wurde — die arzenie kunden, den gap man richen solt, silber ane wage, darzuo daz liehte golt heißt es noch im Nibelungenlied —, so hatte der ärztliche Beruf da- mals entschieden noch mehr Schattenseiten als heute. Marileif, Leib- arzt) des Königs Chilperich, aber aus unfreiem Stande hervorge- gangen, wurde nach dem Tode seines Herrn von einem gewaltthätigen fränkischen Großen aller seiner Schätze, Gold, Silber, Kleinodien, Rosse, beraubt und mußte wieder, wie einst sein Vater, wie seine jrüder und Vettern, als Leibeigener in der Mühle und Backstube arbeiten. Als die böse Königin Austrichilde, an einer damals herr- schenden Seuche (anscheinend cholera nostras) erkrankt, ihr Ende herannahen fühlte, nahm sie ihrem Gemahl das eidliche Versprechen ab, ihre Ärzte, deren „Tränke“ ihr alle Lebenskraft genommen hätten, mit dem Tode büßen zu lassen, und dieser, der sonst gutmütige König Gunthramn, ließ auch beide mit dem Schwert?) hinrichten. 1) Lehmann-Nitsche’s angeführte Dissertation. 2) Köhl, Ausgrabungen bei Worms. Korrespondenzblatt 1897. 3) Reovalis, beschuldigt, einen jungen Menschen entmannt zu haben, recht- fertigte sich damit, er habe dem Knaben wegen eines auf andere Weise nicht heilbaren Bruchleidens, die Hoden, wie er es von berühmten Ärzten in Konstan- tinopel gesehen, ausgeschnitten und ihn damit vollständig hergestellt. 4) In dieser Zeit ist aus dem gr, archiatros, Leibarzt, das deutsche arza- arzet, Arzt, entstanden. 5) Gregor von Tours XII, 25 und V 35. 13] Vorgeschichtliche Chirurgie. 209 Nach diesem Rückblick auf die Anfänge unserer Wissenschaft werden Sie, meine Herren, deren Hauptaugenmerk selbstverständlich auf die Gegenwart gerichtet sein muß, auf die Fortschritte und Ver- vollkommnung der Heilkunst, deren glänzende Entwickelung Sie mit serechtem Stolze erfüllt, nach diesem Rückblick, meine ich, werden Sie doch auch dem, was unsere entfernten Vorfahren, unsere ältesten Fachgenossen mit so bescheidenen Mitteln geleistet haben, Ihre An- erkennung nicht versagen können. (Sonderabzüge, ausgegeben den 2. Juli 1902.) a A noh Die DTEL Te Gre en Mb. u '# Musa 7; 7." I PR REN PR 1,’ _ GT DTEEZEE HENsEB Ki ai » 4% EN dan } > ’ i a u ä i . . } R ' er u !r Experimentelle und klinische Blutdruekunter- suchungen mit Gärtner’s Tonometer.” I. Das Tonometer und seine Kontrolle. Kritische Besprechung einzelner Blutdruckmesser. — Die Bedeutung exakter Blutdruckmessungen beim Menschen ist sowohl von physiologischer als klinisch -medizinischer Seite allgemein anerkannt. Aus dem jahrzehntelangen Bestreben, einen praktisch verwertbaren, genau arbeitenden Messungsapparat zu schaffen, läßt sich das genugsam erkennen. Vor etwa zwei Jahren ist von Gärtner der Ärztewelt ein Blut- druckmesser, Tonometer, genannt, übergeben worden, der inner- halb dieser kurzen Zeit vielseitige Benutzung erfahren hat. Wie bei allen neuen Instrumenten stehen sich enthusiastische Empfehlung und skeptische Ablehnung gegenüber. Der richtige Maßstab für die Prüfung dieser neuen Unter- suchungsmethode läßt sich, wie mir scheint, am besten dadurch ge- winnen, daß man die bisherigen Apparate zur Blutdruckmessung in einem geschichtlichen Abriß eimer kritischen Betrachtung unterzieht. Mehr als hundert Jahre bedurfte es seit dem denkwürdigen Ver- suche der ersten Blutdruckbestimmung am Tiere durch den englischen Geistlichen Stephan Hales, bis ein derartiges Beginnen am Menschen durch Faivre und später durch Albert gewagt wurde. Der Weg, eine Methode zur indirekten Blutdruckmessung zu finden, wurde erst zu Anfang der achtziger Jahre im verflossenen Jahrhundert fast gleich- zeitig von Marey und Basch betreten. Während der Apparat Dasch’s, des Altmeisters der Blutdruck- messung, bis auf den heutigen Tag seinen gebührenden Platz in der !) Von der medizinischen Fakultät zu Heidelberg gekrönte Preisarbeit. 212 Max Neu: [2 wissenschaftlichen Rüstkammer behaupten konnte, sind andere In- strumente, wie Waldenburg’s Pulsuhr oder die von Hoorweg, Po- tain, Bloch mehr oder minder der Vergessenheit anheimgefallen. Der Apparat von basch ist zu vielfachen wissenschaftlichen Untersuchungen verwendet worden, er ist wiederholt auf seine Fehler- quellen geprüft und durch Tierexperimente kontrolliert. Die wichtigsten Daten der Blutdruckverhältnisse des Menschen sind großenteils mit seiner Hilfe gesichert worden. So unantastbar das Prinzip der Kon- struktion des Instrumentes auch ist, es hat sich herausgestellt, daß der Apparat dennoch mit vielen Fehlern behaftet ist und streng ob- jektive Resultate nicht gewährleistet: daher ist gegenüber: der Ver- wertung der mit ihm erhaltenen Resultate fast einstimmig die größte Vorsicht empfohlen worden, weil neben der difficilen Anwendungs- weise die Subjektivität den größten Spielraum besitzt. Trotzdem versuchte ich, schon aus dem Grunde, um einen Bei- trag zur Lösung der Kontroverse zwischen ®. Basch und Gärtner zu liefern, mich des Basch'schen Sphygmomanometers als Kon- trollapparat des Tonometers zu bedienen. Nachaichung des mit einem Anaeroidmanometer versehenen Instrumentes neuester Konstruk- tion mit einem Quecksilbermanometer, die der Assistent des physikalischen Institutes, Herr Dr. Kahlene, anzustellen die Güte hatte, ergaben so große und so inkonstante Differenzen (zwischen — 8,5 und —- 21,8mm Hg schwankend), daß unter diesen Umständen auf diese Vergleichsart zu verzichten war. In allerneuester Zeit ist allerdings aus der I. Münchner medizinischen Klinik eine Arbeit von Hirsch (119) er- schienen, die über Vergleichsmessungen mit Basch’s und Gärtner's Instrumenten berichtet. Die Ergebnisse sind die, daß das Tono- meter ebensowenig den absoluten Blutdruck angebe wie das Sphygmomanometer, sondern diesen plus dem durch Haut, Weichteile und Gefäßwand erzeugten Druck. Beide Apparate seien daher nur bei ein und derselben Person verwendbar wegen der gleichen Fehlerquelle bei steter Anwendung an gleicher Stelle. Nachteile des Gärtner’schen Tonometers seien die, daß 1. an der Stelle der Messung durch lokale Reize der daselbst herrschende Druck beeinflußt werde ohne allgemeine Beeinflussung des Blutdrucks; 2. daß durch Auswechseln des Ringes die Ausführung der Messung zeitraubend und kompliziert werde. Hirsch will daher zu dem täg- lichen Gebrauch am Krankenbett den basch'schen Apparat vorziehen. Von anderen Meßinstrumenten kamen in Betracht die von 3] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 213 Mosso (39), Hürthle (31), Riva-Rocei (95), A. Frey (105), Aıll und Barnard (122), Francke (74) und endlich M. v. Frey (106). Tschlenoff (39) kam auf Grund eingehender Studien zu dem Re- sultate, daß Mosso’s Apparat, so objektiv das Prinzip erscheint, häufig unsichere und unzuverlässige Ergebnisse liefert, und daß er noch dazu nicht bei allen Personen angewandt werden kann, so dab er den Apparat für klinische und praktische Zwecke nicht einmal empfehlen kann. Das Prinzip, auf dem das Hürthle’sche Instrument basiert, ist als durchaus objektiv zu betrachten: darüber herrscht Einstimmig- keit bei allen, die das Instrument kennen und benutzten. Ist einmal die Prozedur der Applikation vollendet, so läßt sich der Blutdruck beliebig lange unter diversen Bedingungen studieren. Die Methodik ist aber nicht nur zeitraubend, sondern für den Patienten — bei ihm die Blutdruckmessung praktisch zu üben, darauf kommt es dem Klı- niker wesentlich an — geradezu belästigend, so daß bei Schwerkranken der Apparat nicht ohne weiteres zu gebrauchen ist. Abgesehen von den unangenehmen Parästhesien ist es nicht unmöglich, worauf Sahli (34) aufmerksam macht, daß der Blutdruck durch Anlegen der blutleer machenden Zsmarch’schen Binde reflektorisch beeinflußt werden könne. Der Apparat von Ftuiva-Rocei beruht auf gleichen technischen Einrichtungen wie Gärtner's Tonometer, mit dem Unterschiede indes, daß dort das persönliche Ermessen des Beobachters, der durch seine Tastempfindung das Verschwinden und Wiedererscheinen des Pulses kontrolliert, besondere subjektive Fehlerquellen einführt. Die Autoren (30, 95) sind mit dem Instrument zufrieden und selbst Basch (49) räumt ihm eine Existenzberechtigung ein. Für den prak- tischen Gebrauch ist es recht geeignet, hat aber gegenüber dem Tono- meter den Nachteil, daß der Vorderarm durch Anlage eines Esmarch- schen Schlauches blutleer zu machen ist, ein Umstand, der wieder- holte Messungen in kurzen Intervallen bei Schwerkranken nicht nur verbietet, sondern retlektorisch den Gesamtblutdruck unkontrollierbar beeinflussen kann. Von A. Frey in Baden-Baden ist nach dem v. Bbasch’schen Prinzipe ein Blutdruckmesser konstruiert worden. Nach Art einer Briefwage wird durch einen Stempel unter Grammgewichtsbelastung die Arteria radialis zum Verschluß gebracht; die Handhabung des Apparates scheint zwar sehr einfach zu sein, er beansprucht aber eine recht difficile Einstellung, welche unter allen Umständen lotrecht er- Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins, N. F. VII. Bd. 15 214 Max Neu: [4 folgen muß, widrigenfalls durch den ungleichmäßig ausgeübten Druck Fehler auftreten. Der Vorzug wird dem Apparat nachgerühmt, daß mit ihm auch der Venen- wie Kapillarblutdruck bestimmt werden könne. Seit dem Bekanntwerden des F’rey’schen Instrumentes ist, soweit ich aus der Litteratur ersehen konnte, erst eine Arbeit mit seiner Hilfe entstanden, in der Heidelberger Dissertation von O. Strauss (102). Dieser Autor ist in Bezug auf die Kapillardruckbestimmung skeptisch: er glaubt nicht, daß sie ihm in allen Fällen gelang. Vielmehr ist er der Meinung, dazu sei das Gärtner'sche Tonometer besser ge- eignet; die betreffenden Versuche hat er aber nicht angestellt. Das Instrument von Hill und Barnard steht dem Riva-Rocei- schen Apparat recht nahe, nur besitzt der komprimierende Schlauch eine größere Kompressionsfläche; das Blutleermachen mit der Esmarch- schen Binde und deren Eintlüsse auf den lokalen und allgemeinen Blutdruck fallen hier weg. Denn das Luftkissen, mit einer Luft- pumpe und einem Manometer in Verbindung, am Oberarm angelegt, verschließt durch den Luftdruck die Brachialarterie. Verschwinden und Wiedererscheinen der Pulsation bilden das Kriterium für die Manometerablesung. Jarotzny (122) meint, dieser Blutdruckmesser zeige den mittleren Arteriendruck an. v. Recklinghausen (118) aber hat in seiner Arbeit über die Grenzen und Genauigkeitsgrößen der Blutdruckmessung am Menschen durch einen prinzipiell gleich ge- bauten Apparat nachgewiesen, daß der maximale Blutdruck gemessen werde'). Die praktische Verwendbarkeit scheint immerhin durch die umständliche Anwendungsweise beeinflußt. Die Ergebnisse mit Hall und Barnard’s Apparat zeigen nach ‚Jarotzny's Notizen wenigstens gute Übereinstimmung mit denen des Tonometers. In allerjüngster Zeit ist die Zahl der Blutdruckmesser um einen weiteren vermehrt worden, durch den von Francke (74, 97). Der- selbe lehnt sich an das Prinzip des v. Basch’schen Apparates an, mit dem wesentlichen Unterschiede aber, daß alle nötigen Manipulationen, wie Abschluß der peripheren rückläufigen Pulswellen und Ausübung des zur Messung nötigen Druckes durch objektive Vorrichtungen be- sorgt werden. In einfacher Weise ist einSphygmograph mit dem Blutdruckmessapparat vereinigt. Zu lange dauernden Beobachtungen von Schwankungen, zur direkten Demonstration der Schwankungs- 1) In dieser ausgezeichneten Studie sind die verschiedenen Methoden der Blutdruckmessung bis auf den heutigen Tag, vom Standpunkte des Experimental- physiologen, einer eingehenden Kritik unterzogen. 5] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer 215 kurven scheint der Apparat vorzüglich geeignet. Nachprüfungen und praktische Anwendungen des Instrumentes durch andere Autoren stehen noch aus. Die Reihe der für eine Kontrolle des Gärtner’schen Tonometers in Betracht kommenden Apparate ist bis auf die einfache Meßmethode des Blutdruckes nach M. v. Frey (106) erschöpft. Ich habe mich nun entschlossen mit dieser Methode die Ergeb- nisse des Tonometers zu kontrollieren, ein Unternehmen, das, wie mir dünkt, einer Rechtfertigung bedarf. Man ist nämlich dadurch in der Lage, an der Stelle, an der man mittelst des Tonometers den Blut- druck zu bestimmen gedenkt, denselben durch eine anders geartete, wenn auch prinzipiell nicht differente Methode zu vergleichen. Dazu kommt, daß das Verfahren, an sich äußerst einfach ange- legt, trotz scheinbar großer Subjektivität, in entsprechender Versuchs- anordnung relativ objektive Ergebnisse zu liefern vermag. Da ich annehmen darf, daß die v. Frey’sche Methode noch nicht allgemein bekannt und der Ort ihrer Schilderung nicht jedermann zugänglich ist, mag eine kurze Schilderung der Methode am Platze sein. Taucht man eine Hand senkrecht in Quecksilber von der Tempe- ratur der Haut ein, so hat man abgesehen von unangenehmen Em- pfindungen an der Haut auch das Gefühl der Pulsation des eigenen Blutstroms. Durch das Quecksilber wird das Glied und mit ihm die Arterien komprimiert: an der Stelle, wo die Kompression der Arterien beginnt, ist der hydrostatische Druck der Flüssigkeit gleich dem des Blutes. Der Ort der gefühlten Pulsation steigt um so mehr central- wärts, je tiefer man die Hand einsenkt, und ist beliebig zu variieren. Indem man die Entfernung dieser Stelle von der Oberfläche des Quecksilbers durch ein Meßband bestimmt, erhält man die Größe des Blutdruckes in Millimetern (Quecksilber. v. Frey zeigt durch theoretische Betrachtung, daß der Hg-Druck unvermittelt auch bis auf die tiefer liegenden Gefäße übertragen wird, so daß in einer bestimmten Region dem Blutstrom ein Strömungs- hindernis gesetzt wird; die Pulswellen werden positiv reflektiert und summiert unserem Gefühl wahrnehmbar gemacht. Man hat nur darauf zu achten, daß der Arm möglichst vertikal eingetaucht wird und so tief, bis die Pulsation, die eine genau lokali- sierbare ist, an gewünschter Stelle erscheint. Der Blutdruckwert, der auf diese einfache Weise bestimmt wird, entspricht allerdings dem maximalen Blutdruck. Denn für die 15* 216 Max Neu: [6 Bestimmung ist Voraussetzung, daß peripheriewärts von der Pulsations- stelle die Cirkulatiön unterbrochen sein muß. Zur Erreichung dieses Zweckes muß aber ein derartiger äußerer physikalischer Druck an- sewandt werden, daß auch dem Druckmaximum im Gefäßsystem, also den Gipfeln der systolischen Wellen, ein Hindernis gesetzt wird. Was nun das Gärtner’sche Tonometer anbelangt, so stimmen alle darin überein: der Apparat sei sehr einfach konstruiert und leicht zu handhaben: im Gegensatz zu allen bisherigen derartigen Vor- richtungen werde ein Faktor für das Kriterium der Blutdruckmessung eingeführt, der eine relativ große Objektivität der Messung gewähr- leistet: der Gesichtssinn. Über die Einrichtung des Tonometers sei folgendes kurz gesagt: Ein T-förmiger, ziemlich diekwandiger Kautschuckschlauch kommuniziert an zwei Enden mit einem Hg. bezw. Metallmanometer und einem pneumatischen Ring; das dritte Ende läuft in einem Kompressionsballon aus. Die Messung selbst geschieht nun so: der pneumatische Ring wird über die Mittelphalange eines geeigneten Fingers gestreift, die Fingerkuppe anämisiert und durch einen mit dem Kompressionssystem erzeugten Überdruck vom weiteren Blutzu- fluß abgesperrt. Man läßt allmählich mit dem Drucke im Ballon nach und liest im Augenblicke der Wiederrötung der anämisierten Endphalange den Stand des Quecksilbermeniscus als dem Blutdruck- wert ‘entsprechend am Manometer in Millimetern Hg. ab. Bevor ich meine Methode bei den Messungen und meine Er- fahrung über die dabei möglichen Fehlerquellen angebe, will ich die Urteile der bisherigen Untersucher anführen, weil sich erößtenteils auf der kritischen Verwertung letzterer meine unten zu schildernde Methode aufbaut. Die Einwände, die gegen die absolute Verläßlichkeit des Tono- meters erhoben wurden, kann man der besseren Übersicht wegen scheiden in solche, die in der Einrichtung des Apparates zu suchen sind und in außerhalb derselben liegende, sei es auf seiten des Ver- suchsobjektes oder des Untersuchers. Fast alle Einwände beziehen sich auf die Beschaffenheit des pneumatischen Ringes, den wichtigsten Bestandteil des Apparates. Grebner und Grünebaum (5.), die zuerst das Instrument praktisch verwerteten und nach ihnen Wei/s (20.) konstatierten diffe- rente Werte dann, wenn ein Mißverhältnis bestand zwischen Dicke des Fingers und dem Lumen des Ringes oder ein zu weiter King er- gab ihnen unrichtige Resultate. Dabei macht Wei/s auf einen mög- 7] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 217 lichen Fehler aufmerksam, der durch die sternförmigen Falten, die bei Erzeugung des Druckes im Ringe entstehen, bedingt sein könnte; dieselben sollten bei verschieden dicken Fingern die Druck- größe ändern. Derselbe Autor vindiziert auch der Beschaffenheit des Gummis am Ringe eine Bedeutung für den Ausfall der Ergebnisse. Was die Fehlerquellen außerhalb des Instrumentes anlangt, war es besonders A. Z'ränkel, der darin eine Beeinträchtigung der Resultate erblickt, daß man den Blutdruck an peripheren Arterien bestimmt, die leicht Einflüssen unterworfen seien, die die Messung un- genau machen könnten. Grebner und Grünebaum gehen soweit, aus dem Reiz, der an Ort und Stelle durch die Messung gesetzt wird, eine reflektorische Beeinflussung des gesamten Blutdruckes anzunehmen, wobei sie auf die physiologischen Experimente von ZLatschenberger und Deahna, sowie Albert zurückgreifen. Nunmehr komme ich zur Schilderung der von mir be- obachteten Methodik. Im wesentlichen hielt ich mich an die Angaben, wie sie Gärtner in seiner ersten Veröffentlichung (3.) machte. An der Mittelphalange desjenigen Fingers, um die sich der Ring bequem anlegte, so zwar, daß er nicht zu weit war, auch nicht abschnürte, sondern die Epi- dermis leicht allseitig berührte, legte ich den pneumatischen Ring an. Mit einem Gummiring, den ich über die Fingerkuppe herabrollte, be- wirkte ich eine möglichst vollkommene Anämisierung. Die Hand des untersuchten Individuums hielt ich in Höhe des Herzpitzenstoßes, das Individuum selbst befand sich, in jeglicher Beziehung unabgelenkt, in Rückenlage. In Intervallen von 2—3 Sekunden ließ ich die Hg- Säule um je 5 mm Hg sinken, wobei ich zur exakten Dosierung das Schraubenkompressorium benutzte. Der Stand des Hg-Meniscus, also den Blutdruckwert, las ich in dem Zeitpunkte ab, wo die Fingerbeere diffus gerötet erschien. Die Messungen wurden im allgemeinen an der rechten Hand, aber auch an der linken vorgenommen; stets wurde beim gleichen Individuum der gleiche Finger benützt. Aus äußeren Gründen war das Arbeiten mit einer zweiten Per- son nicht möglich; auf mich selbst angewiesen, erwarb ich mir leicht eine Technik, die möglichste Objektivität garantierte, worin ich mich des öfteren durch einen Kollegen kontrollieren ließ: Mit meiner rechten Hand ließ ich die Hg-Säule um je 5 mm Hg sinken, in der linken Hand ruhte die zu beobachtende Hand des untersuchten In- dividuums. Von dem jeweiligen Stand der Hg-Säule hatte ich keine Kenntnis, also erfolgten die endgültigen Ablesungen unbeeinflußt von 218 Max Neu: [8 der untersuchenden Person. Nur bei vergleichenden Messungen zwischen rechter und linker Hand z. B. arbeiteten zwei Untersucher (Kollege oder Krankenschwester). Ich komme zur Diskussion und Prüfung der möglichen Fehlerquellen. Die Einwände gegen ein fehlerhaftes Sitzen des Ringes bestehen nach meinen Nachprüfungen zu Recht. Während nun bisher die Fehlerhaftigkeit des Verfahrens bei Anwendung zu weiter Ringe betont wurde, möchte ich hervorheben, daß das andere Extrem, in das man danach leicht verfallen könnte, nämlich auf zu festen Sitz zu sehen, zu ebenso großen Fehlern führt. Im Gegensatz zu anderen Autoren schlug ich zur Prüfung dieser und ähnlicher Fragen einen eigenen Weg ein. Ich arbeitete nicht mehr mit zwei, wenn auch gut verglichenen Apparaten, sondern ich schuf mir eine Modifikation des @ärtner’schen Tonometers, die über manche Beobachtungsfehler hinweghilft. In das Schlauchende, das sonst der Befestigung des pneumati- schen Ringes dient, schaltete ich ein T-förmiges Glasrohr ein, dessen zwei freie Enden mit Gummischläuchen von je 50 cm Länge, gleichem Lumen und gleicher Wandstärke, wie es der ursprüngliche Apparat besitzt, armiert wurden. An deren Enden waren mit entsprechenden Schraubengewinden zwei möglichst gleich gebaute pneumatische Ringe angebracht. Da der durch den Gummiballon ausgeübte Luftdruck durch Einschaltung eines dem ursprünglichen gleichen Schlauchsystems in keiner Weise in seinem physikalischen Gesetzen folgenden, gleichen Ausdehnungsbestreben gehindert wird, so war die (rarantie gegeben, mit einem Apparat von einer Person gehandhabt, gleichzeitige Messungen an zwei differenten Stellen der gleichen Hand vorzunehmen ; Voraussetzung ist nur, daß die zwei pneumatischen Ringe gleich ge- baut sind und gut dem Finger anliegen. Zur Ermittelung der Druck- größe braucht man nur darauf zu achten, ob das Einschießen an den zwei Beobachtungsorten gleichzeitig oder bei verschiedenem Mano- meterstand erfolgt. Diese beschriebene Messungsmethode ergab mir in vielen Ver- suchen, deren Einzelanführung über den Rahmen dieser Arbeit führen würde, daß bei gesunden Individuen die Differenzen unter Ver- wendung zu weiter Ringe: 15—20 mm Hg (unter pathologischen Verhältnissen bei an sich hohen Druckwerten 40—45 mm Hg) be- tragen; bei zu engen Ringen schwankt die Differenz in ungefähr gleichen Grenzen, 10—20 mm Hg. Zu bemerken ist, daß ein Ring 9] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner's Tonometer. 219 sut paßte, der andere die Varietät darbot; auf ersteren sind die Schwankungen bezogen. Die Größe des Blutdruckes an sich ist für den Ausfall der Differenz natürlich maßgebend. Als erstes Postulat für eine einwandfreie Messung gilt, daß der Ring nicht zu fest und nicht zu weit sei; als objektives Kriterium dafür mag das dienen, daß er sich soeben noch gut um die betr. Phalange bewegen läßt. Mit diesem Prüfungsmodus ergab sich mir weiter, daß es völlig gleichgültig für den Druckwert ist, an welchem Finger der betr. Hand, Zeige-, Mittel- oder Goldfinger, die Messung vorge- nommen wird, vorausgesetzt dab der Ring die entsprechenden Be- dingungen erfüllt. Vom anatomisch-physiologischen Standpunkt aus betrachtet, überrascht dieses Ergebnis nicht; den die Art. digital. volares communes, die sich in die digitales volares propriae auf- spalten, nehmen aus der gleichen Gefäßbahn (Art. volaris sublimis) ihren Abgang und stehen unter dem Seitendruck ihres Ursprungs- gefäßes. Nach diesen anatomischen Verhältnissen des Gefäßbogens weist Gegenbaur (72) auf die Gleichmäßigkeit der Blutzufuhr und die funktionelle Bedeutung hin, wenn auch, wie überhaupt im Gefäß- system, Anomalien nicht so selten sind. Wo Differenzen vorhanden waren, ließ sich der Grund dazu bald ermitteln. So konstatierte ich bei einem kräftigen italienischen Arbeiter: Blutdruck r UL,2— 95 mm Hg!) 2 N II0: 55 Die Ursache dieser Differenz war die schwielig verdickte Epidermis des bei der Arbeit besonders insultierten Fingers. v. Recklinghausen konnte ebenfalls am kleinen Finger höhere Werte bei Anwendung des G. T.?) beobachten. In gleicher Weise ermittelte ich weiter, daß, caeteris parıbus, der Blutdruckwert nicht abwich, wenn ich den Ring statt an der Mittelphalange an der Grundphalange anlegte. Auf dieses Ver- halten werde ich zurückkommen, wo ich bei Erörterung des Gewebs- einflusses den Vorschlag mache, die Messungen, womöglich, immer an der Grundphalange vorzunehmen. Auch über die Bedeutung des Grades der erzeugten Anämie häbe ich Nachprüfungen angestellt, ob nämlich die Gärtner- 1) Hier und späterhin bedeutet diese Abkürzung: r. oder l. die betr. Hand, die röm. Ziffer den Finger und die Arab. die Phalange. Hier heilst r III, 2. 2. Phalange des Mittelfingers der rechten Hand. 2) G. T. gleich Gärtner’s Tonometer. 220 Max Neu: [10 schen Angaben (3), daß die Stärke der Anämie der Fingerkuppe die Messung nicht beeinträchtige, zu Recht bestehen. Weder lokal erzeugte Hyperämie, noch besonders starke Anämi- sierungen hatten irgend einen erheblichen Einfluß!). Jedenfalls aber ist eine möglichst vollkommene Anämisierung sehr erwünscht, weil die Farbendifferenzen, bestimmter hervortretend, ein präzises Ablesungsmoment verbürgen. Alle Autoren, die nach Gärtner mit dem Tonometer arbei- teten, benutzten zur Erzeugung der Blutleere nicht das dem Instrument beigegebene Fingerhut-Kompressorium, sondern Gummiringe. Ich hätte daher nicht nötig, diese technische Maß- nahme besonders zu erwähnen, wenn nicht, was meines Wissens noch nicht betont ist, aus der Applikation des Kompressoriums direkt Fehler entstünden ?). Während bei der Anämisierung mit dem Ring die zu unter- suchende Hand passiv in Herzhöhe lagert, wird bei Anwendung des Kompressoriums, gegen die Absicht des Untersuchers, von der Ver- suchsperson durch die Versteifung des Fingers und Einpressen in das Lumen des Kompressors der Blutdruck beeinflußt. Die Arbeit, die nämlich dabei geleistet wird, ist zu analysieren als aktiv körper- liche und geistig intentive. Somit dürfte das Fingerhut-Kompressorium aus dem Instrumentarium des @Gärtner'schen Tonometers zu verbannen sein, zumal die Anämisirung auf eine einfachere Weise und exakter sich erreichen läßt. Was die Verminderung des nötigen Überdruckes und die Art der Ablesung anbelangt, so hat sich mir die ursprüngliche Güärtner'sche Angabe bewährt. Kein zu großer Überdruck, Intervalle von 2—3 Sek. und Senkungen um je 5 mm Hg. Untersucht man ein unbekanntes Individuum, so wird man zweck- mäßigerweise im Anfange einen höheren Überdruck wählen als bei 1) Beispiel Winterle: Bd. — r. II, 2—-100—105 Die erste Phalange wird 5 Minuten in 45° C. warmes Wasser gehalten; danach Bd. — 105—110 Eine Viertelstunde später die gleiche Phalange 5 Min. lang in Eis, darauf Bd. — 100-105 Die Schwankungen überschreiten nicht die Febler- grenze von 5 mm Hg. 2) Beispiel P. Raschke: 30. VII. 00. 11h a, m. Puls 64. l. III, 2 95 Anämisierung durch Gummiring. 115 Anämisierung durch den Compressor, 11] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer, 221 späteren Messungen. Für den Anfang reicht zumeist ein Druck von 200 mm aus, später nimmt man 30—60 mm Hg mehr als die bis- herigen Blutdruckwerte betrugen. Jedenfalls, das ist zu betonen, hängt von diesem Vorgehen nicht die Exaktheit der Messung, sondern die Zeitdauer einer Messung ab. Wohl aber ist von Belang, wie groß die Zeitintervalle zwischen den Senkungen sind. Es zeigt sich, worauf übrigens auch in der inzwischen erschienenen Dissertation von Schleisiek (93) hin- gewiesen ist, daß eine Rötung auch allmählich eintreten kann, wenn man länger als die 2—3 Sek. wartet; analoges hat auch Gumprecht für den Riva-Rocer'schen Apparat beobachtet. Ungefähr um die gleiche Zeit werden spontan von unbefangenen Versuchspersonen Pulsationen als gefühlt bezeichnet. Die Differenz zwischen der gefühlten Pulsation und dem Einschießen der Blutwellen ergab, aus mehr als hundert Messungen berechnet, für den normalen Blutdruck 5—20 mm Hg, für pathologische Fälle bis 45 mm Hg, d.h. die Pulsation wird stets früher gefühlt als die Rötung objektiv erfolgt. Indessen der Unterschied zwischen der momentanen, fast ex- plosiven diftusen Rötung und dem allmählichen Einschießen der maximal-systolischen Blutwellen ist nicht zu verkennen. Die Erklärung der so früh empfundenen Pulsation, die Schleisiek !) aus allgemein physikalischen Gesetzen gefolgert giebt, dürfte zu be- stätigen sein. Aber die Folgerung, die er daraus ziehen will, ist wohl nicht zulässig. Er folgert: „Die auftretende Pulsation giebt uns das Blutdruckmaximum, die später eintretende Rötung dagegen einen geringeren Wert, der möglicherweise dem mittleren Blutdruck an- nähernd entspricht“. Er meint, im letzteren Momente sei die Blutbahn frei von jeglichem Hindernis, „die Pulsation hört infolgedessen auf und das Blut schießt mit aller Macht ein, um den Finger momentan intensiv zu färben“. Thatsächlich hört auch jetzt nicht die Pulsation auf; auf den mittleren Blutdruck kann man schon deshalb nicht schließen. Wie es sich in diesem Punkte verhält, will ich später erörtern. Die Ablesungen am Manometer sollen nach Gärtner's Anweisung bei Eintritt der purpurroten Färbung der Fingerbeere gemacht werden. Ich machte dieselben im Augenblick diffuser Rötung. Allerseits ist der thatsächliche Vorteil vor anderen Blutdruck- apparaten gerühmt, daß anstatt des Tastgefühls ein viel verläßlicherer Sinn als Kriterium herangezogen wird, der Gesichtssinn. 1) l. cc. pag. 16 und 17. 99 Max Neu: 12 Bisher ist noch nirgends darauf hingewiesen worden, daß natür- lich auch Fehler entstehen, je nach dem Färbungsgrad, den man wählt. Soweit ich aus der Litteratur ersehe, ist von intensiver Röte die Rede. Wenn nun Gärtner selbst darunter eine Purpurfarbe, die normaliter der menschliche Finger nicht hat, Shaw (22) „distinetly pink“ d. i. deutliche Fleischfarbe versteht, so geht daraus schon her- vor, daß eine einheitliche Auffassung nicht besteht: sie muß aber geschaffen werden, d. h. die Färbungsintensität ist genau zu präzi- sieren, wenn anders die Resultate der verschiedenen Untersucher in Vergleich treten sollen. Vielleicht erklären sich gerade daraus die inkonstanten Werte, die Jarotzuy neuestens als aus Fehlern des In- struments selbst entstanden ansieht. Das An- und Abstreifen der Gummiringe, der wechselnde Druck des pneumatischen Ringes, der daraus resultierende Hautreiz bedingt bei mehr als 2—3 maliger Applikation eine lokale Vasomotorenparese der Digitalarterien. Wenn nun auch nach meinen Kontrollmessungen mit dem modifi- zierten Tonometer keine Anhaltspunkte dafür gewonnen werden konnten, daß der Blutdruck als solcher irgendwie durch derartige Manipulatio- nen reflektorisch beeinflußt werden könne, wie Grebner und Grüne- baum nach den Versuchen von Laitschenberger und Deahna und A. Fränkel (25) zu schließen geneigt sind, so haben die Einwände doch nach einer Richtung eine gewisse Bedeutung. Ist nach wiederholter Anwendung des Tonometers eine Parese der Vasomotoren eingetreten, so erscheint sie auch sonst zuerst in einer Färbungsabänderung. Daraus ergiebt sich die wichtige Kautele für Tonometermessungen, daß man auf den Färbungsgrad vor der jedesmaligen Anämisierung Rücksicht nehmen muß und daß die Zahl der an einem Finger anzustellenden Messungen eine beschränkte sein muß; im allgemeinen soll sie zwei unmittelbare Bestimmungen nicht überschreiten, es sei denn, der Eintluß der Farbe werde berücksichtigt. Habe ich z. B. einen Druckwert von 95 mm Hg bestimmt, wenn ich die Ablesung bei Erreichung der vor der Messung bestehenden fleischfarbenen normalen Röte machte, so wird nach übertriebenen Messungen und dadurch eingetretener Parese diese Färbungsqualität viel früher, sagen wir 115—120 mm Hg, erreicht und umgekehrt verhält es sich bei Vaso- konstriktoreneintfluß. Wenn Schleisiek bei „vielen direkt hintereinander folgenden Messungen“ gleichbleibenden Druck erhielt, so muß er spontan den 13] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 225 jedesmal vor der erneuten Anämisierung bestehenden Rötungsgrad als Kriterium benutzt haben; insofern stimmen meine Beobachtungen mit den seinigen überein. Wir sehen den Einfluß der Färbungsintensität noch beweiskräftiger an nachstehenden Beobachtungen bei Scarlatinakranken. Die während der Erkrankung beobachteten Patienten hatten bei der Desquamation partielle Epidermisablösungen, so daß die frischen, schön fleischfarbenen Stellen neben den alten zu Tage lagen. Es ergab sich ein Druckwert, als Ablesungsmoment benutzt die Rötung der alten Epidermiszone 85 mm Hg (Fall Ruf) 85 (Hildenbrand) der neuen as ID Zora RO ” Die gleichzeitige vorgenommene Messung an einem anderen Finger der gleichen Hand bei völlig intakter alter Epidermis ergab immer den Wert für die alte Epidermiszone des partiell desquamierten Fingers. Der mögliche Einwand, es handle sich dabei um vom Mutterboden losgelöste tote Epidermisfetzen, trifft somit nicht zu. Aus diesen Wahrnehmungen geht also des weiteren hervor, dab der Färbungsgrad auch beeinflußt ist von der Durch- sichtigkeit der Haut. Insofern hat der Zustand der ÄArteriengefäße auf den Ausfall der Tonometermessung einen nicht unwesentlichen Einfluß. Diesem Einfluß könnte man durch die Beobachtung der Färbung des Nagelraumes aus dem Wege gehen; es empfiehlt sich jedoch wegen der leichteren Anämisierung und des präziseren Farbeumschlages bei der Beobachtung der Fingerbeere zu bleiben und die oben gekenn- zeichneten Kautelen zu beachten. Ich komme nunmehr zur Mitteilung meiner Kontroll- messungen mit dem v. /rey’schen Apparate und will einiges über die angewendete Technik vorausschicken. Das Quecksilber, ungefähr 13 Kilo, ließ ich in einem aus Eisen- blech bestehenden Cylinder von der Höhe, daß ?/s des Vorderarmes noch unter die Flüssigkeit gebracht werden konnten, einwirken. Ob- wohl ich sonst meine Untersuchungen mit dem Tonometer in Rücken- lage der Versuchspersonen anstellte, so mußte ich bei den Kontroll- messungen davon Abstand nehmen; denn ich konnte mit dem v. Frey'- schen Apparate nur am stehenden Individuum arbeiten und zwar erstens deshalb, weil der hohe Cylinder mit kleiner Basis leicht hätte umfallen können und die große Hg-Menge ausgeflossen wäre, sodann, weil ich eine Abknickung der Brachialis und mögliche Beein- 224 Max Neu: 14 flussung der Messungswerte vermeiden wollte. Daher sind die Werte beider Apparate auf die stehende Versuchsperson zu beziehen. Durch eine entsprechende Versuchsanordnung glaube ich, trotz des an sich subjektiven Apparates, eine objektive Kontroll- methode geübt zu haben. Ich verfuhr folgendermaßen: Die Person stand, den Arm vom Körper so weit abduziert, daß es ohne Abknickung der Brachialarterie möglich war, die Hand senkreckt in das Gefäß einzutauchen. Wir markierten uns sodann die Stelle, bis zu der eingetaucht war, als auch die der empfundenen Pulsation. Ich maß zu eigner Kontrolle diese Entfernung aber nicht eher aus, bevor ich eine tonometrische Messung in gleicher Haltung des Körpers ausgeführt hatte. Die nachfolgenden Werte sind das arithmetische Mittel je zweier Be- stimmungen. Tabelle I. u Datum |Gärtner’sTonom. v. Frey's Appar., Differ. Bemer; Puls No. kungen 1. 1.21. DL 110 110 0 | R.1. Steh. | 76 2. | 90 90 0 I|Nl 84 3. 100 100 gu eE 88 4. 95 98 Rem | 84 5.| 118—120 120 0 | Dr. St. r 54 6. | 22. II, 120 110 44 WR ;R 105—115 130 | +15 IM. r 8 | | 100° | 110 | +10 |IN.l. 5 98 | 100 +2: |N.r. 10;:% | 107 105 A 11. 100 103 +8. Mir; 12; 135 130 —5 GW, 88 13. 128 132 AS 1a | 130 117 ce 80 15. | 28. II. | 108 108 | 0 RL 87 16, | 97 110 ı +B |INı 17. 95 95 0 |N.r. 84 18. | 98 97 = a N 0 92 19 | a8ıE" 90— 95 90 | db Im.T 72 20. | | 100 103 Pers Be 72 21. | 130 125 zeigt ME 88 2, 130 130 | Ka 23. | 125 124 | —1 |Dr.K 84 24. | | 95 97 EN R 84 25. | 100 97 | es | N. r. 84 15] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 225 Die Differenzen sind auf das Ergebnis des v. Frey’schen Appa- rates zu beziehen. Diskussion: Von den 25 einwandfreien Messungen ergaben 8 keine Differenz zwischen Gärtner's und v. Frey’s Apparat, bei 7 zeigt v. Frey’s Instrument einen höheren Druckwert zwischen --2 und +15 schwankend, 7 einen niederen Wert zwischen —1 und —13 mm Hg liegend. Für den extremen positiven Differenzwert von 15 mm Hg kann ich eine Ursache anführen. Aus zufällig äußerem störenden Anlaß war die Hand zu lange in das Hg getaucht worden; die Muskelarbeit, durch das lange Hinaushalten des Armes geleistet, und die Intention, die lange nicht gefühlte Pulsation zu lokalisieren, steigern beide den Blutdruck. Für die extrem negative Differenz weiß ich keine unge- zwungene Auslegung. Die übrigen Differenzen zeigen eine in den Grenzen der Beobachtungsfehler liegende, zulässige Schwankungsbreite. Also ergiebt sich eine erfreuliche ÜUebereinstimmung zwischen den Resultaten zweier differenter Blutmessungsarten. Wenn die theoretischen Deduktionen v. Frey’s (pag. 81): „Die Druckdifferenz wird sehr klein und nähert sich dem Werte Null, so- bald die Ausdehnung der drückenden Fläche einigermaßen beträcht- lich wird gegen die Dicke der Platte“, richtig sind, so mußten wir schließen nach unserem Befunde, daß die Gewebsverhältnisse am menschlichen Finger für eine möglichst vollkommene Druckübertragung gut geeignet sind. Für den v. Frey'schen Apparat ist es ohne Zweifel erwiesen, daß er den maximalen Blutdruck anzeigt. Die Wahrscheinlichkeit, daß das auch das Gärtner’sche Tonometer thue, gewänne somit an Sicherheit. Zusammengefaßt ergeben sich folgende Schlüsse aus den Vergleichsmessungen Gärtner und v. Frey: 1. Die Blutdruckwerte nach dem Tonometer und dem v. Freyschen Apparat stimmen gut überein. 2. Aller Wahrscheinlichkeit nach giebt auch das Tonometer den maximalen Blutdruck an. Über die wichtigsten Fragen lassen uns, wie wir sehen, die Kontrollmessungen am Menschen ununterrichtet, so vor allem in der, „ob die absoluten Druckwerte, die man am Tonometer abliest, sich mit den wirklichen Druckwerten decken“. Dieser Frage gegenüber suchte Gärtner selbst schon Klarheit zu bekommen, wozu er sich des Tierexperimentes bediente. BO IV er} Max Neu: [16 Er experimentierte am Schwanz vom weissen Hunde. Das der Wirklichkeit am idealsten entsprechende Experiment müßte eine direkte Messung des Blutdruckes an der Digitalarterie des mensch- lichen Fingers unter gleichzeitiger Tonometerbestimmung an einem anderen Finger der gleichen Hand sein. Wenn nun schon der Er- finder eines Instrumentes, der das größte Interesse daran hat, alle möglichen Dokumente für die Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit seines Apparates zu erbringen, moralische Bedenken äußert, einen derartigen Versuch anzustellen, so durfte ich es erst recht für angebracht er- achten, dem Ziele auf eine andere Weise näher zu kommen, zudem ich die Lehre aus der scharfen Kritik zog, die ein so gewichtiger Autor wie Tigerstedt über die direkte Blutdruckbestimmung am Menschen fällte, die s. Zt. Faivre und Albert gelegentlich Ampu- tationen anstellten. Er sagt (l. c. pag. 329): „Obgleich die Individuen, an welchen diese Bestimmungen ausgeführt worden sind, keinen Schaden dadurch erlitten haben, bin ich doch der Ansicht, daß derartige Ex- perimente in keiner Weise berechtigt sind.“ ..... Mir war es zunächst darum zu thun, die Gärtner’schen Tierver- suche einer Nachprüfung zu unterziehen. Die Versuche wurden im pharmakologischen Institut mit gütiger Erlaubnis des Direktors, Herrn Prof. Dr. Gottlieb unter der liebens- würdigen Leitung von Herrn Privatdocenten Dr. Magnus angestellt. Für diese Unterstützung sei hier beiden Herren der beste Dank er- stattet! Wir verfuhren ganz nach der Angabe Gärtner's nur mit der Modifikation, daß wir zur Herbeiführung eines konstanten, nicht so sehr von Schwankungen der Herzthätigkeit abhängigen Blutdruckes statt der Vagusdurchschneidung uns des Atropins bedienten und zur Narkose durchweg das Morphium gebrauchten. In der That erzielt man auf diese Weise eine außerordentliche Konstanz des Blutdruckes und der Größe der pulsatorischen Schwankungen während der ganzen Dauer des Versuches. Die anatomischen Verhältnisse am Hundeschwanz scheinen mir für die Anwendung eines durchaus nicht unwesentlichen Bestandteiles, wie es der Ring ist, fast noch idealer zu sein als an der Applikations- stelle beim Menschen, den Fingern. Hier haben wir in der ganzen Applikationszone einen gleichmäßig drehrunden aus gleichen Bestand- teilen und gleicher Anordnung des Gewebes bestehendes Objekt vor uns, das hinweghilft über eine an der menschlichen Hand sich geltend machende Fehlerquelle, der konischen Form des Fingers. Um sicher zu sehen, daß wir stets den Ring an der gleichen Stelle anlegten, markierten 17] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 227 wir die Randzone mit dem Dermatographen. Wir übersahen eine Angabe der Gärtner’schen Versuchstechnik nicht, nämlich die Aus- breitungszeit des Blutes zu verkürzen und die Färbungsintensität zu erhöhen, dadurch, daß man ungefähr 2 cm peripher vom Tono- meterring eine elastische Ligatur anlegt. Diese Versuchsabweichung gilt nicht für unseren ersten Versuch, wo wir einen Hund (Fox- terrier) mit koupiertem Schwanze benutzten. Was uns veranlaßte, diese Maßnahme in den beiden anderen Versuchen nicht zu üben, war die spezielle Versuchsanordnung daselbst (Präparation der Ar- teria caudalıs), zudem die Färbungserscheinung bei den von Gärtner geforderten Intervallen der Senkung der Hg-Säule prägnant genug war. Das Manometer ließen wir stets einen anfänglichen Kompres- sionsdruck von 220 mm Hg und darüber zeigen, bis zur Marke 200 den Druck in Intervallen von jeweils 10 Sekunden um 10 mm Hg sinken, von da von 5 zu 5 mm Hg in gleichem zeitlichem Abstand. Um der Lösung der Frage näher zu kommen: Giebt uns das Tonometer den maximal-systolischen oder minimal-diastolischen oder gar, wie es wünschenswert wäre, den mittleren Blutdruck an, gingen wir so zu Werke, daß wir uns den Stand des Manometers notierten im Momente der angedeuteten leichten Rötung — des vermutlichen Einschießens der maximalen systolischen Blutwellen- und der inten- siven Rotfärbung des peripheren Schwanzendes. Versuch vom 21. 1. 01. Ungefähr ?/ı Jahre alter, weiblicher, weißer Hund (Fox), 7700 g schwer. 10% 15° a. m. Injektion von 0,0158 pro Kilo Morph. hydrochlor. Präparation der Carotis dextr. Tnekinelanna in die Vena jugul. sin. behufs späterer Einspritzung von Atropin. sulf. — Schwanz rasiert; Durchführung eines Fadens durch den Schwanzstummel zur Fixation desselben. 11° 10° Blutdruckbestimmung mit dem Tonometer 195 mm Hg. 2147 Carotisdruck..- . 4:». u 2720 nm. Hoss Die Blutdruckkurve zeigte Suerichice Salınaen daher 11"15 0,02 g Atropin. sulfur. Zeit Carotisdruck Tonometer Bemerkungen 11h 25° 202 mm 190 mm Blut schiefst ein; leichte Rötung. — 21/2’ 2319, lie Intensive Rötung. 75 11h 31° 211 mm 195 mm Blut schielst ein. 11h 31° las 90; Intensive Rötung. DD DD [0 6) Max Neu: [18 Versuch vom 23. I. 01. 18 kg schwerer, weiblicher, weißer Hund, ungefähr 2 Jahre alt. 2" 55° 0,006 g pro Kilo Morph. hydrochlor. 4" 15° Tonometermessung 170 mm Hg. Blut schießt ein. 160 mm Hg. Intensive Röte. 4" 20‘ Präparation der Halsgefäße wie bei Versuch v. 21.1. 01. 4" 29° Blutdruck aus der Carotis geschrieben. 166 mm He. Die Exkursion der Wellen sind umfänglich. 4" 30° — 4" 32° 0,02 g Atropin. sulf. in die Ven. jug. sin. Darauf gleichmäßiger Blutdruck. Zeit | Carotisdruck Tonometer Bemerkungen 4h 48° 167 mm Hg 165 mm Leichte Rötung. 4h 48'/s‘ Ta: DDr Intensive Rötung. f 4h 55° 172 mm 165 mm Leichte Rötung. Ah 53'/0' | 172 , 16025 Intensive Rötung. Versuch vom 12. II. 01. 20 kg schwerer, weiblicher schwarz und weiß gesprengelter Hund, 2 Jahre alt. 10" 30° a. m. 0,006 g pro Kilo Morph. hydrochlor. 11" 39 a. m. 0,02 g Atropin. sulf. injiziert in d. Vena jug. dextr. Zeit Carotisdruck Tonometer Bemerkungen 11h 42° 165 mm Hg 150 mm Hg 111 53° ı\ a 145 mnı Leichte Rötung. 11h 53179 9 °“° 140 „ Intensive Rötung. Diskussion: Der relativ kleine Hund des ersten Versuches zeigt einen sehr hohen Blutdruck, den das 'Tonometer entsprechend wiedergiebt. Die Differenz zwischen direktem Carotisdruck und Tono- meterdruck ist beträchtlich, letzterer aber stets unter ersterem liegend. Die Schwankungsbreite ist im ersten Versuch 12—35 mm Hg, im zweiten 2—19, im dritten 5—10 mm Hg. Dabei ergiebt sich, daß die Differenz jedesmal geringer ist zwischen dem mittleren Wert des Carotidendruckes und der Tonometer- zahl im Augenblicke leichter Rötung, also im Momente, wo vermutlich die ersten maximal-systolischen Wellen unter der Kom- pressionsfläche durchschlagen wollen, als bei intensiver Rötung. 19] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 229 Abgesehen von unserem ersten Versuch ist dieSchwankungs- breite der Differenz zwischen Carotisdruck und Tono- meterwert ungefähr die gleiche, wie sie Gärtner ermittelte, zwischen 2 und 19 mm Hg, wobei bemerkt werden soll, daß Gärtner nur die Werte bei intensiver Rötung vermutlich ablas. Insoweit also können wir die Gärtner’schen Experimentalunter- suchungen bestätigen. Aus diesen deduziert Gärtner: „Die Tono- meterwerte entsprechen oder nähern sich den absoluten Werten des mittleren Blutdruckes“. Er folgert also: Der mit dem Tonometer an den Schwanzgefäßen gefundene Wert ist völlig oder nahezu identisch mit der aus direkter Blutdruckmessung an der Carotis gefundenen Zahl. Wir stellten nun an den Tieren der beiden letzten Versuche weitere Experimente an: dabei lautete unsere Fragestellung: Herrscht der Blutdruck, den wir mit dem Tonometer bestimmt zu haben vermeinen, wirklich in den Arterien des Schwanzes? und der Versuchsplan war der, eine direkte Blutdruckbestimmung in den Arterien des Schwanzes zu machen. Bevor ich zur speziellen Erörterung der Versuchsanordnung über- gehe, dürfte eine Darlegung der anatomischen Verhältnisse des Schwanzes, insoweit sie hier uns angehen, angebracht sein. Dabei folge ich der „Systematischen und topographischen Ana- tomie des Hundes von Hllenberger und Baum“. Zur geplanten direkten Blutdruckbestimmung benützten wir die Arteria sacralis media, die den Hauptstamm der den Schwanz versorgenden Arterien bildet. Sie ist ein direkter Ast der Aorta bezw. das Endstück der Aorta selber. „Nachdem!) die Aorta die beiden A. iliacae externae abgegeben hat, bleibt der zurückbleibende Stamm noch 1—3 cm lang, giebt dann im spitzen Winkel die beiden A. iliacae internae ab und bleibt als A. sacralis media zurück. Die also auf das kleine Gefäß redu- zierte Aorta „verläuft?) median an der hämalen“ (d.h. ventralen) „Fläche des Os sacrum caudal, setzt sich auf die hämale Seite des Schweifes fort und verläuft zwischen den langen Niederziehern des Schweifes spitzenwärts. Sie giebt während ihres Verlaufes entsprechend den Wirbeln, an denen sie verläuft, Seitenzweige ab, die den A. inter- costales und lumbales zu vergleichen sind“. Von den Arteriae caudales, die zwischen je zwei Wirbeln entspringen, „giebt jede Arterie an die 1) ]. c. p. 426. 2) ]l. ce. p. 431. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F, VII. Bd. 16 230 Max Neu: [20 folgende resp. vorhergehende einen Ramus anastomoticus ab. Dadurch entsteht rechts und links auf der spinalen und hämalen Seite des Schweifes je ein Längsstamm, je eine A. caudae lateralis prof. sup. et inf. Der Ramus dorsalis IV’—V giebt einen stärkeren Ast ab, der als A. caudalis lat. prof. sup. auf der spinalen Fläche (der proc. transversi) bedeckt von den Levator. caudae, spitzenwärts läuft. Gegen die Schwanzspitze hin werden alle diese Verhältnisse undeutlich‘“. Aus dem eben Citierten geht die große Ähnlichkeit der anato- mischen Verhältnisse mit dem menschlichen Finger, besonders in Bezug auf die Blutversorgung zur Evidenz hervor: hier wie dort ein reichliches Anastomosennetz. Unter diesen Umständen haben wir also ein Versuchsobjekt, das eine direkte Kontrolle an der mensch- lichen Digitalarterie ein für allemal überflüssig machen dürfte. Aller- dings sind die Gewebe am Hundeschweif viel festere, da Epidermis, Fascien und sehnige Gewebsteile innig zusammenhängen, so daß ein Einfluß, den das umgebende Gewebe auf das Tonometer ausübt, hier besonders deutlich hervortreten mußte. Zur Technik: An der durch Blaustift gekennzeichneten Stelle des Schwanzes, an der vorher die Tonometerbestimmungen gemacht waren, legten wir auf der ventralen Seite einen ca. 6 cm langen Schnitt durch die Epidermis und präparierten stumpf die Arteria sacralis media. Zwischen den Mm. flexores caudae breves verläuft deutlich pulsierend das Gefäß, von der Größe und Beschaffenheit etwa einer Digitalarterie des Menschen. In dieses Gefäß führten wir nach der üblichen Methode eine feine Glaskanüle ein, die wir durch ein Bleirohr mit einem Zudwig’schen Quecksilbermanometer in Verbin- dung brachten, das auf einem Kymographion die Öscillationen auf- zeichnete. Damit war eine gute Verbindung garantiert. Die Pulsationen in der Sacralis media sind geringer als in der Carotis: dem Auge waren die der Carotisschreibung synchronen Schwankungen des Quecksilbermeniscus und des demselben zur Schrei- bung aufsitzenden Glasfadens unverkennbar. Die Versuche waren nun so angestellt, daß die Tonometerbe- stimmung und die Bestimmung des Blutdruckes in der Schwanzarterie bei gleichem Carotidendruck vorgenommen wurden, so daß wir die Sicherheit bekamen, daß die beiden Werte wirklich vergleichbar waren. 21] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner's Tonometer, 231 o Versuchstier vom 23. I. 01. Zeit Carotis-D. | Tonometer-D. | Sacralis-D. | —— a5 | 172 mm Hg | 165160 mm 5h 20° WM 7,02; | 123 mm Hg Wir sehen während der Versuchsdauer war der allgemeine Blut- druck der gleiche geblieben; trotzdem ergiebt die direkte Blutdruckbestimmung in der Sacralis einen Wert, der um ca. 40 mm Hg unter dem Tonometerwert liegt. Die verschiedenen Autoren, die direkte Blutdruckbestimmungen an verschiedenen Arterien eines Tieres vornahmen zur Feststellung des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Druck und Entfernung vom Herzen, kamen zu differenten Resultaten !): Volkmann fand bei zwei Versuchen an Kälbern den Druck in der Arter. metatars: 89,3 bezw. 146 mm Diff. 27,0 A. carotis: 126,9) 22.,.,..165 SB. Fick ermittelte: Pe ıbialiserklund).. 2 naar u ae re 132 mm Hg. Gleichzeitiger Aortadruck in der Herzsystole 176—220 „ ,„ “is Diastole,n: 8—134 „ „ Daraus die Mittelwerte berechnet, ergiebt einen mittleren Aorta- druck von 177 mm, Differenz 45 mm Hg. Wir fanden als Unterschied gegen 40 mm Hg: diese Differenz kommt dem Resultate F%ck’s am nächsten. Mit dem Erklärungsversuch der Differenz aus direkter Messung an der Art. sacr. med. und der Tonometerbestimmung, die nach Gärtner den Druck richtig angeben soll, hat es ein anderes Bewenden. Wie erwähnt, war der Untersuchungsort beidemal der gleiche und wir fanden, daß bei gleichem Carotisdruck trotzdem die Manometer- messung einen beträchtlich niedrigeren Wert ergab als die Tonometer- messung. Diesem Versuche folgte ein anderer, in technischer Beziehung gleich ausgeführt nur mit dem Unterschiede, daß er nicht bei hohem, sondern bei künstlich durch Chloralhydratinfusion er- niedrigten Druck angestellt war, um zu sehen, wie unter diesen Verhältnissen sich der Unterschied des Blutdruckes zwischen mano- metrischer und tonometrischer Bestimmung darstelle. ” 7 1) Citiert nach Tigerstedt. p. 351. 16* DS n D Max Neu: [22 Versuchstier vom 12. II. 01. 11% 54°— 12h 05° Einlauf von 52,2 ccm 5°/o Chlorhydratlösung in die Vena jugul. sin. — Der Mitteldruck sinkt allmählich um 100 mm Hg. SI Tue 1 | | Tonometer-Druck | | Zeit | Carotis-D. | —— -—| Sacralis-D. | Bemerkungen | Leichte | Intensive | | Rötung | Rötung | 12h09| 55 mm Hg | 50 mm | 45 mm | ‚ Chloralhydrateinlauf unter- 12h45° | 50 | | brochen, Präparation der | 33 mm Hg | Art. sacr. media. Darauf | | wird solange Chloral- | hydrat intravenös ein- geführt, bis der BD. an- nähernd den früher nie- ' deren Stand erreicht hat. ' Chlorhydrat-Verbrauch im ganzen 111,9 ccm. | Zum besseren Vergleich stellen wir die einzelnen Resultate ins- gesamt tabellarisch zusammen. Tabelle II. Tonometer-D. | Versuch vom | Carotis-D. GERT N Sacral.-D. 21. I. 0l.a | 215 mm Hg. 180 mm | b Ar 170 „ 23. 101: 19 u: 5 160 „ 12. II. 01. a he 160 „ 123 mm Hg. b Iaar. = 197.5 e 50—55, > 45 „ 33 4 Die Differenz zwischen den Ergebnissen der direkten Messung in der Schwanzarterie und der indirekten Tonometerbestimmung sind allerdings deutlich. Im ersten derartigen Versuch ist die Differenz bei hohem Blutdruck 37 mm, bei niedrigem 12 mm Hg. Aus technischen Gründen dürfte die Differenz nicht zu erklären sein, da wir beidemal unter gleichen Verhältnissen experimentierten. 25] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 233 Das Tonometer giebt also immer zu hohe Werte an und trotz- dem der Carotidendruck ebenfalls höher als der Sacralisdruck liegt, wurde Gärtner zu dem Schlusse verleitet: „Die Tonometerwerte ent- sprechen oder nähern sich den absoluten Werten des mittleren Blut- druckes“. Dies schließt Gärtner auf Grund einer Überlegung, den experimentellen Nachweis für seinen Schluß erbrachte er indes nicht. Unsere Versuche ergaben, daß wohl eine Differenz zwischen Tonometer- und Manometerwert am Ort der Messung besteht, da unsere Fragestellung anders lautete. Weiter erfahren wir durch unsere Experimente, daß es nicht statthaft ist, Mitteldruck in größeren und kleineren Arterien als gleich anzunehmen, ein Befund, der auch längst von den Physiologen erhoben ist. Daß die Tonometerzahl so nahe an den mittleren Blutdruck- wert der Carotis heranreicht, liegt darin begründet, daß das Tono- meter stets einen höheren Druck als den thatsächlich in den betr. Gefäßen herrschenden bezeichnet. Und dafür ist wiederum der Widerstand der Gewebsteile der Grund. Dies läßt sich experimentell sehr gut am menschlichen Finger dadurch nachahmen, daß man die Widerstandserhöhung durch Überstreifen eines dickeren Gummifingerringes herstellt. Es treten dann um 5—15 mm höhere Tonometerwerte auf. v. Basch's Einwendung gegen diese Fehlerquelle des Tonometers entbehrt also nicht ihrer Berechtigung. Wenn dieser Autor nun selbst bei der Kontrolle seines Sphygmo- manometers auch gefunden hat, daß der Fehler aus der die Arteria radıalıs bedeckenden Haut 6—8 mm Hg nicht überschreitet, so mag das für das betr. Gewebe des Vorderarmes zutreffen. Andere Autoren (30) indes fanden hierfür Differenzen bis zu 40 mm He. In unserem Falle beim Tiere handelt es sich neben den schwachen Muskelzügen um das straffe, derbe Bindegewebe der Cutis und Epidermis. Auch Riva-Rocct und Hensen fanden für des ersteren Apparat nur diesbezügliche Differenzen von 1—3 mm Hg, gefolgert aus Durch- strömungsversuchen durch Arme von Leichen. Beide folgern daraus, daß die Dicke der Muskulatur keine Rolle spielt und Hensen erklärt dieses anscheinend paradoxe Verhalten aus dem hohen Wassergehalt des Gewebes und der physikalischen Gesetzen folgenden, ungemin- derten Druckübertragung wie bei Flüssigkeiten selbst. Einen Fehler von 10-15 mm Hg seitens der Muskulatur gesteht er zu, schlägt ihn aber nicht hoch an. 234 Max Neu: [24 Ich bin indes geneigt, diese teils experimentell, teils durch Überlegung gefundene Fehler-Größe durch die Weichteile um so mehr für das Ergebnis unserer Experimente heranzuziehen, weil eine so völlige Druckübertragung wie beim menschlichen, von Muskel-, Fett- und weichem Cutisgewebe umgebenen Arme am Hundeschwanz bezw. menschlichen Finger ausgeschlossen ist. Übrigens fand Gumprecht, daß Extremitätenteile, an denen sich viel Knochen und wenig Weichteile befinden, im allgemeinen höhere Sphygmomanometerwerte ergeben als dickere, welche aber mehr und besser verschiebliche Weichteile besitzen. Auch Muskelkontraktionen (wobei das Gewebe widerstandsgrößer wird) erhöhen den Druck um 20—30 mm Hg. Seine Versuche an Leichen ergaben, wenn man die Übertragbarkeit auf die vitalen Verhältnisse zugiebt, daß der Druck im Sphygmomanometer v. Füiva-Rocci höher liegt als der Blutdruck in der Arterie. Darnach giebt er den Elastizitätsfehler bei mittleren Blutdruckwerten an auf etwa 30 mm Hg, der bei höheren auf 40—50 mm steigen kann. Dies würde mit unseren am Tiere gewonnenen experi- mentellen Resultaten gut übereinstimmen. Die Fehlerquelle aus dem Druckanteil, den die Kompression der Arterien erheischt, darf füglich ignoriert werden, da abgesehen davon, daß derselbe nur 1—3 mm Hg für normale große Gefäße wie die Art. radialis, kaum so viel Druck nötig ist, die kleinen, sehr dünnwandigen Gefäße wie die A. sacr. media oder A. digitales am Menschen zu komprimieren. Ein anderer Einwand, den schon v. Basch als wesentlichen Fehler dem Gärtner'schen Apparat macht, ist in der Frage nach der Membranspannung des pneumatischen Ringes gegeben. Er- zeugt man ohne Einführung des Fingers einen Druck im Kompres- sionssystem, so gerät die Membran allerdings in erhebliche Spannung. Anders bei der wirklichen Messung; hier kommt die Membran gar nicht in Spannung, da durch die den Ringinnenraum ausfüllende Phalange einerseits, den Druck im Kompressionssystem andererseits die Membran entspannt wird. Den experimentellen Nachweis für die Annahme, daß die Mem- branspannung bedeutungslos ist, hat Gumprecht schon in überzeugender Weise für den Apparat von Riva-kocci erbracht. Diese Ergebnisse dürfen wir auf den prinzipiell gleich gebauten Tonometer- ring übertragen. Als Resultat unserer Kontrollmessung, bestehend im Tier- experiment, ergiebt sich in nachstehender Zusammenfassung: 25] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 255 1. Das Tonometer ergiebt einen beträchtlich höheren Blutdruckwert als bei direkter Druckbestimmung im betr. Gefäße. 2. Der Blutdruck mit dem Gärtner’schen Tonometer, bei intensiver Röte gemessen, der sich zusammensetzt aus dem thatsächlichen Blutdruck und dem Druckanteil des Gewebes, liegt stets unter dem mittleren Carotidendruck- 3. Nach 1 und 2 giebt das Tonometer nicht den abso- luten Wert des mittleren Blutdruckes an. 4. Das Tonometer folgt Blutdruckschwankungen im allgemeinen gleichsinnig. 5. Die Fehlerquelle ist das die Gefäße bedeckende Gewebe, das einen individuellen Überdruck zur Kom- pression beansprucht. 6. Gesamtresultat: Auch beim Menschen giebt das Tono- meter einen höheren Wertan, als er an Ort und Stelle besteht. Da ich im Verlaufe meiner Beobachtung die Wahrnehmung ge- macht zu haben glaube, daß die Epidermis, an der Grundphalange der Hand am wenigsten alteriert wird, dieselbe außerdem durch reich- liches, saftreiches subcutanes Gewebe eine gute Druckübertragung ge- währleistet und durch ihre drehrunde Gestalt eine gleichmäßigere An- lage des pneumatischen Ringes verbürgt gegenüber der peripherwärts konisch sich verjüngenden 2. Phalange, so glaube ich, den Vorschlag machen zu sollen, künftig an der Grundphalange die Tonometer- messungen vorzunehmen, zumal meine oben erwähnten Vergleichs- messungen eine nennenswerte Differenz nicht ergaben. In geeigneten Fällen habe ich, wo ich durch schlechtes Sitzen des Ringes genötigt war, schon bei meinen Untersuchungen von dieser Maßnahme Ge- brauch gemacht. An dieser Stelle möchte ich auf eine Mutmaßung Schleisiek's, es fände ein Druckverbrauch bei der Tonometermessung durch Auspressung der Lymphe statt, eingehen. Ich bin nicht dieser Ansicht auf Grund folgender Beobachtungen. Hat man nämlich die Fingerkuppe anämisiert und einen bestimmten Überdruck gegeben, alsdann den anämisierenden Streifen entfernt, so beachtet man bei völlig abgedichtetem Drucksystem stets ein Herabgehen der Hg-Säule um 3—5 mm Hg. Wie ist das zu deuten? Durch das Ausstreichen des Blutes ist auch Lymphe central- wärts getrieben worden bis zum pneumatischen Ringe. Der Druck, der im Kompressionssystem erzeust wird, treibt aber die Lymphe 236 Max Neu: [26 nach Entfernung des Gummiringes wieder peripherwärts und das kommt am Sinken der Hg-Säule zum Ausdruck. Wir kommen zur Gesamtkritik des Tonometers: Wie alle früheren und inzwischen bekannt gewordenen Blutdruckmesser be- stimmt auch das Gärtner'sche Tonometer nicht den abso- luten Blutdruck. Das liegt in der Natur der Sache. Denn es ist höchst wahrscheinlich, daß wir, außer direkter Blutdruckbestim- mung nach Eröffnung des Gefäßes, durch keine andere indirekte Messungsmethode dazu in die Lage kommen werden. Wohl aber müssen wir es als wahrscheinlich betrachten nach unseren Kontroll- versuchen mit dem v. Frey’schen Apparate, daß wir mit dem Tono- meter das Blutdruckmaximum bestimmen. Das exakte Ex- periment am Tier ließ uns in dieser Frage im Stich, wiewohl wir zu ihrer Entscheidung die Färbungsintensitäten heranzogen. Daß die Schleisiek’sche Deduktion auf den mittleren Blutdruck nach der Unrichtigkeit der Prämissen unzulässig ist, habe ich bereits erwähnt; sein Kriterium für diesen Schluß, daß die Pulsation zur Zeit der Rötung aufgehört habe, weil die Bahn nunmehr völlig frei sei, trifft nicht zu; denn die Bahn kann p. e. bei einem Außendruck von 95 mm Hg das nicht sein und außerdem schwindet die Pulsation fast nie und wo sie scheinbar aufhört, wird die Schwelle für die Empfindung nicht erreicht. Den Kapillardruck, wie O0. Strauss vermutet, messen wir nach unseren Tierversuchen sicher nicht mit dem Tonometer. Wenn wir aber auch das Blutdruckmaximum bestimmen, ist darum das Instrument weniger wertvoll für klinische Beobachtungen? Auch dies zu kennen, kann in der klinischen Medizin unter Umständen von Bedeutung sein. Da wir nachgewiesen haben, daß das Tonometer Blutdruck- schwankungen gut wiedergiebt, da es weiter ein einfacher, leicht zu handhabender Apparat ist, so ist in diesen Merk- malen seine Bedeutung für die klinische Medizin zu er- blicken. Dank dieser Eigenschaften hat es denn auch eine ungemein rasche Verbreitung unter den klinischen Forschungsmethoden erlangt. Dazu kommen seine schonende Anwendungsweise und, wie ich mich ausdrücken möchte, seine Universalität der An- wendung. So gut wie kein Fall ist mir untergelaufen, bei dem der Apparat nicht hätte mit Erfolg angewandt werden können. Allerdings scheint Kälteeinwirkung mit konsekutiven Krampfzuständen der Ge- fäßmuskulatur ein Hindernis-Moment zu sein. 27] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 237 II. Die Schwankungen des Blutdruckes unter normalen Verhält- nissen; Klinische Würdigung der Ergebnisse. Allgemeines über den Blutdruck. — Der Blutdruck ist abhängig von der Energie des Herzens, dem Wider- stand in den Gefäßen und der Blutmenge. Wenn die Arbeit des Herzens eine Funktion dieser Faktoren vorstellt — sie ist nämlich nach KÄrehl (91) bedingt von der Größe der diastolischen Füllung, der Intensität und Zahl der Kontraktionen sowie dem Zustande der Gefäße — so musste logischerweise zu folgern sein: Aus der Beschaffenheit des Blutdruckes erkennen wir die Arbeits- sröße des Herzens. Thatsächlich aber liegen die Verhältnisse anders. Der Blutdruck ist für den Organismus eine gewisse Konstante und unter physio- logischen Verhältnissen hat es den Anschein, daß der Organısmus durch Regulierung des gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnisses der den Blutdruck beherrschenden Faktoren denselben in den Grenzen dieser Konstante zu erhalten strebt. Dieses Verharren des arteriellen Druckes auf einer nahezu konstanten Höhe soll ja die Spannung der Gewebsflüssigkeiten, deren die Organe zu ihrer Funktion bedürfen, garantieren. Mit diesem Verhalten steht der Umstand, daß der Blutdruck als „empfindliches Reagens“ auf irgendwelche Einflüsse ant- wortet, nicht in Widerspruch. So sehen wir schon unter normalen Verhältnissen Schwankungen zu stande kommen. Man hat sich demnach wohl davor zu hüten, was bislang so vielfach geschah, aus einer Messung des Blutdruckes zu weitgehende Schlüsse auf den Kreislauf zu machen, daß man z. B. sagt, der Blut- druck ist gegen die Norm erniedrigt, also liegt der Kreislauf dar- nieder. Das bedeutet einen Trugschluß. Am wenigsten darf zu seiner Beurteilung das Ergebnis des Blutdruckes unter allen Umständen das einzige Kriterium sein. Davor hat neuestens Sahli (104) auf dem letzten Kongreß für innere Medizin nachdrücklich gewarnt. Aus der innigen Abhängigkeit des Blutdruckes von seinen Faktoren geht also hervor, dass bei Untersuchungen über die Schwankungen des arteriellen Druckes, sowohl unter normalen als pathologischen Verhältnissen, zu berücksichtigen sein wird, welcher als der prävalierende Faktor die Schwankung herbei- führt, wenn es auch seine Schwierigkeiten hat, dıe Analyse streng an- zustellen; dabei sind die individuellen Verhältnisse zu berücksichtigen, 238 Max Neu: [28 Hensen kam in seiner ausführlichen Arbeit über Physiologie und Pathologie des Blutdruckes zum Ergebnisse, der Blutdruck sei keineswegs ein Indikator für die Güte des Kreislaufes, sondern die Stromintensität in der Aorta verglichen mit dem Bedürfnis der peripheren Organe. Er glaubt, aus dem Pulse und seinen Eigen- schaften fast mehr noch über den Zustand des Kreislaufes schließen zu können. Da der Puls mehr oder minder einen kombinatorischen Aus- druck dieser Faktoren darstellt, die Palpation ihre Bedenken hat, so entschloß ich mich, in die Reihe meiner Untersuchungen sphygmo- graphische Beobachtungen aufzunehmen. Besonders war ich dazu veranlaßt durch den nachdrücklichen Hinweis von Sahli, der das Sphygmogramm charakterisiert als den „Ausdruck der Form, welche die Pulswelle unter den bestehenden Strömungs-, Druck- und Widerstands- verhältnissen in der Aorta und den großen Ästen derselben annimmt.“ Ich war mir wohl bewußt, daß ich damit ein Gebiet betrat, das keineswegs als völlig erforscht zu betrachten ist und daß eine Unter- stützung von dieser Seite mit Vorsicht aufzunehmen ist. Immerhin lag ihre Möglichkeit nahe, wie auf der andern Seite einem Vergleich von Tonometerwert und sphygmographischer Blutdruck- ermittelung theoretisches Interesse nicht abzusprechen war. Ich benutzte einen Sphygmochronographen nach Jaquet, den mir Herr Prof. Dr. Gottlieb bereitzustellen die dankenswerte Güte hatte. Die Benützung geschah von dem Gesichtspunkte aus, möglichst gute und deutliche Kurven zu erhalten, wobei die allgemein gültigen Regeln befolgt wurden. Untersuchungen über den Einfluß des Lagewechsels auf den Blutdruck. Von den vielen Momenten, welche den Blutdruck unter physiologischen Verhältnissen zu beeinflussen vermögen, glaubte ich den Einfluß des Lagewechsels einer erneuten Untersuchung unterziehen zu sollen. Und zwar einerseits wegen des klinischen Interesses, andererseits weil die Ergebnisse früherer Autoren zu einer Übereinstimmung nicht geführt haben. Friedmann fand mittelst des v. Basch'schen Apparates, daß der Blutdruck im Liegen höher sei als im Sitzen und ebenfalls im Stehen; er berechnete für den Druck in der Radialis ein Verhältnis: Liegen: Sitzen wie 1,06:1,0; Liegen : Stehen wie 1,1:1,0. Das bedeutet für den Übergang aus der horizontalen zur vertikalen Körperstellung eine Schwankung um 100. Seine Kontrollversuche an Hunden bestätigten ihm dies Verhalten. 29] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 239 Direkte Messungen am Menschen ergaben Albert, daß beim Er- heben des Oberkörpers seiner Patienten eine sofortige Blutdruck- steigerung um 10—20 mm Hg eintrat, deren Dauer von der verän- derten Körperstellung direkt abhängig war. In neuester Zeit unter- suchte Langowoy bei Gelegenheit des Studiums der Körperlage und Fre- quenz der Herzkontraktionen auch das Verhalten des Blutdruckes; er fand ein Sinken des Blutdruckes beim Übergang vom Liegen zum Stehen, um 5—15 mm Hg. Seine drei veröffentlichten Blutdruck- messungen stellte er mit dem Tonometer an; dem gegenüber fand Gärtner selbst den arteriellen Druck im Sitzen höher als im Liegen, was von Schüle bestätigt wird. Gärtner empfiehlt diesen Umstand nachdrücklich der Berücksichtigung bei den Blutdruckmessungen am Menschen. Meine nachstehenden Untersuchungen stellte ich an Haut- und Geschlechtskranken der III. mediz. Station an, die etwas Pathologi- sches am Cirkulationsapparat oder sonst den Blutdruck Alterierendes an sich nicht nachweisen ließen. Die nachfolgenden Tabellen sind an 15 verschiedenen Individuen männlichen und weiblichen Geschlechts aus mehreren hundert Messungen bezw. deren arıthmetischem Mittel gewonnen. (Gremessen wurde die Versuchsperson in Rückenlage, im Bette sitzend, sitzend die Beine herabhängend, und im Stehen. Tabelle II. 1. 2. 8. 4. >. 6.') Beobachtungs- 2 | h Sitzend, i Versuchsperson |) Liegend Beine hängend Differenz Nr. Tag Kling, m. IR E 9327.01 110 mm 115 d In 22 ET 95 110 15 Sa la,T. 105 115 10 Wittmann, m. A. AST, 90 100 10 Dallas. 60 85 25 62 Mi: 60 75 (80) 15 (20) Ta A ERR 75 95 (80) 20 (5) BE LIST. 65 85 (80) 20 (15) 1) Die in Rubrik 5 eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf Messungen in der Stellung: Sitzend, Beine hängend; die in Rubrik 6 ist die Differenz zwischen dieser und der horizontalen Lage. 240 Max Neu: [30 1; 9. 3 a 5 6 = — | Beobachtungs- u: Versuchsperson T - Liegend ZU we 4 Differenz I Nr. .| Tag Hamann, m. ala. | 90 mm 95 (95) 5 (0) IONNEZT. 105 115 (120) 10 (15) HET: 90 90 (95) 06) | +12. 11:39, 07 65 80 (85) 15 (20) Folz, m. 18, 115.7. 85 105 (95) 20 (10) 14. | 16. I.vorm.| 90 100 (95) 10 (5) 15. 16. I.ochm.| 95 105 (110) 10 (15) 16:0 77: 90 105 (95) 15 (5) 18T. 85 105 (100) 20 (15) 1a | 18.7, 90 100 (105) 10 (15) Balzer, w. 49.21 ,36.,1.; 90 95 > 204 7. 1 90 100 (105) 10 (15) Wolf, w. a: 11T. 65 85 (75) 20 (10) 831 19. I: 80 95 (90) 15 (10) Kammerer, w. 93» 1:16. 1 80 90 (85) 106) Müller, w. IB 60 SU (85) | 20 (25) Folz. m. >35. [19.1 80 100 (95) | 20 (15) Hamann, m. 26.319: I. 60 75 (80) 15 (20) Wittmann, m. 21.019: 77% 60 80 (70) ı 20 (10) Meng, m. ee 110 125 15 Balzer, w. 29. 119.1. 70 80 10 Müller, w. 30. |.19.L 70 85 (85) 15 (15) r R 31. | 20. 1. 70 s5 15 Winterle, w. 82. | 12.1 110 130 20 2 3 | 38. | 14. 1. | 115 13 15 i 5 34. | 16.1. 100 115 15 Raschke, m. | :99.. 110: I; 110 | 130 | 20 i h 36. | 16.1. 100 110 10 Bender, w. BE BET. 75 95 | 20 | (Schwankungsbreite der Differenz . 5—25 mm Hg). In allen Fällen Druckzunahme beim Übergang vom Liegen zur sitzenden Stellung, Beine horizontal. (Schwankungsbreite 5—20 mm Hg.) Ebenfalls vom Liegen zum Sitzen, Beine hängend. 31] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’'s Tonometer, 241 Tabelle IV. Beobachtungs- Versuchsperson IE Liegend Stehend Differenz. Nr. Tag Kling, m. 1. 9.1. 110 105 —5 2. INS 95 115 +20 3. 14. 1. 105 100 : Wittmann, m. 4. STE 90 100 +10 d. 1627 60 75 +15 6. IT. 75 80 +5 Le 1I.TT. 75 70 +5 Hamann, m. 8. 14T. 65 85 — 5 g. Kol 90 110 +5 10. ieh IE 105 95 +5 11. 19T 65 85 +20 Folz, m. 12. SR 85 95 +10 nes: 16.-T. 85 90 +5 14. 161. 90 90 0 15. 17.1 95 105 +10 16. 18. 1. 90 100 +10 17. 19.1. 85 100 +15 Balzer, w. 18. 16.51. 90 100 +10 Wolf, w. 19: IST 60 70 +10 20. 19T. 80 85 +5 Kammerer, w. MET, 160% 80 85 | 25 Müller, w. 22. LIE. 60 60 0 Folz, m. 23. ER AE 80 90 +10 Wittmann, m. 24. LIST. 60 75 --15 Balzer, w. 29. IISE 70 65 —5 Müller, w. 26. 1971: 70 65 —5 /s der Fälle Differenz —5 Druckabnahme vom Liegen zum Stehen. 2 n n ” 0 Rest vom Liegen zum Stehen Druckzunahme (Schwankungsbreite zwischen —- 5 und 20 mm Hg.) 4 242 Max Neu: [82 Tabelle V. De Beobachtungs- | 2 Braun j Versuchsperson Beine horizontal| Stehend Differenz Nummer | 2 £ (Beine hängend) | Kling, m. 1. 115 105 —10 2. 110 115 +5 | 3. 105 100 —d9 | 4. (100) 105 ee Wittmann, m. | 5. 75 (80) 75 0 (—-5) 6. 95 (80) 80 —15 (0) 3; 85 (80) 70 —15 (—10) | 8. 95 (95) 85 —10 (—10) Hamann, m. 9. 115 110 —d 10. 80 (80) 75 — 5 (5) Folz, m. 11. 105 (95) 95 —10 (0) 12. 95 (90) 90 0 (0) 13. 100 (90) 90 —10 (0) | 14. 105 (105) 105 0 (0) | 15. 105 (95) 95 —10 (0) | 16. | 105 (100) 95 —10 (—5) | 17. 100 100 0 Balzer, w. .| 18. 95 (80) 79 —25 (—10) 19. 85 (75) | 7 —15 (—5) Wolff, w. 20. 95 (90) 85 —10 (—5) Kammerer, w. 21. 90 (70) 60 —20 (—10) Folz, m. 22. 100 (100) 90 —10 (—10) Kammerer, w. 23 | 75 (75) 75 0 (0) Wittmann, m. | 24. | 80 (70) 70 —10 (0) Balzer, w. | 25. 80 (70) 65 —15 (—5) Müller, w. 26. 1.85 (85) 65 —20 (—20) Von 26 Beobachtungen nimmt der Druck zwischen Sitzen, Beine horizontal ausgestreckt, und Stehen 20mal ab. Die Differenz zwischen —5 und —25 mm Hg. Von 21 Beobachtungen nimmt der Druck zwischen Sitzen, Beine hängend, und Stehen 12 mal ab (zwischen —5 und —20 mm Hg. Smal besteht keine Differenz. l mal ist die Differenz positiv ( 5 mm). Was wir aus diesen Messungen lernen, ist: 1. Der Blutdruck nimmt beim Übergang aus der horizontalen zur sitzenden Körperstellung, geichviel, ob die Beine horizontal oder hängend sind, zu. 33] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 243 2. Dasselbe beobachten wir in der Mehrzahl der Fälle beim Übergang vom Liegen zum Stehen. 3. Beim Übergang von der sitzenden Stellung, Beine horizontal, zu der, die Beine herabhängend oder zu der stehenden, großenteils eine Druckabnahme. Und zwar ist die Differenz zwischen beiden letzteren nur gering. Aus allem diesen geht hervor: Der Blutdruck ist von allen Stellungs- und Lagevariationen im Liegen am niedrigsten. (Das- selbe ergiebt sich aus der Umkehrung unserer Versuchsanordnung cf. Tabelle VI, die die Ergebnisse graphisch darstellt.) Ich will noch bemerken, daß in großer Anzahl angestellte Pulszählungen eine Fre- quenzzunahme der Herzkontraktionen erkennen ließen, wenn die hori- zontale Lage in der beschriebenen Weise variiert wurde. Tabelle VI. Übersicht über die Druckschwankungsweite bei den verschiedenen Körperlagen. A. Sitzen Stehen 1 ii | | HE: r - — m — + | -M | F Ina aa ll el = Ir 5 | m 1 ia mo el um => - l = al | | | | | eg: — - 1 ae ee ne ann sun 2 -15. 0 = Linie: Rückenlage. Max Neu: [34 B. Sitzend, Beine hängend Stehend Füße aufgestellt Liegend +25 277] 0 —= Linie: Sitzende Stellung, Beine horizontal. Im Sinne unserer Blutdruckergebnisse sprechen die sphygmographischen Kurven, von denen ein Beispiel angeführt ist. Ruhl. 26. IV. 01. 11h40‘° am. Fig. 1. a. (tonometr. Wert 95 mm Hg.) Rückenlage. Fig. 1. b. s „ 105 „ „ Sitz, Beine hor. ausgestreckt. Fig. 1. c 5 „ 10 „ „ Sitzend, Beine hängend Fig. 1. d x „35—100, ,„ Passiv in Rückenlage zurückgelegt. Fig. 1. e. u « 4140: 2, .„v>Bteheni. Fig. 1. a. Mässig ansteigender Kurvenschenkel, tiefliegende Rückstoßele- vation, keine ausgesprochenen Elastizitätserhebungen. Fig. 1. b. Höherrücken der Rückstoßerhebung, steilere systol. Gipfel, ausgesprochene Klastizitätser- hebungen — Zeichen höheren Blutdrucks. Im Sinne einer Blutdrucksenkung spricht Fig. 1. d. Wodurch sind die Schwankungen des Blutdruckes unter den angeführten Lageveränderungen zu erklären? Es wäre schon a priori überraschend, wenn in der Rücken- lage, die im allgemeinen als Ruhelage betrachtet wird, der Blutdruck erhöht sein, also ceteris paribus, den Ausdruck erhöhter Herzarbeit darstellen sollte. Zunächst ist hervorzuheben, daß in dieser Lage jeglicher Einfluß von Muskelthätigkeit als blutdruckerhöhendes 35] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 245 Moment ausgeschaltet werden kann, da ja hier keine außer- wesentliche Arbeit geleistet wird. Die Widerstände sind ın der Horizontallage zweifellos für den Blutstrom vermindert. Die inneren Organe erhalten zu ihrer Thätigkeit olıne Erschwerung das notwendige Blut; das Abströmen des Blutes in den Venen geht leichter vor sich als ın anderen Lagen. (Das schließt z. B. Hürthle (31) aus der Zunahme der pulsatorischen Druckschwankung.) Die Blutmenge ist zwar groß; dafür spricht die Größe der Diastole und die Verlangsamung der Herzkontraktionen. Andrerseits kann die verlangsamte Frequenz der Herzkontraktionen auch aus der gleichmäßigen Bluteirkulation und Beschaffenheit des Blutes in der Medulla oblongata erklärt werden (Mantegazza.) ‘) Was die Beeinflussung des Blutdruckes durch die Schlag- frequenz anlangt, so muß bemerkt werden, daß das alte Marey'sche Gesetz, daß verlangsamte Herzkontraktionen mit erhöhtem Blutdrucke gleichbedeutend seien, längst als nicht zu Recht bestehend erkannt ist (v. Frey). Nachdem neuestens Otto Frank (13) auf Grund einer be- sonderen Untersuchungsmethode gefunden hat, daß bei einer reinen Änderung der normalen Frequenz nur eine geringe Änderung des Blutdruckes zu erwarten ist, andererseits bei einer reinen Verlang- samung des Herzschlages keine Erhöhung des Blutdruckes eintreten muß, können wir den Einfluß der Art der Herzfrequenz als ohne Belang hier ausschalten. Was eine mögliche Einwirkung der Atemexkursionen in Rückenlage anbelangt, besonders in Bezug auf die Venenstrom- begünstigung, so ist zu sagen, daß sie in allen anderen Lagen als der horizontalen größer ist; übrigens sahen wir ja, daß die Blut- zufuhr zum Herzen im Liegen mindestens nicht erschwert ist. Mit Einnahme der sitzenden Stellung ändern sich sofort die Einflüsse der erörterten Momente. Als blutdruckerhöhend kommt in Betracht die Muskel- thätigkeit. Die Muskeln geraten, außer natürlich bei dem aktiven Lagewechsel, auch bei der passiven Erhebung des Oberkörpers in Aktion; vor allem aber wird durch das bloße Beibehalten der sitzenden Stellung Muskelarbeit geleistet. Für alle Art Muskelarbeit ist aber eine Blutdruckerhöhung nachgewiesen. Die Blutmenge, die nach der Frequenzzunahme der Herz- kontraktionen zu schließen, vermindert sein könnte, wird zum min- 1) Cit. nach Langowoy p. 287 f. Verhandl, d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VI. Bd, 17 246 Max Neu: [36 desten durch die ausgiebigen, die Blutzuführung begünstigenden Atem- bewegungen bes. die Inspiration, auf der alten Höhe erhalten. Vor allem aber wird der wesentlichste der den Blutdruck be- herrschenden Faktoren, der Gefäßwiderstand, abgeändert. Dafür sprechen erstens die Beobachtungen von Mall), daß mit der Strom- betterweiterung der Muskelgefäße eine Kontraktion der Arterien im Bereiche der Nn. splanchnici und möglicherweise der muskulösen Wandungen der Portalvene einhergehe. Ferner hat Klemensiewiez an Fröschen bei Lageveränderungen eine primäre Gefäßkontraktion an der Schwimmhaut mikroskopisch nachweisen können. Dann hat durch das Erheben des Oberkörpers der Widerstand in der Gefäßbahn insofern eine Änderung erfahren, als die hydro- statischen Verhältnisse abgeändert wurden. Die Herzarbeit ist entsprechend der hydrostatischen Differenz gegenüber der Rücken- lage vergrößert, was sich in einer Blutdruckerhöhung äußern kann, In Betracht zu ziehen wäre noch eine Abänderung der Blut- cirkulation in der Medulla oblongata, die nach Tigerstedt einen nachhaltigen Einfluß auf die Schwankfingen des Blutdruckes aus- üben soll. Wie wir gesehen haben, steht eine Herzfrequenzzunahme nicht im Widerspruch mit einer Blutdruckzunahme. Die genaueren Abhängigkeitsverhältnisse von beiden sind aber, wie v. Frey hervor- hebt, keine so einfachen; außerdem beziehen sie sich auf ein Gebiet in der Physiologie, auf dem keineswegs endgültige Gesetze bis jetzt festgestellt sind. Aus diesem Grunde ziehe ich die komplizierten nervösen Einflüsse nicht zur Erklärung heran, obgleich sie höchst- wahrscheinlich ihren Einfluß geltend machen. Die Modifikation unserer Versuchsanordnung, die Personen vor Übergang in die stehende Stellung eine intermediäre Lage so einnehmen zu lassen, daß sie auch saßen, aber die unteren Extremitäten herabhängen ließen, ge- schah in der Absicht, den Effekt auf den Blutdruck zu beachten, wenn die in denselben cirkulierende Blutsäule eine Senkung erführe. Wie erwähnt, trat in der Mehrzahl eine relative Blutdruckabnahme ein. Da im übrigen die Bedingungen die gleichen waren, wie in der sitzenden Haltung, Beine horizontal, so kann wohl die Blutdruckab- nahme nur aus der hydrostatischen Änderung der Blut- säule erklärt werden; denn die Blutmenge und Senkung sind nicht unbeträchtlich. Damit haben wir, wie mir scheint, eine plausible 1) Cit. nach Tangl & Zuntz, p. 544, 37] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 247 Erklärung für die prägnantere Erscheinung der Blutdruck- senkung beim Übergang von Sitzen zum Stehen; der Druck im Stehen ist aber gegenüber der horizontalen Lage erhöht aus Gründen, die wir für das Sitzen erörtert haben. Ganz ebenso verhalten sich die pathologischen Fälle, die ich unter- suchte und später berücksichtigen will. Worauf es für die Beur- teilung der klinischen Bedeutung dieser Schwankungen an- kommt, ist, daß die letzteren momentan mit der Lageänderung eintreten, wenn auch bei dem Bestreben des Organismus eine gewisse Konstanz des Blutdruckes zu erhalten, die erwähnten Schwankungen einen Ausgleich erfahren mögen. Klarer als Albert schon s. Zt. den Hinweis auf die praktische Bedeutung der Lageveränderung mit ihren sekundären Blutdruck- schwankungen gab, läßt sich die klinische Würdigung nicht anstellen. Er sagt: „Wenn aber auch die Steigerung (des Blutdruckes) eine geringfügige ist, so ıst sie doch nicht ohne Belang. Denken wir uns einen schweren Fall von Hämopto&, wo die Gefäße des erkrankten (rebietes leicht zerreißlich sind; die geringste Zunahme der Spannung kann Abschnitte dieses Gefäßgebietes neuerdings zum Reißen bringen. Mit Recht ordnen also die Ärzte in solchen Fällen die horizontale Lage an, und es wäre bedenklich, wenn jemand, gestützt auf die Befunde anderer Untersucher, den Kranken aus der horizontalen Lage in eine sitzende Stellung bringen ließe. Ganz dieselbe Reflexion läßt sich für die Stichverletzungen großer Gefäße und dergl. anstellen“. Weitere Beiträge für die klinische Bedeutung dieser Blut- druckschwankungen werde ich im pathologischen Teil zu geben haben. Für alle meine übrigen Untersuchungen sehe ich von nun an als Normallage die horizontale Rückenlage an. Durch die Untersuchungen der Blutdruckschwankungen bei Lage- veränderung ist der nun zu erörternden Frage nichts vorweggenommen: Welches ist der Blutdruckwert des Menschen unter nor- malen Verhältnissen? Darüber antwortet die zahlreiche Litteratur verschieden, nicht nur insoweit verschiedene Instrumente benützt wurden, sondern die Angaben, mit gleichen Apparaten gefunden, gehen weit auseinander. Direkte Messungen am Menschen hatten Faire einen Blut- druck von 110—120, Albert (2) 100—160 mm Hg (Brachialis) ergeben. Die Nachricht einer 3. direkten Blutdruckbestimmung beim Menschen finde ich bei Auhe- Wiegandt (59). Der gelegentlich einer Blutent- 17” 248 Max Neu: [38 ziehung bei einer urämischen Patientin gefundene Blutdruck (Radialis) betrug 150 mm Hg. Die geringste Annäherung zeigen die mit dem Basch’schen Sphyg- momanometer gefundenen Werte. basch selbst berichtet über Resultate von 90—120 mm (Tempo- ralıs), 110—160 mm Hg (Radialıs). Federn hält in der neueren Zeit für dasselbe Instrument Werte von S0—90 mm Hg für den normalen Blutdruck; er betont ausdrück- lich, daß er gegenüber Basch zu diesem Resultate durch die grund- sätzliche Unterscheidung zwischen vorübergehendem und dauernd er- höhtem Blutdruck gekommen sei. Hiürthle (31) hat mit seiner exakten Methodik in einem Falle den mittleren Blutdruck an der Brachialis eines Gesunden auf 100 mm Hg bestimmt. Die normalen Blutdruckwerte liegen nach T7'schlenoff’s (39) Unter- suchungen mittelst des Mosso’schen Apparates zwischen 70 und 100 mm Hg. Bruce (36) bezeichnet einen Druck über 130 mm Hg als abnorm hoch, unter 110 mm Hg als abnorm niedrig (Apparat von barnard und All. Brachialis). v. Frey (106) giebt mit seiner einfachen Blutdruckmessung den Druck für die Digitalarterie (zwischen 2. und 3. Phalange) auf 100 bis 110 mm Hg, für die Radialis am Processus styloides auf 150 bis 160 mm an. Bei 25 gesunden Arbeitern im Alter von 17—30 Jahren fand Hensen (95) mittelst des Riva-Rocei'schen Sphygmomanometers den Druck im Mittel 137 mm, bei 30 gleichalterigen Weibern im Mittel 132 mm Hg. Dieser Autor hält Werte zwischen 100—160 für normal, wobei 100—110 die Grenze nach unten, 150—160 mm nach oben, gegen das Pathologische bilden. Ein anderer Untersucher mit Kiva- Rocei's Instrument, Gumprecht (30), fand für Männer einen Mittelwert von 140 mm Hg, für Frauen 120 mm Hg. Auch die Autoren, die mit dem Tonometer arbeiteten, kamen zu verschiedenen Ergebnissen des normalen Blutdruckwertes. Weiss (20) fand bei Männern eine mittlere Zahl von 120 mm Hg, bei Frauen 100 mm (untere Grenze 90 bezw. 80). Die obere Grenze hält er für unbestimmbar, weil sich Zahlen ergaben, die ohne bezüg- liche Anhaltspunkte als pathologisch gelten müssten. Analog diesen Ergebnissen bezeichnet Schüle (41) einen zwischen SO und 130 mm Hg schwankenden Blutdruck als normal. 39] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 249 Neisser (27) findet die durchschnittliche Normalzahl zwischen 90 und 110 mm Hg, ausnahmsweise 160 mm beim Gesunden. Zur Fest- stellung der normalen Blutdruckzifier hat Jellinek (19) bei mehr als 500 Soldaten Messungen mit dem Tonometer gemacht. Er giebt an, die am meisten vorkommende Blutdruckzahl läge zwischen 100 und 160 mm. Ja er ist geneigt, Werte von 180 mm noch als physiologisch anzusehen, „weil“, wie er sagt, „die Blutdruckschwankungen eben sehr groß sind“. MeineErfahrungen, die auf Grund zahlreicher Messungen unter möglichst gleichen Außenbedingungen gewonnen sind, möchte ich dahin präzisieren, daß der Blutdruck unter normalen Verhältnissen bei Fernhaltung aller äußeren Reize in Rückenlage zwischen 80 und 130 mm Hg schwankt. Die untere Grenze ist für Männer im Durchschnitt 85 mm Hg, für Frauen, beides unter 30 Jahren, SO mm Hg. Die äußerste physiologische Grenze für Beide 125mm Hg. Bei 130 mm Hg dürfte das pathologische Verhalten bereits einsetzen, dann, wennäußere, denBlutdruck erhöhendeReize ausgeschaltet wurden und der Wert dauernd erhalten wird. Die häufigsten Blutdruckwerte liegen zwischen 90 und 115 mm He. Meine Resultate stimmen also mit denen von Weiss und Schüle nahezu überein; sie harmonieren auch ganz gut mit den direkt ge- fundenen Blutdruckwerten des Menschen. Somit ist die Entscheidung über den Beginn pathologischen Verhaltens doch nicht so schwer; wenn eine einwandsfreie Erklärung für eine erhöhte Ziffer nicht zu geben ist, so darf uns das nicht hindern, irgendwo pathologische Ver- änderungen zu vermuten. Man muß recht vorsichtig sein, aus 2 bis 3 Messungen an einem Tage einen krankhaften Zustand im Körper zu vermuten. Zuweilen haben irgendwelche physiologische Reize, die wir beim besten Willen nicht auffinden können, diesen vorgetäuscht. Darum hat auch Federn völlig recht, nur den dauernd erhöhten Blutdruck als pathologischen Blutdruck zu charakterisieren. Was die unterste Grenze anbelangt, bei der das Leben dauernd bestehen kann, also die Lebensgrenze, so habe ich als niedersten Wert 45—40 mm Hg gefunden. Ein dauernder Blutdruck von 40 mm muß als ein omen pessimum bezeichnet werden. Solche Werte kommen bei subnormaler Temperatur in der Agone vor. Diese meine Befunde stehen in Übereinstimmung mit denen Christeller’s (35) (Basch's Apparat) und decken sich mit Pilez’s (17) Erfahrungen (Gärtner's Tonometer). Die Angaben Kapsamer’s (18) (Gärtner’s Tonometer), wonach als Minimum für die Existenzfähigkeit ein Blutdruck von 60 mm Hg zu 250 Max Neu: [40 betrachten sei, kann ich nicht bestätigen. Blutdruckwerte von 55 bis 50 mm habe ich des öfteren ermitteln können; das Leben be- stand trotzdem weiter und Genesung trat ein. Bei der Applikationsweise des pneumatischen Ringes am Finger liegen Vermutungen nahe, es könnte eine Differenz der Blut- druckwerte entstehen, je nachdem man an der rechten oder linken Hand mißt. Untersuchungen in dieser Richtung sind nicht nur von theoretischem Interesse, sondern auch von praktischer Wich- tigkeit. Die ersten derartigen Prüfungen sind, soweit ich ersehen kann, von Kapsamer angestellt. Die sich bis zu 35 mm ergebenden Unter- schiede erklärt er aus der „Alteration der Psyche‘, was er daraus folgert, daß bei längerem Zuwarten der Einfluß, eventuelle Aufregungs- momente, durch die Erschöpfbarkeit der Gehirnrinde schwindet. Ver- schiedene mechanische Verhältnisse glaubt er deshalb verantwortlich machen zu können, weil die Differenzen vorhanden sind, ob man mit dem gleichen Apparate hintereinander r und I mißt, oder mit zwei gleichen gleichzeitig. Jellinek sah bei 207 Soldaten in 49 Fällen den Blutdruck wert, rechts gemessen, höher als links. Ausgedehnte Untersuchungen haben Hecht und Langstein (97) ebenfalls an Soldaten vorgenommen und in 95°o der Fälle hat der Blutdruck an der Prävalenz der betr. Körperseite um ein Plus von 5—20 mm Hg gegenüber der anderen Körperhälfte teilgenommen. Sie folgern aus ihren Ergebnissen, daß sehr wohl den differenten Blutdruckwerten eine Ursache für die Rechts- bezw. Linkshändigkeit beizumessen sei. Auch ich habe mit meinem modifizierten Apparate sowohl als mit zwei Instrumenten derartige Messungen vorgenommen und diffe- rente Werte bis 15 mm Hg, aber auch gleiche Werte er- halten. Die Autoren Hecht und Langstein glauben die möglichsten Kautelen vor Irrtümern getroffen zu haben. Daß es völlig gleich- gültig ist, an welchem Finger der gleichen Hand gemessen wird, habe ich oben gezeigt und ihre Abstandnahme von der kongruenten Messungs- art an den beiden Händen ist damit zu billigen. Sie berücksichtigten aber nicht die Beschaffenheit des Gewebes, den Turgor der Haut; sie führen einerseits die Erfahrung von Biervliet der Prävalenz von Skelett und Gewebe der mehr beanspruchten Seite an, berücksichtigen sie aber nicht bei der Kritik. 41] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 251 Das primäre ist die erhöhte Arbeitsleistung der prä- valenten Seite; daraus resultiert die Veränderung der Gewebe, die, wie ich experimentell nachgewiesen zu haben hoffe, die Blutdruckbestimmung mit dem Gärtner’schen Tonometer beeinflußt. Sodann geht aus dem Versuchsplan nicht hervor, ob die Experi- mentatoren jedesmal nur die Beobachtung einer Hand übernahmen oder die Plätze vertauschten. Es resultieren nämlich gerade aus der individuellen Auffassung der Färbungsqualitäten Differenzen, die in die von Hecht und Lang- siein gefundene Schwankungsbreite fallen. Dieser Umstand brachte mich eben auf die Herstellung des modifizierten Apparates, wodurch eine Person gleichzeitig an beiden Händen untersuchen kann. Aus der Prävalenz einer Seite folgt nicht nur die des (Grewebes, sondern auch des Gefäßapparates. Letztere kann sich aber in der Färbungsqualität äußern. Die Differenzen zwischen dem anrechterundlinker Hand gemessenen Wert erklären sich also aus dem erörter- ten Einfluß des Gewebes, vielleicht auch aus der ver- schieden aufgefaßten Färbungsqualität. Am Schlusse ihrer Arbeit fordern die genannten Autoren zu vergleichenden Druckmes- sungen an Neugeborenen als entscheidend auf. Die Messungen an Säuglingen sind recht subtil und ein- wandfreie Beobachtungen, frei von Körperbewegungen und reflektori- schen Einflüssen, sind schwer zu erhalten. Mit gütiger Erlaubnis des Herrn Geh.-Rat Kehrer machte ich auf der hiesigen Frauenklinik einige derartige Vergleichsmessungen an Neugeborenen. Dazu benutzte ich die kleinste Ringsorte, die verfertigt wird, und als Beobachtungs- objekt den Daumen. Dabei wurden gleiche Werte, an rechter und linker Hand, im Durchschnitt 90 mm Hg, gefunden. Einfluß der Respiration. — Seit Zudwig’s bahnbrechender Einführung der graphischen Methode ist die Thatsache einer Beein- flussung des arteriellen Blutdrucks durch die respiratorische Thätig- keit bekannt geworden. Die Litteratur lest von der Strittigkeit und dem geführten Streit der Frage des „Wie?“ genügendes Zeugnis ab; eine allgemeine Einigung steht aber immer noch aus. Während wir in Hermann’s Lehrbuch der Physiologie die Lehre finden, der Druck steigt während der Inspiration und sinkt während der Exspiration, ferner daß beim Menschen die Schwankung nicht sicher nachgewiesen ist, lehrt uns Tigerstedt, daß bei der natürlichen Atmung, bei langsamer Respiration, „der Druck bei Beginn der In- 252 Max Neu; [42 spiration herabsinkt und später ansteigt, bei der Exspiration um- gekehrt zuerst ansteigt und später herabsinkt.“ Das Druckmaximum erscheint bei Beginn der Exspiration; bei schnellen Atembewegungen findet nur eine Drucksteigerung in der Exspiration, bei der Inspira- tion nur eine Druckabnahme statt. Im ebenbezeichneten Sinne sollen die Schwankungen des intrathoracischen Druckes wie die statische Veränderung der Weite der Lungengefäße wirken. Für den Menschen sind zahlreiche Studien mit Hülfe des Sphygmographen und Plethys- mographen gemacht worden. Nach Tigerstedt ergiebt sich eine völlige Übereinstimmung in den respiratorischen Blutdruckschwankungen für Mensch und Tier. In den neueren Arbeiten finden wir eine Bestätigung dieser Resultate; so fand nicht nur Hensen in einem Falle von Asthma bronchiale inspiratorisches Sinken des Druckes, sondern auch Francke (74) bei der Einatmung ein Sinken und bei der Ausatmung ein Ansteigen des Blutdruckes. Mit dem Gärtner’schen Tonometer kann eine Entscheidung in unserer Frage nur in der Weise gebracht werden, daß die Respi- rationsphasen bei langsamem Atmungsmodus, in In- und Exspiration zerlegt, einzeln betrachtet werden. Auf solche Weise ergiebt sich dann auch eine Bestätigung da- hin, daß ausnahmslos eineinspiratorische Druckabnahme und exspiratorischer Druckanstieg zu konstatieren ist. Die Schwankungsbreite beträgt 5—20 mm Hg. Einfluß des Valsalva’schen Versuchs. — Der Valsalva’sche Versuch, dessen Einfluß auf den arteriellen Druck ich als weiteres Untersuchungsobjekt bearbeitete, besteht bekanntlich darin, daß bei geschlossener Glottis und Inspirationsstellung des Thorax Brust- und Bauchhöhle durch eine Exspirationsbewegung zusammengedrückt wird. So übereinstimmend die Angabe der Autoren lautet, daß mit der Aufnahme der Versuche die Zahl der Herzschläge stets empor- geht, und daß die frequenten Pulse kleiner werden, so different ist sie über den Einfluß auf den Blutdruck. Das Unternehmen, den zur Lösung der letzteren Frage zahl- reich mit den verschiedensten Untersuchungsmitteln ausgeführten Studien eine erneute Bearbeitung zuzufügen, soll damit begründet werden, daß viele Funktionen, die auf unseren Versuch zurückzuführen sind und die unter physiologischen Verhältnissen schon ergiebig den arteriellen Druck beeinträchtigen, unter pathologischen Umständen eine weitgehende Bedeutung durch diesen Einfluß gewinnen können. 43] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner's Tonometer. 253 Lenzmann, der zum erstenmal mit einem Blutdruckmesser, dem Basch’schen Apparat, diese Frage studierte, wie die anderen Autoren, die vor oder nach ihm die sphygmographische und andere Methoden benützt hatten, waren zu dem Ergebnis gekommen, der Blutdruck nehme während des Valsalva'schen Versuches ab. Waldenburg (98), Zadeck (11), soweit die Einatmung kompri- mierter Luft mit dem Versuch identifiziert werden darf, @rebner und Grünebaum (5), Wolffhügel (61) fanden eine nicht unbeträchtliche Blutdruckzunahme. Um für eine Vergleichung der Druckschwankungen bei Gesun- den und Kranken gleiche Bedingungen zu schaffen, hatte ich den Versuchsplan gewählt, die eingezogene Inspirationsluft in ein nach Waldenburg’s Pneumatometer konstruiertes Wassermanometer bis auf eine gewisse Marke (50 cm hoch) einpressen zu lassen. Ich war da- mit wohl in der Lage, den Exspirationdruck in jedem Versuchs- fall zu dosieren; trotzdem stand ich von diesem Versuchsmodus ab, nachdem ich zufällig von einer Arbeit von Wolffhügel Kenntnis erhalten hatte, die in einer zweckmäßigeren Weise diese Frage ın Angriff genommen hatte. Da dieser Autor gleich mir zum Resultate gekommen war, der Valsalva’sche Versuch wirke blutdrucksteigernd, entschied ich mich von da an für Wolffhügel’s Methode. Seine Schwankungswerte waren nämlich viel bedeutender als die meinigen (10—25 mm Hs) ausgefallen, sodaß ich annehmen mußte, daß mit meiner Methode die volle Wirkung des Versuches nicht in die Er- scheinung treten konnte. Wolffhügel hatte die einzelnen Phasen des Versuches auf ihr Druckergebnis studiert. Tabelle V1. l. Versuche mit Anwendung des Wassermanometers. Datum Zeit Puls Blutdruck | Bemerkungen 5. III. ||3h15‘pm 76 90 V. V.!). Der Manometer wird immer auf 50 cm Höhe geblasen. 3h 20° 60 115 VW. W. 3h 35° 76 105 3h 57‘ 56 115 Vvav. 3h 45’ 80 100 3h 47° 96 120 V; W. 7. III. ||3h 30° 72 100 |3h 32° 64 115 MaV: ı) V. V. bedeutet Valsalva’scher Versuch. 254 Max Neu: [44 2. Versuche mit Zerlegung der Phasen. Datum | Zeit Puls | Blutdruck Bemerkungen 7. III. || 3h47‘pm | 76 95— 100 13h 48° 56 125 | V. V. Bauchpresse. |3h 55° Ss0 | 105—110 | ARE | ae 135 | V. V. ohne besondere Inspiration. Der | Puls cessiert an der Radialıs. Versuchsperson | Datum | Zeit | Puls Beh Bemerkungen G.G,23J, | 9.0, | 3550| 76 130 | Anfangsdruck. cand. med. 3h 40° 135 | Tiefe Inspiration. Suspension | der Atmung. sh 45‘ | 140 | Pressen ohne besondere Inspira- | | tion, gewöhnliche Atmung. | 3h47°| | 160 | Tiefe Inspiration. Bauchpresse. M. N. 23 J., 116. II.| 5520| 68 | 100 Anfangsdruck. cand. med. | 5h 21° 105 Suspension der Atmung ohne Pressen. | 5h 25° | 125 | Ohne besondere Inspiration. — | \ Pressen. 5h 30° 150 || Valsalva’s Vers. 5h35°| 68 95—100 | Druck nach dem Versuch. 120. III.|4h40°| 80 | 90 | Anfangsdruck im Liegen. | | | 115 V. V. | #4 50° | - 100 | 100 | Anfangsdruck im Sitzen. | | 145 | Wa: Ruhl 116, III. | 3h10°) 72 /80— 85 | Anfangsdruck. 3h18| 76 | 115|| V. V. 118. III. | 2h45‘ 72 110 Anfangsdruck. | 2447| 78 130 v. V. Joh. Schwartz, 118. II. 4410‘ 64 | 115, Anfangsdruck. 35 Jahre, Bade- 4hj2 155 | V. V. meister | 4h15 | 125 Suspension der Atmung. ‚420° | 140 | Tiefe Inspiration; Suspension d. | Atmung. | 4h22 | 140 | Ruhige, gewöhnliche Atmung; I | Pressen. 4h 30° 165 | V. V. 4h40'| 72 125 | Anfangsdruck im Sitzen, 180: V. V. 45) Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 255 Diskussion: Wir können im wesentlichen die Ergebnisse Wolff- hügel's bestätigen, nämlich eine durchgehende Blutdruckstei- gerung bei Anwendung des Valsalva’schen Versuches. Die Blutdrucksteigerung tritt sofort mit dem Versuch ein, fällt umso intensiver aus, je ausgedehnter die vor- herige Inspirationsbewegung und je kräftiger die durch alle auxiliären Mittel unterstützte Exspiration war. In einem Punkte unterscheiden sich meine Befunde wesentlich von den Ergebnissen Wolfhügel’s. Dieser Autor konnte keinen Unter- schied im Resultate konstatieren, ob er den Versuch in horizontaler oder aufrechter Haltung vornahm. Meine Ergebnisse lauten so, daßinjederanderenals horizontalen Haltung (Sitzen, Stehen) bei derselben Versuchsperson die Schwankung bedeutender aus- fällt. Am bedeutendsten ist die positive Blutdruckschwan- kung im Sitzen. Nach dem bei der Lageveränderung Erörterten können wir auch nichts anderes erwarten. Schon bei aufgehobener Atmung ohne jegliche Exspirationsbe- wegung finden wir eine Drucksteigerung von 5—10 mm Hg; wenn alle im Sinne des V. V. begünstigenden Momente wirken, eine Stei- gerung von 60—65 mm Hg, also eine Druckzunahme von über 50 °/o des meist vorhandenen Normaldruckes. Eine große Anzahl unserer Versuche stellten wir unter gleich- zeitiger Aufnahme sphygmographischer Kurven an. Fig. 2, ein Bei- spiel, soll nur eine Illustration des durch Druckmessung gefundenen Wertes sein. Allerdings hat in neuerer Zeit &. Hirschmann (66) an der bloss- gelegten Arterie des Hundes gefunden, daß der während des V. V. erniedrigte Blutdruck mit der Pulsbildwirkung überein- stimme. Dieses Ergebnis braucht aber nicht gegen ein anderes Verhalten beim Menschen zu sprechen. Denn Hirschmann bläst die Lungen von der Trachea auf und setzt sie unter Druck; beim Menschen erfolgt plötzliche Kompression einer unter gleichem Druck eingesogenen Luftmenge durch plötzlichen Verschluß der Glottis und Pressen von der Lungenoberfläche her mittelst gewaltsamer Exspira- tionsbewegung des Thorax und der Bauchpresse. Vielleicht ist in der Verschiedenartigkeit der Versuchsmodi und der dabei abgeän- derten Reflexvorgänge die Abweichung der Hirschmann’schen Resul- tate zu suchen. Wie haben wir alledem gegenüber unseren konstanten Befund der Blutdruckerhöhung zu erklären? 956 Max Neu: [46 Vielleicht scheiden wir zur besseren Übersicht die Einflüsse in solche mechanisch-physiologischer Natur und ferner in ner- vös-reflektorischer Art. Bei der Natur des Valsalva’schen Versuches liegt es auf der Hand, daß die Respirationsthätigkeit einen wesentlichen Ein- fluß auf das Zustandekommen der Blutdruckschwankungen haben muß. Zu dem Valsalva’schen Versuch za’ &&oynv gehört vor allem eine kräftige Inspiration. Dieser Akt unterstützt in aus- giebiger Weise den Venenstrom und führt dem rechten Atrium eine erheblichere Blutmenge zu, womit auf ein erhöhtes systolisches Schlagvolumen natürlich vorbereitet wird. Mit dem Einsetzen der aktiven Exspiration, die durch Ver- schluß der Glottis und Mitwirkung der Bauchpresse auf ein bedeuten- des Maß gebracht wird, wird die systolische Herzkraft in dem Aus- pumpen einer vermehrten Blutmenge unterstützt, gleichzeitig wird durch den Exspirationsdruck dem Abtluß des Blutes in der Aorta abdominalis ein kräftiger Widerstand gesetzt; alles dies läßt den Druck im Aortensystem momentan ansteigen. Wenn im weiteren Verlauf des Versuches der intrathoracale Druck anhält, so kann natürlicherweise die rechte Herzhälfte auf eine weitere Blutzufuhr nicht rechnen. Ja, es ist nicht unmöglich, daß im Venensystem der sonst negative Druck in retrograd positiven verwandelt wird, der sich nur gegen das Kapillargebiet äußern kann und zwar als Wider- standseinschaltung im Sinne einer Blutdruckerhöhung. Für diesen Druckanstieg im venösen System sprechen außer der Uyanose die Gefäßerweiterung, die wahrscheinlich eine passive ist. (Hirschmann). Nachdem Wolffhügel nachgewiesen hat, daß zwischen arterieller Druckhöhe und Größe des intrathoracischen Druckes ein direktes Verhältnis besteht, so kann meines Erachtens kein Zweifel be- stehen, daß die Respirationsthätigkeit schon an sich haupt- sächlich die Wirkung auf den Blutdruck hervorbringt; denn dieser intrathoracische Druck hängt ab von der Tiefe der Inspira- tion und Stärke der Exspiration. Bei praktischer Verwendung des V.V.z. B. beim Heben schwerer Lasten sehen wir denn auch darauf das Augenmerk gerichtet. Als weiteres blutdrucksteigerndes Moment kommt die Atmungssuspension in Betracht mit dem Effekte einer Dyspnoe. Der Sauerstoffmangel infolge der verminderten Blutzu- 47] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 257 fuhr zum Gehirn bezw. der Medulla oblongata wirkt, umsomehr deren funktionelle Bedeutung für den Organismus eine große ist, reflektorisch im Sinne einer Blutdruckerhöhung. Diese That- sache steht sowohl für das Tier als den Menschen fest. (Zuntz (67), Hensen, Schleisiek). Das reflektorische Zustandekommen der Blut- drucksteigerung ist von Zuntz aus gleichzeitiger Kontraktion der Darmgefäße und Pulsverlangsamung (Reizung des Vaguscentrums) bei Erstickungsversuchen geschlossen. Diese Vasokonstriktion und Blut- druckerhöhung soll durch Beschränkung der Blutzufuhr nach der Peripherie hin den lebenswichtigeren Organen (Medulla und Herz) einen Dienst leisten, was Hensen, als „eine zweckmäßige Selbsthülfe des Organısmus“ ansieht. Daß die Atemsuspension und Dyspnoe einer regel- rechten Erstickung nahesteht, ergiebt sich aus den Folgen eines übertrieben gehandhabten Valsalva'schen Versuches, die Kid. Weber seinerzeit an sich selbst erfuhr — Bewußtseinsverlust und Konvulsionen. Weiter könnte die Blutdrucksteigerung im V. V. durch die Frequenzzunahme der Herzkontraktion erklärt werden. Die Konstanz dieser Erscheinung kann aber, wie wir beobachtet haben, durch das gerade Gegenteil durchbrochen werden. Schon aus diesem Grunde muß dieser Faktor mit Vorsicht benutzt werden: sodann aber auch deshalb, weil eingesetzmäßiges Verhalten, offenbar wegen der komplizierten Nervenvorgänge, zwischen Zahl der Herzkon- traktionen und Blutdruckschwankungen nicht besteht. Es kann nämlich eine Blutdruckerhöhung neben frequenterem wie ver- langsamtem Herzschlag bestehen. Was den Anteil nervöser Einflüsse anbelangt, so hoben wir ihn für das Üentralorgan bereits hervor. Der hauptsächliche nervöse Einfluß äußert sich in der Vasokonstriktion des Ge- bietes, das vom Nervus splanchnicus versorgt ist. Seine Reizung muß außer in der Medulla auch lokal in der Bauchpresse gesucht werden. Auch andere sensible Nerven antworten auf Erregung im Sinne eines Blutdruckanstiegs. Wenn die Reaktion des Splanchnicus auf Erstickungsreize durch die Zumtz’schen Untersuchungen klar gestellt ist, auf der anderen Seite der Bedeutung des Splanchnieus auf den Blutdruck kaum ein anderer der ihn beherrschenden Faktoren gleichzukommen vermag, so will der Einwand, daß andere Gefäßgebiete entspannt sind und Blutdruck senkend wirken, nichts besagen. 258 Max Neu: [48 In der That ist letztere Erscheinung wiederholt durch sphygmo- graphische Studien (Sommerbrodt etc.) aus der Dikrotie des Radialis- pulses geschlossen und mit Recht, wie ich aus eigenen Untersuch- ungen bestätigen kann. Mit Unrecht aber war dieses Phänomen der Grund zu dem Schlusse, daß, nachdem die Dikrotie einmal nachgewiesen war, der Blutdruck im V. V. herabgesetzt sei. Es muß nämlich bedacht werden, daß die Dikrotie nichts weiter bedeuten kann als eine Parese der Vasomo- toren der betr. Gefäßprovinz: so lange der Dikrotismus nicht für andere wesentlichere (Gebiete oder alle Gefäße nachgewiesen ist, sind weitgehende Schlüsse auf den Blutdruck nicht am Platze. Weiter sei noch Trgerstedt's Ansicht angeführt, daß zwischen Höhe des Blutdruckes und dem Grade der Dikrotie keineswegs ein konstantes gesetzmäßiges Verhalten besteht, eine Ansicht, von der ich mich während meiner Untersuchungen an Kranken oft genug überzeugen konnte. Jedenfalls liegt in den oben angeführten Daten kein Wider- spruch gegen das Verhalten des Splanchnicusgebietes vor, das oft genug einen Antagonismus gegenüber dem peripheren Gefäßgebiet zeigt. Wenn wir endlich noch erwähnen, daß bei der Anstellung des Valsalva'schen Versuches der Einfuß psychischer Thätigkeit, bestehend in der Intention, den Versuch möglichst ausgiebig zu ge- stalten, ebenfalls als blutdruckerhöhendes Moment hinzukommt, so sind meines Erachtens die Gründe für die Blutdrucksteigerung so vielseitig und nachdrücklich, daß man dieselbe als hinreichend erklärt betrachten dürfte. Ich hatte, um eine gründliche klinische Würdigung der Ergebnisse des V. V. geben zu können, ursprünglich die Absicht, meine Beobachtung in dieser Hinsicht auch auf das Krankenmaterial auszudehnen, um vor allem auch zu sehen, ob Kranke etwa eine andere Vulnerabilität des Blutdruckes zeigten. In diesem Sinne und zur besseren Dosierung der Versuchbedingungen hatte ich mich an- fangs der erwähnten modifizierten pneumatometrischen Methode be- dient. Nachdem ich mich aber von der Unzweckmäßigkeit dieses Versuchsplanes überzeugt hatte, nahm ich mit besonderer Rücksicht auf die Gefährlichkeit, die immerhin dem Versuche zukommt, Ab- stand von meinem ursprünglichen Plane. So sei es mir denn gestattet, da die Rücksicht auf das Wohl der Kranken experimentelle Befunde versagte, die praktischen Folge- rungen aus den Ergebnissen des V. V. an Gesunden, mehr durch 49] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 259 Überlegungen zu ziehen und zuvörderst einen Blick zu werfen auf die Bedeutung, die bislang die Autoren hervorhoben. Waldenburg, Zadek (11), Sommerbrodt (99) und Lenzmann (95) folgerten, insoweit der Versuch mit der Einatmung komprimierter Luft identifiziert werden kann, therapeutische Maßnahmen. Reineboth (101) hat in neuerer Zeit den V. V. als Maß für die Wiederausdehnungsfähigkeit der Lunge bei Pneumothorax herangezogen. Leyden (108) hat Fälle von Überdehnung und Muskelinsufficienz des Herzens infolge körperlicher Überanstrengung ganz nach dem Typus des Valsalva’schen Versuches erklärt (Atemsuspension, Kom- pression des Thorax, Kompression großer peripherer Arteriengebiete durch die Muskelaktion — außerordentliche Steigerung des Blut- druckes). Waldenburg hat, geradezu experimentell erzeugt, bei zu langer Dauer der Pneumato-Therapie Dilatation des Herzens konstatieren können. Wolffhiügel weist besonders nachdrücklich auf die pathogenetische Bedeutung des V. V. für akute Überanstrengung des Herzens hin; durch die Dyspnoe, gestörte Blutverteilung, in summa Blutdrucker- höhung entsteht diese schädliche Folge schwerer körperlicher Be- schäftigungsarten. Indem ich zu meinen eigenen Folgerungen nunmehr über- gehe, muß ich bemerken, daß Betrachtungen, die eigentlich patholo- gische Zustände betreffen, nicht gut bis später zurückgestellt werden können und daher hier erörtert seien. Alle Kranke, die nach der Art ihrer Erkrankung durch einen dauernd erhöhten Blutdruck ausgezeichnet sind, wird man Funktionen, die im Sinne des Valsawa’schen Ver- suches zu analysieren sind, vermeiden lassen müssen. Solcherlei Funktionen sind in erster Linie der Husten. Den Husten kann man vielleicht charakterisieren als einen kurzdauernden Valsalva’schen Versuch: Tiefe Inspiration, Verschluß der Glottis und explosionsartige Exspirationsbewegungen unter Zuhilfenahme der Bauchpresse. Daher äußert er auch ganz denselben Einfluß auf den Blutdruck. Werte von 5—30 mm Hg und mehr können die posi- tive Schwankung ausmachen, je nach Stärke der Inspiration und Exspiration. Auch Nießen führt wie heftiges Lachen auf ähnlichem Wege zu einem Blutdruckanstieg. 960 Max Neu: [50 Ferner wirkt das Pressen, wie es bei derDefäkation unver- meidlich ist, zu entsprechenden Resultaten. Alle diese dem V. V. analogen Vorgänge setzen nicht nur die Fälle mit konstant erhöhtem Blutdruck, wie Arteriosklerose mit der leichten Zerreißlichkeit der Gefäßwände unmittelbarer Gefahr aus dem Blutdruckanstieg aus, sondern auch Patienten mit hämo- ptoischer Disposition oder Aneurysmatiker, kurz alle Patienten, die eine Blutung befürchten lassen, schweben in dieser. In allerneuester Zeit ist in der Litteratur erst ein Fall bekannt geworden, der ein Paradigma für unsere Erörterung bildet und wegen seiner prägnanten Eigenart hier ausführlicher ange- geben sei. Beckert (75) berichtet von einer Stichverletzung des Herzens bei einem 34jähr. Mann, der einige Tage nach der Verletzung seinem Berufe nachgegangen war und 14 Tage nach der Verletzung bei der Defäkation verstarb. Die Obduk- tion hatte im Herzbeutel eine Narbe ergeben: dieser selbst war mit Blut über- füllt. Der Autor deutet ganz richtig die Todesart so, daß der Ast der rechten Kranzarterie, die post mortem eine kleine Öffnung aufwies, offenbar infolge des enormen Druckanstiegs bei der Defükation, bezw. die durch die Verletzung ge- setzte Wandverdünnung barst, wodurch momentan der Verblutungstod eintrat. In Bezug auf diesen Fall ist es nun im höchsten Grade interessant, daß Martin bei Erstickung von Tieren (Erstickung hat ja ebenfalls Steigerung des allgemeinen Blutdrucks im Gefolge) Erweiterung der Kranzarterien beobachtet hat, die er aller- dings als eine aktive auffaßt, weil er sie durch periphere Vagusreizung ebenfalls auslösen konnte. Aber selbst wenn die Erweiterung im Beckert'schen Falle eine passive war, so wird klar, wie infolge des momentanen Druckzuwachses im Gefäß die Wand zerreissen konnte. Aus diesem eklatanten Falle geht die große praktische Bedeutung eines momentanen Druckanstieges zur Evidenz hervor. Von denunangenehmen Folgen des Druckanstieges können ebensogut auch Kranke mit einer Schwächung der Herzmusku- latur betroffen werden, sei es, daß.dieselben aus akut fieberhaften oder chronischenKrankheiten resultiert, besonders dann, wenn eine Häufung derartiger, dem V. V. analoger Vorgänge statt- gefunden hat. Von den chronischen Kranken sind es besonders chloro- tische Individuen, worauf Henschen in seinen „Mitteilungen“ nachdrücklich hinweist. Innerhalb eines Jahres hat er 19 Fälle mit den erwähnten Erscheinungen beobachtet, wovon 14 chlorotische und anämische Individuen betrafen. Die Herzdilatationen, die im Gefolge körperlicher Anstrengungen bei den von Haus aus geschwächten In- dividuen auftraten, möchte ich aus der Wirkung des V. V. deuten. 51] Experiment. u, klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 261 Henschen selbst weist auf die prophylaktische und hygienische Bedeutung hin, junge Mädchen nicht zu schweren Dienst aufnehmen zu lassen; gleichzeitig lenkt er die Aufmerksamkeit auf den diagnos- tischen und therapeutischen Weg. Er sagt: „Wo Herzklopfen bei einem chlorotischen oder anämischen Individuum vorkommt, muß man die Größe und nicht nur die Töne des Herzens genau untersuchen, und nicht ohne weiteres dafür den anämischen Zustand anklagen. Man wird dann oft die wahre Ursache des Herzklopfens finden“. Die ‘Therapie besteht in der Ruhe und der Fernhaltung der das Herz über- mäßig anstrengenden Momente, solange Anzeichen der Anomalie manifest sind. Auf einen weiteren Punkt will ich noch aufmerksam machen. Bei derartigen Intividuen ist nicht selten eine Tendenz zu chronischer Obstipation vorhanden. Nach dem früher erörterten ergiebt sich die Folgerung namentlich solchen Patienten eine von jeglicher An- strengung freie Defäkation zu verschaffen, weil abgesehen davon, daß chronische Obstipation, wie Federn (9) nachgewiesen hat, an sich Blutdrucksteigerung bedingt, dem akuten Blutdruckanstieg beim Pressen vorgebeugt wird. Derartige Schlußfolgerungen haben insbesondere auch für alle Hämorrhoidalzustände zu gelten, nachdem Federn gezeigt hat, daß bei diesen Krankheitsformen ein abnorm erhöhter Blutdruck herrscht, ja daß er sogar die Ätiologie dafür sein könnte. Wie letzterem auch sei, da wir wissen, daß beim V. V. und ihm analogen Funktionen auch eine Druckerhöhung im venösen System stattfindet, die retrograd auf den arteriellen Druck einwirkt, so werden wir bei Krankheitsformen der venösen Stase, so bei Hämorrhoiden und Varikositäten, auf einen erleichterten Stuhlgang zu achten haben, weil damit nicht allein der dauernd bestehenden Blutdruck- erhöhung vorgebeugt werden kann, sondern Blutungen durch Bersten einer varikösen Vene entgegengewirkt wird. Die Hämorrhagien, die infolge gewaltiger Hustenparo- xysmen an den verschiedensten Stellen des Körpers auftreten können, sind ebenfalls im Sinne der Ergebnisse des V. V. zu erklären. Wie einerseits Rötung und Schwellung des Gesichts, Kongestionen nach dem Kopf mit Klopfen der Carotiden und anderer Arterien beobachtet werden können, so sind andererseits Blutungen aus der Nase, in die Conjunctiva, in die Meningen, Gehirn und Rückenmark keine Selten- heiten. Ja von Sticker (123) werden sogar Aneurysmenbildungen er- wähnt, die nach derartigen Anfällen auftraten. Die Art des Zustande- Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 13 262 Max Neu: [52 kommens der erwähnten Blutungen ist längst klinischerseits erkannt; die Ätiologie, wie sie z. B. Fuchs in seinem Lehrbuche für die subkonjunktiven Blutungen oder Bindehaut-Ekchymosen anführt: Schwere körperliche Anstrengung, Husten, Nießen, Erbrechen, starkes Drängen etc.“ sind wohl in Analogie mit der Wirkung des V. V. zu bringen. Es ist aber notwendig, mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß zum letzten die Blutdruckerhöhung die unmitelbare Ursache bildet. ! Bevor ich dieses Kapitel verlasse, will ich noch erwähnen, daß ich auch Tonometermessungen beim sogen. Müller'schen Ver- suche anstellte. Derselbe besteht bekanntlich in einer Thoraxdila- tation bei verschlossener Mund- und Nasenöffnung; er bildet gleichsam das Gegenstück zum V. V. Ich beobachtete eine mäßige Blut- drucksenkung (5—10 mm Hg) und Pulsbeschleunigung. (renauere Versuchsprotokolle mitzuteilen unterlasse ich ebenso wie eine eingehende Diskussion, weil dem NMüller'schen Versuche bei weitem nicht die praktische Bedeutung wie dem V. V, zu- kommt. Einfluß der Kaltwasserapplikation. Wir haben oben er- wähnt, daß wir bei Reizapplikationen an einem Finger, bestand sie in Anwendung von Wärme oder Kälte, keine Abänderung des Gesamt- blutdruckes beobachten konnten; wohl aber kamen wir zu interessanten Befunden, wenn wir derartige Reize auf ein größeres Körpergebiet einwirken ließen. Wir experimentierten folgendermaßen: Das Individuum, das sich in bequemer Rückenlage befand, hatte die Aufgabe, eine Hand nebst Vorderarm in ein Wasserbad von bestimmter Anfangstemperatur (10° R.) zu legen, nachdem wir vorher an der anderen Hand den Blutdruck gemessen und eine sphygmographische Kurve gewonnen hatten. Indem wir nun successive eine Abänderung in der Kälte des Armbades eintreten ließen, beobachteten wir am Messungsarm das Verhalten des Blutdruckes und des Sphygmogramms. Tabelle VII. I} Person | Zeit Puls Blutdruck Temp.) Bemerkungen | j | ner 43 are it 18. II 250°) 72 110... | 3 0%| 64 | 115 |10°R | 3 107 115 |10R Anfangsdruck. | Hand und Arm ins Bad. Ruhl 53] | Puls Blutdruck Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer, 263 Person Zeit Temp. Bemerkungen 3h 15°| 64 120: 7911| 3 18°| 64 120 | 8 3 21°| 64 1253 1079 3 242 64 130 | 5° 3 26°| 64 135 | 4° 3 30°) 64 135 | 4 3 82° Arm aus dem Bad (Dauer 42 Minuten). Sa TO: 125 3 38| — 120 3m A02 5268 115 3 42° 22°R | Warmes Bad. 3 44° 68 105 3 45° 68 100 | 24° R 3 47° KON ERS Ursprünglicher B. D. 3 50° 110 Arm aus dem Bad. 33. 00% 110. Frieda Müller |15. 111.5 | 88 90 Ausgangsdruck. 5 08°! 10° R || Armbad. 98.07. 1.2.72 SS 5 15°| 68 85.1 40 Helle‘ Arm aus dem Bad. 5.18% 7716 85 5207 16 85 Dw25r 27°R Warmes Bad. 5 28° 80 80 5 30°| 80 85 5 85°| 80 90 5380| 88 90 5 40°| 88 90 Ursprünglicher Blutdruck. Rempp ı14. 111.3 35| 72 105 Anfangsdruck. 3 40° 10°R | Armbad. 3 45° 105 | 9° . 3 53. 64 a) 4 68 130 | 6° 4 08| 68 |135—140 | 5° 415°. 60 145 | 40 4 18°| 60 150 | 30 4 21°| 56 155 e 4 22° Arm aus dem Bad. (Dauer 42 Minuten.) 4 32° 22° R || Warmes Bad. 4 33/1 64 85— 90 4 45 42° 4 50°| 68 95 a 4 52/| 72 105 Ursprünglicher Druck. 18* 264 Max Neu: [54 Diskussion: Im Falle Ruhl stieg der Blutdruck um 25 mm Hg bei einer von 10—4’ R. abgekühlten Wassertemperatur. Gleichzeitig trat eine Pulsverlangsamung auf. Die Pulskurve Fig. 3a, b, c, d, die anfänglich den Charakter eines weichen, normalen Pulses mit schwacher Rückstoßelevation ohne sogen. Elastizitätserhebungen zeigt, giebt uns bei einer Temperatur von 4° R. ein Bild eines P. durus. Als wir nach einer Dauer des kalten Armbades von 42 Min. den Arm allmählich wärmeren Temperaturen aussetzten, bis 24° R., zeigt sich ein Sinken des Druckes zum Ausgangswert; die Pulsfrequenz kehrt ebenfalls zur Anfangszahl zurück. Die Kurve zeigt kräftige systolische Gipfel. Bei der weiblichen Versuchsperson verändert sich während der Prozedur der Blutdruck kaum, wohl aber Pulsfrequenz und Sphygmo- gramm. ‚Ja der Blutdruck hat eher Tendenz zum Absinken, um bei Erwärmung des abgekühlten Armes zum Ausgangswert emporzugehen. —= Blutdruck ——— — Puls u - — Temperatur. 30| # bmnte3e33# ET A = Ju = ol Heil av PP, NIDDA. 11 : BER BEN DER: 22 23 - + . a SE BERN ! N a a u 77] x a 7 u 1, fg 19 Tore Fr (ME | 18 Ai 1 : BA ı Eu 755 Dt -- - ai 150 16 Eh a En En ns 5 15 - + a 0 » I Eur - 135 2 —t 1: + “ + — 730 2 1 1 IB I al 125 124 a ans +— em! u RO ” 7) IN + — 2a. ”s | 68 ao IL TR r a 72. 8 a et + »|e |, LVYINA IV] TI w| 6 RG On er a 1 DE s/o| [III TS EI TL a lea, 1 I Fee 5 | 3 | Mt En 55] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 265 Die Kurve Fig. 4 nimmt alle Charakteristika der Spannungszunahme an: An einem fast monokroten Pulse treten Elastizitätserhebungen, Vergrößerung der systolischen Gipfel auf: am Ende des Versuches, nachdem der Blutdruck auf dem Ausgangswert wieder steht, ist der Puls geradezu ein P. magnus durus. Den exquisitesten Befund konstatieren wir im Falle Rempp, der deshalb besondere graphische Darstellung erfuhr. (Fig. 5.) Hier tritt bei einer Wasserabkühlung um 7° R. eine positive Blutdruckschwan- kung um 55 mm Hg auf. Diese geht zur Ausgangsabscisse bei einem Erwärmungsbad von 24° R. und unter dieselbe, um nach Aufhebung des Bades den ursprünglichen Blutdruckwert zu erreichen. Während der Schwankung sinkt die Pulsfrequenz um 16 Schläge pro Minute; der Puls ist palpatorisch stark gespannt. Das Individuum, ein robuster Bauernbursche, ertrug die Ab- kühlung des Armbades ohne jegliche subjektive Empfindung. Von einer psychischen Einwirkung auf die Blutdruckgröße kann daher nicht die Rede sein. Die in vorliegendem Falle erhebliche Blutdruck- steigerung ist den zu erörternden Momenten zuzuschreiben. Bei Ein- leitung des warmen Handbades, das wir allerdings wegen der lästigen Parästhesien nicht unmittelbar anschlossen, sondern erst nach 11 Miı- nuten, nahm der Blutdruck zuerst beträchtlich ab. Allmählich ist ein geringes Ansteigen bei der Erwärmung des Wassers auf 24’ R. zu bemerken; 30 Min. nach Unterbrechung des kalten Armbades hat der Blutdruck seinen Ausgangswert. Wie kommen die durch unser Experiment veranlaßten Blut- druckschwankungen zu stande? Die Kälte wirkt offenbar zuerst wie ein Hautreiz; von diesem aber ist ein konstantes Verhalten zum Blutdruck bekannt; er wirkt blut- druckerhöhend. Da aber bei der successiven Veränderung der Wassertemperatur des Armbades nahezu proportional Blutdruckschwankungen auftreten, so sind kompliziertere Vorgänge anzunehmen. Diese Vorgänge spielen sich auf dem Gebiete des Nerveneinflusses ab. Wir wollen den- selben in eine lokale und reflektorische Einwirkung trennen. Das Hautnervengebiet des Vorderarms, die Muskelner- ven, und die Gefässnerven werden von dem Reize getroffen und antworten mit einer Verkleinerung des von ihnen versorgten Bezirkes. So wird insbesondere das Lumen der Gefässe verkleinert (am Er- blassen der Haut schon sichtbar), die Blutzufuhr zu dem betr. Ge- 966 Max Neu: [56 biet nımmt ab, weil ja Widerstände durch die Kontraktion einge- schaltet sind. In Betracht könnte noch die Erregung peripherer Ge- fässcentren kommen, deren Existenz bis jetzt in der experimen- tellen Physiologie noch nicht über allen Zweifel sicher gestellt ist. Daß die erwähnten lokalen Einflüsse wirklich stattfinden, ist von Sarah Amitin (65) durch plethysmographische Untersuchungen in Kronecker’s Institut nachgewiesen worden. Sie fand nämlich, daß der Arm sich umsomehr kontrahiert, das Volumen im Plethysmo- graphen um so geringer wird, je mehr das Wasser in demselben ab- gekühlt wird. Die Einwirkung erfolgte tief in die Muskelgefäße hinein, veranlaßt durch die anfängliche oberflächliche Gefäßkonstrik- tion. Ja die Konstriktion konnte sich an dem zarten Frauenarm zur Empfindung krampfartiger Kontraktionen steigern (Zuckungen, Schmerzen). Nach der Größe unserer Druckschwankungen und den relativ kleinen, lokal betroffenen Körpergebiet müssen wir noch nach anderen Ursachen suchen. Als solche sind in erster Reihe reflektorische Einflüsse zu vermuten. Es ist eine den Physiologen geläufige Erscheinung, daß Reizung eines von einem bestimmten Nerven versorgten Gebietes anderweitige Effekte im Gefolge haben kann. Für diese Gefäßreflex- theorie ausführliche Litteraturnachweise zu geben, führte zu weit. Nur soweit sie uns interessieren, sei dieser Bedingung entsprochen. Brown-Sequard und Tholozan*) beobachteten, vielleicht als die Ersten, auf Reflexvorgängen beruhende Erscheinungen. So auch die folgende: tauchten sie eine Hand in kaltes Wasser, so trat eine Ge- fäßkontraktion in der anderen ein. Ähnliches ist von Maragliano und Lussona bei elektrischer Reizung des einen Unterarmes im anderen beobachtet. Amitin war es nicht entgangen, daß, als der eine Arm durch Erwärmung ge- schwellt war, der andere den Vorgang der „Schrumpfung“ darbot. Sie hat auch direkt plethysmographische Messungen am unbetroffenen Arm vorgenommen und bei allmählicher Abkühlung des einen Armes starke Gefäßkontraktion infolge Tonuszunahme gesehen. Diese Ein- wirkung war recht nachhaltig. Da mein Untersuchungsinstrument, das Tonometer, trotzdem wegen der Gefäßkontraktion eine verspätete Rötung und damit Blut- drucksenkung erwartet werden könnte, eine positive Blutdruck- 1) Cit. nach Tigerstedt, p. 516 ft. 57] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 267 schwankung erkennen läßt, so haben wir nicht nur eine weitgehende Übereinstimmung mit früheren Untersuchern zu konstatieren, sondern wir müssen die Blutdruckerhöhung auch auf reflektorische Nerveneinflüsse zurückbeziehen. Bei der alten Erfahrungsthatsache, daß reflektorische Druck- steigerungen, namentlich sinnfällige aus der Kontraktion des Splanchnicusgefäßgebietes resultieren, dürfen wir keineswegs diesen Faktor ignorieren. Dazu kommt noch eine andere reflektorische Beziehung, nämlich die zum Herzen. Durch sphygmographische Kurven sowie durch direktes Zählen habe ich eine Frequenzabnahme der Herzkon- traktionen feststellen können. Bei der Inkonstanz der Beziehungen zwischen Blutdruck und Schlagfrequenz ist ein derartiger Befund mit Blutdruckerhöhung vereinbar. Die Frequenzabnahme aber deutet zweifelsohne auf eine gleichzeitige reflektorische Herznerven- erregung hin. Ob diese Erregung, vermutlich des Vaguscentrums, durch das Splanchnicusgebiet vermittelt ist, oder durch Reizung der intrakardialen Herznervencentra infolge der Blutdruckerhöhung, läßt sich nicht entscheiden. Wir können aus unseren Beobachtungen in Übereinstimmung mit anderen Autoren, Amitin ete., auf eine hochgradige und nachhaltige ErregbarkeitderVasokonstriktoren schließen. Die vollständige Kontraktion geht daraus hervor, daß es lange dauernder Paralysation durch Wärme bedarf, um den fast tetanischen Kontrak- tionszustand aufzuheben. 2 Was Amitin infolge ihrer Sensibilität (sie war selbst die Ver- suchsperson) nicht eruieren konnte, ob bei tiefern als 12° C. be- tragenden Kältereizen die Kontraktion sich löst, um in eine Art Lähmungszustand zu verfallen, glaube ich dank der Widerstands- fähigkeit meiner Versuchspersonen, die mehrere Minuten Kältereiz von 3° C. olıne sensible Alteration ertrugen, dargethan zu haben: Es tritt keine Lösung des Gefässkrampfes ein. Überblicken wir nochmals das Ergebnis unserer Versuche, so erkennen wir den intensiven Einfluß des Nervensystems auf die Gestaltung des Blutdruckes. Die reflektorischen Ein- flüsse scheinen zu prävalieren und mit den lokalen, wie Amitin richtig vermutet, eine Addition der Wirkungen hervorzubringen. Im Anschluß an die Ergebnisse lokaler Temperatureinwirkung versuchte ich die Wirkung von Vollbädern auf den Blut- druck zu ermitteln; dabei wollte ich nicht besondere Versuchsreihen 268 Max Neu: [58 über diese Art der Blutdruckbeeinflussung eröffnen, sondern ich wollte nur sehen, wie die Schwankung unter der Einwirkung eines kalten oder warmen Vollbades verläuft, weil mir bei meinen Beo- bachtungen von Typhuskranken die enorme Blutdrucksenkung bei Applikation der sog. „Typhusbäder“ aufgefallen war. Zu diesem Ende wählte ich die Versuchsperson Rempp aus, weil diese einerseits wenig sensibel war, andererseits mit deutlichen Schwankungen des Blutdruckes reagierte. Zeit | Puls Blutdruck | Bemerkungen, 15. IH. 151 76 | 105 | 11 _ En Bad von 18° R. 11 07 64 65-70 | 11 101] 60 65— 70 Trotz Fingermassage und passiver | | Hyperämie kein anderer Tono- | meterwert. 11 25%) 60 115 | Nach Ankleiden, in Rückenlage. 11 307) 64 110 || Ruhige Rückenlage. 15. III. 3a 72 | 105 | 3 501 — — || Bad von 30° R, 3 55° 88 95 4 | 80 90 4h 02’—4 05° 88 75 Bad hat eine Temperatur von 32° R. 4 08 92 70 4 10 — 70 Bad 31,5° R. 4 2 76 | 100 | Nach Ankleiden, in Ruhelage. 4 301 76 95 | 4 40 76 100 Diskussion: Mit dem Augenblicke der Einwirkung eines 18° R. kalten Vollbades sinkt der Blutdruck und der Puls verlangsamt sich. Die Senkung des Blutdruckes beträgt bis 40 mm Hg. Trotz intensiver Fingermassage und passiver Hyperämie ändert sich der Tonometerwert nicht. Die Kurve, die vor dem Bade normale Beschaffenheit (vielleicht etwas tiefsitzende Rückstoßelevation) zeigt, ändert sich ab zu einem kleinen Pulsus durus; reichliche Elastizitäts- erhebungen als den üblichen Anzeichen einer vermehrten peripheren Gefäßspannung treten auf. 15 Min. nach dem Ankleiden ist der Blutdruck bei völliger Ruhelage 115 mm Hg (Zunahme gegen den Ausgangsdruck 10 mm Hg). Die Pulskurve hat noch deutliche Zeichen der Spannung. 59] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 269 Auch bei dem 29° R. warmen Vollbad beobachten wir negative Blutdruckschwankung bis zu 35 mm Hg bei Er- höhung der Temperatur auf 32° R. Auch die Pulskurve ändert sich; die Einzelpulse sind vergrößert unter dem Bilde maximaler Arterien- entspannung. Nach dem Bade steigt der Druck an; der Puls ist noch voll für die Palpation; auch das Sphygmogramm zeigt noch die Entspannung des Arterienrohres. (Tendenz zur Dikrotie.) Wenn wir diese Ergebnisse mit dem der diskutierten lokalen thermischen Irritation vergleichen, so ergiebt sich eine auffallende Differenz, die a priori und den Erfahrungsthatsachen gemäß nicht zu erwarten war. Hier scheint es, als ob der Sphygmograph verläßlichere Daten liefert. Wenn wir bei Anwendung eines abgekühlten Vollbades mit dem Tonometer einen Blutdruckabfall nachweisen, das Sphygmogramm aber mit aller Deutlichkeit eine erhöhte Gefäßspannung anzeigt, so liegt die Erklärung auf der Hand: durch das kalte Bad wird ein derartiger Reiz gesetzt, daß die Vasokonstriktoren der peripheren Gefäße eine Wirkung bis zum völligen Spasmus entfalten; dieselbe kommt auf reflektorischem Wege zu stande und zwar deshalb, weil beide Arme nicht von dem Kältereiz getroffen waren, außerdem die Lufttemperatur des Baderaumes den nötigen Wärmegrad besaß. Daß dieser Spasmus der Gefäße wirklich besteht, zeigt uns auch das Tono- meter selbst an; denn durch kein die Kontraktion gewöhnlich lösendes Mittel erreichen wir einen Nachlaß in der Gefäßspannung. Was ist die Folge? Erst bei einem tiefen Stand des Hg-Manometers tritt die Rötung der Fingerkuppe ein, woraus wir auf einen niedrigen Blut- druck schließen müssen. Daß das aber in Wirklichkeit wahrscheinlich nicht der Fall ist, dafür sprechen 1. unsere Tonometerergebnisse bei der lokalen Kälteapplikation. 2. Tschlenoff’s Untersuchungen mittelst des Mosso’schen Appa- rates, der bekanntlich ebenfalls am Finger seinen Angrifispunkt hat. Bei kalten Handbädern wie Vollbädern trat eine intensive Kontrak- tion der Fingerarterien ein, die bis zu einer halben Stunde währen konnte und selbst dann noch waren Anzeichen des vermehrten Tonus vorhanden. 3. Hensen’s Beobachtungen an Typhuskranken, der während und nach dem Bad eine Blutdruckerhöhung mit dem Ziva-Rocerschen Sphygmomanometer bemerkte. 270 Max Neu: [60 4. Die tonometrischen Resultate Durckhardt's (120), der bei Kaltwasserapplikation, sei es in Form abgekühlter Douchen oder in anderer Form, Blutdruckerhöhung fand (im Durchschnitt 11,5 mm Hg). Wie der Unterschied zu Burckhardt, trotz Verwendung gleicher Appa- rate, zu erklären ist, lasse ich dahingestellt. 5. Die Erfahrung bei Applikation kühler Bäder während des Typhus z. B.e Wenn so bedeutende Senkungen des Blutdruckes im kalten Bade stattfänden, dann müßten sich am Cirkulationsapparat derartiger an und für sich hier vulnerabler Patienten irgendwelche nachteilige Erscheinungen einstellen; statt dessen werden in praxi die wohlthätigsten Wirkungen beobachtet. Nach alledem sind wir zum Wahrscheinlichkeitsschlusse berechtigt, daß der Blutdruck während und nach kühlen oder kalten Bädern erhöht ist, was wir aber wegen der Fehler- quelle des Tonometers nicht feststellen können. Die Ergebnisse der Blutdrucksenkung während warmer Voll- bäder stehen in Übereinstimmung mit denen anderer Untersucher (Tschlenoff etc... Wenn wir bei der peripheren Gefäßerweiterung und der dadurch erleichterten Rötung negative Blutdruckschwankungen konstatieren, so gewinnt die Blutdruckerniedrigung um so mehr an Wahrscheinlichkeit. Einfluß der Massage. Blutdruckmessungen an Menschen unter dem Einfluß der Massage sind trotz des theoretischen Interesses und der praktischen Bedeutung nur spärlich angestellt worden. Selbst Rosen (8) führt in seiner ausführlichen Litteraturübersicht über die Blutdruckbestimmungen mittelst des v. Dasch’schen Apparates nichts derart an. Zabludowski (68) fand bei Massage eines Armes eine Blutdruck- steigerung um 10-20 mm Hg am anderen. Ähnliches erzielte er bei Beinmassage. Da dieser Autor bei ähnlichen Experimenten am Hunde eine Verminderung des Vagustonus, d. h. Pulsfrequenzzunahme während der Massage fand, so nimmt er eine retlektorische Wirkung der Massage von den sensiblen Hautnerven auf das Centrum des Herzvagus an. Bei meinen Versuchen hielt ich folgenden Plan ein: Das Individuum befand sich in bequemer Rückenlage; die rechte Hand diente der Tonometerbestimmung, an der linken wurde der Jaquet’sche Sphygmograph angelegt. Ein geübter Masseur massierte am Fuße beginnend, centripetal fortschreitend eine untere Extremität. Die 61] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 271 Dauer der Massage überschritt 10—20 Minuten nicht; die Sitzung lag 2—3 Stunden nach der Mahlzeit. Tabelle IX. Person Zeit Blutdruck | 3emerkungen. —_— m — en Ruhl. ‚15. III. |2h 30° 105 || 2h47° Beginn der Massage am linken Fusse. 2 50‘ | 75 2 52° 80 2 94 85 || 5 Min. lange Massage. 2 50° 85 2191: 85 3 00° 95 3.117 100 I|3 15° 105 30. III.|3 25‘ 90— 95 || 3h 30° Beginn der Massage am linken Fusse. I3 35% 100-105 | 3 40‘ 100 | 3h 37° Beginn der Massage am 3 41’ 105 rechten Fusse. 3 42° 90 3 46°—3 48° 105 || Abermaliges Massieren. Diskussion: Wir sehen, bei der Massage der unteren Extremität kann eine Blutdruckabnahme bis zu 30 mm Hg eintreten. Nach 5 Min. langer Massage konnte dieselbe 15 —20 Min. nachwähren. Die Massage musste aber dann eine kräftige Muskelknetung sein. Wo eine Blutdruckzunalime beobachtet wurde, war festzustellen, daß der Masseur eine Streichung der Haut „effleu- rage“ einhielt; ward diese in eine intensive Knetung verwandelt, so sank der Blutdruck momentan. Das Sphygmogramm läßt Abnahme der Höhe der systolischen Wellen, Elastizitätsschwingungen und Puls- verlangsamung erkennen. Erst 30 Min. nach der Massage ist das Pulsbild dem ursprünglichen entsprechend. Wie ist die tonometrisch ermittelte Blutdrucksenk- ung mit der sphygmographisch gefundenen Verengerung nicht direkt betroffener Gefäßgebiete in Einklang zu bringen? Mittelst der Massage an der Extremität wirken wir auf dreierlei Organteile: Haut, Muskeln, Gefäße nebst deren Nerven. Wie wir sehen, ist oberflächliche Streichung der Haut 272 Max Neu: [62 von einer 5--10 mm Hg betragenden Blutdruckerhebung gefolgt. Auf einen mechanischen Reiz antwortet die Haut mit ihrem sensiblen Nervenapparat durch Reflexvorgänge mit einer Blutdrucksteigerung. Der taktile und sensible Nervenapparat reagiert im Sinne des Pflüger- Arndt’schen Nervenerregungsgesetzes, wonach schwache Reize die Thätigkeit des Nerven erregen. Durch intensives Kneten, also in die Tiefe auf Muskeln und Gefäße wirkende Reize, wird gemäß des Pflüger'schen Gesetzes die Erregbarkeit der Hautnerven nicht nur sehemmt, sondern es erschlaffen die Gefäße; das Strombett des Blutes wird nicht allein dadurch, sondern auch durch die Entspannung der Muskulatur erweitert, wodurch eine größere Blutmenge der unteren Extremität zugeführt wird. Das kann man aus der klinischen Er- fahrung ableiten, die durch künstlich vergrößerte Cirkulationsfläche z. B. gegen Muskelatrophien wirken will. Für diesen Befund an Menschen hat Kleen den tierexperi- mentellen Beweis längst erbracht; er hatte so operiert, daß er Haut und Muskulatur nach Bedürfnis isoliert durch Massage reizen konnte. Die reine Muskelreizung, d. h. Kneten der Muskeln ohne Hautanteil ergab für curarisierte und nicht curarisierte Kaninchen, bei intakten oder durchschnittenen Vagis „stets unmittelbar eine Senkung des Druckes, worauf derselbe mit oder ohne vorübergehende Steigerung wieder auf das Niveau vor der Reizung zurückgeht,“ die mechanisch reine Hautreizung ergab ohne Beziehung zur Stärke eine Blutdrucksteigerung mit oder ohne folgende Senkung. Die gemischte Haut- und Muskelreizung hatte nach Stärke und Art der Reizung verschiedene Wirkung. Kneten der Muskeln durch die Haut ergab Blutdrucksenkung, Streichen der Haut über größere Hautgebiete Drucksteigerung. Auch auf die Abänderung der Pulsfrequenz erstreckt sich die Übereinstimmung, da Kleen bei der Muskelreizung ebenfalls Pulsver- langsamung beobachtete mitunter mit folgender Acceleration. Die Nn. vagi hält er deshalb nicht beteiligt, weil die Erschei- nung auch bei durchschnittenen Nerven bestehen bleibt. Im übrigen sah Kleen von einer Erklärung der Druckschwankungen ab. Das Gebiet der erweiterten Gefäßbahn muß höchst wahr- scheinlich größer sein als das durch die Sphygmographie beobachtete verengte, zumal sonst Verengerung der Gefäße wegen des von ihnen bewirkten Blutdruckanstieges auch tonometrisch leicht erkannt wird. Eine Vasodilatation im Splanchnicusgebiet, reflektorisch hervorgerufen, muß immerhin als möglich betrachtet werden. 63] Experiment. u. klin. Elutdruckuntersuchungen mit Gärtner's Tonometer. 273 Nach diesen Darlegungen über das Zustandekommen der nega- tiven Blutdruckschwankung bei Massage der Extremitäten, kann ich mich in der Erklärung der Drucksenkung bei der Bauchmas- sage, zu deren Erörterung wir nun kommen, kürzer fassen. Tabelle X. Person Zeit Blutdruck Bemerkungen. Ruhl 19. III. |3h 105 Anfangsdruck. 3 09° 85 Bauchmassage nach Speiseauf- nahme. 3 10 70—75 3 15° — Aufhören mit der Massage. 3 16‘ 95 3 18 105 3 20° —_ Beginn der Massage. 3 22' 85 3 24 85 | 3 25° _ Aufhören. | 3 80° 95 | 3 35’—3h 40° 105 20. III.|3 50° 100 3 51‘ 80 Bauchmassage. 3 92’ 75 3 59° — Aufhören. 3 58° 95 4 00° 100 21. III.|9 30° am 8590 9 35° — Beginn der Massage. Das Indiv. ist nüchtern. 9 36‘ 80 Is 70 9 38 70 9 40° 60 Intensives Kneten des Bauches. ISA - 90 Nach Aufhören der Massage 9 43° 75 Kneten 9 45° 60 : 9 50° 85 Aufhören mit der Massage. | 9 55° 90 Diskussion: Die negative Druckschwankung:- ist bei dieser Art der Massage konstant, wenn man nur darauf achtet, daß der Massageprozedur kein Widerstand durch Anspannung der 274 Max Neu: [64 Bauchdecken und Pressen entgegengesetzt wird, was ja bekanntlich blutdrucksteigernd wirkt. Durch das Kneten erschlafit die quergestreifte Muskulatur der Bauchdecken, die glatte der Gefäße und des Intestinaltraktus, sodaß eine mächtige Blutattraktion in das reizgetroffene Gebiet er- folgen muß; die Reizung der Nerven selber, die nebenher stattfindet, wirkt nicht in anderem Sinne. Es tritt also eine akute Hyper- ämie des ganzen Splanchnicusgebietes auf Kosten des peripheren Stromgebietes ein. (Sphygmogramm Fig. 8.) Das erhellt aus der Versuchsmodifikation, wo unmittelbar nach Speiseaufnahme die an sich schon vorhandene Hyperämie vergrößert ward; das schließe ich aus dem größten tonometrischen Schwankungs- wert (30 mm Hg), dem subjektiven Ermüdungsgefühl und der Schläfrigkeit des Individuums (Anämie des Gehirns). Den Physiologen ist die auf Massage oder mechanische Reizung erfolgende akute Ge- hirnanämie und Hyperämie der Bauchhöhle eine bekannte Erscheinung. Kühne demonstrierte diese Erscheinung beim physiologischen Experi- mente oft genug, indem er bei eröffneter Bauchhöhle die Massage der Därme dazu benützte, die Schmerzempfindung des Tieres bei ver- sagender chemischer Narkose durch diese „mechanische Narkose“ herabzusetzen; das geschah eben durch Anämisierung des Gehirns. Auf die hyperämischen Zustände im Abdomen nach Massage desselben weisen die tonometrischen Ergebnisse von Eceles, Bechterew- Tschigajew (17): Erhöhung der Mastdarmtemperatur, Sinken der Haut- wärme der Körperoberfläche und in der Achselhöhle; die Hyperämie in der Bauchhöhle ist aber mit einer Strombetterweiterung zu iden- tifizieren. Übrigens hat Eeeles bei der Bauchmassage nach anfäng- licher Steigerung des Blutdruckes Verminderung desselben und Herab- setzung der Pulsfrequenz beobachtet. Bei der außerordentlichen Beschränkung der Mittel, die direkt blutdruckherabsetzend wirken, ist der Massage, vorausgesetzt, daß sie eine kräftig in die Tiefe wirkende Knetung ist, eine gebührende praktische Bedeutung nach dieser Rich- tung beizulegen. Sie kann periphere Kreislaufswiderstände wie solche im Splanchnicusgebiet, und damit die Blutverteilung beeinflussen. Die bisherige Kontraindikation der Massage bei Zerreißlichkeit der Gefäße, die aus der Annahme der Blutdruckerhöhung während der Massage abgeleitet ist, wäre nach den tonometrischen Ergebnissen zu modifizieren. 65] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 275 Auf einen praktischen Gesichtspunkt möchte ich noch aufmerk- sam machen. Da Federn bei Hämorrhoidalzuständen abnormen Widerstand im Gefäßsystem vorwiegend des Abdomens und daraus resultierend erhöhten Blutdruck nachgewiesen hat, außerdem auch Darmatonie, so hat man vielleicht gerade in der Bauchmassage ein Mittel, das vorzüglich beide ätiologische Momente bekämpfen könnte. Wenn wir den Gefäßwiderstand, der nach Benno Lewy’s Be- rechnungen 6/7 der Herzarbeit für sich beansprucht, so herabsetzen können, so wäre schon viel gewonnen: Das Herz wird vor un- zweckmäßigen Leistungen bewahrt und die Cirkulations- thätigkeit des Blutes erleichtert. In aller Kürze will ich noch einige Einflüsse anführen, die an und für sich den Blutdruck schwanken lassen können. Dieselben sind für einwandfreie Messungen der Kenntnis wert. Psychische Einflüsse (Betrübtsein, Weinen, Lachen, sei es geäußert oder zu unterdrücken versucht, unerwartete Vorkommnisse in der Umgebung der Versuchsperson); ferner Schlaf vor der Unter- suchung oder Schlaflosigkeit. Die meisten dieser angeführten Einflüsse wirken blutdruckerhöhend. Im allgemeinen kann ich sagen, daß der Blutdruck des Menschen unter physiologischen Verhältnissen eine ge- wisse Konstante einzuhalten bestrebt ist, sodaß man mit der nötigen Mühe diejenigen Ursachen aufzufinden imstande ist, die die Blutdruckschwankungen veranlassen. III. Die Schwankungen des Blutdruckes unter pathologischen Verhältnissen. Klinische Würdigung der Ergebnisse. Bei einer großen Anzahl von Krankheiten steht unter den Er- scheinungen das Fieber im Vordergrund. Der (sedanke, es könne dasselbe einen Einfluß auf den Kreislaufapparat ausüben, ıst seit Langem erwogen worden; das beweisen die klinischen Anschauungen vom „Fieberpuls‘“ sowohl, als die zahlreichen darüber vorliegenden Untersuchungen. Die Blutdruckschwankungen im Fieber. Seit Zadek’s (11) Studien über das Abhängigkeitsverhältnis vom Fieber und Blutdruck sind dieselben auf mannigfache Weise wiederholt worden, ohne ein- heitliches oder befriedigendes Endresultat. 276 Max Neu: [66 Da in neuerer Zeit Hensen bei Gelegenheit der gleichen Unter- suchungen mittelst des Riva-Rocerschen Apparates die Litteratur ein- gehend beleuchtet hat, brauche ich auf diese nicht weiter einzugehen. Auch dieser Forscher fand keinerlei Beziehungen zwischen Blutdruck, Fieber und fieberhafter Temperaturerhöhung. In der Betonung der Schwierigkeit, die Blutdruckschwankungen unter pathologischen Ver- hältnissen genauer zu analysieren. muß ihm völlig beigestimmt werden. 3ei der Bedeutung des Fiebers in der Pathologie aber haben wir die unabweisbare Aufgabe, über seinen Einfluß auf die Blutdruck- schwankungen ins Klare zu kommen. Ich schlug zu diesem Ende den Untersuchungsweg ein, wie ihn v. Basch gelegentlich einmal empfohlen hat. Danach studierte ich Blutdruckschwankung und Fieber nach dem Auftreten des letzteren bei verschiedenen Krankheitsformen, nach dem individuellen Verhalten der ersteren, und suchte zur Analysierung der gegenseitigen Beziehungen den Krankheitsverlauf heranzuziehen. Ließen sich so endlich allgemeine Gesetze ableiten, um so besser. Nach diesem Plane ergab sich die folgende Versuchsanord- nung. Der Patient wurde unter genauer Beobachtung des Krank- heitsverlaufes, der Komplikationen, der therapeutischen Maßnahmen täglich mindestens 2 mal tonometrisch gemessen. Zu Anfang, häufig auch während des Verlaufes, und zu Ende der Krankheit wurden sphygmographische Kurven in der oben erörterten Absicht aufgenommen. Karl Ruf, 14 J. Diagnose: Scarlatina. Cor: Grenzen normal, Töne rein. Datum | Zeit 'Temp.| Puls Blutdruck! Bemerkungen. 15. II. || 4125‘) 39,0 | 120 95 | Ord: Bettruhe, Diät, Eiskravatte, Sol. | | kal. chloric. 16. 11. 10 | 883. 100 100° entlassen. 16. II. || 6 15°) 3834 | 92 95 171..9..0,9 380 | 92 95 18. II. || 4 35 | 72 95 19. II. 10 31,8 76 100 19. II. || 5 15°) 38,3 72 100 20. II. 12 20° 37,7 68 | 90 | Exanthemabgeblaßt, beginnende Schup- | pung,. 20. II. || 4 15°| 38,2 72 | 90 21. 17. 212 37,5 64 | 95 23:7. 1% 05° 51.9% |. 268 95 25. II. 1110 05°) 36,2 12 85 11. II. 110 36,3 84 105 | Andauerndes Wohlbefinden. 12. II, | | 67) Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 277 Therese Hildenbrand, 18 J. Diagnose: Scarlatina: Übergang in Angina diphtherica. Cor: ohne pathol. Befund. | | | | Datum Zeit Tomp. Puls Blutdruck Bemerkungen 24.1. 4h 30°| 39,5 | 132 | 90 | Urin enthält Albumen. 25. 1 10 88,3 | 120 ı 90 Felle 5 20°) 39,0 120 | 725 | 26.1. |11 380 | 100 | 95 | J. Urin kein Albumen; Periode; starke | | \ Kopfschmerzen. a6. 5 38,4 | 100 80 | Subj. Besserung. 97.7. 112 37,6 | 100 85 | Abblaßen des Exanthems. 27. I 5 20°| 38,3 | 104 105 | 28.1. | 9 20° 38,3 | 100 95 | Kopfschmerzen. 98.1. | 4 45| 384 | 108 95 | $ 29.1. | 9 10| 37,7 | 100 80 | 3.1. 5 386 | % 85 | Besserung; objektiv kein Grund für die ' Teihperaturerhöhung, Herzaktion mit- | ' telkräftig, etwas pochend. sur T. g 25°) 87,9 go 1058 | 30.1. 4 30°) 37,4 | 80 100 | Besserung. Bläschenförmige Abschup- | | | pung. Urin — Albumen. SHE 3 30'| 37,0 | 8 95 ar. 1110 36,6 76 95 2.217.210 36,5 84 90 2alr. |’ 37,2 | &0 95 Zahnschmerzen. 4. II. || 4 30°) 36,6 | 72 85 Blutdruck an der abgeschälten Stelle | des Fingers: 110. 5. II. || 4 30'| 36,6 72 85 Zeae |1021021736,6 12 95 Leibschmerzen. Im rechten Rektus auf Palpat. Schmerzen. Sal. 110 25%| 36,3 | : 76 85 | 10. II. || 6 20°| 36,4 68 85 An der abgeschälten Stelle 110. | I er Sitzend. Keine Schmerzen mehr. 26. II. || 4 10°) 36,8 | 80 95 || Andauerndes Wohlbefinden. 17. 11. 3: 552 86,5 |) 084 | 95 16. III. entlassen. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Mer. Vereins. N. F. VII. Bd. 19 278 Max Neu: [68 Georg Meng, 22 J., Stallknecht. Diagnose: Lues II. Scarlatinareeidiv. Pat. sucht wegen dumpfer Kopf- schmerzen die Ambulanz auf; es wird Lues ohne bewußte Infektion konstatiert. 14. I. Aufnahme in die Klinik. Stat.: Mittelgroßer, gut entw. Bursche, keine Anämie. Drüsenschwellungen beiderseits in Inframaxillar- und Axillardrüsen. Cubital- Inguinaldrüsen nicht nachweisbar vergrößert. Maculopapulös. Exanthem auf der Haut. Vom 18. I. ab subj. Wohlbefinden, während dieser Zeit Blutdruckmessungen aus anderen Gründen. Vom 21. I. ab rapides Ansteigen der Temperatur. Herz: Grenzen normal, Töne ıein, Aktion ruhig, regelmäßig, manchmal stolpernd. Puls ohne Bes. Milz palpabel. Urin: 0 Albumen. | | | Datum | Zeit Temp. | Puls Blutdruck, Bemerkungen. 19.59: | 9h 37,3 72 110 ; 39,9 | 120 75 Kopfweh, Benommenheit, Conjunctivi- tis. Starkes, rotes Exanthem, con- fluierend. Am harten Gaumen schar- | lachrotes Exanthem. 23 9 45°) 39,4 | 100 85 24.1 9:7191 385 92 95 Allgemeinbefinden besser. Exanthem | blaßt ab. i 2.1 |ı0 40) ss2 | 0|ı 8 O0 4915.1.897,6 S0 85 26. I. [ill 15%| 37,3 80 100 26.1. || 3 50°| 37,5 68 105 28.1. [10 37,3 92 90 28. 1. 4 37,5 84 90 31. 1. 6 39,0 | 104 90 Neues typ. scarlatinös. Exanthem. 4. II. |10 37,8 88 | 85 1.1.5 |379 | 84 95 8.1cH 5 Bulle, 795 24. II. 110 |370 | 78 | 95—100 I ) | | l Diskussion: Im Falle Ruf beobachten wir während des Fiebers einen konstanten Blutdruck von 95 mm Hg; eine unbedeutende Zu- nahme des Blutdruckes von 5 mm Hg bei einem Temperaturabfall von 0,8° C. Während andauernder Rekonvalescenz erhebt sich der B.D.!) bis kurz vor der Entlassung auf 105 mm Hg. Im Falle Hildenbrand (schwerere Form) sind die Schwankungen wechselvoller. Nach der Aufnahme in die Klinik in febrilem Zustand BD. 90 mm, Absinken auf 75 mm bei Ansteigen auf 39,0, Absinken 1!) Hier und später bedeutet BD. — Blutdruck. 69] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 279 der Temperatur um 10° — Anstieg des BDs. auf 95 mm. So geht das fort. Unter 27. I. konformes Ansteigen von BD. und Temperatur. Pat. ist durch Heimweh sehr erregt. Am nächsten Tag bei gleich hoher Temperatur Abnahme des BDs. um 10 mm. Am 29. I. An- stieg der Temperatur ohne objektiven Grund. Der Bd. bleibt auf seiner Höhe. Vom 29. I. ab Sinken der Temperatur in der bekannten Staffelform, der BD. schwellt um 20 mm an, macht ebenfalls während der Staffelform geringe Schwankungen durch, steigt durch interkurrente Schmerzen zeitweilig an und behält bis zur Entlassung einen fast gleich hohen Druck von 95 mm Hg. Ähnlich sind die Schwankungen des BDs. im Falle Meng. Der Pat., den ich zufällig schon vor der Scarlatina-Erkrankung tonometrisch beobachtet hatte, zeigte mit Auf- treten des Fiebers einen BD-Abfall von 35 mm Hg. Auffallend ist, daß bei der zweiten Exanthemeruption der BD. nicht entsprechend schwankt. Bei allen drei Kranken ist der BD. in der Rekonvalescenz relativ erhöht. Welchen Einfluß das Fieber auf den BD. hat, zeigt so recht deut- lich folgender Fall. Die Patientin Bortfeld, die ich vom 19. II. 01. bis 11. III. 01. wegen Nephritis interstitialis chronica (s. später) in tonometrischer Beobachtung hatte, kam 10 Tage nach ihrer Entlassung mit einem Erysipelas facıei, das infolge Verletzung der Kopfhaut durch eine Haarnadel entstanden war, wieder in die Klinik. Während der BD. in der erst erwähnten Zeit zwischen 170 und 200 mm Hg schwankte, zeigte er nunmehr folgendes Verhalten. Datum || Zeit Temp. Puls Blutdruck Bemerkungen. | 30. 11]. || 4h 39,0 104 140—145 | Spärl. Albumen im Harn. Ordin: Bett- I ruhe, Fieberdiät, Eisbeutel auf den | Kopf, Kühlsalbe, Fachinger Wasser. ars. 11, 07.37,2 96 | 140 31. III. | 6 Sl 92 140 NV. 11 15°) 86,1 92 140 2. IV. | 5 40°| 37,4 84 165—170| Subjektive und objektive Besserung. 3. IV. || 9 45°| 36,2 88 | 165—170 ar. IV. 9215 |-36/1 84 |180 1°/oo Alb. 30. IV. [10 45‘ 83 | 190—195 || Sitzend ; seit 5h a.m. aufgestanden. 4. V. entlassen. Diskussion: Während der durch das Erysipel veranlaßten febrilen Zeit finden wir den BD. gegenüber der früheren durchschnitt- 19* 280 Max Neu: [70 lichen Zahl um 35—40 mm Hg herabgesetzt. Auch die Pulskurve zeist ein verändertes Bild gegenüber den früheren. Dieselbe hat zwar noch den Charakter des Pulsus celer (Folge der bestehenden Herz- hypertrophie), aber deutliche Tendenz zur Dikrotie. Trotz des Tempe- raturabfalles bleibt der BD. auch bei nicht febriler Temperatur noch während drei Tage auf 140 mm Hg. Dann treten die alten Werte auf 170—180 mm. Das Pulsbild ist auch das frühere (P. magnus durus.) (Fig. 9, 9a, 9b). Aus naheliegenden Gründen waren von jeher die Beobachtungen von Typhuskranken, zu deren Mitteilung wir nun kommen, zum Studium der Blutdruckschwankungen beim Fieber gerne benutzt. Adam Haas, 20. .J., Schneider. Klin. Diagnose: Typhus abdominalis. Stat. praes. Mittelmäßig kräftiger, junger Mann von fieberhaftem Ein- drucke. Abdomen: Leichter Ileo-coecalschmerz; mehrere frische Roseolen auf der Bauchhaut. Milz nicht palpabel. Sensorium nicht benommen. 7. Krankeitstag. Datum Zeit Temp. | Puls Blutdr. Bemerkungen 22.1. 9h 30° 38,3 84 65 Auf 3 x 0,5 Calomel Dünndarm- | stühle. 2.1 | 4 s81 | 88 so | 3 SE 9 30‘ 37,6 0 85 | 24. 1. 10 05° 38,2 100 60 | 24. 1. 4 39,3 100 60 Blutdruck im Bade (27° ©). 24.1. 7 30‘ 40,2 120 90 Vor dem Bade. Pat. hat vor dem | ' Bade stets große Angst. 24. 1. Th 35‘-7h45’ 104 60 | Temperatur des Wassers 32°— 28° C. 24.1. 8 am 37,1 88 65 | 25.1. 9.:80',1 21:839,3 88 60 Um 8 Uhr ein Bad. 25.71. 4 45° 839,7 | 112 70 | 2.1. 5 45° 39,0 | 100 | 60 || Bad. 26. 1. 10 05‘ 37,5 80 80 26. I. 4 30‘ 38,5 8 | 65 Bad. 27. 1. 12 30‘ 37,3 80 ı 70 21: Le h) 137,9 4 8 ı Subj. Wohlbefinden. 28.1. || 9 30° 36,4 76. 7 Für das Absinken um 20 mm \ kein objekt. Grund zu finden. 38.L- 15. 1 B0B. 1.122 75 | 29. 1. 9 30 13631, 7 23 | 29.1. 4 | 36,8 72 75 \ Fortschreitende Genesung. s0.1 | 10 sa eBIl-5 | 30. I, | 4 1365| 68 | 65 31. I. 4 15° | 36,3 800 ı 80 EEE u 71] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 281 Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. | Bemerkungen. IT. | 9h 30° 36,2 BAR, 15 SEE; -) 9 45 36.05 10468 65 2. 11...| 4 3b, | 22 70 AST: 12 30° |362 | 68 80 | Es wird feste Kost gereicht. 6. II. 3 45° 363 80 75 8. II. 5 15 36,4 | 88 90 ABS. 5 30° 37,1 72 90 18; II. 4 15 72 135 ı Pat. durfte diesen und die frü- | | heren Tage aufstehen. 22. II. 4 30‘ 36,1 | 90 |115—125 || Am 23. II. Entlassung. Elisabeth Maisch, 35 J. Taglöhnerin. druckempfindlich. Wenige Roseolen. Puls dikrot, regelmäßig. Diagnose: Typhus abdominalis recidiv. Pat. kam mit den Erscheinungen von Typhus ins Krankenhaus. Aufnahme- status vom 23. I. 01: Gut genährte Patientin. Temp. febril., Thorax ohne Bes.; geringe bronchitische Geräusche. Herz 0 pathol. Befund. Abdomen weich, nirgends Milz vergrößert, palpabel, Urin wenig Alb., Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen. 24. 1. 4h 50°) 37,5 | 100 60 25. I. [10 05°| 38,5 92 70 26. I. 110 40°) 37,4 88 65 26.1. 4 40'| 38,3 96 70 20 1., 112 36,6 96 Ro 28. 1. 9 05°| 38,3 | 100 Ba 28. 1. 4 40'| 39,2 | 108 45 | 10 Min. vorher ein Bad von 28° C., darauf Körpertemperatur 37,6° C. ' Pat. atmet kurz und oberflächlich. Öbj. r. h. & 4 querfingerbreit Däm- pfung. Atmung abgeschwächt. 29,1. g 38,4 | 100 70 DIET. 4 30°) 38,7 | 108 70 Vor !/s Stunde ein Bad. (Körpertemp. 37,6° C.) s0-T. 97302 38.7 100 80 Schmerzen an einer erweiterten Vene des rechten Oberschenkels. Herz- aktion beschleunigt. 30. I. 5 35°| 38,6 | 116 70 31. I. 3 45°| 38,3 | 100 75 | Sanguinolentes Sputum. An der Däm- pfungsstelle bronchiales Exspirium. Chin. sulf. 2x 0,5 @. de 11. |79 4521, 380 88 70 |) Kurze Hustenstöße BD. — 80 mm, 282 Max Neu: [72 Datum | Zeit |Temp. | Puls | Blutdr. Bemerkungen. | | 1. II. || 4h 38,8 8 70 Auch bei Inspir. Bronchialatmen über der erkrankten Partie. 2.11.19. 19%).37,0 92 75 2. 1. | 3 45'| 376 88 | 75 Subj. Besserung. Obj. Dieselben Zeichen | | ' der Pneumonie. 4. II. 10 30°) 36,6 96 75 4. II. | 4 15°) 37,9 | 108 6 | 5. 5 | 37,0 88 80 ' Phlebitis vorüber. Vene noch erweitert | ' und geschlängelt; R. h. intensive Dämpfung, fühlbarer Stimmfremitus. | Am Abend vorher 2x 0,5 g. Chin. \ sulf. 6. II. [10 37,5 | 100 60 || 6. II. | 4 20) 37,8 | 100 70 | Schmerzen in der Kniekehle. Feuchte | | Einwicklung. 8. IT. ||10 40°| 36,8 | 104 Ta 14. II. 10 30°) 36,6 92 75 15. II. || 5 830°) 38,0 | 124 65 | Das Chinin wird weggelassen ; täglich | | lauwarme Bäder. 17. I. |]10 30| 37,9 | 116 65 20. II. || 5 377 10 | 6 | Puls klein. DT 0A | 88,7 | 18 | 65 |, 4 23. II. ||10 35) 3772| 10 | 7 | 2.1. |6 |389]| 4 | 7 | 1.11 1370) 88 | 75 | Chininwirkung. 8. II. 112 | 36,3 | 7 65 | Pat. versuchte aufzustehen; Übelkeit, I Schwächegefühl m. profus. Schweißen. 25. III. 10 10° 36,6 78 65 | 100 75 | Im Sitzen. 29. II. | 4 37,3 92 75 Inzwischen Aufstehversuche von bes- | | ı serem Erfolge; r. h. u. noch knapp | | | handbreite Dämpfung und schwaches Vesiculäratmen. 1. IV. || 9 45°| 36,4 88 | 80-85 || | | | Ä Am 2. IV. entlassen. 1 | 7 73] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 283 Karl Hornung, 18 J., Schiffer. Diagnose: Typhus abdominalis (Strumitis typhosa). Te TE | E 5 z 7 Datum | Zeit Temp.) Puls | Blutdr. | Bemerkungen. 19T. 4h 39,3 84 | 70 Kurz vorher ein Bad. 22. I. ||10 | 384 | 104 | 105 22.1. | 15 9 4| 2| 8 | 23.1. 9 15) 38,4 32.510 24.1. || 9 30°| 37,5 84 115 Subj. Wohlbefinden. 24.1. | 4 38,8 84 110 25. 1. 4 40°) 36,1 68 95 261. „il 37,2 80 80 Aa ll 4 20°‘| 39,6 112 90 Kurz zuvor ein Einlauf. 27.1. |12 36,7 76 | 95 asen >| 40.30!) 375° | 88] 795 295 1. 9 40°) 36,9 12 85 BIT: 5 30° 86,6 | 80 95 30. I. 10 36,3 68 | 105 30.1. || 4 ı 36,5 76 | 108 31. 1:9..20°|: 36,8 80 100 all: 4 | 36,4 76 95 Fall 9,00°1.36,7 72 95 2: | 9 15 370.) 2 95 2.1. || 4 10°) 36,5 84 105 4. 11. || 9 30°| 36,2 72 100 4. II. | 4 15’| 36,5 76 100 6. II. || 4 30°| 36,5 76 100 8. II. || 4 25°| 36,5 88 105 10. HI. || 4 05°) 36,2 72 100 15. I. | 4 35°| 36,5 8 | 100 11. H1. || 9 20°) 36,5 68 90 2,IV. | 4 15| — 84 105 Wendelin Schmidt, 17 Jahre. Diagnose: Typhus abdominalis, Decubitus Erysipelas migrans p. vuln. Dieser Pat. gestattete wegen der Schwere der Erkrankung während der heftigsten Fieberattacken nur spärliche Beobachtungen. Bei hochfebriler Tem- peratur (40,2°) und Puls 120 war der BD. zwischen 70 und 80 mm. Als Rekon- valescent zeigte Pat. einen Blutdruck von 110—115 mm Hg. Eine Messung in Rückenlage im Bette ergab bei fortschreitender Gesundung BD. — 95 mm Hg., Temperatur 37,1%, Puls 84. Aufsitzen im Bett BD. — 120 mm Hg. Vor der Entlassung ist BD. bei 96 Pulsschlägen und normaler Temperatur 100—105 mm Hg. 284 Max Neu: [74 Peter Bartscherer, 34 J., Taglöhner. Diagnose: Typhus abdominalis; Perforation ; Herztöne rein, ll. Töne etwas schwächer als die I. Puls exquisit dikrot. | Datum | Zeit |Temp.| Puls | Blutdr. Bemerkungen, | 27. II. || 5h 39,4 | 104 85 28. II. 11 30.) 380 | 100 | 100 ||2x05 g. Chinin. sulfur. 28. II. ||11 30°) 37,8 96 | 95 || Vor '/2 Stunde ein Bad. 28. II. | 4 10‘) 39,8 | 100 100 | Pat. fror nach dem Bade. Glühwein. 1. IT. ||10 39,3, 120 ° 70-75 || Verdacht auf Perforat. Ad for. chirurgic. Margarethe Reineck, 18 J., Fabrikarbeiterin. Diagnose: Typhus abdominalis; Bronchitis diffusa grav. Status vom 17. II.: Gut genährtes Mädchen. Leichte Cyanose, leichte Be- nommenheit. Atmung keuchend. Herzdämpfung normal, Aktion stark beschleunigt, aber regelmäßig, Töne rein. Lungen: nirgends Dämpfung. Reichliches Giemen. Pfeifen, verlängertes Exspirium. Datum | Zeit |Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen. 19. II. ||12h 38,5 | 120 75 | Die Cyanose hat etwas abgenommen. 19. II. | 5 30°! 40,1 | 116 75 | Vor dem Bad. 19. 1I. || 5 59° 100 65 | Auf28°C. abgekühltes Bad. Abgießung (26° C.) 19, Il. || 6 00°| 37,8 60 || 6 45° 39,2 | 100 70 | 20. II. 12 30°| 39,6 | 100 75 | 20. II. || 4 30°| 39,5 | 112 90 Cyanot. Verfärbung des Gesichts. Er- ' schwerte Expektoration d. Sput. 21.3. 3 40,| 38,9 108 60 \ Für das Gefühl der Puls eher etwas \ kräftiger. 2x 0,5 g. Chinin. 22. II: | 9 40° 87,0 88 100 | 22. II. || 5 30‘| 37,8 88 90 Kurz vorher lauwarmes Bad. 23. II. 10 15°) 39,6 | 96 SO | Pat. schläft viel; fühlt sich besser und ist zugänglicher. 23.4.1 6 38,7 84 75 24. II. 2X 0,5 g. Chinin. 25. II. | 4 38,0 72 85 Pat. hat nur wenig von Chinin bei sich | | behalten. 27.1E |12°30%# 37:6 84 15 Pat. schläft viel, im Halbschlaf ge- I messen, 27.1. | 5 30°) 397 | 8 50 | 7 Min. langer Schüttelfrost, jäher Tem- I peraturanstieg. 28. II. 12 36,9 | 68 90 Chinin! Schweiße (Miliaria-Erupt.). 75] Experiment. u. klin. Blutdruekuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 285 P g | | | | Datum | Zeit 'Temp.| Puls Blutdr., | Bemerkungen. 98. II. || 4h45’| 37,1 | 68 85 | Subj. Besserung. 1. III. | 4 30‘) 36,8 | 80 85 | 3. II. 12 | 36,2 64 20 | 2. ıı | s60:°| 60 10ne 7. II. \11 | 36,7 64 | 65 || Einlauf. B@HT. 110. 7 1,:56,0 60 75 || Chinin. N 76 90 | Sitzend nach passivem Erheben des | | \ Oberkörpers. 12. III. |11 15°) 39,4 | 100 75 |) 11. III. Chinin. 12 07.11 4357|. — 45—50 || 28°C. Bad. Puls sehr klein. Die Tem- | | peratur sank auf 37,6°, 12. III. | 4 30°) 37,8 | 100 70 | Um 3h 45° ein Bad. Sr IM 21117152, 38,4) 100 90 Vor 2 Stunden ein Bad. 13-1171. 4 | 40,0 | 112 85 FA 1. 11 932112 100 || Chinin. 14. II. || 6 30°) 39,0 | 108 0 | 16. 11. 111 05/) 38,2 | 100 95 Chinin 2x 0,5! 16. III. || 6 30°| 39,0 | 100 90 17. III. Chinin. KS.ıT. 1 | 38,0 96 100 19-711. 1112 37,0 80 90 5 38,4 104 835 Schweiße. 2DSTIE.. 1.5 37,4 88 110 | Chinin. 22. II. |11 36,5 | 76 | 95-100 || Pat. schläft. 23. III. |12 15°) 37,3 84 90 26. III. | 4 15°) 36,4 84 95 | Subj. u. obj. Besserung. Kein Alb. im Urin. 2 BAR) 36,9 76 80 | Keine Wirkung der Chiningabe. 28. III. |10 15] 36,0 12 80 29. II. || 4 30°) 36,0 | 80 75 31. II. |12 36,2 76 75 1. Iv.|10 1360 | 60 75 | Andauerndes Wohlbefinden. 23. IV. | 9 45°| 36,4 96 75-80 | Bis zum 23. IV. konnte aus äußern Gründen der Druck nicht gemessen werden, ZI IV. 8 451.371 88 100 100 110 Pat. ist aufgestanden. 29. IV. Entlas- sung. HOSSVT: 91 95 90 | 6 Wochen später, in Ruhelage auf dem Rücken. Pat. ist völlig gesund und arbeitsfähig. Diskussion: Bei allen Typhusfällen finden wir einen während des Fiebers herabgesetzten Blutdruck. Aus dem Blutdruckwert an 256 Max Neu: [76 sich läßt sich auf die Schwere des Krankheitsfalles nicht schließen. Wo keine stärker wirkende Reize als die Temperaturänderung statt- haben, folgt bei Temperaturabfall ein Ansteigen des Blutdruckes. Ein ebenfalls konstantes Verhalten finden wir den Blutdruck gegenüber den kalten Typhusbädern annehmen, nämlich eine negative Blutdruck- schwankung bis zu 55 mm Hg. Ein Schüttelfrost erniedrigt den BD. rapid. Chinindarreichung wirkt im blutdrucksteigernden Sinne, und zwar anscheinend nur so lange die Temperatur labil ist. In der Re- konvalescenzzeit steigt der Blutdruck bei den ersten bewegungsver- suchen etwas über die Norm, stellt sich dann aber wieder auf gute Mittelwerte ein. Im Plane meiner Arbeit lag es, wıe schon erwähnt, keineswegs direkte Untersuchungen über die Wirkung medikamentöser Präparate auf den Blutdruck anzustellen. Die Wahrnehmung eines Einflusses des Chinins auf den Blutdruck bei Typhuskranken veranlaßte mich aber doch, einmal zuzusehen, wie der Blutdruck eines Gesunden sich gegenüber diesem Medikamente verhalte. Zu diesem Ende suchte ich ein Individuum aus, das in Bezug auf den Cirkulationsapparat und andere denselben möglicherweise beeinflussende Organe völlig gesund war und sich unter gleichen äußeren, streng kontrollierbaren Beding- ungen befand; ich wählte einen an multipler Herdsklerose leidenden Mann aus, der sich stets in ruhiger Rückenlage im Bette befand und bei dem jegliche sonstige Einwirkung während der Versuchszeit unterblieb. Nikolaus Reis, 36 J. Cor.: normal, ebenso Pulmones. Puls kräftig ohne Besonderheiten. Datum || Zeit Temp.‘ Puls | Blutdr. Bemerkungen | ' 0,5 gr. Chin. sulf. 30° 64 120 Fig. 11a. Auch palpator. ist der Puls | | | | BL > a 29. VI. \11n45| 36,2 | 72 100 || Pulskurve Fig. 10. 3 30.) 76 | 95-100 Um 3h45‘ und 4h15‘ jeweils 0,5 gr. | | Chin. sulf. 4 20° 12:71 220 Kurve Fig. 10a. 4 45° 68 110 is 10h, 5 30° 68 100 Sr 106, 30. VI. | 4 20) 36,3 | 68 105 Bu u. 4 30‘ 0,5 gr. Chin. sulf. 4 55° 68 |110-115| 5 5 gespannter. 77] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 287 I| | | | | Datum | Zeit Temp. | Pnls | Blutdr. | Bemerkungen. | | 30. VI. || 540°) | 68 90 | Der Pat. fühlt sich wohl; etwas Kopf- | weh (Kongestion ?), angedeutete Ge- " hörsbeeinflussung. | 6 30° 716 70 Fig. 11b. profuser Schweißausbruch, | beschleunigter Puls, Ohrensausen; | | ' der Puls ist für die Palpation voll, | | | weich. 1. VII. |9 |366 | 64 | 90-95 | Fig. 11c. Diskussion: Aus diesen beiden Versuchen lernen wir, daß eine Chinindosis von 1g den Blutdruck um 20 mm Hg. steigen macht. Im ersten Versuche ist der BD. eine Stunde nach der Pulvergabe auf ursprünglicher Höhe. Anders verläuft der zweite Versuch, wo die unangenehmen Nebenwirkungen des Chinins auftreten. Vielleicht hätte ich den Zeitintervall zwischen erstem und zweitem Versuch größer wählen müssen. Auch hier im Anfang Blutdrucksteigerung — 15 Minuten nach dem I. Pulver 10 mm He, 30 Minuten nach dem IH. 15 mm He. Palpationsbefund und Kurve des Pulses ändern sich im Sinne einer peripheren Gefäßspannung. 40 Minuten nachher ist ein Abfall von 30 mm zu konstatieren, eine fürs erste auffallende Erscheinung. Bald trat auch eine Ver- änderung des Befindens ein. Profuse Schweiße (Hemd und Bettlacken sind durch und durch naß). Der BD. ist um weitere 20mm Hg ge- sunken, so daß die Senkung vom Druckmaximum aus berechnet 50 mm beträst. Wıe ein Experiment beweist dies Verhalten, was schon ander- wärts (70) beobachtet ist, daß Schweiße den BD. bedeutend herab- zusetzen vermögen. Vielleicht bestätigen zahlreiche Versuchsreihen in späterer Zeit die blutdrucksteigernde Wirkung des Chinis. Von den fieberhaften Erkrankungen war es weiter die Pnen- monie, die ich in .den Bereich meiner Untersuchungen zog. 288 Max Neu: [78 Hermann Eppler, 22 J., Spengler. Diagnose: Pneumonia ceroup. Pleurit. fibrinosa. Eintritt 24.1. 01. Status’ Kräftig gebauter junger Mann in gutem Ernährungszustand. Hochfebril. Atmung flach. Cor.: Grenzen normal, Töne rein. Aktion regelmäßig, stark beschleunigt. Pulmones: ]l. h. u. Dämpfg., Bronchialatmen. Datum | Zeit "Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen ER ET er ae 2 Pa 34.1 | 39,6 | 104 | 120 || Husten: Bd. —145. Fig. 12. >5.1L |10 39,1 9% 95 | In der Nacht 2mal galliges Erbrechen. 25.1. | 4 15‘) 39,7 | 112 75 | Es sind blutige Schröpfköpfe gesetzt | ' worden, 26. I. || 4 39,5 |, 104 100 | Der Pat. war kurz vorher zu lange vom Praktikanten untersucht worden ; | ' dyspnoisches (stark exspirat.) Atmen. ZU 39,3 | 104 105 || Die Dämpfung hat zugenommen (Links ' vorn IV. Rippe. hinten bis zur Spitze d. scapula); bei Husten und tiefem Atmen starke Schmerzen. Pat. hat schlecht geschlafen. a1. 1. > 39,7 | 108 85 Der Pat. fühlt sich subjektiv wohler. 28. I. | 9 30°) 39,0 | 108 80 || Stuhlgang auf grünes Pulver; gg. | Morgen 2mal Nasenbluten. Subj. | weniger Beschwerden. 28.1 14 38,8 | 104 80 29. 4 20'| 39,3 136 115 Pat. ist sehr unruhig; starke Schmerzen in der linken Seite; Atmung beschleu- nigt. Morph. bringt Besserung in der Nacht. Morgens plötzliche Ver- schlimmerung, starke Cyanose, L. überall intensive Dämpfung. Herz "a Querfinger nach rechts verdrängt. Schweiße. Pulsjagen. Ordin. stdl. Campherinj. 0,2., Achajawein. Liqu. Ammon. anısat. c. Strophanth. Wegen des schweren Allgemeinzustandes morgens keine Tonometermessung, Nachm. noch Cyanose, aber doch Besserung der Herzthätigkeit. 29.1. 4 30° Venaesectio an d. recht. Cubitalgegend ; Entleerung von 150 ccm Blut. 9.1. |6 39,2 | 140 115 | Pat. ist sehr unruhig. Cyanose schein- | bar im Abnehmen. Herzthätigkeit beschleunigt, aber besser. Pat. sitzt, | den Oberkörper erhoben. 9] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 284 Datum | Zeit Temp.| Puls | Blutdr. || Bemerkungen 30. I. [10h 39,7 | 128 140 Herzdämpfung nach r. bis r. Sternal- | | rand. Pat. verweigert Arznei und Wein; Exspektor. verschlechtert, | Trachealrasseln. 30.1. || 4 39,7, 144 150 || Puls jagend. (Fig. 12a.) Wechselnde | | \ Dyspnoe und Cyanose. Tracheal- ı rasseln. Die rechte Lunge ist eben- ' falls stark ergriffen. S0rT. 4 30° | | Venaesectio an der Vena median. sin. | ' (800 eem Blut). SsuT. 5 20° ı 140 | 125 | Subjekt. Wohlbefinden. Rechte Herz- grenze weniger nach rechts verlagert. Puls weniger voll. (Fig. 12b.) 156 | 135 Abendsunruhiger. Delirien, zunehmende " Cyanose; die Expektoration nimmt | | | immer mehr ab; Kälte der Extre- | | | mitäten. 2h 30° am. Sistierg. der At- | ı mung. 2h40‘ Erlöschen des Herz- schlages. Anat. Diagnose: Pneu- ; monia croup. utriusque pulm. Pleu- \ ritis fibrinosa duplex. Abgesacktes | | | seröses Exsud. über linkem Ober- | ı lappen. Milztumor. Nephritis pa- | | renchym. Grosse fettinfiltrierte Leber. | ' Fensterung der Pulmonalklappe. | ul [6] -1 Sap107.)30: Rosa Neugebauer, 21 J., Köchin. Diagnose: Pneum., croup. dextr. Eintritt 26. II. 01. Status: Kräftig gebautes Mädchen. Hochfebril. Leichte Dyspnoe. Rechte Thoraxseite bei der Atmung zurückbleibend Cor: normal; I. Ton überall unrein. Aktion beschleunigt, aber regelmäßig. Pulmones: R. vorn v. d. IV. Rippe Dämpfung. Bronchial- atmen; ab und zu Knistern. Datum | Zeit |Temp.) Puls | Blutdr. Bemerkungen 27. II. ||10h 12’) 405 | 132 | 65-70 28. II. ||12 10‘) 39,6 | 124 90 Starke Schmerzen b. Husten; Dyspnoe; eyanot. Aussehen. Herz v. unregel- | mäßiger Aktion. Puls dikrot. (Fig. 13.) 4 30° 40,1 | 120 105 Es wurden ordiniert: Tet. Strophanthi 3—15 gtt. Digitalisinfus 1 : 200, | 0,2x stdl. — Achajawein. 28. II. 290 Max Neu: [80 Datum Zeit Temp.) Puls | Blutar. Bemerkungen. Bi Beschleunigte dyspn. Respiration (48 | pro Minute). 1. III. || 4 30°) 39,9 | 128 100 | Pat. ist unruhig. Atmung 56. 3. II. 11 35°) 38,5 | 128 | 100 || Cyanose vermehrt. Atmung 52. Herz- | ' dämpfung bis Mitte des Sternums | ' nach rechts. 4. II. |111 45‘ 39,0 | 108 | 110 | In der Nacht stärkere dyspn. Anfälle. | ' Verschlechterung der Herzfunktion, 1.-IEL.. 116 40,6 | 128 100 | | | ' Puls flatternd, bedrobl. Zustände. | | Entsprechend Exeitant; Campher u. | | | \ Coffein abwechselnd stündl. subeut. | | injie. — Champagner. 4 III. || 4 20°| 39,7 | 148 100 5. III. |12 38,6 | 120 105 Atm, 52, Cyanose, Expektorat. schlecht 5. III. | 4 45) 39,8 | 120 | 105 „56. 6. III. ||10 20°) 39,4 | 120 105 52, Unter den Erscheinungen d. | Enehisienden Herzinsufficienz erfolgt | der Exitus. Anat. Diagnose: Pneumonia ceroup. pulm. dextr. totius. Oedema pulm. Parenchymatöse Trübung der sonst kräftigen Herzmuskulatur. Auffallende Enge der Aorta. Nephritis parenchym. Pleuritis adhäsiva dextra. Elise Zitsch, 21. J., Dienstmädchen. Diagnose: Pneumonia erouposa dextr. tot. lob. post Influenz. Otitis media purul. dextr. mit Abscessbildung i. proc. mastoid. Stat: Herz: Shok an normaler Stelle; Herztöne nicht sehr laut, rein. Accent. II. Pulmonalton. Pul- mones: Rh. und handbreite Abschwächung des Perkuss.-Schalles; abgeschw. Atemgeräusch. a —————————————— nn —— Datum | Zeit ‘Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen. 1. II. 11m 30° 40,0 | 112 80 | Atmg. 40; Expektor. schlecht ; geringe | Cyanose. 1. II. || 4 30°| 39,8 | 104 75 „40; Ordin. 3Xtägl. Coffein. natr.- | salic. neben Prießnitz und Bädern. 3. IM. 11 45°) 38,8 | 108 so el 48. Wegen großer Unruhe und Delirien Brom und Morph. | muriat. 4. III. 39,4 | ae ea ir 756 Viel Schweiße. 4. 1. I - 39,4 | 112 75 retan: 5. I. 12 | 38,2 | 100 | 75 | ar 06: 81] Experiment. u. klin. Blutädruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 291 Datum | Zeit 'Temp.; Puls | Blutdr. | Bemerkungen. EA 4039,90 | 1030 75 |; 60 6. II. |10 30°| 37,8 | 10 | 80 | „ 48. 7. I. ||12 37,9 96 75 ey Se A 362 Ton) 5 |, OST 112 152|.87,9 100 | 80 N, 48—52. Otitis media perfor. in | d. vord. unt. Mastoidforts. 11. II. 111 .50°| 36,4 | 80 80:7. || 7 044 12. 1. 11 ' |36,6 | 9 TE 13. Ir. |ı1 30°| 36,4 | 88 Een 16. III. ||11 15°) 36,2 1576 95 | andauerndes Wohlbefinden. 22.11. | 11 | 36,2 | s0 100 | Pat. in die Ohrenklinik transferiert. Johann Leismann, 27 J., Knecht. Diagnose: Pneumonia croup. Eintritt 16./II. 01. Stat: Gut genährter und gebauter Mann. Fieberhaftes Äußere. Kurzatmigkeit. (35—40 pro Min.) Pulm.: Nirgends Dämpfung. Überall scharfes Vesieuläratmen. Cor: Normale Grenzen. Töne sehr leise, rein. Aktion frequent, regelmäßig. Puls kräftig ohne Charakteristist. Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen 18. II. || 4650‘) 40,1 , 116 | 110 || Schlechtes Allgemeinbefinden, Kopf- | schmerzen. R. vorn Dämpfg., ebenso | r. h. u. bis z. Mitte der Scapula. InyE Exspir. Knistern. Bronchialatmen. | Dikroter Puls. (Fig. 14.). Ordin. Eisblase auf Kopf, Infus. Ipecae. c. ligu. ammon. anis. 19.1. |12 894 | 1%0 90 Benommenheit angedeutete Dyspnoe. Puls auch f. d. Palpation dikrot. (Fig. 14a.) 20. II. |12 30°) 39,5 | 116 90 | Respiration mühsam. zaale 4 39,0 | 136 s0 Herztöne sind leise. Reichl. Schweiße. Lippen cyanotisch. Schwächegefühl. Puls sehr frequent. (Fig. 14b.) D2FUR ) 38,8 144 75 Puls äußerst frequent; Schweiße ; leichte Benommenheit. Frequentes, stöh- nendes Atmen. Öyanose. Dämpfung fortgeschritten. Vicariierend. Lungen- emphysen. Ordin. Digitalis 1,0:180,0. 2x stdl. Ol. Camphor. 2stdl. 0,2. 22.11. | 5 30°| 37,6 | 128 90 299 Max Neu: [82 | Fa Datum | Zeit 'Temp.| Puls | Blutdr. Bemerkungen 23.11. 10 15/380 | 18 | 85 || Schweiß und Durst; leichte Euphorie. 25.11. | 9 30.) 38,4 | 104 | 25.11. | 4 30°| 38,0 | 120 26.11. | 9 45/375 | 9 97.11. |12 10°) 37,0 | 84 27.1. |5 18380 | 108 98.11. 11 451 37,5 | 96 28.II. | 4 30‘| 37,6 1.1. 10 07° 37,0 | 88 1.101. | 5 20370 | 92 | | | | a.ı.|4 |s76 | 88 I I | 5. II. |12 30°) 36,9 | 80 8. It. |11 30°) 36,7 | 76 | | 88 1. lıı 368 | 88 | 13 1. M | 36,8 | 8 | 96 16. II. |10 25°| 36,8 | 88 | 100 18. III. |11 20° 36,6 96 100 90 35 100 85 105 105 105 85 110 110 125 120 125 135 115 130 115 125 100 110 R. h. u. Aufhellung d. Dämpfung. Herzaktion etwas kräftiger. Dyspnoe, wenig Üyanose. Dikrotie, in- und expirator. Schwanken d. Pulskurve. (Fig. 14 e.) ‚ Herzaktion gekräftigt (Digitalis). Urin Spur Alb. Etw. Apathie, geringe Dyspnoe. ı Pat. liegt relativ niedriger. Höher gelagert. Herzaktion etw. irre- gulär (Fig. 14d). Leber etw. ver- srößert, bis jetzt Verbrauch von Digitalis: 2 Gläs. a 180,0; dasselbe weiter, 4stdl. Campher 0,2; 2stdl. Ipecac. Pat. schläft viel; nicht mehr benommen. Puls exquisit dikrot, manchmal auss. ' Herzaktion besser; Puls regelmäßiger. ' Puls manchmal aussetzend. ' Der Campher ist ausgesetzt worden. Keine febrile Temperatur mehr; leichte Kost. Kaum Dämpfg. im Er- krankungsbezirk. Herzaktion manch- mal stolpernd. (Fig. 14a.) Herzaktion besser, Rekonvalescenz. (Fig. 14f.) | Subj. Wohlbefinden. Pat. fühlt sich b. Aufsitzen unwohl; bekommt Schwindelgefühl. Sitzend. ' Pat. darf aufstehen; Aufsein bek. gut. ' Sitzend. Sitzend. Nachm. auf Aufsein Schwäche- gefühl, daher muß Pat. im Beit bleiben. Einfluß der Bettruhe; Pat. hat außerdem geschwitzt. Sitzend. 83] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 293 Datum | Zeit Temp.) Puls | Blutdr. Bemerkungen. 21. 111. ||1ı1 30°| 37,5 | 80 120 | Pat. war seit 1 Stunde aufgestanden: | | | im Liegen gemessen. | 104 | 140 | Sitzend. 25. III. |10 364 | 9% | 110 | | 112 125 Sitzend. 28. III. 110 30°) 37,1 | 8% | 95 Pat. mußte wegen Angina follic. wieder | | | zu Bett bleiben. 100.44: 115 Sitzend. ZIEHT. 111.07 | 88 95 Sitzend; seit "» Std. aufgestanden. Pat. hatte reichl. Stuhlentleerung (5) | | mit Blutbeimengungen. | 110 Nach 3maligem Auf- und Abgehen. 21V. 1009115 Sitzend, seit längerer Zeit aufgestanden. DEV. 19.0541036,7 s4 | 115 || Wohlbefinden nach überstandener zwi- | | | | schenzeitl. Cystitis (Fig. 14g). | 130 Sitzend. 25./IV. gg. ärztl. Rat die Klinik verlassen. Diskussion: Ein ungesetzmäßiges Verhalten des Blutdruckes scheinen, vom Gesichtspunkte: „Blutdruck und Fieber“, die Beobacht- ungen unserer Pneumoniekranken darzubieten; auf den ersten Blick deuten die Schwankungen auf einen erhöhten Blutdruck. Das ist aber nur scheinbar der Fall. Bei der Masse der Einwirkungen, des Krankheits- verlaufes an sich wie der therapeutischen Maßnahmen tritt nur selten der Einfluß der fieberhaften Temperatur auf den BD. ungetrübt her- vor. Wo dies aber stattfindet, finden wir den BD. durchweg herab- gesetzt. (Fall Zppler und Leismann). Wenn wir also Hensen völlig Recht geben müssen, daß hier eine Gesetzmäßigkeit der Schwankungs- kurve des Blutdruckes noch weniger als z. B. beim Typhus nach- weisbar ist, so wollen wir nicht, wie es gen. Forscher thut, so apo- diktisch sagen: „Die Temperatur gehört nicht zu den blutdruckbe- herrschenden Faktoren“. In hervorragendem Maße ist der Blutdruck bei den Pneumonie- kranken abhängig von Cyanose und Dyspnoe, wie überhaupt Krank- heiten des Thoraxraumes durch die Modifikation der Atembewegungen ihren besonderen Einfluß geltend machen. Diese Einflüsse äußern sich in Blutdrucksteigerung. Die Größe des Blutdruckwertes läßt keine Prognose auf den Verlauf der Pneumonie zu. Denn wie einerseits Fälle mit ‚bedeutend Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F VII. Ba. 20 294 Max Neu: [84 erhöhtem Blutdruck (Eppler, Neugebauer) den Exitus nahmen, so ge- nasen andererseits solche mit erniedrigtem Blutdruck (Zitsch). Bei relativ niedrigen Blutdruckwerten können sich die Patienten subjektiv wohl befinden. Wohl aber lassen sich Anhaltspunkte für das therapeutische Handeln gewinnen; denn Campher, Coffein, Strophanthus, Digitalis, Südwein und Champagner erhöhen den erniedrigten Blutdruck frappant. Ungemein hoher Blutdruck bei Verschlechterung des Allgemein- befindens kann zu blutdruckherabsetzenden Mitteln greifen lassen. So brachte im Falle Eppler, der nach dem gesamten Krankheitsbild zu urteilen, durch Erstickung infolge zu ausgedehnter pneumonischer Infiltrate zu Grunde ging, eine ergiebige Venaesectio Absinken des Blutdruckes und Besserung des Allgemeinbefindens. Objektiv ver- kleinert sich die nach r. verbreiterte Herzdämpfung. Daß es die CO,-Intoxikation ist, die den Blutdruck hoch hält, geht auch daraus hervor, daß Ableitung auf die Haut (Schröpfköpfe) eine rapide Senkung des Blutdruckes veranlaßt; denn nunmehr findet durch erleichterte Atembewegungen eine bessere Arterialisierung des Lungenblutes statt. Die fortschreitende CO,-Intoxikation erhöhte wiederum den Blut- druck, schließlich lähmte sie das Respirationscentrum. Denn im Falle Eppler sistierte die Atmung, bevor das Herz, durch Excitationsmittel lange resistent gemacht, stille stand. Ähnlich liegt der Fall Neuge- bauer; der Tod erfolgte, trotz hohen Blutdruckes bis kurz vor dem Ende, durch Herzschwäche. Die Coffeinwirkung äußert sich im Falle Zitsch nicht in einer Erhöhung der Tonometerwerte, wofür entweder die Sedativa oder die Schweiße zu beschuldigen sind. In der Rekonvalescenzzeit scheint, nach der Blutdruckhöhe ge- urteilt, das Herz unzweckmäßig zu arbeiten; trotzdem die Excitantien lange ausgesetzt sind, zeigt der Fall Leismann ın der Genesung eine relativ hohe Blutdruckziffer. Offenbar zügelt der Nervenapprat des Herzens nicht genügend dessen Thätigkeit. Das scheint aus folgendem hervorzugehen: Als der Patient Leismann behufs 'Tonometerbestim- mung im Sitzen für kurze Zeit eine ihm ungewohnte Stellung ein- nehmen soll, bekommt er Schwindel und Gefühl des Unwohlseins. Der Blutdruck- ist im Sitzen erniedrigt, das einzige Mal während meiner sehr zahlreichen diesbezüglichen Messungen. Diese Erscheinung finde ich durch Stokes!) erklärt: derselbe sah z. B. im Fleckfieber, 1) eit. nach Romberg & Pässler (89) p. 653. S5] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 295 daß ein rasches Erblassen beim Aufsitzen oft wirklichen Kollapsen vorauseing; er faßte den Zusammenhang dieses Erblassens als Cirku- lationsstörung bedingt durch Herzschwäche auf. Im folgenden gebe ich nunmehr meine tonometrischen Beobach- tungen an fiebernden Phthisikern wieder. Richard Lude, 21 J.. Maurer. Diagnose: Phthis. pulmon. utriusque lat. Hämopto&. n PER WezN I In } Datum | Zeit Temp. | Puls | Blutdr. | Bemerkungen. En NER En | 11. IM. ||10h 30°| 37,1 | 100 90%. | 4 | 39,1 122.17 105 Pat. hat starke Schmerzen in der linken | | | | Glutäalgegend. Obj. Druckempfind- | lichkeit. 12. Ir. | 9 30°) 36,9 | 88 | 90 iS] 1973027374 100 85 142121102302, 87.2 96 | 95 taz 9 36,7 96 | 95 Remelius, 28. J., Friseur. Diagn.: Phthisis pulm. sin. 12-11. | 9 30°) 37,7 88 | 65 Puls wenig kräftig. l4 15|338 lw| 13. II. | 9 45° 374 | 92 70 13. = 5 15.) 383 | 96 80 Susanna Rostock, 18 J., Dienstmädehen. Diagnose: Phthisis pulm. et enterum. INFZTIN: In 15° 37,8 92 85 4 38,6 112 8 12. IM. 10 38,8 96 80 22172 164 39,1 112 85 13. II. || 9 30°) 38,0 88 75 9 30°| 38,4 100 75 14. III. 110 40°| 37,4 88 85 16.:I11. || 9°15°] 38,3 88 75 18. III. 10° 25° 37,7 34 90 20* 296 Max Neu: ee [56 Amanda Hornung, 22 J., Ladnerin. Diagnose: Phthisis pulm. (bronchopneumon, Form. Cavernen bes. im linken Oberlappen). n Datum | Zeit "Temp. Puls | Blutdr. | Bemerkungen. 21.11. [1106 10°| 37,8 | 108 | 95 22.11... 10 10) 38,1 | 112 | 85 || Hustet:BD. = 115. 3.11. 11n6-1821.39,2 | 120 4 @8o2 | 93.7.1197 30.1.3770] 304 1 © zes ze 11. II. 10 33,3 | 120 100) 11. IH. | 4 38,1 | 104 105 | 12. Ill. || 9 45°) 38,4 | 120 105 | Exeitantien. 12. III. | 4 584 | 120 | 105 13. III. || 9 35°| 37,4 118 115 13. III. || 5 _30'| 38,4 | 120 120 kurzatmig. 14. III. 10 30°) 37,9 108 110 Hustet : 130— 140 mm. 14. III. | 5 40°| 39,5 120 130 || Atmung 52. Sehr cyanot. Aussehen. 18. III. ||10 15°| 37,8 | 116 105 || Immer noch Herzmittel. Lina Bess, 24 J., Fabrikarbeiterin. Diagnose: Phthisis pulmon. utriusque 21. 22. 23. 11. 14: 12. 12. 13. 13. 14. 16. 18. ich kaum beobachten. II. „. IL, 3% II. | III. III. III. III. II. 311.) Un Diskussion: Die beobachteten fiebernden Phthisiker zeigen Blutdruckwerte, die teils innerhalb der physiologischen Grenzen liegen, teils und der Mehrzahl nach subnormale sind. Änderungen der Temperatur erklärbare Blutdruckschwankungen konnte Es hat den Anschein, als ob das Herz mit seinem Nervenapparat während der langen Erkrankung sich an die lateris. 36,8 100 80 367 | 14 | 9 37,2 92 85 39,1 | 108 | _90\ 37,8 92 100 38,9 | 104 85 39,8 | 112 70 384 | 88 75 3,8 | 10 | 90 38,6 | 104 | - 90% 363 | 12 | 9 37,9 | 108 | Hämoptoe. Puls klein und dünn. Tet. Strophanthi 3x 8 gtt. ' Exeitantien. Dyspnoe. ı Irgend welche, aus | | | 87] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 297 Toxinwirkung accomodiert und eine prompte Reaktionsfähigkeit ein- gebüßt habe. Die niedrigen Blutdruckwerte lasssen sich aus Zustän- den der Herzinsufticienz erklären. Dysponische Atmung steigert auch hier den Blutdruck rapide, ebenso wie Hustenparoxysmen. Von einer Anregung Zadek's ausgehend beobachtete ich auch die Schwankungen bei Meningitis verschiedener Abkunft, wo be- kanntlich neben stark schwankenden Temperaturgraden wechselnde Zustände der Pulsfrequenz, bald hochgradige Beschleunigung, bald exquisite Verlangsamung stattfinden. Georg Weiher, 13 J., Fabrikarbeiter. Diagnose: Meningitis cerebro-spinalis purulenta. Otitis media sin. purul. chronica mit Cholesteatombildung. Datum || Zeit Temp. Puls _ Blutdr. Bemerkungen. 28.1. 10h 409 | 120 | 85--90 | Herzaktion erregt; Töne rein; Puls regelmäßig. Ordin.: Eisbeutel auf den Kopf; unguent. einer. auf den Nacken. Operation geplant. OsELı 7 36,9 | 92 110 | Pat. ist stark unrubig; deliriert, schlägt um sich, beißt etc. 29.1. 10 36,7 88 100 Auf Morphiumirjektion in der Nacht | ruhiger. 2%... 112 19° 90 | Nach der Lumbalpunktion (H. Geh.-R. | | | Erb.) 25 cem dicken fötiden Eiters entleert. Pat. ist ruhiger, nimmt flüssige Nahrung zu sich. 29.1. 4 25°| 40,1 100 | 95—100 | Mit steigender Temperatur Zuckungen von klon. Beschaffenheit. Unruhe. Mühsame Exspirationen. In der Nacht 5h 45° Exitus. Die T’emperatur ist beim Exitus 41,1° und hat 2 Stunden post mortem noch eine Höhe von 40,0. Adam Bleiler, 18. J., Kutscher. Diagnose: Meningitis cerebro-spinalis acuta tbe.? Der Pat. war am 15./ll. 01 wegen Pleuritis exsudativa dextra ohne son- stige Erscheinungen in die Klinik aufgenommen worden. Dieselbe heilte ab, Spitzen frei. Herzaktion bei normalem Befund gut. 298 Max Neu: [88 Seit dem 29./IIl. war aufgefallen, daß der Puls ohne aufzuklärende Ursache sehr frequent war, Aus diesem Grunde tonometrische Beobachtung. Datum || Zeit Temp. | Puls ' Blutdr. | Bemerkungen. 29. III. Im | 36,7 | 104 85 | 120 95 | Sitzen. Der Puls ist ein frequens mol- | | ı is (Fig. 15). 29. II. | 4 120 95 | Seit 3h aufgestanden. 140 | 90—95 || Nach 3maligem Auf- und Abgehen im | Zimmer (Fig. 15a). 30. III. ||10 40°| 36,7 | 104 | 85 Vom 4.—23. Ill. wegen Exacerbation der Pleuritis zu Bett. Wiederum Wohlbefinden. | | 120 | 95 || Im Sitzen. 2.IV. | 5 ı 36,9 | 136 80 || Nach 4'/sstündigem Aufsein. 3. IV. || 4 50°) 36,8 | 100 80 Am 6. IV. entlassen. Cor: Mam.-Linie nach r. etw. verbreitert. Epigastr. Pulsation. Puls beschleunigt, regelmäßig. Am 28. V. 01 wird Pat. in somnolentem Zustande in die Klinik gebracht. Gesicht gerötet, mit Schweiß bedeckt. Cor: normale Grenzen; Aktion kräftig, regelmäßig. Töne rein, laut. Pulmones: normaler Schall. R. supra- und in- fraclav. Gruben eingesunken und Schall abgeschwächt. Verschärftes In- und Exspirium. Pupillen schwach reagierend, Nackenstarre; Dermographie; Puls kräftig, nicht beschleunigt. | | D% | - 3 | ET MM ü ? Datum | Zeit Temp.‘ Puls | Blutdr. | Bemerkungen 29. V. ||11h 40° 38,0 | 15 Pat. ist völlig soporös. Nackenstarre. | ' Mäßig mit Schweiß bedeckt. Puls | \ (Fig. 15b). | 6 30° 38,4 936 125 | Beständig Singultus. Ordin.: Heisses | | | Bad von 40°C. 10 Min. Dauer; Ungt. | 29. V. | einer. in den Nacken. 30. V. 12 30° 38,5 | 104 |100-105|| Nackensteifigkeit zurückgegangen. Sen- | | sorium besser. 31. V. [11 30°) 38,2 | 100 110 | Nackenstarre hochgradiger. 1. VI. ||12 25°| 38,6 | 108 95 Subj. Besserung. Sensorium freier, 1a | 6 30‘) 38,4 116 95 -|ı 89) Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 299 \ | Datum || Zeit Temp. | Puls | Blutdr. Bemerkungen. | | Eee een... 2. VI. |12 378 | 112 140 | Während der Messung wird Pat. plötz- " lich über und über blau — Cyanose, 12 10 ı2| 18 Ave 1 38,1 | 9 105—110| Große motor. Unruhe, Nacken mäßig | | steif. 5, ai 37,6 76 110 || Pat. ist ruhiger. 6. VI. 10 37,7 | 116 120-125) Z. Z. dieselbe cyanot. Verfärbung; An- deutung von (heyne- Stokes’schem Atmen. Motor. Unruhe. Lumbalpunk- tion negativ. 7. VI. 10 374 |- 140 115 Völlige Benommenheit; Puls klein flatternd. 95 Phase ruhigen Atmens (Fig. 15). 90 Kleine Atmungsphase (Fig. 15d) Cheyne- Stokes Atmen. 115—120 || Große Atmungsphase (Fig. 15e). Deutliche Differenz der In- und Ex- spirationsphasen (Fig. 15f). 90 Inspiration. 105 —110 | Exspiration. 8 V1. | 9 | 87,4 | 136 95 Kleines Atmen | 125 Großes Atmen Comatöser Zustand, reagiert nicht auf Kneifen xx. 11 | 373 | 160 | 75—80 || Ständiges Coma; Dyspnoe. Tracheal- | rasseln. (Fig. 158). 37,4 | 174 | 55-60 | Stark beschleunigte Respiration (90 pro Minute). Cyanose, kalter Schweiß; | Pupillen reagieren nicht, ad maxim. erweitert. Puls hochgradig beschleun., filiform. Cheyne-Stokes. 9. VI. || 3 30° Exitus Anat. Diagnose: Allgem. Miliartbe. Tbe. Myocarditis d. r. Ventrikels. Meningitis cerebro-spinalis tbec. 10. VI. |6h am Diskussion: Der eine Meningitisfall (Weyher) zeigt keine Ab- hängigkeit seiner Blutdruckschwankung, weder von der Temperatur noch der Pulsfrequenz; wir beobachten trotz der Schwere des Allge- meinzustandes keinen erniedrigten Blutdruck. Vielleicht erklärt sich das aus der motorischen Unruhe bezw. der dabei auftretenden Muskel- aktion, zumal andere Ursachen wie die Gehirndruckverhältnisse un- 300 Max Neu: [90 kontrollierbar sind. Die Lumbzälpunktion äußert keinen nachdrück- lichen Einfluß auf den arteriellen Druck. Besonders interessant nach dem ganzen Krankheitsverlauf er- scheint der Fall Bleiler, zumal derselbe lange vor Ausbruch der Meningitis in tonometrischer Beobachtung stand. Der Blutdruck des Pleuritis-Rekonvalescenten betrug 80—95 mm Hg; demgegenüber er- giebt die Tonometermessung zur Zeit der Meningitis eine Erhöhung um 30 bezw. 45 mm Hs. Trotz der hohen Temperaturgrade, trotz des soporösen Zustan- des, trotz der Schweiße, allen den Momenten, die den Blutdruck mehr oder weniger herabsetzen, bleibt der Tonometerwert ein relativ hoher (125 mm Hg.). Ob diese Erhöhung durch den Muskeltonus oder, was etwas für sich hätte, durch Reize von der Hirnrinde aus veranlaßt wird, läßt sıch nicht entscheiden. Die Nackenstarre scheint einen Einfluss aus- zuüben, weil mit ihrem Nachlassen ein Zurückgehen des Druckwertes zu beobachten ist. Die Pulsfrequenz scheint nicht zu den Faktoren zu gehören, die bei der Meningitis den Blutdruck beherrschen. Was die möglichen reflektorischen Einflüsse anbelangt, wie z. B. Hauthy- perästhesie, so kann dieselbe bei unseren Patienten ausgeschlossen werden; denn diese war nie vorhanden. Freieres Sensorium und subjektive Besserung trifft mit nied- rigen Blutdruckwerten zusammen. Dyspnoische und cyanotische Zustände steigern auch hier den arteriellen Druck erheblich und momentan mit ihrem Einsetzen. Interessant ist die Blutdruckschwankung beim Auftreten des C'heyne- Stokes’schen Atmungstypus; das „große“ Atmen ist von einer Erhöhung begleitet. Das unmittelbare und nachhaltigste Absinken des Blutdruckes war ein frühzeitiges Zeichen der Katastrophe (nach ca. 12 Stunden der Exitus). Ein Befund der Autopsie dürfte, weil interessant für die Epikrise, herangezogen werden. Ich hatte erwähnt, daß ich den Patienten wegen des auffallend beschleunigten Pulses in die Reihe meiner Beobachtungen aufgenommen hatte; der Blutdruck wies zu dieser Zeit keine besondere Schwankungen auf. Nach dem seltenen anatomischen Befund der tuberkulösen Myocarditis könnte daran ge- dacht werden, daß durch sie eine Läsion des Herznervenapparates und dadurch die Tachykardie veranlaßt war. 91] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 301 Nicht unwichtig dürften für die Frage nach der Abhängigkeit der Blutdruckschwankungen vom Fieber nachfolgende Fälle von Sepsis sein. Anton Martin, 41 J., Weichenwärter. Diagnose: Sepsis univers. Vereiterung der linken Axillardrüsen mit Infiltration der Umgebung nach Pana- ritium des linken Zeigefingers. Eintritt 3. II. 01. Fieber, Frieren wenige Tage nach der Verletzung. Status: Kräftig gebauter, gut genährter Mann in hochfebrilem Zustand; Sensorium b: nommen. Linke Axillardrüsen am linken Arm gerötet, schmerzhaft. Eitrig schimmernde Risswunde am linken Zeigefinger. Thorax: 0 Pathol. Herz- aktion erregt, mäßig kräftig; Töne rein, leise. Grenzen normal. Milz perkus- sorisch vergrößert, nicht palpabel. Im Urin reichlich Albumen. Datum | Zeit Temp. Puls Blutdr. Bemerkungen. 3.1I. || 4h 45° 40,9 1280 WE 30o Puls dikrot. Kisbeutel auf Kopf und | Herz. Wein, Cognacmixtur. Chirurg. | Behandl. der lokal erkrankten Stelle. 4.11. |10 15°| 40,0 132 | 45 | Aussehen matt, Zunge schwarzbraun, | | belegt und trocken. Puls klein, regel- | mäßig. Herzgrenzen verbreitert 1'!/2 Quer- finger nach 1.; nach r. bis z. r. Ster- nalrand. Oben Grenze scheinbar an der II. Rippe beginnend. Herztöne leise, entfernt zu hören, Atmung be- | schleunigt. Pulmones |. h. u. r. h. | | ' Dämpfung und Bronchialatmen. 4. II. |12 30° 39,5 | 112 | 55-60 | Nach leichtem Collaps sind Exeitantien | | gegeben worden. 4. 11. 4 39,2 | 120 45 Aspirin hat keine Einwirkung auf die | Temperatur. 2stdl. 0,2 Camphor. | Weiterer Verfall. | | 10 15° Exitus Marie Feuling, 23 J., Dienstmädchen. Diagnose: Sepsis, Bronchitis diffusa. Infiltrat. lob. inf. dextr. Aus der Frauenklinik transferiert. 11. III partus. Bis 19. III. normales Wochenbett. Plötzlich Schüttelfrost, hohes Fieber. Da keine Anhaltspunkte für Sepsis vorlagen, wird an Miliartbe. gedacht. Status praes: Stark reduziertes Mädchen, fieberhäftes Aussehen. Cor.: Regelmäßige Grenzen, Töne mit Ausnahme des I. Pulmonaltones rein; Aktion beschleunigt. 302 Max Neu: [92 Pulmones: 0 Dämpfg.; spärliche Rasselgeräusche. Bellender trockener Husten. Abdomen: Weich, nicht druckempfdl. Leber und Milz vergrößert. Nerven- system: 0. Ordin: Eisbeutel aufs Herz. Aspirin 3x tägl. 0,5 g — Reichl. Wein- Codein. phosphoric. 3x 20 gtt. | Datum | | | Zeit Temp. Puls | Blutdr. | Bemerkungen. | | 27. III. ||10h 37,4 145 59 Starke Schüttelfröste von Y/a—1 stdg. | Dauer. Puls enorm frequent, faden- | förmig. Zw. Schüttelfrösten Euphorie. 30. III. 1112 | 85,8 120 Exeitantien. Beginnender Decubitus. Dünne Stühle ins Bett. Puls dikrot. I (Fig. 16.) 1 Or 31. II. |112 36,9 132 65 VEN 38,2 ca. 160) 70 Zw. 10 u. 11h starker Frost. Atmg. 56. | Dyspnoe. Exeitantien. Um 11h Mor- phium wegen Aufregungszuständen, | | Profuse Diarrhoön. . Iv. || 3 30°| 37,4 138 65 || Fig. 16a. 2. IV. || 6 37,0 132. 65—70 | Wegen Unruhe 3X '/» Spritze Morph. || anstatt Codein. | 3. IV. || 9 40°| 36,2 116 70 Große Unruhe unter zunehmendem | | Verfall. o. IV. || 5 30°| Exitus. \ In der Zwischenzeit aus äußern Grün- ' den keine Messung möglich. | _ Diskussion: Beim Falle Martin finden wir innerhalb 18 Stunden bei fortschreitender Sepsis einen Blutdruckabfall von 60 mm Hg. Der Druck steigt einmal bei einem Temperaturabfall von 10° um 10-15 mm Hg, sinkt aber dann wieder und behält ein tiefes Niveau. Die Prognose auf baldigen Exitus, die ich nach diesem Befunde stellte, wurde als richtig bestätigt. Ähnlich liegen die Verhältnisse im an- deren Falle (Sepsis puerperalis). Bei energischen Schüttelfrösten ist der Blutdruck erniedrigt; im übrigen bleibt er bei subfebriler Tem- peratur subnormal. Auch hier steigert die Dyspnoe den Blutdruck. Ein gesetzmäßiges Verhalten zur Pulsfrequenz ist nicht erkennbar. Die Vermutung, daß der Decubitus in Beziehung zum schlechten Verhalten des Blutdruckes steht, der eine genügende (rewebeernäh- rung nicht mehr zuläßt, mag nur als solche ausgesprochen sein. Des weiteren können die profusen Diarrho@ön als blutdruckerniedrigendes Moment in Betracht gezogen werden. Die tonometrischen Beobachtungen eines an Hitzschlag Er- krankten möchte ich hier mitteilen, obwohl ich mir bewußt bin, daß 93] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 303 nach den Erwägungen Ärehl’s (91) eine Identifizierung mit einem Fiebernden keineswegs gemacht werden darf. Jakob Füger, 41 J., Knecht. Diagnose: Hitzschlag. Der Patient war an dem sehr heißen Nachmittag des I. VI. auf dem Felde beschäftigt: seit Mittags, wo er einen Teller Suppe aß, hat er nichts mehr außer !/» Fl. Bier genossen. Plötzlich brach er bewußtlos zusammen. Die Dauer der Bewußtlosigkeit unbekannt. Pat. wird im Zustand der Benommenheit in die Klinik gebracht. Kein Erbrechen, Kopfschmerzen, Gefühl starker Hitze. Erste Tem- peratur 39,1° (5b 30° pm.), nach kühlem Bade 37,7° C. | BR; Datum | Zeit |Temp.| Puls | Blutdr. | | | an | | | Bemerkungen. IaVe6h 3,0.) 48 S5 Pat. noch etw. benommen; Urin wird | pr. Katheter entnommen. Puls für die Palpation weich. ZEV SE N2E152036%5 60 100 Ordin. Eisbeutel auf den Kopf. 4..V1. 110 45°| 36,2 60 |100—105| SEN... 11 36,2 | 60 100 | | || | Diskussion: Wir sehen, die Überhitzung oder, wenn man will, Wärmestauung, hat einen blutdruckerniedrigenden Einfluß noch nach einer geraumen Zeit nach dem eigentlichen Hitzschlag. Man darf wohl annehmen, daß auf der Höhe der Erkrankung der Blut- druck noch tiefer steht; denn bis zur tonometrischen Messung hatten Transport, Bad, Unterbringung ins Bett stattgefunden, welche Um- stände blutdruckerhöhend gewirkt haben könnten. Da der Patient bei der ersten Messung apathisch war, fällt ein möglicher Einfluß der Psyche weg. In den nächsten Tagen steigt bei Abfall der Temperatur und Besserung des Allgemeinzustandes der Blutdruck wesentlich an, auch der Puls ist frequenter, wiewohl der Patient einen an sich langsamen Herzschlag zu haben schien. Wir kommen nunmehr zu einer allgemeinen Betrachtung der Blutdruckschwankungen im Fieber, zu dem Versuche ihrer Erklärung und zu ihrer praktischen Würdigung. Ohne den Begriff Fieber genauer zu definieren, das von so vielen differenten Faktoren verursacht und abhängig ist, wollen wir zur Frörterung unserer ursprünglichen Frage von einer Eigenschaft des Fiebers ausgehen, die unter allen Umständen ein wesentliches Cha- rakteristikum bildet, der Temperatursteigerung. 304 Max Neu: [94 Bei den Erkrankungen, bei denen das Fieber im Vordergrunde des ganzen Bildes steht, können wir eine Herabsetzung des arteriellen Druckes nachweisen, wenn alle anderen blutdruckbeeinflussende Mo- mente ausschaltbar sind; dabei sind den Temperaturschwankungen analoge Blutdruckschwankungen zu beobachten und zwar so, daß eine Temperaturherabsetzung großenteils mit einem Druckanstieg beant- wortet wird. Zur Zeit der Entfieberung steigt der Druck zweifellos an und nimmt mit geringen Schwankungen eine normalen Blutdruck- werten nahezu gleiche Mittellage ein. Indessen sind wir auch Fällen begegnet, wo umfängliche Schwankungen seitens des Blutdruckes gegenüber dem Temperatureinfluß kaum zu bemerken waren. Wenn wir von den Infektionskrankheiten besonders bei Scarla- tinakranken eine Herabsetzung des Blutdruckes während der Tem- peraturerhöhung konstatieren konnten, so sind wir um so mehr ge- neigt, diesem Ergebnis Nachdruck zu verleihen, weil diese Krank- heitsform von den Blutdruck möglicherweise alterierenden therapeu- tischen Maßnahmen verschont blieb. Wenigstens wurde die Therapie, wie das wohl überhaupt zu geschehen pflegt, exspektativ gehandhabt. Auch von irgend welchen Krankheitskomplikationen wie Nephritis, die den Blutdruck beeinflussen könnte, waren die beobachteten Fälle frei. Soweit mir die Litteratur bekannt geworden ist, ist der Blut- druck bei Scarlatina-Kranken bisher noch nicht studiert. Desto größer ist dieselbe über den Blutdruck im Typhus. Während Riegel (90), Mosso, Wetzel (57) die Herabsetzung des Blutdruckes als gesetzmäßig für das Typhusfieber betrachten, letzterer Autor die Herabsetzung sogar als von der Temperatur bedingt ansieht, haben Zadek (11), Arnheim und Eckert (8) ein entgegengesetztes Verhalten konstatiert. Allerdings sah Eckert bei langer Dauer des fieberhaften Zustandes eine bedeutende Herabsetzung des arteriellen Druckes. Zadek hält geradezu die erhöhte Blutwärme für das drucksteigernde Agens, was er daraus schließt, daß nach kalten Bädern der Blutdruck gesunken ist. Es war indes damals sehr wenig festgestellt, welcher Einfluß dem Bade auf den Blutdruck zukommt und damit sind seine Schlüsse mehr als zweifelhaft. In jüngster Zeit hat Hensen mittelst des Rira-Rocci'schen Sphygmo- manometers an 15 Typhusfällen laufende Beobachtungen gemacht. Er fand nicht nur, daß die Amplitude der Pulswelle nicht größer wie normal ist, sondern auch, daß ebenso selten, wie man man beim Fieberpulse eine hohe Spannung antrifft, die Spannung höchst selten 95] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner's Tonometer. 305 subnormal (unter 100 mm He) ist. Er glaubt, die Dehnbarkeit der Arterienwand, die Form der Pulswelle, der schnelle und steile Abfall der Diastole täuschten uns über die Spannung der Arterie. Es liegt allerdings wegen der entspannten und dehnbaren Ge- fäßwand nahe, von dem Palpationsbefund auf den Blutdruck zu schließen. Die Muskulatur des Gefäßrohres ist erschlafft; daraus allein darf man auf die Herabsetzung des allgemeinen Blutdruckes keineswegs schließen; andererseits steht der Annahme nichts im Wege, daß das ganze Gefäßgebiet der Hautoberfläche in derselben Weise sich verhalte; dazu wird man nach dem Nachweise Arnheim’s, daß die Wärmeabgabe hier gesteigert ist, berechtigt sein. Dieses große entspannte Gefäßgebiet könnte die Blutdruckerniedrigung im T'yphus- fieber immerhin schon allein erklären. Wenn dann aber Hensen meint, die Gefäße des Splanchnicusgebietes seien daran nicht beteiligt, so ist diese Annahme willkürlich. Denn einmal ist von den Physio- logen nachgewiesen, daß schon unter normalen Verhältnissen kein konstantes antagonistisches Verhalten zwischen oberflächlichen Ge- fäßen und denen des Splanchnicusgebietes besteht; sodann ist nicht unwahrscheinlich, daß auch die Infektion an sich oder auch durch den entzündlichen Prozeß beim Abdominaltyphus und der Hyperämie des Intestinaltraktus geradezu ein Spannungsnachlab im betr. Gefäß- gebiet statthat. Damit braucht nicht ein völliger Schwund des Tonus gemeint zu sein. (segenüber diesen Erfahrungen Hensen’s fand Gumprecht, der ebenfalls das Ariva-Rocersche Instrument benützte, bei fieberhaften Krankheiten erniedrigte Werte; insbesondere zeigten dies Verhalten 10 an Typhus erkrankte kräftige Arbeiter. Zu welchen Resultaten sind bis jetzt andere Untersucher mit dem Gärtner'schen 'Tonometer in unserer Frage gelangt? Hier zeigt sich eine weitgehende Übereinstimmung. So beob- achtete A. Fränkel (25) bei Fiebernden im allgemeinen keine Druck- vermehrung, vielmehr eine Tendenz zur Erniedrigung. Auch Neisser (27) und Schüle (41) bemerkten die blutdruckherabsetzende Wirkung des Fiebers im allgemeinen, insbesondere im Typhus. Gerade Neisser’s Ergebnisse stimmen so auffallend mit den meinigen überein, daß ich seine Worte wörtlich anführen will: „Beim Typhus wurde regelmäßig bei normalem Verlaufe auch ein typisches Verhalten des Blutdruckes festgestellt; ein Absinken im Anfange, dann ein regelmäßiges Niveau (ca. 60—70 mm Hg) die ganze Continua hindurch und auch noch in den steilen Kurven; in der Rekonvalescenz langsames Wiederansteigen. 306 Max Neu: 96 Die normale Höhe wird offenbar erst spät in der Rekonvalescenz er- reicht.“ Neisser, der mehr tödliche Typhusfälle als ich beobachten konnte, sieht den dauernd abnorm niedrigen Blutdruck als omen pessimum an; nach den Wahrnehmungen im Falle Dartscherer, wo, neben anderen klinischen Symptomen, die momentane Blutdrucker- niedrigung eine Perforation vermuten ließ, glaube ich das gerne. Wie weit es gelingen wird, für den Krankheitsverlauf bestimmter Erkrankungsformen ein typisches, fest umrissenes Blutdruckbild zu zeichnen, wie es Schröder (80) für manche gynäkologische Ope- rationen anzubahnen versuchte, bleibt weiteren Untersuchungen vor- behalten. Zur Erklärung des blutdruckerniedrigenden Ein- flusses des Fiebers habe ich weiter oben die Wirkung der Ge- fäßerweiterung gestreift. Durch die klassischen Untersuchungen von Romberg und Päfsler (89), die im Tiere Infektionskrankheiten künstlich hervorriefen, ist nach- gewiesen worden, daß hierbei eine Vasomotorenlähmung und Ernied- rigung des arteriellen Druckes stattfinden. Daraus, bezw. aus der veränderten Blutverteilung, resultieren sekundäre Störungen in der Funktion differentester Organe. Nicht zum wenigsten werden Gehirn und Herz, jene so wichtigen Üentren, betroffen. Die Übertragbarkeit dieser tierexperimentellen Ergebnisse auf die menschliche Pathologie der akuten Infektionskrankheiten haben die Autoren aus zahllosen klinischen Erfahrungen dargethan; meine tonometrischen Befunde verleihen, wie ich hofie, diesem Vorgehen eine weitere Stütze. Aus der tonometrisch ermittelten Blutdruck- erniedrigung darf wohl ein Rückschluß auf den Erklärungsmodus der cit. Autoren gemacht werden. Wie also auf der einen Seite eine Alteration des Vasomotoren- centrums nachgewiesen ist, so scheint es nach Naunyn’s und Fink- ler's (91) Experimenten ebenso ausgemacht, daß der wärmeregu- lierende Apparat im Fieber gestört ist; daraus resultiert ein Mißverhältnis von Wärmeabgabe und Wärmeproduktion. Aber ab- gesehen von der noch strittigen Frage, welche Bedeutung das Fieber für den kranken Organismus besitzt, weist vieles auf eine möglichst ausgiebige Wärmeabgabe im Fieber hin. Dafür sprechen Arnheim’s Untersuchungen, der eine erhöhte Wärmeabgabe im Fieber konstatiert hat, wie auch in neuester Zeit dieses Verhalten auf der Höhe des Fiebers sicher dargethan ist. Die Faktoren, die aber die Abgabe 97] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner's Tonometer. 307 der Wärme vermitteln, Erweiterung der oberflächlichen Gefäßnetze, daraus folgend Ausstrahlen der Wärme, Schweiße, Wasserverdunstung, können keineswegs als blutdrucksteigernd angesehen werden. Wenn wir sodann wissen, daß mit größter Wahrscheinlichkeit der Ort der Wärmebildung in die Muskulatur zu verlegen ist, wo die lebhaftesten chemischen Umsetzungen während des Fiebers ver- laufen, so erhellt daraus, daß dort auch ein vermehrter Cirkulations- strom stattfindet. Dieser ist aber wiederum nur bei erweitertem Strombett möglich; so geben auch die tiefer liegenden Gefäße alle Disposition zu einer Herabsetzung des arteriellen Druckes, im Sinne nämlich einer Herabsetzung des peripheren Gefäßwiderstandes als eines den Blutdruck hervorragend beherrschenden Faktors. Und selbst wenn wir auch wissen, daß das oberflächliche Gefäßgebiet ebenso gern zwischen Erweiterung und Verengerung seiner Lumina wechselt und mindestens ebenso oft bei gesteigerter Nervenerregbarkeit infolge geringster Reize intensiv verengt sein kann, so ist eben zu bemerken, daß ein ergiebigeres Gebiet in der Tiefe die Herabsetzung des arte- riellen Druckes erhält. In diesem Sinne sprechen wohl meine Beob- achtungen des Blutdruckes während Schüttelfrostanfällen. Hier sank der Blutdruck noch weiter und ich glaube, man kann denn doch die Verengerung der peripheren Gefäße, verspätet eintretende Färbungs- intensität, also erniedrigter Blutdruckwert, nicht ausschließlich für diese Erscheinung verantwortlich machen, so daß in dieser Hin- sicht kein Widerspruch zu dem oben Auseinandergesetzten zu bestehen braucht. Aus der Strombettveränderung resultiert natürlich auch eine Anderung der Kreislaufsgeschwindigkeit; der Blutstrom ist verlangsamt. Durch die im Fieber stattfindende erhöhte Oxydation, den er- höhten Eiweißzerfall werden die Körpersubstanzen zersetzt; es trıtt ein Inanitionszustand ein, der durch eine ungenügende Ernäh- rung begünstigt wird. Daß darunter auch das Herz selbst leidet und dadurch die Leistungsfähigkeit der Muskulatur herabgesetzt wird, ist eine sichere, lange konstatierte Thatsache. Wenn wir auch sahen, daß durch alle diese Umstände eine Herabsetzung des arteriellen Druckes bewirkt wird, so braucht damit nicht gesagt zu sein, die Arbeit des Herzens ist eine geringere, sie kann vielmehr unter Umständen eine vermehrte sein. Durch die Verminderung der außer dem Herzen liegenden Widerstände, durch 308 Max Neu: [98 die „Ausschaltung aller außerwesentlichen mechanischen Arbeit (Rosen- bach)“, kann das Herz seiner Aufgabe gerecht werden. Wir sehen somit, daß die Verhältnisse quoad Fieber und Blut- druck außerordentlich komplizierte sind, daß aber, so verschiedenartig auch die Einwirkungen auf den menschlichen Organismus seien, in deren (Gefolgesich das Fieber befindet, immerhin gemeinschaftliche Beziehungen für eine Erklärung eruierbar sind. Das Verhalten des Blutdruckes in der Rekonvalescenz habe ich bereits gekennzeichnet. Es fragt sich nur, wie haben wir die bedeutenden Blutdruckerhöhungen zu erklären, die beim Aufsitzen des Patienten im Bette oder beim Verlassen des letzteren auftreten. Aus unsern diesbezüglichen physiologischen Beobachtungen wissen wir, dab schon unter normalen Verhältnissen im eben erwähnten Falle der arterielle Druck gesteigert wird. Die Schwankungen infolge dieser ungewohnten Verhältnisse werden um so bedeutender und bedeutsamer sein, je ungeübter das Individuum ist. Wie mit den Muskeln des Körpers, steht es auch mit dem Herzen. Eine Arbeitsleistung, die infolge von Übung und der dahin gehörigen zweckmäßigen Innervation ohne erheblicheren Kraftverbrauch vollzogen wird, bedarf bedeuten- derer Arbeit, wird sie ungeübten Organen zugewiesen. Es hat aber außer der quasi über das Ziel hinausschießenden Inner- vatiıon noch ein anderes in Anrechnung zu kommen, nämlich die zweifellose Schwächung des Herzmuskels durch die Krankheit. So können wir die Anzeichen eines Versagens beobachten, wenn der Patient sich überschätzt und nicht die Weisung befolgt, die ein Re- konvalescent beim ersten Verlassen des Bettes einzuhalten hat (cf. Fall Maisch). Aus diesem gehen die praktischen Folgerungen hervor, zu deren Würdigung ich nunmehr übergehen will. Man wird den Patienten einige Tage vor dem Verlassen des Bettes quasi als Trai- ning aufsitzen lassen, wobei man die Lageveränderung langsam vor- nehmen läßt. Auch nach dem Verlassen des Bettes ist es vorteilhaft, den Patienten vor den ersten Gehversuchen eine halbliegende Stellung auf einer Chaise-longue oder im Lehnstuhl einnehmen zu lassen. Das ist um so nötiger, als der Rekonvalescent in der Freude über seine (senesung gerne seinen Kräftezustand überschätzt. Was meine Blutdruckergebnisse bei den Typhusbädern an- belangt, so wird man trotz des tonometrischen Befundes der Druck- erniedrigung an ihnen festzuhalten haben, zumal auch die sonstigen klinischen Anzeichen sowie die Beobachtungen von Breitenstein (116), 99] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 309 Bäumler (117) gegen eine derartige Wirkung sprechen: Gefäße und Herz werden direkt und reflektorisch erregt, der Gefäßwiderstand steigt, die Kreislaufsgeschwindigkeit wird beschleunigt, die Differenz zwischen arteriellem und venösem Druck wird vergrößert, die Atmung wird angeregt und vertieft, kurz alles Dinge, die eine thatsächliche Erhöhung des Blutdrucks nahelegen. Das Chinin, dessen fast spezifische Wirkung im Typhus in neuester Zeit nachdrücklich betont wurde (111), leistet durch seine blutdruckerhöhende Wirkung auch nach dieser Richtung Günstiges für den Krankheitsverlauf. Es scheint den Blutdruck direkt zu be- einflussen, besonders aber nur in der Zeit des amphibolen Stadiums. Die Pharmakoiogie kennt die von mir beobachtete Wirkung des Chinins sehr wohl, obgleich Kuhe-Wiegandt (59), der die verschie- denen Antipyretika nach ihrem Einfluß auf den Blutdruck beim Menschen untersuchte, nichts dergleichen beobachtete. Bei Tap- peiner (124), finden wir, daß schon kleine Mengen (0,1 g) von Chinin nach der Resorption neben einer geringen Erhöhung der Puls- frequenz ein mäßiges Ansteigen des Blutdrucks veranlassen, wenn auch von pharmakologischer Seite die Ursache nicht sicher ermittelt ist. Die tonometrischen Ergebnisse sind bei den Pneumonie- kranken zumeist von den üblichen therapeutischen Eingriffen al- teriert; aus dem Einfluß desselben auf den Blutdruck lassen sich aber auf der andern Seite praktische Schlüsse ziehen. Kommt es doch gerade bei der Pneumonie, wie kaum bei einer anderen Krankheitsform, auf die unmittelbare Wirkung der geübten Therapie an. Die durch die Vasomotorenlähmung hervorgerufene Blutdruck- erniedrigung mit allen ihren Folgen wird wirksamerweise durch die seit Langem gereichten Excitantien, Kampfer, Strophanthus, Coftein ete. bekämpft; ihr unmittelbarer Einfluß ist in der Tonometrie durch die Blutdruckerhöhung unverkennbar. Ich bin nach meinen Erfahrungen der Ansicht, daß Pneumo- niekranke überhaupt ein. besonders dankbares Feld für tonometrische Beobachtungen abgeben dürften und zwar deshalb, weil bei weiter fortgesetzten Untersuchungen mit Hülfe der Blutdruckmessung die Indikationen der therapeutischen Maßnahmen besser umgrenzt werden können. Auch für die Dauer der Anwendung bestimmter Medikationen dürften aus dem Verhalten des Blutdrucks sicherere An- haltspunkte gewonnen werden. So kann man sich z. B. davor be- wahren, durch übermäßig lange Darreichung von Excitantien den Verlıandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 21 310 Max Neu: [100 p- e. durch Dyspnoe an sich beträchtlichen Druck noch weiter in die Höhe zu treiben und damit quası das Herz zu Tode zu peitschen. Daß mit der Tonometrie natürlich auch Fingerzeige für eine blutdruckherabsetzende Maßnahme wie die Venaesectio ge- wonnen werden können, versteht sich nach dem Gesagten von selbst. Was die Tonometerbefunde bei den Phthisikern anbelangt, so habe ich ebensowenig wie Burckhardt (120), der in allerjüngster Zeit seine Tonometerergebnisse bei den verschiedenen Stadien der Phthise veröffentlicht hat, eine bestimmte Beziehung zwischen Fieber und Blutdruck ermitteln können. In meinen Fällen, in denen es sich um vorgeschrittene Phthise handelte, schien ein sub- normaler Druck obzuwalten; dasselbe fand auch Burckhardt, der dafür eine Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Herzens als Grund ansieht. Für diese Annahme scheinen allerdings die pathologisch- anatomischen Befunde zu sprechen: Kleinheit und Schlaffheit des Herzens, sowie die degenerativen Zustände seiner Muskulatur. Burck- hardt erblickt darin keine direkte Gefahr für den Körper, wohl aber darın, daß das geschwächte Herz außergewöhnlichen Anstrengungen gegenüber kollabieren könne. Die nötige Folgerung ergiebt sich daraus von selbst. Wenn wir ferner sahen, wie bedeutend dyspnoische Zustände und Hustenparoxysmen bei diesen Kranken den Blutdruck zu steigern im stande sind und damit dem Herzen eine bedeutsame Arbeit aufbürden, so ergiebt sich daraus die Indikation für die ent- sprechende Therapie. Hustenreizmildernde Mittel, ev. gegen die kardiale Dyspnoe milde Excitantien, wie Strophanthus etc.; denn die brüsk wirkenden Mittel bergen für die zu Hämopto@ disponierten Individuen wegen des rapiden Blutdruckanstiegs eine Gefahr. Natürlich ist ein dauernd niedriger Stand des arteriellen Drucks, wie bei allen Erkrankungen, ein signum mali ominis. Für die Fälle der Sepsis, bei denen wir eine bedeutende Blutdrucksenkung konstatierten, ergiebt sich nach alle dem früher Erörterten, daß, zumal bei der meist schlechten Prognose in typischen Fällen, blutdrucksteigernde Mittel unter allen Umständen versucht werden sollten; denn die Sepsiserkrankung bildet wohl das typischste Bild für die durch Vasomotorenlähmung erzeugte Blutdruckerniedrigung. Wie wir also zur Analysierung der Blutdruckschwankungen unter der verschieden zustandekommenden Fiebertemperatur indivi- dualisierend trennen mußten, so hat dieses Vorgehen auch für die praktisch-klinischen Folgerungen zu gelten. 101] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 311 Sehr naheliegend war auch eine Untersuchung der ver- schiedenen Herzfehler, deren Resultat ich im folgenden wieder- gebe: August Stephan, 18. J. Diagn.: Insuffic. mitralis. verisim. Endocarditis acuta (Choreat. Zuckungen). Mit 11 Jahren Gelenkrheumatismus. Seit Nov. 1900 viel geturnt; Herz- klopfen und Stechen. Stat.: Mittelkräftiger Mensch; etwas anämisch. Hände und Füße feucht. Cor.: Aktion erregt. TII—VI. R. — Medianlinie — über l. Mam. Linie. Höhe: Breite — 12:14. Systol. Geräusch, am stärksten an der Mitralis. IJ. Pulmonal- ton accentuiert. Patellarrefl. gesteigert, ebenso Achillessehnenrefl.; 1. angedeut. Fußklonus. Ordin.: Bettrahe, Diät, Eisbeutel, 3—15 gtt. Tet. Stroph. Datum N Zeit Temp. Puls | Blutdr. | Bemerkungen. 8. II. || Ah50.| 370 | 100 | 185 In der Herzgegend Schmerzen. Außer- | dem offenbar psych. erregt. | nF aNE 9 55°) 37,0 s0 110 Wenig. Herzklopfen. Pulsbild Fig. 17. Betr 9:20: 86,5 | ...80..| 120 Kopfschmerzen. 20.1. |5 151364 | 92 | 125 Herzklopfen. 22. II. 5 10‘| 37,2 Bln uns Subj. besseres Befinden im Liegen. | 100 | 145 | Sitzend. 100 | 130 \ Sitzend Pat. ist seit 10h 30° aufge- | | | standen. Aufsein bekommt subj. gut. 13. II. |12 15°) 76 125 | Außer Bett. | | 116 _ 140 | Nach 6maligem Auf- und Niedergehen | im Zimmer. 13. III. gebessert entlassen. 12. III. ||10 50) Adam Ullrich, 16.J., Buchdruckerlehrling. Diagn.: Insuffic valv. mitral. — Vor zwei Jahren akut fieberhafter Gelenkrheumatismus. Stat.: Kleiner zarter Bursche in guter Ernährung. Cor.: In der Höhe normal; nach 1, verbreitert. (2 Finger über der Il. Mam.-Linie.) R. ]. Sternalrand. Iktus verbreitert. Systol. Schwirren fühlbar. Töne auffallend laut. Am V. Punkt systol. Geräusch am deutlichsten. II. Pulmonalton accent. Puls beschleunigt, angedeutet celer. Datum | Zeit ‘Temp. Puls Blutdr. Bemerkungen. | | | I 7. II. |) 9h | 84 80 || Systol. Geräusch sehr schwach zu | hören; dasselbe im Sitzen besser zu | hören. (Fig. 18.) 100 100 Sitzend. Zr 312 Max Neu: [102 Datum | Zeit Temp.| Puls | Blutdr. | Bemerkungen. | | ( | | | 8.111, 12 30 198 | 90 | Pat. ist auch äußerl. erregt: ein Kon- | | ' patient (Herzkranker) starb in seiner | | | | Nähe. 17. I. 215° | 3 725 | 13. IL 111 207) 36,5 | 88 85 | Aktion regelmäßig ; kein sicheres systol. | Geräusch; 11. Pulmonalton accent. 19.S717011110°094] 037.1 84 85 Herz kaum n.}.; am V. Punkt undeutl. syst. Geräusch. Bertha Traunecker, 26. J., Köchin. Diagn.: Insuffic. valv. mitralis; Insuffic. cordis muscul. (Myocarditis acuta), Chlorose. Nie Rheumatismus; Anfang März Influenza, seitdem starkes Herzklopfen, will sich überanstrengt haben. Lebt auf dem „Königstuhl.“ Status: Mittelgr. Mädchen. Gesichtsfarbe auffallend rot. Cor.: Oben: unt. Rand d. II. R. R: l. Sternalrand; L: 1—2 Finger über d. Mam. Lin. An d. Spitze: systol. Geräusch, am V. Punkte bes. deutlich. II. Pulmonalton verstärkt. Aktion kräftig, nicht ganz regelmäßig. Hie und da Stolpern. Ordin. Eisblase; Tet. Valerian. Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen. 20. III. || 5h 25°| 37,1 ss | 140 Pat. ist psych. erregt. Irregul. Puls | (Fig. 19). 22. III. |10 25°| 36,5 | 68 | 18 | 130 Sitzend. Rücken angelehnt. 23. III. ||12 07°| 36,0 56 125 Bradycardie; manchmal Atemnot u. Herzklopfen. 135 Sitzend. 25. III. || 9 45°) 36,6 60 100 Das Stolpern heute etwas deutlicher. Fig. 19a. Ordin.: Inf. Digit. 2stl. 125 Sitzend. 27. II. | 5 15° 37,0 | 64 90 Aktion ruhiger, fast regul. Syst. Ge- | | räusch am V. Punkt am stärksten, 29. II. | 5 36,9 | 56 110 | Aktion völlig regelmäßig. Digit. 3X | ' tägl. 1 Eßlöffel. | | | Sitzend. 31:-TH: 131.204 3657 12 %0 17 95 In d. Krankengesch. heißt es: „Hoher - er or | | | | Puls“ d. Bild (Fig. 19b) ergiebt einen | ' weichen, fast monokroten Puls. 3. IV. 110 36,6 | 60 | 95 | Aufsein am 2. IV. bekam gut. Systol. ' Geräusch am stärksten am V.P.; nach d. Mitr. stärker als nach der Aorta. I | 115 Im Sitzen. 103] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 313 Valentin Knapp, 18. J. Diagn: Polyarthr. rheum. acut. Endocardit. rheum. acut. Insuffie. valv. mitr. Pericarditis sero-fibrin. acut. Seit Mitte Jan. Schmerzen im Kniegelenk, |. Schulter und Genick. Kein Fieber; keine Atembeschwerden. Stat.: Etw. infantil. Mensch; normale Gesichts- und Hautfarbe: Cor.: Oben. III. R. L: 2 Querfinger über d. Mam. Lin, R.: r. Sternalrand 1 cm über- schreitend. Shok verbreitert, fühlbar, hebend. An der Spitze langgezogenes systol. Geräusch, manchmal Knarren, Ordin.: 3x 10 gtt. Tet. Strophanth. Aspirin 3 x 0,5. Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen. 8. IL. || 5n45| 870 | | 90 10. II. 6 37,0 84 | 95 105 | Pat. sucht das Lachen zu unterdrücken. 165 10 | 4 05 37,8 108 90 | Stechen in der |. Seite. 16. II.. 110 10° 86,6 | 92 | 100 Schmerzen in der Herzgegend. Peri- | card. Geräusche. Deut. pericardit. Frottement. Syst. Ger. an d. Spitze; accent. II. Pulmonal- ton. Töne gedämpft. Fig. 20. Ordin.: | Eisbeutel, Jodbepinselung, Digitalis. 2% 17221112.15:|. 37,0 | 104 | 85 , Aktion noch aufgeregt. Töne etw. laut. | Basis: 21 cm; Höhe (Mam.-Lin.) | 18 cm; R. Parasternallin. bis L. vordere Axillarlin. 19. II. |10 30°| 36,8 | 104 | 80 ER 9 30° 37,5 96: | 85 Aktion noch erregt, Grenze weniger | weit nach 1. 24. II, 9 10°) 36,9 % | 85 | Seit 23. II. Digit. weglassen. Potio | | River. Vom 19. II.—24. II. zeigte | | ' d. Temperaturkurve Schwankungen | bis zu 39,0. Besserung, Herzgrenzen | zurückgegangen. 26. II. 4 30° 36,6 | 100 85 Kein Reiben mehr zu hören. Stat. wie | | vor der Pericarditis. (Fig. 20a.) 116 110 | Sitzend. 27. IL 4 45'| 36,3 | 108 95 | Subj. keine Beschwerden. 120 105 Sitzend. 28. 11. 3 45°) 36,8 | 100 80 112 95 Sitzend. De) or Del. | 5 36,8 | 100 112 100 Sitzend. 8. 17, 11 10° 36,6 96 95 Kurzes Aufsein bekonımt gut. 100 105 | Sitzend. 21. IT. |j11°45°| 36,2 &4 | 95 | | | 12. III. entlassen. 314 Max Neu: [104 Anna Mersy, 27. J., Musikersfrau. Diagn.: Insuffie. et Stenosis valv. mitr. In- suffie Aortae (?) Tumor hepatis (Cirrhos. incip. ?), Ascites. Vor 4 Jahren Leberschwellung. Mai 99 heftiges Nasenbluten (2 Stunden dauernd), 2mal Schwellung der Beine, Ascites. Keine besond. Herzbeschwerden. Wegen zunehmendem Aseites in die Klinik. Stat.: Mittelgr. magere Frau. Anämisch, leicht eyanot. Colorit. Cor.: oben: unterer Rand d. II. R., unten: oberer Rand d. VI. R. R: 2 Querfinger jen- seits d. r. Sternalr. L: mittl. Axillarlin. An der Spitze präsyst. Geräusch. Am V. P. am stärksten, ein syst. blas. Geräusch und ein lautes diastol. Ger. — Pulmonalis: statt II. Ton aecent. Geräusch. Aktion regelmäßig, kräftig. Starkes Pulsieren der Carotiden. Abdomen: gewalt. aufgetrieben, nicht schmerzhaft, Fluktuation und Un- dulation. Größter Leibesumfang. 120 em. Leber nicht palpabel noch z. perecutt. Aseites frei beweglich. Datum | Zeit Temp. | Puls | Blutdr. Bemerkungen. 22. III. 10h Punktion des Abdomens. Entleerung von 14800 ccm seröse Flüssigkeit (spez. Gew. 1014), Leibesumfang 87 em. Leber vergr., druckempfdl. Milz nicht vergr. Achaiawein. 22. II. 12 20° 36,5 s4 95-105 | Puls regelmäßig, fadenförmig leicht unterdrückbar Fig. 21. Ordin.: Ferr. oxydat. sacchar. 26, 9 36,6 56 105 Ascites sammelt sich wieder an. Leib: 93,5: 96,5 cm. 28. III. || 9 30'| 86,4 68 100-105. Am Herzen überall ein syst. u. diastol. Geräusch. 2. IV. ||11 40'| 36,2 64 | 105—110 1. IV. || 9 45°| 36,5 64 105 10. V. 4 45°) 36,4 72 '110—115 | Der Leib hat ungefähr den alten Um- fang 107, 0—109,0 cm. In d. Frühe Nasenblut. Puls kräftig. Fig. 21a. 14. V. |112 15°| 36,5 64 110 Fig. 21b. 14. V. 3 | 130 Unmittelbar v. d. Punktion. 135 | Schmerzen; kurz vor Auflören m. d. Punktion. 14.5 6 20° 36,5 | 64 | 90-95 | Es sind 6500 cm seröse Flüssigk. ent- | | leertworden. Leibumfang 92: 96 cm. 15. V. || 4 30°) 37,0 64 85—90 | Punktion gut überstanden. 17 7... |l9. 18% 36,0 64 110 | Pat. schlief schlecht, fühlt sich nicht ' wohl. Nach der Tonometermessung | wird bekannt: es starb eine Kon- | | | patientin. Daher psych. Erregung. 17. v. || 4 45) 64 95-100 | Leibumfang: 97—100 em. Herz noch | groß. II—VII. R.—R. Parasternallin. | bis vordere ]. Axillarlin. | 18. V. entlassen. — u j PEN 105] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 315 Karl Rückert, 13 J., Diagn.: Stenosis ost. venos. sin. Angebl. kein Gelenkrheum. Bei Anstrengung und Treppensteigen Herz- klopfen und Atemnot. Dyspnoe. Im Liegen keine Atemnot. Stat.: Kleiner schwächl. Junge. Cor.: in Höhe und Breite vergrößert. II—-VIR. r. Sternalr. bis '!/s Finger außerhalb der Mam.-Lin. Höhe: Breite = 12: 14 cm. Iktus erheblich verbreitert. Über d. ganzen Herzen l. v. Stern. ein praestyl. Schwirren und diastol. Klappen. Töne laut. I. Ton laut und ein sägendes diastol. Geräusch. Am V. P. kurzes praesyst. Ger. II. Pulmonalton enorm ver- stärkt und klappend. Aktion regelmäßig. Puls Fig. 22. Ordin.: Eisblase. Tet. Valerian. Datum | Zeit Temp. | Puls Blutdruck Bemerkungen. 6. III. 14h 30° | 37.1 | 108 110 zen. 8 45% |. 86,6 92 110 | 96 120 | Sitzend. He IE 4 Kasını 76 &0 | Diastol. und praesyst. Geräusch sehr | | ' deutlich. | Am 13. Ill. entlassen. Babette Kippenhan, 18 J., Dienstmädchen. Diagn.: Stenosis mitr., manchmal Andeutung von Insuff. — Chlorosis. Mit 15 Jahren Gliederschmerzen. Seit 8 Tagen Herzklopfen, Kurzatmigkeit. Stat.: Gut genährtes Mädchen, blaß. Struma mäß. Grades, Cor.: II—VIR.L. Sternalr. bis l. äußere Mam.-Linie. Töne: kurzes praesyst. Geräusch, 3teiliger Rhythmus. II. Aorten- und Pulmonalton accent. Ordin: Bettruhe, Diät. Lg. ferr. pepton. 3x tgl. 1 Kaffeelöffel. Zeit Temp. Puls | Blutdr. | Bemerkungen. 14%. 11. 9h 40° 36,3 | &0 |ı 105 15.1. 10 35.| 36,8 | 80 110 | Puls Fig. 28. | 96 130 Sitzend. 18. 1. | 9 20°) 36,7 | 68 109, | 80 | 120 | Sitzend. 21. II. 10 30° 36,9 | 88 105 Kein sicheres praesyst. Geräusch mehr; | ' d. I. Ton erscheint mehr gespalten, II. Pulmonalton verstärkt. Keine Verbreitg. des Herzens n. rechts. za 3 50° 96 |‘ 125 | Pat. war aufgestanden und hat sich auf | ' Weisung bewegt. Fig. 23a. Datum | 316 Max Neu: [106 Josef Müller, 17 J., Cigarrenmacher. Diagn.: Insuffie. valv. aort. ascend. Seit März 1900 öfters Herzklopfen bes. abends. Unbestimmte Anfälle von Schmerzen in l. Schulter und l. Arm abends. Stat.: Kräftiger, junger Mann. In der Halsgegend starke Pulsation mit systol. Schwirren. Cor.: Herzstoß im V. und VI. Ic.-Raum. Obere Grenze: II. R.; untere: VI. Ie R. L: zw. vord. und mittl. Axillarlin. R: von II—IV. Rippe r. Sternalrand. IV—VI. Rippe 1. Sternalrand. Über d. ganzen Herzen systol. schnurrendes und diastol. blasendes Geräusch. Gg. V. Punkt u. Basis am intensivsten. D. diastol. Ger. an d. Aorta sägend. Puls nicht bes. voll, aber exquisit celer; Cruralpuls celer, schlagend. Duroziez’sches Phänomen. An d. r. Hand etwas Kapillarpuls. Das Röntgenbild bestätigt die geringgradige Erweiterung des Aortenanfanges. Ordin. Ruhe und Eisbeutel. TER | Datum | Zeit ‘Temp. | Puls | Blutdr. Bemerkungen. I | | I 12.17. 51731352563 72 '110—115 | In der Nacht kurzer Anfall v. Herz- klopfen. 13.0. | 4 36,2 64 100 Puls exquisit celer. Fig. 24. 16.1. | 4 36,0 68 105 Die Geräusche etw. lauter als i. d. Frühe. 80 140 Sitzend. 18. II. |12 15‘| 36,3 56 105 21. I. || 4 40° 36,4 68 125 22. II. || 4 30°) 36,4 72 125 Momentanes Herzklopfen, jedoch keine | Schmerzen. 92 145 Sitzend. 23. II. || 9 05°) 36,3 s0 130 Pat. soll heute entlassen werden. | (Psyche). 96 145 Der Assistenzarzt erscheint zur Visite. 100 160 Sitzend. 23. II. entlassen. Luigi Belora, 46 J., Schreiner. Diagn.: Rheumat. Beschwerden ; Endocarditis rbeumat. valv. aort. (Insuffic. aort.). Bronchitis. Kein Gelenkrheum. Mäßiger Potator. Vor 6 Wochen Anfall von Atem- not und Herzklopfen. Stechen in der Herzgegend. An 2 Tagen hintereinander heftiges Nasenbluten. Geringe schmerzhafte Schwellung des Kniegelenks. Trockner schmerzhafter Husten. Stat.: Mittelgr. muskulöser, gut genährter Mann. Pulsaktion der Caro- tiden sichtbar, Schwirren fühlbar. Cor.: Spitzenstoss in V. Ie.-Raum, nicht besonders hebend, etwas ver- breitert. Grenzen: von III. bis unteren Rand der VI. Rippe. Mitte des Sternums ° bis 2 Finger nach ]. über d. Mam. Lin. Töne an der Spitze rein. Am V. Punkt blasendes diast. Geräusch, II. Aortenton rauh, klappend. II. Pulmonalton accent. Puls celer, beide Radialpulse gleichzeitige. Kein Erguß i. Kniegelenk. Ordin.: Eisblase, Aspirin. 107] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 317 Temp.| Puls | Datum | Zeit Blutdr., | Bemerkungen. | ——— 16. II. (Th 36,4 72 140 Pat. schläft schlecht, viel Herzklopfen. 18. II. 112 30° 37,2 72 140 Pulsus magnus durus. Fig. 25. | 92 | 170 || Sitzend. 23. I. 9 50°| 36,5 12 130 || Am V. Punkt deutl. diastol. Geräusch. | " Schmerzen in der Herzgegend, in. d. | l. Arm ausstrahlend. | 175 | Sitzend. 28..II. |10 | 36,8 s0 130 || Puls leicht dikrot, aber regelmäßig. | ! Am Herzen scharfes diast. Geräusch. | ' besond. | 170 || Sitzend. Fig. 25a. SE 112,20°| 86,7 68 145 Keine objektiven Gründe für diesen | | ! Blutdruckwert. 3. II. 12 20° 80 160 | Pat. fühlt sich am wohlsten in hori- | \ zontaler Lage; i. Sitzen: Rascheres | ' Atmen, Herzklopfen; Druckgefühl | " und Kongestionen n. d. Kopf. 5. Im. | 9 30° 36,6 | 72 130 | | 92 170 | Sitzend. Dar 110 15:| 36,7 64 1307| | 80 165 | Sitzend. 9.1... | 9.254, 72 160 | Puls sehr voll f. d. Palpation. Neben d. Patienten starb ein anderer Herz- kranker; Pat. ist sehr erregt. 88 |185—190 | Sitzend. 12. III. | 9 40‘ 68 130 | 1. IV. || 4 30°| 36,8 76 115 Seit dem 24. III. manchmal Aufstehen. | Das Vitium ist gut kompensiert. I Fig. 25b. rl 140 | Sitzend. Wilhelm Ritz, 11 J., Seilerskind.. Diagn.: Insuffic. valv. mitral. et aortae, Dez. 1900 Gelenkrheum. Starkes Herzklopfen. Kurzatmigkeit, keine Ödeme. Stat.: Kleiner, anäm., mäßig gut genährter Junge. Atmg. beschleunigt. Wangen etw. cyanot., desgl. Lippen und sichtbare Schleimhäute. Cor.: Nach oben u. ]. vergrössert. Unt. Rand d. II. bis unt. VII. Rippe. R: 2 Finger über r. Sternallinie; L.: 3 Finger außerhalb d. Mam. Lin. Spitzen- stoß verbreitert. Aktion beschleunigt. An d. Spitze blas. syst. Ger.: Gg. V. Punkt ein syst. und diastol. Ger. — II. Pulmonalton accent. Carotiden sichtbar pul- sierend. Kapillarpuls. Leber bis zum Nabel reichend. Ordin.: Fol. Digit. 0,2; 2xtägl. 1 Pulver. 318 Max Neu: [108 Datum | Zeit Te Puls | Blutdr. Bemerkungen. 23. IV. [1116 30°) 36,4 112 90 | Puls etw. irregul. Fig. 26. | | 124 | 105 || Sitzend. 24. IV. ||10 55°) 86,8 | 108 | 90 || Fig. 26a. | 120 | 105 | Sitzend. 8..V.. .I10 10°) 36,2 101 85 Puls unregelmäßig, aussetzend. INN TE 9 55°) 36,4 104 90 | 19. V. entlassen. Dario Calamini, 22 J., Tagarbeiter. Diagn.: Insuffic. valv. mitr. et aortae. Herzklopfen, Kopfschmerzen etc. Stat: Mittelgr. Bursche, schlaffe Muskulatur. Cor.: Spitzenstoß außerhalb der Mam. Linie. Grenzen: oben II. R.; über d. Mitte d. Sternums; l.: 1 Finger breit außer d. Mam. Lin.; unten: unterer Rand der VI. Rippe. Töne: 1. Ton unrein, zeitweise gespalten, dumpf, 2. Töne rein. V. Punkt lautes syst, dann ein diastol. musik. Geräusch. Pulmonalis: II. Ton accent. Aorta: leises systol. und diastol. Geräusch. Puls nicht schnellend, regelmäßig. Am Halse deutl. Pulsat. Ordin.: Eisbeutel. Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen. 28. v. |10 | 36,3 | 68 95 20. V. | 9 45° 36,3 | 70 95 Fig. 27. | e Wir kommen nun zu den mit Myodegeneration komplizierten Vitia cordis. Elisabeth Huber, 52 J., Witwe. Diagn.: Insuffic. valv. mitral. Ausgesprochene Myodegen. cordis. Mit 15 J. Gelenkrheum. Öfters schon in der Klinik. Seit 14 Tagen ver- mehrtes Herzklopfen, Engigkeit. Stat.: Blasse, zarte Frau. Am Halse praesyst. Venenundulat. Cor.: nach l. u. r. stark verbreitert. Grenzen: III.—VI. R., jenseits d. r. Sternalrandes bis vord. ]. Axillarlin. Höhe:Breite=12:18 cm. Überall lautes syst. Geräusch: am lautesten am Herzen und an d. Basis. II. Pulmonalton sehr verstärkt. Puls nach Schlagfolge und Stärke irregulär, 109] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 319 Datum || Zeit Temp. | Puls | Blutdr. | Bemerkungen. 14. I. 110 1359 | 80 | 105 | Aktion regelmäßig. Das seit Anfang | | | | Febr. ausgesetzte Digital. v. Neuem. 15. II. |10 |358 | 80 | 110 || Fie. 28. | 135 Sitzend. 120 | Aktion leicht irregulär. | 140 Sitzend. 18. II. | 9 30°! 35,9 | 80 | 120 || Spur. Alb. i. Urin. SS 1098.20" 35,97 |: 72 120 | 140 Sitzend. 16. 11. | 4 ı0| 364 | 100 25. II. | 9 45°| 36,0 | 80 120 I. Urin leichte Trübung. | | 80 ı 140 Sitzend. 27. II. bei leidlichem Befinden entlassen. Peter Rettig, 29 J., Cigarrenarbeiter. Diagn.: Insuffic. et stenosis valv. mitralis. Myodegen. cordis. 1588 Rheumatismus aller Gelenke. Herzklopfen und Atemnot. Stat.: Kleiner, gut genährter Mann. Leichte Cyanose d. Wangen. Cor.: außerordentlich verbreitert. Ob. Rand III. Rippe bis unt. Rand d. VII. Rippe, r. 2 Querfinger über r. Sternalrand, 1. in d. vord. Axillarlin. Über der Spitze 3teilig. Rhythmus. Syst. u. praesyst. Ger. 2. Töne rein. II. Pulmonalton accent. Puls langsam, klein, unregelmäßig. Urin hochgestellt, sauer. Spur Alb. Ordin: Infus. Digit. Datum | Zeit "Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen. 23. IV. |12h 37,2 64 85 || Fig. 29. 72 110 Sitzend. 27. IV. | 5 30°, 36,4 56 9 | 64 110 Sitzend. BVEENLO 36,5 56 | &5—90 || Digitalis ausgesetzt. 68 100 Sitzend. Das V: 7 30'| 38,6 88 75 \ Wiederum Digitalis, auf d. r. u. 1. Ton- sille weiße Pröpfe. | Puls immer noch irregulär. Angina abgeheilt; minimale Rötung u. Schwel- lung, sonst nichts. 27.7. || 2 36,6 | 52 | 85-90 320 Max Neu: [110 Kath. Zang, 32 J., Haushälterin. Diagn.: Stenosis et insuflic. valv. mitralis. Insuflic. Aortae. Myodegen. cordis. Vor 8 Jahren Gelenkrheum. Sept. 1900 Apoplect. Insult. Kurzatmigkeit, Herzklopfen. Stat.: Mittelgr., blühend aussebende Frau in guter Ernährung. Cor.: Shok i. V. Ie.-Raum. Diastol.-praesyst. Schwirren fühlbar. Herz in Höhe und Breite vergrößert: II.—VI. Rippe unt. Rand, r. Sternalrand, bis außerhalb d. ]. Mammill.- Linie. Höhe: Breite=14:15. Langgezogenes praesyst. Geräusch an der Spitze. Am V. P. diastol. Ger., auch etwas an d. Aorta. Lautes systol. Geräusch an d. Pulmon. Manchmal syst. Geräusch an d. Mitralis. Aktion sehr unregelmäßig, öfters Galopprhythmus. Puls klein, unregelmäßig, beschleunigt. Ordin.: Bettrube, Eisblase ad cor, Diät, Infus. digit. Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. | Bemerkungen. 13:41: 4h 35°, 36,5 60 90 Puls neigt zu altern. Bigemini. Fig. 30. 13. IL. 3 40° 36,5 64 85 15. II. |12 20°| 36,4 52 80 60 120 Sitzend. 16. IL 4 25° 56 s5 Digit. ausgesetzt. Wegen Schmerzen i. d. Gliedern: 3x 0,5 Aspirin. 76 110 Sitzend. Besond. deutl. Irregularität. Fig. 30a. | 72 100 Pat. lacht. 18. II. 9 45°) 36,3 56 85 96 110 Sitzend. 19. I. 4 15°, 36,4 64 85 Freudig über Fasching: 105. 22. II. 6 30° 36,5 44 85 25. II. 110 15 60 90 Seit 23. II. wegen beschleunigtem, irre- gul. Pulse Strophanthus; Digitalis: d. Geräusche sind heute sehr laut. 28. I. [10 15°) 386,5 | 64 85 88 105 Sitzend 5. II. || 9 45° 36,4 56 85 Deutl. Arythmie. 68 105 Sitzend. 12. IIL |110 36,4 56 80 Digit. wieder ausgesetzt. 54 100 Sitzend. 16. III. || 9 30°| 36,5 64 85 88 105 Sitzend. 22. III. ||12 20° | 68 75—80 || Kein Digit. mehr. 26. II. || 9 10%| 36,3 72 65 80 s0 | Sitzend. 28. III. || 9 35°| 36,8 72 80—85 Wiederum Digitalis 3x tgl. 84 100 | Sitzend. 2 IV. . 9 40° 36,3 60—68 85 | 111] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. >21 Heinr. Becker, 40 J., Artist. Diagn.: Insuff. valv. tricuspid. e dilatat. Myo- degen. cordis. Eintritt 27. II. 1901. Kein Gelenkrheum. Mit 21 Jahren Schnellläufer, wg. Kurzatmigkeit aufgegeben. Starker Potator (6—10 Lit. Bier pro die). B. Treppen- steigen, langem Sprechen etc. Herzklopfen, Schwarzwerden vor d. Augen, Dys- pnoe. Seit Dez. 1900 Husten, Magenbeschwerden, Erbrechen bei Husten, Obsti- pation und Diarrhoen wechseln. Anf. Jan. 1901 Ödeme der Fussgelenke. Seit 3 Tagen Steigerung der alten Beschwerden. Stat.: Kräftig gebauter Mann, bleich, anäm. Am Halse v. d. Carotis und Subelavia ausgehende Undulation. An der Vena jug. ext. syst. Venenpuls. Cor.: R. Sternalrand bis 2 Finger außerhalb d. Mammill.-Linie. Höhe zu Breite: —14:22 cm. And. Spitze leises syst. Ger. Am deutlichsten am unt. Sternum gegen d. Tricuspidalis. II. Pulmonalton accent. Aktion sehr unregelmäßig. Puls klein, flatternd. Leber druckempfindl., vergrößert. Ordin.: Digit. Datum || Zeit 'Temp.| Puls | Blutdr. Bemerkungen. 7% | | 28. II. || 9n45’| 36,8 | 64 75 3. III. |12 15‘| 36,9 96 75 Arythmie Fig. 31. Subj. besseres Be- | finden. HE 1,9, 20° 72 75 Puls etw. rythmischer. Fig. 31a. 6.1. | 4 15 56 | 80-85 || Der Arzt kommt z. Visite. BD. — 90. 64 100 Sitzend. 7. II. || 9 45° 64 90 Fig. 51 b. Pat. fühlt sich wesent]. besser. | 72 95 Sitzend. | i Am 8. III. früh plötzl. Exitus. Der Pat. saß aufrecht und sprach zu seinem Nachbar. Plötzlich Zurücksinken. Das Herz schlägt noch, auch Atmung ist noch vorhanden. Kampher und Herzmassage nützen nichts mehr. Zu bemerken ist, daß der Pat. schon in aller Frühe aufgeregt war, weil er den Arzt fragen wollte, ob er heim dürfe. Durch das Aufsitzen und die hochgradige Erregung erregte Herzaktion, der gegenüber das Herz erlag. Anat. Diagnose: Endocarditis fibr. chron. d. r. Ventr.-Wand. Hochgrad. Insuffic. valv. trieuspidalis. Hypertr. und Dilat. d. Herzens. Chron. Stauung in Milz, Leber, Nieren. Gastritis chron. (&tat mamellone). Karl Botz, 20 J., Hausknecht. Diagn.: Insuffic. (stenosis?) valv. Aortae. Myo- degeneratio cordis; paroxysmale Tachykardie; Polyarthrit. recidiv. Stat.: Gut genährter Mann. Stärkere Gefässpulsation am Halse. Shok stark verbreitert. Bei Lagerung auf die Seite etw. Verschieb. d. Herzens. Cor.: Oberer Rand d. III. Rippe; unten VI. R. L.: 2 Querfinger l. v. d. Mammill.-Lin. R.: r. Sternalrand. Höhe: Breite = 14,5: 16,5. Spitze: Töne rein, laut. Am V. P. deutl. diastol. Ger. Am Aortenpunkt: deutl. systol. und undeutl. diastol. Ger. — II. Pulmonalton accent. Ordin.: Eisblase Aspirin, Strophanthus, Digitalis. Abbe’s Herzstütze. 399 Max Neu: [112 Datum | Zeit Temp.| Puls | Blutdr. | Bemerkungen. BET | 5h80°| 86,8 | 62 | 105 || Fig. 82. | | 80 125 \ Sitzend. Fig. 32a. Tendenz z. Celerität | | d. Pulses. | | 64 105 | Nach Abnahme der Herzstütze v. Abbe. J. Lieg. Irregul. d. Pulses. | | | 76 |120—-125|| Sitzend. 27. IV. || 9 50‘) 36,2 | 76 90 | | so 105 | Sitzend. 6.v. |ıo |368 | 88 90 100 105 Sitzend. Friedrich Schwarztrauber, 42 J., Winzer. Diagn.: Myodegeneratio. Kom- pensationsstörung. Seit drei Wochen, wie schon öfters, starkes Herzklopfen, Atemnot; ge- schwollene Füße; Schmerzen in d. Nierengeg., geringe Urinmenge, Brennen beim Wasserlassen. Stat. praes.: Kräftiger Mann in guter Ernährung. Cor.: Grenzen: II.—VI. R. 1 Finger r. v. Stern. bis z. l. Axillarlinie. Syst. Ger. an d.! Spitze. II. Töne überall verstärkt, bes. an d. Pulmonalis. Aktion irregulär, leicht be- schleunigt. Puls leicht unterdrückbar. Abdomen: stark aufgetrieben. Umfang 111 em. Auf Lagewechsel verschiebl. Dämpfungsgrenze. Ödeme d. Beine. Ordin.: Eisblase, Digitalis. Datum | Zeit Temp.) Puls | Blutdr. Bemerkungen. 6, YV. 4h 36,6 84 145—150 Dyspnoe. Pat. muß wg. Atmung im Bett aufsitzen. Fig. 33. Urin 1000/1016. BU: 4 45°, 36,7 S0 .135—140 Noch Dyspnoe. Puls irregul., inäqual. Weniger Ödeme der Beine. Urin 3000/1010. 130—135 Leibumfang 105 cm. Kaum Ödeme. Urin 3000/1010. 120 Leib und Beine wieder normal. Leib- umfang 100,5 cm. Herz kleiner (jens. d. r. Sternalr. bis 3 Finger außerhalb der Mamill.-Lin.). Puls hie und da irreg. Fig. 33a. Subj. Wohlbefinden. Digitalinf. (5 Fl. Verbr.). Seit 29. V. ausgesetzt; dafür morgens u. abends | | | \ 0,1 fol. digit. 28.17. 4 20°, 37,1 | 84 |115—120 Seit 26. V. tägl. aufstehen. | | | ' 30. V. entlassen i0: N; 4 30°, 36,3 z {er} [0 2) 23. V. 4 50° 113] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 323 Magdal. Beck, 64 J., Taglöhnerin. Diagn.: Cor adiposum. Myodegen. cordis; Bronchitis chron. Arthritis chron. Varicen am |], Bein. Viele Erkältungsschädlichk. Herzklopfen, Kurzatmigkeit. Manchmal Be- nommenheit neben Engigkeit. Viel Husten mit schleimig-eitrigem Auswurf. Stuhlgg. gerne angehalten. Mäß. Alkoholgenuß. Stat.: Große, stark gebaute Frau in guter Ernährung. Gesichtsfarbe cyanot. Schleimhäute blaurot. Exspir. mühsam, keuchend. In- u. Exspir. giemend. Cor.: Grenzen in der Breite vergrößert. III.—VI. R. R. Sternalrand bis jens. d. 1]. Mam.-Lin. Töne rein, II. Arter.-Töne leicht accent. Puls aussetzend. Stuhl an- gehalten. Ordin.: Anistropfen, Codäin, Strophanthus. Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. | Bemerkungen. EIe 1. | au 90. .96,9:.1.. 60. W150 | 15. I. |12 50’| 36,0 72 | 165 |) Seit 12 II. Digitalinf. P. trigem. al- | | Meternee Rio 34: a | 86,2 64 ı 15 Aktion regelmäßiger. In der Frühe | | | | ' Nasenbluten. ser 1110) 1572| 36,2 | 60° | 155 ie), IE | b) 137.0 | 68 120 Energ. Darmentleerung auf Cascara. | | | | ' (3 dünne Stühle) Fig. 34a. P. durus | | | magnus. 23. I. | 4 30°) 36,3 | 64 170 | Sehr erregt. Puls. Pat. sitzt im Bett | auf, großes Ängstlichkeitsgefühl u. | Unruhe. Cyanot. Aussehen. 5 50° | 155 || Besserung, tiefer gelagert. 23 11. 10 40°) 36,4 60 145 | Seit 25. II. Digit. ausgesetzt. 9. III. |I10 15°) 36,1 | 64 1307 || eng 12412110 3021362164 125 | Unregelm. Puls. Digit. seit 8. III. wieder. 410 06 SB | 135 || Jeder 5. Pulsschlag ist kleiner. 1607, |, 9 454) 363 | 72 135 | Puls kaum aussetzend. | 80 140 | Sitzend. 18. III. |10 15‘| 36,4 so 130 | Puls rhythmischer. Fig. 34h. Auf Wunsch entlassen. | | | Therese Leier, 55 J., Schaffnersfrau. Diagn.: Myodegen. cordis, Pat. schon früher wg. Myodegen. cordis, nervös. Tachycardie, allgemeiner Stauung, Embolie (Aphasie) in d. Klinik. Seit 3—4 Tagen Erstickungsgefühl, Schwellung d. Beine. Stat.: Mittelgr., anäm. Frau, dürftiger Ernährungszustand.. Am Halse große Struma, Thorax flach, starr. Hinten Dämpfung in Höhe d. VIII. Dorn- fortsatzes, im Liegen Änderg. d. Dämpfg. Abgeschw. Stimmfremitus. Cor.: I1II.—VI. R., jens. d. r. Sternalr. nach 1. in d. Dämpfg. übergehend. Töne rein, Aktion beschleunigt, sehr unregelmäßig. Spitzenstoß verbreitert, 324 Max Nen: [114 flatternd. Puls klein, Leber vergrößert. Beine leicht ödematös. Urin enthält Alb. Ordin.: Digitalis, Eisblase. Blutar. | Bemerkungen. | | | | 5. II. |10b | 36,4 | 100 145 | Pat. sitzt im Bette wegen d. Atmung. | | Fig. 35. 9. 1118 1923045862 217292 140 | Herzaktion beruhigt. Erguß in der Pleurahöhle zurückgegangen. Ödeme | bestehen noch. 12. III. ||10 36,5 72 140 Subj. keine Klagen. Dämpfg. nur noch l. 18. III. 10 30% 36,4 68 120 | Kein Digit. mehr. Kein sicherer Erguß | in d. Pleura mehr. Urin klar. Puls | noch arythm. 22. III. 12 40°| 36,2 96 120 Puls leidl., regelm., Beine dünn. Urin Datum Zeit | Temp. | Puls I frei v. Alb. 26. III. || 9 20°| 36,0 s0 | 120 28. III. 110 36,9 92 90 Seit 26. III. abends Digit., subj. Wohl- befinden. 2. IV. 1110 19°:36,3 &0 120 Franziska Munk, 36 J., Bäckersfrau. Diagn.: Cor adiposum, Myodegen. cordis Gelenkrheum. Seit 2 Jahren Atembeschwerden, Herzklopfen, Gefühl von Herzschwäche, Schwindelanfälle.. Oft Erbrechen. Keine Leibschmerzen. An- gehalten. Stuhl. Stat.: Reichl. Fettpolster. Herz nach allen Seiten vergrößert. Akt. irregul. Keine Geräusche. Ordin.: Bettruhe, Eisbeutel, Tet. Strophanthi. a —————— 5 | Datum ' Zeit Temp. | Puls | Blutdr. Bemerkungen. 4. II. 5h 36,0 60 | 100 Keine Klagen mehr. B.IE 4 50° 36,6 40 95 Hemisystolie. Fig. 36. 6. II. |10 36,4 64 95 6. II. 4 25° 36,8 60 | 90 8. 1.7134 36,1 52 | 90 | Il Karl Ohlenschläger, 38 J., Kellner. Diagn.: Adipositas cordis, Myodegen. cordis ce. debilitate. Intumescent. hepatis. (Cirrhosis?). Bronchitis. Stauungs- nephritis. Seit 3. II. Stechen in d. l. Seite. Atembeschwerden. Starkes Potatorium. Stat.: Sehr fetter Mann. Pulm. l. h. und 3 Querfinger Dämpfg. (frottement, Se 115] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 325 Rhonchi). Cor.: oben III. R., unten nicht bestimmbar. R. über d. r. Sternal- rand. L. 1'/, Querfinger v. d. Mamm.-Lin. Töne leise. Aktion unregelmäßig, pendelnd. R. Leberrand verdickt, Leber sehr vergrößert. Kein Aseites. Milz nicht palp. Urin enthält viel Alb. Ordin.: Bettruhe, Eisbeutel, Diät, Tet. Strophanth. Datum | Zeit |Temp., Puls | Blutdr. | Bemerkungen. 7. IL | 4h30:! 374 | 85 ' Pat. hat manchmal Temperatursteige- rung. Abführung mit Sal. Carol. | I fact. Fig. 37. | 100 | Sitzend. 9. II. |10 30°) 37,2 | 84 80 || Töne auffall. leise. Im Liegen leichte | | ' Dyspnoe. Urin subikterisch. 14. II. || 4 05°! 36,3 80 110 | Pleuritis zurückgegangen. Auch bei | | l Rückenlage keinerlei Dyspnoe mehr, | | 96 | 120 | Sitzend. 1n.1. 9 40° s0 110 | Herztöne bedeutend kräftiger z. hören. 27.1. 4 50°, 36,0 9% | 95 , Aktion regelmäßiger, kurzes Aufsein bekommt gut. | 108 105 | Sitzend. 8. III. || 4 30°| 37,7 54 90 Aktion ab und zu aussetzend. Leichte Kopfschmerzen. Dikrot. Puls. Fig. 37a. 9. III. Morgens ist Pat. ganz munter. Plötzlich 7!/«h a. m. lautes und starkes Husten, weshalb Pat. sich aufsetzte. Aus Nase und Mund quillt Blut. Pat. fällt ins Bett zurück, die Atmung sistiert. Herz schlägt noch. Am ganzen Körper intensiv blau-cyanot. Färbg. Kampher ohne Krfolg. Exitus. Anat. Diagnose: Pericar- ditis fibrinosa. Myodegeneratio und Myomalacie bes. d. 1. Herzens. Hypertroph. und Dilat. beider Ventrikel. Atheromatose d. Aorta. Geringes Lungenemphysem. Stauung in Milz, Darm etc. Hypertroph. Lebereirrhose. Keine Lungenembolie. Parenchymat. Nephritis. In einem Falle von Aneurysmenbildung der Subclavia dextra, Plexuslähmung, Trommelschlägerfingerbildung, auf dessen Eigentüm- lichkeit mich Herr Prof. Hofmann hinwies und dessen tonometrisches Verhalten festzustellen er mich beauftragte, habe ich nachstehende Befunde erhoben. Dieser Fall wird voraussichtlich eine genaue litterarische Bear- beitung finden. Verhandl. d. Heidelv. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 22 326 Max Neu: [116 Nikolaus Hoff, 44 J., Werkführer. | | Blutdruck Datum | Zeit Temp. Pals#isr,, ? Bemerkungen, || | 11% L. | 5.1. | 5b15| 368 | 76 | 100 120 7... ».1110:5830° 105 120 14. 4725: 120 130 17. 77.2 112 | 68 130 140 B- IL 1.8 | 36,6 | 88 185 -130 140 Il | | Der Blutdruck ist nicht nur mit 2 Apparaten gleichzeitig, sondern auch mit dem oben beschriebenen modifizierten @Gürtner'schen Tonometer bestimmt worden. Die Differenz der Pulsbilder ist ebensowenig zu verkennen. Daß die Kurven an möglichst homologer Stelle und mit entsprechend gleichem Feder- drucke gewsnnen sind, will ich noch erwähnen. Fig. 38 entspricht dem linken, Fig. 33a dem rechten Radialpuls. Adolf Roder, 48 J., Kellner. Diagn.: Aneurysma aortae ascend. (Reflektor. Pupillenstarre.) Vor 20 Jahren Gonorrhoe, kein Schanker. Vor 4 Jahren öfters Atemnot, keine Schmerzen. Seit 2 Jahren brennende Schmerzen unter d. Ende des Brust- beins. 1900 Gefühl des Glutstroms daselbst, reißende Schmerzen in beiden Schultern und Armen. Anlaß zu den Schmerzen schnelle Bewegung oder heftige Erregung. Manchmal 1. Arm und ]. Bein, zuweilen auch ]. Gesichtshälfte plötz- lich gelähmt. Vorübergehendes Schwanken. Nach wenigen Minuten spurlos vorübergegangen. Etw. Alkoholabusus (Wein). Stat.: Kräftiger Mann in guter Ernährung. Hautvenen an d. oberen Brust- partie erweitert. Grenzen: ob. Rand d. 11I. Rippe bis VI. Rippe. 2'/. Querfinger l. v. d. Mamill.-Linie. R. wenig v. r. Sternalrand. Nach oben Dämpfung im Bereich d. Manubrium sterni; dasselbe r. um 2 Querfinger, l. um 1'/s—2 Quer- finger überragend. Töne leise, vom V. P. aufw. syst. u. diastol. Geräusch. Am stärksten im I., II. und III. Ie.-R., r. v. Stern. — Leber 1'/» Querfinger unter d. Rippenbogen. Puls regelmäßig. Röntgendurchleuchtung ergiebt diffus erweiterten Aortenbogen. Ordin.: Sol. Kal. jodat. 3x tägl. Vz EBlöffel. Er Datum | Zeit ne Puls | Bemerkungen. R. i | | 27.1. | 6n15] 36,4 | 64 | :1105>, 28.1. ||9 30) 36,3 | 68 | 110 | ef. Fig. 39 und 39a. ee 117] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen Datum M= 1: 10: VL. Zeit ‚Temp. 19 15% 36,1 \9 30 362 4 36,0 10 36,3 4 36,1 '9 20) 36,6 3 35 36,7 3 45'| 36,7 4 36,8 11 10‘) 36,6 3 36,7 12 36,5 10 50° 9 | 36,2 12 36,6 37,3 104 s0 —— - mit Gärtner’s Tonometer. 327 Blutdr. 1 L. 75—80 85 95 105 110 12 95—100 120 105 110 8 95 85 100 90 105 90 110 105 110 90 105 110 110 89-992 5102 115) 95 105 75 85 70 s0 85—90 |100—105 - Bemerkungen. Gleichzeitige Messung mit 2 Apparaten. In der Nacht durch Aufregung Schmer- zen auf d. Brust. Kopf- schmerzen, Nasenbluten. Krampfh. rheum. Schmerzen. In d. Nacht Schmerzanfälle. 4. Gelatine In]. Schmerzhaftigkeit d. Injekt.- Stelle. | Während der Nacht leichte Temperatursteigerung. | Wieder starke Schmerzen nach Gelatine-Inj. Tags vorher Gelatine-Injekt., wenig Schmerzen. ı Beschwerden auf die Tags vorher gemachte Injekt. Messung m. einem Apparate. Sitzend. Vor der Entlassung J. allgem. Stat. idem. 11. V. Wiedereintritt. Herz- Status wie b.d. Entlassung. Erysipelat. Rötung in Folge v. Jodipin-Injekt. Tempera- tursteigerung. Ord.: Heft- pflasterstreifen. Diskussion und Würdigung: Blutdruckbestimmungen an Herzkranken hat in neuerer Zeit Hensen (95) lediglich zu dem Zwecke gemacht, um sich allgemein über das Verhalten des Druckes bei Vitiis cordis zu orientieren, und ein großes Material gesammelt. Er fand im allgemeinen bei leidlich kompensierten Herzfehlern der venösen Ostien kein abweichendes Verhaltenvondem Herzgesunder. Von den Beobachtern, die sich des Gärtner’schen 227 328 Max Neu: [118 Apparates bedienten, kamen A. Fränkel (25), Neisser (27), Schüle (41) zu entprechenden Resultaten. Nach meinen Untersuchungen kann ich dies Ergebnis bestätigen. Wenn ich die Fälle zur Beobachtung bekam, war bei Bettruhe, tonisierender Eisblase und Abhaltung schäd- licher Reize ein Blutdruck vorhanden, der ın den Grenzen normaler Werte lag. Es ist aber interessant, daß die Druck- schwankungen bei veränderten Bedingungen z. B. Lagewechsel manch- mal recht excessiv sein können, d. h. bei einer Arbeit, die dem ge- schonten Herzen momentan aufgebürdet wird, reagiert das Herz quoad Blutdruck mit einem über das Ziel hinausschießenden Effekt. Nach dem Tonometerbefunde besteht somit auch Zraube’s Satz zu Recht: „Bei kompensierten Herzfehlern ist der mittlere Arterien- druck dem normalen Verhalten entsprechend, die Herzhypertrophie an sich steigert nicht den Druck“. Natürlich macht er dabei die Voraus- setzung, daß nicht besonders drucksteigernde Momente einwirken. Das gilt aber nur für die reinen Herzfehler. Sobald irgend welche Komplikationen hinzutreten, zeigt die Schwankungskurve gleich ein anderes Bild, z. B. bei dem sehr sensiblen Patienten Stephan. Hier reichen die Druckwerte doch nahe an die Grenzen des pathologischen Druckes heran, sobald Reize irgend welcher Art einwirken. Oder der Fall Traunecker. Hier waren ja neben den klinischen Merkmalen einer reinen Mitralinsuffi- cienz Anzeichen einer leichten akuten Myocarditis, vielleicht auch Insufficienz des Herzmuskels nach direkt vorausgangener Überan- strengung vorhanden; der Druck ist zweifellos absolut erhöht, besonders im Sitzen. Von Kompensationsstörungen war keine Rede, dafür fehlten jegliche klinische Anhaltspunkte. Mit dem Eintreten der Besserung erhielten wir im Bereich des Normalen liegende Druck- werte, d. h. relatives Sinken des Druckes. Der Fall Knapp mit der Komplikation der Pericarditis ergiebt für diese Zeit zweifellos negative Druckschwankungen. Darnach wieder Rückkehr zum früheren Verhalten. Der Befund, daß Er- süsse in den Perikardialsack den arteriellen Druck absinken lassen, stimmt völlig mit experimentellen Ergebnissen von Francois Frank!) überein, der ein Absinken des arteriellen Drucks beobachtete, sobald er nur Flüssigkeit unter geringem Druck in die Perikardialhöhle trieb. Diese Erscheinung weist, wie Jellinek nach- drücklich hervorhebt, darauf hin, daß die Aktionsfähigkeit des Herzens !) eit. nach Jellinek (19). 119] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 329 an sich auch ein für die Gestaltung der Druckverhältnisse maß- gebender Faktor ist. Bei Fällen mit Stenose der Mitralis sind keine Besonder- heiten zu konstatieren. Bei Ablassen einer erheblichen Ascitesflüssigkeit (Fall Mersı) geht der Druck um 25 mm Hg herab. Da der Erklärungsmodus, den Hensen für die auch von ihm konstatierte Druckherabsetzung (15—16 mm Hg) unmittelbar nach Asecitespunktionen, der Wegfall des Einflusses der Dyspnoe, in meinem Falle nicht anwendbar ist, ist ein anderer Gesichtspunkt heranzuziehen. Durch die Flüssig- keitsentziehung tritt momentan und für kurze Zeit nachher eine Ver- minderung des abdominalen Drucks ein; die splanchnischen Gefäße, die nunmehr eine größere Blutmenge aufzunehmen im stande sind, führen dadurch eine arterielle Druckherabsetzung herbei. In kurzer Zeit tritt eine Accommodation ein, daran erkenntlich, daß die vor- herigen Werte wieder erreicht werden. Diese Befunde stehen mit der bekannten Kollapsgefahr in Einklang, die bei zu raschem Flüssig- keitsablassen droht. Daraus erhellt auch die Wichtigkeit, eine zu rasche Druckabnahme durch äußere Druckwirkung (Tücherschnürung) zu verhüten. Wenn also bei Mitralfehlern ein abweichendes Ver- halten des Blutdrucks nach einer Richtung statthat, kann mit großer Wahrscheinlichkeit mit emer Komplikation gerechnet werden. Die Bedeutung der Blutdruckmessung bei derartigen Herzfehlern dürfte in diagnostischer Hinsicht zu suchen sein. Anders steht es mit dem Blutdruck und dessen Schwankungen bei der reinen Aorteninsufficienz. Auch hier muß ich die völlige Übereinstimmung meiner Resultate mit denen von A. F'ränke] und Hensen betonen. Der Druck und die Schwankungen sind an sich hoch. Meine Fälle waren nicht mit Arteriosklerose kompliziert. Das hervorzuheben ist um so wichtiger, als Hensen die Aorteninsufficienz als vierte Ursache hohen Druckes (neben Arteriosklerose, inter- stitieller Nephritis und Saturnismus) aufstellt und geneigt scheint, der häufig gleichzeitig vorhandenen Arteriensklerose einen Einfluß auf den hohen Blutdruck bei der Aorteninsufficienz beizulegen. Hier können nach meinen Beobachtungen die Druckschwan- kungen am beträchtlichsten sein. So betrug der Druckzuwachs im Falle Belora 40 —45 mm Hg, wenn ich ihn die sitzende Stellung einnehmen ließ. Die Erklärung für dieses Phänomen läßt sich aus 330 Max Neu: [120 mechanischen Momenten geben: Plötzlicher Anstieg des systolischen Druckmaximums, mit Vermehrung des Schlagvolumens, ebenso be- deutendes Absinken während der Diastole. Fränkel's Erklärung, daß durch das der Norm gegenüber bedeutend vergrößerte Druckmaximum die relativ hohen Werte zu stande kommen, ist wohl als die zu- treffende anzusehen. Die Ergebnisse meiner vergleichenden Druck- messungen, wonach mit größter Wahrscheinlichkeit das Gärtner’sche Tonometer den maximalen Blutdruck wiedergiebt, sprechen in diesem Sinne. Nach Analogie des Druckverhaltens bei den andern Herzfehlern ist es möglich, daß bei der reinen, nicht durch Arteriosklerose etc. komplizierten Aorteninsufficienz der Mitteldruck im arteriellen System nicht erhöht ist. Die experimentellen Resultate von 0. Rosenbach'), der nach künstlicher Durchstoßung der Aortenklappen den arteriellen Mittel- druck fast unbeeinflußt sah, während sonst alle Erscheinungen einer Aorteninsufficienz auftraten, stimmten demnach mit der Pathologie der menschlichen Aorteninsufficienz gut überein. Mit dem Verschwinden der endocarditischen Prozesse an den Semilunarklappen der Aorta und der Schlußfähigkeit des Ventils kehrt der Tonometerwert zu normalen Zahlen zurück (Fall Bellora). Aber auch dann noch ist der Druckzuwachs beim Übergang in die sitzende Stellung größer als unter normalen Verhältnissen (30 mm Hg.). Offenbar macht sich bei der momentanen Arbeitsänderung des Herzens ein geringer Defekt an den Klappen als Rest der Krankheit geltend und die Differenz zwischen der systolischen und diastolischen Phase der Herzaktion kommt wieder an der Peripherie als Folge des mechanischen Fehlers prägnant zum Ausdruck. Diese Erscheinung scheint auch zu schwinden, sobald irgend welche Modifikationen des Fehlers hinzutreten. So ist ım Falle Josef Müller bei allen sonstigen klinischen Merkmalen der Aorten- insufficienz das Ausbleiben einer Druckerhöhung meines Erachtens auf Rechnung der Dilatation des Anfangsteiles der Aorta zu setzen. Auch hier dürften die bedeutenden positiven Druckschwankungen beim Lagewechsel aus dem eben Erörterten zu erklären sein. Wenn Hensen die auffallende Inkonstanz des Blutdrucks bei der Aorteninsufficienz hervorhebt, so habe auch ich ähnliches beobachten können, dann fanden aber Reize irgend welcher Art statt, !) eit. nach Krehl, p. 18. 121] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 331 die ja auch den Blutdruck eines Herzgesunden beeinflussen. Daß die Druckschwankungen so auffallend erscheinen, kann vielleicht in einer gesteigerten Sensibilität der Herznervenapparates bei derartigen Kranken liegen. Meines Erachtens aber liest das an den excessiven Schwankungsausschlägen und dem nicht ungesetzmäßigem Verhalten, daß, je höher die Anfangswerte des Blutdrucks sind, um so krasser die Schwankung in die Erscheinung tritt. Begünstigt wird dies Phä- nomen bei der Aorteninsufficienz durch das starke Hervortreten der systolischen Druckmaxıma. Nach den Beobachtungen an Kranken, bei denen die Aorten- insufficienz durch andere Klappenfehler kompliziert war und wo eine Erhöhung des arteriellen Druckes ausblieb, dürfte hier der Blutdruckmessung mit dem Tonometer eine differential- diagnostische Bedeutung beizulegen sein. Es scheint, als ob der durch die Hypertrophie veranlaßte systo- lische Druckzuwachs im Herzen z. B. durch eine gleichzeitige Mitral- insufficienz abgeschwächt würde (cf. Fall Calaminı). Alle Herzfehler, die mit Degenerationszuständen des Myokards gemischt sind, sind ım Verhalten des Blutdrucks von letzteren vorzüglich beherrscht. Man kann dabei die Tendenz des Blutdrucks beobachten, der untern physiologischen Grenze näher zu rücken. Langer Digitalisgebrauch beeinflußt in derartigen Fällen den Blutdruck nicht besonders ausgiebig; aber einen Einfluß übt er insofern aus, als Aussetzen der Medikation zweifellos den Blutdruck herabdrückt. Dieses Verhalten illustriert der Fall Zang sehr schön. Hier sehen wir auch, wie dem Herzen ungewohnte Leistungen den Blutdruck im Sitzen z. B. bis um 40 mm Hg. und mehr ansteigen lassen können. Ein ganz selbständiges Druckverhalten zeigen die reinen Myodegenerationen im Stadium der Dekompensation. Es ist eine auf den ersten Blick paradoxe Erscheinung, daß bei allen sonstigen klinischen Anzeichen der geschwächten Herzleistung und gestörten Cirkulation, also auf der Höhe der Herzinsufficienz, der arterielle Druck bedeutend erhöht ist. Das Paradoxe dieser Erscheinung verliert sofort an Bedeutung, wenn wir bedenken, daß die Höhe des arteriellen Drucks nicht unter allen Um- ständen den Indikator für die Güte der Blutcirkulation abgiebt. Die Höhe des arteriellen Druckes ist von dem Einfluß der Dyspnoe beherrscht, dessen Zustandekommen, wie früher schon ausgeführt, noch keineswegs über allen Zweifel sicher steht. Wieviel 332 Max Neu: [122 von der Drucksteigerung der verringerten Harnabgabe und der Über- füllung des Gefäßsystems, wieviel der orthopnoischen Stellung der Patienten zuzuschreiben ist, vermag ich nicht zu analysieren. Für die klinische Beurteilung ist es wesentlich, daß der arterielle Druck bei ausgesprochener Kompensations- störung des Herzens erhöht ist, trotz der starken Überfüllung des venösen Gefäßgebietes. Sahlı (104) hat diesen Zustand denn auch als „Hochdruckstauung“ bezeichnet. In allen diesen Fällen wirkt die erfolgreiche Digitalis- medikation druckherabsetzend; sobald objektive Druck- senkung durch das Tonometer konstatierbar ist, können wir sicher sein, daß die Cirkulationsverhältnisse gebessert sind. Sie sind des- halb gebessert, weil durch die Wirkung der Digitalis die Herzarbeit gebessert ist: vollständigere Entleerung des Ventrikels, gestärkte Kontraktion der Herzmuskulatur, Verändernng der Schlagvolumina, Regelmäßigkeit der Herzaktion, periphere Gefäßwirkung, kurz alle die Momente treten hervor, wie sie (Gottlieb in seinem Referat auf dem letzten medizinischen Kongreß (104) erörtert hat. Im Interesse der klinischen Blutdruckmessung möchte ich hier ebenfalls betonen, daß Formulierungen allgemeiner Gesetze nicht zu- lässıg sind, als ob hoher Blutdruck identisch mit einem guten, niedriger mit absolut darniederliegendem Kreislauf wäre. Nur die Unter- suchung der Druckschwankungen lassen einen Einblick in denselben thun. Wenn auch nach hergestellter Kompensation der Blutdruck sich der obern physiologischen Grenze nähert oder dieselbe gar über- schreitet, hat man an arteriosklerotische Prozesse zu denken, die fast immer, wenn auch nicht manifest, bei derartigen Herzkranken, die häufig dem höheren Lebensalter angehören, eine Rolle spielen. Ein gesondertes Schwankungsbild des Blutdrucks beobachten wir bei dem Patienten Ohlenschläger mit Myomalacie und Adipositas cordis. Der Blutdruck neigt zu subnormalen Werten, die sich auf Herzmittel (Strophanthus) bessern. Das scheint centralen Ursachen, Degeneration und veränderter Kontraktilität des Herzens, zuzuschreiben zu sein. Und daß diese Sache wirklich be- stand, das geht nicht nur aus dem nachträglichen anatomischen Befund hervor, sondern auch aus der klinischen Beobachtung, daß das Herz versagt bei plötzlicher Vergrößerung der Herzleistung (Hustenstöße und Aufsitzen) und der Tod eintritt. 123] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 333 Blutdruckmessungen sind meines Wissens an Aneurysma- tikern noch wenig vorgenommen worden. Die gleichzeitige Blutdruckmessung an beiden Händen bei Aneurysmenbildung verdiente künftig mehr Beachtung. Über ein halbes Jahr hin habe ich den Blutdruck bei dem Patienten Roder beobachtet und fast ausnahmslos, mochte ich zwei oder nur das eine modifizierte Tonometer angewandt haben, gefunden, daß der Druck in den -Digitalarterien der rechten Hand niedriger war als in der linken. Im Durchschnitt ist der Druck links als ein in normalen Grenzen liegender zu bezeichnen (105 bis 110 mm Hg.). Die Differenz zwischen R. und L. beträgt zwischen 10 und 20 mm Hg. Die Druckschwankungen stehen im entsprechen- den Verhältnis (sub 7./II., 29./V. etc.). Ich habe auch sehr viele Pulskurven von diesem Falle an- gefertigt; zuweilen zeigen sie gleiches Aussehen, zuweilen und in der Mehrzahl ein difterentes Verhalten. Palpatorisch war kein bestimmter Befund zu erheben. Die aus der großen Reihe der Kurvenaufnahmen mitgeteilten Pulsbilder zeigen rechts mehr einen anakroten, links mehr harten Puls. Wie kann der rechts erniedrigte Druck erklärt werden? Ich glaube, das durch Perkussion, Röntgenoskopie und Phonendoskopie sewonnene Herzbild leitet uns auf den Weg (cf. Abbildung). Wenn der linke Ventrikel sich kontrahiert, so wird die Subelavia sin., die buchtige Er- weiterung des Bulbus aortae berücksichtigt, eine entsprechende Blutmenge erhalten. Anders aber bei der Subelavia dextr.; durch den sackförmigen Appendix werden wohl solche Anomalien im Wellenverlaufe hervorgerufen, daß ın die Anonyma dextra nicht nur weniger Blut, sondern daß das- selbe auch mit vermindertem Druck ein- strömt; dann wäre die Druckdifferenz auf Rechnung des Druck- verbrauchs in dem sackförmigen Aneurysma zu setzen. Die klinische Bedeutung meiner Untersuchungen erblicke ich darın, daß tonometrische Druckdifferenz zwischen rechter und linker Hand bei Aortenaneurysma oder auch Subelavia- aneurysma (Fall Hoff) die Diagnose unterstützen kann, zu- mal wenn die gewöhnlichen pulsuntersuchenden Methoden eine Differenz nicht erweisen können. 334 Max Neu: [124 Noch eines sei hervorgehoben: einen pathologisch erhöhten Druck fanden wir im Falle Roder niemals, also in der Zeit nach völliger Ausbildung des Aneurysmas. Das zu betonen scheint mir deshalb von Wichtigkeit, weil ein gesteigerter Blutdruck bei Gefäß- erkrankungen als eine der Ätiologien des Aneurysmas angesehen wird. Ob vor der Bildung des Aneurysmas ein erhöhter Druck bestand, entzieht sich meiner Kenntnis. Bei dem Lues verdächtigem Indi- viduum könnte immerhin derartiges vorgelegen haben, da wieder- holte Druckerhöhungen bei dem an momentanen Anstrengungen reichen Kellnerberufe nicht selten sind. Schon von je, noch vor der Aera der Blutdruckmessung, standen nach dem Verhalten des Blutdruckes die Arteriosklerose und die Nierenerkrankung im Mittelpunkte des klinischen Interesses. Der Blutdruck bei der Arteriosklerose, von der ich zwei aus- geprägte Fälle zu beobachten Gelegenheit hatte, ist enorm erhöht. August Groß, 31 J., Schreiner. Diagn.: Typisch primäre Arteriosklerose. Seit einem Sturze auf den Kopf vor 18 Jahren Kopfschmerzen. Seit einem Jahre Anfälle von Herzklopfen, Gefühl unregelmäßiger Herzaktion, Flimmern vor den Augen. Hauptklagen Kopfschmerzen. Keine d. bek. Ätiologien. Status: Mittelgr. Mann. Enorme Schlängelung der "Temporalarterien. Radialis palpabel, ebenso Brachiales. Stark pulsierende Carotiden. Alle Arterien elastische, gespannte Röhren, nicht verkalkt sich anfühlend. Cor.: Shok i. V. le.Raum, außerhalb d. Mamill.-Lin. Grenzen: IIL.—VII, Rippe. L, Sternalrand bis jens. d. I. Mam.-Lin. Töne rein, Il. Töne verstärkt. II. Aortenton klingend laut. .Urin: vielleicht etwas Niederschlag, keine Cylinder. Ordin.: Natr. jodat. 2x 0,5 8. Datum | Zeit Temp. Puls Blutdruck Bemerkungen. I] | | 11. I. | 330°) 372 | 80 230 | Pulsus magnus durus Fig. 40. 18:0; 14.45%1:97,0,). 80 230 | | | 100 245-250 Sitzend. 14.11. | 9 10/366 | 72 | 280 | | 96 | 520 || Sitzend. 22. II. | 4 45’) 36,4 88 205 \\ Der Pat. ist subj. heute völlig frei von | \ Beschwerden. | 104 230 Sitzend. 1 KEA 125] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 335 Philipp Unger, 57 J., Landwirt. Diagn.: Allgemeine primäre Alters-Arterio- sklerose (Myocarditis) und sec. Schrumpfniere. Seit vier Monaten erschwertes Atmen, Herzklopfen und Stechen in der Herzgegend. Vermehrtes Wasserlassen. Die Nierenbeschwerden angeblich später als die Atembeschwerden. Keine Ätiologie. Stat.: Kräftiger Mann. R. Jugularis etw. stark gefüllt. R. Temporalis stark geschlängelt, ]. stark fühlbar. Cor.: Shok nach |. verlagert; ruhige, regel- mäßige, langsame Aktion. IIL.—VII. Rippe, 3 Querfinger außerhalb d. I. Mam.- Linie. L. Sternalrand. An d. Spitze II. Ton laut. An d. Aorta lauter II. Ton; in der Mitte des Herzens schwaches syst. Geräusch, auch nach der Aorta sich fortpflanzend. Puls: kräftig, regelmäßig, gespannt, stark geschlängelte Arterie, nicht rigide, nicht verkalkt. Langsamer Schlag. Warme Füße. Kein Hinken. Urin: klar, blaßgelb, spez. Gew. 1010—1012. Spur Alb. Ordin.: Bettruhe, Diät, Fachinger, Eisbeutel aufs Herz. Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. | Bemerkungen. l | | | 6. IT. | 4h 72 über 250 7.11. 9 20° 36,2 au 45 31. 3 40°, 36,0 64 | üb. 250 || Fig. 41. 70 0:270 Abschätzungsweise! 8. II. 1110 30°| 36,0 68 | üb. 2350 | gell. 5.°304736,2) | 60.) „92509 10. II. B) 36,5 64 | „ 2350 17. II. ||10 30° 36,3 | 108 |245—250 | Nacht vorher apoplect. Insult. D. Pat. | fällt aus dem Bette, als er nach einem Gegenstande auf dem Nacht- tisch greifen will. Artieul. Sprach- störung. L. Facialisparese, 1]. subj. Armparese. Ordin.: Eisbeutel auf den Kopf. Morphiuminj. wegen der | | | ' großen Uuruhe. 19. II. |10 20° 36,2 80 | 240 Seit 17. II. 3 Morphiumspritzen. Urin | | enthält reichl. Alb. — Pat. verläßt | | | gegen ärztl. Rat die Klinik. Diskussion: Die aufgeführten Fälle betreffen ausgesprochene primäre Arteriosklerose. Die Druckwerte sind abnorm hoch; im Falle Unger reichte die Skala des Tonometers nicht mehr aus, wenn noch weitere Blutdrucksteigerungen auftraten. Diese meine Befunde stimmen völlig mit denen anderer Autoren (Dasch, Gumprecht, Hensen etc.) überein. Hensen’s Vermutung, wonach die Nephritis an dem hohen Blut- druck mit einem wesentlichen Anteil beteiligt ist, scheint in unserem zweiten Falle zuzutreffen. Auf der andern Seite muß man aber nach 336 Max Neu: [126 den Druckergebnissen bei reiner interstitieller Nephritis sagen, daß die Arteriosklerose an sich, wenn sie ausgedehnt ist, kolossale Werte erzeugt. Diese Ergebnisse verdienen um so mehr Beachtung, als sie mit einem an den peripheren kleinern Arterien angreifenden Apparate gewonnen sind, wobei die geringe Wandstarrheit des Gefäßrohres nicht in Anrechnung gezogen zu werden braucht. Daß durch die Erkrankung des Gefäßgebietes erhebliche Widerstandserhöhung ein- geschaltet wird und dadurch der arterielle Druck steigt, ist wohl klar. Daß aber auch dem veränderten Herzen selbst eine Druck- beeinflussung zukommt, muß als sicher angesehen werden. Dafür sprechen sowohl Hensen’s Beobachtungen, wie meine gelegentlichen an arteriosklerotischen, aber marantischen und kachektischen Indi- viduen gemachten Wahrnehmungen. Trotz ausgesprochener peripherer arteriosklerotischer (refäßerkrankung findet man den arteriellen Druck nicht pathologisch erhöht. In diesen Fällen!) wird man anzunehmen haben, daß die Herzarbeit durch Schädigung der Muskulatur infolge degenerativer Prozesse vermindert ist, so daß trotz extrakardialer druckerhöhender Momente der Blutdruck thatsächlich nicht erhöht ist. Für die Blutdruckmessung an einem reichlichen Material reiner Arteriosklerose bleibt noch manches zu thun; der Einfluß des Grades und der Ausdehnung der Arteriosklerose, ihrer Lokalisation im Körper, die Berücksichtigung der Herzmuskelverhältnisse bes. nach den ana- tomischen Befunden, der Einfluß gleichzeitiger nephritischer Prozesse bedürfen einer Untersuchung; den Einfluß der den Blutdruck herab- setzenden warmen Bäder bei Arteriosklerose zu studieren, dürfte eine dankbare Aufgabe sein. Für die klinische Bedeutung der Blutdruckmessung spricht die Art des Zustandekommens des apoplektischen Insults beim Patient Unger. Derselbe richtet sich in seinem Bette unmittelbar nach länger dauernder Rückenlage auf, um einen (regenstand (Uringlas) ') Beispiel: Christian Röckle, 69 J., Taglöhner. Diagn.: Carcinoma ventriculi; ausgesprochene Arteriosklerose der grössern periph. Gef. Abgemagertes, äulserst kachektisches Individuum. Datum | Zeit 'Temp. Puls | Blutdr. | Bemerkungen. | 8. II. || 5h 36,0 | 68 100 | Psyche! 1:12.79 97862 72 70 | Arythmie Fig. 42, 13. Il. | 5 30") 36,4 | 80 25 | 97.11. |12 15° 68 2 | 127] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 337 vom Nachttische herüberzuholen, da plötzlich eine Apoplexie! Bei dieser Manipulation und dem Erheben des Oberkörpers tritt gemäß der früher erwähnten Beobachtungen eine momentane Blutdruck- steigerung auf, die um so excessiver ist, je größer der bestehende Druck vorher war. Der momentanen Blutdruckerhöhung aber ver- mag die zerreißliche Gefäßwand in den Hirnarterien nicht zu wider- stehen. Ich will darnach nochmals hervorheben, wie wichtig es ın der Behandlung der Arteriosklerose an sich schon ist, wenn man blutdruckerhöhende Anlässe, Reize etc. prophylaktisch ausschalten kann, zumal wir fast gar keine direkt blutdruck- erniedrigende Mittel kennen. — Die Beziehung zwischen arterieller Blutdrucksteigerung und Nierenerkrankung ist seit Traube's und Cohnheim’s Zeiten vielfach diskutiert worden; sie gehören, wie Ärehl sich ausdrückt zu „den Lieblingsthemen der Pathologie“. Die verschiedenen Nierenerkrankungen, die mir in der Zeit meiner Beobachtungen vorkamen, habe ich auf ihr tonometrisches Verhalten ebenfalls geprüft. Elise Forler, 34 J., Fabrikarbeiterin. Diagn.: Nephritis chron. (Bronchitis, Cystitis). Nach mehreren Wochenbetten jedesmal Erscheinungen von Nephritis. Nach d. letzten b. Aufstehen aus dem Bett Bewußtlosigkeit, Umfallen auf d. Boden, l. Arm und 1. Bein gelähmt. Kopfschmerzen, verschlechtertes Sehvermögen, kein Erbrechen, keine Urinbeschwerden. Stat.: Anäm. Frau in leidlicher Ernährung. Cor.: In d. Breite vergrößert, IV.—VII. Rippe, Sternalmitte bis 3 Finger außerhalb d. Mam.-Lin. — Überall Überwiegen der II. Töne, bes. an d. Aorta. Leber eben palpabel, Milz vergrößert. Extremit.: L. Arm stark paretisch, weniger l. Bein. Urin: 1008, b. Kochen minimal trüb, keine Erythro-, viel Leukocyten. 2 hyal. körn. Cylinder, sehr viel 'Trippelphosphatkryst. und Epi- thelien. Menge 1000—2400 ccm. Puls beschleunigt, regelmäßig gespannt Vom 15. I. bis 17. II. Bronchitis. Datum | Zeit \Temp.| Puls |Blutdruck| Urin Bemerkungen. Dei. || 415° 36,7: | 120 170 2000/1010 || '/2°/oo Alb. Fig. 43. IT. || 5 | 36.2 ıı 120° |.__170 2400/1010 13. II. 3 45'| 37,0 | 120 155 2200/1010 |) Stechen i. d. Seite. 15. II. ||12 45°| 56,7 | 112 185 2000/1010 || Pat. zeigt frequ. Atmen, | liegt außerd. etw. höher wie früher. 338 Max Neu 128 Datum | Zeit Temp. | Puls | Blutdr. Urin Bemerkungen. I6-5H: | 4h 45° | 36,9 | 120 150 2500/1010 | 18. II. 10 05‘ | 36,5 88 175 2200/1010 23.11: 142 15°1,36,72 |. .100 175 1800/1010 || Urin leicht trüb. b. Kochen. | Atmung 44. 25. I 21010 | 36,2 100 180 1200/1010 | Esbach knapp 1°/oo. 25: IE 120750 65 | 160 1600/1012 | Niederer liegend. Auf Ein- | | Jauf Stuhl. 53 17.2110 | 36,6 | 100 | 170 8500/1010 | Im Urin erhebl. Nieder- schlag. | | 112 | 195 Sitzend. L.: fast vordere Axillarlinie. Bertha Elfner, 29 J., Näherin. Diagn.: Nephritis interstitialis. Seit ?/s Jahren Herzklopfen, Schleier vor d. Augen, Kopfschmerzen; Urin seit einigen Wochen vermehrt. Stat.: Anäm. Aussehen. Cor.: Shok, nach unten u. |. verbreitert (VI. Ie.- Raum). auch undeutl. an der Spitze. Urin schillernd, klar. Cylinder. Datum 12. 14. 19. 23. 26. III. III. III. III. 11. BE NEE ‘16 u: | Grenzen: oben: ob. Rand d. III. R., unten: VI. R. R.: Mitte d. Stern. I. Ton an d. Basis verdoppelt (Galopprhythmus), Puls strangförmig, nicht unterdrückbar, hart. Menge ca. 2000 ccm. Eiweiß wechselnd. Einzelne hyal. | Zeit Temp. Puls 4h | 36,4 88 3 45° | 36,5 88 4 10°) 36,4 80 10 30° 36,2 84 % 9 45°) - — 92 4 36,8 92 6 112 | 11 36,2 | 100 Blutdr. | | 1800/1010 2000/1010 ‚ 245— 250 üb. 250 \ ca. 270 I Urin | Bemerkungen, Fig. 43/1. 225230 | 2000/1010 | 2,25°/0o (Esbach) Alb. '220—225 2000/1010 |4 % 245— 250 | 215 2000/1010 00 ” » Wegen Kopfschm. 2x.0,5 Aspir. gegeben worden, Nasenbluten. Sitzend. | V. 27. III. 3X wöchtl. ein Schwitzbad. 1,0 Aspir. ' gegen Kopfschmerzen. | V.d. Schwitzbad Fig.43/Ia. Von 4h 30‘—5h 30° Schwitz- bad; wegen Herzklopfen beendigt. Fig. 43/Ib. B. 240 wird d. Durchschie- ' [sen der Wellen gefühlt. Pat. wird auf kurze Zeit aus fam. Gründen entl. 129] Experiment. u. klin, Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 339 Blutdr. Urin | Bemerkungen. Datum Zeit Temp. | Puls | | mw. | 4 20|s65 | 96 I 215 | Pat. ist heute morgen | | wieder eingetreten. 45°| 36,4 | 84 | 205—210 | 2000/1007 | 1°/2°/00 (Esbach). 23: IV: ||10 6 30° 96 205 || Nach 1'/a stdg. Schwitzbad. 24. IV. | 9 45° 36,5 88 | 200 | 28. IV. 6 20° | 36,8 92 | 250 2100/1009 | Pat. ist erregt wegen ge- planter klinischer De- monstration. Auch hat sie !" Kopfschmerzen, schlech- ten Schlaf gehabt. Es- | bach 6°/oo. Elise Bortfeld, 49 J., Verkäuferin. Diagn.: Nephritis interstitialis mit sec. Arteriosklerose. Pleuritis sero-fibrin. rheumat. Kurz nach Weihnachten 1900 Atembeschwerden bei körperl. Bewegungen, Euge und Druck auf der Brust. Nichts auffälliges von seiten des Urins. Stuhlgg. von je angehalten. Stat.: Thorax: L.seit. Pleuritis exsud. et sicca. Cor.: Aktion erregt. Grenzen: III.—VI. R., r. Sternalr., 1. nicht bestimmbar. Am V. Punkt syst. Ger. nach allen Ostien hin. II. Töne auffallend laut und klappend. Urin klar, neutr. 1010, Alb. — Puls gespannt, Rad.-Arterie geschlängelt, elastisch. Ordin.: Diät, Priefsnitz, Salieyl. | | Datum Zeit Temp.| Puls Blutdr. Urin Bemerkungen. 25.1. | 5h30°| 36,9 | 100 155 [1000/1015 || Pat. erregt; hält d. Apparat | | für einen elektrischen, 26. I. ||10 25° | 36,7 | 80 165 1000/1014 || Ord.: Schmierseifeneinrei- | | | bung auf den Thorax. | Fig. 44. 2a. 12 36,4 | 80 170 Ba. 9.1521,37,.1. 276 150 1000/1015 || Keine bes. Beschwerden. | Pleuritis i. Rückgang. 29.1. 9 36,4 76 165 1000/1020 || 2/00 (Esb.) Alb. 30. I 9 30°| 36,6 68 155 1,10 36,2 76 170 = 9 30'| 36,2 76 170 4. II. 10 40° | 36,4 76 160 Menses schwach. 9. II. 4 45'| 36,6 68 175 ve 11. 9 40’ | 36,1 72 175 setz 110 36,1 72 175 Pat. fühlt sich heute wohl. 10. II. 6 36,4 12 190 s Pat. hatte Nachm. Besuch. 72 200 Sitzend. 340 Max Neu: [130 Datum | Zeit ‚Temp.| Puls | Blutdr. | Urin | Bemerkungen. 14. II. ||10 35°) 36,3 | 72 185 | | | 88 210 Sitzend. 17. I: 140 | 364 | 76 185 19. 11. |12 30°) 36,6 | 80 | 200 11500/1014 || 1!/4%/oo Esbach. Pat. hatte | ' schlechtgeschlafen,Kopf- | | l schmerzen, fühlt sich | „nervös“. DAL. 10 430.372 s0 205 1100/1015 || Es werden Codein und | / | Brom ordin. >31: 4 3 30°) 36,0 80 17 1800/1010 2. I. || 5 45’ | 36,6 16.) 190 1000/1012 || Kurz vorher durch Lachen | | erregt. 25. D; || 9 64 | 17 1200/1010 | 2°o0 Ksbach. 27. II. ||12 40° 72 155 1200/1014 || Pat. arbeitete vormittags | | \ sitzend i. Bett Alb.!/s°/oo. | 84 215 Sitzend. 11. UI. 112 15°) 37,3 80 170 1800/1022 || l Friedrich Hermann, 16 J., Spengler. Diagn.: Nephritis parenchymatosa. Angina follicularis. Seit zwei Jahren des öftern Halsentzündungen. Nunmehr Brennen beim Wasserlassen. Stat.: Mittelgr., etwas anäm. Mensch in leidlicher Ernährung. Auf den Tonsillen gelbe Pfröpfe; geringe Drüsenschwellg. am Kieferwinkel. Cor.: etw. verbreitert. Sternalmitte bis 1 Querfinger außerhalb der 1. Mam.-Lin. 111.— VI. Rippe, Aktion regelmäßig, Töne rein. Il. Arterientöne accent. Puls leicht gespannt, Arterienwand weich. Urin trüb, sauer. 1020 — Alb. -— W. u. r. Blk., einige Nierenepithelien, Fettkörnchenzellen, mehrere hyalin-körn. Cylinder. Ordin.: Diät, Fachinger. Datum Zeit Temp. Puls | Blutdr, | Urin | Bemerkungen. Pi = N 11 SEE 6. V. ||10h 361 | 72 120 ‚1600/1015 | Pat. hat Angst: "/s°/o Alb. | | 100° | | Etwas später. 8.N; 4 30° 36,7 | 64 '105—110 1700/1013 || !/s°/oo Alb. 19. v. ||10 37,3 60 8s5—95 1800/1014 | Puls etw. unregelmäßig; | | | am V. Punkt Galopp- | ' rhythmus. 20. V. [110 25°) 36,5 | 70 | 100—105 | 1800/1015 | Morg. u. abends 15gtt. Tet. | | Stroph. Puls wieder re- | | gelmäßig. 21. V 10 50°) 36,3 | 70 100-105 2000/1018 | Manchmal noch Aussetzen | | | d. Pulses. Urin klar. 20. VI. |10 35°| 36,7 | 72 |105—110 1800/1010 | Seit ca. 3 Wochen kein | | \ Alb. mehr. 131] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 341 Bernhard Eder, 20 J., Schlosser. Diagn.: Nephritis parenchym. hämorrhag. acut. (Pleuritis serofibrin. exs. sin.; Suspie. affect. apic. sin.; affeet. lar. tbe.). Seit 4 Tagen Dunkelfärbg. des Urins. Schmerzen in der Nierengegend. Menge nicht verändert. Stat. Cor.: o. Bes. Puls voll. Urin: Menge vermehrt. In der Nierengegend beim Husten Schmerzen. Urin sauer, spez. Gew. 1018 bis 1020. — Alb., Blut, zahlr. hyal. und körnige Cylinder. Ordin.: Bettruhe, Milch- diät, Fachinger Wasser. Prießnitz um die Berreeeen!. Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. > Urin | Bemerkungen. | | Sa Ts 1 1RET52 37.4: 2 | 95 | 1600/1015 | Diffuse Bronchitis; weniger | | | Alb. 1 | 12 76 | 90 1400/1016 | L. h. Symptome v. Pleuritis. | | Urin enth. Alb. 16. III. 10 37,9 72. &5 ‚1200/1015 | Esbach '/2%/oo. Urin weni- | | | ger bluthaltig. Pleuritis | | \ ]. weiter geschritten. 2, Iv. | 5 15 37,0 64 | 95 2500/1015 | Pleuritis fast völlig ge- | | | schwunden. 23. IV. |10 30° 36,6 | 100 | 95—100 | 1800/1020 | Etwas Alb. | | 24. IV. auf W. entlassen. Datano Albino, 29 J. Diagn.: Nephritis hämorrhagica acuta. Seit 3 Wochen Schwellung der Beine; kein vermehrter Urin, aber dunkel- farbig. Kein Herzklopfen. Stat.: Sehr kräftiger, gut genährter Mann. Cor.: Grenzen: IIl.—VI. R. R.: l. Sternalrand; Il. 2 cm außerhalb d. Mam.-Lin. — Töne rein, voll. H. Töne an d. Basis accent. Aktion kräftig. Puls regelmäßig. Arterienwand weich. Der Unterschenkel prall ödematös. Urin trüb, Alb., spez. Gew. 1014. R. u. w. Bl.-K. — Hyaline- und Körncheneylinder. Epithelzellen. Ordin.: Milchdiät. Datum | Zeit Temp. Puls Bilutdr. Urin Bemerkungen. | 25. III, 10h 36,8 60 180 1000/1015 || Rheumatoide Schmerzen. | Heiße Bäderu. Schwitzen!). 251. | 4 72 155 Fig. 45. | 135 Nach 1?/sstd. Schwitzen. au. u. | A071 37,4 IS 1500/1020 || Knapp 4°/oo Alb. i. Urin | ve, As UNE 28° 11. 9 84 |125—130 | | 5x0,5 gr. Aspirin. ı105—110 ı Nach dem Schwitzen. !) Die Schwitzbäder wurden folgendermalsen angewandt: 25—30 Minuten Verbleiben in einem 38—39° C. warmen Vollbad. Dann in vorgewärmtes Bett. Der Körper wird in ein Leintuch und 2 Wolldecken eingeschlagen. Wärmflaschen. Innerlich heißer Thee. Nach dem Schwitzen kalte Abwaschung. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 23 342 Max Neu: [132 Datum || Zeit Temp. Puls | Blutdr. | Urin | Bemerkungen. 30. II. || 9 35° | 1176 110 | || 2!/2%oo Alb. 2.IN. 1114259 36,92] 64% } 95 1000/1022 | Puls weniger gespannt. | Am 18. IV. auf W. ent- | ' lassen. Bis dahin aus | äulseren Gründen eine | | | Weiterbeobachtung un- ı möglich. Anna Frank, 31 J. Diagn.: Nephritis hämorrhag. subacuta. Nach normalem Wochenbett des Abends Anschwellung der Beine. Seit 1 Jahre Herzklopfen. Seit ca. 14 Tagen Abnahme der Urinmenge, dunkelrote Färbung, Brennen b. Wasserlassen. Neigung zur Obstipation. Stat.: Kräftige Frau in guter Ernährung. Leichte Anämie. Cor.: In der Breite vergrölsert. III.—VI. Rippe. Sternalmitte bis jens. d. l. Mam.-Linie, Töne rein, II. Töne bes. an d, Arterienostien verstärkt. Akt. regelmäfsig. Puls gespannt, Ordin.: Milchdiät; heilse Bäder mit Schwitzen. Urin: Zahlr. r. u. w. Bl. K.-Hyal. Cyl.; Körncheney]. Epithelien. Datum | Zeit ‘Temp. | Puls Blutdr. Bemerkungen. | ä 27. II. || 4h45‘| 38,1 88 137 4°o0 Alb. 28. II. 11 15 105 Vor !/s Std. Beendigg. eines 2stündg. | Schwitzbades. 29. IL. | 9 125 Vor dem Bade Fig. 46. 92 | 83 100 Nach dem Bade Fig. 46a. 30. III. || 9 92 125 Vor ,.d. Bade Subj. Besserung. Im | 95—100 | Nach J Urin weniger Alb. 2. IV. 12 36,9 84 115 Von $h 30‘— 10h 30° Schwitzbad. 2. IV. || 4 10°) 36,6 34 115 1,5 °/co Alb. | | 3. IV. gg. ärzil. Rat entlassen. Peter Müller, 19 J., Schiffer. Diagn.: Nephritis parenchym. hämorrhag. acuta desquam. (Hydrops universalis). Vor 4 Wochen plötzl. Schwellung von Hals, Brust und Gesicht, Füfsen. Urin dunkler, keine Schmerzen beim Wasserlassen. Keine Herzbeschwerden. Mäfsiges Potatorium. Stat.: Mittelgr. Mann v. anäm. Aussehen. Haut blafs. Pulm.: r. h. u. handbreite Dämpfg. Atmg. u. Fremitus abgeschwächt. Cor.: ob. Rand d. III. R. — R. Mitte des Sternums. L. außerhalb der Mam.-Lin. Aktion kräftig. Töne rein, II. Arterientöne verstärkt. Puls gespannt. Urin: trüb, sauer, viel Alb. Etw. Sanguis. Mikr.: Viele hyal., körnige Epithelcyl., 133] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner's Tonometer. 343 reichl. Leukoeyten, weniger Erythrocyten. Nierenepithelien. Ordin.: Milchdiät, Fachinger. . Jeden II. Tag Schwitzbäder. Prießnitz um die Nierengegend. - | : Datum | Zeit a Puls | Blutdr. || Bemerkungen. | | 2. IV. | 4120| 36,7 | 68 135—145 | Fig. 47. Zwischenzeitl. starke Ödeme. | Ascites, Hydrothorax. Esbach bis | | 12%/oo Alb. — Angina Follie. Ord.: | | Kal. acetic. i. Chinadecoct. 25. IV. | 2 15‘) 36,9 68 180-185 Urin 2000/1016. Fig. 47 a. Cor.: Rechter | | Sternalr., äußerer Rand d. Mamilla. II. Aortenton musikal. accent. | | 76 195 || Sitzend. 26. IV. | 5 15°) 36,9 12 7221165 Von 7—10h Schwitzbad. BAV: 8 | 36,4 ı 8 160 || Urin 2200/1012. Vor !/» Std. ein Schwitz- | | " bad. Fig. 47b. Ascites etc. gering. 11. Vv. | 9 80°) 363 | & | 180 || Urin hell. Esbach 8°. | | | 12. V. gg. ärztl. Rat nach Hause ge- holt. Diskussion: Der Blutdruck ist bei den Kranken mit interstitieller Nephritis dauernd und beträchtlich erhöht. Durch anerkannt blutdruckherabsetzende Mittel wird er kaum beeinflußt. So haben Schwitzbäder so gut wie keine Wirkung; höchstens geringe Senkung neben verminderter Urinmenge aus nahe- liegenden Gründen. Vielmehr sehen wir im Falle Elfner den Blut- druck gegenüber dem Werte vor dem Bade erhöht und zwar infolge der vermehrten Schlagfrequenz des Herzens. Ruhelage ist allerdings im stande, den Druck herab- zusetzen, wenn auch nicht dauernd; denn psychische oder soma- tische Alterationen lassen den Druck wieder auf die ursprüngliche Höhe ansteigen. Ebenso hat das Fieber, wie bereits erörtert, im Falle Bortfeld, passagere blutdruckerniedrigende Wirkung. Eine Beziehung zwischen Blutdruck und Urinmenge oder quanti- tativer Albumenbeschaffenheit kann ich nicht ausfindig machen. Eine geringe negative Schwankung des Drucks tritt neben Verminderung der Urinmenge bei Durchfällen auf. Pleuritische Erkrankung beeinflußt ‚weder im Falle Bortfeld noch Forler den Blutdruck irgendwie, insofern keine Atmungsanomalien auftreten. Ein ganz anderes Bild bieten die parenchymatösen Ne- phritiden dar. Der Blutdruck bewegt sich in den physio- 23* 44 Max Neu: 1134 logischen Grenzen; höchstens rufen Temperatursteigerungen geringe negative Druckschwankungen hervor. Albumen und Urin- menge scheinen quoad Blutdruck ohne Belang. Dem gegenüber stehen wiederum die akuten hämorrhagi- schen Nierenentzündungen. Hier finden wir auf der Akme der Erkrankung bedeutende Blutdruckerhöhung neben an- dern klinischen Symptomen der Überlastung des Kreislaufs (Aktion des Herzens, Qualität der Töne etc.). Diese Fälle werden im Blut- druckverhalten außerordentlich günstig durch Schwitzbäder beeinflußt; der Blutdruck wird nicht nur unmittelbar nach dem Bade be- deutend herabgesetzt, sondern durch fortgesetzte Bäderbehandlung auch dauernd bis zur Erreichung normaler Werte. Die Urinmenge nimmt natürlich ab. Die übrigen Symptome schwinden und allgemeine Besserung stellt sich ein. Ein eigentümliches Verhalten, eine Art Mittelstellung, nimmt der Fall Müller ein (subakute parenchym. N.). Im Anfange der Beobachtung überschreitet der Druck nur um weniges die äußerste physiologische Grenze. Im weiteren Verlaufe stellt sich allgemeines Anasarka ein, der Albumengehalt steigt weiter bis auf 12%00 (Es- bach) an und der Blutdruck ist beträchtlich erhöht. Wohl wird er durch Schwitzbäder unmittelbar herabgesetzt, aber er bleibt dauernd abnorm hoch. Mit diesem Ergebnisse stimmen im allgemeinen frühere Unter- suchungen von hristeller (35) und Hensen überein. Auch diese Autoren fanden bei chronisch interstitieller Nephritis enorme Druck- steigerung im arteriellen Gefäßgebiet, dagegen bei andern Nephritis- formen, so der chronisch parenchymatösen, den Druck annähernd normal. Die Nachforschung in der neuern Litteratur über Blut- druckmessung bei akuter Nephritis ergab mir nur eine Nachricht über derartige Beobachtungen aus der Klinik von Escherich (22), und diese betreffen Kinder. Die Messungen sind mit Gärtner's Tonometer angestellt. Dort wird gesagt, die erhöhte Spannung bei der akuten Nephritis sei nicht so ausgesprochen wie bei Erwachsenen. Die Erklärung der arteriellen Drucksteigerung bei Nieren- erkrankungen, so sicher die Thatsache selbst schon lange für die Schrumpfniere bekannt ist, kann auch heute nach dem derzeitigen Stand unserer Kenntnisse noch nicht strikte gegeben werden. Ich verweise auf die betr. Darstellung in Ärehl’s „Pathologischer Physio- logie“ (91). Man muß, wie mir scheint, die interstitiellen Nierenerkrankungen ee ante 135] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 345 streng auseinander halten von den andersartigen Nephritiden, wenn man einen Einblick in das Zustandekommen der Blutdruckerhöhung gewinnen will. Die dauernde Blutdrucksteigerung kann, nach vielfältigen Be- obachtungen, schon vorhanden sein, noch ehe andere geläufige Sym- ptome darauf hinweisen. Bei der chronisch interstitiellen Ne- phritis hat es den Anschein, als ob die Einflüsse des Herzens und der Gefäße zusammen den enormen Druck bewirkten. Für die anderen Nephritisformen muß man nach andern Er- klärungen suchen. Im akutesten Stadium ist, wie wir sahen, der Blutdruck ja zweifellos erhöht. Ströümpell (124) nimmt an, daß die nicht zur Ausscheidung gelangenden Stoffe eine Kontraktion der kleinen arteriellen Gefäße und damit die Druckerhöhung bewirkten ; das schließt er daraus, daß das Herz zu dieser Zeit noch keine Hyper- trophie erkennen läßt. Die Frage einer möglichen direkten Herz- muskelreizung läßt Strümpell hier often. Die Möglichkeit ist endlich nicht von der Hand zu weisen, daß hydrämische Zustände bezw. eine Überlastung des Kreislaufs durch eine übernormale Flüssigkeitsmenge auf den Blutdruck zurück- zuwirken vermöchte. Dieser Einfluß der Flüssigkeitsmenge ist aber experimentell und klinisch dargethan (Johansson und Tigerstedt, Maximowitsch und Rieder, Örtel ete.). Dafür sprechen vermutlich meine Befunde, daß durch energische Diaphorese, also ausgiebige Gefäßerweiterung und Abfuhr von Flüssigkeitsmaterial der Blutdruck nicht nur direkt nach der Schwitzprozedur absinkt, sondern bei längerm Gebrauch völlig normale Werte erreicht. Daß die parenchymatöse Nephritis auch nach dem Ein- tritt ins chronische Stadium den Blutdruck nicht beeinflußt, trotzdem das Herz eine Veränderung erfährt, bleibt eine nicht zu erklärende Erscheinung. Die klinische Bedeutung meiner Befunde gehört in das Gebiet der differentiellen Diagnostik. Diese Bedeutung ist auch schon von Schüle (41) erkannt worden und ich kann seine zutreffende Be- merkung Wort für Wort bestätigen: „auch für die Diagnostik der beginnenden chronischen interstitiellen Nephritis ist es von größter Bedeutung, den Blutdruck zu kennen. Giebt es doch initiale Fälle, wo noch keine palpablen Veränderungen am Herzen und an den Gefäßen zu finden sind, bei denen das Eiweiß längere Zeit fehlt, oder wo eine leichte Albuminurie, deren Provenienz unklar ist, die 346 Max Neu: [136 Beurteilung der Affektion sehr erschwert. Hier kann eine konstant beobachtete Steigerung des arteriellen Drucks der Diagnose eine be- stimmte Richtung geben“. Ich hätte gerne alle Formen des wechselreichen Bildes der Ne- phritis untersucht; dazu bedarf es aber einer längeren Zeit als mir zur Verfügung stand. Nächst den Erkrankungen des Kreislaufapparates war es von Interesse, zu studieren, ob vielleicht eine pathologische Be- schaffenheit des Blutes direkt oder indirekt auf die Schwan- kungen des Blutdrucks einen erkennbaren Einfluß ausübten. Clara Löffelhardt, 21 J. Diagn.: Chlorosis. Cor.: Shok verbreitert zu fühlen. Grenzen: III.—VI. R. L. Sternalrand bis aulserhalb d. Mam.-Linie. An der Spitze ein syst. Ger., am stärksten an der Basis. 1I. Ton zieml. laut. Hbgehalt 40°). Datum | Zeit ‘Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen. 5. III. || 6h 37,6 64 115 9. III. [110 36,1 72 95 | 84 105 | Sitzend. Luise Höfer, 18 J. Diagn.: idem. p. IE, | 11h 36,2 60 95 15. III. | 6 36,1 60 95 105 Sitzend. Elise Müller ‚18 J. Diagn.: Chlorosis gravis. 4. III. 5h 15°| 37,2 100 130 Psych, erregt. 5. III. || 5 45°| 37,3 80 120 | 100 135 Sitzend. 9. Im. | 9 45/869 | 8 | 115 | | 100 135 Sitzend. Helene Knoll, 20 J. Diagn.: Chlorosis. 6. III. 1115‘) 36,4 | 88 105 Psyche. 7. IE 11 20° 80 90 104 110 Sitzend. 11. II. ||11 25°) 36,2 80 90 .| 54 95 Sitzend. 23. II. 111 |32 | 88 | 90 | | | 104 | 100 || Sitzend. Gastroptose. 137] Experiment. u, klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 347 Anna Stähle, 19 J. Diagn.: idem. Datum | Zeit |Temp. 4. III. | 5h 40 36,9 | 6. II. 11 30°) 86,5 | SEN... 110.015°|' 36,5 16. I. |ı1 45° 36,7 | 19. II. |11 36,1 19. II. | 1 23. II. |11 40° 36,7 | s0. I. | | 372 25. IV. | 6 15 37,3 4.V. | 9 55 37,2 | Jakobine Z 19. II. | Ak | 374 22, ım. |1o 45 36,6 31. II. |12 | 86,9 1. ıv. |11 30° 36,9 23. IV: 110: | 36,9 27. Iv. |9 37,3 BeV..|® 35370 Puls ' 100 72 96 | 12 88 | 76 96 54 116 128 &4 iegler, 18 J. 76 Blutdr. 105 100 110 95 105 105 110 105 115 125 135 125 90 100 75 95 95 85 100 65— 70 80; 80 90 105 90 105 95 100 25°0 Hb. | Sitzend. | Bemerkungen, Durchfälle. Sitzend. | . Sitzend. Pat. versuchte das Lachen zu unter- drücken, Pat. ist seit 12h 50° aufgestanden. 5mal Auf- und abgehen im Zimmer. Kopfschmerzen. Hbgehalt 53 /o. Sitzend. Hbgeh. 75/0. Angina follieularis. Tem- peratursteigerungen. Hbgeh. 75,0. 7. V. entlassen. Diagn.: Chlorosis gravis. Hbgeh. 25—50°,o. Pat. liegt etw. er- höht. Sitzend. Pat. hat starke Kopfschmerzen. Sitzend. Bei der sehr zarten Haut d. Pat. sieht man das Pulsieren der Digitalarterien u. die Ausbreitung d, Röte. Sitzend. Sitzend. Hbgeh. etw. über 35 %o. 10. V. entlassen. 348 Elisabeth Lauer, 19 J. Max Neu: [138 Diagn.: Chlorosis. Datum | Zeit Temp. | Puls | I Blutdr. | Bemerkungen. 15. III. 16. III. 19. II: 23. III. 29. III. 80. IV. 1a, N 2. IN: 3..IV. [86] IY, 5. IV. 22. IV. 23. IV. 24. IV. 18. VI. on | 65 30’! 12 11 ‚10 35° 36,4 36,6 36,6 36,5 37,1 36,7 100 76 96 100 112 80 92 100 104 96 88 68 64 115 115 125 115 130 115 125 115 125 120 110 105—110 Hbgeh. 30-35 %o. Sitzend. \ Sitzend. Sitzend. Cor in der Breite vergrößert. Syst. Ger. an d. Pulmonalis bes. deutl. Sitzend. Ein Teil des Apparates fällt, Schreck 140 mm Hs. Weg. auffallend gedunsenem Aussehen v. 12—2b Schwitzkur. Hbgeh. 33°. D. Verbreiterg. nach r. ist nicht mehr nachweisbar. D. syst. Ger. an d. Basis noch vorhanden. Hbgeh. 62° o. Seit 23. IV. d. Schwitzen ausgesetzt. Hbgeh. 80°/o. Mina Kirdorf, 20 J. Diagn.: Chlorosis; Ulcus ventrieuli. 6h 30° 11 15‘ Lydia Lichtenfels, 18 J. | 12h 10°) 9 20° | 6n 10 40‘ ı 9 40° 36,6 36,6 36,6 36,8 60 60 76 88 90 tof3} 85 85 —90 Puls exquisit verlangsamt. Diagn.: Chlorosis; Neurasthenie. Kätchen Retzer, 20 J. Diagn.: Chlorose. Cor.: Unterrand d. II. R.; r.: Mitte d. Sternums; ].: '/ Querfinger außer- halb d. Mam.-Lin.; unten: VI. R. 36,7 36,6 104 120 100 112 96 108 72 | 80 | 95 115 90 105 90 110 105 115 Hbgeh. 30°. Sitzend. Subj. Wohlbefinden. ® Sitzend. Stat. cordis idem. An d. Basis leichtes syst. Blasen; am deutlichsten über d. Pulmonalis. II. Pulmonalton acc. Hbgeh. 50°o. | Sitzend. 19. VI. entlassen. 159] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 349 Auguste Staiger, 37 J. Diagn.: Perniciöse Anämie neben Endocarditis und Pleuritis serofibr. exsud. sin. Wachsbleiche, stark anämische Frau, Haut welk. Cor: Dämpfg. vielleicht etwas nach |]. verbreitert. Spitzenstofs hebend. An d. Herzspitze praesyst. Ger., dreiteil. Rhythmus. II. Pulmonalton klappend. Pulmones: ]. h. u. Dämpfg. etc. Puls weich, frequent, monokrot. Urin: Spur trübe. Blut: Poikylocytose, starke Verminderung d. Erythrocyten. Herabsetzg. des Hbgeh. 20—25°/o. Augenhintererund zahlr. kleine Blutungen, Papille blaß. Ordin.: Eisblase aufs Herz. Strophanthus. Condurangowein. . Datum | Zeit Temp.‘ Puls Blutdr. | Bemerkungen. ei —— 2 — = BE — —— | — em == ee = _— SEI I.S 38,5 120 DIE BASNT. | 9 37,0 96 65 | Seit mehreren Tagen von Erbrechen | frei. DENT: 10 20°) 37,4 104 60—65 | d. I. Herzton rauh; an d. Spitze drei- ' teil. Rhythmus. | | | 3. VII. entlassen. Friedrich Krug, 32 J. Diagn.: Leukämia lienalis et myelogen. Beginn der Erkrankung vor 2 Jahren, Viele Durchfälle, kein Blutverlust; keine Schmerzen; Kurzatmigkeit bes. i. Gehen, keine Ohnmachtsanfälle. Stat.: Gut gebauter, kräftiger Mann. Mäßige Anämie. Thorax: Bes. Brustbein auf Beklopfen gering druckempfindlich. Herztöne rein, Aktion regel- mäfsig. Diaphragma: L. h. IX. R,r.b. X.R. Abdomen: Grofser Tumor, unter dem 1. Rippenbogen verschwindend, bis auf die Darmbeinschaufel und zum Nabel reichend. Rechte Unterbauchseite leer. Breite 21, Länge 39 cm. Blut: Leukocyt. sehr vermehrt. Lymphocyten, Makrocyten, Mastzellen, kernhaltige rote Bl.-K. Urin: Sedimenthaltig. Datum | Zeit Temp. | Puls Blutdr. | Bemerkungen. 8.1. |4 |370 | 84 | 120 || Psyche. 11.ı. |9 [36,3 | so | 110 || Erythroeyt.: Leukocyt. =5:1. Hbgeh. | | | 40°/o. | 104 | 135 | Sitzend. Pat. hat auch i. Sitzen Schmer- | zen. 13. 1I. 5 45°| 37,0 88 | 110 263.11. 1110) 30% 76 s0 Pat. hat viele Durchfälle. 27. U. 5 15°) 37,0 | 104 85 D. Leib ist stärker geworden; Erythro- eyt.: Leukocyt. = 13:1. 350 Max Neu: [140 Peter Kamm, 53 J. Diagn.: Leukämia lymphatico-lienalis. Pat. schon d. öfteren in d. Klinik. Keine bes. Schmerzen. Druckgefühl i. Leibe. Stuhlgang immer angehalten (Laxantia stets nötig). Abendliche An- schwellung der Beine, b. Aufstehen gesteigert. Kein Fieber. Bei körperl. An- strengungen Kurzatmigkeit. Keine Herzbeschwerden. Keine Gewichtsabnahme. Stat.: Großer kräftig gebauter Mann. Abgemagert. Am Halse um d. Unter- kiefer grolse Drüsenpackete, ebenfalls in d. Axilla u. unter d. Pektoralis. Auf d. Rücken in den Schulterblattmuskeln ebenfalls Drüsentumoren. Beine ödematös. Leib aufgetrieben; grolse Tumoren in demselben tastbar, teils Drüsenpackete, teils vergröfßserte Leber und Milz. Starke Druckempfindlichkeit des Sternums. Lungen und Herz o. Bes. Pulsbild: Kräftiger Pulsus celer. Milz 28:14,5 cm. Blut: Enorme Vermehrg. d. w. Bl.-K., hauptsächl. Lymphocyten. R.: w. Bl.-K. —=7:1. Hbgeh. 45°. Urin trüb. (Pat. schwitzt viel.) Datum | Zeit Temp | Puls Blutdr. Bemerkungen. 18. v. |11n45| 36,5 | 72 s5 Puls prall, leicht unterdrückbar. 21. V. 10 15° 36,6 | & | 85-90 ' Urin 1000/1025 sediment. 25. V. || 2 36,5 80 100-110 Puls voll. Digitalinf. 26. Val Urin 1800/1020 Alb, 29. V. |11 15° 37,8 | 84 | 95-100 Urin 1600/1021. r. Bl.-K.:w. Bl.-K. = | 4:1. Hbgeh. 40%. Magnus Neubeck, 13 J. Diagn.: Pseudoleukämia lienalis. Stat.: Normal gebauter Junge, etwas infantil. L. am Halse, unteren Unterkieferrand und in d. Axilla grofse Tumoren. Abdomen aufgetrieben, nicht druckempfindl. Herz normal. Puls weich. Milz enorm vergrößert, 29:15 cm. Leber vergrößsertt Blut: Normale Zahl der r. Bl.-K., minimale Vermehrung der w. Bl.-K. — Hbgeh. 70°/o. Abendlich stets Temperatursteigerung. Therapie: Arsenik. Datum | Zeit ‘Temp. Puls Blutdr, Bemerkungen. 21. V. || 9h 30°) 36,4 | 100 | 85-95 DIV; 7 30°) 38,0 104 s0 In d. r. unteren Bauchhälfte verschiebl. Asecites. D9.4V, 2 37,0 108 95— 100 29. V. |I11 15°) 36,3 | 108 | 95-100|| 6.- VI. || 9%201)'36:5 92 90 Ascites deutl. Milz 28:12,5. Lymph- drüsen unverändert. 8. VI. 110 50°] 37,2 88 90--95 | Keine Klagen. 141] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 351 Diskussion: Aus meinen Beobachtungen geht hervor, daß die Blutdruckwerte von Chlorose-Kranken innerhalb normaler Grenzen sich bewegen. Der Druck bleibt während der ganzen Dauer der Behandlung nahezu konstant, wenn auf gleichmäßige Lagerung der Individuen und gleiche äußere Bedingungen während der Messung geachtet wird. Es hat den Anschein, als ob am Ende der Behandlung im Krankenhause, also nach Zunahme des Hämoglobingehaltes, der Blut- druck gegen den Anfang erniedrigt sei. Da die Schwankungsgröße aber in die Breite der sonstigen Druckexkursionen fällt, so glaube ich diesem Verhalten kein besonderes Gewicht beilegen zu dürfen, zumal die Abnahme aus der ruhigen Bettlage und der Abhaltung der das Herz irritierenden Momente erklärt werden kann. Ich konnte ebensowenig wie Hensen eine Beziehung zwischen Blutdruck und Hämoglobingehalt konstatieren. Wohl aber ist hervorzuheben, daß der Druck mit größern als normalen Schwankungen auf Reize, seien sie psychischer oder somatischer Natur, reagiert. Der Schwankungswert vom Übergang aus der horizontalen in die sitzende Stellung überschreitet zwar nicht das normale; Körperbewegungen ausgedehnterer Natur oder Aufenthalt außer Bett steigern den Druck dagegen beträcht- licher. Die leichte Erregbarkeit des Herzens und der Gefäße, die sich auch sonst schon auf nervöse Reize hin in vasomotorischen Erschei- nungen wie Erröten etc. widerspiegelt, äußert sich demnach auch im Verhalten des Druckes. Die Bedeutung, die excessive Drucksteigerungen für Chlo- rotische haben können, habe ich ausführlicher an früherer Stelle (beim Valsalva’schen Versuche) erörtert. Im Gegensatze zur Chlorose ist der Blutdruck bei der per- niciösen Anämie zweifellos herabgesetzt bis nahe zur vitalen Grenze. Die Patientin Staiger will vor dem Krankenhauseintritt viel Blut verloren haben; außerdem ist die gleichzeitige Komplikation einer Endocarditis hervorzuheben. Immerhin ist bemerkenswert, daß die Patientin trotz ausgesprochenen Lufthungers und frequenter At- mung einen so tiefen Stand des Blutdrucks erkennen läßt; die Ver- mutung einer Schädigung des Herzens liegt daher sehr nahe. Leider entzog sich dieser Fall zu früh meiner Beobachtung. Ein anderer Fall, den ich während des Abschlusses dieser Ar- beit mehrmals mit dem Tonometer zu messen Gelegenheit hatte, 352 Max Neu: [142 zeigte ein gleiches Verhalten. Die Wahrscheinlichkeitsdiagnose lautete auf perniciöse Anämie; der Patient (Schork) zeigte den äußersten Grad von Anämie (Hbgeh. 10—-12°%o) und einen Blutdruck von 55 mm Hg. Was den Fall mit Leukämia lienalis anbelangt, so zeigt sich während des Krankenhausaufenthalts eine zweifellose Blutdruck- abnahme. Ob diese auf die profusen Durchfälle zu beziehen ist oder auf die Blutveränderung während der Beobachtungszeit, vermag ich nicht zu entscheiden. Im ganzen neist der Blutdruck nach der untern physiologischen Grenze. Dasselbe ist bei der Iymphatisch-lienalen Form der Fall, zumal Atheromatose der Gefäße bestand. Das Herz selbst zeigte normalen Befund. Ausgehend von einer Beobachtung Frriedmann’s (40), der bei einem an Iymphatischer Leukämie mit gleichzeitiger Herzinsufficienz er- krankten Individuum auf Digitalismedikation hin innerhalb weniger Tage nicht nur ein Schwinden der Herzstörung, sondern auch eine beträchtliche Abnahme der Drüsentumoren sah, ließ ich im Einver- ständnis mit dem Assistenzarzte den Patienten Digitalis nehmen. Daraufhin trat zwar eine Druckzunahme von 10—20 mm Hg ein; auch der Puls ward voller. Aber eine auffallende Beschaffenheit der Drüsentumoren konnte ich nicht beobachten. Da sonst keine In- dikation für einen weiteren Digitalisgebrauch vorlag, ward davon Abstand genommen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die interessante Erscheinung der Drüsenverkleinerung in Friedmann's Falle, die der- selbe durch eine erhöhte Lympheirkulation und gesteigerte Ein- schwemmung der Lymphdrüsenprodukte in die Blutbahn als Folge des erhöhten Blutdrucks und vermehrter Stromgeschwindigkeit zu Stande gekommen ansieht, auf die intensive Digitaliswirkung bei einem an sich herzgeschwächten Patienten zu beziehen ist. Denn Czyhlarz (21) hat ja nachgewiesen, daß bei herzgesunden Individuen Digitalis nicht die bekannte Wirkung auf den Blutdruck hat. An- dererseits war der Fall Kamm keine reine Iymphatische Leukämie; vielleicht bestand die Krankheit auch schon zu lange, als daß sich der beabsichtigte Effekt hätte erzielen lassen. Im dritten Falle, der fiebernden Pseudoleukämie, bleibt der Blutdruck über Monate konstant, vielleicht geringe Abnahme des Blutdrucks während der Temperatursteigerungen. Im wesent- lichen ist hier ein Verhalten zwischen Fieber und Blutdruck zu kon- statieren, wie bei andern chronischen fieberhaften Krankheiten, z. B. u 143] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 353 Phthisis pulmonum. Es hat den Anschein, als ob der Organısmus auf die Temperaturremissionen quasi eingestellt, nicht mehr deutlich mit einer Blutschwankung reagiere. Die Arsenmedikation äuberte bei den entsprechenden Dosen keine erkennbare Rückwirkung auf den Blutdruck. Aus der Beobachtung der Blutdruckschwankungen bei den zuletzt erwähnten sich nahestehenden Krankheitsformen lassen sich bedeut- samere klinische Würdigungspunkte nicht auffinden. Schon wiederholt ist von früheren Untersuchern des Blutdrucks darauf aufmerksam gemacht worden, daß Personen mit nervösen Zuständen eine Disposition zur Blutdruckerhöhung besitzen sollten. In allerjüngster Zeit hat 7. Strauss (Tl) auf die diagnostische Be- deutung der Tonometermessung bei traumatischer Hysterie aufmerk- sam gemacht und zu derartigen Versuchen aufgefordert; diesem Winke kam ich insofern nach, als ich den Blutdruck bei nicht traumatischer Hysterie beobachtete. Auguste Hoffmann, 31 J., Arbeiterfrau. Diagn.: Hysterie (Hystero-Epilepsie). Die Anfälle sind verschieden; bald epileptisch, bald hysterisch (are de cerele). Datum || Zeit Temp.) Puls | Blutdr. |) Bemerkungen. ai | 15. II. || 5h 45° 36,0 92 105 | Um !js3h ein Anfall. fo... 5 400 37,07 |u° 92 105 | Um 3h starke Krämpfe. 20. I. || 5 50°| 36,2 s0 95 , In der Frühe ein Anfall. | 125 Interpelliert erzählt Pat. von ihrem | Leiden. 23.1: 5 10° 36,3 | 100 | &5 | Pat. hat stark gerötetes Gesicht. 7. HL |11 30° 36,3 8 | 105 || Nachts Anfall. 9. II. |11 | 86,2 80 | 390 | In d. Frühe epileptoider Anfall. | | 75927121007 2. Sitzend! dest. 11 50°) 86,17.) 96 || 35 | Ind. letzten Zeit viel Erbrechen; Er- | | nährg. durch die Schlundsonde. ' 100° 95 || Sitzend. 23. II. 11 45°| 36,4 | 92 so | | Anna Wamsgans, 21 J., Fabrikarbeiterin. Diagn.: Hysterie. Kleine Anfälle; somnolenter Zustand; beschleunigte Atmung, Hypästhesie am Körper. | | | | 16. U. | 5h15’| 37,0 | 72 95 20. II. | 5 30° 37,0 | 72 85 | 7 | 354 Max Neu: [144 Frieda Baumgärtner, 24 J., Dienstmädchen. Diagn.: idem. Datum | Zeit Temp. Puls | Blutdr. | Bemerkungen, AST, 5h 37.0 712 105 Vor 1 Std. 10 Min. langer Anfall (are | | ' de cercle, Singultus, Würgbewegg.). 5. II 5 36,9 76 115 || Vor 1 Std., 7 Min. langer Anfall (Sin- I gultus, Opisthotonus). 6. III. ||11 30°) 36,7 76 100 Zittert b. Messen; Pat. giebt an, sich | zu fürchten. | 3 110 Sitzend. 7. III. ||11 45°) 36,8 76 95 Durchfälle. | 88 110 Sıtzend. 9. II. ||10 45’| 36,5 54 90 16. III: 36,5 88 110 Pat. liegt etw. höher als sonst. 100 In tieferer Lage. Angelina Dorn, 42 J., Köchin. Diagn.: Hysterie (asthmat. Anfälle). 4. III. || 6h30’| 36,2 72 105 Unmittelbar nach d. Anfall Arme steif, Finger zusammengekrallt. Leichte Bewußtseinstrübung. Heiße Hand- bäder, Amylnitrit 20 gtt. 6. IIL [110 36,0 68 100 Anna Rasig, 20 J., Dienstmädcben. Diagn.: Hysterie. Anfall: Blitzartige, klonische Zuckung des oberen Augenlids. Kopf auf d. Unterlage außerordentlich schnell nach r. und ]. bewegt. Beugekontraktionen in den Fingern, Händen, Armen, Hüften, Beinen etc. Der Körper ist passiv un- beweglich. Schaum v. d. Mund. D. Blepharospasmus löst sich wie die Kontrak- tionen, darnach Ermüdung. Datum | Zeit Temp. Puls Blutdr. | Bemerkungen. SE — wei 3 23. IV. 11h 36,4 76 85 Nach einem Anfall. IT. 9 45' 76 85—90 | Marie Babisch, 25 J., Kammerzofe. Diagn.: idem. 29. I. | 185-130 Probemessung, weil das Indiv. psych. sehr sensibel ist. 30. Yh 55° 36,3 s4 a oO Il. 145] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 355 Wilhelmine Kühn, 21 J., Wagnersfrau. Diagn.: idem. Datum | Zeit Temp. Puls | Blatdr. | Bemerkungen. 25. I. | M25| 37,1 | 88 3 | 27. 1 | | | 88 85 | Entlassung. | | | | Christine Windisch, 20 J., Cigarrenmacherin. Diagn.: idem (Krämpfe, An- fälle). 4. II. || Anas| 37,0 | 104 | 180 || Psyche! 5. II. 15 ee | 9. I. |10 25) 36,7 | 64 | 100 | | 76 |. 105 || Sitzend. Babette Reger, 61 J. Diagn.: Hysterie (attitude passionelle). Anfall: Lebhaftes Zittern in Armen und Beinen; Blepharospasmus, lebhafte Mimik mit entsprechenden Handbewegungen, leicht weinerliche Stimmung. Cor.: nach ]. verbreitert. Aktion regelmälsig. Verdacht auf Arteriosklerose. Datum | Zeit "Temp. Puls | Blutdr. Bemerkungen. | | | 95. IV. |11h 20°) 36,5 | 104 | 180 | Anfall. | :967|272245 Unmittelbar nach dem Anfall. 24. IV. |10 36.0. 1%..92 1.4130 || | ' 150 | beginnt mit dem Anfall. | 125— 130 | 20 Min. später. 12. Vv. ‚10 15° 364 | 84 | 135 | wesentlich gebessert. | | 13. V. entlassen. Diskussion: Bei den angeführten Fällen nicht traumatischer Hysterie kann ich eine abnorme Blutdruckbeschaffenheit nicht wahrnehmen. Die Schwankungen liegen größtenteils in physiologischen Grenzen. Was die Anfälle anbelangt, so ist es schwer bei den krampfhaft geballten Fäusten der Patienten mit dem Tonometer unzweideutige Ergebnisse zu erhalten, selbst wenn man das Glück hat, im Augenblick des Anfalles zugegen zu sein. Soweit ich beobachten konnte, steigern die Anfälle, gleich- viel welcher Art sie sind, den Blutdruck. Die dabei stattfindende Bewegungsgröße des Körpers ist für den Ausfall der positiven Schwankung sehr maßgebend. Nach den Anfällen trat, besonders wenn sie zu Erschöpfung und Schlaf führten, eine relative Blut- druckerniedrigung hervor. | | | | 356 Max Neu: [146 Bei der einen Patientin Reger, wo sich der Blutdruck auch in der anfallsfreien Zeit nahe der oberen physiologischen Grenze hielt, war Verdacht auf Arteriosklerose vorhanden; damit sind wohl die bedeutenden Druckschwankungen während des Anfalles zu erklären. Im ganzen ist zu sagen: man findet bei Hysterischen weder eine pathologische Blutdruckerhöhung noch -er- niedrigung. Die psychische Erregbarkeit bei derartigen Patienten zeigt sich in der leichten Beeinflussung des Blutdrucks im Sinne einer Steigerung. Fragen, momentane Reize steigern den Blutdruck sofort und ergiebig. Die wenigen Fälle von Neurasthenie, die ich zu messen Gelegenheit hatte, sprechen ebenfalls nicht für eine pathologische Abänderung des normalen Druckes. Die Werte, die H. Strauss für Traumatisch-hysterische (zwischen 100—130 mm He) fand, sind nicht als pathologisch anzusehen, zumal er die Grenzen der physiologischen Schwankungen auf 90 und 100 mm Hg festsetzt. Übrigens fallen, nach der Angabe des Autors selber, die höheren Werte in die An- fangszeit der Beobachtung und des Krankenhausaufenthalts; Werte über 130 mm Hg fand er nur einmal. Wenn Schiüle (41) mehrmals mittelst des Tonometers bei Neur- asthenikern und Hysterischen hohe Werte fand (bis 140 und 150 mm Hg), so ist es nicht unmöglich, daß seine Kranken unter ab- normen Reizeinflüssen standen. Heim (26) nimmt als Ursache er- höhten Blutdrucks bei neuropathischen Kindern den psychischen Erregungszustand an, bestehend in der leichten Erregbarkeit der Gehirnrinde. Die ditferentielle Diagnose der verschiedenen Neurosen ist nach Heim auf Grund der Blutdruckbestimmung nicht möglich. Der Wert der Blutdruckbestimmung bei neuropathischen Individuen läge in der Wahrscheinlichkeit, mit der man durch den abnormen Druck auf die Natur des Leidens hingewiesen werde. H. Strauß aber glaubt, daß bei auf funktionelle Neurosen ver- dächtigen Personen, die wiederholt hohe Tonometerwerte zeigen, der anderweitig nahegelegte Verdacht auf eine Neurose dadurch gestützt werde, wenn andere durch dauernde Blutdruckerhöhung ausgezeichnete Erkrankungen wie Arteriosklerose etc. ausgeschlossen werden können. Außerdem habe man in der Tonometermessung ein Mittel gewonnen, wodurch man sich vor Täuschungen seitens traumatisch-hysterischer Kranker schützen könne. Je nach dem Ausfall der Blutdruck- schwankung nach einer Irritierung des als krankhaft bezeichneten 147] Experiment. u. klin. Blutdruckuntersuchungen mit Gärtner’s Tonometer. 357 Körperteiles bei derartigen Kranken erhalte man ein objektives Kriterium. Ich selbst habe nach letzterer Richtung bei Gesunden Ver- suche, deren Einzelanführung zu weit ginge, angestellt derart, daß ich bei verschiedenen Individuen an homologen Stellen des Körpers gleichartige Reize von gleicher Stärke einwirken ließ, z. B. einen gleichstarken galvanıschen oder faradischen Strom. Dabei ergab sich eine so ungesetzmäßige Reaktion des Blutdruckes Gesunder, daß ein derartiges Vorgehen bei Kranken mit funktioneller Neurose seine Bedenken haben mußte.. Da die genau dosierbaren elektrischen Reize schon ganz unregelmäßige Reaktionen auslösten, konnte von Druck- reizen z. B. nichts anderes erwartet werden. Meiner Meinung nach haben wir in der Tonometermessung kein objektives Kriterium für die Beurteilung funktio- neller Nervenstörung. Mehr als eine erhöhte Erregbarkeit eines an einer Neurose leidenden Individuums kann kaum aus der Blutdruck- messung erschlossen werden. Aus der Größe der Blutdruckschwankung bei absichtlich gesetzten Reizen auf die Natur und den Grad der Neurose zu schließen, hat Bedenken. Somit glaube ich, daß dieser Seite der Blutdruckmessung nur ein wissenschaftlich-theoretisches Interesse abzu- gewinnen ist. Zum Schlusse möchte ıch noch mit wenigen Worten das Ver- hältnis von Sphygmographie und Tonometrie berühren. Ich habe neben den tonometrischen Befunden nahezu 300 Kurven mit dem Jagquet'schen Sphygmochronographen im Verlaufe meiner Untersuchungen gewonnen und damit Gelegenheit genug gehabt, das Blutdruckverhalten, wie es nach den derzeit bekannten Gesichts- punkten aus dem sphygmographischen Bilde geschlossen werden darf, und wie es das Tonometer angiebt, zu vergleichen. Bei der außer- ordentlichen Variation der Pulsbilder unter physiologischen wie patho- logischen Verhältnissen ist ein zuverlässiger Schluß auf den Blutdruck kaum angängig. Daher dürfte der Versuch, die sphygmographische Methode für die Feststellung des Blutdruckes zu verwenden, als gewagt zu be- zeichnen sein; haben doch auch erfahrene Kliniker in dieser Hinsicht zur Vorsicht geraten. Immerhin kann die Anwendung der sphymographischen Methode neben der Tonometrie uns bessere Aufschlüsse über die Kreislaufs- verhältnisse geben als die betreffendeu Untersuchungsarten für sich; Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 24 358 Max Neu: 1148 keine von beiden, allein gebraucht, gestattet eine ent- scheidende Beurteilung des Cirkulationsapparates, wenn auch jede interessante und praktisch verwertbare Folgerungen zuläßt. Wenn die Blutdruckmessung ebenso wie z. B. die thermometri- schen Beobachtungen dauernd in die Reihe der klinischen Unter- suchungsmethoden aufgenommen werden sollte, ein Postulat, das v. Ziemssen seit einer Reihe von Jahren vertritt, so sind noch in- teressante Gesichtspunkte über Genese, Diagnose, Prognose und Therapie mancher Krankheiten zu erwarten. Warnen möchte ich schließlich davor, zuweit gehende Schlüsse aus den Ergebnissen der Blutdruckmessung allein ziehen zu wollen, weil der blutdruckmessenden Methode selber durch die einseitige Verwertung ihrer Resultate der größte Nachteil erwächst. Am Schlusse dieser Arbeit danke ich Herrn Geheimrat Erb für die Überlassung des klinischen Materials; Herrn Prof. Dr. Brauer für das Interesse und die thatkräftige Unterstützung, die er meinen Untersuchungen angedeihen ließ. Dr a a Em u ER) DD — 15. 16. Litteratur. Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie des Kreislaufs. Leipzig 1893. - Albert, Einige kymograph. Messungen am Menschen. Med. Jahrbücher 1833, p. 248 ft. Gärtner, Über einen neuen Blutdruckmesser. Wiener Med. Wochenschrift 1899. p. 1412 ft. v. Basch, Mein Sphygmomanometer und Gärtner’s Tonometer. 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Frey’'schen Apparat. . 223 13 b) durch das Tierexperiment . . . . 226 16 Gesamtkritik des Gärtner’schen Apparates . . 2 22..2..2...236 26 | Il. Die Schwankungen des Blutdrucks unter normalen Verhältnissen ; klinische Würdigung der Ergebnisse . . . DSH Allgemeines über den Blutdruck; die ihn ee mukloren 237 27 Untersuchungen über den Einflufs des Lagewechsels auf den Blutdruck 2.4.2: 238 28 Die physiologischen Seen ie Blutärnekerölse oma zehn die Rückenlage . . . RE N a EI ES Der Blutdruck an saratheilern landen Ba 250 40 Die Schwankungen des Blutdrucks unter dem Einfluls dar Re- spiration; des Valsalva’schen Versuches; unter dem Einflufs der Kaltwasserapplikation auf einen Unterarm; unter dem Ein- tlufs der Glieder- und Bauchmassage . . . 251 4l Einflüsse, den Blutdruck an sich schwanken Sahamel Bere Ei 275 65 Ill. Die Schwankungen des Blutdrucks unter pathologischen Verhält- nissen; klinische Würdigung der Ergebnisse . . . 275 68 Die Blutdruckschwankungen im Fieber: bei anal Ery ae Typhus, Pneumonie, Phthisis, Meningitis, allgemeine Sepsis, Hitzschlag . . . EL ee ee SR EN En, Die Een bei den div. Herzkrankheiten . . 311 101 5 ; se Arteriosklerose... *% ... .,220. Arssass1 24 " E „ den Nephritiden . . . . Ber lat R R „ Anomalien des Blutes (Chlakoze perniciöser Anämie, Leukämie 346 136 Die EI ACHSE hankangen bei Hysterie. . . 353 143 Schlufsbemerkung: Sphygmographische und ee Methode und ihre klinische Bedeutung . . . 2 2.2.2.2...857 147 Pte a a Se ee erdır 2, 800,,3149 # i PIECE j „art I vv Ar uhr ) mIuTTOH? NIBIHTALERJT ET 08 PL | alla Ta a f ne RITTIUTIENN | [Fr oa rrllesus ne ee FENG v1) ‚cat anf ur‘ = AD & in FI: 8 Bike Di ii ü e m u: hl Ir N " tdi: 493 Ir - AB aan tb; { B ne Ar Hs i i j yay | T MEI, ıf I MUNTES Ir N i gr Ba a 3 Flhrn ld j u ul ii lub yrdul Line 1, Ina ur7u BERN fr m In rum RN u PANNE N W url IR Be Ri | Ki f SELL ‚CH = Kr " { v u a Tu Pi Be. « “. D au . - > ni ee Bun onen il a > etuh bi « [ f m amt Jun BR 3“ " EEE Carl Winter’s Univerfitätsbuhhandlung in Heidelberg. Gef: hichte der neuern Dbilof: opbie von Kuno Kifcher. Jubiläumsausgabe in neun Bänden. I. Band: Descartes’ Keben, Werke und Kehre. 4. neu bearbeitete Auflage. ar. 8°. geheftet M. 11.—, fein Kalbfranzband MT. 13.—. II. Band: Spinozas Keben, Werte und Kehre. 4. neu bearbeitete Auflage. ar. 8°. geheftet M. 14.—, fein Kalbfranzband MT. 16.—. I. Band: Keibniz’ Leben, Werte und Kehre. 4. Auflage. gr. 8°. ge= heftet MT, 18.—, fein Ralbfranzband NT. 20.—. IV. Band: JSmmanuel Kant und feine Kehre. 1. Teil. Entftehung und Örundlegung der kritifchen Philojophie. 4. neu bearbeitete Auflage. ar. 8°. geheftet IT. 16.—, fein Ralbfranzband IT. 18.—. V. Band: Immanuel Kant und feine Kehre. 2. Teil. Das Dernunftinftem auf der Grundlage der Dernunftkritik. 4. neu bearbeitete Auflage. ar, 8°. geheftet NT. 16.—, fein Ralbfranzband IM. 18.—. VI Band: Sichtes Keben, Werte und Kehre. 3. durchgefehene Auflage. gr. 8°. geheftet MT. 18.—, fein KRalbfranzband NT. 20.—. VI. Band: Schellings Keben, Werte und Lehre. 2. durchgefehene und une Auflage. gr. 8°. _geheftet IT. 22.—, fein Kalbfranzband VII. Band: Hegels Keben, Werfe und Kehre. 2 Teile mit dem Bilde des Derfafjers in Keliogravüre, gr. 8°. geheftet MT. 30.—, fein Kalb- franzband M. 34.—. IX. Band: Schopenhauers Keben, Werte und Lehre. 2. neu bearbeitete und vermehrte Auflage. gr.. 8°. geheftet IM. 14.—, fein Kalbfranz- band M. 16.—. Band I-IX auf einmal bezogen geheftet MT. 150.—, in 10 feinen Aalbfranz- bänden MT. 170.—. In der „Deutfchen Revue". fchreibt Th. IDievdemann in feinen „Sechzehn Jahre in der Werkftatt Leopold von Rankes": „Ranke fuchte nach ander- meitiger und anders gearbeiteter Belehrung. In Beziehung auf die Gefhichte der neuern Philojophie zog er. allen anderen bei weitem das Merk von Kuno Sijcher vor, dem er Geiftesreihtum und hkongeniale Reproduktion der verfchiedenen Sniteme nachrühmte.” . „» » . Was funo Sifchers Schrifterr und Vorträge fo interefjant machte, das ift das wahrhaft dramatifche Leben, welches beide durchöringt, die innere Stifche und geiftige Elaftizität,: welche beide auszeichnet... . Das Werk gehört nicht nur in die Bibliothek des Sadymannes, fondern ift dazu berufen, als eines der beiten Bildungsmittel allen denen zu dienen, die den höchiten Aufgaben und idealen Interefjen der ganzen Menjchheit ihre Aufmerkfamkeit zu widmen im ftande find." (Gegenwart.) we». Sifchers Eigentümlichkeit befteht in einer fonft faft nirgends er- reichten Aunft, eine fremde Gedankenmelt von ihrem eigenen Mittelpunkt aus zu erleben und den Lefer in der denkbar durchfichtigften und eindringlichiten Sorm erleben zu lafjen...... Auno Sifcher fteht nie als überlegener, verbejfernder Schul: meifter hinter den dargeftellten Philofophen. Diefer Gejchichtsfchreiber läßt nicht feine Philofophen reden, fondern fie reven jelbit. Sie tragen ihre eigenen Gedanken vor, nur freier, natürlicher, in einer lebhafteren, ducchfichtigeren Sprache, als wir fie in ihren eigenen Werken finden, und weit feiter als in ihren eigenen TDerken haben fie den Sielpunkt ihrer Gedanken vor Augen. Aber diefe Gedanken find dennoch niemals verändert, niemals verfchönt und niemals verbildet. Sie find das in der Sorm gereinigte, im Gehalte völlig getreue Nachbild des Originaldenkers. Diefe Kunft der Daritellung ift ebenjo neu als notwendig. . . . Wahrlich, wer die Entwicklung des theoretifchen Geiftes von Descartes’ bis zu Kants großen Nach- folgern zum Objekt zu machen imftande war, der hat ein fchöpferijches Merk vollbradt... ." (Preußifche Jahrbücher.) EEE De Inhalt. Schröder, Bruno, NEAR über Gallertbildungen der Algen. Mit Tatel VI I VEN N er a Wilser, Ludwig, Vorgeschichtliche Chirurgie - . . . LEE 277 ae Neu, Max, Experimentelle und klinische Blutdruckuntersuchungen mit =‘ Gärtners Tonometer. Mit Tafel VII—XIV .. 2... 2.2... Die Gesamtsitzungen des Naturhistorisch-Medizinischen Vereins finden, . mit Ausnahme der Ferienmonate, regelmäßig am ersten Freitag jedes Monats _ statt und werden den Mitgliedern jeweils besonders angezeigt. Von den in den Verhandlungen abgedruckten Arbeiten werden den ve fassern 100 Sonderabzüge unentgeltlich geliefert. Manuskripfsendungen bittet man an den Schriftführer Prof. A. Schuberg, Zo ologisches rs zu richten. j 2 | AR a VERHANDLUNGEN NATURHISTORISCH-NEDIZIMISCHEN VEREINS 2 = HEIDELBERG. ae A u | —p— NEUE FOLGE. SIEBENTER BAND. DRITTES UND VIERTES HEFT. (AUSGEGEBEN ENDE FEBRUAR 1904.) ' > Bi; e: = N < er: u Bet. \ HEIDELBERG. aRLı WINTER’ S UNIVERSITÄTSBUCHHANDLUNG. \ PR 7 ne DE! 4 “ LRAAALLLLAÄAÄNANALRAANNAAR In Earl Winter’s Univerfjitätsbuhhandlung zu Heidelberg it foeben erjchienen von: Mar Eyrb: Im Strom unferer Zeit. Aus Briefen eines ngenieurs. 1. Band: Kehrjahre. Mit 32 fchwarzen und 4 farbigen Bildern nach Heich- nungen von Mar Eyth. 8°. aeheftet 5 MIF., fein Keinwandband 6 ME. 2. Band: Wanderjahre. Mit 52 fhwarzen umd 4 farbigen Bildern nad Zeich- nungen von Mar Eyth. 8°. geheftet5 MEF., fein Keinwandband 6 ME.- 3. Band: Meifterjahre. Erjcheint vorausjichtlich Ende 1904. Der erjte und zweite Band ijt in gefürzter und ergänzter form die dritte Uuflage des früher-jechs: bändigen Wanderbucs eines Ingenieurs. Der dritte Band wird voransfichtlih im Dezember 190% erjcheinen. Mir freuen uns, dat der Derfajjer fich entichloffen bat, uns für das Werf eine Auswahl jeiner reizenden Sfizzen zur Deröffentlichung und beiten Derbildlichung des Tertes zur- Derfügung zu ftellen. Seine zahlreichen. Sreunde werden hierdurch in ihm einen ebenfo originellen und begabten = 6: Künftler wie "Schriftiteller fennen lernen. Nachitchend einige Urteile über das Werk: „Die deutjche £iteratur it nicht reich an Büchern, die fo frijch geichrieben find. Wer eine Reife tut, der fann etwas erjählen, wer aber in der Welt joviel herumgefonmen iit wie Eytb, wer über eine fo reiche Bildung verfügt wie er, wer ein fo gutes Auge bat, aber aud) joviel Wig und Schalfheit, fo: viel fatirifchen Humor neben inniger Gemütstiefe wie Eyth, der fann Dieles und Gutes erzählen, der fantı anregen und belehren, unterhalten und jelbit binreigen.” „In joldher Weije betrieben it doch die Technif'ein berrfiches weites Feld für eriprießliche Tätig» feit eines ganzen Mannes, und man möchte wieder juirg werden, um von vorne in ähnlicher Weije vorzugehen.” ». » „Seradezu erftaunlich ift, daß fich Eyth bei feiner Geijt und Körper gleich aufregenden Tätigfeit dennoch eine joldye geijtige Srifche erhalten bat, wie fie fich in feinen Briefen widerjpiegelt. Jn der gefälligiten Sorm, in anziehenden und fFlarem Stile bebandeln diefe Briefe, ohne daß fich der Derfafjer, wie jo nahe gelegen wäre, zu jehr in den Vordergrund jtellt, die mannigfaltigiten Gegen: jtände. Sie enthalten treffende Sfijzen der gejellichaftlihen Zuftände der bereijten Fänder, welche den fcharfen und vorurteilsfreien Beobachter verraten, wie reizende Naturjchilderungen (3. B. die Beiteigung des Attafa am Roten Meere), und überfprudeln von jenem gejunden Humor, der nur dent gemütreichen Menjchen eigen ijt, In Ietterer Richtung verweifen wir unter anderem auf die Schilderung der See: franfheit, die in ihrer Art geradezu Plaffiich zu nennenijt. — Wicht genug damit, fann uns diejes Buch mit gerechtem Stolze erfüllen, wenn wir darauserjeben, daß einer der Unjern, ein Deutjcher Ingenieur, den Amerikanern und Orientalen volle Unerfennung abgerungen hat. Wir können fomit mit voller Beruhigung unfer Urteil über die mehrgedachte Schrift dahin zujanımenfaffen, dag wir felbe als, ein Bud; bezeichnen, welches wir auf das wärnyte nicht bloß dem Sachmanne, fondern auch dem großen Publifun der gebildeten £aienmelt enıpfehlen müffen.” : (Dr. D.) En TE Bi Zah Ha bi Fe a er en Der Rampf um die Cheopspyramide. e Fine Befchichte und Gefbichten aus dem Leben eines ngenieurs. 2 Bände, ehefter $ MIE. In Leinwand mit fünffarbiger Dedenzeihnung geb. 8 MIE. ur eine der zahlreich eingegangenen anerfennenden Kritifen jei hier verzeichnet: we... Ertbs Roman it der fefjelmdfte, tiefgründigfte und Dabei liebenswär: dig ite, den das Jahr hervorgebrad,t hat. Die weiche, warme Luft des Pharaonenlandes, die frommie und doch jo bunte Poefie des Nilfluffes, der frobe Humor des deutjchen Kordens dereinigen fich anmutig ‘ in ihm und durchwehen ibn; fie geben einen lieblichen Hintergrund ab für die Enthüllung des grandiofen Prramidenrätjels, Das Bub wird, wenn nicht alles täufcbt, einen Siegeszug dur Deutfch Iand antreten.” ' (Begenwart,) in HRS he Denn u ad a si Betnl ie a ame bi Al 5 0 Ball, de a hl rn en \,) RARRANANKRANAANNARARNNANN MAR 18 1904 Vorläufige Ubersieht über die Rolle der zur Ent- wickelung der Seeigellarven notwendigen anorganischen Stoffe ') von Curt Herbst. Der Zustand eines sich entwickelnden Organismus ist in jedem Momente der Entwickelung die Resultante aus allen Bedingungen, welche innerhalb und außerhalb des Organismus in dem betreffenden Momente vorhanden sind. Würden wir alle inneren und äußeren Bedingungen kennen, so würden wir auch den Zustand des Embryos in diesem Momente vollständig verstehen, wir würden das ihm ent- sprechende Entwickelungsstadium für erklärt halten. Um zu einem Verständnis der tierischen Ontogenese zu gelangen, müssen wir also die inneren und äußeren Bedingungen festzustellen versuchen, die unbedingt erfüllt sein müssen, wenn dieser oder jener Zustand, dieses oder jenes Entwickelungsstadium erreicht werden soll. Es ist sonderbar, daß diese, ich möchte fast sagen, triviale Über- legung erst so spät zu Versuchen Veranlassung gegeben hat, welche sich das Aufsuchen der notwendigen Entwickelungsbedingungen zur Aufgabe gemacht haben; und am auffallendsten ist hier wiederum, daß man nicht daran gegangen ist, zunächst die äußeren notwendigen Bedingungen festzustellen, die doch viel leichter voneinander isolierbar sind als die inneren. 1) Der größte Teil dieser Abhandlung wurde zu einem Vortrage benutzt, der am 4. Juli 1902 im naturhistorisch-medizinischen Verein zu Heidelberg ge- halten wurde. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 25 368 Curt Herbst: [2 Zwar wußte man, daß ein bestimmter Wärmegrad, eine gewisse Sauerstoffmenge und ein bestimmter Wassergehalt für die Entwicke- lung unentbehrlich sind, aber abgesehen von einigen aphoristischen Angaben waren keine Untersuchungen vorhanden, welche die Fest- stellung der zur Entwickelung notwendigen anorganischen Aschebestand- teile sich zum Ziele gesteckt hatten. Von diesen früheren apho- ristischen Angaben verdienen nur einige wenige Versuche von J. Loeb aus dem Jahre 1892!) angeführt zu werden, durch die es sich heraus- stellte, daß zur Reparation neuer Köpfchen von Tubularıa mesem- bryanthemum Kalium und Magnesium erforderlich sind. Seit dem Jahre 1896 habe ich mich nun in eingehender Weise mit der Erforschung der notwendigen anorganischen Aschebestandteile beschäftigt und bin dabei zunächst zu dem Schlusse gekommen, daß Schwefel, Chlor, Natrium, Kalium, Magnesium, Calcium, ein Karbonat und ein bestimmter nicht zu hoher und nicht zu tiefer Grad von Alkalinität zur normalen Entwickelung der Seeigeleier bis zum Pluteus- stadium unentbehrlich sind®). In einer zweiten Arbeit?) stellte ich sodann fest, daß der Schwefel in Form von Sulfaten geboten werden muß, und daß letztere weder von Selenaten noch von Telluraten, dagegen in ziemlich hohem Maße von Thiosulfaten vertreten werden können. Ich kann jetzt noch hinzufügen, daß im Gegensatz zu den Thiosulfaten dithionsaure Salze (z. B. Na,S,0,) nicht verwendbar sind. Ein gleiches habe ich für äthylschwefelsaure Salze (C,H,NaSO,) nachgewiesen. Aus dieser Nicht-Verwertbarkeit der Sulfate durch Äthylsulfate zog ich den Schluß, daß SO, gerade als Ion den Larven geboten werden müsse, da die Lösungen von äthylschwefelsauren Salzen bekanntlich keine SO,-Ionen enthalten®). Cl konnte, wenn I!) Untersuchungen zur physiologischen Morphologie der Tiere. II. Würz- burg 1892 p. 65. 2) Arch. Entw.-Mech. Bd. 5. 1897 p. 650 und Nachtrag dazu ibidem Bd. 7 1898 p. 486. 3) Ibidem Bd. 11, 1901 p. 617. 4) Nur für diesen Fall ist also die Notwendigkeit des freien Ions direkt nachgewiesen, was besonders hervorgehoben sein mag. Ich habe zwar bisweilen auch in anderen Fällen von Ionen, z. B. von der Vertretbarkeit des Cl-Ions durch das Br-Ion gesprochen, doch wurde diese Sprechweise nur als ein einfacherer Ausdruck für den Ersatz der Chloride des Seewassers durch Bromide gewählt, wodurch ja natürlich an Stelle von Cl- Br-Ionen in die Lösung kamen. Keines- wegs habe ich aber durch diese Ausdrucksweise in der Ionensprache zugleich sagen wollen, daß auch in diesen Fällen nur die Ionen, nicht aber auch die elektrolytisch nicht dissociierten Molekule auf die Seeigelkeime wirken können. Zur Entscheidung dieser Alternative sind besondere Untersuchungen nötig, die 3] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. 369 auch in dürftiger Weise, von Br vertreten werden, während mir ein Ersatz von Cl durch J nicht gelang. K war in ziemlich hohem Maße durch Rb und Cs vertretbar, wobei sich als interessante Einzelheit herausstellte, daß bei schwachen äquimolekularen Dosen Rb günstiger als K und Üs günstiger als alle beide wirkt, während beı stärkeren Dosen Kalium besser wirkt. Ca konnte dagegen nicht durch Sr und Ba ersetzt werden, auch wenn ich zu den Versuchen an Stelle von SO,“S,0,‘ benutzte, so. daß eine genügende Menge Sr- und Ba-Ionen in den künstlichen Lösungen vorhanden waren. Im folgenden soll es nunmehr meine Aufgabe sein, einen kurzen Bericht über die Rollen zu geben, welche die verschiedenen anorgani- schen Bestandteile bei der Entwickelung der Echinodermen zu spielen haben. Wenn wir beurteilen wollen, welche Rolle oder auch welche Rollen einem Stoffe zufallen, so brauchen wir nur die Ausfallserscheinungen genau zu analysieren, welche beim Fehlen dieses Stoffes sich ein- stellen. Zum Inerscheinungstreten aller dieser ausgefallenen Prozesse ist dann der fehlende Stoff notwendig. Dieses ist klar. Aber unklar ist, ob er dabei direkt oder indirekt beteiligt ist, da die Mög- lichkeit vorhanden ist, daß er nur auf einen Vorgang oder auf ganz wenige dirckt wirkt, und daß alle anderen Prozesse, welche ebenfalls durch das Fehlen des Stoffes alteriert werden, von diesem einen oder diesen wenigen direkt beeinflussten Vorgängen abhängen, also nur indirekt durch das Fehlen des Stoffes berührt werden. Es ist z. Z. schwer, in jedem Falle sicher zu entscheiden, ob eine direkte oder indirekte Wirkung vorliegt. Trotzdem ist aber die Mühe nicht vergeblich, alle Ausfallserscheinungen, welche das Fehlen eines Stoffes ım Gefolge hat, genau festzustellen, denn unter den- selben muß sich doch auch der eventuell allein direkt abhängige Vorgang befinden, bei dessen späterem Auffinden wir dann zugleich einen Einblick in die inneren Bedingungen der Organbildung erlangen können. | Ich werde bei der Besprechung der Rollen der einzelnen an- bis auf den Fall von SO, bis jetzt weder von mir noch von einem anderen unter- nommen worden sind. Diese Untersuchungen sind auch dann nicht überflüssig, wenn den Larven infolge der hochgradigen Verdünnung, wie sie im Meerwasser z. T. realisiert ist, nur Ionen zur Verfügung stehen. Auch dann ist noch zu zeigen, daß sie nur letztere und keine nicht dissociierten Verbindungen, die den- selben notwendigen Stoff enthalten, gebrauchen können. 25* 370 Curt Herbst: [4 organischen Stofle unter letzteren zwei Kategorien unterscheiden, von denen die erste dadurch charakterisiert ist, dass die zu ihr gehörigen Stoffe vom Beginn der Entwickelung an im umgebenden Medium vor- handen sein müssen, während die Stoffe der zweiten Kategorien den Larven erst auf späteren Stadien zur Verfügung zu stehen brauchen. Zu den Stofien der ersten Kategorie gehören: Cl, OH, Na, K und Ca, während wir zu der zweiten SO,, CO, und Mg zu stellen haben. I. Stoffe, deren Anwesenheit im umgebenden Medium schon vom Beginn der Entwickelung an notwendig ist. 1. Die Rolle des Chlors. Da die Furchung der Seeigeleier in Ul-freiem Seewasser, das mit HCOONa an Stelle von NaÜl hergestellt worden ist und die anderen notwendigen, sonst als Chloride zugesetzten Metalle in Form von Sulfaten enthält, nur beginnt, aber längst nicht bis zu Ende ver- läuft, während in der Kontrollkultur mit der gleichen Menge HCOONa aber mit Chloriden an Stelle der Sulfate, welche in der zur Her- stellung der Ul-freien Mischung verwandten Quantität noch nicht schädlich wirken, Blastulä entstehen können, da ferner auch auf allen späteren Entwickelungsstadien das Wasser mit Ül sich über jenes ohne Cl stets in Bezug auf Erhaltung der Entwickelungs- und Lebensfähigkeit als überlegen erweist, so müssen wir dem Chlor eine allgemeine Rolle bei der Ontogenese zuschreiben, welche nicht nur auf einem einzigen Stadium der Entwickelung auszufüllen ist, sondern sich auf allen wiederholt. Hiermit soll keineswegs gesagt sein, daß sich das Chlor auch an allen Bildungsprozessen direkt beteilige. Es ist vielmehr denk- bar, daß es nur an einem fundamentalen Vorgang, der im Laufe der Entwickelung immer wiederkehrt und andere Prozesse nur in- direkt beeinflusst, direkten Anteil hat. Ja es ist sogar trotz der allgemeinen Rolle, die wir dem Chlor zuschreiben müssen, die Mög- lichkeit nicht ausgeschlossen, daß es für spezielle Vorgänge direkt schädlich sein könnte, wenn es nicht auf irgend eine Weise von der direkten Einmischung in dieselben abgehalten würde. Wir werden über diese Möglichkeiten erst dann Aufschluß er- halten können, wenn wir erfahren haben, wie das Chlor seine Rolle in der Ontogenese der Seeigel spielt. Jetzt können wir nur sagen, 5] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. Sc wobei es eine Rolle spielt, und dieses ist sehr leicht gethan, weil eben ohne Cl die ganze Entwickelung ausfällt und daraus sich eine allgemeine Rolle für diesen Stoff ergiebt. 2. Die Rolle des Hydroxyls. Im Jahre 1898 machte ich die Mitteilung!), daß zur normalen Entwickelung der Seeigellarven auch ein bestimmter, nicht zu hoher und nicht zu tiefer Grad von Alkalinität notwendig sei, und kurz darauf veröffentlichte J. Loeb?) seine interessante Entdeckung, daß man die Entwickelung von Arbacıa pustulosa durch Zusatz einer geringen Quantität NaOH zum Meerwasser beschleunigen könne. Beide Befunde ergänzen sich auf das Willkommenste. Bei der Aufsuchung der Rolle, welche das Hydroxyl bei der Entwickelung unserer Versuchsobjekte spielt, wollen wir uns an Sphaerechinus granularis halten, weil das Optimum der OH- Konzentration für die Keime dieses Seeigels höher liest als für die- jenigen von Echinus microtubereulatus. Die Eier von Sphaerechinus verhalten sich OH-freiem oder, richtiger gesagt, OH-armem ?) Seewasser gegenüber individuell sehr verschieden. Während nämlich ein Teil der Eier schon auf ganz frühen Furchungsstadien, nachdem eine oder zwei, ja bisweilen sogar keine Teilung stattgefunden hatten, die Entwickelung einstellte, furchten sich andere weiter, und erreichten dritte sogar das Blastula- stadium, welches sich freilich durch die geringere Grösse und das trübe Aussehen der Blastodermzellen von der Norm unterschied. Wollen wir nach diesem Resultat die Rolle des Hydroxyls beur- teilen, so müssen wir uns an diejenigen Eier halten, bei denen die Notwendigkeit von OH am frühesten hervortritt. Von diesem frühesten Stadium an spielt dann die Alkalinıtät des umgebenden Mediums eine Rolle, deren späteres Deutlicherwerden bei anderen Eiern somit an speziellen Mitteln und Wegen liest, welche diesen Eiern den OH- Mangel im umgebenden Medium einige Zeit länger erträglich machen als anderen. OH ist also ebenso wie Cl ein allgemeines Mittel der Onto- 1) Arch. Entw.-Mech. Bd. 7, 1898 p. 500 und 501. 2) Ibidem p. 631. 3) Das verwendete künstliche Seewasser, welches frei von Phosphaten und Karbonaten war, reagierte auf Lakmuspapier neutral, auf alizarinsulfosaures Na- trium dagegen schwach alkalisch. 372 Curt Herbst: [6 genese, da es weder zu Anfang der Entwickelung noch später ent- behrt werden kann. Da nun aber OH ın sehr geringen Mengen notwendig ist, und somit ganz minimale Schwankungen in seiner Konzentration augen- fällige Unterschiede hervorrufen, so kann man durch tropfenweisen Zusatz einer verdünnten NaAOH-Lösung — ich benutzte ; oder on) == herausfinden, zu welchen Prozessen das Hydroxyl besonders und zu welchen es weniger notwendig ist. Ich hebe aus den Resultaten dieser meiner Untersuchungen folgende Punkte hervor. Daß OH zunächst eine wichtige Rolle bei der Befruchtung zu spielen hat, lernte ich bereits vor Jahren bei meinen Versuchen mit kalkfreiem Seewasser ohne Karbonate kennen. Als ich nämlich die Eier in demselben, das übrigens infolge von MgHPO, - Zusatz etwas alkalisch reagierte, befruchten wollte, ging die Befruchtung nicht von statten. Den Grund dafür fand ich im Herbste 1901 in der zu geringen Alkalinität des verwen !eten künstlichen Ca-freien Wassers, denn war dasselbe durch tropfenweisen Zusatz von ver- dünnter NaOH-Lösung etwas alkalischer gemacht worden, so ging die Befruchtung in dem Üa-freien Wasser glatt vor sich. Interessant hierbei ist, daß der untere Schwellenwert für die Eier bei einer höheren Konzentration liegt als für die Spermatozoen, und daß das Maximum der.OH-Konzentration für letztere eher erreicht ist als für erstere. Der Vollzug der Befruchtung ist infolgedessen nur innerhalb einer ganz kleinen Konzentrationszone möglich. Später nach der Befruchtung kann dann die OH-Konzentration wieder etwas sinken, was daraus zu ersehen ist, daß sich Eier in demselben Wasser, dessen Alkalinität zur Befruchtung nicht genügte, bis zu Ende furchen und sogar wimpernden Blastulazellen den Ur- sprung geben können. An zweiter Stelle sei darauf hingewiesen, daß die Alkalinität des umgebenden Mediums von bedeutendem Einfluß auf die regelmäßige Ausgestaltung der Larvenform ist, wie an den knitterigen und faltigen Larven zu erkennen ist, welche in Wasser von ungenügendem Alkalinitätsgrad sowohl in Sphaerechinus- wie Echinus-Kulturen entstehen. Wir haben ı) D. h. 0,5°/o- oder 0,4°/oige Lösung. 7] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. 373 hierbei zwei Arten von Falten zu unterscheiden, die verschiedenen Ursachen ihre Entstehung verdanken. Die einen entstehen vor dem Blastulastadium im Momente, wo sich die Furchungszellen zur Bil- dung des Blastulaepithels eng gegen einander abplatten, und sind auf eine, nicht normal kugelschaalenförmige, sondern unregelmäßige Anordnung der Furchungszellen in diesem Momente zurückzuführen. Diese Art von Falten findet sich vorzugsweise in ungenügend alkali- schen Zuchten von Sphaerechinus vor, während die zweite Art besonders deutlich in solchen Kulturen von Echinus hervortritt, in denen die Alkalinıtät des umgebenden Mediums die Entwickelung über dıe Blastula hinaus gestattet. Diese faltıgen Larven der zweiten Kategorie gehen aus ursprünglich glatten hervor und verdanken dem Umstande ihre Entstehung, daß ihr Ektoderm zwar durch Zellver- mehrung an Fläche zugenommen hat, daß aber der osmotische Druck im Blastocöl zum Straffspannen der Wandung nicht hinreicht. Bei Erhöhung der Alkalinität des Wassers kommen die Falten in Wegfall. Es ist möglich, daß wir diesen letzteren Teil der Rolle des Hydroxyls, nämlich die Straffspannung des Ektoderms nach Über- schreiten des Blastulastadiums, vielleicht später vom Hydroxyl auf die Karbonate werden übertragen müssen, wie aus folgenden Überleg- ungen hervorgeht: Verwenden wir zur Herstellung unserer künstlichen Seewassergemische Karbonate, so gelangen auch immer ÖOH-Ionen gleichzeitig in die Lösungen hinein. Wir wissen also nicht, was wir — abgesehen von der Skelettbildung, bei der man nicht im Zweifel sein kann — von den Bildungsprozessen, die durch den Karbonat- zusatz ermöglicht werden, auf Rechnung des einen oder anderen Faktors zu setzen haben. Setzen wir umgekehrt zu einer karbonat- freien Mischung NaOH, so wird nach einiger Zeit durch Aufnahme von CO, aus der Luft und durch Zurückhalten von den Keimen aus- seatmeter Kohlensäure auch Karbonat den Larven zur Verfügung stehen. Ich werde mich bei meinen weiteren Versuchen bemühen, durch geeignete Versuchsanordnung die Rollen von OH und CO, mehr zu trennen, als dies bis jetzt möglich ist. Wir gehen von diesem notwendigen Intermezzo weiter zu dem Einfluß, welchen die Alkalınität auf die Größenzunahme der Larven ausübt. Durch tropfenweisen Zusatz einer verdünnten NaOH-Lösung zu OH-armem Wasser können nämlich die Dimensionen der Larven bedeutend gesteigert werden, wie aus folgenden Zahlen hervorgeht. 374 Curt Herbst: [S Dieselben geben das Verhältnis von Längs- zu Quermesser von Sphaer- echinus-Blastulis in Teilstrichen des Okularmillimeters bei Zeiss’- schem Okular Il und Objekt © wieder. In der OH-armem Kultur ohne NaÖH-Zusatz betrug das erwähnte Verhältnis bei Zusatz von einem Tropfen en n NaOH zu 20ccm der ersten Zucht stieg dasselbe 10 16, 23. . 50 — im Durchschnitt. Handelte es sich bis jetzt um morphologische Prozesse, welche von der Alkalinität des umgebenden Mediums beeinflußt wurden, so soll im folgenden ein physiologischer Prozess zur Sprache kommen, bei dem OH eine Rolle spielt. Es ist dieses es auf und bei Zusatz von drei Tropfen auf die Wimperbewegung der Larven. Daß schon erloschene Flimmerung durch den Reiz von Alkalien wieder angeregt werden kann, ist eine altbekannte Thatsache. Aus ihr geht aber nicht ohne weiteres hervor, daß eine geringfügige OH-Konzen- tration auch eine notwendige Bedingung der Wimperbewegung bildet, wie sich dieses bei meinen Untersuchungen herausgestellt hat. Frei- lich kann man den Beweis dafür nur dann liefern, wenn man Sphaerechinus-Eier zu den Versuchen verwendet, da das Opti- mum der OH-Wirkung für dieselben bei einer etwas höheren Konzen- tration liegt als für Echinus-Keime. Außerdem darf die benutzte OH-arme Lösung nicht zu lange in Glasflaschen stehen geblieben sein. Sind diese Versuchsbedingungen erfüllt, dann läßt sich aber die Not- wendigkeit eines geringfügigen Alkalinitätsgrades für das Zustande- kommen der Wimperbewegung der Sphaerechinus-Blastulä nach- weisen. Nachdem wir im vorstehenden erfahren haben, wobei OH eine in die Augen fallende Rolle spielt, wollen wir noch kurz erörtern, wie es diese Rollen vielleicht ausübt. Man kann zunächst daran denken, daß dem Hydroxyl die Auf- gabe zufallen könnte, eine im Stoffwechsel produzierte stärkere Säure zu neutralisieren. Um dieses zu entscheiden habe ich verschiedene Indikatoren in Seewasser gelöst in der Hoffnung, daß dieselben von den Larven aufgenommen würden und so zum Nachweis einer lokal oder allgemein im Körper vorhandenen Säure dienen könnten. Ich gelangte aber nur mit Uyaniın zu einem Resultat, da die anderen Indikatoren von den Keimen entweder überhaupt nicht oder nur A wo o 1) Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe o° oO nach ihrem Absterben aufgenommen wurden. Das Ergebnis der Cyaninversuche war, daß die Larven auch in Oll-armem Seewasser bis zu ihrem Ende den Farbstoff mit blauer Farbe aufnahmen und speicherten, was mindestens eine neutrale Reaktion anzeigt, da der Farbstoff ım Wasser ebenfalls mit blauer Farbe gelöst war. Da nun auch die Versuchsmischung am Ende des Versuches mindestens ebenso alkalisch wie zu Anfang reagierte, so konnten die Larven während ihrer Entwickelung keine stärkere Säure produziert haben, die wegen OH-Mangel im umgebenden Medium freigeblieben wäre. Wir müssen uns also nach einer anderen Erklärung des „Wie“ der Rolle von OH umsehen, und ich glaube, wir dürften nicht fehl- gehen, wenn wir mit .J. Loeb auf die altbekannte 'Thatsache hin- weisen, daß Oxydationsprozesse durch Alkalızusatz bedeutend be- fördert werden können. ZLoeb knüpfte hieran an, um die Beschleuni- gung der Entwickelung von Arbacıa durch einen geringfügigen NaÖOH-Zusatz zum Meerwasser plausibel zu machen. Er dürfte hier- mit das Richtige getroffen und uns zugleich das Mittel in die Hand gegeben haben, das „Wie“ der Rolle des Hydroxyls bei der Echino- dermenentwickelung ganz oder wenigstens teilweise mit Hilfe derselben Thatsache zu erklären. Reicht die Erklärung nur teilweise aus, so kann der Rest noch auf andere Weise dem Verständnis näher gebracht werden, nämlich z. B. unter Hinweis auf die Thatsache, daß manche Enzymwirkungen durch Alkali befördert werden!), Daß aber bei der Organbildung mannichfache Fermentwirkungen vorkommen dürften, scheint mir trotz des Mangels einschlägiger Untersuchungen ziemlich wahrschein- lich zu sein. 3. Die Rolle des Natriums. Auch Natrium ist ein allgemeines Mittel der Ontogenese, d. h. es ist zu einem oder auch zu mehreren fundamentalen Vorgängen notwendig, die sich im Laufe der Ontogenese immer wiederholen, Zur Kenntnis eines dieser Vorgänge werden wir vielleicht durch folgende Auseinandersetzungen mit .J. Loeb geführt werden. Loeb hat nämlich in einer Reihen von Arbeiten?), die in den letzten Jahren erschienen sind, das Natrium für einen „giftigen“ !) Vgl. bredig, Anorganische Fermente p. 58 ff. ?) American Journ. of Physiol. Bd. III. 1900, p. 327 ff.; ibidem p. 335; ibidem Bd. 6, 1902, p. 411, auch Pflüger’s Archiv Bd. 88, 1901, p. 68. 376 Curt Herbst: [10 Stoff erklärt und dem Kalıum und besonders dem Calcium nur die Aufgabe zudiktiert, die giftigen Wirkungen des Natriums aufzuheben. Fehlt letzteres, so ist auch kein Caleıum und kein Kalium notwendig. Er gründet diese seine Ansicht auf den entschieden interessanten Befund, daß sich die Eier von Fundulus entwickeln und leben bleiben a) in destilliertem Wasser, b) in Seewasser, ce) ın hr — 50 NaCl. In einer reinen NaCl-Lösung sterben dagegen die meisten Eier auf frühen Stadien ab, und bildet nur ein kleiner Teil Embryonen, die Dre SE gn NaCl + 2 ccm 5 KÜl wird nur Ä Lo eine kleine Anzahl Embryonen gebildet, welche nicht länger als eine nicht ausschlüpfen, In 95 ccm ® .. . = ) I \ 5 Woche am Leben bleiben, während in 96 cem on NaCl 4 2 ccm gn KCl + 2 ccm a Call, sich alle Eier entwickeln, die jungen Fisch- chen ausschlüpfen und unbegrenzt lange am Leben bleiben. Nach diesen Resultaten erscheint zunächst der Zoeb’sche Stand- punkt als vollkommen berechtigt. Er ist es aber in der Allgemein- heit ausgesprochen, wie dieses oben geschah, doch nicht. Man kann nämlich aus der allgemeinen Fassung, die Loeb selbst seinen Resultaten z. T. giebt, herauslesen, er verträte die Ansicht, daß die sogenannten unentbehrlichen Aschebestandteile überhaupt nicht notwendig seien, wenn keiner von ihnen vorhanden ist, daß sie aber sofort notwendig werden, wenn einer, speziell Natrium, zugegen ist. Dann müssen nämlich die anderen — bei Fundulus sind es Kalium und besonders Calcium — hinzutreten, um die giftige Wirkung des einen, des Natriums, aufzuheben. Dieses wäre wirklich eine revolutionäre Ansicht, deren Richtigkeit von größter Tragweite für die Biologie wäre. Leider ist sie aber absolut unhaltbar, und ich glaube, daß Loeb selbst dieses im Grunde ohne weiteres zugeben wird, obwohl man aus seinen Schriften, wie gesagt, sehr wohl eine solche Ansicht herauslesen könnte. In der allgemeinen Fassung könnte man nämlich die Zoeb’sche Ansicht nur dann vertreten, wenn man sämtliches Natrium aus den Knochenfischkeimen herausbringen und zeigen könnte, daß dann auch Kalium und Caleium fehlen können. Dieses dürfte aber schwer gelingen, denn man weiß, daß Kalium und Calcium bestimmte Rollen zu ver- | 11] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. 307 richten haben, und ebenso dürfte das Natrium nicht entbehrt werden können, wobei ich nur an die bekannte Thatsache erinnern will, daß das Chlornatrium das Ausfallen der Globuline aus dem Blute ver- hindert. Meine eigenen Erfahrungen an Seeigelkeimen halten mich natürlich erst recht ab, von der „Giftigkeit“ des Natriums zu sprechen, da ich doch dessen Unentbehrlichkeit glaube nachgewiesen zu haben. Wenn aber ein Stoff in irgend einer Weise unentbehrlich ist, darf man nicht allgemein von seiner Giftigkeit sprechen. Er kann dann höchstens in einem speziellen Falle schädlich wirken, wenn ihm in diesem Falle nicht andere Stoffe als Antagonisten ent- gegen arbeiten. Ich glaube, daß uns folgende Erörterungen zum Erkennen dieses speziellen Falles führen werden. ZLoeb hat — wie wir oben sahen — gezeigt, daß man die Eier von Fundulus aus Meerwasser sowohl in destilliertes Wasser wie in Seewasser + 5°%o NaCl bringen kann, und daß sie sich in allen drei Medien entwickelen. Ebenso kann man ausgebildete Exemplare von Fundulus nach Loeb’s Angabe und ın gleicher Weise Stichlinge, wie neuerdings wieder Giard!) experimentell sicher gestellt hat, aus Seewasser in Süsswasser und umgekehrt ganz plötzlich versetzen, ohne daß die Tiere in dem einen Falle auffallend quellen oder im anderen schrumpfen. Daraus geht hervor, daß die Membran oder die Membranen, welche bei den Keimen und den aus- gebildeten Fischen den Verkehr zwischen dem inneren und dem äußeren Medium vermitteln, weder für die Salze des Meerwassers noch für das Wasser selbst permeabel sind. Wollte man erwidern, daß bei den betreffenden Fischen der Salzaustausch eben so rasch erfolge, daß gar keine namhafte Volumenveränderung der Fische zu stande kommen könne, wenn man sie aus See- in Süßwasser überträgt, so ist darauf zu erwidern, daß sich der osmotische Druck des Blutes der Teleostier nach den Untersuchungen von Bottazzi?) und Frederieq?) nicht nach demjenigen des umgebenden Mediums richtet, sondern daß er bei den Knochenfischen des Meeres geringer, bei denen des Süß- wassers dagegen höher als der des umgebenden Mediums ist. Frederieq*) hat deshalb die Kiemenepithelien dieser Fische mit dünnen Kautschuk- 1) Compt. rendus d. seances de la soe. d. biologie. 1900 p. 1. 2) Arch. ital. d. biol. Bd. 28, 1897, und Archiv f. Anat. u. Phys. Phys. Abt. 1901, Suppl.-Bd. p. 109. 3) Bull. Ac. Roy. Belg. Cl. d. sc. 1901, p. 443. 4) Bull. Ac. Roy. Belg. Cl. d. sc. 1901, p. 69. 378 Curt Herbst: [12 membranen verglichen, welche wohl für Gase aber nicht für Wasser und darin gelöste diffussible Stoffe!) durchlässig sind. Wenn also Loeb die Eier seines Versuchsobjektes in eine reine NaCl-Lösung bringt, so wird das Kochsalz gar nicht eindringen. Da es nun aber doch wirkt, so muß es auf die Oberfläche wirken. An ganz jungen Aalen, welche eben aus dem Meere in den Fluß (Sarno bei Neapel) aufgestiegen waren, habe ich nun bemerkt, daß sich die Kiemenepithelien in einer reinen NaÜl-Lösung in Zellen auflösen ähn- lich, wie dies das Blastulaepithel der Seeigellarven in kalkfreiem Medium thut. Da nun eine solche Auflösung des Kiemenepithels in destilliertem Wasser, wie ich mich ebenfalls bei jungen Aalen überzeugt habe, nicht stattfindet, die Tiere vielmehr lange darin am Leben bleiben, so geht daraus hervor, daß gerade das Natrium das Auseinandergehen be- günstigt, während Calcium entgegengesetzt wirkt, wie ich in meiner Arbeit über das Auseinandergehen von Furchungs- und Gewebezellen im kalkfreien Medium gezeigt habe. Natrium und Calcium sind also insofern Antagonisten als das eine das Auseinandergehen, das andere das Zusammenhalten der Epithelzellen besorgt. Da mir bis jetzt noch keine Eier eines Fisches, der sich gleich gut in See- wie Süßwasser entwickelt, zur Verfügung standen, so kann ich nicht mit absoluter Bestimmtheit behaupten, daß die Unmöglichkeit der Entstehung von Fischembryomen in einer reinen NaUl-Lösung ebenfalls an einer Auflockerung der Furchungszellen der Keimscheibe liegt, aber ich bin fest überzeugt, daß darin der Grund des Absterbens der Keime in einer Kochsalzlösung ohne Ca-Zusatz gefunden werden wird. Im Bezug auf Zellverbandlösen und Zellverbandbilden sind also Na und Ca Antagonisten. Da nun aber das Zellverbandlösen nicht ohne weiteres ein schädlicher Vorgang ist, sondern am rechten Orte und zu rechter Zeit, wie z. B. bei der Mesenchymbildung, sogar ein notwendiger Prozeß sein kann, so kann ich die Zoeb'sche Ausdrucks- weise der Thatsachen d. h. die Giftigkeitserklärung des Natriums 1) Die Kiemenepithelien stehen also in scharfem Gegensatz zu den Epithelien, welche bei Seeigeln den Verkehr zwischen innerem und äußeren Medium vermit- teln. Letztere lassen nämlich nicht nur Wasser, sondern auch die darin gelösten anorganischen Stoffe hindurchtreten, wie aus meinen zahlreichen Versuchen mit qualitativ verschiedenem Salzgehalt hervorgeht. Außerdem habe ich vor Jahren mit Erfolg Seeigellarven in filtrierter Leibeshöhlenflüssigkeit erwachsener Seeigel gezüchtet, woraus hervorgeht, daß letztere ungefähr dieselbe qualitative und quantitative Zusammensetzung wie das Meerwasser haben muß. 13] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. 319 und sein Unschädlichmachen durch Caleium nicht für angebracht halten. Ich werde mich deshalb mit Howell!) der alten Ausdrucks- weise bedienen und sagen, daß zu einem morphogenetischen oder physiologischen Prozeß Natrium allein nicht genügt, sondern daß dazu noch andere Stoffe, etwa K und Ca, notwendig sind, wenn das Zustandekommen der Formbildung oder der Funktionsausübung ın einer reinen NaÜl-Lösung erst nach Zusatz von K und Ca ermög- licht ist. Dabei werde ich aber angesichts der Zoeb’schen Resultate die Möglichkeit ım Auge behalten, daß ein notwendiger Stoff bei einer anderen Gelegenheit als da, wo er nötig ist, allein ohne Anta- gonisten auch schädlich sein kann und zwar vielleicht gerade wegen der Eigenschaft, wegen welcher er bei einem anderen Vorgange unent- behrlich ist. So hat uns also die Auseinandersetzung mit ZLoeb dazu geführt, dem Natrium eine aktive Rolle beim Zelltrennen zuzuschreiben. Dieser Satz gilt zunächst nur strikte für das Auflösen der Kiemenepithelien und wahrscheinlich des Blastoderms der Teleostier. Ob sich sein Gültigkeitsbereich bis auf die Entwickelung der Seeigelkeime aus- dehnen läßt, werde ich in meiner ausführlichen Abhandlung mitteilen. Natürlich halte ich die Rolle des Natriums mit dieser einen Funktion beim Zelltrennen nicht für erschöpft. So stimme ich z. B. dem Ausspruche Zoeb’s?) bei, daß das Natrium für die Herzthätigkeit und die rhythmische Kontraktionen der Medusen notwendig ist, wobei ich freilich meine Verwunderung nicht unterdrücken kann, daß Loeb trotz des Anerkennens der Rolle des Natriums im folgenden Satze wieder von der Giftigkeit desselben Stoffes für dieselben Funktionen spricht. Meiner Ansicht nach hätte er nach Anerkennung der Not- wendigkeit des Natriums für die Herzkontraktion logischerweise dazu gezwungen werden müssen, die Thatsache, daß die Kontraktion in einer NaCl-Lösung nur nach K- und Ca-Zusatz für längere Zeit mög- lich ist, so aufzufassen, wie dies sein Geener Hozwell?) thut, und wie ich es auch für richtig halte, nämlich zu sagen, daß zur Er- haltung der Herzthätigkeit nicht nur Na, sondern auch K und (a unentbehrlich sind. 4. Die Rolle des Kaliums. In K-freiem Medium verläuft die Furchung der Echinus-Eier nicht bis zu Ende, so daß also für diese Gattung die Anwesenheit ') Americ. Journ. of Physiol. Bd. 6, 1902, p. 195 ft. 2) Pflüger’s Archiv Bd. 83, 1901, p. 68. 3) Amerie. Journ. of Physiol, Bd. 6, 1902, p. 193 ff. 380 Curt Herbst: 2:95 von Kalium im umgebenden Medium bereits vom Beginne der Ent- wickelung notwendig ist. Im Gegensatz zu Echinus entstehen aus den Eiern von Sphaerechinus in Seewasser ohne K zwar meist Blastulae; dieselben sınd aber klein und trübe, und außerdem macht sich bereits vor ihrer Bildung, etwa vom 100-Zellenstadium an, eine Verzögerung der Furchung in den Zuchten ohne K bemerkbar, so daß also auch hier bereits zur ersten Etappe der Entwickelung Kalium notwendig ist. Da es nun ausserdem auch auf allen späteren Stadien nicht entbehrt werden kann, so haben wir auch in ihm ein allge- meines Mittel der Ontogenese vor uns. Besonders deutlich tritt die Rolle des Kaliums bei folgenden Prozessen hervor: Erstens beim Wachstum, das in Seewasser ohne K ganz oder nahezu unterbleibt, und zwar äußert sich diese Wachstums- hemmung in zweierlei Weise: Einmal ist nämlich das Volumen der trüben Blastulae von Sphaerechinus aus einer K-freien Zucht be- deutend geringer als das normaler Blastulae, und sodann unterbleibt das Auswachsen des Urdarmes d. h. die nach innen gerichtete schlauch- förmige Flächenzunahme des vegetativen Teiles der Blastulawand. Auch auf botanischem Gebiete spielt das Kalium bekanntlich beim Wachstum eine hervorragende Rolle, wie aus der Thatsache hervorgeht, daß es sich besonders in den jugendlichen, noch wachsen- den Organen angesammelt findet. Nun ist aber das Wachstum von einem bestimmten Wasser- gehalt der Organe abhängig, worauf auf zoologischem Gebiete wohl zuerst J. Loeb!) aufmerksam gemacht hat. Ich wies dann vor nun- mehr neun Jahren daraufhin, daß die bedeutende Volumenzunahme des Echinodermenkeimes vom Ei bis zum Pluteus ausschließlich durch Wasseraufnahme zu stande kommen muß?), wofür der Beweis in der Thatsache liegt, daß die Larven vor Erreichung des Pluteusstadiums keine organische Nahrung aufnehmen können und außerdem auch keine in meinen küntlichen Seewassermischungen zur Verfügung haben. So- dann hat Davenport?) nachgewiesen, daß das Trockengewicht der Frosch- embryonen bis zu dem Momente, wo sie zu fressen beginnen, ungefähr dasselbe bleibt oder sogar etwas abnimmt, während der Wassergehalt ganz gewaltig anwächst. Wachstum und Wasseraufnahme sind also auf den ersten Entwickelungsstadien identische Begriffe. !) Untersuchungen zur physiologischen Morphologie der Tiere 1]., 1892. 2) Mitteil. zool. Station Neapel Bd. 11, 1893, p. 185 u. 191. 3) Proceed. Boston Soc. Nat. Hist. Vol. 28, 1897 p. 73. s“ \ 15] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. 3s1 Damit ist bewiesen, daß das Kalium bei der Wasseraufnahme der Keime eine hervorragende Rolle spielt. Es ist für ein späteres weiteres Vordringen in das „Wie“ dieser Rolle von Wichtigkeit, daß dieses unser Resultat mit dem interessanten Befunde .J. Zoeb’s!) übereinstimmt, wonach Froschgastroknemien in einer 0,7 °/oıgen NaUl-Lösung nach 18 Stunden um 6°/e ihres An- fangsgewichtes durch Wasseraufnahme an Gewicht zugenommen hatten, während in einer äquimolekularen KÜl-Lösung die Zunahme 45,7 °/o betrug. Bei Verwendung von CaÜl, war dagegen eine Gewichtsab- nahme von 20°/o eingetreten. Also auch auf einem so heterogenen Gebiete wird wie in jugendlichen pflanzlichen Organen und in tierischen Keimen die Wasseraufnahme durch Kalium bedeutend gesteigert. Wie dieses freilich zu Stande kommt, ist z. Z. nicht anzugeben; es ist aber zu hoften, daß wir dann zugleich über alle drei Fälle aufgeklärt werden, wenn wir in einem Falle wissen, wie hier das Kalium eine gesteigerte Wasseraufnahme zu stande bringt. An zweiter Stelle will ich auf die Rolle des Kalıiums bei der Wimperbewegung zu sprechen kommen, da uns die Auseinander- setzungen über die Steigerung der Wasseraufnahme durch Kalium auch hier noch einen Schritt weiter in unserer Analyse thun lassen werden. Die Thatsache ist einfach die, daß die kleinen trüben Sphaer- echinus-Blastulae im K-freien Medium nicht munter wimpern, ob- wohl sie Wimperhaare besitzen können. Mit steigendem K-Gehalt nimmt die Lebhaftigkeit der Wimperbewegung bis zu einer gewissen Grenze zu. Nun ist seit langem bekannt?), daß die Lebhaftigkeit der Wimperbewegung vom Wassergehalt der Gewebe abhängig ist, indem sie mit steigendem Wassergehalt bis zu einer gewissen Grenze eben- falls steigt. Oben sahen wir aber, daß das Kalium von bedeutendem Einfluß auf den Wassergehalt der Gewebe ist. Die Bewegungslosig- keit der trüben Sphaerechinus-Blastulae im K-freien Medium ist also eine Folge des mangelhaften Wassergehaltes des Blastoderms. Endlich sei an dritter Stelle noch erwähnt, daß K bei der Kontraktion eine wichtige Rolle spielt, wie ich an kleinen Medusen beobachtet habe. Etwas neues ist dieses freilich nicht, denn den Tier- physiologen ist es eine bekannte Thatsache, daß Kalium in geringen ı) Pflüger’s Archiv Bd. 75, 1899, p. 303. 2) Man vergl. Engelmann, Protoplasma- und Flimmerbewegung. Hermann’s Handbuch Bd. 1 I,. p. 397. 382 Curt Herbst: 116 Mengen zur Herzkontraktion notwendig ist!), obgleich es in höheren Dosen ein starkes Herzgift repräsentiert. 5. Die Rolle des Calciums. Auch Calcium ist von Anfang an unentbehrlich, aber aus ganz anderem Grunde wie die vorher aufgezählten Stoffe. Die Furchung verläuft nämlich im Ca-freien Medium regelrecht bis zu Ende ab, was aber gestört ist, ist der Zusammenhalt der Zellen, wie ich in meiner Arbeit „Über das Auseinandergehen von Furchungs- und Gewebezellen im kalkfreien Medium“ ?) eingehend dargelest habe. Ich will hier nur noch hinzufügen, daß sich nur Epithelien in kalkfreiem Wasser in ihre einzelnen Zellen auflösen, daß aber z. B. Muskeln nicht in ihre einzeinen Elemente zerfallen. Außerdem sei darauf hingewiesen, daß der Prozeß des Aus- einandergehens der Zellen in Seewasser ohne Kalk ein reversibler Prozeß ist, indem geschlossene Zellenkomplexe durch Fortfall des Kalkes nicht nur aufgelöst, sondern auch aufgelöste nach Zurück- bringen in Wasser mit Ca wieder zum Zusanimenschluß gebracht werden können, sofern die einzelnen Zellen sich noch punktuell be- rühren und nicht durch Zwischenräume von einander getrennt sind. Als eine der Komponenten, welche das Auseinandergehen der Zellen im kalkfreien Medium ermöglichen, habe ich in meiner eben citierten Arbeit die Veränderung der „Verbindungsmembran“ bezeichnet, welche sich über alle Furchungsstadien hinweg erstreckt und auch die freie Oberfläche der Larven nach außen hin noch begrenzt. Durch das Ca-freie Wasser wird diese Verbindungsmembran in ihrer physikalischen Beschaffenheit verändert, sie verliert ihre scharfe Begrenzung nach außen und hält jetzt nicht mehr gleich einer elastischen Haut die einzelnen Zellen zusammen. Daß aber die normale Beschaffenheit der Verbindungsmembran nicht der einzige Faktor ist, welcher den Zu- sammenhalt der Zellen ermöglicht, geht doch wohl aus der Thatsache hervor, daß nach dem Zurückbringen der isolierten Furchungskugeln aus Wasser ohne in solches mit Ca die Zellen bei den weiteren Teilungen bei einander bleiben, obgleich die normale Beschaffenheit der Membran noch nicht wieder hergestellt ist. Folgende Auseinander- setzungen sollen dazu dienen, uns einen Fingerzeig zu geben, in ı) Man vergl. Howell, Americ. Journ. of Phys. Bd. 2, 1899 p. 47 u. Bd. 6, 1902, p. 181. In ersterer Arbeit wird man auch weitere Litteraturangaben finden. 2) Arch. Entw.-Mech. Bd. 9, 1900 p. 424. 17] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. 383 welcher Richtung wir diesen zweiten Faktor zu suchen haben, der den Zusammenhalt der Zellen bedingt. Es fiel mir schon bei den ersten Versuchen, welche mich mit der Notwendigkeit des Calciums für den Zusammenhalt der Zellen bekannt machten, die Analogie auf, welche zwischen der Faserstoffgerinnung und dem Zusammen- ballen von gelösten Zellenkomplexen nach dem Zurückbringen aus Ca-freiem in Üa-haltiges Wasser besteht. Nach den älteren Unter- suchungen von Arthus und Pages‘), sowie nach den neueren von Hammarsten?) und den neuesten von Sabbatanı?) ist nämlich zur Faserstoffgerinnung die Anwesenheit von Calcium und zwar nach den Angaben des zuletzt genannten Forschers im Ionenzustande notwendig. Dabei ist wichtig, daß die Faserstoffgerinnung nach den Untersu- chungen von Hammarsten keine Fällung im chemischen Sinne ist, daß sich also nicht aus dem Fibrinogen und dem Calcium mit Hülfe des Fibrinfermentes eine unlösliche Eiweißkalkverbindung, das Fıbrin, bildet, da letzteres dieselbe Menge Ca wie das Fibrinogen enthält. Es handelt sich demnach hier um eine kompliziertere, von mehreren Komponenten abhängige Koagulation, und ich glaube, dab das Calcium dabei dieselbe Rolle spielt wie bei dem Zusammenhalten der Furchungs- und Gewebezellen. Der Unterschied ist nur der, daß im Falle der Fibringerinnung die unsichtbaren „Teilchen“ der colloi- dalen Fibrinogenlösung durch das Calcium zum Zusammenballen ge- bracht werden, während es im unseren Falle mikroskopisch sichtbare Teilchen, d. h. tierische Zellen sind, welche durch das Calcium zu- sammengehalten werden. Wir haben also meiner Ansicht nach im Lösen und Wiederher- stellen des Zellenverbandes von Seeigelkeimen durch Ca-freies und Ca-haltiges Seewasser einen reversiblen Koagulationsprozess vor uns, der sich an mikroskopisch sichtbaren Teilchen, den Zellen, ab- spielt. In dieser letzteren Hinsicht erinnert der Vorgang auch an ‚‚die Klärung trüber Lösungen“*), von denen er sich aber dadurch unter- scheidet, daß das Zusammenleimen durch Ca-Mangel aufgelockerter 1) Arch. de phys. norm. et path. ser. 5. Bd. 2, 1890, p. 739. 2) Zeitschr. f. phys. Chemie Bd. 22, 1896, p. 839. 3) Arch. ital. de biol. Bd. 36. 1901 p. 397. 4) Quincke, diese Zeitschr. Bd. 7 neue Folge, 1901 p. 97. Dort und bei Bredig „Anorganische Fermente* p. 12 ff. sind die Litteraturnachweise über die Arbeiten von Barus, Bodländer, Spring ete. zu finden. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 26 384 Curt Herbst: [18 Echinodermenkeime nur durch Zufuhr eines bestimmten Elektrolyten, durch ein Calciumsalz!), möglich ist. Durch Hinweis auf diese Analogien habe ich die Lösung des Problems von den Biologen ab- und den Physikern resp. physikali- schen Chemikern zugeschoben. Nachdem wir im vorstehenden die Rolle des Calciums beim Zu- sammenhalt der Zellen eingehend erörtert haben, wollen wir noch kurz zweier weiterer Prozesse gedenken, zu denen Ca unentbehrlich ist. Zunächst ist hier als selbstverständlich zu bezeichnen, daß die Ca-Zufuhr von außen zum Skeletaufbau notwendig ist, da das Pluteus- gerüst ja zum allergrößten Teil aus kohlensaurem Kalke besteht. Die hohe Bedeutung des Calciums für die Muskelkontraktion wurde von Ainger?) entdeckt und ist darauf von einer Reihe anderer Forscher anerkannt worden. Ich lernte sie vor Jahren durch Ver- suche an Tubularia, kleinen Medusen von Obelia, Amphioxus und Ascidien kennen. Was mich dabei besonders überraschte, war die Geschwindigkeit, mit welcher das Fehlen des Calciums die jewegungslosigkeit und die Zufuhr von Calcium die Wiederkehr der Bewegung herbeiführt. Aus den Protokollen, welche ich meiner aus- führlichen Arbeit beizugeben gedenke, wird dieses in sehr deutlicher Weise zu ersehen sein. In meiner Arbeit „über das Auseinandergehen‘ ?) etc. habe ich bereits darauf aufmerksam gemacht, daß im Gegensatz zur Kontrak- tilität die Wimperbewegung im Ca-freien Medium erhalten bleibt, so 1) Neuerdings hat Loeb an Funduluseiern gezeigt, daß die „giftige“ Wir- - kung einer gu Na0l-Lösung durch eine kleine Quantität irgend eines der folgen- den Kationen aufgehoben wird: durch Ca, Mg, Sr, Ba, Fe, Co, Zn und Pb. Es ist hierbei zu beachten, daß die betreffenden Stoffe an den Teleostierkeimen eine reine Oberflächenwirkung entfalten, welche nach meinen p. 375 gegebenen Aus- einandersetzungen in der reinen Na Cl-Lösung zur Trennung der Zellen führt. Loeb’s Aufgabe wäre es nun, festzustellen, ob die betreffenden Stoffe nicht nur die trennende Wirkung des Kochsalzes aufheben, sondern auch die zusammen- fügende des Caleium ersetzen können. Daß sie die „giftige“, d. h. nach uns die zelltrennende Wirkung von NaCl bei den Seeigelkeimen nicht aufheben können, hat Loeb durch eigene Versuche erfahren. Den Grund für das verschiedene Ver- halten von Fundulus- und Seeigelkeimen hat Loeb in der verschiedenen Durch- lässigkeit derselben für Salze auch richtig geahnt, aber meiner Ansicht nach bei seinen Arbeiten nie genügend gewürdigt. Vergl. Pflüger's Archiv Bd. 88, 1901, p. 68 und Americ. Journ. of Phys. Bd. 6, 1902, p. 411. 2) Journ. of phys. Bd. 4, 1883 p. 29, 222 u. 370. 3) Arch. Entw.-Mech. Bd. 9, 1900, p. 436. 19] Ro le der notwendigen anorganischen Stoffe. 385 daß also ein tiefgreifender Unterschied im Wesen dieser beiden Prozesse besteht. Sehr deutlich tritt dieses auch durch eine neuere Arbeit von Ralph Lillie!) hervor, dessen Resultate mit meinen Fr- fahrungen im Wesentlichen übereinstimmen. Auch Zoeb hat einige Male seine Zweifel an der Vorstellung ausgesprochen, „daß Muskel- kontraktionen, Flimmerbewegungen und Zellteilungsvorgänge Prozesse derselben Art seien‘“?). Betonen will ich endlich noch, daß die karyokinetische Teilung der Zellen im Ca-freien Medium, welches die Muskelkontraktion aufhebt, ungestört fortgeht, so daß also auch diese Thatsache gegen die, frei- lich schon aus anderen Gründen unwahrscheinliche ?) Ansicht angeführt werden kann, welche in den Spindelfasern kontraktile, den Muskei- fasern vergleichbare Elemente sieht. II. Stoffe, deren Anwesenheit im umgebenden Medium erst auf späteren Stadien notwendig ist. 1. Die Rolle der Sulfate. Hier können wir wirklich mit mehr als Wahrscheinlichkeit von der Unentbehrlichkeit des freien Ions reden, wie wir im Anfange erwähnt haben. Das SO,-Ion also spielt in folgenden Fällen eine Rolle: Zunächst ist hier der Größenzunahme der Larven zu gedenken, welche in deutlicher Weise nur bei den Larven von Asterias glacialis hervortritt, die in Seewasser ohne SO, nicht nur kleiner als gleichweit entwickelte Gastrulae aus gewöhnlichem Seewasser sind, sondern auch häufig durch die Faltigkeit ihrer Wan- dung auffallen. Diese bringt es mit sich, daß die Larven zusammen gefallenen Blasen gleichen. Sie entstehen aus Larven mit straffer Wandung‘®), indem das Ektoderm zwar durch Teilung der Zellen an 1) American Journ. of physiol. Bd. 5. 1901, p. 56. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 88, 1901, p. 69. 3). Vgl. z. B. Loeb, Americ. Journ. of Physiol. Bd. 3, 1900, p. 391. 4) Diese erst sekundär faltig werdenden Larven sind nicht mit solchen zu verwechseln, welche von Anfang an faltig sind. Letztere entstehen unter ab- normen Bedingungen während der Blastulabildung aus solchen Furchungsstadien, deren Zellverband etwas aufgelockert war und keine normale Kugeloberfläche bildete. 26* 386 Curt Herbst: % [20 Fläche zunimmt, aber der osmotische Druck inı Blastocöl zu seiner Straffspannung nicht ausreicht. Auf welche Weise SO, den osmotischen Druck in Blastocöl beeinflußt, darüber läßt sich freilich etwas be- stimmtes zur Zeit nicht aussagen. Von großer Wichtigkeit ist SO, für die Ausgestaltung des Darmes, wie besonders deutlich an den Larven von Sphaerechinus im SO,- freien Medium zu erkennen ist. Dieselben erhalten nämlich meist nur ein Rudiment des Urdarmes'), daß sich nicht weiter entwickelt, obwohl die Larven längere Zeit am Leben bleiben können. Wenn einmal der Urdarm länger wird, wie man besonders in Echinus- Zuchten ohne SO, beobachten kann, dann bleibt immer die Gliederung in die drei Darmabschnitte aus. Man könnte nach diesen Befunden meinen, daß SO, erst auf den späteren Stadien der Darmbildung unentbehrlich sei. Dies ist aber nicht richtig, denn erstens wird in SO,-freiem Wasser die Darm- bildung von Anfang an verzögert und macht sich zweitens eine schä- digende Nachwirkung geltend, wenn ausgeschlüpfte Blastulae noch ohne oder mit ganz geringfügigem Urdarmsatz aus SO,-freiem in SO,-haltiges Seewasser übergeführt werden. Außerordentlich deutlich ist sodann die Beteiligung des SO,- Ions bei der Pigmentbildung, welche im SO,-freien Medium bei den Sphaerechinus- und Echinus- Larven absolut unterdrückt ist. Werden die Larven in gewöhnliches Seewasser zurückgebracht, so kann die Pigmentbildung nachgeholt werden, doch geht dies um so schwieriger, je länger die Larven sich in der SO,-freien Mischung aufgehalten haben. Auch bei der Skeletbildung spielt SO, eine Rolle, was sich erstens in einer Verzögerung der Kalk- abscheidung im SO,-freien Medium und zweitens in Anomalien äußert, die bei ungenügender Sulfatmenge am Skelette zu bemerken sind. Zu diesen Anomalien, welche die Beteiligung von SO, an der Gerüstbil- 1) Es kommt sehr häufig vor, daß der rudimentäre Urdarm nach außen vortritt. Ich schiebe dieses auf eine Schädigung jener Mesenchymzellen, welche normalerweise das freie Ende des Urdarmes an der Blastulawand befestigen. Dann wird der Urdarm durch den Druck im Blastocöl durch den After heraus- gestülpt werden. 21] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. 387 dung beweisen sollen, darf man freilich nicht jene rechnen, welche durch abnorme Lage der Kalkbildner veranlaßt werden. Ich habe das Kalkspatgerüst der Plutei auf SO, untersucht und seine Anwesenheit mittels BaCl, nachweisen können. Ebenso wie nach ». Ebner!) die Nadeln der Kalkschwämme bestehen also auch die Skeletnadeln der Seeigellarven nicht aus reinem Kalkspat, son- dern enthalten Beimengungen von Sulfaten. Da wir nun letztere als notwendig für eine normale Skeletbildung erkannt haben, so dürften dieselben keine zufällig mitgerissenen Ver- unreinigungen, sondern notwendige Bestandteile des Skelets sein, ohne welche den Skeletbildnern die normale Ausmodellierung der Kalkspat- nadeln nicht möglich ist. Sehr auffallend ist die Beeinflussung der Architektonik der Larvenform durch die Sulfate des Meerwassers. Es wird nämlich durch das Fehlen von SO, die Bilateralität der Larven in auffallender Weise gestört. Dies äußert sich zunächst in einer abnormen Lagerung der Kalkbildner, welche sonst bilateral rechts und links vom Ur- darm am vegetativen Pole in einiger Entfernung vom After in Form zweier Dreistrahler angeordnet sind, im SO,-freien Medium aber eine ganz unregelmäßige Lagerung einnehmen. Sie sind mehr oder weniger nahe an ihrem Entstehungsort liegen geblieben, so daß sie den Ur- darm dicht umlagern, anstatt daß sie entfernt von ihm dem Ektoderm angeschmiegt sind. Noch auffallender wird die Störung der normalen bilateralen Anordnung der Skeletbildner, wenn die Keime aus dem SO,-freien in SO,-haltiges Wasser zurückgebracht werden. Dann wandern näm- lich die Kalkbildungszellen vom Urdarm fort und ordnen sich — im optischen Querschnitt gesehen — an der Peripherie unter dem Fkto- derm in Form von mehr als zwei Dreistrahlern an. Ich habe häufig deren fünf, mitunter aber auch weniger oder mehr, bis zu sieben Stück, gezählt. An solchen Larven macht sich die Störung der Bilateralität auch noch in anderen Eigentümlichkeiten bemerkbar, nämlich in der Richtung des Darmverlaufes. Während bekanntlich letzterer normalerweise eine Knickung macht, indem sich das freie Ende des Urdarmes der künftigen Mundseite zubiegt, erstreckt er sich bei t) Wiener Sitzungsber. Bd. 95, Abt. I, 1837. 383 Curt Herbst: 2 diesen mehrstrahligen Larven in gerader Richtung durch das Blastocöl. Bildet sich bei den eigentlichen Larven dann noch die Mundeinsen- kung, so liegen auch Mund und After einander ungefähr gegenüber. Absolut genau können sie sich deshalb nicht vis-a-vis liegen, weil dem After unmittelbar gegenüber der Wimperschopf liegt, die Mund- einsenkung also nur neben diesem entstehen kann. Endlich fällt die Störung der Bilateralitäit an der Lage des Wimperringes auf, wie auch ohne nachträgliches Zurückbringen der Larven in gewöhnliches Seewasser, wenigstens bei Echinus, schon im SO,-freien Medium zu sehen ist. Während nämlich der Durchmesser des Wimperkranzes normalerweise ungefähr parallel zur Gastrulalängsachse laufen würde, ist er im SO,-freien Seewasser bei den Echinus-Larven um ca. 90° verlagert, so daß er das Analfeld am vegetativen Pole kranzförmig umsäumt. Fassen wir nach dieser Zerstückelung die Larven mit mehreren Dreistrahiern, mit gerade durch das Blastocöl verlaufendem Darm und mit verlagertem, das Analfeld umsäumenden Wimperring als ganzes ins Auge, so erscheinen sie uns im Gegensatz zu den streng bilate- ralen normalen Larven als mehr oder weniger ausgesprochen radiär gebaut. Eine Architektonik, welche erst auf späteren Stadien auf- treten sollte, ist also durch das Fehlen von SO, im umgebenden Medium schon früher in Erscheinung gerufen worden. Die Sulfate des Meerwassers verhindern also das vorzeitige Auftreten des radiären Baues, sie erhalten dem Keime eine zeitlang seine anfängliche bilaterale Struktur. Letztere befindet sich übrigens in einem sehr labilem Zustand, was sich daran zu erkennen giebt, daß sie durch mannigfache Fak- toren zum Umklappen in den radıären Bau veranlaßt werden kann. Ganz ähnliche Larven wie jetzt mit SO,-freiem Wasser habe ich nämlich vor Jahren mittels einer vorübergehenden Lithiumeinwirkung erzielt‘), ja ich habe im August 1900, am Ende der Laichzeit von Echinus miliaris auf Helgoland sogar in gewöhnlichem Seewasser ohne besonderes Agenz solche mehr radiär gebaute Larven mit mehreren Dreistrahlern, mit gerade durch das Blastocöl verlaufendem Darm und mit verlagertem Wimperring beobachtet. Auch in Kulturen von Strongylocentrotus lividus habe ich solche gelegentlich bemerkt. Ebenso wie ein vorübergehendes Fehlen der SO,-Ionen vermag also auch Lithium oder das lange Verweilen der Eier im Ovarium 1) Arch. Entw.-Mech. Bd. 2, 1896, p. 466 ff. 23] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. 389 die bilaterale Architektonik zu verwischen, was offenbar mit einer physikalischen Zustandsänderung des Plasmas der Keime verbunden ist. Das SO,-Ion wirkt also nur hemmend auf eine Veränderung der Architektonik, die sich auch normalerweise im SO,-haltigen Medium nach einer gewissen Zeit vollzieht, und trägt so zur Erhaltung des bilateralen Baues während der ersten Entwickelungsperiode bei. In anderer Weise hemmend, nicht positiv schaffend wirkt SO, bei der Wimperschopfbildung von Echinus. Die Blastulae und Gastrulae der Seeigellarven besitzen bekanntlich am animalen Pole einen Schopf langer, starrer Haare, welche beim Schwimmen nach vorn gerichtet sind. Im SO,-freien Medium nimmt dieser Schopf bei den Echinus-Larven an Mächtigkeit zu, er hyper- trophiert. Wichtig ist nun, daß diese Hypertrophie noch gesteigert werden kann, wenn man in dem Wasser ohne SO, den Ca-Gehalt erhöht. Diese Steigerung kann so weit gehen, daß der Wimperschopf sich über die Hälfte, ja noch über einen größeren Teil der Larven- oberfläche ausdehnen kann. Hand in Hand mit der Vergrößerung des Wimpferschopfes geht dann immer eine Reduktion des Darmes, was leicht verständlich ist, weil den Keimen ja von Haus aus nur ein gewisses (Juantum Bildungsmaterial zur Verfügung steht, bei dessen abnormer Verteilung notgedrungen ein Prozeß zu gunsten des anderen, der mehr Material braucht, zu kurz kommen muß. Es wird dem kundigen Leser wohl selbst auffallen, daß die im vorigen beschriebenen Larven mit hypertrophischem Wimperschopf auffallend den langwimperigen Keimen gleichen, wie sie R. Zoja!) und Driesch?) aus animalen Zellen des geteilten Seeigeleies gezogen haben. Ich werde in meiner ausführlichen Arbeit diese Übereinstimmung durch eine einheitliche Betrachtungsweise verständlich zu machen versuchen. Da die Hypertrophie des Wimperschopfes mit steigendem Ca- Gehalt steigt, so ist das Calcium als aktiver, positiv schaffender Stoff zu bezeichnen. Das SO,-Ion hat also nur die Aufgabe, diese Wirkung des Caleiums auf das richtige Maß zu beschränken. Es verlohnt sich darauf hinzuweisen, daß die Vergrößerung des Wimperschopfes in SO,-freiem Seewasser mit erhöhtem Ca-Gehalt ein 1) Arch. Entw.-Mech. Bd. 1 u. 2, 1895 u. 1896. 2) Ibidem Bd. 10, 1900, p. 373. 3% Curt Herbst: [24 Pendant zu der Wirkung des Lithiums bildet, welches den Echiniden- keim am entgegengesetzten Pole wie das Calcium angreift und zu einer Vergrößerung!) der Urdarmbildungszone führt. Dieses wären die wesentlichsten Prozesse, bei denen SO, eine Rolle spielt. Wie es diese freilich spielt, läßt sich zur Zeit nicht sagen; vermuten läßt sich nur, daß dies auf sehr verschiedene Weise geschehen dürfte. Um nur eine Möglichkeit zu erwähnen, so könnte man an eine Beteiligung von SO, am Aufbau schwefelhaltiger Eiweiß- körper denken. Ich habe infolgedessen schon vor Jahren und auch im Winter 1901/02 wieder Versuche in dieser Richtung angestellt, bin aber zu keinem Resultate gelangt, da die Bakterienentwickelung zu rasch in den Nährlösungen erfolgte, und die Kulturen infolgedessen abstarben. 2. Die Rolle der Karbonate. Ich habe bereits oben im Abschnitte über die Rolle des Hydro- xyls darauf hingewiesen, daß man die Wirkung der Karbonate und der Hydroxyde sehr schwer auseinander halten kann, sodaß deshalb vielleicht ein Teil der Rolle von letzteren nach weiteren Unter- suchungen auf erstere übertragen werden dürfte. Vorerst steht nur mit Sicherheit fest, daß die Karbonate beim Aufbau des Skelets not- wendig sind. Die Seeigellarven bekommen also ein Kalkspatskelet, indem sie direkt aus dem Meerwasser Calciumkarbonat aufnehmen. Ich hatte eigentlich die Absicht im Anschluß an diese Thatsache eine ablehnende Kritik der Steinmann’schen Ansicht über die Abscheidung der Cal- ciumkarbonatskelete zu geben, da aber dieses mittlerweile von Dieder- mann?) ausführlich geschehen ist, so verweise ich auf seine Kritik, der ich vollkommen beistimme. 1) Angesichts der Angabe Boveri's, daß bei Strongylocentrotus unge- fähr die Hälfte des ganzen Eies das Material für das Mesenchym und die Ur- darmbildung liefert, könnte vielleicht mancher, der die Lithiumentwickelung nicht genau genug kennt und namentlich auch mit dem Ineinandergreifen von normaler Gastrulation und Lithiumentwickelung nicht vertraut ist, die Meinung hegen, daß bei meinen Versuchen von einer Vergrößerung der Urdarmbildungszone nicht die Rede, sondern das Material einfach außen liegen geblieben sei. Ich betone des- halb ausdrücklich, daß ich meine alte Auffassung der Sachlage nach reiflichem Überdenken doch im wesentlichen nach wie vor für richtig halte. 2) Ien. Zeitschr. f. Naturw., Bd. 36, 1901, p. 3 ff. 25] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe, 391 3. Die Rolle des Magnesiums. Es ıst interessant, daß zum Zusammenhalt der Zellen von Asterias-Keimen Ca allein nicht genügt, sondern daß hierzu im Gegensatz zu den Seeigellarven auch noch Magnesium notwendig ist. Die Verhältnisse liegen also bei Asterias komplizierter als bei den Echiniden, denn es entstehen in Mg-freien Seesternkulturen mit Ca aus den Furchungs- zellenhaufen entweder überhaupt keine geschlossenen Keime oder es geschieht der Zusammenschluß in ungenügender Weise, sodaß die äußere Form zusammengefallen ist, und Zellen aus der Wand aus- treten, die einzeln oder zu größeren Gruppen vereint ım Gefäße um- herwimpern können. Diese in Zellen zerfallenden Larven können mehrere Tage am Leben bleiben. Bipinnarien, welche in Mg-freies Wasser gebracht werden, sind nach ca. 24 Stunden darin bedeutend kleiner geworden und in Auflösung ın Zellen begriffen. Nach 48 Stunden sind die Larven derartig zerfallen, daß nur noch form- lose, lockere Zellenhaufen vorhanden sind, welche z. T. noch wimpern. Bei den Seeigeln spielt Mg bei der Darmbildung eine hervorragende Rolle, was besonders deutlich in Sphaerechinus- Zuchten hervortritt. Bei diesem Seeigel erreicht nämlich im Meg- freien Medium der Urdarm nicht einmal immer die vollständige Länge, sondern bleibt häufig rudimentär, wobei er außerdem noch nach außen vortreten kann. Bei Echinus wird der Darm zwar länger; er kann eine schwach ausgeprägte Gliederung, ja z. T. sogar eine enge Mundöffnung erhalten, aber trotzdem ist er auch bei diesem Seeigel im Mg-freien Medium noch weit von der Norm entfernt. Er ist dünn, schlaff und nicht so schön aufgebläht und blasig gegliedert wie in der Kontrolle mit Mg. Auch die Skeletbildung wird von Mg beeinflußt, was durch die rudimentäre Ausbildung der Skeletnadeln und ihre Neigung zu Anomalien im Me-freien Medium bewiesen wird. Letztere tritt auch hervor, wenn im umgebenden Medium etwas, aber noch nicht genug Mg vorhanden ist. Bei Echinus wird das Skelet in Wasser ohne Mg weiter ausgebildet als bei Sphaer- echinus, doch fällt trotzdem auch bei ihm infolge der auftretenden Anomalien die Unentbehrlichkeit von Mg zur Gerüstbildung auf. 392 Curt Herbst: [26 Die Kalkbildner können also nur dann ein normales Kalkspat- skelet bilden, wenn ihnen zugleich auch Magnesium zur Verfügung steht. Oben sahen wir bereits, daß sie dazu auch SO, bedürfen. Endlich spielt Mg eine wichtige Rolle bei der Wimperbewegung, wie sowohl an Larven von Sphaerechinus wie an solchen von Echinus ersichtlich ist. Die Larven bewegen sich im Meg-freien Medium entweder überhaupt nicht oder drehen sich nur ganz schwach. Es kann eventuell vorkommen, daß die eben ausgeschlüpften Blastulae teilweise etwas lebhafter wimpern, aber auch dann wird die Bewegung bald eingestellt. Eine wirkliche Ausnahme von der Regel machen trübe, abnorme Larven. Diese können in den Mg-freien Zuchten, in denen sonst alle Larven still liegen, munter wimpern. Werden Larven, die in ge- wöhnlichem Seewasser groß geworden sind, in Mg-freies übertragen, so stellen sie ihre Wimperbewegung ein. Zwischen Wimperbewegung und Kontraktilitäit von Muskulatur besteht ein tiefgreifender Unterschied, insofern zu letzterer Mg nicht notwendig ist, wie sowohl am Vorderdarm von Echinus, der bis- weilen im Mg-freien Medium kontraktil werden konnte, wie an kleinen Öbelien festgestellt wurde. Meine Erfahrungen betreffs der Abhängigkeit der Wimperbe- wegung der Seeigellarven stimmen auch gut mit den Befunden von Ralph Lillie‘), der einen günstigen Einfluß von MgÜl, auf die Wimper- bewegung von Arenicola-Larven konstatierte. Zu verallgemeinern sind aber trotzdem unsere Resultate nicht, da ich selbst die Larven von Asterias glacialis im Mg-freien Medium wimpern sah, obwohl sie sich darin in Zellen auflösen. Wir sagten „obwohl“; vielleicht ist es aber richtiger „weil“ zu sagen. Ich fand nämlich, daß von den Seeigellarven nur die gesunden nicht wimpern, daß dagegen die von Anfang an trüben und abnormen Keime derselben auch in dem Mg-freien Wasser mit ihren Wimpern munter schlagen. Ein krankhafter Zustand ermöglicht also den Seeigellarven auch im Mg-freien Medium zu wimpern, und es ist nicht ausgeschlossen, daß derselbe Zustand, dessen Natur freilich noch dunkel ist, bei den Seesternlarven durch das Lösen des Zellverbandes infolge des Mg-Mangel herbeigeführt wird. Es wäre dann in Bezug auf den Einfluß des Mg-Mangels auf die Wimperbewegung zwischen Seeigel- und Seesternlarven überhaupt kein Unterschied vorhanden. 1) 1. cc. p. 8. 27] Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe. 393 III. Prozesse, welche von allen notwendigen Stoffen beeinflufst werden. 1. Die Beeinflussung der Entwickelungsgeschwindigkeit. Ich habe bei Besprechung der Rollen in den ersten beiden Kapiteln gewöhnlich jene Vorgänge weggelassen, auf welche alle not- wendiger anorganischen Stoffe einen Einfluß ausüben. So habe ich vor allen Dingen nie davon gesprochen, daß die Geschwindigkeit der Entwickelung bei einem jeden Stoff mit Zunahme seiner Konzentration bis zu einer gewissen Grenze, dem Optimum, steigt. Es ist dieses Resultat nicht besonders auffallend, da jeder Faktor, der zur Entwickelung unbedingt notwendig ist, wie z. B. eine bestimmte Temperatur, mit zunehmender Intensität die Entwickelung bis zu einer oberen Grenze, die nicht überschritten werden darf, be- schleunigt. Gewöhnlich ist das Optimum in gewöhnlichem Seewasser weder nach oben noch nach unten überschritten. Es giebt aber auch Aus- nahmen von der Regel. Eine solche hat bekanntlich J. Loeb!) auf- gefunden, indem er die Möglichkeit der Beschleunigung der Arbacıa- Entwickelung durch NaÖOH-Zusatz zu gewöhnlichem Meerwasser experimentell demonstrierte. Das Optimum der OH-Konzentration ist also für diesen Seeigel im Meerwasser noch nicht erreicht, während dieses nach meinen Untersuchuugen bei Sphaerechinus granularis und Echinus microtuberculatus der Fall ist. 2. Die Grölsenzunahme der Larven. Auch an der Größenzunahme der Larven scheinen alle notwen- digen Stoffe einen mehr oder weniger bedeutenden Anteil zu haben. Vereinzelt habe ich in den vorhergehenden Abschnitten bereits auf die Beeinflussung der Larvengröße durch den in dem betrefienden Ab- schnitt gerade behandelten notwendigen Stoff hingewiesen. Die ein- zigen Stoffe, von denen ich keine Erfahrung habe, ob sie die Größen- zunahme beeinflussen, sind Na und Cl. Dieses kommt aber einfach daher, weil ich wegen der Schwierigkeit, eine vollkommen einwands- freie Versuchsanordnung zu finden, nur die Notwendigkeit der beiden Elemente beweisen, mich aber nicht in einwandsfreier Weise auf den quantitativen Ausbau ihres Einflusses einlassen konnte. Soweit meine jetzigen Erfahrungen reichen, dürften die Gründe, weswegen eine Größenzunahme durch die verschiedenen notwendigen 1) Arch. f. Entw.-Mech. Bd. 7, 1898, p. 631. 394 Curt Herbst: 128 Stoffe zu stande kommt, sehr verschieden sein. Ich glaube, daß man hierbei folgende drei Arten der Beeinflussung wird unterscheiden können, wenn es auch z. Z. unmöglich ist, die einzelnen Stoffe mit Sicherheit in diese drei Kategorien zu verteilen. Erstens können sich die Stoffe direkt am osmotischen Druck in der primären Leibeshöhle und in den Zellen selbst beteiligen. Ich glaube, daß man nicht wird umhin können, hierbei eine verschiedene Durchlässigkeit der Epithelien ın verschiedener Richtung anzunehmen, und zwar speziell eine verschiedene Durchlässigkeit in dem Sinne, daß die Salze zwar leicht von außen nach innen, aber schwer von innen nach außen gelangen können. Zweitens wäre eine Veränderung der Durchlässigkeit der Epi- thelien durch die einwirkenden Stoffe möglich, sodaß bei ihrer Ein- wirkung osmotisch wirkende Substanzen im Innern verbleiben, die sonst nach außen gelangen können. Drittens ist endlich eine ganz indirekte Beeintlussung der Größe durch das Skelet möglich. Wachsende Krystalle üben bekanntlich auf ihre Umgebung einen Druck aus, so daß Hindernisse, die ihnen entgegen stehen, bei Seite geschoben werden können. Die Kalkstäbe des Pluteusgerüstes sind nun auch wachsende Krystalle. Sie müssen also auch einen Druck auf die Körperwand ausüben, wenn sie an diese anstoßen. Dadurch werden sie entweder passiv durch Dehnung oder als formativer Reiz durch Auslösung von Zellbildung die Larven- oberfläche vergrößern. Wir sahen oben, daß SO, und Mg einen Einfluß auf die Skelet- bildung haben. Diese Stoffe dürften also auf die angegebene indirekte Weise die Größenzunahme der Plutei beeinflussen. Dieses wären die Hauptresultate, zu denen ich bis jetzt beim Studium der Rolle der notwendigen anorganischen Stoffe gelangt bin, und die sich hoffentlich bis zu dem Erscheinen meiner ausführlichen Arbeit noch vermehren werden. Ich glaube aber, daß sie auch ohne die erhoffte, künftige Vermehrung schon jetzt meine Methode als vollkommen berechtigt erscheinen lassen werden, denn wir hatten uns die Aufgabe gestellt, die notwendigen äußeren Bedingungen der Organbildung, so weit sie in der Zufuhr anorganischer Stoffe bestehen, ausfindig zu machen, und ich glaube, daß uns dieses wenigstens zu einem kleinen Teile gelungen ist. Heidelberg, den 27. Juli 1902. (Sonderabzüge, ausgegeben den 28. Oktober 1902.) Über Zellverbindungen. Vorläufiger Bericht. I: Von Prof. A. Schuberg, Heidelberg. In den Jahren 1891 und 1893 habe ich über einige Beobach- tungen berichtet!), welche die Verbindungen zwischen Zellen ver- schiedenartiger Gewebe zum Gegenstand hatten. Ich habe diese Frage inzwischen weiter verfolgt und mit neuen Hilfsmitteln geprüft. Es erwies sich dabei als notwendig, zur Erzielung sicherer Ergebnisse die Untersuchung nicht nur auf die in Betracht kommenden Zellen zu beschränken, sondern auf fast alle Gewebselemente der betreffen- den Objekte auszudehnen. Denn ein genaueres Studium der Litteratur ergab, daß in der Frage des Aneinanderstoßens verschiedenartiger (rewebe von verschiedenen Autoren gar mancherlei Irrtümer begangen worden waren, und daß, falls ich mich nicht dem Vorwurfe ähnlicher Verwechslungen, wie sie schon mehrfach vorkamen, aussetzen wollte, ich mich bemühen mußte, durch eine möglichst allseitige Untersuchung derartige Verwechslungen von vornherein auszuschließen. Der erste Teil meiner Untersuchungen, welcher die Verbin- dungen von Epithel- und Bindegewebszellen, sowie der Bindegewebszellen untereinander in der Haut des Axo- lotls behandelt, ist nunmehr abgeschlossen. Da jedoch bis zu dessen Erscheinen?) noch einige Zeit verstreichen dürfte, möchte ich mir erlauben, diesen vorläufigen Bericht vorzulegen. 1) Verhandl. Deutsch. Zosl. (sesellschaft 1891; Sitzber. d. Würzburger Phys.-med. Gesellsch. 1891 und 1893. 2) Die Arbeit erscheint, mit sieben Tafeln, in der Zeitschrift f. wissensch. Zoologie unter dem Titel: „Untersuchungen über Zellverbindungen.“ Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd, 27 396 A. Schuberg: 2 1. Bau und Entwickelung des Coriums im Allgemeinen. Um den Bau des Coriums des Axolotls richtig zu verstehen, ist es notwendig, auf jüngere Stadien zurückzugreifen. Bei Tieren bis zu ca. 50 mm Länge besteht es aus einer ein- heitlichen Lage, die gegen die Kante der Flossensäume zu an Dicke allmählich abnimmt. Mit der Ausbildung der großen Hautdrüsen be- ginnt indessen eine Differenzierung in drei Lagen, die ich als innere, mittlere und äußere Corium-Lage bezeichne. Bei mittelgroßen und erwachsenen Axolotln ist diese Sonderung des Coriums am Rumpfe deutlich vollzogen. Die innere Lage (= die „derben wagrechten Lagen“ nach Leydig) besitzt bei Tieren von z.B. 137 und 220 mm Länge eine Dicke von ca. 85—90 u, die mittlere Lage (= „äußere Grenzschicht“ Leydig‘) dagegen mißt bei dem kleineren Tiere 330—650 u, bei dem größeren 570—890 u, die äußere schließlich 3 und 4—5 u. Es ist also bei dem weiteren Wachstum des Axolotls, soweit er den larvalen Charakter noch bewahrt, im Wesentlichen die mittlere, die großen Hautdrüsen umschliessende Lage, auf deren Wachstum die Dickenzu- nahme des Coriums beruht. Die ziemlich erheblichen Schwankungen in der Dicke der mittleren Coriumlage an einem und demselben Individuum beruhen z. T. auf den queren Furchen, die den Rumpf des Axolotls in eine Anzahl hintereinander gereihter querer Wülste teilen, teils auf buckelförmig nach innen vorspringenden Epidermis- verdickungen an den Stellen, wo die Drüsen sich in das Corium ein- senken. Die äußere Coriumlage ist beim Axolotl von Paulicki richtig erkannt worden, bei anderen Amphibienlarven wurde sie in der Regel übersehen oder als „Basalmembran“ beschrieben. Ich selbst habe sie in meinen früheren Mitteilungen ebenfalls unter letzterem Namen angeführt. Daß es sich in Wirklichkeit nur um eine äußere Lage des Coriums handelt, geht nicht nur daraus hervor, daß sie bei anderen Amphibien, z. B. Proteus und Ichthyophis, eine größere Dicke und dann den gleichen Bau wie die Innenlage besitzt, sondern auch daraus, daß sich an den Flossensäumen die innere und äußere Coriumlage unter allmählicher Verdrängung der mittleren Lage zu einem einheitlichen Corium vereinigen, von der gleichen Art, wie es bei den jüngeren Tieren sich vorfindet. Die Entwickelung des Coriums zeigt, daß sich die mittlere, locker 1) Die „innere Grenzschicht‘“ (Leydig) bezeichne ich als „Unterhautbinde- gewebe.“ 3] Über Zellverbindungen. 3% gebaute Lage mit der Entwickelung der großen Drüsen in das ur- sprünglich einheitliche Corium einschiebt. Vom Rumpfe und der Basis der Flossensäume beginnend bis zu deren Kante besitzt das Corium auch der größeren Tiere nebeneinander die aufeinanderfolgen- den Stadien, welche das Corium in der Entwickelung durchläuft. Schon ©. Rabl und Maurer haben richtig angegeben, daß gleichzeitig mit der Ausbildung der Drüsen die Hauptmasse des eigentlichen Coriums von der Epidermis „abgedrängt“ wird; doch haben sie die äußere Coriumlage übersehen. Die Vereinigung der äußeren und mittleren Coriumlage zu einer einheitlichen Schicht ist an dem Flossensaume des Rumpfes eine ziemlich plötzliche, am Schwanze jedoch erfolgt sie, entsprechend der starken seitlichen Abflachung des Schwanzes und seiner Flossensäume, sehr allmählich. 2. Bindegewebsbündel. — Die Bindegewebsbündel der inneren Goriumlage sind in zur Hautoberfläche parallele Schichten angeordnet, in deren jeder die „Fibrillen“ im allgemeinen in der gleichen Richtung verlaufen; die Richtungen aufeinanderfolgender Schichten kreuzen einander jedoch unter etwa rechtem Winkel. Es ist also die ältere Rathke’sche Ansicht über den Bau des Amphibiencoriums die richtige, nicht diejenige ©. Rabl’s, wonach die Schichten Lamellen entsprächen, „die selbst wieder aus, unter ungefähr rechten Winkeln sich durchkreuzenden feinsten Fibrillen zusammengesetzt sind“. Die „Bindegewebsbündel“ sind in Wirklichkeit nicht einzelne, frei endigende Elemente; sondern stets vereinigen sich die zerteilten Enden verschie- dener „Bündel“, um wieder neuen solchen den Ursprung zu geben, sodaß sie also in Wirklichkeit ein kompliziertes Maschenwerk dar- stellen. Die übereinander gelagerten Schichten können in ähnlicher Weise durch spitzwinkelig abtretende Fibrillen miteinander verbunden sein. Bei jüngeren Tieren sind die Bündel dünner als bei älteren; daraus geht hervor, daß beim Wachstum des Coriums nicht nur ein- fach eine Anlagerung neuer Bündel erfolgt, sondern daß die Bündel selbst an Dicke zunehmen. Außer den bisher erwähnten, im allge- meinen parallel zur Hautobertläche verlaufenden „Bündeln“, welche die Hauptmasse der inneren Coriumlage darstellen, sind in ihr noch senkrecht aufsteigende Bündel vorhanden. Diese biegen in das Corium entweder rechtwinkelig aus dem Unterhautbindegewebe ein oder steigen senkreckt aus letzterem auf. Die Innenlage durch- setzen sie entweder in gleichmäßiger Dicke, um erst in der mittleren Coriumlage sich zu verzweigen, oder sie geben schon innerhalb der ersteren seitliche Stränge ab, welche ziemlich scharf umbiegen und 208 398 A. Schuberg: [4 sich mit den parallel zur Hautoberfläche ziehenden Bündeln vereinigen. Von Herrick und Coghill sınd diese aufsteigenden Bündel zum Teil für Nervenfasern gehalten worden. Mit den „senkrecht aufsteigenden Zügen“, wie sie Ascherson, Leydig u. a. aus der Haut vom Frosch ete. beschrieben, sind sie nicht identisch. Diese sind größere Stränge „weichen lockeren Gewebes“, das seinem Bau nach dem der mittleren Coriumlage gleicht und namentlich auch die aufsteigenden Nerven und Blutgefäße begleitet. Beim Axolotl treten Nerven und Blut- gefäße durch die innere Coriumlage hindurch, ohne deren Anordnung irgendwie zu verändern. In der mittleren Coriumlage, welche in die innere allmählich übergeht, ist die Anordnung der Bindegewebsbündel unregelmäßiger, doch sind besonders viele gegen die äußere Lage zu gerichtet, der sie unter welligem Verlaufe und vielfach auseinanderstrahlend zustreben. Diese aufsteigenden Bündel lassen sich in der Regel in die die Innen- lage durchsetzenden aufsteigenden Bündel hinein verfolgen. Die innere Partie der mittleren Lage, in welcher sich die Bündel oft noch ziem- lich dicht durcheinanderflechten, ist eben hierdurch von der lockeren äußeren Partie meist ziemlich deutlich verschieden, wenngleich na- türlich eine scharfe Abgrenzung nicht möglich ist. Im der lockeren Partie ist, ebenso wie in den Flossensäumen, anscheinend eine gallertige Grundsubstanz vorhanden, welche sich mit violetten oder blauen basischen Anilinfarben mitunter metachromatisch rosa färbt, vielleicht infolge der Anwesenheit von Mucin oder eines verwandten Körpers. — Unter den großen Hautdrüsen finden sich in der Regel besondere stärkere Züge von säulenartig aufsteigenden Bindegewebsbündeln, welche ebenfalls aus der inneren Coriumlage entspringen. Die äußere Coriumlage folgt (auf senkrechten Hautschnitten betrachtet) der Innenseite der Epidermis als ein relativ dünner, ziem- lich gleichmäßiger Saum. Sie läßt (von der Fläche gesehen) sehr feine, einander überkreuzende Fasersysteme erkennen, welche den Bau der Innenlage im großen und ganzen wiederholen; doch ist nicht auszuschließen, daß die „Fibrillen“ vielleicht doch einen membran- artigen Zusammenhang besitzen. Durch ihre rundlichen Durch- brechungen gelangen die aufsteigenden Bündel der mittleren Corium- lage z. T. an die Unterseite des Epithels heran, außerdem aber lassen die Durchbrechungen jedenfalls auch die, die Verbindung mit den Bindegewebszellen vermittelnden basalen Fortsätze von Epidermis- zellen hindurchtreten. Das einheitliche Corium der Flossensäume, das nach deren 5] Über Zellverbindungen. 399 Kante zu an Dicke abnimmt, stimmt im wesentlichen mit der inneren Coriumlage des Rumpfes überein; nur daß die Bindegewebsbündel dünner sind und die Schichtung demgemäß feiner erscheint. Gegen die Kante zu werden seine Bauverhältnisse immer zarter, sodaß es hier, namentlich auf Flächenpräparaten, mehr an die Außenlage des Rumpfes erinnert, die ja, wie erwähnt, prinzipiell den gleichen Bau wie die Innenlage besitzt. Die senkrecht ın das Corium der Flossensäume aufsteigenden Bindegewebsbündel sind Fortsetzungen oder Zweige der das Gallertgewebe der Säume in querer Richtung durchsetzenden Bündel. 3. Elastische Fasern. — Die elastischen Fasern sind selbst bei erwachsenen AxolotIn (220 mm Länge) im Corium noch recht schwach entwickelt. In der Innenlage sind fast ausschließlich nur aufsteigende Fasern vorhanden, welche sie in Begleitung der auf- steigenden Bindegewebsbündel senkrecht und in gestrecktem Verlaufe durchsetzen und sich vielfach in das Unterhautbindegewebe verfolgen lassen, aus dem sie entweder senkrecht aufsteigen oder winkelig um- biegen; nur sehr selten geben sie in die Innenlage selbst vereinzelte, bogig abzweigende Äste ab, welche ungefähr parallel zur Hautober- fläche verlaufen. Beim Übertreten in die mittlere Coriumlage ver- zweigen sich die aufsteigenden Fasern, um sich teils nach verschie- denen Richtungen hin auszubreiten, teils aber, und zwar vorwiegend, um, ähnlich den Bindegewebsbündeln, der Oberfläche zuzustreben. Jedoch habe ich niemals die ohnehin sehr feinen elastischen Fasern bis zur Außenlage des Coriums, das selbst ganz frei von ihnen ist, verfolgen können. In den säulenartig aufsteigenden Zügen der Binde- gewebsbündel unter den Hautdrüsen finden sich ähnlich aufsteigende Stränge von elastischen Fasern. Im Gallertgewebe der Flossensäume sind sie nur durch ziemlich wenige, feine, quer durch die Säume verlaufende Fasern vertreten. 4. Bindegewebszellen. — Die Untersuchung der Bindege- webszellen bildete mit den wichtigsten Punkt meiner Beobachtungen. Es war notwendig, sie bis in ihre feinsten Ausläufer hinein zu verfolgen. Zu diesem Zwecke bediente ich mich zum Teil eigener Methoden, deren Mitteilung in der ausführlichen Arbeit erfolgen wird. Ich habe auf das Studium der Bindegewebszellen (auch soweit sie nicht mit Epidermiszellen in Verbindung stehen) um so größeren Wert gelegt, als die Resultate dieser Untersuchungen, von denen prinzipiell neues ja im allgemeinen nicht zu erwarten war, Anhaltspunkte zur Beur- teilung der Brauchbarkeit meiner Methoden abzugeben imstande sind. 400 A. Schuberg: [6 Dies war insofern von Wichtigkeit, als die gleichen Methoden zum Nachweis der Verbindungen von Epithel- und Bindegewebszellen ver- wandt werden. Der Innenlage des Coriums liegen an der Grenze gegen das Unterhautbindegewebe zweierlei Zellen an, die jedoch durch Über- gangsformen verbunden sind: platte, an der Grenze flach ausgebreitete Zellen und solche, welche mit ihrem halbkugeligen oder birnförmigen Körper mehr oder weniger weit in das Unterhautbindegewebe hinein vorspringen; letztere färben sich besonders intensiv, liegen oft gruppenweise zusammen („subeutane Zellen nnd Zellennester“) und gehen nach innen zu keinerlei Verbindungen ein. Beiderlei Zellen entsenden in die Innenlage des Coriums Fortsätze, welche sich mit denen anderer Zellen netzförmig verbinden. Die „subeutanen Zellen“ besitzen in der Regel einen senkrecht in die Innenlage aufsteigenden Fortsatz, von welchem meist mehrere, parallel zur Hautoberfläche ziehende Ausläufer abgehen, in der Art, daß der ganze in der Innen- lage befindliche Teil der Zelle die Form eines T mit einfachem oder mehreren Querbalken besitzt. Die aufsteigenden Zellfortsätze liegen in der Regel aufsteigenden Bindegewebsbündeln an. Gewisse Beobach- tungen machen es wahrscheinlich, daß diese Zellen in die Innenlage des Coriums einwandern ; man findet nämlich Übergangsformen zwischen den noch teilweise in das Unterhautbindegewebe hineinragenden und den ganz in der Innenlage des Coriums liegenden Zellen, deren Körper parallel zur Hautoberfläche sich ausbreitet. Die letzteren Zellen bilden flache Platten, deren ausgefranste Ränder in zahlreiche feine Ausläufer sich fortsetzen. In Flächenansicht stimmt das durch diese feinen Ausläufer gebildete Netz- und Maschengewebe in weitgehendem Maße mit dem aus der Cornea der Wirbeltiere bekannten Zellennetze über- ein, indem die Ausläufer, entsprechend der Anordnung der Bindege- websbündel, in zwei einander durchkreuzenden geradlinigen Haupt- richtungen angeordnet sind. Die Verbindung der übereinanderliegenden Schichten von Zellen und Zellenausläufern erfolgt teils durch spitz- winkelig, teils aber auch durch rechtwinklig aufsteigende Fädchen, wie aus senkrecht zur Hautoberfläche geführten Schnitten hervorgeht. An allen Verzweigungsstellen der Zellen finden sich stets kleine Pro- toplasmaansammlungen mit bogigen Begrenzungslinien, was auf die flüssige Natur des. Protoplasmas hindeutet. In der mittleren Coriumlage ist die Gestalt der Binde- gewebszellen unregelmäßiger; die Verbindung der feinen Ausläufer ist auch hier nachzuweisen. Um die Drüsen herum bildet das Netz 7] Über Zellverbindungen. 401 der Bindegewebszellen (auf Tangentialschnitten der Haut) konzentrisch angeordnete Züge. Auch die säulenartigen Züge der Bindegewebs- bündel unter den Drüsen bedingen bestimmte Modifikationen in der Form und Anordnung der Zellen. — Nicht selten werden in Zellen der mittleren Coriumlage kleine Pigmenteinlagerungen angetroffen, welche aus drei, vier, bis etwa zu einem Dutzend kleiner Körnchen bestehen und übrigens auch in Zellen des Unterhautbindegewebes und an anderen Orten gefunden werden. Unter der äußeren Coriumlage, dieser z. T. dicht an- lagernd, bilden die Bindegewebszellen ein Netz, dessen Maschen von breiteren Ausläufern gebildet wird. Wenn die äußere Öoriumlage eine gewisse Dicke erreicht hat, wird sie von feinen, aus diesem Netze entspringenden Fädchen durchsetzt, die sich mit dreieckig vorspringenden Fortsätzen der basalen Epi- dermiszellen kontinuierlich verbinden. Bei jüngeren Tieren mit noch dünnerer Außenlage sind die basalen Epidermiszellen quer abgestutzt und besitzen anscheinend keine Verbindungen mit den Bindegewebszellen. Besonders deutlich und zahlreich sind solche Verbin- dungen jedoch in dem einheitlichen CGorium der Flossen- säume nachzuweisen. Im allgemeinen stimmt die Anordnung der Bindegewebszellen unter und in dem Corium der Flossensäume mit den für die Innenlage des Rumpfes geschilderten Verhältnissen über- ein. Auch den „subeutanen Zellen“ entsprechende Elemente sind hier vorhanden, deren Einwandern in das Corium durch Auffindung auf- einanderfolgender Stadien hier noch wahrscheinlicher gemacht werden konnte. Das Netz der unter und in dem Corium gelegenen Bindegewebszellen ist durch zahlreiche, senkrecht aufstei- gende Ausläufer kontinuierlich mit den basalen Epidermis- zellen verbunden, die sich mit ihren spitzen Fortsätzen oft tief in das Corium einsenken. Diese Verbindungsfäden können das ganze Corium durchsetzen, entspringen dann also von den dem Corium nach innen anliegenden Zellen, oder gehen von den hori- zontal übereinander geschichteten, dem Corium eingelagerten Binde- gewebszellen und deren Ausläufern ab. 5. Pigmentzellen. -- Die Pigmentzellen konnten bei den vorliegenden Untersuchungen umsoweniger unberücksichtigt bleiben, als mehrfach — auch für Amphibien — eine Verbindung von Epi- dermiszellen mit Pigmentzellen beschrieben worden war. An der Grenze von Innenlage des Coriums und Unterhautbinde- 402 A. Schuberg: [S gewebe sind Pigmentzellen zahlreich vorhanden; in ersterer selbst wurden dagegen nur einzelne, senkrecht hindurchtretende Ausläufer gefunden, welche meistens von Zellen entsprangen, die selbst in der mittleren Coriumlage gelegen waren. Hier sind sie, wie bekannt, sehr zahlreich; besondere Erwähnung verdienen die dicht unter der Außenlage und parallel zu ihr sich hinziehenden Pigmentnetze. In den Flossensäumen finden sich solche nicht nur unter, sondern auch in dem geschichteten Corium. Die Netze der unter der Außenlage des Rumpfes und unter dem Corium der Flossensäume gelegenen Pigmentzellen sind unregelmäßig, während die innerhalb des letzteren liegenden Netze und Ausläufer gleich den Bindegewebszellen die regel- mäßige Anordnung der Bindegewebsbündel wiederspiegeln. Verbin- dungen der Pigmentzellen mit Epidermis- oder Bindege- webszellen wurden niemals wahrgenommen und sind mit Sicherheit auszuschließen. Die vorliegenden Angaben über Ver- bindungen ersterer Art beruhen auf einer falschen Deutung von Pigmentzellen, welche in die Epidermis eintreten, und zwar in deren Intercellularräume, was deutlich beobachtet werden konnte. Im Corium der Flossensäume liegen die Pigmentzellen in den Lymphspalten. Sie sind oft dem Körper oder den Ausläufern von Bindegewebs- zellen streckenweise dicht und parallel angelagert. Diese Tatsache, wie ferner die Einlagerung in die Lymphspalten, das Vor- kommen in der Epidermis, die dadurch bethätigte Lokomotionsfähig- keit und die von anderen Autoren beobachtete mitotische Teilung sprachen für die Richtigkeit der auch schon von Ehrmann ver- tretenen Auffassung, daß die Pigmentzellen Zellen besonderer Art, vor allem also auch nicht einfach pigmenthaltige Binde- gewebszellen sind, wie dies vielfach noch angenommen wird. Auch mit Leukocyten haben sie nichts zu thun, trotzdem ihnen eine Be- wegung in den Lymphspalten zukommt. 6. Farblose Pigmentzellen. — In der äußeren Partie der mittleren Coriumlage des Rumpfes, dicht unter der äußeren Corium- lage, ferner in und unter dem Corium des Rumpfes, sowie in ver- einzelten Fällen in der Epidermis fand ich Zellen, welche nach ihrer Größe, Art der Verzweigung und Netzbildung, sowie ihrem Vorkommen in den Lymphspalten und in den Intercellularräumen der Epidermis, an Pigmentzellen erinnern. Das schwach färbbare Protoplasma ist mit zahlreichen blassen Körnchen erfüllt, welche sich nur mit gewissen Farbstoffen nachweisen ließen. In manchen solchen Zellen findet man nun Pigmentkörnchen, welche mit den gewöhnlichen schwarzen Pig- [9 Über Zellverbindungen. 403 mentkörnchen, sowie mit den eben erwähnten farblosen Granula gleiche Größe besitzen. Dieser Gehalt an Pigment kann soweit gehen, daß annähernd gleich viel schwarze, und ungefärbte Granula in der Zelle vorhanden sind. Dieser Umstand, wie die sonstige Überein- stimmung mit den gewöhnlichen Pigmentzellen, machen es wahrschein- lich, daß die blassen Körnchen farblose Pıgmentkörnchen, die Zellen selbst also farblose Pıigmentzellen darstellen. Wie Reinke gezeist hat, lassen sich bei Salamanderlarven die Pigmentkörnchen vom Pig- ment befreit als kleine Granula darstellen, woraus hervorgeht, daß das Pigment an ein, auch im pigmentfreien Zustande nachweisbares Substrat gebunden ist. Diese Beobachtungen scheinen mir meine Auffassung wesentlich zu unterstützen. Von Mastzellen sind die farb- losen Pıgmentzellen durch die verschiedenartige Reaktion der Körnchen gegen basische Anilinfarben, sowie durch die Form verschieden; doch ist es nicht unmöglich — und dafür spricht die gelegentliche Beobach- tung in den Intercellularräumen der Epidermis —, daß sie mit den Langerhans’schen Zellen der Epidermis identisch sind. Verbin- dungen der farblosen Pigmentzellen mit Epidermis- oder jsindegewebszellen sind nicht vorhanden. 7. Mastzellen. — Diese eigentümlichen Zellen, über deren Be- griff in der Litteratur noch immer eine ziemliche Verwirrung herrscht, finden sich im Unterhautbindegewebe, in der äußeren lockeren Partie der mittleren Coriumlage und ım Gallertgewebe der Schwanzflosse oft in ziemlicher Menge. Sie bestehen aus einem kleinen, meist ovoiden, den Kern umschließenden Hauptteil, von dem nur wenige, lange Aus- läufer abgehen. Diese geben gleichfalls nur wenige, ın ziemlich weiten Abständen abtretende Seitenzweige ab, welche weder miteinander, noch mit denen anderer Zellen sich vereinigen. Die Ausläufer und ihre Seiten- zweige besitzen oft ziemlich dicht aufeinander folgende spindelförmige oder kugelige Auftreibungen und endigen ın der Regel mit rundlichen, tröpfehenartigen Anschwellungen. Die Zellen sind dicht mit kleinen Körnchen erfüllt, welche mit basischen Anilinfarben die von Ehrlich für sie nachgewiesene metachromatische Färbung zeigen. In die Außenlage des Coriums wie in das Corium der Flossensäume oder gar in die Epidermis dringen die Mastzellen niemals ein, können also schon deshalb keinen Anlaß zur etwaigen Vortäuschung von Zellver- bindungen geben. — Mit Rantzer's „Clasmatocyten“ sind die Mast- zellen zweifellos identisch. Von Herrick und Coghill sind sie ın der Haut des Axolotls irrtümlicherweise als Ganglienzellen beschrieben worden. 404 A. Schuberg: [10 8. Leukocyten. — Im Corium, insbesondere in der mittleren Lage, kommen regelmäßig verschiedenerlei Formen von Leukoeyten vor, sowohl mehrkernige granulafreie, wie granulahaltige. Von letzteren finden sich zwei Arten: einkernige mit größeren und mehrkernige mit kleineren Granula; die Granula dieser beiden Arten verhalten sich auch färberisch verschieden. Einkernige, granulafreie Leukocyten wurden auch bei der Durchwanderung der äußeren Coriumlage ange- troften, sodaß-ihr Körper teils in der mittleren Coriumlage, teils in den Intercellularräumen der Epidermis lag. Eine Verwechslung solcher Vorkommnisse mit Verbindungen zwischen Epidermis- und Bindege- webszellen ist ausgeschlossen. 9. Nerven. — Die markhaltigen Nerven treten, unter Verlust der Markscheide, in die Epidermis ein. An den Flossensäumen kann man gut verfolgen, wie sie das Corium senkrecht durchsetzen; von den Verbindungen der Epidermis- und Bindegewebszellen sind sie. schon durch ihre größere Dicke, leicht zu unterscheiden. Die von Herrick und Coghill aus der Haut des Axolotls beschriebenen „Nerven“ sind großenteils Bindegewebsbündel, ihre „Ganglienzellen“ da- gegen, wie schon oben erwähnt, Mastzellen. Ein Vergleich der oben beschriebenen Verbindungen zwischen Epidermis- und Bindegewebszellen mit allen übrigen im Üorium, insbesondere an dessen Grenze gegen dieEpidermis zuvorkommenden Gewebselementen zeigt ebenso, wie die ganze Natur jener Verbindungenansich, daß eine Verwechselung mit irgend welchen anderen Dingen ausgeschlossen ist und daß in der Haut des Axolotls, insbesondere aber in derjenigen der Flossen- säume, Verbindungen zwischen Epidermis- und Binde- gewebszellen unzweifelhaft vorhanden sind. (Sonderabzüge, ausgegeben den 20. Oktober 1902.) Eine periodische Kontaktkatalyse. Von G. Bredig und J. Weinmayr. Einleitung. Beschreibungen einfacher periodischer Erscheinungen sind in der chemischen Litteratur ziemlich selten, verdienen aber doch einige Beachtung, vielleicht auch vom Standpunkte der Frage aus, wie bei biologischen Vorgängen deren Periodicität aus chemischen und physi- kalischen Thatsachen abzuleiten wäre!). Die neuerlichen, eleganten Versuche Ostwalds über periodische Erscheinungen bei der Auf- lösung des nach dem Goldschmidt’schen aluminothermischen Verfahren dargestellten Chroms haben im Anschluß an Hittorfs?) berühmte Ent- deckung der passiven und aktiven Zustände dieses Metalles nicht nur das Interesse an älteren, beim Eisen gemachten elektrochemischen Beobachtungen dieser Art von Fechner, Herschel, Schönbein, Faraday, Joule?) u. A. neu belebt, sondern auch eine Fülle neuer und zum Teil noch recht rätselhafter Thatsachen zu Tage gefördert. Der Hauptinhalt der Ostwald’schen Beobachtungen ist folgender: 1) Vergl. @. Quincke Wied. Ann. 35, 614 (1888). J. Bernstein, Pflügers Archiv für Physiologie 80, 628 (1900) Naturwiss. Rundschau 15, 434 (1900) 16, 413, 429, 441 (1901). Ostwald, Vorlesungen über Naturphilosophie Leipzig 1902 S. 274, 315, 362. 2) Hittorf, Zeitschr. f. physikal. Chemie 25, 729 (1898), 30, 481 (1899), 34, 385 (1900), Zeitschr. f. Elektrochem. IV 482 (1898), VI 6 (1899), VII 168 (1900). 3) Über die ältere Litteratur vergl. Ostwald, Elektrochemie Leipzig 1896 S. 699, Kgl. Sächs. Akadem. d. Wissensch. 1900 XXVI, II, Zeitschrift f. physikal. Chemie 35, 204 (1900). Kahlbaum u. Schaer, Chr. Fr. Schoenbein I 108, Leipzig 13899. Dammer, Handb. d. anorg. Chem. III 293, IV 750. Verlıandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 23 406 G. Bredig und J. Weinmayr: [2 1. Im Gegensatze zur gewöhnlichen stetigen Auflösungsgeschwin- digkeit von Metallen in Säuren ist die Geschwindigkeit der Auflösung mancher Sorten nicht ganz reinen Chrommetalls unter gewissen Umständen eine periodisch wechselnde!). 2. Mit den Perioden der chemischen Aktivitätsänderung des Chroms koincidieren gleichzeitige erhebliche periodische Schwankungen der elektromotorischen Kraft des Metalles?). 3. Die Form und Existenz der Schwingungen ist äußerst em- pfindlich gegen Spuren gewisser Zusätze. Die älteren Beobachtungen über periodische Erscheinungen bei der Elektrolyse sind neuerdings von verschiedener Seite?) noch vermehrt worden. Wie man aber aus den Diskussionen ersieht, kann die Frage nach der Entstehung dieser Schwingungen durchaus noch nicht als gelöst angesehen werden. Bei Gelegenheit einer Untersuchung über die Katalyse des Wasserstoffsuperoxyds durch Quecksilber bei dem Zer- fallin Wasser und Sauerstoff) sind wir nun auf eine geradezu typische periodische Erscheinung gestoßen. Es hat sich nämlich herausgestellt, daß die katalytische Zersetzungsge- schwindigkeit des Wasserstoffsuperoxydes an Queck- silberoberflächen unter bestimmten und bisher stets reproduzierbaren Umständen eine periodische ist. Chemische Periodicität. Der erste Versuch, der uns zur Auffindung der Periodicität leitete, war folgender: Eine 1°/oo H,0,-Lösung wurde der katalytischen Kon- taktwirkung einer kreisförmigen (uecksilberoberfläche von 7,7 cm Durchmesser bei 25° ausgesetzt. Dabei ergaben sich folgende Zer- setzungsgeschwindigkeiten: 1) Ostwald l. e. und Kgl. Sächs. Akademie d. Wissenschaften 1899 XXV, IV, Zeitschrift für physikal. Chemie 35, 33 (1900). 2) Ostwald 1. e. E. Brauer, Zeitschrift für physikal. Chemie 38, 441 (1901), 3) Koelichen, Zeitschrift für Elektrochemie VII, 628 (1901). Coehn, ibid. VII, 633, VIIl, 592. Liebenow, ibid. VII, 634. Haber, ibid. VIl, 634. Küster, ibid. VIII, 496 499. Cohen, ibid. VIII, 499. Foerster, ibid. VIII, 500. 4) Als Fortsetzung der Versuche von Bredig und Jkeda. Zeitschrift für physikalische Chemie 37, 65 (1901). Bredig u. Reinders ibid. 37, 340. Bredig Anorgan. Fermente Leipzig 1901 S. 72. ; j % h, Eine periodische Kontaktkatalyse. 407 Tan ornandene H.0.Kon a Geschwindigkeit als Umsatz Minuten Igzennnuen Be Sonn pro 10 Minuten | = | Versuchl. | 0 | 10,79 | = 10 | 10,55 | 0,24 20 | 10,00 | 0,55 30 | 9,67 0,33 40 | 8,83 0,84 = | 8.65 | 0,18 60 | 7,60 | 1,05 70 7,43 | 0,17 80 6,60 0,83 Versuch II. 0 14,25 RL 10 13,30 0,95 90 10,00 3,30 30 9,21 0,79 40 7,03 2,18 50 6,65 0,38 60 5,61 1,04 0 4,63 0,98 80 3,55 1,08 90 2,65 0,90 Versuch II. 0 12,00 Fu 10 11,51 0,49 0 10,50 1,01 30 10,45 0,05 40 8,80 1,65 50 | 7,30 | 1,50 60 6,50 0,20 a 5.10 1,40 20 430 0,80 ” 3.30 1,00 100 2,45 0,85 110 1,40 | un 28* Aug G. Bredig und J. Weinmayr. [4 Sowohl aus der letzten Kolumme der obigen Tabelle wie aus den Kurven Fig. 1--3 sieht man deutlich das abwechselnde Steigen und Sinken der Reaktionsgeschwindigkeit während des Versuches. Bei weiterer systematischer Prüfung stellte sich nun heraus, daß die Pulsation der Geschwindigkeiten in obigen Versuchen nicht auf zu- fälligen Versuchsfehlern beruht, sondern daß die Katalyse des Wasser- Minuten (>) o w S eu oO je2) oO — je} © (=) © {=} ei Fer Rear KESABERZ = BE zen Er TI I IT TT BEERVERE BE EEE N MESRanEeN cem KMnO, Bene), Ze | el | SPS FEIERTE Eee Be Fe Ban A I EB ER Fig. 1. stoffsuperoxyds durch Quecksilber vielmehr unter bestimmten und bisher von uns stets leicht wieder erhaltenen Bedingungen in der That einen besonders deutlichen Fall von periodischer Reaktions- geschwindigkeit liefert, der sich in folgender Form sehr schön zu Demonstrationszwecken eignet: Bringt man nämlich in ein gut gereinigtes, trockenes Reagens- ; ? 5] Eine periodische Kontaktkatalyse. 409 glas von 1,5—2 cm Durchmesser einige Kubikcentimeter reinen Queck- silbers und schichtet man darüber ca. 10 Kubikcentimeter einer wässerigen 10—11°/o-Lösung von reinstem Wasserstoffsuperoxyd, so bedeckt sich das Quecksilber bei Zimmertemperatur bald mit einem glänzenden, goldbroncefarbigen, spiegelnden Häutchen und allmählich beginnt die Katalyse des H,O, unter Entwickelung von Sauerstoffgas. Minuten 0 10 20 30 +0 50 60 Baer Bez] Beer, a E „N a ae 5 a N : DEBERESERR ÜEBEEEERERLUR EN BEE IN BErBEL N ‚ae we Einen Bee > aaa 9 Pa a a RR ER Zuweilen schon nach 5 Minuten, oft aber erst nach 25—40 Minuten bemerkt man, wie die bis dahin lebhafte Gasentwickelung plötzlich an der (uecksilberoberfläche aussetzt, wobei aus dem verschwindenden Gasblasennebel in der Flüssigkeit der broncefarbige Spiegel auf. dem Metall wie ein „Silberblick“ sichtbar wird. Nach einer Pause von einer oder mehreren Sekunden setzt nun die Katalyse, anscheinend 410 G. Bredig und J. Weinmayr. [6 von den Rändern aus beginnend, wieder lebhaft ein, macht nach kürzerem oder längerem Gange wieder dieselbe Pause unter Hervor- blinken des gelben Spiegels und so geht die schöne und überraschende Erscheinung in sehr regelmäßigen Intervallen eine halbe oder ganze Stunde lang rhythmisch fort, bis diese rhythmischen Unterbrechungen der Katalyse ausbleiben und die Reaktion stetig zu Ende geht, zu- Minuten 10 20 30 +0 50 60 70. 80 cem KMnO, N Mi Fremen /| Fig. 3. weilen auch sehr stürmisch wird. Zum Schlusse ist das Quecksilber meistens mit einem dunkelgrauen Niederschlage (wohl von Hg,O) bedeckt, Die Zahl dieser „chemischen Schwingungen“ pro Minute ist zwar in verschiedenen Versuchen verschieden und scheint von einer ganzen Anzahl von Bestimmungsstücken abzuhängen, doch ist sie bei mehreren gleichzeitigen Versuchen unter gleichen Umständen häufig annähernd u 7] Eine periodische Kontaktkatalyse. 411 gleich und liegt bei dem soeben beschriebenen Versuche in der Gegend von 1—20 Schwingungen in der Minute. So waren in zwei Parallelversuchen die Schwingungszahlen in der Dear 9.) 11.213. 2 Minute Blersuch A 29,795 1,10.,. 11. 11.12.14. 14... 18. BVersuch B: 9: 10. 10.102210. 11: 11:.'12.. 12. Oft bleibt die Schwingungszahl längere Zeit bei demselben Ver- suche annähernd konstant. Es soli versucht werden, diese Konstanz durch Konstanthalten der Bedingungen (Temperatur, H,O,-Konzen- tration etc.) noch zu erhöhen. Temperaturerhöhung vergrößert gerade wie bei Ostwald’s Chromversuchen die Schwingungszahl sehr stark. Wir konnten auch geradeso, wie es zuerst Ostwald bei seinen Chromversuchen gethan hat, auch hier die oscillierende Entwickelungs- geschwindigkeit des Sauerstoffgases an den Zuckungen eines kleinen Manometers verfolgen, als wir das Gas durch eine passende Kapillare unter Druck entweichen ließen. Genauere Messungen nach Ost- walds Muster mit dem Sphygmographen sollen später folgen. Sehr auffallend ist die große Empfindlichkeit der Erscheinung gegen Zusätze mancher fremder Stoffe. So löschen schon sehr geringe Zusätze von Säuren und Alkalien, Natriumsulfat, Kalium- nitrat, Kaliumehlorat, Natriumkarbonat, Chlorkalium und Bromkalium die Schwingungen völlig aus, indem Säuren, Chloride und Bromide die Katalyse meist lähmen, die anderen genannten Stoffe aber dieselbe stürmisch erregen, wobei sich zuweilen an Stelle des bronceglänzenden Spiegels eine dickere Schicht einer @uecksilberverbindung bildet. Dagegen zerstörte ein geringer Alkoholzusatz die Schwingungen nicht, veränderte aber ihre Form. Gewöhnlicher Äthyläther oder Olivenöl brachten die Schwingungen zum Erlöschen, was wohl mit ihren bekannten, die Quecksilberober- fläche ‚„verschmierenden‘ Eigenschaften zusammenhängt. Erwähnt sei, daß KOH und KCl gewissermaßen „Antagonisten“ sind, indem eine durch KCl gelähmte Quecksilberkatalyse des H,O, durch Alkalı- zusatz neu belebt werden kann, wobei zuweilen wieder eigentümliche ruckweise Schwingungen beobachtet werden. Besonders wertvoll dürfte die Thatsache sein, daß uns die Ver- suche bisher mit allen verschiedenen Quecksilberproben und H,0,- Lösungen gelangen, die wir verschiedenen Vorratsflaschen zu ver- schiedenen Zeiten entnahmen. Auch machte es hierfür keinen Unter- schied, ob wir das Quecksilber mit HgNO, und HNO, oder durch Vakuumdestillation gereinigt hatten. Wesentlich ist allerdings nach 412 G. Bredig und J. Weinmayr. [8 dem eben über die Zusätze Gesagten die Anwendung eines sehr reinen und elektrolytfreien Wasserstoffsuperoxydes, wie es die Firma Merck in Darmstadt in vorzüglicher Qualität von 30°/o in den Handel bringt. Bei Gelegenheit sollen natürlich auch Präparate anderer Herkunft untersucht werden. Besonderer Wert zum Gelingen des Versuches ist auf Reinheit des Gefäßes zu legen. Elektrische Periodicität. Da alle geprüften fremden elektrolytischen Zusätze die chemi- schen Schwingungen auslöschten, schien eine Messung des elektrischen Potentials des Quecksilbers während der Schwingung nach dem Bei- spiel der Ostwald-Brauer’schen Versuche mit erheblichen Schwierig- keiten verknüpft. Gleichwohl ist es gelungen, durch einen einfachen Kunstgriff zum Ziele zu gelangen. Da auch das reine H,O,, wie Calvert!) gezeigt hat, eine Säure und daher selbst ein merklicher Elektrolyt ist, so konnte man zunächst an der schwingenden H,O, | Hg-Elektrode auf einen fremden Zusatz verzichten. Um zu verhindern, daß aus dem Heber, welcher die schwingende H,O, | Hg- Elektrode mit einer konstanten Kalomelelektrode leitend verband, ein fremder Elektrolyt in schädlichen Mengen an die H,0,|Hg- Elektrode herandiffundierte, wurde dieser Heber mit einer 3°o Gelatinegallerte, welche !/ıo norm. KNO, enthielt, gefüllt und das Ende des Hebers, welches später in die Flüssigkeit der H,O, | Hg- Elektrode tauchen sollte, etwa 1 Stunde lang in destilliertem Wasser ausgewässert. Hierdurch wurde dieses Heberende von KNO, soweit befreit, daß es während der Messungszeit keine für die Schwingungen schädlichen Mengen von KNO, mehr an die H,0,-Lösung abgeben konnte, andererseits aber blieb in den übrigen Teilen des Hebers noch genug Elektrolyt zurück, um die Leitung zu vermitteln. So gelang es in der That, aus einer Normal-KCl|Calomelelektrode und einer Quecksilberelektrode mit 10 °/o H,O, ein Element aufzubauen, das während der Messung längere Zeit die oben geschilderten, dem Auge deutlich sichtbaren Schwingungen der katalytisch-chemischen Reaktionsgeschwindigkeit unverändert zeigte. Die Messungen der elektromotorischen Kraft dieser Kette geschahen nun mittelst der be- kannten Kompensationsmethode mit Kapillarelektrometer von 2 Milli- volt Empfindlichkeit. I) Calvert, Drudes Ann. 1, 483 (1900). Zeitschrift f. physikalische Chemie, 38, 513 (1901). 9] Eine periodische Kontaktkatalyse. 413 So wurde in mehrfachen Versuchen unzweifelhaft fest- gestellt, dass gleichzeitig mit den Öscillationen der chemischen Reaktionsgeschwindigkeit an der H,O, | Hg- Elektrode auch erhebliche und regelmäßige Oscilla- tionen der elektrischen Potentialdifferenz vorhanden sind, die sich schon mit bloßem Auge am Meniscus des Kapillar- elektrometers koincidierend mit den gleichzeitigen Ruhepausen der Hg-Katalyse beim Sichtbarwerden des broncefarbigen Elektroden- spiegels erkennen lassen. Die Kette Hg | HgCl norm. KCl | Y/ıo norm. KNO, | 10° H,0,-Lösung | Hg zeigte im katalytisch-aktiven Zustande der H,0,-Elektrode eine E.M.K. von ca. 0,254 Volt, dagegen im inaktiven Zustande eine E.M.K. von ca. 0,522 Volt. Hierbei war die Kalomelelektrode stets die Anode. Es folgt daraus, daß im inaktiven Zustande das Queck- silber gegen H,O, um rund 70 Millivolt positiver ist als ım aktiven Zustande. Das Quecksilber erscheint also im katalytisch-inaktiven Zu- stande edler. Aus dem Umstande, daß gerade im inaktiven Zustande die elektromotorische Kraft der Kette sogar größer ist als im aktiven Zustande, wäre man geneigt, zu schließen, daß die Änderung der elektromotorischen Kraft beim Eintritt in den inaktiven Zustand nicht etwa darın besteht, daß nach Art des Leidenfrost'schen Phä- nomens oder des Wehnelt-Unterbrechers der Kontakt zwischen Metall und Flüssigkeit unterbrochen wird. In diesem Falle hätte doch ge- rade im inaktiven Zustande die elektromotorische Kraft der Kette scheinbar verschwinden müssen. Dagegen kann auch die Annahme eines elektromotorisch wirksameren Sauerstoffhäutchens, das sich periodisch bildet, eine Erklärung dafür bilden, warum in der Ruhe- pause die Elektrode kathodischer wird, als in dem aktiven Stadium, wo das H,O, die elektromotorische Kraft bestimmen!) würde. Periodicität der Oberflächenspannung. Seit Ritter, Draper, Paalzow, (Quincke, Lippmann u. a. wissen wir?2), daß mit einer Anderung der elektrischen Potentialdifferenz zwischen Quecksilber und einer Flüssigkeit eine Anderung der Ober- 1) Vergl. Haber, Zeitschr. f. Elektrochemie VII 442 (1900). 2) Vergl. @. Quincke, Pogg. Ann. 139, 65 (1870). Ostwald, Elektrochemie S. 1017. 414 G. Bredig und J. Weinmayr. [10 flächenspannung zwischen diesen Medien verbunden ist. Hittorf’s „Zwangszustand‘“ der passivierbaren Metalle dürfte daher auch durch eine gerade bei Metallen durchaus wahrscheinliche „Hysteresis“ der OÖberflächenspannung erklärbar sein!. Es wird also nach den vorstehenden Beobachtungen auch nicht wunder nehmen, wenn wir zuweilen beim periodischen Eintritt der Inaktivität eine Abplattung, beim Eintritt der Aktivität eine Krümmung der katalysierenden Quecksilberkuppe unter der H,0,-Lösung wahrgenommen haben. Letztere ist freilich wegen des einsetzenden Gasblasennebels nicht sehr sicher zu beobachten. Bei Anstellung des Versuches in einer Por- zellanschale nimmt die Erscheinung manchmal das Aussehen des von Kühne herrührenden kapillarelektrischen Phänomens?) an. Jedoch scheint es notwendig, Oberflächengröße und H,0,-Konzentration auf einander „abzustimmen“, um Schwingungen zu erhalten. Eine besonders auffallende Erscheinung ist die, daß man durch eine leise Erschütterung meistens ein kurzes Stadium von Inaktivität unter gleichzeitigem Sichtbarwerden des Broncespiegels, also eine Schwingung auslösen kann. Da es bekannt ist, daß gerade das Potential polarisierbarer Elektroden besonders stark gegen Erschütterungen empfindlich ist (vergl. z. B. Nernsts) Beobachtungen gerade an Quecksilberelektroden), so deutet diese Thatsache im Verein mit dem oben konstatierten Zusammenhang von Potential, Aktivität und Oberflächenspannung darauf hin, dass für die Inaktivierung die Polarisierbarkeit der kata- lysierenden (uecksilberoberfläche von wesentlicher Bedeutung ist). Diese elektrische oder durch Verarmung chemische Polarisierbarkeit kann jeden- falls auch durch Bildung eines Niederschlagbäutchens (HgO) oder einer dünnen Gashaut (0?) befördert werden, wenn nämlich nicht die Substanz des Häutchens, sondern die Elektrodenflüssigkeit (etwa das H,O,) als Depolarisator wirkt. Man hat dann wohl Verhältnisse, wie sie sich etwa bei den Chromoxyddiaphragmen von Imhof und E. Müller?) oder auch bei den Aluminiumanoden von Graetz®) einstellen. Erwähnt sei, 1) Vergl. hierzu auch Abegg, Zeitschr. f. Elektrochem. VII 659 (1901). 2) Vergl. Ostwald, l. ce. S. 1018. Haber u. Sack, Zeitschrift f. Elektrochemie VIII, 253 (1902). 3) Nernst, Zeitschr ft f. physık. Chemie 4, 157 (1889). Ostwald, ]. e. S. 1024. 4) Vergl. auch besonders die Betrachtungen über Passivität bei Le Blane, Zeitschr. f. Elektrochem. VI. 476 (1900). Finkelstein, Zeitschr. f. physikal, Chemie 39, 91 (1902). 5) E. Müller, Zeitschrift für Elektrochemie VII, 398 (1901). 6) Graetz, Zeitschrift f. Elektrochemie IV, 67 (1897). u 11] Eine periodische Kontaktkatalyse. 415 daß die Bildung von Deckschichten in der Litteratur') über solche periodische Erscheinungen sehr oft diskutiert und festgestellt wird und daß mit dem Auftreten dieser Deckschichten nach Haber und Sack?) erhebliche Potentialänderungen verbunden sein können. Für das Zustandekommen guter Schwingungen zeigte es sich als wichtig, daß die Quecksilberoberfläche möglichst in allen Punkten gleichzeitig das broncefarbige, spiegelnde Häutchen bildet. Bilden sich nämlich davon ungleichmäßige Stellen an ver- schiedenen Punkten der Metalloberfläche, so geraten diese nicht synchron in schwingende Reaktion und wegen der ungieichen Schwingungsphase an den verschiedenen Stellen wird die Erscheinung undeutlich. Nach unseren Beobachtungen ist das Auftreten der Schwin- gungen an das Vorhandensein des bronceglänzenden Häutchens, das wohl aus HgO besteht, geknüpft. Ob dieses Häutchen im Momente des Aktivwerdens zerstört wird, haben wir wegen der intensiven (sas- entwickelung über demselben im aktiven Stadium bisher nicht sicher entscheiden können. Gewöhnliches gelbes Quecksilberoxyd wird in der That von reiner 10°/o H,O,-Lösung unter Sauerstoffgasentwicke- lung reduziert, allerdings nicht so schnell, wie bei Zusatz von Alkali. Man könnte also annehmen, daß ein festes oder gasförmiges Häutchen bei Berührung von H,O, mit Quecksilber periodisch gebildet und zerrissen wird, wobei man freilich nicht an „molekulare Schwingungen“ zu denken hätte, wohl aber an die wichtigen Untersuchungen @. Quinckes °) „Über periodische Ausbreitung an Flüssigkeitsober- flächen und dadurch hervorgerufene Bewegungserschei- nungen“. Bei unseren Versuchen wurden wir lebhaft an die von (uincke schon im Jahre 1870 beschriebenen „explosionsartigen“ perio- dischen Ausbreitungen von Öltropfen auf einer Wasserfläche infolge der Änderungen der gemeinsamen Oberflächenspannungen unter gleich- zeitiger Auflösung und darauffolgender plötzlicher Bildung einer dünnen Haut, sowie an die von ihm beschriebenen periodischen 1) Vergl. die Citate aufS. 1 und 2 sowie Micheli, Wied. Beibl. 24, 1152 (1900). Vergl. besonders den Einfluss absorbierbarer Kolloide bei Ostwald, Zeitschrift f. physikal. Chemie 35, 211, 225 (1900), Döring, Journal für prakt. Chemie 66, 102 (1902). Über Passivität siehe auch neuerdings H. L. Heatheote, Zeitschrift für physikal. Chemie 37, 368 (1901), Finkelstein, 1. ce. Döring, 1. e. S. 101, Hittorf, Zeitschr. f. physikal. Chemie 34, 385 (1900). 2) Haber u. Sack, Zeitschrift f. Elektrochemie VIII, 541 (1902). 3) @. Quincke, Pogg. Ann. 139, 76 (1870). Wied. Ann. 35, 598, 612 (1885), Drudes Ann. 7, 636, 639, 642 (1902). E. H. Weber, Pogg. Ann. 94, 447 (1855). 416 G. Bredig und J. Weinmayr. [12 Zuckungen von Luftblasen in einem sich ändernden Wasser- Alkohol- gemisch und von Ölkugeln in Sodalösung erinnert. Auch in unserem Falle besitzen wir ja zwei (resp. mehrere) aneinander grenzende Me- dien, welche mit der Zeit infolge gegenseitiger Einwirkung unter Bildung einer Oxyd- oder Gasschicht ihre Oberflächenspannung ändern !). Es ist ja auch charakteristisch, dass alle solche chemische Periodi- citäten bisher nur in heterogenen Systemen, also an Grenzober- flächen beobachtet worden sind. Hierzu tritt nun in unserem Falle noch der Umstand, daß die Stabilität von Wasserstoffsuperoxyd neben (uecksilber und Quecksilberoxyd merklich an die Existenz gewisser Mengen freier Säure gebunden ist, als welche auch das H,0, nach Calverts Untersuchungen?) zu gelten hat. In alkali- scher Lösung tritt bekanntlich bei H,O, heftige Gasentwickelung in Gegenwart von Hg oder HsO unter Reduktion des letzteren ein; die- selbe bleibt aus beim Ansäuern, und zwar ist der Umschlag in der Nähe des „neutralen“ Punktes gerade ein sehr heftiger. Mithin wird mit Abnahme der H,0,-Konzentration infolge der Reaktion die Sta- bilität des HgO sich sehr schnell vermindern und hierdurch kann wohl der von Ostwald®) zum Zustandekommen der Schwingungen geforderte sprunghafte Gang eines Teilvorganges der Reaktion eintreten. Schon Ihle*) hat gezeigt, daß das Potential und die Stabilität des Wasser- stoffsuperoxydes beim Ansäuern entsprechend der Theorie Ostwalds einen sehr plötzlichen, starken Sprung zeigt und dieses so aus der Gruppe der Reduktionsmittel in dıe Gruppe der Oxydationsmittel übertritt. Daß an katalysierenden Metalloberflächen infolge „Kurz- schlusses“ eine Reduktion des Sauerstoffes durch H,O, erfolgen kann, ist bereits in den Arbeiten von Haber?) und von Bredig®) enthalten. Aus dem Massengesetz folgt übrigens, daß immer nur je eine H,0,-Konzentra- !) Es sollen gelegentlich noch andere chemisch aufeinander wirkende, nicht mischbare Flüssigkeiten auf Periodieität der Reaktionsgeschwindigkeit untersucht werden, z. B. eine ätherische H,O, Lösung in Berührung mit wässeriger HMnO, — oder K;FeCy, — Lösung. 2) Calvert ]. e. Bei dieser Gelegenheit sei auch betont, dass Herrn Küsters Referat im Jahrbuche für Chemie 1901 die Ergebnisse Calverts über die Zu- sammensetzung der Ionen des H,O, völlig entstellt und unrichtig wieder- giebt und nur die subjektive Ansicht dieses Referenten enthält. Auch im Jahr- buche für Elektrochemie 1901 muß es in der vorletzten Zeile des Referates an Stelle des Druckfehlers O,“ heissen O;‘. 3) Vergl. Brauer, Zeitschrift f. physikal. Chemie 38, 486 (1901). 4) Ihle ibid. 22, 119 (1897), Ostwald ibid. 11, 528 (1893). 5) Haber und Grinberg, Zeitschrift f. anorgan. Chemie 18, 39 (1898). 6) @. Bredig, Anorgan. Fermente S. 9. 13] Eine periodische Kontaktkatalyse. 417 tion mit einem der drei zweiphasigen Systeme Hs, HgO oder Hg, Hg,0 oder Hg0, HgO im Gleichgewicht mit atm. Sauerstoff ko- existieren kann. Es ist sehr wohl möglich, daß zwischen diesen Systemen aus Quecksilber und H,O, eine Metastabilität ähnlicher Art vorkommt, wie sie zwischen Chromchlorür und Chromchlorid nach Ostwald, Peters und Döring vorhanden ist!). Es tauchen hier auch wieder die interessanten Beziehungen auf, welche Zuther?) und Haber?) ım Anschluß an van’t Hoff's Formel der Gleichgewichtscyklen®*) über die freie Energie und Sta- bilität verschiedener Reaktions- und Oxydationsstufen aufgestellt haben, denn wir haben es hier mit der Möglichkeit der Koexistenz der Stufen H,0,, O,, H,O und der Stufen HgO,; (?)?), HgO, Hg,0, Hg zu thun. Die Untersuchung wird fortgesetzt. Heidelberg, Chemisches Universitäts-Laboratorium, Dezember 1902. 1) Ostwald, Zeitschrift f. physik. Chemie 35, 62 (1900). Peters, ibid. 26, 217 (1898). Döring 1. ce. 2) Luther, Zeitschrift f. physikal. Chemie 34, 483 (1900), 36, 385 (1901). 3) Haber, Zeitschrift f. Elektrochemie VII, 441, 1043 (1901). 4) van’t Hof, Ostwalds Klassik. Nr. 110, 8. 84, Rothmund, Zeitschr. f. physikal, Chemie 31, 75 (1899) Nernst, Theoret. Chemie, 2. Aufl. S. 636. 5) Vielleicht existiert nämlich in H,0,-Lösung noch eine höhere Stufe HgOx,,,, da wir das Quecksilber merklich löslich in H,O, fanden. (Sonderabzüge, ausgegeben den 31. Januar 1903.) Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 29 Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. Von O. Bütschli. Inhaltsverzeichnis. Seite 1. Einleitung . Be Fe MVB RI EL N en 6 ar SAU) 2. Reaktionen der eo des Amylodextrins und des Gly- kogens. 424 a) Amylose . 424 b) Amylodextrin . 429 c) Jodreaktion von sen, in Rmtae ad en enthalten 4833 d) Trennung von Amylose und Amylodextrin 434 e) Einfluß einer Dextrinbeimischung auf die nen de Muri und der Amylodextrinlösung 436 f) Glykogen UFER re erererh 3. Herstellung von Amyloselösungen ui einer in Wasser leicht löslichen Amylose . 439 ‚4. Prüfung einiger Stärkesorten dat einen nee an ee dextrin. ö 449 5. Unter ehem dbar N Klebreissinske 451 a) Gewinnung der Klebreisstärke . 451 b) Reaktionen der Klebreisstärkekörner it Jod : 452 c) Wässeriger Auszug der Klebreisstärke und des Klebreises Be 40° und Prüfung der Klebreisstärke auf Amylodextrin 455 d) Weitere Untersuchungen der Klebreisstärke . 2 456 e) Beurteilung der Ergebnisse und der Klebreisstärke üherhatupt 464 f) Die sog. Paraglykogen- oder Zooamylumkörner der Gregarinen etc. als wahrscheinlich identisch mit der Klebreisstärke . 469 6. Amyloporphyrin 470 7. Amylorubin 488 8. Amylosan re N 9. Weitere Unter unse über üte erst 1896 von mir a gestellten sogen. künstlichen Stärkekörner 496 10. Bemerkungen über Dextrin 503 Tabellarische Übersicht der Dessrechenen Körper Bd en Enkiesen 508 Nachtrag en i 512 Litteratur 516 4) OÖ. Bütschli: [2 1. Einleitung. Die Untersuchungen über Stärke und stärkeartige Körper, welche ich hiermit veröffentliche, bedürfen um so mehr einiger einleitenden und erläuternden Worte, als ihr Verfasser weder Chemiker von Fach noch Botaniker ist, und es daher eigentümlich erscheinen mag, daß gerade er zur Bearbeitung eines Themas gelangte, das seinen zoo- logischen Fachstudien ferne liegt. Die Sachlage ist in kurzem folgende. Seit 1890 etwa beschäftigte ich mich eingehend mit den Mikrostrukturen, welche durch Gerinnungsvorgänge in Kolloiden verschiedener Art hervorgerufen werden. Im Anschlusse hieran suchte ich ferner die Mikrostrukturen natürlich vorkommender Kolloide, wie Stärkekörner, Cellulosemembranen und anderes, zu erforschen und auf Grund der Befunde über Gerinnung, Eintrocknung und Krystallisation der untersuchten kolloiden Körper zu deuten. Eine eingehende und durch Figuren ausführlich erläuterte Darstellung dieser, über mehrere Jahre sich erstreckenden Untersuchungen veröffentlichte ich 1898. Die Beobachtungen über die Mikrostruktur der Stärkekörner, welche ich 1893 zuerst kurz darlegte, im folgenden Jahre weiter ergänzte und 1898 ausführlich publizierte, führten, nachdem die Überzeugung sich befestigt hatte, daß die Stärkekörner die Natur von Sphärokrystallen besitzen, auch zu dem Versuch, aus Stärkelösungen solche Stärkesphären oder Stärkekörner künstlich darzustellen. Die Ver- suche wurden 1896 insofern von Erfolg gekrönt, als es gelang, aus Stärkelösungen, die mit dem gleichen Volumen 5°/o Gelatinelösung gemischt und dann bei ca. 40—50° eingetrocknet waren, massen- haft Sphärokrystalle oder Körner zu erhalten, die, obgleich in ge- wissen Punkten von den natürlichen Stärkekörnern verschieden, den- noch als in ihrer Hauptmasse aus Amylose bestehend betrachtet werden mußten. Die wichtigste Eigenschaft, welche diese künstlichen Stärkekörner von den natürlichen unterscheidet, ist, daß ihnen das starke Aufquellen in heißem Wasser, die sog. Lösungsquellung (A. Meyer), fehlt, wogegen sie in anderen Quellungsmitteln der Stärke- körner, wie Kalilauge, starker Chloralhydrat- oder Chlorcalciumlösung, in derselben Weise quellen wie die natürlichen Körner. Arthur Meyer bestritt sofort in einem Referat (1896) meine Auffassung dieser künstlichen Körner als Stärkesphären. Ohne selbst den Gegenstand zu prüfen, oder die von mir geschilderten Versuche zu wiederholen, stand es für ihn fest, daß die künstlichen Stärkekörner nichts weiter D 3] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 421 sind als Sphärokrystalle von Amylodextrin, welche mit Amylose verunreinigt seien, und die sich deshalb in ihrer Jodfärbung Stärke- körnern näherten. In meinem Werk von 1898 habe ich diese Be- hauptungen Meyer’s schon eingehend widerlegt, namentlich auch darauf hingewiesen (s. p. 250), daß die künstlichen Sphären sich ebenso schön und mit genau denselben Eigenschaften bilden, wenn die zu dem Versuch verwendete Gelatinelösung mit Natriumkarbonat schwach alkalisch gemacht, als wenn, wie dies ursprünglich geschah, gewöhn- liche, nicht neutralisierte Gelatine benutzt wird. A. Meyer behauptete nämlich, daß es der Säuregehalt der künstlichen Gelatine sei, der bei dem Eintrocknen des Gemisches von Stärke- und Gelatinelösung die Bildung von Amylodextrin bewirke; abgesehen davon, daß er auch meinen Stärkelösungen, die durch Kochen von 2 g Stärke mit 100 g Wasser bereitet waren, einen erheblichen Gehalt an Amylo- dextrin und Dextrin zuschreibt. In den Jahren 1899 und 1900 veröffentlichten auch Rodewald und Kattein zwei Mitteilungen über künstliche Stärkesphären, die nach einem von dem meinigen ganz verschiedenen Verfahren dar- gestellt waren, und die ich, speziell auf Grund der 1900 angegebenen Reaktionen, für identisch mit den von mir 1896 und ausführlich 1898 geschilderten Stärkesphären halte. A. Meyer hat denn auch sofort nach dem Erscheinen der ersten Arbeit von Frodewald und Katteın seinen Spruch dahin abgegeben (1899), daß die von Rodewald und Katteın dargestellten Körner, ebenso wie die Dütschlx’s, nichts anderes als mit Amylose verunreinigte Amylodextrinsphären seien, und ferner noch bemerkt, daß diese künstlichen Sphären schon von Jagquelain im Jahre 1840 erhalten worden seien). 1) Es ist dies eine der willkürlichen Behauptungen, wie sie sich Meyer häufig gestattet. Ich vermute jedoch, daß er gar nicht durch das Studium der Jaquelain’schen Arbeit zu dieser Überzeugung gelangte, sondern dieselbe auf eine Be- merkung W. Nägeli's (74, pp. 15 u. 95) gründete, der die Jaquelain’schen „Granules“ ohne genauere Begründung für möglicherweise identisch mit seinem Amylodextrin erklärte. Die Vergleichung der Jaquelain’schen Arbeit ergiebt sofort, daß die Jaquelain’schen „Granules d’amidon ou de fecule“ nichts anders gewesen sein können, als diejenigen Körner, welche man beim Eindampfen oder Gefrieren wässeriger Stärkelösungen erhält und die Meyer für Tropfen „amylosiger Wasserlösung“ er- klärt. Schon die Kleinheit der Jaquelain’schen Granules, 0,002 mm, ihre Bläuung durch Jod, ihre verhältnismäßig leichte Löslichkeit in Wasser von 70°, der Umstand, daß sie aus ihrer Lösung beim Frieren in den bekannten Formen der Stärke aus- geschieden werden (Fäden, Lamellen, Körner; von ihrer Doppelbrechung ist nicht die Rede), endlich die Art ihrer Gewinnung: 1 T. Stärke mit 5-12 T. Wasser 2 St. auf 150° erhitzt, aus der Lösung scheiden sich die Körner beim Erkalten 29* 422 0. Bütschli: [4 Ich habe hier keine Veranlassung, meinerseits die Rodewald- Kattein’schen Körner gegen Meyer zu verteidigen, und um so weniger Veranlassung, mit den Arbeiten dieser beiden Forscher mich zu be- schäftigen, als sie auf die meinigen, die den ihren vorausgingen und ihnen bekannt waren, nicht die geringste Rücksicht nahmen, ja es nicht einmal für nötig hielten, ihren Titel und Erscheinungsort zu eitieren. Die Behauptungen A. Meyer’s über die angebliche Natur meiner künstlichen Stärkekörner mußten mich schon in dem Werke von 1898 veranlassen, auch das zuerst von W. Nägeli genauer erkannte Amylo- dextrin näher zu prüfen; denn wie hervorgehoben, sollten ja die künstlichen Stärkekörner nichts weiter als mit Amylose verunreinigte Amylodextrinsphären sein. Da Meyer durch seine Arbeiten über Stärke und stärkeartige Körper, namentlich durch sein Buch von 1895, eine gewisse Autorität, wenigstens in den Kreisen der Bota- niker, genießt, was ja daraus hervorgeht, daß eine angesehene bota- nische Zeitschrift ihn sogen. Referate über die hierhergehörigen Arbeiten verfassen läßt, so mußten seine Behauptungen einer Prü- fung unterzogen werden, obgleich sie nicht auf Versuchen basierten, sondern nur kritische Deutungen waren. Meyer kannte und kennt in der Stärkegruppe nur zwei Körper, die sich mit Jod färben, einmal die Amylose, die sich bläut, abgesehen von der sog. «-Amylose (deren Natur später erörtert werden soll), und dann das Amylodextrin, das sich rot bis braun färbt. Hieraus folgt für ihn, daß alle stärke- artigen Substanzen, welche sich mit Jod rot oder braun färben, Amylo- dextrin seien, oder doch vorwiegend aus diesem bestehen müssen, und ferner, daß alle Substanzen, welche sich nicht rein blau, sondern violett oder in einem Mischton zwischen blau und braun färben, Ge- mische von Amylose und Amylodextrin sein müssen. Daß diese Meinung nicht haltbar ist, daß es vielmehr eine größere Anzahl durch eigentümliche Jodfärbung und sonstige Reaktionen charakterisierte stärkeartige Körper giebt, werde ich in der folgenden Abhandlung nachzuweisen suchen. — Da A. Meyer auch die vom reinen Blau ab- weichende Jodfärbung mancher natürlicher Stärkekörner auf eine Beimischung von Amylodextrin zurückzuführen sucht, und im beson- aus, spricht durchaus dafür, daß es sich um Körner handelt, die den sog. Eın- dampfungs- und Gefrierungskörnern (s. bei mir 1898, p. 239 ff.) entsprechen. Überdies bemerkt Jaquelain selbst, daß sich beim Gefrieren ihrer Lösung „Gra- nules‘“ ausscheiden, die doch, da sie sich neben Lamellen und Fäden fanden, nur Gefrierungskörner, dagegen keine Amylodextrinsphären gewesen sein können. 5] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 423 deren die sich rot bis braun färbenden Körner des sog. Klebreises, des Sorghum und anderer Pflanzen in dieser Weise zu deuten ver- sucht, so lag es für mich nahe, gerade diesen sich abweichend ver- haltenden natürlichen Stärkekörnern einige Aufmerksamkeit zu schenken; denn sie sollten ja nach Meyer’s Auffassung Erzeugnisse der Pflanze sein, welche ın ihrer Zusammensetzung den von mir dar- gestellten künstlichen Stärkekörnern nahezu entsprechen. Die Kleh- reiskörner im besonderen, die sich mit Jod keine Spur blau, sondern rot bis braun färben, sollten Mischkrystalle von Amylose und Amylo- dextrin, nebst einer Beimischung von Dextrin sein; sie müßten also den künstlichen Stärkekörnern sehr nahe kommen. Eigentlich war zwar diese Meyer’sche Auffassung der Klebreiskörner von vornherein recht unwahrscheinlich, und auch ihr Vergleich mit den künstlichen Stärkesphären, wie er aus der fast identischen Deutung, welche A. Meyer beiden gab, folgte, sehr zweifelhaft. Denn, wie gesagt, färben sich die Klebreiskörner keine Spur blau, sondern rein rot bis braun, quellen dagegen wie gewöhnliche Stärkekörner in heißem Wasser unter Kleisterbildung. Die künstlichen Stärkekörner dagegen färben sich, wenn sie in der schon 1898 geschilderten Weise behandelt werden, rein und so intensiv blau, bis zu völliger Undurchsichtigkeit, wie die sewöhnlichen Stärkekörner; dagegen quellen sie in heißem Wasser wenig und geben keinen Kleister. Ihre Verschiedenheit von den Klebreiskörnern ist daher sehr groß trotz Meyer’s fast identischer Auffassung beider. Ich entschloß mich daher im Sommer 1900 zu einer Prüfung verschiedener Arten gewöhnlicher Stärkekörner und der Klebreis- körner auf den von Meyer behaupteten Gehalt an Amylodextrin. Ich beabsichtigte damals nicht, ausgedehntere Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper vorzunehmen, sondern nur die er- wähnte Prüfung auszuführen. Aus diesem Unternehmen, das, wie in solchen Fällen häufig, von dem einen zum anderen führte, erwuchs jedoch langsam eine eingehendere Prüfung verschiedener Umwand- lungsprodukte der Amylose. Nachdem ich lange Zeit fast verzweifelte, unter diesen Produkten gewisse, einigermaßen schärfer charakteri- sierte herauszufinden, gelangte ich schließlich doch zu einem gewissen Einblick, so daß ich im nachfolgenden einige solche Körper beschreiben kann, die sich durch ihre Reaktionen sowohl von der gewöhnlichen Amylose als dem Amylodextrin hinreichend schart differenzieren. Ich werde mich bei der Schilderung meiner Untersuchungen möglichst kurz zu fassen suchen, soweit dies irgend angeht. Gleichzeitig er- 424 0. Bütschli: [6 suche ich, als Nichtchemiker, um eine gewisse Nachsicht, da ich über- zeugt bin, daß es dem geschulten Fachmann besser geglückt wäre, in dieses Gebiet einige Klarheit zu bringen. 2. Reaktionen der Amylose, des Amylodextrins und des (ykogens. Ich beginne meine Darstellung damit, daß ich diejenigen Eigen- schaften und Reaktionen der drei genannten Körper, welche zu ihrer Charakterisierung und Wiedererkennung dienen können, zusammen- stelle, wobei ich bemerke, daß ich sie sämtlich wiederholt geprüft habe. Angaben über quantitatives Drehungs- und Reduktionsvermögen lasse ich weg, weil ich selbst keine solchen Feststellungen vornahm. a) Eigenschaften und Reaktionen reiner wässeriger Amyloselösungen. 1. Sind fast nie völlig klar, sondern im auffallenden Lichte stets etwas opalisierend; im durchfallenden etwas gelblich-bräunlich. Beim Erwärmen vermindert sich die Opalescenz erheblich und kehrt beim Erkalten zurück. Sehr sorgfältig durch einen Pfropf von Filtrier- papier oder durch ein Thonkölbehen filtrierte schwache Amylose- lösungen sind jedoch ganz wasserklar. — Die früheren Autoren und Bütschli (98, p. 229)}). 2. Bei längerem Stehen scheiden auch sterilisierte und im zu- geschmolzenen Rohr eingeschlossene Lösungen allmählich äusserst feingerinnselige, feste Amylose aus. — Guerin-Varry (34, p. 236), W. Nägeli (74, p. 45), A. Meyer (95, p. 17), Bütschli (98, p. 233). 3. Bei der Filtration der Lösungen durch Thonzellen geht stets ein erheblicher Teil der gelösten Amylose durch. Die filtrierte Lö- sung ist zuweilen ganz wasserklar. — bütschli (98, p. 230). 4. Beim Eindampfen auf dem Wasserbad bildet sich auf der Oberfläche der Lösung eine Haut und darunter ein Aggregat kleiner wabig strukturierter Körner der Amylose (Eindampfungskörner). 1) Ich hebe hervor, daß sich bei W. Nägeli (74, p. 106 f.) eine sehr sorgfältige Zusammenstellung der Litteratur bis 1874 findet mit gleichzeitiger kurzer Angabe der wesentlichsten Fortschritte der einzelnen Arbeiten. Eine Zu- sammenstellung der älteren Litteratur bis zum Jahre 1836 gab Poggendorf (Ann. d. Physik und Chemie Bd. 37, p. 157). rn en 7] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 425 Dieselben sind nicht oder doch nur sehr schwach doppelbrechend. Rein blaue Jodreaktion. In kaltem Wasser kaum löslich. Eine durch Eindampfen konzentrierte Lösung gelatiniert allmählich in der Kälte. — Jaquelain (40 p. 174 ff.), Musculus (75), Bütschli (93, 98, p. 230, 239, 245), A. Meyer (95). 5. Beim Gefrieren scheidet die Lösung einen grossen Teil der Amylose aus; und zwar z. T. in Form ähnlicher Körner, wie sie unter 4. beschrieben wurden, daneben jedoch noch in Gestalt von Fäden und Lamellen. Alle diese Ausfrierungsprodukte besitzen eine feine globulitisch-wabige Struktur. Sie bleiben, da im kalten Wasser kaum löslich, beim Aufthauen zurück. Die Lamellen sind stets deutlich schwach doppelbrechend. — Payen (36, p. 357, 38, p. S7), Reinsch (65), W. Nägeli (74, p. 13, 26, 46), Musculus (75), A. Meyer (95, p. 17), Bütschli (93, 98, p. 236, 242). 6. Wird die Lösung bei gewöhnlicher Temperatur oder bei 100° eingetrocknet, so bleibt ein glasiger, bei stärkerem Trocknen zer- sprungener Rückstand. Mikroskopisch zeigt er eine feine globulitisch- wabige Struktur. In kaltem Wasser sehr wenig löslich, jedoch stark aufquellend und dabei weiß und opak werdend. Nach wiederholter Behandlung mit kaltem und kochendem Wasser bleibt schließlich ein Produkt, das in Wasser von 40° nicht mehr erkennbar löslich ist. Von kochendem Wasser dagegen wird es stets mehr oder weniger gelöst. Der Grad der Unlöslichkeit wird jedenfalls durch die Art und Länge der Trocknung beeinflußt. — Gwibourt (29), Guerin-Varry (34, p. 255), Payen und Persoz (34, p. 334 ff.)'), Maschke (52, p. 406), Flückiger (61), Musculus (75), Dütschli (93, 98, p. 255). Wird die bei 100° getrocknete, in kaltem Wasser sehr wenig lösliche und ganz harte Amylose in einen dampfgesättigten Raum gestellt, so ist sie nach 12—24 Std. sichtlich erweicht worden, so daß sie der Nadel leicht nachgiebt. Bei Zusatz von kaltem Wasser löst sie sich jedoch nicht. 7. Beim Eintrocknen der Lösung, die etwa mit dem gleichen Volum neutraler Gelatinelösung vermischt ist (bei einer Temperatur von ca. 50°), wird die größte Menge der Amylose in Form von schönen Sphärokrystallen ausgeschieden. Dieselben sind in kaltem und kochendem Wasser wenig löslich und stark positiv doppelbrechend. Trockene Sphären zeigen in Wasser ca. 40°/, lineare Aufquellung, 1) Payen u. Persoz entwickelten hier im Jahre 1834 im allgemeinen schon ziemlich genau die gleichen Anschauungen über die Natur der Stärkelösungen, welche später 1895 von A. Meyer wieder aufgestellt wurden, 496 O. Bütschli: [S dagegen keine Lösungsquellung oder Verkleisterung in kochendem Wasser. Dagegen wird diese hervorgerufen durch Alkalien, Säuren und kon- zentrierte Lösungen von Chlorcaleium oder Chloralhydrat. Jodfärbung zuerst blau, dann blauviolett bis schwarzblau, oder rotviolett bis braun- violett; erhitzt, werden die jodgefärbten Körner alle tief berlinerblau, ebenso auf Zusatz von Schwefelsäure. Längere Behandlung mit Jodjod- kalıumlösung bewirkt, daß die so behandelten und von Jod befreiten Körner nun die rein blaue Amylosefärbung mit Jod zeigen. — Bütschli (96, 98, p. 249 fi.) 5. Fällung durch Alkohol. Mäßig starke Lösungen (ca. 0,5—1°Jo) erfordern Zusatz von !/s—!/z des Vol. absol. Alko- hols bis eine bleibende Trübung eintritt. Beim Stehen vermehrt sich die Abscheidung ohne weiteren Zusatz von Alkohol sehr bedeutend, so daß reichlicher weißer Bodensatz sich bildet. Derselbe ist stets fest und feingerinnselig, nie zähflüssig tropfig. — Wird nach Eintritt der Trübung erwärmt, so schwindet: diese rasch wieder und kehrt beim Abkühlen zurück (Payen 1838, p. 174, Bütschli). Auch die bei längerem Stehen gebildete starke Amyloseabscheidung ist beim Er- wärmen wieder völlig löslich. — Die durch Alkohol gefällte, abfil- trierte Amylose bleibt bei Aufbewahrung unter 70—90°/o Alkohol in kaltem Wasser dauernd löslich. Bei höherer Temperatur getrock- net, wird sie meist kreideartig, bei niederer z. T. glasig; jetzt ist sie unlöslich oder sehr wenig löslich in kaltem Wasser, quillt jedoch darin stark auf. Beim Kochen mit Wasser geht sie meist leicht ın Lösung. — Die unter 70%o Alkohol aufbewahrte Amylose ist plastisch, knetbar; in absolutem Alkohol wird sie hart und brüchig. — In trockenem Zustande wird sie in mit Wasserdämpfen gesättigtem Raum etwas weich unter Wasseraufnahme, jedoch nicht zähflüssig. — Payen und Persoz (34, p. 344 ff.) Maschke (54, p. 7), Bechamp (56), Flückiger (61), W. Nägel: (74, p. 39), Musculus (78, p. 345). 9) Fällung mit Gerbsäure. Mit 20°/, Tanninlösung starke Fällung, die sich fast immer sehr klebrig erweist, da sie sich an die Wände festsetzt, oder zähflüssig-tropfiger Niederschlag, der sich beim Stehen auf dem Boden als zähe bräunliche Schmiere ansammelt. Wahrscheinlich wechselt die Beschaffenheit des Niederschlags mit der Temperatur. Beim Erwärmen löst sich der Niederschlag völlig und kehrt beim Erkalten zurück (Bütschli). In kaltem Wasser ist er in der Regel nur sehr wenig löslich; in heißem dagegen leicht. Die abgeschiedenen Tropfen gerinnen in 95°/o Alkohol und werden weiß. Durch wiederholte Behandlung mit Alkohol läßt sich die Zul 9] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 427 Gerbsiure vollständig aus dem Niederschlag entfernen. — Payen und Persoz (34, p. 348), Kalinowsky (45), Dechamp (54), Griess- meyer (70), Brücke (72), W. Nägeli (74), A. Meyer (95), Bütschli (95). 10. Fällung mit Barytwasser. Starke weiße, flockige Fäl- lung, die sich auf Zusatz von etwas Salzsäure wieder löst. Eben- solche Fällung auch mit Kalkwasser (Payen und Persoz, 34, p. 357, Bechamp, 54). Beim Erwärmen löst sich der von Barytwasser hervor- gerufene Niederschlag wieder auf ohne jede Spur von Gelbfärbung der Flüssigkeit und kehrt beim Abkühlen zurück, was sich wieder- holen läßt (Biütschli). Ebenso tritt beim Kochen der Stärkelösungen mit Kali- und Natronlauge keine Gelbfärbung auf (bütschli). Payen und Persoz (34), Bechamp (54), W. Nägeli (14), A. Meyer (95). 11. Fällung mit Bleiessig wird von den früheren Beob- achtern übereinstimmend angegeben (so spez. Payen und Persoz 34, W. Nägeli 74, A. Meyer 95). Dies gilt nach meinen Erfahrungen für die durch Kochen mit Wasser bereiteten Amyloselösungen. Auch eine bei 145° bereitete Amyloselösung zeigt die Fällung mit Bleiessig, nur tritt die Abscheidung in ihr etwas langsamer ein als bei der bei 100° bereiteten Lösung (erst nach einigem Stehen). Der weiße feinflockige Niederschlag löst sich beim Erwärmen nicht, sondern ballt sich zu größeren Flocken zusammen, die sich leicht absetzen. Bei Zusatz von wenig Essigsäure wird er dagegen leicht gelöst. Diese Lösung giebt mit Jod starke Amylosereaktion, und bei Zusatz von etwas Schwefelsäure starke Trübung, ıst also bleihaltig. Be- merkenswert ist nun, daß weder die mit salpetersaurem Kalk noch die mit Salzsäure bereiteten Amyloselösungen von Bleiessig gefällt werden (auch nicht nach Zusatz von etwas Ammoniak zu dem Blei- essig), sich also in dieser Beziehung und zwar, soweit bekannt, nur in dieser von der durch Kochen bereiteten Amyloselösung unter- scheiden. — Payen und Persoz (34, p. 357), Delffs (60), W. Nägeli (74, p. 40, starke Trübung), A. Meyer 95, p. 23). 12. Fällung durch salzsäurehaltige Lösung von Phosphor- wolframsäure (Mörner und Sjögqvist, 91). Bezieht sich auf sog. Zulkowsky'sche lösliche Stärke, die keine reine Amyloselösung_ ist, sondern Amylodextrin und Dextrin enthält. 13. Keine Fällung durch Lösungen von Chlorbaryium, Kupfersulfat, Eisenchlorid und verschiedene Salze (Payen und Persoz 34, p. 37), salpetersaurem Quecksilberoxyd (Delffs, 64), salpetersaurem Quecksilber- oxydul (W. Nägeli, 74), Goldchlorid, Eisenchlorid (Delfs, 64). Ebenso nicht durch Sättigen der Lösung mit Chlornatrium (Mohr, 60), Jod- 428 OÖ. Bütschli: [10 kalium, Chlorammonium, Kali oder -Natriumsulfat, essigsaures Natrium, Chlorcaleium, jedenfalls auch Caleiumnitrat und zahlreiche andere Salze (W. Nägeli, 14, Bütschli, 98 p. 392), denn wohl alle diese Salze wirken in konzentrierter Lösung lösend auf Amylose (sicher nach- gewiesen ist dies für Jodkalium, Chlorcaleium, Calciumnitrat und Zinkchlorid.) -- Flückiger (61), Kabsch (62), Meyer (95), Bütschli. Keine Fällung durch Mineralsäuren und Alkalien, da diese lösend auf wasserunlösliche Amylose wirken; auch nicht durch Phosphorsäure und Glycerin. (Bütschli, 98 p. 392.) 14. Jodreaktion. Am sichersten zu prüfen durch Schütteln mit einem gewaschenen Jodkrystall oder durch Zusatz reinen, even- tuell in Platingefäßen bereiteten Jodwassers. Rein berlinerblaue Farbe. Bei sehr verdünnter Lösung und Überschuß von Jod wird die Farbe schön und rein grün (Mischfarbe von blau mit gelber Jodfarbe). Ausfällung von blauer Jodstärke tritt nicht auf. Soweit bekannt, hat die Amylose das stärkste Aufnahmevermögen für Jod; in Gemischen färbt sich daher bei vorsichtigem Jodzusatz stets zunächst die Stärke allein. Beeinflussung der Jodfarbe durch Bei- mischungen: Jodkalium, Jodwasserstoff, Jodammonium und Jodmag- nesium sowie Alkohol ın hinreichender Menge verändern die Farbe nach rotviolett und rot. In der Lösung läßt sich dies nur wahr- nehmen, wenn dieselbe sehr verdünnt, so daß die obengenannten, die Jodstärke fällenden Stoffe dies nicht oder doch nur langsam thun. Die ausgefällte Jodstärke besitzt bei hinreichendem Überschuß dieser Stoffe ebenfalls die abweichende Farbe. — (. Nägeli (58, 62--63), W. Nägelt (74, p. 55 ft). 15. Fällungsmittel der mit Jod versetzten Lösung. Säuren (Schwefel-, Salz-, Salpeter-, Phosphor-, Oxal- und Essigsäure.) Fast alle Salze, auch die, welche Amylose stark lösen, so vor allem Jodkalium (zuerst Maschke 52), doch auch Chlornatrium, -Kalium, -Ammonium, -Baryum und -Caleium; die Sulfate von Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Aluminium, Ferrium, Kupfer; Natriumkarbonat und -Acetat, Ammoniumoxalat, Kaliumchromat, Nickelnitrat. Bei vor- sichtiger Anwendung gelingt es, die Jodamylose so auszufällen, daß die Flüssigkeit darüber reine Jodfarbe zeigt. Weiterhin fällen: Alkohol, Glycerin, 10°/o Gelatinelösung (Bütschli), Fischleem und Tierkohle (Payen und Persoz 34), Thonerdehydrat, frisch gefällter phosphor- saurer Kalk (Payen und Persoz); ferner friert die Jodstärke aus (nach Payen 38 soll die Ausscheidung schon bei 0° eintreten). — Payen und Persoz (33, p. 86, 34, p. 351), Fritzsche (34, p. 155), Maschke (52), 11] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 429 Brücke (12, Na,S0,), W. Nägeli (4, p. 54), Bütschli (98, p. 389 und 392). 16. Bei Erhitzen der Lösung mit Natronlauge und Kupfersulfat keine Reduktion. b) Eigenschaften und Reaktionen des Amylodextrins (sog. lösliche Stärke, Musculus 1870 und später). 1. In der Regel deutlich sphärokrystallinisch in Form von kuge- ligen kleinen Sphäriten oder Sphärenscheiben; seltener kleine nadel- artige oder wetzsteinförmige Krystalle. — Die Sphäriten- und Sphären- scheiben positiv doppelbrechend mit orthogonalem oder diagonalem Kreuz. — Musculus (70, 74, 79), Musculus und Gruber (77, 78), Musculus und Meyer (80), W. Nägeli (74), A. Meyer (86, 95), Biitschli (98). 2. Löslichkeit in Wasser. Im krystallisiertem Zustande sehr wenig löslich ın kaltem Wasser, beim Zerreiben mit Wasser etwas mehr (W. Nägeli). In warmem Wasser allmählich leichter, ın kochendem in sehr großer Menge löslich. Die Lösung vollständig wasserklar. — Sehr konzentrierte Lösungen scheiden beim Stehen allmählich reichlich körniges, festes Am. aus. — (S. die ob. Citate). 3. Löslichkeit in Alkohol. — Noch in kochendem 75 %/o Al- kohol merklich, wenn auch wenig löslich. — A. Meyer (95, p. 33, 50°jo Alkohol), Bütschli (98, p 296 ff.). 4. Fällung der wässerigen Lösung mit Alkohol. Hin- reichender Zusatz von abs. Alkohol bewirkt Trübung und schließlich fein globulitisch-gerinnselige Ausfällung. — Die eben getrübte Lösung wird beim Erwärmen nicht wieder klar (Biitschli); frisch durch viel Alkohol rasch gefälltes Amylodextrin ist in kaltem Wasser leicht löslich, weshalb auch die getrübte Lösung durch Zusatz von sehr wenig Wasser wieder klar wird (W. Nägeli 74, p. 39, Bütschlh). Bei langsamer Fällung der Lösung durch Überschichten mit starkem Alkohol scheidet sich krystallinisches, in kaltem Wasser schwerlösliches Amylodextrin aus. 5. In kalter Lösung von Jodkalium ist das A. viel löslicher als in kaltem Wasser (A. Meyer 95, bütschli). Ebenso gilt dies nach A. Meyer (98, p. 35) auch für die übrigen Salze, welche Amylose lösen (s. oben p. 428). Dextrinzusatz dagegen befördert die Lösung der A. nicht (A. Meyer 98, p. 33, Bütschli, im Gegensatz zu W. Nüägeli 74, p-. 73, der dies behauptet). 430 0. Bütschli: 112 6. Im dampfgesättigten Raum aufgestellt zerfließt es nicht. 7. Die Lösung wird nicht gefällt durch Lösungen von Gerb- säure, Bleiessig und salpetersaurem Quecksilberoxydul. -— W. Nägeli (74), A. Meyer (95), Bütschli. 8. Barytwasser fällt die nicht zu verdünnte Lösung reichlich, jedoch entschieden langsamer als Amyloselösung. (W. Nägeli 74, A. Meyer 95, bütschli). Beim Erwärmen wird der Niederschlag nicht oder doch nur wenig gelöst und die Flüssigkeit schön schwefelgelb (Dütschli). Ebenso wird die mit Kalı- oder Natronlauge versetzte Lösung beim Kochen schwefelgelb (W. Nägeli 74, p. 80, bütschli). Nach Mörner und Sjögrist (91) durch salzsäurehaltige Lösung von Phosphorwolframsäure gefällt. (Ob das verwandte Amylod. völlig rein war, scheint nicht ganz sicher.) 9. Mit Kupfersulfat und Natronlauge erhitzt schwache Re- duktion. 10. Verhalten zu Jod. Die feste krystallinische Sub- stanz färbt sich mit Jodwasser oder schwacher Jodtinktur fast nicht, höchstens schwach gelb. Mit Jodkrystall in Wasser unter Deckglas tritt dagegen ziemlich intensive und reine Braunfärbung der Sphären in der Nähe des Jods auf. Trocken unter dem Deckglas mit reiner Jod- jodkaliumlösung (Meyer’scher Lösung)'!) behandelt, färben sich die Sphären schön braun, hie und da werden jedoch einzelne Sphären allmäh- lich im Innern blau. Nach 1—2 Stunden ist alles Amylod. unter dem Einfluß der Jodkaliumlösung zu brauner Flüssigkeit gelöst. Trockene Substanz, die den Dämpfen eines Jodkrystalls unter dem Deckglas ausgesetzt ist, wird rein braun. Kondensation von Wasserdämpfen an der braun gefärbten Substanz bewirkt jedoch sofort intensive ‘ Bläuung und Auftreten von blauer Masse um die Sphären. In gleicher Weise wirken auch Jodjodkaliumlösung oder Chlorzinkjodlösung auf die Sphären ein, wenn diese Flüssigkeiten in sehr geringer Menge zwischen den Sphären vorkriechen; auch durch vorsichtige Behand- lung der mit schwacher Jodlösung gefärbten Sphären mit 50 %/o Schwefel- säure gelingt es zuweilen, blaue Masse in den Sphären zu erzeugen. Diese Besonderheiten erklären sich aus dem Verhalten der Amylo- dextrinlösung zu Jod etc. Bringt man etwas festes Amylodextrin in eine konzentrierte Lösung von Chlorkalium und setzt einen Jodkrystall zu, so tritt gar keine Braunfärbung der Sphären auf; vielmehr bildet sich eine mäßige 1) Die Meyer’sche Lösung, wie ich sie bezeichnen will, enthält auf 100 cem 0,5 Jodkalium und 1 Jod. 13] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 431 Menge tiefblauen Gerinnsels in der Lösung, als Zeichen, daß etwas Amylodextrin in Lösung geht, und die Sphären färben sich allmählich ganz tief und undurchsichtig berlinerblau. Diese Bläuung trat bei allen Sphären zuerst im Centrum auf und schritt allmählich gegen die Oberfläche fort. Dies hing wahrscheinlich damit zusammen, daß die Sphären meist eine centrale Höhle besassen. In 24 h. ist alles völlig und durch und durch tief berlinerblau geworden; auch hat sich das blaue Gerinnsel sichtlich vermehrt (B.). Es dürfte wohl keinem Zweifel unterliegen, daß diese Reaktion mit allen den stärkeartigen Substanzen gelingt, welche aus ihrer jodierten Lösung durch Chlorkalium blau gefällt werden. Die Lösung. Mäßig konzentrierte Lösungen färben sich beim Schütteln mit gewaschenem Jodkrystall, resp. bei Einbringen eines Jodkrystalls in einen Tropfen der Lösung auf der Porzellanplatte von Anfang an rein braun (kastanienbraun). Ebenso rein braune Farbe mit Jodjodkaliumlösung. Eine ganz konzentrierte Lösung, die so gesättigt war, daß sie über Nacht vollständig erstarrte, ergab bei Zufügen eines Tropfens Meyer’scher Lösung am Rande des auf dem Porzellandeckel befindlichen Tropfens reine und tiefe Braunfärbung. Wurde dagegen in einen Tropfen dieser Lösung ein Jodkrystall gegeben, so trat um diesen nicht braune Färbung, wie bei verdünnter Lösung, sondern intensive Blaufärbung auf, welche durch braun-violett und rötlich ın den farblosen Randteil des Tropfens überging. Bald tritt in dem Tropfen blaues Gerinnsel auf!) und schließlich trocknet er blau ein. (Daß eine konzentrierte Lösung von Amylodextrin sich mit Jod bläut, im Gegensatz zu der verdünnten, behaupteten seinerzeit Musculus und Meyer 50, Mus- culus 83, Meyer 36; dagegen scheint Meyer später 95 diese Angabe für unrichtig zu halten). Die mit Jod versetzte Lösung trocknet stets zu blauem Rückstand ein, der sich ın Wasser zu rötlicher Lösung mit blauem Gerinnsel löst; beim Erwärmen tritt völlige Lösung mit schwach bräunlicher oder mangelnder Farbe ein, die auf Zusatz von Jodkrystall wieder die rein braune Amylodextrinfärbung zeigt. Mit Jod gebräunte Lösung wird bei Zusatz von etwas Jodkalium viel lichter gelbbraun und giebt auch bei tagelangem Stehen keine 1) Die Blaufärbung der konzentrierten Lösung muß demnach wohl darauf beruhen, daß das Jodamylodextrin etwas weniger löslich ist als das Amylodextrin und sich daher als blaues festes Jodamylodextrin abscheidet. 432 O. Bütschli: [14 Fällung. Ähnlich wirkt nach W. Nägeli jedenfalls auch Jodwasser- stoffsäure (74, p. 68). Die früheren Beobachter, insbesondere Musculus, W. Nügeli (74), A. Meyer (86) beschrieben die Jodfärbung der Amylodextrin- lösung im allgemeinen als rot, Brown und Morris (85) und später Meyer (95, p. 35 ff.) gaben dagegen die Jodfarbe der Lösung als rot- braun an. Ich selbst finde, daß die Lösung des von mir dargestellten Amylodextrins, das sämtlich durch Ausziehen mit 60—75°/o Alkohol aus den mit Säuren behandelten Stärkekörnern bereitet war, sich stets noch reiner braun färbt, wie gesagt kastanienbraun. Da wir nun später zwei Umwandlungsprodukte der Stärke kennen lernen werden, die sich durch intensiv purpurrote Jodfarbe der Lösung aus- zeichnen, so ist es sehr wahrschemlich, daß die rote, vielleicht auch die rotbraune Jodfarbe, welche der Amylodextrinlösung seither zu- geschrieben wurde, auf einer geringen Beimischung der letzterwähnten Körper beruhte. Mit Jod gesättigte Lösungen werden im allgemeinen durch. die- jenigen Säuren und Salze blau ausgefällt, welche die Jodamylose aus ihren Lösungen fällen, so durch Schwefelsäure, Salzsäure, Phosphor- säure, Chlornatrium, Chlorkalium, Chlorammonium, Chlorcaleium, schwefelsaure Magnesia, schwefelsaure Thonerde, essigsaures Natron (Musculus 74, W. Nägeli 74, p. 65, Meyer 98, p. 37, Bütschli 98, p- 389). Sind die Lösungen sehr verdünnt, so färben sie sich zu- nächst blau und der Niederschlag tritt erst nach längerer Zeit auf. Die Ausfällung durch Salze erfordert möglichste Sättigung der Lösung mit diesen; bei den Säuren dürfte etwa 10°/o Gehalt an Säure ge- nügen. — Dieselbe Ausfällung von blauem Jodamylodextrin tritt auch auf, wenn man in die mit den betreffenden Säuren oder Salzeu ver- setzte Lösung festes Jod giebt und stehen läßt. Glycerin- oder Gelatinelösung bewirken keine Ausfällung der jodierten Lösung. Eine mit Alkohol bis gerade vor Eintritt der Trübung versetzte schwache Lösung wird durch Zusatz von etwas Meyer’scher Jodlösung gar nicht mehr gebräunt, sondern rein gelb gefärbt. Nach einigen Stunden entsteht bräunlicher Niederschlag. Eine konzentrierte Lösung mit Meyer'scher Lösung bis zur tiefsten Bräunung versetzt, giebt bei Zusatz von Alkohol braunes bis rostbraun gefärbtes Gerinnsel, je nach der Konzentration der Lösung und dem Jodgehalt (W. Nägeli 74, p- 67, bütschli). Das durch Säurezusatz blau ausgefällte Jodamylodextrin nimmt abfiltriert und mit 90°/o Alkohol gewaschen sofort rostbraune Farbe 15] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 433 an. Bei Behandlung mit kaltem Wasser wird es wieder sofort blau und geht als blauviolette Lösung durchs Filter. Wird diese Lösung erwärmt, so wird sie rein braun und nach der Vertreibung des Jods durch Kochen zeigt sie die Reaktionen reinen Amylodextrins, das sich durch Alkoholfällung wieder gewinnen läßt. Wird braune Jodamylodextrinlösung mit etwas Stärkemehl ge- schüttelt, so wird sie völlig entfärbt, indem die Stärke ihr alles Jod entzieht (W. Nägeli 74, p. 67). Ebenso vermag Amylodextrinlösung der getrockneten wie der feuchten Jodstärke kein Jod zu entziehen, sie bleibt daher bei Zusatz von Jodstärke ganz ungefärbt (bütschli). 11. Beim Gefrieren der nicht zu verdünnten Lösung scheidet sich das Amylodextrin größtenteils krystallinisch in Form von Sphären- scheibchen aus und löst sich beim Auftauen nicht wieder. Aus mit Jod tiefbraun gefärbten Lösungen scheidet es sich beim Gefrieren farblos oder nahezu farblos, vor allem nicht blau aus. — (W. Nägeli 74, p. 14, p. 67, Bütschli.) ec) Jodreaktion von Lösungen, die Amylose und Amylo- dextrin enthalten. Da Amylose dem Jodamylodextrin das Jod entzieht, so färbt sich in gemischten Lösungen bei vorsichtigem Jodzusatz stets die Amylose zuerst rein blau. Enthält die Lösung relativ viel Amylose, 'also etwa gleiche Teile von dieser und Amylodextrin, so überwiegt die intensiv blaue Farbe der Jodamylose so sehr, daß auch bei viel Jod- zusatz keine sehr scharf hervortretende Veränderung der Farbe ein- tritt. Bei starkem Jodzusatz verändert sich das reine Blau gegen Schwarzblau oder Stahlblau; bei sehr starker Verdünnung der Lösung geht die rein blaue Farbe durch schmutziges Schwarzblau in schmutzig Bräunlichgrün über, das sich von dem reinen Grün, welches eine reine Amyloselösung unter denselben Bedingungen zeigt, namentlich bei direktem Vergleich gut unterscheiden läßt. Bei stärkerem Ge- halt an Amylodextrin trıtt in sehr verdünnter Lösung die braune Amylodextrinfärbung bei hinreichendem Jodzusatz deutlich hervor. Die Farbenskala verläuft dann bei vorsichtigem Jodzusatz von reinem Berlinerblau durch Blauviolett, Rötlichviolett, Bräunlichviolett in Schmutzigbraun, variiert aber natürlich mit dem Gehalt an Amylo- dextrin. Reine oder entschieden rote Färbungen treten bei Anwen- dung reinen, sich nur braunfärbenden Amylodextrins nicht auf. Wird aus einer solchen mit Jod gesättigten Lösung die Jod- amylose durch Zusatz von etwas Jodkalium ausgefällt, so erscheint / 434 O. Bütschli: (16 die Flüssigkeit über dem stets rein blauen Niederschlag mehr oder weniger braungelb durch das in der Lösung gebliebene Jodamylo- dextrin. Um dies zu erkennen, darf jedoch die Lösung nicht zu verdünnt sein. d. Trennung von Amylose und Amylodextrin. Eine Trennung dieser nahe verwandten Körper liesse sich auf Grund der mitgeteilten Reaktionen in verschiedener Weise ver- suchen. — Wenn feste Substanz vorliegt: 1. Durch wiederholtes Auskochen mit ansehnlichen Mengen 65 bis 75°/o Alkohols, wobei nur Spuren von Amylose, dagegen erhebliche (Juantitäten von Amylodextrin in Lösung gehen. Vorheriges längeres Trocknen der Substanz bei 100° wäre zu empfehlen, damit die Amylose möglichst unlöslich wird. — Wie weiter unten mitgeteilt werden wird, habe ich dies Verfahren für den Nachweis von Amylo- dextrin in Stärkekörnern zu verwenden gesucht, speziell für die sog. Klebreisstärke, deren Rotfärbung mit Jod A. Meyer durch einen (Gehalt an Amylodextrin zu erklären sucht. Da ich dabei kein Amylo- dextrin nachzuweisen vermochte, so wurden zwei Kontrollversuche gemacht. a) zu einer ansehnlichen Menge schon einmal mit 65°/o Alkohol ausgekochten, pulverisierten Klebreis wurde eine kleine Messer- spitze Amylodextrin gegeben. b) Ebensoviel Amylodextrin wurde in etwas Wasser gelöst und darin einige Gramm pulverisierter Klebreis eine Stunde gequellt. Darauf wurde die überschüssige Flüssigkeit abgegossen und der Klebreis getrocknet. (a) wurde hierauf mit 500 ccm, (b) mit 100 ccm 65°/o Alkohol vier Stunden ausgekocht, filtriert, die alkohol. Lösung auf dem Wasserbad zur Trockne gebracht; der Rückstand mit 90° Alkohol gewaschen, wieder getrocknet und darauf mit sehr wenig Wasser kochend ausgezogen. Bei beiden Versuchen ergab die Jodfarbe dieses Auszuges reine und intensiv braune Färbung und bei Sättigung mit Chlorkalium reichliche blaue Ausfällung, also sicheren Nachweis von Amylodextrin, ohne erkennbare Spur von Amylose. 2. Da bei 100° stark getrocknete Amylose in Wasser sehr wenig löslich ist, Amylodextrin dagegen leicht, so muß sich durch öfter wiederholtes Ausziehen mit Wasser von 40—50° trockene pulveri- sierte Amylose von Amylodextrin befreien lassen. Dieses Verfahren wurde, wie weiter unten beschrieben wird, auf die sogenannten künstlichen Stärkekörner angewendet. Hierbei ist es natürlich nicht 17] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 435 möglich reines Amylodextrin zu erhalten, da wohl stets etwas Amy- lose in die wässerige Lösung gehen wird. 3. In der Lösung könnte man versuchen, die Amylose durch Überführung in Jodamylose und Ausfällung derselben durch Zusatz von Jodkalium von dem Jod-Amylodextrin, welches von Jodkalium nicht gefällt wird, zu trennen. Dieser Versuch wurde zweimal mit einer schwachen Lösung, die ungefähr gleiche Teile von Amylose und Amylodextrin enthielt, vorgenommen. Die gefällte Jodamylose wurde auf dem Filter zuerst mit schwacher Jodkaliumlösung, darauf mit 75°/o Alkohol ausgewaschen, dann durch Kochen in etwas Wasser gelöst und das Jod durch anhaltendes Kochen vertrieben. Die Lösung ergab bei der Jodprüfung keine rein blaue Farbe, sondern war von Anfang an violett, bei viel Jodzusatz blauviolett. — Auch ein dritter Versuch, bei welchem die jodierte Lösung zunächt mit etwas Arrowrootstärke geschüttelt wurde, um dem Jodamylodextrin das Jod zu entziehen, ergab bei der Ausfällung mit Jodkalium das gleiche Resultat. — Es scheint daher nicht möglich, auf diesem Wege die Amylose vollständig von Amylodextrin zu befreien. Warum dies so ist, bedarf weiterer Aufklärung. 4. Da Amylose durch Gerbsäure gefällt wird, Amylodextrinlösung dagegen nicht, so wäre auch auf diesem Wege eine Trennung mög- lich. Ein Versuch mit einer Lösung, die aus gleichen Teilen schwacher Amylose- und Amylodextrinlösung gemischt war, ergab folgendes. Die Lösung wurde mit 200 Tanninlösung gefällt, bis weiterer Zusatz keine Abscheidung mehr ergab. Nach Abgießen der Flüssigkeit von dem fest am Glase haftenden Niederschlag, wurde letzterer mehrfach mit 75°/o Alkohol gewaschen und dann durch Erwärmen in Wasser gelöst. — Die Prüfung der Lösung mit Jod ergab reine und intensiv blaue Färbung, die, wenn man die Lösung sehr verdünnte, bei Jodüberschuß bräunlich grün wurde, wenn konzentrierter eine Spur violett!). Es konnte daher Amylodextrin höchstens in Spuren darin sein. — Die von dem Gerbsäureniederschlag abgegossene Lösung wurde nach starker Einengung mit Alkohol gefällt. Die Fällung ergab nach dem Lösen in Wasser bei der Prüfung mit Jod, und mit Jod und 1) Es ist zu bemerken, daß zu diesem Trennungsversuch lösliche Amylose verwendet wurde, die mit konzentrierter Salzsäure (s. p. 441) dargestellt war. Diese Amylose ist nun, wie die genaue Prüfung ergab, nicht vollkommen frei von Umwandlungsprodukten, enthält vielmehr solche, die durch Gerbsäure fällbar sind, so daß hierauf aller Wahrscheinlichkeit nach auch das obige Resultat beruht. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 30 436 0. Bütschli: 118 Chlorkalium, ganz reine Amylodextrinreaktion ohne nachweisbare Spur von Amylose. Es scheint hiernach, daß die Trennung auf diesem Wege ge- nügend durchführbar ist. 5. Da Jodamylose in Jodkaliumlösung ganz unlöslich ist, wäh- rend sich Jodamylodextrinlösung darin verhältnismäßig leicht löst, so ließe sich auch eventuell auf diese Weise eine Trennung erzielen. Es wäre also die trockene Substanz mehrfach mit Jodjodkaliumlösung, unter Zusatz von etwas festem Jod, auszuziehen. Versucht habe ich dieses Verfahren bis jetzt nicht. e) Einfluß einer Dextrinbeimischung auf die Reaktionen der Amylose und des Amylodextrins. Da die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit vorliegt, daß eine erhebliche Beimischung von Dextrin die Reaktionen der Amylose und ihrer Umwandlungsprodukte wesentlich beeinflußt, so bedarf es einer direkten Prüfung, inwiefern dies der Fall ist. Zu diesem Zweck habe ich eine 10°/o Lösung des von mir dar- gestellten Dextrins III (s. weiter unten) bereitet und derselben mäßige Quantitäten von Amylose, Amylodextrin und eines später zu besprechenden Körpers, Amylorubin (s. hinten), der ähnlich wie Amylo- dextrin ausfriert, beigemischt. Bei allen drei Körpern ergab sich, daß durch diesen Dextringehalt der Lösung das Vermögen auszu- frieren völlig aufgehoben wird. Dagegen waren die sonstigen Re- aktionen gar nicht beeinträchtigt, auch nicht, als in der Lösung noch eine weitere ansehnliche Quantität Dextrin gelöst wurde. So zeigte vor allem die Stärkelösung, wie sonst, die Ausfällung mit Jod und Jod- kalium, die Amylodextrinlösung die blaue Ausfällung mit Jod und Chlorkalium. Ebenso waren die Reaktionen mit Gerbsäure und Baryt- wasser die gleichen wie in den dextrinfreien Lösungen. Auch frühere Versuche in ähnlicher Richtung hatten das Gleiche ergeben. Daß jedoch sehr starker Gehalt an Dextrin auch die Ausfällbarkeit durch Gerbsäure modifiziert, erfuhr ich bei der Untersuchung eines käuf- lichen Dextrins (s. unten Dextrin 2 von Merck, p. 470), dessen 40°/o Lösung von Gerbsäure nicht gefällt wurde, während in der auf ca. 10—20°/o verdünnten Lösung ziemlich reichlicher Niederschlag entstand. f) Reaktionen des Glykogens. Des Vergleichs wegen erschien es nicht unwichtig, die Reaktionen von Glykogen in ähnlicher Weise zu prüfen wie die der verwandten 19] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 437 Körper. Zu Gebote stand mir ein Glykogen aus Froschleber (a), eines aus Rindsleber (b) und ferner ein sog. Glykogendextrin, welche ich sämtlich dem hiesigen physiologischen Institut verdanke. Die beiden Glykogene a und b zeigten folgende ganz übereinstimmende Reaktionen und Eigenschaften: 1. In kaltem Wasser mäßig, in warmem leicht löslich (b aus Rindsleber ist in kaltem Wasser allmählich in sehr erheblicher Menge löslich. Die Lösung zeigt die bekannte starke Opalescenz. Die all- mäliche Auflösung der Glykogenpartikel erfolgt gerade so wie bei der in Wasser löslichen Amylose, indem die Stückchen zuerst an den Rändern glasig werden und darauf allmählich abschmelzen. 2. In dampfgesättigter Atmosphäre werden die Stückchen (a) oder das Pulver (b) in 12 Stunden weich und klebrig-schmierig, ohne jedoch zu zerfließen. Wurde hierauf mit 50°%o Alkohol behandelt, so ging in 12 Stunden fast alles in Lösung. Da die Möglichkeit vorlag, daß diese teilweise Zerfließlichkeit des Glykogens auf einem Gehalt an Dextrin beruhe, so wurde eine Probe des Glykogens aus Rindsleber aus der Lösung mit 20 %/o Gerbsäure gefällt; der Niederschlag gut mit 75 %/o Alkohol ausgewaschen, darauf wieder in Wasser gelöst und nochmals mit Alkohol gefällt. Diese getrocknete Substanz erwies sich über Wasser gestellt eher noch zerfließlicher als das ursprüngliche Glykogen. Ihre Reaktionen waren im übrigen unverändert. Aus diesem Ergebnis dürfte zu entnehmen sein, daß die Zerfließlichkeit nicht von einem Gehalt an Dextrin herrührt, sondern dem Glykogen selbst eigen ist. 3. In 50 /o Alkohol löste sich sehr wenig. Der trockene Rück-. stand der Lösung zerfloß über Wasser gestellt in 24 Stunden und seine Lösung färbte sich mit Jod nur sehr schwach braun und gab bei Zusatz von 2 Vol. Meyer’scher Jodjodkaliumlösung und Sättigung mit Chlorkalium nach mehrtägigem Stehen nur eine Spur von brauner Fällung. Mit Gerbsäure keine Fällung. Das von den 50°/o Alkohol gelöste ist daher im wesentlichen Dextrin. 4. Die Lösung wird mit Jod von Anfang an rein braun und bleibt so bei starkem Jodzusatz (tief kastanienbraun). Wird die jodierte Lösung darauf mit Chlorkalium gesättigt, so wird die Farbe deutlich mehr rotbraun, doch erfolgt keine Fällung. Nach 48 h. fand sich jedoch auf dem Boden des Röhrchens ein wenig braunes - Gerinnsel. Wird zu der jodierten Lösung etwas Jodkalium gegeben, so wird die Farbe viel gelber, Ausfällung tritt nicht auf; ebenso- wenig mit Mineralsäuren. Wird die Lösung mit dem zweifachen Volum Meyer’scher Jodjodkaliumlösung versetzt und dann mit Chlorkalium 30* 438 O. Bütschli: [20 gesättigt, so tritt sofort starke Ausfällung von rein rostbraunem Gerinnsel auf. Dbricke (72, p. 144) hat schon einen ähnlichen Versuch gemacht, indem er die mit Jodjodkaliumlösung versetzte Lösung mit schwefelsaurem Natron sättigte. Er beobachtete dabei keine Fällung, wie dies ja auch unserer Erfahrung entspricht, indem nur bei starkem Überschuß der Jodjodkaliumlösung Fällung auftritt. — Die feste Sub- stanz färbt sich mit Jodkrystall oder Jodjodkalium rein braun; da sie jedoch dabei sehr stark aufquillt und sich allmählich löst, ist dies schwer zu sehen. Dabei ergab sich jedoch, daß nach der Auflösung eine mäßige Menge blau gefärbter feiner Flöckchen verbleibt, also augenscheinlich eine geringe Beimengung von Amylose. 5. Die Lösung friert nicht aus. 6. Mit Alkohol bis zur Trübung versetzt tritt allmählich reich- liche flockige, durchaus nicht klebrige Ausfällung auf, die sich auch nach Absetzen rein flockig erhält. 7. Mit 20°/o Gerbsäure sofort starke Fällung von rein flockiger Beschaffenheit, keine Spur klebrig oder flüssig, Beim Erwärmen schwindet die Fällung vollständig und kehrt beim Erkalten zurück. briicke (712, p. 143) bemerkt, daß Gerbsäure saure Lösungen fälle, neutrale nur bei großem Überschuß von Gerbsäure. 8. Mit Barytwasser sofort sehr starke Fällung (ebenso Brücke 72), die beim Erwärmen schwindet und beim Erkalten wiederkehrt. Die Flüssigkeit wird beim Erhitzen bis zum Kochen nicht gelb. Der Niederschlag ist rein flockig, nicht klebrig oder tropfig. 9. Mit Bleiessig nur schwache Vermehrung der Trübe der Lösung, keine Ausfällung. (Gewöhnlich wird angegeben, daß Bleiessig die Glykogenlösungen fälle Drücke (72, p. 143) fand nur milchige Trü- bung, ähnlich meinen Erfahrungen, dagegen reichlichen Niederschlag durch mit Ammoniak versetzten Bleiessig. Ich fand, daß letzterer nicht wesentlich mehr fällte. 10. Beim Erhitzen mit Natronlauge tritt keine Gelbfärbung auf, oder doch höchstens eine kaum erkennbare Spur. 11. Wird die Lösung mit einer erheblichen Quantität Dextrin versetzt, so gelingt die Ausfällung der mit 2 Vol. Meyer’scher Jod- lösung versetzten Lösung durch Chlorkalium nicht mehr. 21] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 439 3. Herstellung von Amyloselösungen und von in Wasser leicht löslicher Amylose. Seit der genaueren Beschäftigung mit der Stärke sind eine ganze Anzahl Verfahren zur Bereitung von Amyloselösungen angegeben worden, die teils wirklich reine oder doch annähernd reine Lösungen liefern, teils dagegen unreine, d. h. Lösungen von Gemischen der Amylose mit ihren Umwandlungsprodukten. Es sollen hier zunächst diejenigen Verfahren kurz erörtert werden, die wirklich reine oder doch annähernd reine Amyloselösungen ergeben. 1. Das älteste und am häufigsten geübte Verfahren ist anhalten- des Kochen reiner Stärkekörner mit viel, etwa dem 100 fachen Gewicht Wasser. Absetzen der Lösung und möglichst sorgfältiges Filtrieren, was bei Verwendung des Heißwassertrichters mäßig gut geht. Besser ist es, die Lösung mit dem gleichen bis doppelten Volum Wasser zu verdünnen, darauf in einem hohen Cylinder ca. 48 Stunden absitzen zu lassen und nun die klare Lösung abzuheben oder eventuell nochmals zu filtrieren'). Die sehr verdünnte Lösung kann dann auf dem Wasserbad konzentriert werden. Die auf solche Weise durch kurzes Kochen dargestellte, ebenso aber auch die schwachen, nur durch Erwärmen auf 70°, bis zum be- sinnenden Aufquellen der Stärkekörner, bereiteten Lösungen erwiesen sich, soweit feststellbar, als ganz rein, d. h. sie ergaben ın starker Verdünnung bei der Jodprobe vollkommen rein blaue Farbe, die bei Jodüberschuß rein grün wird. Auch veränderten solche Lösungen beim Eindampfen auf dem Wasserbad ihre Jodreaktion gar nicht, so daß hierbei keine spurenweise Umwandlung eintritt. Statt zu kochen, kann man die Stärke mit Wasser im zugeschmolzenen Rohr auf 140—150° etwa !/sa--!/e Stunde erhitzen. Zusatz von etwas gepul- vertem Calciumcarbonat nach A. Meyer wäre zu empfehlen, um eventuelle Wirkung von Säurespuren, die in den Stärkekörner vor- handen sein können, zu neutralisieren. Dieses Verfahren hat den Vorteil, daß die Stärkekörner dabei vollständig in Lösung gehen und das Filtrieren der Lösung keine erheblichen Schwierigkeiten be- reitet. Dagegen erwiesen sich aber diese Lösungen bei der Jod- prüfung als nicht ganz rein, indem sie in starker Verdünnung bei Jodzusatz eine stahlblaue Farbe und bei Jodüberschuß ein schmutziges 1) Ich verwende dazu statt eines gewöhnlichen Filters lieber einen Trichter, dessen Öffnung mit einem feuchtem Pfropf von mäßig eingepreßtem Filtrierpapier verstopft ist. 440 0. Bütschli: [22 Bräunlich-grün zeigen, als deutliches Anzeichen, daß schon geringe Mengen von Umwandlungsprodukten anwesend sind. 2. Da sich nachweisen läßt, daß der Beginn der Verkleisterung (Lösungsquellung A. Meyer) der Stärkekörner zusammenfällt mit dem ersten Auftreten gelöster Amylose in dem zugegebenen Wasser '), so läßt sich daraus schließen, daß Verkleisterung stets von Lösung be- gleitet ist. Wenn dies so ist, so müssen sich auch die Verkleisterungs- verfahren auf kaltem Wege zur Gewinnung von Amyloselösungen verwenden lassen. Ich habe dieses Verfahren sowohl durch Verkleisterung von Arrowrootstärke mit konzentrierter Jodkaliumlösung (ca. 30% oiger) als auch mit sehr konzentrierter Caleiumnitratlösung versucht. In beiden Fällen wurde der dicke Kleister mit dem 2—3fachem Volum Wasser verdünnt und 24 Stunden absitzen lassen. Die über dem Bodensatz stehende Flüssigkeit ließ sich jetzt relativ leicht und gut filtrieren. Das Filtrat hatte die charakteristische schwache Opaleszenz der Amy- loselösungen. Die Lösungen wurden hierauf mit dem 2—3fachen Volum 96°/o Alkohol ausgefällt, wobei sich die Amylose bei starkem Umrühren oder Schütteln großflockig, fibrinartig gut absetzt. Die so erhaltene Amylose wurde mehrfach mit 90°/o Alkohol gewaschen und unter 70°/o Alkohol aufgehoben. In beiden Fällen erwies sie sich bei der Jodprobe in sehr verdünnter Lösung recht rein, d. h. die mit salpetersaurem Kalk gewonnene Amylose ergab etwa dieselbe Reaktion wie die bei 145° dargestellte Lösung, war also nicht ganz frei von Umwandlungs- produkten. Für die mit Jodkalium dargestellte Amylose wurde die Reaktion leider nicht so genau geprüft. Frisch gefällt waren beide Amylosen in kaltem Wasser sehr leicht löslich. Die mit Calcium- nitrat dargestellte wurde jedoch bald weniger löslich und ist jetzt, nach °/s Jahren, in kaltem Wasser wenig, bei Erwärmen leicht und vollkommen löslich. — Diese Kalk-Amylose enthält ein wenig Calcium, wie die Untersuchung der Asche ergab, und sich auch bei der Dar- stellung künstlicher Stärkesphären mit Gelatine zeigte, indem dabei den Stärkesphären wenige sehr kleine Kalksphären beigemischt waren. Beim Filtrieren einer 1,24°/o Lösung dieser Kalkamylose durch ein Thoncylinderchen ging eine Lösung durch, welche 0,62°/o Rückstand ergab, so daß also 50°/o der Amylose filtriert waren. 1) Bütschli 1898 (p. 330 Anm). Schon 1838 berichtete Payen, wie ich nach- träglich fand, daß Kartoffelstärke mit Wasser 5 Minuten auf 54° erhitzt nichts an dasselbe abgieht, daß dagegen nach '/sstündigem Erhitzen auf 56—57° das Wasser Jodstärkereaktion zeigt. 23] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 441 Diese Kalk-Amyloselösung ergab, wie oben schon bemerkt, beim Eintrocknen mit dem gleichen Volumen neutralisierter 5°/, Gelatine, die früher beschriebenen künstlichen Stärkesphären, jedoch nur kleine und wenig schöne. 3. Bereitung von Amyloselösung mit konzentrier- ter Salzsäure. — Behandelt man trockene Stärke (Arrowroot) mit abgekühlter 36°/o Salzsäure, indem man das Becherglas in eine Kältemischung aus Eis und Kochsalz stellt, so quillt die Stärke ebenfalls unter Verkleisterung stark auf und wird bei anhaltendem Rühren in verhältnismäßig kurzer Zeit völlig gelöst. Diese Lösung wird mit dem 2—3fachen Volumen Wasser verdünnt, filtriert, was sehr leicht und klar geht, und dann mit dem 3fachen Volumen 96°/o Alkohol unter starkem Rühren gefällt. Auf dem Filter wurde sie anhaltend mit Alkohol gewaschen, dem zuletzt eine Spur Ammo- niak zugesetzt war, bis die saure Reaktion vollständig geschwunden. Das Produkt wurde hierauf unter 75°/o Alkohol aufgehoben. Auch dieses Produkt erwies sich bei der Prüfung als ebenso reine Amylose, wie die bei 145° erhaltene, d. h. bei der Jodfärbung sind nur geringe Spuren von Umwandlungsprodukten in der dort angegebenen Weise nachweisbar. Im Gegensatz zu der mit salpeter- saurem Calcium bereiteten Amylose blieb dieses Präparat dauernd in kaltem Wasser leicht löslich, wenigstens jetzt schon über 1 Jahr. Diese Methode der Bereitung einer in Wasser leicht löslichen nahezu reinen Amylose scheint mir daher, neben der Wasserlösung bei 145°, bei weitem die einfachste und schnellste !). Wenn die Jodstärke aus der Lösung dieser Salzsäure-Amylose durch Jodkalium vollständig ausgefällt wurde, so war die Flüssigkeit über dem Niederschlag von blauer Jodstärke bei Überschuß von Jod 1) Starke Säuren hat schon Bechamp (54) zur Darstellung einer lös- lichen Stärke angewendet. Er behandelte die Stärke teils mit konzentrierter Sal- peter-, teils mit konzentrierter Schwefelsäure und fällte die Lösung darauf mit Alkohol. Wenn die Einwirkung der Salpetersäure 48—60 Stunden, die der Schwefel- säure dagegen '!/a Stunde gedauert habe, so sei das Präparat im Wasser völlig löslich; bei Salpetersäure wurde dasselbe Resultat auch durch mäßiges Erwärmen erzielt. — Auch durch 3—5stündiges Erhitzen der Stärke mit Eisessig im zu- geschmolzenen Rohr auf 100° werde ein in heißem Wasser völlig lösliches Prä- parat erhalten; die Körner seien sehr wenig durch diese Behandlung geändert. — Im allgemeinen darf wohl als sehr wahrscheinlich bezeichnet werden, daß diese Präparate Bechamp’s schon erhebliche Mengen von Umwandlungsprodukten enthalten mußten, die sich mit Jod nicht mehr blau färbten, die aber durch die ansehnliche Menge der vorhandenen Amylose verdeckt wurden. 442 O. Bütschli: [24 stets rein gelb, nie braun, wie es bei Gegenwart von Amylodextrin der Fall ist. Um jedoch eventuell vorhandene Spuren von Amylo- dextrin nachzuweisen, wurden wiederholt Proben dieser Amylose, sowie der mit Calciumnitrat dargestellten, ohne oder nach vorheriger Trock- nung, mit entsprechenden Mengen von 60°/o Alkohol ausgekocht. Die filtrierte Flüssigkeit dann auf dem Wasserbade eingedampft und der minimale Rückstand in ganz wenig Wasser gelöst. Mit Jod geprüft ergab sich schwache Braunfärbung und bei Sättigung mit Chlorkalium blaue Fällung. Dasselbe Resultat wurde auch erzielt, wenn der 60 °o Alkohol mit etwas Ammoniak schwach alkalisch gemacht war, so daß eine eventuelle Spur von Säure nicht umwandelnd wirken konnte. Aus diesen Erfahrungen ließe sich also schließen, daß die mit Salz- säure dargestellte Amylose Spuren von Amylodextrin enthält, oder wahrscheinlicher eines der Amylose näherstehenden Umwandlungs- produktes, wie z. B. Amyloporphyrin (s. weiter unten). Das gleiche Ergebnis schien auch aus folgendem Versuch hervorzugehen. Aus einem Anteil der Lösung wurde durch Jod und Jodkalium die Jod- stärke völlig ausgefällt, das Filtrat hierauf bis zur Trockne auf dem Wasserbad eingedampft und der Rückstand in der Kälte mit viel 75°/o Alkohol ausgezogen, wobei nur ganz wenig feines Gerinnsel zurückblieb. Dieses wurde, nach wiederholtem Auswaschen mit 75°/o Alkohol, in etwas kochendem Wasser gelöst, wobei jedoch nur ein Teil in Lösung ging; das Ungelöste bestand aus Papierfasern und selt- samerweise einer globulitischen Masse, die sich bei genauerer Unter- suchung als kohlensaurer Kalk ergab. Die Lösung ergab mit Jod und Chlorkalium deutliche Amylodextrinreaktion. Obgleich nun auf diese Weise eine geringe Verunreinigung durch Amylodextrin (oder einen verwandten Körper) sicher nach- gewiesen scheint, was ja auch mit der Jodreaktion dieses Amylose- präparates übereinstimmt, so ist dabei doch noch weiteres zu be- achten, wie sich aus folgendem Versuch ergiebt. Eine Lösung der Amylose wurde so stark verdünnt, daß ihr ohne Trübung 60°/o Alkohol zugesetzt werden konnte. Mit etwas Jod bläute sich eine Probe dieser Lösung nun nicht mehr, sondern wurde rein gelb. Hierauf wurde sie auf dem Wasserbad eingedampft und der Rück- stand in wenig heißem Wasser gelöst. Bei der Prüfung mit Jod färbte sich die Lösung zuerst weinrot, dann braun und blieb mit Jodkalium versetzt braun, ohne Fällung. Hieraus folgt also, daß die Spuren von Amylose, welche in dem 60°/o Alkohol gelöst werden, beim Ein- dampfen eine Veränderung erfuhren, daß daher bei den obigen Ver- 25] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 445 suchen, wo die Amylose mit 60°o Alkohol ausgekocht wurde, der nachgewiesene amylodextrinartige Körper zum Teil aus der Amylose entstanden sein kann. Auch beim Eintrocknen jodhaltiger Lösung von Amylose, wie sie in dem zweiten Versuch vorgenommen wurde, ist die Umwandlung einer geringen noch gelösten Stärkemenge nicht ausgeschlossen. Ich halte es sogar für möglich, daß bei einfachem Eintrocknen der wässerigen Amyloselösung stets etwas Umwandlungsprodukt gebildet wird. Wie bekannt, ist der Rückstaud nach dem Eintrocknen in kaltem Wasser fast unlöslich und, wie es scheint, noch unlöslicher, wenn bei gewöhnlicher Temperatur getrocknet wird, als wenn dies bei 100° geschieht. Wird solch’ eine eingetrocknete Probe mit kaltem Wasser ausgezogen, so färbt sich die Lösung mit Jod zunächst rein blau, bei mehr Jodzusatz blauviolett und braunviolett, also wie ein Gemisch von wenig Amylose und viel Amylodextrinlösung. Bei Zu- satz von Jodkalium wird sie braun, ohne blaue Ausfällung. Zieht man den Rückstand mehrfach bei 40° mit neuen (Quantitäten Wasser aus, so zeigt die Jodprüfung, daß längere Zeit Substanz von obiger Jodreaktion in Lösung geht. Nach etwa 6—10facher Aus- ziehung giebt jedoch die Flüssigkeit rein gelbe Farbe mit Jod; auch der Vergleich mit reinem Wasser, dem dieselbe Quantität Jodlösung zu- gesetzt wird, ergiebt, daß nichts Färbbares mehr vorhanden ist. Er- hitzt man jetzt den Rückstand mit etwas Wasser, so löst sich wenig und die Lösung zeigt mit Jod ganz reine Amylosereaktion. Wie gesagt, scheinen mir diese Erfahrungen dafür zu sprechen, daß schon bei einfachem Eintrocknen der Amyloselösung die Um- wandlung einer geringfügigen Menge der Amylose zu Amylodextrin oder eventuell einem zwischen diesem und der Amylose stehenden Körper stattfindet. Verkleisterung der Stärke mit Salzlösungen wurde schon früher mehrfach zur Herstellung von Amyloselösungen benutzt. So hat Mohr (60), wie schon 1854 Bechamp, Stärke mit Chlorzink ver- kleistert, verdünnt und aus der Lösung das Zink mit kohlensaurem Natron ausgefällt. Bechamp dagegen hat mit konzentrierter Öhlor- zinklösung längere Zeit auf 100° ja 140° erhitzt und hierauf mit Alkohol gefällt; die Löslichkeit des Präparates in Wasser soll von -der Dauer der Reaktion abhängen. — Flückiger (61) hat die Stärke mit einer Lösung von Chlorcalcium (!/j„—!/s Salzgehalt) verkleistert, mit viel Wasser verdünnt, filtriert, und dann mit Alkohol gefällt. Das Produkt (sogenanntes Amylogen Flückiger nach Delffs) löst sich 444 O. Bütschli: [26 in frischer Fällung in warmem Wasser leicht und die Lösung zeigt dieselbe Reaktion wie eine durch Kochen hergestellte Amylose- lösung. — Musculus (78) verkleisterte die Stärke mit Natronlauge und fällte darauf mit Alkohol. Die so erhaltene Amylose ist in kochen- dem Wasser völlig löslich. — In ähnlicher Weise hat auch schon bechamp (54) durch Erhitzen der Stärke mit sehr konzentrierter Kalilauge, Neutralisieren mit Essigsäure und Fällung mit Alkohol eine sogenannte lösliche Stärke dargestellt, die jedoch in Wasser nur zum kleineren Teil löslich gewesen sein soll. 4. Vorgeschlagene Lösungsmethoden, die keinereine Amyloselösung ergeben. Es ist eine sehr alte Erfahrung (zuerst Guxbourt, 29), daß zerquetschte und zerriebene Stärkekörner, im Gegensatz zu intakten, schon in kaltem Wasser schwache Lösung zeigen, indem sie gleichzeitig stark aufquellen und verkleistern, wie sonst erst bei höherer Temperatur. In gleicher Weise quellen auch Schnitte, die man von Stärkekörnern, welche in Gummi eingebettet waren, macht, beim Einlegen in Wasser sehr stark (schon Fritzsche 34, W. Nägeli, 74 p. 24, Bültschli). Der mit kaltem Wasser her- gestellte Auszug zerquetschter Stärkekörner soll mit Jod teils rein blaue Färbung geben, teils jedoch blauviolette bis rote und braune; auch wurde er z. T. reduzierend gefunden, so von Maschke (52), Reinsch (55), Delffs (64). Dafert (86), der eine größere Zahl von Stärkesorten in dieser Beziehung untersuchte, fand bei zahlreichen nur Blaufärbung des bei 4—8°C. hergestellten Auszugs, dagegen bei gewissen Sorten von Reis-, Weizen-, Kartoffel- und Haferstärke Rot- und Braunfärbung mit Jod. Ebenso hat schon (Maschke 52, p. 405, Anm.) aus Weizenstärke einen sich violett bis rotbraun färbenden Auszug erhaiten, und daher auf einen Dextringehalt dieser Stärke geschlossen; auch hat KReinsch (55) angegeben, daß der Auszug Dextrin und Zucker enthalte. Ich habe einen Versuch mit von mir selbst dargestellter Kar- toffelstärke angestellt, die beim Erwärmen mit Wasser, bis gerade zum Beginn der Verkleisterung, in der klar abgesessenen Flüssigkeit völlig reine Amylosereaktion ergab. Körner dieser Kartoftelstärke, die mit dem Pistill auf einer Glasplatte zerquetscht waren, quollen bei Wasserzusatz sehr stark auf, ähnlich wie bei der Verkleisterung. Der kalt hergestellte wässerige Auszug gab bei successivem Jod- zusatz zuerst veilchenblaue, dann rotviolette und schließlich braune Farbe. Bei Zusatz von Jodkalium wurde rotviolettes Gerinnsel aus- geschieden. Der Rest der Lösung wurde zur Trockne gebracht, | | 27] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 445 darauf heiß mit 50°/o Alkohol extrahiert; die Lösung eingedampft, mit wenig Wasser ausgezogen und filtriert. Mit Jod zuerst rot und schließlich braun, durch Jodkalium rein braun, ohne Fällung. Jo- diert und darauf mit Chlorkalium gesättigt reichliche blaue Fällung. Hieraus folgt, daß letztere Lösung wesentlich Amylodextrin oder einen verwandten Körper enthielt, und die Jodfärbung der ursprünglichen Lösung läßt schließen, daß sie relativ wenig Amylose neben viel von diesem Umwandlungsprodukt enthielt. Ein weiterer Versuch wurde mit Arrowrootstärke angestellt, die gleichfalls durch Erhitzen mit Wasser bis zu beginnender Quellung eine ganz reine, schwache Amyloselösung giebt, und deren Körner mit einem Jodkrystall sich rein berlinerblau färben. Eine Partie dieser Stärke wurde in einer Achatschale mit Seesand gemischt, soviel Wasser zugegeben, daß ein dicker Brei entstand und hierauf einige Zeit mit dem Pistill stark zerrieben. Diese Prozedur wurde mit neuem Wasser ein zweites Mal wiederholt. Die Lösungen I und II gingen stark opaleszierend durch gewöhnliche Filter, weshalb sie noch einmal durch einen feuchten, dicken Pfropf von Filtrierpapier filtriert wurden. Nun opalisierten sie nur noch ganz schwach. Die Lösung (I) färbte sich mit Jod zuerst rein blau dann stahlblau und schließlich schmutzig braunrot, (II) dagegen von Anfang an violettblau und schließlich schmutzig violett. Sie froren nicht aus, jedenfalls wegen zu starker Verdünnung; denn als sie auf dem Wasserbad sehr stark eingeengt worden waren, gaben beide beim Ausfrieren eine mäbige Ausscheidung in Form der gewöhnlichen Amylose. Das Ausgefrorene verhielt sich bei Prüfung mit einem Jod- krystall oder einem Tropfen Meyer’scher Lösung, der am Deckglas- rande zugesetzt war, für beide Lösungen durchaus gleich. Die Anfangs- färbung war gelblich-bräunlich, darauf weinrot bis purpurfarbig und schließlich berlinerblau. Der nicht blau gefärbte Teil bildete nur eine sehr schmale Zone, woraus sich ergiebt, daß schon ein recht mäßiger Grad von Jodwirkung dazu gehört, um die rein blaue Farbe hervorzurufen. Wurde das Ausgefrorene im Röhrchen 24 Stunden lang mit Meyer’scher Jodlösung bei 40—50° behandelt und das Jod dann ausgezogen, so ließ sich immer noch, vor dem Auftreten der reinen berlinerblauen Jodfarbe, eine schwach violette Anfangsfärbung wahr- nehmen; doch ergab sich, daß auch die Arrowrootkörner selbst die gleiche Erscheinung bei genauerem Zusehen zeigen. Wurde das so behandelte Ausgefrorene in wenig Wasser durch Erwärmen gelöst, so färbte sich die Lösung mit Jod absolut rein berlinerblau und 446 0. Bütschli: [28 gab bei Zusatz von etwas Jodkalium starke, rein berlinerblaue Ausfällung. Das Ausgefrorene besteht daher zweifellos zu seinem allergrößten Teil aus reiner Amylose, dem jedoch wohl ein Körper beigemischt ist, der dem später zu besprechenden Amylosan sich an- schließt. Die Lösungen über dem Ausgefrorenen verhielten sich im wesentlichen gleich. Mit Jod färbten sie sich zuerst ganz schwach weinrot, darauf fast rein und intensiv blau, schließlich blaupurpur- farbig. Bei Zusatz von etwas Jodkalium wurden sie rein braun und nach 24 Stunden war keine Abscheidung aufzufinden. Jodiert und mit Chlorkalium gesättigt ergaben sie reichliche blauviolette Fällung, die beim Abdunsten des Jods viel blauer wurde; Zusatz eines Jodkrystalls ruft aber die blauviolette Farbe wieder hervor, dieselbe ist also eine Folge starker Jodwirkung. Mit Gerbsäure gaben die Lösungen reich- liche Fällung. Beide wurden daher vereinigt und mit 20°/o Gerbsäure aus- gefällt; der Niederschlag mit 75°/o Alkohol gewaschen, zum Verjagen des Alkohols etwas getrocknet und dann in ganz wenig Wasser ge- löst, was schon in der Kälte geschah. Die verhältnismäßig konzen- trierte Lösung wurde dann gefroren, wobei sich jedoch nichts aus- schied. Die Lösung ergab mit Jod zuerst schwach weinrote, dann rein blaue und schließlich tief purpurrote Farbe. Bei Zusatz von Jod- kalium trat sofort ziemlicher Niederschlag von violett er Farbe auf, der auch bei Verdünnung mit Wasser violett blieb. Die Lösung über dem Niederschlag blieb jedoch noch intensiv braun. Auch bei Sät- tigung der jodierten Lösung mit Chlorkalium fiel blauvioletter Nieder- schlag aus. Wurde die jodierte Lösung mit ziemlich viel Arrowroot ge- schüttelt, so wurde die Flüssigkeit durch Jodentziehung fast rein blau, doch mit einem schwachen Stich ins Violette (veilchenblau etwa). Wurde hierauf zu dieser blauen Lösung ein kleiner Jodkaliumkrystall gegeben, so erfolgte sofort schön rotvioletter Niederschlag, der auch bei Wasserzusatz diese Farbe beibehielt. Vergleichende Versuche ergaben, daß eine jodierte Amyloselösung durch Zusatz einer entsprechenden Quantität Jodkalium rein blau ausgefällt wird. Der Niederschlag konnte also nicht etwa durch das Jodkalium ins Rotviolette veränderte Jod- amylose sein. — Die von dem Gerbsäureniederschlag abgegossene Lösung ergab bei Zusatz von viel Alkohol nur eine sehr geringfügige Trübung, die sich jedoch gut absetzte. Nach dem Auswaschen mit Alkohol, getrocknet und dann durch Kochen in Wasser gelöst, gab die \ | 29] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 447 Lösung dieses Körpers bei Prüfung mit Jod zuerst schwach rote, dann rein braune Farbe, mit Jodkalium keine, dagegen mit Chlor- kalıum rein blaue Fällung. In Betracht der Nichtfällbarkeit des Körpers durch Gerbsäure kann es sich nur um Amylodextrin handeln. Auch diese etwas genauer durchgeführte Untersuchung ergab also, daß in der durch Zerreiben der Stärkekörner hergestellten Lö- sung neben Amylose auch Umwandlungsprodukte derselben sich befinden und zwar, soweit die Reaktionen ein Urteil gestatten, neben etwas Amylodextrin, ein amylophorphyrinartiger, durch Gerbsäure fäll- barer Körper und wahrscheinlich noch ein zweiter, der in der Lösung durch Jod blau gefärbt wird, aber bei Zusatz von Jodkalium rot- violett ausfällt. Ob die beiden letztgenannten Körper wirklich nicht ausfrieren, wie es der Fall war, ist nach dem, mit einer sehr geringen Menge angestellten Versuch, wobei die Lösung doch vielleicht weniger konzentriert war, wie vermutet, nicht bestimmt zu sagen. Jedenfalls läßt sich auf diesem Wege nicht wohl eine reine Amyloselösung bereiten. — A. Meyer (95, p. 18) ist, wie schon früher Knop (60) und Kabsch (65) der Ansicht, daß die geringe Löslichkeit der zerquetschten Stärkekörner auf teilweiser Verkleisterung durch Temperaturerhöhung beim Zerreiben beruhe. Für die zerquetschten Körner erachtete dies auch W. Nägel (74, p. 22-23) als wahr- scheinlich, dagegen nicht für die Schnitte, aus welchen beim Ein- legen in Wasser gleichfalls etwas Amylose ausgelaugt wird, weshalb er (p. 25) anzunehmen geneigt war, daß kaltes Wasser auf die innere Substanz der Körner schon ähnlich, nur schwächer wirke wie heißes. Die Bildung von Umwandlungsprodukten der Amylose in den zer- quetschten Körnern sucht A. Meyer dagegen auf einen Säuregehalt der verwendeten Körner zurückzuführen. Bei der von mir verwendeten Kartoffelstärke war dies sicher nicht der Fall, da ich sie selbst ohne Anwendung von Säuren dargestellt hatte, wobei sie mehrfach mit ammoniakhaltigem Wasser gewaschen worden war. Ich bin nun ebenfalls der Meinung, daß sowohl die Löslichkeit der zerquetschten wie der in Schnitte zerlegten Stärkekörner auf dem lokalen Einfluß höherer Temperatur beruht. Das starke Aufquellen zerquetschter Körner und Schnitte im Wasser scheint mir jedoch darauf hinzuweisen, daß hohe Temperatur schon eine Veränderung der in kaltem Wasser unlöslichen Stärkesubstanz der lufttrockenen Körner zu bewirken, d. h. sie in eine löslichere Form überzuführen vermag. — Schon Maschke (54, p. 5) hat gefunden, daß lufttrockene Kartoffelstärke, die im zugeschmolzenem Rohr 8 Tage auf 100° erhitzt war, beim Kochen 448 O. Bütschli: [30 mit Wasser keinen Kleister mehr bildete und viel reine Amylose in Lösung gehen ließ. Ich beobachtete (98, p. 356), daß lufttrockene Arrowrootstärke, die bei sorgfältiger Prüfung keine Spur saurer Reaktion zeigte, nachdem sie im Uhrglas57 Stuuden auf 100° erhitzt war, schon an kaltes Wasser ziemlich viel abgab, was sich mit Jod successiv blau, purpurfarbig nnd braun färbte. „Der nicht gelöste, viel an- sehnlichere Teil ging beim Erwärmen mit Wasser fast vollständig in Lösung ohne Kleisterbildung. Die Lösung verhielt sich ähnlich wie die unten zu besprechende Zulkowsky'sche lösliche Stärke war daher ein Gemisch von viel Amylose mit verschiedenen Umwandlungs- produkten.“ Ich bin daher der Meinung, daß die beim Zerquetschen auf- tretende lokale Erhitzung auch ohne Gegenwart von Säure schon genügen dürfte, das Entstehen geringer Mengen von Umwandlungs- produkten der Amylose, Amylodextrin ete., zu erklären. Durch Erhitzenoder Erwärmen von Stärke mit schwachen Säuren wurden mehrfach sogenannte Amyloselösungen dargestellt, welche jedoch sicher niemals reine Lösungen gewesen sind. — So gab Maschke (54) an, daß die Stärke sich in verdünnter Schwefel- säure beim Kochen leicht löst und daß diese Lösung, sofort nach ihrer Klärung untersucht, fast nur Amylose und wenig Dextrin ent- hält, d. h., daß sie sich mit Jod erst bei starkem Zusatz violett färbt. Er hat dann 2 Teile Kartoffelstärke mit 4 Teilen 830 Al- kohol, dem 1 Teil Mixtura sulfurica acida!) zugesetzt war, 1 Stunde auf dem Wasserbad erhitzt, die Stärke bis zu vollständigem Auf- hören der sauren Reaktion ausgewaschen und getrochnet. Sie ist dann anscheinend unverändert, löst sich jedoch beim Koclıen mit Wasser vollkommen klar und durchsichtig auf. Die Lösung enthielt nach der Jodprobe „geringe Quantitäten Dextrin“. — Auch das, was Briicke (12) als lösliche Stärke oder Amidulin (nach Schulze u. Nasse) bezeichnet, ist durch Digerieren von Stärke oder Kleister mit verdünnter Schwefel, Salz- oder Weinsäure dargestellt worden. Ein ähnliches Verfahren gab später Lintner (86, p. 381) zur Gewinnung einer löslıchen Stärke an. Kartoffelstärke wird mit 7,5 %o Salzsäure übergossen und dann 7 Tage bei gewöhnlicher Temperatur oder 3 Tage bei 40° stehen gelassen. Die wenig veränderten Körner sind dann in heißem Wasser völlig löslich. Die Lösung reduziert schwach. Die Jodreaktion wird nicht angegeben. Wie es von vorn- herein zu erwarten, kann dieses Verfahren keine reine Amylose- lösung ergeben, sondern höchstens ein Gemisch von Amylose mit 31] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 449 verschiedenen Umwandlungsprodukten. Ich werde später auf die Natur der so hergestellten Körner näher eingehen. Erhitzung der Stärkekörner mit Glycerin. Schon Kabsch (62) gab folgendes an: „Durch Glycerin wird nach anhal- tendem Erhitzen die Stärke vollkommen in Lösung übergeführt, aus welcher sie durch Weingeist wieder niedergeschlagen werden kann, aber nicht mehr mit den alten Eigenschaften, sondern als eine lös- liche Modifikation, welche mit Deifs Amylogen identisch zu sein scheint“ (nach Refer. in Ztschr. f. analyt. Chemie). Später hat Zulkowsky (80) ein ähnliches Verfahren zur Her- stellung einer löslichen Stärke empfohlen. Er erhitzt die Stärke mit dem 15fachen Gewicht Glycerin !/2 Stunde auf 190° und fällt darauf mit Alkohol aus. Das so erhaltene Präparat ist unter Alkohol aufbewahrt in Wasser leicht löslich. — Schon A. Meyer (95, p. 28) erklärte, daß diese Zulkowsky'sche Stärke „sicher größtenteils aus Amylose bestehe, aber wahrscheinlich auch Amylodextrin enthalte.“ Ich zeigte 1898 (p. 293), daß sie ein Gemisch ist, in dem sich, neben Amylose, Amylodextrin und Dextrin nachweisen läßt. 4. Prüfung einiger Stärkesorten auf einen Gehalt an Amylodextrin. Da A. Meyer (95) mehrfach angiebt, daß Amylodextrin ein nicht seltener Bestandteil natürlicher Stärkekörner sei, zum mindesten der- jenigen, die sich mit Jod nicht rein blau, sondern blauviolett, rot oder braun färben, so schien es mir angezeigt, einige Versuche in dieser Richtung zu unternehmen. Geprüft wurden zunächst käuf- liche Arrowroot- und Reisstärke, sowie sehr reine Kartoffelstärke, welche ich selbst nach dem von Meyer (95, p. 77) angegebenen Ver- fahren frisch bereitet hatte. Die Arrowroot- und Reisstärke wurden vor der Verwendung dreimal mit etwas ammoniakhaltigem destillierten Wasser gründlich gewaschen, darauf mit destilliertem Wasser bis zum Verschwinden der alkalischen Reaktion und dann bei 40° getrocknet. Von diesen Stärken wurden je S0’—100 g mit 200—400 cem 65 lo Al- - kohol 4!/2 Stunden vor dem Rückflußkühler auf dem Wasserbad gekocht, die Lösung hierauf filtriert, auf dem Wasserbad zur Trockne gebracht und mit !/s Äther und !/s Alkohol warm extrahiert, zur Entfernung von event. Fett. Der geringe Rückstand wurde dann mit 450 0. Bütschli: [32 heißem Wasser ausgezogen, die Lösung filtriert und auf Amylodextrin geprüft. Bei diesen Versuchen ergab sich, wie zuvor bemerkt sein mag, noch folgendes erwähnenswerte. — Die Arrowrootkörner waren nach dem Kochen mit 65°/0 Alkohol großenteils ein wenig gequollen, mit Spalten im Centrum; damit stimmte überein, daß die alkoholische Lösung schwach opaleszierte, und ihr trockener Rückstand sich nur wenig in heißem Wasser löste. Dieser Rückstand erwies sich mem- branös, wie eingetrocknete Amyloselösung, und färbte sich mit Jod teils rein blau, teils blau- bis rotviolett. Der 65 °/oige Alkohol hatte daher ein wenig Amylose gelöst. Auch die Reaktionen des wässerigen Auszugs des Rückstands erwiesen dies, denn derselbe färbte sich mit Jod erst veilchen- bis indigoblau und dann violettblau. Diese Lösung wurde dann auf 70°o Alkohol gebracht, etwas erwärmt, die reich- liche Fällung abfiltriert, das Filtrat zur Trockne gebracht und der sehr geringe Rückstand mit ganz wenig Wasser ausgekocht, wobei er sich größtenteils löste. Diese Lösung färbte sich mit einem Jodkrystall braun und gab.bei Sättigung mit Chlorkalium etwas blauen Niederschlag. Eine zweite Probe nicht vorher gereinigten Arowroots ergab eine wässerige Lösung des Rückstands, die sich mit Jod erst rötlich, dann braun färbte, und bei Sättigung mit Chlorkalıum ziemlich reichliche blaue Fällung. In diesem Fall enthielt der wässerige Auszug also fast keine Amylose und ersichtlich etwas mehr Amylodextrin. Der Kartoffelstärkeauszug ließ nur eine gerade nachweis- bare Spur von Amylodextrin erkennen. Amylose war nicht in der Lösung und die Stärkekörner zeigten keine deutliche Quellung, jedoch größtenteils ansehnliche centrale Rißbildungen, die den frischen Körnern fehlten. Der alkoholische Extrakt der Reisstärke verhielt sich inso- fern eigentümlich, als er nach dem Eindampfen beträchtlich mehr Rückstand hinterließ als die beiden anderen Stärkesorten. In heißem Wasser löste sich dieser Rückstand sehr wenig. Das Ungelöste ergab sich bei der Untersuchung wesentlich als Eiweiß, das die Millon-, Xanthoprotein- und Biuretreaktion sehr gut zeigte. Der wässerige Extrakt färbte sich mit einem Jodkrystall bräunlich und setzte nach Sättigung mit Chlorkalium in 24 Stunden etwas braunes Gerinnsel ab, das sich bei Zusatz von 50°/o Schwefelsäure nicht bläute. Das- selbe Gerinnsel fiel jedoch auch allmählich aus der nur mit Chlorkalium gesättigten Lösung aus. — Ähnliche, mit Klebreis später angestellte Versuche, bei denen dasselbe Gerinnsel sich abscheidet, weisen darauf 33] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 451 hin, daß es etwas in Lösung gegangenes Eiweiß ist. Jedenfalls ließ sich also Amylodextrin in dem alkoholischen Auszug der Reisstärke mit Sicherheit nicht nachweisen. Es mag gleich erwähnt werden, daß dies ebensowenig bei der, sich mit Jod rotbraun färbenden sogenannten Klebreisstärke der Fall war, deren abweichende Färbung nach A. Meyer auf einem ansehnlichen Amylodextringehalt beruhen soll. Aus Vorstehendem ergiebt sich, daß bei Arrowroot- und Kartoffel- stärke in dem alkoholischen Extrakt Spuren von Amylodextrin nach- weisbar waren. Ob jedoch diese schon in den Stärkekörnern enthalten waren, läßt sich angesichts des nur spurenweisen Nach- weises und der oben (p. 442) mitgeteilten Erfahrung, daß schon beim Eindampfen einer 60°/o Alkohol enthaltenden, sehr verdünnten Amyloselösung sehr wahrscheinlich Amylodextrin gebildet wird, schwer- lich mit einiger Sicherheit behaupten. 6. Untersuchungen über die Klebreisstärke. a) Gewinnung der Klebreisstärke. Zur Darstellung eines möglichst reinen Präparats der Klebreisstärke wurden 200 g Kleb- reis!), aus dem die glasigen Körner von sich blaufärbendem gewöhn- lichen Reis möglichst sorgfältig ausgesucht worden waren, 1!/a Tage mit kaltem destilliertem Wasser eingeweicht und darauf in einer Reibschale zu möglichst feinem Schlamm zerrieben, was gut geht. Dieser Schlamm wurde in Glascylindern mit viel Wasser geschlämmt, wobei sich die Zellgewebreste rasch absetzen, während die feinen Stärkekörner und Körnergruppen nur langsam sedimentieren. Durch mehrfach wiederholtes Schlämmen ließ sich so eine Klebreisstärke gewinnen, die mindestens ebenso rein ist, wie die käufliche Reis- stärke, d.h. nur noch sehr wenig Reste von Zellgewebe enthält. Die so erhaltene Stärke wurde dann mit dem 6fachen Volumen 1°/o Kalilauge ca. 12 Stunden digeriert, wobei sich die Lauge gelb-bräun- lich färbte.e Nach dem Absitzen wurde die Stärke zweimal mit destilliertem Wasser, einmal mit 50°/o Alkohol gewaschen, dann mit 90° Alkohol auf ein Filter gebracht und bis zur Entfernung der alkalischen Reaktion mit Alkohol gewaschen. Die bei 90° getrock- 1) Derselbe stammte aus Japan und wurde mir von meinem verehrten Freunde Prof. E. Askenasy freundlichst überlassen. Zuvor hatte ich schon eine Reihe von Versuchen mit dem japanischen Tempelgebäck gemacht, das aus Klebreisstärke bereitet wird. Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 3l 452 O. Bütschli: [34 nete Stärke ist blendend weiß und ergiebt sich bei der mikroskopi- schen Untersuchung als sehr rein, d.h. bei mehrfacher Untersuchung war überhaupt nichts von Verunreinigungen in den Präparaten auf- zufinden. Daß aber dennoch eine mäßige Beimengung von Zellresten vorhanden ist, folgt daraus, daß beim Auflösen von !/a g dieser Stärke in 50 g Wasser bei 145°, oder bei Behandlung mit Speichel, ein geringer ungelöster Bodensatz verbleibt, der aus Zellhautresten besteht. b) Reaktionen der Klebreisstärkekörner mit Jod. Werden die Körner in Wasser mit einem gewaschenen Jodkrystall zusammengebracht, so färben sie sich rein braun, beginnend mit einem leichten Sepiabraun, das bei stärkerer Jodaufnahme in kastanien- braun und mehr braunrot übergeht. Von spurenweiser blauer oder auch nur violetter Anfangsfärbung ist gar nichts bemerkbar. Es zeigt sich jedoch sofort, daß auch dieser gereinigsten Klebreisstärke noch gewöhnliche Reisstärkekörner, die sich blau färben, in sehr geringer Menge beigemischt sind. Daß letztere bei der Jodfärbung zunächst alles Jod aufnehmen, ergiebt sich bei dem Versuch sehr schön daraus, daß die blauen Körnchen schon in einer Entfernung von dem Jod- krystall deutlich gefärbt sind, in welcher die Klebreiskörner noch keine Spur von Farbe zeigen. Unter den braun gefärbten Körnchen und Körnchenaggregaten bemerkt man hier und da auch einige, die mehr rot, weinrot bis purpurfarbig erscheinen, sowie größer und unregelmäßiger sind. Es sind dies mehr oder minder aufgequollene Körnchen; denn wir werden gleich sehen, daß die jodgefärbten Körner beim Aufquellen diese Farbenänderung erfahren. — Färbt man mit verdünnter Jodtinktur oder verdünnter Jodkaliumlösung, so erzielt man die gleiche Farbe der Körnchen. Wird die Jodbehandlung der Körner unter sorg- fältiger Vermeidung irgendwelchen Drucks durch das Deckglas oder sonstwie ausgeführt, also z. B. in einem Reagenzröhrchen mit etwas Wasser nebst Jodkrystall, so sind alle Körnchen ungequollen und daher rein braun. Drückt man hierauf auf das Deckglas, so daß viele Körnchen etwas gequetscht werden, so sind sie nun mehr oder minder stark gequollen und weinrot bis purpurfarbig, je nach der Intensität der Färbung. Das Vorkommen solch’ mehr oder minder aufgequollener Körnchen in gewöhnlichen jodgefärbten Präparaten zeigt daher wohl stets an, daß einzelne gequetscht und, als Folge davon, mehr oder minder verquollen sind. Wird das Präparat der jodgefärbten braunen Körner samt dem 35] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 453 Jodkrystall auf dem Wasserbad kurz erhitzt, so quellen die Körner stark auf und werden weinrot, wogegen die blauen gewöhnlichen Reiskörner sich dabei gar nicht merkbar verändern, da bekannter- maßen die Jodstärke selbst im kochenden Wasser nur recht wenig quillt. Ganz die gleiche Veränderung erzielt man durch Zusatz von 50°/oiger Schwefelsäure zu dem Präparat. Zunächst verfärben sich dabei die braunen Körner, sie werden dunkler bis tief purpur- farbig und quellen stark auf, wobei sie natürlich wieder lichter, etwa rotweinfarbig erscheinen; bei Zutritt der konzentrierten Säure lösen sie sich endlich auf zu rotweinfarbiger Flüssigkeit. Die beigemischten blauen Körner quellen dagegen unter diesen Bedingungen sehr wenig und treten deshalb wegen ıhrer viel dunkleren Farbe in den mit Schwefelsäure behandelten oder erhitzten Präparaten besonders deut- lich hervor. Werden die trockenen Klebreisstärkekörner direkt mit konzen- trierter Meyer’scher Jodjodkaliumlösung behandelt, so quellen sie stark auf und nehmen deshalb gleich die purpurartige Farbe der gequol- lenen Körner an. Die Untersuchung ergiebt, daß es allein die Jodkaliumlösung ist, welche die Körner zum Verquellen bringt. Lässt man sie durch Zusatz von starker Jodkaliumlösung verquellen und setzt dann erst Jodjodkaliumlösung zu, so geht die Quellung bedeutend zurück unter Braunfärbung der Körner, ohne daß sich dabei aus der Flüssigkeit ein Gerinnsel ausscheidet, wie dies bei gewöhnlichen, in dieser Art behandelten Reisstärkekörnern der Fall ist!). Letztere quellen eben- falls sehr stark in der Jodkaliumlösung und schrumpfen dann bei Zusatz von Meyer’scher Lösung sehr erheblich. Läßt man etwas Klebreisstärke auf dem ÖObjektträger auf- trocknen und setzt dann sehr wenig Meyer’sche Jodlösung oder auch Chlorzinkjodlösung am Rande zu, so daß diese Flüssigkeiten in ganz geringer Menge zwischen den Körnern vorkriechen, so tritt niemals etwas von Bläuung oder Bildung blauer Substanz auf, wie dies Amylodextrinsphären unter diesen Bedingungen stets zeigen, sondern die gewöhnliche Purpurfarbe. — Werden auf der Unterseite eines Deckglases aufgetrocknete Körner über einem auf dem Objektträger befindlichen Jodsplitter aufgestellt, so färben sie sich durch die Jod- !) Weil die quellende Jodkaliumlösung Amylose löst und diese durch Zu- satz von Jod als Jodstärke ausgefällt wird. Bei den Klebreiskörnern findet auch Lösung in der Jodkaliumlösung statt, aber keine Ausfällung der Jodklebreisstärke. 31* 454 O. Bütschli: [36 dämpfe rein gelb. Wird darauf am Rande des Deckglases etwas Wasser zugesetzt, so daß die gelben Körnchen der Einwirkung der Wasserdämpfe ausgesetzt sind, so tritt die rein braune Jodfarbe der Körnchen auf, dagegen nie eine Spur von Bläuung, wie es bei Amylodextrinsphären unter diesen Bedingungen der Fall ist. Werden Klebreisstärkekörner in konzentrierter Chlorkaliumlösung mit einem Jodkrystall aufgestellt, so färben sie sich recht intensiv braun bis etwas braunviolett, jedoch keine Spur blau. In der Flüssig- keit tritt keine Spur von Gerinnsel auf. Wogegen Amylodextrin- sphären sich unter diesen Bedingungen tiefblau färben unter Bildung blauen Gerinnsels in der Lösung (s. oben p. 430). Wird etwas Klebreisstärke in einem Röhrchen in Wasser mit Jodkrystall gefärbt, so erhält man eine bei makroskopischer Betrach- tung etwa ziegelrotbraune Substanz. Dieselbe wird durch Übergießen mit Amyloselösung in kürzester Zeit völlig entfärbt, indem letztere alles Jod aufnimmt; dagegen entzieht die Klebreisstärke der jod- gefärbten Amyloselösung kein Jod. Umgekehrt aber wird einer Jodgefärbten Lösung von Klebreisstärke durch Zusatz fester gewöhn- licher Stärkekörner alles Jod rasch entzogen. Wenn man Klebreisstärke in der von A. Meyer (95, p. 8) für die Darstellung sog. Stärkreste («-Amylose Meyer’s) angegebenen Weise mit 1,56 °/o Salzsäure 3 Stunden bei 80° behandelt, so ergiebt sich, daß fast alle Körner total aufgelöst sind; es schienen nur noch einige Körnchen vorhanden zu sein, die sich mit Jod rein gelbbraun färbten, doch blieb diese Beobachtung etwas unsicher. Eine schon früher mit zerriebenem Klebreis ausgeführte Probe hatte dasselbe Resultat ergeben. Die Körner waren ganz aufgelöst; erhalten hatten sich nur Zellhautreste und netzige Plasmareste, aus denen die Stärke- körner herausgelöst waren. Das gleiche Ergebnis hatte auch die Behandlung mit filtriertem Speichel bei 40°. Schon nach 3 Stunden waren fast alle Körner verschwunden, die noch vorhandenen stark angefressen und zum Teil in sehr kleine Partikelchen zerfallen!), Ganz ebenso verhielt sich auch eine Probe gewöhnlicher Reisstärke. Weder mit verdünnter Salzsäure noch mit Speichel gelingt es daher, aus der Klebreisstärke Skelette darzustellen. Sog. «-Amylose ı) Eine etwas größere Partie der Klebreisstärke wurde von Speichel in 24 Stunden bis auf einige Zellhautreste und sehr geringfügigen feinen Detritus auf- gelöst. Die Lösung gab mit Jod gar keine Farbenreaktion mehr und reduzierte alkalisches Kupfersulfat stark. 37] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 455 im Sinne A. Meyer’s könnte daher in nachweisbarer Menge in ihnen nicht enthalten sein. Die vorstehend aufgeführten Jodreaktionen der Klebreisstärke- körner sprechen durchaus gegen die Ansicht, daß diese Körner ein Gemisch, resp. Mischkrystalle, von gewöhnlicher Stärke (Amylose) und Amylodextrin sein könnten. Wäre ächte Amylose in irgendwie nach- weisbarer Menge vorhanden, so müßten sich die Körner bei vorsich- tiger Jodfärbung zunächst, wenn auch nur schwach, bläuen; dies ist durchaus nicht erkennbar. Die Körner müßten daher in der Haupt- sache aus Amylodextrin bestehen, Amylodextrinsphären sein. Dem widersprechen jedoch ihre Jodreaktionen durchaus, so die Nicht- bläuung durch Jod und Schwefelsäure, durch Chlorzinkjod, durch vordringende Jodjodkaliumlösung, durch Jod- und Wasserdämpfe, durch Jod und Chlorkalium. Ebenso spricht dagegen aber auch ihre Verkleisterungsfähigkeit und geringe Löslichkeit in heißem Wasser, in welcher Hinsicht sie sich geradeso wie gewöhnliche Stärkekörner verhalten. Ich erachte daher die Ansicht A. Meyer’s, dass die Kleb- reisstärke und ähnlich sich färbende Stärken ihre besondere Jod- reaktion einem ansehnlichen Gehalt an Amylodextrin verdanken, für unvereinbar mit den Thatsachen. Auch meine weiteren Unter- suchungen sprechen durchaus für diese Auffassung. c) Wässriger Auszug der Klebreisstärke und des Kleb- reises bei 40° Digeriert man !/g g der wie oben dargestellten Stärke mit 20 cem destilliertem Wasser 24 Stunden bei 40°, so färbt sich die Flüssigkeit mit Jod absolut nicht, wie die Vergleichung mit reinem Wasser, dem dieselbe Menge Jodlösung zugesetzt wurde, ergiebt. Es geht demnach bei 40° und in 24 Stunden gar nichts mit Jod Färbbares in Lösung. Auch diese Erfahrung spricht durchaus gegen die Möglichkeit, daß die Klebreisstärke eine erhebliche Menge von Amylodextrin enthalten könne. Anders verhält sich in dieser Hinsicht der pulverisierte, nicht weiter gereinigte Klebreis, wie schon Dafert (85—87) und Shimoyama (86) feststellten. Wird derselbe in gleicher Weise mit Wasser bei 40° digeriert, so erhält man eine Lösung, die bei der Jodprüfung eine intensiv weinrote bis rotbraune Färbung zeigt, bei darauf- folgendem Zusatz von Jodkalium rein braun wird, ohne Fällung blauer Jodamylose, und die bei Sättigung mit Chlorkalium, nach Jodzusatz, wenigstens zuweilen einen blauvioletten Niederschlag ergibt. Auch wenn der pulverisierte Klebreis zuvor eine bis einige Stunden mit 65°/o oder 95°Jo Alkohol ausgekocht war, wobei nach A. Meyer die 456 0. Bütschli: [38 eventuell vorhandenen invertierenden Enzyme unwirksam gemacht worden wären, hatte die Extraktion mit Wasser bei 40° das gleiche Ergebnis. Bei 2 g Klebreis, die zuvor mit 95°/o Alkohol 1 Stunde lang gekocht waren, war erst die vierte Wasserextraktion bei 40° ganz frei von dem mit Jod sich färbenden Körper. Nach Shimoyama gab der von ihm untersuchte Klebreis bei gewöhnlicher Temperatur in 24 Stunden an Wasser nicht weniger wie 16,120°/o seines Gewichts ab. Die Extraktion nach Vorbehandlung mit Alkohol dürfte wohl beweisen, daß es sich nicht um Enzymwirkung handelt, sondern daß der Klebreis in kaltem Wasser lösliche Kohlenhydrate enthält. Die Jodreaktion des bei 40° dargestellten Extraktes läßt die Möglichkeit, daß er etwas Amylodextrin enthalte, zu !). Dagegen gelang es mir bei mehrfach wiederholtem Auskochen von je 50 g gröblich pulverisierten Klebreises mit 500 g 65°/o Alkohol nach demselben Verfahren, welches oben (p. 449) schon für andere . Stärkesorten beschrieben wurde, nicht, oder doch nur höchstens un- sichere Spuren von Amylodextrin in dem Extrakt nachzuweisen. Das Resultat war dasselbe, wenn der pulverisierte Klebreis zuvor längere Zeit mit kaltem Wasser gewaschen oder ungewaschen extrahiert wurde. Dagegen enthielt auch der alkoholische Extrakt des Kleb- reises wie der der gewöhnlichen Reisstärke (p. 450) viel Eiweiß, dessen Verhalten schon dort beschrieben wurde. Diese Erfahrungen machen es nun wieder sehr wenig wahr- scheinlich, daß das durch Wasser bei 40° aus dem Klebreis Aus- gezogene irgend erhebliche Mengen von Amylodextrin enthalte; vielmehr ist zu vermuten, daß das Ausgezogene im wesentlichen ein anderer Körper ist. d) Weitere Untersuchung der Klebreisstärke. Um die gereinigte Klebreisstärke in Lösung zu bringen, wurden verschiedene Wege eingeschlagen, die in der Hauptsache stets zu denselben Resul- taten führten. 1. 3g Klebreisstärke wurden mit 600 g Wasser 2 Stunden auf freier Flamme gekocht, die Flüssigkeit in einem Cylinder 2 Stunden absitzen lassen, filtriert und hierauf mit dem 2—3fachen Volumen 95°%/0 Alkohol ausgefällt, ausgewaschen und unter 95°/o Alkohol aufgehoben (I). 2. !/a g Klebreisstärke wurde mit 50 g Wasser erst 1!/s Stunde zu dünnem Kleister gekocht, darauf in einem zugeschmolzenen Rohr 1) Doch kann es sich, wie die weiter unten mitgeteilten Untersuchungen zeigen werden, auch um einen andern Körper handeln. 39] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 457 1 Stunde auf 150° erhitzt. Die schwach opalescierende Lösung ent- hielt viele äußerst dünne doppelbrechende Krystallflitter. Sie filtrierte leicht. Hierauf wurde mit Alkohol ausgefällt. 3. 10 g Klebreisstärke wurden mit 40°/o Alkohol 2 Stunden vor dem Kühler gekocht, wobei die Körner sehr aufquollen; darauf im Cylinder absitzen gelassen und filtriert. Das Filtrat ergab beim Ein- dampfen auf dem Wasserbad nur sehr wenig Gelöstes, das in Wasser fast völlig löslich war. Die Lösung färbte sich mit Jod rotbraun, brauste mit Salzsäure stark auf, was vielleicht daher rührt, daß die Stärke von der Bereitung her eine Spur kohlensaures Kalı enthält. Der schleimige Rückstand von der Alkoholauskochung wurde mit viel kaltem Wasser ca. 12 Stunden digeriert, wobei sich viel löste, hierauf filtriert und das Filtrat auf dem Wasserbad zur Trockne gebracht. Glasig durchsichtige, zersprungene Lamellen (II). 4. 2 g Klebreisstärke wurden mit 500 g Wasser zu Kleister verkocht, darauf soviel Alkohol zugesetzt, daß 40°/o vorhanden, 24 Stunden absitzen lassen und dann die Flüssigkeit filtriert. Das Filtrat enthält sehr wenig Gelöstes. Der Rückstand darauf mit 350 g 25°/o Alkohol 24 Stunden digeriert und die Flüssigkeit filtriert. Das Filtrat enthält nur sehr wenig Gelöstes. Der Rückstand darauf einige Zeit mit 500 g 20°%o Alkohol erwärmt, 24 Stunden stehen gelassen und dann die Flüssigkeit filtriert. Auch dieses Filtrat ist sehr arm an Gelöstem. Der Rückstand dann mit 500 g Wasser ca. 1 Stunde gekocht, absitzen lassen, filtriert und das Filtrat auf dem Wasserbad zur Trockne gebracht. Hierauf den ansehnlichen Rückstand mit viel kaltem Wasser behandelt, geht viel in Lösung, filtriert und der geringe, nicht durch das Filter gegangene Rest im Glas gespült und einige Zeit mit viel Wasser gekocht. Der nicht gelöste geringfügige Bodensatz wurde dann unter dem Mikroskop mit Jod geprüft und bestand aus ver- quollenen Brocken, die sich schön weinrot färben, und einigen Fetz- chen sich blau färbender Amylose. Daß geringe Spuren Amylose in den Lösungen sein müssen, ist ja von vornherein sicher, da die an- gewandte Stärke etwas gewöhnliche Reisstärke enthält. Wie das Weitere ergiebt, ist dieselbe in den Lösungen jedoch nie oder kaum nachweisbar. Die mit kaltem Wasser (s. oben) erzielte Lösung wurde auf dem Wasserbad zur Trockne gebracht. Die Substanz erscheint genau wie II (III). 5. Einige Gramm der Klebreisstärke wurden mit einer konzen- 458 O. Bütschli: [40 trierten Lösung von Calciumnitrat verkleistert, der Kleister mit dem 2—B5fachen Volumen Wasser verdünnt, absitzen gelassen, filtriert und mit 3 Volumen 95°/o Alkohol gefällt (IV). 6. Klebreisstärke wurde in der Kälte (+ 2°) in einer mässigen Menge 37°/o Salzsäure gelöst, die Lösung darauf mit dem gleichen Volumen Wasser verdünnt, filtriert und mit dem doppelten Volumen 95°/o Alkohol gefällt; das Gefällte lange mit Alkohol gewaschen, dem zuletzt etwas Ammoniak zugesetzt war, und endlich unter 95 °/o Alkohol aufgehoben (V und VI). Im allgemeinen wäre zu diesen Versuchen folgendes zu be- merken. Es geht aus ihnen hervor, daß die Klebreisstärke selbst ın schwächerem Alkohol beim Kochen sehr wenig löslich ist; 10—40 /o Alkohol lösten sehr wenig, 40 °/oiger schon äußerst wenig. Das von den verschiedengradigen Alkoholproben Gelöste wurde auf seine Re- aktionen genauer geprüft, wobei sich ergab, daß sie im wesent- lichen stets die gleichen waren und mit jenen der wässrigen Lösungen übereinstimmten, daß also, soweit nachweisbar, stets der gleiche Körper in Lösung ging. Die auf verschiedene Art dargestellten Produkte I—VI zeigten im allgemeinen sehr übereinstimmende Eigenschaften, welche hier kurz aufgezählt werden sollen. Löslichkeit in Wasser. V und VI, d. h. die mit Salzsäure dargestellten und unter Alkohol aufbewahrten Produkte, sind in kaltem Wasser leicht löslich; die Lösung von VI opalesciert nur ganz wenig, die von V ist ganz klar. — Das Produkt IV (Caleiumnitrat) war nach der Darstellung etwas getrocknet worden und ist deshalb jedenfalls selbst in kochendem Wasser schwer löslich. — Die Produkte II und III sind in trockenem Zustand in kaltem Wasser langsam löslich. Ihre Lamellen quellen darin sofort auf, werden ganz schlapp und klebrig, sowie weisslich opak. Beim Erhitzen gehen sie rasch in klare Lösung. Das Produkt I dagegen ist sehr wenig löslich in Wasser, es quillt darin sehr stark zu einer durch- sichtigen Gallerte auf, die sich jedoch selbst bei anhaltendem Kochen oder viele Tage langem Stehen nur wenig löst. Immerhin geht eine gewisse Quantität in Lösung, wie schon das starke Aufquellen beweist. Die wässerigen Lösungen der verschiedenen Produkte zeigen folgende Reaktionen. 1. In keiner derselben ließ sich, trotz vielfacher Wiederholung der Versuche, durch Gefrieren und Aufthauen irgend eine Abschei- 41] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper, 459 dung erzielen. Beim Aufthauen erhielt man stets wieder ganz klare Flüssigkeit. Es ließ sich also durch Gefrieren weder Amylose noch Amylodextrin oder ein verwandter Körper abscheiden. Da die Frage nach dem Ausfrieren der Lösung sehr wichtig ist, wurde eine nochmalige Prüfung mit Lösungen vorgenommen, die so konzentriert wie möglich hergestellt waren. Geprüft wurden die Produkte I, II, ferner eine Probe von unbekannter Darstellung und endlich der aus der Lösung durch Zusatz von Jodjodkaliumlösung und Schwefelsäure zuletzt abgeschiedene Körper, der sich mit Jod rein braun färbt (s. weiter unten p. 462 y). Das Ergebnis war, daß in keiner dieser Lösungen nach dem Aufthauen etwas Ausgeschiedenes aufgefunden wurde. Es darf daher als sicher angenommen werden, daß die fragliche Substanz nicht ausfriert. 2. Werden die Lösungen mit Alkohol bis zur Trübe versetzt und dann stehen gelassen, bis sie sich geklärt haben, so erscheint der Niederschlag stets in Form klarer zähflüssiger Tröpfchen, die den Wänden des Röhrchens fest anhaften. Die mikroskopische Unter- suchung erweist ihre Flüssigkeit leicht. Bei Zusatz von absolutem Alkohol gerinnen die Tröpfchen sofort zu festem, sehr schön struk- turiertem, feinem Schaum. — Fällt man die Lösung mit dem 2—3- fachen Volumen 95°/o Alkohol unter heftigem Umrühren oder Schütteln aus, so flockt der Niederschlag gut und ist zähklebrig, so daß er sich an die Glaswände und den Glasstab festsetzt, worauf die Flüssigkeit rein abgegossen werden kann. Die Substanz verhält sich also bei der Alkoholfällung vollkommen wie Dextrin. 3. Werden die Lösungen eingetrocknet, so restiert stets eine nicht krystallinische, glasige Masse, die sich in kaltem Wasser all- mählich wieder löst. 4. Wird die trockene Substanz über Wasser in einer dampf- gesättigten Atmosphäre aufgestellt, so wird sie unter Wasseraufnahme zunächst zähklebrig, gummiartig, und die in Wasser leichter löslichen Produkte zerfließen allmählich zu zähflüssigem Schleim, der sich bei Wasserzusatz klar löst. Wird die trockene Substanz in 75°/o Alkohol sebracht, so wird sie schon zähklebrig, die glasigen Lamellen werden dabei schlapp, trübe (feinschaumig) und klebrig. 5. Jodreaktion. a) Bei vorsichtigster Prüfung der Lösungen mit Jodlösung oder einem Jodkrystall konnte auch im Beginn der Färbung nie eine Spur von Bläuung beobachtet werden. Die mit ganz verdünnter Jodlösung vorsichtigst geprüfte Lösung wird zuerst eine Spur gelblich, dann sofort schwach weinrot und hierauf 460 O0, Bütschli: [42 immer tiefer purpurfarbig [purpureus Saccardo!)]. Setzt man einer Lösung dagegen ganz wenig (auf 1 ccm der Lösung etwa 1 bis 2 Tropfen einer 0,5°/o Stärkelösung) zu, so läßt sich bei vorsichtiger Jodfärbung die blaue Anfangsfärbung gut beobachten. b) Wird zu der tief jodgefärbten Lösung festes Jodkalium ge- geben, so wird sie rein und tiefbraun, und auch bei tagelangem Stehen tritt keine Spur von Ausscheidung auf. c) Wird die tief jodgefärbte Lösung mit Chlorkalium gesättigt, so tritt bei den Produkten I und V rasch reichliche Ausfällung von braunviolettem Gerinnsel auf, das sich allmählich gut absetzt. Dagegen geben die Lösungen der Produkte II, III und VI bei gleicher Behandlung keine Fällung; die Farbe der letzteren Lösungen ver- ändert sich aber nach der Sättigung mit Chlorkalium allmählich und geht durch Rotviolett und Blauviolett nach 24—48 Stunden in schwärzliches Blau über. Wird jetzt zu der so verfärbten Lösung Meyer'sche Jodjodkaliumlösung in nicht zu geringer Menge gegeben, so fällt sofort reichlicher braunvioletter Niederschlag aus wie bei I und V direkt. Das Gleiche tritt denn auch bei den Produkten I, III und VI sofort ein, wenn man ihre Lösungen zuerst mit dem gleichen bis doppelten Volumen Meyer’'scher Jodlösung, also einem großen Überschuß derselben, versetzt und darauf mit Chlorkalium sättigt. Der braunviolette Niederschlag erweist sich mikroskopisch als feines klumpiges Gerinnsel und verändert seine Farbe auch bei viel Wasserzusatz nicht; die Farbe ist daher nicht etwa durch die Gegenwart von viel Jodkalium beeinträchtigt. — Wird zu den mit Jod gefärbten und mit Chlorkalium gesättigten Lösungen von HU, III und VI ein Jodkrystall gegeben, so tritt nach 24stündigem Stehen ebenfalls braun-violette Ausscheidung auf. d) Wird die jodgefärbte Lösung mit !/s Volumen 50 %/o Schwefel- säure versetzt, so tritt bei dem von Chlorkalium nicht gefällten Produkten II, III und VI ebenfalls kein Niederschlag und auch keine wesentliche Veränderung der Farbe auf. Bei Zusatz von circa 2 Volumen Meyer’scher Jodjodkaliumlösung dagegen erfolgt sofort reich- liche braunviolette Ausfällung der mit Schwefelsäure versetzten Lösung. 6. Mit 20° Gerbsäure gaben sämtliche Produkte starke klumpig- schmierige Fällung, die sich beim Erwärmen wieder völlig löst. 7. Mit Barytwasser sofort reichliche flockige Fällung, die sich beim Erwärmen größtenteils wieder löst und beim Erkalten wiederkehrt. 1) 8. Saccardo, P. A., Chromotaxia s. Nomenclator colorum Patavii. 1894. 43] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 461 8. Mit Bleiessig keine Fällung, auch bei langem Stehen. 9, Mit Natronlauge erhitzt schön schwefelgelb. 10. Reduktion von alkalischem Kupfersulfat. Gar nicht redu- zieren I, II, V, ganz wenig VI und ziemlich stark III. Zum Zwecke einer weiteren Scheidung eventuell trennbarer Substanzen in den obigen Produkten wurde eine etwas größere Menge der mit Salzsäure dargestellten Substanz VI in kaltem Wasser gelöst und darauf mit 20° Gerbsäure gefällt, bis kein weiterer Nieder- schlag mehr auftrat. Nach 12stündigem Stehen im Eisschrank hatte sich der Niederschlag als zähe braune Schmiere gut abgesetzt. Die Flüssigkeit (1) wurde abfiltriert, der Niederschlag (2) mit 70°/o Al- kohol mehrmals gewaschen, dann in warmem Wasser gelöst und successive zweimal mit viel Alkohol gefällt. Er war dann rein weiß und nach dem Trocknen ganz schwach gelblich, zum Teil ganz glasig durchsichtig, zum Teil auch weiß und undurchsichtig. Diese Substanz, welche mit Eisenchlorid keine Spur von Gerbsäure- reaktion giebt, zeigt alle charakteristischen Reaktionen, die oben für die Ausgangssubstanz beschrieben wurden. Sie ist in kaltem Wasser langsam löslich und zerfließt in trockenem Zustand über Wasser in einigen Stunden zu klarem Gummi wie Dextrin. Sie friert nicht aus und giebt bei intensiver Jodfärbung mit Chlorkalium keine Fällung, sondern erst bei starkem Jodüberschuß, d. h. auf Zusatz von viel Jodjodkaliumlösung oder eines Jodkrystalls, so wie oben beschrieben. Sie reduzierte alkalische Kupfersulfatlösung nicht. Die von dem Gerbsäureniederschlag abfiltrierte Lösung (1) wurde auf dem Wasserbad stark eingeengt und darauf mit viel Alkohol gefällt, wieder gelöst und nochmals gefällt. Die erhaltene Substanz ist ziemlich bräunlich und in kaltem Wasser leicht löslich. Ihre Lösung wird weder von Gerbsäure noch Barytwasser gefällt. Die auf dem Uhrglas eingetrocknete Substanz wurde dann mit kaltem 50°/o Alkohol ausgezogen, wobei sich fast alles auflöste. Der trockene Rückstand dieser alkoholischen Lösung löste sich in kaltem Wasser leicht und ergab bei Prüfung mit Jod zuerst ganz schwach weinrote, dann rein braune Farbe; bei Zusatz von Chlor- kalium oder Schwefelsäure ziemlich reichliche blaue Fällung. Bei Frieren der Lösung schied sich nichts aus. — Darauf wurde die mit etwa !/s Volumen 50°/o Schwefelsäure versetzte Lösung mit Meyer- scher Jodjodkaliumlösung ausgefällt, einige Tage absıtzen gelassen und, da der Niederschlag (1?) durch das Papierfilter ging, durch ein Thoncylinderchen filtriert. — Das Filtrat (1!) wurde alsdann mit viel 462 O. Bütschli: [44 Alkohol gefällt, der Niederschlag mit 75°/o Alkohol mehrfach gewaschen, in wenig Wasser gelöst und gekocht zur Entfernung des Jods. Die wässerige Lösung dieser von Jod und Schwefelsäure nicht ge- fällten Substanz (1!) giebt nun mit Jod von Anfang an reine und schwach braune Färbung, die bei Zusatz von Jodkalium gelb wird. Bei Sättigung mit Chlorkalium tritt keine Farbenveränderung ein und in 4 Tagen keinerlei Niederschlag. Dieser Körper ist daher als ein gewöhnliches Dextrin zu beurteilen, das mit Spuren einer sich mit Jod braun färbenden Substanz verunreinigt ist. Der durch Jod und Schwefelsäure gefällte Körper (1?) wurde nach Auswaschen mit Alkohol in heißem Wasser gelöst. Die Lösung gab mit Jod zuerst schwach blaue, schließlich tief purpurne Färbung. Bei Zusatz von Jodkalium wurde die Farbe rein braun und nach 24 Stunden zeigte sich schwache Fällung auf dem Boden. Mit Jod und Chlorkalium trat sofort reichliche blaue Fällung auf. Es schien angezeigt, auch die Ausfällung durch Jod und Schwefelsäure zur Ermittelung einer eventuellen komplizierteren Zu- sammensetzung der Klebreisstärkeprodukte zu versuchen. Zu diesem Zwecke wurde eine größere Partie des mit Salzsäure dargestellten Produktes VI (p. 458) in kaltem Wasser gelöst, die Lösung mit dem doppelten Volumen Meyer’scher Jodjodkaliumlösung versetzt und darauf durch Zusatz einer mäßigen Quantität 50 °/oiger Schwefelsäure aus- o \ o . gefällt. Die von diesem Niederschlag («) nach 24stündigem Absitzen abfiltrierte Flüssigkeit war noch tief braun und gab bei weiterem Zusatz von etwas Meyer’'scher Jodjodkaliumlösung und 50 /o iger Schwefelsäure neuerdings Fällung. Sie wurde daher auf diese Weise nochmals ausgefällt und der Niederschlag (#) nach 24stündigem Ab- sitzen abfiltriert. Die beiden Niederschläge « und $# wurden zuerst mit einem Gemisch von M.Lösung und Schwefelsäure gewaschen, darauf gründlich mit 95°o Alkohol, dann in Wasser gelöst. Die noch vorhandene Spur von Schwefelsäure wurde mit Ammoniak neu- tralisiert, das Jod durch Kochen entfernt und dann mit viel Alkohol ausgefällt. Die beiden so erhaltenen Körper bezeichnen wir als « und ß. — Aus dem Filtrat von der zweiten Fällung (#) wurde bei weiterem Zusatz von Schwefelsäure und M.Lösung nur wenig bräunliches Ge- rinnsel ausgeschieden. Das Filtrat wurde daher mit viel 95/0 Alkohol unter heftigem Schütteln ausgefällt, der Niederschlag nach Auswaschen mit Alkohol wieder in wenig Wasser gelöst, die schwach saure Reaktion mit ein wenig Ammoniak neutralisiert und zum zweiten Mal mit Alkohol gefällt, der so erhaltene Körper (y) dann getrocknet. ) Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 463 Die Reaktionen der auf diese Weise erhaltenen drei Körper a, ö und y sind sich sehr ähnlich, zeigen aber doch gewisse Unter- schiede, wie die nachfolgende Tabelle ergiebt: a 8 y Der getrockneteKör- Leicht und klar lös-, Ebenso Ebenso per ist in kaltem lich Wasser In dampfgesättigter Atmosphäre Die Lösung mit Jod; zuerst ganz ver- dünnte Lösung von Jod jo mit Sättigung der dierten Lösung Chlorkalium Zusatz von dem glei- chen Volum Meyer’- scher Jodjodkalium- lösung, darauf Sät- tigung mit Chlor- kalium 20°%o Gerbsäure Barytwasser ') Wird in 24 Stunden zäher Gummi, der sich bei Zusatz von Wasser trübt, jedoch fast völlig löst Zuerst rein und schwach blau, dann weinrot und endlich tief purpur. Etwas mehr blauviolett wie ß. Wird tief rotviolett, keine Fällung Sofort sehr reich- licher Niederschlag, der mikroskopisch rein violett (rot- violett) Sehr starker Nieder- schlag Sehr starker Nieder- schlag, der sich bei Erwärmen bis auf schwache Trübung löst und bei Erkal- ten wiederkehrt. Wird dabei nicht gelb. ‚Zäher durchsichtiger ‚Gummi, der sich bei Wasserzusatz völlig löst ' Zuerst weinrot (keine Spur blau) und schließlich tief rotpurpur. Ebenso Ebenso. Nieder- schlag mikrosko- pisch braunviolett Ebenso Ebenso. Beim Fr- wärmen löst sich der Niederschlag wieder völlig. Nicht gelb. Zäher weißer Gummi, der sich bei Wasserzusatz un- vollständig löst, in- dem schollige weiße Masse zurück- bleibt Zuerst gelbbraun und schließlich tief ka- stanienbraun Tief rotbraun, keine Fällung Wird zunächst rot- braun, ohne Nieder- schlag; schon nach !/g Stunde aber viel brauner Nieder- schlag. Ebenso. Mässiger Nieder- schlag, der bei Er- wärmen wenig schwindet. Nicht gelb. 1) Die Prüfung mit Chlorbaryum ergiebt bei allen drei Körpern Anwesenheit geringer Spuren von Schwefelsäure, am geringsten, kaum bemerkbar, bei £. 464 O. Bütschli: [46 Das Verhalten des Körpers y in feuchter Atmosphäre wies darauf hin, daß er möglicherweise ein Gemenge zweier verschiedener Substanzen sei. Um dieses etwas weiter zu prüfen, wurde der Körper y über Wasser gestellt und der zähe weiße kautschukartige Gummi darauf mit 50°/o Alkohol behandelt, wobei sich viel auflöste; doch blieb auch eine erhebliche Menge feines Material ungelöst, weshalb die Lösung milchig erschien. Das abgesetzte Ungelöste (y') wurde mit 50°0o Alkohol gewaschen; mikroskopisch besteht es aus feinem globulitisch-sphärischen Gebilden ohne deutlich erkennbare Doppel- brechung, was jedoch wahrscheinlich nur Folge ihrer Kleinheit ist. In kaltem Wasser ist diese Substanz (y!) wenig löslich, beim Erwärmen löst sie sich jedoch leicht und völlig klar. Die Reaktionen der Lösung sind im wesentlichen ganz dieselben wie die der Substanz y. Die Fällungen mit Gerbsäure und Barytwasser entstehen beide langsam, so daß sie erst allmählich beim Stehen auftreten. Die mit Alkohol bis zur Trübe versetzte Lösung setzte in 24 Stunden einen Bodensatz aus kleinen flüssigen Tröpfchen ab. In feuchter Atmosphäre zerfloß die eingetrocknete glasige Substanz nicht, wurde dagegen weiß und trübe. Das aus der Substanz y durch kalten 50° Alkohol Gelöste (7?) wurde eingetrocknet. Der glasige Rückstand zerftloß in 48 Stunden über Wasser zu leichtflüssigem Gummi, der bei Zusatz von kaltem Wasser ohne Rückstand in Lösung ging. Die Reaktionen dieser Lösung waren genau dieselben wie die von y!, so daß es den Anschein hat, als wenn es sich nur um zwei verschiedene Modifikationen der- selben Substanz handle. e) Beurteilung der Ergebnisse und der Klebreis- stärke überhaupt. Die vorstehend mitgeteilten Resultate meiner Untersuchungen über die aus der Klebreisstärke auf verschiedenem Wege gewonnenen Produkte ergaben folgendes. Jedenfalls sind diese Produkte I—VI keine einheitlichen Körper, sondern Gemenge. In diesem Gemenge findet sich, wie die Unter- suchung (s. p. 462) ergab, einmal etwas Dextrin, jedoch soweit ersicht- lich in nur mäßiger Menge. Gleichzeitig wurde bei dieser Unter- suchung noch ein Körper (1? p. 462) in geringer Menge angetroffen, der durch Gerbsäure nicht fällbar ist und in seinem Verhalten gegen Jod sich ähnlich wie Amylodextrin verhält. Es muß jedoch bei dieser Gelegenheit daran erinnert werden, daß, wie p. 456 näher dargelegt wurde, aus der Klebreisstärke auf direkterem Wege kein Amylo- dextrin gewonnen werden konnte. Es ist daher eher wahrscheinlich, daß sowohl das Amylodextrin als das Dextrin, die übrigens nur in 47] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 465 dem mit Salzsäure bereiteten Produkt VI nachgewiesen wurden, erst bei der Bereitung entstandene Umwandlungsprodukte sind. Die Hauptmasse dieser Klebreisstärkeprodukte bildet ein Körper, der in seiner wasserlöslichen Form, wie er in den Produkten I—VI vorliegt, sich, soweit feststellbar, durch folgende Reaktionen aus- zeichnet. Wie die Amylose wird er durch Gerbsäure und Barytwasser ausgefällt und reduziert Fehling’sche Lösung nicht. Im Gegensatz zu der Amylose friert er nicht aus und wird aus den Lösungen durch Alkohol stets in Form von zähtlüssigen Tropfen abgeschieden. Ebenso ist er wie Dextrin sehr hygroskopisch und wird daher über Wasser gummiartig weich. Mit Jod färbt er sich sowohl in festem Zustand als in Lösung purpurn und die jodierte Lösung wird bei Zusatz von Jodkalium rein braun, ohne eine Spur von Fällung. — Einen weiteren Unterschied gegen die Amylose zeigt er darin, daß er beim Eıin- trocknen mit 5°/o Gelatinelösung nie irgendwelche Sphären ergiebt. Von dem Amylodextrin unterscheidet sich diese Substanz ein- mal durch den vorhin geschilderten dextrinartigen Charakter, durch die Fällung durch Gerbsäure, durch die Purpurfarbe der Jodverbin- dung und die braunviolette Farbe der durch Chlorkalium oder Schwefelsäure ausgefällten Jodverbindung. Gemeinsam hat die Sub- stanz mit Amylodextrin die Nichtfällbarkeit der Jodverbindung durch Jodkalium und die dabei auftretende braune Verfärbung. Die auf p. 462 mitgeteilte Versuchsreihe, d. h. die successive Ausfällung der Lösung mit Jodjodkaliumlösung im Überschuß und Schwefelsäure macht es wahrscheinlich, daß in dem Produkte VI, und daher vermutlich auch den übrigen, zwei sehr nahestehende derartige Körper vorhanden sind, welche sich wesentlich nur durch ihre Jodfarbe unterscheiden, nämlich ein sich purpurn (« und £) und ein sich rein braun färbender (y). Dieser sich rein braun färbende Körper hat viel Ähnlichkeit in seinen Reaktionen mit dem Glykogen. Wenn wir nun bedenken, daß die Klebreisstärke in ihrer Jod- färbung genau dieser Hauptsubstanz der aus ihr dargestellten Pro- dukte entspricht, und daß ferner nichts dafür spricht, daß in der gereinisten Klebreisstärke direkt Amylodextrin oder Dextrin enthalten 1) Es ließ sich auch daran denken, daß die braunviolette Farbe des Nieder- schlags der jodierten Lösung mit Chlorkalium oder Schwefelsäure auf der Mischung eines blauen und eines braun ausfallenden Körpers beruhe; für wahrscheinlich er- achte ich dies nicht. 664 OÖ. Bütschli: [48 sei, so ergiebt sich, meiner Meinung nach, als die einzig mögliche Auffassung, daß die Klebreisstärkekörner sich zu der Hauptsubstanz der aus ihr gewonnenen wasserlöslichen Produkte ebenso verhalten, wie die gewöhnlichen Stärkekörner zu der aus ihr gewonnenen wasser- löslichen Amylose. Meine Ansicht geht daher dahin, daß die sog. Stärkekörner des Klebreises und entsprechend sich verhaltende in der Hauptsache aus der unlöslichen Modifikation eines besonderen stärke- ähnlichen Kohlehydrats bestehen, das man nach Dafert’s Vorschlag als Erythroamylum bezeichnen könnte, das ich jedoch vorziehe Amyloerythrin zu nennen, da Brücke (72) die Bezeichnung Erythro- amylum schon für ein Umwandlungsprodukt der Amylose verwendete (s. weiter unten). Mit der in den gewöhnlichen Stärkekörnern vorliegenden unlöslichen Modifikation der Amylose teilt dieses un- lösliche Amyloerythrin die Eigenschaft, daß es in heißem Wasser stark quillt und verkleistert, dabei zum Teil in Lösung gehend. Wurde einer 10°/oigen Dextrinlösung etwas von dem Klebreis- produkt VI (mit CIH bereitet, p. 458) zugesetzt, so erwiesen sich die Reaktionen unverändert, vor allem die Ausfällung mit dem 2fachen Volumen Meyer’scher Jodlösung und Chlorkalium, sowie die Fällungen mit Gerbsäure und Barytwasser. Auch nach erheblicher Verstärkung der Dextrinbeimischung wurden die Reaktionen nicht verändert. Aus diesen Erfahrungen und den früher aufgeführten über die Beimischung von Dextrin zu Amylose- und Amylodextrinlösungen folgt also, daß die charakteristischen Reaktionen der wesentlichen Substanz der Klebreisstärkekörner nicht durch eine Beimischung von Dextrin zu anderen stärkeartigen Verbindungen hervorgerufen sein können. A. Meyer (1886 und 1891) vertritt die Meinung, daß die sich braun bis rot färbenden Körner des Klebreises, von Sorghum etc. kein besonderes Kohlehydrat (Erythroamylum) enthielten, daß viel- mehr ihre von den gewöhnlichen Stärkekörnern abweichenden Eigen- schaften nur auf der Beimischung einer gewissen Quantität von Amylo- dextrin und viel Dextrin beruhen. 1886 (p. 385) bemerkt er als zusammenfassendes Ergebnis seiner Untersuchungen folgendes: „Wie gesagt, geht aus dem Mitgeteilten mit Wahrscheinlichkeit hervor, daß die Klebreisstärke außer der geringen Menge von Stärkesubstanz, welche ihre Quellbarkeit bedingt, nur wenig Amylodextrin und sehr viel Dextrin enthält.“ 1895 (p. 81) lautet dagegen sein Urteil, das sich auf eigene Untersuchungen und die unter seiner Leitung ausgeführten ey ZI IZz 49] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 467 Shimoyama’s stützt, wesentlich anders. Hier scheint die Gegenwart von Dextrin in den roten Körnern, das nach den Angaben von 1886 in sehr großer Menge vorhanden sein sollte, wieder unsicher. Zwar enthalten die bei 30—50° hergestellten wässerigen Extrakte „wahrscheinlich Dextrin“; doch heißt es einige Zeilen weiter unten: „Stellt man die Stärkekörner (d. h. die des Klebreises) frei von Zellresten dar, so wird vielleicht kein Dextrin mehr darin zu finden sem“ (p. 81). Dieser Ausspruch kann doch nur so gedeutet werden, daß Meyer die Gegenwart von Dextrin in den Körnern selbst für unwahrschein- lich hält. — Abgesehen von dem Dextrin sollen nun die roten Körner nach Meyer aus wenig Amylose und auch (1885) wenig Amylodextrin bestehen. Fragen wir nun nach dem Nachweis für die Gegenwart dieser beiden Kohlehydrate.e Amylose soll sowohl in Form von ß- als «--Amylose vorhanden sein. Beweis dafür sei „die Quellbarkeit und die Jodfärbung der Stärkekörner und des gereinisten Kleisters“ (95, p. 81). Über die Jodfärbung bemerkt Meyer (p. 86, speziell für Sorghum), daß das Korn sich „zuerst schwach rotviolett, da es neben Amylodextrin $-Amylose enthält“ färbt, „setzt man mehr Jodjod- kalium zu, so überwiegt die Amylodextrin-Färbung und es tritt schließlich Braunfärbung auf“. Diese Schlüsse gründen sich also auf die zunächst ganz unbewiesene und unwahrscheinliche Annahme, daß die Färbung der Körner wesentlich von Amylodextrin bedingt sei, und, da die Anfangsfärbung „rotviolett“ gefunden wurde, so müsse dies darauf beruhen, daß die braune Farbe des Amylodextrins durch eine Beimischung von Blau in Rotviolett verwandelt werde. Ein solcher Schluß scheint mir dagegen ganz unstatthaft. Wenn that- sächlich Amylose auch nur in geringer Quantität vorhanden wäre, so müßte sich dieselbe bei vorsichtiger Manipulation als blaue An- fangsfärbung erkennen lassen, da sie ja zunächst alles Jod an sich nimmt. Derartiges hat aber Meyer nicht beobachtet und auch ich habe es bei den Klebreiskörnern nie gesehen. Aus allem geht hervor, daß #-Amylose, selbst wenn man ihren Nachweis zugeben wollte, höchstens in Spuren anwesend sein kann. Daß in den Extrakten der Klebreisstärke sich Spuren von $-Amylose finden können, ja müssen, ist klar, da alle Beobachter angeben, daß den Klebreiskörnern stets eine kleine Menge von gewöhnlichen Reis- körnern beigemischt ist. Ein völliges Auslesen der letzteren war _ auch mir nicht möglich. Meyer ist nun aber ferner der Ansicht, daß die Gegenwart der ß-Amylose in den Klebreisstärkekörnern durch ihre Quellbarkeit und Verhandl. d. Heidelo. Naturhist.-Med. Vereins, N. F. VII. Bd. 32 465 0. Bütschli: [50 Verkleisterungsfähigkeit bewiesen werde. Ein solcher Schluß behauptet also, daß es außer der 3-Amylose kein verkleisterungsfähiges Kohle- hydrat geben könne, und setzt daher die Gegenwart eines solchen auch da voraus, wo die sonstigen Reaktionen, insbesondere die Jod- färbung, davon nichts zeigen. Eine solche Voraussetzung aber scheint mir eine Annahme, die sich auf keinen thatsächlichen Beweis stützt. ß-Amylose also, welche, wie wir oben sahen, nur spurenweise höchstens vorhanden sein könnte, soll die Bedingung und der Grund sein, daß die roten Körner ebenso intensive Lösungsquellung und Ver- kleisterung zeigen wie gewöhnliche Stärkekörner, welche in ihrer ganzen Substanz aus Amylose bestehen. Diese Anschauung scheint mir mit der gesamten Sachlage in Widerspruch. A. Meyer will jedoch auch sog. «--Amylose in der roten Reis- stärke nachgewiesen haben (95, p. 81, p. 9). Bei 1Östündiger Be- handlung derselben mit 1,56% Salzsäure bei 80° soll sie bis auf 0,07 %o Rückstand aufgelöst werden. Diese 0,07°/o Rückstand sollen nun «-Amylose sein. Ob der Rückstand genauer untersucht wurde, wird nicht berichtet. Ich habe oben p. 454 mitgeteilt, daß nach meinen Erfahrungen die Klebreisstärkekörner unter diesen Be- dingungen sehr rasch völlig gelöst werden. Ich bin daher auch der Meinung, daß die 0,07°o Rückstand wahrscheinlich nur Verunreini- gungen, vor allem Zellhautreste, d. h. eigentliche Cellulose waren. Wie steht es nun mit dem Nachweis des Amylodextrins in den Klebreiskörnern? Hinsichtlich der wässerigen Extrakte der Klebreis- stärke bemerkt Meyer (95, p. 81): „Es schien demnach (d. h. nach der Jodreaktion), als ob Amylodextrin, welches mit Dextrin und Amylose verunreinigt sei, in diesem Extrakt zugegen sei. In kry- stallisierter oder reiner Form wurde das Amylodextrin nicht abge- schieden.“ Von einem einigermaßen sicheren Nachweis des Amylo- dextrins ist also keine Rede; p. 86 dagegen heißt es, „daß die Sub- stanz, welche bei der Quellung der Stärkekörner (d. h. der sog. roten Körner von Sorghum) scheinbar schwindet, Amylodextrin ist, läßt sich mikrochemisch nachweisen. Erhält man die Stärkekörner unter dem Deckglas einige Zeit mit Wasser auf 70°, setzt dann Jodjod- kalium hinzu, so färbt sich die wässerige Lösung intensiv rot.“ Dieser angebliche Nachweis des Amylodextrins wäre nur zutreffend, wenn das Amylodextrin das einzige Kohlehydrat wäre, das sich in wässeriger Lösung rot färbt. Da jedoch alle Eigenschaften der roten Stärke- körner mit Amylodextrin nicht übereinstimmen und auch die Jod- reaktionen der festen Körner wie die der Lösung sich vom Amylodextrin 51] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 469 völlig verschieden erweisen, wie p. 452 u. 459 genauer dargelegt wurde, so liest doch die, auch schon von Dafert anerkannte Thatsache sehr nahe, daß es außer dem Amylodextrin noch manche andere Kohlehydratmodifikationen giebt, die sich mit Jod rot bis braun färben. Ich werde selbst im weiteren Verlauf einige derselben zu charakterisieren haben. Aus was beständen denn aber die roten Körner eigentlich nach Meyer’s Anschauung von 1895? «-Amylose findet sich darin angeb- lich 0,07 °/o, 8-Amylose kann wegen der Jodfärbung höchstens spuren- weise darin sein; Dextrin ist nach Meyer ın den „von Zellresten freien Körnern vielleicht nicht mehr zu finden“; demnach bliebe eigentlich nur das Amylodextrin als wesentlicher Bestandteil übrig und dies widerspricht doch offenbar allen Erfahrungen über die Eigenschaften dieser Körner. Eigentlich gründet sich ja die Rolle, welche Meyer dem Amylodextrin an dem Aufbau der roten Körner zuschreibt, nur auf die Vorstellung, daß ein der Amylose verwandtes Kohlehydrat, das sich mit Jod braun oder rot färbt, unbedingt Amylodextrin sein müße. f)Diesog. Paraglykogen- oder Zooamylumkörner der Gregarinen etc. als wahrscheinlich identisch mit der Kleb- reisstärke. Ich möchte an dieser Stelle noch auf ein wahrschein- liches Vorkommen des Amyloerythrins hinweisen, das in zoologischer Hinsicht von Interesse ist. Im Jahre 1570 entdeckte ich, daß die im Plasma der Gregarınen (speziell Gregarına blattarum v. Sieb.) meist massenhaft vorhandenen Körner sich mit Jod braunrot bis braunviolett färben und bei Schwefelsäurezusatz, unter Aufquellen, schön weinrot bis veilchenblau werden. Ich schloß damals, daß die Körner eine dem sog. Amyloid ver- wandte Substanz seien. 1885 wurde ich durch einen Angriff Frenzel’s auf die Richtigkeit meiner Beobachtungen veranlaßt, den Gegen- stand etwas genauer zu verfolgen, wobei ich meine früheren Beob- achtungen in jeder Hinsicht bestätigt fand. Die genauere Erforschung ließ jedoch feststellen, daß die Körner schon in heißem Wasser stark quellen und dabei dieselbe Veränderung der Jodfarbe erfahren wie durch Schwefelsäure; daß sie ferner durch Kochen mit Wasser gelöst werden und diese Lösung mit Jod sich wein- bis purpurrot färbt. Die Lösung reduzierte Fehling nicht, dagegen in der Regel, nachdem sie mit Schwefelsäure einige Zeit gekocht war; wogegen bei Behand- lung mit Speichel kein reduzierender Zucker nachzuweisen war!'). 1) Wie oben p. 454 mitgeteilt wurde, wird Klebreisstärke im Speichel leicht und völlig gelöst und die erhaltene Flüssigkeit reduziert ausgiebig. 32* [4 470 OÖ. Bütschli: [52 Aus diesen Erfahrungen schloß ich, daß die Körner eine gewisse Verwandtschaft mit dem Glykogen hätten, und schlug daher vor, sie Paraglykogen zu nennen. Kurze Zeit darauf (1886) teilte auch Maupas seine Erfahrungen über die Gregarinenkörner mit. Er zeigte vor allem, daß sie zwischen gekreuzten Nicols das dunkle Kreuz geben; auch seien die größeren zuweilen deutlich geschichtet. Die Jodfärbung und die Löslichkeits- verhältnisse in Wasser fand er etwa wie ich, dagegen weicht er von mir darin sehr wesentlich ab, daß nach ihm die Wasserlösung auch schon ohne vorherige Behandlung mit Schwefel- oder Salzsäure redu- zieren soll. Da diese Angabe meinen eigenen Erfahrungen wider- spricht, so halte ich sie für zweifelhaft. — Dagegen muß ich Maupas durchaus beistimmen, wenn er hervorhebt, daß die Eigenschaften der Gregarinenkörner ihnen mehr einen Platz in der Nähe der Stärke, als bei dem Glykogen anwiesen. Er weist vor allem auf die Flori- deenstärke hin, die sich ganz ähnlich gegen Jod verhalte. Doch hält er den Namen Zooamylum für geeigneter, als Paraglykogen. Wie gesagt, gebe ich dies zu und halte es jetzt für sehr wahrscheinlich, daß die Gregarinenkörner identisch sind mit den Klebreisstärke- körnern und den sich ähnlich verhaltenden anderer Pflanzen, wohl auch denen der Florideen. 6. Amyloporphyrin, Da bei den Untersuchungen über die Umwandlungsprodukte der Stärke und namentlich auch der Klebreisstärke die. Frage nach dem Einfluß beigemischten Dextrins hervortrat, so wurde ich ver- anlaßt, auch dem Dextrin einige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Von käuflichen Dextrinen untersuchte ich 3 verschiedene Sorten: 1. zwei sog. Gommeline (la und 1b); la verdanke ich der Freundlich- keit des Herrn Dr. Trommsdorf in Heidelberg, 1b bezog ich von Merck in Darmstadt; 2. ein sog. Dextrinum purissimum alcohol. prae- ceipitat. wurde gleichfalls von Merck bezogen. Daß diese Körper Gemische verschiedener Stoffe sind, ergiebt sowohl ihr Verhalten gegen Wasser, als auch ihr Verhalten gegen Jod. im allgemeinen werde gleich betont, daß sich aus den Lösungen dieser Dextrine durch Gefrieren und Wiederauftauen nichts abscheiden läßt. Das Gommelin la ist in kaltem Wasser leicht und sozusagen 53] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 471 völlig löslich. Es bleibt ein geringer weißlicher Rückstand, der nach der mikroskopischen Untersuchung, abgesehen von gewissen zufälligen Verunreinigungen, wesentlich aus wenig veränderten Stärkekörnern besteht. Dieselben färben sich mit Jod ziemlich rein blau, sind daher wenig oder nicht umgewandelt. — Wenn man die Gommelin- stücke (1a) dagegen in einer feuchten Atmosphäre über Wasser aufstellt, so zerfließen sie in einigen Tagen zu einer weißlichen Schmiere. Wird diese mit einer mäßigen Menge kalten Wassers behandelt, so bleibt nun eine ziemliche Quantität scholliger weißer Substanz (1a!) ungelöst zurück und erweist sich auch beim Auswaschen mit viel kaltem Wasser ziemlich unlöslich. Mit einem Jodkrystall färbt sich dies Ungelöste braun. Bei Erwärmen löst es sich in Wasser leicht, während die ver- unreinigenden Stärkekörner zurückbleiben. Die Lösung ergiebt mit Jod zuerst schwach blaue, dann blauviolette und schließlich tief purpurne Farbe; bei Zusatz von Jodkalıium wird die jodierte Lösung rein braun ohne Fällung. Bei Sättigung der jodierten Lösung mit Chlorkalium oder bei Zusatz von 50°%o Schwefelsäure tritt reichliche, rein blaue Ausfällung auf. Gerbsäure und Barytwasser ergaben Fällungen. Bei Ausfrieren nichts. Im allgemeinen zeigt auch die Lösung dieses Gommelins 1a in kaltem oder warmem Wasser die eben angegebenen Reaktionen. Die Lösung dieser Substanz 1a! wurde hierauf mit Gerbsäure ausgefällt, die schmierige Fällung in bekannter Weise weiterbehandelt. Der durch Alkohol abgeschiedene Körper zeigte dieselben Reaktionen wie die ursprüngliche Substanz 1a!, nur färbte er sich mit Jod sofort weinrot, nicht blau, und schließlich tief purpurn. — Aus dem durch (rerbsäure nicht gefällten Filtrat 1a? wurde, nach Einengung, durch Alkoholfällung ein Körper erhalten, der nach seinen Reaktionen gegen Jod, Jod und Jodkalium, Jod und Chlorkalium, Gerbsäure und Baryt- wasser als Amylodextrin gedeutet werden musste. Da die von der Substanz la! abfiltrierte Gommelinlösung mit Jod und Schwefelsäure noch reichliche Fällung ergab, so wurde sie mit dem doppelten Volumen Meyer’scher Jodjodkaliumlösung und soviel 50 %/o Schwefelsäure versetzt, bis reichliche, tiefblaue Ausfällung eintrat. Nach 24stündigem Absitzen wurde der Niederschlag ab- filtriert, zuerst mit Meyer’scher Lösung und Schwefelsäure, dann mit 95°o Alkohol gewaschen, hierauf in Wasser gelöst, mit einer Spur Ammoniak völlig neutralisiert, das Jod durch Kochen entfernt, darauf mit Alkohol gefällt und der erhaltene Körper 1a? getrocknet. Das Filtrat von dem durch Jod und Schwefelsäure gefällten 472 OÖ. Bütschli: 54 Körper (l1a°) wurde mit Alkohol gefällt, wieder gelöst und die Fällung noch zweimal wiederholt. Die Lösung dieses Körpers (lat) ergab folgende Reaktionen: Mit Jod rein braun, schließlich tief kastanienbraun. Jodiert und darauf Jodkalium keine Fällung, nur die Farbe brauner. 2 Volumen Meyer’scher Lösung und darauf Chlorkalium, nach einiger Zeit reichliche Ausfällung von schwärzlichblauer Farbe. Gerbsäure zunächst keine Fällung, nach einigen Stunden reich- liche Ausfällung als klare Tropfen auf dem Boden. | Barytwasser sofort ziemlich reichlicher Niederschlag, der bei Erwärmen schwindet und wiederkehrt. Der Niederschlag setzt sich als flüssıge Tröpfchen ab. (Prüfung mit BaCl ergiebt nur Spur von Trübung [Schwefelsäure].) Die Lösung friert nicht aus. In kaltem Wasser leicht löslich; in feuchter Atmosphäre in kurzer Zeit zu klarem, leichtflüssigem Gummi zerfließend, der sich in 50°o Alkohol bis auf geringe Trübung löst. Bei Zusatz von etwas mehr Alkohol zu dieser Lösung erfolgt Trübung, die sich nach einiger Zeit in klaren, zähflüssigen Tropfen absetzt. Durch successive Erhöhung des Alkoholgehalts wurde die ursprüngliche Substanz 1a# in fünf Anteile zerlegt, welche successive nacheinander ausgefällt waren. Die Prüfung dieser fünf Anteile auf die oben aufgezählten Reaktionen der Ausgangssubstanz la* ergab bei allen wesentlich die gleichen Reaktionen. Nur die Quantität der Fällung durch Gerbsäure vermindert sich bei den letzten Fällungen durch Alkohol (4 und 5) anscheinend. Aus diesem fast gleichen Verhalten der fraktionierten Anteile vermag ich nur zu schließen, daß die Substanz 1la* in der Hauptsache einheitlicher Art und kein Gemisch sein muß. Die durch Jodjodkalium und Schwefelsäure ausgefällte Substanz la® zertloß in dampfgesättigter Atmosphäre nur wenig, d. h. sie wurde zunächst zu klaren, kautschukartig zähen Tropfen; dieselben wurden bei weiterem Aufenthalt in dem dampfgesättigten Raum opak’ weiß und waren nach einiger Zeit großenteils zersprungen, müssen also ihr Volumen verringert haben. Die ganze Erscheinung macht den Eindruck einer vor sich gehenden Umwandlung. Die so erhaltene Masse wurde hierauf successive dreimal mit ziemlich viel 50°o Alkohol und dann zweimal mit kaltem Wasser extrahiert. 55] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 473 Der auf diese Weise restierende Körper la?! zerfloß über Wasser nicht mehr, doch war schwache Abrundung der Form und Ankleben auf dem Boden des Uhrglases noch zu beobachten. In Wasser von 58° löste er sich wenig, beim Erwärmen auf 100° da- gegen leicht zu klarer Flüssigkeit. Diese Lösung wurde gefroren, wobei die Substanz sehr reichlich ausfror und zwar besaß das Aus- gefrorene völlig die charakteristischen Formen der ausgefrorenen Amylose; die Hauptmenge bestand aus Kügelchen, kolbigen Fäden und Lamellen, die vielfach senkrecht einander aufgewachsen waren. Einen sehr eigentümlichen Unterschied von den Ausfrierungsprodukten der Amylose zeigen jedoch die des Körpers la?! darin, daß ihre Substanz selbst bei recht starken Vergrößerungen ganz homogen er- scheint, während die entsprechenden Gebilde der Stärke die charak- teristische feine globulitisch-wabige Struktur zeigen. Die Substanz 1a?! besitzt nun folgende charakteristische Re- aktionen: In Wasser ist sie schon bei gelindem Erwärmen leicht und klar löslich. Mit 20°/o Gerbsäure sofort starke Fällung, die sich als tropfige Masse absetzt. Mit Barytwasser sofort starke Fällung, die sich flockig absetzt, doch verklebend und daher jedenfalls etwas zähflüssig. Mit Bleiessig keine Fällung. Mit Alkohol bis zur Trübe versetzt, allmählich Abscheidung von zähflüssigen Tröpfchen. Jodreaktionen. Die feste Substanz färbt sich mit Jodkrystall unter dem Deckglas zuerst vielleicht eine Spur blau, darauf weinrot bis purpurfarbig und bei starker Jodwirkung in nächster Umgebung des Jodkrystalls braun. Beim Erwärmen geht alles Jodgefärbte in Lösung, abgesehen von ganz wenigen Fetzchen, die blau sind und eine wohl nur zufällige Verunreinigung bilden. Wird zu der jodgefärbten Substanz etwas 50°o Schwefelsäure gegeben, so tritt allmählich tiefe Bläuung ein, die schließlich bis zu fast reinem Berlinerblau fortschreitet. In gleicher Weise wird die ın Wasser aufgestellte Substanz durch vorsichtigen Zusatz von Chlorzinkjod tief gebläut. Da Chlor- zınkjod stark lösend wirkt, so ist, wie gesagt, vorsichtige Behandlung notwendig. 474 O. Bütschli: [56 Mischt man der Substanz etwas Arrowrootstärkekörner bei, so ist deutlich wahrzunehmen, daß letztere schon in einer Entfernung von dem Jodkrystall bläulich gefärbt sind, in welcher die fragliche Substanz noch keine Farbe erkennen läßt. Hieraus folgt, daß die Arrowrootstärke zunächst das Jod aufnimmt. Wird die aufgetrocknete Substanz mit Meyer’scher Jodlösung behandelt, so färbt sie sich tief purpur, wobei sofort viel von ihr in blauviolette Lösung geht; allmählich färbt sich das Nichtgelöste immer blauer und in 24 Stunden ist alles tief indigoblau. Auch die im Wasser befindliche Substanz ließ sich bei Zusatz von Meyer’scher Lösung allmählich bläuen. Wird der Körper, auf dem Deckglas aufgetrocknet, über einen Jodkrystall gestellt, und darauf am Rande des Deckglases Wasser zugegeben, so färbt sich die Substanz erst bräunlich, dann tief purpur und schließlich tief blau. Die blaue Masse tritt zuerst um die Substanzpartikel auf, schließlich werden letztere aber durch und durch blau. In gleicher Weise erfolst auch Bläuung, wenn man zwischen der aufgetrockneten Substanz Meyer’sche Lösung in ganz dünner Schicht vorkriechen läßt. Die Lösung färbt sich mit Jod im auffallenden Licht zuerst schwach indigoblau (im durchfallenden Licht ist die Farbe doch aus- gesprochen violett), hierauf intensiv blauviolett und schließlich tief purpurn (bei starker Verdünnung schön rotpurpur). Darauf mit Jodkalium rein braun und keine Spur von Fällung. Bei Sättigung mit Chlorkalium sofort reiche, rein tiefblaue Fällung. Zusatz einer ansehnlichen Menge Dextrin zu der Lösung verhindert diese Reaktion nicht, doch tritt die Ausfällung langsamer ein; in 24 Stunden jedoch sehr reiche Ausfällung. Wird die jodierte Lösung mit einer mäßigen Quantität fester Arrowrootstärke geschüttelt, so wird ihr das Jod zum größten Teil entzogen; über der blauen Arrowrootstärke bleibt eine schwach blau- violette Lösung. Das aus der ursprünglichen Substanz 1a? durch 50°/o Alkohol und darauf durch kaltes Wasser Extrahierte (1a??® und 1a??) verhält sich in seinen Reaktionen wesentlich wie l1a?!, mit Ausnahme der Ausfällung der jodierten Lösung durch Chlorkalium; vielmehr wird die Lösung bei Sättigung mit Chlorkalium allmählich tief blau ohne Ausfällung. Weiterhin sind diese beiden Körper: (1a?? und 1a??) weit zerfließlicher über Wasser und in Wasser leichter löslich als 57] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 75 1a?!. — Die Lösungen beider Substanzen froren aus und lieferten dabei ganz das gleiche Produkt wie 1a?!; von derselben Jodfärbung. — Die ursprünglichen Lösungen gaben bei Zusatz von Alkohol bis zur Trübung tropfige, zähflüssige Fällung. 1a?? über Wasser zerflossen, darauf mit kaltem Wasser behandelt, läßt viel ungelöst zurück in Form gequollener Lamellen. Diese wurden mehrfach mit kaltem Wasser ausgezogen und darauf durch Erwärmen in Wasser gelöst. Diese Lösung zeigte die für 1a®? oben angegebenen Reaktionen. Die Bereitungsart dieser Lösung, das mehrfache Ausziehen mit Wasser, durch welches aller Voraussicht nach etwa vorhandenes Dextrin doch entfernt worden sein muß, macht es unwahrscheinlich, daß die Ver- schiedenheit in dem Verhalten der Lösungen von 1a°? und 1a?? gegenüber la?! nur auf der Gegenwart erheblicher Mengen von Dextrin bei 1a?? und 1a?? beruhe. Das von Merck bezogene Gommelin (1b) verhält sich insofern verschieden von dem Gommelin la, als es in kaltem Wasser (100 g Gommelin + 300 g Wasser) weniger löslich ist. Die Lösung wird ganz milchig weiß. Beim Filtrieren geht sie längere Zeit trüb durch, schließlich aber ganz klar. Die ziemlich ansehnliche Menge des Un- gelösten wurde auf dem Filter gesammelt und dann noch mehrfach durch Dekantieren mit Wasser gewaschen (1b!). — Das klare Filtrat (1b?) färbte sich mit Jod zuerst weinrot, dann violettblau und schließlich tief purpurn; die jodierte Lösung gab bei Sättigung mit Chlorkalium keine Fällung, dagegen mit dem doppelten Volumen Meyer’scher Lösung und Chlorkalium sofort reiche, tief blaue Fällung. Mit Gerbsäure oder Barytwasser gleichfalls starke Fällung. Es ist daher zu schließen, daß diese Lösung viel von einer Substanz enthält, welche der vorhin beschriebenen la?! entspricht und der gleich zu beschreibenden 1b!!. Das Ungelöste 1b! enthielt noch ziemlich viele, wenig veränderte Stärkekörner, die sich mit Jod rein blau färbten. Es wurde darauf mit einer mäßigen Menge Wasser bei 60° behandelt, wobei das meiste in Lösung ging; die Stärkekörner blieben ungequollen zurück. Darauf filtriert; das Filtrat opalisierte ziemlich stark, färbte sich mit Jod weinrot, violett und schließlich tief purpurn und fror reichlich aus. Darauf wurde das ganze Filtrat (1b!) ausgefroren. Das Aus- gefrorene (1b!!) besitzt die Beschaffenheit der ausgefrorenen Amylose, Lamellen, Körner, kolbige Fäden von globulitisch-wabiger Struktur, deren Reaktionen mit Jod dieselben sind, wie sie oben auf p. 473 für die aus dem Gommelin 1a dargestellte Substanz 1a?! beschrieben 476 O. Bütschli: [58 wurden. Dies Ausgefrorene (1 b!!) löst sich in Wasser bei Erwärmen leicht und ganz klar und zeigt folgende Reaktionen: Mit Jod von Anfang an rein weinrot, schließlich tief purpurn. Die jodierte Lösung wird bei Zusatz von Jodkalium rein braun und giebt in 48 Stunden keine Spur von Fällung. Die jodierte und mit Chlorkalium gesättigte Lösung verfärbt sich allmählich rein blau und giebt zunächst keine Fällung; in 48 Stunden hat sich jedoch ziemlich reichlicher, rein blauer Absatz ge- bildet. Wird zu einem Tropfen der Lösung ein Jodkrystall gegeben, so färbt sich die Flüssigkeit im Umkreis desselben rein weinrot bis purpurn und trocknet schließlich braun, hier und da auch braunblau ein. Bei Zusatz von Wasser zu dem Rückstand tritt keine Bläuung auf, sondern weinrote Lösung. Mit Gerbsäure starke Fällung. Mit Barytwasser starke Fällung, die beim Erwärmen nicht schwindet. Die feste ausgefrorene Substanz färbt sich mit einem Jod- krystall in Wasser weinrot bis purpurn und schließlich bei starkem Jodüberschuß braun. Zusatz von konzentrierter Schwefelsäure bewirkt Bläuung (Blauviolett bis Indigo). Mit der getrockneten Substanz gelingt diese Reaktion schwerer, da sehr leicht Lösung eintritt. Trocken mit konzentrierter Meyer’scher Lösung behandelt, tritt all- mähliche Bläuung auf, indem gleichzeitig viel in Lösung geht. Über Wasser gestellt, zeigt die getrocknete Substanz keine Neigung zum Zertließen; dennoch erweist sie sich nach drei Tagen weich und leicht zerreiblich, während sie ursprünglich knochen- hart war. Der Körper 1b!! wurde darauf mehrmals mit Wasser gewaschen und bei 60° getrocknet; er erscheint dann gummiartig. Jetzt ist er in kaltem Wasser schwer löslich, quillt jedoch darin stark und wird opak und weiß; beim Kochen in Wasser geht er jedoch reichlich in schwach opalisierende Lösung. Diese Lösung zeigt außer den schon angegebenen Reaktionen noch folgende: Mit Natronlauge erhitzt, färbt sie sich gelb. Mit Kupfersulfat und Natronlauge schwache Reduktion. Mit Alkohol bis zur Trübung versetzt, setzt sich der Nieder- schlag allmählich in wasserklaren, sehr zähflüssigen Tröpfchen an den Glaswänden ab. Beim Schütteln flocken diese zusammen und setzen sich dann ähnlich Dextrin in netzförmigen Zusammenfließungs- f \ { | 59] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 477 produkten an die Glaswände an. Die Zähflüssigkeit läßt sich durch Untersuchung mit der Nadel leicht erweisen. Wird der Lösung ein wenig Amylose zugesetzt, so tritt bei der Prüfung mit Jod zuerst ganz rein blaue Färbung auf, dann erst violett und schließlich tief purpurn. Wird zu der Lösung trockene blaue Jod-Arrowrootstärke ge- geben, so wird letzterer gar kein Jod entzogen, die Lösung färbt sich durchaus nicht!); wird dagegen feuchte Jodstärke, die gut mit Wasser ausgewaschen ist, zugegeben, so entzieht die Amyloporphyrinlösung derselben ziemlich viel Jod und färbt sich schön rot. Wird die jo- dierte Lösung mit ziemlich viel Arrowrootstärke versetzt, so entzieht letztere der Lösung alles Jod, vorausgesetzt, daß die Quantität des Arrowroot ausreichend ist. (Letzterer Versuch wurde wegen der eventuellen Beziehungen der vorliegenden Substanz zu dem sogen. „Erythroamylum“ Brücke’s angestellt. Siehe weiter unten). Wird die ziemlich konzentrierte Lösung mit dem gleichen Volum 5°/o Gelatine bei ca. 50° eingetrocknet, so bleibt die Substanz beim Auflösen der Gelatine in Form recht kleiner Sphären zurück. Die- selben sind vielfach zu Lamellen verwachsen, seltsamerweise auch häufig zu mehr oder weniger unvollständigen Hohlkugeln. Die Sphären gehen bis zu äußerst geringer Größe herab und ihre Verwachsungs- produkte sind dann globulitische Lamellen. Die kleinen Sphären sind häufig‘ deutlich hohl. Das Doppelbrechen der Sphären war sehr schwach; dagegen zeigen die erwähnten Hohlkugeln häufig deut- liche positive Doppelbrechung wie ein Sphärokrystall. Interessanterweise färben sich diese mit Gelatine dargestellten Sphären mit Jodkrystall rein und schließlich sehr intensiv braun, nicht weinrot bis purpurn wie die Ausgangssubstanz. Zur genaueren Prüfung der in Vorstehendem angegebenen Reak- tion der trockenen Substanz mit Meyer’scher Jodlösung wurde noch folgender Versuch ausgeführt: Eine etwas ansehnlichere Portion der: getrockneten Substanz wurde in einem Röhrchen mit Meyer’scher Jodlösung, der noch ein Jodkrystall zugegeben war, mehrere Tage behandelt. Die Bläuung der Substanz schreitet allmählich fort, jedoch waren noch nach meh- reren Tagen braungefärbte Partikel vorhanden, die aber wohl aus dem Inneren größerer Stückchen stammten. Nach 8 Tagen wurde 1) Das gleiche gilt jedoch auch für getrocknete Arrowrootjodstärke und Amyloselösung; letztere entzieht der trockenen Jodstärke ebenfalls kein Jod, wenigstens tritt keine Bläuung der Lösung ein. 478 O. Bütschli: [60 die tietbraune Lösung abfiltriert und mit Alkohol ausgefällt. Der Niederschlag war flockig-klebrig und unter dem Mikroskop tief blau- violett. In Wasser löste er sich sehr leicht zu einer anfänglich tief- blauen Lösung, die jedoch sehr bald purpurfarbig wurde. Hierauf wurde das Jod durch Kochen entfernt und die eingeenste Lösung mit Alkohol gefällt. Der Niederschlag war durchaus klebrig-dextrin- artig. Er wurde zur Entfernung des Alkohols etwas getrocknet und war dann feinschaumig kreideweiß, gerade wie entsprechend behan- deltes Dextrin. In kaltem Wasser ist diese Substanz leicht und klar löslich und die Lösung zeigt genau die Reaktionen der ursprünglichen Substanz, nur erfolgt der blaue Niederschlag der jodierten Lösung mit Chlorkalium sofort reichlich. — Außer diesem Unterschied ist es demnach nur die Leichtlöslichkeit in kaltem Wasser, wodurch sich diese Substanz von der Ausgangssubstanz unterscheidet. Bei einer nochmaligen mehrtägigen Behandlung des Restes der Ausgangssubstanz mit NMeyer’scher Lösung sing alles bis auf einen sehr geringen Rest in Lösung. Dies Nichtgelöste war tiefblau ge- färbt. Es wurde mit 50°/o Alkohol von Jod befreit und dann noch- mals mit schwacher Jodtinktur gefärbt, wobei es sich wieder weinrot bis purpurn färbte. Wie aus diesen Versuchen hervorgeht, erleidet also die Substanz durch die Behandlung mit Meyer’scher Lösung keine dauernde Veränderung, wie man anfänglich vielleicht anzunehmen ge- neigt war. Wird eine Lösung der Substanz im zugeschmolzenen Rohr auf 140—150° ca. '/a Stunde erhitzt, so hat die Jodreaktion keine Ver- änderung erfahren. Mit starker Jodtinktur unter Zusatz eines Jodkrystalls hehandelt färbt sich die Substanz rein braun; es tritt keine Bläuung auf. Jod- überschuß allein bewirkt also keine Bläuung, wenigstens nicht bei Gegenwart von Alkohol. Wird die jodierte Lösung durch Alkohol gefällt, so ist der Nieder- schlag braun, bei Zusatz eines Jodkrystalls wird er in einigen Tagen tief braunviolett; herausgenommen beim Abdunsten des Alkohols bald schön purpurfarbig. Es dürfte keiner Frage unterliegen, daß die aus den drei Gommelinen erhaltenen Substanzen 1a? (la®'—1a°?) und 1b!! ım wesentlichen identisch sind. Durch ihre Eigenschaften sind sie gegen- über den verwandten Körpern, einerseits der Amylose, andererseits dem Amylodextrin und dem weiter unten zu besprechenden, sich an dieses anschließenden Amylorubin sehr wohl charakterisiert. Es wird sich 61] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper, 479 auch gleich zeigen, daß dieser Körper, welcher jedenfalls eines der ersten Umwandlungsprodukte der Amylose darstellt, gerade deshalb von erheblichem Interesse ist. Es scheint daher geboten, die frag- liche Substanz mit einem besonderen Namen zu belegen, wozu ich die Bezeichnung „Amyloporphyrin“ vorschlage, um die charak- teristische Purpurfarbe der jodierten Lösung anzudeuten. Mit der Amylose teilt das Amyloporphyrin: 1. Das Ausfrieren der Lösung in den für die Amylose charak- teristischen Formen des Ausfrierungsproduktes (Lamellen, Fäden, Körner). Wird die mit Jod tief purpurn gefärbte Lösung gefroren, so scheidet sich das Amyloporphyrin ganz farblos aus. 2. Fällung durch Gerbsäure und Barytwasser. 3. Ähnliche Löslichkeitsverhältnisse im getrockneten Zustand. 4. Sphärenbildung bei Eintrocknung mit 5°/o Gelatine. Abweichend von der Amylose und im allgemeinen dem Amylo- dextrin und verwandten Verwandlungsprodukten sich nähernd ist: 1. Die charakteristische Jodfärbung. 2. Die Nichtausfällbarkeit der Jodverbindung durch Jodkalium. 3. Die Ausfällbarbeit derselben durch Chlorkalium, Schwefelsäure und andere Säuren mit rein blauer Farbe. Das Amyloporphyrin mit seinen charakteristischen Reaktionen wurde auf ähnlichem Wege auch aus dem Dextrin 2 (s. oben p. 470), dem Dextr. purissim. alcohol. praecipitat. von Merck gewonnen. — Aus der nicht zu konzentrierten Lösung wurde zunächst das durch 20°/o Gerbsäure fällbare ausgeschieden. Die gefällte Substanz ın kaltem Wasser gelöst und das Gelöste mit dem gleichen Volum Meyer’scher Jodlösung und ca. !/s Vol. 50. %0 Schwefelsäure ausgefällt?). Dieser Niederschlag enthielt das Amyloporphyrin, das aus der Lösung nach Austreiben des Jods durch Alkoholfällung gewonnen wurde. Nach dem Trocknen wurde es mit 50°/o Alkohol behandelt, wobei 1) Die von diesem Niederschlag abfiltrierte Flüssigkeit gab mit viel 96 °/o Alkohol einen dextrinartigen Niederschlag. Getrocknet ist dieser glasartig, zerfließt über Wasser zu zähem fadenziehenden Gummi und löst sich in kaltem Wasser leicht. Die Lösung färbt sich mit Jod zuerst schwach gelbbraun bis braunrot und schließlich tief kastanienbraun. Bei Sättigung mit Chlorkalium tritt keine Farbenveränderung ein und keine Fällung auch bei langem Stehen. Wird die Lösung mit dem gleichen Volumen Meyer’scher Jodjodkaliumlösung ver- setzt und dann mit Chlorkalium gesättigt, so tritt sofort starke braune Aus- fällung auf, die mikroskopisch untersucht etwas ins Braunviolette spielt. Mit Gerbsäure wie Barytwasser giebt die Lösung starke Fällung. Der vorliegende Körper verhält sich daher am ähnlichsten dem Glykogen, wahrscheinlich dürfte er aber mit etwas Dextrin verunreinigt sein. 450 O. Bütsehli: [62 nur sehr wenig ungelöst blieb, dann wieder getrocknet, in wenig Wasser gelöst und endlich ausgefroren. Diese Substanz zeigt ganz die Reaktionen des aus den Gommelinen erhaltenen Amyloporphyrins mit dem kleinen Unterschied, daß die jodierte Lösung nach Sättigung mit Chlorkalium sich zwar sofort blau verfärbt, aber keine Neigung zeigt auszufallen. Es bedarf jedoch nur eines -Zusatzes von ganz wenig Meyer’scher Jodkaliumlösung, um die blaue Ausfällung hervor- zurufen. Obgleich die von dem Gerbsäureniederschlag abfiltrierte Lösung bei Zusatz weiterer Gerbsäure keine Trübung mehr zeigte, enthielt sie, wie die Untersuchung ergab, noch weiteres Amyloporphyrin, da- gegen nicht, wie erwartet, das weiter unten zu schildernde Amylo- rubin, das sich mit Jod rot färbt, jedoch durch Gerbsäure nicht ge- fällt wird. Nach mehrfacher Alkoholausfällung wurde eine Hälfte der Lösung mit NMeyer'scher Lösung und essigsaurem Natron aus- gefällt (D), die zweite dagegen mit Meyer’scher Lösung und Salz- säure (Il). Die so erhaltenen Niederschläge wurden dann in der wiederholt geschilderten Weise weiter verarbeitet und die konzentrierten Lösungen schließlich ausgefroren. Das Ausgefrorene von II verhielt sich in jeder Beziehung wie Amyloporphyrin, namentlich auch hin- sichtlich der starken Fällung durch Gerbsäure. Dagegen zeigte das von I sich insofern etwas abweichend, als die ausgefrorenen Lamellen globulitisch waren und sich mit Jod mehr braun als purpurfarbig färbten, ihre Lösung aber mit Gerbsäure zunächst gar keine Trübung ergab und erst nach längerem Stehen einen sehr geringfügigen Nieder- schlag absetzte. Im übrigen zeigte sie die Reaktionen des Amylo- porphyrins. Ob dieses abweichende Verhalten eine weitere Mo- difikation anzeigt, oder ob die Ursache dieser Abweichung nur in eventuellen Beimischungen zu suchen ist, will ich vorerst nicht zu entscheiden wagen. Durch die angegebene Abweichung nähert sich der Körper I dem Amylodextrin, von dem er sich jedoch durch seine prachtvolle purpurrote Jodfarbe in der Lösung und durch das Aus- frieren in Lamellen und Fäden, die ganz denen der Amylose gleichen, sehr unterscheidet. Einen Körper, dessen Reaktionen mit dem Amyloporphyrin völlig übereinstimmt, erhielt ich ferner mehrfach bei der genaueren Untersuchung der aus Arrowrootstärke dargestellten Lintner’schen Reste (s. hierüber weiter unten). Die Auskochung dieser Reste mit viel 40°/o Alkohol wurde stark eingeengt und der Alkohol verjagt; darauf wurde ausgefroren, das Ausgefrorene in heißem Wasser gelöst und E 63] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 481 eingetrocknet. Hierauf wurde der trockene Rückstand successive mit 300 & 60%, 200 g 520, 200 g 45°/o, 200 g 40° und endlich 200 & 20° Alkohol ausgekocht. #— Die Auskochung mit 600 Alkohol ergab beim Eindampfen ziemlich viel Rückstand, der sich in seinen Reaktionen wesentlich wie Amylodextrin verhielt. — Der Auszug mit 52/0 Alkohol, welcher die größte Menge der ursprüng- lichen Substanz enthielt, ergab mit 20°/o Gerbsäure mäßige Fällung. Die Lösung wurde daher mit Gerbsäure ausgefällt; der Niederschlag nach Auswaschen mit Alkohol in Wasser gelöst, wieder mit Alkohol ausgefällt (dextrinartig), in Wasser gelöst und darauf ausgefroren. Die so erhaltene Substanz zeigt, wie gesagt, alle charakteristischen Eigenschaften des Amyloporphyrin. Sie ist von dem zuerst beschriebenen nur darin ein wenig ver- schieden, daß die Lösung mit Jod sich zuerst blau, dann violett und schließlich tief purpur färbt. Bei Sättigung mit Chlorkalıum giebt die jodierte Lösung sofort reiche blaue Fällung. Mit 20° Gerbsäure sofort starke Fällung. Ebenso mit Barytwasser. Die Lösung friert in den charakteristischen beim Amyloporphyrin (p. 473) geschilderten Formen sehr reichlich aus. Vermutlich beruht daher die blaue An- fangsfärbung auf einer geringen Beimischung von Amylose oder einer der Amylose näher stehenden Substanz. Briicke beschrieb 1872 (p. 138) eine Substanz, welche er Erythroamylum nannte. Dieselbe besitzt jedenfalls nahe Be- ziehungen zu unserem Amyloporphyrin; da sich jedoch einstweilen schwerlich entscheiden läßt, ob sie damit identisch ist, so glaube ich wenigstens vorerst den besonderen Namen für die von mir ge- wonnene Substanz beibehalten zu müssen. Erhalten wurde dieses Erythroamylum durch Behandlung von Stärke mit Malzaufguß, bis dieselbe sich mit Jod rot färbte. (Es scheint, daß Drücke die sich rot färbenden Stärkereste, welche bei dieser Behandlung entstanden, als solches Erythroamylum betrachtet; ganz klar wird dies jedoch nicht, da er das Erythroamylum auch als gelöst in dem Malzaufguß beschreibt.) — Außer der charakteristischen Rotfärbung mit Jod, soll das Erythroamylum noch durch seine Fällbarkeit durch Gerbsäure und durch überschüssige Jodjodkaliumlösung und Salzsäure charak- terisiert sein; in welcher Farbe es hierdurch gefällt wird, wird leider nicht angegeben; es heißt nur: „die gefärbte Masse“ senkt sich zu Boden; hiernach möchte man fast vermuten, daß es rot gefällt wird, da Brücke doch die charakteristische Änderung der Farbe in blau schwerlich entgangen sein könnte. Vor allem charakteristisch 482 O0. Bütschli: [64 für das Erythroamylum soll jedoch sein, daß es stärkere Beziehung zum Jod habe als die Stärke und daher jodierten Stärkekleister ent- färbe, während Joderythroamylum durch Stärkekleister nicht ent- färbt werde. — Dieses von vornherein sehr unwahrscheinliche Ver- halten eines Umwandlungsproduktes der Stärke wurde denn auch schon von W. Nägeli (1874 p. 52 u. 60) kritisiert, indem er der Meinung ist, daß das eigentümliche Verhalten des Erythroamylum zu Jodstärkekleister auf der Bildung von Jodwasserstofisäure durch den Malzauszug beruhe, indem dieser die blaue Jodfarbe der Stärke im Rot verändere. (Es scheint jedoch, daß Bricke auch mit festem sogen. Erythroamylum, d. h. sich rot färbenden Resten Versuche ge- macht hat, wobei natürlich Malzaufgußwirkung nicht in Frage kommen konnte.) Das Erythroamylum selbst hält jedoch W. Nägelti für „nichts anderes als gewöhnliches Dextrin oder vielleicht Amylodextrin“ (p. 52), wogegen doch sehr bestimmt die Fällung durch Gerbsäure und, was das Dextrin betrifft, auch die durch Jodjodkalium und Salzsäure spricht. Brücke war übrigens der Meinung, daß sein Erythroamylum kein Umwandlungsprodukt der Stärke sei (p. 140), sondern daß in den Stärkekörnern „eine mit Nägeli’s Cellulose eng verbundene, sich mit Jod rot färbende Substanz, Erythrogranulose‘, vorhanden sei, „welche größere Verwandtschaft zum ‚Jod hat als die Granulose und der Ein- wirkung der Fermente länger widersteht.‘“ Die Bezeichungen Erythro- granulose und Erythroamylum bedeuteten daher im wesentlichen das- selbe; die erstere bezieht sich auf die Substanz, insofern sie Bestand- teil der natürlichen Stärkekörner ist, die zweite auf die herausgelöste Substanz, etwa in der Weise wie Brücke für die gelöste Amylose die Bezeichnung Amidulin (von Schulze aufgestellt), für die entsprechende in den Stärkekörnern enthaltene Substanz dagegen den Namen Gra- nulose verwendet. Wie schon angedeutet, dürfte diesem Amyloporphyrin, sowie dennoch weiter zu behandelnden Umwandlungsprodukten der Amylose eine gewisse Wichtigkeit zukommen, vor allem für das Verständnis der sog. Stärkereste, d. h. der durch Einwirkung schwacher Säuren, Speichel oder Malzauszug auf Stärkekörner erhaltenen sog. Reste, die morphologisch anscheinend wenig veränderte Körner sind, sich jedoch mit Jod rein braun bis rotbraun färben. Über diese Reste ist seit ihrer ersten Darstellung durch Payen und Persoz (1833 und 1534) eine ausgedehnte Litteratur entstanden, auf welche ich hier nicht genauer einzugehen beabsichtige. Erwähnt mögen nur die ver- 65] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper, 483 schiedene Deutungen werden, welche ihnen gegeben wurden. Ur- sprünglich als Hüllen der Stärkekörner aufgefaßt, welche die mit Jod sich blau färbende Masse einschließen, stellte zuerst Ü. Nägeli (1856, 1858, p. 113 fi., p. 179 ff.) die auch jetzt noch fast allgemein ver- breitete Ansicht auf, daß die Stärkekörner aus zwei verschiedenen Substanzen bestehen, von welchen die eine, von ıhm als Cellulose be- urteilt, bei der Darstellung der Reste zurückbleibe, die andere dagegen, die „Granulose‘, aufgelöst werde. Diese Ansicht blieb, wie gesagt, die herrschende, obgleich Mohl (1859) mit Recht bestritt, daß die Substanz der Reste Cellulose sei, und sie deshalb |Farinose nannte. Ebenso leugnete Flückiger (71) die Cellulosenatur der Substanz der Nägeli'schen Reste auf Grund ihrer Eigenschaften, insbesondere ihrer geringen Löslichkeit in Kupferoxydammoniak. Er betont meiner An- sicht nach mit Recht, daß die Substanz der Reste ein Produkt chemischer Veränderung der Stärke sei und sich als solche nicht in den Körnern finde. — Mesculus (1878) nannte sie Amylocellulose und erklärte sie für eine Modifikation der Granulose. Obgleich W. Nägeli (1874) sehr eingehend die umwandelnde Wirkung verdünnter und konzentrierter Säuren auf die Stärkekörner untersuchte und dabei das Amylodextrin, ganz ın der Form der Reste, als Umwandlungsprodukt der Körner entdeckte, hielt er doch, meiner Ansicht nach, in recht inkonsequenter Weise an der Meinung seines Vaters fest, daß die Reste einen in den Stärkekörnern präformierten Bestandteil darsteliten, der sich nicht löse. Er bemerkt zwar p. 45: „Es ist freilich hier die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen, daß sich die Substanz dabei“ (d. h. bei der Behandlung mit Speichel oder Säuren) „verändert hätte, ohne daß dadurch auch die äußere Struktur zerstört worden wäre.“ Die eigentümliche Inkonsequenz W. Nägelt’s ın der Beur- teilung der sog. Reste ergiebt sich wohl am schlagendsten aus folgender Stelle (p. 95). „Ferner entsteht Amylodextrin auch bei der Umwandlung durch Fermente. So hat mein Vater (1856) gezeigt, daß sich die Stärkekörner durch Behandlung mit Speichel in der Art verändern lassen, daß sie das Vermögen verlieren, sich mit Jod blau zu färben, nicht aber ihre Struktur. Es ist dies die nämliche Veränderung, welche ich mit Säuren zur Darstellung des Amylodextrins eintreten ließ.“ Aus dieser Ausführung läßt sich doch nur schließen, daß er die Bildung der Stärkereste entsprechend der Amylodextrinumwand- lung der Stärkekörner auffaßt; während er doch zuvor die Frage genau ebenso wie sein Vater beurteilte, und auf p. 49 von den „durch Säuren von der Granulose befreiten Kartoffelstärkekörnern“ redet. Verhandl. d. Heidelv. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 39 AA O0. Bütschli: [66 Daß ihm die sog. Amylocellulose nicht als eigentliche Cellulose, son- dern nur als eine sich mit Jod gelb bis rot färbende schwerlösliche Stärkesubstanz gilt (s. p. 105), kommt dabei nicht in Betracht. Diese Inkonsequenz W. Nägelv's suchte denn auch A. Meyer (1886) zu beseitigen und zog seinerseits den schon aus Nägelt's Untersuchungen fast unabweisbar scheinenden Schluß, daß die sog. Reste nichts anderes als Amylodextrin seien. Drücke dagegen hatte sie schon 1872 als aus Cellulose und Erythrogranulose (Erythroamylum) zusammengesetzt aufgefaßt. — Daß A. Meyer’s Meinung unhaltbar sei, wurde ihrem Begründer jedoch selbst bald klar. ‘Daß sie nicht richtig sein konnte, folgte schon daraus, daß das, was gewöhnlich als Reste bezeichnet wurde, in kochendem Wasser nur wenig löslich ist, während das Amylodextrin sich darin sehr leicht löst. 1895 ließ denn auch A. Meyer seine frühere Meinung fallen. Er sagt hierüber p. 4: „Die Säureskelette bestehen zuerst, je nach der Zeitdauer der Säureeinwirkung, aus einem Gemisch von 8-Amylose, a«-Amylose und Amylodextrin, von «-Amylose und Amylodextrin, oder zuletzt aus Amylodextrin allein.“ Ferner: „Anders ist es mit den Speichelskeletten. Dieselben bestehen, wenn das Amylosehydrat (dies soll jedenfalls $-Amylose sein) aus den Stärkekörnern herausgelöst ist, nur aus einem Gemenge von Amylodextrin und «-Amylose.‘“ Sehr wesentlich erscheint ja dieser Unterschied nicht, da auch von den Siureskeletten angegeben wird, daß sie auf einer gewissen Stufe der Säurewirkung aus @-Amylose und Amylodextrin bestehen. Das, was Meyer hier «-Amylose nennt, ist dasselbe, was die früheren Forscher im allgemeinen als Cellulose, Farinose, Amylo- cellulose, Stärkecellulose (Brown und Heron) der Reste bezeichneten. Von dieser «-Amylose vermutet Meyer nun, daß sie möglicherweise das Anhydrit der sog. 8-Amylose, das heißt der beim Kochen mit Wasser aus den Stärkekörnern sich herauslösenden Substanz, sei (8. hierüber bei Meyer p. 2 und p. 13). Immerhin bestehen jedoch bei ihm sehr erhebliche Zweifel, ob diese sog. «-Amylose als solche in den Stärkekörnern enthalten ist, oder ob sie durch die Einwirkung von Säure, Speichel oder Malzaufguß erst gebildet werde. Er sagt hierüber p. 13: „Es ist in der That nicht leicht, sich für die eine oder die andere Ansicht zu entscheiden. Es scheint mir jedoch wahr- scheinlicher, daß die Amylose teilweise von vornherein in einer kry- stallisierten Form in den Stärkekörnern vorkommt, welche sowohl dem kochenden Wasser als dem Eindringen des Jodes in die Kryställchen einen größeren Widerstand leistet, in Form der «-Amylose.“ Als 67] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 485 Stütze dieser Vermutung wird ein Versuch angeführt (p. 14); Arrow- rootkörner, die bei 70° gequollen, sollen nämlich durch Speichel schon in der Kälte und in wenigen Minuten in mit Jod sich nicht mehr blau färbende Skelette übergeführt werden. „Diese «-Amylose könne aber“, bemerkt A. Meyer, „wohl kaum in dem Augenblicke aus den festen Kryställchen entstanden sein“; es sei daher wahr- scheinlich, daß die «-Amylose schon zuvor in den Körnern vor- handen sei. Die Reaktionen der «-Amylose sind nach Meyer folgende. In kochendem Wasser löst sie sich nicht (mit Malzaufguß dar- gestellte «-Amylose p. 7), „die abfiltrierte Flüssigkeit färbt sich mit Jod jedoch meist schwach blau.“ Da er eine Verunreinigung der a-Amylose mit etwas 8-Amylose als gewöhnlich annimmt, so dürfte er diese Blaufärbung der Flüssigkeit wohl einem Gehalt an $-Amylose zuschreiben. Er sagt auch direkt von dieser «-Amylose: „Die Sub- stanz scheint mir auch jetzt noch nicht frei von 8-Amylose zu sein“ (p- 7). In Wasser von 156°—140° wird die Substanz dagegen gelöst „zu klarer, nicht opalisierender Flüssigkeit“ (p. 11), die sich mit Jod „intensiv blau“ färbt und die beim Stehen Amylose in Tröpfchen ausscheiden soll (p. 7). Diese Lösung besitze dasselbe Drehungs- vermögen wie eine gleich gehaltige Lösung von ß-Amylose, und es gehe eben bei der Auflösung die «-Amylose einfach in $-Amylose über. Eine genauere Untersuchung des ın der Lösung enthaltenen Körpers oder der Körper wurde jedoch nicht vorgenommen. — „Mit sehr verdünnter Jodlösung färbt sich die Substanz (Malzskelette) röt- lich, erst bei längerem Stehen mit konzentrierter Jodjodkaliumlösung tritt schwache Blaufärbung ein (p. 7, Säureskelette). Mit verdünnter Jodjodkaliumlösung ‚augenblicklich deutlich rot oder braun“; tage- lang mit Wasser ausgewaschen färben sie sich „dann kaum mehr rötlich“ (p. il). „Läßt man die Skelette mit etwas Jodjodkalium- lösung eintrocknen, so färben sie sich intensiv blau. Ebenso färben sie sich durch Jodjodkalium bläulich, wenn man sie einige Zeit hat in Calciumnitratlösung liegen lassen. Diese Reaktion fasse ich so auf, daß ich annehme, die &-Amylose selbst färbe sich mit Jodjod- kalium nur schwach rötlich; in den frischen Skeletten färbt sich das Amylodextrin, welches die Poren anfüllt, in den eingetrockneten Skeletten färbt sich eine Spur verquollener #-Amylose, ebenso in den Skeletten, welche in Caleiumnitrat gelegen hatten.‘ 33* 486 ©. Bütschli: [68 „In heißer Normalkalilauge löst sich die Substanz ..., die Lösung färbt sich nach dem Ansäuern mit Jod rein blau.“ „Salzsäure von 25°/o löst anscheinend bei 20° die Substanz langsam (30 Minuten) auf; die Flüssigkeit färbt sich mit Jodjod- kalıum blau.“ (regen Meyer’s Auffassung der Skelette habe ich schon 1898 (p- 283 ff.) auf Grund meiner Erfahrungen einige Einwendungen er- hoben. Die von mir untersuchten Skelette waren nach A. Meyer’s Vorschrift mit Salzsäure von 1,56°/o dargestellte Säureskelette. Ein- mal waren diese, tagelang mit Wasser (dem eine Spur Ammoniak zugesetzt war) gewaschenen Skelette in Wasser von 100° merklich löslich und diese Lösung färbte sich, ebenso wie die bei 145° (5 Min. erhitzt) bereitete, mit Jod nicht blau, sondern tief blauviolett oder violettblau, bei Überschuß von Jod tief braunviolett bis rostbraun. — Mit schwacher Jodlösung färbten sich die Skelette, ‚schwach rost- braun‘; bei darauffolgendem vorsichtigem Zusatz von 50 °/o Schwefel- säure wurden sie schließlich tief berlinerblau; ebenso gelingt die Bläuung mit Chlorzinkjod. Erhitzen der jodgefärbten Körner auf dem Wasser- bad ruft dagegen nur hie und da schwache Bläuung hervor. — Werden die trockenen Reste mit konzentrierter Meyer'scher Jodlösung behandelt, so färben sie sich zuerst rostbraun, bald tritt jedoch inten- sive Bläuung auf. In 24 Stunden sind alle schön und ziemlich tief blau und findet sich blaues Gerinnsel in der Flüssigkeit. Beim Aus- waschen mit Wasser wird die blaugefärbte Substanz herausgelöst und die von Jod befreiten Reste färben sich wieder wie früher braun. Von neuem mit Meyer’scher Lösung behandelt, wurden sie in 24 Stunden wieder so blau wie früher. Beim Eintrocknen der Reste mit Jod- tinktur oder Meyer'scher Jodlösung färben sie sich tiefblau, ganz trocken geworden. sind sie rostbraun. Bei Behandlung mit Wasser geht auch hier das Blaue in Lösung und die ausgewaschenen Körner färben sich mit Jod wieder braun. Durch Eintrocknen mit Jodlösung und darauf folgender Extraktion mit Wasser kann man einen sehr erheblichen Teil der Reste in blauviolette Lösung bringen, manchmal sogar alles. Durch Ausfrieren einer solchen Lösung erhielt ich etwas einer Substanz, die sich, soweit untersucht, wie Amylose verhielt. (regen Meyer’s Ansicht, daß die Bläuung beim Eintrocknen mit Jodjodkalium auf der Gegenwart von $-Amylose beruhe, sprach ich mich aus, da nach unseren Erfahrungen $-Amylose sich zuerst mit Jod färben müsse, während die Reste bei Behandlung mit schwacher Jodlösung nie etwas von Bläuung vor der Bräunung zeigen. Dagegen 69] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 18° war ich geneigt anzunehmen, daß durch die längere Einwirkung von konzentrierter Jodjodkaliumlösung aus den Resten $-Amylose gebildet werde. Daß die bei 145° aus meinen Resten dargestellte Lösung etwas sanz anderes sei als eine bei gleicher Temperatur hergestellte Amylose- lösung, ergab sich mir daraus, daß beim Eintrocknen dieser Restelösung mit dem gleichen Volum 5°/o Gelatinelösung eine große Menge von Sphärokrystallen erzielt wurde, die sich jedoch ganz anders verhielten wie die aus Amyloselösung dargestellten, und welche nach meinen mikro- und makrochemischen Versuchen in ihrer Hauptmasse aus Amylo- dextrin bestehen mußten (p. 287—291). — Ferner habe ich aus den betreffenden Resten durch Auskochen mit 75°/o Alkohol Amylodextrin direkt gewonnen (p. 299). Ich war jedoch nicht der Meinung, daß dies Amylodextrin als solches in den Resten sich finde, da dieselben bei 80°C. mit 1,56°]Jo Säure dargestellt und sehr gründlich ausgewaschen waren, weshalb kaum annehmbar ıst, daß das relativ leichtlösliche Amylodextrin in ihnen mehr als spurenweise enthalten sein könne. Ich stellte mir vor, daß das Amylodextrin in einer schwerlöslichen Modifikation in den Resten enthalten sein müsse. Wenn wir die oben beschriebenen Eigenschaften des von uns Amyloporphyrin genannten Körpers betrachten, so finden wir eine weitgehende Übereinstimmung zwischen ihnen und denen der sog. Stärkereste. Die Reaktionen mit Jod oder konzentrierter Meyer’scher Jodlösung sind durchaus ähnlich; die Löslichkeitsverhältnisse auch, wenigstens wenn wir berücksichtigen, daß auch die einmal in löslichen Zustand übergeführte Amylose im allgemeinen eine erheblich größere Löslichkeit in Wasser bewahrt als die ın den natürlichen Stärkekörnern vorliegende. Ich bin daher geneigt, anzunehmen, daß das Amyloporphyrin, resp. auch noch andere, ähnlich sich verhaltende Körper (von denen in der Fortsetzung einiges zu berichten ist), in den Resten eine wesentliche Rolle spielen. Daß das aus Gommelin er- haltene Amyloporphyrin ein Umwandlungsprodukt der Amylose dar- stellt, wird niemand bezweifeln. Wenn wir aber sehen, daß es Um- wandlungsprodukts der Amylose giebt, welche ın ihren Eigenschaften denen der sog. «-Amylose der Reste sehr ähnlich sind, so wird es auch wohl gewiß, daß die Substanz der Reste gleichfalls ein Umwandlungsprodukt der Amylose, und nicht als solche in den unveränderten Stärkekörnern enthalten ist. 488 0. Bütschli: [70 Ich habe die Frage, ob ın den Stärkekörnern neben der sich blaufärbenden Amylose noch eine andere, sich braun färbende Substanz vorhanden sei, 1898 (p. 324) kurz berührt, und darüber bemerkt: „ich finde es auf Grund der zur Zeit bekannten Erfahrungen wahr- scheinlicher, daß in den Stärkekörnern zwei verschiedene Substanzen, d.h. die Nägeli’sche Cellulose und Granulose oder die Meyer’sche a- und ß-Amylose, vorhanden sind. Ich stütze mich dabei auf die oben (p. 282) geschilderte Thatsache, daß schon die einfach gequollenen Weizenkörner durch Jod nicht mehr rein blau, sondern bei stärkerer Wirkung braun gefärbt werden. Immerhin ist diese Annahme bis jetzt nicht erwiesen, da eine teilweise Verwandlung selbst durch heißes Wasser nicht völlig ausgeschlossen ist und möglicherweise noch manches ıns Spiel kommt, was heute noch unbekannt ist.“ Ich ver- mag mich über diese Angelegenheit auch heute nicht viel positiver auszusprechen, wenn ich auch, wie gesagt, in der Substanz der Reste ein sicheres Umwandlungsprodukt erblicke. Jedenfalls bedürfte es erst eingehender Untersuchungen über die erwähnte Wirkung des heißen Wassers auf die Stärkekörner, um so mehr, da wir ja auch sicher gefunden haben, daß in der durch Zerreiben der Kartoffel- und Arrowrootkörner im kalten Wasser erhaltenen Lösung schon ein Umwandlungsprodukt vorhanden ist. 7. Amylorubin. Das oben (p. 481) erwähnte Filtrat von der Gerbsäurefällung der Lintner'schen Reste wurde successive zweimal mit Alkohol gefällt. Der Niederschlag dann wieder in Wasser gelöst und ausgefroren. Die so erhaltene Substanz (I) betrug relativ mehr wie das durch Gerb- säure fällbare Amyloporphyrin. — In kaltem Wasser löste sie sich wenig, beim Erwärmen dagegen leicht und klar. Diese Lösung zeigte folgende charakteristische Reaktionen: 1. Mit Jod zuerst schwach weinrot, darauf etwas violett und schließlich tief rotpurpur (crimson). 2. Die jodierte Lösung gibt bei Zusatz von Jodkalium sofort sehr reichliche rostbraune Fällung, die mikroskopisch als feines Gerinnsel erscheint, das in dickerer Schicht rostbraun, in ganz dünner dagegen rotviolett erscheint. 3. Durch Chlorkalium wird die jodierte Lösung sofort reichlich tief blau ausgefällt. 71] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 189 4. Mit 20°/o Gerbsäure keine Fällung. Dieser charakteristische Körper, der in seinen Reaktionen, wegen der Ausfällbarkeit der jodierten Lösung mit Jodkalium und der Nicht- fällbarkeit durch Gerbsäure, eine eigentümliche Mittelstufe zwischen Amylose und Amylodextrin einnimmt, wurde von mir noch mehrmals bei der Untersuchung der ZLintner’schen Reste (aus Arrowroot) er- halten; ebenso aber auch aus solchen Lintner'schen Resten, die aus Kartoffelstärke dargestellt waren (II), endlich jedoch auch aus Resten, die aus Arrowroot nach dem A. Meyer’schen Verfahren (1,56 °/o Salz- säure bei 80° ©) gewonnen worden waren (II). Ich wıll hier zunächst über die Gewinnung dieses Körpers aus den gewöhnlichen Salzsäureresten (Arrowroot) einiges mitteilen. Eine mäßige, noch zur Verfügung stehende Portion dieser Reste wurde trocken in Kältemischung in einer geringen Menge 37 °/o Salzsäure gelöst; die Lösung mit dem gleichen Volum Wasser verdünnt, filtriert, und hierauf mit dem 2—3fachen Volum Alkohol gefällt. Der sehr gut mit Alkohol ausgewaschene Niederschlag wurde in kaltem Wasser gelöst, die Lösung genauer geprüft und dann mit Meyer’scher Jod- lösung bei Zusatz von viel Jodkalium gefällt, da sich ergeben hatte, daß auf diese Weise viel brauner Niederschlag gebildet wird. Dieser Niederschlag wurde abfiltriert und mit 75°/o Alkohol gut gewaschen; darauf in kochendem Wasser gelöst und das Jod durch Kochen entfernt. Die Fällung durch Meyer’sche Lösung und Jodkalium wurde nun mit dieser Lösung zum zweitenmal vorgenommen. Bei Zusatz einer mäßigen Menge von Jodkalium erfolgte zunächst ein reichlicher tief blauvioletter Niederschlag, der sich in der schwach braunen Flüssigkeit gut absetzte. Von diesem Niederschlag wurde abfiltriert. Die Untersuchung des Filtrats ergab, daß bei Zusatz von Meyer’- scher Jodlösung starke Bräunung und bei weiterem Zusatz von Jod- kalium reichliche braune Ausfällung eintrat. Der in der Lösung also noch enthaltene, durch Jod und Jodkalium braun fällbare Körper wurde daher mit Alkohol ausgefällt (II) und erwies sich in allen wesentlichen Reaktionen identisch mit dem aus den Zintner’schen Arrowrootresten erhaltenen Körper. Aus den aus Kartoffelstärke dargestellten ZLintner’schen Resten wurde der fragliche Körper in folgender Weise erhalten. Die Reste lösten sich in kochendem Wasser ganz vollständig. Die filtrierte Lösung wurde auf dem Wasserbad eingedampft. Der reichliche Rück- 490 O. Bütschli: [72 stand hierauf zuerst mit 90°/o Alkohol ausgezogen, später mit 160 cem 60° Alkohol; der Eindampfungsrückstand des letzteren Auszugs (II) erwies sich als identisch mit dem uns hier beschäftigenden Körper. Diese drei in verschiedener Weise erhaltenen Körper (I—III) sind ın ihren Reaktionen im wesentlichen identisch und zwar sind sie folgende: 1. Hinsichtlich der Löslichkeit in Wasser verhält sich die Sub- stanz etwa wie Amylodextrin; d. h. sie ist in kaltem Wasser wenig, in heißem dagegen leicht und ganz klar löslich. 2. Aus der Lösung friert der Körper reichlich aus und zwar bei I und II in sehr seltsamen Formen. Das Ausgefrorene erscheint nämlich der äußeren Form nach gerade wie ausgefrorene Amylose, d. h. als Lamellen, Fäden und Körner. Bei genauerer Untersuchung ergiebt sich jedoch, daß diese Gebilde aus gröberen Globuliten und kleineren Sphären zusammengesetzt sind, während die Stärkegebilde stets einen äußerst feinen globulitig-wabigen Bau zeigen. Bei III dagegen bestand das Ausgefrorene aus kleinen Sphären. Beim Eintrocknen der Lösung von III wurde gleichfalls ein aus kleinen Sphären bestehender Rückstand erhalten. 3. Trocken in Wasser mit Jodkrystall behandelt färbt sich die Substanz rein kastanienbraun; bei Zusatz von etwas 50°/o Schwefel- säure tritt allmählich tief berlinerblaue Färbung auf, unter gleich- zeitiger Ausscheidung von blauem Gerinnsel. 4. Wird die trockene Substanz mit konzentrierter Meyer’scher Jodlösung behandelt, so färbt sich alles zuerst rein und ziemlich tief rostbraun, darauf treten nach einiger Zeit blaue Körnchengruppen auf und die Uentren dickerer Massen werden blau. 5. Die Lösung färbt sich mit Jod zuerst weinrot, darauf ganz rein und tief rotpurpur (crimson), schließlich bei Überschuß von Jod braunrot. a) Die jodierte Lösung giebt bei Zusatz von etwas Jodkalium sofort starke rostbraune Fällung. Mikroskopisch besteht der Niederschlag aus feinem Gerinnsel, das in dickerer Schicht rostbraun, in dünnerer rotviolett erscheint. Zusatz eines Jod- krystalles zu dem Gerinnsel giebt keine Bläuung desselben, es wird vielmehr brauner. Die jodierte Lösung wird bei Sättigung mit Chlorkalium, bei Zusatz von Schwefel- oder Salzsäure etc. sofort tief blau ausgefällt. Ss 73] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 191 6. Mit 20°o Gerbsäure keine Fällung. 7. Mit Barytwasser Trübung und darauf langsame Fällung, ähn- lich wie Amylodextrin. Bei Erwärmen schwindet die Fällung nicht oder doch nur wenig. 8. Mit Bleiessig zunächst gar keine Fällung; nach einiger Zeit ganz schwache Trübung und nach 24 Stunden sehr geringfügiger Absatz. 9. Bei Erhitzen mit Natronlauge schöne, ziemlich intensive Gelbfärbung. 10. Bei Erhitzen mit Kupfersulfat und Natronlauge giebt II sehr deutliche Reduktion, I dagegen keine nachweisbare. 11. Wird die Lösung mit Alkohol bis zur Trübung versetzt, so scheidet sich bei längerem Stehen ein flockiger, sehr wenig klebriger Niederschlag aus, der sich nicht an die Glaswände ansetzt. 12. Die trockene Substanz, in dampfgesättigter Atmosphäre über Wasser gestellt, zerfließt nicht, sondern wird höchstens etwas weich. Aus diesem, bei den drei auf verschiedene Weise dargestellten Proben sehr übereinstimmenden Verhalten dürfte genügend hervorgehen, daß es sich in der That um eine wohl charakterisierte Substanz handelt, die, wie schon bemerkt, in ihren Reaktionen eine Art Mittel- stufe zwischen Amylose und Amylodextrin einnimmt. Da ihr daher ohne Zweifel ein besonderer Name gebührt, so möchte ich vorschlagen, sie Amylorubin zu nennen, wegen der sehr intensiven und schönen Rotfärbung der Lösungen mit Jod. Einen diesem Amylorubin in allen wesentlichen Reaktionen ent- sprechenden Körper erhielt ich auch aus den Lintner’schen Resten in etwas eigentümlicher Weise. Wie weiter unten (p. 494) noch genauer darzulegen ist, bleiben diese Reste bei längerem Auskochen mit 40°/o Alkohol zum Teil ungelöst. Ein solcher Rückstand wurde darauf nochmals mit viel 40°/o Alkohol ausgekocht der Auszug ein- geengt und schließlich bei 58° völlig eingetrocknet. Der mäßige Rück- tand erwies sich bei genauerer Untersuchung in seiner Haupt- masse aus stark doppeltbrechenden Sphären zusammengesetzt, die sich in ihren Reaktionen im allgemeinen wie Amylorubin verhielten. Zwischen die Sphären waren jedoch in recht mäßiger Menge Körnchen eingebacken, die sich mit Jod rein blau färbten, also Amylose. In Wasser löst sich die Substanz beim Erwärmen ganz klar. Die Lösung wurde darauf ausgefroren und ergab sehr reichlichen Rückstand, der sich strukturell ganz entsprechend dem Amylorubin verhielt, d. h. aus Lamellen und Fadengebilden ähnlich der ausgefrorenen Stärke bestand, die jedoch ganz aus ziemlich ansehnlichen deutlichen Sphären zu- 492 O. Bütschli: 74 sammengesetzt waren. Mit einem Jodkrystall färbte sich das Aus- gefrorene schön weinrot bis kupferrot, doch findet sich beigemischt weniges, das sich rein und tief blau färbt. Beim Ausfrieren hat sich daher die Amylose von dem Amylorubin gesondert ausgeschieden. Wird das Jodgefärbte vorsichtig auf dem Wasserbad erwärmt, so wird alles tief blauviolett bis rein blau; bei etwas stärkerem Erhitzen geht das jodierte Amylorubin jedoch in Lösung. — Wird das in Wasser befindliche Ausgefrorene durch Zugabe eines Tropfens Meyer’scher Jodlösung am Rande gefärbt, so erhält man je nach der Stärke der Einwirkung, die gesamte Farbenskala von Weinrot, durch Purpur bis schließlich tief Berlinerblau. In konzentrierter Meyer’scher Jodlösung wird alles in kürzester Zeit tief blau und geht wenigstens der amylo- rubinartige Körper allmählich in braunblaue Lösung. Dies Verhalten gab Veranlassung, die Einwirkung eines Jod- krystalls nochmals zu versuchen, wobei sich herausstellte, daß auch bei ca. 3—4 Tage langer Einwirkung desselben in seiner nächsten Umgebung völlige Bläuung der Substanz auftritt. Von hier aus findet man nach außen alle Abstufungen des ‚Farbentons durch purpur und weinrot bis zu farblos. Die wässerige Lösung des Körpers verhält sich gegen Jod, Jod und Jodkalium oder Chlorkalium, Gerbsäure und Barytwasser so wie das Amylorubin !). Bei der Darstellung des Amylorubins aus den Salzsäureresten wurde erwähnt (s. p. 489), daß aus der Lösung durch Zusatz von Meyer’scher Jodlösung und Jodkalium zuerst ein blauvioletter Nieder- schlag erhalten wurde, und hierauf erst aus dem Filtrat von diesem Niederschlag durch weiteren Zusatz von Meyer’scher Lösung und Jod- !) Der Körper, welchen Brücke (1872) Erythrodextrin nannte, soll sich dadurch auszeichnen, daß er sich mit Jod schön rot färbe, durch Gerbsäure nicht gefällt werde und auch aus der jodierten Lösung durch Sättigung mit schwefel- saurem Natron nicht ausfalle. Da nun dieses Erythrodextrin zweifellos ein Dextrin war, das seine rote Jodfarbe der Beimischung eines der sich mit Jod rot färbenden charakteristischen Umwandlungsprodukte verdankt, so könnte man ver- muten, dal gerade das Erythrodextrin Brücke’s mit Amylorubin gemischt ge- wesen sei, weil es von Gerbsäure nicht gefällt wurde. Diesem widerspricht jedoch wieder die Angabe, daß die jodierte Lösung von schwefelsaurem Natron nicht niedergeschlagen werde, denn dies dürfte für das Amylorubin sicherlich gelten, Da aber sehr starker Gehalt an Dextrin die Gerbsäurefällung und auch die andere Reaktion sicherlich etwas beeinflußt, so läßt sich diese Angelegenheit wohl über- haupt nicht bestimmt entscheiden. i = 75] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 493 kalium das Amylorubin. Dieser blauviolette Niederschlag der ersten Fällung ging leider großenteils verloren; nur ein kleiner Rest wurde gerettet und durch Kochen von Jod befreit. Diese Lösung zeigte folgende eigentümliche Reaktionen: 1. Mit Jod zuerst blauviolett, bei weiterem Zusatz blauer und schließlich rein und tief blau. Bei Zusatz von etwas Jodkalium sofort blauviolette Ausfällung. 2. Beim Eintrocknen hinterläßt die Lösung einen sphärokrystal- linischen Rückstand, der sich in kaltem Wasser nur wenig löst. Bei Behandlung dieses Rückstands in Wasser mit Jodkrystall ergiebt sich das Eigentümliche, daß die Sphären sich zuerst rein weinrot färben, ohne eine Spur von Bläuung oder von blauen Einschlüssen. Je inten- siver jedoch die Jodwirkung wird, desto blauer werden die Sphären und schließlich tief undurchsichtig berlinerblau. Wird hierauf Meyer’ sche Jodlösung zugegeben, so wurde durch diese alles tief berlinerblau, und um die blauen Massen trat blaue Lösung auf, so daß also durch Jodkalium etwas in Lösung geht. Die Jodreaktion der trockenen Substanz stimmt demnach ganz überein mit der der Lösung und ist sehr eigentümlich, da sie mit allen seitherigen Erfahrungen über die Jodreaktion verwandter Körper in Widerspruch steht. Alles aber scheint mir mit Sicherheit darauf hinzuweisen, daß hier ein besonderer Körper vorlag; denn die eigen- tümliche Jodreaktion läßt sich nicht etwa durch eine Beimischung von Amylose zu Amylorubin deuten; vielmehr muß hier, rein oder noch etwas verunreinigt, ein Körper vorliegen, der eben die charak- teristische Eigentümlichkeit besitzt, sich mit wenig Jod weinrot bis blauviolett zu färben und bei intensiver Jodwirkung eine rein blaue Farbe anzunehmen. Überraschend kann dies ja eigentlich nicht sein, denn auch das Amyloporphyrin, Amylorubin und Amylodextrin geben bei sehr intensiver Jodwirkung und bei (Gegenwart sehr geringer Wassermengen Blaufärbung. Leider konnten die weiteren Reaktionen dieser eigentümlichen Substanz nicht studiert werden, da, wie gesagt, das meiste derselben durch einen Zufall zu Grunde ging. 494 0. Bütschli: [76 8. Verwandter Körper aus Lintner’schen Resten dargestellt. (Amylosan.) Wie schon bemerkt, hat ZLintner (1886 p. 381) ein Verfahren zur Herstellung einer sog. löslichen Stärke angegeben, das, wie von vornherein ersichtlich, keine reine Stärkelösung geben kann. Er behandelte Stärkekörner mit Salzsäure von 7,5°%o, entweder 7 Tage bei gewöhnlicher Temperatur oder 3 Tage bei 40° Es ist klar, daß sich hierbei sog. Reste bilden müssen, was auch in der That geschieht. Die fast intakt erhaltenen Körner (Kartoffel und Arrowroot) färben sich bei Behandlung mit einem Jodkrystall erst ganz schwach blau, dann gelbbraun und schließlich rostbraun. Wird zu den braun gefärbten Körnern etwas Wasser gegeben, so tritt schwach indigo- bis violettblaue Färbung auf. Werden die trockenen Körner mit Meyer’scher Jodlösung längere Zeit behandelt, so werden sie tief indigoblau bis blauviolett, bei darauffolgendem Wasserzusatz berlinerblau. Sie verhalten sich also fast ebenso wie die gewöhnlichen, nach Meyer’s Vorschrift dargestellten Salzsäurereste. Von diesen unterscheiden sie sich jedoch durch ihre völlige Löslichkeit in einer mäßigen Menge Wassers beim Kochen. Werden die Körner mit 40°/o Alkohol (2 gr. Körner + 100 ccm. Alk.) längere Zeit gekocht, so bleibt eine mällige Partie der Körner, anscheinend wenig verändert, ungelöst. Die Jodreaktion dieser Körner ist im wesentlichen ähnlich jener der ursprünglichen. Die genauere Untersuchung dieser in 40°/o Alkohol wenig lös- lichen Körner und Körnerbestandteile, die mit zwei verschiedenen Proben (I und II) vorgenommen wurde, ergab identische Resultate. Die Probe II war zuvor ein zweites Mal mit viel 40°/o Alkohol aus- gekocht worden, wobei der oben p. 491 geschilderte amylorubinartige Körper in Lösung gegangen war. Nachdem die beiden Proben (I u. II) zuvor bei 40—-58° mehrfach mit viel Wasser extrahiert worden waren — die Probe Il wurde sogar zweimal mit ziemlich viel Wasser kurze Zeit ausgekocht — wurden sie in viel Wasser durch Kochen gelöst. Die Lösung erforderte, wie gesagt, viel Wasser und längeres Kochen. Die Lösungen opalisierten. — Beide froren sehr reichlich aus und gaben ganz das gleiche Produkt, d. h. durchaus Lamellen, Fäden und Körner mit einer den Amyloseprodukten völlig entsprechenden sehr feinen, nahezu homogenen Struktur. Beim Erwärmen löst sich das Ausgefrorene in Wasser leicht und ganz klar. | ef 77] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 495 Die Lösung des Ausgefrorenen gab bei Prüfung mit Jod erst ganz schwach weinrote Farbe, darauf ganz reines und intensives Blau und schließlich tief Purpur (atropurpureus). — Bei Zusatz von etwas Jodkalium starke atropurpureusfarbige Fällung, die auch bei Zusatz von Chlorkalium ihre Farbe nicht ändert. Bei Sättigung mit Chlorkalium dagegen fällt die jodierte Lösung rein blau aus. Mit 20 %/o Gerbsäure giebt sie starken Niederschlag. Mit Baryt- wasser starke Fällung, die beim Kochen nur teilweise schwindet. Mit Natronlauge wird die Lösung schwach rosa und beim Erwärmen schön gelb. Mit Natronlauge und Kupfersulfat ließ sich keine Reduktion erzielen. Bei Zusatz von Alkohol bis zur Trübung der Lösung setzt sich nach einiger Zeit ein flockiger, nicht klebriger Niederschlag ab. Das Ausgefrorene färbt sich mit einem Jodkrystall in Wasser fast alles weinrot bis tief purpur (am ähnlichsten vinosus bei Saccardo); beigemischt sind jedoch in geringer Menge Lamellen und Fäden, die sich rein blau färben (Amylose), noch seltener finden sich Elemente, die eine Mischfarbe zwischen blau und purpur zeigen. Es ist daher zweifellos etwas Amylose vorhanden, doch hat sich diese beim Aus- frieren fast ganz abgesondert ausgeschieden. Wird der Substanz etwas Arrowrootstärke beigemischt, so färben sich deren Körner schon in größerer Entfernung von dem Jodkrystall als die vorliegende Sub- stanz. Letztere nimmt daher das Jod weniger energisch auf als die Stärke. — Läßt man jedoch das Präparat mit dem Jodkrystall längere Zeit in der feuchten Kammer stehen, so färbt sich allmählich in einigen Tagen bei genügender Jodwirkung alles um den Krystall tief berlinerblau. Wird das Ausgefrorene mit konzentrierter Meyer’scher Jodlösung behandelt, so ergiebt sich in kurzer Zeit tief blaue Färbung, und zwar geht die Farbe von anfänglichem weinrot, durch vinosus, atro- purpureus und stahlblau endlich in tiefes berlinerblau über. Wurde das mit Jodkrystall Gefärbte auf dem Wasserbad vor- sichtig erhitzt, so geht die Farbe in tiefes und reines berlinerblau über. Wenn man hierauf das Jod mit 50°0o Alkohol und etwas Chlorwasser entfernt und dann von neuem verdünnte Meyer’sche Lösung zugiebt, so tritt keine Blaufärbung, sondern wieder weinrote bis purpurne Färbung auf. — Ebenso verhält sich auch die Substanz, welche durch konzentrierte Meyer’sche Lösung tief berlinerblau ge- färbt war; nachdem das Jod entfernt war, färbte sie sich mit ver- dünnter Meyer’scher Lösung weinrot bis atropurpureus und bei Zusatz 496 Ö. Bütschli: [78 ganz konzentrierter Lösung braun. Die Färbung war jetzt entschieden intensiver wie die der ursprünglichen Substanz unter gleichen Be- dingungen. Wird das Ausgefrorene mit Jodkrystall in konzentrierter Chlor- kaliumlösung aufgestellt, so färbt es sich zuerst schwach blau, dann schön weinrot bis purpur und schließlich tief berlinerblau. In 24 Stunden war alles tief berlinerblau. Nach dem Ausziehen des Jods tritt bei Jodfärbung wieder weinrote bis Purpurfarbe auf. Nach diesen Erfahrungen handelt es sich also um einen Körper, der der gewöhnlichen Amylose sehr nahe steht, indem er ausfriert wie diese, durch Gerbsäure und Barytwasser gefällt wird, nicht reduziert, und sich namentlich auch in der Ausfällung der jo- dierten Lösung durch Jodkalium an die Amylose anschließt; doch wird er blauviolett (atropurpureus) gefällt. Im festen Zustand färbt er sich mit Jod weinrot bis purpur und erst bei sehr langer Jodwirkung blau, wird aber ferner beim Erhitzen, bei Behandlung mit Schwefelsäure oder Chlorkalium und voraussichtlich noch mit vielen ähnlich wirkenden Substanzen blau. Ebenso wird er bei Behandluug mit konzentrierter Jodjodkaliumlösung allmählich tiefblau. Ich halte es für nicht wohl möglich, die Eigenschaften dieses Körpers durch ein Gemisch von Amylose mit einem der anderen be- schriebenen Körper, von denen aber nur das Amylorubin in Betracht käme, denn dieses allein wäre durch seine Ausfällbarkeit mit Jod- kalıum dazu geeignet, zu erklären. Denn es ist unzweifelhaft, daß der fragliche Körper durch Gerbsäure gefällt wird wie Amylose, die ihm aber nur in geringer Menge beigemischt sein kann, während das Amylorubin von Gerbsäure nicht gefällt wird. 9. Weitere Untersuchungen über die zuerst 1896 von mir dargestellten sog. künstlichen Stärkekörner. Aus der vorstehenden Schilderung dieses vorläufig als Amylosan bezeichneten Körpers ergiebt sich, daß er eine gewisse Ähnlichkeit mit den von mir zuerst 1896 dargestellten künstlichen Stärkesphären besitzt. Ich habe deshalb die Untersuchung dieser Sphären noch einmal aufgenommen und will die Ergebnisse hier kurz mitteilen. Wie ich 1896 und 1898 (p. 250) genauer darlegte, wurden die Sphären dargestellt aus Lösungen von Arrowroot- oder Weizenstärke, die ent- weder durch Kochen von 2 g Stärke mit 100 g Wasser oder durch 79] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 497 Erhitzen von 2 g Stärke mit 100 g Wasser 10—15 Minuten auf 145° (unter Zugabe von etwas Calciumkarbonat) erhalten worden waren. Diese Lösungen wurden nach sorgfältiger Filtration mit dem gleichen Volum 5°/o Gelatinelösung, die bei den späteren Versuchen stets mit etwas Natriumkarbonatlösung schwach alkalisch gemacht worden war, vermischt und alsdann auf dem Wärmschrank bei ca. 40° C. einge- trocknet. Die Körner wurden durch Auflösen der “elatine bei 40° und vielfaches Auswaschen mit Wasser bei derselben Temperatur von der Gelatine befreit. Das Genauere über ihre Darstellung, sowie über die Vorgänge bei ihrer Bildung wurde, wie bemerkt, 1898 (p. 250 ff.) beschrieben, ebenso ihre Struktur, Reaktionen, Doppel- brechung, Quellung und sonstiges Verhalten dort schon abgehandelt. Die Körner, welche aus den durch Kochen dargestellten Lösungen er- halten wurden, habe ich 1898 als B-Körner, die aus der bei 145° dargestellten Lösung erhaltenen als A-Körner bezeichnet. Neuerdings wurden auch aus der mit Salzsäure bereiteten löslichen Stärke (s. oben p. 441) in derselben Weise sehr schöne Sphären dargestellt; sie mögen im Folgenden als C-Körner bezeichnet werden. Hier interessiert uns speziell die Jodfärbung der künstlichen Körner, die auch nach vielfachem Auswaschen mit Wasser bei 40° nie ganz rein blau war. Zwar begann sie bei allen Körnern rein blau, ging aber bei starker Jodwirkung (Jodkrystall, Jodtinktur oder Meyer- sche Lösung) in brauviolett bis braunrot (B-Körner) oder bei den C-Körnern bei intensiver Jodwirkung in braunviolett (atropurpureus Saccardo) bis mehr blauviolett über. Die A-Körner dagegen bestehen aus zwei untereinander gemischten Varietäten, von denen die eine sich bei starker Färbung mit schwacher Jodtinktur rotviolett bis violettrot und schließlich bräunlichrot färbt, die andere dagegen blauviolett bis schließlich schwarzblau. Bei An- wendung von Jodjodkaliumlösung wird die erste Varıetät der A-Körner viel mehr rot bis braun, bei Färbung mit einem Jodkrystall dagegen mehr blauviolett bis sogar rein blau. Demnach hat jedenfalls die Anwesenheit von wenig Jodkalium schon einen wesentlichen Einfluß auf den Farbenton dieser Varietät der A-Körner. 1596—1893 wurde schon festgestellt, daß kurzes Erhitzen der jodgefärbten Körner auf dem Wasserbad bei sämtlichen reine und sehr tief berlinerblaue Farbe hervorruft, während die umgebende Flüssigkeit sich etwas weinrot gefärbt zeigt. Wird hierauf durch Alkohol, eventuell unter Zusatz von etwas Uhlorwasser, das Jod aus den Körnern entfernt, so färben sie sich nun alle schön und rein 498 O. Bütschli: [80 blau mit Jod, nicht mehr rotviolett oder braunviolett wie ursprüng- lich. Die früher rotviolett sich färbende Varietät der A-Körner zeigt jedoch wie ich neuerdings fand, jetzt die Eigentümlichkeit, daß sie sich weniger intensiv blau färbt als die Varietät, welche sich an- fänglich blauviolett (atropurpureus) färbte. — Ferner wurde 1898 schon ermittelt, daß die Körner nach mehrtägigem Verweilen in konzentrierter Meyer'scher Jodlösung sich sämtlich rein und tief blau gefärbt er- weisen, und dah sie nun, wenn genügend lange mit der Jodkalium- lösung behandelt, auch nach Entfernung des Jods sich fortan rein blau färben, wıe gewöhnliche Stärkekörner. — Es wurde ferner nach- gewiesen, daß weder durch das Erhitzen der jodgefärbten Körner, noch durch die längere Behandlung mit Meyer’scher Lösung ihre Doppelbrechung vermindert wird, sie bleibt wie zuvor. Hieraus folgte also, daß die in der angegebenen Weise behandelten künstlichen Körner sich wie echte Stärkekörner verhalten, abgesehen von der sog. Lösungsquellung und Verkleisterung, die sie nicht zeigen, oder doch nur in sehr geringem Grad. Sie sind eben in kochendem Wasser viel weniger löslich als gewöhnliche Stärkekörner. 1898 konnte ich mir die Umwandlung, welche die jodgefärbten Körner beim Erhitzen oder bei längerer Behandlung mit Jodjodkalium erfahren, nur so erklären, daß sie dabei eine Umwandlung erleiden; jetzt hat sich durch weitere Versuche meine Ansicht hierüber etwas geändert, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird. Zur weiteren Prüfung dieser künstlichen Sphären schien mir folgender Versuch von Wichtigkeit. Sowohl von den Ü-Körnern als von den B-Körnern wurde eine Partie getrocknet und der trockene Rückstand darauf in etwas Salzsäure von 37°/o in der Kältemischung gelöst. Die Lösung darauf mit dem 2—3fachen Volum Wasser ver- dünnt, filtriert und mit viel Alkohol gefällt. Der reichliche Niederschlag wurde auf dem Filter mit 75/0 Alkohol und schließlich etwas ammoniak- haltigem Alkohol gewaschen und unter Alkohol aufbewahrt. Die so erhaltene Substanz löst sich in kaltem Wasser leicht, und wenn nicht in sehr großer Menge gelöst, ganz klar, nicht opalisierend. Bei Prüfung mit Jod verhält sich die Lösung wie reine Amylose- lösung, sie färbt sich ganz rein und tief blau und in sehr ver- dünntem Zustand bei etwas Jodüberschuß rein grün. Sie verhält sich demnach in dieser Hinsicht gerade so wie die reinste Amylose- lösung, die man durch kurzes Kochen von Stärke mit Wasser zu bereiten im stande ist. Wird die jodierte Lösung mit ein wenig Jod- kalıum versetzt, so fällt alle Stärke als tief berlinerblauer Nieder- s1] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 499 schlag aus. — Die Lösung wird ferner durch 20°%0o Gerbsäure wie Amyloselösung gefällt, ebenso durch Barytwasser. Beide Fällungen lösen sich beim Erwärmen vollständig und kehren beim Erkalten zurück. Die sehr konzentrierte Lösung scheidet beim Stehen in wenigen Stunden viel Stärke als fein globulitisches Gerinnsel aus. Beim Frieren der Lösung scheidet sich die Stärke massenhaft in den bekannten Formen, in großen Lamellen, Fäden und Körnern aus. Werden diese mit einem Jodkrystall (B-Körner) aufgestellt, so färben sie sich erst rein blau, bei sehr intensiver Jodwirkung aber blauviolett; sie verhalten sich also etwa so wie das Ausgangsmaterial, die B-Körner. Wurde dagegen diese ausgefrorene Stärke aus den B-Körnern in Wasser aufgestellt und am Rande des Deckglases ein Tröpfchen Meyer’sche Lösung zugegeben, so trat folgende seltsame Färbung auf. Anfangsfärbung ganz schwach blau, darauf weinrot bis violett und schließlich ganz rein und intensiv berlinerblau. Ich muß sagen, daß mich dieses Resultat sehr überraschte, denn ich hatte doch vermutet, daß die abweichende Jodfärbung der festen Körner sich irgendwie in der Jodfärbung der Lösung kenntlich machen müßte. Ich kann mir einstweilen die Sachlage nur so erklären, daß, wenn eine beigemischte Substanz die Jodfärbung der festen Körner beeinflußt, und wir werden sehen, daß dies thatsächlich der Fall ıst, diese Substanz doch nur in so geringer Menge vorhanden ist, daß sie in der Lösung der Körner, gegenüber der großen Menge von Amylose, völlig unkenntlich wird und dass sie speziell bei starker Verdünnung der Lösung die reine Stärkefarbe gar nicht mehr beeinflußt. Zur Prüfung, ob durch die längere Behandlung mit Meyer’scher Lösung etwas aus den Körnern herausgelöst werde, wurde eine größere Menge der B-Körner mit viel Meyer’scher Lösung 24 Stunden im Röhrchen bei 40° behandelt, die braunrote Lösung darauf filtriert, durch Kochen das Jod vertrieben, die Lösung stark eingeengt und darauf mit viel Alkohol gefällt. Es schied sich wenig weiber flockiger Niederschlag aus, der nach dem Absitzen und Auswaschen mit etwas 75°/o Alkohol in wenig kaltem Wasser gelöst wurde. Der noch vor- handene Alkohol wurde hierauf durch Kochen entfernt und die Lösung auf ein sehr kleines Volum eingeengt. Hierauf wurde sie gefroren, wobei sich gar nichts ausschied. Ihre Prüfung ergab folgendes: 1. Mit Jod färbte sie sich zuerst rein blau, mäßig intensiv, darauf schließlich tief rotpurpur, etwa so wie die Klebreisstärke. 2. Bei Zusatz von etwas Jodkalium wird die jodierte Lösung rein braun und in 24 Stunden finden sich auf dem Boden nur Spuren 62] Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 94 50 O. Bütschli: [82 von violettem Gerinnsel, das bei Zusatz von Wasser rein blau wird. 3. Wird die jodierte Lösung mit Chlorkalium gesättigt, so er- folgt sofort reichliche violette Ausfällung, gerade so wie bei der Klebreisstärke. Bei Verdünnen mit Wasser bleibt das Gerinnsel violett. 4. Mit 20° Gerbsäure sehr starke Fällung. 5. Mit Barytwasser starke Fällung, die beim Erhitzen nicht ganz schwindet. 6. Wird Alkohol bis zu ziemlich starker Trübung zugesetzt, so setzt sich in 24 Stunden der Niederschlag zähklebrig auf dem Boden des Röhrchens fest. Die aufgezählten Reaktionen ergeben, daß die von der Meyer’schen Jodlösung aus den B-Körnern herausgelöste Substanz dem von mir Amyloporphyrin genannten Körper verwandt ist, noch mehr jedoch der Klebreisstärke (Amyloerythrin). Letzterer nähert sie sich, im (Gegensatz zu dem Amyloporphyrin, durch ihre Nichtausfrierbarkeit, und namentlich durch die blauviolette Farbe des mit Chlorkalium in der jodierten Lösung entstehenden Niederschlags. Obgleich die Lösung wegen der ursprünglich rein blauen Färbung mit Jod und der Spur von Ausfällung durch Jodkalium ja zweifellos ein klein wenig Amylose enthielt, so ist die blauviolette Farbe des Niederschlags mit Chlorkalium doch sehr charakteristisch. Da wir fanden, daß alle sonst erhaltenen Umwandlungsprodukte der Stärke, Amylosan, Amylopor- phyrin, Amylorubin, Amylodextrin aus der jodierten Lösung durch Chlorkalium ganz rein blau abgeschieden werden, nur die Klebreis- stärke violett, so spricht, wie gesagt, vieles dafür, daß die von Meyer'scher Lösung aus den B-Körnern ausgezogene Substanz sich der Klebreisstärke oder dem sog. Amyloerythrin am meisten nähert; wobei natürlich die Frage offen bleibt, ob die blauviolette Farbe dieses Niederschlags eine einheitliche ist, oder auf der Mischung eines blauen und braunen Fällungsproduktes beruht, wie dies bei der Klebreisstärke (s. p. 465) schon angedeutet wurde. Wurde eine Partie der A-Körner mit verdünnter Meyer’scher Lösung !/» Stunde auf dem Wasserbad erhitzt, aus der etwas vio- letten Lösung darauf das Jod entfernt und die sehr eingeengte Lösung mit viel Alkohol gefällt, wobei sehr wenig ausfiel, so erhielt man eine Substanz, die ganz dieselben Reaktionen zeigte wie die aus den B-Körnern ausgezogene, mit dem einzigen Unterschied, daß ihr etwas mehr, sich anfänglich rein blau mit Jod tingierender Amylose beigemengt war. Die so behandelten und von Jod befreiten A-Körner | s3] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 501 färbten sich fortan mit Jodkrystall oder Meyer’scher Jodlösung rein blau, nur in etwas verschiedener Intensität, wie schon oben angegeben. Eine ansehnliche Menge der Ü-Körner wurde ferner dreimal nacheinander mit ziemlich viel Meyer’scher Jodlösung, jeweils ca. 24 Stunden, bei 40° behandelt. Aus der abgegossenen rein braunen filtrierten Lösung wurde in der vorhin angegebenen Weise das mit Alkohol Fällbare gewonnen; es war sehr wenig. Dasselbe in sehr wenig Wasser gelöst und gefroren, ergiebt ein klein wenig Ausgefrorenes, in Form von Fetzchen und Lamellen, die sich mit Jod rein und in- tensiv blau färbten (also Amylose). Die darüberstehende Lösung färbte sich mit Jod zuerst rein violett, darauf tief rotpurpur, bei Zusatz von Jodkalium wird sie rein braun ohne Ausscheidung und mit Chlorkalium giebt sie reiche violette Fällung; es liegt also derselbe Körper vor, der aus den A- und B-Körnern ausgezogen wurde, mit Beimischung von etwas Amylose. Die auf solche Weise extrahierten C-Körner färbten sich mit Jodkrystall oder Meyer’scher Lösung rein und intensiv blau, alle gleichmäßig und schließlich ganz undurchsichtig mit einem schwachen Stich ins violette.e Wird eine Probe derselben mit Wasser einige Zeit gekocht, so wird nur sehr wenig gelöst; diese Lösung zeigt mit Jod oder Jod und Jodkalium absolut reine Amylosereaktion. Die in der oben angegebenen Weise mit Meyer’scher Lösung extrahierten B-Körner wurden mit Jod nicht ganz rein blau, sondern bei sehr intensiver Färbung noch blauviolett. Sie wurden daher noch- mals mit Meyer'scher Lösung unter Zusatz eines kleinen Jodkrystalls auf dem Wasserbad !/g Stunde erhitzt. Jetzt wurden sie alle nach Entfernung des Jods rein und tiefst blau durch Jod gefärbt, wobei sich jedoch, ebenso wie bei den gereinigten A-Körnern (nicht jedoch den C-Körnern), die Eigentümlichkeit zeigte, daß die erste Spur der Jodfärbung nicht blau, sondern weinrot ist. Der erhaltene braungrüne Extrakt wurde von Jod befreit und mit Alkohol gefällt. Die Lösung dieser Fällung ergab bei der Unter- suchung durch die Jodfärbung, durch Fällung der jodierten Lösung mit Chlorkalium und durch mäßiges Ausfrieren die Gegenwart von ziemlich viel Amylose. Das zeigte sich hauptsächlich an den aus- gefrorenen Lamellen und Fäden; dieselben färbten sich mit Jod z. T. rein blau, z. T. bei Jodüberschuß braunviolett bis braun, also etwa so wie die ursprünglichen B-Körner, und diese Lamellen verhielten sich denn auch beim Erhitzen geradeso, sie wurden rein und intensiv 34* 502 ©. Bütschli: [84 blau und nach Entfernen des Jods und neuem Zusatz von Jod färbt sich nun alles rein blau. Oben p. 499 wurde angegeben, daß die aus den B-Körnern durch Salzsäurelösung und Alkoholfällung erhaltene und dann aus- gefrorene Stärke nicht ganz rein ist, sondern sich mit Jodkrystall bei starker Wirkung noch etwas blauviolett färbt und sich auch mit Meyer's Jodlösung durch die anfänglich weinrote bis purpurartige Farbe als nicht ganz rein erwies. Wurde diese ausgefrorene Stärke darauf mit Meyer’scher Lösung 24 Stunden bei ca. 50° behandelt, das Jod dann wieder entfernt, so färbte sie sich nun mit einem Jod- krystall ganz rein berlinerblau, von anfang an und auch bei inten- sivster Jodwirkung. Ebenso war bei der Behandlung mit Meyer’scher Lösung die weinrote Anfangsfärbung verschwunden oder doch höch- stens in kaum bemerkbarer Spur noch vorhanden. Aus diesen Beobachtungen muß ich schließen: 1. daß meine Deutung der künstlichen Stärkekörner als Sphärokrystalle von Amylose vollkommen richtig war, denn sie bestehen, wie die genauere Unter- suchung ergiebt, in ihrer ganz überwiegenden Masse aus einer Sub- stanz, die sich, sowohl im festen Zustand als in Lösung, in jeder Hin- sicht wie Amylose verhält. 2. Daß dieser Amylose in den künst- lichen Körnern in sehr geringer Menge ein Umwandlungsprodukt bei- gemischt ist, das sich mit Jodjodkaliumlösung ausziehen läßt, und das auch in jodiertem Zustand beim Erhitzen in Wasser in Lösung geht. Diese Substanz ist nach ihren Reaktionen jedoch kein Amylodextrin, sondern nähert sich mehr dem Amyloporphyrin, am meisten Ähn- lichkeit hat sie aber, soweit die Untersuchungen bis jetzt reichen, mit der Klebreisstärke (Amyloerythrin). 3. Nach Entfernung dieser Substanz geben die Körner mit Jod reine Amylosereaktion, ohne ihren Charakter als positiv doppelbrechende Sphären verloren zu haben. A. Meyers Deutung der künstlichen Stärkesphären- als durch amorphe Amylose verunreinigte Amylodextrinsphären bedarf nach den vorhergehenden Ergebnissen wohl keiner weiteren Widerlegung. 85] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 503 10. Bemerkungen über Dextrin. Da ich im Laufe dieser Abhandlung mehrfach auf das Dextrin eingehen mußte, insofern ich einmal gewisse aufgefundene Körper als solches bezeichnete, andererseits auch in gewissen Fällen den Einfluß einer Beimischung von Dextrin auf die Reaktionen der beschriebenen stärkeartigen Körper festzustellen versuchte, so muß ich hier ganz kurz auf die Eigenschaften und die Darstellung der von mir als Dextrin bezeichneten Körper eingehen. Das von mir bei den Versuchen verwendete Dextrin habe ich teils direkt aus Arrowrootstärke, teils dagegen aus dem von Merck bezogenen Gommelin dargestellt. Im ersteren Fall wurde entweder so verfahren, daß die Stärke direkt in einer mäßigen Quantität 37/o Salzsäure aufgelöst und die Lösung darauf kurze Zeit bei 40° in den Wärmschrank gebracht wurde, bis die Färbung mit Jod ganz ge- schwunden schien. Darauf wurde mit viel absolutem Alkohol gefällt und auf dem Filter mit Alkohol gewaschen, zuletzt mit etwas ammoniak- haltigem (Dextrin I). Oder die Stärke wurde mit wenig 37 /oiger Salzsäure gelöst, die Lösung darauf mit so viel Wasser verdünnt, daß 90/6 Chlorwasserstoff vorhanden waren und im Wärmschrank bei 40° stehen gelassen. Die Lösung schied dabei allmählich etwas flockigen Bodensatz ab, der abfiltriert und geprüft die Eigentümlichkeit dar- bot, daß er sich mit Jod zuerst weinrot bis purpurfarbig und bei intensiver Jodwirkung blau färbt, er gehört daher ın die Kategorie der sich ähnlich verhaltenden Umwandlungsprodukte, die oben be- schrieben wurden. Die Jodfarbe der Lösung ging allmählich durch violett und rot in braun über. Dies dauert ca. 2—5 Tage. Die von Jod nur ganz schwach gebräunte Lösung wurde darauf mit Meyer- scher Jodlösung versetzt, wobei sich in 12 Stunden wenig Niederschlag absetzte. Die braune Flüssigkeit wurde von diesem abgegossen und mit viel Alkohol gefällt; der Niederschlag mit Alkohol gewaschen und getrocknet. Hierauf wurde er mit 25°/o Alkohol kalt behandelt, wo- bei sich allmählich alles bis auf ganz geringen Rückstand auflöste und die Lösung bei 50° eingetrocknet. Der Rückstand war ganz farblos, rein glasig durchsichtig (Dextrin I). Die Gommelinlösung wurde mit 5°/o Salzsäure versetzt und im Wärmschrank bei 40° behandelt. Nach 5 Tagen färbte sie sich mit Jod noch deutlich braun; nach weiteren 2 Tagen noch ziemlich viel gelber als Wasser mit dem gleichen Volum Jodlösung; nach weiteren 504 0. Bütschli: [86 24 Stunden wurde die Lösung bei der Prüfung höchstens eine Spur gelber. Jetzt wurde mit Alkohol gefällt und der Rückstand aufge- hoben (Dextrin II). Alle 3 Präparate zeigen folgende gemeinsame Eigenschaften: 1. In kaltem Wasser lösen sie sich leicht und vollständig in beliebiger Menge wie Gummi arabicum. 2. In feuchter Atmosphäre zerfließen sie in kurzer Zeit zu flüßigem Gummi. 3. In 50/0 Alkohol sind sie stark löslich. 4. Aus der wässerigen Lösung werden sie durch Alkohol in zähflüßigen wasserklaren Tröpfchen gefällt, die bei Behandlung mit absulutem Alkohol als feinschaumige weiße Tropfen gerinnen und fest werden. Diese zähflüßigen alkoholhaltigen Tropfen zeichnen sich durch die weitere sehr interessante Eigentümlichkeit aus, daß sie auch bei einfachem Eintrocknen an der Luft durchaus schaumig und kreideweiß werden. Es tritt also beim Eintrocknen eine nochmalige schaumige Entmischung ein, wobei sich alkoholische Flüssigkeit in feinen Tröpfchen in der Masse abscheidet und darauf verdunstet, so daß die eingetrockneten Tropfen einen von feinen Gasbläschen durchsetzten, im auffallenden Licht kreideweißen festen Schaum bilden. 5. In 75° Alkohol dagegen sind die Dextrine wenig löslich, zertließen jedoch darin zu zähtlüßigem, fadenziehendem klarem Schleim. Wird dieser herausgenommen, so trocknet er ganz in derselben Weise zu einem kreideweißen Schaum ein wie die eben geschilderte alko- holische Fällung'). 6. Bei Eintrocknen der Lösung entsteht nie etwas krystallinisches, sondern nur glasige Lamellen. 7. Weder Gerbsäure noch Barytwasser oder Bleiessig fällen. 8. Bei der Prüfung mit Jodkrystall wird die Lösung der Dextrine I und III deutlich gelb, was sich beim Vergleich mit einer gleich dicken Schicht Wasser, die sich mit einem Jodkrystall schwächer und 1) Das Genauere über diese interessanten und, wie ich glaube, für die Deutung der Mikrostrukturen kolloidaler Körper wichtigen Vorgänge werde ich in einer besonderen Abhandlung darlegen. Ich bemerke hierzu noch, daß Gummi arabicum in 75%o Alkohol ganz in derselben Weise zu zähem fadenziehenden Schleim zerfließt, der beim Eintrocknen dieselbe Eigenschaft zeigt, wie die alko- holische Dextrinlösung. Ich habe schon 1898 (p. 50 ff.) über die besondern Eigen- schaften dieser zähen alkoholischen Gummilösung einige Mitteilungen gemacht. Auch die wahrscheinliche Deutung der Schaumbildung beim Eintrocknen genannter Lösungen werde ich in der besonderen Arbeit eingehender behandeln, so dass ich das hier Bemerkte nur als provisorisch anzusehen bitte. s7] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 505 mehr bräunlich färbt, gut erkennen läßt. Bei Zusatz des doppelten Volums Meyer’scher Jodlösung und Sättigung mit Chlorkalium, oder bei Sättigung der mit dem Jodkrystall gefärbten Lösung mit Chlor- kalıum tritt in mehreren Tagen keine erkennbare Spur von Fällung auf. Die Lösung des Dextrins II färbt sich dagegen mit einem Jodkrystall ziemlich stark kastanienbraun und scheidet mit dem doppelten Volum M-Lösung versetzt und mit Chlorkalium gesättigt, oder bei Sättigung der mit Jodkrystall versehenen Lösung mit Chlorkalium in 24 Stunden ein wenig rein blaues Gerinnsel auf dem Boden ab. Dieses Dextrin enthält daher noch eine Spur von Amylodextrin. 9. Mit Natronlauge erwärmt werden die Lösungen schön gelb. 10. Alle drei Dextrine reduzieren alkalische Kupferlösung ziem- lich stark. — Das Dextrin I wurde aus der wässerigen Lösung durch successiven Alkoholzusatz ın 6 Portionen gefällt, wobei sich ergab, daß alle Abscheidungen aus den erwähnten zähflüssigen Tröpfchen bestanden und daß die erste und zweite Portion nicht reduzierten, die übrigen dagegen wohl; mit Natronlauge erwärmt, zeigten 1 und 2 Gelbfärbung. Aus dem Vorstehenden dürfte hervorgehen, daß die Braun- oder Rotfärbung der Dextrine sicherlich stets auf der Beimischung eines der früher beschriebenen Umwandlungsprodukte beruht. Das reine Dextrin kann sich mit Jod höchstens schwach gelb färben, in- dem es etwas mehr Jod auflöst als reines Wasser. Ich komme daher, wie auch andere Forscher, zu dem Schluß, daß man nur denjenigen Körper als Dextrin bezeichnen sollte, der keine stärkere Färbung mit Jod zeist als die eben angegebene. Da man einmal den gerade nicht sehr geeigneten Namen Amylodextrin aufgestellt hat, so wäre es viel- leicht angezeigt, auch dies typische Dextrin, das mit Jod keine eigent- liche Färbung mehr zeigt, als Achroodextrin zu bezeichnen, wie es ja mehrfach vorgeschlagen wurde. Ob unter diesem selbst wieder mehrere Modifikationen unterschieden werden können, was von ge- wissen Beobachtern angegeben wird, kann hier nicht weiter erörtert werden. Wie eben bemerkt, gelang es mir durch fraktionierte Alkohol- fällung einen, sich sonst wie das reduzierende Dextrin verhaltenden Körper darzustellen, der kein Reduktionsvermögen mehr besaß. Die untersuchten käuflichen Dextrine enthielten, abgesehen von den verunreinigenden Stärkekörnern, neben dem die Hauptmasse bil- denden Dextrin, etwas Amylose, Amyloporphyrin und Amylodextrin. In den ZLintner’schen Resten ließen sich nachweisen: neben Spuren von Amylose, Amylosan, Amyloporphyrin, Amylorubin, Amylodextrin und ein wenig Dextrin. ‘ 506 0. Bütschli: [83 Wenn man die Umwandlungsprodukte der Stärke (Amylose), deren Charakteristik in dieser Abhandlung versucht wurde, überschaut, so legen deren geringfügige, wenn auch immerhin ziemlich hervor- stechende Unterschiede in gewissem Hinblick die Frage nahe, ob diese Körper wirklich scharf charakterisierte chemische Individuen sind, oder nur Modifikationen, welche vielleicht bei tieferem Einblick als durch allmähliche Übergangsstufen ineinander übergehend erkannt werden. Hinsichtlich der Amylose, des Amylosans, des Amyloporphyrins und Amylodextrins liegt eine solche Auffassung eigentlich sehr nahe. Die Farbe ihrer Jodverbindungen geht von blau (Amylose) in rot- purpur (Amylosan, Amyloporphyrin) und schließlich reines braun (Amylodextrin) über, wobei das der Amylose am nächsten stehende Amylosan die Fähigkeit bewahrt hat, bei sehr starker direkter Jod- wirkung sich tief blau zu färben, während das Amyloporphyrin sich nur mit Jodjodkaliumlösung allmählich bläut, was bei geeignetem Verfahren auch mit dem Amylodextrin gelingt. Mit Schwefelsäure oder Chlorkalium etc. wird die Jodverbindung aller dieser Körper tief blau. Fällung der jodierten Lösung mit Jodkalium zeigt, außer der Amylose, nur noch das Amylosan, jedoch blauviolett nicht blau. Die Fällung durch Gerbsäure hat nur bei dem Amylodextrin aufgehört. Alle genannten Körper: frieren aus. Seltsam fällt nun aus dieser Reihe das sog. Amylorubin heraus, das wegen seines Ausfrierens und der blauen Fällung der Lösung durch Salze oder Säuren im übrigen durchaus zu dieser Gruppe ge- hört. Es hat nämlich, obgleich es sich in seinen sonstigen Eigen- schaften dem Amylodextrin zunächst anschließt, die Eigenschaft be- wahrt, aus der jodierten Lösung durch Jodkalium rostbraun ausge- fällt zu werden. Dagegen ist die Klebreisstärke (das Amyloerythrin) entschieden ein Körper, der sich nicht der Gruppe der soeben besprochenen an- reihen läßt. Vor allem weicht er von ihnen ab durch die Nicht- ausfrierbarkeit, ferner hauptsächlich dadurch, daß er weder von Salzen noch Säuren in eine blaue Jodverbindung übergeführt wird, sondern nur in eine braunviolette. Ebenso tritt auch das Glykogen aus der Reihe heraus, als nicht- ausfrierbar und ohne Bläuungsfähigkeit der Jodverbindung durch Salze oder Säuren. Die Jodverbindung scheidet sich braun aus. Dabei hat das Glykogen die Fällbarkeit durch Gerbsäure bewahrt, wie die ursprünglichen Körper der ersten Gruppe. Es wäre daher nicht un- 89] Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper. 507 möglich, daß das Amyloerythrin doch nähere Beziehungen zu dem Glykogen hätte, um so mehr, als es ja gelang, aus demselben durch fraktionierte Ausfällung mit Meyer’scher Lösung und Schwefelsäure einen Körper zu erhalten, der sich ın seinen Eigenschaften am meisten dem Glykogen nähert. Der Umstand, daß das Amyloporphyrin und Amylorubin mit ganz identischen Eigenschaften auf verschiedenen Wegen und aus verschiedenen Produkten mehrfach erhalten wurden, spricht doch in gewissem Grade dafür, daß sie wenigstens gewisse stabilere Etappen in der Umwandlungsreihe darstellen müssen. Heidelberg, Februar 1903. OÖ. Bütschl 190 508 "uoqiey nz yıs Sunsten | 987015 HUNO "SIUOIN yoopal‘ungag "pua.1als -ıpedo „ars | sI098 Funsorf | SIE SHolTagT | Ap1o[ wog] yarıseı >10] -Toy ur Sıgyguu JTOSSE MA | wege uf TOSSE AN woyey u] uL14xod usdoyAIg "IOLLOM UDUDAPLITISIG OP UDUOLZMBOY U9ISFIIUIIM A9P JUOISa9q, "unvıq uleı SUNYAAPOf JA9AISUSJUTIEFT | "uneag urmy "HOHseT ‚yoljsoT ae] u yorap au 'n Yypıa] wogJrar un ‘Stu | wagjror ur ‘Du AOSSe AA uroyey u] "Mm "IM JOSSE AM waoyey u] urLıgxepofkuvy urqnaıofkuy | -I9A 'uneıq 'n ındınd zo14 | sıq yoauro "pusaoısıpedo spa} “ABI Ss] Suns SING ER uomoy uragq 4sqjes “ıozıı -9IAU9S S[LOJ ‘aayyora] SIE} | "qarso] ey | : uEpaLyaSs ypıTwarz | AaSsse Ay) We} -Jey ut puejs -nZ 1U99S0J ur JoagaNeg'T (umjÄue -o14JKag) OYARZSSIOIGOLM ındınd yo1} sıq yoauo "n 491a] uow IRA umog : [9SSB A Je} ur yoı]sof Stu puegsnz uauay90A1J WwT "aM urı 7g —s or | | | | | | | | Ba ea a 1 [a a a ee | | = == = = == 32 = 2 > — == — = zz Fan a a N: | ee ae u Da a a a = = u 75 Fan, Mrz, = v= = 7 = gi ge= — | °%@l | | — E97 >> Der >= %oF ge u va a Er u u Bra De = 2/09 "708% = ee = = — —u le — = — 1 [NR (Has S | = | 2 e = = = L ._ =} S 08 61 | 81 2. =97. | AT | rl &I | el Il OL 6 8 L 9 G y & 23 al 3a) Sal Sea) Sa | Sal Sa) Sal Su Sul Sr ar) Sl Sl ER BEN ER | | ————— m a I I Te Zee? 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Lauterborn: [S beispielsweise, daß die monatlichen Prozentzahlen der aufeinander folgenden Glieder einer Reihe graphisch dargestellt in manchen Fällen eingipfelige Kurven darstellen würden, was besonders schön bei der Tecta-Reihe, vor allem bei macracantha und typ. (Fig. 1—4) hervortritt, wo auch die höchste Erhebung der Kurve ungefähr in der Mitte liegt z. B.: 16, 54, 22, 4 — 28, 50, 18 — 22, 52, 24 etc. Weiterhin giebt die Tabelle eine ziffernmäßige Illustrierung zu einer Bemerkung, die ich schon früher einmal, bei der morphologischen Schilderung der einzelnen Variationsreihen machte. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß speziell in der tecta-Reihe die Übergänge zwischen den sehr kurzdornigen Formen von Anuraea cochlearis (der f. micracantha) und der hinten dornenlosen Anuraea tecta nur relativ sehr selten zur Beobachtung gelangten. Die Tabelle zeigt nun in der That, daß diese für die lückenlose Konstruktion der Reihen so wichtigen Übergänge (die ich als f. tuberculata, Fig. 7 und 8, bezeichnet habe) auf die Monate Juni bis August beschränkt sind und hier niemals mehr als 2—6°/o des monatlichen Gesamt- bestandes der Art ausmachen, während die zunächst stehenden Formen wie mieracantha (Fig. 5 und 6) bis zu 58°/o und die var. tecta bis zu 20°/o aller überhaupt in den betreffenden Monaten unter- suchten Individuen vertreten sind. Ganz ähnlich verhalten sich die zur var. irregularis überleitenden Formen (Fig. 17 und 18). Schon dem flüchtigen Blick muß die eigenartige, gewissermaßen treppenförmige Abstufung auffallen, welche fast gleichartig in jeder der drei Reihen das Gesamtbild der monatlichen Prozentzahlen auf- weist. Sie zeigt uns, daß mit Beginn der wärmeren Jahreszeit im Altrhein bei Neuhofen Anuraea cochlearis ganz ausgesprochen die Tendenz zeigt, nach bestimmten Richtungen hin zu variieren und daß hierbei in den aufeinander folgenden Monaten bis zum Juni alle auf meiner Tafel nebeneinander dargestellten Stufen der fort- schreitenden Umwandlung im allgemeinen auch zeitlich nacheinander folgen und sich successiv ablösen. Dieser Vorgang gestaltet sich derart, daß, wenn im zeitlichen Verlauf der Variationsreihe eine dem Endglied, also der ausgebildeten Varietät tecta, hispida oder irre- gularis näher stehende Übergangsform auftritt, die unmittelbar vor- ausgehende, also dem Anfangsglied der Reihe näher stehende Über- gangsform, seltener zu werden beginnt und dann ganz verschwindet. Am schönsten tritt dies in der hispida- und irregularis-Reihe zu Tage. Sind schließlich als Resultat all dieser nie stille stehenden Wandlungen einmal die Endglieder der Reihe zur Ausprägung ge- [9 Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 537 langt, so werden dieselben, man könnte fast sagen mit einer gewissen Zähigkeit, festgehalten und beherrschen während der wärmsten Monate das Terrain bei der hispida- und irregularıs-Reihe sogar unter fast völligem Ausschluß aller Übergangsformen. Vom September ab geht wieder eine Umwandlung vor sich, dieses Mal aber in gerade entgegengesetzter Richtung, also dem Ausgangspunkt der Reihe zu. Auch hier können wir beobachten, daß von den Übergangsformen im allgemeinen zunächst die auftreten, welche sich direkt an die Endglieder der Reihen, an die var. tecta, hispida und irregularis anschließen; dann erst die diesen immer mehr sich entfremdenden, in dem Maße, als die den Endgliedern näher stehenden seltener werden und schrittweise nacheinander verschwinden. Details hierfür bietet namentlich die hispida- und irregularıs-Reihe, bezüglich derer ich auf die Tabelle verweise. Eine Deutung dieser Verhältnisse soll später, bei den Schluß- folgerungen aus den empirisch gewonnenen Resultaten, versucht werden. 2, Cyklische Variationen der Dimensionen des Panzers. Die auf den vorausgehenden Seiten niedergelegten Beobachtungen dürften zur Genüge bewiesen haben, daß Anuraea cochlearis einen Formenkreis mit sehr zahlreichen Gliedern darstellt, welch letztere zum Teil ein beschränktes zeitliches Vorkommen haben. Als Ganzes betrachtet, als eine all die früher geschilderten Formen in sich ein- schließende Gesamtart läßt Anuraea cochlearis im Altrhein bei Neuhofen einen beachtenswerten cyklischen Variationsgang hinsichtlich ihrer Größe, der Dimensionen des Panzers erkennen !). In wenige Worte zusammengefaßt, läßt sich dies Verhalten ungefähr folgender- maßen aussprechen: Die Größe des Panzers von Anuraea cochlearis verhält sich im Altrhein bei Neuhofen umgekehrt proportional der Höhe der Wassertemperatur. Während der kälteren Jahreszeit bevölkern durchgehens nur sehr große, mit langem Hinterdorn versehene Formen das Plankton. Das Größenmaximum wird im Februar erreicht, wo die mittlere Gesamt- länge 228 «, die des Hinterdorns allein 78 u beträgt. Von da ab nimmt die Größe stetig ab — anfangs langsam, dann in immer mehr be- schleunigstem Tempo — bis zum Juni und Juli, in welch letzterem Monat 1) Dabei ist zu beachten, daß in dem genannten Gewässer die var. robusta ebenso die forma leptacantha sowie die var. tecta f. maior. fehlen. 538 R. Lauterborn :: [10 durch das Auftreten der sehr kurzdornigen und der hinten dornenlosen Formen (f. micracantha und var. tecta) die mittlere Gesamtlänge auf 131,5 u reduziert erscheint, von der 21 « auf den Hinterdorn entfallen. Der August bringt wiederum eine Zunahme der Gesamt- länge, die sich namentlich beim Eintritt etwas kälterer Wasser- temperaturen im Oktober rasch steigert, bis zum Maximum im Februar. Dieser gesetzmäßige seit langen Jahren in ähnlicher Weise sich abspielende Variationsgang bezüglich der Größe läßt sich in seinen Einzelheiten auf verschiedene Weise noch genauer darstellen. Handelt es sich darum, den speziellen Anteil der einzelnen (Größenklassen am jährlichen Variationsgang zu zeigen, so dürfte nebenstehende Tabelle III eine instruktive Übersicht geben. In ihr sind 600 Exemplare von Anuraea cochlearıs aus dem Altrhein Neuhofen aus allen Monaten des Jahres (50 pro Monat) nach ihrer Gesamtlänge in 20 Größenklassen gebracht, welche in Stufen von 10 zu 10 « die ganze Variationsamplitude der Größe von dem absolut größten gemessenen Individuum!) bis herab zu dem absolut kleinsten umspannen. Nochmals betone ich, daß die Tabelle nur die Größenverhältnisse von Anuraea cochlearis als Gesamtart faßt, also gar keine Rücksicht auf die einzelnen Formen nimmt. Ins Einzelne gehende Erläuterungen zu dieser Tabelle dürften wohl überflüssig sein; sie spricht für sich selbst! Klar und deutlich ersehen wir aus ihr, wie die großen Formen gegen die wärmere Jahreszeit Schritt für Schritt zurückweichen, um kleineren Platz zu machen, die von Juni bis August völlig den Plan beherrschen, bis vom September ab die größeren wieder stufenweise das Übergewicht gewinnen. Sehr in die Augen fallend ist der gewaltige sprunghafte Rückgang der Größe vom Mai zum Juni, der seine Parallele findet in dem plötzlichen Auftreten zahlreicher neuer Formen, das wir aus der Tabelle II her kennen. Nicht ohne Interesse ist es noch zu konstatieren, daß — von ganz unbedeutenden und verschwindenden Ausnahmen abgesehen — die Prozentzahlen der einzelnen Monate geschlossene Reihen bilden. Mit anderen Worten: Die in jedem Monate vorkommenden Individuen von Anuraea cochlearis im Aitrhein Neuhofen zeigen zwischen zwei, nach den Jahreszeiten wechselnden Extremen, lückenlos alle !) Die Größenklassen 2839—270 u fehlen zufällig in dem dieser Tabelle zu grunde liegenden Materiale, während sie in dem Material, das zur Aufstellung der Tabelle I verwendet wurde, vorkommen. 339 Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 11] | | | - | - -|1-\|-|-|- (%r | — |%8 8 1109 sat PL "as Yogt Yo 708 | — | — | aaqwezeg | el | | - Kr 10& | ?/oOL | "op o@L "08T "ode | 9In8T "8 — | | — | — | a2qweaon — | \%or |°19 1169 1108 [9/09 | "io@E | "10T | "81 | 9/09 I R@T | 08 — 1902 ee 199010 Yp | — |rr 8 lorr | or "OT | 008 "opt "8 Ion — | —\- | - | - | - | - | - | — [wqwaydeg — 9 |r \ol8T | 098 086 97 har) -|-\-|- | re a Zen Sailer) ee ea Jet "/oF pr ® ST OT o9T) YorL 8 18 8 6 ee I-|- a ee am mp °/08 ar ° 108 | 066 "068 | "Io0L or "ler 02; | 109 ee | — ee ee a tung Zt ae | [Ahlen |@ttes 9197 | Pr YıE | - 1 -|-|- te ur. | Zi ("oT %9r er | nr | 8 ken 0 ko im ı Zi a dy | a | lo8T | ort | 9 | 909 art. | ort | %8r.| 20 oe a nz ZUR ze ne 1 an ir Sr Cheıı ice %kwr | or | %oae 08 |Yor [909 | = | — | zeugen a ai ea | = ka rc "nat "or 103 | 19T | ar rr| Ya | — | — | zenare n 06 007 "OL Tr 081" 081" OPT £ 08T, E 0917 0L17 081” 061” 002 "7 07a," 088 7 082. 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Zahl der gemessenen Individuen 600; 25 aus der ersten (a), Länge des mitt- Länge des Monat 3 Taas ie Set se Gesamtlänge Breite rd s e 35 ee ; n) 74 ao 12 64 Februar n ee 32 ker} 11 5 | 78 | | 64 März : “ 32,5 a 145 . = 69,5 | ang 2165 64 | wa She ihnsisän ji | m Mai R ni 32 Er) 01 ee 56 Bros 66 - ezmlssje ne (anjun] m in i a 26 A 5 84,5 - 4 21 b 106 | 1315 58 Auenzt i = 26,5 : ie 2 n = 22,5 | N 141,5 | 60 September | © 28 a 96 = 28,5 14a 1525 66 Oktober i = 31 K 103,5 | ° 5 4 | N 182 67 we e er 32,5 | la : N 70 a) 216 70 | | Dezember | “ 39,5 | Be 2 = 5 | ns 122 73 13] Die ceyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 541 a ze a a a a a a | -220-2 a Eee! OR ee! 5 Kurventafel 2°): Kurven der monatlichen Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea cochlearis im Altrhein bei Neuhofen. L = Gesamtlänge; P = Länge des eigentlichen Panzers; Hd — Länge des Hinter- dorns; Vd = Länge der medianen Vorderdornen, Übergänge der Größe. Die Tabelle zeigt uns noch, daß die höchsten Prozentzahlen jeden Monats in der Regel gegen die Mitte zu liegen und sich von hier nach beiden Extremen hin allmählich abstufen ?). Die vorstehende Tabelle giebt nur die Maße der Gesamtlänge. Wenn es sich aber darum handelt, die Größenvariationen der einzelnen Elemente der Gesamtlänge festzustellen — also Länge der mittleren Vorderdornen und der des eigentlichen Panzers und derjenigen des Hinterdorns — so giebt für diesen Zweck Tabelle IV am besten Auskunft. Die große Menge der Zahlen, hervorgerufen durch den 1) Kurventafel 1 befindet sich in der ersten Hälfte dieser Arbeit. 2) Eine größere Anzahl von Individuen würde dieses Verhalten wohl noch deutlicher zeigen. 542 R. Lauterborn; 14 _ Umstand, daß halbmonatliche Mittelwerte gegeben werden konnten, läßt die Tabelle für das Auge wenig übersichtlich erscheinen. Darum habe ich gleich anschließend daran dasselbe Material zu einer Kurven- tafel verarbeitet (Nr. 2), welche den jährlichen Variationsgang mit einem Blicke überschauen läßt. Die römischen Ziffern der vertikalen Reihen entsprechen den 12 Monaten des Jahres, die horizontalen Reihen geben die Größen in w. Tabelle und noch anschaulicher die Kurventafel zeigen uns überall die Korrelation im Varueren der die Gesamtlänge bedin- genden Elemente. Alle zeigen bis zum Juni—Juli einen Rückgang ihrer Dimensionen, besonders stark und scharf ausgeprägt vom Mai auf den Juni, dann aber wieder eine stetige Größenzunahme, die ihren Kulminationspunkt im Februar erreicht. Im einzelnen schwanken die halbmonatlichen Werte um ein geringes, d. h. es zeigt, trotz der scharf hervortretenden Tendenz zur Größenreduktion, die Tabelle beispielsweise für die erste Junihälfte als mittlere Gesamtlänge 139 «, für die zweite 126 «, für die erste Julihälfte dagegen wieder 137 u und dann 126 u für die zweite. Ähnliches wiederholt sich bei den entsprechenden Hinterdornen. Diese kleinen Schwankungen sind aber nicht im stande, den monatlichen Variationsgang zu beeinflussen, denn die Jahreskurve, aus den Ergebnissen der monatlichen Mittel- werte konstruiert, zeigt einen kontinuierlichen Verlauf. Ein Teil der halbmonatlichen Schwankungen kommt übrigens wohl sicher auch davon her, daß ich mit voller Absicht, soweit es nur irgendwie angängig erschien, die halbmonatlichen Messungen an Material aus ganz verschiedenen Jahrgängen ausführte, da ich der Ansicht war, daß ein solches Verfahren eine gewisse Garantie für den gesetz- mäßigen Verlauf des jährlichen Variationsganges bieten müsse. Von Einzelheiten im Variieren der Panzerdimensionen dürfte hervorzuheben sein, daß sich die Variationskurve des eigentlichen Panzers in relativ engen Grenzen bewegt, besonders wenn man sie mit derjenigen des Hinterdorns vergleicht, dessen Länge in erster Linie die (resamtlänge beeinflußt, wie sich auch durch den parallelen Verlauf der entsprechenden Variationskurven dokumentiert. Am wenigsten affiziert scheinen die Vorderdornen zu werden, doch darf bei ihnen nicht vergessen werden, daß bei ihrer geringen Größe die beim Beginn des Sommers eintretende Reduzierung sowie die all- mähliche Größenzunahme gegen den Herbst und Winter hin, natur- gemäß weniger in die Augen fällt. Die Variationen der Breite des Panzers von Anuraea coch- 15] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 543 learis halten im allgemeinen gleichen Schritt mit derjenigen der Länge. Nach der Feststellung des Variationsganges, den die monatlichen Mittelwerte des Panzers von Anuraea cochlearis aufweisen, schien es mir von Interesse, festzustellen, ob auch die monatlichen Maximal- und Minimalgrößen einen gesetzmäßigen jährlichen Variationsgang erkennen lassen. In größerem Umfang, als man vielleicht a priori wohl hätte annehmen mögen, offenbarte sich auch hier ein gesetzmäßiges Ver- halten, welches folgende Tabelle (Nr. V) und Kurventafel (Nr. 3) zur Anschauung bringt. a Be EN IR Arne En a | al a ER ER | mi -180- ge ae El aa An | Ba 1 1! a a Kurventafel 3: Kurven der monatlichen Maximal- und Minimalwerte der Panzer- dimensionen von Anuraea cochlearis im Altrhein bei Neuhofen. Ma — Maximalgrößen, M — Mittelwerte, Mi — Minimalgrößen des Panzers; ma — Maximalgröße, m — Mittelwert, mi = Minimalgröße des Hinterdorns. Ein Vergleich der beiden Darstellungen läßt erkennen, daß die Kurven der monatlichen Maximal- und Minimal- 544 R. Lauterborn: [16 größen beide unter sich sowie mit der ungefähr die Mitte zwischen beiden einnehmenden Kurven der Mittelwerte annähernd parallel verlaufen. Wie die Tabelle im einzelnen nachweist, hat die Differenz zwischen dem jeweils monatlich ge- messenen größten und kleinsten Individuum von Anuraea coch- learis während 6 Monaten einen ziemlich konstanten Wert, der zwischen 77—88 u schwankt. Ein ganz ähnliches Verhalten zeigen die entsprechenden Kurven des Hinterdorns, bei denen in nicht weniger als 10 Monaten des Jahres die Differenz des größten und kleinsten nur zwischen 40—51 « schwankt. Ein Monat, der Oktober, entfernt sich mit 75 u Differenz weiter von diesem Wert. Dies kommt wohl daher, daß in diesem Monate einerseits bereits wieder die sehr langdornigen Winterformen auftreten während andererseits einige tecta-Individuen noch von der wärmeren Jahreszeit her gleich- sam als Nachzügler mit herübergenommen werden — Umstände, welche natürlich die Größe der Differenz beträchtlich modifizieren müssen. Es ergiebt sich somit das Resultat, daß selbst den extremsten Größenvariationen nach oben und unten be- stimmte Grenzwerte gesetzt sind, die sich entsprechend dem jährlichen Variationsgang der Art von Monat zu Monat in gesetzmäßiger Weise verschieben, dabei aber einen sich ziemlich gleichbleibenden Variationsspielraum der Größe umschliessen. Tabelle VW. Monatliche Maximal- und Minimalgrößen des Panzers von Anuraea cochlearis im Altrhein bei Neuhofen. Zahl der gemessenen Individuen: 600. (50 pro Monat) Alle Größen in u. Differenz =) = SE | 52 a = m. Differenz | n.. =: SH og z = = = ,d. größten N ee 2 5 > 5 S d. größten Monat PIE: == |u.kleinsten | 8° (&@| „SS | ©8& |u. klein- 22 |55 | ©% | Inaii- | Gnter | 25 | 23 | sten Hin. DE= HEN duums ER == | 279 | terdorns P se = Es | Mo ar Januar | 261 223 150 81 NEE TA 4 46 | | Februar | 261 | 228 | 184 77 | 99 | 78 | 54 45 | | | | | März |.252 | 216 | 164 ss |. 8 | | 40 | I April | 256 | 201 | 171 8) | 85 | 61 |. 45 40 17] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 545 = = | oa oa Se le = | Differenz | Größte S; S @E | Differenz Iva2 E= 2 = BErEeldgsröbten Ita in ; je 3 3 S 3 d. größten Monat =- = A .- u.kleinsten || DEO I oo SB © !und klein- ob = = > Sc Hinter- As] n g = | an Sg: | vo Indivi- ns EC) =;3 , sten Hin- IcS, = Sa duums || “MS = = = u terdorns m —— Z— = ZZ _ + — En m ——— je ——— ei 3 Mrs - ———e = - -_— Mai 240 | 189 | 131 109371 86 56: 1 23 07 SA Juni 155 | 1322 | 9 Ss | 54 Sea 0 54 Juli 176 131 95 78 | 41 N) 41 August | 166 | 141 | 110 56 40 22 ori a0 | | September 19 | 152% 98 43 28 0 43 Oktober 235 | 182 108 127 | 75 48 0 75 November | 265 | 216 | 165 100 92 70 41 5l Dezember | 270 | 222 160 110 99 75 50 59 II. Der jährliche Variationsgang von Anuraea cochlearis im Altrhein bei Roxheim. a) Physische und biologische Charakteristik des Gewässers. Zwischen Worms und Frankenthal erstreckt sich in Gestalt eines riesigen Hufeisens von ca. 3 km Länge und 200-400 m Breite der Altrhein von Roxheim. Wie der von Neuhofen ist er eine ehemalige Stromkrümme des Rheins, der nunmehr in ziemlicher Ent- fernung östlich davon dahinfließt und gegenwärtig nur durch einen künstlich offen gehaltenen schmalen Kanal mit dem stagnierenden Altwasser in Verbindung steht. An beiden versumpften, dem Strom zugekehrten Enden, sowie auch sonst am Rande breiten sich ansehn- liche Rohrwälder (Phragmites communis) aus, an die sich Bestände von Scirpus lacustris anschließen. Auf diese folgt, gegen das offene Wasser zu, ein breiter Gürtel von Nymphaea und Nuphar, die in einer seltenen Üppigkeit auf weite Strecken hin den Wasser- spiegel mit ihren großen Blättern verdecken; auch Limnanthemum nymphaeoides und Trapa natans fehlen nicht. Die Tiefe ist hier an den Enden nur sehr gering und der schlammige Boden von zahlreichen Myriophyllum-, Ceratophyllum- und Potamogeton- Büschen überwuchert. Anders liegen die Verhältnisse am westlichen Ufer: hier sinkt das „Hochgestade“, welches das Dorf Roxheim trägt, rasch in eine bis 5 m betragende Tiefe ab; der Boden ist Verhandl. d. Heidelb. Naturhist -Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 38 546 R. Lauterborn: 118 sandig-lehmig, die größeren Tiefen jedoch alle von einem zarten grün- bis graubräunlichen sehr feinen Schlamm erfüllt. _ Mehr noch als der Altrhein bei Neuhofen zeigt der von Rox- heim mit seiner breiten pflanzenreichen Wasserfläche das Bild eines Sees. Die Tier- und Pflanzenwelt des Planktons ist außerordentlich reich an Arten und ganz besonders auch an Individuen. Charak- teristisch ist die enorme Entwickelung der eine „Wasserblüte“ bilden- den Cyanophyceen wie Clathrocystis, Anabaena, Sphaerozyga, welche im Hochsommer den Spiegel wie mit einer spangrünen Staub- schicht überziehen als von dem Winde gegen das Ufer getrieben die Schwimmpflanzen hier, besonders die Bestände von Limnanthemum mit einer bald häßlich blau-grün schillernden Schicht bedecken. Gleich- zeitig mit diesen Uyanophyceen treten zum Teil ebenfalls massenhaft Grünalgen (Pediastrum, Actinastrum, Scenedesmus, Stauro- senia, Golenkinia etc.) sowie Flagellaten (Trachelomonas, Uryptomonas) auf. Diatomeen (vor allem kleine Stephanodiscus, dann Asterionella), sowie von Chrysomonadinen die Gattung Dino- bryon fehlen nicht, ohne doch jemals, wie im Altrhein bei Neu- hofen, das Übergewicht zu erlangen. Das in letzterem Gewässer während des Sommers so überaus häufige Ceratium hirundinella fehlt so gut wie völlig. Bei so reichlich dargebotener Nahrung sind natürlich auch die Rotatorien zahlreich vertreten; es fallen unter ihren Schizocerca diversicornis, Brachionus pala, Pompholyx sulcata als zeit- weise dominierende Formen auf!?). !) Der Altrhein Roxheim ist nach allem ein „Chroococcaceen-See* im Sinne von Apstein (95), während der Altrhein Neuhofen einen „Dinobryon- See“ darstellen würde. (Mir würde es, beiläufig bemerkt, wenn man überhaupt einen Unterschied statuieren will, besser scheinen, Cbhroococcaceen-Seen in einen Gegensatz zu den Ceratium-Seen zu stellen, da nach meinen Er- fahrungen Ceratium nur in reinen Gewässern vorkommt und solche mit einer sehr starken Produktion pelagischer Cyanophyceen meidet, was mit Dinobryon keineswegs so ausgesprochen der Fall ist.) Erwähnenswert dürfte noch sein, daß die mir bekannten Chroococcaceen-Gewässer alle in unmittelbarster Nähe von Ortschaften liegen und von diesen sowie von den sich daran anschließen- den gedüngten Ackerfeldern bei Regengüssen jedenfalls ergiebige organische stick- stoffreiche Zufuhr erhalten, die, da sie sich jahraus jahrein wiederholt, bei der rela- tiven Kleinheit und Abgeschlossenheit der betreffenden Gewässer kaum ohne Einfluß auf die Ernährungsverhältnisse des pflanzlichen Planktons bleiben dürfte. Möven, die nach Apstein in nach Tausenden von Köpfen zählenden Kolonieen an ge- wissen Seen Holsteins brüten und dort mit ihren Exkrementen das Wasser ge- wissermaßen „düngen“, fehlen an den Chroococcaceen-Gewässern meines Unter- suchungsgebietes als Brutvögel vollkommen. 19] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 547 b) Jährlicher Varıiationsgang von Anuraea cochlearis. Auch Anuraea cochlearis ist sehr häufig und wird in keinem Monat völlig vermißt. Wie sich später ergeben wird, zeigt ihr jähr- licher Variationsgang ım allgemeinen ziemliche Übereinstimmung mit den entsprechenden Verhältnissen im Altrhein bei Neuhofen, im ein- zelnen aber doch einige konstante Unterschiede, welche für das Ge- wässer charakteristisch sind. Betrachten wir zunächst den Anteil der einzelnen Formen. Wie ın Neuhofen rekrutieren sich die vorkommenden Formen alle ausschließlich aus der tecta-, hispida- und irregularis- Reihe. Macracantha sowie robusta fehlen völlig; dagegen erreicht tecta eine ganz enorme Häufigkeit, wie in keinem anderen von mir untersuchten Gewässer: gehören ihr doch im Juli nicht weniger als fast Dreiviertel aller vorkommenden Individuen an! Die allmähliche Ausbildung und Differenzierung der einzelnen Reihen, das successive Aufeinanderfolgen der einzelnen Zwischenformen vollzieht sich im großen Ganzen nach dem früher dargestellten Modus. Ich glaube darum auch von einer detaillierten Schilderung absehen zu können und begnüge mich mit der sich anschließenden tabellarischen Übersicht. Bezüglich der Größenverhältnisse ergeben sich ziemlich be- trächtliche Verschiedenheiten von den Verhältnissen im Altrhein bei Neuhofen. Anuraea cochlearis des Altrheins bei Roxheim ist in allen Dimensionen seines Panzers beträchtlich kleiner als im Altrhein bei Neuhofen, wie am besten eine direkte Gegenüber- stellung der folgenden, den prozentualen Anteil der einzelnen Größen- klassen illustrierenden Tabelle zeigt. Tabelle VI. Jährlicher Variationsgang der einzelnen Formen von Anuraea cochlearis im Altrhein bei Roxheim. Monat Allgemeine Charakteristik der Formen. Nur Angehörige der tecta-Reihe mit mittellangem bis langem n . > Januar Hinterdorne; ganz vereinzelt Tecta. Februar Wie Januar. März Wie Januar, Februar; einige Exemplare mit ziemlich langem 4 Hinterdorn. 38* 548 R. Lauterborn: [20 Allgemeine Charakteristik der Formen. | | April | Wie März. | Die Formen mit längerem -Hinterdorn verschwinden; sehr lang- Mai dornige sowie tecta sehr häufig; die Anfangsglieder der his- pida und irregularis-Reihe beginnen aufzutreten '). Juni Wie Mai; tecta weit überwiegend. tecta überaus häufig; Übergangsformen der hispida- und irre- Juli gularis-Reihe nicht selten, die ersten ausgebildeten Varietäten hispida und irregularis erscheinen. teceta immer noch recht häufig; Übergangs- sowie Endformen der August hispida- und besonders der irregularis-Reihe nicht selten. a Kurzdornige Formen der teeta-Reihe sowie tecta nicht selten. September Die Var. irregularis häufig, Var. hispida ziemlich selten. teeta, langdornige und ziemlich langdornige Formen nicht selten. Oktober Die Endglieder der hispida- und irregularis-Reihe nur noch vereinzelt, die Übergangsformen häufiger. teeta sehr vereinzelt; kurzdornige und Formen mit mittellangem November Hinterdorn recht selten. Var. hispida und irregularis sind verschwunden; Übergangsformen noch sehr vereinzelt. Dezember Wie November. Auch in ihr tritt die uns schon bekannte, mit Beginn der wärmeren Jahreszeit eintretende Verschiebung nach rechts, d. h. die Herrschaft der kleinen Individuen während der Sommermonate klar hervor, ebenso die rückläufige Bewegung im Herbst, die wiederum durch eine Größenzunahme bedingt ist. Auch hier sehen wir, wie in Neuhofen, meist ziemlich ge- schlossene Reihen der Prozentzahlen in jedem Monat; wenn da und dort eine Größenklasse fehlt, so ist der Grund hierfür in erster Linie darin zu suchen, daß hier per Monat nur 25 Exemplare gemessen wurden, im Gegensatz zu Neuhofen mit der doppelten Zahl. Reicheres Material hätte sicher die kleinen Lücken zum Verschwinden gebracht. ı) Letztere nicht in der Tabelle VII enthalten. 949 Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 21] — | - | | — | — |%91 | 91098 | 7:98 | %o8 rar | — | - | | - | - | - | — [ Bqwezeq es Dur "or or 681602: J9Eı| car] = .|Ylope | = &| ae ee ee lm er | orale | = ar| — | "on | "Be Son | = | 2 a u En en her nr 01.0 | °108 7.91 | 91008 le le Me oe | lt | ee ee anerd 0/08 2,02 |° 088 | /o9T | IoF 508 ln ee ee en gendny == [ahor ® ee | har | ee nf — 9,98 |° se | lozt | 98 es le 2 | el ee ee ıunp gr 19110 os |"B2 le ee et I re ee eh ar er rm. OgE 2 She ala Zora lan 168 2101 6 Loaiz nor wien ne - udy len, je, Ir 9108 | | | — ler zn ZIgN ee A Di 97.08, one. "rom on | er en er | ud | 908: Yozg)| Tore 200R 2/op U aa) ze a a ee a zenuej! 06 ErmıbE IT, In ozın ver 1 OPT 0er" ogrn OLT" OST 067" 003 7 012." 082" 085" 07a" 068" 097.7 015,” 082 ie 66 | 60T | GILT | | 621 | 681 61 | est | eor | 621 | est | er | 608 | 61a | 685 | 68% | 6r8 | 6a | 696 | 625 | 688 ‘008: uonprAıpuf uouossoues op [URZ "WI9SUXON PA UA] Y WI 9880) STAB9TLI09 BAB.INMUV Jaeyuesdr) I9p FurFsuorrerie USUIILIgRE we UOSSB[JUOFOLKH UAUTSZUID OP TIOJUV dOfenJu9zodg "IIA 9I194%L 550 R. Lauterborn: [22 Die durchschnittlich geringere Größe der Individuen von An- uraea cochlearis im Altrhein bei Roxheim kommt natürlich auch deutlich in den monatlichen Mittelwerten der Panzerdimen- sionen zum Ausdruck, welche die folgende Tabelle und Kurventafel vor Augen führen. Tabelle VIII. Monatliche Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea ceochlearis im Altrhein bei Roxheim. Alle Größen in u. (Zahl der gemessenen Individuen: 300 [25 pro Monat)). | — Länge | Linge Länge | | Monat des mittleren | des eigent- des Gesamtlänge | Breite Vorderdorns lichen Panzers Hinterdorns | Januar ı 25 104 39 | 168 59 Februar | 27 102 41 ı m 60 März 27 103 44 174 62 April sl 100 44 | 175 | 65 Mai 28 88 22 | 138 59 Juni 26 s4 W | 117 54 Juli | 27 54 b) 116 54 August | 30 84 12 126 56 September 33 92 29 | 154 60 Oktober 28 91 30 149 61 November | 26 99 38 | 163 60 Dezember | 28 97 | 37 | 162 62 | | Der sich hieraus ergebende jährliche Variationsgang ist der uns bereits bekannte: größere Individuen in der kälteren, kleinere in der wärmeren Jahreszeit. Das Maximum der Größe fällt für Gesamtlänge und Hinterdorn auf den April — also später wie in Neuhofen —, dann sinkt aber die Größe durch das massenhafte Auftreten kurz- dorniger Formen sowie der Var. tecta rasch bis zum Juli—Juli, in welchen die mittlere Länge des Hinterdorns nur je 7 resp. 9 u 23] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis, 51 er I en a a) a ES HIV ONE MEN EM Kurventafel 4: Kurven der monatlichen Mittelwerte des Panzers von Anuraea cochlearis im Altrhein bei Roxheim. L= Gesamtlänge; P= Länge des eigentlichen Panzers; Hd — Hinterdorn ; Vd = Vorderdorn. beträgt. Und dieser gewaltige Rückgang der Größe, dieser rapide Sturz vom Maximum zu Minimum, vollzieht sich in der kurzen Zeit von etwa zwei Monaten! Die Schwankungen des Panzers und besonders die der mittleren Vorderdornen sind nur relativ gering; der Variationsgang der Breite des Panzers verläuft analog dem der Länge. Daran anschließend lasse ich gleich die Tabelle und Kurven- tafel der monatlichen Maximal- und Minimalgrößen folgen. 559 R. Lauterborn: [24 Tabelle IX der monatlichen Maximal- und Minimalgrößen des Panzers von Anuraea cochlearis im Altrhein bei Roxheim. £ Alle Größen in u. Dezember 253 162 115 128 | 8 37 = Sn | % = Differenz & 5 SF: Differenz na 5 &0 3 = = = A | SEN Br EN = 53 |d. größten Ee 'S= 8% |d.kleinsten Monat |22 | 23= | =2 [und klein. |Länge des| T 5 28 lu ößte IE | om 1“ ee es . gro nD Op =. ee . | Hinter- | 35 29 - Ka |)S5$ | 3: |sten Indi- ddrne =: SE Hinter- >= 2 | MS viduums 5 | ee dorns _ S - | as | Mrd | Januar 191 | 168 | 117 ee! 39 0 | 54 Februar | 207 | 170 | 151 56 72 41 1.28 43 März 238 | 174 | 183 105., ot 4 | 0 71 | | April 235 | 175 | 18 1320) 5 4 | 16 59 Mai 15 | 18 | 112 | 4 36: | 2 | 36 Juni 146 | 117 | 108 43 25 7) © 25 | I Juli 167 | 116 | 10 67 u 0 30 August 170 | 126 97 73 | 38 | 12 0 38 September | 19 | 154 | 115 3 „I. 5 0 59 | | Oktober 22 | 19 | 8) a | 2 1% 0 72 November | 208 | 163 | 123 0 | 68 3| 0 68 | 0 85 Wie man sieht, zeigen beide Kurven nicht ganz jenen annähernd parallelen Verlauf, wie er uns im Altrhein bei Neuhofen entgegentrat; doch läßt sich ihre der Kurven der Mittelwerte entsprechende Ab- hängigkeit von den Jahreszeiten durchaus nicht verkennen. Am meisten frappiert wohl die gewaltige Differenz der Maximalgröße im April und Mai: sie beträgt nicht weniger als 80 «, wie sich übrigens auch schon aus der Seite 21 befindlichen Tabelle des prozentualen Anteiles der einzelnen Größenklassen ergab. Wenn hier der monat- liche Variationsspielraum der Größe, die Variationsamplitude, größeren und unregelmäßigeren Schwankungen unterworfen scheint als im Alt- rhein bei Neuhofen, so dürfte zum Teil sicher auch die relativ ge- ringe Zahl der gemessenen Individuen (25) daran schuld sein; ich bin fest überzeugt, daß es nur Zufall war, wenn beispielsweise im 25] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 553 1 Sala A Vi VE: VE COVER EN ARTE N En Kurventafel 5: Kurven der monatlichen Maximal-, Minimal- und Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea cochlearis im Altrhein bei Roxheim. Ma — Maximalgrößen, M = Mittelwerte, Mi = Minimalgrößen des Panzers, ma —= Maxi- malgröße, m — Mittelwert, mi = Minimalgröße des Hinterdorns. Januar und Februar kein Exemplar größer als 191 resp. 207 u ge- funden wurde. Auf der anderen Seite wird ein etwas unregelmäßiger Verlauf der Kurven der Minimalgrößen dadurch hervorgerufen, daß im Altrhein bei Roxheim einige Individuen von tecta als Nach- zügler der im Sommer so beträchtlichen Masse, den Winter über gefunden werden. Kommt nun um diese Zeit ein solch vereinzeltes kleines Individium unter die 25 monatlich der Messung unterworfenen Exemplare, so wird sich sein störender Einfluß bei Feststellung der Mittelwerte nur wenig bemerkbar machen, desto schärfer aber bei Ermittelung der Grenzwerte, in diesem Falle der Minimalgrößen, in Erscheinung treten. 554 R. Lauterborn: [26 III. Der jährliche Variationsgang von Anuraea cochlearis in einem Feldteich bei Bobenheim. a) Physische und biologische Charakteristik des Gewässers. In der Nähe des Altrheins bei Roxheim und vor langer Zeit wohl mit diesem einmal in Verbindung, liegt auf freiem Felde, in- mitten der Gänseweide des Dorfes Bobenheim ein ziemlich seichter Teich von etwa 200 Schritte im Umfang. Der Boden ist lehmig- sandig. Am Rande erhebt sich da und dort kümmerliches Schilfrohr und Weidengesträuch, das sich allmählich auf einer angrenzenden feuchten Wiese verliert; der größte Teil des Ufers ist jedoch völlig kahl. Die Vegetation im Wasser setzt sich zusammen aus Büschen von Ceratophyllum, Batrachium und Potamogeton crispus, von denen nur die beiden letzteren öfters zu einer etwas üppigeren Entwickelung gelangen. Nach alledem möchte man kaum geneigt sein, im Teiche, der als Tummelplatz der Gänseherde des Dorfes dient, ein reiches Plankton- leben zu vermuten, zumal auch im Sommer der Wasserspiegel mehr und mehr zusammenschrumpft und allenthalben entlang des Ufers der schlüpfrige Lehmgrund zu Tage tritt. Dem ist aber keineswegs so. Das Plankton ist im Gegenteil sehr reich und treten hierbei ganz besonders die Rotatorien tonangebend hervor. Arten wie Synchaeta pectinata und tremula, Polyarthra platyptera, Brachionus angularis, Anuraea aculeata und in etwas geringerem Maße selbst Pedalion mirum sind zu gewissen Zeiten durch überaus massenhafte Entwickelung besonders auffällig. b) Variationsgang von Anuraea cochlearis. Anuraea cochlearis zählt unter die das ganze Jahr hindurch im Teiche vorkommenden Formen, ist jedoch, was die Zahl der In- dividuen anbelangt, etwas ungleichmäßig in den einzelnen Monaten verteilt. Sa konnte ich, wie meine Tabelle (Seite 556 [28]) ausweist, im Februar und April trotz langen und eifrigen Suchens nur je 10 Exem- plare zur Messung auftreiben und im November fand ich in den Jahren 1897 und 98 überhaupt keine Anuraea cochlearis; erst 1899 gelang es diese Lücke auszufüllen. Der jährliche Variationsgang zeigt im allgemeinen Über- einstimmung mit jenem im Altrhein bei Roxheim und Neuhofen, natürlich mit entsprechenden lokalen Modifikationen. Auch hier kommt es zur Ausbildung der Tecta-, Hispida- und Irregularis- 27] Die cyklische oder temporale Variation von Änuraea cochlearis. 599 Reihe, wie die nachfolgende Tabelle (Nr. X) zeigt. Auch hier haben wir, was die Größenverhältnisse anbelangt, die kräftigsten Formen in der kälteren Jahreszeit, wo das Größenmaximum auf den Februar fällt. Von diesem Monat an beobachten wir ein stetiges Sinken der (resamtlänge, der Länge des Panzers und der des Hinterdorns sowie der Breite bis zum August, nach welchem Monat wieder eine Größen- zunahme eintritt. Tabelle X. Jährlicher Variationsgang der einzelnen Formen von Anuraea cochlearis in einem Feldteich bei Bobenheim. Monat Allgemeine Charakteristik der Formen. Januar Kräftig areolierte langdornige Formen; der „Kreuzungspunkt* der Karinalplatten etwas verzogen. Februar Nach dem spärlichen Material (10 Exemplare) von 1900 wie Januar; Vorderdornen nur wenig gekrümmt. März Wie Januar; Hinterdorn ansehnlich, meist mehr oder weniger aufwärts gebogen. April Nur 10 Exemplare vom Jahre 1898 untersucht: diese mit mittel- langem Hinterdorn; bei fast allen Exemplaren war der Panzer sehr hyalin. Mai Hinterdorn mittellang; keine Varietäten. Juni Neben grobareolierten Exemplaren mit mittellangem Hinterdorn werden nur die kurzdornigen häufiger. Alle Übergangsformen zu Var. irregularis häufig; keine Var. hispida beobachtet. Juli Von der Tecta-Reihe; typische, kurzdornige Exemplare sowie Var. tecta. Von der Hispida-Reihe einige Übergangs- und Endformen. Alle Glieder der Irregularis-Reihe mit Aus- nahme der Forma ecaudata. August Teeta sehr häufig, kurzdornige Exemplare mehr einzeln. Var. irregularis nicht selten. September Tecta selten, dafür kurzdornige Formen häufiger. Hispida einzeln, Irregularis zahlreicher. Oktober Tecta sehr einzeln; meist Formen mit kurzem bis mittellangem Hinterdorn. Var. irregularis sehr einzeln; Übergangsformen der Hispida- und besonders bei Irregularis-Reihe einzeln. November Kräftige Formen mit mittellangem bis Jangem Hinterdorn. Var. tecta, hispida und irregularis völlig verschwunden. Dezember Wie November. Vorderdornen wenig gekrümmt, ‚Rückenprofil sanft nach hinten abfallend. .. D06 R. Lauterborn: [28 Über den Anteil der einzelnen Formen an dem monatlichen Ge- samtvorkommen der Art dürfte Tabelle X einen ausreichenden Über- blick gewähren. Tabelle XI sowie die dazu gehörige Kurventafel 6 zeigen uns in der bekannten Weise den Variationsgang der mittleren Größe, Tabelle XII und Kurventafel 7, ebenso denjenigen der monat- lichen Maximal- und Minimalgröße. Tabelle XI. Monatliche Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea eochlearis in einem Feldteiche bei Bobenheim. Zahl der gemessenen Individuen: 270 (25 pro Monat, Februar und April nur je 10!) Alle Größen in w. | Länge Länge Länge | Monat des mittleren) des eigent- | des Hinter- | Gesamtlänge Breite Vorderdorns ‚lichen Panzers dorns | Januar 36 118 60 | 214 65 Fehman |. Bhr | dl le a ee 67 März 34 | 114 53 |- 201 65 April 29 105 46 180 61 Mai | 32 95 | 45 172 59 Juni 34 | 93 | 39 166 62 Juli 35 | 92 25 | 152 62 August 30 91 | 8 129 59 September | 33 | 92 | 30 155 58 Oktober | 34 97 | 42 173 64 November | 44 191 64 Dezember 34 | 107 43 | 154 63 | | 29] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 557 Lee le Du, VE Mr ME MET NR Ha DV EL EI N VE VE SUE ReR ME AE Kurventafel 6: Kurven der monatlichen Mittelwerte des Panzers von Anuraea coch- learis in einem Feldteiche bei Bobenheim. L = Gesamtlänge; P = Länge des eigentlichen Panzers; Hd = Hinterdorm; Vd = Vorderdorn. Tabelle XII, Monatliche Maximal- und Minimalgrößen des Panzers von Anuraea cochlearis in einem Feldteiche bei Bobenheim. Alle Größen in u. | 8 =] | PL oe ER r &0.| o 5 | Differenz | Größte a5 ER: Differenz IE Aa an) d. größten | ee ee d.kleinsten Monst | 3 | = = | == |und klein- | Hinter- | 22 | 22 |u. größten 2 = S8%,,.® = sten Indi- Hans = = s S Hinter- = SEEN viduums = = dorns ae Dee as Ks Januar 252 214 | 18 | 67 64 60 43 | 21 Februar 230 | 217 | 200 s0 65 | 99 45 20 März 224 201 | 168 | 56 60 | 583 38 22 558 R. Lauterborn: [30 | | | arBT: BET. FI. Monat | a2 |< = as und klein- Länge © = 2 u größten SE (5.8 een Bu © = | Be | Hinter- DE 7 = v = viduums us = 2 © = dorns April 188 | 180 | 165 23 49 46 | 38 11 Mai 3 | 12 | 182 SRE 0 45 | 97 43 Juni 198 | 166 | 134 a ee 3919 44 Juli 1206 152 | 121 re 23 | 3 45 August | 177 | 129 | 185 62 40 8 0 40 September | 209 155 | 115 4 | 6 30 0 65 Oktober | 212 | 173 | 18 Sr Was ;: 49 0 68 November 236 191 168 68 | 72 44 33 39 Dezember | 921 154 157 64 | 57 43 1 26 12 ED VI TE KEN Kurventafel 7: Kurven der monatlichen Maximal-, Minimal- und Mittelwerte des Panzers von Anuraea cochlearis in einem Feldteiche bei Bobenheim, Ma — Maximallänge; M — Mittelwerte; Mi — Minimalläuge des Panzers; ma — Maximallänge; m — Mittelwert; mi —= Minimallänge des Hinterdorns, nn - 31] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis, 559 Spezielle Erläuterungen zu diesen Darstellungen dürften über- flüssıg sein. Nur für die Kurven der Maximal- und Minimalegröße sei darauf hingewiesen, wie verschieden sich beide verhalten: die erstere präsentiert sich recht ungleichmäßig, während die zweite einen der Kurve der Mittelwerte entsprechenden Verlauf zeigt. Die Unregelmäßig- keit im Verlauf der Kurven der Maximalgrößen kommt, wie ein Blick auf Tafel 7 Seite 558 (30) zeigt, in erster Linie dadurch zu stande, daß im Aprıl eine sehr scharfe Knickung nach unten eintritt. Es ist hierbei aber zu beachten, daß in dem genannten Monate überhaupt nur 10 Exemplare von Anuraea cochlearis gemessen werden konnten. Dieser Umstand ist auch schuld daran, daß die Variationsamplituden der Größe ım April (ebenso wie im Februar, wo ebenfalls nur 10 In- dividuen aufgetrieben werden konnten) so überaus klein und von der- jenigen der übrigen Monate so verschieden ist. Ähnliche Verhältnisse treffen wir auch bei den Kurven der Länge des Hinterdorns. IV. Der jährliche Variationsgang von Anuraea cochlearis in Buchten des Rheins oberhalb Ludwigshafen. a) Physische und biologische Charakteristik der (Gewässer. Durch die umfassende Korrektion des Oberrheins, vor allem durch Herstellung eines gleichmäßigen ca. 300 m breiten Strombettes sind eine ganze Anzahl früherer Ausbiegungen und Seitenarme des Stromes in mehr oder weniger stagnierende Altwasser umgewandelt worden. Dieselben unterscheiden sich von den ohne Zuthun des Menschen entstandenen breiten seeartigen Altrheinen bei Neuhofen und Rox- heim vor allem dadurch, daß sie unmittelbar ın den Strom einmünden und mit diesem steigen und fallen. Bei hohem Wasserstande des Rheins trüben sich ihre Fluten sehr beträchtlich durch die vom Strom mit- geführten erdigen Sedimente, welche beim Fallen des Wassers zu Boden sinken und diesen als sehr feiner gelb-grauer zäher Schlick bedecken. Durch oftmalige Wiederholung dieses Vorganges erhöht sich natürlich die Sohle dieser Rheinbuchten immer mehr; bei niederem Wasserstande liegt jetzt schon ein Teil von ihnen zeitweilig fast völlig trocken. Es liest auf der Hand, daß derartige Schwankungen bezüglich des Wasserstandes unmöglich ohne Einfluß auf die pelagische Fauna und Flora bleiben kann. Dieser Einfluß äußert sich aber weit weniger in der qualitativen Zusammensetzung des Planktons, welche in allen von mir untersuchten Rheinbuchten vom Charakter der oben skizzierten 560 R. Lauterborn: [32 auffallend gleichförmig ist, als in der quantitativen. In dieser Hin- sicht nimmt das Plankton der Strombuchten etwa die Mitte ein zwischen dem der seeartigen großen Altwasser und dem des strömen- den Wassers, welch letzteres man in den letzten Jahren als sog. „Potamoplankton“ besonders zu bezeichnen für nötig befunden hat. Charakteristisch für das Plankton dieser Stromarme und offenen Strombuchten ist neben der Seltenheit der Oyanophyceen und grünen Algen vor allem das Vorkommen gewisser Diatomeen: Tabellaria fenestrata Kütz. var. asterionelloides Grun. sehr häufig, Cyelo- tella bodanica Eulenstein einzeln. Von Flagellaten kommen hier besonders vor: das große Dinobryon eylindriecum Imh., Peri- dinium (Gonyaulax?) apiculatum Penard, von Rotatorien Syn- chaeta grandis Zach., S. stylata Wierz. — alles Arten, die ich während einer 12 jähr. Untersuchungszeit niemals in den geschlossenen Altwassern zu Neuhofen und Roxheim angetroffen habe. Dagegen finden sich die aufgezählten Formen zu entsprechenden Zeiten auch im Plankton des Rheines vor und liefern einen weiteren Beweis für die von mir bereits 1893 ausgesprochene Ansicht, daß die planktonischen Organismen des fließenden Wassers aus den geschützten Strombuchten stammen und sich von hier aus immer wieder ergänzen. b) Der jährliche Variationsgang von Anuraea cochlearis. Soweit ich feststellen konnte, finden sich in den Strombuchten alle Glieder der Tecta-, Hispida- und Irregularis-Reihe vor; A. cochlearis leptacantha und A. cochlearis tecta forma maior wurden bis jetzt überhaupt nur hier (und zwar bei Altrip, südlich Ludwigshafen) nachgewiesen. A. cochlearis robusta fehlt, wie es scheint, völlig. Wie überall. wo die drei genannten Reihen zur Ausprägung ge- langen, läßt sich auch in den Strombuchten des Rheins die Abhängig- keit der einzelnen Formen von bestimmten Jahreszeiten nachweisen und zwar in ähnlicher Weise, wie wir sie bereits aus den früher be- handelten Gewässern kennen. Statt einer ins einzelne gehenden Be- sprechung verweise ich auf die folgenden Tabellen und Kurventafeln 33] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 561 Tabelle XIL. Jährlicher Variationsgang der einzelnen Formen von ÄAnuraea eochlearis in Strombuchten des Rheins oberhalb Ludwigs- hafen. Monat Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Fast ausschließlich kräftige langdornige Formen der Tecta-Reihe. Ähnlich wie Februar. Formen mit wechselndem Hinterdorn, mittellange Exemplare häufiger. Bei einigen Exemplaren Panzer sehr hyalın, die Begren- zung der Platten sehr undeutlich (Übergänge zu leptacantha?) Einzelne A. cochlearis tecta f. minor. Meist langdornige Formen. Die Anfangsglieder der Hispida- und Irregularis-Reihe. Meist kleine und kurzdornige Formen; Tecta einzeln. Über- gangsglieder zu Hispida und Irregularis. Kurzdornige Formen und Tecta häufig, ebenso Hispida und Irregularis. Leptacantha nicht selten. Tecta häufig, ebenso die kurzdornigen Formen der Tecta-Reihe. Irregularis häufig, Hispida selten. Typus und kurzdornige Formen häufig, Tecta einzeln. Hispida und Irregularis und Zwischenglieder zu diesen Reihen häufig. Typische und kurzdornige Formen nicht selten; Teeta sehr ein- zeln. Langdornige Anfangsglieder der Hispida- und Irregu- laris-Reihe häufig. Langdornige und typische Formen der Tecta-Reihe häufig. Nur einige langdornige Anfangsglieder der Hispida- und Irregularis-Reihe. Alles langdornige kräftige Formen. Verlhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 39 562 R. Lauterborn: [34 Tabelle XIV. Monatliche Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea eochlearis in Strombuchten des Rheins ober- halb Ludwigshafen. Zahl der gemessenen Exemplare 227 (25 pro Monat; Januar fehlt; März 7, April—Mai 10.) Alle Größen in u. Line | Länge | Länge Monat |des mittleren | des eigent- | des Hinter- |, Gesamtlänge Breite Vorderdorns I Panzers dorns & zu. | = - | = Januar — | — =: | = _ Februar | 39 116 62 217 | 72 März | 38 | 116 | 60 214 | 65 April | 88 a N": 190 | m Mai 39 115 72 229 | 75 Juni 33 102 | sl 166 | 62 Juli 37 102 | 26 165 63 August | 33 | 89 19 14 54 September 35 97 3l 163 58 Oktober | 36 109 49 | 194 63 November | 33 107 55 195 64 Dezember 39 117 | 52 | 208 | 70 | | | 55] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 563 Tabelle XV. Monatliche Maximal- und Minimalgrößen des Panzers von Anuraea eochlearis in Strombuchten des Rheins oberhalb Ludwigshafen. Alle Größen in u. J | | | ie 3 & 2 E Differenz Größte en 5 5 | Differenz ge = = | 53 |d. größten Län © des Sales 3 |d. größten Monat =. |235|, 5 [und klein- ei n log | 22 |und klein- a |55 |. = | sten Indi- 23 | 35 |sten Indi- SE 5 |M = | viduums = IS | yiduuns Ber), en = Baer RE Januar) "|. — — _ _ | | — == Februar | 247 | 217 | 171 a" a er RT; 40 März | 34 24 ls) © | = | 60 | 8 4 April So ao 1 oo eo au | 72 Mai es | 2 | 17 | 9 93 Ta AG 1.4.47 a ua ko er ea a Juli 218 | 165 | 185 93 1 | % 0 61 Auut | 18 | 11 18 | 8 56 19 ee: Septenber | 28 18 | 9 | 5 | 0 45 Oktober | 224 | 194 | 16 a 49 0 7: November | 30 | 15 | 51! 7 7 55 | 34 42 Dezember | 319 | 208 | 122 | 67... 76%. | 5%: 88 38 39* 564 R. Lauterborn: [36 I ı I Vo II 2 HE UV EHE UEEIEEE Kurventafel 8: Kurven der monatlichen Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea eochlearis in Strombuchten des Rheins oberhalb Ludwigshafen. L — Gesamtlänge des Panzers; P = Länge des eigentlichen Panzers;; Hd = Länge des Hinterdorns; Vd = Länge des medianen Vorderdorns. Nur auf eine anscheinende Unregelmäßigkeit sei aufmerksam gemacht. Es fällt vielleicht auf, daß in den Kurventafeln die Kurve der mittleren Gesamtlänge sowie diejenige Maxima und Minima eigent- lich erst vom Mai ab den gewohnten normalen Verlauf erkennen lassen, in den vorausgehenden Monaten März— April dagegen durch eine starke Senkung im April unregelmäßig verlaufen. Es rührt dies sicherlich wohl nur daher, daß ich in den genannten Monaten nur sehr wenige Individuen zur Messung heranziehen konnte (März: 7, April: 10, Mai: 10) und daß weiterhin dieses spärliche Material aus sehr verschiedenen Jahrgängen stammte. Trotz alledem zeigt aber auch hier die Variationsamplitude der Größe überall ziemlich annähernd denselben Betrag, was sich in dem gleichgerichteten Verlauf der Maximal- und Minimalkurven ausspricht. 37] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 565 1A EN Ta een u Ra a | FERRRSSZE I ee Zn er Kurventafel 9: Kurven der monatlichen Maximal-, Minimal- und Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea cochlearis in. Strombuchten des Rheins ober- halb Ludwigshafen, Ma — Maximalgröße; M = Mittelwerte; Mi — Minimalgröße des Panzers; ma —= Maximalgröße; m = Mittelwert; mi = Minimalgröße des Hinterdorns. V. Der jährliche Variationsgang von Anuraea cochlearis in einem Teiche bei Maudach. a) Physische und biologische Charakteristik des Gewässers. Unmittelbar bei dem Dorfe Maudach (etwa 5 km westlich von Ludwigshafen a. Rhein) liegt in einem weiten Sumpfgelände, dem Bette eines ehemaligen großen Altwasser des Rheins, ein schon seit langer Zeit künstlich ausgehobener Teich von etwa 100 Schritte Länge und 20 Schritte Breite, dessen Mitte eine langgestreckte Insel einnimmt. Das Plankton dieses Wasserbeckens unterscheidet sich nicht nur durch seine Zusammensetzung, sondern auch durch seinen enormen 566 R. Lauterborn: [35 Reichtum an Arten und ganz besonders an Individuen sehr bedeutend von demjenigen der benachbarten Torfgruben. Während die letzteren — jetzt meist mehr oder weniger verrohrt — die charakteristischen Bewohner klarer vegetationsreicher Gewässer aufweisen, zeichnet sich der erstgenannte Teich, der dem Dorfe am nächsten liegt, durch das massenhafte Auftreten von eine „Wasserblüte“ bildenden Algen aus, die namentlich in der wärmeren Jahreszeit den Teich in einer auch dem Laien auffallenden Weise spangrün färben. Diese „Wasserblüte“ wird hervorgerufen sowohl durch Clyanophyceen (Clathrocystis, Sphaerozyga, Anabaena) als auch in ganz hervorragendem Maße durch Chlorophyceen, besonders Scenedesmus (Sc. quadricauda, opoliensis); auch Pediastrum (pertusum, Boryanum) ist stets sehr häufig. Diesen dominierenden Arten schließen sich als charak- teristische Formen an: von Diatomeen, Stephanodiscus Hantz- schianus Grun. var. pusilla; von Grünalgen: Golenkinia botryoides Schmidle; von Flagellaten Trachelomonas, Crypto- monas, Peridinium palatinum Lauterborn alle in Massenent- wickelung. Durch letztere fallen auch gewisse Rotatorien auf, vor allem Brachionus angularis Gosse, Br. pala Ehrb., Triarthra longiseta Ehrb.. Trianthra breviseta; Rhinops vitrea Hudson habe ich bisher überhaupt nur hier gefunden. Von Urustaceen do- miniert weitaus Bosmina cornuta Jur. b) Der jährliche Variationsgang von Anuraea cochlearis. Anuraea cochlearis gehört. wie zu vermuten, in dem Teiche zu den häufigsten Rädertieren. Aber nur Anuraea cochlearis robusta kommt hier vor: in den 12 Jahren, in denen ich den Teich unter Kontrolle habe, kam mir niemals auch nur eine einzige Hispida oder Irregularis zu Gesicht. Verfolgen wir nun die Größendimensionen der Robusta-In- dividuen im Kreislauf des Jahres, so ergiebt sich zunächst die That- sache, daß sich die mittlere Gesamtlänge des Tieres während des ganzen Jahres auffallend konstant erhält: in 9 Monaten des Jahres bewegt sie sich zwischen 190 « und 215 «, in den 3 übrigen Monaten sinkt sie etwas unter diese Werte, aber höchstens bis 168 g. Ähnlich verhalten sich die Mittelwerte des Vorderdorns, des eigentlichen Panzers und des Hinterdorns; bei letzterem variieren die Maße in 9 Monaten des Jahres nur zwischen 40 u und 50 u. Es fehlt also hier die auffallende Größenreduktion mit Beginn der wärmeren 39] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 567 Jahreszeit, wie sie uns an den vier bisher behandelten Gewässern so übereinstimmend entgegentrat. Tabelle XVI. Monatliche Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea cochlearis in einem Teiche bei Maudach. Zahl der gemessenen Individuen: 300 (25 pro Monat). Alle Größen in x. Line | Länge Länge | Monat des mittleren | des eigent- | des Gesamtlänge | Breite Vorderdorns ‚lichen Panzers| Hinterdorns Januar | 35 116 | 49 200 68 Februar | ZUR 102 | 37 168 66 März 32 113 | 43 188 72 April 37 | 125 58 215 73 Mai 38 11 | 46 195 72 Juni | 38 107 | 41 186 68 Juli 43 | 114 | 50 207 73 August 42 112 42 196 72 September | 44 121 46 211 78 Oktober 40 108 | 42 190 68 November | 36 117 42 195 71 Dezember 34 122 39 195 70 568 R. Lauterborn: [40 Tabelle XV. Monatliche Maximal- und Minimalgrößen des Panzers von Anmaea eochlearis in einem Teiche bei Maudach. Alle Größen in uw. | | BIT: E TEEN: IF % | 25 | Differenz ee = is Differenz ze z 3 | 22 |d. ‚größten ET - 2 ei 3 = 3 d. größten Monat =. | 2% | == [und klein- = e2 | 2% |und klein- =. 1538 | 2. | sten Indi- rein 25 | 85 | sten Indi- a EB iin ne a | 2 yıdaums Er ee > - Nee Mrs SEEN u _—_ - —. = Januar 218 | 200 | 178 40 56 \.. 43. 51°080 20 Februar | 221 | 168 | 140 | 8 70: ' Mrz ae 25 | März 220 | 188 | 133 87 56 AB: Ce 33 April | 252,| 215 | 19 73 12 58 | 49 23 Mi |) 216 | 195 | 176 40 54: 46, | au 13 Juni 203 | 186 | 168 | 35 43 41 | 40 3 Juli | 28 | 207 | 188 35 61 50 | 39 22 August | 212 | 196 180 32 | 50 43 1021 19 | | | September | 233 | 211 | 1% 38 56 | 46 | 45 11 Oktober 227 | 190 | 152 75 54 42 | SE 23 f November ' 216 195 | 180 36 54 42 | 36 18 Dezember | 212 | 195 | 184 28 46 | 39 | 31 15 | Auch in den Kurventafeln tritt das Fehlen einer Größenreduktion auffallend hervor: Die Kurve verläuft unter ganz unregelmäßigen Knickungen mehr oder weniger horizontal. Auch die Kurven der jeweils größten und kleinsten Individuen folgen, von einigen Un- regelmäßigkeiten im Februar— April und im Oktober abgesehen, dieser Regel!); es verlaufen in den 5 Monaten Mai—September die Maximal- i) Man muß sich hierbei immer wieder vergegenwärtigen, daß die Maximal- und Minimalkurven nur nach jeweils einem einzigen Individuum pro Monat konstruiert sind, während den Mittelwerten je 25 Individuen pro Monat zu grunde liegen. 569 Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 41] 'STIOPISJUI S3P ajorspewmuy = Tu !NIOAPNIN — u !agQLspewıxeN = Bu !Stozueg sap agoasfeuum = IN !MEApNIN = W !aroasjeuxen = eN "UIUTOPAAPIOA UONEIPILL TOP Aug T = PA !SWIopasjurg] sap "UOBPnEM Tod a8ur J = PH !Sıazurg uayoıpuadta sap duy ] = I !aSurpyuesag = "T ayaT9], WOUTD UL STABOLTLI09 BORBINUY UOA SIOZURT SAP UEUOLSUAWICT "ydepuem Teq aypIa]L WOUTD UT SLIBOTID09 worınuy 19p SaATEı N pun -[ewrury -Tewmxepy Uoyaeuom BP UAAINY UOA SIOzZuBg SOp UEUOLSUATILT AP SLIONTOHIM aaypıyeuom A9p UOAAINnM :f7 [oJe4uoAıny :OF ToreyuaAaany DENN MENT TEN N N NN DEE N NA N MI X RX N WE ea 570 R. Lauterborn: [42 und Minimalkurven nicht nur unter sich, sondern auch der fast mathematisch genau in ihrer Mitte dahinziehenden Kurve der Mittel- werte parallel. Die Größendifferenz des jeweils größten und kleinsten Individuums schwankt in den genannten Monaten nur zwischen 32 u und 40 u! Wie man sieht, zeigen die Kurventafeln ein wesentlich anderes Bild als diejenigen ım Altrhein Neuhofen etc. Zu dem- selben Resultat gelangen wir, wenn wir dem prozentualen Anteil der einzelnen Größenklassen am jährlichen Variationsgang in tabellarischer Form zusammenstellen. Wir erhalten dann folgendes Bild (S. 571 [43]): Was hier sofort auffällt, ist der Umstand, daß die von früher her gewohnte allmähliche Verschiebung der Größenklassen nach rechts mit Beginn der wärmeren Jahreszeit und deren rückläufige Bewegung im Herbst völlig fehlt. Das ganze Jahr hindurch dauert ein Stamm von 190—209 u großen Individuen aus, von denen sich selbst die extremsten Größenvariationen nie weit entfernen. Nicht weniger als 7 Monate des Jahres besetzt der größte Prozentsatz der jeweils monatlich gemessenen Individuen die Größenklassen 209—190 u; in 4 weiteren fällt derselbe in die sich zunächst anschließenden Größen- klassen (180—189 u; 210—219 u). Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß in einer Anzahl von Monaten auch hier die jeweils vertretenen Prozentzahlen Quetetet’sche Reihen bilden, besonders schön im Juni und Juli. Wären statt der nur geringen Zahl der pro Monat gemessenen Exemplare (nur je 25!) die zehnfache Zahl derselben gemessen worden, so würden diese Reihen sicher noch öfter und deutlicher hervortreten. VI. Der jährliche Variationsgang von Anuraea cochlearis in einem Torfteiche bei Neuhofen. a) Physische und biologische Charakteristik des Gewässers. Westlich von dem Dorfe Neuhofen, etwa 4—5 km von dem jetzigen Lauf des Rheines und etwa 2 km von dem Altrhein entfernt, dehnt sich weithin eine sumpfige Niederung aus. Ehedem ebenfalls eine der gewaltigen Serpentinen des Rheins, wie sie für dessen Lauf zwischen Lauterburg und Worms charakteristisch sind, wurde die- selbe bei der in unserer (Gegend besonders gut zu verfolgenden fort- schreitenden Ausbiegung des Stromlaufes nach Osten (Bärsches Ge- setz!)') nach und nach aus dem eigentlichen Stromlauf ausgeschaltet ı) Damit steht wohl auch im Zusammenhang, daß die einzigen größeren seeartigen Altwasser des Oberrheins (Neuhofen undRoxheim) auf dem linken Ufer liegen. Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 43] 686 ar | 52] 7) 1008, | CO 20BE OB ee a ei Se 98 | oze 20H | 8 | a Al ee | el | = | 183 08% Yo@L | olor — u ee en a ee - | 1/09 | 088 | 098 | Y9T| er | = | = | = | = Ze 17/088 21.08 |%1082 | or Be 2 ee Er ae og | "1102 "Et "1086 al -ı -|I-|I-|- a ee ee ee 9082 | op. 21098 | "op ae DE | Eu 18 | har Reg ehoB Aare Zee nr en ee or | — |or | 088 | Hose /o9T\ 98 | Yon | Mr | — | — | za en Vor |©8 |) ost | op [or SE "188 ei - | - | - 1 -|- | | = org8 90a | ns 98 Ir ar (ar | or SA u en De a Er ee a Be "08T | 1008 Rz a "6 3a anfe nranfe e anrnc umvr Huont n on Ton 1 098,7 022," 088 66 60T | 6IL | 651 | 6er | KH eu 69T Er 108 68 [660 608 | 612 | 688 | 682 | 6P8 | 682 | 698 | 612 n ur uasjoad) Olly yOepnen Tg AydmaL, -JWURSIKH) TIP FUBTSUOIJELIB A U9AUOTLIU ef we u "IIIAX A9quıazal] J9qWOAON 2a 070) aaqweydag ysnany Talp) tanf I8N udy zZIeN aenagoT aenurf BuuoW ‘(geuom o1d cz) 008 OIPqRL :wınnptTAIpu] uouosseues a8p [yRZ WOUTD UT ISSON) SLIBITII09 BIRLIMUYy 18 ISSBLNUIFTOLK UHULIZUII OP TIHJUV AOJEnJU9ZOAT 572 R. Lauterborn: [44 und in ein riesiges hufeisenförmig gekrümmtes Altwasser verwandelt, das nach und nach immer mehr verlandete. Gegenwärtig ist das Gebiet ein weites sumpfiges von Erlen- und Weidengehölzen unter- brochenes Wiesenmoor, in dessen schwarzem fettem Boden zahl- reiche mehr oder weniger alte, zum Teil wieder völlig überwachsene Torfgruben eingesenkt sind. Das Plankton der größten dieser Torfgruben — jetzt ein mit bräunlichem Wasser erfüllter Teich von etwa 100 Schritt Länge und 60 Schritt Breite, in dem an vielen Stellen Nymphaeen, Cerato- phyllum und Myriophyllum-Büsche, Potamogeton etc. üppig vegetieren — zeigt die charakteristischen Vertreter des Teichplanktons in großer Individuenzahl, vor allem natürlich die Rotatorien, von denen zahlreiche sonst hyaline Arten wohl durch die im Wasser ge- löste Humusstoffe, diffus gelblich gefärbt erscheinen. Von Protozoen tritt Dinobryon divergens zu Zeiten massenhaft auf, Diatomeen sind selten, und die eine Wasserblüte bildenden CUyanophyceen und Chlorophyceen fehlen so gut wie völlig. b) Jährlicher Variationsgang von Anuraea cochlearis. Bietet somit das Plankton des Torfteiches bei Neuhofen seine allgemeine Physiognomie sowohl als seine Zusammensetzung, eine in die Augen fallende Verschiedenheit von demjenigen des Teiches bei Maudach dar, so zeigt im Gegensatz dazu Anuraea cochlearis in der Ausprägung seiner morphologischen Charaktere und in seinem jährlichen Variationsgang eine sehr weitgehende Übereinstimmung. Da wie dort findet sich nur Robusta vertreten, die im Lauf des Jahres unregelmäßigen Schwankungen ihrer Größe unterworfen ist; Tecta, Hispida, Irregularis fehlen völlig. Charakteristisch für die Anuraea cochlearis-Individuen des Torfteiches ist deren stattliche Größe; zu ihnen gehört auch das größte Individuum der Art überhaupt, welches mir aus der Rhein- ebene bekannt wurde (Gesamtlänge 282 «, Hinderdorn 106 u). Sie übertreffen in allen Dimensionen ihres Panzers sowie in ihrer mitt- leren Gesamtlänge ihre Artgenossen bei Maudach: hält sich doch die mittlere Gesamtlänge bei ihnen in 10 Monaten des Jahres über 200 « (im September 199, im Juli, der jedenfalls nur zufällig aus dem Rahmen fällt, nur 160 «), während wir in Maudach die entsprechenden Werte sich nur in 4 Monaten über 200 u erheben sehen. Näheren Aufschluß über diese Verhältnisse geben die folgenden Tabellen und Kurventafeln, auf die ich verweise. m. 45] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 573 Tabelle XIX. Monatliche Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea cochlearis in einem Torfteich bei Neuhofen. Zahl der gemessenen Individuen 245 (25 pro Monat, Februar nur 5, Oktober, November je 15, Dez. 10). Alle Größen in w. Länge Länge Länge Monat des mittleren | des eigent- des Gesamtlänge Breite Vorderdorns lichen Panzers) Hinterdorns Januar 38 | 131 64 233 cite Februar 36 121 56 213 70 März 35 120 61 216 69 April 34 114 62 210 70 Mai 40 119 68 227 74 Juni 47 116 78 241 77 Juli 34 90 36 160 58 August 38 106 60 204 65 September 40 108 al 199 ji! Oktober 42 107 58 207 72 November 44 129 73 247 79 Dezember 41 121 68 230 74 Tabelle XX. Monatliche Maximal- und Minimalgrößen des Panzers von Anuraea cochlearis im einem Torfteich bei Neuhofen. 3 {= a 58 Selen R PR s & Se | Differenz Größte EWEN EE Differenz er 0 | | d. größten | T unge des NE | IE |. größten Monat au | 38 == |und klein- || “75° © DS 2 © |und klein- ae Ss: lee | : Hinter- | 5 5 = | r „ |558 | o.- | sten Indi- AorE =H =;3 | sten Hin- DAZ Ma | viduums a ie terdorns - = es Mo Januar 274 | 233 | 189 35 90 . 64 45 | 45 Februar 229 | 213 198 31 68°. | 56 Id 20.2 301 Mrz | 239 la Il 7 | 61 | 47 40 | I | | I April 241 210 | 18 | ZB Tale 2. 26% 33 46 | 40 | 66 Mai ans | So7 | 178 |. 109 , | 106 .\, 68 574, R. Lauterborn: [46 er 7 = a ERST ou ou ts &| ©: | Differenz 5 23 | 22. Differenz 2E £ ar 3 \d. größten ee 3 3 S 8 d. größten Monat | == | &2 \und klein- | ng e2 |.2& |und klein. op ee mb F Hinter- = ae | Ä = | 558 | on | sten Indi- BE == | 85 | sten Hin- Oz | 5 |ı% 3 | viduums = = | SM | kerdorns a he FE FE 1 Sl Ms Juni 361 | 241 | 211 50 92 78 310308 34 Juli 28 | ol 1 8 58 36 | 7 31 August | 37 204 | 151 106 90 60 | 31 59 September | 248 | 199 | 150 98 88 51 31 57 Oktober | 263 | 207 | 177 s6 81 58 | 46 35 | November 257 | 247 | 208 49 8 | 23 0 20 Dezember 257 | 230 | 1% 67 Zr ee 27 | | | | I: 1:8 7 DAN Eu Kurventafel 12: Kurven der monatlichen Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea cochlearis in einem Torfteiche bei Neuhofen. L = Gesamtlänge; P = Länge des eigentlichen Panzers; Hd — Länge des Hinter- dorns; Vd — Länge der medianen Vorderdornen. 47] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 575 a A le A De ee Kurventafel 13: Kurven der monatlichen Maximal-, Minimal- und Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea cochlearis in einem Torfteich bei N eu- hofen. Ma — Maximalgröße; M = Mittelwert; Mi — Minimalgröße des Panzers; ma —= Maximalgröße; m — Mittelgröße; mi — Minimalgröße des Hinterdorns. VII. Der jährliche Variationsgang von Anuraea coch- learis in Lehmgruben bei Ludwigshafen. a) Physische und biologische Charakteristik des Gewässers. Wie die eben behandelten Torfteiche von Neuhofen liegen auch die jetzt zu besprechenden Lehmgruben westlich von Ludwigshafen in dem Bette eines ehemaligen Altwassers des Rheins, dessen lettiger Untergrund seit etwa 3 Decennien von einigen Ziegeleien in großem Umfange abgebaut wird. Durch das Ausschachten der Erde ist ein Komplex von größeren und kleineren Teichen entstanden, welche je nach der Zeit, wo sie entstanden, alle Übergänge von vegetations- losen Becken mit nacktem Boden und Ufer bis zu dicht verrohrten Tümpeln mit klarem Wasser und reichem Pflanzenwuchs zeigen. 576 R. Lauterborn: [48 Meine Planktonfänge erstreckten sich vorherrschend auf den größten dieser Teiche, dessen Ränder mit Phragmites, Scirpus, Sparaganium, Ranunculus lingua, Alisma plantago bewachsen sind, während im Wasser zahlreiche Büsche von Utrieularia vul- garıs, Batrachium divarıcatum, Hottonia palustris, Potamageton lucens sowie Nymphaca und Nuphar das freie Wasser mehr und mehr einengen. Das Plankton ist sehr reich an Arten und Individuen, besonders hinsichtlich der Flagellaten und Rotatorien: in der kälteren Jahreszeit ist Dinobryon, Synura» Uroglena, in der wärmeren Ceratium hirundinella zur Massenentwickelung geneigt. b) Jährlicher Varıiationsgang von Anuraea cochlearis. Auch in diesen Lehmgruben findet sich Anuraea cochlearis das ganze Jahr nur als Var. robusta vor. Die Variationskurven der Panzerdimensionen zeigen einen unregelmäßigen von der Jahres- zeit ganz unabhängigen Verlauf, analog dem aus dem Teiche bei Maudach und den Torfgruben bei Neuhofen. Eine vergleichende (regenüberstellung der folgenden Tabellen und Kurventafeln wird dies ohne weiteres darthun. Tabelle XXI. Monatliche Mittelwerte der Dimensionen des Panzers von Anuraea cochlearis in Lehmgruben bei Ludwigs- hafen a. Rh. Zahl der gemessenen Individuen 300 (25 pro Monat). Alle Größen in u. “ e hi | Länge Länge Länge | Monat des mittleren | des eigent- des Gesamtlänge | Breite Vorderdorns lichen Panzers Hinterdorns | Januar 36 118 26 216 68 Februar 35 116 52 23 | © März 36 116 52 204 66 April 38 98 62 98 | 64 Mai 46 116 in. a8 Juni 43 109 EL IOE -] jr Juli 48 117 78 | 243 49] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis 577 | Länge Länge | Länge Monat des mittleren | des eigent- des Gesamtlänge | Breite | Vorderdorns lichen Panzers Hinterdorns August | 44 112 75 931 70 September | 46 Dee 0. 208 72 Oktober | 44 121 | 77 | 242 73 November | 97 | 103 | 48 | 188 | 65 Dezember | 33 121 | 56 215 | 70 Tabelle XXII der monatlichen Maximal- und Minimalgrößen des Panzers von Anuraea cochlearis in Lehmgruben bei Ludwigs- hafen a. Rh. Alle Größen in «. E ie Sarnen © 3 = = | S 5 Me Größte | = 3 = 3 Me Monat = = ee | SE und klein- Länge des en S = © a rößten | SIERT 5 | © 2 | sten Indi- en GR: | ER: Hinter. IROES ja Be viduums ge EH | SM dorns IBuRE SArTER FEB — — — ee — — — — — — == _ _ — Januar | 248 | 216 | 160 s8 83 ee || 49 Februar 22 | 208 161 | 81 67 52 #38, I 20 | März | 257 | 204 | 178 79 72 sa U s2 ke © 40 April 361 | 198 | 158 103 5 62 | 88 47 Mai || 2318| 12 | ZN ae mi alle 5 | ja» 56 „Hi elle ı = 90 73 bes 27 | | August | 22|3|15 1m 97 5 | 4 56 | | September | 262 | 244 | 202 60 94 elle ar 40 Oktober | 26 2 8 | 8 ım | a| 8 Novendr | u | 5 | 5 | a I sa|le2| a | | Dezember | 233 | 25 | 81 | & 81,2 | WB a Verhandl. d. Heidelb. Naturhist -Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 40 [50 BR EN BB Fersen BEE ir ee a | eerre ann ss Ce. Der x Free E Ba nn 2 End ee ae 5 a Te E — ei . ee - BER za ers ee | zrue BR [er 08) I u a Re 2) ee ee I- =. NN A | BE a a a aa ad Ta) he | Kurventafel 14: Kurventafel 15: Kurven der monatlichen Mittelwerte der Dimensionen des Panzers Kurven der monatlichen Maximal-, Minimal- und Mittelwerte der von Anuraea cochlearis in Lehmgruben bei Ludwigshafen a. Rh. Dimensionen des Panzers von Anuraea cochlearis in Lehmgruben m L = Gesamtlänge; P = Länge des eigentlichen Panzers; Hd = Länge bau Tu wanhBEE, des Hinterdorns; Vd — Länge der medianen Vorderdornen. Ma — Maximalgröße ; M = Mittelwert; M = Minimalgröße des Panzers; ma=—Maximalgröße; m = Mittelwert; mi=Min.-Größe d. Hinterdorns. 51] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 573 Gyklische Variation von Anuraea eochlearis in anderen Gewässern des Oberrheingebietes. Obwohl die auf den vorhergehenden Seiten eingehender be- handelten 7 Gewässer in Bezug auf Größe, Tiefe, Bodengestaltung, Vegetation etc. unter sich mannigfache Unterschiede aufweisen, so besitzen sie doch alle das Gemeinsame, daß sie durchweg auf einen relativ kleinen Flächenraum der Pfälzer Rheinebene zusammen- gedrängt liegen‘. Um nun festzustellen, inwieweit die hier ge- wonnenen Resultate eine allgemeinere Bedeutung beanspruchen können, ergab sich die Notwendigkeit, eine heihe weiterer Gewässer mit an- deren Existenzbedingungen auf die Variationen von Anuraea coch- learis zu prüfen. Dazu bot zunächst ein sehr reiches Material an konserviertem Plankton, das ich seit 1891 ım Gebiete des Oberrheins gesammelt hatte, mannigfache Gelegenheit; in der Rheinpfalz war es mir durch die von seiten der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften zu teil gewordene liberale Unterstützung meiner faunistischen Studien ermöglicht, eine Anzahl von Gewässern des Pfälzerwaldes zu verschie- denen Jahreszeiten zu besuchen, wodurch auch der Einblick in den jähr- lichen Variationsgang von Anuraea cochlearis nach mancher Richtung hin vertieft werden konnte. In folgendem gebe ich einen summarischen Überblick über die gewonnenen Resultate, wobei ich mich überall da, wo es sich nicht um einigermaßen kontinuierliche, sich über mehrere Monate er- streckende Beobachtungen, sondern mehr um Stichproben handelt, möglichst kurz fassen werde. VIII. Lauf des Oberrheins. Auf der ganzen Strecke des deutschen Oberrheins von Istein (bei Basel) bis in die Gegend von Mainz hin war in allen von mir untersuchten Altwassern und Strombuchten Anuraea cochlearis durch die Glieder der Tecta-, Hispida- und Irregularis-Reihe vertreten. Das zeitliche Vorkommen der einzelnen Formen zeigte, soweit Beobachtungen aus verschiedenen Monaten vorliegen, überall dieselbe Abhängigkeit von bestimmten Jahreszeiten, wie wir sie im Altrhein bei Neuhofen etc. konstatieren konnten ?). 1) Die beiden am weitesten von einander entfernten Gewässer — der Alt- rhein bei Roxheim und die Torfgruben von Neuhofen — liegen in der Luft- linie nur etwa 20 km auseinander. 2) Auch im Rhein in Holland fand ich Juli 1901 irregularis, his- pida, tecta sehr zahlreich, auch in den verschmutzten Grachten der Städte,- woselbst sogar Attheya häufig vorkam! 40* 580 R. Lauterkorn: [52 IX. Bodensee'!). Da selbst die größten Gewässer meines speziellen Untersuchungs- gebietes, die Altrheine von Neuhofen und Roxheim, ın physischer und biologischer Hinsicht kaum etwas anderes sind als große Teiche, war es mir von besonderem Interesse, auch einmal die Formen von Anuraea cochlearis kennen zu lernen, welche in einem tiefen Binnensee zur Ausprägung gelangen. Zu derartigen Studien schien mir kein Gewässer geeigneter als der Bodensee, zumal derselbe ja vom Rhein durchströmt wird, so daß direkte Vergleichungen der „Seeformen“ von Anuraea cochlearis mit jenen der Altwasser des Stromes ermöglicht wurden. Gleich bei meinen ersten Untersuchungen im Jahre 1899 zeigte es sich, daß es nötig ist, das Plankton des Obersees und des Unter- sees gesondert zu betrachten. Denn obgleich beide (Gewässer bei Konstanz in direkter Verbindung miteinander stehen und der Rhein fortwährend große Wassermassen mit den in ihnen schwebenden Organismen aus dem Obersee in den Untersee führt, weist doch das Plankton beider Becken beträchtliche Verschiedenheiten in Bezug auf Masse und Zusammensetzung, ja selbst in der Ausprägung besonderer Varietäten bei gemeinsamen Arten auf. In dem weithin sich dehnenden bis 252 m tiefen Obersee ist das Plankton quantitativ viel geringer als in dem kleinen seichteren Untersee?). Charakteristisch für den Obersee ist die Massenent- wickelung gewisser Diatomeen, speziell von Angehörigen der Gattung Cyclotella (C. bodanica, Ü. socialis Schütt). Von Protozoen ist Ceratium hirundinella hervorzuheben, welches hier in einer auffallend plumpen breiten Form mit kurzen Hörnern zur Ausbildung gelangt. Von Rotatorien fand ich außer den drei schon von Hofer erwähnten Arten Notholca longispina, Asplanchna priodonta und Conochilus Volvox (wohl unicornis Rousselet!), im Sommer noch Floscularia spee., Synchaeta pectinata, S. tremula, Polyarthra platyptera, Gastroschiza flexilis, Anapus !) Über die allgemeinen biolologischen Verhältnisse vergleiche: Schröder und Kirchner: Die Vegetation des Bodensees, Lindau 1896—1902. — Hofer: Die Verbreitung der Tierwelt im Bodensee, Lindau 1896. 2) Ich spreche hier in erster Linie von dem „Mikroplankton“, den Algen, Diatomeen, Protozoen und Rotatorien. Zum Fange der größeren Crustaceen (Heterocope, Leptodora, Bythotrephes) war mein sehr engmaschiges Planktonnetz wenig geeignet; dafür erbeutete ich aber auch mit ihm eine ganze Anzahl kleiner Planktonorganismen, die Hofer wegen Anwendung eines viel weit- maschigeren Netzes (Müllergaze Nr. 12!) entgehen mußten. 53] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. Hal ovalis sowie Anuraea cochlearis. Dieses „Oberseeplankton“ mit seinen charakteristischen Formen, vor allem den UÜyclotellen und Ceratium läßt sich ziemlich rein und ungemischt bis ungefähr in die Gegend von Ermatingen verfolgen, von wo ab die Charakterformen des Untersees immer mehr zu dominieren beginnen. Im Untersee (besonders in dem „(rnadensee“ genannten Teil) fehlen die obengenannten Cyclotellen, von einzelnen eingeschwemm- ten Exemplaren abgesehen, fast völlig; dagegen treten Asterionella und Fragilarıa Urotonensis hier häufig auf. Von Protozoen entwickelt sich Dinobryon derart massenhaft, daß man von einem förmlichen „Dinobryon-Plankton* sprechen kann. Sehr zahlreich findet sich auch Ceratium hirundinella, aber in einer ganz anderen Form als im Obersee: schmal, schlank, mit langen Hörnern, die hinten in der Dreizahl ausgebildet sind. Auftallend häufig war in sämtlichen Planktonproben auch Stentor vertreten. Von den Rotatorien tritt zu den für den Übersee genannten noch Hudsonella pieta und Rattulus bicornis hinzu. Als bewerkenswertes Resultat meiner Untersuchungen ergab sich, daß das Plankton des Untersees in seinen charakteristi- schen Zügen weit mehr demjenigen der Strombuchten und Altwasser des Rheines als demjenigen des Obersees gleicht. Wenden wir uns nach dieser flüchtigen biologischen Orientierung nun zu unserem speziellen Gegenstande, zu Anuraea cochlearis. Wie bei Ceratium differieren auch hier die Formen des Untersees von denjenigen des Obersees. Eine etwas genauere Verfolgung des jährlichen Variationsganges der Art ist mir durch die Freundlichkeit des Herrn cand. zool. R. Löser ermöglicht worden). So lückenhaft die Beobachtungen an und für sich auch noch sind, dürften sie doch genügen, um einen ungefähren Überblick und einen Vergleich mit den genauer untersuchten Altwassern des Oberrheins zu gestatten. Variationsgang von Anuraea eochlearis im Bodensee. März. A. Obersee. Sehr einzeln. Dimensionen: 36 — 126 + 68 = 230 u?). Ziemlich langdornige Formen ohne Bewehrung des Panzers. B. Untersee. Fehlend. 1) Herr Lehramtspraktikant R. Löser hat sich auf meine Bitte hin der Mühe unterzegen in den Monaten März— April, September —Oktober eine größere Anzahl Planktonfänge im Obersee und Untersee zu machen. Ich benutze die Gelegenheit um ihm auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank abzustatten. 2) Vorderdorn + Panzerlänge + Hinterdorn = Gesamtlänge. 582 i R. Lauterborn: [54 EAN April. A. Obersee. Sehr einzeln. Dimensionen: 35 + 121 +62 = 218 u. Sonst wie März. B. Untersee. Sehr einzeln. Dimensionen: 36 + 144 + 110 = 290 u. Typische macracantha. Juni. A. Obersee. Einzeln. Dimensionen: 31 + 123 + 60 = 214 u. Hinterdorn mittelgroß, typische Anuraea coch- learis. B. Untersee. Einzeln. Dimensionen: 34 + 106 + 73 —=213 u. September. A. Öbersee. Ziemlich häufig. Dimensionen: 35 + 112 +41 = 188 z. Typische und kurzdornige Formen; Hinter- dorn meist gerade nach hinten gestreckt. Einzelne punktierte Exemplare. A. Untersee. Nicht selten. Dimensionen: 39 + 122 +80 = 241 u. Hinterdorn ziemlich lang, auf- oder abwärts gebogen. Einzelne Hispida (Fig. 11 u. 12 meiner Tafel). Einzelne Exemplare mit geknickter Carina. Oktober. A. Obersee. Nicht selten. Dimensionen: 33 + 114 +46 = 1% u. Typische und AEdPENEN, Formen (Fig. 3-—5 meiner Tafel). B. Untersee. Einzeln. Dimensionen: 41 + 116 + 87 = 244 u. Ziemlich langdornig; einige Irregularis mit langem Hinterdorn und rhombischer oder sechseckiger accessorischer Platte; auch Übergänge dazu. Es wäre noch verfrüht, aus diesen wenigen Monaten schon weitergehende Schlüsse zu ziehen; ich hoffe dies aber später nach- holen zu können. Einiges läßt sich indessen schon jetzt mit Sicher- heit konstatieren. So ergiebt sich aus dem oben Mitgeteilten bereits zur Genüge, daß der Variationsgang von Anuraea cochlearis im Übersee und im Untersee ganz verschieden verläuft. In ersterem sehen wir nur die Tecta-Reihe vertreten, typische und im Sommer kurzdornige Formen überwiegen, im Gegensatz zum Untersee, wo langdornige Formen vorherrschen und auch Vertreter der Hispida- 1) Die Zahlen bedeuten: Länge der mittleren Vorderdornen + Länge des eigentlichen Panzers + Länge des Hinterdorns — Gesamtlänge. Sie stellen die Mittelwerte von je 5—10 gemessenen Individuen dar. 55] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis, 533 und Irregularis-Reihe zur Beobachtung ‘gelangen. Es ist somit kaum allgemein gültig, wenn Wesenberg-Lund (1900 pag. 652) be- hauptet, daß die Dornen bei Anuraeen der großen Seen immer länger seien, als diejenigen der kleineren Seen und Teiche; der Bodensee zeigt im Obersee und Untersee gerade das umgekehrte Ver- halten !!). X. Seen des Schwarzwaldes. Meine im September 1898 und 1899 vorgenommene Unter- suchung des Herrenwieser Sees, Mummelsees, Titisees und Feldsees ergab in dem sehr armen Mikroplankton dieser Gewässer nirgends die Anwesenheit von Anuraea cochlearis für den ge- nannten Monat. Im Feldsee war Notholca longispina (in Ge- sellschaft von Holopedium gibberum) sehr häufig. Dagegen fand ich Anuraea cochlearis in einem besonders an Dinobryon sehr reichen Planktonmateriale, das mein Freund Prof. F. Förster am 27. April 1895 ın dem von Scheftel verherrlichten Bergsee bei Säckingen gefischt hatte. Anuraea cochlearis war hier in (Gestalt der Var. macracantha forma punctata mit aufwärts gebogenem Hinterdorn vertreten (Dimensionen: 38 -- 144 4 100 — 252 u. breite vorn 74 u). Der Panzer war ziemlich dünn, durch- sichtig, auf der Ventralplatte in deren ganzer Ausdehnung mit zer- streuten stempelförmigen Höckern versehen. XI. Seen der Vogesen. Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Professor Dr. Döderlern war es mir vergönnt, eine Anzahl Planktonfänge aus dem 1055 m hoch gelegenen bis 62 mtiefen Weißen Seein den Hochvogesen untersuchen zu können. Das Material stammte aus den Monaten Juli, August und November und war an Arten und Individuen ziemlich reich, jedenfalls reicher als vergleichsweise dasjenige des Feldsees. Es ent- hielt im Juli Asterionella, Botryococcus, an Rotatorien 1) Ähnliches gilt für Anuraea aculeata. Hier findet sich bei Sniezek (1895 p- 605) die Angabe, daß Wierzejsky (1893) in seiner polnisch geschriebenen Arbeit die Überzeugung gewonnen zu haben glaubt, es hätten sich die Formen von An- uraea aculeata mit verhältnismäßig langen Stacheln an tiefe, solche mit kurzen Stacheln an seichtere Gewässer angepaßt — aber diese Behauptung darf keines- wegs verallgemeinert werden. Ich habe beispielsweise gerade die Formen von Anuraea aculeata mit ganz extrem langen und divergierenden Hinterdornen in einer ganz seichten pflanzenbewachsenen Lehmgrube gefangen! 584 R. Lauterborn: [56 Conochilus unicornis Rousselet, Floscularia (pelagica Rous- selet?)!), Polyarthra platyptera Ehrb., Gastroschiza fle- xilis Jägersk,, Notholca longispina Kell, Anuraea coch- learis Gosse; von Urustaceen Holopedium und Bosmina. Die Exemplare von Anuraea cochlearis gehörten alle der Tecta-Reihe an und zeigten in den verschiedenen Monaten ein ziemlich übereinstimmendes Äußere: kräftige Formen mit kurzen ge- raden Vorderdornen und langem Hinterdorn; Carina in der Gegend des Kreuzungspunktes der vier Carinalia mehr oder weniger verzogen. Bei einigen Exemplaren war der Panzer zerstreut punktiert. Dimensionen: Größtes Exemplar: 36 + 126 + 106 — 268 u. Kleinstes Exemplar: 36 +1253 + 33 = 242 u. Mittel: 3641254 91= 252 u. XI. Gewässer des Pfälzerwaldes. Eigentliche Seen besitzt der Pfälzerwald nicht; dagegen eine Anzahl größerer Teiche, von denen zwei der ansehnlichsten, der Vogelwoog und der Hohenecker Weiher von mir genauer untersucht worden sind. Beide können als Typus von Gebirgsweihern, die mit Torfmooren in Verbindung stehen, betrachtet werden. a) Vogelwoog. Dieser Teich liegt etwa 230 m ü. d. M., nahe der Stadt Kaiserslautern in einem Waldthale. Er besitzt eine Länge von etwa 0,5 km und eine Breite von etwa 0,2 km. Der Boden ist mehr oder weniger sandig; die größte Tiefe beträgt nicht viel über 2 m, ist aber meist viel geringer. (Gespeist wird der Teich von einem kleinen Bache sowie von einer Anzahl Quellen. Die Vegetation ist nur mäßig entwickelt, etwas Schilf, Binsen und Equisetum, von Schwimmpflanzen Nymphaea alba und Potamogeton natans. Nach oben geht der Teich in ein von Kiefern bedecktes Sphagnum-Moor über. Das Plankton ist als reich zu bezeichnen. Charakteristisch ist die Massenentwickelung einer Diatomee, der Melosira; auch Rhızosolenia longiseta Zach. ist zeitweise nicht selten. Von Protozoen, speziell Flagellaten tritt Dinobryon divergens Imh. und D. stipitatum elongatum Stein-Imhof, in den wärmeren Monaten 1) Die sichere Artbestimmung war bei dem starkkontrahierten konservierten Materiale nicht möglich. 57] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 585 auch die schöne Chrysosphaerella longispina Lauterb. auf. Rotatorien sind sehr zahlreich, auch an Individuen: neben den perennierenden Ubiquisten Uonochilus unicornis houss., As- planchna priodonta Gosse, Synchaeta pectinata Ehrh., Anuraea cochlearis Gosse, A. aculeata Ehrb. etc. auch die wärmeliebenden Floscularia pelagica Rouss., Polyarthra platypteraeuryptera Wierz.,, Mastigocerca capucina Wierz. et Zach., Mast. setifera Lauterb., Rattulus bicornis Western, Pedalion mirum Huds., Gastroschiza flexilis Jägerskiöld. Die Crustaceen sind durch Bosmina longirostris cornuta, Dia- phanosoma brachyurum Liev., Ceriodaphnia laticaudata P. E. M. und Diaptomus gracilis vertreten '). Anuraea cochlearis fehlt in diesem (sewässer in keinem Monate des Jahres und zeigt einen ausgeprägten jährlichen Variations- gang, der sich am meisten demjenigen ihrer Artgenossen in den Alt- wassern des Rheines nähert. Cyklische Variation von Anuraea eochlearis im Vogelwoog bei Kaiserslautern. April. Ziemlich häufig. Typische, ziemlich langdornige Exemplare der Tecta-Reihe. Dimensionen: 35 + 126482 = 245 u. Bei einigen Exemplaren die Carina am Kreuzungspunkt der vier Uarinalia verzogen. Juni. Sehr häufig. Kleine Exemplare mit kurzen hinteren aber relativ langen Vorderdornen (f. micracantha). Dimensionen: 53 + 90+25=148 u. Hispida massenhaft. Julı. Sehr häufig; die kleinen Exemplare oft punktiert. Hispıida häufigstes Rädertier; Hinterdorn sehr kurz und dünn. !) Zur weiteren Charakteristik des Gewässers sei noch beigefügt , daß im Schlamm des 'leiches sowie in Moortümpeln der Umgebung, die wohl als Glazial- relikt zu betrachtende Cladocere Drepanothrix dentata Huren sowie Streblocerus serricaudatus vorkommen. Von Rhizopoden ist Pauli- nella chromatophora Lauterb. nicht selten. Auch die Bakterien sind durch eine sehr interessante Form vertreten, nämlich durch einen Vertreter der Gattung Spirobacillus, deren einzige bisher bekannte Art (Sp. gigas) von Certes aus getrocknetem Schlamm der Umgebung von Aden, Obok und Djibuti (Arabien und Afrika!), gezüchtet worden war. 586 R. Lauterborn: [58 August. Wie Juli, Hispida weniger häufig. September. Micracantha und Hispida nicht selten, daneben typische Exemplare. Oktober. Micracantha nicht mehr beobachtet: von Hispida nur mehr die Anfangsglieder der Reihe (Fig. 11 und seltener Fig. 12 meiner Tafel) beobachtet. November. Einzelne typische Exemplare, daneben macracantha mit den Dimensionen: 40 + 113 + 9 =243 u. b) Hohenecker Weiher. Auch dieser Teich liegt in der Umgebung von Kaiserslautern, 280 m über dem Meere und in der Luftlinie etwa 7 km von der genannten Stadt entfernt. Die Länge beträgt etwa 0,7 km, die größte Breite 0,5 km. Von der bedeutenderen Größe und Tiefe ab- gesehen, zeigt dieser Teich in Bezug auf die Existenzbedingungen der Tier- und Pflanzenwelt eine große Übereinstimmung mit dem vorher- gehenden, was sich auch in der ähnlichen Zusammensetzung des Planktons ausspricht; nur die oben aufgeführten wärmeliebenden Rotatorien treten zurück. Besonders charakteristisch für dieses Ge- wässer ist die geradezu enorme Entwickelung von Rhizosolenia longiseta Zach., wie ich sie sonst noch niemals gesehen habe: in den Monaten November und Dezember fand ich die überaus zarten Kieselpanzer dieser Diatomee derart häufig im freien Wasser, daß man fast von einem „monotonen Rhizosolenia-Plankton“ sprechen könnte, so sehr traten alle übrigen Planktonorganismen dagegen numerisch in den Hintergrund. Cyklische Variation von Anuraea cochlearis in dem Hohenecker Weiher bei Kaiserslautern. Mai. Recht häufig. Nur die Tecta-Reihe vertreten durch zahlreiche Exemplare von Macracantha. Dimensionen: 37 +12 +% = 239 u. Juni. Häufig. VieleMacracantha mit einer Durchschnittsdimension 59] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 587 von 38—+ 115 + 95 = 248 u. Daneben Übergänge zu Hispida und einzelne völlig ausgebildete Exemplare der letzteren. August. Einzelne Macracantha; viele Anfangsglieder der Hispida- Reihe (Fig. 11 u. 12 meiner Tafel). Dimensionen: 36 + 11467 = 217 u. Oktober. Macracantha häufig; Dimensionen: 35 + 122 + 85 — 242 u. Hispida einzeln; Übergänge dazu häufiger. November. Macracantha häufig, sehr langdornig, kräftig. Dimensionen: 36-126 109271. Keine Hispida. Das Auffallende an diesem Gewässer ist das Vorkommen von Macracantha auch im Sommer, im Gegensatz zu den Gewässern der Rheinebene, wo wir diese Form nur in der kälteren Jahreszeit antrafen. Da wir ein ähnliches Verhalten auch im Weißen See der Vogesen konstatieren konnten, ist wohl der Schluß gerechtfertigt, daß Macracantha eine Form des kalten Wassers ist, welche die ihr zusagenden Existenzbedingungen ın den Gewässern der Ebene nur im Winter, in den kühleren Gebirgsgewässern dagegen auch im Sommer zu finden vermag. Hispida zeigt einen ähnlichen Entwickelungs- gang wie in den Altwassern des Rheins, Irregularis dagegen fehlt hier und anderwärts (Obersee des Bodensees, Vogesenseen etc.) völlig; sie scheint am strengsten auf die warmen seichten Gewässer be- schränkt. Vergleichende Betrachtungen über die eyklische Variation von Anuraea cochlearis. Nach all den Einzelschilderungen der vorhergehenden Seiten mit ihren langen Zahlenreihen, Tabellen und Kurventafeln, erwächst nun die Aufgabe, die Beobachtungsergebnisse der einzelnen Gewässer miteinander zu vergleichen, um zuzusehen, welche allgemeinen Ge- setze sich aus der Fülle des empirischen Materiales herauslesen lassen. Ich werde mich hierbei fast ausschließlich auf jene sieben Gewässer beschränken, über welche Beobachtungen aus allen Monaten des Jahres vorliegen, da nur solche einen Einblick in die uns speziell interessierenden Fragen zu gewähren vermögen. R. Lauterborn: [60 (bit [6,0 \0 0) Wenn wir die sieben Gewässer überblicken, so sehen wir ohne weiteres, daß sich dieselben nach dem Variationsgang von Anuraea cochlearis in zwei Gruppen scheiden lassen: I. In der ersten Gruppe (Altrhein bei Neuhofen, Altrhein bei Roxheim, Rheinbuchten bei Altrip, Teich bei Bobenheim) ist die Variation eine gesetzmäßige, insofern, als die Größe der In- dividuen der Gesamtart eine Abhängigkeit von der Temperatur er- kennen läßt, wobei die größten Exemplare der kälteren, die kleinsten der wärmeren Jahreszeit zukommen. In der zweiten Gruppe (Teich beiMaudach, Torfteich bei Neuhofen, Lehmgruben bei Ludwigs- hafen) fehlt eine solche Abhängigkeit von der Temperatur und die (Größenvariation ist eine unregelmäßige, von der ‚Jahreszeit un- abhängige. II. In den Gewässern der ersten Gruppe treten mit Beginn der wärmeren Jahreszeit nebeneinander die Tecta-, Hispida- und Irre- gularis-Reihen auf, deren Endglieder typische „Sommerformen“ dar- stellen. In den (rewässern der zweiten Gruppe fehlen diese Variations- reihen so gut wie völlig; sie werden durch die Var. robusta ersetzt. Es schließen sich also, wie es den Anschein hat, Tecta, Hispida, Irregularis einerseits und Robusta andererseits, gegenseitig aus. Nach diesen Befunden liegt es nahe zu untersuchen, ob diese auffallende Verschiedenheit des jährlichen Variationsganges ein und derselben Tierart sowie das gegenseitige Sichausschließen bestimmter Varietäten dieser Tierart nicht auch mit einer physischen und bio- logischen Verschiedenheit der bewohnten Gewässer Hand in Hand geht, an welche dann vielleicht eine Ergründung der Ursache dieser verschiedenen Art der Variation anknüpfen könnte. Denn daß es äußere Bedingungen sind, welche die jeweilige morphologische Aus- gestaltung des Panzers sowie den Variationsgang von A. cochlearis beherrschen, scheint mir daraus hervorzugehen, daß trotz der Leichtig- keit, mit welcher die Rädertiere überhaupt verschleppt werden!) — wodurch also sicher auch fort und fort Dauereier von A. cochlearis aus (ewässern der ersten Gruppe in solche der zweiten (sruppe ge- langen und umgekehrt — dennoch in den Robusta-Gewässern nach meinen langjährigen Beobachtungen niemals eine Hispida oder Irre- gularis zur Entwickelung gelangt. Wir können somit die Frage 1) Diese leichte Verschleppbarkeit ergiebt sich einmal aus der weiten Ver- breitung des Rädertieres in den verschiedensten Gewässern, sodann aus dem Umstand, daß A. cochlearis mit zu jenen Tieren gehört, welche neu angelegte Wasserbecken (Lehmgruben etc.) zuerst zu bevölkern pflegen. 61] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 589 auch folgendermaßen formulieren: Haben die Gewässer der ersten Gruppe unter sich irgend welche gemeinsame Züge, welche dieselben derart scharf von denen der zweiten Gruppe unterscheiden, daß ıhnen eventuell ein Einfluß auf die Ausprägung bestimmter Variationen von Anuraea cochlearis zuerkannt werden dürfte ? Solche Verschiedenheiten lassen sich nun in der That einige anführen. So sind die Gewässer der ersten Gruppe natürliche, d.h. schon vor langer Zeit ohne Zuthun des Menschen entstandene Gewässer, von ziemlicher Tiefe, aber doch mit seichten Ufern, alle mit freien Wasserflächen, ohne bedeutendere Unterbrechungen durch flutende Wasserpflanzen. Die Gewässer der zweiten Gruppe sind künstlich angelegte, nicht sehr tiefe Gewässer jüngeren Datums, entstanden durch Ausschachtungen des Bodens (Torf- oder Lehmgruben), und darum auch alle von relativ bescheidenem Umfang und mit steil abfallenden Uferwänden, deren freie Wasserflächen von Jahr zu Jahr mehr durch wuchernde Wasserpflanzen eingeengt werden. Ob nun überall, wo diese Gegensätze ın der Entstehung und Beschaffenheit der Wasserbecken zu beobachten sind, auch überall entsprechend verschiedene Formen von Anuraea cochlearis auf- treten, muß ferneren Untersuchungen in anderen Gebieten nachzuweisen überlassen bleiben. Aber aufgefallen ist es mir doch, daß in ca. hundert Teichen, — die ich untersuchte, ich niemals eine einzige Hispida und Irregularıs und nur sehr selten eine Tecta in Teichen fand, welche mit Potamogeton, Myriophyllum, Ceratophyllum, Nymphaea, Nuphar und ähnlichen Pflanzen dicht bewachsen waren, während in solchen Gewässern, auch wenn sie ganz klein und seicht sind, Robusta oft in bedeutender Anzahl auftritt '!). Wir wenden uns nun zu einer speziellen Betrachtung derjenigen Gewässer, in welchen A. cochlearis durch die Tecta-, Hispida- und Irregularis-Reihen vertreten ist. Hier trat uns schon früher wiederholt der bestimmende Einfluß vor Augen, den der jährliche Gang der Temperatur auf die Größe des Panzers der (esamtart aus- übt. Wir dürfen darum auch eine Korrelation zwischen der jährlichen 1) Ist dieses Verhalten allgemein, so muß man erwarten, daß mit der zu- nehmenden Verlandung eines Gewässers durch Vorschreiten der Vegetation nach der freien Wasserfläche hin, auch der ursprünglich etwa vorhandene Bestand von Anuraea cochlearis hispida und irregularis allmählich durch Anuraea cochlearis robusta verdrängt wird. Ich habe in der T'hat Beobach- tungen gemacht, die für eine derartige „Faunenwandlung* sprechen. 590 R. Lauterborn: [62 Variationskurve der Größe des Panzers und der jährlichen Temperatur- kurve erwarten. Diese Korrelation tritt in der folgenden Tabelle deutlich zu Tage. Hier sind einmal die monatlichen Mittelwerte der Panzer- orößen der vier Gewässer der ersten Gruppe nebeneinander zusammen- gestellt und außerdem sind die entsprechenden monatlichen Mittel- temperaturen des Altrheins Neuhofen beigefügt!). Überall macht sich bemerkbar, daß mit dem Steigen der Temperatur bis gegen den Juli— August hin die Größe des Panzers abnimmt, während sie von dem genannten Zeitpunkt ab dagegen proportional der sinkenden Tempe- ratur wieder zunimmt. Tabelle XXIII. Vergleichende Tabelle der mittleren Länge des Panzers in vier Gewässern sowie der monatlichen Mitteltemperatur des Wassers im Altrhein bei Neuhofen. Strombuchten A Be | ER | a Temperatur den Rhein Feldte ich Altı hein | Altrhein de AI Monat bei bei bei : oberhalb Lud-| i e ’ \bei Neuhofen | at Bobenheim Roxheim | Neuhofen | ° | wigshafen in C. | | | Januar —_ 214 168 | 223 3 Februar 217 217 170 228 2 März 214 201 174 216 9,9? April oo I 0 | a5 |. 1 Mai 229 172 1a | 189.7 7 Juni 166 166 117 132 | 20° Juli 165 | 78 7 Sr 23882 ı August 141 129 126 | 141 | 22,5 ° Sspemtr | 8 | 55 | 4 | 132 19° | | | Oktober 194 | 173 | 149 182 132 | | | November | 195 | 191 | 163 216 6° Dzmter | 208 | 4 | 18 222 4° !) Diese Mitteltemperaturen sind das Ergebnis eigener Messungen, die ich seit 1391 auf zahlreichen Exkursionen angestellt habe. Die Temperaturkurve des Altrheins bei Roxheim entspricht völlig derjenigen des Altrheins bei Neuhofen, 63] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 591 Noch schärfer läßt sich die Abhängigkeit der Panzergröße von der Temperatur in folgender Kurventafel zur Anschauung bringen, Hier sind neben der in kleinen X x dargestellten Temperaturkurve — in welcher die nebenstehenden Zahlen je !/ıo® C. darstellen, also 140 = 14° ©. — die Kurven der monatlichen Mittelwerte der Panzer- größe im Altrhein Neuhofen und Roxheim eingezeichnet, welche gerade entgegengesetzt der Temperaturkurve verlaufen. Um zu zeigen, wie wenig die Var. robusta durch den Gang der Temperatur be- einflußt wird, habe ich deren entsprechende Variationskurve aus dem Teiche bei Maudach zum Vergleich beigefügt. REN LERA DER Ba re u | eo Ha MEINES MON Kurventafel 16: Kurven der monatlichen Mittelwerte der Panzergröße im Altrhein Neuhofen, Roxheim, im Teich bei Maudach in ihren Beziehungen zur Kurve der Wassertemperatur im Altrhein Neuhofen. LN —= Panzerlänge im Altrhein Neuhofen, LR = Panzerlänge im Altrhein Roxheim, LM = Panzerlänge im Teich bei Maudach, HdN = Länge des Hinterdorns im Alt- rhein Neuhofen, HdR = Länge des Hinterdorns im Altrhein Roxheim, HdM = Länge des Hinterdorns im Teich bei Maudach, T = Temperaturkurve. r 592 R. Lauterborn: [64 Daß bei aller offenkundiger Korrelation zwischen Panzergröße und Temperatur da und dort sich kleine Differenzen bemerkbar machen, darf nicht Wunder nehmen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Material, aus welchem die aufeinander folgenden monatlichen Mittelwerte abgeleitet wurden, aus sehr verschiedenen Jahrgängen stammt. Einigermaßen auffallend und vielleicht nicht zufällig ist der Um- stand. daß die größten Durchschnittszahlen nicht mit dem kältesten Monat Januar zusammenfallen, sondern im Altrhein bei Neuhofen im Februar, im Altrhein bei Roxheim sogar erst im März—April zur Beobachtung gelangen. Sollte dies nicht vielleicht für einen nach- wirkenden Einfluß der Kälte sprechen, in welcher die Entwickelung des Rotatorieneies nur äußerst langsam sich vollzieht, so daß bei der dadurch bedingten geringen Zahl von Generationen auch etwaige Veränderungen in der Panzergröße sich nur langsam vererben? Be- merkenswert ist jedenfalls, daß die kleinsten Durchschnittszahlen der Panzergröße im Gegensatz hierzu genau mit dem wärmsten Monat zusammenfallen, wohl darum, weil in der Wärme die Entwickelung viel rascher vor sich geht, was wiederum zur Folge hat, daß die Zahl der Generationen in einem gegebenen Zeitraum eine größere ist, so daß die auftretenden Panzervariationen auch rascher in Er- scheinung treten !). Eine vergleichende Gegenüberstellung der verschiedenen Kurven- tafeln zeigt noch eine Erscheinung, die wohl eine besondere Erwäh- nung wert ist. Jedes Gewässer hat seinen eigenen charak- teristischen Größentypus, der unabhängig von der speziellen Art des Variierens im ganzen jährlichen Variationsgang festgehalten wird. Um sich davon zu überzeugen, genügt es schon, Kurventafeln 1) Nach Maupas, eitiert nach Nußbaum (1897 p. 240) entwickelt sich ein Ei von Hydatina senta, das bei 15° C. abgelegt wurde, erst in 69 Stunden zu einem zum Eierlegen reifen Weibchen, während ein bei 24° C. abgelegtes Ei schon nach 32 Stunden ein legereifes Weibchen ergiebt. Die Wintertemperaturen unser Altwasser liegen aber auch ein ganz beträchtliches unter 15° C., die Entwickelung dürfte also auch um ein ganz beträchtliches langsamer verlaufen als oben an- gegeben. Übrigens wäre auch noch in Betracht zu ziehen, daß im Winter, wo wenig Eier produziert werden, die Lebensdauer eines Weibchens wahrscheinlich eine längere sein dürfte, als im Sommer, wo ein Tier bei der lebhaften Eierproduk- tion eher „abgenützt* zu werden scheint. Es können also ganz gut im Winter Tiere, die einem kalten Monat entstammen, in einen weniger kalten mit herüber- genommen werden. Nach Maupas beträgt die Lebensdauer eines Hydatina- Weibehens im günstigsten Falle bei 18° C. Temperatur 13 Tage. 65) Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 593 anzusehen, in welcher die Jahreskurven der Größenvarıation von Anuraea cochlearis im Altrhen Neuhofen und Roxheim, sowie in dem Teiche bei Maudach nebeneinander eingetragen sind. Obwohl in den beiden erstgenannten Gewässern die Jahreskurven im wesentlichen gleichsinnig verlaufen, tritt doch hervor, daß die Anuraea cochlearis-Individuen im Altrhein Roxheim durch- gängig weit kleiner sind als ihre Artgenossen im Altrhein Neu- hofen. Dieses Kleinerbleiben erstreckt sich nicht nur auf die Durch- schnittsgröße, sondern kommt, von unerheblichen Differenzen abge- sehen, auch in den Maximal- und Minimalgerößen zum Ausdruck. Ganz ähnliche Verhältnisse zeigen unter einander auch die Gewässer, welche nur die var, robusta aufzuweisen haben. Ein Vergleich unserer Befunde im Altrhein Neuhofen und Roxheim gestattet weiterhin auszusprechen, daß die Größe und Tiefe eines gewässers ohne Einfluß ist auf die Größe des Panzers von Anuraea cochlearis. Denn obwohl das letzt- genannte Gewässer an Flächeninhalt das erstgenannte um ein be- deutendes übertrifft, sind dennoch die Anuraea cochlearis-Indi- viduen im Altrhein bei Roxheim in allen ihren Dimensionen kleiner als die im Altrhein bei Neuhofen. Und erscheinen nicht die Ent- glieder der tecta-heihe, wie sie in den seeartigen Altwassern zur Ausbildung gelangen, geradezu als „Zwergformen‘“, verglichen mit den riesigen Größendimensionen der robusta-Individuen in dem Teiche bei Maudach?!) — Das mir vorliegende reiche Material habe ich auch benutzt, um Galton’sche Kurven der Größe für zwei verschiedene Gewässer zu konstatieren. Zu diesem Zwecke wählte ich die 600 Individuen des Altrheins bei Neuhofen aus, welche der Tabelle III zu grunde liegen und als Gegenstück dazu die 300 Individuen aus dem Teiche bei Maudach. Um direkt vergleichbare Größen zu erhalten, wurde der Anteil der einzelnen Größenklassen in Prozenten dargestellt. Auf der folgenden Kurventafel 17 sind auf der Abscissenachse die einzelnen Größenklassen von 10 zu 10 u abgestuft aufgetragen, während die Ördinaten die jeweils entsprechenden Prozentzahlen des Anteils an der Gesamtsumme der gemessenen Individuen zur Anschau- ung bringen. Wie man sieht, zeigt die Kurve des Teiches bei Mau- dach (einfach) und die des Altrheins bei Neuhofen (gestrichelt) ein sehr verschiedenes Bild. Erstere ist zweigipfelig, aber mit einem 1) Vgl. auch die Befunde im Bodensee (S. 54). Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 41 594 R. Lauterborn: [66 derart starken Überwiegen des einen Gipfels (bei 190 «) daß der Ver- dacht rege wird, der zweite Gipfel bei 150 u werde bei reicherem Materiale völlig verschwinden und die Kurve somit eingipfelig werden. Bei der Kurve des Altrheins Neuhofen fehlt eine derartige Häufung der Individuen um einem Mittelwert völlig, die Kurve erstreckt sich über eine größere Anzahl von Größenklassen und ist viergipfelig. Der Grund der Verschiedenheit beider Kurven ist leicht einzusehen. In dem Teiche bei Maudach haben wir, wie früher eingehend ge- schildert wurde, einzig und allein die var. robusta als in sich ge- schlossene einheitliche Masse vertreten, während im Altrhein Neu- hofen nicht weniger als drei verschiedene Variationsreihen (tecta, hispida, irregularis) zur Ausbildung gelangen, von denen jede ihren eigenen Variationsgang hat. 250 So wo zo zo zo z00 10 180 mo wo no mo mo 120 mo ww» 80 Kurventafel 17. Galton’sche Kurven des prozentualen Anteils der einzelnen Größenklassen von Anuraea eochlearis an der Gesamtmasse der gemessenen Individuen. z Teich bei Maudach, ++ .--- -- Altrhein hei Neuhofen, 67] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 595 Gyklische Variation sowie Ausbildung von Variationsreihen bei anderen Rotatorien. Zur richtigen Würdigung der auf den vorausgehenden Seiten mitgeteilten Beobachtungen dürfte es nicht überflüssig erscheinen, auch einen Blick auf die Variabilität der anderen Rotatorien zu werfen. _ Um direkte Vergleiche wit Anuraea cochlearis zu er- möglichen, sollen dabei nur jene Arten berücksichtigt werden, die bei ihrem Variieren eine bestimmte Variationsrichtung aufweisen, so daß sıch bei ihnen Formenreihen konstatieren lassen, ferner jene Varia- tionen, welche in ihrem Auftreten an bestimmte Jahreszeiten ge- bunden sind. Die Ausbeute nach der letztgenannten Richtung hin ist momentan noch nicht sehr bedeutend, da bis jetzt außer meinen Mitteilungen aus dem Jahre 1898, in denen meines Wissens zuerst der Nachweis eines cyklischen Variierens bei Rotatorien erbracht wurde, eigentlich nur noch die Beobachtungen Wesenberg-Lund’s (1900) und ganz neuerdings die Vorgt's (1902)!) dazu kommen. Beginnen wir zunächst mit den illorikaten Rädertieren. Polyarthra platyptera Ehrb., gleich Anuraea coch- learis perennierend, tritt im Sommer (aber nicht in allen Gewässern und hier auch nicht in allen Individuen) in einer Varietät auf, welche sich von der typischen Form durch bedeutendere Größe, mehr recht- eckige Gestalt und viel breitere Flossen unterscheidet; es ist dies die var. euryptera Wierz. (latiremis Imhof?). Ich habe dieselbe schon 1898 als eine „Sommerform“ erklärt und auch Wesenberg-Lund (1900) gibt als Zeit ihres Vorkommens die Monate Mai - November an. Die Gattung Synchaeta soll nach Wesenberg-Lund ebenfalls cyklische Variation oder, wie der dänische Forscher sie nennt, Tem- poralvariation zeigen. Wesenberg-Lund erkennt im Süßwasser nur zwei Arten der Gattung Synchaeta an: 8. pectinata Ehrb. (mit einer neuen Form minor) und S. tremula Ehrb. Nur die erstere Art zeigt Temporalvariation, welche in folgenden Worten zusammen- gefaßt wird (l. c. pag. 610): 1) Die von Voigt 1902 in einer vorläufigen Mitteilung publizierten Beo- bachtungen über das zeitliche Vorkommen sowie über die Geschlechtsperioden der Rotatorien in den Plöner Gewässern lassen, obwohl es der Autor mit keinem Worte hervorhebt, bei den identischen Arten eine sehr bemerkenswerte Übereinstimmung mit meinen 1898 publizierten Beobachtungen über die eyklische Fortpflanzung der Rädertiere im Gebiete des Oberrheins erkennen, und dokumentieren so aufs neue, daß es sich hier keineswegs um lokale, sondern um allgemeine Erscheinungen handelt. 41* 596 R. Lauterborn: [68 „Von S. peetinata form. minor entwicklen sich im Früh- ling und im Laufe des Sommers teils Individuen, welche den Winter- formen gleichen, aber einen stabförmigen Anhang tragen (S. stylata Wierz.), teils die große, hyaline beinahe fußlose typische S. pecti- nata, welche unter besonderen Verhältnissen als S. grandis (Za- charias) endet.“ Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen. Nach meiner Überzeugung sind S. grandis und S. stylata vielmehr gute Arten, welche sich von S. pectinata mindestens ebensogut unter- scheiden, als S. tremula; beide sind aber ausgeprägte Sommer- formen, wie ich früher (1898) zeigte'). Unter den Angehörigen der Gattung Asplanchna zeigt Asp]. priodonta Gosse nach Wesenberg-Lund Temporalvariation. Dieselbe äußert sich darin, daß von der ersten Sexualperiode im Mai ab mit der fortschreitenden wärmeren Jahreszeit die Individuen immer größer werden; das Maximum wird im August— September erreicht. Nach der zweiten Sexualperiode finden sich nur kurze plumpe Formen, die auch im Winter gefunden werden. Auch Triarthra longiseta Ehrb. läßt nach den Beobachtungen Wesenberg-Lund's eine geringe Temporalvarıation erkennen, indem die Springborsten im Sommer länger sind als im Winter. Bei den eben geschilderten ungepanzerten mehr oder weniger flexilen Rotatorien tritt die Variation im wesentlichen als eine Zu- oder Abnahme der Körpergröße in Erscheinung. Anders bei den in einen starren Panzer eingeschlossenen Rotatorien, den Loricaten. Hier kommt noch hinzu, daß der Panzer sehr oft mit Fortsätzen in Ge- stalt von Hörnern, Dornen, Stacheln, Höckern ausgerüstet ist, die alle bedeutend zu Variationen neigen und je nach dem Grade ihrer Ausbildung — von einer ganz extremen Ausbildung an bis zum völligen Verschwinden — für sich allein schon im stande sind, das Gesamtbild des Tieres weit auffallender zu verändern, als es ein einfaches Plus oder Minus der Körpergröße vermag. Dies gilt ganz besonders für die Gattungen Brachionus und Anuraea; kein 1) In der genannten Arbeit ist S. grandis als „Synchaeta spec. (ähnlich Synchaeta grandis Zach.)“ aufgeführt, da meine Beobachtungen nicht mit der oberflächlichen und in einigen wichtigen Punkten direkt unrichtigen Ori- ginalschilderung Zacharias stimmen wollten. Erst durch Rousselet's sorgfältige Monographie der Gattung Synchaeta (1902) ist eine zutreffende Schilderung und Abbildung von S. grandis gegeben worden. — Übrigens sei beiläufig noch erwähnt, daß in dieser Monographie Rousselet im Gegensatz zu Wesenberg-Laund S. grandis und stylata als gute Arten auffaßt. 69] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 597 Wunder, daß darum auch gerade bei diesen auf Verschiedenheiten in der Ausbildung der Körperfortsätze verschiedene Arten gegründet wurden. Formenreihen, wie wir sie bei Anuraea cochlearis in der Macracantha- Typica- Tecta-Reihe antrafen, wo also die fort- schreitende Reduktion des hinteren Körperfortsatzes unter Ver- mittelung zahlreicher Zwischenglieder schließlich zu einer Endform führt, die des Körperfortsatzes völlig entbehrt und welche darum auch wegen ihrer Unähnlichkeit mit dem Ausgangspunkt leicht für eine besondere Art gehalten werden kann und auch meist gehalten worden ist, giebt es bei Rotatorien noch mehrere. Derartige Reihen, welche man vielleicht als „Reduktions-Formenreihen“* bezeichnen könnte, kenne ich außer von Anuraea cochlearis noch von Anu- raea aculeata,Ehrb., Brachionus bakeri Ehrh., Br. pala Ehrb., Notholca striataO.F.M.!). Wahrscheinlich dürfte noch Brachionus angularıs Gosse, B. polyacanthus Ehrb. und vielleicht auch noch Schizocerca diversicornis Daday anzufügen sein. Bemerkt sei aber hier ausdrücklich, daß die Formenreihen dieser Rädertiere bis jetzt nur morphologische Konstruktionen sind, da die einzelnen Glieder, welche die fortschreitende Reduktion der Körperfortsätze illustrieren, oft aus verschiedenen Gewässern stammen. Ein genetischer Zusammenhang der Reihen, eine Succession der einzelnen Formen, wie sie uns für Anuraea cochlearis macr- acantha — typica — tecta im Altrhein bei Neuhofen nachzuweisen gelang, ist noch bei keiner der oben genannten erwiesen und für die Mehrzahl derselben, wenn nicht für alle, scheint es mir fraglich, ob sich ein solcher überhaupt ergeben wird. Sehr lehrreich in Bezug auf Variabilität ist die weitverbreitete und vielgestaltige Anuraea aculeata Ehrb.?). Hier haben wir als Ausgangspunkt der Reihe, eine unserer An. cochlearis macr- acantha entsprechende Parallelform, bei der die beiden Hinterdornen 1) Man beachte, daß es bei sämtlichen hier genannten Arten die hinteren Fortsätze des Panzers sind, die bis zum völligen Schwunde reduziert werden können, während die vorderen sich zwar auch verkürzen aber niemals völlig schwinden. 2) Noch bei Hudson und Gosse (1886) sind die meisten der hier erwähnten Formen als besondere Arten aufgeführt. Wierzejsky (1893) zog schon fünf der- selben als Varietäten zu A. aculeata; E. F. Weber (1898) in seiner schönen Arbeit über die Rotatorienfauna des Genfersees führt nicht weniger als 14 „Arten“ als Synonyme von A. aculeata auf, wobei ich ihm (mit Ausnahme von „A. stipitata Ehrb. var. Wartmanni Asper und Heuscher“) völlig beistimme. 598 R. Lauterborn: [70 oder -hörner sehr stark ausgebildet sind, so stark, daß sie oft die Länge des eigentlichen Panzers übertreffen. Dadurch, daß diese Hinterhörner bald als direkte Verlängerungen des seitlichen Panzer- randes einander parallel (oder selbst etwas konvergierend) verlaufen, bald aber distal mehr oder weniger voneinander divergieren, kommen sehr wechselnde Bilder des Körperumrisses zu stande. Diese Divergenz kann im extremsten Falle so weit gehen, daß die beiden Hinterhörner, leicht geschwungen, fast einen rechten Winkel zum seitlichen Panzer- rand bilden: An. aculeata var. Platei Jägerskiöld (1894), welche die Ostsee bewohnt. Alle Übergänge verknüpfen diese so extrem ausgebildete Form mit der typischen An. aculeata Ehrb., deren Hinterdornen etwa ?/s—!/2 der Länge des Panzers erreichen; eine noch weiter gehende Reduktion der Hinterdornen führt zu An. brevi- spina Ehrb., welcher bei An. cochlearis unsere Forma micr- acantha entspricht. In manchen Fällen verläuft diese Reduktion ungleichmäßig, d. h. nur ein Dorn verkürzt sich oder verschwindet auch schließlich ganz, während der andere erhalten bleibt: An. valga Ehrb.?). Sind die Hinterdornen nur noch als ganz kurze Dornen oder auch nur noch als vorspringende Ecken des Panzers angedeutet, während die Vorderdornen ihre Länge bewahrt haben, und ist ferner die Oberfläche des Panzers durch perlenartige Höcker rauh, so haben wir Ehrenbergs An. serrulata vor uns, eine Form, die besonders für Tümpel der Sphagnum-Moore sehr charakteristisch ist. Auch 1) Voigt (Plöner Forschungsberichte 1902, S. 82—83) nennt diese Form var. divergens. 2) Ich habe 1898 darauf aufmerksam gemacht, daß die Mehrzahl der Weib- chen von An. aculeata, die ich in Dauereibildung begriffen sah, An. valga entsprachen. Bemerkenswert ist nun, daß auch Ehrenberg in seinem klassischen Werke seine An. valga mit Dauereiern abbildet, ohne natürlich die wahre Natur der letzten zu erkennen. Neuerdings (1900) hat u. a. auch K. Levander die Form wieder beobachtet und sagt von ihr (l. e. S. 105): „Diese Form muß ich für eine von A. aculeata Ehrbg. verschiedene Art halten, erstens weil die charak- teristische Form des Panzers ganz konstant ist, zweitens weil ich bei A. valga die Eier stets mit stacheliger Hülle gefunden habe, während ich solche Eier be- A. aculeata nie beobachtet habe.“ Dem wäre entgegen zu halten, daß die „charakteristische Form des Panzers“, d. h. die verschiedene Ausbildung der Hinterdornen durchaus nicht konstant ist, wie auch Weber (1900, 8. 704--705) angiebt, da alle Übergänge zu A. aculeata vorkommen, und weiter, daß die Eier mit „stacheliger Hülle“ eben nichts anders sind als die Dauereier von A. acu- leata, welche auf ihrer Oberfläche mit zahlreichen niederen gewundenen und sich kreuzenden Leisten versehen sind, die am Rande des Eies, im optischen Durch- schnitt gesehen, als „Stacheln“ in Erscheinung treten. 71] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 599 An. testudo Ehrb. dürfte hier ihren Platz in der Reihe finden, am besten wohl zwischen An. brevispina und An. serrulata. Einen völligen Schwund der Hinterdornen und einen glatten bogenförmig gerundeten Hinterrand des Panzers zeigt schließlich An. curvicornis Ehrb. Sie schließt, wie tecta bei An. cochlearis, als Endglied der Formenreihe. Hand ın Hand mit der allmählichen Reduktion des Hinterdornes geht in der Regel auch eine solche der Vorderdornen, die aber weit weniger in die Augen fällt, ebenso wie die oft auftretenden Variationen in der Struktur des Panzers durch stärkere oder schwächere Aus- bildung von Punkten, Höckern, Dörnchen ete. Der Vollständigkeit halber muß ich hier noch einige sehr eigen- tümliche Anschauungen von Daday's (1897 8. 132) über Beziehungen zwischen An. aculeata und An. cochlearis anschließen, um so mehr, als dieselben sich mit Fragen befassen, die in der vorliegenden Arbeit vielfach behandelt werden. von Daday schreibt nach einer kurzen Schilderung des zeitlichen Vorkommens von An. aculeata und An. cochlearis im Plattensee (Balaton) folgendes: „Übrigens halte ich es auch nicht für ausgeschlossen, daß diese beiden Arten nichts anderes sind als Saisonformen, welche sich zufolge Anpassung an äußere Umstände auseinander entwickeln. Ich meinesteils erblicke in der während des Sommers ungeheuer entwickelten Vegetation einen genügenden Grund dafür, daß Anuraea aculeata, der leichteren Ortsveränderung wegen, den einen Hinterstachel ihrer Deckschale aufgebe und sich damit zur Anuraea coch- learis umwandelt. Und wenn ich in meinen Schlußfolgerungen noch weiter gehen wollte, könnte ich auch sagen, daß mit dem Zufrieren des Spiegels des Großen Balaton und dem gleichzeitigen Aufhören jeglichen Wellenschlages, Anuraea coch- learis ohne jeden bedeutenderen Nachteil, ja vielleicht sogar zu ihrem Vorteil dem paarlosen Fortsatz ihrer Deckschale entsagend, sich in Anuraea tecta oder Anuraea curvicornis umwandeln könne, aus welchen dann mit Eintritt des Frühlings die zur Lebensweise zwischen den Wellen geeignetere Anuraea aculeata sich entwickeln könne u. s. w. Die Widerlegurg oder Bekräftigung dieser meinen Ansicht hängt natürlich von einer Reihe künftiger ununterbrochener Beobachtungen und dem Resultate derselben ab.“ Nun, ich denke, daß meine Beobachtungen wohl diesem zuletzt aufgestellten Postulate entsprechen und völlig genügen, um von Daday’s Angaben als vage Spekulationen zu kennzeichnen. Der ungarische Forscher übersieht, daß An. cochlearis und An. aculeata zweı ganz getrennte Formenkreise darstellen, deren einzelne Glieder darum auch niemals von dem einen in den anderen übergehen können, wie es von Daday für An. aculeata—cochlearis und weiter für An. cochlearis—curvicornis annimmt. 600 R. Lauterborn: 72 Auch wäre, von all dem abgesehen, eine Anuraea aculeata, welche den einen Hinterdorn aufgiebt, doch noch lange keine An. cochlearis; so einfach ist die Sache denn doch nicht! Durchaus nicht einzusehen ist ferner, wie der Verlust eines Hinterdornes eine leichtere Ortsveränderung gewährleistet und warum gerade An. aculeata zur Lebensweise zwischen den Wellen besser geeignet sein soll als die übrigen genannten Arten. In der Gattung Notholca stellen, worauf ich schon früher gelegentlich hingewiesen habe, die Arten N. acuminata Ehrb., N. labıs Gosse, N. striata OÖ. F. M. ebenfalls eine Reduktionsformen- reihe dar. Ausgangspunkt ist die langgestreckte, spatelförmige, hinten in einen abgestutzten Fortsatz ausgezogene N. acuminata, aus welcher durch Verkürzung und Abschnürung des hinteren Fortsatzes N. labis hervorgeht, die ihrerseits wieder im wesentlichen durch Verlust des Fortsatzes und mehr tlächenhafte Ausbreitung des Panzers zu der wappenschildförmigen N. striata wird!). Als überaus variabel in Bezug auf die Ausbildung der Fort- sätze des Panzers ist die Gattung Brachionus erkannt worden (Wierzejsky 1893, Sniezek 1895, Rousselet 1897, Zacharias 1898, Weber 1898?) ete.). Wohl den größten Wechsel in der Länge der Panzerdornen zeigt von allen Angehörigen der Gattung Br. bakeri Ehrb., eines der am längsten gekannten Rädertiere, dessen Variabilität Rousselet (1897) zum Gegenstand einer kleinen Abhandlung gemacht hat. Wie bei Anuraea cochlearis und A. aculeata können wir auch hier eine kontinuierliche Reduktionsformenreihe konstruieren. Den Ausgangspunkt bildet eine Form mit sehr langen, divergierenden lateralen Hinterdornen (Rousselet's Fig. &). Eine allmähliche Ver- kürzung der Dornen, welche mit einer Abnahme der Divergenz der- selben Hand in Hand zu gehen pflegt, führt zum Typus und dann fortschreitend zu Br. brevispinus Ehrb. Die Form ohne laterale Hinterdornen, bei denen der hintere Panzerrand abgestutzt oder schließlich BER: völlig abgerundet ist, stellt Brachionus rhenanus 1) Nach Sniezek’s Angaben (1895, S. 605) wäre nach der Ansicht Wierzejsky’s (1893) die Gattung Notholca nur durch eine einzige Art repräsentiert. Das ist sicher unrichtig; wo bleibt dann N. longispina Kellicot? Auch wird hier N. foliacea (Ehrb.) als Varietät zu N. acuminata gezogen. Ist aber N. fo- liacea synonym mit N. heptodon Perty, wie es z. B. Weber (1898) annimmt, so kann foliacea unmöglich in den Formenkreis von N. acuminata gezogen werden, da sie eine sehr wohl charakterisierte gute Art darstellt. 2) Weber (1898) zählt bei Br. pala und Br. bakeri nicht weniger als je 2) „Synonymes et Varietes“ auf. 73] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 601 Lauterb. (1895) oder B. celuniorbicularıs Skorikow (1894) dar. Hervorgehoben zu werden verdient, daß die Reduktion der Hinter- dornen, ganz übereinstimmend mit dem, was wir bei Anuraea aculeata sahen, unter Umständen auch einseitig vor sich gehen kann: so bildet Rousselel (Fig. 13) ein Exemplar ab, bei dem die linke hintere Ecke des Panzers als breiter scharfer Zahn vorspringt, während die rechte völlig abgerundet erscheint. Von weiteren Angehörigen der Gattung Brachionus, welche sich durch besondere Variabilität auszeichnen, wäre nächst Br. bakeri vor allem Br. pala Ehrb. zu nennen. Weber (1898 S. 671) hat schon hervorgehoben, wie schwer es ist, eine Artdiagnose aufzustellen, die auf alle Individuen paßt. Unsere Reduktionsformenreihe beginnt hier mit Exemplaren, bei denen die vom Körper abgesetzten lateralen Hinterdornen enorm entwickelt sind und in ihrer Länge diejenige des eigentlichen Panzers erreichen. Eine Verkürzung derselben auf die Hälfte oder ein Viertel der Panzerlänge führt zu Br. amphiceros Ehrb., ein völliges Verschwinden zum eigentlichen Br. pala Ehrb.; davon ist Br. dorcas Gosse nach Bilfinger (1894 S. 61) und Zacharias (1898 S. 115) nur eine Form mit langen dünnen Vorder- dornen. Wierzejsky’s Figuren (1893, Taf. VI, Fig. 64—67) illustrieren diesen Entwickelungsgang recht gut!). Sehr variabel in Bezug auf die Dimensionen seines Panzers ist Brachionus angularıs Gosse, eine Art, die auftallenderweise von Weber (1898) gar nicht erwähnt wird. In ein und demselben Fang (Mai 1902 ım Altrhein bei Roxheim) sah ich eiertragende Weibchen, deren Panzer von 170—230 u in der Länge und zwischen 130—140 u in der Breite variierte; bei Tieren, die noch keine Eier trugen, ging die Dimension oft auf 120 zu 85 « herab. Voigt (1902), der diese Schwankungen auch beobachtete, giebt noch an, daß die größten Exemplare im Winter vorkommen; ferner erwähnt er aus einigen Gewässern Exemplare, die auf der Oberfläche des Panzers eine Gallerthülle ausgeschieden hatten. Ich kenne derartige Tiere eben- falls; sie fallen besonders durch die der Gallerte anhaftende Schmutz- kruste auf, welche die Struktur des Panzers oft völlig verdeckt, und finden sich besonders in kleinen seichten Gewässern mit nicht ganz reinem Wasser!). Neben diesen Variationen der (Gesamtlänge und 1) Brachionus pentacanthus France (1894) gehört wohl ebenfalls in diesen Formenkreis. Bei ihm finden sich auffallenderweise statt der 6 Dornen am Vorderende nur 5, da an Stelle der beiden medianen Dornen nur ein einziger von beträchtlicher Länge entwickelt ist. 602 R. Lauterborn: [74 -breite des Panzers finden sich auch Variationen der vorderen und hinteren Dornen (letztere sind bald einfach zapfenförmig, bald mehr knopfförmig ausgebildet), aber dieselben fallen bei der Kleinheit der fraglichen Körperfortsätze kaum besonders auf. Sehr wahrscheinlich dürfte sich eine Reduktionsformenreihe auch bei dem seltenen Brachionus polyacanthus Ehrb. nachweisen lassen. Derselbe ist eine „gute“ Art und gehört durchaus nicht, wie Weber (1898, S. 669) anzunehmen scheint, in den Formenkreis von Br. pala Ehrb. Ehrenberg’s Originalfigur (1838) zeigt den Panzer an den Hinterecken in zwei lange gerade Hörner ausgezogen, welche in ihrer Länge derjenigen des eigentlichen Panzers annähernd gleich- kommen. Die von mir in einem kleinen leicht austrocknenden Tümpel in der Nähe des Altrheins Roxheim beobachteten Exemplare hatten alle viel kleinere Hinterdornen, deren Länge sich zu der des Panzers etwa wie 1:5 verhielten. Schließlich sei noch der Brachionus nahestehenden Gattung Schizocerca gedacht, die eine exquisite Sommerform darstellt (Lauterborn 1893 u. folgende, Voigt 1902). Bei den von von Daday zuerst gefundenen Exemplaren, war, wie der Speciesname diversi- cornis andeutet, nur das rechte Hinterhorn mächtig entwickelt, während das linke nur schwach ausgebildet war. Später hat Wier- zejsky (1895) eine Form mit zwei gleichlangen Hinterhörnern gefunden und als Var. homoceros bezeichnet und dieselbe, sowie ihre Über- gänge zu diversicornis abgebildet (L. c. Taf. VI Fig. 72—75). Auch ich habe in Gewässern des Oberrheins alle Übergänge gefunden; ein- mal kam mir auch ein Exemplar zu Gesicht, bei dem beide Hinter- hörner nur kurz stummelförmig ausgebildet waren, so daß die Mög- lichkeit der Aufstellung einer Reduktionsformenreihe hier nicht aus- geschlossen erscheint. !) Bei dieser Gelegenheit sei beiläufig bemerkt, daß nach meinen Beobach- tungen die in neuerer Zeit öfters erwähnten „schlauchförmigen Parasiten“ der Rotatorien weitaus am häufigsten bei jenen Arten gefunden werden, welche in kleinen mehr oder weniger unreinen und darum meist auch reich von Chroococ- caceen besiedelten Gewässern (Dorfteiche etc.) vorkommen. Gerade in diesen seichten Gewässern, wo der Austausch der Fauna und Flora des Bodens mit der des freien Wassers am leichtesten vor sich geht, wo außerdem auch immer viel gelöste organische Substanz im Wasser vorhanden ist, dürften die Bedingungen für Masseninfektionen am günstigsten sein. Dasselbe gilt auch für die niederen Parasiten der Crustaceen, sowohl der Entoparasiten als der Ectoparasiten (Am oe- bidium). 75] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 603 Gyklische Variation bei anderen Planktonorganismen des Süßwassers. Abhängigkeit bestimmter Formen und Varietäten von der Jahres- zeit sind außer bei den Rotatorien auch noch bei anderen pelagischen Organismen bekannt geworden, so vor allem bei Protozoen und Daph- niden. Um das Bild, welches wir uns von der cyklischen Variation der Rotatorien gemacht haben, abzurunden, zu ergänzen und zu er- weitern, dürfte es sich empfehlen die bisher beobachteten Fälle hier zu besprechen. A. Protozoa., 1. Ceratium hirundinella ©. F. M. — Schon vor 10 Jahren (1893) habe ich auf den auffallenden Variationsgang hingewiesen, den diese Dinoflagellate im Altrhein bei Neuhofen zeigt. Zur Zeit wo Ceratium etwas häufiger im Plankton aufzutreten beginnt, also etwa von Anfang April ab, findet man robuste breite Exemplare, hinten mit drei Hörner versehen, von denen die beiden äußeren stark diver- gieren!). Diese Gestalt wird bis gegen Juli hin bewahrt. Von da ab macht sich die Tendenz geltend, das linke Hinterhorn immer mehr zu verkürzen, bis es schließlich völlig verschwindet. Hand in Hand mit dieser Reduktion geht eine Verschmälerung des Querdurchmessers, sowie eine stetige Abnahme des Winkels, welchen das rechte Hinter- horn mit der Längsachse des Körpers bildet. Das Endresultat ist eine sehr schlanke Form mit langen Hörnern, die in ihrem Umrisse so dem marinen Öeratium furca Ehrb. gleicht, daß Zevander dieselbe als var. furcoides bezeichnet hat. Ihr gehören so gut wie ausschließlich die zur Zeit des Häufigkeitsmaximums der Art (Ende Juli — Anfang September) auftretenden Individuen an; ebenso die letzten, Ende Oktober aus dem Plankton verschwindenden. In den folgenden Jahren haben Apstein (1894), Zacharias (1894), Wesenberg-Lund (1900) u. a. ebenfalls cyklische Variation bei C. hirun- !) Neuerdings habe ich den allerersten, also den den hibernierenden Cysten entschlüpfenden Individuen eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Solche treten im Altrhein Neuhofen in den ersten Tagen des März, bisweilen aber auch schon Ende Februar (1903 ein Exemplar bereits am 14. Il!) auf. Diese Vorläufer sind nun hinten zweihörnig, also genau wie die Exemplare, die im voraus- gegangenen Herbst den Beschluß der Vegetationsperiode bildeten und nach ihrer Eneystierung aus dem Plankton verschwanden. Die Umwandlung dieser Erst- linge in die breite hinten dreihörnige Frühlingsform muß sich aber relativ sehr rasch vollziehen, da man gegen den Mai hin so gut wie ausschließlich nur die letzteren findet. 604 R. Lauterborn : [76 dinella gefunden. Die beiden erstgenannten haben in den Ge- wässern Holsteins den Variationsgang, wie ich ıhn für den Altrhein Neuhofen konstatierte, nicht nachweisen können; sie geben sogar an, daß dort der Variationsgang gerade umgekehrt verläuft, indem die hinten zweihörnigen Formen im Frühjahre, die hinten dreihörnigen im Herbste auftreten. Wesenberg-Lund (1900, S. 614) meldet da- gegen, daß die Ceratien in kleineren Seen und Teichen Dänemarks „entweder keiner Temporalvariation unterworfen waren, indem sie das ganze Jahr hindurch vierhörnig waren, oder sich verhielten, wie Lauterborn es angiebt.“ Im Fursee verlief die Entwickelung nach der von Apstein und Zacharias angegebenen Weise. Wie man sieht, zeigt C.hirundinella ganz ähnlich wie Anuraea cochlearis je nach der Lage und Beschaffenheit der Gewässer be- trächtliche Verschiedenheiten im jährlichen Variationsgang, während sich derselbe in ein und demselben Gewässer sehr konstant verhält, wie die nunmehr zwöltfjährigen Beobachtungen im Altrhein Neuhofen ergaben. Nehmen wir zu dieser cyklischen Variation noch die außer- ordentlich große lokale Variation der Art, die sich da wie dort nicht nur auf die Gestalt des Panzers und die Länge der Hörner, sondern auch auf die Struktur des Panzers erstreckt!), so erhellt daraus ohne weiteres, welch’ hohe Bedeutung ein eingehendes und systematisches Studium der lokalen und temporalen Variation von Üeratium für die Fragen nach den Ursachen der Variabilität überhaupt haben müßte. Dazu kommt noch ein weiterer günstiger Umstand: Es mani- festieren sich nämlich bei Ceratium die Reaktionen auf die wechseln- den Einwirkungen des umgebenden Mediums nicht, wie bei Rota- torien und Crustaceen, an einem Komplex verschieden differenzierter Zellen, sondern konzentrieren sich auf eine einzige Zelle, wo sie für uns am augenfälligsten als Variationen in der Gestalt und Struk- tur der Zellmembran, des starren Panzers in Erscheinung treten. 1) So fand ich beispielsweise an Ceratien aus dem Mindelsee (nahe dem Bodensee) die Oberfläche des Panzers mit zahlreichen gekrümmten und ge- wundenen leistenartigen Vorsprüngen versehen, die ohne bestimmte Be- ziehung zu den Areolen verliefen. Noch weit stärker ausgeprägt, fand ich diesen Besatz mit Leisten bei Peridinium tabulatum Ehrb. (oder einer nahe- stehenden Art) aus dem Schliersee in Oberbayern und zwar in Material, das ich daselbst August 1891 sammelte. (Länge 62—70 u, Breite 68—74 u). Hier er- scheint die Oberfläche des Panzers ganz rauh durch das Gewirre der vielfach gekrümmten und sich kreuzenden Leisten; die Erscheinung betraf alle Individuen der Art, die damals im Plankton überaus häufig war. Ich nenne diese Varietät var. maeandrica. 77] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 605 Dies dürfte vielleicht die Analyse des Anteils der einzelnen variations- bestimmenden Faktoren erleichtern !). 2. Dinobryon. — Während die Botaniker, die sich in den letzten Jahren besonders eifrig mit dem „Phytoplankton“ beschäftigen, eine beträchtliche Zahl von Arten und Varietäten der Gattung Dino- bryon aufgestellt haben (Zemmermann 1900, Brunnthaler 1901) neigen die Zoologen im Gegenteil mehr dazu, nur zwei „Haupttypen“, nämlich D. sertularıa Ehrb. und D. stipitatum Stein anzuerkennen (Zacharias 1883, Wesenberg-Lund 1900 ete.). Es ıst nun auch nicht schwer eine kontinuierliche Formenreihe der Gehäuse?) aufzustellen, ın welcher D. stipitatum das eine, D.sertularia das andere Ende einnimmt. Aber eine solche Reihe ist bis jetzt, was man nicht ver- sessen sollte, immer nur morphologisch konstruiert; ein Beweis dafür, daß die extremen Formen auch zeitlich ineinander übergehen , ist noch keineswegs erbracht. Denn aus der Tatsache, daß in seichten Gewässern D. stipitatum während des Sommers häufiger ist als D. sertularia, welche mehr in der kälteren Jahreshälfte herrscht, 1) Bei dieser Gelegenheit sei übrigens noch darauf aufmerksam gemacht, daß bei den früher geschilderten Variationen der Dornen und Hörner des Rota- torien-Panzers es sich im wesentlichen eigentlich auch nur um Größenvariationen einzelner Zellen handelt. Eine so bedeutende Länge diese Fortsätze auch erreichen mögen, so sehr ihre wechselnde Ausbildung auch den Habitus des Tieres zu alterieren im stande ist — sie dürften alle kaum mehr als den morphologischen Wert einer einzelnen Zelle beanspruchen. Man sieht nämlich (besonders bei den jüngeren Tieren) das Innere der betreffenden Fortsätze mit Plasma erfüllt und an ihrer Basis je einen Zeilkern. Bei älteren Tieren zieht sich das Plasma mehr und mehr nach den Wänden und dem distalen Teil des Fortsatzes zurück, wie man an den Hinterdornen von Anuraea aculeata, A. cochlearis, bei Bra- chionus etc. beobachten kann, 2) Bei Dinobryon bestimmt die Gestalt der Gehäuse im wesentlichen auch den Habitus der ganzen Kolonie. Gehäuse, die wie bei gewissen Formen von D. stipitatum, außerordentlich in die Länge gestreckt und hinten in einen dünnen stielförmigen Fortsatz ausgezogen sind, können beispielsweise kaum jemals breite sperrige Kolonien mit stark divergierenden Ästen bilden, da in letzterem Falle bei der geringen Insertionsfläche der ineinander steckenden Gehäuse wäh- rend des Schwimmens der Zusammenhang der Gehäuse stark gelockert würde. Wir sehen darum auch, daß die langen dünnen Gehäuse schmale Kolonien bilden, bei welchen die einzelnen Äste so spitze Winkel untereinander bilden, daß sie fast parallel gerichtet erscheinen, was offenbar die Fortbewegung beim Schwimmen sowie den Zusammenhalt der Kolonie unterstützt. Im Gegenteil hierzu sehen wir die breiten sperrigen Kolonien aus Gehäusen zusammengesetzt, deren basaler Teil mehr oder weniger breit kegelförmig ausläuft, was wohl eine größere Insertions- fläche der Gehäuse und damit einen festeren Zusammenhalt der Kolonie trotz der Divergenz der Äste bedingt. 606 R. Lauterborn: 178 darf man meines Erachtens noch keineswegs schließen, daß die beiden Formen auch direkt voneinander abstammen. Es wäre also noch zu beweisen, daß D. stipitatum, wie Wesenberg-Lund (1900, S. 615) annimmt, in großen Seen wesentlich eine Sommerform von D. sertu- larıa ist. Ein derartiger Beweis müßte sich nun meines Erachtens eigent- lich gerade bei Dinobryon vielleicht leichter als bei anderen Plankton- organismen erbringen lassen. Denn bei den bäumchenförmigen Kolo- nien dieser Flagellate bleiben die aufeinanderfolgenden Generationen in festem Verbande, indem bei der Teilung die Tochterzelle ihr neues becherförmiges Gehäuse am inneren Mündungsrande des mütterlichen (sehäuses aufbaut, so daß also die in fortlaufender Reihe über- einander angeordneten Gehäuse eines Zweiges der Dinobryon- Kolonie ebenso viele zeitlich aufeinanderfolgende Generationen dar- stellen. Ist aber Wesenberg-Lund’s Anschauung richtig, daß in ge- wissen Seen D. sertularia vom Frühling zum Sommer durch Ver- längerung des Stieles der Gehäuse, sowie durch Abnahme des Winkels, den die Zweige der Kolonie untereinander bilden, in D. stipitatum übergeht, welches dann wieder im Herbste durch Verkürzung. der Stiele und Zunahme der Winkel zwischen den Zweigen sich in D. ser- tularıa umwandelt, so müßte es doch möglich sein, im morphologi- schen Bau der Kolonie wenigstens die jeweilige Variationsrichtung zu erkennen. Man müßte also erwarten, an den in Frage stehenden Kolonien im Frühling eine an und für sich minimale, aber doch deut- lich ausgesprochene allmähliche Verlängerung der Gehäuse und gegen den Herbst zu eine entsprechende Verkürzung der Gehäuse von der Basis zur Spitze hin konstatieren zu können. Seit langem überzeugt von der Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit des cyklischen Variierens bei Dinobryon, habe ich zahlreiche Kolonien auf etwaige Ver- schiedenheiten im Bau der basalen nnd apikalen Gehäuse untersucht, aber nur mit teilweisem Erfolg. So fand ich beispielsweise im Boden- see (Untersee) Kolonien von D. eylindricum Imhof, bei denen die Länge der Gehäuse von der Basis zur Spitze nicht unbeträchtlich zu- nahm, indem die Länge der aufeinander folgenden Gehäuse eines /weiges 63 u, 64 u, 66 u, 72 u, 77 u betrug. Auch bei D. stipi- tatum Stein kommt ähnliches vor: hat doch Imhof auf derartige Kolonien mit allmählich sich verlängernden Gehäusen sein D. elon- gatum gegründet. Weiterhin ließ sich beobachten, daß an manchen Kolonien von D. stipitatum die basalen Gehäuse an ihrem Hinter- ende spitz kegelförmig gestaltet sind, während bei den apikalen das u 79] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 607 Hinterende sich mehr und mehr stielförmig auszieht. Ebenso kommen Verschiedenheiten in der mehr oder weniger ausgeprägten Undu- lation der Gehäusewandung, sowie in dem Winkel der Zweige zur Längs- achse der Kolonie etc. vor. Aber bei allen diesen nicht schwer zu beobachtenden Variationen bleibt doch immer der Gesamthabitus der Kolonie gewahrt; mir ist wenigstens nie eine Kolonie vorgekommen, die Charaktere etwa von stipitatum und sertularıa in sich vereinte.e Die Sache ist also, wie man sieht, noch keineswegs geklärt. Eine Entscheidung könnten nur kontinuierlich zahlreiche und peinlich genaue mikrometrische Messungen bringen und zwar an einem Materiale, das mindestens ein Jahr lang in ganz kurzen Zwischenräumen ein und demselben Wasserbecken entnommen wird). 3. Trachelius und D ileptus. — Sehr eigentümliche Temporal- variationen glaubt Wesenberg-Lund (1900, S. 613) bei einem Infusor, dem Dileptus trachelioides Zach. gefunden zu haben. Er ist geneigt „in Amphileptus flagellatus Rousselet, Tracheliusovum Ehrb.,Dileptus trachelioides Zacharias eine und dieselbe Art zu sehen, die einer großen Temporal- und wahr- scheinlich auch Lokalvarıation unterworfen ist“, Die Temporalvaria- tion soll in der Weise vor sich gehen, „daß die Form im Winter eine kurze, beinahe kugelrunde ist, daß sie in denselben Gewässern gegen Frühling länglich wird und daß zuletzt in den Monaten Mai— Juni das Vorderende zahlreiche Zipfelbildungen aussendet.“ _ Ich muß gestehen, daß ich diesen Anschauungen recht skeptisch gegenüber stehe. Zunächst möchte ich bemerken, daß ich während der langen Dauer meiner Planktonstudien niemals den typischen Trachelius ovum Ehrb. im freien Wasser gesehen habe. Ich kenne die Art nur als Mitglied der Grundfauna und habe sie be- sonders am Boden kleiner und kleinster Gewässer zwischen modern- dem Laube angetroffen. Die Trachelius-Art, welche in meinem Untersuchungsgebiet im freien Wasser als echtes Mitglied des Plank- tons vorkommt, ist Trachelius elephantinus Svec. Letzterer erreicht hier in der wärmeren Jahreszeit seine relativ größte Häufig- keit, im Gegensatz zur Dileptus trachelioides Zach., der bei uns in der kälteren Jahreszeit am zahlreichsten ist. Es ist mir aber niemals gelungen, an dieser Art irgend welche Variationen wahrzu- 1) Bei Studien über die cyklische Variation von Dinobryon dürfte auch der Cystenbildung eine besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden, da derselben möglicherweise eine Bedeutung beim Auftreten der einzelnen Formen zukommen könnte, 608 RK: Lauterborn : | [80 nehmen, die zu gunsten der oben mitgeteilten Anschauungen Wesen- berg-Lund’s sprechen '). B. Crustaceen. Vielleicht am meisten in die Augen fallend und darum auch schon ziemlich lange bekannt und vielfach untersucht, ist die cyklische Variation bei Urustaceen, speziell bei jenen Daphniden, welche die freien Wasserflächen unserer Seen und Teiche bewohnen. 1. Daphnia. — Die meisten Beobachtungen beziehen sich auf An- gehörige der Untergattung Hyalodaphnia, in erster Linie H. cucul- lata Sars, dann auf D. cristata Sars, sowie D. hyalina Leydig. (Sars 1890, Zacharias 1893, 1894, Lundberg 1894, Apstein 1896, Stenroos 1898, Burckhardt 1900, Wesenberg-Lund 1900, Lilljeborg 1901, Steuer 1902). Als allgemeines Resultat dieser in den verschiedensten Gegenden angestellten Untersuchungen ergab sich, daß bei den ge- nannten, die im Winter die Fluten bevölkernden Individuen einen flachen niederen Kopf besitzen, der sich im Frühjahr immer mehr in die Länge streckt, bis schließlich, speziell bei H. cucullata Sars, Urustaceen im Hochsommer die Tiere mit einem mehr oder weniger 1) Dileptus trachelioides Zach. ist wie eine Anzahl anderer Infusorien des Süßwasserplanktons (Trachelius elephantinus Sve‘, Disematostoma Bütschlii Lauterb., Bursaridium Schewiakowii Lauterb.) ein überaus zarter und empfindlicher Organismus, der auf die allergeringsten schädigenden äußeren Kinflüsse sofort durch eigentümliche Zerfließungserscheinungen reagiert, die vor allem den Rüssel betreffen. Exemplare, die ich im Winter unter der Eisdecke des Altrheins bei Neuhofen fing und sofort mit der Lupe betrachtete, zeigten alle einen langen Rüssel. Aber schon der Lebendtrans- port in einem Glase, in welchem das erbeutete Plankton auf einen weit ge- ringeren Raum zusammengedrängt wird, als es in der freien Natur je vor- kommt, weiter die Übertragung des lebenden Infusors aus dem Kulturgefäß auf den Objektträger genügte, um den Rüssel bedeutend zu alterieren. Ich habe mehrfach unter dem Mikroskope direkt beobachtet, wie der Rüssel durch allmäh- liches Zerfließen des distalen Teiles immer mehr reduziert wurde und schließlich ganz verschwand. Auf derartige offenkundig geschädigte Exemplare hat nun Zacharias (1894, S. 73— 83) kritiklos ein geradezu abenteuerliches Hypothesengebäude aufgeführt. Die Exemplare mit verstümmeltem Rüssel sind für ihn Beweise, daß auch am Protozoenleib — „rudimentäre Organe“ im Sinne Darwin’s vorkommen können! Exemplare ohne Rüssel, an denen Zacharias die Mundöffnung nicht mehr auffinden konnte, werden als „allervollkommenster Fall von Symbiose“ vor- geführt, da diesen Tieren die Nahrung (in Gestalt von Zoochlorellen) „sozusagen“ von innen her zuwächst, „ohne daß der geringste Kraftaufwand zu deren Er- langung erforderlich ist“! Höchst verdächtig ist auch der angebliche Teilungs- zustand auf Taf. II, Fig. 2a. 81] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 609 langen Helm ausgerüstet sind; nach Eintritt kalter Temperatur redu- ziert sich der Helm wieder und geht schließlich wieder in die Winter- form über. Hand in Hand mit diesen Veränderungen gehen Varia- tionen in der Länge des hinteren Schalenstachels und in der Zahl der Postabdominalzähne '). Daß nicht nur die Bewohner größerer Wasserbecken, sondern auch die von Tümpeln etc. cyklische Variationen zeigen können, lehren uns die Beobachtungen Stingelin's (1895, 1897). Derselbe be- obachtete, daß in einem freien Aquarıum des zoologischen Institutes zu Basel sich Daphnia pennata vom Frühjahr bis zum Herbst allmählich in D. pulex umwandelte, daß also beide vorher immer als besondere Arten aufgeführte Formen nichts anderes sind als Extreme einer kontinuierlichen Formenreihe. Für einen Bewohner schmutziger Tümpel und Teiche, Daphnia magna Straus, glaubte Hartwsg (1897, 5.138) die Behauptung ausprechen zu dürfen, daß bei dieser besonders nach der Jahreszeit sehr varıierenden Art „im Durchschnitt die Wintergenerationen kürzere Stacheln und zarten Schalen besitzen als die Sommergenerationen.“ 2. Ceriodaphnia. — Für diese Gattung giebt Stingelin eben- falls eine temporale Variation bezüglich der Form und Größe des Panzers an (1897, S. 156—158). Die von ihm im August be- obachteten Exemplare zeigten einen fast kreisrunden Panzer und waren von geringer Größe; sie gingen bis zum Oktober unter stetiger Größen- zunahme in Formen über, deren Panzer viereckigen Umriß mit breit abgerundeten Winkeln aufwies. 3. Bosmina. — Diese zu den am häufigsten und zu allen Monaten des Jahres vorkommenden Mitgliedern des Planktons gehörende Daphnidengattung zeigt eine sehr ausgesprochene Neigung zum cyklischen Variieren, über die wir durch die Arbeiten von Stingelin 1895, Stenroos 1898, Burckhardt 1900, Wesenberg-Lund 1900, Lilljeborg 1900, Steuer 1901 gut unterrichtet sind. Die Beobachtungen beziehen sich vornehmlich auf B. longirostris O. F. M. — cornuta Jurine. In zahlreichen Gewässern des Oberrheins verläuft der Variationsgang dieser Art 1) Ich selbst habe bereits 1893 angegeben, daß ich die langhelmige Varietäten von H. cucullata, H. kahlbergensis Schödler und H. Cederströmii Schödler nur im Sommer gefunden habe; mit letzterem Namen bezeichnete ich die Varietät mit aufgebogenem Helm. — Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch beiläufig bemerken, daß bei H eucullata die Zahl der Postabdominalzähne nicht nur bei den verschiedenen Individuen sondern auch bei ein und demselben Indi- viduum schwankt, da ich beispielsweise bei einem Tier auf der linken Seite der Analspalte 7, auf der rechten 9, oder 7—8, 6—5 etc. Zähne fand. Verhandl. d. Heidelv. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VIT. Bd. 42 610 ar R. Lauterborn: [82 ähnlich wie auch vielfach anderwärts derart, daß im Winter und Frühling große Formen mit langem gleichmäßig gebogenen Rüssel und langem hinteren Schalendorn auftreten (B. longirostris), die sich gegen den Hochsommer allmählich in kleine Formen mit kurzem haken- förmig gekrümmtem Rüssel und ganz kurzem stummelförmigen Schalen- dorn umwandeln (B. cornuta), worauf im Herbst wieder ein Über- gang zu der Winterform erfolgt. Ob diesem Variationsgang eine all- gemeine Bedeutung zukommt, scheint indessen zweifelhaft, da Wesen- berg-Lund für dänische Gewässer konstatiert, daß dort cornuta überall gegen den Winter zu am häufigsten auftritt und in vielen Ge- wässern daselbst longirostris in der wärmsten Sommerzeit die all- gemeine Form ist. Also genau das entgegengesetzte Verhalten, wie es Stingelin (1895, 1897, S. 158—159) für die Umgebung von Basel geschildert hat und ich es im Altrhein bei Neuhofen etc. seit einer Reihe von Jahren beobachte !), Allgemeine Betrachtungen über eyklische oder temporale Variation („Cyklomorphose‘‘). Überschauen wir die Reihe der Organismen, bei denen bis jetzt mit Bestimmtheit cyklische Variation nachgewiesen ist, so erkennen wir bald, daß die Variationsformen des wärmeren Wassers von denen des kälteren Wassers nach zwei Richtungen hin differieren: entweder zeigen die Sommerformen eine Vergrößerung der Oberfläche des Kör- pers und seiner Teile (Helm von Hyalodaphnia, Asplanchna nach Wesenberg-Lund, Höcker und Stacheln der Oberfläche des Panzers von Anuraea cochlearis, Hörner von Öeratium) oder aber aber es findet bei ihnen im Gegenteil eine Verringerung, gewisser- maßen eine Kondensierung des Körpervolumens statt (Bosmina, Anuraea cochlearis als Gesamtart). Bei Anuraea cochlearis sind also, so auffallend es auch im ersten Augenblick erscheinen mag. beide Variationsrichtungen ver- einigt. Die Gesamtart als solche verkleinert zwar, wie meine Kurven- tafeln zur Genüge zeigen, mit Beginn der wärmeren Jahreszeit in einer Anzahl Gewässer die Dimensionen ihrer Länge und Breite, dafür tritt aber bei den Varietäten hispida und irregularis — gewisser- maßen als Kompensierung für die Verminderung der Körpergröße — 1) Die von mir 1893 angeführte B. longispina ist nichts anderes als B. longirostris mit sehr langem hinterem Schalendorn. ee 83] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 611 auf dem Panzer ein dichter Besatz von Stacheln und Höckern auf, die in ihrer Gesamtheit die Oberfläche des Panzers beträchtlich ver- größern. Wie sind diese Thatsachen zu erklären? Es ist ein Verdienst von Wesenberg-Lund wohl als erster den Versuch gemacht zu haben, die periodischen Gestaltsveränderungen der pelagischen Organismen des Süßwassers von einem gemeinsamen Ge- sichtspunkt aus zu erklären. Er betrachtet (1900, S. 617—618) die unverkennbare Tendenz einer Anzahl Planktonorganismen zu einer be- stimmten Zeit den Umfang der Organe zu vergrößern „als einen Ausdruck für die Bestrebungen, die von seiten der Organismen gemacht werden ... um ihr eigenes spezifisches Gewicht in Übereinstimmung mit der veränderten Tragkraft des Wassers im Frühling zu bringen, Verände- rungen, die als äußeres Irritament auf die Organismen wirken.“ Und dieses „äußere Irritament“ ist nach ihm die Veränderung im spezifi- schen Gewicht des Süßwassers, welches mit steigender Temperatur abnimmt. Vor kurzem (1902) hat nun aber W. Östwald, von rein theo- retischem Standpunkte ausgehend, dargelegt, daß die Abnahme des spezifischen Gewichtes bei steigender Temperatur eine derart mini- male ist, daß sie bei unseren Betrachtungen ruhig außer acht gelassen werden kann. Dagegen hat er auf die hohe Bedeutung der sogenannten „inneren Reibung“ des Wassers hingewiesen, welche in hohem Maße von der Temperatur abhängig ist. Die innere Reibung nimmt ab mit steigender Temperatur; und zwar beträgt die Abnahme, bei 0° mit 100 angenommen, innerhalb der in der freien Natur allein in Betracht kommenden Temperaturskala von 0—40° je 2—3°/o pro 1°. Das heißt mit anderen Worten: bei 25 — einer Temperatur, wie wir sie annähernd z. B. im Altrhein bei Neuhofen im Juli an- treffen — beträgt die innere Reibung nur noch die Hälfte von derjenigen bei 0%. Je geringer die innere Reibung, desto. größer die Sinkgeschwindigkeit; letztere ist somit umgekehrt proportional der inneren Reibung, dann aber auch dem sogenannten „Formwiderstand‘“, d. h. dem Verhältnis von Oberfläche und Gestalt des sinkenden Körpers (l. c. S. 600—603). Unter Berücksichtigung dieser — in der Zukunft jedenfalls noch sehr fruchtbaren Erwägungen — erklärt sich in unserem Spezialfall die Bewehrung des Panzers von Anuraea cochlearis mit Dornen und Höckern, wie uns dieselbe bei den Sommervarietäten hispida und irregularis entgegentritt, als eine Einrichtung, welche der 42* 612 R. Lauterborn: [84 sinkenden Tragkraft des sommerlich durchwärmten Wassers entgegen- wirkt, indem durch die Rauhigkeiten des Panzers dessen Oberfläche‘ und damit der Reibungswiderstand vergrößert und so die Schwebe- fähigkeit erhöht wird. Nun könnte man einwerfen: Zugegeben, daß die erwähnte Be- wehrung des Panzers in dem angedeuteten Sinne wirksam ist, wie erklärt sich dann aber die Thatsache, daß die kleine var. tecta, diese Miniaturausgabe der typischen An. cochlearis, diese Form ohne Höcker, ohne Hinterdorn, welche doch sicherlich eine weit geringere Oberfläche als die winterliche Riesenform var. macracantha aufweist, trotz alledem im Oberrhein gerade im Sommer am häufigsten ist? Diesen Einwand habe ich mir auch gemacht; aber ich glaube, er läßt sich ganz gut entkräften. Betrachten wir einmal ganz un- befangen nebeneinander ein Individuum von macracantha und da- neben ein solches von tecta! FErsteres macht in seinem ganzen Habitus den Eindruck des Schweren, Massigen, Robusten; letzteres den des Leichten, Gedrungenen, Zierlichen. Diese Kondensierung des Volumens bei tecta auf das geringst zulässige Maß hat aber zur Folge, daß der Körper der kleinen Form viel leichter wird als derjenige der größeren, zumal da in beiden die Ähnlichkeit in der Gestaltung desjenigen Teiles des Panzers, welcher die eigentlich vitalen Organe des Tieres umschließt, völlig gewahrt bleibt. Somit wäre also durch die Kondensierung des Körpervolumens derselbe Effekt erreicht, wie ihn die nach entgegengesetzter Richtung ver- laufende Vergrößerung der Oberfläche des Körpers mit sich bringt: Erhöhung der Schwebefähigkeit! Es dürfte sich kaum in Zweifel ziehen lassen, daß alle die ge- schilderten cyklischen oder temporalen Variationen als bestimmt ge- richtete anzusprechen sind. Wir haben hier lückenlose Formenreihen vor uns, deren einzelne Glieder in Abhängigkeit von bestimmten äußeren, in ihrer Gesamtheit erkennbaren, aber im einzelnen noch nicht genügend analysierten Bedingungen, im Kreislauf des Jahres so gesetzmäßig aufeinander folgen, daß es beispielsweise bei Anuraea cochlearis möglich wäre, aus der Durchschnittsgröße und dem Habitus der in einer Planktonprobe vorkommenden Individuen einen Rück- schluß auf den Zeitpunkt des Fanges zu machen. Auf die Ausprägung derartiger Formenreihen scheint mir nun die Art und Weise der Fortpflanzung einen bedeutsamen Einfluß auszuüben. Wir sehen nämlich, daß alle Organismen, bei denen bis jetzt sicher eyklische Variation nachgewiesen wurde, im stande sind, S5] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. . 613 sich viele Generationen hindurch monogonisch zu vermehren, sei es durch Teilung (Ceratium), sei es durch Parthenogenese (Rota- torien, Daphniden); Hand in Hand damit geht, daß die individuelle Entwickelung sehr rasch und direkt, d. h. ohne Einschiebung eines Larvenstadiums verläuft. Halten wir uns zur näheren Begründung dieser Behauptung einmal speziell an die Rotatorien und Daphniden! Bei ihnen geht die Vermehrung der Art eine lange Reihe von (Generationen hindurch ausschließlich auf dem Wege der Parthenogenese vor sich, bis einmal eine geschlechtliche Generation eintritt!), d. h. bis Männchen auf- treten, welche die Jungferweibchen befruchten und so zur Bildung von Dauereiern Veranlassung geben, womit normalerweise der Generations- cyklus der Art auf längere oder kürzere Zeit unterbrochen ist. Während der ganzen Zeit der parthenogenetischen Fortpflanzung laufen also die einzelnen (renerationsreihen, d. h. alle in direkter Folge voneinander abstammenden Descendenten der den Ausgangs- punkt der Entwickelung bildenden befruchteten Weibchen, völlig un- abhängig nebeneinander her. Eine einmal eingeschlagene Variationsrichtung, bei welcher die zeitlich aufeinander folgenden Generationen sich auch morpho- logisch immer mehr vom Ausgangspunkt entfernen — wie wir es z. B. bei An. cochlearis in der macracantha- typica- tecta- Reihe sahen — kann darum auch von Anfang bis zu Ende sich völlig ungestört abwickeln, da, solange Männchen fehlen, eine Kreuzung und damit eine Kompensierung oder Abschwächung des einmal er- reichten Variationseffektes, wie eine solche bei der geschlechtlichen Vermischung zweier getrennter, vielleicht mit verschiedener Variations- tendenz begabter oder auf verschiedener Stufe des Variationsganges stehender Individuen doch eintreten müßte, von vornherein aus- geschlossen erscheint. Um sich von der Bedeutung der monogonischen Fortpflanzung 1) Bereits früher (1894) habe ich einmal gelegentlich darauf hingewiesen, daß die Daphnidengattung Bosmina keineswegs durchgängig acyklisch, son- dern teilweise dicyklisch ist. Ich sehe wenigstens beiBosmina longirostris- cornuta in den verschiedensten Gewässern des Oberrheins, in Ebene und Gebirg, seit 12 Jahren regelmäßig im Mai (genauer Ende April bis Anfang Juni) und dann wiederum im November (bisweilen schon Ende Oktober) Männchen und Dauereier auftreten. Vor und während der Zeit der Geschlechtsperioden sind die Tiere in großen Mengen vorhanden, unmittelbar darauf erleidet der Bestand eine gewaltige Re- duktion, Erscheinungen, die sich übrigens auch bei den Geschlechtsperioden der Rädertiere in ähnlicher Weise beobachten lassen. 614 R. Lauterborn: [56 für die Ausprägung cyklischer Variationsreihen zu überzeugen, giebt es noch einen Weg. Wir brauchen nämlich nur die pelagischen Organismen des Süßwassers zum Vergleich heranzuziehen, bei denen Teilung oder Parthenogenese völlig fehlt, also vor allem die Cope- poden. Obwohl dieselben, speziell die Gattungen Cyelops und Diaptomus, zum perennierenden Plankton gehören und einer be- deutenden lokalen Variation unterworfen sind, ist doch von einer temporalen Variation bei ihnen nichts bekannt geworden. Der Grund dieses Verhaltens dürfte wohl darin zu suchen sein, daß — ab- gesehen von der langen Dauer des Larvenlebens, welche die Zahl der in einem ‚Jahre auftretenden Generationen beträchtlich herabsetzt — bei ihnen auf jeder (reneration eine „Amphimixis“ stattfindet. Und eine Wirkung der Amphimixis ist ja nach Weismann: „zunehmende Einengung der Variationsbreite oder wie wir gewöhnlich sagen: allmähliches Konstantwerden des Formenkreises: Ver- dichtung zu einer Art“!'). Ein Überblick auf das bisher Gewonnene zeigt nun also in einer Reihe von Fällen bei Protozoen, Rotatorien und Ürustaceen periodische Variationen, die alle das Charakteristische an sich tragen, daß der jährliche Gang der Gestaltsveränderung mit dem jährlichen Gang der Temperatur des betreffenden Wasserbeckens in Korrelation steht. Wie nun die Temperaturkurve im Kreislauf des Jahres immer wieder in sich selbst zurückläuft, wie also diese Kurve, nachdem sie im Hochsommer ihren Gipfelpunkt erreicht hat, in den folgenden Monaten wieder allmählich zu ihrem Ausgangspunkt zurücksinkt, so laufen auch alle die hierher gehörigen Variationen, so sehr sich die- selben auch vom Frühling bis zum Hochsommer von der angenommenen Ausgangsform entfernt haben mögen, dennoch im Herbst und Winter doch ganz allmählich wieder in die Ausgangsform zurück. Wir haben somit hier geschlossene Variationsreihen oder richtige Variationskreise?). Man könnte darum vielleicht auch alle jene periodischen Gestalts- veränderungen, die in Abhängigkeit von den mit dem Jahrescyklus wechselnden Existenzbedingungen des Mediums verlaufen, und die bisher als cyklische oder Temporal-Variationen, als Saison-Poly- morphismus bezeichnet wurden, als „Cyclomorphosen“ zusammen- 1) A. Weismann: Vorträge über Descendenztheorie 1902, Bd. II, S. 235. ?2) Das anschaulichste Bild dieser geschlossenen Variationsreihen würde sich ergeben, wenn man die einzelnen Glieder der Reihe auf einen Cylindermantel (oder nach Art der Darstellung der sog. „Zeugungskreise‘ bei Protozoen) auf- zeichnen wollte. 87] Die eyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. 615 fassen. Dieser Ausdruck klingt für mein Empfinden zum mindesten besser als das häßliche Bastardwort „Saisonpolymorphismus“. Schluöwort. Ich möchte diese Arbeit nicht schließen, ohne noch auf einige Punkte hinzuweisen, die bei künftiger Untersuchung der cyklischen Variation von Anuraea cochlearis (und wohl auch anderer Orga- nismen) Berücksichtigung verdienen. Obwohl ich glaube, daß es gelungen ist, die Hauptvariations- reihen von An. cochlearis in großen Zügen festzulegen, bilde ich mir doch keineswegs ein, den Formenkreis der so überaus plastischen Art erschöpft zu haben. Fernere Untersuchungen an anderen Ge- wässern werden uns sicher noch mit einer Reihe weiterer Formen bekannt machen. Besondere Beachtung würde hierbei die Frage nach einer eventuellen Korrelation zwischen der physischen und biologischen Beschaffenheit des Gewässers und der morphologischen Ausgestaltung des Panzers verdienen. Einer sehr bedeutenden Ausdehnung sind auch die Beobachtungen über die cyklische oder temporale Variation fähig. Zunächst einmal in rein zahlenmäßiger Richtung: also statt der 25 oder 50 gemessenen Exemplare pro Monat deren einige Hundert! Erwünscht wäre es dabei, auch von den einzelnen Monaten Galton’sche Kurven zu kon- struieren und nicht nur, wie ich es gethan habe, für die (resamt- summe des Jahres. Wenn derartige Untersuchungen nach einem einheitlichen Plane gleichzeitig von verschiedenen Forschern in ver- schiedenen Gegenden an Gewässern von möglichst verschiedenen Existenzbedingungen vorgenommen würden — was bei der weiten Verbreitung und Häufigkeit von An. cochlearis nicht schwer fallen könnte — und wenn diesen Studien gleichzeitig korrespondierende Untersuchungen über die jeweilige physikalische und chemische Be- schaffenheit des Wassers (Temperatur, Tragkraft, Gehalt an gelösten anorganischen und organischen Stoffen, Gasen etc.) parallel laufen würden, so braucht man kein Prophet zu sein, um schon jetzt vor- auszusagen, daß dadurch unsere Einsicht in die Gesetze des Variierens ganz bedeutend vertieft werden würden !). !) Genau dasselbe gilt natürlich auch von einem planmäßigen Studium der Variation bei Ceratium, Hyalodaphnia, Bosmina etc. 616 R. Lauterborn: . [58 (Ganz dunkel ist auch noch, in welcher Beziehung die Bildung von Dauereiern bei Rotatorien und Cladoceren zur cyklischen Varia- tion steht; es ist doch kaum anzunehmen, daß dieselbe ohne Einfluß auf den Gang der Variation sein sollte'). Speziell bei An. cochlearis ist ein wichtiger Punkt noch be- sonderer Aufklärung bedürftig.. Wie kommt es doch, daß bei dieser Art, wie wir es im Altrhein Neuhofen etc. sahen, aus einer doch mehr oder weniger einheitlichen Winterform sich mit Beginn der wärmeren Jahreszeit gleichzeitig drei Variationsreihen mit so diffe- rierenden Endgliedern (tecta, hispida, irregularıs) entwickeln, da doch auf alle drei Reihen dieselben äußeren Bedingungen ein- wirken? Ferner: ist ein und dasselbe Weibchen im stande, in den nacheinander abgelegten Eiern auch nacheinander die aufeinander folgenden Stadien einer Variationsreihe zu erzeugen, oder entwickeln sich aus dem ganzen Gelege eines Weibchens lauter unter sich gleiche Tiere? Für An. cochlearis wie für die pelagischen Rädertiere überhaupt, ist die Beantwortung der Frage sehr schwierig. Günstiger scheinen die Verhältnisse bei den Daphniden zu liegen. Hier ist von Burckhardt und Wesenberg-Lund beobachtet worden, daß im Sommer die Jungen, welche sich im Brutraum der Mutter entwickeln, einen relativ längeren Helm als letztere aufweisen?). !) Es ist auffallend, wie selten bei Anuraea cochlearis Dauereier zur Beobachtung gelangen; ich habe dieselben bis jetzt erst im November gesehen. 2) Nach Wesenberg-Lund (1900 S. 649) spielt bei der Helmbildung der Hyalo- daphnien auch die Häutung dieser Urustaceen eine Rolle. Er sagt darüber: „Die Helmbildung bei den Hyalodaphnien scheint also teils dadurch hervor- zukommen, daß die Helme nach jeder Häutung länger werden, teils dadurch, daß die Jungen mit längeren Helmen geboren werden als die Muttertiere.“ Ist das erstere wirklich der Fall, findet also wirklich eine Beeinflussung des erwachsenen Tieres statt, so ist meine Auffassung, daß Veränderungen des Mediums nur auf die Keimzellen der Mutter resp. auf die sich entwickelnden Eier einwirken, in Frage gestellt. Indessen ist meines Erachtens ein zwingender Schluß, daß die Helme von Hyalodaphnia nach einer Häutung sich verändern, bis jetzt noch gar nicht er- bracht. Denn der von Wesenberg-Lund als Beweis angeführte Fall, daß im Herbst bei der Häutung der innerhalb der alten Schale neu angelegte Helm kürzer ist als derjenige der alten Schale, besagt doch noch nichts. Der neue Helm muß doch wohl immer kürzer sein als der ihn umschließende alte; er erreicht seine volle Größe ja erst, wenn die beengende alte Schale abgeworfen und der neue Panzer völlig erhärtet ist. Meine Auffassung wäre erst gefährdet, wenn sich der Nachweis erbringen ließe, daß im Frühling und Sommer nach jeder Häutung der Helm länger würde. Und da ist es doch wohl kaum ein bloßer Zufall, wenn ein so erfahrener Beobachter wie Wesenberg-Laund zugesteht, daß er gerade nach dieser Richtung hin keinen Beweis habe liefern können! s9] Die cyklische ober temporale Variation von Anuraea cochlearis. 617 Es ist somit vielleicht auch bei Rotatorien keineswegs ausge- schlossen, daß hier ein und dasselbe Weibchen im stande ist in Gestalt einer Anzahl aufeinander folgenden Generationen auch ebensoviele auf- einanderfolgende Stadien einer beliebigen Variationsreihe produzieren. Um aber diese Fragen von Grund auf richtig anzufassen, müßte aber vorallem bekannt sein, wie lange überhaupt ein Weibchen von An. cochlearis zu leben im stande ist. Durch die früher erwähnten Versuche von Maupas wissen wir, daß ein Weibchen von Hyda- tina senta eine Lebensdauer von 13 Tagen erreicht; aber diese Beobachtungen beziehen sich auf Tiere, die unter den günstigsten Bedingungen kultiviert werden. Trotzdem glaufe ich nicht, daß wir sehr fehl gehen, wenn wir die oben erwähnte Lebensdauer auch für An. cochlearis substituieren; sie würde im Sommer bei der Schnelligkeit der Vermehrung schon genügen, um eine größere Anzahl von Generationen und damit eventuell auch eine größere Anzahl von Repräsentanten aufeinanderfolgenden Stadien einer Variationsreihe aus einem und demselben Weibchen hervorgehen zu lassen. Ludwigshafen a. Rhein, Ostern 1903. Citierte Literatur des I. und Il. Teiles dieser Arbeit. 1889. Asper und Heuscher, Zur Naturgeschichte der Alpenseen. 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Der jährliche Variationsgang von Anmiles Each in einem Torfteiche bei Neuhofen . Der jährliche Variationsgang von Kaas oe in ee gruben bei Ludwigshafen SI Cyklische Variationen von Anuraea cochlearis in an- deren gewässern des Oberrheingebietes 8. Lanf des Oberrheins. 9. Bodensee . j 10. Seen des Schwarswales : ll. Seen der Vogesen . 12. Gewässer des Pfälzerwaldes - a) Vogelwoog bei Kaiserslautern b) Hohenecker Weiher bei Kaiserslautern . ee Vergleichende Betrachtungen über die cyklische Varia- tion von Anuraea cnchlearee 2 Ze [92 Seite 412 1 417 6 420 6 420 9 421 10 430 19 431 20 435 24 437 26 447 36 530 2 545 17 554 26 559 81 565 837 570 42 575 47 579 51 579 51 580 52 583 55 583 58 584 56 584 56 586 58 587 93] Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. Cyklische Variation sowie Ausbildung von Variations- reihen bei anderen Rotatorien . Cyklische Variation bei anderen Planktonorganismen HOSE HWARNSGES ae ee tee A. Protozoa: Ceratium S. 603. Dinobryon S. 605, Trachelius und Dileptus S. 607. B. Crustacea: Daphnia S. 608, Ceriodaphnia S. 609, Bos- mina 8. 609. Allgemeine Bemerkungen über cyklische odertemporale Variation („Cyclomorphose‘) . Schlußwort. Literatur (Sonderabzüge, ausgegeben den 30. September 1903.) 621 Seite 595 67 605 75 610 82 615 87 617 89 . f a Ya Hikerk NT En 2) 5 j iv K ur, Did LI | 4 30) a num Ku \ ie ya re j sr FR i iDER nur N TER 14 ww Ya 0 ? r R er 4 N I? 1 * I . ir wahl NN Baar 9 7 h b “r er e meer. Ei i i is 10 8 ou Bam a En iz N 4 » e” ‘ f Wil: ei van) %- ’ ı » R - >= a r I Dur f D"y zw 7 nu E ) u Dr Eu PERL MEGEREL DR |\.- Kraftlinienwanderung als Grundhypothese für die Maxwell-Hertz’sche Theorie. Von R. H. Weber. Bei der Ableitung der Maxwell’schen Gleichungen geht man gewöhnlich von dem Magnetfeld stationärer Ströme aus und zeigt oa: de i dann, daß, bis auf konstante Faktoren, ein gp einem > also einer Strömung äquivalent ist. E ist der elektrische Vektor, e eine Ladung (Helmholtz, Vorlesungen über die elektromagnetische Theorie des Lichtes $ 11). Der innere logische Zusammenhang bietet dabei aber einige Schwierigkeit, besonders, wenn man sich vollkommen auf den Boden der Nahewirkung stellt. Man erklärt in der Theorie der Kraftlinien den Leitungsstrom durch die Kraftlinienzahl, die in der Zeiteinheit verfallen würde, wenn nicht dauernd Energie nachgeliefert würde (E. Cohn, Das elektro- magnetische Feld, pag. 131). In der That verfallen auch bei statio- närer Strömung im Leiter dauernd Kraftlinien, während am Orte der elektromagnetischen Kraft neue erzeugt werden. In dem umgebenden Raume aber findet eine Änderung scheinbar nicht statt, so daß der Strom scheinbar durch Fernwirkung das Magnetfeld erzeugt. Mit anderen Worten dargestellt: Das Feld eines stationären Stromes läßt sich bezüglich seiner rein elektrischen Eigenschaften — wenigstens in abgegrenzten endlichen Gebieten — durch das einer "geeigneten elektrischen Verteilung ersetzen. Ein Unterschied ist nur vorhanden einerseits in dem überall befindlichen Magnetfeld, andererseits in dem in einigen wenigen Gebieten vorhandenen elektrischen, Strome. Das Nahewirkungsgesetz verlangt aber, daß die Ursache zu einem solchen Magnetfelde am Orte des Magnetfeldes selbst zu suchen ist. Der Zweck dieser Zeilen ist es, zu zeigen, daß wir vollkommen berechtigt sind, einen weiteren Unterschied zwischen dem Felde elektrischer Verhandl. d. Heidelo. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 43 624 R. H. Weber: [2 Ströme und dem der entsprechenden Ladung überall im Raume anzu- nehmen, nämlich in einer Wanderung der Kraftlinien. Eine quanti- tative Hypothese hierüber umfaßt dann, wie gezeigt wird, die Ma«x- well’schen Gleichungen in ihrer allgemeinsten Form. Da die Kraftlinien selber nur ein Bild sind, so darf diese Be- trachtung auch nur als ein Bild für irgend welche uns nicht bekannte Thatsachen, die aber ebenso lokaler Natur sind, aufgefaßt werden. Neue Folgerungen sind daraus nicht zu erwarten. Wir definieren die Kraftlinien quantitativ in der allgemein ge- bräuchlichen Weise. Eine in einem Punkte befindliche Elektrizitäts- menge e sendet in den umgebenden Raum 4’re Kraftlinien. Es folgt daraus, daß die Kraftliniendichte an irgend einem Punkte des Raumes bei beliebiger elektrischer Verteilung N=sHR ist. E ist der elektrische Vektor, !/g der Proportionalitätsfaktor im Coulomb'schen Gesetze. Es folgt ferner [ Nado=4nXe, wenn N, die Normalkomponente der Kraftliniendichte zum Oberflächen- element do bedeutet, und die Integration über eine geschlossene Fläche zu erstrecken ist. Ye ist die Summe aller eingeschlossenen Elektri- zitätsmengen. Aus dieser Gleichung folgt durch Übergang zum un- endlich Kleinen die Poisson’sche Gleichung. Grundhypothesen. Es sei x, y, z ein Rechtsystem (Fig. 1). 1. Tritt im Punkte x, y, z durch z eine zu x parallele Längeneinheit die Zahl n von elektrischen Kraftlinien, die parallel zu + z gerichtet sind und in der Richtung —+y wandern, in der Zeit- einheit hindurch, so ist hiermit zwangs- weise ein Magnetfeld von der Richtung — x verbunden, das die Größe hat N 20:8, c ist die Lichtgeschwindigkeit. Fig. 1. 2. Desgleichen: Tritt in demselben Punkte in gleicher Richtung wandernd die Anzahl m von magnetischen Kraftlinien, die parallel mit + x gerichtet sind durch eine zu z parallele Längeneinheit in der Zeit- 3] Kraftlinienwanderung als Grundhypothese f. d. Maxwell-Hertz’sche Theorie. 625 einheit hindurch, so ist damit ein elektrisches Feld in der Richtung -- z verbunden, von der Gröhe E (2). Stationäre Ströme. Zwei Punkte, die die Elektrizitätsmengen - e und —e ent- halten, sollen sich in einem gegen alle sonst in Betracht kommenden Längen großen Abstande befinden (Fig. 2). Von -+ e gehen 4rse Kraft- linien nach —e. Verbinden wir die Punkte durch einen Leiter mit- Fig. 2. einander, und fließt durch diesen in der Zeiteinheit die Elektrizitäts- menge J ab, so verschwinden im Raume 477.) Kraftlinien. Diese ver- sinken im Drahte und ihre Energie wird hier in Joule'sche Wärme umgesetzt. Wird +e und —e, — etwa durch eine elektromotorische Kraft —, immer konstant erhalten, so bleibt der Zustand stationär. In jeder Zeiteinheit treten 47r.J Kraftlinien in den Draht ein. Da erfahrungs- gemäß nirgends anders im Raume eine andere Energieart dauernd rezeugt wird, als im Draht (Joule'sche Wärme), so können auch nirgends anders Kraftlinien verschwinden. Sie werden bei +e und —e neu erzeugt und wandern vom Aubßenraume gegen den Draht hin. Klarer wird das Bild, wenn man sich den Draht als geschlossene Linie denkt, bei der an einer Stelle K eine elektromotorische Kraft ihren Sitz hat. Bei K entstehen die Kraftlinien. Sie breiten sich aus, indem sie dauernd an jedem Orte die Dichte annehmen, die die vorhergehen- den dort hatten. Dann schmiegen sie sich immer mehr an den Draht an, und verfallen in ihm (Fig. 3). Dieses Bild entspricht mehr der Wirklichkeit, da wir nicht an 43* 626 R. H. Weber: [4 den Enden eines geraden Drahtes ohne weiteres die Elektrizitäts- mengen konstant erhalten können. re. Wir kehren wieder zu dem geraden Drahte zurück, den wir als ein Stück eines beliebig ge- krümmten auffassen können, wenn wir den Zustand in un- mittelbarer Nachbarschaft be- trachten. Durch eine beliebige um den Draht gelegte Kreislinie, deren Ebene senkrecht zum Drahte steht, und deren Mittelpunkt im Drahte liegt (Fig. 2) treten also in der Zeiteinheit ebenso viele Kraftlinien hindurch, als in der Zeiteinheit im Drahte verschwinden, also: 2rnn—=An). Demnach wird im Abstand v vom Draht die magnetische Kraft 2% es B) erzeugt. Dieses Feld ergiebt sich durch Integration aus dem Biot- Savart'schen Gesetz, ist also experimentell bestätigt. (Statt der beiden punktförmigen Elektrizitätsmengen + e kann man auch den ganzen Draht mit stetig veränderlicher Dichte geladen denken, was die Schlußfolgerungen nicht ändert, wenn wir uns den Draht hinreichend lang denken.) Aus (3) läßt sich in bekannter Weise ableiten c/M;ds = An J, wenn die Integration über eine beliebige geschlossene Kurve um J herum erstreckt wird. .J ist die Gesamtheit aller diese Kurve durch- setzenden Ströme. Außerhalb der Kurve verlaufende Ströme tragen zum Integral nichts bei. Durch Übergang zum unendlich Kleinen folgt dann M=- c.curl M = Ari, wenn i die Stromdichte ist. Durch diesen Übergang zum unendlich Kleinen wird man gleichzeitig von der Bedingung frei, daß der Strom als geradlinig und unendlich lang vorausgesetzt ıst, wenn man nur unendlich große Krümmung ausschließt. Damit ist das erste Gleichungensystem von Maxwell bewiesen, so. weit es sich auf stationäre Zustände bezieht. . 5] Kraftlinienwanderung als Grundhypothese f. d. Maxwell-Hertz’sche Theorie. 627 Verschiebungsströme. Durch das Element dy, (Fig. 4) mögen in das Innere des Ele- mentes dx.dy die Anzahl a, Kraft- linienkomponenten von E, eintreten. Dann treten durch die Längeneinheit a,/dy Kraftlinien und erzeugen nach Hypothese 1. ein Feld Se ce. dy Durch dy, treten a, Kraftlinien ın das Innere von dx.dy. Diese er- zeugen ein BR a nn u Demnach ist a| do c.dy 4% Bu M, cdy öx Analog gilt für die durch dx, und dx, in das Innere eintretenden Kraftlinien ’ dx ven a LE SL ae oy daraus folgt: DM 0: NG taten — Dy “ax dy Die linke Seite dieser Gleichung enthält die gesamte Zunahme pro Zeiteinheit der die Fläche dx. dy normal -durchsetzenden Kraftlinien, also die Zunahme von N,.dx.dy. Deshalb ist: a OM EN ON - _ d (N, dxdy) (58 | BE desdy) = AL. d (e E, dx.dy) Be Entsprechende Gleichungen folgen für E,, Ey. Wenn dx. dy von t unabhängig ist, also bei nicht bewegten Körpern, gehen diese Gleichungen in die ersten Maxwell'schen über, soweit sie für Nicht- leitungsströme gelten. Aus Hypothese 2 folgen die analogen Gleichungen für den magnetischen Vektor nur mit dem entgegengesetzten Vorzeichen auf einer Seite, da E, y, M ein Linkssystem bilden. 628 R. H. Weber: [6 oE, 9E\, , Zdlaklrdxdy) Er — a Die Annahmen 1, 2, die sich auch unabhängig vom Coordinaten- system aussprechen lassen, enthalten demgemäß, wenn unter den Längen- und Flächeneinheiten materielle verstanden sind, die Mazx- well’schen Gleichungen in ihrer allgemeinsten Form, also auch für bewegte Medien, im Hertz’schen Sinne. (E. Cohn, 1. c. pag. 535.) Heidelberg. Physikalisches Institut. Juli 1905. (Sonderabzüge, ausgegeben den 12. Oktober 1903.) Über einen in den Muskelzellen von Nephelis sehmarotzenden neuen Nematoden,. Myenchus bothryophorus n. g. n. sp. (Vorläufige Mitteilung.) ') Von A. Schuberg (Vorgetragen in der Gesamtsitzung vom 4. Dezember 1903). Seit mehreren Jahren beobachtete ich in Nephelis vulgaris Moq. Tand. (Herpobdella atomarıa |Carena|) aus dem Neckar bei Heidelberg einen kleinen Nematoden, der insbesondere durch seine Lebensweise einiges Interesse verdienen dürfte. Ich fand ihn nämlich 1. frei im Bindegewebe der Wirtstiere, 2. innerhalb der Muskelzellen von Nephelis und 3. ın deren abgelegten Eicocons. Die frei, ohne Uystenbildung im Bindegewebe! liegenden Tiere kann man durch Zerschneiden der lebenden Wirtstiere in physio- logischer Kochsalzlösung leicht isolieren. Die hierbei frei gewordenen Tiere sind meistens geschlechtsreif. Die Männchen sind 0,42-—0,44 mm, die Weibchen 0,38—0,40 mm lang; die Breite beträgt bei beiden Geschlechtern ungefähr 0,021 mm. Das Vorderende ist quer abgestutzt und besitzt wahrscheinlich drei, jedoch undeutliche Lippen, in deren Mitte die Mundöffnung liest. Am Schwanzende befinden sich drei kleine Fortsätze. Der After mündet kurz vor dem Hinterende auf der Bauchseite und ı) Herrn Olaw Schröder bin ich zu Danke verpflichtet, dass er die Unter- suchung gemeinsam mit mir zu Ende führte. Unsere ausführliche Darstellung (mit einer Tafel) wird unter dem Titel: „Myenchus bothryophorus, ein in den Muskelzellen von Nephelis schmarotzender neuer Nematode, von August Schuberg und Olaw Schröder“ in der Zeitschrift f. wissenschaftl. Zool. erscheinen. 530 A. Schuberg: 2 nimmt bei den Männchen auch den Ausführungsgang des Genital- rohres auf; die Weibchen besitzen eine besondere Vulva, die ungefähr am Anfang des letzten Körperviertels liegt. Von besonderem Interesse ist eine bei beiden Geschlechtern beobachtete grubenartige Einsenkung der Körperoberfläche, die auf der Bauchseite ungefähr an der hinteren Grenze des vordersten Körperfünftels gelegen ist. Die Bedeutung dieser, von der Cuticula ausgekleideten „Bauchgrube“, die den Eindruck eines Saugnapfes macht, konnte nicht ermittelt werden. Eine Deutung als Saugnapf ist ebensowenig sicher, wie ein Vergleich mit den sog. „„Seitenorganen“ anderer Nematoden, der durch die äussere Ähnlichkeit der Bauch- grube mit den Seitenorganen mancher Arten nahegelegt wird. Der Lage nach könnte man sıe für einen besonders modifizierten Exkretions- porus halten. wie ja auch z. B. bei Atractis-Arten kompliziertere Porusbildungen vorkommen. Indessen konnten Exkretionsgefässe nicht gefunden werden. Der den Körper ziemlich gerade durchziehende Darm beginnt mit einem engen, von einem Mundstachel völlig erfüllten Ab- schnitt und besitzt zwei schwache Ösophagusanschwellungen. Das tectum erscheint blasig aufgetrieben. Die Geschlechtsorgane bestehen in beiden Geschlechtern aus einem unpaaren Rohre: bei den Weibchen ist dies ın Ovarıum, Ovidukt und Uterus differenziert. An der Übergangsstelle zwischen Ovidukt und Uterus liegen drüsenartige Körper: der Uterus selbst besitzt einen hinter der Vulva gelegenen Blindsack. Die im Uterus enthaltenen Eier (5—8) sind von feinen Schalen umgeben, die sich so weit abheben, daß der Anschein erweckt werden kann, als sei der Uterus durch feine quere Wände gekammert. Das männliche Ge- schlechtsrohr läßt keine scharfe Abgrenzung der einzelnen Abschnitte erkennen. Stets sind zwei ventralwärts und nach vorne umgebogene Spicula vorhanden, die eine verbreiterte Basıs besitzen. Die geschlechtsreifen Nematoden werden innerhalb des Körpers der Nephelis frei im Bindegewebe liegend angetroffen. Jüngere, noch nicht geschlechtsreife Tiere (Länge 0,2—0,3 mm), die oft von den Geschlechtsorganen überhaupt noch nichts erkennen lassen, findet man dagegen im Innern der Muskelzellen. Sie liegen in dem centralen, nicht kontraktil differenzierten Proto- plasma in einen engen Hohlraum eingeschlossen, meist gestreckt, doch auch ein- oder zweimal umgebogen, und bedingen in der Regel keine oder nur geringe Deformitäten der Muskelzellen. 3] Über einen i. d. Muskelzellen v. Nephelis schmarotzenden Nematoden. 531 Da die geschlechtsreifen Tiere außer im Bindegewebe der Nephelis auch in deren C'ocons angetroffen wurden, dürfte der Ent- wickelungscyklus der Nematoden wohl der folgende sein: Die jungen Tiere wachsen in den Muskelzellen heran bis zu ‘einer Größe von 0.2—0.3 mm: sie dringen dann in das Bindegewebe ein, wo sie ihre volle Grösse erreichen und geschlechtsreif werden. Da sie öfter un- mittelbar unter der Epidermis sich vorfinden, so scheint es nicht unmöglich, daß sie, ohne die Geschlechtswege zu benützen, durch Durchbohrung der Haut in die Cocons gelangen, während diese ab- gelegt werden. In diesen dürften sie dann vermutlich die Eier ab- lesen. Daß die Eier der durch Zerschneiden der Nephelis frei gewordenen Nematoden reif sind. geht daraus hervor, daß im Prä- parat — wahrscheinlich durch den Druck des Deckgläschens — freı- gewordene Eier 2—-3 hichtungskörperchen erkennen ließen. In den Nephelis-Cocons selbst wurden die Eier bis jetzt nicht gefunden: doch steht, wie gesagt, zu vermuten, daß sie hier zur Ablage ge- langen und dab die jungen Nephelis vielleicht schon vor Verlassen des Cocons durch die jungen Nematoden infiziert werden. Doch sind hierüber noch weitere Untersuchungen anzustellen. Die nächsten Verwandten des Nematoden der Nephelis-Muskel- zellen, der wohl für die Wissenschaft neu ist und den ich, mit meinem Herrn Mitarbeiter, als Myenchus bothryophorus Schuberg et Schröder zu benennen vorschlage, sind zweifellos die Gattungen Tylenchus und Aphelenchus. Die drei Fortsätze am Hinterende legten sogar die Vermutung nahe, daß Aphelenchusrivalis Btschli, der „an Steinen im Main“ gefunden wurde, ein freigewordener Myenchus sein könnte. In- dessen fanden sich bei letzterem weder accessorische Spicula-Stücke., noch Medianpapillen, wie sie A. rivalıs nach Dütschli besitzt; es ıst ferner auch nicht anzunehmen, daß die für Myenchus so charak- teristische und leicht zu beobachtende Bauchgrube von Dütschli hätte übersehen werden können. Da die Gattungen Tylenchus und Aphelenchus, soweit mir bekannt, ausschließlich freilebende und in Pflanzen parasitierende Arten umfassen, ist der Parasitismus von Myenchus in einem tierischen Organismus besonders bemerkenswert. Von allgemeinerem Interesse ist jedoch der intracelluläre Parasitismus des Myenchus, da diese Art wohl der erste bis jetzt bekannt gewordene Nematode sein dürfte, der innerhalb der glatten Muskelzellen eines Wirbellosen schmarotzt. Denn die bis jetzt bekannten intracellulären Muskelparasiten aus der Abteilung der 539 A. Schuberg. 14 Nematoden leben alle in den quergestreiften vielkernigen Muskelfasern von Wirbeltieren. Bei Myenchus handelt es sich aber um einen vielzelligen Organismus, der in einer einzelnen, einkernigen Zelle schmarotzt. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß bis jetzt auch nur eine Nematodenart in Hirudineen gefunden worden ist, nämlich ein 1.43 mm langer, nicht geschlechtsreifer Nematode, den Castle in der Leibeshöhle von Glossiphonia stagnalis (L.) (Clepsine bioculata Sav.) auffand, ohne ihn jedoch genauer zu beschreiben. (Sonderabzüge, ausgegeben den 22. Februar 1904.) X L % 73 3 R: + RANNANANANNARNANAANANANRAR Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung in Heidelberg. Bunseniana. Eine Sammlung von humoristischen Geschichten aus dem Leben von Robert Bunsen nebst einem Anhang von pfälzischen Lyceums-Anekdoten von Einem, der vieles miterlebt und das übrige aus guten Quellen geschöpft hat. 8°. geheftet 80 Pf. zz. SM. zB mie str Suse s sa Ss E.._z— ze Segen Ser Ssz a CS ss see Bedürfnisse und Fortschritte des Menschengeschlechtes. 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Dieses “interessante und hochwichtige Gebiet der Chemie behandeln zahlreiche teils ausführlich, teils kurz gefaßte Werke in- und ausländischer Verfasser, aber keines dieser Werke ist in. so übersichtlicher und so. kundiger Weise zusammengestellt als das vorstehend angeführte. ... . (Pharmazeutische Post.) Die Bearbeitung ist eine durchaus verläßliche, strengsachliche, korrekte und zeigt die ausg ezeichnete Kenntnis, pr aktische Erfahr ung und Gewandt- heit des Verfassers. (Chemiker-Zeitung.) Wir stehen nicht an, das von dem Verfasser in hübscher Ausstattung, sauberem Druck und ungemein handlicher Ausgabe veröffentlichte Werkchen als ein für den prak- tischen Gebrauch berechnetes Orientierungsbuch zu bezeichnen, das dem angehenden Chemiker und allen mit der Nahrungsmittelchemie in nähere Berührung‘ tretenden, technisch aber nicht vorgebildeten Personen (Gesundheitsbeamten, Kaufleuten, Produzenten, Verwaltungs- und Justizbeamten) einen gedrängten Überblick über die Beschaffen- heit-und Zusammensetzung der gebräuchlichsten Nahrungs- und Genußmittel, die Arten ihrer Verfälschung und die zu deren Feststellung dienenden neuesten Untersuchungs- methoden biete. Das Buch ist ungemein reichhaltig. (Chemisch- -technischer Central- Anzeiger.) ERRALLLRANLLLANLLRARLLAAAR Inhalt. Herbst, Curt, Vorläufige Übersicht über die Rolle der zur Entwickelung ‘ der Seeigellarven notwendigen anorganischen Stoffe . » 2. ... 867 _ Schuberg, A., Über Zellverbindungen. Vorläufiger Bericht ...... 395 Bredig, G., und J. Weinmayr, Eine periodische Kontaktkatalyse. . . . 405. Bütschli, O., Untersuchungen über Amylose und amyloseartige Körper . 419° E= —, Notiz über die sogenannte Florideenstärke .... .. .. ‚519 Lauterborn, R., Der Formenkreis von Anuraea cochlearis. 2. Teil: Die cyklische oder temporale Variation von Anuraea cochlearis. . . . 529 Weber, R. H., Kraftlinienwanderung als Grundhypothese für die Maxwell- Hortz’sche "Theorie: -- a .%, Sa RE ee 9 . 5. 623 Schuberg, A., Über einen in den Muskelzellen von Nephelis schmarotzenden \ neuen Nematoden, Myenchus bothryophorus n. g. n. sp. Vorläufige Mitteilang ... 3 5%. 0.0, a Pe ae ee Die Gesamtsitzungen des Naturhistorisch-Medizinischen Vereins finden, mit Ausnahme der Ferienmonate, regelmäßig am ersten Freitag jedes Monats statt nnd werden den Mitgliedern jeweils besonders angezeigt. Von den in den Verhandlungen abgedruckten Arbeiten werden den Ver- ©R fassern 100 Sonderabzüge unentgeltlich geliefert. Manuskriptsendungen. bittet man an den Schriftführer Prof. A. Schuberg, Werderstraße 32, zu richten. C. F. WINTER! SCHE BUCHDRUCKEREL Bone a it? Inn aan - VERHANDLUNGEN NATURHISTORISCH- MEDIZINISCHEN VERBINS HEIDELBERG. —H— NEUE FOLGE. SIEBENTER BAND. FÜNFTES HEFT. MIT 28 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 2 TAFELN. (AUSGEGEBEN ANFANG MAT 1904.) wir SI ci \ cl 01 72 | „© HEIDELBERG. CARL WINTER'S UNIVERSITÄTSBUCHHANDLUNG. | 1904. er vie KLLLNTLAÄANANNTLANNTLANE Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung in Heidelberg. Berichte über Land- und Forstwirtschaft © in Deutsch-Ostafrika. Lex. -8°. geheftet. I. Band. 1. Heft. Übersicht über Land- und Forstwirtschaft in Deutsch- = Ostafrika im ‚Berichtsjahre 1. Juli 1900 bis 30, Juni 1901. — Auszüge aus den Jahresberichten der Bezirksämter und Militärstationen für die Zeit vom 1. Juli 1900 bis 30. Juni 1901. 2 M. 80 Pf. z 2. Heft. Stuhlmann, Franz, Notizen über die Tsetsefliege (Glossina morsitans Westw.) und. die durch sie übertragene Surrabkrankheit in Deutsch-Ostafrika. Mit 4 Textabbildungen und Tafel I-II. — Stuhl- mann, Franz, Über den Kaffeebohrer in Usambara. Mit Tafel III. — Stuhlmann, Franz, und Weise, Paul, Über einige als Schattenbäume und Fruchtpflanzen im Küstengebiet von Deutsch-Ostafrika gezogene Pflanzenarten, sowie über ihre Blüte- und Fruchtzeit in Dar-es-Saläm. - — Stuhlmann, Franz, Vorkommen von Glossina tabaniformis (Westw.) bei Dar-es-Saläm. Mit einer Textabbildung. — Lommel, V., Bericht über eine Reise nach der Gegend von Mkamba zwecks Infizierung von Heuschreckenschwärmen mittelst des Heuschreckenpilzes. — Lommel, V., Chemische Untersuchungen eihiger Böden ‚aus dem Hinterlande von Tanga, ausgeführt in der kgl. Jandw. Akademie in Bonn-Poppelsdorf unter Leitung des Geh. Reg.-Rates Prof. Dr. Wonturmanx. — Uhlig, Carl, Niederschläge in den für Baumwollenanbau in Betracht kommenden Monaten in Nordamerika und Deutsch-Ostafrika. 2 M..40 Pf. 3. Heft. Auszüge aus den Berichten der Bezirksämter, Militärstationen und anderer Berichtsstellen über die wirtschaftliche Entwicklung im Berichtsjahr vom 1. April 1901 bis 31. März 1902.\ — Nachweisung über die in’ Deutsch-Östafrika vorhandenen Plantagen! und deren Stand am 1. Januar 1902. 2 M. 40 Pf. . 4. Heft. Errichtung des Biologisch-Landwirtschaftlichen Instituts zu | Amani. — Stuhlmann, Franz, Über einige in Deutsch-Ostafrika ge- sammelte parasitische Pilze. — Lommel, V., Mitteilungen aus dem agronomisch-technischen Laboratorium des Referats für Landeskultur ' in Dar-es-Saläim. — Koert, W., und Lommel, V,, Nährstoffunter- suchungen an einem Sandbodenprofile von Kurasini bei Dar-es-Saläm. — Wohltmann, Ferdinand, und Lommel, V., Nachtrag zu den chemischen Untersuchungen einiger Böden aus dem Hinterlande von Tong6. Der Boden des Ubiritales in West-Usambara. — Lommel, V., Bericht über eine Reise im Bezirke Kilwa zur Feststellung des Vorkommens und zur Beobachtung der Lebensgewohnheiten der Tsetsefliege. Mit einer Text-" abbildung. — Zimmermann, A., Über einige auf den Plantagen von. Ost- und West-Usambara gemachte Beobachtungen. Mit zwei Text- abbildungen und Tafel IV. 2 M. 40 Pf. 5. Heft. Zimmermann, A., Einige Bemerkungen zu dem Aufsatz von F. Wonrrmanx über «Die Aussichten des Kaffeebaus in den Usambara- bergen». .60 Pf. Z 6. Heft. Lambrecht, Über die Landwirtschaft der Eingeborenen im Bezirk Kilossa. — Koert, W., Bemerkungen zu dem Aufsatz von Fer- DINAND WOHLTMANN im «Tropenpflanzer» 1902, Heft 12: «Die Aussichten des Kaffeebaus in den Usambarabergen». — Zimmermann, A., Erster Jahresbericht des Kaiserl. Biologisch - Landwirtschaftlichen Instituts NE Amani. 1 M. 60 Pf. 7. Heft. Uhlig, Carl, Regenmessungen aus Usambara. 2 M, (Fortsetzung auf Seite 3 des Umschlags.) nV AR ae a er; KRAALLAALLLARRRAAAAANNAAR Die Lagerungsform des Amphibolperidotites und Diorites von Schriesheim im Odenwald. (Mit Tafel XV und XVI.) Von Wilhelm Salomon in Heidelberg und M. Nowomejsky in Bargusin (Sibirien). I. Literatur.') 1839 @. Leonhard. Mineralog.-Geognost. Beschreibung der Umgegend von Schriesheim u. s. w. Neues Jahrb. f. Mineral. S. 36--37. 1843. Derselbe. Handwörterbuch der topographischen Mineralogie. Heidel- berg. 1859. H. Fischer. Über die Verbreitung der triklinoödrischen Feldspathe in den sog. plutonischen Gesteinen des Schwarzwaldes. Ber. Verhandl. naturf. Ges. Freiburg Il. S. 6—7. 1860. Derselbe. Gleicher Titel. S. 251. (Aprilheft.) 1861. G. Leonhard. Geognostische Skizze des Großherzogtums Baden. II. Aufl. Stuttgart. S. 34—36. 1864. C. W. ©. Fuchs. Schillerfels bei Schriesheim an der Bergstraße. Neues Jahrb. f. Miner. S. 326—332. 1866. K. A. Zittel. Labradordiorit von Schriesheim bei Heidelberg. Ebenda Ss. 641—646. 1877. H. Rosenbusch. Mikroskop. Physiographie d. massigen Gesteine. S. 531—532. 1879. E. W. Benecke und E. Cohen. Geognostische Beschreibung der Um- gegend von Heidelberg. Straßburg. S. 132—148. Vergl. auch die Karte. 1885. E. Cohen. Berichtigung bezüglich des „Olivindiallaggesteines“ von Schriesheim im Odenwald. Neues Jahrb. f. Mineral. I. S. 242—243. 1885. J. H. Kloos. Über Uralit und die strukturellen Verschiedenheiten der Hornblende in einigen Gesteinen des Schwarz- und Odenwaldes. Tageblatt d. 1) Im Text sind bei den Zitaten außer den Autornamen nur die Jahreszahlen angeführt Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 44 634 Wilhelm Salomon und M. Nowomejsky :' [2 58. Versamml. deutscher Naturforscher u. Ärzte in Straßburg. Vergl. Referat im Neuen Jahrb. f. Mineral. 1888. I. S. 408. 1887. H. B. Patton. Hornblende, Oligoklas und Titanit aus Drusenräumen im Schriesheimer Diorit. Neues Jahrb. f. Min. I. S. 261—266. 1894. F. Zirkel. Lehrbuch der Petrographie. Il. Aufl, Bd. III. S. 136, 1895. H. Rosenbusch. Mikroskopische Physiographie der massigen Gesteine. II. Aufl. S. 348, 1896. A. Andreae und A. Osann. Erläuterungen zu Blatt Heidelberg d. ba- dischen geolog. Karte in 1:25000. S. 10—11. Vergl. auch die Karte. 1901. H. Rosenbusch. Elemente der Gesteinslehre. II. Aufl. Stuttgart. S. 171. II. Historisches. Schon seit mehr als einem halben Jahrhundert sind die im Titel der Arbeit genannten Gesteine den Heidelberger Geologen und Mineralogen wohl bekannt. In mineralogischer und chemi- scher Hinsicht sind sie eingehend untersucht worden; auf den geologischen Karten sind ihre Fundorte eingetragen. Anders ver- hält es sich mit ihrer Lagerungsform. — @. Leonhard, der Ent- decker des jetzt auch als „Schriesheimit“ bezeichneten Amphibol- peridotites, hat sich überhaupt nicht über dessen Lagerungsform ausgesprochen. Fuchs (1864) machte die erste Angabe darüber. Er sagt von dem Schriesheimit (= ,„Schillerfels“): „Allein gerade an der steilen, von dem kleinen Bach entblößten und bespülten Wand sieht man zwischen dem Granit eine 10—12 Fuß breite gangartige Masse eines dunklen, etwas grünlichen Gesteins, des Schillerfelses‘“. Benecke und Cohen (1879, S. 141) geben an: „Schon seit langer Zeit ist es bekannt, daß in der Gegend von Schriesheim ein eigen- tümliches Gestein gangförmig den Granit durchsetzt“. Auf S. 142 sagen sie: „Der 3—3!/; m breite Hauptgang tritt unmittelbar am Bach auf der linken Seite des Spathgrubentals unweit Schriesheim zu Tage. Von hier läßt sich der Gang bis auf den Rücken der «Langen Schaar» verfolgen!), verschwindet dann aber bald im dichten Gebüsch. Ein zweiter Punkt wurde bei der Wegverlegung im Schriesheimer Tal aufgeschlossen und konnte auf der Karte noch während des Druckes eingetragen werden.“ Entsprechend diesen Angaben findet man auf derKarte (Maßstab 1:50000), einen !) NB. Gemeint ist in Blöcken; denn Aufschlüsse fehlten offenbar schon damals oberhalb des Punktes am Bache. D. Verf. 3) Lagerungsform des Amphibolperidotites u. Diorites v. Schriesheim i. O0. 635 ı/, cm langen, also einer Horizontalausdehnung von 250 m ent- sprechenden etwa SO-streichenden Gang vom „Weiten Tal“ nach der „Langen Schaar“ hinaufgezogen. und einen zweiten Aufschlußpunkt im Haupttal. Andreae und Osann (1896) machen im Text keine An- saben über die Aufschlüsse, auf der Karte aber ist das Bild wesent- lich geändert. Der Fuchs’sche Aufschluß fehlt, der betreffende „Gang“ selbst aber ist sowohl auf dem rechten Ufer des „Weiten Tales“ wie auf dem Rücken zwischen diesem und dem Haupttal („Lange Schaar“ bei B. und C.) und in der südöstlichen Fort- setzung in dem Haupttal an der Landstraße eingetragen. Der zweite von Benecke und Cohen entdeckte Aufschluß im Haupttal ist etwas nach Westen verschoben und NNW.-lich von ihm ist durch Dilu- vium getrennt noch ein dem ersten Gange parallel gezeichnetes kurzes Gangstück eingetragen. Von den zitierten Arbeiten rühren die übereinstimmenden Angaben der Lehr- und Handbücher her, von denen hier nur die von Zirkel und Rosenbusch als die ver- breitetsten zitiert seien. Zirkel (1894, Bd. Ill, S. 136) sagt: „Gang im Granit bei Schriesheim im südlichen Odenwald (3—3'Y/, m mächtig)“. Rosenbusch (1895, S. 348) gibt an: „Es ist wohl möglich, daß man innerhalb der kleinen Gruppe der Amphibolperidotite mit der Zeit zwei Typen wird unterscheiden müssen, deren einer, re- präsentiert durch den allbekannten «Schillerfels»-Gang im Granitit des Schriesheimer Tales (Schriesheimit), nördlich von Heidelberg, besonders durch die poikilitische Struktur charakterisiert würde, und der sich wahrscheinlich als ein Glied der Ganggefolgschaft des Gabbros herausstellen wird“. Später aber führt Rosenbusch (1901) die „Gänge im Granit des Schriesheimer Tals im Odenwald“ bereits unter den Tiefengesteinen, nämlich unter den Peridotiten und Pyroxeniten auf. Aus diesen, soweit uns bekannt, die gesamte Originalliteratur umfassenden Angaben dürfte hervorgehen, daß die Annahme von dem gangförmigen Auftreten des Schriesheimites im wesentlichen nur auf der sehr unbestimmten Beobachtung von Fuchs beruht. Ein zweiter Punkt, den wir in der Literatur zurückverfolgt haben, ist der eventuelle genetische Zusammenhang zwi- schen dem Schriesheimit und den gleichfalls angeblich gangförmig im Schriesheimer Tal aufsetzenden Dioriten, die wir weiterhin behandeln werden. Andreae und Osann (1896, S. 11) sagen darüber: „In engem 44* 636 Wilhelm Salomon und M. Nowomejsky: [4 Zusammenhang und wahrscheinlich auch durch Übergänge mit dem Dioritgang am Stammberg verbunden tritt das schon 1839 von Leonhard beschriebene und als Schillerspat oder Schiller- fels bezeichnete Gestein auf“. — „Die genetische Zusammenge- höriskeit dieses Amphibolpikrites mit dem gangförmig auftreten- den Diorit wurde schon früher von Fischer und Zittel ausge- sprochen“. Benecke und Cohen äußern sich nicht selbst über diese Frage. Zittel sagt aber nur: „Die Beziehung des Schriesheimer Schillerfelses zu dem Labradordiorit (dem früher sog. Gabbro) wurde bereits von Dr. Fuchs hervorgehoben und ich zweifle nicht, daß derselbe nur ein Zersetzungsprodukt eines sehr hornblende- reichen, magneteisenhaltigen Diorites darstellt“. Fuchs äußert sich sogar noch unbestimmter: „So finden sich bei dem vorliegenden Gesteine («Schillerfels») zahlreiche Ana- losien mit dem bekanntesten und“ am „genauesten untersuchten Vorkommen dieser Gesteins-Varietät im Harze“. „Eine spätere Untersuchung des Gabbro-ähnlichen Gesteines, welches in der Nähe des Schillerfelses bei Schriesheim ansteht, wird zeigen, ob auch in dieser Beziehung eine Analogie mit dem Vorkommen im Harz stattfindet“. „Weiterabwärts, gegen die Mündung in das Haupttal, kommt noch ein anderes, von vielen Besuchern dieser Gegend längst gekanntes, aber noch nicht fest bestimmtes Gestein vor, ebenfalls nur sehr untergeordnet, das wohl Gabbro sein dürfte. Bestätigt sich durch die spätere Untersuchung!) diese Vermutung, dann würde dadurch eine neue Analogie gewonnen mit dem ty- pischen Vorkommen des Schillerfelses an der Baste im Harz.“ Fischer endlich sagt (1860, S. 251): „Zu der Notiz über ein dioritisches Gestein von Schriesheim bemerke ich noch, daß nach @G. Leonhard ebendaselbst bei dem Bache, der von den Baryt- gruben herunterfließt, auch Schillerspath, ganz dem von der Baste am Harze ähnlich vorkommt, daß also auch hier auf ein gene- tısches Verhältnis des letzteren aus dem ersteren zu achten wäre“. Diese Zusammenstellung dürfte zur Genüge zeigen, daß bis zum heutigen Tage kein Beweis für einen gene- tischen Zusammenhang der beiden Gesteine gegeben ist. Und wir möchten hinzufügen, daß bei dem heutigen Stande unserer Kenntnisse die von Füischer-Fuchs-Zittel ausgesprochene Vermu- !) Diese wurde nicht mehr ausgeführt. D. Verf. 5] Lagerungsform des Ampbibolperidotites u. Diorites v. Schriesheim i.0. 637 tung, der Schriesheimit könne ein Zersetzungsprodukt des Dio- rites sein, keine Verteidiger mehr finden wird. Gehen wir nun zur Betrachtung der Lagerungsformen un- serer Diorite über, so hat @. Leonhard (1861) durch zusammen- fassende Untersuchung einer größeren Anzahl von Odenwälder Dioriten, freilich ohne spezielleres Studium der von ihm mitge- nannten Schriesheimer Vorkommnisse die Überzeugung gewonnen, daß „die ganze Art und Weise ihres Auftretens mehr auf eine gleich- zeitige Bildung mit den sie umschließenden, vorherrschenden Ge- birgsarten“ (wesentlich Granitit) „als auf ein gangartiges Eindringen zu deuten scheint. Mangel an genügenden Aufschlüssen macht eine Entscheidung dieser Frage schwierig.“ Fischer und Fuchs spre- chen sich über die Lagerungsform der Schriesheimer Diorite nicht aus; bei Zittel finden wir dagegen zum erstenmal die Annahme von ihrer Gangform, wobei jedenfalls nach den angeführten Zi- taten über den vermuteten Zusammenhang zwischen Schries- heimit und Diorit die analoge Auffassung des benachbarten Schries- heimites in der nur zwei Jahre vorher erschienenen Fuchs’schen Arbeit mitbestimmend war. Zittel (1866, S. 641) macht darüber folgende Angaben: „Die schönste und grobkörnigste Varietät dieses Gesteins trifft man auf dem Gipfel der sogenannten «Hohen Waid», wo dasselbe, wie es scheint, stock- oder gangförmig im Granit auftritt. Eine Menge großer Blöcke liegen hier zerstreut im Walde umher; doch sind die Aufschlüsse über das geologische Vor- kommen nicht günstig.“ — „Ein anderer leichter zugänglicher Punkt, an welchem unser Gestein ansteht und gangförmig den Granit durchsetzt, ist in der Nähe der ehemaligen Papiermühlen zur rechten Seite des Schriesheimer Tales“. Benecke und Cohen teilen sehr zahlreiche Beobachtungen über die Schriesheimer Diorite mit: (S. 132) „Zu den echten Dioriten gehören zwei Gänge; der eine läßt sich vom Bahnwald über den Ausläufer der «Langen Schaar»!) weg bis an die alte Mahlmühle im Schriesheimer Tal verfolgen, der andere vom Fenzengrund bis an die Südspitze des Hettersbacher Kopfes. Besonders der letztere ist durch eine neue Weganlage gut aufgeschlossen und 1) „Lange Schaar‘ heißt der Vorsprung zwischen dem linken Ufer des „Weiten Tales“ und dem Haupttal. 638 Wilhelm Salomon und M. Nowomejsky: [6 wird von Gängen eines feinkörnigen Granites durchsetzt.“ „Der Hauptgang (sc. des Diorites) ist an der Hettersbachwiese etwa 36 Schritte breit und wird von einem kleineren auf der Karte nicht angegebenen durch Granit getrennt. Veränderungen am Sal- band des Diorit selbst oder im Nebengestein wurden nicht beob- achtet.“ Weiterhin heißt es von dem „Augitdiorit“ (S. 137): „Mösg- licherweise bilden beide Fundstätten die Endpunkte eines Ganges“. Von einem „Hornblendefels“ auf dem Hummelberg, der anstehend nicht nachweisbar war, wird angeführt: „Ein gangförmiges Auf- treten ist jedenfalls sehr wahrscheinlich“. Andreae und Osann (1896, S. 10) endlich sagen: „An diese stockförmigen Tiefengesteine (sc. Granitit, Hornblendegranitit und Diorit) von großer Ausdehnung reihen sich einige weniger be- deutende Vorkommnisse an, nämlich Diorite, welche nach Art von Gängen im unteren Teil des «Weiten Tales» und in seinen Nebentälern stellenweise in beträchtlicher Mächtiskeit auftreten. So besitzt der Gang, welcher vom Fenzengrund nach dem kleinen Hettersbachtal zieht, nach Angabe von Cohen eine Mächtigkeit von zirka 30 m. Ein weiteres vereinzeltes, ebenfalls sangförmiges Vorkommen dieser Diorite findet sich am Schanzenköpfle, am Westabhang der «Hohen Waid» und läßt sich in Blöcken in SSO- Richtung eine Strecke weit verfolgen.“ Es wird dann noch hervor- sehoben, daß diese Diorite basischer seien als die „mehr stock- förmig auftretenden“. Soweit die Literatur über diese Vorkommnisse. Sie scheint in der Tat zu ergeben, daß außer größeren stockförmigen Massen von Diorit besonders in der Umgebung des „Wei- ten Tales“ jüngere Gänge von Dioritim Granitit auftreten und daß also, falls wirklich ein genetischer Zusammen- hang zwischen diesen Dioriten und dem Schriesheimit vorhanden ist, auch für den letzteren gangförmiges Auftreten im Granitit, und jüngeres Alter diesem gegen- über wahrscheinlich wird. Sehr auffällig war es aber dennoch schon längere Zeit dem einen von uns, daß nach den vortrefflichen Untersuchungen von Chelius im hessischen Odenwalde das Verhalten des Diorites zum Granitit gerade umgekehrt sein sollte. Dort ist der Diorit und der mit ihm in nahen Beziehungen stehende Gabbro älter als der Granit. Er wird von diesem in Apophysen durchsetzt; Schollen 7] Lagerungsform des Amphibolperidotites u. Diorites v. Schriesheim 1.0. 639 von ihm sind vom Granit umschlossent). Außer diesem merk- würdigen Widerspruch in dem angeblichen Verhalten des Diorites zum Granit im nördlichen und südlichen Odenwalde war es noch eine zweite schon längst bekannte, aber nicht genügend gewür- diste Tatsache, die die Veranlassung zu der vorliegenden kleinen Arbeit bot. Schon Benecke und Cohen (1879, S. 132) geben, wie bereits vorher zitiert, an, daß die Dioritgänge des Schriesheimer Tales ‚von Gängen eines feinkörnigen Granites durchsetzt wer- den“. Auf diese Gänge wurde der eine von uns zuerst dadurch aufmerksam, daß Zuhörer von ıhm, die Herren stud. Wahl und stud. Philipp, von Exkursionen im Schriesheimer Tal Stücke von Aplitsängen aus dem Diorit mitbrachten. Die Aplite der Heidel- berger Gegend haben niemals eine Salbandverdichtung dem Granite gegenüber. Sie durchsetzen ihn, wie bekannt, in unglaublich zahl- reichen, netzartig verzweigten Gängen und sind zweifellos im un- mittelbaren Anschluß an die Festwerdung des Granites empor- und in diesen eingedrungen. Wenn also wirklich der Diorit Gänge im Granit, der Aplit aber im Diorit bildete, so hätte der Diorit jünger als der Granit, aber älter als der Aplit sein müssen, ein gänzlich unwahr- scheinliches Verhalten. So kam es, daß wir uns entschlossen, durch eine besonders sorgfältige Kartierung und Untersuchung der Umgebung des „Weiten Tales“ und der „Hohen Waid“ die besprochenen Fragen zu beantworten. Die Untersuchung der Aufschlüsse im Felde geschah gemein- sam. Die spezielle Kartierung führte Nowomejsky unter Kontrolle von Salomon aus. Ebenso sammelte Nowomejsky das Material für die mikroskopische Untersuchung und zeichnete die beiden Karten und die Profile. Die Untersuchung des gesammelten Materials und die Abfassung des Manuskriptes konnte er infolge plötzlicher Rückberufung nach Sibirien nicht mehr ausführen. Sie wurde daher von Salomon übernommen. 1) Notizblatt d. Vereins f. Erdkunde zu Darmstadt. IV. Folge, Heft 15. S. 20—21, 23, 26—29. — Heft 16. 1895. S. 14. — Heft 18. S. 20, 22—23. — Erläuterungen zu Blatt Lindenfels d. hess. geol. Karte. S. 28, 31, zu Blatt Neun- kirchen, S. 9 u. 17. Und an vielen anderen Orten, 640 Wilhelm Salomon und M. Nowomejsky: [S III. Neue Untersuchungen. Von den beiden der Arbeit beigegebenen Karten ist die erstere, srößere, im Maßstabe von 1:5000, lediglich als Beobachtungsarchiv gedacht. Es sind nur die tatsächlichen Beobachtungen einge- tragen. Jede Konstruktion ist vermieden, anstehende Aufschlüsse von Blöcken unterschieden. Das zweite Kärtchen in 1:25000 enthält dagegen eine Darstellungsweise, die man auf Grund der in der ersten Karte mitgeteilten Beobachtungen wählen kann!), wobei indessen durch ein Versehen die rein auf Kon- struktion beruhende Verbindung der Schriesheimitfundpunkte im „Weiten Tal“ und auf der „Langen Schaar“ geradlinig und nicht geknickt gezeichnet worden ist, wie es bei der Lage der Fundorte auf der ersten Karte naturgemäß gewesen wäre. Die Karte, Taf. XV, zeigt hinsichtlich des Schriesheimites ein ganz neues Vorkommen einer offenbar anstehenden, zur Zeit aber nur in einem großen Blocke gefundenen Schriesheimitvarietät im Fen- zensrund. Wie weiterhin gezeigt werden wird, unterscheidet sich das Gestein dieses Blockes von dem der anderen Fundorte trotz aller Ähnlichkeiten so sehr, daß es besser als Olivinführender Gabbro zu bezeichnen ist. Es kann sich also nicht um einen ver- schleppten Block handeln. — Die Blöcke von Schriesheimit an der Landstraße des Haupttales nordöstlich der Mühlen entsprechen zweifellos dem ‚neuen Aufschlusse‘“ bei Benecke und (Cohen, ihrem Eintrag auf der Karte, dem westlichen Eintrag bei Andreae und Osann. Der Aufschluß auf dem linken Ufer des Baches im „Weiten Tale“ ist der von Leonhard entdeckte, von Fuchs beschriebene Punkt, an dem das „gangartige“ Auftreten von Fuchs angenommen wurde. — Der Aufschluß auf dem rechten Ufer desselben Baches entspricht dem wohl nur aus Versehen etwas weiter nach NO. gerückten Eintrag bei Andreae und Osann. Dagegen fehlt auf unserer Karte der östliche Eintrag dieser Forscher unweit der Fabrik Stammberg. Es ist uns auch trotz aller Bemühungen nicht gelungen, an der betreffenden Stelle etwas anderes als Granitit zu finden, obwohl zur Zeit nur eine ganz kleine Stelle des Ge- hänges so bewachsen ist, daß man das anstehende Gestein nicht 1) Einer von uns (Salomon) würde es allerdings vorziehen, die Schries- heimitfundpunkte der «Langen Schaar» und des «Weiten Tales» sowie die Diorit- fundstellen der «Hohen Waid» nicht miteinander zu verbinden, sondern als ge- trennte Schollen erscheinen zu lassen. 9] Lagerungsform des Amphibolperidotites u. Diorites v. Schriesheim i.O. 641 nachweisen kann!). Die Blöcke auf dem Rücken zwischen dem „Weiten Tal“ und dem Haupttale dürften schon von Benecke und Cohen, sowie von Andreae und Osann beobachtet worden sein und den Grund zu der langgestreckten Form ihrer Einträge ge- bildet haben. Was die Diorite betrifft, so sei als unseres Wissens neu und beachtenswert nur hervorgehoben, daß wir sowohl am Fuße des Fuchs’schen Aufschlusses auf dem linken Ufer des „Weiten Tales“ wie neben dem neuen Blocke von Schriesheimit im Fenzengrund auch Dioritblöcke fanden, so daß der Schries- heimit fast überall in Vergesellschaftung mit dem Diorit zu fin- den ist. Vergleicht man unser Kärtchen auf Taf. XVI mit der Andreae-Osann’schen Karte, die den gleichen Maßstab besitzt, so zeigt es sich, daß bei uns die Diorstvorkommnisse mit Ausnahme desjenigen vom Schanzenköpfle die gestreckte, schlanke Gestalt eingebüßt haben. Es ist sogar wahrschein- lich, wenn auch wegen unzureichender Aufschlüsse nicht nachweisbar, daß der NNW. streichende Dioritzug, der bei den Mühlen beginnt, sich bis in das Große Hettersbach- tal erstreckt und mit dem ONO. streichenden Zuge des Fen- zengrundes kontinuierlich zusammenhängt. Die schmale Form des „Ganges“ des Schanzenköpfle rührt aber nur davon her, daß Aufschlüsse überhaupt fehlen und die ganze Konstruktion nur auf dem Auftreten von isolierten Blöcken im Gebüsch beruht. — Die langgestreckte Form des Schriesheimitvorkommnisses des „Weiten Tales‘ ist lediglich Konstruktion und dem einen von uns?) sogar unwahrscheinlich. Es kann sich ebensogut um mehrere isolierte Schollen handeln. Unsere wichtigsten Ergebnisse sind aber in den Profilen auf Taf. XVIniedergelest. Profil Il stellt einen Aufschluß in dem Diorit des Haupttales an der Landstraße gegenüber den Mühlen dar. Zahl- reiche Gänge von Aplit bez. Aplit-Pegmatit und Pegmatit, aber auch von echtem, wenn auch biotitarmem Granitit durch- ziehen den Diorit. Der Granitit unterscheidet sich nicht mehr von dem Hauptgestein des Tales, als man es bei so schmalen Apo- 1) Herr Prof. Osann erinnert sich, wie er uns freundlicherweise mitteilt, nicht mehr des Tatbestandes, der zu diesem Eintrag veranlaßte. 2) Salomon. 642 Wilhelm Salomon und M. Nowomejsky: 10 physen von vornherein voraussetzen muß. Der Granitit ist jün- ser als der Diorit. Das gleiche Ergebnis liefert auch Profil I, das in dem Dioritvorkommnis des „Weiten Tales‘“!) aufgenommen ist. — Noch interessanter ist Profil II, das den von Fuchs aus- führlich beschriebenen Aufschluß von Schriesheimit darstellt. Wir konnten nämlich an Ort und Stelle bereits feststellen und zu Hause durch mikroskopische Untersuchung trotz der vorgeschrit- tenen Zersetzung der Gesteine nachweisen, daß auch diese Schries- heimitmasse von einem Gange von slimmerarmem Granitit durch- setzt wird, daß auch sie also nicht etwa ein Gang im Granit, sondern eine von diesem umschlossene Scholle sein muß. Wir bemerken ausdrücklich, daß sich der Aufschluß noch ziemlich genau in dem Zustande befindet wie zu Fuchs’ Zeiten. Auch die von diesem angeführten und analysierten „dünnen Lagen und Schnüre einer schneeweißen Masse“, „offenbar ein Zer- setzungsprodukt des Gesteins“, sind noch erhalten und nicht mit unserem in dem Profile übrigens wohl etwas zu dick gezeichneten Gange von Granitit zu verwechseln. Ebenso treten auch in dem Schriesheimitaufschluß auf dem rechten Ufer des „Weiten Tales“ kleine Gänge von Aplit oder Granitit auf, die indessen bei der weit vorgeschrittenen Zersetzung der Gesteine des Aufschlusses nicht mehr genauer verfolgt und untersucht werden konnten. Aber auch an anderen als an den in Profil I und III dargestellten Punkten läßt sich die Durchtrümerung des Diorites durch Aplit- und Pegmatit-, sowie durch allerdings seltenere Granititgänge nach- weisen, z. B. in dem Vorkommnis des Hettersbachtales; und diese Gänge sind offenbar dieselben, welche Benecke und Cohen bereits beobachtet hatten, denen sie aber naturgemäß damals noch nicht die Bedeutung beimessen konnten wie wir, weil die Beziehungen zwischen Granit und Aplıt zu jener Zeit noch nicht so klar waren wie jetzt. Somit halten wir es für erwiesen, daß auch die scheinbar gangförmigen Massen von Diorit und Schries- heimit nicht Gänge, sondern Schollen, nicht jünger als der Granit, sondern älter als dieser sind, genau wie es Chelius für die Diorit- und Gabbromassen des nördlichen Odenwaldes nachgewiesen hat’). !) Vergl. Tafel XV rechtes Ufer. — Die drei Profile sind in 1: 250 gezeichnet. ?) Die Annahme, daß im Schriesheimer Tale die Gänge von Aplit, Pegmatit und Granitit im Diorit und Schriesheimit von einer zweiten besonderen und jün- 11] Lagerungsform des Amphibolperidotites u. Diorites v. Schriesheim i. 0. 643 Es mag daher hier auch noch hervorgehoben werden, daß in den Gabbromassen des Frankensteins im nördlichen Odenwald das normale Gestein nach .Chelius!) und Andreae?) vielfach in Diorite auf der einen, in Olivingabbro auf der anderen Seite über- geht. Der letztere tritt in „schmalen unscharf begrenzten, nach NO. streichenden Zonen auf. — Die Olivingabbrozonen verlieren jenseits der Blattgrenze zumal in dem nördlichen Zug stellenweise den Feldspathgemensteil bei zunehmendem Olivingehalt und wer- den zu Olivingesteinen, welchen man jedoch durchaus keine selb- ständige Stellung anweisen kann. Diese Olivingesteine sind meist stark serpentinisiert?)“. Chelius hebt dann weiter hervor, daß durch „Umrandung der Diallage des Gabbros mit braungrüner Hornblende“ Hornblendegabbros entstehen, in denen sich mit- unter etwas Biotit einstellt. Die Hornblende kann bis zu großen Individuen anwachsen und den Diallag völlig verdrängen, so daß dann typische „Diorite“ vorhanden sind. Wir sehen also, daß im nördlichen Odenwald Diorite und feldspatharme oder feldspathfreie „Olivingabbros“ durch allmäh- liche Übergänge mit normalen Gabbros verbunden sind. Ja Rosen- busch (1901, S. 158) zitiert geradezu „Amphibolperidotite“ vom Frankenstein. Es sind demnach in geologischer wie in petrogra- phischer Beziehung auffällige Analogien zwischen den Franken- steiner und den Schriesheimer Gesteinen vorhanden. Während aber am Frankenstein die vorherrschende Felsart der Gabbro ist, die Olivingesteine und Diorite geologisch keine Selbständiskeit besitzen, sondern nur als lokale Facies des Gabbro auftreten, ist es um so merkwürdiger, daß in den vom Granit umschlossenen kleinen Schollen des Schriesheimer Tales gerade nur die seltenen Varietäten, nicht aber das Hauptgestein, der Gabbro selbst, ver- geren Granititintrusion herrühren könnten, entbehrt jeder Unterlage. Dagesen kann es zweifelhaft erscheinen, ob man die Schollen von Diorit und Schries- heimit im Granitit als ganz fremde Gebilde oder als primäre Ausscheidungen des Granititmagmas, die vor dessen «mise en place» enstanden wären, auf- fassen will. Im letzteren Falle könnten die langgezogenen Formen auf einer Ver- flößung im Granititmasma beruhen. 1) Erläuterungen zu Blatt Zwingenberg und Bensheim. Darmstadt. 1896, S. 19 u. f. sowie an anderen Orten. 2) Andreae u. König. Der Magnetstein vom Frankenstein a. d. Bergstraße, Abhandl. d. Senckenberg. Naturforsch. Ges. Bd. XV, Heft 2. 1888. S. 61 u. £. 3) Chelius a. a. O. 644 Wilhelm Salomon und M. Nowomejsky: [12 treten sind. Dieser scheinbare Widerspruch fand indessen bei der mikroskopischen Untersuchung und chemischen Vergleichung un- serer Gesteine eine Erklärung. Es mögen daher im Folgenden, obwohl besonders der Amphibolperidotit, aber auch der Diorit von Schriesheim mikroskopisch im wesentlichen gut bekannt sind, dennoch wenigstens einige neue mikroskopische Ergebnisse mit- geteilt werden. Eine vollständige petrographische Beschreibung der Gesteine lag nicht im Rahmen unserer Arbeit. Hinsichtlich der Profiltafel haben wir noch einige Bemer- kungen hinzuzufügen. Die Signatur — a —= Aplit umfaßt auch die Aplit-Pegmatit- und reinen Pegmatitgänge. Durch ein Versehen ist der Diorit im dritten Profile neben dem Gange 11 durch dichtere Punktierung so dargestellt, daß der Leser entweder eineexomorphe, durch den Granititgang verursachte Kontaktmetamorphose oder eine randliche Kontaktmodifikation des dann als jünger zu denkenden Diorites gegen den Granitit erwarten wird. Beides ist nicht der Fall. Der Diorit ist dort nur sehr grobkörnig und infolge- dessen dem Schriesheimit ähnlicher als an anderen Stellen. Ebenso grobkörnige Varietäten kommen aber auch an anderen Punkten ohne Zusammenhang mit Granititgängen vor. Der Gang No. 1 des dritten Profiles scheint makroskopisch in den meisten Stücken reiner Quarz zu sein. Mikroskopisch läßt sich auch Orthoklas nachweisen. Stellenweise geht er in Aplit über. Der Hauptsache nach ist er als ein Pegmatit zu bezeichnen, der für die topographische Mineralogie unserer Gegend dadurch interessant ist, daß wir in ihm kleine Blättchen von Molybdän- glanz auffanden!). Die Gänge 8, 9 und 10 scheinen durch eine kleine auch einge- zeichnete Verwerfung abgeschnitten zu sein. Der Gang No. 13 in Profil I ist nach den Aufzeichnungen des einen von uns?) ein Quarzgang. Dem Verf. des Manuskriptes liest ein Stück davon vor, das aus reinem (Quarz besteht und in Drusenräumen Berg- krystalle der gewöhnlichen Kombination von bis zu 3 cm Länge enthält. !) Herr Prof. Dr. Viktor Goldschmidt hatte die Freundlichkeit, da die Arbeit im stratigraphisch-palaeontolog. Institute ausgeführt wurde, in dem es an allen Vorrichtungen zu chemischen Untersuchungen fehlt, uns diese Bestimmung durch eine Lötrohrprobe zu bestätigen. 2) Nowomejsky. 13) Lagerungsform des Amphibolperidotites u. Diorites v. Schriesheim i. 0. 645 Der in der Karte I in dem Dioritvorkommnis des Hettersbach- tales eingetragene Gang ist ein Granitit von ziemlich grobem Korn. An der Stelle, wo in dem dritten Profile der scheinbar keil- förmige Granititgang 2 den Aplit-Pegmatitgang No. 1 und den Aplitgang 3 abschneidet, liegt erstens ein Versehen in der Zeichnung vor und zweitens ist der Aufschluß nicht ganz klar. Die keilförmige Masse No. 2 besteht, nach einer Probe zu ur- teilen, aus Aplit-Pegmatit, der Gang 3 dagegen aus Granitit. Es ist wahrscheinlich, daß dort eine Verwerfung vorliegt. Übrigens möchten wir auch hervorheben, daß zwischen den typischen, wenn auch biotitarmen Granititen der Gänge und den Apliten alle möglichen Übergänge vorkommen, was sich indessen wohl nur daraus erklärt, daß der Granitit, je schmäler die Gänge wer- den, um so mehr seinen Glimmergehalt und sein Korn verringert und aplitische Struktur annimmt. Ein Teil der Aplite ist als Apo- physenfacies des Granitites aufzufassen. Daneben existieren aber auch mächtige, echte Aplitgänge, die spätere Intrusionen dar- stellen. Mikroskopische Ergebnisse. Schon Kloos (1885), dessen Originalarbeit wir uns übrigens nicht haben verschaffen können, erkannte, daß außer der früher für Diallag gehaltenen dunklen Hornblende in dem Schriesheimit auch noch wirklich ein Pyroxenmineral vorhanden ist. In dem uns zugänglichen Referate heißt es darüber: „Daneben ist Augit spärlich, aber deutlich vorhanden; farblos, wohl begrenzt, große Auslöschungsschiefe; deutlich spaltbar; vollkommen frisch und nicht das primäreMineral, aus dem dieHornblende hervorgegangen ist, welche aber ihrer ganzen Natur nach wohl auch sekundären Ursprungs ist. Diesem Gestein ähnlich ist das vom Ehrsberg im südlichen Schwarzwald.“ Von dem Ehrsberger Gestein ist es be- kannt und uns auch durch Untersuchung von Gesteinsproben und Schliffent) ersichtlich, daß der Pyroxen ein echter Diallag ist. Es wird daher auch jetzt, wenigstens in seinen feldspathreichen Vorkommnissen, stets zum Gabbro gestellt. In dem Schriesheimer Gestein fanden auch wir den Kloos’schen Pyroxen wieder und zwar in kleiner Menge in dem von Benecke und Cohen zuerst beschriebenen Aufschlusse im Haupttale, in recht 1) Wir verdanken diese der Freundlichkeit des Herrn Bergrat Dr. F. Schalch. 646 Wilhelm Salomon und M. Nowomejsky: [114 beträchtlicher Menge in den beiden auf der Karte I angegebenen Blöcken der „Langen Schaar“ und in dem neuen von uns aufge- fundenen Vorkommnis des Fenzengrundes. Diesem Pyroxen fehlen die charakteristischen Interpositionen und die faserige Struk- tur des typischen Diallages. Nur in wenigen Schnitten ließ sich wenigstens eine Andeutung vertikaler Faserung beob- achten. Die Spaltbarkeit nach dem Prisma ist deutlich, daneben aber auch vielfach recht deutlich die Spaltbarkeit nach (100) und zwar teils verbunden mit Zwillingsbildung nach derselben Fläche, teils ohne jede Andeutung davon. Die Körnchen des Py- roxens sind zu klein, als daß es gelungen wäre, Spaltblättchen abzuheben oder das Mineral doch wenigstens makroskopisch zu identifizieren. Dennoch möchten wir bei dem Aussehen der mikro- skopischen Querschnitte nicht behaupten, daß die Spaltbarkeit nach (100) bei ihnen in ähnlich starker Weise vor der prismatischen vorherrscht, wie man das bei dem typischen Diallag kennt. Immer- hin wird man aber unseren Pyroxen „diallagähnlich“ nennen müssen. Übrigens haben wir auch nicht in allen Schlifien des Frankensteiner Olivingabbro, die uns Herr Oberbergrat Prof. Dr. Chelius freundlicherweise zur Verfügung stellte, die Interpositionen und die Faserung des Diallages nachweisen können, obwohl da die Zugehörigkeit des Pyroxens zum Diallag allgemein anerkannt wird. In vielen Fällen zeigte es sich in unseren Schliffen ganz deutlich, daß der Pyroxen in eine zweite hellere, mitunter faserig- schilfige Hornblende übergeht, die mit der dunkleren, von uns für primär gehaltenen nur insofern etwas zu tun hat, als sie sich mit- unter in krystallographisch gleicher Orientierung an diese anzu- setzen scheint. Ob es sich bei dieser Umwandlung des Pyroxens um eine gemeine Verwitterungserscheinung handelt oder um eine besondere längst zum Abschluß gekommene Metamorphose, das vermögen wir auf Grund unseres Materiales nicht zu entscheiden). Unser Pyroxen ist meist idiomorph begrenzt und zwar nicht nur gegen den später noch zu zitierenden Plagioklas, sondern auch gegenüber der primären Hornblende, in welcher er in Form von ganz unregelmäßig gelagerten Körnern Einschlüsse bildet und zusammen mit dem Olivin die poikilitische Struktur hervorruft. Nur dieser letztere dürfte seine Ausscheidung noch etwas früher begonnen 1) Chelius (1. c.) ist der letzteren Ansicht und wird sie demnächst ausführlich begründen. 15] Lagerungsform des Amphibolperidotites u. Diorites v. Schriesheim 1.0. 647 und eingestellt haben als der Pyroxen. Doch wurden Kontakte zwischen beiden nicht oft genug beobachtet, um eine sichere Fest- stellung ihres Verhältnisses zu ermöglichen. Schon Rosenbusch hatte in dem Schriesheimit die ursprüng- liche, wenn auch sehr spärliche Beteiligung von Feldspath aus Verwitterungsprodukten erschlossen. Es gelang uns nun, in dem neuen Vorkommnis vom Fenzengrund Plagioklas in zu einem kleinen Teile noch frischen Zustande und in nicht ganz unbe- trächtlicher Menge nachzuweisen. Leider war das Material nicht genügend zu einer exakten Bestimmung; doch gelang es, in einem kleinen Schnitt mit symmetrisch auslöschenden Zwillingslamellen nach dem Albitgesetz eine Auslöschungsschiefe von 30° zu messen. Es liest demnach ein sehr basischer Plagioklas, wenigstens Labra- dorit, vor. Er füllt fast stets Hohlräume zwischen den übrigen älteren Gemengteilen aus. — Eine ophitische Struktur ließ sich in keinem Vorkommnis unseres Gesteins beobachten. Der Olivin wurde von uns sowohl in der Varietät vom Fen- zensrund wie in der des Haupttales noch sehr oft vollständig frisch angetroffen. Wir haben über ihn keine wesentlichen neuen Beobachtungen mitzuteilen, machen aber darauf aufmerksam, daß der Serpentin unserer Gesteine nicht immer nur aus ihm hervor- geht, sondern daß wir in einem Schliffe auch deutlich den Über- gang des Pyroxens in Serpentin beobachten konnten. Endlich heben wir noch hervor, daß ein dunkler, im Schliffe aber ziemlich helldurchsichtiger, beinahe einaxig erscheinender Glimmer sich sleichfalls in geringem Maße am Aufbau des Schriesheimites im Fenzengrund beteiligt und ebenso wie die primäre Hornblende poikilitisch von Olivin und Pyroxen durchbrochen ist. Dem Mengenverhältnis nach übertrifft in dem Vorkommnis vom Fenzengrund der Pyroxen etwas die Hornblende. Diese ist in annähernd gleicher Menge vorhanden wie der Plagioklas. Der Olivin tritt in wesentlich geringerer Menge auf als die anderen Hauptgemengteile. Würde man dies Gestein für sich allein finden, so würde man es entschieden nicht zu dem Schriesheimit stellen, sondern es als einen olivinführenden hornblendereichen Gabbro bezeichnen. Wir haben damit also den bisher noch fehlenden Nachweis geliefert, daß die Amphibolperidotit-Vorkommnisse des Schriesheimer Tales ebenso wie am Frankenstein mit olivinführen- den Gabbros in Verbindung stehen. 648 Wilhelm Salomon und M. Nowomejsky: [16 Es liest nun die Frage nahe, ob die chemische Zusammen- setzung des „Schriesheimites‘“ selbst nicht auch Merkmale auf- weist, die auf einen Zusammenhang des Gesteines mit Gabbros deuten. Bisher lag nur die Fuchs’sche!) Analyse vor, die uns durch den hohen Glühverlust, durch das Verhältnis von Kali zu Natron, den ungewöhnlich hohen Eisen- und niedrigen Magnesia- sehalt einerseits eine hochgradige Zersetzung, andererseits Ver- sehen bei der Ausführung der Analyse anzudeuten schien. Es ist daher sehr erfreulich, daß wir dank dem freundlichen Entgegen- kommen des Herrn Prof. Dr. Max Dittrich in Heidelberg eine von ihm selbst ausgeführte zuverlässige Analyse mitteilen können, die er zum Behufe der Untersuchung von Zersetzungserscheinun- gen ausführte und demnächst selbst publizieren wird?). I ist die Fuchs’sche Analyse, IV die Dittrich'sche; II die Fuchs’sche, lIl die Dittrich'sche, beide nach Abzug des Glühverlustes auf 100 °/, berechnet. I II III IV SI02..28 41,44 43,61 45,42 43,17 0, Sa sr 2 u 0,40 0,38 ALOE 6,63 6,98 6,09 5,79 Falls... 0. 14,60 7,18 6,82 Fe... .. ea 6,63 5,16 4,90 In I) Pe ee _ _ 0,16 0,15 MO 18,42 19,38 24,36 93,15 I. 7,20 7,58 8,97 8,53 N2,. Dia. 0,24 0,25 1,26 1,20 Ku 0 .r.,: ee 0,93 0,98 1,01 0,96 Glühverlust . . . 5,60 _ _ >12 Summe . . . 100,63 100,01 100,01 100,17. Das Material der Dittrich’schen Analyse stammt ebenso wie das der Fuchs’schen von der linken Seite des „Weiten Tales“. Das Dittrich'sche Gestein, von dem wir auch einen Schliff unter- sucht haben, gehört zu der kleinkörnigen Varietät und zeigt durch seinen hohen Glühverlust, daß die Umwandlung des Olivins in Serpentin wohl schon ganz vollzogen ist und daß auch andere Umwandlungserscheinungen nicht fehlen. Immerhin ist das Ver- 1) Fuchs. 1864. S. 329. ?} Als Fortsetzung seiner chemisch-geologischen Untersuchungen über „Ab- sorptionserscheinungen“ bei zersetzten Gesteinen. I. Mitteilungen Bad. Geol. Landesanstalt. IV, 1901. S. 341 u, £. 17] Lagerungsform des Amphibolperidotites u. Diorites v. Schriesheim ij. O. 649 hältnis von Natron zu Kali noch das normale, Kali und Magnesia sind nicht unwesentlich höher als bei Fuchs, Eisenoxyd um die Hälfte geringer. Diese Abweichungen lassen sich bestimmt nicht bloß durch ungleich starke Zersetzung, wahrscheinlich auch nicht durch primäre Unterschiede im Material erklären. Wir legen daher für unsere Betrachtungen nur dieZahlen unter Ill und IV zugrunde. Von diesen stimmt Al,O, mit 6,09 gut mit den Peridotiten, nicht mit den Gabbros, die Magnesia steht schon etwas unter dem Nor- malgehalt peridotitischer Gesteine, ist aber für einen Gabbro ent- schieden zu hoch, der Kalkgehalt stimmt besser mit Gabbro als mit Peridotit, obwohl er auch in diesen letzteren so hoch steigen kann. Das Gleiche gilt von dem Gehalt an Alkalien. So sehen wir, daß unser Gestein in der Tat entsprechend seiner geologischen Verknüpfung mit Gabbro auch chemisch noch deutliche Bezie- hungen zu diesem aufweist. Aber auch die mikroskopische Untersuchung des „Diorites“ selbst ergab ein uns wichtig erscheinendes Resultat. — Benecke und Cohen (1879, S. 137) erkannten in zweien der Schriesheimer Vorkommnisse „Augit‘“ als einen wesentlichen Gemengteil. Sie bezeichneten sie daher als Augitdiorite. Das eine dieser Vorkomm- nisse ist das von Zittel untersuchte von der „Hohen Waid“, in- dem der Plagioklas durch zwei Analysen als ein der Grenze der Andesine schon nahestehender Labradorit erkannt ist. Wir fanden nun bei der mikroskopischen Untersuchung einer größeren Anzahl von Handstücken verschiedener Dioritfundorte im Schriesheimer Tal sehr oft neben einer dunklen, offenbar pri- mären, und dem als primär erkannten Amphibol des Schries- heimites entsprechenden Hornblende eine zweite hellere bis farb- lose, die oft deutlich schilfige Struktur hat und gern mit der pri- mären Hornblende in paralleler Stellung verwächst. Nach dem Verhalten der beiden Hornblenden in dem „Schriesheimit“-Vor- kommnis des Fenzengrundes erscheint es uns ganz sicher, daß auch hier die hellere Hornblende ein sekundäres Umwandlungs- produkt nach einem primär in beträchtlicher Menge vorhandenen Pyroxenmineral ist. Dieser Pyroxen aber, den wir leider in unseren “ Dioritstücken nirgends mehr frisch auffanden, ist nach der Be- schreibung bei Benecke und Cohen kein anderer als der von Kloos und uns im Schriesheimit und Hornblendegabbro nachgewiesene, der durch seine deutliche Spaltbarkeit nach (100) dem Diallag Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 4b 650 Wilhelm Salomon und M. Nowomejsky: [18 ähnlich, wenn nicht überhaupt zu ihm zu stellen ist. — Da nun die sekundäre Hornblende in recht erheblicher Menge in vielen der „Diorite‘“ vorhanden ist, so müssen wir diese als zum Teil primär sehr pyroxenreiche Gesteine ansehen, und es wird damit fraglich, ob für sie auch nur die Bezeichnung „Augitdiorit“ das Richtige trifft, ob sie nicht vielmehr besser bei den Gabbros ein- zureihen wären. In dieser Hinsicht ist nun eine von Herrn Prof. Dr. Dittrich in Heidelberg ausgeführte und uns liebenswürdiger- weise zur Verfügung gestellte Analyse des „Diorites‘‘ sehr lehr- reich. Sie ergab die unter I mitgeteilten Zahlen: I II II IV SUO2, Muse late 40,82 42,78 45,80 45,119), DIE STE: 1,90 1,99 0,21 0,21% Als Diipn Er ae 17,55 18,40 19,97 19,679], INS RS om: 6,75 7,08 4,39 4,329), a ee 6,29 6,60 8,70 8,57%, Mn! Ba re 0,15 0,16 _ _ GO rer 10,34 10,84 10,61 10,459], M50-,% waren 6,91 17,25 5,74 5,65% Kz07 n E. 2,77 2,90 0,65 0,64, Nast un ae 1,90 1,99 3,93 3,87%, 5 0,54 — u 0,25 %0 Glühverlustt . . 4,25 _ — 0,83 (Ha O) Summe . . 100,17 99,99 100,— 100,07. II ist dieselbe Analyse, nach Abzug des Glühverlustes und der Phosphorsäure auf 100°/, umgerechnet. IV ist eine von Che- lius veröffentlichte, Marzahn'sche Analyse des ‚Diorites“ von Lin- denfels im Odenwald!). Das Gestein enthält noch 0,33 Fe S, und 0,17 hygroskopisches Wasser. — Rosenbusch (1901, S. 155) führt es als „Hornblendegabbro“ auf?); und es ist ihm darin beizu- pflichten, daß bei seiner Abgrenzung der Gabbrogruppe die Be- zeichnung „Diorit“ nicht mehr zutrifft. III ist dieselbe Analyse, zum Vergleich mit II nach Abzug von Wasser, Phosphorsäure und FeS2 auf 100 °/o umgerechnet. Zu der Dittrich'schen Analyse ist vor allen Dingen zu be- merken, daß leider das analysierte, uns vorliegende Stück schon eine weitgehende Zersetzung des Feldspathes aufweist. Dieser, 1) Vergl. Erläuter. zu Blatt Zwingenberg 1896. S. 37, zu Blatt Lindenfels, 1901. S. '34. A), A, SO, UND, 7. 19) Lagerungsform des Amphibolperidotites u. Diorites v. Schriesheim i. O. 651 der ja nach der von Zittel mitgeteilten Analyse zum Labradorit gehört, ist vollständig in ein Aggregat von kleinen Blättchen und Körnchen umgewandelt, in dem sich mikroskopisch Muskovit durch das optische Verhalten im parallelen und konvergenten Lichte sicher nachweisen ließ. Der Fundort des Gesteines ist das Wäld- chen auf der „Langen Schaar“ zwischen dem Schriesheimer und dem „Weiten Tale‘, wo es mitten im Granit auftritt. Und es hat nun zweifellos aus diesem eine Zufuhr von Kali stattgefunden, mit der, wie es gerade durch Dittrich's Untersuchungen an an- deren Odenwälder Gesteinen aufs klarste gezeigt worden istt!), Verringerung des Gehaltes an Kalk, Natron und in unbedeutenderem Maße auch der Magnesia Hand in Hand geht. Daß dieser Prozeß hier schon ziemlich weit vorgeschritten ist, zeigt auch der hohe Glühverlust. Es muß daher nach den Ergebnissen der mikro- skopischen Untersuchung des frischen und des zersetzten Gesteines unbedingt angenommen werden, daß ursprünglich der Natrongehalt höher als der Kaligehalt war, daß der Magnesiagehalt um einen sehr kleinen, die CaO-Summe um einen etwas größeren Betrag zu erhöhen ist. Würde man daher in Il die Zahlen von K,;0 und Na,0 austauschen, dabei Na;,0 noch um einen nicht ganz un- wesentlichen Teil von K;O erhöhen und CaO um einen kleinen, sämtlichen übrigen Komponenten gleichmäßig zu entnehmenden Betrag vermehren, so würde man, abgesehen von der Phosphor- säure, ein annähernd richtiges Bild von der Zusammensetzung unseres Gesteines im frischen Zustande erhalten. Der hohe Phos- phorsäuregehalt unter I wird übrigens auch durch die mikro- skopische Untersuchung bestätigt. Es sind ungewöhnlich große Mengen von Apatit da. | Vergleicht man unter Berücksichtigung der eben gemachten Vorbehalte II mit III, so zeigt es sich, daß die beiden Gesteine in allen wesentlichen Zügen miteinander übereinstimmen, nur dab das Schriesheimer Gestein durch geringeren Gehalt an SiO, und durch größere Mg-Menge den gabbroiden Charakter noch deut- licher zeigt. Das Ergebnis unserer Betrachtungen ist also, daß einerseits der Schriesheimit durch Zunahme des Feldspathgehaltes und Ver- 1) Chemisch-geologische Untersuchungen über „Absorptionserscheinungen“ bei zersetzten Gesteinen. I. Mitteilungen Bad. Geol, Landesanstalt. IV, 1901. S. 341 u. £. 45* 652 W. Salomon und M. Nowomejsky: Lagerung des Amphibolperidotites. [20 mehrung des diallagartigen Pyroxenes mit Gesteinen verbunden ist, die vollständig analog den Vorkommnissen vom Frankenstein als olivinführende, hornblendereiche Gabbros zu bezeichnen sind. Andererseits sind die bisher als „Diorite‘“ bezeichneten Vorkomm- nisse des Schriesheimer Tales wohl sicher wenigstens zum Teil zum Gabbro zu stellen, da ein erheblicher Teil der in ihnen auf- tretenden Hornblende sekundär aus einem diallagartigen Pyroxen entstanden ist und auch ihre chemische Zusammensetzung dem entspricht. Andreae und Osann hatten also mit ihrer auf S. 636 dieser Ar- beit zitierten Vermutung über einen Zusammenhang durch Über- gänge zwischen dem „Diorit‘“ und dem Schriesheimit vollständig recht, während die von den älteren Autoren ausgesprochene Ver- mutung eines Zusammenhanges beider Gesteine in dem Sinne, daß das eine als Zersetzungsprodukt des anderen auftrete, keine Be- gründung hat. Zusammenfassung. Die bisher für Gänge gehaltenen Amphibolperidotite und Diorite des Schriesheimer Tales sind in Wirklichkeit ältere, vom Granit eingeschlossene und durchtrümerte Schollen. Der Amphibolperidotit einerseits, der Diorit andererseits gehen in olivinführende bez. olivinfreie Hornblendegabbros über und sind offenbar gleichaltrige, syngenetische, nur als Lokalfacies eines Hornblendegabbro aufzufassende Differentiationen desselben Mag- mas. Auch chemische Analysen bestätigen diese Auffassung. Ja, es ist zweifelhaft, ob überhaupt echte Diorite vorkommen, da in vielen der Vorkommnisse ein erheblicher Teil der Hornblende sekundär auf Kosten eines diallagartigen Pyroxenes entstanden ist. Es besteht also eine vollkommene Analogie zu den von Chelius ausführlich beschriebenen Verhältnissen im nördlichen Odenwalde, besonders in der Umgebung des Frankenstein. Die Granititgänge in den Schollen sind biotitarm und können bei geringer Mächtigkeit geradezu in Aplite übergehen. Von rein lokalem Interesse sind das Auftreten von Molyb- dänglanz in einem sehr feldspatharmen Pegmatitgang und die in den Karten niedergelegten Beobachtungen über die Verbreitung der einzelnen Gesteine. 1] 653 Beobachtungen über eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit.! Von ©. Bütschli. In einer kurzen interessanten Mitteilung, deren Kenntnis ich der Güte des Verfassers verdanke, teilte Herr Hinterberger (Wien 1900) mit, daß sich, unter gewissen Bedingungen, in dünnen trockenen Harzschichten höchst merkwürdige, regelmäßige Sprungbildungen erzeugen lassen. Da ich schon einige Zeit zuvor in meinem Werk über Strukturen (1898) gelegentlich auf nicht unähnliche Sprungsysteme in dünnen eingetrockneten Schichten von Hühnereiweiß hingewiesen und namentlich deren eigentümliches Verhalten zwischen gekreuzten Nicols entdeckt hatte, so interessierten mich Hinterbergers Be- funde sehr ; um so mehr, als ich von vornherein vermutete, daß auch die von ihm hergestellten feinen Sprungsysteme ähnliche optische Eigenschaften besitzen müßten, wie die von mir beobachteten. Andererseits bieten aber diese, zum Teil durch erstaunliche Regelmäßigkeit ausgezeichneten Sprungsysteme auch deshalb ein besonderes Interesse, weil in der Anorganismenwelt, mit Aus- nahme der Krystalle, regelmäßige Formbildungen zu den sel- tensten Erscheinungen gehören, so seltenen, daß gelegentlich in philosophischen Abhandlungen darauf hingewiesen wurde, daß das Vorhandensein einer regelmäßig geometrischen oder stereo- metrischen Figur, abgesehen natürlich von den bekannten krystal- linischen, auf ihre Erzeugung durch ein intellektuelles, ver- nünftiges Wesen hindeute. Die Bildung sehr regelmäßiger Fi- guren, unter gewissen näher feststellbaren Bedingungen, hat jedoch auch für die Krystallformen der Anorganismen eine ge- wisse Bedeutung, mag dieselbe auch zurzeit noch sehr gering er- scheinen. Denn da wir von dem eigentlichen Wesen der Krystalli- sation vorerst so gut wie nichts wissen, so kann es, selbst wenn es sich nur um Analogien handelt, doch nicht ohne Wert sein, ! Über die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Arbeit habe ich schon am 1. Febr. 1901 in einer Sitzung des naturhist.-mediz. Vereins zu Heidelberg berichtet, 654 O0. Bütschli: [2 regelmäßige Figurenbildungen in der Anorganismenwelt hinsicht- lich ihrer Entstehung genauer zu verstehen. Die von Herrn Henterberger entdeckten Sprungfiguren ent- stehen, wenn man photographische Trockenplatten, d. h. mit einer dünnen Gelatineschicht bedeckte Glasplatten, die mit sog. Negativlack überzogen, also mit einer dünnen trockenen Harz- schicht über der Gelatine versehen sind, in Wasser, schwache Sodalösung oder Entwicklerlösung bringt und darin kürzere oder längere Zeit läßt. An gewissen Punkten dringt das Wasser durch die Harzschicht zur Gelatine vor und bringt sie zum Aufquellen. Infolge der Verdickung der quellenden Gelatineschicht wird der darüber liegende Harzüberzug gesprenst und diese Spren- gung schreitet so gleichmäßig mit dem sich ausbreitenden Auf- quellen der Gelatineschicht fort, daß die auftretenden Sprung- bildungen meist eine ganz erstaunliche Regelmäßigkeit zeigen. Wie schon Herr Hinterberger beobachtete, lassen sich zwei Typen der Sprungbildung unterscheiden, nämlich 1. strahlige, von einem Punkt ausgehende Sprünge, welche sternartige Figuren erzeugen, und 2. kreisförmige Ringsprünge, deren regelmäßig konzentrische Wiederholung sphärenartige Figuren von erstaunlicher Regel- mäßigkeit hervorbringt. Zu diesen beiden Typen gesellt sich nach meinen Erfahrungen als dritter der schuppenförmige, welcher wie der der Ringsprünge gleichfalls zu Sphärenbildungen führt, die jedoch aus kleinen schuppenförmigen Gebilden aufgebaut sind. Diesen Typus hat Hinterberger nicht bestimmt unterschieden, ob- sleich er sehr häufig auftritt. Durch Kombination der verschie- denen Typen, sowie durch gewisse Modifikationen derselben kann die Mannigfaltigkeit und Zierlichkeit der Figuren sehr gesteigert werden, wie auch schon Hinterberger zum Teil beobachtete. Aus den oben erwähnten Gründen habe ich schon im Winter 1900/01 mit freundlicher Hülfe des Herrn Photographen O. Semmel- maier eine Anzahl Versuche mit in der erwähnten Weise präparier- ten Platten angestellt, welche die Vermutung hinsichtlich der Doppelbrechung gewisser Figuren völlig bestätigten. Herr Semmel- maier hatte dann die Güte, allmählich gegen 50 derartige Platten anzufertigen, welche eine große Mannigfaltigkeit der Figuren dar- bieten, und mir erlauben, die interessanten Bildungen etwas näher zu erläutern. Natürlich würde es sich zurzeit nicht verlohnen, auf die große Variabilität, welche die Sprungfiguren durch ver- 3] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 655 schiedenartige Kombinationen der oben erwähnten Typen darbieten können, ausführlicher einzugehen. Ich werde mich daher darauf beschränken, das Prinzipielle und Typische hervorzuheben. Schon Hinterberger hat außer Nesativlack verschiedene andere Harzüberzüge probiert: so Schellack in Alkohol (1), Sandarak in Alkohol (2), Dama,r in Xylol (3), Mastix in Chloro- form (4) und Asphalt in Terpentin (5), jedoch nur bei 2 und 5 sternartige Sprungfiguren erhalten, bei den übrigen dagegen keine Figuren. Der gewöhnliche Negativlack, wie er zum Lackieren von Negativen benutzt wird, ist in der Regel eine Lösung von Schel- lack und Sandarak in Alkohol, mit Zusatz von etwas Kampher, venetianischem Terpentin und einem Öl; auch bleibt der Schellack zuweilen weg. Mit dem von mir benutzten Luckhardt'schen Ne- gativlack!), der auf die erwärmte Platte in dünner Schicht auf- gegossen wird, erhält man in der Regel sehr schöne Sprungfiguren. Auch wir haben einige andere Harze probiert und dabei folgendes beobachtet. Sehr geeignet erwies sich Kanadabalsam, rein oder in Xylol gelöst aufgetragen und darauf die Platten noch gründlich über der Flamme erhitzt. Weniger gut ist alkoholische Schellack- lösung oder alkoholische Lösung von gereinigtem Kolophonium, da die Schichten dieser Harze nicht zum Springen neigen. Bei gehöriger Erhitzung (Austrocknung) über der Flamme gaben jedoch auch sie ganz gute Sprungbildungen. Ähnlich verhielt sich auch Kopal in Chloroform gelöst und sog. Mattlack (wesentlich Sand- arak und etwas Mastix in Äther und Benzol gelöst). Gar nichts ergab sog. wasserlöslicher Schellack. Im allgemeinen scheinen sich alle untersuchten Harze wesent- lich gleich zu verhalten, auch was die Beschaffenheit der Sprung- figuren betrifft. Erforderlich ist nur hinreichende Brüchigkeit und Sprungfähigkeit der Harzschicht, die bei den verschiedenen Harzen verschiedengradiges Erhitzen oder Austrocknen erfordert. Ist die Harzschicht noch zähe und biegsam, so tritt keine Sprungbildung 1) Dieser Negativ- oder Retuschirlack besteht aus 1000 cbem Alkohol, 167 gr Sandarak, 33 gr Rizinusöl, 17 gr Kampher und 17 gr venet. Terpentin. Wie bemerkt, wurde die mit dem Lack in dünner Schicht übergossene erwärmte Platte noch einige Zeit über der Bunsenflamme getrocknet; wobei sich im allgemeinen ergab, daß die Platten um so sprungfähiger werden, je stärker sie erhitzt oder ausgetrocknet sind. 656 O0. Bütschli: [4 auf, die nach längerem Erhitzen oder langem Liegen der Platte nachträglich doch eintreten kann. Ich gehe nun zu einer kurzen Schilderung der beobachteten Figuren über. A. Die Sternfiguren. Diese Figuren entstehen so, daß das Wasser an einer ge- wissen punktförmigen Stelle der Harzschichte eindringt und die darunter liegende Gelatine aufquillt. Die einfachste, jedoch nicht häufige derartige Figur (s. Fig. 1) besteht aus drei von einem Fig. 1. Fig. 2. Fig. 1. Einfache dreistrahlige Sprung- Fig. 2. Dreistrahlige Sternfigur, figur. Negativlack.Vergr.44 (Zeichenapp.). deren Strahlen sich regulär dreigabeln; Die punktierte Linie bezeichnet den Um- je ein verbindender Quersprung zwischen riß der Quellungsfigur der Gelatine nach den Gabelästen. Negativlack. Vergr. 44. Beobachtungen an anderen Platten, Z. A. Zentrum, unter Winkeln von nahezu 120°, ausgehenden Sprüngen, die in ihrer zentralen Partie mäßig klaffen und an ihren Enden ganz fein auslaufen. Viel häufiger finden sich jedoch mehrstrahlige Sterne. Recht selten ist der Vierstrahler, wie ihn Fig..4 zeigt, mit nahezu genau rechtwinklig zueinander stehenden Strahlen. Recht häufig trifft man dagegen fünf bis neun und noch mehr Strahlen (s. Fig. 5, 6, 7), wobei die annähernde Gleichheit der Winkel zwischen den Strahlen den Figuren meist ein sehr regelmäßiges Aussehen gibt. — Eine recht seltene Erscheinung sind endlich Figuren, die nur aus zwei gegenständigen, also in eine Linie fallenden Sprüngen gebildet sind. Obgleich, wie gesagt, der- artige Bildungen gelegentlich vorkommen, so sind doch die meisten 5] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 657 so entstanden, daß zwei gegenständige Sprünge kleiner mehr- strahliger Sterne ansehnlich auswuchsen, während die übrigen W Fig. 3. Fig. 4. Fig. 3. Dreistrahlige Sternfigur Fig. 4. Vierstrahlige Sternfigur mit mit regelmäßiger Verzweigung der drei Gabelung der Hauptstrahlen. Um letztere Hauptstrahlen. Negativlack. Vergr. 20. z. T. einige Schuppensprünge ausgebil- 2. A, det. Negativlack. Ohne Z. A. sehr klein blieben. Jedoch sind derartige Figuren, wie schon bemerkt, überhaupt recht selten, wenn sie auch auf einzelnen Platten rela- tiv häufiger auftraten. Im allgemeinen bildet aueh für die sStern- figuren, wie dies noch sicherer für die sphäri- schen Figuren festzustellen ist, eine in der Lack- schicht (eventuell auch der Gelatineschicht) ein- geschlossene Verunreini- sung, ein Staubteilchen oder ähnliches den Aus- Fig. 5. Sechsstrahlige Sternfigur mit regel- gangspunkt. Meist läßt mäßig verzweigten Hauptstrahlen. Negativlack. sich dies sicher erkennen. Vergr. 20. Z. A. Fig. 5. 658 O. Bütschli: [6 An dieser Stelle ist die Harzschicht durchgängiger für Wasser, sei es wegen geringerer Dicke, sei es wegen ganz kleiner Sprünge, die hier existieren. Demnach findet sich gewöhnlich im Zentrum der Sterne eine solche Verunreinigung, von der die Sprünge ausstrahlen. Ist diese Verunreinigung sehr klein, so fin- den sich gewöhnlich wenige Sprünge, ist sie dagegen größer, so strahlen in ihrem Umfang sofort eine größere Zahl aus. Häufig sind jedoch die vielstrahligen Sterne dadurch entstanden, daß sich die wenigen (3—5) erst entstandenen Sprünge schon nach kurzem Verlaufe gabeln, resp. verzweigen. Das Charakteri- 7 SS stische der strah- N ligsen Sprungbil- dungen besteht IN N | also darin, daß AN die quellende, sich u nn verdickende Gela- “© tine die. Harz- X schicht erhebt, die- | selbe dabei dehnt Fr f und in radiären Ez Richtungen strah- \ lig zerreißt. Ein allgemeiner Charakter dieser X Sternfiguren ist nun, daß ihre Strahlen, wenn sie Fig. 6. eine gewisse Länge Fig. 6. Neunstrahlige Sternfigur mit verzweigten erreicht haben, Hauptstrahlen, die z. T. Neigung haben, in konzentrische sich gabeln, und Ringsprünge überzugehen. Negativlack. Vergr. 20. zwar entweder in \ zwei oder in drei neue Strahlen. Wenn einfache Zwei- gabelung auftritt, so geschieht dies fast immer in der Weise, daß am Ende eines Hauptstrahls ein kleiner, zu ihm senk- rechter Quersprung sich bildet, von dessen Enden dann die beiden Gabeläste ausgehen (Fig. 2—6). Die dreifache Gabe- lung dagegen entsteht so, daß der erwähnte Quersprung sich nicht am Ende des Hauptstrahls ausbildet, sondern etwas hinter dem- 7] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 659 selben ; nicht selten auch derart, daß die beiden Hälften des Quer- sprungs auf etwas verschiedener Höhe des Hauptsprungs auf- treten. In diesem Falle setzt sich daher der Hauptsprung zwischen den beiden neuen Gabelsprüngen fort und die Folge ist eine dreifache Gabelung des Hauptsprungs. Die Regelmäßigkeit der Sternfiguren wird nun dadurch sehr groß, daß die Gabelung sämtlicher Strahlen fast stets in nahezu gleichen Entfernungen vom Zentrum eintritt. Der Grund der Ga- belung ist jedenfalls darin zu suchen, daß, je mehr sich der Um- kreis der Gelatine- aufquellung um > das Zentrum er- ; weiter, um so länger auch der Umkreis der ge- dehnten Harz- schichtwird ;wenn nun eine gewisse Länge der Harz- schicht bei einer gewissen Dehnung einen Sprung erhält," "so "ist wahrscheinlich, daß eine längere Harzstrecke bei entsprechender Dehnung aucheine Fig. 7. entsprechend srö- Fig. 7. Zahlreiche stark verzweigte Sternfiguren, ßere Anzahl deren Verzweigungen z. T. zusammenfließen. Negativ- Sprünge ae lack. Vergr. 30.. Z. A. Bei der Bildung der Figuren kommt jedoch noch weiteres in Be- tracht. Bei der ersten Entstehung der Radiärsprünge wird der Umkreis der etwa linsenförmig aufgequollenen Gelatineschicht nahezu kreisför- mig sein, da das Wasser nur von dem Zentrum aus sich ausbreitet, und die erstauftretenden Radiärsprünge werden etwa bis zur Peripherie dieser kreisförmigen Gelatineaufquellung reichen. Nachdem jedoch die Radiärsprünge entstanden sind, muß sich die Quellungsfigur der Gelatine ändern, da nun das Wasser längs der ganzen Sprünge 660 0. Bütschli: [8 eintreten kann. Die Quellungsfigur der Gelatineschicht wird daher bei drei Radiärsprüngen etwa die auf Figur 1 durch die punktierte Linie angegebenen Umrisse annehmen. Die Enden der drei Strahlen werden auf diese Weise zu Zentren der Quellung; hier besitzt der Umriß der Quellungsfigur stärkere Krümmung und Wölbung und demgemäß ist auch hier die Dehnung der Gelatineschicht stärker. Hieraus dürfte es sich erklären, daß. wenn eine gewisse Länge der Strahlen erreicht ist und daher die Differenz zwischen der Dehnung an den Strahlenenden und den übrigen Stellen einen gewissen Betrag besitzt, neue Strahlensprünge an den Enden der alten entstehen. — Daß diese Beurteilung des Entstehens der stern- förmigen Sprungfiguren ganz richtig ist, davon kann man sich auch durch direkte mikroskopische Verfolgung ihres Hervor- gehens überzeugen. Wenn man geeignete, frisch hergestellte Plat- ten unter dem Mikroskop stellenweis mit einer flachen Wasser- schicht bedeckt, so vermag man das Wachsen der Sterne von sehr frühen Anfängen an zu verfolgen. Zwar habe ich das allererste Auftreten der Radiärsprünge nie beobachtet, dagegen wohl ganz junge Sterne. Bei diesen fällt auf, daß das Zentrum, in dem dieSprünge zusammenfließen, stets ver- hältnismäßig sehr weit klafft, wie denn überhaupt die in Bildung begriffenen Sprünge, gegenüber ihrer Feinheit im ausgelrockneten Zustand, Fig. 8. weit klafien (s. Fig. 8). Ihre Fig.8. Zum Wachstum der Sternfiguren. wachsenden Enden dagegen Platten von Negativlack. Sa. Frühestes be- laufen stets fein zugespitzt obachtetes Stadium eines vierstrahligen Sterns. Die Q ln Sb. Weiter fortgeschrittenes Entwickelungs- lag \e SS5U stadium desselben Sterns. Die punktierte Linie Gelatine ist unter dem Mi- gibt die äußere Grenzlinie der gequollenen kKroskop, jedoch auch mit Gelatine an, 8c. Erstes Stadium der Zwe- der Lupe gut zu erkennen gabelung eines Sprungendes. 8d. Kurz darauf und besitzt die schon oben folgender Zustand. $e. Erstes Stadium der drei- % : erwähnten Umrisse (8a und fachen Verzweigung eines Sprungendes. 8f. A Kurz darauf folgender Zustand desselben b); die äußersten Sprung- Sprunges. . enden reichen stets bis ge- dc dd \N/ de \, da £ 5: M/i 9) Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 661 nau an die Peripherie der Quellungsfigur, schreiten daher mit dieser fort. Dies Auswachsen der Sprünge erfolgt ın der Regel mäßig rasch. Das beträchtliche Klaffen der Sprünge beruht auf der linsenartisen Emporwölbung der gequollenen Gelatinegallerte. Hat diese einen etwas größeren Umfang erreicht, so mindert sich in der mittleren Region die Wölbung und daher rücken hier die Sprungränder wieder näher zusammen, so daß dann die Sprünge meist eine etwas blattförmige Bildung be- sitzen (8b). Ist die Quellung auf einen weiteren Umkreis fortgeschritten, so daß die gequollene Gelatineschicht eben ge- worden ist, so nähern sich die Sprungränder mehr und die Sprünge erscheinen daher feiner, jedoch bei weitem nicht so fein wie im ausgetrockneten Zustand. Auch das Entstehen der Gabelung und Verzweisung der Sprünge läßt sich verfolgen. Bei einfacher Gabelung entsteht ein feiner Quersprung, dessen Enden jedoch sofort in die beiden Gabelsprünge umbiegen. Bei dem Weiterwachsen derselben er- weitert sich ihre Ursprungsstelle stets sehr stark klaffend (Bis. 8e—d). Ebenso läßt sich feststellen, daß die dreifache Verzweigung in der oben geschilderten Weise vor sich geht, indem gleichzeitig oder successive jederseits ein kleiner Quersprung an dem Haupt- sprung entsteht und rasch nach vorne umbiegt (Fig. Se—f). Es kann jedoch auch bei gewissen Platten vorkommen, daß die Sprünge sehr wenig Neigung zur Verzweigung haben, daß sie sich als einfache Sprünge sehr lange fortsetzen. Ferner läßt sich bei der Verfolgung des Wachstums der Stern- figuren häufig auch die weiter unten zu beschreibende Erscheinung des Zusammenfließens eines Sprungs mit einem anderen nach- weisen. Wenn dagegen ein Sprung gegen einen senkrecht zu ihm gestellten wächst, unter welchen Bedingungen in der Regel eine Vereinigung ausgeschlossen ist, so bemerkt man häufig, daß die Spitze dieses Sprungs seitlich abgelenkt wird. Die auf solche Weise eingeleitete Verzweigung der Strahlen setzt sich nun beim Weiterwachsen der Sternfiguren in der oben geschilderten Weise weiter fort (s. Fig. 6 u. 7), wodurch reich verzweigte, sehr hübsche Figuren entstehen. Da sich nun in der Regel sehr zahlreiche Sterne in gewissen Entfernungen auf einer Platte bilden, so wachsen sie mit ihren Strahlen schließlich 662 Ö. Bütschli: 10 zusammen, indem die Sprünge ineinanderfließen (Fig. 7). Erwäh- nenswert erscheint noch, daß die durch Verzweigung entstehenden sekundären Sprünge, sowie die höherer Ordnung sehr häufig bogig geschwungen sind. Es empfiehlt sich vielleicht, im Anschluß an die einfachen Sternfiguren, gleich gewisse ihrer Modifikationen zu betrachten, welche durch Kombinationmit andersartigen Sprungsystemen häufig gebildet werden. So findet man auf gewissen Platten nicht selten längs der Radiärsprünge schuppenartige, bogenförmige Sprünge (Fig. 4 u. 6), die auf den beiden Seiten eines Radiärsprungs häufig alternieren und denselben daher wie eine Schraubenlinie um- ziehen. Bei der Besprechung der Schuppensprünge werde ich später genauer auf solche und ähnliche Figuren eingehen, welche sich aus der Weiterbildung dieser Erscheinung ableiten. Wir fanden oben, daß die Gabelung eines Radiärsprungs in der Regel dadurch eingeleitet wird, daß sich zunächst ein sehr kleiner Quersprung bildet, von dessen Enden die sekundären Radiär- sprünge ausgehen. Bei genauerem Zusehen ergibt sich fast stets, daß dieser Quersprung, sobald er etwas ansehnlicher ist, eigentlich einen kreisförmig gebogenen Verlauf hat, d. h., daß er ein sehr kleiner Teil eines Sprungs ist, der, wenn vollständig, das Zentrum der Figur ringförmig umziehen würde. Daß dies der Fall ist, ergibt sich auch daraus, daß zuweilen in der Nähe der Ver- zweigungsstellen der Radiärstrahlen eine ganze Anzahl solch kleiner ringförmiger und konzentrischer Sprünge hintereinander vorkommen (s. Fig. 6). Nicht selten treten jedoch auch zwischen den peripheren Gabelsprüngen der Sternfiguren konzentrische Ringsprünge auf, wodurch solch periphere Gabeln zu fächerar- tigen Gebilden umgestaltet werden (s. Fig. 6; Ähnliches jedoch auch auf Fig. 10). Gelegentlich kommt es auch vor, daß in den zentralen Zwischenräumen der ursprünglichen Radiärsprünge solch konzentrische sich einstellen (s. Fig. 7 rechts unten). Sternartige Figuren können auch von einem aus kon- zentrischen Ringsprüngen bestehenden Zentrum ausgehen, wie die schöne Fig.9 und ähnliche es zeigen. Leider war an dieserFigur das sphärische Zentrum großenteils herausgebrochen. Da die Radiär- sprünge hier bis zum Zentrum durch die ringförmigen Sprünge zu verfolgen sind, so ist es möglich, daß in diesem Falle die Radiär- sprünge das Ursprüngliche gewesen sind und das System der Ring- 11] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 663 sprünge erst nachträglich aufgetreten ist; was wohl damit im Zu- sammenhang steht, daß diese Platte mehrfach nacheinander dem Einfluß des Wassers ausgesetzt wurde. Die seltsame Erweiterung, welche die Radiärsprünge in diesem Falle zeigen, dürfte auf die etwas abweichende Behandlung der Platte zurückzuführen sein, die in der Figurenbeschreibung genauer angegeben ist. Die hier vorliegende Erweiterung der Radiärsprünge ist jedoch genau die- selbe, die, wie oben beschrieben wurde, regelmäßig bei ihrer Bildung auftritt. Bei der fraglichen Platte muß daher aus Fig. 9. Fig. 9. Elfstrahlige Sternfigur. Kanadabalsam. In verdünnter Essigsäure gequollen; hierauf Wasser. Schließlich mit Karminlösung etwas gefärbt (das Punktierte bezeichnet an zwei Strahlen die Ausdehnung der durch die Radiär- sprünge eingedrungenen Karminfarbe). Die Strahlen gehen von konzentrischer sphärischer Ringfigur aus, die jedoch großenteils später herausgebrochen ist. Die Radiärsprünge sind abnorm erweitert und haben bei dem Trocknen ungefähr die Form bewahrt, welche sie sonst während des Entstehens im feuchten Zustand be- sitzen. Vergr. 33. Z. A. nicht näher feststellbaren Gründen diese Erweiterung beim Aus- trocknen erhalten geblieben sein. Auf Figur 10 dagegen, welche gleichfalls ein sphärenartiges Zentrum aufweist, beginnen die 664 O. Bütschli: 112 strahlenartigen Radıärsprünge größtenteils erst peripher, nur zwei lassen sich bis gegen das Zentrum verfolgen. Hier muß also das sphärenartige Zentrum zuerst entstanden sein. : Soweit ich nach der direkten Beobachtung des Entstehens solcher Figuren urteilen kann, so müssen die Kombinationen von radiären und ringförmigen Sprüngen gleichzeitig oder nahezu gleichzeitig auftreten, denn es ließ sich bei der Verfolgung ihres Entstehens keine zeitliche Differenz mit Sicherheit erweisen. Auf der Platte, von welcher die Figur 9 stammt, und deren be- sondere Behandlungs- art in der Erklärung der Figur 9 angegeben ist, haben sich in reichlicher Zahl sehr eigentümliche Umge- staltungen einfacher \ regulärer Sternfiguren ' gebildet. Diese Um- gestaltungen entstan- den dadurch, daß sich bei gewissen Figuren die dreieckigen Lap- pen der Harzschichte, Fig. 10. welche sich zwischen Fig. 10. Zehnstrahliger Stern, dessen Zentrum von RN einer konzentrischen Ringsphäre gebildet wird und zwei benachbarten Ra- dessen Strahlen peripher in fächerartige Ringsprung- diärsprüngen befinden, bildungen übergehen. Negativlack. Vergr. 15. Z.A. von der Gelatinelage ganz emporgehoben haben und endlich abgebrochen sind. Diese Abtren- nung geschah aber in ganz scharfen Linien, welche durch die Verbin- dungslinien der benachbarten Strahlenenden gebildet sind. Auf diese Weise entstanden sehr regelmäßige polygonale Figuren. Aus dem dreistrahligen Stern wurde ein gleichseitiges Dreieck, aus dem vierstrahligen ein Quadrat, und ebenso bildeten sich durch ihre Regelmäßigkeit auffallende Penta- und Hexagone, sowie Poly- gone höherer Ordnung. Diese überraschend regelmäßigen Figuren treten auf der erwähnten Platte um so deutlicher hervor, als die- selbe mit etwas karminhaltigem Wasser behandelt wurde, das die 13] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 665 freiliegende Gelatineschicht hübsch rot gefärbt hat, während die von der Harzschicht bedeckte ungefärbt blieb. B. Sphärenartige, aus konzentrischen Kreissprüngen bestehende Figuren. Diese Figuren gehören wegen ihrer meist erstaunlichen Regel- mäßigkeit zu den interessantesten. Die Veranlassung ihrer Ent- stehung ist, soweit sich dies nachweisen läßt, ebenfalls eine kleine Verunreinigung der Harzschicht, welche bedingt, daß das Wasser hier zur Gelatineschicht eindrinst. Infolge des Quellens der Gelatineschicht entstehen nun aber hier keine Radiärsprünge, sondern regulär kreisförmige Sprünge, welche mit der Ausbreitung Were Muh Fig. 11. Fig. 12. Fig. 11. Die dicht benachbarten Zen- Fig. 12. Zwei ganz dicht benachbarte tren zweier konzentrischer Ringsphären. Zentren zweier Ringsphären, die sofort Negativlack. Nach Photographie ge- zusammenfließen. Leider war dasZentrum zeichnet. Vergr. 180. ziemlich stark zerstört. Nach Photo- eraphie gezeichnet. Vergr. 390. der Quellung in geringen und sehr genau gleichen Abständen sich wiederholen und so überraschend regelmäßige und häufig recht ansehnliche, rein sphärische Figuren erzeugen, von denen Fi- gur 11 nur eine schwache Vorstellung gibt. Eine sehr gute photo- Verhandl. d, Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 46 666 O. Bütschli: [14 sraphische Darstellung zweier zusammenstoßender derartiger Sphären gibt dagegen Hinterberger's Figur 2. Letzterer Beobachter bestimmte die Breite der durch zwei auf- einanderfolgende Kreissprünge gebildeten Ringe der Lackschicht bei seinen Figuren zu 12y. Die Figuren meiner Platten zeigen Ringe von ziemlich verschiedener Breite, die zwischen 2, ja zu- weilen sogar noch weniger, und 12y. schwanken. Bei manchen Sphären, selbst großen, bleibt die Ringbreite überall annähernd gleich und schwankt selbst bei den verschiedenen Sphären einer und derselben Platte meist nur wenig. Andererseits finden sich jedoch auch häufig Sphären, bei denen sich die Ringbreite gegen die Peripherie allmählich etwas vergrößert, z. B. von 4p. auf auf 8 ansteigt; doch begegnet man umgekehrt auch solchen, deren Zentrum aus breiteren Ringen besteht als die Peripherie. Endlich können auch lokale Verfeinerungen der Ringe auftreten und selbst Sphären, deren Ringe auf der einen Seite viel breiter sind als auf der anderen. Wovon diese Verhältnisse abhängen, ist vorerst kaum zu ermitteln. Das Zentrum der Sphäre wird von einem kleinsten kreisför- migen Sprung gebildet, welcher die schon oben erwähnte Verun- reinigung, die den Ausgang der Sphäre bildet, umzieht. Die Stelle einer solchen Verunreinigung kann jedoch auch ein kleineres oder größeres Luftbläschen in der Harzschicht einnehmen. Bei vielen Sphären einer gewissen Platte fand sich im Zentrum eine ziemlich weite kreisförmige konkave Vertiefung, welche, im Gegensatz zu der umgebenden Sphäre, von einem häufig etwas unregelmäßigen System viel dichterer konzentrischer Sprünge durchzogen war. Die wahrscheinlichste Deutung dieser Erscheinung dürfte sein, daß diese konkave Einsenkung einem ansehnlicheren Luftbläs- chen in der Harzschicht ihren Ursprung verdankt, dessen Oberwand geplatzt ist, während die verdünnte Unterwand konkav erhärtete. Die hier sehr dünne Harzschicht bot dann auch wegen des leichteren Durchtritts des Wassers Gelegenheit zur Entstehung des Zentrums einer Sphäre. Gleichzeitig weist diese Erscheinung vielleicht auch auf den Grund der verschiedenen Breite der konzentrischen Ringe hin. Wie bemerkt, war die konkave Einsenkung, in welcher die Harzschicht sehr erheblich dünner war, wie sonst auf der Platte, von einem System viel feinerer Ringsprünge durchzogen, was es wahrscheinlich macht, daß die Breite der Ringe unter sonst 15] Eirentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 667 o o o oO {>} sleichen Bedingungen von der Dicke der Harzschicht abhängt, d. h. mit dieser wächst. — Dies läßt sich auch aus den gegebenen Verhält- nissen als wahrscheinlich-ableiten. Da sich die konzentrischen Sprünge in gewissen regelmäßigen Abständen periodisch bilden, so folgt hieraus, was ja auch schon von vornherein notwendig er- scheint, daß die Dehnung, welche die Harzschicht durch die quellende Gelatine erfährt, einen gewissen Betrag erreichen muß, bis sie den Widerstand der Harzschicht überwindet und letztere in einem kreisförmigen Riß gesprenst wird. Dieser Widerstand der Harzschicht gegen die Zerreißung wird um so größer sein, je dicker sie ist, und die Dehnung der Harzschicht ist um so erheblicher, je höher die Gelatineschicht aufquillt, bis ein Riß erfolgt. Da nun das Aufquellen der Gelatineschicht zeitlich gleichmäßig fortschreitet und sich regelmäßig kreisförmig ausbreitet, so muß bei dickerer Harz- schicht die Quellung der Gelatine in radiärer Richtung weiter fort- schreiten als bei dünnerer, um die stärkere Dehnung hervor- zurufen, die zur Rißbildung erforderlich ist. Im ersteren Fall werden daher die konzentrischen Risse in größeren Zeitintervallen und größeren Zwischenräumen auftreten als im letzteren. Die konzentrischen Rißbildungen sind, wie bemerkt, die Folge einer Dehnung der Harzschicht mu in allseitig radiärer Rich- Fig. 13. Schematischer Durchschnitt des Randes tung und zwar wird diese der gequollenen Gelatinelinse zum Beweis, daß bei Dehnung dadurch hervor- der Quellung die Punkte a, b und c etwas nach außen verschoben und so eine Dehnung der Harzringe in gerufen, daß die Gelatine- tangentialer Richtung stattfindet. schicht linsenförmig auf- quillt und die Harzschicht, welche an ihrer Oberfläche festhaftet (s. Fig. 13), entsprechend dehnt. Dabei vergrößert sich also die Oberfläche der gequollenen Gelatineschicht. Wie die Figur zeigt, werden dabei aber auch die Mittellinien der einzelnen Ringe der Harzschicht von dem Zentrum weiter entfernt, also die Ringe auch in tangentialer Richtung gedehnt. Dieses, sowie die Dehnung durch die sich vergrößernde Oberfläche der Gelatineschicht überhaupt, dürfte namentlich das Auftreten von Radiärrissen im den einzelnen Ringen befördern. Derartige Radiärrisse an den einzelnen kon- zentrischen Ringen der Sphärenfiguren sind eine ganz allgemeine Erscheinung, wenngleich sie bei den verschiedenen Figuren in 46* GELATINE 668 O. Bütschli : 116 recht wechselnder Häufiskeit ausgebildet sind. In dem Zentral- scheibchen und den innersten Ringen fehlen sie nie gänzlich, nach außen dagesen werden sie häufig spärlicher ; zuweilen sind sie aber auch hier sehr reichlich. An dem Zentralscheibchen treten sie gewöhnlich in der 5—7-Zahl auf; nach außen nehmen sie, wenn reichlich, an Zahl zu. Sie durchsetzen die Ringe meist als regulär radiär gerichtete Sprünge, seltener dagegen auch in schiefer Rich- tung. Im allgemeinen gilt die Regel, daß ein solcher Radiärsprung nur einen der Ringe durchsetzt, nicht mehrere. Dennoch finden sich gelegentlich auch Sphären, die von zusammenhängenden Radiärsprüngen durchzogen werden, ja es können diese Sprünge sogar in benachbarte Sphären übergehen. Wenn dagegen, wie gewöhnlich, die Radiärsprünge nur einen Ring durchsetzen, so dürfte es nicht zweifelhaft sein, daß sie gleichzeitig mit dem zugehörigen Ring entstanden sind. In letz- terem Fall findet sich aber bei reichlicher Ausbildung der Radiär- sprünge sehr gewöhnlich, daß sie sich in einer Anzahl bis sehr zahlreichen der aufeinanderfolgenden Ringe in benachbarter Stel- lung wiederholen und zwar derart, daß sie in den sich folgenden Ringen in der Regel um eine sehr kleine Strecke seitlich verschoben sind; die Gesamtheit dieser benachbarten Radiärsprünge, samt den zugehörigen Partien der konzentrischen Sprünge, bildet so einen treppenartig geknickten Radiärsprung. Einzelne Sphären können in dieser Weise von etwas gebogenen derartigen Treppen- sprüngen so reichlich durchsetzt sein, daß sie konzentrisch strahlig erscheinen. Bei ganz regulären Sphären ist, wie gesagt, auch das Zentral- scheibchen schön kreisrund. Häufig finden sich jedoch auch solche, wo dies nicht der Fall, sondern das Scheibchen mehr oder weniger elliptisch bis unregelmäßiger ist. Dies hängt ganz ab von der Form der Verunreinigung, die den Ausgangspunkt bildet. Ist diese etwas länglich und nicht gar zu klein, so bildet sich ein elliptisches Zentralscheibchen, oder bei unregelmäßigerer Beschaffenheit der Verunreinigung auch ein unregelmäßigeres. Stets gleicht sich aber diese Abweichung der innersten Kreissprünge von der regulären Kreisform beim Weiterwachsen der Figuren rasch aus, so daß nach einigen weiteren Sprüngen die regelmäßige Form der Sprünge schon annähernd wieder erreicht ist. — Abweichender dagegen wird die Figur, wenn die zentrale Verunreinigung z. B. ein längeres 17] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer regelmäßigkeit. 669 ädchen ist, oder wenn sich nahe beieinander zwei kleine Verun- ädchen ist, o reinisungen finden, die gleichzeitig zwei Figuren den Ursprung saben. In dem ersteren Fall kann es sich ereignen, daß um jedes Ende des Fädchens eine Figur gebildet wird ; beide a ur vereinigen sich jedoch bald, indem schon die zwei- IA ten oder die nächstfolgenden Sprünge zusammen- SS) fließen (s. Fig. 14). Dasselbe tritt auch in dem — zweiten Falle ein, indem die beiden Figuren sich in ähnlicher Weise rasch vereinigen und eine Fi- sur mit doppeltem Zentrum bilden. Diese Erscheinung führt uns zu dem sehr ge- wöhnlichen Verwachsen benachbarter Sphären, das ja stets auftreten muß, da sich immer eine Menge solcher Figuren gleichzeitig in verschiedenen Entfernungen auf einer Platte bilden. Bei diesen Fig. 14. Zwei dicht benachbarte Sphä- renanfänge um die Enden eines in die Harzschicht einge- betteten Fädchens. Sehr frühzeitiges Zu- sammenfließen der Sphären. Negativ- lack: "Ohne ZEA Verwachsungen verhalten sich die Figuren im allgemeinen in einer gewissen ganz regelmäßigen Weise, welche sich aus der Figur 11 erkennen läßt. Im allgemeinen läßt sich sagen, daß die bis auf eine gewisse Ent- fernung nahe gekommenen konzentrischen Sprünge zweier Figuren sich gegenseitig in der Weise beeinflussen, daß sie sich in ihrer Krümmung etwas nach außen ablenken und daß die so modifi- zierten Sprünge hierauf zusammenstoßen. Dies Zusammenstoßen geschieht alternierend, was auf ein Alternieren in der Entstehung der Sprünge der verwachsenden Figuren hinweist. Wenn jedoch die Figuren mehr heranwachsen, d. h. wenn die Krümmung ihrer konzentrischen Kreissprünge schwächer wird, dann hört dies Alter- nieren der Kreissprünge auf der Zusammenwachsunsslinie der beiden Figuren allmählich auf und die sich begesnenden Sprünge beider Figuren gehen unter konkaver Einbiegung einfach ineinan- der über, so daß beide nun von gemeinsamen Sprüngen umzogen werden. Diese konkave Einbiegung der äußeren konzentrischen Sprünge solcher Doppelfiguren nimmt bei deren Weiterwachsen allmählich immer mehr ab und schwindet schließlich völlig, so daß endlich einheitliche Figuren mit nahezu kreisförmigem Um- rıiß aus zwei ursprünglich getrennten entstehen können. In gleicher Weise können sich jedoch auch drei und mehr be- nachbarte kleine Figuren zu einer einheitlichen vereinigen, ganz ebenso wie zwei bis mehr ursprünglich getrennte Sphärokrystalle zu einem einheitlichen, mit mehrfachen Zentren zu verwachsen ver- De 670 0. Bütschli: 18 mögen. — Da sich jedoch in der Regel gleichzeitig eine große Anzahl solcher Figuren in mäßiger Entfernung über die ganze Platte hin entwickeln, so müssen sie allseitig zusammenstoßend verwachsen ; und da die Zusammenstoßungsgrenzen, wie aus obiger Darstellung hervorgeht, im allgemeinen gerade Linien sind, so müssen diese sich, indem sie aufeinandertreffen, polygonale Figuren bilden, ganz ebenso und in derselben Schönheit, wie zusammenwachsende scheibenförmige Sphärokrystalle sich gegenseitig zu polygonalen Figuren vereinigen. Wie bei Sphärokrystallen findet man denn auch hier, daß sich in der Regel in den Ecken dieser Polygone drei Grenzlinien vereinigen, welche denn auch häufig Winkel von an- nähernd 120° bilden. Doch hängt dies nur von der Zahl und Stellung der Zentra der benachbarten Figuren ab. Stehen diese annähernd in den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks zueinander und ist von jedem dieser Zentren zu derselben Zeit eine Figur ausgegangen, so wird der obige Fall realisiert. Standen jedoch die Zentra von vier Figuren etwa in den Ecken eines Quadrats zueinander, so werden sich vier Grenzlinien bilden, die sich nahezu rechtwinklich in einem Punkte vereinigen. Auch die Vereinigung von fünf Grenz- linien in einem Punkt habe ich gelegentlich beobachtet. Ebenso begegnet man auch häufig dem Zusammenstoßen von drei Grenz- linien unter von 120° stark abweichenden Winkeln. Daß auch mehr oder weniger gebogene Grenzlinien vorkommen können, ist leicht verständlich. Figur 15 zeigt die Beschaffenheit des Zu- sammenstoßungspunktes dreier Grenzlinien, was ja ein gewisses Interesse darbietet. Eine sehr häufige Erscheinung ist, daß die konzentrischen Ringe der vorstehend geschilderten Figuren in den äußeren Re- gionen eine gewisse Modifikation erfahren, die jedoch nicht selten schon in der inneren Partie auftreten kann und zu den schup- penartigen Figuren überleitet. Diese Modifikation besteht darin, daß die Ringe nicht mehr einheitlich sich bilden, sondern sich aus einer Anzahl schuppenförmiger Stücke zusammensetzen. Die ein- fachste derartige Modifikation eines Ringes besteht darin, daß er an einer gewissen Stelle unterbrochen ist, indem hier der Sprung, welcher den Ring nach außen begrenzt, nicht zusammenfließt, son- dern die beiden sich sonst vereinigenden Enden des Sprungs sich bogenförmig gegen den inneren Ringsprung umbiegen. Da jedoch das eine Ende stärker bogig umbiegt, so erreicht nur dieses 19] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 671 den inneren Sprung, während das andere weniger gebogene Ende auf das erstgenannte stößt und sich mit ihm vereinigt (s. Fig. 11, 12u. 15). Wenn sich in den aufeinanderfolgenden Ringen derartige Unterbrechungen ungefähr in demselben Radius wiederholen, so entstehen ziekzackförmige Radiärlinien, welche ziemlich lebhaft an die Bildung der Grenzlinien zusammengewachsener Sphären er- innern. Derartige Unterbrechungen der Ringe werden nun nach Fig. 15. Fig. 15. Grenzlinien dreier verwachsener benachbarter konzentrischer Ring- sphären, die in einem Punkt zusammenfließen. Besondere Bildung dieses Zu- sarmmenfließungspunktes. Negativlack. Photographie. Vergr. 145. außen gewöhnlich häufiger, so daß die Ringe in zwei bis zahlreiche längere oder kürzere schuppenartige Stücke zerlegt werden, die dann stets so geordnet sind, daß die der aufeinanderfolgenden Ringe miteinander alternieren. Auf solche Weise gehen die rein konzentrischen Sphären, früher oder später, häufig in schuppige über und von da finden sich alle Übergänge zu solchen, bei denen 679 0. Bütschli: [20 die Schuppenbildung schon ganz frühzeitig auftritt, die daher als reinschuppige bezeichnet werden müssen. Bevor wir auf letztere und ihre Modifikationen näher eingehen, möge hier zunächst noch einiger anderer Modifikationen der Ring- sphären gedacht werden. Nicht selten kommt es vor, daß die Ringe in den äußeren Regionen wellig werden, indem sie in regelmäßigen Abständen Aus- und Einbuchtungen aufweisen. Bei makroskopi- scher Betrachtung, respektive bei Lupenvergrößerung, zeigen der- artige Sphären häufig ein strahliges Aussehen, indem die sich regelmäßig wiederholenden Aus- und Einbuchtungen der Ringe wie strahlenartige Radien durch die Sphären ziehen. Die Erschei- nung kann noch dadurch verstärkt werden, daß solch wellenartige Ringe auf der Höhe der Wellen häufig von besonders zahlreichen Radiärsprüngen durchsetzt werden. Eine weitere Modifikation der Ringsphären erinnert in man- cher Beziehung an die vorhin erwähnte Schuppenbildung und führt zu besonders eigentümlichen und schönen Figuren. Dieselben (Fig. 16) entstehen dadurch, daß eine Ringsphäre, nachdem sie einen gewissen Umfang erreichte, nicht mehr allseitig und gleich- mäßig weiterwächst, sondern nur in gewissen Radien. In diesen entstehen also ringförmige Sprünge, die sich an ihren Enden auf- einander umbiegen und daher schuppenartige Gebilde darstellen. Beim Weiterwachsen nehmen diese Ringsprünge in der Regel an Umfang zu, so daß sich jeder der so entstehenden schuppigen Strahlen flügel- oder blattartig ausbreitet. — Endlich können sich diese schuppigen Blattstrahlen beim Weiterwachsen wiederum ver- zweigen, so daß sehr zierliche und häufig recht regelmäßige Fi- guren entstehen, von denen Figur 16 eine Vorstellung gibt. Die Zwischenräume zwischen den flügelartigen Blättern sind meist durch besondere Sprungbildungen ausgefüllt, die als konzentrische Systeme von einem oder mehreren Punkten aus entstanden sind. Da sie sich dem verfügbaren Raum zwischen den Blättern anpassen, so wurden sie jedenfalls erst nachträglich ausgebildet. Hinter- berger hat derartige Figuren schon gesehen und eine auf seiner Figur 5 photographisch wiedergegeben. Der seitliche Abschluß der fächerartigen, aus Ringsprüngen gebildeten Blätter wird ent- weder dadurch gebildet, daß, wie gesagt, die successiven Ring- sprünge sich seitlich zentralwärts umbiegen und mit den vorher- gehenden vereinigen, wie es auf Figur 16 der Fall ist; oder auch 21] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geomelrischer Regelmäßigkeit. 673 so, daß sich seitlich begrenzende Radiärsprünge bilden, die meist in der früher geschilderten Weise etwas treppenartig gestaltet, seltener dagegen ganz zusammenhängende Radiärsprünge sind. Die eben geschilderten Figuren besitzen in in ihrer prinzipiellen Bauweise eine ziemliche Ähnlichkeit mit den einfachen Stern- figuren, die früher beschrieben wurden. An Stelle jedes Strahles letzterer tritt hier ein System von konzentrischen Ringsprüngen. Diese Übereinstimmung bedingt es auch wohl, daß diese Fi- Fig. 16. Fig. 16. Zentrale konzentrische Ringsphäre, die peripher in blatt- bis fächerartige, aus Ringen zusammengesetzte Strahlen ausläuft, die sich analog weiter verzweigen. Kanadabalsam. Ohne Z. A. suren einerseits nach außen sehr gewöhnlich in rein sternartige übergehen, indem als Fortsetzungen der Blätter ein bis mehrere Radiärsprünge auftreten, und daß andererseits einfache Sternfiguren sich peripher vielfach zu derartigen Figuren umgestalten, indem ihre einfachen Strahlen in die geschilderten Fächer übergehen. Dieser Zusammenhang der beiderlei Figuren wird ferner dadurch erwiesen, daß sich häufig auch Figuren finden, welche die beiden Typen derart vereinigen, daß an Stelle einzelner fächer- artiger Blätter einfache Radiärstrahlen ausgebildet sind. 674 0. Bütschli: [22 C. Die schuppenartigen Sphären. Schon bei der Schilderung der konzentrischen Ringsphären fanden wir, daß ihre Ringe peripher häufig in eine Anzahl schup- penförmiger Gebilde übergehen. Wie bemerkt, ist es aber sehr ge- wöhnlich, daß gleich nach den allerersten Anfängen der Sphären statt der Ringe schuppenartige Gebilde von großer Gleichmäßigkeit auftreten. Auf diese Weise entstehen Sphären, die völlig aus kon- zentrisch angeordneten Schuppen aufgebaut sind (s. Fig. 17). Die Schuppen der aufein- anderfolgenden Ring- zonen alternieren sehr > el PEN WE is gelmäßig n =. 9 7 der, wie es die Figuren CK, AG, N 17 und 18 zeigen; M WITT \ ebenso haben auch die (f (N ARCHUN ES: NUN N Schuppen einer und N u KINN UUNKIRIN derselben Figur und RENRNANN ISA Hy einer und derselben IN INN NIZEIY) f} YY Platte meist recht über- SUN einstimmende Größe. St (Gewöhnlich ist zwar deutlich ausgeprägt, SS N SI daß die Schuppen- Fig. 17. sröße gegen die Fig. 17. Konzentrisch schuppige Sphäre von gleich- Peripherie ansehn- mäßiger Bildung und mit senkrechten Sprüngen. Nega- licherer Figuren ZU- tivlack. Nach einer Photographie gezeichnet. Vergr.52. _. e . nimmt;namentlich stei- gert sich auch die Schuppengröße häufig sehr erheblich am Rande der Platten. Die Regelmäßigkeit der Bildung und Anordnung der Schuppen ist vielfach ganz erstaunlich groß. Die Entstehung der Schuppen läßt sich sehr schön unter dem Mikroskop verfolgen. Bringt man auf eine derartige Figur, welche innerhalb einer noch nicht zersprungenen Harzschicht liegt, einen Wassertropfen, so beginnt fast sofort ihr Weiterwachsen. Ruck- weise und alternierend treten neue Schuppensprünge auf, rascher oder langsamer. Dabei ist meist deutlich zu beobachten, daß in geringer Entfernung außerhalb der auftretenden Schuppensprünge eine blasse, etwas wellig gebogene Linie sich findet, die beständig und langsam nach außen fortwandert. Es ist dies die Grenz- 93] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 675 linie der gequollenen Gelatineschicht, woraus hervorgeht, daß die Quellung der Gelatine immer etwas weiter reicht als die Schuppen- sprünge. Was eigentlich das bestimmende Moment für die Schuppenbildung, im Gegensatz zur Bildung zusammenhängender konzentrischer Ringe ist, läßt sich einstweilen schwer sagen. Ver- mutlich dürften hierzu Unregelmäßigkeiten in der Ausbreitung des Quellungsbereichs der Gelatine die erste Veranlassung geben ; denn daß für jede Schuppe gewissermaßen eine Art besonderes Zentrum der Quellung bestehen muß, ist wahrscheinlich. Wenn erst Schup- penbildung eingetreten ist, so scheint es ziemlich begreiflich, daß dieselbe alternierend weiterschreitet. Da nämlich in dem Winkel, welchen die beiden benachbarten Schuppen einer Zone bilden, der Wasserzutritt zu der Gelatineschicht relativ ansehnlicher ist als in der mittleren Region der Schuppen, indem an ersterem Ort von den beiden benachbarten, gegeneinander geneigten Sprüngen aus Was- ser zutritt, so folgt, daß zwischen den beiden zusammenstoßenden Schuppen die Quellungslinie konvex vorgebuchtet sein muß und daß an dieser Stelle, entsprechend der vorgebuchteten Quellungs- linie, ein neuer Schuppensprung auftreten wird, der mit den beiden ersterwähnten alterniert. Derartige schuppige Sphären erreichen auf manchen Platten eine ansehnliche Größe, bis zu 1 cm und mehr im Durchmesser. Beobachtet wurden sie bei allen früher (5.655) erwähnten Harzen, die überhaupt Sprungfiguren lieferten; besonders schön bei Ne- sativlack und bei Kanadabalsam. Letzteres Harz lieferte mit Aus- nahme einer einzigen Platte, die sehr schöne Sternfiguren ergab, überhaupt nur solch’ schuppige Figuren. Ganz in derselben Weise, wie es schon für die konzentrischen Ringsphären beschrieben wurde, können sich auch zusammen- gesetzte Schuppensphären bilden, mit doppelten bis mehrfachen Zentren. Wenn die benachbarten Schuppensphären zusammen- wachsen, so bilden sie dieselben polygonalen Figuren, welche schon für die Ringsphären geschildert wurden. Eine kurze Darstel- lung erfordert jedoch die Art, wie die schuppigen Sphären zu- sammenwachsen, die Beschaffenheit der Grenzlinien solch’ zu- sammengewachsener Sphären. Auf Figur 18 ist ein kleines Stück einer solchen Grenzlinie bei etwas stärkerer Vergrößerung genau abgebildet; es zeigt das gewöhnliche Verhalten auf der Grenze. Letztere wird im allgemeinen so gebildet, daß sich zwischen die 676 O. Bütschli: [24 gegeneinander geneigten Schuppenringe der beiden Sphären eine Grenzreihe von schmäleren quergestelllen Schuppen einfügt, welche den Übergang zwischen den einander zugeneigten Schup- penringen herstellt. Daß dabei mancherlei Unregelmäßiskeiten und Modifikationen auftreten, läßt die mit dem Zeichenapparat wiedergegebene Figur 18 erkennen; obgleich die Vereinisungs- weise stets die geschilderte ist. Bei allen bis jetzt beschriebenen Sprungfiguren durchsetzen die Sprünge die Harzschichte in senkrechter oder nahezu senk- rechter Richtung. Auch bei den einfachen, eben geschil- derten Schuppensphären ist dies der Fall. Anders da- gegen verhalten sich die Schuppensphären gewisser Platten. Bei diesen durch- setzen die Sprünge mehr oder weniger schief die Harzschicht. Dabei sind die Sprünge in der Regel so ge- neigt, daß sie von oben, dem Zentrum der Sphäre zu, schief in die Tiefe steigen. Diese schiefen Sprünge re- flektieren das durchfallende Licht, je nach ihrer Neigung, Fig. 18. mehr oder weniger total und Fig. 18. Partie aus der Verwachsungsgrenze . k zweier einfacher schuppiger Sphären unter erscheinen daher in der Bildung symmetrischer Verbindungsschuppen. Durchsicht mehr oder we- Kanadabalsam. Vergr. 62. niger dunkel. Solche Sphä- ren sind daher verhältnismäßig undurchsichtig, besonders an solchen Stellen oder in solchen Zonen, wo die Schuppen- sprünge klein und sehr dicht gedrängt sind. — Die schiefen Sprungflächen zeigen häufig eine etwas muschelige Bruch- fläche, zuweilen auch eine feine Radiärstreifung. Manchmal können die Schuppen selbst von feinen Radiärsprüngen durch- setzt sein. — An diesen undurchsichtigen dichtschuppigen, ge- wöhnlich auch recht großen Sphären bemerkt man zuweilen noch eine weitere interessante Erscheinung, nämlich eine 25] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 677 mehr oder weniger gut ausgesprochene Schichtung. Dunkle, breitere, dicht- und kleinschuppige Schichten wechseln mit schmä- leren, hellen, wenig- und großschuppigen ab (s. Fig. 19). Bei dem Wachsen solcher Sphären wiederholt sich periodisch ein ver- schiedenartiges Verhalten in der Sprungbildung. Die Ähnlichkeit solcher Sphärenscheiben mit gewissen scheibenförmigen Sphäro- krystallen ist sehr auffallend; wozu sich, wie wir später erfahren werden, noch gesellt, daß auch ihr optisches Verhalten dem echter Sphärokrystalle sehr gleicht. ; Fig. 19. Fig. 19. Teil einer ansehnlichen geschichteten schuppigen Sphäre, welche gut doppelbricht. Photographie. Vergr. 55. Kanadabalsam. Bevor wir jedoch das optische Verhalten der Spruns- figuren erörtern, wäre noch der besonderen Erscheinungen zu ge- denken, die sich ergeben, wenn schon gebildete ausgetrocknete Figuren von neuem mit Wasser befeuchtet werden und hierdurch die Bildung neuer Sprünge hervorgerufen wird. Wenn solche Ver- suche an älteren Platten ausgeführt wurden, so ergab sich stets, daß die neugebildeten Sprünge im allgemeinen schuppenartigen Charakter besaßen, gleichgültig, welche Art Figuren sich früher 678 O. Bütschli: [26 bei der ersten Befeuchtung der Platte gebildet hatten. Handelt es sich also um schuppige Sphären, so wachsen diese einfach weiter, wenn es noch möglich ist; handelt es sich dagegen um konzentrische Ringsphären, so wachsen diese ebenfalls als schup- pige Sphären weiter. Dabei zerspringen auch gelegentlich die früher gebildeten Ringe in kleine unregelmäßige Stücke. Merkwürdige und recht interessante Verhältnisse treten auf, wenn man Platten mit älteren strahligen Sternfiguren von neuem befeuchtet. In diesem Falle dringt also das Wasser längs der ganzen schon vorgebildeten Sprünge zur Gelatine vor und dement- sprechend verlaufen auch die neuauftretenden Sprünge. Da die Umrisse der Quellungsfisur der Ge- latine sich im allgemeinen parallel zu den alten Sprün- gen ausbreiten, so werden auch die neuen Sprünge zu- nächst parallel den alten sich bilden. Dies ist z. B. auf Fig. 20 sehr deutlich zu sehen. Obgleich das Ent- stehen dieser Figur nicht direkt verfolgt wurde, so geht doch aus ihrem Bau wohl mit voller Sicherheit File. 2. ' hervor, daß die Sprünge, en ee ara welche die ursprünglichen ein System sekundärer Sprünge ausgebildet. Radiärsprünge umziehen, Negativlack. Vergr. 33. Z. A. sekundärer Natur sind und in der geschilderten Weise entstanden. Hier ist auch deut- lich zu verfolgen, daß sich um die Enden jedes der Gabelzweige der Radiärsprünge ein konzentrisches neues Sprungsystem entwickelte und daß deren Sprünge sich mit den parallelen um die Strahlen regelmäßig vereinigen. Bei dieser Figur liegt ferner der, wie gesagt, seltene Fall vor, daß die sekundären Sprünge nicht oder doch sehr wenig schuppenartig gebildet sind, sondern fast rein konzentrisch. Daß jedoch derartige Figuren wirklich auf die angegebene Weise entstehen, dafür liefert Figur 21 einen guten Beweis; sie 27] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 679 wurde durch kurze Befeuchtung einer einfachen Sternfigur er- halten. Auf die geschilderte Weise entstehen häufig aus einfachen Sternfiguren, unter Bildung längerer bis kürzerer sekundärer Schuppensprünge, sehr interessante und schöne Figuren, wie sie beispielsweise Figur 21 zeigt. Indem sich an jedem Strahl, Haupt- wie Gabelstrahlen, ein System solcher Schuppen jederseits anlegt und diese Systeme benachbarter Strahlen schließlich teilweise zu- sammenfließen, bilden sich sternartige verzweiste Figuren von sehr regelmäßigem und schönem Aussehen. Fig. 21. Fig. 21. Teil eines aus fünf Strahlen zusammengesetzten schuppigen Sterns, der dadurch entstand, daß ein einfacher fünfstrahliger Stern mit am Ende drei- geteilten Strahlen von neuem befeuchtet wurde. Negativlack. Photographie. Vergr. 53. Bringt man auf einen einfachen geraden Sprung einen Wasser- tropfen, der nur eine kleine Strecke des Sprunges bedeckt, so ent- steht durch Bildung schuppenartiger Sprünge in der Regel eine Zeichnung, welche etwa der in Figur 23 dargestellten entspricht. Letztere entstammt einer Platte, auf welcher jedenfalls durch wiederholtes Eintauchen in Wasser derartige Bildungen in großer 680 O. Bütschli: [28 Menge um Systeme ursprünglicher feiner gerader Sprünge, die die Platte zahlreich durchsetzten, hervorgerufen worden sind. Die fragliche Figur 23 ist jedoch nicht eine isolierte solche Sprung- figur, sondern nur eine Partie einer gänzlich von derartigen Schup- pensprüngen durchsetzten Platte. — Wenn man in der nichtzer- sprungenen Harzschicht derartiger Platten mit der Nadel einen feinen Kritzer macht und hierauf eine Partie desselben mit einem Wassertropfen bedeckt, so lassen sich entsprechende Figuren hervorrufen; nur sind sie meist nicht so regelmäßig ausge- Fig. 22. Fig. 28. Fig. 2— 23. Elliptische bis langgestreckte schuppige und konzentrisch ringförmige Figuren, welche sich um feine Sprünge in der Harzschicht gebildet haben. Negativlack. Ohne Z. A. aufgenommen. bildet, da der Kritzer ja nicht entfernt die gleichmäßige Be- schaffenheit hat wie ein natürlich entstandener feiner Sprung. Wenn die auf solche Weise um feine Sprünge entstehen- den sekundären Figuren den (Charakter rein konzentrischer Sprungfiguren zeigen, dann haben sie zuweilen ziemlich regel- mäßig elliptische Umrisse oder sind auch mehr längsgestreckt (s. Fig. 92). Diese Figur zeigt ferner oben ein System radiärer Sprünge, um deren Zentrum sich eine recht regelmäßige konzen- trische Ringsphäre gebildet hat. In diesem Falle spricht alles dafür, 39) Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 681 daß das System der Radiärsprünge schon vor der Entstehung der Rinssprünge vorhanden war, vielleicht jedoch so fein, oder nach- träglich wieder so eng geschlossen, daß die Quellung der Gelatine nur von dem Zentrum ausging. Denn daß bei Gegenwart von Ra- diärsprüngen in der Regel die sekundären Sprünge zu andersge- arteten Figuren führen, dies ergibt sich z.B. deutlich aus Figur 24. Hier machte sich der Einfluß der Radiärsprünge auf die Bildung der sekundären sehr deutlich geltend, indem diese etwa ganz ent- sprechend der Quellungsfigur der Gelatine, durch welche die Ra- diärsprünge hervorgerufen wurden, angeordnet sind. Auf diese Weise besitzt diese grobschuppig gebaute Figur ein sternartig ge- bildetes Zentrum, dessen Spitzen sich nach außen jedoch immer mehr abflachen, so daß die Figur schließlich in eine einfach schup- pige Sphäre mit sternartigem Zentrum übergeht. Jedenfalls können solche Figuren nicht wohl in derselben Weise entstanden sein, wie z. B. die Figur 21, vielmehr muß ihnen vermutlich eine Art kombiniertes Wachs- tum eigentümlich sein ; so etwa, daß die Ra- diärsprünge zuerst ent- stehen und auch in dem Wachstum immer etwas voraus sind, dann aber bald die se- kundären Sprünge her- vorrufen. Diese haben Hol deßkd: Fig. 24. Sechsstrahlige Sternfigur mit schuppen- Zur ne ge, da die an- förmigen sekundären Sprüngen, die ein sternartiges fänglich in den Zwi- Zentrum formieren. Ohne Z. A. schenräumen der Radiärsprünge tief eingebuchteten Sekundär- sprünge, deren Verlauf, wie schon gesagt, dem Umriß der Quellungs- fisur parallel zieht, allmählich immer weniger eingebuchtet werden, da ja jeder dieser Sprünge dem Wasser Zutritt gestattet. Demnach dürfte sich aus der Bildung dieser Figur wohl sicher entnehmen lassen, daß sie nicht das Ergebnis doppelter Befeuchtung ist, son- dern daß sie bei der ersten Befeuchtung dadurch entstand, daß Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 47 Fig. 24. 682 O. Bütschli: [30 die wachsenden Radiärsprünge sofort ein System sekundärer Sprünge hervorriefen. Die interessantesten Figuren, welche durch sekundäre Sprung- bildungen der vorstehend geschilderten Art hervorgerufen werden, sind solche, welche aus sehr dichtgedrängten schiefen Schuppen- sprüngen bestehen, wie sie oben für die dunklen Schuppensphären beschrieben wurden. Wenn solche Sprungbildungen um einen einfachen feinen Sprung auftreten, wie es Figur 95 zeigt, so bildet sich in der Regel eine länglich zitronenartige Figur mit scharf zugespitzten Enden. Im allgemeinen handelt es sich um solch eine dunkle Schuppensphäre, die durch den vorhandenen feinen Sprung, respekt. vielleicht auch durch dessen gleichzeitiges Weiterwachsen, zu einer längsgestreckten modifiziert wurde. Ana- log den regulären Schuppensphären zeigen auch die hier bespro- chenen häufig mehr oder weniger deutliche Schichtung. Auf Fi- sur 25 spricht sich diese sowohl innerhalb der dunkeln, zitronen- % förmigen Sphäre ziemlich deut- lich aus, als namentlich darin, daß in deren Umkreis eine breite helle Zone ausgebildet ist, mit wenigen feinen Sprüngen; um diese findet sich dann wieder dichtsprüngige dunkle Masse, die jedoch durch die benachbarten Sphärengebilde bald stark modi- fiziert wird und deshalb nicht weiter ausgeführt wurde. Wenn Sphären wie die eben beschriebenen um ein System von Radiärsprüngen entstehen, so bil- den sich zusammengesetzte stern- artige Gebilde entsprechender Art, deren Aussehen lebhaft an kry- stallinische Bildungen erinnert. Figur 26 zeigt eine derartige Fi- Ähnliche, häufig noch viel Fig. 35. ur Fig. 25. Große, dichtschuppige, gut SUI. Ei i doppelbrechende Sphäre, die sich um fei- kompliziertere, finden sich auf der nen Längssprung gebildet hat und daher 1 j stark ausgezogen ist. Die Umgebung ist Platte, welcher diese BiEuEREBEE nicht weiter gezeichnet. Vergr. schwach. nommen ist, in Menge. Die Ver- 31] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 683 wachsungsgrenzen der einzelnen Sphärengebilde sind gerade und treten häufig durch geringere Durchsichtigkeit recht scharf her- vor. Wie die Figuren 25 und 26 zeigen, so ziehen die feinen Schuppensprünge und die Schichtung in den mehr oder we- niger rhombischen Figuren meist ziemlich genau parallel den Rhombenseiten. Wenn nun, wie es auf solchen Platten der Fall ist, zahlreiche benachbarte Figuren dieser Art zusammen- gewachsen sind, so grenzen die verschieden verlaufenden Streifen- systeme häufig in sehr scharfen geraden Linien aneinander, und diese Regionen der Platte machen daher ganz den Eindruck, als wenn sie von flachen, zusammengewachsenen Krystallblättern be- deckt wären. In der Regel findet man auf einer Platte nur einen Typus der Figuren ausgebildet, also etwa nur sternartige oder nur Ring- oder Schuppensphären. Hieraus wäre zu schließen, daß die Harz- und Gelatineschicht der einzelnen Plalten gewisse, vorerst noch nicht näher präzisierbare Eigenschaften besitzen müssen, die die beson- dere Art der Figuren be- dingen. Dennoch ist diese Regel nicht allgemein gültig, da auch gewisse Platten Sphären und Sternfiguren aufweisen; jedoch ist dies wenig „== häufig. Die verschiede- ' nen Figuren sind auf sol- chen Platten dann nicht & Fig. %. etwa durcheinander ge- Flg. 26. Zusammengesetzte Sphärenbildung von mischt, sondern treten demselben Charakter wie Figur 25 und von der- auf verschiedenen RBe- selben Platte. Vergr. noch geringer. zirken auf. Die Übergangszonen dieser Bezirke sind häufig auch durch Überganssfiguren der beiden Typen ausgezeichnet. Im allgemeinen läßt sich daher sagen, daß gewisse Eigentüm- lichkeiten, insbesondere solche der Harzschicht, den Charakter der Sprungfiguren bestimmen. Welche Eigentümlichkeiten dies jedoch sind, dürfte sich nur durch besonders auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen ermitteln lassen. 47% 684 O. Bütschli: [32 D. Das optische Verhalten der Sprungfiguren. 1. Besondere optische Erscheinungen der Sprungfiguren im gewöhnlichen Lichte. Sowohl die konzentrischen Rinssphären, als noch viel schöner die Schuppensphären, zeigen infolge ihrer besonderen Bauverhält- nisse bei makroskopischer oder Lupenbetrachtung, sowohl im auf- fallenden wie durchfallenden Licht, eigentümliche Reflexerschei- nungen, die hier kurz besprochen werden mögen. Betrachtet man eine horizontal liegende Platte mit solchen Sphären derart, daß die Lichtquelle (z. B. eine Auerflamme) in einiger Entfernung vor der Platte und in der Augenhöhe des Beobachters, etwa 30—40 cm über der Platte steht, während der Beobachter ungefähr in gleicher Entfernung hinter der Platte sich befindet, so bemerkt man auf jeder Sphäre einen hellen Lichtstreif, der parallel der Verbindungs- linie der Lichtquelle mit dem Auge des Beobachters die Sphäre durchzieht. Dieser Streif geht durch das Zentrum der Sphäre und ist hier ganz schmal, während er sich gegen die Sphärenperipherie stetig verbreitert, weshalb er aus zwei Dreiecken zusammengesetzt erscheint, die sich mit ihren Spitzen im Sphärenzentrum berühren. Verschiebt man nun die Platte aus der angegebenen Stellung etwas seitlich, so rotiert der Lichtstreif derart, daß seine dem Beobachter zugewandte Hälfte bei der Verschiebung nach rechts ebenfalls nach rechts rotiert, seine vordere Hälfte dagegen nach links; bei Verschiebung nach links rotiert der Lichtstreif umgekehrt. — Neigt man die Platte auf der linken Seite herab, so rotiert die zugewandte Hälfte des Streifs nach links und die abgewendete oder vordere nach rechts, und bei entgegengesetzter Neigung der Platte umgekehrt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Lichtstreif durch Re- flexion der Lichtquelle an den Sprungflächen entsteht und zwar in diesem Falle wohl hauptsächlich durch einfache Reflexion. Da jedoch dies reflektierte Licht, wenigstens bei einigen der Platten, einen sehr deutlichen metallischen Schimmer besitzt, so kann wohl auch total reflektiertes Licht beigemengt sein. — Bei den von verti- kalen Kreissprüngen gebildeten Figuren ist die Erscheinung in der horizontalen Lage der Platte wenig ausgeprägt und der helle Streif nur in der peripheren Region der Sphären deutlicher; sobald man jedoch die Platte etwas gegen die Lichtquelle neigt, so daß die Sprungflächen nicht mehr vertikal stehen, sondern ebenfalls gegen 33] Eigentümliehe Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 685 die Lichtquelle geneigt sind, so tritt der Reflexionsstreif sehr scharf und hell hervor. Die kreisförmigen Sprünge und ebenso im allgemeinen auch die konzentrisch angeordneten Schuppensprünge lassen sich etwa auffassen als ein System ineinandergeschachtelter sehr niederer reflektierender Zylinderflächen; bei den schiefen Schuppen- sprüngen sind diese Flächen noch etwas gegen das Zentrum trichterartig geneigt. Bei der Reflexion wird daher jede dieser Flächen wie ein konkaver Zylinderspiegel wirken und ein ver- kleinertes Bild der Lichtquelle geben, das um so größer wird, je geringer die Krümmung der Sprungfläche ist. Hierauf beruht es, daß der oben erwähnte Lichtstreif sich gegen die Peripherie der Sphäre dreieckig verbreitert. Daß unter diesen Bedingungen bei seitlicher Verschiebung der Sphäre, oder bei ihrer Neigung die oben geschilderte Rotation des Reflexionsstreifs eintreten muß, davon kann man sich auch dadurch überzeugen, daß man den oberen Rand eines Glastrichters oder noch besser eines Becher- glases unter entsprechenden Verhältnissen betrachtet; man er- blickt dann an diesem Rand zwei ihrer Lage nach dem Reflexions- streif der Sprungfiguren entsprechende helle Bilder der Lichtquelle und kann bei seitlicher Verschiebung oder Neigung des Becher- slases leicht beobachten, daß diese hellen Bilder genau die oben für den Reflexionsstreif der Sphären geschilderte Rotation aus- führen. Diese eigentümlichen Reflexionserscheinungen der Sphären haben im Gefolge, daß die Figuren bei makroskopischer Betrach- tung im auffallenden Licht stets mehr oder weniger körperlich, reliefartig erscheinen, da sie, wegen des hellen Reflexionsstreifs und der dunklen, scheinbar im Schatten liegenden Partien, mehr oder weniger erhobene Kegel vortäuschen, deren Spitzen von den Zentren der Sphären gebildet werden. Ganz ähnliche Erscheinungen wie im reflektierten Licht zeigen jedoch die Figuren auch im durchfallenden. Wenn man eine Sphäre genau senkrecht zur Lichtquelle und genau zwischen diese und das beobachtende Auge hält, so erscheint sie, wenn die Sprünge nicht allzu dicht und zu schief sind, gleichmäßig hell, abgesehen von einer Anzahl dunkler Sprünge, die das Licht total reflektieren und deshalb dunkel sind. Wenn man nun aber die Sphäre ein wenig senkt oder hebt, so daß die Lichtquelle etwas 656 O. Bütschli: 134 über oder unter ihr steht, so tritt sofort die vorhin im reflektierten Lichte geschilderte Erscheinung hervor, d. h. die Sphäre wird dunkel bis auf einen vertikalen doppelt dreieckigen Lichtstreif. Bewegt man nun in dieser Stellung die Sphäre etwas nach der Seite, so rotiert der Lichtstreif, bei höherer Stellung der Lichtquelle, wieder derart, daß sein unterer Schenkel nach der Verschiebungs- seite sich bewegt. Bei tieferer Stellung der Lichtquelle dagegen erfolgt die Rotation des Lichtstreifs in umgekehrter Richtung. Es bedarf verhältnismäßig geringer seitlicher Verschiebung, um eine nahezu horizontale Stellung des Lichtstreifs hervorzurufen. — Ver- schiebt man die Sphäre aus der ursprünglichen exakten Stellung vor derLichtquelle genau etwas seitlich, so erhält man, wie zu er- warten, sofort den horizontalen Lichtstreif, den man durch Hebung oder Senkung der Sphäre gegen die Vertikalrichtung rotieren lassen kann. — Dieselben Erscheinungen kann man jedoch auch dadurch hervorrufen, daß man die Sphäre genau in der ursprünglichen Stellung vor der Lichtquelle beläßt und das Auge höher oder tiefer, resp. nach rechts oder links, um weniges verschiebt. Am besten bedient man sich hierzu einer Lupe, mit der man die Sphäre be- trachtet, und verschiebt hierauf, bei Feststellung der Sphäre und der Lupe, das Auge ein wenig. Bei geringer Verschiebung des Auges nach unten oder oben tritt sofort der Vertikalstreif hervor; bei geringer Verschiebung nach rechts oder links der Horizontal- streif; schiebt man das tiefgestellte Auge etwas seitlich, so ro- tiert bei höher gestellter Lichtquelle der untere Schenkel des Streifs in der Verschiebungsrichtung, bis die Horizontalstellung erreicht ist. — Auch bei mikroskopischer Betrachtung mit schwachen Vergrößerungen lassen sich diese Erscheinungen bei seitlicher Verschiebung des Auges noch wahrnehmen. Auf diese Weise kann man durch rotierende Bewegung des Auges den Lichtstreif ro- tieren lassen. Auch bei der Betrachtung im durchfallenden Licht ist der helle Lichtstreif jedenfalls eine Folge der Reflexion des Lichts an den Sprungflächen. Man kann sich diese Erscheinungen ebenfalls mit Hülfe eines Becherglases, dessen Innenwand ja einen zylin- drischen Konkavspiegel darstellt, verdeutlichen. Schaut man in die Öffnung des Becherglases, das mit dem Boden direkt gegen die Lichtquelle gewendet ist, so sieht man das Glas gleichmäßig er- hellt. Senkt oder hebt man es jedoch etwas, so erhält man oben 35] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 687 und unten längs der Wand des Glases einen hellen Lichtstreif, der dem Vertikalstreif der Sprungfiguren entspricht. Verschiebt man nun das Glas etwas seitlich, so rotieren diese beiden Streifen ganz in demselben Sinne wie der Lichtstreif der Sprungfiguren unter entsprechenden Verhältnissen. Von den beiden Lichtstreifen rührt der eine von der Reflexion der Lichtquelle an der konkaven Innenfläche, der andere von der an der konvexen Außenfläche des zylindrischen Becherglases her. Aus der Übereinstimmung der Ver- hältnisse ist daher auch zu schließen, daß das Gleiche für die Er- scheinungen an den Sprungflächen der Sprungfiguren gilt; daß also je nach der Stellung der Figur zu der Lichtquelle der eine Schenkel des Lichtstreifs von den konkaven Flächen der zirkulären Sprünge, der andere dagegen von den konvexen erzeugt wird. Verschiebt man das Becherglas aus der ursprünglichen Stellung vor der Lichtquelle etwas seitlich, so erhält man rechts und links an seinen Wänden die entsprechenden Lichtstreifen, die den Ho- rizontalstreif der Sprungfiguren repräsentieren. Bei der.Feinheit der Sprünge ist zu erwarten, daß sie unter Umständen auch Interferenzfarben zeigen. An den Sternfiguren ließ sich dies mehrfach beobachten, indem ihre Strahlen bei makro- skopischer Betrachtung in gewisser Stellung schön rot, in anderer dagegen blau erschienen. An den sphärischen Sprungfiguren lassen sich häufig im durchfallenden Licht verschiedene Farben der Sprünge gleichzeitig wahrnehmen. Bei Betrachtung der Sphären im durchfallenden, stark gelben Licht eines Glühlichts erscheint der helle reflektierte Lichtstreif stark gelb, dagegen die dunklen Partien mehr oder weniger deutlich blau. 2. Im polarisierten Licht. In den einleitenden Worten bemerkte ich, daß die Veranlassung zu der vorliegenden Untersuchung meine Vermutung bildete, daß die von Hinterberger entdeckten Sprungfiguren besondere optische Erscheinungen, insbesondere die von mir 1898 bei konzentrischen bis spiraligen Sprüngen in einer Eiweißschicht geschilderten Po- larisationserscheinungen zeigen müßten. Da diese frühere Beob- achtung wenig bekannt sein dürfte, weil das Werk, in dem sie mit- geteilt wurde, bis jetzt wenig Beachtung fand, so zitiere ich sie hier nochmals wörtlich, 688 O. Bütschli : [36 „Ein sehr vorzügliches Beispiel, wie durch Sprungbildungen ganz die Erscheinungen von Sphärokrystallen hervorgerufen wer- den können, beobachtete ich zufällig an eingetrocknetem Hühner- eiweiß. Eine filtrierte Lösung, die aus gewissen Gründen mit einer ca. 2°/, Stärkelösung versetzt war (doch ist dieser Zusatz ganz unnötig), trocknete in einer Glasschale langsam ein. Die feste Ei- weißschicht von ca. !/; cm Dicke, die sich auf dem Boden der Schale gebildet hatte, war in eine Menge kleiner unregelmäßig polygonaler Plättchen zersprungen. Jedes dieser Plättchen, deren Breite nur etwa ein bis einige Mrllimeter betrug, zeigte in sich ein dichtes System konzentrischer Sprünge, teils ganz vollständige Kreise, teils unvollständige; zuweilen schienen sie sogar etwas spiralartig. Das Zentrum dieser Sprünge lag häufig nahezu in der Mitte der Plättchen, häufig jedoch auch stark exzentrisch. Jedes der konzentrischen Sprungsysteme ergab nun zwischen gekreuzten Nicols ein sehr schönes schwarzes Kreuz, sobald nur die Sprünge hinreichend fein und dicht verliefen. Namentlich bei etwas hoher Einstellung, höher als die, bei welcher die Sprünge deutlich her- vortraten, zeigte sich das Kreuz in voller Schönheit. In gleicher Weise ergab denn auch die Untersuchung des Farbenbildes ganz die Erscheinungen eines negativen Sphärokrystalles mit rotem Kreuz und blauen und gelben Ringen; auch hier war die Erschei- nung wiederum bei hoher Einstellung ganz besonders deutlich, da in diesem Falle die Farbenringe der Sprünge zusammenfließen und eine gleichmäßige Färbung der vier Quadranten eintritt. Dabei trat bei diesen Sprungbildungen noch eine weitere Erscheinung auf, die wir später bei Besprechung gewisser Sphärokrystalle gleichfalls bemerken werden. Bei scharfer Einstellung auf die Sprünge zeigte sich nämlich, daß häufig die zwischen ihnen |lie- gende Masse die umgekehrte Farbe aufwies, also die Zonen zwi- schen benachbarten blauen Ringen gelb, die zwischen gelben blau waren, so daß also eigentlich in jedem Quadranten blaue und gelbe Ringe abwechselten. Daß dies wenig hervortritt und beim ersten Anblick die eine Farbe allein zu herrschen scheint, beruht nur darauf, daß sie bei weitem überwiegt.“ Rhumbler hat 1899 diese Eiweißsprünge etwas genauer stu- diert und bei seinen Sprungfiguren stets einen deutlich spiraligen Verlauf der Sprünge gefunden. Ihr optisches Verhalten hat er nicht untersucht. | 37] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 689 Meine Vermutung, daß die Hinterberger’schen Sprungfiguren dieselbe Erscheinung zwischen gekreuzten Nicols zeigen müßten, die ich seinerzeit an den konzentrischen Eiweißsprüngen entdeckte, hat sich bestätigt; dabei ergab sich Gelegenheit, die ganze Erscheinung ein wenig genauer zu studieren. Zwar dürften ge- rade die von Hinterberger geschilderten Sprungfiguren die Er- scheinung nicht oder nur sehr schwach gezeigt haben, denn die genauere Untersuchung meiner Platten ergab bald, daß alle Figuren, deren Sprünge die Harzschicht senkrecht durchsetzen, fast keine oder nur sehr geringe Doppelbrechung zeigen, also sowohl alle sternartigen Figuren als die konzentrischen Ringfiguren und die einfachen Schuppenfiguren mit senkrechten Sprüngen. Die konzentrischen Ring- und die einfachen Schuppenfiguren mit senk- rechten Sprüngen zeigen dennoch in der Regel eine sehr schwache Doppelbrechung und daher auch ein sehr schwach angedeutetes schwarzes Kreuz. Bei Einschaltung eines Gipsblättchens erster Ordnung erhält man jedoch keine bemerkbare Farbenwirkung. Bei Anwendung von sehr stark konvergentem Licht oder sehr schiefer Beleuch- tung trat die Andeutung des Kreuzes viel schärfer her- vor, was sich aus dem spä- ter über den Grund der Doppelbrechung Mitzutei- lenden erklärt. Sehr schön doppel- brechend sind dagegen alle undurchsichtigen Figuren mit schiefen Schuppen- sprüngen, und zwar um so stärker, je dichter und feiner die Schuppensprünge aus- Fig. 27. gebildet sind. Betrachtet Fig. 27. Diehtschuppige, gut doppelbrechende > a Paılisnn und geschichtete Sphäre zwischen gekreuzten man SE STARLUSE ISuf Nicols und sehr deutlichem schwarzem Kreuz. zwischen gekreuzten Nicols, Vergr. mäßig. so erhält man dasselbe Bild, welches ein Sphärokrystall darbietet (s. Fig. 27). Sind die betreffenden Sphären geschichtet, wie es früher beschrieben wurde, so bleibt die Schichtung auch zwischen 690 OÖ. Bütschli: [38 gekreuzten Nicols deutlich, indem die im gewöhnlichen Lichte breiteren dunklen Schichten jetzt hell, die schmäleren hellen, weniger sprungreichen dunkel erscheinen. Der optische Charakter ist stets negativ, wie sich aus der Farbenverteilung bei Einschal- tung des Gipsblättchens erster Ordnung ergibt. — Betrachtet man die Figuren von der Unterseite der Platten, so bleibt die Erschei- nung unverändert. Bei Untersuchung der Figuren im gewöhn- lichen durchfallenden Licht ließ sich bei Drehung des Analy- sators keine Veränderung der Lichtintensität beobachten. Die schon 1898, gelegentlich der Eiweißsprünge, von mir ge- hegte Vermutung, daß die Erscheinung auf totaler Reflexion des Lichtes an den Sprüngen beruhe, findet hier ihre weitere Bestä- tigung. Einmal spricht hierfür ja die Erfahrung, daß die von senk- rechten Sprüngen gebildeten Figuren die Erscheinung nicht oder nur sehr schwach zeigen, die schiefsprüngigen dagegen sehr gut; andererseits kann man auch leicht nachweisen, daß die Erschei- nung von der Lufthaltigkeit der Sprünge bedingt wird. Gibt man nämlich auf solche Figuren etwas Wasser, oder besser Glyzerin, welches die Luft aus den Sprüngen verdrängt, so verschwindet die Doppelbrechung der Sphären völlig und kehrt zurück, wenn durch Verdunsten des Wassers wieder Luft in die Sprünge eintritt. Die Bedeckung mit Glyzerin hat in diesem Falle den Vorteil, daß dabei ein Quellen der Gelatineschicht vermieden und damit die etwaige Meinung widerlegt wird, daß die Doppelbrechung auf Spannungsverhältnissen der eingetrockneten Gelatine beruhe, die durch das Quellen aufgehoben würden. Die Ansicht, daß die Doppelbrechung von besonderen Spannungsverhältnissen der Ge- latine- oder Harzschicht herrühre, liegt ja sehr nahe. Physiker wie Mineralogen, welche die Erscheinung an meinen Platten gelegent- lich sahen, waren meist sofort mit ihrem Urteil fertig, daß es sich um solche Spannungserscheinungen handeln müsse. — Wie gesagt, folgt jedoch aus dem Beobachteten bestimmt, daß diese Auf- fassung unhaltbar ist. Ebenso spricht gegen sie, daß nicht von Sprüngen durchzogene Platten oder Teile solcher gar nichts von der Erscheinung zeigen, die. wie gesagt, nur von schiefen Sprüngen hervorgerufen wird. — Am besten über- zeugt man sich jedoch von der Abhängigkeit. der Erscheinung von den schiefen Schuppensprüngen, wenn man einzelne recht große Sprünge, wie man sie namentlich am Rande der . 39) Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 691 Platten häufiger trifft, genauer untersucht. Dann bemerkt man leicht, daß ein lufthaltiger Sprung dieser Art doppelbrechend er- scheint. Wenn er senkrecht zu einer der Polarisationsebenen der Nicols verläuft, erscheint er dunkel (respekt. rot mit Gipsblättchen erster Ordn.);in denübrigen Richtungen dagegen ist er hellund zwar mit Steigerung der Farbe, wenn er senkrecht zu der Achse größter optischer Elastizität des Gipsblättchens liegt, und bei umgekehrter Lage mit Herabsetzung der Farbe. Der Sprung verhält sich also optisch negativ einachsig, d. h. seine optische Achse steht senk- recht auf der Sprungrichtung und ist eine Achse größter Elastizität. Die Neigungsrichtung des Sprunges in der Harzschicht selbst ist dabei gleichgültig; er verhält sich gleich, ob sie in dem einen oder dem anderen Sinne verläuft. Dies bedingt auch, daß die Farben- gebung der Sphären ganz die gleiche ist, wenn man sie von der einen oder der anderen Fläche betrachtet. — Da nun aber die Schuppensprünge, wenn sie sehr langgestreckt sind, stets etwas umgebogene Enden besitzen, worauf eben ihre Schuppengestalt beruht, oder aber, wenn sie kürzer sind, etwa halbmondförmig ge- bogen erscheinen, so folgt hieraus, daß sie sich nicht einheitlich verhalten können, da ja ihre Richtung sich allmählich ändert. Wenn daher ein solcher Sprung mit seinem mittleren Teil senk- recht zu einer der Polarisationsebenen der Nicols eingestellt ist, so biegen seine seitlichen Teile nach zwei verschiedenen Rich- tungen ab und werden daher hell erscheinen, während der mittlere Teil dunkel ist. Schaltet man das Gipsblättchen ein, so erscheinen diese seitlichen Sprungteile gelb und blau, je nach ihrer Richtung, der mittlere Teil zeigt dagegen das Rot erster Ordnung. Wird da- gegen der Sprung unter 45° zu den Polarisationsebenen geneigt eingestellt, so erscheint sein mittlerer Teil, je nach seiner Richtung, blau oder gelb, die seitlichen Teile dagegen, da sie nahezu senk- recht zu den Polarisationsebenen ziehen, rot. Auf diese Weise er- klärt es sich, daß bei Betrachtung einer solchen Schuppensphäre zwischen gekreuzten Nicols in den Polarisationsebenen ein dunkles Kreuz erscheinen muß, während die unter 45° zu den Polarisa- tionsebenen liegenden Partien der Sphäre am hellsten erscheinen; sowie daß bei Einschaltung des Gipsblättchens erster Ordnung ein rotes Kreuz mit blauen und gelben Quadranten, in der Verteilung negativer Sphärokrystalle, hervortritt. Hie und da findet man in der Harzschicht gewisser Platten 692 0. Bütschli: [40 gerade schief geneigte, lufterfüllte Sprünge, an denen man leicht feststellen kann, daß sie dasselbe optische Verhalten zeigen wie die Schuppensprünge, natürlich mit dem Unterschied, daß ihre Farbe stets einheitlich ist, da sie ja einheitliche Richtung besitzen. Man kann sich übrigens auch an feinen lufthaltigen Sprüngen in Glas überzeugen, daß sie ganz dasselbe optische Verhalten dar- bieten. Zu diesem Zweck fand ich es am geeignetsten, einen Ob- jektträger über der Flamme stark zu erhitzen und dann mit einem Glasstäbchen einen Wassertropfen auf ihn zu bringen. Letzterer bewirkt, daß die Glasplatte an dieser Stelle eine Menge Sprünge erhält, die in den verschiedensten Neigungen durch sie hinziehen, und zum Teil äußerst fein sind. Diese lufterfüllten Sprünge re- flektieren bei hinreichender Schiefe das durchfallende Licht eben- falls total in verschiedenem Grad. Erscheinen sie bei mikrosko- pischer Betrachtung ganz schwarz und undurchsichtig, so bleiben sie auch zwischen gekreuzten Nicols dunkel; wenn sie dagegen nur mäßig dunkel sind, so werden sie zwischen gekreuzten Nicols hell und geben bei Anwendung des Gipsblättchens die charakteri- stischen Farben. Daß es die Lufthaltigkeit der Sprünge ist, welche diese Erscheinung bedingt, läßt sich durch Füllung der Sprünge mit Wasser leicht nachweisen. In der Regel genügt es schon, auf die Glasplatte zu hauchen, um die feineren Sprünge zum Teil mit Wasser zu füllen; wobei sich deutlich ergibt, daß nur diejenigen, Teile der Sprünge, die nicht mit Wasser gefüllt sind, Farben zeigen, während die von Wasser erfüllten Partien gar nichts mehr von Farbe oder nur äußerst schwache Spuren erkennen lassen. Am schönsten ist der Zusammenhang der Polarisation mit der Lufter- füllung der Sprünge zu erkennen, wenn man das allmähliche Aus- trocknen der wassergefüllten Sprünge verfolgt und dabei wahrnimmt, wie der farbengebende lufthaltige Teil des Sprungs sich mit der Ver- dunstung des Wassers stetig wachsend vergrößert. — Sehr ge- wöhnlich zeigt das erhitzte Glas jedoch auch stellenweis Doppel- brechung, die nicht an Sprünge gebunden ist, sondern die Glas- masse gleichmäßig durchzieht und daher von der Benetzung nicht alteriert wird. Es ist dies Doppelbrechung, welche durch von der Erhitzung und der Abkühlung herrührenden Spannungen bewirkt wird. Eigentümlich ist immerhin die große Ähnlichkeit, welche diese doppelbrechenden Glaspartien in der Farbengebung 41] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 693 mit der sehr feiner Sprünge haben, so daß ein Zusammenhang zwischen den beiden Phänomenen nicht völlig ausgeschlossen er- scheint. -—- Wenn man die mit feinen Sprüngen versehene Glasplatte an einer drehbaren horizontalen Achse befestigt, so daß man die feinen Sprünge bei verschiedenen Neigungen gegen die Horizontal- ebene untersuchen kann, so läßt sich leicht nachweisen, daß die Doppelbrechung nur bei schiefem Verlauf des Sprunges wahr- nehmbar ist, daß sie erlischt, wenn die Sprungebene horizontal oder vertikal verläuft. Auch kann man so bemerken, daß die Farbengebung aufhört, wenn die Schiefe der Sprungebene so er- heblich ist, daß sie im durchfallenden Licht ganz dunkel erscheint. Es schien mir bei der Untersuchung der Glassprünge, daß die Steigerung der Farbe (respekt. ihre Herabminderung) um so er- heblicher ist, je weiter der Sprung ist. Doch ist dies unter den ge- sebenen Bedingungen insofern schwierig zu beurteilen, da die Schiefe der Sprungebene jedenfalls nicht ohne Einfluß ist und sich schwer genau feststellen läßt, weil die Sprungfläche häufig eine krumme ist. Einen eigentümlichen Einfluß hat die Weite der Sprünge auf die Farben. Bei weiteren Sprüngen haben die Farben nämlich stets einen eigentümlichen metallischen Glanz, wie er sich auch an den Sprungfisuren der Harzschichten findet. Die sehr engen Sprünge dagegen zeigen von diesem Metallslanz nichts, sondern geben Farben von der gewöhnlichen Nüancierung. Wenn man ein Glasplättchen (z. B. ein Deckglas) unter dem Mikroskop bei durchfallendem Lichte und verschiedener Neigung zwischen gekreuzten Nicols und mit Gipsblättchen erster Ordnung betrachtet, indem man es an eine drehbare horizontale Achse be- festist, so wird man auf den Flächen bei keiner Neigung eine wesentliche Veränderung der Farbe beobachten, obgleich doch das von unten einfallende Licht an der oberen schiefgestellten Fläche des Deckglases total reflektiert wird. — Beobachtet man dagegen die nach oben gerichtete Durchschnittsfläche des Deckgläschens, so erscheint sie bei senkrechter Stellung des Deckglases unver- ändert rot erster Ordnung; wird jedoch das Deckglas mäßig ge- neigt, so tritt sofort Farbenveränderung der Durchschnittsfläche auf und zwar in demselben Sinne, wie die Sprünge es zeigten. Diese Farbe ist zuerst schönes Blau oder Gelb und steigert sich bei zunehmender Neigung des Deckglases gegen die Vertikale. Auch die untere Durchschnittsfläche des Deckglases zeigt Farben, 694 0. Bütschli: [42 die jedoch hie und da gerade die umgekehrten der der oberen Durchschnittsfläche sind. Daß das aus der oberen Durchschnitts- fläche austretende Licht wesentlich dasjenige ist, welches durch die untere Durchschnittsfläche eingetreten ist, läßt sich dadurch erweisen, daß die Intensität der Erscheinung sehr herabgemindert wird, wenn man die untere Durchschnittsfläche mit Tusche un- durchsichtig macht. Überzieht man gleichzeitig die nach unten ge- richtete Fläche des Deckglases mit Tusche, so hört das Phänomen sanz auf; wogegen es, wenn nur die untere Fläche geschwärzt wird, nur relativ wenig an Intensität der Farbe verliert. Hieraus dürfte zu schließen sein, daß es wesentlich das Licht ist, das durch die untere Durchschnittsfläche des Deckglases eindringt und an seinen Flächen total reflektiert wird, welches die geschilderte Er- scheinung hervorruft; daß sich dazu aber noch einiges Licht ge- sellt, welches durch die untere Fläche in das Deckglas eindringt und an der oberen total reflektiert wird. — Man könnte nun denken, daß die Farbenwirkung der Sprünge auf einer ähnlichen Erschei- nung beruhe wie die eben geschilderte des Deckglases, d. h. daß die schiefen Harzplättchen in ähnlicher Weise wie das Deckglas an ihren Flächen das eingedrungene Licht total reflektierten. Dem wiederspricht jedoch, daß, wie angegeben, die ganzen Sprungflächen farbig erscheinen, daß also von ihnen Licht aus- sehen muß, welches die Erscheinung bewirkt und die Sprünge gleichzeitig im Mikroskop sichtbar werden läßt. — Dies scheint darauf hinzuweisen, daß die Doppelbrechung der Sprünge nicht etwa von dem Licht herrührt, welches an der Unterfläche der luft- erfüllten Sprünge total reflektiert wird, analog dem Verhalten des oben geschilderten Deckglases, sondern daß dasjenige Licht die Erscheinung hervorruft, welches schief an die obere Fläche der Sprünge gelangt und von dieser total zurückgeworfen wird, welches daher auch die Sprungfläche gleichzeitig sichtbar macht. Daß diese Ansicht richtig ist, scheint mir namentlich auch aus der Beobach- tung hervorzugehen, daß das Phänomen, welches die schuppigen Sphären zwischen gekreuzten Nicols zeigen, viel intensiver wird bei Anwendung stark schiefer Beleuchtung (mit Abbeschem Be- leuchtungsapparat). Bei schwacher Vergrößerung und stark schie- fem Licht kann man es erreichen, daß das ganze Gesichtsfeld dun- kel ist (ohne Nicols) und nur die Sprünge sehr stark leuchtend hervortreten. Jetzt tritt das Phänomen zwischen gekreuzten Nicols 43] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 695 am glänzendsten hervor. In diesem Falle dürfte es wohl keiner Frage unterliegen, daß es das schief auf die Oberseite der Sprünge fallende Licht ist, welches die Erscheinung bewirkt. Die Erscheinung dürfte daher wohl im wesentlichen identisch sein mit der sog. Oberflächenpolarisation von Luftbläschen, die in Wasser oder einem anderen stärker brechenden Medium zwi- schen gekreuzten Nicols betrachtet werden, und die sowohl ein deutliches Kreuz als auch negative Farbenverteilung zeigen (s. hier- über bei mir 1898 S. 36 u. S. 376—77). Sowohl bei den Luft- bläschen, als den sich ähnlich verhaltenden Wassertröpfchen in Schwefelkohlenstoff, wird es das am äquatorialen Rand und an der Oberseite total reflektierte Licht sein, welches die Erscheinung bedingt. Daletztere jedoch auch in entsprechender Weise an Queck- silbertröpfcehen und anderen stärker brechenden Tropfen auftritt, an denen gewöhnliche Reflektion stattfindet, so geht daraus her- vor, daß die Erscheinung sowohl bei gewöhnlicher wie bei totaler Reflektion auftritt. Eine besondere Eigentümlichkeit, die unter gewissen Bedingungen in letzterem Falle beobachtet wird, ist die, daß, wie ich es bei an der Unterseite des Deckglases hängenden Schwefeltröpfchen fand, die Farbenverteilung positiv ist. Besonders interessante Erscheinungen bieten zwischen ge- kreuzten Nicols, bei eingeschalteten Gipsplättchen, die oben S. 682 beschriebenen krystallartigen schuppigen Figuren dar. Es wurde geschildert, daß bei diesen Figuren die Schuppenzüge häufig auf weite Strecken parallel ziehen und daß diese Schuppenstreifungen bei Verwachsungen in scharfen Grenzlinien zusammenstoßen. Eine Folge hiervon ist, daß diese parallelstreifigen Felder in der gleichen Farbe erscheinen und je nach dem Verlauf ihrer Streifung blau, gelb oder rot. Die krystallblattartig zusammen- stoßenden Figuren erscheinen daher auch in verschiedenen, scharf gegeneinander abgegrenzten Farben, weshalb ihr Aussehen lebhaft an zusammengewachsene doppelbrechende Krystallblätter er- innert. Gewisse Erwägungen ließen mich untersuchen, ob die sphä- rischen Sprungfisuren, insbesondere die mit senkrechten Sprüngen, welche daher zwischen gekreuzten Nicols kein oder doch nur ein sehr schwaches dunkles Kreuz zeigen, eventuell im konvergierenden Licht ein Achsenkreuz geben. Leider führte diese Untersuchung zu keinem entscheidenden Ergebnis und zwar aus folgendem 66 O. Bütschli: [44 Grunde. Anfänglich schien es nämlich, daß die fraglichen Figuren ganz frappante Achsenkreuze zeigen. Die genauere Ermittelung ergab jedoch bald, daß es sich um eine Täuschung handle, indem das betreffende Kreuz samt Ringen gar nicht von der Sprungfigur herrührte, sondern auch schon ohne Einschaltung eines jeden Ob- jektes in dem Mikroskop auftrat. Nicht nur mein eigenes Mikroskop verhielt sich bei Anwendung stärkerer Objektive so, sondern auch ein besonders für krystallographisch-optische Untersuchungen ein- gerichtetes, das ich benutzen konnte. Unter diesen Bedingungen war es daher unmöslich, festzustellen, ob die fraglichen Sprung- figuren die Erscheinungen einachsiger doppelbrechender Krystalle bei Betrachtung längs der Hauptachse im konvergenten Licht zeigen. Denn da ihre Wirkung jedenfalls sehr schwach sein muß, wenn überhaupt eine vorhanden, so ist sie von der schon im Mi- kroskop gegebenen nicht zu unterscheiden. Obgleich die Erklärung der interessanten Erscheinungen, welche die Sphärenfiguren, vor allem die stark total reflektieren- den schief-schuppigen, zwischen gekreuzten Nicols zeigen, eine Aufgabe bildet, deren Lösung den Physikern von Fach überlassen werden muß, so kann ich diese Frage doch nicht gänzlich über- gehen. Wenigstens das Prinzip, welches die Erscheinung be- herrscht, scheint mir nicht allzu schwer zu ergründen zu sein, wenn auch die genauere Entwicklung dem Optiker zufallen muß. Durch die Untersuchungen von Fresnel u. A. ist bekannt, daß geradlinig polarisiertes Licht bei der totalen Reflexion in elliptisch polari- siertes verwandelt wird. Dies geschieht jedoch nicht, sondern der betreffende Lichtstrahl bleibt unverändert, wenn die Schwingungs- richtung des einfallenden Lichtstrahls in die Reflexionsebene fällt oder senkrecht zu ihr steht. Die Erscheinung läßt sich so auf- fassen, als wenn der unter einem gewissen Winkel zur Reflexions- ebene schwingende Strahl in zwei Strahlen zerlegt werde, von welchen der eine in der Reflexionsebene, der andere senkrecht zu ihr schwingt. Da diese beiden Strahlen gleichzeitig einen gewissen Phasenunterschied erleiden, so geht aus ihrem Zusammenwirken elliptisch polarisiertes Licht hervor. Elliptisch polarisiertes Licht jedoch wird bei keiner Stellung des Analysators (oberen Nicols) völlig ausgelöscht, sondern zeigt bei der Drehung des Analysators ein Maximum und ein Minimum der Intensität in zwei aufeinander senkrechten Richtungen, welche mit der langen und kurzen Achse der- elliptischen Schwingungsfigur des Lichts zusammenfallen. 45] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 697 Eine der in Frage stehenden Sprungfiguren dürfen wir uns nun vorstellen als ein System kreisförmiger, konzentrischer, etwas schief durch die Harzschicht ziehender und daher total reflek- tierender Sprünge. Auf untenstehender Figur 28 möge der Kreis einen solchen Sprung darstellen; ata! sei die Schwingungsrich- tung des vom polarisierenden Nicol (Polarisator) einfallenden Lichts, b!b: dagegen die Schwingungsrichtung des vom Analysator durchgelassenen Lichts. Dann ist ersichtlich, daß das auf die Punkte A und B des kreisförmigen Sprungs fallende Licht unver- ändert total reflektiert wird, da die Schwingungsrichtung des ein- fallenden Lichts hier senkrecht, beziehungsweise parallel der Re- flexionsebene ist. Dagegen wird von dem an diesen Punkten re- flektierten Licht nichts durch den Analysator gehen, da es senk- recht zu dessen Schwingungsrichtung schwingt. Betrachten wir dagegen den Punkt C des Sprunges, so ergibt sich, daß die Schwin- gunssrichtung des einfallenden Lichts hier einen Winkel von 45° mit der Reflexionsebene Oc bildet. Das hier einfallende Licht wird daher bei der Refle- xion in zwei Bündel von gleicher Intensität zerlegt werden, von denen der eine senkrecht, der andere da- gegen parallel zu der Re- flexionsebene schwingt. Diese beiden Bündel besitzen nach den Ermittelungen über die totale Reflexion eine Phasendifferenz; sie geben daher im allgememen el- liptisch polarisiertes Licht. Ähnliches geschieht auch an den zwischen C und A und B gelegenen Punkten, also beispielsweise E und D. Jedoch ist leicht ersichtlich, daß mit der Annäherung an A die Komponente, welche parallel zu der Reflexionsebene schwinst, immer kleiner wird, bei der Annäherung an B dagegen die senkrecht zur Reflexionsebene schwingende. Nehmen wir nun beispielsweise an, der Phasenunterschied der beiden Strahlen, in welche das total reflektierte Licht zerlegt Verhandl. d. Heidelb. Naturhist.-Med. Vereins. N. F. VII. Bd. 48 7A Fig. 28. 698 O. Bütschli: [46 wird, betrage gerade eine halbe Wellenlänge, so würde sich er- seben, daß in diesem Falle die beiden senkrecht zueinander po- larisierten Strahlen bei ihrem Zusammenwirken wieder geradlinig polarisiertes Licht bildeten, dessen Schwingungsebene jedoch mehr oder weniger stark gegen diejenige des durch den Polarisator einfallenden Lichts gedreht ist. Für das bei C reflektierte Licht betrüge die Drehung der Schwingungsebene unter der Voraus- setzung, daß die Intensitäten der beiden Komponenten gleich groß sind, gerade 90°, dieselbe hat jetzt die Richtung Ce“. Für jeden Punkt des Quadranten AB, der näher an A oder B liegt, ist da- sesen, wegen der Ungleichheit der Komponenten, in welche sich die Amplitude zerlegt, die Drehung der Schwingungsebene geringer oder größer als 90%. Für den Punkt D ist sie geringer (Dd“), für E da- gegen größer (Ee”). Wenn die Schwingungsebene um 90° gegen die des Polarisators gedreht ist, so geht das gesamte Licht durch den Analysator, da es in dessen Schwingungsebene schwingt. Es wird also in dem vorausgesetzten Fall das gesamte von C total reflek- tierte Licht durch den Analysator gehen. Je näher jedoch der re- flektierende Punkt an A und B liest, um so weniger wird die Polarisationsebene bei der Reflektion der Richtung b1b1, der Schwingungsebene des Analysators angenähert werden. Es wird daher auch von dem reflektierten Licht um so weniger durch den Analysator gehen, je näher wir A und B kommen, und von dem von diesen Punkten kommenden Licht schließlich gar nichts. — Wenn nun die Phasendifferenz der beiden bei der Reflektion auftretenden Strahlen zwischen Null und !/sA% oder !/g A und X liegt, so tritt elliptische, respekt. bei !/,A und gleicher Intensität der beiden Strahlen zirkulare Polarisation auf, und auch für diese Fälle ergibt sich schon leicht aus der Gestalt und der Lage der elliptischen Schwingungsfiguren zu der Schwingungsebene des Analysators, daß das von dem Punkt € reflektierte Licht in größter Menge durch den Analysator tritt und daß die Menge des durchgelassenen Lichts gegen die Punkte A und B bis zu Null abnehmen muß. Schaltet man ein Gipsblättchen ein, so muß dessen Interferenz- farbe natürlich durch das reflektierte elliptisch polarisierte Licht ebenso beeinflußt werden, wie ein Glimmerplättchen, das elliptisch polarisiertes Licht gibt, die Interferenzfarbe des Gips- blättchens beeinflußt. Da auch bei der Beugung des polarisierten Lichtes 47) Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 699 € ON, [»} oO D D Drehung der Polarisationsebene und insbesondere elliptische Polarisation auftritt, so ließe sich auch vermuten, daß die Erscheinungen der Sprungfiguren auf Beugung beruhen. Gegen den Zusammenhang mit Beugung scheint mir jedoch zu sprechen, daß, wie oben schon hervorgehoben, gerade die Figuren mit senk- rechten Sprüngen nichts oder sehr wenig von der Erscheinung zeigen, während diejenigen sie in voller Schönheit darbieten, bei welchen wegen der Schiefe der Sprünge nachweisbar totale Re- flexion stark hervortritt. — Daß bei den 01 senkrechten Sprüngen sebildeten Figuren das Kreuz in stark konvergentem oder schief einfallendem Licht deutlicher hervortritt, läßt sich verstehen, da in diesem Falle mehr total reflektiertes Licht von den senkrechten Sprünger in das Mikroskop gelangen muß. Ich habe schon oben darauf hingewiesen, daß, meiner Ansicht nach, die Erscheinungen der sog. Oberflächenpolarisation, wie sie zwischen gekreuzten Nicols an Tröpfchen, Kügelchen und Gas- bläschen verschiedenster Art auftreten, wobei, wie ich nachwies (1898 und 1900), ebenfalls das dunkle Kreuz häufig gut wahrzu- nehmen ist, in ähnlicher Weise auf Polarisation durch Reflexion beruhen. Bei Gasblasen und schwächer brechenden Tröpfchen in starkbrechendem Medium handelt es sich dabei wohl ebenfalls um elliptische Polarisation durch Totalreflexion. Die Erscheinungen an Quecksilbertröpfehen dürften gleichfalls auf elliptische Poları- sation rückführbar sein, da diese ja bei Reflexion an Metallen in ähnlicher Weise auftritt. Da aber auch bei der Reflexion an stark brechenden nichtmetallischen Substanzen elliptische Polarisa- tion vorkommt, so dürfte der Grund der Erscheinung wohl über- all der gleiche sein. 1898 (S. 147) habe ich schon angedeutet, daß ich es nicht für ausgeschlossen erachte, daß die Doppelbrechung fester Körper überhaupt auf besonderen Mikrostrukturen beruhe, wie ich sie auch bei Krystallen (1898 und 1900) nachzuweisen suchte : näm- lich auf äußerst kleinen, leeren (resp. gaserfüllten) Hohlräumchen, welche die krystallinische Substanz in bestimmter Anordnung durchsetzen. Die Beobachtung solcher Sprungsysteme, wie die oben geschilderten, und ihrer optischen Eigenschaften macht ja einen solchen Gedankengang noch verlockender. Denn denken wir uns solche Hohlräume nach außen abgeschlossen und für Flüssigkeiten unzugänglich, so würde sich die von ihnen durch- 48* 200 0. Bütschli: [48 setzte Substanz ganz wie eine doppelbrechend krystallinische ver- halten. Auch in dieser Hinsicht erscheinen mir daher die eigentüm- lichen Erscheinungen der Sprungfiguren nicht ohne Interesse. Ob sich jedoch eventuell auf diesen Grundlagen etwas tiefer in die Geheimnisse der krystallinischen Körper eindringen läßt, oder ob es sich nur um scheinbare Ähnlichkeiten ohne tiefere Überein- stimmung handelt, dies zu prüfen, muß ich den Fachmännern anheimgeben. Anhang. Es sei mir gestattet, an die Schilderung der seltsamen und zum Teil geometrisch höchst regelmäßigen Sprungfiguren einige in das philosophische Gebiet reichende Betrachtungen anzuknüpfen, wo- zu sie anregen, wie ich schon oben gelegentlich betonte. In Kant’s Kritik der Urteilskraft!(p. 243ff.) findet sich eine Erörterung darüber, unter welchen Bedingungen ein Ding „seinen Ursprung nicht im Mechanismus der Natur, son- dern in einer Ursache, deren Vermögen zu wirken durch Begriffe bestimmt wird‘, finde. Ich bemerke dazu gleich, daß uns nur eine Ursache, welche das Vermögen besitzt, durch Be- sriffe zu wirken, aus der Erfahrung bekannt ist; diese Ursache ist ein Mensch mit seinem psychischen Vermögen. Alle sonstigen der- artigen Ursachen, welche wir eventuell nach Analogie mit dem Menschen zur Erklärung gewisser Dinge oder Erscheinungen ein- führen, sind daher Hypothesen, deren Berechtigung hier nicht weiter erörtert werden soll. Kant sucht nun seine Ansicht weiter- hin durch folgendes Beispiel zu erläutern: „Wenn jemand in einem ihm unbewohnt scheinenden Lande eine geometrische Figur, allenfalls ein reguläres Sechseck, im Sande gezeichnet wahrnähme, so würde seine Reflexion, in- dem sie an einem Begriffe derselben (d. h. wohl der Figur!) arbeitete, der Einheit des Prinzips der Erzeugung desselben (wessen? des Begriffs?), wenngleich dunkel, vermittelst der Vernunft inne werden und so dieser gemäß den Sand, das ! Herausgeg. von J. H. v. Kirchmann (Philos. Biblioth. Bd. 9. Berlin 1869). 49] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 701 benachbarte Meer, die Winde, oder auch Tiere mit ihren Fußtritten, die er kennt, oder jede andere vernunftlose Ur- sache nicht als einen Grund der Möglichkeit einer solchen Gestalt beurteilen; weil ihm die Zufälligkeit mit einem sol- chen Besriff, der nur in der Vernunft möglich ist, zusammen- zutreffen, so unendlich groß scheinen würde, daß es ebenso- gut wäre, als ob es dazu gar kein Naturgesetz gebe, daß folglich auch keine Ursache in der bloß mechanisch wir- kenden Natur, sondern nur der Begriff von einem solchen Objekt (d. h. des Sechsecks), als Begriff, den nur die Ver- nunft geben und mit demselben den Gegenstand vergleichen kann, auch die Kausalität zu einer solchen Wirkung enthalten, folglich diese durchaus als Zweck, aber nicht Naturzweck, d. i. als Produkt der Kunst, angesehen werden könne (vesti- sium hominis video)“. Hierzu wäre zunächst etwa folgendes zu bemerken. Der langen Rede kurzer Sinn ist in dem lateintschen Schlußsatz ent- halten. Zur Erklärung des Sechsecks im Sande würde die reflek- tierende Urteilskraft die naheliesende Hypothese aufstellen, daß ein Mensch, in dessen geistigem Vermögen die Vorstellung (oder der Begriff) des Sechsecks enthalten ist, die Figur ausgeführt habe. Daß hierbei etwas aprioristisches die reflektierende Ur- teilskraft leite, wie Kant meint, ist nicht erforderlich. Denn schon die Art, wie Kant dies an anderem Ort darstellt, scheint mir un- zutreffend. Nach ihm wird „die Zusammenstimmung der Natur zu unserem Erkenntnisvermögen von der Urteilskraft, zum Be- hufe ihrer Reflexion über dieselbe (Natur) nach ihren empirischen Gesetzen (der Natur) a priori vorausgesetzt“. „A priori voraus- setzen“ scheint mir nun ein Widerspruch gegen den Begriff des Apriori, wie ihn Kant z. B. bei der Beurteilung von Raum und Zeit, sowie der Kategorien des Verstandes handhabt. Der Ver- stand, resp. das Anschauungsvermögen setzt doch Raum und Zeit nicht voraus, um seine Anschauungen zu ordnen. Voraus- setzen ist ein bewußter Akt, ein hypothetischer. Die Zusammen- stimmung der Natur zu unserem Erkenntnisvermögen, die Ord- nung in der Natur, bedarf, um erkannt zu werden, keiner aprio- ristischen Voraussetzung der Urteilskraft über ihr Vorhandensein ; denn ist sie vorhanden, so wird sich diese Ordnung auch in den Begriffen unseres Verstandes wiederfinden, wo nicht, nicht. 702 OÖ. Bütschli: 150 In obigem, etwas dunkel vorgetragenen Beispiel von dem Sechseck im Sande eines unbewohnt scheinenden (!) Landes, heißt es, daß „der Begriff des Sechsecks, als Begriff, den nur die Vernunft gebe und mit demselben den Gegenstand vergleichen kann, auch die Kausalıtät zu einer solchen Wirkung enthalte“. Hierzu wäre zu bemerken, daß nicht der Begriff des Sechsecks Causa desselben ist, auch nicht der Begriff des Sechsecks im Geiste jenes Menschen, welcher das Sechseck ausgeführt haben mag, sondern dieser Mensch ist die Causa des Sechsecks, und die psychische Ursache oder das Motiv seines Handelns ist auch nicht der Begriff des Sechsecks, sondern irgendeine uns unbe- kannte Absicht, die er mit dieser Handlung erreichen wollte. Der Begriff (resp. die bloße Vorstellung des Sechsecks) dagegen ist Grund oder Bedingung für das Zustandekommen der Wirkung. Möslicherweise könnte dieselbe zwar auch absichtslos, instinktiv oder reflektiv bei lebhafter Vorstellung des Sechsecks ein- getreten sein. Nebenbei möge hier bemerkt werden, daß der Begriff des Sechsecks nicht als „etwas, das nur Vernunft geben kann“, anzu- sehen ist, denn Vernunft ist, wie Kant p. 243 nicht unrichltig an- sibt, „das Vermögen, nach Zwecken zu handeln (ein Wille)“. Rich- tiger hieße es zwar: „nach Zwecken mit sachgemäßer Wahl der Mittel zu handeln“. Denn dies ist, was man im allgemeinen unter „vernünftig“ versteht; wobei dann noch weiterer Beurteilung unter- liegt, ob die angestrebten Zwecke, als solche, für höhere und all- gemeinere Zwecke des Handelnden sachgemäß, d. h. vernünftig, erscheinen. Wir sehen also, die Urteilskraft stellt die Hypothese auf, daß jenes Sechseck im Sande von einem Menschen ausgeführt sei. Ob diese Hypothese wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher ist, hängt ganz von den weiteren Umständen ab. Würde ich einem mit der Sachlage Unbekannten eine der oben erörterten Platten (s. p. 664) mit jenen sehr regelmäßigen, aus Radiärsprüngen her- vorgegangenen geometrischen Figuren: Dreiecken, Quadraten, Penta- und Hexagonen vorlegen, so würde er auch zunächst auf die hypothetische Erklärung verfallen, daß die Figuren von einem Menschen ausgeführt worden wären. Die Hypothese über die menschliche Herkunft des Sechsecks im Sande wird um so un- wahrscheinlicher, je geringer die Wahrscheinlichkeit wird, daß 51] Eigentümliche Sprungsysteme von großer geometrischer Regelmäßigkeit. 703 Menschen je den fraglichen Strand betraten; und wenn wir sicher darüber wären, daß dies nie und zu keiner Zeit der Fall war, so müßten wir nach Kant die Hypothese einer nichtmenschlichen Vernunft zu Hülfe nehmen, oder die teleologische Auffassung, dab das Sechseck „als Naturzweck von sich selbst (obgleich in zwei- fachem Sinne) Ursache und Wirkung sei“ (Kant, p. 244). Nun in diesem Falle würden sich doch wohl wenige entschließen, diese Möglichkeit anzunehmen, und es vorziehen, dies Sechseck als ein Zufallsspiel mechanisch wirkender Naturvorgänge zu betrach- ten; auch wenn uns das Nähere über seine Entstehung stets dun- kel bliebe. Kant machte geradezu die „Zufälligkeit der Form“ sewisser Naturprodukte zu einem Kriterium für ihre teleologische Beurteilung, während ihm im Gegensatz dazu die Zufälliskeit, mit einem Begriff zusammenzutreffen, der nur in der Vernunft mög- lich ist, für die teleologische Beurteilung des Sechsecks maß- gebend ist. — Vorstehende Untersuchungen haben erwiesen, daß seometrisch regelmäßige Figuren auch ‚in der bloß mechanisch wirkenden Natur“ durchaus möglich sind, was ja die Krystalle schon längst deutlich zeigten, auch wenn ihre Rückführung auf mechanisch verständliche Vorgänge vorerst fehlt. Warum diese nicht auch teleologischer Betrachtung unterworfen werden, ist eigentlich nicht verständlich, indem das Einsehen ihrer Notwendig- keit doch in den’einzelnen Fällen für sie geradeso unmöglich ist wie bei den Organismen. — Fernerhin aber finden sich in den Formen der Natur die seltsamsten Zufälligkeiten, Nachahmungen von Men- schen- und Tiergestalten durch Felsen und Berge, häufig von frap- panter Übereinstimmung und sonstige Lusus naturae, auf die selbst der kühnste Teleologe die teleologische Betrachtung nicht anwenden wird. Literatur.‘ 1900. Bütschli, O0. Untersuchungen über Strukturen. Mit Atlas. 1898. Bütschli, O0. Untersuchungen über Mikrostrukturen des erstarrten Schwefels etc. 4 Tafeln. 1900. Hinterberger, H., Über das Verhalten von Lacküberzügen auf quel- lender Gelatine. „Camera obscura“. Heft 18. Dezb. 1900. 1899. Rhumbler, L., Über eigentümliche spirale Sprungfiguren in Hühner- eiweiß, welches auf einer festen Unterlage eintrocknet. Physikalische Zeitschrift. 1. Jahrg. l FM, £ ze VE Ko m 'Tz Hir>yr rk Y e Re in: ma een ge he P u - vo Visite t re, TR on ihre AT Kir da \ Ba) . a Bu: v “ | E07 BE Br: Er BEIDE En 4 All . : ve MDR .e ; . B m 4 = TB Zn 8 ade ı ern & In“ Ar, en g ‚ nn nee sıiar exe se Kara > EU DEze uses) WAY. ai ae a Nee ai Jet er re a cu Ze ar Be: unit ver ee Bir2 sry ee: BET ern E. TOR j nen, vll ur ve} IE E77) 575 kin Pi De bu * 77 Eee. r see re a a a al er rk ra Ber: Er SE! II. Band, 1. Heft. Engler, Adolf, Bemerkungen über Schonung und ver- ständige Ausnützung der einzelnen Vegetationsformationen Deutsch- Ostafrikas. — Brauer, A., Der Stand der Viehseuchen im Plantagen- gebiete Ost-Usambaras,. — Zimmermann, A, Untersuehungen über tropische Pflanzenkrankheiten.; Erste Mitteilung. Mit Tafel I-IV. 2M. — 2. Heft. Auszüge aus den Berichten der Bezirksämter, Militärstationen und anderer Dienststellen über die wirtschaftliche Entwicklung im Be- richtsjahre vom 1. April 1902 bis 31. März 1903. 1. M. 60 Pf. In Vorbereitung: ri — . 3. Heft. Linduer, Fritz, Uber den Tabakbau im Gebiet der Mataka- leute (Bezirk Lindi). — Gruber, Kurt, Über einige auf den Kautschuk- pflanzungen Barikiwa-Liwale bei dem Anbau von Manihot Glaziovü 'ge- machten Erfahrungen. — Tornau, F., Die geologischen und hydro- graphischen Verhältnisse an der Karawanenstraße Kilwa-Songea. ....r_—_.esesesestrSersesesSsesesSesesesaeseseseseseasuıe D D b "s(No fe) \ „5 F 5 2 as Verbrechen und feine Bekämpfung. Kreiminalpfp&olsgie für Mediziner, Yuriften und Soziolsgen; zuglei ein Beitrag zur Reform der Strafgefeggebung von Profeffor Dr. ®. Alkbaffenburg, Teitendem Arzte an der Beobachtundsabteilung für geiftesfranfe Derbrecher in Halle a.S. gr. 8°, geheftet 6 M., fein Seinwandband 7 M. — Ein Werk von allgemeiniter Bedeutung. Alhaffenburg tft der erfte dentfche Schriftiteller, der den Fühnen Wurf »ae- wagt hat. Er aibt uns das Syitem einer auf wilfenfchaftlicher Grundlage rubenden Kriminalpolitif. Da ich felbit feit über einem Jahrzehnt in meinen. öffentlichen Dorlefungen, früher in Halle, jet in Berlin, diejfelbe Aufgabe mir aeftellt habe, ohne ‚zu einer mich befriedigenden Söfung zu gelangen, fo glaube ich zu einem Urteil über das Buch berechtigt zu fein. Jch Fann es in wenigen Worten zufamment- faffen: wir haben es mit einer: bahnbredhenden Keiftung zu tun, Das heift: der Derfafjfer hat uns den Weg zum Ziel gewiejen; das Hiel felbjt hat er noch nicht erreicht. . .. . Er hat, im deutfcher Sprache als der erfte, ein Gebiet. der jtreng wiffenfchaftlihen Bearbeitung gewonnen, das bis dahin der Tummelplat- dilettan- tifcher Derfuche gewejen tft. Er hat den Grundrif entworfen, nach dem der Baıt der neuen Mifjenfchaft aufgeführt werden Fann; und er. hat, an der Hand diefes -Grundriffes, dem Rohbau aufgeführt. Es wird fernen Nachfolgern nicht Schwer fallen, neues Baumaterial herbeizufchaffen, im einzelnen auszugeftalten, was er nur angedeutet hat, und den Rohbau nach innen wie außen der Dollendung ent- gegenzuführen. Sem Buch tft die wertvollite von allen Vorarbeiten für das Fiinftige dentfche Strafaejegbuch. Diejes Derdienft wollen wir jet dem Mlediziner neidlos zuerfennen. ($. von Kiszt im-der Deutjchen Kiteraturzeitung.) . Alhaffenburg, der lange Zeit hindurch über den Gegenftand feines Buches Dorlefungen an der Univerfität in Heidelberg gehalten hat, beherrfcht die juriftiichen Anfchanungen in einem bei einem Mediziner feltenen Maße. Sudem bat er das ftatiftifche Material mit großer Grümdlichkeit und forafamer UÜberficht benutt — fein Buch Fann geradezur als muftergültig bezeichnet und allen, die fich für Friminal- politifche Fragen intereffteren, nicht dringend genug empfohlen werden. ... . Mlehr als diefe trodene Inbaltsüberficht geftattet der hier zur Derfügung jtehende Raum nicht. Sie wird auch genügen, um ein Bild von dem Neichtum des Jnhalts der Alchaffenburgichen Arbeit zu geben. Fülle des Stoffes in Furzer, alles Überflüffige ‚vermeidender Darftelluna, Sacfenntnis und Dorficht des Urteils zeichnen fie ans. An Widerfpruch. wird es in manchen Punften nicht fehlen, aber aucy der Gegner wird von dem Buche nicht fcheiden, ohne reiche Anregung und Belehrung empfangen zu haben. Wer mit den Grundanfhanungen übereinftimmt, wird dem Derfaffer erft recht für das Dargebotene dankbar je Br (R. von Kilienthal in der Zeitichrift für die gefamte Strafwifjenichaft.) ZARLLLRLAAADLANAPANANANNR Inhalt. Salomon, Wilhelm, und Nowomejsky, M., Die Lagerungsform des Am- phibolperidotites und Diorites von Schriesheim im Odenwald ... . Bütschli, O., Beobachtungen über eigentümliche Sprungsysteme von großer \ geometrischer Regelmäßigkeit . . . » „.... va. „um Ver&insnachzichten 2 WE N ee er Ele N ee Verzeichnis der vom 11. April 1902 bis 1. April 1904 eingegangenen 4 | Druckschriften-. . ve.2 NSS Dre re Mitgliederverzeichnis. Stand vom 10. April 1904... .. Die @esamtsitzungen des Naturhistorisch - Medizinischen Vereins finder mit Ausnahme der Ferienmonate, regelmäßig am ersten Freitag jedes "Monat x - ‚statt und werden den Mitgliedern jeweils besonders angezeigt. a E08 fassern 100 Sonderabzüge unentgeltlich geliefert. nnuskripiigahan a - bittet man an den Schriftführer Prof. A. Schuberg, Werderstraße Oi zu Fichten. n 1 SE 2, N £ . er VI Alcat ©. FsWINTER’ SCHE BUCHDRUCKEREL m" Di vr 77, idelberg. verbier He v il Wilh. Ha I Dog. ineide buchhandlung iversitäts rs Ui , CarlWinle E I ’ k | | i vet n CarlWinfers Un! ze e , BE m a RER > =, ug ” u ri hu 1-8 H6lickn d Natur gez.u hih. CarlWinter's Universilätsbuchhandlunginkleidelberg, Uth. vll Hawerbier Heidelberg. ä r ei. ee re . zadlungen des Naturhistor- Med Vereins Heitelterg NEW erbier Heidelberg, Haw Ih, wl Lth..\ thandlunginkteidelberg. CarlWinlers Universitätsbucl Hölüiekn d Nalur os; a ann een Ehe tn nn |. — ——n _ Zu ui ‘ = u“ De. En > ı = Ge ul MT On A nn UT U ZU u Ze N MN / LNINNUNIUIUNNINVD Carl Winter's Un Verhandlungen des Vaturhistor.-.Med. Vereins Heidelberg NEVIL.B. Terkandlungen. des Naturkistor- Med. Vereins Heidelberg, NE VIEB. i Taf EI Carl Winter's Univer 1b 2: 1€ 1a 1e ‚des Naturhistor.-Med. Vereins Heidelberg. N. F. VII. Bd. 4 Rt > i On, j 2 Be ger Aylayl. Nruunten Pat, |erpranion 1: Valsalena nach hp, : IRammtio. Amy mt nl. 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Tafel XV. \ % N \ \ N “ ı \ \ h H \ ' \ \ 2 a „ N ! \ Hl % L s Schrivshuimit N h amstehınd ie \ ! \ er R N N i ehuiaphuumut \ 5 s [t: ran x i Ä " \ fü h - 1 AR; ra h H ı work amstehend ' \ \ X j » 6 \ 1 ' Br N G i ! | ı \ ‘ * ir L} [ | Diarit im Alsexın \ f \ ! N \ | \ b In ı H i ‘ { ' \ h ' ı \ \ i \ \ h ' n ‘ j 1 ‘ f 4 N | \ \ \ x x Sen SS. Sa Maasstab 1:5000 o no 106 150 200 150 300 Yoo soo I= + = + SE = Carl Winters Universitätsbuchhandlung in Heidelberg. Verhandlungen des Naturhist.-Med.-Vereins Heidelberg. N.F. VII. Bd. Tafel XVI. S[% »] Schüssheimit „Maasstab 1:25000 ee { ewachs Boden Ashöngersehrit Aumitit Dierk Schnieshumit Zersetzteı Yan , ori h o Aplit- Gänge Quaniit-Gamge e Ba r x = 2 Carl Winters Universitätsbuchhandlung in Heidelberg. ir # u N i er P 27 - a u a rn A 1 A ne a #'=- wu Den A 7 UNDDIEIT 3 2044 106 304 637